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Full text of "Neue Jahrbücher für Philologie und Paedogogik"

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Neue  ', 


JAHRBOGHBR 


rar 


Philologie  und  Paedagogili. 


Begründet 

von 

Mi  Jibami  Ghristiaii  Jahn. 


Gegenwärtig  herausgegeben 


von 


Retobold  Klotz  Radolph  Dietseh 

Professor  in  Leipzig  Professor  in  Grimma 

and 

Alfred  Fleekeisen 

Professor  In  Frankfurt  am  Main. 


Siebenzigster    Band. 


L«9ugl854 

Druck  und  Verlag  yon  B.   6.  Tenbner.  # 


Kritische  Benrtheilnngen. 


EunpidU  Troades.    Edidit  Dr.  A.  Eirehhoff.    ProsUtBerolini  apud 
W.  Hertz.    1852.    84  S.  gr.  8. 

Von  den  in  der  Vorrede  zur  Medea  besprochenen  Hss.  enthalteo 
folgende  die  Troades:  Vaticanus  909  (nebst  dessen  Abschrift  Palat. 
98)  9  Havniensis,  Florentinus  A  und  Palalinus  287.  Für  die  letzte  Hs. 
hat  K.  durch  Brunn  eine  Collation  bekommen,  aus  der  sich  ergibt, 
dafs  die  Aldina  aas  diesem  Falatinus  geflofsen  ist.  Dazu  kommt  Har- 
leianus  6743  (enth.  Soph.  Trach.  und  Fhil.,  von  euripideischen  Stücken 
einen  Theil  der  Alkestis,  den  Rhesos  und  die  Troades),  für  die  Troa- 
des früher  von  Burges,  jetzt  aufs  neue  von  R.  Pauli  verglichen.  In 
den  Troades  besteht  der  Harl.  aus  zwei  Theilen:  die  erste  Hälfte  bis 
Vs.  605  stimmt  mit  Pal.  287,  der  Rest  mit  dem  Havn.  fast  durchgängig 
zusammen,  lieber  eine  neapolitanische  Hs.  des  14n  Jh.,  die  aufser  den 
drei  ersten  Stücken  die  Troades  enthält,  hat  Cobet  in  Geels  Ausgabe 
der  Phoenissen  berichtet;  K.s  Bemühung  eine  Collation  dieser  Hs.  zu 
erlangen  ist  erfolglos  geblieben ;  da  indes  der  NeapoL  nach  Cobets 
Mittheilungen  dem  Vat.  909  ganz  ähnlich  ist,  so  wird  niemand  diesen 
Verlast  beklagen.  —  Schollen  zu  den  Troades  enthält  der  Vat.  909, 
aus  dem  sie  Amati  zuerst  bekannt  gemacht  hat  (wiederholt  bei  L. 
Dindorf ,  Leipzig  1825  und  im  lOn  Band  der  Natthiaeschen  Ausgabe), 
und  der  erwähnte  Neapolitanus. 

Aufser  diesen  Hilfsmitteln  hat  K.  theils  den  Christus  patiens, 
theilsCitatebei  verschiedenen  Schriftstellern  mit  dankenswerther  Sorg- 
falt benutzt.  Besonders  verdient  es  Anerkennung,  dafs  er  das  Lexikon 
des  Hesychius  für  die  Kritik  der  Troades  mit  sehr  erheblichem  Gewinn 
verwendet  hat.  Unter  allen  euripideischen  Stücken  ist  keins  bei  He- 
sychius so  stark  vertreten  als  die  Troades.  K.  hat  folgende  Entleh- 
nungen in  seiner  Ausgabe  angeführt:  i'^sUaaovöi  Vs.  '6.  TCQVfivrfifv 
ov^Qv  20.  aT^av&a  117.  oia^  TuJiaöuv  121.  6i*  aka  7toQg>VQOiid^  124. 
naiavi,  axvyv^  126.  %cLkiuyxitov  143.  %vq>£tai  145.  vav<s%hoaov(Siv  161. 
XaAxiofiijaTO)^  268.  f£^  392.  ilQ)To[t;]  xEQ^^t^g  435.  ^colai  491.  xqv- 
%fiqcL  492.  imxiqdetov  510.  avadaßoccg  o  kedg  518.  Alßvg  t£  lanog  540. 
tttvi6(Uvog  804.  ^aßgct  ßalvcov  814).  aatigtav  xi&Qinnog  844.  övaxo- 
naaxog  874.  aytavla  992.  ai^iqu  1067.  avviqovog  1071.  aia%qa  1160. 
SuqicCQvxag  1241.     Dazu  lafsen   sich  noch  folgende  Glossen  hinzu- 

1* 


4  A.  Kii'cliliofT:  Euripidis  Troades. 

lugen :  Evßolag  fivpi/  84.  niavH  arvyv(p  126.  TtccXkog  ?^£v^£v  260. 
nvxa^e  349.  XaQvßöig  cofioßgozog  432.  kixog  atvysQov  593.  i;  iitak^Bcoi' 
946,  von  denen  einige  {Evßolag  ^vjjiv  und  Ai^o^  tfrvye^o»')  der  Hg. 
selbst  mir  mitgelheilt  hat. 

Bei  der  Bearbeitung  der  Troades  ist  K.  zunächst,  wie  billig, 
darauf  ausgegangen  die  Ueberlieferung  der  besten  Hss.  herzustellen, 
und  man  darf  wohl  sagen ,  dafs  dadurch  der  Text  des  Stücks  unend- 
lich gewonnen  hat.  Seil  mehr  als  dreifsig  Jahren  hatten  die  Troades 
keinen  speciellen  Bearbeiter  gefanden;  so  war  der  Ertrag,  den  die 
CoUationen  der  bePsern  Hss.  lieferten,  in  der  Hauptsache  ungenutzt 
geblieben,  und  es  liefsen  sich  nicht  wenige  Stellen  anführen,  wo  die 
interpolierte  Vnigata  nicht  sowohl  absichtlich  als  vielmehr  aus  reiner 
Gedankenlosigkeit  und  Bequemlichkeit  aus  einer  Ausgabe  in  die  andere 
weiter  geschleppt  worden  ist.  Nachdem  ein  sicherer  Boden  für  die 
Kritik  gewonnen  war,  hat  der  Hg.  die  Emendation  begonnen  tmd  sich 
durch  mehrere  ganz  evidente  Verbefserungen  (wie  ngonokog  205.  %€el- 
HeofiTjOTOgog  268.  klvoio  538.  ijkv&ov  965)  um  die  Gestaltung  des  Tex- 
tes verdient  gemacht.  Während  in  der  Medea  nur  die  Ueberlieferung 
hergestellt  werden  sollte,  sind  hier  unzweifelhaft  scheinende  Emen- 
dationen  in  den  Text  aufgenommen  worden,  wobei  die  handschrift- 
liche Lesart  unter  dem  Text  angemerkt  wird.  Sobald  eine  evidente 
Verbefsernng  fehlte,  ist  die  am  besten  verbürgte  Lesart  beibehalten, 
auch  für  den  Fall  dafs  sie  offenbar  fehlerhaft,  vielleicht  ganz  unver- 
ständlich war.  Dies  Princip  der  Kritik  ist  gewis  dnrchaus  berechtigt 
und  für  streng  wifsenschaftliche  Arbeiten  sogar  mit  Nothwendigkeit 
zu  fordern ;  wogegen  freilich  die  dem  Crebrauch  der  Schule  oder  ähn- 
lichen Zwecken  dienenden  Texte  als  Hanptgesichtspnnkt  die  Lesbar- 
keit festzuhalten  haben  und  bemüht  sein  müfsen  die  kritischen  Dornen 
bei  Seite  zu  schalfen.  Bei  der  praktischen  Durchführung  dieses  Prin- 
cips  kann  es  freilich  nicht  fehlen,  dafs  zuweilen  dem  einen  dies,  dem 
andern  jenes  überzeugend  scheint,  dafs  der  erste  gut  heifst  was  der 
zweite  verwirft  und  umgekehrt.  So  möchte  auch  über  einzelne  von 
K.  aufgenommene  Emendationen  sich  streiten  iafsen  (worüber  unten 
zu  136.  158.  314  ff.  345.  599.  608.  619.  1256),  ohne  dafs  dadurch  die 
seiner  ganzen  Arbeit  gebührende  Anerkennung  geschmälert  würde. 

Gewis  würde  es  vielen  erwünscht  gewesen  sein,  über  das  Ver- 
hältnis ,  in  welchem  die  beiden  Classen  unserer  Hss.  in  den  Troades 
zueinander  stehn,  Belehrung  zu  erhalten.  K.  ist  auf  diesen  Punkt 
nicht  eingegangen,  vermuthlich  weil  er  in  der  Vorrede  zur  Medea  sich 
hinlänglich  darüber  ausgesprochen  zu  haben  meinte.  Doch  scheint  es 
bedenklich,  für  die  verschiedenen  Stücke  ohne  weiteres  denselben 
Mfffsstab  vorauszusetzen,  und  wenn  ich  nicht  irre,  sind  gerade  die 
Troades  dasjenige  Stfiek,  wo  codex  II  (repraesentiert  durch  Pal.  287 
und  theilweise  durch  Harl.  5743)  am  häufigsten  vor  codex  I  den  Vor- 
zug verdient.  Man  vergleiche  folgende  Stellen,  wo  K.  selbst  nicht 
umhin  konnte  dem  Pal.  287  zn  folgen: 

70:  old\  fiviK   Aiccg  elXxt  {elke  codex  I)  KaöavdQcev  ßla. 


A.  KirchhofT;  Enripidis  Troades.  5 

82:  av  d'  av  zo  aov  ntt^<s%eg  (nccqcKSxz  I)  Alymov  noQOv. 

140:  öovla  d'  ayofiai  (dovÄ'  äyofiai  I)  ygavg  i^  (hWov. 

150 :  Ttoöog  (naMg  I)  a^xexoQov  nXotyaig  0^yUxig, 

175:  raad'  ^Ayafiifivovog  htaxovaouha  (inaxovcofiivav  I). 

338:  fjörj  %8KitJQ<oa^\  d  (eig  I)  toJ'  iJv  vfiiv  <p6ßog, 

240:  d>OiCfJog  rfTrcrg  ij  (^  xofl  I)  Kaöfislag  x^ovog; 

294 :  (Off  igayfcr^at  T^d£  ftiiAot7(Tori  (/a AitoviTt  I)  x^f^vog* 

307:  x«T"I^^og  a  yufiovfiiva  {ceyovfiiva  oder  iyofiivcc  I). 

315:  c5  '3>ivat£,  <yo/  (au  l). 

324:  &ye  av  {aoL  I),  OoißB  vvv, 

347 :  da(piQ£Te  nsvxag  ödx^a  (dctKQval  I)  t'  avroAAaaacTf. 

417:  <yv  d'  ijvlK   &v  {av  d"*  tjv  xal  l)  as  Aa^iov  X9V^V  ^<>>tö?- 

440 :  ^Oövaaifog  i^axortl^to  (^|avr/^a>  I)  nivovg ; 

460 :  ovx  crvTAAi/t^ftfÖ''  (avTiktj^et^  I) ; 

492 :  T^v^t^^v  Bifiivrj  {elfAivrjv  I)  x^^^'- 

603:  außdSa  Tcgog  ^^orjciatTTfr^  (^afte^T^  oder  ;|^/üe^^  1). 

563:  iivaasig  rrjvö^  (rijv  1)  Avö^ofiaxtiv- 

674:  T^  ««tav    («ativ  I)  iftov  arfW^f«^; 

696:  /VI);»  g>iQ6iv  xkaxai,  (thauxui,  1). 

605 :  ivöqog  og  Ttor'  (oÄTWr'  I)  ^A^eüav  öoqI  nk.  d. 

636 :  nslvrj  d'  oinoUng  äaneg  (ixelvri  <y'  ofiolayg  ü}g  I)  ovx  idoiksa  (ptag, 

682:  y^a9>^  (y^ag>»yv  I)  d'  iSovaa  Kai  %kv(wa^  iidaxa^m, 

707 :  W9  ^toi  g>QOifilci}v  SqxjH  (^QX^  0  xäxöv. 

713:  inrjvea^  aida,  Tckriv  iicv  kiyrjg  Kala  (KOKci  1). 

746 :  vsoaaog  mael  (ag  I)  Jtrigvyag  danirvciv  i(iag  *). 

785 :  CO  nai  natöog  fioysgov  ((AOvoyBvov  I). 

801 :  avvagtaxEvoyv  «ft'  (äti   fehlt  in  I)  AkKfirivag  yoi^m, 

805:  I^tftosvxi  d'  «jt'  evgelxa  (evQtixao  I)  «Acfrav. 

806:  vavdrr'  «i/if^aro  ngvfivav  (ngviivav  I). 

813:  (idxav  ((idxriv  I)  a^\  et)  %^aiai^. 

842 :  xiKvonoiov  ^x^ovaa  xäaös  (xdde  1)  yag  noaiv  iv  ^ak. 
1124:  ivxl  KiÖQOv  nsQißokmv  x£  katvoiv  (t'  ikatvcav  I). 
1218:  td  d'  iv  vcx^tat  ^^^rrm  (g>QovxiaH  1)  TtaxifQ  aid'ev, 
J267:  iv^ovaiag^  övaxrive^  xoig  aavxtjg  (avxoig  I)  xaxor^. 
Daza  kommt  dafs  zwei  Verse  (778  und  1204)  in  codex  I  ganz  fehlen 
und  dafs  958  die  Lesart  des  Pal.  xalg  ^eaiai  fcgaxa  avfifiaxog  yivfj- 
aofiai  (wo  codex  I  den  Artikel  xatg  auslöfst)  durch  Aristoteles  Rhet. 
111,17  i>.  1418  b  *il  bestätigt  wird.   Nimmt  man  alles  dies  zusammen, 
so  wird  man  auch  an  einigen  andern  Stellen  weniger  bedenklich  sein 
dem  Pal.  zu  folgen.    Es  wird  also  zu  schreiben  sein:  axiq>avog  ovk 
aiaxgog  nokei  Kaktag  okia^ai^  fi!]Kak(og  de  övaKkeig  (statt  övaKkei^g) 
398.  elöav  vtv  crtJur/  (statt  at;ii7v)  621.  Kxeuovai  aov  (statt  toi^)  7taid\ 
dtg  7tv&i[i  KaKOV  (liya  714.    oiniQ  ydg  avxijv  £|£|[i0%^i/acfv  (statt 
der    sonst   nirgends   vorkommenden   Form   i^ifiox^^vaav)  öoqI  862. 


1)  Ohne  Zweifel  hat   auch    Vat.   909  (og,  wenngleich   bei    Dindorf 
dies  nicht  angemerkt  wird. 


6  A.  Kirchhoff:  Euripidis  Troades. 

7t  ov  (stall  noi)  örpi^  iXiiq>&fjg  rj  ßQOXpvg  a^tcofiivti  1001.  I%£t  yceg 
ola  d«t  (stall  6^)  ye  vBQUQmv  otiqnj  1230.  Von  452.  438  und  924 
wird  später  geredet  werden.  Sehr  scheinbar  ist  auch  die  Lesart  des 
codex  11  in  Vs.  75:  övavoöxov^)  avxocg  voöxov  i(ißaXetv  ^iXco^  wo 
die  erste  Classe  der  Hss.  das  gewöhnlichere  övöxrivov  gibt.  Ohne 
bestimmte  Zeugnisse  wird  sich  hier  eine  sichere  Entscheidung  nicht 
treffen  lafsen;  darum  scheint  es  allerdings  gerathener,  hier  wie  429 
in  den  Worten  öixoc  yccQ  iaitki^oag  (codex  II  avtkrjöag)  ixrj  sich  vor- 
läufig an  die  Autorität  der  Hss.  zu  binden.  Denn  trots  der  von  uns 
geltend  gemachten  Beschränkung  behält  codex  1  seine  erste  Stelle  und 
mit  dieser  die  Ansprüche  gröfserer  Zuverläfsigkeil. 

Die  sonstigen  Bemerkungen,  eu  denen  die  vorliegende  Ausgabe 
mich  veranlafst,  werde  ich  nach  der  Reihenfolge  der  Verse  geben, 
wobei  ich  wie  bisher  der  K. sehen  Zählung  folge. 

23  f. :    iyoi  äi,  viKcSfiai  yccQ  A^yslccg  d'eov 

"HQag  X  ^A&ivag  -0"',  «1?  iSwsl^BiXov  0qvyag, 
Das  TS  hinter '^'iZipag  ist  falsch  gestellt,  denn  nur  die'^ir^a  wird  ^Aq- 
yüa  ^log genannt;  demnach  ist  dies  t£  entweder  mit  dem  Pal.  und  Hari. 
EU  tilgen  oder  wahrscheinlicher  nach  ^Aqydug  zu  setzen ,  so  dafs  d^ov 
(oder  mit  codex  I  ^tag)  einsilbig  gelesen  wird. 

71:  A%.  ov%  ola^^  ißgca^eiöav  (le  nal  öofiovg  i(wvg; 
HO,  cid  ,  7}vIk  Aiag  ell%B  Kaöavögav  ßia. 
AG.  xovöhv  ^Axceimv  ina^ev  ot5d'  ijxova'  twro; 
Das  beliebte  ye^  welches  die  zweite  Handschriftenclasse  nach  xovöiv 
einfügt,  scheint  nichts  als  eine  Conjectur  zu  sein;  hiernach  habe  ich 
mit  leichlerer  Aenderung  kovös  ^  ^Axceiav  geschrieben.  Porson  be- 
hauptet freilich,  erst  ^  circa  posleriora  Aristophanis  tempora'  hätten 
die  Attiker  angefangen  ovdh  elg  und  (irjdi  etg  ohne  Elision  zu  gebrau- 
chen (praef.  Hec.  p.  XXXIV);  allein  ich  halte  es  für  unzweifelhaft, 
dafs  dieser  Gebrauch  früher  beginnt.  Kratinos  Com.  U  p.  183:  xal 
yccQ  ißklfia^ov  avxtjv  ij  d'  iipQovxc^^  oiöe  tv.  Krales  Com.  II  p.  237: 
titEixa  öovkov  ovöe  sig  xsKx^jaex^  ovöh  öovlrjv.  Phryn.  Com.  11  p.  600: 
av  Ss  xiiiiOTtoikrig  cig  y  ^AxilX^g  ov^t  elg  (wo  allerdings  die  jetzige 
Lesart  bedenklich  ist:  H.  Jacobi  vermuthet  ovösvog).  Pherekr.  Com. 
11  p.  311  nach  Meinekes  Conjectur:  xovx  itsxiv  ix^S  äXXog  ovdi  elg 
ßoa^.  Für  die  Tragoedie  liegen  freilich  so  sichere  Belege  nicht  vor; 
indes  scheint  Wagner  Kechl  zu  haben,  wenn  er  den  unter  dem  Namen 
des  Dionysios  von  Stobaeus  Flor.  38,  2  überlieferten  Vers  xoig  ovdhv 
iyvaiv  ovdh  elg  olfog  q>9ovei  dem  Tragiker  beilegt  (fr.  6  p.  117  cd. 
Vratisl.),  und  ebenso  möchte  wohl  der  Trimeter  üvev  Oeov  yccQ  ovdh 
elg  avtiQOdiveL  bei  Stobaeus  Ecl.  1  p.  34  ans  der  Tragoedie  sein 
(Wagner  fr.  ine.  195).  Demnach  habe  ich  bei  Eur.  Ale.  671:  rjv  d' 
iyyvg  ik^  ^dvaxog f  ovdelg  ßovkexai  yermuihei  ovdh  elg  ^ikei:  war 


2)  Da«  Adjectivum  SvavoaTog^  das  früher  nur  aus  dieser  Stelle 
bekannt  war,  findet  sich  in  einem  Orakel  bei  dem  sog.  Origenes  Phi- 
losoph, p.  68,  65  ed.  Miller. 


A.  KirchhofT:  Euri|iidis  Trotdes.  7- 

dies  in  ovöng  &iket  verderbt,  so  lag  es  einem  Corrcclor  sehr  nahe, 
die  fehlende  Silbe  durch  das  Synonyiuiim  ßovknai  zu  gewinnen. 
97 :    ^ciQog  6e  ^vtitav  ö(Sz^  ixnoQ^eC  reoUic:^ 

vaovg  te  rvfißovg  ^  ,  isQcc  tc5v  xBXfirixouov^ 

iqi]^la  öovq  avxog  «Afl^'  vaxiqov. 
Das  matte  v^x^qov  halte  ich  ohne  Bedenken  für  interpoliert;  hältea 
wir  befsere  Hss.,  so  würden  diese  statt  der  jetzigen  Lesart  vermirtli- 
lich  einen  fünffursigen  Trimeter  bieten:  i^(ila  doifg  avrog  äkevo.    Ks 
wird  zu  schreiben  sein  avrog  ivraTniXsTO,    Vgl.  Hei.  106:  xtfi  ^vvye 
^iQöag  aiftog  avTctnokofiffv.  Sappl.  743 :  tJjS^^f '  vß^C^mv  r'  av&ig  (Do- 
bree  avzog)  avTce^ciketo.    Iphig.  Taur.  715:  (irjtiQa  naraKtag  avTog 
awcenokkv^icci,    Hec.  262:  xoifg  Kravovtag  avtcmontuvai  ^ikoiv, 
108:    CO  Jtokvg  oynog  (fv(fxekko(iivcov 
TtQoyovcov^  äg  ovdhv  ap'  ^<S&a. 
So  K.  nach  der  Hss.,  njit  der  Bemerkung:  *corrigunl  cvarekkoiievog^ 
quod  quo  nomine  praestet  traditae  per  libros  lectioni  fateor  me  non 
intellegere.'   Sollte  es  gleichgiltig  sein  ob  wir  sagen  *  o  über  die  ge- 
knickte Macht  der  Vorfahren',  oder  *o  Aber  die  Macht  der  geknickten 
Vorfahren'?   Mir  scheint  es  ganz  unmöglich,  den  Cvörekkofievot  n^- 
yovot  noch  oynog  beizulegen. 

111 :   xi  (le  XQ^  öiyav]  xl  6h  (iri  <Siyäv\ 
xl  dl  ft^  ^QtivfiCai; 
So  die  besten  Hss. :  statt  xl  öi  ^Qijvijaai  ist  vielleicht  xl  fie  ^Qtji'i](far 
zu  lesen. 

133:    TW  t'  EvQtoxa  SvCKkeicci'^ 
S  a(pa^si  ^Iv  xtA. 
Wenn  auch  zuweilen  in  den  Anapaesten  miltelzcitige  Silben   vorkom- 
men (vgl.  Dindorf  zu  Eur.  Hec.  83^  so  hindert  doch  nichts  hier  Svö- 
ükelav   zu  betonen,   wie   avota   ayvola  Ttocgavoia  avaiöela  akrjd'eia 
mit  langer  Endsilbe  sich  findet.    Statt  KaaavSqav  iti^xlftix^  ^<a  aiöyiS- 
vav  Agyaloiöiv  168  dürfte  zu  schreiben  sein  KaaavdQav  S^g)  nifi^tii 
aiaxvvav  ^A^.^  und  224  möchte  ich  xiiv  statt  av  vermuthen. 
In  einem  anapaestischen  System  steht  136 : 

Ilgiafiov  i(ii  xe  fiskiav^Exdßav, 
Seidler  und  Burges  haben  vor  (iskiccv  den  Artikel  xav  eingeschaltet, 
und  K.  ist  ihnen  beigetreten  *  et  metro  et  sententia  suadentibus.'    Von 
Seiten  des  Sinnes  scheint  mir  der  Artikel  nicht  nothwendig,  da  ja  die 
Tragiker  im  Weglafsen  des  Artikels   die  gröfste  Freiheit  üben  (vgl 
Tro.  283:  ßißaxa  övanoxnogj  oi%ofiai,  ic  xakatva  u.  ä.).    Was  das  Me- 
trum anbelangt,  so  möchte  es  bedenklich  sein,  alle  Stellen,  wo  in 
freieren  anapaestischen  Systemen  der  Tribrachys  statt  des  Anapaestus 
angewendet  wird,   für   verschrieben    zu  erklaren.     Man  vgl.  Iphig. 
Taur.  130:  Ttodcc  nagd-iviov  öatov  bclag,    197:  qsovog  inl  q>6v(a  ce%ea 
t'  axiCtv.    213:  hsnev  hQ€q>tv  evxxalav,   220:  ayafiog  axexvogy  «äo- 
kig  aq>ikog,    232:  hi  ß^itpog^  Sxt  viov,  m  ^dkog  n.  a. 
158  hat  K.  mit  Seidler  geschrieben: 


8  A.  Kirchhoff:  Euripidis  Troades. 

00  xiiiv\  ^A(^üwv  TtQog  v€tvg  dti 

Die  Hss.  bieten  nicht  ^^,  sondern  ^dt;,  wodurch  der  Vers  eine  Silbe 
za  viel  enthfiU.  Konnte  nicht  die  arsprOngliche  Lesart  sein  xixv  ^Aq- 
ydmv,  TtQog  vavg  ffdr]  xxLl  So  ist  die  Caesar  der  anapaestischen 
Diraeter  beobachtet,  so  der  Misklang  der  einsilbigen  Wörter  Tcgog 
vavg  ifi  rermieden.  Damm  seheint  mir  die  Tilgung  des  lo  vorsuzie- 
Ken,  und  unsere  Stelle  würde  nicht  die  einzige  sein,  wo  die  Ab- 
schreiber ein  CO  zum  Vocativ  hinzugesetzt  haben. 

233:    ^Ekaßfij  nvxvag  yaff  ola^a  [i   ilg  Tqolav  oöovg 
ik&ovta  %fj^v%^  i^  Axatxov  CTQcexov. 
Der  Harl.  bietet  ola^^  ilg,  was  auf  oZd^a^  elg  führt,  eine  Lesarldie 
nicht  zu  verschmähen  wäre,   wofern  die  Autorität  der  befsern  Hss. 
sie  schützte. 

237 :  toSb  rode,  q>lXai  yvvatxeg^  o  g>6ßog  f^v  nalut, 
Vermuthlich  ein  dochmischer  Dimeter.  K.s  Conjectur  x66b  toJ\  od 
ipllaijO  g)6ßogfiv  Tcdlaij  gibt  einen  unstatthaften  Hiatus.  W.  Diu- 
dorf  will  einen  dochmischen  Trimeter  herstellen  und  zwar  folgenden : 
tods  x6d%  a  fpiliui  yvvaixsg,  o  (poßog  o  g)6ßog  tjv  fioi  ytalai.  Wel- 
ches Schema  des  Dochmius  bei  dieser  Conjectur  vorausgesetzt  wird^ 
habe  ich  nicht  ermitteln  können ;  vermuthlich  soll  ijv  eine  Kürze  bil- 
den. In  den  Metra  (Oxon.  1842)  bat  derselbe  einen  andern  Vorschlag 
gemacht:  xode  rod',  (o  q>llai  yvvatxBg^  o  <p6ßog  o  g)6ßog  riv  Ttakai 
^admissa  in  flne  secundi  pedis  yvvatnsg  o  <p6ßog  syllaba  ancipiti.* 
Diese  syllaba  anceps  lehrt  eben,  dafs  die  Vermuthuug  falsch  ist. 
Vielleicht  ist  zu  schreiben:  rode,  g>lkai  yvvatKsg^  fpoßog  rjv  itaXai. 

245:  xwfiov  xlg  Sq^  ^kaxs  rixog  l weite ^  xkafiova  KaödvÖQav; 
Auch  hier  ist  das  Metrum  fehlerhaft,  und  ich  kann  es  nicht  gut  heifsen, 
dafs  aQ%  welches  im  Vat.  909  und  Havn.  fehlt,  im  Text  gelafsen  ist; 
ebenso  halle  ich  die  darauf  fufsende  Vermutbung  xovfiov  xlg  a^  ^^^^ 
xixog  ive%e  für  nicht  zulafsig ;  ich  vermuthe  tov/aov  xtg  xlg  ikctxe  xixog 
fwene  xXafiOva  KaaavÖQUv ; 

290  war  die  einleuchtende  Verbefserung  von  Heath  elxa  t«^  el- 
Xtiyfiivag  (statt  elkeyfiivag  oder  TfXeyfiivag)  ohne  Bedenken  anzuneh- 
men :  elXrjyfiivag  fordert  der   Sinn ,    wogegen  das   Simplex  eiXsy^iai 
meines  Wifsens  sonst  nirgends  nachweisbar  ist. 
314  ff.  lauten  bei  K. : 

ig  avyav^  ig  alyXccv^  ötdovöa 

ä'Tfiivau^  coL, 

didovc^  ä^Exaxa^  tpiog, 
und  in  der  Antistrophe  : 

lit%mg  xe  vvfKpav»  It    IJo) 

naXUrcercXoi  0Qvymv 

Kogai^  fiiXjtex   ifiav  yi^tov. 
Hier  ist  fr'  Qm  die  Lesart  der  besten  Hss.  (Vat.  909,  Havn.  und  Flor. 
A),  dagegen  bieten  ix*  m  Pal.  und  Harl.,  wonach  sonst  geschrieben 
wird 


A  KirchhoflT:  Euripidis  Troades.  9 

ig  avyav ,  ig  cd^ykav 
öiöov0^^  (o  'EKora ,  tpaog 
ond  loi%cLtg  ra  vvfigwv. 

Xx* ,  0)  nakllTUTtXoi  0^vym^v. 
K.8  Aenderung  iidovaa  statt  öiöova^  wird  schwerlich  Beifall  ßnden ; 
das  a  in  didovca  mufs,  wie  ich  glaube,  vor  (o  elidiert  werden,  und 
die  Versabtheilung  diöovo*  co  ^Tfiivats  coi  ist  durch  den  folgenden 
Vers  öidova  cS  ^E%axa  tpdog  mit  Nothwendigkeit  geboten.  Demnach 
scheint  mir  nur  zwischen  zwei  Möglichkeiten  die  Wahl  zn  sein;  ent- 
weder ist  Tt'  I§o)  die  richtige  Lesart  nnd  %alXlittJtk(H  ist  aus  einem 
Anapaestus  verderbt,  oder  die  zweite  Ciasse  der  Hss.  hat  das  ur- 
sprüngliche bewahrt.  Nun  ist  aber  das  l^oo  für  den  Sinn  nicht  ange- 
mefsen;  die  hergebrachte  Lesart  war  somit  beizubehalten. 
M5  sagt  Hekabe  zur  Kassandra : 

ov  yccQ  OQ^a  7tvQ<poQeig 
(laivag  ^oafovij',  ovÖi  a'  atxvxat^  tinvov^ 
iöwp^ovrjxaa  ,  akk^  ix   iv  xctvxdi  fiivug. 
So  die  Hss.;  K.  hat  mit  Seidler  u.  a.  ovöh  aal  xvyat  aeatxnpQOvriKaa^ 
gesetzt;  dies  wärde  den  Sinn  geben  *  und  nicht  sind  deine  Schicksale 
verständig  gewesen.'    Nach  dem  Gegensatz  aber,  akk*  Ir'  iv  xavxa 
liivctg^  erwartet  man  vielmehr  einen  Gedanken ,  wie  ihn  die  Scholien 
fanden  oder  zu  finden  meinten,  ^ nicht  haben  dich  deine  Schicksale 
verständig  gemacht.'    Aus  der  Ueberlieferung  kann  dies  nun  freilich 
nicht  herausinterpretiert  werden;  darum  vermnthe  ich  ovdh  aat^  tv* 
%cctgj  xinvov^   öeaatpQovipiag   (oder    iaGHp^vrjaag)^    *  nicht  bist  du 
durch  deine  Schicksale  verständig  geworden'.  ^) 

427  heifst  es  vom  Odyssens:  Svdtrjvog  ovx  old\  old  viv  (livei 
ncc^Blv.  Die  Aufzählung  der  ihm  drohenden  Leiden  und  Gefahren  folgt 
erst  432  ff.  : 

ÖBivTi  Xa(^ßöig  (i(i6(pQ(ov  x   iTCißxaxtjg 
KvKkfDil}  Atyvcxlg  -O-'  ^  tfvwi;  (lOQtpdxQia  Kxk. 
Dazwischen  stehen  die  Worte: 

mg  x^vöog  aixm  xctfia  xorl  O^vymv  koku 
öo^Ei  noPt   tlvm  •  d^ica  ya^  ixitkifitig  Irt/ 


3)  W.  Dindorf  8agt  in  den  Oxforder  Anmerkungen,  das  hand- 
schriftliche icacpQOVTJuaa'  sei  wieder  herzustellen.  Es  wäre  wohl  der 
Mühe  werth  gewejsen,  eine  derartige  Perfectform  durch  Beispiele  zu 
sichern.  Vielleicht  dachte  Dindorf  an  Dinge  wie  äntörj^tfKorts  Her- 
inippos  Coro.  II  p.  413.  ^vfoyäXiaxai.  Eubnios  Com.  iJl  p.  2ii  f.  iXf- 
nxvv&ai  PhotiusLex.  p.  648,  12.  iyviivaa^ai,  He^ych.  naxitoX^Tfus  8yn- 
tip.  fab.  18  und  inehreres  dieser  Art  (ißovXFvnB,  i^sntcexB,  ixdXnfvrtti. 
nQoasnoTüxaXevfiivai)  bei  Eustathio»  II.  p.  7ö9.  Od.  p.  1570.  Derar- 
tige Formen  können  nach  unsern  bisherigen  Erfahrungen  nur  für  feh- 
lerhaft gehalten  werden.  Dal«  nQOCtTTaTTCilsviifvai  auf  einer  falschen 
Lesart  beruht,  ergibt  sich  aus  dem  anderweitig  erhaltenen  P^ragment 
des  Kratinos,  das  Kustathius  im  Sinn  hatte  (Meineke  Fragm.  Com. 
II  p.  107).  Statt  ytccTerolftrjtif  bei  Svntipa»  ist  vennwlhlich  vMtBVToX- 
fi^rjuB  zn  schreiben. 


10  A.  Kirchhoff :  Euripidi«  Troadcs. 

TtQog  TOiaiv  ivd'aö^  t^ecat  fiovog  nuzqav. 

ov  öfi  arevov  öUcvXov  mxiatai  nhqag. 
Vor  dem  letzten  dieser  Verse  hat  K.  nach  dem  Vorgang  anderer  eine 
Lücke  gesetzt,  einmal  weil  von  den  nachfolgenden  Nominativen  nur 
der  erste  dttvii  Xaqvßiiq  mit  arevov  diavXov  äxtavai  verbunden  wer- 
den könne,  sodann  weil  ov  drj  auf  die  sicilische  Meerenge  gehe,  die 
hier  nicht  erwähnt  sei,  endlich  weil  des  Aufenthaltes  bei  der  Kalypso 
nicht  gedacht  werde.  Nimmt  man  keine  Lücke  an ,  so  mufs  ov  dif  ver> 
derbtsein;  ich  vermuthete  früher  idov,  tfvevov  diavkov  £xixsxat  »i- 
Tgag  d.  X.j  und  meinte,  wenn  mfMgjQtov  iTCiaravi^g  als  Praedicat  zu 
Kvxkforjf  gefafst  würde,  so  könuleu  die  folgenden  Nominative  wohl 
ohne  zu  grofse  Härte  sich  anschliefsen.  Auch  möchte  ich  die  Erwäh- 
nung der  Kalypso  nicht  als  etwas  absolut  nothwendiges  betraohteo. 
Allerdings  aber  scheint  ein  bisher  nicht  hervorgehobener  Umstand  für 
die  Annahme  einer  Lücke  zu  sprechen:  die  Erwähnung  der  Rückkehr 
vor  Aufzählung  der  Leiden  stört  augenscheinlich  den  Zusammenhang, 
und  die  Verse  G>g  XQVöbg  bis  (lovog  nixf^av  scheinen  einem  Interpola- 
tor  zu  gehören;  wenigstens  ist  n(^g  xousiv  iv&ad^  äufserst  prosaisch 
und  das  Ttovi  in  do^ei  not*  elvai,  möchte  sich  kaum  anders  als 
durch  das  Versbedürfnis  rechtfertigen  lafsen.  Diese  drei  Verse  sind 
demnach  eingeschaltet,  um  dem  Defect  der  Urhandschrift  vor  ov  öti 
ör.  ö.  abzuhelfen;  in  der  Lücke  kann  dann  allerdings  sowohl  die  Ka- 
lypso als  das  fretum  Siculum  vorgekommen  sein.  Die  Nominative 
XtixAcotf;,  Kl^ri  u.  s.  w.  werden  wir  als  Erläuterung  des  ola  viv  fii- 
VH  na^uv  anfzufafsen  haben. —  In  dem  Vers  ÖBtvii  Xdqvßöig  <üfi6(pQ(ov 
X  httöxaxrig  führt  die  Lesart  des  Pal.  und  Harl.  auf  <ofioßQ(ig  x  oqu- 
ßdxfigj  wo  mfwßqiig  bestätigt  wird  durch  die  Autorität  des  Hesychius 

11  p.  1544:  Xaqvßdtg  dfioßqoxog'  ij  avcmLvofiivri  d'akaaaa. 

458:  (og  ds  avvrifio} 

Kai  fcöv  ig^Atdtjv  xaKqwyoiv  A/fivi^  vd(OQ 

xcfx'  iv  d6fMtCi>  fivgl*  ev^rjöH  ftoAcDv. 
So  K.,  dem  ich  gefolgt  bin,  nach  Vat.  909  und  Havn.,  wahrend  die 
andere  Classe  der  Hss.  ^(dv  fftf'  (statt  xal  tmv)  ig'^'Aidtiv  bietet.  Auch 
hier  hat  codex  II  das  richtige.  Nachdem  etö*  vor  ig  ausgefallen  war, 
wurde  xal  als  Ergänzung  der  fehlenden  Silbe  hinzugefügt.  K.s  Vcr- 
muthung 

Kai  i6v  ig"Ai8fiif  [dai  veQxiQov  nvXag 

fioyig  7C€Qa<iag]  %axg>vymv  Ufivrig  v6(0(f 
entbehrt  des  innern  Grundes  wie  der  palaeographischen  Wahrschein- 
lichkeit und  liefert  aufser  dem  Verbnm  ilöi  nichts  was  für  den  Sinn 
der  Stelle  nothwendig  oder  wünschenswerlh  wäre. 

448:  %alQn  '  ixliloifp*  ioQxdg^  alg  fcdqoi^^  riyakk6(ii}v. 
Die  befsem  Hss.  bieten  i%kiXouta  d'  ioqxdg.  Die  Richtigkeit  des  di 
vorausgesetzt,  würde  man  also  ixliXoma  d^  oQxdg  zu  schreiben  haben. 
Die  Form  OQxri  statt  iogxij  wird  geschätzt  durch  Ion  bei  Athenaeus 
VI  p.  258  F :  ivwvcUxv  yciQ  dai  fu  ti^v  o^xifV  aynv.  Darum  möchte 
ich  nicht  wagen  sie  dem  Euripidcs  abzusprechen. 


A.  Kirohboff:  Euripidis  Troades.  11 

4^0:  ovx  avrUifiJwtfd'/  i]  jufdf/a»',  cd  naxal; 
y^ütv  Ttiöovcav  atqet^  elq  o^ov  difiag. 
Berser  wird  man  y^atav  yteöovaav  von  (is^i^aiTB  abhfingig  machen  und 
demnach  interpangieren :  ij  fi€^aBT\  ta  iut%al^  yqaiav  nsöovacev; 
Vgl.  Geel  EU  Ear.  Phoen.  p.  264  f.  Die  Verbindang  ygatav  aigstB 
mag  im  Pal.  und  Harl.  die  Interpolation  naliv  (statt  di(itig)  hervor- 
gerufen haben. 

470 :  rifiev  xvQawot  xslg  xvqavv    iyrifiafiijv. 

Die  Yermuthung  von  Elmsley  (zu  Soph.  Oed.  R.  588)  17  (liv  rvQavvog 
wird  in  der  Hauptsache  bestätigt  durch  Longin  oder  vielmehr  Apsines 
in  Wals  Rhetores  Gr.  IX  p.  581,  wo  Kai  ft^v  vvqawog  sich  findet. 
Hiernach  vermuthete  ich  ijfiriv  vvQctvvog  und  eben  dies  bietet  die 
beste  Hs.  des  Apsines  bei  Spengel  Rhet.  Gr.  I  p.  394,  11.  Die  Form 
fjfirjv  gebraucht  Enr.  Hei.  931 :  iya^  6h  n^odovtg  ovk  fjfiipf  fpiXmv ,  ob- 
wohl die  Abschreiber  sie  auch  hier  verdrängt  haben ,  und  ein  nicht 
genannter  Dichter  bei  Dio  Chrysosf.  64,  4:  tfog?^  ji4v  ^f^^  ^^^^ 
nav%*  ovx  fvrvj^tjff. 

Vor  473  eine  Lücke  ansunehmen  halte  ich  nicht  für  nothwendig; 
nachdem  Hekabe  der  Vortrefflichkeit  ihrer  Kinder  gedacht  hat,  kann 
sie  unbedenklich  fortfahren:  *  keine  Troärin,  kein  hellenisches  Weib 
mag  sich  mit  ihren  Kindern  brüsten.'    Schneidewin  vermuthete 
ov  TQipitg  ovö^  'EUltivlg  ovöh  ßti^ßa^og 
ywfj  vexovifu  xofimiöH^  oV  av  nove. 
Allein  diese  Elision  der  Optativendung  ist  unzuläfsig,  obgleich  sie 
auch  für  andere  Stellen  (wie  Hippol.  469)  in  Vorschlag  gebracht  wor- 
den ist  und  an  ^iner  Stelle  sich  in  unsere  Texte  eingedrängt  hat,  nem- 
lich  Orest.  700,  wo  das  handschriftliche  iMCVivCHBv  oxav  nicht  in  ix- 
ntfivCH^  otav  geändert  werden  durfte. 

475  möchte  die  Lesart  des  Apsines  xal  lavr'  bttiöov  den  Vorzug 
verdienen. 

494:  ol  V^  xakaiva^  dia  yafiov  (uiig  sva 

ywatKog  ol!utv  hv^ov  äv  xe  xev^oiiai. 
Das  &o  würde  passend  sein,  wenn  es  etwas  auffallendes  wäre,  dafs 
ein  Frauenzimmer  sich  nur  Einmal  verheiratete ;  da  jedoch  vielmehr  die 
öftere  Verheiratung  derselben  Frau  das  ungewöhnliche  ist,  so  er- 
scheint hux  als  müfsiger  Zusatz.  Ehen  dies  iva  enthält  aber  eine 
offenbare  Unwahrheit:  nicht  durch  die  einmalige,  sondern  durch 
die  doppelte  Vermählung  der  Helena  wurde  der  Iroianische  Krieg 
und  mit  diesem  das  Unglück  der  Hekabe  hervorgerufen.  Darum  kann 
Sva  nicht  richtig  sein;  vermuthlich  ist  dafür  ä^a  zu  lesen. 

518:  ava  d'  ißoaatv  ledg.  Man  hat  av  ö'  iß.  vorgeschlagen, 
was  dem  iv  di  novm  xol  %ceQa  in  der  Antistrophe  538  genauer  ent- 
sprechen würde.  Da  indes  ava  durch  llesychius  gesichert  wird,  so 
möchte  vielmehr  in  der  Antistrophe  ivl  de  Tiovfp  zu  schreiben  sein, 
wofür  das  inl  öi  ttovg)  im  Pal.  und  Harl.  spricht.  Auch  bald  nachher 
543  schwanken  die  llss.  zwischen  iv  und  ivl, 

521 :  Tod    [sQOv  avayexi  ^oavov. 


12  A.  Kirchhoff:  Euripidis  Troades. 

Die  befäern  Hss.  geben  ayere  ^oavoy.  Darf  man  dies  der  Eraendation 
zu  Grunde  legen,  so  würde  die  fehlende  Silbe  durch  die  leichlere 
Aenderung  aydyere  ^oavov  zu  gewinnen  sein. 

599  ist  statt  iQrifAOg  noUg  mit  Seidler  das  neue  Wort  igritionokig 
zu  Gunsten  des  Metrum  gesetzt  worden.    So  scheinbar  dies  sein  mag, 
so  liegt  doch  das  Verderbnis  hier  tiefer.    Im  vorhergehenden  haben 
wir  in  zwei  Paaren  von  Strophen  eine  kunstvoll  angelegte  Wechsel- 
klage der  Andromache  und  Hekabe :  es  entspricht  sich 
axQ.  a  573 — ^577  und  ivxtöxf^,  a  578 — 582, 
(JT^.  j5'  583 — 586  und  ai/r*<Fr^.  ^  587—590. 
Darauf  folgen  sechs  der  Andromache  gehörende  daktylische  Hexameter 
591 — 596.    Die  nachfolgenden  Worte  der  Hekabe  müfsen  den  Worten 
der  Andromache  entsprechen:  dafa  dies  jetzt  nur  theilweise  der  Fall 
ist,  liegt  augenscheinlich  an  der  Verderbnis  unserer  Hss.,  deren  Les- 
art so  lautet: 

Cd  naxf^i^  co  \ukki ,  TunaXeiTCOfiivav  öe  Sax^a^ 

i'vv  xilog  oIkxqov  OQag  %al  i(Mv  dofiov  Ivd"   iAo^ev^t/v. 

(0  xiKv\  i^ri(ios  nokig ,  iiaxtfQ  anoXiiTCixat  vftcov. 

olog  lakeuog  ola  x€  nivd-rj 

daxQva  X   ix  daxQvottv  xaxakilßexai 

aiiniQOtCi  dofiounv.  o  ^ctviov  d'  iitikäi^exai  akyitov  adaxffvxog. 
Die  sechs  von  der  Andromache  gesungenen  Hexameter  bestehen  mit 
Ausnahme  des  sechsten  Fufses  durchweg  aus  Daktylen;  ebenso  die 
beiden  ersten  Verse  in  den  Worten  der  Hekabe.  Dies  kann  nicht  zu- 
fällig sein.  Daher  meine  ich ,  dafs  durch  Scidlers  Verniuthung  co  r/xv , 
iffflfMTtokig  fioxrjQ  inokdntxat  vfiäv  Vs.  599  noch  nicht  geheilt  ist, 
schon  deshalb  weil  der  dritte  Fufs  hier  ein  Spondeus  ist.  Die  beiden 
nächsten  Verse  sind  zwar  rein  daktylisch,  aber  verstämmelt,  und  zwar 
weist  alles  darauf  hin,  dafs  das  Ende  der  Verse  fehlt.  Der  letzte 
Vers  beginnt  wieder  mit  reinen  Daktylen  (statt  öofioiatv  ist  wohl  ö6- 
(loig  zu  lesen),  fällt  aber  zn  Ende  aus  dem  Metrum,  wie  auch  der 
Sinn  der  letzten  Worte  anstöfsig  ist.  Die  gemeinsame  Quelle  unserer 
Hss.  war  in  den  Versen  599 — 602  lückenhaft;  es  fehlten  die  Ausgänge 
•  von  vier  Hexametern^),  und  man  hat  ergänzt,  so  weit  der  Sinn  Er- 
gänzungen forderte.    Danach  glaube  ich,  dafs  von  599  nur  folgendes 

überliefert  war :  co  Wxv'  eQfjfAOTiokiafiaxeQ Man  las  dies 

i^ficr  TToiig,  iiaxeq^  verwandelte  (laieQ  in  den  Nominativ  ftari/p  (weil 
von  der  Mutter  der  Hekabe  nirgends  die  Rede  ist),  ergänzte  den  Vers 
durch  ai€ok£limai  vficov  und  corrigierte  später  i'ipi^fiog  statt  i^jücr. 
Diese  Erklärung  der  jetzt  vorliegenden  Corruptel  kann  auf  keinen 
Fall  für  zu  künstlich  gehalten  werden.  Gehen  wir  nun  auf  die  vor- 
ausgesetzte Ueberlieferung  zurück,  so  möchte  dieselbe  vielmehr  zu 

deuten  sein :  to  xixv\  Sgrifia  nokiaiuix%  lp[t/f^iv  6i Was  am 

Schlafs  des  Verses  stand,  läfst  sich  natürlich  jetzt  nicht  wifsen,  man 


4)  Dagegen  fehlten  Ipliig.  Tanr.    630-632  die   Versanfange,  wor- 
über gelegentlich. 


A.  Kirchhoff:  EnripidU  Troades.  13 

könnte  ödfiara  navQog  vermtithen.  Der  letzte  Vers  würde  darch  die 
WegUrsung  von  aöctxQvrog  das  errorderliche  Metrum  bekommen; 
allein  es  ist  wahrscheinlieher ,  dafs  der  ganze  Ausgang  auch  dieses 
Verses  von  einem  Interpolator  herrührt.  600  würde  statt  %iv^  min- 
destens nivd'sa  erwartet  werden.  ^ 

608:       ogm  xa  tcji/  d^stav^  (og  ra  (liv  Ttvgyovö   avto 
TOT  (irjöev  oVrcr,  ra  öh  öokovvt''  anuoXeöav, 
K.  hat  Elmsleys  Vermuthung  to  (itjdh  ovta  in  den  Text  gesetzt,  ich 
zweifle  ob  mit  Kecht.    Man  vgl.  d'soig  (ihv  xav  6  firfdiv  av  bfiav  x^a- 
Tog  TiaxaTixriaaiTO  Soph.  Ai.  767.    ovx  av  nox  ,  avögsg^  avöga  ^av- 
^ciaccifi^  ixL  6g  (irjöev  av  yovaiatv  fZ^'  ifiaQxavei  Ai.  1094  u.  a. 

619  sagt  Rekabe: 

6t  yd  xalaiva ,  Toi)T  Itcbivo  fiot,  rcakai 
TaXd-vßiog  aXvty^  ov  öag>€og  bItcsv  öccg>ig. 
Fix  schrieb  ixav'  o  fiot  tt.,  was  K.  aufgenommen  hat,  wie  er  sagt 
^flagitante  senlenlia;  nusquam  enim  pronomina  haec  copulantur,  quin 
subiecti  locum  teneat  alterum,  alterum  praedicati.'  Allein  tovv^ 
inBivo  aXviy^a  scheint  mir  in  keiner  Weise  aurfallender  als  etwa  das 
aristophanische  vvv  rovr'  ixety'  i/XEi  to  Jaxiöog  [lilog  (Pac.  289), 
und  unserer  Stelle  ist  besonders  ahnlich  Soph.  £1.  1115:  ot  ^yn  va- 
laiva,  xovx   ixsiv   tjörj  aag)hg  tcqoxhqov  ^x^og,  cd$  Ibixf,  digKOfiai, 

Andromache  beginnt  eine  längere  Auseinandersetzung  mit  den  an 
die  Hekabe  gerichteten  Worten  (629): 

09  firjxeQ  09  xexoviSa ,  xdkliarov  koyov 
Sxovcavy  äg  aoi  xigt^ftv  iiißdXm  gjgevL 
Diese  beiden  Verse  haben  in  mehr  als  6iner  Hinsicht  etwas  anffallen- 
des ;  die  Aenderung  o  xixovaa  xdlkiaxov  yovov  (nemlich  den  Hektor) 
scheint  mir  die  Schwierigkeiten  nicht  zu  heben.    Wozu  die  Erwäh- 
nung des  Hektor  hier,  wo  über  Leben  und  Sterben  reflectiert  wird? 

Zu  650:  j^ÖHv  d'  ctfil  xgijv  vixäv  noatv  bemerkt  der  Hg.:  * olg 
(^^  hQV'^  ^^^'  P^^'  ^'  ^^^>  ^^^^  ^^  codice  scilicet  legeretur  a  fi« 
Xgiiv,*  Allein  wenn  der  Vf.  des  Christus  patiens  a  fiberliefert  fand, 
so  lag —  nach  seiner  Metrik  wenigstens  —  kein  Grund  vor,  hiervon 
abzuweichen.  Möglich  aber  ist  es ,  dafs  unsere  Lesart  auch  in  seiner 
Hs.  vorlag  und  von  ihm  aus  syntaktischen  Gründen  verändert  wurde. 

662  f.:    ani7cxv6^  crtJnJv,  ^r^g  avdga  xov  itaqog 

xuivousi  XixxQoig  aTtoßccXova^  akXov  (piXet, 
Diese  beiden  Verse  stören  den  Zusammenhang;  ich  halte  sie  für  eine 
am  Rand  beigeschriebene  und  dann  in  den  Text  eingedrungene  ParaU 
lelstelle.     Vgl.  Philologus  IV  S.  193  f.     Will   man  sie  beibehalten, 
würden  sie  nach  Vs.  667  zu  stellen  sein. 

687  ist  von  den  Schiffern  die  Rede,  die  eine  Zeit  lang  dem  Stnrm 
zu  widerstehen  suchen,  endlich  aber  bei  erfolglosem  Ringen  das  Schiff 
seinem  Schicksal  fiberlafsen: 

iji/  d'  vfcsQßttXri 
TtoXvg  xagax'd'elg  itovxog^  ivSovxsg  tvjri 
nagitcav  avxovg  xvfidtcov  ^QOfirifiaaiv. 


14  A.  Kirohhoff:  Euripidis  Troadeg. 

Statt  rvxy  findet  sieb  im  Christus  patiens  q>0Qai.  Dies  scheint  mir  za 
gewählt  um  für  erfunden  gelten  zu  können;  und  bedenkt  man,  dafs 
das  Yersgesetz  des  Chr.  pat.  eine  betonte  penuUima  zu  £ude  des  Tri- 
meters  fordert,  dafs  also  g>OQa  mit  dem  Kanon  der  Byzantiner  streitet, 
so  lafst  sich  unmöglich  annehmen ,  dafs  der  Vf.  des  Chr.  pat.  etwas 
anderes  als  dies  (pOQa  in  seiner  Hs.  las.  Wenn  unsere  Hss.  keine 
Spur  davon  gerettet  haben,  so  ist  dies  wohl  nur  Zufall.  Mir  scheint 
<poQa  durchaus  den  Vorzug  zu  verdienen.  Vgl.  Georgius  Pachym.  bei 
Walz  Rhet.  I  p.  594 :  ova  tjSvvqd'riaav  €ivxus%tlv  nqoq  racavrriv  q>o- 
Qav  d'akdoctig  xal  xXvöeava, 

698:  xal  ntuött  vovöe  Tcatdog  in^Qi^eiag  av 

Tqola  ^iyiövov  ci(pilrjfi\  iv*  eliKne 
i%  öav  yevofuvoi  natöeg  vöregov  naliv 
xcctoixlönav  xal  nokig  yivoir  in. 
K.  nimmt  an,  zwischen  naideg  und  vöuqov  sei  ein  Vers  ausgefallen: 
*nempe  hoc  dicendum  erat,  Andromacham  Hectoris  filium  in  maximam 
patriae  otilitatem  educaturam  esse,  ut,  si  forte  ex  ipsa  Neoptolemo 
progeniti  filii  vitrici  voluntatem  conciliassent,  eins  adiutus  ope  et  vo- 
luntate  Astyanax  patriae  moenia  instauraret.  sie  enim  intellegitur,  cur 
Andromachae  ex  Neoptolemo  flliornm  mentio  hie  iniciatnr  alias  incom- 
moda.'  Mir  schienen  die  erheblichsten  Schwierigkeiten  beseitigt, 
wenn  statt  tv^  $1  noxB  gelesen  würde  ^v  av  tcoxb,  *  Söhne  von  dir 
werden  vielleicht  einst  Troia  wieder  aufrichten ;  dann  wird  Astyanax 
seinem  Vaterland  nützen  können ;  zieh  ihn  also  auf  zum  Frommen  des 
neuen  Troia.'  Soll  Uekabe  nicht  hoffen  dürfen,  dafs  die  künftigen 
Söhne  des  Neoptolemos  nnd  der  Andromache  einst  um  das  Wieder* 
erstehen  ihrer  mütterlichen  Heimat  bemüht  sein  werden?  und  dafs, 
wenn  das  gestürzte  Reich  sich  wieder  erhebt,  Astyanax  sein  Anrecht 
auf  den  Thron  behaupten  wird? 

715:  orfiOA,  ydficDv  to^'  ag  xXvg>  {jui^ov  xaxov. 
Worte  der  Andromache,  als  sie  hört,  man  wolle  den  Astyanax  tödten. 
Dafs  ydficav  richtig  sei,  kann  ich  nicht  glauben.  Andromache  hat 
vorher  von  ihrer  Treue  gegen  den  Hektor  gesprochen  nnd  den  Tod 
der  Polyxena  beneidenswerth  gefunden  im  Vergleich  zur  Knechtschaft, 
der  sie  selbst  entgegengehe,  und  nun  soll  sie  sagen:  ^der  Verlust 
meines  Kindes  ist  ein  gröfseres  Leid  als  die  mir  bevorstehende  Ver- 
mählung'? Dies  wäre  ein  grober  psychologischer  MisgrilT,  da  die 
Mutler  durch  den  Mord  ihres  Kindes  gegen  dessen  Mörder  mit  dem 
bittersten  Hafs  nnd  Abscheu  erfüllt  werden  mufs.  Vermuthlicb  ist  die 
ursprüngliche  Lesart: 

otiioiy  xaxav  tod^  iag  xXvoo  fui^ov  xaxov. 
Derartige  Steigerungen  sind  nicht  ungewöhnlich:  tmxiov  xaxtiv  lu 
sagt  Soph.  Ant.  1281.  xaxov  xaxiov  alko  n^fia  Aescb.  Ag.  465.  xa- 
xcot/  xax'  aXXa  {jieltova  Eur.  Hec.  233.  xorxot),  g)aal^  xdxiov  Psellus 
ed.  Boiss.  p.  18.  Palaeographisch  erklärt  sich  die  Verwechslung  von 
ydfjLcav  und  xaxöav  sehr  leicht,  wenn  man  bedenkt  dafs  x  und  fi  ein- 


A.  Kirchhoff:  Euripidis  Troadcs.  15 

ander  fiurserst  nahe  kommen,  ja  sich  oft  nicht  unterscheiden   lafsen; 
der  Lesefehler  xorfuov  oder  ^a^dv  veranlafste  die  Correctur  ya(i€av. 

TaUh>bio8  zeigt  der  Andromache,  dafs  jedes  Widerstreben  von 
ihrer  Seite  fruchtlos  und  darum  thöricht  sei : 

iXHg  yag  alariv  ovdafifj  •  CKOTKtv  6k  XQ'q ' 
TtoXig  X*  oA^coAe  xorl  noaig^  XQaxy  6e  Cv^ 
reisig  xe  nQog  yvvaixa  lid^vacÖm  (jUav  oloi  xe. 
Die  letzten  Worte  (Vs.  7*26)  ^  wir  sind  im  Stande  gegen  ein  einzelnes 
Weib  zu  kämpfen',  enthalten  eine  Abgeschmacktheit:  es  kann  von 
einem  ^txQvaad'ai  der  Griechen  gegen  das  von  aller  Welt  verlafsene, 
hilf-  lind  wehrlose  Weib  gar  nicht  die  Rede  sein.    Offenbar  hat  man 
zu  lesen:  ijfitv  xs  ncSg  yvvaCxa  (laQvaad'ai  fjUav  olov  xe;   Jeder  fühlt, 
dafs  nor  dies  einen  vernünftigen  Sinn  gibt.   Die  Corruptel  erklärt  sich 
aus  der  häufigen  Verwechslung  von  nag  und  n^og^  die  hier  eine  Ver- 
änderung des  fifitv  olov  xe  in  das  gewöhnlichere  ri(Aeig  olol  xe  zur  na- 
türlichen Folge  hatte. 

737  ff. :     ii  xov  ncexQog  öi  6   evyiveC  ancikeaevy 
71  xoiciv  ailoig  ylvexat  tfcoTY^^/a, 
x6  d'  ia&Xoy  ov%  elg  aaiQOv  rik^i  aoc  naxQog. 
Die  beiden  ersten  Verse  enthalten  eine  Umschreibung  des  dritten,  der 
allein  echt  zu  sein  scheint.   Der  erste  Vers  mag  aus  Enr.  Hipp.  1390: 
xo  6^  evyevig  0e  xmv  gj^evav  dmkeaev  stammen ,  der  zweite  ist  wört- 
lich entlehnt  aus  Eur.  Alexander  nach  Stobaeus  Flor.  38,  20.     Der  Vf. 
des  Christus  palieus  hat  die  verdächtigen  Verse  schon  vorgefunden 
(Vs.  1615—17). 

742 :  ovx  ^g  (Sgjayiov  Javatöaig  xi^ovö^  ifnov. 
Mit  Recht  hat  K.  die  sinnwidrige  Conjectur  öfpctyetöv  verworfen ;  sein 
Vorschlag  ov  (Sgjdyiov  Iviv  Javatöaig  xi^ova^  i(i6v  trifft  in  der  Haupt- 
sache gewis  das  richtige;  statt  Iviv  möchte  v&v  wohl  vorzuziehen 
sein.  Dobree  vermnthete  ov  atpdyiov  dg  xi^ovace  Javatdatg  xinvov. 
Im  folgenden  Vers  aXV  ü)g  xvquwov  ^Adiöog  nolvCTtOQOv^  beruht 
^Actdöog  auf  dem  Pal.,  die  übrigen  Hss.  haben  ^Aoidxiöog:  vielleicht 
ist  ^Aölöog  zu  schreiben;  denn  ^Aaidg  scheint  nur  adjectivisch  zu  seio. 
Tro.  916 '/'H^a^^  vnia%ex'  ^ACidö^  EvQmnrjg  ^^  o^ot;^,  hat  ^Aatdö^ 
ebenfalls  nur  den  Pal.  für  sich,  während  die  übrigen  Hss.  nebst  Tze- 
tzcs  Exeg.  II.  p.  39,  29  ^Aalag  bieten,  was  in  'AaCS^  zu  ändern  sein 
möchte.  Damit  fällt  zusammen  die  Beurtheilung  von  Ion  13j6:  naöccv 
6^  inth^mv^AaidS^  EvQiOTtrig  <&'  ognvg,  wo  die  Aldina '/^<r/crv  hat, 
über  die  Hss.  nichts  bemerkt  wird.  Vgl.  Aesch.  Pers.  763:  ev  SvÖq^ 
andüTig  ^Aaldog  (die  schlechten  Hss.  ^Aaidöog)  firiloxQ6g>ov  xuyelv. 

809:  TCvQog  q>olvtin  ßo^.  Gewöhnlich  liest  man  nvQog  q>oiviiu 
Tcvoa  mit  dem  Pal.  und  versteht  darunter  das  purpurrothe  Lodern  des 
Feuers,  wie  (polviaöa  <pX6^  bei  Pindar  Pyth.  1,  24  sich  findet;  K.  hat 
cpolviYA  ßoa  aufgenommen  und  durch  ^  clamore  bellico '  -interpretiert, 
diese  Anwendung  von  qioivi^  halte  ich  für  unmöglich. 

Zu  (0  yijg  oxrjfia  kutÜ  yrjg  Sx^p  Söqav  %xl,  wird  bemerkt:  W.  873 
sqq.  respiciunt  Plutarchus  mor.  p.  173  et  1007,  Themistios  p.  196,  Plo- 


16  A.  Kircbhoff:  Euripidis  Troades. 

tinus  p.  440/  Diese  Angaben  sind  unrichtig.  Das  Citat  Plut.  Mor.  p. 
173  stammt  aus  Valck.  zu  Eur.  Plioen.  p.  9,  der  ich  weirs  nicht  nach 
welcher  Ausgabe  der  Moralia  citiert ;  es  war  gemeint  Plut.  Mor.  p. 
381 B:  aber  sowohl  hier  als  p.  1007  C  und  bei  Themistius  und  Ploün 
werden  lediglich  die  Worte  ndwa  yccq  6i*  a^ipov  ßalvcDv  xsXev^ov 
Tiara  8U^v  xa  -^vifi'  ayetq  berücksichtigt,  lieber  die  frühern  Verse 
war  zu  verweisen  auf  Sextus  Empir.  p.  219,  1.  666,  5.  Clemens  Alex. 
Protr.  p.  21.  Justinus  Martyr  1  p.  134  nebst  Plut.  Mor.  p.  1026  C.  Statt 
elöivai  874  geben  Sextus  und  Clemens  slctöeiv,  und  676  bat  Sextus 
inriv^dfiriv, 

908 :      TCQokov  fihv  ciQxdg  htiuv  ^ds  tc5v  %a%wv 

IJaQlV  TBKOVÖa. 

Man  würde  an  den  Worten  aQ%ag  Iuksv  i^Se  tmv  xaxav  von  der  He- 
kabe ,  die  als  Mutter  des  Paris  die  erste  Schuld  alles  Unheils  tragea 
soll,  keinen  Anstofs  nehmen,  wenn  nicht  JJclqiv  renovCa  nachfolgte; 
das  doppelte  rUreiv  ist  dagegen  bedenklich,  man  sollte  a^ag  "ifi^ 
l^y\%i  zav  Kaoiäv  erwarten. 

917:  'Hga  &  vTtiö^sx  Aüiad^  EvQcijctjg  d'^  OQOvg 
xvQavvCd^  B^Hv^  et  öq>6  xglveuv  Udgig, 
Es  ist  zu  verwundern  dafs  noch  niemand ,  so  viel  ich  weifs ,  am  zwei- 
ten Vers  gerüttelt  hat.  Das  Wort  rvQavvig  ist  hier  in  einem  Sinn  ge- 
braucht wie  sonst  wohl  kaum  ;  es  bezeichnet  das  Gebiet  über  welches 
jemand  herscbt:  statt  xvQavvlö*  ?^eiv  muste  gesagt  werden  xvqawlia 
ömöstvj  und  dafs  Euripides  xqIvsiv  statt  TtQOKQtvetv  gesetzt  haben 
sollte,  wird  niemand  warscheinlich  finden,  der  an  Stellen  denkt  wie 
Iphig.  Aul.  72:  6  xag  ^edg  kqCvcov  od\  dg  o  (ivd-og  Agyelcov  ixBt^  oder 
Tro.  913:  ixQivB  xQicaov  ^svyog  oöe  xQiaamv  ^£cov.  Diesen  Bedenken 
entgehen  wir  durch  Tilgung  des  Verses;  er  ist  für  den  Sinn  ganz  ent- 
behrlich ,  und  Tzctzes  scheint  ihn  nicht  gekannt  zu  haben ;  denn  er 
iSfst  ihn  aus  in  der  Exeg.  II.  p.  39  IT.,  wo  914 — 919  citiert  werden. 
Jenes  Citat  des  Tzetzes  stimmt  im  übrigen  mit  den  befsern  Hss.,  mir 
dafs  er  919  das  einzig  richtige  im^Qd^dfioi  erhalten  hat,  wo  unsere 
Hss.  vTtexÖQCifiot  haben. 

Nachdem  Helena  gezeigt  hat ,  dafs  sie  ihrem  Volk  die  Gelegen- 
heit geboten  habe  über  die  Barbaren  zu  triumphieren,  führt  sie  fori 
(924):  a^'  evtvxrjaev^Ekldg;  (oXofJirjv  d'  iyd) 

BvnoQg>Ca  Ttga^siöa, 
So  K. :  d'  fehlt  im  Pal.  und  wie  es  scheint  im  Vat.  909,  statt  Sq*  hal 
der  Pal.  a  ö\  wonach  man  bisher  las:  a  d'  evrv^t^cv  'EHdg^  mX6~ 
lirfv  iyci.  Diese  iiergebrachte  Lesart  halte  ich  für  richtig,  weil  sie 
das  scharf  hervorhebt  worauf  es  hier  ankömmt :  ^  das  Glück  von  Hel- 
las war  mein  Unheil.' 

931 :       ^^0"'  ovxl  (nxQciv  &e6v  ix(ov  avvav  fiita 
0  xrjöö^  äkdcxm^f  m  AXi\av^gw  ^il^ig 
ovofuxxi  x^tSfpoaveip  viv  eXxB  ntxl  Ildqtv, 
^ Du  kannst  ihn  Alexander,  du  kannst  ihn  aber  anch  Paris  nen- 
nen' —  in  der  That  eine  seltsame  Weisheit!    In  welcher  Absicht 


A.  Kirchhoff:  Earipidis  Troades.  17 

konnte  Euripides  diese  puerile  Notiz  der  Helena  in  den  Mund  legfen? 
Darüber  wiTsen  vielleicht  diejenigen  Auskunft  zu  geben,  die  auf  jedes 
Aberlieferte  lola  schwören  und  nichts  für  abgeschmackt  genug  halten, 
nm  es  nicht  gelegentlich  einem  antiken  Dichter  zuzutrauen.  Andere 
werden  zugeben,  dafs  ute  9ial  Tlaqiv  eine  unvernunflige  ond  plumpe 
Interpolation  ist.  Sollen  dem  Paris  zwei  Namen  gegeben  werden ,  so 
wird  neben  dem  Namen,  den  er  führt,  der  genannt  werden  müfsen,  den 
er  führen  sollte,  d.  h.  der  sein  Wesen  bezeichnet.  Demnach  glaube 
ich  mit  Sicherheit  behaupten  zu  dürfen,  dafs  man  ehemals  an  der  vor- 
liegenden Stelle  folgendes  las: 

6  xricö  akdaxfoqj  bix*  AXi^avö()ov  &iXBtg 
6v6[iaTi  TCQOiSgiioveiv  viy  bXx*  aldCTOQa, 
^Man  nennt  ihn  Alexander,  man  sollte  ihn  nennen  aXdartoQ*  —  dies 
lafst  sich  verslehn.  Zugleich  erklärt  sich,  wie  die  abgeschmackten 
Worte  sTxs  aal  Tldqiv  in  den  Text  kamen:  o  r^tfJ'  iXd<5x(OQ  und  eXx^ 
akdöxoQa  vertrug  sich  nicht;  man  schaffte  das  dXdaxoga  an  der  zwei- 
ten Stelle  fort.  Man  hatte  vielmehr  in  den  Worten  6  xthsö'*  dXdöxcoQ 
den  Sitz  des  Fehlers  suchen  sollen,  wofür  6  xrjaSs  XjiaxrjQ  oder  etwas 
ähnliches  zu  setzen  sein  wird.  —  Die  vorliegende  Stelle  ist  äufserst 
belehrend  für  die  Art,  in  welcher  die  allen  Diorthoten  die  Kritik 
handhabten.  Ein  ganz  analoges  Beispiel  bietet  Eur.  Cycl.  382:  insl 
rcexQuiav  rjfvJ'  iai^X&ofiev  x^ova.  Dafs  die  Höhle  des  Kyklopen,  von 
der  hier  die  Rede  ist,  nicht  TttcQala  x'&^v  beifsen  kann,  liegt  am 
Tage.  Die  neuern  Kritiker  billigen  das  Musgravesche  öxiyi]v.  Viel- 
leicht war  die  ehemalige  Lesart  inel  nsxgalav  rijvd'  iariX^o^uv  rci- 
XQuv,  Um  das  *  hölzerne  Holz'  los  zu  werden,  setzte  man  statt  7ti~ 
T^av  ein  sinnloses  Wort,  während  die  richtige  Lesart  sein  dürfte: 
inel  iBTtaiav  xr^vd^  icrjX&ofiev  Tcixqav.  Derselbe  Fall  liegt  endlich 
noch  vor  bei  Soph.  Anl.  292,  wo  die  ursprüngliche  Lesart: 

otJj'  vno  ivym 
v(Sxov  Sixaicog  elxov  BvXoqxog  g>iQStVy 
zunächst  durch  einen  Schreibfehler  corrumpiert  wurde  in  koipov  di- 
fuclmg  bIxov  evlogxog  q>iQ£iv^  und  diese  Corruptel  dann  zu  der 
jetzigen  Interpolation  verleitete:  X6g>ov  dmalfag  elxovj  mg  üxig- 
yeiv  i^L  Wer  hätte  nach  dieser  Interpolation  das  ursprüngliche 
auch  nur  ahnen  können,  wenn  nicht  durch  ein  günstiges  Ungefähr  uns 
einige  Citate  gerettet  wären,  die  uns  die  Leidensgeschichte  dieses 
Verses  enthüllen?  Man  vgl.  diese  NJahrb.  Bd.  LXV  S.  252.  Zu  dea 
dort  gegebenen  Zeugnissen  über  die  authentische  Lesart  nehme  man 
noch  Schol.  Aesch.  Prom.  931  p.  282  Dind. :  ilo^o^  6  ctft/o  xivan/  ip:oi 
b  TteQi  xov  XQdxflXov  avio&sir  o^ev  xa2  x6  X€exaXoq>ddta  iv  ^Oövöceicc 
xal  TtaQa  £<HpoiiX€i  x6  vtco  ^vyov  (},  ivy^)  vioxov  svxoXcag 
g>iQBiv,  Statt  ev%6X<ag  fpiqaiv  ist  zu  schreiben  Bvkotptog  tpiqBtv^ 
weil  eben  von  X6(pog  und  dessen  Compositis  gehandelt  wird. 

935 :       t/  Ol  q)qoi*ovö^  .  .  ix  öofitav  S(i   iönofirjv  — ; 
Das  g>Qovovcd  y    i%  dofiwif  des  Pal.  hält  K.  mit  Recht  für  eine  Cor- 

iV.  JaMrb.  f,  PkU.  «.  Paed.    Bd.  LXX.  Bß,  1.  2 


18  A.  Kirchlioff:  Earipidis  Troades. 

rectur;  Boihes  Vorschlag  g>Qovova^  Ix  ö(0(iiaT<av  ist  unrhylhmisch :  ich 
vermuthe  ipQOvil}0aa    in  ö6fA(ov, 

9-40:  IW«v  <J'  Sx^^g  Sv  eig  Ijü'  BwtQsnrj  koyov. 
Passender  ist  wolil  svzQSTtijj  so  viel  als  7r^;i^£^(K>i/.  Die  Verwechslung 
von  evTQBTttjg  und  svTtQiTcqg  ist  fast  conslant.  Dies  hat  zu  einer  fal- 
schen Aenderung  Anlafs  gegeben  bei  Eur.  Bacch.  440,  wo  vom  Dio- 
nysos erzählt  wird,  er  habe  sich  willig  binden  lafsen:  Sfuvi  ve  xov- 
fiov  iwtQenlg  nQioviisvog.  Hier  durfte  nicht  evxQinlg  Ttowviuvog  ge- 
schrieben werden,  sondern  es  war  zu  lesen  xovfiov  evnazhg  Ttotov- 
(isvog  *  er  machte  mir  die  Arbeit  leicht.' 

980 :  ov  elatöovaa  ßccQßuQoig  i<5&rn».aat 

%ifv0a  re  kccfiTtgov  i^SfiuQycid'rjg  <pQivag, 
So  der  Pal.,  wogegen  Havn.  und  Harl.  ov  ^vy  Idovacc,  der  Vat.  end- 
lich blofs  ov  Idovca,  Das  Relalivum  ov  hat  etwas  auffallendes,  da 
das  Nomen,  worauf  es  sich  beziehen  würde,  durch  mehrere  Sätze  ge- 
trennt ist.  Die  Lesarten  der  befsern  Hss.  fahren  auf  die  Corruptel 
övy*  ov  löovöa^  worin  6v  yovv  ISovöa  enthalten  sein  wird. 

Talthybios  verspricht  bei  der  Bestattung  des  Astyanax  der  He- 
kabe  behilflich  zu  sein, 

mg  övvxofA    rifiiv  xan   ifiov  xe  nemo  öov 
sig  ^v  ^vveXd'ovx    otnad^  oQ^örj  nXdxipf. 
Die  letzten  Worte  (1138)   erklärt  man  *das  Schiff  nach  Hause  an- 
kern'; man  hat  nicht  nöthig  diesen  geschraubten  Ausdruck  dem  Euri- 
pides  beizulegen ,  da  die  besten  Hss.  o^fii^aei  bieten ,  wonach  oQfn^öy 
nXttxriv  zu  schreiben  ist. 

1163:  TtQog  xatpov  ^'  ofitiXlncDV  \  xaSfiot;^  aitd^G}.  Es  kann  hier 
nicht  vom  Wegführen ,  sondern  nur  vom  Hinzuführen  die  Rede  sein, 
folglich  ist  iTTcrlo}  zu  schreiben.  Das  Wort  Ka^og  wird  fast  durch- 
weg von  fröhlichen  Gelagen  gebraucht;  darum  vermuthete  ich  früher 
xofifiovg.  Doch  scheint  xdfwvg  bestätigt  zu  werden  durch  Choricius 
p.  180  ed.  Boiss. :  nofidaovxeg  aiv  rifiiv  xa^ov  ayQiov^  wo  ebenfalls 
von  der  Trauer  die  Rede  ist. 

1171:  offiot,  T«  ÄoU'  iaTcdaiiad'^  ai x^  ifictl  xgo<pal  \  vnvoi  t' 
ixslvoi  (pQOvöd  fioi.  Was  soll  vnvoi  hier,  wo  es  sich  um  die  Pflege 
und  Erziehung  handelt?  Vermuthlich  ist  novoi  zu  verbefsern  mit  Do- 
bree  Advers.  II  p.  93. 

1184:  ov  yccQ  slg  naXkog  xvxccg  6al(imv  SldaxJiv.  Sollte  nicht 
slg  %aX6v  durch  den  stehenden  Sprachgebrauch  geboten  sein?  Vgl. 
Eur.  Herc.  F.  728.  Soph.  Oed.  R.  78.  Plat.  Symp.  p.  176  E.  Euthyd. 
p.  275  B.  Anthol.  Pal.  IX,  236.  Ausdrücke  wie  slg  xdXXog  tv^  Xen. 
Cyrop.  Vin,  1,  33.  xa  elg  xdXXog  ßla>  Xen.  Ages.  9,  1.  vxtg  —  slg 
TuiXXog  iaxetEviT,  El.  1073,  sind  davon  gänzlich  verschieden. 

1228 :     ag>€tvsig  Sv  ovteg  ovx  Sv  Vfivri^Bifisv  Sv 
(iovöatg  äoiSag  dovxeg  aotdoig  ßgoxmv. 
So  die  guten  Hss.,  dagegen  der  Pal.  vöxigav  ß(^xmv^  wonach  jetzt 
mit  der  Aldina   v<Sxl(fOtg  gelesen  wird   (ähnlich  Suppl.  1225:  oodag 
iHniQOiüi  d'^asxe).  Darf  man  aoidoig  als  Grandlage  für  die  Verbefse-. 


A.  Kirchhoff:  Euripidis  Troades.  19 

ruDg  Dehmen,  so  möchte  ag>^lzovg  die  leichteste  und  wahrscheinlich- 
ste Aenderung  sein.  Der  Genetiv  ßgormv  wäre  dann  mit  (lovaaig  zu 
verbinden.  Doch  ist  noch  zu  beachten,  dafs  Vat.  und  Havn.  öiöovreg 
statt  dovTig  haben,  wodurch  ßginav  Truglich  wird. 

1243:  di  xirax^s  itL^ngavai  JJqianov  loö'  aatv.  Da  der  Vat. 
xhax'&ev  7Ci(i7tQdvai  hietei  ^  BO  hat  K.  (mit  Härtung)  xizax'd'^  ifATt^- 
9F^a)/at  geschrieben ;  dann  würde  ifiTHngdvai  nothwendig  sein;  aber 
eben  darum  war  es  wohl  rathsamer  das  Simplex  beizubehalten. 

1256  bricht  Hekabe  in  den  Wehruf  aus : 

Ol  yca  xdkaiva '  rovro  dr^  to  koicd-iov 
xai  xigfia  ndvxav  ijörj  xöiv  ifimv  xaxcai/. 
Des  Metrums  wegen  hat  man  umgestellt  xcSv  ificiv  ijSrj  xaxcov,  und  so 
gibt  K. ;  könnte  nicht  auch  ^örj  verderbt  sein?   Vielleicht  aus  r^k^e. 

Von  Druckfehlern  dürften  die  erheblichsten  sein:  evQshaA^  (statt 
iVQBltao  A*)  in  der  Anmerkung  zu  805  und  'ExroQog  g)dov  (statt  9/- 
lüv)  adnog  1206  im  Text.  Die  Accentuation  igscOai  (statt  igia^cct) 
888  durfte  nicht  geduldet  werden,  auch  wenn  sie  die  Autorität  der 
Hss.  für  sich  haben  sollte. 

Wir  schliefsen  mit  dem  Wunsch,  dafs  der  Herausgeber  die  wei- 
tern Früchte  seiner  curipideischen  Studien  dem  philologischen  Publi- 
cum baldigst  mittheilen  möge. 

Berlin.  Augiist  Nauck, 


Plalons  sämmtliche  Werke.  Uebersctzt  von  Hieronymua  Müller,  mit 
Einleitungen  begleitet  von  Karl  Steinhart,  Vierter  Band.  Leipiig, 
F.  A.  Brockhaus.  1854.  775  S.  gr.  8. 

(S.  Bd.  LXVII  S.  270  ff.  417  ff.  LXVIII  8.  273  ff.  414  ff.) 

Der  vorliegende  vierte  Band  dieses  vortrefflichen  Werkes  be- 
bandelt zunächst  den  Phaedros.  Je  anerkannter  jetzt  die  pythago- 
reischen Einflüfse  sind,  welche  dieser  Dialog  zur  Schau  stellt,  desto 
berechtigter  ist  es,  wenn  Hr.  Steinhart  zunächst  im  allgemeinen 
die  Einwirkungen  bespricht,  welche  Piaton  von  der  pythagoreischen 
Lehre  erfahren  hat  (S.  3 — 9).  Von  ihnen  setzt  er  die  Anregung  zu 
einer  erneuten  theoretischen  Beschäftigung  mit  der  Politik  obenan  und 
betrachtet  jetzt  den  Politikos  als  die  erste  Frucht  derselben,  was  aber 
nicht  zu  der  im  3n  Bd.  S.  622  geaufserten  Ansicht  stimmt,  dafs 
dieser  Dialog  einen  den  Pythagoreern  fremden  Zug  zur  Monarchie 
verrathe,  und  dafs  daher  die  in  ihm  hervortretende  Bekanntschaft  mit 
dem  Pythagoreismus  wohl  schon  von  Athen ,  von  Piatons  Umgang  mit 
dem  Simmias  und  Kebes  herstamme.  Mit  Recht  nennt  der  Hr.  Vf.  fer- 
ner das  kosmische  System  des  Philolaos;  auffallend  ist  es  aber  wie- 
der, wenn  er  für  die  Ansicht,  dafs  Piaton  die  Schrift  desselben  erst 
auf  seiner  italischen  Reise  kennen  gelernt  zu  haben  scheine,  sich  auf 


20    H.  Müller  u.  K.  Steinhart:  Piatons  sammtliche  Werke.   4r  Bd. 

Böckhs  Philolaos  S.  19  beruft,  während  doch  Böckh  hier  gerade  am- 
gekehrt  den  Ungrund  dieser  Tradition  nachgewiesen  hat.  Auch  darin 
kann  ich  dem  Hrn.  Vf.  nur  beistimmen,  wenn  er  in  der  pythagoreischen 
Auffafsung  der  Seele  als  einer  Harmonie  eine  Anregung  zu  einer  tie- 
fem Betrachtung  der  Psychologie  für  Piaton  erblickt.  Dagegen  kann 
ich  die  hier  aufgestellte  und  S.  377  u.  S.  551  Anm.  23  wiederholte 
Meinung  nicht  billigen,  dafs  die  Definition  der  Seele  als  einer  sich 
selbst  bewegenden  Zahl  bereits  eine  altpythagoreische  sei,  schon  aus 
dem  einfachen  Grunde  nicht,  weil  die  bestimmtere  Angabe,  welche  sie 
dem  Xenokrates  beilegt,  schon  als  solche  der  unbestimmteren,  welche 
den  Pythagoras  zu  ihrem  Urheber  macht,  vorzuziehen  is(,  denn  ^Pytha- 
goras'  besagt  bekanntlich,  wie  auch  Hr.  St.  zugibt,  nichts  anderes  als 
die  pythagoreische  Schule  im  allgemeinen,  da  von  ihm  selbst  bereits 
Aristoteles  nichts  mehr  wüste.  Wenn  sich  aber  Hr.  St.  auf  Aristo!, 
de  an.  I,  2  beruft,  so  mufs  ich  umgekehrt  auch  gegen  ihn  die  Bemer- 
kung Zellers  Phil.  d.  Gr.  1  S.  123  Anm.  3  geltend  machen:  ^ob  Aristo- 
teles an  dieser  Slelle  wohl  eine  so  bestimmte  Erklärung  über  die  ewige 
Bewegung  der  Seele  übergangen  hatte,  um  dieselbe  Lehre  mfihsaq^ 
aus  einigen  vereinzelten  Vorstellungen  als  pythagoreisch  zu  erwei- 
sen'. Es  versteht  sich  von  selbst,  dafs  der  Hr.  Vf.  zn  den  pythago- 
reischen Einflürsen  auf  Piaton  ferner  die  Seelenwanderung  und  die 
Weltseele  rechnet;  sehr  gut  ist  es  aber,  wenn  er  daraufhinweist,  dafs 
bei  den  Pythagoreern  ganz  mit  den  Aussprüchen  im  Phaedros  über- 
einstimmend die  mündliche  Darstellung  dergestalt  in  Ehren  stand,  dafs 
Philolaos  der  erste  war,  welcher  sich  in  der  schriftlichen  versuchte; 
schwerlich  ist  jedoch  auf  Angaben  aus  einer  Zeit,  welche  platonisches 
and  pythagoreisches  wirr  durcheinander  mischte,  wie  z,  B.  auf  die 
Angabe  des  Porphyrios,  dafs  die  spätem  Pythagoreer  ebenso  wie 
Piaton  im  Phaedros  der  Schrift  lediglich  den  Werth  der  Erinnerung 
an  den  mündlichen  Unterricht  beilegten,  viel  zu  geben,  wie  dies  Hr. 
St.  thut.  Auch  ist  nicht  zu  übersehn ,  dafs  die  Bevorzugung  der  Rede 
vor  der  Schrift  doch  viel  näher  schon  am  Sokrates  selbst  ihr  Vorbild 
hatte ,  daher  auch  schon  in  viel  früheren  Schriften  vom  Piaton  ebenso 
ausgesprochen  ward,  z.  B.  Protag.  p.  329  A.  Ebenso  mag  ich  nicht 
glauben,  dafs  Piaton  bei  der  Eröffnung  seiner  Schule  mehr  das  Muster 
der  Pythagoreer  als  das  des  Sokrates  im  Auge  gehabt  oder  für  den 
Gesichtspunkt  der  Liebe,  unter  welchen  er  dieselbe  stellte,  mehr  das 
pythagoreische  als  das  sokratische  Zusammenleben  von  Lehrer  und 
Schülern  berücksichtigt  habe ,  um  so  weniger  da  wir  ja  gar  nicht  wi- 
fsen,  ob  der  Pythagoreismus  damals  noch  in  der  alten  Weise  eines 
geschlofsenen  Bundes  fortbestand.  Selbst  dies,  dafs  die  philosophi« 
sehe  Anregung  nnd  Belehmng  anter  den  gegebenen  Verhältnissen  die 
einzig  mögliche  wahrhafte  praktisch-politische  Thätigkeit  sei,  brauchte 
er  nicht  von  den  Pythagoreern  zu  lernen ,  da  er  eben  dies  seinen  So- 
krates schon  im  Gorgias  p.  521  C  aussprechen  läfst,  und  konnte  es 
auch  nicht  einmal  von  ihnen  lernen,  da  Archytas  bekanntlich  auch  in 
anderem  Sinne  Staatsmann  war;  nur  das  ist  zuzngeben,  dafs  das  Vor- 


H.  Maller  u.  K.  Steinbart:  PUlons  sämmUiche  Werke.  4r  Bd.    21 

bild  eben  dieses  philosophischen  Beherschers  von  Tarent  ihm  Hoff- 
nung und  Zatraaen  lu  der  dereinstigen  praktischen  Ausführbarkeit 
eines  von  Philosophen  nach  wahrhaften  philosophischen  Grundsätzen 
geleiteten  Staats  einflöfsen  konnte.  Ueberhaupt  darf  man  die  ursprüng- 
lichen Einwirkungen  der  pythagoreischen  Lehre  auf  den  Piaton  nicht 
überschatten,  Hr.  St.  selbst  gesteht  ja  zu,  dafs  er  gerade  den  Mittel- 
punkt derselben,  die  Zahlensymbolik,  fürs  erste  noch  auf  sich  beruhen 
liefs,  und  dafs  es  wesentlich  nur  das  mystische  Element  dieser  Lehre 
war,  welches  zunächst  ihn  anzog.  Es  mufs  für  diejenigen,  welche 
mit  dem  genauem  Eindringen  in  dieselbe  eine  ganz  neue  Entwick- 
lungsperiode Piatons  beginnen,  im  höchsten  Grade  störend  sein,  dafs 
eins  der  Hauptwerke  dieser  Periode,  das  Symposion,  doch  so  gar 
keine  Spuren  dieses  bestimmten  und  bestimmenden  Einflufses  zeigt, 
und  so  sucht  denn  Hr.  St.  S.  337  Anro.  1  auch  für  dies  Gesprach 
wenigstens  im  allgemeinen  den  Einflufs  des  religiösen  Geistes  der 
pythagoreischen  Lehre  zu  retten.  Allein  zu  diesem  Zwecke  wäre  erst 
nachzuweisen,  dafs  die  frühem  Schriften  Piatons  weniger  von  reli- 
giösem Geiste  durchdrungen  seien :  Kef.  aber  vermag  wenigstens  nicht 
abzusehen,  inwiefern  z.  B.  jene  bekannte  Episode  im  Tbeaetetos  p.  172 
C — 177C  in  dieser  Beziehung  irgendwie  hinter  dem  Symposion  zu- 
rückstehen sollte.  Jenen  religiösen  Geist  halte  Piaton  doch  wohl  schon 
längst  in  unvertilgbarer  Weise  aus  den  Tiefen  seiner  eignen  Brust 
und  aus  dem  Vorbilde  seines  Meisters,  des  Sokrates,  geschöpft.  Hr. 
St.  beruft  sich  nun  freilich  an  eben  dieser  Stelle  darauf,  dafs  auch 
anderer  philosophischer  Systeme  im  Gastmahl  nirgends  ausführlich 
gedacht  werde.  Das  ist  allerdings  richtig,  aber  es  waltet  hier  doch 
der  erhebliche  Unterschied  ob,  dafs  von  andern  Systemen  sich  man- 
che einzelne  bestimmte  Einwirkungen  nachweisen  lafsen,  gerade  von 
dem  pythagoreischen  aber  nicht. 

S.  9 — 12  hebt  der  Hr.  Vf.  die  weiteren  Anknüpfungspunkte  des 
Phaedros  hervor,  welche  für  den  Piaton  im  Geiste  seines  Volkes  und 
seiner  Zeit  lagen,  nemlich  die  Männerliebe  und  die  Rhetorik,  welche 
ebenso  sehr  in  ihrer  Ausartung  von  ihm  bekämpft  werden  musten, 
als  sie  andrerseits  doch  zugleich  einen  gesundern  Keim  in  sich  tru- 
gen, dessen  weitere  Entwicklung  anch  wiederum  einen  positiven 
Anknüpfungspunkt  für  seine  philosophischen  Bestrebungen  darbot. 
Dann  werden  S.  12 — 18  die  bisherigen  Auffafsungsweisen  des  Dialogs 
entwickelt,  zuletzt  anch  die  des  Ref.  lieber  die  einzelnen  Gründe, 
mit  welchen  der  Hr.  Vf.  die  letztere  bekämpft,  liefse  sich  streiten;  in 
der  Hauptsache  dagegen  mufs  ich  ihm  Recht  geben ,  dafs  die  wahr- 
hafte Rhetorik  dieses  Gesprächs  mit  der  philosophischen  Mittheilung 
identisch  ist,  indem  nemlich,  wie  Hr.  St.  S.  20  f.  genauer  ausführt, 
diese  letztere  eine  doppelte  Seite  haben  mufs,  die  dialektische,  wel- 
che sich  an  die  in  der  Sache  liegende  Methode  anschliefst,  und  die 
rhetorische,  welche  diese  Methode  nach  der  besondern  Eigenthüm- 
licbkeit  der  zu  belehrenden  Person  näher  modificiert.  Nur  geht  Hr. 
St.  wieder  nach  der  andern  Seite  zu  weit,  indem  er  selbst  S.  19  sagt, 


22    H.  Müller  a.  K.  Steinhart:  Piatons  simmtliche  Werke.  4r  Bd« 

dafs  nicht  jede  —  erlaubte  —  Begeisterung  und  Liebe  auf  Dialektik 
und  Philosophie  gerichtet  sei,  trotzdem  aber  übersieht,  dars,  da  jede 
echte  Liebe  sich  in  begeisterten  Reden  äufsert,  es  dann  ganz  conse- 
quent  auch  eine  erlaubte,  aber  doch  unphilosophische  Redekunst  geben 
muFs.  Dafs  diese  letztere  hier  aber  gar  nicht  ausdrücklich  hervortritt, 
ist  ein  wesentlicher  Fingerzeig  für  den  eigentlichen  Zweck  des  Dia- 
logs, denn  auch  hinsichtlich  der  Liebe  späht  man  vergebens  nach 
einer  wifsenschafllichen  Abgrenzung  des  Gebiets  der  erlaubten,  aber 
unphilosophischen  von  dem  der  philosophischen,  wie  sie  erst  im  Sym- 
posion gegeben  wird.  Um  so  weniger  durfte  dann  aber  auch  Hr.  St. 
bei  derFafsung  des  Grundgedankens  darauf  Gewicht  legen,  dafs  nicht 
jede  Liebe  der  letztern  Art  sei;  es  ist  vielmehr  ein  Widerspruch, 
wenn  er  doch  zugleich  bemerkt,  dafs  die  Liebe  hier  nur  in  ihrer  Be- 
ziehung auf  Dialektik  und  Rhetorik  betrachtet  werde  (S.  19);  denn 
was  heifst  dies  anders,  als  dafs  nur  die  philosophische  Liebe  hier  we- 
sentlich in  Betracht  komme?  Im  Phaedros  handelt  es  sich  mithin  we- 
sentlich nur  noch  erst  darum,  die  volle  Kluft  des  Gegensatzes  gegen 
die  gemeine  Liebe  zu  begreifen.  Wenn  die  Kluft  durch  Mittelstufen 
ausgefüllt  wird,  wenn  auch  von  sonstigen  *  einzelnen  Arten  und  For- 
men der  Begeisterung  und  Liebe'  die  Rede  ist,  so  hat  man  dies  doch 
theils  nur  als  vorläufige  Andeutungen  zu  nehmen,  theils  könnte  ja 
ohne  Eintheilung  und  Induction,  mithin  ohne  die  Berücksichtigung 
jener  Arten  nicht  einmal  die  vorläufige  Anschauung  der  philosophi- 
schen Liebe  gewonnen  werden,  wie  sie  uns  im  Phaedros  entgegen- 
tritt; denn  dafs  auch  von  ihr  ein  wirklicher  Begriff  sich  nicht  findet, 
bemerkt  Hr.  St.  mit  Recht.  Erst  jetzt  glaube  ich  K.  Fr.  Hermanns  Be- 
merkung (Gesch.  u.  Syst.  der  plat.  Phil.  1  S.  522)  richtig  verstanden 
zu  haben ,  dafs  der  Phaedros  die  Trennung  von  geistiger  und  sinnli- 
cher Liebe  schroffer  festhalte  als  das  Symposion ,  und  ich  hätte  hie- 
gegen  nicht  in  meinem  Prodromus  S.  82  aus  dem  Grunde,  dafs  das 
körperlich  und  das  geistig  schöne  im  Phaedros  gar  nicht  recht  aus- 
einander gehalten  würden,  polemisieren,  vielmehr  dessen  eingedenk 
sein  sollen,  dafs  die  abstracto  theoretische  Trennung  der  Gegen- 
sätze stets  eine  praktische  und  f actische  Vermischung  und  Ver« 
mengung  zur  Folge  hat.  So  gebe  ich  denn  Hrn.  St.  zwar  darin  Recht, 
dafs  weder  in  der  Liebe  noch  in  der  Dialektik  noch  endlich  in  der 
Rhetorik  der  Mittelpunkt  des  Dialogs  zu  suchen  ist,  sehe  aber  nicht 
ein,  warum  nicht  in  der  Wechselwirkung  von  allen  dreien,  sehe  fer- 
ner nicht  ein,  inwieweit  die  philosophische  Liebe  etwas  anderes  sein 
sollte  als  der  philosophische  Trieb ,  sofern  man  ihn  nur  im  echt  pla- 
tonischen Sinne  fafst ,  nicht  blofs  als  den  Trieb  zu  eigner  Erkenntnis, 
welcher  erst  hinterher  zur  Mitlheilung  drängt,  sondern  als  den  unmit- 
telbaren Drang  nach  geistiger  Gemeinschaft  uud  Miltheilung,  kraft 
deren  man  sich  seines  eignen  geistigen  Inhalts  erst  bcwust  wird,  mit- 
hin selbst  erst  zur  Erkenntnis  gelangt,  durch  welche  dann  erst  der 
Trieb  selbst  veredelt,  aus  einem  unbewusten  zu  einem  bewnsten  erho- 
ben, von  den  endlichen  weg  unmittelbar  auf  das  ewige  gerichtet  wird. 


U.  Müller  Q.  K.  Steinbart:  Piatons  sämmtliche  Werke.  4r  Bd.    2S 

Und  auch  das  müfsen  wir  behaupten,  dafs  in  diesem  Processe  wenig- 
stens der  empirische  Ausgangspunkt  eben  dieser  noch  unbewuste 
Trieb  ist.  In  der  That  geht  denn  auch  Hr.  St.  in  seiner  eignen  Dar- 
siellang  des  Grundgedankens  S.  20 — 24  wesentlich  selbst  auf  diesen 
von  ihm  verworfenen  Pfaden;  denn  was  ist  das  höhere,  frei  schöpfe- 
rische Leben  der  Seele,  in  dessen  Gegensatz  gegen  das  am  endlichen 
klebende,  ideenlose  Treiben  er  diesen  Grundgedanken  findet,  wohl 
anders,  als  der  so  eben  von  uns  angedeutete  Entwicklungsprocess? 
Nur  das  müfsen  wir  als  einen  erheblichen  Fortschritt  dabei  anerken- 
nen ,  dafs  er  noch  um  einen  Schritt  weiter  zurückgeht  und  diesem  Pro- 
eess  in  der  Ewigkeit  und  Praeexistenz  der  einzelnen  Seelen  und  damit 
in  der  ava}ivtj6tg  seine  breitere  Basis  anweist. 

S.  25 — 52  folgt  dann  eine  ausführliche  Erörterung  über  die  Stelle 
des  Phaedros  in  der  Reihe  der  platonischen  Dialoge.  Was  nun  dabei 
Eunächst  die  völlige  Werthlosigkeit  der  Angaben  des  Alterthums  be- 
trifft, welche  ihn  zu  dem  frühesten  der  platonischen  Werke  machen, 
80  bedurfte  dieselbe  kaum  noch  eines  Nachweises.  Andrerseits  ist 
aber  auch  durchaus  nicht  abzusehen,  warum  die  entgegenstehende 
Angabe  Ciceros  ein  gröfseres  Gewicht  haben,  ja  durchaus  zuverlöfsig 
sein  soll  (S.  28),  woher  Hr.  St.  schliefst,  dafs  gerade  er  ^gewis  aus 
guten  Quellen  schöpfte'  (S.  25).  Warum  sollten  ihm  denn  gerade 
befsere  Quellen  zu  Gebote  gestanden  haben  als  dem  vortrefflichen  und 
besonnenen  Panaetios,  welcher  die  erstere  Ansicht  theill?  Panaetios 
ist  älter  als  Cicero,  und  wenn  sich  daher  wirklich  eine  beglaubigte 
Uebcrliefernng  über  diesen  Gegenstand  bis  in  diese  Zeiten  hinein  ver- 
pflanzt hätte,  so  würde  sie  in  der  That  eher  bei  dem  frühern  als  bei 
dem  spatern  zu  suchen  sein.  Von  diesen  äufsern  Zeugnissen  wendet 
sich  dann  der  Hr.  Vf.  zu  den  dem  Werke  eingepflanzten  historischen 
Spuren,  mit  andern  Worten  zu  der  Art,  wie  des  Lysias  und  Isokrates 
gedacht  wird,  und  weist  recht  glücklich  nach,  dafs  sich  auch  hieraus 
durchaus  kein  sicheres  Resultat  gewinnen  läfst.  Ref.  hat  zwar  bereits 
dasselbe  Ergebnis  ausgesprochen,  gesteht  indessen  mit  Vergnügen, 
dafs  die  von  ihm  in  dieser  Hinsicht  noch  festgehaltenen  Anstöfse  ge- 
gen die  spatere  Abfafsung  des  Werks  nnnmehr  völlig  beseitigt  sind^). 
Auch  mit  dem,  was  Hr.  St.  hierauf  gegen  die  aus  der  Darstellungsform 
hergenommenen  inneren  Gründe  für  die  Jugendlichkeit  desselben  be- 
merkt, kann  ich  im  ganzen  übereinstimmen.  Der  Abstand  zwischen 
der  bei  aller  Fülle  des  Inhalts  so  einfachen  und  doch  so  durchgebil- 
deten Form  des  Phaedros  und  zwischen  der  überschwellenden  Form 
in  den  Jugendwerken,  gegen  welche  die  verhältnismafsige  Dürftigkeit 
des  Inhalts  nm  so  greller  absticht,  läfst  sich  nicht  hinwegdenten.  Zu 
erwägen  wäre  indessen  doch  wohl  gewesen,  ob  andrerseits  wiederum 
der  Unterschied,  der  in  eben  dieser  Beziehung  ebenso  unleugbar  den 


*)  Auf  die  Nichtberücksichtigung  der  Techne  des  Lysias  hatte  ich 
nicht  mit  Krische  Gewicht  legen  sollen,  da  die  Existenz  derselben  über- 
haupt höchst  iweifelhaft  ist,  s.  Spengel  Artium  scriptores  p.  135  f. 


24    H.  Mailer  o.  K.  Steiubart:  Piatons  s&mmllicbe  Werke.  4r  Bd. 

Phaedros  dem  Gastmahl  und  Phaedon  gegenüberatelU ,  sich  darch  die 
Verschiedenheit  des  Zweckes  wirklich  genügend  erklärt.  Oder  sollte 
in  der  That  die  ruhige  Sättigung,  mit  welcher  sich  Form  und  Inhalt 
in  den  beiden  letztern  Gesprächen  gegenseitig  durchdringen,  nicht 
einen  merklich  andern  Eindruck  hervorrnfen  als  hier  der  begeisterte, 
aberquellende  Strom  der  Gedanken,  welcher  gerade  entgegengesetzt 
wie  in  den  Jugendwerken  durch  die  Knappheit  der  Anordnung  so  zu 
sagen  gewaltsam  in  seinem  Bette  zurückgehalten  wird?  Dies  führt 
denn  von  selbst  auf  das  gegenseitige  Verhältnis  der  dialektischen  und 
der  mythischen  Darstellung.  Man  kann  —  unter  den  selbstverständli- 
chen Einschränkungen —  recht  wohl  zugeben,  dafs  *die  Dialoge,  wel- 
che Mythen  enthalten,  einer  spätem  Zeit  angehören,  in  welcher  Piaton 
den  Sokrates  nicht  mehr  mit  historischer  Treue,  sondern  idealisierend 
darstellt'  (S.  39),  aber  man  würde  sich  sehr  täuschen,  wenn  man  aus 
dem  letztern  Grunde  die  mythische  Darstellung  erklären  wollte.  Es 
ist  dies  vielmehr  ein  rein  faclisches,  keineswegs  ursächliches  Zusam- 
mentreffen, wie  einfach  daraus  hervorgeht,  dafs  anerkannt  frühere 
Werke,  z.  B.  der  Menon  und  Gorgias,  Mythen  enthalten,  anerkannt 
spätere,  wie  der  Theaetctos,  Sophist,  Parmenides,  nicht.  Dafs  in  den 
Mythen  eine  höhere  Weisheil  zu  suchen  wäre,  widerlegt  sich  schon 
biedurch,  und  von  dem  Kanon  des  Hrn.  St.  S.  40,  dafs  der  Mythos  das 
ewige  an  sich,  die  Dialektik  dagegen  die  Idee  nur  in  ihrer  Erschei- 
nnng  umfafse,  lehrt  eine  unbefangene  Betrachtung  das  gerade  Gegen- 
theil.  Ich  kann  mich  im  allgemeinen  in  dieser  Hinsicht  auf  die  Beweis- 
führuug  von  Deuschle  (die  plat.  Sprachphil.  S.  38 — 44)  und  auf  die 
Modification,  welche  ich  in  diesen  NJahrb.  Bd.  LXVIII  S.  597  f.  seiner 
Regel  gegeben  habe,  zurückbeziehen;  auch  Böckh  (Untersuchnngen 
über  das  kosmische  System  des  Piaton  S.  16  f.)  äufsert  sich  gelegent- 
lich ganz  entsprechend.  Hinsichtlich  des  Phaedros  selbst  genügt  aber 
schon  die  Thatsache,  dafs  hier  die  Erörterung  über  das  Wesen  und 
die  Ewigkeit  der  Seele  als  solche  p.  245  C  —  E,  wenn  auch  schon 
gefärbt  durch  die  mythische  Umgebung,  so  doch  weit  strenger  in  be- 
grifflicher Form  als  alles  folgende,  vorgetragen  wird.  Im  geraden 
Gegensatz  dazu  erscheinen  dann  vielmehr  die  Entwicklungsphasen, 
welche  die  Seele  auch  selbst  in  ihrer  Praeexistenz  durchzumachen  hat, 
also  gerade  nicht  das  Ansichsein ,  sondern  das  nnaufgelöste  werdende 
Sein  als  Bestandtheil  des  Mythos,  und  nur  weil  die  Ideen  hier  blofs 
im  Znsammenhang  mit  diesem  Processe  betrachtet  werden,  treten  auch 
sie  hier  nur  mythisch  auf.  Dazu  kommt  aber  noch  Piatons  eigne  aus- 
drückliche Erklärung  p.  346  A,  auf  welche  ich  nicht  ermüden  werde 
alle  diejenigen,  welche  des  Hrn.  Vf.  Ansicht  theilen,  hinzuweisen. 
Freilich  mufs  man  aber  diese  Stelle  auch  richtig  erklären.  Wenn  man 
mit  Hrn.  Müller  u.  a.  iöia  hier  durch  ^Begriff'  übersetzt,  hört  freilich 
aller  Zusammenhang  auf,  denn  der  Begriff  der  Seele  ist  ja  eben  im 
vorigen  als  agx^  Kivtl0£(og  bereits  abgethan.  Es  heifst  vielmehr  ein- 
fach *  Gestalt',  lieber  diese  Gestalt  nun  an  sich  zu  reden,  sagt  Pia- 
ton ,  dasa  bedürfe  es  einer  langen  und  göttlichen,  gleichnisweise  über 


H.  Malier  a.  K.  SleioharC  Piatons  sämmtiiche  Werke.  4r  Bd.    25 

sie  EU  spreclien,  dagegen  nur  einer  iKürzern  und  menscliiichen  Un- 
iersuchiing.  Dafs  hier  von  dem  Gegensatz  der  göttlichen  und  der 
menschlichen  Erkenntnisweise  nicht  die  Rede  sein  kann,  ist  klar,  denn 
die  göttliche  Erkenntnis  ist,  wie  man  aus  dem  ^Schauen  der  Ideen' 
im  Mythos  sieht,  keine  Mange',  sondern  vielmehr  eine  sehr  kurze, 
mit  ^inem  Schlag  erfolgende,  mit  andern  Worten  keine  discursive^ 
sondern  eine  intuitive.  Deutlich  werden  hier  vielmehr  die  dialektische 
und  die  mythische  Darstellung  einander  entgegengesetzt  und  jene  aus- 
drQcklich  als  die  göttliche,  d.  h.  als  die  vorzüglichere  gepriesen. 
Dars  man  in  den  Mythen,  so  sehr  man  ihre  künstlerische  VortrefTlich- 
keit  bewundern  mag,  doch,  rein  philosophisch  betrachtet,  nicht  mi( 
Um.  St.  einen  Vorzug,  sondern  lediglich  einen  Mangel  des  platoni- 
schen Standpunktes  erkennen  kann,  scheint  mir  klar  zu  sein,  schon 
weil  ich  nicht  glauben  kann ,  dafs  die  ganze  nachfolgende  Philosophie 
vom  Aristoteles  ab  sich  in  einem  fortwährenden  Irthum  befunden 
habe,  indem  sie  die  Mythen  verbannte.  Damit  ist  natürlich  nicht  aus> 
geschlofsen,  dafs  diese  Darstellung  nicht  in  dem  System  des  Piaton 
selbst,  rein  für  sich  und  in  sich  betrachtet,  durchaus  consequent  und 
nothwendig  sein  sollte,  s.  Deuschle  a.  a.  0.  So  aber  hat  auch  Krische 
trotz  des  Hrn.  Vf.  Widerspruch  vollständig  Recht  darin,  die  frühere 
und  die  spätere  Form  derselben  zu  unterscheiden.  Wo  sie  nemlich  in 
denjenigen  Werken  sich  findet,  welche  noch  erst  mit  der  vollständigen 
Gestaltung  der  Ideenlehre  beschäftigt  sind ,  da  liefert  sie  für  diese 
Gewinnung  nur  erst  das  empirische  Material;  wo  dagegen  in  denjeni> 
gen  Werken,  welche  von  der  Idee  aus  die  Endlichkeit  construieren, 
da  ist  aller  der  menschlichen  Erkenntnis  zugängliche  feste  Seinsgehalt 
aus  ihr  bereits  herausgezogen,  und  sie  umfafsl  nur  noch  diejenigen 
Elemente  des  Werdens  und  der  Erscheinung,  welche  der  menschliche 
Verstand,  beschränkt  wie  er  ist,  nicht  mehr  anf  ihr  volles  Wesen  zu 
reducieren  vermag,  daher  hier  nur  noch  Vermuthung  und  keine  Ge- 
wisheit  besteht.  So  namentlich  im  Timaeos.  Es  fragt  sich  daher  nur 
noch,  welcher  von  beiden  Fällen  hier  Platz  greift.  An  der  obigen 
Stelle  nun  sagt  Piaton,  dafs  ihm  der  dialektische  Weg  zu  Mang'  sei 
für  den  Zweck  dieser  Schrift,  und  eben  deshalb  schlägt  er  den  my> 
thischen  ein.  Kann  es  wohl  deutlicher  gesagt  sein,  dafs  die  Dia- 
lektik oder  Ideenlehre  hier  noch  nicht  ihre  Vollendung  hat?  Hiezu 
nun  habe  ich  die  Parallelstelle  p.  265  B — D  herangezogen  (Prodr.  S. 
81),  und  der  verehrte  Vf.  wird  mir  die  Bemerkung  erlauben,  dafs  er 
dies  zwar  anführt,  in  der  That  aber  auf  diesen  hochwichtigen  Punkt 
keineswegs  naher  eingegangen  ist.  Freilich  hätte  auch  ich  nicht  mit 
Krische  (wie  noch  NJahrb.  Bd.  LXVIII  S.  592  von  mir  geschehen  ist) 
von  ^dialektischer  Ungeübtheit'  reden  sollen,  wodurch  die  Sache 
allerdings  in  ein  schiefes  und  unrichtiges  Licht  tritt. 

Dafs  nun  hieraus  noch  nichts  ganz  sicheres  für  die  Abfafsungszeit 
fol^c,  gestehe  ich  gern  zu.  Geltend  machen  mufs  ich  indessen  doch, 
dafs  nach  der  eben  gegebenen  Erörterung  die  mythische  Gestalt  einer 
Lehre  bei  Platoa  nothwendig  immer  die  frühere  ist,  früher  wenigstens 


26     H.  Mauer  q.  K.  Steinhart:  PUtons  summtliche  Werke.  4r  Bd. 

als  die  ausgeprägte  wirsenschafiliche  BrscheinuDg  derselben.  Dies 
Verhältnis  findet  nun  aber  ganz  auf  die  Ideenlehre  im  Phaedros  und 
im  Parmenides  seine  Anwendung.  Nirgends  erscheint  hier,  wie  doch 
im  ersten  Theile  des  Parmenides,  der  Ausdruck  Bldog  oder  iSia  in 
seiner  streng  technischen  Bedeutung,  und  dies  ist  mindestens  ein  star- 
kes Anzeichen  gegen  die  spatere  Abfafsung  des  Phaedros. 

Die  eigentliche  Entscheidung  kann  freilich  erst  der  wifsenschaft- 
liche  Inhalt  bringen.  Auch  in  dieser  Hinsicht  enthalten  die  Erörte- 
rungen des  Hrn.  Vf.,  soweit  es  sich  um  den  Gegensatz  gegen  die 
Werke  der  ersten  Periode  handelt,  entschieden  das  richtige.  Nur  dar- 
über kann  ich  mich  nicht  mit  ihm  einverstanden  erklären,  wenn  er 
den  übrigen  Sokratikern  einzig  eine  Verbildung,  allein  dem  Piaton 
dagegen  eine  Weiterbildung  der  Sokratik  zuschreibt.  Dies  ist  frei- 
lich ein  ziemlich  allgemeiner  und  verjährter  Irthum,  indessen,  wie  mir 
scheint,  schon  durch  K.  Fr.  Hermann  genügend  widerlegt.  Aristip- 
pos,  Antisthenes,  Eukleides,  meint  Hr.  St.  S.  46,  hatten  bereits  in 
anderen  Sehnten  eine  andere  Bildung  empfangen,  bevor  sie  zum  So- 
krates  kamen.  Und  war  denn  dies  etwa  nicht  auch  beim  Piaton  der 
Fall?  Wifsen  wir  nicht  wenigstens  sicher  von  seinem  Lehrer  Kratylos 
dem  Herakleiteer?  Der  Gegensatz  gegen  die  andern  Sokratiker  be- 
stand nur  darin,  dafs  er  sich  zu  dieser  bereits  empfangenen  Bildung 
anders  als  sie  verhielt,  worüber  Phaed.  p.  96  IT.  Aufschlüfse  gibt. 

Was  dagegen  das  Verhältnis  zu  den  vorzugsweise  so  genannten 
dialektischen  Dialogen  anlangt,  so  hatte  ich  hervorgehoben,  dafs  im 
Phaedros  p.  260  C  die  Ideen  unbeweglich  (ar^e(iTJ)  heifsen ,  während 
schon  im  Sophisten  p.  248  E  die  Ideenwelt  zugleich  als  ruheud  und 
als  bewegt  erscheint  und  ebenso  im  Phaedon  neben  dem  ruhenden  Sein 
derselben  doch  zugleich  eine  Idee  des  Lebens,  mithin  auch  der  Bewe- 
gung auftritt.  Dieser  Gegensatz  ist  wohl  klar  genug,  und  um  so  we- 
niger begreife  ich  es ,  wenn  mir  Hr.  St.  S.  52  gerade  die  zur  Erhär- 
tung desselben  von  mir  gebrauchte  Stelle  des  Sophisten  ohne  weiteres 
zu  meiner  Widerlegung  entgegenhält.  ^  Schon  im  Sophisten '  meint 
er  *  hatte  ja  Piaton  das  Doppelwesen  der  Ideen  klar  erkannt  und  in 
ihnen  zugleich  das  Princip  der  Ruhe  und  Bewegung  gefunden\  Nun, 
um  so  mehr  sollte  ich  denken ,  wenn  er  sie  im  Phaedros  noch  für  un- 
beweglich ansieht,  dafs  der  Phaedros  früher  abgefafst  sein  mufs  als 
der  Sophist.  Ebenso  wenig  verstehe  ich ,  was  Hr.  St.  damit  beweisen 
will,  wenn  er  gegen  mich  geltend  macht,  was  ich  nie  geleugnet  habe, 
dafs  das  ruhende  Sein  der  Ideen  im  Phaedon  wenigstens  mit  ebenso 
grofser  Eutschiedenheit  hervortrete  wie  im  Phaedros.  Alles  was  ich 
behauptet  habe  ist  vielmehr  nur  dies ,  dafs  eben  jenes  ruhende  Sein  im 
Phaedon  und  Sophisten  so  gefafst  wird,  dafs  es  die  Bewegung  ein-, 
im  Phaedros  aber  so,  dafs  es  sie  ausschliefst,  und  dies  hat  der  Hr. 
Vf.  auch  nicht  einmal  versucht  zn  widerlegen.  Oder  bedeutet  ax^enij 
vielleicht  gar  nicht  ^unbeweglich',  sondern  nur  ^unveränderlich',  wie 
llr.  Müller  übersetzt?  Ja  wenn  nur  nicht  die  Schilderung  der  Ideeo- 
lehre  auch  im  vorliegenden  Dialog  Irolz  der  mythischen  Färbung  auf 


H.  Mailer  o.  K.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.  4r  B^.    27 

die  eleatische  ovala  basiert  wäre  und  nicht  Parmenides  Vs.  59  (Kar- 
sten) gerade  eben  denselben  Ausdruck  gebrauchte,  entschieden,  um 
nicht  blors  die  Unverdnderlichkeit,  sondern  auch  die  Unbeweglichkeit 
seines  einen  Seins  zu  bezeichnen !  Indessen  habe  ich  auf  diese ,  wie 
mir  scheint,  ziemlich  entscheidende  Analogie  nicht  einmal  Gewicht 
gelegt,  vielmehr  zur  Bestätigung  die  Kehrseite  herbeigezogen,  nem- 
lich  die  verschiedenartige  Stellung,  welche  die  Seele  im  Phaedros 
und  welche  sie  im  Phaedon  einnimmt.  Dort  ist  sie,  so  bemerkte  ich, 
in  ursprünglicher  Weise  Princip  des  Lebens  (aQxii  Mvrjaecag)^  hier 
kommt  dies  der  ausgebildeten  Ideenlehre  gemäfs  ursprünglich  der 
Idee  des  Lebens  und  nur  abgeleiteterweise  der  Seele  als  deren  Trä- 
gerin zu.  Dort  ist  also  der  Standpunkt  dualistisch;  wir  haben  dort 
ein  Princip  der  Ruhe,  die  Ideen,  und  ein  Princip  der  Bewegung,  die 
Seelen;  hier  ist  er  durchaus  monistisch.  Darin  liegt  es  nun  schon 
selbstverstfindlich ,  dars  die  Einzelseele  im  Phaedon  nicht  Idee,  son- 
dern Erscheinung  ihrer  Idee,  der  Idee  der  Seele  ist;  überdem  aber 
habe  ich  dies  auch  ausdrücklich  gegen  Ritter  nachzuweisen  gesucht 
(Prodr.  S.  16  f.);  wenn  daher  Hr.  St.  S.  56  f.  eben  dies  gegen  mich 
geltend  macht,  so  ist  dies  wiederum  eine  (istcißaaLg  elg  aXlo  yivoq. 
Der  Hr.  Vf.  findet  nun  freilich  S.  80  sogar  darin  einen  Fortschritt  ge- 
gen den  Sophisten,  dafs  dort  die  Idee  selbst  als  unmittelbares  Princip 
der  Bewegung  erscheint,  während  hier  im  Phaedros  die  Seele  an  ihre 
Stelle  tritt.  Allein  dies  würde  nur  dann  der  Fall  sein,  wenn  dabei 
die  Abhängigkeit  der  Seele  von  der  Idee  des  Lebens  und  der  Bewe- 
gnng  ans  Licht  träte;  so  aber,  wie  die  Sache  jetzt  liegt,  könnte  gar 
kein  eclatanterer  Rückschritt  gedacht  werden,  da  im  Sophisten  bereits 
erkannt  ist,  dafs  Leben,  Seele  und  Bewegung  nicht  blofs  in  der  Er- 
scheinung, sondern  auch  schon  in  ihrem  idealen  Grunde  eins  sind. 
Schon  Zeller  (Phil.  d.  Gr.  II  S.  267)  und  Rettig  (über  Piatons  Phae- 
don S.  31)  haben  ganz  richtig  bemerkt,  dafs  der  Schlufsbeweis  für 
die  Unsterblichkeit  im  Phaedon  ganz  derselbe  sei  wie  der  Beweis  im 
Phaedros,  nur  aber  in  dem  eben  vorgetragenen  Sinne  dem  veränderten 
Standpunkte  gemäfs  modificiert.  Ja  bereits  Schleiermacher  II,  3  S.  19 
hat  das  richtige  getroffen,  indem  er  meint,  Piaton  habe  den  Beweis 
des  Phaedros  im  Phaedon  ^bei  Seite  gestellt  und  gleichsam  verleugnet, 
weil  er  sich  nun  gescheut  die  Seele  Urgrund  oder  Gott,  welcher  der 
wahre  Urgrund  ist,  Seele  zu  nennen'.  Und  noch  mehr,  der  Vf.  selbst 
erkennt  S.  82  an,  dafs  unser  Philosoph  im  Phaedros  noch  eigentlich 
nicht  darüber  hinausgekommen  sei,  Gott  mit  der  Weltseele  zu  identi- 
ficieren.  Nun  wird  er  aber  doch  gewis  nicht  leugnen  wollen,  dafs 
dies  dem  ausgebildeten  platonischen  Standpunkte  zuwider  ist,  mag 
man  den  platonischen  Gott  für  eins  mit  der  höchsten  Idee  oder  auch 
von  ihr  noch  für  verschieden  halten.  Ueber  diese  Verwechslung  Got- 
tes mit  der  Wcltseele  ist  nun  Piaton,  selbst  wenn  man  die  Stellen 
Soph.  p.  248  E,  Parmen.  p.  134  C  (vgl.  Zeller  a.  a.  0.  II  S.  310.  313) 
nicht  für  entscheidend  halten  wollte,  obgleich  sie  mir  dies  zu  sein 
scheinen,  doch  wenigstens  sichtbarlich  im  Politikos  bereits  hinaus,  in 


28    H.  Maller  u.  K.  Sleinhart:  Piatons  sämmUiche  Werke.  4r  Bd. 

dessen  Mythos  ja  die  eigne  Bewegung  der  Welt  —  wenn  auch  nach 
der  richtigen  Erklärung  nur  beziehungsweise —  der  von  Gott  gewirk- 
ten entgegengesetzt  wird.  Wenn  aber  Hr.  St.  behauptet  (S.  79),  dafs 
im  Phaedros  zuerst  die  Weltseele  auftrete,  so  ist  dies  von  seinem 
Standpunkte  aus  unrichtig,  denn  Polit.  p.  269  D  wird  die  Welt  bereits 
als  vernunftbegabt  (fcSov  ov  xal  (pQOvtjaiv  eikrjxog)^  mithin  doch  wohl 
als  beseelt  (wie  dies  auch  Stall  bäum  z.  d.  St.  anerkennt)  beschrie- 
ben. Ja  was  noch  mehr  ist,  im  Phaedros  findet  sich  keine  einzige 
Stelle,  in  welcher  überhaupt  diese  Vorstellung  schon  so  entwickelt 
hervorträte  wie  hier,  wozu  doch  wenigstens  p.  290  der  Anlafs  nicht 
gefehlt  hätte;  vielmehr  findet  sie  sich  eben  hier  noch  in  demselben 
unentwickelten  Zustande,  wie  wir  sie  im  Kratylos  p.  400.  413  verlie- 
fsen  (NJahrb.  Bd.  LXVII  S.  435).  Aus  allen  diesen  Stellen  kann  man 
übrigens  auch  den  Beweis  schöpfen,  dafs  diese  Lehre  nur  secundär 
aus  pythagoreischer  Quelle  geflofsen  ist  und  sich  zunächst  vielmehr 
an  den  anaxagoreischen  vovg  anschlofs,  in  welchem  gleichfalls  Theis- 
mus und  Pautheismus  noch  keineswegs  scharf  auseinander  treten.  Aber 
auch  das  kann  ich  nur  sehr  bedingt  zugeben,  dafs  nach  S.  52  der 
Phaedon  den  Phaedros  dahin  ergänzen  soll ,  dafs  in  dem  letztern  vor- 
zugsweise die  Praeexistenz  der  Seele  gelehrt,  in  dem  erstem  daher 
die  Postexistenz  nachgeholt  werde.  Denn  der  Beweis  des  Phaedros 
ist  geradezu  auf  die  unendliche  Dauer  der  Seele  gerichtet,  mithin  auf 
ihre  Endlosigkeit  so  gut  wie  ihre  Anfangslosigkeit,  nur  dafs  allerdings 
das  letztere  Moment  dem  Zwecke  des  Dialogs  gemäfs  schärfer  hervor- 
gehoben wird.  Im  Phaedon  dagegen  bleibt  es  durchaus  problematisch, 
ob  Piaton  die  Praeexistenz  auch  nur  zu  einer  vollständigen  Anfangs- 
losigkeit ausdehnen  will,  während  nach  der  andern  Seite  hin  die  Un- 
vergänglichkeit  stehen  bleibt;  auch  hier  scheint  er  fast  in  der  Sicher- 
heit seiner  Ansprüche  für  sie  bescheidener  geworden  zu  sein.  Daher 
ist  denn  auch  der  Einwurf  des  Simmias  im  Phaedon  p.  77  B,  dafs  die 
Praeexistenz  noch  nicht  die  Unsterblichkeit  beweise,  keineswegs,  wie 
der  Hr.  Vf.  will,  eine  Rückdeutung  auf  den  Phaedros,  sondern  eher 
umgekehrt  ein  Zeugnis  für  die  Modiflcation  des  Standpunktes. 

Endlich  sucht  Hr.  St.  auch  die  Differenz  vergebens  hinwegzu- 
leugnen, dafs  im  Phaedros  alle  drei  Theile,  im  Phaedon  nur  der  ver- 
nünftige Theil  der  Seele  unsterblich  ist,  denn  sonst  könnte  im  letz- 
tern Dialog  nicht  gerade  die  Einfachheit  der  Seele  zum  Beweis  die- 
nen. Nach  unserm  modernen  Standpunkte  würde  nun  allerdings  die 
blofse  Unsterblichkeit  des  Geistes  als  eine  unpersönliche  gelten  mü- 
fsen;  allein  dafs  ich  dies  auch  für  Piatons  Ansicht  gehalten  hätte,  diese 
Meinung  hat  mir  Hr.  St.  S.  456  f.  nur  durch  eine  Verwechslung  des 
platonischen  Standpunktes  mit  dem  modernen  untergeschoben.  Auf 
dem  erstem  sind  ganz  consequent  auch  die  reinen  Geister  Erscheinun- 
gen der  Idee  des  vovg^  und  da  kein  Erscheinungsding  dem  andei^n 
vollständig  gleich  ist,  so  sind  sie  auch  in  dieser  ihrer  Reinheit  doch 
schon  bereits  individuell.  Hätte  ich  die  Fortdauer  im  piaionischen 
Sinne  nicht  für  eine  bewuste  gehalten  ^  so  würde  ich  ja  offenbar  aoch 


(t.  Malier  0.  K.  Steiiihart:  Piatons  sammtliche  Werke.  4r  Bd.    29 

die  ivcciivriCig  nicht  so  buchstäblich  auf^efafst  haben ,  als  ich  es  ent- 
schieden gethan,  s.  m.  Prodr.  S.  2  u.  19  Anm.  44.  Auch  habe  ich 
bereits  an  der  letztern  Stelle  die  jetzt  von  Hrn.  St.  S.  51.  82  wieder 
holte  Ansicht  Kitters  für  gar  nicht  unwahrscheinlich  erklärt,  dafs  Pia- 
ton das  rein  körperlose  Leben  der  Menschenseele  nur  als  ein  unerreich- 
bares Ideal  ansieht.  Ebenso  wenig  aber  wie  die  Unsterblichkeit  des 
jedesmaligen  einzelnen  Körpers,  folgt  daraus  auch  die  der  beiden  nie- 
deren Scclenthcile,  die  ja  recht  wohl  dem  Geiste  jedesmal  mit  dem 
neuen  Körper  zugleich  angebildet  werden  können,  und  ausdrücklich 
bezeichnet  sie  ja  Piaton  im  Timaeos  p.  69  C,  72  D  als  sterblich.  Da 
nun  dies  also  entschieden  Piatons  späterer  Standpunkt  in  dieser  Frage 
ist,  so  wüste  ich  nicht,  warum  wir  denselben  nicht  auch  im  Phaedon 
bereits  annehmen  sollten,  wo  doch  die  Einfachheit  der  unsterblichen 
Seele  ungekünstelt  nur  hiemit  übereinstimmt.  Läfst  sich  überhaupt, 
was  ich  nicht  schlechthin  von  der  HaYid  weisen  will,  durch  die  Auf- 
lösung der  mythischen  Form  der  Einklang  der  Lehre  des  Phaedros  mit 
der  des  Phaedon  herstellen,  so  mufs  dies  wenigstens  in  ganz  anderer 
Weise  geschehen.  Nur  so  viel  mufs  ich  allerdings  jetzt  Hm.  St.  S. 
171  f.  Anm.  93  zugeben,  dafs  die  Stelle  im  Staatsmann  p.  d09  €,  in 
welcher  ich  nach  dem  Vorgange  von  Brandis  griech.-röm.  Phil.  11,  1 
S.  406  Anm.  s  und  Zeller  a.  a.  0.  II  S.  271  Anm.  1  bereits  denselben 
Gegensatz  eines  unsterblichen  und  eines  sterblichen  Seelentheils  wie- 
derfand, allenfalls  auch  so  gedeutet  werden  kann,  wie  Hr.  St.  will, 
dafs  man  nemlich  tijg  ^v%fjg  als  epexegetischen  Genetiv  fafst  (=  den 
göttlichen  Theil  von  ihnen,  nemlich  die  Seele),  erwarte  aber  noch 
erst  den  Beweis  dafür,  dafs  sie  so  gedeutet  werden  mufs.  Ich  finde 
vielmehr  die  hergebrachte  Erklärung  viel  einfacher  und  natürlicher, 
nur  dafs  man  dann  unter  dem  ^ayoysvig  überhaupt  das  sterbliche  im 
Menschen,  also  auch  den  Körper  mit  eingeschlofsen,  zu  verstehen  hat. 
Wir  musten  im  vorhergehenden  schon  vielfach  tiefer  in  den  Ab- 
schnitt eingehen,  in  welchem  der  Hr.  Vf.  von  dem  philosophischen 
Fortschritt  des  Phaedros  über  die  früheren  Gespräche  hinaus  handelt 
(S.  78 — 92),  und  wollen  daher  jetzt  gleich  auch  die  übrigen  Punkte 
vorwegnehmen,  mit  denen  wir  in  demselben  nicht  Übereinstimmen 
können.  In  dem  Gegensatze  des  Raumes  oberhalb  und  innerhalb  des 
Himmels  finden  wir  einfach  den  der  Ideen-  und  der  Erscheinungswelt 
verbildlicht,  und  wenn  gesagt  wird,  dafs  der  erstere  nur  den  vovg 
zum  Beschauer  habe,  so  darf  man  daraus  nicht  ohne  weiteres  mit  Hrn. 
St.  S.  80  f.  folgern,  dafs  sich  Piaton  mithin  den  vovg  im  Gegensatz 
gegen  die  Seele  anbewegt  gedacht  habe;  wäre  er  sich  dieser  Con- 
Sequenz  bereits  bewust  gewesen,  so  würde  er  sie  auch  wohl  deut- 
licher ausgesprochen  haben.  Der  Gegensatz  ferner,  welchen  der  Hr. 
Vf.  S.  81  hinsichtlich  des  gegenseitigen  Verhältnisses  der  Ideen-  und 
Erscheinungswelt  in  diesem  Dialog  gegen  den  Sophisten  und  Parme- 
nides  findet,  dürfte  sich  bei  näherer  Betrachtung  in  blofsen  Schein 
auflösen.  Hr.  St.  selbst  war  auf  dem  richtigen  Wege,  wenn  er  von 
der  ^dichterischen  Einkleidung'  spricht,  ^  die- das  stets  verbundene 


30    H.  Malier  q.  K.  Steinhart:  Platons  sämmtliche  Werke.  4r  Bd. 

raumlicb  trennt'.  Es  gehört  zu  Zellers  bedeutendsten  Verdiensten 
nachgewiesen  zu  haben,  dafs  von  Idee  und  Erscheinung  als  zwei  ne- 
beneinander bestehenden  Welten  bei  Piaton  nicht  die  Rede  sein  kann, 
dafs  das  sie  trennende  nur  ein  firj  ov  ist.  Dafs  nun  aber  Piaton  trotz- 
dem an  andern  und  wohl  an  den  meisten  Stellen  sich  genöthigt  sieht, 
diese  Trennung  und  diesen  Gegensatz  hervorzuheben  und  so  das  an- 
gebliche firj  ov  zu  einer  sehr  realen  Macht  zu  erheben,  ist  keine  wei- 
tere Entwicklung  bei  ihm ,  sondern  nur  der  unlösbare  Widerspruch 
seines  Standpunktes.  Auch  macht  Hr.  St.  hier  wiederum  einen  zwei- 
deutigen Unterschied  zwischen  den  urbildlichen  Ideen  und  den  Gat- 
tungsbegriffen. Waren  die  Ideen  wirklich  etwas  anderes  als  die  sub- 
stanziierten  Begriffe,  so  müste  uns  der  Hr.  Vf.  wenigstens  zeigen, 
wie  sich  beide  voneinander  unterscheiden  und  positiv  zueinander  ver- 
halten. 

Wenden  wir  uns  jetzt  schlierslich  zur  Analyse  des  Dialogs  selbst, 
S.  52 — 77,  so  wird  zunächst  die  Bedeutung  der  beiden  Personen,  das 
gemeinsame,  welches  beide  als  begeisterte  miteinander  haben,  und 
doch  dabei  der  sich  in  ihnen  darstellende  Gegensatz  des  selbständigen 
Denkers  und  des  unselbständigen  Enthusiasten  vortrefflich  geschildert 
S.  52—57.  Recht  fein  ist  die  Bemerkung  S.  57 — 59,  dafs  überall,  wo 
Piaton  den  getadelten  Richtungen  andere  befsere  entgegenstellt,  diese 
letztern  durch  Athener  oder  doch  in  Athen  eingebürgerte  Männer  ver- 
treten werden.  Ebenso  wenig  wüste  ich  gegen  die  Motivierung  des 
gewählten  Schauplatzes  und  Zeitabschnittes  etwas  einzuwenden  S.  59 
— 61.  Nicht  so  ganz  einverstanden  dagegen  sind  wir  mit  den  Bemer- 
kungen über  die  Einkleidungsform  des  Gesprächs  S.  61.  Es  dünkt  uns 
vielmehr  an  sich  immer  als  das  natürlichere ,  dafs  ein  Gespräch  unmit- 
telbar dargestellt  und  nicht  erst  nacherzählt  wird,  und  Piaton  selbst 
scheint  im  Eingange  des  Theaetetos  dies  anzudeuten.  Dann  aber  be- 
darf es  dafür,  wenn  diese  Form  festgehalten  wird,  gar  keiner  wei- 
teren Erklärung,  sondern  nur,  wenn  Pia  ton  von  ihr  abweicht,  müfsen 
in  jedem  einzelnen  Falle  die  besondern  Gründe  hiefür  aufgesucht  wer- 
den. Dafs  dagegen  diese  Abweichung  immer  dann  eintrete,  wenn  von 
einer  sei  es  wirklichen  oder  erdichteten  Begebenheit  aus  dem  Leben 
des  Sokrates  ausgegangen  wird,  dürfte  sich  nicht  mit  Hrn.  St.  be- 
haupten lafsen;  denn  wann  wäre  dies  wohl  nicht  der  Fall?  oder,  wenn 
diese  allgemeine  Erwägung  nicht  überzeugt,  so  widerlegt  sich  doch 
diese  Behauptung  durch  den  Euthyphron.  Die  Gliederung  des  Dialogs 
in  zwei  Hauptabschnitte  und  jedes  derselben  wieder  in  drei  Theile 
war  nicht  zu  verfehlen;  ihr  gegenseitiges  Verhältnis  hat  Hr.  St.  ge- 
bührend gewürdigt.  Nur  möchten  wir  zum  Zweck  einer  vollständigen 
Genauigkeit  noch  hinzufügen ,  dafs  der  zweite  Hauptabschnitt  eigent- 
lich zunächst  nur  in  zwei  Theile  zerfällt,  von  welchen  der  erste  die 
Rede,  der  zweite  die  Schrift  behandelt,  dafs  dann  aber  der  erstere 
wieder  in  zwei  Unterabtheilungen  sich  spaltet,  von  denen  die  eine  die 
dialektische,  die  andere  die  psychologische  Seite  hervorhebt,  wah- 
rend bei  der  Schrift  eine  gleiche  Berücksichtigung  dieser  beiden  Sei- 


H.  Maller  u.  K.  Steinhart:  Ptatons  sfimmtliche  Werke.  4r  Bd.    31 

iea  unmöglich  ist;  denn  dies  gerade  ist  der  Mangel  der  Schrift,  dafs 
b^i  ihr  das  psychologische  Moment  nicht  zu  seinem  vollen  Recht 
kommt. 

Was  wir  aber  an  dieser  Analyse  vor  allem  tadeln  müfsen,  ist  die 
allzu  skizzenhafte  Behandlung.  Oder  wenn  diese  vielleicht  durch  den 
beschränkten  Raum  geboten  war,  so  halte  Hr.  St.  wenigstens  einzelne 
Punkte  durch  reichlichere  Anmerkungen  befser  ins  Licht  stellen  sol- 
len. Z.  B.  S.  172  Anm.  98  heifst  es,  kein  aufmerksamer  Leser  würde 
das  Märchen  von  den  Cicaden  für  zwecklos  und  überflüfsig  halten. 
Mag  sein,  aber  selbst  der  aufmerksamste  Leser  würde  es  Hrn.  St.  ge- 
dankt haben,  wenn  er  ihm  den  Zweck  dieses  Mythos  auch  wirklich 
zu  erklären  versucht  hätte,  denn  die  flüchtigen  Andeutungen  S.  67 
genügen  doch  wohl  kaum.  Ebenso  wäre  doch  erst  zu  untersuchen 
gewesen,  ob  die  Unklarheiten  und  Widersprüche,  welche  der  grofse 
Mythos  der  dritten  Liebesrede  enthält,  nicht  vom  Piaton  beabsichtigt 
seien  und  ihrem  bestimmten  Zwecke  dienen.  Und  wo  eine  solche  Er- 
klärung versucht  wird ,  gelingt  sie  nicht  immer.  So  wird  z.  B.  S.  8S 
mit  Unrecht  daran  Anstofs  genommen,  dafs  p.  248  A  f.  mit  öinemmale 
beide  Rofse  des  Seelengespannes  ungehorsam  erscheinen;  denn  es  ist 
dabei  übersehen ,  dafs  hier  auch  von  einer  Schlechtigkeit  der  Wagen- 
lenker die  Rede  ist.  Schon  deshalb  ist  die  von  Hr.  St.  gegebene  Er- 
klärung nicht  die  richtige,  sondern  es  soll  die  Unvollkommenheit  al- 
ler Seelentheile  bei  den  Menschen  den  Göttern  gegenüber  auch  selbst 
in  der  Praeexistenz  und  wiederum  die  Verschiedenheit  der  Menschen- 
seelen voneinander  in  dieser  Beziehung  und  gleichfalls  auch  schon  in 
diesem  Zustande  geltend  gemacht  werden ;  die  ganze  Abweichung  ist 
also  nur  eine  scheinbare.  Dagegen  ist  eine  andere  Stelle  p.  256  C 
übersehen,  wo  gleichfalls  beide  Rofse  zügellos  heifsen,  wo  aber  diese 
scheinbare  Abweichung  sich  ebenso  leicht  beseitigen  läfst;  denn  wo 
keine  völlige  Herschaft  der  Vernunft  über  die  Sinnlichkeit  staltfindet, 
da  artet  auch  das  edlere  Rofs  aus.  Auf  S.  173  Anm.  105  aber  liegt 
jedesfalls  in  dem  Citat  p.  254  ein  Irthum,  sei  es  ein  Schreib-  oder 
Druckfehler  *),  Anzuerkennen,  dafs  überhaupt  solche  Widersprüche 
schon  deshalb  nöthig  sind,  damit  man  nicht  alles  einzelne  im  Mythos 
für  haare  Münze  annehme,  daran  hinderte  den  Hrn.  Vf.  seine  unrich- 
tige Ansicht  über  den  Charakter  der  mythischen  Darstellung,  und  so 
hat  er  denn  auch  in  der  That,  so  wenig  er  den  beigemischten  Scherz 
verkennt,  manches  für  haare  Münze  genommen,  was  Piaton  gar  nicht 
dafür  ausgeben  will,  so  z.  B.  die  neunfache  Abstufung  der  Lebens- 
loose  in  allen  ihren  Einzelheiten.  Ja  Hr.  St.  glaubt  S.  84  in  der  That, 
dafs  die  echten  Dichter  mit  den  Philosophen  auf  ^ine  Linie  gestellt 
werden  sollen,  oder  S.  65,  dafs  die  vier  Gattungen  des  Wahnsinns 
wirklich  eine  wifsenschaftliche  Einlheilung  abgäben,  obwohl  doch 
Piaton  hier  (p.  244  f.)  schon  durch  die  eingeflochtenen  abenteuerlichen 


*)  Ein  anderer  Druckfehler  steht  S.  75  Z.  13  v.  u.  ^Leidenschaft- 
lichen' statt  ^Leidenschaftslosen*. 


32    H.  Mailer  u.  K.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.  4r  Bd. 

Etymologien  auf  das  Gegentheil  hindeutet.  Vielmehr,  wie  Sokrates 
seine  erste  Rede  von  Dichtern  herleitet,  so  mufs  es  ganz  ähnlich  er- 
klärt werden,  wenn  er  die  zweite  dem  Stesichoros  zuschreibt,  nem- 
lieh  wenn  auch  nicht  mehr  der  Standpunkt,  so  ist  doch  die  DarsteU 
lungsform  noch  immer  eine  unwiTsenschaftliche,  und  gewis  ist  es  nicht 
die  richtige  Deutung,  wenn  Hr.  St.  S.  54  meint,  dafs  Sokrates  sie 
nicht  mehr  ^wie  die  frühere  Rede  aus  fremden  Quellen  herleitet,  son- 
dern sie  dem  begeisternden  Einflufso  des  Pan  und  der  Nymphen  zu- 
schreibt'. Denn  dies  gilt  p.  263  D  gar  nicht  blofs  von  der  zweiten, 
sondern  auch  von  der  ersten  Rede,  vgl.  überdies  p.  241  £;  zudem 
steckt  in  p.  263  D  wohl  ebenso  gut  wie  in  p.  244  A  ein  etymologi- 
scher Scherz ;  die  ursprüngliche  Identität  der  Musen  und  Nymphen 
endlich  (St.  S.  172  Anm.  96)  könnte  nur  dann  ins  Gewicht  fallen,  wenn 
sie  von  Piaton  selbst  irgendwie  angedeutet  wäre.  Wenn  übrigens  im 
Anfange  des  Mythos  nach  der  Vergleichung  der  Seele  mit  einem  Flu- 
geigespann  die  Schilderung  der  Flügel  und  ihrer  Wirksamkeit  folgt, 
so  kann  ich  dies  nicht  mit  Hrn.  St.  S.  173  f.  Anm.  113  ein  Verlafsen 
des  Bildes  nennen. 

Nicht  zugeben  kann  ich  endlich,  dafs  auch  die  erste  sokratische 
Rede  sich  schon  in  einem  höhern  Gedankenkreise  als  die  des  Lysiaa 
bewegen  soll  (S.  64);  es  treten  vielmehr  nur  die  Gedanken  derselben 
Situation  klarer  hervor.  So  mufs  doch  wahrlich  auch  schon  für  die 
lysianische  Rede  vorausgesetzt  werden ,  dafs  der  Bittsteller  nur  schlau 
die  Miene  eines  nichtliebenden  annimmt,  wenn  das  ganze  einen  Sinn 
haben  soll,  und  diesen  Sinn  enthält  eben  der  kurze  erzählende  Prolog 
der  ersten  sokratischen  Rede  p.  237  B.  Es  ist  auch  nicht  richtig,  dafs 
hier  die  Berechtigung  der  Liebe  ausdrücklich  anerkannt  werde.  Im 
Gegentheil,  Liebe  heifst  hier  lediglich  die  verwerfliche,  unverständige 
Begierde  nach  dem  schönen;  eine  angeblich  erlaubte  Begierde  nach 
demselben  hat  aber  der  nichtliebende  des  lysianischen  Vortrags  ebenso 
gut,  denn  er  begehrt  ja  des  Knaben.  Nur  in  ^inem  Sinn  ist  die  Schil- 
derung wesentlich  im  Geiste  des  Sokrates  selbst,  sofern  er  nemlich 
auch  so  Charakteristik  und  Tadel  des  leidenschaftlich-sinnlichen  Lieb- 
habers aussprechen  kann. 

Sehr  gefreut  hat  es  mich,  dafs  meine  Forschungen  über  des  Gast- 
mahl bei  dem  Hrn.  Vf.  eine  so  warme  Anerkennung  gefunden  haben, 
und  ich  kann  ihm  meinerseits  wieder  d  i  e  nicht  versagen ,  dafs  er  zn 
den  Aufhellungen,  welche  diesem  unvergleichlichen  Kunstwerk  neuer- 
dings von  so  vielen  Seiten  zu  Theil  wurden ,  doch  noch  eine  nicht  un- 
beträchtliche Nachlese  gehallen  hat.  Nur  mufs  ich  trotzdem  erinnern, 
dafs  Hr.  St.  mich  nicht  ganz  richtig  versteht,  wenn  er  mir  S.  205  die 
Ansicht  unterlegt,  dafs  der  Gegensatz  der  fünf  ersten  Reden  gegen 
die  beiden  letzten  hauptsächlich  der  der  prunkenden  Theorie  gegen 
die  praktische  Weisheit  sei,  und  mich  daher  belehrt,  dafs  doch  der 
Standpunkt  der  fünf  ersten  Redner  nur  der  der  gewöhnlichen  Lebens- 
ansicht und  nicht  der  tiefer  eindringenden  Theorie  sei.  Denn  dies 
letztere  habe  ich  so  wenig  verkannt,  dafs  ich  vielmehr  ausdrücklich 


H.  Müller  u.  K.  Steinhart:  Piatons  sfimmtliche  Werke.  4r  Bd.    3«3 

Prodr.  S.  59  ausspreche,  wie  die  fünf  Eingangsreden,  nach  ihrer  nega< 
tiven  Seite  gegen  die  sokratische  betrachtet,  ^den  Contrast  zwischen 
dem  gemeinen,  sophistisch  gebildeten  und  dem  philosophischen  Be- 
wustsein'  herausheben.  Was  ich  über  jenen  andern  Gegensalz  zwischen 
einseitiger  Theorie  und  allseitiger  Praxis  erinnert  habe,  bezieht  sich 
vielmehr  gar  nicht  auf  die  Rede  des  Sokratcs,  sondern  allein  auf  die 
des  Alkibiades.  Ich  wiederhole  zur  Verständigung  hierüber  meine 
eignen  Worte  S.  60:  die  Urheber  (jener  fünf  ersten  Beden)  musten 
als  Theoretiker  auftreten ,  während  ihnen  gegenüber  das  ganze  Leben 
des  Sokrates  (durch  Alkibiades)  geschildert  wurde.  ^Sie  musten  als 
Theoretiker  auftreten'  sagt  aber  doch  w  ahrlich  nicht,  dafs  ich  sie  damit 
auch  schon  zu  philosophischen  Theoretikern  gemacht  hätte.  Dafs 
im  Eros  Theorie  und  Praxis  sich  verschmelzen,  habe  ich  dabei  ebenso 
wenig,  wie  Hr.  St.  glaubt,  übersehen,  vielmehr  gleichfalls  ausdrücklich 
gesagt  S.  58.  Im  Gegeniheil ,  gerade  hierauf  fufste  ich ,  denn  was  ich 
geltend  machen  wollte,  war  eben  dies,  dafs  gerade  deshalb  bei  den 
fünf  ersten  Rednern  ^  in  ihrer  Auffafsung  der  Liebe  —  auch  praktisch 
—  diejenige  Liebe  sich  charakterisiert,  welche  sie  leitet'  (S.  ö8), 
während  beim  Sokrates  vielmehr  beide  Momente  in  die  beiden  Schlufs- 
reden  auseinander  treten.  TcufTel  hob  zuerst  die  praktische  Seite  der 
fünf  Eingangsvorträge,  nur  zu  einseitig,  hervor;  dagegen  freue  ich 
mich  bei  M.  Lindemann:  de  prima  quae  in  convivio  Platonico  legitur 
orationc  (Dresden  1853)  S.  35 — 41  völlige  Uebercinstimmung  und 
genauere  Durchführung  dieser  Ansicht  gefunden  zu  haben.  Gerade  bei 
Hrn.  St.  dagegen  scheint  dieser  wichtige  Punkt  nicht  zu  seinem  vollen 
Rechte  zu  kommen.  Nun  könnte  man  freilich  einwenden,  dafs  noth- 
wendig  aber  auch  Sokrates  in  seiner  Rede  sich  selbst  charakterisiere, 
und  dies  wäre  auch  durchaus  zutreffend,  wenn  er  nicht  dieselbe  zum 
grofsen  Theile  nicht  im  eignen  Namen,  sondern  in  dem  der  Diotima 
vortrüge.  Dies  alles  wirkt  denn  auch  bei  dem  Hrn.  Vf.  S.  192  auf  eine 
nicht  ganz  richtige  Auffafsung  der  von  mir  aufgestellten  Grundidee 
zurück,  obwohl  ich  gern  zugebe,  dafs  ich  mich  hier  hätte  bestimmter 
ausdrücken  sollen.  Wie  weit  ich  davon  entfernt  bin,  die  Charakte- 
ristik zur  Hauptsache  machen  zu  wollen,  geht  aus  dem  eben  erörter- 
ten hervor;  ich  finde  auch  keineswegs,  wie  Hr.  St.  annimmt,  in  der 
Rede  des  Alkibiades,  sondern  in  der  des  Sokrates  den  Mittelpunkt  des 
ganzen,  wie  ausdrücklich  S.  59  im  ersten  Absätze  zu  lesen  steht.  Was 
ich  S.  63  von  Sokrates  als  praktischem  Ideal  des  philosophischen 
Wirkens  sage,  bezieht  sich  wiederum  nur  auf  die  Schlufsrede,  wie 
Hr.  St.  wohl  schon  daraus,  dafs  ich  hinzufüge  ^wenn  auch  nur  in 
bedingter  Weise',  hätte  entnehmen  können;  ausdrücklich  setze  ich  ja 
auch  noch  bei,  man  dürfe  auf  diese  Schilderung  des  Sokrates  nicht 
einseitig  das  Hauptgewicht  legen,  und  nur  insofern  man  eben  dies 
von  der  Auffafsung  Schiciermachers  abzieht,  fand  ich  in  ihr  viel  halt- 
bares. Wenn  ich  im  Dialog  die  Darstellung  des  Philosophen  nach 
allen  seinen  praktischen  Entwicklungsmomenten  finde,  so  suche  ich 
diese  in  dem  Abschnitt  vor  allen,  welcher  in  den  Erörterungen  der 

r/.  Jahrb.  f.  Phü,  u.  Paed,  Bd.  LXX.  Hft.  1.  3 


34    H.  Malier  u.  K.  Steinhart:  Plalons  »fiminUiche  Werke.  4r  Bd. 

Dioiima  selbst  den  Höhenpunkl  ansmacht,  von  p.  209  E  ab,  also  in  der 
wiTsenschaftlichen  Entwicklung^,  nicht  in  der  künstlerischen  Charak- 
terzeichuung.  Wenn  ich  diese  Entwicklungsmomente  die  praktischen 
nenne,  so  glaube  ich  damit  im  guten  Recht  zu  sein,  um  hiedurch  die 
Bedeutung  davon  hervorzuheben,  wenn  der  Philosoph  hier  nicht  als 
rein  theoretischer,  nur  für  sich  und  in  sich  sinnender  und  forschender 
Dialektiker,  sondern  vielmehr  als  ein  an  das  praktisch  und  empirisch 
gegebene  anknüpfender  Erotiker  erscheint,  nur  dafs  eben  dabei  auch 
seine  eigne  innere  dialektische  Erkenntnis  so  wenig  zu  kurz  kommt, 
dafs  sie  vielmehr  als  das  endliche  Ziel  dieses  ganzen  Processes  sich 
geltend  macht.  Und  in  der  That  gerade  wenn  man ,  wie  auch  Hr.  St. 
thut,  die  sokratische  Rede  zum  Mittelpunkte  erhebt,  so  mnfs  dies  noch 
gar  viel  mehr  von  demjenigen  Theile  derselben  gelten,  in  welchem  sie 
selbst  culminiert,  und  dann  mufs  man  auch  wirklich  Ernst  aus  der 
Sache  machen  und  von  hier  aus  alles  zu  begreifen  suchen,  d.  h.  man 
mufs  zngeben,  dafs  die  Darstellung  der  philosophischen  Liebe 
und  ihres  Entwicklungsgangs  den  eigentlichen  letzten  Zweck  des  Dia- 
logs ausmacht,  und  dafs  nur  deshalb  trotzdem  das  ganze  Gebiet  der 
Liebe  überhaupt  und  aller  ihrer  Arten  und  Formen  beschrieben  wird, 
weil  die  philosophische  nicht  blofs  ohne  die  Unterordnung  anter  den 
allgemeineren  Oberbegriff,  sondern  auch  ohne  die  Vergleichung  und 
Beziehung  mit  den  übrigen  Arten  gar  nicht  in  ihrer  vollen  eigenthOm- 
lieben  Bedeutung  erkannt  werden  kann. 

So  glaube  ich,  dafs  die  von  mir  ausgesprochene  AufCiifsongs- 
weise,  richtig  verstanden,  die  beiden  Klippen,  vor  welchen  Hr.  St. 
warnt,  in  der  That  bereits  vermieden,  dafs  sie  weder  die  küustleri- 
sehe  Charakteristik  noch  auch  das  begriffliche  Element  des  Dialogs 
einseitig  hervorgehoben  hat.  Ich  fehlte  nur  darin,  dafs  ich  ^inen 
wichtigen  Punkt  nicht  heraustreten  liefs,  welchen  Hr.  St.  S.  197  ff. 
richtiger  andeutet,  aber  bei  seiner  unrichtigen  Auffafsung  des  platoni- 
schen Mythos  überhaupt  auch  hier  in  ein  schiefes  Licht  stellen  muste. 
Nemlieh  streng  begrifflich  ist  die  ganze  Behandlungsweise  keineswegs, 
sondern  eine  mythische  Auffafsung  zieht  sich  durch  das  gesammte 
Werk  hindurch,  wenn  dieselbe  auch  immerhin  nur  zweimal  sich  zo 
einem  vollständigen  Mythos  ausprägt.  Eine  andere  Betrachtungsweise 
der  Liebe  ist  auch  in  der  That  dem  Piaion  unmöglich ,  um  in  der  my^ 
ibischen  Sprache  des  Dialogs  zu  reden,  weil  Eros  nicht  ein  Gott,  son- 
dern ein  Daemon  ist,  d.  h.  nicht  dem  Gebiete  des  reinen,  sondern  nur 
des  aus  dem  Werden  sich  emporarbeitenden  Seins  angehört.  Daher 
wird  denn  auch  gerade  der  engere  Begriff  der  Liebe  als  des  Zeugungs- 
triebos  in  schönen  nicht  mehr  methodisch  entwickelt,  sondern  im 
Prophetentone  von  der  Diotima  dogmatisch  vorgetragen.  Man  sieht 
hier  noeh  einen  weitern,  bisher  unbeachteten  Grund  für  die  Einfflh* 
rang  dieser  weisen  Mantineerin;  nicht  blofs  weil  der  Inhalt  ihrer 
Worte  aber  den  Standpunkt  des  Sokrates  hinausgeht,  sondern  auch 
weil  die  Form  derselben  hinter  ihm  zurückbleibt,  wird  Diotima  noth- 
wendig  für  den  Dialog.    Nur  so  erkliri  sich  die  aasdrücfeliche,  wenn 


H.  Mfiller  a.  K.  Steinfaart:  Piatons  sämmtliche  Werke.  4r  Bd.     35 

auch  leichte  Ironie,  mit  welcher  von  ihr  p.  208  C  gesprochen  wird. 
Es  war  allerdings  eine  Thorheil  von  mir,  ihrem  Mythos  eine  Ansnahme- 
Stellung  unter  den  platonischen  Mythen  anweisen  zu  wollen  (Prodr.  S. 
51  f.  81).  Aus  dem  allen  folgt  nun  aher  keineswegs,  was  Hr.  St.  ver- 
langt, dafs  auch  wir  uns  bei  der  Angabe  des  Grundgedankens  der 
mythischen  Bezeichnung  bedienen  mQsten,  denn  dann  dürften  wir  auch 
überhaupt  den  Inhalt  der  platonischen  Mythen  selbst  nur  in  mythi- 
scher Sprache  angeben,  d.  h.  wir  mUsten  auf  jede  Erklärung  dersel- 
ben verzichten.  Es  ist  ein  Glück,  dafs  Hr.  St.  selbst  an  andern  Stellen 
diese  Selbstverleugnung  nicht  ausgeübt  hat,  denn  sonst  waren  die 
platonischen  Studien  um  manchen  tüchtigen  Fortschritt  armer.  Eben 
deshalb  befriedigt  uns  der  hier  von  ihm  S.  198  aufgestellte  Grundge- 
danke nicht  (^die  Darstellung  des  Eros  als  Vermittlers  zwischen  gött- 
lichem und  menschlichem,  zwischen  Idee  und  Erscheinung  und  als 
Ausspenders  unsterbliches  Lebens').  Bei  der  Uebersicht  über  die  frü- 
heren Auffafsungen  des  Dialogs  ist  übrigens  nur  von  der  zweiten  Aus- 
gabe Stallbaums  Gebrauch  gemacht  worden ,  wahrend  er  doch  in  der 
dritten  seine  frühere  Ansicht  fast  geradezu  auf  den  Kopf  gestellt  hat, 
s.  NJahrb.  Bd.  LXVIH  S.  593*). 

Nach  dieser  Uebersicht  (S.  191 — 205)  bespricht  Hr.  St.  zunächst 
die  Einkleidungsform,  wobei  es  namentlich  gut  ist,  dafs  er  dieselbe 
mit  der  sehr  verwandten  des  Parmenides  vergleicht,  Aehnlichkciten 
und  Verschiedenheiten  beleuchtend,  sodann  aber  besonders  die  Be- 
deutung des  Wiedererzählers  Apollodoros  gründlicher,  als  es  bisher 
geschehen  ist,  entwickelt  (S.  205 — 209)  **),  endlich  Scene  und  Cha- 
rakter des  ganzen  Gesprächs  vortrefflich  darlegt  (S.  209 — 213).  Dann 
werden  die  vorbereitende  Handlung  und  die  Zwischenhandlungen  und 
bei  dieser  Gelegenheit  auch  die  Persönlichkeit  des  Aristodemos  näher 
besprochen  (S.  213 — 217)  und  dasjenige  gut  entwickelt,  was  hiebei 
darauf  hinausläuft,  statt  des  Agathon  den  Sokrates,  statt  des  Dichters 
den  Philosophen  zum  eigentlichen  Helden  des  Tages  zu  machen;  nur 
hätte  das  kurze  Zwischengesprach  zwischen  Sokrates  und  Agathon 
vor  der  Rede  des  letztern  noch  etwas  bestimmter  hierauf  bezogen  und 
der  Widerspruch  hervorgehoben  werden  sollen,  dafs  der  Tragiker 
sich  eigentlich  für  weit  klüger  hält  als  den  grofsen  Haufen  und  doch 
auf  seine  Erfolge  vor  dem  Urtheil  desselben  stolz  ist.  Was  aber  die 
Auslafsung  mancher  bei  diesem  Gastmahl  gehaltener  Reden  (S.  217  f.) 
betrifft,  so  hat  Hr.  St.  mit  Uebergehung  der  von  mir  a.  a.  0.  S.  62 
entwickelten  äufsern  Haltpnnkte  einen  sehr  beachtenswerthen  innem 
Grund  angegeben,  weshalb  diese  Auslafsung  gerade  hinter  des  Phaedros 
Rede  stattfindet:  diese  ^muste  als  allen  gemeinsame  Einleitung  allen 


♦)  Auch  die  gegen  Stallbanm  gerichtete  Anm.  40  (S.  342  f.)  war 
nach  d«ni,  was  derselbe  jetzt  in  der  3n  Ausg.  lu  p.  183  D  seibat  be- 
merkt, äberflärsig. 

**)  Leider  roufa  ich  mich  hier  wieder  über  ein  ungenaues  Referat 
meiner  Ansicht  beklagen,  da  nur  S.  34  meines  Prodrorous,  nicht  aber 
S.  61  f.  berScksichtigt  ist. 

3* 


36    H.  Müller  u.  K.  Steinhart:  Piatons  sfimmtliche  Werke.  4r  Bd. 

voraufgelien ;  vom  Pausanias  an  aber  wächst  die  Bedeutung  der  ein- 
zelnen Reden  so  sehr,  dafs  das  unbedeutende  und  gehaltlose  dort 
nirgends  mehr  eine  Stelle  fand.'  Aristodemos  aber  hatte  eigentlich 
unmittelbar  vor  Agathon  reden  müfsen;  daTs  dies  nicht  geschieht,  folgt 
allerdings  aus  den  Worten  des  Dialogs  an  dieser  Stelle  deutlich;  aber 
dafs  dies  ein  kleiner  Widerspruch  ist,  hätte  Hr.  St.  zugeben  und  nicht 
versuchen  sollen  ihn  wcgzuerklären.  Piaton  konnte  ihn  nicht  vermei- 
den, denn  da  Aristodemos  sputer  als  die  andern  bereits  gelagerten 
Gaste  (mit  Ausnahme  des  Sokrates)  kommt  und  der  ganzen  vorberei- 
tenden Handlung  wegen  kommen  muste,  so  blieb  für  ihn  kein  anderer 
Platz  als  am  Schlnfs  der  Reihe  übrig.  Von  der  weiteren  Gruppierung 
der  sechs  ersten  Reden  in  drei  Paare  (S.  218  f.)  vermag  ich  schon 
aus  dem  Grunde  nicht  viel  zu  halten,  weil  ich  nicht  zugeben  kann, 
dafs  der  Standpunkt  des  Eryximachos  und  Aristophanes  ein  einseitig 
physischer  wäre;  ich  brauche  dies  um  so  weniger  zu  widerlegen,  als 
die  spatere  Entwicklung  des  Hrn.  Vf.  selbst  nicht  damit  übereinstimmt, 
auch  das  nöthige  gegen  diese  Annahme  schon  früher  von  TeufTel  und 
mir  bemerkt  worden  ist.  Einen  befsern  Grund  hat  die  von  Schwegler 
nur  zu  einseitig  hervorgehobene  und  auch  von  Hrn.  St.  angenommene 
Einschliefsung  der  Reden  des  Pausanias,  Eryximachos  und  Aristophanes 
in  die  des  Phaedros  und  des  Agathon ,  bei  denen  die  Form  den  Inhalt 
überwiegt  und  eine  bestimmt  ausgeprägte  Anschauung  des  Eros  nicht 
hervortritt,  wie  des  Kernes  in  die  Schale.  Gefragt  hätte  wohl  noch 
werden  können,  warum  Phaedros  gerade  den  Eros  als  Redethema  und 
warum  er  dies  nicht  selbst  aufstellt,  sondern  durch  Eryximachos  auf- 
stellen läfst,  worüber  ich  im  Philologus  VIII  S.  157  ff.  gehandelt 
habe. 

Bei  der  Betrachtung  der  Rede  des  Phaedros  S.  219—222  hätte 
wohl  noch  auf  manche  einzelne,  namentlich  von  Lindemann  a.  a.  0. 
hervorgehobene  Punkte  etwas  näher  eingegangen  werden  können.  Neu 
und  gut  ist  in  der  Schilderung  der  Rede  des  Pausanias  S.  222 — ^227 
die  Bemerkung,  dafs  dieser  durch  die  freilich  verkehrt  gewendete 
Annahme  eines  mittlem  zwischen  gutem  und  bösem  den  Eingang  des 
sokratischeu  Vortrags  vorbereitet;  richtig  ist  ebenso  der  Gegensatz 
gegen  Phaedros,  dafs  jenem  die  Tapferkeit,  dem  Pausanias  dagegen 
die  Klugheit  die  Haupttugend  sei.  Dagegen  scheint  es  mir  nicht  be- 
gründet, wegen  einiger  hingeworfener  Aeufserungen  den  Pausanias 
als  Politiker  dem  Ethiker  Phaedros  gegenüberzustellen.  Der  erstere 
hat  doch  ebenso  wenig  wie  der  letztere  die  Wohlfahrt  des  Staatsgan- 
zen als  wirkliches  Ziel  der  Liebe  im  Auge,  sondern  beide  zeigen  nur, 
dafs  das  was  die  einzelnen  verbindet,  ohne  dafs  diese  selbst  dabei 
eine  politische  Rücksicht  verfolgen,  doch  auch  dem  Staatsganzen  zu 
gute  kommt,  und  nur  darin  geht  Pausanias  weiter,  dafs  er  darstellt, 
wie  auch  umgekehrt  das  verschiedene  politische  Leben  der  Völker  aaf 
die  verschiedene  Gestaltung  der  Liebesverhältnisse  bei  ihnen  einwirkt. 
Ethik  and  Politik  stehen  bei  Phaedros  nur  in  einer  fiufsern ,  bei  Pan- 
sanias  wenigstens  nach  der  6inen  Seite  hin  in  einem  inoern  Verhältnis. 


H.  Maller  a.  K.  Steinhart:  Piatons  sämmlliche  Werke.  4r  Bd.     37 

Zu  viel  ist  es  behauptet,  dafs  die  BegriCTsdiremptionen  des  Redners 
der  synonymischen  Kunst  des  Prodikos  unwQrdig  sein  sollten,  denn 
ob  diese  wirklich  feiner  war,  dies  zu  beurtheilen  fehlt  es  uns  an  hin- 
länglichen authentischen  Quellen;  im  Gegentheil,  dafs  mit  der  Rede 
nicht  auf  den  Prodikos  gezielt  wird ,  wird  mir  umgekehrt  gerade  da- 
durch glaublich,  dafs  nicht  viel  lächerlichere  Dinge  aufgetischt  wer- 
den, denn  ohne  solche  kommen  Prodikos  und  Genofsen  niemals  beim 
Piaton  weg. 

Dem  Eryximachos  widerfahrt  S.  227 — 233  fast  zu  viel  Ehre; 
Hr.  St.  vergifst  die  Eitelkeit  und  Pedanterie  hervorzuheben,  welche 
ja  Piaton  deutlich  genug  an  ihm  zeichnet,  und  so  fein  die  Bemerkung 
ist,  dafs  die  Correctur  des  Herakleitos  p.  187  A  ganz  im  Geiste  des 
Piaton  sei,  so  ist  sie  bei  alle  dem  formell  ganz  in  demselben  hochfah- 
renden Tone  vorgebracht  wie  der  Tadel  des  Phaedros  gegen  den  Ae- ' 
schylos,  und  beide  interpretieren  überdies  nach  der  beliebten,  schon 
im  Protagoras  von  Piaton  getadelten  Manier  in  den  citierten  Schrift- 
steller hinein ,  was  ihnen  gerade  passt.  Der  Sache  nach  aber  stimmt 
diese  Modification  des  heraklaitischen  Standpunktes  allerdings  mit  dem 
Hauptresultate  des  platonischen  Parmenides  überein,  ^dafs  nemlich 
Gegensätze  nur  durch  Vermittlung  des  Werdens  ineinander  übergehen 
können,  dafs  also  ein  Moment  gedacht  werden  müfse,  in  welchem 
beide  Seiten  des  Gegensatzes  gleichsam  gegeneinander  neutral  ge- 
worden sind.'  Mitten  im  Kampf  der  Gegensätze  tritt  auch  immer  ein 
Moment  seines  Aufhörens  ein,  und  dieser  Moment  ist  eben  der  der 
Harmonie.  Wie  und  wo  freilich  Hr,  St.  diesen  Satz  auch  im  Sophisten 
finden  will,  begreife  ich  nicht.  Ebenso  richtig  ist  es,  dafs  Eryxima- 
chos den  krankhaften  Eros  dem  Pausanias  gegenüber  nicht  als  ur- 
sprünglichen Gegensatz  betrachtet,  sondern  als  Ausartung  beseitigt; 
aber  Hr.  St.  hätte  zugeben  müfsen,  dafs  dies  keineswegs  gründlich 
und  ohne  Widerspruch  geschieht,  vgl.  p.  187  E.  Der  Redner  bat  sich 
eben  zu  sehr  im  unbestimmten  verloren,  um  durch  die  bestimmte  Un- 
terscheidung des  sinnlichen  vom  krankhaften,  durch  welche  hier  allein 
geholfen  werden  konnte,  sich  zu  helfen.  Es  ist  richtig,  was  Hr.  St. 
S.  344  Anm.  43  sagt,  es  bereite  gerade  diese  Stelle  die  Betrachtung 
der  nothwendigen  sinnlichen  Freuden  im  Philebos  vor;  bestimmter 
aber  hätte  in  Bezug  auf  das  Gastmahl  selbst  gezeigt  werden  sollen, 
wie  gerade  hier  Sokrates  Rede  eingreift,  indem  sie  durch  die  Auf- 
stellung des  Zengungstriebes  als  des  eigenthümlichcn  Begriffs  für  die 
Liebe  den  Vortheil  gewinnt,  unmittelbar  diejenige  sinnliche  Liebe, 
welche  unter  diesen  Begriff  fällt,  als  berechtigt  aufzunehmen,  alle  an- 
dern aber  stillschweigend  als  unter  dem  von  Eryximachos  gegebenen 
Merkmal  des  krankhaflen  stehend  abzuweisen.  Hervorgehoben  muste 
ferner  werden ,  wie  dies  gerade  durch  den  Aristophanes  noch  näher 
vorbereitet  wird,  indem  dieser  mit  seiner  Spaltung  der  Menschen 
ebenso  sehr  auf  die  Geschlechtsdifferenz  als  anf  die  geistige  UnvolU 
kommenheit  jedes  einzelnen  Individuums  hinweist. 

Die  Besprechung  seiner  Rede  S.  233 — 238  bietet  nichts  erheblich 


88    U.  Müller  u.  K.  Steinbart.  Platons  sfimmtUche  Werke.  4r  Bd. 

neues ;  aus  der  des  Agathon  aber  (S.  238 — 241)  heben  wir  die  gute 
Bemerkung  heraus,  dafs  dieselbe  von  dem  noch  sehr  sinnlich  gefärb- 
ten Standpunkte  des  Aristophanes  zu  dem  des  Sokrates  durch  die 
Beziehung,  welche  sie  dem  £ros  auf  die  Kunst  und  überhaupt  da» 
schöne  gebe ,  hinüberleitet.  Allein  weit  fruchtbarer  hätte  diese  Bemer- 
kung  noch  werden  können,  wenn  der  Vf.  auch  die  Versicherung,  dafa 
die  Liebe  nicht  in  den  Körpern,  sondern  in  den  Seelen  wohne,  und  die 
Polemik  gegen  das  hohe  Alter,  welches  Phaedros  dem  Eros  zuschreibt, 
hiemit  zusammengebracht  hätte.  Es  führt  nemlich  dies  letztere  den 
Agathon  offenbar  auf  den  Gegensatz  zwischen  den  alten  und  den  jun- 
gen Göttern  (Titanen  und  Olympiern),  und  indem  er  behauptet,  unter 
jenen  habe  die  Naturnothwendigkeit  geherscht,  unter  diesen  aber 
hersche  Eros,  so  ist  damit  erst  die  Ausscheidung  des  kosmischen  Eros, 
von  welchem  jene  Behauptung  des  Phaedros  und  die  Erörterungen  lies 
Eryximachos  ausgiengen ,  vollzogen  und  die  Liebe  auch  dem  Aristo- 
phanes gegenüber  erst  vollständig  von  dem  physischen  auf  das  psy- 
chische und  ethische  Gebiet  zurückgeführt.  Denn  allerdings  hat  auch 
Aristophanes  beide  Gebiete  noch  nicht  jrein  voneinander  geschieden, 
indem  er  die  geschlechtliche  und  die  geistig  individuelle  Beschränkt- 
heit durch  allzu  sehr  miteinander  verwandle  Symbole  ausdrückt.  Des- 
halb möchte  ich  nun  aber  seinen  Standpunkt  keineswegs  mit  Hrn.  Sl. 
S.  241  den  anthropologisch-physiologischen  nennen,  sondern  es  heifsl 
dies  die  Hülse  mit  dem  Kerne  verwechseln;  der  letztere  ist  durchauB 
ethischer  Natur.  Umgekehrt  passt,  wie  sich  jetzt  aus  dem  eben  be- 
merkten gezeigt  hat,  für  die  Rede  des  Phaedros  die  Bezeichnung  des 
moralischen  Gesichtspunktes  nicht,  sein  Gesichtspunkt  ist  vielmehr  so 
unentwickelt,  dafs  er  den  kosmischen  Eros  noch  gar  nicht  als  solchen 
hervortreten  läfst  und  ihn  daher  auch  noch  nicht  ausgeschieden  hat. 
Wozu  überhaupt  diese  technischen  Bezeichnungsweisen  der  verschie- 
denen Standpunkte,  die  sich  doch  immer  nur  durch  Beschränkungen 
und  nähere  Erläuterungen  aufrecht  erhalten  lafsen  and  durch  die  daher 
nichts  gewonnen  wird? 

Neben  einer  schicklichen  Zusammenstellung  der  von  früheren 
entwickelten  Gründe  für  die  Einführung  der  Diotima  gibt  der  Hr.  Vf. 
S.  242  f.  noch  den  richtigen  Gesichtspunkt,  dafs  auf  diese  Weise  der 
dialogische  Charakter  für  die  Rede  de»  Sokrates  festgehalten  wird. 
Wenn  er  aber  S.  244  behauptet,  dafs  Piaton  nie  Personen,  die  er  mil 
Namen  nennt,  ßngiere,  so  scheint  er  nicht  an  den  Pamphylier  Er  im 
lOn  B.  der  Republik  gedacht  zu  haben,  an  welchen  doch  bereits  Her- 
mann zu  diesem  Zweck  erinnerte.  Ebenso  ist  es  durchaus  ein  Irthum, 
dafs  diese  Rede  in  streng  dialektischem ,  lückenlosem,  kein  Mittelglied 
überspringendem  Fortschritt  sich  bewege.  Wozu  dann  der  Mythos? 
Und  wer  wird  wohl  behaupten  wollen,  dafs  von  dem  weitern  Liebesbe- 
griffe der  Uebergaug  zu  dem  engem  streng  wifsenschaftlich  vermittelt, 
und  nicht  vielmehr  zugeben  müfsen,  dafs  die  Einerleiheit  der  Liebe 
mit  dem  Zeugungstriebe  blofs  behauptet  und  nicht  bewiesen  ist?  Gegen 
das,  was  sonst  über  diese  Rede  gesagt  wird  (S.  244—256),  haben  wir 


U.  Müller  u.  K.  S(einh«rt:  Piatoos  sämoitlichc  Werke.   4r  Bd.    39 

wenig  zu  erinnern.  Die  Dreitheilung  derselben  wäre  doch  wohl  nicht 
ganz  logisch;  es  sind  wenigstens  zunächst  nur  zwei  Thcile:  l)  Wesen 
und  2)  Gegenstände,  Wirkungen  des  Eros.  Will  man  dann  den  zwei* 
ten  Abschnitt  wieder  in  die  unphilosophische  und  die  philosophische 
Sphaere  zerlegen,  so  Ififst  sich  das  hören.  Dafs  Melis  als  die  Mutter 
des  Betriebs  (Porös)  nicht  die  himmlische  Weisheit  sein  könne,  sondern 
nur  die  praktische  Klugheit  (S.  248),  davon  hat  Hr.  St.  den  Ref.  nicht 
überzeugt.  Es  kommt  doch  wohl  alles  darauf  an,  worauf  der  Betrieb 
gerichtet  ist,  und  da  dies  hier  nach  des  Hrn.  Vf.  eigner  Bemerkung 
das  schöne,  in  letzter  Instanz  das  urschöne,  die  Liebe  zum  urschönen 
aber  bereits  die  Philosophie  selbst  ist  (S.  253),  wie  sollte  denn  da  die 
Grofsmutter  des  Eros  und  die  Mutter  des  Porös  etwas  anderes  sein  kön* 
nen  als  das  Ideal  der  Philosophie,  d.  h.  die  göttliche  Intelligenz,  die 
Idee  der  Erkenntnis?  Schärfer  als  bisher  irgendwo  habe  ich  dagegen  den 
Unterschied  zwischen  den  beiden  Arten  der  Liebe  S.  248  hervorgehoben 
gefunden.  Die  Liebe  im  unbestimmtem  Sinne  wünscht  das  schöne  nur 
KU  besitzen,  die  eigentlichere  Liebe  dagegen  vermittelst  desselben 
etwas  neues  hervorzubringen.  Spater,  sagt  der  Hr.  Vf.,  würden  beide 
Arten  zu  einer  höhern  Einheit  verbunden.  Das  ist  ganz  gut,  erwie> 
dem  wir,  wenn  er  nur  auch  das  wo  und  wie  genauer  angegeben  hatte. 
Denn  das  S.  2ö4  f.  bemerkte  genügt  nicht,  sondern  bestimmter  rouste 
gezeigt  werden,  wie  die  Ausschliefsung  der  Liebe  zur  Weisheit  aus 
dem  engem  Liebesbegriffe  p.  205  D  nur  eine  vorläuüge  und  schein- 
bare  ist,  weil  sich  vielmehr  gerade  diese  Liebe  zur  Weisheit  in  der 
des  urschönen  als  das  letzte  Ziel  wiederßndet.  Dadurch  erhellt  erst 
die  eigentliche  Bedeutung  des  Abschniltes  p.  202  E  IT. ,  in  welchen 
der  stetige  Flufs  der  menschlichen  Erkenntnis  dargestellt  wird,  wor- 
aus sich  denn  das  Resultat  ergibt ,  dafs  an  einen  eigentlich  dauerndea 
Besitz  der  Weisheit  für  den  Menschen  nicht  zu  denken  ist,  sondern 
ihm  nur  in  der  Form  einer  stetigen  Neu-  und  Fortbildung  derselben 
in  sich  und  andern  zukommt.  Der  Fortschritt  gegen  den  Phaedros  in 
der  strengern  Trennung  der  Seelen-  von  der  Körperschönheit  (S. 
251  f.)  möchte  doch,  wenn  man  die  stärkere  mythische  Färbung  da- 
selbst in  Anschlag  bringt,  mehr  scheinbar  als  wirklich  sein;  das  Gast- 
mahl ist  eher  nur  ein  erläuternder,  Misverstandnisso  abwehrender 
und  allerdings  das  unentwickelte  weiter  fortbildender  Commentar  zn 
dem  frühem  Dialog.  Sehr  richtig  sagt  Hr.  St.  selbst  S.  264,  dafs  im 
Phaedros  das  sinnliche  Element  der  Liebe  mehr  hervorgehoben  werden 
muste,  weil  hier  der  Kampf  des  Geistes  gegen  die  Sinnlichkeit  schär- 
fer ins  Licht  treten  sollte.  Noch  mehr  irrt  der  Hr.  Vf.,  wenn  er  p. 
210  B  einen  sichern  Beleg  für  seine  Unterscheidung  der  Gattungsbe- 
griife  von  den  Ideen  zu  finden  glaubt  (S.  254  u.  346  Anm.  68);  to  In 
tXdu  nctlov  heifst,  wie  Rüge  längst  bemerkt  hat,  nichts  anderes  als 
*das  schöne  der  Gestalt',  d.  i.  die  Gestaltenschönheit  oder  die  körper- 
liehe Schönheit  überhaupt.  Hr.  St.  selbst  wird  doch  wohl  zugeben, 
dafs  man  sich  einen  Gattungsbegriff  des  schönen  nicht  eher  bilden 
kann,  bevor  man  auch  die  geistige  Schönheit  kennen  gelernt  hat;  von 


40    H.  Malier  u.  K.  Steinhart:  Platons  sämmtliche  Werke.  4r  Bd. 

einem  solchen  kann  daher  hier  auch  noch  nicht,  wie  der  Hr.  Vf.  will, 
die  Rede  sein. 

Jene  stärkere  Hervorhebung  der  Seelenschönheit  auch  in  einem 
hafslichen  und  des  Mangels  derselben  auch  in  einem  schönen  Körper 
tritt  nun  nach  des  Hrn.  Vf.  richtiger  Bemerkung  auch  im  Sokrates, 
wie  ihn  Alkibiades,  und  andrerseits  contrastierend  dagegen  im  Alki- 
biades,  wie  er  sich  selbst  darstellt,  hervor  (S.  257).  lieber  seinen 
Vortrag  handelt  S.  256—261,  über  den  Schlufs  S.  261—263;  das  Ver- 
hältnis zum  Phaedros  (S.  263  f.)  hätte  wohl  eines  weit  speciellern 
Eingehens  bedurft;  über  das  zum  Sophisten  und  seiner  Familie  hilft 
der  Hr.  Vf.  sich  gar  mit  der  flüchtigen  Bemerkung  hinweg,  dafs  Phae- 
don  und  Symposion  unmöglich,  wie  Schleiermacher  meinte,  die  Stelle 
des  Philosophos  vertreten  könnten.  Gewis  stehen  sie  aber  doch  des- 
halb nicht  beziehungslos  zu  den  streng  dialektischen  Gesprächen  da, 
und  wir  hätten  daher  wohl  gewünscht,  dafs  uns  der  Vf.  wenigstens 
angedeutet  hätte ,  welche  von  den  dort  angeknüpften  Fäden  hier  fort- 
gesponnen werden.  S.  264 — 266  wird  endlich  die  Entstehungszeit 
besprochen  und  wegen  des  bekannten  Anachronismus  in  der  Rede  des 
Aristophanes  mit  viel  zu  grofser  Sicherheit  das  Jahr 385  angenommen; 
denn  weshalb  nicht  auch  ein  oder  selbst  einige  Jahre  später  eine  An- 
spielung auf  jenen  ötomiöiiog  von  Mantinea  noch  den  Lesern  verständ- 
lich oder  die  Sache  selbst  dem  Piaton  noch  hinlänglich  erinnerlich  sein 
konnte,  um  eben  eine  solche  Anspielung  hervorzurufen,  vermag  Ref. 
wenigstens  nicht  abzusehen.  Die  Gründe  aber,  aus  welchen  Hr.  Müller 
S.  356  IT.  Anm.  346  die  ganzen  in  Frage  kommenden  Worte  strei- 
chen will,  scheinen  mir  im  wesentlichen  durch  die  Gegenbemerkungen 
von  Hrn.  St.  bereits  widerlegt  zu  sein.  —  Der  Schlufs  der  Einleitung 
bespricht  S.  266 — 269  das  Verhältnis  zum  Gastmahl  des  Xenophon  im 
Sinne  K.  Fr.  Hermanns. 

(Der  Schlufä  folgt  im  nächsten  Heft.) 

Greifswald.  Fr.  SusemihL 


Des  Q,  UoraUus  Flaccm  Oden  und  Epoden.  Für  den  Schulge- 
brauch erklärt  von  Dr.  C.  W.  Nuuck^  Director  des  Friedrich- 
Wilhelms-Gymnasiums  zu  Königsberg  i.  d.  N.  Leipzig,  Druck 
und  Verlag  von  B.  G.  Teubner.     1854.    XVIII  u.  225  S.   8. 

Mit  diesem  Bändchen  ist  die  Schulausgabe  des  Horaz,  zu  der 
Hr.  Dir.  Krüger  in  Braunschweig  vor  anderthalb  Jahren  den  zweiten 
die  Satiren  und  Episteln  enthaltenden  Theil  lieferte  (s.  NJahrb.  Bd. 
LXVIII  S.  76  IT.),  abgeschlofsen ,  und,  sprechen  wir  es  gleich  zam 
Eingang  aus,  würdig  abgeschlofsen.  So  wenig  es  sich  verkennen 
läfst,  dafs  die  beiden  Hrn.  Herausgeber  in  manchen  Dingen  vonein- 
ander abweichen,  wo  es  der  Charakter  der  Gedichte  nicht  bedingt, 


C.  W.  Nauck:  Horatius  Oden  und  Epoden.  41 

80  wenig  läfst  sich  dem  einen  wie  dem  andern  die  Tüchtigkeit  der 
Leistungen  bestreiten,  und  wir  haben  nun  einer  Ausgabe  uns  zu  freuen, 
durch  die  dem  Studium  dieses  Lieblingsdichters  der  Schulen  ein  er- 
heblicher Vorschub  geleistet  ist,  und  der  wir  den  vollen  Eingang  in 
dieselben  von  ganzem  Herzen  wünschen.  Der  wird  ihr  auch  nicht 
entstehen  und  die  Freudigkeit,  mit  der  Hr.  N.  mit  einem  rgsiv  fi'  ovx 
ia  IlakXag 'A^t]vri  vor  das  Publicum  hintritt,  mag  wohl  ein  günsti- 
ges Vorurtheil  erwecken,  sowohl  für  das,  was  er  hier  geleistet  hat, 
als  für  den  Eifer,  mit  dem  er  gestrebt  hat  etwas  tüchtiges  zu  bieten. 
Dafs  das  Unternehmen  eine  Schulausgabe  des  Horaz  zu  liefern  ein 
schwieriges  ist,  kann  sich  ja  kein  einsichtiger  bergen,  und  so  wird 
auch  bei  dem  regsten  Eifer  sich  schon  mancherlei  vermifsen  lafsen, 
was  die  nachbefsernde  Hand  in  einer  zweiten  Ausgabe,  die  gewis 
nicht  wird  auf  sich  warten  lafsen,  nachzutragen  hat,  und  worüber 
der  Hr.  Hg.  selbst  gewis  gern  die  Ansichten  anderer  vernimmt.  Wir 
wollen  deshalb  die  Ausgabe  einer  etwas  tiefer  eingehenden  Beurthei- 
lung  unterwerfen. 

Vergleicht  man  zunächst  die  beiden  sich  ergfinzenden  Theile  des 
Werkes  öufserlich,  so  scheint  es,  als  ob  die  Oden  unverhältnismäfsig 
stiefmütterlich  ausgestattet  wären ;  denn  bei  ungefähr  gleichem  Um- 
fang des  Textes  von  Oden  und  Sermonen  ist  die  vorliegende  Aus- 
gabe der  erstem  fast  100  Seiten ,  d.  i.  beinahe  %  des  Umfanges ,  klei- 
ner als  jene.  Aber  das  ist  zum  Theil  scheinbar.  Durch  die  äufserste 
Kürze  und  Praecision  in  den  Inhaltsangaben,  Anmerkungen  und  Cita- 
ten  ist  eine  grofse  Raumersparnis  herbeigeführt,  in  den  erstem  viel- 
leicht nicht  im  Interesse  des  Schülers.  Auch  in  der  letztgenannten 
Hinsicht  kann  man  den  Hg.  fast  karg  nennen:  keine  Grammatik,  kein 
Handbuch,  kein  Vorgänger  findet  sich  citiert,  auch  der  Kreis  der  an- 
gezogenen Schriftsteller  ist  ein  sehr  ehger  und  mit  Ausnahme  von  ein 
paar  griechischen  Fragmenten,  die  als  von  Horaz  nachgeahmt  nicht 
zu  umgehen  waren,  gewis  in  jedes  Schülers  Händen.  Aber  wo  Hr. 
N.  ein  Citat  gibt,  da  wirft  es  ein  erhebliches  Licht  auf  die  Stelle  und 
das  Nachschlagen  sollte  ja  nicht  unterbleiben.  So  ist  hier  denn  nichts 
überflüfsiges,  keine  gelehrten  Excurse,  alles  auf  Erklärung  der  vor- 
liegenden Stelle  berechnet,  kurz,  knapp,  zu  Zeiten  bis  zur  Dunkel- 
heit, Erläuterung  von  Seiten  des  Lehrers  erheischend,  aber  scharf 
und  fürs  Einprägen  vortrefflich. 

In  der  äufsersten  Kürze  bezeichnet  Hr.  N.  in  der  Vorrede  von 
reichlich  zwei  Seiten  seine  Hauptgesichtspunkte ,  unter  welchen  er  die 
der  Interpunction  geschenkte  Sorgfalt,  die  Bemühung  das  farblose  der 
früheren  Ausgaben  zu  beseitigen  und  den  Inhalt  und  die  Gliederung 
der  einzelnen  Gedichte  nachzuweisen  besonders  hervorhebt.  Wenn 
Hr.  N.  meint,  dafs  die  früheren  Ausgaben  statt  des  frischen  lebendi- 
gen (?)  Lebens  nur  zu  sehr  die  Luft  der  Studierstube  athmeten ,  so 
mufs  man  ihm  Recht  geben  und  mag  ihm  schon  Glück  wünschen  zn 
dem  gelungenen  Versuche  hier  neue  Bahn  zu  brechen ;  einmal  über  das 
andere  führt  er  durch  Anführung   der  heimischen  Dichter,  Schiller, 


42  C.  W.  Naiick:  Uoratius  Oden  und  Epodeu. 

Goethe,  Matthisson,  A.  Grün,  Leoau,  Freiligralh,  Heine,  Kopiscb, 
auf  das  Menschenherz  als  des  Liedes  Quelle  zurück.  Diese  Citale 
werden  beim  Schüler  reiche  Frucht  tragen  und  die  Schranke  nieder  • 
reifsen,  die  beim  Zergliedern  des  Liedes  sich  nur  zu  leicht  erhebt  und 
nur  zu  oft  dessen  Wirkung  hemmt.  Und  die  Weise  wie,  und  die 
Stelle  wo  Hr.  N.  citiert,  ist  eine  gar  wohl  berechnete,  z.  B.  1, 1,  25: 
sub  lote  frigido:  ^der  Gott  für  sein  Element,  wie  bei  Schiller  der  un- 
bewölkte Zeus.'  Wiegt  dies  Citat  nicht  10  aus  Vergil  und  Ovid  auf, 
indem  es  zeigt,  was  auch  unsere  Sprache  in  gleicher  Weise  wageo 
darf,  und  welche  Färbung  der  tropische  Ausdruck  der  fremden  mufs 
gegeben  haben?  Vs.  34  tendere  (pulsando):  ^mittelbar  und  anschau- 
lich für  spielen.  So  Schiller:  sie  (die  Hand]  hat  der  Leier  zarte  Sai- 
ten, doch  nie  des  ßogens  Kraft  gespannt.'  Mit  vollem  Recht  betont 
nach  des  Ref.  Dafürhalten  Hr.  N.  diese  Aufgabe,  das  Lied  wieder  zu 
seinem  wahren  Leben  zu  berufen,  den  Eindruck  wieder  hervorzuzau- 
bern ,  den  es  auf  die  Zeitgenofsen  machte :  es  ist  das  das  erste ,  was 
die  Ausgabe  zur  Schulausgabe  macht.  Einen  zweiten  bis  dahin  viel 
zu  sehr  vernachlafsigten  Hebel  bildet  in  dieser  Beziehung  die  Hinwei- 
sung auf  das  bedeutungsvolle  der  Namen,  wodurch  manche  Gedichte 
mit  6inem  Schlag  in  die  lebensvolle  Gegenwart  versetzt  werden,  wie 
wenn  er  Alphius  Epod.  2  ^  Piusmacher '  übersetzt  und  auf  alq^aivm 
zurückführt,  Asterie  Od.  lU,  7  als  ^Slernenmaid'  fafst  und  aufstrah- 
lende Schönheit  bezieht,  Galatea  lU,  27  durch  I.actea  wiedergibt,  aa 
Theokrits  UvKori^a  itaKxäg^  Vergils  candidior  cycnis  erinnernd,  io 
Tyndaris  I,  17  die  Helenaschönheit  sucht,  bei  Lydia  und  Sybaris  1,8 
hinweist,  wie  beide  Namen  auf  Weichlichkeit  und  Wohlleben  deuten, 
und  unzähliges  andere.  Scharf  und  fein  führt  er  durch  Vergleichung 
von  Hom.  H.  XV,  96  den  Thaliarchus  von  einem  Symposiarchen ,  wo- 
für er  nur  zu  oft  gilt,  aufsein  wahres  Mafs  zurück,  und  selten  thut 
er  darin  zu  viel ,  wie  wenn  er  Otos  und  Ephialies  durch  ^  Eulenkopf' 
und  ^Alp  oder  Incubus'  wiedergibt,  da  Horaz  an  jener  Stelle  III,  4, 
51  diese  Bedeutsamkeit  der  Namen  gewis  nicht  gegenwärtig  war,  und 
ebenso  wenig  will  Ref.  die  Deutung  von  Leuconoi  als  Uhörichte  Schöne' 
gefallen  mit  Beziehung  auf  ktv%al  (pgivsg  =  insipientia  (freilich 
nicht  neu;  s.  Düntzer  I,  174).  Zu  dieser  Namensdeutung  passt  doch 
der  Ton  des  Gedichts  gar  nicht ,  das  uns  gar  freundlich  und  gcmüth- 
lich  anspricht.  Dafs  sonst  der  Ton  der  Gedichte  der  Aufmerksamkeil 
des  Hrn.  Hg.  nicht  entgangen  sei ,  läfst  sich  nach  dem  gesagten  leicht 
vermuthen,  und  in  Wahrheit  ist  die  Andeutung  des  scherzhaften,  hu- 
moristischen, neckischen  in  den  einzelnen  Gedichten  ein  neues  und  um 
80  viel  gröfseres  Verdienst  des  Hrn.  N. ,  je  weniger  dies  Element  bis 
dahin  anerkannt,  ja  je  mehr  verkehrte  Deutungen  aus  der  Verkennung 
desselben  hervorgegangen  sind.  So  finden  wir  hier  III,  20  die  Worte : 
*  durchaus  humoristisch  gehalten';  I,  8:  *der  Sehers  richtet  aich  an 
Lydia,  scheint  aber  mehr  noch  auf  Sybaris  gemünzt';  1,  16:  *  durch 
das  ganze  Lied  ist  ein  überlegener  Humor  und  ein  komisches  Pathos 
nicht  lU  verkennen ' ;  U,  8:  ^die  scbmeichelbaflen  Vorwürfe  athnen 


C.  W.  Nauck :  Uoratius  Oden  und  Epoden.  ^  43 

Scherz  und  Zärtlichkeit'  —  vortrefflich;  aber  bei  dieseo  Andeatun- 
gen  hatte  unserer  Meinung  nach  Hr.  N.  stehen  bleiben  sollen.  Auch 
die  Inhaltsangabe  11, 4  wollen  wir  hingehn  lassen :  ^  humoristische  Trö- 
stung eines  Ancillariolus.  Der  Scherz  culminiert  in  dem  nescias 
an  des  Idn  Verses.  Der  Humor  erstreckt  sich  bis  auf  das  ernst  feier- 
liche Metrum.  Von  Ironie  und  Malignität  keine  Spur.^  Den  Ancil- 
lariolus ihm  aufzumutzen,  wäre  vielleicht  Prüderie,  Hr.  N.  würde  es 
gewis  dafür  erklären.  Es  führt  uns  aber  das  Wort  auf  etwas  anderes. 
Dafs  die  Behandlung  der  erotischen  Partien  bei  einer  Schulausgabe 
von  einem  Dichter  wie  Horaz  eine  grofse  Schwierigkeit  bietet,  wird 
sich  nicht  in  Abrede  stellen  lafsen,  aber  mit  der  Losung  den  Scherz 
ohne  Prüderie  anzudeuten  (Vorr.  S.  VIII)  wird  man  hier  nicht  durch- 
kommen. Ref.  glaubt  wenig  Widerspruch  befürchten  zu  dürfen,  wenn 
er  behauptet,  dafs  die  erotischen  Partien  von  Hrn.  N.  nicht  mit  dem 
zarten  Finger  behandelt  sind,  den  eine  Schulausgabe  vor  allen  Dingen 
erheischt.  Sie  soll  ja  für  unsere  Jugend  abgefafst  sein,  und  da  wird 
man  doch  nicht  aus  den  Augen  lafsen  dürfen,  dafs  unser  Urtheil  in 
diesem  Punkte  von  dem  der  Alten  wesentlich  verschieden  ist,  dafs 
ihnen  vielfach  für  eine  Nudität  galt,  was  in  unsern  Augen  eine  Unan- 
ständigkeit ist,  und  die  wird  kein  Lehrer  seinen  Schülern  vorführen 
wollen.  Mufs  er  aber  die  Nudität  behandeln ,  so  wird  e  r  wifsen  mit 
gehöriger  Berücksichtigung  der  Persönlichkeiten  am  rechten  Orte  za 
schweigen ,  und  durch  die  Würde  seiner  Behandlung  allem ,  was  Lü- 
sternheit und  ähnliche  Empfindungen  zu  wecken  geeignet  wäre ,  den 
Stachel  abzubrechen.  Der  Herausgeber  wird  unserer  Meinung  nach 
hier  früh  ein  manum  de  tabula  sprechen  müfsen.  Hr.  N.  aber  hat 
vielmehr  gesprochen,  wo  er  schweigen  konnte  und  muste,  und  ge- 
redet, wie  er  als  Paedagog  nimmer  reden  durfte.  Materiell  genom- 
men sind  ja  allerdings  Bemerkungen,  wie  sie  sich  Ep.  8,  7  und  Ep.  12 
finden,  richtig,  man  kann  sagen  vortrefflich;  aber  sind  nicht  die  Sa- 
chen von  der  Art,  dafs  man  sich  freuen  mufs,  wenn  der  Jüngling  dar- 
über hinliest,  ohne  sie  zu  verstehen,  jedesfalls  ohne  sie  sich  auszu- 
malen? War  III,  10  die  Deutung  des  Namens  Lyce:  *lvx^^  pellis 
lupina ,  ist  ein  häfslicher  Name ,  der  sowohl  an  scorium  =  pellis  als 
an  lupa=^  scortum  erinnert'  uothwendig?  Und  wenn  uns  denn  da- 
durch Hr.  N.  das  Bild  des  Dichters  wirklich  schärfer  gezeichnet  hätte, 
als  von  einer  Lust  beherscht,  über  die  seine  Zeit  minder  streng  als 
die  unsere  den  Stab  brach,  ist  es  denn  auch  zweckniäfsig  den  Jüng- 
ling zu  erinnern,  dafs  hier  ein  unsittliches  Verhältnis  vorliege?  Ist 
die  Bemerkung  zu  digito  male  pertinaci  I,  9,  24:  Mie  Ausleger,  wel- 
che male  für  non  admodum  nehmen  zu  müfsen  glauben,  scheinen  nicht 
den  Reiz  zu  kennen,  der  im  Widerstände  liegt:  otf^  ^lovti^ucvnuv" 
xoq ! '  wirklich  hier  am  Platze  ?  Was  soll  man  aber  zu  einer  Bemer- 
kung wie  1,30  sagen?  ^An  Venus.  Wahrscheinlich  bei  Gelegenheit 
einer  vom  Dichter  selbst  beabsichtigten  Liebesfeier.^  Nicht,  dafs  sie 
geeignet  sei  Lüsternheit  zu  wecken?  was  von  der  Uebersetznng  von 
Umpettina  viro  I,  23:  *eben  recht  für  den  Mann'?    Und  wenn  Hr.  N. 


44  C.  W.  Nauck:  Horatius  Oden  und  Epodcn. 

III,  19,  23  den  über  die  Verletzung  der  ehelichen  Treue  ergrimmten 
Ehemann,  seine  Benennung  Lycus  übersetzend,  einen  ^alten  Isegrimm^ 
nennt,  heirst  das  wohl  das  heilige  heilig  behandeln?  III,  7,  18  lesen 
wir  gar:  ^Auch  Hippolyte,  Gemahlin  des  thessalischen  Königs  Aca- 
stus,  that  gegen  Peleus  wie  Fotiphars  Weib  gegen  Joseph  that.  Der- 
artige exempla  octo  hat  Muret  V.  L.  I,  12  zusammengestellt.'  Will 
Hr.  N.  wirklich,  dars  die  exempla  oclo  vom  Schüler  sollen  im  Nurel 
nachgelesen  werden?  und  zu  solch  einem  Citat  hat  er,  der  mit  Citaten 
sonst  so  karge,  Raum?  —  Im  Interesse  seines  Buchs  und  der  Jugend, 
für  die  Hr.  N.  in  dieser  Ausgabe  so  viel  geleistet  hat,  möchte  Ref. 
ihn  auf  das  allerdringendste  bitten,  dieser  Seite  seines  Werkes  bei 
einer  zweiten  Ausgabe  die  sorgfältigste  Aufmerksamkeit  zu  widmen 
und  gegen  sich  selbst  eine  schonungslose  Strenge  zu  üben ,  und  sollte 
auch  immerhin  darüber  ein  Gedicht  unbeachtet  bleiben,  das  vom  rech- 
ten Standpunkt  der  Laune  und  des  Humors  betrachtet  zu  den  gelun- 
gensten gehört.  Und  ein  gleiches  möchte  Ref.  für  manche  Stelle  er- 
bitten, wo  Hr.  N.  den  sittlichen  Ernst  aufzuweisen  sich  bemüht.  SitU 
lieh  religiös  möchte  ihn  Ref.  mit  Hrn.  N.  S.  VIII  überall  kaum  nennen, 
und  gibt  demselben  in  dieser  Hinsicht  nur  zu  bedenken,  wie  klein  bei 
Horaz  die  Zahl  der  die  Gottheit  feiernden  Lieder  und  wie  gering  in 
denselben  die  Tiefe  der  Empfindung  ist.  Aber  die  sittliche  Seite  isl 
bei  demselben  nicht  unbedeutend,  denn  das  video  meliora  proboque 
gilt  von  ihm  im  vollen  Mafse,  wenn  er  auch  im  Leben  das  Kind  sei- 
ner Zeit  war.  Damit  ist  aber  zugleich  ausgesprochen,  wie  Ref.  über 
die  Citate  aus  der  Bibel  denkt,  von  denen  wir  das  mislichste  so  eben 
angeführt  haben.  Es  wird  dadurch  Hrn.  N.  eher  gelingen  die  Bibel  in 
die  Weltlichkeit  des  Dichters  herab ,  als  diesen  zu  unserm  religiösen 
Bewustsein  emporzuzieben.  Wollte  Hr.  N.  uns  andeuten,  dafs  I,  9, 15 
nee  dulces  amores  speme  puer  doch  nur  zu  unschuldiger  Freude 
mahne,  wie  Fred.  Salom.  11,  9,  so  hätte  er  auch  die  zweite  Hälfte  des 
Spruches  nicht  weglafsen  mögen:  ^aber  wifse,  dafs  dich  Gott  um  das 
alles  wird  vor  Gericht  führen.'  Das  gieng  freilich  nicht  an,  denn  ge- 
rade dieser  heilige  Ernst  ist  unserm  Dichter  fremd.  Ebenso  wenig 
hätte  Ref.  ein  Citat  wie  III,  1,  30:  ^der  Eigner  tritt  zu  seinen  Bfinmen 
wie  Christus  zum  Feigenbaum  und  rechtet  mit  ihnen  wie  Jes.  5,  3  Je- 
hovah  mit  seinem  Weinberg'  beigebracht;  za  welchem  Zweck  wollen 
wir  eine  poetische  Anschauung  gerade  aus  der  Bibel  belegen,  und 
wenn  das,  warum  aus  historischen  Büchern  derselben?  Wenn  aber 
Hr.  N.  zu  I,  34  dem  durch  einen  Donnerschlag  aus  heiterer  Bläue  zum 
Gebet  getriebenen  Dichter  den  Saulus  Apostg.  9,  3  gegenüber  stellt, 
so  möchte  man  an  ihn  doch  die  Frage  thun,  ob  er  zwischen  dem 
Dichter,  der  durch  einen  Donnerschlag  zu  pathetischen  Reflexionen 
veranlafst  wird,  und  dem  Faulus,  für  dessen  ganze  Lebensrichtung 
das  Ereignis  epochemachend  war  ,  auch  nur  eine  flüchtige  Aehnlich- 
keit  zu  erkennen  vermöge? 

Von  dem,  was  Hr.  N.  gethan  hat,  um  die  Färbung  und  den  Ton 
der  einzelnen  Lieder  aniadeuten  und  an  die  Stelle  einer  griesgrim- 


C.  W.  Nauck :  Horatius  Oden  und  Epoden.  45 

liehen  Erklärung  eine  frische,  lebensfrohe  und  gesunde  Auffafsung 
treten  zu  lafsen,  wenden  wir  uns  zu  dem,  was  er  geleistet  hat  für 
die  Würdigung  der  poetischen  Form,  die  Aufweisung  des  Grundge- 
dankens und  seiner  Gliederung  sammt  den  dazu  in  Anwendung  ge- 
brachten Kunstmilteln.  Auch  hier  haben  wir  ihm  eine  höchst  erfreu- 
liche Gabe  zu  danken  und  möchlen  nur  den  Wunsch  aussprechen, 
dafs  sie  allen  Liedern  in  gleichmafsiger  Weise  möchte  zu  Theil  ge- 
worden sein.  Die  alten  lateinischen  Ueberschriften  sind  mit  den  sämmt- 
liehen  neuern  Ausgaben  als  spatern  Ursprungs  beseitigt,  an  die  Spitze 
der  Anmerkungen  tritt  dafür  eine  deutsche  oftmals  höchst  charakteri- 
stische, und  an  diese  reiht  sich  in  ein  paar  Worten  eine  Skizze  des 
Liedes,  oftmals,  aber  leider  bei  weitem  nicht  immer,  eine  Andeutung 
über  die  strophische  Gliederung  des  Liedes.  Manchmal  vermifst  man 
dieselbe  freilich  nicht,  ja  sie  liegt  in  dem  Liedchen  so  klar  zu  Tage, 
dafs  jedes  Wort  darüber  eigentlich  verschleudert  wäre.  Es  ist  eine 
feine  sinnige  Bemerkung  Grotefends  (Philologus  V,  142),  dafs  die  Ly- 
rik des  tioraz  doppeller  Art  sei,  nicht  blofs  die  apollinische,  durch 
welche  er  sich  den  höchsten  Ruhm  erwarb,  sondern  auch  die  bacchi- 
sche,  durch  welche  er  den  Epheukranz  um  seine  Dichterstirn  schlang. 
Dieser  Scheidung  gegenüber  stellt  sich  aber  die  Aufgabe  eines  Her- 
ausgebers des  Horaz  sehr  verschiedenartig;  denn  wenn  es  bei  den 
neckischen,  tändelnden  bacchischen  Liedern  nur  gilt  den  Mittelpunkt 
anzudeuten  und,  so  wie  dieser  gegeben  ist,  alles  sich  gleichsam  von 
selbst  um  ihn  gruppiert  und  zu  Krystallen  zusammenschiefst,  so  ist 
es  bei  den  apollinischen  Liedern ,  um  bei  dieser  Bezeichnung  zu  blei- 
ben, keineswegs  der  Fall;  verfolgen  sie  doch  ein  ganz  anderes  Ziel. 
Sie  wollen  eine  ungewöhnliche  Erscheinung,  einen  grofsartigen  Ge- 
danken in  seiner  ganzen  Bedeutsamkeit  hinstellen,  wollen  Anerken- 
nung, Staunen,  Bewunderung  erwecken.  So  findet  sich  hier  ein  stu- 
fenweises Emporsteigen;  sie  schmücken  und  erläutern  den  Hauptge- 
danken durch  einen  Reichthum  von  Bildern ,  begründen  ihn  durch 
rationelle,  historische  und  mythologische  Motive.  Diese  Würde  er- 
heischt eine  schärfere  Gliederung,  es  treten  uns  Strophencomplexe 
entgegen,  ein  Aufgesang  und  Abgesang,  und  so  erhält  der  einzelne 
Satz  durch  seine  Stellung  im  Strophencomplex  oft  ein  ganz  unverhält- 
nismäfsig  gröfseres  Gewicht,  als  er  an  und  für  sich  hat,  ein  Gewicht 
das  man  gar  nicht  ahnt,  wenn  man  des  Gesetzes  der  Composition  nicht 
inne  geworden  ist.  Oder  glaubt  jemand,  es  hatte  Schiller,  der  in 
Feinheiten  dieser  Art  Meister  war ,  die  Worte  ^doch  die  Liebe  schreckt 
sie  nicht'  oder  ^das  sollst  du  am  Kreuze  bereun',  welche  eigentlich 
Träger  des  ganzen  Gedichts  sind,  blofs  zufällig  an  das  Ende  der 
Strophe  gesetzt?  Ref.  kann  sich  nicht  versagen  hiebei  hinzuweisen 
auf  das,  was  sein  Freund  Hr.  Prof.  MüllenholT  in  Kiel  im  diesjährigen 
Märzheft  der  allgemeinen  Monatsschrift  auf  das  glänzendste  für  Fro- 
perz  nachgewiesen  hat.  Es  kann  aber  zumal  bei  einem  Dichter  wie 
Horaz  diese  Gliederung  nicht  sorgfältig  genug  beachtet  werden;  denn 
der  Reichthum  seiner  Gedanken,  Anspielungen,  mythologischen  und 


46  C.  W.  Nauck :  Horatins  Oden  und  Epoden. 

geschichlUchen  Beziehungen  ist  oft  wohl  geeignet  den  wirklichen 
Schwerpunkt  zu  verstecken.  Gewis  es  würde  um  die  Erklärung  man- 
ches horazischen  Liedes  ganz  anders  stehen,  wenn  man  schon  seil 
längerer  Zeit  der  Gliederung  desselben  eine  grörsere  Aufmerksamkeit 
geschenkt  hätte.  Fragt  man  nun,  was  Hr.  N.  in  dieser  Beziehung  ge- 
leistet hat,  so  mnfs  zunächst  anerkannt  werden,  dafs  er  vielfach  mei- 
sterhaft den  Grundgedanken  des  Liedes  durch  die  Ueberschrift  ange- 
geben oder  mit  ein  paar  Worten  den  Schwerpunkt  desselben  ange- 
deutet hat  (z.  B.  I,  17.  II,  14  u.  15).  Hier  ist  seine  Kürze  gar  sehr 
am  rechten  Ort.  Weniger  hat  er  für  die  Nachweisung  der  Gliederung 
gethan  und  es  tritt  uns  da  eine  gewisse  Ungleichmafsigkeit  entgegen. 
Während  in  der  letzten  Hälfte  ein  Fingerzeig  darüber  nur  selten  fehlt, 
finden  wir  im  ersten  und  der  ersten  Hälfte  des  zweiten  Buches, 
wenn  Ref.  nichts  übersehn  hat,  nur  dreimal  einen  solchen:  I,  17.  21 
u.  22  und  nur  an  der  letzten  Stelle  ist  eine  Andeutung  über  die  Ge- 
dankeneinheil in  den  einzelnen  Theilen.  Hr.  N.  scheint  die  Entwick- 
lung dieses  Gegenstandes  dem  Lehrer  zuweisen  zu  wollen. und  ist  da- 
rin einem  richtigen  Takt  gefolgt:  3  Strophenpaare,  2  gleiche  Hälften, 
das  ist  gewöhnlich  alles,  was  er  gibt;  aber  Horazens  Strophenban  ist 
zu  künstlich,  um  damit  überall  ausreichen  zu  können.  So  mufs  Ref. 
die  Andeutung  im  Schlufswort  zu  III,  1 — 6  doch  gar  zu  dürftig  finden. 
Hr.  N.  erkennt  sie  als  zusammengehörig  an  und  vergleicht  sie  einem 
Sonnettenkranze ,  weist  auf  die  gleiche  Zahl  der  Verse  im  ersten  und 
letzten  Liede  hin  und  auf  die  Gleichartigkeit  ihrer  Gliederung.  Die 
Lieder  2 — 5  gehen  dabei  leer  aus ;  Hr.  N.  sagt  nur ,  dafs  von  diesen 
Liedern  jedesmal  das  folgende  den  Schlufsgedanken  des  vorhergehen- 
den ausführe.  Hätte  er  diesen  Gedanken  doch  auf  I,  1  angewandt, 
wie  würde  das  Meisterwerk  dadurch  in  ein  ganz  anderes  Licht  treten, 
während  es  uns  so  als  eine  Sammelei  von  allerhand  Beispielen  er- 
scheint, die  sich  füglich  um  einige  Dutzend  vermehren  liefsen.  Bei 
Hrn.  N.  lautet  die  Einleitung:  ^Widmung.  Dedieationsgedicht  zu 
den  drei  ersten  Büchern  der  Oden.  Manche  reizt  der  Ruhm ,  andere 
Ehrenämter  und  Grundbesitz ;  dem  einen  geht  nichts  über  ein  beschei- 
denes und  sicheres  Loos,  einem  andern  nichts  über  gefahrvollen  Er- 
werb; mancher  sucht  Genufs  und  Behaglichkeit,  viele  wieder  Kampf 
und  Strapazen:  mich  beseligt  die  Poesie,  und  setzest  du  mich  in  die 
Reihe  der  Liederdichter,  so  habe  ich  das  höchste  erreicht.'  —  Da 
scheint  kaum  ein  bestimmter  Faden  hindurch  zu  führen,  aber  die  Wahr- 
heit ist,  dafs  wir  hier  9  Punkte  vor  uns  haben,  in  denen  einzelne  ihr 
höchstes  Glück  suchen,  und  dafs  sich  dieselben  wieder  in  3  Gruppen 
zusammenstellen.  In  der  ersten  zeichnet  der  Dichter  mit  markigen 
Zügen,  was  das  Hers  des  Griechen,  und  wieder,  was  das  des  Rö- 
mers mit  übcrschwänklichem  Stolz  erfüllt  und  darum  das  Endziel  sei- 
ner Bestrebungen  abgibt;  dem  aber  stellt  ein  auf  das  materielle  ge- 
richteter Sinn  das  Streben  nach  Besitz  und  Reichthum  als  das  allein 
befriedigende  gegenüber,  das  nicht  ruht,  bis  es  alle  Schätze  Siciliena 
und  Africas  zusammengehänft  hat.     Eben  dieses   Erringen  und  Er- 


C.  W.  Nauck:  Horatius  Oden  und  Epoden.  47 

raffen ,  das  von  keiner  Mühe  gebrochen ,  von  keiner  Gefahr  geschreckt, 
hier  den  Landmann,  dort  den  Koufmann  beseelt,  führt  uns  dann  der 
zweite  Theil  vor,  aber  wieder  nur,  um  ihm  im  Abgesang  das  ganz 
verfehlte  dieses  Ringens,  das  propler  vitam  eivendi  perdere  causam 
vorzuhalten,  nur  der  Gennfs  des  Augenblicks  sei  wahrhaft  unser.  Aber 
diesen  Genufs,  sagt  uns  dann  der  dritte  Theil,  finden  die  verschiede- 
nen Menschen  in  den  entgegengesetztesten  Dingen,  von  denen  andere 
gar  nicht  im  Stande  sind  zu  begreifen ,  wie  sie  eine  Befriedigung  ge- 
währen können  (jnanet  suh  love  frigido  eenaior ,  bella  matribus  de- 
iesiaia),  und  nachdem  er  uns  in  des  Jägers  und  Kriegers  Beispiel  die 
tiefe  unendliche  Lust  vorgehalten,  seiner  Neigung  zu  leben,  wendet 
er  sich  zu  dem  ihn  beseligenden  Wunsche  im  Fach  der  lyrischen 
Dichtung  wirklich  etwas  zu  leisten.  Ob  er  das  thue,  darüber  erwartet 
er  von  des  Freundes  Urtheil  die  Entscheidung  *)  und  erklärt,  selig 
werde  es  ihn  machen  ein  ja  aus  des  competenten  Richters  Munde  zn 
vernehmen.  Die  Aengstlichkeit  aber,  mit  der  er  fragt,  das  Gewicht, 
das  er  darauf  legt,  spiegelt  sich  aufs  deutlichste  in  dem  praesidium 
im  2n  Verse,  das  uns  in  das  zagende,  an  sich  selbst  zweifelnde  Dich- 
terherz einen  Blick  thun  läfst,  wie  das  daneben  stehende  decns  in  die 
Wonne  so  zu  Ehren  gebracht  zu  werden.  Das  Gedicht  besteht  dem- 
nach aufser  dem  zweizeiligen  Eingang  aus  3  Theilen,  von  denen  der 
erste  2,  die  beiden  folgenden  3  vierzeilige  Strophen  umfafsen  und 
jeder  3  Beispiele  enthält,  von  denen  die  beiden  ersten  den  Aufgesang, 
das  letzte  den  Abgesang  bildet,  und  zwar  nimmt  der  Umfang  des 
letztern  in  geometrischer  Progression  zu ,  indem  er  im  ersten  Theil 
2,  im  zweiten  4,  und  im  dritten  8  Verse  umfafst. 

So  wenig  wie  hier  kann  Ref.  sich  bei  manchen  andern  Oden  von 
Hrn.  N.s  Leistungen  befriedigt  fühlen  in  dieser  Beziehung,  der  Hr. 
Krüger  in  den  Sermonen   so  grofse  Aufmerksamkeit  geschenkt  hat, 
weshalb  man  auch  hier  ein  ähnliches  voraussetzen  durfte.    Bei  der 
zweiten  Ode   ist   die  Gliederung  noch  viel  deutlicher,  der  Dichter 
selbst  hat  uns  einen  Wink  darüber  gegeben ,  denn  die  beiden  Verse 
lliae  dum  se  nimium  querenli  iactat  ultorem  und  patiens  vocari 
Caesaris  ulior^   beziehen   sich  ja  deutlich  aufeinander^.     Der  erste 
derselben  schliefst  die  5  Strophen  der  Prodigien  ab ;  nehmen  wir  den 
andern  als  Abschlufs  natürlich  einer  gleichen  Anzahl  von  Strophen, 
welche  sämmtlich  die  Frage  nach  der  sühnenden  Gottheit  behandeln, 
so  bleibt  zwischen  beiden  Theilen  die  Strophe  stehn: 
Audiet  cives  acuisse  ferrum^ 
Quo  grates  Persae  melius  perirent^ 
Audiet  pugnas  viiio  parentum 
Rata  iuvenius. 
Sie  ist  offenbar  der  Abgesang,  zu  welchem  die  ersten  5  Strophen  den 
Aufgesang  bilden,  und  dadurch  tritt  sie  so  recht  in  den  Afittelpunkt 


^)  Dies  scheint  für  die  auch  handschriftlich  sehr  gut   beglaubigt« 
Lesart  instres  kq  sprechen. 


48  C.  W.  Naack:  Horatius  Oden  und  Epodcn. 

des  Gedichts,  dem  der  Dichter  im  zweiten  Theiie  ebenso  wie  im  vori- 
gen Gedichte  einen  doppelt  so  grofsen  Abgesang  von  2  Slropheo  enU 
gegengeslellt  hat.    So  erscheint  die  Aufzählung  jener  Prodigien  als 
ein  biofses  Mitlei  das  grausige  jener  Bürgerkriege  darzustellen,  die 
nnter  solchen  Zeichen  Anfang  und  Fortgang  gehabt  haben.    Weit  ge- 
fehlt also,  dafs  unsere  Ode  in  einem  Jahre  müste  geschrieben  sein, 
wo  entsetzliche  Ueberschwemmungen  stattgefunden  hatten,  weist  sie 
auf  die  Naturereignisse  einer  Ucihe  von  Jahren  zurück.    Hr.  N.  siehl 
in  Prodigien  und  Bürgerkriegen ,  freilich  mit  allen  frühern  firklarero, 
zwei  gesonderte  Theiie:  ^Wir  haben  genug  gelitten'  sagt  er  ^ durch 
Aufruhr  der  Elemente  und  Bürgerkrieg.'    Woher  das  Asyndeton  bei 
audiel  komme,  sagt  er  ebenso  wenig  als  seine  Vorgänger.    Wie  aber 
die  ersten  5  Strophen  die  obige  vorbereiten,  so  stützen  sich  die  5 
ersten  Strophen  des  zweiten  Thcils  auf  dieselbe,  indem  sie  fragen, 
welcher  Gott  dies  scelus  (den  Bürgerkrieg)  sühnen  werde?   (Von  den 
Prodigien  ist  natürlich  nicht  die  Hede.)   Hier  hätte  sich  wohl  ein  Fin- 
gerzeig finden  mögen,  dafs  die  vier  genannten  Götter  sammtlich  eine 
nahe  Beziehung  auf  Octavian  haben ,  der  nach  Sueton  Oct.  70  gern  den 
Apollo  spielte  und  dem  Apollo  Palatinus  wie  dem  Mars  ultor  Tempel 
baute  (Suet.  Oct.  29),  während  Venus  die  Stammmutter  des  Geschlechts 
der  Julier  ist,  dem  Octavian  durch  Adoption   und  von  mütterlicher 
Seite  auch  durch  Geburt  angehörte ,  während  Mercur  der  pacifer  von 
Amtswegen  ist.    Die  letzte  Beziehung  nachgewiesen  zu  haben  ist  ein 
Verdienst  des  Hrn.  N.,  der  auch  durch  den  Titel  ^ Friedefürst',  den  er 
dem  Gedicht  gegeben,  den  Grundgedanken  glücklich  aufgewiesen  bat. 
Wie  er  aber  den  Dichter  vor  dem  Vorwurf  der  äufsersten  impietas 
schützen  will,  wenn  seine  fernere  Inhaltsangabe  richtig  ist:  ^welcher 
Gott  wird  uns  retten  und  sühnen?   0  komm  Apollo,  oder  Venus,  oder 
Mars,  oder  Octavian,  wenn  du  Mercurius  bist',   mag  er  selbst  zu> 
sehen.    Wie?    Octavian  wäre  geradezu  Gott  genannt?   Und  das  hätte 
lloraz  gethan  ?   Nimmermehr.   Allerdings  ist  hier  sehr  feine  Schmei- 
chelei, dafs  einer  der  genannten  4  Götter  in  Octavians  Gestalt  auf 
Erden  tvandle.    Jenes  wäre  aber  denn  doch  eine  sehr  grobe,  ebenso 
wenig  im  Geiste  Octavians  (Suet.  c.  52)  als  des  Dichters  selbst  (Sat. 
II,  1,  J8.  19).    Und  so  schliefst  das  ganze  mit  der  Bitte  ab,  noch  lange 
zu  weilen,  ehe  er  in  den  Himmel  zurückkehre.    Wäre  der  letzte  Ab- 
gesang nicht  acht-  statt  vierzeilig,  so  würde  es  aus  zwei  gleichen 
Hälften  bestehn.    Die  Chronologie  in  der  Inhaltsangabe  enthält  übri- 
gens einen  Druckfehler:  Mie  Ode  ist  jedesfalls  vor  dem  J.  37  und 
wahrscheinlich  29  v.  Chr.  verfafst',  was  oiTenbar  *vor  dem  J.  27* 
heifsen  soll.    Sonst  ist  der  Druck  correct  und  nur  wenige,  sehr  hand- 
greifliche Druckfehler  sind  Ref.  aufgestofsen:  sie  f.  sü  Ep.  16,  17; 
liviore  111,  4,  11  und  III,  19,  1:  Inacbus,  der  erste  König  von  Argos, 
Codrus  der  letzte ,  wo  *  König  von  Athen '  fehlt. 

Zu  I,  3  lautet  die  Inhaltsangabe:  ^  Geleitsgcdicht  für  Vergil,  als 
dieser  nach  Griechenland  reiste,  wahrscheinlich  vom  J.  19  v.  Chr. 
Der  Dichter  legt  seine  Wünsche  für  den  Freund  in  eine  Anrede  an 


C.  W.  Nanck:  Horatios  Oden  und  Epoden.  49 

das  Schiff  desselben.  Dann  folgen  Betrachtungen  fiber  die  Kühnheit 
des  ersten  Schiffers  und  aber  die  Verwegenheit  des  Menschen  Über- 
haupt.' Mit  dieser  chronologischen  Angabe  tritt  Hr.  N.  in  Wider- 
spruch mit  seinem  Mitarbeiter  Krüger,  der  Epist.  I,  13  den  Abschlufte 
der  drei  ersten  Bflcher  der  Oden  um  22  v.  Chr.  annimmt,  eine  Schwie- 
rigkeit die  Lachmann  bestimmte,  hier  an  einen  andern  Vergil  zu  den- 
ken. Aber  anch  mit  Horaz  selbst  tritt  er  durch  diese  Inhaltsangabe 
in  Opposition;  denn  wie  dieses  Gedicht  von  8  Versen  mii  32müfsigen 
Versen  als  Schwanz  ein  simples  duntaxat  et  unum  sein  könne,  ist 
doch  nicht  abzusehen.  Aber  freilich  hat  meines  Wifsens  anch  kein 
Vorgänger  diese  Schwierigkeit  berührt.  Ref.  hofft  die  Wahrheit  za 
treffen,  wenn  erden  Hauptgedanken  des  Gedichts  darin  sucht,  dafs 
Vergils  Reise  unter  Umstanden  angetreten  wurde,  wo  sie  durchaus  nicht 
hatte  gewagt  werden  sollen.  Und  wie  bescheiden,  in  welcher  hoch- 
achtungsvollen Form  und  doch  sichtbarlieh  grofser  Bewegung  spricht 
sich  dann  der  Dichter  aus !  Die  32  Verse  des  eigentlichen  Gedichts 
gliedern  sich  dann  in  zwei  16zeilige  Strophen,  die  durch  den  Ton 
nicht  wenig  sich  unterscheiden ,  und  die  8  Verse  mit  der  Bitte  an  das 
Schiff  bilden  den  Eingang. 

Des  Liederkranzes  UI,  1 — 6  ist  oben  bereits  gedacht  und  wie  Hr. 
N.  diese  Lieder  als  zusammengehörig  vindiciert;  aber  für  die  innere 
Gliederung  ist  wenig  oder  nichts  geschehn  und  Ref.  möchte  doch  den 
Schüler  sehen,  der  aus  der  Einleitung  zu  III,  1  abnähme,  dafs  er  hier 
ein  wohlgegliedertes  Ganzes  vor  sich  habe.  Hr.  N.  tituliert  es  Theo- 
dicee:  warum?  ist  Ref.  nicht  klar.  Das  Ganze  macht  doch  durch- 
aus nicht  den  Eindruck  eines  religiösen  Liedes ,  Ref.  halt  den  Stand- 
punkt für  einen  durchaus  ethischen.  Nicht  das  ist  der  Mittelpunkt  des 
Gedichts,  *  welche  Macht  Juppiter  in  Händen  hat%  sondern  dafs  der 
hohe  immer  noch  einen  höhern ,  der  Herscher  den  König  der  Könige 
Ober  sich  findet  und  es  darum  eine  Thorheit  ist  nach  Her- 
schaft zn  streben,  dafs  der  Weise  die  Schranke  in  sich,  in  wei- 
ser Selbstbeherschuug  suchte  und  dort  allein  das  wahre  Glück  zn  fin- 
den ist.  Eine  solche  Lehre  tritt  aber  mit  der  Mafslosigkeit,  mit  wel- 
cher Rom  bis  dahin  alle  Schranken  nach  aufsen  und  nach  innen  zu 
brechen  bemüht  gewesen  war,  in  so  grellen  Gegensatz,  dafs  man  sich 
darüber  mit  dem  vuigus  profanum  der  Alltags-  nnd  Parteimenschen 
gar  nicht  verständigen  kann,  sondern  nur  mit  einem  unbefangenen 
heranwachsenden  Geschlecht.  Das  Gedicht  ist  nicht  Theodioee ,  son- 
dern einerseits  wenigstens  eine  Anerkennung  der  factischen  Verhält- 
nisse Roms  als  für  den  verständigen  Mann  genügender  und  für  sein 
wahres  Glück  befriedigender.  Hr.  N.  parallelisiert  das  Lied  mit  III,  6; 
aber  dafür  liefert  die  gleiche  Verszahl  doch  keine  Gewahr.  In  Folge 
dessen  findet  Hr.  N.  hier  nach  2  Eingangsstrophen  3  Theile;  Ref. 
weifs  nur  zwei  nachzuweisen,  jeden  von  4  Strophen,  deren  erste  uns 
die  Lehre  predigen ,  dafs  Reichthum ,  Macht  nnd  Adel  den  Menschen 
nicht  glücklich  machen,  die  folgenden  das  Glück  des  genügsamen 
schildern.   Dem  ersten  Theile  geht  aufser  der  Einleitungsstrophe  der 

/V.  Jahrb.  f.  PkU,  M.  AmI.  Bd.  LXX.  JSf/ir.  1.  4 


50  C.  W.  Nanck:  Horatios  Oden  and  Epoden. 

Hauptsatz  vorauf,  dem  letztern  tolgen  zwei  Schlufsstrophen ,  die 
aus  dem  Ganzen  den  Sehlufs  ziehen ,  dafs  der  Dichter  keinen  Grund 
habe  sein  Sabinerthal  mit  Reichtbümern  zu  vertauschen ,  die  ihm  nur 
Mühe  and  Last  machen  wQrden  und,  setzen  wir  hinzu,  welche  die  ihm 
gebotene,  von  ihm  aber  ausgeschlagene  Geheimschreiberstelle  bei  Au- 
gustus  ihm  reichlich  in  Aussicht  stellen  mochte. 

Doch  damit  sei  dieser  Andeutungen  des  noch  vermifsten  genug  • 
denn  wenden  wir  nns  von  den  apollinischen  Liedern  zu  den  bacchi- 
sehen ,  so  finden  wir  da  nur  zu  loben  und  möchten  selbst  des  Lobes 
Hafs  schwer  finden.  So  gleich  I,  4:  '  Frühlingslied.  Vgl.  IV,  7.  Der 
Hauptgedanke  liegt  in  der  mittelsten  Strophe.  Die  beiden  ersten 
Strophen  vorbereitend ,  die  beiden  letzten  bestätigend.'  —  Ref.  wflste 
da  kein  aberflüfsiges  Wort  nachzuweisen  und  noch  weniger  zu  sagen, 
dafs  das  nicht  genug  sei.  I,  5 :  *  An  eine  ungetreue.'  —  1,  6 :  ^M  e  i  n  e 
Stoffe  hatte  Horaz  dies  kleine  Lied  überschreiben  können,  welches 
indirect  und  gewissermafsen  in  der  Form  der  praeteritio  den  M.  Vip- 
sanius  Agrippa  feiert.'  —  Und  so  geht  es  fort.  Vielfach  entwickelt 
Hr.  N.  hier  eine  Laune  und  einen  Humor,  der  den  Kern  der  Dichtung 
trifft  und  Ref.  zu  der  Hoffnung  verleitete,  es  werde  sich  hier  das 
Selbstgespräch  des  Wucherers  Alphius  (Epod.  2)  als  ein  Product 
jener  schwärmenden  Liebe  zum  Landleben  herausstellen,  die  im  Lobe 
desselben  nicht  wortreich  genug  glaubt  sein  zu  können,  der  aber  im 
Grunde  die  gemalten  KQhe  auf  der  Tapete  doch  lieber  sind  als  die 
wirklichen  in  Feld  und  Weide;  aber  da  hatte  er  sich  doch  geirrt: 
Hr.  N.  scheint  es  ernsthaft  zu  nehmen  trotz  seines  überpathetischen 
Tones ,  sn  dem  er  das  Seitenstack  bei  Horaz  schwerlich  finden  wird. 
Aber  nehmen  wir  hier  dankbar  an ,  was  Hr.  N.  uns  bietet.  £8  genügt, 
am  Gewähr  zu  leisten,  dafs  wir  viel  erfreuliches  auch  für  die  erstge- 
nannte Gattung  in  einer  zweiten  Ausgabe  werden  zu  erwarten  haben. 

Die  Erklärung  des  einzelnen  tritt  nach  zwei  Seiten  auseinander, 
als  Sackerklärung  und  Erklärung  des  Ausdrucks.  Die  erstere  hat 
freilich  bei  Gedichten  dieser  Art  weniger  zu  thun  und  findet  in  den 
Sittenschildernngen  der  Satiren  ein  ganz  anderes  Feld;  andrerseits 
aber  kann  sich  Ref.  doch  nicht  fiberzeugen,  dafs  der  Mangel  einer 
historischen  Einleitung,  die  eine  Uebersicht  der  Zeitgeschichte  gäbe, 
kein  wesentlicher  Mangel  sei ,  da  hier  doch  so  viele  Anspielungen  auf 
dieselbe  vorliegen.  Es  genügt  hier  die  Betrachtung,  dafs  an  einer 
Reihe  von  Stellen  Octavian  auf  das  glänzendste  von  Horaz  ist  gefeiert 
worden  (wir  erinnern  nur  an  PoUux  et  Hercules^  quot  int  er  Au^ 
gustuM  recumbems  purpureo  hibit  ore  nectar).  Hat  aber  die  Jugend 
auf  unsern  Schulen  wirklich  einen  Begriff  von  dem  Verdienst  dessel- 
ben? Hat  er  nicht  in  der  Regel  das  Unglück  von  ihr  fast  mehr  noch 
verachtet  als  gehafst  zu  werden?  Ich  finde  das  einigermafsen  be- 
greiflich: Octavian  hatte  ein  doppeltes  Unglück,  die  verstorbene 
Freiheit  Roms  einsargen  und  begraben  zu  müfsen  (und  das  ist  immer 
ein  trauriges  und  verhafstes  Geschäft)  und  dabei  als  der  kleinere  iu 
seines  grofsea  Oheims  Fufsstapfea  sa  treten.    Aber  gleichviel,  ob  ge- 


C.  W.  Ifaiuski  Horatias  Oden  ond  Epoden.  51 

hafst  oder  geliebt,  kann  man  Horazens  Preis,  oder  sollen  wir  lieber 
sagen,  die  Huldigung  eines  grofsen  Theils  seiner  Zeitgenorsen ,  be- 
greifen ohne  Kenntnis  der  Geschichte  Octavians?  Oder  geben  unsere 
Handbacher  der  Geschichte  auch  nur  entfernt  ein  Bild  von  seiner  Auf- 
gabe, gleichviel  ob  er  sie  sich  selbst  stellte  oder  von  den  Umstän- 
den gestellt  erhielt?  Ist  es  zu  viel  gesagt,  wenn  man  behauptet,  dafs 
gerade  in  seiner  Geschichte  unsere  HandbQcber  an  Eilfertigkeit  und 
Flüchtigkeit  wetteifern,  und  mufs  die  verkehrte  Würdigung  des  ge* 
feierten  nicht  mit  doppelter  Schwere  auf  den  Dichter  zurückfallen, 
der  ihn  feierte?  Verlohnt  es  sich  nicht  der  Mühe  zu  fragen,  wenn 
denn  Aogustus  seiner  Welt  nicht  etwas  unbedingt  wünschenswerthes 
zu  bieten  hatte,  ob  er  ihr  nicht  doch  das  beste  bot,  was  sich  unter 
den  gegebenen  Umständen  bieten  liefs?  Verlohnt  es  sich  nicht  der 
MQhe  zu  fragen,  wie  es  denn  kam,  dafs  Horaz,  seiner  Neigung  nach 
Vorkämpfer  der  Freiheit  (sonst  hatte  Brutus  den  jugendlichen  Sohn 
des  freigelafsenen  schwerlich  zum  Tribunen  gemacht),  seiner  befsern 
Ueberzeugung  Raum  gab  die  Verdienste  des  Augustus  anzuerkennen, 
während  er  sich  persönlich  von  ihm  zurückzog?  Eine  gute  Erzählung 
könnte  dann  auch  Männer  wie  Asinius  Foilio,  Munatius,  Deliius  in 
etwas  anderm  Lichte  erscheinen  lafsen  als  sie  jetzt  daslehn ;  sie  gehört 
nach  des  Ref.  Dafürhalten  unbedingt  in  den  Kreis  der  Aufgabe,  die 
sich  eine  Schulausgabe  der  Oden  stecken  mufs;  nicht  der  Satiren, 
denn  diese  lafsen  das  Verhältnis  des  Dichters  zu  der  Sitte,  der  Litte- 
ratur  und  Philosophie  seiner  Zeit  in  den  Mittelpunkt  treten,  die  Oden 
aber  weisen  uns  einmal  über  das  andere  auf  die  politischen  Verhält- 
nisse hin.  Einzelne  Citate  wie  I,  26  können  dem  nicht  abhelfen,  ja 
wie  sie  ohne  Ordnung  vorkommen ,  verwirren  sie  vielleicht  mehr  als 
sie  aufklären,  und  sie  sind  im  vorliegenden  Werke  auch  viel  zu  spär- 
lich, um  genügen  zu  können,  wie  denn  z.  B.  1, 12  die Hindeutung  anf 
den  Marcellus  fehlt,  auf  dessen  Preis  das  ganze  Gedicht  offenbar  an- 
gelegt ist,  und  ebenso  III,  8  auf  die  von  Maecenas  verwaltete  pra«- 
feciura  urbis^  die  doch  wohl  das  privatus  Vs.  26  allein  genügend  er- 
klärt. Ref.  tänsoht  sich  gar  nicht  über  die  Schwierigkeit  der  hier  ge- 
stellten Forderung,  aber  es  genügt  auf  die  sämmtlichen  Ausgaben  der 
Haupt-Sauppeschen  Samhilnng  hinzuweisen,  die  die  Noth wendigkeit 
derselben  thatsächlieh  anerkennen.  Will  man  von  einer  Schalansgabe 
des  Horaz  sprechen,  so  mufs  diese  Aufgabe  gut  oder  ttbel  gelöst 
werden. 

Wenden  wir  uns  aber  nun  zu  der  Erklärung  des  einzelnen,  so 
stehen  wir  vor  der  Glanzpartie  des  Werkes.  Hier  sind  die  Leistungen 
so  bedeutend ,  verrathen  so  viel  klare  Einsicht  in  die  Aufgabe ,  so  viel 
Sinn  für  den  schönen  Ausdruck,  so  viel  Takt  und  Gewandtheit,  dafs 
sie  nicht  leicht  dürften  überboten  werden.  Oftmals  ist  es  eine  ein- 
fache Uebersetzung ,  aber  so  zutreffend,  dafs  die  Frage  damit  sofort 
entschieden  ist.  Vergleichen  wir  ^ine  zufällig  herausgegriffene  Stelle, 
die  Bemerkungen  zu  III,  1,  18  ff.,  zugleich  als  Beispiel,  wie  Ur.  N. 
die  verschiedenen  Seiten  der  InterpretatioB  berüeksicditigt: 

4* 


52  C.  W.  Nauck:  HoratinB  Oden  und  Bpoden. 

non  SicfUae  dapes 
Dulcem  dahorabunl  saporem^ 

Non  avium  cüharaeque  canlns  \ 

Somnutn  reducent,    Somnus  agresUum 
Lenis  tirorum  non  humiles  domos 
Fastidit  — 

19.  dulcem  saporem  nicht  ^  WohPgeschmack ,  sondern  ^safsen' 
Wohlgeschmack:  eiaborare^  erkansteln. 

20.  avium  —  eantus,  Exclusive  Vergnüglinge  liefsen  sich  durch 
Vogelhäuser  und  Symphonien  einlullen. 

21.  reducere  nicht  ^denuo  conciUare*^  sondern  in  Rücksicht  dar- 
anf ,  dafs  jeder  Mensch  einen  natürlichen  Anspruch  auf  den  Genufs  des 
Schlafes  hat,  s.  v.  a.  insto  tempore  et  quasi  debitum  adducere:  II, 
10,  15.  I,  9,  20.  Also  adducere  somnum  ^  Schlummer '  bringen ,  redu^ 
cere  ^dtn'  Schlummer  bringen.  —  agrestium  virorum  ist  gegen  die 
Wortstellung  mit  domos  zu  construieren:  (jit)  lenis  somnus  non  fas- 
tidit humiles  agrestium  domos  virorum^  aus  dem  Grunde  weil  es 
der  Sinn  gar  nicht  anders  gestattet.  Nicht  die  niedern  Wohnungen 
an  sich,  sondern  die  niedern  Wohnungen  Ifindlieher  Männer  sind  es, 
worauf  es  ankommt ;  und  wäre  der  Schlummer  bereits  als  der  Vor- 
sug  ländlicher  Männer  bezeichnet,  wozu  dann  die  Versicherung,  daCs 
er  die  niedern  Wohnungen  derselben  nicht  verschmäht?  — 

Man  sieht  aus  der  letzten  Bemerkung,  dafs  Hr.  N.  an  gehöriger 
Stelle  auch  seine  Ansicht  zu  entwickeln  und  zu  begründen  versteht. 
Das  hat  er,  wo  e^  noth  that,  anch  nicht  unterlafsen;  aber  die  Mei- 
sterschaft desselben  auf  dem  Felde  der  Erklärung  nachzuweisen  müste 
man  seine  Anmerkungen  abschreiben.  Läfst  sich  auch  über  vieles 
rechten ,  so  ist  die  Leistung  jedesfalls  eine  höchst  bedeutende,  und  sind 
die  Bemerkungen  hie  und  da  so  kurz ,  dafs  der  Schüler  ihrer  Bedeut- 
samkeit kaum  ganz  inne  werden  wird,  so  hat  das  der  Lehrer  Hrn.  N. 
nur  (u  danken,  denn  dadurch  ist  diesem  der  ihm  gebührende  Fiats 
reserviert. 

In  der  Metrik  treffen  wir  auf  einen  erfrenlichen  Fortschritt.    Hr. 
N.  hat  sich  nicht  begnügt  die  einzelnen  Metra  aufzustellen ,  sondern, 
eine  sehr  dankenswerthe  Zugabe,  eine  Andeutung  des  Charakters  der 
einzelnen  Metra  hinzugefügt  und  den  Schüler  dadurch  aufmerksam  ge- 
macht, dafs  die  Wahl  des  Versmafses  kein  Gegenstand  der  Willkür 
sondern  einer  gar  sorgfaltigen  Wahl  sei.     Dadurch  sind  wieder  An- 
deutungen wie  II,  4  erst  möglich  geworden ,  dafs  in  dem  Gegensatze 
des  scherzhaften  Gegenstandes  und  des  feierlichen  Ernstes  im  Netrum 
sich  der  Humor  des  Liedes  kund  gebe.    Vortreffliche  Winke  über  die 
Caesur  finden  sich  vielfach  zerstreut  und  bedeutsame  Resultate  sind 
für  die  Interpretation  daraus  gewonnen,  s.  B.  I,  22,  17: 
Pone  me  pigris  ubi  nulla  campis 
Arbor  aestiva  recreatur  aura, 
XU  welchen  Worten  er  bemerkt:  ^  nach  me  ein  Komma  zu  setzen  [Jahn 
ilt.  Ausg.]  verbietet  die  Caesar  «nd  hauptsächlich  das  parallele  pome 


C.  W.  Navck:  Horatius  Oden  and  Epoden.  59 

8ub  eurru.'  —  Ebenso  11,  13,  28:  *bei  der  caesarwidrigen  Inter- 
punction  hinter  mala  (Jahn  5e  Ausg.)  schleppt  dura  beut  unertrfiglich 
nach.'  111,  16,  26:  *  die  kurze  Endsilbe  wird  durch  Caesur  und  Arsis 
zulafsig  (nicht  lang!)';  vgl.  auch  1,  18,  16.  Epod.  13,  2  und  vielfach. 

Der  Interpunction  hat  Hr.  N.  überall  grofse  Aufmerksamkeit  gcr 
widmet,  und  die  obigen  Stellen  legen  für  die  Umsicht,  mit  welcher 
er  hier  verfahren  ist ,  gewis  ein  günstiges  Zeugnis  ab.  Abweichende 
Ansichten  über  die  einzelnen  Stellen  dürfen  natürlich  dabei  nicht  in 
Betracht  gezogen  werden,  und  wer  Ref.  über  die  Gliederung  der  ersten 
Ode  beistimmt,  wird  es  nicht  billigen  können,  dafs  Hr.  N.  das  Punc- 
tum am  Ende  des  zweiten  Theils  Vs.  22  in  ein  Kolon  verwandelt  hat.. 
Warum  aber  Vs.  32  das  Komma  vor  si  neque  iibias  zum  Kolon  gewor- 
den ist,  begreift  Aef.  nicht,  ebenso  wenig  warum  I,  2,  9  das  Komma 
weggefallen  ist.  Ob  es  ein  Gewinn  ist,  dafs  Hr.  N.  I,  3,  6  ein  Kolon 
hinter  Ker^fVitim  gesetzt  hat,  möchte  Ref.  bezweifeln.  An  den  Fall 
Arions  kann  er  nicht  wohl  gedacht  haben,  und  geht  das  Schiff  mit 
Vergil  unter,  so  ist  ja  kein  Schuldner  da,  an  den  man  sich  halten 
könnte. 

Grofse  Aufmerksamkeit  hat  Hr.  N.  auf  die  Wortstellung,  den 
Chiasmus,  die  rhetorischen  und  poetischen  Figuren,  die  Allitteration 
und  Complosion  gewandt  und  eine  Reihe  dankenswerther  Winke  über 
Feinheiten  gegeben,  über  die  man  nur  zu  leicht  hinwegliest.  Auf- 
fallend ist,  dafs  sich  in  dem  Buche  kein  grammatisches  Gitat  flndet; 
dagegen  hat  Hr.  N.  eine  Reihe  finfserst  feiner  grammatischer  Finger- 
zeige gegeben  und  zwar  so,  dafs  sie  den  Schüler  zu  weiterm  Nach- 
denken antreiben.  Wir  verweisen  auf  die  hübschen  Bemerkungen  über 
nohu  animi  11,  2,  6,  über  den  Ablativ  in  omnium  versatur  uma  $ors 
11,  3,  26,  über  den  Dativ  und  Abi.  neben  abditus  II,  2,  2,  und  die  an 
eben  dieser  Stelle  angedeuteten  Gesichtspunkte,  nach  denen  zwischen 
Genetiv  und  Dativ  zu  unterscheiden  ist,  die  Andeutung  über  das  so- 
genannte Ferfect  mit  Praesensbedeutang  III,  2,  32  und  III,  3,  53.  Sind 
diese  Anmerkungen  oft  so  kurz,  dafs  erst  die  Anleitung  des  Lehrers 
sie  wird  fruchtbar  machen  können,  so  sind  sie  zum  Festhalten  des 
Punktes  vortrefflich  und  die  Schulausgabe  mufs  doch  entschieden  die 
Aufgabe  anerkennen,  den  Verkehr  zwischen  Lehrer  und  Schüler  »i 
vermitteln.  Wegen  der  Gesetzmäfsigkeit  der  Erscheinung  wird  der 
l^hrer  auf  die  eingeführte  Grammatik  hinweisen  können,  im  Interesse 
des  Schülers  sind  daher  dergleichen  Citale  entbehrlich ;  aber  die  Ei- 
genthümiichkeiten  des  horatianischen  Ausdrucks  sind  bisweilen  so 
auffallend,  dafs  der  Lehrer,  in  dessen  Händen  sein  Buch  ja  ebenso- 
wohl sein  mufs ,  es  doch  Hrn.  N.  würde  Dank  gewust  haben ,  hfttte  er 
durch  ein  Citat  ihm  die  Nachweisung  analoger  Beispiele  erleichtert 
und  vielleicht  ihm  Gelegenheit  gegeben,  den  Schüler  auf  das  Citat 
der  Grammatik  hinzuweisen,  wenn  derselbe  sie  auch  nicht  in  Händen 
hat,  um  jeden  Wahn  von  Willkür  im  Sprachgebrauch  des  Dichters 
auszuschliefsen. 

Fafsen  wir  nun  unser  Gesammturtbeil  zosammen ,  so  wird  Hrn. 


54  A.  Bielowski:  Pompeii  Trogi  fragmenla. 

N.s  Ausgabe  freilich  nicht  aU  in  jeder  Beziehung  die  Nagelprobe  ans- 
haltend  tlastehen,  wohl  aber  als  ein  Werk,  hervorgegangen  ans 
grQndlicher  Kunde  und  treuer  Benutzung  der  Vorgänger,  verfafst  mit 
Geistesfrische  und  Umsicht,  vielfach  durchgeführt  mit  Meisterhand, 
Lehrer  und  Schüler  zu  grofsem  Danke  verpflichtend. 

Meldorf.  W.  H.  Kolster. 


Pampeü  Trogi  fragmenia^  quorum  alia  in  codicibns  manuscriptis 
bibliotheeae  Ossolinianae  invenit,  alia  in  op«ribus,  scriptorum 
maximam  partem  Polonorum,  iam  vulgatis  primos  animadvertit, 
fragmenta  pridem  nota  adiunxit,  ac  una  cum  prologis  historiarum 
Philippicarum  et  criticis  annotationibus  edidit  AuguHut  Bic 
lowtkiy  Ossolinianae  bibliotheeae  custos.  Accedit  notitia  literaria 
de  Trogo  et  index.  Leopoli  in  typogr.  bibl.  Osäolinianae  1853. 
XXVI  u.  91  S.  8. 

Als  nach  Bekanntmachung  des  Palimpsests  von  Ciceros  Bfichern 
de  re  pubica  die  Aufmerksamkeit  auf  dieses  Werk  und  zugleich  auch 
auf  sonstige  Ueberlieferungen  aus  demselben  in  zufallig  erhaltenen 
Ueberresten ,  in  sanguinischer  Hoffnung  selbst  auf  noch  andere  etwa 
vorhandene  Handschriften  erregt  worden  war ,  wurde  auch  die  Sage 
von  einem  sarmatischen  Exemplare  des  Werks  wieder  lebendig,  deren 
Spuren  nach  allen  directen  und  indirecten  Andentungen  der  mit  der 
sarmatischen  Litteratur  wohl  vertraute  Krakauer  Professor  Wilh.  Man- 
nich (Ciceronis  libri  de  re  publica  illustrati.    Gottingae  1825)  unter 
dem  Aufwand  grofser  Gelehrsamkeit  aufzusuchen  bemüht  war.  Blie- 
ben diese  Nachforschungen  insofern  ohne  Verfolg,  als  durch  dieselben 
nur  die  Kunde  von  der  vormaligen  Existenz  einer  solchen  Handschrift 
in  slavischen  Ländern  von  neuem  bestätigt  wurde,  so  erhält  durch 
die  vorliegende  Schrift  nicht  nur  der  eben  erwähnte  Gegenstand  eine 
neue  kaum  erwartete  Wendung,  über  welche  am  Schlufs  dieser  An- 
zeige gesprochen  werden   wird,  sondern  wir  begegnen  jetzt  einer 
ähnlichen  Erscheinung  in  Beziehung  auf  die  bekanntlich  nur  im  Aus- 
züge eines  gewissen  Jnstinus  auf  uns  gekommenen  Hisloriae  Fhilip- 
picae  des  Trogus  Pompejus,  und  zwar  mit  gröfserm  Erfolg,  insofern 
nicht  nur  die  Thatsache  einer  in  Polen  vordem  vorhandenen  und  viel- 
fach benutzten  Hs.  des  Trogus  erwiesen  werden   soll ,  sondern  nun- 
mehr in  Folge  dieser  Benutzung  selbst  erhaltene  Bruchstücke  an  das 
Licht  gezogen  werden.   Wenn  die  Sache  auch  an  sich  betrachtet  nicht 
so  ganz  unwahrscheinlich  ist,  zumal  wenn  man  sich  erinnert,  dafs 
trotz  aller  sonstigen  Barbarei  die  alte  Litteratur  in  diesen  Ländern 
doch  hie  und  da  eine  Freistätte  gefunden ,  in  welchen  Ueberreste  der 
römischen  Litteratur  sich  der  Zerstörung  entzogen  haben,  wie  z.  B. 
die  sarmatische  Hs.  des  Quintiltanrso  ist  sie- Jedoch  geeignet  die  ern- 


A.  Bielowskj:  Pompeii  Trogi  fragmenUi.  55 

«teste  Kritik  um  so  nehr  hemoBzofordera ,  als  es  nicht  nur  der  Fest- 
stellung: eines  vagen  Gerüchts  gilt,  sondern  vielmehr  die  römisch» 
Litteratur  um  eine  gar  nicht  unbedeutende  Anzahl  von  Fragmenten, 
wenn  auch  gröfstentheils  in  moderner  Ueberarbeitung,  aus  dem  ver- 
loren gegangenen  Werke  des  Trogus  su  bereichern.  Bestätigen  sich 
die  behaupteten  Entdeckungen,  so  sind  wir  dem  Hrn.  Hg.  für  diese 
unerwartete  Vermehrung  des  litterarischen  Apparats  aus  dem  Alter- 
thnm  KU  um  so  grörserm  Danke  verpflichtet,  als  die  Aufspürung  dieser 
Fragmente  allerdings  einen  grofsen  Aufwand  von  Mühe  und  mehr- 
jähriges Forschen  (s.  p.  VI)  in  Anspruch  nahm :  im  entgegengesetzten 
Falle  aber  wird  es  auch  zur  unabw eislichen  Pflicht,  die  Reinheit  an* 
tiker  Litteratur  gegen  das  Eindringen  unechter  Bestandtheile  auf  das 
schärfste  zu  wahren.  Wenn  wir  nun  in  dem  folgenden  versuchen 
unser  Urtheil  hierüber  abzugeben,  so  gründen  wir  unsere  Befug- 
nis dazu  auf  eine  gewifsenhafte  Prüfung  simmtlicher  hier  dargebote- 
ner Fragmente,  müfseu  aber  dabei  eingestehn,  dafs  ein  dabei  viel-, 
leicht  nicht  unwesentlicher  Punkt,  nemlich  die  Frage  nach  der  Glaub- 
würdigkeit und  ZuverUfsigkeit  der  polnischen  Schriftsteller,  denen 
die  meisten  der  Fragmente  entlehnt  sind,  unberührt  bleiben  muste. 
Da  jedoch  in  dieser  Beziehung  von  dem  in  seiner  vaterländischen  Lit- 
teratur und  Geschichte  wohl  bewanderten  Hrn.  Hg.  keine  Zweifel  er- 
hoben worden  sind,  so  bleibt  Ref.  auf  seinem  Standpunkte  nichla 
übrig  als  die  Ueberlieferung  als  unverdächtig  hinnehmen,  und  in  der 
That  hat  auch  Ref.  nach  der  Tragweite  seiner  Befähigung  keinen 
Grand  zu  Zweifeln  gefanden. 

Hr.  August  Bielowski,  seit  iS4ö  Bibliothekar  an  der  osso- 
linischen  Bibliothek  zu  Lemberg,  mehr  Litterator  und  Historiker  als 
Philolog,  wie  es  scheint,  obwohl  mit  der  Thatsache  bekannt,  dafs 
bei  Anführungen  des  Justinus  in  spätem  Schriflstellern  an  dessen  Stelle 
häufig  Trogus  Pompejas  genannt  werde,  wurde  durch  die  Wahrneh- 
mang  des  Namens  des  letztem  in  dem  Excerpt  (Fr.  30)  einer  ossoli- 
nischen  Hs.,  wovon  bei  Jastinus  keine  Spur  vorhanden ,  zu  weiterer 
Nachforschung  veranlafst,  in  deren  Folge  er,  durch  weitere  Entdeckung 
einiger  andern  kleinen  Fragmente  in  Hss.  derselben  Bibliothek  unter- 
stützt, zu  der  Ueberzeugung  gelangte,  *Pompeii  Trogi  Historias  Phi- 
lippicas,  si  non  inlegras,  saltem  singulos  earum  libros,  vel  quaedam 
alia,  praeter  lustinum,  ex  iisdem  excerpta  usque  ad  secnlum  XVII  in 
Polonia  extitisse',  und  nunmehr  in  gleicher  Absicht  sein  Augenmerk 
auf  weitere  handschriflliche  ihm  zugängliche  oder  auch  bereits  ge- 
druckte Chronisten  der  polnischen  Geschichte  richtete,  und  nicht  ohne 
Erfolg. 

Zu  den  wichtigsten  Hilfemitteln  dieser  Art ,  über  welche  sich  der 
Hr.  Hg.  in  der  Vorrede  ausführlichst  verbreitet,  und  deren  kurze 
Namhaftmachung  von  der  Sache  geboten  wird,  gehört  ein  Chronicon 
polnischer  Geschichte  von  Vincentius  Cotlob  (oder  auch  Catlubonis, 
Cadlubonis,  auch  Kadlubeck,  nach  dem  Namen  seines  Vaters  Bogus- 
laus,  gleich  dem  deutschen  Gottlob),  welcher  im  J.  1207  zur  Würde 


56  A.  KelowBki:  Pompeii  Trogi  fragmenta-. 

eiees  Bischofa  von  Krakau  erhoben ,  im.J.  1223  als  Mönch  gestorben, 
die  Chronik  des  im  J.  1166  als  Bischof  von  Krakau  verstorbenen  Mat- 
ihaeus  einer  neuen  Bearbeitung  in  dialogischer  Form ,  nach  Art  der 
ciceronischen  Bücher  de  re  publica,  in  drei  Büchern  unter  Hinsufü- 
gung  eines  vierten  eigner  Arbeit  unterwarf.  Beide  Chronisten  sind 
bekannt  als  i^uverlfifsigo  Gewährsmänner  und  namentlich  als  Kenner 
des  classischen  Alterthums.  Bei  Benutzung  des  Werks  des  Vincentius 
ist  die  1824  in  Warschau  erschienene  Ausgabe  (Res  gestae  Principum 
et  Regum  Poloniae  per  Yincentium  [Kadlubkonem]  etc.  accedit  Chro« 
nicon  Polonorum  per  Dzierswam  [Miersuam])  zu  Grunde  gelegt  wor- 
den, jedoch  unter  stetem  Beirath  verschiedener,  dem  Hrn.  Hg.  zu  Ge- 
bote stehender  Hss.,  und  letzteres  nicht  ohne  erheblichen  Nutzen. 
Ferner  Marlin  Bielski ,  zu  Biala  terrae  Sieradiensis  geb.,  gegen  das 
Ende  des  15n  Jh.  gestorben,  Verfafser  einer  Kronika  swiata  (chro- 
nicon  mundi)  und  einer  Kronika ,  welche  beide,  obwohl  gedruckt,  jetzt 
jedoch  äufserst  selten ,  mehrere  der  bedeutenderen  Fragmente  gelie- 
fert haben.  Endlich  haben  aufser  einigen  ossolinischen  Hss.,  von  wel- 
chen weiter  unten,  dem  Hrn.  Hg.  Ausbeute  gegeben  Dtugossius,  im 
J.  1415  geb,  and  in  Lemberg  als  Erzbischof  im  J.  1480  gestorben, 
Verfafser  einer  Historia  Polonica  in  12  Büchern,  und  Auszüge  von 
Sentenzen  and  Memorabilien ,  zur  Unterweisung  seines  Zöglings  Ca- 
simir ,  nachherigen  Königs  von  Polen ,  von  demselben  gesammelt  und 
zusammengestellt. 

Was  sich  nun  ans  diesen  Hilfsmitteln  dem  Hrn.  Hg.  für  Trogus 
zu  ergeben  schien,  sei  es  unter  ausdrücklicher  Nennnng  desselben, 
oder  ohne  solche  nach  wahrscheinlicher  Vermuthung,  hat  derselbe 
nach  der  Ordnung  des  Werks  des  Justinus  in  die  einzelnen  Bücher 
eingereiht,  dabei  auch  nicht  Yerschmäht,  solche  Citate  aufzunehmen, 
welche  mit  Justinus  in  Uebereinstimmung  stehen,  also  nicht  unmittel- 
bar als  aus  Trogus  entlehnt  angesehn  zu  werden  brauchen,  ein  zur 
Ansammlung  des  ganzen  Materials  für  Trogus  und  Justinus  zugleich 
dankenswerthes  Verfahren.  Zu  letztern  gehören  die  Fragmente  9.  12. 
17  ♦).  18.  19.  23.  26.  27.  28.  34  (aus  Just.  XXXVII,  2,  nicht  XXVII,  2). 
Diesen  Reliquien  hat  der  Hr.  Hg.  zugleich  nach  demselben  Princip  der 
Anordnung  alle  diejenigen  den  Trogus  betreffenden  Citate  aus  andern 
Schriftstellern  beigefügt,  welche  entweder  bereits  von  den  Hgg.  des 
Justinus  namhaft  gemacht  worden ,  oder  bisher  noch  ^keine  Berück- 
sichtigung gefunden,  so  dafs  wir  jetzt  eine  relativ  vollständige  Samm- 
lung aller  Fragmente  des  Trogus  erhalten  haben,  welcher  wir,  aufser 
einem  einer  andern  Schrift  des  Trogus  angehörigen  (worüber  unten), 
nur  ein  einziges ,  und  zwar  aus  dem  einzigen  Worte  vecies  bestehen- 
des hinzuzufügen  vermögen ,  wegen  des  masculinisohen  Gebrauchs  er- 


*)  Wenn  bei  Vincentius  das  zweite  apud  fehlt,  so  durfte  dies 
wohl  als  eine  nicht  zu  verschmähende  Variante  angesehen  werden,  in- 
dem es  zur  Vervollständigung  des  Parallelismus  leicht  von  einem  Ab- 
schreiber hinzugefügt  sein  konnte.  Intuliare  ali^em  sagt  Justinus 
auch  XLU,  4,  8. 


A.  Bidowski:  Pompeii  Trogi  fragmenta.  57 

wäbnt  von  dem  Aoetor  de  generibus  noiniDnm  p.  59  ed.  Otto,  frfiher 
schon  von  Haopt  xu  Ovids  Halieotica  beransgegeben.  Die  Gesammt- 
aabl  der  vom  Hrn.  Hg.  aufgerührten  Fragmente  beträgt  53,  von  weU 
eben  aber  3  sedis  incertae  sind,  8  der  Schrift  des  Trogus  de  anima^ 
libus  angehören. 

Kommen  wir  nnn  aof  die  Hauptfrage  zurück,  so  mufs  zuerst  der 
Eifer  und  die  Ausdauer,  welche  auf  die  Aufsuchung  der  Fragmente 
verwendet  worden  ist,  ebenso  sehr  als  die  fleifsige  und  gelehrte  Be- 
handlung derselben  rühmlichst  anerkannt  werden.  Man  wird  diesen 
Bemühungen  um  so  gröfsere  Gerechtigkeit  widerfahren  zu  lafsen  ge- 
neigt sein,  als  das  daraus  gewonnene  Resultat  im  Betreff  einer  ehe^ 
mals  in  Polen  (ob  noch,  bleibt  zweifelhaft)  vorhanden  gewesenen  Hs. 
des  Trogus  oder  doch  einzelner  Ueberreste  einer  solchen  als  erwie- 
sen zugestanden  werden  mufs,  und  wrir  nehmen  die  daraus  jetzt  ge- 
botene Ausbeute  dankbar  an ,  wenn  sich  auch  der  Umfang  derselben 
bei  schärferer  Untersuchung  jedes  einzelnen  Fragments  vermindern 
sollte.  Denn  wenn  auch  der  Hr.  Hg.  bei  der  Aufnahme  der  einzelnen 
Fragmente  es  an  kritischer  Vorsicht  nicht  hat  fehlen  lafsen ,  so  dürfte 
demselben  doch  der  nur  zu  sehr  zu  entschuldigende  Eifer  für  seine 
Entdeckungen  die  Augen  hie  und  da  getrübt  haben,  wodurch  übrigens 
den  verdienstlichen  der  Arbeit  nichts  entzogen  wird,  da  unter  den 
hervorgezogenen  Fragmenten  sich  immerhin  mehrere  und  zwar  be- 
deutendere finden,  welche  theils  mit  Sicherheit,  theils  mit  grofser 
Wahrscheinlichkeit  dem  Trogus  zugesprochen  werden.  Zur  Recht- 
fertigung dieses  Urtheils  glauben  wir  bei  der  relativen  Verschieden-i 
heit  der  jedem  der  angerufenen  Gewährsmänner  zukommenden  Glaub- 
würdigkeit am  besten  den  Weg  einzuschlagen,  dafs  wir  in  folgendem 
die  einzelnen  Fragmente  aufser  der  Reihe  nach  ihrer  Herkunft  zusam- 
mengestellt einer  Beurtheilung  unterwerfen,  welche  nach  der  Sach- 
lage sich  freilich  von  subjectiven  Ansichten  nicht  ganz  frei  halten  kann. 

Für  ein  unzweifelhaftes  Beispiel  von  Täuschung,  welche  der  Hr. 
Hg.  an  sich  erfahren,  hält  Ref.  gleich  das  erste  aus  der  Chronik  des  Vin- 
centius,  mit  welcher  wir  den  Anfang  machen,  entlehnte  und  dem  Tro- 
gus vindicierte  Fragment,  welches  trotz  seines  bis  auf  den  Scblufssats 
(wo  das  unclassiscbe  principandi  mafsgebend  wird)  antiken  Colorits 
und  man  kann  sagen  bis  auf  einen  Funkt  dassischen  Stils  doch  nur 
als  eine  Bearbeitung  der  betreffenden  Stelle  beim  Epitomator  ange- 
sehn  werden  kann,  was  eine  Zusammenstellung  beider  Texte  augen- 
fällig machen  wird. 

Vincentius.  Justinus  I,  3.  '*') 

Vir  tnuiiere  corruptior      Po$iremu$  apud  eo$  regnavit  Sarda- 

Sardanapalus.  tiuncnam^  napallu$^  vir  tnuiiere  corruptior. 

que  Arbacius^  praefectus  Ad  hunc  videndum^  quod  netnini  ante  eum 

eius,  .  permissum  fuerat^  praefectus  ipsius,  Medii 


*)  Wir  theilen  die  Stelle  nach  der  vertrefflichen  Senkenbergschen 
Hs.  mit  allen  ihren  Schreibfehlern  mit. 


58  A.  Bielowski:  Pompeii  Trogi  fragmenta. 

praeposiiusy  nomine  Arhat^tM^  cum  ad- 

mitti  magna  amhicione  aegre  ohtinuisset: 

cum  inter  scorlorum  gre^  intenii  eum  inter  scortorum  grege$ 

gei^    muliebri   habitu  et  purpuras  colo  neniem^  ei  muliebri  habiiu^ 

lascivia ,  cum  moUicia  corporis  et  oculorum  la$civia 

pensa  eirginibus  eidissei  omne$  feminas  anteirei^  pensa  inier 

dispensantem :  eirginesparcieniem,  Quibus f>f sis,  tfi 

dignaius  iali  feminae  ianium  eirorum  sab- 

iectum  iracianiesque  *),  ferrum  ei  arma 

habenies  parere ;  progressus  ad  socios^  quid 

indignnm  esse^  inquii^  ci-  viderii  referi:  negaise  ei  **)  parere 

ros  ei  parere^  qui  se  fe-  posse^  qui  se  feminam  mala  esse 

minam   esse  rnäut   quam  quam  rinfut.    Fit  igitur  coniura^ 

virum.  Ergo  a  suis  ei  bei-  tio:  bellum  Sardanapallo  infertur ; 

tum  inferiuTy  quo  ille  audiio^  non  ui  vir,  regnum  defen- 

surusj  sed^  ui  metu  mortis  mulieres  solent^ 

primo  latebras  eircumspicit:  mox  deinde 

cum  paucis  ei  ineompositis  in  bellum  pro- 

qui  ricfffs,  exirucia  py-  greditur.    Victus  in  regiam  se  rece- 

ra^  et  se  ei  dieitias  suas  pH^  ubi  exirucia  incensaque  pyra^ 

in  incendium  mitiit^  hoc  ei  se  ei  divitias  suas  inincendium 

solo  imitatus  eirum,   Ar-  mitiit,   hoc  solo  imiiaius  virum, 

baetus  t>ero  imperio  poti-  Post  hunc  rex  consiiluiiur  inierfector  eins 

tur:   laude  poiius  quam  Arbacius^  qui  praefectus  Medorum  fuerat. 

viiuperio  dignior^  qui  non  !s  imperium  ab  Assyriis  ad  Medos  Irans- 

principandi  appeiiii  po-  feri, 

iesiatem;  sed  miseranti- 

bus  hnmeris  poieniius  suf- 

fulsii. 

Wie  kann  man  glauben ,  dafs  ein  Epitomator  einen  so'  körnigen 
und  gedmngenen  Text  in  dieser  Weise  auseinander  ziehen,  ja  ge- 
radezu Yerwäfsern  werde?  Dagegen  geben  wir  den  p.  51  entwickel- 
ten GrQnden  nach ,  um  die  Vermuthnng  gerechtfertigt  zu  finden ,  dafs 
das  Ifingere ,  aus  derselben  Quelle  entlehnte  Fr.  3  wirklich  dem  Tro- 
gus  entnommen  sei.  Es  betrifft  die  Königin  der  Skythen  (sonst  nach 
Herodot  u.  a.  der  Massageten)  Tomyris***)^  und  was  hier  erzShll 
wird,  enthilt  bisher  völlig  neue  Thatsachen. 

Dieselbe  Tiuschnng  des  Hrn.  Hg.  nehmen  wir  bei  Fr.  7  wahr,  wo 
die  verbale  Benutzung  des  Just.  II,  5  noch  augenscheinlicher  ist.  Die 
Schlufsworte  des  Vincentius:  ui  hos  vel  illas  nee  poena  dissimiles 
nee  dispares  fecerit  sceleris  immanitas^  aufweiche  der  Hr.  Hg.  das 
Hauptgewicht  legt,  und  wovon  bei  Justinus  allerdings  keine  Spur  ge- 


*)  lanam  lafst  die  Hs.  xur  Unzeit  weg. 
**)  9o  von  I weiter  Hand  statt  et, 
***)  In  der  Giefsener  Hs.  des  Justin  immer  TTamyria, 


A.  Bielowski:  Pompeii  Trogi  fragmenUi.  59 

fanden  wird,  enlhfilt  keine  nene  Thatsache,  sondern  nnr  eine  Folge- 
rang, welche  recht  gat  auf  Rechnung  des  auch  sonst  zu  dergleichen 
Urkheilen  bereiten  Vincentius  geseUk  werden  kann,  wie  z.  B.  bei  Fr. 
18,  wo  bei  sonst  wörtlicher  Ausschreibung  des  Just.  XII,  8  die  mo- 
ralische Betrachtung  üecet  enim  etc.  ein  ähnlicher  Zusatz  des  Vin- 
centius ist.  Dasselbe  Urtheil  ist  über  Fr.  12  vgl.  mit  Just.  III,  4  zu 
fällen.  Wenn  bei  diesem  Fragment  von  einem  aus  Bielski  beigebrach- 
ten, denselben  Gegenstand  betreffenden  Auszug  der  Hr.  Hg.  richtig 
bemerkt,  dafs  derselbe  doch  nnr  mittelbar  aus  Trogus  entlehnt  sein 
könne,  so  geben  die  Worte  matribus  nan  $alutatis  mit  Justinus  nee 
ialutaiii  matribus  Gewisheit.  —  Fr.  20,  mehr  naturhistorischen  Inhalts, 
kommt,  obwohl  es  mit  Fr.  19  in  Zusammenhang  zu  stehen  scheint, 
vorerst  gar  nicht  in  Betracht,  da  die  Quelle,  aus  welcher  Vincentius 
geschöpft,  unerwähnt  bleibt.  Dagegen  ist  der  zu  Fr.  27  aus  einer  an- 
dern und  zwar  handschriftlichen  Chronik  vom  Um.  Hg.  beigebrachte 
Zusatz  ultra  Istrum  et  citra  beachtenswerth.  —  Fr.  40  wird  aus  dem 
blofsen  Umstand,  dafs  Just.  XLIII,  S  u.  4  des  Königs  der  Segobrigii, 
Nannus  (bei  Vincentius  Nannides)  Erwähnung  thut,  von  dem  Hrn. 
Hg.  zu  voreilig  geschlofsen ,  dafs  die  ausführliche  Erzählung  von  dem 
Tode  desselben  durch  seinen  Sohn  vom  Trogas,  welcher  dabei  nicht 
genannt  wird,  herrühre. 

Obwohl  Fr.  21,  den  Antigonus  betreffend,  der  Angabe  einer 
Quelle  entbricht,  so  ist  doch  aus  Vergleichung  mit  Just.  XIV,  4  au- 
genfällig, dafs  dasselbe  entweder  aus  diesem  oder  aus  Trogus  entnom- 
men ist.  Wenn  der  Hr.  Hg.  sich  nun  für  letzteren  entscheidet,  und 
zwar  wegen  der  allerdings  neuen  Thatsaohe  perfidiae  cauterio  fron» 
iibus  impresso^  was  schwerlich  der  Epitomator  weggelafsen  haben 
würde,  so  können  wir  ihm  kanm  widersprechen.  Darf  hiernach  eine 
Unmittelbare  Benutzung  des  Trogus  angenommen  werden,  so  ergibt 
sich  hieraus  nebenbei  die  für  Justinns  bemerkenswerthe  Thatsache, 
dafs  er  bei  seinem  Geschäft  des  Epitomierens  nicht  verschmäht  habe^ 
die  Reden,  welche  Trogus  seinen  Helden  in  den  Mund  gelegt,  beizn- 
behalten,  wobei  jedoch  nicht  zu  übersehen,  dafs  der  Excerptor  in  den 
dem  Antigonus  beigelegten  Worten  die  nach  der  Weise  des  Trogus 
(s.  Just.  XXX VIII,  3)  oblique  gehaltene  Kedeform  in  die  directe  um- 
gewandelt haben  mufs.  Freilich  könnte  gerade  letzterer  Umstand  ge- 
gen die  Meinung  des  Hrn.  Hg.  in  Geltung  gebracht  werden.  Derselbe 
Grad  der  Wahrscheinlichkeit  tritt  ein  bei  Fr.  45,  die  Geschichte  Ma- 
kedoniens betreffend,  gleichfalls  ohne  Nennung  des  Trogas.  Es  han- 
delt von  einem  Altentat  auf  den  makedonischen  Thron  durch  einen 
gewissen  Fpander  (?).  Dasselbe  ist  auch  der  Fall  bei  Fr.  32,  trotz- 
dem dafs  auch  hier  Trogas  nicht  ausdrücklich  genannt  wird.  In  Be- 
ziehung auf  den  erwähnten  König  der  Geten  Bolus  ^  oder  Oroles,  hatte 
übrigens  dieser  Stelle  schon  Münnich  a.  a.  0.  p.  121  gedacht.  Das- 
selbe Urtheil  gilt  von  Fr.  38,  dessen  Text  bis  zu  abiiei  iussit  mit  Just. 
XLl,  6  stimmt,  woraus  der  Hr.  Hg.  mit  Recht  folgert,  dafs  auch  das 
folgende,  was  vom  Epitomator  als  zu  speciell  in  die  Sache  eingehend 


60  A.  Bielowski:  Fompeii  Trogi  fragmenta. 

weggelafsen  worden  ist ,  aber  gewis  Dicht  auf  Rechnung  des  Chroni- 
sten kommen  kann,  dem  Trogns,  wenn  auch  natarlich  nicht  in  wört- 
licher Fafsung,  angehöre.  Die  ganze  Stelle  ist  su  interessant,  auch 
für  die  so  im  Dunkel  liegende  Specialgeschichte  der  baktrischen  Kö- 
nige zu  wichtig,  als  dafs  sie  nicht  verdiente  hier  ausgeschrieben  zu 
werden:  Regem  siquidem  Bactrianorum  Eucratidem  filius^  tarn  regni 
socius  a  paire  factus^  amhitu  inier fecit;  qui  quasi  hosiem  non  pa~ 
trem  occidissei^  per  sanguinem  eins  currum  egit^  et  corpus  inhuma- 
tum  abiici  iussit,  Sed  non  sine  ultione.  Huius  enim  parricidae  uni- 
cus  parvulns^  avi  morte  anxiatus^  ignaris  custodibus  nemus  ingre- 
ditur^  dolorem  anxietaiis  morsibus  ferarum  optai  finire.  Qui  per 
dies  aliquot  per  luslra  vagabundus ,  fungis  et  radicibus  latranti  slo- 
maeho  succurrii;  novissime  cuiusdam  gusiu  radicis  pesiiferae  in 
languorem  prostemitur  ^  quo  fatigatus^  quasi  animam  exhalaturus^ 
oscitare  coepit.  Oscitantis  ori  serpens  iüabitury  cognata  forsilan 
Muae  pestilentiae  radice  illectus,  hie  introreplans  ^  herhas  crudas  ei 
indigestas  ad  os  stomaehi  retocat  et  ad  eomitum  impellit.  Paler  in- 
terea  venatibus  indulgens^  diutissime  quaesilum  ac  desperatum^  sie 
tandem  vomitantem  invenii:  qui  cum  rugitu  super  adulescentulum 
proeohitur  ^  lacrymis  efßuit,  ad  os  moribundi  os  applicai  et  hiantem 
osculis  faiigat,  lUico  serpens  osculantis  labio  morsum  impingit^  quo 
laesus  paier  ac  territus  repenie  resiliii ,  ei  serpentem  f>im  cum  parte 
labii  absirahii  ei  obterrit  (oblerit?)  parvulumque  semianimem  ad 
9U0S  reporiai,  Ei  in  brevi  redditur  sospitati  adolescens^  omni  veneno 
evomito.  Patrem  ex  vulnere  serpentis  infusum  virus  in  eesaniam 
vertu:  qua  saevissime  agilatus^  cum  alios  appeiere  non  possety  iin- 
guam^  labia  mordicantim  sibi  delruncans^  absorbel.  Sic  propria 
membra  dimordicans^  eix  iandem  exspirat.  Darf  die  hier  berich- 
tete Thatsache  als  beglaubigt  angesehen  werden,  so  bietet  sie  ein 
nicht  lu  verschmähendes  Material  zu  der  von  Raoul-Rochette  mit  so 
viel  Eifer  behandelten  Frage  Über  die  Existenz  eines  Eukratides  II, 
eines  baktrischen  Königs,  worOber  jedoch  hier  zu  sprechen  der  Ort 
nicht  ist. 

Wir  gehen  Ober  zu  den  Excerpten  aus  Bielski«  Fr.  10  in  lateini- 
scher Uebersetzung,  eine  beabsichtigte  Beraubung  des  delphischen 
Heiligthums  betreffend,  kann  als  eine  breitere  Bearbeitung  von  Just.  II, 
12  angesehen  werden.  Alleines  kann  zugestanden  werden,  dafs  der 
Chronist  wirklich  aus  der  Originalquelle  geschöpft  habe,  wenn  man 
die  zwei  anderen ,  aus  demselben  vom  Hrn.  Hg.  angeführten  Frr.  '6^ 
und  36  vergleicht,  denen  man  eine  unmittelbare  Benutzung  des  Trogus 
nicht  wohl  absprechen  wird.  Das  erstere  lautet  in  lat.  Uebersetzung  : 
Veieres  hisiorici^  ut  Trogus  PompeiuSy  Cornelius  Tacitus^  de  ludaeis 
alia  ac  in  Sacra  scriptura  reperiunlur^  memoriae  iradiderunt.  Fuisse 
nempe  propier  conlagionem  a  rege  Pharaone  regno  expulsos^  quod 
tariis  morbis  infecti  erant^  cultumque  deorum^  quos  Aegyptii  co- 
luere^  aspernabantur.  Porro  aquam  in  deserio  ab  Aarone^  equorum 
vesiigia  secuta,  fuisse  repertamj  quae  e  rupe  conUnuo  scalebat.   iu- 


A.  Bielowski:  Pompeii  Trogt  fragmeDta.  61 

daeoi  opobtüsami,  euhi$  mogna  tu  mante  Sinai  copia  erai^  mtrca- 
iuram  fecisse^  sicque  vitam  8usienias$e ;  aique  illorum  genH  nee  deos 
neque  homines  fuiue  amicos:  iilos  iamen  semper  regum  gratiam  vir- 
ginibui  pulehrii,  qnae  apnd  eos  formosissimae  nascuniur^  sibi  cam- 
parasse.  Nach  dem  Wortlaat  dieser  Stellen  nfirsen  sich  die  erwiha- 
ten  Thatsachen  bei  Jast.  XXX Vi,  3  ff.  oder  bei  Tacitns  Hiat.  V,  2  ff. 
finden.  Mit  Grund  bemerkt  aber  der  Hr.  Hg.,  dafs  dieses  nicht  in 
allen  Stacken  der  Fall  sei,  ohne  sieh  jedoch  in  die  Erörterung  des 
einzelnen  einsnlafsen.  Ohne  auf  den  Unterschied  jetzt  Rücksicht  au 
nehmen,  dars  bei  der  AafGndung  der  Quelle,  worüber  Jnstinns  schweigt, 
bei  Tacitus  Mo$es  statt  des  Aaron  genannt  wird,  macht  Ref.  darauf 
aufmerksam,  dafs  in  diesem  Theile  der  Ersflhiung  bei  Tacitus  Esel 
statt  der  Pferde  genannt  werden ,  man  also  wohl  an  der  Vermnthung 
bingeleitet  wird,  Bielski  sei  hier  nicht  dem  Berichte  des  Tacitus, 
sondern  dem  des  Trogns  gefolgt;  ferner  auf  das  was  von  der  Lock- 
speise mittelst  schöner  Jungfrauen  erzählt  wird,  wovon  bei  keinem 
von  beiden  Historikern  irgend  eine  Spur  vorhanden  ist.  Ungleich 
wichtiger  aber  und  den  Ausschlag  gebend  ist  das  andere  Fragment: 
lidem  (ßoxolant)  eiiam  cum  Miihridaie^  Ponti  rege^  beUum  gesse- 
runi^  cuius  Trogut  Pompeivs^  orbis  anügui  hisioricu»^  mentionem 
facti  narraique:  eos  e  crudis  peUibus  taurinis  ihoraces  tibi  parasse^ 
aique  ho$  ip$i$  arma  fuisse;  iiem  scuia  $ua  eiusmodi  cuiibus  ob^ 
duxisse  ac  equis  in$idenie$  acinace^  pilo  aique  arcu  pugnasse.  Ei 
retera  hoc  armorum  gener e  nunc  eiiam  incolae  Russiae  uiuniur. 
Nichts  hiervon  bei  Justinus,  welcher  der  Roxolani  nicht  einmal  Er- 
wähnung thut,  wohl  aber,  wie  der  Hr.  Hg.  anmerkt,  bei  Strabon  VII, 
306 ,  der  jedoch  aus  dem  Grunde  nicht  etwa  von  Bielski  statt  jenes 
genannt  worden  sein  könne ,  weil  derselbe  des  Strabon  sammt  dem 
Trogus  an  einer  andern  Stelle  gleichfalls  in  Bezug  auf  die  Roxolani 
gedenke.  AuAierdem  bringt  der  Hr.  Hg.  aus  Bielski  noch  eine  dritte 
Stelle  über  dieselbe  Völkerschaft  mit  Erwähnung  des  Trogus  bei, 
welche  der  Excerptor  aber  so  sehr  mit  eignen  Zusätzen  modernisiert 
hat,  dafs  das  dem  Trogus  angehörige  kaum  mehr  ausgeschieden  wer- 
den kann.  Ueber  noch  ein  anderes  aus  Bielski  vom  Hrn.  Hg.  gelegent- 
lich mitgetheiltes  Excerpt  ist  bei  Vincentius  gesprochen  worden. 

Aus  Dtngossins ,  zu  welchem  wir  ttbergeben ,  ist  Fr.  30  entnom- 
men ,  nach  Cod.  bibl.  Ossol.  Nr.  601  (u.  a.  auch  die  Satiren  des  Per- 
sius  enthaltend),  von  nicht  geringerem  Interesse,  ja  weil  anzunehmen, 
dafs  wir  hier  die  Worte  des  Schriftstellers  in  ziemlich  originaler  Fa- 
fsung  vor  uns  haben ,  noch  wichtiger.  Auch  in  anderer  Beziehung  ver- 
dient die  ganze  Stelle  ausgeschrieben  zu  werden :  Trogus  PompeiuM 
de  bello  Geiarum.  Eni  mihi  ionge  iocundius  fuissei  lialiae  feliciia- 
tem  quam  clades  referre^  iamen  quia  iempora  sie  iuleruni^  sequemur 
ei  nos  foriunae  muiabiiitaiem  ^  Geiarumque  ineasionis  describemus 
doiorosam  profecio  manum^  sed  pro  cogniiione  illorum  iemporum 
necessariam,  Neque  enim  Xenophontem  Aiheniensem ,  summo  inge- 
nio  virum^  cum  obsidionem  ei  famem  ac  diruia  w^enia  Aihenarum 


68  A.  Bielowiki:  Ponaipeii  Trogi  firtgmeiita. 

detcriptit^  non  doleniem  id  feeisse  reor;  scripsii  tarnen^  quia  «Ii7# 
putabai  iilarum  remm  memoriam  non  deperire,  Neque  LMus  nosier^ 
cum  urbem  a  GaUis  capiam  ei  incendiis  conßagratam  referi^  mtno- 
rem  merelur  lavdem^  quam  cum  Pauli  Aemilii  triumphum  ilhtm  prae- 
darum  de  Macedonibus^  aui  Fublii  Africani  viclorias  enarrat  ÜU^ 
toriae  quippe  est^  tam  prosperas  quam  adf>ersas  res  monimeniiB 
liierarum  mandare:  itaque  optanda  quidem  meliora^  scribenda  9ero 
quaecumque  contigerunt.  CivüaUs  in  lialia  omaiissimaemagnisopibus 
magnaque  auctaritaU  vigueruni  hactenus  hodieque  tigent,  quarum  glo» 
ria  ei  imperium  longe  lateque  extenditur.  Taceo  morum  eieganiiam 
kumaniiaiemque  praecipuam  ae  bonorum  arOum  discipNnas^  in  qui~ 
bus  parens  scilieei  ei  alumna  incomparabilis  lialia  reperiiur.  Sed 
commendaiionis  aliud  ßai  iempus.  Von  weiteren  Betrachtungen,  so 
welchen  diese  inhaltreiche  Stelle  VeranUrsong  geben  könnte ,  abse- 
hend, will  Ref.  nur  hervorheben,  was  der  Hr.  Hg.  mit  Wahrschein- 
lichkeit annimmt ,  dafs  unter  der  erwähnten  Invasion  der  Geten  die- 
jenige gemeint  sei,  welche  zur  Zeit  der  Schlacht  bei  Actium  statt- 
fand, und  dars,  als  Trogus  schrieb,  Livius  sein  Werk  bis  zu  diesem 
Ereignis  noch  nicht  vollendet  oder  wenigstens  nicht  veröffentlicht 
hatte:  denn  dafs  Trogus  Theile  des  Werkes  bereits  kannte,  geht  aas 
Jnst.  XXXVllI ,  3  hervor.  Auch  das  folgende  Fr.  81  (ganz  allgemeinen 
Inhalts,  darum  hier  nnansgeschrieben)  aus  derselben  Quelle,  von  dem 
Torhergehenden  nur  durch  den  Anfang  einer  neuen  Zeile  geschieden, 
trigt  denselben  Charakter  und  Stil  an  sich,  so  dafs  wir  es  dem  Hrn. 
Hg.  nicht  verargen,  wenn  er  dasselbe  dem  Trogus  gleichfalls  zuweist, 
obwohl  er  es  dahin  gestellt  sein  lafst,  ob  es  in  unmittelbarem  Zusam- 
menhang mit  dem  vorhergehenden  gestanden  habe.  Ref.  will  im  Vor- 
beigehen auf  die  in  dem  Fragment  vorkommende  Form  permaximui 
aufmerksam  machen ,  wodurch  diese  bisher  dQrftig  beglaubigte  WorU 
composition  einige  Stütze  erhalten  würde.  Dafs  dergleichen  Anoma- 
lien der  gemeine  Gebrauch  nicht  verschmäht  hatte,  und  zwar  schon 
frOhzeitig,  ersehen  wir  aus  der  gegen  peropiimu$  von  Palaemon  ge- 
richteten Warnung  bei  Char.  p.  207:  peccani  auiem  qui  dicuni  per- 
opiimus.  —  Ebenso  kann  Fr.  43  aus  Cod.  Ossol.  Nr.  601  dem  Tro- 
gus, obwohl  direct  für  denselben  nichts  spricht,  zugewiesen  werden. 
Dagegen  ist  Fr.  41  ans  Dtugossii  Hist.  Polon.  augenscheinlich  aus  Jusl. 
XLIII ,  14  und  zwar  wörtlich  entlehnt.  Wenn  die  einleitenden  Worte 
des  Excerptor  ab  uno  regulorum  den  Hrn.  Hg.  bestimmt  haben,  an 
eine  andere  Quelle  als  Justinus  zu  denken,  so  hat  er  übersehen,  dafs 
dieselben  aus  den  weiter  oben  vorhergehenden  Worten  des  Just,  ad- 
firmanie  regulo  quodam  gebildet  sind. 

Wir  lafsen  jetzt  die  übrigen  theils  aus  Hss. ,  theils  aus  bereits 
bekannten  und  gedrnckten  Schriften  gezogenen  Fragmente  folgen.  Za 
den  bemerkenswerthesten  und,  wenn  nicht  an  einen  absichtlichen  Be- 
trag zu  denken  (wozu  aber  kein  Grund  vorhanden),  sichersten  Reli- 
quien aus  dem  Werke  des  Trogus  gehört  anstreitig  Fr.  22,  aus  Cod. 
bibl.  Ossol.  Nr.  336,  in  polnischer  Sprache  Miscellen  and  darunter 


A.  BielowsU:  Ponpeii  Trogi  firagnenUi.  63 

^Varlae  varioram  aactonui  senteatiae  per  alphabetom  coDteriplae' 
eathaliend,  deaeo  hinfig  die  Quelle,  als  i.  B.  Herodot,  Polybioa,  Sal- 
lost,  Livius  a.  a.  m.  in  lateinischer  Sprache  hiasagefagt  ist.  Darunter 
beQndet  sich  in  polnischer  Sprache  nach  lat.  Uebersetzung  folgendes : 
Seleucui  Colckarum  rex  mgentem  de  hosiibus  tictoriam  reparia^ 
mi.  tiuius  labore9  aique  aerumnas  Colehi  grata  animo  agno$cemie$^ 
ereserutU  regi  $iaiuam  argenleam  Uomaris^  qui  murea  msirueimB 
manu,  obeliscum,  in  quo  eariae  coronae  erani  suspensae,  aureum 
tenehat.  Quod  rex  gratum  acceptumque  habuii;  ai  manum  ei  oheHs- 
cum  aureum  significant,  dixit:  (das  folgende  gibt  die  Hs.  lateinisoh, 
wohl  absichtlich,  am  die  Worte  des  Originals  wiederiageben)  Si 
ioius  kic  tionor  ntae  manus  naturam  indnissei,  principem  locum  in 
nosiro  tkesamro  kabuitsei.  Tragus.  Wenn  der  Hr.  Hg.  dieses  Faetam 
anf  Selenkos  I  bezieht  und  danach  das  Fragment  dem  ]5n  Buche  zu- 
weist, in  welchem  Justinns  der  Thaten  dieses  Königs  gedenkt,  ohne 
eine  Spur  von  dem  erwähnten  Gegenstand  zu  enthalten,  so  halten  wir 
dies  fflr  um  so  voreiliger ,  als ,  wenn  wirklich  jene  Erzihlang  den 
Trogns  entlehnt  ist,  dieser  jenen  Selenkos  unmöglich  unter  dem  Na- 
men eines  rex  Coichorum  aufführen  konnte,  wenn  immer  auch  die 
erzählte  Thatsaohe  die  Kolcher  betreffen  konnte.  Uebrigens  spricht 
der  Hr.  Hg.  in  den  Corr.  et  Add.  selbst  die  Möglichkeit  aus,  dafs  wohl 
ein  anderer  Seleukos  gemeint  sein  könne ,  wonach  das  Fragment  eher 
dem  37n  B.  zuzuweisen  sei ,  wo  Trogus  über  die  Könige  der  Kolcher 
gesprochen  habe.  Dafs  überhaupt  ein  späterer  Seleukos  gemeint  sei, 
welchen  Ref.  freilich  jetzt  nicht  näher  bezeichnen  kann,  ergibt  sich 
mit  Sicherheit  aus  der  Erwähnung  einer  Statue  des  Honor,  welche  in 
den  Zeiten  jenes  Seleukos  und  zwar  unter  griecliischen  Verhältnissett 
etwas  ganz  unerhörtes  ist.  Die  Personificatiou  des  Honor  ist  de« 
Griechen  ganz  fremd:  sie  haben  selbst  nicht  einmal  ein  Wort  dafür, 
nnd  da  an  ein  Misverständnis  von  Seiten  des  Trogns  kaam  zu  denken 
ist,  so  mufs  maa  für  die  ganze  Sache  eine  Zeit  annehmen,  wo  Bekannt- 
schaft mit  den  Römern  eine  Erscheinung  dieser  Art  möglich  machen 
konnte.  Die  Schilderung  der  Statue  ist  übrigens  interessant  genug 
and  erinnert  an  ähnliche  Darstellungen  einer  stehenden  Figur,  welche 
anf  der  ausgestreckten  Hand  Idole  oder  ähnliches  trägt,  wie  z.  B.  anf 
einer  baktrianischen  Münze  bei  Raoul-Rochette :  Notice  sur  quelques 
medailles  des  rois  de  la  Bactriane ,  Nr.  3  und  Denxitee  Suppl.  PI.  II 
Nr.  1  u.  15. 

Fr.  13,  ans  Cod.  bibl.  Ossol.  Nr.  160,  nnbezweifelbar:  Lex  9ero 
Romanorum  in  duodectm  tabtUit  ebineis  (ebumeis)  scripta  erat,  iu 
refert  Trogus  Pompeius  libro  lii  de  Lffcurgo;  quae  omnia  signifi^ 
eant  legis  durattonem  ei  stabiliiatem  perpeiuam.  Diese  gelegentliche 
Bemerkung  über  die  Beschaffenheit  des  Materials,  auf  welchem  das 
Zwölftafelgesetz  eingegraben  gewesen,  muste  ihre  Stelle  bei  einer 
Beschreibung  der  lykurgiscben  Gesetztafeln  gefunden  haben.  Allein 
weder  von  der  Beschaffenheit  dieser,  geschweige  jener  Tafeln  findet 
sich  ein  Wort  der  Erwähnung  bei  Jnst.  HI,  d,  welcher  von  der  Anf- 


64  A.  Bielowski:  Pompeii  Trogi  rraginfliita. 

rechlerhaltang  der  aeiemttas  der  lykargischen  Gesetze  in  gani  ande- 
rer BesiehoDg  spricht.  Wenn  übrigens  aus  dem  Sinn  des  Zusatzes 
quae  omnia  signißcant  etc.  vom  Hrn.  Hg.  die  Vermuthung  hergeleitet 
vird,  dars  der  Vf.  jener  Worte  eigentlich  aeneü  geschrieben  habe, 
woraus  der  Abschreiber  irthQmlich  sein  eburneis  gemacht  habe,  so 
wird  man  ihm  um  so  weniger  widersprechen  mögen,  als  jene  Lesart 
der  Sache  an  sich  selbst  entspricht.  S.  zu  Pompon.  de  orig.  iuris 
p.  27. 

Fr.  37  aus  Miersuae  Chron.  Pol.  ist  augenfällig  eine  Ueberarbei- 
tung  von  Just.  XXXIX,  5.  Ueber  das  dabei  gelegentlich  aus  Vincen- 
tius  angeführte  und  dem  Trogus  zugewiesene  £xcerpt,  gleichfalls 
einen  König  Erolimos  und  dessen  Reichthumer  betreffend,  bleibe  das 
Urtheil  dahingestellt ,  zumal  da  die  Meinung  des  Hrn.  Hg.  nicht  ein- 
mal die  namhafte  Anführung  des  Trogus  für  sich  hat,  aufserdem  auch 
zweifelhaft  bleibt,  ob  dieselbe  Person  gemeint  sei. 

Das  längere  Fr.  11 ,  aus  lacobi  de  Cessolis  über  de  moribus  ho- 
minum  et  officiis  nobilinm  super  ludo  scacornm  (mittelst  Benntzuog 
mehrerer  Breslauer  Hss.)  und  Cod.  bibl.  Ossol.  Nr.  1,  enthält  nicht  nur 
nichts,  was  nicht  bei  Just.  III,  3  und  3  sich  findet,  sondern  zeigt  die 
Benutzung  dieses  Epilomators  durch  vielfach  wörtliche  Ausschreibung 
seines  Textes. 

Dasselbe  gilt  von  dem  ans  loanues  Sarisberiensis  entnommenen 
Fr.  16,  zum  Theil  wörtlich  aus  Just.  VII,  2.  Eher  könnte  Berücksich- 
tigung das  bei  dieser  Gelegenheit  vom  Hrn.  Hg.  aus  Bielski  Chronicon 
mitgetheilte  Excerpt  verdienen :  nur  ermangelt  es  der  ausdrücklichen 
Beziehung  auf  die  Quelle. 

Ebenso  wenig  Geltung  gebührt  Fr.  39,  ans  zwei  Exoerpten  be- 
stehend, welche  aus  Hatthaei  Westmonasteriensis  Flores  historici  ent- 
lehnt sind.  Das  erstere  ist,  wie  selbst  der  Hr.  Hg.  eingesehen  hat, 
mit  Just.  XLIII,  1,  1  zusammenzustellen,  und  hat  daraas  seine  Färbung 
erhalten.  Das  andere  specioserer  Beschaffenheit  lautet:  Anno  ditinae 
incamaiionis  nono^  Caesare  Augusio  imperü  mm  quinquagesünum 
primum  agenie^  Trogus  Pompeius  chronica  $ua  terminatii^  in  quibu9 
quasi  tnundi  praeierili  cursum  ad  memoriam  posierorum  reduani.  lia 
namque  Romanorum  rempublicam^  et  arma,  quae  gens  iila  laie 
per  orbem  ierrarum  circumiulii ,  ab  initio  usque  ad  praesens  tempus 
prosequUur^  ut  qui  res  eius  leger it^  ad  construendum  Romanum  im- 
perium  virlutem  et  fortunam  discat  contendisse.  Wenn  man  nament- 
lich aus  dem  zweiten  Satze,  und  zwar  unter  besonderer  Geltendma- 
ckung  der  Worte  ad  praesens  tempus  schliefsen  wollte,  Trogus  habe 
die  römische  Geschichte  ausführlichst  und  zusammenhangend  behan- 
delt, so  würde  sich  eine  solche  Behauptung  durch  Justinus  selbst  wi- 
derlegen, indem  derselbe  nur  die  Anfänge  der  römischen  Geschichte 
und  kurz  erzählt,  ganz  wie  Trogus  gethan  habe,  nnd  eine  Darstellung 
dieser  Art,  wenn  eine  solche  Trogus  gegeben  hätte,  um  so  weniger 
weggelafsen  haben  würde,  als  eine  solche,  bis  auf  Augustus  fortgeführt, 
für  das  Zeitaller  des  Jostin  noch  mehr  Interesse  als  früher  dargebo- 


A.  Bielowski:  Pompeii  Trogi  fragrmenta.  65 

ten  haben  würde.  Vielnuehr  ist  Trogus  so  verfahren,  dars  am  geeig< 
nelen  Orte,  wo  die  Berührung^  anderer  Völker  mit  den  Römern  in  Er- 
wägung kam,  dcr.'römische  Antheil  an  der  Geschiebte  gleich  mit  be- 
handelt wurde,  und  da  eine  solche  Bcrührang  seit  dem  Aoflreten  der 
rumischen  Waffen  überhaupt  sich  durch  die  ganze  Zeitgeschichte  zieht, 
die  äurserlichen  Hauptmomente  der  römischen  Geschichte  einverwebt 
wurden.  Da  dies  aber  für  die  ältesten  Zeiten  Roms  noch  nicht  der 
Fall  war,  so  schien  es  Trogus  angemefsen,  diesen  Theil  der  römischen 
Geschichte  besonders  im  Zusammenbang  zu  behandeln,  was  am  An- 
fange des  43n  B.  nun  auch,  wie  sich  aus  Jnstinus  ergibt,  wirklich 
geschehen  ist.  Was  also  Matthaens  von  Zeitbestimmungen  anführt,  ist 
nicht  aus  einer  einzelnen  Stelle  des  Trogos  entlehnt,  sondern  aus  dem 
Umfang  des  ganzen  Werkes  des  Justinus  als  angeleitet  anzusehen. 

Zu  Fr.  5,  aus  Orosius,  genügt  es  auf  die  schon  von  Beck  Diss. 
de  Orosii  fontibus  et  auctoritate  §.  3  p.  5  u.  7 ^gemachte  Behauptung 
zu  verweisen,  dafs  dieser  Schriftsteller  keineswegs  aus  Trogus  ge- 
schöpft habe.  Dagegen  wage  ich  in  Beziehung  auf  Jordanes  (der  Hr. 
Hg.  schreibt  Jornandes)  mit  Bestimmtheit  dasselbe  Urtheil  zu  fällen, 
obwohl  von  den  beiden  Stellen,  welche  der  Hr.  Hg.  aufführt,  die  er- 
stere.  Fr.  4  ans  Get.  10,  augenscheinlich  nicht  den  Text  des  Trogus 
wörtlich  gibt,  welcher  überdies  auch  wiederum  um  mehr  als  die  Hälfte 
kürzer  als  sein  Epitomator  gewesen  sein  würde,  sondern  nur  einen 
magern  Auszug  aus  Just.  I,  8  enthält,  bei  welchem  die  einzige  Bemer- 
kung am  Schlufse  vermifst  wird,  ibique  primum  Getarum  gens  serica 
9idU  tentoria,  welche  weit  eher  für  einen  Zusatz  des  Jordanes  gehal- 
ten werden  kann  als  umgekehrt,  ganz  ähnlich  der  Belehrung,  welche 
Jordanes  Get.  6  über  die  ates  Phasides  gibt.  Die  Benutzung  des  Justi- 
nus ergibt  sich  aus  Vergleichung  der  Worte  desselben  guae  non  mu- 
iiebnier  adventu  hoslmm  ierrita  —  transire  tarnen  permisii.  Allein 
von  ganz  anderer  Beschaffenheit  ist  die  andere  Stelle,  Fr.  6  aus  Get. 
6.  Wenn  hier  manches  berichtet  wird,  was  sonsther  unbekannt  ist, 
so  soll  darauf  noch  kein  grofses  Gewicht  gelegt  werden,  weil  es  nach 
dem  Zusammenhang  des  Textes  nicht  evident  ist,  ob  alles  dieses  auf 
den  erst  später  genannten  Gewährsmann  zurückgeführt  werden  darf. 
Aber  es  ist  die  Rede  von  dem  Kriege  des  Tanausis  (so  Jordanes ,  bei 
Just.  Tanatis)^  Königs  derGeten,  und  des  Vesosis^  Königs  der  Aegypter, 
und  zunächst  von  den  nach  Besiegung  Asiens  durch  jenen  daselbst 
Kurückgelafsenen  Geten.  Von  den  auf  letzteres  bezüglichen  Worten 
des  Jordanes ,  ex  gtiorum  nomine  vel  genere  Trogus  Pompeins  Par- 
thorum  dicit  extilisse  prosapiam^  wird  man  bei  dem  Epitomator  des 
Trogus  keine  Spur  finden;  vielmehr  heifst  es  bei  demselben  II,  3  nur: 
inde  reversi  (Scythae)  Asiam  perdomiiam  vectigalem  fecere^  modico 
iribuio  magis  in  tiiulum  imperii  quam  in  victoriae  praemium  im- 
posito.  Auch  Dübner  (dessen  Ausg.  vom  J.  1836  mir  allein  vorliegt) 
hatte  zu  I,  1,  wo  von  beiden  Königen,  Tanausis  ood  Vesosis  *),  vor- 


*)  An  beiden  Stellen  des  Justinus  hat  man,  auch  Dubner,  das  in 
K.  Jahrb.  f,  PhU,  «.  Paed  Bd,  LXX.  Bfl,  1.  5 


66  A.  Bielowski:  Pompeii  Trogi  fragroenta. 

läuGg  die  Rede  ist,  angemerkt,  dars  Jordanes  in  der  angeführten  Stelle 
vielleicht  nnmitlelbar  aus  Trogus  geschöpft  habe.  Darf  übrigens  einer 
solchen  Annahme  Raum  gegeben  werden,  dann  wird  man  nicht  umhia 
können  dem  Hrn.  Hg.  beizupflichten,  wenn  er  eine  dritte  Stelle  des 
Jordanes  aus  Get.  10,  obwohl  hier  der  Gewährsmann  nicht  genannt 
wird,  augenscheinlich  aber  Trogus  oder  Justinus  benutzt  worden  ist, 
gleichfalls  dem  ersteren  vindiciert,  da  die  entsprechende  Stelle  des 
Just.  II,  5  schon  durch  die  Dürftigkeit  ihrer  Darstellung  den  Epito- 
mator  nicht  verkennen  lafst. 

Fr.  42,  aus  Luitprand  Advers.  Nr.  200  (Opp.  ed.  Antwerp.  1640 
p.  490),  wird  man  Anerkennung  nicht  versagen  können:  Memini  me 
iegisse  in  biblioiheca  Fuldensi^  in  libro  Trogi  Pompeii ^  Augustum 
dedisse  edictum  de  describendo  orbe  Tarracone,  et  idem  ediclum  in 
libro  Ulo  dicebatur  datum  Tarracone:  diiata  tarnen  execuiio  propter 
negotiorum  muititudinem  diu.  Also  noch  im  lOn  Jh.  in  Deutschland 
ein  vorhandenes  Exemplar  des  Trogus ! 

Diese  Durchsicht  sämmtlicher  vom  Hrn.  Hg.  aufgeführten  Frag- 
mente,  von  welchen  wir  wifscntlich  keins  übergangen  haben,  wird  im 
Stande  sein,  den  Werth  der  Entdeckungen  des  Hrn.  Hg.  in  ihr  rech- 
tes Licht  zu  stellen,  dieselben  zugleich  aber  auch  auf  das  gebührende 
Mafs  zurückzuführen.  Wenn  auch,  wie  wir  gesehen  haben,  nicht  alle 
erregten  Erwartungen  in  Erfüllung  gegangen,  so  ist  des  neuen  und 
bedeutenden  vieles  ans  Licht  gezogen  worden ,  wofür  man  dem  Hrn. 
Hg.  zu  grofsem  Danke  verpflichtet  ist.  Thun  wir  einen  Rückblick, 
um  das  wifsenschaftliche  Ergebnis  genauer  ins  Auge  zu  fafsen,  so 
handelt  es  sich  freilich,  mit  Ausnahme  vielleicht  eines  einzigen  Frag> 
ments,  nicht  um  den  Erwerb  wörtlicher  Bruchstücke  ans  dem  Werk 
des  Trogus,  sondern  nur  um  mehr  oder  weniger  wortgetreue  Auszüge 
aus  einzelnen  Stellen.  Allein  schon  diese  gestatten  einen  freiem  Ue- 
berblick  über  den  Umfang  des  verloren  gegangenen  Werks  und  beroi- 
ohern  die  Geschichte  der  alten  Völker  um  manche  Notiz,  welche  in 
den  bisher  kaum  beachteten  und  nur  wenigen  zugänglichen  Urkunden, 
welche  der  Hr.  Hg.  ans  Licht  gezogen ,  wohl  noch  lange  verborgen 
geblieben  wären.  Aufserdem,  um  eine  vollständige  Uebersicht  über 
die  jetzt  noch  vorhandenen  Ueberreste  des  ganzen  Werkes  zu  geben, 
sind  von  dem  Hrn.  Hg.  alle  schon  früher  bekannten  Fragmente  nach 
Citaten  bei  Friscianus  (Fr.  14  und  15,  welche  wegen  ihrer  glücklich 
gefundenen  Wiederherstellung  besonders  namhaft  gemacht  zu  werden 
verdienen)  u.  a.  an  ihren  geeigneten  Stellen  eingereiht  worden;  des- 
gleichen auch  die  bekannten  Prologe,  deren  Text  gleichfalls  hie  und 
da  eine  noch  immer  nothwendige  Nachhilfe  erfahren  hat,  worüber 


keiner  Hs.  meines  Wlfsens  bis  jetzt  gefundene  Seaoatris  an  die  Stelle 
der  freilich  noch  unerklärten  Lesart  Feaoais  aufgenommen.  Dafs  diese 
einem  hohen  Alterthnm  angehöre,  bezeugt  Jordanes,  und  ich  trage 
aus  dem  cod.  Giss.  Vczosia  nach,  eine  noch  nicht  angemerkte  Variante 
dieses  Namens. 


A.  Bielowdki:  Pompeii  Trogi  fra^enta.  67 

Ref.  in  dem  folgenden  einige  Bemerkungen  anachliefst.  Die  Grauerl- 
sehe  Bearbeitung  derselben  scheint  dem  Hrn.  Hg.  unbekannt  geblieben 
zu  sein. 

Prot.  I.  Die  schon  von  Dübner  aus  Hss.  aufgenommene  Form 
des  medischen  Namens  Arbacius^  wofür  Grauert  trotz  Just.  I,  3  noch 
Arbaces  beibehielt,  wird  durch  mehrfache  Anfuhrung  desselben  in 
polnischen,  vom  Hg.  namhaft  gemachten  Urkunden,  auch  durch  cod. 
Cracov.  bestätigt.  Sonst  freilich  ist  Arbaces  die  gewöhnliche  Form, 
wie  z.  B.  bei  Euseb.  Chron.  epit.  in  Mai  Coli.  Vat.  T.  I  p.  7.  In  den 
Worten  Imperium  Assyriorpm  a  Nino  rege  usque  ad  Sardanapallum 
[sie]  läfst  der  Hr.  Hg.  usque  weg,  vermuthlich  nach  Auetoritaten.  — 
Prol.  11  ist  die  richtige  Lesart  originesque,  Scyihiae  res  usque  endlich 
aufgenommen  worden.  Dübner  halte  sie  bereits  gebilligt,  ohne  sie  in 
den  Text  zu  nehmen.  Sie  wird  durch  den  jedoch  vom  Hrn.  Hg.  nicht 
angeführten  cod.  Cracov.  bestätigt.  —  Prol.  III :  ui  —  belia  inter  ipsos 
orta  sint\  Der  Hr.  Hg.  hat  sich  wohl  durch  Dübner  täuschen  lafsen, 
indem  er  sint  schrieb.  Das  richtige  siinl,  nach  dem  in  diesen  Prolo- 
gen häufig  gefundenen  Gebrauch  des  Indicativs,  gab  schon  Grauert, 
und  vor  ihm  andere,  wie  Gronov.  Dieselbe  Redeweise  ist  mit  Bon- 
dam  Var.  lect.  I,  4  p.  38  nach  dem  Vorgange  von  Vorstius  und  Freins- 
heim  gewis  auch  wieder  herzustellen  Prol.  XXIII,  wo  et  a  Sicilia  re- 
versus  in  Italiam  ticius  proelio  a  Romanis  reeeriil  in  Epirum  gele- 
sen wird,  und  von  Dübner  sogar  et  ul  aufgenommen  worden  ist:  nur 
mufs  man  aufserdem  mit  den  befsern  Hss.,  auch  dem  cod.  Giss.  f>ictus- 
que  lesen.  Der  Gebrauch  des  Conjunctivs  in  jener  Phrase  findet  sieh 
allerdings  auch  häufig,  aber  sonderbarerweise  erst  ungefähr  vom 
zehnten  Prolog  an.  —  Prol.  XIV.  Die  Worte  et  captam  ad  favorem 
populi^  welche  einige  Hss.  hinter  obsessam  einschieben,  werden  vom 
Hrn.  Hg.  gegen  Dübner  in  Schutz  genommen,  fehlen  aber  auch  im 
cod.  Giss.  —  Prol.  XXIV.  In  den  Worten  bellum  quod  Ptolemaeus 
Ceraunus  in  Macedonia  cum  Monio  Illyrio  et  Ptolemaeo^  Lysimachi 
filio,  kabuit  verbefsert  statt  Monio  ^  wie  selbst  noch  bei  Grauert  und 
Dübner  steht,  der  Hr.  Hg.  trefflich  Monunio^  unter  Hinweisung  auf 
eine  Münze  dieses  illyrischen  Königs  bei  Eckhel.  Zu  weiterer  Bestä- 
tigung dieser  vollkommen  sicheren  Emendation  konnte  noch  erinnert 
werden,  dafs  der  Name  desselben  Königs  auf  verschiedene  Weise  ver- 
schrieben sich  auch  bei  Polyb.  XXIX ,  5,  7  und  Liv.  XLIV ,  31  findet, 
wie  schon  von  andern  bemerkt  worden  ist ;  vgl.  Droysen  Ztschr.  f.  d. 
AW.  1836  Nr.  104  S.  833.  —  Prol.  XXXU  wird  mit  Wahrscheinlich- 
keit der  dacische  Königsname  Burobosten  statt  Rubobosten  hergestellt. 
Schon  Vossius  hatte  aus  Strabon  Boerebistan  vorgeschlagen. 

In  der  löblichen  Absicht,  alles  was  aus  dem  Alterthum  unter 
dem  Namen  des  Pompejus  Trogus  vorhanden  ist  zusammenzustellen, 
hat  der  Hr.  Hg.  den  Fragmenten  des  historischen  Werks  auch  noch 
einige  andere  aus  bekannten  Quellen  p.  49  unter  dem  Titel  einer 
Schrift  de  animalibus  angefugt,  von  welchen  das  letztere  Nr.  53 
jedoch  der  Hr.  Hg.  selbst  glaubt  eher  den  Philippicis  znw^eisen  zu 

5* 


68  A.  Bielowski:  Pompeii  Trogi  rragmenla. 

marseo.  Die  andern  sind  meistens  aus  Plinius  N.  H.  entnommen,  wo 
ihr  Urheber  einfach  unter  dem  Namen  Trogus  erscheint,  ebenso  auch 
in  den  Schriftstellervcrzeichnissen  des  Plinius:  es  mag  aber  wohl  mit 
Recht  diese  Ueberlieferung  auf  Rechnung  des  Pompejus  T.  kommen, 
da  kein  anderer  Schriftsteller  unter  dem  Namen  Trogus  bisher  bekannt 
geworden.  Den  Titel  der  Schrift  verdanken  wir  allein  dem  Charisius 
p.  79,  welche  Stelle  der  Hr.  Hg.  anführt,  ohne  einer  andern  desselbeq 
Grammatikers  zu  gedenken,  aus  welcher  wir  selbst  eine  Idee  von  dem 
Umfange  des  ganzen  Werkes  erhallen,  p.  110:  itaque  Trogum  de ani- 
malibus  Uhro  X  partum  numerorum  et  imparium  non  rede 
dixisse^  sed  parum  et  imparum. 

Der  gehaltreichen  Vorrede,  in  welcher  Auskunft  über  die  be- 
nutzten Hilfsmittel  gegeben  wird,  folgt  eine  sich  auf  der  Oberflache 
haltende  ^Notitia  literaria  de  Pompeio  Trogo',  in  welcher  nament- 
lich das  über  Justin  bemerkte  unbefriedigt  läfst.  Rucksicbtlich  des 
Zeilalters  desselben  folgt  der  Hr.  Hg.  der  gewöhnlichen  Annahme, 
dafs  Justiu  um  161  n.  Chr.  gelebt  habe,  ohne  sich  daran  zu  erinnern, 
dafs  der  schon  früher  von  Wetzel  (Ausg.  des  Just.  S.  l)  aufgestellten 
Behauptung,  wonach  er  vielmehr  dem  3n  Jh.  angehöre,  nunmehr  das 
Urtheil  Niebuhrs  (Vortr.  über  alte  Gesch.  I  S.  12)  mit  einem  aus  der 
Form  des  eigentlichen,  auch  schon  von  Vossius  de  bist.  Lat.  gebil- 
ligten Namens  M.  lunwnus  lustinus  abgcleilelcn  gewichtigen  Grunde 
zor  Seite  steht.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort  zu  weiterer  Erörterung  die- 
ser noch  schwebenden  Frage,  zumal  dieselbe  ohne  Zutritt  eines  posi- 
tiven Zeugnisses  schwerlich  über  den  Grad  von  Probabilitat  erhoben 
werden  kann:  jetzt  nur  so  viel,  dafs,  wäre  das  bis  jetzt  nur  in  altern 
Ausgaben  gefundene  Einschiebsel  imperalor  Antonine  befser  begrün- 
det, wenn  auch  aus  derselben  Quelle  unterstützt  durch  die  Ueberschrift 
des  Werks  .  .  .  exordium  ad  Antoninum  oder  Antonium  (s.  Fischers 
Ausg.  S.  449),  darin  eine  Bestätigung  der  Nicbuhrschen  Behauptung 
gefunden  werden  könnte,  wenn  unter  dem  genannten  Antoninus  viel- 
mehr Caracalla  verstanden  würde.  Auch  rücksichtlich  der  Herkunft  des 
Justinus  mag  noch  die,  wie  es  scheint,  bisher  unbeachtete  Notiz  hier 
ihre  Stelle  finden,  dafs  er  in  einer  Wiener  Hs.  Hispanus  genannt 
wird:  s.  Endlicher  Catal.  p.  153. 

Wir  können  diese  Schrift  nicht  ans  der  Hand  legen,  ohne  die 
Aofmerksamkeit  der  Alterthumsfreunde  noch  auf  zwei  Entdeckungen 
rücksichtlich  zweier  anderer  alten  Schriftsteller  hinzulenken,  deren 
aufser  noch  einigen  andern  Andeutungen  über  Reliquien  der  alten  Ge- 
schichte in  polnischen  Hss.  am  Schlufs  der  Vorrede  gedacht  wird. 
Die  erste  betrifft  den  Valerius  Maximus,  welcher,  wie  p.  XIV  berich- 
tet wird,  in  der  Chronik  des  Vincentius  einmal  mit  den  Worten  ange- 
führt wird:  de  isto  refert  Valerius  Maximus  in  Uhro  de  vita  Caesaris^ 
nnd  zwar  in  Beziehung  auf  Kotys ,  König  der  Geten ,  ^i  luUum  Cae- 
sar em^  primum  monarcham^  tribns  fudit  proeliis;  qui  ducem  Roma^ 
norum  {Bebium)  cum  omnibus  copiis  delerit^  wie  es  daselbst  heifsl. 
Der  Hr.  Hg.  verweist  hierbei  auf  Appian  de  illyriis  c.  12  and  13  und 


A.  Bielowski :  Pompeii  Trogi  fragneDta.  69 

Cio.  Epitft.  Y,  11.  (Anfeine  vollständigere  Gestalt  des  9tt  Bachs  der 
Dicia  etc.,  als  der  Jetzige  Text  beschaffen  ist,  wurde  neulich  im  Philo- 
logus  VIII  S.  384  hingewiesen.) 

Die  andere  Entdeckung  betrifft  die  Eingangs  dieser  Anzeige 
schon  berührte  Nachweisung  einer  ehemals  in  Polen  vorhandenen  Hs. 
der  Bücher  Ciceros  de  re  publica.  Hatte  man  über  den  frühem  Ver* 
such  Müunichs  vielfach  den  Kopf  geschüttelt,  so  hat  sich  des  Ref.  in 
seiner  Ausg.  p.  XXXIl  mit  Zurückhaltung  ausgesprochenes  Urtheil 
jetzt  gerechtfertigt,  wenn  man  nemlich  aus  dem  Umstände,  dafs  aus 
polnischen  Quellen  nunmehr  Fragmente  des  ciceronischen  Werks  auftau- 
chen, welche  bisher  ganz  unbekannt  waren,  zu  einem  solchen  Schlufse 
sich  berechtigt  erachten  will.  Es  würde  voreilig  sein,  über  diese  Ent- 
deckung jetzt  ein  entscheidendes  Urtheil  abgeben  zu  wollen,  da  das 
Interesse  der  Sache  gewis  weitere  Forschungen  unter  den  Kennern 
der  polnischen  Litteratur,  und  wenn  man  an  Trogus  denkt,  vermuth- 
lieh  mit  Erfolg,  hervorrufen  wird:  es  genügt  hier  die  zwei  vom  Hm» 
Hg.  nachgewiesenen  Fragmente  wörtlich  mitzutheilen.  Das  erste  der- 
selben wird  entnommen  aus  einer  1603  geschriebenen  und  vom  Hg. 
1863  edierten  Schrift  *  Paradoxa  koronne':  Rede  Cicero  in  libris  de 
Republica  scripsit:  ^quicumque  epulis  et  conriüiis  ei  sumptibus  aetti- 
maiionem  hominum  sibi  conciliant^  palam  ostendunt^  sibi  verum  de* 
cusj  quod  ex  virtute  ac  dignitate  nasciiur^  deficere.^  Dieselbe 
Sentenz  wiederholt  der  Vf.  später  noch  einmal,  wiederum  unter  An- 
führung seiner  Quelle.  Das  andere  Fragment  findet  sich  in  dem  Cod. 
bibl.  Ossol.  Nr.  458:  Cicero  de  Republica:  ^ leniier  atque  placide 
fidesy  non  vi  ei  impetu^  concuti  debere,^  Könnte  dem  vierten  Buche 
angehören,  nach  Berücksichtigung  des  Fragments  bei  Nouius  s.  v.  fidei 
(p.  321  der  Ausg.  des  lief.). 

Giefsen.  F.  Osann. 


Kürzere  Anzeigen. 


Beobachtungen  über  den  homerischen  Sprachgebrauch  you  Dr. 
Johannet  Clanen,  Director  und  Professor  des  Gymnasiums  in 
Frankfurt  am  Main.  (Frühjahrsprogramm  des  genannten  Gymna- 
siums.) Frankfurt  a.  M.  gedruckt  bei  H.  L.  Brönner.  1854.  26 
S.  4. 

Es  sind  bereits  zehn  Jahre,  seit  K.  W.  Krüger  das  crsU  Heft 
des  zweiten  Theils  seiner  griechischen  Sprachlehre,  das  die  Form- 
lehre des  epischen  und  ionischen  Dialekts  umfafst,  herausgegeben 
hat,  und  nocli  warten  wir  vergebens  auf  die  Fortsetzung  im  zwei- 
ten Heft,  die  sich  auf  die  Syntax  der  erwähnten  Dialekte  er- 
strecken soll.  Durch  die  Darstellung  dieser,  insbesondere  der  home- 
rischen Syntax  wird  auch  die  zuletzt  wieder  auf  Homer  ruhende  Syn- 
tax des  attischen  Dialekts  in  mehrfacher  Beziehung  erst  ihre  tiefere 
Begründung  und  klarere  Entwicklung  erbalten.  Freilich  bedarf  es  dam 


70  J.  Classen:  Beobachtnngen  aber  den  homerischen  Sprachgebrauch. 

genaaer,  bis  ins  einzelne  gehender  grnnd lieber  Vorarbeiten,  deren  wir 
gerade  aaf  diesem  Gebiete  der  classischen  Philologie  nicht  eben  ^iel 
aufzuweisen  haben.  Um  so  dankenswerther  ist  es,  dafs  Hr.  Director 
Classen  in  dem  oben  genannten  Programm  gerade  dieses  Thema  be- 
handelt hat.  Es  sind  nemiich  die  hier  mitgetheilten  Beobachtungen 
über  den  homerischen  Sprachgebranch  zunächst  auf  die  Syntax  und 
innerhalb  dieser  wieder  auf  den  Unterschied  der  homerischen  und  der 
YoUig  ausgebildeten  Periode  der  attischen  Prosa  gerichtet. 

Hr.  Cl.  geht  dabei  von  dem  gewöhnlichen  strengen  Begriff  der 
Periode  —  als  der  Tollkommen  logischen,  hauptsachlich  durch  hypo- 
taktische Satzverbindung  vermittelten,  zur  völlig  entsprechenden  Form 
hindnrchgedrnngenen  Gliederung  des  Gedankens--  aus,  und  setzt  dem- 

§emäfs  das  eigenthumliche  der  homerischen  Periode  darein,  dafs  in 
ieser  'der  innere  Zusammenhang  und  enge  Anschlufs,  welchen  die 
organisch  gebaute  Periode  herbeißhrt,  vielfach  gelockert,  und  anstatt 
der  relativen  Verbindung,  des  Hauptmittels  der  periodischen  Stroctur, 
die  parenthetische  Einfügung  oder  die  parataktische  An- 
reihung  durch  manigfache  Uebergangspartikeln  viel  häufiger  als  in 
der  spätem  Sprache  angewandt  erscheint'.  So  werden  denn  1)  die 
parenthetischen  Fälle  besprochen,  doch  zunächst  nur  in  den  so^. 
Kedeeingängen  bei  Homer,  wo  'der  vordringende  Affect  nicht  erst  die 
logische  Anordnung  der  ihn  treibenden  Motive  abwartet'  und  sich  da- 
her 'dem  Hauptgedanken,  welchen  man  im  ruhigen  Gange  des  Ans- 
dmcks  vorangestellt  erwartet  hätte,  in  der  lebhaften  Bewegung  des 
Moments  irgend  ein  Nebengedanke  voraufdrängt",  sei  es  als  anticipierte 
Begründung  eines  nachfolgenden  Hauptsatzes  durch  yuQ  oder  als  ein- 
leitender Satz  durch  fi4v  oder  durch  eine  Adversativpartikel.  Dann 
folgen  2)  die  parataktischen  Erscheinungen,  zuerst  die  einfachste 
und  bekannteste,  wonach  'in  mehrgliedrigen  Relativsätzen  das  relative 
Pronomen  an  der  Spitze  des  ganzen  auch  auf  die  nachfolgenden  Glie- 
der seine  Wirkung  übt,  mag  im  zweiten  und  dritten  gar  kein  Pro- 
nomen stehn  oder  das  Personalpronomen  an  die  Stelle  des  relativen 
Setreten  sein' ;  dann  die  anderen  der  eben  genannten  analogen  Ans- 
rucksweisen.  Daran  schliefst  sich  endlich  noch  3)  die  Betrachtung 
einiger  Uebergangs formen  der  noch  unentwickelteren  homerischen 
zur  vollkommen  entwickelten  Periode  der  späteren  Prosa,  namentlich 
der  Uebergauffspartikeln,  die  bei  Homer  als  Vermittlung  zwischen  Vor- 
der- und  Nachsatz  zu  Anfang  des  letzteren  vorkommen. 

Unter  1)  steht  also  a)  der  sog.  parenthetische  Gebrauch  von  ytxQ 
voran;  und  so  oft  derselbe  anch  theils  in  den  Wörterbüchern  der 
griechischen  Sprache  überhaupt  und  den  Sneciallexicis  insbesondere, 
theils  in  den  Grammatiken  (so  schon  bei  Viger  p.  493  ff.  Herm.), 
theils  gelegentlich  in  Commentaren  (so  schon  bei  Eustath.  ad  II.  B 
803  *)  und  sonst)  oder  in  Excursen  (wie  bei  Tafel  Dilucid.  Pindar.  I 

"JP  Eustath.  p.  349,  21  ^v  dl  tcj  'nolXol  yaqyiatä  Satv  inUovqoi^ 

Sg  iv  xotg  voijfutai  itQOTifitai,    x6  fihv  ovv  xoivov  ovxag'   '  insl  Ttol- 

'61  Ttoirj- 
ivxa  xeS 
,,      ,  ^      yäQ  BnixovQOi ,  ^naaxog  oi^fiaivtxm  xotg  iavxov^, 

nal  noiti  xovxo  dia  xo  %aiv6xsQ0v,  nqoxi^tlg  t^v  xijv  ctlxCav  %axä 
Xoyov  TttQißolijg^  vnoxäoömv  dh  avx-j  x6  ulxiccxov  wtl  iv  xovxa  fiovt» 
isv^mv  Sxt,  an6  tov  yctq  övv9iafiov  %ctxdQXttat>  (vgl.  zu  N  735  p. 
937,  35  ifp'  olg  dno  xov  yciQ  avv9ia(iov  ovvij^mg  dQXo(tsvog^  ag  Ico* 
Svvafiovvxog  xtß  intidtj  xal  xtjv  alxCttv  iiantQißoXmg  fCQOxd^ag  xrjg 
inax^cofUvfig  cviLßovUvxtn^g  dtmcemg)  —  eine  Stelle  die  wir  des- 


J.  Ciassen:  Beobacfatungen  Aber  den  homerischen  Sprachgebrauch.  71 

p.  163  fle  usn  parentbetico  ▼.  rcrV)  behandelt  ist:  so  verlohnt  es  sich 
doch  noch  immer  der  Mähe,  die  einzelnen  Stellen  bei  Homer  genauer 
VQ  betrachten,  wenn  aach  zunächst  nur  diejenigen,  in  welchen  die 
erwähnte  Cansalpartikel  gleich  nach  einer  persönlichen  Anrede,  also 
nach  einem  Nomen  im  Vocativ  folgt.  Als  £rläuteningsbeispiei 
wählt  der  Vf.  die  bekannte  Stelle  ^122  ff. 

ndig  ydg  tot  dtocovai  yi^ag  fiBydS^^fioi  'Jjttiot;  %zL 
Dieser  \era  (123)  «oll  eben  die  vorausgeschobene  Begründung 
des  Hauptgedankens  ( Vs.  ] 27)  dlXä  av  fihv  vvv  fqvde  ^fto  ngotg 
enthalten,  also  weder,  wie  Nägelsbach  annimmt,  den  in  (piloyiTsavca- 
Tccts  enthaltenen  Vorwurf,  noch,  wie  Paesi  meint,  einen  vorauszuden- 
kenden  Satz  ('wie  kannst  du  so  unbilliges,  ja  unmögliches  verlan- 
gen?') motivieren.  Dadurch  nehmen  die  Verse  von  «o5g  yap  bis  inaysC- 
gnv  einen  parenthetischen  Charakter  an;   denn   streng  logisch  muste 

fesagt  werden!  'Arge^dtj,  av  filv  vvv  vijvoe  &sdi  ngosg  —  nxog  ydg  xot 
oiüvvai  yigag  %tL  Nach  der  Analogie  dieser  Stelle  sollen  nun  alle 
die  andern  gleich  näher  zu  besprechenden  Stellen  in  der  Ilias  und 
Odyssee,  in  denen  sich  überall  die  anticipierte  Begründung  eines  nach- 
folgenden Hauptsatzes  finde,  benrtheilt  und  erklärt  werden. 

Wie  aber,   wenn   ein   Hauptsatz  gar  nicht  nachfolgt?  — 
Der  Vf.  fährt  unter  den  in  der  angegebenen  Weise   zu   erklärenden 
Stellen  auch  ^159  an.   £uryalo8  hat  auf  Laodamas  Antrieb  den  Odys- 
»ens  zur  Theilnahme  am  Wettkampf  aufgefordert,  Odysseus  aber  diese 
AnfTorderung  unter  Hinweisnng  auf  seine  jetzige  Lage  und  Stimmung 
abgelehnt.     Da  fafst  ihn  Euryalos  an  seiner  Ehre  an  mit  den  Worten: 
ov  ydg  ß'  ovdi,  ^iCvs,  Öaijfiovi  (pwvl  itayioa 
äd'XtoVy  old  TS  nolXd  ftiv'  dvd-gwnotai  nilovtai, 
dlld  v(p   og  Q"*   aiku   vr]t  noXvTiXij'cSi  d'afiitmv^ 
dgrog  vcevtdmv  ot  ts  ng'qxTrjgfg  ^ctoiv, 
tpogxov  TS  fivfjamv  xorl  inCanoirog  flciv  odatmv 
nsgdicov  ^'  agnaXioav  ovd*  d&Xritrjgi  iomag. 
Hier   kann   doch   von  einer  '  anticipierten  Begründung  eines   nachfol- 
genden Hauptsatzes^   nicht  die  Rede  sein,  ans  dem  einfachen  Grunde, 
weil  sich  ein  solcher  gar   nicht  vorfindet.     Das  begründende  ydg  ist, 
wie  so  oft,   aus   dem  lebendigen  Fortschritt  der  Rede  und  Gegenrede 
zu  verstehen;  es  'argumentiert  aus  einem  im  Sinne  behaltenen  Grunde' 
(Nitzsch  z.  d.   St.  II  S.   185),   wie   es  bekanntlich  unzählige  Male  im 
attischen  Dialog  in  Antworten  vorkommt  und  von  den  Erklärern  immer 
so  genommen  wird :  6Q9^g  X^ysig,  ov  ^av^aatov  u.  s.  w.  '  das  nimmt  inirh 
nicht  Wunder,   ganz  recht,  das  will  ich  wohl  glauben'  u.  dgl.,  nicht 
als   Ellipse,   sondern   als    ein   Gedanke,  der  sich   aus  der  lebendigen 
Rede  mit  dem  ydg  von  selbst  ergibt.  —  Ebensowenig  folgt  ein  Haupt- 
satz in  der  andern  vom  Vf.  hierher  gezogenen  Stelle  S  402  ff.     Wenn 
dein  Herr  nicht  heimkehrt,   wie   ich   sage,    versichert   der  noch  uner- 
kannte Odysseus  dem  Eumaeos,    so   sollst  du   mich    von   einem    hohen 
Felsen  herab  zu  Tode  stürzen.    Darauf  antwortet  Flumaeos: 


^bCv\  ovToa  ydg  %iv  fioi  iv%Xs(fi  t'  agsttj  ts 
strj  iit  dv^goinovg,  Sfia  t*  uvxUa  %a\  (ksrim 


«»r«, 


halb  vollständig  angeführt  haben,  weil  die  hier  gegebene  Erklärung 
und  Gleichstellung  des  durch  ydg  gebildeten  Satzes  mit  dem  durch 
fnsl  eingeleiteten  Satze  im  Princip  mit  der  Erklärung  Classens  über- 
einstimmt, wenngleich  der  letztere  natürlich  weit  entfernt  ist,  dem 
Dichter  solche  Gründe  zu  der  erwähnten  Satzverbindung  unterzuschie- 
ben, wie  dies  Eustathius  thnt. 


72  J.  CUisen:  Beobachtaugen  über  den  homeritfchen  Spracbgebrauoh. 

og  a'  insl  ig  %XicCviv  ayayov  xal  iBCvut  dcoxa, 

offenbar  ironisch:  'ja,  du  hast  Recht,  ein  schöner  Vorschlag,  denn 
wenn  ich  das  thäte,  würde  ich  mir  einen  schonen  Namen  bei  der  Mit- 
und  Nachwelt  machen.'  —  Auch  in  der  dritten  Stelle  t  350  ist 
ein  solcher  nachfolgender  Hauptsatz,  den  ydq  «um  voraus  begröirde, 
nicht  zu  finden.  Odysseus  will  sich  nur  von  einer  altern  erprobten 
Dienerin  des  Hauses  ein  Fufsbad  gefallen  lafseo.  Darauf  entgegnet 
ihm  Penelope:  ,         ,  .    »  ,         r 

isivB  (pil*  *  ov  yaQ  nta  xig  dvriQ  ytsnvviiivog  oads 
ieivmv  fnXf^anciv  tfiXltov  ifiüvtiiSTO  ^cojioc,  ^ 

mg  av  iiui'  tvtpQadsiog  ytsnvvfiiva  ndvx*  dyoQfvfig  xze. 
and  dann  folgt  nicht  etwa  eine  Aufforderung  an  Odysseus,  sondern 
an  Enrykleia.  Faesi  erklärt  daher  den  Satz  mit  yccQ  als  Begründung 
der  vorausgehenden  Anrede  ^blvs  q>ilBi  'so  mufs  ich  dich  nennen, 
obwohl  du  ein  Bettler  bist,  den  Namen  verdienst  da';  das  braucht 
aber  Penelope  nicht  ausdrücklich  zu  sagen,  sondern  das  liegt  eben 
in  der  Anwendung  dieser  Anrede  selbst  und  in  deren  Begründung  ^). 
Oder  noch  befser:  auch  das  soll  dir  zu  Theil  werden;  denn  u.  s.  w. 
Der  formellen  ausdrücklichen  Ankündigung  aber  bedurfte  es  nicht,  weil 
hernach  der  bestimmte  Befehl  an  Eurykleia  ergeht.—  Etwas  schwie> 
riger  ist  das  vierte  Beispiel  o  545,  das  jedoch  mit  den  drei  anderen 
das  gemein  hat,  dafs  auch  in  diesem  ein  Hauptsatz  nicht  nachfolgt. 
Telemach  vertraut  seinen  Gastfreund  Theoklymenos  dem  treuen  Fei- 
raeos  an,  ihn  in  seinem  Hause  bis  er  (Telemach)  zurückkehre  zu  ver- 
pflegen.   Peiraeos  antwortet: 

TrjXifiax',  el  ydq  %bv  ov  itoXvv  xqovov  ivd'dös  (iifipoig, 
xövde  d*  iyd»  TiofiicS^  ^tvitov  Ss  oi  ov  nod-rj  iaxat. 
Auch  hier  hat  yuQ  seinen  Bezug  auf  die  vorausgehenden  Worte  Tele- 
machs  und  begründet  die  bejahende  Versicherung  des  Peiraeos:  'sicher 
und  gewis  werde  ich  ihn  bewirthen  bis  zu  deiner  Ruckkehr;  du  thost 
keine  Fehlbitte,  Telemach,  denn  selbst  für  den  Fall,  wenn  du  nicht 
schon  heute  oder  morgen  kämest,  sondern  länger  dort  bliebest,  ich 
werde  ihn  wie  sichs  gebührt  verpflegen.*  —  Auch  das  fünfte  Beispiel 
Q  78  kann  unmöglich  in  der  von  Cl.  angenommenen  Weise  erklärt  wer- 
den. Als  Telemach  von  Eumacos  in  die  Stadt  zurückgekehrt  war, 
fordert  ihn  Peiraeos  sogleich  auf,  sich  nun  die  Geschenke  des  Mene- 
laos  aus  seinem  Hause  holen  zu  lafsen.  Der  besonnene  Telemach  aber 
antwortet  ablehnend:  Jlfi^Qni',  ov  ydg  x*  t^fisv  ontog  icxai  xdde  li^ya. 
'Nein,  Peiraeos,  das  darf  nicht  geschehen ,  denn  wir  wifsen  ja  noch  gar 
nicht,  wie  es  kommen  wird',  nach  dem  ganz  bekannten  und  gewöhn- 
lichen Gebrauch  von  ov  ydg  in  der  Antwort. 

Diese  Beispiele,  in  denen  ein  nachfolgender  Hauptsatz  gar  nicht 
vorhanden  ist,  wären  also  zuerst  unbedingt  auszuscheiden.  Doch  auch 
die  Beispiele,  in  denen  hernach  wirklich  ein  Imperativ-  oder  impera- 
tivartiger  Satz  nach  vorausgehendem  ydg  folgt,  sind  nicht  alle  gleicher 
Natur.^  Zunächst  müfsen  einmal  wenigstens  die  Beispiele,  in  denen 
sich  ydg  an  ein  Fragwort  wie  ntog,  xig  anlehnt,  von  den  andern,  in 
denen  dies  nicht  der  Fall  ist,  gesondert  werden.  Da  darf  nun  {bleich 
das  oben  angeführte  erste  Hauptbeispiel  aus  A  122  ff.  in  des  Vf.  Weise 
meines  Erachtens  nicht  erklärt  werden.  Nicht  diese  Folge  hatte  die 
logische  Anordnung  verlangt,  wie  Cl.  meint:  'Atride,  lafs  sie  für  jetzt 


^)  Etwa  wie  bei  Soph.  O.  T.  3^  otnt,  i  lumtop  xohcior«,  %al  ydg 
av  ntxgov  tpvaiv  av  y*  ogydvtucg,  iUif^ig  ^oxB  xrl. ;  nur  dafs  hier  der 
Satz  mit  xnrl  ydg  wirklich  parenthetisch  ist. 


J.  Ciassen:  Beobachtuogen  aber  dea  bomerUchen  Sprachgebrauch.  73 

fahren!  denn  wie  follen  wir  dir  Ersatz  schaffen,  da  nichts  vorhanden 
ist  sur  Vertheilung?  Künftig  sollst  du  reichliche  Entschädigung  er- 
halten \  —  wie  hatte  diese  Hinweisung  auf  die  Unmöglichkeit  eines 
Ersatzes  die  Aufforderung  des  Achilleus  gehörig  motivieren  können? 
Nach  den  vorausgehenden  Worten  des  Agamemnon  kam  es  vielmehr 
darauf  an,  seine  Anspräche  auf  ein  anderes  neues  Ehrengeschenk  zu- 
rückzuweisen; denn  zurückgeben  will  er  ja  die  Chryseis,  aber  nur 
unter  der  Bedingung,  dafs  ihm  augenblicklicher  Ersatz  dafür 
werde.  Dagegen  erhebt  sich  nun  Achilleus:  'gib  deine  ungerechten 
Ansprüche  auf,  du  verlangst  unmögliches  und  ungerechtes:  wie  sollen 
dir  denn  die  hochherzigen  Achaeer  sofort  Ersatz  leisten,  wie  ist  denn 
das  möglich?  das  geht  nicht  an,  sondern  du  hast  jetzt  einfach  dem 
Gott  das  Mädchen  zurückzugeben;  aber  sobald  wir  wieder  Beute 
machen,  sollst  du  reichlichen  Ersatz  haben.'  Dafs  die  Stelle  so  zu 
erklären  ist,  beweist  der  Zusammenhang  mit  dem  vorhergehenden; 
unterstützt  wird  diese  Erklärung  durch  die  Vergleichung  mit  den  an- 
dern, gleichfalls  von  Cl.  als  hierher  gehörig  betrachteten  Interroga- 
tivsätzen, in  denen  jedoch,  wie  oben,  ein  Hauptsatz  gar  nicht  folgt, 
sowohl  i^  61  ff.,  wo  Menelaos  von  Agamemnon  erst  näheren  Bescheid 
verlangt,  weil  dieser  sich  nicht  bestimmt  genug  ausgedrückt  hattet 
ntäg  yäg  (loi  fiv-d'^s  inixiXXecet  i^6h  %eX£V6ig;  'soll  ich  dich  hier  wieder 
erwarten  oder  dir  nachgehen?'  als  x  337  ff.,  wo  Odysseus  auf  die 
Zumuthung  der  Kirke,  die  sich  doch  gegen  Odysseus  Gefährten  so 
feindlich  erwiesen,  antwortet:  (o  K^qhtj,  nmg  yd^  (is  nilsai  aol  f^rtoy 
cJyat;  'wie  kannst  du  denn  verlangen'  u.  s.  w.  Ganz  ähnlich  ist 
dann  gleich  darauf  Vs.  383  ff.:  'Kirke,  wie  kannst  du  noch  fragen, 
wie  sollte  es  anders  sein?  zig  ydq  %sv  dvi)Q —  tcqIv  xXaCri  näaaad'at 
iöfitvog  TjSl  not^Tog,  tcqIv  Xvaaa&*  izaQOvg'^  nzL  und  in  demselben 
Gesang  weiter  unten  Vs.  501  J  X^gnTj,  zCg  yuq  zavzriv  oöov  ijyt/iAo- 
vBvCBi\  'ich  soll  die  Reise  in  den  Hades  machen,  da  mufs  ich  erst 
fragen:  wer  wird  denn  mein  Führer  dahin  sein?  als  Schatten  kommt 
man  wohl  dahin  (von  Hermes  geführt),  aber  so  lebendiges  Leibes  zu 
Schiff,  wie  du  bei  mir  vorauszusetzen  scheinst,  ist  noch  niemand  in 
den  Hades  gekommen.'  —    So  endlich  auch  in  der  Frage  der  Iris  O 

201fr.         .... 

ovzca  ycto  ori  rot,  yaii^oxB  iivavo%aita, 
tovde  q>iQ<o  dil  fj^vd'ov  ccTiTjvta  zs  ü^cczsqov  zs, 
rj  ZI  fiszaozQiilfeig; 
'soll  ich  denn  also  wirklich  (wie  ich  aus  deinem  bestimmten  Auftrag 
schliefsen   mufs)   das    harte   Wort   melden,    oder   änderst   du    deinen 
Sinn?' 

Es  blieben  nun  noch  die  Stellen  übrig,  in  denen  ein  Imperativsatz 
auf  das  einfache  vorausgehende  ydcQ  folgt.  Auch  diese  Stellen  sind 
keineswegs  alle  gleichartig;  doch  mufs  ich  mir,  um  nicht  die  Grenzen 
dieser  Anzeige  zu  überschreiten,  für  diesmal  versagen,  auf  das  einzelne 
näher  einzugehen.  Auch  hier  dient  ydg  zuweilen  dazu,  die  eben  ge- 
schehene Anrede  selbst  zu  begründen  nach  Analogie  der  Stelle  in  der 
Parodos  des  Oedipus  in  Kolonos: 

3  naC  Kgovovy  öv  yocQ  viv  tlg 
zod*  elaag  avxq(i\  «vag  noasiddv 
'Sohn  des  Kronos,  sc.  dich  rufe  ich  an,  dich  verehre  ich',  was  aber 
formell  nicht  ausgedruckt  zu  werden  braucht,  da  es  materiell  in  der 
Anwendung  des  Yocativs^ selbst  liegt;  oder  nach  Pind^.  Olymp.  4,  1 
iXazrJQ  vnfifzazt  ßgovzäg  dyiafiavzoTtodog  Zev  *  zsal  yd(f  mqui  uzt.  Dar- 
nach möchte  ich  z.  B.  V  156,  Sl  334  erklären. 

Nach  dem  causalen  Verhältnis  behandelt  dann  der  Vf.  (jedoch 
gleichfalls  nur  in   lebendig  eingeführten  Reden)  b)  diejenigen  Fälle, 


74  J.  Classen:  Beobachtungen  über  den  homerischen  Sprachgebrauch. 

'wo  dem  Hauptgedanken  nnd  dem  eigenttichen  Inhalt  der  Rede  ein 
beschränkender  und  überall  nur  einleitender  Umstand  durch  die  Par- 
tikel fiiv  voraufgestellt  wird,  so  dafs  jener  durch  ein  öi  oder  dXld 
entgegengesetzt  von  dem  ersten  Glied  eine  schärfere  Beleuchtung  und 
Hervorhebung  empfangt',  wie  d  257  ff.,  G  161 ,  I  53,  a  307.  400  n. 
a.  St.  Innerhalb  solcher  Perioden,  'wo  alles  in  nahem  Zusammenhang 
untereinander  steht  und  auf  die  Mahnung  des  Schtufsverses  hin- 
wirkt', wünscht  denn  auch  der  Vf.  die  vollen  Punkte  {ziXsiai  ariyfia^) 
in  die  kleinern  (fiiaat  cxiyyLaC)  verwandelt  zu  sehen.  —  Es  folgen 
dann  c)  die  Fälle,  'wo  gleich  der  einleitende  Satz  der  Rede  mit  einer 
Adversativ- Partikel  beginnt.'  Sie  sind  gleichfalls  proleptisch  zu 
erklären;  es  'wird  nemlich  selbst  der  beschränkende  Kinwand ,  der 
nach  unserer  bedächtigeren  Weise  sich  doch  erst  dem  ausgesprochenen 
Satze  entgegenstellen  muste,  durch  den  vorgreifenden  Drang  der 
lebendigen  Rede  an  die  Spitze  geruckt'.  Hierher  gehört  z.  B.^  9  235  ff. 
Ge^vis  mit  Recht  wird  Fac^is  Erklärung  des  parenthetischen  crr^^  #f6ff 
alXoxB  alXco  Ztvg  dyciQov  rs  hcctiöv  xb  diöoC  als  Gegensatz  zu  dem 
avd(f(ov  ia^Xmv  naidsg  verworfen.  Nach  Cl.  ruht  der  Nachdruck  und 
wesentliche  Inhalt  des  Satzes  auf  dem  nachfolgenden  vvv  SaCwe^'f^ 
lafst  es  euch  jetzt  wohl  sein!  'Die  Theilnahme  an  dem  Schmerz  de« 
Telemachos  drängt  aber  vorher  zu  der  Klage  über  die  Gebrechlichkeit 
und  Unbeständigkeit  des  menschlichen  Schicksals,  die  nicht  leicht  sn 
ungestörtem  Genufse  kommen  iäfst:  freilich  wohl  läfst  Zeus  niemand 
zur  Sicherheit  des  Lebensglücks  gelangen ,  in  seiner  Macht  steht  unser 
Leben  immer.'  Ich  glaube  nicht,  dafs  die  Stelle  so  erklärt  werden 
darf.  Helena  will  doch  offenbar  ihre  Aufforderung  nicht  beschränken, 
sondern  durch  die  eingeschobenen  Worte  vielmehr  befur\%orten,  und 
der  Sinn  ist:  der  Schmerz,  dem  ihr  euch  bisher  hingegeben  habt,  ist 
ganz  gerecht;  nun  aber  vergefst  nicht:  Gott  gibt  nicht  allein  Leid, 
sondern  nach  seiner  Allmacht  auch  Freude,  nach  den  Klagen  gebührt 
sichs  nun,  dafs  wir  der  Freude  Raum  geben.  Darum  möchte  ich  den 
Satz  kaum  als  Parenthese  fafsen,  sondern  lieber  gleich  an  die  Anrede 
anschliefsen  und  in  ^inem  Flufs  mit  dem  folgenden  verbinden.  Durch 
die  entgegensetzende  und  zugleich  dem  natürlichen  Zusammenhang  ge- 
mäfs  fortleitende  Partikel  arcr^  wird  gleich  nach  der  Anrede  die  be- 
kannte allgemeine  Sentenz  zur  Beherzigung  empfohlen  und  daran  un- 
mittelbar die  bestimmte  concrete  Aufforderung  angereiht:  'aber  nun, 
fion  Mcmper  arcum  tendit  JpoUo,  traun  jetzt  freut  euch  des  Mahles' 
u.  8.  w.  —  Aehnlich  ist  denn  auch  die  berühmte  Stelle  aus  Hektors 
und  Andromaches  Abschied  Z  429  ff.  zu  erklären: 

EntoQy  dtag  av  fioi  iaai  natrJQ  xal  notvia  fiTjTT^^ 
ijd^  naa^yvriTog,  av  dd  ^oi  d'ccXsQog  nagayio^zTig ' 
ctlX'  ays  vvv  iXiaigs  aal  ccvtov  fi^fiv'  ini  nvgyai. 
Auch  hier  nimmt  Cl.  die  Worte  ccTug  —  naqa%oCx7ig  parenthetisch, 
wodurch  wenigstens  meinem  Gefühl  nach  der  Nachdruck  der  ergrei- 
fenden Worte  sehr  geschwächt  wird,  abgesehen  davon,  dafs  in  dieser 
Parenthese  clxuq  schwerlich  durch  'du  bist  mir  Ja  doch'  übersetzt 
werden  kann.  Es  ist  vielmehr  draq  wie  oben  zu  fafsen:  'Vater,  Mut- 
ter und  Bruder  hat  mir  Achiileus  getödtet;  nun  aber,  Hektor,  bist 
du  mir  also  Vater  und  Mutter  und  Bruder,  aber  noch  mehr  (^f'),  auch 
Gatte;  wohlan,  erbarme  dich  jetzt  und  bleib.'  Dafs  nach  naganoCzfig 
ein  Semikolon  statt  eines  Punktes  gesetzt  werde,  halte  ich,  um  den 
raschern  Anschlufs  der  Aufforderung  dXX*  dys  dadurch  zu  bezeichnen, 
gleichfalls  für  passend;  wie  auch  an  noch  mehreren  anderen  Stellen 
des  Vf.  Vorschlag,  die  schwächere  Interpunction  statt  der  stärkeren 
zu  wählen,  sicherlich  zu  billigen  ist.  So  z.  B.  wo  2)  von  der  para- 
taktischen Anreihung  die  Rede  ist,  J  61  nach  Analogie  von  ß  313 


J.  Classen:  Beobachtungen  ober  den  homerischen  Sprachgebranch.  75 

und  an  anderen  Stellen,  hinsichtlich  deren  wir  jedoch  auf  die  Ab- 
handlung selbst  Terweisen  mfifsen  *).  Verweilen  wir  dafür  noch  einen 
Augenblick  bei  den  Beobachtungen,  die  3)  auf  die  entwickelte 
Periode  selbst  gerichtet  sind,  und  zwar  zunächst  auf  solche  Formen 
der  homerischen  Periodenbildung,  in  denen  Vorder-  und  Nachsatz  noch 
durch  das  mechanische  Bindemittel  einer  Partikel  zur  näheren  Bezeich- 
nung des  Verhältnisses  beider  GHeder  miteinander  Terbundon  werden, 
sei  es  durch  das  weitreichende  ciqa  (ap,  ^of)  'recht  eigentlich  die  epi- 
sche Partikel,  die  den  nach  naturlichem  Zusammenhang  zu  erwartenden 
Fortschritt  ausdrückt  und  daher  auch  den  sich  gleichsam  von  selbst 
ergebenden^  Nachsatz^  einführt ' ,  oder  durch  das  'nachdrücklich  ver- 
sichernde ^TOt  oder  17  toc,  wenn  dem  Nachsatz  ein  bedeutenderes  Ge- 
wicht gegeben  werden  soll',  oder  'wenn  es  darauf  ankommt,  die  zeit- 
liche Folge  hervorzuheben,  theils  durch  das  einfache  insixa,  theils 
mit  stärkerer  Betonung  der  Unmittelbarkeit  durch  avtW  l^nra  und 
drj  ineixa,  wofür  auch  gelegentlich  ?v&a  in  seiner  temporalen  Bedeu- 
tung und  Tiß  mit  der  Andeutung  des  bestimmten  Falles  eintritt,  oder 
endlich,  wo  im  Nachsatz  ein  bedeutsames  oder  entscheidendes  Mo- 
ment enthalten  ist,  durch  die  Partikeln  drj  tots,  tors  dtj,  aal  xdte 
drjy  Hcel  tot'  innzd*.  'In  allen  diesen  und  ähnlichen  Verbindungen 
des  Vorder-  und  Nachsatzes  durch  überleitende  Partikeln,  die  noch 
auf  einen  mechanischen  Anschlufs  hinweisen ,  bleibt  indes  das  Gesetz 
der  Unterordnung  unverletzt  und  der  Charakter  der  hypotaktisch  ge- 
bildeten Periode  bewahrt.  Bei  weitem  mehr  wird  derselbe  alteriert, 
wenn  die  Anknüpfung  durch  solche  Partikeln  geschieht,  welche  eine 
Gleichstellung  beider  Satzglieder  andeuten  und  somit ,  indem  das  ganze 
der  Periode  auf  dem  Gesetz  der  Subordination  beruht,  die  äufsere 
Form  der  Coordination  darstellen',  sei  es  durch  xi  —  xi  und  xi  —  %ai 
oder  durch  die  Adversativpartikeln  di,  alXd,  avxccg. 

Es  wäre  vor  allen  Dingen  hier  der  Ort  gewesen,  zuvor  den  Un- 
terschied der  poetischen  Periode  von  der  prosaischen  im  allge- 
meinen festzustellen,  ein  Unterschied  der  weiterhin  wieder  auf  dem 
Unterschied  der  poetischen  und  prosaischen  Anschauungs-  und  Dar- 
stellungsweise  überhaupt  beruht.  Dadurch  würde  wenigstens  das  ge- 
wonnen sein,  dafs  wir  die  erwähnte  Satzverbindung  fiel  Homer 
nicht  allein  als  eine  losere,  mehr  äufserlich  mechanische  Gliederung 
im  Gegensatz  zu  der  festern,  mehr  innerlich  organisch  verschmolzenen 
der  spätem  Prosa  betrachteten,  sondern  vor  allem  das  Moment  her- 
vorhoben, dafs  die  Sprache  des  Dichters,  seiner  Anschauung  gemäfs, 
eine  concretere,  lebendigere,  individualisierende  ist,  während  es  dem 
abstractern  Prosaiker  hauptsächlich  darum  zu  thun  ist,  dem  streng 
logisch  durchgeführten  Gedanken  die  entsprechende  strenge  Form  zu 
geben.  Die  Beachtung  dieses  Gegensatzes  würde  dann  ferner  auch 
nicht  ohne  Einflufs  auf  die  Erklärung  der  einzelnen  Stellen  geblieben 
sein.    So  ist  gleich  das  erste  Beispiel:  A  81.  82 

sCnsp  ydq  xe  xolov  ye  xal  avT-^fiag  HaxaTtiipfjy 

aXXd  xB  xal  fisxoTtiabev  ^xsi  %6xov 


*)  Die  Stellen,  an  denen  überhaupt  eine  Veränderung  der  ge- 
wohnlichen Interpunction  (Semikolon  oder  Komma  oder  Parenthese- 
zeichen) vorgeschlagen  ist,  sind:  A  133-  137.  586  ff.  B  200 ff.  F43  ff. 
^  58  ff.  261  ff.  353  ff.  362  f.  E  Ibl  ff.  Z  pT  ff.  429  ff.  /  158  ff.  167. 
X  25  ff .  iVT  825  ff.  n  126  ff.  2;  548  f.  a  76  ff.  (J  312  f.  262  ff.  y  62. 
6  204.  n  160  f.  299  ff .  t  466  f .  il  537.  £  415  ff.  «  235  ff .  418  ff.  9  22. 
307  ff.  ti  18  ff.  38  ff. 


76  J.  Classen:  Beobachluiigen  über  den  homerischen  Sprachgebranch. 

nicht  nur  zu  übersetzen  'wird  auch  die  Aufwallung  gedämpft,  so  bleibt 
doch  der  Grimm',  sondern  um  das  lebendige  gleiche  Wechsel  Verhält- 
nis im  Gegensatz  aaszudrücken:  'so  bleibt  doch  ebensowohl  der 
Grimm.'  Die  ärmere,  abstractere  Prosa  kann  dies  freilich  nicht  so 
lebendig  bezeichnen.    Ebenso  Terhält  es  sich  mit  d  160 

hln^^  ydq  TS  mal  avzin'  *OXviintog  ovx  izilBaaav 

Ix  T«  xal  o-^^  teXsC. 
Wie  hier  das  lebendige  gleiche  Wechsel  Verhältnis  durch  t£  in  bei- 
den Sätzen  ausgedrückt  wird:  so  J  261  (insQ  yocQ  t'  ocXXoi  ys  naQtj- 
HOfiocDvceg  '^^"^ol  öccLt^ov  nivaaiv ,  cuv  Öl  nUtov  dinag  aCsl  sotrjx' 
mansQ  i^o{  durch  t£  im  ersten  und  Si  im  zweiten  Satz  das  Gegenver- 
hältnis der  Auszeichnung:  'die  andern  bekommen  etwas  wie  du  (ri 
im  ersten  Satz),  aber  (St)  du  bekommst  mehr'  u.  s.  w.,  und  es  ist 
meiner  Ansicht  nach  nicht,  wie  Ci.  meint,  auch  hier  Si  in  xi  zu  än- 
dern. Entsprechender  scheint  auf  den  ersten  Blick  die  andere  Con- 
jectur  zu  sein,  die  CI.  bei  dieser  Gelegenheit  aufstellt.  Der  Vf.  stoftit 
sich  nemlich  y  62  ag  äg'  Enux*  rigazo  xal  avrj)  ndvz*  itsXsvta  an 
inBtxct^  das  allerdings  etwas  auffallendes  hat,  da  oben  schon  gesagt 
ist  avxlxoL  6'  tvxexo  noXXd.  Cl.  schlägt  daher  vor  lieber  insi  x*  zu 
lesen  nnd  bemerkt  dazu:  'der  wunderbare  Fall,  dafs  die  Gott  in  selbst 
in  Menschengestalt  das  Gebet  spricht,  dessen  Erfüllung  in  ihrer  Hand 
liegt,  so  dafs,  was  in  der  Regel  auseinander  fällt,  hier  sich  in  der- 
selben Person  vereinigt  findet,  ist  eben  durch  die  Partikeln  (xi — ytaC) 
ausgedrückt,  welche  vorzugsweise  die  Function  zu  erfüllen  haben,  das 
verschiedenartige  in  Beziehung  zueinander  zu  setzen.'  Indessen  der 
Vf.  fühlt  selbst  das  auffallende  einer  solchen  Verbindung,  meint 
jedoch,  weil  die  Sache  in  ihrer  Art  einzig  dastehe,  so  könne  es  auch 
nicht  befremden,  wenn  sich  für  diese  Ausdrucksweise  kein  zweites 
Beispiel  nachweisen  lafse.  Um  des  Sprachgebrauchs  willen  mochte  es 
aber  doch  gerathener  sein,  an  der  überlieferten  Lesart  insixa  festzu- 
halten: 'so  nun  betete  sie  darauf,  ein  solches  Gebet  sprach  sie  dar- 
nach ',  d.  h.  nachdem  sie  auf  eine  so  freudig-überraschende  Weise  vom 
Peisistratos  bewillkommnet  worden.  Die  Wiederholung  des  r/^aro  trots 
des  schon  vorausgehenden  tvxexo  kann  nicht  auffallen  und  findet  sich 
z.  B.  ganz  gerade  so  zu  Ende  von  £  im  Vergleich  mit  dem  Anfang  von 
1}.  Da  heifst  es  £328  oig  Ptpax*  svxofievog,  xov  d*  inXvs  UaXXdg  *Ad"^vrj 
und  doch  rj  l  log  6  (jlIv  tv&*  tjqccxo  noXvxXag  9Cog  'Odvacsvg, 

'Viel  weiter  aber  als  die  blofs  gleichstellende  Anknüpfung  von 
Vorder-  und  Nachsatz  durch  die  einfache  Copula  reicht  im  homeri- 
schen Sprachgebrauch  die  in  stärkerem  oder  schwächerem  Gegensatz 
gegenüberstellende  Verbindung  beider  durch  Adversativ -Partikeln. 
Hier  bricht  noch  entschiedener  die  Kraft  des  realen  Inhalts  des  Ge- 
dankens durch  die  formale  Regel  der  Periode  hindurch  und  behauptet 
trotz  der  äufserlichen  Unterordnung  des  Vordersatzes  unter  eine  rela- 
tive Conjunction  sein  ursprüngliches  Recht,  den  Gegensatz  durch  eine 
entsprechende  Partikel  zu  bezeichnen.'  So  zunächst  in  kürzeren  Ge- 
genüberstellongen : 

Z  146  orrj  neg  (pvXXoov  yBVBij,  xoCri  8\  xal  dvdg^v. 
A  137  bI  di  xf  liq  övaooaLV ,  iydo  di  xfi;  avxog  iXafiat. 
Dann  auch  in  längeren  Perioden  A  57  f.  193  f.  B  321  f.  und  an  vielen 
andern  Stellen;  auch  so,  dafs  statt  Si  das  nachdrücklichere  dXXd  nnd 
ccvxdq  an  die  Spitze  des  Nachsatzes  tritt ,  wie  A  280  f.  nnd  ander- 
wärts. Mit  der  Erklärung  der  drei  besondern  gleichfalls  hierher  ge- 
zogenen Stellen  jedoch,  die  darnach  behandelt  werden,  kann  Ref.  sich 
nicht  ganz  einverstanden  erklären.    In  der  ersten  Stelle  I  166  ff« 

dXX'  ayfxBy  nXrixovg  ozgvvofisv  ^  ot  %s  xdxiöxa 

iX^mo'  ig  xXia^Tjv  IlTjXTiiddta}  'AxiXiqog. 


J.  Classen:  Beobachlangen  Aber  den  bomeriscben  Spracfagebrancb.  77 

soll  nach  des  Vf.  Erklärung  Nestor  die  Wahl  lafsen,  ^ob  man  zu  dem 
wichtigen  Auftrage  Männer  berufen  wolle,  die  auch  sonst  gewählt  za 
werden  pflegen  *  (das  soll  der  Sinn  von  %XrizoC  sein)  '  oder  ob  er  selbst 
seine  Begleiter  bestimmen  solle.'  Aber  von  einer  solchen  Wahl  ist 
hier  gar  nicht  die  Rede;  im  Gegentheil  Nestor  will  diesmal  gleich  von 
vornherein  zu  der  wichtigen  Gesandtschaft  bedentende  Manner 
haben,  nicht  Manner,  wie  man  sie,  so  za  sagen,  auf  der  Gasse  fin- 
det, sondern  Männer,  wie  man  sie  vorzugsweise  sucht  und  gern  hat. 
Das  ist  der  Sinn  von  nXrjtoi,  wie  die  Stelle  Q  586  zeigt.  Dann  fährt 
er  fort:  'wenn  es  euch  aber  recht  ist,  wohlan  so  nehmen  wir  die 
%XrjTol  avÖQsg,  die  ich  ersehen  werde;  die  aber  sollen  sich  nicht 
weigern.»  —  Die  andere  Stelle  ist  J  362  f.,  wo  Cl.  so  interpnngiert 
haben  will : 

all'  t^i  (tavta  d*  uniad'sv  agsacofisd'')  bF  rt  xaxoy  vvv 

(i^QTjtai ,  ra  ds  ndvta  9iol  fisraficivta  4'sCsv, 
'Agamemnon  unterscheidet  zwischen  der  Kränkung,  die  einer  nach- 
träglichen Sühne  bedarf,  und  den  blofsen  Worten,  die  verwischt  und 
vergefsen  werden  mögen:  für  jene  verhelfst  er  künftige  Ausgleichung; 
die  Worte  aber  mögen  die  Gotter  in  die  Winde  verstreuen  so  ewiger 
Vergefsenheit.'  Das  wäre  aber  für  die  einfache  epische  Sprache  doch 
etwas  zu  verschroben.  £s  ist  jedoch  nur  von  einer  Kränkong  durch 
Worte  die  Rede,  eine  andere  ist  gar  nicht  vorgekommen  und  der  an- 
genommene Unterschied  'zwischen  der  Kränkung,  die  einer  nachträg- 
lichen Sühne  bedarf,  und  den  blofsen  Worten'  ist  durch  nichts  ange- 
deutet. Agamemnon  nimmt  seine  beleidigenden  Worte  zurück;  da 
aber  jetzt  nicht  lange  Zeit  ist,  begütigende  Reden  zu  fuhren,  setzt 
er  hinzu:  'doch  auf!  das  aber  wollen  wir  später  ausmachen,  wenn  ir- 
gend ein  beleidigendes  Wort  jetzt  gesprochen;  das  aber  mögen  die 
Gotter  allesammt  spurlos  verschwinden  lafsen ' ;  xavxa  fafst,  wie  dies 
bekanntlich  das  Demonstrativpronomen  ganz  gewöhnlich  thut,  den  fol- 
genden Satz  mit  bI — etgritat,  zusammen,  'das  was  eben  vorgekommen 
ist';  der  Satz  mit  ta  dl  —  d'fCsv  enthält  aber  den  Wunsch,  dafs  dann 
jede  Spur  von  gegenseitigen  Vorwürfen  verwischt  werden  möge.  Dafs 
aber  das  Si  bei  tavra  nach  der  Aufforderung  (td-i.)  nichts^  auffallendes 
enthält,  beweist  die  ähnliche  Stelle  Z  526  cell'  to(iev  tcc  d'  onicd^tv 
aQiaaoite^'  xrl.  —    Die  dritte  Stelle  ist  Z  57  f. : 

(tiqoq  Tgtotov.)  tcSv  ftr/  rig  vnmtpvyot  alnvv  Sled'QOv 

XSldtts  d'*^  rifittioag,  j»ijd*  Sv  tiva  yaaziqi,  (iijtriQ 

TiovQOV  iovta  (plgof  firi$*  og  tpvyot  nxi. 
Hier  werde  die  Verwünschung,  meint  Cl.,  viel  nachdrücklicher,  wenn 
man  mit  fiti^*  Sv  xtvtt  einen  neuen  Satz  beginne,  der  in  dem  kräftig 
wiederholten  fiii^*  Sg  seinen  Nachsatz  erhalte.  Ich  dächte,  es  wäre 
dem  Affect  angemefsener  mit  dem  zweiten  fAti^i  von  neuem  anzuheben, 
zumal^es  sicherlich  auch  sprachlich  befser  ist.  Die  harte  Verbindung 
lirj^'  ov  tivtt  yactigi  (ijjtrjg  xovgov  iovta  tpigoi ,  f*^^'  og  (pvyoi  mochte 
sich  schwerlich  rechtfertigen  lafsen. 

Die  Erklärung  dagegen,  mit  der  Cl.  seine  in  mehrfacher  Bezie- 
hung so  anregenden  Beobachtungen  für  diesmal  schliefst,  mochte  vor 
den  bisherigen  unbedingt  den  Vorzug  verdienen.  Es  ist  die  bekannte 
Stelle  ^  133  f. :  ,   .     „  ,     ,r 

i  i^ilng ,  oq>g'  avtog  ^ZV^  y« 9«^  i  avvag  ff*    avtag 
Tja^ai  9sv6iiBvov; 
Nach  den  neusten  Auslegern  soll  hier  i^iUig  eine  doppelte  Construc- 
tion  haben,  zuerst  mit  iffpgce  dafs  und  dem  Conjnnctiv,  dann  die  ge- 
wohnliche mit  dem  Infinitiv.     Dagegen  erklart  sich  der  Vf.  mit  Recht. 


78  A.  F.  C.  Kersten :  qoo  inre  Kantius  Aristotelis  categorias  reiecerit. 

Der  Sinn  ist  offenbar:  willst  du,  damit  dn  allein  ein  Ehrenge- 
schenk habest,  dafs  ich  nun  dafür  meines  Ehrengeschenks  beraubt 
werde  und  leer  ausgehe?  'Nach  dieser  Auffafsung  behält  id'iXo)  seine 
einzig  mögliche  Structur,  0(pQa  bleibt  in  seiner  constanten  Bedeu- 
tung', und  der  Gedanke  wird  durch  die  Voranstellung  des  Finalsatzes 
und  die  dadurch  bedingte  Anwendung  Ton  avrcc^,  das  den  sich  natür- 
lich ergebenden  Gegensatz  scharf  hervorhebt,  aufserordentlich  leben- 
dig und  kräftig  ausgedrückt. 

Hanau.  iC.  W.  Piderii. 


Quo  iure  Kantius  Aristotelis  categorias  reiecerit.  Abhandlung 
▼on  A.  F.  C  Kersten  im  Osterprogramm  1853  des  Colnischen  Real- 
gymnasiums zu  Berlin.     11  S.   4. 

Kant  hatte  bekanntlich  über  Aristoteles  das  harte  Urtheil  gefallt: 
'seine  Kategorien  seien  principlos  aufgerafft,  wie  sie  ihm  eben  auf- 
stiefsen',  ein  Urtheil  das  unter  andern  auch  Hegel  im  wesentlichen 
nachspricht.  Principlosigkeit  ist  immer  ein  schlimmer  Vorwurf,  am 
schlimmsten,  wenn  er  einen  Philosophen  trifft.  Doch  gelang  es  Tren- 
delenburgs  scharfsinniger  Untersuchung  der  Sache,  jenen  schweren 
Tadel  gänzlich  zu  entkräften.  Er  wies  zunächst  nach,  dafs  sich  Aris- 
toteles in  der  Aufstellung  seiner  Kategorientafel  Ton  sprachlichen 
Gründen  leiten  liefs,  und  lieferte  dann  in  seinen  historischen  Beiträ- 
gen zur  Philosophie  Ir  Bd.  (Berlin  1846)  eine  wohl  alle  in  Betracht 
kommenden  Fragen  berührende  und  fast  immer  erschöpfende  Darstel- 
lung der  ganzen  aristotelischen  Kategorienlehre.  Nach  Ihm  hat  Bran- 
dts in  seinem  Handbuch  der  Geschichte  der  griechisch-  romischen  Phi- 
losophie II,  ?,  1  S.  375  ff.  denselben  Gegenstand  ziemlich  ausführlich 
behandelt.  Er  sagt  zwar  selbst  S.  377:  Mn  der  Reflexion  über  das 
Wort  als  Träger  des  Begriffs  und  über  seine  grammatischen  Formen 
haben  sich  die  Kategorien  ihm  wahrscheinlich  nach  manigfachen  Ver- 
suchen zusammengestellt',  setzt  aber  noch  hinzu:  'aber  schwerlich 
aus  den  grammatischen  Formen  als  solchen',  wie  Trendelenburg  an- 
nehme (s.  A.  517);  Tgl.  dazu  S.  400.  Doch  sagt  auch  Trendelenburg 
ausdrücKlich :  'die  grammatische  Form  leitet,  aber  sie  entscheidet 
nicht',  und  behauptet  also  im  Grunde  nicht  mehr  als  was  Brandis  zugibt. 
Hr.  Kersten  geht  nun  nochmals  Ton  jenem  Ausspruche  Kants  aus, 
um  damit  eine  doppelseitige  Betrachtung  der  aristotelischen  Katego- 
rienlehre zu  rechtfertigen.  Im  ersten  Theil  weist  er  nach,  inwiefern 
jener  Ausspruch  unbegründet  sei,  im  zweiten  Theil  stellt  er  andrer- 
seits die  Mängel  jener  Lehre  zusammen,  wie  sie  freilich  Kant  selbst 
nicht  im  Auge  hatte.  Man  sieht  wühl ,  dafs  dieser  Zweck  der  Ab- 
handlung ein  Eingehen  auf  alle  wesentlichen  Punkte  der  ganzen  Lehre 
nothwendig  machen  muste.  Da  sich  aber  der  Hr.  Vf.  auf  11  Seiten 
beschränkt,  so  war  im  allgemeinen  nicht  mehr  möglich  als  ein  gedräng- 
ter und  natürlich  die  Einzelheiten  der  Untersuchung  nicht  berücksich- 
tigender Auszug  aus  Trendelenburgs  umfafsender  Darstellung  derselben 
Sache.  Wesentlich  neue  Gesichtspunkte  findet  man  in  Hrn.  K.s  Auf- 
satz nicht,  wer  sich  aber  einen  Ueberblick  über  die  Resultate  der 
Trendelenbnrgschen  Untersuchungen  verschaffen  will,  dem  wird  diese 
einfach  klare  Darstellung  immerhin  das  Verständnis  erleichtern.  Der 
Beweis,  durch  welchen  Kants  Urtheil  zurückgewiesen  wird,  wird  durch 
die  Beantwortung  dreier  Fragen  geführt.  Die  erste  bezieht  sich  auf 
Ursprung  und  Ableitung  der  Kategorien.  Darin  stützt  sich  der  Hr. 
Vf.  natürlich  ganz  auf  Trendelenburgs    Exposition.     In  Anm.   4  auf 


A.  F.  C.  Kersten:  quo  iure  Kantius  Aristotelis  categorias  reieceril.  70 

S.  4  erklärt  er  jedoch  selbst  nicht  za  verstehn,  warum  Aristoteles 
dos  l^cty  zu  einer  besondern  Kategorie  mache.  Auch  Brandis  wirft 
gegen  Trendelenbarg  ein,  dafs  ein  einzelnes  intransitives  Tempus  ne- 
ben den  Arten  der  Verba  erscheine,  unter  denen  das  intransitivum 
selbst.  Hr.  K.  meint,  Aristoteles  könne  sich  hierzu  wohl  durch  die 
seit  den  Pythagoreern  traditionell  gewordene  Zehnzahl  der  Kategorien 
Teranlafst  gesehn  haben.  Der  Grund  wäre  sehr  aufserlich  und  des 
Aristoteles  un\%ürdig.  Allein  in  der  That  druckt  das  perf.  pass.  etwas 
aus,  was  sich  charakteristisch  von  der  Bedeutung  des  verbam  transit. 
und  intrans.  unterscheidet,  indem  es  in  die  Mitte  zwischen  beide  tritt. 
Es  ist  eben  ein  aus  der  transitiven  Handlung  hervorgehender  erfüllter 
Znstand,  ein  Besitzstand  des  Subjects,  der  einen  bestimmten  Ob- 
jects-Tnhalt  hat  und  aus  einem  realen  Grunde  hervorgeht,  fiber  den 
das  einfache  v.  intrans.  ebenfalls  nichts  aussagt.  Man  vgl.  die  aristo- 
telischen Beispiele  dvd'KSitai,  nd&rjtcci  einerseits  und  mnXiaxaiy  vno- 
SidBxai  andrerseits.  Dort  wird  nur  gesagt:  das  Subject  befindet  sich 
in  dem  Zustand  des  Liegens,  Sitzens;  eine  andere  Beziehung  ist  nicht 
gegeben;  hier  heifst  es,  es  sei  mit  Waifen,  Schuhen  angethan,  ein 
Zustand  der  das  Subject  eben  noch  in  Beziehung  setzt  mit  Waffen, 
Schuhen  und  der  hervorgeht  aus  der  an  sich  transitiven  Handlung  des 
oTüJUisiv  und  vnodBiv,  Gewis  wird  erst  durch  dieses  Mittelglied  des 
^%Hv  die  Stufenfolge  von  xfuf^at  bis  zum  ndaxHv  vollständig,  oder 
das  V.  intransitivum  erscheint  analog  geschieden  wie  das  transitivnin. 
Gerade  dafs  dieser  Unterschied  mit  in  die  Kategorien  aufgenommen 
wird,  der  eigentlich  rein  logisch  gefafst  verschwindet,  während  es 
grammatisch  betrachtet  auffallend  erscheinen  kann,  dafs  durch  blofse 
Tempusbildung  eine  transitive  Thätigkeit  in  einen  intransitiven  Zu- 
stand umschlage:  das  spricht,  so  unvollkommen  der  Gesichtspunkt 
sein  mag,  nicht  gegen,  sondern  für  die  sprachliche  Grundlage  der  aris- 
totelischen Kategorienlehre.  Doch  soll  damit  nicht  geleugnet  werden, 
dafs  die  Erkenntnis  des  in  den  sprachlichen  Formen  mitgegebenen 
realen  Unterschieds  in  Wahrheit  diesen  Formen  erst  die  logische  Be- 
deutsamkeit verliehen  habe.  Der  innere  Zusammenhang  zwischen  lo- 
gischem und  grammatischem,  wie  er  geschichtlich  hervortritt,  be- 
durfte überhaupt  noch  einer  genauem  Untersuchung.  Die  Logik  hat 
vieles  vorgedacht,  was  die  Grammatiker  erst  spater  technisch  bezeich- 
nen. Vgl.  des  Ref.  platonische  Sprachphilosophie  S.  1  ff.  Die  zweite 
Frage  geht  auf  die  Anordnung  der  Kategorien.  Der  Hr.  Vf.  zeigt, 
dafs  auch  diese  im  allgemeinen  durch  die  Rücksicht  auf  das  sprach- 
liche bedingt  ist.  Wie  die  Theile  des  einfachen  Satzes,  so  folgen 
auch  die  einzelnen  Kategorien  aufeinander  (Subject  mit  seinen  Be- 
stimmungen, Numerale,  Adjectivum,  dann  Adverbia  [des  Orts  und 
der  Zeit],  endlich  das  Praedicat,  welcher  Art  es  auch  sein  mag). 
Auch  diese  Anordnung  beweist  die  sprachliche  Grundlage  der  Kate- 
gorien. Drittens  fragt  es  sich,  ob  Aristoteles  selbst  in  dieser  Zehn- 
zahl der  Kategorien  alle  Kategorien  vollständig  zu  haben  glaubte? 
Die  Antwort  ist  natürlich  bejahend ;  der  Beweis  freilich  sehr  kurz  und 
wenig  eingehend. 

Der  zweite  Haapttheil  endlich,  der  die  Mängel  der  aristotelischen 
Kategorienlehre  nacnweist,  stützt  sich  ebenfalls  in  der  Hauptsache 
ganz  auf  Trendelenburg.  Dieser  hat  die  reale  Bedeutung  der  Kate- 
gorien nachdrücklich  hervorgehoben  und  gezeigt,  wie  insbesondere  dies 
die  Kategorienlehre  des  Aristoteles  unzureichend  mache,  da  sich  die 
einzelnen  Kategorien  in  ihren  realen  Formen  und  Erscheinungen  ge- 
genseitig durchkreuzen;  vgl.  a.  a.  O.  S.  181  ff.  Ich  unterlafse  es  da- 
her dem  Hrn.  Vf.  in  die  Einzelheiten  nachzufolgen.  Gewis  hat  die 
Kritik  auch  ein' Recht  gegenüber  der  Philosophie  des   Alterthums,  zu- 


80  E.  Kärcher:  Horax.   3e  Lieferung. 

mal  des  Aristoteles ,  der  ober  den  8tandpbnkt  des  Hellenenthnms  hin- 
ausragt. Aber  vor  allem  roüste  man  feststellen :  was  wollte  Aristoteles 
überhaupt  mit  seinen  Kategorien,  was  hielt  er  selbst  für  das  Ziel  nnd 
den  Endzweck  seiner  Behandlungsweise  derselben?  Eh  unser  Urtheil 
kommen  darf,  müfsen  wir  die  historische  Erscheinung  an  sich  und  in 
sich  begriffen  haben.  Manche  Anforderungen,  die  wir  an  eine  Kate- 
gorienlehre stellen  möchten,  werden  dann  von  selber  fallen,  weil  sie 
durch  die  seinige  Aristoteles  von  vorn  herein  nicht  befriedigen  wollte; 
man  vgl.  darüber  Brandis  a.  a.  O.  S.  401  ff.  Man  wird  hier  über- 
haupt Andentungen  über  einige  Punkte  der  aristotelischen  Kategorien- 
lehre finden,  die  zu  Specialuntersuchungen  sich  besonders  eignen  durften. 
Hanau.  JuUum  Deu$chle. 


Horaz,    Dritte  Lieferung  von  Dr.  E.  Kärcher,    Karlsruhe,  Druck  der 
Hofbuchdruckerei  von  G.  Braun.    1853.     XVIII  u.  29  8.  8. 

Der  erste  Theil  dieser  Abhandlung  bespricht,  was  in  der  8n  Ode 
des  4n  B.  echt  sei ,  was  nicht.  Hr.  K.  erklärt  den  Schlufs  von  Vs.  29 
an  für  falsch,  alles  übrige  für  echt,  und  tetrastichisch.  Die  ineendia 
Carihaginia  will  er  vom  Verbrennen  der  Flotte  verstanden  wifsen, 
damit  dieser  Stein  des  Anstofses  aas  dem  Wege  geräumt  werde.  Alles 
was  Hr.  K.  über  diese  Ode  sagt,  ist  klar  und  verständig,  so  dafs  es 
auf  Beachtung  Anspruch  hat.  Da  ich  seit  vielen  Jahren  das,  was  an 
Ausgaben  dieses  Dichters  oder  an  Abhandlungen  über  denselben  er- 
schienen ist,  nicht  zu  Gesicht  bekommen  habe,  so  kann  ich  über  an- 
derweitige Versuche ,  welche  Hrn.  K.  vorhergegangen  (er  sagt  z.  B., 
man  habe  Vs.  7  und  8  herauswerfen  wollen),  nicht  urtheilen.  Meine 
Ansicht  über  diese  Ode  stimmt  in  so  weit  mit  Hrn.  K.  überein ,  als 
ich  den  Schlufs  für  falsch  erkläre.  Horaz  hat  Beispiele  der  durch  die 
Dichtkunst  bewirkten  Unsterblichkeit  gegeben  und  mit  der  allgemei- 
nen Bemerkung  geschlofsen  dignum  laude  virum  Muaa  vetat  mort» 
Neue  Beispiele  hinterdrein  zu  bringen,  die  nichts  anderes  beweisen 
sollen  als  was  schon  erwiesen  ist,  läfst  sich  von  keinem  besonnenen 
Dichter,  welcher  der  Form  nur  einigermafsen  mächtig  ist,  erwarten. 
Man  konnte  dagegen  die  6e  Ode  des  In  B.  anfuhren,  wo  in  der  ön 
Strophe  eine  solche  Wiederholung  ist.  Diese  aber  läfst  sich  sicher- 
lich als  falsches  Einschiebsel  erkennen,  nicht  blofs  wegen  müfsiger 
Wiederholung,  sondern  weil  sie  eine  auffallende  Unschicklichkeit  ent- 
hält, die  sich  so  leicht  kein  Mensch  zu  Schulden  kommen  läfst.  Boras 
weist  den  Agrippa  an  den  Varius,  dafs  dieser  seine  Thaten  zu  Land 
und  zu  Wafser  besinge,  weil  derselbe  homerische  Kraft  habe,  eine 
Iliade,  eine  Odyssee  zu  dichten  (selbst  die  ernstesten  tragischen  Stoffe, 
wie  er  im  Thyestes  bewiesen).  Er,  Horaz,  würde  den  grofsen  Stoff 
durch  sein  zu  solcher  Dichtung  nicht  geeignetes  Talent  nur  herab- 
ziehn,  denn  dieses  eigne  sich  nur  zum  leichten  Liede,  zum  Gresangder 
Gelage  und  zu  Liebesneckereien ,  wobei  er  sich  selbst  scherzhaft  preis- 
gibt als  ein  gewohnlich  verliebter.  Die  Symmetrie  dieser  vier  Stro- 
phen ,  deren  zwei  letzte  den  zwei  ersten  vollkommen  harmonisch  ge- 
genuberstehn,  sollte  nun  Horaz  dadurch  verletzt  haben,  dafs  er  von 
sich  redend  in  der  5n  Strophe  die  Frage  einschöbe:  wer  vermag  Krieg 
und  troische  Helden  würdig  zu  besingen?  Damit  wurde  er  dem  Va- 
rius die  in  den  beiden  ersten  Strophen  zugesprochene  Fähigkeit  wie- 
der absprechen,  und  das  wäre  nicht  nur  grob  gegen  Varius,  sondern 
auch  gegen  Agrippa  ein  wahrer  Hohn;  denn  wenn  er  dem  Varius  die 
Fähigkeit,  selbst  die  grofsartigsten  Stoffe  besingen  zu  können,   nicht 


E.  Kfircher:  Horaz.    3e  Liefernng.  81 

xaerkcnnen  wollte,  konnte  er  den  Helden  nicht  an  denselben  rerwei- 
sen.  Hier  also  zeigt  die  Unschicklichkeit  des  Inhalts  die  Unechtheit 
der  unkünstlerisch  wiederholten  Beispiele.  In  der  4n  Ode  des  3n  B. 
konnte  die  vorletzte  Strophe,  welche  an  dieser  Stelle  die  Gattung  der 
Beispiele  unschicklich  stört  and  dabei  nur  auf  schon  berührtes  und 
abgetbanes  unbeholfen  zurückkommt,  nach  der  J2n  Strophe  stehen, 
aber  auch  dort  wurde  nach  f ulmine  auatulerit  caduco  das  fulmine  lu- 
ridum  mittot  sich  als  lahme  Wiederholung  ergeben  und  die  ganze 
Strophe  als  überflufsig  erscheinen. 

Traf  meine  Ansicht  über  den  Schlufs  der  8n  Ode  des  4n  B.  mit 
Hrn.  K.  überein,  so  kann  ich  doch  seiner  Erklärung  der  incendia 
Carihaginit  nicht  beipflichten,  sondern  ich  halte  weitere  4  Verse  für 
ein  Einschiebsel,  und  Terbinde  t>o«t  mortem  ducibut  clariut  indicant 
etc.  und  glaube,  dafs  die  Calabrae  Pieridet  die  Veranlafsung  zu  dem 
Einschiebsel  gaben.  Da  Horaz  von  Feldherrn  spricht,  welchen  das 
Lied  Unsterblichkeit  verliehen,  nennt  er  das  damals  allein  bekannte 
romische  Heldengedicht  des  Ennins  als  eins,  welches  Unsterblichkeit 
verleihe,  denn  aufserdem  hätte  er  ein  griechisches  nennen  mufsen.  Die 
Symmetrie  der  Ode  läfst  dieses  Einschiebsel  ebenfalls  nicht  zu,  denn 
sie  zerfallt  in  3  gleiche  Theile.  In  dem  ersten,  der  8  Verse  umfafst, 
leitet  er  das  ein,  worauf  er  kommen  will,  in  den  folgenden  8  Versen 
erklärt  er  die  Macht  der  Poesie,  in  den  letzten  8  beweist  er  diese 
Macht  durch  Beispiele.  Bei  einem  Dichter,  dessen  Werke  so  sorg« 
fältig  ausgearbeitet  sind,  mufs  die  Symmetrie,  welche  wir  überall  von 
ihm  beobachtet  finden,  in  Fällen,  wo  der  Text  anstofsiges  darbietet, 
durchaus  mit  in  Betracht  gezogen  werden. 

Aehnlich  sehen  wir  in  der  2n  Ode  des  In  B.  die  lOe  Strophe,  die 
als  eine  unpassend  nachschleppende  zur  9n  gefugt  ist,  auch  die  Sym- 
metrie stören.  Die  ganze  Strophe  beschreibt  den  Mars  im  allgemei- 
nen, während  nur  die  ersten  Worte  nimit  longo  tatiate  ludo,  wenn 
man  von  ihrer  Unschicklichkeit  absieht,  sich  auf  den  Bürgerkrieg  be- 
ziehen konnten,  der  allein  zu  erwähnen  war  und  der  in  der  6n  Stro- 
phe energisch  beschrieben  ij»t.  Apollo,  Vesta,  Mercurius  sind  ohne 
Beschreibung,  Venus  hat  eine  kurze,  und  Mars  sollte  eine  so  mnfsige 
lange  Beschreibung  haben?  Das  Ist  nicht  zu  glauben.  Das  Gedient 
zerfällt  in  2  gleiche  Hälften,  jede  von  6  Strophen,  sobald  die  unpas- 
sende Strophe  ausgeschieden  ist.  In  den  ersten  6  die  Bangigkeit,  es 
könne  durch  die  schrecklichen  Naturereignisse  der  Wiederausbruch 
des  Bürgerkriegs  von  der  Gottheit  angedeutet  sein,  in  den  6  letzten 
der  Ruf  nach  der  Hilfe  der  Gotter,  welche  den  Abgrund  schliefsen 
möge  durch  Octavians  Herschaft,  die  das  Heer  in  auswärtigen  Krie- 
gen beschäftigen  möge.  Die  6  Strophen  jedes  Tbeils  zerfallen  wieder 
symmetrisch  in  2  Theile  von  je  3  Strophen,  so  dafs  der  ernste  Ge- 
danke im  schönsten  Ebenmafs  fortschreitet  und   zum   Schlufs   gelangt. 

Die  3e  Ode  des  2n  B.  hat  in  der  3n  Strophe  durch  jemand,  der 
für  das  folgende  huc  eine  Beziehung  suchte  und  sie  nicht  in  dem  re- 
moium  gramen  fand ,  ein  Einschiebsel  erhalten ,  worin  quo  sogar  für 
ubi  gesetzt  ist.  Die  6  Strophen,  die  das  Gedicht  enthält,  zerfallen 
in  3  gleiche  Theile.  Der  erste  mahnt  den  Menschen  zum  rechten  Mafs, 
da  er  sterblich  sei,  mag  er  leben  wie  er  wolle.  Der  zweite  ermahnt 
zum  Lebensgenufs,  da  nur  eine  Weile  zu  leben  vergönnt  sei.  Der 
dritte  schliefst  diesen  Gedanken  ab  durch  die  Erinnerung,  dafs  der 
Tod  keinen  Unterschied  zwischen  den  Menschen  mache,  sondern  ohne 
auf  Geburt  und  Lebensstellung  zu  sehen,  jeden  früher  oder  später 
hinwegnehme. 

In  der  37n  Ode  des  In  B.  können  die  Worte  nee  muUebriter  ex- 
pavii  entern  etc.  nicht  richtig  sein,  da  Cleopatra  sich   nicht  mit  dem 

iV.  Jahrb.  f,  PUL  «.  Ptied,  Bd,  LXX.  HfL  1.  6 


82  E.  Kärclicr:  IK)raz.   3e  Lieferung. 

Schwerte  todtete,  sondern  durch  Schlangenbifs ,  wie  es  in  der  fol- 
genden Strophe  heifst ;  wollte  man  es  aber  darauf  beziehen ,  dafs  sie 
in  den  Krieg  gezogen  sei,  so  wäre  das  unrecht ,  weil  sie  der  moUi« 
columba  und  dem  lepua  in  scheuer  Flucht  Terglichen  wird.  Die 
7  Strophen,  welche  bleiben,  yertheilen  sich  in  eine  Aufforderung,  die 
folgenden  6  aber  enthalten  in  2  die  Gefahr  für  Rom ,  in  2  die  Ab- 
wendung derselben  durch  Octavian,  in  den  letzten  2  den  Untergang 
der  Cleopatra. 

Zu  behaupten,  die  Symmetrie  bestehe  durchaus  in  einer  völlig 
gleichen  Verszahl,  wäre  unrecht,  denn  in  der  strophischen  Abtheilung 
greifen  ja  schon  einige  Worte  in  die  nächste  Strophe  zuweilen  hin- 
über, und  kann  man  keine  Beeinträchtigung  der  Symmetrie  darin  fin- 
den wollen.  In  der  In  Ode  des  In  B.,  welche  nach  der  Anrede  an 
Maecenas  in  8  Versen  den  Ehrgeiz ,  dann  in  8  Besitzbegierde  und  Er- 
werb schildert,  folgt  die  Beschreibung  des  Zeitvertreibs  in  10  Ver- 
sen, und  dann  wieder  in  8  Versen  dus  Streben  des  Dichters.  Für 
den  Ehrgeiz  hatte  er  2  Arten,  eben  so  zwei  für  Besitz  und  Erwerb 
gewährt,  für  den  Zeitvertreib  aber  3  Arten,  und  wenn  hier  2  Verse 
mehr  erscheinen,  so  ist  dadurch  die  Symmetrie  und  innere  Harmonie 
nicht  gestört. 

Dafs  die  Gedichte  eines  so  angesehenen  Dichters,  als  welcher  Ho- 
raz  stets  galt,  solchen  Verfälschungen  ausgesetzt  waren,  ist  nicht  sa 
verwundern,  da  es  nie  an  Leuten  gefehlt  hat,  die  es  versuchten  ihre 
Sachen  oder  Sächelchen  berühmten  Namen  unterzuschieben.  Aber 
nicht  nur  geschah  dies  mit  einzelnen  Versen  oder  Strophen,  sondern 
selbst  mit  ganzen  Gedichten.  So  ist  die  ]4e  Ode  des  3n  B.  keine 
Arbeit  des  Horaz,  sondern  ein  unschöner  Nachahmungsversuch,  hol- 
perig in  den  Ausdrücken  und  unbeholfen.  So  viel  Takt  kann  man  Ho- 
raz schon  zutrauen,  dafs  er  nach  der  Aufforderung  der  Li  via  und 
Octavia  nicht  für  sich  ein  tcortum  begehrt  habe,  mit  der  Erklärung, 
'  wenn  die  Dirne  nicht  komme,  habe  es  auch  nichts  zu  sagen,  wie- 
wohl er  in  Jüngern  Jahren  sich  so  etwas  nicht  habe  bieten  lafsen. 
Dieser  Zug  ist  eine  schlechte  Nachahmung  des  Endes  der  lln  Ode  des 
2n  B.,  und  den  Hauptgedanken  entlehnte  der  Nachahmer  aus  der  15n 
Ode  des  4n  B.  Die  14e  Ode  desselben  B.  ist  ein  ganz  unsymmetri- 
scher und  unharmonischer  Versuch  die  schöne  4e  Ode,  welche  den- 
selben Gegenstand  in  dreimal  sechs  Strophen  (deren  Symmetrie  das 
an  und  für  sich  schon  ungehörige  Einschiebsel  vom  amazonischen  Beil 
verbannt)  behandelt,  zu  überbieten,  was  durch  starke  Ausdrücke  ge- 
schehen sollte,  die  aber  weitläufig  und  innerlich  hohl  gerathen  sind. 
Das  unschickliche  in  beiden  Oden  vollständig  nachzuweisen  erfordert 
ein  genaues  Betrachten  aller  einzelnen  Ausdrücke  und  ihres  Zusam- 
menhangs, was  mehr  Raum  erheischt,  als  ich  hier  in  Ansprach  neh- 
men darf. 

Den  2n  Theil  von  Hrn.  K.s  Abhandlung  bildet  die  Besprechung 
von  Vs.  254  der  A.  P.,  wie  nemlich  non  iia  pridem  zu  verstebn  sei. 
Die  ganze  Auseinandersetzung  ist  deutlich  und  lehnt  ungelungene  Er- 
klärungen anderer  mit  verständigen  Gründen  ab.  Nur  wenn  Hr.  K. 
meint,  es  könnte  einer  die  Interpunction  primua  ad  exiremum  timitU 
9ibi,  Non  ita?  pridem  etc.  vielleicht  versuchen,  und  wenn  er  dann 
dieselbe  widerlegt,  so  scheint  diese  Vorsicht  zu  weit  getrieben.  Denn 
wer  möchte  sich  die  Mühe  geben,  im  vorkommenden  Falle  so  etwas 
zu  widerlegen?  In  der  Hauptsache  denke  ich  wie  Hr.  K.  und  finde 
daher  natürlich  seine  Erklärung  von  non  ita  pridem  auf  die  Zeit  des 
Horaz  bezogen  richtig.  'Zuerst'  sagt  Hr.  K.  'gibt  Horaz  das  allge- 
meine Gesetz  über  den  Senar  an,  ohne  weitere  besondere  Rücksicht 
auf  Griechen   und  Römer,   nur  dafs   er  gewissermafsen   nebenbei  be- 


E.  Kireher:  Horaz.   3e  Lieferang.  g3 

merkt,  die  erstem  hatten  ihn  Trimeter,  die  andern  Senar  genannt. 
Sodann  deatet  er  an ,  er  habe  seine  Landslente  zuerst  gelehrt  diesen 
(künstlichem)  Senar  (Spondeen  nur  im  ersten,  dritten  and  finften 
Fafse)  zu  bilden.    Die  Worte 

sullmbti  longa  brevi  tubieeia  voeatur  iambus, 

pes  dtUM ;  unde  etiam  trimetrU  aecre$eere  tvssif 

nomen  iambei$y  cum  9eno$  redderet  ietua; 

primu$  ad  extremum  «tmi/t«  «t6j 
finde  ich  aber  nicht  geeignet,  um  daraus  den  Sinn  zu  erkennen:  'die 
Griechen  nannten  ihn  Trimeter,  wir  nennen  ihn  Senar';  cum  mäste  in 
diesem  Fall  'obschon'  bedeuten  und  wurde  den  Namen  Trimeter  als 
nicht  ganz  richtig  oder  gebilligt  hinstellen.  Mit  einer  solchen  Cor- 
rectur  des  Namens  Trimeter  wäre  der  Name  des  Senar  seltsam  ange- 
deutet. Horaz  sagt:  der  lambus  besteht  aus  einer  Kfirze  und  einer 
Lange  und  ist  ein  rascher  Versfufs.  Er  hat  dem  Trimeter  den  Na- 
men des  iambischen  zufügen  lafsen,  da  er  von  Anfang  bis  zu  Ende 
die  sechs  Jctns  bildete.  Unlängst  ist  dieser  Trimeter  durch  die  Auf- 
nahme des  Spondeus  in  die  Stellen,  die  ihm  als  väterliches  Erbtheil 
rechtmafsig  zukommen,  etwas  gewichtiger  und  minder  rasch  gemacht 
worden.  Die  altem  Dichter,  wie  Attius  und  Ennius,  hatten  dagegen 
den  Trimeter  durch  Spondeen  auch  an  den  unrechten  Stellen  mishan- 
delt  und  den  lambus  zu  selten  angewandt.  Wer  hatte  denn  in  der 
lateinischen  Sprache,  von  den  altern  Trimetern,  die  kaum  einen  lam- 
bus darboten,  abweichend,  solche  gebildet,  in  denen  der  lambus  Ton 
Anfang  bis  zu  Ende  in  dem  Mafse  herschte,  dafs  man  sie  zu  näherer 
Bezeichnung  iambische  Trimeter,  an  welche  man  bis  dahin  nicht  ge- 
wöhnt war,  nanntet  Wir  wifsen  nur  von  Einern,  der  den  raschen 
Gang,  welchen  Horaz  durch  S{:ondeen  mäfsigte,  in  einigen  Gedichten 
hat,  nemlich  von  Catull.  In  den  77  iambischen  Trimetern,  welche 
wir  Ton  ihm  haben,  findet  sich  einmal  an  falscher  Stelle  (im  4n  Fufs) 
ein  Spondeus,  dann  in  2  Versen  hintereinander,  und  noch  einmal  im 
In  Fufs  und  einmal  im  3n,  wenn  ich  recht  gezählt  habe.  Dergleichen 
Trimeter  meint  Horaz  als  die,  welche  er  durch  die  richtige  Wieder- 
aufnahme des  Spondeus  im  In,  3n,  5n  Fufs  gemäfsigt  habe,  da  er 
zuerst  ein  Nachbildner  der  archilochischen  lamben  gewesen  sei,  denn 
diese  sind  nicht  rein  iambisch,  wie  A.  W.  Schlegels  Bezeichnung 

wie  rasche  Pfeile  sandte  mich  Archilochos 
angibt,  sondern  durch  Spondeen  gemäfsigt. 

Den  beiden  hier  angezeigten  Abhandlungen  hat  Hr.  K.  kurze  Be- 
sprechungen über  horazische  Stellen  vorausgeschickt,  welche  zeigen, 
wie  genau  Hr.  K.  es  mit  der  Erklärung  des  Dichters  nimmt;  doch 
möchte  ich  nicht  jeder  Bemerkung  Gewisheit  zuschreiben.  Epist.  T, 
6,  51  irans  pondera  von  den  Hemmungen  auf  der  Strafse  durch  Last- 
wagen u.  s.  w.  erklärt,  steht  vielleicht  der  Erklärung  des  Ferrarius, 
der  es  auf  die  Kleidung,  ebenfalls  unsicher,  bezog,  nicht  voran.  Da- 
selbst 7,  51  eultello  proprio  dem  proprio$  —  «flaues  vorgezogen ,  läfst 
den  Einwurf  zu ,  dafs  dem  Messer  nicht  anzusehen  war,  wem  es  ge- 
hörte. Doch  will  ich  dabei  nicht  verweilen,  um  noch  folgende  Schrift 
anzeigen  zu  können: 

Scherflein  »um  Verständnis  des  HorcUius.    Einladnngsschrift  zur 

öffentlichen  Preis verthei In ng  an  der  k.  Studienanstalt  zu  Erlangen 

'    am  27.  August  1853  von  Dr.  Ludwig  DoderUin ,  k.  Studienrector. 

Erlangen,  Druck  der  A.  E.  Jungeseben   Universitäts-Buchdrucke- 

rei.    28  S.  4. 

Hr.  D.  hat  hier  52  Bemerkungen  zusammengestellt,  weiche  sämmt* 

6* 


g4        L.  Dödcrlciu :  SchcrAein  zum  Verständnis  des  Horalius. 

lieh  anzuzeigen  zu  viel  wäre.  Od.  T,  1,  28  erklart  er  fercfet  plagae 
'feine  Netze,  zu  dünn  für  den  marsischen  Eber.'  Dafs  die  feinstea 
Netze  fSr  die  Eberjagd  gemacht  wurden  und  fest  waren,  sehen  wir 
aus  Plinius  N.  H.  X.IX,  1,  wo  vielleicht  die  Sache  übertrieben  dar- 
gestellt wird.  Dafs  aber  ein  starkes  Netz  durch  einen  gewaltigen 
Eber  einmal  durchrifsen  werde,  ist  nicht  zu  verwundern.  —  Od.  I,  7 
ist  nach  Hrn.  D.s  fester  Ueberzeugung  in  2  Gedichte  zu  zerlegen,  und 
ebenso  die  Ode  an  Archytas.  Beide  Gedichte  haben  das  nemliche 
Versmafs,  und  da  aufser  d^m  sapphischen  und  alcaeischen  in  den  4 
Büchern  der  horazischen  Oden  durchaus  nie  das  gleiche  Versmafs  nn^ 
mittelbar  wiederholt  wird  ,  so  wurde  dies  durch  die  Theilung  beider 
Gedichte  geschehen,  was  nicht  ganz  gleichgiltig  zu  übersehen  ist. 
Wir  wifsen  den  Gram  und  die  Verhältnisne  des  Plancus,  welche  in 
dieser  Ode  berührt  werden,  nicht  genau,  müfsen  aber  Yoraussetzen, 
dafs  er  aufserhaib  Italiens  war,  und  hätte  Horaz  ihn  von  einem  on- 
mnthigen  Schweifen  in  der  Fremde  abmahnen  wollen,  so  wäre  dies  In 
der  Ode  geschehen.  Preise  wer  will  die  fremden  Städte,  ich  lobe 
mir  Tibur,  wo  du  auch  einen  Aufenthalt  hast,  und  nenne  es  den 
schönsten  oder  erfreulichsten  Ort.  Doch  ob  du  nun  in  der  Fremde, 
selbst  in  einem  Kriegslager  bist,  oder  dich  zurückgekehrt  in  Tibnr 
befindest,  lindere  deinen  Gram  durch  Wein.  In  der  lln  Epistel  des 
In  Buchs  spricht  Horaz  aus,  dafs  man  durch  Wechsel  des  Aufenthalts 
und  die  Wahl  herlicher  Orte  die  Launen  des  Unmuths  nicht  beschwich- 
tige: Romae  laudetur  Samos  et  Chios  et  Rhodos  absem,  —  Od.  f, 
18,  15  tollcnt  vacuum  gloria  verticcm  soll  toUen$  vacuum  heifsen 
'hoch  erhebend',  vertex  nublime  seu  vacuum  claiua.  Nirgends  heifst 
vacuum  hoch,  sondern  in  vacuum y  in  die  leere  Ijuft ,  kann  dies  be* 
deuten;  aber  allein  für  sich  hat  vacuum  diese  Bedeutung  nicht,  weil 
es  sie  nicht  haben  kann.  Vertex  soll  nicht  gleich  caput  stehen  kon» 
neu,  und  daher  die  Bedeutung  des  leeren  Kopfes  unmöglich  sein.  Dem 
ist  nicht  so,  denn  Vertex  kann  nur  Kopf  bedeuten  bei  Vergil,  wenn 
er  Aen.  VII,  784.  XI,  683  von  Turnus  sagt:  et  toto  vertice  tupra  est, 
d.  i.  er  ragt  einen  ganzen  Kopf  über  die  andern.  Ovid  Metam.  V, 
84.  XII,  118  sagt:  reaupinuB  humum  moribundo  vertice  pulsat.  Wer 
auf  ebener  Erde  rücklings  fällt,  schlägt  den  Boden  mit  dem  Hinter- 
kopf, und  wenn  Petronius  c.  137  tremulo  deduxit  vertice  cano$y  so 
kann  doch  der  Scheitel  selbst  nicht  zittern.  Das  homerische  ovQavtß 
iatrlQL^e  nccgrj  (Callim.  hymn.  in  Cer.  59  netpaXa  6s  ot  äfpaz'  'Olviiicta) 
entspricht  dem  vergilischen  (Aen.  IV,  176)  caput  inter  nuhila  condit ; 
aber  ähnlich  ist  (Hör.)  feriam  tidera  vertice,  (Ovid.  Met.  VII,  61) 
vertice  tidera  tangam,  (Fast.  I,  209)  caput  extulit  —  et  tetigit  t>er- 
ttce.  Der  Versfuß  entschied  die  Wahl  zwischen  caput  und  vcrtear. 
Jnvenal  nennt  den  Dummkopf  vacuum  caput.  —  Od.  I,  20,  10  tu  6i- 
be$  soll  in  tum  bibes  geändert  werden.  Dann  würde  Horaz  zu  Mae> 
cenas  sagen:  du  bekommst  dann  Caecuber  und  Calener,  meine  Becher 
(anf  dem  vorangestellten  mea  ohne  motivierende  Partikel  liegt  Nach- 
drack)  füllt  kein  Falerner  oder  Formianer.  Das  heifst:  Caecuber  und 
Calener  werde  ich  dir  geben,  Falerner  und  Formianer  übersteigen 
meine  Kräfte.  Jene  Weine  waren  aber  ebenso  kostbar  wie  diese* 
und  wenn  er  hätte  sagen  wollen ,  ich  kann  dich  nur  mit  zwei  edlen 
Weinen  bewirthen,  nicht  mit  vier,  so  hätte  er  sich  anders  ausdrucken 
mfifsen.  Allein  einem  hochstehenden  Manne  zu  sagen,  ich  werde  dir 
zwei  sehr  edle  Weine  geben,  für  vier  reicht  mein  Geld  nicht  hin,  ist 
weder  im  Ernst  noch  im  Scherz  anständig.  Entweder  mufs  er  ihn 
auf  die  Art,  an  welche  der  hochstehende  Mann  gewohnt  ist,  oder  ein- 
fach bewirthen.  Einen  vornehmen  Mann,  der  glänzend  zu  leben  ge- 
wohnt ist,  ehrt  der  geringere,  der  ihm  sein  bescheidenes  kleines  Ver- 


L.  Döderlein:  ScherfleiD  zum  Verstindnis  des  Uoraiias.        85 

mögen  verdankt ,  wenn  er  nicht  mit  ihm  irgend ,  bei  welcher  Gelegen-* 
heit  es  sei,  wetteifert,  sondern  ihn,  wenn  er  ihn  mit  seinem  Besuche 
beehrt,  auf  die  einfachste  Weise  empfangt;  denn  der  reiche  vornehme 
fühlt  sich  nicht  geschmeichelt,  wenn  der  in  beschrankten  Verhält- 
nissen lebende  seinetwegen  einen  kostspieligen  Aufwand  macht.  Wa« 
rum  nennt  Horaz  4  Weine?  Hr.  D.  meint,  indem  er  von  dem  Mahle 
des  Nasidienus  in  den  Satiren  spricht,  4  Weine  seien  für  einen  rei- 
chen Mann,  der  einen  Maecenas  bewirthe,  wenig  und  es  sei  die  Be- 
schränkung auf  blofs  4  Weine  eine  Unehre.  So  ist  es  aber  nicht, 
!iondern  gerade  4  Sorten  gehörten  zur  vollkommenen  Tafel  jener  Zeit, 
wie  uns  Piinius  N.  H.  XLV,  15  sagt,  wo  er  vom  dritten  Consulate 
des  Caesar  spricht:  quo  primum  tempore  quattuor  genera  vini  appo- 
Sita  constat.  Solche  Dinge  sind  eine  Sache  der  Mode  und  müfsen 
nicht  nach  ihrem  Werth,  sondern  nach  der  Mode  benrtheilt  werden. 
Die  Lächerlichkeit  des  Nasidienus  liegt  in  dem  Mangel  der  gesell- 
schaftlichen Bildung  und  des  feinen  Tones ,  für  den  sein  ganzes  Haus^ 
Wesen  nicht  passte.  Horaz  also,  welcher  ein  gebildeter  Mann  war, 
dem  der  feine  Ton  und  die  Kenntnis  des  schicklichen  nicht  fehlte, 
lädt  den  Maecenas  zu  gewohnlichem  Wein  (viie  vorangestellt)  ein, 
der  aber  einen  sog.  Affectionswerth  hat,  und  sagt,  die  bei  reichen 
Tafeln  vorkommenden  4  Weine  der  besten  Sorten  finden  sich  nicht 
bei  mir.  £pist.  J,  5  ladt  er  den  Torquatus  in  anderm  Tone  ähnlich 
ein,  und  dem  Vergilius  verspricht  er  Od.  IV,  12  Calener  beim  Sulpi- 
cius  zu  kaufen,  wenn  er  die  Salbe  zum  Gelage  stellen  wolle.  —  Od. 
I,  35,  17.  Die  Werkzeuge  der  ^ccetsitas  sollen  bedeuten:  die  Nägel 
das  Befestigen;  die  Keile  das  Auseinandertreiben;  der  Haken  das 
Schleifen  des  getödteten  Verbrechers;  das  geschmolzene  Blei  eine  Art 
Folter.  Die  AecessiCas  kann  hier  nur  in  Beziehung  auf  das  Walten 
der  Fortuna  das  unabwendbare  Wirken  dieser  Göttin  bezeichnen,  und 
ihre  Attribute  sollen  dies  versinnlichen,  welche  daher  nur  das  feste 
bedeuten  können.  Werkzeuge  des  Tödtens  eines  Verbrechers  oder  der 
Mishandlung  desselben  oder  des  Folterns  können  nicht  der  Fortuna, 
sondern  der  Justitia  zukommen.  Die  Keile  dienen  zum  Festmachen 
durch  Verkeilen,  der  Haken  zur  Verbindung  und  das  Blei  um  densel- 
ben fest  zu  lothen.  —  Od.  I,  57,  9  eontaminato  cum  grege  turpium 
Alorbo  virorum  soll  bedeuten  ^mit  der  Schaar  entmannter  Scheu- 
sale, der  Pestbeule  des  Männergeschlechts.'  Da  im  Lat.  morbus  nie- 
mals so  gebraucht  worden  ist,  so  soll  das  griech.  voaog  aushelfen, 
welches  aber  nicht  den  Schandfleck  bezeichnet,  sondern  etwas  be- 
nachtheiligendes,  verletzendes,  die  Eunuchen  sind  aber  nicht  ver- 
letzend oder  benachtheiligend  für  die  Männer,  und  wenn  Horaz  mor- 
bus so  verstanden  wifsen  wollte,  so  hätte  er  sich  anders  ausdrücken 
muffen,  denn  die  Wortstellung  und  das  Adjectivum  turpium  fuhren 
jeden  auf  die  Verbindung  der  Wörter  turpium  morbo  virorum j  welche 
auch  angeben  ,  wodurch  der  grcx  als  contaminaius  bezeichnet  wird. 

Od.  II,  1,  2.  Die  modi  sollen  hier  moderata  et  prudentia  eonai- 
lia  als  Gegensatz  gegen  vitia  sein.  Modi  sind  Mafse,  aber  nicht 
Mäfsigungen,  und  Mäfsigungen  sind  nicht  prudentia  consilia.  -—  Od. 
IJ,  2,  23  quisquis  ingcntcs  oculo  irrctorto  Spectat  aeervos.  Dies  soll 
bedeuten  quisquis  ingcntes  aeervos  non  spcctat  oculo  retorto,  was  in 
D.s  mir  nicht  bekannten  Reden  und  Aufs,  begründet  sei;  oder  soll  er- 
klärt werden:  quiaquia  ingetites  aeervos  spectat,  dein  irretorto  oculo 
discedit.  Diese  Stelle  ist  ohne  Schwierigkeit,  denn  der  Ausdruck: 
wer  grofsen  Reichthum  anschaut,  ohne  von  seinem  Glänze  geblendet 
das  Auge  zurückzuwenden,  wer  ihn  also  mit  völliger  Selbstbeher- 
.•»chung  und  ungerührt  anschaut,  ist  ein  passender.  —  Od.  11,  20,  9 
supeme  soll  zu   nascunturque    etc.  gezogen    werden,    weil  die  Ver- 


86        L.  Döderlein :  Scherflein  zam  Vera tfindnii  des  Uoratiaii. 

Wandlung  in  einen  Schwan  nicht  blofs  $upeme  stattfinde.  Die  Beine 
schrumpften  zwar  zu  Vogelbeinen  ein,  aber  der  Obertheil  wurde  ein 
albuB  ales,  denn  obgleich  sich  die  Vogel  wohl  auch  durch  die  Beine 
unterscheiden,  so  ist  doch  der  übrige  Theil  vorzoglich  entscheidend, 
um  z.  B.  einen  Raben  von  einem  Schwan,  einen  Adler  von  einem  Huhn 
u.  s.  w.  zu  unterscheiden.  Bei  dem  Einschrumpfen  der  Beine  war 
noch  nicht  mit  Gewisheit  zu  erkennen,  welcher  Vogel  entstehen  werde* 

Od.  III,  4,  60  numquam  humeris  positurus  areum  soll  heifsen: 
der  nicht  einen  Augenblick  wahrend  des  Kampfes  den  Bogen  auf  die 
Schulter  zur  Ruhe  zu  bringen  entschlofsen  war.  Numquam  hat  diese 
Bedeutung  nicht  und  könnte  nur  bei  einer  angegebenen  Zeit  in  über- 
triebener Bedeutung  Ton  dieser  ganzen  Zeit  gebraucht  werden.  Die 
folgende  den  Apollon  zu  seiner  Verherlichung  als  lockenumwallten,  ala 
Gott  der  Kastalia,  als  Delier  und  Pataraeer  beschreibende  Strophe 
zeigt  deutlich,  dafs  er  mit  den  fraglichen  Worten  ebenfalls  beschrie- 
ben wird  als  der  Bogenschütze,  als  der  welcher  immer  den  Bogen  mit 
sich  führt.  Juno  heifst  blufs  Matrone,  Vulcan  blofs  gierig  (weil  das 
Feuer  alles,  was  ihm  zur  Nahrung  dient,  gierig  ergreift);  aber  Apollo 
wird  in  der  Beschreibung  mehr  hervorgehoben,  da  er  zu  den  Musen 
und  ihrem  lene  consilium  gehört.  Man  kann  an  positurua  mäkeln, 
man  kann  berechnen ,  dafs  er  den  Bogen  beim  Schlafen  und  andern 
Verrichtungen  wahrscheinlich  ablege,  aber  damit  erwachst  für  eine 
unbegründete  Erklärung  keine  Begründung.  —  Od.  III,  9,  5.  Der 
Gleichheit  mit  der  vorigen  Strophe  wegen  soll  multi  Lydia  nommiw 
erklärt  werden  sed  Lydia  multi  nominis  erat ,  oder  Apposition  zu  dem 
vorhergehenden  Lydia  sein.  Dieses  multi  nominia  I^dia  von  vt^pii 
darior  zu  trennen  geht  nicht,  denn  als  Apposition  wäre  es  lacherßcb 
emphatisch,  und  über  die  erstere  Erklärung  zu  sprechen  wäre  ober- 
flufsig;  die  Symmetrie  besteht  eben  nicht  in  einer  Abzahlung  der  Sil- 
ben, und  statt  der  Symmetrie  des  Gedankens  eine  Gleichheit  der  Sil- 
benvertheilung  zum  herschenden  zu  machen  kann  die  Interpretation 
nicht  fördern.  Die  Symmetrie  des  Gedankens  erfordert  als  abst-hlie- 
fsend  in  der  ersten  Strophe  iuvenie  dabatj  in  der  zweiten  erat  Lydia 
poni  Chloen,  worauf  unmittelbar  und  nicht  durch  einen  Zusatz  ge- 
trennt der  Ausspruch  über  das  Glück  des  bezeichneten  Znstandes  fol- 
gen mnfs.  Die  beiden  letzten  Strophen  entsprechen  einander  in  dem 
Sinne,  wie  es  die  zweite  der  ersten  soll,  ganz  und  gar  nicht.  —  Od. 
III,  21,  4.  Die  pia  iesta  deutet  Hr.  D.  auf  die  Wirkung  des  darin  ent- 
haltenen Weins  und  meint,  man  müfse  es  dem  Dichter  nachsehen, 
wenn  er,  der  noch  nicht  wüste,  welche  Wirkung  dieser  Wein  hervor- 
bringen werde,  die  gute  allein  ins  Auge  gefalst  und  danach  das  Bei- 
wort gewählt  habe.  O  naia  mvcum  consule  Manlio  —  pia  iesta  be* 
zeichnet  den  Wein  als  einen  im  Pietätsverhaltnis  zu  ihm  stehenden 
wegen  der  gleichsam  geschwisterlichen  Abstammung  in  Hinsicht  der 
Geburtszeit.  Es  ist,  vvie  wenn  einer  im  Deutschen  eine  Flasche  sol- 
ches Weines  im  Liede  sein  'Brüderchen'  oder  'Schwesterchen'  oder 
ahnlich  benennen  wollte.  Piu9  bezeichnet  aber  das  liebende  Verhält- 
nis der  nahen  Verwandtschaft.  —  Od.  ill,  24,  39  duratae  boIo  niv99 
soll  heifsen  'Schnee  so  hart  wie  fester  Boden.'  Dafs  die  Sprache 
solche  Erklärung  zulafse,  ist  nicht  bewiesen,  mithin  die  Erklärung 
nicht  annehmbar. 

Sat.  I,  I,  88  at  si  co^natos,  nullo  natura  labere  Quob  tibi  dmt^ 
retinere  velis  scrvareque  amieos.  Aus  nullo  labere  soll  zu  refinere 
das  Wort  laborc  hinzugedacht  werden,  damit  es  bedeute:  indem  da 
für  die  verwandten  sparst,  kannst  du  durch  Mühe  und  Arbeit  und 
Opfer  die  Liebe  der  blutsverwandten  nicht  erwerben  u.  s.  w.  Jene 
Wiederholung  von  labore  ist  nnnaturlich  nnd  der  angebliche  Gedanke 


L.  Döderlein:  Scherfl«iin  zum  Verstöndnis  des  Horatius.        87 

iener  Worte  in  dieser  Weise  dem  Verständnis  unmöglich.  Den  Geiz- 
lalsy  heifst  es,  mag  niemand,  und  wenn  er  meint  die  blotsverwandten, 
die  ihm  die  Natur,  ohne  dafs  er  etwas  dafür  gethan,  gegeben  hat, 
wurden  ihm  bleiben  (insofern  ja  ein  solches  Verhältnis  eine  gewisse 
Anhänglichkeit  ganz  von  selbst  erzeugt),  so  irrt  er  sic-h,  denn  auch 
ein  solches  Verhältnis  verliert  die  Kraft  gegenüber  dem  Egoismus  des 
Geizhalses,  der  keiner  Liebe  zu  irgend  jemand  fähig  ist,  und  darum 
keine  findet.  —  Sat.  I,  5,  75  convivas  avido8  ccnam  servosque  iimentea 
Tum  rapcrc  —  leideres  soll  heifsen:  die  Sklaven  rafften  aus  Furcht  ver- 
stohlen von  dem  Efsen,  aber  timentes  heif&t  nicht  'verstohlen',  und  eine 
solche  Auslegung  rouste  sich  auf  einen  Beweis  stutzen.  Timenie»  kann  auch 
zu  rapere  construiert  werden  ohne  'verstohlen'  bedeuten  zu  mufsen. 

Epist.  I,  6,  5  quid  ccnses  muncra  terrae.  Quid  maris  extremo»  Arahaa 
diianiia  ei  fndoa,  Ludicra  quid,  plausua  et  amici  donaQuiritis?  Hier  ver- 
bindet Hr.  D.  ludicra  plausus  und  stellt  sie  den  dona  Quiritis  gegenüber. 
Horaz  hätte  vielleicht  in  solcher  Verbindung  und  Bedeutung  ludicra  plau- 
8uum  gesagt.  Ich  habe  in  dieser  Stelle  immer  eine  Aufzählung  der  Dinge 
des  Besitzes  und  der  Dinge  des  Ehrgeizes  oder  der  Eitelkeit  (der  am- 
bitio  misera)  gesehen,  so  dafs  die  munera  terrae  et  maris  die  ludicra^ 
welche  in  plautus  und  amict  dona  Quiritis  bestehen  ,  gegenüber  haben. 
Dafs  dem  philosophischen  Betrachter  des  Werthes  der  Dinge  das  Bei- 
fallklatschen und  die  Auszeichnung  durch  die  honores  des  römischen 
Volkes  in  der  damaligen  Zeit  als  Dinge  ohne  wahren  Werth,  als  lu- 
dicra erscheinen  musten,  ist  naturlich.  Unten  Vs.  49  bezeichnet  er 
die  plau9U9  und  dona  Quiritia  als  species  et  gratia.  Sat.  IT,  3,  179 
läfst  ein  Vater  seine  Sohne  schworen,  sich  durch  die  gloria  nicht 
zum  Erjagen  der  Ehrenstellen  bewegen  zu  lafsen:  latus  ut  in  Circo 
spaiiere  et  aeneus  ut  sfe«,  Scilicet  ut  plausus ,  quos  fert  j^grippa, 
fcras  tu,  —  Ebend.  Vs.  15  insani  nomen  sapiens  ferat,  aequus  twi- 
711t,  ultra  quam  satis  est  virtutem  si  petat  ipsam.  Das  nil  admirari^ 
welches  bis  zu  diesen  Worten  aufsgefuhrt  ist,  soll  mit  der  virtus  ipsa 
identisch  sein,  somit  ein  Widerspruch  sich  ergeben,  da  das  Ringen  nach 
der  eben  empfohlenen  virtus  ipsa  nicht  als  Uebermafs  verboten  werden 
könne.  Darum  se'en  jene  beiden  Verse  als  ein  Einwurf  des  Numicius 
oder  eines  andern  anzusehn,  und  im  folgenden  sage  dann  Horaz:  'gut! 
willst  du  nicht  nach  dem  Ideal  streben,  so  fang  lieber  gar  nicht  an! 
suche  dein  Gluck  auf  dem  Weg  des  Lebensgenufses  und  der  Ehrsucht 
—  wähle  mit  Entschiedenheit  zwischen  beiden  Wegen  zum  Lebens- 
gliiik.'  Der  zweite  Vers  soll  zweierlei  Gedanken  und  Ausdrucksarten 
in  ^ine  vereint  enthalten,  erst:  ultra  quam  satis  est  virtutem  si  pctatj 
dann  virtutem  si  petat  ipsam  ohne  ultra  etc.,  und  letzteres  soll  heifsen: 
'wenn  er  das  Urbild  der  virtus  werden  will  und  sich  mit  der  blofsen 
Aehnlichkeit  nicht  begnügt.'  Das  nil  admirari  ist  die  Unabhängigkeit 
der  Seele  von  allem  was  leidenschaftliche  Regungen  erwecken  kann, 
und  niemand  hat  die  Tugend  selbst  in  diesen  Zustnnd  gesetzt  und  da- 
rin beschlofsen  geglaubt.  Die  Erklärung  des  letztem  Verses  läfst 
Horaz  reden,  wie  es  gar  nicht  möglich  ist.  Der  Sinn  der  Epistel  ist 
deutlich  auf  das  nil  admirari  gerichtet,  ohne  welches  der  Mensch  von 
Leidenschaft  getrieben  wird  und  nicht  zur  Tugend  gelangt,  die  zum 
recte  vivere  nothig  ist.  Die  alte  Lebensphilosophie  glaubte  allerdings 
an  ein  Uebermafs  der  Tugend,  wenn  nemlich  das  Streben  nach  Tu- 
gend leidenschaftlich  war.  Virtus  ipsa  ist  hier  keineswegs  das  Urbild  der 
Tugend,  und  Cicero  gebraucht  dieses  tp^a  gerade  so,  wenn  er  von  der 
Leidenschaftlichkeit  im  Streben  nach  der  Tugend  abmahnt:  eeiamsi 
virtutis  ipsius  vehementior  appetitus  sit,  eadem  sit  omnibus  ad 
deterrendum  adhibenda  oratio,  —  Epist.  I,  8,  10  cur  me  funestopro- 
perent  arcere  vetcmo.    Die  Todcsrnhe  soll  durch  funestus  veternus 


88        L.  Döderlein :  Scherfleio  Kom  Verständnis  des  Horatins. 

bezeichnet  sein,  der  Schlaf  im  Grabe,  den  er  als  Erlösung  vob 
vetemusy  dem  Scheintod,  wünscht.  Funestu»  vetemu$  in  der  Be- 
deutung des  wirklichen  Todes  kommt  nicht  vor,  da  es  nicht  einmal 
den  wirklichen  Schlaf  bezeichnet,  und  könnte  vielleicht  als  Sehen  an 
einer  geeigneten  Stelle  in  jenem  Sinne  angebracht  werden,  was  bis 
jetzt  nicht  geschehen  ist.  Doch  arcere  soll  gar  nicht  von  dem  blofsen 
veternusy  an  dem  Horaz  zu  leiden  vorgibt,  stehen  können,  von  wel- 
chem liberare  gesagt  werden  muste.  Dieser  iorpor  ist  schlafähnlicb, 
ist  Schiafrigkeit ,  und  diese  kann  man  von  einem  abwehren,  denn 
$omnum  arcere  ist  ein  untadelhafter  Ausdruck,  und  da  kein  leibliches 
Uebel  vorhanden  ist,  so  ist  der  Ausdruck  veternum  arcere y  oder  poe- 
tisch arcere  a  veterno  nicht  ungehörig.  Funesius  soll  immer  in  Be- 
ziehung zu  dem  wirklichen  Tod  und  Grab  stehn.  Damit  wird  nicht 
bewiesen,  was  hier  bewiesen  werden  soll,  denn  alles  kann  funcBtum 
heifsen,  was  zum  Tode  führen  kann,  wobei  er  in  Betracht  kommen 
kann;  so  heifsen  viele  Dinge /unesta ,  die  nicht  in  unmittelbarer  Be- 
ziehung zu  ihm  stehen,  und  dieses  Wort  ist  geeignet,  um  einen  krank- 
haften Zustand  sehr  stark  auszudrücken,  selbst  wenn  dieser  Zustand 
seinen  Sitz  im  Gemüthe  hat,  denn  er  kann  ja  gesteigert  den  Tod  her- 
beiführen. Horaz  hat  nie  den  Wunsch  nach  Sterben  geäufsert.  — 
Epist.  I,  16,  8  iemperiem  laudes  etc.  Der  Sinn  soll  sein:  'ja  wollten 
etwa  durch  ein  Wunder  der  Natur  die  Dornbüsche  so  freundlich  sein, 
Cornelkirschen  und  Pflaumen  zu  tragen,  und  Eichen  (die  hier  fehlen) 
da  sein,  wie  in  Taren t ,  um  Futter  und  Schatten  zu  geben  —  dann 
könnte  man  sich  gar  in  Tarent  glauben.'  Es  folgt  fons  etiam  etc.: 
auch  ein  Quell  von  trefflichem  kaltem  Wafser  ist  da.  Wäre  jene  Er- 
klärung die  rechte,  dann  würde  hier  nicht  eiiam  stehen,  welches  za 
den  genannten  Herlichkeiten  eine  neue  fügt.  Der  Sinn  ist:  wie  wenn 
nun  hier  reichlich  gesegnete  Dornbüsche  Cornelkirschen  (gut  für  das 
Vieh)  und  Schlehen  tragen,  und  Eichen  das  Vieh  mit  Futter,  den 
Herrn  (für  den  hier  keine  Früchte  wachsen)  mit  Schatten  erquicken? 
du  möchtest  oder  könntest  sagen,  Tarent  sei  näher  herangerückt. 
Dieser  Scherz  ist  leicht  zu  verstehen,  da  Tarent,  wie  er  es  in  der  6n 
Ode  des  2n  B.  schildert,  nicht  wegen  Cornelkirschen  u.  s.  w.  geprie- 
sen war,  aber  als  ein  durch  Oel,  Wein  u.  s.  w.  vorzüglicher  Punkt 
der  Erde.  Den  Quell  und  die  Bäume  seines  Gütchens  nennt  er  auch 
Sat.  II,  6  und  Epist.  J,  14,  wo  Holz  und  Laub  als  Futter  erwähnt 
wird;  dafs  aber,  da  er  auch  der  temperiea  nicht  im  Scherz  sondern 
im  Ernst  als  einer  angenehmen  gedenkt,  in  seiner  silva  gerade  ouer- 
eus  und  Hex  nicht  habe  wach^en  können,  ist  undenkbar.  —  Epist. 
I,  17,  24  tempianiem  tnaiora^fere  pracscniihus  acquum  von  Aristip- 
pus  gesagt  soll  nicht  recht  sein,  sondern  fere  zu  tempianiem  maiora 
gehören,  weil  dem,  der  nur  in  der  Regel  zufrieden  sei,  bisweilen 
aber  über  sie  murre,  nicht  jede  Lebenslage  gut  anstehe;  tempianiem 
maiora  fere  aber  bedeute,  dafs  er  in  der  Regel  nach  dem  günstigem 
strebte.  Es  heifst:  jeder  Zustand  passte  für  ihn,  seine  Lebensweis- 
heit war  der  Art,  dafs  er  nach  dem  angenehmen  strebend  sich  den- 
noch in  alles  fand  und  sich  nicht  ungebährdig  gegen  eine  unerfreu- 
liche Lebenslage  auflehnend  das  Leben  umsonst  noch  bitterer  machte. 
Daraus  folgte  aber  nicht,  dafs  er  absolut  aeguus  praeaentibus  gewe- 
sen wäre,  denn  in  der  schlechten  Lage  strebte  er  wie  immer  nach  der 
befsern,  und  ein  solcher,  mag  er  sich  auch  noch  so  sehr  gewöhnt 
haben  sich  in  alles  zu  fügen,  ist  nicht  absolut  aequus  in  Beziehung 
auf  jede  mögliche  Lage,  sondern  erträgt  meistens  das,  was  er  nicht 
vermeiden  kann,  gleichmüthig,  um  es  sich  nicht  durch  Unmuth  noch 
drückender  zu  machen.  Wer  das  Vergnügen  als  höchstes  Gut  erkannt 
hat,  der  strebt  nicht /ere  nach  der  guten  Lage,  sondern  allezeit,  und 


L.  Döderlein:  Scherflein  zum  YersUiodaU  des  Horatios.        89 

wenn  er  auch  nicht  immer  vollkommen  sufrieden  ist  mit  dem,  wa« 
ihm  begegnet,  so  ergibt  er  sich  doch  nicht  einer  heftigen  Bekümmer- 
nis, sondern  läfst  sich  nicht  zu  sehr  davon  anfechten.  Darum  passt 
er  in  jede  Lage,  omnia  atatus  eum  decet^  ist  aber  nicht  mit  jeder 
Lage  zufrieden,  was  decet  auch  gar  nicht  heifst.  —  Bei  dieser  Gele- 
genheit wird  in  Sat.  I,  3,  96  quis  paria  esse  fere  placuit  pcccata  la- 
borant,  cum  ventum  ad  verum  est,  mit  Baxter  fere  zu  laborant  ge- 
zogen durch  den  Ausdruck  Hyperbaton.  Dafs  dieser  Ausdruck  eine 
durchaus  unverständliche  Wortstellung  zu  einer  verständlichen  machen 
könne,  ist  nicht  näher  erörtert.  Von  einer  Lehre,  welche  trotz  der 
Theorie  von  der  Gleichheit  der  Fehler  diese  Theorie  durch  eine  Ca- 
suistik  mit  dem  Leben  auszugleichen  nicht  umhin  konnte,  ist  es  nicht 
unmöglich,  dafs  ein  Dichter,  welcher  von  ihr  sagt,  sie  sei  in  Ver- 
legenheit, wenn  es  auf  das  praktische  Leben  ankomme,  sich  durch 
fere  ausdrucke.  Cicero  Parad.  JJT,  25  gibt  ein  Beispiel  dieser  Ca- 
suistik.  —  Epist.  J,  20,  24  praecatium ,  sotibus  aptum.  Der  letztere 
Ausdruck  soll  eine  humoristische  Umschreibung  von  calvus  sein,  weil 
die  Glatze  den  Sonnenstrahlen  wie  ein  offenes  ungeschütztes  Feld 
preisgegeben  sei.  Die  anderswo  gegebene  Begründung  kenne  ich 
nicht  und  vermag  sie  daher  nicht  anzugeben.  Mit  der  Erklärung:  ein 
sonst  unbekannter  Ausdruck  sei  humoristisch,  läfst  sich  allerdings  vie- 
les anfangen  und  wenn  man  will,  so^ar  alles.  Sollte  solibus  aptua 
den  Glatzkopf  bedeuten,  so  müste  dieser  Ausdruck  wenigstens  von 
einem  offenen  Felde  gebräuchlich  oder  je  gebraucht  sein,  um  daran  zu 
erinnern  und  durch  diesen  Vergleich  humoristisch  anzusprechen.  Daran 
fehlt  es  aber,  und  der  für  ein  Feld  ganz  aflectierte  Ausdruck  ist  erst 
noch  aufzusuchen.  Horaz  ist  geeignet,  passt  für  die  Wärme,  nicht 
für  die  Kälte,  weil  ihn  diese  drückt  (darum  sehnt  er  sich  nach  Ta- 
rent  wegen  der  milden  Luft  Od.  II,  6.  Epist.  I,  7).  Wenn  er  sich 
einen  für  die  Wirksamkeit  der  Sonne  passenden  Gegenstand  nennt, 
an  welchem  die  Wärme  ein  recht  geeignetes  Feld  ihrer  Wirkung  fin- 
det, so  möchte  das  doch  nicht  allzu  hochpnetiiich  sein  für  den  pro.sai- 
schen  Gedanken:  ich  bin  geeignet  zur  Ertragun^^  der  Sonnenhitze,  die 
Sonnenwärme  thut  mir  wohl.  Schwerlich  ist  diese  Hypallage,  wenn 
man  es  etwa  so  nennen  wollte,  kühner  oder  nur  ebenso  kühn,  als  das 
vergilische  (Aen.  IV,  385)  cum  frigida  mors  anima  seduxerit  artus, 

Epist.  II,  2,  134  signo  laeso  non  insanire  lagenae  soll  heifsen: 
'der  Mann  pflegte  nicht,  wenn  er  einmal  eine  Flasche  entsiegelt  hatte, 
sich  sofort  zu  betrinken.^  Signum  laedere  gilt  nicht  vom  Entsiegeln 
durch  den  rechtmäfsigen  Besitzer  der  Flasche,  für  den  überdies  die 
Erwähnung  des  Signum,  welches  nur  zum  Schutz  gegen  unbefugte 
Oeffnung  der  Flasche  angewandt  war,  unpassend  ist.  Es  bedarf  da- 
her nicht  der  Frage,  ob  insanire  lagenae  'sich  betrinken'  heifse.  — 
Epist.  II,  3,  68  mortalia  facta  peribuni  soll  bedeuten:  morialia  (ope- 
ra)  ita  ut  facta  sunt,  peribunt,  oder  mortalia  flu nt  et  pereunt,  sicut 
mortales  nascuntur  et  moriuntur.  Solche  verzwickte  Affeetation  des 
Ausdrucks  mag  man  dem  Horaz  nicht  zutrauen.  Wenn  er  sagt  mor- 
talia facta  für  cay  quac  mortales  fecerunt,  peribunt,  so  ist  das  ver- 
ständlich. —  Epist.  ad  Pis.  263: 

non  quivis  videt  inmodulata  poemata  iudex 
et  data  Homanis  venia  est  indigna  poetis. 
idcircone  vager  scribamque  licenter?  an  omnes 
visuros  pcccata  putcm  mca  tutus  et  intra 
spem  vcniae  cautus?  vitavi  dcnique  culpam, 
non  laudcm  merui. 
Das  Fragezeichen  soll  nach  putem   mca  stebn ,   und   es  soll   der  Sinn 
sein:  'das  römische  Publicum   ist  gegen   nachläfsige  Verse   über   die 


90        L.  Döderlein :  Scberflein  zum  Verslandnis  des  Horatius. 

Mafsen  blind  und  nachsichtig.  Was  folgt  daraus  für  die  Praxis  den 
Dichters?  soll  er  auf  diese  Blindheit  hin  sundigen?  oder  soll  er  thnn, 
als  habe  er  laater  strenge  Richter  zu  gewärtigen?  Antwort:  wer  das 
erste  thut  und  sich  begnügt  es  nur  nicht  gar  zu  arg  zu  machen,  der 
entgebt  nur  dem  Auszischen,  bleibt  eine  Mittelmafsigkeit,  die  der 
grofse  Haufen  gelten  läfst;  wer  aber  um  den  wahren  Ruhm  wirbt,  der 
mafs  das  zweite  thun,  strenge  Richter  vor  Augen  haben  und  sich  die 
Griechen  zum  Muster  nehmen.'  Es  ist  nicht  möglich,  tutus  etc.  in 
solcher  Deutung  auf  die  Frage  an  omnea  etc.  folgen  zu  lafsen,  weil 
der  Fortgang  der  Rede  einen  solchen  Sinn  nicht  einmal  errathen  lafst. 
Horaz  sagt:  'nicht  jeder  sieht  das  nachläf^ige  in  den  Gedichten,  und 
es  hat  sich  eine  unwürdige  Nachsicht  für  die  römischen  Dichter  ge- 
bildet. Soll  ich  aus  diesen  Gründen  nachiäfsig  schreiben?  oder  soll 
ich  glauben ,  alle  wüsten  was  nachläfsig  in  meinen  Gedichten  wäre, 
sicher  und  geborgen  durch  jene  unwürdige  Nachsicht  (indem  ich  mich 
nemlich  dadurch  nicht  bestimmen  liefse,  gröfsere  Sorgfalt  anzuwenden)? 
Nun  dann  hätte  ich  keine  Beschuldigung  zu  besorgen,  Lob  hätte  ich 
nicht  Terdient.'  Er  sagt  deutlich,  dafs  die  Nachsicht  nicht  Ton  der  Ein- 
sicht in  die  Fehler  abhängt,  sondern  dafs  sie  vorhanden  ist,  mag  der 
Fehler  bemerkt  werden  oder  nicht.  Es  konnte  einer,  wenn  er  wollte, 
jene  Fehler  begehn,  sie  wurden  ihm  nicht  angerechnet,  weil  man  die 
Nachläfsigkeit  im  Versbau  nun  einmal  herkömmlich  für  verzeihlich  hielt. 
Daher  war  es  für  den,  der  nur  die  Beschuldigung  meiden,  nicht  aber 
sich  ein  Lob  erwerben  wollte ,  einerlei ,  ob  er  nachläfsie  schrieb  io 
der  Meinung  nicht  jeder  bemerke  es ,  oder  ob  er  nachläfsig  achrieb  in 
der  Meinung  alle  bemerkten  es;  denn  er  konnte  dies  nicht  als  einen 
wesentlichen  Grund  zu  einer  sorgfältigen  Behandlung  des  Verses  an- 
sehen ,  weil  man  Nachläfsigkeit  im  Vers  durch  eine  indigna  venia  für 
gleichgiltig  hielt. 

Frankfurt  am  Main.  Konrad  Schwenck, 


Mnemosyne,  Tijdschrift  voor  classieke  Litteratuur,  onder  Redactie 
van  Dr.  E,  J.  Kiehl,  Dr.  E.  Mehler,  Dr.  S.  A.  Naber.  Jahrg. 
186-i,  1863  und  l«54  Heft  1.     Leyden,  bei  Brill.     8. 

Die  Herausgeber  dieser  Zeitschrift  für  classische  Litteratur  geben 
in  einer  Einleitung  Rechenschaft  über  den  Zweck  und  die  Einrichtung 
derselben.  Als  erstem  bezeichnen  sie  die  Beförderung  des  wifscn- 
Schaft  liehen  Studiums  der  classischen  Litteratur.  Nach  einer  kurxen 
charakterisierenden  Schilderung  des  Entwicklungsganges,  welchen  die 
Philologie  in  neuerer  Zeit  genommen  hat,  wenden  sie  sich  an  ihr  un- 
mittelbares Publicum,  die  Philologen  der  Niederlande.  Diese  zunächst 
werden  aufgefordert  Beiträge  zu  liefern ,  sei  es  ganz  streng  wifsen- 
schaftliche,  für  engbegrenzte  Leserkreise  bestimmte,  sei  es  mehr  po- 
pulär gehaltne.  Die  kritische  Behandlung  der  classischen  Schriftstel- 
ler ist  das  Gebiet  der  Philologie,  auf  welchem  die  Niederländer  den 
meisten  Ruhm  geerntet  haben :  deshalb  wird  auch  in  dieser  Zeitschrift 
die  litterarische  Kritik  in  den  Vordergrund  gestellt,  daneben  aber 
auch  die  übrigen  Richtungen  der  Alterthumswifsenschaft  nicht  ausge- 
schlofsen.  Da  nun  die  Texteskritik  vor  allen  Dingen  ein  wifsenschaft- 
liches  Gebiet  ist,  auf  welchem  die  Ergebnisse  gründlicher  Untersuchung 
und  scharfsinniger  Emendation  der  Philologen  aller  europaeischen  Län- 
der zu  gute  kommt,  so  wird  vielen  deutschen  Gelehrten  eine  kurze 
Inhaltsübersicht  der  bis  jetzt  vorliegenden  Theile  dieser  Zeitschrift 
erwünscht  sein.  Der  erste  Jahrgang  enthält  folgendes:  E.  G.  Kiehlt 
der   Text  der  Schutzflehenden  des  Aeschylos  vor  3  Jahrhunderten  und 


MnemOfyne.   Ir — 3r  Jthrgrang:.  Ol 

Jetit«  Die  Aldina  von  1518  ist  nach  einer  sehr  inittelmäfsigen  H«. 
besorgt  worden,  die  sich  jetzt  in  Wolfenbattel  befindet.  Obgleich 
seitdem  besonders  durch  die  neuern  Kritiker  viel  getban  worden  sei, 
um  den  Text  der  Schutzflehenden  des  Aeschylos  zu  verbefsern,  so  sei 
doch  noch  immer  viel  zu  thun:  es  fanden  sich  darin  noch  jetzt  1)  un> 
bestreitbare  Fehler,  unmögliche  Worte,  sinnlose  Buchstabengruppen; 
2)  unbestrittne  Fehler,  mögliche  aber  sinnstorende  Worte ;  3)  bestreit- 
bare Fehler,  verschieden  interpretierte  Stellen.  Diese  3  Arten  von 
Fehlern  seien  in  den  Text  gekommen  entweder  durch  fehlerhafte  Ver- 
wechslung einzelner  Buchstaben  oder  durch  fehlerhafte  Abtheilung  der 
Worte  oder  durch  Begehung  dieser  beiden  Versehen  zugleich  oder  end- 
lich in  einzelnen  Fällen  durch  andere  Ursachen  verschiedener  Art, 
welche  aber  seltner  eingewirkt  haben.  Dann  vergleicht  der  Vf.  zu 
diesen  Arten  die  fehlerhaften  Stellen  der  Aldina  mit  den  Emendatio- 
nen  von  Robortellus,  Butler  und  Dindorf.  —  Kiehl:  über  ein  romi- 
sches zu  Castelfranco  aufbewahrtes  Schwert  mit  der  Inschrift  Sic 
Roma  vinciU  —  Pluygers:  das  Scholion  zu  Hom.  Od.  Jll,  444  nach 
einer  venetianischen  Rs.  (Marc.  613).  Dieser  Cod.  gibt:  Ztjv69.  dl  iv 
taig  dno  tov  d  yXmooaig.  —  Kiehl  schlagt  vor,  in  Aristoph.  £qu. 
539  zu  lesen  tiQapLßotpdyov,  —  J.  St.  Bernardi  commereium  /tltera- 
rtum.  Nach  einer  kurzen  Schilderung  des  Lebens  und  der  Verdienste 
Bernards  läfst  der  Hg.  (Mehler)  ausgewählte  Briefe  seiner  Corre- 
spondenz  folgen ,  und  zwar  enthält  diese  Auswahl  1)  Briefe  von  Val- 
kenär  und  Reiske,  2)  ein  Verzeichnis  von  Kmendationen  (zu  Athenaeos, 
Orpheus,  Kallimachos  a.  a.),  3)  Urtheile  über  Zeitgenofsen  (Ruhnken, 
Ernesti,  Mencken  u.  a.).  Sie  liefert  demnach  einen  interessanten  Bei- 
trag zur  Geschichte  der  wifsenschaftlichen  Betrebungen  des  vorigen 
Jh.  ^  J.  V.  Gl  geh:  Beitrage  zur  Latinität  der  XII  Tafel  gesetze :  oc 
ceniare  in  dem  Fragm.  bei  Cic.  de  re  publ.  IV,  10  wird  genau  be- 
sprochen.—  Zu  Horat.  Od.  I,  7,  1  schlägt  Kiehl  vor  Claron,  Rhodon 
zu  legen,  indem  er  dabei  an  Klares  auf  der  kleinasiatischen  Küste  er- 
innert. —  S.  A.  Naber:  sieben  unedierte  kretische  Inschriften.  Ge- 
bet fand  im  Dogenpalast  zu  Venedig  in  eine  Wand  eingemauert  eine 
Marmorplatte  mit  einer  griechischen  Inschrift,  die  sich  bei  näherer 
Ansicht  als  ein  Fragment  eines  Vertrags  zwischen  Hierapytna  und 
Rhodos  herausstellte.  Auf  der  Rückseite  desselben  Steins  entdeckte 
er  dann  noch  2  fragmentarische  griechische  Inschriften,  Stücke  von 
Verträgen  von  Hierapytna  mit  den  Städten  Lyttos  und  Magnesia.  Die 
erstgenannte  Inschrift  konnte  er  vervollständigen,  indem  er  eine  Ab- 
schrift derselben  nach  einem  alten  Blatte  der  ambrosianischen  Biblio- 
thek zu  Mailand  erhielt.  Endlich  entdeckte  er  in  Venedig  in  einer 
Privatsammlung  Theile  eines  unedierten  Werks  eines  ital.  Abtes ,  worin 
nicht  nur  die  genannten  3  Inschriften  sich  finden,  sondern  aufserdem 
noch  4  Verträge  von  Teos  mit  kretischen  Städten.  Den  erstgenannten 
Vertrag  setzt  der  Vf.  in  das  J.  220  v.  Chr. ;  ebenso  vermiithungsweise 
die  beiden  folgenden,  welche  weit  weniger  umfangreich  sind. —  Dann 
folgen  65  Emendationen  zum  4n— 45n  Buche  des  Livius.  —  Mehl  er 
bespricht  S.  126  ff.  Matrangas  Anecdota  Graeca  und  Schmidts  Schrift 
de  Pluiarehea  quae  vulgo  Jertur  Homeri  vita  Porphyrio  vindicanda 
(Beroi.  1860),  insofern  diese  Schriften  auf  Herakleitos  bezügliches 
enthalten.  Er  weist  nach,  dafs  Matranga  sich  einer  unvollständigen 
Hs.  bedient  habe,  sowie  dafs  sein  kritisches  Verfahren  zu  tadeln  sei. 
Zum  Beweise  gibt  er  einen  Vergleich  der  abweichenden  Collationen 
Cobets  und  Matrangas  von  der  betreffenden  Partie  im  cod.  Vat.  84J 
(p.  141 — 161).  Was  dann  Schmidts  Schrift  anlangt,  so  wird  zwar 
dieselbe  als  eine  höchst  scharfsinnige  Untersuchung  gerühmt,  aber  es 
wird  doch  vom  Vf.  die  Richtigkeit  der  darin  enthaltenen  Ergebnisse 


02  llnemosyne.    Ir — 3r  Jahrgaug. 

in  Abrede  gestellt.  —  Kiehl:  die  Gesetzgebung  des  Licinius  Stolo. 
In  2  Abschnitten  wird  gesprochen  Ton  den  darauf  hinwirkenden  Ver- 
hältnissen 1)  bis  zur  Annahme  der  rogaiionea  Liciniae  Sextiae  und 
2)  von  da  an  bis  zum  Aufstaude  zu  Lautulae. —  Naber:  die  Anklage- 
reden des  Demosthenes  gegen  Aphobos.  —  D.  J.  v.  Stegeren:  Be- 
merkung zum  attischen  Erbrechte  (zu  I)iod.  Sic.  XII,  16:  Diod.  be- 
ziehe sich  in  den  Worten  ot  filv  yocg  dno  tir^tgog  bis  6Q(pavoSiv  auf  ein 
Gesetz  des  Solen). —  Kiehl:  der  Reim  bei  den  griechischen  scentschen 
Dichtern.  —  Hecker:  zu  Vergils  Aen.  IV,  166. —  Kiehl:  nachtrag- 
liche Bemerkungen  zu  den  Schutzflehenden  des  Aeschylos.  —  Kiehl: 
Emendationen  zu  Xenophons  Anabasis.  —  Naber:  die  Schlacht  bei 
den  arginusischen  Inseln  und  der  damit  zusammenhängende  Frocess.  — 
Mehler:  Porson  über  die  Philologen  Deutschlands.  —  P.  v.  Bem- 
melen:  die  Bestimmungen  der  XII  Tafeln  über  Schmähgesänge  und 
Zauberformeln;  durch  diese  Abhandlung  erhält  die  oben  erwähnte  von 
Gigch  eine  Vervollständigung  und  Erläuterung.  —  Emendationen  zu 
Xenophons  Hellenica.  —  Kiehl:  Aeschyli  vita.  Zum  Schlufs  stellt 
der  Vf.  seine  Resultate  in  einer  Tabelle  zusammen,  woraus  man  er- 
sieht, dafs  er  hier  und  da  von  Clinton  etwas  abweicht,  z.  B.  dafs  die 
Phoenissen  des  Phrynichos  in  Ol.  76,  4  gehören  u.  s.  w.  —  Na  her: 
Solons  Gesetzgebung  in  Betreff  des  Erbrechts.  Der  Vf.  weist  nach^ 
dafs  die  auf  Erbrecht  bezuglichen  Gesetze,  welche  in  den  griechi- 
schen Rednern  vorkommen  und  dem  Solon  beigelegt  werden,  zum  Theil 
unvollständig,  zum  Theil  durch  die  spätem  Grammatiker  aus  den 
Worten  der  Redner  selbst  nachgemacht  worden  sind.  Vorzugsweise 
bespricht  er  die  Frage,  ob,  wenn  jemand  stirbt,  ohne  Erben  in  auf- 
oder  absteigender  Linie  nachzulafsen,  die  Erbschaft  in  Ermangelung 
von  Brüdern  oder  Bruderskindern  an  die  Schwestern  oder  deren  Kin- 
der falle.  —  Mehl  er:  in  Luciani  veras  historias  et  somnium  obser- 
vationes  criticae. —  Emendationen  zu  Arist.  Acharn.,  Equites,  Nubea, 
Vespae.  —  Aufserdem  stehen  zerstreut  im  Buche  unter  dem  Titel 
Blattfüllungen  (Lückenbüfser)  zahlreiche  Verbefserungsvorschläge  zu 
Aechylos,  Aristophanes,  Isaeos,  Horatius,  Cicero  u.  a.  —  Zweiter 
Jahrgang.  H.  G.  Hamaker:  Bemerkungen  zu  den  Acharnern  des 
Aristophanes  (kritische  Vorschläge).  —  Naber:  zwei  kretische  In- 
schriften: a)  der  Bundesvertrag  von  Allaria  (C.  1.  G.  Nr.  2557);  b) 
Agos  Testament  (C.  I.  G.  Nr.  2562).  —  Horatianum  quoddam  a  Sap> 
phone  sumtum.  Hör.  Od.  I  1  extr.  sublimi  fcriam  sidera  veriice  ist 
bei  Sapph.  fr.  15  (Bergk)  zu  finden.  —  Brink  sucht  nachzuweisen, 
dafs  Kallimachos  und  Herodes  keine  Hemiiambendichter  gewesen  seien. 
—  Ders. :  über  die  hesychische  Glosse  yLvlkijßriv'  noloßov.  —  Der«.: 
ein  Zeugnis  des  Priscianus  über  Tryphon.  —  Fortsetzung  von  Meh- 
lers in  Luciani  veras  historias  et  somnium  observationes  criticae«  — 
Kiehl:  Hygini  anecdoton.  Es  ist  dies  ein  längeres  Fragment  der 
Astronomica  des  Hyginus  aus  einem  Leidener  Codex.  —  Emendations* 
vorschlage  zu  Aristophanes  Fax,  Aves  und  Lysistrata. —  Hol  wer  da: 
Observationes  criticae  in  Fl.  losephi  Antiquitatum  ludaicarum  libnim 
XVIII.  —  Kiehl  weist  nach,  dafs  Androtion  der  Redner  wahrschein- 
lich mit  dem  Geschichtschreiber  dieses  Namens  identisch  sei.  —  A. 
Dederich:  de  gentis  Fabiae  origine.  Der  Vf.  weist  ge^en  Niebuhr 
(R.  G.  II,  198)  nach,  dafs  die  prcna  Fabia  nicht  ein  sabinisches,  8on> 
dern  ein  altlatinisches  Geschlecht  gewesen  sei.  —  Mehler:  Anmer- 
kungen zu  Lucians  Timon. —  J.  Geel:  über  Sophokles  Aiax  Vs.  646 — 
692. —  Emendationsvorschlägc  zu  Aristophanes  Thesmophoriazusen,  Frö- 
schen, Ekklesiazusen  und  Plutos. —  A.  J.  Vitringa:  de  sophistarum 
scholis,  quae  Socratis  aetate  Athenii»  floruerunt.  Aus  manchen  Dia- 
logen des  Piaton  erkennt  man,   wie  verbreitet  in  Athen  damals  solche 


Mnemosyne.    Ir — 3r  Jahrgang.  93 

'philosophische  Anschanungen  waren,  wie  sie  den  Sophisten  beigelegt 
werden;  da  nun  kein  Theil  der  Geschichte  der  griechischen  PhiIoso> 
phie  so  unentwirrt  ist  wie  dieser,  so  ist  der  Versuch  des  Vf.,  eine 
klare  Darle^^un^  der  Sophistensysteroe  zu  geben,  um  so  dankenswer- 
ther.  Das  Wesen  der  Sophistik  findet  der  Vf.  weniger  im  behandelten 
Gegenstande  als  in  der  Form  der  Behandlung;  diese  Form  charakteri- 
siert er  mit  folgenden  Worten:  'itaque  omnibus  communis  fuit  et  acn- 
tissima  dialectica  et  artificiosa  illa  rhetorica,  qua  de  qaalicunqne  re 
apte  et  eleganter  disserere  se  posse  prolitebantur ,  cuins  fastiginm 
erat  notum  illud  rov  '^ztod  loyov  x^f/rro)  noiei:v\  Aber  innerhalb  die- 
ser ffemein5iamen  Richtung  bestanden  Terschiedene  Schalen,  die  der 
Vf.  dann  zu  charakterisieren  sucht:  1)  de  Protagorae  schola  sire  de 
sophistis,  quorum  disciplina  ad  sensualismum  absolutum  pertinebat; 
2)  de  Prodico  si^e  de  sophistarum  schola  morali ;  3)  de  Hippia  sive  de 
sophistarnm  schola  physica;  4)  de  Gorgia  siTe  de  sophistarum  schola 
xflfT*  i^oxijv  politico-rhetorica. —  Mehl  er:  Beurtheilung  von  Muliacbs 
Ausg.  Ton  Hieroclis  in  aurenm  Pythagoreorum  Carmen  commentarius 
und  dess.  Conjectaneorum  Byzantinorum  libri  doo  (mit  Besprechung 
vieler  einzelnen  Stellen).  —  Dav.  Ruhnkenii  in  lustini  historias 
Philippicas  emendationes  ineditae.  —  Beurtheilung  von  Bergks  Aus- 
gabe des  Pindar  in  der  2n  Auflage  seiner  Poetae  lyrici  Graeci.  — 
Kiehl:  über  die  2e  Ausgabe  von  Bergks  Poetae  elegiaci  Graeci.  — 
P.  J.  Uylenbroek:  über  Geppcrts  homerische  Kritik.  Zu  G.s  Werke, 
welches  derselbe  das  Erzeugnis  einer  Reaction  gegen  die  Anhänger 
der  unhaltbaren  Wolfschen  Hypothese  nennt,  bespricht  der  Vf.  eine 
grofse  Anzahl  schwieriger  Stellen  aus  der  fnjvidog  dnoggrioig  (II.  7*), 
—  Hyperidis  oratio  pro  Euxenippo  recens  reperta,  rec.  C.  G.  Cobet. 
Zuerst  macht  der  Hg.  diesen  neuen  litterarischen  Fund  durch  Ab- 
druck des  Textes  seinen  Landsleuten  bekannt,  und  lafst  dann  zu  ein- 
zelnen Stellen  kritische  Bemerkungen  folgen.  Ueber  den  Werth  der 
Hs.  urtheilt  Cobet  mit  folgenden  Worten:  Mtaque  fieri^  potest,  ut  bis 
mille  annorum  sit  über,  et  certum  est,  a  librario  illitterato  et  alias 
res  agente  negligenter  admoduni  et  mendose  esse  descriptum*. —  Brink 
veröffentlicht  drei  noch  nicht  herausgegebene  lateinische  Briefe  von 
Luznc ,  Wyttenbach  i^nd  Wieland.  —  Unter  dem  Titel  '  Aeschylos  und 
die  gegenwärtige  Alterthumskunde'  bespricht  Kiehl  die  Ausgaben  des 
Aescnylos  von  G.  Hermann  und  W.  Dindorf  und  deren  handschriftliche 
Grundlage;  bei  dieser  Gelegenheit  theilt  ders.  die  abweichenden  Les- 
arten einer  Pariser  Handschrift  nach  Cobets,  Renans,  Askews  und 
Faehses  Abschrift  und  eine  Collation  von  5  Codd.  (Med.,  Vcn.,  Flor., 
Farn.  u.  Bessarionens)  mit.  —  Kappeyne  v.  d.  Coppellot  kritische 
Bemerkungen  (zu  Xenoph.  Hell.  U).  —  Brink:  Bischof  Hippolytus 
ctlgsaFcov  fXsyxos  Bl.  144. —  Cobet:  variae  lectiones. —  Emendations- 
vorschlage  zu  mehreren  Schriften  Ciceros.  —  Als  'Blattfullungen'  fin- 
den sich  in  diesem  Bande  zerstreut  Jcritische  Bemerkungen  zu  Aeschi- 
nes  or.  in  Timarch.  25;  Aeschylos  Suppl.  120;  Sept.  adv.  Theb.  125; 
613;  714  n.  a.  —  Dritter  Jahrgang.  Mehler:  quaestiones  Lucia- 
neae.  Der  Vf.  bespricht  einige  Stellen  aus  Lucians  Werken,  in  denen 
dieser  Schriftsteller  Anklänge  aus  Gedichten  enthält  und  die  von  den 
Hgg.  entweder  übersehen  oder  doch  nicht  gehörig  emendiert  worden 
sind. —  Hamaker:  Bemerkungen  zu  Aristophanes  Wespen:^  L  etwas 
über  die  Zahl  der  Schauspieler  und  wie  die  Rollen  unter  ihnen  ver- 
theilt  waren,  mit  Rücksicht  auf  K.  O.  Müllers  Annahme  (Gesch.  d. 
griech.  Litt.  II,  205),  dafs  Aristophanes  in  den  Wespen  ausnahmsweise 
einen  4n  Schauspieler  habe  mitwirken  lafsen,  was  der  Vf.  als  irthüm- 
lich  nachweist ;  II.  kritische  Bemerkungen  zu  vielen  Stellen  dieser  Ko- 
moedie.  —  D.  Ruhnkenii  emendationes  selectae;  e  schedis  in  biblio- 


§4        L.  Döderleiu:  Schcrflein  zum  VerstttDÜnis  des  Horatius. 

lieh  anzuzeigen  zu  viel  wäre.  Od.  T,  1,  28  erklart  er  iereie$  plagae 
«feine  Netze,  zu  dünn  für  den  marsischen  Eber.'  Dafs  die  feinsten 
Netze  für  die  Eberjagd  gemacht  wurden  und  fest  waren,  sehen  wir 
aus  Piinius  N.  H.  XIX,  1,  wo  vielleicht  die  Sache  übertrieben  dar- 
gestellt wird.  Dafs  aber  ein  starkes  Netz  durch  einen  gewaltigen 
Eber  einmal  durchrifsen  werde,  ist  nicht  zu  verwundern.  —  Od.  I,  7 
ist  nach  Hrn.  D.s  fester  Ueberzeugung  in  2  Gedichte  zu  zerlegen,  und 
ebenso  die  Ode  an  Archytas.  Beide  Gedichte  haben  das  nemliche 
Versmafs,  und  da  aufser  dt>m  sapphischen  und  alcaeischen  in  den  4 
Büchern  der  horazischen  Oden  durchaus  nie  das  gleiche  Versmafs  un> 
mittelbar  wiederholt  wird  ,  so  würde  dies  durch  die  Theilung  beider 
Gedichte  geschehen,  was  nicht  ganz  gleichgiltig  zu  übersehen  ist. 
Wir  wifsen  den  Gram  und  die  Verhältnisse  des  Plancus,  welche  in 
dieser  Ode  berührt  werden,  nicht  genau,  müfsen  aber  voraussetzen, 
dafs  er  aofserhalb  Italiens  war,  und  hätte  Horaz  ihn  von  einem  nn- 
muthigen  Schweifen  in  der  Fremde  abmahnen  wollen,  so  wäre  dies  in 
der  Ode  geschehen.  Preise  wer  will  die  fremden  Städte,  ich  lobe 
mir  Tibur,  wo  du  auch  einen  Aufenthalt  hast,  und  nenne  es  den 
schönsten  oder  erfreulichsten  Ort.  Doch  ob  du  nun  in  der  Fremde, 
selbst  in  einem  Kriegslager  bist,  oder  dich  zurückgekehrt  in  Tibur 
befindest,  lindere  deinen  Gram  durch  Wein.  In  der  11  n  Epistel  des 
In  Buchs  spricht  Horaz  aus,  dafs  man  durch  Wechsel  des  Aufenthalts 
und  die  Wahl  herlicher  Orte  die  Launen  des  Unmuths  nicht  beschwich- 
tige: Romae  laudetur  Samos  ei  Chio$  et  Rhodos  absens.  —  Od.  f, 
18,  15  tollcns  vacuum  gloria  verticem  soll  tollem  vacuum  heifsen 
'hoch  erhebend',  Vertex  sublime  $eu  vacuum  elatua.  Nirgends  heifst 
t>acttttfit  hoch,  sondern  in  vacuum y  in  die  leere  Luft,  kann  dies  be- 
deuten; aber  allein  für  sich  hat  vacuum  diese  Bedeutung  nicht,  weil 
es  sie  nicht  haben  kann.  Vertex  soll  nicht  gleich  caput  stehen  kön- 
nen, und  daher  die  Bedeutung  des  leeren  Kopfes  unmöglich  sein.  Dem 
ist  nicht  so,  denn  Vertex  kann  nur  Kopf  bedeuten  bei  Vergil,  wenn 
er  Aen.  VII,  784.  XI,  683  von  Turnus  sagt:  et  toto  vertice  supra  esi^ 
d.  i.  er  ragt  einen  ganzen  Kopf  über  die  andern.  Ovid  Metam.  V, 
84.  Xir,  118  sagt:  resupinus  humum  moribundo  vertice  puUat,  Wer 
auf  ebener  Erde  rücklings  fällt,  schlägt  den  Boden  mit  dem  Hinter- 
kopf, und  wenn  Petronius  c.  137  tremulo  deduxit  vertice  eanos,  so 
kann  doch  der  Scheitel  selbst  nicht  zittern.  Das  homerische  ovffavco 
iavt^Qi^s  xdgrj  (Callim.  hymn.  in  Cer.  59  %e<pala  de  ot  u'^ltaz*  *Olvfifcai) 
entspricht  dem  vergilischen  (Aen.  IV,  176)  caput  inter  nubila  condit; 
Aber  ähnlich  ist  (Hör.)  feriam  sidera  vertice,  (Ovid.  Met.  VII,  61) 
vertice  sidera  tangam,  (Fast.  I,  209)  caput  eociulit  —  et  tetigii  ver- 
tice. Der  Versfuls  entschied  die  Wahl  zwischen  caput  und  vcrtex, 
Javenal  nennt  den  Dummkopf  vacuum  caput.  —  Od.  I,  20,  10  tu  6t- 
be$  soll  in  tum  bibes  geändert  werden.  Dann  würde  Horaz  zu  Mae- 
cenas  sagen:  du  bekommst  dann  Caecuber  und  Calener,  meine  Becher 
(aof  dem  vorangestellten  mea  ohne  motivierende  Partikel  liegt  Nach- 
druck) füllt  kein  Falerner  oder  Formianer.  Das  heifst:  Caernber  und 
Calener  werde  ich  dir  geben,  Falerner  und  F^ormianer  übersteigen 
meine  Kräfte.  Jene  Weine  waren  aber  ebenso  kostbar  wie  diese, 
und  wenn  er  hätte  sagen  wollen ,  ich  kann  dich  nur  mit  zwei  edlen 
Weinen  bewirthen,  nicht  mit  vier,  so  hatte  er  sich  anders  ausdrucken 
mufsen.  Allein  einem  hochstehenden  Manne  zu  sagen,  ich  werde  dir 
zwei  sehr  edle  Weine  geben,  für  vier  reicht  mein  Greld  nicht  hin,  ist 
weder  im  Ernst  noch  im  Scherz  anständig.  Entweder  mafs  er  ihn 
auf  die  Art,  an  welche  der  hochstehende  Mann  gewöhnt  ist,  oder  ein- 
fach bewirthen.  Einen  vornehmen  Mann,  der  glänzend  zu  leben  ge- 
wohnt ist,  ehrt  der  geringere,  der  ihm  sein  bescheidenes  kleines  Ver- 


L.  Döderlein;  ScherfleiD  zum  VerstündDis  des  Horaiias.        85 

mögen  verdankt ,  wenn  er  nicht  mit  ihm  irgend ,  bei  welcher  Gelegea** 
heit  es  sei,  wetteifert,  sondern  ihn,  wenn  er  ihn  mit  seinem  Besuche 
beehrt,  auf  die  einfachste  Weise  empfangt;  denn  der  reiche  vornehme 
fühlt  sich  nicht  geschmeichelt,  wenn  der  in  beschränkten  Verhält- 
nissen lebende  seinetwegen  einen  kostspieligen  Aufwand  macht.  Wa^ 
rum  nennt  Horaz  4  Weine?  Hr.  D.  meint,  indem  er  von  dem  Mahle 
des  Nasidienus  in  den  Satiren  spricht,  4  Weine  seien  für  einen  rei- 
chen Mann,  der  einen  Maecenas  bewirthe,  wenig  und  es  sei  die  Be- 
schrankung auf  blofs  4  Weine  eine  Unehre.  So  ist  es  aber  nicht, 
sondern  gerade  4  Sorten  gehörten  zur  vollkommenen  Tafel  jener  Zeit, 
wie  uns  Plinius  N.  H.  XIV,  15  sagt,  wo  er  vom  dritten  Consulate 
des  Caesar  spricht:  quo  primum  tempore  quattuor  genera  vini  appo- 
«ita  constat.  Solche  Dinge  sind  eine  Sache  der  Mode  und  müfsen 
nicht  nach  ihrem  Werth,  sondern  nach  der  Mode  benrtheilt  werden. 
Die  Lächerlichkeit  des  Nasidienus  liegt  in  dem  Mangel  der  gesell- 
schaftlichen Bildung  und  des  feinen  Tones,  für  den  sein  ganzes  Haus^ 
Wesen  nicht  passte.  Horaz  also,  welcher  ein  gebildeter  Mann  war, 
dem  der  feine  Ton  und  die  Kenntnis  des  schicklichen  nicht  fehlte, 
lädt  den  Maecenas  zu  gewohnlichem  W^ein  (vile  vorangestellt)  ein, 
der  aber  einen  sog.  Affectionswerth  hat,  und  sagt,  die  bei  reichen 
Tafeln  vorkommenden  4  Weine  der  besten  Sorten  finden  sich  nicht 
bei  mir.  Epist.  J,  6  lädt  er  den  Torquatus  in  anderm  Tone  ähnlich 
ein,  und  dem  Vergiüus  verspricht  er  Od.  IV,  12  Calener  beim  Sulpi- 
cius  zu  kaufen,  wenn  er  die  Salbe  zum  Gelage  stellen  wolle.   —    Od. 

I,  35,  17.  Die  Werkzeuge  der  ^ccesntas  sollen  bedeuten:  die  Nagel 
das  Befestigen;  die  Keile  das  Auseinandertreiben;  der  Haken  das 
Schleifen  des  getÖdteten  Verbrechers;  das  geschmolzene  Blei  eine  Art 
Folter.  Die  ^eeessitaa  kann  hier  nur  in  Beziehung  auf  das  Walten 
der  Fortuna  das  unabwendbare  Wirken  dieser  Göttin  bezeichnen,  und 
ihre  Attribute  sollen  dies  versinnlichen,  welche  daher  nur  das  feste 
bedeuten  können.  Werkzeuge  des  Tödtens  eines  Verbrechers  oder  der 
Mishandlung  desselben  oder  des  Folterns  können  nicht  der  Fortuna, 
^ondern  der  Justitia  zukommen.  Die  Keile  dienen  zum  Festmacheu 
durch  Verkeilen,  der  Haken  zur  Verbindung  und  das  Blei  um  densel- 
ben  fest  zu  löthen.  —  Od.  I,  37,  9  contaminato  cum  grege  iurpium 
Morbo  virorum  soll  bedeuten  ^mit  der  Schaar  entmannter  Scheu- 
(iale,  der  Pestbeule  des  Männergeschlechts.'  Da  im  Lat.  morbus  nie- 
mals so  gebraucht  worden  ist,  so  soll  das  griech.  voaog  aushelfen, 
welches  aber  nicht  den  Schandfleck  bezeichnet,  sondern  etwas  be- 
nachtheiligendes,  verletzendes,  die  Eunuchen  sind  aber  nicht  ver- 
letzend oder  benachtheiligend  für  die  Männer,  und  wenn  Horaz  mor- 
bus so  verstanden  wifsen  wollte,  so  hätte  er  sich  anders  ausdrucken 
muftien,  denn  die  Wortstellung  und  das  Adjectiviim  iurpium  führen 
jeden  auf  die  Verbindung  der  Wörter  iurpium  morbo  virorum,  welche 
auch  angeben,  wodurch  der  grex  als  coniaminaius  bezeichnet  wird. ^ 

Od.  II,  ],  2.  Die  modi  sollen  hier  moderata  ei  prudentia  eonsi- 
lia  als  Gegensatz  gegen  vitia  sein.  Modi  sind  Mafse,  aber  nicht 
Mäfsigungen,  und  Mäfsigungen  sind  nicht  prudentia  eonsilia,  -—    Od. 

II,  2,  '2^  quisquis  ingentcs  ocu/o  irreiorto  Spcctat  acervos.  Dies  soll 
bedeuten  quisquis  ingcnies  aeervos  non  spcctat  ocuto  reiorto,  was  in 
D.s  mir  nicht  bekannten  Reden  und  Aufs,  begründet  sei;  oder  soll  er- 
klärt werden:  ^uis^uts  ingentes  acervos  spectai,  dein  irreiorto  oculo 
discedit.  Diese  Stelle  ist  ohne  Schwierigkeit,  denn  der  Ausdruck: 
wer  grofsen  Reichthuro  anschaut,  ohne  von  seinem  Glänze  geblendet 
das  Auge  zurückzuwenden,  wer  ihn  also  mit  völliger  Selbstbeher- 
iichung  und  ungerührt  anschaut,  ist  ein  passender.  —  Od.  II,  20,  9 
supeme  soll  zu   nascuniurque    etc.  gezogen    werden,    weil   die  Ver- 


86        L.  Döderlein:  Scherflein  zum  Verftfindnii  des  Uoratiaii. 

wandlong  in  einen  Schwan  nicht  blofs  $upeme  stattfinde.  Die  Beine 
schrumpften  zwar  zu  Vogelbeinen  ein,  aber  der  Obertheii  wurde  ein 
albu9  ales,  denn  obgleich  sich  die  Vogel  wohl  auch  durch  die  Beine 
unterscheiden,  so  ist  doch  der  übrige  Theil  vorzaglich  entscheidend, 
um  z.  B.  einen  Raben  von  einem  Schwan ,  einen  Adler  Ton  einem  Huhn 
u.  s.  w.  zu  unterscheiden.  Bei  dem  Einschrumpfen  der  Beine  war 
noch  nicht  mit  Gewisheit  zuerkennen,  welcher  Vogel  entstehen  werde. 

Od.  III,  4,  60  numquam  humeris  pogituruß  arcum  soll  heifsen : 
der  nicht  einen  Augenblick  während  des  Kampfes  den  Bogen  auf  die 
Schulter  zur  Ruhe  zu  bringen  entschlofsen  war.  Numquam  hat  diese 
Bedeutung  nicht  und  könnte  nur  bei  einer  angegebenen  Zeit  in  über- 
triebener Bedeutung  von  dieser  ganzen  Zeit  gebraucht  werden.  Die 
folgende  den  Apollon  zu  seiner  Verherlichung  als  lockenumwallten,  als 
Gott  der  Kastalia,  als  Delier  und  Pataraeer  beschreibende  Strophe 
zeigt  deutlich,  dafs  er  mit  den  fraglichen  Worten  ebenfalls  beschrie- 
ben wird  als  der  Bogenschütze,  als  der  welcher  immer  den  Bogen  mit 
sich  fuhrt.  Juno  heifst  blofs  Matrone,  Vulcan  blofs  gierig  (weil  das 
Feuer  alles,  was  ihm  zur  Nahrung  dient,  gierig  ergreift);  aber  Apollo 
wird  in  der  Beschreibung  mehr  herYorgehoben ,  da  er  zu  den  Musen 
und  ihrem  lene  contilium  gehört.  Man  kann  an  posiiurua  mäkeln, 
man  kann  berechnen,  dafs  er  den  Bogen  beim  Schlafen  und  andern 
Verrichtungen  wahrscheinlich  ablege,  aber  damit  erwächst  für  eine 
nnbegrundete  Erklärung  keine  Begründung.  —  Od.  III,  9,  6.  Der 
Gleichheit  mit  der  Torigen  Strophe  wegen  soll  multi  Lydia  nominia 
erklärt  werden  $ed  Lydia  multi  nominis  erat ,  oder  Apposition  zu  dem 
Torhergehenden  Lydia  sein.  Dieses  multi  nominia  Lydia  von  vigui 
darior  zu  trennen  geht  nicht,  denn  als  Apposition  wäre  es  lächerKch 
emphatisch,  und  über  die  erstere  Erklärung  zu  sprechen  wäre  Aber- 
flujsig;  die  Symmetrie  besteht  eben  nicht  in  einer  Abzahlung  der  Sil- 
ben, und  statt  der  Symmetrie  des  Gedankens  eine  Gleichheit  der  Sil- 
benvertheilung  zum  herschenden  zu  machen  kann  die  Interpretation 
nicht  fördern.  Die  Symmetrie  des  Gedankens  erfordert  als  abschlie- 
ßend in  der  ersten  Strophe  iuvenia  dabaty  in  der  zweiten  erat  Lydia 
poMt  Chloeny  worauf  unmittelbar  und  nicht  durch  einen  Zusatz  ge- 
trennt der  Ausspruch  über  das  Gluck  des  bezeichneten  Zustandes  fol- 
gen mufs.  Die  beiden  letzten  Strophen  entsprechen  einander  in  dem 
Sinne,  wie  es  die  zweite  der  ersten  soll,  ganz  und  gar  nicht.  —  Od. 
III,  21,  4.  Die  pia  ieata  deutet  Hr.  D.  auf  die  Wirkung  des  darin  ent- 
haltenen Weins  und  meint,  man  mufse  es  dem  Dichter  nachsehen, 
wenn  er,  der  noch  nicht  wüste,  welche  Wirkung  dieser  Wein  herror- 
bringen  werde,  die  gute  allein  ins  Auge  gefafst  und  danach  das  Bei- 
wort gewählt  habe.  O  nata  mecum  consule  Manlio  —  pia  iesta  be* 
zeichnet  den  Wein  als  einen  im  PietätsTerhaltnis  zu  ihm  stehenden 
wegen  der  gleichsam  geschwisterlichen  Abstammung  in  Hinsicht  der 
Geburtszeit.  Es  ist,  wie  wenn  einer  im  Deutschen  eine  Flasche  sol- 
ches Weines  im  Liede  sein  'Bruderchen'  oder  'Schwesterchen^  oder 
ähnlich  benennen  wollte.  Piua  bezeichnet  aber  das  liebende  Verhält- 
nis der^  nahen  Verwandtschaft.  —  Od.  III,  24,  39  duratae  solo  nivea 
soll  heifsen  'Schnee  so  hart  wie  fester  Boden.*  Dafs  die  Sprache 
solche  Erklärung  zulafse,  ist  nicht  bewiesen,  mithin  die  Erklärung 
nicht  annehmbar. 

Sat.  J,  I,  88  ai  si  cognato»,  nullo  natura  labere  Quoa  tibi  daty 
retinere  velis  aervareque  amicoa.  Aus  nullo  labore  soll  zu  reftnere 
das  Wort  labore  hinzugedacht  werden,  damit  es  bedeute:  indem  da 
für  die  Terwandten  sparst,  kannst  du  durch  Mühe  und  Arbeit  und 
Opfer  die  Liebe  der  blutsrerwandten  nicht  erwerben  u.  s.  w.  Jene 
Wiederholung  Ton  /a6ore  ist  nnnaturlich  nnd  der  angebliche  Gedanke 


L.  Döderlein :  Scherflein  zum  Verständnis  des  Horatius.        87 

Jener  Worte  in  dieser  Weise  dem  Verständnis  unmöglich.  Den  Geiz- 
hals,  heifst  es,  mag  niemand,  und  wenn  er  meint  die  blotsverwandten, 
die  ihm  die  Natur,  ohne  dafs  er  etwas  dafür  gethan,  gegeben  hat, 
würden  ihm  bleiben  (insofern  ja  ein  solches  Verhältnis  eine  gewisse 
Anhänglichkeit  ganz  von  selbst  erzeugt),  so  irrt  er  sich,  denn  auch 
ein  solches  Verhältnis  verliert  die  Kraft  gegenüber  dem  Egoismus  des 
Geizhalses,  der  keiner  Liebe  zu  irgend  jemand  fähig  ist,  und  darum 
keine  findet.  —  Sat.  I,  5,  75  convivas  avidos  ccnam  servoaguc  timentea 
Tum  raperc  —  videres  soll  heifsen:  die  Sklaven  rafften  aus  Furcht  ver- 
stohlen von  dem  Efsen,  aher  timentes  heifst  nicht  'verstohlen',  und  eine 
solche  Auslegung  mäste  sich  auf  einen  Beweis  stützen.  Timenics  kann  auch 
zu  raperc  construiert  werden  ohne  'verstohlen'  bedeuten  zu  mufsen. 

Epist.  I,  6,  5  quid  ccnses  munera  terrae,  Quid  maria  extremoa  Arahat 
ditaniia  ei  Irtdos,  Ludicra  quid,  plauaus  et  amici  donaQuiritis?  Hier  ver- 
bindet Hr.  D.  ludicra  plausus  und  stellt  sie  den  dona  Quiriti»  gegenüber. 
Horaz  hätte  vielleicht  in  solcher  Verbindung  und  Bedeutung  ludicra  plau- 
9uum  gesagt.  Ich  habe  in  dieser  Stelle  immer  eine  Aufzählung  der  Dinge 
des  Besitzes  und  der  Dinge  des  Ehrgeizes  oder  der  Eitelkeit  (der  am- 
bitio  misera)  gesehen,  so  dafs  die  munera  terrae  et  maris  die  ludierOj 
welche  in  plausus  und  amici  dona  Qutrifi«  bestehen ,  gegenüberhaben. 
Dafs  dem  philosophischen  Betrachter  des  Werthes  der  Dinge  das  Bei- 
fallklatschen und  die  Auszeichnung  durch  die  honores  des  romischen 
Volkes  in  der  damaligen  Zeit  als  Dinge  ohne  wahren  Werth,  als  lu- 
dicra erscheinen  musten,  ist  natürlich.  Unten  Vs.  49  bezeichnet  er 
die  plau8U9  und  dona  Quiritis  als  spccies  et  gratia,  Sat.  IT,  3,  179 
läfst  ein  Vater  seine  Sohne  schworen,  sich  durch  die  gloria  nicht 
zum  Erjagen  der  Ehrenstellen  bewegen  zu  lafsen:  latu9  ut  in  Circo 
spatiere  et  aeneus  ut  stes,  Scilicet  ut  plaueus ,  quos  fert  Agrippa, 
fcras  tu,  —  Ebend.  Vs.  15  insani  nomen  sapiens  ferat,  aequus  tni- 
quij  ultra  quam  satis  est  virtutem  si  petat  ipsam.  Das  nil  admirariy 
welches  bis  zu  diesen  Worten  ausgeführt  ist,  soll  mit  der  virtus  ipsa 
identisch  sein,  somit  ein  Widerspruch  sich  ergeben,  da  das  Ringen  nach 
der  eben  empfohlenen  virtus  ipsa  nicht  als  Uebermafs  verboten  werden 
könne.  Darum  seien  jene  beiden  Verse  als  ein  Einwurf  des  Numicius 
oder  eines  andern  anzusehn,  und  im  folgenden  sage  dann  Horaz:  'gut! 
willst  du  nicht  nach  dem  Ideal  streben,  so  fang  lieber  gar  nicht  an! 
sQche  dein  Glück  auf  dem  Weg  des  Lebensgenufses  und  der  Ehrsucht 
—  wähle  mit  Entschiedenheit  zwischen  beiden  Wegen  zum  Lebens- 
glück.' Der  zweite  Vers  soll  zweierlei  Gedanken  und  Ausdrucksarten 
in  ^ine  vereint  enthalten,  erst:  ultra  quam  satis  est  virtutem  si  petat, 
dann  virtutem  si  petat  ipsam  ohne  ultra  etc.,  und  letzteres  soll  heifsen: 
'wenn  er  das  Urbild  der  virtus  werden  will  und  sich  mit  der  blofsen 
Aehnlichkeit  nicht  begnügt.'  Das  nil  admirari  ist  die  Unabhängigkeit 
der  Seele  von  allem  was  leidenschaftliche  Regungen  erwecken  kann, 
und  niemand  hat  die  Tugend  selbst  in  diesen  Zustand  gesetzt  und  da- 
rin beschlofsen  geglaubt.  Die  Erklärung  des  letztem  Verses  läfst 
Horaz  reden,  wie  es  gar  nicht  möglich  ist.  Der  Sinn  der  Epistel  ist 
deutlich  auf  das  nil  admirari  gerichtet,  ohne  welches  der  Mensch  von 
Leidenschaft  getrieben  wird  und  nicht  zur  Tugend  g<^langt,  die  zum 
rede  vivere  nothig  ist.  Die  alte  Lebensphilosophie  glaubte  allerdings 
an  ein  Uebermafs  der  Tugend,  wenn  nemlich  das  Streben  nach  Tu- 
gend leidenschaftlich  war.  Virtus  ipsa  ist  hier  keineswegs  das  Urbild  der 
Tugend ,  und  Cicero  gebraucht  dieses  ipsa  gerade  so,  wenn  er  von  der 
Leidenschaftlichkeit  im  Streben  nach  der  Tugend  abmahnt :  etiamst 
virtutis  ipsius  vehementior  appetitus  sit,  eadem  sit  omnibus  ad 
deterrendum  adhibenda  oratio,  —  Epist.  T,  8,  10  cur  me  funesiopro^ 
perent  arcere  vetcmo.    Die  Todcsrnhe  soll  durch /uwcsfii«  vcternus 


88         L.  Döderlein :  Scherflein  zum  Verständnis  des  Horatins. 

bezeichnet  sein,  der  Schlaf  im  Grabe,  den  er  als  Erlösung  vom 
vetemuf ,  dem  Scheintod,  wünscht.  Funeaius  vetemu$  in  der  Be- 
deutung des  wirklichen  Todes  kommt  nicht  vor,  da  es  nicht  einmal 
den  wirklichen  Schlaf  bezeichnet,  und  konnte  vielleicht  als  Sehen  an 
einer  geeigneten  Stelle  in  jenem  Sinne  angebracht  werden,  was  bis 
jetzt  nicht  geschehen  ist.  Doch  arcere  soll  gar  nicht  von  dem  blofsen 
veternua,  an  dem  Horaz  zu  leiden  vorgibt,  stehen  können,  von  wei- 
ehern  liberare  gesagt  werden  müste.  Dieser  iorpor  ist  schlafähnlich, 
ist  Schläfrigkeit,  und  diese  kann  man  von  einem  abwehren,  denn 
aomnum  arcere  ist  ein  untadelhafter  Ausdruck,  und  da  kein  leibliches 
Uebel  vorhanden  ist,  so  ist  der  Ausdruck  veiemum  arcere y  oder  poe- 
tisch arcere  a  veterno  nicht  ungehörig.  Funeaius  soll  immer  in  Be- 
ziehung zu  dem  wirklichen  Tod  und  Grab  stehn.  Damit  wird  nicht 
bewiesen,  was  hier  bewiesen  werden  soll,  denn  alles  kann  funeatum 
heifsen,  was  zum  Tode  führen  kann,  wobei  er  in  Betracht  kommen 
kann;  so  heifsen  viele  Dinge  funeata ,  die  nicht  in  unmittelbarer  Be- 
ziehung zu  ihm  stehen,  und  dieses  Wort  ist  geeignet,  um  einen  krank- 
haften Zustand  sehr  stark  auszudrucken,  selbst  wenn  dieser  Zustand 
seinen  Sitz  im  Gemuthe  hat,  denn  er  kann  ja  gesteigert  den  Tod  her- 
beifuhren. Horaz  hat  nie  den  Wunsch  nach  Sterben  geäufsert.  — 
Epist.  I,  16,  8  tempericm  laudea  etc.  Der  Sinn  soll  sein:  'ja  wollten 
etwa  durch  ein  Wunder  der  Natur  die  Dornbüsche  so  freundlich  sein, 
Cornelkirschen  und  Pflaumen  zu  tragen,  und  Eichen  (die  hier  fehlen) 
da  sein,  wie  in  Taren t ,  um  Futter  und  Schatten  zu  geben  —  dann 
könnte  man  sich  gar  in  Tarent  glauben.'  Es  folgt  fona  etiam  etc.: 
auch  ein  Quell  von  trefflichem  kaltem  Wafser  ist  da.  Ware  jene  Er- 
klärung die  rechte,  dann  würde  hier  nicht  etiam  stehen,  welches  za 
den  genannten  Herlichkeiten  eine  neue  fügt.  Der  Sinn  ist:  wie  wenn 
nun  hier  reichlich  gesegnete  Dornbüsche  Cornelkirschen  (gut  für  das 
Vieh)  und  Schlehen  tragen,  und  Eichen  das  Vieh  mit  Futter,  den 
Herrn  (für  den  hier  keine  Früchte  wachsen)  mit  Schatten  erquicken? 
du  möchtest  oder  könntest  sagen,  Tarent  sei  näher  herangerückt. 
Dieser  Scherz  ist  leicht  zu  verstehen,  da  Tarent,  wie  er  es  in  der  6n 
Ode  des  2n  B.  schildert,  nicht  wegen  Cornelkirschen  u.  s.  w.  geprie- 
sen war,  aber  als  ein  durch  Oel,  Wein  u.  s.  w.  vorzüglicher  Punkt 
der  Erde.  Den  Quell  und  die  Bäume  seines  Gütchens  nennt  er  auch 
Sat.  II,  6  und  Epist.  J,  14,  wo  Holz  und  Laub  als  Futter  erwähnt 
wird;  dafs  aber,  da  er  auch  der  temperiea  nicht  im  Scherz  sondern 
im  Ernst  als  einer  angenehmen  gedenkt,  in  seiner  ailva  gerade  quer- 
eua  und  ilex  nicht  habe  wachsen  können,  ist  undenkbar.  —  Epist. 
I,  17,  24  iempiantem  tnaiora,  fere  praeaeniibua  aequum  von  Aristip- 
pus  gesagt  soll  nicht  recht  sein,  sondern  fere  zu  tcmptaniem  maiora 
gehören,  weil  dem,  der  nur  in  der  Regel  zufrieden  sei,  bisweilen 
aber  über  sie  murre,  nicht  jede  Lebenslage  gut  anstehe;  iemptantem 
maiora  fere  aber  bedeute,  dafs  er  In  der  Regel  nach  dem  günstigem 
strebte.  Es  heifst:  jeder  Zustand  passte  für  ihn,  seine  Lebensweis- 
heit war  der  Art,  dafs  er  nach  dem  angenehmen  strebend  sich  den- 
noch in  alles  fand  und  sich  nicht  ungebährdig  gegen  eine  unerfreu- 
liche Lebenslage  auflehnend  das  Leben  umsonst  noch  bitterer  machte. 
Daraus  folgte  aber  nicht,  dafs  er  absolut  aequua  praeaeniibua  gewe- 
sen wäre,  denn  in  der  schlechten  Lage  strebte  er  wie  immer  nach  der 
befsern,  und  ein  solcher,  mag  er  sich  auch  noch  so  sehr  ge\%öhnt 
haben  sich  in  alles  zu  fügen,  ist  nicht  absolut  aequua  in  Beziehung 
auf  jede  mögliche  Lage,  sondern  erträgt  meistens  das,  was  er  nicht 
vermeiden  kann,  gleichmüthig,  um  es  sich  nicht  durch  Unmuth  noch 
drückender  zu  machen.  Wer  das  Vergnügen  als  höchstes  Gut  erkannt 
hat,  der  strebt  nicht /ere  nach  der  guten  Lage,  sondern  allezeit,  und 


L.  Döderlein:  Scherflein  zum  VersUiodnis  des  Horatias.        89 


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wenn  er  auch  nicht  immer  vollkommen  Eufrieden  ist  mit  dem,  was 
ihm  begegnet,  so  ergibt  er  sich  doch  nicht  einer  heftigen  Bekümmer- 
nis, sondern  läfst  sich  nicht  zu  sehr  davon  anfechten.  Darum  passt 
er  in  jede  Lage,  omnis  Status  cum  decet,  ist  aber  nicht  mit  jeder 
Lage  zufrieden,  was  decet  auch  gar  nicht  heifst.  —  Bei  dieser  Gele- 
genheit wird  in  Sat.  J,  3,  96  quis  paria  esse  fere  placuit  pcccata  la- 
borant,  cum  ventum  ad  verum  est,  mit  Baxter  fere  zu  laborant  ge- 
zogen durch  den  Ausdruck  Hyperbaton.  Dafs  dieser  Ausdruck  eine 
durchaus  unverständliche  Wortstellung  zu  einer  verständlichen  machen 
könne,  ist  nicht  näher  erörtert.  Von  einer  Lehre,  welche  trotz  der 
Theorie  von  der  Gleichheit  der  Fehler  diese  Theorie  durch  eine  Ca- 
suistik  mit  dem  Leben  auszugleichen  nicht  umhin  konnte,  ist  es  nicht 
unmöglich,  dafs  ein  Dichter,  welcher  von  ihr  sagt,  sie  sei  in  Ver- 
legenheit, wenn  es  auf  das  praktische  Leben  ankomme,  sich  durch 
fere  ausdrücke.  Cicero  Parad.  JJI,  25  gibt  ein  Beispiel  dieser  Ca- 
suistik.  —  Epist.  J,  20,  24  praecanum  y  solibus  apium.  Der  letztere 
Ausdruck  soll  eine  humoristische  Umschreibung  von  calvus  sein,  weil 
die  Glatze  den  Sonnenstrahlen  wie  ein  offenes  ungeschütztes  Feld 
preisgegeben  sei.  Die  anderswo  gegebene  Begründung  kenne  ich 
nicht  und  vermag  sie  daher  nicht  anzugeben.  Mit  der  Erklärung:  ein 
sonst  unbekannter  Ausdruck  sei  humoristisch ,  läfst  sich  allerdings  vie- 
les anfangen  und  wenn  man  will,  sogar  alles.  Sollte  solibus  aptua 
den  Glatzkopf  bedeuten,  so  müste  dieser  Ausdruck  wenigstens  von 
einem  offenen  Felde  gebräuchlich  oder  je  gebraucht  sein,  um  daran  zu 
erinnern  und  durch  diesen  Vergleich  humoristisch  anzusprechen.  Daran 
fehlt  es  aber,  und  der  für  ein  Feld  ganz  aflectierte  Ausdruck  ist  erst 
noch  aufzusuchen.  Horaz  ist  geeignet,  passt  für  die  Wärme,  nicht 
für  die  Kälte,  weil  ihn  diese  drückt  (darum  sehnt  er  sich  nach  Ta- 
rent  wegen  der  milden  Luft  Od.  II,  6.  Epist.  I,  7).  Wenn  er  sich 
einen  für  die  Wirksamkeit  der  Sonne  passenden  Gegenstand  nennt, 
an  welchem  die  Wärme  ein  recht  geeignetes  Feld  ihrer  Wirkung  fin- 
det, so  möchte  das  doch  nicht  allzu  hochpoctisch  sein  für  den  prosai- 
schen Gedanken:  ich  bin  geeignet  zur  Ertragun^  der  Sonnenhitze,  die 
Sonnenwärme  thut  mir  wohl.  Schwerlich  ist  diese  Hypallage,  wenn 
man  es  etwa  so  nennen  wollte,  kühner  oder  nur  ebenso  kühn,  als  das 
vergilische  (Aen.  IV,  385)  cum  frigida  mors  anima  seduxerit  artus, 

Epist.  II,  2,  134  signo  laeso  non  insanire  lagenae  soll  heiftien: 
'der  Mann  pflegte  nicht,  wenn  er  einmal  eine  Flasche  entsiegelt  hatte, 
sich  sofort  zu  betrinken/  Signum  laedere  gilt  nicht  vom  Entsiegeln 
durch  den  rechtroäfsigen  Besitzer  der  Flasche,  für  den  überdies  die 
Erwähnung  des  signum,  welches  nur  zum  Schutz  gegen  unbefugte 
Oeffnung  der  Flasche  angewandt  war,  unpassend  ist.  Es  bedarf  da- 
her nicht  der  Frage,  ob  insanire  lagenae  'sirh  betrinken'  heifse.  — 
Epist.  II,  3,  68  mortalia  facta  peribunt  soll  bedeuten:  mortalia  (ope- 
ra)  ita  ut  facta  sunt^  peribunt,  oder  mortalia  fiunt  et  pereunt,  sicut 
mortales  nascuntur  et  moriuntur.  Solche  verzwickte  Affeetation  des 
Ausdrucks  mag  man  dem  Horaz  nicht  zutrauen.  Wenn  er  sagt  mor- 
talia facta  für  ea,  quac  mortales  fecerunt,  peribunt,  so  ist  das  ver- 
ständlich. —  Epist.  ad  Pis.  263: 

71071  quivis  videt  inmodulata  poemata  iudex 
et  data  Homanis  venia  est  indigna  poetis, 
idcircone  vager  scribamque  liccnter?  an  omnes 
visuros  pcccata  putem  mea  tutus  et  intra 
spem  vcniae  cautus?  vitavi  denique  culpam, 
non  laudem  merui. 
Das  Fragezeichen  soll  nach  putem  mea  stebn ,   und   es  soll   der  Sinn 
sein:  'das  römische  Publicum   ist  gegen   nachlafsige  Verse  über   die 


90        L.  Döderlein:  Scherflein  zum  Vcrslandnis  des  Uoratius. 

Mafsen  blind  and  nachsichtig;.  Was  folgt  daraus  für  die  Praxis  des 
Dichters?  soll  er  auf  diese  Blindheit  hin  sundigen?  oder  soll  er  thnn, 
als  habe  er  lauter  strenge  Richter  zugewartigen?  Antwort:  wer  das 
erste  thut  und  sich  begnügt  es  nur  nicht  gar  zu  arg  zu  machen,  der 
entgeht  nur  dem  Auszischen,  bleibt  eine  Mittelmäfsigkeit,  die  der 
grofse  Haufen  gelten  läfst ;  wer  aber  um  den  wahren  Ruhm  wirbt,  der 
mufs  das  zweite  thun,  strenge  Richter  vor  Augen  haben  und  sich  die 
Griechen  zum  Muster  nehmen.'  Es  ist  nicht  möglich,  tutus  etc.  in 
solcher  Deutung  auf  die  Frage  an  omnes  etc.  folgen  zu  lafsen,  weil 
der  Fortgang  der  Rede  einen  solchen  Sinn  nicht  einmal  errathen  läfst. 
Horaz  sagt:  'nicht  jeder  sieht  das  nachläfsige  in  den  Gedichten,  und 
es  hat  sich  eine  unwürdige  Nachsicht  für  die  römischen  Dichter  ge- 
bildet. Soll  ich  aus  diesen  Gründen  nachläfsig  schreiben?  oder  soll 
ich  glauben ,  alle  wüsten  was  nachläfsig  in  meinen  Gedichten  wäre, 
sicher  und  geborgen  durch  jene  unwürdige  Nachsicht  (indem  ich  mich 
nemlich  dadurch  nicht  bestimmen  liefse,  gröfsere  Sorgfalt  anzuwenden)? 
Nun  dann  hatte  ich  keine  Beschuldigung  zu  besorgen,  Lob  hätte  ich 
nicht  verdient.^  Er  sagt  deutlich,  dafs  die  Nachsicht  nicht  Ton  der  Ein- 
sicht in  die  Fehler  abhängt,  sondern  dafs  sie  vorhanden  ist,  mag  der 
Fehler  bemerkt  werden  oder  nicht.  Es  konnte  einer,  wenn  er  wollte, 
jene  Fehler  begehn,  sie  wurden  ihm  nicht  angerechnet,  weil  man  die 
Nachläfsigkeit  im  Versbau  nun  einmal  herkömmlich  für  Yerzeihlich  hielt. 
Daher  war  es  für  den,  der  nur  die  Beschuldigung  meiden,  nicht  aber 
sich  ein  Lob  erwerben  wollte ,  einerlei ,  ob  er  nachläfsig  schrieb  in 
der  Meinung  nicht  jeder  bemerke  es ,  oder  ob  er  nachläfsig  schrieb  in 
der  Meinung  alle  bemerkten  es;  denn  er  konnte  dies  nicht  als  einen 
wesentlichen  Grund  zu  einer  sorgfältigen  Behandlung  des  Verses  an- 
sehen ,  weil  man  Nachläfsigkeit  im  Vers  durch  eine  indigna  venia  für 
gleichgiltig  hielt. 

Frankfurt  am  Main.  Konrad  Schwenck. 


Mnetnosyne,  Tijdschrift  voor  classieke  Litteratuur,  onder  Redactie 
van  Dr.  E.  J.  Kiehly  Dr.  E.  Mehler,  Dr.  Ä.  j4.  Naber,  Jahrg. 
185*2,  1855  und  1854  Heft  1.    Leyden,  bei  Brill.     8. 

Die  Herausgeber  dieser  Zeitschrift  für  classische  Litteratur  geben 
in  einer  Einleitung  Rechenschaft  über  den  Zweck  und  die  Einrichtung 
derselben.  Als  erstem  bezeichnen  sie  die  Beförderung  des  wifsen- 
schaftlichen  Studiums  der  classischen  Litteratur.  Nach  einer  kurzen 
charakterisierenden  Schilderung  des  Entwicklungsganges,  welchen  die 
Philologie  in  neuerer  Zeit  genommen  hat,  wenden  sie  sich  an  ihr  un- 
mittelbares Publicum,  die  Philologen  der  Niederlande.  Diese  zunächst 
werden  aufgefordert  Beiträge  zu  liefern ,  sei  es  ganz  streng  wifsen- 
schaftliche,  für  enpbegrenzte  Leserkreise  bestimmte,  sei  es  mehr  po- 
pulär gehaltne.  Die  kritische  Behandlung  der  classischen  Schriftstel- 
ler ist  das  Gebiet  der  Philologie,  auf  welchem  die  Niederländer  den 
meisten  Ruhm  geerntet  haben:  deshalb  wird  auch  in  dieser  Zeitschrift 
die  litterarische  Kritik  in  den  Vordergrund  gestellt,  daneben  aber 
auch  die  übrigen  Richtungen  der  Alterthumswifsenschaft  nicht  ausge- 
schlofsen.  Da  nun  die  Texteskritik  vor  allen  Dingen  ein  wifsenschaft- 
liches  Gebiet  ist,  aufweichein  die  Ergebnisse  grundlicher  Untersuchung 
und  scharfsinniger  Emendation  der  Philologen  aller  europaeischen  Län- 
der zu  gute  kommt,  so  wird  vielen  deutschen  Gelehrten  eine  kurze 
Inhaltsübersicht  der  bis  jetzt  vorliegenden  Theile  dieser  Zeitschrift 
erwünscht  sein.  Der  erste  Jahrgnng  enthält  folgendes:  E.  G.  Kiehls 
der  Text  der  Scbutzflehenden  des  Aeschylos  vor  3  Jahrhunderten  und 


MneaiMyiie.   Ir — 3r  Jahrgang.  91 

Jetst.  Die  Aldina  von  1518  ist  nach  einer  sehr  inittelmäfsigen  H«. 
besorgt  worden,  die  sich  jetzt  in  Wolfenbfittel  befindet.  Obgleich 
seitdem  besonders  dorch  die  neuern  Kritiker  yiel  gethan  worden  sei. 
um  den  Text  der  Schutzflehenden  des  Aeschylos  zu  yerbefsern,  so  sei 
doch  noch  immer  viel  zu  thun:  es  fanden  sich  darin  noch  jetzt  1)  un- 
bestreitbare Fehler,  unmögliche  Worte,  sinnlose  Buchstabengruppen; 
2)  unbestrittne  Fehler,  mögliche  aber  sinnstorende  Worte ;  3)  bestreit- 
bare Fehler,  Yerschieden  interpretierte  Stellen.  Diese  3  Arten  von 
Fehlern  seien  in  den  Text  gekommen  entweder  durch  fehlerhafte  Ver- 
wechslung einzelner  Buchstaben  oder  durch  fehlerhafte  Abtheilung  der 
Worte  oder  durch  Begehung  dieser  beiden  Versehen  zugleich  oder  end- 
lich in  einzelnen  Fällen  durch  andere  Ursachen  Terschiedener  Art, 
welche  aber  seltner  eingewirkt  haben.  Dann  vergleicht  der  Vf.  zu 
diesen  Arten  die  fehlerhaften  Stellen  der  Aldina  mit  den  Emendatio- 
nen  von  Robortellus,  Butler  und  Dindorf.  —  Kiehl:  über  ein  romi- 
sches zu  Castelfranco  aufbewahrtes  Schwert  mit  der  Inschrift  Sic 
Roma  vinciU  —  Pluygers:  das  Scholion  zu  Hom.  Od.  IIT,  444  nach 
einer  venetianischen  Hs.  (Marc.  613).  Dieser  Cod.  gibt:  Zijvo'd.  öl  iv 
xaig  and  tov  d  yXdaaaig.  —  Kiehl  schlagt  vor,  in  Aristoph.  £qn. 
539  zu  lesen  ngaiißotpäyov,  —  J.  St.  Bernardi  commercium  littera- 
rium.  Nach  einer  kurzen  Schilderung  des  Lebens  und  der  Verdienste 
Bernards  läfst  der  Hg.  (Mehler)  ausgewählte  Briefe  seiner  Corre- 
spondenz  folgen ,  und  zwar  enthält  diese  Auswahl  1)  Briefe  von  Val- 
kenär  und  Reiske,  2)  ein  Verzeichnis  von  Emendationen  (zu  Athenaeos, 
Orpheus,  Kallimachos  u.  a.),  3)  Urtheile  über  Zeitgenofsen  (Ruhnken, 
Ernesti,  Mencken  u.  a.).  Sie  liefert  demnach  einen  interessanten  Bei- 
trag zur  Geschichte  der  wifsenschaftlichen  Betrebungen  des  vorigen 
Jh.  —  J.  Y.  Gigch:  Beitrage  zur  Latinität  der  XII  Tafelgesetze :  oc- 
centare  in  dem  Fragm.  bei  Cic.  de  re  publ.  IV,  10  wird  genau  be- 
sprochen.—  Zu  Horat.  Od.  I,  7,  I  schlägt  Kiehl  vor  Ciaron,  Rhodon 
zu  lesen,  indem  er  dabei  an  Klares  auf  der  kleinasiatischen  Küste  er- 
innert. —  S.  A.  Nah  er:  sieben  unedierte  kretische  Inschriften.  Ge- 
bet fand  im  Dogenpalast  zu  Venedig  in  eine  Wand  eingemauert  eine 
Marmorplatte  mit  einer  griechischen  Inschrift,  die  sich  bei  näherer 
Ansicht  als  ein  Fragment  eines  Vertrags  zwischen  Hierapytna  und 
Rhodos  herausstellte.  Auf  der  Rückseite  desselben  Steins  entdeckte 
er  dann  noch  2  fragmentarische  griechische  Inschriften,  Stücke  von 
Verträgen  von  Hierapytna  mit  den  Städten  Lyttos  und  Magnesia.  Die 
erstgenannte  Inschrift  konnte  er  vervollständigen,  indem  er  eine  Ab- 
schrift derselben  nach  einem  alten  Blatte  der  ambrosianischen  Biblio- 
thek zu  Mailand  erhielt.  Endlich  entdeckte  er  in  Venedig  in  einer 
Privatsammlung  Theile  eines  unedierten  Werks  eines  ital.  Abtes,  worin 
nicht  nur  die  genannten  3  Inschriften  sich  finden,  sondern  ausserdem 
noch  4  Verträge  von  Teos  mit  kretischen  Städten.  Den  erstgenannten 
Vertrag  setzt  der  Vf.  in  das  J.  220  v.  Chr.;  ebenso  vermuthungsweise 
die  beiden  folgenden,  welche  weit  weniger  umfangreich  sind. —  Dann 
folgen  56  Emendationen  zum  4n-^45n  Buche  des  Livius.  —  Mehl  er 
bespricht  S.  126  ff.  Matrangas  Anecdota  Graeca  und  Schmidts  Schrift 
de  Plutarchea  quae  vulgo  Jertur  Homeri  vita  Porphyrio  vindicatida 
(Berol.  1850),  insofern  diese  Schriften  auf  Herakleitos  bezügliches 
enthalten.  Er  weist  nach,  dafs  Matranga  sich  einer  unvollständigen 
Hs.  bedient  habe,  sowie  dafs  sein  kritisches  Verfahren  zn  tadeln  sei. 
Zum  Beweise  gibt  er  einen  Vergleich  der  abweichenden  Ck>llationen 
Cobets  und  Matrangas  von  der  betreffenden  Partie  im  cod.  Vat.  841 
(p.  141 — 151).  Was  dann  Schmidts  Schrift  anlangt,  so  wird  zwar 
dieselbe  als  eine  höchst  scharfsinnige  Untersuchung  gerühmt,  aber  es 
wird  doch  vom  Vf.  die  Richtigkeit  der  darin  enthaltenen  Ergebnisse 


92  Hnemoäyne.    Ir — 3r  Jahrgang. 

in  Abrede  gestellt.  —  Kiehl:  die  Gesetzgebung  des  Licinius  Stolo. 
In  2  Abschnitten  wird  gesprochen  Ton  den  darauf  hinwirkenden  Ver- 
hältnissen 1)  bis  zur  Annahme  der  rogationes  Liciniae  Sextiae  und 
2)  von  da  an  bis  zum  Aufstande  zu  Lautulae. —  Naber:  die  Anklage- 
reden des  Demosthenes  gegen  Aphobos.  —  D.  J.  v.  Stegeren:  Be- 
merkung zum  attischen  Erbrechte  (zu  Diod.  Sic.  XII,  15:  Diod.  be- 
ziehe sich  in  den  Worten  ot  fihv  yoig  dno  firiZQog  bis  oQfpavcSv  auf  ein 
Gesetz  des  Solon). —  Kiehl:  der  Reim  bei  den  griechischen  scenischen 
Dichtern.  —  Hecker:  zu  Vergils  Aen.  IV,  166. —  Kiehl:  nachtrag- 
liche Bemerkungen  zu  den  Schutzflehenden  des  Aeschylos.  —  Kiehl: 
Kmendationen  zu  Xenophons  Anabasis.  —  Naber:  die  Schlacht  bei 
den  arginusischen  Inseln  und  der  damit  zusammenhängende  Frocess.  — 
Mehler:  Porson  über  die  Philologen  Deutschlands.  —  P.  ▼.  Bem- 
me len:  die  Bestimmungen  der  XII  Tafeln  über  Schmähgesänge  und 
Zauberformeln;  durch  diese  Abhandlung  erhält  die  oben  erwähnte  von 
Gigch  eine  Vervollständigung  und  Kriauterung.  —  Emendationen  zu 
Xenophons  Hellenica.  —  Kiehl:  Aeschyli  vita.  Zum  Schlufs  stellt 
der  Vf.  seine  Resultate  in  einer  Tabelle  zusammen,  woraus  man  er- 
sieht, dafs  er  hier  und  da  von  Clinton  etwas  abweicht,  z.  B.  dafs  die 
Phoenissen  des  Phrynichos  in  Ol.  76,  4  gehören  u.  s.  w.  —  Naber: 
Solons  Gesetzgebung  in  Betreff  des  Erbrechts.  Der  Vf.  weist  nach, 
dafs  die  auf  Erbrecht  bezüglichen  Gesetze,  welche  in  den  griechi- 
schen Rednern  vorkommen  und  dem  Solon  beigelegt  werden,  zum  Theil 
unvollständig,  zum  Theil  durch  die  spätem  Grammatiker  aus  den 
Worten  der  Redner  selbst  nachgemacht  worden  sind.  Vorzugsweise 
bespricht  er  die  Frage,  ob,  wenn  jemand  stirbt,  ohne  Erben  in  auf- 
oder  absteigender  Linie  nachzuiafsen ,  die  Erbschaft  in  Ermangelung 
von  Brüdern  oder  Bruderskindern  an  die  Schwestern  oder  deren  Kin- 
der falle.  —  Mehle r:  in  Luciani  veras  historias  et  somnium  obser- 
vationes  criticae. —  Emendationen  zu  Arist.  Acharn.,  Equites,  Nubes, 
Vespae.  —  Aufserdem  stehen  zerstreut  im  Buche  unter  dem  Titel 
Blattfüllungen  (Lückenbufser)  zahlreiche  Verbefserungsvorschläge  zu 
Aechylos,  Aristophanes,  Isaeos,  Horatius,  Cicero  u.  a.  —  Zweiter 
Jahrgang.  H.  G.  Hamaker:  Bemerkungen  zu  den  Acharnern  des 
Aristophanes  (kritische  Vorschläge).  —  Naber:  zwei  kretische  In- 
schriften: a)  der  Bundesvertrag  von  Allaria  (C.  1.  G.  Nr.  2557);  b) 
Agos  Testament  (C.  I.  G.  Nr.  2562).  —  Horatianum  quoddam  a  Sap- 
phone  sumtum.  Hör.  Od.  I  1  extr.  sublimi  feriam  sidera  vertice  ist 
bei  Sapph.  fr.  15  (Bergk)  zu  finden.  —  Brink  sucht  nachzuweisen, 
dafs  Kallimachos  und  Herodes  keine  Hemiiambendichter  gewesen  seien. 
—  Ders.:  über  die  hesychische  Glosse  nvkkjjßTiv'  noXoßdv.  —  Ders. : 
ein  Zeugnis  des  Priscianus  über  Tryphon.  —  Fortsetzung  von  Meh- 
iers  in  Luciani  veras  historias  et  somnium  observationes  criticae.  — 
Kiehl:  Hygini  anecdoton.  Es  ist  dies  ein  längeres  Fragment  der 
Astronomica  des  Hyginus  aus  einem  Leidener  Codex.  —  Emendations- 
vorschlage  zu  Aristophanes  Fax,  Aves  und  Lysistrata. —  Holw«rda: 
Observationes  criticae  in  BM.  losephi  Antiquitatum  ludaicarum  librura 
XVIII.  —  Kiehl  weist  nach,  dafs  Androtion  der  Redner  wahrschein- 
lich mit  dem  Geschichtschreiber  dieses  Namens  identisch  sei.  —  A. 
Dederich:  de  gentis  Fabiae  origine.  Der  Vf.  weist  ge^en  Niebuhr 
(R.  G.  II,  198)  nach,  dafs  die  gens  Fabia  nicht  ein  sabinisches ,  son- 
dern ein  altlatinisches  Geschlecht  gewesen  sei.  —  Mehler:  Anmer- 
kungen zu  Lucians  Timon. —  J.  Geel:  über  Sophokles  Aiax  Vs.  646 — 
692.—  Emendationsvorschläge  zu  Aristophanes  Thesmophoriazusen,  Frö- 
schen, Ekklesiazusen  und  Plutos. —  A.  J.  Vitringa:  de  sophiAtarum 
»cholis,  quae  Socratis  aetate  Athenis  floruerunt.  Aus  manchen  Dia- 
logen  des  Piaton  erkennt  man,  wie  verbreitet  in  Athen  damals  solche 


Mnemosyne.    Ir — 3r  Jahrgang.  93 

"{»bilosophiflche  Ahschannngen  waren,  wie  sie  den  Sophisten  beigelegt 
werden;  da  nun  kein  Theil  der  Geschichte  der  griechischen  Philoso- 
phie so  unentwirrt  ist  wie  dieser,  so  ist  der  Versuch  des  Vf.,  eine 
klare  Darlej^ung  der  Sophistensysteroe  za  geben,  am  so  dankenswert 
ther.  Das  Wesen  der  Sophistik  findet  der  Vf.  weniger  im  behandelten 
Gegenstande  als  in  der  Form  der  Behandlung;  diese  Form  charakteri- 
siert er  mit  folgenden  Worten:  Mtaque  omnibus  communis  fuit  et  acn- 
tissima  dialectica  et  artificiosa  illa  rhetorica,  qua  de  qualicunqne  re 
apte  et  eleganter  disserere  se  posse  profitebantur ,  cujus  fastigiura 
erat  notum  illud  t6v  ^rrco  Xoyov  %QBCztm  noisiv\  Aber  innerhalb  die- 
ser gemeinsamen  Richtung  bestanden  verschiedene  Schulen,  die  der 
Vf.  dann  zu  charakterisieren  sucht:  1)  de  Protagorae  schola  siye  de 
sophistis,  quorum  disciptina  ad  sensualismum  absolutum  pertinebat; 
2)  de  Prodico  slve  de  sophistarum  schola  morali ;  3)  de  Hippia  siye  de 
sophistarum  schola  physica;  4)  de  Gorgia  siye  de  sophistarum  schola 
%(xt'  i^oxijv  politico-rhetorica. —  Mehl  er:  Beurtheilung  von  Mullacbs 
Ausg.  von  Hieroclis  in  aureum  Pythagoreorum  Carmen  commentarius 
und  dess.  Conjectaneorum  Byzantinorum  libri  duo  (mit  Besprechung 
yieler  einzelnen  Stellen).  —  Dav.  Ruhnkenii  in  lustini  historias 
Philippicas  emendationes  ineditae.  —  Beurtheilung  yon  Bergks  Aus- 
gabe des  Pindar  in  der  2n  Auflage  seiner  Poetae  lyrici  Graeci.  — 
Kiehl:  über  die  2e  Ausgabe  von  Bergks  Poetae  elegiaci  Graeci.  -— 
P.  J.  Uylenbroek:  über  Gepperts  homerische  Kritik.  Zu  G.s  Werke, 
welches  derselbe  das  Krzeuj^nis  einer  Reaction  gegen  die  Anhanger 
der  unhaltbaren  Wolfschen  Hypothese  nennt,  bespricht  der  Vf.  eine 
grofse  Anzahl  schwieriger  Stellen  aus  der  firjviSog  dnoQgrjaig  (II.  T), 
—  Hyperidis  oratio  pro  Euxenippo  recens  reperta,  rec.  C.  G.  Cobet. 
Zuerst  macht  der  Hg.  diesen  neuen  litterarischen  Fund  durch  Ab- 
druck des  Textes  seinen  Landsleuten  bekannt,  und  läfst  dann  zu  ein- 
zelnen Stellen  kritische  Bemerkungen  folgen.  Ueber  den  Werth  der 
Hs.  urtheilt  Cobet  mit  folgenden  Worten:  ^itaqne  fieri  potest,  ut  bis 
mille  annorum  sit  liber,  et  certum  est,  a  librario  illitterato  et  alias 
res  agente  negligenter  admodum  et  mendose  esse  descriptum'. —  Brink 
verofTent licht  drei  noch  nicht  herausgegebene  lateinische  Briefe  yon 
Luzac,  Wyttenbach  i^nd  Wieland.  —  Unter  dem  Titel  'Aeschylos  und 
die  gegenwärtige  Alterthumskunde*  bespricht  Kiehl  die  Ausgaben  des 
Aeschylos  yon  G.  Hermann  und  W.  Dindorf  und  deren  handschriftliche 
Grundlage;  bei  dieser  Gelegenheit  theilt  ders.  die  abweichenden  Les- 
arten einer  Pariser  Handschrift  nach  Cobets,  Renans,  Askews  und 
Faehses  Abschrift  und  eine  Collation  yon  5  Codd.  (Med.,  Ven.,  Flor., 
Farn.  u.  Bessarioneus)  mit.  —  Kappeyne  y.  d.  Coppellot  kritische 
Bemerkungen  (zu  Xenoph.  Hell.  IT).  —  Brink:  Bischof  Hippolytns 
atgfaFcov  fXsyxog  Bl.  J44. —  Cobet:  yariae  lectiones. —  Emendations- 
▼orschlage  zu  mehreren  Schriften  Ciceros.  —  Als  'Blattffillungen»  fin- 
den sich  in  diesem  Bande  zerstreut  Jcritische  Bemerkungen  zu  Aeschi- 
nes  or.  in  Timarch.  25;  Aeschylos  Suppl.  120;  Sept.  ady.  Theb.  125; 
613;  714  0.  a.  —  Dritter  Jahrgang.  Mehler:  quaestiones  Lucia- 
neac.  Der  Vf.  bespricht  einige  Stellen  ans  Lucians  Werken,  in  denen 
dieser  Schriftsteller  Anklänge  aus  Gedichten  enthalt  und  die  yon  den 
Hgg.  entweder  Sbersehen  oder  doch  nicht  gehörig  emendiert  worden 
sind. —  Hamaker:  Bemerkungen  zu  Aristophanes  Wespen:  L  etwas 
über  die  Zahl  der  Schauspieler  und  wie  die  Rollen  unter  ihnen  yer- 
theilt  waren,  mit  Rücksicht  auf  K.  O.  Müllers  Annahme  (Gesch.  d. 
griech.  Litt.  II,  205),  dafs  Aristophanes  in  den  Wespen  ausnahmsweise 
einen  4n  Schauspieler  habe  mitwirken  lafsen,  was  der  Vf.  als  irthüm- 
lich  nachweist;  11.  kritische  Bemerkungen  zu  yielen  Stellen  dieser  Ko- 
moedie.  —  D.  Ruhnkenii  emendationes  selectae;  e  schedis  in  biblio- 


94  MnemoByne.    Ir — 3r  Jahrgang:. 

theca  Lagduno-Batava  asseryatis  ed.  E.  Mehl  er  (zu  Livias,  zur 
Anthologia  Latina  and  za  Platarchi  Moralia).  —  Naber:  Andocidis 
oratio  de  reditu.  Eine  für  die  Geschichte  der  attischen  Redner  sehr 
interessante  Abhandlang,  worin  der  Vf.  nachweist,  dafs,  wie  die  drei 
andern  dem  Andokides  beigelegten  Reden  unecht  seien,  dies  aach  in 
Betreff  der  Rede  de  redita  behauptet  werden  mufse. —  Cobet:  variae 
iectiones  (besonders  zu  Alkiphrons  Briefen).  —  Diese  karze  Uebersicht 
möge  genügen,  um  zu  zeigen,  wie  thatig  die  stammverwandten  Hol- 
länder auf  den  verschiedenen  Gebieten  der  Philologie ,  Yor  allem  aber 
auf  dem  der  Textkritik  sind,  und  ihre  Leistungen  den  deutschen  Fach- 
genofsen  zu  aufmerksamer  Würdigung  anzuempfehlen. 

Leipzig.  H.  Brandet, 


The  Journal  ofclassical  and  sacred  pkUology.  Cambridge,  prlnted 
at  the  University  press  and  sold  by  J.  Deighton,  Macmillan  and 
Co.  Nr.  I:  March  1854.  144  S.  8. 

In  der  vorliegenden  Zeitschrift,  die  mit  diesem  ersten  Hefte  in  das 
Leben  tritt,  erhält  das  wifsenschaftliche  Leben  auf  philologischem  Ge- 
biete in  England  ein  neues  Organ,  welches  vorzugsweise  von  den  Phi- 
lologen der  Universität  Cambridge  auszugehen  scheint.  Kein  Redacteur 
schickt  dem  neuen  Unternehmen  eine  Art  von  Vorwort  oder  vorläu- 
figer Berichterstattung  voraus,  woraus  sich  der  Charakter,  der  Zweck, 
die  Grenzen  desselben  erkennen  liefsen.  Nur  eine  Buchhändlernotiz  be- 
sagt, tlafs  von  diesem  Journale  jährlich  drei  Hefte  erscheinen  sollen. 
Sonst  ergibt  sich  aus  dem  Titel,  dafs  es  für  die  classische  und  die 
biblische  Philologie  bestimmt  ist.  Wenn  man  die  Einrichtung  des  be- 
reits erschienenen  Heftes  als  mafsgebend  für  alle  folgenden  ^trachten 
kann,  so  wurden  ausgedehnte  Leserkreise  (auch  in  Deutschland)  inter- 
essante wifsenschaftliche  Abhandlungen  und  Mittheilungen  darin  finden. 
Wie  manigfaltig  der  Inhalt  ist,  wird  folgende  kurze  Uebersicht  zeigen. 

W.  G.  Clark:  die  Vogel  des  Aristophanes.  Der  Vf.  sucht  die 
Ansicht  von  Suvern  zu  wideriegen,  dafs  Aristophanes  in  diesem  Stücke 
beabsichtigt  habe,  nicht  nur  die  entsetzliche  Verderbnis  athenischer 
Zustände  und  das  schamlose  Treiben  der  Demagogen  den  Zuschauem 
vor  die  Aucen  zu  fuhren,  sondern  auch  in  verdeckter  Weise  die  sicili- 
sche  Expedition  als  ein  vollkommen  thorichtes  Unternehmen  darzustel- 
len. Nicht  ohne  bittere  Ausfalle  auf  die  Gelehrsamkeit  der  Deutschen 
überhaupt  sucht  der  Vf.  die  Unhaltbarkeit  dieser  Ansicht  nachzuweisen. 
Seine  Widerlegung  aber  besteht  nur  darin,  dafs  er  die  Beweiskraft  der 
Gründe  und  Belege  Süverns  leugnet:  Gegenbeweise  gibt  er  nicht  und 
beschränkt  sich  auf  die  reine  Negative.  Z.  B.  heifst  es  S.  7,  dafs  nach 
Süverns  Allegorie  die  Vögel  das  athenische  Volk  darstellen;  nach  seiner 
Ansicht  dagegen  stellten  sie  nur^en  Vogel  vor  und  sonst  nichts.  Eine 
derartige  Negation  ist  aber  kein  Gegenbeweis.  Jedesfalls  wird  durch 
eine  solche  Polemik  die  Wifsenschaft  nicht  gefordert.  - —  H.  Munro: 
über  Lucretius.  M.  erklärt  den  Lucretius  für  den  erofsten  unter  den 
erhaltenen  römischen  Dichtern;  denn  obwohl  er  als  schöpferisches  Genie 
nicht  bedeutend  sei,  obgleich  er  viele  Anklänge  an  Ennius,  Empedokles 
u.  a.  enthalte,  entwickle  er  eine  wanderbare  Tiefe  und  Glut  der  Ge- 
danken, eine  aufserordentliche  Kraft  und  Schönheit  der  Sprache  u.  s. 
w.  Nach  dieser  Charakteristik  bespricht  der  Vf.  die  Lachmannsche 
Kritik  des  Dichters  mit  gerechter  Anerkennung,  aber  verschweigt  einige 
Schwächen  derselben  auch  nicht  (z.  B.  dafs  Lachmann  gewisse  Regeln 
aufgestellt  and  denselben  zu  Liebe  dem  Texte  hier  und  da  Gewalt  an- 


The  joornal  of  classical  and  sacred  philology.  Nr.  I.  93 

gethan  habe).  Endlich  fagt  er  noch  Erlaoternngen  und  Emendations- 
Yorschlage  zu  I,  459  ff.;  599  ff.  u.  a.  m.  hinzu.  —  Ch.  Babington: 
aber  eine  Stelle  des  Apostel  Paulus  im  ersten  Brief  an  die  Korinther, 
welche  in  einer  Stelle  des  Philon  (de  allegor.  leg.  J,  12.  13)  ihre  Er- 
klärung finde.  —  J.  G.:  fiber  die  Datierung  in  der  Geschichte  des 
Alterthums.  Der  ungenannte  Vf.  geht  die  verschiedenen  Datierungsarten 
des  Alterthums  durch ,  wobei  sich  die  Mangelhaftigkeit  derselben  heraus- 
stellt. Er  schlagt  nun  vor,  in  Betreff  der  yorcnristlichen  Geschichte 
tausendjährige  Perioden  anzunehmen,  und  innerhalb  derselben  so  vor- 
wärts zu  zählen ,  wie  man  es  mit  den  Jahren  seit  Christi  Geburt  thut : 
z.  B.  Ol.  1,  1  wäre  =  I  (1000)  225  n.s.  w.  —  C.  Hardwick:  Bemer- 
kungen aber  das  Studium  der  Bibel  bei  unsem  Voreltern.  Dieselben 
behandeln  die  Frage,  inwiefern  und  mit  welchen  Hilfsmitteln  in  Irland 
die  Bibel  studiert  wurde.  —  R.  L.  Ellis:  über  den  Werth  des  römi- 
schen Geldes.  Er  berechnet  den  denarius  auf  6%  Ngr ,  das  sestertium 
auf  66  Thir.  6%  Ngr.  —  J.  E.  B.  Mayor:  erläuternde  Parallelstellen 
zum  Evangelium  des  Matthaeus. —  Die  beiden  letztern  Aufsätze  stehen 
unter  der  Gesammtuberschrift  Adversaria;  dann  folgt  unter  dem  Titel 
Anecdota:  1)  Inschriften  (griechische  von  den  Küsten  des  schwarzen 
Meeres);  2)  einige  Marginalien  Pearsons  zum  Eusebios^  3)  Fragmente 
von  Ciceros  Schrift  de  fato  (s.  NJahcb.  Bd  LXIX  S.  346  f.)-—  Dann 
folgt  eine  Abtheilung,  betitelt  Reviews,  was  wohl  am  besten  durch 
^Anzeigen'  wiederzugeben  ist.  1)  Aeschylos  Agamemnon  von  J.  A.  Här- 
tung. Wie  die  kritischen  Leistungen  der  neuern  deutschen  Philologen 
in  Betreff  des  Aeschylos  hier  nur  gering  anfreschlagen  werden,  so  ge- 
schieht es  auch  speciell  mit  denen  Hartungs  in  der  genannten  Ausgabe, 
dem  der  Berichterstatter  (J.  Conington)  nicht  Geschmack  und  Ur- 
theil  genug  zuschreibt,  um  die  Texte  alter  Schriftsteller  in  genügender 
Weise  kritisch  zu  behandeln.  2)  Hyperides.  Bericht  über  die  Auffin- 
dung seiner  Reden  gegen  Demosthenes,  für  Lykophron  und  für  Euxenip- 
pos.  Der  Vf.  dieses  Aufsatzes  erkennt  die  Verdienste  Babingtons  und 
Schneidewins  um  die  Constituierung  des  Textes  dieser  Litteraturwerke 
bereitwillig  an  und  fugt  dann  seinerseits  zahlreiche  Emendationsvor- 
schlage  und  Bemerkungen  hinzu,  um  den  Text  in  zuverläfsigerer  Form 
herzustellen.  —  Den  Schlufs  des  Heftes  bilden:  kurze  Anzeigen  neuer 
(philologischer)  Bücher;  Correspondenz  d.  h.  Anfragen  und  Antworten 
über  philologische  Gegenstände;  Inhaltsübersicht  auswärtiger  Journale; 
Verzeichnis  neuer  Bücher. 

Leipzig.  H.  Brandet, 


Lehrbuch  der  deutschen  Metrik  für  höhere  Lehranstalten  sowie  zum 
Selbstunterricht.  Von  Dr.  Carl  Fuchs,  Rector  des  Gymnasiums 
und  der  Industrieschule  zu  St.  Gallen.  Stuttgart,  Verlag  der  J. 
G.  Metzlerschen  Buchhandlung.  1854.  VIII  u.  123  S.  8. 

Geben  wir  zuerst  eine  kurze  Uebersicht  des  Inhalts  dieser  Schrift. 
In  der  Einleitung  spricht  der  Vf.  zuvorderst  über  'Begriff  und  Ue- 
bersicht der  Metrik»;  sodann  behandelt  er  im  In  Abschnitt  die  'Pro- 
sodie'  (8.  3—11),  im  2n  das  'Metrum'  und  den  'Rhythmus'  (S.  12— 
27),  im  3n  den  'Reim'  (S.  27—41),  im  4n  die  'Versarten»  (S.  41— 
86),  im  5n  die  'Strophen'  (S.  86—121),  und  in  einem  Anhang  (S.  121 
—23)  erörtert  er  den  'Hiatus'  und  die  'Elision'. 

Was  den  Zweck  der  Schrift  anbelangt,  so  hat  Hrn.  F.  laut  des 
Titels  und  des  Vorworts  bei  Bearbeitung  derselben  'vorzugsweise  das 
Bedürfnis   der   Schüler  höherer   Bildungixanstalten  geleitet'.     Er  will 


96  C.  Fachs:  Lehrbuch  der  deutschen  Metrik. 

damit, nicht  'Anleitung  geben  zum  Verfertigen  von  Versen;  sein  Haupt- 
zweck ist  Ticlmehr  da«  Gefühl  für  Wohllaut  und  Wohlklang  zu  läu- 
tern und  zu  scharfen  und  das  Verständnis  der  poetischen  Formen  zu 
vermitteln,  durch  welches  eine  tiefere  Einsicht  in  die  Schönheiten  der 
Poesie  und  ein  grundliches  Urtheil  über  die  Vorzuge  oder  Maligel  einer 
Dichtung  wesentlich  bedingt  ist'.  Um  aber  diesem  Zweck  zu  entspre- 
chen, bat  sich  Hr.  F.  'auf  der  einen  8eite  nicht  darauf  beschränkt, 
nur  die  Formen  und  Gesetze  unserer  neuern  Poesie  darzustellen',  son- 
dern er  hat  'für  alle  Perioden  unserer  Litteratur  die  nöthigsten  Er- 
läuterungen und  Anhaltspunkte  zu  geben  gesucht'.  Andrerseits  wollte 
er  'die  metrischen  Erscheinungen  unserer  Sprache  nicht  blofs  empi- 
rich  verzeichnen,  sondern  die  Kigenthümlichkeit,  den  Werth  und  die 
Bedeutung  der  einzelnen  zu  klarerem  Bewustsein  bringen  und  ein  be- 
stimmtes Urtheil  über  dieselben  hervorrufen'. 

In  Bezug  auf  die  Ausführung  hat  der  Vf.  das  Werk  ganz  '  nach  dem 
Schema  der  griechisch-römischen  Metrik'  bearbeitet,  'ohne  die  Rhyth- 
men auf  musikalische  Noten  oder  Takte  zurückzuführen',  was  er  'nicht 
praktisch'  findet.  Er  halt  zwar  unsere  Sprache  'für  wesentlich  accen- 
tuierend',  glaubt  aber,  'dafs  mutatis  mntandis  alle  Nachtheile,  die  aus 
der  gleichförmigen  Behandlung  zweier  principiell  verschiedener  Vers- 
lehren entspringen  könnten,  sich  leicht  vermeiden  lafsen,  ohne  dafs  man 
einen  wesentlichen  Vortheil  der  rousikalidchen  Methode  aufgeben  müste'. 
Die  nach  quantitativen  Versfüfsen  mefsende  Methode  wäre  '  nicht  blofs 
nicht  schwieriger  als  jene,  sondern  führe  auch  zii  gröfserer  Sicherheit 
und  Bestimmtheit'.  Ohnehin  scheine  ihm  '  die  Geschichte  unserer  Metrik, 
die  sich  nun  einmal  seit  Opitz  nach  dem  Vorbilde  der  classischen  ent- 
wickelt habe,  diese  Behandlungsart  zu  verlsngen'. 

Unter  den  Schriften,  die  Hr.  F.  zu  Rathe  gezogen,  hebt  er  beson- 
ders hervor  neben  Gödekes  Einleitung  zu  'Deutschlands  Dichter  von 
J813 — 48'  das  Lehrbuch  der  deutschen  Prosodie  und  Metrik  von  J.  Mink- 
witz  (ob  schon  in  der  dritten  Auflage?).  Die  Prosodie,  welche  der 
letztere  aufgestellt,  hält  er  'für  die  allein  richtige';  er  hat  'sie  darum, 
mit  wenigen  Ausnahmen,  adoptiert  und  nur  für  den  Zweck  der  Schule 
vereinfacht'.  Er  bekennt  auch  sonst  sehr  viel  Belehrung  aus  dem  Buche 
geschöpft  zu  haben;  blofs  hat  er  nicht  geglaubt  ihm  in  den  Ansichten 
über  rhythmische  Poesie  zu  folgen;  denn  hier  scheine  ihm  'Minkwiti 
zu  weit  zu  gehen,  die  Leistungsfähigkeit  der  deutschen  Sprache  zu 
überschätzen  und  die  eigenthümlichen  Bedingungen,  von  welchen  der 
deutsche  Rhythmus  abhängig  ist,  zu  verkennen',  überhaupt  'die  kunst- 
liche Formpoesie  in  einer  W^eise  zu  begünstigen,  die  seinem  Sprachge- 
fühl widerstrebe'.  Im  Gegensatz  hiervon  hat  er  sich  veranlafst  gefühlt, 
'der  rhythmischen  Poesie  im  Deutschen  engere  Grenzen  zu  stecken  und 
nnsern  einfacheren  einheimischen  Formen  gröfsere  Aufmerksamkeit  zu 
schenken  und  mehr  Recht  widerfahren  zu  lafsen'.  Er  findet  'von  den 
specifisch  antiken  Vcrsmafsen  nur  den  Trimeter,  Hexameter,  das  Disti- 
chon und  allenfalls  die  Anapaestensysteme  unserer  Sprache  angemefsen; 
alle  übrigen  kamen  mit  den  Erfordernissen  des  deutschen  Rhythmus  mehr 
oder  weniger  in  Widerspruch'.  Aus  dem  Grunde  hat  er  auch  die  anti- 
ken Versmaffte  nur  'als  Nebensache'  behandelt  ohne  eine  genauere  Tha- 
rakteristik  derselben:  die  Absicht,  eine  deutsche  Metrik  zu  schreiben, 
schien  es  ihm  zu  gebieten,  sich  hierin  nur  auf  das  wesentlichste  zu  be- 
schranken. 

Das  Werkchen  bietet  uns  zu  folgenden  Bemerkungen,  resp.  Wün- 
schen Anlafs.  1 )  Es  ist  ein  höchst  anerkennungswerthes  Streben ,  unsere 
Jugend  einzufuhren  in  das  Heiligthum  unserer  vielseitigen  und  reichen 
vaterländischen  Poesie  und  zu  dem  Ende  sie  vor  allem  zum  klaren  Be- 
wustsein zu  bringen   dessen,   was   in    der  Beziehung  schon  im   äufsern 


C.  Fuchs:  Lebrboch  der  deutschen  Metrik.  97 

eines  schonen  Gedichts,  im  sprachlichen,  In  der  wohlgeformten  Grop- 
piemng  der  Silben,  Verse,  Strophen  for  ein  mächtiger  Zauber  liege. 
Wenn  man  sieht,  wie  der  Gegenatand  gemeinhin  in  ansern  Scholen,  in 
den  hottern  und  niedern,  yernachlärsigt  ist  oder  so  geistlos  und  saftlos 
betrieben  \iird,  so  kann  man  sich  nicht  genug  freuen,  dafs  er  in  unsem 
Tagen  vielfältig  besprochen,  behandelt,  der  paedagogischen  Welt  in 
Erinnerung  gebracht  und  empfohlen  wird.  Mochte  er  nur  solchen  Leh- 
rern immer  übertragen  werden,  die  Sinn,  Lust,  Liebe,  Begeisterunf^ 
für  die  Sache  hegen  und  die  die  Fähigkeit  besitzen,  den  Schülern  die- 
selbe anschaulich,  durchsichtig,  angenehm  zu  machen.  Nicht  allein 
dafs  die  Jugend  auf  solche  Weise  Einsicht  bekommt  in  einen  wesentli- 
chen Theil  der  Poesie  überhaupt ^  in  denjenigen  Theil,  der  ihr  an  der- 
selben zuerst  in  die  Sinne  tritt,  der  auf  sie  zunächst  seinen  Zauber 
ausübt;  es  wird  ihr  auch  der  Geiiufs  des  Lesens  eines  schonen  Gedichts 
erhöht,  der  jugendliche,  heitere,  fröhliche  Sinn  genährt,  das  Schön- 
heitsgefühl geweckt  und  gebildet.  Und  an  Mitteln  hierzu  haben  wir  in 
unsem  Schulen  nicht  gerade  Ueherflufs;  um  so  mehr  ist  dieses,  noch 
dazu  gegenwärtig  bei  dem  Umfang,  dem  Reichthum  und  der  Verbreitung 
der  vaterländisch-poetischen  Litteratur  so  leicht  zugängliche  Mittel  an- 
zuwenden und  zu  empfehlen.  Ref.  weifs  aus  jahrelanger  Erfahrung, 
welchen  Reiz,  welchen  Zauber  das  Lernen  des  taktmäfsigen  Scandie- 
rens selbst  für  kleine  Schüler  hat.  Dabei  kann  er  aber  freilich  2)  den 
Wunsch  nicht  unterdrücken ,  dafs  unsere  Anweisungen  zur  Metrik  ratio- 
neller, natur-  und  sachgemäfser  eingerichtet,  nicht  blofse  dürre,  dürf- 
tige, dogmatische  Schematismen  wären,  blofse  Knochengerippe  ohne 
Fleisch  und  Blut.  Was  Jacob  Grimm  an  dem  gewöhnlichen,  herge- 
brachten Unterricht  in  der  Muttersprache  und  an  der  Abfafsung  der 
deutschen  Grammatiken  mit  vollem  Recht  getadelt  hat,  dafs  man 
thörichterweise  dabei  so  zu  Werke  gienge,  wie  wenn  die  Muttersprache 
eine  fremde  Sprache  wäre,  die  die  deutsche  Jugend  erst  mittelst  der 
Regein  zu  erlernen  hätte,  statt  dafs  sie  dieselbe  doch  schon  kennt  und 
nach  Regeln,  wenn  auch  unbewust,  spricht,  dieser  Punkt  kommt  auch 
hier  in  Betracht,  und  er  ist,  soviel  Ref.  weifs,  noch  von  keinem  Me- 
triker von  F^acb,  auch  nicht  von  Minkwitz  und  von  Hrn.  F.  im  vorlie- 
genden Buche  gehörig  beachtet  und  durchgeführt  worden.  Am  besten 
haben  wir  auf  denselben  hingewiesen  gefunden  in  dem  opus  postumum 
von  K.  F.  Becker,  dem  eigentlichen  Begründer  der  rationellen  Methode 
in  unserm  Sprachunterricht:  der  deutsche  Stil  (Prankf.  a.  M.  1848)  S. 
527  if.  Nemlich  unfere  deutschen  Metriken  sind  gemeinhin  ganz  so  ein- 
gerichtet, wie  die  Grammatiken  gewöhnliches  Schlages,  so  dafs  man 
glauben  mufs,  die  Dichter  oder  wohl  gar  erst  die  Metriker  hätten  die 
Verskunst  begründet,  die  Regeln  derselben  erfunden  und  zuerst  aufge- 
stellt oder  angewendet.  Ist  es  aber  nicht  vielmehr  so  mit  der  Sache 
bestellt,  dafs  das  Volk —  und  das  ist  namentlich  bei  dem  deutschen  der 
Fall  —  seine  Sprache  gleich  uranfänglich  dermafsen  gebildet  hat,  aus 
einem  feinen  Gefiihl  fürs  rechte,  dafs  die  Kunstpoesie  nur  zugreifen 
darf,  um  schöne  Verse  herstellen  zu  können?  Die  Silben  unsrer  Wörter 
sind  schon  immer,  sind  schon  uranfänglich  hochtonig,  mitteltonig  nnd 
tieftonig  gewesen,  sind  es  gewesen,  je  nachdem  sie  Stamm-  oder  Neben- 
silben waren ;  und  unsere  Urahnen  haben  diese  Schöpfungen  so  gemacht 
aus  dem  richtigen  Gefilhl,  auch  hier  mufse  äufseres  und  inneres  con- 
form  sein,  das  sprachliche  dem  Gedanken  entsprechen.  Mit  der  Asso- 
nanz ,  der  Aliitteration  und  dem  Reime  ist  es  eben  so.  Alle  diese  Dinge 
sind  schon  in  der  Sprache  vorhanden  gewesen,  das  passende,  schick- 
liche, vortheilhafte  ihrer  Anwendung,  wenn  auch  nicht  klar  gewnst, 
doch  gefühlt,  und  sie  angewendet  worden,  ehe  die  eigentliche,  littera- 
rische Kunstpoesie  sie  in  Gebrauch  bekommen  oder  genommen.    Auch 

yv.  Jahrb,f,  PkU,  u.  Paed,  Bd.  LXX.  Bft.  I.  7 


98  C.  Fuchs:  Lehrbuch  der  deutschen  Metrik. 

das  metrische  unsrer  Sprache  ist  ein  organisches  Gebilde,  nichts  von 
einzelnen  Individuen  willkürlich  nach  eigens  erdachten  Gesetzen  erfun- 
denes. Mit  der  Aufstellung  dieser  Principien  mufs  die  Metrik  begin- 
nen, darauf  ihre  Regeln  basiert  werden.  6)  Bei  den  einzelnen  Pufsen 
reicht  es  nicht  hin  das  Mafs  derselben  blofs  zu  verzeichnen  und  kahl  zu 
beschreiben ,  sondern  sie  sind  auch  zu  charakterisieren ,  damit  der  Schu- 
ler lerne,  dafs  es  dem  wahren  Dichter  nicht  gleichgiltig  sei,  was  für 
'ein  Metrum  er  seinen  Gedichten  verleihe.  Wenn  der  Jambus  und  Tro- 
chaeus,  der  Anapaest  und  der  Daktylus  umgekehrte  Silbengruppierungen 
sind,  so  mnfseu  sie  auch  einen  absonderlichen,  einen  entgegengesetz- 
ten Charakter  haben;  folglich  können  sie  nur  für  verschiedene  Dinge  sich 
eignen.  Wird  es  nun  nicht  mit  den  Versen,  Strophen,  ganzen  Gedich- 
ten gleicherweise  der  Fall  sein  ?  Man  sehe  aber  nur  unsere  gewöhn- 
lichen .Metriken  auf  diesen  Punkt  an!  wie  trocken,  wie  dürftig,  wie 
ungenügend  erscheinen  sie !  höchstens  geben  sie  beiläufig  diese  oder  jene 
Bemerkung  in  einer  so  wichtigen  Sache.  Wie  ist  es  möglich  ein  Gedicht 
richtig  zu  würdigen  und  zu  verstehen,  wenn  man  nicht  mit  diesen  Kennt- 
nissen an  die  Lectiire  desselben  geht?  Die  Gymnasiasten  werden  davon 
auch  noch  den  Vortheil  haben,  dafs  sie  diese  Weise  des  Verstehen« 
und  der  Behandlung  vaterländischer  Poesie  auf  das  Alterthnm  übertra- 
gen und  dort  nun  versuchen  werden,  ebenfalls  die  Gedichte  so  aufzn- 
fafsen  und  zu  behandeln.  Leider  ist  von  solcher  Anleitung  gar  wenig 
zu  lesen  in  den  gewöhnlichen  Metriken  der  antiken  Poesie.  Hier  wird 
den  Schülern  meist  nur  ein  trockener  dürrer  Formalismus  geboten.  Wie 
wenig  kann  der  die  phantasiereiche  Jugend  ansprechen! 

Im  einzelnen  ist  uns  noch  aufgefallen,  1)  dafs  der  Vf.  in  dem  Vor- 
worte (S.  V)  unserer  Accentpoesie  'Regellosigkeit'  Torwirft  Dieses 
Praedicat  kann  ihr  billigeweise  durchaus  nicht  so  nackt  gegeben  wer- 
den. Es  gibt  Ja  der  Regeln  dort  genug.  Allein  man  mufs  sich  freuen, 
wenn  zn  gleicher  Zeit  nicht  alles  auf  wenige  steife  und  enge  Regeln 
beschrankt,  sondern  dabei  auch  der  Freiheit  hinlänglicher  Raum  ge- 
lafsen  ist.  Gibt  es  nicht  in  der  Sprache  überhaupt,  auch  in  der  deut- 
schen, sogenannter  Anomalien  genug?  Wir  sagen  'sogenannter',  denn 
was  man  gewöhnlich  so  nennt,  sind  keine  Regellosigkeiten,  sondern  nur 
Varietäten.  Dem  widerspricht  auch,  was  der  Vf.  §.  9  sagt:  da  der 
Accent,  den  die  hochdeutsche  Sprache  auf  die  Silben  legt,  nicht  Sache 
der  Willkür  und  des  Zufalls  ist,  sondern  auf  bestimmten  Principien  be- 
ruht. 2)  Billigen  wir  nicht,  dafs  Hr.  F.  die  Lehre  von  der  Länge  und 
Kürze  der  Silben  und  von  ihrer  Betonung  nicht  getrennt  hat;  beide 
Punkte  sind  doch  verschieden;  auch  hat  Hr.  F.  diese  Verschiedenheit 
theilweise  anerkannt;  es  fehlt  darum  in  dem  betreffenden  Abschnitte  an 
Klarheit  und  Durchsichtigkeit.  3)  Sollte  die  Assonanz  nnd  Allitteration 
nicht  all  der  Metrik  angehörig  und  eigenthümlich  hingestellt  sein;  beide 
gehören  schon  dem  gewöhnlichen  Sprechen  an,  können  auch  in  Prosa 
mit  Vortheil  angewendet  werden,  und  darum  verma^r  nicht  minder  der 
Dichter  davon  mit  Nutzen  Gebrauch  zu  machen.  Nicht  viel  anders  ist 
es  mit  dem  Reime.  Nur  insofern  die  moderne  Dichtkunst  denselben  als 
Ende  der  Verszeilen ,  benutzt  und  mittelst  desselben  ein  neues  Maff, 
ein  längeres,  als  die  Fufse  sind,  herrichtet,  hat  er  seinen  besondern 
Platz  in  der  Poesie  gefunden  und  mufs  in  der  Metrik  besprochen  wer- 
den. Tst  er  ja  doch  schon  in  Sprichwörtern  und  sprichwörtlichen  Re- 
densarten genug  gäng  und  gebe,  d.  h.  beim  Sprechen  im  gewöhnlichen 
Leben,  wo  die  Sprache  nicht  kunstmäfsig  gehandbabt  wird.  Aber  wie 
konnte  das  sein?  wie  konnte  das  kommen?  Ist  nicht  auch  der  Reim 
eine  Art  von  nothwendiger  organischer  Bildung?  henrorgegangen  ans 
dem  Triebe,  die  Vorstellungen  mit  passenden  Ausdrücken  zo  belegen? 
im  vorliegenden  Falle  gleiche  oder  ähnliche  Vorstellungen  mit  ähnlich 


C.  Fachs :  Lehrbach  der  deutseben  Metrik.  99 

klingenden  Wortern?  wie  z.  B.  Sang  und  Klang,  saosen  und  brausen. 
Anch  hier  ist  das  richtige  Walten  der  menschlichen  Vemnnftigkeit,  eines 
richtigen  Gefühls  bei  dem  Sprachbilden  nicht  zu  verkennen.  Das  alles 
mofs  in  der  modernen,  in  der  deutschen  Metrik  gelehrt  werden,  damit 
die  Jagend  den  Reim  zu  schätzen  weifs  als  ein  naturgemäfses  Product, 
durch  das  der  Dichter  im  Stande  ist  (als  Endreim)  seinen  Producten 
noch  mehr  Abgemefsenheit,  gesteigerte  Kunstmäfsigkeit  zu  verleihen, 
gegenüber  den  alten  Griechen,  die  freilich  bei  ihrer  quantitierenden 
Sprache  und  bei  ihrer  Metrik  (z.  B.  beim  Hexameter  und  im  Distichon) 
ihn  entbehren  konnten  und  sogar  (als  überfläfsig,  als  zu  künstlich)  ge- 
mieden haben.  4)  Hätten  wir  den  Abschnitt  von  dem  Hiatus  und  der 
Elision  nicht  ans  Endo  der  Schrift  gebracht:  er  gebort  zum  Capitel 
von  den  Silben.  Hätten  nicht  5)  anch  die  Strophen  eine  besondere  Cha- 
rakteristik verdient?  Die  antiken  oder  überhaupt  die  nicht  deutschen 
waren  in  einen  Anhang  za  verweisen. 

Brandenburg.  M.  W.  Heffier. 


Entgegnung. 


Die  Beurtheilung  meiner  Abhsndlung  *  über  die  Parabase  der  Wol- 
ken des  Aristophanes^  von  Hrn.  Teuf  fei  in  diesen  Jahrb.  Bd.  LXIX 
S.  549  fiT.  veranlafst  mich  zu  einigen  Gegenbemerkungen. 

Unter  1.  heifst  es,  dafs  ich  mir  selbst  Zweifel  ffeschaffen,  dafs  ich 
'  die  Angabe  des  Eratosthenes  falsch  aufgefafst  und  dann  getadelt,  aber 
doch  so  viel  um  sie  herumgeredet  und  an  ihr  berumgetastet  habe,  dafs 
man  sieht,  ich  hätte  grofse  Lust  ihr  Glauben  zu  schenken,  wenn  es 
nur  aus  andern  Gründen  thunlich  wäre.  Natürlich,  wer  hätte  nicht 
Lust,  dem  Eratosthenes  zu  folgen,  wenn  dies  irgend  mojglich!  Zur 
näheren  Erklärung  aber  folgendes.  Meine  Abhandlung  knüpft  an  die 
Worte  des  Dichters  an  und  fährt  unter  Zugrundlegung  und  Prüfung 
der  alten  Ueberlieferungen  ohne  alle  Verweisung  auf  neuere  Schriften 
ganz  selbständig  den  Gegenstand  einem  Resultate  zu,  über  dessen 
Richtigkeit  der  Leser  aus  dem  gegebenen,  ohne  durch  Autoritäten  in 
seinem  Urtheil  beirrt  zu  werden,  selbst  zu  entscheiden  in  den  Stand 
gesetzt  ist.  Wer  aber  mit  der  einschläglicben  Litteratur  vertraut  ist, 
sieht  sofort,  dafs  ich  keine  der  vielen  neueren  Ansichten  unbeachtet 
gelafsen,  aber  dieselben  selbständig  in  die  Entwicklung  des  Gegen- 
standes aufgenommen  und  verarbeitet  habe.  Hr.  T.  aber  hat  nicht 
gesehen,  dafs  nicht  ich  zuerst  den  Eratosthenes  falsch  aufgefafst  habe, 
sondern  dafs  dies  schon  Ranke  begegnet  ist.  Da  nun  die  Ansicht,  die 
ich  dem  Eratosthenes  beilege,  auch  Esser  aufgestellt  hat  und  zu  dieser 
Auffafsung  selbst  nach  Hermanns  Entgegnung  auch  Ranke  hinneigt, 
so  war  für  mich  sowohl  der  neueren  Ansichten  als  auch  der  Autorität 
des  Eratosthenes  wegen  eine  gründliche  Prüfung  geboten.  Man  sieht 
also,  dafs  ich  weder  'andere  Zweifel  mir  selbst  geschaffen'  noch  an 
der  Angabe  des  Eratosthenes  ohne  guten  Grund  '  herumgetastet'  habe. 
Aber  hierin  liegt  eben  die  Grundverschiedenheit  zwischen  meinem  und 
Hrn.  T.s  Verfahren,  dafs  ich  von  der  Ueberlieferung  ausgehe,  wäh- 
rend Hr.  T.  mit  einer  fertigen  Hypothese  an  die  Untersuchung  heran- 
tritt. Hr.  T.  bekämpft  nun  meine  Auffafsung,  aber  mit  Gründen,  die 
den  Beweis  liefern,  dafs  Hr.  T.  die  Sache  nicht  begriffen  hat.  Er 
sagt,  aus  der  Gegenüberstellung  von  Öidax^ftaat  nndaiaansvaad^sCaai 
könne   logischerweise    nur   die  Folgerung   gezogen  werden,    dafs   die 

7* 


100  Enlgegnang:. 

Umarbeitung  nicht  aufgeführt  wurde.  Auf  die  Logik  versteht  sich 
Ranke  auch,  es  ist  ihm  aber  auch  nicht  eingefallen  zn  behaupten,  dafs 
die  Umarbeitung  aufgeführt  warde.  Dann  soll  die  Annahme,  dafs  Era- 
tostheues  nur  unsere  Wolken  kannte,  an  sich  unwahrscheinlich  sein, 
wenn  man  damit  die  genauen  Angaben  Yergleiche,  welche  die  6e  Hy- 
pothesis  über  den  Unterschied  der  Bearbeitungen  habe.  Hr.  T.  meint 
also,  weil  der  Vf.  der  6n  Hypothesis  die  erste  Bearbeitung  kennt, 
mufs  sie  auch  Eratosthenes  kennen.  Ich  will  Hrn.  T.  nicht  'belehren  , 
weil  er  dies  Ton  sich  weist,  nur  zur  eignen  Vertheidigung  rufe  ich 
ihm  ins  Gedächtnis  zurück,  was  ihm  entfallen  zu  sein  scheint,  dafs 
nemlich  Aristophanes  nach  den  Didaskalien  einen  zweiten  Frieden  ge- 
dichtet hat,  dafs  Krates  diesen  Frieden  kannte,  uns  auch  Fragmente 
daraus  erhalten  sind,  gleichwohl  aber  Eratosthenes  nur  ^inen  Frieden 
kennt.  Endlich:  'woher  hätte  vielmehr  Eratosthenes  gewust,  dafs  in 
den  didax^ftaoci  die  Erwähnung  des  Marikas  sich  nicht  fand?'  Oleum 
et  operam  perdidi;  ich  kann  nur  auf  das  verweisen,  was  ich  S.  6.  7 
gesagt  habe,  oder  da  ich  unklar  schreibe,  auf  Ranke  p.  CCLXXXVI. 
—  Weiter  nennt  Hr.  T.  die  Kritik,  welche  ich  an  den  überlieferten 
Bruchstücken  der  ersten  Wolken  übe,  eine  in  hohem  Grade  willkür- 
liche, die  fast  durchgängig  aus  nnerwiesenen  Behauptungen  bestehe. 
Aber  Hr.  T.  verschweigt  nur  meinen  Beweis.  Ich  sage:  die  8cholia- 
sten  zu  unsern  Wolken  sprechen  überall  über  die  erste  Bearbeitung  so, 
dafs  sie  ihnen  aus  Autopsie  nicht  bekannt  sein  konnte,  und  wiewohl 
sie  zahlreiche  Bruchstücke  ans  andern  verlorenen  Stücken  anfuhren, 
findet  sich  kein  einziges  aus  den  ersten  Wolken,  wozu  doch  reichliche 
Gelegenheit  geboten  war;  wenn  nun  ein  Scholiast  sagt,  Phormion  werde 
in  den  Rittern,  Wolken  und  Babylonicrn  erwähnt,  so  nehme  ich  an, 
dafs,  da  er  in  den  Wolken  nicht  erwähnt  wird,  wohl  aber  in  der  Ly- 
sistrata,  der  Scholiast  die  beiden  Stücke  verwechselt  habe;  ebenso, 
wenn  Suidas  fistov  avxäl  aus  den  Wolken  anführt,  während  sich  fistov 
avxm  in  den  Ekklesiazusen  findet.  Ich  glaube,  dafs  diejenigen,  welche 
sich  mit  Grammatikern  beschäftigt  haben,  meine  Deduction  nicht  für 
willkürlich,  sondern  für  wohl  begründet  erachten  werden.  Dabei  will 
ich  die  Fragmente  aus  den  ersten  Wolken  gar  nicht  wegleugnen,  im 
Gegentheil  benutze  ich  ihr  Vorhandensein  als  Argument  gegen  Erato- 
sthen(*s,  wie  S.  5  zu  lesen  ist. 

2.  Meine  Behauptung,  dafs  die  Veröffentlichung  einer  Komoedie 
eine  vorausgegangene  Aufführung  bedinge,  wird  als  blofses  Postulat 
bezeichnet  und  daran  erinnert,  dafs  ja  auch  nicht  gehaltene  Reden 
herausgegeben  wurden.  Auch  Episteln,  und  es  ist  wohl  möglich,  dafs 
Aristophanes  Lesekomoedien  gedichtet  hat  und  dafs  die  Gelehrten  ganz 
nnnothig  mit  der  Vertheilung  der  Stücke  nach  den  Festen  sich  die  Kopfe 
zerbrechen  und  dafs  die  meisten  der  erhaltenen  Tragoedien  solche  bel- 
letristische Erzengnisse  sind.  Ich  meine  aber,  dafs  die  Komoedien  zum 
Dionysosfeste  gehören,  also  eine  Cultussache  sind,  mit  der  Reden  zu- 
sammenzustellen mindestens  von  grofser  Uebereilung  zeugt.  Ich  dachte, 
Hr.  T.  werde  mir  wenigstens  die  aSC8oL%ta  entge^ienhalten.  Wenn  Hr. 
T.  ferner  entgegnet,  es  sei  ja  eine  ganz  feststehende  Sitte  gewesen, 
durchgefallene  Stücke  in  überarbeiteter  Gestalt  herauszugeben,  ohne 
dafs  doch  von  einer  regelmäfsigen  Aufführung  dieser  Umarbeitung 
entfernt  die  Rede  sein  konnte,  so  zeigt  er  wieder,  dafs  er  meine  Aus- 
einandersetzung nicht  verstanden  hat.  Durchgefallene  Stücke  wurden 
überarbeitet  entweder  behufs  der  Herausgabe,  und  dann  kann  natür- 
lich von  einer  Aufführung  der  Umarbeitung  keine  Rede  sein,  oder  be- 
hufs einer  zweiten  Aufführung,  was  höchst  selten,  aber  doch  vorge- 
kommen ist,  wie  z.  B.  beim  Hippolytos  des  Euripides.  Nachdem  Hr.  T. 
mit  meinen   'Praemissen'   auf  diese   Weise  fertig  geworden,   fällt  na- 


EnlgegDung.  101 

tfirlich  mein  Schlafa  and  kann  scbiiefslich  über  meinen  Vorschlag  snr 
^Tagesordnung'  übergegangen  werden. 

3.  Ich  glaubte  einen  Weg  gefanden  za  haben,  auf  dem  sich  die 
verschiedenen  Schwierigkeiten  und  Widersprüche  am  Iei«:htesten  losten, 
und  habe  ihn  als  Auskunftsmittel  vorgeschlagen,  ohne  ihn  für  etwas 
anderes  als  für  eine  Hypothese  auszugeben.  Die  Hauptsache  aber  war 
mir,  durch  gründliche  Prüfung  der  Ueberlieferung,  wie  durch  Aufstel- 
lung und  schärfere  Bestimmung  der  versi  hiedenen  Gesichtspunkte  die 
Frage  auf  die  richtif^e  Bahn  zu  leiten,  von  der  sie  abgekommen  war, 
namentlich  aber  die  jetzt  herschende  und  meiner  Ueberzeugung  nach 
ganz  unbegründete  Hypothese,  dafs  unsere  Wolken  ein  unvollendetes, 
vom  Dichter  gar  nicht  herausgegebenes  Werk  seien,  zn  beseitigen.  Sie 
datiert  aus  der  Zeit,  wo  die  Kritik  der  reinen  Vernunft  es  mit  der 
historischen  Ueberlieferung  nicht  zu  genau  nahm,  und  da  sie  berahmte 
Namen  an  der  Stirn  trug,  ist  sie  ohne  nähere  Prüfung  angenommen 
und  in  der  neuem  Zeit  unter  andern  von  Hrn.  T.  systematisch  ausge- 
beutet worden.  Da  sich  Hr.  T.  in  dieselbe  so  eingelebt,  auch  einen 
kritisch  exegetischen  Commcntar  geschrieben  hat,  der  zum  Theil  durch 
das  Aufgeben  jener  Hypothese  über  den  Haufen  geworfen  würde,  so 
finde  ich  es  erklärlich,  dafs  er  meine  Angriffe  abzuwehren  sucht;  nur 
hätte  ich  erwarten  können,  dafs  er  den  Standpunkt  der  Frage  nicht 
verrücken  werde.  Meine  Bemerkung,  dafs  jener  Annahme  irgend  wel- 
che Ueberlieferung  nicht  zu  Grunde  liege,  bekrittelt  Hr.  T.  und  weifa 
mir  das  Wort  'Ueberlieferung'  überall  entgegenzuhalten,  ohne  zu  er- 
kennen, dafs  ich  damit  jene  Annahme  nur  in  die  gebührenden  Grenzen 
weisen,  sie  als  Hypothese  bezeichnen  wollte,  die  von  vorn  herein 
eine  Berechtigung  nicht  habe.  Da  rinn  Hr.  T.  sein  Befremden  darüber 
äafsert,  dafs  ich  ihm  Nichtbeachtung  der  Ueberlieferung  vorwerfe, 
während  ich  doch  selbst  nur  eine  Hypothese  vorzubringen  habe,  so 
will  ich  den  Unterschied,  der  zwischen  meinem  und  seinem  Verfahren 
besteht,  noch  einmal  angeben.  Dafs  unsere  Wolken  ein  von  Aristo- 
phanes  beendetes,  vollständig  ausgearbeitetes  Stück  sind,  ii^t  uberlie-. 
fert,  nicht  nur  durch  die  Hss.,  sondern  auch  durch  die  alexandrini- 
sehen  Kritiker,  so  wie  durch  die  bestimmte  Angabe,  dafs  der  Dichter 
das  Stück  bis  zar  letzten  Scene  einer  Durchsicht  und  Umarbeitung 
unterzogen  habe.  Wenn  nun  jemand  annimmt,  dafs  der  Dichter  das 
Stück  unvollendet  gelafsen,  dafs  in  demselben  Stücke  aus  beiden  Bear- 
beitungen nicht  nur  unvermittelt  nebeneinandergestellt,  sondern  durch- 
einandergeworfen sind,  so  ist  dies  gegen  die  Ueberlieferung.  Eine 
solche  Annahme  macht  alle  weitere  Kritik  unmöglich ,  da  wir  bei  jedem 
Fehler  sagen  können,  er  stamme  aus  der  Vermischung  beider  Recen- 
sionen,  oder  der  Dichter  habe  nur  vor  der  Hand  so  geschrieben,  um 
das  richtige  später  an  die  Stelle  zu  setzen.  Finden  sich  wirklich  In- 
convenienzen  in  dem  Stück,  so  wäre  diese  Annahme  nur  als  ein  letz- 
ter, verzweifelter  Ausweg  zu  betrachten,  und  auch  nur  dann,  wenn 
er  wirklich  die  Entstehuuj;  der  Inconvenienzen  auf  eine  befriedigende 
Weise  erklärte;  dies  ist  aber  nicht  nur  nicht  der  B^all,  sondern  wir 
werden  im  Gegentheil  durch  jene  Annahme  in  noch  weit  gröfsere 
Schwierigkeiten  verwickelt,  wie  ich  wenigstens  nachgewiesen  za  haben 
glaube.  Hr.  T.  aber  geht  von  jener  Hypothese  wie  von  einer  ausge- 
machten Sache  aus,  indem  er  in  seiner  Abhandlang  S.  326  sagt,  'es 
sei  durch  die  ganz  zuverläfsige  Tbatsache  der  Ueberarbeitong  des 
Stacks  durch  den  Dichter  selbst  Gelegenheit  geboten,  positive,  auf 
dem  Grund  sorgfältiger  Scheidung  des  fremdartigen  und  Verbindung 
des  znsammengehÖrigen  aufbauende  Kritik  zu  üben'.  Auf  die  Logik 
verstehe  ich  mich  nicht,  dafs  ein  überarbeitetes  Stück  fremdartiges 
enthalten  müfse,  and  ist  fremdartiges  darin,  so  kann  dies  einen  andern 


102  Entgegnnng. 

Entstehangsgrund  haben.  JetsEt  glaubt  Hr.  T.  seine  Hypothese  auch 
darch  die  Ueberlieferong  stutzen  cn  können,  S.  651:  *die  6e  Hypo* 
thesis  bezeugt  ausdrücklich,  dafs  der  Dichter  die  Umarbeitung  zwar 
behufs  einer  neuen  Aufführung  unternahm,  diese  Absicht  aber  auszu- 
führen unterliefs,  aus  Gründen,  welche  der  Vf.  der  Hyp.  dahingestellt 
sein  läfst,  weil  — ,  nicht  aber  (wie  Hr.  £.  S.  19  meint)  dafs  er  die 
Nichtherausgabe  blofs  aus  dem  Fehlen  der  Didaskalie  gefolgert  habe.' 
Das  meine  ich  nicht,  und  Hr.  T.  schiebt  mir,  wie  so  oft,  eine  fremde 
Ansicht  unter;  ich  rede  von  der  Aufführung,  nicht  von  der  Heraus- 
gabe, und  nur  von  der  Auffuhrung  spricht  auch  der  Vf.  der  Hyp.,  und 
auf  diesen  kleinen  Unterschied  kommt  es  hier  eben  an.  Diesem  Ver- 
fahren gegenüber  das  meinige  anzugeben,  wird  nun  nicht  nothig  sein; 
natürlich  war  es  mir  wie  jedem  Menschen  unmöglich,  diametral  ent- 
gegengesetzte Ansichten  der  Scholiasten  zu  vereinen  oder  alle  ihre 
Vermuthungen  zu  billigen,  und  kann  ich  mir  das  Sundenregister,  das 
mir  Hr.  T.  S.  565  vorhält,  ruhig  gefallen  lafsen.  —  Die  Entgegnung 
würde  zu  lang  werden,  wollte  ich  auf  das  weitere  eingehen,  daher  nur 
noch  einiges  zur  Abwehr.  Nach  S.  553  soll  ich  Hrn.  T.  Dinge  behaupten 
lafsen,  die  ihm  nie  in  den  Sinn  gekommen  sind,  und  die  ganze  Darstellung 
in  wunderlichster  Weise  carikieren;  so  deute  ich  8.  13  seine  Worte  «lahio, 
als  hätte  er  von  einem  Vorzuge  nur  gegenüber  der  ersten  Bearbeitung 
gesprochen.  Dafs  Hr.  T.  von  einem  Vorzuge  vor  der  ersten  Bearbei- 
tung spricht,  davon  kann  sich  jeder  überzeugen,  auch  ieuenet  er  es 
selbst  nicht;  dafs  er  von  einem  Vorzüge  nur  gegenüber  der  ersten 
Bearbeitung  spricht,  habe  ich  nicht  gesagt;  der  Mrthum'  bleibt,  da 
Aristophanes  nirgends  von  einem  umgearbeiteten,  sondern  überall 
nur  von  einem  Stücke  spricht,  oder  Hr.  T.  mnste  diesen  letzten  Satx 
widerlegen.  Auch  schiebe  ich  ihm  (S.  554)  über  das  Scholion  zu  734 
nicht  das  unwahrscheinlichste  unter,  sondern  ich  wollte  nur  sagen, 
dafs  sich  Hr.  T.  übereilt  hat,  wenn  er  in  einem  Scholion,  das  nur  die 
zweite  Bearbeitung  berücksichtigt,  Aufschlufse  über  die  erste  findet. 
Besonders  über  die  Thätigkeit  des  Diaskeuasten  soll  ich  abenteuerliche 
Vorstellungen  kund  geben  und  Hrn.  T.  in  die  Schuhe  zu  schieben  lie- 
ben. Das  habe  ich  nun  zwar  nicht  gethan;  da  es  mir  aber  Hr.  T. 
zum  Vorwurf  macht  und  mich  S.  555  tadelt,  dafs  ich  den  Termeint- 
lichen  Herausgeber  einen  gedankenlosen,  unwifsenden  Menschen  nenne, 
so  will  ich  ihm  doch  ins  Gedächtnis  zurückrufen,  was  in  seiner  Ab- 
handlung S.  344  steht:  'dafs  derjenige,  welcher  nach  dem  Tode  des 
Aristophanes  die  neue  Bearbeitung  herausgab  —  aus  blinder  Pietät 
oder  einfach  aus  Gedankenlosigkeit  die  neuen  Verse  mit  herüber- 
nahm'. Der  Vorwurf  in  den  letzten  10  Zeilen  S.  555  fallt  auf  Hrn. 
T.  zurück,  der  nicht  bedacht  hat,  dafs  die  Incongruenzen  nach  sei- 
ner Auffafsung  arg  sind,  nach  meiner  aber  nicht,  daher  nichts  auf 
das  Haupt  des  Aristophanes  fallt.  Ueberhaupt  aber  thnt  mir  Hr.  T. 
Unrecht,  wenn  er  glaubt,  dafs  meine  Angriffe  ihm  gelten.  Der  Name 
des  Hrn.  T.  kommt  in  meinem  Aufsatz  gar  nicht  vor  und  nur  an  öiner 
Stelle  ist  auf  seine  Abhandlung  im  Philologus  verwiesen.  Tch  wollte 
die  Richtung  im  allgemeinen  bekämpfen,  ohne  jemand  zu  verletzen, 
da  ja  zu  dieser  Richtung  sich  Männer  bekennen ,  deren  Namen  ich  mit 
Hochachtung  nenne,  und  eben  weil  ich  es  nur  mit  der  Sache  tu  thun 
hatte,  habe  ich  keine  Namen  genannt  und  nur  notbgedrnngen  auf  eine 
neuere  Schrift  verwiesen.  —  Schliefslich  die  Bemerkung,  dafs  Hr.  T. 
etwas  Ton  mir  aufgenommen  hat,  dafs  nemlich  Aristophanes  die  Ab- 
sicht hatte,  seine  zweite  Bearbeitung  in  einem  Demottheater  aufzu- 
führen ,  doch  heifst  es  auch ,  dafs  die  Unterscheidung  zwischen  dem 
Stadttheater  und  den  Demostheatern  ein  schon  von  G.  Hermann  nahe 
geUgter  Aiuweg  mI.    Ich  bin  non  nicht  durch  Jme  Steile ,  eonden  anf 


Entgegnung.  103 

einem  sehr  Terschiedenen  Wege  za  meiner  Annahme  gekommen;  allein 
wenn  diea  auch  wäre,  so  haben  bekanntlich  die  meisten  Erlindaneen 
sehr  nahe  gelesen,  und  doch  vergieng  eine  geraume  Zeit,  bevor  das 
naheliegende  erkannt  und  benutzt  ^vpi^e. 

Ostrowo,  21.  Juli  1854.  R,  Enger. 


Da  nach  dem  vorstehenden  Hr.  Enger  Yon  der  Unfehlbarkeit  seiner 
'Erfindung'  so  ganz  durchdrungen  ist,  dafs  er  den  Widerspruch  dage- 
gen als  einen  ]\&ngel  an  Fafsungskraft  darstellt  und  eine  aus  sorgfäl- 
tiger Durchforschung  des  Stücks  selbst  und  aller  über  dasselbe  übeHie- 
ferten  Nachrichten  entstandene  wifsenschaftliche  Ueberzeagong ,  weil  sie 
seiner  Hypothese  nicht  gunstig  ist,  aus  den  ärmlichsten  Beweggründen 
ableiten  zu  dürfen  glaubt,  so  hält  es  der  unterzeichnete  für  völlig 
zwecklos  sich  mit  Hm.  Enger  in  weitere  Erörterungen  über  die  vorlie- 
gende Frage  einzalafsen,  und  benützt  die  ihm  von  der  verehrlichen 
Redaction  freundlichst  gebotene  Gelegenheit  einzig  zu  der  Bemerkung, 
dafs  in  seiner  Recension  S.  552  Z.  7  v.  o.  zu  lesen  ist:  'gewesen  sein' 
statt  'sein  gewesen'  und  dafs  das  letzte  Wort  von  8.  &55,  als  eine  Be- 
merkung für  den  Setzer,  nicht  zum  Abdruck  bestimmt  war. 

Tübingen,  28.  Juli  1854.  Prof.  Dr.  FF.  TeuffeL 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 


Paedagogische  Revue,  hegrundet  von  Magern,  s.  w.  Jahrgang  1854. 
(S.  Bd.  LXIX  S.  2-24—228). 

Januarheft.  Abhandlungen.  Am  eis:  griechische  Schulgramma- 
tiken  und  Formenlehren ,  zugleich  ein  Beitrag  zur  Methodik  des  griech. 
Sprachunterrichts  in  Gymnasien,  besonders  in  Hinsicht  auf  die  Frage, 
ob  der  Elementarunterricht  auf  Homer  basiert  werden  könne  (S.  1 — 
32:  die  beiden  Werke  von  Ahrens,  das  griech.  Klementarbuch  aus 
Homer  und  die  griech.  Formenlehre  des  homerischen  und  attischen 
Dialekts  werden  zuerst  in  Hinsicht  auf  die  paedagogische  Brauchbarkeit 
eingehend  besprochen  und  dagegen  folgende  Sätze  geltend  gemacht:  mit 
gutem  Grunde  lege  man  bei  einer  jeden  gebildeten  Sprache  das  Zeitalter 
ihrer  höchsten  Ausbildung,  den  eigentlichen  Höhepunkt  ihrer  classischen 
Periode  zu  Grunde;  im  Homer  habe  man  den  etwas  schwankenden  Bo- 
den einer  noch  im  Flufs  befindlichen  Sprache,  deren  Formenreichthum 
einerseits  der  für  Anfanger  nöthigen  Einfachheit  und  Abgeschlofsenheit 
ermangle  und  deren  Formenarmuth  andrerseits  keine  vollständigen  Pa- 
radigmen gestatte,  die  den  Anfängern  unentbehrlich  seien;  der  Anfang 
mit  dem  homerischen  Dialekt  gestatte  keine  naturgemäfsen  Uebungen 
durch  schriftliche  Arbeiten,  indem  er  das  zum  sichern  Schriftsteller- 
verständnis  nothwendige  Griechischschreiben  ausschliefse.  Homer  stehe 
für  die  griech.  Litteratur  zu  hoch,  als  dafs  man  ihn  zum  ABC-Buch 
der  griechisch  lernenden  Schuljugend  erniedrigen  dürfe;  Homer  sei 
nicht  der  Zweck  des  griech.  Unterrichts  in  den  Gymnasien,  wenn  man 
auf  deren  Ursprung  sehe;  der  letzte  Erfolg  des  Anfangs  mit  dem  Ho- 
mer werde  schon  bei  dem  Eintritt  des  Schülers  in  die  Prima  im  glück- 
lichsten Falle  der  Wirklichkeit  nach  ganz  derselbe  sein,  als  wenn  man 
mit  dem  attischen  Dialekt  begonnen  hätte;  ferner  finde  der  Schuler 


104  Auszüge  au»  Zeitschriften. 

darin  viel  zu  Tiel  Gelehrsamkeit ,  die  fortlaufende  Unterscheidung  Yon 
Text  und  Anmerkungen  erschwere  die  Auffafsung,  man  Termifse  Ue- 
bersichtlichkeit  und  nehme  an  der  roafslosen  Anzahl  kunstlicher  Sy- 
steme in  der  Aufstellung  der  Ver^alformen  und  der  Modi,  sowie  der 
neuen  Terminologie  Anstofs,  und  endlich  sei  das  ganze  doch  nur  ein 
Bruchstück,  eine  Formenlehre,  mit  welcher  keine  andere  Syntax  sich 
passend  verbinden  lafse.  Dagegen  wird  der  hohe  wifsenschaftliche 
Werth  der  Arbeit  bereitwilligst  anerkannt  und  geruhrot,  indes  macht 
Hr.  A.  aufser  manchen  einzelnen  Bemerkungen  namentlich  auch  den 
Einwand  geltend ,  dafs  die  paedagogische  Lieblingsidee  des  Vf.  nicht 
ohne  Einnufs  auf  die  Forschung  geblieben  zu  sein  scheine). —  Schei- 
be rt:  die  mathematischen  Aufgaben  ^S.  35 — 45:  unter  Bezeichnung 
der  paedagogischen  Forderungen ,  welcne  in  Hinsicht  auf  die  genann- 
ten Aufgaben  gestellt  werden  müfsen,  werden  die  physikalischen  Auf- 
gaben von  Emsmann  und  die  Sammlung  trigonometrischer  Aufga- 
ben von  Wiegand  bestens  empfohlen,  auch  manche  Verbefserungen 
und  eigene  Aufgaben  mitgetheilt).  :=:  Beurtheilungen  und  Anzeigen. 
Haacke:  Beitrage  zu  einer  Umgestaltung  der  griechischen  Grammatik. 
Is  Heft  von  Noir^  (S.  46 — 54:  ausführliche  den  Inhalt  des  Schrift- 
chens darlegende,  belobende  Anzeige).  —  T.  Livi  ab  urbe  condita 
libri.  Erkl.  v.  Weifsenborn.  Ir  Bd.  von  Queck  (S.  54 — 66:  zuerst 
wird  die  kritische  (Behandlung  des  Textes  gewürdigt;  rücksichtlich 
der  durchweg  gelobten  Erklärung  werden  über  einzelne  Stellen  abwei- 
chende Ansichten  aufgestellt).  —  1)  Hauser:  Uebersicht  der  merk- 
würdigsten Begebenheiten  aus  der  allgeni.  Weltgeschichte.  2)  Kapp: 
Leitfaden  beim  ersten  Schulunterricht  in  der  Geschichte  u.  Geogra- 
phie. 3)  Dithmar:  Kistorienbuch.  4)  Grube:  deutsche  Geschichte 
in  deutschen  Gedichten.  5)  Schaarschmidt:  kleiner  historisch-geo- 
graphischer Atlas.  6)  König:  historisch-geographischer  Handatlas.  7) 
W inderlich:  Lehrbuch  der  Weltgeschichte.  2e  Aufl.,  von  Miquei 
(S.  66—76:  Nr.  1  wird  verworfen,  Nr.  2  unter  Verwerfung  der  Prin- 
cipien  für  die  Methode  doch  gelobt,  Nr.  3  als  viel  vortreffliches  und 
brauchbares  enthaltend  bezeichnet,  Nr.  4  zwar  gelobt,  aber  die  zu 
Grunde  liegende  Idee  als  unausführbar  dargelegt,  Nr.  5  entschieden 
gerühmt,  Nr.  6  gegen  Nr.  5  etwas  zurückgestellt,  Nr.  7  endlich  aU 
blau -republikanisch  und  der  gründlichen  Kenntnisse  ermangelnd  ver- 
worfen).—  1)  Trappe:  Leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  Physik. 
2)  Kern:  die  Naturlehre.  3)  Schmitz:  der  kleine  Kosmos  und:  An- 
schauung der  Natur.  4)  Cabart:  die  Elemente  der  Physik,  von  Ems- 
mann (S.  76 — 80:  Nr.  1  ist  werthvoll,  wenn  schon  manche  Wunsche 
aufgestellt  werden,  Nr.  2  sehr  empfehlenswerth,  Nr.  3  wird  als  re- 
formatorisch 'jedem,  der  eine  leere  Stunde  auf  amüsante  Weise  aus- 
füllen will'  empfohlen,  Nr.  4  endlich  in  dem,  was  es  bietet,  als 
brauchbar  bezeichnet).  =  Paedagogische  Zeitung.  Regulativ  für  die 
in  Berlin  eingerichteten  Lehrerconferenzen  (S.  1—4).  —  Thrämer: 
das  öffentliche  Schulwesen  in  Rufsland  nach  seiner  Entwicklung  seit 
Peter  dem  Gr.  (S.  5 — 27:  Abdruck  aus  den  paedagogischen  Beilagen 
zum  Inlande,  Dorpat  1846,  Nr.  13  u.  14). —  Rapport  du  ministre  de 
l'instruction  publique  et  des  cultes  k  Tempereur,  sur  la  Situation  de 
Tinstruction  publique  depuis  le  2  d^cembre  1851,  vom  19.  Sept.  1853 
(S.  28—38.  Ir  Theil).  — 

Februarheft.  Abhandlungen.  Grafs  mann:  Bruchstücke  über 
den  grundlegenden  Unterricht,  besonders  für  die  Sprache,  den  sprach- 
lichen Elementarunterricht  (S.  81 — 100:  enthält  allerdings  auch  man- 
che für  den  Gymnasiallehrer  branchbare  Winke).  —  Beurtheilungen. 
Palm  er:  evangelische  Paedagogik,  von  Scheibert  (S.  101—131: 
als  ein  Beitrag  zur  Losung  der  Fragen  in  der  gegenwärtigen  Bewe- 


Auszüge  aus  Zeitscbrifteo.  105 

eung  nach  einer  Seite  hin  eine  sehr  wichtige  y  verdienstliche  nnd  ein- 
flafsreiche  Arbeit,  die  niemand,  welcher  sich  an  der  theoretischen 
wie  praktischen  Entwicklung  der  Paedagogik  betheiligen  will,  über- 
sehen darf;  eingebende  Beurtheilung)^  —  l)Burchard:  lateinische 
Schulgrammatik,  6e  Aufl.  2)  Midde^dorf  und  Gräter:  lateinische 
Schulgrammatik.  3)  Fritzschei  praktische  Regeln  und  Anweisung 
xum  Versbau,  zunächst  für  die  lat.  Spr.  nebst  Anhängen  über  grie- 
chische Prosodie  und  Metra,  Ton  Qu  eck  (S.  131 — 134:  zu  Nr.  1  wer- 
den einige  berichtigende  Bemerkungen  gemacht,  Nr.  2  trotz  einzelner 
Ausstellungen  als  aller  Beachtung  werth  bezeichnet,  Nr.  3  als  zu 
mechanisch  getadelt).  —  I)  Haug:  Uebungsbuch  zum  Uebersetzen 
aus  dem  Deutschen  ins  Lat.  2)  Cornelii  Nepotis  vitae  u.  Wörterbuch 
dazu  von  O.  Eichert,  3e  Aufl.  3)  Virgilii  carmina  mit  deutschen 
Anmerkungen  von  W.  Freund,  von  de  ms.  (S.  134 — 137:  Nr.  1  wird 
trotz  mancher  Ausstellungen  dennoch  sehr  empfohlen,  Nr.  2  durchweg 
anerkannt,  Nr.  3  in  mancher  Hinsicht  gelobt).  —  Hildebrand:  la- 
teinische Chrestomathie  für  Real-  und  höhere  Bürgerschulen.  Ir  Theil, 
▼on  Langbein  (8.  139 — 142:  wird  als  zu  viel  aus  der  spätem  romi- 
schen Litteratur  und  ein  Bild  revolutionärer  Zuckungen  bietend ,  un- 
geeignet gefunden).  —  Fahles  de  BMorian  mit  Erklärungen  von  Ferd. 
Hanthal  u.  Le  nouveau  Robinson.  Nouvelle  Edition  par  Louis,  von 
Dr.  Buch  mann  (S.  142  f.:  beide  Bücher  werden  als  durchaus  un- 
brauchbar und  reine  Pfuscherarbeiten  bezeichnet).  —  Braubach: 
stilistisches  Lern-,  Lehr-  und  Lesebuch,  von  Langbei^(S.  143  f.: 
wird  als  auch  zum  Unterrichte  in  der  deutschen  Litteraturgeschichte 
dienlich  gelobt).  —  Rumpel,  Scholz,  Dietlein:  deutsche  Art  und 
Kunst  in  Gedichten  für  christliche  Schulen,  von  dems.  (S.  145:  sehr 
gelobt). —  Lothholz:  deutsches  Lesebuch  für  Gymnasien,  von  dems. 
(S.  145 — 147:  scheint  über  das  untere  Gymnasium  hinauszugehn,  auch 
wäre  wohl  eine  andere  Ordnung  wunscbenswerth).  —  Schwenck: 
die  Sinnbilder  der  alten  Völker,  von  H.  Schweizer  (S.  150—154: 
sehr  gelobt,  doch  wird  bedauert,  dafs  der  Vf.  mit  dem  nicht  classi- 
schen ,  namentlich  mit  dem  indischen  Uralterthum  nicht  vertrauter  sei, 
und  dies  an  Beispielen  nachgewiesen).  —  l)Kambly:  Elementarma- 
thematik. 3r  Tbl.  2)  Kramer:  Anfangsgründe  der  ebenen  und  sphae- 
rischen  Trigonometrie.  3)  Koppe:  die  ebene  Trigonometrie,  2e  Aufl. 
von  Langbein  (S.  154—157:  Nr.  1  wird  gar  nicht,  Nr.  2  nur  be- 
dingt, Nr,  3  als  für  den  Unterricht  sehr  gut  empfohlen). —  Thieme: 
populäre  Astronomie,  von  dems.  (S.  157 — 158:  wird  als  brauchbar 
bezeichnet,  obgleich  die  Stellung,  welche  dem  Gegenstande  in  den 
sächsischen  Gymnasien  angewiesen  ist,  keine  Billigung  findet). —  Wo- 
ekel:  neue  Sternkarte,  von  dems.  (S.  158  f.:  empfohlen).  —  Klofs: 
Katechismus  der  Turnkunst,  von  dems.  (S.  159:  gelobt). —  Elster: 
die  höhere  Zeichenkunst  in  50  Briefen,  von  dems.  (S.  159  f.:  den 
Lehrern  dringend  empfohlen).  —  C.  Meyer:  Normalzeichenbuch,  von 
dems.  (S.  160:  als  brauchbar  bezeichnet).  =  Paedagogische  Zeitung. 
Wir  heben  aus  den  zahlreichen  Notizen  hervor:  der  Sprachenkampf 
in  Schleswig  (S.  43 — 46),  die  Lectionspläne  der  Solothurner  und  Zü- 
richer Cantonsschulen  (S.  48  f.),  Mittheilungen  aus  Frankreich  über 
die  Fete  des  ^coles  am  27.  Nov.  1853,  das  Deutsche  in  den  französi- 
schen Schulen ,  Aufsatz  von  St.  Marc  Girardin  über  des  Bischof  Du- 
panloup  Briefe  über  die  häusliche  Erziehung  (S.  50—58),  Bericht  über 
die  Schule  zu  Eton  (S.  58—63),  statistische  Nachrichteii  über  die 
Schulen  in  Griechenland  und  Aegypten  (S.  64 — 66),  über  die  Verlei- 
hung der  Stipendien  in  Preufsen  nebst  einer  Verordnung  darüber  (S. 
66-69). 

Märzheft.    Abhandlungen.    Scheibert:    die  populäre  nnd  die 


106  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

christliche  Paedagogik  (S.  161 — 182:  nachdem  der  Vf.  den  Schaden, 
den  die  sogenannte -populäre  Paedagogik  gestiftet,  bezeichnet  ond  so- 
dann die  beiden  Richtungen,  welche  die  neu  aufgetretene  christliche 
genommen,  charakterisiert  hat,  l^pspricht  er:  Helds  Schnlreden  belo- 
bend, Vilmars  Schulreden  2e  Aufl.  mit  gröfster  Anerkennung,  Schir- 
litz'  neue  Schulreden  unter  der  Bemerkung,  dafs  sie  nicht  indlTidnell 
genug  seien,  Hein  dl  s  paedagogische  Aehrenlese,  Keysers  paedago- 
gische  Studien,  Thaulows  Buch:  Hegels  Ansichten  über  Erziehung 
und  Unterricht  werden  getadelt,  am  stärksten  Hanschmann:  das 
Strafrecht  der  Schule,  dagegen  finden  Kellners  paedagogische  Mit- 
theilungen und  besonders  Volters  Beiträge  zur  christlichen  Paedago- 
gik und  Didaktik  volle  Anerkennung). —  Noir^:  über  die  Behandlung 
und  Erklärung  moderner  Classiker  auf  Gymnasien  (S.  183—188:  es 
wird  statt  des  Strebens  nach  blofser  Rede-  und  Uebersetzungsfertig- 
keit  Einfahrung  in  die  Litteratur  und  philosophische  Behandlung  ge- 
fordert; sodann  die  Lesung  älterer  Prosaiker  und  Chronisten,  nament- 
lich aber,  um  das  Alterthum  den  Schälern  lieb  zu  machen,  die  von 
Montaigne  gefordert).  =  Beurtheilnngen  und  Anzeigen.  Hauschild: 
Elementarbuch  der  franz.  Spr.  nach  der  calculierenden  Methode.  Ir 
Curs.  3e  Aufl.  von  Buchmann  (S.  189:  unter  einzelnen  Ausstellun- 
gen gelobt). —  Bettinger:  Lehrb.  der  franz.  Sprache,  4e  Aufl.  von 
de  ms.  (S.  189  f.:  als  den  heutigen  Anforderungen  an  französische 
Schulbuches  nicht  entsprechend,  übrigens  aber  mit  tüchtiger  Sach- 
kenntnis geschrieben  bezeichnet).  —  1)  Eugene  FaTre:  premi^rea 
le9ons  de  langue  allemande,  2)  dess.  deutsches  Lesebuch,  3)  ders. 
und  Strebinger:  Cours  de  th^mes  aliemandes.  4)  G^org:  gram- 
maire  pratique  de  la  langue  allemande,  5)  ders.:  cours  ^l^mentaire 
de  langue  anglaise,  6)  ders.:  Elementargrammatik  der  französischen 
Sprache,  von  Köhler  (S.  190 — 193:  werden  alle,  obgleich  der  Rec. 
mit  der  Methode  nicht  überall  einverstanden  ist,  dennoch  als  tüchtig 
gelobt).  —  Drobisch:  neue  Darstellung  der  Logik,  2e  Aufl.  und 
Cajus:  des  Antibarbarus  logicus  2e  Aufl.  Is  Heft,  von  Schilling  in 
Giefsen  (S.  193  —  208^:  eingehende  Beurtheilung  des  erstem  Werks, 
dessen  hohe  Verdienstlichkeit  bereitwilligst  anerkannt  wird;  das  zweite 
wird  kürzer  empfohlen  und  baldige  Vollendung  gewünscht). —  Sime- 
sen:  die  Geometrie  genetisch  dargestellt,  von  Langbein  (S.  208  f.: 
trotz  einiger  Bedenken  wird  auf  das  Buch  dringend  aufmerksam  ge- 
macht).—  Franke:  die  Elemente  der  ebenen  Geometrie,  von  dems. 
(8.  209 — ^211:  aus  principiellen  Bedenken  für  Gymnasien  und  höhere 
Burgerschulen  nicht  empfohlen).  —  Brennecke:  die  Beruhrungsauf- 
gabe  für  Kreis  und  Kugel,  von  dems.  (S.  211  f.:  'eine  vortrefifliche 
Arbeit  aus  der  Schule  für  die  Schule').  —  Baltzer:  Schulgebete 
für  Gymnasien  u.  s.  w.,  von  dems.  (S.  219:  'sie  genügen  nicht,  na- 
mentlich fehlt  die  Predigt  der  Bufse')-  —  Zur  Kritik  der  Volkslese- 
bucher  (S.  222 — 234:  das  Lese-  und  Lehrbuch  für  Volksschulen  von 
Fr.  G.  Rettig  wird  mit  derben  Wafi'en  bekämpft).  —  Vermischte 
Aufsätze.  Miquel:  der  Verfafser  des  Robinson  Crusoe  (S.  235 — 240: 
Lebensbeschreibung  und  Charakteristik  von  Daniel  de  Foe).  =  Pae- 
dagogische Zeitung.  Bericht  über  die  Revision  der  evangelischen  Gym- 
nasien Schlesiens  durch  den  Geh.  Reg.-Rath  Dr.  Wiese  aus  der  N. 
Preuss.  Ztg.  (S.  71—76). —  Mittheilung  des  Programme  des  cours  de 
TAth^nee  royal  de  Li4ge  pendant  Tann^e  scolaire  1863—1864  (S.  78 
— 90).  —  Ueber  P.  Daniel  les  «^tudes  classiques  dans  la  soci^t^ 
chr^tienne  aus  der  Aug^tb.  allg.  Zeitung  (S.  98—92:  es  wird  dieser 
Schrift  sehr  rahmend  gedacht).  —  Bericht  aber  das  Girard  College  in 
Philadelphia  und  statistisches  aus  Nordamerika  (S.  92—95).  —  Schul- 
wesen in  Mexico  (S.  95  f.)«  —    Schulwesen  in  Java  aas  der  Weser- 


AuBZüge  au8  Zeitschriften.  107 

leitang  (S.  97 — 101).  —  Schulwesen  in  Brittisch -Indien  ans  Nen- 
manns  Brnchstocken  einer  neueren  Geschichte  von  Brittisch-Indien 
(8.  102 — 108).  —  Bekanntmachang,  betreffend  einen  Unterrichtsplan 
und  Bestimmungen  über  die  Examina  für  die  gelehrten  Schulen  in 
Dänemark  vom  13.  Mai  1850  (S.  108—117). 

Aprilheft.  Abhandlungen.  Scheibert:  die  Examina  (S.  241 — 
294:  als  Folgen  der  durch  die  zur  Controle  über  die  Schalen  einge- 
richteten Examina  bewirkten  Conformität  werden  Hemmung  der  Pae- 
dagogik  und  Didaktik  in  ihrer  Entwicklung,  Hinderung  der  Producti- 
"vitat  in  den  Arbeiten  der  Schüler,  oberflächliches  Einlernen  statt 
Vertiefung,  Verlust  des  Ueberblicks  und  innern  Zusammenhangs  im 
TVifsen  bezeichnet  und  dagegen  die  Forderungen  aufgestellt:  das  Exa- 
men sei  Fortsetzung  der  Schälerarbeiten  und  ein  Ausdruck  dafür,  wie 
die  Schüler  arbeiten  können,  es  greife  im  Stoff  nicht  in  die  frühem 
Classenpensa  zurück ,  sondern  halte  sich  im  Unterrichtsstoffe  der  letz- 
ten Classe;  das  Urtheil  richte  sich  nach  dem  Mafse  der  geistigen  und 
sittlichen  Kraft  und  jede  Primanerarbeit  sei  eine  Examenarbeit;  dar- 
nach richte  sich  der  k.  Commissarius  und  lafse  nur  da  ein  examen 
rigorosum  eintreten,  wo  entweder  das  Urtheil  zweifelhaft  ist,  oder 
der  ZD  prüfende  dem  seiner  Lehrer  sich  nicht  unterwerfen  will.  In 
Bezug  auf  die  Examina,  welche  um  besonderer  Zwecke  (des  ein- 
jährigen Militärdienstes  u.  dgl.)  willen  gefordert  werden,  wird  die 
Forderung  geltend  gemacht,  dafs  sie  entweder  nur  auf  allgemeine 
Schulbildung  gerichtet  seien,  und  demnach  unter  dem  Ministerio  des 
Cultus  stehen,  oder  die  zu  Terlangenden  speciellen  Kenntnisse  auch 
nur  auf  dem  Priyatwege  erworben  werden  müfsen.  Rücksichtlich  der 
Examina  .in  den  Schulen  endlich  werden  Gründlichkeit  der  Prü- 
fung, Umwandlung  in  eine  Repetition,  also  Fortsetzung  des  Unter- 
richts und  die  Unterrichtung  der  Lehrer  über  die  Leistungen  der 
Schüler  als  Hauptzweck  verlangt;  am  Schlufs  aber  als  des  besten 
Mittels  zum  erziehenden  Unterricht  der  freien  Unterrichtsform  ge- 
dacht, deren  Anwendung  eben  durch  die  Torgeschriebenen  Endexamina 
yerhindert  werde). —  Mezger:  die  Classiker  und  die  Kirchenväter  in 
den  Gymnasien  (S.  295 — 311:  nach  einer  geschichtlichen  Auseinander- 
setzung des  Ganges ,  den  die  von  G  a  u  m  e  angeregte  Frage  in  Frank- 
reich und  Deutschland  genommen,  erklärt  sich  der  Vf.  bei  aller  Ach- 
tung, welche  er  vor  den  christlichen  Classikern  hegt,  bei  aller  Aner- 
kennung davon,  wie  nothwendig  christliche  Bildung  für  das  Gymna- 
sium, und  wie  wünschenswerth  Einführung  in  die  Patristik  für  die 
künftigen  Theologen  sei,  doch  gegen  den  vermittelnden  Vorschlag, 
Kirchenväter  neben  den  alten  Classikern  zu  lesen,  weil  dieser  Weg 
weder  geeignet  sei  zum  Ziele  zu  führen ,  noch  nothwendig,  da  wir  ja 
die  Quelle,  woraus  die  Kirchenväter  alles,  was  sie  hatten,  geschöpft, 
selbst  besitzen,  die  Bibel,  und  fordert,  weit  entfernt  das  Hebraeische 
von  andern  als  von  den  künftigen  Theologen,  Philologen  und  Histo- 
rikern —  dies  allerdings  eine  Erweiterung  —  zu  verlangen,  von  dem 
Religionslehrer  Vertrautheit  mit  der  Sprache  und  dem  Inhalt  des  A. 
T.  und  gründliche  Einführung  der  Schüler  in  dasselbe).  =  Beurthei- 
Inngen  und  Anzeigen.  Timm:  die  Lehre  von  den  Formen  und  den 
Arten  der  Dichtungen,  von  Bu ebner  (S.  312  f.:  unter  manchen  Aus- 
stellungen als  dem  Lehrer  förderlich  bezeichnet).  —  Schroer:  Ge- 
schichte der  deutschen  Litteratur  und  Hüppe:  Geschichte  der  deut- 
schen Nationallitteratur,  2e  Aufl.  von  dems.  (8.  313 — 316:  das  erstere 
Buch  wird  als  für  den  Nichtosterreirher  im  ganzen  werthlos,  da« 
zweite  unter  manchen  Ausstellungen  und  Wünschen  als  recht  brauchbar 
und  gut  dargestellt). —  Herrig:  Sammlung  englischer  Schriftsteller 
mit  dautschen  Anmerkungen,  von  Langbein  (S.  316  f.:  das  Unter- 


108  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

nehmen  wird  sehr  willkommen  geheifsen,  aber  von  dem  Standpunkt  der 
Schule  aus  werden  Bedenken  dagegen  erhoben). —  Holle:  historisch- 
geographischer  Handatlas,  Ton  Kleinsorge  (S.  317 — 320:  im  ganzen 
gebilligt  und  empfohlen). —  Knigge:  über  den  Umgang  mit  Menschen, 
neu  herausgegeben  von  K.  Gödeke,  von  L.  (S.  320:  in  der  neuen 
Bearbeitung  empfohlen).  =  Paedagogische  Zeitung.  Nekrolog  von 
G.  Fr.  Grotefend  (S.  126—127).  —  Statistische  Uebersicht  über 
die  Österreichischen  Gymnasien  (S.  127 — 142:  nach  den  in  der  österr. 
Zeitschr.  gegebenen  Tabellen  bearbeitet).  —  Znstand  der  holländi- 
hchen  lateinischen  Schulen  und  Gymnasien  am  1.  Nov.  1852  (S.  142 — 
146).  —  Ueber  Schulen  im  Königreich  Polen  (S.  147  f.  Furtsetzung 
von  XXXV  S.  357  ff.) —  Eilers:  Jahresbericht  der  Unterrichts-  und 
Erziehungsanstalt  zu  Freiimfeide  bei  Halle  (S.  149 — 154:  Mitthei- 
lung eines  längern  Abschnitts,  welcher  höchst  beachtnngswerthes  über 
die  Ueberladung  der  Gymnasien ,  die  Vorbildung  der  Lehrer  und  die 
Wirksamkeit  der  classischen  Studien  enthält).  —  Verordnung  über  die 
Prüfungen  zum  Gymnasial lehramte  im  Königreich  Bayern  vom  24.  Sept. 
1853  (S.  155—157).  -—  Rapport  du  minlstre  u.  s.  w.  (S.  157—174: 
ForU.  vom  Januarheft  S.  28  ff.) 

Mai-  und  Juniheft.  Kleinpaul:  die  k.  Universität  zu  Dublin 
und  ihre  drei  Colleges  (S.  321-344:  interessante  Darstellung  des  Ge- 
(renstandes  in  seiner  Entwicklung  und  seinem  gegenwärtigen  Stande). 

—  Scheibert:  aus  der  Schulstube.  9t  Artikel  (S.  345 — 360:  wie  in 
frühern  Artikeln,  werden  hier  die  mechanischen  und  stumpfen,  träu- 
merischen und  zerstreuten,  verworrenen  und  kritischen  Köpfe  bespro- 
chen, die  Ursachen  zur  Entstehung  der  Fehler,  die  Gefahren  ihrer 
Vermehrung  und  Vergröfserung  und  die  Mittel  zur  Heilung  dargelegt). 

—  Beurtheilungen.  1)  Michaelis:  theoretischer  und  praktischer  Cur- 
sus  der  franz.  Sprache  für  G.  2)  de  Castros:  theoretisch-prakti- 
bches  Lehrbuch  der  franz.  Sprache.  3)  Uebungsstoff  zum  Uebersetzen 
aus  dem  Deutschen  ins  Franz.  (Bremen  1853).  4)  Parlez-vous  fran- 
9ais?  franz. -deutsche  Gespräche.  4e  Aufl.  6)  Louis:  idiotismes  dialo- 
gu^s,  von  B.  in  Br.  (S.  361 — 364:  Nr.  1  könne  aufser  der  Schule 
brauchbar  sein,  zu  einem  Schulbuche  fehlen  ihm  Methode,  Klarheit, 
Kürze,  Uebersichtlichkeit ;  die  übrigen  Werke  werden  sämmtlich  streng 
getadelt).—  Ciceronis  Laelius  de  amicitia,  erläutert  von  G.  A.  Koch, 
von  Queck  (S.  364 — 368:  bei  Anerkennung  der  Brauchbarkeit  im  all- 
gemeinen werden  doch  im  einzelnen  mancherlei  Desiderien  aufgestellt). 

—  Volckmar:  poematia  latina,  von  de  ms.  (S.  368  f.:  sehr  lobende 
und  anerkennende  Anzeige).  —  Caesaris  comm.  de  hello  Gallico,  her- 
ausg.  von  A.  Doberenz,  von  dems.  (S.  370 — 374:  der  Zweck  und 
die  Methode  werden  anerkannt,  aber  wegen  der  Ungleichförmigkeit 
der  Anmerkungen,  zu  grufsen  Bindens  bei  der  Uebersetzung  und  Ver- 
nachläfsigung  der  Phraseologie  eiuige  Bedenken  geäufsert).  ~  Lübker: 
Reallexikon  des  classischen  Alterthums,  von  Langbein  (S.  374  f.: 
der  Zweck  und  die  Ausführung  werden  charakterisiert  und  das  Unter- 
nehmen der  Beachtung  empfohlen). —  Lansing:  französisches  Lese- 
buch, von  dems.  (S.  3^5:   als  ein  ganz  vortreffliches  Buch  gerühmt). 

—  De  Castros:  bibliotheque  de  Tadolescence.  Ir  Bd.,  von  dems. 
(S.  376:  für  die  Bcfnützung  in  deutschen  Schulen  nicht  empfohlen). 
»—Eberhard,  Maafs  und  G  ruber:  deutsche  Synonymik.  4e  Aufl. 
von  dems.  (S.  377  f.:  wird  auch  in  der  neuen  Auflage  zur  Benutzung 
dringend  empfohlen).  —  E.  Klei  npaul:  die  Lehre  von  den  Formen 
und  Gattungen  der  deutschen  Dichtkunst,  2e  Aufl.  und  Schröders 
theoretisch-praktischer  Leitfaden  für  den  Declamationsunterricht  in  d.. 
obern  Classen  der  Gymnasien,  von  G.  Th.  Becker  (S.  377—384:  das 
erstere  Buch  wird  in  eingehender  Beortheilung  gelobt,  auch  das  sweite 


AaszQge  aus  Zeilschriflen.  1(^ 

als  eine  gute  Leistang  aber  Declamation  mit  Freaden  begnirst.  Tn 
einem  Anhange  erwähnt  Langbein  das  Declarairbuch  von  denis.  Vf. 
Ir  Thl.).  —  Kannegiefser:  der  deotscke  Redner,  von  Buchner 
(S.  394—397:  neben  manchem  guten  leide  das  Buch  doch  durch  Zwie- 
spältigkeit des  Kreises,  für  den  es  bestimmt  sei,  und  belohne  nicht  die 
darauf  verwandte  Muhe).  —  Walther  von  der  Vogelweide,  abersetzt 
von  K.  Simrock,  von  H.  Schweizer  (S  387—393:  nach  einer  Ein- 
leitung aber  des  Dichters  Bedeutsamkeit  wird  die  Uebersetzung  als 
eine  vorzuglich  gelungene  bezeichnet).  —  Thrämer:  Entwurf  einer 
8atzlehre  und:  Geschichte  des  deutschen  Sprachstudiums,  von  H.  (S. 
396:  beide  Schriften  werden  als  werthvoll  und  sehr  beachtungswerth 
geschildert).  =  Paedagogische  Zeitung.  Mittheilung  über  die  BVied- 
rich-Wilhelmsschule  in  Sfettin  (S.  179— I8i:  ausführliche  Darstellung 
der  innern  Entwicklung).  Anträge  der  Schuldepntation  über  die  Hanpt- 
schule  in  Bremen  (8.  184  f.).  Mittheilung  über  den  Katechismus  von 
Nagel  (S.  186:  ans  der  N.  Pr.  Ztg. ,  die  antichristliche  Richtung  wird 
entschieden  dargethan).  —  Programm  des  k.  holländ.  Athenaeams  in 
Mastricht  lKö3— ö4  (S.  188—194:  ausführliche  Darstellung  des  Unter- 
richtsplanes und  der  Vertheilung  der  Lectionen).  —  Die  Schulen  der 
buddhistischen  Mönche  auf  der  Insel  Ceylon  (S.  195—198!  aus  der 
Revue  des  deux  mondes  übersetzt  von  Kleinpaul).  —  Rapport  da 
ministre  a.  8.  w.  (8.  200—211:  Schlafs  von  dem  im  Januar-  und  April- 
hefte gegebenen). 


Schul-  und  Personalnachrichten,  statistische  Mittheilungen, 
litterarische  und  antiquarische  Miscellen. 


Aarau.  Die  dortige  Cantonsschule  hatte  im  !•  1853  folgende  Schu- 
lerzahl:  Gymnasium  45  (I:  10,  II:  15,  III:  13,  IV:  7),  Gewerbschule 
70(1:  23,  H:  31,  III:  10,  IV:  6).  Programmabhandlung i  Nielaiem 
von  fFyla  zehnte  Translation  mit  einleitenden  Bemerkungen  über  des- 
§en  Leben  und  Schriften,  vom  Professor  Dr.  H.  Kurz. 

Agram.  Der  Supplent  am  k.  k.  Gymnasium  Matthias  Nesic 
wurde  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  befördert. 

Alton  A.  Zum  Director  der  dortigen  Sternwarte  ist  Professor  Dr. 
C.  A.  F.  Peters,  Observator  an  der  Universitätssternwarte  in  Kö- 
nigsberg, ernannt  worden. 

Basel.  An  die  dortige  üniver>ität  ist  der  Privatdocent  Dr.  Stef- 
fensen  aus  Kiel  als  ordentlicher  Professor  der  Philosophie  berufen. 
Ferner  sind  die  Privatdocenten  Dr.  Balthaser  Reber  und  Dr. 
Karl  Ludwig  Roth  zu  aufserordentlichen  Professoren  ernannt. 

Berlin.  Die  diesjährige  öffentliche  Sitzung  der  k.  Akademie  der 
Wifsenschaften  zum  Andenken  an  Leibnitz  fand  am  6.  Juli  statt  und 
ward  von  dem  Vorsitzenden  Secretar  Hrn.  Kncke  mit  einer  Einlei- 
tungsrede eröffnet,  in  welcher  besonders  die  wifsenschaftlichen  Bezie- 
hungen, welche  zwischen  der  Königin  Sophie  Charlotte  und  Leibnitz 
stattgefunden  haben,  und  ihre  Wichtigkeit  für  die  Stiftung  der  Aka- 
demie erörtert  wurden.  Hierauf  hielten  die  seit  der  letzten  Leibnitz- 
Sitzung  neu  eingetretenen  Mitglieder  ihre  Antrittsreden,  nemlich  die 
Hrn.  Haupt  und  Kiepert,  welchen  der  Secretar  der  philosophisch- 
historischen Clas.se  Hr.  Böckh   antwortete,    und   die   Hrn.   Beyrich 


110     Schal  -  und  Personalnachrichton,  statistische  Hittheilungen, 

und  Ewald,  deren  Reden  der  Secretar  der  physikalisch-mathemati- 
flehen  Classe  Hr.  Ehrenberg  erwiederte.  Derselbe  noachte  darauf 
bekannt,  dafs  eine  im  J.  I80I  gestellte  Preisfrage  der  physikalisch- 
mathematischen  Classe,  für  welche  in  der  heutigen  Sitzung  der  Preis 
hätte  zuerkannt  werden  mufsen,  noch  auf  die  drei  folgenden  Jahre  bis 
1857  verlängert  werden  solle,  weil  keine  Bewerbungsschriften  einge- 
laufen waren.  Dieselbe  lautet:  'Die  Theorie  des  hydraulischen  Mor* 
tels  ist  bereits  in  vieler  Hinsicht  aufgeklärt  worden.  Sie  beruht  offen- 
bar auf  einer  Bildung  zoolithartiger  Silicate.  Noch  kennt  man  aber 
das  chemische  Verhalten  der  Verbindungen,  die  sich  bei  Anwendung 
der  verschiedenen  Mörtel  bilden,  nicht  genau  genug.  Die  Akademie 
wünscht  eine  umfafsende  Arbeit  über  diesen  Gegenstand  und  beson- 
ders eine  nach  zweckmäfsigen  Methoden  angestellte  Untersuchung  der 
Producte  der  Mörtelbildung.'  Hr.  Böckh  macht  sodann  die  neue 
Preisaufgabe  der  philosophisch  -  historischen  Classe  bekannt.  'Ueber 
die  Aussprache  des  Lateinischen  im  Alterthum  selbst  ist  sowohl 
in  früheren  Zeiten  als  von  den  neuern  Bearbeitern  der  lateinischen 
Sprachlehre  vielfach  gehandelt ;  meistentheils  hat  sich  jedoch  die 
Betrachtung  auf  die  phonetische  Bedeutung  der  einzelnen  Buchsta- 
ben beschränkt,  worüber  in  mehreren  Werlcen  reicher  Stoff  nieder- 
gelegt ist.  Dagegen  sind  die  von  der  gewohnlichen  Schreibweise 
abweichenden  Besonderheiten ,  welche  theils  nach  andern  Spuren  theila 
nach  dem  Gebrauch  der  altern  romischen  Poesie,  vorzüglich  der 
komischen,  entweder  überhaupt  oder  im  gemeinen  Leben  in  der  Aus- 
sprache vieler  P^ormen  oder  Wörter  stattgefunden  haben,  noch  nicht 
erschöpfend  ermittelt,  begründet  und  erklärt,  und  das  Urtheil  über 
manche  Stellen  in  den  altrömischen  Gedichten  und  über  die  Gesetze 
des  Versmafses  derselben,  weiches  von  der  Aussprache  der  Wörter 
theilweise  abhängt,  ist  daher  noch  schwankend  und  streitig.  Da  sich 
die  Philologie  jetzt  wieder  der  römischen  Litteratur  mit  erneutem  Ei- 
fer zuwendet,  hält  es  die  philosophisch -historische  Classe  der  Akade- 
mie für  angemefsen,  eine  umfafsende  und  zusammenhängende  Erörterung 
dieses  Gegenstandes  zu  veranlafsen,  und  stellt  daher  folgende  Preis- 
aufgabe: Nachdem  über  die  antike  Aussprache  der  Vocale  und  Consonan- 
ten  und  ihrer  Verbindungen  und  über  das  Accentsystem  der  Römer 
je  nach  dem  Ermefsen  des  Verfafsers  kurzer  oder  ausfuhrlicher  gehandelt 
worden,  soll  untersucht  werden,  welche  Besonderheiten  der  Aussprache, 
vorzüglich  Zusammenziehungen  und  Abkürzungen,  in  gewissen  Wertfor- 
men und  einzelnen  Wörtern  entweder  allgemein  oder  in  der  Sprache 
des  gewöhnlichen  Lebens ,  namentlich  auch  unter  der  geringern  Volks- 
classe,  stattgefunden  haben.  Hierbei  sollen  die  Etymologie,  die  Zeug- 
nisse der  Alten  selbst ,  die  verschiedenen  Schreibweisen  in  Inschriften 
und  Handschriften,  die  Formen  welche  die  lateinischen  Wörter  in 
der  Uebertragung  ins  Griechische  erhalten  haben,  die  altitalischen 
Dialekte  und  die  aus  dem  Lateinischen  stammenden  neuern  Sprachen 
benutzt  werden,  endlich  besonders  die  altrömischen  Dichtungen,  vor- 
züglich die  Komoedien.  Dabei  ist  auch  auf  die  Accentuatiun  wie  auf 
die  Quantität  Rücksicht  zu  nehmen.  Da  das  Urtheil  über  die  Aus- 
sprache zum  Theil  von  dem  Gebrauch  der  Dichter  abhängt,  diesea 
aber  sehr  verschieden  ausfallen  kann,  je  nachdem  man  andere  metri- 
sche Gesetze  zu  Grunde  legt,  und  umgekehrt  das  Urtheil  über  die 
letzteren  in  manchen  Fällen  sich  anders  gestaltet,  wenn  eine  andere 
Aussprache  vorausgesetzt  wird,  so  mufs  zugleich  das  der  altrömischen 
Poesie  zu  Grunde  liegende  metrische  System  in  die  Untersuchung  hin- 
eingezogen werden  und  namentlich  zur  Sprache  und  zur  Entscheidung 
kommen,  ob  oder  inwieweit  der  Sprachaccent  auf  den  altrömischen 
Versbau  Einflufs  gehabt  hat.    Endlich  sind  die  aus  der  ganzen  Un- 


litterarUche  und  antiquarische  Miscellen.  111 

tersQchang  sich  ergehenden  Folgerangen  für  die  philologisch-kritische 
Behandlung  der  altroniischen  Poesie  darzulegen.  Man  erwartet  eine 
fihersichtliche  nnd  möglichst  systematische  Anordnung  des  gesammten 
Stoffs.'  Die  ausschliefsende  Frist  für  die  Einsendung  der  Beantwor- 
tungen heider  Aufgaben ,  welche  nach  der  Wahl  der  Bewerber  in  deut- 
scher, lateinischer  oder  franzosischer  Sprache  abgefafst  sein  können, 
ist  der  erste  März  1857.  Jede  Bewerbungsschrift  ist  mit  einem  Motto 
zu  yersehn  und  dieses  auf  dem  äufsern  des  Tersiegelten  Zettels,  wel- 
cher den  Namen  des  Vf.  enthält,  zu  wiederholen.  Die  Entscheidung 
über  die  Zuerkennung  des  Preises  von  100  Ducaten  geschieht  in  der 
öffentlichen  Sitzung  am  Leibnitzischen  Jahrestage  im  Monat  Juli  1857. 
—  Nach  diesen  Bekanntmachungen  las  Hr.  Ewald  zum  Schlufs  die 
▼on  ihm  übernommene  Gedächtnisrede  auf  das  hochTerdiente ,  am  4. 
März  1853  verstorbene  Mitglied  der  Akademie,  Leopold  von  Buch. 

Bermburg.  Das  Lehrercollegium  des  dortigen  Carlsgymnasiums 
hatte  am  Schlufs  des  Schuljahrs  1863— 54  folgenden  Bestand :  Director 
Prof.  Dr.  Francke,  die  Professoren  Dr.  Günther  und  Felgen- 
treu, Inspector  Korner,  die  Oberlehrer  Dr.  Spieker,  Nicolai, 
Dr.  von  Heinemann,  Gymn.lehrer  Moller,  Coilab.  Kilian,  Cand. 
Freund,  Musikdirector  Kanzler,  die  Lehrer  Wiele,  Döring 
(Zeichnen)  und  Richter  (Gymnastik);  anfserdem  ertheilten  Unter- 
richt der  Oberconsistorialrath  Dr.  Wa  1 1 h  er  und  die  Pastoren  Schlick 
und  Valentin  er.  Ostern  1854  schied  Oberlehrer  Dr.  Spieker  ans, 
um  einem  Ruf  an  die  Realschule  in  Potsdam  zu  folgen.  Die  mit  dem 
Gymnasium  Terbundene  Realschule  ist  seit  Mich.  t.  J.  eingegangen. 
Die  Schülerzahl  betrug  im  Sommer  1853  216,  im  folgenden  Winter  192 
(I:  19,  II.  21,  ni:  42,  IV:  38,  V:  43,  VI:  28);  zur  Universität  wur- 
den Mich.  1853  2,  Ostern  d.  J.  5  entlafsen.  Programmabhandlung: 
üeber  Entstehung  und  Wesen  des  griechischen  Romans,  vom  Ober- 
lehrer Nicolai  (31  S.  4). 

Blankenburg  am  Harz  [s.  Bd.  LXVII  S.  490].  Collaborator 
Volk  mar  am  dortigen  Gymnasium  wurde  zum  Oberlehrer  ernannt. 
Der  Schulamtscand.  Hermann  Elster  hält  seit  Mich.  v.  J.  «ein 
Probejahr  ab.  Die  Schülerzahl  betrug  am  Schlufs  des  Schuljahrs  1853 
—54  61  (I:  9,  II:  13,  III:  12,  IV:  27),  darunter  21  auswärtige.  Pro- 
grammabhandlung Ostern  1854:  üeber  Realismus  und  Humanismus 
auf  Cfymnasien,  insbesondere  über  die  lateinische  Sprache  als  Chrund- 
läge  formaler  Rildungy  vom  Collaborator  Dr.  H.  Hausdörffer 
(22  S.  4). 

Bonn.  Am  11.  Juli  d.  J.  kehrte  der  Tag  wieder,  an  welchem  vor 
25  Jahren  Professor  Friedrich  Ritschi  auf  der  Fried richs-UnlTer- 
sität  in  Halle  sich  die  philosophische  Doctorwürde  erworben  hatte. 
Seine  zahlreichen  Schüler  und  Verehrer  in  der  Nähe  und  Ferne  lie- 
fsen  es  sich  angelegen  sein,  ihre  freudige  Theilnahme  an  diesem  fest- 
lichen Tage  durch  Beglückwünschungen  und  Geschenke  zu  bezeugen. 
Das  Hauptgeschenk  war  eine  bronzene  VotiTtafel  mit  folgender,  in 
Charakteren  der  augusteischen  Zeit  eingegrabenen  Inschrift : 


112     Schul-  ond  Perflonalnaohrichten,  statistische  Mittheilongen, 


y\ 


y  /      AD 


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I       VID  IVL        I 

I  A  eiBBeeeLiiii  I 

\  VOT • XXV  / 


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\. 


^®^o 


FRIDERICO  •  RITSCDELIO 

ORAECARVM  •  ET  -  ROMAN ARVM  •  UTERARVM 

INVESTIGATORI  •  FELICISSIMO 

VINDICI  •  FORTISSIMO 

DOCTORI  •  PER  •  QYINQYE  •  LVSTRA  •  PROBATISSIMO 

VIRO  •  CONSILIVM  •  ARTIS  •  CVM  •  INGEM  •  VELOCITATE  •  SOCIANTI 

ADVLESCENTIVM  •  ST  YDIOSORVM  •  L  VMINI  •  AG  •  PRAESIDIO 

OB   HYLTA   ET  E6BE6IA  EIYS 

IN  •  SINGVLOS  .  VNIVERSOSQVE  •  MERITA 

AVDITORES  .  PIKNTISSIMI 

LVBENTES 


deren  Rückseite 
I.  BKRNAYS 
G.  BLKRK 
I.  BRANDIS 
H    BRVNN 
G.  BVNSKN 
G.  CONRADS 
G.  CVRTIVS 

F.  KBBKN 

G.  KCKKRTZ 
A.  ECKSTEIN 
R.  ENGER 

I.  FOLTZ 
I.  FREI 
G.  GRSRNIV8 
P.  GRAVTOFF 


die  Namen  der  Geber  enthält 
A.  GVTSCHMFDT 
W.  HARLESS 
T.  HVG 
G.  IHNE 
H.  ILBERG 
H.  KEIL 
I.  KLEIN 
A.  KOCH 
I.  KRAVSS 
A.  LANGE 
H.  LANGENSfEPEN 
A.  LOWINSKY 
E.  MEHLER 
E.  NASSE 
L  NICKES 


,   nemlich: 
O.  NITZSCH 

F.  PAVLY 
C.  PRIEN 

L  REISACKER 
O.  RIBBECK 
A.  SCHLEICHER 
L.  SCHMIDT 
O.  SEEMANN 
H.  STEIN 

G.  THILO 

P.  TZSCHTRNER 
L  VAHLEN 
A.  VPPKNKAMP 
M.  WILMS 
L  ZAHN 


liUerariflche  nhd  antiquarische  Miscellen.  HS 

—  Die  Mitglieder  der  Geseilschaft  janger  Philologen  in  Bonn  grata- 
Herten  mit  einer  yon  Dr.  J.  Vahlen  verfafsten  Schrift,  welche  aufser 
einer  epistula  gratalatoria  das  bellum  Pnnicnm  des  NaeTios  enthält. 
Eine  den  Fragmenten  yorausgescbickte  Vorrede  gibt  Andeutungen 
ober  die  Behandlung  derselben  und  theilt  aufserdem  Verbefserungs- 
vorschlage  lu  Valerius  Maximus  Vif,  6,  I.  Fronte  I  ep.  IX  p.  19  ed. 
Mediol.  und  Velleius  Paterculos  II,  28  mit.  [Diese  Schrift  ist  auch 
im  Buchhandel  erschienen  unter  dem  Titel:  Cr.  Naevi  de  hello  Pu- 
tiieo  reliquiae.  Ex  reeemione  loannit  Vahleni,  Lipsiae  formis 
B.  6.  Teubneri.  20  S.  ^r.  4.]  —  Die  ordentlichen  Mitglieder  des 
philologischen  Seminars  m  Bonn  nberreicbten  eine  antike  Eule  in 
Bronze,  über  welche  Rauch  in  einem  Briefen  Böttiger  (Amaltbea  III 
S.  :260)  das  nähere  mittheilt.  Es  ist  die  im  herzoglichen  Museum  zu 
Braunschweig  befindliche  Eule,  an  welcher  Rauch  die  fehlenden  Kral- 
len und  den  liegenden  Jnnglingskopf,  auf  welchem  die  Eule  steht,  er- 
gänzt hat.  Ein  in  Rom  aufgefundenes  Original  desselben  Käuzchens, 
von  welchem  die  Amalthea  a.  a.  O.  eine  Zeichnung  gibt,  ist  vollstän- 
dig erhalten;  hier  steht  die  Eule  'auf  drei  Mäusen,  deren  Schwänz- 
chen sich  um  den  linken  Fufs  derselben  winden.  Mit  der  rechten 
Kralle  scheint  sie  sich  die  eine  oder  die  andere  als  Frafs  zum  Schna- 
bel fuhren  zu  wollen.'  —  Femer  sandte  Dr.  Otto  Ribbeck  in  Ber- 
lin die  ersten  sechs  Bogen  seiner  demnächst  bei  B.  G.  Teubner  in 
Leipzig  erscheinenden  Comieorum  LaÜnorum  reliquiae^  ungefihr  die 
sämmtlichen  Reste  der  fabula  palliata  enthaltend,  mit  folgender  De- 
dication: 

T     MACCI  .  PLAVTI 

IN     COMICA     ARTE  •  CONLEGARVM 

QVANTVLVM     TEMPORVM  •  TRISTITIA     RESTAT 

SVMMO  •  INLVSTRANDAE  •  SCBNAE  -  ARTIFICI 

GRATVLATVR 

DIEM   A   D    V .  ID   IVL    A    MDCCCLIIII  •  FE8TISSIMVM 

INTERPRETE 

OR 

—  Dr.  J.  Bernays  in  Breslau  überschickte  den  ersten  Abschnitt  sei- 
nes Buchs  über  Joseph  JustuB  Sealiger,  In  dem  vorgedruckten  Gra- 
tttlationsschreiben  hebt  der  Vf.  namentlich  den  Gedanken  mit  Nach- 
druck hervor,  dafs  für  Ritschi  das  Praedicat  eines  Doctors  nie 
blofser  Titel  gewesen,  dafs  er  vielmehr  mit  Recht  ein  Lehrer  ge- 
nannt worden  sei,  da  er  in  seinem  'hingebenden  und  Hingebung  er- 
weckenden Verkehr  mit  der  Jugend'  stets  sich  Schüler  zu  erziehn 
gewust  habe  ^).  —    Von  Dr.  Martin  Hertz  in  Berlin  gieng  folgende 


'^)  Um  die  Aufmerksamkeit  unserer  Leser  auf  dieses  Buch  von 
Bernays  (von  dem  wir  nach  seinem  vollständigen  Erscheinen  eine 
eingehendere  Anzeige  bringen  zu  können  hoffen)  vorläufig  hinzulenken, 
geben  wir  hier  einstweilen  ein  kurzes  Referat  über  den  Inhalt  des  bis 
jetzt  in  wenigen  Abdrücken  ausgegebenen  ersten  Abschnitts.  Er  ent^ 
hält  eine  einleitende  Charakteristik  Scaligers,  worin  der  grofse  Fran- 
zose des  16n  Jh.  mit  wenigen  lichtvollen  Strichen  als  der  Heros  der 
universalen  Philologie  gezeichnet  wird.  Ausgehend  von  den 
Urtheilen  stimmberechtigter  Philologen  der  Neuzeit  über  Scaliger 
zeigt  B.,  wie  fikaligers  wifsenschaftliche  Hohe  nur  im  Verein  mit  sei- 
ner ethischen  Eigenthnmlicbkeit  im  rechten  Lichte  betrachtet  werden 
könne,  und  beleuchtet  sodann  diese  Verknüpfong  von  ' Geist  nnd  Cha. 

If.  Jokrb,  f.  Pm,  ».  Pmd.  BtL  LXX,  Bfl.  1.  8 


114    Schal-  and  Personaliiachrichlen,  statistische  Mittheilungen, 

Schrift  ein:  T.  Macciua  Plauiui  oder  M,  Acciu8  Plauiui?  Eine  Ah- 
handlunff  von  M.  H.  Berlin  MDCCCLIIIf.  Verlag  von  I.  Gutten- 
tag  (T.  Trautweinscher  Buchverlag).  32  S.  8,  als  Festesgabe  im 
eignen  Namen  wie  in  dem  des  durch  Bande  der  Freundschaft  wie 
naher  Verwandtschaft  Ritschi  gleich  verbundenen  Verlegers  darge- 
bracht. Der  Vf.  weist  darin  die  neulich  im  Archiv  für  Philol.  u.  Paed. 
XIX  S.  262  ff.  von  Hrn.  Geppert  gegen  Ritschis  Untersuchungen  über 
die  Namen  des  Plautus  gemachten  Ausstellungen  als  durchaus  grundlos 

zurück. Dr.  Maximilian  Enger,  Privatdocent  der  orientalischen 

Philologie  in  Bonn,  überreichte  eine  lateinische  Ode  in  sapphischem 
Versroafsy  die  wir  als  ein  erfreuliches  Zeichen,  dafs  die  praktische 
Uebung  der  lateinischen  Verskunst  heutzutage  doch  noch  nicht  ganz 
aufser  Gebrauch  gekommen  ist,  hier  vollständig  mittheilen: 

Convenit  laete  iuvenum  bonorum 
Spiritum  magnum  quibns  indldisti 
Vera  sectari  veterumque  amorem 
Maxima  turba. 

Qui  diem  festum  tibi  literisque 
Gaudiis  certant  alacres  obire 
Atque  dilecto  pia  nuncupare 

Vota  magittro. 

Quis  meam  frustra  sociare  vocem 
Debilis  vollem,  quia  si  faveret 
Viribus  numen ,  tamen  ipse  prodis 
Carmine  maior. 

Laudibus  nnm  quid  superadditurus 
Debitas  grates  coperem  referre 
Anne  virtutis  memorare  digna 

Praemia  possem? 

Sive  tu  profers  veterum  labores, 
Seu  naras  nisus  iuvenum  levare, 
Nominis  fama  celebri  roagisque 
Sidere  claro, 

rakter,  von  Wifsen  und  Wollen'  in  Scaliger  an  der  Stellang,  welche 
er  der  italienischen  Philologie  gegenüber  eingenommen  hatte.  Der 
ansschliefslich  geniefsenden  und  künstlerisch  nachbildenden  Richtung  der 
Italiener  and  ihrem  Mangel  an  Wahrheitsliebe  und  Kritik  tritt  Scali- 
ger mit  seinem  auf  Erkenntnis  dringenden  Wahrbeitsstolz  schroff  ent- 
gegen, und  indem  er  den  Gesichtskreis  der  classischen  Studien  weit 
aber  die  von  den  Italienern  abgesteckten  Grenzen  aasdehnt,  stellt  er 
ihnen  das  Muster  einer  ins  einzelne  dringenden  und  zugleich  künst- 
lerisch schaffenden  Kritik  entgegen.  Diese  von  der  italienischen  Ober- 
hoheit sich  emancipierende  Stellung  Scaligers  bedingt  and  charakte- 
risiert die  erste  Reihe  seiner  schriftstellerischen  Arbeiten,  zu  denea 
die  Coniectanea  zu  Varro,  die  virgilischen  Catalecta.  die  lectionet 
Ausonianae,  die  drei  lateinischen  Krotiker  und  der  Festas  gehören. 
Was  die  zweite  Reihe  seiner  wifsenschaftlichen  Thatigkeit  anlangt,  so 
bestimmt  B.  zunächst  den  Platz,  welchen  das  easebianiscbe  Geschichts- 
werk in  der  universalen  Historie  einnimmt,  nnd  xeigt  wie  Scaligen 
Universalität  im  Anschlofs  an  jenes  Werk  ihren  Abachlafs  and  la* 
gleich  ihren  Glanz-  und  Höhepnnkt  erreicht  hat. 


litterariscbe  imd  antiquarische  Miscellen.  115 

Lnstra  lam  fausti  snperata  qninque 
Monerifl  Musae  tibi  qiiod  deaere 
Gratnlor  felix  meliora  ferre 

Si  licaisset, 

Alteris  ange  totidem  nee  ulla 
Mentis  ardorein  minuat  senectii8 
Nee  tQo  tristifl  valeat  morari 

Pectore  cura. 

Arbori8  ritn  prope  fontis  oram 
Quam  rigant  imber  tenuesque  rores 
Nee  suo  cessat  radio  fovere 

Jupiter  almus, 

Floreas  crescaaqne  diuque  nobis 
LaetU8  intersis  meritosque  honores 
Pi,  preeor,  iongis  ciimulent,  beate, 
Nestorifl  annis. 

—  B«  bleibt  uns  nun  noch  nbrig  über  das  von  dem  berühmten  Maler, 
Professor  Julius  Hubner  in  Dresden,  als  Geschenk  an  Ritscbi  ein- 
gesandte Gemälde  eu  berichten ,  in  dessen  Beschreibung  wir  etwas 
ausführlicher  sein  wollen,  weil  doch  nur  wenigen  unserer  Leser  Tergonnt 
sein  wird,  sich  an  dem  Anblick  des  herlichen  Kunstwerks  selbst  zu 
erfreuen.  Es  ist  ein  Tableau  mit  Zeichnungen  aus  des  Plautus  Miles 
gloriosus.  Die  Hauptpersonen  des  Stucks  sind  in  der  Mitte  des  Blat- 
tes in  drei  Toneinander  geschiedenen  Gruppen  dargestellt:  die  mitt- 
lere zeigt  auf  einem  Thronsessel  sitzend  den  Pyrgopolinices,  wie  er 
von  dem  etwas  tiefer  sitzenden  pausbackigen  Parasiten  Artotrogus  ge- 
streichelt wird;  über  beiden  am  obern  Ende  des  Thronsessels  ist  eine 
Venus  angebracht;  am  Fnfse  desselben  sieht  man  nicht  ganz  Tollstän- 
dig die  Scipioneninschrift:  hone  oino  ploirume  coaentwnt  Homai  etc. 
Von  den  beiden  etwas  hoher  liegenden  Seitengruppen  stellt  die  eine 
auf  der  rechten  Seite  die  Philocomasinm  und  den  Pieusicles  sich  um- 
armend, die  änderte  links  den  alten  Periplecomenus  im  Gespräch  mit 
der  Acrotelentium  dar.  Ueber  diesen  beiden  Seitengruppen  ungefähr 
in  gleicher  Linie  mit  der  Venus  sind  die  beiden  Sklaven  angebracht, 
links  Sceledrus  auf  den  Knien  liegend,  die  linke  Hand  nachdenklich 
an  die  Stirn  gehalten,  mit  der  rechten  auf  Palaestrio  zeigend,  rechts 
Palaestrio  ebenfalls  in  kniender  Stellung,  mit  der  einen  Hand  nach 
Philocomasinm  und  Pleufticies,  mit  der  andern  auf  Sceledrus  zeigend. 
Zu  Oberst  in  der  Mitte  ist  der  Ausgang  des  Stücks  als  'Bonus  Even- 
tns'  dargestellt:  Amor  mit  Bogen  und  Pfeil;  darunter  Philocomasium 
und  Pieusicles  sich  umarmend,  in  Blick  und  Gebäbrden  Reiselust  aus- 
druckend, und  Palaestrio  den  von  den  Geschenken  des  IVliles  gefüllten 
Sack  auf  der  Schulter  tragend.  Dieser  Gruppe  entsprechend  etwas 
tiefer  zu  beiden  Seiten  links  die  Milphidippa  auf  Periplecomenus  her- 
abblickend und  beide  Hände  ausstreckend,  rechts  Cario  mit  dem  Me- 
fser  in  der  Hand.  Die  unterste  Gruppe  des  ganzen  zeigt  in  der  Mitte 
einen  Genius,  rechts  den  Plautus  mit  der  Mühle  und  einigen  gefüllten 
Säcken:  er  ist  auf  das  eine  Knie  gestützt  und  hält  die  eine  Hand 
nachdenkend  an  die  Stirn.  Links  ein  Gelehrter  (Prof.  Ritschi  vor- 
stellend) an  seinem  Schreibtisch  von  Büchern  umgeben,  hinter  ihm 
eine  Muse,  welche  die  rechte  Hand  auf  seine  Schulter  gelegt  hat,  mit 
der  linken  auf  Plautus  zeigt.  Der  Genius  in  der  Mitte  deutet  mit 
der  einen  Hand  auf  die  Muse ,  mit  der  afidern  auf  Plautus.    Die  freien 

8* 


116  Schul-  und  Personalnachrichten,  statistische  Mittheilungen, 

Stellen  zwischen  diesen  drei  Personen  sind  durch  Steine  mit  lateini- 
neben  Inschriften  ausgefüllt.  Aufserdein  sind  noch  zwei  Paare  von 
Figuren  da:  das  eine  zu  beiden  Seiten  des  *  Bonus  Eventus':  links 
ein  Genius  mit  einem  Spiegel  in  der  Hand  und  dem  S}irucb  'Te  fa- 
bula  narrat%  rechts  ein  anderer  jenem  entsprechend  mit  dem  Spruch 
'  ridendo  corrigere  mores'.  Das  andere  Paar  ist  auf  beiden  Seiten  un- 
gefähr in  gleicher  Linie  mit  dem  Fnfse  des  Thronsessels:  links  eine 
Figur  mit  einem  geöffneten  Buch,  auf  dessen  einer  Seite  'Die  alexan- 
driniscben  Bibliotheken',  auf  der  andern  'Parerga'  steht;  rechts  eine 
entsprechende  Figur,  die  Maske  der  Komoedie  in  den  Händen  haltend 
mit  dem  'Piaudite'.     Die  Dedication  lautet  folgendennafsen : 

Hasce  imperitissimi  in  Pfauti  Militem  Gloriosum  Inlustrationunculas 
Tnlustrissimo  Antiqnitatis  VniTersae  Jnlnstratori 

FRIDERICO  RITSCHELIO 

diem  festum  XT.  m.  lul.  A.  MDCCCLIV  congratnians 

gratissimi  animi  tesseram  Tolins  Hubnerus  Pictor  o.  d.  d. 

—  Am  Morgen  des  Festes  war  von  den  Zuhörern  Ritschis  Auditorium 
und  Katheder  mit  Laub  und  Blumen  bekränzt  worden  und  beim  Ein- 
tritt desselben  erhoben  sich  alle  anwesenden  von  ihren  Sitzen,  wor- 
auf Ritschi  in  herzlichen  Worten  den  Zuhörern  seinen  Dank  aussprach. 
Das  Fest  wurde  bescblofsen  mit  einem  Abendefsen  im  'goldnen  Stern  % 
wozu  sich  die  anwesenden  Schuler  sowie  mehrere  Freunde  und  CoUe- 
gen  Ritschis  um  den  Jubilar  Tersammelten. 

Braumsberg.  Dem  ordentlichen  Lehrer  am  dortigen  Gymnasium 
Dr.  Weierstrafs  ist  das  Praedicat  als  Oberlehrer  beigelegt  worden« 

Braunschweig  [s.  Bd.  LXVIII  S.  105].  Die  einzige  im  Schuljahr 
1853 — 54  im  Lehrerpersonal  des  dortigen  Obergymnasiuros  vorgegan- 
gene  Veränderung  ist  Bd.  LXVIIf  S.  ö51  berichtet  worden.  Die  Fre* 
quenz  betrug  im  Sommer  1853  69,  im  folgenden  Winter  71  (!':  9,  1*^: 
15,  II*:  17,  11^:  30),  darunter  17  auswärtige  Schüler.  Zur  UniTersi- 
tat  wurden  Mich.  1853  5,  Ostern  d.  J.  6  entlafsen.  Den  Schalnach- 
richten im  Osterprogramm  d.  J.  gehen  voraus:  Einige  [fünf]  Schul- 
reden  vom  Director  Prof.  Dr.  G.  T.  A.  Krug  er  (27  S.  4). 

Breslau.  Nachdem  am  dortigen  Gymnasium  zu  St.  Maria  Mag- 
dalena [s.  Bd.  LXIX  S.  459]  der  3e  Professor  Dr.  Rüdiger  nach 
34jähriger  Dienstzeit  in  Ruhestand  getreten  war,  wurde  dessen  Stelle 
dem  ersten  Oberlehrer  Dr.  Sadebeck  übertragen  und  die  folgenden 
Coilegen  ruckten  in  die  nächst  höhere  Stelle  auf.  lieber  die  Besetzunff 
der  dadurch  erledigten  8n  Lebrerstelle  ist  Bd.  LXVIH  S.  458,  auch 
über  den  durch  den  Tod  des  Oberlehrers  Dr.  H.  Bartsch  (geb.  6. 
Octbr.  1810)  erlittenen  Verlust  Bd.  LXIX  S.  234  berichtet  worden. 
Einige  neuere  Veränderungen  s.  Bd.  LXIX  S.  699.  Das  Lehrercolle- 
gium  besteht  demnach  gegenwärtig  aus  dem  Director  Prof.  Dr.  Schon- 
born, dem  Prorector  Prof.  Dr.  Lilie,  den  Professoren  Dr.  Sade- 
beck und  Dr.  Tzschirner,  den  Coilegen  Dr.  Beinert,  Palm, 
Dr.  Schuck,  Dr.  Cauer,  Dr.  Beinling,  Königk,  Dr.  Sorof, 
dem  Collab.  John,  den  Lehrern  Seltzsam,  Köhler,  Slurra,  Can- 
tor  Kahl,  Zeichenlehrer  Maler  Eitner  und  Scbreiblehrer  Jung. 
Die  Schüierzahl  betrug  im  Sommer  1853  641,  im  folgenden  Winter 
635  (I:  55,  II:  68,  III* :  56,  111»»:  63,  IV:  71,  V:  64^  VI:  79,  Elemen- 
tarclassen:  179).  Zur  Universität  wurden  Mich.  1853  11,  Ostern  d.  J. 
5  entlafsen.  Den  Schulnachrichten  im  Osterprogramm  geht  voraus: 
Christian  Weise.  Eine  litterarhistorisehe  Abhandlung  von  H.  Palm 
(56  S.  4). 

CzERiiowiTZ.  Als  wirkliche  Gymnasiallehrer  wurden  am  k.  k. 
Gymnasiom  angestellt  derSupplent  Wensel  Real  und  der  vorher  am 


Utterarische  und  auliquarwche  Miscellen.  117 

akademiaclieii  Gynnuuuom  so  Lemberg  beschäftigte  Supplent  Nico- 
laus  Unidy. 

EisEifACH.  Nachträglich  zu  dem  Bd.  LXIX  S.  699  ff.  mitgetheii- 
ten  Bericht  über  das  dortige  Kari-Friedrichs-Gymnasiam  sei  hier  er- 
wähnt, dafs  zur  Feier  des  Geburtsfestes  des  Grofsherzogs  am  24.  Juni 
d.  J.  der  Director  Hofrath  Dr.  K.  H.  Funkhänel  eingeladen  hat 
durch  ein  Programm  mit  folgender  Abhandlung :  Beiträge  sur  Ge- 
Bchiekte  der  Schule,  3r  Theil  (15  S.  4),  worin  u.  a.  die  vom  Rector 
Andreas  Boetius  im  J.  1555  aufgesetzte  und  hohem  Orts  bestätigte 
Schulordnung  in  ihrem  wichtigsten  Theil  abgedruckt  ist. 

Fueioerg.  Das  dasige  Gymnasium  zählte  Ostern  1834  121  Schüler 
(I:  13,  11:  18,  III:  19,  IV:  26j  V:  31,  VI:  14).  Mich.  1853  wurden 
5,  Ostern  1854  7  zur  Universität  entiafsen.  Die  Prograromabhandlung 
ist  Bd.  LXIX  S.  576  angegeben. 

Gleiwitz.  An  dem  dortigen  katholischen  Gymnasium  ist  der  Li- 
centiat  der  Theologie  Hirschfelder  als  2r  Religionslehrer  ange- 
stellt worden. 

Glogau.  An  das  dortige  evang.  Gymnasium  ist  der  Oberlehrer 
Dr.  Rühle  Tom  Paedagogium  in  ZüUichan  in  gleicher  Eigenschaft 
▼ersetzt  worden. 

GÖRLITZ.  Dem  Conrector  am  dortigen  Gymnasium  Dr.  Ernst 
Emil  StruTe  ist  der  Professor-Titel  Terüehen  worden. 

GÖTTiMGEN.  Am  2.  Juni  d.  J.  wurde  die  alljährliche  PreisYerthei- 
lung  vollzogen  und  durch  den  Professor  der  Eloquenz,  Hofrath  Dr. 
K.  Fr.  Hermann»  mit  einer  Rede  eingeleitet.  Diese  erinnerte  an 
den  am  6.  Januar  d.  J.  erfolgten  Tod  des  ehemaligen  langjährigen  Or- 
gans dieser  Festlichkeit,  des  Geb.  Justizraths  Mitscherlich,  der 
von  1808 — 35  und  dann  noch  einmal  als  80jähriger  Greis  in  den  Jah- 
ren 1810  und  41  als  akademischer  Redner  gewirkt  hatte,  und  knüpfte 
daran  einige  allgemeine  Worte  über  V^Tesen  und  Zweck  der  aka- 
demischen Beredtsamkeit,  die  mit  der  Betrachtung  endigten, 
dafs  für  den  rein  künstlerischen  panegyrischen  Charakter  dieser  Be- 
redtsamkeit,  der  auch  mit  dem  Gebrauch  der  lateinischen  Sprache  eng 
verwachsen  war,  der  Sinn  verschwunden  und  dieselbe  vielmehr  in  das 
Gebiet  der  Discnssion  hinübergedrängt  sei,  auf  welchem  sie  allerdings 
in  der  lebendigen  Muttersprache  vom  Herzen  zum  Herzen  reden  könne, 
aber  doch  zunächst  nur  das  Votum  eines  einzelnen  in  dem  grofsen 
Sprechsaal  der  Gegenwart  ausdrücke  und  noch  lange  Zeit  bedürfen 
werde,  bis  sie  darin  die  Meisterschaft  ihrer  Vorgängerin  erreicht 
habe.  —  Die  philosophische  Facultät  krönte  den  Stud.  Otto  Scho- 
nemann aus  Wolfenbüttel  für  die  Bearbeitung  der  historischen  Preis- 
aufgabe des  vorigen  Jahrs  über  die  romische  PfDvinz  Bithynien  und 
Pontus.  Die  für  das  nächste  Jahr  von  derselben  Facultät  gestellte 
Preisauf^abe  aus  dem  Gebiete  der  classischen  Philologie  lautet:  'De 
eloquentia  Isocratis  hniusque  aucturitate  et  disciplina  cum  in  reliqua 
literarum  Graecarum  historia  tum  in  artis  oratoriae  conformatione  et 
incrementis  cunspicua.'  —  Die  Rede  ist  unter  dem  angegebenen  Titel 
bereits  im  Druck  erschienen  (21  S.  4). 

Greifswald.  Zum  ordentlichen  Lehrer  am  dortigen  Gymnasium 
ist  der  Torherige  Lehrer  am  Paedagogium  der  Franckeschen  Stiftun* 
gen  in  Halle,  Dr.  Konrad  Niemeyer,  erwählt  und  bestätigt  worden. 

Iglau.  Der  Supplent  am  k.  k.  Gymnasium  Karl  Werner  wurde 
zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  ernannt,  der  Supplent  Thomas  Ho- 
henwarter  nach  Kaschau  versetzt. 

Kaschau.  Am  k.  k.  Gymnasium  wurden  als  wirkliche  Gymnasial- 
lenten Dr.   Hermann  Tausch  und  Tho- 


lehrer  angestellt  die  Suppl 
mas  Hohenwärter,  feta 


etzterer  vorher  am  k.  k.  Gymn.  zu  Jglau. 


118     Schul-  und  Personalnachrichtcn ,  siatislisclie  Mittheilungen, 

KÖNIGSBERG  IM  DER  Neumark.  Zum  Oberlehrer  and  Mathematicus 
am  dortigen  Gymnasium  ist  der  Oberlehrer  Chr.  Aug.  Heyer  vom 
evang.  Gymnasiaro  in  Glogau  berufen  und  bestätigt  worden. 

Laicach.  Der  Supplent  am  k.  k.  Gymnasium,  Weltpriester  Bla- 
sius  Kozenn  ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  befördert  worden. 

Leipzig.  Der  Privatdocent  Dr.  Fr.  Zarncke  ist  zum  aufseror- 
deutlichen  Professor  in  der  philosophischen  Facultät  der  dortigen 
Hochschule  ernannt.  Der  aufserordentliche  Professor  der  Staats wifsen- 
schaften  Dr.  Karl  Biedermann  ist  seiner  Professur  enthoben  worden. 

Leutschau.  Am  dortigen  katholischen  Gymnasium  ist  der  Sup- 
plent AloisJehlickazum  wirklichen  Gymnasiallehrer  ernannt  worden. 

Magdeburg.  Am  dortigen  Paedagogium  zum  Kloster  U.  L.  F.  [s. 
Bd.  LXVIII  S.  106  f.]  wurde  Ostern  1853  dem  Schulamtscand.  Fr. 
Danneil  eine  Hilfslehrerstelle  übertragen.  Michaelis  dess.  J.  schie- 
den die  Hilfslehrer  Händler  und  Dr.  Bech  aus  dem  Lehrercollegium, 
jener  als  Oberlehrer  an  die  Realschule  in  Fraustadt  berufen,  dieser 
um  die  6e  ordentliche  Lehrerstelle  am  Gymnasium  zu  Zeitz  zu  aber- 
nehmen.  Ueber  die  Wiederbesetzung  der  beiden  dadurch  erledigten 
Stellen  ist  Bd.  LXVIII  S.  655  berichtet  worden;  aufserdem  s.  Bd. 
LXIX  S.  231.  Das  Lehrercollegium  besteht  demnach  jetzt  aus  folgen- 
den Mitgliedern:  dem  Director  Prof.  Dr.  th.  G.  W.  Mul  ler,  dem  Pro- 
rector  Prof.  Hennige,  den  Professoren  Schwalbe  und  Dr.  Hasse, 
den Collegen Michaelis  ,  Dr.  Kloppe,  Dr.  Eiselen,  Dr.  Schmidt, 
Dr.  Götze,  Dr.  Krause,  Dr.  Leitzmann,  Danneil,  Banse, 
den  Hilfslehrern  Kalkow,  Dr.  Ackermann,  Dr.  Arndt,  Musik- 
director  Ehrlich  (Gesang),  Historienmaler  von  Hopffgarten 
(Zeichnen).  Die  Schülerzahi  betrug  im  letzten  Winterhalbjahr  433 
(I:  24,  H:  38,  III*:  27,  III»':  39,  IV*:  4>,  IV»»:  44.  V*:  53,  V«»:  67, 
VI»:  58,  VI»»:  41),  darunter  72  Alumnen.  Zur  Unirersität  wurden 
Ostern  1853  9,  Mich.  5  entlafsen.  Programmabhandlung  Ostern  1854: 
Recherchca  sur  le  dialccte  de  Guace  (Wace),  trouvire  anglo-normand 
du  Xlle  iUcle,    Ile  partie,  vom  Dr.  Kloppe  (24  S.  4). 

Münstereifkl.  Dem  dortigen  Gymnasiallehrer  Dr.  Thisken  ist 
das  Praedicat  als  Oberlehrer  beigelegt  worden. 

OsTROwo.  Der  bisherige  interimistische  Lehrer  Dr.  Ton  Broni- 
kowski  ist  als  2r  ordentlicher  Lehrer  am  dortigen  Gymnasium  defi- 
nitiv angestellt  worden. 

Padua.  Am  dortigen  k.  k.  Lycealgymnasium  ist  der  provisori- 
sche Lehrer  Dr.  Joseph  de  Leva  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer 
ernannt. 

Plön  [s.  Bd.  LXVIH  S.  566].  Michaelis  1853  wurde  den  bishe- 
rigen 5  Classen  der  dortigen  Gelehrtenschule  eine  6e  beigefügt  und 
Hr.  Eh  lerszum  8n  Lehrer  ernannt.  Die  übrigen  Veränderungen  im  Leh- 
rercollegium sind  Bd.  LXIX  S.  232  berichtet.  Dasselbe  hat  demnach  jetzt 
folgenden  Bestand:  Rector  Prof.  Bendixen,  Cour.  Klan  der,  Sub- 
rector  Sorensen,  Collaborator  Clausen  und  die  ordentlichen  Leh- 
rer Keck,  Bahnsen,  Kuphaldt,  Ehlers.  Die  Schülerzahl  betrug 
im  Sommer  1853  58,  im  folgenden  Winter  70  (I:  7,  II:  7,  III:  15, 
IV:  17,  V:  14,  VI:  10).  Programmabhandlung  Ostern  1854:  De  Ethi- 
corum  Nicomacheorum  intcgritate  commeniatioy  scr.  J.  Bendixen 
(30  S.  4). 

Posen.  Die  seitherigen  interimistischen  Lehrer  Dr.  Ustymo- 
wicz  und  We^lewski  sind  als  ordentliche  Lehrer  am  Mariengymna- 
sium angestellt  worden. 

Prag.  Am  dortigen  Altstädter  Gymnasium  ist  zum  wirklichen 
Lehrer  ernannt  der  bisherige  Polizeicommissär  Franz  Isidor 
Proschko  in  Linz. 


litterariscbe  nnd  antiquarische  Miscellen.  119 

SoLOTHURM.  Die  dasige  höhere  Lehranstalt  zahlte  1853  an  Schü- 
lern, das  Gymnasium  50  (C:  10,  U:  12,  III:  9,  TV:  7,  V:  8,  VI:  4), 
das  Lyceum  17  (l:  10,  II:  7),  die  technische  Anstalt  37  (I:  17,  II: 
12,  III:  6,  IV:   4),  die  theologische  Anstalt  2. 

SoRAir.  Ostern  1853  schied  der  Rector  des  dortigen  Gymnasioms 
Dr.  Adler  nach  45jähriger  Amtsthatigkeit  aas  seiner  bisherigen  Stel- 
lung; über  die  Wiederbesetzung  der  erledigten  Stelle  s.  Bd.  LXVII 
S.  728;  ferner  s.  Bd.  LXIX  S.  233.  Das  Lehrercolleginm  hat  gegen- 
wärtig folgenden  Bestand:  Director  Dr.  Schrader,  Conrector  Prof. 
Lennius,  Subrector  Dr.  Paschke,  Oberlehrer  Dr.  Klinkmüller, 
Gymn.lehrer  Dr.  Moser  und  Scoppewer,  Cantor  Magdeburg, 
Organist  Heinrich.  Mit  dem  Beginn  des  laufenden  Sommersemesters 
sollte  eine  6e  Classe  neu  errichtet  werden.  Die  Schülerzahl  betrug 
im  Winter  1853—54  162  (I:  11,  II:  16,  III:  46,  IV:  40,  V:  49).  Mit 
dem  Zeugnis  der  Reife  waren  Ostern  1853  7  entlafsen  worden.  Pro- 
grammabnandlungen  Ostern  1853:  De  Phoenieum  in  omni  negoiio  ge- 
rendo  prudentia  et  aollertiay  quae  ex  Homero  vel  aperte  cogno$ei  vel 
quibuidam  ve$iigiii  intelligi  poasunt ,  scr.  E.  A.  Lennius  (9  S.  4); 
Ostern  1854:  Ueber  die  elemeniar-geometriache  Behandlung  der  Ke- 
gehchnitiey  von  Fr.  G.  Scoppewer  (19 S.  4  mit  einer  Figurentafel). 

Teschen.  Der  Supplent  am  katholischen  Gymnasium  Job.  Mrhal 
wurde  als  wirklicher  Gymnasiallehrer  angestellt. 

Tilsit.  Der  Hilfslehrer  am  dortigen  Gymnasium  Heinrich 
Pohlmann  ist  zum  4n  ordentlichen  Lehrer  an  derselben  Anstalt  er- 
nannt worden. 

Torgau.  Der  Schulamtscandidat  K.  Fr.  Blitz  ist  in  eine  etat- 
mafsige  Hilfslehrerstelle  am  dortigen  eyangelischen  Gymnasium  beru- 
fen und  bestätigt. 

Troppau.  Der  Religionslehrer  am  k.  k.  Gymnasium  Dr.  Jos. 
Hanel  wurde  zum  ordentlichen  Professor  der  Moraltheologie  an  der 
Olmützer  Universität  ernannt. 

Ulm.  Praeceptor  Hetsch  am  dortigen  Gymnasium  ist  seinem 
Ansuchen  gemäfs  in  den  Ruhestand  versetzt  worden. 

Worms  [s.  Bd.  LXVIII  S.  333  f.]*  Am  dortigen  Gymnasium  wurde 
an  die  Stelle  des  pensionierten  Gymnasiallehrers  H.  £.  Pf  äff  der 
vorherige  Lehrer  an  der  höhern  Bildungsanstalt  za  Alzey  Chr.  Schü- 
ler ernannt.  Lehramtscand.  Willenbücher  schied  nach  Beendigung 
seines  Accesses  von  der  Anstalt;  dagegen  tratCand.  th.  Carl  Eich  als 
Accessist  ein.  Am  23.  Januar  d.  J.  wurde  das  50jährige  Jubilaeum  der 
vereinigten  Gelehrtenschulen  von  Worms  festlich  begangen.  Die  bei 
dieser  Feier  vom  Director  Dr.  W.  Wiegand  gehaltene  Rede  ist  im 
Druck  erschienen  (Worms,  in  Comm.  bei  D.  Schmidt.  16  S.  8);  fer- 
ner hat  derselbe  als  Gedächtnisschrift  dazu  veröffentlicht  einen 
Grundriaa  der  Geschichte  der  Philosophie  für  Schüler  der  obersten 
Classe  von  Gymnasien  und  für  angehende  Studierende y  nebst  Be- 
trachtungen über  die  Vergangenheit  und  die  Zukunft  der  Philoso- 
phie (ebend.  107  S.  8).  Die  Schülerzahl  betrog  im  Sommer  1853  174 
(Gymn.  I:  10,  II:  17,  HI:  26,  IV:  34,  Real  I:  20,  II:  28,  III:  39); 
zur  Universität  wurden  Mich.  5  entlafsen.  Programmabhandinng  Ostern 
1854:  Symbolae  eritieae  ad  epistolarum  quae  Piatoni  vulgo  tribuuntur 
secundamy  vom  Director  Dr.  W.  Wiegand  (32  S.  8). 

Zara.  Der  bisherige  provisorische  Director  des  dortigen  Gymna- 
siums Weltpriester  und  Dr.  th.  Georg  Pullich  ist  zum  wirklichen 
Director  der  genannten  Lehranstalt  ernannt. 

ZÜLLiCHAU.  Veränderungen  im  LehrercoUegium  des  dortigen  Pae- 
dagogiums  s.  Bd.  LXVIII  S.  575.  LXIX  8.  576  (unter  Glogau).    Die 


120  Todesrälle. 

Schflleriahl  betrng  im  Wintersemester  1853—54  220  (T:  25,  II*:  29, 
IIb:  21,  II1-:  30,  IIP:  29,  IV:  49,  V:  20,  VI:  17),  darunter  124  Zög- 
linge der  Anstalt.  Zur  Universität  wurden  3  entlafsen.  Programm- 
abhandlung:  Thukydide$  und  die  Folksreligion  vom  Oberlehrer  I>r. 
Klix  (30  S.  4). 


Todesfälle. 


Am  17.  April  1854  starb  zn  Gmnnden  in  Oberosterreich  Dr.  Wilhelm 
Hebenstreit,  verdient  als  Kunstkritiker  and  Aesthetiker,  geb. 
24.  Mai  1774  zn  Eisleben. 

Im  Monat  Mai  zu  Helmstedt  Dr.  Johann  Christian  Elster,  Con- 
rector  am  dortigen  Gymnasium. 

Am  16.  Juni  zu  Boppard  am  Rhein  Professor  Dr.  Friedrich  Li  Ode- 
rn ann,  pensionierter  Director  des  Gymnasiums  zu  Zittau. 

Am  24.  Juni  zu  Dresden  der  seit  1848  emeritierte  Rector  der  Kreuz- 
schule daselbst  Christian  Ernst  August  Grobel,  geb.  1783 
in  dem  thüringischen  Dorfe  Flemmingen. 

Am  4.  Juli  zu  Köln  der  Geh.  Oberjustizrath  a.  D.  Dr.  Karl  Frie- 
drich Eichhorn,  Vf.  der  ^deutschen  Staats-  und  Rechtsge- 
schichte %  früher  Professor  der  Jurisprudenz  an  den  Universitäten 
Frankfurt  an  der  Oder,  Berlin  und  Gottingen,  geb.  20.  Novem- 
ber 1781  zu  Jena. 

Am  6.  Juli  zu  München  der  ordentliche  Professor  der  Mathematik  nnd 
Physik  an  der  dortigen  Hochschule  Dr.  Georg  Simon  Ohm, 
geb.  1789  zu  Erlangen,  von  1817 — ^26  Professor  am  katholischen 
Gymnasium  in  Köln. 

An  demselben  Tage  zu  Paris  Desir^  Raonl  Roche tte,  Professor 
der  Archaeologie,  Mitglied  des  Instituts  seit  1816,  bestandiger  Se- 
cretär  der  Akademie  der  schonen  Künste,  geb.  zu  St.  Amand 
9.  März  1789. 

Am  8.  Juli  zu  Gottingen  Consistorialrath  Professor  Dr.  Johann  Karl 
Ludwig  Gieseler,  der  rühmlichst  bekannte  Kirchenhistoriker, 
geb.  3.  März  1792  zn  Petershagen  bei  Minden,  1812  Collaborator 
an  der  lat.  Hauptschule  in  Halle,  1817  Conrector  in  Minden,  1&I8 
Gymnasialdirector  in  Cleve,  1819  ordentlicher  Professor  der  Theo- 
logie in  Bonn,  seit  1831  in  derselben  Stellung  in  Gottingen. 

Am  10.  Juli  zu  Zürich  Professor  Konrad  von  Orelli,  jüngerer 
Bruder  Job.  Kaspars  von  Orelli,  langjähriger  Bearbeiter  der  neuen 
Ausgaben  von  Hirzels  französischer  Grammatik,  geb.  1788. 

Am  12.  Juli  zu  Frankfurt  am  Main  der  Professor  der  Geschichte  fSr 
die  katholischen  Schüler  des  dortigen  Gymnasiums  Dr.  Johann 
Baptist  Joseph  Leopold  Steingafs,  geb.  23.  April  1790  m 
Mühlheim  am  Rhein. 


Kritische  Benrtheilnngen. 


Piatons  sämmtUche  Werke.  Uebersetzt  von  Hieranymu$  Müller^  mit 
Einleitungen  begleitet  von  Karl  Steinhart.  Vierter  Band.  Leipzig, 
F.  A.  Brockhaas.  1864.  775  S.  gr.  8. 

(Schlufs  von  S.  19  ff. 

Viel  schönes  enthalt  die  Einleitung  zum  Phaedon.  Zuerst  wer- 
den die  Ansichten  der  frühem  Dichter  und  Denker  über  Wesen  und 
Unsterblichkeit  der  Seele  durchgemustert  S.  373 — 381,  wobei  wir  es 
nicht  gerechtfertigt  finden,  wenn  S.  548  Anm.  4  in  den  sogenannten 
Werken  und  Tagen,  die  unter  dem  Namen  des  Hcsiodos  umgehen, 
der  Mythos  von  den  Wellallern  Vs.  106 — 200  ohne  weiteres  demsel- 
ben Dichter  mit  Vs.  213  ff.  beigelegt  wird,  s.  Schumann  im  Greifs- 
walder  Sommerkatalog  1854  S.  12  f.  Ebenso  wenig  vermag  ich  Ge- 
wicht auf  die  Gründe  zu  legen,  mit  welchen  S.  552  Anm.  24  die  von 
mir  gebilligte  Vermuthung  Zellers  bestritten  wird,  welche  erst  den 
Piaton  zum  Urheber  der  wirklich  ausgebildeten  Lehre  von  der  Welt- 
secle  macht.  Aus  dem  angeblich  philolaischen  Fragment  bei  Stobaeos 
Ecl.  I,  21,  2  kann,  wie  ja  auch  Hr.  St.  zugibt,  wenigstens  nichts 
sicheres  bewiesen  werden.  Sehen  wir  aber  von  dieser  Stelle  ab,  so 
ist  im  übrigen  bei  Philolaos  höchstens  von  einer  Weltharmonie  die 
Rede.  Noch  weniger  beweist  der  das  Weltall  durchwehende  unbe- 
grenzte Hauch  der  Pythagoreer,  Aristot.  Phys.  IV,  6  p.  213  b  22: 
denn  mag  derselbe  bezeichnen  was  er  will,  jedesfalls  bezeichnet  er 
nicht  die  Weltseele,  da  er  zunächst  aufserhalb  und  nicht  innerhalb 
der  Welt  ist.  Die  Verse  des  Empedokles  endlich  359 — 361  führen 
allerdings  auf  eine  Weltseele ,  allein  Hr.  St.  selbst  bemerkt  ja  S.  376, 
dafs  Empedokles  die  Seele  ganz  materiell  anffafste;  ebenso  gut  hatte 
er  mithin  ja  bereits  das  Fragment  des  Anaximencs  (S.  549  Anm.  11) 
gegen  mich  geltend  machen  können,  in  welchem  gleichfalls  nicht  un- 
deutlich die  Luft  als  alldurchdringende  Seele  anerkannt  wird.  Solche 
Stellen  beweisen  nichts ,  die  ausgeprägte  Lehre  von  der  Weltseele  ist 
vielmehr  erst  da  vorhanden ,  wo  der  specifische  Unterschied  zwischen 
Seele  und  Körper  erkannt  ist,  und  dies  war  bei  keinem  andern  vor- 
sokralischen  Denker  der  Fall  als  beim  Anaxagoras,  nicht  aber  bei  den 
Pythagoreern,  denn  wenn  man  wie  diese  alles  aus  Zahlen  bestehen 
läfst,  so  gilt  dies  vom  Körper  so  gut  wie  vom  Geiste.   Weshalb  es 

/V.  Jakrh.  f.  PhU.  u,  PaetL  Bd.  LXX.  ///».  1,  ^ 


122  H.  Malier  u.  K.  Steinhart:  Piatons  sammtliche  Werke.  4r  Bd. 

(S.  378)  ^  kaum  zu  bezweifeln '  ist ,  dafs  die  Folgerungen ,  welche  im 
Phaedon  aus  der  pythagoreischen  DeHnition  der  Seele  als  Harmonie 
gezogen  werden ,  schon  zu  Piatons  Zeit  von  einzelnen  Pythagoreern 
ausgesprochen  waren ,  vermag  Ref.  gleichfalls  nicht  abzusehen.  Wa- 
rum sollte  es  nicht  ebenso  gut  möglich  sein,  dafs  Piatons  kritischer 
Geist  zuerst  die  Consequenzen  dieser  Lehre  entdeckte,  welche  ihren 
eignen  Urhebern  noch  entgangen  waren? 

Es  folgt  eine  Erörterung  über  die  Gestaltung  der  Unsterblich- 
keitslehre in  Piatons  bisherigen  Dialogen  S.  381 — 386.  Zu  viel  ist  es 
behauptet,  dafs  im  Theaeieios  der  Unsterblichkeit  gar  nicht  gedacht 
werde;  s.  daselbst  p.  177  A.  Auch  was  über  den  Staatsmann  berichtet 
wird,  ist  nicht  zutreffend;  es  steht  dort  keineswegs,  dafs  jede  Seele 
während  jeder  Weltperiode  nur  einmal  ein  selbstbewustes  Leben 
führe,  sondern  nur  dafs  die  verschiedenen  Zustande  der  Seele  mit  in 
den  Kreislauf  der  Wellperioden  verflochten  sind;  nicht  anders  wie 
auch  im  Phaedros.  Ebenso  ist  die  Behauptung  irrig,  dafs  die  Ewig- 
keit der  Seele,  wie  sie  im  Phaedros  nachgewiesen  wird,  noch  nicht 
die  ewige  Fortdauer  der  einzelnen  Seelen  in  sich  schliefse ;  wenig- 
stens ist  der  dort  gebrauchte  Ausdruck  näca  tfn;%T)  ^  alles  was  Seele 
heifst'  bisher  noch  immer  so  gedeutet  worden,  dafs  er  gew&hlt  sei, 
um  anzudeuten,  dafs  das  hier  bewiesene  von  aller  und  jeder  Seele 
gelte.  Man  wende  nicht  ein,  dafs  wir  so  mit  den  Thier-  und  Pflanzeu- 
seelen  ins  Gedränge  kommen,  indem  so  auch  deren  Unsterblichkeit 
liieraus  folgen  würde ;  denn  von  dem  Widerspruch ,  nach  dieser  Seite 
hin  zu  viel  bewiesen  zu  haben,  ist  auch  das  Schlufsargument  des 
Phaedon  nicht  frei.  Dafs  aber  die  Meinung  des  Hrn.  St. ,  die  auf  den 
Unslerblichkeitsbeweis  im  Phaedros  folgende  mythische  Darstellung 
diene  dazu,  wenigstens  den  Glauben  an  die  persönliche  Fortdauer  za 
sichern ,  irrig  sei ,  folgt  aus  Piatons  eignen  Worten  p.  246  A :  niql  ftiv 
ovv  a&avaalag  aitijg  tKavmg^  mit  welchen  ja  deutlich  gesagt  wird, 
dafs  dies  Capitel  als  solches  hier  bereits  abgeschlofsen  sei,  der  fol- 
gende Mythos  mithin  einen  andern  Zweck  habe. 

S.  386—389  beurtheilt  der  Hr.  Vf.  die  frühern  Ansichten  über 
den  Grundgedanken  des  Phaedon  und  entwickelt  dann  S.  389  f.  seine 
eigne  in  dem  Satz ,  ^  dafs  die  zur  Erkenntnis  erhobene  Ueberzeugung 
von  dem  ewigen  Leben  der  Seele,  der  Trägerin  der  Idee  des  Lebens 
und  der  unaufhörlich  wirksamen  Vermittlerin  zwischen  der  Welt 
der  Ideen  und  Erscheinungen ,  aller  Philosophie  Grundbedingung  und 
höchstes  Ergebnis  sei'.  Das  letztere  dürfte  denn  doch  zu  viel  gesagt 
sein;  höchstes  Ergebnis  der  Philosophie  ist  vielmehr  die  Ideenlehre, 
und  die  Unsterblichkeit  ist  vielmehr  erst  deren  weitere  Consequens. 
Grundbedingung  aber  ist  sie  nach  Piaton  allerdings;  fragen  wir  je- 
doch, warum,  so  wird  sich  keine  andere  als  die  schon  von  Schleier- 
macher gegebene  Antwort  finden  lafsen ,  weil  nur  so  eine  Erkenntnis 
der  Idee  möglich  ist,  weil  das  ähnliche  nur  durch  das  ähnliche,  das 
ewige  nur  durch  das  unsterbliche  erkannt  werden  kann.  Mit  Recht 
bemerkt  nun  freilich  Hr.  St.,  dies  sei  nur  die  subjective,  wir  würden 


H.  Haller  u.  K.  Sleinhtrl:  PIttons  simmtliche  Werke.  4r  Bd.  123 

lieber  sagen,  nur  die  theoretische  Seite.  Allerdings  mufs  die  prakti- 
sche hinsutrelen:  die  Seele  ist  auch  die  belebende  und  beherschende 
Macht  über  alles  körperliche ,  welches  mithin  nur  durch  ihre  Vermitt- 
lung zu  der  vollen  Entfaltuug  seines  Lebens  und  Daseins,  sn  der  vol- 
len Theilnahme  an  den  Ideen  gelangt,  deren  es  überhaupt  fähig  ist. 
Auch  diese  Aufgabe  kann  die  Seele  nur  erfüllen,  indem  sie,  obwohl 
selbst  Erscheinungsding,  doch  durch  ihre  Unsterblichkeit  mit  den 
ewigen  Ideen  näher  verwandt  ist.  Und  gerade  auf  dieser  Bestimmung 
der  Seele  als  der  Bringerin  des  Lebens  beruht  der  eigentlich  ent^ 
scheidende  Schlufsbeweis ,  und  auch  dies  erklärt  sich  leicht,  weil 
diese  zweite  Aufgabe,  obwohl  sie  an  sich  und  losgerifsen  von  der 
erstem  weit  niedriger  steht  als  diese,  obwohl  sie,  genauer  ausge- 
drückt, allen  Seelen  gemeinsam  und  blofs  physischer  Natur,  oder  viel- 
mehr gerade  weil  dies  alles  der  Fall  ist,  als  die  unentbehrliche  Vor- 
aussetzung und  Grundbedingung  der  erstem  erscheint.  Aber  gerade 
wegen  ihrer  Verwandtschaft  mit  den  Ideen,  den  Prinoipien  alles  Wi- 
fsens  so  gut  wie  alles  Seins,  strebt  die  Seele  nothwendig  von  vorn 
herein  sich  diese  ihre  Aufgabe  zum  Bewustsein  zu  erheben ,  sie  lernt 
nicht  blofs  den  Körper,  sondern  auch  ihre  eignen,  mit  demselben 
verwachsenen  Leidenschaften  beherschcn,  d.  h.  sie  erhebt  sich  zur 
Tugend  und  eben  damit  auch  zum  Wifsen.  So  ist  der  Uebergang  von 
der  zweiten  Aufgabe  der  Seele  in  die  erstere  in  und  mit  ihrem  Wesen 
gegeben,  d.  h.  eben  mit  andern  Worten:  lebenspendend  stirbt  sie 
doch  selbst  dem  Leben  ab ,  um  so  in  ein  höheres  Dasein  überzugehen. 
Keinen  Kenner  der  platonischen  Denkart  wird  dieser  Uebergang  überra- 
schen, denn  gerade  ebenso  erschien  im  Gastmahl  als  das  letzte  Ziel  der 
bildenden  Mittheilung  vielmehr  die  eigne  Erkenntnis.  Dafs  nun  aber  eben 
deshalb  auch  hier  diese  ganze  belehrende  Miltheilung  an  andere  mit  in 
die  Entwicklung  aufgenommen  werden  mufs  und  soll,  daran  erinnert  uns, 
wie  auch  Hr.  St.  nach  Schlciermacher  zugibt,  vornehmlich  das  dramati- 
sche Element  des  Dialogs.  Sehr  richtig  bemerkt  Hr.  St.  S.  655  Anm.  36, 
dafs  die  von  mir  gewählte  Bezeichnung  der  auf  den  Tod  des  Sokrates 
bezüglichen  Erzählung  als  ^Einrahmung'  nicht  passend  ist;  doch  durfte 
er  daraus  nicht  die  weitere  Folgerung  (S.  387)  ziehen,  dafs  ich  dieselbe 
deshalb  für  unwesentlich  gehalten  hätte,  da  das  Gegentlieil  aus  S.  25 
meines  Prodromus  erhellt.  Ueberhaupt  aber  stellt  er  meine  Auffafsung 
nicht  correct  dar,  woran  allerdings  die  derselben  auch  im  Aus- 
druck noch  anhaftende  Unklarheit  schuld  ist.  Dafs  der  Grundgedanke 
des  Dialogs  die  Outologie  der  Seele  sei,  behaupte  ich  allerdings  noch 
heute,  aber  wenn  Hr.  St.  angibt,  dafs  nach  meiner  Ansicht  *die  Un- 
sterblichkeit nur  hineingezogen  sei,  weil  sie  nothwendig  zum  Wesen 
der  Seele  gehöre,  so  sind  das  nur  und  das  hineingezogensein 
seine  eignen  Zusätze.  Meine  Worte  lauten  vielmehr:  ^sollte  der 
Dialog  daher  nicht  überhaupt  eine  Darstellung  des  Wesens  der  Seele 
und  ihrer  Gesammtbeziebungen  zur  Ideen-  wie  zur  Erscheinungswelt 
enthalten  und  die  der  Unsterblichkeit  ebendeswegen,  sofern  sie  noth- 
wendig zu  diesem  Wesen  gehört?'  (a.  a.  0.  S.  23).   Klarer  und  rich- 

9* 


124  H.  Maller  u.  K.  Steinhart :  Platons  sämmtUche  Werke.   4r  Bd. 

tiger  hätte  ich  allerdings  sagen  sollen :  ^  und  die  der  Unsterblichkeit 
deshalb,  weil  sie  eben  dies  Wesen  in  allen  seinen  Entfaltnngen  sn 
seiner  letzten  und  höchsten  Einheit  zusammenschliefst,'  und  durch 
diese  Fafsung  glaube  ich  mich  denn  auch  mit  dem  Hrn.  Vr.  verstän- 
digen zu  können,  da  sie  im  wesentlichen  mit  der  seinigen  auf  das- 
selbe hinausläuft.  Denn  wenn  er  die  Bedeutung  der  Seele  als  der 
unaufhörlichen  Vermittlerin  zwischen  Ideen  und  Erscheinungen  in 
seine  Auffafsung  aufnimmt,  was  besagen  denn  in  der  meinen  die  Ge- 
sammtbeziehungen  der  Seele  zu  beiden  Weiten  anderes,  da  doch  gewif 
auch  Hr.  St.  keine  andern  Seiten  jener  Vermitllung  als  die  beiden  hier 
bereits  entwickelten  bei  Plalon  kennt?  Freilich  kann  ich  es  ihm  nicht 
verdenken,  wenn  er  S.  555  f.  Anm.  38  in  meinen  unvorsichtigen  Aus- 
drücken a.  a.  0.  S.  89  einen  Widerspruch  gegen  meine  Grundannahme 
findet.  Indessen  läfst  auch  dieser  sich  heben,  denn  was  ich  hier  nach- 
weisen wollte,  war  nur,  dafs  die  Behandlungsweise  des  von  mir 
angenommenen  Themas  (Wesen  und  Verhältnis  der  Seele  zu  beiden 
Welten)  keine  erschöpfende  sei.  Noch  weniger  Sorge  macht  mir  der 
Einwurf,  warum  denn  Piaton  auf  die  innere  Gliederung  der  Seele 
nicht  einmal  so  viel  Rücksicht  genommen  habe  als  im  Phaedros.  Meine 
Antwort  lautet  ganz  einfach:  weil  diese  innere  Gliederung,  will  sagen 
die  beiden  sterblichen  Theile  nach  meiner  Auffafsung  gar  nicht  zum 
reinen  Wesen  der  Seele  gehören  (s.  o.).  Bei  seinem  letzten  Einwurf 
endlich,  wie  zu  dieser  allgemeinen  Weseusbestimmung  die  eschato- 
logischen  Mythen  stimmton ,  da  diese  ja  gerade  das  individuelle  der 
einzelnen  Seelen  behandeln,  vergifst  der  Hr.  Vf.,  dafs  wir  es  hier 
nicht  mit  physischen  Gegenständen  zu  thun  haben,  bei  welchen  aller- 
dings die  Wesensbestimmung  eine  von  vorn  herein  *allen  gleichmäfsig 
zukommende'  ist.  Bei  der  Seele  dagegen  ist  dieselbe  keine  gegebene, 
sondern  ist  in  einer  ihr  erst  gesteckten,  erst  durch  freie  Thätigkeit  zu 
erreichenden  Aufgabe  zu  suchen,  und  gesteckt  ist  diese  zwar  allen, 
aber  wirklich  erfüllt  wird  sie  selbst  annähernd  nur  von  wenigen, 
im  strengen  Sinne  nur  von  den  Philosophen,  und  nur  in  den  letztern 
tritt  ihr  Wesen  daher  in  höchster  Reinheit  in  die  Erscheinung ;  ohne 
jene  individuellen  Unterscheidungen  konnte  es  daher  auch  so  hier 
nicht  abgehen. 

Recht  schön  ist  die  mit  dem  Phaedros  und  dem  Symposion  ange- 
stellte Vergleichung  S.  390 — 393.  Auch  das  über  die  Einkleidungs- 
form gesagte  S.  394 — 398  ist  höchst  beachtungswerlh.  Der  Bericht 
eines  Augen-  und  Ohrenzeugen  deute  auf  gröfsere  historische  Treue 
der  Auffafsung ,  zumal  da  sie  einem  derjenigen  Sokratiker  beigelegt 
werde,  welche  am  wenigsten  über  die  Lehre  des  Meisters  hinans- 
giengen.  Dafür  werde  aber  auf  der  andern  Seite  durch  die  Verbin- 
dung dieses  reinen  Sokratikers  Phaedon  mit  dem  Pythagoreer  Eche- 
krales,  zumal  da  beide. Platons  Freunde  waren,  die  iu  diesem  Ge- 
spräche herschende  Verschmelzung  des  sokratisohen  Geistes  mit  dem 
pythagoreischen  ausgedrückt,  und  ebenso  werde  durch  die  Verlegung 
ihrer  Unterredung  nach  Phlius,  welche  der  Vf.  gut  nachweist,  ond 


H.  Maller  n.  K.  Steiehart:  Plttons  simmtüche  Werke.  4r  Bd.  125 

in  eine  von  dem  Tode  des  Sokrates  schon  etwas  entfernte  Zeit  der 
Gegenstand  in  eine  gewisse  Ferne  gerfickt.  Mit  Recht  wird  jedoeh 
Stalibaums  Annahme,  dafs  diese  Unterredang  erst  ins  Jahr  394  falle, 
verworfen.  Ebenso  werde  auch  darch  die  ausdrücklich  hervorgeho- 
bene Abwesenheit  Piatons  das  ideale  Gepräge,  welches  er  diesen 
letzten  Ereignissen  und  Reden  des  Sokrates  aufdrückt,  bezeichnet. 
Auch  die  Schilderung  der  Personen  S.  398 — 411  darf  sich,  so  sehr 
die  vortrefTliche  Darstellung  von  Hermann  Schmidt  in  der  Ztschr.  f. 
d.  GW.  1852  unserm  Vf.  die  Hauptpunkte  bereits  vorweggenommen 
hat,  doch  in  der  Kunst  der  Ausführung  wohl  mit  der  seinigen  ver- 
gleichen. Dafs  der  Nachrichler  nicht  mit  dem  p.  116  auftretenden  Ge- 
fangenwärter dieselbe  Person  ist,  wie  ich  ehemals  behauptet  habe, 
gebe  ich  Hrn.  St.  S.  559  Anm.  50  bereitwillig  zu,  wenn  auch  weniger 
aus  dem  von  ihm  geltend  gemachten  Grunde,  als  vielmehr  deshalb, 
weil  der  Gefangenwörter  offenbar  dergestalt  an  dieser  Stelle  vom  So- 
krates Abschied  nimmt,  dafs  man  nicht  erwarten  darf  ihn  p.  117  noch 
einmal  auftreten  zu  sehen.  Weniger  treffend  scheint  uns  dagegen  die 
Verschiedenheit  zwischen  dem  Kebes  ind  dem  Simmias ,  wie  der  Hr. 
Vf.  sie  auffafst.  Kebes  soll  mehr  dem  Verstände ,  Simmias  mehr  dem 
Gefühle  folgen.  Ich  sehe  hiefür  keinen  Anhalt  und  glaube,  man  mufs 
sich  damit  begnügen,  in  dem  Kebes  den  schärferen,  im  Simmias  da- 
gegen den  oberflächlicheren  Forscher  zu  finden.  Nicht  darin ,  dafs  der 
letztere  sich  die  mit  seinem  Einwurf  unverträgliche  Lehre  von  der 
Praeexistenz  gefallen  läfst,  die  ja  auch  nach  Piatons  Ansicht  bereits 
hinlänglich  bewiesen  war ,  vermag  ich  mit  Hrn.  St.  einen  Tadel  gegen 
ihn  zu  finden ,  sondern  nur  darin ,  dafs  er  diese  Unverträglichkeit  gar 
nicht  bemerkt  hat.  Auch  aus  der  Stelle  im  Phaedros  p.  242  B,  welche 
ihn  als  unersättlichen  Redefreund  schildert,  schliefst  der  Hr.  Vf.  zu 
viel,  wenu  er  meint,  dafs  es  ihm  darnach  mehr  um  das  Wort  als  um 
die  Sache  zu  thun  gewesen  sei;  es  folgt  daraus  nur,  dafs  er  mehr  die 
Untersuchungen  um  ihrer  selbst  als  um  ihrer  Resultate  willen  liebt. 
Eben  deshalb  geht  ihm  der  scharfe  Sinn  dafür  ab ,  wo  in  den  letziern 
die  blofse  Wahrscheinlichkeit  aufhört  und  die  Gewisheit  anfängt,  p. 
107  A  B;  dafs  er  sich  allzu  leicht  bei  dem  zweifelhaften  beruhige, 
durfte  im  Angesicht  dieser  Stelle  nicht  behauptet  werden:  im  Gegen- 
thcil,  selbst  das  gewisse  unterliegt  für  ihn  noch  immer  dem  Zweifel, 
weil  er  in  keinem  Punkte  die  Lust  des  Forsohens  zu  Ende  kommen 
lafsen  will.  Nicht  Kebes,  wie  Hr.  St.  meint,  sondern  Simmias  schwebt 
in  der  Gefahr  eines  bodenlosen  Skepticismns,  denn  der  erstere  ist  im 
geraden  Gegensatz  gegen  den  letztern  am  Sohlufse  der  Untersuchung 
vollständig  beruhigt,  eben  weil  sein  Zweifel  gründlicher  der  Sache 
selbst  nachgeht.  Seine  Einseitigkeit  besteht  wohl  nur  darin,  dafs  er 
mehr  kritisch  als  productiv  ist;  Simmias  ist  im  Streite,  Phaedon,  wie 
es  scheint ,  im  Frieden  allzu  sehr  von  fremden  Meinungen  abhängig. 
Simmias  liebt,  Phaedon  scheut  den  Streit,  jener  ist  ein  guloloyog^ 
dieser  droht  ein  fu<Sol6yog  zu  werden,  denn  hierauf  mufs  man  es  doch 
wohl  nach  des  Hrn.  Vf.  feiner  Bemerkung  S.  397  deuten,  wenn  So- 


12Ö    H.  Müller  u.  K.  Steinhart:  PUions  sümmtUcht  Werke.  4r  Bd. 

krales  gerade  an  ihn  die  Abmahnung  yon  der  Misolugie  richtet ;  er  ist 
weder  kritisch  noch  productiv,  sondern  eine  weiche,  sinnige,  rein 
receptive  Natur.  Beide  drohen  von  entgegengesetzten  Ausgangspunkten 
demselben  Skepticismus  zuzueilen.  Mit  Recht  aber  erinnert  Hr.  St., 
dafs  keiner  der  bisherigen  Dialoge  die  Mitunterredner  des  Sokrates 
so  selbständig  gegen  ihn  auftreten  läfst  wie  hier  den  Simmias  and 
Kebes,  und  dafs  ebenso  keiner  den  Sokrates  so  ausschliefslich  nur 
mit  einem  Kreise  seiner  eigentlichen  Schüler  umgibt,  denn  nur  so 
sehen  wir  das  Lebenswerk  des  Sokrates  wirklich  vollendet  und  die 
von  ihm  geschaffene  geistige  Welt  in  hinlänglich  selbstkräfligen  und 
hoffnungsreichen  Anfangen  vor  uns. 

Wenden  wir  uns  nun  der  kurzen  Analyse  des  Dialogs  S.  413  — 
428  zu,  so  wollen  wir  nicht  verbeten,  dafs  wir  gegen  manches  in 
derselben  entschieden  protestieren  müfsen,  vor  allem  dagegen,  wann 
Piaton  S.  414  brevi  mann  zum  Glaubensphilosophen  gemacht  wird, 
ganz  abgesehn  davon,  dafs  das  vieldeutige  Wort  ^Glaube',  welches 
schon  den  Kirchenvätern  und  Scholastikern  so  viel  zu  schaffen  machte 
und  von  ihnen  keineswegs  immer  in  übereinstimmender  Weise  ga- 
braucht ward,  von  uns  billigerweise  in  philosophischen  Dingen  nicht 
mehr  angewendet  werden  sollte,  ohne  deutlich  zu  sagen,  was  wir 
eigentlich  darunter  verstehn.  Dafs  im  platonischen  Eros  jener  dunkle 
Drang  der  Menschenseele ,  welcher  sie  zunächst  noch  unbewusl  zum 
ewigen  und  wahren  emporzieht  und  so,  empirisch  betrachtet,  allem 
Wifsen  voraufgeht,  enthalten  liegt,  wird  niemand  leugnen;  will  man 
das  Glauben  nennen,  so  thue  man  es  immerhin.  Aber  dos  vergef^c 
man  darüber  nicht,  dafs  dieser  Trieb,  eben  weil  unbewust,  auch  noch 
gar  keinen  entwickelten  ßewustseinsgehalt  hat  und  auch  nie  einen  an- 
dern als  den  des  entwickelten  theoretischen  Bewnstseins  empfängt. 
Ob  diese  Auffafsung  richtig  oder  unrichtig  ist,  gehört  nicht  hioher; 
platonisch  ist  sie  jedcsfalls,  denn  sonst  hätte  nicht  Plalon  die  Identi- 
tät der  Tugend  mit  dem  Wifsen  behaupten  können.  Schon  hiedurch 
zerfällt  die  Behauptung,  dafs  nach  Piatons  Intention  die  Beweise  für 
die  Unsterblichkeit  allein  nicht  ausreichen ,  sondern  zu  ihrer  Ergän- 
zung einer  festern  Begründung  durch  die  Ethik  bedürfen,  welche  nicht 
durch  Reflexion ,  sondern  durch  die  Unmittelbarkeit  des  sittlich-reli- 
giösen Bewnstseins  allein  Festigkeit  und  Freudigkeit  der  Uebcrzeu- 
gung  bewirkt.  Wäre  dies  wirklich  der  Fall,  so  hätte  Sokrates  am 
Schlufs  zu  dem  immer  noch  zweifelnden  Simmias  schwerlich  gesagt: 
prüfe  genauer  die  Ideenlebre ,  und  auch  du  wirst  überzeugt  werden, 
sondern  vielmehr:  werde  ein  befserer  Mensch ,  dann  allein  kannst  du 
zur  Ueberzeugung  gelangen.  Was  aber  das  wichtigste  ist.  diese 
ganze  Behauptung  des  Hrn.  Vf.  beruht  wieder  allein  auf  jener  unhalt- 
baren Ansicht  über  die  platonischen  Mythen,  als  ob  diesen  ein  über- 
zeugenderer Glaubensinhalt  inwohnte,  welche  wir  bereits  vorbin  zu- 
rückgetvicsen  haben.  Aber  auch  so  muste  der  Hr.  Vf.  doch  wenig- 
stens die  Verschiedenheit  der  Darstellung  im  Auge  behalten  und 
durfte  mithin  (S.  41>5  ff.)  nicht  den  einleitenden  Abschnitt  p.  63  E — 


IL  Nttller  h.  K.  Sleiiihart:  Plataas  stenlliehe  Werke.  4r  Bd.    127 

60  E  9  welcher  gar  nichto  nythisches  ui  sich  fafsl,  mit  den  beiden 
eschalologischen  Mylhen  ohne  weitereg  unter  denselben  Gesichtspunkt 
«uNiaMneBwerfeB.  Die,  wie  mir  scheint,  richtige  Zusammenordnung 
der  verschiedenen  einzelnen  Massen  des  Dialogs  habe  ich  schon  in 
meinem  Prodromus  gegeben  und  besiehe  mich  daher  einfach  auf  meine 
dortige  Entwicklung  zurück. 

Für  die  Reihenfolge  der  Beweise  für  die  Unsterblichkeit  eignet 
sich  Hr.  St.  S.  414  f.  Hermanns  Ansicht  an ,  bricht  derselben  jedoch 
die  Spitze  ab.  Denn  nicht  blofs  entsprechen  soll  dieselbe  nach 
Hermann  dem  Entwicklungsgange  der  platonischen  Philosophie,  son- 
dern vielmehr  die  wirkliche  ßeihe  der  Beweise  sein,  wie  sie  Piaton 
nacheinander  immer  je  einen  in  jeder  Phase  dieser  seiner  Entwick- 
lung sich  gebildet  hat.  Hr.  St.  geht  aber  noch  weiter  in  der  Be- 
schränkung: nicht  ganz  genau,  sondern  nur  im  wesentlichen  soll 
nach  ihm  jenes  Entsprechen  stattfinden.  Das  ist  zuzugeben,  aber  dann 
ist  auch  kaum  mehr  als  etwas  ziemlich  selbstverständliches  damit  ge- 
4Migt;  denn  da  die  historische  Gesammtentwicklung  Piatons  eine  so 
höchst  normal  vom  aiedern  zum  höhern  aufsteigende  war,  wie  sollte 
da  nicht  die  systematische ,  gleichfalls  normal  vom  niedern  zum  hö- 
hern aufsteigende  Darlegung  einer  besondern  Lehre  mit  ihr  manigfal- 
lige  Berührungspunkte  darbieten?  Ueberdies  fügt  Hr.  St  mii  Recht 
noch  die  weitere  Beschränkung  hinzu,  dafs  der  letzte,  auf  der  Ideen- 
lehre beruhende  Beweis  auch  schon  auf  die  frühem  zurückwirkt,  so 
dafs  dieselben  wenigstens  in  der  vorliegenden  Gestalt  auch  bereits 
vom  Standpunkte  der  Ideeulehre  geführt  werden.  Auf  der  andern 
Seite  aber  schiebt  der  Hr.  Yf.  wiederum  Hermann  eine  viel  erweiter- 
tere Ansicht  unter,  als  er  sie  wirklich  ausgesprochen  hat.  Die  Rei- 
henfolge der  Beweise  soll  auch  dem  Entwicklungsgange  der  griechi- 
schen Philosophie  überhaupt  entsprechen.  Ich  wcifs  nicht,  ob  Hermann 
diese  Erweiterung  billigen  wird;  mir  erscheint  sie  im  höchsten  Grade 
mislich.  Gewis  hat  der  Beweis  aus  dem  Kreislauf  des  Werdens  (p. 
70  C — ^72  E)  die  herakleitische  Lehre  zur  Voraussetzung ,  gewis  hat 
der  folgende  aus  der  avaiivriatg  (p.  72  E — ^77  A)  mit  der  pylhagoreisch- 
empedokleischen  Auffafsung  der  Seelenwanderungslehre,  nach  wel- 
cher sie  eine  be wüste  Fortdauer  nicht  ausschlofs,  Zusammenhang; 
aber  das  Vediältnis  ist  doch  gleich  in  diesen  beiden  Fällen  ein  sehr 
verschiedenes.  Das  herakleitische  Werden  ist  Basis  des.  Beweises, 
die  pythagoreische  Seelen  Wanderung  keineswegs,  sondern  sie  wird 
vielmehr  erst  selbst  aus  der  avi^vrfiiq  bewiesen.  Das  erstemal  wird 
von  dem  eigentlichen  Princip  der  herakleitischen  Lehre  ausgegangen, 
das  zweitemal  ein  Dogma,  welches  mit  dem  Princip  der  Pythagoreer 
nur  in  einem  lockern,  mit  dem  des  Empedokles  in  gar  keinem  Zusam- 
menhang stand,  berücksichtigt.  Der  folgende  Beweis  aus  der  Ver- 
wandtschaft der  Seele  mit  den  Ideen  (p.  78  B — 80  E)  soll  mit  Parme- 
nides  und  Anaxagoras  in  Verbindung  slehn ;  auch  dies  mag  eine  ge- 
wisse Wahrheit  haben,  allein  ausdrücklich  wird  doch  erst  der  Schlufs- 
beweis  mit  dem  vovg  des  letztern  in  Zusammenbang  gebracht  Ueberdies 


128  H.  Malier  a.  K.  Steinhart:  PUions  sämmtliche  Werke.    4r  Bd. 

M'ird  der  Hr.  Vf.  doch  schwerlich  eine  Entwicklungsreihe  der  grie- 
chischen Philosophie  aufstellen  wollen,  in  welcher  Herakleitos  (ab- 
gesehn  von  den  frühern  loniern)  in  erster,  die  Pythagoreer  und  Em- 
pedokles  in  zweiler,  Parmenides  und  Anaxagoras  in  dritter  Linie  stehn. 

Auch  die  Bezeichnungsweise  dieser  vier  Beweise  bei  Uru.  St. 
will  uns  nicht  scheinen.  Gefallen  Ursen  könnte  man  sich ,  dafs  der 
erste  derselben  der  physische  oder  naturphilosophische  genannt  wird ; 
der  Name  des  psychologischen  ist  dagegen  für  den  zweiten  ganz  un- 
passend ,  da  er  nicht  aus  der  gesammten  Psychologie ,  sondern  nur  aus 
der  Erkenntnislebre  geführt  wird ;  noch  weniger  gefällt  es  uns  end- 
lich, wenn  der  dritte  der  ontologisch-metaphysische,  der  vierte  aber 
der  dialektische  heirsen  soll,  denn  die  platonische  Dialektik  hat  ja 
keinen  andern  Inhalt  als  die  Ideenlehre,  und  nichts  anderes  als  diese 
ist  für  den  Piaton  Ontotogie  und  Metaphysik.  Hr.  St.  hätte  des 
richtigen  Weg  Zellers  (Phil.  d.  Gr.  II  S.  267  f.  Anm.)  nicht  wieder 
verlafsen  sollen.  Alle  Beweise  sind  nur  Abstufungen  des  ^inen  onto- 
logisch-metaphysischen  oder  dialektischen,  wie  es  denn  für  Piaton 
überhaupt  keine  andere  Art  des  Beweises  geben  kann;  alle  suchen  das 
Wesen  der  Seele  in  seinem  Zusammenhang  mit  den  ewigen  Wesen- 
heiten überhaupt,  d.  h.  den  Ideen  zu  entwickeln,  wie  dies  ja  zum 
Ueberflufs  Hr.  St.  selbst  anerkennt.  Nur  der  erste  dieser  Beweise 
könnte  eine  scheinbare  Ausnahme  bilden,  wenn  nicht  der  letzte  p. 
103  B  ergänzend  und  ihn  auf  sein  richtiges  Mafs  führend  auf  ihn  zu- 
rückblickte. Unrichtig  und  Piatons  eignen  Worten  p.  77  C  D  wider- 
sprechend ist  die  Behauptung  (S.  407) ,  dafs  der  zweite  dieser  Beweise 
mit  dem  ersten  verbunden  doch  nur  die  Praeexistenz ,  nicht  aber  die 
Fortdauer  genügend  erhärte. 

Sehr  gut  gibt  dagegen  der  Hr.  Vf.  S.  417  das  Verhältnis  der 
drei  ersten  von  den  erwähnten  Beweisen  zueinander  an:  der  erst« 
geht  von  der  Objectivilät  des  Daseins,  der  zweite  von  der  Sub- 
jectivität  des  Denkens  und  Erkcnnens  aus,  der  dritte  von  der  We- 
senseinheit beider  Seilen,  von  Object  und  Subject,  Sein  und  Denken. 
Noch  feiner  ist  die  Beobachtung  (S.  424),  dafs  die  beiden  spätem  Ein- 
würfe des  Simmias  und  Kebes  die  beiden  frühern  (p.  69  E  IT.  77  B  f.) 
in  einer  reinem  Form  wiederholen.  Eben  dies  hätte  den  Hrn.  Vf.  aber 
um  so  mehr  veranlafsen  müfsen,  auch  schon  die  Entwicklung  p.  63  E 
— 69  E,  gegen  welche  der  erste  Einwurf  gerichtet  ist,  bereits  als 
einen,  wenn  auch  nur  einleitenden  Beweis  anzuschn  und  ebenso  die 
drei  folgenden  Beweise  dem  Schlufsargumente  gegenüber  in  ^incn 
Hauptabschnitt  zusammenzuziehn. 

Specieller  geht  hierauf  Hr.  St.  S.  428 — 456  auf  die  Einzelheiten 
des  Dialogs  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  philosophischen  Lehr- 
gehaltcs  ein.  Zunächst  nmfs  sich  Ref.  hier,  wie  schon  früher,  dage- 
gen erklären ,  wenn  die  Praeexistenz  und  avdfivTjatg  S.  438  f.  zu  einem 
blofsen  Symbol  der  Ewigkeit  des  Seelenwesens  und  seiner  Wesens- 
einheit mit  den  Ideen  verflüchtigt  wird.  Es  wird  vielmehr  diese  Lehre 
hier  in  so  durchaus  wifsenschaftlicher  Haitang  entwickelt,  dafs  wir  sa 


H.  Maller  o.  K.  Steinhart:  Piatons  sfinmtliche  Werke.  4r  Bd.    129 

einer  solchen  ausweichenden  Deutung  selbst  dann  kein  Recht  hfilten, 
wenn  Piaton  sie  wirklich ,  wie  schon  oben  S.  416  f.  behauptet  ward, 
später  aufgegeben  haben  sollte.  Dies  letztere  möchte  aber  schwer  su 
erweisen  sein,  denn  wenn  Piaton  auf  dieselbe  später  nicht  wieder  zu- 
rückkommt, so  kann  man  doch  billigerweise  überhaupt  von  ihm  nicht 
erwarten,  dafs  er  das  früher  bereits  erwiesene  spater  immer  von 
neuem  wiederholen  soll.  Nur  dann  würde  dieser  Punkt  ins  Gewicht 
fallen ,  wenn  man  zuvor  bewiesen  hatte ,  dafs  eine  solche  Wiederho- 
lung für  seine  gerade  vorliegenden  Zwecke  nothwendig  gewesen  wäre 
und  trotzdem  von  ihm  unterlafsen  ist.  Die  Bemerkung  des  Hrn.  Vf. 
aber,  dafs  der  avafivtfiig  die  unwifsenschaftliche  Auffafsung  der  Seele 
als  eines  Raumes  zu  Grunde  liege,  in  welchem  Ideen  und  Bilder  ne- 
beneinander aufgeschichtet  liegen ,  um  gelegentlich  in  Bewegung  ge- 
setzt zu  werden,  ist  mir,  offen  gesagt,  unverständlich,  und  ich  mufs 
daher  ihre  Beurtheilung  den  Lesern  anheimstellen. 

S.  439  findet  Hr.  St.  in  dem  Beweise  aus  der  Verwandtschaft  mit 
den  Ideen  den  letztern  die  Bewegung  abgesprochen;  allein  dies  wi- 
derlegt sich  sclion  aus  der  Idee  des  Lebens  im  Schlufsbeweise.  Auch 
die  Darstellung  der  Widerlegung  des  Simmias  S.  413  445  befriedigt 
uns  nicht  ganz,  noch  weniger  freilich  die  unbewiesene  Behauptung 
S.  425  f.,  dafs  Piaton  seinem  Sokrates  diese  Widerlegung  durch  die 
allzu  grofse  Nachgiebigkeit  des  Simmias  leicht  gemacht  habe ,  womit 
es  uns  überdies  wenig  zu  stimmen  scheint,  wenn  dieselbe  trotzdem 
S.  443  f.  noch  den  heutigen  Anhängern  der  Ansicht  dieses  Thebaners 
zur  Ueberführung  ihres  Irthums  empfohlen  wird.  Uns  scheint  viel- 
mehr diese  Beweisführung  eine  der  scharfsinnigsten  zu  sein ,  welche 
Piaton  jemals  versucht  hat,  wovon  man  sich  namentlich  durch  die  Dar- 
legung derselben  bei  H.  Schmidt  in  seinem  von  Hrn.  St.  übersehe- 
nen vortrefflichen  *  kritischen  Commentar  zu  Piatos  Phaedon'  2e  Hälfte 
(Halle  1852)  S.  4 — 13  überzeugen  kann.  Hr.  Schmidt  stimmt  mir  zu- 
nächst in  meiner  Deutung  der  Stelle  p.  94  A  bei ,  und  wie  zu  Plalons 
eignen  Worten  die  hypothetische  Fafsung  derselben,  welche  Hr.  St. 
S.  564  f.  Anm.  70  mit  Brandts  annimmt  (Mnsofern  doch,  wenn  Harmo- 
nie und  Seele  gleichbedeutend  wären,  jene  so  wenig  als  diese  einen 
Gradunterschied  zulafseu  würde')  stimmen  soll,  vermag  ich  nicht  ab- 
zusehn.  Ausdrücklich  sagt  Piaton:  aQfiovta  yaq  di^^roi;  navxzX^g 
avxb  rovxo  ovaa^  aQfWvlay  ivaQfioöziag  ovnor  av  fiivciaxoi. 
Von  einer  Ueberrumpelung  der  Gegner,  indem  ihnen  Sokrates  mit 
einemmale  seinen  eignen  Begriff  von  der  Seele  unterlege,  kann  daher 
nicht  die  Rede  sein;  im  Gegentheil  spricht  gerade  die  Nöthigung,  eine 
solche  Ueberrumpelung  annehmen  zu  müfsen,  entschieden  gegen  die 
von  Hrn.  St.  vertretene  Ansicht.  Im  übrigen  ist  nun  ferner  die  von 
mir  und  auch  noch  von  Hrn.  St.  ausgesprochene  Meinung,  dafs  in  der 
Annahme  einer  moralischen  Harmonie  oder  Disharmonie  in  der  natür- 
lichen Harmonie  eine  Absurdität  und  mithin  ein  selbständiger  Wider- 
legungsgrund zu  suchen  sei,  durchaus  nicht  mit  Piatons  eignen  Aus- 
drücken zu  vereinigen,  wie  Hr.  Schmidt  zureichend  bewiesen  bat. 


130   H.  Malier  a.  K.  Steinhart:  Piatons  sammlliohe  Werke.  4r  Bd. 

Sonst  stimmt  meine  Darstellung  (Prodr.  S.  11)  mit  dem  letztem  aber- 
ein,  nar  dars  derselbe,  von  mir  wie  von  Hrn.  St.  obweichend,  niC 
Recht  die  ganze  Argumentationsreihe  p.  93  A — 94  A  in  einen  einsigea 
Beweis  zusammenzieht,  wodurch  der  hypothetischen  Deutung  jener 
obigen  Worte  in  p.  94  A  der  letzte  Boden  entzogen  wird.  Endlich 
steht  Hr.  St.  den  an  die  Spitze  dieser  Reihe  gestellten  Satz  (p.  92  E  f.X 
dafs  keine  Harmonie  ihren  Theilen  widersprechen  dürfe,  wiederum  aU 
ein  selbständiges  Argument  an;  was  aber  dadurch  in  dieser  unausge- 
führten Gestalt  bewiesen  sein  könnte ,  ist  nicht  abzusehn.  Hr.  Schmidt 
hat  auch  hier  das  richtige  getrolTen ,  indem  er  in  diesem  Satze  den 
gemeinsamen  Kern  der  beiden  folgenden  Argumentationsreihen  findet, 
in  denen  derselbe  seine  weitere  Ausführung  erhält  und  von  denen  die 
erste  (p.  93  A — ^94  A),  wie  Hr.  Schmidt  mit  mir  annimmt,  beweist, 
dafs  die  Seele  überhaupt  keine  Harmonie,  die  zweite  (von  p.  94B 
ab),  dafs  sie  noch  weniger  speciell  Harmonie  des  Körpers  ist. 
Noch  befser  freilich  würde  sich  der  Uebergang  machen,  wenn  man  p. 
93  A  in  den  Worten  zl  di;  ovx  ovroog  aQfnovla  xxL  wagen  dürfte  zwi- 
schen ovtfog  und  aQfiovUc  ein  uqu  einzuschieben. 

In  dem  Schlufsmythos  findet  Hr.  St.  S.  452  eine  Abweichung  und 
einen  Fortschritt  gegen  die  kosmische  Anschauung  im  Phaedros;  dort 
nemlich  bilde  Heslia ,  d.  i.  das  Centralfeuer  des  Philolaos,  hier  die 
Erde  die  Mitte  des  Weltalls.  Ja  wenn  sich  der  Hr.  Vf.  nnr  nicht  die 
Widerlegung  der  entgegenstehenden  Ansicht,  dafs  im  Phaedros  unter 
llestia  vielmehr  die  Erde  zu  verstehen  sei,  einem  so  gründlichen  Geg- 
ner wie  Krische  gegenüber  gar  zu  leicht  gemacht  hätte !  Denn  alles 
was  er  dagegen  bemerkt  ist  nur,  dafs  die  Erde  niemals  so  heifse  (S. 
170  Aom.  77  b).  Als  ob  nicht  Piaton  seine  Zwecke  dabei  haben  konnte 
sie  zum  erstenmal  so  zu  nennen,  wenn  er  nur  durch  den  ganzen  Zu- 
sammenhang genügend  andeutete,  was  er  meint!  Und  dafs  dies  ge- 
schehen sei,  wollen  wir,  im  übrigen  auf  Krische  uns  berufend,  nnr 
noch  dadurch  erhärten,  dafs  die  Centralfeuerlehre  nicht  blofs  zweck- 
los für  den  Mythos  ist ,  sondern  ihn  sogar  geradezu  auf  den  Kopf  stel- 
len würde.  Denn  die  kosmische  Bewegung  der  Weltkörper  wird  my- 
thisch  benutzt,  um  eine  überkosmische,-  steil  aufwärts  gehende  zum 
Schauen  der  Ideen  an  sie  anzuknüpfen ;  bewegt  sich  daher  auch  die 
Erde  um  das  Centralfeuer,  so  müste  auch  sie  dem  letztern  Zuge  fol- 
gen, d.  h.  mit  andern  Worten,  es  gäbe  dann  im  irdischen  Dasein 
ebenso  gut  ein  unmittelbares  Schauen  der  Ideen  wie  in  der  Praeexi- 
stenz;  jeder  Unterschied  zwischen  beiden  Zuständen  fiele  dann  wey. 
Ganz  anders,  wenn  die  Erde  im  Mittelpunkt  der  Welt  ruht.  Sehr 
richtig  bemerkt  der  Hr.  Vf.  S.  567  f.  Anm.  75,  dafs  in  p.  108  D  die  Ab- 
weichung von  dem  astronomischen  System  des  Philolaos  angedeutet 
wird;  aber  daraus  folgt  doch  noch  nicht,  dafs  Piaton  sich  im  Phae- 
dros schlechthin  an  dasselbe  angeschlofsen  habe.  Noch  weniger  frei- 
lich hätte  Hr.  St.  sich  die  von  Böckh  bereits  gebührend  zurechtge- 
wiesene Erfindung  eines  allem  pythagoreischen  Weltsystems,  in  wel- 
chem bereits  die  Erde  die  Mitte  gebildet  habe,  von  Hrn.  Grappe 


U.  Müller  u.  K.  SieiohtrI:  PUtons  g&iiintUche  Weite.  4r  Bd.  131 

aneignen  sollen ,  wobei  er  sich  noch  dazo  unvorsichtig  so  ansdracht, 
als  wenn  in  Piatons  so  eben  berücksichtigter  Andeutung  auch  hiefür 
ein  Zeugnis  läge. 

Ansprechender  sind  die  symbolischen  Deutungen,  welche  der  Hr. 
Yf.  S.  453  von  den  Innern  Räumen  der  Erde  gibt,  nemlich  die  des 
Tartaros  als  der  Sphaere  des  wesenlosen  Scheines  und  der  Unterwelt- 
liehen  Ströme  als  Bilder  des  verschieden  abgestuften  Zusammenhan* 
ges  alles  irdischen  mit  jener  Scheinwelt. 

Hinsichtlich  des  Philebos  stimmen  wir,  was  den  Grundgedan- 
ken anlangt,  ganz  mit  Hrn.  St.  S.  596  dahin  überein,  dafs  ein  mittlerer 
Weg  zwischen  den  Auffafsungen  Schleiermachers  und  Stallbaums  ein- 
zuschlagen sein  wird.  Denn  für  eine  Behandlung  des  guten  in  seinen 
Gesammtbeziebungen  zur  physischen  wie  zur  ethischen  Welt,  wie  sie 
der  erstere  annimmt,  würde  doch  entschieden  die  physische  Seite  zu 
kurz  kommen}  für  eine  blofse  ethische  Behandlung  des  höchsten 
Guts  dagegen,  wie  sie  der  letztere  will,  dürften  wiederum  die  meta- 
physischen Erörterungen,  welche  gerade  den  Höheupunkt  des  Ge- 
sprächs bilden,  zu  weit  hergeholt  sein;  zu  diesem  Zwecke  müsten  sie 
blofs  entlehnt,  nicht  aber  selber  erst  gesucht  werden.  Die  Frage  ist 
daher  nur,  welcher  von  beiden  Ansichten  man  sich  nfiher  anzuschlie- 
fsen  und  ob  der  Hr.  Vf.  mit  seiner  gröfsern  Annäherung  an  Schleier- 
macher wohl  gethan  hat.  Man  mufs  ohne  Zweifel  jeden  Dialog  nach 
den  Bedingungen  der  gröfsern  Reihe  beurtheilen ,  welcher  er  ange- 
hört, und  da  sieht  nun  der  Philebos  mit  dem  Staate  in  näherer  Ver- 
bindung als  mit  den  dialektischen  Dialogen,  von  denen  er  durch  Sym- 
posion und  Phaedon  getrennt  ist.  Mit  dem  Staate  wie  mit  dem  Sophi- 
sten zeigt  die  Composition  eine  unleugbare  Verwandtschaft,  mit  dem 
Sophisten  darin,  dafs  die  streng  dialektischen  oder  metaphysi- 
schen Entwicklungen  recht  eigentlich  die  Mitte  und  so  zu  sagen 
den  Kern  ausmachen,  mit  dem  Staate  darin,  dafs  dieser  Kern  von 
einer  ethischen  Hauptmasse  eingehüllt  ist.  Nun  spricht  aber  dem 
Staate  wegen  seiner  dialektischen  Partien  doch  niemand  seinen  ethi- 
schen Endzweck  ab ;  man  mufs  daher  doch  wohl  nach  aller  Analogie 
fragen ,  ob  denn  für  den  Philebos  wirklich  ein  entgegengesetztes  Ver- 
fahren gerechtfertigt  sei.  Es  fehlt  der  Ideenlehre ,  wie  wir  sie  im 
Sophisten  und  Parmenides  verlafsen,  noch  ihr  letzter  Abschlufs,  das 
höchste  Causalprincip  oder  die  Idee  des  guten.  Ich  habe  früher 
(NJahrb.  Bd.  LXVIÜ  S.  284)  angenommen,  dafs  Piaton  im  Sophisten 
noch  die  Idee  des  Seins  für  die  höchste  halte ;  ich  mufs  dies  aber  jetzt 
zurücknehmen ,  ohne  freilich  deshalb  meine  mit  hiefbuf  gestützte  Ue- 
berzeugung  von  der  spätem  Abfafsung  des  Parmenides  aufzugeben. 
Nemlich  im  Politikos  p.  284D  ist  das  avto  xaKQißig^  auf  dessen  spä- 
tere Erörterung  vorausgedeutet  wird,  nach  dem  ganzen  Zusammenhang 
nichts  anderes  als  die  Idee  des  guten ,  und  die  dort  nur  gleichsam 
beiläufig  hingeworfenen  Andeutungen  über  die  Natur  des  Mafses  lei- 
ten entschieden  die  Entwicklungen  im  Philebos  über  Grenze  und  Un- 
begrenztheit  ein,  so  wie  denn  auch  die  Unterscheidung  einer  doppelten 


132   U.  Maller  u.  K.  Steinhart:  PUtons  sämmtliche  Werke.  4r  Bd. 

Mathematik  im  Politikos  sich  hier  zu  jener  Gliederung  der  Wirsen- 
Schäften  erweitert,  durch  welche  die  früheren,  scherzhaft  gehaltenen 
im  Sophisten  und  im  Staatsmann  berichtigt  werden,  und  in  welcher  ge- 
rade die  Abgrenzung  der  Dialektik  gegen  die  Mathematik  eine  Haupt- 
rolle  spielt.  Hiernach  beurkundet  sich  die  kurze  Kritik,  welche  der 
Phaedon  vom  anaxagoreischen  vovg  gibt,  und  die  Verbindung,  io 
welche  er,  wenn  schon  in  populärer  Sprache,  die  Idee  des  guten  sa 
demselben  setzt,  als  ein  wesentliches  Uebergangsglied  zwischen  Po- 
litikos und  Philebos.  Niemand  wird  nun  aber  um  dieser  Entwicklung 
willen  dem  Phaedon  einen  dialektischen  Zweck  leihen;  haben  wir  da- 
her aus  einem  ganz  ähnlichen  Grunde  im  Philebos  ein  gröfseres  Recht 
dazu?  Ist  das,  was  seiner  philosophischen  Wichtigkeit  nach  aller- 
dings der  Kern  des  Philebos  ist,  dies  auch  wirklich  für  seine  Com- 
Position  ?  Läfst  sich  nicht  die  Aehnlichkeit  in  derselben  mit  der  des 
Sophisten  durch  die  allerdings  vorhandene  fortsetzende  Beziehung  auf 
jene  dialektischen  Dialoge  erklären,  zumal  da  die  Unähnlichkeiten 
doch  wohl  mindestens  ebenso  grofs  sind?  Konnte  nicht  Piaton,  in- 
dem er  durch  die  Behandlung  seines  höchsten  ethischen  Princips,  des 
höchsten  Gutes,  zu  der  umfafsenden  Behandlung  seiner  Ethik  und  Po- 
litik im  Staate  überleiten  will,  sehr  wohl  bei  dieser  Gelegenheit  auch 
die  noch  unvollendeten  dialektischen  Fäden  weiter  spinnen,  da  sich 
ja  die  Ethik  selbst  nur  im  Zusammenhang  mit  der  Dialektik  begreifen 
läfst?  Hr.  St.  selbst  bemerkt  ja  S.  596  f.,  dafs  das  sittlich  gute  vom 
allgemeinen  guten  gar  nicht  verschieden  sei.  Freilich  ist  diese  Be- 
hauptung nur  halb  wahr ,  ncmlich  vom  dialektischen  oder  rein  idealen 
Standpunkte  betrachtet;  wollte  man  aber  nur  diesen  anlegen,  so  könnte 
es  eine  gesonderte  Behandlung  der  Ethik  überhaupt  für  Piaton  nicht 
geben.  Warum  wiederholt  denn  Piaton  mehrmals  ausdrücklich,  er 
wolle  das  höchste  der  menschlichen  Güter  in  Betracht  ziehen?'^) 
Warum  werden  denn  am  Schlufs  gerade  die  idealen  Momente  des 
höchsten  Gutes  nur  so  dunkel  und  skizzenhaft,  ja  in  einer  nur  mit 
Mühe  vereinbaren  Weise  angedeutet,  während  die  subjectiv-mensch- 
lichen  durchaus  plan  und  deutlich  vorliegen?  Wie  liefse  sich  dies 
erklären ,  wenn  jene  als  mehr  denn  blofs  als  die  wesentlichen  Vor- 
aussetzungen für  diese  in  Betracht  kommen  sollten? 

Dazu  kommt  nun,  dafs  die  physisch -metaphysischen  Erörterun- 
gen denn  doch  in  der  That  zunächst  nur  in  der  Gestalt  von  Lehns&tzen 
aus  früheren  Darstellungen  auftreten.    Allerdings  wird  indessen  bei 

*)  Wohlveri^tanden,  wir  folgern  hieraus  nichts  unmittelbar  für  den 
Kndzweck  des  Dialogs ,  denn  darin  sind  wir  mit  Hrn.  8t.  S.  597  gani 
einverstanden,  dafs  solche  scheinbare  eigne  Hindeutungen  Piatons  aof 
denselben  oft  das  gerade  Gegentheil  beweisen;  aber  das  folgt  aller- 
dings daraus,  dafs  es  für  ihn  in  der  That  einen  Standpunkt  geben 
muste,  von  welchem  aus  das  höchste  (metaphysische)  gute  ihm  nicht 
lächle "hthin  mit  dem  höchsten  (ethischen)  Gut  zusammenfiel.  Um  ao 
übler  thut  Hr.  St.  daran,  wiederholt  in  einer  unserer  Sprache  gani 
fremden  Bezeichnungsweise  den  letztern  Ausdruck  zu  wählen,  wo  er 
das  erstere  bezeichnen  will. 


H;  Malier  u.  K.  Steinhart :  Piatons  sämmtliche  Werke.    4r  Bd.  133 

dieser  Gelegenheit  das  früher  vieirach  nar  angedeutete  mit  voller 
Klarheit  und  Bestimmtheit  ausgesprochen,  bisher  nur  zerstreute  Er- 
gebnisse scharfer  zusammengestellt  und  auch  einige  bisher  noch  nicht 
ausdrücklich  als  solche  zum  Vorschein  gekommene  Consequenzen  ge- 
zogen; durchgreifend  neue  Gesichtspunkte  dagegen  sind  nirgends  zu 
finden.  Man  beachte  doch  einmal  die  fast  komische  Art  (ctfii — ysXoiog 
sagt  Sokrates  selbst),  wie  p.  23  C  D  gerade  der  am  meisten  dialekti- 
sche Abschnitt  eingeleitet  wird.  Freilich  weist  dabei  Sokrates  auf 
die  in  einem  frühern  Abschnitt  liegenden  Eiutheilungsprincipien  zu- 
rück, von  da  aber  werden  wir  entschieden  noch  weiter  auf  den  Par- 
menides  zurückverwiesen ,  dessen  erster  Theil  hier  (p.  14  C  IT.)  fast 
vollständig  in  4er  Kürze  recapituliert  wird.  Seltsam  ist  es,  wie  Hr. 
St.  S.  631  behaupten  kann,  die  dort  aufgeworfenen  Fragen  würden 
hier  klarer  und  allseitiger  gelöst.  Im  Gegenlheil,  Piaton  macht  auch 
nicht  den  geringsten  Versuch  zu  ihrer  Lösung,  sondern  will  offenbar 
die  Leser  nur  an  die  im  Parmenides  bereits  gegebene  erinnern.  Denn 
so  gern  wir  dem  Hrn.  Vf.  S.  633  f.  zugeben ,  dafs  die  Stellung  der 
Kategorien  des  6inen ,  vielen  und  unbegrenzten  zueinander  wenigstens 
in  dieser  bestimmten  Form  neu  ist,  so  ist  doch  durch  dieselbe  für  die 
Beantwortung  der  Frage,  wie  das  ^ine  durch  das  viele  hindurchgehn 
könne,  ohne  dadurch  vervielfacht  oder  aber  getheilt  zu  werden  (p. 
15  B),  gar  nichts  gewonnen.  Die  Sache  ist  vielmehr  gerade  umgekehrt: 
erst  wenn  man  weifs,  wie  das  ^ine  durch  das  viele  und  unendliche 
unbeschadet  seiner  Einheit  hindurchgeht,  kann  man  mit  Sicherheit 
die  Regel  aufstellen,  dafs  man  im  dialektischen  Verfahren  vom  ^inen 
erst  durch  das  bestimmte  viele  zum  unendlich  vielen  hindurchgehn 
mufs.  Jenes  ist  also  vielmehr  Voraussetzung ,  dieses  Folgerung ,  so- 
wie sich  ja  auch  die  Methode  nach  der  Sache  und  nicht  umgekehrt 
richten  soll.  Uebrigens  ist  diese  logische  Regel  in  der  That  auch  nur 
in  der  Form ,  nicht  aber  im  Inhalt  neu ;  von  ein*er  Modification  der 
frühern  Grundlagen  der  Ideenlehre  (S.  630)  kann  gar  nicht  die  Rede 
sein;  ich  verweise  vor  allem  auf  die  erste  Antithese  im  Parmenides 
und  die  dort  gegebene  Ableitung  der  Zahlen ,  sodann  aber  auf  die 
vierte  Antinomie  und  die  dort  gegebene  Schilderung  der  platonischen 
Materie.  Dafs  nun  diese  Materie,  die  übrigens  auch  schon  Polit.  p. 
273  D  so  gut  wie  im  Philebos  als  aTtei^ov  bezeichnet  wird,  die  Scheide 
der  Ideenwelt  ausmacht,  dafs  daher  der  Dialektiker  in  seinem  uns 
gleichfalls  aus  frühern  Dialogen  sattsam  bekannten  Theil ungsgeschäft 
bis  zu  ihr  herabsteigen  mufs,  also  durch  die  bestimmte  Vielheit  zur 
unbestimmten,  das  ist  eine  so  ganz  unmittelbare  und  nahe  liegende 
Consequenz,  dafs  Piaton  sie  hier  ohne  allen  weitern  Beweis  ziehen 
darf  und  wir  es  an  seiner  Stelle  gethan  haben  würden ,  wenn  uns  der 
Philebos  unglücklicherweise  verloren  gegangen  wäre.  Eine  wirkliche 
Modification  dagegen  ohne  weitern  Beweis  an  die  alten  Grundlagen, 
und  noch  dazu  mit  ausdrücklicher  Hervorhebung  der  letztern  anzu- 
knüpfen ,  wäre  das  unwifsenschaftlichste  Verfahren  von  der  Welt  ge- 
wesen.   Beiläufig  bemerkt,   sind  hiernach  auch.*die  pythagoreischen 


134  H.  Maller  a.  K.  Steinhart:  Piatons  sammlliche  Werke.    4r  Bd. 

Eioflafse  im  Philebos  gar  nicht  wesentlich  höher  anzuschlagen,  als  sie 
schon  im  Politikos  und  Parmenides  enthalten  sind. 

Aber  auch  in  dem  Abschnitt  von  p.  23  C  ab  ist  hiernach  gar 
nichts  besonders  neues  zu  entdecken ,  es  mflste  denn  die  Bezeichnung 
des  itiqag  für  die  Ideenwelt  sein,  welche  aber  durch  den  Gegensatz 
gegen  das  a7tst(^v  oder  die  Materie  sehr  natürlich  hervorgerufen  wird. 
In  dieser  Auffarsung  beider  Kategorien  stimmt  Ref.  Hrn.  St.  S.  638 — 
641  gegen  Zeller  (plat.  Studien  S.  248  ff.  Phil.  d.  Gr.  II  S.  198.  231. 
248)  bei ,  welcher  unter  dem  7ci(fag  vielmehr  die  Weltseele  versteht. 
Wenn  freilich  Hr.  St.  meint,  Piaton  fafse  das  niQag  als  blofse  Abs- 
traction ,  die  ohne  das  unbegrenzte  in  der  Wirklichkeit  nie  vorkomane, 
so  wird  damit  demselben  ein  vollständig  moderner  oder  ^renigstens  ari- 
stotelischer Standpunkt  untergeschoben,  da  ja  nach  ihm  vielmehr  die 
Ideen  das  allein  wirkliche,  das  unbegrenzte  dagegen  das  schlechthin  na- 
wirkliche  ist.  Gerade  aus  diesem  mangelhaften  Staudpunkte  erklärt 
sich  die  mechanische  Behandlungsweise  der  Erscheinnugswelt  als  einer 
^  Mischung '  aus  beiden.  Dafs  das  gemischte  befser  sei  als  das  be- 
grenzte und  unbegrenzt«  (S.  641),  steht  nirgends,  sondern  nur,  dafs 
das  aus  Einsicht  und  Lust  gemischte  Leben  befser  ist  als  Einsicht  oder 
Lust  allein.  Die  Einsicht  wird  aber  nicht  etwa  mit  dem  begrenzenden 
zusammengebracht,  sondern  mit  der  ^Ursache'  und  auch  nicht  etwa  die- 
ser zugerechnet,  sondern  nur  als  ihr  verwandt  bezeichnet.  Auch 
dafs  Piaton  die  Ausdrücke  Grenze  und  begrenztes  glcichbedeulig  ge- 
braucht, durfte  ihm  S.  640  nicht  zum  Vorwurf  angerechnet  werden, 
denn  sie  sind  es  vom  platonischen  Standpunkt  aus  in  der  That,  die 
Ideenwelt  ist  die  Grenze  gegen  die  Materie  und  zugleich  das  in  sich 
begrenzte,  der  Ausdruck  nsQccxoeiöis  aber  fafst  nur  diese  beiden  Seiten 
in  6ins  zusammen.  Endlich  sind  nun  aber  die  Ideen  auch  das  begren- 
zende, nemlich  der  Erscheinungswelt,  oder  mit  andern  Worten  die  Ur- 
sache der  Begrenzurfl;  selbst.  Das  real  verbundene  wird  hier  mit  einem 
logischen  Mechanismus  voneinander  geschieden.  Allerdings  gilt  dies 
aber  vorzugsweise  für  die  höchste  Idee,  indem  diese  wieder  Ursache 
aller  andern  ist,  und  zwar  immanente  Ursache  oder  InbegriiT.  Man 
kann  daher  sagen,  aixla  sei  die  Ideenwelt  nach  der  Seite  ihrer  Ein- 
heit, d.  h.,  wie  auch  Hr.  St.  S.  643  f.  annimmt,  die  Idee  des  guten, 
%iQag  nach  Seiten  ihrer  Vielheit,  aber  wohlverstanden  ihrer  durch  die 
altla  bestimmten  Vielheit,  so  dafs  doch  auch  hier  die  Idee  des  guten 
wieder  nicht  ausgeschlofsen  ist:  das  gute  bildet  sich  selbst  und  mit 
sich  auch  alle  andern  Ideen  in  die  Materie  ein.  Blan  sieht  wohl,  selbst 
durch  die  cehicc  wird  nichts  eigentlich  neues  gelehrt,  aber  allerdings 
werden  die  bisherigen  Resultate  auch  hier  scharfer  hervorgehoben 
und  bestimmter  zusammengefafst.  Das  einzige  wirklich  neue  ist  nor, 
dafs  wir  aus  dem  ganzen  Zusammenhang  des  Dialogs  zuerst  bestimmt 
erfahren,  dafs  diese  höchste  Idee  gerade  die  des  guten  ist,  und  so- 
dann die  p.  28  E  hinzugefügte  Identität  derselben  mit  dem  vovgj  die 
in  der  obigen  Stelle  des  Phaedon  nnr  erst  vorbereitet  wurde.  Allein 
Hr.  St.  erinnert  S.  644  mit  Recht,  dafs  die  hier  beginnende  Entwick- 


EL  Malier  o.  K.  Steinliarl:  Plalons  sammlUehe  Werke.  4r  Bd.  135 

Ibd^  einen  mebr  religiösen  als  dialektischen  Charakter  an  sich  trägt, 
und  ebenso  (S.  615),  dafs  nicht  Anaxagoras  ausdrücklich  als  Urheber 
der  Lehre  vom  vovg  bezeichnet,  sondern  dieselbe  in  das  graue  Aiter- 
thum  zurückverlegt  wird.  Was  wir  nach  unsern  Praemissen  über  den 
Charakter  des .  platonischen  Mythos  hieraus  folgern  müfsen,  konnte 
freilich  der  Hr.  Vf.  nach  den  seinigen  nicht  erschliefsen.  Die  Dar- 
stellung beginnt  hier  einen  leichten  mythischen  Anstrich  anzunehmen, 
weil  Gott  oder  die  höchste  Idee  hier  nicht  mehr  an  sich ,  sondern  in 
seiner  weltbildenden  Thitigkeit  in  Betracht  kommt,  als  Demiurg,  um 
mit  dem  Timaeos  zu  reden  (x6  dri^tov(^wv  Fhileb.  p.  27  B).  Daraus 
erklärt  sich  denn  im  folgenden  das  unerwartete  und  plötzliche  lieber- 
springen  auf  di^  Weltseele,  welches  von  Hrn.  St.  keineswegs  gehö- 
rig gewürdigt  wird.  Der  göttliche  höchste  vovg  findet  mit  ^inemmal 
seine  höchste  Erscheinung  in  dem  innerweltlichen  vovg^  *in  der  her- 
sehenden Vernunft  und  Seele  des  Zeus',  die  demselben  *durch  die  Kraft 
der  Ursache'  inwohnt,  p.  30 D.  Denn  dafs  hier  nicht  mehr  die  alrla 
selbst  oder  der  absolute  vovg  zu  verstehen  sei,  lehrt  aufser  dem  gan- 
zen Zusammenhange  mit  der  unmittelbar  voran fgehenden  Entwicklung 
schon  eben  dieser  Zusatz  6ta  ti^v  xijg  ahUtg  dvvaiuv,  welcher  doch 
wohl  schon  sprachlich  das  nicht  heifsen  kann ,  was  Hr.  St.  S.  646  in 
demselben  findet,  *Zeus  stelle  die  schaffende  Kraft  dar.'  Durch  dv- 
vttiiig  wird  hier  vielmehr  das  bezeichnet,  was  sonst  xoivmvla  oder 
naQOvala  der  Idee  in  der  gleichnamigen  Erscheinung  heifst,  und  diese 
abweichende  Bezeichnung  ist  sehr  natürlich ,  weil  die  nagovaUc  hier 
eben  als  eine  durch  die  Idee  als  wirkende  Ursache  hervorgebrachte 
sich  darstellen  soll.  Eben  dies  erhellt  ferner  auch  ans  den  folgenden 
Worten,  denn  wenn  hier  noch  der  vovg  oder  die  höchste  Idee  selbst 
gemeint  wäre ,  so  würde  es  eine  leere  Tautologie  sein  zu  sagen,  durch 
dies  Ergebnis  werde  der  Satz ,  mg  isl  xov  nutvxog  vovg  &^fi  unter- 
stützt. Freilich  wenn  man  dann  mit  Hrn.  Müller  das  folgende  yivov^ 
atf^g  durch  *  Erzeugerin'  übersetzen  und  so  den  vovg  noch  wieder 
zur  Ursache  der  alxCa  machen,  d.  h.  die  ahla  gar  nicht  wirkliche 
ahldc  sein  lafsen  wollte,  würde  aller  Sinn  und  Zusammenhang  ver- 
loren gehn.  Will  man  das  monströse  Wort  yevovcvrig  überhaupt  bei- 
behalten, so  mufs  man  es  wenigstens  durch  ^Slandesgenofse'  mit  Hrn. 
Stallbaum  wiedergeben ;  Bef.  möchte  indessen  lieber  mit  Bekker  und 
K.  Fr.  Hermann  yivovg  schreiben.  Endlich  ist  die  Benennung  Zeus 
selbst  dem  Kreise  der  Volksreligion  entnommen  und  belehrt  uns  gleich- 
falls, dafs  wir  es  nicht  mit  dem  absoluten,  sondern  nur  mit  dem  höch- 
sten weltlichen  oder  *  gewordenen'  Gotte  zu  thun  haben,  zeigt  aber 
zugleich  noch  deutlicher  auf  den  halbmyihischen  Boden  hin ,  auf  wel- 
chem wir  nns  befinden.  Mit  ^inem  Wort,  die  Identität  dos  vovg  mit 
der  Idee  des  guten  wird  nur  vorausgesetzt  und  nicht  bewiesen. 

Hierin  liegt  nun,  beiläufig  bemerkt,  die  wirkliche  Bechlferti- 
gnng  des  Piaton  gegen  einen  vulgären  Pantheismus,  wogegen  die  von 
Hrn.  St.  S.  646  versuchte  ihre  grofsen  Schwächen  hat.  Sie  beruht  im 
wesentlichen  nur  darauf,  aus  solchen  vereinzelten  Anklängen  dürfe 


136  H.  Maller  u.  K.  Steinhart:  Platons  summtliche  Werke.   4r  Bd. 

man  nichts  schliefsen.  Gabe  man  das  auch  zu,  so  würde  doch  imnaer 
noch  die  neue  Frfige  entstehn,  was  man  denn  mit  solchen  vereinsei* 
ten  Anklängen  anzufangen  halte  und  wie  es  dann  rücksichtlich  ihrer 
mit  der  philosophischen  Consequenz  Platons  stände.  Hr.  St.  thut  aber 
auch  darin  sehr  unrecht,  diesen  vulgären  Pantheismus,  welcher  die 
Welt  zu  Gott  macht,  nicht  von  jenem  echt  philosophischen  zu  schei- 
den ,  welcher  umgekehrt  die  Welt  in  Gott  verschwinden  läfst.  Deno 
der  letztere  ist  sehr  weit  davon  entfernt,  die  Herschaft  Gottes  und 
der  göttlichen  Vernunft  über  die  Welt  leugnen  zu  wollen,  wie  Hr.  St. 
meint ;  er  entspringt  vielmehr  aus  dem  gerade  entgegengesetzten  Feh- 
ler, die  Selbständigkeit  der  Welt  dieser  Herschaft  gegenüber  nichl 
zu  wahren,  wie  dies  namentlich  Spinozas  Beispiel  zeigt.  Und  ob  nicht 
gerade  Piatou  der  naive  Begründer  dieses  letztern  Pantheismus  war? 

Zu  den  weitern  Spuren ,  dafs  das  eigentlich  dialektische  im  Phi* 
lebos  immer  zunächst  nur  in  der  Form  von  Lehnsätzen  auftritt,  gehört 
nun  ferner  namentlich  p.  20  B  C,  wo  es  heifst,  ein  Gott  habe  dem  So- 
krates  sei  es  im  Wachen  oder  im  Traum  die  Erkenntnis  eingegeben, 
dafs  über  Einsicht  und  Lust  noch  ein  höheres  drittes  stehe,  denn  dies 
dritte  ergibt  sich  als  das  gemischte  Leben,  dessen  oberster  Bestand- 
theil  die  Idee  des  guten  selbst  ist,  so  weit  diese  Mischung  an  ihr 
Theil  hat.  Also  mit  andern  Worten,  aus  frühern  Entwicklungen  wird 
die  Anwendung  auf  den  vorliegenden  Fall  entlehnt,  dafs  immer  nicht 
die  Erscheinung,  sondern  die  Idee  das  höchste  sei.  Solche  unmittel- 
bare göttliche  Eingebung  steht  aber  bei  Piaton  immer  der  streng  dia- 
lektischen Untersuchung  gegenüber. 

Aus  diesem  allen  dürfen  wir  nun  wohl  den  Schlufs  ziehn,  dafs 
die  Idee  des  guten  als  solche  hier  nicht  in  Betracht  kommt.  Oder 
sollten  wirklich  die  eingewobenen  physisch -metaphysischen  Erörte- 
rungen für  die  Lehre  vom  höchsten  ethischen  Gut  unwesentlich  sein? 
Wenn  Piaton  sich  in  dieser  Beziehung  blofs  für  die  Einsicht  oder  die 
Lust  entscheiden  wollte ,  dann  würde  Hr.  St.  S.  595  jedesfalls  mit  die- 
ser Behauptung  Recht  haben.  Aber  das  wollte  und  konnte  er  nun  eben 
nicht,  jene  Frage  betrachten  vielmehr  auch  wir  nur  als  seinen  Aus- 
gangspunkt. Wollte  er  dagegen  den  höchsten  Grundsatz  seiner  Ethik 
entwickeln,  so  vermag  Ref.  nicht  abzusehn,  wie  er  dies  vom  Stand- 
punkte seiner  Ideenlehre  aus  anders  anfangen  sollte,  als  er  es  hier 
wirklich  gelhan  hat.  Gerade  die  Identität  seiner  Ethik  in  ihrer  idea- 
len Wurzel  mit  seiner  Dialektik,  des  höchsten  Gutes  in  seiner  eigent- 
lichen Substanz  mit  dem  höchsten  guten  erklärt  ja  die  metaphysisch- 
ethische  Bchandlungsweise  hinlänglich,  bei  welcher  denn  auch  die 
Idee  des  guten  selbst  nicht  blufs  vorläufig  bestimmt  werden  kann, 
sondern  sogar  mufs.  Endlich  beruft  sich  Hr.  St.  auch  aufp.  64C 
(nicht  p.  G5,  wie  er  angibt),  wo  die  Rede  davon  sein  soll,  dafs  die 
Idee  des  Mafses  in  dem  ganzen ,  also  nicht  blofs  in  der  menschlichen 
Seele ,  der  Einsicht  verwandter  sei  als  der  Lust.  In  seinem  sogleich 
näher  zu  erwähnenden  Programm  S.  7  Anm.  25  fühlt  er  den  nahe  lie- 
genden Einwand,  dafs  unter  dem  näv  hier  nicht  das  Weltall,  sondera 


H.  Maller  u.  K.  Steiaharl:  PUtons  sinunUiche  Werke.  4r  Bd.   137 

das  ganze  der  menschlichen  Lebensgflter  zn  verstehn  sei ,  and  sacht 
ihn  dadurch  za  beseitigen ,  dafs  auch  die  folgenden  Worte  p.  64  D  ort 
fiixQOv  xaUtijg  ^(ifiivQov  gwascag  |it^  xvxovaa  ^tivovv  xal  onma- 
ovv  avyKQuaig  kxL  ebenso  allgemein  sprächen.  Allein  wenn  diese 
Worte  überhaupt  etwas  beweisen,  so  beweisen  sie  eher  gegen  als  für 
ihn,  denn  der  Sinn  derselben  ist  ja  ganz  einfach:  ^  keine  Mischung, 
welche  und  wie  sie  immer  sein  möge,  kann  ohne  Mafs  bestehn,  folg- 
lich auch  diese  nicht.'  Dazu  kommt  nun  aber,  dafs  das  obige  näv 
doch  unmöglich  den  zunächst  voraufgehenden  Worten  widersprechen 
kann ,  in  denen  ausdrücklich  nur  von  der  wünschenswertben  did^eaig 
die  Rede  ist,  welches  Wort  doch  auch  Hr.  St.  gewis  nicht  anders  als 
durch  ^Gemüthsverfafsung'  übersetzen  wird.  Wir  glauben,  dafs  eine 
Auffafsung  des  Grundgedankens  wie  die  Trendelenburgs  vollkommen 
allen  Bedürfnissen  des  Dialogs  entspricht.  Kurz  ausgedrückt,  es  wird 
das  höchste  Gut  mit  anknüpfender  Entwicklung  der  Idee  des  guten 
behandelt,  nicht  aber,  wie  Hr.  St.  S.  598  will,  die  Idee  des  guten  als 
höchster  Zweck  alles  Daseins  und  als  Princip  des  Mafses  wie  in  der 
ganzen  Natur  so  auch  in  der  menschlichen  Seele.  Ueberdies  würde 
mit  der  letztern  Annahme  doch  die  auch  von  Hrn.  St.  S.  595  verwor- 
fene Ansicht  Schleiermachers  im  wesentlichen  wieder  aufgenommen 
werden,  denn  weiter  besagt  dieselbe  auch  im  Grunde  nichts,  s.  seine 
Uebers.  II,  3  S.  132. 

Sehr  gut  ist  die  Bemerkung  über  den  abgebrochenen  Anfang  (S. 
609  f.),  dafs  Piaton  durch  die  Anknüpfung  der  Unterredung  an  einen 
vorangegangenen  Streit  über  die  Frage ,  ob  Erkenntnis  oder  Lust  ein 
gröfseres  Gut  sei,  recht  geflifsentlich  zu  erkennen  gebe,  dafs  er  über 
diese  Fafsung  derselben  längst  hinaus  sei  und  sie  nur  als  Anknüpfungs- 
punkt weiter  gehender  Forschungen  ansehe. 

In  der  Gliederung  des  Dialogs  (S.  610 — 620)  weicht  Hr.  St.  nicht 
unerheblich  von  Trendelenburg  ab.  Der  letztere  setzt  nemlich  den 
ersten  Abschnitt  bis  p.  20  B ,  den  zweiten  bis  p.  22  E ,  unser  Vf.  da- 
gegen macht  schon  p.  14  C  die  Scheide.  Am  besten  ist  es  wohl ,  beide 
Theilungen  zu  vereinigen  und  so  drei  Abschnitte  zu  gewinnen ;  jedes- 
falls  beginnt  p.  20 B  eine  so  wesentlich  neue,  wenn  auch  schon  im 
Eingang  vorbereitete  Phase  der  Untersuchung,  dafs  sie  nicht  mit  Hrn. 
St.  zum  vorhergehenden  gezogen  werden  kann.  Man  beachte  auch, 
wie  vortrefflich  dergestalt  immer  ein  psychologischer  und  ein  dialekti- 
scher Abschnitt  miteinander  wechseln,  was  übrigens  Hr.  St.  selbst  in 
seinem  Programm  S.  21  hervorhebt.  Ueber  die  beiden  folgenden 
Theile  (p.  23  C — 31  A  und  von  da  bis  p.  59  B)  kann  kein  Streit  sein. 
Auch  ist  es  wohl  kaum  erheblich ,  ob  man  dann  das  folgende  mit  Tren- 
delenburg in  zwei  Abschnitte  (p.  59  A — 64  E  und  65  A — 69  A)  glie- 
dern oder  mit  Hrn.  St.  nur  als  Theile  desselben  Abschnitts  ansehen 
will.  Oder  noch  genauer,  Hr.  St.  theilt  denselben  vielmehr  in  drei 
Absitze,  indem  er  die  kurze  Entwicklung  des  guten  an  sieh  p.  64  C — 
65  A  noch  ala  einen  besondern  ausscheidet,  wogegen  auch  wir  nichts 
einzuwenden  haben. 

^.  Jokrb.    .  Pkii.  u.  Paed.  Bd.  LXX.  Bfl.  2.  10 


138   11.  Mttlier  u.  K.  Slciahart:  Piatons  sämmlliche  Werke.  4r  Bd. 

Gehen  wir  nun  näher  auf  das  einzelne  ein,  so  ist  die  VermathQDg 
des  Hrn.  Vf.  S.  631  f.  sehr  ansprechend,  dafs  unter  den  jugendlichen 
Denkern,  wclche^as  6inc  immer  sogleich  in  das  viele  und  umgekehrt 
auflösen  (p.  15  E  ff.)  und  die  Mittelglieder  überspringen,  Platons 
eigene,  vor  schv>' ärmer i scher  Begeisterung  noch  nicht  zu  dialektischer 
Nüchternheit  gelangte  Anhänger  zu  vcrstehn  seien.  Piaton  hatte  die  Aus- 
artung der  Sokralik  in  Eiistik  gesehen,  leicht  konnte  er  auf  dem  Bo- 
den seiner  eigenen  Schule  in  anderer  Gestalt  et^vas  ähnliches  fürchten. 
Auch  darüber  bekenne  ich  gern  vom  Hrn.  Vf.  S.  631 — 634  eines  befsem 
belehrt  zu  sein,  dafs  das  aiteiQOv  auch  p.  14 — 20  nicht,  wie  ich  frü- 
her (NJahrb.  Bd.  LXVlll  S.  285)  behauptet  habe,  als  Idee  auftriU, 
sondern  vielmehr  auch  hier  schon  die  Materie  als  das  Princip  der  In- 
dividuation  bezeichnet  (womit  natürlich  nicht  Stallbaums  BehauptQDg 
Prot.  p.  28.  36  f.  zu  verwechseln  ist,  durch  otceiqu  würden  *die  In- 
dividuen' bezeichnet).  Dort  erscheint  es  also  als  logisches,  von  p. 
23  C  ab  als  reales  Princip. 

Dagegen  glauben  wir  nicht ,  dafs  es  dem  Piaton  mit  der  Hindeu- 
tung  auf  eine  besondere  Ursache  der  Trennung  neben  der  der  Ver- 
einigung (p.  23 D)  Ernst  sei,  wie  S.  644  angedeutet  wird.  Piaton  er- 
kannte in  seiner  Dialektik  wenigstens  Trennung  und  Verbindung  als 
Seiten  desselben  Processcs  an,  Polit.  p.  285;  warum  soll  er  in  Bezug 
auf  das  reale  Sein  anders  gedacht  haben?  Vielmehr  wird  von  ihm 
gerade  nichts  anderes  als  dies  durch  jenen  Hinweis  hervorzuheben 
bezweckt  gewesen  sein. 

Mit  Recht  macht  der  Hr.  Vf.  S.  648  auf  die  Schwierigkeit  auf- 
merksam ,  dafs  anfangs  der  Schmerz  als  unzertrennlich  von  der  Lust 
dargestellt,  später  aber  die  reine  Lust  als  die  schmerzlose  beschrie- 
ben wird.  Ganz  richtig  ist  es,  dafs  auch  die  Art,  wie  im  Symposion 
und  Phaedros  die  reine  Liebe  geschildert  wird,  der  letztern  Annahme 
widerspreche.  Doch  löst  Hr.  St.  diese  Schwierigkeit  nicht,  und  sie 
ist  auch  schwer  zu  lösen.  Trotzdem  glaube  ich  kaum,  dafs  Piaton 
selbst  dieser  Widerspruch  entgangen  sei.  Zugeben  mufs  man  wenig- 
stens, dafs  diese  Darstellung  nothwendig  für  ihn  war,  wenn  aus  der 
Darlegung  des  höchsten  Gutes  jedes  beigemischte  Uebel  verschwinden 
sollte ,  und  eine  gewisse  sachliche  Berechtigung  zu  derselben  fehlte 
ihm  nicht.  Fafst  man  die  Erkenntnis  als  eine  schon  gewonnene  auf, 
indem  man  ganz  von  der  Art  ihrer  Gewinnung  abstrahiert,  so  darf 
man  ein  ähnliches  auch  bei  der  Lust  thun,  welche  auch  diese  schon 
gewonnene  Erkenntnis  noch  immer  begleitet,  unähnlich  allen  andern 
Lüsten,  die  mit  der  Vollendung  der  Thätigkeit  aufhören.  Erklären 
konnte  freilich  Piaton  diese  Ausnahmestellung  nicht  und  hat  es  daher 
auch  nicht  versucht ,  brauchte  es  auch  nach  seinen  Principien  nicht, 
welche  eine  vollständige  Auflösung  der  Momente  des  Werdens  in 
ein  reines  Sein  für  die  menschliche  Erkenntnis  ausschlofsen.  Die 
Behauptung  (S.  654),  dafs  Piaton  die  himmlische  Liebe  zu  den  schmers- 
losen Gefühlen  gerechnet  haben  würde,  scheint  aber  eben  hiernach 
dem  Ref.  nicht  mit  der  vorher  erwähnten  im  Einklang  zu  stehen;  über- 


H.  Maller  o.  K.  Steinharl:  Piatons  sfimmiliehe  Werke,  ir  Bd.   139 

dief  ist  die  Liebe  keine  Lost,  sondern  vielnekr  eine  Begierde,  Symp. 
p.  200  ff. 

Aus  der  Anerkennung,  welche  Piaton  p.  44C  den  Kynikern  zu 
Theil  werden  lärsl,  wird  S.  652  geschlorsen ,  dafs  die  Ueberlieferung 
von  seiner  Feindschaft  mit  dem  Antisthenes  ein  albernes  Märchen  sei. 
Dieser  Schlufs  ist  doch  wohl  etwas  zu  kühn ,  da  andere  Stellen  der 
vorliegenden  die  Wage  halten ,  so  wie  denn  namentlich  Soph.  p.  251 
B  C  wahrlich  keine  Artigkeiten  ausspricht.  Warum  sollte  nicht  Pia- 
ton, wo  es  der  Gegenstand  mit  sich  brachte,  selbst  bei  einem  so 
schroff  ausgedrückten  wirsenschaftlichen  Gegensatz,  der,  so  wie  die 
Menschen  nun  einmal  sind,  nicht  ohne  alle  persönliche  Gereiztheit 
vorüberzugehn  pflegt,  doch  trotz  derselben  anerkannt  haben,  was  er 
durfte  und  muste?  Auch  spricht  die  Ueberlieferung  im  Grunde  nur 
seitens  des  Antisthenes  von  einer  gewissen  nicht  besonders  anstän- 
digen Persönlichkeit  seiner  Angriffe,  und  ich  wüste  nicht,  warum  wir 
dieselbe  diesem  Manne,  so  weit  wir  seinen  Charakter  kennen,  nicht 
zutrauen  sollten. 

In  der  Gliederung  der  Wifsenschaften  (p.  55  C— 59  D)  fällt  Hrn. 
St.  S.  656  f.  die  Geringschätzung  der  Physik  auf,  und  er  meint,  Pia- 
ton habe  dabei  nur  die  gewöhnliche ,  nicht  aber  seine  eigne  teleolo- 
gische im  Auge  gehabt ,  fügt  indessen  hinzu ,  dafs  er  auch  seine  eigne 
Naturphilosophie  nur  mythisch  darstelle.  Dieser  letztere  Punkt  ist 
aber  gerade  die  Hauptsache,  so  sehr,  dafs  es  sich  fragt,  ob  nicht  Pia- 
ton für  die  erstere  Annahme  sich  zu  allgemein  ausdrückt,  denn  die 
analoge  Behandlung  der  Rhetorik  ist  doch  wohl  nicht  ganz  analog, 
sofern  die  echte  Rhetorik  in  der  That  nach  Piaton  keine  besondere 
Wifsenschaft  ist,  sondern  ebenso  zur  Philosophie  gehört  wie  das  Wort 
zum  Gedanken.  Schlimmer  ist  es,  dafs  Physik  und  Ethik  gar  nicht  in 
das  hier  gegebene  System  der  Wifsenschaften  hineinpassen,  aber 
auch  dies  erklärt  sich  daraus ,  dafs  ihr  wahrhaft  philosophischer  Seins- 
gehalt im  Grunde  mit  der  Dialektik  zusammenfällt.  Dafs  aber  das 
Gebiet  der  Dialektik  bei  Piaton  allmählich  immer  mehr  an  Umfang 
wadise  (S.  656),  vermag  Ref.  nicht  einzusebn;  wo  immer  ihr  Name 
auftritt,  da  umfafst  er  von  vorn  herein  fiberall  Logik  und  Metaphysik. 

Werfeu  wir  nun  einen  Blick  auf  jene  schwierige  Stelle  p.  65,  wo 
die  Idee  des  guten  als  Verein  von  Schönheit,  Ebenmafs  und  Wahr- 
heit beschrieben  wird,  so  hat  Piaton  leider  das  genauere  Verhältnis 
dieser  drei  Bestimmungen  zueinander  so  wenig  auch  nur  angedeutet, 
dafs  eine  sichere  Deutung  derselben  im  höchsten  Grade  mislich  bleibt. 
Nur  so  viel  ist  klar,  dafs,  wenn  die  Idee  des  guten  vorhin  offenbar 
als  die  Ursache  aller  richtigen  Mischung  erschien,  wir  auch  hier  hie- 
von  ausgehen  müfsen,  um  überhaupt  einen  festen  Boden  zu  haben. 
Dazu  bietet  dann  ferner  das  p.  64  B  gesagte  einen  Anhalt,  dafs  nur 
die  Wahrheit  die  Mischung  ins  Leben  ruft  und  erhält;  in  ihr  mufs  da- 
her von  jenen  drei  Bestimmungen  vorzugsweise  die  ursächliche  Kraft 
repraesentiert  sein.  Die  ^v(i(ietQltt  aber  entspricht,  darüber  kann  wohl 
kein  Zweifel  sein,  dem  ni^ag.    In  beiden  Deutungen  stimme  ich  mit 

10* 


140   H.  Bialler  u.  K.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.   4r  Bd. 

Trendelenbarg  (de  Piatonis  Pbilebi  consilio  p.  14  f.)  ttberein  und  kann 
Hrn.  Sl.  S.  659  nicht  beipflichten,  dafs  das  wahre  vielmehr  das  ans 
dem  cbenmärsigen  und  dem  schönen  gemischte  sei.  Die  eigentliche 
Schwierigkeit  liegt  im  ßcgrilT  der  Schönheit.  Trendelonburg  deutet 
sie,  wenn  ich  ihn  recht  versiehe,  auf  die  Gestalt,  welche  nun  die  Mi- 
schung selbst  durch  das  Einwohnen  der  Wahrheit  und  des  Ebenmafses 
annimmt,  also  die  Erscheinung,  sofern  sie  sich  ihrem  wahren  Wesen 
nach  ganz  in  die  Idee  auflöst,  und  ahnlich  findet  auch  Ilr.  St.  eine 
Andeutung  des  unbegrenzten  und  manigfalligen  in  ihr,  will  sie  jedoch 
nur  auf  die  vereinigte  Fülle  der  Ideen  bezichen.  Ich  für  mein  Theil 
mufs  auch  hier  nach  meiner  Grundauffafsung  des  Dialogs  auf  die  Seite 
des  erstem  treten.  Es  wird  uns  an  dieser  Stelle  ein  flüchtiger  Ein- 
blick von  der  blofsen  Mischung  aus  in  die  Idee  des  guten ,  wie  sie  an 
sich  ist,  gestattet,  was  auch  Hr.  St.  anerkennt.  Die  drei  Bestimmun- 
gen, so  wie  sie  nacheinander  gestellt  sind,  Schönheit,  Ebenmafs, 
Wahrheit,  bieten  also  eine  aufsteigende  Stufenleiter  von  jener  in 
dieser  dar.  Das  schöne  ist  mithin  noch  die  Mischung  selbst,  aber  so, 
dafs  sie  schon  das  Ebenmafs  als  ihre  eigentliche  Wesenheit  offenbart 
und  so  vermittelst  desselben  der  reinen,  ungemischten  Wahrheit  zu- 
strebt. 

Es  versteht  sich  nun,  dafs  wir  hiernach  auch  in  der  Erklürnng 
der  folgenden  Gütertafel  nicht  Hrn.  Sl.  S.  659  f.,  sondern  Ritter  Gesch. 
der  Phil.  II  S.  464  folgen ,  wie  dies  auch  schon  Zeller  Phil.  d.  Gr. 
11  S.  281  f.  gelhan  hat.  Hr.  St.  ist  bemüht  in  den  drei  ersten  Stufen 
derselben  die  drei  eben  erwähnten  Bestimmungen  Ebenmafs,  Schön- 
heit und  Wahrheit  wiederzufinden.  Dabei  geht  es  ohne  Zwang  nicht 
ab ,  weil  die  Worte  dazu  nicht  passen  wollen.  Da  mufs  sich  der  vovg 
gefallen  lafsen  für  die  Wahrheit  gesetzt  zu  sein,  wie  schon  Schleier- 
macher annahm.  Allein  die  Wahrheit  bildet  vorbin,  wie  wir  gezeigt 
KU  haben  glauben,  die  oberste,  der  vovg  dagegen  hier  erst  die  dritte 
Stufe.  Dazu  kommt,  dafs  alle  und  jede  atöiog  qfvCtg  p.  66  A,  d.  h. 
die  Idee,  schon  für  die  erste  Stufe  vorweggenommen  ist,  also  an- 
möglich trotzdem  in  der  zweiten  und  dritten  noch  wiederkehren  kann. 
Endlich  ist  es  eine  haare  Unmöglichkeit,  man  mag  sagen  was  man  will, 
dafs,  wenn  das  ^v^fierQOv  die  erste  Reihe  bilden  sollte,  es  trotzdoa 
ausdrücklich  in  der  zweiten  genannt  wird;  und  noch  dazu  bildet  yt' 
veäg  im  zweiten  Gliede,  wie  schon  Trendelcnburg  erinnert,  olTen* 
sichtlich  einen  Gegensatz  gegen  die  atSiog  g/vCig  im  ersten.  Nach  der 
von  uns  im  obigen  angenommenen  vermittelnden  Stellung  von  ^vfificr^oy 
und  xaXov  kann  es  uns  dagegen  gar  nicht  befremden,  hier  die  auf  die 
Idee  bezogene  Erscheinung  durch  sie  versinnlicht  zu  sehn.  Sollte  man 
endlich  im  erste  Gliede  eher  die  Ursache  des  Nafses  als  das  Mab 
selbst  erwarten ,  so  mag  man  eben  dies  zum  sichersten  Zeichen  neh- 
men, dafs  an  dieser  Stelle  nicht,  wie  viele  wollen,  die  Idee  in  ihrer 
Reinheit,  sondern  wiederum  nur  die  anf  die  Erscheinung  bezogene 
Idee  zu  verstehen  ist.  Mit  der  erstem  sind  wir  vielmehr  nach  jenen 
flüchtigen  Einblick ,  der  uns  vom  schönen  durchs  Ebenmafs  zur  reinen 


K.  Steinhart :  prolegomena  ad  Platoois  Philebum.  141 

Wahrheit  emporhebt,  bereits  fertig,  der  sicherste  Beleg  für  die  Rich- 
tigkeit des  von  uns  aufgestellten  Grundgedankens.  —  Unter  den 
Schriften  aber  diesen  Dialog  haben  wir  die  tüchtige  Arbeit  von  Wehr- 
mann: Piatonis  de  summo  bono  doctrina  (Berlin  1843.  8)  vermifst. 

Nit  wenigen  Worten  gedenken  wir  zum  Schlufs  noch  des  bereits 
vorhin  erwähnten  Programms  von  unserm  Vf.,  da  dasselbe  im  wesent- 
lichen natarlich  keinen  andern  Inhalt  hat  als  die  vorliegende  Einleitung: 

Prolegomena  ad  Piatonis  Philebum  ad  celebrandam  memoriam  an- 
niversariam  scholae  Portensis  ante  hos  CCCX  annos  instauratae 
scripsit  D.  Carolus  Steinhart ,  Professor  Portensis.  Nuraburgi 
tjrpis  H.  Siellngi.     1853.     58  S.  4. 

Wir  heben  an  diesem  Programm  nur  die  in  demselben  enthaltene 
Besprechung  einzelner  Stellen  heraus.  Zunächst  p.  15  A  scheint  uns 
der  Hr.  Vf.  S.  32  Anm.  131  richtig  gegen  Hermann  zu  bemerken,  dafs 
die  Worte  anovöi}  luza  diatqiaecog  nicht  gestrichen  werden  dürfen, 
denn  im  folgenden  werden  die  Schwierigkeiten  aufgezählt,  welche 
der  £intheilung  im  platonischen  Sinne  entgegenstehen,  und  es  ist  da- 
her nothwendig ,  dafs  sie  auch  als  solche  geltend  gemacht  werden, 
mithin  der  Eintheilung  schon  bei  dieser  Gelegenheit  Erwähnung  ge- 
schieht. Hr.  St.  will  entweder  mit  Schütz  schreiben  ij  afiq)iaßfjxriaig 
xorl  anovdrj  fura  diaigiaetog  ylyvsrai  oder  aber  erklären :  ^  der  Eifer, 
welchen  man  auf  die  Eintheilung  verwendet,  der  Eifer  die  richtige 
Eintheilung  aufzufinden,  wird  zum  Gegenstande  des  Streites,  gibt 
zum  Streite  Anlafs,  gibt  dem  Streite  und  Zweifel  Raum.'  Diese  Zwei- 
fel und  Schwierigkeiten  dreifacher  Art  enthält  nun  das  folgende,  wie 
schon  bemerkt,  in  kurzer  Rccapitulation  des  ersten  Tlieilcs  vom  Par- 
uienides.  Hier  sind  die  Worte  slta  Ttcog  av  ravxag  —  pari/  zavxriv 
dunkel.  Zu  der  Erklärung  Stallbaums  passt,  wie  Hr.  St.  richtig  be- 
merkt (Anm.  134),  das  ofiag  nicht.  Er  selbst  erklärt:  ^wie  eine  jede 
Idee,  obgleich  des  Werdens  unlheilhaftig,  dennoch  eine  bestimmte, 
so  zu  sagen  individuelle  Einheit  bildet.'  Dies  ist  richtig,  aber  das 
eigentliche  Gewicht  dieser  Aporie  scheint  damit  noch  nicht  erfafst  zu 
sein ,  dafs  man  sonst  gewöhnlich  nur  den  werdenden  Dingen  der  Er- 
scheinung Individualität  zuzuschreiben  pflege.  Freilich  Piatons  Worte 
führen  zunächst  nur  hierauf,  aber  Ref.  vermag  wenigstens  nicht  ab- 
zusehn,  was  denn  hierin  für  eine  grofse  Schwierigkeit  liegen  sollte, 
es  müste  denn  etwa  die  sein,  wie  sich  das  Fürsichscin  jeder  Idee  von 
dem  relativen  Fürsichsein  des  Individuums  unterscheide.  Allein  Pia- 
ton wirft  sonst  diese  Frage  nirgends  auf,  aller  Analogie  nach  müsten 
wir  doch  aber  auch  sie  im  Parmenides  suchen,  Hr.  St.  findet  sie 
(Anm,  135)  auch  dort  p.  135  A  berührt;  jedoch  für  mein  Auge  wenig- 
stens liegt  dies  zu  tief.  Dagegen  müste  man  sich  wundern,  eine  an- 
dere dort  erwähnte  Schwierigkeit,  die  in  dem  gegenseitigen  Verhält- 
nis der  Ideen  selbst,  dem  ihrer  eignen  Einheit  und  Vielheit  zueinander,, 
liegt,  hier  gar  nicht  berücksichtigt  zu  finden,  da  sie  doch  für  das 
folgende  so  wichtig  ist,  nemlich  die  Schwierigkeit,  wie  das  Fürsich- 


142  K.  Steinhart:  prolegomena  ad  Platouis  Philebum. 

sein  jeder  einzelnen  Idee  mit  ihrer  Immanenz  in  der  6inen ,  höchsten 
and  wiederum  das  Fürsicbsein  dieser  letztern  selbst  mit  der  Theil- 
nähme  aller  andern  an  ihr  bestehen  kann ,  da  doch  das  Entstehen  und 
Vergehen  der  Einheit  und  Vielheit,  der  zeitliche  Wechsel  beider  Zu- 
stande ausgeschlofsen  ist,  durch  welchen  allein  der  Gegensatz  ver- 
mittelt werden  zu  können  scheint.  Man  weifs,  wie  im  Parmenides  diese 
Aporie  durch  den  Gedanken  des  Uebergangs  im  aurserzeitlichen  Au- 
genblicke gelöst  wird.  Sollte  nun  nicht  eben  diese  Aporie  hier  ange- 
deutet werden?  Sollte  nicht  die  dunkle  Kürze  der  Worte  eben  durch 
die  deutliche  Rückbeziohung  auf  den  Parmenides  sich  entschuldigen 
lafsen?   Es  soll  mich  freuen,  wenn  jemand  einen  befsern  Rath  weifs. 

S.  35  Anm.  150  wird  in  p.  17  A  die  handschriftliche  Lesart  xal 
nokXa  gegen  das  von  Hermann  aufgenommene  tcc  noXka  (^meisten- 
theils')  verthcidigt,  und  einen  Sinn  gibt  sie  in  der  That  allenfalls, 
denn  allerdings  wenn  man  zu  rasch  xo  ?v  setzt ,  so  eben  damit  zu  lang- 
sam ra  noXXä,  und  wenn  wieder  umgekehrt  das  erstere  zu  langsam, 
so  das  letztere  zu  rasch.  Allein  es  fragt  sich,  was  konnte  dem  Pia- 
ton daran  liegen,  einen  so  selbstverständlichen  Gedanken  auszo- 
dracken  und  dadurch  immerhin  den  geradlinigen  Entwicklungsgang 
zu  trüben? 

Ob  Phaedr.  p.  277  B  arfirp:a  die  Individuen  sind,  wie  Anm.  149 
behauptet  wird,  und  nicht  vielmehr  bereits  die  niedrigsten  Arten, 
lafsen  wir  dahingestellt,  doch  scheint  uns  das  letztere  mehr  im  Geiste 
des  platonischen  Idealismus  zu  sein.  Dagegen  rechtfertigt  sich  jedes- 
falls  die  Behauptung  nicht,  der  Auszug  zum  Schauen  der  Ideen  ge- 
schehe im  Phaedros  täglich  (S.  44),  es  steht  dort  ganz  unbestimmt 
6ia  xQovov  p.  247  D.  Auch  durfte  die  dort  mythisch  vorgenommene 
Scheidung  der  drei  Seelenthoile  nicht  (Anm.  1^)  mit  der  hier  ange- 
wandten von  vovg  und  il^vxri  selbst  schlechthin  zusammengeworfen 
werden;  wie  sich  die  beiden  letztern  unterscheiden,  sagt  Piaton  auch 
hier  nicht  genauer,  man  kann  nur  vermulhen,  dafs,  so  wie  er  die 
iwxi^  als  bewegende  Kraft  auffafst,  so  der  vovg  das  Element  des  ru- 
henden Seins  in  der  Erkenntnis  darstellt. 

Die  übrigen  Conjecturen  des  Hrn.  Vf.  begnügen  wir  uns  kurz 
zu  referieren.  S.  51  Anm.  233  erklärt  er  in  p.  46  D  elg  itvq  q>iqovTtq 
wörtlich:  *wenn  das  blofse  Kratzen  nicht  hilft,  so  sucht  man  die 
Krätze  durch  Wärme  zu  heilen'  und  fügt  vor  ivloxB  ein  i%x6q  ein.  S.  58 
Anm.  244  versetzt  er  in  p.  52  D  xo  tnavov  hinter  BlhxQivig,  theils  der 
Concinnität  wegen,  indem  so  je  drei  Glieder  einander  entsprechen, 
theils  wegen  der  Bedeutung  von  ixavov^  welches  nicht  saiis  amplum 
heifsen  könne,  wie  Stallbaum  übersetzt.  (Also  wohl  xo  xorlhv^ov  %a\ 
xo  dXiKQLveq  aal  xo  fxoi^oi/?)  Dann  in  Anm.  244  schreibt  er  p.  54B 
UV  für  äv  und  behält  iTuganag  mit  den  meisten  Handschriften  bei. 
Endlich  in  p.  56  A  widerspricht  er  (S.  54  Anm.  249)  der  Aendernng 
von  K.  Fr.  Hermann  av  tfwilTtxif  für  ^vfinaöa  crvAt^iX^,  weil  so  dem 
ganzen  ein  Theil  entgegengesetzt  würde.  Er  nimmt  seinerseits  das 
von  jüngerer  Hand  im  Cod.  Von.  £  hinzugefügte  xcri  xi^aQiaxiniq  aaf| 


J.  Deusehle:  dU  platonischen  Mythen.  I43 

Irtnspoiiiert  aber  überdies,  weil  auch  so  noch  der  Unterschied  der 
Mosik,  welche  fiir^o),  and  derjenigen,  welche  (leXivfig  aroxccafi^  to 
gv/i^cDvov  or^fiorre«,  nicht  klar  genug  hervortreten  würde,  folgender- 
m^ken:  ovKovv  fM^r^  fiip  nov  (Mvatif^g  (für  fiovcixti)  n^mov  ^vfi- 
Ttaca  avlfinx^  aal  fu^aQiartKi^ ,  ti  to  ^vfupmvov  agfiotjovca  ov  fii- 
VQf,  aXlii  (leXkfig  ctoxaafMp  xal  ro  fiitQov —  ^Qsvovöa^  xrl. 

Wühread  ich  dies  noch  schreibe,  geht  mir  folgende  kleine 
Schrift  zu: 

Die  plcUotuschen  Mythen  j  insbesondere  der  Mythos  im  plato- 
nischen Phaedros.  Von  Dr.  Juüus  Deuichle.  Hanau,  Druck 
der  Waisenhaus-Buchdruckerei.  1854.  37  8.  4.  (Zugleich  als 
Osterprogramm  des  Gymnasiums  zu  Hanau.) 

Ich  beeile  mich  am  so  mehr  diese  tüchtige  Abhandlung  zur  An- 
zeige xa  bringen,  als  durch  sie  eine  oben  von  mir  angemerkte  Lücke 
der  Sleinhartschen  Einleitung  zum  Phaedros  ausgefüllt  wird.  Ilr. 
Deaschle  hat  sich  hier  die  Aufgabe  gestellt,  seine  Auffafsung  der 
platonischen  Blythen ,  wie  er  sie  in  der  von  mir  in  diesen  NJahrb.  Bd. 
LxVin  S.  695 — 099  beurtheilten  Schrift  über  die  platonische  Sprach- 
philosophie niedergelegt  hat,  näher  zu  entwickeln  und  zu  veranschau- 
lichen ,  wobei  er  sich  jedoch  mit  den  von  mir  gegebenen  Beschran- 
kungen seiner  Sfttze  einverstanden  erklärt,  S.  23 — ^25.  Es  ist  durchaus 
der  richtige  Weg,  wenn  der  Hr.  Vf.  zu  diesem  Zwecke  zunächst  auf  die 
innere  Enlwicklungsgescliichte  Plalons  zurückgeht,  wie  dieser  sie 
selbst  im  Phaedon  p.  96  ff.  dargelegt  hat ,  S.  5 — 9.  Und  ebenso  rich- 
tig bemerkt  er,  dafs  die  hier  aus  der  Kritik  des  Anaxagoras  gewon- 
nene Unterscheidung  von  Ursache  und  blofser  Bedingung  und  die  Be- 
schränkung der  eigentlich  philosophischen  Betrachtung  auf  die  cr- 
stere  (p«  97  C)  nichts  anderes  besage,  als  dafs  der  eigentliche  Gegen- 
stand dieser  Betrachtung  nicht  das  werdende  sei,  sondern  das  zu 
Grande  liegende  Sein,  dafs  ferner,  wenn  der  denkende  göttliche  Geist 
diese  Ursache  sei,  daraus  das  folgende  sich  nolhwendig  ergebe,  es 
müfse  dann  auch  die  richtige  Betrachtung  derselben  die  denkende,  lo- 
gische, begriffliche  sein  (p.  99  D).  Damit  sei  indessen  erst  die  Me- 
thode gegeben;  dafs  dagegen  die  Begriffe  nun  auch  selbst  schon  das 
wahre  Sein  wären,  mit  ^inem  Wort  der  Uebergang  von  der  sokrati- 
schen  Begriffs-  in  die  platonische  Ideenlehre  geschehe  p.  100  B  nur 
durch  einen  Sprung,  weil  die  Nothwendigkeit  desselben  für  Plutun 
zunächst  nur  eine  subjectiv  empfundene,  noch  keine  objectiv  erwie- 
sene gewesen  sei ,  und  eben  deshalb  werde  die  Ideenlehre  im  folgen- 
den zunächst  nur  als  eine  Hypothese  behandelt.  Ans  dem  obigen  sei 
nun  das  p.  103 B  bemerkte  nur  die  weitere  Folgerung,  dafs  es  sich 
jetzt  nicht  mehr  um  das  Werden  der  Dinge,  sondern  nur  um  das  Ver- 
hältnis der  Begriffe  handle;  auf  dieses  müfse  sich  denn  auch  die  }liög- 
lichkeit  des  Ueberganges  eines  Dinges  aus  einem  Sein  in  ein  anderes 
(p.  69  E)  gründen,  auf  welches  wir  an  dieser  Stelle  zurückgewiesen 
werden;  nemlich  diese  Möglichkeit  liegt  in  den  Mittelbegriffen  zwi- 


144  J.  Deuschle;  die  plaloui sehen  Mythen. 

sehen  zwei  Gegensätzen,  z.  B.  Einschlafen  und  Aufwachen  zwischen 
Schlaf  und  Wachen,  indem  nemlich  die  im  Werden  beßndiichen  Dinge 
nur  relativ  die  Be^riiTo  in  sich  darstellen.  Ref.  möchte  nun  freilich 
im  Hinblick  auf  Parm.  p.  153  E  (F.  bezweifeln,  ob  diese  letztere  Lö- 
sung tief  genug  gegriÜen  ist;  jedcsfalls  indessen  ist  sie  nicht  un- 
richtig und  geuügt  für  den  vorliegenden  Zweck. 

Wenn  nun  demnach  das  werdende  als  solches  nicht  Gegenstand 
der  Dialektik  ist,  aus  welchen  Gründen  drängt  es  sich  dennoch  in  die 
Behandlung  ein  und  zwingt  den  Piaton  in  dem  Mythos  eine  besondere 
Form  für  dasselbe  zu  schaffen  oder  aufzunehmen?  Diese  Frage  be- 
antwortet Hr.  D.  S.  9  erschöpfend  mit  den  Worten:  *  wollte  Plato  za 
einer  vollen  Entwicklung  seiner  dialektischen  Lehre  gelangen,  so 
stiefs  er  überall  an  die  Objecte  der  Erfahrung  an  und  das  nicht  blofs, 
um  sie  aus  dem  Wege  zu  räumen,  sondern  auch  um  theils  seiner  Dia- 
lektik vollkommen  Herr  werden  zu  können,  theils  um  deren  Resultate 
für  das  irdische  Dasein  fruchtbar  zu  machen.'  Wir  haben  bereits  oben 
bemerkt,  wie  dieser  doppelte  Zweck  der  Mythen  nach  der  Zeitfolge 
der  platonischen  Werke  auseinander  fällt,  worauf  trotz  der  falschen 
Erklärung  bereits  Krisches  Andentungen  richtig  hinführen. 

Hiernach  erledigt  denn  auch  der  Hr.  Vf.  die  weitere  Frage  nach 
dem  Objecte  der  Mythen  sehr  einfach.  Es  sind  überhaupt  alle  blo- 
fsen  Erfahrungsthatsachen,  zuerst  von  allen  muste  aber  bei  dem  sub- 
jectiven  Ausgangspunkte  der  sokratisch- platonischen  Philosophie  die 
psychologische  in  Betracht  kommen,  S.  9  f.  Ehe  sich  aber  der 
Hr.  Vf.  derselben  speciell  zuwendet,  wirft  er  zuvor  noch  eine  andere 
Frage  auf,  nemlich  nach  dem  Orte  der  Mythen.  Im  allgemeinen  liegt 
auch  hierauf  die  Antwort  bereits  im  vorstehenden  gegeben:  überall 
da  ist  dieser  Ort,  wo  ein  Knotenpunkt  in  der  Lehre  Piatons  selbst 
eintritt  zwischen  wahrhaft  seiendem  und  einem  Werdeprocess  (S.  lo). 
Spccieller  aber  ist  sie  in  dem  vorhin  erwähnten  Doppelzweck  enthal- 
ten ,  je  nachdem  nemlich  die  eine  oder  die  andere  der  beiden  zu  einem 
solchen  Knotenpunkt  zusammcntrelTendcn  Seiten  als  Voraussetzung  der 
andern  behandelt  wird,  d.  h.  wo  das  mythische  Voraussetzung  des 
dialektischen  ist,  im  Anfang,  wie  im  Politikos  und  Phaedros,  wo  da« 
umgekehrte  stattßndet,  am  Schlufs  des  Dialogs,  wie  im  Phaedon  und 
in  der  Republik,  wenn  nicht  etwa  die  mythische  Darstellung  das  ganze 
durchzieht,  wie  im  Timaeos  (S.  iO  f.).  Sehr  richtig  nemlich  bemerk! 
Hr.  D.,  dafs  die  voraufgehende  scheinbar  dialektische  Einleitung  des 
Mythos  im  Politikos  in  Wahrheit  nichts  anderes  als  ein  mythischer 
Apparat  ist.  Gröfsere  Schwierigkeit  mache  der  Mythos  der  Diotima 
im  Symposion  (S.  10—14).  Hr.  D.  mag  aus  dem  oben  von  mir  bereits 
bemerkten  die  Richtigkeit  seiner  Vermuthung  bestätigt  flnden,  Ref. 
werde  über  denselben  jetzt  anders  denken  als  früher,  wie  er  denn 
auch  meine  jetzigen  oben  gemachten  Bemerkungen  mit  den  seinen 
übereinstimmend  finden  wird.  Nur  möchten  wir  noch  einen  wichtigen, 
von  ihm  übersehenen  Punkt  hinzufügen ,  nemlich  die  sämmtlichen  der 
sokralischen  voraufgehenden,  theilweise  oder  durchweg  mythischeu 


J.  Deaschle:  die  platonischen  Mythen.  145 

Reden,  an  welche  sich  ja  jene  so  entschieden  anlehnt,  welche  für  sie 
gleichsam  die  mythischen  Voraussetzangen  sind.  So  kommt  man  zu 
dem  Resaltat,  dars  das  dialektische  und  mythische  sich  in  diesem  Dia- 
log wechselseitig  durchdringen,  beinahe  ahnlich  wie  im  Timaeos, 
nur  dafs  freilich  das  Ucbergewicht  des  Nylhos,  ja  die  völlige  Ver- 
schlingung des  dialektischen  durch  denselben  wohl  nicht  so  entschie- 
den ist  wie  dort.  Das  fast  gänzliche  Verschwinden  des  Dialogs  hin- 
ter der  fortlaufenden  Rede  hangt  in  beiden  Werken  hiemit  zusammen. 
Und  wer  würde  dies  alles  wohl  nicht  höchst  passend  für  die  Stellung 
finden ,  welche  das  Symposion  in  der  Reihe  der  platonischen  Gesprä- 
che einnimmt,  als  der  erste  eigentliche  Uebergangsdialog  von  den 
dialektischen  Werken  za  den  constructiven ,  so  dafs  es  an  der  Natur 
von  beiden  Theil  hat? 

Der  Hr.  Vf.  kommt  hierauf  S.  14  noch  kurz  auf  die  Frage  zu 
sprechen ,  wie  es  sich  erklären  bfse ,  wenn  derselbe  Gegenstand  bei 
Piaton  mythisch  und  auch  wieder  dialektisch  behandelt  werde,  und 
verweist  anf  die  von  mir  (NJahrb.  LXVIII  S.  558)  gegebene  Lösung. 
Nur  meint  er,  man  müfse  überdies  wohl  darauf  achten,  ^  ob  nicht  der 
verschiedene  Zweck  und  die  verschiedene  Anlage  zweier  Dialoge  in 
dem  einen  ein  Eingehen  auf  die  Werdensform  des  Dinges  selbst  ver- 
langte, in  dem  andern  dagegen  nur  auf  seinen  begrifflichen  Seinsge- 
balt.' Wir  lafsen  uns  das  gern  gefallen  und  wollen  selbst  einen  Fall 
anführen,  in  welchem  die  dialektische  Gestalt  einer  Lehre  früher  als 
die  mythische  ist.  Im  Kratylos  wie  im  Phaedros  wird  die  Idecnlehrc 
selbst  im  Zusammenhang  mit  der  menschlichen  Subjectivität  bespro- 
chen, Phaedros  ist  der  spätere  von  beiden,  dennoch  ist  hier  das  my- 
thische Gewand  der  Ideenlehre  mindestens  dichter,  gerade  weil  hier 
tiefer  auf  die  letzten  empirischen  Bedingungen  des  Seelenlebens  zu- 
rückgegangen wird,  und  so  wird  denn  anch  eine  weit  höhere  Stufe 
der  Dialektik  hier  vorbereitet  als  im  Kratylos.  Solche  Ausnahmen 
bestätigen  aber  eben  die  Regel. 

Neben  den  ausgeprägten  Mythen  nimmt  nun  Hr.  D.  mit  Recht  die- 
selben Gesichtspunkte  auch  für  die  blofsen  mythischen  Apparate,  na- 
mentlich die  hypostasierten  Persönlichkeiten  in  Anspruch  und  folgert 
ganz  richtig ,  dafs  die  Erklärung  dies  alles  nicht  in  feste  allgemeine 
Begriffe,  sondern  nur  in  individuelle,  nur  des  bildlichen  entkleidete 
Anschauungen  umsetzen  könne  und  dürfe ;  auch  die  mythischen  Per- 
sönlichkeiten seien  keine  blofse  Hypostasen.  Je  mehr  ich  dies  zu- 
gebe, desto  weniger  begreife  ich  doch,  was  für  einen  andern  Unter- 
schied Hr.  D.  noch  wieder  unter  den  letztern  selbst  machen  will  als 
den,  welcher  in  der  verschiedenen  philosophischen  Wichtigkeit 
des  Gegenstandes  liegt.  Dafs  der  Weltbildner  im  Timacos  auch  eine 
ganz  andere  pjßrsönliche  Bedeutung  für  Piaton  haben  muste  als  der 
Wortbildner  im  Kratylos,  gibt  wohl  jeder  zu,  aber  woraus  folgt  denn, 
dafs  diese  persönlichen,  religiösen  Interessen  nicht  ganz  mit  seinen 
philosophischen  im  Einklang  waren?  Auch  der  Wortbildner  ist  keine 
blofse  Hypostase,  denn  Piaton  kann  doch  unmöglich  daran  gezweifelt 


146  J-  Deiisckle:  die  platonischen  Mythen. 

haben,  dars  die  Bildang  der  Worte  von  wirklichen  und  leibhaftigen 
l^ersonen  ausgegangen  ist;  nur  dafs  er  diese  alle  in  eine  einzige  lu- 
sammenzieht,  ist  das  mythische  an  dieser  Vorstellung.  Und  warum 
sollten  wir  den  Weltbildner  nicht  analog  behandeln ,  wenn  wir  nur 
den  verschiedenen  Gesichtspunkt  inne  halten,  welchen  die  Sache 
selbst  an  die  Hand  gibt?  Das  mythische  liegt  hier  darin,  dafs  Piaton 
ihn  nach  menschlicher  Weise  wirken  läfst,  d.  h.  nach  zeitlichen  und 
räumlichen  Kategorien.  Sollte  nun  das,  was  dann  noch  zurückbleibt, 
d.  h.  die  Idee  des  guleu,  wirklich  Piatons  religiösen  BedUrfnisaen 
nicht  genügt  haben,  da  sie  doch  ebenso  gut  erkennend  als  seiend,  d. 
h.  ebenso  gut  Subject  als  Object  ist?  Es  müste  dann  ein  dunkles  Ge- 
fühl in  ihm  vorausgesetzt  werden,  dafs  damit  noch  immer  keine  voll- 
standige  *  Persönlichkeit'  erreicht  ist.  Aber  konnte  ein  solches  Ge- 
fühl in  einem  Zeitalter  entstehen ,  dessen  Blick  noch  so  gar  nicht  für 
den  eigentlichen  Lebensnerv  der  Persönlichkeit  geschärft  war,  weil 
ihm  die  plastische  Anschauung  noch  immer  das  belebte  und  personifi- 
eierte  war,  was  bei  uns  dem  nüchternen  Verstände  anheimfällt?  Und 
wie  wäre  ohne  diese  Plastik  die  ganze  platonische  Philosophie  zu  be- 
greifen? Ja  noch  mehr,  ist  denn  der  Gott  des  Aristoteles,  dessen 
Theismus  doch  niemand  bezweifeln  kann,  auch  nur  um  irgend  etwas 
mehr  und  nicht  vielmehr  eher  noch  weniger  eine  Person  im  strengen 
Sinne  als  die  platonische  Idee  des  guten?  Und  zu  welchem  unge- 
wohnten hymnenartigen  religiösen  Aufschwung  erhebt  sich  trotzdem 
dieser  sonst  so  kühle  und  nüchterne  filanu  hei  der  Schilderung  seines 
Gottes!  Wir  Ihun  daher  hiemit  der  tiefen  Religiosität  unseres  Piaton 
keinen  Abbruch,  wohl  aber  erhalten  wir  ihm  so  ein  nicht  minder 
kostbares  Gut,  jenes  Einswerden  seiner  Person  mit  seiner  Lehre,  jene 
innere  Uebereinstimmung  des  Denkens,  Fühlcns  und  Wollens,  welche, 
von  wenigen  auch  unter  den  gröfsten  Philosophen  völlig  erreicht, 
noch  stets  als  ihr  edelstes  Kleinod  gegolten  hat. 

Wir  sind  weitläuüger  in  dieser  Frage  geworden,  als  uns  die 
Darstellung  des  Hrn.  Vf.  S.  10  f.  eigentlich  dazu  berechtigt,  tlieils 
weil  wir  uns  gern  gerade  hierüber  mit  ihm  verständigen  möchten, 
theils  weil  wir  diese  Gelegenheit  nicht  vorübergehen  lafsen  wollten, 
ohne  einmal  recht  nachdrücklich  unser  Bedenken  geltend  lu  machen, 
ob  man  nicht  bei  der  Beantwortung  dieser  Frage  heutzutage  noch 
immer  seinen  modernen  Sympathien  und  Antipathien  mehr  als  der 
Geschichte  zu  folgen  pflege. 

Mehr  als  bedenklich  steht  es  dagegen  um  die  S.  15  ausgospro- 
ebene  Behauptung:  *dcr  eigentliche  Inhalt  der  platonischen  Lehre,  d. 
h.  die  wesentlichen  Entwicklungsmomente  derselben  musten  voUstin- 
dig  ausgebildet  sein,  ehe  der  Mythos  möglich  ward,  denn  dieser  ist 
nur  als  ein  jenen  zugehöriges  Ergänzungsstück  zu  begreifen.  So  lange 
Piaton  noch  nicht  über  den  sokratischen  Standpunkt  hinausgekommen 
war ,  gab  es  für  ihn  noch  keine  Mythen.'  Was  will  denn  Hr.  D.  wohl 
mit  den  Mythen  im  Protagoras,  Menon  und  Gorgias  anfangen,  welche 
Dialoge  doch  alle  vor  die  Ausbildung  der  platonischen  Idoenlehre  fal- 


J.  Deasckle:  die  platonischen  Mythen.  147 

len?  Aach  nach  dieser  Seite  hin  mafs  daher  der  Kanon  des  Hrn.  Vf. 
noch  modificiert,  es  mafs  zugestanden  werden,  dafs  die  mythische 
Darstellung  ursprünglich  nicht  dem  Boden  des  objectiven  Gegensattes 
von  Sein  und  Werden,  sondern  dem  des  snbjectiven  von  Begriff  und 
Vorstellung  entwachsen  ist,  so  dafs  also  auch  sie  den  ganzen  UmbiU 
dungsprocess  der  platonischen  Philosophie  mit  durchgemacht  hat,  kraft 
dessen  die  Begriffe  zum  wahrhaft  seienden,  das  vorstellungsmäfsige 
zum  blofs  werdenden  sich  gestaltet. 

Indem  sich  nun  der  Hr.  Vf.  speciell  dem  Mythos  im  Phaedros 
zuwendet,  zeigt  er  höchst  geschickt  auf,  wie  derselhe  nicht  erst  von 
p.  246  A  an,  sondern  gleich  mit  dem  Anfange  der  zweiten  sokrati- 
sehen  Rede  beginnt ,  indem  gleich  der  im  Eingang  (p.  244  A  —  245 
C)  aufgestellte  Begriff  der  (lavla,  ganz  der  Bezeichnung  des  Eros  als 
eines  Daemonen  im  Symposion  entsprechend,  specifisch-mythisch ,  die 
Wesens-  und  Unsterblichkeitsbestimmung  der  Seele  (p.  245  C  —  246 
A)  dagegen  zwar  begrifflich,  logisch,  aber  nicht,  wie  ich  früher  mit 
Krische  behauptet  habe,  streng  dialektisch  ist,  weil  ihr  die  Begrün- 
dung mangelt.  Nur  aber  liege  der  Grund  hiefür  noch  nicht  im  Inhalt 
dieses  Theils,  sondern  erst  in  dem  des  folgenden,  und  so  zeige  sich 
denn,  dafs  auch  das  wahrhaft  seiende,  als  Grundlage  innerhalb  eines 
Mythos  gebraucht,  eine  verfinderle  Form ,  nemlich  die  unbewiesene, 
blofs  dogmatische  annimmt  (S.  18 — 21).  Dies  alles  ist  unbedenk- 
lich zuzugeben,  nur  muste  doch  hervorgehoben  werden,  dafs  nach 
Flatons  eigner  Erklärung  die  eigentliche  mythische  Darstellung 
erst  mit  p.  246  A  beginnt,  so  dafs  alles  bisher  besprochene  doch  nur 
erst  so  zu  sagen  ein  vorbereitender  mythischer  Apparat  ist,  ähn- 
lich wie  die  scheinbar  dialektische  Masse,  welche  dem  Mythos  im 
Staatsmann  voraufgeht.  Ueberdies  aber  spannt  Hr.  D.  seine  Anforde- 
rungen an  eine  dialektische  Entwicklung  bei  Piaton  doch  wohl  etwas 
zu  hoch.  Fragen  z.  B.  wie  diese:  *wie  verhält  sich  nlvrfitg  zur  yh^- 
CigV  bleiben  auch  im  Sophisten  und  Parmenidcs  unbeantwortet.  Däfs 
unter  tfn;%i7  näiSa  neben  der  individuellen  Seele  auch  die  Weltseele 
zu  verstehen  sei ,  soll  aus  p.  245  E  folgen ;  aber  Ref.  gesteht  nicht  zu 
begreifen,  in  welchen  Worten  dieser  Stelle  hiezu  die  Nöthigung  lie- 
gen sollte  *). 

Sehr  richtig  theilt  hierauf  der  Hr.  Vf.  die  Hauptmasse  des  My- 
thos in  zwei  Theile ,  von  denen  er  den  ersten  (p.  245  C  —  249  D) 
den  aTlgemeinen,  begründenden,  den  zweiten  den  spcciellen,  folgern- 
den  nennt  (S.  19),  oder,  wie  er  S.  30  genauer  ausführt:  der  erste 
Theil  enthält  die  transcendente ,  der  zweite  die  auf  ihr  ruhende  irdi- 
sche Entwicklungsgeschichte  der  Seele,  d.  h.  die  Schilderung  des 


*)  Ein  auffallendes  Versehen  hat  sich  noch  S«  21  eingeschlichen, 
Platon  bezeichne  die  so  eben  von  der  Seele  gewonnene  Anschauung  durch 
ISia ,  während  sich  doch  dieser  Ausdruck  nicht  auf  das  vorhergehende, 
sondern  auf  das  folgende  bezieht.  Idia  ist  vielmehr  die  von  da  ab  näher 
BU  besprechende  innere  Gestalt  der  Seele. 


148  J>  Deuschlti:  die  platouiüclicn  Mythen. 

Triebes  uud  der  Kraft  sich  wieder  aufzuschwingen  zu  den  verlafscDen 
idealen  Höhen ,  mit  andern  Worten :  dort  wird  von  der  Praeexisl^nx 
und  dem  Abfall,  hier  von  der  Zurückbringung  der  Seele  in  den  Urzu- 
stand durch  Vermittlung  des  Eros  gehandelt.  Das  eigentlich  wcsenU 
liehe  sei  dabei  die  inteliecluelle  Seite,  mithin  an  der  Praeexistenz 
selbst  das  inteliectuelle  Resultat  derselben,  die  avaiiv}]aig  (S.  24 — 
26),  und  der  eigentliche  Zweck  des  ersten  Theilcs  sei  mithin,  der 
Seele  in  der  Praeexistenz  ein  unmittelbares  Zusammensein  mit  den 
Ideen,  einen  Zustand  reinen  Seins  wenigstens  annähernd  zu  verschaf- 
fen, zugleich  aber  auch  ihren  Uebergang  in  die  Leiblichkeit  als  einen 
nothweudigen  zu  vermitteln,  und  diese  Vermittlung  liege  in  der  Be- 
stimmung, dafs  die  Seele  sich  alles  unbeseelten  anzunehmen  habe  (S. 
22—24). 

Damit  sind  wir  nun  mit  dem,  was  der  Hr.  Vf.  als  den  eigenU 
liehen  dogmatischen  Zweck  dieses  ersten  Thciles  anerkennt,  zu  Ende, 
und  gewis  hat  er  Recht  zu  sagen,  dafs  die  ganze  weitere  Geschichte 
vom  Abfall  der  Seele  den  Eintritt  derselben  in  die  irdische  Welt 
nicht  erklärt  (S.  26).  Allein  wenn  nun  doch  dergestalt  von  der  Dar- 
stellung des  idealen  Seinszustandes  das  zeitliche,  das  früher,  auch 
dogmatisch  betrachtet,  nicht  hat  ausgeschlofsen  werden  können,  so 
liegt  in  der  Thnt  die  Frage  nahe,  ob  nicht  auch  dem  zweiten  Elemente 
jeder  mythischen  Einkleidung,  dem  räumlichen,  schon  der  Congrueni 
wegen  ein  gleiches  Recht  eingeräumt  werden  mufs.  Hr.  D.  freilich 
bestreitet  S.  28  die  astronomische  Auffafsung  der  *  Götter'  ganz  und 
gar,  und  zuzugeben  ist,  dafs  dieselbe  wenigstens  p.  246  C  in  ein  sehr 
zweifelhaftes  Licht  gestellt  wird.  Indessen  lafst  diese  Stelle  doch 
auch  ganz  ungezwungen  eine  andere  Deutung  zu,  denn  es  braucht 
blofs  die  Erinnerung  darin  zu  liegen,  dufs  man  bei  dieser  blofs  phy- 
sischen Auffafsung  des  göttlichen  nicht  stehen  bleiben  und  sie  nicht 
zur  Hauptsache  erheben,  geschweige  äenn  glauben  dürfe,  dafs  mit 
der  Deutung  der  Einzelgötler  als  der  Gestirne  schon  das  ganze  We- 
sen des  göttlichen  erschöpft  sei.  Ueberdics  kann  man  diese  Stelle 
auch  ganz  wörtlich  dahin  nuffafsen ,  dafs  dem  Plalon  die  Identität  der 
Einzelgötter  und  der  Gestirne,  auf  welche  er  zuerst  im  Kratylos  p. 
397  C  D  anspielt,  dermalen  noch  nicht  zweifellos  feststand.  Oder 
will  Hr.  D.  dies  Dogma  auch  im  Timaeos  in  ähnlicher  Weise  beseiti- 
gen? Mir  scheint  dasselbe  eine  unausbleibliche  Consequenz  der  An- 
nahme einer  Weltscele  zu  sein,  und  auch  das  Festhalten  dos  Ari- 
stoteles an  demselben  scheint  mir  ^egcn  eine  solche  Beseitigung  zu 
sprechen.  Noch  weniger  liegt  ein  Grund  liiefür  in  den  Worten  xo  di 
^Hov  xidov^  ao(pov,  aya&ov^  denn  wenn  Piaton  die  Gestirne  für  Göt^ 
ter  ansah,  so  spricht  er  ihnen  eben  damit  auch  Intelligenz  zu.  Ebenso 
beruht  das  Bedenken,  dafs  grofse  zwischen  den  einzelnen  Umzügen 
zum  Schauen  der  Ideen  offenbar  anzunehmende  Zeilräume  sich  schwer 
mit  einem  alltäglichen  Vorgang  zusammendenken  liefsen,  welcher  eine 
Unterbrechung  der  Bewegung  nicht  dulde ,  auf  einer  schiefen  Auf- 
fafsung.  Denn  niemand  hat  ja  behauptet,  dafs  der  Auszug  der  Götter 


J.  Denschie:  die  platonischen  Mythen.  149 

•  af  steiler  Bahn  in  den  aberweltlichen  Ort  schlechthin  mit 
der  gewöhnlichen  kosmischen  Bewegung  der  Gestirne  zasammen> 
falle.  Vielmehr  sind  hier  offenbar  zwei  verschiedene,  sich  gegensei- 
tig modificicrende  mythische  Anschauungen  ineinander  geschoben. 
Plalon  benutzt  die  Anschauung,  dafs  die  Sterne  über  der  Erde  ste- 
hen, um  dadurch  die  Ideen  noch  mehr  nach  oben,  d.  h.  in  den  über- 
weltlichen  Raum  zu  verlegen.  Sodann  aber  wirkt  zweitens  die  letz- 
tere Anschauung  wieder  auf  die  erstere  zurück ,  um  die  fortlaufende 
kosmische  Bewegung  der  Gestirne  in  eine  periodische  aberkosmische 
zu  verwandeln:  gleichsam  hinauf-  und  angezogen  von  den  Ideen  lau- 
fen sie  nicht  mehr  in  verschiedenen  Bahnen  unter-,  sondern  in  der- 
selben Bahn,  dem  äufsern  Rande  des  Fixsternhimmels,  hinterein- 
ander. Oder  sollte  die  Anknüpfung  des  intellectuellen  an  das  phy- 
sische wirklich  für  die  tiefere  Auffafsung  so  hinderlich  sein ,  wie  Hr. 
D.  meint?  Aber  der  zweite  Theil  des  Dialogs  sagt  ja  ausdrücklich, 
dafs  die  Natur  der  Seele  nicht  verstanden  werden  könne  ohne  die 
des  All  (p.  270  C).  Das  intellectuelle ,  ethische  und  physische  sollen 
also  offenbar  in  letzter  Instanz  an  dieselben  ewigen  Gesetze  gebunden 
werden. 

So  läfst  sich  denn  auch  für  den  Ort  der  praeexistentiellen  See- 
len eine  dogmatische  Anschauung  feststellen:  es  sind  die  Gestirne. 
Wir  würden  indessen  hierauf  kein  Gewicht  legen,  weun  nicht  gerade 
hiedurch  auf  den  intellectuellen  Gehalt  der  Praeexistenz  ein  überra- 
schendes Licht  fiele.  Die  Einzelseelen  verhalten  sich  ncmlich  hiernach 
zu  deuen  der  Gestirne  ebenso  wie  diese  selbst  zur  Weltseele  (so  weit 
die  Vorstellung  von  dieser  überhaupt  im  Phaedros  schon  entwickelt 
ist),  d.  h.  wie  das  abgeleitete  zum  ursprünglichen.  Freilich  ist  es 
dann  mit  der  Körperlosigkeit  auch  der  praeexistierenden  Seelen  zu 
Ende ;  aber  ist  dies  nicht  auch  in  der  That  eine  nothwendige  Conse- 
quenz  von  der  obigen  Aufgabe  der  Seele,  sich  alles  unbeseelten  an- 
zunehmen? Der  Mythos  freilich  mufs  in  seinem  Verfolg  diese  Conse- 
quenz  hinwegleugnen ,  um  nicht  über  den  zweiten  der  oben  angedeu- 
teten Zwecke  seines  ersten  Haupttheils  den  ersten  zu  verfehlen.  Allzu 
schnell  geht  Hr.  D.  S.  27  über  das  .Verhältnis  der  Menschenseele  zur 
göttlichen  hinweg,  so  richtig  er  sonst  bemerkt,  der  Unterschied  liege 
hier  nicht,  wie  der  gegen  die  Thiere,  in  dem  Mangel  oder  Besitz  des 
idealen  Inhalts,  sondern  allein  in  der  Form  der  Erkenntnis,  die 
bei  den  Göttern  nicht  eine  stückweise  und  vermittelte ,  sondern  eine 
rein  intuitive  sei.  Nun  hatte  er  ja  aber  kurz  vorher  (S.  55  f.)  deshalb 
die  Schilderung  des  Umzugs  der  Seelen  eine  rein  mythische,  d.  h. 
dem  Inhalt  schlechthin  inadaequate  Form  genannt,  weil  nach  dersel- 
ben auch  in  der  Praeexistenz  das  Ergreifen  der  Ideen  nur  ein  stück- 
weises sei.  Ich  weifs  nicht,  ist  dies  nur  ein  Widerspruch  im  Aus- 
druck oder  aber  in  der  Sache  selbst?  So  viel  aber  meine  ich  zu 
wifsen,  dafs  das  ganze  nach  meiner  Auffafsung  jetzt  einen  vortreff- 
lichen Halt  gewinnt,  und  dafs  so  Piaton  auch  in  der  mythischen  Aus- 
malung des  Praeexistenzzustandes  nicht  weiter  geht,  als  ihm  die 


150  '  J-  Deoschle:  die  platonischen  Mythen. 

Grenzen  seiner  Weltanschauung  erlauben.  Allerdings  ist  nemlich  dar- 
nach auch  in  diesem  Zustande  die  Erkenntnis  der  Menschenseele  keine 
rein  unmittelbare,  wohl  aber  eine  der  unmittelbaren  sich  annähernde, 
da  ja  auch  die  Körper  der  Gestirne  und  mithin  auch  die  der  auf 
ihnen  lebenden  Geschöpfe  nach  der  antiken  Weltanschauung  weit  voll- 
kommener sind  als  der  unserer  Erde. 

Gibt  man  dies  zu,  so  kann  man  auch  dej^S.  21  f.  entwickelten 
Ansicht  nicht  beistimmen,  dafs  die  Dreitheilung  der  Seele  blofs  aus 
dem  irdischen  Zustande  in  die  Praeexistenz  hineingeschoben  sei ,  so 
erklärlich  und  glaublich  dies  an  sich  auch  sein  würde.  Und  nur  das 
wage  ich  nicht  mehr  so  entschieden  zu  behaupten,  dafs  die  Unsterb- 
lichkeit der  nicdern  Seelentheile  hier  buchstäblich  zu  nehmen  sei,  und 
dafs  eine  mehr  als  blofs  scheinbare  Abweichung  von  dem  späteren 
Standpunkt  vorliege,  welcher  dieselben  mit  den  verschiedenen  Kör- 
pern wechseln  löfst;  s.  o. 

In  Bezug  auf  die  Entwicklung  des  zweiten  Thcils  vom  vorlie- 
genden Mythos  S.  30 — 37  kann  ich  mich  kürzer  fafsen,  weil  ich  hier 
dem  Urn.  Vf.  wesentlich  beistimme;  ich  begnüge  mich  die  besonders 
eingreifenden  Hauptpunkte  kurz  hervorzuheben.  So  namentlich  die 
Gliederung  in  vier  Abschnitte:  1)  das  Wesen  der  Liebe  an  sich,  bis 
p.  250  C,  2)  ihre  Entstehung  und  Entwicklung  in  der  menschlichen 
Natur  im  a 1 1  g  e  m e i  n e n,  bis  p.  252  C,  3)  die  b  e s o  n d  e r  e  Gestaltung 
derselben  nach  den  besondern  Individualitaten,  bis  p.  253  C,  4)  ihre 
Wirkungen  und  Aeufserungsweise  in  der  einzelnen  Seele.  Indessen 
fragt  es  sich  doch,  ob  nicht  die  beiden  ersten  Abschnitte  sachgcmürs 
vielmehr  in  einen  einzigen  zusammenzuziehen  sind.  Sehr  scharfsinnig 
spricht  Hr.  D.  über  das  Vcrhüllnis  der  im  dritten  Abschnitt  enthalte- 
nen Gliederung  der  Individualitäten  zu  der  Tafel  der  Lebensloose  p. 
248  C  —  E,  in  welcher  er  oben  S.  26  f.  in  gleichfalls  sehr  beach- 
tenswerther  Weise  ein  Gesetz  der  Abstufung  zu  entdecken  versucht 
hat.  Beide  lafsen  sich  nach  seiner  Meinung  recht  wohl  miteinan- 
der vereinigen,  weil  dort  an  quantitativ-graduelle,  hier  dagegen  an 
gleichberechtigte  qualitative  Unterschiede  zu  denken  sei.  Die  Diener 
des  Zeus  seien  innerliche,  die  des  Ares  thatkräftige,  nach  aufsen 
strebende  Naturen;  ebenso  verhielten  sich  die  Diener  des  Apollon 
und  der  Hera  zueinander.  Was  uns  vor  der  Hand  noch  abhält,  die- 
ser Erklärung  unscrn  ganz  rückhaltlosen  BeifaH  zu  geben,  ist  dies, 
dafs  wir  aus  der  Darstellung  des  Hrn.  Vf.  nicht  zu  entnehmen  ver- 
mögen, wie  sich  wiederum  die  beiden  letztern,  die  Nachfolger  des 
Apollon  und  der  Hera ,  genauer  von  den  beiden  erstem  unterscheiden. 

Kef.  kann  nicht  ohne  die  Versicherung  der  lebhaftesten  Befriedi- 
gung diese  kleine  Schrift  aus  der  Hand  legen,  die  der  früheren  des 
Hrn.  Vf.  in  keinem  Punkte  nachsieht.  Sollte  auch  das,  was  uns  an 
derselben  zu  weit  gehend  erschien,  wie  wir  hoffen,  mit  Recht  von 
uns  bestritten  sein,  so  sind  doch  Irthümcr  dieser  Art  bei  einem  nahem 
Eingehen  in  einen  so  schwierigen  Gegenstand  fast  unvermeidlich,  and 


H.  Schmidt:  kritiscber  Commentar  zu  Piatos  Phtedon.        151 

sie  ehren  den  Forscher  nnd  nützen  der  Wifsenschafl  jedesfalls  mehr 
als  oberflächliche  Wahrheiten. 

Greifswald.  Fr.  SuiemU. 


Kritischer  CommentS  zu  Plaios  JKaedon  ron  Hermann  Sckmidt^ 
Director  des  Gymnasiums  zu  Wittenberg.  Erste  Hälfte.  HaJle, 
Verlag  der  Buchhandlung  des  Waisenhauses.  1850.  \U1  n.  127  S. 
Zweite  Hälfte.    Ebend.  1852.  lY  u.  122  S.  gr.  8. 

Es  hat  gewis  schon  mancher  die  Erfahrung  gemacht,  dafs  oft  ein 
kleiner  scheinbar  unwesentlicher  Umstand  sein  erstes  Urtheii  über 
ein  Buch  im  voraus  günstig  oder  ungünstig  stimmte,  noch  ehe  er  es 
gelesen  hatte.  So  gieng  es  Ref.,  als  er  znerst  den  Titel  der  vorlie- 
genden Schrift  las,  dafs  er  schon  dadurch  sich  vor  ihr  angezogen 
fühlte.  Doch  der  Titel  scheint  so  einfach  nnd  alltiglich ,  dafs  man  ihm 
keine  grofse  Wirkung  zutrauen  sollte?  Allerdings  war  es  auch  nicht 
der  blofse  Titel,  sondern  fast  könnte  ich  behaupten,  das  vielmehr, 
was  auf  dem  Titel  nicht  stand;  um  es  gerade  herauszusagen,  Ref. 
freute  sich  einem  kritischen  Commentar  zu  begegnen ,  der  mit  keiner 
neuen  Textausgabe  verbunden  war.  Und  das  ist  verhaltnismäfsig  eine 
seltene  Erscheinung.  Neue  Textausgaben  von  Werken  des  classischen 
Alterthums  mögen  aus  gar  verschiedenen  Gründen  sich  rechtfertigen 
lafsen,  ja  nothwendig  sein;  aber  ganz  gewis  unberechtigt  ist  die 
Ausgabe,  die  nur  gemacht  wird  um  der  Anmerkungen  willen,  damit 
einige  wenige  selbständige  Beobachtungen  des  neuen  Herausgebers 
unter  zahlreichen  notis  variorum  den  Weg  in  die  Oeffentlichkeit  fin- 
den mögen.  Dieser  Zweck  kann  aber  auf  andere  Art  befser  erreicht 
werden,  und,  ist  das  Material  der  Interpretation  u.  s.  w.  gut  verar- 
beitet, am  besten  durch  einen  vom  Text  losgelösten  Commentar,  den 
man  zu  jeder  Ausgabe  benutzen  kann;  ja  wenn  die  Vortheile,  welche 
dieser  bei  freierer  Bewegung  dem  Verfafser  bietet,  den  Umständen 
gemäfs  benutzt  werden,  so  kann  ein  solcher  Commentar  selbst  einem 
wahren  Bedürfnis  der  Wifsenschaft  Abhilfe  schaffen.  Durch  die  Ver- 
dienste vieler  ist  das  Material  der  Erklärung  zu  mancher  Schrift  so 
angeschwollen,  dafs  man  es  nur  schwer  zusammenhaben  und  überse- 
hen kann ;  doch  aber  mufs  es  immer  erst  gesichtet  werden ,  ehe  wei- 
tere Fortschritte  möglich  werden.  Darin  können  nun  kritische  Com- 
mentare  trefflich  vorarbeiten.  Darum  freute  sich  auch  Ref.,  als  er  obi- 
gen Titel  las,  und  er  darf  sagen,  die  Hoffnung,  die  er  zur  Leetüre 
des  Buches  mitnahm,  war  wohl  berechtigt.  Denn  für  den  platonischen 
Phaedon  leistet  der  Commentar  des  Hrn.  Schmidt,  ohne  es  aus- 
drücklich zu  versprechen,  eigentlich  ohne  es  darauf  anzulegen,  gröfs- 
tenlheils  das,  was  Ref.  von  einem  zusammenfafsenden  Werke  dieser 
Art  wünschen  möchte.  Der  Freiheit  iu  der  Behandlung,  wie  sie  ein 
selbständiger  und  zwar  kritischer  Commentar  zuläfsk,  wüste  sich  der 


152        H.  Schmidt:  kritbcher  Commentar  zu  PlatOB  Phtedon. 

Vf.  mi(  80  besonnenem  Bewiislsein  zu  bedienen,  dafs  sein  Buch  als  eia 
nachabmungswerlhcs  Musler  für  Werke  dieser  Art  bezeichnet  werdea 
darf.  Es  liefse  sich  allerdings  streiten,  ob  nicht  eine  noch  gröfaere 
Anzahl  von  Slellen  des  Phaedon  Berücksichligung  verdient  hatte.  Doch 
da  der  Vf.  selbst,  was  schon  der  Titel  anzeigen  sollte,  eine  Beschrän- 
kung nach  zwei  Seilen  für  nolhwendig  hielt  (s.  das  Vorwort  zur  In 
Hälfte),  so  wollen  wir  um  so  lieber  seine  Auswahl  unangetastet  lafaen, 
als  in  den  93  Noten,  welche  das  ganze  umfafff,  immerhin  eine  grofse 
Anzahl  von  Stellen  (und  zwar  bei  w  eitern  die  schwierigsten)  ausreichend 
besprochen  wird.  Ohnedies  wird  ja  seltener  durch  eigne  Beschran- 
kung als  nach  der  entgegengesetzten  Seite  gefehlt. —  Von  der  Erklä- 
rung sollte  ausgeschlofsen  bleiben  alles,  was  keine  kritische  Seite 
bietet,  und  von  der  Kritik  wieder  alles,  wodurch  die  Erklärung  nicht 
gefördert  wird.  Die  kritische  Erklärung  selbst  aber  bestimmte  sich 
nach  Form,  Inhalt  und  Umfang  nur  durch  die  Rücksicht  auf  die  Sache 
selbst;  der  gegebene  Fall  brachte  somit  jedesmal  gleichsam  das  Geseti 
der  Behandlung  selbst  mit.  Der  Vf.  konnte  kurz  sein ,  wenn  wenige 
AVorte  die  Sache  hinlänglich  aufliellten,  und  sich  ausführlich  über 
das  ganze  Material  der  Interpretation  verbreiten,  wenn  durch  die  ver- 
schiedenen Ansichten  hindurch  eine  überzeugende  Entscheidung  sollte 
erzielt  werden.  Die  Schwierigkeiten,  die  in  einer  Stelle  liegen  oder 
zu  liegen  scheinen,  stellt  er  meist  voran;  dann  legt  er  die  verschie- 
denen Versuche  dar,  die  zu  ihrer  Lösung  gemacht  sind,  unterwirft 
diese  mit  ihren  Gründen  einer  scharfen  Kritik  und  führt  dann  selb- 
ständig zur  Entscheidung  über  bald  in  Gegensatz  mit  allen,  bald  in 
Uebereinstimmung  mit  einigen  Auslegern.  In  der  Anordnung  der  ver- 
schiedenen Ansichten  und  der  Darstellung  der  für  jede  sprechenden 
Gründe  besitzt  er  entschiedenes  Geschick.  Während  er  den  Leser  in 
dem  oft  überreichen  Material  blofs  zu  orientieren  scheint,  weifs  er 
die  Sache  sich  selbst  entwickeln  zu  lafsen.  Wo  dieser  Ueberblick 
über  den  ganzen  Stoff  und  die  Klarheit  formeller  Methode  flberhaapt 
sich  findet,  kann  natürlich  auch  der  Kritik  fremder  Ansichten  im  ein- 
zelnen und  der  Begründung  der  eignen  Meinung  jene  logische  Schärfe 
nicht  fehlen,  welche  Ueberzeugung  zu  wecken  geeignet  ist.  Unnö- 
thige  Abschweifungen  sind  vermieden ;  was  aber  zur  Sache  selbst  ge- 
hört, ist  so  bestimmt  und  in  so  wohllhuender  Kühe,  ja  Behaglichkeit 
ausgeführt,  dafs  die  Belehrung  nicht  durch  ermüdende  Lectüre  erkauft 
zu  werden  braucht.  Weil  Ilr.  S.  die  Arbeit  des  Denkens  nicht  scheut, 
erregt  er  auch  das  Interesse  des  mit-  und  nachdenkenden,  und  weil 
er  alles  bis  zum  Ende,  bis  in  die  letzte  Folgerung  durchzudenken 
strebt,  ist  es  ihm  gelungen  in  vielen  Stellen  die  Untersuchung  zun 
Abschlufs  zu  bringen  und  auch  dann  der  Entscheidung  näher  zu  fah- 
ren, wenn  die  von  ihm  gegebene  nicht  als  richtig  anerkannt  werden 
kann.  Bef.  gesteht  gern ,  ehe  er  dazu  übergebt  die  Punkte  vorzuneh- 
men, in  denen  er  abweichender  Meinung  sein  muste,  dafs  ihm  zu  voll- 
ständiger Feststellung  der  eignen  Ansicht  die  Entwicklung  des  Hrn. 
Vf.  immer  guten  Grund  und  Boden  schafTlc.    Durch  selbständige  Be- 


H.  Sehnidt:  kritischer  Commeotor  so  PUtos  PliaedoB.        15S 

sprechung  solcher  Pnnkte  hoffi  er  auch  das  Interesse  fflr  die  Grnnd- 
lagen  anzuregen,  auf  denen  er  selbst  weiter  bauen  konnte.  Die  Ver- 
gleichnng  zu  erleichtern  bezeichne  ich  die  von  mir  zu  besprechenden 
Punkte  mit  denselben  Nummern ,  die  den  betreffenden  Stellen  in  der 
Reihe  der  Noten  des  Hrn.  Vf.  ihre  Plätze  anweisen. 

Nr.  3  zn  p.  61  D  hätte  der  Vf.  seine  eigne  Ansicht  hinzufügen 
sollen,  weil  gerade  die  Kenntnis  der  pythagoreischen  Lehre  oder  des 
Philolaos  von  neueren  Gelehrten  zum  Kennzeichen  eines  Abschnitts  in 
der  Entwicklungsgeschichte  Piatons  gemacht  worden  ist  und  in  dem 
Phaedros  für  die  Frage  nach  der  Abfafsnugszeit  zu  praktischen  Folgen 
geführt  hat.  Die  Ansicht  des  Ref.  ist,  dafs  Piaton  allerdings,  wenn  er 
die  Meinung  des  Philolaos  anfahrt,  seine  Schrift  selbst  vor  sich  hat. 
Daraus  darf  aber  nicht  geschlofsen  werden,  es  verstofse  gegen  die 
geschichtliche  Wahrheil  und  sei  nur  eine  künstlerisch  berechtigte  Frei- 
heit ,  wenn  er  den  Sokrates  sagen  lafst,  er  kenne  sie  von  Hörensagen. 
Sokrates  kannte  gewis  die  pythagoreische  Philosophie ;  denn  ein  Um- 
gang mit  Simmias  und  Kebes  Ufst  sich  in  der  That  nicht  denken,  ohne 
dafs  auch  die  Resultate  jener  Lehren  zur  Sprache  gekommen  wfiren 
^vgl.  Zlschr.  f.  d.  AW.  1854  S.  43).  —  Nr.  5  p.  64  B  rovg  fiiv  nuQ 
flUtv  av^Qoircovg.  Hr.  S.  stimmt  im  Grunde  mit  der  Ansicht  Schleier- 
machers flberein  und  versteht  darunter  die  Athener,  aber  mittelst  eines 
Zwischengedankens,  da  zunächst  alle  Griechen  gemeint  sein  sollen.  Das 
scheint  mir  unhaltbar:  denn  den  Gegensatz  bildeten  dann  die  Barbaren, 
und  das  (liv  nach  xovg  weist  wohl  auf  einen  Gegensatz  hin.  Die  Bar- 
baren aber  können  schwerlich  in  dem  Verhältnis  zur  Philosophie  in  so 
anerkennender  Weise  in  Betracht  kommen ,  als  es  daraus  folgen  würde. 
Daher  scheint  es  mir  gcrathen  entweder  bei  der  Erklärung  Schleier- 
machers stehen  zu  bleiben  oder  mit  Dacier  Trao'  vfiiv  zu  lesen. —  Nr. 
8  p.  67  B.  Die  Schwierigkeit,  die  a^tnofiivco^  ol  iy<o  TCOQBvofMt  zu  ver- 
ursachen scheint,  da  es  sich  fragt,  ob  hier  ifiol  oder  uv£  zu  ergänzen 
sei,  läfst  sich  einfacher  lösen,  wenn  man  p.  67  C  nal  aXXm  ivdqC 
hierher  zieht,  welches  gewis  keinen  Gegensatz  zn  ^  yt  aTtodfifäa  ^ 
vvv  ifiol  fcqoaxBjccyfAivri  fieta  aya^g  iXstlöog  yfyvetm  bilden  kann ,  wie 
Slallbaum  annimmt.  Hierdurch  erst  wird  der  Gegensatz  im  Gedanken 
vollständig  abgeschlofsen ,  der  sonst  durch  die  Tautologie  des  ttoH^ 
iXitlg  und  fierä  aya^g  ilntöog  in  dem  übergeordneten  und  unterge- 
ordneten Gliede  sehr  schleppend  würde.  Die  zwischengeschobenen 
Glieder  können  darum  keine  Verwunderung  erregen,  weil  sie  zur  Er- 
läuterung der  Ansicht  des  Sokrates  nothwendig  waren.  Und  diese 
Ansicht  liefs  sich  am  besten  erläutern  durch  sein  eignes  Beispiel.  — 
Nr.  10  p.  68  B  C.  Ref.  mufs  der  Erklärung  Wyttenbachs  beistimmen. 
Er  kann  in  den  Worten  6  ceinog  dh  %xX,  nicht  die  Absicht  Piatons  fin- 
den, (piXotStoiktnog^  tpiXo^q^^Mtzog  und  tptXoxi^og  gleich  zu  setzen,  mufs 
vielmehr  gerade  das  Gegentheil  darin  sehen.  Die  Worte,  auf  die  sich 
der  Vf.  stützt,  heifsen  nur:  aber  dieser  ist  —  nach  Umständen,  d.  h. 
der  eine  so,  der  andere  so,  also  nach  der  concreten  Erscheinung  des 
allgemeinen  Begriffs  —  sowohl  fpilo%i^iunog  als  auch  tpiXoxiiiogy  und 

/V.  Jahrb.  f,  PkU.  «.  Patd,  Bd,  LXX.  Bß.  2.  11 


154        H.  Schnidt:  krilisclier  Commenlar  zn  Platos  Phaedon. 

zwar  kann  jedes  allein  für  sich  vorkommen  oder  verbunden.  Sollten 
alle  drei  Begriffe  gleiclistehcn ,  so  begreift  man  nicht,  warum  Piaton 
nur  den  tptloödfiarog  dem  g)iX6(So(pog  gegenüberstelle  und  nicht  gleich 
die  beiden  anderen  coordinierten  Begriffe  durch  kccC — xat  oder  1} — § 
anfüge  und  w  arum  die  (pikodcnficcvlcc  entweder  mit  der  g>iloxqf}fJtoavvfi 
oder  der  fpdortfila  oder  beiden  verbunden  sein  solle  und  nicht  auch 
allein  vorkomme.  In  der  Thal  kann  aber  auch  (piXoaoifiatog  jenen 
Begriffen  nicht  gleichgeslclll  worden,  da  sowohl  %(ffjfiaTa  tiXs  riiitxC 
lediglich  dem  leiblichen  Leben  zukommende  Güter  sind,  wührend 
aaficc  selbst  der  Seele,  deren  Interessen  der  (piXoaoipog  uusschliefs- 
lieh  vertritt,  direet  gegenüber  sieht.  Ob  Dreitheilung  oder  Zweilhei- 
lung  des  Begriffs  an  sich  logisch  richtiger  sei,  kann  nichts  entschei- 
den. Piaton  ist  bekanntlich  gerade  ein  Freund  der  Dichotomie.  Weis 
dazu  die  Erklärung  N^'yttenbachs  mit  Kep.  IX  p.  öSO  E  ff.  so  vollkom- 
men übereinstimmt,  dufs  daselbst  auch  nur  die  beiden  Arten  der  Lust 
des  ^ilox^i^ficrTog  und  g)iX6ri(iog  aufgestellt  werden,  ja  dafs  q>iXoxffil' 
(JLO0VV1I  sogar  ausdrücklich  als  der  gemeinsame  Name,  die  Ueberschrift 
gleichsam  für  die  Liebe  zu  Geld,  Trank,  Liebessachen  bezeichnet 
wird,  so  verdient  sie  unbedingte  Empfehlung  und  hat  Olynipiodors 
müfsige  Frage  beantwortet,  da  der  (piXox^jucnog  eben  der  fpUrjdovog 
ist.  —  Nr.  13  p.  69  B.  Hr.  S.  sucht  xal  rovrov  ^hv  navia  xerl  jxercr 
TOVTOv  cDvov^ievct  K€cl  7ri7tQaöii6(i6%'a  TCO  oi'Ti  rj  xtA.  scharfer  zu  fafscn, 
bringt  aber  in  diesem  Bestreben  eine  Schwierigkeil  hinein,  die  nicht 
darin  liegt,  indem  er  den  Begriff  der  ijdoval  einseilig  als  sinnliche 
Genüfso  fafst.  Der  Begriff  ist  aber  weiteres  Umfangs,  denn  die  i]6ovai 
können  auch  mit  der  ipqoviiCig  und  aqixri  verbunden  sein  (xal  rcqofS" 
yiyvo^ivcyif  xal  anoyiyvofiivcov  i^öavai').  Daher  kann  auch  ^dovij  ein- 
gekauft werden,  nur  mufs  es  mit  q*Q6v}]<5ig  geschehen.  Man  mufs  also 
für  die  beiden  Verba  das  Object  tidoin]  in  verschiedenem  Sinne  neh- 
men; die  eine  gibt  mau  hin,  die  andere  kauft  man  ein.  Das  beweist 
schon  der  Satz  av&*  ov  Sei  ixTcavra  ravza  xaraXXdruc&ai,  welcher 
in  unserem  Ausspruch  nach  den  zwei  Seiten  des  Tausches,  dem  Kauf 
und  Verkauf,  naher  ausgeführt  wird.  DasTFcrvra^  welches  hierbei  folgt, 
ist  alsdann  der  jedesmal  resultierende  Zustand,  gleich  Tapferkeit, 
Besonnenheit,  Gerechtigkeit,  der  aus  dem  Einkauf  und  Verkauf  um 
die  wahre  Münze,  die  (pQovt^atg^  in  dem  concreten  Falle  hervorgeht. 
—  Nr.  17  p.  70  D.  Von  den  Einwürfen  Kunhardls  widerlegt  Hr.  S. 
den  einen  treffend  durch  den  Nachweis,  dafs  es  sich  hier  nur  um  das 
Werden  handle.  Es  muste  hinzugefügt  werden:  um  das  Werden 
eines  bestimmten  Dinges,  seinen  Uebergang  aus  einem  Zustand  in  den 
entgegengesetzten.  Wir  haben  hier  die  Frage  von  dem  Ding  mit  seinen 
wechselnden  Eigenschaften.  Der  andere  Einwand  Kunhardts  wird  da- 
^^egen  nicht  von  dem  rechten  Standpunkt  aus  abgewiesen.  Dieser  geht 
im  wesentlichen  darauf  hinaus,  dafs  Piaton  in  dem  Beweise  aus  dem 
> Verden  des  entgegengesetzten  auseinander  eine  Voraussetzung  mache. 
Diese  Voraussetzung  ist  die,  dafs  die  Seele  ein  substantielles  sei,  an 
der  Leben  und  Tod  nur  verschiedene  Zustünde  bezeichneD.   Das  Todt- 


H.  Sohnidt:  kritischer  Coamentar  %u  PUtos  Phaedon.        155 

sein  wird  damit  nur  ein  anderer  Name  fflr  ein  verändertes  Leben.  Es 
f  ibt  also  kein  absolutes  Todtsein ,  sondern  nur  ein  relatives ,  d.  h.  ein 
von  diesem  Leben  verschiedenes  Leben.  Alles  dies  wird  aus  Analo- 
gie geschlofsen.  Aber  eben  darum  mufs  man  das  Vorhandensein 
der  Voraussetzung  anerkennen  und  zugestehen,  dafs  ein  metaphysisch 
unantastbarer  Deweis  nicht  geliefert  sei ;  aber  darum  braucht  man  Pia- 
ton doch  nicht  zu  nahe  zu  treten.  Es  kommt  darauf  an  zu  erkennen, 
was  Piaton  mit  diesem  Beweise  glaubte  erreichen  zu  können.  Dazu 
mufs  man  die  S  teil nng  desselben  im  Ganzen  des  Dialogs  ins  Auge  fa- 
fsen.  Danach  aber  soll  die  Frage  nach  dem  Sein  der  Seele  hier  nur  von 
der  Seite  des  Werdens  behandelt  werden.  Da  mufs  nun  nothwendig 
dieselbe  Anschauung  in  diesem  speciellen  Falle  wiederkehren,  die 
gleichsam  der  Grund  seines  ganzen  philosophischen  Systems  ist:  es 
mufs  alles  werdende,  soll  es  fiberhaupt  Gegenstand  philosophischer 
Betrachtung  werden,  von  der  Seite  des  ihm  unterliegenden  Seins 
erfafst  werden.  Somit  mufs  für  das  werdende  ein  seiendes  voraus- 
gesetzt werden.  Alles  seiende  aber  (soweit  das  Sein  nicht  blofs  als 
praedicativer  Begriff  gebraucht  wird)  ist  substantiell.  Wenn  also 
etwas  wird,  so  ist  zu  fragen:  welches  ist  das  seiende,  das  da  wird? 
Wenn  nun  die  Seele  ein  solches  seiendes  ist,  das  in  verschiedenen 
Zuständen  erscheint,  so  ist  nach  dieser  Anschauung  die  Consequenz 
nothwendig:  sie  ist  ewig,  es  gibt  eine  bestimmte  Zahl  von  Seelen 
und  Tod  und  Leben  sind  nur  verschiedene  Zustände  relativer  Art. 
Damit  wollte  ich  als  Princip  philosophischer  Erklärung  platonischer 
Stellen  das  geltend  machen ,  dafs  man  zunächst  sich  ganz  auf  Piatons 
eigenen  Standpunkt,  in  seine  Anschauungsweise  versetze.  Nur  da- 
durch macht  man  sich  um  das  Verständnis  desselben  wahrhaft  ver- 
dient, wenn  man  auch  das,  was  selbst  als  Voraussetzung  in  allen 
seinen  Beweisen  wiederkehren  mufs,  anerkennt  (vgl.  darüber  des  Ref. 
Abb.  über  die  platonischen  Mythen.  Hanau  1864).  —  Nr.  24  p.  74  B 
aQ^  ov  kC&oi  fiiv  taoi  %al  ^vXa  ivlozB  tctvra  wta  toth  ^tiv  Uta  <pcdve- 
xui^  Tori  6'  ov;  Diese  Stelle  wird  trotz  der  richtigen  Bemerkung,  dafs 
es  hier  nur  auf  die  Dinge  und  die  Geltung  des  Begriffs  der  Gleichheit 
ankomme,  nicht  richtig  erklärt.  Der  Vf.  sucht  die  Schwierigkeit  da- 
durch zu  lösen,  dafs  er  substituiert:  die  Dinge  seien  einer  steten  Ver- 
änderung unterworfen  nnd  darum  könne  aus  ihnen  Gleichheit  nicht 
erkannt  werden.  Aber  wollte  Piaton  so  erklären,  so  hätte  er  es  aus- 
drücklich gesagt.  Doch  hätte  bei  dieser  Annahme  der  Beweis  ein  ganz 
anderer  werden  müfsen.  Aus  ihr  konnte  weiter  nichts  geschlofsen 
werden,  als  dafs,  während  die  Dinge  in  der  Eigenschaft  der  Gleich- 
heit und  Ungleichheit  wechseln,  die  Begriffe  stets  dieselben  bleiben. 
Aber  dem  widerspricht  Piatons  eigne  Voraussetzung.  Er  sagt  gerade 
von  den  Dingen  xavxci  ovxa,  setzt  also  selbst  voraus,  dafs  die  Dinge 
dieselben,  also  gleiche  bleiben,  und  will  doch  gefolgert  haben,  dafs 
aus  ihnen  der  Begriff  der  Gleichheit  nicht  stammen  könne,  weil  sie 
zugleich  bald  gleich  bald  ungleich  seien,  während  der  Begriff  der 
Gleichheit  sich  mit  dem  der  Ungleichheit  nie  verträgt.   Die  Sohwie- 

11* 


15Ö        H.  Schmidt:  krilischer  Commentar  za  Platos  Phtedon. 

rigkeit  ist  aber  lediglich  von  deu  Erklirern  in  die  Stelle  hinein* 
getragen  worden,  indem  sie  annahmen,  es  handle  sich  um  gleiche 
Steine,  gleiche  Hölzer  u.  s.  w.  und  damit  weiter  operieren  wolUen. 
Damit  aber  liefs  sich  das  Ziel,  das  allerdings  leicht  zn  erkennen 
war,  nur  durch  Scheinschlüfse  erreichen.  Mit  Sokrates  Worten  ov 
^vkov  liyto  }^vXfp  ovöl  U&ov  U&m  xrA.  wird  aber  auch  jene  Auf- 
farsung  ausdrücklich  abgelehnt.  Dagegen  lafscn  die  Worte  ^  |vla 
«  Movq  iq  &ll^  orra  löovug  toa  i%  xovxtav  ixaivo  Ivvorfia^itv  hiffov 
ovxovxiav^  wonach  wir  gerade  in  dem,  was  wir  als  gleiche  Dinge 
anerkennen,  zugleich  zur  Einsicht  gelangen,  dafs  das  gleiche  etwas 
von  ihnen  verschiedenes  ist,  gar  keinen  Zweifel  über  die  richtige  Anf- 
fafsung  übrig.  Die  gleichen  Dinge,  tor  Tifor,  sind  uemlich  jedesmal  die 
Gattungen  von  Dingen;  alle  Steine,  alle  Hölzer  u.  s.  w.  sind  der 
Gattung  nach  gleiches,  lca\  aber  sie  sind  unter  sich  wieder  ungleich, 
d.  h.  die  einzelnen.  Es  handelt  sich  also  hier  um  Gattungen  und  Art 
oder  Individuum.  Was  nach  jener  Seite  Xca  ist,  ist  nach  dieser  Seite 
ungleich.  Nur  wenn  man  dies  festhält,  wird  das  folgende  verständ- 
lich, wie  z.  B.  p.  74  C  ctXkic  firiv  ix  tovtcov  y"  lqfi\  tav  tacuv,  kiQcw 
ovTiov  xxL ;  sonst  aber  müfsen  nothwendig  die  ärgsten  Misvcrständ- 
nisse  entstehen.  Dies  zeigt  sich  alsbald  in  der  folgenden  Note  Nr.  25 
p.  74  B  x£  öi;  ccvxa  xa  Hoa  Eaxiv  oxe  uviaa  aoi  ig}dvij;  Es  konnte  nicht 
fehlen,  dafs  der  Hr.  Vf.  nach  seiner  Annahme  sich  zu  dem  Geständ- 
nis genöthigt  sah,  dafs  er  sich  den  Gebrauch  des  Plural  für  avxo 
x6  Taov  nicht  erklären  könne.  Uns  wird  die  Stelle  nun  keine  bedeu- 
tende Schwierigkeit  mehr  bieten,  wenn  wir  avia  xa  laay  wie  es  auch 
Schleiermacher  (wenn  auch  in  anderem  Siune)  thut,  auf  die  Dinge 
beziehen  und  dann  das  Fragwort  i]  folgen  lafsen.  Dann  heifst  es: 
*wie  nun?  die  gleichen  Dinge  sogar  erschienen  dir  bisweilen  ungleich; 
etwa  auch  die  Gleichheit  als  Ungleichheit?'  Alsdann  wird  das  ganx 
verschiedene  Verhältnis  der  gleichen,  d.  h.  zu  ^iner  Galtung  gehören- 
den Dinge  und  des  BegrifTs  der  Gleichheit  gegenübergestellt  und  die 
Worte  von  avxd  bis  ^  sind  nur  Uebergangsglied,  in  einem  selbständi- 
gen Satz  ausgedrückt,  entsprechend  einem  Satzgefüge,  das  wir  mit 
*  während'  einleiten  können.  Dem  widerstrebt  x£  di  gar  nicht,  da  es 
nicht  nur  auf  dies  ^ine  Glied  sondern  auf  die  ganze  Frage  sich  bezieht, 
die  im  Gegensatz  zu  dem  vorhergehenden  steht.  Gleichwohl  lärst  die 
Stelle  auch  noch  eine  andere  Fafsung  zu,  wenn  man  {  schreibt.  Dann 
ist  der  Sinn:  weder  die  Gattungen  der  Dinge  gehen  in  andere  Gattun- 
gen über,  werden  also  aviaa,  noch  auch  der  Begriff  der  Gleichheit  in 
den  der  Ungleichheit  und  doch  —  ist  aus  dem  vorhergehenden  hinzu- 
zudenken —  enthalten  die  der  Gattung  nach  gleichen  Dinge  zugleich 
ungleiche  Arten  und  Individuen.  Allein  das  enge  Verhältnis,  in  wel- 
chem diese  Frage  mit  dem  durch  ov  xavxov  Sq^  eingeleiteten  Schlufs 
steht,  läfst  mich  jene  Auffafsung  vorziehen.  —  Nr.  26  p.  74  C  kann 
ich  mit  der  Streichung  der  Stelle  von  ovTiovv —  xl  dal  to'<J'  nicht  ein- 
verstanden sein,  da  mir  nicht  nur  der  Grund  nicht  klar  werden  kann, 
der  einen  Abschreiber  zum  Einschieben  sollte  bewogen  haben,  sondern 


H.  Schmidt:  kritischer  CommenUir  ko  Piatos  Phaedon.         157 

aach  andrerseits  die  Entwicklung  des  Gedankens  den  Inhalt  des  Satzes 
rechtfertigt.  Allerdings  behaaptet  Hr.  S.  mit  Recht,  dafs  keinesfalls 
ein  Schlufssatz  darin  gesacht  werden  könne;  denn  das  wäre  unlogisch. 
Der  Schlafs  wird  Tielmehr  erst  spater  gezogen.  Aber  es  soll  das 
Zusammenstimmen  der  Deßnition  der  avi^ivrfStg  in  allen  Theilen  er- 
wiesen werden.  Dazu  gehörte:  sie  könne  aus  ähnlichem  und  unähnli- 
chem entstehen.  Nun  war  nachgewiesen,  dafs  in  der  Wahrnehmung 
ihrer  Gattung  nach  gleicher  Dinge,  so  ungleich  sie  auch  sein  mögen, 
der  Begriff  der  Gleichheit  zum  Bewustsein  komme.  Es  muste  also 
•ach  die  Frage  sich  erheben:  sind  nun  die  gleichen  Dinge,  die  doch 
untereinander  gleich  und  ungleich  sein  können,  dem  Begriff  der  Gleich- 
heit ähnlich  oder  unähnlich?  Hr.  S.  nimmt  geradezu  ao,  es  müsten 
die  gleichen  Dinge  als  dem  Begriff  der  Gleichheit  ähnlich  genommen 
werden.  Allein  diese  Frage  bedClrfte  aberhaupt  einer  tiefer  einge- 
henden metaphysischen  Erörterung  von  dem  Verhältnis  verschiedener 
Ideen  untereinander  und  zu  den  Dingen,  wenn  die  Antwort  anfser 
Zweifel  feststehn  sollte.  Man  darf  sich  durch  die  allgemeine  Bestim- 
mung, dafs  die  Erscheinungsdinge  OfioidficiTcc  der  Ideen  seien,  nicht 
täuschen  lafsen;  denn  es  kommt  im  speciellen  Falle  darauf  an  zu  ent- 
scheiden, welcher  Ideen?  Sind  Steine  oiioiciftaxa  der  Idee  Stein  oder 
der  Idee  Gleichheit?  So  rasch  war  die  Entscheidung  dieses  Problems 
nicht  möglich  und  doch  machte  es  sich  gerade  hier  mit  einer  gewissen 
Nothwendigkeit  geltend.  Aber  für  den  Beweis,  der  hier  geführt  wer- 
den soll,  war  das  ganz  gleichgiltig  und  eben  darum  darf  auch  ein 
Hinweis  darauf  nicht  fehlen.  Diesen  gibt  gerade  unser  Satz,  indem 
er  nochmals  die  Deßnition  der  ivd^ivriaig  hervorhebt  und  ausspricht, 
es  mache  keinen  Unterschied,  wie  das  Problem  gelöst  werden  müfse, 
das  wesentliche  sei  nur,  dafs  man  etwas  anderes  wahrnimmt  und 
an  etwas  anderes  denkt.  Eben  darum  halte  ich  auch  an  der  Lesart 
?G)g  yciQ  Sv  fest,  da  nur  diese  im  Sinn  von  dum  modo  dem  geforderten 
Sinn  entspricht,  während  otav  ovv  einen  schiefen  Sinn  mit  herein- 
bringt. Hr.  S.  bezieht  sich  aber  mit  Unrecht  auf  p.  74  A:  denn  mit 
üxoTCSi  61^  beginnt  eine  neue  Entwicklung  und  der  voraufgehende  Satz 
von  a^'  ov  gibt  nur  das  Resultat  der  im  allgemeinen  eben  festgestell- 
ten Erscheinung  in  der  Erinnerung  an ,  dafs  nemlich  zugleich  das  Zu- 
rückbleiben hinter  der  Aehnlichkeit  des  vorgestellten  Bildes  und  der 
Wirklichkeit  des  Dinges  mit  erkannt  werde  —  und  es  war  dort  nur 
von  Dingen ,  nicht  wie  jetzt  von  dem  Verhältnis  der  Begriffe  oder  Ideen 
zu  Erscheinungen  die  Rede.  Dort  war  der  Begriff  HIeItcbiv  das  we- 
sentliche. Dafs  ein  Analogon  aber  auch  in  dem  neuen  Fall,  der  Er- 
kenntnis des  Begriffs  oder  der  Idee  aus  der  Erscheinung  stattfinde, 
wird  erst  von  r/  di  dal  an  nachgewiesen.  Da  muste  denn  um  so  mehr 
vorher  hervorgehoben  werden ,  dafs  es  auf  ofioiov  und  avofioiov  nicht 
ankomme,  als  es  sich  hier  nicht  um  den  Nachweis  handelt,  dafs  die 
Dinge  hinter  der  6fioi6xi]g  zurückbleiben,  sondern  hinter  der  Idee, 
während  es  sich  dort  um  das  Vorstellungsbild  und  die  Sache  selbst, 
also  eine  wirkliche  ofioiotijg  handelte.  —  Nr.  38  p.  79  D  twl  nhwvxai 


158         U.  Schmidt:  kritischer  Commentar  zu  PUtos  Phaedon. 

xtX.  ist  weder  die  von  Ast  noch  die  von  Hrn.  S.  vorgeschlagene  Acn- 
derung  anzunehmen.  Die  Vulgala  gibt  den  besten  und  nothwendigeo 
Sinn.  Denn  wenn  lir.  S.  meint,  man  sehe  nicht  ein,  warum  die 
Seele  jenen  Charakter  der  Ruhe  und  Unveranderiichkeit  nur  in  Bexie- 
hung  auf  die  Ideen  und  nicht  vielmehr  der  Aufsenwelt  gegenüber  be- 
haupten solle,  so  beruht  das  auf  einer  Verkennung  der  ganzen  pla- 
tonischen Erkenntnistheorie.  Denn  was  Ilr.  S.  will,  ist  nach  Plalona 
Ansicht  schlechterdings  unmöglich.  Die  Aufsenwelt  zieht  die  Seele 
stets  in  den  veränderlichen  Wirbel  mit  hinein ,  wie  auch  p.  79  C  aua- 
drQcklich  lehrt.  Nur  solange  es  ihr  möglich  ist  {i^y)  für  sich  seibat 
zu  sein,  bleibt  sie  frei  von  dieser  Unsicherheit.  Darum  ist  dieser  Zu- 
satz ne^l  ixeiva  durchaus  nothwcndig,  rotovtcDv  aber  kann  ebenso 
wenig  fehlen  und  steht  auch  nicht  für  die  Sache  selbst,  sondern  aller- 
dings für  die  Praedicatsangabe  xa  xorcr  ravta  i%ovxa^  was  in  (oottv- 
xmg  noch  mit  bcschlofsen  liegt.  Jeder  Versuch  den  Ausspruch  aaf  die 
Erscheinungsdinge  zu  beziehen  mufs  daher  fern  gehulten  werden.  Ja 
nur  wenn  man  an  der  alten  Lesart  festhält,  kann  man  Platona  An- 
schauung recht  verstehen.  Die  Seele  und  die  Art  ihrer  Erkenntnis 
wird  bestimmt  durch  die  Objecte  der  Erkenntnis.  Sind  dies  die  stets 
sich  ändernden  schwankenden  Erscheinungen  als  solche,  so  ist  sie 
ebenso;  sind  es  die  Ideen  rein  an  sich,  so  ist  auch  die  Erkenntnis 
und  damit  die  Seele  selbst  sicher,  fest  und  gehalten.  Als  Aufgabe  des 
Seelenlebens  entsteht  daher  negatives  Verhalten  gegen  jene  Hingabe 
an  die  Ideen.  —  Nr.  41  p.  82  E.  Auffallenderweise  hat  Hr.  S.,  nach- 
dem er  die  verschiedenen  Erklärungsversuche  für  die  Worte  nal  tov 
EtQyfiOv  tijv  ÖELVOtr^rci  KaTiöovaa  ort  öi*  iitid'VfjUag  iaxivj  iq  av  ^a- 
Xicxcc  avxog  6  Öedeiiiiog  ^vkXiqTtxoiQ  etrj  xa  ösdia^ai  aufgezählt  und 
widerlegt  hat,  sich  aufser  Stande  gesehen,  eine  Erklärung  der  Stelle 
überhaupt  zu  geben.  Ich  übersetze:  ^und  dufs  sie  (die  Philosophie) 
erkannt  hat,  dafs  die  Hauptmacht  der  Fefselung  auf  der  Sinnlichkeit 
beruht,  gleichsam  als  ob  gerade  (gerade  wie  wenn)  der  gebundene 
selbst  Mithelfer  wäre  zum  Binden.'  Die  Stelle  erfordert  nemlich  fol- 
gendes. Die  lernbegierigen  erkennen,  dafs  die  Philosophie  mit  Recht 
Lossagung  von  allem  sinnlichen  und  allem  Streben  nach  aufsen  ver- 
langt, weil  sie  1)  die  Seele  trifft  in  einem  gefefselteu  Zustande,  der 
ihr  durch  das  Gitter  hindurch  die  Wahrheitserkenntnis  unmöglich 
macht;  2)  weil  sie  auch  den  Grund  erkennt,  worin  die  verderbliche 
Macht  der  Fefselung  liegt,  dafs  sie  nemlich,  entstanden  aus  der  Sinn- 
lichkeit, in  immer  fesleren  Banden  den  Menschen  umschlingt,  der  sich 
seiner  eignen  Sinnenlust  hingibt.  Die  Hauptsacke  ist  hier  die  Er- 
kenntnis von  der  öeivoxtjg  xov  tt^^y^iov^  die  vorausgehen  mufs,  ehe 
die  Philosophie  seihst  Eingang  finden,  Macht  gewinnen  und  von  den 
Fefsclü  erlösen  kann.  Und  diese  ÖBivoxiig  beruht  eben  auf  der  fort 
und  fort  arbeitenden  ijn^vfila^  gleichviel  ob  man  sie  hier  nur  der 
Seele  oder  dem  Leibe  zuschreiben  oder  als  Bindeglied  zwischen  bei- 
den ansehen  will.  Hält  man  jenen  Sinn  fest,  so  ist  auch  grammatisch 
die  Stelle  klar  und  durchsichtig :  rijv  öe&v6xiixa  gehört  als  Subject  in 


H.  Schmidl:  kritischer  Commenliir  zu  Piatos  Phaedon.         150 

dea  Salz  niit  oxi  und  ist  alkrahierl  zum  Object  des  regierenden  Ver- 
bum;  mg  Sv  siti  ist  Vorgleichungssatz,  der  das  Verhältnis  erUulert,  in 
welchem  die  Philosophie  den  Menschen  antrilTt,  bevor  er  sich  noch 
ihrer  Leitung  übergeben  hat:  ^ganz  gerade  so,  als  ob  der  gebundene, 
der  doch  frei  zu  werden  wünschen  sollte,  sich  selbst  immer  noch 
mehr  binden  helfe',  ein  Gebrauch  von  »g  av  mit  dem  Optativ,  wie  er 
in  unzähligen  Fallen  sich  wiederfindet.  Das  Misverständnis  in  der 
Stelle  kommt  theils  daher,  dafs  man  zu  dt^  ^i^vfiiag  iatlv  ein  fal- 
sches Subject  unterschob,  wie  K.  Fr.  Hermann  o  d^yiiog^  theils  daher 
dafs  man  dg  av  xxL  statt  zum  Ganze!  nur  zu  öi  inp^fäag  iaxiv  in 
Beziehung  setzte  und  daher  fälschlich  für  einen  Absichtssatz  ansah, 
statt  für  einen  Vergleichungssatz.  —  Nr.  49  p.  90  A  glaube  ich  09M). 
dQ€c  doch  zu  den  voraufgehenden  Adjecliven  beziehen  zu  müfsen.  Zu 
den  von  den  anderen  £rklärern  für  diese  Beziehung  vorgebrachten 
Gründen  füge  ich  hinzu,  dafs  schon  durch  p.  89  D  nal  ^yi^cac&at 
TtavxaTCaat  kxI,  dieser  Form  des  Urtheils  vorgearbeitet  wird.  Dafs 
oXiyovg  gleich  ist  *nur  wenige',  erhellt  dann  aus  dem  Gegensatz 
nkeiaravgj  wenn  es  nicht  ohnedies  bekannt  wäre,  dafs  bei  Zahlwör- 
tern gerade  das  *  nur '  im  Griechischen  wie  im  Lateinischen  wegge- 
lafscn  zu  werden  pflegt.  Hr.  S.  stützt  sich  in  seiner  entgegengesetzten 
Meinung  darauf,  dafs  die  Frage  nag  itysig;  nur  dann  einen  Sinn  habe, 
wenn  eben  im  voraufgehenden  eine  auffaiieude  Aussage  enthalten  sei; 
und  die  findet  er  in  dem  absolut  philosophischen  Gebrauch  von  %Qif- 
axog  und  novijQog  im  Sinne  von  vollkommen  gut  und  schlecht.  Aber 
das  auffallende  liegt  eben  in  der  Behauptung ,  dafs  es  auch  nur  wenige 
sehr  schlechte  Menschen  gebe.  Es  ergibt  sich  das  aus  der  Beant- 
wortung jener  Frage.  Denn  nachdem  Sokrates  zur  Erläuterung  der 
Sache  überhaupt  von  der  Analogie  Gebrauch  gemacht  hat,  liüfert  er 
nicht  den  Nachweis,  dufs  es  sehr  wenige  gute  Menschen  gebe  und 
ebenso  sehr  wenige  schlechte  Menschen,  wie  man  nach  Hrn.  S.s  Auf- 
fafsung  erwarten  müste,  sondern  nur  dafs  im  Wettijtreit  der  Schlech- 
tigkeit nur  gar  wenige  den  ersten  Preis  davon  tragen  würden. 

Nr.  52  p.  92  D  äöTtSQ  avxijg  e0xtv  r^  ovaia.  Hr.  S.  rechtfertigt 
diese  Lesart  gegenüber  der  von  Mudge  zuerst  vorgeschlagenen  Aende- 
rung  in  cruti^.  ich  stimme  Hrn.  S.  vollkommen  bei,  erlaube  mir  aber 
noch  einen  Grund  hinzuzufügen,  den  ich  in  dem  Entsprechen  der  ein- 
zelnen Glieder  des  Vergleichs  finde.  Dem  ovxcag  entspricht  natürlich 
äaitef}^  dem  Subject  zu  jenem  ij  '^vx^  ^^  Subject  zu  diesem  ij  ovüCa, 
Nun  aber  hat  jenes  Subject  einen  Zusatz  in  dem  Genetiv  ^fi»i/  und 
diesem  kann  nur  wieder  der  Genetiv  aivtlg  entsprechen;  avr?)  dage- 
gen würde  die  Beziehung  der  oialcc  auf  die  tlwpj  ganz  wegrücken. 
Beide  ständen  voneinander  unabhängig  in  ihrem  Sein  da  und  der  Ver- 
gleich könnte  nur  dann,  wie  er  soll,  begründende  Kraft  haben,  wenn 
erwiesen  wäre,  dufs  die  Seele  auch  eine  ovaCa  sei.  So  aber  heifst  es: 
unsere  Seele  (gleichsam  unser  Inhalt)  existiert  ebenso  gut  vor  dem 
Eintritt  in  den  Leib,  als  ihr  Inhalt,  die  ovaia ^  den  sie  mitbringt 
zu  dem  Eintritt  in  den  Leib.  —    Nr.  53.  Die  Auseinandersetzung  über 


160         U.  Schmidt:  kritischer  Commentiir  zu  Piatos  Phaedon. 

den  von  p.  92  E — 94C  sich  abspinnenden  Beweis  enthält  viel  schönes 
und  zeichnet  sich  durch  umfarscude  Schärfe  und  lichtvolle  Klarheit  in 
der  Feststellung  der  einzelnen  Theile  des  Beweises  vortheilhaft  ans. 
Gleichwohl  mögen  einige  ergänzende  und  berichtigende  Bemerkungen 
nicht  überflüfsig  erscheinen.  Gleich  zu  Anfang  wird  es  als  eine 
Schwierigkeit  bezeichnet,  dafs  zuerst  die  Bestimmung  gegeben  werde: 
die  Harmonie  sei  aus  den  Theilen  zusammengesetzt  und  daher  von 
diesen  in  allen  ihren  Theilen  abhängig ,  dafs  aber  Sokrates  dennoch, 
ohne  diesen  Gedanken  fruchtbar  zu  machen  und  auszubeuten,  zu  dem 
neuen  Argumente  abergehe,  eflie  Harmonie  könne  mehr  oder  weniger 
Harmonie  sein.  Die  Schwierigkeit  löst  Hr.  S.  so,  dafs  er  jenen  ersten 
Gedanken  ganz  und  gar  sich  anschliefsen  lafsen  will  an  den  vor  auf- 
gehenden Beweis  und  die  darin  aufgestellte  Grundbestimmung  der 
Harmonie.  Allein  dieser  Gedanke  ist  in  der  That  ebenso  nothwendig  far 
das  folgende.  Wird  nemlich  nicht  die  Harmonie  bestimmt  als  bestehend 
aus  den  Theilen  und  abhängig  von  ihnen,  so  könnte  gar  nicht  gesagt 
werden,  es  gebe  Gradunterschiede  in  der  Harmonie;  denn  worauf  sol- 
len sich  diese  gründen,  wenn  nicht  eben  auf  das  verschiedene  Ver- 
hältnis der  Theile  zueinander?  Somit  ist  der  von  Piaton  an  die  Spitze 
gestellte  Gedanke  die  unentbehrlichste  Stütze  des  zweiten,  aus  ihm 
folgenden,  der  allerdings  in  der  Beweisführung  selbst  die  Hauptsache 
ist.  —  Weiler  unten  stimme  ich  zwar  der  Erklärung  von  p.  95  C  so, 
wonach  t/^/ioa^at  nicht  auf  die  metaphysische  Harmonie  als  Sein 
der  Seele,  sondern  auf  die  qualitative  moralische  zu  beziehen  ist. 
Daher  kann  ihm  in  schiechten  Seelen  das  avaQ(ioatov  entsprechen. 
Ebenso  fafse  ich  diesen  ganzen  Satz  auf  als  Uebergang  zu  der  sich 
erst  anreihenden  Schlafs  Folgerung.  Die  Schlufsfolgerung  selbst  aber 
mufs  ich  mit  Beibehaltung  der  alten  Lesart  aQ(ioviccv  aQ(ioviag  anders 
stellen.  Hr.  S.  macht  nemlich  geltend,  wenn  aus  der  Begriffsbestinu 
mung  der  Seele  wieder  zurückgeschlofsen  würde  auf  die  Harmonie, 
so  sei  dies  eine  logische  Unrichtigkeit,  da  von  dem  Gattungsbegriff 
nicht  alle  Praedicute  gelten  müsten  wie  von  dem  Artbegriff.  An  sick 
gewis  richtig:  aber  ein  kleines  ist  dabei  doch  übersehen.  Es  war 
gesagt,  die  Harmonie  läfst  nach  ihrem  allgemeinen  BegriflT  Gradunter- 
schiede zu,  die  Seele  nicht.  Damit  ist  natürlich  noch  nicht  widerlegt, 
dafs  die  Seele  überhaupt  nicht  Harmonie  sei;  vielmehr  soll  dies  erst 
geschehen.  Wohl  aber  liegt  darin ,  was  p.  93  D  als  xovxo  d'  laxt  to 
Ofiokoyrnia  bezeichnet  wird,  das  Zugeständnis,  dafs,  wenn  die  Seele 
Harmonie  sei,  dies  eben  eine  Art  der  Harmonie  sei,  die  über- 
all, wo  sie  vorkommt,  in  demselben  Grade  als  Harmonie 
betrachtet  werden  müfse.  Wenn  man  nun  einem  entgegenhält, 
dafs  es  doch  gute  und  schlechte  Seelen  gebe,  und  er  macht  den  Ver- 
such sich  damit  zu  helfen,  dafs  er  behauptet,  jene  hätten  in  der  Har- 
monie noch  eine  andere  Harmonie,  diese  aber  nicht,  so  würde  daraus 
folgen,  dafs  also  doch  die  eine  Seele  eine  andere  Harmonie  in  sich 
hätte  als  die  andere,  nemlich  die  eine  hätte  mehr,  die  andere  weniger 
Harmonie  in  sich.    Aber  gerade  das  würde  gegen  jenes  Zugeständnis 


H.  Schmidt:  krilisi^her  Commentar  zu  Piatos  Phaedon.         161 

Teratorsen ,  dar»  die  Seelen  Hormonien  seien ,  die  in  sich  keinen  Unter- 
schied von  mehr  oder  weniger  zuliefsen.  Hr.  S.  kommt  natttrlich  zu 
demselben  Resultat,  aber  ohne  die  entsprechenden  Voraussetzungen. 
Statt  des  Satzes:  durch  das  Zugeständnis,  eine  Seele  sei  nicht  mehr 
noch  minder  Seele  als  eine  andere,  sei  zugleich  zugestanden,  eine 
Seele  sei  nicht  mehr  noch  minder  Harmonie  als  die  andere ,  müste  es 
heifsen:  eine  Harmonie,  sofern  sie  als  Seele  erscheine,  sei  nicht  mehr 
noch  minder  Harmonie  als  die  andere;  also  kann  auch  in  ihr  kein 
Unterschied  durch  eine  andere  moralische  Harmonie  mehr  hervorge- 
bracht werden.  So  heifst  es  ausdrücklich  rnv  6i  ye  (itjöiv  fiällov 
(iriöifjtTOv  icQfiovlav  ovCav  /Lti/re  (läkkov  (n^xe  r^trov  iiQfi66^ai  p.  93  D. 
Dabei  ist  stets  a^fiovla  als  Subjcct  festzuhalten  bis  E,  wo  es  heifst 
ovKOvv  ^X'l  ^^^'  ^^^  ^*"?  is^  ^'^^  ^^*  Zuerst  wird  erwiesen,  dafs 
man  dem  Begriff  Harmonie,  auf  die  Seele  angewandt,  eine  Beschrän- 
kung auferlegen  mQfse,  sofern  es  der  Seele  allgemeiner  Begriff  sein 
solle.  Dann  aber,  sofern  die  Arten  der  Seele,  wie  sie  factisch  sich 
darstellen,  nach  jenem  Begriff  wiederum  ihre  Erklärung  finden  sollen, 
geräth  dieser  abermals  beschränkte  Begriff  mit  der  erst  nothwendigen 
Beschränkung  in  Widerspruch  und  es  ergibt  sich  daraus  als  Folge,  dafs, 
wenn  der  Begriff  der  Harmonie  auf  die  Seele  solle  angewendet  wer- 
den, dies  nur  auf  die  Arten  der  Seele,  nicht  auf  ihr  allgemeines 
Wesen  geschehen  könne.  Denn  dann  könne  er  die  Gradunterschiede, 
die  der  Harmonie  allgemein  zukommen,  wieder  annehmen,  indem  als 
iufserste  Endpunkte  Tugend  als  vollkommene  Harmonie,  Schlechtigkeit 
als  Disharmonie  sich  bezeichnen  läfst.  Bei  dieser  Erklärung  des  Zu- 
sammenhangs mufs  ich  natürlich  Hrn.  S.s  Nachweis  beistimmen ,  dafs 
wir  hier  nicht  ein  Conglomerat  von  Gründen,  sondern  die  einheitliche 
Entwicklung  6ines  Grundgedankens  haben.  Dagegen  müfsen  mir  die 
Angriffe  wie  die  Vertheidigung  der  vorangestellten  Definition  von 
Harmonie  und  Seele,  ob  das  eine  in  ideellem,  das  andere  in  populä- 
rem Sinne  oder  beides  in  ein  und  demselben  genommen  sei,  als  glcich- 
giltig  erscheinen,  da  es  sich  überhaupt  nur  darum  handelt,  wie  der 
Begriff  Harmonie  gefafst  werden  mufs ,  wenn  er  auf  die  Seele  seine 
Anwendung  finden  soll.  —  Nr.  57.  In  p.  96  C — 97  B  bereitet  sich  Hr. 
S.  eine  wunderliche  Schwierigkeit,  indem  er  annimmt,  wie  der  soge- 
nannte gesunde  Menschenverstand  die  Dinge  ansehe,  so  sei  es  ein- 
fache, gesunde  Wahrheit.  Nur  die  Naturphilosophie  habe  den  Sokra- 
teseine  Zeitlang  irre  gemacht;  dann  aber  sei  er  wieder  zur  allen 
Ansicht  zurückgekehrt.  Allein  die  Sache  steht  ganz  anders.  Sokrates 
findet  in  jener  auf  die  Sinnen  Wahrnehmung  gestützten  Anschauung  gar 
keine  Wahrheit.  Die  Naturphilosophie  regte  zuerst  die  Frage  über  das 
Werden  der  Dinge  auf.  Aber  sie  selbst  hielt  sich  eben  auch  nur  an 
die  Dinge ,  ohne  die  Begriffe  scharf  ins  Auge  zu  fafscn.  Sokrates  da- 
gegen fand  alsbald  die  begrifflichen  Schwierigkeiten  und  nun  fafste 
er  die  Sache  metaphysisch  an.  Das  Resultat  seines  eignen  —  oder 
wenn  man  will  des  platonischen —  Nachdenkens  ist  die  negative  Rich- 
tung gegen  das  Werden  (vgl.  des  Ref.  oben  angcf.  Abb,  S.  5 — 9).  So 


160        H.  Schmidt:  kritischer  CommenlHr  zu  Pialos  Phaedon. 

den  von  p.  92  E — 94C  sich  abspinnenden  Beweis  enthält  viel  schönos 
und  zeichnet  sich  durch  umfarsende  Schärfe  und  lichtvolle  Klarheit  iu 
der  Feststellung  der  einzelnen  Theile  des  Beweises  vortheilhart  aus. 
Gleichwohl  mögen  einige  ergänzende  und  berichtigende  Bemerkungen 
nicht  überflüfsig  erscheinen.  Gleich  zu  Anfang  wird  es  als  eine 
Schwierigkeit  bezeichnet,  dafs  zuerst  die  Bestimmung  gegeben  werde : 
die  Harmonie  sei  aus  den  Theilcn  zusammengesetzt  und  daher  von 
diesen  in  allen  ihren  Theilen  abhangig ,  dafs  aber  Sokrates  dennoch, 
ohne  diesen  Gedanken  fruchtbar  zu  machen  und  auszubeuten,  zu  dem 
neuen  Argumente  übergehe,  eHie  Harmonie  könne  mehr  oder  weniger 
Harmonie  sein.  Die  Schwierigkeit  löst  Hr.  S.  so,  dafs  er  jenen  ersten 
Gedanken  ganz  und  gar  sich  anschliefsen  lafscn  will  an  den  vorauf- 
gehendenBcweis  und  die  darin  aufgestellte  Grundbeslimmung  der 
Harmonie.  Allein  dieser  Gedanke  ist  in  der  That  ebenso  nolhwcndig  für 
das  folgende.  Wird  nemlich  nicht  die  Harmonie  bestimmt  als  bestehend 
aus  den  Theilen  und  abhängig  von  ihnen ,  so  könnte  gar  nicht  gesagt 
werden,  es  gebe  Gradunterschiede  in  der  Harmonie;  denn  worauf  sul< 
len  sich  diese  gründen ,  wenn  nicht  eben  auf  das  verschiedene  Ver- 
hältnis der  Theile  zueinander?  Somit  ist  der  von  Piaton  an  die  Spitze 
gestellte  Gedanke  die  unentbehrlichste  Stütze  des  zweiten,  aus  ihm 
folgenden,  der  allerdings  in  der  Beweisführung  selbst  die  Hauptsache 
ist.  —  Weiter  unten  stimme  ich  zwar  der  Erklärung  von  p.  93  C  zu, 
wonach  t]Qii6a&ai  nicht  auf  die  metaphysische  Harmonie  als  Sein 
der  Seele,  sondern  auf  die  qualitative  moralische  zu  beziehen  ist. 
Daher  kann  ihm  in  schlechten  Seelen  das  avaQiiocxov  entsprechen. 
Ebenso  fafse  ich  diesen  ganzen  Satz  auf  als  Uebergang  zu  der  sich 
erst  anreihenden  Schlufsfolgerung.  Die  Schlufsfolgerung  selbst  aber 
mufs  ich  mit  Beibehaltung  der  alten  Lesart  a^fioviccv  aQfioviag  anders 
stellen.  Hr.  S.  macht  nemlich  geltend,  wenn  aus  der  BegrilTsbeslinu 
mung  der  Seele  wieder  zurückgeschlofsen  würde  auf  die  Harmonie, 
so  sei  dies  eine  logische  Unrichtigkeit,  da  von  dem  GatlungsbegrifT 
nicht  alle  Praedicate  gelten  müsten  wie  von  dem  ArlbegrilT.  An  sich 
gewis  richtig:  aber  ein  kleines  ist  dabei  doch  übersehen.  Es  war 
gesagt,  die  Harmonie  läfst  nach  ihrem  allgemeinen  BegriflT  Gradunter- 
schiede zu,  die  Seele  nicht.  Damit  ist  natürlich  noch  nicht  widerlegt, 
dafs  die  Seele  überhaupt  nicht  Harmonie  sei ;  vielmehr  soll  dies  erst 
geschehen.  Wohl  aber  liegt  darin,  was  p.  d3  D  als  rovro  d'  la%i  %o 
oiJLol6yfi(ia  bezeichnet  wird,  das  Zugeständnis,  dafs,  wenn  die  Seele 
Harmonie  sei,  dies  eben  eine  Art  der  Harmonie  sei,  die  über- 
all, wo  sie  vorkommt,  in  demselben  Grade  als  Harmonie 
betrachtet  werden  müfse.  Wenn  man  nun  einem  entgegenhält, 
dafs  es  doch  gute  und  schlechte  Seelen  gebe,  und  er  macht  dun  Ver- 
such sich  damit  zu  helfen,  dafs  er  behauptet,  jene  hätten  in  der  Har- 
monie noch  eine  andere  Harmonie,  diese  aber  nicht,  so  würde  daraus 
folgen,  dafs  also  doch  die  eine  Seele  eine  andere  Harmonie  in  sieh 
hätte  als  die  andere,  nemlich  die  eine  hätte  mehr,  die  andere  weniger 
Harmonie  in  sich.    Aber  gerade  das  würde  gegen  jenes  Zugeständnis 


H.  Scbmidt:  kritisi^ber  Commentar  zu  Piatos  Phaedoo.         161 

Terstorsen,  dafs  die  Seelen  Hormonien  seien,  die  in  sich  keinen  Unter- 
schied von  mehr  oder  weniger  zulierscn.  Hr.  S.  kommt  natürlich  zu 
demselben  Resultat,  aber  ohne  die  entsprechenden  Voraussetzungen. 
Statt  des  Satzes:  durch  das  Zugeständnis,  eine  Seele  sei  nicht  mehr 
noch  minder  Seele  als  eine  andere,  sei  zugleich  zugestanden,  eine 
Seele  sei  nicht  mehr  noch  minder  Harmonie  als  die  andere,  mäste  es 
heifsen:  eine  Harmonie,  sofern  sie  als  Seele  erscheine,  sei  nicht  mehr 
noch  minder  Harmonie  als  die  andere;  also  kann  auch  in  ihr  kein 
Unterschied  durch  eine  andere  moralische  Harmonie  mehr  hervorge- 
bracht werden.  So  heifst  es  ausdrücklich  xnv  di  ys  (irjdev  (lalkov 
(iflöifivxov  icQfiovUtv  ovfSav  ^rfSB  (laXkov  (ii^ts  rirrov  iiQfioö^ai,  p.  93  D. 
Dabei  ist  stets  aQfiovia  als  Subjcct  festzuhalten  bis  E,  wo  es  heifst 
ovxovv  flfvxfl  xrA.  Der  Gang  ist  also  so.  Zuerst  wird  erwiesen,  dafs 
man  dem  Begri IT  Harmonie,  auf  die  Seele  angewandt,  eine  Beschrän- 
kung auferlegen  müfse,  sofern  es  der  Seele  allgemeiner  Begriff  sein 
solle.  Dann  aber,  sofern  die  Arten  der  Seele,  wie  sie  factisch  sich 
darstellen,  nach  jenem  Begriff  wiederum  ihre  Erklärung  ßndcn  sollen, 
gerith  dieser  abermals  beschränkt«  BegrifT  mit  der  erst  nothwendigen 
Beschränkung  in  Widerspruch  und  es  ergibt  sich  daraus  als  Folge,  dafs, 
wenn  der  BegrifT  der  Harmonie  anf  die  Seele  solle  angewendet  wer- 
den, dies  nur  auf  die  Arten  der  Seele,  nicht  auf  ihr  allgemeines 
Wesen  geschehen  könne.  Denn  dann  könne  er  die  Gradunterschiede, 
die  der  Harmonie  allgemein  zukommen,  wieder  annehmen,  indem  als 
änfserste  Endpunkte  Tugend  als  vollkommene  Harmonie,  Schlechtigkeit 
als  Disharmonie  sich  bezeichnen  läfst.  Bei  dieser  Erklärung  des  Zu- 
sammenhangs mufs  ich  natürlich  Hrn.  S.s  Nachweis  beistimmen ,  dafs 
wir  hier  nicht  ein  Conglomerat  von  Gründen,  sondern  die  einheitliche 
Entwicklung  6ines  Grundgedankens  haben.  Dagegen  müfsen  mir  die 
Angriffe  wie  die  Vertheidigung  der  vorangestellten  Definition  von 
Harmonie  und  Seele,  ob  das  eine  in  ideellem,  das  andere  in  populä- 
rem Sinne  oder  beides  in  ein  und  demselben  genommen  sei,  als  glcich- 
giltig  erscheinen,  da  es  sich  überhaupt  nur  darum  handelt,  wie  der 
BegrifT  Harmonie  gefafst  werden  mufs,  wenn  er  anf  die  Seele  seine 
Anwendung  finden  soll.  —  Nr.  57.  In  p.  96  C — 97 B  bereitet  sich  Hr. 
S.  eine  wunderliche  Schwierigkeit,  indem  er  annimmt,  wie  der  soge- 
nannte gesunde  Menschenverstand  die  Dinge  ansehe,  so  sei  es  ein- 
fache, gesunde  Wahrheit.  Nur  die  Naturphilosophie  habe  den  Sokra- 
tes- eine  Zeitlang  irre  gemacht;  dann  aber  sei  er  wieder  zur  allen 
Ansicht  zurückgekehrt.  Allein  die  Sache  steht  ganz  anders.  Sokrales 
findet  in  jener  auf  die  Sinnenwahrnehmung  gestützten  Anschauung  gar 
keine  Wahrheit.  Die  Naturphilosophie  regte  zuerst  die  Frage  über  das 
Werden  der  Dinge  auf.  Aber  sie  selbst  hielt  sich  eben  auch  nur  an 
die  Dinge,  ohne  die  BegrifTe  scharf  ins  Auge  zu  fafsen.  Sokrates  da- 
gegen fand  alsbald  die  begrifTlichen  Schwierigkeiten  und  nun  fafste 
er  die  Sache  metaphysisch  an.  Das  Resultat  seines  eignen  —  oder 
wenn  man  will  des  platonischen —  Nachdenkens  ist  die  negative  Rich- 
tung gegen  das  Werden  (vgl.  des  Ref.  oben  angef.  Abb.  S.  5 — 9).  So 


162         H.  Schmidt:  krilischcr  Comiuonlar  zu  Pialos  Phaedoa. 

kann  er  mit  Recht  sagen,  er  glaube  über  die  Ursache  nichts  tu  wirseii. 
Es  kommt  vielmehr  lediglich,  wie  das  folgende  klar  genug  auseinaa- 
dersetzt,  auf  die  Seinsvcrhältnissc  an.  Wer  aber  jene  Schwierigkeit 
im  Anfang  findet,  kann  unmöglich  das  folgende  verstehen.  —  Nr.  61 
p.  JOl  A  wird  ganz  richtig  erklärt.  Nur  halten  die  Einwürfe  Kun- 
hardts,  der  sich  auf  den  Staudpunkt  Piatons  nicht  stellen  kann,  kaum 
die  an  sich  richtige  Widerlegung  des  Vf.  verdient.  Nicht  jede  Thor- 
heit  verdient  eine  Antwort.  Dasselbe  möchte  gelten  zu  Nr.  64  p.  103 
B  ->  lOdA.  Wenn  aber  Kunhardt  einmal  widerlegt  werden  sollte,  so 
war  auch  hervorzuheben,  dafs  es  Piatons  Art  nicht  ist,  wie  Kunhardt 
die  Dinge  abstract  zu  betrachleu,  wie  die  avxtkoyixoC  thun,  son- 
dern dafs  er  gerade  nur  von  concreten  Anschauungen  geleitet  operie- 
ren mag.  —  Nr.  66  p.  102  E  ändert  ilr.  S.  elvcci  Sre^ov  ij  oneq  ^v 
in  elvcci  Iti  OTce^  ijv.  Diese  Aenderung  gibt  zwar  an  sich  einen  guten 
Sinn,  ist  aber  mindestens  unnöthig.  Es  handelt  sich  hier  um  die  Ver- 
träglichkeit oder  Unverträglichkeit  verschiedener  Praedicale  mitein- 
ander. Die  Frage  war:  wenn  ein  Ding  bald  grofs  bald  klein  erscheint 
im  Verhältnis  zu  andern  Dingen,  ist  alsdann  der  Begriff  der  Gröfse  in 
den  der  Kleinheit  übergegangen?  Das  wird  verneint.  Es  ist  bei  sol- 
chen Gegensätzen  nur  zweierlei  möglich:  entweder  der  Begriff  der 
Gröfse  geht  weg  oder  er  geht  unter.  Nun  wird  angegeben,  was  nicht 
möglich  ist,  dafs  er  nemlich  den  Begriff  der  Kleinheit  aushalte,  auf- 
nehme und  das  Gegentheil  sein  wolle  von  dem,  was  er  vorher  war, 
d.  h.  also:  zwei  entgegengesetzle  Praedicalsbegriffe  können  nicht  in- 
einander aufgenommen  werden,  so  dafs  der  eine  nun  die  substan- 
tielle Unterluge  des  andern  werde,  dieser  das  Praedicat  für  jenen. 
Dies  Verhältnis  des  substantiellen  Substrats  zum  Praedicat  mufs  mau 
festhalten  und  das  Ganze  ist  leicht  verständlich.  Das  substantielle 
wird  als  vnofiivov  aal  ÖB^afievov  bezeichnet,  svsqov  ist  das  Praedicat, 
so  also  dafs  das  grofsc  nun  Substanz  sei,  das  kleine  sein  Praedicat. 
Man  bedarf  darum  des  fiiya  6v  nicht  mehr,  wie  Ur.  S.  annimmt,  weil 
alsdann  fiiya  ov  noch  einmal  Praedicat  wäre.  Darum  aber  handelt  es 
sich  gar  nicht  mehr,  wie  aus  dem  mit  ciönsQ  eingeleiteten  Salze  zur 
Genüge  hervorgeht:  ich  meine  es  so,  erklärt  Sokrates,  wie  ich  als 
Substrat  die  Kleinheit  als  Praedicat  in  mich  aufnehmen  kann,  wiewohl 
ich  noch  derselbe  bin,  dem  vorher  das  Praedicat  Gröfse  zukam.  So 
soll  demnach  unter  den  Praedicaten  selbst  das  Verhältnis  nicht  sein. 
Folgte  man  Hrn.  S.s  Erklärung,  so  müste  man  erwarten:  wie  ich  im 
Stande  bin,  jetzt  Gröfse,  jetzt  Kleinheit  aufzunehmen  und  doch  noch 
derselbe  bleibe.  Dabei  lüfst  sich  ohnedies  der  Grund  nicht  einsehen, 
warum  Sokrates  von  der  Gröfse  in  Dingen  so  spräche,  gesondert 
und  im  Gegensatz  zu  der  Idee  der  Gröfse.  Ebenso  wenig  passend  wäre 
es  aber  das  in  tlvai  auf  ein  blofses  Praedicat  zu  beziehen,  indem 
gerade  die  Hauptsache,  welche  festgestellt  werden  soll,  das  Verhält- 
nis des  Substrats  zum  Praedicat  im  Unterschied  von  dem  Verhältnis 
der  Praedicale  zueinander,  ganz  verwischt  würde.  Dafs  endlich  nicht 
geltend  gemacht  werden  darf,  es  müfse  hier  ine^  iüxi  hcifsen,  kann 


U.  Schmidt:  kritischer  Commentar  ku  Piatos  Phaedon.         163 

schon  das  weiter  uoter  folg^ende  ovöh  alko  ovöiv  tgov  ivaviiav  iu 
ov  07ce(f^v  beweisen. —  Nr.  75  p.  105  A  will  Hr.  S.  darch  Einschal- 
tnng  der  Negation  vor  ivavtiov  emendieren.  Ohne  eine  einigermafsen 
eingehende  Untersuchung  über  das  Verhältnis  der  hier  unterliegenden 
Opera tionsbegriffe  nach  Piatons  Auffafsung  läfst  sich  aber  gar  nichts 
über  den  nothwendigen  Gedankengang  entscheiden.  Da  diese  Unter- 
suchung erst  noch  geführt  werden  mufs,  glaube  ich  diese  Stelle  vor- 
erst übergehen  zu  dürfen.  —  Nr.  77  handelt  über  den  Hauptbeweis 
von  der  Unsterblichkeit  der  Seele,  der  sich  auf  Wesen  und  BegrifT 
der  Seele  stützt.  Dieser  ganze  Abschnitt  verdient  alle  Beachtung. 
Anziehend  und  klar  ist  die  Darstellung  von  dem  Gang  des  Beweises. 
lo  allem  kann  ich  freilich  auch  hier  nicht  beistimmen,  zumal  ich  bei 
der  Beurtheilung  einer  scheinbar  vereinzelten  und  die  Möglichkeit 
einer  abgesonderton  Betrachtung  zulafscnden  Ansicht  unseres  Philoso- 
phen nie  die  Rücksicht  auf  dessen  ganze  Anschauungsweise  bei  Seite 
setzen  möchte.  Aber  ein  Eingehen  auf  das  Ganze  würde  mich  über 
die  Grenzen  hinausführen,  die  eine  Recension  einhalten  soll.  Nur  auf 
zwei  Punkte  möchte  ich  aufmerksam  machen.  Der  erste  ist  der,  dafs 
es  überhaupt  nicht  heifst,  der  Tod  trete  an  die  Seele,  sondern  nur  au 
den  Menschen,  p.  106  E.  An  die  Seele  kann  er  nicht,  sondern  nur 
an  das  Ding,  welches  sie  besetzt  hält,  den  menschlichen  Leib,  dem 
sie  Leben  zubrachte.  Es  ist  schon  analog,  wenn  der  Gegensatz  des 
geraden  an  die  zwei,  d.  h.  an  die  zwei  Dinge  herantritt,  oder  das 
kalte,  wie  Piaton  sagt,  an  das  Feuer,  d.  h.  nur  an  den  brcnnünden 
Gegenstand.  Dann  werden  die  zwei  Dingo  etwa  zu  dreien  und  das 
Feuer  erlischt  oder  der  brennende  Gegenstand  wird  kalt.  Hier  also 
geht  die  Zweiheit  der  Dinge  und  das  Feuer  unter.  Anders  ist  es, 
wenn  der  Tod  an  den  Menschen  herantritt.  Er  kann  die  Seele  gar 
nicht  erreichen,  sondern  nur  den  Leib,  da  er  der  direcle  Gogeiisal/. 
des  Lebensprincips  ist.  Also  kann  für  die  Seele  auch  ein  Aufhören  des 
Seins  nicht  die  Folge  sein,  wie  dort,  wo  das  uqxiov  wie  das  avdgriov^ 
das  warme  wie  das  kalte,  Feuer  und  Schnee  zwar  untereinander  anzu- 
gfinglich  sind,  nicht  aber  dem  Tod.  Mau  mufs  dabei  zweierlei  beach- 
ten ,  dafs  eben  hier  der  Gegensatz  der  Begriffe  selbst  Leben  und  Tod, 
also  das  gleichsam  potenzierte  Sein  und  Nichtsein  ist ;  dort  aber  sind 
es  Gegensatze,  welche  dem  Untergang  verfallen  können,  so  gut  sie 
ein  Dasein  haben;  dann  dafs  diese  zur  Analogie  herangezogeneu  Be- 
griffe nicht  als  selbständige  Wesen  in  den  concreten  Dingen,  an  denen 
sie  erscheinen,  können  gefafst  werden,  wie  die  Seele,  deren  Sein 
schon  durch  den  ganzen  Dialog  hindurch  im  Gegensatz  zu  der  Leib- 
lichkeit des  Menschen  bestimmt  war.  Der  Beweis,  dafs  die  Seele  zu 
den  Dingen  gehört,  die  von  ihrem  Gegensatz  nicht  vernichtet  werden, 
sondern  weggehen,  darf  nach  allem  gesagten  gar  nicht  vermifst  wer- 
den, wie  Hr.  S.  meint,  wenn  auch  der  Gedankengang  durch  die  schon 
dem  Worte  nach  naheliegende  Erörterung,  die  sich  auf  das  Pracdicat 
a&auoTog  stützt,  scheint  unterbrochen  zu  werden,  während  er  in  der 
That  dadurch  erfüllt  wird.    Doch  genug  hiervon.    Der  zweite  Punkt 


164        H.  Schnidl:  krilisclier  Commenlar  zu  Piatos  Phaedon. 

bezieht  sich  auf  den  von  Hrn.  S.  gemachten  Vorwurf,  dafs  sich  Piaton 
durch  seine  Sprach theorie  habe  verleiten  lafsen,  a&avcczog  statt 
für  untodt  fär  unsterblich  zu  nehmen.  Aber  dabei  mufs  man  bedenken, 
dafs  der  philosophisch  nothwendige  Begriff  ^ unsterblich '  war,  wie 
ihn  die  Sprachpraxis  bietet,  und  dann  dafs  auch  die  Sprachtheorie 
darauf  führt,  das  o  Sv  ^ivaxov  fif)  dixtfrai  nicht  blofs  für  untodt  Ea 
erklären,  sondern  für  unsterblich,  weil,  was  den  Tod  nicht  aufnimmt, 
eben  darum  nicht  sterben  kann.  —  Nr.  81  p.  111  C  wird  mit  Recht 
die  Lesart  (pQOVYi<sei  gegenüber  oatpgrjaei  wiederhergestellt.  Doch  wfire 
dazu  Grund  genug,  dafs  durch  befsercs  Sehen  und  Hören  auch  eine 
befsere  Wahrnehmungs -  und  Denkfähigkeit  begründet  wird,  sowie 
dafs  der  Zusammenhang  eine  Erwähnung  der  geistigen  Fähigkeiten 
verlangt,  ehe  von  der  Gemeinschaft  mit  den  Göttern  die  Rede  sein 
kann.  Dagegen  ist  an  eine  Abhängigkeit  der  Verstandesbildung  von 
den  Temperaturverhältnissen  nicht  zu  denken!  xal  nüai  xoig  rotovroig 
beziehe  ich  daher  auch  nicht  mehr  auf  die  übrigen  Sinne,  sondern 
lediglich  auf  geistige  Eigenschaften. 

In  diesen  Bemerkungen  ist  verhältnismäfsig  wenig  auf  die  von 
dem  Hrn.  Vf.  angenommenen  oder  vorgeschlagenen  Lesarten  Rücksicht 
genommen.  Es  würde  zu  weit  führen,  wollte  ich  mich  über  alle  hier 
einschlagenden  Punkte  selbständig  verbreiten.  Und  doch  dürfte  eine 
Uebersioht  \derselben  nicht  unwillkommen  sein  zur  Orientierung  für 
die,  welche  auf  die  kritischen  Expositionen  des  Hrn.  Vf.  nach  dieser 
Seite  Rücksicht  zu  nehmen  haben.  Die  kürzlich  erschienene  Ausgabe 
der  platonischen  Werke  von  K.  Fr.  Hermann  dürfte  wohl  bald  in 
allgemeinen  Gebrauch  übergehen,  um  allen  gleichsam  als  Handausgabe 
zu  dienen.  Darum  halte  ich  es  für  zweckgemäfs,  die  Lesarten,  wie 
sie  Hermann  aufgenommen  und  wie  sie  Hr.  S.  zu  begründen  sucht,  so 
weit  sie  voneinander  abweichen,  gegenüberzustellen.  Ich  stelle  die 
von  Hermann  voran.  61  B  dg  ranfTra,  will  S.  gestrichen  wifsen.  64  8 
desgl.  orov  d'avaxov,  66  B  fieta  rov  koyov  —  fieri  rovxov  tov  loyov 
(bei  der  Begründung  dieser  Lesart  ist  auf  H.s  Ansicht  bereits  Rück- 
sieht  genommen).  67  B  iv  rta  nageX^owt  —  iv  rm  na^vtt,  68  D 
xmv  fisyaXfov  xaxwv  —   xdiv  (leyCöxmv  xaxtov,    69  A  agexriv  dklayvi 

—  S.  nach  der  Vulg.  73  B  Tta^stv  —  ^a^etv  (da  Sokrates  unmittel- 
bar vorher  fragt  amaxeig  yccg  d?J,  %(og  ij  ficcXovfiivri  fia^rjatg  iva- 
fiinialgiaxiv;  so  scheint  mir  zur  Vollständigkeit  des  Wortspiels  fia^crv 
durchaus  nothwendig).  73  C  Xiyia  öh  xlva  XQOTtov;  xovöe  —  XiycD  di 
xtvtt  xQOTtov  xovrov  ib.  [ngoxBQOv]  —  exegov.  74  B  avxo  o  fowv.  — 
avxo  0  icxiv  laov  (wie  nur  hierdurch  der  sonst  mögliche  Wider- 
spruch zwischen  der  hier  angenommenen  Allgemeinheit  des  Wifsens 
der  Begriffe  und  der  späteren  Beschränkung  gehoben  werde,  hat  mir 
nicht  klar  werden  können ,  da  es  sich  in  beiden  Fällen  um  ganz  ver- 
schiedene Arten  des  Wifsens  handeln  würde.  Nur  die  Rücksicht  auf 
die  Deutlichkeit  kann  entscheiden,  vgl.  75  B).  ib.  74  B  ag  ov — xm  [liv 

—  xfo  di —  S. :  Vulg. ,  vgl.  oben  zu  Nr.  24  (H.s  Lesart  passt  zu  unse- 
rer Erklärung  zwar  auch  gut,  wenn  man  x^  nicht  von  qHxIveteity  son- 


H.  Schmidt:  kritischer  CommenUir  sn  Piatos  Phaedon.        165 

dern  von  taa  abhiDgea  l&rst,  oder  berser  noch  adverbialisch  01011111  = 
einerseits,  andrerseits;  aber  deutlicher  wird  jedesfalls  der  nolhwen- 
dige  Sinn  der  ganxen  Steile  durch  T(ni  ftiv —  Torl  d'  ov  ausgeprägt). 
74  C  avuovv  %xk. —  von  S.  gestrichen,  s. oben  zu  Nr.  26.  77  B  ufioi^ev 
na&iv  —  akko^iv  no&tv  (H.s  Lesart,  die  auf  Bekkers  Conjectnr  be- 
ruht, ist  unbedingt  vorzuziehn,  da  ikko^ev  keinen  ausgesprochenen 
Gegensatz  hat,  die  andere  Lesart  dagegen  nicht,  wie  S.  annimmt, 
*  irgend  woher'  sondern  *  woher  es  auch  sei'  bedeutet,  gerade  das 
was  der  Gedanke  hier  erfordert).  78  B  noreQOv  tj  ilfvxfl  —  nors- 
Qov  iffvifj  (11.  hat  seine  frühere  Ansicht,  die  sich  für  noiiQfov  t/n;;^^ 
entschied,  zurückgezogen.  Der  Artikel  ^  ist  jedesfalls  nolhwendig, 
da  ^xri  Subject  ist,  nozeQOv  dagegen  zum  Praedicat  gehört).  80  B 
ikk^  inumt^S  —  reAevrifa^^  Kai  iv  roictvx'g  Hqcij  aal  itaw  fiaka  — 
xikivvjja'jßj  Kai  iv  r.  &q^  naw  fiaka  (das  Komma  nach  rek,  scheint 
mir  mit  S.  nothwendig,  dagegen  ist  aal  vor  Trcfi/i;  eine  gute  Emenda- 
tion).  82  B  akk^  ^  xa  tpikona^Bt —  akka  ij  reo  g>.  (Vulg.)  84  A  fic- 
xaxHQitofiivrig  —  (uraxHQt^o^iiutjv.  84  B  ravta  ys  inirridevaaaa  — 
imvtldivovca,  87  D  ^  (liv  ^XV  —  V  'H^XV  f*^»'-  92  B  ozt  ravia  — 
ou  ov  Tovra  (die  Negation  ist  ein  guter  Zusatz  von  S.,  die  Begrün- 
düng  in  Nr.  51  sehr  lichtvoll;  doch  wird  dabei  xavia  gleichwohl  vor- 
zuziehen sein).  94  D  Ttttto«;  ünitov —  tiCTtog  Inmo  (beides  gibt  densel- 
ben Sinn.  Durch  den  Dativ  wird  dieser  zweite  Fall  dem  ersten  analog 
gestaltet  Tca^aarag  yi^ag  av^qumog  cii^kq^  jitf/^ov  elvat  avr^  r^  x£- 
9aA^.  Dafs  die  Abhängigkeit  von  Ttagaatäg  aufser  Acht  gelafscn 
würde,  macht  den  Genetiv  jedesfalls  auffallend).  96  £  neQi  tovtodv 
tov  —  Tavrji  r^v  alilav  (der  letztere  Emendationsversuch  ist  unbe- 
gründet, s.  zu  Nr.  57).  99  A  xal  ravia  va  nqaxxia —  %al  xavxy 
v^  TCQ,  102  E  elvat  Svsqov  ij  oneQ  riv  —  elvai  Sxt  otuq  ffv  (s.  oben  zu 
Nr.  66).  103  E  xov  avxov  ovofiaxog  —  xov  iavxov  ov  104  D  akka  %al 
ivavxlov  [avxai]  aet  xivog  —  akka  Kai  ivavxiov  öei  asl  xivog  avx^ 
nach  Ambr.  5.  104  E  avxo  [xo  ivavxlov]  —  avxo  xo  ivavxlov,  105  A 
TOVTO  [liv  ovv  xal  avxo  akkip  ivavxlov —  xal  avxo  akka  ovk  ivavxiov 
(vgl.  oben  zu  Nr.  75).  109  D  ro  di  deivoxaxov  —  xo  öi  slvai  xav- 
TOV,  HIB  6oq)QT^aet  —  g>QOviicei  (s.  oben  zu  Nr.  81).  113  B  ns(^u^ 
kixxofievog  [xy  y^j  —  7teQisktxx6(iBvog  xy  y^. 

Die  Begründung  der  von  Hrn.  S.  angenommenen  Lesarten  dürfte 
um  so  mehr  Beachtung  verdienen,  als  Hermann,  dem  sonst  bekannt- 
lich keine  neue  Erscheinung  auf  diesem  Felde  zu  entgehen  pflegt,  den 
vorliegenden  Commentar  wohl  erst  nach  Vollendung  seiner  Arbeit  in 
die  Hand  bekam.  Zeit  und  Raum  gestatten  mir  ebenso  wenig  hierauf 
genauer  einzugehen,  als  die  grofse  Manigfaltigkeit  des  Inhalts  aus- 
führlich zu  durchmustern,  die  der  Commentar  zum  Besten  der  Sin- 
neserklarung  nach  verschiedenen  Seiten  hin  darbietet.  Es  wäre  nicht 
unschwer,  an  einem  einzelnen  Beispiel,  z.  B.  Nr.  51  zu  p.  92  B  nach- 
zuweisen, in  wie  gediegener  systematisch  strenger  Weise  der  Hr.  Vf. 
Kritik  übt  und  in  der  Erklärung  zu  Werke  geht.  Aber  natürlich  nimmt 
gerade  die  Kritik  entgegenstehender  Ansichten  vielen  Raum  in  An- 


166         H.  Schmidt:  kritischer  Commentar  zu  PUtos  Pbaedon. 

Spruch  und  es  lärst  sich,  ohne  selbst  umfongreich  zu  werden,  der 
Inhalt  solcher  Noten  nicht  wiedergeben,  man  mOste  denn  gerade  der 
Eigenthamlichkeit  des  Hrn.  Vf.  keine  KOcksicht  angedcihn  lafsen,  wo- 
nach er  in  seiner  Entwicklung  kein  Zwischenglied  eines  Gedankens 
überspringen  mag.  Wer  aber  nur  jene  eine  Note  nachlesen  will,  wird 
erkennen ,  wie  er  ebenso  stark  ist  in  der  zusammenfarsenden  Inter- 
pretation eines  grörsern  Gedankencomplexes  wie  in  gründlicher  Acht- 
samkeit auf  das  kleine  und  anscheinend  unbedeutende,  dem  er  seinen 
eigenlhümlichen  Worlh  zu  geben  versteht.  Freilich  hat  auch  Ref. 
manche  Behauptung  nicht  gelten  lafsen  können.  Aus  dem  oben  mitge- 
theillcn  wird  hervorgehen,  dafs  Hr.  S.  am  wenigsten  befriedigt,  wo 
es  gilt,  den  philosophischen  Gehalt,  die  innere  Anschauung  Piatons, 
seine  metaphysischen  Ansichten  darzulegen.  Der  Grund  dieses  Man- 
gels liegt  in  demselben  Punkte  eingeschlofsen,  der  seine  Hauptstirke 
ausmacht:  das  ist  seine  durchweg  verstandesmäfsige  Zergliederung 
des  Gegenstandes  ins  einzelne  hinein.  Ueberall,  wo  die  Frage  nur 
nach  allgemein  logischen  Gesetzen  zu  erledigen  war,  konnte  er  damit 
vieles  leisten;  wo  er  aber  auf  das  dem  allgemein  logischen  unzugäng- 
liche individuelle  Anschauungsgebiet  hinüberkam,  muste  diese  Methode 
einseitige  Resultate  erzielen.  Doch  tritt  der  Hr.  Vf.  verhaltnismüfsig 
nur  selten  nach  dieser  Seite  hin  erklärend  auf.  Trotzdem  bleibt  auch 
für  den,  der  die  Erkenntnis  des  tieferen  philosophischen  Gehaltes  un- 
seres Dialogs  zum  Hauptgegenstand  seiner  Studien  macht,  die  Aus- 
beute aus  diesem  kritischen  Commentar  nicht  gering.  Grammatisch 
und  logisch  richtiges  Verständnis  der  einzelnen  Stellen  müfsen  ja  die 
Grundlage  bilden  für  das  philosophisch  richtige  Verständnis  des  Gan- 
zen. Da  endlich,  wie  ich  schon  oben  sagte,  das  Geschick  des  Hrn. 
Vf.  sich  besonders  glänzend  zeigt  in  der  kritisch  referierenden  Be- 
wältigung des  gesammten  Materials  der  Interpretation,  so  kann  ich 
nur  mit  dem  Wunsche  schliefsen,  der  Hr.  Vf.  möge  in  gleicher  Weise 
seine  Tbätigkeit  anderen  Dialogen  Piatons  zuwenden  und  auch  für 
sie  durch  möglichst  vollständige  Verarbeitung  des  aufgehäuften  StolTes 
an  divergierenden  Meinungen  einem  unzweifelhaften  Bedürfnis  unserer 
Zeit  abhelfend  entgegenkommen. 

Hanau.  Julhts  Deuschlc. 


ApoHomus  Dyscole,  Essai  sur  Thistnire  des  th^ories  grammaticales 
dans  rantiquito,  par  E,  Eg^cTy  professcur  aiippl^ant  k  la  facuU6 
(lo8  Icitro»  de  Paris  etc.   Paris,  Auguste  Durand.  ]H54.  349  S.  8. 

Ein  Buch  über  Grammatik  und  gar  noch  über  Geschichte  der 
Grammatik  ist  in  Frankreich  eine  seltene  Erscheinung,  und  wir  gra- 
tulieren dem  Vf.  sowohl  als  dem  Verleger  zu  dem  Muth,  den  sie 
hatten,  hier  zu  Lande  drei-  bis  vierhundert  Seiten  über  Apolloaios 


E.  Egger:  ApoHonius  Dyscole.  167 

Dyskolos  heriaszDgeben.  Der  Franzose  ist  su  lebhaft,  am  an  gram- 
matischen Studien  Gefallen  zu  finden:  er  betrachtet  sie  als  ein  noth- 
wendiges  Uebel  und  beschränkt  sich  darum  gern  auf  die  kleinste, 
unentbehrlichste  Dosis  davon.  Wie  es  in  Rom  hiefs:  philosophandum 
eil,  $ed  paucis,  so  ist  man  hier,  glaube  ich,  der  Meinung,  von  der 
Grammatik  müfse  man  nehmen ,  viras  zum  praktischen  Schulbedarf  ge- 
hört, das  andere  sei  vom  Ucbel.  Wir  Deutschen  im  Gegenlheil  halten 
dafür,  man  könne  hierin  des  guten  nicht  zu  viel  thun,  die  Grammatik 
begleitet,  um  nicht  zu  sagen,  verfolgt  uns  durch  die  ganze  Schule 
bis  in  die  Prima  und  gibt  uns  sogar  auf  der  Universität  nicht  frei : 
die  liebe  Jugend  virird  damit  genährt,  als  wäre  das  die  rechte  Milch 
ffir  den  jugendlichen  Geist.  Dafür  sind  wir  auch  die  grammatischste 
Nation  in  Europa ,  und  kein  Volk  versteht  sich  befser  auf  die  Zeichen 
der  Dinge.  Offenbar  wäre  es  wünschenswerth,  was  den  allgemeinen 
Unterricht  betrifft,  zwischen  dem  zuviel  in  Deutschland  und  dem  zu- 
wenig in  Frankreich  die  richtige  Mitte  zu  halten.  In  Bezug  auf  die 
Wifsenschaft  jedoch  möchten  wir  keinen  Hemmschuh  angelegt  wifsen. 
Man  kann  kühn  sagen ,  dafs  was  in  diesem  Jahrhundert  bedeutendes 
für  philosophische  wie  für  historisch  vergleichende  Grammatik  gelei- 
stet worden,  fast  ausschliefslich  von  Deutschland  ausgegangen  ist, 
und  die  Deutschen  haben  sich  wahrlich  dieses  Ruhmes  nicht  zu  schä- 
men. Hcifst  es  nun  aber  nicht,  Eulen  nach  Athen  tragen,  ein  franzö- 
sisches Buch  grammatischen  Inhalts  in  einer  deutschen  Zeitschrift  an- 
zeigen wollen?  Wir  glauben  es  nicht.  Erst  unlängst  hat  Hr.  Professor 
Ludwig  Lange  in  einer  kurzen,  aber  eindringenden  Analyse  der  Syntax 
des  Apollonios  die  Aufmerksamkeit  von  neuem  auf  diesen  Schriftstel- 
ler gelenkt  und  dabei  ausgesprochen ,  derselbe  sei  noch  nicht  genug 
gewürdigt  und  nicht  immer  richtig  verstanden  worden. 

Hr.  Egg  er  hat  sich  vorgesetzt  einen  vollständigen  Begriff  so- 
wohl von  der  grammatischen  Lehre  des  Apollonios  als  von  seiner 
Darstellungsweise  und  Schreibart  zu  geben.  Nach  einer  kurzen  Ein- 
leitung handelt  er  in  dem  ersten  Capitel  von  dem  Leben  und  den 
Werken ,  in  dem  zweiten  von  der  Methode  und  dem  Stil  des  Schrift« 
siellers.  Die  vier  folgenden  Capitel  enthalten  seine  Theorie  der  Rede- 
tlieile,  das  7e  seine  allgemeine  Theorie  der  Syntax.  Das  8e  und  letzte 
bespricht  den  Nutzen,  den  das  Studium  der  griechischen  Grammatik 
noch  heutzutage  aus  Apollonios  Schriften  ziehen  könne.  Den  meisten 
Capiteln  sind  Andeutungen  vorausgeschickt  über  die  Art,  wie  die 
Vorgänger  des  Apollonios  dieselben  Gegenstände  behandelt  hatten.  In 
alle  sind  längere  Auszüge,  oft  wörtlich  übersetzte  Stellen  des  Schrift- 
stellers verwebt,  weil  es  dem  Vf.  darum  zu  thun  war,  neben  dem 
Gehalt  auch  die  Form  der  Werke  des  Ap.  seinen  Lesern  vorzuführen. 
Diese  vollständigen  Analysen  und  Auszüge  der  vorhandenen  Schrif- 
ten, die  sorgfältige  und  übersichtliche  Zusammenstellung  der  verlo- 
renen im  2n  Capitel,  die  genaue  Benutzung  alles  dessen,  was  sich 
ans  andern  Quellen,  besonders  Priscian  und  den  Scholiasten  des  Dio- 
nysios  Thrax  über  Ap.  erfahren  oder  errathen  läfst,  geben  ein  voll- 


168  £•  Egger:  Apollonius  Dyscole. 

ständiges  Bild  von  der  Thätigkeit  des  Grammatikers.  Hr.  E.  hat  seine 
Schriften  offenbar  längere  Zeit  und  mit  einer  gewissen  Vorliebe  stu- 
diert, sich  seine  Ansichten  und  seine  eigenthümliche  Aus  drucks  weise 
vollkommen  zu  eigen  gemacht:  in  den  zahlreichen  übersetzten  Stellen 
sind  uns  nur  wenige  anfgestofsen ,  Ober  deren  Erklärung  wir  mit  dem 
Vr.  rechten  möchten.  Er  hat  nicht  nur  die  Ausgaben ,  sondern  auch 
die  Pariser  Handschriften,  besonders  die  vortreffliche  Nr.  2648  fort- 
während zu  Rathe  gezogen  und  theilt  daraus  hin  und  wieder  eine 
Lesart  genauer  mit,  als  dies  von  Bekker  geschehen  ist.  Wir  heben 
zwei  Beispiele  hervor.  Synt.  I,  2  p.  6,  4  liest  man  bei  B.  wie  in  den 
frühern  Ausgaben :  ^AQiatagxog  ovx  Heye  fiiv  TiXeova^eiv  ro  a^^ov, 
7UQiiy(fcc(pe  di,  ag  illeiTtovrog  övvff^iog  rotg  Sf^^QOtg,  Hr.  E.  bemerkt 
(p.  4),  dafs  die  Hs.  xov  noirjftov  hinzufügt,  wodurch  denn  freilich  der 
Sinn  viel  deutlicher  wird.  P.  270  bestätigt  er  aus  den  Spuren  der  Hs. 
die  Conjectur  von  Lehrs:  elxe  naxit  övv&etsiv  eXxe  %a[z  hxiX\eittVj  de 
adv.  p.  5<>9,  8.  Auch  von  dem ,  was  auswärts ,  besonders  in  Deutsch- 
land, in  Büchern  und  Abhandlungen  zur  Geschichte  der  griechischen 
Grammatik  beigetragen  worden,  ist  ihm  nicht  leicht  irgend  etwas 
entgangen.  Die  Darstellung  ist  klar  und  gefällig,  und  während  die 
Schriften  des  Ap.  denjenigen,  der  zum  erstenmal  an  sie  herantritt, 
durch  eine  schwerfällige  Terminologie,  schlecht  gebaute  Sätze,  weit- 
schichtige Digressionen  abstofsen  und  ermüden,  liest  sich  das  Buch 
seines  französischen  Interpreten  mit  grofser  Leichtigkeit.  Wir  em- 
pfehlen es  allen  denen,  die  nicht  Zeit  oder  nicht  Lust  haben,  den  be- 
schwerlichen Weg  durch  den  griechischen  Text  zurückzulegen,  und 
auch  den  Lesern  des  Textes  kann  es  sehr  wohl  als  Wegweiser  und 
Dolmetscher  dienen. 

Der  Vf.  betrachtet  mit  Recht  Ap.  als  den  Vollender  der  antiken 
Grammatik  und  die  Syntax  als  die  Spitze  der  Arbeiten  des  Ap.  An  kei- 
nem Werke  also  lälst  sich  befser  beurtheilen,  wie  weit  es  die  Alten 
überhaupt  in  der  grammatischen  Wifsenschaft  gebracht  haben.  Von  den 
drei  Theilen  der  Grammatik:  Etymologie,  Flexion  und  Syntax,  ist  es, 
wie  uns  scheint,  der  zweite,  die  Flexion,  welcher  die  Alten  am  meisten 
beschäftigt  hat.  Dies  kommt  wohl  daher,  dafs  der  Streit  über  Analogie 
und  Anomalie  sich  hauptsächlich  um  die  Flexion  drehte.  Auch  die  Ein- 
theilung  der  Redetheile  schliefst  sich  gewissermafsen  an  die  Flexion 
au.  Man  weifs,  wie  viel  die  grammatischen  Schulen  der  Griechen  über 
Zahl  und  Ordnung  der  Redetheile  gestritten,  und  dafs  am  Ende  die 
Classification  des  Aristarch  die  herschende  ward.  Die  8  aristarchi- 
schen  Redetheile  sind  von  Ap.  angenommen ,  finden  sich  bei  Priscian 
wieder  und  sind  von  da  in  die  modernen  Schulen  übergegangen.  Hr. 
£.  findet  diese  Eintheilung  im  ganzen  recht  vernünftig  und  praktisch: 
und  das  mag  sein.  Nur  glauben  wir,  dafs  er  gegen  Varro  ungerecht 
ist,  wenn  er  dessen  Eintheilung  jener  gegenüber  bizarr  und  äufserlich 
findet  (p.  73).  Varro  theilt  die  Worte  in  4  Classen:  diejenigen  wel- 
che Casus,  diejenigen  welche  Tempora,  die  beides  zugleich  und  die 
keines  von  beiden  haben  (de  L.  L.  VIII,  44  u.  a.).    Dies  sind  jedoch 


E.  Efger :  Apollomas  Dyscole.  169 

Moht  die  Redetheile  des  Varro,  sondern  die  Oberabtheilnngen,  die 
nun  darch  weiteres  Spalten  in  die  einzelnen  Redetheile  zerfallon. 
Nun  mOsten  wir  aber  sehr  irren ,  wenn  nicht  die  varronische  Einthei- 
lung  auch  jener  gelfinfigen  in  Nomen,  Pronomen,  Artikel,  Verbum, 
Parlicipium,  Adverbium,  Praeposilion ,  Conjunction  dem  Wesen  nach 
zu  Grunde  läge.  Wenn  Adjectiv  und  Substantiv  in  eine  Classe  zusam- 
mengeworfen, wenn  aus  dem  Particip  eine  besondere  Kategorie  ge- 
macht wird,  so  rührt  das  doch  wohl  daher,  dafs  die  Art  der  Flexion 
den  höchsten  Eintheiiungsgrund  bildete.  So  hängt  der  Schiursstein 
der  alten  Grammatik,  die  Feststellung  der  Redetheile,  mit  der  Bcu- 
gungslehre  und  mittelbar  mit  dem  Streit  über  Analogie  und  Anomalie 
zusammen.  Lersch  hat  mit  sehr  glücklichem  Takt  diesen  Streit  an  die 
Spitze  seiner  Untersuchungen  über  die  Sprachphilosophie  der  Allen 
gestellt. 

Die  beiden  andern  Haupttheile  der  Grammatik,  Etymologie  und 
Syntax,  sind  von  den  Alten  weniger  ausgebildet  worden,  und  zwar 
aus  entgegengesetzten  Gründen.  Die  Etymologie  tappte  rathlos  umher 
und  gerieth  auf  die  wunderlichsten  Irrwege,  weil  die  Grammatiker 
ihre  eignen  Ideen  und  Einfälle  in  die  Sprache  hineintrugen,  ansialt 
den  Sprachstoff  geduldig  zusammenzustellen,  zu  zerlegen  und  ihm  so 
das  Geheimnis  seiner  Eiilstehung  abzuringen.  Der  hellenische  Stolz, 
der  alles  fremde  als  barbarisch  verachtete,  trug  auch  das  seinige 
dazu  bei.  Die  römischen  Grammatiker  hat  die  Vergleichung  des  Grie 
chischen  hin  und  wieder  zu  richtigen  Etymologien  nnd  guten  Bemer- 
kungen geführt;  die  Griechen  würdigten  keine  einzige  der  vielen 
Sprachen,  die  zu  Alexandrien  und  anderwärts  täglich  um  sie  her  ge- 
redet wurden,  ApoUonios  nicht  einmal  die  der  wellherschenden  Rö- 
mer einer  nähern  Beachtung.  Ilr.  E.  macht  an  verschiedenen  Stellen 
seines  Buchs  darauf  aufmerksam ,  wie  sich  diese  Vernachläfsigung  an 
dem  Grammatiker  gerächt  habe.  Er  führt  sehr  passend  (p.  52)  die 
naive  Behauptung  des  Philodemos  an ,  die  Götter  redeten  untereinan* 
der  griechisch  oder  eine  der  griechischen  nahe  kommende  Mundart: 
«ari  vfi  Jia  t^v  'Ekkrivlda  vofuCTiov  Sx^tv  ctvtovg  öuiXsKrov  ij  (iti 
ttoQQfo ....  (Vol.  Hercul.  t.  VI ,  negl  xtjg  rmv  ^eav  evaroxovtiiv^jg 
dutyayyiJQ  col.  14).  Diese  ergötzliche  Aeufserung  des  Nationalstolzes 
erinnert  an  die  Vergötterung  des  Latein  bei  dem  Jesuiten  Melchior 
Inchofer,  der  es  wahrscheinlich  fand,  dafs  die  Heiligen  im  Himmel 
lateinisch  redeten,  und  dafs  auch  Christus  sich  der  kirchlichen  Spra- 
che zuweilen  bedient  habe  (s.  Bernhardy  Grundrifs  der  röm.  Litt.  2e 
Bearb.  S.  25). 

Die  Syntax  der  Alten  hingegen  bat  erst  spät  einen  Anlauf  zu 
wifsenschaftlicher  Gestallung  genommen,  weil  sie  sich  allzu  äufser- 
lieb  an  die  einzelnen  Erscheinungen  hielt,  nicht  philosophisch  zu  all- 
gemeinen Begriffen  aufstieg.  Selbst  der  Meisler  der  antiken  Syntax, 
ApoUonios,  fafst  mehr  die  Worte  selbst  ins  Auge  als  die  Beziehungen 
der  Worte,  die  doch  den  eigentlichen  Gegenstand  der  Syntax  bilden. 
Er  ordnet  sein  System  nach  den  Redetheilcn,  und  seine  Hauptschrift 

A.  Jakrb.  f.  PhU.  u.  Paed,  Bd.  LXX.  Hfl.  2.  «  12 


170  B.  Egfer:  Apollonius  Dyieole. 

ist,  wie  Hr.  E.  (p.  244)  mit  Recht  bemerkt,  im  Grande  nicht  viel 
mehr  als  ein  ge<irfinfter,  abersicfatlicher  Aaszag  aas  den  Specinl- 
schriflen,  die  er  Aber  die  eineelnen  Redetheile  verfarst  hatte:  die  Ver- 
gleichang  der  Syntax  mit  den  drei  Einzelschriften ,  die  theilweise  nnf 
ans  gekommen  sind,  beweist  dies  durchaus.  Wir  können  es  daher 
nur  billigen,  wenn  Hr.  E.  zuerst  in  mehreren  Capiteln  weitliafig  die 
Lehren  des  Ap.  über  die  einzelnen  Redetheile  abhandelt  und  an  diese 
ein  einziges  Capitel  aber  sein  System  der  Syntax  anreiht:  die  Schrift 
n€Ql  avvza^eng  bot  für  jene  ebenso  viel  und  mehr  Stoff  als  für  dieses. 
Mrgends  findet  man  in  derselben  eine  Theorie  des  Satzes,  eine  Zer- 
legung des  Satzganzen  in  seine  Theile:  die  Ausdrücke  Sobject  and 
Praedicat  kommen  nicht  vor,  geschweige  dafs  der  Stoff  nach  den  Be- 
ziehungen dieser  beiden  Satztheile  zueinander  und  zu  ihren  niheren 
Bestimmungen  geordnet  wäre.  Die  Bezeichnung  des  Nomen  (welches 
das  A4jectiv  einschlierst)  und  des  Yerbum  als  der  bedeutendsten  und 
lebendigsten  Redelheile  gibt  hierfür  einen  nur  schwachen  Ersatz.  Ich 
weifs  nicht,  wer  die  Ausdrücke  Subject  und  Praedicat  zuerst  in  die 
moderne  Grammatik  eingeführt  hat;  aber  das  ist  offenbar,  dafs  sie 
aus  Aristoteles  (iuqI  iQfirjvUag)  abgeleitet  sind,  der  auf  das  bestimm- 
teste den  praedicativen  Charakter  des  Yerbum  hervorhebt,  indem  er 
sagt,  es  sei  immer  crffiBtov  rmv  xo^'  hsQOv  leyo(iiv»Py  oder  tmv 
Tiad"  imoxetfiivov  i}  iv  v7to%€tfiivcj>  oinroov,  und  der  unter  ovofia ,  im 
Gegensatz  zu  nvfaaig  ovofiatog^  nur  eben  dies  vnoxelfuvov^  den  er- 
sten der  beiden  in  jedem  Urlheil  enthaltenen  Begriffe  versteht.  Die 
alten  Grammstiker  halten  es  verschmäht,  die  Andeutungen  des  Philo- 
sophen für  die  Syntax  fruchtbar  zu  machen,  die  neueren  erst  haben 
den  Schatz  gehoben,  der  darin  verborgen  lag,  und  dennoch  lafst  sich 
nicht  leugnen,  dafs  dieser  philosophische  Ursprung,  diese  Uebertra- 
gung  von  Begriffen  und  Namen  aus  der  Logik  in  die  Grammatik  etwas 
schiefes  in  die  Terminologie  sowohl  als  die  Anschaaungen  der  Gran^ 
matik  brachte,  bis  es  der  Sprachforschung  endlich  gelang  einen  rich- 
tigeren ,  sachgemifseren  Standpunkt  einzunehmen.  Wie  pedantisch  ist 
z.  B.  gleich  der  Ausdruck  Satz,  propoiitiOy  womit  wir  das  bezeich- 
nen, was  der  alte  Grammatiker  viel  passender  einen  vollständigen 
Sinn,  avxorekrig  liyog^  nannte.  Aristoteles  beschränkte  sich  auf  seine 
logischen  Zwecke  und  erklärte  ausdrücklich ,  dafs  er  Wunsch- ,  Be- 
fehlsatz n.  s.  w.  bei  Seite  lafse  (1.  c.  c.  4);  die  moderne  Grammatik 
will,  dsfs  jeder  Satz  ein  Urtheil  enthalte,  und  gibt  sich  dann  ver- 
gebliche Mühe  das  widerstrebende  in  diese  einseitige  Definition  zu 
zwängen.  Die  Namen  Praedicat  und  Subject,  Aussage  und  Gegenstand 
von  dem  ausgesagt  wird,  passen  nicht  auf  die  Satztheile  die  sie  be- 
zeichnen sollen ,  sondern  nur  auf  das  was  man  später  logisches  Sub- 
ject und  Praedicat  genannt  hat  *).  Apollonios  nennt  einmal  beiläafig 


^*)  Kin  Ansatz  zu  der  Unterscheidung  zwischen  logischem  und  gram- 
matischem Subject  findet  sich  schon  in  dem  avftßccfiot  und  naQaevfißtqga 
der  Stoiker. 


B.  Efgerz  Apollomas  Dyicole.  171 

dai  sogenmiite  flnbjeel  to  ivitfyo&p  (III,  81  Jont.),  wag  Aem  Wesen 
der  Sache  viel  niher  kommt:  de»  daa  graaimaUsf^e  Snbject  ial  ja 
niehtf  anderei  als  der  Aasgangrspukl  dea  durch  daa  Verbam  aaa- 
gedrackten  Vorgaaga.  Das  ist  nun  freilich  hentsntage  allgemein  be- 
kannt; aber  dennoch  spukt  die  mit  den  Worten  selbst  verknflpfle 
altere  Anschauungsweise  noch  hin  und  wieder  in  Köpfen  und  BOchera. 
So  liest  man  in  Zampts  Grammatik  §.  d63:  'Sobject  heifst  in  einem 
Satze  das,  worüber  etwas  ausgesagt  wird,  Praedicat  nennt  man  was 
Ober  das  Subject  [ausgesagt  wird' :  eine  Definition  die  an  den  ein- 
fachsten Sitzen,  z.  B.  urbem  Romam  a  prtncipio  regßi  kabuere^  zu 
Schanden  wird.  Das  Uebel  liegt  in  dem  philosophischen  Ursprung 
der  grammatischen  Kategorien.  Dadurch  wurden  abstracto  Urtheils- 
aitse  wie  *der  Mensch  ist  sterblich'  zum  Prototyp  des  Satzes  erho- 
ben, als  die  Norm  betrachtet,  auf  welche  alle  übrigen  Sitze  zurflck- 
suffihren  seien,  eine  Ansicht  die  der  lebendigen,  graounatischen  An- 
schauung zuwiderläuft. 

Allein  kommen  wir  anf  Ap.  zurück.  In  seiner  Lehre  von  den 
Redetheilen  verdient  unstreitig  die  Begriffsbestimmnng  des  Artikels 
eine  besondere  Auszeichnung:  Hr.  E.  hat  mit  Recht  darauf  hingewie- 
sen. Denen  gegenüber,  die  ganz  infserlich  dem  Artikel  die  Rollo 
gaben,  das  Geschlecht  dor  Substantivs  zu  unterscheiden,  setzt  Ap.  das 
Wesen  dieses  Rcdetheils  mit  unübertrolTener  Schärfe  und  Feiuhcit  in 
die  Rflckbeziehung  (ava<poQa)  auf  ein  schon  genanntes  oder  schon 
bekanntes,  in  die  yvMtq  n^oihtOKBifiivri ^  ^QOvg)SOTMa,  die  secunda 
noiüia^  und  weist  vortrefflich  nach,  warum  er  in  gewissen  Fällen 
gesetzt,  in  andern  weggelafsen,  bald  wiederholt  (wie  in  6  dovXog  6 
ifiog) ,  bald  nicht  wiederholt  werde  (wie  in  o  ifiog  öovlog).  Ebenso 
scharfsinnig,  wenn  auch  vielleicht  nicht  ebenso  richtig,  sagt  Ap.  vom 
Pronomen,  dafs  es  die  oiöUcj  das  reine  Sein  bezeichne  (er  wollte 
wohl  sagen:  auf  ein  Individuum  deute),  während  das  Nomen  neben 
der  avifla  noch  die  itoiotrfg,  die  mit  dem  Sein  verknüpften  Eigen- 
schaften ausdrücke.  Wir  können  dem  Vf.  nicht  beislimmen ,  wenn  er 
p.  77  dem  Ap.  die  Lehre  zuschreibt,  das  Nomen  und  sogar  das  Nomen 
proprium  enthielte  nicht  den  Begriff  der  ovöia,  der  aHsschliefslich 
dem  Pronomen  zukomme.  Er  hat  sich  zu  dieser  Behauptung  durch 
eine  Stelle  im  ersten  Buch  der  Syntax,  c.  37  B,  verleiten  lafsen,  und 
dennoch  führt  er  selbst  weiter  unten  aus  der  Schrift  de  pron.  p.  33 
die  bestimmte  Aeufserung  an:  ovclctv  arifialvovaiv  at  avriowiäai, 
TOT  dl  ovofuna  ovalccv  (Uta  noioxrjtog.  Eindringender  Scharfsinn  ist 
überhaupt  die  hervorstechende  Eigenschaft  dieses  Grammatikers.  Nur 
bedauert  man,  dafs  er  ihn  so  häufig  an  die  Widerlegnng  elender 
Chicanen  oder  kindischer  Irthümcr  vergeuden  muste:  er  hat  mit  den 
Spitzfindigkeiten  der  Grammatiker  fast  ebenso  viel  zu  schaffen  als  Ari- 
stoteles mit  denen  der  Sophisten.  Er  beweist  mit  der  gröfsten  Aus- 
führlichkeit, Sei  und  %Qfi  seien  keine  Adverbien,  u  gehöre  nicht  zu 
den  Artikeln  u.  dgl.    Ernsthafte  Discussionen  über  solche  Armselig- 

12* 


172  E.  Egger:  Apolloiiias  Dyscolc. 

keiten  lafgen  sich  nicht  ohne  peinliche  Ungedald  lesen  und  beweisen, 
^'ie  sehr  die  Grammatik  damals  noch  in  der  Kindheit  lag. 

An  der  Syntax  des  Apollonios  ist  vor  allem  hervorzuheben,  wie 
tief  der  Schriftsteller  von  der  Ueberzeugung  durchdrungen  ist,  ei 
walte  Kegel  und  Gesetz  in  der  Sprache,  nicht  Zufall  und  blinde  Will- 
kür.   Diese  Ueberzeugung  zieht  sich  durch  das  ganze  Buch  hindurch, 
spricht  sich  jedoch  vorzüglich  in  der  Einleitung  aus,  wo  er  den  Ge- 
danken ausführt,  die  Verbindung  der  Laute  zur  Silbe,  der  Silben  zum 
Wort,  der  Worte  zum  Satz,  endlich  der  Sätze  untereinander  werde 
von  derselben  Ordnung  und  Gesetzmafsigkeit  bcherscht,   und  diese 
verschiedeneu  Theile  der  Grammatik  seien  einander  parallel,  gleich- 
sam symmetrisch.   Die  Durchführung  wird  nun  freilich  im  einzelnen 
oft  sonderbar,  ja  Ucherlich,  aber  der  Grundgedanke  ist  des  tiefsin- 
nigen Grammatikers  würdig.    Sein  Uauptirthum  besteht  darin,   dafs 
er  diese  Gesetzmafsigkeit  nicht  sowohl  in  der  Sprache  selbst  als  in 
dem  grammatischen  System  nachweisen  will:  die  Ordnung  der  Buch- 
staben im  Alphabet,  die  nur  historisch  zu  begründen  ist,  hat  für  ihn 
eine  Naturnothwendigkeit,  einen  tiefen  philosophischen  Sinn:  die  Rei- 
benfolge der  Redcthcilc,  wie  sie  in  der  Schule  festgestellt  worden, 
ist  die  einzig  vernünftige  und  logische.    Allein  von  diesen  Auswüch- 
sen abgesehen  bleibt  des  guten  und  tiefen  genug  Übrig.    So  führt  ihn 
das  Zusammenballen  der  Buchstaben  mit  den  RedetMlen  auf  eine  sehr 
bedeutende  Unterscheidung.    Wie  die  Laute  Selbstlauter  oder  Mitlau- 
ter sind,  q>€i>vi^svra  und  av^qxavoj  so  gibt  es  Redetheile,  die  für  sich 
allein  einen  Sinn  ausdrücken  und  an  die  Stelle  eines  ganzen  Satzes 
treten  können;  dahin  gehören  Verbum,  Nomen,  Pronomen,  Adver- 
bium:  während  die  übrigen,  Praeposition,  Artikel,  Conjuuction,  nar 
in  Verbindung  mit  andern  Worten  einen  Sinn  bilden.    Diese  letzteren 
nennt  er  cvacrjfialvovra  (consignificanlia  Prise),  der  Benennung  (Tvfi- 
(poiiva  entsprechend,  gleichsam  Mitdeutcr,  wie  Mitlauter**").  Man 
sieht,  Ap.  war  nicht  sehr  weit  von  der  Unterscheidung  der  Begriffs- 
und  Formwörter  entfernt.   Es  lag  hier  ein  Keim  zu  einer  fruchtbaren 
Entwicklung,  den  niemand  nach  'ihm  aufgenommen  haL    Ap.  konnte 
nicht  alles  selbst  vollenden:   er  hatte  der  Vater  der  Syntax  werden 
können,  allein  er  beginnt  und  beschliefst  die  wifsenschaftliche  Gram- 
matik im  Altcrthum. 

Wir  reihen  hieran  einige  andere  bedeutende  Bemerkungen  des 
Ap. ,  auf  welche  schon  Ilr.  E.  in  seinem  Buche  (p.  156  f.  p.  300  f.) 
hingewiesen  hat.  So  dringt  er  tief  in  die  Analyse  der  Wortbildungen 
ein,  indem  er  den  Satz  aufstellt,  dafs  jede  abgeleitete  Form  sich  in 
zwei  Worte,  das  Grundwort  und  ein  anderes,  mit  der  Endung  gleich- 


*)  Das  Wort  avaarjfiahfiv  findet  sich  ganz  passend  in  der  Defi- 
nition der  Coiijunction  bei  Bekker  Anecd.  p.  952:  ein  Grund  mehr, 
sie  mit  Hrn.  R.  (p.  207)  unbedenklich  auf  Apollonios  zuruckzuftihren: 
avvdeauog  sazi  fitQog  Xoyov  otnXitov  y  ovvdftmdv  tcSv  tov  loyov  fifQiov, 
otg  Tial  avaarjtia^vn.  ... 


E.  Eggen  Apollonius  Dyscole.  173 

bedeatcDdes  Wort  attflösen  läfst  (Synt.  HI,  13).  'EKxoQiötig  l^^gt 
sich  durch  "ExzoQog  vügy  yo^yote^og  durch  yo^og  (läXkov^  t-mctiv 
durch  tTtnovg  fSvvi%ov  wiedergeben.  Ebenso  löst  er  die  Tempora  finita 
des  Yerbum  auf,  indem  er  allen  die  «bstracte  Form  des  Infinitiv  zu 
Grunde  legt:  lu^m^etm  isi  soviel  als  WQtaaiiriv  ne^maxeiVj  mqina- 
jolfu=^  flfj^ufiriv  n£Qin€cv€iv^  rce^maxei^z  ngoaha'^a  xe^inctretv^  mit 
Bexug  auf  die  Namen  dieser  Modi  OQUfrixrj^  ivKUKti,  TeQoaraxuxfi. 
Befser  noch  löst  er  anderswo  (Synt.  III ,  22.  23)  die  Modi  durch  Ad- 
verbia  auf:  der  Wunsch,  sagt  er,  läfst  sieh  auf  doppelte  Weise  aus- 
drücken,  theils  durch  ein  besonderes  Wort  ei&s^  das  gleichsam  Svofia 
svx^g  ist,  theils  durch  die  mit  dem  Stamm  verschmolzene  Endung  des 
Optativ.  So  entspricht  dem  Imperativ  die  allgemeine  Partikel  ays,  so 
enthält  yqitpG»  den  Sinn  des  Pronomen  iyto  in  seiner  Endung,  so  ent- 
halten Bildungen  wie  ^Ilw^sv  den  allgemeinen  Begriff  von  SXXo^sv 
neben  dem  einer  bestimmten  Oerllichkeit.  Ja  er  spricht  es  auf  das 
bündigste  aus,  dafs  dieselben  Beziehungen  bald  durch  Praepositionen 
bald  durch  Flexionen  ausgedrückt  werden  können.  Tfüv  Tcqo&icBfov 
naQBiXkrifiiviav  €ig  tOTCwiiv  (SxiCiv  ofio£&g  totg  scrantxoig,  ^Ev  oTxco,  i% 
jiiisßov,  ilg  oIkov  sind  gleichbcdeutig  mit  otxo^ij  Asaßod'Bv^  ofxaSe 
(Synt.  IV,  10  und  die  übrigen  Stellen  bei  E.  p.  186  n.  l).  Das  sind 
Keime  einer  tiefer  gehenden  Sprachforschung ,  die  im  Alterthum  nicht 
KU  Früchten  heranreifen  sollten.  Keiner  von  Ap.  Nachfolgern  war  im 
Stande  sie  zu  entwickeln,  und  man  kann  sagen,  dafs  sie  vergebens 
ausgestreut  worden:  denn  die  moderne  Wifsenschaft  gelangte  selb- 
ständig zu  ihren  Resultaten.  Wie  er  so  einerseits  in  das  Wesen  der 
Flexion  eindringt,  so  gibt  er  auch  über  die  Bedeutung  einiger  der 
schwierigsten  flcxivischen  Endungen,  insbesondere  der  Casus,  geist- 
reiche Winke.  Die  Verba  der  sinnlichen  Wahrnehmung  axoveiv,  S- 
^tetS^ai^  o0(pQ<xlve<S^aiy  heifst  es  gegen  Ende  des  3n  Buchs,  regieren 
den  Genetiv,  weil  sich  der  hörende,  fühlende  u.  s.  w.  gewissermafsen 
leidend  gegen  die  Gegenstände  der  Wahrnehmung  verhält,  welche  auf 
ihn  wirken,  auf  ihn  eindringen;  jedoch  nicht  den  Genetiv  mit  vtto, 
wie  die  passiven  Verba,  weil  der  empfindende  denn  doch  auch  sei- 
nerseits thälig  ist.  OiXetv  regiert  den  Accusativ,  weil  es  eine  gei- 
stige Thätigkeit  ausdrückt,  bei  welcher  der  Gegenstand  der  Neigung 
als  ein  leidender  gedacht  wird;  igäv  aber  den  Genetiv,  weil  es  ein 
Bedürfnis,  eine  Leidenschaft  ausdrückt,  bei  welcher  der  liebende 
zum  leidenden  wird:  x6  ys  fitiv  iquv  o^oXoynto  TCQoaöiorcl^ea&cti  vTto 
rov  iqiofiivov.  Der  ernste  Grammatiker  verliert  sich  hier  auf  ein  Ge- 
biet, wo  er  weniger  zu  Hause  ist;  aber  er  beruft  sich  auf  eine  vor- 
treffliche Autorität,  die  Sappho.  Schade  dafs  ihre  Worte  von  den 
Abschreibern  so  verderbt  worden,  dafs  es  sogar  Bcrgks  Scharfsinn 
nicht  gelungen  ist  sie  befriedigend  wieder  herzustellen  (fr.  16). 

Schiicfslich  berühren  wir  noch  einen  speciellen  Punkt,  der  für 
die  griechische  Grammatik  nicht  ohne  Wichtigkeit  ist.  Bekanntlich 
ist  der  Gebrauch ,  eine  gewisse  Anzahl  kleiner  Wörtchen ,  die  wir 
jetzt  Atona  oder  Proclitica  nennen,  ohne  Acceutzeichen  zu  lafseu,  erst 


174  E*  Egger:  ApoHonias  Dyscole. 

spit  aufgekommen  und  enlbohrt  aller  eigentlichen  Gewähr.  Hr.  E. 
hat  die  bestimmtesten  Zeugnisse  des  AUerlhums  für  sich,  wenn  er 
gegen  Hermanns  Lehre  protestiert  (p.  280),  diese  Wörtchen  Iheilieo 
ihren  Accent  den  nachfolgenden  Wörtern  mit,  wie  die  Euolitica  iba 
auf  die  vorhergehenden  zurückwerfen.  Wir  glauben  übrigens  nicht, 
dafs  Hermann  oder  irgend  jemand  sich  die  Sache  so  vorgestellt  habe, 
als  ob  s.  B.,  wie  in  Jiovvaiog  xtq  die  Endsilbe  des  Namens  den  Acut 
erhält,  so  in  6  Jiovvctog  die  Silbe  Jir-  unter  dem  Einflufs  des  ton- 
losen Artikels  mit  einem ,  wenn  auch  ungeschriebenen ,  höheren  Tone 
ausgesprochen  worden.  Was  hat  nun  aber  die  byzantinischen  Ab- 
schreiber bewogen ,  für  die  11  oder  12  Wörtchen  eine  Ausnahme  zu 
machen,  und  nicht  ebenso  wohl  o  nattJQ  wie  to  xinvovj  'iv  nolu 
wie  nqo  TtoXetog  zu  schreiben?  Der  \L  vermuthet  nicht  ohne  Wahr« 
scheinliohkeit,  dafs  sie  die  Artikel  i,  fi,  ot^  at  von  den  Relativen  o,  ^ 
ofr,  ar durch  die  Schrift  unterscheiden,  den  Unterschied  zwischen  Iv 
und  €v,  ig  und  8|,  dg  üg  und  äg  u.  s.  w.  noch  augenfälliger  machen 
wollten,  als  dies  der  Fall  gewesen  wäre,  wenn  man  jenen  Praeposi- 
tionen  den  Gravis  gegeben  hätte.  Wirklich  stehen  allen  Atonis  mehr 
oder  weniger  gleichlautende  Wörter  zur  Seite.  Vielleicht  ist  auch  zu 
beachten,  dafs  die  Atona  sämmtlich  mit  einem  Yocal  anfangen  und 
also  einen  Spiritus  verlangen.  Sollten  die  Kalligraphen  gesucht  ha- 
ben, wo  es  angieng,  ein  Zeichen  zu  sparen,  um  die  Schrift  nicht  mit 
kleinen  Strichen  zu  fiberladen?  Wie  dem  auch  sein  mag,  wir  stim- 
men dem  Vf.  darin  vollkommen  bei ,  dafs  zwischen  6  und  %o ,  ig  und 
ovv  ein  wirklicher  Unterschied  der  Betonung  in  der  lebendigen  Aus- 
sprache nicht  stattfand.  Weiter  können  wir  ihm  aber  nicht  folgen: 
wir  glauben  dafs  er  irrt,  wenn  er  diese  Wörtchen  auf  6ine  Stufe  mit 
allen  übrigen  Oxytonis  stellt,  die  in  zusammenhängender  Rede  ihren 
Acut  in  den  Gravis  verwandeln.  Es  ist  nicht  zu  übersehen ,  dafs  die 
zweisilbigen  Praepositionen ,  so  wie  einige  andere  Wörtchen:  ovöl^ 
firidi,  aÜ,äy  wenn  die  letzte  Silbe  vor  einem  Vocal  elidiert  wird, 
ihren  Accent  einbüfsen,  während  ihn  die  übrigen  Oxytona  auf  die 
vorletzte  Silbe  zurückziehen.  Benloew  (Paccentuation  dans  les  lan- 
gnes  indo-europ^ennes  p.  166)  hat  aus  diesem  Grunde  sehr  richtig 
zwischen  starken  und  schwachen  Oxytonis  unterschieden.  Wir  gehen 
noch  weiter:  wir  behaupten  dafs  alle  diese  Wörtchen  gar  keinen  selb- 
ständigen Accent  hatten.  Apollonios  lüfst  hierüber  keinen  Zweifel: 
man  braucht  nur  ohne  vorgefafste  Meinung  zu  lesen,  was  er  im  An- 
fang des  4n  Buchs  der  Syntax  von  der  Betonung  der  Praepositionen 
sagt,  nicht  von  den  conventioneilen,  schriftlichen  Tonzeichen,  son- 
dern von  der  wirklichen,  lebendigen  Aussprache.  Er  wirft  hier  eine 
Frage  auf,  die  auch  die  lateinischen  Grammatiker  viel  beschäftigt  hat. 
Woran  erkennt  man ,  ob  eine  Praepositiou  ein  Wort  für  sich  bildet 
oder  integrierender  Theil  eines  zusammengesetzten  Wortes  ist?  Bei 
den  übrigen  Redetheilen ,  sagt  er ,  gibt  die  verschiedene  Betonung  ein 
entscheidendes  Merkmal  an  die  Hand.  Jtog  ttovQog  unterscheidet  sich 
in  der  Aussprache  von  Ji6<SKOV(fogy  "Elltig  jsovtog  hat  einen  Acut  auf 


E.  Egger:  ApollomuB  Dyscole.  175 

der  ersten  Silbe,  besteht  also  aos  Ewei  Wörtern.  Aber  bei  den  Prae- 
positionen  kommt  dies  Merkmal  nicht  immer  su  Hilfe.  IldQöiTcov  frei- 
lieh unterscheidet  sich  von  Tcoiji*  oliwv  durch  die  Zurückziehung  des 
Tons,  aber  iiuduov  lautet  ganz  so  wie  in  otnov^  nazatpiqovzog  wie 
%aza  q>i^VTog.  To  di  KatayQaq>a  e&f  dvo  (liffti  loyov  elalv  (7), 
ctre  iv^  oi%  ivdilnvvtai  äta  xijg  %aa$(0£'  nal  ti  rovroi^  o/iOia,  xo 
anolxov^  K€traq>iQovTog^  anuwa  %m  toiavxa  xi^  ovr^  l^erac 
aiiqHßoUag  %xL  (ich  citiere  den  Text  nach  der  Juntina ,  da  mir  Bek- 
kers  Ausgabe  nicht  Kur  Hand  ist).  Hrn.  E.  ist  diese  Stelle  nicht  ent- 
gangen: er  begnügt  sich,  sie  sonderbar  au  finden.  Für  uns  geht  dar- 
aus mit  der  gröfsten  Bestimmtheit  hervor,  dafs  es  sich  mit  dem  Ton 
der  griechischen  Praepositionen  gerade  so  wie  mit  dem  der  lateini* 
sehen  verhielt:  mindestens  im  Zeitalter  der  Antonine,  und  wir  haben 
kein  Zeugnis,  dafs  es  früher  anders  gewesen.  Man  weifs,  dafs  die 
lateinischen  Grammatiker  erklaren,  alle  Praepositionen,  nicht  nur  die 
einsilbigen,  sondern  auch  die  xwei-  und  mehrsilbigen  haben  auf  der 
letzten  Silbe  einen  Acut,  der  sich  jedoch  vor  dem  regierten  Casus  in 
einen  Gravis  verwandle.  Quintilian  hingegen  (I,  5,  27)  stellt  die 
Sache  einfacher  und  natürlicher  so  dar,  dafs  die  beiden  Worte  mit* 
einander  verbunden  und  wie  ein  einziges  ausgesprochen  werden.  Die 
griechischen  wie  die  lateinischen  Grammatiker  haben,  wie  uns  scheint, 
dem  im  allgemeinen  richtigen  Sats ,  jedes  Wort  habe  einen  Accent, 
der  Accent  sei  das  Kennzeichen  der  Worteinheit,  eine  zu  grofse  Aus- 
dehnung gegeben.  Sie  wollten  in  ihren  Schulen  den,  wie  die  Inschrif- 
ten zeigen,  so  hüuQg  vernachläfsigten  Unterschied  zwischen  Com- 
position  und  Jttxtaposition ,  %axa(piQOvxog  und  ncexa  g>i(fovxog^  prae- 
iermissoB  und  praeter  missos^  recht  deutlich  hervorheben:  dies  hat 
sie  wohl  zu  ihrem  künstlichen  Verfahren  verleitet.  Im  Lateinischen 
oahm  sich  die  Theorie  noch  wunderlicher  aus,  weil  diese  Sprache 
sonst  keine  mehrsilbigen  Worte  mit  betonter  Ultima  kennt;  im  Grie- 
chischen war  sie  weniger  auffallend.  Man  kann  noch  einen  anderen 
Umstand  zur  Yertheidigung  der  Grammatiker  geltend  machen.  In  bei- 
den Sprachen  bildete  die  acute  Silbe  den  Höhepunkt  der  Betonung: 
der  Ton  stieg  vom  Anfang  des  Wortes  bis  zu  derselben  hinauf,  von 
da  bis  zum  Ende  des  Wortes  wieder  hinunter.  Es  genügt  hier,  auf 
eine  einzige,  zwar  bekannte,  aber  oft  misverstandene,  Stelle  zu  ver- 
weisen: Prise,  p.  1289  P.:  ipsa  cox  quae  per  diciiones  formalur  (der 
durch  je  ein  Wort  gebildete  Laut),  donec  accenlus  pcrficialur ^  in 
arsim  deputalur ;  quae  autem  post  accenlum  seqnitur^  in  thesim. 
Die  Worte  arsis  und  thesis  sind  hier  in  einem  minder  gewöhnlichen, 
jedoch  sogar  bei  Griechen  nicht  unerhörten  Sinne  gebraucht:  arsis 
bedeutet  das  Aufsteigen  der  Stimme  von  der  tiefern  zur  höhern,  ike- 
sis  das  Absteigen  von  der  höhern  zur  tiefern  Note.  So  sagt  Plethon 
in  einer  Schrift  über  Musik:  aQCiv  fiiv  ovv  elvai  o^viigov  q)96y'yov 
i%  ßaQViiQOv  (UxaXri^tv^  Möiv  di  xovvavxlov  ßa^vxiQOv  i|  o^vxbqov, 
(Notiees  et  extraits  des  manuscrits  de  la  bibl.  du  Roi.  T.  XYI  p.  2  p. 
236).    Der  Herausgeber,  Hr*  Vincent,  bemerkt  mit  Recht,  ein  älterer 


17Ö  £.  Egger:  Apollonius  Dyscolo. 

Schriftsteller  halle  hier  die  Aosdrücke  zdaig^  oder  vielmehr  inltU" 
sjiqy  und  ave<stg  gebraucht.  Diese  Stelle  kann  dazu  beitragen,  einiges 
Licht  auf  die  dunkle  und  verwirrte  Geschichte  der  Worte  arsit  und 
ihesis  fallen  zu  lafsen:  allein  wir  wollen  hier  nicht  zu  weit  von  un- 
serem Gegenstand  abschweifen.  Das  Aufsteigen  des  Tons  zu  Anfang 
eines  Worts  kann  den  Gravis  in  xorra  (piQOvxog  vielleicht  einigerma- 
fsen  rechtfertigen:  -tot  hatte  wirklich  einen  etwas  höhern  Ton  als 
xa-:  nur  mufs  man  nicht  vergefsen,  dafs  ganz  dasselbe  auch  in  xccxa- 
q>i{^vzog  stattfand.  Man  hätte  befser  gethan,  sümmtliche  Praeposi* 
tionen,  so  wie  einige  andere  Wörter,  die  sich  an  die  nachfolgenden 
anschliefsen ,  ohne  Accentzeichen  zu  lafsen.  Sollte  aber  einmal  der 
befsern  Unterscheidung  halber  jedes  Wort  mit  einem  geschriebenen 
Accent  verseifen  werden,  so  hatten  die  alten  Grammatiker  offenbar 
Recht,  zwischen  i|  und  avv^  o  und  x6  keinen  Unterschied  zu  machen, 
vielmehr  allen  den  Gravis  zu  geben.  Allein  dieser  Gravis  ist  von  der- 
selben Natur  wie  die  nicht  geschriebenen  Graves  in  jedem  mehrsilbi- 
gen Worte,  und  darf  nicht  mit  dem  Gravis  verwechselt  werden,  wel- 
cher den  im  Zusammenhang  der  Rede  gedämpften  Acut  der  wirklichen 
Oxytona  bezeichnet. 

Wir  würden  daher  vorschlagen  die  Benennung  Proclitica  auf  alle 
die  unselbständigen  Wörtcheu  auszudehnen,  von  denen  sich  erweisen 
läfst,  dafs  sie  sich  dem  uachfolgendcu  Worte  in  der  Aussprache  an- 
schlofsen.  Vielleicht  wäre  es  jedoch  rathsamer,  einen  andern  Namen 
zu  erfinden.  Der  Ausdruck  Proclitica  ist  zwar  bequem,  aber  schlecht 
gebildet,  und  kann  leicht  zu  einem  Misverständnis  führen.  Wir  glau- 
ben nemlich  nicht,  dafs  die  Enklitiken,  wie  man  gewöhnlich  annimmt, 
deshalb  ihren  Namen  tragen,  weil  sie  sich  mit  ihrem  Ton  an  das 
vorhergehende  Wort  anlehnen.  Das  Verbum  iyxUveiv  heifst  bekannt- 
lich ^beugen,  verändern'  und  umfafst  alle  möglichen  Nodificationen 
der  Wortform,  Conjugation,  Declination,  Tonveränderung.  In  enge- 
rem Sinne  bedeutet  nun  iyxXiPOfiBvov  ein  Wort,  das  seinen  Ton  ver- 
ändert, und  iyKXiviKOv  transitiv,  wie  die  von  Verben  abgeleiteten 
Adjectiva  auf  -ixog  in  der  Regel  ein  Wort,  das  den  Ton  eines  andern 
Worts  verändert. 

Besan9on.  H,  Weil. 


Kunstarchaeologische  Vorlesungen  im  Anschlufs  an  das  akademische 
Kunstmuseum  in  Bonn  von  Dr.  Johannes  Overbcck,  a.  o.  Professor 
der  Archaeulogie  der  Kunst  an  der  Universität  Leipzig.  Braun* 
schweig,  C.  A.  Schwetschke  et  Sohn.  (M.  Bruhn.)  1863.  VlII  u. 
220  S.  gr.  ö. 

Das  okademischo  Kunstmuseum  in  Bonn,  mit  preiswürdiger  Libe- 
ralität von  dem  k.  Ministerium  ausgestattet,  wird  allein  hinreichen,  sei- 
nes Begründers  F.  G.  Welckcr  Namen  auch  dann  in  dankbarem  An- 


J.  Overbeck:  kniiBtarchaeologiiche  Vorlesungen.  177 

denken  an  der  UniverfiUlt  ko  erhalten,  wenn  die  zahlreichen  Zuhörer, 
welche  durch  seine  Vorträge  in  das  Studiam  der  alten  Kunst  eingeführt 
worden  sind,  längst  dahingegangen  sein  werden.  Dem  Vf.  der  vor- 
liegenden Schrift  hat  es  den  Anlafs  zu  Vorlesungen  geboten ,  welche 
an  der  Hand  der  Monumente  und  durch  eine  eindringliche  Beleuchtung 
der  hervorragendsten  unter  ihnen  die  Hauptphasen  der  Kunstgeschichte 
verdeutlichen  nnd  dergestalt  als  eine  Vorbereitung  oder  Ergänzung  zu 
systematischen  Kathedervorträgen  dienen  sollten.  Wie  er  selbst  S.  VII 
bezeugt,  ist  ihm  dies  wohl  gelungen:  seine  Vorlesungen  haben  sich 
einer  bedeutenden  Frequenz  (niemals  unter  fünfzig)  zu  erfreuen  gehabt, 
und  zwar,  nach  dem  lebendigen  und  warmen  Ton  mehrerer  ausführ- 
lichen Schilderungen  zu  urtheilen ,  mit  gutem  Grunde.  Denn  die  innige 
Liebe,  womit  der  Vf.  der  alten  Kunst  ergeben  ist,  und  die  Lebhaftig- 
keit seines  Gefühls  können  nicht  anders  als  anregend  auf  empfängliche 
Gemflther  wirken.  Bei  seinem  Abgange  nach  Leipzig  hat  er  diese  Vor- 
träge für  den  Druck  ganz  überarbeitet  und  ihnen  eine  Form  gegeben, 
*  welche  zwischen  der  der  Vorlesungen  und  der  des  Katalogs  die  Mitte 
hält'  (S.  V).  Jene  sollen  ^ der  studierenden  Jugend  einen  anschaulichen 
Abrifs  der  griechischen  Kunstgeschichte',  dieser  ^ein  ausreichendes 
Hilfsmittel  zum  Studium  des  Museums'  liefern.  Den  bekannten  Wolcker- 
schen  Katalog  kann  er  nemlich  nach  S.  VI  nicht  dafür  halten,  weil  die- 
ser eine  freie,  in  der  Ausführung  ungleiche  Behandlung  vorzieht  und 
in  methodischen  Vorlesungen  über  die  Kunstgeschichte  seine  Vervoll- 
ständigung flndet.  Es  ist  freilich  wahr,  dafs  Welcher  einzelne  und  zwar 
bedeutende  Monumente  kurz  berührt,  andere  in  Excursen  ausführlich 
behandelt.  Indessen  lafsen  sich  jene  Lücken  meistens  aus  andern 
Schriften  W^elckers,  auf  welche  dieser  selbst  verweist,  namentlich  aus 
der  ersten  Ausgabe  des  Katalogs,  ergänzen,  und  wem  die  Excurse  zu 
gelehrt  erscheinen,  der  kann  sie  ja  ungelesen  lafsen.  Auch  bringt  es 
die  Natur  der  Sache  mit  sich ,  dafs  in  einem  kleinen  handlichen  Buche 
nicht  alles  gleich  ausführlich  erörtert  wird,  und  ich  mache  es  auch 
Hrn.  Overbeck  ebenso  wenig  zum  Vorwurf,  dafs  er  S.  68  die  Melopen 
des  Theseion,  die  Stücke  vom  Tempel  der  Nike  Apteros,  die  Melopen 
von  Olympia  (Nr.  82 — 108)  mit  einigen,  zum  Theil  von  Welckcr  ent- 
lehnten Worten  abfertigt,  als  dafs  er  an  mehreren  Stellen,  z.  B.  S.2I 
Nr.  4,  S.  48  Nr.  24,  Statuen  erklärt,  wovon  im  Museum  nur  Büsten 
vorhanden  sind.  Nur  hätte  er  deshalb  das  Welckerscho  Verzeichnis 
nicht  für  weniger  brauchbar  erklären  sollen.  Ja  es  läfst  sich  fragen, 
ob  nicht  der  von  dem  Vf.  befolgte  Plan  den  praktischen  Gebraach  sei- 
ner Schrift  weniger  leicht  macht  als  den  altern  Katalog.  Am  bequem- 
sten ordnet  sich  natürlich  ein  Verzeichnis  räumlich  nach  Zimmern  und 
Wänden,  aber  abgesehen  davon,  dafs  dann  eine  jede  Umstellung  grofse 
Verwirrungen  mit  sich  bringt,  ist  dies  Princip  für  den  lerneuden,  wel- 
cher verwandtes  zusammen  zu  fafsen  wünscht,  zu  mechanisch  und  un- 
fruchtbar. Sehr  zweckmäfsig  hat  daher  Wclcker  den  Vorralh  der  Denk- 
mäler nach  den  Formen  in  Gruppen,  Statuen,  Büsten,  Kcliefs  cingetheilt, 
wonach  man  sich  leicht  zurecht  findet,  während  der  Vf.  weder  auf  die 


178  J-  Overbeek :  kansUrcbacologischc  Vorlesungen. 

räomliche  Aufstellang  noch  auf  die  Form  der  Monumente  durcbgreifend 
Rücksicht  nimmt  und  so  trotz  der  überall  beigefügten  Nachwoisungen 
über  den  Standort  den  Anfänger  mündliche  Nachhilfe  oft  vermifseB 
lafsen  wird.  Femer  ergeben  sich  aas  dem  doppelten  Princip  mancherlei 
Incongruenzen.  Hätte  die  Schrift  ansschliefslich  den  kunstmytho- 
logischen Gesichtspunkt  im  Ange,  so  müste  man  sich  zufrieden  geben^ 
wenn  die  Fortratstatuen ,  um  von  den  Büsten  gar  nicht  zu  reden  ^  mit 
Stillschweigen  übergangen  werden;  in  einem  Werke,  welches  *  wesenU 
lieh  auf  die  Kunst  gerichtet  ist'  (S.220),  durfte  ein  Aeschines,  Aesop^ 
Menander  nicht  fehlen.  An  vielen  Stellen  wird  ferner  der  kunstge- 
schicbtliche  Faden  durch  die  Zusammenstellung  gleichartiger  Gegen* 
stände  unterbrochen,  so  dafs  man  in  der  That  nicht  weifs,  welches 
Princip  vorgeherscht  hat.  Betrachtet  man  endlich  das  Buch  lediglich 
als  Katalog,  so  ist  zwar  anzuerkennen,  dafs  die  Beschreibung  der  in 
der  letzten  Zeit  hinzugekommenen,  zum  Theil  bedeutenden  Denkmäler 
das  Welckersche  Verzeichnis  in  dankcnswerther  Weise  vervollständigt, 
aber  anch  nicht  zu  verschweigen,  dafs  einige  Stücke  fehlen,  andere 
irthflmlich  zusammengeworfen  werden.  Der  Hauptfehler  aber  liegt  ia 
der  Flüchtigkeit  und  Unzuverläfsigkeit  der  thatsächlichen  Angaben. 
Der  Vf.  benutzt  Welckers  Katalog  in  einem  Mafse,  das  ich,  weil  er 
selbst  S.  VII  nnd  durch  Anführungszeichen  daranf  aufmerksam  macht, 
im  allgemeinen  nicht  tadeln  will.  Aber  er  entlehnt  ihm  auch  die  Litte- 
ratur  mit  ihren  Druckfehlern  und  hat  es  in  der  Regel  nicht  für  nöthig 
gehalten,  die  angeführten  Werke  selbst  nachzuschlagen,  woraus  denn 
Misverständnisse  und  Versehen  aller  Art  nothwendig  folgen  musten. 
Einen  äufserlichen  Beweis  mag  vorläufig  S.127  geben,  wo  naohW^eU 
cker  S.  24  Sillig  zu  Plinius  p.  197  angeführt  wird.  Jedermann  wird 
erwarten ,  dafs  damit  die  neue  Aasgabe  Silligs  gemeint  sei;  da  ist  aber 
p.  305  die  betreffende  Stelle.  Hr.  0.  behält  das  Citat  der  altern  Auf- 
gabe bei,  welches  bei  Welcher  natürlich  ganz  in  der  Ordnung  ist,  da 
er  keine  andere  anführen  konnte.  Andere  Proben  werden  gelegentlich 
nachfolgen.  Von  späteren  Werken  ist  besonders  Brunns  Künstler« 
geschichte  neben  Müllers  Handbach  die  Hanptquelle.  Die  nöthige  Um* 
schau  in  der  Litteratur  ist  nicht  überall  angestellt  worden.  Ja  zuweilea 
scheint  es  fast,  als  ob  die  Beschreibung  nicht  im  Anblick  der  Mona* 
mente  verfafst  oder  wenigstens  nicht  nachher  mit  ihnen  verglichen 
wäre.  Nicht  allein  fohlen  häufig  die  Blafse,  sondern  es  kommen  Irlhü* 
mer  vor,  die  sonst  unerklärlich  wären.  Eine  Entschuldigung  gibt  aller- 
dings die  Nothwcndigkeit  eines  übereilten  Abschlufses,  welche  der 
Abgang  des  Vf.  von  Bonn  mit  sich  brachte ;  aber  dem  Buche  fehlt  die 
erste  und  uncrläfslichste  Eigenschaft  einer  Beschreibung,  die  Zaver* 
lafsigkeit. 

In  einer  gut  geschriebenen  Einleitung  S. 3 — 7  bezeichnet  der 
Vf.  seinen  schon  oben  besprochenen  Standpunkt.  Er  legt  die  histo- 
rische Betrachtung  zu  Grunde  und  verbindet  damit  die  gegenständliche 
an  den  Punkten,  wo  das  Ideal  einer  Vorstellung  mustergillig  erreicht 
worden  ist,  erörtert  ferner  an  besonders  hervorragenden  HonnmeotaB 


J.  Overbeck:  kanstarohaeologisohe  Vorlesniigeii.  179 

die  toohoischen  FrageD ,  sowie  dio  Gesetie  dor  Formgebung  und  Com- 
position.  Darauf  folgt  S.  8 — 17  ein  kunstgeschichtlicher  Ein« 
gang,  in  xweckmafsiger  Kflrze,  meistens  nach  Brunn.  An  diesen  Vor- 
gänger schliefst  sich  der  Vf.  mit  einer  solchen  Treue  an,  dafs  er  S.ll 
selbst  das  offenbare  Versehen  Brunns  S.  30  nicht  berichtigt,  womit 
dem  Glaukos  die  Löthung  des  Erzes  statt  des  Eisens  zugeschrieben 
wird.  Auch  den  Namen  Dibutades  statt  Butades,  welchen  Brunn 
S.  402  nach  Einsicht  der  richtigem  Schreibung  des  Cod.  Bamb.  bei  Pli- 
nins  XXXV,  15ä  verbefsert,  nimmt  er  S.IO  aus  S.23  auf,  ohne,  wie 
es  scheint,  Silligs  neue  Ausgabe  nachgeschlagen  zu  haben.  Mit  einer 
sonderbaren  Flüchtigkeit  werden  die  Zeitangaben,  worauf  es  bei  einem 
fflr  Anfänger  bestimmten  Abrifse  doch  wesentlich  ankömmt,  behandelt. 
S.  10  Z.  96  liest  man  Ol.  29  =  656  v.  Chr.,  dagegen  S.  11  Z.  1  Ol.  30  s 
660.  Brunn  gibt  nemlich  S.  24  die  unrichtige  Zahl  Ol.  29  far  die  Ver- 
treibung der  Bakchiaden,  aus  einer  andern  Quelle  scheint  das  Jahr 
Y.  Chr.  entnommen  zu  sein.  Die  verwirrten  Notizen  S.  12  z.  E.  lafsen 
sich  zum  Theil  auf  Druckfehler  zurQckföhren ,  von  denen  das  Buch 
wimmelt  *)  —  statt  Ol.  43  ist  zu  lesen  53  (=  568),  sUtt  48  ohne  Zwei- 
fel 68  (wie  in  dem  Citat  Fans.  VllI,  40  statt  49)  —  zum  Theil  fallen  sie 
den  Quellen  des  Vf.  zur  Last.  Thicrsch  gibt  nemlich  S.  52  für  den  Tod 
des  Arraehion  Ol.  53  an,  Fausanias  aber  01.54;  Müller  Hdb.  §.87,  1  für 
den  Sieg  des  Praxidamas  Ol.  58,  Fausanias  01.59.  Diesen  letztern 
•oheint  Hr.  0.  nicht  wieder  eingesehen  zu  haben ;  sonst  würde  er  ihn 
■icht  sagen  lafsen  ,  dafs  ^  gegen  Ol.  60  Siegerstatuen  in  Gebrauch 
kamen',  während  Fausanias  Ol.  59  und  61  nennt.  Auch  S.  16  sind  die 
Zahlen  01.46  in  56  und  470  v.  Chr.  in  460  zu  verbefsern. 

Die  Uebersicht  des  Denkmäler vorralhs  eröffnen  I.  die  archai- 
sehen  und  archaistischen  Monumente.  Sie  werden  S.  17 — 36 
in  18  Nummern  gut  und  eingehend  besprochen.  Namentlich  verdient  die 
genaue  Charakteristik  des  ApoUon  von  Tenea  Nr.  2  gerühmt  zu  werden. 
Die  Bemerkungen  über  die  Artemis  von  Neapel  Nr.  4  sind  zwar  richtig, 
aber,  da  man  in  Bonn  nur  die  Büste  besitzt,  zum  Theil  nicht  gan^  an 
ihrer  Stelle.  Auch  über  die  Dresdener  Fallas  Nr.  3,  sowie  die  Dreifufs- 
Reliefs  Nr.  6 — 8  spricht  der  Vf.  lehrreich  und  klar.  Mit  Recht  stellt 
er  ferner  Nr.  1  den  männlichen  Kopf  aus  gebrannter  Erde  in  der  Mün- 
chener Glyptothek  (S.  34  Nr.  41  der  Beschreibung)  als  echt  alterthüm- 
lieh  an  die  Spitze,  womit  übrigens  Welcker  Zuwachs  Nr. 8  und  Schorn 
a.  a.  0.  übereinzustimmen  scheinen.  Nur  gehört  er  nicht  unter  die 
griechischen  Denkmäler.  Schon  dafs  er  von  Gregor  Vi  dem  König 
Ludwig  zum  Geschenk  gemacht  wurde,  läfst  etruskischen ,  wahrschein- 
lich volcentischen  Ursprung  vermuthen.  Aber  auch  der  Stil  schien  mir, 
als  ich  des  Original  im  J.  1842  aufmerksam  betrachtete,  unzweifel- 
haft etruskisch  zu  sein.     Ich  bin  also  der  Ueberzeugung,  es  sei  nicht 


♦)  Besonders  unangenehm  fallen  die  nnrichtigen  Accente  in  die 
Augen,  z.  B.  8.  31  doitioQ,  S.  55  vdog,  S.  6i  ax9i(Jffa,  S.  65  fvya, 
8.  66  avtofpvfi  und  XafinQOv  y  S.  85  zaige ,  8. 187  oq^. 


170  B.  Bgger:  Apollonins  Dyseole. 

ist,  wie  Hr.  B.  (p.  244)  mit  Recht  benerkt,  im  Grande  nicht  viel 
mehr  als  ein  gedrfingter,  abersichtlicher  Aasing  aes  den  Special- 
schriften, die  er  Ober  die  einselnen  Redetheile  verfarst  halte:  die  Ver- 
gleichnng  der  Syntax  mit  den  drei  Einzelschriften ,  die  theilweise  auf 
nns  gekommen  sind,  beweist  dies  durchaus.  Wir  können  es  daher 
nur  billigen,  wenn  Hr.  E.  zuerst  in  mehreren  Capiteln  weitlinflg  die 
Lehren  des  Ap.  aber  die  einzelnen  Redetheile  abhandelt  und  an  diese 
ein  einziges  Capitel  aber  sein  System  der  Syntax  anreiht:  die  Schrift 
tu(fl  cvwa^sng  bot  far  jene  ebenso  viel  und  mehr  Stoff  als  far  dieses. 
Nirgends  iadet  man  in  derselben  eine  Theorie  des  Satzes ,  eine  Zer- 
legung des  Satzganzen  in  seine  Tbeile:  die  Ausdrücke  Subject  and 
Praedicat  kommen  nicht  vor,  geschweige  dafs  der  Stoff  nach  den  Be- 
aiehungen  dieser  beiden  Saiztheile  zueinander  und  zu  ihren  näheren 
Bestimmungen  geordnet  wäre.  Die  Bezeichnung  des  Nomen  (welches 
das  Adjectir  einschlierst)  und  des  Verbum  als  der  bedeulendsten  und 
lebendigsten  Kedelhcile  gibt  hierfür  einen  nur  schwachen  Ersata.  Ich 
weifs  nicht,  wer  die  AasdrOckc  Subject  und  Praedicat  zuerst  in  die 
moderne  Grammatik  eingeführt  hat;  aber  das  ist  offenbar,  dafs  sie 
aus  Aristoteles  (tuqI  iQfjLtjvdag)  abgeleitet  sind,  der  auf  das  bestimm- 
teste den  praedicativen  Charakter  des  Verbum  hervorhebt,  indem  er 
sagt,  es  sei  immer  ctifieiöv  rcov  xod'  hi^ov  Xeyofiivnv,  oder  xdv 
xad"  v7COK€t(Aivov  fj  iv  wtoxsifiiva  oi/rcov,  und  der  unter  ovofiUy  im 
Gegensatz  zu  nvfacig  ovofuevogj  nur  eben  dies  v7toiie£(Uvov ^  den  er- 
sten der  beiden  in  jedem  Urtheil  enthaltenen  Begriffe  versteht.  Die 
alten  Grammatiker  hatten  es  verschmäht,  die  Andeutungen  des  Philo- 
sophen für  die  Syntax  fruchtbar  zu  machen,  die  neueren  erst  haben 
den  Schatz  gehoben,  der  darin  verborgen  lag,  und  dennoch  lafst  sich 
nicht  leugnen,  dafs  dieser  philosophische  Ursprung,  diese  Uebertra- 
gung  von  Begriffen  und  Namen  aus  der  Logik  in  die  Grammatik  etwas 
schiefes  in  die  Terminologie  sowohl  als  die  Anschauungen  der  Gram- 
matik brachte ,  bis  es  der  Sprachforschung  endlich  gelang  einen  rich- 
tigeren ,  sachgemifseren  Standpunkt  einzunehmen.  Wie  pedantisch  ist 
I.  B.  gleich  der  Ausdruck  Satz,  propoiitio^  womit  wir  das  bezeich- 
nen, was  der  alte  Grammatiker  viel  passender  einen  vollständigen 
Sinn,  avxotikfig  ^^'^j  nannte.  Aristoteles  beschränkte  sich  auf  seine 
logischen  Zwecke  und  erklärte  ausdrücklich,  dafs  er  Wunsch-,  Be- 
fehlsatz n.  s.  w.  bei  Seite  larse  (l.  c.  c.  4);  die  moderne  Grammatik 
will,  dafs  jeder  Satz  ein  Urtheil  enthalte,  und  gibt  sich  dann  ver- 
gebliche Mühe  das  widerstrebende  in  diese  einseitige  Definition  zn 
zwängen.  Die  Namen  Praedicat  und  Subject,  Aussage  und  Gegenstand 
von  dem  ausgesagt  wird,  passen  nicht  auf  die  Saiztheile  die  sie  be- 
zeichnen sollen ,  sondern  nur  auf  das  was  man  später  logisches  Snb- 
ject  und  Praedicat  genannt  hat  *).   Apollonios  nennt  einmal  beiläufig 

^^)  Kin  Ansatz  zu  dor  Unterscheidung  xwischen  logischem  und  gram- 
matischem Subject  findet  sich  schon  in  dem  aviißafiu  und  K«Qa9Vftßa(iu 
der  Stoiker. 


E.  Egget  t  Apolkmius  Dyscole.  171 

das  BO^ennato  Sobjeel  to  ivtqya^  (III,  81  Jant.),  was  Aem  Wesen 
der  Sache  Yiel  näher  kommt:  deaa  das  grammatist^e  Sobject  isl  ja 
nichts  anderes  als  der  Ansgangspaakl  des  darch  das  Verbam  ans- 
gedraekten  Vorgangs.  Das  ist  nun  freilich  heutzutage  allgemein  be- 
kannt; aber  dennoch  spukt  die  mit  den  Worten  selbst  Verknflpfle 
iltere  Anschauungsweise  noch  hin  und  wieder  in  Köpfen  und  Büchern. 
So  liest  man  in  Znmpts  Grammatik  %.  362 :  '  Subject  heifst  in  einem 
Satze  das,  worüber  etwas  ausgesagt  wird,  Praedicat  nennt  man  was 
Aber  das  Subject  [ausgesagt  wird' :  eine  Definition  die  an  den  ein- 
fachsten Sätzen,  z.  B.  Mrbtm  Romam  a  principio  reges  kabuere^  zu 
Schanden  wird.  Das  Uebel  liegt  in  dem  philosophischen  Ursprung 
der  grammalischen  Kategorien.  Dadurch  wurden  abstracto  Urtheils- 
eätse  wie  ^  der  Mensch  ist  sterblich '  zum  Prototyp  des  Satzes  erho- 
ben, als  die  Norm  betrachtet,  auf  welche  alle  übrigen  Sätze  zurück- 
zufahren seien ,  eine  Ansicht  die  der  lebendigen ,  grammatischen  An- 
Bchaaung  zuwiderläuft. 

Allein  kommen  wir  anf  Ap.  zurück.  In  seiner  Lehre  von  den 
Redetheilen  verdient  unstreitig  die  Begriffsbestimmung  des  Artikels 
eine  besondere  Auszeichnung :  Hr.  £.  hat  mit  Recht  darauf  hingewie- 
sen. Denen  gegenüber,  die  ganz  äufserlich  dem  Artikel  die  Rollo 
gaben,  das  Geschlecht  der  Snbstantiva  zu  unterscheiden,  setzt  Ap.  das 
Wesen  dieses  Redelhcils  mit  nnübertrolTener  Schärfe  und  Feinheit  in 
die  Rfickbeziehung  (ivatpof^a)  auf  ein  schon  genanntes  oder  schon 
bekanntes,  in  die  yvtoötg  nifoimoicu(i,ivri ^  «^oü^etfrMor,  die  eecunda 
noiiiia^  und  weist  vortrefflich  nach,  warum  er  in  gewissen  Fällen 
gesetzt,  in  andern  weggelafsen,  bald  wiederholt  (wie  in  6  äovkog  6 
ifiog) ,  bald  nicht  wiederholt  werde  (wie  in  o  ifiog  dovlog).  Ebenso 
scharfsinnig,  wenn  aaeh  vielleicht  nicht  ebenso  richtig,  sagt  Ap.  vom 
Pronomen,  dafs  es  die  oicUtj  das  reine  Sein  bezeichne  (er  wollte 
wohl  sagen:  auf  ein  Individuum  deute),  während  das  Nomen  neben 
der  oicia  noch  die  novizf^^  die  mit  dem  Sein  verknüpften  Eigen- 
•chaflen  ausdrücke.  Wir  können  dem  Vf.  nicht  beistimmen,  wenn  er 
p.  77  dem  Ap.  die  Lehre  zuschreibt,  das  Nomen  und  sogar  das  Nomen 
proprium  enthielte  nicht  den  Begriff  der  ovtfta,  der  aasschliefslich 
dem  Fronomen  zukomme.  Er  hat  sich  zu  dieser  Behauptung  durch 
eine  Stelle  im  ersten  Buch  der  Syntax,  c.  37  B,  verleiten  lafsen,  und 
dennoch  führt  er  selbst  weiter  unten  ans  der  Schrift  de  pron.  p.  33 
die  bestimmte  Aeufserung  an:  ovcUiv  arifutCvovaiv  aC  avxvow^Cai^ 
%a  dl  ovofuna  ovalav  futa  noiOTrjftog,  Eindringender  Scharfsinn  ist 
Oberhaupt  die  hervorstechende  Eigenschaft  dieses  Grammatikers.  Nur 
bedauert  man,  dafs  er  ihn  so  häufig  an  die  Widerlegung  elender 
Chicanen  oder  kindischer  Irlhümer  vergeuden  mnstc:  er  hat  mit  den 
Spitzfindigkeiten  der  Grammatiker  fast  ebenso  viel  zu  schaffen  als  Ari- 
stoteles mit  denen  der  Sophisten.  Er  beweist  mit  der  gröfsten  Aus- 
führlichkeit, dst  und  XQri  seien  keine  Adverbien,  ä  gehöre  nicht  zu 
den  Artikeln  u.  dgl.    Ernsthafte  Discussionen  über  solche  Armselig- 

12* 


172  E.  Egger:  Apollonias  Dyscofc. 

keilen  lafsen  sich  nicht  ohne  peinliche  Ungedald  lesen  und  beweifen, 
^'ie  sehr  die  Grammatik  damals  noch  in  der  Kindheit  lag. 

An  der  Syntax  des  Apollonios  ist  vor  allem  hervorzuheben,  wie 
lief  der  Schriftsteller  von  der  Ueberzeugung  durchdrungen  ist,  es 
walte  Regel  und  Gesct£  in  der  Sprache,  nicht  Zufall  und  blinde  Will- 
kür. Diese  Ueberzeugung  zieht  sich  durch  das  ganze  Buch  hindurch, 
spricht  sich  jedoch  vorzüglich  in  der  Einleitung  aus,  wo  er  den  Ge- 
danken ausführt,  die  Verbindung  der  Laute  zur  Silbe,  der  Silben  zum 
Wort,  der  Worte  zum  Satz,  endlich  der  Sätze  untereinander  werde 
von  derselben  Ordnung  und  Gesetzmafsigkeit  beherscht,  und  diese 
verschiedeneu  Theile  der  Grammatik  seien  einander  parallel,  gleich- 
sam symmetrisch.  Die  Durchführung  wird  nun  freilich  im  einzelnen 
oft  sonderbar,  ja  lächerlich,  aber  der  Grundgedanke  ist  des  tiefsin- 
nigen Grammatikers  würdig.  Sein  Hauptirthum  besteht  darin,  dafs 
er  diese  Gesetzmafsigkeit  nicht  sowohl  in  der  Sprache  selbst  als  ii 
dem  grammatischen  System  nachweisen  will:  die  Ordnung  der  Buch- 
staben im  Alphabet,  die  nur  historisch  zu  begründen  ist,  hat  für  ihn 
eine  Naturnothwendigkeit,  einen  tiefen  philosophischen  Sinn:  die  Rei- 
henfolge der  Redcthcile,  wie  sie  in  der  Schule  festgestellt  worden, 
ist  die  einzig  vernünftige  und  logische.  Allein  von  diesen  Auswüch- 
sen abgesehen  bleibt  des  guten  und  tiefen  genug  übrig.  So  führt  ihn 
das  Zusammenhalten  der  Buchstaben  mit  den  Redctli^ilen  auf  eine  sehr 
bedeutende  Unterscheidung.  Wie  die  Laute  Selbstlauter  oder  Millau- 
ter  sind,  gxovrjsvra  und  avfiqxava^  so  gibt  es  Redethcile,  die  für  sich 
allein  einen  Sinn  ausdrücken  und  an  die  Stelle  eines  ganzen  Satzes 
treten  können;  dahin  gehören  Verbum,  Nomen,  Pronomen,  Adver- 
bium: während  die  übrigen,  Pi*aeposition,  Artikel,  Conjunction,  nur 
in  Verbindung  mit  andern  Worten  einen  Sinn  bilden.  Diese  letzteren 
nennt  er  avca^j^alvovta  (vonsignificantia  Prise),  der  Benennung  avfi' 
gxovcc  entsprechend,  gleichsam  Mitdeuter,  wie  Mitlauter'*').  Man 
sieht,  Ap.  war  nicht  sehr  weit  von  der  Unterscheidung  der  Begriffs- 
und  Formwörtcr  entfernt.  Es  lag  hier  ein  Keim  zu  einer  fruchtbaren 
Entwicklung,  den  niemand  nach  ihm  aufgenommen  hat.  Ap.  konnte 
nicht  alles  selbst  vollenden:  er  hätte  der  Vater  der  Syntax  werden 
können,  allein  er  beginnt  und  beschliefst  die  wifsenschaftliche  Gram- 
matik im  Alterthum. 

Wir  reihen  hieran  einige  andere  bedeutende  Bemerkungen  des 
Ap. ,  auf  welche  schon  Hr.  E.  in  seinem  Buche  (p.  156  f.  p.  300  f.) 
hingewiesen  hat.  So  dringt  er  tief  in  die  Analyse  der  Wortbildungen 
ein,  indem  er  den  Satz  aufstellt,  dafs  jede  abgeleitete  Form  sich  in 
zwei  Worte,  das  Grundwort  und  ein  anderes,  mit  der  Endung  gleich- 


*)  Das  Wort  ova6r}(ia/v(tv  findet  sich  ganz  passend  in  der  Defi- 
nition der  Conjunction  bei  Bekker  Anecd.  p.  952:  ein  Grund  mehr, 
sie  mit  Hrn.  E.  (p.  207)  unbedenklich  auf  Apollonio«  zurückzuführen: 
auvdeauog  eaxt  fifQog  Xoyov  ccuXitov ,  üvvJffunov  xtov  tov  Xoyov  /[tf^cJy, 
oJi  xofl  üvoarjaaivfi.  ... 


E.  Eggtn  Apollonias  Dyscole.  173 

liodeatcndeB  Wort  aariösen  lafst  (Synt.  III,  13).  'ExroQiöffg  lafst 
stell  durch  "ExTO(fog  vioQy  yof^yovBQog  durch  yofiyog  jtcaUov,  tmtciv 
durch  Zitnovg  avvi%ov  wiedergeben.  Ebenso  löst  er  die  Tempora  finita 
des  Verbura  auf,  indem  er  allen  die  abstracte  Form  des  Infinitiv  xn 
Grunde  legt:  %€(^menio  ist  soviel  als  ai(fiaafirjv  ne^iTtaxstyf  neQiTta- 
toiju=^  flv^afjLflv  nB(^at€CTHv,  neqmaxBi^=z  ngoaha^a  xeQinaxetVy  mit 
Bezug  auf  die  Namen  dieser  Modi  OQnSnx'qy  iVKtiKi^,  jt^araxuxili. 
Befser  noch  löst  er  anderswo  (Synt.  HI,  22.  23)  die  Modi  durch  Ad- 
verbia  auf:  der  Wunsch,  sagt  er,  Ififst  sich  auf  doppelte  Weise  aus- 
drflcken,  theils  durch  ein  besonderes  Wort  et&s^  das  gleichsam  Svofna 
evx^g  ist,  theils  durch  die  mit  dem  Stamm  verschmolzene  Endung  des 
Optativ.  So  entspricht  dem  Imperativ  die  allgemeine  Partikel  Sye^  so 
enthält  yQccfpxo  den  Sinn  des  Pronomen  iyti  in  seiner  Endung,  so  ent- 
halten Bildungen  wie  ^IXio&ev  den  allgemeinen  Begriff  von  SXXo^ev 
neben  dem  einer  bestimmten  Oertlichkeit.  Ja  er  spricht  es  auf  das 
bündigste  aus,  dafs  dieselben  Beziehungen  bald  durch  Praepositionen 
bald  durch  Flexionen  ausgedrückt  werden  können.  Täv  nqo^icBfov 
naQBikXtjfiiviov  Big  tomxriv  c^iaiv  ofiole^g  ro£g  jcvanixotg.  *Ev  oTxg),  i% 
A^ßovj  Big  olxov  sind  gleichbedeutig  mit  oTtco^Ij  uisaßo^Bv^  otnaSe 
(Synt.  IV,  10  und  die  Abrigen  Stelion  bei  E.  p.  186  n.  l).  Das  sind 
Keime  einer  tiefer  gehenden  Sprachforschung ,  die  im  Alterthum  nicht 
sa  Früchten  heranreifen  sollten.  Keiner  von  Ap.  Nachfolgern  war  im 
Stande  sie  zu  entwickeln,  und  man  kann  sagen,  dafs  sie  vergebens 
ausgestreut  worden:  denn  die  moderne  Wifsenschaft  gelangte  selb- 
ständig zu  ihren  Kesuliatcn.  Wie  er  so  einerseits  in  das  Wesen  der 
Flexion  eindringt,  so  gibt  er  auch  über  die  Bedeutung  einiger  der 
schwierigsten  flexivischen  Endungen,  insbesondere  der  Casus,  geist- 
reiche Winke.  Die  Verba  der  sinnlichen  Wahrnehmung  axovBiVj  S- 
ntBö&aij  oöipQcelvBa^at j  heifst  es  gegen  Endo  des  3n  Buchs,  regieren 
den  Genetiv,  weil  sich  der  hörende,  fühlende  u.  s.  w.  gewissermafsen 
leidend  gegen  die  Gegenstände  der  Wahrnehmung  verhält,  welche  auf 
ihn  wirken,  auf  ihn  eindringen;  jedoch  nicht  den  Genetiv  mit  vtco^ 
wie  die  passiven  Vorba,  weil  der  empfindende  denn  doch  auch  sei- 
nerseits thälig  ist.  OlIbIv  regiert  den  Accusativ,  weil  es  eine  gei- 
stige Thätigkeit  ausdrückt,  bei  welcher  der  Gegenstand  der  Neigung 
als  ein  leidender  gedacht  wird;  iqüv  aber  den  Genetiv,  weil  es  ein 
Bedürfnis,  eine  Leidenschaft  ausdrückt,  bei  welcher  der  liebende 
zum  leidenden  wird:  xo  ye  ft^v  iquu  ofioXoyBito  nQoaöiocvCd'sad^cci  wto 
tov  igtofiipov.  Der  ernste  Grammatiker  verliert  sich  hier  auf  ein  Ge- 
biet, wo  er  weniger  zu  Hause  ist;  aber  er  beruft  sich  auf  eine  vor- 
treiniche  Autorität,  die  Sappho.  Schade  dafs  ihre  Worte  von  den 
Abschreibern  so  verderbt  worden,  dofs  es  sogar  Bergks  Scharfsinn 
nicht  gelungen  ist  sie  befriedigend  wieder  herzustellen  (fr.  16). 

Schliefslich  berühren  wir  noch  einen  specicllen  Punkt,  der  für 
die  griechische  Grammatik  nicht  ohne  Wichtigkeit  ist.  Bekanntlich 
ist  der  Gebrauch,  eine  gewisse  Anzahl  kleiner  Wörtchen,  die  wir 
jetzt  Atona  oder  Proclitica  nennen,  ohne  Acccutzeichen  zu  lafsen,  erst 


174  E.  Egger:  Apollonitts  Dysoole. 

spät  aufgekommen  und  entbehrl  aller  eigentlichen  Gewahr.  Hr.  E. 
hat  die  bestimmtesten  Zeugnisse  des  Alterthums  für  sich,  wenn  er 
gegen  Hermanns  Lehre  protestiert  (p.  280) ,  diese  Wörtchen  Iheilten 
ihren  Accent  den  nachfolgenden  Wörtern  mit,  wie  die  Euolitica  ihn 
auf  die  vorhergehenden  surttckwerfen.  Wir  glauben  übrigens  nicht, 
dafs  Hermann  oder  irgend  jemand  sich  die  Sache  so  vorgestellt  habe, 
als  ob  I.  B.,  wie  in  Jtovvniog  rtg  die  Endsilbe  des  Namens  den  Acut 
orhfilt,  so  in  o  JtovvaMg  die  Silbe  Jt-  unter  dem  EinfluPs  des  ton- 
losen Artikels  mit  einem ,  wenn  auch  ungeschriebenen ,  höheren  Tone 
ausgesprochen  worden.  Was  hat  nun  aber  die  byzantinischen  Ab- 
schreiber bewogen ,  für  die  11  oder  12  Wörtchen  eine  Ausnahme  eu 
machen,  und  nicht  ebenso  wohl  o  nccvfJQ  wie  xo  xIkvov,  Iv  Ttolu 
wie  TCQO  nolitog  tn  schreiben?  Der  VL  vermuthet  nicht  ohne  Wahr- 
scheinlichkeit, dafs  sie  die  Artikel  o,  ^,  ot^  ut  von  den  Relativen  o,  % 
or,  i^r durch  die  Schrift  unterscheiden,  den  Unterschied  zwischen  iv 
und  IV ^  i§  und  8^,  e^  eZ$  und  ilg  u.  s.  w.  noch  augenfälliger  machen 
wollten,  als  dies  der  Fall  gewesen  wäre,  wenn  man  jenen  Fraeposi- 
tioncn  den  Gravis  gegeben  hatte.  Wirklich  stehen  allen  Atonis  mehr 
oder  weniger  gleichlautende  Wörter  zur  Seile.  Vielleicht  ist  auch  zu 
beachten,  dafs  die  Atona  sämmtlich  mit  einem  Vocal  anfangen  und 
also  einen  Spiritus  verlangen.  Sollten  die  Kalligraphen  gesucht  ha- 
ben, wo  es  angieng,  ein  Zeichen  zu  sparen,  um  die  Schrift  nicht  mit 
kleinen  Strichen  zn  überladen?  Wie  dem  auch  sein  mag,  wir  stim- 
men dem  Vf.  darin  vollkommen  bei,  dafs  zwischen  6  und  to,  ig  und 
avv  ein  wirklicher  Unterschied  der  Betonung  in  der  lebendigen  Aus- 
sprache nicht  stattfand.  Weiter  können  wir  ihm  aber  nicht  folgen: 
wir  glauben  dafs  er  irrt,  wenn  er  diese  Wörtchen  auf  6ine  Stufe  mit 
allen  übrigen  Oxytonis  stellt,  die  in  zusammenhängender  Hede  ihren 
Acut  in  den  Gravis  verwandeln.  Es  ist  nicht  zu  übersehen ,  dafs  die 
zweisilbigen  Praepositionen ,  so  wie  einige  andere  Wörtchen:  aiöij 
(iridiy  akXa,  wenn  die  letzte  Silbe  vor  einem  Vocal  elidiert  wird, 
ihren  Accent  einbüfsen,  während  ihn  die  übrigen  Oxytona  auf  die 
vorletzte  Silbe  zurückziehen.  Benloew  (raccentuation  dans  les  lan- 
gues  indo-enrop^ennes  p.  166)  hat  aus  diesem  Grunde  sehr  richtig 
zwischen  starken  und  schwachen  Oxytonis  unterschieden.  Wir  gehen 
noch  weiter:  wir  behaupten  dafs  alle  diese  Wörtchen  gar  keinen  selb- 
ständigen Accent  hatten.  ApoUonios  läfst  hierüber  keinen  Zweifel: 
man  braucht  nur  ohne  vorgcfafste  dieinung  zu  lesen ,  was  er  im  An- 
fang des  4n  Buchs  der  Syntax  von  der  Betonung  der  Praepositionen 
sagt,  nicht  von  den  Conventionellen,  schriftlichen  Tonzeichen,  son- 
dern von  der  wirklichen ,  lebendigen  Aussprache.  Er  wirft  hier  eine 
Frage  auf,  die  auch  die  lateinischen  Grammatiker  viel  beschäftigt  hat. 
Woran  erkennt  man ,  ob  eine  Praepositiou  ein  Wort  für  sich  bildet 
oder  integrierender  Theil  eines  zusammengesetzten  Wortes  ist?  Bei 
den  übrigen  Redetheilen,  sagt  er,  gibt  die  verschiedene  Betonung  ein 
entscheidendes  Merkmal  an  die  Hand.  Jtog  tiovQog  unterscheidet  sich 
in  der  Aussprache  von  Jiocuovqogy  "EkXi^  novtog  hat  einen  Acut  auf 


E.  Egger:  ApollomuB  Dyscole.  175 

der  erstell  Silbe,  besteht  tlso  tas  xwei  Wörtern.  Aber  bei  den  Prae> 
Positionen  kommt  dies  Merkmal  nicht  immer  in  Hilfe.  IldQötKOv  frei- 
lich unterscheidet  sich  von  Ttafji*  olnov  durch  die  Znrackziehang  des 
Tons,  aber  anoinov  lautet  gant  so  wie  iat  otnovy  xumfpiQOvtog  wie 
Kota  g>i(fovzog.  To  Sa  kut ayf^dipai}  cTr«  ovo  (^igr^  liyov  elaiv  (?), 
&ki  Sv^  ovK  ivdflnwtmi  äw  xijg  xdaecas'  %al  t«  jovtoig  Ofioia,  to 
anolxovj  Karugfigovrog^  Satavra  t«  xoiavtcc  viig  avx^g  Ix^ctt 
inqußolüxg  %xL  (ich  eitlere  den  Text  nach  der  Juntina,  da  mir  Bek- 
kers  Ausgabe  nicht  Eur  Hand  ist).  Hrn.  E.  ist  diese  Stelle  nicht  ent- 
gangen: er  begnägt  sich,  sie  sonderbar  au  inden.  Für  uns  geht  dar- 
aus mit  der  gröfsten  Bestimmtheit  hervor,  dafs  es  sich  mit  dem  Tob 
der  griechischen  Praepositionen  gerade  so  wie  mit  dem  der  lateini-- 
sehen  verhielt:  mindestens  im  Zeilalter  der  Antonine,  und  wir  haben 
kein  Zeugnis,  dafs  es  früher  anders  gewesen.  Man  weifs,  dafs  die 
lateinischen  Grammatiker  erklären,  alle  Praepositionen,  nicht  nur  die 
einsilbigen ,  sondern  auch  die  awei-  und  mehrsilbigen  haben  auf  der 
letzten  Silbe  einen  Acut,  der  sich  jedoch  vor  dem  regierten  Casus  ia 
einen  Gravis  verwandle.  Quintilian  hingegen  (l,  5,  27)  stellt  die 
Sache  einfacher  und  natürlicher  so  dar,  dafs  die  beiden  Worte  mit« 
einander  verbunden  und  wie  ein  einziges  ausgesprochen  werden.  Die 
griechischen  wie  die  lateinischen  Grammatiker  haben,  wie  uns  scheint, 
dem  im  allgemeinen  richtigen  Satz ,  jedes  Wort  habe  einen  Accent, 
der  Accent  sei  das  Kennzeichen  der  Worleinheit,  eine  zu  grofse  Aus- 
dehnung gegeben.  Sie  wollten  in  ihren  Schulen  den,  wie  die  Inschrif- 
len  zeigen,  so  hfiuQg  vernachUfsigtea  Unterschied  zwischen  Com- 
Position  und  Juxta Position ,  xccxag>iQOvxog  und  »axa  q>iQOvxog^  prae^ 
iermissog  und  praeter  mtssos,  recht  deutlich  hervorheben:  dies  hat 
sie  wohl  zu  ihrem  künstlichen  Verfahren  verleitet.  Im  Laleiiiischen 
nahm  sich  die  Theorie  noch  wunderlicher  aus,  weil  diese  Sprache 
sonst  keine  mehrsilbigen  Worte  mit  betonler  Ultima  kennt;  im  Grie- 
chischen war  sie  weniger  auffallend.  Man  kann  noch  einen  anderen 
Umstand  zur  Yertheidigung  der  Grammatiker  geltend  machen.  In  bei- 
den Sprachen  bildete  die  acute  Silbe  den  Höhepunkt  der  Betonung: 
der  Ton  stieg  vom  Anfang  des  Wortes  bis  zu  derselben  hinauf,  von 
da  bis  zum  Ende  des  Wortes  wieder  hinunter.  Es  genügt  hier,  auf 
eine  einzige,  zwar  bekannte,  aber  oft  misverstandenc,  Stelle  zu  ver- 
weisen: Prise,  p.  1289  P.:  ipsa  vox  quae  per  dicliones  funnalur  (der 
durch  je  ein  Wort  gebildete  Laut),  donec  accentus  perßciatur^  in 
arsim  depuiatur;  quae  autem  posi  accentum  sequitur^  in  thesim. 
Die  Worte  arsis  und  lhe$i$  sind  hier  in  einem  minder  gewöhnlichen, 
jedoch  sogar  bei  Griechen  nicht  unerhörten  Sinne  gebraucht:  arsis 
bedeutet  das  Aufsteigen  der  Stimme  von  der  tiefern  zur  hohem,  the- 
sis  das  Absteigen  von  der  höhern  zur  tiefern  Note.  So  sagt  Plethon 
in  einer  Schrift  über  Musik:  a^iv  {ikv  ovv  elvai  o^vziQOv  q>&6yy(n) 
in  ßaf^vxiqov  fUxdlri'^iVy  Oitftv  de  xwvavxiov  ßaQvxigov  i|  o^vxiQOV, 
(Notices  et  extraits  des  manuscrils  de  la  bibl.  du  Roi.  T.  XVI  p.  2  p. 
236).    Der  Herausgeber,  Hr.  Vincent,  bemerkt  mit  Recht,  ein  ftllerer 


170  E.  Egger:  ApoUonius  Dyscole. 

Schriftsteller  hätte  hier  die  Aasdrucke  riaig^  oder  vielmehr  tTtlxa- 
öiSf  und  avs(ftg  gebraucht.  Diese  Stelle  kann  dazu  beitragen,  einiges 
Licht  auf  die  dunkle  und  verwirrte  Geschichte  der  Worte  arsis  and 
thesis  fallen  zu  lafsen:  allein  wir  wollen  hier  nicht  zu  weit  von  un- 
serem Gegenstand  abschweifen.  Das  Aufsteigen  des  Tons  zu  Anfang 
eines  Worts  kann  den  Gravis  in  xaxa  q>iqovxog  vielleicht  einigerma- 
fsen  rechtfertigen:  -xa  hatte  wirklich  einen  etwas  höhern  Ton  als 
xcr-:  nur  mufs  man  nicht  vergefsen,  dafs  ganz  dasselbe  auch  in  xora- 
g>iQOvxog  stattfand.  Man  hatte  befser  gethan,  sämmtliche  Praeposi- 
tionen,  so  wie  einige  andere  Wörter,  die  sich  an  die  nachfolgenden 
anschliefsen ,  ohne  Accentzeichen  zu  lafsen.  Sollte  aber  einmal  der 
befsern  Unterscheidung  halber  jedes  Wort  mit  einem  geschriebenen 
Accent  versehen  werden,  so  hatten  die  alten  Grammatiker  offenbar 
Recht,  zwischen  i^  und  avvy  o  und  ro  keinen  Unterschied  zu  machen, 
vielmehr  allen  den  Gravis  zu  geben.  Allein  dieser  Gravis  ist  von  der- 
selben Natur  wie  die  nicht  geschriebenen  Graves  in  jedem  mehrsilbi- 
gen Worte,  und  darf  nicht  mit  dem  Gravis  verwechselt  werden,  wel- 
eher  den  im  Zusammenhang  der  Rede  gedämpften  Acut  der  wirklichen 
Oxylona  bezeichnet. 

Wir  würden  daher  vorschlagen  die  Benennung  Proclitica  auf  alle 
die  unselbständigen  Wörtchen  auszudehnen,  von  denen  sich  erweisen 
läfst,  dafs  sie  sich  dem  uachfolgendeu  Worte  in  der  Aussprache  an- 
schlofsen.  Vielleicht  wäre  es  jedoch  rathsamer,  einen  andern  Namen 
zu  erfinden.  Der  Ausdruck  Proclitica  ist  zwar  bequem,  aber  schlecht 
gebildet,  und  kann  leicht  zu  einem  Misverständnis  führen.  Wir  glau- 
ben nemlich  nicht,  dafs  die  Enklitiken,  wie  man  gewöhnlich  annimmt, 
deshalb  ihren  Namen  tragen,  weil  sie  sich  mit  ihrem  Ton  an  das 
vorhergehende  Wort  anlehnen.  Das  Verbum  iyaklvstv  heifst  bekannt- 
lich ^beugen,  verändern'  und  umfafst  alle  möglichen  Modificationen 
der  Wortform,  Conjugalion,  Declination,  Tonveränderung.  In  enge- 
rem Sinne  bedeutet  nun  iyxhvoiisvov  ein  Wort,  das  seinen  Ton  ver- 
ändert, und  iyxXixiKov  transitiv,  wie  die  von  Verben  abgeleiteten 
Adjectiva  auf  -ixog  in  der  Regel  ein  Wort,  das  den  Ton  eines  andern 
Worts  verändert. 

Besan^on.  H»  Weil, 


Kunstarchaeologische  Vorlesungen  im  Anschlufs  an  das  akademische 
Kunstmuseum  in  Bonn  von  Dr.  Johannes  Overbecky  a.  o.  Professor 
der  Archaeologie  der  Kunst  an  der  Universität  Leipzig.  Braun* 
schweig,  C.  A.  Schwetschke  et  Sohn.  (M.  Bruhn.)  1863.  VIII  n. 
220  S.  gr.  8. 

Das  akademische  Kunstmuseum  in  Bonn,  mit  preiswürdiger  Libe- 
ralität von  dem  k.  Ministerium  ausgestattet,  wird  allein  hinreichen,  sei- 
nes Begründers  F.  G.  Welcker  Namen  auch  dann  in  dankbarem  An- 


J.  Overbeck:  kansttrchaeologische  Vorlesungen.  177 

denken  an  der  Univera itfli  eu  erhalten ,  wenn  die  zahlreichen  Zuhörer, 
welche  durch  seine  Vorträge  in  das  Studium  der  alten  Kunst  eingeführt 
worden  sind,  längst  dahingegangen  sein  werden.  Dem  Vf.  der  vor- 
liegenden Schrift  hat  es  den  Anlafs  zu  Vorlesungen  geboten ,  welche 
an  der  Hand  der  llonumentc  und  durch  eine  eindringliche  Beleuchtung 
der  hervorragendsten  unter  ihnen  die  Hauptphasen  der  Kunstgeschichte 
verdeutlichen  und  dergestalt  als  eine  Vorbereitung  oder  Ergänzung  zu 
systematischen  Katheder  vortragen  dienen  sollten.  Wie  er  selbst  S.  VII 
bezeugt,  ist  ihm  dies  wohl  gelungen:  seine  Vorlesungen  haben  sich 
einer  bedeutenden  Frequenz  (niemals  unter  fünfzig)  zu  erfreuen  gehabt, 
und  zwar,  nach  dem  lebendigen  und  warmen  Ton  mehrerer  ausführ- 
lichen Schilderungen  zu  urtheilen,  mit  gutem  Grunde.  Denn  die  innige 
Liebe,  womit  der  Vf.  der  alten  Kunst  ergeben  ist,  und  die  Lebhaftig- 
keit seines  Gefühls  können  nicht  anders  als  anregend  auf  empfängliche 
Gemüther  wirken.  Bei  seinem  Abgange  nach  Leipzig  hat  er  diese  Vor- 
träge für  den  Druck  ganz  überarbeitet  und  ihnen  eine  Form  gegeben, 
*  welche  zwischen  der  der  Vorlesungen  und  der  des  Katalogs  die  Mitte 
hilf  (S.  V).  Jene  sollen  *  der  studierenden  Jugend  einen  anschaulichen 
Abrifs  der  griechischen  Kunstgeschichte',  dieser  ^ein  ausreichendes 
Hilfsmittel  zum  Studium  des  Museums'  liefern.  Den  bekannten  Welcker- 
schen  Katalog  kann  er  nemlich  nach  S.  VI  nicht  dafür  halten,  weil  die- 
ser eine  freie,  in  der  Ausführung  ungleiche  Behandlung  vorzieht  und 
in  methodischen  Vorlesungen  über  die  Kunstgeschichte  seine  Vervoll- 
ständigung findet.  Es  ist  freilich  wahr,  dafs  Weicker  einzelne  und  zwar 
bedeutende  Monumente  kurz  berührt,  andere  in  Excursen  ausführlich 
behandelt.  Indessen  lafsen  sich  jene  Lücken  meistens  aus  andern 
Schriften  Welckers,  auf  welche  dieser  selbst  verweist,  namentlich  aus 
der  ersten  Ausgabe  des  Katalogs,  ergänzen,  und  wem  die  Excurse  zu 
gelehrt  erscheinen,  der  kann  sie  ja  ungclescn  lafsen.  Auch  bringt  es 
die  Natur  der  Sache  mit  sich ,  dafs  in  einem  kleinen  handlichen  Buche 
nicht  alles  gleich  ausführlich  erörtert  wird,  und  ich  mache  es  auch 
Hrn.  Overbeck  ebenso  wenig  zum  Vorwurf,  dafs  er  S.  68  die  Mulopen 
des  Theseion,  die  Stücke  vom  Tempel  der  Nike  Aptcros,  die  Metopcn 
von  Olympia  (Nr.  82 — 108)  mit  einigen,  zum  Theil  von  Weicker  ent- 
lehnten Worten  abfertigt,  als  dafs  er  an  mehreren  Stellen,  z.  B.  S.21 
Nr.  4,  S.  48  Nr.  24,  Statuen  erklärt,  wovon  im  Museum  nur  Büsten 
vorhanden  sind.  Nur  hätte  er  deshalb  das  Welckerschc  Verzeichnis 
nicht  für  weniger  brauchbar  erklären  sollen.  Ja  es  läfst  sich  fragen, 
ob  nicht  der  von  dem  Vf.  befolgte  Plan  den  praktischen  Gebranch  sei- 
ner Schrift  weniger  leicht  macht  als  den  altern  Katalog.  Am  bequem- 
sten ordnet  sich  natürlich  ein  Verzeichnis  räumlich  nach  Zimmern  und 
Wänden ,  aber  abgesehen  davon ,  dafs  dann  eine  jede  Umstellung  grofse 
Verwirrungen  mit  sich  bringt,  ist  dies  Prineip  für  den  lernenden,  wel- 
cher verwandtes  zusammen  zu  fafsen  wünscht,  zu  mechanisch  und  un- 
fruchtbar. Sehr  zweckmäfsig  hat  daher  Weicker  den  Vorrath  der  Denk- 
mäler nach  den  Formen  in  Gruppen,  Statuen,  Büsten,  Reliefs  eingetheilt, 
wonach  man  sich  leicht  zurecht  findet,  während  der  Vf.  weder  auf  die 


178  J.  Overbeek :  kanstarchacologische  Vorlesungen. 

räomliche  Aufstellung  noch  auf  die  Form  der  Monumente  durcbgreifend 
Rflcksicht  nimmt  und  so  trotz  der  überall  beigefügten  Nachwoisungen 
über  den  Standort  den  Anfänger  mündliche  Nachhilfe  oft  vermifsea 
lafsen  wird.  Ferner  ergeben  sich  aus  dem  doppelten  Princip  mancherlei 
Incongrnenzen.  Hätte  die  Schrift  ausschliefslich  den  kunstmytho- 
logischen Gesichtspunkt  im  Auge ,  so  müste  man  sich  zufrieden  geben^ 
wenn  die  Fortratstatuen,  um  von  den  Büsten  gar  nicht  zu  reden ^  mit 
Stillschweigen  übergangen  werden;  in  einem  Werke,  welches  ^wesent- 
lich auf  die  Kunst  gerichtet  ist'  (S.220),  durfte  ein  Aeschines,  Aesop, 
Menander  nicht  fehlen.  An  vielen  Stellen  wird  ferner  der  kunstge- 
schicbtliche  Faden  durch  die  Zusammenstellung  gleichartiger  Gegeo- 
stände  unterbrochen,  so  dafs  man  in  der  That  nicht  weifs,  welchef 
Princip  vorgeherscht  hat.  Betrachtet  man  endlich  das  Buch  ledigiich 
als  Katalog,  so  ist  zwar  anzuerkennen,  dafs  die  Beschreibung  der  in 
der  letzten  Zeit  hinzugekommenen,  zum  Theil  bedeutenden  Denkmäler 
das  Welckersche  Verzeichnis  in  dankcnswerther  Weise  vervollständigt, 
aber  anch  nicht  zu  verschweigen,  dafs  einige  Stücke  fehlen,  andere 
irthflmlich  zusammengeworfen  werden.  Der  Hauptfehler  aber  liegt  in 
der  Flüchtigkeit  und  Unzuverläfsigkeit  der  thatsächlichen  Angaben. 
Der  Vf.  benutzt  Welckers  Katalog  in  einem  Mafse,  das  ich,  weil  er 
selbst  S.  Vll  und  durch  Anführungszeichen  daranf  aufmerksam  macht, 
im  allgemeinen  nicht  tadeln  will.  Aber  er  entlehnt  ihm  auch  die  Litte- 
ratur  mit  ihren  Druckfehlern  und  hat  es  in  der  Regel  nicht  für  nöthig 
gehalten,  die  angeführten  Werke  selbst  nachzuschlagen,  woraus  denn 
Misverständnisse  und  Versehen  aller  Art  nothwendig  folgen  musten. 
Einen  äufserlichen  Beweis  mag  vorläufig  S.127  geben,  wo  nachWeU 
cker  S.  24  Sillig  zu  Plinius  p.  197  angeführt  wird.  Jedermann  wird 
erwarten ,  dafs  damit  die  neue  Ausgabe  Silligs  gemeint  sei;  da  ist  aber 
p.  305  die  betreffende  Stelle.  Hr.  0.  behält  das  Citat  der  altem  Auf- 
gabe bei,  welches  bei  Welcker  natürlich  ganz  in  der  Ordnung  ist,  da 
er  keine  andere  anführen  konnte.  Andere  Proben  werden  gelegentlich 
nachfolgen.  Von  späteren  Werken  ist  besonders  Brunns  Künstler- 
geschichte neben  Müllers  Handbuch  die  Hauptquelle.  Die  nöthige  Um- 
schau in  der  Litteratur  ist  nicht  überall  angestellt  worden.  Ja  zuweilen 
scheint  es  fast,  als  ob  die  Beschreibung  nicht  im  Anblick  der  Monn- 
monte  verfafst  oder  wenigstens  nicht  nachher  mit  ihnen  verglichen 
wäre.  Nicht  allein  fehlen  häuüg  die  Mafse,  sondern  es  kommen  Irlhü- 
mer  vor,  die  sonst  unerklärlich  wären.  Eine  Entschuldigung  gibt  aller- 
dings die  Nothwendigkeit  eines  übereilten  Abschlufses,  welche  der 
Abgang  des  Vf.  von  Bonn  mit  sich  brachte;  aber  dem  Buche  fehlt  die 
erste  und  unorläfslichste  Eigenschaft  einer  Beschreibung,  die  Zaver- 
läfsigkeit. 

In  einer  gutgeschriebenen  Einleitung  S. 3 — 7  bezeichnet  der 
Vf.  seinen  schon  oben  besprochenen  Standpunkt.  Er  legt  die  histo- 
rische Betrachtung  zu  Grunde  und  verbindet  damit  die  gegenständliche 
an  den  Punkten,  wo  das  Ideal  einer  Vorstellung  mustergiltig  erreicht 
worden  ist,  erörtert  ferner  an  besonders  hervorragenden  Monanentan 


J.  Overbeck:  kaostarchaeoloflsohe  Vorlesangen.  179 

die  leohnischen  FrageD ,  sowie  die  Gesetie  der  Formgebang^  und  Com- 
posiiion.  Darauf  folgt  S. 8 — 17  ein  kanstgeschichlUcher  Ein* 
gang,  in  xweckn&fsiger  Kurse,  mciBtens  nach  Brunn.  An  diesen  Vor- 
gftnger  schliefst  sich  der  Vf.  mit  einer  solchen  Treue  an,  dafs  er  S.ll 
selbst  das  offenbare  Versehen  Brunns  S.  30  nicht  berichtigt,  womit 
dem  Glaukos  die  Löthung  des  Erzes  statt  des  Eisens  zugeschrieben 
wird.  Auch  den  Namen  Dibutades  statt  Buta des,  welchen  Brunn 
S.  402  nach  Einsicht  der  richtigem  Schreibung  des  Cod.  Bamb.  bei  Fli- 
nins  XXXV,  152  verbefsert,  nimmt  er  S.IO  aus  S.23  auf,  ohne,  wie 
es  scheint,  Silligs  neue  Ausgabe  nachgeschlagen  zu  haben.  Mit  einer 
sonderbaren  Flüchtigkeit  werden  die  Zeitangaben,  worauf  es  bei  einem 
ffir  Anfänger  bestimmten  Abrifse  doch  wesentlich  ankömmt,  behandelt. 
S.  10  Z.  96  liest  man  Ol.  29  =  656  v.  Chr.,  dagegen  S.  11  Z.  1  Ol.  30  = 
660.  Brunn  gibt  nemlich  S.  24  die  unrichtige  Zahl  Ol.  29  fflr  die  Ver- 
treibung der  Bakchiaden ,  aus  einer  andern  Quelle  scheint  das  Jahr 
Y.  Chr.  entnommen  zu  sein.  Die  yerwirrten  Notizen  S.  12  z.  E.  lafsen 
sich  zum  Theil  auf  Druckfehler  zurQckführen ,  von  denen  das  Buch 
wimmelt  *)  —  statt  Ol.  43  ist  zu  lesen  53  (=  568),  sUtt  48  ohne  Zwei- 
fel 58  (wie  in  dem  Citat  Paus.  VIII,  40  statt  49)  —  zum  Theil  fallen  Me 
den  Quellen  des  Vf.  zur  Last.  Thiersch  gibt  nemlich  S.  52  für  den  Tod 
des  Arrachion  Ol.  53  an,  Fausanias  aber  01.54;  Müller  Hdb.  §.87,  1  für 
den  Sieg  des  Praxidamas  Ol.  58,  Fausanias  Ol.  59.  Diesen  letztern 
•oheint  Hr.  0.  nicht  wieder  eingesehen  zu  haben ;  sonst  würde  er  ihn 
nicht  sagen  lafsen  ,  dafs  *  gegen  Ol.  60  Siegerstatuen  in  Gebrauch 
kamen',  während  Fausanias  Ol.  59  und  61  nennt.  Auch  S.  16  sind  die 
Zahlen  01.46  in  56  und  470  v.  Chr.  in  460  zu  yerbefsern. 

Die  Uebersicht  des  Denkmälervorraths  eröffnen  I.  die  archai- 
schen und  archaistischen  Monumente.  Sie  werden  S.  17 — 36 
in  18  Nummern  gut  und  eingehend  besprochen.  Namentlich  verdient  die 
genaue  Charakteristik  des  ApoUon  von  Tenea  Nr.  2  gerühmt  zu  werden. 
Die  Bemerkungen  über  die  Artemis  von  Neapel  Nr.  4  sind  zwar  richtig, 
aber,  da  man  in  Bonn  nur  die  Büste  besitzt,  zum  Theil  nicht  ganz  an 
ihrer  Stelle.  Auch  über  die  Dresdener  Falles  Nr.  3,  sowie  die  Dreifufs- 
Reliefs  Nr.  6 — 8  spricht  der  Vf.  lehrreich  und  klar.  Mit  Recht  stellt 
er  ferner  Nr.  1  den  minnlichen  Kopf  aus  gebrannter  Erde  in  der  Mün- 
chener Glyptothek  (S.  34  Nr.  41  der  Beschreibung)  als  echt  allerlhüm- 
lieh  an  die  Spitze,  womit  übrigens  Welcker  Zuwachs  Nr. 8  und  Schorn 
a.  a.  0.  Übereinzustimmen  scheinen.  Nur  gehört  er  nicht  unter  die 
griechischen  Denkmäler.  Schon  dafs  er  von  Gregor  VI  dem  König 
Ludwig  zum  Geschenk  gemacht  wurde,  läfst  etruskischen ,  wahrschein- 
lich volcentischen  Ursprung  vermuthen.  Aber  auch  der  Stil  schien  mir, 
als  ich  das  Original  im  J.  1842  aufmerksam  betrachtete,  unzweifel- 
haft etruskisch  zu  sein.     Ich  bin  also  der  Ueberzcugung,  es  sei  nicht 


'^)  Besonders  unangenehm  fallen  die  nnrichtigen  Acccnte  in  dio 
Augen,  X.  B.  S.  31  9oit(OQ,  S.  55  vaog,  S.  61  djiQißsia^  8.  65  Cvy«, 
8«  66  avtwpvfi  und  XdfinQOVy  S.85  zcU^e,  8. 187  09^17. 


180  J.  Overbeck :  kunstarchaeologische  Vorlesungen. 

blors  möglich,  wie  Schorn  meint,  dars  der  Kopf  aus  Etrurien  her* 
stamme,  sondern  gewis.  Für  ein  echt  altgriechisches  tv^erk  habe  ich 
dagegen  stets  das  Relief  Nr.  12  aus  Museo  Chiaramonli  ^Aphrodite  zwi- 
schen zwei  Hören'  gehalten,  wozu  auch  der  Vf.  geneigt  i«t,  während 
Gerhard  Beschr.  d.  St.  Rom  I  S.  284  es  mit  dem  albanischen  Götterznge 
zusammenstellt  *  als  frühe  Werke  hieratischer  Nachahmung  in  der  An»- 
führung,  wenn  auch  nicht  in  der  etwas  strengern  Anlage'.  Den 
albanischen  Götterzug  beschreibt  der  Vf.  Nr.  9  S.  29 — 31  ausführlich. 
Dafs  er  dabei  statt  Poseidons  Hephaestos  der  Hera  als  Bruder  folgen 
Ufst,  ist  gewis  nur  ein  Schreibfehler,  aber  für  einen  Anfänger  störend. 
—  Nach  einer  kurzen  und  genügenden  Charakteristik  des  Kaiamis, 
Pythagoras  und  Myron  S.  36  ff.  folgt  (H.)  S.  41— 72  Pheidias,  ein 
mit  Liebe  und  Geschick  bearbeiteter  Abschnitt,  worin  zuerst  die  Bil- 
dungen der  Athena  und  des  Zeus  besprochen  werden.  Hier  macht  sich 
jene  oben  erwähnte  Inoongruenz  des  Planes  zuerst  bemerklich.  Denn 
während  kein  einziges  der  vorhandenen  Monuinente  auf  Pheidias  als 
Schöpfer  zurückgeführt  wird ,  horscht  die  Rücksicht  auf  die  Gegen- 
stände dergestalt  vor,  dafs  selbst  die  beiden  Büsten  der  Roma  Nr.  30 
und  31  in  diese  Darstellung  der  Kunst  des  Pheidias  sich  einfügen  mü- 
fsen.  Dafs  auch  Nr.  31  eine  Büste  ist,  wird  nicht  ausdrücklich  bemerkt 
und  nur  durch  den  Ausdruck  Mn  diesem  Kopfe'  angedeutet.  Nicht 
ganz  so  auffallend  erscheint  der  Anschlufs  des  Serapistypus  an  die 
Zeusbildungen  des  Pheidias  (S.  54).  Da  indessen  der  Vf.  die  wahr- 
scheinliche Vermuthung  Brunns  (S.  384,  nicht  334)  billigt,  wonach 
Bryaxis  es  war,  welcher  das  Ideal  des  Serapis  ausbildete,  sO  wäre 
besser  unter  IV.  bei  der  jüngeren  attischen  Schule  von  ihm  zu  reden 
gewesen.  Die  Entwicklung  des  Zeusideals  bei  Gelegenheit  der  berühm- 
ten Büste  von  Otricoli,  wovon  in  Bonn  die  Maske  (Nr.  32)  vorhanden 
ist  (S.  74  heifst  sie  freilich  Büste),  S.  51 — 53  ist  sehr  gelungen. 

Ehe  sich  der  Vf.  zu  den  Tempelsculpturen  des  Parthenon  n.  a. 
Gebäude  wendet,  gibt  er  S.  55 — 57  nach  Anleitungeines  Korkmodells 
von  dem  grofsen  Tempel  zu  Paestum  (Nr.39)  eine  Beschreibung  des 
Tempelbaues  und  des  dorischen  Tempels  insbesondere,  aber  mit  einer 
unbegreiflichen  Sorglosigkeit.  Was  soll  ein  Student  sagen,  wenn  er 
bei  seinem  Führer  liest:  *der  Tempel,  dessen  Modell  hier  aufgestellt 
ist,  ist hexastylos  (mit  sechs  Säulen  in  der  Front,  13  au  der  Lang- 
seite)' und  dann  auf  jeder  Langseite  14  Säulen  findet?  wenn  ihm  dann 
weiter  erzählt  wird,  dafs  die  Säulen  der  dorischen  Ordnung 20,  die 
andern  24  Cannelierungen  haben,  während  das  Modell,  wenn  es  anders 
richtig  ist ,  ihm  dorische  Säulen  mit  24  Cannelierungen  zeigt ?  Vgl.  z.  B. 
die  Tafeln  22  und  23  in  Bötticliers  Tektonik  und  bei  Winckelmann  Taf. 
3  ff.  Hier  sind  nur  zwei  Fälle  möglich.  Entweder  der  Vf.  hat  das  Mo- 
dell gar  nicht  näher  angesehen  und  die  gelänfigcn  Bestimmungen  Über 
die  dorische  Bauart  aus  irgend  einem  Handbuche  entlehnt,  oder  das 
Modell  bezieht  sich  nicht  auf  den  grofsen,  sondern  auf  den  kleinem  Tem- 
pel, und  der  Vf.  schreibt  ein  Versehen  Welckers  (Zuwachs  S.  27)  ohne 
nähere  Prüfung  nach.     Da  Welcher  Taf.  3  bei  Winckelmann,  d.  h.  die 


J.  Overbeck:  knnsUrchaeolo^ehe  Vorlesangen.  181 

Abbildung  des  firröfsern  Tempels  anfObrt  ODd  des  Vf.  Angabe  über  die 
IntercoLumnieif  (1^  Säulendicke)  auf  jeden  Fall  falsch  ist,  so  mdchte 
man  sich  fflr  die  erstere  Alternative  entscheiden.  Unangenehm  fallen 
•Qch  die  falschen  Artikel  *das  Stereobat'  nnd  *das  Stylobat'  einem 
Philologen  ins  Auge.  Unter  den  Bildwerken  des  Parthenon  wid- 
met der  Vf.  S.  ö8 — 61  der  auf  einem  Thierfell  Hegenden  Figur,  die 
Welcker  Kekrops  nennt,  eine  besondere  Aufmerksamkeit.  Er  verthei> 
digt  die  ältere  Meinung,  es  sei  Theseus,  scharfsinnig  und  nicht  ohne 
Wahrscheinlichkeit,  obgleich  es  mir  doch  bedenklich  vorkömmt,  die 
kräftige  Gestalt  für  Theseus  zu  halten,  den  man  sich  lieber  als  schönen 
Jüngling  denken  möchte.  Zur  Evidenz  läfst  sich  die  Sache  schwerlich 
bringen.  Die  übrigen  architektonischen  Reliefs  geben  keinen  Anlafs  zu 
Bemerkungen ,  obgleich  sich  die  Verschiedenheiten  des  Stils  in  den 
Sculpturen  von  Olympia  und  Phigalia  wohl  hatten  hervorheben  lafsen. 
Dafs  aber  S.  70  der  Fries  vom  Denkmal  des  Lysikratcs,  weil  er 
zu  den  architektonischen  Sculpturen  gehört,  hier  beschrieben  wird, 
ist  ein  kunstgeschiditlicbes  iHfr^^ov  TtQoreQOv.  Denn  da  er ,  wie  der 
Vf.  selbst  erwähnt,  der  Inschrift  nach  in  OL  ill,  3  gehört,  muste  er 
der  Jüngern  altischen  Schule  vorbehalten  bleiben.  Die  matteische  und 
das  Fragment  der  trierschen  Amazone  machen  den  Beschlufs  des  II.  Ab- 
schnitts, wonach 

III.  Polykleitos  (S.  72 — 77)  folgt.  Wie  Brunn  begnügt  sich 
der  Vf.  mit  einer  beiläutigen  Bemerkung  über  Hermes,  ^der  füglich 
aus  den  genreartigen  Gegenständen  nahestehend  gefafst  werden  darf,' 
von  Feuerbach  (nachgelafs.  Schriften  III  S.  61)  befser  mit  dem  Gymna- 
sien und  den  Ephebcnstatuen  Polyklets  in  Verbindung  gebracht  wird. 
Mit  Recht  scheint  der  Vf.  gegen  Brunn  nach  wie  vor  die  ludovisische 
Büste  für  das  vorzüglichste  Abbild  der  berühmten  argivischen  Hera  zu 
erklaren,  indessen  traue  ich  mir,  da  ich  keinen  Abgufs  der  neapolita- 
nischen Büste  vor  mir  habe,  kein  Urtheil  über  Brunns  Meinung  zu,  sie 
sei  eher  auf  das  polykletische  Bild  zurückzuführen.  Ungern  vermisst 
man  in  der  Litteratur  die  Schrift  von  Schömann  über  das  Ideal  der  Hera. 

IV.  Die  jüngere  attische  Schule  S.  77 — 133.  Die  Büste 
der  N  i  0  b  e  schildert  der  Vf.  in  einem  Auszug  aus  W^elckers  Abhand- 
lung ,  der  u.  a.  auch  die  Vorstellung  von  den  hervorbrechenden  Thrä- 
nen  entnommen  ist.  Den  Pacdagogen  begnügt  er  sich  nur  zu  nennen, 
während  eine  Vergleichung  ihrer  Ausführung  mit  den  übrigen  Statuen 
nicht  ohne  Interesse  gewesen  wäre.  Ueber  den  sog.  Ilioneus  in 
München'^)  trägt  er  eine  geistreiche  Vermnthung  vor,  die  er  schon 
in  seiner  Gallerie  her.  Bildw.  I  S.  363  f.  ausgesprochen  hatte.    Bewei- 


♦)  Hr.  O.  bemerkt  nach  Welcker,  dafs  die  Statue  'ohne  die  gewi« 
wesentlich  richtigen  Ergänzungen'  im  Kunstbl.  1826  Nr.  46  und  danach 
in  Mullers  Denkm.  I,  34,  142  £  abgebildet  sei.  Jetzt  ist  das  Original, 
wie  anch  der  hiesi{|[e  Abgufs,  nicht  ergänzt,  wie  schon  ein  kundiger 
Recensent  in  der  Ztschr.  f.  d.  AW.  1864  S.  60  bemerkt.  Indessen  er- 
wähnt Schorn  S.  112  einen  restaurierten  Kopf.  Inwieweit  der  Bonner 
Abgufs  ergänzt  ist,  weifs  ich  nicht. 


182  J.  OTerbeck:  kamtarchaeologisdie  VoiiesmigeB. 

Ben  UM  es  sich  allerdings  nicht,  dar«  diese  schöne  Fignr  za  der  Nio- 
bidengruppe  gehörte,  aber  auch  nicht  das  Gegentheil.  *  Knieende  Nio- 
biden  sind  ja  mit  und  ohne  Wunde  beliannt,  n.  a.  der  sog.  Narciss,  dar 
den  einen  Arm  erhebt,  während  er  mit  dem  andern  nach  der  Wunde 
fahrt,  und  der  unverwnndete  Jüngling  des  vaticanischen  Sarkophags 
P.  -  Ci.  IV,  17,  welcher  mit  der  linken  Hand  den  Kopf  verdeckt  und  die 
rechte  auf  den  Boden  stfllzt  Die  von  Hrn.  0.  angefochtene  Stellung 
lafst  sich,  da  der  Kopf  und  beide  Arme  fehlen,  nicht  völlig  sicher  her- 
stellen. Möglich  dafs  der  rechte  Arm  den  Kopf  gegen  die  von  oben 
fliegenden  Pfeile,  der  linke  sowie  die  zusammengeschmiegte  Haltung 
den  Leib  schützen  sollte;  möglich  auch,  dafs  der  knieende,  eben  ge- 
IrolTen,  den  rechten  Arm  instinctmäfsig  halb  zur  Abwehr  halb  vor  Ent- 
setzen erhebt,  während  der  linke  nach  der  Stolle  hinfährt,  wo  der 
Pfeil  den  Jüngling  getroffen  hat,  nach  dem  Unterleibe.  Dafs  die  Wunde 
nicht  sichtbar  ist,  verschlägt  nichts;  sie  fehlt  auch  bei  dem  iiegendea 
Niobiden  in  München  *) ,  sowie  bei  dem  auf  ein  Knie  gestützten  ie 
Florenz  (Nr.  14  bei  Welcher).  Darüber  läfst  sich  streiten.  Aber  die 
Vermuthung  des  Vf.,  dafs  wir  den  zarten  Troilos  vor  uns  sehen,  wel- 
chen Achillens  vom  Pferde  gerifscn  habe  und  mit  dem  tödtli eben  Schwert- 
streich bedrohe,  hat  viel  mehr  gegen  sich.  In  der  neapolitanischen 
Marmorgruppc  (Overbeck  GuUeric  Tf.  XV  Nr.  7)  erscheint  Troilos  ala 
Knabenleiche  auf  Hektors  Schulter;  sein  Tod  wird  auf  keinem  Marmor- 
werke  dargestellt,  und  auch  die  Vasenbilder  (Overbeck  a.  a.  0.  S.  359  ff.) 
zeigen  ihn  nicht  auf  den  Knieen ,  sondern  von  seinem  Feinde  fortge- 
schleppt oder  vor  ihm  fliehend,  und  immer  als  Knaben.  Es  bedürfte 
aber  einer  unzweifelhaften  Gruppe,  um  das  von  Hrn.  0.  angenommene 
Motiv  zu  rechtfertigen.  Denn  sinkt  man  vom  Pferde  auf  die  Kniee?  und 
wird  man,  wenn  man  *mit  angestrengter  Kraft  namentlich  der  Fflfse  sieh 
gern  wieder  erheben  möchte',  den  Oberleib  so  wie  das  Mflnchener  Frag- 
ment seitwärts  gewendet  zusammenschmiegen?  —  Den  vaticani- 
schenApollon  erklärt  der  Vf.  S .  S3  ff.,  indem  er  einen  von  Fenerbach 
verworfenen  Gedanken  aufnimmt,  nach  Anleitung  einer  volcentischea 
Vase  (Mou.  d.  inst.  I,  23,  auch  Müller  Denkm.  11,  13,  146)  *%  als  das 
erhaltene  Stuck  einer  Gruppe,  *wie  er  Tityos  überwunden  hat,  der 
Leto  nachstellte,  und  wie  er  jetzt  siegesfroh  und  grofs  sich  mit  dem 
Xal^l  welches  auf  jener  Vase  beigoschrieben  ist,  zu  der  befreiten 
Mutter  wendet.'  Er  läfst  'es  unentschieden,  ob  Leto  und  Artemis  wie 
in  jener  Vase  die  Gruppe  vervollständigten.'  Dazu  ist  zuvörderst  i« 
bemerken,  dafs  auf  jener  Vase  kein  xai^e  beigeschrieben  ist,  und  dafs 
keine  Artemis  die  Gruppe  vervollständigt.  Allerdings  würde  Leto  als 
dritte  Person  zu  unserem  ApoUon  gesellt  werden  müfsen.    Denn  denkt 


'*')  Glyptoth.  Nr.  124.  Daran  ist  freilich  aufser  dem  Haare  noch 
anderes  uiiYolleiidct.  Ich  habe  mir  namentlich  die  linke  Hand  und  die 
Arme  angemerkt.     Nur  die  BruHt  scheint  ganz  fertig  su  sein. 

**)  Die  Abbildung  in  der  £lite  c^ramogr.  H,  56  habe  ich  nicht  ein- 
fr^sehen.  Ist  da  violJeicht  das  in  den  andern  Werken  fehlende  vorhandenf 
Artemis  erscheint  auf  einer  anderen  Vase  Ann.  II  tav.  H. 


J.  Overbock:  kaasUirchaeoIogitcho  VorlMoiifei.  183 

aas  Isich  Tityos  alleiB  niedersinkend  aber  noeh  am  Leben,  00  »fiste 
der  Gott,  wie  auf  der  Vase,  im  Scbiefsen  fortfahren,  and  dann  würde 
die  Slatae  nicht  anf  dem  rechten  Fufse,  sondern  auf  dem  linken  ruhen, 
nnch  wohl  durch  einen  Zwischenraum  von  dem  besiegten  gelrennt  wer- 
den. Lag  aber  Tityos  todt  am  Boden,  so  kann  allerdings  Apollon  ihm 
einen  Schritt  naher  getreten  sein.  Wenn  aber  nicht  eine  aufrechte  Per- 
son, also  Leto,  ihm  gegenüber  stand,  so  hatte  dies  eine  unglückliche 
Linie  für  eine  Gruppe  abgegeben.  Trat  ihm  nun  Lcto  nach  dem  Siege 
entgegen,  so  muste  sie  wenigstens  vor  den  erlegten  Feind  sich  stellen, 
nm  von  ihrem  Sohne,  der  sich  %  nach  vorn  richtet,  etwas  mehr  sn 
sehen  als  den  Mantel.  Tityos  war  dann  eine  hinderliche  Nebenperson, 
worin  der  Beschauer  schwerlich  einen  zureichendem  Grund  für  den 
siegesstolzen  Ausdruck  der  Statue  erkannt  haben  würde,  als  jetzt  in 
der  Andeutung  der  erlegten  Schlange  an  dem  Stamme.  Aber  dieser 
Stamm  ist  ja  eine  Stütze  für  die  einem  Erzwerke  nachgebildete  Copie? 
Ich  will  mich  nickt  auf  die  Gründe  für  und  gegen  diese  Meinung  ein- 
lafsen,  da  auch  der  Vf.  keine  beigebracht  hat  —  mir  bleibt  sie  sehr 
iweifelhaft.  Aber  wenn  der  Copist  einen  Apollon  im  Kampf  mit  dem 
Uiesen  vor  sich  hatte,  warum  gab  er  der  Stütze,  welche  sein  Marmor- 
werk bedurfte,  eine  Schlange  bei,  welche  den  Beschauer  irre  führen 
konnte?  Mag  aber  dieses  Beiwerk  sich  auf  den  Sieg  über  den  Drachen 
.Python  beziehen  oder  nicht,  oder  mag  irgend  eiue  andere  Thal  des 
Gottes  als  Alotiv  angenommen  werden,  das  wichtigste  bleibt,  wie  Mül- 
ler $.  361  ganz  richtig  bemerkt:  der  Gott  schreitet  als  Kallinikos  von 
einer  Siegeslhat  hinweg,  und  sein  Kampfzorn  geht  in  selige  Heiterkeit 
über.  £s  bedarf  keiner  zweiten  Figur,  um  diesen  Charakter  der  Statue 
deutlich  zn  nmchen  oder  zu  begründen.  Auf  die  Proportionen  dersel- 
ben geht  der  Vf.  nicht  ein ,  auch  nicht  auf  die  von  Müller  und  von  Gött- 
ling  im  Jenaer  Verzeichnis  S«53  ausgesprochene  Behauptung,  dafs  jenes 
Original  in  Erz  der  Proportionen  wegen  nachlysippisch  gewesen  sei.  — 
Wer  es  nicht  vorher  wüste,  der  erfährt  S.85  nicht,  dafs  der  Apollo 
Giustiniani  Nr.l26  keine  Statne,  sondern  blofs  eine  Büste  ist.  Der  Vf. 
findet  ihren  Ausdruck  schwermüthig.  Wagener  streng  und  finster.  Die 
Polemik  des  Vf.  gegen  Wagener,  welcher  eine  Marsyasgrnppe  annahm, 
passt  also  nicht  recht.  Da  ich  keinen  Abgufs  vor  mir  habe,  weifs  ich 
nicht ,  wem  ich  beipflichten  soll.  Die  Aphroditebilder  des  Museums 
behandelt  der  Vf.  von  8.88 — d5.  Ich  verstehe  gleich  nicht,  was  er 
mit  den  einleitenden  Worten:  *von  Aphrodite  haben  wir  aufser  einem 
spätem  Werke  ersten  nur  solche  zweiten  Banges'  sagen  will.  Meint 
er  mit  jenem  die  Venus  von  Milo  oder  die  mediceische?  denn 
Jene  hält  er  in  der  Tfaat  für  «ein  Werk  späterer  Zeit',  während  Waa- 
gen sie  als  Originalwerk  eines  Schülers  des  Skopas  betrachtet  und 
Welcher  (alte  Denkmäler  I  S.  444)  ihm  *  in  Hinsicht  der  Originalität 
■nd  des  Zeitalters'  beipflichtet.  Doch  da  der  Vf.  in  der  Litteratur  nur 
die  von  Welcher  S.  59  angeführten  Abhandlungen  (erste  Ausgabe  des 
Katalogs  Nr.  2  nad  Boiliger  kl.  Sehr.  li  S.  169  ff.)  aufzählt,  auch  die 
Abbildung  bei  Müller  Denkm.  II,  25,  270,  die  Weicker  a.  a.  0.  citiert, 


184  J.  Orerbeok:  kunstarchaeologische  Vorlesongen. 

nicht  erwähnt,  so  scheint  er  Welckers  Znsätee  a.  a.  0.  S.  441  ff.  nieht 
verglichen  zu  haben.  Aber  auch  wenn  er  das  unterliefs ,  so  konnte  er 
ans  der  ersten  Ausgabe  des  Vers.  S.  20  ersehn,  dafs  der  auf  einen 
Helm  gesetzte  linke  Fufs  nicht  der  ursprüngliche  ist.  —  Der  Kopf  vom 
Capitol  (S.  89  Nr.  158)  fehlt  ganz :  der  bei  Welcker  Nr.  159  verzeich- 
nete ^vom  Capitol'  wird  von  Hrn.  0.  S.  94  Nr.  144  als  im  Louvre  be- 
findlich angegeben  (Müller  Denkm.  II,  24,  255),  man  mufs  annehmen, 
mit  Rocht.  Bei  den  beiden  kleinen  Büsten  aber  Nr.  146  und  147  schein! 
eine  Verwechslung  vorgefallen  zu  sein.  Denn  die  ^kleine  Büste'  Nr.  146 
kann  doch  unmöglich  von  der  6  Fnfs  hohen  Statue  in  München  (Glypt. 
Nr.  135)  herrühren.  Welcker  führt  nach  der  kleinen  Büste  (Nr.  161  = 
147  bei  0.)  eine  ^  Maske'  der  Venus  (162=  146  ?)  an ,  welche  entweder 
von  der  genannten  Statue  oder  von  der  Büste  (Glypt.  Nr.  143}  entnom- 
men sein  soll.  —  Die  hohe  Schönheit  der  sog.  Psyche  in  Neapel  wür- 
digt der  Vf.  S.  96  f.  nach  Verdienst.  Er  meint,  dafs  sie  wegen  ihres 
^wehmüthig-heiteren,  dabei  liebevollen  Anblickens  eines  zweiten  Gegen- 
standes '  etwa  *  in  das  Gebiet  des  Genre '  fallen  möge.  Ich  finde  frei- 
lich mehr  einen  göttlichen  Ausdruck  in  dem  Fragment,  glaube  anch 
nicht,  dafs  man  eine  Genreflgur  in  das  Amphitheater  von  Capua  gestellt 
haben  wird;  indessen  bin  ich  nicht  im  Stande,  eine  allseitig  genügende 
Erklärung  zu  geben.  —  Gut  und  lebendig  wird  S.  98  f.  der  sog.  tief- 
sinnige Eros  besprochen.  Uebrigcns  hat  nicht  ^ine  Wiederholnng. 
des  vRticanischcn  Eros  marmorne  Flügel,  sondern  zwei,  vgl.  Welcker 
S.  22.  —  Zu  den  Bildern  des  Hermes  macht  der  Vf.  S.  101  mit  Recht 
bemerklich,  dafs  die  Zurückführung  seines  Idealtypus  auf  Praxiteles 
ihr  bedenkliches  hat,  weil  kein  berühmtes  Kunstwerk  von  seiner  Hand 
den  Gott  gerade  als  Vorsteher  der  Palaestra  dargestellt  zu  haben  scheint. 
Ich  habe  schon  oben  darauf  hingewiesen,  dafs  diese  Bildung  der  Rich- 
tung der  polykletischen  Kunst  entspricht^ mag  sie  auch  später  nament- 
lich in  den  Proportionen  modificiert  worden  sein.  Die  sonst  sehr  an- 
sprechende Behandlung  dieses  Abschnittes  leidet  an  derselben  Unge- 
nauigkeit,  die  wir  schon  mehrmals  hervorheben  musten.  Gleich  bei 
der  ersten  Büste  Nr.  154  Mlermes  mitFlügeln  imHaar'  bemerkt 
der  Vf.  S.102:  Mm  Vatican,  Beschreib.  Roms  11,2  S.185  Nr.  15,  Mns. 
Pio-Clem.  VI,  3.'  Das  erste  Citat  ist  verdruckt,  denn  an  der  Steile 
findet  man  die  *  Büste  eines  unbekannten  Jünglings'.  Berichtigt  man 
es  nach  Welcker  S.  74  in  S.  181  Nr.  55,  so  stöfst  man  auf  die  Bildsaule 
aus  Villa  Negroni,  welche  im  Mus.  Pio-Clem.  III,  4L  abgebildet  ist  und 
allerdings  einen  Hermes  mit  Flügeln  im  Haar  darstellt.  Wir  wollen 
daher  annehmen,  dafs  der  Vf.  nicht  diese  Bildsäule,  sondern  die  a.a.O. 
II,  2  S.185  Nr.  5  erwähnte  Büste  meint,  die  mit  der  bei  Visconti  VI,  3 
beschriebenen  identisch  ist.  Aber  auch  diese  kann  nicht  die  Bonner 
Büste  sein ,  welche  der  Vf.  als  eine  der  *  besten  Leistungen  des  grie- 
chischen Meifsels'  hervorhebt.  Denn  es  ist  ein  mittelmäfsiges ,  por- 
Irätähnliches  Werk,  welches  gar  nicht,  wie  die  Statue,  ^das  kurze 
krause  Haar'  des  Gottes  zeigt,  das  der  Vf.  bemerklich  macht,  *car  la 
chcvelurc  parait  plutdt  propre  ä  la  modc  des  Romains'  (Visconti  a.  a.  0.). 


J.  Orerbeck :  kmistarchaeologisehe  Vorlesimgeii.  185 

Ihre  Flagel  sind  Qbrigens  nach  alten  Spuren  erginzt.  Da  nnn  Weickir 
sagt:  ^Mercur  mit  SchM-ingen,  nicht  am  Petasos,  sondern  am  Haupt, 
selbst'  (lies:  Haupt  selbst,)  *  ähnlich  wie  der  Vaticanische  M.  Piocl. 
VI,  3  [Beschr.  Roms  II,  2  S.  181  Nr.  55] ',  so  wird  es  mir  sehr  wahr- 
scheinlich, dafs  der  Vf.  die  Worte  seines  Vorgängers  misverstanden 
hat.  Mit  Grund  bezweifelt  der  Vf.  S.  103,  dafs  die  BQste  Nr.  155  die- 
selbe  sei  wie  die  lansdownsche,  in  den  Specimens  of  ancient  sculpt. 
I,  55  (lies  51)  und  bei  Müller  Denkm.  II,  28,  304  abgebildete ,  da  diese 
keine  Brust  hat.  Vermuthlich  ist  es  der  von  Meyer  zu  Winckelmann 
V,  ],  17  beschriebene,  unter  Nr.  47  daselbst  abgebildete  Kopf  *mit 
etwas  Brust,  der,  wie  man  sagt,  aus  Rom  nach  England  gegangen. 
Er  ist  durch  Abgfifse  und  häufige  Copien  bekannt.'  Der  vortreff- 
liche ^ruhende  Hermes'  (Nfiller  Denkm.  II,  28,  309)  Nr.  157  wird 
von  S.  103 — 5  lebendig  beschrieben.  Er  ist  aber  nicht  *in  Portici', 
sondern  inHerculanum  gefunden;  der  Kopf,  dessen  Form  der  Vf.  ^aller- 
dings  auffallend^  nennt,  war  nach  Winckelmann  (Sendschreiben  $.37) 
in  100  Stücke  zerdrückt;  endlich  wird  Hermes  nicht  als  ermüdeter 
Laufer  gebildet,  denn  er  hat  unter  dem  Fufs  eine  Schnalle,  die  ihn 
beim  Laufen  drücken  würde.  Er  ruht  vielmehr  vom  Fluge  aus,  wie 
Winckelmann  sehr  richtig  aus  eben  dieser  Schnalle  %  Verbindung  mit 
den  Flügeln  an  den  Ftifsen  schliefst.  Gegen  Rathgebers  Behauptung, 
Hermes  sei  mit  Angeln  beschäftigt,  protestiert  der  Vf.  wohl  mit  Grund. 
Den  sog.  *G  e  r  m  a  n  i  c  u  s '  Nr.  158  charakterisiert  er  fein  und  gut,  eben- 
so die  verschiedenen  Bilder  des  Dionysos  S.  107 — 116,  die  sehr 
geschmackvoll  und  ansprechend  behandelt  werden.  Die  Büste  des 
^Dionysos  mit  Ephenkranz'  Nr.  163  S.  112  ist  wohl  eher  mit 
Weinlaub  und  Trauben  (Welcher  S.  74),  als  *mit  schattigen  Epheu- 
blüttcrn  und  Trauben '  bekränzt.  Der  ^gehörnteDionysos'  Nr.l64 
befindet  sich,  wie  schon  Hr.  Müller  Ztschr.  f.  d.  AW.  1854  S.  ^4  be- 
merkt, nicht  im  Vatican,  sondern  im  Capitol.  Er  ist  übrigens  nicht 
nach  links,  wie  der  Vf.  angibt,  sondern  nach  rechts  geneigt.  Der 
Abschnitt  über  die  Satyrfiguren  S.  116 — ^29  gehört  zu  den  besten 
des  Buches ,  obgleich  auch  er  von  den  oft  berührten  Mängeln  nicht 
frei  ist.  Namentlich  fehlen  auch  hier  ergänzende  Angaben  über  die 
Litteratur.  So  ist,  wie  oben  die  Büste  des  Dionysos  Nr.  161  bei  Wie- 
seler 31,  342  und  der  sog.  Germanicus  bei  Müller  Denkm.  I,  50,  225, 
der  alte  Satyr  bei  Wieseler  39,  462  abgebildet.  Den  ^angelehnten 
Satyr'  Nr.  167  S.  116  trennt  der  Vf.  nach  Starks  Vorgange  (arch. 
Studien  S.  18  ff.)  von  dem  7t£qiß6yp;og  des  Praxiteles  (Plin.  XXXI V,  69), 
wenn  man  nicht  einen  Irthum  des  Plinius  annehmen  will,  mit  Recht. 
Wenn  er  aber  mit  Stark  glaubt,  dafs  Plinius  aus  Pausanias  I,  20,  1 
zu  berichtigen  sei ,  so  scheint  es  mir  kaum  thunlich  anzunehmen ,  dafs 
Plinius  Gcwährsmonn,  etwa  Pasiteles,  Eros  und  Mcthe  verwechselt 
habe.  Eher  möchte  ich  vermuthen,  dafs  die  Statue  des  Praxiteles  von 
einem  Römer  fortgenommen  und  von  dem  unbekannten  Künstler  Thymi- 
los  durch  Eros  ersetzt  worden  sei.  Bei  dem  ^alten  Satyr'  Nr.  170 
S.  121  hat  der  Vf.  AVeIckers  Beschreibung  S.  27  einschliefslich  der 

iV.  Jahrb.  f.  PhU.  ».  Paed.  Bd.  LXX.  Hfl.  1.  13 


186  J.  Overbeck :  kunsUrchaeologische  Vorlcsangfen. 

Cilatc  ausgesogen,  letzlorc  aber  scbwerlirh  nachgeschlagen.  Denn 
sonst  würde  er  nichl  die  ^bäucrischü  Kirmcfslustigkeil'  des  Gesichts 
ohne  weitere  Bemerkung  loben.  Der  von  Welcker  angeführte  Meyer 
gibt  zu  AViuckelinunn  V,  ] ,  5  und  Kunstgcsch.  III  S.  381  ausdrücklich 
an,  dafs  der  Kopf  dieser  schönen  Statue  modern  sei.  Den  *  tanzen- 
den Satyr'  aus  Pompeji  Nr.  172  lobt  der  Vf.  8. 122  verdienter  Mafäen 
nach  Welcher.  Seinen  eignen  Zusatz,  welcher  die  pompejanische 
Figur  auf  Kosten  des  von  »elcker  citierten  Satyrs  in  Villa  Borghese 
OVieseler39,  463,  Mon.  d.  inst.  III,  59)  erhebt,  würde  er  wohl  wog- 
gelafsen  haben,  wenn  er  Brunns  feine  Erörterung  Bhein.  Mus.  N.  F.  IV 
S.  468  ff.  zu  lialhe  gezogen  hält«.  Denn  du  der  borghesische  Satyr 
sich  beim  Flötenspiei  zum  Tanz  anschickt,  kann  er  natürlich  nicht 
in  derselben  Bewegung  erscheinen  w  ie  der  pompejanische.  S.  124  wird 
richtig  bemerkt,  dafs  Nr.  130  bei  Welcker  eine  Wiederholung  von 
Nr.  127  (Nr.  174  und  174a  bei  0.)  zu  sein  scheint.  —  Nr.  177  nennt  der 
Yf.  S.  125  eine  Papposilensbüste.  Das  falsche  Citat  Beschr.  d.  St. 
Rom  II,  2  S.168  wird  Welcker  Zuwachs  S.7  nachgedruckt.  Berichtigt 
man  es  in  S.  193,  so  ündet  man,  dufs  die  Büste  Silens  nicht  *  lange 
Bocksohren',  sondern  menschliche  Ohren  hat.  (.4n  der  Identität  beider 
Köpfe  kann,  wAn  man  die  von  Gerhard  angeführte  Abbildung  Pio- 
Cl.VI,  9,  1  mit  der  von  dem  Vf.  citierten  beiWiescler41,495  vergleicht, 
kein  Zweifel  sein.)  Warum  der  Kopf  nun  nicht  blofs  einen  Silen  vor- 
stellen soll,  ist  mir  unbegreiflich:  ich  ßnde  so  wenig  in  beiden  Abbil- 
dungen als  in  den  Beschreibungen  eine  Andeutung  der  Ilaarzotleln, 
welche  nach  dem  Vf.  die  Arme  bedecken  sollen,  und  blofs  die  Ver- 
schiedenheit, dufs  Wieseler  S.  42  die  Ohren  für  nicht  rein  menschlich 
erklärt.  Dagegen  mufs  ich  dem  Vf.  beipflichten,  wenn  er  S.  126  gegen 
die  Beziehung  der  Stelle  des  PliniusXXWI,  20  auf  die  berühmte  bor- 
ghesische Statue  Silens  mit  dem  Bacchuskinde  polemisiert.  Denn  das 
Weinen  des  Kindes  ist  in  der  Beschreibung  bei  Plinius  ein  wesentliches 
Merkmal,  und  auch  das  Gegenstück,  Libera  als  durstiges  Mädchen,  das 
aus  dem  Krater  getränkt  wird,  deutet  für  den  Knaben  ein  charakteristi- 
sches und  bewegteres  3Iotiv  an.  Von  der  Ino  in  München  (Glypt.  Nr.97) 
hat  das  Museum  nur  die  Büste  Nr.  179;  der  Vf.  brauchte  also  von  der 
ganzen  Statue  nicht  zu  reden.  That  er  es  aber,  so  musto  er  deren  Ab- 
bildungen und  Beschreibungen  genauer  ansehen.  Es  grenzt  an  das  ko- 
mische, wenn  man  S.  128  liest,  dafs  sie  mit  dem  ionischen  Ermelchiton 
bekleidet  sei  und  den  spielenden  Dionysosknaben  auf  dem  rechten  Arme 
halte ,  während  in  Wahrheit  das  Kind  auf  dem  linken  Arme  sitzt  und 
das  Gewand  gar  keine  Krmel  hat.  —  S.  131  Nr.  IH;^  gibt  der  Vf.  an, 
dafs  die  Federn  auf  dem  Haupte  der  sog.  Urania  im  Vatican  ergänzt 
seien,  ob  nach  Zoöga,  dessen  Abhandlung  ich  nicht  einsehen  kann, 
weifs  ich  nicht.  Visconti  Pio<Cl.  I,  25  und  Gerhard  B.  d.  St.  K.  II,  2 
S.  169  berichten  beide,  dafs  die  Sirenenfeder,  so  wie  der  ganze  Kopf 
alt,  aber  der  Statue  fremd  sei. 

V.   Die  jüngere  sikyonisch-argivischo  Schule  S.  I3ji 
—  38.    In  diesem   kurzen  Abschnitt  verdient  die  scharfsinnige  Vcr- 


J.  0 verbeck:  knnsUrcbaeologiscIic  Vorlesongen.  187 

mnkhung  S.  137  f.  ausgezeichnet  za  werden,  der  sog.  sterbende 
Alexondcrin  Florenz  (Nr.  196,  Blüller  Denkm.  I,  39,  160)  stelle  Ka- 
paiieus  dar,  wie  er,  vom  Blitzstrahl  getroffen,  das  Haopt  schmerz- 
voll zurückwerfe.  Mohr  als  eine  Vermuthung  kann  man  freilich  die 
Behauptung  niclit  nennen.  Die  Büste  entspricht  nicht  dem  gigantischen 
Charakter  des  Helden  (vgl.  z.  B.  Anth.  Plan.  IV,  106),  den  man  sich 
mehr  dem  Aias  ähnlich  vorstellt;  ebenso  wenig  der  Mangel  an  Bart, 
die  Andeutung  des  Gewandes  an  der  Brust  (wenn  dies  alt  ist).  Bis  mau 
eine  unzweifelhafte  Darstellung  des  Kapancus  findet,  läfst  sich  aber 
kein  bestimmtes  Urtheil  fällen,  und  es  mufs  anerkannt  werden,  dafs 
dio  Haltung  des  Kopfes  mit  der  von  dem  Vf.  angenommenen  Situation 
übereinstimmt.  S.  137  Z.2  v.  u.  statt  Minken'  lies  *  rechten',  S.  140 
Z.  10  statt  *  Gallierschlacht'  lies  ^Markomannenschlacht'. 

Die  folgenden  Abschnitte  VI.  Pergamenischo  Künstler 
S.139 — f4,VIl.  Die  rhodischcn  Künstler  S.144— 54,  VIII.  Die 
neuattische  Kunst  S.154 — 60,  (IX.)  Kleinasiatische  Künst- 
ler S.  160 — 65,  X.  Kunstzeit  des  Kaisers  Hadrianus  S.160 — 69 
im  einzelnen  und  mit  derselben  Vollständigkeit  zu  prüfen  mufs  Bec. 
sich  versagen.  Sie  enthalten  ausführliche  und  grofsentheils  wohl  gc- 
inngeno  Beurtheilungen  berühmter  Werke ,  des  Laokoon,  Torso,  bor- 
ghesischen  Fechters,  die  im  wesentlichen  auf  Welckers  und  Brunns  Un- 
tersuchungen beruhen,  aber  mit  feinen  Bemerkungen  begleitet  werden. 
£inige  Werke  stellt  der  Vf.  tiefer  als  Hec.  Wenn  z.  B.  der  Laokoon 
auch  in  seiner  Composition  getadelt,  der  Kopf  peinlich  (S.  148),  ja 
S.  80  gegen  Niobo  gehalten  sogar  widerwärtig  genannt  wird,  so  er- 
innert man  sich  unwillkürlich  der  Prophezeiung  Feuerbachs  (Apoll 
S.  185).  Aber  obgleich  er  dieUrtheile  des  Vf.  nicht  durchweg  für  ge- 
recht hält,  nimmt  Bec.  keinen  Anstand  sie  für  wohl  durchdacht  zu  er- 
klären und  wohl  geeignet,  einen  angehenden  Beobachter  in  Beifall  und 
Widerspruch  zu  eignem  Nachdenken  anzuregen. 

Die  folgenden  Bildwerke  von  S.  169  —  90  sind  ganz  nach  den 
Gegenständen  geordnet,  als:  1)  göttliche  und  daemonische 
Wesen,  2)  Heroen,  3)  Athletenbilder,  4)  Genrebilder. 
Darunter  verdienen  manche  Beschreibungen,  z.  B.  des  Adonis,  des 
Discuswerfers ,  der  Uingcr,  des  betenden  Knaben,  alles  Lob.  Den 
borghesischen  Achilles  Nr.  221  beurtheilt  der  Vf.  S.  176  f.  zu 
ungünstig.  Meines  Erachtens  kommen  die  Fehler  der  Statue  auf  Bech- 
nung  des  Copislen,  das  Original  trage  ich  kein  Bedenken  auf  die  Blüte- 
zeit der  griechischen  Kunst  zurückzuführen.  Irthümlich  mifst  der  Vf. 
Welcker  die  Vermuthung  bei ,  sie  gehöre  zu  der  berühmten  Gruppe  des 
Skopas  bei  Plin.  XXXVl,  26.  Welcker  führt  diese  S.34  nur  der  Ver- 
gleichung  wegen  an,  was  sich  schon  äufserlich  daraus  ergibt,  dafs  er 
in  den  alten  Denkmälern  1  S.204  ff.,  wo  er  von  Skopas  Werke  ausführ- 
licher handelt,  ihrer  nicht  gedenkt.  Ein  anderes  Verschen  ist  S.  173 
zu  berichtigen.  Zu  der  schönen  sog.  Ceres  des  Vaticans  Nr.  212 
(Pio-Clem.I,  40;  Beschr.  d.  St.  B.  H,  2  S.  276)  bemerkt  der  Vf.:  Mer 
Kopf  mit  einer  römischen  Perücke  ist  aufgesetzt'.    Das  ist  freilich  rich- 

13* 


188  J.  Ovcrbeck :  kanstarchaeologiscbo  Vorlesnngen. 

iig,  aber  sowobl  Visconti  als  Gerbard  bericbten  aiisdrßcklicb,  dafs  er 
ursprünglich  zu  der  Statue  gehörte;  ersterer  rühmt  sogar  die  einfache 
Behandlung  des  Haars.  Auch  die  *D  an  aide  Auch  irr  ho  6'  in  Tegel 
Nr.  214  erklärt  der  Vf.  S.  174  nicht  richtig.  Er  sagt :  *  der  sanfte  Flufs 
der  Quelle  ist  durch  den  gleitenden  Schritt  der  Statue  augedeutet,  wei- 
cher ähnlich  auch  bei  Poseidon  vorkommt'.  Natürlich,  weil  er  über 
das  weite  Meer  dahin  schreitet,  über  eine  Quelle  aber  springt  man  hin- 
M'eg,  wenn  man  nicht  an  ihr  verweilen  will.  Unsere  Nymphe  aber  ist  im 
Begriff  Wafscr  aus  der  Quelle  zu  schöpfen  und  hebt  das  Gewand,  das 
sie  im  Schreiten  hindern  würde,  um  es  nicht  nafs  zu  machen,  in  die 
Höhe.  Der  Schritt  aber  deutet  an,  dafs  sie  sich  zum  Schöpfen  hcrab- 
neigen  will,  vgl.  Visconti  Pio-CI.  III  p.258  (Mail.  Ausg.)  und  Jahn  arch. 
Aufs.  S.  26.  —  Unter  Nr.  242  beschreibt  der  Vf.  S.  190  zum  Schiurs 
eine  ^weibliche  Statue,  welche  einen  geschnittenen  Stein  in  der  Hand 
hält,  ohne  ihn  jedoch  zu  betrachten.  Es  scheint  ein  genreartig  behan- 
deltes Porträt  zu  sein,  dessen  Aufbewahrungsort  mir  nicht  bekannt 
ist.  Die  Behandlung  des  Gewandes  verdient  Anerkennung,  der  Kopf 
sieht  modern  aus\  Die  Statue  gehört  zu  der  bekannten  Familie  des 
Lykomedes,  steht  im  Berliner  Museum,  ist  kein  Portrait,  sondern  eine 
Muse;  das  Gewand  ist  sehr  fehlerhaft  ergänzt,  nicht  allein  der  Kopf, 
sondern  die  ganze  obere  Hälfte  bis  auf  die  Hüften,  natürlich  auch  die 
Münze  oder  der  geschnittene  Stein.  Man  vgl.  Levezow:  Familie  des 
Lykomedes  S.35  u.  41,  Tafel  V.  Was  soll  man  aber  von  dieser  Be- 
schreibung sagen  ? 

Die  Reliefs  werden  von  S.  190  an  im  Anhange,  meistens  nach 
Welckcr,  behandelt,  mit  verschiedenen  Zusätzen.  Die  Ära  Casali 
Nr.  250  beGndet  sich  nicht  in  Villa  Casali  (S.  195),  sondern  imVatican, 
der  Musen  Sarkophag  Nr.  361  nicht  im  capitolin.  Museum  (S.  199), 
sondern  im  Louvre.  Unbegründet  ist  auch  der  hyperkritische  Verdacht 
S.20I,  die  floren tiner  Vase  mit  der  sog.  Opferung  der  Iphigcnia 
Nr. 268  möge  unecht  sein.  Es  ist  zwar  vieles  daran  ergänzt,  da  sie  in 
viele  Stücke  zerbrochen  Mar,  das  meiste  aber  ohne  Zweifel  antik.  Die 
alten  und  neuen  Stücke  werden  von  Meyer  K.  G.  111  S.384  f.  sorgfäl- 
tig unterschieden. 

Manche  der  bezeichneten  Mängel  lafsen  sich  bei  Vorlesungen, 
welche  den  Sinn  für  die  bildende  Kunst  zu  wecken  beabsichtigen,  leicht 
übersehen.  Bec.  bedauert  aufrichtig,  dafs  der  Vf.  sie  bei  der  Herans- 
gabe eines  Buches,  woran  man  andere  Ansprüche  machen  mufs,  nicht 
berichtigt  hat. 

Grcifswald.  L.  Urlicks, 


E.  Eytb:  Ueberblick  der  Weltgcscliichle.  189 

Ueberblick  der  WeUgeschichte  rom  christlichen  Standpunkte. 
Von  Dt,  Eduard  Eythy  Prof.  am  evangelisch-theologischen  Seminar 
in  Schouthal.  Heidelberg  1853.  Verlag  von  K.  Winter.  IV  u.  250  8. 8. 

Wer  als  gläubiger  Christ  an  die  Betrachtung  der  Geschichte 
geht,  hat  schon  die  Gewisheit,  dafs  Christus  der  Mittelpunkt  derselben 
sei,  dafs  alles,  was  seit  dem  Sündenfalle  auf  Erden  geschehen,  zur 
Verwirklichung  des  Gnadenrathschlufses  der  Erlösung  und  zum  Kom- 
men des  Reiches  Gottes  gedient  hat  und  dient.  Die  Aufgabe  der  \Vi- 
fsenschaft  aber  ist  es,  alled  einzelne  als  solches  zu  begreifen,  durch 
die  Zusammenordnung  die  Abstufungen,  die  Rück-  und  Fortschritte 
im  grofsen  Gange  der  Geschichte  nachzuweisen  und  die  innere  Noth- 
wendigkeit  desselben  zur  Erkenntnis  zu  bringen.  Ebensowenig  wie 
der  Christ  sich  erdreisten  wird  die  vollständige  Lösung  dieser  Auf- 
gabe für  auf  Erden  möglich  zu  halten,  wird  er  sich  abschrecken  lafseu, 
für  dieselbe  alle  seine  Kräfte  anzustrengen  und  immer  tiefer  in  die 
Geheimnisse  einzudringen  z«  versuchen ,  zumal  da  ihm  die  Ueberzeu- 
gung  beiwohnen  mufs,  dafs  nur  so  die  Geschichte  selbst  dem  Reiche 
Gottes  dienen,  nur  so  auch  dem  Zweifler  endlich  das  Resultat  sich 
aurdrüngcn  kann,  welches  dem  fleifsigstcn,  gewifsenhaflesten,  scharf- 
sinnigsten Forscher  Johannes  von  Müller  entgegentrat:  ^Christus  ist 
der  Schlüfsel  der  Weltgeschichte.'  Jeden  Versuch,  der  zu  diesem 
Zwecke  unternommen  wird ,  müfsen  wir  deshalb  mit  Freuden  bcgrü- 
fsen  und  so  heifscn  wir  denn  auch  Hrn.  Eyths  Buch  von  Herzen  will- 
kommen, zumal  da  wir  dankbar  anerkennen  müfsen,  in  demselben  viel 
anregendes  und  belehrendes  gefunden  zu  haben.  Je  inniger  wir  uns 
aber  mit  der  Absicht  des  Hrn.  Vf.  und  seiner  Grundanschauung  ein- 
verstanden erklären,  um  so  mehr  fühlen  wir  uns  verpflichtet,  dasjeni- 
ge offen  auszusprechen ,  woran  wir  Anstofs  genommen.  Je  lebhafter 
wir  uns  die  Schwierigkeit,  einen  Ueberblick  über  die  Weltgeschichte 
von  christlichem  Slandpunkte  zu  geben,  vor  Augen  stellen,  je  deutlicher 
wir  uns  bewust  werden,  dafs  dieselbe  nur  ein  Resultat  der  sorgfältig- 
sten Durchforschung  der  Ereignisse,  der  genausten  Prüfung  aller 
geistigen  Erzeugnisse  aller  Völker,  des  Verfolgens  jedes  Vorkomm- 
nisses bis  zu  seinen  letzten  und  höchsten  Gründen,  der  scharfsichtig- 
sten Unterordnung  des  besondern  unter  das  allgemeine,  der  tiefsin- 
nigen Auffindung  verborgener  Beziehungen  sein  kann ,  je  mehr  wir 
endlich  die  Gröfse  einer  solchen  Aufgabe  auch  dann  noch,  wenn  wir  sie 
auf  gewisse  Hauptrichtungen  und  Hauptvölker  beschränken,  empfinden, 
um  so  weniger  kann  uns  das  bescheidene  Gefühl,  wie  viel  zu  ver- 
mifseu  sein  würde,  wenn  wir  selbst  ihre  Lösung  versuchten,  verlafsen 
und  um  so  weniger  werden  wir  einen  Stachel  in  das  legen ,  was  wir 
rügen  und  tadeln. 

Wir  gehen  von  dem  aus,  was  S.  7  über  die  Methode  der  Ge- 
schichtsdarslellung  gesagt  wird.  W^ir  sind  natürlich  weit  davon  ent- 
fernt der  einseiligen  Anwendung  und  Durchführung  der  ethnographischen 
oder  dar  synchronistischen  Methode  das  Wort  reden  zu  wollen,  eben- 


190  E.  Eylh :  Uebcrblick  der  Weltgeschichte. 

so  weit  davon  die  Forderung  der  Wifscnschafl  zu  verkennen,  dars  dio 
Methode  darch  ein  inneres  Princip  bestimmt  sein  mürse,  aber  wir  kön> 
nen  doch  nicht  einstimmen,  wenn  llr.  E.  sagt:  ^die  erste  Methode  (dio 
synchronistische)  ruht  lediglich  aur  der  Form  der  Zeit,  die  andere  auf 
derjenigen  des  Raumes ,  also  beide  auf  Grundlagen ,  welche  nur  mate- 
riell und  üufserlich  sind.  Hierdurch  sind  beide  falsch.'  Die  Mensch- 
heit ist  an  Zeit  und  Kaum  gebunden.  Sie  sind  nicht  allein  für  das 
leibliche,  sondern  auch  für  das  geistige  Leben  des  einzelnen  wie  der 
gcsammten  Menschheit  unabstrcifbaro  Bedingungen,  und  es  ist  daher 
absolut  unmöglich,  Geschichte  zu  schreiben  oder  zu  begreifen,  ohne 
jenen  beiden  Rechnung  zu  tragen.  Auch  kann  nicht  zugegeben  wer- 
den, dafs  beide  Methoden  nur  auf  einem  äufserlichen  materiellen 
Grunde  ruhen.  Die  Scheidung  der  Blenschheit  in  Völker  ist  eine  der 
wichtigsten  Veranstaltungen  der  göttlichen  Vorsehung.  Jedes  Volk 
bildet  eine  Persönlichkeit  für  sich,  bewegt  sich  in  gewissen  nicht 
allein  räumlichen,  sonJern  auch  geistigen  Grenzen  und  Bedingungen 
und  hat,  mag  es  noch  so  viel  nach  aufscn  mittheilen  und  von  aufsen 
in  sich  aufnehmen,  dennoch,  so  lange  es  noch  wirklich  ein  Volk,  nicht 
blofs  eine  nur  äufserlich  und  zufällig  zusammengefügte,  nur  durch 
einen  Namen  zusammengehaltene  Masse,  ist,  seine  eigenthümliche  Ent- 
wicklung, und  damit  —  dies  ist  die  Hauptsache  —  seine  eigene  Ge- 
schichte. Die  geistige  Menschheit  ist  nicht  anders  vorhanden  als  in 
Individuen,  in  den  einzelnen  und  in  den  Summen,  den  Völkern.  Be- 
ruht nun  die  Scheidung  in  Völker  nicht  blofs  auf  äufserlichem,  son- 
dern auch  auf  inncrm  Grunde,  so  ist  nothwendig  auch  die  Belraclituufj^ 
der  einzelnen  für  sich  ebenso  wenig  nur  auf  der  Form  des  Raumes  be- 
ruhend, vielmehr  auf  dem  Wesen  der  Menschheit,  freilich  nicht  auf 
dem  ursprünglichen,  aber  auf  dem  factisch  gewordenen,  ja  es  ist 
keine  Geschichte  der  Menschheit  möglich ,  ohne  dafs  sie  zugleich  eine 
Geschichte  der  Völker  wäre.  In  der  That  gibt  es  auch  Völker,  wel- 
che eine  Zeit  lang  in  völliger  Isoliertheit  dastehen  und  für  sich  allein 
in  energischer  Einseitigkeit  Bildungskeime  entwickeln,  welche  dann 
aus  der  Abgeschlofscnheit  heraustretend  für  die  gesammte  Menschheil 
von  Wichtigkeit  werden.  Kann  man  solche  Erscheinungen  in  die  Ge- 
schichte der  Menschheit  hell  und  klar  einreihen,  ohne  das  zu  thun, 
was  die  ethnographische  Methode  bei  allen  beabsichtigt?  Kann  man, 
um  ein  Beispiel  anzuführen,  die  Geschichte  des  römischen  Volks  bis 
auf  die  Zeiten  Alexanders  des  Grofsen  anders  als  in  ethnographischer 
Abgesondertheit  darstellen?  Leichter  kann  die  synchronistische  Me- 
thode als  nur  auf  äufserlichem  beruhend  erscheinen.  Scheint  doch  da 
in  den  entlegensten  Gegenden  geschehenes,  unter  sich  in  gar  keiner 
Beziehung  stehendes,  ja  wirkungslos  für  das  allgemeine  gebliebenes 
nur  deshalb  nebeneinander  gestellt  zu  werden,  weil  es  zufällig  in  das- 
selbe Jahr  fällt.  Allein  gleichwohl  hat  auch  diese  Methode  eine  Be- 
rechtigung in  sich.  Denn  wenn  zu  einer  Geschichte  der  Menschheit 
im  allgemeinen  erforderlich  ist,  dafs  man  dio  gleichzeitigen  Zustände 
in  den  verschiedenen  Theilen  derselben  überschaut,  —  ein  Satz,  der 


£.  Eyth:  Ueberblick  der  Weltgeschichte.  191 

gewis  nicht  iy  Abrede  gestellt  werden  kann ,  wenn  man  sich  bewust 
geworden  ist ,  dars  nur  dadurch  die  Tragweite  einer  bedeutenden  Er- 
scheinung und  die  Nothwendigkeil  ihres  Hervortretens  für  das  allge- 
meine erkannt  oder  doch  annähernd  bcgriden  wird  —  so  ist  es  un- 
möglich dies  ohne  synchronistische  Zusammenordnung  der  Begeben- 
heiten KU  erreichen,  abgcsehn  davon,  dafs  ja  oft  ein  Zusammenhang 
auch  zwischen  dem  scheinbar  ganz  beziehungslos  dastehenden  wirklich 
vorhanden  ist.  Also  beruht  auch  sie  doch  am  Ende  auf  der  Geschie- 
denheit und  Sonderuug  im  Menschengeschlecht,  um  nicht  davon  zu 
reden,  dafs  im  Plane  der  Weltregierung  auch  die  Gleichzeitigkeit 
nichts  zuTälliges  sein  kann.  Die  synchronistische  Methode  ist  im 
Grunde  nur  ein  Versuch  die  Mangel,  welche  die  ethnographische  für 
die  allgemeine  Geschichte  bietet,  zu  beseitigen,  ein  Versuch,  der  frei- 
lich einseitig  durchgeführt  zu  noch  gröfsern  Mängeln  führen  mufs. 
Daher  ist  man  denn  schon  längst  auf  eine  zweckmäfsige  Verbindung 
beider  Methoden  bedacht  gewesen  und  es  fehlt  nicht  an  wohlgelungc- 
nen  Versuchen.  In  der  That  hat  sich  denn  auch  Hr.  E.  der  Verschmel- 
zung beider  Methoden  bedient,  und  führt  uns  bald  ethnographisch, 
bald  synchronistisch  durch  die  Geschichte,  ein  deutlicher  Beweis  da- 
für, dafs  wenn  man  auf  das  rein  geistige  sehen  will,  mau  doch  von 
den  Banden,  an  welche  die  Menschheit  gcfefselt  ist,  sich  nicht  los- 
machen kann.  Ueberliaupt  aber  scheint  uns  die  ganze  Frage  mit  dem 
Standpunkte,  von  weichemaus  die  Geschichte  betrachtet  wird,  gar 
nichts  zu  thun  zu  haben.  Wir  sind  überzeugt,  dafs  eine  ethnographi- 
sehe  Darstellung  der  Geschichte,  wie  eine  synchronistische,  durch  ihr 
Wesen  nicht  gezwungen  ist  den  christlichen  Standpunkt  zu  verlafsen, 
dafs  wer  eine  von  beiden  befolgt,  damit  noch  nicht  die  Befähigung 
verliert,  die  Beziehung  des  einzelnen  und  besondern  zum  Christenthum 
und  zum  allgemein  geistigen  zu  erkennen  und  deutlich  zu  machen,  und 
dafs  der  eingeschlagene  Weg  der  Darstellung  nur  die  Uebersicht  ent- 
weder erleichtert  oder  erschwert.  Drumaui^at  seine  Geschichte  des 
Untergangs  der  römischen  Republik  in  Biographien  geschrieben. 
Mag  man  sich  beklagen,  dafs  dadurch  die  Uebersicht  erschwert  sei, 
niemand  wird  dem  Vf.  mit  Hecht  vorwerfen  können,  dafs  er  dabei 
irgend  etwas  allgemeines  vernachläfsigt  habe.  Hr.  E.  betrachtet  die 
Weltgeschichte  gern  als  ^biographie  en  gros.'  Wie  in  einem  Men- 
schen verschiedene  Thüligkeitsrichtungen  nebeneinander  hergehen  kön- 
nen und  man  bei  Lebensbeschreibung  eines  Fürsten  die  Bestrebungen 
in  den  verschiedenen  Zweigen  der  Verwaltung,  den  innern  und  äufsern 
Angelegenheiten ,  in  Krieg  und  Frieden  oft  sondern ,  dagegen  doch 
auch  um  von  der  Thäligkeit  des  Mannes  eine  Vorstellung  zu  geben, 
das  gleichzeitige  zusammenstellen  mufs,  so  ist  es  auch  mit  der  Ge- 
schichte der  Menschheil ,  in  der  die  Geschichten  der  einzelnen  Völker 
gleichsam  Branchen  und  Thätigkeitskreise  eines  Wesens  sind.  Wenn 
man  bei  einem  Menschen  sein  religiöses  Verhalten  als  den  letzten  und 
höchsten  Mafsstab  deshalb  nicht  verliert,  wenn  man  z.  B.  seine  Rei- 
sen im  Zusammenhang  beschreibt  u.  dgl.,  und  dann  wieder  zufällig 


192  E.  EyUi:  Ueberblick  der  Weltgeschichte. 

zusammeDtrelTended  nebeneinander  erwähnt,  so  wird  mau  auch  in  der 
Geschichte  weder  durch  synchronistische  noch  durch  ethnographische 
Darstellung  genöthigt,  die  Verwirklichung  des  Reiches  Gottes  als  das 
Endziel  und  die  Entfernung  davon  als  den  Grund  alles  Uebels  aus  dca 
Augen  zu  verlieren. 

Wir  würden  uns  hierbei  nicht  so  lange  aufgehalten  haben,  wenn 
wir  nicht  die  Verkennung  der  Berechtigung,  welche  die  Volkslhüm- 
lichkeiten  in  der  Geschichte  besitzen,  und  der  Bedeutsamkeit  der  Zeit, 
in  welche  ein  Ereignis  fallt,  als  die  Ursache  zu  einem  nicht  unerheb- 
lichen Maugel  in  dem  vorliegenden  Buche  ansähen.  Das  ersterc  fin- 
den wir,  wenn  wir  die  Phoeniker  und  Aegypter  erst  nach  dem  baby- 
lonischen und  persischen  Weltreiche  und  nach  den  Israeliten  in  einem 
liückblicke  vor  der  griechischen  Geschichte  ausführlicher  berücksich- 
tigt sehn,  also  gewisscrmafsen  nur  deshalb  herbeigezogen,  weil  die 
Sagen  von  Kekrops,  Danaos  und  Kadmos  auf  den  Einflufs  hinweisen, 
welchen  jene  Völker  auf  die  Griechen  geübt  haben.  Wäre  es  einer- 
seits viel  zu  weit  gegangen,  wollte  man  behaupten,  die  Aegypter 
hätten  nur  durch  das ,  was  sie  von  ihrer  Bildung  an  die  Griechen  ab- 
gegeben, Bedeutung  für  die  Weltgeschichte,  so  geht  andrerseits  die 
Entwicklung  jenes  Volks  ja  noch  fort  langst  nach  jenen  Einwanderun- 
gen und  ohne  Berührung  mit  den  Griechen  und  die  Bildung  gewinnt 
einen  tiefern  Einflufs  erst  im  hellenistischen  Zeitalter.  Von  den  Phoe- 
nikern  aber  sind  so  viele  selbständige  Schöpfungen  ausgegangen,  dafs 
sie  wohl  als  Träger  einer  bestimmten  Entwicklung  hervorgehoben  zu 
werden  verdienen.  Wer  der  Karlhagcr  Bedeutung  für  die  Geschichte 
zu  würdigen  weifs,  der  kann  schon  um  deswillen  den  Vätern  dersel- 
ben nicht  eine  bedeutende  Stellung  versagen,  um  nicht  davon  zu  re- 
den,  dafs  ja  diese  auch  auf  das  israelitische  Volk  nicht  ohne  Einflufs 
geblieben  sind. 

Das  zweite  finden  wir  in  der  Geschichte  des  Mittelalters.  Wer 
die  Uebersicht  liest:  ^Zejf  nach  Christus.  Erste  Hauptperiodo.  1 — 
1517.  I.  Ausbreitung  des  Christenthums.  l)  Apostel ,  Jünger.  2)  Gc> 
meinde.  Sieg  über  das  Judenthum.  3)  Sieg  über  das  römische  Hei- 
denthum.  Kirche.  4)  Völkerwanderung  und  Germanenthum.  5)  Skizze 
der  germanischen  Religion.  6)  Geistiger,  sittlicher,  politischer,  häus- 
licher Charakter  der  Germanen.  7)  Germanische  Heiche.  8)  Fränki* 
sches  Reich.  9)  Rückblick.  II.  Verderbnis  der  Kirche,  l)  Ger- 
manen. Verweltlichung.  Feudalwcscn.  Kaiser  und  Reich.  2)  Rom. 
Pabstthum.  Mönchthum.  Clerus.  3)  Griechisches  Reich.  111.  Innere 
Folgen,  l)  Nothwendigkeit  des  Conflicts  zwischen  Kaiser  und  Pabst. 
2)  Uebersicht  des  Kampfes.  3)  Sieg  des  Pabstthums.  4)  Folgen  des 
Siegs  und  Umschlag.  IV.  Aeufsere  Folgen,  l)  Rückblick.  2)  Die 
Araber,  Muhamed.  3)  Vordringen  des  Muhamedanismus.  V.  Gegen- 
wirkung. 1)  Die  Franken  und  Karl  Martell.  2)  Die  Spanier  im  Kam- 
pfe. 3)  Deutschland.  Frankreich.  Italien.  Pabst.  4)  Die  Kreuzzüge. 
ö)  Mislingcn  derselben.  6)  Gründe  hievon.  7)  Nutzen  derselben.  8)  Die 
Entdeckungen.    9)  Wiedererwachen  der  classischen  Litteratur',  wird 


E.  Eylb:  Ueberblick  der  Wellgeschichte.  193 

gewis  an  der  Ordnung  Anslofs  nehmen.  Wir  können  nnn  swar  kei- 
noswegs'behanptcn,  dafs  der  Hr.  Vf.  die  Beziehungen  der  einselneo 
Begebenheiten  aufeinander  gar  nicht  erkannt  oder  gar  nicht  darauf 
hingewiesen  habe,  im  Gegentheil  er  sucht  oft  durch  Rückblicke  für 
das  Verlafsen  der  Zeitordnung  zu  entschädigen ,  aber  ein  klarer  Ue- 
berblick scheint  uns  dabei  geradezu  unmöglich.  Wenn  zu  einer  christ- 
lichen Auffafsung  der  Geschichte  vor  allem  nothwendig  ist,  den  der 
Annahme  des  Evangeliums  folgenden  Segen  und  die  dem  Abfall  und 
Misbrauch  folgende  Strafe  und  die  heilsame  Wirkung  der  Strafge- 
richte kenneu  zu  lernen,  und  ein  zweites  Erfordernis,  den  Gang  der 
Ereignisse  als  von  Gottes  Hand  geordnet,  nicht  als  ein  Spiel  des  Zu- 
falls oder  von  den  Menschen  selbst  gemacht,  dem  Bewustsein  näher 
zu  bringen ,  so  darf  unmöglich  die  Ordnung  der  Ereignisse  in  der  Zeit, 
die  ja  auch  von  Gott  herrührt,  so  unbeachtet  gelafsen  werden.  Die 
Ursachen ,  warum  der  Islam  in  so  reifsender  Schnelligkeit  siegreich 
sich  ausbreitete,  liegen  in  den  Zuständen  eines  Theils  der  christlichen 
Kirche,  welche  früher  sind  als  das  römische  Pabstthum.  Aus  wel- 
chem Grunde  nun  das  Auftreten  des  Islam  erst  nachdem  die  Geschichte 
der  abendländischen  Kirche  und  der  ganze  Kampf  zwischen  Pabsllhum 
und  Kaiserthum  behandelt  ist,  seine  Stelle  Gnden  soll,  gestehen  wir 
durchaus  nicht  einzusehn,  und  um  so  weniger  können  wir  es  gut  hei- 
fsen,  als  wir  ja  die  grofse  Mahnung,  die  des  Islams  Gcifsel  der  abend- 
ländischen Christenheit  gibt,  durchaus  als  von  grofsem  Einflufs  auf 
die  Gestaltung  der  Kirche  erkennen.  Mag  auch  dieser  Einflufs  später 
verborgener  sein ,  bei  den  grofsarligen  Grund  legenden  Gestaltungen, 
welche  sich  an  Karls  des  Grofsen  Namen  anknüpfen ,  kann  ihn  der 
nicht  verkennen,  welcher  weifs,  dufs  nichts  ins  Lehen  tritt,  was  nicht 
im  Geiste  der  Völker  schon  vorbereitet  und  angebahnt  ist.  Wie  tief 
erkennen  wir  doch  die  Gnade  Gottes,  wenn  wir  sehen,  dafs  in  der- 
selben Zeit,  wo  Mohamed  zu  lehren  begann,  in  der  gänzliche  Zer- 
rüttung befürchten  lafsenden  Kirche  des  Abendlands  durch  Gregor  den 
Grofsen  der  Grund  zu  feslerer  Kirchenordnung  und  zu  jenem  Geiste 
gelegt  w  urd,  der  Karl  Martells  und  seiner  Krieger  Armen  die  Kraft  lieh, 
bei  Tours  und  Poitiers  dem  Andringen  der  Araber  ein  Ziel  zu  setzen! 
Dürfen  wir  beim  Belehren  anderer  solch  ZusammentrefTen  in  der  Zeit 
dnrch  Auseinanderrücken  der  Ereignisse  unkennllich  machen  ?  Ferner 
kann  doch  niemand  verkennen,  wie  gerade  die  Kreuzzüge  dazu  bei- 
getragen, das  von  Gregor  dem  VII  begonnene  Werk  zu  befestigen, 
>vie  die  Idee  zu  ihnen  der  erste  Ausflufs  der  geistigen  Macht  des  Pub- 
sles,  zugleich  aber  auch  die  siegreiche  Verbreitung  derselben  ist. 
Der  Kampf  zwischen  Kaiserthum  und  Pabstthum  in  der  Ilohenstaufcn- 
zeit  kann  weder  in  seinem  Verlaufe,  noch  in  seinem  Ausgange,  ebenso 
wenig  w  ie  der  folgende  Bückschlag  ohne  die  Kenntnis  der  Kreuzzügo 
recht  verstauden  werden.  Warum  also  von  den  Kreuzzügen  erst  reden, 
nachdem  jenes  alles  schon  behandelt?  Wir  wären  sehr  begierig  die 
Gründe  zu  vernehmen,  warum  Ilr.  E.  von  Leo  und  Dittmar,  deren  er 
dankbar  gedenkt  (S.  8),  so  weit  abgewichen  sei.    Aus  dem  Buche 


194  E.  Eylh :  Ucbcrblick  der  Weltgescliiclite. 

selbst  haben  wir  keine  gütigen  und  zwingenden  zu  finden  vermocht. 
Wir  würden  jedoch  auf  diese  Mangel  ein  geringeres  Gewiclit  legen, 
wenn  wir  nicht  sahen,  dafs  die  Erreichung  der  Absicht,  welche  der 
llr.  Vf.  hegt  und  die  wir  herzlich  anerkennen,  dadurch  erschwert  und 
beeinträchtigt  werde.  Kein  anderer  Grund  leitet  uns  auch  bei  den  Be- 
merkungen, welche  wir  noch  ferner  mittheileu. 

Wer  eine  christliche  Auffafsung  der  Geschichte  anbahnen  will, 
hat  vor  allem  den  Erscheinungen  gerecht  zu  werden.  Er  mufs  durch* 
aus  das  wahre  Wesen  derselben  durchforschen,  oder  um  nicht  weitläufig 
zu  werden  die  strengste  Kritik  üben,  aber  nicht  allein,  indem  er  alles 
aus  reiner  Erdichtung  hervorgegangene  oder  unsicher  überlieferte  aus- 
schliefst,  sondern  auch  indem  er  sich  hütet  das  vereinzelte  4ür  das 
allgemeine  auszugeben,  und  jenem  wenigstens  die  ihm  gebührende 
Stellung  zum  ganzen  anweist.  Volle  Anerkennung  des  schönen  und 
guten  auch  an  dem  Nichtchristcn  ist  ebenso  nothweudig  geboten,  wio 
die  rücksichtslose  Aufdeckung  der  Schüden  und  Mängel.  Je  objectiv 
wahrer  die  Geschichte  gegeben  wird,  um  so  mehr  dient  sie  dem  Chri- 
stenthum.  Es  freut  uns,  dafs  wir  bei  Hrn.  E.  in  dieser  Hinsicht  man- 
ches abgestreift  finden ,  was  wir  früher  an  ihm  ungern  sahen ,  indes 
stufst  uns  doch  auch  in  diesem  ßuclie  noch  manches  auf,  was  wir  an- 
ders wünschten,  namentlich  bezeichnen  wir  ein  gewisses  Haschen  nach 
geistreichen  Ausdrücken  und  Anspielungen  auf  die  neuste  Zeit  als 
öfters  jener  Forderung  entgegenstehend.  Ist  bei  einem  Uoberblick 
Kürze  eines  der  ersten  Erfordernisse,  so  darf  diese  doch  nie  so  weit 
ausgedehnt  werden,  dafs  Unklarheit  und  Schiefheit  der  Vorstellungen 
daraus  hervorgeht,  und  haben  Uebersichten  den  Zweck  das  allge- 
meine deutlich  vor  Augen  zu  legen,  so  mufs  streng  alles  ausgeschie- 
den werden,  was  zerstreut  und  auf  das  besonderste  hinweist.  In  bei- 
derlei Hinsichten  scheint  uns  Hr.  E.  manchmal  gefehlt  zu  haben.  Wenn 
>vir  endlich  noch  Vollständigkeit  vcrmifsen,  so  wollen  wir  ihm  daraus 
weniger  einen  Vorwurf  machen,  weil  wir  uns  wohl  Gründe  denken 
können,  welche  ihn  zurUebergehung  von  diesem  und  jenem  bestimmten, 
dürfen  aber  davon  nicht  gänzlich  ahsehn,  wenigstens  in  so  weit  nicht, 
als  es  mit  der  erklärten  Absicht  des  Hrn.  Vf.  in  Widerspruch  steht. 
Begründen  wir  dies  unser  Urtheil  durch  Anführung  von    einzelnem. 

Zuerst  wünschtCTi  wir  die  alten  orientalischen  Völker  etwas 
sorgsamer  behandelt,  wenn  schon  »ir  sehen,  dafs  der  Hr.  Vf.  seine 
Gründe  gehabt  hat,  darüber  kürzer  hinwegzugehn.  Einmal  nemlich 
ist  die  Bildung  dieser  Völker  eine  so  eigeulhümliche,  so  scharf  und 
bestimmt  ausgeprü«]:tc  und  begrenzte,  dafs  sie  eine  >\irklichc  Stufe 
der  Cultur  ausmacht,  deshalb  aber  in  der  Geschichte,  die  nichts  ein- 
mal dagewesenes  iü:norieren  durf,  auch  eine  scharfe  und  klare,  we- 
nigstens alle  lluuptzüge  wiedergebende  Darstellung  finden  mufs.  So- 
dann darf  gerade  eine  vom  christlichen  Standpunkte  aus  geschriebene 
(icschichto  am  wenigsten  untcrlafsen,  einerseits  nachzuweisen,  in 
welche  Irlhümer  der  der  göttlichen  Wahrheit  entfremdete  Geist 
sich  verirrt,  um  die  Vergeblichkeil  des  Bingens  auf  allen  selbst  er- 


E.  fiyth:  Ueberblick  der  Weltgeschichte.  105 

wählten  Wogen  Eur  Anschauung  zu  bringfen,  andererseits  zu  zeigen, 
wie  die  Völker,  denen  die  Leuchte  des  Evangeliums  aufzurichten  jetzt 
die  göttliche  Gnade  sich  anschickt,  durch  die  lange  Zeit  hindurch 
geführt  wurden,  und  so  begreiflich  zu  machen,  auf  welche  IJindcrnisse 
das  Christenlhum  bei  ihnen  stufst.  Wir  wollen  hier  nicht  dem  Hrn. 
Vf.  Vorwürfe  machen,  aber  wir  sind  der  Meinung,  dafs  eine  Religion, 
wie  der  Buddhismus,  der  noch  jetzt  mindestens  ebenso  viele  Bcken- 
ner  zählt  als  das  Christenlhum,  wenigstens  Erwähnung  finden  müfsc 
in  einer  Geschichlsdarstellung,  die  das  religiöse  Moment  als  das 
oberste  Princip  sich  gestellt  hat.  Auch  entstehen  ja  durch  das  Schwei- 
gen leicht  irrige  Vorstellungen.  Mufs  man  denn  nicht  glauben,  ganz 
llinterasien  sei  Jahrtausende  hindurch  lodt  gewesen,  nur  von  mecha- 
nisch sich  bewegenden  Völkern  bewohnt  worden,  wenn  man  nichts 
von  ihnen  in  der  Geschichte  findet?  Aber  die  Entstehung  und  Aus- 
bildung des  Buddhismus,  die  Kämpfe  für  sein  Bestehen,  die  Arbeiten 
für  seine  Ausbreitung  bilden  in  der  That  fast  ein  Jahrtausend  lang  eine 
geschichtliche  Bewegung,  wie  sie  in  gleicher  Art  das  abendlündischo 
Alterthum  nicht  aufzuweisen  hat.  Mufs  man  nicht  entweder  die  gei- 
stige Ueberlegenheit  der  indischen  Priester  oder  den  Stumpfsinn  der 
andern  Classen  zu  hoch  anschlagen,  wenn  man  denkt,  dafs  ohne  alles 
Widerstreben  der  Kastenzwang  hingenommen  und  ertrugen  worden 
sei?  Aber  wie  ganz  anders  stellt  sich  das  Urtheil,  wenn  mun  in  dem 
Buddhismus  gerade  das,  was  im  Bramanismus  mit  Füfsen  getreten  ist, 
an  die  Spitze  gestellt  sieht,  die  Gleichheit  der  Menschen  und  das  Ge- 
setz einer  allgemeinen  Menschenliebe?  Wir  sollten  meinen,  die  christ- 
liche Auffafsnng  der  Geschichte  könne  nur  gewinnen,  wenn  sie  die 
Besultate,  welche  die  wifsenschaflliche  Forschung  auf  diesem  Gebiete 
jetzt  an  den  Tag  gefördert  hat,  in  sich  aufnimmt.  Dafs  der  Hr.  Vf. 
auf  diesem  nicht  genug  bewandert  ist,  zeigen  Sätze  wie  folgende 
(S.  22):  *aus  dem  Anblick  der  brennenden  Naphlhaquellen  am  caspi- 
schen  3Ieere  bildete  sich  für  das  Zendvolk  (wenn  es  ein  solches  gab) 
jene  Religion  Heoms  und  Dschenischids ,  welche  späterhin  auf  Meder 
und  Perser  übergieng',  und  *gern  entschuldigen  wir  den  Aegypler, 
wenn  er  seinen  befruchtenden  Strom  und  sein  väterliches  Land  als 
üsiris  und  Isis  anbetete',  welche  vor  der  Wifsenschafl  nicht  bestehn 
können.  Wenn  wir  S.  40  lesen,  dafs  zu  Hirams  Zeit  Phoenikcr  um 
Afrika  herumgefahren  seien,  mit  Anführung  der  Stelle  Hcrod.  IV,  42, 
so  sind  wir  geneigt  einen  Schreibfehler  anzunehmen,  aber  unange- 
nehmer noch  hat  es  uns  berührt,  als  wir  S.  35  vom  babylonischen  und 
assyrischen  Weltreich  lasen:  ^Unförmlichkeit  und  Rohheit  herschl  in 
allen  Erzeugnissen  der  schalfcnden  Menschenhand  für  den  kleinem 
wie  für  den  gröfsern  Mafsstab*  und  dünn  die  Anmerkung  dazu  fanden: 
'doch  mufs  man  gestehn,  dafs  die  neuern  Ausgrahungen  Botlas  und 
anderer  das  Urlheil  ungleich  günstiger  stellen  als  früher.'  We^iu  man 
weifs,  dafs  das  Urtheil  jetzt  günstiger  lauten  mufs,  sollte  du  es  nicht 
auch  im  Texte  günstiger  stchn?  Uubcrhaupt  sehen  wir  den  Orient 
von  Hrn.  E.  nicht  gebührend  gewürdigt.    Es  ist  von  der  Wifsenschafl 


196  E.  Eyth:  Ueberblick  der  Wellgeschichte. 

geboten,  die  Charakterrichtung  ganzer  Zeitaller  auf  eine  Spitze  lu- 
rUclizurühren ,  aber  wenn  man  dem  Laien  gegenüber  sich  begnügt,  das 
wirscnschaftUche  Resultat  zu  nennen,  ohne  seine  volle  Bedeutung  dar- 
zulegen, scheint  man  uns  doch  nicht  ganz  recht  zu  handeln.  So  neh* 
men  wir  denn  Anstofs,  wenn  wir  als  den  Grundcharakler  des  Orients 
die  Richtung  auf  das  physische  bezeichnet  finden,  nicht  als  wenn  wir 
das  richtige  darin  nicht  anerkennten,  sondern  weil  es  uns  nothwendig 
scheint,  dafs  der  BegrifT  ^das  physische'  eine  scharfe  und  klare  Be- 
stimmung erhalte.  Man  kann  nicht  mit  Recht  sagen,  dafs  der  Orient 
materielles  Wohlsein  als  die  einzige  Quelle  der  Befriedigung  ange- 
sehen. Die  tiefsinnige  Speculation  der  Inder,  die  Poesie  derselben, 
die  Büfsungen  und  Reinigungen,  das  aegyptische  Todtengericht,  das 
doch  moralische  Forderungen  stellte ,  sprechen  dagegen  und  aas  dem 
Zustande  der  Verderbnis  allein  darf  man  doch  nicht  auf  das  ursprüng- 
liche zurückschlicfsen.  Das  physische  ist  die  sichtbare  Natur.  Das 
Geschöpf  wird  an  die  Stelle  des  Schöpfers  gesetzt;  die  Unwandelbar- 
kcit  der  grofsen  Naturerscheinungen  prägt  sich  in  der  Auffafsung  der 
Götter  ab ,  während  die  ursprüngliche  geistigere  Vorstellung  in  der 
Symbolik  sich  kund  gibt.  Aber  die  gleichbleibende  Gesetzmufsigkeit 
der  Natur  wird  auch  auf  das  Leben  übertragen.  Wie  dort  alles  seine 
begrenzte  Bestimmung  hat,  so  wird  jedem  im  Leben  eine  solche  an- 
gewiesen. Wie  in  der  Natur  ein  Gesetz  alles  beherscht,  so  mufsauch 
die  Menschheit  sich  einem  solchen  unterwerfen.  Es  ist  nicht  Stumpf- 
sinn allein ,  wenn  die  Völker  sich  in  die  starren  Fefseln  des  Kaslen- 
tiiums  fügen,  es  liegt  dem  auch  ein  Gefangengeben  der  eignen  Per- 
sönlichkeit, eine  Züchtigung  des  Eigenwillens  zu  Grunde.  Die  des- 
potische Monarchie  beruht  auf  demselben  Princip  der  Einheitlichkeit 
und  unterscheidet  sich  von  der  frühern  Priesterherschaft  nur  durch  die 
Einheit  und  den  Beruf  der  herschenden  Person;  sie  ist  aber  wie  selbst 
schon  eine  Depravation,  so  der  Verderbnis  mehr  ausgesetzt,  da  der 
einzelne  Mensch  nur  zu  leicht  über  das  göttliche  Recht  (das  zu  ver- 
treten in  der  persischen  Monarchie  die  königlichen  Richter  berufen 
waren)  den  eignen  Willen  zu  setzen  versucht  wird.  W^enn  der  Orient, 
wie  llerodot  sagt,  to  nokXov  yyiatai  taxvQOv  elvat,  so  ist  dies  nicht 
ein  blofses  Vertrauen  auf  das  Fleisch ,  sondern  es  liegt  auch  die  An- 
sicht zu  Grunde,  dufs,  wenn  der  König  selbst  ins  Feld  ziehe,  alle  ihn 
begleiten  müfsen  (llerod.  VIl,  59).  Was  Xerxes  bei  llerodot  (VII, 
103)  zu  Demaralos  spricht,  ist  freilich  schon  die  Sprache,  die  der 
stolze  Despot  gegen  die  verachteten  Sklaven  führt,  aber  es  spricht 
sich  doch  nuch  dort  die  ursprüngliche  Idee  aus,  dafs  der  Mensch,  wenn 
er  sich  einem  höhern  einheitlichen  Willen  unterwirft,  mehr  leistet, 
als  wenn  er  in  absoluter  Freiheit  sich  bewegt.  Doch  Mir  müfsen 
fürchten,  dasselbe  zu  begehen,  was  wir  rügten,  da  wir  ja  nur  An> 
deulungen  zu  geben  im  Stande  sind.  Man  wird  uns  einhalten,  dafs  in 
einem  Ueberblicke  Kürze  die  erste  Pflicht  sei,  wir  meinen  aber,  dafs 
eine  schärfere  Fafsung  und  eine  tiefere  Ansicht  ohne  bedeutende  Aus- 
dehnung der  Masse  hätte  gegeben  werden  könoeo.    Die  Tiefe  aber  ist 


E.  Eyth:  Ueberblick  der  Wellgoschichlo.  197 

unbedingt  nothwendig,  wenn  die  wahre  christliche  AiifTiirsang  der  6e< 
schichte  Platz  greifen  soll ,  weil  jo  genauer  wir  die  vielen  Wege, 
welche  die  von  Gott  losgerifsene  Menschheit  gegangen ,  kennen  Icr- 
iien,  um  so  klarer  die  Unmöglichkeit,  dnrch  etwas  anderes,  als  durch 
die  göttliche  Gnade  das  Heil  zu  finden ,  zum  Bewustsein  tritt. 

Wir  können  dieses  Gebiet  nicht  verlafsen,  ohne  noch  auf  einen 
Pnnkt  aufmerksam  gemacht  zu  haben,  der  uns  sehr  wichtig  scheint. 
Wenn  wir  wifsen,  dafs  nach  der  Sündflut  die  Menschen  die  Kenntnis 
des  wahren  Gottes  hatten,  so  mnfs  als  eine  wichtige  Aufgabe  die  Er- 
forschung erscheinen,  wie  viele  und  welche  Reste  von  dieser  ursprüng- 
lichen reinem  Gotteserkenntnis  geblieben  sind.  Liefert  die  verglei- 
chende Sprachforschung  die  Resultate,  welche  Schleicher  in  der  Allg. 
Monatsschrift  1853  S.  786  kurz  zusammengestellt  hat,  so  mufs  wohl 
die  Frage  entstehen ,  ob  nicht  die  würdigere  Ansicht  von  dem  Wesen 
der  Gottheit  bei  den  Griechen  und  bei  den  Germanen  eine  Folge  der 
frühem  Losreifsung  von  dem  indogermanischen  Urvolke  sei,  ein  Schatz, 
den  sie  sich  von  der  mitgebrachten  UrÜberlieferung  gewahrt.  Es 
müste  für  die  rechte  Auffafsung  der  griechischen  Mythologie  höchst 
bedeutsam  werden,  wenn  die  Frage,  ob  was  die  Griechen  aus  dem 
Orient  empfangen,  nicht  vielmehr  eine  Trübung  des  rcinern  und  wah- 
rern ,  als  eine  Mittheilung  höherer  Cultur  gewesen  sei ,  eine  genügende 
Beantwortung  fände.  Wir  wurden  hierauf  geführt  durch  das,  wos 
der  Hr.  Vf.  S.  37  f.  über  die  Wanderung  der  Cultur  sagt. 

Wird  es  uns  vergönnt  Hrn.  E.  noch  weiter  zu  folgen,  so  finden 
wir  zuerst  S.  38  f.  von  den  Acgyptern  gesagt:  *  sobald  aber  Frucht 
und  Eigenthum  gewonnen  wurde,  musten  auch  Anstalten  entstehen 
zur  Sicherheit,  Gerechtigkeit  und  Ordnung'  und  in  einer  Anmerkung: 
*die  Ordnung  gieng  so  weit,  dafs  selbst  die  Diebe  eine  Art  Zunft  bil- 
deten, bei  deren  Hauptmann  der  Entwender  nnd  der  Bestohiene  sich 
meldeten ,  worauf  der  letztere  den  Gegenstand  zurückerhielt ,  der  er- 
»tere  den  vierten  Theil  des  Werlhes  empfieng.  Dies  lehrte  Vorsicht.' 
Es  ist  die  Notiz  aus  Diodor  I,  80,  sie  erscheint  hier  aber  fast  ebenso 
gefafst,  wie  bei  Gellius  N.  A.  XI  c.  18.  Was  an  der  Sache  wahres 
gewesen,  darauf  hat  schon  Wesseling  in  seinem  Commentar  zu  Dio- 
dor aufmerksam  gemacht.  Wir  nehmen  hier  eine  Manier  wahr,  vor 
der  wir  Ilrn.  E.  warnen  zu  müfson  glauben.  Kann  man  bei  jener  Zu- 
sammenstellung anders  denken,  als  der  Diebstahl  sei  bei  den  Ac- 
gyptern geradezu  erlaubt  gewesen,  sie  hätten  bei  ihrer  staatlichen 
Ordnung  das  Mein  und  Dein  nicht  geachtet?  Wäre  jene  Notiz  benutzt 
worden  um  das  zu  zeigen,  wor^if  Diodor  selbst  uns  führt,  dafs  man 
die  Unmöglichkeit  erkannt,  durch  Strafgesetze  die  Menschen  von  Ver- 
brechen abzuhalten,  und  deshalb  auf  einen  solchen  Ausweg  verfallen 
Bei,  so  würde  sie  zum  Beweise  gedient  haben,  wie  ohne  Erkenntnis 
des  göttlichen  Gesetzes  eine  befriedigende  politische  Ordnung  unmög- 
lich sei,  so  aber  dient  sie  ungerechterweise  das  Bild  der  Aegyptcr  zu 
trüben.  Man  verfällt  leicht  in  solche  Fehler,  wenn  man  statt. ruhig 
das  Bild  des  ganzen  zu  prüfen,  bei   vereinzelten  Partien  verweilt. 


196  E.  Eyth :  Ueberblick  der  Weltgeschichte. 

—  Etwas  ähnliches  ist,  wenn  wir  S.  43  lesen:  Mn  der  That: —  konnte 
es  ein  günsd^eres  Klima,  einen  bcfsern  Boden  für  den  Ackerbau  ge- 
ben, als  den  griechischen?'  Wenn  wir  von  Güte  des  Bodens  für  den 
Ackerbau  reden,  so  meinen  wir  doch  gewis  nicht  einen  Boden,  der 
fortwährend  anstrengender  Bearbeitung  bedarf,  um  die  Nahrung  den 
Menschen  zu  spenden ,  gewis  nur  einen  üppig  fruchtbaren  Boden.  Der 
griechische  Boden  ist  über  gerade  ein  solcher,  dafs  ihm  das,  wessen 
der  Mensch  bedarf,  durch  Arbeit  abgerungen  werden  mufs,  wenn  er 
auch  die  Arbeit  nicht  unbelohnt  lüfst.  Das  haben  schon  die  Alten  ge- 
sehen (llerod.  VII,  102.  Vgl.  Wachsmuth  Hell.  Allerthumsk.  I  8.46). 
Meinte  vielleicht  llr.  E.,  dafs  der  Boden  Griechenlands  eben  geeignet 
gewesen  sei ,  seine  Bewohner  in  fortwährender  Thatigkeit  zu  erhalten, 
so  wird  man  wenigstens  sagen  müfscu,  dafs  er  sich  sehr  unbestimmt 
ausgedrückt.  Beilüulig  sei  bemerkt,  dafs  wir,  wenn  die  Küste  des 
hellenischen  Festlandes  richtig  zu  330  geogr.  Meilen  geschätzt  wer- 
den kann  (Wachsmuth  a.  a.  0.  S.  37),  der  Flächeninhalt  aber  zu  IGöO, 
wir  ein  noch  günsligeres  Küstenverhültnis  finden,  als  das  von  dem 
Hrn.  Vf.  S.  43  angegebene  1  :  3*4-  —  Wenn  wir  8.  44  den  Satz  lesen: 
^und  vielleicht  wäre  Griechenland  gröfser  und  glücklichei*  geworden, 
hätte  es  unter  Ausbildung  freier  und  würdiger  Institutionen  bei  diesem 
errungenen  Ziele  [der  angeblich  im  trojanischen  Kriege  sich  zeigen- 
den, völligen  aber  noch  unfesten  Vereinigung  sümmtlicher  Theile  der 
Nation  unter  einem  einzigen  Oberhaiiple]  verharrt  — einem  Ziele,  das 
ihm  mit  der  Einheit  seine  Kraft  und  eben  damit  seine  Zukunft  zu  ver- 
bürgen schien.  Das  Schicksal  wollte  es  anders',  so  wollen  wir  an 
dem  Ausdrucke  ^  das  Schicksal'  nicht  mäkeln,  in  der  Ueberzeugung, 
dafs  der  Hr.  Vf.  den  mit  dem  Christenthum  vereinbaren  BegrilT  fest- 
gehalten habe  ,  aber  wir  finden  hier  eine  Art  die  Geschichte  zu  be- 
trachten ,  die  uns  zum  mindesten  unfruchtbar  erscheint.  Was  meint 
denn  der  Hr.  Vf.  mit  der  verbürgten  Kraft  und  Zukunft?  Wir  sind 
vielmehr  der  Ueberzeugung,  dafs  des  Griechenvolks  Kraft  ohne  die 
Zertheilung  in  viele  Staaten  nicht  so  ausgebildet  worden  wäre,  dafs 
es  ohne  jene  nicht  die  Stellung  in  der  Geschichte  der  Menschheit  ein- 
nehmen würde,  dafs  also,  eben  damit  es  ^eine  Zukunft  erfülle,  die 
Vorsehung  den  eingeschlagenen  Pfad  zu  nationaler  Einheit  abgeschnit- 
ten habe. 

Wir  wenden  uns  zu  der  Behandlung  ^der  Götter  Griechenlands' 
(S.  47 — 63).  Sie  gründet  sich  vorzugsweise  auf  Nägelsbachs  IrelT- 
liches  Werk,  enthält  indes  mancherlei,  womit  wir  nicht  einverstan- 
den sein  können.  Wir  wollen  nicht  (\^rüber  einen  Streit  erheben,  in- 
wiefern Homer  den  Griechen  ihre  Götter  gegeben,  aber  wir  müfsen 
namentlich  das  hervorheben,  worin  uns  eine  zu  grofso  Herabsetzung 
der  (griechischen  Heligion  enthalten  zu  sein  scheint.  S.  50:  ^  nach  ihrem 
geistigen  Wesen  werden  die  Götter  als  allwifsend  gerühmt,  aber  neben 
der  Allwifsenheit  sehen  wir  Einfalt  und  Ignoranz.  Ulysses  [bei  Ho- 
mer wird  unsers  Wifsens  nur  Menelaos  mit  Proteus  zusammenircbracht 
Od.  IV,  349 — 370]  versteckt  sich  anter  Seehandsfellen  und  kann  den 


E.  Eyth:  Ueberbliok  der  Weltgeschichte.  199 

allwifsenden  Proteus  überrumpeln.  Sie  besinnen  sich,  worden  beihört 
und  schelten  sich  selbst  wegen  ihrer  Unwirscnheit.'  Es  ist  hier  ein 
Widerspruch  nachgewiesen,  auf  den  schon  Nugclsbach  aufmerksam  ge< 
macht.  Die  Gottheit  (so  mufs  es  heifsen)  wird  als  allwifsend  gedacht, 
aber  nicht  die  einzelnen  Götter.  Muste  denn  nun  aber  gerade  die 
gröbste  Geschichte  von  einem  Wesen  angeführt  werden,  von  dem  es 
zweifelhaft  ist,  ob  es  je  in  Griechenland  göttliche  Verehrung  genofsen? 
Solche  >\'idersprüche,  wie  auch  der  in  BetrelT  der  Moi^a  (aufweiche 
wir  nicht  eingchcu  wollen),  führen  uolhwendig  dazu,  eine  reinere  ur- 
sprüngliche Auffufsung  als  fortwirkend  anzusehn,  Irolzdem  dafs  sie 
sich  mit  dem  Polytheismus  niciit  mehr  voreinigen  liefs.  S.  51:^  die 
überirdische  Majestät  ruht  auf  dum  Magen,  und  ein  Ulysses  weist  sie 
zurück,  um  sein  einfaches  menschliches  Glück  wieder  zu  erlangen.' 
Berechtigt  wirklich  die  Vorstellung,  welche  die  Griechen  von  den 
Göttern  halten,  dazu,  sie  mit  einem  solchen  Ausdrucke  zu  bezeichnen? 
Muste,  wenn  mau  daraufhinwies,  dafs  sie  die  Göller  sich  nicht  ohne 
Nahrung  gedacht,  nicht  auch  gesagt  werden,  dafs  sie  diese  Nahrung  als 
etwas  ätherisches  über  alle  irdische  Speise  erhabenes  betrachtet?  Und 
wie  ist  ein  tiefer  und  herlicher  Zug  benutzt,  um  anzudeuten,  als 
hätten  die  Griechen  sich  ihrer  Götter  Leben  als  lief  unter  dem  mensch- 
lichen stehend  gedacht?  Dafs  Odysseus  die  ihm  von  Kalypso  gebotene 
Unsterblichkeit  verschmäht,  weil  er  sie  mit  Aufgabe  der  Pflicht  ge- 
gen die,  welche  die  Seinen  sind,  mit  eigenwilliger  Zerreifsung  der 
natürlichen  Bande  erkaufen  müste,  dafs  er  verständig  genug  ist,  um 
einzusühn,  dafs  ihm  die  Unsterblichkeit  ohne  Befriedung  des  Her- 
zens nur  zum  Leiden  werden  mufs,  daran  ist  gar  nicht  gedacht  wor- 
den. S.  54:  ^Zeus,  Apollo  und  Athene  sind  Gott  der  Vater,  der  Sohn 
und  der  Geist  als  Person ;  die  beiden  letztern  gehen  von  dem  erslcrn 
aus  und  fliefsen  zugleich  immer  in  ihn  zurück.'  Wir  müfsen  hier  im 
geraden  Gegensatz  gegen  das,  was  wir  vorher  erinnert,  aussprechen: 
die  christliche  Dreieinigkeitslehre  steht  uns  so  hoch,  dafs  wir  nicht 
wagen  würden,  sie  nur  mit  der  griechischen  Gölterlehre  zusammen- 
zustellen. Von  ihr  aber  Qnden  sich  selbst  im  alten  Testament  keine 
Spnren,  so  dafs  wir  sie  nicht  als  aus  alter  Ueberlieferung  nachtönend 
ansehn  dürfen  und  dafs  die  Griechen  selbst  auch  nur  eine  Ahnung 
davon  aus  sich  gefunden,  wer  will  das  behaupten?  S.  67:  ^man sieht, 
wie  nöthig  ein  Kalchas  war,  um  die  Zeichen  zu  deuten,  und  w  ie  leicht  es 
ihm  werden  mochte,  die  hohe  Stellung  eines  antiken  Pabstes  zu  er- 
ringen; aber  man  sieht  auch,  wie  selbst  ein  llektor,  dieser  edelste 
Charakter,  zum  entschiedenen  Unglauben  gelangen  kann'  sieht  recht 
geistreich  aus ,  ist  aber  grundfalsch,  weil  dem  Kalchas  die  wesent- 
lichen Praedicate  des  Pabstthums  gänzlich  abgehn,  gerade  so  falsch, 
wie  wenn  jemand  von  einer  antiken  Kirche  reden  wollte.  Wer  aber 
die  Stelle  Ilom.  II.  XU,  231 — 250  genau  ansieht,  der  w  ird  etwas  ganz 
anderes  daraus  gewinnen  als  der  Ilr.  Vf.,  der  wird  das  vorausgegangene : 
og  itrikBui  Zt^vog  (liv  iQiyöovnoio  Xad^iad-ai 
ßovXicov^  aax€  fAOi  avxog  VTtiapxo  xai  xarcwvcrev 


200  E.  Eyth:  Uebcrblick  der  Weltgeschichte. 

und  das  unmittelbar  nachfolgende 

iiastg  df  ^EyaXoio  Jiog  TtEt^ciiis&a  ßovXij^ 

og  nadi  ^vtfcoiai  Kai  a^avaroiOiv  ävaadn 
nicht  übersehen  und  also  Tindcn,  dafs  Hektor  nicht  überhaupt  an  der 
Geltung  der  Zeichen,  als  von  Göttern  gesandt,  zweifelt,  sondern  nur 
dann  sie  nicht  achtot,  wenn  er  ein  ausdrückliches  Geheifs  des  ober- 
sten Gottes  hat.  Mögen  dann  glückliche  oder  unglückliche  Anzeicben 
eintreten,  er  darf  sich  nicht  um  sie  kümmern  und  auf  sie  achten,  mag 
er  zu  Grunde  gehen  oder  nicht,  unter  allen  Umstünden  mufs  er  dem 
Zeus  gehorchen.  Wenn  S.  60  *die  Farce'  und  8.  64  die  Steigerang 
^der  räthsclhaften  Geister  zu  einer  gewifsen  Göttlichkeit  der  divi 
Man  es  hinauf  erwähnt  wird,  so  erscheint  uns  wenigstens  römisches 
mit  griechischem  ungebührlich  vermischt.  Diese  Beispiele  werden  hin- 
reichen ,  um  das  Verfahren  des  Hrn.  Vf.  klar  zu  machen.  Ohne  dafs 
man  dem  Christenthum  etwas  vergibt,  ohne  dafs  mau  die  Falschheit 
und  Verkehrtheit  der  gcsammten  griechischen  Religion  und  die  Trost- 
losigkeit für  das  menschliche  Herz  im  geringsten  in  Abrede  stellt  and 
aus  den  Augen  verliert,  kann  man  die  tiefern  nnd  reinem  Anschauun- 
gen aus  der  Hülle  zu  Tage  stellen.  Man  mufs  es ,  wenn  man  gerecht 
sein  will,  man  mufs  es,  wenn  auch  das  Hcidenthum  nicht  als  ganz 
vcrsSumt  erscheinen  soll,  man  mufs  es,  weil  die  Ehrfurcht  nnd  der 
Gehorsam  gegen  die  falschen  Gölter  den  Namenchristen  zur  Beschä- 
mung dienen  soll.  Davon,  dafs  es  nach  Homer  eine  Zeit  gibt,  reprae- 
sentiert  vorzüglich  durch  Aescliylos  und  Sophokles,  in  der  eine  von 
der  homerischen  nicht  unwesentlich  verschiedene  religiöse  Anschau- 
ung Platz  ergrilTcn ,  wollen  wir  nichts  sagen. 

Haben  wir  schon  hier  gesehen,  dafs  der  Hr.  Vf.  durch  falsche 
Anwendung  moderner  Begriffe  Unklarheit  in  dos  Alterthum  bringt,  so 
begegnen  wir  demselben  Fehler  auch  bei  der  Darstellung  der  antiken 
Verfafsungen.  Man  höre  folgendes  von  den  Königen  Spartas  (S.  73): 
^als  Ohurpricstcr  des  Staats  und  antike  ^^Londesbischöfe"  sollten 
sie  wohl  auch  merken,  dufs  ihr  Heich  eigentlich  nicht  von  dieser  Welt 
ist.  In  dem  Hathe  der  Alten  waren  sie  Mitglieder,  ja  ihrem  Stande 
gemafs,  sogar  die  ^  Praesidenten ',  aber  gerade  als  solchen  fehlte  ihnen 
das  Recht  der  Abstimmung.  [Dies  ist  uns  ganz  neu;  bisher  haben  wir 
mit  Tittmann  gr.  Slaatsverf.  117,  J2l.  Müller  Dorier  II,  102.  Waclis- 
muth  Hell.  Alferlh.  I,  463.  Herniunn  gr.  Staalsallerth.  §.  "24  geglaubt, 
dafs  die  Könige  wie  jeder  andere  Geront  gestimmt,  und  die  Ansicht 
im  Alterthum,  dafs  sie  sogar  zwei  Stimmen  gehabt,  welche  Thuc.  1,20 
bekämpft,  und  die  Nachricht,  dafs  sogar  wenn  sie  abwesend  warco, 
ihre  Stimmen  vortreten  sein  ninslen,  bei  Her.  VI,  57  a.  E.  hat  uns 
darüber  gar  keinen  Zweifel  gelafsen].  Nur  als  oberste  ^Kriegsherrn' 
[welchen  BegrifT  verbindet  das  moderne  Staatsrecht  mit  diesen  Worteoj 
besafsen  sie,  wenigstens  anfänglich,  eine  unbeschränkte  Gewalt,  die 
jedoch  durch  spätere  Erfahrungen  von  der  militärischen  Unfähigkeit 
oder  sonstigen  verkehrten  Handlungsweise  einzelner  Könige  im  Felde 
vermindert,  wo  nicht  aufgehoben  wurde.    Man  setzte  ihnen  nenilich 


E.  Eyth:  Ueberbliok  der  Weltgeschichte.  201 

darcb  10  Cvfißavlot  einen  obersten  ^Kriegsrath'  an  die  Seite, 
ohne  dessen  Einwilligung  nichts  geschehen  durfte  fnemlich  erst  418 
V.  Chr.  und  es  war  auch  dies  ein  Uebergriff  der  Ephoren.  Kann  man 
ein  deutliches  Bild  von  Lykurgs  Verfarsnng  gewinnen,  wenn  man  die 
aie  nmstofsenden  Aenderungen  so  ohne  weiteres  in  ihre  Darstellung 
aufnimmt?  Wie  ganz  anders  verfahrt  doch  K.  Fr.  Hermann,  vgl.  des- 
sen Staatsalterth.  $.  24  mit  §.  45].  Endlich  standen  ihnen  für  alle 
veitern  Regierungsmafsregeln  schon  früh  die  5  Ephoren  als  gesetz- 
liche Controle  so  nahe,  dafs  man  sie  gar  wohl  mit  ^verantwort- 
lichen  Ministem^  eines  modernen  Staats  vergleichen  könnte,  ohne 
deren  Gegenzeichnung  kein  Befehl  eine  Giltigkeit  erhält  [man  kann 
dies  nicht  unbedingt  verwerfen,  und  schon  Johannes  von  Haller  sagt 
AUg.  Gesch.  I  S.  41  f.:  *  hinwiederum  war  auch  ihnen  das  Ansehn  der 
Ephoren  vortheilhafl  (welche  König  Theopompus  vielleicht  eben  des- 
wegen eingeführt  hatte),  weil  diese  verehrte  Würde  ein  Theil  der 
Verantwortlichkeit  bei  schlimmer  Wendung  der  Geschäfte  fiber- 
nahm.' Aber  wohl  aufgeschaut!  Es  fehlt  die  Gleichheit,  weil  die 
Ephoren  nicht  von  den  Königen  gewählt  wurden  und  nicht  alle,  son- 
dern nur  einen  Theil  der  Verantwortlichkeit  übernahmen].  Spater 
wurden  diese  Ephoren  die  Könige  der  Könige.'  Wir  denken,  diese 
Probe  wird  genügen. 

Doch  wir  wollen  nun  auch  sehen,  wie  der  Hr.  Vf.  Begebenheiten 
darstellt,  und  wählen  dazu  ans  der  römischen  Geschichte  S.  104:  ^Die 
Reihe  der  sich  drängenden  Eroberungen  können  und  dürfen  wir  blofs 
andeuten.  Drei  Samnitenkriege  mit  drei,  freilich  sehr  ungleichen, 
Kriegsereignissen  (am  Vesuv,  in  den  caudinischcn  Pässen  und  bei  Sen- 
iinum)  verschalften  Rom  den  Besitz  von  Mittclitalien  [die  Schlacht 
am  Vesuv  ward  gar  nicht  gegen  die  Samniteu  geliefert,  sondern  ad- 
iunclo  Samnitium  exercitUy,  Liv.  VIII,  6,  gegen  die  Latiner;  doch 
wollen  wir  dies  nicht  rügen  und  den  Latinerkrieg  als  eine  Fort- 
setzung des  ersten  Samnitenkriegs  gelten  lafsen].  Drei  Feldzüge  ge- 
gen Tarent  und  dessen  Söldling,  Pyrrhus,  fügten  durch  drei  Schlach- 
ten, bei  Heraclea,  Asculum  und  Benevent  [der  Hr.  Vf.  hat  wahr- 
scheinlich diese  drei  Kriegsereignisse  nicht  als  ungleich  bezeichnet, 
weil  Pyrrhus  nach  der  Schlacht  bei  Asculum  ausrief:  av  ht  (ilav 
[uixriv 'Poüfialovg  vtxi)<Tß)fi£ v ,  a7tolov(ie^a  TCavrakmg]^  die  Hersc'iaft 
aber  Unteritalien  hinzu.  Die  Legionen  standen  jetzt  am  Meere  nnd 
blickten  nach  Sicilien  hinüber,  wo  die  Karthager  die  Oberhand  halten, 
selbst  auch  bemüht,  sich  wo  möglich  die  Welt  zu  unterwerfen.  Der 
Zasammenstofs  konnte  also  nicht  ausbleiben  und  geschah  in  drei  pn- 
niachen  Kriegen.  Indem  ersten  glänzen  drei  Namen:  Duillius,  der 
energische  Begründer  einer  römischen  Seemacht,  Regulus,  der  Mär- 
tyrer seines  Pflichtgefühls  in  Africa  [wir  lafsen  den  Ausdruck  gelten ; 
denn  'wenn  wir  auch  wegen  Polybius^  Schweigen  und  Diodor  Exe. 
XXIV  an  der  grausamen  Hinrichtung  zweifeln,  immer  opferte  Regulus 
seine  Freiheit] ,  Luctatius  Catulus ,  der  Sieger  von  den  Aegaten.  Durch 
diese  Erfolge  wurden  zunächst  —  unmittelbar  und  mittelbar  —  die 

iV.  Jakrh,  f.  Pkit.  «.  Ptud.  B4.  LXX.  Hfl.  2.  14 


202  E-  Eyth  '•  Ucberblick  der  WcUgcsclncli(o. 

drei  Hauptinscin,  Sicilien,  Sardinien  und  Corsicn,  für  Born  g^wonnerr. 
In  der  Zwischenzeit  war  auch  Oberilalicn  durch  Besieg^ung  der  drei 
Slamme  (der  Gacsatcn,  Bojer  und  Insubrer)  römisch  geworden  [die 
Gaesaten  waren  freilich  nur  als  Soldner  aus  dem  jenseiligen  Gallien 
herbeigeruren  (Pulyb.  II,  2*2)  und  hüllen  mindestens  nicht  zuerst  ge- 
nannt werden  dürfen].  Mit  dem  nächsten  puiiischen  Kriege  stehen  so- 
dann von  panischer  Seile  drei  grofse  Feldherrn  in 'näherer  oder  fer- 
nerer Beziehung:  llamilcar,  Ilannibal  und  llasdrubal ;  auf  römischer 
Seite  stehen  die  drei  Helden:  der  Zauderer  Fabius,  Marcellus  and 
der  jüngere  [sie!  natürlich  im  Gegensatz  gegen  seinen  Vater,  den 
Cos.  218;  die  Geschichte  nennt  ihn  den  altern  wegen  des  spätem  Zer- 
störers von  Karthago]  Scipio.  Drei  Schlachten  brachten  Rom  dem  Ver- 
derben nahe,  Trebia,  Trasimenus  und  Cannae;  aber  dieses  Rom  wir 
immer  nur  um  so  gröfser  im  Unglück  und  fand  den  Lohn  seiner 
Beharrlichkeit  und  seines  Mnthes  in  den  drei  siegreichen  und  ent- 
scheidenden Kämpfen  bei  Nola,  Sena  und  Zama  [die  Schlacht  bei  Noia 
wird  zu  den  siegreichen  und  entscheidenden  gezählt,  wahrscheinlich 
weil  Livius  sagt  VIII,  J6  exir. :  noti  rinci  enim  ah  Ilannihafe  tinctn- 
tihus  difpcilius  fuii ,  quam  posiea  riticcre;  sie  bezeichnet  allerdings 
den  Wendepunkt  des  Krieges  in  Italien).  Ilieniit  hicngen  drei  Sei- 
tenkriege zusammen,  wovon  der  erste  sicilianische  —  trotz  der  Kün- 
ste eines  Archiuicdes  —  mit  der  Zerstörung  von  Syracus  geendigt 
hatte,  der  zweite  macedonische  nach  einiger  Zeit  mit  der  Einverlei- 
bung [wovon?]  abschlofs  [wir  haben  bisher  mehrere  macedonische 
Kriege  gezählt],  der  dritte  syrische  gegen  Antiochus  den  Grofsen  bei 
Magnesia  den  Untergang  auch  dieses  Reichs  vorbereitete  [der  syrische 
Krieg  war  eine  Folge  des  zweiten  punisehen;  mit  welchem  Rechte  er 
ein  Seitenkrieg  desselben,  dem  er  erst  nach  neun  Jahren  nachfolgte, 
genannt  werden  könne,  gestehen  wir  nicht  einzuselin].  Der  letzte  pa- 
nische Krieg  endigte  nach  drei  Jahren  mit  der  Zerstörung  von  Kar- 
thago; in  dasselbe  Jahr  fällt  die  Zerstörung  von  Korinth,  welches  den 
schwachen  Rest  des  achaeischen  Bundes  und  Griechnnlands  gebildet 
hatte  [sieht  dies  nicht  gerade  so  aus,  als  wäre  Korinth  von  den  Staa- 
ten des  achaeischen  Bundes  noch  übrig  gewesen?],  und  warum  sollten 
wir  nicht  die  Zahl  der  drei  Städte  völlig  machen  durch  den  Namen 
von  Numanlia?  Denn  mit  Numantia,  dem  Gegenbild  von  SagnnI, 
schlofs  erst  der  Riesenkampf  völlig  ab ,  der  also  in  Spanien  sein  Ende 
nahm,  wie  er  dort  seinen  Anfang  gefunden  hatte'  [der  Kampf  zwi- 
schen Rom  nnd  Karthago  hatte  in  Sicilien  begonnen  und  war  dann 
auf  ein  neues  Feld,  nach  Spanien  hiuübergespiell  worden;  dort  begann 
nur  der  zweite  punische  Krieg.  Weist  dies  nicht  auf  die  Nothwen- 
digkeit  einer  andern  Darstellung  hin?].  Wir  wollen  dem  Hrn.  Vf.  die 
Freude  überall  die  Zahl  drei  herauszufinden,  nicht  verkümmern,  un- 
sere Leser  werden  über  die  Manier  desselben  hieraus  genug  ersehen. 
Wir  müfsen  aber  auch  ans  andern  Partien  der  Geschichte  wenig- 
stens einige  Proben  anfuhren,  damit  wir  nicht  über  einen  Tlieil  des 
Buchs  einseitig  zu  urlhoilen  scheinen.    Der  Hr.  Vf.  spricht  von  der 


E.  Eyth:  Ueberblick  der  Weltgeschichte.  203 

Eotwicklang  romanischer  Nationali  tateD  als  einem  Hindernis  des  Fort- 
beslehens von  Karls  des  Grorsen  Monarchie.  S.  172:  ^  Somit  hatte  das 
Kaiserthum  nicht  nur  auf  dem  geistlichen,  sondern  auch  auf  dem  rein 
politischen  Gebiet  ein  feindseliges  Element  schon  in  seinem  eignen 
Wesen  eingeschlofscn  [wir  halten  einen  Unterschied  zwischen  Franken- 
reich und  Kaiserthum  fest,  und  dafs  auch  das  Mittelalter  diesen  aner- 
kannte, wird  aufs  deutlichste  durch*die  Uebertragung  auf  Otto  den  Gr. 
bewiesen].  Vielleicht  führte  das  Gefühl  hiervon  selbst  die  klügsten 
Kaiser,  wie  einen  Karl  den  Grofsen ,  auf  den  unglückseligen  Gedanken 
von  Theilungen ,  wie  sie  bald  nach  ihm  zu  Verdun  vollzogen  wurden, 
lim  die  Reichseinheit  für  immer  zu  schwächen,  ja  aufzuheben  [nie  bat 
die  Idee  von  der  Möglichkeit  einer  Theilung  des  Kaiserthuma  bestanden, 
kein  Kaiser  hat  je  einen  Mitkaiser  geduldet,  und  als  Ludwig  der  Baier 
sich  mit  Friedrich  dem  Schönen  einigte,  ward  das  als  eine  unzuläfsige 
Abnormilüt  betrachtet.  In  dem  Vertrage  zu  Verdun  ward  die  Kaiser- 
krone nur  ^inem  zu  Theil,  aber  die  Lande  wurden  getheilt.  So  weit 
entfernt  aber  waren  die  theilenden  von  einer  Anerkennung  der  Na- 
tionalitat, dafs  die  Theilung  eben  dadurch  unhaltbar  wardj.  Wenn  die 
apanische  Mark  ohnehin  nicht  zu  behaupten  war,  so  gieng  durch  die 
genannte  Theilung  zunächst  auch  Frankreich  nach  der  Hauptmasse 
seines  Gebiets  geradezu  verloren  [wem?  war  Deutschland  das 
Hauptland  Karls  des  Grofsen?  war  das  römische  Kaiserthum  an  die 
rein  germanischen  Stämme  geknüpft?];  den  Rest,  wie  etwa  (?)  Bur- 
gund,  Lothringen,  Elsafs  [nach  dem  dreifsigjährigen  Kriege?],  holten 
spätere  Jahrhunderte  nach.  Nur  Italien  wurde  nicht  so  rasch  preis- 
gegeben [von  den  deutschen  Kaisern  früher  als  das  Elsafs].  Aber  hier 
eben  sträubte  sich  das  romanische  Blut  selbst  am  hartnäckigsten  ge- 
gen das  Deutschthum  [haben  nicht  die  deutschen  Kaiser  Italien  stets 
als  nicht  in  Deutschland  incorporiert  betrachtet?  Welche  Versuche 
haben  sie  gemacht,  die  italienische  Nationalität  durch  die  deutsche 
zu  verdrängen?].  Man  erinnere  sich  an  den  Widerstand  der  lombar- 
dischen Städte  und  ihren  zügellosen  Freiheitstrieb  gegenüber  von 
Kaiser  und  Reich.  Mochte  man  auf  den  roncalischen  Feldern  immerhin 
das  römische  Imperalorenrecht  laut  ausrufen:  Mailand  und  seine  Ver- 
bündeten wollten  sich  nicht  davon  überzeugen.  Sie  liefsen  ihre  Städte 
in  einen  Trümmerhaufen  verwandeln,  den  man  mit  Salz  bestreute, 
snm  Zeichen,  dafs  hier  ein  Sodom  und  Gomorrha  zu  ewigem  Unter- 
gange  darniederliege  [man  vergleiche  die  kritischen  Bemerkungen 
aber  Mailands  Zerstörung  bei  Raumer:  Hohenstaufen  II  S.  144  f.  Und 
welche  Städte  erfuhren  sonst  das  gleiche  Schicksal?],  aber  sie  gaben 
dennoch  nicht  nach.  Und  hat  denn  bis  auf  den  heutigen  Tag  dieser 
trotzige  Hafs  sein  Ende  gefunden?' 

Wir  müfsen  noch  einmal  anerkennen ,  dafs  das  Bach  auch  seine 
gaten  Seiten  hat,  dafs  wir  manchem  geistreich  gedachten  und  scharf 
bezeichneten  begegnen.  Je  inniger  wir  mit  Hrn.  Eyth  in  der  Grond- 
anschauung  einverstanden  sind,  je  mehr  wir  das  christliehe  Princip 
als  das  einzige  wahre  erkennen  und  zur  Geltung  gebracht  zu  sehen 

14* 


204  E.  Eyth:  Ueberblick  der  Wellgescliidite. 

wünschen,  nm  so  rücksichtsloser  mnsten  viir  uns  über  die  Art  und 
Weise,  wie  der  Hr.  Vf.  seine  Aufgebe  gelöst  hat,  aussprechen.  Ist 
für  uns  keine  wahre  Wifsenschaft  ohne  Chrislenihum  denkbar,  so 
gibt  es  auch  keine  christliche  Wifsenschaft,  wenn  sie  die  Erforder- 
nisse, welche  an  den  Namen  Wifsenschaft  sich  knüpfen,  unerfüllt 
lafst.  Das  Chrislcnthuin  mufs  den  Teig  durchsäuern,  aber  den  Teig 
selbst  bereitet  es  nicht,  dics'übcrlüfst  es  der  Wifsenschaft;  je  voll- 
kommener sie  ihre  Aufgabe  löst,  um  so  befser  wird  die  geistige 
Nahrung,  aber  den  nicht  recht  durchgearbeiteten  Teig  kann  auch  das 
Christenthum  nicht  durchdringen.  Das  Feld  der  Geschichte  ist  ein  so 
ungeheuer  umfafsendes ,  dafs  es  dem  einzelnen  schwer  wird  es  zu  be- 
wältigen. Wir  verlangen  von  niemandem,  dafs  er  alles  selbst  durch- 
forscht  habe,  nnd  sind  gewis  gegen  Irthümer  nachsichtig;  aber  wir 
müfsen  die  Forderung  festhalten,  dafs  wer  eine  bestimmte  Auffafsung 
der  Geschichte  durchführen  will,  mit  den  Resultaten  der  bedeutend- 
sten Forschungen  bekannt  sei.  Hr.  Eyth  erscheint  uns  dazu  nicht  ge- 
nug gerüstet  und  eine  gewisse  Manier,  durch  den  Schein  des  geist- 
reichen blendende  Ideen  auch  sofort  für  wahr  zu  halten,  verhindert 
das  Gelingen  seiner  Bestrebungen.  Von  je  redlicherem  Eifer  wir  ihn 
beseelt  halten,  je  mehr  wir  ihn  um  dieses  Eifers  willen  lieben,  um  so 
nothwendiger  erschien  es  uns  ihn  auf  seine  Schwächen  aufmerksam 
zu  machen,  um  so  mehr  als  dadurch  denen,  welche  noch  immer  glau- 
ben, christlicher  Glaube  sei  mit  wahrer  Wifsenschaftlichkeit  unver- 
einbar, WalTen  in  die  Hände  gegeben  werden. 

Grimma.  R.  Dietsch. 


Kürzere  Aiizeiije. 


smamt. 


Vulersuchungen  über  das  Nfbelungenlied  von  Dr.  yidolf  üoltzn^u^^ 
Hofrath  und  Professor.  Stuttgart,  Verlag  von  Ad.  Krabbe.  VUI 
u.  215  S.  4. 

Seit  einer  reihe  von  Jahren  haben  die  Untersuchungen  über  das 
Nibelungenlied  gerastet,  die  kritische  hersteliung  des  texte»  nament- 
lich war  seit  dem  erscheinen  der  Lachniannschen  ausgäbe  für  abge- 
schlofsen  geachtet.  Wenn  gleich  Lachmann  nirgends  eine  ausführliche 
darlegung  seines  kritischen  Verfahrens  gpge!)en,  80  waren  seine  grund- 
Sätze  und  deren  reanitate  doch  als  allgemein  giltig  angenommen  und 
80  in  alle  lehrbücher  der  litteratur  bis  auf  die  jüngste  ausgäbe  von 
Gervinus  übergegangen.  Bald  nach  Lachmanna  tode  ward  indes  durch 
J.  Grimm  bei  gelegonheit  des  Hahiischen  abdrucks  der  '20  lieder'  das 
sonderbare  Zahlenverhältnis  der  lieder,  und  somit  ein  zweifei  an  dem 
kritischen  verfahren  überhaupt  rege  gemacht.  Nicht  in  den  unglück- 
lichen versuchen  des  I>r.  Förster,  die  aufserdem  durch  persönliche 
angrüTe  entstellt  waren ,  stuidern  durch  das  gegenwärtige  werk  ist  dem 
zweifei  ein  grofser  theil  seiner  losung  geworden. 


A.  HoIlzmaDn :  Untersachungen  aber  das  Nibelungenlied.      205 

Der  vf.  hat  es  nnternommen,  and  man  mnrs  gesteben,  mit  Scharf- 
sinn durchgeführt  y  die  bisher  gang  und  gäbe  gewesene  ansieht  über 
die  Nibelungen  zu  widerlegen.  Er  beginnt  damit  die  Lachmannsche 
krltik  in  ihren  grundvesten  anzugreifen,  indem  er  Lachmanns  ansieht 
fiber  das  Verhältnis  der  handschril'ten  als  irrig  nachweist,  die  von  ihm 
beigebrachten  beispiele  sind  schlagend  genug  um  zu  zeigen  wie  die  bis- 
her als  die  jüngste  betrachtete  bearbeitung  des  gedichtes  die  älteste 
ist,  und  somit  die  ganze  Lachmannsche  recension  über  den  häufen  ge- 
worfen; seine  ausgäbe  wird  daher  (s.  69)  für  ^unbrauchbar'  erklärt. 

Nach  diesem  wesentlich  negierenden  abschnitte,  worin  jedoch  auch 
eine  ruhige,  von  leldenschaft  und  persönlichkeit  freie  spräche  herscht 
(und  dafs  diese  allein  die  wifsenschaft  fordern  kann,  wird  jeder  ein- 
sehen), geht  der  vf.  auf  den  haupttheil  seines  werkes:  die  entstehuiig 
des  gedichtes,  was  zeit  und  verfafser  betrifft,  über,  hier  ist  es  wo  er 
zu  zwar  nicht  immer  gleich  sicheren,  doch  überraschenden  resultaten 
gelangt.  ^  Aus  reim,  versbau  und  spräche  wird  die  ältere  grundlage 
nachgewiesen^  und  diese  in  der  im  lOn  jh.  unternommenen  Sammlung  des 
bischof  Pilgrim  von  Passau  erkannt.  Die  resultate  sind  nun  im  we- 
sentlichen folgende. 

Der  Nibelungen  lied  (fälschlich  der  Nibelunge  n6t  genannt,  wie 
s.  124  nachgewiesen  ist)  und  die  klage  bildeten  ursprünglich  den  ersten 
und  zweiten  theii  eines  deutschen  gedichtes  aus  dem  lOn  jh.,  welches 
die  geschichte  der  Hunnen  behandelte;  der  dritte  theil  verfolgte  die 
eeschichte  Ungarns  bis  zur  sclilacht  auf  dem  Lechfelde.  Als  verfafser 
dieses  werkes  ist  nach  der  angäbe  der  klage  des  bischof  Pilgrims  Schrei- 
ber, Konrad,  zu  betrachten. 

Zu  dem  ersten  theile,  welcher  die  Schicksale  der  Nibelungen  be- 
handelte, dichtete  ein  dichter  im  anfung  des  l'in  jh.  die  episode  vom 
Sachseiikriege  hinzu,  die  wir  in  der  gegenwärtigen  gestalt  des  liedes 
finden.  Im  letzten  decennium  des  lt!n  jh.  erhielt  das  gedieht  die  form, 
in  der  es  uns  die  älteste  und  beste  handschrift  (C)  überliefert,  und  zu 
anfang  des  13n  jh.  übernahm  ein  anderer  dichter  die  Überarbeitung  des 
zweiten  theiles  von  Konrads  werke,  weicher  die  dem  untergange  der 
Nibelungen  zunächst  folgenden  begebenheiten,  'die  klage'  um  die  ge- 
fallenen, behandelte. 

Nach  diesen  gewonnenen  resultaten  ist  nun  erst  die  frage  möglich, 
wie  viel  von  unserem  Nibelungenliede  dem  bearbeiter  des  I2n  jh. ,  wie 
viel  dem  ursprünglichen  gedichte  angehöre,  der  vf.  versucht  in  kur- 
zen umrifsen  eine  ausscheidung  des  späteren  und  herstellun^  des  Kon- 
radschen  werkes,  hauptsächlich  unter  hinzuziehung  des  Biterolf  und 
der  klage. 

Damit  wäre  nun  freilich  die  Lachmannsche  textkritik  —  seine  an- 
sieht über  die  entstehung  des  liedes  aus  einzelnen  liedern  dagegen  nur 
in  eine  frühere  zeit  zurückgeschoben,  aber  nicht  widerlegt,  denn  Kon- 
rad konnte  eben  so  gut  einzelne  zerstreute  lieder  in  ein  ganzes  zusam- 
menfügen, wie  es  nach  Lachmann  der  bearbeiter  des  13n  jh.  that. 
Diesem  einwände  zu  begegnen  geht  der  vf.  auf  die  natur  des  epos  zu- 
rück und  sucht  nachzuwei^en,  wie  dieses,  als  geschichte  eines  Volkes 
in  sagenhafter  zeit,  notwendic  ein  ganzes  bilden  mnfse,  und  erst  durch 
störende  einflüfse,  in  Deutschland  durch  gewaltsame  Unterdrückung  von 
Seiten  des  christenthums,  verkümmere  und  zertrümmere.  Aus  diesen 
trümmern  erst  wurden,  als  in  ruhiger  zeit  grofse  für  die  vorzeit  be- 
geisterte münner  wie  Karl  der  grofse  ihre  aufmerksamkeit  der  vergan- 
genheit  zuwendeten,  die  alten  epen  zusammengelesen  und  wieder  aufge- 
ant.  DaTs  hiebei  vieles  entstellt  und  undeutlich  geworden,  ist  leicht 
erklärlich,   und  hierin,   nicht  in   dem  ur.«jprunge  aus  selbständigen  ein- 


206     A.  Holtsmann :  UnlersuchiingeD  über  das  Nibelungenlied. 

seinen  liedem  sind  nach  des  yf.  meiniing  die  Widersprüche  in  unsern 
volksepen  zu  suchen 

Den  letzten  abschnitt  bildet  eine  untersuchnng  iiber  die  sage,  un- 
ter hinzuziehung  des  indischen  epus,  vielleicht  der  schwächste  theil 
des  ganzen  und  nur  als  ein  verbuch  zu  betrachten,  eine  andere  als  die 
bisherigen  deutungen  aufzustellen;  womit  indes  flicht  gesagt  sein  soll, 
dafs  des  vf.  princip,  ein  allgemein  indogermanisc-es  epos,  ein  unrich- 
tiges sei.  vielmehr  sind  wir  überzeugt,  dafs  die  indogermanischen  Vol- 
ker in  den  verschiedenen  richtungen  ihrer  geistigen  entwickliing  ebenso 
xusammentreffen  wie  in  der  spräche,  nur  möchte  die  nachweisune  in 
einzelnen  grofsere  Schwierigkeit  haben,  da  die  epische  gcataltune  emem 
grofseren  Wechsel  unterworfen  ist  als  die  spräche,  man  fände  wol 
auch  in  einzelheiten  gleiche  Übereinstimmung  des  epos  mit  unverwand- 
ten Völkern,  ohne  dals  uns  dies  zur  herleitung  aus  gleicher  quelle  be- 
rechtigte. 

Der  anhang  über  den  Wallerstciner  codex  der  Nibelungen,  über 
den  auch  von  der  Hagen  jüngst  in  der  Berliner  academie  mittheilnnffen 
gemacht  hat,  bestätigt  namentlich  in  ^inem  punkte  auf  merkwürdige 
weise  des  vf.  Vermutungen  (vgl.  s.  206  mit  94  If). 

Im  allgemeinen  wird  man  des  vf.  resultaten  beitreten  müfsen ,  ein- 
zelnes wird  zu  berichtigen  sein.  s.  64  vermutet  Uoltzmann,  es  sei  in 
Str.  1851  für  min  eineg  man:  tuon  C  (wo  B  aun  :  frun  reimt)  zu 
lesen  min  ein  gomdn;  doch  möchte  diese  betonung  schwerlich  zuläfsig 
sein.  Freilich  fafste  man  schon  in  althochdeutscher  zeit  das  wort  als 
ein  compositum,  wie  die  Schreibung  gomman  beweist;  allein  selbst 
dann  konnte  zwar  gömmän  reimen,  nicht  aber  gommdn^  welche  beto- 
nung nur  innerhalb  des  verses  keine  Schwierigkeit  haben  wurde.  Die 
s.  65  aufgestellte  behanptung,  Otfrids  reime  seien  immer  stumpf,  zu 
widerlegen  würde  einen  grofseren  räum,  erfordern;  es  ist  freilich  eine 
allgemein  angenommene  ansieht,  der  klingende  reim  sei  später  entstan- 
den als  der  stumpfe,  weil  man  in  der  that  in  den  ältesten  gedichten 
fast  nur  stumpfe  reime  findet.  Indes  sprechen  die  romanischen  spra- 
chen, wie  auch  schon  die  spuren  des  reims  im  lateinischen  zum  theil 
dagegen,  die  erledigung  der  frage  hängt  von  der  über  den  Ursprung 
und  das  wesen  des  reunes  zusammen,  die  ich  an  anderem  orte  ausführ- 
lich besprechen  werde.  —  Wenn  der  vf.  s.  70  (»tr.  2139)  in  lugende: 
künde  einen  innern  reim  erblickt,  so  stimmen  wir  ihm  bei;  soll  dies 
aber  auf  kosten  der  ursprünglichen  kürze  durch  annähme  der  betonung 
tügünd^  geschehen,  so  mufs  ich  protestieren,  die  sache  ist  einfacher: 
es  reimt:  tügnde  :  künde;  das  vor  dem  n  stehende  g  thut  keinen  ein- 
trag.^  denn  so  reimen  alle  dichter  des  l'in  jh.:  $agen:8tän;  haben  :gän 
und  ähnliches.  —  Nach  s.  79  sollen  schon  im  Hn  jh.  langzeilen  mit  nur 
sieben  hebungen  (statt  mit  acht)  vorkommen;  allein  so  gut  der  vf.  in 
den  8.  77  angeführten  beispielen  acht  hebungen  erkennt,  darf  man  sie 
auch  in  den  s.  79  beigebrachten  erblicken;  das  einzige  beiftpiel  das  sich 
anführen  liefse,  wäre  das  aus  Muspilli  genommene: 

ddz  er  kötee  wiilin  k^rnö  tüo: 

dessen  zweite  hälfte  wirklich  nur  drei  silben  enthält,  also  auch  nur  drei 
hebungen.  allein  es  scheint  nur  so.  das  Muspilli  weist  aus  uiuncben 
gründen  auf  ein  älteres  gedieht  hin,  dessen  spräche  vielleicht  noch  auf 
dem  Standpunkte  des  gothischen  stand,  vergleicht  man  mit  tuo  (lies  tüo) 
das  gothische  taujan :  mit  gerno  die  gotli.  adverbialendnng  «a6a,  so 
sind  die  drei  hebungen  leicht  auf  vier  geführt.  Andere  beispiele  wären 
hier^  richtig  angebracht,  wemi  die  regel  dafs  wörter  wie  aunu  nicht 
zwei  hebungen  ausfüllen  können,  unbestritten  wäre;  allein  es  läfst  sich 
nachweisen  dafs  schon  in  ahd.  periode  (bei  Otfrid)  die-se  für  unrichtig 
gehaltene  betonung  öfter   vorkommt.  —    Die  erste  hälfte   des  epischen 


A.  UolUmann:  Untersuchungen  aber  das  Nibelungenlied.      207 

langyerses  soll  (nach  s,  78)  immer  ein  srofserea  gewicht  haben  als  die 
zweite;  im  indischen  and  deutschen  trifu  dies  zu,  anders  ist  es  im  he- 
xameter,  dessen  gröfseres  gewicht  entschieden  auf  der  zweiten  häifte 
ruht,  namentlich  wenn  man  die  gewohnliche  caesur  (nach  der  siebenten 
cilbe),  die  indes  nicht  die  ursprünglich  epische  ist,  in  anschlag  bringt. 
—  Wir  stimmen  dem  yf.  bei,  wenn  er  s.  150  sagt:  'alle  epische  poesie 
ist  nnstrophisch.'  Es  beweist  dies  vor  allem  der  hexameter,  der  keine 
atrophische  abtheilung  zuläfst;  ebenso  der  indische  sldka  (wiewol  hier 
die  gewöhnliche  Zahlung,  die  immer  zwei  halbsldken  zusammenfafst, 
widerspricht)  und  der  deutsche  allitterierende  yers.  Anders  wird  es  in 
der  deutschen  poesie  mit  der  einführung  des  reimes.  so  lange  dieser  al- 
lerdings noch  «lie  beiden  halften  der  langzeile  verbindet  (wie  bei  Otfrid 
geschieht,  d«r  indessen  nach  dem  Vorgänge  Aes  lateinischen  hymnus 
immer  je  zwei  langzeilen  strophisch  zusammenfafst),  war  noch  keine 
strophische  abtheilung  möglich,  wiewol  hier  die  gefahr  nahe  lag  die 
«inheit  des  epischen  verses  zu  verlieren,  wie  es  in  den  reimpaaren  der 
mhd.  poesie  sich  zeigt.  Allein  sobald  der  reim  je  zwei  langzeilen  mit- 
«inander  verband,  ergab  sich  dadurch  von  selbst  eine  absondernng  in 
atrophen  von  je  zwei  langzeilen  (wie  bei  Otfrid  und  beim  indischen 
al6ka,  dessen  halften  auch  schon  hin  und  wieder  spuren  des  reimes  zei- 
gen). Anders  war  es  im  romanischen  epos:  die  dort  lang  fortlaufenden 
reime  traten  einer  strophischen  trennung  in  den  wes. 

Wir  haben  unsere  bemerkungen  auf  den  abschnitt  .aber  reim  und 
▼ersbau  beschrankt,  ähnliches  liefse  sich  auch  in  den  übrigen  abschnitten 
beibringen.  Die  von  dem  vf.  zwar  nur  vermutete  Identität  des  Karen- 
bergers  und  des  Konrad  ist  zu  bezweifeln.  Der  Kärenberger,  wenn 
gleich  durch  alterthümliche  einfacliheit  von  den  ältesten  minnesingern 
(Dietmar  von  Aistu.  s.  w.)  unterschieden,  berechtigt  uns  dennoch  mihi, 
ihn  über  das  12e  jh.  hinaus,  ja  gar  in  das  lOe  zu  setzen,  der  Inhalt 
seiner  Strophen  liegt  dem  wesen  des  ritterlichen  minnegesanges  nicht  so 
fern  als  Holtzmann  meint.  Eine  strophe  (der  tunkelsterre)  deutet  schon 
sehr  bestimmt  auf  die  in  der  höfischen  poesie  so  bedeutsam  hervortre- 
tenden merker  hin.  —  Eine  andere  Vermutung  des  vf. ,  Rudolf  von  Ems 
habe  den  Biterolf  und  die  klage  gedichtet  (der  leisen  hindeutun^  auf 
Walter  von  der  vogelweide  als  verfafser  der  Nibelungenbearbeitung 
gar  nicht  zu  gedenken)  durfte  eben  so  wenig  fest  stehen.  Rudolf  mäste 
in  seinen  späteren  werken  durch  und  durch  ein  anderer  geworden  sein; 
▼on  der  jugendfrische,  die  in  der  klage  herscht,  ist  schon  in  seinem  • 
ersten  anerkannten  werke,  dem  Gerhart,  keine  spur,  der  ähnlichen  aus- 
drucke, dieH.  als  beweis  anfuhrt,  liefsen  sich  aus  werken  anderer  dich- 
ter genug  aufspüren,  finden  sich  ausdrucke  in  Rudolfs  werken,  die  der 
höfischen  poesie  sonst  fremd  sind ,  so  beweist  dies  nur  Rudolfs  bekannt- 
Schaft  mit  der  volksmäfsigen  litteratur. 

Jedenfalls  hat  der  vf.  das  verdienst,  eine  so  wichtige  frage  wie  die 
ober  die  entstchung  des  Nibelungenliedes  wieder  in  fJufs  gebracht  z» 
haben.  Ffir  abgeschlofRen  erklärt  er  selbst  die  Untersuchungen  nich^t ;  eine 
kritische  ausgäbe  des  textes  nach  den  gefundenen  resuitatcn  wäre  das 
nächst  erforderliche  werk,   das  uns  Holtzmann  hoffentlich  bald   geben 

Dr.  C.  Bartsch. 


208  Abwehr. 

Abwehr. 

Bars  die  neuiiche  Besprechung  meiner  'Hadeskappe'  in  diesen  Jahrba- 
chern Bd.  LXIX  S.  676  ff.  durch  Hrn.  Prof.  Schwcnck  nur  der  Ausdruck 
einer  entgegenstehenden  Ansicht  ist,  über  welche  wir  beide  die  Entschei- 
dung andern  Richtern  überlafsen  mufsen,  liegt  am  Tage,  und  wenji  ich 
allen  Lesern  jener  auch  meine  Schrift  als  bekannt  voraussetzen  durfte, 
wurde  ich  kein  Wort  weiter  hinzufügen ;  insofern  jedoch  der  Ton 
jener  Anzeige  manchen  verleiten  könnte,  sich  daraus  allein  auch  aber 
meine  Schrift  ein  Urtheil  zu  bilden,  bin  ich  es  mir  schuldig  wenig- 
stens an  einem  Beispiele  zu  zeigen,  wie  wenig  sie  dazu  angethan  ist« 
Ein  Haupttrumpf,  den  Hr.  Schwenck  gegen  mich  ausspielt,  ist  S.  677, 
dafs,  indem  ich  Perseus  für  einen  Sonnengott,  seinen  Helm  fnr  das 
Symbol  der  Finsternis  halte,  ich  'einer  Gottheit  ihr  Gegentheil  sinn- 
bildlich auf  das  Haupt  gesetzt  habe';  und  wenn  ich  diesen  Helm  far 
Perseus  eigenes  Symbol  erklärt  hätte,  so  wurde  ich  den  Spott,  den 
er  daran  knüpft,  völlig  verdient  haben;  nun  aber  sage  ich  kan  vor 
der  von  ihm  aus  dem  Zusammenhang  gerifsenen  Schlufsstelle  wortlich 
folgendes:  'Perseas  der  Sonnenheld  mit  dem  Helme  der  Finsternis  als 
personlichem  Attribut,  wäre  ein  innerer  Widerspruch;  ist  ihm  aber 
derselbe  nur  geborgt,  so  ist  er  eine  neue  Variante  zu  dem  alten 
Liede:  durch  Nacht  zum  Licht';  und  wenn  also  mein  Beurtheiler  ge- 
rade diesen  Grundgedanken  meiner  ganzen  Abhandlung,  dafs  die  orien- 
talische Kopfbedeckung  des  Perseus,  als  zu  seiner  übrigen  Person 
nicht  passend,  nur  als  geborgt,  nicht  als  sein,  sondern  als  des 
Hades  Helm  zu  betrachten  sei,  so  gröblich  verkannt  hat,  so  wird  es 
mir« erlaubt  sein  auch  sein  weiteres  Referat  als  unzulänglich  zu  JptT" 
horrescieren. 

Göttingen.  K»  Fr.  Hermann. 

Hr.  Professor  Hermann  verkennt  im  Eifer  das,*  was  ich  gegen  ihn 
gesagt  habe,  sehr  gröblich.  An  seiner  Variante  des  'durch  Nacht  zum 
Licht'  kann  so  lange  ganz  und  gar  nichts  liegen,  als  er  nicht  nach- 
weist, dafs  es  eine  Symbolik  gibt,  welche  diesen  oder  einen  ähnlichen 
Gedanken  in  der  von  ihm  bei  Perseus  angewandten  Weise  darstellt. 
Eigen  besitzen  oder  borgen  macht  in  Hinsicht  auf  die  Darstellung  des 
Gedankens  nichts  aus,  und  es  liegt  Hrn.  Hermann  ob,  eine  solche 
wunderbare  Symbolik  zu  beweisen,  welche  durch  die  Phrase  'durch 
Nacht  zum  Licht'  nicht  bewiesen  ist.  Dafs  diese  Stelle  ein  Haupt- 
trumpf sei,  bemerkt  er  irthümlich,  denn  ich  habe  geflifsentlich  keinen 
Trumpf  gegen  ihn  ausgespielt  aus  Gründen,  die  ich  hier  um  so  mehr 
übergehe,  als  er  sagt,  dafs  er  mein  'Referat  als  unzulänglich  perhor- 
resciere'.  Statt  Hrn.  Hermanns  archaeologische  und  mythologische 
l^undgebungen  meinerseits  als  unzulänglich  zu  perhorrescieren  und  von 
ihm  zu  verlangen,  er  möge  Bewcisüe  für  die  Hauptsachen  seiner  Ha- 
deskappe liefern,  statt  in  einem  minder  wichtigen  Punkte  mich  fälsch- 
lich eines  Misverstehens  seiner  Meinung  oder  wohl  noch  eines  ärgeren 
zu  zeihen,  wünsche  ich  ihm  für  die  Hadeskappe  als  Nachtkappe  und 
für  den  Gorgoschrecken  der  Morgenkühle  u.  a.  m.  den  Beifall  vieler 
Menschen,  denn  warum  sollte  ich  ihm  nicht  gutes  für  eine  Schrift 
wünschen,  welche  mir  eine  kurze  Erheiterung  gewährte V  Spotten  * 
wollte  ich  seiner  «o  wenig,  dafs  ich  betheure,  mir  bei  Abfarsung  der 
Recension  allen  Zwang  in  dieser  Hinsicht  angethan  zu  haben. 

Frank finrt  a.  M.  Konrad  Schwenck, 


Schal-  und  Personalnachrichten  u.  s.  w.  209 

Schul-  und  Personalnachrichten,  statistische  Millheilungen, 
litterarische  und  antiquarische  Miscelien. 


Amberg.  Auf  die  darch  Beforderang  des  Stadienlehrers  Georg 
Krk  (b.  unter  Straubing)  erledigte  Lehrstelle  aa  der  dortigen  Lat ei n- 
fchale  wurde  der  Studienlehrer  zu.  Bamberg  Valentin  Meyring 
▼ersetzt. 

Bamberg.  Auf  die  an  der  dortigen  Lateinschule  erledigte  unterste 
Lehrstelle  (s.  unter  Amberg)  wurde  der  geprüfte  Lehramtscandidat 
Ignaz  Schrepfer  befordert. 

Königreich  Bayern.  An  die  Stelle  der  Schulordnung  Tom  13. 
Man  1830  ist  durch  Verordnung  des  kon.  Staatsroinisteriums  des 
Innern  für  Kirchen-  und  Schulangelegenheiten  vom  24.  Februar  d.  J. 
folgende  'revidierte  Ordnung  der  lateinischen  Schulen  und  der  Gym- 
nasien im  Königreich  Bayern'  getreten: 

Tit.  L  Arten  der  Lehranstalten,  f.  1«  Für  die  höhere  allge- 
meine Bildung  der  Jugend,  zu  welcher  der  Grund  einerseits  durch  die 
tiefere  Erkenntnis  und  Bewahrung  des  Christenthums,  so  wie  andrer- 
seits hauptsächlich  durch  das  Studium  der  Sprachen  und  der  Litte* 
ratur  des  classischen  Alterthums  gelegt  wird,  sollen  lateinische  Schu- 
len und  über  denselben  Gymnasien  bestehen. 

A.  Von  der  lateinischen  Schule.  Tit.  TL  Allgemeine  Bestim- 
mungen. C.  2.  Die  lateinische  Schule  hat  den  Zweck,  die  im  §.  1  be- 
seichnete  Bildung  auf  ihrer  ersten  Stufe  zu  begründen  und  die  Schüler 
für  die  am  Gymnasium  zu  erlangende  höhere  Bildung  vorzubereiteiu 
Nach  diesem  Zwecke  richtet  sich  Stoff,  Umfang  und  Art  des  Unter- 
richts. An  diesem  Unterricht  können  auch  solche  Knaben  Theil  neh- 
men, welche  das  Gymnasium  zu  besuchen  nicht  beabsichtigen.  §.  3« 
Die  lat.  Schule  besteht  aus  vier  Classen  und  ist  mit  jedem  Gymna- 
sium verbunden,  kann  aber  auch  nach  Mafsgabe  des  Bedürfnisses  für 
sich  bestehen,  f.  4«  Jede  der  vier  Classen  hat  ihren  eignen  Lehrer, 
welcher  den  Namen  'Studienlehrer'  führt.  Haben  sich  für  eine  Classe 
mehr  als  50  Schüler  gemeldet,  so  wird  nach  Mafsgabe  des  Bedürf- 
nisses dem  Lehrer  entweder  ein  Aushilfslehrer  beigegeben,  .oder  die 
Trennung  der  Classe  in  Paralleicurse  eingeleitet.  $•  5*  Vorstand  der 
mit  einem  Gymnasium  verbundenen  lat.  Schule  ist  der  Rector  des 
Gymnasiums,  welchem  an  zahlreich  besuchten  Anstalten  zur  Unter- 
stützung in  seinem  Wirkungskreise  aus  dem  Lehrergremium  ein  Con- 
rector  beigegeben  wird.  An  der  für  sich  bestehenden  vollständigen 
lat.  Schule  ist  ein  Lehrer  der  beiden  obern  Classen  zugleich  Vorstand 
der  Anstalt  (Subrector).  ^  6.  Die  bereits  eingerichteten  vollständi- 
gen und  unvollständigen  isolierten  lat.  Schulen  dürfen  vorerst  fort- 
bestehen. 

Tit.  TIT.  Von  dem  Unterricht  in  der  lateinischen  Schule.  ^.  7. 
Die  Lehrgegenstände  der  lat.  Schule  sind:  Religionslehre,  lateinische 
Sprache,  griechische  Sprache,  deutsche  Sprache,  Arithmetik,  Ge- 
schichte, Geographie.  Daneben  wird  technischer  Unterricht  in  der 
Kalligraphie,  im  Gesang  und  in  der  Musik,  so  wie  im  Zeichnen,  dann 

gymnastischer  Unterricht  im  Turnen  und  Schwimmen  ertheilt.  $•  8« 
er  Religionsunterricht  für  die  katholischen  und  die  protestanti- 
schen Schüler  soll  von  einem  katholischen  und  protestantischen  Geist- 
lichen, als  besonderem  Lehrer,  ertheilt  werden.  Ueher  die  Befugnisse 
der  kirchlichen  Behörden  in  Beziehung  auf  den  Religionsunterricht 
haben  die  einschlagenden  gesetzlichen  Bestimmungen  Mafs  zu  geben. 
f*  9*  Jeder  Schultag  beginnt  mit   einer  Andachtsübung,   welche  für 


210    Schul-  und  Personalnachrichten,  statistische  Mittheilungen, 

die  katholischen  Zöglinge  im  Besuche  der  heiligen  Messe,  und  für  die 
protestantischen  im  Morgengebet  mit  («esang  besteht,  f.  10.  Ferner 
sind  die  Schüler  beider  Confeiisionen  gehalten,  an  allen  Sonn-  and 
Feiertagen  dem  Gottesdienst  in  ihren  Kirchen  unter  der  AufMcht  der 
Lehrer  ihrer  Confession  beizuwohnen.  In  allen  Beziehungen  aber 
hat  die  Anstalt  dahin  zu  trachten,  dafs  das  Christenthum  in  den  Ge- 
muthern der  Schüler  fest  begründet  und  lebendig  erhalten  werde,  f« 
]|.  Der  Unterricht  in  der  lateinischen  Sprache  behandelt  in  der 
ersten  Classe  vollständig  das  allgemeine  der  gesammten  Formenlehre, 
wubei  einige  leichtere  Regeln  der  Syntax  auf  praktischem  Wege 
niiizutheilen  sind.  Besondere  Aufmerksamkeit  ist  der  Wortbildung 
durch  Kriernung  der  Wortstämme  in  ihren  Ableitungen  zu  widmen, 
mechanisches  Memorieren  von  zusammenhanglosen  Wörtern  und  Re- 
densarten und  sogenannten  Sentenzen  aber,  wodurch  nur  das  Gedächt- 
nis beschwert,  und  der  Jugend,  anstatt  ihren  Verstand  zu  schärfea 
und  zu  bilden,  Ekel  am  Lernen  beigebracht  wird,  nicht  zu  dulden. 
Ein  zweckmäftiiges  Elementarbuch  zum  Uebersetzen  aus  dem  Lateini- 
schen in  das  Deutsche  und  umgekehrt  aus  dem  D.  in  das  Lat.  dient 
zur  mündlichen  und  schriftlichen  Einübung  des  Lehrstoffes.  %,  12«  In 
der  zweiten  Classe  beginnt  nach  genauer  Wiederholung  der  Etymolo- 
gie und  Ergänzung  der  Formenlehre  in  ihren  Anomalien  der  Untere 
rieht  in  der  Syntax  bis  zum  Schlufs  der  Casuslehre.  Mit  anderen 
leichteren  Lehren  der  Syntax  kann  der  Schüler  auf  praktischem  W«>ge 
durch  die  Lertüre  bekannt  gemacht  werden.  Mit  der  Denk-  und  Ge- 
dächtnisübung der  begonnenen  Erlernung  von  Wörterfamilien  zur  Be- 
reicherung der  Wurtkenntnis,  sowie  mit  beiden  Arten  Ttfn  lieber- 
Setzungen  nach  einem  Elementarbuche  ist  fortzufahren,  f*  13*  In  der 
dritten  Classe  umfaf^it  der  Unterricht  alle  Theile  der  Syntax  inner- 
halb des  regelmäfsigen  Sprachgebrauchs;  die  memorierten  Wörterfa- 
niilien  werden  zwerkmäfsig  erweitert,  mündliche  und  schriftliche  Ue- 
bersetzungsübungen  haben  die  erlernten  Regeln  zu  sicherer  und  zu 
geläufiger  Anwendung  zu  bringen.  Als  lateinisches  Lesebuch  dienen 
die  Lebensheüchreibungen  des  Cornelius  Nepo»;  später,  wenn  die 
Schüler  die  erfoi  de  «liehe  Uebung  haben,  können  die  Fabeln  des  Phae- 
drus  erklärt  werden.  $.  14.  In  der  vierten  Classe  wird  die  Syntax 
unter  fortgesetzten  praktischen  Uebnngen  wiederholt  und  die  Erklä- 
rung von  Caesiuris  Commenturii  de  hello  Gallico  oder  eine  Chrestoma- 
thie aus  gröisern  Stücken  römischer  ilititoriker  vorgenommen.  Zugleich 
beginnt  in  dieser  Classe  der  Unterricht  in  der  Prosodie  und  in  den 
daktylischen  Versmafsen  mit  den  nöthigen  Uebnngen  in  Wiederherstel- 
lung aufgelöster  Distichen.  j(.  ],1.  Bei  diesem  Unterricht  soll  in  der 
]n  und  2n  Classe  die  Kenntnis  der  lat.  Etymologie  zur  möglichsten 
Geläufigkeit  gebracht,  in  der  3n  und  4n  aber  vorzüglich  darauf  gese- 
hen werden,  dem  Schüler  bei  Uebersetzung  aus  dem  Lateinischen  in 
das  Deutsche  Gewandtheit  des  Ausdrucks,  dann  bei  jener  aus  dem 
Deutschen  in  das  Lateinische  Sicherheit  in  Anwendung  der  gramma- 
tischen Regeln  zu  verschaifen.  Schriftliche  Uebersetzung  soll  nur  bei 
einzelnen  schwierigen  und  besonders  merkwürdigen,  von  dem  Lehrer  im 
voraus  zu  bezeichnenden  Stellen  gefordert  werden;  es  genüge,  dafe  die 
Schüler  zur  Vorbereitung  das  zu  erklärende  Pensum  aufmerksam  durch- 
gegangen und  die  ihnen  unbekannten  Vocabeln  aufgesucht,  verzeichnet 
und  memoriert  haben.  %•  1({.  Bei  allem  lateinischen  Unterricht  ist  auf 
genaue  und  richtige  Anwendung  der  Muttersprache  die  sorgfältieete 
Rücksicht  zu  nehmen,  und  besonders  bei  Uebersetzungen  aus  dem  La- 
teinischen dahin  zu  wirken,  dais  nicht  nur  der  geeignete  Ausdruck  in 
der  Muttersprache  nachgewiesen  und  das  al»w-eichende  gezeigt,  sondern 
auch  der  Inhalt  des  übersetzten  von  den  Schulern  in  freier  Darstellung 


liUerariscbe  nnd  antiquarische  Miscellen.  211 

▼orgetragen  and  erlaatert  werde.  §•  17.  Schriftliche  Uebangen  im 
Lateinischen  sollen  während  der  Schalstunden  zur  richtigen  Anwendung 
des  erlernten  öftern  und  in  der  Art  gehalten  werden,  dafs  der  Lehrer 
das  Ton  den  Schülern  bearbeitete  unmittelbar  nach  der  Ausarbeitung 
rerlesen,  das  fehlerhafte  sogleich  nachweisen  und  das  richtige  eintra- 
fen läfst.  [n  den  untern  xwei  Classen  werden  in  jedem  Monat  Tier, 
in  den  obern  zwei  Classen  in  jedem  Monat  zwei  Schulaufgaben  aus 
dem  Deutschen  ins  Lateinische,  darunter  manchmal  auch  umgekehrt 
eine  solche  Aufgabe  aus  dem  Lat.  in  das  D.  bearbeitet.  Diese  Scriptio- 
nen, welche  von  dem  Lehrer  genau  zu  corrigieren,  dann  den  Schülern 
znr  Einsicht  mitzutheilen  lyid  mit  ihnen  genau  durchzugehen  sind,  bilden 
die  Grundlsge  zur  Berechnung  des  Fortgangs.  Die  Zahl  der  Hausaufgaben 
wird  für  sammtliche  Sprachgegenstande  auf  wöchentlich  zwei  festgesetzt, 
welche  Ton  dem  Lehrer  so  einzurichten  sind,  dafs  sie  den  Schülern 
zur  Erweiterung  ihrer  Kenntnisse  bezüglich  des  in  der  Schule  behandel- 
ten LehrstolTes  dienen ,  zugleich  aber  auch  hinsichtlich  der  auf  die  Bear- 
beitung zu  verwendenden  Zeit  die  der  Jugend  nöthige  körperliche  Er- 
holung berücksichtigen.  §•  18*  Der  Unterricht  in  der  griechischen 
Spracne  beginnt  in  der  3n  Clas.Ke.  Es  wird  in  dieser  die  Formenlehre 
bis  auf  die  Verba  in  fii  gelehrt  und  eine  Anzahl  Ton  Vocabeln  und 
ganzen  Worterfamilien  memoriert,  zugleich  werden  schriftliche  und 
mündliche  Uebersetzangen  aus  dem  Deutschen  in  das  Griechische  und 
umgekehrt  nach  einem  zvveckmäfsigen  Elementarbuche  Torgenommen. 
Der  Unterricht  in  der  4n  Classe  umfafst  die  Verba  in  fit  und  die 
Anomala,  und  hat  den  etymologischen  Theil  der  Grammatik  zu  Toll- 
enden. Leichte  Regeln  der  Syntax  sind  auf  praktischem  Wege  mitzu- 
theilen. Das  Auswendiglernen  Ton  Vocabeln  und  kurzen  Sätzen,  so 
wie  beide  Arten  Ton  Uebungun  nach  einem  zweckmäfsigen  Elementar- 
bnche  werden  fortgesetzt.  §•  19*  Die  Uebersetzungen  im  Griechischen 
sollen  wie  die  im  Lateinischen  ($.  17)  behandelt  werden,  damit  Ge- 
nauigkeit in  Anwendung  der  Formenlehre  und  Kenntnis  der  allgemein^ 
sten  syntaktischen  Regeln  erlangt  werde.  Alle  14  Tage  ist  ein  kur- 
zes Exercitium  aas  der  deutschen  in  die  griechische  Sprache  in  der 
Schule  auszuarbeiten,  wobei  jedoch  dem  Lehrer  überlafsen  bleibt, 
manchmal  auch  umgekehrt  eine  Aufgabe  aus  dem  Griechischen  in  das 
Deutsche  bearbeiten  zu  lafsen.  Diese  Scriptionen,  welche  als  Grund- 
lage zur  Loration  dienen,  hat  der  Lehrer  genau  zu  corrigieren,  dann 
den  Schulern  zur  Einsicht  mitzutheilen  und  mit  ihnen  genau  durch- 
zugehen. §.  20.  In  der  deutschen  Sprache  wird  in  den  beiden  un- 
tern Classen  unter  Rücksichtnahme  auf  die  Kenntnisse,  welche  die 
Schüler  sich  schon  früher  erworben  haben,  ein  fortschreitender  gram- 
maticalischer  Unterricht  ertheilt.  Neben  diesem  theoretischen  Unter- 
richt in  den  zwei  untern  Classen,  so  wie  in  den  beiden  obern  Classen 
lauft  ein  praktischer  Unterricht,  welcher  befafst:  in  der  In  Classe: 
Bildung  einfacher,  dann  zusammengesetzter  Sätze,  zuerst  nackter, 
hierauf  erweiterter;  Uebungen  in  Veränderung  der  Satzformen  (be- 
hauptend, emphatisch,  befehlend,  fragend),  Zusammensetzung  kleiner 
Beschreibungen  und  Erzählungen,  auch  Briefe  aus  gegebenen  Sätzen. 
Dictandoübungen,  Verbefserung  fehlerhaft  angegebener  SäUe.  In  der 
2n  Cl.:  Fortsetzung  dieser  Uebungen,  dann  Versuche  freier  Nach- 
bildung Torgelesener  kleiner  Erzählungen,  Beschreibungen  und  Briefe 
(ohne  angegebene  Sätze),  Verbefserung  fehlerhafter  kleiner  Aufsätze. 
In  der  Hn  Cl.:  Fortsetzung  dieser  Uebungen,  dann  auch  Versuche  in 
Aaszügen  ans  gegebenen  Stücken,  und  zwar  in  einfachen  SäUen,  mit 
Ancabe  des  Hauptgedankens,  Entwürfe  (Skizzen)  zu  kleinen  Aufsäuen 
(Briefen  u.  dgl.).  In  der  4n  Cl.:  Fortsetzung  dieser  Uebungen,  Ge- 
dankenangabe   za    grofseren   Beschreibungen,    Erzählungen,    Briefen, 


212  Schal-  und  Personalnachrichten,  statistische  Hittheilangen, 

RiiMfuhrlichere  Skizzen;  roetrijtche  Vemiche  in  den  daktylischen,  iam- 
bischen  und  trochaeischen  Versmafsen.    Hiemit  ist  durch  alle  Classen 
zu  verbinden  das  Auswendiglernen  und  freier  Vortrag  passender  deut- 
scher LesestöcLe  in  einer  angeniefsenen  Stufenfolge  von  Geilerts  Ka- 
beln und  Krzähhingen  bis   zu  Schillers  Balladen  einsrhliefslich.   $•  21- 
Der  Unterricht  in  der  Arithmetik  umfafst:    in  der  In  Classe:    die 
Wiederholung  und  weitere  Durchbildung  der  vier  Species  in  benannten 
und  unbenannten  Zahlen  und  die  gemeinen  Bräche  in  Verbindung  mit 
Kopfrechnen.    In    der  2n  Cl. :    Wiederholung  der  Lehre   von  den  ge- 
meinen Brüchen,  Behandlung  der  Decimalbrüche,  Anfang  der  Propor- 
tionslehre mit  unbenannten  Zahlen  und  Versetzung  der  Glieder,  Regel 
de  tri  mit  benannten  Zahlen.    In  der  3n  Cl. :   Proportionslehre  mit  be- 
nannten Zahlen,  einschlülsig  der  Gesellschafts -Allegations- Rechnung 
(angewandte  Arithmetik).    Jn  der  4n  Cl. :  theoretische  Begründung  des 
früher   erlernten,    Behandlung   der   Näherungsbrüche   und  Ausxiehung 
der  Quadrat-  und  Kubikwurzeln  aus  Zahlen  ohne  wifsenschaftliche  Be- 
gründung.   §•  22«  Der  Unterricht  in  der  Geschichte  beginnt  in  der 
dn   Classe   und  hat  sich   in  dieser  auf  eine  übersichtliche,   chronolo- 
gisch  geordnete  Darstellung  der  wichtigsten,   an   hervorragende  Per- 
sönlichkeiten  geknüpften  Tliatsacheii  und  Ereignisse   der  griechischen 
und  römischen  Geschichte,   letzterer  mit  Einschluls  der  Zeit  der  Völ- 
kerwanderung bis  zu  Chlodwig  dem  Prankenkönige  zu  erstrecken,  und 
in  der  4n  Cl.  von  Chlodwig  dem  Krankenköivige  an   die  deutsche  Ge- 
schichte in  gedrängten  Zügen   mit  besonderer  Berücksichtigung  der  zu 
dem   bayerischen   Staate  jetzt   erwachsenen  Gebiete   und  des   bayeri- 
«•chen  Herscherhuuses  abzuhandeln.    §•  23*  Der  geographische  Un- 
terricht behandelt  in   der    In  Clas>e  eine  übersichtliche  Darlegung  di-r 
fünf  Krdtheile,   in  der  2n  Cl.  Kuropa  im  allgemeinen  und  Deutschland 
im  besondern   unter  vorzüglicher  Berücksichtigung  der  Höhenzüge  und 
Klufsgebiete,   um   ein   möglichst  anschauliches  Bild  des  Bodens  zu  ge- 
ben,   wobei  Bayern   %\ieder   besonders  ins  Auge  zu  faisen   ist,   in  der 
3n  Cl.  die   au i'tiercuropäischenErdt heile,   so    weit  deren  Kenntnis   zur 
allgcmeini'n  Bildung   gehört,    in  der  4n  Cl.  eine  allgemeine  Uebersicht 
und  tiefere  Begründung   des   in  den  viirhergi^henden  Classen  behandel- 
ten LehrstotlVs    mit    gröfserer   Berück.sichtigung    der   politischen    nnd 
statistischen  Verhältnisse.    Uebrigens  ist  bei  allem  geographischen  Un- 
terricht,   %vo   nur   immer  tliunlich,   auf  wichtige  historische  Ereignisse 
hinzuweisen    und   dadurch    Geographie   mit   Geschichte  in   Verbindung 
zu  bringen.     §.  24*   In   den   zwei   untern  Classen  der  lat.  Schule  wird 
Unterricht  im  Schönschreiben  ertheilt,   welcher  von  allen  Schülern  m 
besuchen  und  bei  welchem  vorzugsweise  auf  Reinheit  und  Deutlichkeit 
zu    sehen   ist.     Uebrigen.s  hüben   die  Lehrer  sämmtlicher  Classen   auf 
eine  reinliche    und  deutliche  Schrift   in  allen  Heften  streng  zu  halten, 
und  bleibt  dem  Ermefäpn   des  Uectors  überlafsen,   solche  Schüler  der 
obern  Classen,    welche  darin  nachläfsig  oder  einer  Nachhilfe  noch  be- 
dürftig  sind,    dem  Schrei blehrcr   zum   Unterricht    und  zur  Uebung    in 
aufserordentlichen  Stunden  zuzuweisen.     Unterricht  im  Gesang  und  in 
der  Musik,  im  Zeichnen,  Turnen  und  Schwimmen  wird  nach  Mafsgabe 
des  Begehrens,   der   iMittel   und   der  Gelegenheit  ertheilt.    $.  25«  Die 
Wahl  der  erforderlichen  Bücher  ist  dem  Lehrerrathe  aus  der  Zahl  der 
von  dem  k.  StaatHministeriiim  des  Innern   für  Kirchen-  und  Schul-An- 
gelegenheiten  gebilligten  Jahrbücher  gestattet.    Die  einmal  eingeführten 
Lehrbücher   dürfen   unter   fünf  Jahren   nicht  gewechselt   werden,    Die^ 
für   den   Religionsunterricht    bestimmten   Lehrbücher   sollen    von    den 
kirchlichen  Oberbehörden  approbiert  sein.     §•  28*  Den  in  den  vorher- 
gehenden SS'    bezeichneten  Unterrichtsgegenständen  sollen  in  jeder  der 
vier  Classen  22  Stunden   wöchentlich  gewidmet  werden.    Zwei   Nach- 


litterarisohe  and  antiquarische  Miscellen.  213 

mittage  in  der  Woche  sind  Tom  Schnlnnterricht  frei.  f.  27«  Die 
Standen  yert heilen  sich  in  folgender  Art:  le  und  2e  Clause:  Religion 
2,  Latein  10,  Deutsch  3,  Arithmetik  5,  Geographie  2,  Kalligraphie  2 
Standen.  3e  Classe:  Religion  2,  Latein  8,  Griechisch  5,  Deutsch  2, 
Arithmetik  2,  Geschichte  2  Stunden,  Geographie  1  Stunde.  4e  Classe: 
Religion  2,  Latein  8,  Griechisch  6,  Deutsch  2,  Arithmetik  2,  Geschieht« 
2  Stunden,  Geographie  1  Stunde. 

Tit.  IV.  Von  der  Kintheilung  des  Schuljahres,  der  Aufnahme  und 
dem  Fortgang  der  Schüler.  §•  28*  Das  Schuljahr  beginnt  für  die 
lat.  Schule  mit  dem  1.  October  und  endet  das  erste  Semester  am 
Dienstag  vor  dem  Ostersonntag.  Das  zweite  Semester  beginnt  an 
Donnerstag  in  der  Osterwoche  und  schliefst  am  8.  August.  Aufser 
den  dadurch  bezeichneten  Ferien  zwischen  beiden  Semestern  soll  die 
Schule  nur  an  Sonn-  und  Feiertagen  geschiofsen  sein.  §•  29«  Die 
Aufnahme  in  die  le  Ciasse  der  lat.  Schule  ist  durch  eine  Prüfung 
bedingt,  in  welcher  der  Schuler  nachzuweisen  hat,  dafs  er  einen  sei- 
nem Alter  entsprechenden  Religionsunterricht  genofsen  und  den  in  den 
obern  Abtheilungen  der  deutschen  Schule  behandelten  Lehrstoff  sich 
angeeignet  habe,  dann  .dafs  er  in  den  einfachen  Rechnungsarten  und 
in  den  lateinischen  Declinationen  geübt  sei.  §•  30«  Das  Alter  zum 
Eintritt  in  die  le  Classe  der  lat.  Schule  wird  auf  das  vollendete  lOe 
bis  incl.  13e  Lebensjahr  festgesetzt.  Dispensationen  über  dieses  Alter 
hinaus  kann  nur  die  k.  Kreisregierung  ertheilen.  Der  Eintritt  von 
Knaben,  welche  das  lOe  Lebensjahr  noch  nicht  vollendet  haben,  ist 
nur  bei  besonders  früher  körperlicher  und  geistiger  Entwicklung  zu- 
läfsig,  und  erfordert  eine  Altersdispense,  welche  unter  der  eben  an- 
gedeuteten Voraussetzung  der  Rector  zu  ertheilen  befugt  ist.  $•  ^1* 
Die  Aufnahme  in  eine  höhere  Classe  hängt  davon  ab,  dafs  der  Schüler 
den  Anforderungen  der  vorausgehenden  Classe  vollständig  genügt  hat. 
Bei  den  aus  dem  Privatunterricht  eintretenden  Schülern  entscheidet 
eine  von  dem  Lehrerrath  zu  haltende  Prüfung,  bei  den  Schülern  der 
Anstalt  selbst  das  von  dem  Lehrerrath  gefällte  Urtheil  über  ihre 
Reife.  Das  Aufsteigen  nicht  hinreichend  befähigter  Schüler  ist  mit 
rncksichtloser  Strenge  zu  verhindern.  Schüler,  deren  Befähigung  oder 
Nichtbefahigung  zum  Aufsteigen  am  Schlufse  des  Jahres  noch  zweifel- 
haft geblieben  ist,  sind  am  Anfange  des  nächsten  Schuljahres  einer 
Prüfung  zn  unterwerfen,  und  wenn  sie  diese  nicht  nach  dem  Urtheil 
des  Lehrerrathes  befriedigend  bestehen,  in  die  nächst  untere  Classe 
zurückzuweisen.  Das  Ueberspringen  einer  Classe  der  lat.  Schule  ist 
nur  ausnahmsweise  bei  vorgerücktem  Alter  und  besonders  ausgezeich- 
neter Befähigung  zu  gestatten.  Die  Entscheidung  darüber  steht  der 
k.  Kreisregierung  nach  eingeholtem  Gutachten  des  Rectorates  zu.  Wer 
nach  zweijährigem  Besuche  einer  Classe  zum  Uebertritt  in  die  nächst 
höhere  sich  nicht  befähigt,  ist  von  der  Anstalt  zu  entfernen;  ebenso 
auch  derjenige ,  der  die  nächst  untere  Classe  repetiert  hat  und  nun 
die  nächst  höhere  wieder  repetieren  müste.  $•  ci2*  Zur  Bestimmung 
der  Fortgangsplätze  dienen  als  hauptsächlichste  Grundlage  die  schrift- 
lichen Schularbeiten.  Im  Lateinischen  und  Griechischen  kommen  dazu 
die  in  den  ^^  17  und  19  bezeichneten  Scriptionen  in  Anwendung. 
Aus  dem  Deutschen  findet  in  jedem  Monat  einmal ,  und  aus  jedem  der 
übrigen  Fächer  in  jedem  Semester  zweimal  eine  besondere  Schulscrip- 
tion statt.  Aufser  diesen  schriftlichen  Schularbeiten  sind  am  Schlufs 
des  Jahrs  auch  die  Noten  aus  den  mündlichen  Leistungen  in  den  ein- 
zelnen Lehrgegenständen  so  weit  in  Rechnung  zu  bringen,  dafs  sie, 
wenn  in  den  schriftlichen  Arbeiten  bei  zwei  oder  mehreren  Schülern 
eine  Gleichheit  oder  nur  ein  sehr  geringer  Unterschied  besteht,  den 
Aasschlag  geben.    §.  33.    Für  die  3  untern  Classen  der   lat.   Schule 


214    Schul-  und  Porsonalnachrichten ,  statistische  Mittheilangen, 

findet  am  Schlnrs  des  Jahrs  in  Gegenwart  des  Rectors  und  des  Leh- 
rers der  nnchtit  liohern  Classe  eine  öffentliche  Prüfung  statt ,  %n  wel- 
cher das  Publicum  einzuladen  ist.  C.  9i»  Für  die  Schuler  der  4n 
Classe  der  tat.  Schule,  welche  in  das  Gymnasium  Eintreten  wollen, 
hat  am  Anfang  des  Schuljahrs  vor  dem  Lehrercollegium  des  Gjoiiu- 
sinms  unter  Beiziehung  des  Lehrers  der  4n  CI.  der  lat.  Schule,  der 
jedoch  bei  der  Abstimmung  nur  eine  berathende  Stimme  hat,  eine 
Prüfung  stattzufinden,  welche  schriftlich  und  mundlich  sein  und  alle 
Lehrgegenstande  der  lat.  Schule  umfafsen  soll.  Wer  nicht  in  den 
alten  Sprachen  das  für  die  lat.  Schule  bestimmte  Mafs  Ton  Kennt- 
nissen vollständig  besitzt,  aufserdcm  nicht  zugleich  in  allen  übrigen 
Lehrfachern  befriedigt,  und  ein  entsprechendes  religiossittliches  Ver- 
halten nachweist,  soll  die  Erlaubnis  zum  Uebertritt  in  das  Gymna- 
sium nicht  erhalten.  Sämmtliche  Mitglieder  der  Commission  sind  f6r 
die  strenge  und  unparteiische  Vollziehung  dieser  Bestimmungen  fer- 
antwortlich.  —  Für  diejenigen  Schüler  der  vierten  Classe,  welche 
nicht  in  das  Gymnasium  eintreten,  sondern  einem  andern  Berufe  sich 
widmen,  und  ein  Schlnfszeugnis  über  Vollendung  der  lat.  Schule  erhalten 
wollen ,  wird  am  Knde  des  Schuljahrs  eine  besondere  schriftliche  nnd 
mündliche  Prüfung  gehalten,  an  welcher  sich  der  Vorstand  und  sämmt*- 
liehe  Classlehrer  der  lateinischen  Schule  zu  betheiligen  und  über  das 
Ergebnis  derselben  Beschlufs  zu  fafsen  haben.  Die  Motive  der  Be- 
sclilufsfafsung  über  diese,  so  wie  über  die  Prüfung  zur  Aufnahme  in 
das  Gymnasium  sind  in  einem  ausfuhrlichen  ProtocoU  niederzulegen, 
ff.  33*  Am  Schlufs  des  Jahrs  wird  durch  einen  gedruckten  Katalog, 
der  die  Namen  der  Schuler  nebst  Angabe  ihres  Alters  und  Geburts- 
ortes, dann  des  Standes  und  Wohnortes  ihrer  Kitern  enthält,  der 
Fortgang  der  Schüler  im  allgemeinen  und  in  den  einzelnen  Fachern 
bekannt  gemacht.  Bei  der  Berechnung  des  allgemeinen  Fortgangs  wird 
der  Fortgangsplatz  in  der  lateinischen  Sprache  4fach,  in  der  grie- 
chischen und  deutschen  Sprache  3fach,  in  der  Mathematik  und  Ge- 
schichte 2fach,  in  der  Geographie  Ifach  in  Anschlag  gebracht.  Die 
Fortschritte  in  der  Religion^lehre  werden  bei  dem  allgemeinen  Fort* 
gang  zwar  nicht  in  Berechnung  gezogen,  aber  in  dem  Jahreskataloff 
aufgeführt  nnd  durch  Noten  mit  den  römischen  Ziffern  T,  U,  TfT  und 
TV  ausgedrückt.  j|.  36*  Jahreszeugnisse  mit  Noten  über  Fähigkeiten, 
sittliches  Betragen,  Fleifs  und  Fortgang  sollen  allen  Schülern,  Cen- 
suren  aber  nur  denjenigen  ausgefertigt  werden,  1)  welche  an  eine 
andere  Anstalt  übertreten,  oder  2)  deren  Eltern  oder  Verwandte  die 
nähere  Ang:»be  darüber  verlangen,  endlich  3)  deren  Fleifs  nnd  Betra- 
gen tadelhaft  gewesen  ist.  —  Tm  letzten  Falle  sind  diese  Censuren 
den  Eltern  oder  Verwandten  znzuschliefsen.  Die  Stufenfolge  der  No- 
ten ist: 

Fähigkeiten:       Sittliches  Betragen:       Fleifs:       F^ortgang: 
I.  Note:      sehr  viele,  sehr  lobenswürdig,    sehr  grofs,    sehr  gut, 

?.     „  viele,  lobenswürdig,  grofs.  gut, 

8.     „  hinlängliche,  befriedigend,^  genügend,  mittelmafaig, 

4.     „  schwache,  nicht  tadelfrei,  wenig,  gering. 

Die  Lehrer  sind  verpflichtet,  bei  Ertheilung  dieser  Noten  streng 
und  gewiTsenhaft  zu  verfahren  und  keinem  Schüler  höhere  Praedicate 
zu  ertheilen,  als  ihm  mit  vollem  Recht  gebühren.  §•  ;i7>  Zugleich 
werden  in  jeder  Classe  aus  dem  allgemeinen  jährlichen  Fortgang  Preise 
in  der  Art  vertheilt,  dafs  auf  je  8  Schüler  ein  Preis  trifft.  Wer  nicht 
wenigstens  die  zweite  Note  im  sittlichen  Betragen  sich  erworben  hat, 
erhält  keinen  Preis.  Aus  der  Religion  wird  ein  besonderer  Preis  ge- 
geben. Derselbe  darf  aber  nur  demjenigen  Schüler  luerkannt  werden, 
welcher   neben   gründlichen   Kenntnissen   in    diesem    wichtigen    Lehrw 


litlerarische  und  antiquarische  Miscelien.  215 

tweige  in  Riickaicht  «nf  Frömmigkeit  und  religiöse  Gesinnung  ent- 
schieden den  Vorrang  unter  seinen  Mitschülern  behauptet. 

Tit.  V.  Von  der  ScIinlKucht.  §•  ;I8*  Jeder  Lehrer  ist  zunächst 
für  die  Zucht  und  Ordnung  in  seiner  Classe  Terantwortlich  und  ver- 
pflichtet, den  Fleifs  'und  die  Sittlichkeit  seiner  Schüler  zu  überwa- 
chen. Er  hat  aber  auch  ihr  Verhalten  aufserhalb  der  Schule  nicht 
aufser  Augen  zu  lafsen,  und  sich  mit  den  filtern  oder  deren  Stellver- 
tretern deshalb  ins  geeignete  Benehmen  zu  setzen.  Zur  Handhabung 
der  Disciplin  stehen  ihm  die  in  den  Schulsatzungen  festgestellten  Straf- 
mittel zu  Gebote.  Bei  Carcerstrafen  ist  jedoch  die  Zustimmung  des 
Rectors  erforderlich.  Die  Dimission  (fintfernung  von  der  Anstalt)  kann 
nur  durch  einen  wenigstens  mit  3  Drittheilen  der  Stimmen  gefafsten 
Beschlufs  des  Lehrerrathes  verhängt  werden,  wogegen  keine  Berufung 
stattfindet.  Die  Exclnsion  (Ausschliefsung  von  sämmtlichen  Anstalten) 
wird  mit  Ausnahme  des  in  $.39  bestimmten  Falles  auf  Antrag  des 
Lehrerrathes  von  der  k.  Kreisregierung  verfugt.  §•  99»  Der  Einmal 
dimittierte  kann  an  einer  andern  Anstalt,  doch  nicht  an  demselben 
Orte  wieder  aufgenommen  werden.  Schuler,  die  zum  zweitenmal  di- 
mittiert  wurden,  können  nur  zu  einem  letzten  Versuche  nach  Verlauf 
eines  Jahres  die  Wiederaufnahme  an  einer  andern  Anstalt  nachsuchen. 
Kin  Schüler,  gegen  welchen  zum  drittenmal  die  Dimi«sionsstrafe  aus- 
gesprochen wird,  ist  als  excludiert  zu  betrachten.  f>  40*  Der  Rector 
(Subrector)  hat  mit  allen  geeigneten  Mitteln  dahin  zu  wirken,  dafs 
in  dem  Unterricht  wie  in  der  Schulzucht  überall  vorschriftsmäfsig 
verfahren  werde.  Namentlich  hat  er  über  die  an  dem  Studienorte 
nicht  einheimischen  Schüler  strenge  Aufsicht  zu  führen  und  darauf  zu 
sehen,  dafs  dieselben  nur  in  solchen  Häusern  wohnen  oder  ihre  Kost 
nehmen,  die  er  dazu  für  geeignet  erklärt  hat.  Derselbe  ist  verpflichtet, 
zu  Anfang  eines  jeden  Semesters  sich  mit  den  Lehrern  über  die  Gegen- 
stände und  den  Gang  des  Unterrichts  zu  berathen,  den  Unterricht  in 
den  einzelnen  Classen  von  Zeit  zu  Zeit  zu  besuchen  und  sich  über 
Ordnung  und  Methode  desselben  Kenntnis  zu  verschafl'en.  Am  Scblu fs 
eines  jeden  Monats  hat  er  sich  von  jedem  Classenlehrer  die  sämmt- 
lichen, sowohl  Schul-  als  Hausaufgaben,  welche  nach  genommener 
Einsicht  wieder  zurückzugeben  sind,  nebst  einer  Tabelle  über  die 
Fortschritte  der  Schüler  im  Lateinischen,  Griechischen  und  Deut- 
schen, dann  ihre  Fleifses-  und  Sittennoten  vorlegen  zu  lafseu.  Die 
Zahl  der  Lehrerconferenzen  wird  durch  das  Bedürfnis  bestimmt;  jeder 
Lehrer  hat  das  Recht,  in  Schulangelegenheiten  den  Rector  zu  einer 
allgemeinen  Versammlung  der  Lehrer  zu  veranlaf^en,  in  welcher  jeder 
seine  Bemerkungen,  Anfragen  und  Wünsche  der  Berathung  unterwer- 
fen kann.  Die  Protocolle  darüber  werden  von  allen  Tbeilnehmern 
unterzeichnet  und  mit  dem  Jahresberichte  der  k.  Kreis regi er ung  vor- 
gelegt. 

Tit.  VI.  Von  den  Srhulvitiitationen  und  den  Beziehungen  der  An- 
stalt zur  k.  Kreisregiernng.  J.  41*  Um  die  Einhaltung  des  Lehrpla- 
nes, den  Unterricht  und  die  Aiicht  zu  gewährleisten,  sollen  von  Zeit 
SU  Zeit  in  allen  Kreisen  Visitationen  sämmtlicher  lat.  Schulen  gehal- 
ten werden.  $•  42*  Bei  diesen  Visitationen  sind  die  Zustände  der 
Anstalten,  so  wie  deren  Bedürfnisse  genau  zu  untersuchen,  und  wo 
Misstände  sich  zeigen,  ist  schleunige  Abhilfe  entweder  sogleich  an  Ort 
nnd  Stelle  zu  treffen  oder  weiter  zu  veranlafsen.  §•  43*  Die  nicht 
mit  einem  Gymnasium  verbundenen  lat.  Schulen  sollen  dem  Rector  eines 
der  nächsten  Gymnasien  zur  Oberleitung  zugewiesen  werden,  welcher 
nach  Bedürfnis  von  den  Zuständen  der  Schule  Einsicht  lu  nehmen 
nnd  das  erforderliche  vorzukehren  hat.  §•  44*  Die  k.  Kreisregiernng 
ibt  über  die  lat.  Schule,  unbeschadet  deren  innerer  Selbständigkeit,  das 


216    Schul  -  und  Personalnachrichten,  statistische  Mittlieilnngeo, 

Oberaiifsiclitsrecht  aus.  Am  Schlors  des  Jahrs  hat  der  Rector  an  die- 
selbe über  den  Gejtainintzustand  und  die  Bedürfnisse  der  Schale  ans- 
führlichen  und  wohl  motivierten  Bericht  zu  erstatten. 

B.  Von  dem  Gymnasium.  Tit.  VII.  Allgemeine  Bestimninn- 
gen.  §•  45«  Das  Gymnasium  hat  die  Bestimmung,  die  iu  der  lateini- 
schen Schule  begonnene  Bildung  in  allen  Zweigen  so  fortxu führen,  dafs 
die  Schüler  in  ihrer  religiossittlichen  und  geistigen  Entwicklung  ge- 
hörig gekräftigt  und  zum  Uebertritt  an  die  UniTersitat  gründlich  Tor- 
bereitet  werden.  §.  46*  Es  soll  deshalb  in  ihm  die  christliche  Bil- 
dung der  Schüler  durch  fortgesetzte  Unterweisung  im  Christenthnm, 
<lurch  Uebung  und  Zucht  tiefer  und  fester  begründet  werden.  Der 
Sprachunterricht  ist  zu  einem  wohlbegründeten  und  umfafsenden  Stn- 
dium  der  lateinischen,  griechischen  und  deutschen  Litteratnr  zu  stei- 
gern und  zugleich  durch  Ausdehnung  auf  Poetik  und  Rhetorik,  sowie 
durch  Vorbereitung  auf  das  Studium  der  Philosophie  yermittelst  der 
Leetüre  philosophischer  Schriften  von  Griechen  und  Römern  zu  er^ 
weitern.  Der  Unterricht  in  der  französischen  Sprache,  welcher,  wo 
das  Bedürfnis  dringend  ist,  ausnahmsweise  und  facnltativ  schon  an 
der  lat.  Schule  begonnen  werden  kann ,  ist  in  dem  Gymnasium  obliga- 
torisch; die  Geschichte  ist  umfafsender  zu  behandeln;  die  Mathematik 
soll  auf  Geometrie  und  Trigonometrie  erstreckt  und  mit  Physik  ver- 
bunden werden.  §•  47*  Das  Gymnasium  besteht  ans  vier  Classen. 
Eine  jede  Classe  hat  ihren  eignen  Lehrer,  welcher  den  Namen  'Gym- 
nasialprofessor' führt.  Mit  gleicher  Benennung  bestehen  besondere 
Lehrer  für  die  Religion  und  die  Mathematik.  §*48>  Einer  der  ordent- 
lichen Lehrer  der  beiden  obern  Classen  ist  zugleich  Rector  der  An- 
stalt. Zu  seiner  Erleichterung  und  nach  seinem  Ermefsen  zur  Unter- 
stützung der  andern  Lehrer  wird  ihm  als  Assistent  ein  geprüfter  Lehr- 
amtscandidat  beigegeben.  Ist  ein  Lyceum  an  dem  Orte,  so  kann  der 
Rector  oder  ein  Professor  desselben  auch  Rector  der  übrigen  Anstal- 
ten sein.  Bei  Ueberfüilung  einer  Classe  findet  der  $.  4  analoge  An- 
wendung. 

Tit.  VIII.  Von  dem  Unterricht  im  Gymnasium.  *  f.  49«  Der  Un- 
terricht in  der  Religionslehre  soll,  wie  an  der  lat.  Schule,  am  Gymn. 
nach  den  Grundsätzen  der  beiden  christlichen  Confessionen  ertheilt,. 
und  kann  damit  die  Lesung  einzelner  Schriften  des  N.  T.  in  der  Ur- 
sprache verbunden  werden.  Ueber  die  Befugnisse  der  kirchlichen  Be- 
hörden in  Beziehung  auf  den  Religionsunterricht  haben  die  eiuhchla- 
genden  gesetzlichen  Bestimmungen  Mafs  zu  geben.  In  Bezug  auf  För- 
derung des  religiösen  Sinnes  und  Lebens  finden  die  SS»  ^  und  10  anrh 
auf  das  Gymn.  volle  Anwendung.  $.  50*  Da  bei  dem  Unterricht  in 
der  altclassischen  Litteratnr  die  möglichst  vollständige  Kenntnis  des 
formellen  und  technischen  vorausgesetzt  wird,  hat  das  Gymn.  die  Auf- 
gabe, tiefer  in  den  Geist  der  Sprachen  einzuführen  und  vermittelst 
einer  zweckmafsig  angeordneten  und  sorgfältig  geführten  Lesung  der 
Autoren  den  Jüngling  während  dieser  4  Jahre  mit  dem  ihm  zuging« 
liehen  besten  Theile  der  classischen  Liiteratur  vertraut  zu  machen. 
$•  dl*  Die  alten  Autoren  sollen  deshalb  mit  Rücksicht  auf  das  jugend- 
liche Alter  ge%\ählt  und  in  einer  naturgemafsen  Ordnung  nacheinander 
erklärt  werden,  so  dafs  man  von  den  Historikern  zu  den  Rednern  und 
Philosophen,  von  den  Epikern  zu  den  Lyrikern  und  Dramatikern  fort- 
schreitet. $•  52>  Die  Schüler  sind  bei  der  Erklärung  des  einzelnen 
nicht  länger  aufzuhalten,  als  die  Lösung  der  Schwierigkeiten  durch- 
aus  erfordert,  und  die  Lehrer  sollen  bedenken,  dafs  sie  nicht  darauf 
ausgehen  dürfen,  Grammatiker,  Kritiker,  Archaeologen  zu  eniehen, 
sondern  durch  sorgfaltig  gewählte  Mittheilungen  aus  den  Schätsen 
ihrer  Discipiin  und  durch  grundliche  Methode  ein  genaues,  die  Form 


lillerarisehe  und  aBtiqaarische  Misoellen.  217 

«ad  den  Gebt  der  alten  Aatoren  gleichmirsiff  amfafiendel  Ventind- 
nif  derselben  lu  begründen  and  dadarch  den  Sinn  für  das  gnte,  wahre 
and  «chone  au  bilden  and  lu  starken.  Demnach  ist  die  Enclarnng  anf 
dasjenige,  was  inm  Verstebn  unentbehrlich  ist,  einsnschranken,  Yor- 
angliche  Aafmerksaaikeit  aber  auf  die  Folge  and  Verbindung  der  Ge- 
danken und  die  Composition  eines  ganien  Werks  au  richten;  bei  dem 
Uebersetaen  sind  die  Schaler  unabläfsig  anauhalten,  nicht  allein  nach 
den  entsprechenden,  sondern  auch  nach  einem  schonen  and  fliefsenden 
deutschen  Ausdruck  au  streben.  Kinielne  besonders  lehrreiche  and 
anziehende  Stellen  der  gelesenen  Autoren  sollen  f  on  den  Schalem  dem 
Gedächtnis  eingeprägt  werden.  §•  53*  Diesen  Zweck  zn  erreichen, 
soll  aafser  der  gewöhnlichen  statarischen  Liecture  eine  cursorische  in 
der  Art  stattfinden,  dafs  der  in  der  untern  Classe  erklarte  Autor  in 
der  nachfolgenden  zusammenhangend  und  wo  möglich  im  ganzen  ge- 
lesen werde.  In  der  In  Gvmnasialclasse  konneu  Caesaris  commentarii 
de  belle  Gallico,  in  welche  die  4e  Gl.  der  lat.  Schule  zunächst  in 
sprachlicher  Rücksicht  eingeführt  hat,  ToUständig  gelesen  und  histo- 
nsch  erklärt  werden.  Bei  der  alten  Geschichte  sind  Justinns  und  die 
Lebensbeschreibungen  des  Cornelius  Nepos  mit  den  nothigen  histori- 
schen Erläuterungen  an  Tergleichen;  ebenso  kann  in  der  3n  Gymna- 
sialclasse  eine  grofsere  Anzahl  Ton  Büchern  des  Livius  im  Zusammen- 
hang erläutert  und  dadurch  der  Sinn  für  Geschichte  und  deren  rich- 
tige Behandlung  geweckt  und  geschärft  werden.  Durch  das  Studium 
der  historischen  Litteratur,  als  der  leichtern  und  anziehendem,  sollen 
die  Schüler  zu  der  poetischen,  rhetorischen  und  philosophischen  ge- 
führt und  die  geeigneten  griechischen  Autoren,  ähnlich  den  lateini- 
schen, cursorisch  behandelt  werden.  Eine  solche  cursoriscbe  Leetüre' 
wird  jedoch  nur  dann  fruchtbringend  und  der  Jugend  an^enehm^  wer- 
den, wenn  der  Lehrer  selbst  durch  ein  genaues  Studium  mit  den 
betreffenden  Autoren  Yertraat,  das  wichtige  und  belehrende  hervorzu- 
heben, die  Jünglinge  in  den  Geist  des  Alterthums  und  damit  zugleich 
in  den  der  neuen  Litteratur  einzuführen  versteht,  f.  54«  Der  Ge- 
brauch von  Chrestomathien  und  Anthologien  am  Gymn.  ist  nicht  unter- 
sagt, doch  sollen  vorzugsweise  ganze  Werke  der  Schriftsteller  mit 
Uebergehung  derjenigen  Stücke  gelesen  werden,  deren  Inhalt  für  das 
jugendliche  Alter  nicht  geeignet  ist.  In  einer  Classe  mehr  als  2  lat. 
und  2  eriech.  Schriftsteller  in  statarischer  Leetüre  nebeneinander  za 
lesen,  ist  nicht  gestattet.  §•  55*  Nach  diesen  Grundsätzen  werden 
aur  Auswahl  der  Lehrer  vorgeschrieben:  A.  für  die  le  Classe:  1)  im 
Lateinischen:  Caesar  de  hello  civili,  Curtius,  Cicero  de  senectute,  de 
amicitia;  Stücke  aus  den  Elegien  und  Metamorphosen  des  Ovidius; 
zur  cursorischen  Lectfire:  Caesar  de  hello  Gallico  und  Justinus.  2)  im 
Griechischen:  Xenophons  Anabasis,  Homers  Odyssee.  B.  für  die  2e 
Classe:  1)  im  Lateinischen:  Livius,  Sallustius,  die  Fasti  des  Ovidius, 
ausgewählte  Stacke  ans  den  Elegikern,  Virgils  Aeneis;  zur  cnrsori- 
achen  Leetüre :  Curtius.  2)  im  Griechischen :  die  Kyropaedie  und  Hel- 
lenica  des  Xenophon,  Plutarchs  Biographien,  Arrianus  (Attica  von 
Jacobs),  Homers  Ilias ;  zur  cursorischen  Lectfire :  die  Ilias  oder  Odys- 
see. C.  für  die  3e  Classe:  1)  im  Lateinischen:  Ciceros  Reden,  Aus- 
wahl aus  dessen  Briefen,  das  zehnte  Buch  des  Quintilian,  Virgils  Bu- 
colica,  die  in  dem  Central- Schulbücher- Verlag  erschienenen  Carmina 
aelecta  des  Horatius  und  die  Epistola  ad  Pisones;^  zur  carsorischen 
Leetüre:  Livius,  Sallastius,  die  Aeneis.  2)  im  Griechischen:  Reden 
dea  Isokrates,  Lykurg  und  Lysias,  Herodot,  Xenophons  philosophi- 
sche Schriften,  Euripides;  cursorisch:  die  Ilias.  D.  für  die  4e  Classe: 
1)  im  Lateinischen:  Ciceros  Reden,  dessen  rhetorische  nnd  philoso- 
phische Schriften,  Senecas  kleinere  philosophische  Schriften  nhd  Briefe, 

if.  Jakri,  f,  PUL  u.  Pmd.  Bd.  LXX.  Bfl.  2.  15 


208  Abwehr. 

Abwehr. 

Dars  die  neuliche  Besprechung  meiner  'Hadeiilcappe'  in  diesen  Jahrbü- 
chern Bd.  LXIX  S.  675  ff.  durch  Hrn.  Prof.  Schwende  nur  der  Ausdruck 
einer  entgegenstehenden  Ansicht  ist,  über  welche  wir  beide  die  Entschei- 
dung andern  Richtern  uberlafsen  mufsen,  liegt  am  Tage,  und  wenji  ich 
allen  Lesern  jener  auch  meine  Schrift  als  bekannt  voraussetzen  durfte, 
würde  ich  kein  Wort  weiter  hinzufügen;  insofern  jedoch  der  Ton 
jener  Anzeige  manchen  Terleiten  konnte,  sich  daraus  allein  auch  über 
meine  Schrift  ein  Urtheil  zu  bilden,  bin  ich  es  mir  schuldig  wenig- 
stens an  einem  Beispiele  zu  zeigen,  wie  wenig  sie  dazu  angethan  ist. 
Ein  Haupttrnmpf,  den  Hr.  Schwenck  gegen  mich  ausspielt,  ist  S.  677, 
dafs,  indem  ich  Perseus  für  einen  Sonnengott,  seinen  Helm  für  daa 
Symbol  der  Finsternis  halte,  ich  'einer  Gottheit  ihr  Gegentbeil  sinn- 
bildlich auf  das  Haupt  gesetzt  habe';  und  wenn  ich  diesen  Helm  für 
Perseus  eigenes  Symbol  erklärt  hatte,  so  würde  ich  den  Spott,  den 
er  daran  knüpft,  Yollig  Terdient  haben;  nun  aber  sage  ich  kuri  Tor 
der  von  ihm  aus  dem  Zusammenhang  gerifsenen  Schlufsstelle  wortlich 
folgendes:  ^Perseus  der  Sonnenheld  mit  dem  Helme  der  Finsternis  als 
personlichem  Attribut,  wäre  ein  innerer  Widerspruch;  ist  ihm  aber 
derselbe  nur  geborgt,  so  ist  er  eine  neue  Variante  zu  dem  alten 
Liede:  durch  Nacht  zum  Licht*;  und  wenn  also  mein  Beurtheiler  ge- 
rade diesen  Grundgedanken  meiner  ganzen  Abhandlung,  dafs  die  orien- 
talische Kopfbedeckung  des  Perseus,  als  zu  seiner  übrigen  Person 
nicht  passend,  nur  als  geborgt,  nicht  als  sein,  sondern  als  des 
Hades  Helm  zu  betrachten  sei,  so  gröblich  verkannt  bat,  so  wird  ea 
mir«  erlaubt  sein  auch  sein  weiteres  Referat  als  unzulänglich  zu  .per- 
horrescieren. 

Gottingen.  K,  Fr,  Hermann, 

Hr.  Professor  Hermann  verkennt  im  Eifer  das,*  was  ich  gegen  ihn 
gesagt  habe,  sehr  gröblich.  An  seiner  Variante  des  'durch  Nacht  zum 
Licht'  kann  so  lange  ganz  und  gar  nichts  liegen,  als  er  nicht  nach- 
weist, dafs  es  eine  Symbolik  gibt,  welche  diesen  oder  einen  ähnlichen 
Gedanken  in  der  von  ihm  bei  Perseus  angewandten  Weise  darstellt. 
Eigen  besitzen  oder  borgen  macht  in  Hinsicht  auf  die  Darstellung  de« 
Gedankens  nichts  aus,  und  es  liegt  Hrn.  Hermann  ob,  eine  solche 
wunderbare  Symbolik  zu  beweisen,  welche  durch  die  Phrase  'durch 
Nacht  zum  Licht'  nicht  bewiesen  ist.  Dafs  diese  Stelle  ein  Haupt- 
trumpf sei,  bemerkt  er  irthümlich,  denn  ich  habe  eeflifsentlich  keinen 
Trumpf  gegen  ihn  ausgespielt  aus  Gründen,  die  ich  hier  um  so  mehr 
übergehe,  als  er  sagt,  dafs  er  mein  'Referat  als  unzulänglich  perhor- 
resciere'.  Statt  Hrn.  Hermanns  archaeologische  und  mythologische 
Kundgebungen  meinerseits  als  unzulänglich  zu  perhorrescieren  und  von 
ihm  zu  verlangen,  er  möge  Beweise  für  die  Hauptsachen  seiner  Ha- 
deskappe liefern,  statt  in  einem  minder  wichtigen  Punkte  mich  fälsch- 
lich eines  Mis^verstehens  seiner  Meinung  oder  wohl  noch  eines  ärgeren 
zu  zeihen,  wünsche  ich  ihm  für  die  Hadeskappe  als  Nachtkappe  und 
für  den  Gorgoschrecken  der  Morgenkühle  u.  a.  m.  den  Beifall  vieler 
Menschen,  denn  warum  sollte  ich  ihm  nicht  gutes  für  eine  Schrift 
wünschen,  welche  mir  eine  kurze  Erheiterung  gewährte V  Spotten  " 
wollte  ich  seiner  so  wenig,  dafs  ich  betheure,  mir  bei  Abfafsung  der 
ReceuMon  allen  Zwang  in  dieser  Hinsicht  angethan  zu  haben. 

Frankfurt  a.  M.  Konrad  Schwenck, 


Schul-  und  Personalnachrichtcn  u.  s.  w.  209 

Schul-  und  Personalnachrichten ,  statistische  Miltheilungen, 
lilterarische  und  antiquarische  Miscellen. 


Amberg.  Auf  die  durch  Beförderung  des  Studienlehrers  Georg 
Krk  (s.  unter  Straubing)  erledigte  Lehrstelle  an  der  dortigen  Latein- 
schule wurde  der  Studienlehrer  zu  Bamberg  Valentin  Meyring 
'Versetzt. 

Bamberg.  Auf  die  an  der  dortigen  Lateinschule  erledigte  unterste 
Lehrstelle  (s.  unter  Amberg)  wurde  der  geprüfte  LehramUcandldat 
Ignaz  Schrepfer  befordert. 

KÖNIGREICH  Bayern.  An  die  Stelle  der  Schulordnung  Tom  13. 
März  1830  ist  durch  Verordnung  des  kon.  Staatsministeriums  de« 
Innern  für  Kirchen-  und  Schulangelegenheiten  vom  24.  Februar  d.  J. 
folgende  'revidierte  Ordnung  der  lateinischen  Schulen  und  der  Gym- 
nasien im  Königreich  Bayern'  getreten: 

Tit.^  L  Arten  der  Lehranstalten.  §.  !•  Für  die  höhere  allge- 
meine Bildung  der  Jagend,  zu  welcher  der  Grund  einerseits  durch  die 
tiefere  Erkenntnis  und  Bewahrung  des  Christenthums,  so  wie  andrer- 
seits hauptsächlich  durch  das  Studium  der  Sprachen  und  der  Litte- 
ratur  des^  classischen  Alterthums  gelegt  wird ,  sollen  lateinische  Schu- 
len und  über  denselben  Gymnasien  bestehen. 

A.  Von  der  lateinischen  Schale.  Tit.  II.  Allgemeine  Bestim- 
mungen. €•  2.  Die  lateinische  Schule  hat  den  Zweck,  die  im  §,  1  be- 
zeichnete Bildung  auf  ihrer  ersten  Stufe  zu  begründen  und  die  Schuler 
für  die  am  Gymnasium  zu  erlangende  höhere  Bildung  vorzubereiten« 
Nach  diesem  Zwecke  richtet  sich  Stoff,  Umfang  und  Art  des  Unter- 
richts. An  diesem  Unterricht  können  auch  solche  Knaben  Theil  neh- 
men, welche  das  Gymnasium  zu  besuchen  nicht  beabsichtigen.  §•  3* 
Die  tat.  Schule  besteht  aus  vier  Classen  und  ist  mit  jedem  Gymna- 
sium verbunden,  kann  aber  auch  nach  Mafsgabe  des  Bedürfnisses  für 
sich  bestehen.  §•  4*  Jede  der  vier  Classen  hat  ihren  eignen  Lehrer, 
welcher  den  Namen  'Studienlehrer'  führt.  Haben  sich  für  eine  CIuksc 
mehr  als  50  Schüler  gemeldet,  so  wird  nach  Mafsgabe  des  Bedürf- 
nisses dem  Lehrer  entweder  ein  Aushilfslehrer  beigegeben,  .oder  die 
Trennung  der  Classe  in  Paralleicurse  eingeleitet.  {•  B*  Vorstand  der 
mit  einem  Gymnasium  verbundenen  lat.  Schale  ist  der  Rector  des 
Gjrmnasiums,  welchem  an  zahlreich  besuchten  Anstalten  zur  Unter- 
statzung in  seinem  Wirkungskreise  aus  dem  Lehrergremium  ein  Con- 
rector  beigegeben  wird.  An  der  für  sich  bestehenden  vollständigen 
lat.  Schule  ist  ein  Lehrer  der  beiden  obern  Classen  zugleich  Vorstand 
der  Anstalt  (Subrector).  ^  6.  Die  bereits  eingerichteten  vollständi- 
gen und  unvollständigen  isolierten  lat.  Schulen  dürfen  vorerst  furt- 
DMtehen. 

Tit.  IIT.  Von  dem  Unterricht  in  der  lateinischen  Schule.  ^.  7. 
Die  Lehrgegenstände  der  lat.  Schule  sind:  Religionslehre,  lateinische 
Sprache,  griechische  Sprache,  deutsche  Sprache,  Arithmetik,  Ge- 
•chichte,  Geographie.  Daneben  wird  technischer  Unterricht  in  der 
Kalligraphie,  im  Gesang  und  in  der  Musik,  so  wie  im  Zeichnen,  dann 
^rmnastischer  Unterricht  im  Turnen  und  Schwimmen  ertheilt.  f.  8« 
Der  Religionsunterricht  für  die  katholischen  und  die  protestanti- 
schen Schüler  soll  von  einem  katholischen  und  protestantischen  Geist- 
lichen, als  besonderem  l^hrer,  ertheilt  werden.  Uehcr  die  Befugnisse 
der  kirchlichen  Behörden  in  Beziehung  auf  den  Religionsunterricht 
haben  die  einschlagenden  gesetzlichen  üe^itimniungen  Mafs  zu  geben. 
f«  9«  Jeder  Schul  tag  beginnt   mit   einer  Andachti<übung,   welche  für 


210    Schul-  und  Personalnachrichten,  statistische  Mittheilungen, 

die  katholischen  Zöglinge  im  Besuche  der  heiligen  Messe ,  und  für  die 
protestantischen  im  Morgengebet  mit  (besang  besteht.  §.  10«  Ferner 
sind  die  Schüler  beider  Conf&isionen  gehalten,  an  allen  Sonn-  und 
Feiertagen  dem  Gottesdienst  in  ihren  Kirchen  unter  der  Aufhiebt  der 
Lehrer  ihrer  Confession  beizuwohnen.  In  allen  Beziehungen  aber 
hat  die  Anstalt  dahin  zu  trachten,  dafs  das  Christenthum  in  den  Ge- 
ranthern  der  Schüler  fest  begründet  und  lebendig  erhalten  werde.  {• 
II.  Der  Unterricht  in  der  lateinischen  Sprache  behandelt  in  der 
ersten  Classe  vollständig  das  allgemeine  der  gesammten  Formenlehre, 
wobei  einige  leichtere  Regeln  der  Syntax  auf  praktischem  Wege 
miizutheilen  sind.  Besondere  Aufmerksamkeit  ist  der  Wortbildang 
durch  Erlernung  der  Wortstämme  in  ihren  Ableitungen  zu  widmen, 
mechanisches  Memorieren  von  zusammenhanglosen  Wörtern  und  Re- 
densarten und  sogenannten  Sentenzen  aber,  wodurch  nur  das  Gedächt- 
nis beschwert,  und  der  Jugend,  anstatt  ihren  Verstand  zu  scharfen 
und  zu  bilden,  Kkel  am  Lernen  beigebracht  wird,  nicht  zu  dulden. 
Ein  zweckmäfsiges  Elementarbuch  zum  Uebersetzen  aus  dem  Lateini- 
schen in  das  Dentsche  und  umgekehrt  aus  dem  D.  in  das  Lat.  dient 
zur  mündlichen  und  schriftlichen  Einübung  des  Lehrstoffes,  ff.  ]2.  In 
der  zweiten  Classe  beginnt  nach  genauer  Wiederholung  der  Etymolo- 
gie und  Ergänzung  der  Formenlehre  in  ihren  Anomalien  der  Untere 
rieht  in  der  Syntax  bis  zum  Schlufs  der  Casuslehre.  Mit  anderen 
leichteren  Lehren  der  Syntax  kann  der  Schüler  auf  praktischem  Wrge 
durch  die  Lertüre  bekannt  gemacht  werden.  Mit  der  Denk-  und  Ge- 
dächtnisübung der  begonnenen  Erlernung  von  Wörterfamilien  zur  Be- 
reicherung der  Wortkenntnis,  sowie  mit  beiden  Arten  von  Ueber- 
setzungen  nach  einem  Elementarbuche  ist  fortzufahren.  §.  ]J.  In  der 
dritten  Clas^se  umfafüt  der  Unterricht  alle  Theile  der  Syntax  inner- 
halb des  regelmäfsipen  Sprachgebrauchs;  die  memorierten  Wörterfa- 
niilien  werden  zwpckmäfsig  erweitert,  mündliche  und  schriftliche  IJe- 
bersetzungsnbungen  haben  die  erlernten  Regeln  zu  sicherer  und  zu 
geläutiger  Anwendung  zu  bringen.  Als  lateinisches  Le^ebDch  dienen 
die  Lebensbe^clireibungen  des  Cornelius  Nepos;  später,  wenn  die 
Schüler  die  erfoi  de  fliehe  Uebung  haben,  können  die  Fabeln  des  Phae- 
drns  erklärt  werden,  f^.  14.  In  der  vierten  Clnsse  wird  die  Syntax 
unter  fontgesetzten  praktischen  Uebun^en  wiederholt  und  die  Erklä- 
rung von  Caesaris  Commentarii  de  hello  (rallico  oder  eine  Chrestoma- 
thie aus  gröfsern  Stücken  römiMcher  Historiker  vorgenommen.  Zugleich 
beginnt  in  dieser  Classe  der  Unterricht  in  der  Prosodie  und  in  den 
daktylischen  Yersmafsen  mit  den  nötliigen  Uebungen  in  Wiederherstel- 
lung'aufgelöster  Distichen.  §.  1.1.  Bei  diesem  Unterricht  soll  in  der 
]n  und  2n  Classe  die  Kenntnis  der  lat.  Etymologie  zur  möglichsten 
Geläufigkeit  gebracht,  in  der  3n  und  4n  aber  vorzüglich  darauf  gese- 
hen werden,  dem  Schüler  bei  Uebersetzung  aus  dem  Lateinischen  in 
das  Deutsche  Gewandtheit  des  Ausdrucks,  dann  bei  jener  aus  dem 
Deutschen  in  das  Lateinische  Sicherheit  in  Anwendung  der  gramma- 
tischen Regeln  zu  verschaffen.  Schriftliche  Uebersetzung  soll  nur  bei 
einzelnen  schwierigen  und  besonders  merkwürdigen,  von  dem  Lehrer  im 
voraus  zu  bezeichnenden  Stellen  gefordert  werden ;  es  genüge,  dafa  die 
Schüler  zur  Vorbereitung  das  zu  erklärende  Pensum  aufmerksam  durch- 
gegangen und  die  ihnen  unbekannten  Vocabeln  aufgesucht,  verzeichnet 
und  memoriert  haben.  §•  IH.  Bei  allem  lateinischen  Unterricht  ist  auf 
genaue  und  richtige  Anwendung  der  Muttersprache  die  sorgfältigite 
Rücksicht  zu  nehmen,  und  besonders  bei  Uebersetzungen  aus  dem  La- 
teinischen dahin  zu  wirken,  dals  nicht  nur  der  geeignete  Ausdruck  in 
der  Muttersprache  nachgewiesen  und  das  abweichende  gezeigt,  sondern 
auch  der  Inhalt  des  übersetzten  von  den  Schülern  in  freier  Darstelinng 


litterarische  und  antiquarische  Miscellen.  211 

▼orgetragen  nnd  erläulert  werde.  §•  17.  Schriftliche  Uebnngen  im 
Lateinischen  sollen  während  der  Schalstunden  inr  richtigen  Anwendung 
des  erlernten  öftertf  nnd  in  der  Art  gehalten  werden,  dafs  der  Lehrer 
das  Ton  den  Schülern  bearbeitete  unmittelbar  nach  der  Ausarbeitung 
verlesen,   das  felilerhafte  sogleich  nachweisen  und  das  richtige  eintra- 

?;en  läfst.  Tn  den  untern  zwei  Classen  werden  in  jedem  Monat  yier, 
n  den  obem  zwei  Clansen  in  jedem  Monat  zwei  Schulaufgaben  aus 
dem  Deutschen  ins  Lateinische,  darunter  manchmal  auch  umgekehrt 
eine  solche  Aufgabe  aus  dem  Lat.  in  das  D.  bearbeitet.  Diese  Scriptio- 
nen, welche  yon  dem  Lehrer  genau  zu  corrigieren,  dann  den  Schulern 
inr  Eiujiicht  mitzutheilen  lyid  mit  ihnen  genau  durchzugehen  sind,  bilden 
die  Grundlage  zur  Berechnung  des  Fortgangs.  Die  Zahl  dejr  Hausaufgaben 
wird  für  sämmtliche  Sprachgegenständeaulf wöchentlich  zwei  festgesetzt, 
welche  von  dem  fjehrer  so  einzurichten  sind,  dafs  sie  den  Schülern 
zur  Krweiterung  ihrer  Kenntnisse  bezüglich  des  in  der  Schule  behandel- 
ten Lehrstoffes  dienen,  zugleich  aber  auch  hinsichtlich  der  auf  die  Bear- 
beitung zu  Terwendenden  Zeit  die  der  Jugend  nöthige  körperliche  Kr- 
holunff  berücksichtigen.  §.  18*  Der  Unterricht  in  der  griechischen 
Sprache  beginnt  in  der  Hn  Classe.  Es  wird  in  dieser  die  Formenlehre 
bis  auf  die  Verha  in  fii  gelehrt  und  eine  Anzahl  von  Vocabeln  und 
ganzen  Wörterfamilien  memoriert,  zugleich  werden  schriftliche  und 
mündliche  Uebersetzangen  aus  dem  Deutschen  in  das  Griechische  and 
umgekehrt  nach  einem  zwerkmäfsigen  Elementarbnche  vorgenommen. 
Der  Unterricht  in  der  4n  Classe  umfafst  die  Verba  in  (ii  nnd  die 
Anomala,  und  hat  den  etymologischen  Theil  der  Grammatik  zu  voll- 
enden. Leichte  Regeln  der  Syntax  sind  auf  praktischem  Wege  mitzu- 
theilen. Das  Auswendiglernen  von  Vocabeln  und  kurzen  Sätzen,  so 
wie  beide  Arten  von  Uebungcn  nach  einem  zweckmäfsigen  Elementar- 
buche werden  fortgesetzt.  €•  19«  Die  Uebersetzungen  im  Griechischen 
sollen  wie  die  im  Lateiniscnen  ($.  17)  behandelt  werden,  damit  Ge- 
nauigkeit in  Anwendung  der  Formenlehre  und  Kenntnis  der  allgemein« 
sten  syntaktischen  Regeln  erlangt  werde.  Alle  14  Tage  ist  ein  kur- 
zes Exercitium  aas  der  deutschen  in  die  griechische  Sprache  in  der 
Schale  auszuarbeiten,  wobei  jedoch  dem  Lehrer  uberlafsen  bleibt, 
manchmal  auch  umgekehrt  eine  Aufgabe  aus  dem  Griechischen  in  das 
Deutsche  bearbeiten  zu  lafsen.  Diese  Scriptionen,  welche  als  Grund- 
lage zur  Location  dienen,  hat  der  Lehrer  genau  zu  corrigieren,  dann 
den  Schülern  zur  Einsicht  mitzutheilen  und  mit  ihnen  genau  durch- 
zugehen. $.  20.  In  der  deutschen  Sprache  wird  in  den  beiden  un- 
tern Classen  unter  Rücksichtnahme  auf  die  Kenntnisse,  welche  die 
Schuler  eich  schon  früher  erworben  haben ,  ein  fortschreitender  gram- 
maticalischer  Unterricht  ertheilt.  Neben  diesem  theoretischen  Unter- 
richt in  den  zwei  untern  Classen,  so  wie  in  den  beiden  obern  Classen 
läuft  ein  praktischer  Unterricht,  welcher  befafst:  in  der  In  Classe: 
Bildung  einfacher,  dann  zusammengesetzter  Sätze,  zuerst  nackter, 
hierauf  erweiterter;  Uebnngen  in  Veränderung  der  Satzformen  (be- 
hauptend, emphatisch,  befehlend,  fragend),  ZusammeuKetzung  kleiner 
Beschreibungen  und  Erzählungen,  auch  Briefe  aus  gegebenen  Sätzen. 
Dictandoübungen ,  Verbefserung  fehlerhaft  angegebener  SäUe.  In  der 
2n  Cl.:  Fortsetzung  dieser  Uebnngen,  dann  Versuche  freier  Nach- 
bildung vorgelesener  kleiner  Erzählungen,  Beschreibungen  und  Britfe 
(ohne  angegebene  Sätze),  Verbefserung  fehlerhafter  kleiner  Aufsätze. 
In  der  Hn  Cl. :  Fortsetzung  dieser  Uebungen,  dann  auch  Versuche  in 
Auszügen  aus  gegebenen  Stücken,  und  zwar  in  einfachen  Sätzen,  mit 
Angabe  des  Hauptgedankens,  Entwürfe  (Skizzen)  zu  kleinen  Aufsätzen 
(Briefen  u.  dgl.).  In  der  4n  Cl.:  Fortsetzung  dieser  Uebungen,  Ge- 
dankenangabe   zu    gröfseren    Beschreibungen,    Erzählungen,    Briefen, 


212   Schul-  und  Personalnachrichten,  statistische  Mittheilungen, 

aiiHfuhr liebere  Skizzen;  metritfche  Versnobe  in  den  daktyliflchen ,   iam- 
bischen  und  trochaeischen  Versmafsen.    Hiemit  ist  durch  alle  Classen 
KU  verbinden  das  Auswendiglernen  und  freier  Vortrag  passender  deut* 
scher  Lesestncke  in  einer  angeiuefsenen  Stufenfolge  von  Gelierte  Fa- 
beln and  Erzählungen  bis   xa  Scliillers  Balladen  einsscbliefslich.   §•  21. 
Der  Unterricht  in  der  Arithmetik  nmfafst:    in  der  In  Classe:    di« 
Wiederholung  und  weitere  Durchbildung  der  vier  Species  in  benannten 
und  unbenannten  Zahlen  und  die  gemeinen  Brüche  in  Verbindung  mit 
Kopfrechnen.    In    der  2n  Cl. :    Wiederholung   der  Lehre   von  den  ge- 
meinen Brüchen,  Behandlung  der  Decimalbrüche,  Anfang  der  Propor- 
tionslehre mit  unbenannten  Zahlen  und  Versetzung  der  Glieder,  Regel 
de  tri  mit  benannten  Zahlen.    In  der  3n  Cl.:   Proportionslehre  mit  be- 
nannten Zahlen,  einschlüfsig  der  Gesellschafts -Allegations- Rechnung 
(angewandte  Arithmetik).    In  der  4n  Cl. :  theoretische  Begründung  des 
früher   erlernten,    Behandlung   der    Näherungsbruche    und   Ausziehung 
der  Quadrat-  und  Kubikwurzeln  aus  Zahlen  ohne  wifsenschuftliche  Be- 
gründung.   §•  22*  Der  Unterricht  in  der  Geschichte  beginnt  in  der 
3n   Clause   und  hat  sich   in  dieser  auf  eine   übersichtliche,   chronolo- 
gisch  geordnete  Darstellung  der   wichtigsten,   an   hervorragende  Per- 
sönlichkeiten  geknüpften  Thatsachen  und  Ereignisse   der  griechischen 
und  römischen  Geschichte,    letzterer  mit  Einsctilufs  der  Zeit  der  Völ- 
kerwanderung bis  zu  Chlodwig  dem  Frankenkönige  zu  erstrecken,  und 
in  der  4n  Cl.  von  Chlodwig  dem  Frankenköiyge   an   die  deutsche  Ge- 
schichte in  gedrängten  Zögen   mit  besonderer  Berücksichtigung  der  za 
dem   bayerischen   Staate  jetzt    erwachsenen  Gebiete   und   des    bayeri- 
jichen  Herscherhuuses  abzuhandeln.    §•  2^>  Der  geographische  Un- 
terricht behandelt  in   der    In  CIas>e  eine  übersichtliche  Darlegung  di-r 
fünf  Erdtheile,   in  der  *2n  Cl.  Europa  im  allgemeinen  und  Deutschland 
im  besondern   unter  vorzüglicher  Berücksichtigung  der  Höhenzüge  und 
Flufsgehiete,   um   ein    möglichst   anschauliches  Bild  de^  Bodens  zu  ge- 
ben,   wobei  Bayern   v\ieder   besonders  ins  Auge  zu  fafsen    ist,   in  der 
3n  Cl.  die   aul'sereuropäischen  Erdtheile,   so   weit  deren  Kenntnis   zur 
allgemeinen  nildiiiig   gehört,    in  der  4n  Cl.  eine  nilgemeine  Uebersicht 
und  tiefere  Begründung   des    in  den  vorhergehenden  Classen  behandel- 
ten IjehrstotlVs    mit    gröfserer    Berücksichtigung    der   politischen    und 
statistischen  Verhältnisse.    Uebrigens  ist  bei  allem  geographischen  Un- 
terricht,   wo   nur   immer  tliunlich,   auf  \-\ichtige  historische  Ereignisse 
hinzuweisen    und   dadurch    Geographie   mit    Gei>chichte   in    Verbindung 
zu  bringen.     §•  2i*   In   den   zwei   untern  Classen  der  lat.  Schule  wird 
Unterricht  im  Schönschreiben  ertheilt,   welcher  von  allen  Schülern  zn 
besuchen  und  bei  welchem  vorzugsweise  auf  Reinheit  und  Deutlichkeit 
zu    sehen    ist.     Uebrigens   haben    die   Lehrer   sämmtlicher  Classen   auf 
eine  reinliche    und   deutliche  Schrift   in  allen  Heften  streng  zu  halten, 
und  bleibt  dem  Ermefsen   des  Rectors   überlafsen,   solche  Schüler   der 
obern  Classen,    welche  darin  nachläfsig  oder  einer  Nachhilfe  noch  be- 
dürftig sind,    dem  Schreiblehrer   zum   Unterricht   und  zur  Uebung   in 
au fserordent liehen  Stunden  zuzuweisen.     Unterricht  im  Gesang  und  in 
der  Musik,  im  Zeichnen,  Turnen  und  Schwimmen  wird  nach  Mafsgabe 
des  Begehrens,   der   Mittel   und   der  Gelegenheit   ertheilt.    §.  25*  Die 
Wahl  der  erforderlichen  Bücher  ist  dem  Lehrerrathe  aus  der  Zahl  der 
von  dem  k.  Stantsministerium  des  Innern   für  Kirchen-  und  Schnl-An- 
gelegenheiten  gebilligten  Lehrbücher  gestattet.    Die  einmal  eingeführten 
Lehrbücher   dürfen   unter   fünf  Jahren   nicht  gewechselt   werden.    Die^ 
für    den    Religionsunterricht    bestimmten    Lehrbücher    sollen    von    den 
kirchlichen  Oberbehörden  approbiert  snin.     §•  26*  Den  in  den  vorher- 
gehenden SS"   bezeichneten  IJiiterrichtsgegenständen  sollen  in  jeder  der 
vier  Classen  22  Stunden   wöchentlich  gewidmet  werden.    Zwei  Nach- 


litterarisohe  and  antiqaarische  Miscellen.  213 

mittage  in  der  Woche  sind  Tom  Scbnlunterricht  frei.  f.  27«  Die 
Stunden  yertheilen  sich  in  folgender  Art:  le  und  2e  Ciasse:  Religion 
2y  Latein  10,  Deutsch  3,  Arithmetik  B,  Geographie  2,  Kalligraphie  2 
Stunden.  3e  Classe:  Religion  2,  Latein  8,  Gffiechisch  5,  Deutsch  2, 
Arithmetilc  2,  Geschichte  2  Stunden,  Geographie  1  Stunde.  4e  Classe: 
Religion  2,  Latein  8,  Griechisch  5,  Deutsch  2,  Arithmetik  2,  Geschichte 
2  Stunden,  Geographie  1  Stunde. 

Tit.  IV.  Von  der  Eintheilung  des  Schuljahres,  der  Aufnahme  und 
dem  Fortgang  der  Schuler.  §.  28*  Das  Schuljahr  beginnt  für  die 
lat.  Schule  mit  dem  1.  October  und  endet  das  erste  Semester  am 
Dienstag  vor  dem  Ostersonntag.  Das  zweite  Semester  beginnt  an 
Donnerstag  in  der  Oäterwoche  und  schliefst  am  8.  August.  Aufser 
den  dadurch  bezeichneten  Ferien  zwischen  beiden  Semestern  soll  die 
Schule  nur  an  Sonn-  und  Feiertagen  geschlofsen  sein.  §.  29*  Die 
Aufnahme  in  die  le  Classe  der  lat.  Schule  ist  durch  eine  Prüfung 
bedingt,  in  welcher  der  Schüler  nachzuweisen  hat,  dafs  er  einen  sei- 
nem Alter  entsprechenden  Religionsunterricht  genofsen  und  den  in  den 
obern  Abtheilungen  der  deutschen  Schule  behandelten  Lehrstoff  sich 
angeeignet  habe,  dann  .dafs  er  in  den  einfachen  Rechnungsarten  und 
in  den  lateinischen  Declinationen  geübt  sei.  §•  SO*  Das  Alter  zum 
Eintritt  in  die  le  Classe  der  lat.  Schule  wird  auf  das  vollendete  lue 
bis  incl.  ]3e  Lebensjahr  festgesetzt.  Dispensationen  über  dieses  Alter 
hinaus  kann  nur  die  k.  Kreisregierung  ertheilen.  Der  Eintritt  von 
Knaben,  welche  das  lOe  Leben^tjahr  noch  nicht  vollendet  haben,  int 
nur  bei  besonders  früher  körperlicher  und  geistiger  Entwicklung  zu- 
läfsig,  und  erfordert  eine  Altersdispense,  welche  unter  der  eben  an- 
gedeuteten Voraussetzung  der  Rector  zu  ertheilen  befugt  ist.  §•  ^1« 
Die  Aufnahme  in  eine  höhere  Classe  hangt  davon  ab,  dafs  der  Schüler 
den  Anforderungen  der  vorausgehenden  Classe  vollständig  genügt  hat. 
Bei  den  aus  dem  Privatunterricht  eintretenden  Schülern  entscheidet 
eine  von  dem  Lehrerrath  zu  haltende  Prüfung,  bei  den  Schülern  der 
Anstalt  selbst  das  von  dem  Lehrerrath  gefällte  Urtheil  über  ihre 
Reife.  Das  Aufsteigen  nicht  hinreichend  befähigter  Schüler  ist  mit 
rucksichtloser  Strenge  zu  verhindern.  Schüler,  deren  Befähigung  oder 
Nichtbefähigung  zum  Aufsteigen  am  Schlufse  des  Jahres  noch  zweifel- 
haft geblieben  ist,  sind  am  Anfange  des  nächsten  Schuljahres  einer 
Prüfung  zu  unterwerfen,  und  wenn  sie  diese  nicht  nach  dem  Urtheil 
des  Lchrerrathes  befriedigend  bestehen,  in  die  nächst  untere  Classe 
zurückzuweisen.  Das  Ueberspringen  einer  Classe  der  lat.  Schule  ist 
nur  ausnahmsweise  bei  vorgerücktem  Alter  und  besi  nders  ausgezeich- 
neter Befähigung  zu  gestatten.  Die  Entscheidung  darüber  steht  der 
k.  Kreisregierung  nach  eingeholtem  Gutachten  des  Rectorates  zu.  Wer 
nach  zweijährigem  Besuche  einer  Classe  zum  Uebertritt  in  die  nächst 
höhere  sich  nicht  befähigt,  ist  von  der  Anstalt  zu  entfernen;  ebenso 
auch  derjenige ,  der  die  nächst  untere  Classe  repetiert  hat  und  nun 
die  nächst  höhere  wieder  repetieren  müste.  $.  ^2*  Zur  Bestimmung 
der  Fortgangsplätze  dienen  als  hauptsächlichste  Grundlage  die  schrift- 
lichen Schularbeiten.  Im  Lateinischen  und  Griechischen  kommen  dazu 
die  in  den  ^$  17  und  19  bezeichneten  Scriptionen  in  Anwendung. 
Ans  dem  Deutschen  findet  in  jedem  Monat  einmal,  und  aus  jedem  der 
nbrigen  Fächer  in  jedem  Semester  zweimal  eine  besondere  Schulscrip- 
tion statt.  Aufser  diesen  schriftlichen  Schularbeiten  sind  am  Schlufs 
des  Jahrs  auch  die  Noten  aus  den  mündlichen  Leistungen  in  den  ein- 
seinen Lehrgegenständen  so  weit  in  Rechnung  zu  bringen,  dafs  sie, 
wenn  in  den  schriftlichen  Arbeiten  bei  zwei  oder  mehreren  Schülern 
•ine  Gleichheit  oder  nur  ein  sehr  geringer  Unterschied  besteht,  den 
Anaschlag  geben.    §.  33.    Für  die  3  untern  Classen  der   lat.   Schule 


214    Schul-  und  Porsonalnachrichtcn ,  statistische  Mittheilungen, 

findet  am  SchluTs  des  Jahrs  in  Gegenwart  des  Rectors  und  def  Leh- 
rers der  nächst  höhern  Classe  eine  öirentliche  Prufnng  statt,  %n  wel- 
cher das  Publicum  einzuladen  ist.  €.  cl4*  Für  die  Schuler  der  4n 
Classe  der  lat.  Schule,  welche  in  das  Gymnasium  Eintreten  wollen, 
hat  am  Anfang  des  Schuljahrs  vor  dem  Lehrercollegium  des  Gymna- 
siums unter  Beiziehung  deii  Liehrers  der  4n  Cl.  der  lat.  Schale,  der 
jedoch  bei  der  Abstimmung  nar  eine  berathende  Stimme  hat,  eine 
Prüfung  stattzufinden,  welche  schriftlich  und  mündlich  sein  und  alle 
Lehrgegenstände  der  lat.  Schule  umfafsen  soll.  Wer  nicht  in  den 
alten  Sprachen  das  für  die  lat.  Schule  bestimmte  Mafs  Ton  Kennt- 
nissen vollständig  besitzt,  aufserdem  nicht  zugleich  in  allen  übrigen 
Lehrfächern  befriedigt,  und  ein  entsprechendes  religiossittliches  Ver- 
halten nachweist,  soll  die  Erlaubnis  zum  Uebertritt  in  das  Gymna- 
flium  nicht  erhalten.  Sänimtliche  Mitglieder  der  Commission  sind  für 
die  strenge  und  unparteiische  Vollziehung  dieser  Bestimmungen  fer- 
antwortlich.  —  Für  diejenigen  Schüler  der  vierten  Classe,  welche 
nicht  in  das  Gymnasium  eintreten,  sondern  einem  andern  Berufe  sich 
widmen,  und  ein  Schliifszengnis  über  Vollendung  der  lat.  Schule  erhalten 
wollen,  wird  am  Knde  des  Schuljahrs  eine  besondere  schriftliche  und 
mündliche  Prüfung  gehalten,  an  welcher  sich  der  Vorstand  und  sämmt- 
liche  Classlehrer  der  lateinischen  Schule  za  betheiligen  und  über  das 
Ergebnis  ders^elben  Beschlufs  zu  fafseu  haben.  Die  Motive  der  Be* 
schlufsfafsung  über  diese,  so  wie  über  die  Prüfung  zur  Aufnahme  in 
das  Gymnasium  sind  in  einem  ausführlichen  Protocoll  niederzulegen« 
jf.  33*  Am  Schlufs  des  Jahrs  wird  durch  einen  gedruckten  Katalog, 
der  die  Namen  der  Schüler  nebst  Angabe  ihres  Alters  und  Geburts- 
ortes, dann  des  Standes  und  Wohnortes  ihrer  filtern  enthält,  der 
Fortgang  der  Schüler  im  allgemoiueu  und  in  den  einzelnen  Fächern 
bekannt  gemacht.  Bei  der  Berechnung  des  allgemeinen  Fortgangs  wird 
der  Fortgnngsplatz  in  der  lateinischen  Sprache  4fach,  in  der  grie- 
chischen und  deutschen  Sprache  äfach,  in  der  Mathematik  und  Ge- 
schichte 2fach,  in  der  Geographie  Ifach  in  Anschlag  gebracht.  Die 
Fortschritte  in  der  Religiouälehre  werden  bei  dem  allgemeinen  Fort* 
gang  zwar  nicht  in  Berechnung  gezogen,  aber  in  dem  Jahreskataloff 
aufgeführt  und  durch  Noten  mit  den  romischen  Ziffern  T,  IT,  TIT  und 
TV  ausgedrückt.  j|.  ;j6*  Jahreszeugnisse  mit  Noten  üher  Fähigkeiten, 
sittliches  Betragen,  Fleifs  und  Fortgang  sollen  allen  Schülern,  Cen- 
suren  aber  nur  denjenigen  ausgefertigt  werden,  1)  welche  an  eine 
andere  Anstalt  übertreten,  oder  2)  deren  Eltern  oder  Verwandte  die 
nähere  Ang->be  darüber  verlangen,  endlich  3)  deren  Fleifs  und  Betra- 
gen tadelhaft  gewesen  ist.  —  Im  letzten  Falle  sind  diese  Censuren 
den  Eltern  oder  Verwandten  zuzuschliefsen.  Die  Stufenfolge  der  No- 
ten ist: 

Fähigkeiten:       Sittliches  Betragen:       Fleifs:       Fortgang: 
].  Note:      sehr  viele,  sehr  lobenswürdig,    sehr  grofs,    sehr  gut, 

?.     „  viele,  lobenswürdig,  grofs,  gut, 

3.  „  hinlängliche,  befriedigend,  genügend,  mittelmafsig, 

4.  „  schwache,  nicht  tadelfrei,  wenig,  gering. 
Die  Lehrer  sind  verpflichtet,  bei  Ertheilung  dieser  Noten  streng 
und  gewifsenhaft  zu  verfahren  und  keinem  Schüler  höhere  Praedicato 
zu  «rtheilen,  als  ihm  mit  vollem  Recht  gebühren.  <|.  «i7>  Zugleich 
werden  in  jeder  Classe  aus  dem  allgemeinen  jährlichen  Fortgang  Preise 
in  der  Art  vertheilt,  dafs  auf  je  8  Schüler  ein  Preis  trifft.  Wer  nicht 
wenigstens  die  zweite  Note  im  sittlichen  Betragen  sich  erworben  hat, 
erhält  keinen  Preis.  Aus  der  Religion  wird  ein  besonderer  Preis  ge- 
geben. Derselbe  darf  aber  nur  demjenigen  Schüler  zuerkannt  werden, 
welcher    neben   gründlichen   Kenntnissen   in    diesem    wichtigen    Lehrw 


litlerarische  und  antiquarische  Miscelien.  215 

tweige  in  Rücksicht  anf  Frömmigkeit  und  religiöse  Gesinnung  ent' 
schieden  den  Vorrang  unter  seinen  Mitschäiem  behauptet. 

Tit.  V.  Von  der  Schnlzucht.  $.  38«  Jeder  Lehrer  ist  lonachst 
far  die  Zucht  und  Ordnung  in  seiner  Classe  verantwortlich  und  Ter- 
pflichtet,  den  Fieifs  'und  die  Sittlichkeit  seiner  Schüler  zu  aberwa- 
chen. Er  hat  aber  auch  ihr  Verhalten  aufserhalb  der  Schule  nicht 
anfser  Augen  zu  lafsen,  und  sich  mit  den  Eltern  oder  deren  Stellver- 
tretern deshalb  ins  geeignete  Benehmen  zu  setzen.  Zur  Handhabung 
der  Disciplin  stehen  ihm  die  in  den  Schulsatzungen  festgestellten  Straf- 
mittel zu  Gebote.  Bei  Carcerstrafen  ist  jedoch  die  Zustimmung  des 
Rectors  erforderlich.  Die  Dimission  (Entfernung  Ton  der  Anstalt)  kann 
nnr  durch  einen  wenigstens  mit  3  Drittheilen  der  Stimmen  gefafsten 
Beschlufs  des  Lehrerrathes  verhängt  werden, wogegen  keine  Berufung 
stattfindet.  Die  Exclusion  (Ausschliefsung  Ton  sämmtlichen  Anstalten) 
wird  mit  Ausnahme  des  in  $.  39  bestimmten  Falles  auf  Antrag  des 
Lehrerrathes  Ton  der  k.  Kreisregierung  Terfugt.  $•  39*  Der  Einmal 
dimittierte  kann  an  einer  andern  Anstalt,  doch  nicht  an  demselben 
Orte  wieder  aufgenommen  werden.  Schüler,  die  znm  zweitenmal  di- 
mittiert  wurden,  können  nur  zu  einem  letzten  Versuche  nach  Verlauf 
eines  Jahres  die  Wiederaufnahme  an  einer  andern  Anstalt  nachsuchen. 
Ein  Schüler,  gegen  welchen  zum  drittenmal  die  Dimi^^sionsstrafe  aus- 
gesprochen wird,  ist  als  excludiert  zu  betrachten.  §•  40*  Der  Rector 
(Subrector)  hat  mit  allen  geeigneten  Mitteln  dahin  zu  wirken,  dafs 
in  dem  Unterricht  wie  in  der  Schulzucht  überall  Torschriftsmafsig 
Terfahren  werde.  Namentlich  hat  er  über  die  an  dem  Studienorte 
nicht  einheimischen  Schuler  strenge  Aufsicht  zu  führen  und  darauf  zu 
sehen,  dafs  dieselben  nur  in  solchen  Häusern  wohnen  oder  ihre  Kost 
nehmen,  die  er  dazu  für  geeignet  erklärt  hat.  Derselbe  ist  Terpflichtet, 
zu  Anfang  eines  jeden  Semesters  sich  mit  den  Lehrern  über  die  Gegen- 
stände und  den  Gang  des  Unterrichts  zu  berathen,  den  Unterricht  in 
den  einzelnen  Classen  Ton  Zeit  zu  Zeit  zu  besuchen  und  sich  über 
Ordnung  und  Methode  desselben  Kenntnis  zu  TerschaiTen.  Am  Schlufs 
eines  jeden  Monats  hat  er  sich  von  jedem  Ciassenlehrer  die  säiumt- 
lichen,  sowohl  Schul-  als  Hausaufgaben,  welche  nach  genommener 
Einsicht  wieder  zurückzugeben  sind,  nebst  einer  Tabelle  über  die 
Fortschritte  der  Schüler  im  Lateinischen,  Griechischen  und  Deut- 
schen, dann  ihre  Fleifses-  und  Sittennoten  vorlegen  zu  lafsen.  Die 
Zahl  der  Lehrerconferenzen  wird  durch  das  Bedürfnis  bestimmt;  jeder 
Lehrer  hat  das  Recht,  in  Schulangelegenheiten  den  Rector  zu  einer 
allgemeinen  Versammlung  der  Lehrer  zu  veranlafsen,  in  welcher  jeder 
seine  Bemerkungen,  Anfragen  und  Wunsche  der  Berathung  unterwer- 
fen kann.  Die  Protocolle  darüber  werden  von  allen  Theilnehmern 
unterzeichnet  und  mit  dem  Jahresberichte  der  k.  Kreisregierung  vor- 
gelegt. 

Tit.  VI.  Von  den  Schulvifiitationen  und  den  Beziehungen  der  An- 
stalt zur  k.  Kreisregiernng.  €-  41*  Um  die  Einhaltung  des  Lehrpla- 
nes, den  Unterricht  und  die  %ncht  zu  gewährleisten,  sollen  von  Zeit 
zu  Zeit  in  allen  Kreisen  Visitationen  sämmtlicher  lat.  Schulen  gehal- 
ten werden.  $•  42*  Bei  diesen  Visitationen  sind  die  Zustände  der 
Anstalten,  so  wie  deren  Bedürfnisse  genaa  zu  untersuchen,  und  wo 
Misstände  sich  zeigen,  ist  schlennige  Abhilfe  entweder  sogleich  an  Ort 
und  Stelle  zu  treffen  oder  weiter  zu  veranlafsen.  §.  43*  Die  nicht 
mit  einem  Gymnasium  verbundenen  lat.  Schulen  sollen  dem  Rector  eines 
der  nächsten  Gymnasien  zur  Oberleitung  zugewiesen  werden,  welcher 
nach  Bedürfnis  Ton  den  Zuständen  der  Schule  Einsicht  lu  nehmen 
vnd  das  erforderliche  Tonukehren  hat.  §•  44-  Die  k.  Kreisregiernng 
iibt  über  die  lat.  Schule,  unbeschadet  deren  innerer  Selbständigkeit ,  das 


216    Scbnl  -  und  Personalnachrichlen,  stalislische  Mitllieilangen, 

Oberaiifsiclits recht  ans.  Am  Scblaffl  des  Jahrs  hat  der  Rector  an  die- 
selbe über  den  Gesainmizustand  und  die  Bedürfnisse  der  Schale  aat- 
führiichen  und  wohl  motivierten  Bericht  zu  erstatten. 

B.  Von  dem  Gymnasium.  Tit.  VII.  Allgemeine  BestimmuQ- 
gen.  §•  45-  Das  Gymnasium  hat  die  Bestimmung,  die  in  der  lateioi- 
sehen  Schule  begonnene  Bildung  in  allen  Zweigen  so  fortzuführen,  dafa 
die  Schuler  in  ihrer  religiossittlichen  und  geistigen  Entwicklung  ge- 
hörig gekräftigt  und  zum  Uebertritt  an  die  Universität  gründlich  for- 
hereitet  werden.  §•  46*  Es  soll  deshalb  in  ihm  die  christliche  Bil- 
dung der  Schüler  durch  fortgesetzte  Unterweisung  im  Christentham, 
<lurch  Uebung  und  Zucht  tiefer  und  fester  begründet  werden.  Der 
Sprachunterricht  ist  zu  einem  wohlbegründeten  und  umfafsenden  Sta- 
dium der  lateinischen,  griechischen  und  deutschen  Litteratnr  za  stei- 
gern nnd  zugleich  durch  Ausdehnung  auf  Poetik  und  Rhetorik,  sowie 
durch  Vorbereitung  auf  das  Studium  der  Philosophie  vermittelst  der 
Lectüre  philosophischer  Schriften  von  Griechen  und  Römern  zu  er- 
weitern. Der  Unterricht  in  der  französiMrhen  Sprache,  welcher,  wo 
das  Bedürfnis  dringend  ist,  ausnahmsweise  und  facnltativ  schon  an 
der  iat.  Schule  begonnen  werden  kann ,  ist  in  dem  Gymnasium  obliga- 
torisch; die  Geschichte  ist  umfafsender  zu  behandeln;  die  Mathematik 
soll  auf  Geometrie  und  Trigonometrie  erstreckt  und  mit  Physik  ver- 
bunden werden.  §•  47«  Das  Gymnasium  besteht  aus  vier  Classen. 
Eine  jede  Classe  hat  ihren  eignen  Lehrer,  welcher  den  Namen  'Gym- 
nasialprofessor' führt.  Mit  gleicher  Benennung  bestehen  besondere 
Lehrer  für  die  Religion  und  die  Mathematik.  $*48*  Einer  der  ordent- 
lichen Lehrer  der  beiden  obern  Classen  ist  zugleich  Rector  der  An- 
stalt. Zu  seiner  Erleichterung  und  nach  seinem  Ermefsen  zur  Unter- 
stützung der  andern  Lehrer  wird  ihm  als  Assistent  ein  geprüfter  Lelir- 
amtscandidat  beigegeben.  Ist  ein  Lyceum  an  dem  Orte,  so  kann  der 
Rector  oder  ein  Professor  desselben  auch  Rector  der  übrigen  Anstal- 
ten sein.  Bei  Ueberfüllung  einer  Classe  findet  der  ^.  4  analoge  An- 
wendung. 

Tit.  VIII.  Von  dem  Unterricht  im  Gymnasium.  '  C.  49«  Der  Un- 
terricht in  der  Rellgionsiehre  soll,  wie  an  der  Iat.  Schule,  am  Gymn. 
nach  den  Grundsätzen  der  beiden  christlichen  Confessionen  ertheilt,. 
nnd  kann  damit  die  Lesung  einzelner  Schriften  des  N.  T.  in  der  Ur^ 
spräche  verbunden  werden.  Ueber  die  Befugnisse  der  kirchlichen  Be- 
hörden in  Beziehung  auf  den  Religionsunterricht  haben  die  einschla- 
genden gesetzlichen  Bestimmungen  Mafs  zu  geben.  In  Bezug  auf  För- 
derung des  religiösen  Sinnes  und  Lebens  finden  die  |ü|(.  9  und  10  auch 
auf  das  Gymn.  volle  Anwendung.  $•  50-  Da  bei  dem  Unterricht  in 
der  altclassischen  Litteratnr  die  möglichst  vollständige  Kenntnis  des 
formellen  und  technischen  vorausgesetzt  wird,  hat  das  Gymn.  die  Auf- 
gabe, tiefer  in  den  Geist  der  Sprachen  einzuführen  und  vermittelst 
einer  zweckmäfsig  angeordneten  und  sorgfältig  geführten  Lesung  der 
Autoren  den  Jüngling  während  dieser  4  Jahre  mit  dem  ihm  zugäng- 
lichen besten  Theile  der  classischen  Litteratnr  vertraut  zu  machen, 
ff.  51*  Die  alten  Autoren  sollen  deshnlb  mit  Rürk^cht  auf  das  jugend- 
lich«* Alter  ge\%ählt  und  in  einer  naturgemäfsen  Ordnung  nacheinander 
erklärt  werden,  so  dafs  man  von  den  Historikern  zu  den  Rednern  und 
Philosophen,  von  den  Epikern  zu  den  Lyrikern  und  Dramatikern  fort- 
schreitet. §.  52.  Die  Schüler  sind  bei  der  Erklärung  des  einzelnen 
nicht  länger  aufzuhalten,  als  die  Lösung  der  Schwierigkeiten  durch- 
aus erfordert,  und  die  Lehrer  sollen  bedenken,  dafs  sie  nicht  darauf 
ausgehen  dürfen,  Grammatiker,  Kritiker,  Archaeologen  zu  erziehen, 
sondern  durch  sorgfältig  gewählte  Mittheilungen  aus  den  Schatten 
ihrer  Disciplin  und  durch  grundliche  Methode  ein  genaues,  die  Form 


lillerarisohe  nvd  ««Hqaarische  Misoellen.  217 

«■d  den  Geitt  der  alten  Autoren  gleichmSfeiff  mufafiendel  Verttind- 
nie  derselben  lu  begründen  und  dadurch  den  Sinn  für  da«  ffote,  wahre 
nnd  schone  lu  bilden  and  in  starken.  Demnach  ist  die  Enclarnng  auf 
dasjenige,  was  mm  Verstehn  unentbehrlich  ist,  einsnschrinken,  Yor- 
sfigliche  Aufmerksamkeit  aber  auf  die  Folge  und  Verbindung  der  Ge- 
danken und  die  Composition  eines  ganien  Werks  su  Hellten;  bei  dem 
Uebersetsen  sind  die  Schüler  unablafsig  aniuhaiten,  nicht  allein  nach 
dem  entsprechenden,  sondern  auch  nach  einem  schonen  nnd  fliefsenden 
deatschen  Ausdruck  in  streben.  Einzelne  besonders  lehrreiche  nnd 
anziehende  Stellen  der  gelesenen  Autoren  sollen  f  on  den  Schülern  dem 
Gedächtnis  eingeprägt  wer.den.  $•  53*  Diesen  Zweck  zn  erreichen, 
•oll  anfser  der  gewohnlichen  statarischen  Lectnre  eine  carsorische  in 
der  Art  stattfinden,  dafs  der  in  der  nntern  Classe  erklärte  Autor  in 
der  nachfolgenden  zusammenhangend  und  wo  möglich  im  ganzen  ge- 
lesen werde.  In  der  In  Gvmnasialclasse  können  Caesaris  commentarii 
de  hello  Gallico,  in  welche  die  4e  Cl.  der  lat.  Schule  zunächst  in 
sprachlicher  Rücksicht  eingeführt  hat,  vollständig  gelesen  nnd  histo- 
risch erklärt  werden.  Bei  der  alten  Geschichte  sind  Justinns  nnd  die 
Lebensbeschreibungen  des  Cornelias  Nepos  mit  den  nöthigen  histori- 
schen Erläaterun^en  zn  Tergleichen;  ebenso  kann  in  der  3n  Gymna- 
sialclasse  eine  grofsere  Anzahl  Ton  Büchern  des  Livias  im  Zusammen- 
bang  erläutert  und  dadurch  der  Sinn  für  Geschichte  nnd  deren  rich- 
tige Behandlung  geweckt  nnd  geschärft  werden.  Durch  das  Studium 
der  historischen  latteratur,  als  der  leichtern  und  anziehendem,  sollen 
die  Schüler  zn  der  poetischen,  rhetorischen  und  philosophischen  ge- 
führt und  die  geeigneten  griechischen  Autoren,  ähnlich  den  lateini- 
schen, cursorisch  behandelt  werden.  Eine  solche  cursorische  Leetüre' 
wird  jedoch  nur  dann  fruchtbringend  und  der  Jugend  angenehm  wer- 
den, wenn  der  Lehrer  selbst  durch  ein  genaues  Studium  mit  den 
betreffenden  Autoren  vertraut,  das  wichtige  und  belehrende  hervorzu- 
heben, die  Jünglinge  in  den  Geist  des  Alterthums  und  damit  zugleich 
in  den  der  neuen  Litteratnr  einzuführen  versteht,  f.  54*  Der  Ge- 
branch von  Chrestomathien  und  Anthologien  am  Gymn.  ist  nicht  unter- 
sagt, doch  sollen  vorzugsweise  ganze  Werke  der  Schriftsteller  mit 
Uebergehung  derjenigen  Stücke  gelesen  werden,  deren  Inhalt  für  das 
Jugendliche  Alter  nicht  geeignet  ist.  In  einer  Classe  mehr  als  2  lat. 
und  2  ^riech.  Schriftsteller  in  statarischer  Leetüre  nebeneinander  zn 
lesen,  ist  nicht  gestattet,  f«  35*  Nach  diesen  Grandsätzen  werden 
aar  Auswahl  der  Lehrer  vorgeschrieben:  A.  für  die  le  Classe:  1)  im 
Lateinischen:  Caesar  de  belle  civili,  Cnrtius,  Cicero  de  senectute,  de 
amicitia;  Stücke  aus  den  Elegien  and  Metamorphosen  des  Ovidiuf»; 
aar  cursorischen  Leetüre:  Caesar  de  hello  Gallico  und  Justinus.  2)  im 
Griechischen:  Xenophons  Anabasis,  Homers  Odyssee.  B.  für  die  2e 
Classe:  I)  im  Lateinischen:  Livius,  Sallnstius,  die  Fasti  des  Ovidius, 
aasgewählte  Stücke  ans  den  Elegikern,  Virgils  Aeneis;  zur  cursori- 
schen Leetüre :  Curtius.  3)  im  Griechischen :  die  Kyropaedie  und  Hel- 
lenica  des  Xenophon,  Plutarchs  Biographien,  Arrianus  (Attica  von 
Jacobs),  Homers  Ilias;  zur  cursorischen  Leetüre:  die  Ilias  oder  Odys- 
see. C.  für  die  3e  Classe:  1)  im  Lateinischen:  Ciceros  Reden,  Aus- 
wahl ans  dessen  Briefen,  das  zehnte  Buch  des  Quintilian,  Virgils  Bn- 
colica,  die  in  dem  Central- Schulbücher-Verlag  erschienenen  Carmina 
selecta  des  Horatius  und  die  Epistola  ad  Pisones;^  zur  cursorischen 
Leetüre t  Livius,  Sallnstius,  die  Aeneis.  2)  im  Griechischen:  Reden 
des  Isokrates,  Lykurg  und  Lysias,  Herodot,  Xenophons  philosophi- 
sche Schriften,  Euripides;  cursorisch:  die  Ilias.  D.  für  die  4e  Classe: 
1)  im  Lateinischen:  Ciceros  Reden,  dessen  rhetorische  nnd  philoso- 
pnische  Schriften,  Senecas  kleinere  philosophische  Schriften  nnd  Briefe, 

if.  JakrL  f,  PUL  u.  PtimL  Bd.  LXX.  Bfl.  2.  15 


218     Scliul-  and  rersonalnaclirichten,  statistische  Mitthcilon^D, 

Tacitus,  Satiren  und  Kpisteln  de»  Horatius,  Virgili  Ge«r|?ica;  aiir 
cursorischen  Lecture:  Livius  und  Cicero.  2)  im  Griechinchen:  De- 
niosthene»,  Plato  (Krito,  Apologie  des  Sokrate«,  Laches,  Menexeiioi, 
Chnnnides,  Protagoras,  Phaedo  und  Gorcias),  KSopliokles,  Aeschylos 
(ProiiiethtfU»  und  die  Perser),  Theokrit.  $•  56.  Die  I-K?hrer  haben  so- 
wohl bei  der  Erklärung  der  Autoren  als  bei  den  schriftlichen  Uebun- 
gen  sorgfältig  darauf  au  achten,  dafs  nicht  nur  die  Kenntnis  der  la- 
teinischen Sprache,  so  weit  sie  in  der  lat.  Schule  erworben  worden 
ist,  geläufig  erhalten  und  ergänzt,  sondern  auch  die  Bildung  des  Ja- 
telnischen  Ausdrucks  bpgruudet  werde.  Der  grammatische  Unterricht 
in  der  griechischen  Sprache  hat  die  allgemeine  Syntax  nebst  Prosodie 
und  den  Dialekten  zu  umfalsen  und  ist  mit  schriftlichen  Uebersetzan- 
gen  in  das  Griechische  zu  verbinden.  §•  57*  Der  deutsche  Sprach- 
unterricht in  dem  Gymn.  hat  an  der  Hand  eines  passenden  theoreti- 
schen Leitfadens  besonders  auf  die  Bildung  des  Ausdrucks  in  uifind- 
licher  und  schriftlicher  Rede  hinzuarbeiten  und  so  viel  es  möglich  ist, 
Gewandtheit  in  den  Terschiedenen  Stilgattnngen  zu  erzielen.  Man  be- 
ginnt unter  Berücksichtigung  der  in  der  Jat.  Schule  erworbenen  Fer- 
tigkeiten mit  der  schriftlichen  Uebersetzung  vorzüglioher  Stellen  der 
Alten  und  mit  Verfertigung  von  Auszügen  gröfserer  und  kleinerer 
Stücke,  damit  die  Schüler  die  Hauptmomente  von  den  nntergetirdneten 
gehörig  unterscheiden  lernen.  Hierauf  fährt  man  mit  Ausarbeitung 
kleiner  Sätze  und  Themata  fort,  übt  besonders  häufig  in  Anfertigung 
von  Chrieu,  und  schliefst  mit  Abfafsung  gröfserer  Aufsätze  über  Ge- 
genstände, welche  dem  Gebiete  des  Gymnasialunterrichts  entnommen 
sind.  Sämmt liehe  Ausarbeitungen  hat  der  Lehrer  sorgfältig  zu  prüfen 
und  den  Schülern  ccnsiert  zurück  zu  geben.  Diesen  schriftlichen  Ue* 
bungen  zur  Seite  geht  ein  sorgfältiges  Studium  der  deutschen  Litte- 
ratur.  Die  Schüler  sind  mit  den  besten  Autoren  möglichst  vertraut 
zu  machen,  so  dafs  die  Musterwerke  der  deutschen  Litleratur  theil« 
in  der  Schule  selbst  gelesen  und  erklärt,  theils  der  Privatlectüre  zu- 
gewiesen werden.  Von  dem  gelesenen  haben  die  Schüler  durch  zer- 
gliedernde Uebersichten  und  Versuche  eigner  Beurtheilung  Rechen- 
schaft abzulegen.  In  der  Jn  und  2n  Cl.  ist  das  Lesen  von  Schrift- 
werken, besonders  der  historischen  Prosa,  zu  betreiben,  und  damit 
(jebung  in  entsprechenden  srhrifclichen  Aufsätzen  zu  verbinden.  Auf 
dem  Gebiete  der  Poesie  genügt  es,  das  Kpos  und  die  damit  verwand- 
ten Dichtungsarten  kennen  zu  lernen.  In  der  3n  und  4n  CI.  wer- 
den sich  grölsere  schriftliche  Aufsätze  an  die  Theorie  der  Dicht- 
und  Redekunst  und  die  zur  Kriäuterung  hierüber  gewählten  deutschen 
Autoren  anschliefsen.  Zugleich  ist  ein  historischer  Ueberblick  der 
deutschen  Litteratur  von  Ulfilas  bis  Klopstock  zu  geben,  and  hiemit 
die  Erklärung  passend  gewählter  Stücke  nus  den  vorzüglichem  Dich- 
tungen des  Mittelalters,  namentlich  des  Nibelungenlieds,  der  Gudrun, 
des  Parcival,  Walther  von  der  Vogelweide,  Kreidanks  '  Bescheiden- 
heit %  zu  verbinden,  damit  die  Schüler  hiedurch  vor  einseitiger  Be- 
wunderung der  althellenischen  und  altrömischen  Classicität  bewahrt 
und  durch  eigne  Anschauung  von  der  hohen  Vollendung  der  in  ihrer 
Art  nicht  minder  classischen  Meisterwerke  deutscher  Dichtung  über- 
zeugt wenlen.  §.  58.  Rs  soll  den  Schülern  in  einer  Bibliothek  deat- 
acher  Classiker  für  Schulen  eine  die  einzelnen  Gattungen  der  Poeaie 
und  Prosa  umfafsende  Auswahl  vorzüglicher  deutscher  Werke  zu  eig- 
ner Lesung  in  die  Hände  gegeben,  und  darauf  sowohl  in  den  Vor- 
trägen über^  die  Theorie  als  auch  bei  Erklärung  der  Autoren  verwiesen 
werden.  Einzelne  besonders  lehrreiche  und  anziehende  Steilen  «US 
den  gelesenen  und  erklärten  Classikem  sind  von  den  Schülern  dem 
Gedächtnis  einzuprägen.    |.  59*    Rückaichtlich    der  schriftlichen  Ar- 


lilterarische  und  antiquarische  Miseellen.  219 

bellen,  der  Uebersetsungen ,  der  freien  AnfiStie,  der  rednerischen 
nnd  dichterischen  Versuche  wird  dem  Lehrer  die  Anordnung  des  ein- 
■einen  überlafsen,  demselben  aber  genaue  Correctur  der  in  der  Schule 
bearbeiteten  Aufgaben,  so  wie  fleifsige  Durchsicht  und  Beurtheilung 
der  Hausarbeiten  zur  Pflicht  gemacht.  ^.  60.  Der  Unterricht  in  der 
französischen  Sprache  hat  in  den  beiden  untern  Ciassen  vorzugs- 
weise die  grammatische  Seite,  und  in  den  beiden  obern  die  Litteratur 
zu  berücksichtigen  und  hiemit  Sprechübungen  zu  verbinden.  S*  01« 
In  der  allgemeinen  Geschichte  soll  der  Unterricht  so  eingetheilt 
werden,  dafs  er  in  der  In  Cl.  die  allgemeine  Geschichte  vom  Anfang 
der  historischen  Zeit  bis  auf  Augustus,  in  der  2n  von  Augustus  bis 
auf  Karl  d.  Gr.,  in  der  3n  von  Karl  d.  Gr.  bis  auf  Maximilian  I  und 
in  der  4n  von  Maximilian  I  bis  auf  die  neuste  Zeit  mit  bes^onderer 
Hervorhebung  der  deutschen  Geschichte  behandle.  In  der  bayerischen 
Geschichte,  in  welcher  der  Unterricht  in  der  *2n  Cl.  beginnt,  soll  in 
dieser  Classe  der  Zeitraum  von  den  historischen  Anfangen  des  baye- 
rischen Volks  bis  zum  Krloschen  des  Agilolfingischen  Regentenstammes, 
in  der  3n  Cl.  von  dem  Aussterben  des  Agilolfingischen  Regentenstam- 
mes bis  zu  dem  Kurfürsten  Maximilian  I,  und  in  der  4n  Cl.  von  dem 
Kurfürsten  Maximilian  I  bis  auf  die  Jetzige  Zeit  abgehandelt  werden. 
Dabei  soll  bezüglich  der  allgemeinen  Geschichte  am  Anfang  eines  jeden 
Schuljahrs  eine  summarische  Uebersirht  der  im  vorangegangenen  Schuljahr 
gelosten  Lehraufgabe  gegeben,  und  was  die  vaterländische  Geschichte 
betrifft,  in  der  4n  Cl.  eine  genaue  Wiederholung  des  ganzen  in  den 
2  vorangehenden  Ciassen  behandelten  LehrstolTs  vorgenommen,  übri- 
gens im  Unterricht  überall  sowohl  auf  die  Hauptquellen  der  Geschichte 
als  auf  die  vorzüglichsten  Bearbeitungen  der»;elben  hingewiciEen  wer- 
den. In  der  Geographie  wird  im  Gymn.  kein  besonderer  Unter- 
richt ertheilt;  doch  sind  die  Lehrer  verbunden,  bei  dem  Vortrage  der 
Geschichte  auf  Wiederholung  und  Erweiterung  der  geographischen 
Kenntnisse  sorgfaltigen  Bedacht  zu  nehmen.  Der  Geschicntsunter- 
richt  wird  von  dem  Classlehrer,  und  wenn  confi-s^iunelle  Rücksicht 
ten  eine  Aenderung  wünschenswerth  machen,  von  dem  betreffenden 
Religionslehrer  ertheilt.  $•  62.  Der  Unterricht  in  drr  Mathematik 
umfafht:  in  der  In  Cl.:  Buchstabenrechnung  innerhalb  der  vier  ersten 
Operationen,  zugleich  als  wifsenschaftliche  Begründung  der  in  den 
zwei  ersten  Ciassen  der  lat.  Schule  vorgekommenen  Lehren.  Ferner 
die  Lehre  von  den  Proportionen  und  die  Gleichungen  vom  In  Grade. 
In  der  2n  CL:  Potenzen  und  Wurzeln,  Gleichungen  vom  2n  Grade, 
Logarithmen  und  Progressionen.  In  der  3n  Cl. :  Planimetrie  in  durch- 
aus heuristischer  Wei«e,  daher  langsam  vorrückend.  In  der  4n  Cl. : 
Stereometrie  und  ebene  Trigonometrie.  $•  63«  Der  Unterricht  in  der 
Physik  behandelt:  in  der  3n  Cl.:  Erläuterung  von  so  vielen  princi« 
piellen  Sätzen  der  Naturlehre,  als  nothig  sind,  um  mittelst  ihrer  und 
der  mathematischen  Kenntnisse  des  Gymn.  entfernter  liegende  Satze 
mit  Sicherheit  ableiten  zu  können.  Ableitung  solcher  Sätze,  so  weit 
es  die  Kräfte  dieser  Classe  gestatten.  In  der  4n  Cl. :  Fortsetzung  der 
Anwendung  der  Mathematik  auf  Physik ,  mathematische  und  physika- 
lische Erdbeschreibung.  Der  Unterriebt  in  der  Physik  wird  von  dem 
Lehrer  der  Mathematik  ertheilt.  |.  64.  Der  gesammte  Gymnasial- 
nnterricht  soll  wöchentlich  in  24  Stunden  gegeben  und  verthejlt  wer- 
den, wie  folgt:  A.  für  die  Je  und  2e  Classe:  Religion  2,  Latein  7, 
Griechisch  6,  Deutsch  2,  Franzosisch  3,  Geschichte  2,  Mathematik  3 
Standen.  B.  Für  die  3e  und  4e  CK:  Religion  2,  Latein  6,  Griechisch 
5,  Dentsch  2,  Franzosisch  2,  Geschichte  2,  Mathematik  3,  Physik  1 
Standen,  f.  65*  Für  Schüler,  welche  sich  künftig  dem  Stadium  der 
Theologie  zu  widmen  gedenken,  so  wie  überhaupt  für  andere,  welche 

15* 


220    Schul-  und  Personalnachriehten,  itatistische  Mittheilangen, 

es  wanscben,  soll  in  aarserordentlichen  Stonden  Unterricht  in  H«- 
braeiflchen,  und  zwar  für  die  beiden  untern  Clas^^en  nach  einer  eia- 
fachen  Grammatik  und  Chrestomathie  historischer  Stücke  ertheilt  wer- 
den. Diese  Uebung  ist  in  den  beiden  obern  Classen  an  den  histori- 
schen Büchern  des  A.  T. ,  Psalmen  und  an  gewählten  Abschnitten  der 
Propheten  fortzusetzen.  §•  66*  Auf  Begehren  soll  auch  Unterricht  im 
Zeichnen  und  im  Gesang,  und  nach  Mafsgabe  der  Mittel  und  der  Gelegen- 
heit in  der  Musik  und  in  der  italienischen  und  englischen  Sprache  Ton 
besondern  Lehrern  ertheilt  werden.  Dem  Rector  so  wie  den  Professo- 
ren liegt  ob  dafür  zu  sorgen ,  daf«  der  in  diesen  Fachern  genommene 
Unterricht  mit  derselben  Kegelmäfsi^keit  wie  der  übrige  besucht  und 
jede  Art  Unordnung,  so  wie  willkürliches  Wegbleiben  verhatet  and 
gestraft  werde.  Em  Austritt  aus  demselben  wahrend  des  Semesters 
ist  nicht  zu  gestatten.  Leibesübungen  sind  im  Sommer  auf  die  afMlte- 
ren  Stunden  der  freien  Nachmittage  zu  Yerlegen  und  von  dem  Rector 
ao  wie  Yon  den  Professoren  streng  zu  beaufsichtigen. 

Tit.  IX.  Von  der  Eintheilung  des  Schuljahres,  der  Aufnahme  nnd 
dem  Fortgang  der  Schuler.  %•  67*  Das  Schuljahr  wird  im  Gymna- 
sium wie  in  der  lat.  Schule  ($.  28)  eingetheilt.  f.  68«  Jeder,  welcher 
die  Aufnahme  nachsucht,  hat  sich  am  Anfang  des  Schuljahrs  inr  In- 
scription  bei  dem  Rector  des  Gymn.  zu  melden  und  über  Alter,  Ort 
und  Art  seiner  bisherigen  Studien  durch  Vorlegung  sämmtlicher  frühe- 
rer Studienzeugnisse  sich  auszuweisen.  §•  69*  Ueber  die  Vorbedin- 
gungen zur  Aufnahme  in  die  erste  Classe  des  Gymn.  entscheiden  die 
Vorschriften  des  §.  34.  In  eine  höhere  Classe  soll  kein  Schüler  ein- 
treten ,  welcher  nicht  nach  dem  Urtheil  seiner  Lehrer ,  oder  falls  er  ans 
dem  Privatunterricht  kommt,  nach  einer  strengen  Prüfung  aus  sammt- 
lichen  Unterrichtsgegenständen  für  rollkomroen  reif  erklärt  worden  ist. 
Den  Lehrern  wird  rücksichtslose  Streng  in  Verweigerung  des  Vor- 
rückens  für  den  Fall  der  Unreife  zur  Pflicht  gemacht.  Sollte  bei  ein- 
zelnen Schülern  das  Urtheil  über  ihre  Reife  oder  Unreife  zum  Vorrücken 
am  Ende  des  Schuljahres  noch  zweifelhaft  sein,  so  sind  dieselben  am 
Anfange  des  nächsten  Schuljahrs  einer  Prüfung  zu  unterwerfen  und, 
wenn  sie  diese  nicht  nach  dem  Urtheil  des  Lehrerraths  befriedigend  be- 
stehen, in  die  nächst  untere  Classe  zurückzuweisen.  §•  70*  Wer  ein 
Zeugnis  über  die  vollständige  Absolvierung  der  Gymnasialstudien  er- 
halten will,  hat  sich  einer  Absolutorialprufung  zu  unterwerfen.  §•  71* 
Diese  Prüfung  wird  an  jedem  Gymn.  theils  schriftlich  theils  mündlich 
von  einer  Prüfungscommission  abgehalten,  welche  gebildet  wird:  a)fur 
die  schriftliche  Prüfung  aus  ssmmtlichen  Professoren  des  Gymn.  unter 
dem  Vorsitz  des  Rectors;  b)  für  die  mündliche  Prüfung  aus  dem  Rector 
und  sämmt liehen  Professoren  des  Gymn.  unter  dem  Vorsitz  eines  Mini- 
sterialcommissärs.  Zur  Führung  des  Protocolls  kann  ein  Individuum 
aus  der  Rectoratscanzlei  verwendet  werden.  $•  72*  Die  schriftliche 
Prüfung  beginnt  am  1.  Juni  oder,  wenn  an  diesem  Tage  ein  Sonntag 
einfallt,  am  2.  Juni  und  dauert  drei  Tage.  Dieselbe  umfafst:  a)  am 
ersten  Prüfungsftage :  a)  eine  Aufgabe  aus  der  Religionslehre,  zu  wel- 
cher die  Morgenstunden  von  8  bis  11  Uhr  zu  verwenden  sind,  ß)  eine 
Uebcrsetznng  aus  dem  Deutschen  in  das  Lateinische  (Nachmittag  Ton 
2  bis  6  Uhr);  b)  am  zweiten  Prüfungstage:  er)  eine  Uebersetzung  ans 
dem  Deutschen  in  das  Griechische  (Vormittag  von  8  bis  II  Uhr), 
ß)  eine  Aufgabe  aus  der  Mathematik  nebst  Physik  (Nachmittag  Ton  t 
bis  5  Uhrj;  c)  am  dritten  Prüfungstage:  a)  einen  deutschen  Aufsati 
(Vormittag  von  7  bis  II  Uhr),  ß)  eine  Aufgabe  aus  der  allgemeinen 
Geschichte  (Nachmittag  von  2  bis  4  Uhr),  f.  73«  Das  k.  Staatsmini- 
sterium des  Innern  für  Kirchen-  und  Schulangelegenheiten  hat  die  Pro- 
beaufgaben  zu    bestimmen.     Die  ausgewählten    Aufgaben   werden  Tor 


litterarisclie  «nd  anliquariselie  lliscelleB.  221 

Jeder  Prafäng  dem  Vorstände  der  Prfiftuigscommission  yenchlorsen  sn- 
geeendet,  weiche  die  Eröffnung  nicht  froher  als  an  'dem  xnr  Beant- 
wortung bestimmten  Tage  und  zwar  in  Gegenwart  der  Examinanden 
▼onnnehmen  hat.  f«  74«  Die  Bearbeitung  bat  unter  der  Aufsicht  eines 
Mitgliedes  der  Prufnngscommission  stattzufinden,  welches  gegen  alle 
Unterschleife  ernstlichst  und  bei  strenger  Verantwortung  zu  wachen  und 
faiebei  pünktlichst  darauf  zu  halten  hat,  dafs  die  zur  Beantwortung 
gestattete  Zeit  von  jedem  Examinanden  genau  eingehalten  wird.  Dem 
Kzaminanden  ist  der  Gebrauch  Ton  Wörterbüchern  bei  den  Uebersetzun- 
gen  in  das  Lateinische  und  Griechische,  dann  der  Logarithmentafeln 
bei  der  mathematischen  Arbeit,  nicht  aber  sonstiger  Hilfsmittel  zu  ge- 
statten. Sobald  ein  Examinand  mit  seiner  Arbeit  fertig  ist,  hat  er  die- 
selbe (sowohl  das  Concept  als  die  etwa  gefertigte  Reinschrift)  ahzn- 
ffeben  und  das  Arbeitslocal  zu  verlafsen.  Vor  Ablieferung  der  Arbeit 
darf  kein  Examinand  nach  Hause  entlafsen  werden,  f.  75*  Wenn  ein 
Examinand  sich  einer  Unredlichkeit  bei  der  Arbeit  schuldig  macht  — 
mag  dieselbe  in  Benutzune  fremder  Arbeit  oder  unerlaubter  Hilfsmittel 
bestehen  — ,  so  ist  er  sogleich  ans  dem  Arbeitslocal  zu  entfernen.  Der- 
selbe darf  erst  im  nächst  folgenden  Jahre  wieder  zu  der  Absolutorial- 
prnfung  zugelafsen  werden,  falls  er  befriedigende  Zeugnisse  über  Fort- 
setzung der  Gymnasialstudien  und  über  sittliches  Wohlverhalten  beizu- 
bringen Yermag.  Ueber  diese  Folgen  der  Unredlichkeit  sind  die  Exa- 
minanden vor  Beginn  der  Prüfung  ausdrucklich  und  unter  eindringlicher 
Verwarnung  in  Kenntnis  zu  setzen,  f«  76*  Die  Correctur  und  Censur 
der  simmtlichen  Arbeiten  ist  unmittelbar  nach  dem  letzten  Priifungs- 
tage  zu  beginnen  und  mit  der  gröfsten  Genauigkeit  und  Strenge  vor- 
sunehmen.  f.  77«  Bei  der  Censur  sollen  vier  Noten  an(;enommen  wer- 
den, nemlich:  L  sehr  gut,  II.  gut,  IIL  mittelmäfsig,  IV.  gering.  Bei 
besonderer  Auszeichnung  kann  die  Note  ^vorzüglich'  oder  «ausgezeich- 
net' gewählt  werden.  |.  78*  Das  Urtheil  über  die  Befähigung  eines 
jeden  Examinanden  ist  m  Ansehung  einer  jeden  Aufgabe  besonders  zu 
schöpfen.  Die  Totalclassification  wird  durch  Summierung  der  aus  den 
einzelnen  Arbeiten  erhaltenen  Classenzahl  und  durch  Theilung  der 
Summe  mit  der  Zahl  der  Aufgaben  festgesetzt.  Jede  bei  dieser  Be- 
rechnung sich  ergebende  Fraction ,  welche  die  Hälfte  des  Ganzen  über- 
steigt, ist  der  nächst  untern  Classe  beizuzählen.  Bei  dieser  Berech- 
nung wird  die  Aufgabe  aus  der  Religion  2fach,  aus  der  lateinischen 
Sprache  4fach,  aus  der  griechischen  und  deutschen  Sprache  3fach,  aus 
der  Mathematik  und  Geschichte  2fach  in  Anschlag  gebracht.  Die  Clas- 
sification jedes  einzelnen  wird  nach  vorgängiser  reifer  Berathung  durch 
Abstimmung  festgesetzt,  wobei  im  Fall  der  Stimmengleichheit  die 
Stimme  des  Vorstandes  entscheidet.  Wer  die  vierte  Note  erhält,  ist 
snr  mündlichen  Prüfung  nicht  mehr  zuzulafs^n  und  als  rejiciert  zu  be- 
handeln. Das  Gesammtergebnis  wird  unter  Anlage  sämmtlicher  Arbei- 
ten und  ProtocoUe  unmittelbar  an  das  k.  Staatsministerium  des  Innern 
für  Kirchen-  und  Schulangelegenheiten  und  zwar  in  der  Art  eingesen- 
det, dafs  es  längstens  am  15.  Juni  zu  dem  Einlauf  des  Ministeriums 
gelangt.  $•  79*  Die  mündliche  Prüfung  wird  im  Monat  Juli  am  Tage 
nach  Eintreffen  des  Ministerialcommissärs  gehalten.  Sie  dauert  zwei 
bis  drei  Tage  und  an  jedem  Tage  8  Stunden ,  so  dafs  auf  die  Prüfung 
eines  jeden  Schülers  durchschnittlich  die  Zeit  von  einer  halben  Stunde 
Terwendet  wird.  €.  80»  Dieselbe  erstreckt  sich  auf  a)  Uebersetzung 
und  Erklärung  einiger  Stellen  aus  den  in  der  4n  Cl.  des  Gymn.  er- 
klarten romischen  und  griechischen  Schriftstellern,  dann  einiger  Stellen 
aas  einem  während  des  Gymnasialstudiums  cursorisch  gelesenen  romi- 
schen und  griechischen  Classiker;  b)  Uebersetzung  einiger  Stellen  ans 
Franzosischen  in   das  Deutsche;  c)  Losung  einiger  Fragen  aus 


222  Schal-  und  Personainachrichten ,  statistische  Miliheiiangen, 

a)  der  Religionslehre ,  ß)  der  Mathematik,  y)  der  bayerischen  Ge- 
schichte. §•  81  •  Das  Urtheil  über  die  Prüfung  eines  jeden  Examinan- 
den ist  unmittelbar  nach  der  Prüfung  zu  schöpfen  und  hiebei  wie  bei 
der  Censur  der  schriftlichen  Arbeiten  zu  verfahren,  und  sofort  das 
liierüber  aufzunehmende  Protocoii  au  das  k.  ^tautsministerium  für  Kir- 
chen- und  Schuiangeleg«nheiten  einzusenden,  welches  über  die  zuer- 
kannte und  abgesprochene  Reife  zum  Uebertreten  an  die  Universität 
entscheidet.  €•  82*  Rejicierte  Examinanden  können  nur  Einmal  noch 
nach  Ablauf  eines  Jahres  und  unter  keiner  Bedingung  früher  zu  einer 
wiederholten  Absolutorialprüfung  zugelafsen  werden,  als  wenn  sie  sich 
über  Fortsetzung  der  Gymnasialstudien  und  sittliches  Wohiverhalten 
durch  befriedigende  Zeugnisse  auszuweisen  vermögen,  f.  83*  Es  steht 
jedem  frei,  der  sich  über  seine  Privatstudien  gehörig  ausgewiesen  hat, 
sich  bei  dem  betreffenden  Rectorat  zur  Absolutorialprüfung  zu  meiden 
und  an  dieser  Theil  zu  nehmen.  Zu  diesem  Zweck  hat  er  Zeugnisse 
darüber  beizubringen,  dafs  er  in  allen  Gegenständen  des  Gymnasial- 
studiums während  der  dafür  vorgeschriebenen  Zeit  bei  gehörig  qualifi- 
cierten  Lehrern  den  Unterricht  genofsen  habe.  Separatprüfuugen  finden 
zum  Behuf  des  Uebertritts  auf  die  Universität  nicht  statt,  es  rouste 
denn  von  dem  Examinanden  durch  glaubhafte  Zeugnisse  nachgewiesen 
werden ,  dafs  es  ihm  wegen  unübersteiglicher  Hindernisse  unmöglich  ge- 
wesen sei,  bei  der  allgemeinen  Absolutorialprüfung  zu  erscheinen.  fL  S4« 
Der  Besuch  auswärtiger  Gymnactialan^talten  wird  nur  mit  Ermächtigung 
des  k.  Staatsministeriums  des  Innern  für  Kirchen-  und  Schulangelegen- 
heiten und  unter  der  Bedingung  gestattet,  dafs  die  Absolutorialprüiung 
an  einer  Studienanstalt  des  Königreichs  erstanden  werde.  §•  85»  Zur 
Berechnung  des  Fortgangs  sollen  monatlich  in  der  Schule  wenigstens 
eine  lateinische,  eine  griechische  und  eine  deutsche  Aufgabe,  dann  jedes 
Semester  2—3  Aufgaben  aus  der  Mathematik  und  je  2  aus  der  franzö- 
sischen Sprache,  aus  der  Religionslehre  und  der  Geschichte  ausgearbei- 
tet werden.  Dem  Lehrer  bleibt  überlal'sen,  den  Werth  der  bei  diesen 
Scriptionen  gelieferten  Arbeiten  nach  Anlage,  Correctheit  in  der  Aus- 
führung und  Gehall  zu  hestimmen  und  die  einzelnen  Locdtionen  der 
Schüler  unter  An\%endung  des  ^'.  35  zu  ordnen.  Die  in  dem  letzten  Mo- 
nat des  Schuljdiirs  bearbeiteten  Aufgaben  sind  dem  Lehrer  der  nächst 
höheren  Classe,  welcher  bei  der  Erörterung  der  Frage  über  Reife  oder 
Unreife  der  Schüler  zum  Vorrücken  neben  dem  Classlehrer  vorzugs- 
weise betheiligt  ist ,  nach  vollzogener  Correctur  zur  genauen  Einsicht 
mitzutheilen.  $.  86«  Bezüglich  der  Anfertigung  des  Jahre^katalogs,  der 
Ausbtellung  der  Schlulszeugnisse  und  Noten  und  der  Ertheilung  der 
Preise  finden  die  Vorschriften  der  .^'§.  3.'),  36  u.  37  analüge  Anwendung, 
<lie  Bestimmungen  des  ^,  36  bezüglich  der  Noten  in  der  Art,  dafs  in 
be^ondern  Fällender  Aus^ichnung  die  Note  'vorzüglich'  oder  '  aus- 
gezeichnet' gegeben  wird.  Jedem  Gymn.  steht  frei,  am  Ende  des 
Schuljahrs  aufser  dem  Jahreskatalog  ein  Programm  v\ifsenschaftlichen 
Inhalts  zu  liefern,  an  des.sen  Abfaf.sung  Theil  zu  nehmen  auch  den  Leh- 
rern der  lat.  Schule  das  Recht  zusteht. 

Tit.  X.  Von  den  Professoren  des  Gymnasiums  und  den  Lehrern 
der  lateinischen  Schule.  [Die  §$.  87 — 94  stimmen  im  wesentlichen  voll- 
ständig und  auch  im  Ausdruck  fast  wörtlich  mit  der  in  Bd.  LXIX 
S.  456  ff.  mitgetheilten  Verordiuing  vom  24.  Sept.  1853  fiberein,  daher 
ihr  nochmaliger  Abdruck  hier  unterbleibt.]  §•  95«  Die  Prüfung  für  den 
französischen  Sprachunterricht  findet  unter  Leitung  eines  k.  Commissärs 
durch  einen  <?\ninasialrector  und  zwei  Lehrer  der  französischen  Sprache 
statt.  Diese  Prüfung  hat  sich  an  die  allgemeine  Prüfung  für  das  Gym- 
nasial-Lehramt  anzureihen.  $•  06*  Die  Prüfung  umfulst:  A.  schrift- 
lich: i)  die  Ucbcrsetzuiig  ein>8  deutschen  Thema   in  da^   Französijiche ; 


lillerarische  ond  antiquriiche  Misceiien.  223 

2)  Ueberaetiang  «Ines  proiaitchen  oder  poetischen  Stucki  aus  dem  Fran- 
sdsiscben  ins  Deutsche;  3)  die  Beantwortung  mehrerer  Fragen  aus  der 
frMizösischen  Litteraturgeschichte ;  4)  für  solche,  die  keine  8tndienlehr- 
amts-Candidaten  sind,  die  Uebersetzung  einer  leichten  Stelle  eines  la- 
teinischen Prosaikers  ins  Deutsche  oder  ins  FranzÖHiitche;  B.  mündlich: 
die  Erklärung  eines  prosaischen  oder  poetischen  Stücks  aus  französi- 
schen Classikern,  wobei  die  Kenntnisse  des  Examinanden  in  gramma- 
tischer, etymologischer  und  metrischer  Beziehung  zu  ermitteln  sind. 
Die  mündliche  Prüfung  ist  in  französischer  Sprache  zu  halten.  Die 
PrSfungsnoten  sind  dieselben  wie  bei  den  Candidaten  des  Lehramts 
der  Mathematik. 

Tit.  XT.  Von  der  Schnizncht,  den  Visitationen  der  Gymnasien 
und  den  Beziehungen  derselben  zur  k.  Kreisregierung.  §•  97*  Hin- 
sichtlich der  Schulzucht  soll  es  im  allgemeinen  in  dem  Gymnasium 
wie  in  der  lat.  Schule  ($$•  38 — 40)  gehalten  werden.  Die  bereits  für 
eine  Anstalt  bestehenden  Disciplinarsatzungen  sind  fortwährend  auf- 
recht zu  erhalten  und  nothigenfalls  zu  vervollständigen.  Wo  derglei- 
chen noch  nicht  bestehen,  sollen  solche  Satzungen  in  einer  den  Be- 
dürfnissen des  Junglings  und  den  Verhältnissen  des  Orts  und  der  An- 
stalt entsprechenden  Weise  entworfen  und  der  Genehmigung  der  k. 
Kreisregierung  unterstellt  werden.  §•  98*  Bezüglich  der  Lehrerconfe- 
renzen,  der  Visitation  der  Gymnasien  und  des  Aufsichtsrechtes  der  k. 
Krcisrogierungen  über  dieselben  finden  die  $$.  40 — 44  analoge  An- 
wendung. 

Tit.  XII.  Von  besonderen  Unterrichts-  und  Erziehungs-Anstalten. 
{•  99«  Die  innere  Einrichtung  der  k.  Erziehungshäuser,  Seminarien 
und  Alumnate,  deren  Zöglinge  die  öffentlichen  Lehranstalten  besuchen, 
dürfen  mit  den  Vorschriften  gegenwärtiger  Lehrordnung  nicht  im  Wi- 
derspruch stehen.  §.100«  Diejenigen  Individuen,  welche  den  Schülern 
des  Gymn.  oder  der  lat.  Schule  blofs  nachhelfenden  Unterricht  zu  er- 
theileu  beabsichtigen,  haben  hiezu  die  Erlaubnis  bei  dem  Kectorat« 
nachzus>uchen ,  welches  im  Benehmen  mit  den  einzelnen  Lehrern  ihre 
Befähigung  feststellen  und  danach  ihr  Gesuch  bescheiden  wird.  $• 
lOl*  Wer  einen  den  olTentlirhen  Unterricht  an  der  lat.  Schule  oder 
an  dem  Gymn.  ersetzenden  Privatunterricht  ertheilen  will,  mufs,  wenn 
er  nicht  dem  geistlichen  Stande  angehört,  die  Prüfung  für  das  Lehr- 
amt am  Gymn.  bestanden  haben.  §.  102.  Die  Errichtung  von  Privat- 
unterrichts- und  Erziehungsanstalten,  die  anstatt  der  lat.  Schule  oder 
des  Gymn.  dienen  sollen,  hängt  von  der  Genehmigung  der  k.  Kreis- 
regierung ab,  die  nach  Vernehmung  der  Polizeibehörde  nicht  anders 
als  auf  das  Gutachten  des  Gymnasialrectorates,  welchem  als  dem  näch- 
sten die  Aufsicht  darüber  zu  übertragen  ist,  erfolgen  soll. 

.  Bedburg.  Dem  Lehrer  der  Mathematik  an  der  dortigen  Ritteraka- 
demie Dr.  Feaux  ist  das  Praedicat  als  Oberlehrer  verliehen  worden. 
Bkrlin.  (Die  epigraphischen  Unternehmungen  der  Akademie.)  Die 
k.  preussische  Akademie  der  Wifsenschaften,  ihres  Berufs  eingedenk, 
▼orzugsweise  solche  Unternehmungen  ins  Leben  zu  rufen,  welche  durch 
Privatmittel  und  auf  dem  Wege  des  buchhnndlerischen  Verlags  nicht 
SU  Stande  kommen  können  und  die  als  Urkundenwerke  eine  von  dem 
Wechsel  wifseuschafilinher  Richtungen  und  Ansichten  unabhängige 
Giltigkeit  behaupten,  hat  neuerdings  für  die  Ausführung  des  seit  sie- 
ben Jahren  vorbereiteten  Sammelwerks  der  lateinischen  Inschrif- 
ten entscheidende  Schritte  gethan.  Der  Grund  des  ganzen  Unterneh- 
mens wurde  auf  Antrag  des  damaligen  Justizministers  von  Savigny 
durch  die  königliche  Cabinetsurdre  vom  2.  November  1846  gelegt,  wel- 
che  die  ersten  Mittel   darbot  die  grofse  Arbeit   beginnen  zu  lafsen. 


224  Schul-  und  Pertonalnachrichten,  statistUche  MiUheilongen, 

Das  nächste  Aagenmerk  muste  die  Ansammiang  des  ganien  litteraii- 
sehen  Materials  sein,  die  Vereinigong  alier  in  den  altern  Sammelwer- 
ken Ton  Gruter,  Muratori  u.  s.  w.  so  wie  in  Monographien  und  Ztti- 
Schriften  seitdem  gedruckter  Inschriften.  Dieser  mühevollen  VorarlXit 
hat  sich  Prof.  A.  W.  Ziimpt  in  Berlin  untersogen  und  für  die  Aka- 
demie ein  Material  von  circa  65000  Inschriften  zusammengebracht* 
Gleichzeitig  wurde  für  Herbeischalfung  des  noch  nicht  gesammeltea 
Materials  Sorge  getragen  und  zu  diesem  Bndzweck  förderte  die  Aka- 
demie die  Reisen  und  Studien  des  Prof.  Th.  Mommsen,  aus  denen 
sein  Werk  über  die  Inschriften  des  Königreichs  Neapel  herTorgegangea 
ist  [s.  NJahrb.  Bd.  LXIX  S.  112  IS.].  Je  mehr  sich  inzwischen  in 
Italien ,  Deutschland  und  Frankreich  das  Interesse  für  lateinische  Bpi- 
graphik  belebte,  um  so  dringender  erschien  es,  die  Ausführung  mit 
allem  Eifer  zu  fordern  und  die  in  verschiedenen  Landern  wirkenden 
Kräfte  deutscher  Forscher^  welche  sich  sonst  in  Einzelarbeiten  zer- 
splittern oder  zu  fremden  Unternehmungen  in  Anspruch  nehmen  lafsen 
würden,  zu  einem  grofsen  Gesammtwerke  deutscher  Gelehrsamkeit  in 
vereinigen.  Es  galt  zunächst  aufser  einer  gewifsenhaften  Vervollstän- 
digung der  gesammelten  Materialien  aus  gedruckten  Büchern  die  Ana- 
nutzung der  epi^raphischen  Codices  und  vor  allem  die  erneute  Durch- 
forschung der  für  lateinische  Epigraphik  wichtigsten  Länder,  unter 
denen  nicht  einmal  Deutschland,  geschweige  denn  Spanien  u.  a,  genü- 
gend durchforscht  sind.  Nachdem  nun  durch  eine  zweite,  ansehnliche 
Geldbewilligung  Sr.  M.  des  Königs  (jährlich  2000  Thlr.  für  die  näch- 
sten 6  Jahre)  die  Mittel  gesichert  waren,  um  das  grofse  Werk  in  ein 
neues  Stadium  eintreten  zu  lafsen,  gelang  es  der  Akademie  die  beiden 
durch  umfafsende  Autopsie  und  vielfach  bewährte  Kennerschaft  anace- 
zeichneten  Epigraphiker  Theodor  Mommsen  in  Breslau  und  Wil- 
helm Henzen  in  Rom  in  der  Weise  für  das  Unternehmen  zu  gewin- 
nen, dafs  beide  vereint  die  Redaction  des  Werks  übernehmen.  Aufser- 
dem  hat  die  Akademie  Grund,  auf  die  wichtige  Theilnahme  ihres  Corre- 
spondenten,  des  berühmten  Epigraphikers  Giamba^ttista  de'Rossi 
in  Rom  hoffen  zu  dürfen;  durch  seine  Vermittlung  werden  schon  Jetzt 
die  vaticanischen  Codices  sorgfältig  durchgesehn,  um  Abschriften  oder 
neue  Vergleichungen  von  allen  darin  enthaltenen  Inschriften  zu  gewin- 
nen. Endlich  hat  auch  Prof.  Fr.  Ritschi  in  Bonn  sich  bereit  finden 
lafsen,  dem  neu  belebten  Unternehmen  sich  in  der  Weise  anzuschlie- 
fsen,  dafs  er  seine  ^priscae  Latinitatis  monumenta  epigraphica'  ab 
Prodromus  oder  ersten  Band  des  akademischen  Werks  erscheinen  lafsen 
will.  Auch  ist  die^  zunächst  für  seine  Zwecke  unternommene  Reise 
des  Dr.  U.  Brunn  in  den  Gebirgsgegenden  von  Amitcrnum,  vom  lacu« 
Kucinus  u.  s.  w.  von  der  Akademie  unterstützt  worden,  um  das  Ma- 
terial der  italischen  Inschriften  aus  jenen  nur  selten  besuchten  Gegen- 
den zu  vervollständigen.  —  Für  die  Fortführung  des  griechischen 
Inschriften  Werks  ist  das  Material  so  weit  geordnet  und  vorbereitet, 
dafs  der  Druck  des  vierten  und  letzten  Bandes  unter  der  Redaction  dea 
Prof.  E.  C u  rti US  in  Berlin  in  diesem  Herbste  beginnt.  Der  vierte  Band 
wird  dem  Plane  des  Ganzen  zufolge  zunächst  diejenigen  Inschriften 
classischer  Zeit  umfafsen,  welche  in  den  bisher  erschienenen  Bänden 
deshalb  keinen  Platz  finden  konnten,  weil  ihre  Herkunft  nicht  zu  er- 
mitteln ist;  also  erst  die  Inschriften  auf  Steinen,  Bildseulen  und  Re- 
liefs unbekannten  Fundorts  und  dann  die  Gattungen  inschriftlicher 
Kunstwerke,  bei  denen  ihrer  Natur  nach  die  ursprüngliche  Heimat 
nicht  leicht  festgestellt  werden  kann,  namentlich  Gemmen  und  Thon- 
gefafso.  Diese  drei  Classen  von  '  inscriptiones  locorum  incertonim' 
smd  schon  von  dem  verstorbenen  Prof.  J.  Franz  mit  grofsem  Fleifse 
für  den  Druck   vorbereitet  worden.    Dann   folgen  die  Iiuchriften  der 


lUterariscIie  aad  aBtiqatrilolie  Miseellen.  225 

bywatlaUclieB  Zeit  and  iwar  erst  die  auf  öffentliche  GebSnde  besfig- 
lickeB  and  dann  die  lahlreichen  Grabschriften ,  erst  die  netriBchen, 
daim  die  prosaischen.  Den  Schlafs  des  Tierten  Bandes  werden  die 
indices  bilden,  an  deren  Fortfuhrang  Dr.  Bergmann  in  Brandenburg 
arbeitet. 

Berlin.  An  dem  Kolnischen  Realgymnasium  ist  dem  ordentlichen 
Lehrer  Dr.  J.  F.  L.  George  das  Praedicat  eines  Professor  beigelegt 
and  die  Berafnng  des  Hilfslehrers  Lic.  th.  nnd  Dr.  ph.  Karl  Gu- 
stav Andreas  Kuhlmey  zum  12n  ordentlichen  Lehrer  genehmigt 
worden. 

Born.    Seit  Anfang^  ▼.  J.   sind   an  der  dortigen  Universität  fol- 

fende  Inanguraldissertationen  philologischen  Inhalts  erschienen :  am  23. 
anuar  18dS  Von  WoldemarHarlefs:  de  Fabiii  et  Aufidii9  rerum 
R^Maanarum  »eriptoribu»  (52  S.  8) ;  18.  März  Ton  Wilhelm  Schmitz: 
quaestionet  orthoepicae Latinae  (dio  8,  8);  19.  März  von  Paul  Grau- 
toff:  Turpilianarum  comoediarum  reliquiae  (42  S.  8)  [s.  NJahrb. 
Bd.LXIXS.  31—37];  14.  Mai  von  Johann  Peter  Binsfeldi  quaes- 
Itofiet  Ovidianae  etiticae  (41  S.  8);  27.  Juli  von  Georg  Thilo:  de 
Farrone  Plutarchi  quaettionum  Romanarum  auctore  praeeipuo  (34  S. 
8)  [s.  NJahrb.  Bd.  LXIX  S.  99— Ibl];  13.  August  von  Fr.  Wilhelm 
Conrads:  in  Anihologiae  Latinae  lihrum  IV  exercitationet  criticae 
et  exegeiieae  (45  S.  8);  15.  August  von  Wilhelm  Wiel:  observatio- 
ne»  in  Orphei  Argonautiea  (60  S.  8);  am  14.  Januar  1854  von  Alex- 
ander Richters  Danati  commentarii  quem  usum  habeant  ad  illue- 
trandam  verborum  Terentianorum  corruptelam  (?  S.  8);  4.  März  von 
Jacob  Schmitz:  de  Dionysii  Haliearnaseei  quibuedam  locis  emen- 
dandi»  (26  S.  8);  18.  März  von  Johann  Barteist  Aristoxeni  ele- 
mentorum  rhythmieorum  fragmentum  emendatum  et  expUcatum  (56  S. 
8);  4.  August  vom  Emil  Hübner:  quaeationet  onomatologicae  La- 
fiiiae  (44  S.  8);  5.  August  von  Karl  Schnelles  exereitatione»  criticae 
in  Dionysii  Halicamaeeenne  antiquitates  Romanaa  (36  S.  8);  7.  Au- 
gust von  Wilhelm  Steinhart:  de  emendatione  Lucani  (30  S.  8). 

Breslau.  In  der  juristischen  Facultat  der  dortigen  Universität 
wnrde  Professor  Dr.  Theodor  Mommsen  in  Zürich  zam  ordentlichen 
Professor  ernannt. 

Coburg  [s.  Bd.  LXVI  S.  325].  Das  Lehrercollegium  des  dortigen 
Gymnasium  Casimirianum  hat  gegenwärtig  folgenden  Bestand:  Direc- 
tor  Forberg,  Geh.  Kirchenrath  Prof.  prim.  Dr.  Genfs  1er,  die  Pro- 
fessoren Trompheller,  Schneider,  Ahrens,  Dr.  Kern,  Voigt- 
mann,  die  Gymnasiallehrer  Mather  und  Drossel,  Prof.  Rauscher 


(Zeichnen),  Stadtcantor  Böhm  (Gesang),  Regierungscanzlist  Klap- 
penbach (Kalligraphie).  Ostern  d.  J.  betrug  die  Schnlerzahl  65  (Sei.: 
6,  I:  12,  II:   13,  IH:  9,  IV:  25).    Programmabhandlung  Ostern  1854: 


Zur  Erklärung  des  Tkucydidee,  2s  Heft,  vom  Director  E.  Forberg 
(12  S.  4);  das  erste  Heft  (20  S.  4)  war  auf  die  gleiche  Veranlafsung 
Ostern  1853  erschienen. 

DiLiifGEN.  Die  am  Gymnasium  durch  die  Pensionierung  der  Profes- 
soren Martin  Rifs  und  Joseph  Haut  erledigten  Lehrstellen  wur- 
den darch  Versetzang  des  Gymnasialprofessors  Lorenz  Englmann 
in  Kempten  und  darch  Beförderung  des  Stadienlehrers  zu  Bamberg, 
Georg  Hann wacker,  wieder  besetzt. 

Duisburg.  Vom  dortigen  Gymnasium  ist  Oberlehrer  Dr.  Thiele 
in  gleicher  Eigenschaft  an  die  Realschule  in  Barmen  abgegangen. 

DÜREN.  Oberlehrer  Klein  vom  dortigen  Gymnasium  ist  in  glei- 
cher Eigenschaft  an  das  Gymnasium  in  Bonn  und  an  dessen  Stelle  der 
bisherige  ordentliche  Lehrer  am  Gymnasium  zu  Trier  Dr.  Gobel  als 
Oberlehrer  «versetzt  worden. 


226  Schul-  und  Perfonalnaohrichten,  statistische  Mittheilungen, 

EiCHSTÄTT.  Die  durch  temporäre  Qoiescierung  des  Professors  am 
Gymnasium  Franz  Brigl  erledigte  Professur  erhielt  der  Studienleh- 
rer daselbst  Dr.  Simon  Zauner,  die  dadurch  erledigte  Lehrstelle 
an  der  Lateinschule  der  geprüfte  Lehramtscandidat  Dr.  Urban  Kri- 
ninger. 

£lberfeld.  Zum  zweiten  ordentlichen  Lehrer  am  dortigen  Gym- 
nasium ist  der  Schalamtscandidat  Dr.  Otto  Ribbeck  in  Berlin  ge- 
wählt und  bestätigt,  zur  Vertretung  des  erkrankten  Oberlehrers  Dr. 
Beltz  für  das  Winterhalbjahr  Dr.  Wilhelm  Herbst  in  Bonn  (vor- 
her an  dem  Vitzthum-BIochmannschen  Gymnasium  in  Dresden)  bernfea 
worden. 

EuTixN  [s.  Bd.  LXVIII  S.  216].  Collaborator  W.  K  n  o  r  r  an  der  dor- 
tigen Gelehrtenschule  wurde  detinitiY  angestellt.  Die  Schfilerzahl  be- 
trug Ostern  1854  99  (I:  17,  11:  11,  III:  25,  IV*:  21,  IV^:  25);  zur 
UniTprsität  wurde  Mich.  1853  1,  Ostern  d.  J.  5  entlafsen.  Der  in  den 
Schul nachrichten  mitgetheilte  Auszug  aus  den  Conferenzprotokollen 
betrifft  den  Unterricht  in  der  deutschen  Sprache.  Inhalt  des  Pro- 
gramms: Das  Leben  des  /4ffricola  von  Taeitus,  au9  dem  Latein Ueken 
übersetzt  vom  Rector  Dr.  Ch.  Pansch  (38  S.  8). 

Glatz.  Als  ordentlicher  Lehrer  am  dortigen  katholischen  Gym- 
nasium ist  der  bisherige  zweite  Civilinspector  an  der  Ritterakademie 
zu  Liegnitz,  Oskar  Beschorner,  angestellt  worden. 

Halle.  Am  Paodagogium  der  Franckeschen  Stiftungen  ist  der 
Schulamtscandidat  Hermann  Schwarz  als  ordentlicher  Lehrer  an- 
gestellt. 

Hannover.  Den  Lehrern  am  dortigen  Lyreum  Heinrich  Brock 
und  Dr.  Gustav  Lahmeyer  ist  der  Titel  Oberlehrer  verliehen 
worden. 

Homburg  vor  der  Höhe.  Der  Landgraf  läfst  in  diesem  Sommer  auf 
Anregung  des  Archivar  Habel  aus  Schienstein  die  Au»<grabungen  ander 
Saal  bürg  eifrig;  betreiben.  DieSaalbtirg,  l'M)'k  Fufs  über  dem  Meeres- 
spiegel, in  der  bequemsten  Einsattlung  d<!H  Taunus  an  der  Strafse  von 
Usingen  nach  Homburg  gelegen,  ist  eins  der  Castelle  des  Pfahlgrabens, 
höch.st  wahrscheinlich  das  Artaunon  des  Ptolemaeus,  das  Castell  von 
welchem  Taritus  Ann.  I,  56  berichtet,  dafs  Drusufl  es  erbaut  (vgl. 
Cassius  Dio  LIV,  33)  und  Germanicus  nach  der  Zerstörung  durch  die 
Germanen  es  wieder  aufgerichtet  habe.  Ks  war  durch  eine  20  Faf« 
breite,  theilweise  noch  erhaltene  Heerstrafse  mit  dem  Nävus  Fieu9 
zwischen  Heddernheim  und  Praunheim  verbunden.  Die  Obermauern 
des  bedeutenden  Festungswerkes  sind  Jahrhunderte  lang  als  Steinbruch 
benutzt  werden:  ein  Theil  des  Homburger  Schlofses,  die  katholische 
Kirche  daselbst,  das  Kloster  Thron  u.a.  sind  daraus  gebaut.  Es  bleibt 
sonach  nur  die  Aufgrabiing  und  Blolslegung  der  Fundamente  übrig, 
um  den  Umrils  eines  bedeutenden  römi.*<chen  Castells  zu  erhalten.  Eis 
bildet  ein  längliches  Viereck  von  20 — 24  Morgen  Flächengehalt  mit 
abgerundeteil  Ecken,  umgeben  von  einem  Graben  und  einer  5  Fnfs 
dicken  Mauer.  Ks  hat  vier  Thore,  jedes  mit  zwei  Thürmen  zur  Seite« 
Zwei  Wege  schneiden  es  in  vier  Tbeile.'doch  so  dafs  der  mit  den  kur- 
zem Seiten  gleichlaufende  Weg  nicht  die  Mitte,  sondern  ein  Drittheil 
der  längern  Seite  abtrennt.  Wo  beide  Strafsen  sich  kreuzen,  liegt 
ein  grÖfseres  Gebäude;  von  kleinereu  sind  die  Fundamente  aufgedeckt, 
welche  einen  vollständigen  Begriff  von  der  Heizung  geben,  welche  im- 
mer T«uftheizung  war  und  theils  durch  vier  unter  dem  Fursb öden  einem 
Mittelpunkt  zulaufende  Canäle  theils  dadurch  bewirkt  wurde,  dafs 
der  Fufsbodcn  auf  Seulen  von  Backstein  ruhend  einen  ganz  hohlen 
Kaum  unter  sich  hatte.    Die  gefundenen  Ziegel  tragen  die  Stempel: 


lillararisohe  wid  antiqnaritelie  lliscellen.  8S7 

COH  n  RAE.und  COH  IUI  VINDEL;  auch  ▼on  d«r  dritten  Cohorte 
der  Raeter  and  Yon  der  22n  Legion  mit  dem  Stempel  LEG  XXII  P  P . 
worden  Ziegel  gefunden.  Die  oben  erwähnt«  Nachricht  de»  Tacitas 
bestätigt  sich  sowohl  an  den  kleinen  Gebäuden  im  Casteli  als  auch  an 
den  Häusern  der  umliegenden  Stadt  dadurch,  dafs  in  ein  Haus  mit 
wohlerhaltenem  Estrich  ein  zweites  Hans  etwa  3—4  Fufs  höher  hineiu- 
gebaut  wurde,  offenbar  ohne  Kenntnis  von  jenem  frühem  Bau.  Auch 
altere  Inschriftsteine  sind  so  Bausteinen  verwendet.  Drei  bis  vier 
Fnfs  hoher  Schott  mit  einer  deotlichen  Lage  von  Brandschatt  bedeckt 
den  Raum.  Einer  der  Brunnen  ist  bis  auf  70  Fufs  Tiefe  vom  Schntt 
gereinigt  und  gibt  bereits  wieder  Wafser.  Die  Dachbedecknng  bestand 
aus  Schiefer. 

Kempten.  Auf  die  am  dortigen  Gymnasium  erledigte  Professor  (s. 
unter  Dilingen)  wurde  der  Studienlehrer  so  Männerstadt,  Priester 
Franz  Mohr,  befordert. 

Kiel.  An  die  dortige  Universität  sind  als  ordentliche  Professoren 
berufen  worden:  für  orientalische  Sprachen  Prof.  Dr.  Di  11  mann  aus 
Tubingen,  für  romisches  Recht  Prof.  Dr.  Neuner  aus  Giefsen,  für 
deutsches  Recht  Prof.  Dr.  Wilda  aus  Breslau,  für  Statistik  Prof.  Dr. 
Selig  aus  Freiburg.    Anfserdem  s.  Bd.  LXIX  S.  704  unter  Prag. 

KuriHEssEN.  Die  'Nene  Preussische  Zeitung'  enthält  von  dort  aus 
folgende  *  Beleuchtung'  der  landeAherrlichen  Verordnung  in  Betreff  der 
kirchlichen  Stellung  der  Gymnasien.  'Der  grofse  Haufe  stellt  sich  bei 
der  Beurtheilung  dieser  wichtigen  Angelegenheit  die  Gymnasien  als 
nenmodig-ungläubige  Institute  vor,  die,  errichtet  mitten  in  der  unge* 
bundenen  Freiheit  der  negierenden  Wifsenschaft,  etwa  wie  die  meisten 
Realschulen  nun  unter  die  'Tyrannei  der  Kirche'  gezwängt  würden. 
Aber  so  steht  die  Sache  gar  ni<:ht.  Unsere  Gymnasien  sind  durchweg 
uIm  kirchliche  Anstalten  gestiftet  worden  und  bis  in  die  neueste  Zeit 
kirchliche  Anstalten  geblieben.  So  stand  das  Paedagogium  zu  Mar- 
burg, aus  dem  vor  zwanzig  Jahren  das  dortige  Gymnasium  erwuchs, 
unter  dem  Professor  primarius  der  Theologie  als  Paedagogiarchcn ;  so 
stand  das  Hersfelder  Gymnasium  bis  auf  die  Zeit,  in  der  die  Gymna; 
sien  unmittelbar  unter  das  Ministerium  gestellt  wurden,  unter  dem 
dortigen  ersten  Stadtgeistlichen  als  erstem  Inspector.  Das  Gymnasium 
XU  Kassel  ist  entstanden  aus  einer  Stadtschule,  die  wie  alle  Stadt- 
schulen unter  der  Aufsicht  der  Geistlichen  stand;  es  ist  erst  durch 
Vertrag  vom  11.  Januar  1840  Staatsanstalt  geworden.  Die  Gymnasien 
zu  Fulda,  Rinteln  und  Hanau  sind  aus  frühern  ganzen  oder  halben 
Universitäten  entstanden  und  trugen  schon  seit  ihrer  Stiftung  kirchlichen 
Charakter.  Die  Fuldaer  Universität  wurde  1734  durch  den  Fürstabt 
Adolf  von  Dalberg  gestiftet,  und  die  Stiftungsurkunde  des  Gymna- 
siums zu  Hanau,  der  hohen  Landesschule  der  Grafschaft  Hanau,  ausge- 
stellt 1607  von  dem  Grafen  Philipp  Ludwig,  wahrt  den  kir« blichen 
Charakter  der  Stiftung  ausdrücklich.  Diese  ursprüngliche  kirchliche 
Stellung  der  Gymnasien  ist  nun  durch  ihre  jetzige  allerdings  selbstän- 
digere Stellung  durchaus  nicht  aufgehoben.  Es  war  eben  nur  eineäu- 
fserliche  Aenderung,  hervorgegangen  aos  dem  Bedürfnis  eines  schnel- 
lern und  gleichmäfsigern  Geschäftsgangs.  Ebensowenig  ist  bei  den 
manigfachen  frühern  Veränderungen ,  welche  mit  einzelnen  dieser  Gym- 
nasien vorgenommen  wurden,  ihr  ursprünglicher  kirchlicher  Charakter 
irgendwie  angetastet  worden.  Neue  Gymnasien  ohne  eine  solche 
Grundlage  sind  überhaupt  nicht  gestiftet  worden,  so  dafs  es  also  un- 
zweifelhaft feststeht:  die  sechs  kurhessischen  Gymnasien  sind  sämmt- 
lieh  noch  kirchliche  Anstalten.  Dafs  dieses  Verhältnis  in  der  jüng- 
sten Zeit    nicht   beachtet  worden  ist,   beweist   nichts  gegen  seine 


228   Schul-  und  PersonalnachricliteB,  statistische  Mittheilnngen, 

Rechtabestandigkeit.  Die  feindselige  Geiinnang  gegen  alles  kirchliche« 
welche  schon  mehrmals  in  Knrhessen  regierte,  hat  doch  nicht  Einmal 
einen  Versach  gemacht,  den  kirchlichen  Charakter  dieser  Anstaltett 
geradesu  aafxnheben  and  sie  etwa  ausdrucklich  für  religionslose  Staats* 
anstalten  za  erklären. —  Die  karhessischen  G3rmna8ien  sind  also  nicht 
zu  kirchlichen  Anstalten  gemacht,  sondern  es  ist  nur  ausgesprochea 
worden,  dafs  sie  kirchliche  Anstalten  sind.  Warde  dies  wieder  aas- 
gesprochen,  so  war  die  nächste  praktische  Folge  davon,  dafs  die 
Gymnasien  auch  wieder  in  organische  Verbindong  mit  der  Kirche  ge- 
setzt wurden. ;^4yollstandig  wäre  dies  geschehen,  wenn  sie  durchaas 
unter  die  AöffüSlK  der  kirchlichen  Behörden  gestellt  worden  wären. 
Aber  so  weit  ist  die  Regierung  nicht  einmal  gegangen;  sie  ist  dabei 
stehn  geblieben,  die  Gymnasien  auf  dieselbe  Grundlage  za  stellen, 
auf  welcher  die  Kirche  ruht:  auf  die  Bekenntnisse.  Man  kann  leicht 
einsehen,  dafs  eine  blofse  Erklärung  Ton  Seiten  der  Lehrer,  nichts 
gegen  die  Bekenntnisse  lehren  zu  wollen,  rein  unnütz  gewesen  wäre« 
—  Die  wirkliche  Verptlirhtung  war,  sollte  anders  die  kirchliche  Stel- 
lung der  Gymna»ien  nicht  eine  Redensart  bleiben,  noth wendig.  Eine 
derartige  Verpflichtung  aber  ist  am  nolhwendi^r^ten  bei  dem  für  die 
Kirche  wichtigsten  Liehrgegenstande,  dem  Religionsunterricht.  Darum 
ist  für  die  Lehrer  der  ReIi(;ion  eine  besondere,  speciell  kirchliche  Ver- 
pflichtung festgefietzt  worden,  während  jene  allgemeine  einfach  durch 
die  vorgesetzte  Behörde  erfolgt.  —  Keineswegs  aber  ist  durch  die 
neuen  Verordnungen  etwa  gar  der  Gyninasiallehrerstand  als  solcher 
aufgehoben  und  so  die  wifsenfichaftlichen  Erfordernisse  beschränkt 
oder  aufser  Acht  gelafsen  worden,  wie  dies  wol  im  Auslande  behaup- 
tet wird.  Die  bisherigen  Bentimmungen  über  die  Prüfungen ,  denen 
sich  die  Bewerber  um  ein  Lehramt  an  den  Gymnasien  zu  ontersiebn 
haben,  bestehen  nach  wie  vor.  Wie  wenig  die  Gerüchte,  dafs  'nur 
Pfarrer  an  den  kurhessischen  Gymnasien  angestellt  wurden',  der 
Wahrheit  entsprechen,  beweist  die  Thatsache,  dafs  das  grofste  Gym- 
nasium des  Lande.««  nicht  etwa  zu  viele,  sondern  so  wenige  Religions- 
lehrer hat,  dafs  der  Director  sich  dieserhalb  an  das  Ministerium  za 
wenden  nöthig  hatte.  Von  den  zahlreichen  jungen  Lehrern,  welche 
auftragäwei^e  an  unseren  Gymnasien  beschäftigt  sind,  sind  unseres 
Wifsens  nur  zwei  ordiniert  und  nur  einer  von  diesen  ist  wirklicher 
Pfarrer.  —  Aus  diesen  Krorterungen  ^ird  man  wol  ersehn,  dafs 
in  Kurhessen  mit  den  Gymnasien  nichts  anderes  vorgegangen  ist,  als 
was  z.  B.  auch  in  Preussen  hie  und  da  angebahnt  und  theilvieise  aas- 
gefuhrt  wurde.* 

Lahr.  Professor  Henn  am  dortigen  Gymnasium  wurde  bis  sor 
Herstellung  seiner  Gesundheit  in  Ruhestand  versetzt. 

Lemberg.  Der  Supplent  am  dortigen  akademischen  Gymnasiam 
Wilhelm  Gabrigel  ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  ernannt« 

Lemgo.  Das  Lehrercoilegium  des  dortigen  Gymnasiums  'bat  fol- 
genden Bestand:  Rector  Prof.  Dr.  Brandes,  Prorector  Dr.  Giemen, 
Conrector  Prof.  Schnitger,  Subcon  rector  Hunnaeus,  die  ordentlichen 
Lehrer  Berger,  Rentsch,  Busse  und  Zeichenlehrer  Rotteken. 
Die  SchülerzaUl  betrug  im  Sommer  1853  126,  im  folgenden  Winter 
118  (I:  II,  II:  12,  HI:  26,  IV:  25,  V:  26,  VI:  18);  zur  Universiat 
wurden  entlafsen  Ostern  J853  3,  Mich.  1853  2,  Ostern  1854  I.  Pro- 
grammabhandlung:  Oiäian  und  »eine  Weltj  vom  Prorector  Dr«  Gie- 
men (34  S.  4). 

Lkutschau.  Dem  Sunplenten  am  dortigen  kath.  Gymnasiam  An- 
selm  Mansuet  Ried!  ist  die  neuerrichtete  Stelle  eines  Lehrers  der 
ungarischen  Sprache  an  der  Prager  Universität  verliehen. 


liCtertriBohe  und  antiqinrif  ebe  Misceliea.  239 

LÜBECK.  Zum  Direetor  dei  dortigen  ORtharinaam  ist  der  Rector 
der  hohem  Borgerschnle  in  Oldenburg,  Br.  Friedrich  Breier,  er- 
naont  worden  *), 

Luckau.  Zum  Mathematiciu  des  dortigen  Gymnasiums  ist  der  Leh- 
rer an  der  hohem  Bargerschale  la  Stolp,  Karl  Alezander  Her- 
mann Fahland  berufen  nnd  bestätigt. 

Mailand.  Der  Sapplent  fSr  deutsche  Sprache  and  Litteratur  am 
dortigen  k.  k.  Lycealgymnasinm  zu  Porta  Nno^a  Joseph  Maller  ist 
■am  Professor  desselben  Fachs  in  der  philosophischen  Facaltat  der 
UniTersitat  su  Pavia  ernannt  worden. 

MEISSEN.    Aus  dem  Lehrercollegium  der  dortigen  k.  Landesschale 

[s.  Bd.  LXVIII  8.  a33]  schieden  Ostern  d.  J.  ans  der  Professor  Jn- 
ins  Theodor  Graf,  sum  Oberpfarrer  und  Superintendenten  der 
Stadt  Meissen  designiert,  und  der  proYisorische  Hilfslehrer  Dr.  K. 
Chr.  Schubart,  zom  Oberlehrer  an  dem  neu  organisierten  Gymna- 
sium in  Plauen  ernannt.  An  des  erstem  Stelle  wurde  der  Pfarrer  Lic« 
th.  u.  Dr.  ph.  Rudolf  Hugo  Hof  mann  in  Störmthai  bei  Leipzig 
unter  Beilegung  des  Professortitels  als  6r  Lehrer  angestellt;  die  Pro- 
fessoren Dr.  Peters  und  Dr.  Graf  ruckten  in  Folge  davon  in  die  4e 
und  5e  Lehrerstelle  auf.  An  Schuberts  Stelle  wurde  der  an  der  Krau- 
seschen Lehranstalt  in  Dresden  angestellte  Schulamtscandidat  Gott- 
lob Bernhard  Dinter  provisorisch  als  Hilfslehrer  angestellt.  Das 
Lehrercollegium  hat  demnach  jetzt  folgenden  Bestand:  Rector  Prof. 
Dr.  Franke,  die  Professoren  Dr.  Oertel,  Dr.  Kraner,  Dr.  Pe- 
ters, Dr.  Graf,  Dr.  Hofroann,  die  Oberlehrer  Dr.  Milberg  und 
Dr.  Dohner  und  Hilfslehrer  Dinter.  Die  Schnlerzahl  betragt  im 
«omroerhalbjahr  1854  150  (I:  28,  H:  29,  llf :  49,  IV«:  28,  !¥>»:  J6); 
sur  Universität  worden  Michaelis  1863  10,  Ostern  d.  J.  7  entlafsen. 
Programmabhandlung  zur  Feier  des  Stiftnngstages  29.  Juni  1854:  lieber 
die  Nothwendigkeii  der  Einrichtung  Mweekmäsnger  mathemaUach-na- 
turwiMsensehaftUcher  Lehrerbildungsanstalten  an  deutsehen  Universi- 
täten, vom  Prof.  Dr.  Adolf  Peters  (40 S.  4). 

Meran  [s.  Bd.  LXYITI  S.  566].  Veränderungen  im  Persp  nalstand 
des  Lehrkörpers  des  dortigen  k.  k.  Gymnasiums  kamen  wahrend  des 
Schuljahres  1853—54  nicht  vor.  Die  Schulerzahl  betrug  180  (I:  41, 
II:  21,  III:  32,  TV:  15,  V:  18,  VI:  27,  VII:  14,  VIII:  12).  Programm- 
abhandlang:  Goniometrie  vom  Gymnasiallehrer  P.  Magnus  Tschenet 
(18  S.  4  mit  einer  Figurentafel). 

MÜNCHEN.  Dr.  Friedrich  Bodenstedt  ist  zum  Professor  an 
der  dortigen  Hochschule  für  Sprachvergleichung  und  die  slavischen 
Sprachen  und  Litteraturen  ernannt. 

Herzogthuh  Nassau.  Zu  Referenten  in  Schulsachen  und  Regie- 
mngsräthen  sind  der  Ministerialrath  und  Geh.  Legationsrath  Dr.  Max 
▼  on  Gagern  und  der  Gyronasialprofessor  Dr.  Flrnhaber  in  Wies- 
baden ernannt.  Der  bisherige  Referent  bei  der  Ministerialabtheilung 
des  Innern  in  Schulsachen  Professor  Schmitt  ist  zum  Professor  am 
Gymnasium  in  Hadamar  ernannt,  der  Collaborator  Ebhardt  za  Ha- 


♦)  Der  Bd.  LXIX  S.  678  für  diese  Jahrb.  in  Aassicht  gestellte 
biographische  Ueberblick  aber  das  Leben  und  Wirken  des  verstorbe- 
nen Direetor  Fr.  Jacob  von  seinem  vieljährigen  Freunde  und  Amts- 
genofsen,  dem  jetzigen  Direetor  Dr.  J.  C lassen  in  Frankfurt  am 
lain,  wird  in  Folge  eines  neuerdings  gefafsten  Planes  nicht  in  dieser 
Zeitschrift,  sondern  in  Verbindung  mit  einer  Auswahl  aus  dem  litte- 
nurischen  Nachlafs  des  verstorbenen  demnächst  erscheinen. 


230  Schal-  und  PersonalnachrichCen,  slatisliBche  Mitlbeilungeo, 

damar  in  glfichcr  Eigenschaft  an  das  Gelehrtengymnasium  za  Wies- 
baden versetzt. 

Padua.  Der  provisorische  Professor  der  Physik  an  der  dortigen 
Universität  Priester  Franz  Zantedeschi  ist  zum  wirklichen  Pro- 
fessor seines  Fachs  ebendaselbst  ernannt. 

Prenzlau.  Am  dortigen  Gymnasium  ist  der  Schulamtscandidat 
Samuel  Wilhelm  Küster  zum  7n  Collaborator  berufen  und  be- 
stätigt. 

Kü:«iGRFicii  PREUSSEN.  An  den  sieben  k.  wifsenschaftlichen  Prfi- 
fnngscommissionen  fSr  das  höhere  Lehramt  haben  während  di>8  Jahres 
]863  folgende  Prüfungen  stattgefunden:  in  Berlin  61,  in  Bonn  36,  in 
Breslau  56,  in  Greifswald  10,  in  Halle  10,  in  Königsberg  11,  in  MSn- 
ster  19.  Von  diesen,  zusammen  192,  Prüfun<{en  fanden  119  zam  er- 
stenmal statt.  Die  abgehaltenen  colloquia  pro  rectoratu  sind  nicht 
mit  eingerechnet. —  Ueber  die  Zahl  der  in  demselben  Jahre  an  saromt^ 
liehen  Gymnasien  der  Monarchie  geprüften  Abiturienten  und  Maturi- 
tätsaspiranten  geben  die  öifentlichen  Blätter  aus  amtlichen  Quellen 
folgende  Notizen:  Provinz  Preussen.  Geprüft  wurden  auf  14  Gym* 
nasien  191  Schüler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  entla- 
fsen  153,  für  unreif  erklärt  31,  zurückgetreten  sind  5.  Provinz  Bran- 
denburg. Geprüft  wurden  auf  16  Gymnasien  und  dem  Paedagoeium 
zu  Züilichau  295  Schüler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis  der  Reife 
entlafsen  245,  für  unreif  erklärt  30,  es  traten  zurück  20.  Provins 
Pommern.  Geprüft  wurden  auf  8  Gymnasien  und  dem  Paedagogiara 
zu  Putbus  75  Schüler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  ent- 
lafsen 58  und  für  unreif  erklärt  17.  Provinz  Schlesien.  Geprüft 
wurden  auf  20  Gymnasien  und  der  k.  Ritterakudemie  zu  Liegnitz  336 
Schüler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  entlafsen  253,  für 
nicht  reif  erklärt  72,  es  traten  zurück  2.  Provinz  Posen.  Geprüft 
wurden  auf  6  Gymnasien  108  Schüler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis 
der  Reife  entlafsen  95,  für  unreif  erklärt  12  and  zurückgewiesen  1. 
Provinz  Sachsen.  Geprüft  wurden  auf  17  Gymnasien,  dem  k.  Pae- 
dagogium' zu  Halle,  der  lateinischen  Hauptschule  daselbst,  der  Lan- 
desschule  zu  Pforta  und  der  Klosterschalc  zu  Rofsleben  218  Schüler; 
davon  wurden  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  entlafsen  211  und  für  unreif 
erklärt  7.  Provinz  Westplialen.  Geprüft  wurden  auf  11  Gymna- 
sien, der  hohem  Bürger-  und  Realschule  zu  Siegen  und  dem  Realin- 
stitut zu  Minden  !287  Schüler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis  der 
Reife  eniUfsen  220,  für  unreif  sind  erklärt  44,  zurückgetreten  22  und 
zur  Prüfung  nicht  zugelafsen  wurde  1.  Rheinprovinz.  Geprüft  wnr- 
den  auf  18  Gymnasien,  der  Ritterakademie  zu  Bedburg  und  dem  Gym- 
nasium zu  Hedingen  in  den  Hohenzollernschen  Landen  342  Schuler 
und  10  Schüler,  welche  auf  die  Universitntsstudien  verzichten;  davon 
wurden  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  entlafsen  304,  für  nicht  reif  sind 
erklärt  16,  zurückgetreten  27  und  abgewiesen  wurden  5. 

Rom.  Dem  ersten  und  dem  zweiten  correspondierenden  Secretar 
des  archaeologi»ichen  Instituts,  Dr.  Emil  Braun  und  Dr.  Wilhelm 
He  uzen,  ist  von  Sr.  Maj.  di-m  Konig  von  Preussen  das  Praedicat 
Professor  verliehen  worden. 

RovERKDo.  Der  Sunplent  am  dortigen  Gymnasium  Alois  Ben- 
venuti  ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  an  derselben  Lehranstalt 
ernannt. 

RuDOLSTADT.  An  dem  dortigen  Gymnasium  und  der  damit  Ter- 
bundenen  Realschule  unterrichten  gegenwartig  folgende  Lehrer:  Di- 
rector  Prof.   l^r.  K.  W.    Müller,  die   Professoren    Dr.   Obbarins, 


litterariscbe  and  tnFiqaariicIie  Miscellen.  2S1 

Wächter,  Dr.  Klufsmann,  Gascard,  die  ordentlichen  Lehrer 
Dr.  Hercher,  Dr.  Horcher,  Dr.  Sigisround,  Collaborator  Re- 
gensburger,  Miiizprediger  Günsche,  Cand.  Lenz.  Die  Schuler- 
y.ahl  betrug  im  Sommer  1853  125,  im  folgenden  Winter  )26  (I:  13, 
IT:  13,  III:  16,  IV:  19,  V:  33,  Real  1:  13,  II:  19);  zur  Universität 
i¥urden  Ostern  d.  J.  6  entlafsen.  D«»n  Schalnachrichten  im  Osterpro- 
gramm  1854  gehn  voraus:  Commentaria  lunilU  Flagrüy  T.  Galli  et 
Gaudentii  in  Firgilii  georgicorum  libros  nunc  primum  ex  codice  Der- 
neust  edidit  Dr.  C.  G.  Müller,  pari.  IV  (32  S.  4).  Der  Einladungs- 
at hrift  zur  Sommerschen  Redefeierlichkeit  am  9.  Decbr.  1853  sind  vor- 
ausgeschickt: Bemerkungen  über  eine  Stelle  in  Homer»  Odytsee  (Fi/, 
Vl^)  die  fFeinblüte  betreffend,  von  demselben  (2  S.  4). 

Stettin.  Zum  Collaborator  am  dortigen  Gymnasium  ist  der  Srhnl- 
amtscandidat  Dr.  J.  K.  W.  P.  Barthold  y,  zo  ordentlichen  Lehrern 
an  der  Friedrich  -  Wilhelmsschule  der  Lehrer  an  der  hohem  Bürger- 
schule zu  Perleberg  H.  H.  Robolsky  und  der  Collaborator  Dr.  Fr. 
W.  Gesenius,  zum  Collaborator  der  Schuiamtscandidat  Alexander 
Gustav  Sievert  berufen  und  bestätigt. 

Straubing.  Die  durch  Quiescierung  de»  Professors  Mich.  Hof- 
bauer  erledigte  Professur  am  dortigen  Gymnasium  erhielt  der  Stu- 
dienlehrer zu  Amberg,  Georg  Erk. 

Urach.  Der  Ephorns  am  dortigen  Seminar  von  Kostlin  ist  un- 
ier Anerkennung  seiner  treuen  und  vieljährigen  Dienste  wegen  vorge- 
rückten Alters  in  den  Ruhestand  versetzt  worden. 

Wehtukim.  Der  Director  des  dortigen  Lyccums,  Geheimer  Rath 
Dr.  J.  G.  £•  Fohlisch,  wurde  auf  sein  Ansuchen  unter  Anerkennung 
seiner  langjährigen  treugeleisteten  und  erspriefslichen  Dienste  in  den 
Ruhestand  versetzt  und  der  Lehramtspracticant  Friedrich  Müller 
unter  Verleihung  der  Staatsdienereigenschaft  zum  Hauptichrer  ernannt. 

Wien.  Zu  wirklichen  Mitgliedern  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wifsensrhaften  sind  ernannt:  der  Professor  der  classischen  Philologie 
an  der  Wiener  Universität  Dr.  Hermann  Bonitz  und  der  emeri- 
tierte Appellationssecretär  zu  Venedig  Emanuel  Cicogna;  zu  in- 
ländischen correspondierenden  Mitgliedern  gewählt  und  bestätigt:  der 
Landrath  und  Unterrichtsreferent  bei  der  Landesregierung  von  Schle- 
sien Rudolf  Kink,  der  Professor  der  deutschen  Sprache  und  Litte- 
ratur  an  der  Universität  zu  Graz  Dr.  Karl  Weinhold  und  der  Bi- 
bliothekar der  Brera  zu  Mailand  Francesco  Rossi;  zum  ausländi- 
schen correspondierenden  Mitglied  der  Director  des  k.  preussischen 
Archivs  zu  Königsberg  Professor  Dr.  Johannes  Voigt. 

ZÜLLiCHAU.  Als  erster  Oberlehrer  am  dortigen  Paedagogium  ist 
angestellt  worden  der  Lehrer  Dr.  Erler  am  Seminar  für  Stadtschulen 
in  Berlin. 

ZÜRICH.  An  die  dortige  Hochschule  wurde  als  ordentlicher  Pro- 
fessor der  Theologie  Lic.  Konstantin  Schlottmann,  früher  Do- 
Cent  in  Berlin,  dermalen  Gesandtschaftsprediger  in  Konstantiii|^pel, 
als  aufserordentlicher  Professor  der  staatswifsenschaftlichen  Farvltät 
für  romisches  Recht  der  Privatdocent  Dr.  Heinrich  Dernburg  in 
Heidelberg  berufen. 


2S2  TodesfSUe.  Berichtigungeo. 

Todesfälle. 


Am  17.  Juli  starb  zu  Hildburghausen  der  Oberconsistorialratli  and 
Oberpfarrer  Karl  Ludwig  Nonne,  ein  TerdienstYoIler  Paeda- 
gog»  g«l>-  6.  Decbr.  1786. 

Am  27.  Juli  zu  SchalThausen  der  Lehrer  der  alten  Sprachen  am  dor- 
tigen Gymnasium  Dr.  Karl  Rudolf  Meyner,  geburtig  ans  Wit- 
tenberg, im  57n  Lebensjahre. 

Am  9.  August  zu  Königsberg  in  der  Neumark  der  Oberlehrer  Dr.  Pfef- 
ferkorn. 

Am  11.  August  XU  Neapel  der  berühmte  Naturforscher  Dr.  Melloni, 
Mitglied  der  k.  Akademien  der  Wifsenschaften  zu  Berlin  lud 
München. 

Am  13.  August  zu  Berlin  der  frühere  Director  des  Gymnasinma  in 
Tilsit,  H.  Coerber,  im  74n  Lebensjahre. 

Am  18.  August  zu  München  der  als  Yerfafser  mehrerer  Dichtanrnn 
und  Lehrbucher  bekannte  Professor  am  Ludwigs -Gymnasinm  UTm 
Johann  Bartholomaeus  Gofsmann. 

Am  20.  August  im  Bad  Ragaz  in  der  Schweiz  der  k.  prenss.  wirkliche 
Geheime  Oberregier ungsrath  Dr.  Friedrich  Wilhelm  Joseph 
▼  on  Scheliinc,  geb.  27.  Januar  1776  zu  Leonberg  in  Württem- 
berg, seit  1841  in  Berlin. 

Am  26.  August  zu  Bonn  der  aufserordentliche  Professor  der  Diploma- 
tik,  Sphragistik  und  Heraldik,  Bibliothekssecretar  Dr.  Christian 
Samuel  Theodor  Bernd,  79  Jahre  alt. 

Ferner  starb  in  Breslau  auf  der  Durchreise  Dr.  Friedrich  Schnei- 
der, Professor  am  Gymnasium  zu  Trzemesno,  in  London  Henry 
Tufnell,  der  in  Gemeinschaft  mit  G.  C.  Lewis  K.  O.  Müllers 
Dorier  ins  Englische  übersetzt  hatte,  und  in  Paris  der  Akademi- 
ker Langlois,  bekannt  durch  seine  Werke  über  das  Sanskrit 
und  die  heiligen  Schriften  der  Inder. 


Berichtigungen  zuBd.  LXIX. 

S.  686  Z.  31  lies  Camhu»  statt  Comhu» 
S.  686  Z.  37  lies  Qnednow  statt  Quidnow 
S.  689  Z.  22  lies  «der  RosmerU'  statt  «des  RismerU' 
S.  690  Z.  36  lies  «  Fetuniahenae  bei  Vettweis'  statt  « Fetunwhmae  bei 
Vittwcis'. 


Kritische  Benrtheilnngen. 


Homers  Odyssee,  Erklart  von  J.  ü.  FaetL  Zweite  berichtigte  Auflage. 
Leipzig,  Weidmannsche  Buchhandlung.  1863.  Erster  Band:  XLIl  n. 
284  8.  Zweiter  Band:  298  8.  8. 

Dars  eine  erklärende  Schulaasgabe  des  Homer  zu  den  schwie- 
rigsten Aufgaben  gehöre,  darüber  herscht  kein  Zweifel.  Denn  Philo- 
logie und  Paedagogik  stellen  eigenthümliche  Forderungen,  die  auf  die 
rechte  Weise  befriedigt  sein  wollen.  I.  Zunächst  ist  Homer  ffir  die 
griechisch  lernende  Jugend  der  wichtigste  Autor,  weil  ohne  ein  sorg- 
sames Verständnis  desselben  jedes  glückliche  Weiterstreben  in  der 
obersten  Classe  illusorisch  bleibt.  Daher  hat  ihm  der  angehende  Se- 
cundaner  ein  vorzügliches  Studium  zuzuwenden,  und  der  gereifte 
Primaner  darf  ihn  nie  aus  der  Hand  legen:  der  Dichter  mufs  also  in 
beiden  Classen  für  das  Griechische  so  zu  sagen  das  tägliche  Brod 
bilden,  zu  dem  man  immer  und  immer  von  verschiedenen  Standpunk- 
ten aus  zurückkehrt,  wenn  man  wirkliche  Früchte  von  nachhaltiger 
Wirkung  erzeugen  will.  Eine  Ausgabe  nun  hat  vor  allem  die  Frage 
zu  beantworten,  welchen  Schüler  sie  bei  ihren  Erklärungen  vor  Au- 
gen habe,  den  Secundaner  oder  den  Primaner  oder  beide. 

II.  Hierzu  kommt  zweitens  die  Schwierigkeit  der  homerischen 
Frage.  Welche  Stellung  hat  hierbei  ein  Herausgeber  einzunehmen? 
Wie  ist  die  Sache  in  pacdagogischer  Hinsicht  zu  beurtheilen?  Zwei 
Wahrheiten  sind  bei  dieser  Frage,  wie  ich  meine,  nicht  zu  übersehen. 
Zuerst  mufs  der  Gymnasiast  die  homerischen  Gedichte,  wie  sie  uns 
überliefert  sind,  kennen  lernen,  und  tüchtig  kennen  lernen,  bevor  er 
über  Entstehung  und  innere  Oekonomie  derselben  ein  selbstthätiges 
Urtheil  gewinnen  kann.  Denn  um  diese  Dinge  zu  beurtheilen,  ist  nö- 
thig,  dafs  die  Jugend  erst  den  ganzen  Homer  mehr  als  einmal  gelesen 
habe,  dafs  sie  der  epischen  Sprache  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
schon  mächtig  sei.  Aber  dies  zu  erreichen,  gibt  es  so  viel  zu  lernen, 
so  viel  zu  beachten,  so  viel  zu  üben,  dafs  die  jugendliche  Kraft  für 
die  Zeit  der  beiden  oberen  Classen  vollkommen  beschäftigt  wird,  und 
dafs  man  auf  jene  spinösen  Fragen  der  höheren  Kritik  verzichten  oder 
höchstens  auf  Andeutungen  für  die  gereiftesten  Primaner  sich  beschrän- 
ken mufs.    Wer  dagegen  glaubt,  jene  Fragen  für  Schüler  als  *Ein- 

n,  Jahrb.  f.  PfUl.  v.  Paed.  Bd.  LXX.  Hft.  3.  16 


294  y  U.  Facsi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Band. 

leitung'  behandeln  tu  können ,  |der  bringt  an  den  jagendlicben  Geist 
twar  ein  schätzbares  Material,  aber  ein  Material,  das  im  günstigsten 
Falle  das  blofse  Wifsen  bereichert,  keine  nachhaltige  Wirkung  aar» 
Können  aursert,  weil  es  keine  Uebung  der  jugendlichen  Krfifte  ftuUrst. 
Es  behandelt  mithin  jede  derartige  Einleitung  das  Gymnasium  als 
Lehranstalt  des  Wifsens,  nicht,  was  es  ursprünglich  war  und  überall 
sein  sollte,  als  christliche  Uebungsschule.  Erst  derjenige  Schüler, 
der  unter  Leitung  seines  Lehrers  den  überlieferten  Text  des  Homer 
gelesen  und  immer  wieder  gelesen  und  so  gelesen  hat,  dafs  er  nach 
einigen  Semestern  im  Stande  ist,  mit  Leichtigkeit  einige  Verse  sn 
bauen,  die  homerische  Färbung  tragen, —  der  allein  hat  etwas  ge- 
lernt, der  kann  etwas,  während  alle  Hittheilung  aus  der  Untersu- 
chung über  den  Ursprung  der  homerischen  Gedichte,  alle  eingebende 
Beschäftigung  mit  der  homerischen  Frage  höchstens  £U  dem  prakti- 
schen Resultate  führt:  der  Schüler  weifs  vorgetragenes  gut  nachtn- 
sprechen.  Jede  weitere  Forderung  ist  Illusion,  ist  Verkennung  des 
wesentlichen,  ist  vorzeitiger  Geistesreichthum ,  ist  moderne  Ueber- 
stürzung;  mit  dem  Uebersturz  aber  hängt  der  Umsturz  der  Sache  aufs 
engste  zusammen.  In  Bezug  auf  Homer  hat  Dietsch  in  diesen  NJahrb. 
Bd.  LXVIU  S.  523  ff.  sehr  gut  *)  gehandelt.  Auch  der  einsichtsvolle 
G.  Cnrtius  (*  Andeutungen  über  den  gegenwärtigen  Stand  der  homeri- 
schen Frage'  Wien  1854  **)  S.  49)  bemerkt  mit  Recht:  «Der  Eifer 
für  das  frisch  erkannte  kann  leicht  manchen  Gymnasiallehrer  tu  dem 
Misgriff  verführen ,  die  homerische  Frage  in  das  Gymnasium  vor  die 
Schüler  zu  ziehen.  Dahin  aber  gehört  sicherlich  nicht  mehr,  als  eine 
kurze  Andeutung  über  den  Ursprung  der  homerischen  Gedichte.  Die 
Schüler  wird  der  Lehrer  in  diese  Gedichte  einzuführen,  nicht  za  Ur- 
theilen  über  sie  zu  verführen  haben,  welche  schon  deswegen  für  jene 
keinen  Werth  haben ,  weil  sie  keine  selbst  erworbenen  sein  können. 
Konnten  sich  Plato  und  Aristoteles  an  der  Ilias  freuen,  wie  sie  ist,  so 
könnea  es  aach  ohne  Schaden  die  Schüler  unserer  Gymnasien.'  Die 
zweite  in  Jngendunterricht  nicht  zu  übersehende  Wahrheit  ist  die, 
dafs  4ie  ganze  homerische  Frage  aufs  Verständnis  der  übrigen  grie- 
chischen Antoren  auch  nicht  den  geringsten  Kinflufs  übt.  Denn  sie  ist 
ein  Product  der  Neuzeit,  die  Alten  haben  sich  in  der  Einheit  ihres 


*)  Wie  ungenau  öfters  Auszüge  ans  Zeitschriften  abgefafst  wer- 
den, davon  liefert  die  Ztschr.  f.  d.  AW.  1H54  Nr.  24  ein  Beispielt 
indem  man  Hrn.  Dietsch  ohne  weiteres  sagen  länit,  dafs  er  *bei  Homer 
die  Resultate  der  Kritik  nicht  anerkennt,  namentlich  auch  nicht  von 
dem  Standpunkt  der  christlichen  Erziehung  aus.'  Aber  wer  genauer 
nachsieht,  der  findet,  dafs  Hr.  D.  nur  f^egen  die  Anwendbarkeit  der 
Lachmajinschen  Liedertheorie  im  Gymnasium  gesprochen  hat,  und  swar 
mit  Gründen ,  die  jedem  Paedagogen  stichhaltig  sind. 

**)  In  diesem  Schriftchen,  das  zur  Orientierung  in  den  beiuglichea 
Fragen  gut  abgefafst  iat,  fallt  unter  anderm  der  UmsUnd  auf,  dafs 
für  die  dritte  Richtung  S.  31 — i3,  d.  i.  unter  den  Anhangern  der 
Lachmannschen  Liedertheorie  die  vier  Abhandinngen  von  Kochly  auch 
licht  mit  einer  Silbe  berührt  sind.    Ist  das  Zufall  oder  Absicht? 


J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  a.  2r  Bd.  SB5 

Hoaer  nicht  stören  Ursen.  Daher  isl  der  ezenplarisehe  und  nomui. 
Iire  Standpankt  des  Homer,  insofern  er  bei  der  Jugend  die  Erlernung 
des  Grieohisehen  Oberhaupt  auf  die  rechte  Weise  xu  befördern  ver- 
mag,  eioEig  und  allein  ein  grflndliches  Studium  des  Qberlieferten 
Textes.  Will  man  aber  die  homerische  Frage  als  Vorbereitung  zum 
Verständnis  des  altdeutschen  Epos  benutzen,  so  vermischt  man  damit 
einen  fremdartigen  Zweck  und  entschligt  sich  der  Erwignng,  ob  das 
Altdeutsche  in  solcher  Ausdehnung  aufs  Gymnasium  gehöre.  Jedes- 
falls  ist  die  Betreibung  desselben  im  Gymnasium,  wenn  die  Zeichen  der 
Zeit  nicht  trägen,  ein  mehrfacher  Gehfllfe  gewesen  zum  Todtschlag 
altclassischer  Studien. 

III.  Ein  dritter  Funkt  für  eine  Schulausgabe  des  Homer  ist  die 
Frage,  welchen  Text  ein  Herausgeber  zu  Grunde  gelegt,  wo  and  nach 
welchem  Principe  er  denselben  verlafsen  habe;  ferner  die  Frage,  wie 
weit  ihm  die  homerische  Litteratur,  die  in  einer  Menge  von  Mono- 
graphien zerstreut  liegt,  zuganglich  war,  ob  er  einiges  absichtlich 
unbenutzt  gelafsen,  ob  er  bei  Erliuterung  des  epischen  den  Mafsstab 
der  attischen  Periode,  nach  dem  Vorgang  anderer,  angelegt  habe; 
wie  er  bei  Erklärung  der  am  häufigsten  wiederkehrenden  Redeweisen, 
der  stehenden  Epitheta  und  dergleichen  verfahren  sei;  nach  welchem 
Grundsatze  die  Vorgänger  namentlich  erwähnt  oder  stillschweigend 
benutzt  worden  sind  u.  s.  w. 

Dies  wären  die  hauptsächlichsten  Schwierigkeiten  fflr  eine  Schul- 
ausgabe des  Homer.  Auf  alle  solche  Fragen  aber  findet  man  bei  Hrn. 
Faesi  keine  ausdrückliche  Antwort:  denn  die  Ausgabe  entbehrt  einer 
Vorrede.  Hatte  Hr.  F.  über  die  Lectfire  des  Homer  und  über  die  Me- 
thode, wie  man  gerade  diesen  Dichter  am  zweckmäfsigsten  für  die 
Jagend  behandle,  gar  nichts  zu  bemerken?  Oder  ist  er  ein  Anhänger 
der  superba  tacitumitas?  Oder  hält  er  das  aufgestellte  Programm 
der  ganzen  Sammlung  für  ausreichend?  Die  praktische  Auslegung 
desselben  zeigt  aber  ein  quot  capita  tot  sernus  in  mancherlei  Hin- 
sicht. Oder  beseelt  ihn  das  sichere  Vertrauen,  dafs  der  Leser  das  nö- 
thige  von  selbst  scheu  werde?  Ich  gestehe  ohne  Rückhalt,  dafs  ich 
Ober  mehreres  zweifelhaft  bin  und  den  Auftrag  der  geehrten  Redac- 
tion ,  eine  Anzeige  dieser  Ausgabe  zu  schreiben  ,  schwerlich  erfüllen 
werde,  ohne  vielleicht  wider  Wifsen  und  Willen  Hrn.  F.  ein  Unrecht 
zu  thun.  Doch  es  gilt  den  Versuch ,  aus  der  innern  Beschaffenheit 
der  Bearbeitung  selbst  ein  Urtheil  zu  fällen. 

Dieses  Urtheil  nun  wird  bei  jedem,  der  unbefangen  prüft,  im 
ganzen  ein  günstiges  sein.  Denn  der  Hg.  hat  im  Interesse  der  Sache 
die  Leistungen  der  Vorgänger  fleifsig  und  mit  selbständigem  Urtheil 
benutzt.  Dabei  hat  er  zugleich,  was  die  Ausgabe  vor  manchem  andern 
Bändchen  der  Haupt-Sauppeschen  Sammlung  vortheilhaft  auszeichnet, 
die  Erklärung  des  einzelnen  überall  in  kurzem,  klarem,  populärem 
Ausdruck  gegeben,  ohne  vorzeitige  Gelehrsamkeit  einzumischen. 
Hierzu  kommt  endlich  Beschränkung  aufs  nothwendige  nnd  wesent- 
liche, die  man  im  ganzen  gewahrt  findet,  ohne  dafs  die  jugendliche 

16* 


226  Schal-  und  Persontlntohrichten,  siatistische  Mittheilongen, 

EiCHSTÄTT.  Die  durch  temporare  Quiescierang  des  Professors  am 
Gymnasium  Franz  Brigl  erledigte  Professur  erhielt  der  Stndienleh- 
rer  daselbst  Dr.  Simon  Zauner,  die  dadurch  erledigte  Lfehrstelle 
an  der  Lateinschule  der  geprüfte  Lehramtscandidat  Dr.  Urhan  Kri- 
n  i  n  g  e  r. 

Elberkeld.  Zum  zweiten  ordentlichen  Lehrer  am  dortigen  Gym- 
nasium ist  der  Schulamtscandidat  Dr.  Otto  Ribbeck  in  Berlin  ge- 
wählt und  bestätigt,  zur  Vertretung  des  erkrankten  Oberlehrers  Dr. 
Beltz  für  das  Winterhalbjahr  Dr.  Wilhelm  Herbst  in  Bonn  (vor- 
her an  dem  Vitzthum-Biochmannschen  Gymnasium  in  Dresden)  bemfen 
worden. 

Eutin  [«.  Bd.  LXVFIF  S.  216].  Collaborator  W.  K  n  o  r  r  an  der  doi^ 
tigen  Gelehrtenschule  wurde  definitiv  angestellt.  Die  Schulerzahl  be- 
trug Ostern  1854  99  (1:  17,  II:  11,  Hl:  25,  IV-:  21,  IV^:  20)5  «nr 
Universität  wurde  Mich.  1853  1,  Ostern  d.  J.  6  entlafsen.  Der  in  den 
Schulnachrichten  mitgetheilte  Auszug  aus  den  Conferenzprotokollen 
betrifft  den  Unterricht  in  der  deutschen  Sprache.  Inhalt  des  Pro- 
gramms: Das  Leben  de»  ^f^ricola  von  TacituSj  aus  dem  LateinUeken 
übersetzt  vom  Rector  Dr.  Ch.  Pansch  (38  S.  8). 

Glatz.  Als  ordentlicher  Lehrer  am  dortigen  katholischen  Gym- 
nasium ist  der  bisherige  zweite  Civilinspector  an  der  Ritterakademie 
zu  Liegnitz,  Oskar  Beschorner,  angestellt  worden. 

Hallr.  Am  Pai'dagogium  der  Franckeschen  Stiftungen  ist  der 
Schulamtscandidat  Hermann  Schwarz  als  ordentlicher  Lehrer  an- 
gestellt. 

Hannovicu.  Den  Lehrern  am  dortigen  Lyceum  Heinrich  Brock 
und  Dr.  Gustav  L ahme y er  ist  der  Titel  Oberlehrer  verliehen 
worden. 

Homburg  von  der  Höhe.  Der  Landgraf  läfst  in  diesem  Sommer  auf 
Anregung  des  Archivar  Habel  aus  Schierstein  die  Aui^grabungen  ander 
Saal  hurg  ei Trig betreiben.  DieSanIbnrg,  1304  Fufs  über  dem  Meeres- 
spiegel, in  der  bequemsten  Einsattlung  des  Taunus  an  der  Strafse  von 
Usingen  nach  Huuiburg  gelegen,  ist  eins  der  Castelle  des  Pfablgrabens, 
höchstwahrscheinlich  das  Artaunon  des  Ptolemaeus,  das  Castell  von 
welchem  Taritus  Ann.  I,  56  berichtet,  dal's  Drn»<Uf  es  erbaut  (vgl. 
Cassius  Dio  LIV,  33)  und  Germanicns  nach  der  Zerstörung  durch  die 
Germanen  es  wieder  aufgerichtet  habe.  Es  war  durch  eine  20  Fofa 
breite,  theilwei:«e  noch  erhaltene  Hecrstrafse  mit  dem  Nävus  Fieu9 
zwischen  Heddernheim  und  Praunheim  verbunden.  Die  Obermauern 
des  bedeutenden  Festungswerkes  sind  Jahrhunderte  lang  als  Steinbruch 
benutzt  worden:  ein  Tlieil  des  Homburger  Schlofses,  die  katholische 
Kirche  daselbst,  das  Kloster  Thron  u.  a.  sind  daraus  gebaut.  Es  bleibt 
sonach  nur  die  Aufgrab  11  iig  und  ßlolslegung  der  Fundamente  Obrig, 
uin  den  Umrifs  eines  bedeutenden  römischen  Castells  zu  erhalten.  Ka 
bildet  ein  längliches  Viereck  von  20 — 24  Morgen  Flächcngehalt  mit 
abgerundeten  Ecken,  umgeben  von  einem  Graben  und  einer  5  Fufa 
dicken  Mauer.  Es  hat  vier  Thore,  jedes  mit  zwei  Thürmen  zur  Seite. 
Zwei  Wege  schneiden  es  in  vier  Theile.'doch  so  dafs  der  mit  den  kär- 
zern  Seiten  gleichlaufende  Weg  nicht  die  Mitte,  sondern  ein  Drittheil 
der  lungern  Seite  abtrennt.  Wo  beide  Strafsen  sich  kreuzen,  liegt 
ein  gröfseres  Gebäude;  von  kleineren  hind  die  Fundamente  aufgedeckt, 
welche  einen  vollständigen  Begriff  von  der  Heizung  geben,  welche  im- 
mer Tiuftheiznng  war  und  theils  durch  vier  unter  dem  Fufsboden  einem 
Mittelpunkt  zulaufende  Canäie  theils  dadurch  bewirkt  wurde,  dafa 
der  Fufsboden  auf  Sculen  von  Backstein  ruhend  einen  ganz  hohlen 
Raum  unter  sich  hatte.     Die  gefundenen  Ziegel  tragen  die  Stempel: 


Üllerarifolie  und  «nUgatrifche  lliicellen.  827 

COH  n  RAE.  und  COH  IUI  VINDBL;  auch  Ton  der  dritten  Cohorte 
der  Raeter  and  Ton  der  22n  Legion  mit  dem  Stempel  LEG  XXII  P  P . 
wurden  Ziegel  gefanden.  Die  oben  erwähnte  Nachricht  des  Tacitae 
bestätigt  sich  sowohl  an  den  kleinen  Gebäuden  im  Castell  als  auch  an 
den  Häusern  der  umliegenden  Stadt  dadurch,  dafs  in  ein  Haus  mit 
wohlerhaltenem  Estrich  ein  zweites  Hans  etwa  d— 4  Fufs  hoher  hinein- 
gebaut wurde,  offenbar  ohne  Kenntnis  yon  jenem  frühem  Bau.  Auch 
altere  Inschriftsteine  sind  zu  Bausteinen  verwendet.  Drei  bis  vier 
Fufs  hoher  Schutt  mit  einer  deutlichen  Lage  von  Brandschutt  bedeckt 
den  Raum.  Einer  der  Brunnen  ist  bis  auf  70  Fufs  Tiefe  vom  Schutt 
gereinigt  und  gibt  bereits  wieder  Wafser.  Die  Dachbedeckung  bestand 
ans  Schiefer. 

Kempten.  Auf  die  am  dortigen  Gymnasium  erledigte  Professur  (s. 
unter  Dilingen)  wurde  der  Studienlehrer  zu  MGnnerstadt,  Priester 
Franz  Mohr,  befordert. 

Kiel.  An  die  dortige  Universität  sind  als  ordentliche  Professoren 
berufen  worden:  fiir  orientalische  Sprachen  Prof.  Dr.  Dillmann  aus 
Tubingen,  für  romisches  Recht  Prof.  Dr.  Nenner  aus  Giefsen,  für 
deutsches  Recht  Prof.  Dr.  Wilda  aus  Breslau,  für  Stetistik  Prof.  Dr. 
Selig  aus  Freiburg.    Aufserdem  s.  Bd.  LXIX  S.  704  unter  Prag. 

KüUHESSEN.  Die  'Nene  Preussische  Zeitung'  enthält  von  dort  aus 
folgende  <  Beleuchtung^  der  landesherrlichen  Verordnung  in  Betreff  der 
kirchlichen  Stellung  der  Gymnasien.  'Der  grofse  Haufe  stellt  sich  bei 
der  Beurtheilung  dieser  wichtigen  Angelegenheit  die  Gymnasien  als 
neumodig-ungläubige  Institute  vor,  die,  errichtet  mitten  in  der  unge* 
bundenen  Freiheit  der  negierenden  Wifsenschaft,  etwa  wie  die  meisten 
Realschulen  nun  unter  die  'Tyrannei  der  Kirche'  gezwängt  wurden. 
Aber  so  steht  die  Sache  gar  ni<:ht.  Unsere  Gymnasien  sind  durchweg 
als  kirchliche  Anstalten  gestiftet  worden  und  bis  in  die  neueste  Zeit 
kirchliche  Anstalten  geblieben.  So  stand  das  Paedagogium  zu  Mar- 
burg, aus  dem  vor  zwanzig  Jahren  das  dortige  Gymnasium  erwuchs, 
nnter  dem  Professor  primarius  der  Theologie  als  Paedagogiarchen ;  so 
stand  das  Hersfelder  Gymnasium  bis  auf  die  Zeit,  in  der  die  Gymna7 
sien  unmittelbar  unter  das  Ministerium  gestellt  wurden,  unter  dem 
dortigen  ersten  Stadtgeistlichen  als  erstem  Inspector.  Das  Gymnasium 
zu  Kassel  ist  entstanden  aus  einer  Stadtschule,  die  wie  alle  Stadt- 
schulen unter  der  Aufsicht  der  Geistlichen  stand;  es  ist  erst  durch 
Vertrag  vom  IL  Januar  1840  Staatsanstalt  geworden.  Die  Gymnasien 
zu  Fulda,  Rinteln  und  Hanau  sind  aus  frühem  ganzen  oder  halben 
Universitäten  entstanden  und  trugen  schon  seit  ihrer  Stiftung  kirchlichen 
Charakter.  Die  Fuldaer  Universität  wurde  1734  durch  den  Ffirstabt 
Adolf  von  Dalberg  gestiftet,  und  die  Stiftnngsurkunde  des  Gymna- 
siums zu  Hanau,  der  hohen  Landesschule  der  Grafschaft  Hanau,  ausge- 
stellt 1607  von  dem  Grafen  Philipp  Ludwig,  wahrt  den  kirchlichen 
Charakter  der  Stiftung  ausdrücklich.  Diese  ursprüngliche  kirchliche 
Stellung  der  Gymnasien  ist  nnn  durch  ihre  jetzige  allerdings  selbstän- 
digere Stellung  durchaus  nicht  aufgehoben.  Es  war  eben  nur  eineäu- 
fserliche  Aenderung,  hervorgegangen  aos  dem  Bedürfnis  eines  schnel- 
lem und  gleichmäfsigern  Geschäftsgangs.  Ebensowenig  ist  bei  den 
manigfachen  frühem  Veränderungen,  welche  mit  einzelnen  dieser  Gym- 
nasien vorgenommen  wurden,  ihr  ursprunglicher  kirchlicher  Charakter 
irgendwie  angetastet  worden.  Neue  Gymnasien  ohne  eine  solche 
Grundlage  sind  überhaupt  nicht  gestiftet  worden,  so  dafs  es  also  un- 
zweifelhaft feststeht:  die  sechs  kurhessischen  Gymnasien  sind  sämmt- 
lich  noch  kirchliche  Anstalten.  Dafs  dieses  Verhältnis  in  der  jüng- 
sten Zeit    nicht   beachtet  worden   ist,   beweist   nichts  gegen  seine 


228   Schal-  und  Personalntchrichten,  sUtistIfche  Mittheilangen, 

RechUbestandigkeit.  Die  feindselige  Gesinnung  gegen  alle«  kirchliche. 
welche  schon  mehrmals  in  Karhessen  regierte,  bat  doch  nicht  tinmal 
einen  Versach  gemacht,  den  kirchlichen  Charakter  dieser  Anstaltea 
geradem  aafzaheben  und  sie  etwa  ausdrücklich  für  religionslose  Staats* 
anstalten  zn  erklären. —  Die  kurhessischen  Gymnasien  sind  also  nicht 
in  kirchlichen  Anstalten  gemacht,  sondern  es  ist  nur  ausgesprochen 
worden,  dafs  sie  kirchliche  Anstalten  sind.  Wurde  dies  wieder  aus- 
gesprochen, so  war  die  nächste  praktische  Folge  davon,  dafs  die 
Gymnasien  auch  wieder  in  organische  Verbindung  mit  der  Kirch«  ge- 
setzt wurden. 'i^YoIIstandig  wäre  dies  geschehen,  wenn  sie  dnrchana 
unter  die  Anhirat  der  kirchlichen  Behörden  gestellt  worden  waren. 
Aber  so  weit  ist  die  Regierung  nicht  einmal  gegangen;  sie  ist  dabei 
stehn  geblieben,  die  Gymnasien  auf  dieselbe  Grundlage  zn  stelleni 
auf  welcher  die  Kirche  ruht:  auf  die  Bekenntnisse.  Man  kann  leicht 
einsehen,  dafs  eine  blofse  Erklärung  Ton  Seiten  der  Lehrer,  nicht« 
gegen  die  Bekenntnisse  lehren  zu  wollen,  rein  unnütz  gewesen  wäre. 
—  Die  wirkliche  Verpflichtung  war,  sollte  anders  die  kirchliche  Stel- 
lung der  Gymnasien  nicht  eine  Redensart  bleiben,  nothwendig.  Eine 
derartige  Verpflichtung  aber  ist  am  nolhwendiirsten  bei  dem  für  die 
Kirrhe  wichtigsten  Lehrgegenstande,  dem  Religionsunterricht.  Darum 
ist  für  die  Lehrer  der  Religion  eine  besondere,  speciell  kirchliche  Ver- 
pflichtung festgesetzt  worden,  während  jene  allgemeine  einfach  durch 
die  vorgesetzte  Behörde  erfolgt.  —  Keineswegs  aber  ist  durch  die 
neuen  Verordnungen  etwa  gar  der  Gymnasial  lehrerstand  als  solcher 
aufgehoben  und  so  die  wifsenschaftlichen  Erfordernisse  beschränkt 
oder  aufser  Acht  gelafsen  worden,  wie  dies  wol  im  Auslande  behaup- 
tet wird.  Die  bisherigen  Bestimmungen  über  die  Prüfungen,  denen 
sich  die  Bewerber  um  ein  Lehramt  an  den  Gymnasien  zu  unterziehn 
haben,  bestehen  nach  wie  vor.  Wie  wenig  die  Gerüchte,  dafs  'nur 
Pfarrer  an  den  kurhessischen  Gymnasien  angestellt  wurden',  der 
Wahrheit  entsprechen,  beweist  die  Thatsache,  dafs  das  grofste  Gym- 
nasium des  Landes  nicht  etwa  zu  viele,  sondern  so  wenige  Religion«- 
lehrer  hat,  dafs  der  Director  sich  die.serhalb  an  das  Ministerium  in 
wenden  nöthig  hatte.  Von  den  zahlreichen  jungen  Lehrern,  welche 
auftragsweiüe  an  unseren  Gymnasien  beschäftigt  sind,  sind  unserea 
Wifsens  nur  zwei  ordiniert  und  nur  einer  von  diesen  ist  wirklicher 
Pfarrer.  —  Ans  diesen  Erörterungen  wird  man  wol  ersehn,  dafs 
in  Kurhessen  mit  den  Gymnasien  nichts  anderes  vorgegangen  ist,  als 
was  z.  B.  auch  in  Preussen  hie  und  da  angebahnt  und  theilweise  aoi- 
geführt  wurde.' 

Lahr.  Professor  Henn  am  dortigen  Gymnasium  wurde  bis  rar 
Herstellung  seiner  Gesundheit  in  Ruhestand  versetzt. 

Lemberg.  Der  Supplent  am  dortigen  akademischen  Gymnasian 
Wilhelm  Gabrigel  ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  ernannt. 

Lemgo.  Das  Lehrerrollegium  des  dortigen  Gymnasiums  'hat  fol- 
genden Bestand:  Rector  Prof.  Dr.  Brandes,  Prorector  Dr.  Giemen, 
Conrector  Prof.  Schnitger,  Subconrector  Hunnaeus,  die  ordentlichen 
Lehrer  Berger,  Rentsch,  Busse  und  Zeichenlehrer  Rotteken. 
Die  Schülerzahl  betrug  im  Sommer  1853  126,  im  folgenden  Winter 
118  (I:  11,  II:  12,  III:  26,  IV:  25,  V:  26,  VI:  18);  zur  Universität 
wurden  entlafsen  Ostern  1853  3,  Mich.  1853  2,  Ostern  1854  I.  Pro- 
grammabhandlung: OUian  und  tcine  Welt^  vom  Prorector  Dr.  Gie- 
men (34  S.  4). 

Lkutschau.  Dem  Supplenten  am  dortigen  kath.  Gymnasiom  An- 
sei m  Man  SU  et  Riedl  ist  die  neuerrichtete  Stelle  eines  Lehren  der 
ungarischen  Sprache  an  der  Prager  Universität  verliehen. 


Utterarigohe  und  aDliqocriiolie  Mifoelien«  229 

LÜBECK«  Zam  Direetor  de»  dortigen  Gatharineiiai  ist  der  Rector 
der  hobern  Bfirgerschnle  in  Oldenburg,  Dr.  Friedrick  Breier,  er- 
nannt worden  ^). 

Luckau.  Zum  Mathematicui  de«  dortigen  Gymnasiams  ist  der  Leh- 
rer an  der  hohem  Bürgerschule  zu  Stolp,  Karl  Alezander  Her- 
mann Fahland  berufen  und  bestätigt. 

Mailamp.  Der  Suppient  för  deutsche  Sprache  und  Litteratur  am 
dortigen  k.  k.  Lycealgymnasium  zu  Porta  Nuova  Joseph  Müller  ist 
xam  Professor  desselben  Fachs  in  der  philosophischen  Facnltät  der 
UniTersitat  zu  Pavia  ernannt  worden. 

Meissen.  Aus  dem  Lehrercollegium  der  dortigen  k.  Landesschule 
[s.  Bd.  LXVni  8.  333]  schieden  Ostern  d.  J.  aus  der  Professor  Ju- 
lius Theodor  Graf,  zum  Oberpfarrer  und  Superintendenten  der 
Stadt  Meissen  designiert,  und  der  provisorische  Hilfslehrer  Dr.  K. 
Chr.  Schubart,  zum  Oberlehrer  an  dem  neu  organisierten  Gymna- 
sium in  Planen  ernannt.  An  des  erstem  Stelle  wurde  der  Pfarrer  Lic. 
th.  u.  Dr.  ph.  Rudolf  Hugo  Hofmann  in  Stormthai  bei  Leipzig 
unter  Beilegung  des  Professortitels  als  6r  Lehrer  angestellt;  die  Pro- 
fessoren Dr.  Peters  und  Dr.  Graf  ruckten  in  Folge  davon  in  die  4e 
and  5e  Lehrerstelle  auf.  An  Schubarts  Stelle  wurde  der  an  der  Krau- 
seschen Lehranstalt  in  Dresden  angestellte  Schulamtsc^ndidat  Gott- 
lob Bernhard  Dinter  provisorisch  als  Hilfslehrer  angestellt.  Das 
Lehrercollegium  hat  demnach  jetzt  folgenden  Bestand:  Rector  Prof. 
Dr.  Franke,  die  Professoren  Dr.  Oertel,  Dr.  Kraner,  Dr.  Pe- 
ters, Dr.  Graf,  Dr.  Hofmann,  die  Oberlehrer  Dr.  Milberg  und 
Dr.  Dohner  und  Hilfslehrer  Dinter.  Die  Schulerzahl  betragt  im 
^Sommerhalbjahr  1864  1M>  (I:  28,  II:  39,  III:  49,  iV«:  28,  IV»:  16); 
zur  Universität  wurden  Michaelis  1863  10,  Ostern  d.  J.  7  entlafsen. 
Programmabhandlung  zur  Feier  des  Stiftungstages  39.  Juni  1854:  lieber 
die  Nothwendigkeit  der  Einrichtung  »weekmoMnger  nuttkemattaeh-na- 
turvnMgengehaftlieher  Lehrerbildungtangtalien  an  deuitehen  Universi- 
täteny  vom  Prof.  Dr.  Adolf  Peters  (40 S.  4). 

Meran  [s.  Bd.  LXVIII  S.  566].  Veränderungen  im  Persp  nalstand 
des  Lehrkörpers  des  dortigen  k.  k.  Gymnasiums  kamen  wahrend  des 
Schuljahres  1863—54  nicht  vor.  Die  Schfilerzahl  betrug  180  (I:  41, 
II:  21,111:  32,  IV:  15,  Vs  18,  VI:  27,  VII:  14,  VIII:  12).  Programm- 
abhandlang:  Grontometne  vom  Gymnasiallehrer  P.  Magnus  Tschenet 
(18  S.  4  mit  einer  Figurentafel). 

MÜNCHEN.  Dr.  Friedrich  Bodenstedt  ist  zum  Professor  an 
der  dortigen  Hochschule  für  Sprachvergleichung  und  die  slavischen 
Sprachen  und  Litteraturen  ernannt. 

Herzogt« UM  Nassau.  Zu  Referenten  in  Schulsachen  und  Regie- 
mngsrathen  sind  der  Ministerialrath  und  Geh.  Legationsrath  Dr.  Ma  z 
von  Gagern  und  der  Gymnasialprofessor  Dr.  Firnhaber  in  Wies- 
baden ernannt.  Der  bisherige  Referent  bei  der  Ministerialabtheilung 
des  Innern  in  Schulsachen  Professor  Schmitt  ist  zum  Professor  am 
Gymnasium  in  Hadamar  ernannt,  der  Coilaborator  Ebhardt  zu  Ha- 


*)  Der  Bd.  LXIX  S.  578  für  diese  Jahrb.  in  Aussicht  gestellte 
biographische  Ueberblick  über  das  Leben  und  Wirken  des  verstorbe- 
nen Direetor  Fr.  Jacob  von  seinem  vieljahrigen  Freunde  und  Amts- 
Senofsen,  dem  jetzigen  Direetor  Dr.  J.  Classen  in  Frankfurt  am 
lain,  wird  in  Folge  eines  neuerdings  gefafsten  Planes  nicht  in  dieser 
Zeitschrift,  sondern  in  Verbindung  mit  einer  Auswahl  aus  dem  litte- 
nurischen  Nachlafs  des  verstorbenen  demnächst  erscheinen. 


230   Schul-  und  Personalnaclirichteii ,  slatisCische  Mittlieilüngeii, 

damar  in  gleicher  Eigenschaft  an  das  Gelehrtengymnasiam  in  Wies- 
baden versetzt. 

Padua.  Der  provisorische  Professor  der  Physik  an  der  dortigen 
Universität  Priester  Franz  Zantedeschi  ist  ziiiu  wirklichen  Pro- 
fessor seines  Fachs  ebendaselbst  ernannt. 

pRENZLAU.  Am  dortigen  Gymnasiam  ist  der  Schuiamtscandidat 
Samuel  Wilhelm  Küster  zum  7n  Collaborator  berufen  und  be- 
stätigt. 

KÖNIGREICH  PREUSSEN.  An  den  sieben  k.  wirsenschaftlichen  Prü- 
ftingscommissionen  für  das  höhere  Lehramt  haben  während  des  Jahres 
1853  folgende  Prüfungen  stattgefunden:  in  Berlin  61,  in  Bonn  35,  in 
Breslau  56,  in  Greifswald  10,  in  Halle  10,  in  Königsberg  11,  in  Mün- 
ster 19.  Von  diesen,  zusammen  192,  Prufuni;en  fanden  119  zum  er^ 
steninal  statt.  Die  abgehaltenen  colloquia  pro  rectoratu  sind  niehi 
mit  eingerechnet. —  Ueber  die  Zahl  der  in  demselben  Jahre  an  sämmtF 
liehen  Gymnasien  der  Monarchie  geprüften  Abitnrienten  und  Matnri- 
tätsaspiranten  geben  die  öffentlichen  Blätter  aus  amtlichen  Quellen 
folgende  Notizen:  Provinz  Preussen.  Geprüft  wurden  auf  14  Gym- 
nasien 191  Schüler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  entla- 
fsen  155,  für  unreif  erklärt  31,  zurückgetreten  sind  5.  Provinz  Bran- 
denburg. Geprüft  wurden  auf  IG  Gymnasien  und  dem  Paedagogiam 
zu  ZüUichau  295  Schuler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis  der  Reife 
entlafsen  245,  für  unreif  erklärt  30,  es  traten  zurück  20.  Provins 
Pommern.  Geprüft  wurden  auf  8  Gymnasien  und  dem  Paedagogiam 
zu  Putbus  75  Schüler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  ent- 
lafsen 58  und  für  unreif  erklärt  17.  Provinz  Schlesien.  Geprüft 
wurden  auf  20  Gymnasien  und  der  k.  Ritterakademie  zu  Liegnits  336 
Schüler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  entlafsen  253,  für 
nicht  reif  erklärt  72,  es  traten  zurück  2.  Provinz  Posen.  Geprüft 
wurden  auf  6  Gymnasien  108  Schüler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis 
der  Reife  entlafsen  95,  für  unreif  erklärt  12  und  zurückgewiesen  1. 
Provinz  Sachsen.  Geprüft  wurden  auf  17  Gymnasien,  dem  k.  Pae- 
dagogium'  zu  Halle,  der  lateinischen  Hauptschule  daselbst,  der  Lan- 
desschule zu  Pforta  und  der  Klosterschale  zu  Rofsleben  218  Schuler; 
davon  wurden  mit  dein  Zeugnis  der  Reife  entlafsen  211  und  für  anreif 
erklärt  7.  Provinz  Westphalen.  Geprüft  wurden  auf  11  Gymna- 
sien ,  der  höhern  Bürger-  und  Realschule  zu  Siegen  und  dem  Realin- 
stitut zu  Minden  287  Schuler;  davon  wurden  mit  dem  Zeugnis  der 
Reife  entlafsen  220,  für  unreif  sind  erklärt  44,  zurückgetreten  32  und 
zur  Prüfung  nicht  zugelafsen  wurde  1.  Rheinprovinz.  Geprüft  wai^ 
den  auf  18  Gymnasien,  der  Ritterakademie  zu  Bedburg  und  dem  Gym- 
nasium zu  Hedingen  in  den  Hohenzollernschcn  Landen  342  Schuler 
und  10  Schüler,  welche  auf  die  Universitätsstudien  verzichten;  davon 
wurden  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  entlafsen  304,  für  nicht  reif  sind 
erklärt  16,  zurückgetreten  27  und  abgewiesen  wurden  5. 

Rom.  Dem  ersten  und  dem  zweiten  correspondierenden  Secretir 
des  archaeologischen  Instituts,  Dr.  Kmil  Braun  und  Dr.  Wilhelm 
Hcnzen,  ist  von  Sr.  Maj.  dem  König  von  Preussen  das  Praedicat 
Professor  verliehen  worden. 

RovEREDO.  Der  Supplent  am  dortigen  Gymnasium  Alois  Ben- 
venuti  ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  an  derselben  Lehranstalt 
ernannt. 

RunoLSTADT.  An  dem  dortigen  Gymnasium  und  der  damit  ver- 
bundenen Realschule  unterrichten  gegenwärtig  folgende  Lehrer:  Di- 
rector   Prof.   Dr.  K.  W.    Müller,  die   Professoren    Dr,   Obbarins, 


litterarische  nnd  antiquarische  Miscellen.  281 

Wächter,  Dr.  Klnfsmann,  Gascard,  die  ordentlichen  Lehrer 
Dr.  Uercber,  Dr.  Höreber,  Dr.  Sigismund,  Collaborator  Re- 
(^ensburger,  Milizprediger  Gunsche,  Cand.  Lenz.  Die  8cbüler- 
asabi  betrug  im  Sommer  1853  125,  im  folgenden  Winter  126  (I:  13, 
II:  13,  III:  16,  IV:  19,  V:  33,  Real  f:  13,  U:  19);  zur  Universität 
wurden  Ostern  d.  J.  6  entlafsen.  Den  Schulnachrichten  im  Osterpro- 
gramm  1854  gehn  voraus:  Commeniaria  lunüii  Flagrii^  T.  Galli  et 
Gaudentii  in  Virgilii  georgicorum  libroa  nunc  primum  ex  codice  Ber- 
nensi  edidit  Dr.  C.  G.  Müller,  part.  IV  (32  S.  4).  Der  Einladung»- 
«ihrift  zur  Sommcrschen  Redefeierlichkeit  am  9.  Decbr.  1853  sind  vor- 
ausgeschickt: Bemerkvngen  über  eine  Stelle  in  Homers  Odyssee  {Vll, 
126)  die  ßFein blute  betreffend,  von  demselben  (2  6.  4). 

Stettin.  Zum  Collaborator  am  dortigen  Gymnasium  ist  der  Srhnl- 
amtscandidat  Dr.  J.  K.  W.  P.  Barthold  y,  zu  ordentlichen  Lehrern 
an  der  Friedrich- Wilhelmsschule  der  Lehrer  an  der  höhern  Bnrger- 
scbnle  zu  Perleberg  H.  H.  Robolsky  nnd  der  Collaborator  Dr.  Fr. 
W.  Gesenias,  zum  Collaborator  der  Schuiamtscandidat  Alexander 
Gnatav  Sievert  berufen  und  bestätigt. 

Straubing.  Die  durch  Quiesciernng  des  Professors  Mich.  Hof- 
baner  erledigte  Professur  am  dortigen  Gymnasium  erhielt  der  Stu- 
dienlehrer zn  Amberg,  Georg  Erk. 

Urach.  Der  Ephorus  am  dortigen  Seminar  von  Kostlin  ist  un- 
ier Anerkennung  seiner  treuen  und  vieljährigen  Dienste  wegen  vorge- 
rückten Alters  in  den  Ruhestand  versetzt  worden. 

Wkrtheim.  Der  Director  des  dortigen  Lyceums,  Geheimer  Rath 
Dr.  J.  G.  E.  Fohlisch,  wurde  auf  sein  Ansuchen  unter  Anerkennung 
seiner  langjährigen  treugeleisteten  und  erspriefslichen  Dienste  in  den 
Ruhestand  versetzt  und  der  Lehramtspracticant  Friedrich  Müller 
unter  Verleihung  der  Staatsdienereigenschaft  zum  Hauptlehrer  ernannt. 

Wien.  Zu  wirklichen  Mitgliedern  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wifsensrhaften  sind  ernannt:  der  Professor  der  classischen  Philologie 
an  der  Wiener  Universität  Dr.  Hermann  Bonitz  und  der  emeri- 
tierte Appellationssecretär  zu  Venedig  Emanuel  Cicogna;  zu  in- 
ländischen correspondierenden  Mitgliedern  gewählt  und  bestätigt:  der 
Landrath  und  Unterrichtsreferent  bei  der  Landesregierung  von  Schle- 
sien Rudolf  Kink,  der  Professor  der  deutschen  Sprache  und  Litte- 
ratur  an  der  Universität  zu  Graz  Dr.  Karl  Weinhold  und  der  Bi- 
bliothekar der  Brera  zu  Mailand  Francesco  Rossi;  zum  ausländi- 
schen correspondierenden  Mitglied  der  Director  des  k.  preussischen 
Archivs  zu  Königsberg  Professor  Dr.  Johannes  Voigt. 

ZÜLLiCHAU.  Als  erster  Oberlehrer  am  dortigen  Paedagoeium  ist 
angestellt  worden  der  Lehrer  Dr.  Erler  am  Seminar  für  Stadtschulen 
in  Berlin. 

Zürich.  An  die  dortige  Hochschule  wurde  als  ordentlicher  Pro- 
fessor der  Theologie  Lic.  Konstantin  Schlottmann,  früher  Do- 
cent  in  Berlin,  dermalen  Gesandtschaftsprediger  in  Konstantii)({peI, 
alfl  aufserordentlicher  Professor  der  staatswifsenschaftlichen  Famltät 
für  romisches  Recht  der  Privatdocent  Dr.  Heinrich  Dernburg  in 
Heidelberg  berufen. 


232  Todesfalle.  Berichtigungen. 

Todesfälle. 


Am  17.  Juli  starb  zn  Hildbarghansen  der  Oberconsistorialrath  and 
Oberpfarrer  Karl  Ladwig  Nonne,  ein  verdienstToIler  Paeda> 
gog,  geb.  6.  Dccbr.  1785. 

Am  27.  Juli  zn  Schaffhausen  der  Lehrer  der  alten  Sprachen  am  dor- 
tigen Gymnasium  Dr.  Karl  Rudolf  Meyner,  geburtig  au«  Wit- 
tenberg, im  57n  Lebensjahre. 

Am  9.  August  zu  Königsberg  in  der  Neumark  der  Oberlehrer  Dr.  Pfef- 
ferkorn. 

Am  11.  August  zu  Neapel  der  berühmte  Naturforscher  Dr.  Melloni, 
Mitglied  der  k.  Aicaderaien  der  Wifsenschaften  zn  Berlin  oad 
Manchen. 

Am  13.  August  zn  Berlin  der  frühere  Director  des  Gymnasianu  m 
Tilsit,  H.  Coerber,  im  74n  Lebensjahre. 

Am  18.  August  zn  München  der  als  Verfafser  mehrerer  Dichtangon 
und  Letirbucher  bekannte  Professor  am  Ludwigs  -  Gymnasium  Dr. 
Johann  Bartholomaeus  Gofsmann. 

Am  20.  August  im  Bad  Ragaz  in  der  Schweiz  der  k.  preuss.  wirkliche 
Geheime  Oberregierungsrath  Dr.  Friedrich  Wilhelm  Joaeph 
Ton  Schellin g,  geb.  27.  Januar  1776  zu  Leonberg  in  Württem- 
berg, seit  1841  in  Berlin. 

Am  26.  August  zu  Bonn  der  aufserordentliche  Professor  der  Diploma- 
tik,  Sphragistik  und  Heraldik,  Bibliothekssecretar  Dr.  Christian 
Samuel  Theodor  Bernd,  79  Jahre  alt. 

Ferner  starb  in  Breslau  auf  der  Durchreise  Dr.  Friedrich  Schnei- 
der, Professor  am  Gymnasium  zu  Trzemeano,  in  London  Henry 
Tufnell,  der  in  Gemeinschaft  mit  G.  C.  Lewis  K.  O.  Müllers 
Dorier  ins  Englische  übersetzt  hatte,  und  in  Paris  der  Akademi- 
ker Langlois,  bekannt  durch  seine  Werke  über  das  Sanskrit 
und  die  heiligen  Schriften  der  Inder. 


Berichtigungen  zu  Bd.  LXIX. 

S.  686  Z.  31  lies  Cambus  statt  Combu9 
8.  686  Z.  37  lies  Quednow  statt  Quidnow 
S.  689  Z.  22  lies  «der  Rosmerta'  statt  'des  Rismerta* 
S.  690  Z.  36  lies  '  Fesuniahenae  bei  Vettweis'  statt  *  Feiuniakmae  bei 
Vittweis'. 


Kritische  BenrtheilnngeiL 


Homers  Odyssee.  Erklärt  Ton  J.  ü.  Faeti.  Zweite  berichtigte  Auflage. 
Leipzig,  Weidmannsche  Buchhandlung.  1833.  Erster  Band:  XLIl  n. 
284  8.  Zweiter  Band:  298  8.  8. 

Dafs  eine  erklärende  Schulausgabe  des  Homer  zu  den  schwie- 
rigsten Aufgaben  gehöre,  darüber  herscht  kein  Zweifel.  Denn  Philo- 
logie und  Paedagogik  stellen  eigenthümliche  Forderungen,  die  auf  die 
rechle  Weise  befriedigt  sein  wollen.  I.  Zunächst  ist  Homer  für  die 
griechisch  lernende  Jugend  der  wichtigste  Autor,  weil  ohne  ein  sorg- 
sames Verständnis  desselben  jedes  glückliche  VV'eiterstreben  in  der 
obersten  Classe  illusorisch  bleibt.  Daher  hat  ihm  der  angehende  Se- 
cundaner  ein  vorzügliches  Studium  zuzuwenden,  und  der  gereifte 
Primaner  darf  ihn  nie  aus  der  Hand  legen:  der  Dichter  roufs  also  in 
beiden  Classen  für  das  Griechische  so  zu  sagen  das  tägliche  Brod 
bilden,  zu  dem  man  immer  und  immer  von  verschiedenen  Standpunk- 
ten aus  zurückkehrt,  wenn  man  wirkliche  Früchte  von  nachhaltiger 
Wirkung  erzeugen  will.  Eine  Ausgabe  nun  hat  vor  allem  die  Frage 
SU  beantworten,  welchen  Schüler  sie  bei  ihren  Erklärungen  vor  Au- 
gen habe,  den  Secundaner  oder  den  Primaner  oder  beide. 

II.  Hierzu  kommt  zweitens  die  Schwierigkeit  der  homerischen 
Frage.  Welche  Stellung  hat  hierbei  ein  Herausgeber  einzunehmen? 
Wie  ist  die  Sache  in  pacdagogischer  Hinsicht  zu  beurtheilen?  Zwei 
Wahrheiten  sind  bei  dieser  Frage,  wie  ich  meine,  nicht  zu  übersehen. 
Zuerst  mufs  der  Gymnasiast  die  homerischen  Gedichte,  wie  sie  uns 
überliefert  sind,  kenneu  lernen,  und  tüchtig  kennen  lernen,  bevor  er 
über  Entstehung  und  innere  Oekonomie  derselben  ein  selbstthätiges 
Urtheil  gewinnen  kann.  Denn  um  diese  Dinge  zu  beurtheilen,  ist  nö- 
thig,  dafs  die  Jugend  erst  den  ganzen  Homer  mehr  als  einmal  gelesen 
habe,  dafs  sie  der  epischen  Sprache  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
schon  mächtig  sei.  Aber  dies  zu  erreichen,  gibt  es  so  viel  zu  lernen, 
so  viel  zu  beachten,  so  viel  zu  üben,  dafs  die  jugendliche  Kraft  für 
die  Zeit  der  beiden  oberen  Classen  vollkommen  beschäftigt  wird,  and 
dafs  man  auf  jene  spinösen  Fragen  der  höheren  Kritik  verzichten  oder 
höchstens  auf  Andeutungen  für  die  gereiftesten  Primaner  sich  beschrän- 
ken mufs.   Wer  dagegen  glaubt,  jene  Fragen  für  Schüler  als  *Ein- 

iV.  Jahrb.  f.  PfUl.  u.  Paed.  Bd.  LXX.  Hß.  3.  16 


234  J*  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Btnd. 

leitung'  behandeln  tu  können ,  |der  bringt  an  den  jugendlichen  Geisl 
twar  ein  schäUbares  Material,  aber  ein  Material,  das  im  günstigsten 
Falle  das  blorse  Wifsen  bereichert,  keine  nachhaltige  Wirkung  turs 
Können  äursert,  weil  es  keine  Uebung  der  jugendlichen  Kräfte  ftuUrsl. 
Es  behandelt  mithin  jede  derartige  Einleitung  das  Gymnasium  als 
Lehranstalt  des  Wifsens,  nicht,  was  es  ursprünglich  war  und  aberall 
sein  sollte,  als  christliche  Uebungsschule.  Erst  derjenige  Schüler, 
der  unter  Leitung  seines  Lehrers  den  Überlieferlen  Text  des  Homer 
gelesen  und  immer  wieder  gelesen  und  so  gelesen  bat,  dafs  er  nach 
einigen  Semestern  im  Stande  ist,  mit  Leichtigkeit  einige  Verse  su 
bauen,  die  homerische  Färbung  tragen, —  der  allein  hat  etwas  ge- 
lernt, der  kann  etwas,  während  alle  Hittheilung  aus  der  Untersu- 
chung über  den  Ursprung  der  homerischen  Gedichte,  alle  eingehende 
Beschäftigung  mit  der  homerischen  Frage  höchstens  tu  dem  prakti- 
schen Resultate  führt:  der  Schüler  weifs  vorgetragenes  gut  nachzu- 
sprechen. Jede  weitere  Forderung  ist  Illusion,  ist  Verkennung  des 
wesentlichen  9  ist  vorzeitiger  Geistesreichthum ,  ist  moderne  Ueber- 
stflrznng;  mit  dem  Uebersturz  aber  hängt  der  Umsturz  der  Sache  aoft 
engste  zusammen.  In  Bezug  auf  Homer  hat  Dielsch  in  diesen  TUahrh. 
Bd.  LXVllI  S.  523  ff.  sehr  gut  *)  gehandelt.  Auch  der  einsichtsvolle 
G.  Cnrtius  (*  Andeutungen  über  den  gegenwärtigen  Stand  der  homeri- 
schen Frage'  Wien  1854  **)  S.  49)  bemerkt  mit  Recht:  «Der  Eifer 
für  das  frisch  erkannte  kann  leicht  manchen  Gymnasiallehrer  zu  dem 
Misgriff  verführen ,  die  homerische  Frage  in  das  Gymnasium  vor  die 
Schüler  zu  ziehen.  Dahin  aber  gehört  sicherlich  nicht  mehr,  als  eine 
kurze  Andeutung  über  den  Ursprung  der  homerischen  Gedichte.  Die 
Schüler  wird  der  Lehrer  in  diese  Gedichte  einzuführen,  nicht  zn  Ur- 
theilen  über  sie  zu  verführen  haben,  welche  schon  deswegen  für  jene 
keinen  Werth  haben,  weil  sie  keine  selbst  erworbenen  sein  Jiönnen. 
Konnten  sich  Plato  und  Aristoteles  an  der  llias  freuen,  wie  sie  ist,  so 
könnea  es  nach  ohne  Schaden  die  Schüler  unserer  Gymnasien.'  Dia 
aweila  in  Jagendualerricht  nicht  zu  übersehende  Wahrheit  ist  die, 
dafs  4ie  ganae  homerische  Frage  aufs  Verständnis  der  übrigen  grie- 
chischen Autoren  auch  nicht  den  geringsten  Kinflufs  übt.  Denn  sie  ist 
ein  Froduct  der  Neuzeit,  die  Alten  haben  sich  in  der  Einheit  ihres 


*)  Wie  ungenau  öfters  Auszage  ans  Zeitschriften  abgefafst  wer- 
den, davon  liefert  die  Ztschr.  f.  d.  AW.  |Hö4  Nr.  24  ein  Beispiel, 
indem  man  Hm.  Dietsch  ohne  weiteres  sagen  lähit,  dafs  er  «bei  Homer 
die  Resultate  der  Kritik  nicht  anerkennt,  namentlich  auch  nicht  von 
dem  Standpunkt  der  christlichen  Erziehung  aus.'  Aber  wer  genauer 
nachsieht,  der  findet,  dafs  Hr.  D.  nur  gegen  die  Anwendbarkeit  der 
Lachmannschen  Liedertheorie  im  Gymnasium  gesprochen  hat,  und  iwar 
mit  Gründen ,  die  jedem  Paedagogen  stichhaltig  sind. 

**)  In  diesem  Schriftchen,  das  zur  Orientierung  in  den  beiuglichaa 
Fragen  gut  abgefafst  ist,  fillt  unter  anderm  der  Umstand  auf,  dafs 
für  die  dritte  Richtung  ä.  31 — 13,  d.  i.  nnter  den  Anhängern  der 
liachmannschen  Liederthcorie  die  vier  Abhandlongen  Ton  Kochly  auch 
licht  mit  einer  Silbe  berührt  sind.    Ist  das  Zufall  oder  Absicht? 


J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  a.  2r  Bd.  2S5 

Honer  nich  t  stören  Ursen.  Daher  isl  der  ezenplarisebe  und  aorma- 
tiTo  Standpankt  des  Honer,  insofern  er  bei  der  Jagend  die  Erlernung 
des  Grieohisehen  aberhanpt  auf  die  reehte  Weise  xu  befördern  rer- 
nag,  einzig  und  allein  ein  grflndliches  Studium  des  aberlieferten 
Textes.  Will  man  aber  die  homerische  Frage  als  Vorbereitung  xnn 
Verständnis  des  altdeutschen  Epos  benutzen,  so  vermischt  man  damit 
einen  fremdartigen  Zweck  und  entschligt  sich  der  Erwägung,  ob  das 
Altdeutsche  in  solcher  Ausdehnung  aufs  Gymnasium  gehöre.  Jedes- 
falls  ist  die  Betreibung  desselben  im  Gymnasium,  wenn  die  Zeichen  der 
Zeit  nicht  trügen,  ein  mehrfacher  Gehfllfe  gewesen  zum  Todtschlag 
altclassiscber  Studien. 

III.  Ein  dritter  Funkt  für  eine  Schulausgabe  des  Homer  ist  die 
Frage,  welchen  Text  ein  Herausgeber  zu  Grunde  gelegt,  wo  und  nach 
welchem  Principe  er  denselben  verlafsen  habe;  ferner  die  Frage,  wie 
weit  ihm  die  homerische  Litteratur,  die  in  einer  Menge  Ton  Mono- 
graphien zerstreut  liegt,  zuganglich  war,  ob  er  einiges  absichtlich 
unbenutzt  gelafsen,  ob  er  bei  Erliuterung  des  epischen  den  Mafsstab 
der  attischen  Periode,  nach  dem  Vorgang  anderer,  angelegt  habe; 
wie  er  bei  Erklärung  der  am  häufigsten  wiederkehrenden  Redeweisen, 
der  stehenden  Epitheta  und  dergleichen  verfahren  sei;  nach  welchem 
Grundsätze  die  Vorgänger  namentlich  erwähnt  oder  stillschweigend 
benutzt  worden  sind  u.  s.  w. 

Dies  wären  die  hauptsächlichsten  Schwierigkeiten  fflr  eine  Schul- 
ausgabe des  Homer.  Auf  alle  solche  Fragen  aber  findet  man  bei  Hrn. 
Faesi  keine  ausdrückliche  Antwort:  denn  die  Ausgabe  entbehrt  einer 
Vorrede.  Hatte  Hr.  F.  über  die  Lectfire  des  Homer  und  über  die  Me- 
thode, wie  man  gerade  diesen  Dichter  am  zweckmäfsigsten  für  die 
Jagend  behandle,  gar  nichts  zu  bemerken?  Oder  ist  er  ein  Anhänger 
der  iuperba  tacitumilas?  Oder  hält  er  das  aufgestellte  Programm 
der  ganzen  Sammlung  für  ausreichend?  Die  praktische  Auslegung 
desselben  zeigt  aber  ein  quot  capita  toi  semus  in  mancherlei  Hin- 
sicht. Oder  beseelt  ihn  das  sichere  Vertrauen ,  dafs  der  Leser  das  nö- 
thige  von  selbst  sehen  werde?  Ich  gestehe  ohne  Rückhalt,  dafs  ich 
Ober  mehreres  zweifelhaft  bin  und  den  Auftrag  der  geehrten  Redac- 
tion ,  eine  Anzeige  dieser  Ausgabe  zu  schreiben  ,  schwerlich  erfüllen 
werde,  ohne  vielleicht  wider  Wifsen  und  Willen  Hrn.  F.  ein  Unrecht 
zu  Ihun.  Doch  es  gilt  den  Versuch ,  aus  der  Innern  Beschaffenheit 
der  Bearbeitung  selbst  ein  Urtheil  zu  fallen. 

Dieses  Urtheil  nun  wird  bei  jedem,  der  unbefangen  prüft,  im 
ganzen  ein  günstiges  sein.  Denn  der  Hg.  hat  im  Interesse  der  Sache 
die  Leistungen  der  Vorgänger  fleifsig  und  mit  selbständigem  Urtheil 
benutzt.  Dabei  hat  er  zugleich,  was  die  Ausgabe  vor  manchem  andern 
Bindchen  der  Haupt-Sauppeschen  Sammlung  vortheilhaft  auszeiehnet, 
die  Erklärung  des  einzelnen  überall  in  kurzem,  klarem,  populärem 
Ausdruck  gegeben,  ohne  vorzeitige  Gelehrsamkeit  einzumischen. 
Hierzu  kommt  endlich  Beschränkung  aufs  nothwendige  and  wesent- 
liche, die  man  im  ganzen  gewahrt  findet,  ohne  dafs  die  jugendliche 

16* 


^6  J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  ]r  u.  2r  Bd. 

SclbsUliütigkeil  beeinträchtigt  wird.  Daher  ist  diese  Ausgabe  für  Schu- 
ler sehr  brauchbar,  oder  richtiger  gesprochen:  es  ist  die  einzige  Aus- 
gäbe  mit  Anmerkungen,  die  man  einem  Schüler  unbedenklich  in  di» 
Hand  geben  kann.  Und  diesen  Eingang  in  Schulen  scheint  das  Bucb 
verdientemarsen  gefunden  zu  haben,  da  es  bereits  in  ^zweiter  be- 
richtigter Auflage'  vorliegt*). 

Eine  nützliche  und  zwockmärsige  Zugabe  der  neuen  Auflage  isl 
die  am  Endo  hinzugefügte  ^  Uebersicht  der  Abweichungen  dieser  Aus- 
gabe vom  Bekkerschen  Texte.'  Aber  diese  Uebersicht  erweckt  so- 
gleich mancherlei  Zweifel.  Abgesehen  nemlich  von  einigen  Druckfeh- 
lern, die  aus  dem  Bekkerschen  Texte  beibehalten  sind,  wie  £  39 
ovöijtors  vereinigt  (vgl.  v  137);  e  44j  o  xig  iaal  (vgl.  (i  40.  n  228.  v 
188.  X  415,  dagegen  wieder  fehlerhaft  i/;  66),  wozu  man  vielleicht 
uaavxa  B  217  neben  dem  überall  accentuierten  iadvxa  und  einiges 
andere  beifügen  könnte, —  aber  abgesehen  von  solchen  Kleinigkeiteo 
fragt  man  zunächst:  warum  hat  Hr.  F.  die  Autoritäten  nicht  genannt, 
auf  welche  gestützt  er  diese  Aenderungen  vornahm?  Denn  viele  der- 
selben sind  durch  Forschungen  anderer  veranlufst.  Warum  hat  er 
ferner  in  den  Anmerkungen  nur  Grashof,  Kumpf  und  ein  paarmal  Nitzsch 
genannt,  dagegen  manche  andere,  die  sich  um  Homer  verdient  ge- 
macht haben,  stillschweigend  benutzt?  Auf  beide  Fragen  weifs  der 
Leser  keine  sichere  Antwort.  Ein  zweites  Bedenken:  wäre  es  nicht 
zweckmäfsiger,  manche  Note  unter  dem  Texte,  besonders  die  Ver- 
theidigung  zweifelhafter  Verse,  in  diese  *  Uebersicht'  zu  verweisen? 
So  liest  man  beispielsweise  zu  a  356 — 359  folgendes:  ^ Diese  vier 
Verse  kommen  mit  einer  einzigen  Verschiedenheit  im  dritten  auch  un- 
ten (p  350 — 353  vor,  mit  etwas  gröfserer  Abweichung  im  dritten  und 
vierten  11.  ^  490 — 493;  die  anderthalb  letzten  noch  Od.  X  352.  Ur- 
sprünglich scheinen  sie  für  den  Zusammenhang  in  der  llias  a.  a.  0. 
gedichtet,  aber  auch  hier  können  sie  wegen  360  f.  kaum  entbehrt 
werden.'  Dafs  aber  die  Jugend  durch  solche  kritische  Notizen  auch 
nur  das  geringste  für  das  Verständnis  des  Dichters  gewinne,  das  wird 
sich  durch  keine  Erfahrung  bestätigen  lufsen.   Es  führt  höchstens  aa 


'^j  In  der  Durchfülirung  des  einzelnen  übrigens  unterscheiden  sich 
llias  und  Odyssee  unter  anderem  dadurch,  dafs  zum  erstem  Gedichte 
bisweilen  Bemerkungen  der  Schollen  wörtlich  angeführt  «ind,  freilich 
Überuli  nur  mit  der  ganz  allgemeinen  Bezeirhnung  A'cAo/.,  wo  mehrmaiU 
nach  dem  durch  Lehrs  hervorgerufenen  Kurschun«irseifer  das  Eigen- 
thumsrecht  gewahrt  werden  konnte  Aber  im  Commentur  zur  Odyssee 
sind  nirgends  dergleichen  8choliastennotizen  zur  Aufnahme  gekommen. 
Und  düch^  hätte  es  an  mehreren  Steilen  zum  Nutzen  der  Sache  ge- 
schehen können.  Ja  selbst  der  codex  HamburgcnsU,  dessen  Schollen 
Preller  bekannt  gemacht  hat,  würde  ein  paar  brauchbare  Glossen  für 
den  Schulzweck  geliefert  haben,  wie  z.  B.  in  ß  70  das  y.*  otov^  woia 
Hr.  F.  in  der  zweiten  Ausgabe  eine  Note  beifügt,  von  jenem  Scbo- 
liasten  bei  Preller  part.  I  p.  U  nicht  übel  durch  das  einzige  Wort- 
chen iiih  ttÖBtog  glossiert  wird.  Doch  diese  ganze  Bemerkung  nur 
nebenbei ! 


J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  o.  2r  Bd.  237 

einem  nachsprechenden  Urtheile  Ober  den  Dichter,  beR(rdert  aber  kein 
Eindringen  i  n  denselben.  Aach  denkt  der  gelehrte  Hg.  bei  vereinzel- 
ten Noten  dieser  Art  onwillkürlich,  wie  schon  der  Ton  im  Schlufssatx 
beweist,  an  den  prafenden  Lehrer,  nicht  an  den  Schüler.  Was  übri- 
gens die  Sache  betrifft ,  die  Hr.  F.  nach  dem  Vorgange  von  Nitzsch 
(erkl.  Anm.  I  S.  59)  gestaltet  hat,  so  wird  Bekkers  Beistimmung  zum 
Urtheile  Aristarchs  ihre  Geltung  behalten,  wie  später  auch  Nitzsch 
Sagenpoesie  S.  167  in  der  Kürze  gezeigt  hat.  Man  kann  beifügen, 
dafs  hier  (iv&ov  nejtwfiivou  nach  epischer  Sitte  eine  unpassende 
Beziehung  gewänne,  wenn  ein  [iv^ogd^  Svdgeaai  (ukriOei  vorans- 
gienge.  Noch  anderes  behandelt  Wilberg:  lectionum  Homer,  spec.  I 
(Essen  1826)  p.  15  sqq.  Eine  ähnliche  Note ,  die  wohl  befser  in  den 
Anhang  zu  setzen  wäre,  steht  d  15,  wo  Hr.  F.  nach  dem  Vorgange 
Bothes  Vs.  17 — 19  eingeklammert  und  dazu  bemerkt  hat:  *  Diese  fünf 
Verse  haben  mehreres  auifallende,  namentlich  die  drei  letzten,  welche 
unverändert  aus  H.  a  604t — 606  herübergenommen  sind,  aber  hier  ganz 
unpassend  erscheinen.  Dagegen  können  die  zwei  ersten  als  SchluFs- 
und  Ucbergangsformel  kaum  entbehrt  werden,  besonders  weil  sonst 
ovT€  Vs.  20  keine  Beziehung  halte;  das  Mahl  ist  wohl  im  Hofe  ge- 
dacht.' Der  letzte  Gedanke,  dafs  das  Mahl  im  Hofe  zu  denken  sei, 
wird  durch  Vs.  15.  24.  37.  43  widerlegt  und  findet  aufserdem  im  Homer 
keine  Stütze,  weil  nirgends  im  Dichter  der  Hof  als  Speisclocal  er- 
wähnt ist.  Die  Beziehung  des  avxe  hat  auch  Fritzsche  zu  Arist.  Ran. 
p.  290  hervorgehoben,  indem  er  die  Angabe  des  Alhcnaeus  kurz  be- 
leuchtet. Die  ganze  Stelle  wird  behandelt  in  der  sinnreichen  Schrift 
von  Rumpf:  de  raiionoua  Menelai,  Giersen  1846,  die  Hr.  F.  nicht 
gekannt  zu  haben  scheint.  Was  er  aber  nur  allgemein  als  *  mehreres 
auGTalleude'  und  als  ^ganz  unpassend'  bezeichnet,  das  wird  ein  Schü- 
ler ohne  nähere  Andeutung  schwerlich  von  selbst  finden ,  so  dufs  auch 
aus  diesem  Grunde  alle  derartigen  Noten  vom  eigentlichen  Schulcom- 
menlar  zu  trennen  wären. 

Drittens  ist  das  Verzeichnis  *der  Abweichungen  vom  Bekker- 
schen  Texte'  nicht  vollständig.  Es  möge  für  jetzt  nur  an  eine  der 
wichtigem  Stellen,  die  nicht  angeführt  ist,  erinnert  v/erden,  an  d 
785,  wo  Hr.  F.  zu  seinem  Texte  folgende  Bemerkung  gibt:  *ix  d 
Ißav  avxol  (nach  einigen  Handschriften  mit  Fovelsen  und  Rumpf  statt 
iv  d'  Sßav  uixoC):  sie  selbst  stiegen  wieder  aus,  um  noch  am  Ufer 
die  Nachtkost  einzunehmen.  Die  wirkliche  Abfahrt  erfolgt  erst  842.' 
Die  zu  dieser  richtigen  Verbefserung  *)  beigefügte  Parenthese  bleibt 
für  Schüler  eine  öufserliche  Notiz,  wenn  nicht  die  von  Fovelsen  gut 
entwickelten  Gründe  kurz  angedeutet  werden,  namentlich  auch  die 
begründete  Bemerkung  über  den  homerischen  Gebrauch  von  ifißalvsiv. 


♦)  Dieselbe  ist  mit  Unrecht  verschmäht  in  der  neusten  Ausgabe 
der  Odyssee  von  Bäumlein,  wo  auch  mehrere  Druckfehler  des  Bek- 
kerschen  Textes  unverbefsert  geblieben  sind,  wie  a  291.  ß  232  (vgl.  e 
10).  y  173.  6  39.  x  10.  l  550. 


238  J-  V-  Fa€S^'*  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

Kommt  daflreflr«n  d»©  ?*"*®  Ptpenlheso  in  den  Anhang,  so  genOgt  eiue 
einfache  Verweisung  auf  die  Schriften  der  genannten  »wei  Mftnner. 
lieber  den  Anhang  nun,  wie  er  vorliegt,  ist  viertens  zu  bemerken, 
dafs  nicht  wenige  «Abweichungen  vom  Bckkerschen  Texte*  höohsl 
Kweifelhaft  sind ,  jedesfalls  einer  besonderen  Rechtfertigung  bedArften, 
«m  sie  als  richtig  erscheinen  zu  lafsen.  Von  einigen  Stellen  dieser 
Art  wird  vielleicht  unten  die  Rede  sein. 

Die  Hauptsache  jedoeh  bei  dieser  Ausgabe  bleibt  die  ErkÜrong, 
wie  schon  der  Titel  besagt.   Auf  die  Zweckmäfsigkeit  dieser  Erkll- 
rung  bezieht  sic^  das  allgemeine  Urtheil,  das  oben  gefällt  wurde. 
Nor  hat  sich  manches  entbehrliche  oder  trivieile  eingemischt,  waa 
entfernt  sein  sollte,  zumal  da  schon  Biumlein  in  der  Bcnrtheilung  der 
ersten  Auflage  (Ztschr.  f.  d.  AW.  1850  S.  84)  diesen  Umstand  be- 
rührt bat.   Es  würde  zweckmifsiger  sein,  wenn  dafür  den  einselneii 
Abschnitten  kurze  Inhaltsangaben  in  der  Form  von  spannenden  nnd 
anregenden  Ueberschriften  unter  dem  Texte  hinzugefügt  wiren.    Die 
Darstellung  des  Ganges  der  Handlung,  welche  der  Hg.  in  der  EinleU 
tsng  (S.  XVÜl — ^XXXII)  nach  Nitzsch^  Vorgange  gibt,  vermag  diesen 
Mangel  nicht  zu  ersetzen.    Denn  der  Schüler  kann  jene  zusammenhin- 
gende Darstellung  erst  dann  gebrauchen,  wenn  er  bereits  die  ganze 
Odyssee  gelesen  hat.    Diese  Voraussetzung  wird  um  so  nolhwendiger, 
weil  der  Hg.  zwischen  den  Unilariern  und  den  Anhingern  der  Lieder* 
theorie  auf  dem  Grunde  selbstindiger  Forschung  zu  vermitteln  avcbC, 
daher  in  der  ganzen  Einleitung  aus  diesen  Studien  nicht  weniges  vor- 
gebracht hat.   So  schön  auch  die  Einleitung  viele  Dinge,  deren  Kenntnis 
dem  Schüler  zum  Verständnis  des  Dichters  nothwendig  ist,  in  licht- 
voller Uebersicht  und  mit  der  sichern  Hand  des  geübten  Forschers 
auseinandersetzt,  so  tritt  doch  die  einmal  befolgte  Theorie  nicht  sel- 
ten bis  zu  dem  Grade  in  den  Vordergrund,  dafs  selbst  der  Ton  der 
Rede  mehr  an  den  mitforschenden  Philologen  als  an  den  Schüler  ge- 
richtet erscheint.    In  diesem  Sinne  liest  man  sogleich  auf  der  ersten 
Seite :   *  Die  verschiedenen  Biographien ,  die  wir  unter  Herodots ,  Flu- 
tarofas,  Proklos  u.  a.  Namen  von  Homer  haben,  sind  theils  hinsicht- 
lich ihres  Ursprungs  so  verdichtig,  theils  in  ihrem  Inhalte  auf  der 
einen  Seite  so  dürftig,  auf  der  andern  so  sagenhaft,  dafs  sie  —  mö- 
gen  auch  einzelne  Züge  darin  richtig  und  mehr  als  etymologische 
Spiele  sein,  wenigstens  die  Einkleidung  einer  Thatsache  enthalten  — 
sich  in  keinem  Falle  zur  Grundlage  einer  historischen  Darstellung 
eignen  und  wir  zum  voraus  darauf  verzichten ,  ein  Ganzes  daraus  her- 
zustellen.'  Dies  alles  sind  Dinge,  die  ein  Schüler  nicht  zu  beurthei- 
len  vermag,  weil  er  jene  Biographien  nicht  aus  eigner  Lectflre  kennt, 
auch  niemand  ihm  zumuthen  wird  jene  Sachen  zu  lesen.   Nicht  einmal 
die  Existenz  jener  Erzeugnisse  braucht  ein  Schüler  zu  wifsen,  weil 
sie   ebeu   zur  wirklichen  Einsicht  in  den  Dichter  nichts  beitragen. 
Aehnlich  oder  noch  übler  steht  es  mit  den  vielen  Zerstörungselemen- 
ten der  Einheit,  die  sich  überall  an  das  nothwendige  und  zweckni- 


J.  U.  Paesi:  Honen  OdjMee.  Ir  n.  3r  Bd.  2S9 

fsig«  angeschloraen  haben.   Doch  ich  habe  die  Stelloit^  der  honeri^ 
oeben  Frage  lur  Sehulpaedagogik  aohon  oben  kori  angedeatet. 

Die  *  Einleitung*  des  Hrn.^  F.  tragt  allerdings  in  dieser  Beziebang 
den  Charakter  der  Sammlung,*  ku  der  sie  gehört.  Denn  in  den  mei- 
nten Ausgaben  der  Haupt-Sauppeschen  Sammlung  haben  gerade  die 
Einleitungen,  wenn  man  auf  Anlage  und  Ton  sieht,  grörstentheils  die 
Förderung  des  gelehrten  Objeets  und  den  mitforschenden  Philolo- 
gen *)  lum  Hintergrunde,  kammern  sich  aber  zn  wenig  um  das  zu 
erziehende  Subject  des  Schalers.  Wer  Ton  den  Kriften  der  Jugend 
80  wie  von  dem  Ziele,  bis  zu  dem  man  dieselbe  dnrch  consequenie 
Energie  einer  organischen  Weiterfahrung  zu  bringen  vermag,  sich 
keine  Illusionen  bildet,  sondern  dem  Realismus  der  Erfahrung  zun 
Mafsstabe  nimmt,  der  wird  einfach  fragen:  wo  liegt  das  deutsche 
Gymnasium,  dessen  Schaler  von  solchen  Dingen  nicht  etwa  ein  Wiben 
•—  denn  das  lafst  sich  erreichen  als  werthloser  Luxus  — ,  sondern  ein 
gelbstlhätiges  Verstinduis  aus  eigenen  Können  besitzen?  Wenn  der 
erste  beste  Schulrath  in  denjenigen  Gymnasien,  welche  sich  einbilden 
solche  Sachen  in  die  Köpfe  ihrer  Zöglinge  gebracht  zu  haben ,  eine 
grandliche  Prüfung  in  dieser  Beziehung  veranstalten  wollte,  so  würde 
sicherlich  ein  glänzender  Schiffbruch  der  gelehrten  Theoretiker  zum 
Vorschein  kommen.  Diese  Bemerkung  trifft  nicht  speciell  die  ver- 
dienstliche Arbeit,  von  der  hier  gehandelt  wird,  sondern  gilt  allge- 
nein  der  geistreichen  Mafslosigkeit  unserer  Zeit,  die  sich  einbildet, 
durch  gelehrte  tief  eingehende  Einleitungen  das  Studium  der  Alten  in 
Gymnasien  heben  zu  können.    Die  Zukunft  wirds  lehren. 

Es  bleibt  abrig,  eine  Reihe  von  Stellen  zu  berahren,  in  deren 
Erklärung  vielleipht  eine  andere  Ansicht  als  die  aufgenommene  die 
richtigere  sein  möchte,  wenn  alle  Momente  erwogen  werden.  Dabei 
wird  sich  zugleich  noch  manche  allgemeinere  Bemerkung,  io  weit  sie 
die  Einrichtung  einer  Schulausgabe  des  Homer  betriflFI,  gelegentlich 
•nschliefsen  lafsen. 

Erster  Gesang. 

Vs.  10:  ilfcl  %al  fifiiv  wird  gedeutet:  ^xcrl  ^fuv,  wie  da  es  selbst 
weifst,  vgl.  II.  ß  485.'  Aber  das  dürfte  zu  intuitiv  und  im  Charakter 
des  Epos  zu  subjectiv  sein,  so  dafs,  wenn  ein  Epiker  diesen  Gedanken 
meinte,  derselbe  ausdrücklich  gesagt  sein  moste,  wie  es  in  der  Pa- 
rallelstelle geschehen  ist.  Dagegen  wird  die  objective  Sage  der  epi- 
schen Dichtung  nur  den  Gedanken:  *wie  du  es  auch  andern  erzihlst 
and  erzählt  hast'  als  natarliche  Beziehung  verlangen,  wodurch  zu- 
gleich die  Vielheit  der  alten  Lieder  vor  Homer  angedeutet  ist.  — 
Vs.  18  hat  Hr.  F.  iv&et  nnd  das  folgende  %al  futor  ohsi  tplXotöi  ^  u  n  d  im 
Kreise  der  Freunde'  als  coordiniert  getrennte  Begriffe  betrachtet,  was 
aber  wegen  der  abstractcn  Allgeroeinheit  des  ersten  (&0«)  and  der 
concreten  Bestimmtheit  des  zweiten  Begriffes  in  einer  Verbindung  mit 


♦)  Zwei  Beispiele  dieser  Art  »ind  in  der  paedagog.  Revue  1853 
Octoberheft  8.  278—284  behandelt  worden. 


242  J.  U.  FaMi:  Homers  Odyssee.  Ir  n.  3r  Bd. 

objectiv  Ton  xlatg  ab.'   Ist  seit  den  Zeiten  des  Eusthathias  die  Imf- 
kömmliche  Deutang.   Mir  will  aber  scheinen,  als  morse  nun  in  der* 
artigen  Steilen  das  subjective  Verhältnis  geltend  machen,  also  hier: 
^des  Atriden,  d.  h.  der  Atride  wird  durch  seinen  Sohn  Orestes  Ver- 
geltung üben.'   So  wird  auch  den  Todten  beim  alten  Singer  eckt  hel- 
lenisch noch  ein  Leben  beigelegt.    Aehnlich  II.  a  53,  worflber  in  die- 
sen NJahrb.  Bd.  L\V  S.  356.—  Vs.  46  liest  man  folgendes:  *  xoi i/ifss 
eigentlich  und  xwar  sehr, dann  garsehr,  freilich, allerdings. 
Es  sollte,  nach  der  Bedeutung  von  xa/,  seinem  Satze  eigentlich  naeh- 
stehen.    xiivog  yi  nettai  oki^Qrn  ioixori,  xai  (tovxo)  Utj^v,^  Das  hiflÜM 
aber  doch  die  Sprachform  des  alten  Epos  in  attische  Logik  Terwan- 
dein ,  was  die  Einsicht  des  Schalers  in  den  Dichter  nicht  fördert   Es 
genflgte  eine  einfache  Deutung  der  Partikeln,  wie  sie  Wnnder  Adverb 
in  Soph.  Phil.  p.  46  für  diese  Stelle  gibt.  —  Vs.  &1 :  *  vrfioq  itvi^ifinm^ 
auch  eine  Epanalepsis  wie  Vs.  23  Al^ümag*  u.  s.  w.    Wohl  nicht| 
weil  das  Nomen  ein  anderes  Attribut  hat,  wahrend  bei  der  *  Epana- 
lepsis '  oder  Anadiplose  entweder  das  Nomen  allein  oder  das  Nomen 
mit  demselben  Beiworte  wiederholt  wird.    Daher  ist  es  nach  epischem 
Stile  wohl  einfach  als  apposilives  Verhältnis  zu  OfupaXog  zu  fhÜMn. 
Die  Erklärung  des  letztern:  *ein  Punkt,  der  von  allen  Ufern  in  i 
mefslichem  Abstand  gedacht  wird'  ist  leicht  misverslandlich, 
nicht  der  *  Punkt'  mit  *  Insel'  (oder  nach  Döderlein  Gloss.  I,  lö3  mit 
*  Erhöhung')  und  *  von  allen  Ufern'  mit  *von  jedem  Festlande'  ver- 
tauscht wird.    Mit  solcher  Klarheit  spricht  auch  G.  Hermann  Opnse. 
VII,  249:  *mare  intclligebatur  magnum  atque  immensnm,  cuius  in  me- 
dio,  longe  ab  habitalis  oris,  insula  esset.'    Noch  befser  aber  wird 
man,  nach  dem  Vorgange  Bothes  und  Hermanns,  hinter  ^alaOOffs  ^^^ 
des  Komma  eine  stärkere  Interpunction  setzen  und  zu  vflaog  dcvdf^MWn 
ein  einfaches  iaxl  im  Gedanken  hinzunehmen.    So  wird  die  Fabel  vom 
Atlas  als  etwas  neues  echt  episch  mit  vfjaog  divöf^iCCa  eingeleitet 
und  so  die   Gleichmäfsigkeit  der  Interpunction  mit  andern  ähnlichen 
Stellen  gewahrt.    Das  olootpQiov  vom  Atlas  hat  der  Hg.  also  ansgn- 
deutet:  'eine  ungewöhnliche  Uebcrlcgenheit  der  Kraft,  besonders  der 
GeisleskraH,  erweckt  beim  gewöhnJichen  Menschen   Mistranen  nnd 
Furcht,  weil  er  sich  nicht  denken  kann,  dafs  jener  seine  VorsOgo 
nicht  zum  Nachtheil  des  schwächern  misbrauche.'   Ich  zweifle  indes, 
dafs  der  alte  Hellene  von  so  naturalistischer  Ausdeutnng,  die  uns  in 
die  Zeit  von  Köppcns  Anmerkungen  zurückversetzt,  ein  Bewustsein 
gehabt  habe.    Sodann  ist  mir  unklar,  was  derartige  Noten  znm  Schnl- 
verständnis  des  Dichters  beitragen  können.  Endlich  verstehe  ich  nieht, 
wie  überhaupt  die  allgemeine  Beziehung  auf  *  Ueberlegenheit  der  Kraft, 
brflondcrs  der  Geisteskraft'  im  b  on  ti  mm  ternoAoo^^v  liege  nnd  wer*  der 
^ehwächere'  sei,  zu  dessen  Nachtheil  'jener'  [wer?]  'seine  VorsOge' 
fsh  Alnitpfftov^  misbrauche.  Soll  über  die  Sache  etwas  bemerkt  wer- 
dfin,  ^n  schiene  es  mir  zweckmäfsiger  zu  sein,  nach  der  Darstellung  von 
f J   llPrmann  oder  von  llefTler  (NJahrb  Bd.  XXXVI  S.  II  IT.),  je  naehdem 
tifh  iir.  F.  entscheidet,  eine  kurze  nnd  bestimmte  Note  zu  geben.  — 


J.  U.  Faesi:  Honen  Odytseo.  Ir  ■.  2r  Bd.  241 

rilitea  fflr  Ai^biteg  xcl  spreche«,  wae  Th.  Bergk  in  eonmenl.  erit. 
spee.  V  (Marborg  1850)  mit  gewohotem  Scharfblick  begrandet  bat.  Ea 
iat  aus  keiner  Stelle  dieser  Ausgabe  ersichtlich,  ob  Hr.  F.  Bergks  Ab- 
handlang  gekannt  habe.  —  Zum  gleich  folgenden  Verse  heifst  es:  ^  der 
Genetiv  ist  örtlich  au  fafsen  und  bezeichnet  den  Bereich,  innerhalb 
dessen  etwas  geschieht.'  Ist  zwiefach  bedenklieh.  Am  einfachsten 
denkt  man  wohl  im  Sinne  des  alten  Sfingers  an  den  Genetiv  der  Zuge- 
körigkeit,  von  At&lfmMq  abhängig,  das  dnreh  ol  (liv  und  of  di  wieder 
aafgeiommen  wird:  ^Aethiopen  des  untergehenden  Hyperion  und  Aethio- 
pen  des  aufgehenden.'  Etwas  anderer  Natur  ist  das  ganz  vereinzelt 
flehende  ^  ovxldifytog  ^v  'Axauxov  y  251,  wo  hierher  znrückverwie- 
■an  wird.  Denn  dort  ist  die  Localitat  partitiv  bezeichnet:  Mrgend  wo 
in  Argos%  und  so  (nach  einer  guten  Bemerkung  von  Scheuerlein :  Syn> 
tax  S.  101  f.)  von  Af^ii  unterschieden.  Aehnlich  nedloto,  nur  far  den 
deutschen  Ausdruck  etwas  verschieden,  bei  Verben  der  Bewegung,  wie 
^  122,  wo  Hr.  F.  ^mdloio  zu  inkovro*  zieht,  was  für  die  gleichlau- 
tenden Stellen  H.  iff  372. 449  passl,  aber  für  v  820  unpassend  ist,  woraus 
kervorgeht,  dafs  man  an  allen  vier  Stellen  xovlovteg  TtsdloM  eng  zu 
verbinden  habe.  Dies  wird  bestätigt  durch  die  Analogie  in  11.^38. 1 147. 
C7-  %2i.  26,  i  244.  Aufserdem  hat  Hr.  F.  nedioto  dreimal  nicht  genau 
flbersetzt,  zu  H.  ß  785  (bei  der  Wiederholung  y  14.  ^  364  steht  keine 
Verweisung;  beim  ühnlichen  Od.  y  476  keine  Erklärung)  und  x  344 
*in  der  Ebene',  was  das  häufige  ivmölto  wöre;  und  zu  q  748  Mn  die 
Ebene'.  Man  bat  vielmehr  an  allen  31  Stellen,  wo  das  formelhaft  ge- 
wordene Ttiöloio  erscheint,  ^  durch  die  Ebene  hin'  zu  deuten.  Nur  ein- 
mal erscheint  die  Fraeposition  dux  dabei,  II.  l  754,  ein  neuer  Beweis 
far  das  spatere  Alter  jenes  Abschnittes.  —  Vs.  29.  Die  Note,  dafs 
*das  Beiwort  a(iv(A(ov  bei  Antilochos  allerdings  eigentlicher  an  seiner 
Stelle  sei,  als  hier  bei  Aegistlios'  ist  für  Schüler  nicht  klar  genug 
und  der  Sache  nach  nicht  ohne  Anslofs.  Entsprechender  wäre  der 
kurze  Hinweis,  dafs  das  Beiwort  nur  auf  aufserliche  Vorzüge  gehe, 
wodurch  ohne  Zweifel  Aegislhos  auch  die  Klytuemnestra  gewonnen 
habe.  Ueberhaupt  aber  dürfte  es  für  die  Einleitung  einer  Schulausgabe 
des  Homer  recht  zweckmüfsig  sein,  wenn  statt  des  Eingehens  in  kri* 
tische  Differenzen  der  Composition,  die  über  den  Gesichtskreis  des 
Schülers  hinausliegen,  lieber  ein  kurzer  insiructiver  Abschnitt  über 
den  Charakter  der  altepischen  Epitheta  beigegeben  würde.  Denn  dies 
führt  in  den  Dichter  hinein.  —  Vs.  35:  ^vvv  bezieht  sich ...  auf  das 
am  Schlufs  dieser  Rede  folgende  rcavi  aninaav^  vor  dem  es  auch 
noeh  wiederholt  wird.'  Kennt  der  Hg.  ein  zweites  Beispiel  aus  dem 
Epos,  wo  bei  erklärender  Einleitung  mit  ag  %€tl  die  unmittelbar  fol- 
gende Partikel  nach  einer  Reihe  von  Versen  noch  einmal  emphatisch 
wiederholt  wird  ?  Ich  meine ,  dafs  atg  kccI  vvv  eng  zusammengehöre, 
weder  aufs  erste  noch  aufs  letzte  Verbum  allein  sich  beziehe,  sondern 
anf  die  ganze  gleich  folgende  Erzählung,  so  dafs  der  vorhergehende 
Gemeinplatz  (Vs.  33.  34)  nun  durch  das  Ganze  als  durch  ein  Beispiel  mit 
epischer  Vollständigkeit  erläutert  werde. —  Vs.40:  ^'Ar^Mao  hängt 


242  J.  U.  FaMi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  3r  Bd. 

objectiv  TOD  xlcig  ab/  Ist  seit  den  Zeiten  des  Eusthathias  die  her* 
kömmliche  Deutong.  Mir  will  aber  scheinen,  als  mftrse  man  in  der- 
artigen Stellen  das  subjective  Verhältnis  geltend  machen,  also  hier: 
*des  Atriden,  d.  b.  der  Atride  wird  dnrch  seinen  Sohn  Orestes  Ver- 
geltung flben.'  So  wird  auch  den  Todten  beim  alten  Singer  echt  hel- 
lenisch noch  ein  Leben  beigelegt.  Aehnlich  II.  a  52,  worüber  in  die- 
sen NJahrb.  Bd.  LXV  S.  356.—  Vs.  46  liest  man  folgendes:  *  xal  l/iyv^ 
eigentlich  and  zwar  sehr,  dann  gar  sehr,  fr  ei  lieh,  allerdings. 
Es  sollte,  nach  der  Bedeutung  von  xcr/,  seinem  Satze  eigentlich  aaeh- 
stehen.  xeivog  y€  %t,ixai  oU^qg}  iimtOTL,  tucI  (xoüto)  Utiv.*  Das  hiefse 
aber  doch  die  Sprachform  des  alten  Epos  in  attische  Logik  verwiB- 
dein,  was  die  Einsicht  des  Schülers  in  den  Dichter  nicht  fördert  Es 
genügte  eine  einfache  Deutung  der  Partikeln,  wie  sie  Wunder  AdTem 
in  Soph.  Phil.  p.  46  für  diese  Stelle  gibt.  —  Vs.  51:  *  v^ag  ^evd^fftffl^ 
auch  eine  Epanalepsis  wie  Vs.  23  Ai^Umag*  u.  s.  w.  Wohl  nicht^ 
weil  das  Nomen  ein  anderes  Attribut  hat,  wihrend  bei  der  *Epuin- 
lepsis '  oder  Anadiplose  entweder  das  Nomen  allein  oder  das  Nomen 
mit  demselben  Beiworle  wiederholt  wird.  Daher  ist  es  nach  epischem 
Stile  wohl  einfach  als  appositives  Verhältnis  zu  oiupalog  su  faboB. 
Die  Erklärung  des  letzlern:  *ein  Punkt,  der  von  allen  Ufern  in  nner- 
mefslichem  Abstand  gedacht  wird'  ist  leicht  misverständlich,  wenn 
nicht  der  *  Punkt'  mit  ^  Insel'  (oder  nach  Döderlein  Gloss.  I,  153  bH 
*  Erhöhung')  und  *von  allen  Ufern'  mit  *von  jedem  Festlande'  Ter- 
tauscht  wird.  Mit  solcher  Klarheit  spricht  auch  G.  Hermann  Opise. 
VII,  249:  *mare  inlelligebatur  magnum  atque  immensem,  cuius  in  me- 
dio,  longe  ab  babitatis  oris,  insula  esset.'  Noch  befser  aber  wird 
man ,  nach  dem  Vorgange  Bothes  und  Hermanns,  hinter  OcrXirtftfi^  statt 
des  Komma  eine  stärkere  Interpunction  setzen  und  zu  vffiog  divi(f^ta0u 
ein  einfaches  iarl  im  Gedanken  hinzunehmen.  So  wird  die  Fabel  vom 
Atlas  als  etwas  neues  echt  episch  mit  v^aog  divdf^iCCa  eingeleitet 
und  so  die  Gleichmafsigkcit  der  Interpunction  mit  andern  fthnlichea 
Steilen  gewahrt.  Das  olooipQGiv  vom  Atlas  bat  der  Hg.  also  ausge- 
deutet: *eine  ungewöhnliche  Ueberlegenheit  der  Kraft,  besonders  der 
Geisteskraft,  erweckt  beim  gewöhnlichen  Uenschen  Mistrauen  und 
Furcht,  weil  er  sich  nicht  denken  kann,  dafs  jener  seine  Vorzüge 
nicht  zum  Nachtheil  des  schwachem  misbraucbe.'  Ich  zweifle  indes, 
dafs  der  alle  Hellene  von  so  naturalistischer  Ausdeutung,  die  uns  in 
die  Zeit  von  Köppens  Anmerkungen  zurückversetzt,  ein  Bewnstsein 
gehabt  habe.  Sodann  ist  mir  unklar,  was  derartige  Noten  zum  Schii* 
Verständnis  des  Dichters  beitragen  können.  Endlich  verstehe  ich  nicht, 
wie  überhaupt  die  allgemeine  Beziehung  auf  *  Ueberlegenheit  der  Kraft, 
besonders  der  Geisteskraft'  im  bestimmtem  oAoo^pmv  liege  und  wer  *der 
schwächere'  sei,  zu  dessen  Nachtheil  *  jener'  (wer?]  *  seine  Vorzüge' 
[als  oXo6fpqf»vl\  misbraucbe.  Soll  über  die  Sache  etwas  bemerkt  wer- 
den, so  schiene  es  mir  zweckmfifsiger  zu  sein,  nach  der  Darstellnng  von 
G.  Hermann  oder  von  HefTlcr  (NJahrb  Bd.  XXXVI  S.  11  ff.),  je  aaehdea 
sich  Hr.  F.  entscheidet,  eine  kurze  und  bestiBBte  Note  zu  geben.  — 


J.  U.  Faesi.  Uonert  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd.  249 

Vis.  60:  'ov  viS  T<,  hat  deon  nicht.  %i  ist  an  das  abschliefsende  vv  ihn- 
lieh  angehängt,  wie  an  die  Relativpartikel  Vs.  50.'  Wie  man  auch  aber 
die  Partikeln  urtheilen  möge,  so  viel  scheint  festzustehen,  dafs  man 
weder  den  Ausdruck  *  abschliefsendes  vv  *  noch  die  Uebersetzung  des- 
selben mit  denn  werde  billigen  dQrfen,  wenn  man  dem  Schüler  eine 
klare  Einsicht  beibringen  will.  Dazu  dürfte  ein  ^hat  nun  nicht  da 
Odysseus'  n.  s.  w.  entsprechender  sein.  Vgl.  NJahrb.  Bd.  LXY 
S.  380  f.  Sonst  ist  rühmend  hervorzuheben ,  dafs  Hr.  F.  bei  Fartikel- 
erklirnng  in  der  Regel  an  G.  Hermanns  einfache  Deutlichkeit  sich  an- 
Bchliefst,  mit  welcher  die  Schulpaedagogik  in  der  Regel  am  besten  ihr 
Ziel  erreicht,  sobald  dasselbe  auf  rasches  und  gesichertes  Yerstand- 
■is  der  Alten  gerichtet  ist.  Nur  vereinzelte  Ausnahmen,  die  Bedenken 
erregen,  kommen  bei  Hrn.  F.  zum  Vorschein,  wie  gleich  Ys.  65  ^mg 
Sv  tiuix  ^Odvaipg  iya  ^eloio  ila^o^i^v,  wo  bemerkt  wird :  *  hier  ist 
IWciTcr  etwas  abgeschwächt,  wie  unser  denn  aus  dann  in  der  ver- 
wundernden oder  unwilligen  Frage.'  Die  Etymologie  mag  richtig 
sein,  aber  der  Gebrauch  von  denn  und  dann  ist  bei  uns  so  verschie- 
den, dafs  man  nicht  ohne  wesentliche  Sinnesänderung  das  eine  für  das 
andere  setzen  kann.  Und  wie  soll  nun  der  Schüler  Frsgen  mit  ndg 
yiif  (x  337.  n  70.  t  325.  11.  a  123.  x  61.  424)  übersetzen?  Wie  soll 
er  zur  Klarheit  kommen,  wenn  auch  das  obige  vv  mit  denn  gedeutet 
wird?  Das  sind  Frsgen,  auf  die  ich  keine  Antwort  weifs.  Für  den 
Anfang  der  Note:  *  Dieser  Yers  kommt  zuerst  11.  x  243  vor,  wo  Inura 
eine  leichtere  Beziehung  auf  den  vorhergehenden  Bedingungssatz  hat' 
ist  beizufügen,  dafs  die  Fragform  neig  Sv  inetxa  schon  11.  i  437  gele- 
sen wird.  An  allen  drei  Stellen  wird  ein  einfaches  dann  (oder  in 
diesem  Falle,  was  Hr.  F.  selbst  zu  ß  273  hinzusetzt)  wohl  ausrei- 
chen. Denn  an  unserer  Stelle  ist  der  Bedingungssatz ,  der  in  den  bei- 
den andern  vorhergeht,  mit  im  nachfolgenden  Relativsatze  (ig  — 
iVtt>xc)  enthalten,  so  dafs  o^,  wie  mir  scheint,  zugleich  ein  bi  o  yB 
mit  einschliefst.  Auf  ähnliche  Weise  möchten  andere  Noten  über 
üfSSiTcr,  wie  zu  11.  i  444  ^denn,  darum';  zu  o  49  *also,  demnach'  einer 
Revision  bedürfen.  —  Ys.  71:  ^naoiv  KvKkdneaai.  Der  Dativ  nach 
einem  Superlativ  wie  sonst  der  Genetiv  =  inmitten  aller  Kyklopen, 
unter  ihnen.'  Mir  ist  nicht  recht  verständlich ,  wie  in  solchen  Steilen 
der  Superlativ  einen  Einflufs  ausüben  solle,  um  besonders  genannt  zu 
werden.  Ich  meine,  dafs  dieser  Dativ  mit  dem  häuAgen  xoiai  in  die- 
selbe Kategorie  gehöre.  —  Ys.  75 :  *  ov  n  xaraxrc/vci  hat  nur  den 
Werth  eines  Zwischensatzes:  wenn  er  ihn  gleich  nicht  tödtet;  er  thut 
wenigstens,  was  dem  schlimmsten  am  nächsten  kommt.'  Da  ist  mit 
attischem  Mafsstabe  gemessen,  nicht  nach  homerischer  Parataxe.  Nun 
aber  dürfte  durch  die  Forschungen  von  Fr.  Thiersch  und  später  von 
Ahrens  so  viel  erreicht  sein,  dafs  man  die  fp^img^Axtinr^  nicht  zur  Benr- 
theilungsnorm  homerischer  Sätze  zu  gebrauchen  habe.  Kann  man  auch 
nicht  mit  Homer  die  Elemente  des  Griechischen  beginnen,  was  Ahrens 
verlangt  (wogegen  aber  mehrere  gesprochen  haben),  so  ist  doch  aus 
dessen  gediegenen  Leistungen  leicht  zu  erkennen,  wie  man  zum  Nutzen 


244  J.  U.  Ftesi :  HomcrB  Odyssee.  Ir  a.  3r  Bd. 

des  Schülers  die  homerische  Sprochrorm  selbständig  behandeln  und 
den  Dichter  nur  aus  dem  Dichter  erklären  könne.  Dies  >vird  nun  ge- 
stört, sobald  man  die  Gedanken  des  Epikers  entweder  nach  moderner 
Sprachrorm  oder  nach  der  Satzbildung  der  Alliker  beurtheilt.  Anfser- 
dem  ist  dies  Verfahren  für  die  Praxis  der  Schule  ein  Hindernis,  wel- 
ches das  rasche  und  sichere  Fortschreiten  im  Verständnis  des  Dichten 
nnnöthig  aufhalt.  Eine  kurze,  die  Hauptfulle  der  homerischen  Parataxe 
tibersichllich  ordnende  Lehre  dürfte  in  der  Einleitung,  die  einer  Schul- 
ausgabe vorausgienge,  an  ihrem  Platze  sein.  —  Vs.  83.  Nach  Ana- 
logie mancher  andern  guten  Bemerkung  dieser  Art  hätte  mau  hier  den 
Wink  erwartet,  dafs  an  den  übrigen  Stellen,  wo  der  Vers  vocrr^cri 
^OdyCtja  Ö€ctq>QOva  ovöe  öofiovÖB  wiederkehrt  (£  424.  v  239.  329.  9 
204),  nokvg)Qovct  stehe.  —  Vs.  95:  ^  ?x£lv  rtva,  über  einen  kommen, 
einen  ankommen.'  Das  wäre  das  antecedens,  wofür  fxeaO'ai,  laßtiVj 
ikeiv  und  andere  Verba  gebräuchlich  sind ,  wie  auch  hier  von  Porson 
aus  dem  Ilarl.  kdßtjai  und  von  Alter  aus  einem  Vindob.  Sk^^iv  ange- 
merkt ist;  aber  xkiog  fii-v  eyn  lieifst  bestimmt:  der  Ruhm  halt  oder 
besitzt  ihn,  so  dafs  xXiog  (wie  beim  bekannten  xklog  ovqavov  Tmi 
oder  Kkiog  evgv  (leTigxoiiaLU.  ü  )  in  lebhafter Personiiicierung  erscheint, 
die  man  durch  die  herkömmliche  Deutung  abschwächt.  —  Vs.  1 16.  Zur 
Nachstellung  des  demonstrativen  rcSv  kann  man  besonders  das  sechs- 
undzwanzigmal  vorkommende  tjfiau  rcS,  ore  vergleichen,  zweimal 
ohne  0T£*),  so  wie  ^eacav  xatav  IL  e  332,  avÖQa  tov  Od.  x  74  (wo  man 


*)  Nemlich  Tl.  q  401  und  Od.  rj  326  ^/ictrr.  reo  avrcS,  wo  Hr.  F. 
doch  einen  Wink  hinzufngen  sollte:  ^ an  jenem  Tage  selbst,  damit  es 
der  Schuler  nicht  attisch  verstehe;  vgL  |  161;  IL  tp  5  iJiiaTi  xtp  xqo- 
TF^flo.  Uebrigens  habe  ich  bei  der  Korincl  r/unrt  T<p  ots  so  wie  in 
manchem  andern  Falle  die  Grundsätze  der  Dekkerschen  Interpunction, 
der  Hr.  F.  gefolgt  ist,  noch  nicht  entdecken  können.  Bekker  hat 
nemlich  I)  II.  |3  3öl.  f  210.  f  345.  i  2j3.  439.  <p  5.  Od.  s  309  vor  o« 
Komma  gesetzt,  dagegen  2)  in  don  andern  Stellen  von  gleicher  Be- 
schalfenheit:  II.  (3  743.  y  J«9.  «"  470.  k  766.  v  33 j.  Od.  -^  252  diues 
Komma  weggelafsen.  Ebenso  fehlt  dasselbe  3)  an  den  noch  übrigen 
Stellen,  die  allerdings  einen  Zweifel  erregen  können,  weil  unmittelbar 
vor  ^uccTi  am  Schlufse  des  vorhergehenden  Verses  interpungiert  ist: 
II.  g  250.  0  76.  <J^85.  t  60.  89.  9ö.  y  77.  %  359.  471.  rp  87.  Od.  v  19. 
Aber  rjunrt  rrp  ore  könnte  dann  wohl  nur  bedeuten:  ^als  an  jenen 
Tage",  und  das  hat  für  die  epische  Wortstellung  seine  Bedenken,  be- 
finnders  well  die  Formel  nicht  durchgängig  als  stabile  Redeweise  sich 
kundgibt.  Dindorf  hat  das  Komma  überall  getilgt,  mit  Ausnahme  von 
II.  I?  351,  wo  es  wahrscheinlich  aus  Versehen  zurückgeblieben  ist.  Aber 
doch  hat  er  in  gleichartigen  SteJIen  das  Komma  von  Bekker  beibehal- 
ten: fl.  fi  279y/urtrt  xHiLfQCoi^  orf.  o  252,  was  mit  e  210  nicht  har- 
moniert; (p  5  ^u.(VTi  TflS  Tr^oTf^o),  orf.  Aulserdem  erscheinen  nun  Yier- 
mal  (II.  f  210.  {:346.  Od.  b  309.  M>  252)  drei  Verse  hintereinander  ohne 
Interpunction,  zu  deren  ausdrucksvoller  Recitation  wenigstens  eine 
gute  Lunge  gehört ,  was  nur  noch  bei  zwei  andern ,  ebenfalls  bedenk- 
lichen Fallen  vorkommt.  Am  ronseqnentesten  verfahrt  hier  Uäumleini 
welcher  das  Komma  überall  eingesetzt  hat.  Nur  hätte  er  zugleich  an 
allen,  oben  unter  3)  erwähnten  Stellen  daa  dem  i^fiavi  vorhergehende 


J.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee,  ir  u.  2r  Bd.  245 

unhomeriseh  erklärt)  und  anderes,  wie  II.  1 631. —  Ys.  123:  ^iptX^eaiy 
mit  Passivbedeutung  wie  o  281.'  Es  sclieint  aber  der  gemathliclien 
Naivetfit  des  homerischen  Zeitalters  mehr  zu  entsprechen,  wenn  man 
den  passiven  Medialsinn  beibehalt  und  erleutert:  *  du  wirst  dirs  bei 
uns  lieb  sein  iafscu.'  Diese  Deutung  harmoniert  mit  den  Lehren  der 
Alten,  wie  des  Theodosius  in  Bckk.  An.  III,  1014,  3:  tovg  x(f6vovg 
Tfjg  fiiatig  [ätaOiaecog]  xauiiiQUSav  t^  xe  ivs^tixtxy  xal  Tra^^txy 
xtX.  —  Die  äovQoäoTiti  Vs.  128  wird  erklart:  *  wahrscheinlich  eine 
Vertiefung,  Einschnitt  in  einer  [Seule]  oder  der  hinten  gcschiorseno 
Zwischenraum  zwischen  zwei  Seulcn.'  Die  zweite  mit  oder  einge- 
führte Vorstellung ,  zu  welcher  ohne  Zweifel  Rumpf:  de  aedibus  Ilomc- 
ricis  p.  29  Veranlafsung  gegeben  hat,  möchte  drei  Dingo  gegen  sich 
haben,  erstens  das  Epitheton  iv^oov^  das  für  einen  solchen  *  Zwischen- 
raum zwischen  zwei  Seulcn'  keine  passende  Deutung  zuliefse;  zwei- 
tens die  Schönheit  der  symmetrischen  Seulenordnung ,  welche  durch 
einen  ^hinten  geschlofscuun  Zwischenraum'  verunstaltet  würde;  drit- 
tens die  Praeposilion  und  den  Singularis  7i(fog  Kiova  fiaxQi'iv,  wofür 
man  dann  Big  oder  lura^v  oder  iv  mit  dem  Plural  erwarten  sollte. 
Alles  erwogen,  wird  man  die  Vorstellung  Döderleins  Gloss.  §.  225, 
dafs  es  eine  der  rinnenähnlichen  Verliefungen  in  der  canellierten  Seule 
sei,  am  geeignetsten  finden.  Dieselbe  wird  bestätigt  durch  q  29,  wo 
Teleniach  seinen  Speer  in  der  Halle  vor  dem  iMünnersuale  an  eine  Seule 
stellt,  und  wo  der  Name  Öovqoöokjj^  als  eine  zufällige  Benennung  der 
Seulenrinnen  von  deren  huurigem  Gebrauche  zur  Spceranlehnung,  weg- 
bleiben konnte.  Und  noch  kürzer  ist  von  derselben  Sache  II.  o  126 
gesprochen,  wo  Athene  dem  Ares  diex  ngo&vQOv  nacheilen  muste.  Ein 
anderer  Grund,  warum  man  an  keinen  ^geschlofscnen  Kaum'  als  be- 
sonderes WaiTenbehällnis  zu  denken  habe,  möchte  daraus  ersichtlich 
werden,  dafs  nach  r  7.  9.  18.  20  die  Waffen  des  Odysseus,  darunter 
die  iyxea  o^vosvra  Vs.  33,  vom  Rauche  geschwärzt  sind,  und  dafs  Odys- 
seus und  Telcmach  diese  Waffen  ohne  weiteres  (t  32.  33)  ergreifen 
und  in  den  ^akafiog  tragen,  ohne  einen  besondern  Vcrschlufs  erst  öff- 
nen zu  müfseu.  —  Vs.  132.  In  dieser  neu  hinzugekommenen  Note  wird 


Komma  tilgen  sollen  (in  %  ^^70  ist  Dindorf  vorangegangen).  Denn 
dadurch  gewänne  erst  manche  jener  Stellen  die  specielle  homerische 
Färbung,  und  es  wäre  bei  ihm  mit  den  obigen  Stellen  unter  1)  und 
2^  die  vollkommene  Eintracht  hergestellt.  Ueberhaupt  verlohnte  es 
sich  der  Mühe,  die  Grundsätze  der  Interpunction  in  unserm  homeri- 
schen Texte  einmal  nach  den  einzelnen  grammatischen  Beziehnngen 
der  Gedanken  durchzugehen,  indem  man  die  Lehren  der  Alten  in  ste- 
tige Vergleichung  zieht.  Es  ist  dies  ein  Punkt,  auf  welchen  ein  ge- 
lahrter Kenner  der  alten  Grammatiker,  Prof.  Schmidt  zu  Stettin,  bo 
eben  in  Mützells  Ztschr.  1854  Juniheft  S.  472  mit  voller  Berechtigung 
hinweist.  Die  Sache  ist  selbst  für  die  Schule  nicht  gleicbgiltig.  Denn 
eine  consequente,  für  gleichartige  Stellen  exemplarische  Interpnnction 
erspart  für  die  Praxis  manche  Bemerkung.  Im  Interesse  der  Sache 
wäre  lu  wünschen ,  dafs  Hr.  Schmidt  seine  gediegenen  AufsäUe  später 
einmal  lu  einem  Ganzen  verarbeiten  möchte. 


246  J.  U.  Faesi:  Honen  Odyssee,  ir  a.  3r  Bd. 

aXlmv  iivrfixriQCiw  epexe^etiseh  oder  appositiv  gefarst.  Den  dOrlle 
indes  die  angezogene  Parallele  £  84  widerstreben,  wie  schos  Nigela- 
bach  zu  II.  ß  191  bemerkt  hat,  wozu  vgl.  NJahrb.  Bd.  LXV  S.  368.  — 
Vs.  141.  Die  Note  gegen  die  Echtheit  der  beiden  Verse  kann  kfirser 
und  bestimmter  gestaltet  werden  nach  Nitzsch  Sagenpoesie  S.  151.  -— 
Vs.  148.  Die  Bemerkung  zu  iTCsari^avzo  ^sie  fällten  bis  zum  Rande« 
Anders  nahm  es  Vergil  in  seiner  Nachahmung  —  vina  coronan^  laatol 
wenigstens  vorsichtiger  als  bei  Buttmann  und  Nitzsch,  die  geradezu 
meinen,  dafs  Vergil  *  sein  Vorbild  misverstanden  habe.'  Als  richlig 
aber  wird  wohl  die  Annahme  bleiben,  dafs  Vergil  den  homerisclieB 
Ausdruck  absichtlich  nach  römischer  Sitte  umgedeutet  habe.  DeM 
dieses  Verfahren  kann  aus  dem  Charakter  der  Aeneide  durch  mehrere 
Beispiele  begründet  werden.  —  Vs.  162:  ^^...  xvX/vdft.  Verinderlo 
Construction;  ergänze  avxi.    Sonst  sollte  es  heifsen:  ^  ...  xvfiavi  »«- 

Xludofuva.*  Wohl  slv  ikog  nvfiari, —  Vs.  163:  ^£^ yt  mit  Affeet 

steigernd:  ja  wenn,  wahrlich  wenn.'  Aber  die  Partikel  yi  gehOrt 
doch  nicht  zu  dj  sondern  hebt  nur  den  Begriff  des  KSivog  hervor 
(Klotz  zu  Devar.  11  p.  514),  und  der  AlTect  in  solcher  Verbindniif 
möchte  überhaupt  dem  modernen  Subjectivismus,  nicht  der  altepischen 
Objectivitat  eigenthümlich  sein.    Mehr  über  diese  Partikeln  so  y  255. 

—  Vs.  164:  * Hi€cq>QOT€QOi  noöag..,  i}  aq>vti6xiqot.  Jeder  dieser  Con- 
parative  wird  zuerst  auf  den  wirklichen  Standpunkt  der  Eigenschaft 
bezogen;  dann  werden  aber  auch  beide  Eigenschaften  miteinander 
verglichen,  so  dafs  vor  {  noch  ^aXlov  hineinzudenken  ist.'  Diese 
Deutung  ist  wohl  für  homerische  Einfachheit  zu  gekünstelt  and  paisle 
mehr  zum  rhetorischen  Gepräge  der  Spätem.  Hierzu  kommt,  dafs  die 
von  Matthiae  §.  456  gesammelten  Beispiele,  zu  deren  Sichtnng  Poppo  u 
Thnc.  III,  42,  3  ed.  Goth.  auffordert,  verschiedenartiger  Natur  sind. 
Dagegen  gibt  die  andere  Auffafsung:  ^  schnellfüfsiger  (um  dem  Odya* 
seus  entfliehen)  oder  reicher  (um  sich  durch  Bufsegeld  loskaufen  sa 
können,  wenn  er  sie  gefangen  nehmen  sollte)'  einen  Sinn,  wie  nan 
ihn  nur  wünschen  kann.  Dann  wird  beides  mit  dem  Zustande  vergli- 
chen, in  dem  sich  die  Freier  jetzt  beflnden.  Und  das  passt  zn  den  Ge- 
mälde ,  welches  die  Odyssee  von  ihnen  entwirft.    Davon  weiter  unten. 

—  Vs.  173.  Bei  ov  ftev  yaq  xi  et  m^ov  olofnai  iv^di'  ixia&ui  würde 
ich  zur  Note  noch  das  eben  so  naive  *alle  Strafsen  wurden  schallig/ 
wo  man  auf  dem  Meere  fährt,  und  ähnliches  zur  Vergleiohung  bin»- 
fugen ,  so  wie  zu  i^  ^QXV9  die  drei  homerischen  Parallelen  ß  254.  l 
438.  Q  69.  —  Vs.  176.  Für  sliit  mit  blofsem  Accusativ  kann  nan  bei- 
fügen X  6  anonov  aXlov  itaofiai  (wo  Ilr.  F.  nicht  schweigen  durfte) 
nach  der  zweiten  Erklärung  des  Eustathius :  iTunoQSvaofiai.  Denn  die 
andere  Erklärung  würde  wenigstens  das  Praesens  verlangen,  nieht  daa 
Futurum,  und  gäbe  anfserdem  ein  unhonerisches  Bild. —  Vs.  196: 
*  Xocimol  . . .  ixovaiv  z=  ino  2<yAc;r(i3i/  avö^äv  ixifitvog^  Nebenheslin- 
niung.'  Aber  nur  nach  dem  Mafsstabe  des  Atticismus  bcurtheilt,  wo- 
von schon  oben  die  Rede  war.  Dieselbe  Bemerkung  gilt  für  ß  903. 
313.  370.  y  232  und  für  viele  andere  Noten  in  beiden  Gedichten«  — 


J.  U.  Faesi:  Hoaert  Odjtfee.  Ir  a.  fr  Bd.  247 

V».  115 :  *T6m  di ob  Xifm\  erg.  ylyvevai  oder  h%l^  wie,  waram  könnt 
dich  die  Noth  an?'  Passt  diese  Uebersetxang  xa  der  «adero,  nicht  an- 
gefifthrlen  Stelle  II.  »85?  Dort  steht  keine  Benerknng:  nnd  doch  will 
es  scheinen,  als  wenn  dort  and  IL  l  606  der  Sinn  nur  aus  Od.  6  313 
xifne  6i  ce  ^^etca  6iv^  ijyaye  entlehnt  werden  könnte.  Denn  wenn 
DOderlein  im  Gloss.  %.  779  n.  780  die  Fornen  xf^m  und  XQiui  so  un- 
terscheidet, dar«  das  erstere  ein  alteriertes  Particip  statt  XQadv  sei 
^bedarflig  nachend',  so  ist  nir  unbekannt,  nach  welcher  Analogie 
•in  solches  Particip  auf  -et  yertheidigt  werden  könne.  —  Das  Wort 
€ia%sa  Vs.  229  aberselzt  Hr.  F.  wie  Nitzsch  etwas  lu  allgenein  mit 
*Uofhg',  wo  nit  Ph.  Mayer  (dritter  Beitrag  zur  homer.  Synonymik 
8.  13)  genauer  *  schmihliche  Handlungen ,  dedecora '  zu  sagen  wäre. 
—  Vs.  232:  ^(UlXiv  ...  ifAfieva^,  es  war  durch  den  Stand  der  Dinge 
und  den  Willen  des  Schicksals  bestimmt  zu  sein.'  Das  erstere  wird 
wegfallen  mOfsen,  da  es  sich  hier  aus  *  homerischer  Theologie'  nicht 
hegrQnden  lafst.  —  V.  234.  Zum  ixigcog  ißolwio  heifst  es  am  Schiurse : 
^  vgl.  auch  e  286  iinsßavkivaiiv  ^eol  aklfag,'  was  weniger  passt  als  IL 
o,  öl  ßovXixai  alkfi  vom  Poseidon  gesagL —  Vs.  255:  ^ii  yiif  zugleich 
wAnschend  und  einen  Vordersatz  bildend.'  Es  möchte  aber  dem  Epos 
widerstreben,  dem  ü  yiq  eine  beabsichtigte  doppelte  Function  beizu- 
legen. Man  wird  es  wohl  nur  als  wünschend  auffafsen  dürfen,  wie  in 
der  angeführten  Stelle  d  341  ff. ,  so  dafs  dann  der  Optativ  Vs.  265  die 
rein  gedachte  Vorstellung  bezeichnet  (Bänmlein  über  die  Modi  S.  254). 
Wenn  übrigens  nach  uiv^  ein  Gedankenstrich  steht,  so  sollte  derselbe 
auch  Vs.  259  nach  MiQ(A£Qlöao  gesetzt  sein,  in  der  zweiten  Parallele 
dagegen,  die  angeführt  wird,  y  218  IT.,  bildet  d  yuq  einen  einfachen 
Bedingungssatz,  wie  das  den  Nachsatz  beginnende  tu  beweist,  hat  also 
mit  der  vorliegenden  Stelle  nur  wegen  der  Parenthese  eine  Aehnlich* 
keit.  Bäumlein  in  seiner  kürzlich  erschienenen  Ausgabe  hat  am  Schlufse 
desselben  Verses  (265  und  6  345)  verschieden  interpungiert,  wohl  aus 
Versehen.  —  Vs.  264:  ^tpiXhaiu  yuQ  aivag^  und  darum  hatte  er  das 
Zatrauen ,  dafs  er  es  nicht  misbrauchen  werde.'  Das  ist  eine  Ivctg^ 
die  bereits  in  den  ambros.  Scholicn  steht,  aber  dem  alten  Sänger  ein 
reflectierendes  Bewustsein  unterlegt,  das  für  jenes  Zeitalter  fremdartig 
klingL  Wenn  dieser  Gedanke  verstanden  werden  sollte,  so  müste  er 
ausdrücklich  bezeichnet  sein.  Wie  aber  die  Worte  nach  dem  Zusam- 
menhange des  Textes  vorliegen,  scheint  man  darin  nur  die  einfache 
Hinweisung  auf  ein  noivi  t«  rav  q>ikav  (oder  in  homerischer  Sprache 
9£Uk  üütig  ikkriXoiOiv)  finden  zu  können.  —  Vs.  266:  ^  it^nffoyctp^^ 
beifsendscherzliafter  Ausdruck.'  Wohl  «beifsendbitterer',  da  keine 
Thersitesscene  vorliegt ,  sondern  alles  bitterer  Ernst  ist.  —  Bei  Oeioy 
y  yowaai  xiitat.  Vs.  267  sollte  das  antike  Bild  der  K  n  i  e  nicht  in  das 
modernisierte  MmSchofse  der  Götter'  verwandelt  sein ,  da  letzteres 
weder  zu  vvv  xa  cu  yovva^  £%avo(Atii  passt ,  noch  zur  Anheftung  von 
VotivUfeln  an  die  Knie  der  sitzenden  Götterbilder.  --  Vs.  277  wird 
nach  dem  Vorgange  von  Nitzsch  erklärt,  zunächst:  *o[  öi^  die  im  Hause 
des  Vaters.'   Das  kann  unmöglich  mit  homerischer  Einfachheit  hämo- 


248  J.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

nieren.    Denn  das  genannte  Subjecl  ist  nickt  mit  einer  Silbe  angeden- 
tet,  und  es  mQste  wenigstens  der  Vater  allein  (6  di),  aber  nicht  *die 
im  Hause  des  Vaters'  erwähnt  sein.   Sodann  widerstrebt  es  der  Sille, 
dafs  die  Ausrüstung  der  Hochzeit  (wie  man  es  versteht)  eine  Sache 
^  der  im  Hause  des  Vaters'  befindlichen  in  so  vager  Allgemeinheit  saia 
solle,  und  nicht  speciell  des  Vaters  und  der  Mutter.    Endlich  macht 
der  Ausdruck  ydfiov  xevxHv  bedenklich,  der  mit  iqxvHv  oder  iuivvvai 
oder  ixTfAciv  yiiiov  nicht  ohne  weiteres  synonym  ist,  sondern  vielmehr 
den  BegrifT  ^bauen,  zurecht  machon,  zu  Stande  bringen'  in  sich  schlierat 
Aus  diesen  Gründen  wird  man  bei  ot  Öi  nur  an  die  Freier  denkei 
können ,  die  unmittelbar  vorhergehen.    Und  dies  stimmt  zugleich  im 
Tone  mit  oi  öi  ycifiov  ansydovaiv  r  137,  und  im  Gedanken  mit  (ivifiv^ 
geg  ...  iiteiyofievoi  tov  i(ibv  ytifiov  ß  97.  t  142.  o  132.    Was  nun  die 
im  Texte  sich  anscbliersenden  Worle  xori  uQXvviovatv  hdva  anlangt, 
Fo  hat  Hr.  F.  die  Ansicht,  welche  Nilzsch  mit  den  vorsichtigen  Worten 
einleitet:  *wenn  sich  bestimmt  darlhunliefse,'  zu  folgender  Bestimmt- 
heit gestaltet:  ^sic  werden  einen  beliebigen  aber  verhaltnismifsi- 
gen  Theil  der  Brautgeschenke  (eJva),  welche  die  vielumworheoe 
Tochter  den  Kitern  eingebracht  hatte,  derselben  als  frei  willige  Ana- 
stattung  folgen  lafsen.'    Dagegen  machen  sich  sachliche  und  sprach- 
liche Bedenken  geltend:  sachlich  ii»t  das  Ganze  eine  Hypothese,  die  ia. 
keiner  Stelle  des  Homer  Begründung  findet.    Sodann  müsten  die  oben 
hervorgehobenen  Wörter  ^beliebig'  und  ^  vielumworben'  und  *  frei- 
willig' wenigstens  an  dieser  Stelle  irgendwie  angedeutet  sein,  wu 
nicht  der  Fall  ist.    Denn  ioixE  bezeichnet  das  geziemende  oder  gebüh- 
rende, nicht  das  ^beliebige.'   Auch  der  ^ verhallnisniäfsige  Theil'  hat 
in  fiaXa  nokXa  keine  Stütze.    Und  das  (plXrig  ini  rcaiöog  eTiea^ai  wQrde 
in  dem  Sinne,  dafs  die  Eltern  ^ ihrer  Tochter  die  Brautgeschenke  als 
freiwillige  Ausstattung  folgen  lafsen'  sicherlich  den  Accnsativ  ^ktpß 
Ttceiöa  verlangen.    Der  Genetiv  g>ik7]g  ini  naiöog  dagegen  kann  nur  die 
Einwirkung  andeuten,  die  vom  BegrilTe  des  bei  ini  stehenden  Nomeu 
ausgeht  oder  die  jemand  von  demselben  erfahrt,  also  ^das  Object  als 
erreichtes  oder  zu  erreichendes  Ziel  betrachtet'  nach  Krügers  (Gr. 
§.  68,  40  Anm.  3)  Ausdruck.   Wie  nun  dieser  im  Atticismus  sehr  gt~ 
wohnliche  Gebrauch  bereits  bei  Homer  mit  sinnlicher  Localitat  gefaa- 
den  wird,  wie  in  vtlaov  ini  WvQLt;g  (;'  171)  und  ähnlichen  Stellen,  so  ist 
hier  diese  Verbindung  bildlich  gesagt  und  läfst  sich  mit  H.  t/ 196  Ciyj 
^V  vfi^ioiv  *  still  für  euch'  vergleichen  oder  mit  II.  r  255  (nebst  Hm. 
F.s  Note),  also  an  unserer  Stelle:  ^  für  das  Mädchen,'  d.  i.  wegen  des 
Mädchens,  oder  ^  nach  dem  Mädchen,'  d.  i.  in  Absicht  auf  das  Madchea, 
so  dafs  auch  hier  an  die  Freier  zu  denken  ist,  d.  h.  an  die  Brautge- 
schenke, welche  einem  Freier  zur  Bewerbung  um  ein  Mädchen  folgea. 
Demnach  bedeutet  das  Ganze:  ^  sie  aber  (die  Freier)  werden  die  Hoch- 
zeit zu  Stande  bringen  und  die  Brautgeschenke  zurecht  stellen,  sehr 
viele,  wie  viele  (einem  Freier)  zur  Bewerbung  um  ein  liebes  MAdchea 
nachfolgen.'    Denn  wie  Nitzsch  unter  Beifügung  der  Belegstelleu  sagt: 
wer  am  meisten  gibt,  führt  die  Braut  heim.   Diese  Erklärung  paist  vor- 


J.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd.  249 

trefflich  znr  Parallele  ]3  196  ff.,  weil  dort  darauf  folgt:  ov  yuQ  tcqIv 
9Utv6ta9at  olofuv  vlug  *Axai<ov  {ivtictvog  a^yalitig^  in  diesem  begrfln- 
denden  Satze  also  angedeutet  liegt,  dafs  unmittelbar  vorher  von  Be- 
werbung die  Rede  sein  müfse.  Eurymachos  aber  spricht  allgemein  in 
des  dritten  Person,  weil  er  weifs,  welche  Rolle  er  als  einer  der  reich- 
sten Freier  gar  bald  (nach  o  17)  zu  spielen  gedenke,  weshalb  er  sich 
auch  Vs.  194  so  emphatisch  mit  i/coi/  . . .  avxog  im  Gegensatz  zu  den 
andern  Freiern  hervorhebt.  —  Vs.  297:  ^vrpttiag^  zerdehnt  aus  vrptiag,^ 
Das  würde  aber  voraussetzen ,  dafs  die  letzte  Form  dem  Homer  schon 
bekannt  wSre.  Da  nun  dieser  bekanntlich  vrptihi  gebraucht,  so  kann 
man  wohl  nur  von  einer  Assimilation  des  e  nach  dem  er  der  Casusen- 
dung reden.  —  Vs.  315  scheint  statt  ^i  ht  in  unserem  Texte  vielmehr 
^1^  fii  XI  vvv  naxiQVKS  nolhwendig  zu  sein,  wenn  man  die  Stelle  mit 
J  594  fi^  01^  (IS  nokvv  xqouov  iv^a^  ^qvkb  (coli.  587)  vergleicht. 
Auch  die  übrigen  Stellen  des  im^iHvov  können  znr  Bestätigung  die- 
nen. Denn  q  278  (coli.  278)  steht  (itjöe  av  dti&vvecv,  II.  £  M2  (coli. 
d40)  ov  Tt  n^aiq)r}.  x  150  (coli.  142)  ovdi  öiaxQlßeiv,  nirgends  ist 
ein  Ixi  in  den  Vers  gebracht.  —  Vs.  318:  ^  xa2  fidka  xaXov  ikdv  scherz- 
haft =  aber  nur  ein  recht  schönes!'  Möchte  moderne  Reflexion 
sein,  die  dem  alten  Sanger  fern  liegt.  Weder  das  ^aber'  noch  das 
*nur'  steht  im  Texte.  Ich  kann  im  Texte  nur  eine  einfache  Wieder- 
aufnahme von  Vs.  312  erkennen:  *  nachdem  du  sogar  das  sehr 
schöne  (für  mich)  ergriffen  hast.'  Mit  xftl  kl7}v  Vs.  46,  worauf  zu- 
rückgewiesen wird,  hat  kccI  (idka  an  ffieser  Stelle  keine  Aehnlichkeit. 
—  Vs.  320.  Statt  ^durch  die  Luke,'  was  erst  im  Verbo  liegt,  ge- 
nauer: ^zurLuke  hinauf.  Zu  den  Worten  *  oder  avoscaca'  halte 
ich  den  Schüler  in  einer  kurzen  Parenthese  an  analoge  Adverbialbil- 
dungen wie  inidi^ia  oder  vnaaniöia  erinnert,  und  zur  letzten  Paral- 
lele %  240  würde,  weil  daselbst  ein  dauernder  Zustand  geschildert  ist, 
noch  eins  der  (von  Nagelsbach  hom.  Theol.  S.  139  erwähnteil)  Bei- 
spiele vom  momentanen  auf  passende  Weise  hinzukommen.  Nebenbei 
erwähne  ich  znr  Deutung  Döderleins  (Gloss.  §.  857)  von  iv  iv  wiula^ 
dafs  erst  das  Vorhandensein  der  Fenster  im  Männersaale  aus  siche- 
rern Stellen  als  aus  ava  q&yctg  bewiesen  werden  müfse,  und  dafs  der 
von  ihm  angenommene  Sprachgebrauch  in  der  Vergleichung  noch  der 
Begründung  durch  homerische  Beispiele  bedürfe.  Und  wie  soll  man  fti- 
yaqa  a%iotvxot  verstehen?  Ist  die  Deutung  (Nast  Über  hom.  Sprache 
S.  34),  dafs  die  (liyaga  *  Schatten  und  Schulz  gegen  die  Hitze  der 
Sonnenstrahlen  geben,»  homerisch?  —  Vs.  348.  Die  Erklärung  hat 
alch  an  Nitzsch  angeschlofsen :  ^ccixloi^  sind  Schuld,  nemlich  an  dem 
Unglück ,  das  sie  etwa  besingen.'  Aber  dieser  Gedanke  klingt  zu  ge- 
sucht und  deshalb  nicht  recht  homerisch.  Ein  unbefangener  Blick  kann 
hier,  wie  mir  scheint,  nur  folgende  Annahme  billigen:  *die  Sanger 
sind  nicht  {die  Ursache,  nicht  die  Schöpfer  ihrer  aoidti  Avy^iJ,  sind 
nicht  Schuld  am  Stoff  ihrer  Gesänge.'  —  Das  avÖQeg  aktp^jaxal^  wird 
weiter  bemerkt,  bezeichnet  *  die  Menschen  im  allgemeinen  als  erwerb- 
same, strebsame,  unternehmende  (wohl  auch  begehrliche).'  Bedenken : 
ItJakrb.  f.  PkU.  u.  Paed.  Bd,  LXX.  Uft.  3.  ^^ 


250  J>  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

es  gibt  bei  Ilomcr  kein  zweites  Epitheton  von  avögegf  av^Qomoi.  oder 
ßooxol,  das  iu  so  vager  Allgemeinheit  verschwimmt;  denn  der  Cha- 
rakter des  alten  Epos  fordert  die  Bestimmtheit  der  sinnlichen  An- 
schauung. Hierzu  kommt,  dafs  ak(pdvo}  nicht  in  so  allgemeiner  Be- 
deutung gebraucht  wird,  sondern  seine  specielle  Beziehung  hat.  End- 
Hch  bleibt  bei  jener  Ansicht  die  Endung  von  a^^i/ari;^  ganz  unbeachtet. 
Alle  diese  Schwierigkeiten  schwinden  (nach  der  treiFlichen  Erklärung 
K.  Fr.  Hermanns,  welchem  Döderlein  im  Gloss.  §.  35  und  Schneidewin 
zu  Soph.  Phil.  709  beistimmen)  durch  die  Brotesser,  was  auch  far 
die  Stellen  der  Spätem  passt  und  selbst  für  die  Fische  bei  Athenaeus 
eine  sinnreiche  Beziehung  zuläfsL  —  Vs.  382:  *  o  &aQaaki(üg  ayoQiVBV^ 
indirecter  Ausruf:  was  er  so  (?)  muthvoll  gesprochen.'  Einfacher 
scheint  es,  auch  hier  Ö  =  (in  zu  fafsen. —  Ys.  390:  *xo/,  freilich, 
eigentlich:  und  dazu.'  Blöchte  moderne  Ausdeutung  sein  statt  des 
einfachen  eben  oder  gerade.  -—  Vs.  392:  ^Ueber  att/;a  xs  vgl.  xo 
H.  T  221'  wo  gelehrt  wird:  ^ alilfd  xe  scheint  unmittelbar  zusammen 
'ZU  gehören  und  eine  gewisse  (?)  Verstärkung  von  a7t/;a  zu  sein.'  Aber 
nach  welcher  Theorie  soll  sich  dieses  begründen  lafscn?  Mir  ist  es 
unverständlich.  AVer  dagegen  mit  Nügelsbach  und  AVentzel  (über  den 
Gebrauch  der  Partikel  t£  bei  Homer.  Glogau  1847)  unser  hinweisendes 
da  als  ursprüngliche  Bedeutung  der  Partikel  fafst,  der  wird  mit  Wentzel 
S.  9  die  vorliegende  Stelle  übersetzen:  Mlim  wird  da  alsbald  das  Haus 
reich  und  er  selbst  geehrter.'  —  Vs.  41-i  hätte  das  schwierige  ayyMy 
nd^oyLUi  einer  Erklärung  bedueft.  Döderlein  scheint  im  Gloss.  §.  872 
diese  Stelle  übersehen  zu  haben;  Nitzsch  übersetzt  nemlich  unrichtig: 
ich  traue.  —  Vs.  411:  ^ yv^iiBvui, ^  dafs  man  ihn  erkenne;  vgl.  138 
v/ipaa^at.'  Dies  Citat  passt  weniger  als  diejenigen  Stellen,  welche 
Nägelsbach  zu  11.  a  97  mit  der  vorliegenden  verglichen  hat.  —  Das 
gleich  folgende  scheint,  wenn  man  civatiag  dtpaq  oT^erat  und  ovJ' 
vTtifieivev  sowie  Vs.  320  den  Vergleich  beachtet,  den  Sinn  zu  ent- 
halten: ^denn  er  wur  ein  angesehener  Fremdling  von  ehrbarem  Aea- 
fsern,  kein  Bettler  oder  Vagabond,  so  dafs  man  erwarten  konnte,  er 
werde  langer  bleiben.'  —  Vs.  425:  ^ oOt  regiert  hier  einen  Genetiv; 
sonst  bei  Homer  nirgends.'  Dürfte  noch  sehr  problematisch  sein! 
Denn  11.  k  358  6&i  ot  Kaxaslaazo  yalifg  stehen  der  von  Hrn.  F.  gebil- 
ligten Erklärung  zwei  Bedenken  entgegen,  die  er  nicht  berührt  hat. 
Erstens  hat  Diomedes  den  äufsersten  Helm  des  Hi;ktor  so  getrolTen, 
dafs  die  Klinge  seines  Speeres  vom  Erze  des  Helmes  zurückgeschlagen 
wurde  (nkdyx^ij  <)'  a.-ro  xakx6(pL  xakaog  3öl).  Wo  findet  sich  in  den 
Schlachtscenen  des  Homer  eine  ähnliche  Stelle,  in  welcher  bei  solcher 
Sachlage  von  einem  Hineinfahren  des  Speeres  in  die  Erde  die  Rede 
wäre?  Zweitens  ist  Tidxeifii  in  allen  übrigen  Stellen  entweder  absolut 
gesagt  oder  mit  dem  Accusativ  verbunden  (gewöhnlich  unter  Beiffl- 
gung  der  entsprechenden  Praeposilion  oder  des  localen  Je),  nirgends 
mit  dem  Genetiv.  Diese  zwei  Gründe  füge  man  zum  Bedenken  wegen 
des  Digamma,  das  Hr.  F.  miliTti  eiöofiai  für  beseitigt  zu  halten  scheint, 
ohne  geuug  zu  erwägen ,  dafs  i  und  er  als  Finalbuchstabcn  nicht  ohne 


J.  U.  Faesi:  Uoners  Odyssee.  Ir  o.  2r  Bd.  251 

weiteres  parallelisiert  werden  könDon.  Doch  darüber  hat  K.  A.  J.  Hoff- 
mann  Quaest.  Hom.  II  p.  28  und  I  p.  83  *mit  einer  wohl  nur  in  Deutsch- 
land möglichen  Ausdauer'  (wie  G.  Curtius  Andent.  über  den  gegenw. 
Stand  der  hom.  Frage  S.  32  urthoilt)  gehandelt.  Ich  denke  daher,  dafs 
Hr.  F.  bei  nochmaliger  Prüfung  seine  Note  zu  11.  k  358  ändern  und  dies 
Beispiel  an  unserer  Stelle  hinzufügen  werde.  Auch  ß  131  aiUodt  yaitjg, 

—  Vs.  426.  In  der  Erklärung  von  mgiaxiittm  ivl  x^qw  folgt  Hr.  F. 
der  gewöhnlichen  Ansicht.  Scheint  ihm  die  von  EduardGeist  (Ztschr. 
f.  d.  AW.  1841  S.  156  f.)  gebilligte  Deutung  Döderleins ,  welche  auch 
die  neuen  Herausgeber  des  Passow  aufgenommen  haben,  keiner  Beach- 
long  werth  zu  sein?  Die  Vorstellung  wenigstens,  welche  Hr.  F.  beifügt, 
dafs  nemlich  ^der  ^dXa(Aog^  wenn  er  auch  noch  in  der  at^ovaa  war, 
doch  von  mehreren  Seiten  frei  zunächst  am  Hofe'  gestanden  habe, 

—  diese  Vorstellung  würde  ein  Grieche  schwerlich  durch  9W^  be- 
seichnet  haben,  wie  man  auch  II.  x  165  nicht  ohne  Snbjectivismus  mit 
Hrn.  F.  ^eine  kreis-  oder  ellipsenförmige  Linie  beschrieben'  sich  den- 
ken kann.  Denn  der  alte  Sanger  hat  sich  Ilios  als  umgeh  bar  ge- 
dacht, und  diese  Vorstellung  darf  man  durch  keine  vermeintliche  Exe- 
gese entfernen  wollen.  Den  ^cikafiog  v^riXog  scheint  mir  J.  H.  Vofs 
(neuer  Abdruck  der  ersten  Uebstzg.  S.  410  Anm.  56)  auf  ein  *  Schlaf- 
ximmer  mit  hoher  Decke,'  nach  Sitte  der  Orientalen,  richtig  be- 
logen zu  haben. —  Vs.  435:  ^(pdieOM^  erg.  TrjUfAaxog.*  Istder  Sub- 
jectswechsel  bei  Homer  auch  in  solcher  Verbindung  mit  xai  gebrfiuch- 
lich  ?  So  viel  ich  mich  erinnere ,  gilt  hier  dasselbe  Gesetz  wie  bei  tf 
xal  oder  ri  §a  %ul^  wo  bekanntlich  das  neue  mit  xor/  angereihte  Glied 
immer  auf  dasselbe  Subject  sich  bezieht.  An  vorliegender  Stelle  wäre 
auch  ol  und  ^  nicht  ohne  Bedenken ,  wenn  man  Hrn.  F.  beistimmte. 

Zweiter  Gesang. 
Vs.  22:  ^ix'^v^  bewarben,  lip^a^  Mann  werk'  werden  der 
Deutlichkeit  wegen  für  Schüler  die  gewöhnlichen  Ausdrücke  daueben 
fordern. —  Vs.  24:  ^xov  hängt  von  dct%(^x^^^  a^*'  ^^®  °^^^  ^  ^^^ 
and  auch  dies  ist  ein  Grund,  warum  man  dcfx^  ^io^v  getrennt  zu 
schreiben  habe.  Die  andern  Gründe  s.  in  der  paedag-  Revue  1864  Ja- 
nnarheft  S.  31.  —  Vs.  30.  Als  Parallele  zu  igxoi^ivoio  könnte  hinzu- 
kommen a  406  verglichen  mit  ß  215.  —  Vs.  41  hatte  Hr.  F.  f  Sfi  von 
Bothe  annehmen  sollen.  —  Vs.  43:  ^i^v  x  v^uv  aaq>a  etnm.  Zur  Wahl 
des  Conjunctivs  scheint  vorzüglich  das  Bedürfnis  des  Verses  bestimmt 
in  haben.'  Das  ist  ein  auffalliger  Grund,  den  doch  niemand  in  Wahr- 
beit  einem  wirklichen  Dichter  zutrauen  kann.  Das  Wesen  der  Sache 
für  unsere  Stelle  hat  schon  Dissen  (kleine  Schriften  S.  43)  berührt. 

—  Vs.  50  *  (itiziQi  (loi.  Wegen  des  doppelten  Dativs  vgl.  6  771.'  Und 
dort  findet  der  Leser  wieder  ein  blofses  Wgl.  ß  50.'  Die  wenigen  Ci- 
late  dieser  Art  sind  um  so  mehr  zu  berichtigen ,  da  Hr.  F.  gerade  in 
den  Citaten  eine  musterhafte  Sorgfalt  und  Beschränkung  aufs  nothwen- 
dige  geübt  hat. —  Vs.  58:  ^IW'  avi^Q^  erg.  iaxlv/  Vielmehr:  *fi« ,  d.  i. 
bcsar&v^  wegen  der  Anastrophe.  Eben  so  an  den  übrigen  Stellen.  — « 
Vs.  68:  *  8i^Krroff,  weil  nur  durch  Beobachtung  von  Gesetz  und  Brauch 

17* 


252  J.  t\  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

der  bürgerliche  Verein  bestehen  kann.'  Diese  Note  greift  über  die 
BegrifTswelt  des  Homer  hinaus,  wogegen  schon  Nitzschs  Bemer- 
kung über  das  ^noch  ganz  unentwickelte  Wesen  der  Themis  im 
Homer'  hätte  schützen  sollen.  Hier  ist  die  nölhige  Beschränkung  im 
folgenden  Verse  gegeben,  so  dafs  Themis  nur  auf  die  öfTentlichen  Ein- 
richtungen der  Versammlung  Bezug  hat,  noch  nicht  aufs  ganze  'Be- 
stehen des  bürgerlichen  Vereins.'  —  Vs.  74  scheint  mir  der  Gedanke 
an  ^  die  Väter'  fremdartig  zu  sein.  Befser  wird  dieser  Ausdruck  der 
Leidenschaft  wohl  allgemein  gefafst,  wie  Vs.  240. —  Vs.  86 :  ^avaTtritVj 
anheften,  anhangen,  sonst  nsgianxeiv.^  Aber  doch  erst  bei 
Spätem,  was  für  Schüler  hinzukommen  muste.  Der  Ausdruck  hat 
höhnische  Färbung:  den  Schandfleck  gleichsam  wie  ein  Syakfua  anhef- 
ten (y  274) ,  und  erinnert  somit  an  den  Ton  der  Rede  in  a  386.  — 
Vs.  89,  wo  Hr.  F.  mit  Hecht  wie  Lehrs  de  Arist.  p.  102  erklärt,  möchte 
man  nur  noch  für  iaxlv^  vom  Abschlufs  gesagt,  die  Parallele  H.  ß^9b 
verglichen  mit  134  hinzugefügt  wünschen.  —  Vs.  117  bemerkt  Hr.  F.: 
^  g>Qivag  ia&kdg  hängt  wie  Ki^decc  von  Jcoxcv  ab.'  Etwas  deutlicher 
wäre  zu  sagen,  dafs  durch  Sgya  iniOTuad'cci,  so  wie  durch  tp^ivag  ic^lag 
und  %lQÖia  das  vorhergehende  Relativum  S  epcxegetisch  oder  appositiv 
erleuturt  würde,  wahrend  die  beiden  ersten  BegriiTe  in  i}  111  das  ein- 
fuche  Object  zu  duxei;  bilden ,  daher  an  beiden  Stellen  mit  Kecht  ver- 
schiedene Interpuuction.  Aufserdem  wird  q>Qivag  ia&Xcig  an  allen  drei 
Stellen  des  Homer,  wo  es  vorkommt,  wohl  gleiche  Bedeutung  haben 
müfsen.  —  Vs.  J20  ist  ivöriq^avog  beibehalten.  Hält  Hr.  F.  Bergks 
Bemerkung  (Zlschr.  f.  d.  AW.  1851  S.  531)  über  ivnXoxafiog  für  un- 
begründet? Bothes  Einwand  wegen  einer 'pessima  tautologia  '  kann 
leicht  widerlegt  werden.  —  Vs.  122.  In  den  Worten  arocQ  (aIv  tovto 
y  ivalaifiov  ovx  ivorfiev  wird  der  Begriff  des  fiiv  (doch  das  verkarste 
firiv)  mit  ^bei  alle  dem'  und  *so  viel  ist  gewis'  zu  sehr  gepresst,  da 
das  einfache  Mn  der  That'  oder  *  wahrhaftig'  ausreicht.  Aach  ival- 
aifiov  möchte  durch  ^  verstandig'  und  *  billig'  nicht  gut  übersetzt  sein. 
Denn  da  man  von  ii;  cctay^  d.  i.  xcri  aliSav  =^  xaror  fioiQtxv  ansgehen 
mufs,  so  wird  man  befser  (mit  Döderlein  Gloss.  §.  43o)  ein  *  recht 
und  zweckmäfsig,'  opportune  gebrauchen.  Nach  dieser  Deutung  wird 
man  zugleich  in  vorliegenden  Worten  den  Gedanken  des  Nachsatzes 
zu  Vs.  115  suchen,  nicht  erst  im  f<»lgenden  Verse,  der  von  diesen 
Worten  die  Begründung  enthält.  —  Vs.  125:  *avT^,  d.  i.  ol  avrg.' 
Das  ol  liegt  im  Medium  noisixai,  —  Vs.  153:  ^  ö^vt^afAivfo  zuerst  mit 
dem  blofsen  Accusaliv,  dann  mit  aiAg>£  c.  acc.  construiert;  vgl.  11.  % 
673.'  Das  will  mir  bedenklicher  erscheinen,  als  wenn  man  beide 
Stellen  zum  ersten  der  von  Nitzsch  zu  (i  27  mit  tiefer  Einsicht  erlea- 
tertcn  Falle  rechnet.  Hrn.  F.s  Erklärung  zu  ft  27  kann  ich  nicht  bei- 
stimmen, da  die  angeführten  Stellen  anderer  Natur  sind.  Znm  Havpl- 
beweise  a  24  aber  habe  ich  oben  meine  Ansicht  angeführt.  —  Vs.  158. 
Der  Accusativ  OfArihxiiiv  bei  ixixacxo  soll  sich,  wie  auch  Nitisch  wiH, 
aus  II.  Q)  535  navxag  yoQ  in*  av^Qoinovg  inUacxo  erklären.  Warum 
gerade  aus  ial^  da  bekanntlich  auch  Iv  und  fccr«  dabeistehen?   Es 


J.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  o.  2r  Bd.  259 

scheint  doch  einfacher  so  sein,  den  Accvsativ  wie  bei  den  fibrigen 
Mediis  zu  erklären,  oder  an /id  synesi'n  so  denken:  üb  er  treffen.  Vs. 
183  bfitte  ovSite  wohl  eines  Winkes  bedurft.  —  Vs.  201:  ^Eigentlich 
erwartete  man  ^eon^imlriv ,  vom  vorigen  Verbom  öeiSifiev  abhängig.' 
Aber  dann  moste  doch  ifma^ofiB^a  wegfallen. — Vs.  204:  ^dtax^Cßm  nur 
hier  mit  doppeltem  Accusativ.'  Wird  man  wohl  am  besten  mit  Döder- 
lein  Reden  und  Aufsätze  11  S.  188  eu  erklären  haben.  ~  Vs.  211 :  *t(Sciat. 
Die  erste  Silbe  dieses  Wortes  wird  noch  etwas  öfter  bei  Homer  kurx 
■1s  lang  gebraucht.'  Ist  nicht  richtig.  Denn  toaai  hat  die  erste  Silbe 
karx  achtmal  (II.  1 151.  tf  420.  v  214.  Od.  ß  211.  d  379.  468.  v239. 
I  89),  aber  lang  z ehn mal  (II.  i  36.  ijf  312.  Od.  /3  283.  O  559.  560.  X, 
122.  124.  if;269.  271.  co  188).—  Vs.  226  folgt  Hr.  F.  der  jetzt  gewöhn- 
lichen Ansicht  vom  doppelten  Wechsel  des  Subjects  und  von  der  Be- 
ziehung des  yi^Qvxi  auf  Mentor.  Aufser  dem  zu  a  434  geäufserten 
Bedenken  erlaube  ich  mir  folgendes  zu  bemerken.  Zunächst  kann  man 
bei  9c«/  ot  lAv  iv  vrj[vc\v  inh^ercsv  olxov  nicht  von  einem  eigentlichen 
Wechsel  des  Subjectes  reden,  sondern  man  hat  vielmehr  den  Sprach- 
gebrauch geltend  zu  machen,  der  von  Homer  an  bei  allen  Autoren 
herscht,  dafs  man  nemlich  aus  der  relativen  Constraction  mit  acstheti- 
tcher  Freiheit  in  die  demonstrative  abergeht.  So  sollte  es  hier  eigent- 
lich heifsen:  * —  Mentor,  welcher  der  Gefährte  des  Odysseus  war 
nnd  welchem  er  das  Haus  anvertraute';  aber  dafür  ist  nach  höherem 
Gesetze  demonstrativ  geredet:  ^  und  er  vertraute  ihm  das  Haus  an,' 
80  dafs  vorliegende  Stelle  von  a  434  verschieden  ist.  Sodann  das  yi-' 
Qcnv  auf  Mentor  bezogen  macht  Schwierigkeiten.  Denn  erstens  ist  die 
sprachliche  Härte  bei  so  verschiedener  Beziehung  von  zwei  mit  rh  . . 
xcr/  eng  verbundenen  Satzgliedern  nicht  abzuleugnen ,  und  man  mOste 
aus  dem  epischen  Stile  ein  ähnliches  Beispiel  verlangen:  die  vergli- 
chenen sind  alle  anderer  Natur.  Wir  werden  daher  die  von  Nitzsch 
erwähnte  *  steife  Ordnung  der  Grammatik'  und  *  grammatische  Steif- 
heit' wohl  respectieren  müfscu,  wenn  uns  das  Gegentheil  unepische 
Härten  bringt.  Zweitens  kann  Mentor,  da  er  ein  irai^g  des  Odysseus 
ist  und  %  209  von  Odysseus  mit  o(irihxlri  6i  (fl  icai  angeredet  wird, 
noch  kein  yi^mv  sein.  Was  Hr.  F.  wahrscheinlich  mit  Bezug  auf  Po- 
velsens  (Emendatt.  p.  82)  richtige  Ansicht  beifügt:  ^yiQOvxi  von 
Mentor  mit  Bezug  auf  die  spätere  Zeit  [welche  spätere  Zeit?],  nicht 
den  Moment  des  imtginetv^*  das  ist  mir  unverständlich,  weil  Odysseus 
anch  nach  seiner  Rückkehr  noch  kein  wirklicher  Greis  ist,  und  nir- 
gends (anfser  nach  der  Verwandlung  durch  Athene)  mit  diesem  Namen 
benannt  wird.  Drittens  ist  olKog  nsC^nal  xivi  eine  bedenkliche  Rede- 
weise, weil  oliMq  nirgends  beim  Dichter  in  rein  persönlicher  Beziehung 
erscheint.  Endlich  wäre  es  auffallend,  wenn  der  alte  Epiker  bei  sei- 
ner stabilen  Redeweise  für  den  Gedanken ,  den  man  in  ml^ea^ai  yi- 
Qovtt  finden  will,  eine  so  gesuchte  Formel  gebraucht  nnd  nicht  etwa 
einfach  gesagt  haben  sollte:  orxot;  Krjöea^ai  xal  unqfiaxa  nivxa  tpv- 
kaööHV  (r  23).  Dies  sind  die  Gründe ,  aus  welchen  ich  die  Erklärung 
des  Eustathius  für  richtig  halte.    Mentor  soll  das  Haus  als  iidxqwtog 


2h4  J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

oder  olKOvo^iog  (nach  Scliol.  B  bei  Buttmann)  sicher  behaten,aber 
dem  Greise  untergeben  sein:  dem  Greise,  d.  i.  dem  Laertes,  wie  yiqtov 
auch  d  754  gesagt  ist.  Denn  yiqviv  ist  in  der  Odyssee  eben  so  Ehren* 
titel  für  den  Laertes ,  >vie  derselbe  nach  der  Uias  in  der  Familie  des 
Nestor  heimisch  war,  worüber  Hr.  F.  selbst  zu  U.  k  696  eine  gute  Be- 
merkung gibt.  —  Vs.  245.  An  dieser  schwierigen  Stelle  hat  sich  Hr. 
F.  im  ganzen  an  Nitzsch  angeschlofsen,  der  jedoch  über  seine  Erklirnng 
selbst  bemerkt,  dafs  sie  *nicht  ganz  befriedige^  mit  dem  Zusatz:  *doch 
möchte  keine  Erklärung  alle  Unebenheiten  ausgleichen.'  Mir  will  »chei* 
nen,  als  wenn  Leiokritos  den  Gegensatz  zwischen  nav(^ovg  and  noVüot 
(241)  in  seiner  Antwort  mit  höhnender  Klage  absichtlich  anders  wende, 
indem  er  das  noXXol  sogleich  in  ein  avö^dai  xal  TckeovBaöi  ver- 
wandle und  auf  die  Freier  beziehe,  daher  das  xor/:  ^ gegen  Blinner 
sogar  gegen  mehr,  als  deine  TtoXXol  sind.'  Diese  Beziehung  auf 
die  Freier  scheint  Vs.  251  el  icksoveaai  fiaxoLxo  nolhwendig  zu  machen. 
Weil  ferner  Leiokritos  mit  einer  Anrede  an  Menlor  beginnt,  und  weil 
nachher  nur  6ine  Person,  Odysseus,  dem  Mentor  als  Gegensatz  folgt, 
so  dürfte  zu  ccQyaXiov  im  Gedanken  ein  roi  {MimoQi)  keine  Schwie- 
rigkeit haben.  Dann  wäre  Vs.  246  eine  Umschreibung  des  Begriffes 
ivriQ  xai  fiaXlov  i!g>&i(iog  Cov  (MivxoQog).  Und  hieran  würde  das  tfv 
i*  ov  xara  (toiQav  iemeg  und  aAA'  äys,  Xaoi  xrl.  passend  sich  an- 
schliefsen.  Auf  den  Fall ,  dafs  sich  Odysseus  mit  den  Hhakern  ver- 
binde, kann  sich  der  schlechte  Freier,  der  eine  schlechte  Sache  onit 
schlechten  Gründen  vertheidigt,  nicht  einlafsen.  —  Vs.  272:  *olog 
iTUivog  irjv  reXiaai  iQyov  te  iitog  rf,  d.  i.  rotomov  elvai  olog  iiuivog 
h]v^  so  dafs  teXiaai  von  Irjv  abhängt.'  Kann  denn  u}v  einen  Infinitiv 
regieren,  ohne  dafs  es  für  i^^v  steht?  Das  zu  beweisen  möchte 
schwer  sein.  Es  müste  dann  wenigstens  noch  ein  Begriff  dabei  stellen, 
wie  II.  A340  iyyvg  iaav  ngoipvyHv.  Hier  aber  hängt  der  Infinitiv  von 
olog  ab,  wie  oben  Vs.  59  und  olog  re  x  160.  q>  1 17.  Aehnlich  noiog  xe  g>  193. 
xtjXUog  ^20.  roro^  ß  60  (mit  Hrn.  F.s  Note)  und  ähnliches. —  V8.307: 
*ISßtT05,  syncopiert  aus  i^algexog.'  Nach  welcher  Analogie  wiH  Hr. 
F.  dies  rechtfertigen?  Denn  das  beigefügte  ^zum  Theil  aus  Versbe- 
dürfnis' verlangt  ein  zweites  und  wesentliches  ^zum  Theil'.  —  Vs.  322: 
^öatra  niuovzo  nach  Vs.  300.'  Die  dort  erwähnten  Dinge  können  noch 
nicht  mit  diesem  Namen  benannt  werden.  Sodann  ist  ein  daha  nivt- 
ad^ai  überall  Sache  der  Diener.  Dahor  wird  das  a^emrai  für  diesen 
Vers  sein  Recht  behalten.  Auch  hätte  ^eia  hier  komischen  Anstrich. 
—  Vs.  327:  ^tjoye  xaC^  oder  dann  auch.'  Leicht  misverständlioh, 
da  der  Sänger  epanaleptisch  *oder  er  auch'  sagt.  —  Vs.  351:  *  Kaf&- 
(iogog^  nach  sonstiger  Analogie  für  xarafio^og,  passiv:  gegen  den 
das  Geschick  ist ,  vom  Schicksal  angefeindet.'  Aber  dann  würde  das 
Wort  aus  der  Analogie  von  a^fWQog  {avafioQog)^  övcdfifiOQog,  dvCfio- 
Qog^  an'djuo^s'*  Icofiogog^  vniQfioQog^  dxvfiOQog  geradezu  heraos- 
springen,  da  alle  diese  Compositionen  activ  zu  erklären  sind.  Ich 
denke  daher,  dafs  ein  richtigerer  Weg  ans  Ziel  führe,  den  ich  in 
Mützells  Ztschr.  (zu  Döderleins  Gloss.  §.  579)  versucht  habe.  —  Vs.  356 


J.  ü.  Faesi ;  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd.  255 

koonte  bei  ^id'Qoa  zu  rBxvx&a  (firr«)'  noch  Vs.  411  hiozngefOgt  sein. 
—  Vs.  385  hat  Hr.  F.  aye(fia^at  accentiiiert.  Aber  beim  Hinblick  auf 
Lobeck  Rhem.  p.  132  sq.  werden  viele  Bedenken  tragen ,  den  überlie- 
ferten Accent  von  ayi^c^ai  rasch  zu  ändern.  Baum  lein  hat  ihn  vor- 
sichlig  beibehalten.  —  Vs.  390  fragt  man,  warum  bei  der  Erklärung 
von  ivaa£l(ios  der  Urheber  derselben,  Grashof  (über  das  Schilf  S.  15) 
nicht  genannt  sei,  wie  es  sonst  geschieht,  zumal  da  jene  richtige  Deu- 
lang  noch  von  keinem  der  neuern  Lexikographen  erwähnt  wird.  Aufser- 
dem  bat  Hr.  F.  dem  oitXa  zu  viel  beigelegt.  Es  bedeutet  einfach  *  Ta- 
kelwerk, Takelage.'  Was  Homer  dazu  rechnet,  das  lehrt  die  SchifTs- 
werfte  der  Phaeaken  £"268,  wo  es  durch  Tt^lßiiccta  Kai  citilqa  näher 
erklärt  wird,  natürlich  nebst  dem  beiderseitigen  Zubehör.  Die  Ruder 
aber  sind  ausgeschlofsen ;  denn  diese  werden  speciell  mit  einem  neuen 
Verbnm  hinzugefügt.  Auch  der*  Mast  muste  bei  Erklärung  der  OTrila 
wegbleiben.  —  Vs.  403  lautet  die  kurze  Note:  ^eita  iTti^QiVfiot  sagt 
etwas  zu  viel,  wie  408 — 419  zeigen.'  Das  möchte  wohl  *  etwas  zu 
viel'  behauptet  sein.  Denn  wenn  Homer  beabsichtigt  hätte,  die  Athene 
in  Bfentorsgestalt  hyperbolisch  reden  zu  lafsen,  so  würde  er  nach 
sonstiger  Gewohnheit  einerseits  das  Einsteigen  der  Gefährten  aus- 
drücklich erwähnt,  andrerseits  überhaupt  deutlicher  gesprochen  haben, 
da  ihm  ein  ?lovxctl  y  in  iqn^La^  T£i^t/  fCoxiSiy(iBvoi  o^ftifv  (nach  fi 
171)  oder  ähnliches  zu  Gebote  stand.  Ich  glaube  daher,  dafs  die  Aus- 
leger und  Lexikographen  Unrecht  thun,  dem  iTC^gsTfioi  hier  eine  andere 
Beziehung  zu  geben,  als  es  an  allen  übrigen  Stellen  hat.  Es  behält 
vielmehr  auch  hier  den  Charakter  eines  epitheton  perpetuum:  ^als 
Rudergefährten'  (d.  i.  die  auf  der  Fahrt  mit  Rudern  versehen  sind), 
womit  sonst  die  RuderschifTe  gewöhnlich  verbunden  sind.  In  diesem 
Sinne  bezieht  sich  die  Steile  nur  allgemein  aufs  Erwarten,  wie  11. 1 628 
ähnlich  von  den  Danaern  gesagt  ist:  o?  nov  vvv  ^cctai  TtoriöiyiiBvoi. 
Ueberdies  vergleiche  man  wegen  der  Ruder  das  Vs.  390  über  onka 
bemerkte.  —  Vs.  409.  Bei  Uqj]  tg  und  ts^ov  fiivog  könnte  der  Schüler 
passend  an  das  Schillersche  ^safs  König  Rudolphs  heilige  Macht' 
und  ähnliches  aus  unserer  Poesie  erinnert  werden. —  Vs.  419:  ^idtfi- 
Seg^  Ruderbänke,  eigentlich  Schlüfscl,  d.  h.  schliefsende  Dinge,  weil 
sie  bei  der  ursprünglichen  Bauart  der  Schiffe  ohne  Zweifel  quer 
durch  die  Breite  des  Schiffes  giengen,  wie  auch  die  Benennungen  ^vya, 
Auga^  iranslra  andeuten.'  Diese  landläufige  Deutung  macht  mancher- 
lei Schwierigkeilen.  Erstens  wird  dabei  der  Begriff  des  *  schliefsen- 
den'  bis  zu  einem  Grade  erweitert,  dafs  er  unter  den  Händen  zer- 
fliefst.  Denn  *  ein  Querholz  zur  S  pannung'  (fvya  von  fetJywftt)  und 
ein  *Schlüfsel'  sind  offenbar  heterogene  Begriffe.  Zweitens  findet 
man  beim  Schiffsbau  nirgends  zwei  Wörter  für  dieselbe  Sache:  weder 
in  Bergbaus^  Geschichte  der  Schiffahrtskunde  des  Alterthums,  noch 
in  Böckhs  Urkunden  über  das  Seewesen,  noch  in  Rödings  allgem.  Wör- 
terbuch der  Marine  habe  ich  ein  sicheres  Beispiel  dieser  Art  aufAnden 
können.  Und  dem  plastischen  Naturdichter  sollen  wir  dies  für  die 
f;vya  und  alriiÖBg  beilegen  dürfen?    Ist  nicht  glaubhaft.    Drittens  ist 


256  3.  U.  Facsi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

bei  dieser  Deutung  in  Itt!  xAt^r^t  xa^i^ov  die  Praeposition  nicht  obno 
Bedenken:  nach  den  sonstigen  Analogien  sollte  man  wenigstens  ivl 
xXriiGi  erwarten  (wie  bekanntlich  auch  Herod.  1^2^  iv  totai  iöcMoid 
sagt).  Viertens  passt  die  Erklärung  nicht  zum  *  Anbinden  der  Ruder 
auf  die  Ruderbänke'  «^  37:  di/^Tafif  vo«  d'  £i;  navtEg  iitl  %lrilai,v  ige- 
T/Lia.  Denn  welche  homerische  Vorstellung  sollte  man  damit  verbinden 
können?  Alles  dagegen  stimmt  zusammen,  wenn  man  xlriiSeg  in  sol- 
cher Verbindung  durch  ^  Ruder  pflöcke'  übersetzt  (die  Dullen  nn- 
serer  SchifTer),  an  welchen  die  Ruder  in  ledernen  Riemen  befestigt 
oder  angebunden  wurden.  Es  ist  also  so  viel  als  das  spätere  axak" 
^6g,  scalmuSy  worüber  unter  andern  Vitruvius  X,  8  (mit  homeri- 
scher Vorstellung  übereinstimmend)  bemerkt:  eliatn  remi  circa  $cal- 
mos  strophis  reliyaii.  Nach  dieser  Uebersetzung  haben  wir  eine 
naturgemäfse  Aehnlichkcit  mit  dem  Sphlüfsel,  gewinnen  die  sinnliche 
Anschauung  der  Specialität,  wie  sie  durch  in  igexfia  i^Ofievoi  (fi  171) 
und  ähnliche  Ausdrücke  in  Homers  Geist  uud  Sitte  erforderlich  scheint, 
und  können  ohne  sprachlichen  Anstofs  erklären:  ^sie  setzten  sich  an 
den'*')  Ruderpflöcken  nieder.'  Vielleicht  hat  es  so  schon  ApoUoniiu 
verstanden  mit  seinem  rcc  ^vXa  Icp  olg  [an  welchen?]  oi  iXavvovxBg 
xaO-7;vra»,  weil  er  aliein  das  allgemeinere  ^vXa  setzt,  wahrend  die 
übrigen  Grammatiker  das  speciellere  nad'iÖQai  oder  ^vya  gebrauchen. 
Ist  übrigens  die  angeführte  Deutung  richtig  (welche  schon  Damm  un- 
ter xXelg  zu  billigen  scheint) ,  so  wird  darnach  natürlich  auch  itoXv^ 
xAiJig**)  zu  unterscheiden  sein  von  TCoXv^vyog  (viel verbunden),  W^v- 
yog  (wohlverbunden  oder  gut  gezimmert,  ^£i;  avve^evyfiivri  xal  ^pfio- 
Cfiivrj^  Schol.),  iKcrco^vyog  (hundertfach  verbunden).  Das  letztere 
nemlich  deute  ich   nach  derselben  Methode,  mit  welcher  Döderlein 


*)  Ueber  den  Unterschied  zwischen  iv  und  ini  bei  andern  Be- 
griffen —  was  aber  nach  der  Grundanschauung  mit  dem  obigen  hamo- 
niert  —  handelt  Kochly  in  der  Ztschr.  f.  d.  AW.  1841  S.  704  und  %u 
Quintus  Smyrnaeus  11,  134. 

*^)  Das  ivuXijig  dgagvicc  II.  oo  318  hat  Hr.  P.  beibehalten  und  in 
enger  Verbindung  beider  Wörter  durch  Paraphr.  svnXHaxog  ^Qfioaitivii 
zu  erklären  gewagt.  Kann  aber  Hr.  F.  eine  solche  Zusammenfuguiig 
des  Adjectivs  mit  einem  dgagvicc  aus  irgend  einem  Epiker  —  aus  Ho- 
mer ists  nicht  möglich  —  durch  Beispiele  begründen?  Ich  zweifle. 
Hätte  der  Dichter  diesen  einfachen  Gedanken  ausdrücken  wollen,  M 
würde  er  wohl  entweder  (nach  IL  t  473.  Od.  (p  236.  382.  z  IS»-  2o8- 
!275.  rl>  194)  ein  d'vQi^  7cv%iv(ii  dqaQvia^  oder,  wenn  er  Q'vgji  nicht 
wiederholen  wollte,  nach  li.  yi>  454  ein  Trvxa  arißageäg  dgagvCa  ge- 
braucht haben.  Nicht  minder  bedenklich  ist  die  andere  Weise,  dia 
Spitzner  vertheidigt,  nemlich  iviiXtiig  und  dijagvia  durch  Komma  la 
trennen  und  dann  zu  erklären :  '  ianuam  6cne  firmatatn  dgagviav  esse 
intelligitur.'  Aber  das  ist  leichter  gesagt  als  bewiesen.  Denn  nir- 
gends wird  das  nackte  dgccgvia  in  dieser  emphatischen  Bedeutung  ge- 
funden,  sondern    überall   steht   ein   entsprechendes   Ad^erbium   dabei: 


anfjier  den  schon  erwähnten  Adverbien  noch  fv  (II.  ij  339.  438.  Od.  c 
128.  ^^^42).  Alles  dagegen  vereinigt  sich  für  f/ol  dh  dl  diiilov^  iv 
ulrjiö'  dgaovia,  was  Bnthe  und  Bekker,  und  nach  dessen  Vorgang 


,     ,  ,  _  ',  un 

Dindorf  und  Bäumlein  aufgenommen  haben. 


j.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd.  257 

Gloss.  $.  768  den  ixatoyxHQog  erledigt:  die  Note  des  Hrn.  F.  zu  H.  v 
247  scheint  mir  za  fern  zu  liegen.    Vielleicht  hat  man  auf  dieselbe 
Weise  auch. den  Apollon  ixctrrjßekitrjg  und  ixaxrjßokog  als  einen  ^hnn- 
dertfach  treffenden'  zu  verstehen,  wofür  sich  mancherlei  anführen 
Ufst.    Schliefslich  hat  Hr.  F.  für  obige  Erklärung  noch  aus  Apoll.  Kh. 
8,  1664  das  von  der  Medea  gesagte  Sice  KXrjtSag  lovtstiv  hinzugefügt; 
allein  Merkel  hat  dort  mit  Recht  das  handschriftliche  6ui  xkriiöog  zu- 
rflckgeführt.    Sonst  stimmt  Apoll.  Rh.  in  dieser  Beziehung  mit  Homer 
flbereiu.  —  Was  das  Vs.  420  erklarte  fxfcevo^  ovQog  anbetrifft,  so  wie 
Vs.  434  das  otolkrjg  ivroa^s  fiea6ö(ifig  und  Vs.  425  das  ngorovotj  so  habe 
ieh  darüber  meine  Meinung  an  anderen  Orten  ausführlicher  dargelegt. 
—  Vs.  421  ist  nach  dem  Vorgange  anderer  bemerkt :  *  xslddovra  zu 
9VOVT0V.'    Das  scheint  in  Bezug  auf  die  Vorstellung  nicht  unbedenk- 
lich zu  sein:  ich  entsinne  mich  wenigstens  solches  bei  Epikern  nur 
in  Verbindungen  gelesen  zu  haben,  wie  Od.  6  510  xov^  itpoQBt  xara 
novTOv  anBlqova  xv^ialvovra.    Für  die  Ansicht  der  Schol.  E 
Q  bei  Buttmann  dagegen  spricht  aufser  II.  ijß  208  besonders  der  Vers- 
ausgang inl  otvona  novxov  mit  unmittelbar  vorhergehendem  Xivcömv 
(11.  e  771)  oder  nXl(ov  (H.  ri  88.  Od.  8  474)  oder  I86v  (II.  ^  143)  oder 
&9V  (Od.  y  286)  und  ahnliches  in  II.  a  350. 1 291.  o  27.  Od.  tt,  183  u.  s.  w. 
Das  ^oi}^  ava  vija  ^ilaivav  und  anderes,  was  vielleicht  jemand  für 
Hm.  F.  anführen  könnte,  ist  verschiedener  Natur.  —  Vs.  428  heifstes: 
^CxHf^ay  hier  und  II.  a  482  besonders  der  den  Vorderbug  bildende 
nnd  stark  aufwärts  gehende  Theil  des  Kielbalkens.'    Was  soll  nun 
a^itpl  di  bedeuten?   Pflegt  nicht  die  vom  Vorderbug  durchschnittene 
Welle  am  Hintertheile  wieder  zusammenzurauschen,  und  sollte  nicht 
der  naturtreue  Dichter  gerade  deshalb  sein  aftq>l  gesagt  haben?   Die 
Meereswoge  nemlich  umrauscht  den  Kielbalken,  wenn  das  Schiff  die 
Mündung  des  Hafens  verlafst  und  in  die  offene  See  gelangt.    Dieser 
Moment  ist  an  beiden  Stellen  mit  l&eev  xata  xvfia  bezeichnet.   Die 
Beachtung  dieses  Umstandcs  dürfte  nöthig  machen ,  dafs  in  der  Note 
so  Vs.  430  eine  Kleinigkeit  etwas  verdeutlicht  würde.   Zu  dem  Stfia- 
liavot  ö^  &Q€t  OTtXa  ^orpf  ava  vija  (liXaivav  xxl.  ist  nemlich  zunächst 
bemerkt:  *  durch  diese  Worte  wird  nicht  nur  der  424  ff.  beschriebene 
Act  wiederholt,  sondern  etwas  neues  hinzugefügt.'    Aber  an   eine 
^Wiederholung'  des  schon  ^beschriebenen  Actes'  darf  hier  nicht  ge- 
dacht werden ,  weil  die  Mastaufstellung  und  das  Aufhissen  der  Segel 
(ELäov,  noch  nicht  das  Spanneu  und  StrafTziehen  mit  nixaaaav  und 
Ttiloi)   nothwendigerweise   dem  drjaaa&ai  OTtXa   vorhergehen  mufs. 
Das  letztere,  das  Festmachen  alles  Takelwerkes  über  das  ganze  Schi  IT 
bin  {ava  vija)  erfolgt  doch  erst  dann,  wenn  das  Schiff  in  der  offenen 
See  das  volle  Fahrwafser  gewinnt.    So  hier.    Hr.  F.  fährt  fort:  «weil 
der  so  günstige  Wind  alle  weitere  Thätigkeit  der  schilfenden  über- 
flflfsig  macht,  binden  sie  Segeltaue  und  Ruder  fest  und  verrichten  mit 
Mnfse  eine  Spende.'    Hier  waren  die  Ruder  wegzulafsen,  da  diese, 
wie  schon  oben  bemerkt ,  nicht  zu  oTtXa  gehören.   Dies  erhellt  auch 
daraus,  dafs  ein  Festbinden  der  Ruder  (d.  i.  das  Befestigen  der  Ruder 


258  J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

vermittelst  ihrer  ledernen  Riemen  an  die  Raderpflöcke)  schon  Vs.  419 
xoTor  xo  aiomci^evov  mit  angedeutet  ist  (wie  (i  203 — 205  beweist)- 
Denn  wenn  die  Ruder  nicht  gleich  anfangs  beresligt  worden  wfiren,  so 
würden  sie  bei  der  ersten  Bewegung  des  Schilfes  schon  in  den  Wellen 
des  Hafens  oder  der  Bucht  zerstreut  worden  sein.  Es  sind  also  aacii 
hier  die  onka  Taue,  Segel  und  Rahen,  und  das  driaaa9ai  onla  be- 
zeichnet das  spätere,  das  Festsetzen  der  Schoten  und  Brassen,  wäh- 
rend Vs.  423  das  öitkoav  anzea&cit  aufs  frühere  geht,  aufs  blofse  Za- 
rechtmachen des  Segelwerks.  Wenn  man  dies  alles  zusammenfafst,  so 
wird  man  am  Gange  der  Erzählung,  der  früher  Nitzsch  und  Bothe 
grofsen  Anstofs  erregle,  nichts  auszusetzen  finden.  Man  darf  nicht 
vergefsen,  dafs  Homer  an  keiner  Stolle,  wo  von  Schiffahrt  die  Rede 
ist,  alles  vollständig  zu  geben  brauchte,  sondern  dafs  er  bald  diei 
bald  jenes  (wie  hier  nach  429  das  Vs.  417  angedeutete  Steuerruder) 
seinen  ursprünglichen  Hörern  als  selbstverständlich  überlafsen  konnte, 
da  die  klcinasiatischen  und  curopaeischen  Hellenen  von  Jugend  auf  in 
der  Sache  lebten ,  die  wir  Binnenbewohner  erst  aus  Büchern  und  auf 
Beobachtung  auf  kleinen  Seereisen  mühsam  erlernen  mflfsen.  Gut  aber 
wäre  es,  wenn  Hr.  F.  diesen  innern  Zusammenhang  der  Stelle  von 
Vs.  419  bis  zum  Schlufse  für  Schüler  kurz  darlegte. 
Dritter  Gesang. 
Wenn  Vs.  2  bei  ^  fcoXvxakuog  ^  reich  an  Erz  (in  Zieraten  und 
kostbarem  Schmuck)'  die  von  Nitzsch  zu  x  508  gebilligte  Ansicht  G. 
Hermanns  (Opusc.  IV  p.  268:  ^splendidum  aerea  supellectile  ornamen- 
tisque')  befolgt  werden  sollte,  ohne  den  Bemerkungen  Göttlings  (Hes. 
ThüOg.  126)  und  Dissens  (kl.  Sehr.  S.  401)  einen  Einflufs  zu  gestatten, 
so  schiene  es  zweckmafsig  zu  sein,  an  den  ^glänzenden  Schmuck' 
(erzumstrahlt)  und  an  aatSQoeig  zu  erinnern,  so  wie  an  nag  d* 
cif^cif  xakicm  kafinsj  an  kdiiTte  8h  %aAxo9,  an  ägficcta  noixlka  %€tlx^  and 
ähnliches.  Denn  von  derartigen  Stellen  mufs  wohl  der  Ausgang  fflr 
die  obige  Deutung  genommen  werden.  —  Vs.  9  hat  Hr.  F.  die  be- 
gründete Entgegnung  Grashofs  (zur  Kritik  des  homerischen  Textes, 
Düsseldorf  1852,  S.  31  Anm.  54)  vielleicht  noch  nicht  benutzen  kön- 
nen. Die  fii}QCa  und  fiiJQa  hat  er  vorsichtig  erklärt;  indes  gibt  ihn 
die  erneuerte  Behandlung  der  Streitfrage  von  G.  Hermann  zu  Aesch. 
Prom.  498  wahrscheinlich  Veranlafsung  zu  nochmaliger  Prüfung,  ob 
er  künftig  die  *  Schenkel  knocken'  beibehalten  könne.  Waren  diese 
wirklich  bei  Homer  gemeint,  so  würde  wohl  ein  deutliches  oaria  fii}- 
Qciv  irgend  einmal  in  den  Vers  gebracht  sein.  Ferner  ist  nur  beia 
Festhalten  der  Schenkel  die  Vs.  65  von  xgia  wiigrega  gegebene 
Erklärung  passend.  Widrigcsfalls  enthält  sie  einen  kleinen  Wider- 
spruch. Denn  man  kann  wohl  Knochen  und  Fleisch  entgegen- 
setzen, aber  nicht  Knochen  und  Kgia  vni(ftBQa,  Endlich  ist  die 
seit  J.  H.  Vofs  in  Umlauf  gekommene  Deutung  der  nlova  fij}Qla  noch 
von  niemand  als  homerisch  erwiesen  worden.  —  Vs.  31 :  ^^iyvQig^  jede 
gemischte  Versammlung^ ,  nicht  nur  eine  ölTentliche  und  formell  geselx- 
iiche  (ft/o^i/)  von  politischer  Bedentsamkoii'.    Also  doch  auch  das 


J.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  n.  2r  Bd.  259 

letztere?  Aber  dies  wird  durch  homerischen  Sprachgebrauch  nicht 
bestfitigt,  wie  schon  Nitzsch  und  Dödericin  Gloss.  §.  54  in  bestimm- 
terem Ausdruck  dargelegt  haben.  —  Vs.  45  hat  Hr.  F.  gegen  Bekker 
and  dessen  Nachfolger  i  &iiitg  icxLv  zurückgeführt.  Aber  der  Um- 
stand, dafs  das  blofse  ]/  und  tim  bei  Epikern  so  vorhersehend  die 
locale  Bedeutung  haben,  wird  schwerlich  gestatten,  dafs  die  drei 
Ausnahmen  mit  beigefügtem  ttc^,  die  er  zu  d  510  erwähnt,  einen  noch 
weiter  reichenden  Einflufs  üben.  Gegen  die  Richtigkeit  von  iq  ^ifitg 
bttv  und  fj  dixfi  iaxi  wird  nach  der  Erörterung  von  Lebrs  (Ztschr.  f. 
d.  AW.  1834  S.  147  und  Quaest.  ep.  p.  44)  schwerlich  ein  begründeter 
Zweifel  entstehen  können.  Wo  die  Formel  den  Charakter  des  Neben- 
satzes verläfst  und  einen  Hauptsatz  bildet,  da  mufs  natürlich  an  die 
Stelle  der  Partikel  der  PronominalbegrifT  treten ,  wie  Od.  £  59.  (o  255. 
286  und  noch  deutlicher  r  43,  welche  Stellen  Nagelsbach  zu  II.  ß  73 
(mit  Beistimmung  von  Nilzsch  zu  X  451)  für  die  Deutung  auch  des  er- 
steren  Falles  —  ich  glaube  mit  Unrecht  —  als  mafsgebend  betrachtet. 
Denn  dafs  der  Ausdruck  auch  wechselt,  zeigen  Steilen  wie  H.  X  779 
a  XB  ^ttvoig  ^i(iig  iaziv.  —  Vs.  48.  Der  vielciticrte  Ausspruch  nav- 
ng  Si  &eav  xaxiova  av^qomoi  hätte  wohl  eine  kurze  Note  verdient, 
snmal  da  die  Ausleger  und  Lexikographen  (auch  Siebeiis  Disputat. 
quinque  p.  55),  %axiov6i,  durch  ^bedürfen'  übersetzend,  den  Gedanken 
mit  Unrecht  vertieft  haben.  Es  heifst,  was  %axiHv  und  xuxIIelv  über- 
all bedeutet,  *  verlangen  oder  begehren  der  Gölter'  und  bezieht  sich 
auf  das  Verlangen ,  gleichsam  den  Durst  nach  Götterverehrung,  wie 
sie  durch  das  hellenische  AUerthum  durchgeht  und  an  unserer  Stelle  im 
zweimaligen  evyBC^ai  vorliegt.  Dies  ist  in  Wahrheil  der  pius  sensus^ 
von  welchem  Siebeiis  redet.  In  solchem  Sinne  ist  vorliegende  Stelle 
mit  Recht  benutzt  von  Tholuck:  das  Ileidenthum  nach  der  heiligen 
Schrift  (Berlin  1853)  S.  9.  —  Vs.  62:  ^STtsixa  hat  etwa  die  Kraft  wie 
sonst  iv&a^  da.'  Schwerlich,  weil  iv&a  und  iiteixa  nicht  selten  bei 
Homer  vereinigt  sind.  liier  scheint  ^itsixa  vielmehr  mit  Bezug  auf  Vs. 
43  evxeo  vvv  gesetzt  zu  sein.  —  Vs.  72:  *«Tt  naxa  TCQtj^iv ^  erg. 
nXsks,'  Doch  wohl  mit  Hinzufügung  des  vyqa  nlXev^a.  Aber  dann 
müste,  wie  ich  meine,  nach  Ttgtj^cv  Fragezeichen  oder  wenigstens 
Komma  stehen.  Wenn  aber  mit  Bekker  jede  Interpunction  unterlafsen 
wird,  so  scheint  es  dem  naiven  Tone  der  Erzählung  mehr  zu  entspre- 
chen, das  gleich  folgende  aXaXtjcd'S  auch  zu  aaxa  TCQfj^LV  zu  ziehen, 
so  dafs  es  nach  Analogie  von  TcXoc^sa^aL  naxa  XriCda  (Vs.  106)  gesagt 
sei.  Freilich  ist  es  ein  Wagnis,  über  die  Grundsätze  der  Interpunc- 
tion, die  Bekker  im  Homer  befolgt,  ein  Urtheil  zu  fallen,  da  man 
darüber  bei  aller  sorgsamen  Verglcichung  nicht  zur  vollkommenen 
Klarheit  kommt,  und  der  grofse  Philologe  sich  nicht  erbitten  läfst, 
zum  Nutzen  für  uns  Schulleute  einige  Bogen  herauszugeben.  —  Vs. 
91  beifst  ^^A^<ptx(flxri  die  Repraesentantin  des  Meeres  als  Weltelemen- 
tes', was  ein  verfehlter  Ausdruck  ist,  der  über  den  Homer  hinaus- 
greift und  die  hesiodeische  Ansicht  unterschiebt.  Es  wird  daher 
blofs  (mit  Nitzsch  zn  e  422)  die  Repraesentantin  des  tobenden  Meeres 


260  J.  U.  Facsi:  Homers  Odysöoe.  Ir  u.  2r  Bd. 

hervorzuheben  sein,  was  auch  mit  Nägclsbach  hom.  Theol.  S.  79  sich 
vereinigen  läfsl.  —  Vs.  J09.  Bei  IWa  jiiv  .  .  .  iv^a  8i  .  .  ,  iv^a  di 
.  .  .  ^vd-a  di  schiene  mir  nöthig  zu  sein,  dem  Schuler  einen  kurzen 
Wink  darüber  zu  geben,  dafs,  wenn  die  Griechen  auch  dasselbe 
Wort  wiederholen ,  sie  das  erstemal  fiiv^  sodann  jedesmal  öi  hinzu- 
setzen, weil  sie  bekanntlich  die  Nebenbestimmungen  jenes  BegrifTci 
distinguieren.  Es  ist  dies  ein  Fall ,  den  die  Schüler  in  den  griechi- 
schen Excrcitien  beim  Partikelgebrauch  von  fiiv  und  öi  nicht  selten 
verfehlen.  Das  mögen  auch  die  praktischen  Engländer  aus  der  Erfah- 
rung ihrer  Jugend  wifsen,  weil  Elmsley  zu  den  Tragikern  gerade  anf 
diesen  Fall  mehrmals  zurückkommt.  —  Vs.  112:  *ijdf  fiaxv^ijff,  nem- 
lieh  ne(fl  akkau*  Leicht  misvcrstundlich,  weshalb  deutlicher  zu  sa- 
gen wäre,  dafs  das  nigi  zu  beiden  Begriffen  gehöre,  zn  ra^vg  und 
zu  fiaxt]Tiig, —  Vs.  115:  ^Tcevrcesrsg  xal  i^aBxeg,  fünf,  ja  sechs  Jahre; 
wie  im  Lat.  terque  guaterque,*  Aber  im  Texte  sieht  nevraez ig  yi 
xorl  i^aereg^  so  dafs  im  Geiste  der  Griechen  der  Accent  tiu(  nevraeiBg 
fallt,  mithin  Tial  nicht  so  stark  betont  werden  darf.  Das  Lateinische 
passte  formell  nur  zu  Stellen,  wie  ß  374  eine  ist.  Richtig  sagt  Nitzsch: 
^wenn  du  auch  fünf  Jahr  und  darüber  hier  bliebest  und  immer  frag- 
test.' Gerade  so  a  ^ä^  ^elvov  ye  Tial'^lQov  {takog,  wo  im  foigendeo 
ßlri  ö^  0  ys  g)iQxSQog  riev  der  Aufschlufs  für  die  Hervorhebung  dea 
^Hvog  deutlich  gegeben  ist.  Aehnlich  in  allen  Stellen,  wo  diese  Ver- 
bindung wiederkehrt.  —  Vs.  118:  ^c[}iq>iinovz€g^  adverbial:  eifrig, 
geschäftig.'  Eine  solche  Erklärung  will  mir  nirgends  recht  homerisch 
erscheinen.  Das  einfache  ^wir  bereiteten  ihnen  Uebel  sie  umge- 
bend (umdrängend)  oder  um  sie  beschäftigt'  dürfte  vorzu- 
ziehen sein.  Ebenso  II.  ß  525.  e  667.  r  392,  an  welchen  Stellen  Hr.  F. 
schweigt.  Nur  zu  II.  i}  316  tov  Si^ov  afirpl  ^'  itcov^  xal  fiiv  diixivav 
ajtavra  liest  man:  *  aiiq)l  -^  snov  wie  sonst  das  Participium,  vgL  zu 
Od.  y  118=IL  f  667.'  Dafs  aber  dies  sein  Bedenken  habe,  zeigt  die 
gleichlautende  Stelle,  zu  der  wieder  nichts  bemerkt  ist.  Od.  ^  61 
Tovg  diQOv  i^ipL  -&'  &rov,  tetvxovto  xe  6alx  iQoxeivTJv^  weil  es  bei 
der  Annahme  jener  Erklärung  wenigstens  xexvxovxo  öi  heifsen  mQste, 
wenn  nicht  nach  der  Stelle  der  llias  ymC  ins  zweite  Hemislichion 
gebracht  wäre.  Ich  meine  daher,  dafs  man  nicht  nöthig  habe,  die 
Jugend,  der  man  ein  Verständnis  des  homerischen  Epos  beibringen 
will,  durch  derartige  Noten  in  der  Unmittelbarkeit  der  sprachlichen 
Auffafsung  zu  stören.  —  Vs.  120.  Zu  fvO'  ov  xig  ist  beigeschrieben  : 
*vgl.  J2Ü.  141  iv&*  ?/TOi.  Eine  sehr  zwanglose  Verbindung.'  Aber 
das  ist  doch  überall  Charakter  der  epischen  Verbindung,  da  das  ge- 
zwungene nicht  ins  Epos  gehört.  Hr.  F.  hat  sich  ohne  Zweifel  im 
Ausdruck  vergriffen ,  indem  er  mit  praktischer  Praecision  ausdrücken 
wollte,  was  Nitzsch  zu  Vs.  103  S.  153  also  bemerkt:  *iv9a  steht  hier 
ohne  Copula  und  gibt  di;n  ersten  unabhängigen  Satz'  u.  s.  w.  Uebri- 
gens  ündel  sich  ev&^  ov  xig  ebenso  l  146.  U.  O  253.  t/;  632.  Und  wie 
oft  steht  frO'  t/rot  und  IV&cc  ohne  weitere  Copula  zu  Anfang  des 
Satzes,  so  dafs  ich  fast  fürchte,  die  Note  des  Hrn.  F.  nicht  riehlig 


J.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  n.  2r  Bd.  261 

verstanden  zn  haben. —  Vs.  123:  *  alßag  (i*  l^«,  nicht  sowohl  wegen 
der  auffallenden  Aehnlichkeit  (vgl.  d,  142.  149),  als  in  Betrachtung 
des  Gedankens ,  dafs  Telemach  der  Sohn  des  trefFlichen  Freundes  sei.' 
Das  will  mir  für  den  Charakter  der  homerischen  Naivetät  zu  gesucht, 
sa  reflexiv  vorkommen.  Sodann  scheint  es  bedenklich,  beide  Stel- 
len, die  unsrige  und  die  citierte,  dem  Sinne  nach  voneinander  za 
trennen.  Hätte  der  Dichter  dies  beabsichtigt  und  die  erwähnte  ^  Be< 
trachtung  des  Gedankens'  hervorheben  wollen,  so  würde  er  wobt 
nicht  die  stabile  Formel  cißccg  i^'  axet  mit  dem  folgenden  eiüoQOODvxa 
gebraucht  haben,  sondern  mit  oqfialvoma  oder  xi^rpta  di  fiegfitigl^wv 
oder  eine  ähnliche  Formel ,  die  den  Gedanken  mit  epischer  Deutlich- 
keit  ausdrückte.  Aber  gerade  die  stabile  Formel  mit  Bicogoonvra  so 
wie  die  gleich  folgende  Begründung  mit  yciQ  scheint  deutlich  anzu- 
deuten, dafs  man  an  beiden  Stellen  dieselbe  Beziehung,  die  naive  Be- 
zeichnung der  Aehnlichkeit  festhalten  müfse.  Anch  im  folgenden  ioi- 
noteg  und  iotxora^  wo  Ur.  F.  (mit  Nitzsch)  die  übertragene  Bedeutung 
gibt,  scheint  mir  blofs  der  Begriff  einer  Aehnlichkeit  vorzuliegen,  so 
dafs  die  Worte  ov8i  xe  g>altig  avöqa  vBcixeQOv  toSe  ioin&ca  (iv- 
^jCaaO'ai  nicht  sowohl  den  schon  etwas  entfernter  liegenden  Sinn 
enthalten:  *wer  als  jung  schon  so  angemefsen  oder  so  verständig 
spricht,  mufs  wohl  einen  ausgezeichneten  Vater  haben',  sondern  viel- 
mehr die  näher  gelegene  Einfachheit  bieten :  *  man  sollte  nicht  mei- 
nen, dafs  schon  ein  jüngerer  Mann  seinem  Vater  so  ähnliches  rede, 
d.  i.  dafs  diese  Aehnlichkeit  mit  dem  Vater  schon  im  jungen  Manne  so 
scharf  ausgeprägt  sei.'  Nur  dieser  Gedanke  ergibt  sich,  wie  mir 
scheint,  auf  natürliche  Weise  aus  den  Worten  des  Henelaos  6  204: 
xoaa  sliceg  otf'  Sv  nsnwfiivog  avrjQ  iinoi  xai  Qi^su^  xal  og  nqoyt- 
vicxBQog  Bit),  Dazu  II.  i  57.  58  und  ähnliche  Stellen.  —  Vs.  129. 
Die  praktische  Kürze  zu  yivoixo  ^  dies  war  ihre  dauernde  Absicht'  ist 
nur  wegen  des  Wörtchens  *  dauernd'  leicht  misverständlich,  weil  eine 
Betonung  desselben  auch  für  yivrjToci  passte,  wie  bekanntlich  auch 
Vofs  Randglossen  S.  30  nach  einer  Wiener  Handschrift  mit  Unrecht 
lesen  wollte.  Duher  wäre  wohl  die  Note  noch  bestimmter  gestaltet 
mit  einem:  *  dies  war  ihr  beabsichtigter  Gedanke.'  —  Vs.  131  ist  Hr. 
F.  in  der  zweiten  Ausgabe  stillschweigend  dem  trelTlichen  Nitzsch 
gefolgt,  indem  er  den  Vers  (was  auch  Bothe  und  Baumlein,  aber  mit 
Anführung  ihrer  Anctorität  gethan  haben)  als  unecht  einklammert, 
weil  *  durch  ^eog  d'  ixiöacaev  ^Axatovg  als  [durch]  die  letzten  Worte 
des  Vordersatzes  schon  dem  Nachsatze  xai  xoxs  dti — ^A^eloig  vorge- 
griffen und  überhaupt  das  xeödaai  'A(^ilovg  [vielmehr  Axctuyvg]  zu 
früh  erwähnt'  sein  würde.  Mir  scheint  indes  gerade  dies  Vorgreifen 
ganz  im  Charakter  von  Nestors  Reden  zu  liegen.  Im  Munde  eines 
Aehilleus,  Agamemnon,  Aias,  Diomedes  und  ähnlicher  würde  es  auf- 
feilen ,  aber  Nestor  (man  betrachte  nur  sorgsam  II.  of  260  ff.  /?  337  ff. 
17  133  ff.  X  671  ff.  -^  630  ff.)  Nestor  pflegt  den  Gegenstand,  von  wel- 
chem er  sprechen  will,  gleich  wie  ein  Thema  an  die  Spitze  zu  stel- 
len, sodann  in  der  Regel  zurückzugreifen  und  die  Thatsache  in  ihrer 


262  J-  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

Entwicklung  vom  Anfang  an  mit  epischer  Fülle  darzulegen.  So  aach 
au  unserer  Stelle.  Was  Terner  die  ^  zu  frühe  Erwähnung  des  %edaaM 
^Axtxiovg^  betrifft,  so  scheint  mir  Nitzsch  den  Gedanken  zu  sehr  anf 
die  Spitze  einer  anstöfsigen  Form  erst  gestellt  zu  haben,  indem  er 
bemerkt:  ^als  über  nach  Trojas  Zerstörung  wir  abfuhren  und  ein  Gott 
der  Achaeer  zerstreute,  da  erregten  Zeus  und  Athene  Hader,  der  die 
Achaeer  zerstreute  und  ihnen  Unglück  drohte.'  Denn  erstens  sind 
*Zeus  und  Athene'  beim  Dichter  nicht  in  so  unmittelbarer  Verbindang 
nebeneinander  gestellt,  und  zweitens  ist  das  nochmalige  *  zerstreute' 
uur  in  einer  zurückgreifenden  detaillierten  Erzählung  des  ganzen  Her- 
gangs enthalten,  nicht  in  einer  auffälligen  Wiederholung  derselben 
Sprachform.  Der  Sache  nach  kann  eine  Abfahrt  und  ein  Zerstreut- 
werden  der  Achaeer  vorausgehen,  und  doch  das  Ende  eine  glttcklicbe 
Rückkehr  sein;  der  Dichter  aber  will  gerade  hervorheben:  ^als  wir 
nach  Trojas  Zerstörung  abgefahren  w  aren  und  eine  Gottheit  die  Achaeer 
zerstreut  hatte,  da  nun  bereitete  Zeus  eiue  schreckliche  Kttck- 
kehr'.  Dies  ist  gleichsam  das  Thema  für  die  folgende  Detaillieruog. 
(Von  einer  Seite  kann  man  auch  IL  ^^  316  das  xXtjQovg  nakkop  ver- 
gleichen, wozu  Nägelsbach  und  diese  NJahrb.  Bd.  LIX  S.  276.)  Das 
XvyQOv  ist  hier  besonders  betont,  weshalb  der  BegrilT  desselben  zu 
wiederholten  Malen  wieder  aufgenommen  w  ird,  Vs.  152  mit  Zeig  t/^TV£ 
nt^fioc  %axoLO,  Vs.  1(30  mit  Ztvg  d*  oii  tko  fitldevo  vocvov^  Vs.  166  mit 
%axa  ittjdeto  öaifi(av.  Uebrigens  scheinen  mir  ^eog  (Vs.  131)  und 
öalfKov  mit  Bezug  auf  Athene  gesagt  zu  sein,  so  dafs  diese  auch 
hierdurch  mit  Zeus  in  geregelte  Wechselwirkung  tritt.  Erwägt  man 
dies  alles,  so  steht  zu  befürchten,  dafs  man  hier  mit  dem  *  Obelos 
neben  dem  Asteriskos'  zu  rasch  gegen  alte  Ueberlieferung  auftritt. — 
Vs.  146.  Nach  sonstiger  Gewohnheit  wäre  II.  v  466  hinzuzufügen.  — 
Vs.  149  liest  man:  ^avoQOvaav^  sie  brachen  auf,  stürmten  fort.'  FOr 
diesen  hier  nicht  passenden  Begriff  sind  andere  Verba  gebräucbüch, 
avoQOvaat  dagegen  ist  bXofs  avaazijvat  ra;|^ca)g,  ^aufspringen',  noeh 
nicht  *  fortstürmen'. —  Vs.  170  sagt  Hr.  F.:  ^ naiTtakoeig ^  durch 
Reduplication  von  jraAi^,  TraUco,  torquere ^  crispare^  daher  ioriuosuMj 
reich  an  Windungen,  gezackt,  klippenreich:  von  Bergen  und  felsigen 
Inseln.''  Diese  G.  Hermannsche  Erklärung,  die  der  feinfühlende  Lu- 
cas: de  voce  Homerica  Ttoktmainulog  aliisque  cognatis  vocabniia 
(Uonnae  1841)  am  besten  entwickelt,  bietet  mehrfache  Schwierigkei- 
ten. Erstens  geht  sie  von  einer  Bedeutung  des  Ttdkkaiv  aus,  die  nicht 
naehweisbar  ist :  die  erwähnte  BegrifTssphaere  gehört  eher  zu  ikiaauv 
und  eki^f  wie  Aeschylos  z.  B.  vom  Zickzack  des  Blitzes  ekixa  atiffO'^ 
Tcijg  sagt.  Zweitens  beeinträchtigt  die  Erklärung  die  sinnliche  An- 
schauung und  das  homerische  Leben,  indem  sie  in  starren  Zustand  ver- 
wandelt was  im  Dichter  (bei  richtiger  Deutung)  überall  als  sinnlich 
selbstthutige  Bewegung  erscheint:  kurz  die  ganze  Erklärung  würde 
(die  Möglichkeit  der  genannten  Bedeutung  von  nakknu  einmal  an- 
genommen, nicht  zugegeben)  erst  durch  eine  zu  verstandesmifsige 
Operation  gewonnen.    Drittens  ist  die  Deutung  *  gezackt'  oder  *klip- 


J.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  a.  Sr  Bd.  263 

penreioh^  für  axonii^^  odog  und  ava^nog  unpassend.  Was  ist  nun  zu 
Ihnn?  Mir  will  alles  auf  einfache  und  natürliche  Weise  also  snsam- 
menstimmen.  Das  TraUctv  heifst  *  schwingen'  (ov  <p£kov  vlov  nriJie 
%e(fiiv  oder  nXriQovq  iv  xwiy,  was  theils  einen  Hauptnamen  des  Hel- 
mes, nrjXfi^^  bildet,  theils  in  ex  d'  l'do^s  Kkijifog  l\.  i/ 182  sein  Cor- 
relat  hat),  ^sich  schwingen,  springen,  hüpfen'  (selbst  in  ndlkivat 
fixoif  iva  tfrofta),  so  dafs  es  Euripides  und  Aristophanes  auch  von 
tanzenden  sagen.  Demnach  heifst  naiitakoBig  mit  intensiver  Redupli- 
oation  ganz  einfach:  ^sich  aufschwingend,  emporspringend.'  Dies 
passt  auf  die  Inseln ,  insofern  der  Begriff  mit  plastischer  Anschaulich- 
keit von  den  Bewegungen  des  Schiffes  aus  auf  die  Inseln  übertragen 
wird.  Denn  die  Griechen  pflegen  nicht  selten  das,  was  eine  Person  oder 
Sache  erleidet,  als  thätigen  Act  dieser  Person  oder  Sache  darzusteU 
len  '*').  Wie  also  z.  B.  Eurip.  El.  435  ircttkU  deXtpig  nQCOQaig  %va- 
vsfißoloig  eiltaaofievog  sagt,  so  hat  schon  Homer  einen  solchen  Ge- 
danken mit  versinnlichter  Belebung  des  leblosen  den  vier  Inseln  bei- 
gelegt, in  deren  Nähe  sich  die  Schiffahrt  der  homerischen  Menschen 
häufig  bewegte.  Nach  derselben  Auffafsung  haben  wir  im  Dichter 
eine  sich  aufschwingende  oder  emporspringende  Warte  (Od.  x  97. 
148.  194),  einen  sich  aufschwingenden  oder  emporspringenden  Berg 
(11.  V  17,  vgl.  wegen  derselben  versinnlichten  Belebung  des  leblosen 
11.  ^  748  TtQiov  TteöioLO  öiocrc^aiov  x€xvxri%(6g.  Od.  x  88  nitgt] 
^XlßccTOg  rervxrjKe  diafiTCSQeg  afiq)oviQa>^ev)'y  wir  haben  ferner  einen 
sich  aufschwingenden  oder  emporspringenden  Weg  (II.  fi  168;  solche 
Wege  sind  Lieblingsgänge  der  170  erwähnten  ^QtfcilQEg^  Od.  q  204), 
einen  sich  aufschwingenden  oder  emporspringenden  Pfad  (IL  g  743,  wo 
erst  durch  vorstehende  Deutung  die  Scene  recht  malerisch  beleuchtet 
wird).  Das  letztere  vergleicht  Hr.  Vollbrecht  zu  Clausthal  in 
einem  Privatbriefe  an  mich  sehr  gut  mit  unserem  Ausdruck:  ^der 
schwindelnde  Pfad.'  So  stimmt,  wie  ich  meine,  das  Ganze  zur 
Glosse  des  Hesychius:  natTtakkeuv  ötUiv^  und  der  Anfang  im  neuen 
Fassow:  ^nmiiaXougj  ein  schwer  zu  bestimmendes  episches  Wort* 
dürfte  vielleicht  erleichtert  sein.  Auch  in  der  Deutung  von  noXwtal- 
naXog  Od.  o  419  kann  ich  Hrn.  F. ,  der  (wie  die  Lexikographen)  er- 
klärt: ^an  Windungen  und  Ränken  reich,  rersti/u»,  doiosus*  nicht 
beistimmen.  Denn  TraAi^,  das  geschwungene  Mehl,  was  Hr.  F.  hinzu- 
bringt, und  TtatTcakrj  sind  nachhomerische  Bildungen  und  verlafsen, 
metaphorisch  verstanden,  die  Begriffssphaere  des  Dichters.  Das  hat 
Lucas  p.  6  gut  angedeutet.  Dieser  selbst  aber  gewinnt  denselben  Be- 
griff auf  folgende  Weise:  *  verto  noktmaCnakog  toriuosus^  ut  idem 
fere  valeat,  quod  nokvxgonog;  in  qua  interpretatione  mirifice  me  ad- 


*)  Darüber  ist  in  Mützells  Zeitschrift  zu  Döderleins  Glossarium  $. 
217  genauer  gehandelt  worden.  Aufserdem  ist  in  jenem  längeren  Auf- 
satze vieles  zur  Prüfung  für  Hrn.  Faesi  gegeben,  da  ich  denselben 
überall  entweder  ausdrücklich  genannt  oder  stillschweigend  berück- 
•ichtigt  habe. 


264  J-  U.  Faesi :  llomers  Odyssee,  ir  u.  2r  Bd. 

itivat  ipse  sensu»  Homeri  atquo  totius  vetustatis  coiisensas  *),  qao 
iusta,  Vera,  proba,  ciara  et  aperta  dicunlur  recta^  iniusta,  falsa, 
improba,  obscara  e(  oblecta  quaeque  obliqua  ei  (lexa  nnncupanlar'. 
Dagegen  lärst  sich  erwiedern,  dars  die  Begriffe  krumm  und  ge- 
rade mit  dem  Sinne  von  nakluv  und  dessen  Derivaten  nicht  in  Ver- 
bindung stehen.  Denn  von  ndkkeiv  hat  so  gut  wie  von  XQhteiv  keine 
Ableitung  bei  Homer  eine  moralische  Bedeutung.  Daher  wird  nichtf 
anderes  übrig  bleiben  als  unter  TtokvTtaCitaXoi  die  Phocniker  als  solche 
zu  verstehen,  die  sich  viel  hin-  und  herschwingen  auf  ihren  Fahrten, 
die  viel  umhergeworfen  werden.  Ich  adoptiere  also  die  Worte  des 
Hrn.  Lucas  ^  ut  idem  fere  valeat  quod  itoXvt(f(mo^*^  aber  nur  nach  der 
sinnlichen  Bedeutung  des  Wortes,  die  auch  Döderlein  Gloss.  %,  666 
mit  Recht  hervorhebt.  —  Vs.  173  wird  zur  Erklärung  von  ipaCvuv 
T€(»ag  hinzugefügt:  ^ durch  Donner,  Blitz  oder  Regenbogen.'  Es  läfst 
sich,  was  noch  wahrscheinlicher  ist,  hier  hinzudenken:  oder  durch 
einen  Raubvogel,  dessen  Flug  die  zu  ergreifende  Richtung  symbo- 
lisch vorzeichne.  —  Vs.  182:  *iara(Sav^  seltene  Abkürzung  für  fori|- 
öav.*  Warum  nicht  genauer,  dafs  diese  ^Abkürzung'  nach  dem  Bek- 
kerschen  Texte  nur  noch  II.  (i  56,  wo  Hr.  F.  schweigt,  gefunden 
werde?  Indes  sind  beide  Stellen  mehr  als  bedenklich,  und  es  bedarf 
noch  erneuter  Untersuchung,  ob  nicht  auch  hier  ein  tüTaaavy  das  we- 
nigstens einige  Handschriften  bieten ,  die  ursprüngliche  Lesart  gewe- 
sen sei ,  weil  man  für  eine  derartige  Verkürzung  des  Indicativs  keine 
Stütze  der  Analogie  ganz  hallbar  findet.  Das  hat  schon  Thiersch  gr. 
Gr.  §.  223  h  S.  368  vor  Jahrzelinten  bemerkt  und  Taraaav  empfohlen. 
Spitzner  im  Exe.  V  sagt  freilich  apodiktisch:  *in  lliados  locum  abio- 
num  est.'  Aber  ein  solches  Urlheil  bleibt  stets  subjectiv.  Denn  einen 
Dichter  mufs  es  erlaubt  sein ,  jedes  Factum  in  der  Entwicklung  seinei 
mühevollen  Herganges  plastisch  zu  schildern,  wenn  es  ihm  gut  dünkt, 
wie  z.  B.  der  Dichter  bei  der  Beschreibung  des  achilleischen  Schildef 
mit  noiH  und  noltjiSe^  xev^e  und  iu  ö^  ixl^st  abwechselt.  So  kann  der 
Begriff  des  Imperfects  auch  bei  Tcvaöav  in  11.  fi  56  und  Od.  y  18S 
grammatisch  und  aeslhetisch  gedacht  werden.  Oder  wer  die  Theorie 
von  Nägelsbach  II.  a  25,  die  Hr.  F.  Od.  tf  307  adoptiert,  zu  der  aei- 
nigen macht,  dafs  nemlich  im  Imperfect  eine  nachhaltige  Wirkung 
liege,  der  findet  auch  dafür  einen  Anhalt,  an  der  Stelle  der  Hias  in 
den  Worten  driloav  avdgmv  aXeaQtiv^  und  an  unserer  Stelle  in  dem 
Gedanken,  dafs  Diomedes  seine  Schiffe  iv"Agyei  aufgestellt  behielt, 
weil  er  von  jetzt  an  seine  Herschaft  ruhig  genofsen,  keine  Seefahrten 


*)  Diesen  wahren  Ausspruch  hat  Koster:  Erläuterungen  der  bal- 
ligen Schrift  ans  den  Klassikern,  besonders  aus  Homer  (Kiel  1833) 
S.  3  f.  auch  mit  alttestamentlichen  Paraifefen  belegt  und  in  Hinsicht 
auf  obige  Stelle  8.  4  bemerkt:  'Homer  nennt  zwar  die  betrüglichen 
IMioeniker  noXvnuCnaXoi  (vielge%vandte,  von  ndXlta,  torquere); 
aber  doch  ohne  deutliche  Misbilligung.'  Das  letztere  ist  rich- 
tig bemerkt;  denn  für  diesen  Fall  wurde  der  Dichter  wie  (  2ti8  aara- 
triUoi  cesagt  haben. 


J.  U.  Faesi:  Homars  Odyssee,  ir  u.  2r  Bd.  265 

weiter  onternommen  habe.   Denn  die  späteren  Sagen  Qber  Diomedes 
finden  im  Homer  keine  AnknUpfang.   Uebrigens  hat  der  grOmlliche 
Homeriker  Grashof:  zur  Kritik  des  hom.  Textes  S.  6  für  beide  Stellen 
tfnjaavr'  in  Vorschlag  gebracht;  allein  im  Homer  bleibt  jede  Conjee^ 
tur,  die  aus  alter  Ueberlieferung  nichts  für  sich  hat,  eine  Kühnheit. 
Nebenbei  möchte  cxrflcca^cct  vijag  nicht  ganz  unbedenklich  sein ,  weil 
Homer  das  Medium,  aufser  dem  intransitiven  Gebrauche  desselben, 
nur  mit  dem  Objecte  [arov  und  zweimal  mit  XQYirrj^a  verbindet.  — 
Vs.  193.  Die  nach  Nitzsch  gegebene  Bemerkung:   *xa/  gehört  nicht 
nar  za  ovto/,  sondern  auch  zu  v6(Sq>iv  iowBg*  möchte  man  aus  dem 
Epos   durch  sichere   Parallelen  begründet  sehen.  —    Vs.  205  hfitte 
dvva(iiv  na(fcc^Buv  wohl  eines  Winkes  bedurft.  Bäumlein  hat  an  der 
Praeposition  solchen  Anstofs  genommen,  dafs  er  für  nölhig  hielt,  aus 
Schol.  EQ  Vs.  217  TtegL^nev  in  den  Text  zu  setzen.    Aber  das  klingt 
gerade,  als  wenn  die  Götter  wie  Feldherren  eine  Nacht  um  Telema- 
chos  herum  stellen  sollten,  da  nsQid'Bivai  sich  sonst  nur  mit  sinn- 
lichen Begriffen  und  zwar  stets  in  der  Tmesis  verbunden  findet,  wie 
im  bekannten  nsgl  xvrjfiriatv  S&tixbv.  Dagegen  passt  ein  naga^etvai 
dvva(iivB\s  Geschenk,  nach  Analogie  von  nagce^eivai^sCviov^itaganal 
xaxeo  ia^lbv  Id^jKe  Zsvg  (o  488),  vortrefflich  zur  Holle  homerischer 
Götter,  wo  jemand  sie  anfleht.    Aufserdem  hat  naga^etvai  allein 
eine  Stütze  in  den  Formeln  oai]  dvva(i£g  yB  nagBöuv  (\l  ^  294.  v 
786.  Od.  if;  128)  und  Bi  (loi  övvct(ilg  ys  nugBlri  (II.  %  20.  Od.  /3  62), 
während  nBQCB&ti  in  solcher  Verbindung  unhomerisch  ist.    Nach  der- 
selben Anschauung  heifst  es  nccQBfSxaiiBvai^  TtagiartiKBv,  nagiötri 
(d  827.  t  52.  II.  0  255.  ^  853.  Q  563.  m  132),  während  eine  derartige 
Composition  mit  TtBgl  theils  gar  nicht  gefunden  Iheils  in  ganz  anderem 
Sinne  gesagt  wird.    Aus  alle  dem  sieht  man:  Abweichungen  von  Bek- 
ker  sind  leichter  vorgenommen  als  begründet.  —    Vs.  226.    Zu  den^ 
Anfangsworten  des  Telemach  an  Nestor:  w  yi^ov,  ov  «co  rovro  litog 
teXiBC^at  o/co  wird  folgendes  bemerkt:  *otJ  «co,  tiMo  modo^  gar  nicht. 
im  eigentlich  nichts  anderes  als  ein  nachläfsig  ausgesprochenes  nag^ 
wie  oSrco,  cod«.   Vgl.  -O-  538.*   Warum  bat  denn  aber  der  Dichter  hier 
and  an  den  citicrten  Stellen  nicht  ov  nayg  gesetzt,  das  ebenso  gut  in 
den  Vers  passte?  Wen  soll  man  sodann  der  *  nachläfsigen  Aussprache* 
seihen,  den  alten  Süngcr  oder  den  Rhapsoden?  Hierzu  kommt  folgen- 
der Umstand:  wenn  Telemachos  wirklich  gar  nicht  an  die  Erfül- 
lung glaubte,  so  brauchte  er  nicht  erst  nach  Sparta  zu  reisen,  um 
etwa  eine  sichere  Kunde  vom  Vater  zu  hören  nnd  darnach  sein  künf- 
tiges Handeln  bestimmen  zu  können.    So  aber  ist,  wie  ich  meine, 
gerade  mit  Bezug  auf  Mcnelaos ,  auf  welchen  allein  Telemachos  (nach 
der  Nachricht  Vs.  184  f.)  seine  hoffnungsvollen  Kciscgedanken  hin- 
richten muste,  dieses  no ch  n  i  ch  t  gebraucht.    Dies  wird  auch  durch 
das  folgende  fyoLyB  ilno^ivo)  bestätigt,  woran  man  unepisoh  deu- 
telt.   An  der  cilierten  Stelle  ^  538  singt  Demodokos  noch  nicht 
allen  nach  Wohlgefallen,  weil  man  noch  nicht  von  dem  traurigen 
Gesehicke  des  Odysseus  unterrichtet  ist,  weil  die  lange  Erzählung 

iV.  Jahrb.  f.  PMI.  ».  Püed.  Bd.  LXX.  Hft.  3.  18 


266  J*  U.  Facsi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

seiner  bisherigen  Leiden  erst  noch  bevorsteht.    So  hat  ov  na  über- 
all seine  genaue  Beziehung,  und  die  Bemerkung  von  Döderlein  Re- 
den u.  Aufs.  II  S.  262  behält  ihre  Richtigkeit.  —    Vs.  244  *7r£^»d< 
dUag  i]6e  q>Q6viv  akltov.  Der  Genetiv  hängt  wohl  von  q>Q6viv  ab,  und 
dies  nimmt  man  am  besten  in  derselben  Bedeutung  wie  6  258:    Kunde 
von  andern.'  £s  scheint  doch  natürlicher  und  der  Analogie  (IL  v  728. 
Od.  c  248.  T  285.  326)  entsprechender  zu  sein,  cfilAoi/  von  %iqloi6a 
abhängig  zu  machen,  zumal  da  der  objectivc  Genetiv  bei  Homer  nur 
in  sehr  vereinzelten  Fällen  erscheint.    Dann  wäre  der  einfache  Sinn; 
*da  er  an  Gerechtigkeit  und  Einsicht  andere  überragt.'    Auch  an  der 
citierten  Stelle  ö  258,  wo  Hr.  F.  hierher  verweisen  sollte,  möchte  zu 
erklären  sein  :  *  er  brachte  viel  Einsicht  zurück.'    Döderlein  Gloss.  {(. 
958  nimmt  zwar  gewaltigen  Anstofs  daran,  so  dafs  er  unter  anderen 
bemerkt:  ^in  beiden  Fällen  scheint  mir  die  Verbindung  von  xazayeiv 
mit  einem   intellectuellen  BegrilT,  wie  (p^ovig,  ein  wenigstens 
uuhomerisches  Bild.'   Aber  den  Uebergang  dazu  möchten  doch  wohl 
homerische  Verbindungen  geben,  die  über  das  sinnliche  hinausgehen 
und  ans  intellectuclle  wenigstens  anstreifen,  wie  fivOov  <f»a  atofut 
iysa&ai  (IL  §  91)  neben  tpi^eip  (ivOov  und  uyyBkb]v  oder  htoq  (Od. 
n>  409)  und  einmal  (IL  x  337)  ^vOoy  aTtotpiqBiv ^  ferner  %Uog  ayuv 
(Od.  f  311)  nebst  dem  mehrmaligen  liXiog  q>iqHv  rivl,  auch  Synv  vu- 
xog  (IL  A  721),  afiida  CvvayHv  oder  (pi^tiv  und  TtQotpiqeiVy  tpeQeiv 
oiQorog  (IL  <r  308)  und  ö^jtoxijza  (Od,  ^203),  wozu  man  noch  g>iQ€tv 
XaQiv  (IL  (p  458),  ccynv  xeQ7t(oX'i\v  (Od.  c  37)  und  aus  ähnlicher  An- 
schauungsweise oxiuv  vt^TCtdag  (a  297),  avekiaO'ui  iniq>QOCvvu^  (t 
22),  jit^rtv  UT^Talvead'ai  oder  vq)a£vstv^  voov  vcofiäv  und  manches  an- 
dere hinzufügen  könnte.    Sodann  vergefse  man  nicht  zu  erwägen,  dafi 
keius  der  homerischen  Wörter  auf  fg  eine  rein  abstracte  Bedeutung 
habe,  sondern  dafs  durch  dieselben  bezeichnet  werde  entweder  ein 
Werkzeug  {aiylq^  ciaTtlg^^öaTg^  xakmg,  xAi/j,  fiigiitg,  XQomgj  CaviSi 
aiafilg)^  oder  ein  Ort  {avXig^  noktg)^  oder  Wirkung  und  Erfolg  dei 
Verbal begriffes  (of/v^t$,  wovon  oben  zu  y  31,  yAvgp/g,  datg,  Oifti^ 
ktjlg^  q>t)fiig)^  oder  endlich  eine  Handlung  und  ein  äufserlich  manifes- 
tierter  Zustand  (diJQig^  6vva(iig^  eknig,  Igig^  C-tivig^   omg^  ^ßo^g), 
Aehnlich  verhält  es  sich  mit  den  Worten  auf  äig  und  ilg.   Das  Wort 
(pQovig  nun  wird  man  am  besten  zur  dritten  Classe  rechnen,  so  dafa  ef 
nicht  die  Einsicht  als  abstracten  Begriff  bedeutet,  der  natürlich  dem 
heroischen  Zeitalter  fremd  ist,  sondern  was  schon  Nitzsch  klar  ange- 
deutet hat:    Klugheilsmafsregel,   einsichtigen  Plan.     Und  dies  passt 
für  beide  Stellen ,  indem  dadurch  der  Nestor  als  avfi<pQdd(iav  (U.  ß 
372),  TCSTtwfiii'og,  ^liitiv  rsKxaivofievog  (IL  x  19)  u.  s.  w.,  und  der 
Odysscus  als  Tcokvtptfov  von  neuem  charakterisiert  wird.  Die  Bedeu- 
tung ^ Kunde'  dagegen  läfst  sich  theils  mit  dem  Verbalbegriffe  9^ 
vEiv  nicht  vereinigen,  theils  enthält  sie  für  einen  Nestor  oder  Odysaeua 
nichts  charakteristisches.    Denn   zum  *Wifsen'  oder  *  Ueberbringen 
einer  Kunde'  reichte  ein  ganz  gewöhnlicher  Bote  hin,  der  nicht  ein- 
mal das  homerische  iaQkov  xal  x6  xirvxxaiy  or'  ayytkog  cuaifia  iUä 


J,  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  n.  2r  Bd.  267 

nothwendig  hStte.  —  Vs.  255  isl  Hr.  F.  zu  Wolfs  Lesart  &g  neg 
hvjfiji  mit  voller  Interpunction  zurflckg^ekehrt,  indem  er  folgendes 
sagt:  *der  Sinn  ist:  das  fürwahr  vermnthest  du  auch  selbst  gans 
richtig,  wie  es  geschehen  ist,  nemlich  dafs  Menelaos  nicht  zu  Hause 
war.  Dann  kommt  er  mit  AfTect  auf  den  entgegengesetzten  Fall:  ja 
wenn  (bI — yB)  Menelaos  den  Aegisthos  zu  Hause  getroffen  hfitte,  dann 
wäre  es  anders  gegangen.  Vgl.  co  284  fg.  bI  yaq — r©  xev.'  Dies 
alles  erscheint  mir  als  unhaltbar  aus  folgenden  Gründen.  Erstens 
wfire  Tempus  und  BegrilT  in  hvx&ri  auffällig  gebraucht.  Denn  dies 
Verbnm  enthält  überall  einen  so  vollen  und  positiven  Sinn,  dafs  es 
schwerlich  in  blofs  negativer  Beziehung,  wie  die  angeführte  Abwe* 
tenheit  des  Menelaos  wäre,  gesetzt  werden  kann  *),  Und  der  Zustand 
eines  *  geschehen  sein'  oder  eines  emphatischen  *sein'  liegt  nur  im 
Ferfectum  und  Plusqpft.  pass.,  so  dafs  man  für  den  obigen  Sinn  weit 
eher  ein  ola  r/rvxrat  erwarten  sollte.  Dies  wäre  auch  deshalb  vor- 
züglicher, weil  man  ein  Praesens  oieai  mit  &g  neg  itvx&Ti  nicht  ganz 
ohne  Anstofs  lesen  könnte.  In  den  vier  ähnlichen  Steilen  (II.  ß  320. 
Q  410.  Od.  8  212.  G)  124)  hat  der  Dichter  das  Imperfect,  den  Aorist 
und  zweimal  das  Futurum  mit  hv%diri  in  Verbindung  gebracht,  nie- 
mals das  Praesens.  Was  folgt  aus  dem  allen?  Ich  denke  dieses,  dafs 
man  zu  äg  neg  irvx&rj  nimmermehr  hinzunehmen  könne  ein  ^nemlich 
dafs  Menelaos  nicht  zu  Hause  war',  sondern  dafs  man  hinzunehmen 
müfse  ein  einfaches  ^  die  Ermordung  des  Agamemnon.'  Und  das  letz- 
tere erfordern  auch  die  vorhergehenden  Hauptfragen:  ncjg  id'av^ 
^AxQslöijg;  und  rlva  6*  otütw  yirflux^  oKb^qov  Aiyia^og;  und  o  öh 
^agör^aag  xarinBfpvEv;  Die  Frage  nach  dem  Aufenthaltsort  des  Mene- 
laos ist  Nebengedanke,  der  sogleich  wieder  zur  Hauptfrage  zurück- 
kehrt und  erst  später  in  genauerer  Erzählung  seine  Erledigung  findet, 
wie  es  wegen  des  weiteren  Fortschritts  der  Handlung  (Vs.  317)  noth- 
wendig  ist.  Das  xaßB — hvx^  dagegen  kann  sich  nur  speciell  auf 
die  Hauptsache,  auf  die  Ermordung  des  Agamemnon  beziehen.  Hat 
doch  der  Dichter  selbst  X  409.  430  von  derselben  Sache  dasselbe  Ver- 
bnm gebraucht.  Nun  aber  ist  die  nothwendige  Beziehung  auf  die  Art 
und  Weise  der  Ermordung,  wonach  Telemachos  gefragt  hatte,  aller- 
dings ein  Gedanke,  der  nicht  der  blofsen  Vermuthung  (pUcei)  anheim- 
fallen kann,  so  lange  ein  Epiker  Epiker  bleibt.  Und  hiermit  zerfällt, 
wie  ich  meine,  der  erste  Theil  von  Hrn.  F.s  Erklärung.  Wir  kommen 
zum  zweiten  Theile.  Da  hat  Hr.  F.  für  bI  —  yi  den  modernisierten 
Affcct  wiederholt,  wovon  schon  zu  a  163  die  Rede  war,  und  hat  dem 
harmlosen  yl  zugleich  etwas  neues,  den  Begriff  eines  allgemeinen  Gegen- 
satzes beigelegt,  indem  es  'den  entgegengesetzten  Fall'  bezeichnen  soll. 


♦)  Auch  d  212  hat  Hr.  F.  mit  seiner  Note:  ^ ttvx^ri:z:zhvzBy  mv' 
den  Begriff  geschwächt  und  aufserdem  den  Sinn  eines  ongeborigen 
Zufalls  hineingebracht,  da  doch  der  Dichter  einfach  den  %Xav^t^og  be- 
zeichnet, der  uns  vorher  bereitet  wurde  oder  entstand,  aber  nicht  'der 
zufällig  stattfand'  (Irvrcir  äv). 

18* 


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^^^^^^^^^^^H 

258               J.  ü.  Fii«n ,  ihm^f  '^^^^ 

^^^^^^B 

vnrmitlübt  »lirer  Ic^*^    ■ 

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Kwrtv  fo  ffiftwf*<5fiiri-'.' 

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Dt! im  wctTr»  dw  Ruiit^r  tu. 

unm  ^M 

\v dreien  «its  t>d  tier  nr^ln. 

MdliiH 

ilog  HnffiriÄ  «i^r  fl«r  Ihi^. 

iinm^^l 

tiitir  die  07£vl«r  Tjiiie,  t:^t  ^ 

t-'/-n?'^^| 

ceichnöl  düs  8i»äler«t,  4:* 

..MMii"-^! 

rtiüil  Vs.  4^  diiöTii 

.M  icire^H 

rtsnfiiinai^heii  dai  8p^( 

^Erf«li*H 

wird  man  um  Gunige  d' 

:'-radc  vnf^l 

grar*eu  Aiiütore  erreg  h 

v>%  n^iM*H 

vergof^en,  thh  liomer  \ 

t«.*"   tu  «ir^l 

iM,  alk«  volbtäudig  tu 

cjp;V  undj^l 

bild  Jones  (wie  liier  n^^r 

^ij  Jilirc^i^l 

bctiicn  iirM|>rUn^liclit*n  Uu, 

-.'.T.'^^iW 

da  die  kkinöäiiUsr.lie«  '  ■ 

^'itr^V 

der  Such*;  lebt*?»,  <ii«'  v.  i 

vciinH 

Hcübachluf^K  auf  ktettam 

-^chrV 

wäre  <^»i  i^eim  Hr.   T.   i 

.«A  «MKr  frig^        ' 

Vü«  419  bU  Kiim  Schlui> 

^  ^  laif enden  ^ 

^pM<^lrunj^  deiH 

Wenn  Vs.  *i  bti  ' 

^  -» 1  ii*rse  Vi>r.^^ 

koilbfirem  Srkrauck)'    i 

.  •>  jj :    eifrijf^  ^| 

Itermmifii  (U|»UjiC.  IV  i 

tii  tit«iiiüf  iac!l  H 

li»<|u<i*)  i»«lül«t  wer  : 

1 1  tf  u  m  g  e  *  ^M 

Tht5t>g.  riö)  und  Di- 

rflc MmUm^M 

so  »eiitcne  tu  ^wt^ck,»' 

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(erxnmslrfihU)  nmi    • 

Mi;'  f!f«/;|;^v(/|^^^ 

Si^ct  %ttk4^  Iff/tsff,  ««♦  -. 

pMiin,  vgL  x»^ 

ItJiolickc«,    Denn  vrkti    i 

4^0,  xdffl^  dlo 

dm  ijibi^t^  Deut  um  l 

*t,  Od.   Ü  61 

grUiiitrtp  Kutireginir 

,  w  rfl  es  hei 

0ü»3telrl*>rr  iaj2,  S.  .  . 

I  <f'.t'.n  mmt^^^M 

oen.    Die  ^»Jv^c  (>"'( 

'}'  \i\)»lhhl<im^M 

diu  trf taktierte  Betmii  . 

.■,ni^  kiihv.^  die 

^      fr  gm,  49^^  vnihrarUn 

,.»>»  beibriii|5^eii  ^^ 

^■Mmr  kanni«  diu  'öck.i 

•  r  iprfltvblichen^l 

^^V^irklifti  liei  Homer 

'•  in ^eä* citri  üben :" 

^^^L^mt^  irt^^end  einmn^ 

» i'jnrtunsr.*    Aber 

^^K|fe6iii«1  t«n  disr 

d;i  ihh  ge- 

^^HjEfkidrunf  im^i' 

.^^fiffl  im 

^^■ipnick     Dens  mu^ 

UM»  uiisdnicUitn 

^^Bjettt'ii,   iilier  nir.H^ 

» r^ö  ütelit  hier 

^■>iiil  J.  IL  Viif»  in  > 

«    w.    Uebrii«^! 

^^B^Vün  niemind  lU  t* 

tm.   Und  ^iaH 

^^H^tJimittcfile  Vitr»in 

HU^iifaiig  de^l 

^Bliche  i^r^n) 

^ 

I.  C.  U€ii:  UimtTS  Odrts«^   Ir  t   tr  Li 


»l 


I,^tit. 


hm  ImbcB.—  Vs.  123:  'v:>i;  ■'  ?zti.  t;cit  k^54!  ▼«•.t 
^  Achnhchkeit  (vgl.  <!,  I4i.  i*-i.  i*  .=  B^tncft'iar 
dafs  Telemich  dtr  Soha  de«  lr*r..::i*3:  Frtiad*!  *** ' 
fiftir  !4r  den  Charakter  der  bomeriKhea  >»-»*tit  n  z**i'.^*- 
Rmit  vofkoDmeo.    Sodann  »cheint  e&  bedes&I>.b.  t^iä-i  S-.el- 
_  i  nod  die  citierte.  dem   Siooe  na.h  ^ /::^ls»adtr  za 
1er  Dichter  dies  beabsichiigt  and  dit  tT'*i-^riX^  'h*- 
icdankens'  bervorhebeo  wollen,   so  i»ir:*   er  i^ohl 
Formel  0£;^a;  '  '  iiu  mit  dem  folgcnd^a  eiV.^cyi-rc« 
i.  ,  sondern  mi^  ooiiaii-oiTU  oder  Te'C*r,Tc  ^£  ut^iir^j.'sWv- 

be  Formel,  die  den  Gedanken  mit  epischer  b-zuWuh- 
Aber  iferadc  die  stabile  Formel  mit  {{(To^coitci  so 
g)i]4t;h  folgende  Begründung  mit  yaQ  scheint  deutlich  anza- 
daf»  man  an  beiden  Stellen  dieselbe  Beziehung,  die  naive  Be- 
der  Aehnlichkeit  festhalten  möfse.    Auch  im  folgenden  (oc 
nd  hiimta^  wo  llr.  F.  (mit  Nitzsch)  die  übertragene  Bedeutung 
ühtM  mir  blofs  der  Begriff  einer  Aehnlichkeit  vorzuliegen,  so 
Worte  ovdi  m  rpai},g  avÖQa  vedrtffov  wdc  ioixora  uv- 
luri  nicht  sowohl  den  schon  etwas  entfernter  liegenden  Sinn 
leo:    *  wt>r  als  jung  schon  so  angemefsen  oder  so  verstendi*^ 
t^  müh  wohl  einen  ausgezeichneten  Vater  haben',  sondern  viel- 
*di€  Ttäher  gelegene  Einfachheit  bieten:    *man  sollte  nicht  mci- 
data  schon  ein  jüngerer  3Iann  seinem  Vater  so  ahnliches  rede, 
difa  diese  Aehnlichkeit  mit  dem  Vater  schon  im  jungen  Manne  so 
Kar?  aiBge^rügt  sei/    Nur  dieser  Gedanke  ergibt  sich,  wie  mir 
i^helnt,  auf  natürliche  Weise  aus  den  Worten  des  Menelaos  d  204: 
iäa  itmg  ocf'  Sv  neTtwfiivog  aviig  eT:toi  Kai  ^c|fc£,  xai  dg  ngoye- 
iüti^og  fr?/.    Dazu  11.  i  57.  68  uud  ahnliche  Stellen.  —   Vs.  129. 
kie  praktische  Kürze  zu  yivoixo  ^  dies  war  ihre  dauernde  Absicht'  isl 
Df  wegen  des  Wörtchens  *  dauernd'  leicht  niisverstandlich,  weil  eine 
dnung  desselben  auch  für  yivtjrai  passte,  wie  bekanntlich  auch 
Randglossen  S.  30  nach  einer  Wiener  Handschrift  mit  Unrecht 
ien  wollte.    Daher  wäre  wohl  die  Note  noch  bestimmter  gestaltet 
mit  einem:  Mies  war  ihr  beabsichtigter  Gedanke.'  —  Vs.  131  ist  Hr. 
F.  in  der  zweiten  Ausgabe  stillschweigend   dem  trefflichen  Nitzsch 
gefolgt,  indem  er  den  Vers  (was  auch  Bothc  und  Bäumlein,  aber  mit 
Anfahrung  ihrer   Auclorität  gelhan  haben)   als  unecht  einklammert, 
weil  *  durch  ^«og  6'  i'Aiduaaev  Axttiovg  als  (durch]  die  letzten  Worte 
des  Vordersatzes  schon  dem  Nachsatze  ymI  tow  öt\ — ^Aoyeioig  vorge- 
griffen und  überhaupt  das  xiddaai,  ^Affydovg  [vielmehr  Axaiovg]  zu 
l^ah  erwfthnl'  sein  würde.    Mir  scheint  indes  gerade  dies  Vorgreifen 
gani  im  Charakter  von  Nestors  Beden  zu  liegen.    Im  Munde  eines 
AehiHeus,  Agamemnon,  Aias,  Diomedes  und  ähnlicher  würde  es  auf- 
bllen,  aber  Nestor  (man  betrachte  nur  sorgsam  II.  a  260  ff .  /}  337  ff. 
iy  133  ff.  i  671  ff.  tf;  630  ff.)   Nestor  pOegt  den  Gegenstand,  von  wel- 
chem er  sprechen  will,  gleich  wie  ein  Thema  an  die  Spitze  zu  »lel- 
lei,  aodann  in  der  Regel  zarQckzugreifen  and  die  Thatsichc  in  ihrer 


260  J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

hervorzuheben  sein,  was  auch  mit  Nägelsbach  hom.  Theol.  S.  79  sich 
vereinigen  läfst.  —  Vs.  109.  Bei  fvOof  fiiv  .  .  .  iv^a  di .  ,  .  Iv^a  di 
.  .  .  I'i/Oa  di  schiene  mir  nöthig  zu  sein,  dem  Schüler  einen  kurzen 
Wink  darüber  zu  geben,  dafs,  wenn  die  Griechen  auch  dasselbe 
Wort  wiederholen ,  sie  das  erstemal  ^ivy  sodann  jedesmal  6i  hinzu- 
setzen, weil  sie  bekanntlich  die  Nebenbestimmungen  jenes  BegrilTes 
distinguieren.  Es  ist  dies  ein  Fall,  den  die  Schüler  in  den  griechi- 
schen Exercitien  beim  Partikelgebrauch  von  fiiv  und  öi  nicht  selten 
verfehlen.  Das  mögen  auch  die  praktischen  Engländer  aus  der  Erfah- 
rung ihrer  Jugend  wifsen,  weil  Elmsley  zu  den  Tragikern  gerade  auf 
diesen  Fall  mehrmals  zurückkommt.  —  Vs.  112:  *^df  f*«Z^^^?j  nem- 
Vich  nBQl  aXkav.'  Leicht  misverständlich ,  weshalb  deutlicher  zu  sa- 
gen wäre,  dafs  das  nigi.  zu  beiden  Begriffen  gehöre,  zu  raxvg  und 
zu  t^axrji'qg. —  Vs.  115:  ^nsvrdstBs  lucl  i^aeteg^  fünf,  ja  sechs  Jahre; 
wie  im  Lat.  terque  qualer  que,^  Aber  im  Texte  steht  jpfvraWff  yt 
%al  fjacrfff,  so  dafs  im  Geiste  der  Griechen  der  Accent  hVit  mvtaBXBg 
fallt,  mithin  xa/  nicht  so  stark  betont  werden  darf.  Das  Lateinische 
passte  formell  nur  zu  Stellen,  wie  ß  374  eine  ist.  Richtig  sagt  Nitzsch: 
^wenn  du  auch  fünf  Jahr  und  darüber  hier  bliebest  und  immer  frag- 
test.' Gerade  so  C^^ldv(yv  yz  naVlqov  ftcoAoff,  wo  im  folgenden 
ßtrji  ö^  0  ye  q>iQxeQog  tisv  der  Aufschlufs  für  die  Hervorhebung  des 
^Bivog  deutlich  gegeben  ist.  Aehnlich  in  allen  Stellen,  wo  diese  Ver- 
bindung wiederkehrt. —  Vs.  118:  ^anq>ii7tovxsg^  adverbial:  eifrig, 
geschäftig.'  Eine  solche  Erklärung  will  mir  nirgends  recht  homerisch 
erscheinen.  Das  einfache  *wir  bereiteten  ihnen  Uebel  sie  umge- 
bend (umdrängend)  oder  um  sie  beschäftigt'  dürfte  vorzu- 
ziehen sein.  Ebenso  11.  ß  525.  e  667.  r  392,  an  welchen  Stellen  Hr.  F. 
schweigt.  Nur  zu  11.  fi  316  xov  öigov  u^Kpl  &'  Srov,  Kai  fiiv  öiix^vtiv 
anavxa  liest  man:  *  ifiq>C  d'  snov  wie  sonst  das  Participium,  vgL  zu 
Od.  y  118=11.  6  667.'  Dafs  aber  dies  sein  Bedenken  habe,  zeigt  die 
gleichlautende  Stelle,  zu  der  wieder  nichts  bemerkt  ist.  Od.  &  61 
xovg  öigov  afiq>l  &  ikov,  xbtvkovxo  xs  öah  iqaxHvriv^  weil  es  bei 
der  Annahme  jener  Erklärung  wenigstens  xtxwovxo  öi  heifsen  müste, 
wenn  nicht  nach  der  Stelle  der  llias  %at  ins  zweite  Hcmistichion 
gebracht  wäre.  Ich  meine  daher,  dafs  man  nicht  nöthig  habe,  die 
Jugend,  der  man  ein  Verständnis  des  homerischen  Epos  beibringen 
wiU,  durch  derartige  Noten  in  der  Unmittelbarkeit  der  sprachlichen 
Auffafsung  zu  stören.  —  Vs.  120.  Zu  Iv^'  ov  xig  ist  beigeschrieben: 
*vgl.  126.  141  ?vd^  ^rot.  Eine  sehr  zwanglose  Verbindung.'  Aber 
das  ist  doch  überall  Charakter  der  epischen  Verbindung,  da  das  ge- 
zwungene nicht  ins  Epos  gehört.  Hr.  F.  hat  sich  ohne  Zweifel  im 
Ausdruck  vergriffen ,  indem  er  mit  praktischer  Praecision  ausdrücken 
wollte,  was  Nitzsch  zu  Vs.  103  S.  153  also  bemerkt:  ^iv^a  steht  hier 
ohne  Copula  und  gibt  den  ersten  unabhängigen  Satz^  u.  s.  w.  Uebri- 
gens  findet  sich  fv^'  ov  xig  ebenso  fc  146.  11.  d"  253.  tp  632.  Und  wie 
oft  steht  iv9^  rixoi  und  fv&or  ohne  weitere  Copula  zu  Anfang  des 
Satzes,  so  dafs  ich  fast  furchte,  die  Note  des  Hrn.  F.  nicht  richtig 


J.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  n.  2r  Bd.  261 

verstaDden  eq  haben.—  Vs.  123:  ^  alßag  (i*  f;j«,  nicht  sowohl  wegen 
der  aufTallendcn  Aehnlichkeit  (vgl.  d,  142.  149),  als  in  Betrachtung 
des  Gedankens ,  dafs  Telemach  der  Sohn  des  trelTlichcn  Freundes  sei.' 
Das  will  mir  fiir  den  Charakter  der  homerischen  Naivetät  zu  gesucht, 
zu  reflexiv  vorkommen.  Sodaun  scheint  es  bedenklich,  beide  Stel- 
len, die  unsrige  und  die  citierte,  dem  Sinne  nach  voneinander  za 
trennen.  Halte  der  Dichter  dies  beabsichtigt  und  die  erwähnte  ^Be- 
trachtung des  Gedankens'  hervorheben  wollen,  so  würde  er  wohl 
nicht  die  stabile  Formel  aißag  u'  a^Bt  mit  dem  folgenden  elaoQOiovta 
gebraucht  haben ,  sondern  mit  oQficcLvovra  oder  ti^ipta  öe  fieQfitjQi^wv 
oder  eine  ähnliche  Formel,  die  den  Gedanken  mit  epischer  Deullicb- 
keit  ausdrückte.  Aber  gerade  die  stabile  Formel  mit  HOogodovra  so 
wie  die  gleich  folgende  Begründung  mit  ydg  scheint  deutlich  anzu- 
deuten, dafs  man  an  beiden  Stellen  dieselbe  Beziehung,  die  naive  Be- 
zeichnung der  Aehnlichkeit  festhalten  müfse.  Anch  im  folgenden  iot- 
xoxeg  und  iotxora^  wo  Hr.  F.  (mit  Nitzsch)  die  übertragene  Bedeutung 
gibt,  scheint  mir  blofs  der  Begriff  einer  Aehnlichkeit  vorzuliegen,  so 
dafs  die  Worte  ovöi  x£  g>aliig  ävÖQce  veaxsQov  (ode  ioix&ca  (iv- 
^iCaod'aL  nicht  sowohl  den  schon  etwas  entfernter  liegenden  Sinn 
enthalten:  *wer  als  jung  schon  so  angcmefsen  oder  so  verständig 
spricht,  mufs  wohl  eineu  ausgezeichneten  Vater  haben',  sondern  viel- 
mehr die  näher  gelegene  Einfachheit  bieten :  *  mau  sollte  nicht  mei- 
nen, dafs  schon  ein  jüngerer  Mann  seinem  Vater  so  ähnliches  rede, 
d.  i.  dafs  diese  Aehnlichkeit  mit  dem  Vater  schon  im  jungen  Manne  so 
scharf  ausgeprägt  sei.'  Nur  dieser  Gedanke  ergibt  sich,  wie  mir 
scheint,  auf  natürliche  Weise  aus  den  Worten  des  Menclaos  d  204: 
xooa  sljtBg  oö^  av  nsnwfilvog  aviiQ  ahtoi  xal  (}i^£ie^  %al  og  TCQoye- 
viaxsQog  Etij.  Dazu  11.  i  57.  68  und  ähnliche  Stellen.  —  Vs.  129. 
Die  praktische  Kürze  zu  yivoixo  ^  dies  war  ihre  dauernde  Absicht'  ist 
nur  wegen  des  Wörtchens  ^dauernd'  leicht  misverstundlich,  weil  eine 
Betonung  desselben  auch  für  yivrixcct  passte,  wie  bekanntlich  auch 
Vofs  Randglossen  S.  30  nach  einer  Wiener  Handschrift  mit  Unrecht 
lesen  wollte.  Duher  wäre  wohl  die  Note  noch  bestimmter  gestaltet 
mit  einem:  ^dies  war  ihr  beabsichtigter  Gedanke.'  —  Vs.  131  ist  Hr. 
F.  in  der  zweiten  Ausgabe  stillschweigend  dem  trelTlichen  Nitzsch 
gefolgt,  indem  er  den  Vers  (was  auch  Bothe  und  Bäumlcin,  aber  mit 
Anführung  ihrer  Auctorität  gethan  haben)  als  unecht  einklammert, 
weil  *  durch  ^log  d'  ixidaaaev  'Axcciovg  als  [durch]  die  letzten  Worte 
des  Vordersatzes  schon  dem  Nachsatze  xai  xoxe  dt/ — Aqyüoig  vorge- 
griffen und  überhaupt  das  xEdaaori  ^A(fye£ovg  [vielmehr  Axaiovg]  zu 
früh  erwähnt'  sein  würde.  Mir  scheint  indes  gerade  dies  Vorgreifen 
ganz  im  Charakter  von  Nestors  Reden  zu  liegen.  Im  Munde  eines 
Achilleus,  Agamemnon,  Aias,  Diomedes  und  ähnlicher  würde  es  auf- 
fallen, aber  Nestor  (man  betrachte  nur  sorgsam  11.  a  260  ff.  ß  337  ff. 
17  133  fr.  il  671  ff.  tf;  630  ff.)  Nestor  pflegt  den  Gegenstand,  von  wel- 
chem er  sprechen  will,  gleich  wie  ein  Thema  an  die  Spitze  zu  stel- 
len, sodann  in  der  Regel  zurückzugreifen  und  die  Thatsache  in  ihrer 


262  J.  U.  Faeii:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

Entwicklung  vom  Anfang  an  mit  epischer  Fülle  darzulegen.  So  auch 
an  unserer  Stelle.  Was  ferner  die  ^  zu  frühe  Erwähnung  des  xeöaaat 
^A%cciovq^  betrifft,  so  scheint  mir  Nitzsch  den  Gedanken  zu  sehr  auf 
die  Spitze  einer  anstöfsigen  Form  erst  gestellt  zu  haben,  indem  er 
bemerkt:  ^als  aber  nach  Trojas  Zerstörung  wir  abfuhren  und  ein  Gott 
der  Achaeer  zerstreute,  da  erregten  Zeus  und  Athene  Hader,  der  die 
Achaeer  zerstreute  und  ihnen  Unglück  drohte.'  Denn  erstens  sind 
*  Zeus  und  Athene'  beim  Dichter  nicht  in  so  unmittelbarer  Yerbindung 
nebeneinander  gestellt,  und  zweitens  ist  das  nochmalige  *  zerstreute' 
nur  in  einer  zurückgreifenden  detaillierten  Erzählung  des  ganzen  Her- 
gangs enthalten,  nicht  in  einer  auffalligen  Wiederholung  derselbea 
Sprachform.  Der  Sache  nach  kann  eine  Abfahrt  und  ein  Zerstreut- 
werden der  Achaeer  vorausgehen,  und  doch  das  Ende  eine  glückliche 
Rückkehr  sein;  der  Dichter  aber  will  gerade  hervorheben:  *als  wir 
nach  Trojas  Zerstörung  abgefahren  waren  und  eine  Gottheit  die  Achaeer 
zerstreut  hatte,  da  nun  bereitete  Zeus  eine  schreckliche  Rück- 
kehr'.  Dies  ist  gleichsam  das  Thema  für  die  folgende  Detaillierung. 
(Von  6iner  Seite  kann  man  auch  II.  /  316  das  ulriQovq  TcdkXov  ver- 
gleichen ,  wozu  Nägelsbach  und  diese  NJahrb.  Bd.  LIX  S.  276.)  Das 
XvyQOv  ist  hier  besonders  betont,  weshalb  der  Begriff  desselben  zu 
wiederholten  Malen  wieder  aufgenommen  wird,  Vs.  152  mit  Zevg  ijQxve 
Tirjiia  xaxoio^  Vs.  160  mit  Zeig  d'  ov  7C(o  fii^öezo  voavov^  Vs.  166  mit 
xaxa  ftfjdero  öaliiav.  Uebrigens  scheinen  mir  ^eog  (Vs.  131)  und 
öalfKov  mit  Bezug  auf  Athene  gesagt  zn  sein,  so  dafs  diese  auch 
hierdurch  mit  Zeus  in  geregelte  Wechselwirkung  tritt.  Erwägt  man 
dies  alles,  so  steht  zu  befürchten,  dafs  man  hier  mit  dem  *  Obelos 
neben  dem  Asteriskos'  zu  rasch  gegen  alte  Ueberlieferung  auftritt. — 
Vs.  146.  Nach  sonstiger  Gewohnheit  wäre  IL  i;  466  hinzuzufügen.  — 
Vs.  149  liest  man:  ^avoQOvaav^  sie  brachen  auf,  stürmten  fort.'  Für 
diesen  hier  nicht  passenden  Begriff  sind  andere  Verba  gebräuchlich, 
ai'OQOvCai  dagegen  ist  blofs  avaaxijvat  xaxicog,  ^aufspringen',  noch 
nicht  *  fortstürmen'.  —  Vs.  170  sagt  Hr.  F.:  ^naiTtaXong^  durch 
Reduplication  von  ndkriy  ndXX(Oj  torquere,  crispare,  daher  tortuosuMj 
reich  an  Windungen,  gezackt,  klippenreich:  von  Bergen  und  felsigen 
Inseln.^  Diese  G.  Hermannsche  Erklärung,  die  der  feinfühlende  Lu- 
cas: de  voce  Homerica  noXrmal7tciX.og  aliisque  cognatis  vocabulis 
(Bonnae  1841)  am  besten  entwickelt,  bietet  mehrfache  Schwierigkei- 
ten. Erstens  geht  sie  von  einer  Bedentung  des  %dlluv  aus,  die  nicht 
nachweisbar  ist:  die  erwähnte  BegrifTssphaere  gehört  eher  zu  iUaasiv 
und  eU^j  wie  Aeschylos  z.  B.  vom  Zickzack  des  Blitzes  ekiiue  öxeQO' 
Tcrjg  sagt.  Zweitens  beeinträchtigt  die  Erklärung  die  sinnliche  An- 
schauung und  das  homerische  Leben,  indem  sie  in  starren  Zustand  ver- 
wandelt was  im  Dichter  (bei  richtiger  Deutung)  überall  als  sinnlich 
selbstthätige  Bewegung  erscheint:  kurz  die  ganze  Erklärung  würde 
(die  Möglichkeit  der  genannten  Bedeutung  von  ndkkeiv  einmal  an- 
genommen, nicht  zugegeben)  erst  durch  eine  zu  verstau desmäfsige 
Operation  gewonnen.    Drittens  ist  die  Deutung  ^gezackt'  oder  ^klip- 


J.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  o.  2r  Bd.  263 

penreich^  für  anoititj^  oöog  und  aTa(^6g  unpassend.  Was  ist  nun  zu 
thun?  Mir  will  alles  auf  einrache  und  natürliche  Weise  also  ziisam- 
menstimmen.  Das  nakleiv  heitsi  ^schwingen'  (ov  tpLlov  vlov  niilB 
laqolv  oder  nh'iQovg  iv  Kwitj,  was  tbeils  einen  Hauptnamen  des  Hel- 
mes, TCi^At/^,  bildet,  Iheils  in  £x  d'  S^qs  iikij(^g  11.  ij  182  sein  Cor- 
relat  hat),  ^sich  schwingen,  springen,  hüpfen'  (selbst  in  naJiXsrai 
fjxoQ  avic  ax6(ia)j  so  dafs  es  £uripides  und  Aristophanes  auch  von 
tanzenden  sagen.  Demnach  heifst  Ttatnakoeig  mit  intensiver  Redupli- 
cation  ganz  einfach:  *sich  aufschwingend,  emporspringend.'  Dies 
passt  auf  die  Inseln,  insofern  der  BegrifT  mit  plastischer  Anschaulich- 
keit von  den  Bewegungen  des  Schiffes  aus  auf  die  Inseln  übertragen 
wird.  Denn  die  Griechen  pflegen  nicht  selten  das,  was  eine  Person  oder 
Sache  erleidet,  als  thüligen  Act  dieser  Person  oder  Sache  darzustel- 
len *).  Wie  also  z.  B.  £urip.  £1.  435  i'nakis  öekiplg  nqtiqaig  xva- 
veiißokoig  £tkLaa6(iBvog  sagt,  so  hat  schon  Homer  einen  solchen  Ge- 
danken mit  versinnlichter  Belebung  des  leblosen  den  vier  Inseln  bei- 
gelegt, in  deren  Nähe  sich  die  Schiffahrt  der  homerischen  Menschen 
hauAg  bewegte.  Nach  derselben  Auffafsung  haben  wir  im  Dichter 
eine  sich  aufschwingende  oder  emporspringende  Warte  (Od.  x  97. 
148.  194),  einen  sich  aufschwingenden  oder  emporspringenden  Berg 
(11.  V  17,  vgl.  wegen  derselben  vcrsinnlichten  Belebung  des  leblosen 
11.  Q  748  TtQOiv  möioLO  öianQvaiov  xetvxtjKcig.  Od.  x  88  nixQi] 
tiklßcnog  rezvxrjxe  diaiinsQeg  afifpoxigoü^ev);  wir  haben  ferner  einen 
sich  aufschwingenden  oder  emporspringenden  Weg  (11.  ft  168;  solche 
Wege  sind  Lieblingsgänge  der  170  erwähnten  ^TiQrjtrJQeg ,  Od.  g  204), 
einen  sich  aufschwingenden  oder  emporspringenden  Pfad  (11.  g  743,  wo 
erst  durch  vorstehende  Deutung  die  Scene  recht  malerisch  beleuchtet 
wird).  Das  letztere  vergleicht  Hr.  Vollbrecht  zu  Clausthal  in 
einem  Privatbriefe  an  mich  sehr  gut  mit  unserem  Ausdruck:  ^der 
schwindelnde  Pfad.'  So  stimmt,  wie  ich  meine,  das  Ganze  zur 
Glosse  des  Hesychius:  namakkuv  aeUiv^  und  der  Anfang  im  neuen 
Passow:  ^namakoetg^  ein  schwer  zu  bestimmendes  episches  Wort' 
dürfte  vielleicht  erleichtert  sein.  Auch  in  der  Deutung  von  nokvnal- 
nakog  Od.  o  419  kann  ich  Hrn.  F.,  der  (wie  die  Lexikographen)  er- 
klart: ^an  Windungen  und  Ränken  reich,  versulus^  dolosu$*  nicht 
beistimmen.  Denn  TraAij,  das  geschwungene  Mehl,  was  Hr.  F.  hinzu- 
bringt, und  Tcamdkti  sind  nachhomerische  Bildungen  und  verlafsen, 
metaphorisch  verstanden,  die  Begrilfssphacre  des  Dichters.  Das  hat 
Lucas  p.  6  gut  angedeutet.  Dieser  selbst  aber  gewinnt  denselben  Be- 
griff auf  folgende  Weise:  *  verto  TtokvnaiTtakog  tortuosus^  ut  idem 
fere  valeat,  quod  nokvxgo7tog\  in  qua  intcrpretatione  miriAce  me  ad- 


♦)  Darüber  ist  in  MützelU  Zeitschrift  zu  Döderlein»  Glossarium  $• 
217  genauer  gehandelt  worden.  Aufüerdem  ist  in  jenem  längeren  Auf- 
sätze vieles  zur  Prüfung  für  Hrn.  Faesi  gegeben,  da  ich  densel^b^n 
überall  entweder  ausdrucklich  genannt  oder  stillschweigend  beruck* 
aichtigt  habe. 


254  J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

oder  olxovofiog  (nach  Schol.  B  bei  Bnttmann)  sicher  behaten,aber 
dem  Greise  untergeben  sein :  dem  Greise,  d.  i.  dem  Laertes,  wie  yi^mv 
auch  d  754  gesagt  ist.  Denn  yigwv  ist  in  der  Odyssee  eben  so  Ehren« 
titel  für  den  Laertes ,  wie  derselbe  nach  der  Ilias  in  der  Familie  des 
Nestor  heimisch  war,  worüber  Hr.  F.  selbst  zu  IL  l  696  eine  gute  Be- 
merkung gibt.  —  Vs.  245.  An  dieser  schwierigen  Stelle  hat  sich  Hr. 
F.  im  ganzen  an  Nitzsch  angeschlofsen,  der  jedoch  über  seine  ErkUrang 
selbst  bemerkt,  dafs  sie  ^nicht  ganz  befriedige^  mit  dem  Zusatz:  *doch 
möchte  keine  ErkUrung  alle  Unebenheiten  ausgleichen.'  Mir  will  acheU 
nen,  als  wenn  Leiokritos  den  Gegensatz  zwischen  navQovg  ond  nolXol 
(241)  in  seiner  Antwort  mit  höhnender  Klage  absichtlich  anders  wende, 
indem  er  das  itoXXol  sogleich  in  ein  ivöqact  xal  nksoveaai  ver- 
wandle und  auf  die  Freier  beziehe,  daher  das  xor/:  ^ gegen  Minnef 
sogar  gegen  mehr,  als  deine  TtoXkol  sind.'  Diese  Beziehung  aof 
die  Freier  scheint  Vs.  251  bI  TtksovBaai  fiaxotro  nothwendig  zu  machen. 
Weil  ferner  Leiokritos  mit  einer  Anrede  an  Mentor  beginnt,  und  weil 
nachher  nur  6ine  Person,  Odysseus,  dem  Mentor  als  Gegensatz  folgt, 
so  dürfte  zn  a^aXiov  im  Gedanken  ein  toi  {MivroQi)  keine  Schwie- 
rigkeit haben.  Dann  wäre  Vs.  246  eine  Umschreibung  des  Begriffea 
ivf}Q  xol  (laXkov  t(pd'inog  aov  (Mitn:oQog).  Und  hieran  würde  das  aif 
^  ov  Kccta  (loiQuv  ieiTug  und  aXX!  SyB,  Xccol  nzi.  passend  sich  an- 
schliefsen.  Auf  den  Fall ,  dafs  sich  Odysseus  mit  den  Ithakern  ver- 
binde, kann  sich  der  schlechte  Freier,  der  eine  schlechte  Sache  mit 
schlechten  Gründen  vertheidigt,  nicht  einlafsen.  —  Vs.  272:  ^olog 
ixBtvog  iriv  xBXiaat  igyov  tb  iitog  tf,  d.  i.  roiovxov  bIvui  otog  inBivog 
ir^v^  so  dafs  xBXiaai  von  fijv  abhangt.'  Kann  denn  hpf  einen  Infinitiv 
regieren,  ohne  dafs  es  für  i|ijv  steht?  Das  zu  beweisen  möchte 
schwer  sein.  Es  müste  dann  wenigstens  noch  ein  Begriff  dabei  stehen, 
wie  IL  X  340  iyyvg  iaav  TCQogyvyBtv,  Hier  aber  hangt  der  Inßnitiv  von 
olog  ab,  wie  oben  Vs.  59 und  olog  tb  x  160.  9 117.  Aehnlich  noiogxB  q>  195. 
tijXlnog  p20.  xotog  j5  60(mil  Hrn.  F.s  Note)  und  ähnliches. —  Vs.307: 
^IJaiTOg,  syncopiert  aus  i^algBxog.'  Nach  welcher  Analogie  will  Hr. 
F.  dies  rechtfertigen?  Denn  das  beigefügte  *zum  Theil  aus  Versbe- 
dürfnis'  verlangt  ein  zweites  und  wesentliches  ^zum  Theil'.  —  Vs.  322: 
^{Satxa  nivovxo  nach  Vs.  300.'  Die  dort  erwähnten  Dinge  können  noch 
nicht  mit  diesem  Namen  benannt  werden.  Sodann  ist  ein  datxa  TcivB- 
a^ai  überall  Sache  der  Diener.  Daher  wird  das  a^BxBixat  für  diesen 
Vers  sein  Recht  behalten.  Auch  hätte  §iia  hier  komischen  Anstrich. 
—  Vs.  327:  ^iqoyB  xaC^  oder  dann  auch.'  Leicht  misverständlich, 
da  der  Sänger  epanaleptisch  ^oder  er  auch'  sagt.  —  Vs.  351:  ^  xafi- 
fiOQog^  nach  sonstiger  Analogie  für  xaxdfiogog^  passiv:  gegen  den 
das  Geschick  ist ,  vom  Schicksal  angefeindet.'  Aber  dann  würde  das 
Wort  aus  der  Analogie  von  afi(io(fog  (avcefiOQog) ^  dvccnnLOQog^  ßvafio- 
Qog^  aivöfioQog^  IcofiOQog^  inlgfiof^g^  dxvfiOQog  geradezu  heraus- 
springen,  da  alle  diese  Compositionen  activ  zu  erklären  sind.  Ich 
denke  daher,  dafs  ein  richtigerer  Weg  ans  Ziel  führe,  den  ich  in 
Mtttiells  Ztschr.  (zu  Döderleins  Gloss.  §.  579)  versucht  habe.  —  Vs.  356 


J.  U.  Faesi ;  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd.  235 

konnte  bei  ^cc^goa  zu  rsrvx^to  («yrw)'  noch  Vs.  411  hinzugefügt  sein. 
—  Vs.  385  hat  Hr.  F.  ays^ia^ai,  acccnhiiert.    Aber  beim  IlinbHck  aof 
Lobeck  Khcm.  p.  132  sq.  werden  viele  Bedenken  tragen,  den  überlie- 
ferten Accenl  von  ayi^a^ai  rasch  zu  findern.    Baumlein  hat  ihn  vor- 
sichtig beibehalten.  —  Vs.  390  fragt  man,  warum  bei  der  Erklärung 
von  ivaaskfiog  der  Urheber  derselben,  Grashof  (über  das  Schilf  S.  15) 
nicht  genannt  sei,  wie  es  sonst  geschieht,  zumal  da  jene  richtige  Deu- 
tung noch  von  keinem  der  neuern  Lexikographen  erwähnt  wird.  Aufser- 
dem  hat  Hr.  F.  dem  onXa  zu  viel  beigelegt.    Es  bedeutet  einfach  *  Ta- 
kelwerk, Takelage.'    Was  Homer  dazu  rechnet,  das  lehrt  die  Schiffs- 
werfle  der  Fhaeaken  {^268,  wo  es  durch  nBla^uia  %ai  anBiqa  naher 
erklärt  w  ird ,  natürlich  nebst  dem  beiderseitigen  Zubehör.    Die  Ruder 
aber  sind  ausgeschlofsen ;  denn  diese  werden  speciell  mit  einem  neuen 
Verbum  hinzugefügt.    Auch  der*  Mast  musle  bei  Erklärung  der  ottA« 
wegbleiben.  —  Vs.  403  lautet  die  kurze  Note:  ^Biax  iTttiQEtfioi  sagt 
etwas  zu  viel,  wie  408 — 419  zeigen.'    Das  möchte  wohl  ^ etwas  zu 
viel '  behauptet  sein.   Denn  wenn  Homer  beabsichtigt  hätte,  die  Athene 
in  Mentorsgestalt  hyperbolisch  reden  zu  lafsen,  so  würde  er  nach 
sonstiger  Gewohnheit  einerseits  das  Einsteigen  der  Gefährten  aus- 
drücklich erwähnt,  andrerseits  überhaupt  deutlicher  gesprochen  haben, 
da  ihm  ein  Hlovxctl  y   hi  i^eT/iicf,  xii{v  Ttoridiyfi^svoi  OQfii^v  (nach  (i 
171)  oder  ähnliches  zu  Gebote  stand.    Ich  glaube  daher,  dafs  die  Aus- 
leger und  Lexikographen  Unrecht  thun,  dem  im^Qsriioi  hier  eine  andere 
Beziehung  zu  geben,  als  es  an  allen  übrigen  Stellen  hat.    Es  behalt 
vielmehr  auch  hier  den  Charakter  eines  epitheton  perpetuum:  ^als 
Rudergefährten'  (d.  i.  die  auf  der  Fahrt  mit  Rudern  versehen  sind), 
womit  sonst  die  Ruder.<chifTc  gewöhnlich  verbunden  sind.    In  diesem 
Sinne  bezieht  sich  die  Stelle  nur  allgemein  aufs  Erwarten,  w  ie  11.  l  628 
ähnlich  von  den  Danuern  gesagt  ist:  oi  nov  vvv  ecnai  nortöiytievoi. 
Ueberdies  vergleiche  mnn  we«:en  der  Ruder  das  Vs.  390  über  oirla 
bemerkte.  —  Vs.  409.    Bei  ugi)  ig  und  ^£^6)'  fiivog  könnte  der  Schüler 
passend  an  das  Schillersche  ^safs  König  Rudolphs  heilige  Macht' 
und  ähnliches  aus  unserer  Poesie  erinnert  werden. —  Vs.  419:  *xXi^r- 
dsg,  Ruderbänke,  eigentlich  Schlüfscl,  d.  h.  schlicfsende  Dinge,  weil 
sie  bei  der  ursprünglichen  Bauart  der  Schiffe  ohne  Zweifel  quer 
durch  die  Breite  des  Schiffes  giengen,  wie  auch  die  Benennungen  ivya, 
iuga^  iranstra  andeuten.'    Diese  landläufige  Deutung  macht  mancher- 
lei Schwierigkeiten.    Erstens  wird  dabei  der  BegrilT  des  *  schliefsen- 
den' bis  zu  einem  Grade  erweitert,  dafs  er  unter  den  Händen  zer- 
fliefst.  Denn  *  ein  Querholz  zur  Spannung'  {^vya  von  ^evywtii)  und 
ein  *Schlüfsel'  sind  offenbar  heterogene  Begriffe.    Zweitens  find«l 
man  beim  Schilfsbau  nirgends  zwei  Wörter  für  dieselbe  Sache:  weder 
in  Berghaus'  Geschichte  der  Schiffahrtskunde   des  Alterlhums,  noch 
in  Böckhs  Urkunden  über  das  Seewesen,  noch  in  Rödings  allgem.  Wör- 
terbuch der  Marine  habe  ich  ein  sicheres  Beispiel  dieser  Art  auffinden 
können.    Und  dem  plastischen  Naturdichter  sollen  wir  dies  für  die 
ivyd  und  xhfiÖBg  beilegen  dürfen?    Ist  nicht  glaubhaft.    Drittens  ist 


256  J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.   Ir  u.  2r  Bd. 

bei  dieser  Deutung  in  inl  xXriiai  xa^t^ov  die  Praeposition  nicht  ohne 
Bedenken:  nach  den  sonstigen  Analogien  sollte  man  wenigstens  ivl 
TcXrjiai  erwarten  (wie  bekanntlich  auch  Herod.  I,  24  iv  xotat  i6oi}Uoi<s$ 
sagt).  Viertens  passt  die  Erklärung  nicht  zum  ^Anbinden  der  Ruder 
auf  die  Ruderbänke'  ^  d>7 :  iriö a ii s v o i  i*  ei  nawEg  inl  %XriiCiv  iqt- 
tficf.  Denn  welche  homerische  Vorstellung  sollte  man  damit  verbinden 
können?  Alles  dagegen  stimmt  zusammen,  wenn  man  %Xrfi6eg  in  soU 
eher  Verbindung  durch  ^  Ruder  pflöcke'  übersetzt  (die  Dullen  un- 
serer Schiffer),  an  weichen  die  Ruder  in  ledernen  Riemen  befestigt 
oder  angebunden  wurden.  Es  ist  also  so  viel  als  das  spätere  a^ak- 
flog,  scalmus,  worüber  unter  andern  Vitruvius  X,  8  (mit  homeri- 
scher Vorstellung  übereinstimmend)  bemerkt:  etiam  remi  circa  scal^ 
mos  strophis  religati.  Nach  dieser  Ucbersetzung  haben  wir  eine 
naturgemäfse  Aehnlichkcit  mit  dem  Sphlüfsel,  gewinnen  die  sinnliche 
Anschauung  der  Specialität,  wie  sie  durch  in  igeziia  i^ofuvot  ((i  l7l) 
und  ähnliche  Ausdrücke  in  Homers  Geist  uud  Sitte  erforderlich  scheint, 
und  können  ohne  sprachlichen  Anstofs  erklären :  *  sie  setzten  sich  a  n 
den*^)  Ruderpflöcken  nieder.'  Vielleicht  hat  es  so  schon  Apollonius 
verstanden  mit  seinem  ra  ^vXa  itp  olg  [an  welchen  ?J  o£  iXavvovzsg 
xad'fjvxat,  weil  er  allein  das  allgemeinere  |i;Aa  setzt,  während  die 
übrigen  Grammatiker  das  speciellere  xad'iÖQai  oder  ^vya  gebrauchen. 
Ist  übrigens  die  angeführte  Deutung  richtig  (welche  schon  Damm  un- 
ter xXelg  KU  billigen  scheint),  so  wird  darnach  natürlich  auch  TtoXv- 
xXriig**)  zu  unterscheiden  sein  von  TCoXv^vyog  (vielverbunden),  iv^v- 
yog  (wohlverbunden  oder  gut  gezimmert,  ^£v  avvz^ivyyiivri  xal  riQ^io- 
Cfiivrj*  Schol.),  ixazoivyog  (hundertfach  verbunden).  Das  letztere 
nemlich  deute  ich  nach  derselben  Methode,  mit  welcher  Döderlein 


*)  Ueber  den  Unterschied  zwischen  iv  and  ini  bei  andern  Be- 
griffen—  was  aber  nach  der  Grundanschauung  mit  dem  obigen  harmo- 
niert —  handelt  Kochly  in  der  Ztschr.  f.  d.  AW.  1841  S.  7U4  und  za 
Quintus  Smyrnaeus  U,  134. 

**)  Das  ivuXTiig  dgagvia  II.  m  318  hat  Hr.  P.^beibehalten  und  in 
enger  Verbindung  beider  Wörter  durch  Paraphr.  svnXfiatog  riQfioafiivii 
zu  erklaren  gewagt.  Kann  aber  Hr.  P.  eine  solche  Zusammenfugmig 
des  Adjectivs  mit  einem  agagvCcc  aus  irgend  einem  Epiker  —  aus  Ho- 
mer ists  nicht  möglich  — •  durch  Beii^pieie  begründen?  Ich  zweifle. 
Hätte  der  Dichter  diesen  einfachen  Gedanken  ausdrucken  wollen,  so 
würde  er  wohl  entweder  (nach  II.  i  475.  Od.  <p  236.  382.  %  }^^*  ^^ 
276.  fff  194)  ein  ^qtj  Ttvxivtog  a^agvia,  oder,  wenn  er  i'VQi^  nicht 
wiederholen  wollte,  nach  II.  n  454  ein  nvna  at^ßagdSg  dgagvCa  ge* 
braucht  haben.  Nicht  minder  bedenklich  i^t  die  andere  Weise,  di« 
Spitiner  vertheidigt,  nemlich  iv%Xr}ig  und  dgagvict  durch  Komma  zn 
trennen  und  dann  zu  erklaren:  'ianuam  bene  firmatam  dgagvCav  esse 
intelligitur.^  Aber  das  ist  leichter  gesagt  als  bewie«en.  Denn  nir- 
gends wird  das  nackte  dgagvia  in  dieser  emphatischen  Bedeutung  ge» 
funden,  sondern  überall  steht  ein  entsprechendes  Adrerbium  dabei: 
anfser  den  schon  erwähnten  Adverbien  noch  sv  (II.  ij  339.  438.  Od.  % 
128.  ^^42).  Alles  dagegen  vereinigt  sich  für  tlal  dl  di  diBiXov^  ii 
%Xri£o'  dgagvCUj  was  Bothe  und  Bekker,  und  nach  dessen  Vorgang 
Dindorf  und  Banmlein  aufgenommen  haben. 


J.  U.  Facsi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd.  257 

Glos«.  $.  768  den  inctxoyxBtQog  erledigt:  die  Note  des  Hrn.  F.  za  H.  i; 
S47  scheint  mir  zu  fern  zu  liegen.    Vielleicht  hat  man  auf  dieselbe 
Weise  auch  den  Apollon  iiiccxriߣkhi]g  und  iKaxTißoXog  als  einen  ^hun- 
dertfach treffenden'  zu  verstehen,  wofür  sich   mancherlei  anführen 
lifst.    Schliefslich  hat  Hr.  F.  für  obige  Erklärung  noch  aus  Apoll.  Hh. 
tf,  1664  das  von  der  Medea  gesagte  öia  nXritöag  lovaav  hinzugefügt; 
allein  Merkel  hat  dort  mit  Recht  das  handschriftliche  6ia  Klrjtöog  zu- 
fflckgeführt.    Sonst  stimmt  Apoll.  Rh.  in  dieser  Beziehung  mit  Homer 
Qbereiu.  —  Was  das  Vs.  420  erklärte  tx^ievog  ovgog  anbetrifft,  so  wie 
Vs.  434  das  KolXtig  ivioa^e  fisaoöfirig  und  Vs.  425  das  ngorovoi^  so  habe 
ich  darüber  meine  Meinung  an  anderen  Orten  ausführlicher  dargelegt. 
-*- Vs.  421  ist  nach  dem  Vorgange  anderer  bemerkt  :*  xfAodoiTa  zu 
9roi/rov.'    Das  scheint  in  Bezug  auf  die  Vorstellung  nicht  unbedenk- 
lich zu  sein :  ich  entsinne  mich  wenigstens  solches  bei  Epikern  nur 
in  Verbindungen  gelesen  zu  haben,  wie  Od.  ö  510  rovf  itpoQH  xara 
novxov  anBlqova  xvfiaCvovra.    Für  die  Ansicht  der  Schol.  R 
Q  bei  Butlmann  dagegen  spricht  aufser  11.  if;  208  besonders  der  Vers- 
auigang  inl  otvona  novxov  mit  unmittelbar  vorhergehendem  If/iaacav 
(II.  B  771)  oder  nkitov  (11.  ri  88.  Od.  d  474)  oder  i66v  (11.  i/;  143)  oder 
uov  (Od.  y  286)  und  ähnliches  in  II.  a  350.  1 291.  o  27.  Od.  a  183  u.  s.  w. 
Das  ^oi)y  ava  vija  (likaivav  und  anderes,  was  vielleicht  jemand  für 
Hrn.  F.  anführen  könnte,  ist  verschiedener  Natur.  —  Vs.  428  heifst  es : 
*öuiQa,  hier  und  11.  a  482  besonders  der  den  Vorderbug  bildende 
und  stark  aufwärts  gehende  Theil  des  Kiclbalkens.'    Was  soll  nun 
a^(pl  di  bedeuten?   Pflegt  nicht  die  vom  Vorderbug  durchschnittene 
Welle  am  Hintertheile  wieder  zusammenzurauschen,  und  sollte  nicht 
der  naturtreue  Dichter  gerade  deshalb  sein  a(iq>l  gesagt  haben?   Die 
Meereswoge  nemlich  umrauscht  den  Kielbalkcn,  wenn  das  Schilf  die 
Mündung  des  Hafens  verläfst  und  in  die  offene  See  gelangt.    Dieser 
Moment  ist  an  beiden  Stellen  mit  i^sev  xaxa  ti vfia  bezeichnet.    Die 
Beachtung  dieses  Umstandcs  dürfte  nöthig  machen ,  dafs  in  der  Note 
XU  Vs.  430  eine  Kleinigkeit  etwas  verdeutlicht  würde.   Zu  dem  diicd- 
fuvot  6*  ttQce  OTtka  Oorjv  ava  vija  fiikaivav  xxL  ist  nemlich  zunächst 
bemerkt:  *  durch  diese  Worte  wird  nicht  nur  der  424  IT.  beschriebene 
Act  wiederholt,  sondern  etwas  neues  hinzugefügt.'    Aber  au   eine 
•Wiederholung'  des  schon  •beschriebenen  Actes'  darf  hier  nicht  gc* 
dacht  werden,  weil  die  Mastanfstellung  und  das  Aufliissen  der  Segel 
(?ilxoi/,  noch  nicht  das  Spannen  und  Straffzichen  mit  nixaaaav  und 
xdkoi)   nolhwendigerweise   dem  di^aaa^ai  OTtka   vorhergehen  mufs. 
Das  letztere,  das  Festmachen  alles  Takelwerkes  über  das  ganze  Schiff 
hin  {avit  vija)  erfolgt  doch  erst  dann,  wenn  das  Schiff  in  der  offenen 
See  das  volle  Fahrwafser  gewinnt.    So  hier.    llr.  F.  fahrt  fort:  'weil 
der  so  günstige  Wind  alle  weitere  Thäligkeit  der  schiffenden  über- 
flüfsig  macht ,  binden  sie  Segeltaue  und  Ruder  fest  und  verrichten  mit 
Mufse  eine  Spende.'    Hier  waren  die  Ruder  wegzulafsen,  da  diese, 
wie  schon  oben  bemerkt,  nicht  zu  onka  gehören.   Dies  erhellt  auch 
daraus,  dafs  ein  Festbinden  der  Ruder  (d.  i.  das  Befestigen  der  Ruder 


258  3.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  o.  2r  Bd. 

vermittelst  ihrer  ledernen  Riemen  an  die  Ruderpflöcke)  scbon  Vs.  419 
xoT«  xb  ai(07t(6(Uvov  mit  angedeutet  ist  (wie  fi  203 — 205  beweist). 
Denn  wenn  die  Ruder  nicht  gleich  anfangs  befestigt  worden  wären,  so 
würden  sie  bei  der  ersten  Bewegung  des  Schiffes  schon  in  den  Wellen 
des  Hafens  oder  der  Bucht  zerstreut  worden  sein.  Es  sind  also  auch 
hier  die  onka  Taue,  Segel  und  Raben,  und  das  örfCaa^ai  onXa  be- 
zeichnet das  spätere,  das  Festsetzen  der  Schoten  und  Brassen,  wäh- 
rend Vs.  423  das  onltov  amsa^ai,  aufs  frühere  geht,  aufs  blofse  Zu- 
rechtmachen des  Segelwerks.  Wenn  man  dies  alles  zusammenfafst,  so 
wird  man  am  Gange  der  Erzählung,  der  früher  Nitzsch  und  Bothe 
grofsen  Anstofs  erregte,  nichts  auszusetzen  finden.  Man  darf  nichl 
vergefsen ,  dafs  Homer  an  keiner  Stelle ,  wo  von  SchifTahrt  die  Rede 
ist,  alles  vollständig  zu  geben  brauchte,  sondern  dafs  er  bald  dies 
bald  jenes  (wie  hier  nach  429  das  Vs.  417  angedeutete  Steuerruder) 
seinen  ursprünglichen  Hörern  als  selbstverständlich  überlafsen  konnte, 
da  die  kleinasiatischen  und  europaeischen  Hellenen  von  Jugend  auf  in 
der  Sache  lebten ,  die  wir  Binnenbewohner  erst  aus  Büchern  und  aus 
Beobachtung  auf  kleinen  Seereisen  mühsam  erlernen  müfsen.  Gut  aber 
wäre  es,  wenn  Hr.  F.  diesen  innern  Zusammenhang  der  Stelle  von 
Vs.  419  bis  zum  Schlufse  für  Schüler  kurz  darlegte. 
Dritter  Gesang. 
Wenn  Vs.  2  bei  ^nokvxaXxog,  reich  an  Erz  (in  Zieraten  und 
kostbarem  Schmuck)'  die  von  Nitzsch  zu  x  508  gebilligte  Ansicht  G. 
Hermanns  (Opusc.  IV  p.  268:  ^splendidum  aerea  supellectile  ornamen- 
tisque')  befolgt  werden  sollte,  ohne  den  Bemerkungen  Göttlings  (Hcs. 
Theog.  126)  und  Dissens  (kl.  Sehr.  S.  401)  einen  Einflufs  zu  gestalten, 
so  schiene  es  zweckmafsig  zu  sein,  an  den  ^glänzenden  Schmuck' 
(erzumstrahlt)  und  an  daxegoeig  zu  erinnern,  so  wie  an  Ttäg  d* 
oQa  %€ckx^  kcc(i7t6,  an  kdfine  öi  ;t<^Axoo,  an  aQfiaza  noiTdka  ^alxcö  nnd 
ähnliches.  Denn  von  derartigen  Stellen  mufs  wohl  der  Ausgang  für 
die  obige  Deutung  genommen  werden.  —  Vs.  9  hat  Hr.  F.  die  be- 
gründete Entgegnung  Grashofs  (zur  Kritik  des  homerischen  Textes, 
Düsseldorf  1852,  S.  31  Anm.  54)  vielleicht  noch  nicht  benutzen  kön- 
nen. Die  firigla  nnd  fiiJQfic  hat  er  vorsichtig  erklärt;  indes  gibt  ihm 
die  erneuerte  Behandlung  der  Streitfrage  von  G.  Hermann  zu  Aesch. 
Prom.  498  wahrscheinlich  Veranlafsung  zu  nochmaliger  Prüfung,  ob 
er  künftig  die  *  Schenkel knochen'  beibehalten  könne.  Wären  diese 
wirklich  bei  Homer  gemeint,  so  würde  wohl  ein  deutliches  oatia  (iri- 
Qciv  irgend  einmal  in  den  Vers  gebracht  sein.  Ferner  ist  nur  beim 
Festbalten  der  Schenkel  die  Vs.  65  von  XQia  imiQxtqa  gegebene 
Erklärung  passend.  Widrigesfalls  enthält  sie  einen  kleinen  Wider- 
spruch. Denn  man  kann  wohl  Knochen  und  Fleisch  entgegen- 
setzen, aber  nicht  Knochen  und  %qia  vnigxeQU.  Endlich  ist  die 
seit  J.  H.  Vofs  in  Umlauf  gekommene  Deutung  der  nCova  firigla  noch 
von  niemand  als  homerisch  erwiesen  worden.  —  Vs.  31 :  ^ciyvQig^  jede 
gemischte  Versammluni; ,  nicht  nur  eine  öffentliche  und  formell  gesetz- 
liche (piyoQiq)  von  politischer  Bedeutsamkeit'.    Also  doch  auch  dis 


J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Jr  u.  2r  Bd.  259 

leUlere?  Aber  dies  wird  durch  homerischen  Sprachgebraoch  nicht 
bestätigt,  wie  schon  Nitzsch  und  Döderlein  Gloss.  §.  54  in  bestimm- 
terem Ausdruck  dargelegt  haben.  —  Vs.  45  hat  Ilr.  F.  gegen  Bekker 
and  dessen  Nachfolger  ^  &i}iig  iauv  zurückgeführt.  Aber  der  Um- 
gtand,  dafs  das  blofse  jj  und  'fjxt  bei  Epikern  so  vorhersehend  die 
locale  Bedeutung  haben,  wird  schwerlich  gestatten,  dafs  die  drei 
Aasnahmen  mit  beigefügtem  tvsqj  die  er  zu  &  510  erwähnt,  einen  noch 
weiter  reichenden  Einflufs  üben.  Gegen  die  Richtigkeit  von  fj  ^iiug 
knlv  und  fj  8ixi]  iaxl  wird  nach  der  Erörterung  von  Lehrs  (Ztschr.  f. 
d.  AW.  1834  S.  147  und  Quaest.  ep.  p.  44)  schwerlich  ein  begründeter 
Zweifel  entstehen  können.  Wo  die  Formel  den  Charakter  des  Neben- 
sitzes verlafst  und  einen  Hauptsatz  bildet,  da  mnfs  natürlich  an  die 
Stelle  der  Partikel  der  PronominalbegrifT  treten,  wie  Od.  5  59.  w  255. 
986  und  noch  deutlicher  r  43,  welche  Stellen  Ndgclsbach  zu  IL  ß  73 
(mit  Beistimmung  von  Nitzsch  zu  A  451)  für  die  Deutung  auch  des  er- 
steren  Falles  —  ich  glaube  mit  Unrecht  —  als  mafsgebend  betrachtet. 
Denn  dafs  der  Ausdruck  auch  wechselt,  zeigen  Stellen  wie  II.  X  779 
u  xz  ^elvoig  &ifiig  iaziv.  —  Vs.  48.  Der  vielcitierte  Ausspruch  nav- 
ug  dl  ^ecov  %atiova  Sv^qcotcoi  hätte  wohl  eine  kurze  Note  verdient, 
zumal  da  die  Ausleger  und  Lexikographen  (auch  Siebeiis  Dispulat. 
quinque  p.  55),  xariovat  durch  ^bedürfen'  übersetzend,  den  Gedanken 
mit  Unrecht  vertieft  haben.  Es  heifst,  was  ^ar^ftv  und  xuxtluv  über- 
all bedeutet,  Verlangen  oder  begehren  der  Götter'  und  bezieht  sich 
auf  das  Verlangen,  gleichsam  den  Durst  nach  Göllcrverehrung,  wie 
sie  durch  das  hellenische  Alterthum  durchgeht  und  an  unserer  Stelle  im 
zweimaligen  Bv%i(S%^m  vorliegt.  Dies  ist  in  Wahrheit  der  pius  sensus^ 
von  welchem  Siebeiis  redet.  In  solchem  Sinne  ist  vorliegende  Stelle 
mit  Recht  benutzt  von  Tholuck:  das  Heidenthum  nach  der  heiligen 
Schrift  (Berlin  J853)  S.  9.  —  Vs.  62:  ^iTteixa  hat  etwa  die  Kraft  wie 
sonst  fi/Oa,  da.'  Schwerlich,  weil  ivd'a  und  tneixa  nicht  selten  bei 
Homer  vereinigt  sind.  Hier  scheint  iTtarcr  vielmehr  mit  Bezug  auf  Vs. 
43  «t!%«o  vvv  gesetzt  zu  sein.  —  Vs.  72:  ^rixt  %axa  TtQij^iv ^  erg. 
nksixe,*  Doch  wohl  mit  Hinznfügung  des  vyqa  xiXev&a.  Aber  dann 
mUsle,  wie  ich  meine,  nach  ngti^iv  Fragezeichen  oder  wenigstens 
Komma  stehen.  Wenn  aber  mit  Bekker  jede  Interpunction  unterlafsen 
wird ,  so  scheint  es  dem  naiven  Tone  der  Erzählung  mehr  zu  entspre- 
chen, das  gleich  folgende  aXaltiad'e  auch  zu  xaxa  TtQtj^iv  zu  ziehen, 
80  dafs  es  nach  Analogie  von  nXoi^sa&ai  xaxcc  Xt}tda  (Vs.  106)  gesagt 
sei.  Freilich  ist  es  ein  Wagnis,  über  die  Grundsätze  der  Interpunc- 
tion, die  Bekker  im  Homer  befolgt,  ein  Urtheil  zu  füllen,  da  man 
darüber  bei  aller  sorgsamen  Vergleichung  nicht  zur  vollkommenen 
Klarheit  kommt,  und  der  grofse  Philologe  sich  nicht  erbitten  läfst, 
zum  Nutzen  für  uns  Schulleute  einige  Bogen  herauszugeben.  —  Vs. 
91  heifst  ^^AiiipixQLXj}  die  Repraesentanlin  des  Meeres  als  Weltelemen- 
tes', was  ein  verfehlter  Ausdruck  ist,  der  über  den  Homer  hinaus- 
greift und  die  hesiodeische  Ansicht  unterschiebt.  Es  wird  daher 
blofs  (mit  Nitzsch  za  e  422)  die  Repraesentantin  des  tobenden  Meeres 


260  J.  U.  FaesI;  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

hervorzuheben  sein,  was  auch  mit  Nagcisbach  hom.  Theol.  S.  79  sich 
vereinigen  läfsl.  —  Vs.  109.  Bei  IWa  ^liv  .  .  .  iv^a  öi .  .  .  Iv&a  6i 
.  .  .  Sv^a  de  schiene  mir  nöthig  zu  sein,  dem  Schüler  einen  kurzen 
Wink  darüber  zu  geben,  dafs,  wenn  die  Griechen  auch  dasselbe 
Wort  wiederholen ,  sie  das  erstemal  fiiv^  sodann  jedesmal  6i  hinzu- 
setzen, weil  sie  bekanntlich  die  Nebenbestimmungen  jenes  BegrilTes 
distinguieren.  Es  ist  dies  ein  Fall ,  den  die  Schüler  in  den  griechi- 
schen Exercitien  beim  Partikelgebrauch  von  fiiv  und  di  nicht  selten 
verfehlen.  Das  mögen  auch  die  praktischen  Englander  aus  der  Erfah- 
rung ihrer  Jugend  wifsen,  weil  Elmsley  zu  den  Tragikern  gerade  auf 
diesen  Fall  mehrmals  zurückkommt.  —  Vs.  112:  ^riöi  ticcxi^T^g^  nem- 
lich  nBQl  aXk(ov.'  Leicht  misverständlich,  weshalb  deutlicher  zu  sa- 
gen wäre,  dafs  das  nigi  zu  beiden  Begriffen  gehöre,  zu  xaxvg  and 
zu  fiaxriX'qg, —  Vs.  115:  ^Tcevrdstes  xal  i^aetsg,  fünf,  ja  sechs  Jahre; 
wie  im  Lat.  terque  qualer  que.'  Aber  im  Texte  sieht  nevr  der  ig  y§ 
xal  i^ditsg^  so  dafs  im  Geiste  der  Griechen  der  Acccnt  ant  nevraetsg 
fallt,  mithin  xal  nicht  so  stark  betont  werden  darf.  Das  Lateinische 
passte  formell  nur  zu  Stellen,  wie  ß  374  eine  ist.  Richtig  sagt  Nitzsch: 
^wenn  du  auch  fünf  Jahr  und  darüber  hier  blfebest  und  immer  frag- 
test.' Gerade  so  tf  233  gf/vov  ye  Kal'^lQov  (iiaXog,  wo  im  folgenden 
ßCy  d^  0  ye  q>iQXSQOg  tisv  der  Aufschlufs  für  die  Hervorhebung  des 
^Hvog  deutlich  gegeben  ist.  Aehnlich  in  allen  Stellen,  wo  diese  Ver- 
bindung wiederkehrt.  —  Vs.  118:  * ccfiq>ibtovreg ^  adverbial:  eifrig, 
geschäftig.'  Eine  solche  Erklärung  will  mir  nirgends  recht  homerisch 
erscheinen.  Das  einfache  *wir  bereiteten  ihnen  Uebel  sie  umge- 
bend (umdrängend)  oder  um  sie  beschäftigt'  dürfte  vorzu- 
ziehen sein.  Ebenso  11.  ß  525.  e  667.  r  392,  an  welchen  Stellen  Hr.  F. 
schweigt.  Nur  zu  II.  rj  3J6  tov  öiQOv  dti(pl  ^'  titov^  %al  fiiv  diixsvacv 
oTtavra  liest  man:  ^  ifiipC  d"  inov  wie  sonst  das  Participium,  vgl.  zu 
Od.  y  118=11.  e  667.'  Dafs  aber  dies  sein  Bedenken  habe,  zeigt  die 
gleichlautende  Stelle,  zu  der  wieder  nichts  bemerkt  ist.  Od.  &  61 
Tovg  digov  a^^l  ^'  Sncov,  «tvxovto  t£  öcth*  iqaxHvriv^  weil  es  hei 
der  Annahme  jener  Erklärung  wenigstens  xexvxovxo  öi  heifsen  müste, 
wenn  nicht  nach  der  Stelle  der  Ilias  KaC  ins  zweite  Hemistichion 
gebracht  wäre.  Ich  meine  daher,  dafs  man  nicht  nöthig  habe,  die 
Jugend,  der  man  ein  Verständnis  des  homerischen  Epos  beibringen 
will,  durch  derartige  Noten  in  der  Unmittelbarkeit  der  sprachlichen 
Auffafsung  zu  stören.  —  Vs.  120.  Zu  Iv^  ov  xig  ist  beigeschrieben: 
*vgl.  126.  141  iv&'  ^rot.  Eine  sehr  zwanglose  Verbindung.'  Aber 
das  ist  doch  überall  Charakter  der  epischen  Verbindung,  da  das  ge- 
zwungene nicht  ins  Epos  gehört.  Hr.  F.  hat  sich  ohne  Zweifel  im 
Ausdruck  vergriffen ,  indem  er  mit  praktischer  Praecision  ausdrücken 
wollte,  was  Nitzsch  zu  Vs.  103  S.  153  also  bemerkt:  ^ iv^a  steht  hier 
ohne  Copula  und  gibt  den  ersten  unabhängigen  Satz^  u.  s.  w.  Uebri- 
gens  Bndet  sich  Iv^'  ov  xig  ebenso  t,  146.  II.  d-  253.  ^  632.  Und  wie 
oft  steht  fi^'  1^x01  und  fv^«  ohne  weitere  Copula  zu  Anfang  des 
Satzes,  so  dafs  ich  fast  furchte,  die  Note  des  Hrn.  F.  nicht  richtig 


J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  ii.  2r  Od.  261 

verstanden  zu  haben. —  Vs.  123:  ^  alßag  fi'  f;|f«,  nicht  sowohl  weisen 
der  aufrallenden  Achnlichkeit  (vgl.  6,  142.  149),  als  in  Betrachtung 
des  Gedankens ,  dars  Telemach  der  Sohn  des  treflflichen  Freundes  sei.' 
Das  will  mir  für  den  Charakter  der  homerischen  Naivetät  zu  gesucht, 
%u  reflexiv  vorkommen.  iSodann  scheint  es  bedenklich,  beide  Stel- 
len, die  unsrige  und  die  citierte,  dem  Sinne  nach  voneinander  za 
trennen,  flutte  der  Dichter  dies  beabsichtigt  und  die  erwähnte  ^Be- 
Irachtong  des  Gedankens'  hervorheben  wollen,  so  würde  er  wohl 
nicht  die  stabile  Formel  aißag  rc'  e^et  mit  dem  folgenden  daoQOoyina 
gebraucht  haben,  sondern  mit  ogfialvovra  oder  xid^ijTta  öe  ^eQfiijgl^oiv 
oder  eine  ahnliche  Formel,  die  den  Gedanken  mit  epischer  Deutlich^ 
keit  ausdrückte.  Aber  gerade  die  stabile  Formel  mit  eiaoQoaita  so 
wie  die  gleich  folgende  Begründung  mit  yaQ  scheint  deutlich  anzu- 
deuten, dafs  man  an  beiden  Stellen  dieselbe  Beziehung,  die  naive  Be- 
zeichnung der  Aehnlichkcil  festhalten  müfse.  Auch  im  folgenden  iot 
wxsg  und  ioixOTa^  wo  Hr.  F.  (mit  Nilzsch)  die  übertragene  Bedeutung 
gibt,  scheint  mir  blofs  der  Begriff  einer  Achnlichkeit  vorzuliegen,  so 
dafs  die  Worte  ovöi  x£  gxxlt^g  avöqa  vearsQOv  ade  ioix&cce  ^iv- 
^ijaaat^ai  nicht  sowohl  den  schon  etwas  entfernter  liegenden  Sinn 
enthalten:  *wer  als  jung  schon  so  angemefscn  oder  so  verständig 
spricht,  mufs  wohl  eineu  ausgezeichneten  Vater  haben',  sondern  viel- 
mehr die  näher  gelegene  Einfachheit  bieten:  *man  sollte  nicht  mei- 
nen, dafs  schon  ein  jüngerer  Mann  seinem  Vater  so  ähnliches  rede, 
d.  i.  dafs  diese  Achnlichkeit  mit  dem  Vater  schon  im  jungen  Manne  so 
scharf  ausgeprägt  sei.'  Nur  dieser  Gedanke  ergibt  sich,  wie  mir 
scheint,  auf  natürliche  Weise  aus  den  Worten  des  Menclaos  d  204: 
Tooct  elneg  oö'  Sv  nsnwfilvog  aviig  ainot  Kai  gipste ^  9ial  og  rtQoye- 
viaxeQog  ettj.  Dazu  11.  i  57.  58  und  ähnliche  Stellen.  —  Vs.  129. 
Die  praktische  Kürze  zu  yivotxo  ^  dies  war  ihre  dauernde  Absicht'  ist 
nur  wegen  des  Wörtchens  *  dauernd'  leicht  misverstündlich,  weil  eino 
Betonung  desselben  auch  für  yivrjrai  passte,  wie  bekanntlich  auch 
Vofs  Randglossen  S.  30  nach  einer  Wiener  Handschrift  mit  Unrecht 
lesen  wollte.  Daher  wäre  wohl  die  Note  noch  bestimmter  gestaltet 
mit  einem:  *dies  war  ihr  beabsichtij^ter  Gedanke.' —  Vs.  131  ist  Hr. 
F.  in  der  zweiten  Ausgabe  stillschweigend  dem  troiTlichcu  Nitzsch 
gefolgt,  indem  er  den  Vers  (was  auch  Bothe  und  Bäumlein,  aber  mit 
Anfahrung  ihrer  Auctoritüt  gothan  haben)  als  unecht  einklammert, 
weil  *  durch  ^eog  6'  iKidaaaev  'Aicciovg  als  [durch]  die  letzten  Worte 
des  Vordersatzes  schon  dem  Nachsatze  %al  xoxe  d>/ — ^Agveloig  vorge- 
grilTen  und  überhaupt  das  Kiödaai  ^Agyilovg  [vielmehr  Axaiovg]  zu 
früh  erwähnt'  sein  würde.  Mir  scheint  indes  gerade  dies  Vorgreifen 
ganz  im  Charakter  von  Nestors  Reden  zu  liegen.  Im  Munde  eines 
Achilleus,  Agamemnon,  Aias,  Diomedes  und  ähnlicher  würde  es  auf- 
fallen, aber  Nestor  (man  betrachte  nur  sorgsam  II.  a  260  ff.  ß  337  ff. 
17  133  ff.  il  671  fff.  tf;  630  fff.)  Nestor  pflegt  den  Gegenstand,  von  wel- 
chem er  sprechen  will,  gleich  wie  ein  Thema  an  die  Spitze  zu  stel- 
len, sodaon  in  der  Regel  zurückzugreifen  und  die  Thatsache  in  ihrer 


262  J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

Entwicklung  vom  Anfang  an  mit  epischer  Fülle  darzulegen.  So  auch 
an  unserer  Stelle.  Was  ferner  die  ^  zu  frühe  Erwähnung  des  %e6aaai 
^Axuiovg'  betrifft,  so  scheint  mir  Nitzsch  den  Gedanken  zu  sehr  aaf 
die  Spitze  einer  anstöfsigen  Form  erst  gestellt  zu  haben,  indem  er 
bemerkt:  ^als  aber  nach  Trojas  Zerstörung  wir  abfuhren  und  ein  Goit 
der  Achaeer  zerstreute,  da  erregten  Zeus  und  Athene  Hader,  der  die 
Achaeer  zerstreute  und  ihnen  Unglück  drohte.'  Denn  erstens  sind 
«Zeus  und  Athene'  beim  Dichter  nicht  in  so  unmittelbarer  Verbindung 
nebeneinander  gestellt,  und  zweitens  ist  das  nochmalige  *  zerstreute' 
nur  in  einer  zurückgreifenden  detaillierten  Erzählung  des  ganzen  Her- 
gangs enthalten,  nicht  in  einer  auffälligen  Wiederholung  derselbea 
Sprachform.  Der  Sache  nach  kann  eine  Abfahrt  und  ein  Zerstreui- 
werden  der  Achaeer  vorausgehen,  und  doch  das  Ende  eine  glückliche 
Rückkehr  sein;  der  Dichter  aber  will  gerade  hervorheben:  *als  wir 
nach  Trojas  Zerstörung  abgefahren  waren  und  eine  Gottheit  die  Achaeer 
zerstreut  hatte,  da  nun  bereitete  Zeus  eine  schreckliche  Rück- 
kehr'. Dies  ist  gleichsam  das  Thema  für  die  folgende  Detaillierung. 
(Von  6iner  Seite  kann  man  auch  IL  /  316  das  xki^QOvg  ndkkov  ver- 
gleichen, wozu  Nägelsbach  und  diese  NJahrb.  Bd.  LIX  S.  276.)  Das 
kvyQOv  ist  hier  besonders  betont,  weshalb  der  Begriff  desselben  za 
wiederholten  Malen  wieder  aufgenommen  wird,  Vs.  162  mit  Zeig  ijgiva 
Tirifia  MixoiOj  Vs.  160  mit  Zeig  d^  ov  na)  fti^Jero  voaxov^  Vs.  166  mit 
xaxa  fiijdero  öalfiav.  Uebrigens  scheinen  mir  ^eog  (Vs.  131)  und 
öalfKüv  mit  Bezug  auf  Athene  gesagt  zn  sein,  so  dafs  diese  auch 
hierdurch  mit  Zeus  in  geregelte  Wechselwirkung  tritt.  Erwägt  man 
dies  alles,  so  steht  zu  befürchten,  dafs  man  hier  mit  dem  *  Obeloa 
neben  dem  Asteriskos'  zu  rasch  gegen  alte  Ueberlieferung  auftritt. — 
Vs.  146.  Nach  sonstiger  Gewohnheit  wäre  II.  i;  466  hinzuzufügen.  — 
Vs.  149  liest  man:  ^avoQovCav^  sie  brachen  auf,  stürmten  fort.'  Für 
diesen  hier  nicht  passenden  Begriff  sind  andere  Verba  gebräuchlich, 
avoQOvCai>  dagegen  ist  blofs  avaaxijvai  raxicagj  ^aufspringen',  nooh 
nicht  ^fortstürmen'.  —  Vs.  170  sagt  Hr.  F.:  ^naiTtakong^  durch 
Reduplication  von  TraAi^,  nakX(o^  torquere  ^  crispare^  daher  lorluoiuM^ 
reich  an  Windungen,  gezackt,  klippenreich:  von  Bergen  und  felsigen 
Inseln.''  Diese  G.  Hermannsche  Erklärung,  die  der  feinfühlende  Lu- 
cas: de  voce  Homerica  TtolvTialnalog  aliisque  cognatis  vocabulia 
(Bonnae  1841)  am  besten  entwickelt,  bietet  mehrfache  Schwierigkei- 
ten. Erstens  geht  sie  von  einer  Bedeutung  des  TtakXetv  aus,  die  nicht 
nachweisbar  ist:  die  erwähnte  BegrifTssphaere  gehört  eher  zu  ikiaasiv 
und  eki^,  wie  Aeschylos  z.  B.  vom  Zickzack  des  Blitzes  Sltxa  atSQO' 
Ttrjg  sagt.  Zweitens  beeinträchtigt  die  Erklärung  die  sinnliche  An- 
schauung und  das  homerische  Leben,  indem  sie  in  starren  Zustand  ver- 
wandelt was  im  Dichter  (bei  richtiger  Deutung)  überall  als  sinnlich 
selbstlhätige  Bewegung  erscheint:  kurz  die  ganze  Erklärung  würde 
(die  Möglichkeit  der  genannten  Bedeutung  von  nakkeLv  einmal  an- 
genommen, nicht  zugegeben)  erst  durch  eine  zu  verstandesmäfsige 
Operation  gewonnen.    Drittens  ist  die  Deutung  ^gezackt'  oder  *klip- 


J.  U.  Facsi :  Homers  Odyssee.  Ir  n.  2r  Bd.  263 

penreich '  für  öKOTtii^ ,  oöog  und  aragycog  unpassend.  Was  ist  nun  tu 
thnn?  Mir  will  alles  auf  einfache  und  natürliche  Weise  also  zusam- 
menstimmen. Das  TtftAilfiv  heifst  ^8ch>vingen'  (pv  ipikov  vibv  nriXe 
jiQClv  oder  ^UiQovq  iv  xvviy ,  was  Iheils  einen  Hauptnamen  des  Hel- 
mes, yt'qkii^^  bildet,  (heils  in  fx  ö'  l^oge  xkrjgog  U.  ?/ 182  sein  Cor- 
relat  hat),  ^sich  schwingen,  springen,  hüpfen'  (selbst  in  nakkizai 
^xoQ  iva  arofuir),  so  dafs  es  £uripides  und  Aristophanes  auch  von 
tanzenden  sagen.  Demnach  heifst  natnakoBig  mit  intensiver  Redupli- 
cation  ganz  einfach:  ^sich  aufschwingend,  emporspringend.'  Dies 
passt  auf  die  Inseln,  insofern  der  Begriff  mit  plastischer  Anschaulich- 
keit von  den  Bewegungen  des  Schiffes  aus  auf  die  Inseln  übertragen 
wird.  Denn  die  Griechen  pflegen  nicht  selten  das,  was  eine  Person  oder 
Sache  erleidet,  als  thütigen  Act  dieser  Person  oder  Sache  darzustel- 
len *),  Wie  also  z.  B.  £urip.  £1.  435  inakke  dekq>lg  ngagaig  xva- 
vsfißokoig  eiktaaüfiBvog  sagt,  so  hat  schon  Homer  einen  solchen  Ge- 
danken mit  versinnlichter  Belebung  des  leblosen  den  vier  Inseln  bei- 
gelegt, in  deren  Nähe  sich  die  Schiffahrt  der  homerischen  Menschen 
häufig  bewegte.  Nach  derselben  Auffafsung  haben  wir  im  Dichter 
eine  sich  aufschwingende  oder  emporspringende  Warte  (Od.  x  97. 
148.  194),  einen  sich  aufschwingenden  oder  emporspringenden  Berg 
(11.  V  17,  vgl.  wegen  derselben  versinnllchlen  Belebung  des  leblosen 
11.  Q  748  TtQcav  Tiedloto  dianQvöiov  xtcvxyj^dg.  Od.  x  88  nixQi] 
ilklßaTog  XBXvxriY,E  öiccfineQeg  aiig)oxiQ(o&£v);  wir  haben  ferner  einen 
sich  aufschwingenden  oder  emporspringenden  Weg  (11.  (i  168;  solche 
Wege  sind  Lieblingsgänge  der  170  erwähnten  ^iQritfiQsg,  Od.  q  204), 
einen  sich  aufschwingenden  oder  emporspringenden  Pfad  (11.  ^743,  wo 
erst  durch  vorstehende  Deutung  die  Scene  recht  malerisch  beleuchtet 
wird).  Das  letztere  vergleicht  llr.  Vollbrecht  zu  Clausthal  in 
einem  Privatbriefe  an  mich  sehr  gut  mit  unserem  Ausdruck:  ^der 
schwindelnde  Pfad.'  So  stimmt,  wie  ich  meine,  das  Ganze  zur 
Glosse  des  Hesychius:  TConTtakkuv  (SeIhv^  und  der  Anfang  im  neuen 
Passow:  ^nuiTtctkoeig^  ein  schwer  zu  bestimmendes  episches  Wort* 
dürfte  vielleicht  erleichtert  sein.  Auch  in  der  Deutung  von  nokvTtal- 
nakog  Od.  o  419  kann  ich  Hrn.  F.,  der  (wie  die  Lexikographen)  er- 
klärt: *an  Windungen  und  Bänken  reich,  versutus^  dolosus^  nicht 
beistimmen.  Denn  itdkt}^  das  geschwungene  Mehl,  was  Hr.  F.  hinzu- 
bringt, und  Tcamdky  sind  nachhomerische  Bildungen  uud  verlafsen, 
metaphorisch  verstanden,  die  Bcgriffssphaere  des  Dichters.  Das  hat 
Lucas  p.  6  gut  angedeutet.  Dieser  selbst  aber  gewinnt  denselben  Be- 
griff auf  folgende  Weise:  '  verto  Ttokyncclnakog  torhwsus^  ul  idem 
fere  valeat,  quod  TCokvxQonog;  in  qua  interpretatione  miriftce  me  ad- 


♦)  Darüber  ist  in  MutzelU  Zeitschrift  zu  Döderleiiis  Glossarium  $. 
217  genauer  gehandelt  worden.  Aufserdem  ist  in  jenem  längeren  Auf- 
sätze vieles  zur  Prüfung  für  Hrn.  Faesi  gegeben,  da  ich  denselbi^n 
fiberall  entweJer  ausdrücklich  genannt  oder  stillschweigend  berück- 
sichtigt habe. 


264  J-  U.  Faesi :  Homers  Odyssee,  ir  a.  2r  Bd. 

invat  ipse  sensus  Homeri  atque  totius  vetnstatis  consensus  "^^^  qao 
iusta,  Vera,  proba,  clara  et  aperta  dicuntur  recla,  iniusta,  falsa, 
improba,  obscura  et  obtecta  quaeque  obliqua  ei  flexa  nancupantur*. 
Dagegen  Urst  sich  erwiedern,  dafs  die  ße^rilTe  krumm  und  ge- 
rade mit  dem  Sinne  von  itaklnv  und  dessen  Derivaten  nicht  in  Ver- 
bindung stehen.  Denn  von  nakkBtv  hat  so  gut  wie  von  zgiTCSiv  keine 
Ableitung  bei  Homer  eine  moralische  Bedeutung.  Daher  wird  nichts 
anderes  übrig  bleiben  als  unter  TCokwtaCütaXoi  die  Phoeniker  als  solche 
KU  verstehen,  die  sich  viel  hin-  und  herschwingen  auf  ihren  Fahrten, 
die  viel  umhergeworfen  werden.  Ich  adoptiere  also  die  Worte  des 
Hrn.  Lucas  *  ut  idem  fere  valeat  quod  nokm^oito^'^  aber  nur  nach  der 
sinnlichen  Bedeutung  des  Wortes,  die  auch  Döderlein  Gloss.  §.  666 
mit  Recht  hervorhebt.  —  Vs.  173  wird  zur  Erklärung  von  q>aCvsiv 
rigag  hinzugefügt:  Murch  Donner,  Blitz  oder  Regenbogen.'  Es  lafst 
sich,  was  noch  wahrscheinlicher  ist,  hier  hinzudenken:  oder  durch 
einen  Raubvogel,  dessen  Flug  die  zu  ergreifende  Richtung  symbo- 
lisch vorzeichne.  —  Vs.  182:  ^foracrorv,  seltene  Abkürzung  für  fari^ 
aav.'  Warum  nicht  genauer,  dafs  diese  ^Abkürzung'  nach  dem  Bek- 
kerschen  Texte  nur  noch  II.  (i  56,  wo  Hr.  F.  schweigt,  gefunden 
werde?  Indes  sind  beide  Stellen  mehr  als  bedenklich,  und  es  bedarf 
noch  erneuter  Untersuchung,  ob  nicht  auch  hier  ein  Tarccöav^  das  we- 
nigstens einige  Handschriften  bieten ,  die  ursprüngliche  Lesart  gewe- 
sen sei ,  weil  man  für  eine  derartige  Verkürzung  des  Indicalivs  keine 
Stütze  der  Analogie  ganz  haltbar  ßndet.  Das  hat  schon  Thiersch  gr. 
Gr.  §.  223  h  S.  368  vor  Jahrzehnten  bemerkt  und  idTaaav  empfohlen. 
Spitzner  im  Exe.  V  sagt  freilich  apodiktisch:  Mn  lliados  locum  abso- 
num  est.'  Aber  ein  solches  Urtheil  bleibt  stets  subjectiv.  Denn  einem 
Dichter  mufs  es  erlaubt  sein ,  jedes  Factum  in  der  Entwicklung  seines 
mühevollen  Herganges  plastisch  zu  schildern,  wenn  es  ihm  gut  dünkt, 
wie  z.  B.  der  Dichter  bei  der  Beschreibung  des  achilleischen  Schildes 
mit  Ttolsi  und  nolrfii^  rsv^B  und  iv  d'  ixli^ei  abwechselt.  So  kann  der 
BegrifT  des  Imperfects  auch  bei  Taxaaccv  in  II.  (a  56  und  Od.  y  182 
grammatisch  und  aesthetisch  gedacht  werden.  Oder  wer  die  Theorie 
von  Nagelsbach  II.  a25,  die  Hr.  F.  Od.  c  307  adoptiert,  zu  der  sei- 
nigen macht,  dafs  nemlich  im  Impcrfect  eine  nachhaltige  Wirkung 
liege,  der  findet  auch  dafür  einen  Anhalt,  an  der  Stelle  der  Ilias  in 
den  Worten  öriliav  avS^^v  ak6(0QriVj  und  an  unserer  Stelle  in  dem 
Gedanken,  dafs  Diomedes  seine  Schiffe  iv^'Agyei  aufgestellt  behielt, 
weil  er  von  jetzt  an  seine  Herschaft  ruhig  genofsen,  keine  Seefahrten 


*)  Diesen  wahren  Ausspruch  hat  Koster:  Erläuterungen  der  hei- 
ligen Schrift  ans  den  Klassikern,  besonders  aus  Homer  (Kiel  1833) 
S.  3  f.  auch  mit  alttestamentlichen  Parallelen  belegt  und  in  Hinsicht 
auf  obige  Stelle  S.  4  bemerkt:  'Humer  nennt  zwar  die  betrnglichen 
Phoeniker  nokvTtainaXoi  (vielgewandte,  von  ndlXca,  torquere} ; 
aber  doch  ohne  deutliche  Misbilligung.'  Das  letztere  ist  rieh* 
tie  bemerkt;  denn  für  diesen  Fall  würde  der  Dichter  wie  4  288  dwa- 
Ti^liOi  cesagt  haben. 


J.  U.  Facsi:  Homars  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd.  265 

weiter  unternommen  habe.  Denn  die  späteren  Sagen  über  Diomodes 
flndcn  im  Homer  keine  Anknüpfung.  Ucbrigens  hat  der  grOndliche 
HoDierikcr  Grashot':  Kur  Kritik  des  hom.  Textes  S.  6  für  beide  Stellen 
arijaovr'  in  Vorschlag  gebracht;  allein  im  Homer  bleibt  jede  Conjec^ 
tor,  die  aus  alter  Ueberlieferung  nichts  für  sich  hat,  eine  Kühnheit. 
Nebenbei  möchte  ar^^actc^cci  vijag  nicht  ganz  unbedenklich  sein,  weil 
Homer  das  Medium,  aufser  dem  intransitiven  Gebrauche  desselben, 
nur  mit  dem  Objecto  löxov  und  zweimal  mit  xQijrrJQa  verbindet.  — 
Vs.  193.  Die  nach  Nitzsch  gegebene  Bemerkung:  ^xal  gehört  nicht 
Bar  KQ  otrro/,  sondern  auch  zu  voCtpiv  ioirceg'  möchte  man  aus  dem 
Epos  durch  sichere  Parallelen  begründet  sehen.  —  Vs.  205  hatte 
ivva(uv7taQcc&shv  wohl  eines  Winkes  bedurft.  Bäumlein  hat  an  der 
Praeposition  solchen  Anstofs  genommen,  dafs  er  für  nöthig  hielt,  aus 
Schol.  EQ  Vs.  217  Ttsgi^nev  in  den  Text  zu  setzen.  Aber  das  klingt 
gerade,  als  wenn  die  Götter  wie  Feldherren  eine  Macht  um  Telcma- 
chos  herum  stellen  sollten,  da  TtEQid'Bivai  sich  sonst  nur  mit  sinn- 
lichen BegrifTen  und  zwar  stets  in  der  Tmesis  verbunden  findet,  wie 
im  bekannten  nzgl  xvqfirjaLv  i&rixBv.  Dagegen  passt  ein  nagad'etvai 
dwafiivBls  Geschenk^  nach  Analogie  von  naQüed-stt^i^Blviov^  %  aqaxal 
JCflfxcS  ic^kov  t^hjKB  Zsvg  (o  48ö),  vorlrefFlich  zur  Holle  homerischer 
Götter,  wo  jemand  sie  anfleht.  Aufserdcm  hat  Ttaga^etvcct  allein 
eine  Stütze  in  den  Formeln  o<St]  dvvaiilg  yz  nigtiSTiv  (\\.  ^  294.  v 
786.  Od.  >(/;  128)  und  er  (loi  övva^lg  ys  nagslri  (II.  %  20.  Od.  ß  62), 
während  TtsgleiSti  in  solcher  Verbindung  unhomerisch  ist.  Nach  der* 
selben  Anschauung  heifst  es  naQearaiiBvaij  nttgiaTrixsv^  na^iazti 
(d  827.  i  52.  II.  0  255.  7t  853.  Q  563.  oo  132),  während  eine  derartige 
Composition  mit  negl  theils  gar  nicht  gefunden  Iheils  in  ganz  anderem 
Sinne  gesagt  wird.  Aus  alle  dem  sieht  man:  Abweichungen  von  Bek- 
ker  sind  leichter  vorgenommen  als  begründet.  —  Vs.  226.  Zu  den 
Anfangsworten  des  Telemach  an  Nestor:  w  yiqov^  ov  neu  xovzo  inog' 
teXha&ai  o/ra  wird  folgendes  bemerkt:  ^ov  Ttoi^  nMo  modo^  gar  nicht. 
nta  eigentlich  nichts  anderes  als  ein  nachläfsig  ausgesprochenes  ittog^ 
wie  oBtw,  Code.  Vgl.  ^  538.*  Warum  hat  denn  aber  der  Dichter  hier 
und  an  den  citierten  Stellen  nicht  ov  ntog  gesetzt^  das  ebenso  gut  in 
den  Vers  passte?  Wen  soll  man  sodann  der  *  nachläfsigen  Aussprache' 
zeihen,  den  alten  Sänger  oder  den  KhapsorIcn?  Hierzu  kommt  folgen- 
der Umstand:  wenn  Telemochos  wirklich  gar  nicht  an  die  Erfül- 
lung glaubte,  so  brauchte  er  nicht  erst  nach  Sparta  zu  reisen,  nm 
etwa  eine  sichere  Kunde  vom  Vater  zu  hören  und  darnach  sein  künf- 
tiges Handeln  beslimmcn  zu  können.  So  aber  ist,  wie  ich  meine, 
gerade  mit  Bezug  auf  Menclaos ,  auf  welchen  allein  Telemachos  (nach 
der  Nachricht  Vs.  184  f.)  seine  holTnungsvollen  Bcisegedanken  hin- 
richten muste,  dieses  noch  nicht  gebraucht.  Dies  wird  auch  durch 
das  folgende  fiioiyt  ilnofiivo)  bestätigt,  woran  man  unepisch  deu- 
telt. An  der  citierten  Stelle  O  538  singt  Dcmodokos  noch  nicht 
allen  nach  Wohlgefallen,  weil  man  noch  nicht  von  dem  tranrigen 
Geschicke  des  Odysseus  unterrichtet  ist,  weil  die  lange  Erzählung 

IV.  Jahrb.  f,  Phil.  v.  I'kiei/.  Bd.LW.  Hft.  3.  18 


266  J.  U.  Facsi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

seiner  bisherigen  Leiden  erst  noch  bevorsteht.    So  hat  ov  n&  aber- 
all seine  g^cnaue  Beziehung,  und  die  Bemerkung  von  Döderlein  Re- 
den u.  Avfs.  11  S.  262  behält  ihre  Richtigkeit.  —   Vs.  2M  ^mifloidM 
öixag  ^de  g>Qaviv  akkaw-  Der  Genetiv  hängt  wohl  von  (pQoviv  ab,  and 
dies  nimmt  man  am  besten  in  derselben  Bedeutung  wie  ö  2ä8:   Kunde 
von  andern.'  Es  scheint  doch  natürlicher  und  der  Analogie  (IL  v  728. 
Od.  0  248.  T  286.  326)  entsprechender  zu  sein,  ülhov  von  ne^latiM 
abhängig  zumachen,  zumal  da  der  objective  Genetiv  bei  Homer  nur 
in  sehr  verefnzelten  Fällen  erscheint.    Dann  wäre  der  einfache  Sinn: 
^da  er  an  Gerechtigkeit  und  Einsicht  andere  überragt.'   Auch  an  der 
citierten  Stelle  ö  268,  wo  Hr.  F.  hierher  verweisen  sollte,  möchte  su 
erklären  sein :  ^  er  brachte  viel  Einsicht  zurück.'   Döderlein  Gloss.  %, 
958  nimmt  zwar  gewaltigen  Anstofs  daran ,  so  dafs  er  unter  anderem 
bemerkt:  ^in  beiden  Fällen  scheint  mir  die  Verbindung  von  yMvdysiv 
mit  einem  intellectucllen  Begriff,  wie  g>Qivigy  ein  wenigstens 
unhomerisches  Bild.'  Aber  den  Uebcrgaug  dazu  möchten  doch  wohl 
homerische  Verbindungen  geben ,  die  über  das  sinnliche  hinausgehen 
und  ans  iutellectuclle  wenigstens  anstreifen,  wie  (iv&ov  dta  otOfM 
iysa^ai  (II.  g  91)  neben  (piqetv  fiv{>ov  und  ccy/iUiiv  oder  htog  (Od, 
<&  409)  und  einmal  (11.  x  337)  ^lv^v  a7toq>iQHVy  ferner  Kkiog  ayeiv 
(Od.  e  311)  nebst  dem  mehrmaligen  xXiog  q>iqHv  xivl^  auch  ayBtv  vsi- 
nog  (IL  iL  721)9  BQida  avvdyuv  oder  tpi^uv  und  nQoq>iQSiv^  q>iq€iv 
XQotog  (11.  <r308)  und  6i]iOTrjxcc  (Od,  £'203),  wozu  man  noch  g>iQ€iv 
X^Qiv  (IL  9  458),  ayuv  tc^oAi^i/  (Od.  a  37)  und  aus  ähnlicher  An- 
schauungsweise oxieiv  vipttdag  (a  297),  ccvBXiaOui  htupqoavvag  (x 
22),  fi^ui/  xtuTciiviC^cii,  oder  v(palvBiv^  voov  vcofiäv  und  manches  an- 
dere hinzufügen  könnte.   Sodann  vergcfse  man  nicht  zu  erwägen,  dafs 
keius  der  homerischen  Wörter  auf  Ig  eine  rein  abstracte  Bedeutung 
habe,  sondern  dafs  durch  dieselben  bezeichnet  werde  entweder  eio 
'Werkzeug  (afylg,  aanlg,  öatg,  Kccknigy  %hiCg^  f'^Ql^-^Sj  VQOTtig.  aavlQj 
cxaiilg),  oder  ein  Art  (avktg^  7t6kig)y  oder  Wirkung  und  Erfolg  des 
VerbalbegrilTes  (of^'v^t^,  wovon  oben  zu  y  ^iyykvg>lgj  öatg^  ^if^tSf 
hilg,  qnjfug)^  oder  endlich  eine  Handlung  und  ein  äufserlich  manifes- 
tierter  Zustand  {öiJQig^  6vva(iig,  Sk^tg,  iQtgyjiijvig^   wtig^  ^ßQ^i)* 
Aehnlich  verhält  es  sich  mit  den  Worten  auf  atg  und  ug.   Das  Wort 
q>Q6vig  nun  wird  man  am  besten  zur  dritten  Classe  rechnen,  so  dafs  es 
nicht  die  Einsicht  als  abstracten  Begriff  bedeutet,  der  natürlich  dem 
heroischen  Zeitalter  fremd  ist ,  sondern  was  schon  Nitzsch  klar  ange- 
deutet hat:    Klugheitsmafsregel,  einsichtigen  Plan.    Und  dies  passt 
für  beide  Stellen ,  indem  dadurch  der  Nestor  als  av(Aq>QdS(A(ov  (IL  ß 
372),  Tcmwfiivog^  fiiiviv  T€XTcciv6(Uvog  (11.  x  19)  u.  s.  w.,  und  der 
Odysseus  als  ütokvq>QG>v  von  neuem  charakterisiert  wird.  Die  Bedeu- 
tung ^ Kunde'  dagegen  läfst  sich  theils  mit  dem  Verbalbegriffe  qtQo^ 
vziv  nicht  vereinigen,  theils  enthält  sie  für  einen  Nestor  oder  Odysseus 
nichts  charakteristisches.    Denn  zum  ^Wifsen'  oder  *  Ueberbringen 
einer  Kunde'  reichte  ein  ganz  gewöhnlicher  Bote  hin,  der  nicht  ein- 
mal das  homerische  ia^kov  %al  xo  xixvxxai,  or*  ayyikog  ulaiiut  iUy 


S.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  «.  2r  Bd.  267 

liothwendi^  hfille.  —  Vs.  255  ist  Hr.  F.  zu  Wolfs  Lesart  Sig  tcbq 
hv%^  mit  voller  Interpunction  zurückgekehrt,  indem  er  folgendes 
sagt:  *der  Sinn  ist:  das  fürwahr  vermnthest  du  auch  selbst  ganz 
richtig,  wie  es  geschehen  ist,  nemlich  dafs  Menelaos  nicht  zu  Hause 
war.  Dann  kommt  er  mit  AlTect  auf  den  entgegengesetzten  Fall:  ja 
wenn  (6^ — yi)  Menelaos  den  Aegisthos  zu  Hause  getroffen  hfitte,  dann 
wSre  es  anders  gegangen.  Vgl.  w  284  fg.  bI  yaq — tw  xtv.'  Dies 
alles  erscheint  mir  als  unhaltbar  aus  folgenden  Gründen.  Erstens 
wftre  Tempus  und  Begriff  in  irvx^yj  auffällig  gebraucht.  Denn  dies 
Verbum  enthält  überall  einen  so  vollen  und  positiven  Sinn,  dafs  es 
schwerlich  in  blofs  negativer  Beziehung,  wie  die  angeführte  Abwe^ 
senheit  des  Menelaos  wäre,  gesetzt  werden  kann  *).  Und  der  Zustand 
eines  *  geschehen  sein'  oder  eines  emphatischen  ^sein'  liegt  nur  im 
Perfectum  und  Plusqpft.  pass.,  so  dafs  man  für  den  obigen  Sinn  weit 
eher  ein  ola  xixvnTca  erwarten  sollte.  Dies  wäre  auch  deshalb  vor- 
sOglicher,  weil  man  ein  Praesens  oUai,  mit  rag  nEf^  ctv^O"?/  nicht  ganz 
ohne  Anstofs  lesen  könnte.  In  den  vier  ähnlichen  Stellen  (11.  ß  320. 
9  410.  Od.  d  212.  GJ  124)  hat  der  Dichter  das  Imperfect.,  den  Aorist 
ond  zweimal  das  Futurum  mit  hvx^  in  Verbindung  gebracht,  nie- 
mals das  Praesens.  Was  folgt  aus  dem  allen?  Ich  denke  dieses,  dafs 
man  zu  cog  n^q  hv^di]  nimmermehr  hinzunehmen  könne  ein  *  nemlich 
dafs  Menelaos  nicht  zu  Hause  war',  sondern  dafs  man  hinzunehmea 
mflfse  ein  einfaches  ^  die  Ermordung  des  Agamemnon.'  Und  das  letz« 
tere  erfordern  auch  die  vorhergehenden  Hauptfragen:  mag  i&ttv 
AxQsiörjg;  und  zlva  d'  ctvT<p  (irfiar^  oXb^qov  Atyia&og;  und  o  öh 
^a^ar^aag  xaviTtEfpvsv;  Die  Frage  nach  dem  Aufenthaltsort  des  Mene- 
laos ist  Nebengedanke,  der  sogleich  wieder  zur  Hauptfrage  zurück- 
kehrt und  erst  spöter  in  genauerer  Erzählung  seine  Erledigung  findet, 
wie  es  wegen  des  weiteren  Fortschritts  der  Handlung  (Vs.  317)  noth- 
wendig  ist.  Das  Tads — hvx^  dagegen  kann  sich  nur  speciell  auf 
die  Hauptsache,  auf  die  Ermordung  des  Agamemnon  beziehen.  Hai 
doch  der  Dichter  selbst  X  409.  430  von  derselben  Sache  dasselbe  Ver- 
bum gebraucht.  Nun  aber  ist  die  nothwendige  Beziehung  auf  die  Art 
nnd  Weise  der  Ermordung,  wonach  Telemachos  gefragt  hatte,  aller- 
dings ein  Gedanke,  der  nicht  der  blofsen  Vermuthung  (oUai)  anheim- 
fallen kann,  so  lange  ein  Epiker  Epiker  bleibt.  Und  hiermit  zerfällt, 
wie  ich  meine,  der  erste  Thcil  von  Hrn.  F.s  Erklärung.  Wir  kommen 
zum  zweiten  Theile.  Da  hat  Hr.  F.  für  et  —  yi  den  modernisierten 
Affect  wiederholt,  wovon  schon  zu  a  163  die  Rede  war,  und  hat  dem 
harmlosen  ^^zugleich  etwas  neues,  den  Begriffeines  allgemeinen  Gegen- 
satzes beigelegt,  indem  es  Mcn  entgegengesetzten  Fall'  bezeichnen  soll. 


♦)  Auch  d  212  hat  Hr.  F.  mit  «einer  Note:  < ttvx^n=^^^n^y  ,^^^ 
den  Begriff  geschwächt  und  aufserdem  den  Sinn  eines  ungehörigen 
ZufalU  hineingebracht,  da  doch  der  Dichter  einfach  den  aXav^fiog  be- 
zeichnet, der  uns  vorher  bereitet  wurde  oder  entstand,  aber  nicht  'der 
xafalliff  stattfand^  (hvxev  äv). 

18* 


268  J'  U.  Faesi :  Honers  Odyssee.  Ir  n.  2r  Bdw 

Aber  )^i markiert  bekanntlich  nur  den  Gegensatz  einzelner  Begriffe, 
niemals  den  eines  ganzen  Salzes,  was  doch  durch  G.  Hermanns  Anm. 
zu  Viger  Nr.  296  b  Gemeingut  geworden  ist.  Wie  oft  ist  besonders 
Nagclsbacb,  wenn  auch  bisweilen  mit  einem  etwas  unepischen  Philo- 
sophieren, darauf  eingegangen!  Man  vergleiche  dessen  Noten  zu  II. 
tt  60.  81.  116.  174.  216.  299.  304.  393.  531.  548.  582.  ß  119.  379.  y  143. 
180.  224.  442.  Hr.  F.  hat  sich  blofs  durch  seinen  *  Affect'  von  der  ihm 
bekannten  Wahrheit  hier  abbringen  lafsen.  Sprachlich  ist  nichts  an- 
deres möglich  als  was  Nitzsoh  schon  gesagt  hat:  ^wie  es  gekommen 
wäre,  wenn  nur  wenigstens  noch  am  Leben  getroffen  hatte  (ge* 
schweige,  wenn  er  vor  dem  Morde  zugegen  war).'  Daher  bemerkt 
Capellmann:  schedae  Homericae  (Conflucntibus  1850)  p.  12,  der  eben- 
falls &g  K€v  irvx^t]  verthcidigt,  mit  Recht:  *si  legeretur  äg  TCiQ 
Itvx^t}  et  vere  facta  significarentur  bis  vooibus,  prorsus  inepte 
aavvSirog  esset  oratio,  il  ^ciovr^  [vielmehr  d  i(o6v  /']  kxX, ,  qua 
quidem  oratione  illis  vere  factis  profecto  contraria  ponerentur.'  Man 
kann  beifügen,  dafs  an  den  Stellen,  wo  sl  —  ye  ohne  Copula  einen 
neuen  Hauptsatz  beginnt  (II.  f  284.  g  208.  Od.  a  163.  €  %^,  *)  rj  75. 
(  529.  n;  300.  a  254.  z  127.  488.  496),  nirgends  die  Einführung  eines 
*  entgegengesetzten  Falles'  stattfindet,  wie  die  Noten  des  Hrn.  F.  selbst 
beweisen.  Denn  dieser  hat  blofs  an  unserer  Stelle  den  vermeintlichen 
Gegensatz  eines  Gedankens  angemerkt,  dagegen  H.  S  284.  Od.  a  163. 
a  254  nichts  weiter  gegeben  als  sein  *  äffe  et  volles:  ja  wenn,  frei- 
lich wenn',  wiewohl  diese  Deutung  für  sl — ye  in  Nebensitzen,  die 
doch  dem  Wesen  nach  zu  demselben  Verhältnisse  gehören  müfsen, 
unpassend  ist,  so  dafs  Hr.  F.  H.  ft  217  und  Od.  i  529  wieder  zu  an- 
dern Wendungen  greift  und  r  86  bei  akXci — yh  sogar  ein  Moch  da- 
gegen' **}  einmischt,  was,  wie  es  scheint,  von  neuem  ^dcn  entge- 
gengesetzten Fall'  zum  vorigen  Gedanken  bezeichnen  soll.  Aber  das 
ist  nicht  möglich.  Denn  wo  wirklich  zum  ganzen  vorhergehenden 
Satze  ein  entgegengesetzter  Fall  bezeichnet  werden  soll,  was  Hr.  F. 
für  y  255  annimmt,  da  beginnt  der  alte  Sänger  wenigstens  mit  si  di^ 
was  bei  Homer  in  zwei  und  neunzig  Hauptsätzen  gefunden  wird, 
wozu  auch  el  Si—yi  II.  ß  379.  i  184.  350.  897.  ^  128.  q  102.  Od.  ß 
115.  274.  17 199.  l  380.  Oder  es  könnte,  wer  die  von  Hrn.  F.  erwähnte 


♦)  An  dieser  Stelle  hatte  Hr.  P.  wohl  die  isolierte  Wortstellung 
tt  yB  iiiv  berühren  sollen,  zumal  da  er  in  c  254  hinzugefügt  hat:  'Tgl. 
zu  y  S55=f  206'  mit  einem  bedenklichen  Gleiclilieitszeichen.  VgL 
Nagelsbach:  de  particulae  yh  usu  Homerico  (Norimbergae  1830)  p.  20s 
*Bt — yc,  nam  inncta  ne  haec  quidem  vocabula  apud  Homerum  inve- 
niuntor,  nisi  semel  addito  (liv*  etc.,  wo  nur  II.  f  258  st  y  ovv  über* 
sehen  iHt,  was  schon  Thiersch  empfohlen  hatte,  ehe  es  durch  Spitzner 
und  Bekker  in  den  Text  kam. 

**)  Diese  Stelle   hat  Nagelsbach  in  der  erwähnten  Monographie 

K.  14  der  Sache  nach  richtig  erlentert,  indem  er  den  vom  Dichter 
etonten  Begriff  des  ApoIIon  also  andeutet :  Mdque  Apollinia  faTore, 
qni  praecipua  apud  Ithacenses  religione  colebatur;  cf.  Od.  v  S78.  9 
258.' 


J.  U.  Ftesi :  Homers  Odyssee.  Ir  n.  2r  Bd.  269 

Parallele  *o>284  fg.'  *)  beachtet,  den  Anfang  des  Satzes  mit  d  ya^ 
erwarten,  wie  IL  -^  366.  i  516.  %  433.  «9.  v  276.  ^  166.  v  26.  w  206 
0.  8.  w.,  auch  mit  Hervorhebung  des  Hauptbegriffes  durch  ai  ytxQ — 
yiU,  v485.  if;  344.  Od.  if;2J.  Aus  allen  diesen  Andeutungen  dürfte 
erhellen,  dafs  der  obige  Ausspruch  Capellmanns  begründet  sei.  Nicht 
minder  richtig  sagt  derselbe  gleich  weiter:  ^pronomen  zdSe  minus 
■pte  referretur  ad  ea ,  quae  vere  pcracta  sunt  (^äg  tcbq  izvx&ij)  quae- 
qoe  Telemachi  interrogationibus  anlea  quodammodo  iam  commemorata 
sant,  quam  ad  ea,  quae  deinccps  dicuntur  futura  esse  {äg  xev  ixvxOfj)^ 
81  Menelaus  vivum  Aegisthum  in  aedibus  invcnisset,  quae  cum  Nes- 
tor dixerit  ipsum  posse  Telemachum  suspicari,  apte  tarnen  vv.  258 
sqq.  exponit.'  Es  wird  also  einfach  das  ^ooov  betont,  wie  bei  dersel- 
ben Sache  ö  546,  und  in  ähnlicher  Verbindung  fo  281.  l\.  tlf  77,  wäh- 
rend an  den  übrigen  57  Stellen,  wo  t<^S  im  Homer  steht  [bei  Damm 
fehlen  vier],  keine  solche  Hervorhobung  gelesen  wird.  Es  ist  dies 
bei  einem  fürs  heroische  Zeitalter  so  signiftcanten  BegrilTe  kein  gleich- 
gütiger  Umstand.  Denn  es  gibt  im  Homer  nur  noch  acht  oder  neun 
von  dergleichen  Adjcctiv begriffen,  bei  welchen  aus  gleichem  Grunde 
die  gleiche  Erscheinung  stattfindet.  Das  genauere  würde  jetzt  zu  weit 
abführen.  —  Vs.  261.  Zu  fiiya  iQ^'ov  hat  Hr.  F.  gegeben :  *  magnum 
facinus,  arduum  opus.'  Natürlicher  und  deutlicher  dürfte  sein:  ge- 
waltig, schrecklich,  scelestum  facinySy  wie  Lehrs  de  Arist.  p.  116  in 
der  Note  sagt.  —  Vs.  266  folgt  Hr.  F.  bei  (pi^cl  ycig  xi^^i/r'  aya- 
^fjOtv  der  Deutung:  ^denn  sie  war  verständigen  Sinnes;  vgl.  20  ?re- 
nwnivog."*  Die  Parallele  ist  wohl  ungehörig,  da  Wort  und  Person 
verschieden  sind.  Und  der  Begriff  der  Verständigkeit  liegt  wohl  in 
nsnwfiivog^  i%ifpQtov,  ivtpQoviiov  und  ähnlichen  Compositionen,  scheint 
aber  für  uya^og  zu  speciell  zu  sein,  wofür  man  eher  das  ^gut,  gut- 
müthig,  wohlwollend'  des  natürlichen  Menschen  vorziehen  möchte. 
Das  von  Nitzsch  berührte  xo  amg>Qovetv  des  Plutarch  enthält  schon  zu 
viel  von  der  späteren  Reflexion.  Der  Ableitung  von  Döderlein  Gloss. 
$.  64  vermag  ich  in  Hinsicht  des  Uebergangs  eines  ex  in  ^  mit  dem 
Mafse  meiner  Kenntnis  nicht  nachzufolgen. —  Vs.  269.  Von  dem  viel- 
behandelten fiiv  wird  gesagt:  ^geht  auf  Aegisthos  als  die  Hauptperson 
nnd  den  Frevler  (264  fg.),  den  die  verdiente  Strafe  erreichen  sollte; 
aber  eben  darum  musto  er  das  ganze  Verbrechen  vollbringen  und 
während  geraumer  Zeit  der  Früchte  desselben  geniefscn  (305).'  Aber 
diese  tiefe  Schicksalsidee  ist  schon  an  und  für  sich  tragisch,  nicht 
episch.  Sie  findet  im  Dichter  keinen  Anknüpfungspunkt.  Denn  sollte 
das  *eben  darum  muste  er  das  ganze  Verbrechen  vollbringen' u. s.  w. 
begründet  sein,  so  mflste  der  Satz  mit  einer  Causalparlikel  eingeführt 
werden,  nicht  mit  der  Zeilbestimmung  oxe  6ij  — ,  Sri  xoxb,  die  zu  jener 


*)  Statt  dieser  Parallele  war  übrigens  befser  ip  21  zu  nennen, 
weil  60  284  noch  eine  andere  Schwierigkeit  enthält,  worüber  Grashof: 
xur  Kritik  des  hora.  Textes  S.  18  Anm.  20  mit  gewohnter  Klarheit 
Und  Scharfe  gehandelt  hat. 


270  J.  U.  Faesi:  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd. 

Erklärung  nicht  passt.  Zweitens  ist  fäv  als  AiyM^ov  aaffällig,  wenn 
man  sich  an  a  35  Avyio^og  VTteg  (jloqov  'AzQBiöao  ytj^i^  aJLo- 
ypv  fivrjatriv  erinnert,  weil  dann  dasselbe  Factum  hier  als  fioiQ€c 
^mv  und  dort  als  vtisq  fioQOv  geschehen  erscheinen  würde ,  was  ich 
nicht  zu  vereinigen  wüste.  Drittens  widerstrebt  der  Zusammen- 
hang vorliegender  Stelle.  Denn  das  aAA'  ore  ö'q  fiiv  ^cga  ^iav 
htiöiiaa  dafiijvai  hängt  mit  dem  vorhergehenden  ?/  ö  i^toizo  tcqIv 
^iv  avalvsto  igyov  aeixsg  so  eng  und  so  deutlich  zusammen,  dafs 
man  nach  homerischer  Rede  schwerlich  eine  verschiedene  Beziehung 
beider  Satze  annehmen  darf.  Was  das  fioiga  ^s^v  iniöfiös  betrifft, 
80  soll  dies  offenbar  ein  Milderungsgrund  des  Verbrechens  der  Kly- 
taemnestra  sein  und  zugleich  das  i&ikovCav  motivieren,  indem  dies  ersi 
stattfindet,  nachdem  sie  vom  Schicksal  der  Götter  umstrickt  worden 
ist.  Dieses  Schicksal  aber  refselte  sie  so,  dafs  das  öaiirjvai,  eintrat, 
was  man  am  einfachsten  nach  Analogie  des  fpdoxtixi  öcctiijvat  (11.  £  363 
u.  313)  erklären  wird»  Dafs  dies  homerisch  sei,  zeigt  IL  y  301  akoxo$ 
d'  aXkoiCi  öafisuv.  Nitzsch  sagt  zwar,  es  sei  dies  zu  verstehen  *  von 
der  Sklaverei  kriegsgefangener  Frauen' ,  aber  das  ist  eine  aus  Homer 
nicht  erweisbare  Bedeutung ,  da  bei  diesem  über  aloxovg  ayziv  (11.  6 
238)  oder  yvvali^ag  bisweilen  mit  dem  Zusätze  Xiiiaöag  61  yvvalxagy 
ilev&BQOv  '^(ictQ  oiTtovQccg,  riyov  (r  193.  n  831.  f  435),  über  ugt- 
Qov  susavayovct  (Od.  t)*  529)  und  ähnliche  Wendungen  niemals  hiu- 
ausgegangen  ist.  Natürlich;  denn  für  aviikTiiöeg  yvvcciKsg  wäre  im 
Geiste  des  Dichters  das  starke  öccfirjvai  '  von  der  Sklaverei  kriegsge- 
fangener Frauen'  ungeeignet.  Wohl  aber  ist  der  gewaltsame  Liebes- 
gcnufs  ein  Gedanke,  der  im  Homer  durch  IL  j?  355.  (T  85.  432  seine 
Bestätigung  findet,  und  dies  um  so  mehr,  je  sichtbarer  überhaupt  die 
Bildungen  ödaag^  ccöii'qg^  veoö ^ir^g  tinc  Beziehung  des  öa^ijuai  auf  ehe- 
liche Verhältnisse  darlegen.  So  bleibt  ^dcr  Begriff  der  Gewall',  den 
Nitzsch  für  öafirjvat  mit  Hecht  hervorhebt,  auch  in  dieser  Besjieliung 
ungeschmälert. 

In  anderer  Hinsicht  wird  es  Zeit,  eine  solche  ^Gewalt'  mir  selbst 
anzuthun,  indem  ich  mit  jenem  ddfiaaov  öh  (livog  xal  dytjvoQU  dv^iov 
ans  Ende  der  Beurtheilung  denke ,  so  gern  ich  mich  auch  noch  länger 
mit  Hrn.  Faesi  unterhallen  hätte.  Aber  ich  kann  nicht,  was  anfangs 
beabsichtigt  war,  bis  zum  Schlufse  des  Gesanges  gelangen,  ohne  den 
schon  überschrittenen  Kaum  mit  zu  grofser  Mafsiosigkeit  zu  bean- 
spruchen. Darum  ygat^ag  iv  Tiivccxi  TtTvnTCO  nokiog  ye  najtVQOv  aij- 
(icna  xtiAtfcioi}  naveo&at  Ovfio^  avtoyet^  xal  ^v&oig  dyavoiCi  nagav- 
di^aag  anoniiinet.  Vielleicht  gestattet  die  geehrte  Uedaclion,  einmal 
später  irgend  einen  Abschnitt  der  Ilias  in  Hrn.  Faesis  Commentare 
durchzugehen.  Denn  wie  viel  im  Homer  noch  zu  thun  sei,  bevor  wir 
uns  rühmen  können  den  Dichter  ganz  zu  verstehen,  das  weifs  Hr. 
Faesi  befser  als  viele  andere.  Gottfried  Hermanns  Worte :  *  est  Ho- 
merus  Graecorum  scriptorum  multo  et  facillimus  et  difficillimus:  facil- 
limus  delectari  cupientibus ;  difficillimus  inquirentibus  vel  in  dictio- 
ncm  eins,  vel  in  res  quas  commemorat,  vel  in  carminum  ipsoruQ 


J.  U.  Faesi :  Homers  Odyssee.  Ir  u.  2r  Bd.  271 

onginem  et  composilionem'  —  diese  Worte  enthalten  eine  Wahr- 
heil,  die  auch  auf  Bearbeitung  eines  Sehulcommentars  ihren  EinOnTs 
flbl.  Die  Ausgabe  des  Hrn.  Faesi  nun  gibt  vom  jetzigen  Standpunkte 
der  homerischen  Studien  ein  treues  Abbild,  bei  dem  nur  ein  einzi- 
ger Umstand  aufnillig  wird :  es  sind  ncmlich  zwei  der  bedeutendsten 
Werke,  Döderleins  Glossar  undNilzschs  Sagenpoesie,  an  dieser  zwei- 
ten Ausgabe  spurlos  vorübergegangen. 

Unangefochten  dagegen  bleibt  im  ganzen  die  paedagogische 
Einrichtung  des  Commenlars  selbst.  Denn  wie  viel  man  auch  im  ein- 
lelnen  erinnern  möge,  die  gleich  anfangs  erwähnten  drei  Vorzüge : 
die  Beschränkung  aufs  wesentliche,  die  weise  Sparsamkeit  der  Citate, 
der  kurze  und  populäre  Ausdruck  der  Noten,  —  diese  drei  Vorzüge 
haben  der  Ausgabe  in  der  Sammlung,  zu  der  sie  gehört,  vor  vielen 
anderen  Bändchen  eine  rühmliche  Stelle  angewiesen.  Bei  einer  neuen 
Auflage  aber  möge  Hr.  Faesi  unter  anderem  zuscheu ,  wie  viel  er  von 
den  obigen  Bemerkungen  mit  seiner  Ueberzeugung  vereinbar  ßndet, 
am  davon  beliebigen  Gebrauch  zu  machen.  Es  sind  überall  Gründe 
für  oder  wider  eine  Erklärung  zur  Prüfung  gegeben,  keine  Macht- 
Sprüche  vermeintlicher  Weisheit,  \iio  sie  bei  vornehmen  und  hochr. 
nüthigen  trotz  alles  Redens  von  ^  christlicher  Demulh'  öfters  gebräuch- 
lich sind.  Die  öfTcntliche  Prüfung  von  Gründen  aber,  die  durch  Rede 
nnd  Gegenrede  eine  wifsenschaftliche  Wahrheit  zu  fördern  sucht, 
sollte  zwischen  Männern,  deren  Leben  von  der  praktischen  Schulphi- 
lologie ganz  erfüllt  ist,  ihr  stetiges  Endresultat  in  den  Worten  des 
Vaters  Homer  finden:  iv  tpiloxrjiti  öUxfiayev  aQ^firiöavre. 

Mühlhauscn.  Karl  Friedrich  Ameis, 


1)  Rhetores  Graeci  exreco^mixone  LconardiSpengcU  Lipsiae  siimp- 
tibus  et  typU  B.  G.  Teubneri.  MDCCCLIII.  Vol.  I.  XXXU  u. 
470  S.  8. 

2)  Begriff  und  Grundform  der  griechischen  Periode-,    von  dem 

Conrector  Emanuel  Bernhardt.  (Prograraiiiabhaiidiniift  des  Ge- 
lehrten-Gymnasiums in  Wiesbaden,  Ostern  1854.)  Wiesbaden, 
A.  Steinsche  Buchdruckerei.    32  S.     4. 

Wenn  die  Rhetorik  lange  Zeit  mehr  als  andere  Gebiete  der  for- 
malen Philologie  vernachläfsigt  wurde,  so  war  das  in  der  That  ein 
Paradoxon,  da  die  classischen  Schriftsteller  selbst,  insbesondere  die 
Dramatiker,  Geschichtschreiber  und  Philosophen,  um  von  den  Red- 
nern gar  nicht  zu  sprechen,  auch  in  diesem  Fach  nichts  weniger 
als  T<Iaturalisten  sind:  ihr  Studium  mufs  also  auch  diese  Bedingung 
ihrer  TrofTlichkeit  ins  Auge  fafsen;  es  wäre  verkehrt,  da  an  ein  be- 
wustloses  Erfafsen  des  rechten  glauben  zu  wollen ,  wo  es  mit  künstr- 
lerischem   Bewustsein   erreicht  worden  ist.      Eine    Entschuldigung 


272  L.  Spcngcl:  Rliotoros  Graeci.  Vol.  1. 

liefs  sich  indes  früher  aus  dem  Zustmid  der  Texte  fast  aller  rhetori- 
schen Schriflcii  uhlcilen,  welcher  allerdings  nicht  sehr  geeignet  war, 
die  Bekanntschaft  mit  der  Theorie  zw  erleichtern.  Dieser  ist  aber 
jetKt  durch  Spcngels  und  anderer  Bemühungen  so  wesentlich  ver- 
befsert,  dafs  man  ferner  nicht  besorgen  darf  hier  auf  einen  ganz  un- 
sichern  und  kaum  gangbaren  Boden  zu  stofsen.  Eine  Epitome  der 
Rhetores  Graeci  von  Walz  ist  vorliegende  Sammlung,  welche  drei 
Bände  umfafsen  soll,  insofern,  als  viele  ßestandtheile  jener  von  ih- 
rem Plan  ausgcschlofsen  sind;  dagegen  hat  Spengel  nach  Aldus  Vor- 
gang die  Khetoriken  des  Aristoteles  und  Anaximenes,  welche  bei 
AValz  fehlen,  wieder  aufgenommen,  desgleichen  die  Schrift  niffl 
vtlH)vg  und  die  bei  dem  Erscheinen  der  Walzischen  Ausgabe  noch  nicht 
bekannt  gewordene  tixvti  ^i^ro^ixt)  aus  cod.  Par.  1874,  welche  in  den 
Notices  et  extrails  de  la  bibliolhcquo  royale  XIV,  185  Seguier  ediert 
hat.  Mithin  fällt  für  den  gröfsten  Theil  des  ersten  Bandes  die  Vor* 
gleichung  mit  dem  Vorgänger  weg;  nur  Longinus,  Apsincs,  Minucia- 
nus  und  Uufus  sind  beiden  Sammlungen  gemeinsam :  über  die  kritische 
Behandlung  dieser  Technographen  hat  neulich  unser  verehrter  Freund 
F.inckh  in  diesen  Jahrbüchern  Bd.  lAlX  S.  6^0 — 646  gesprochen,  da- 
her wir  mit  Ausnahme  weniger  den  Longinus  betrelTenden  Bemerkun- 
gen sie  übergehen  dürfen;  das  Verdienst  der  neuen  Bearbeitung  des 
Aristoteles  und  Anaximenes  würdigt  derselbe  a.  a.  0.  nur  im  allge- 
meinen; uns  schien  gerade  ein  detaillierter  Bericht  darüber  an  der 
Zeit  zu  sein ,  um  so  mehr  als  die  früheren  Schriften  Spengels,  auf  wei- 
che die  neue  Ausgabe  häuiig  sich  gründet,  immer  noch  nicht  in  dem 
Grade  bekannt  sind,  als  es  bei  ihrer  Bcdcuhiiig  zu  erwarten  wäre. 
Zugleich  wollte  lief,  seinerseits  manche  eigne  Bemerkungen  den  Freun- 
den der  rhetorfschen  Lillerulur  minheilen;  es  würde  ihn  freuen,  wenn 
man  fände,  dafs  sie  bei  dem  Studium  derselben  als  Nachträge  einige 
Dienste  leisten  könnten. 

Für  die  Rhetorik  des  Aristoteles  hat  Spengel  weit  mehr  als 
sämmtliche  Vorgänger  gethan:  nicht  nur  ist,  wie  aus  eiuer  nähern 
Betrachtung  sich  ergeben  wird,  an  vielen  Stellen  der  früher  vordun- 
kelte Sinn  mittelst  geeigneter  Correctur  ins  klare  gebracht;  auch  die 
ursprüngliche  Anlage  des  Werkes,  die  von  der  uns  vorliegenden  ohne 
Zweifel  sehr  verschieden  war,  ist  unwidersprechlich  nachgewiesen  in 
der  1851  unter  den  Abhandlungen  der  k.  bayer.  Akademie  d.  Wifs. 
erschienenen  Schrift  ^  über  die  Rhetorik  des  Aristoteles.  '*')  In  der- 
selben finden  wir  die  belehrendsten  Erörterungen  hinsichtlich  des 
Verhältnisses,  in  welchem  Aristoteles  einerseits  zu  Piaton,  andrer- 
seits zu  den  empirischen  Technographen  stand.  Zunächst  wird  dt- 
selbsl  die  gleich  im  Eingang  gegebene  Definition  der  Rhetorik  alg  ein 
Widerspruch  gegen  Piaton  bezeichnet ,  desgleichen  die  ganze  Einlei- 


♦)  Achnliche  Verdienste  Spcngels  um  die  Politik  und  Poetik  dos 
AristoteleA  sind  wohl  jedem  bekannt,  der  sich  damit  nicht  oberfläch- 
lich beschäftigt. 


L.  Spcngel :  Rhetores  Graeci.  Vol.  I.  273 

tuDg  des  Buches,  indem  Aristoteles  durch  den  Beweis,  dats  die  Rhe- 
lorik  allerdings  eine  ganz  formelle  Doctrin  sein  könne,  die  von  jenem 
im  Gorgias  gestellte  Forderung  eines  materiellen  Gebietes,  welches 
sie  haben  mürse,  beseitigt:  er  erklärt  sie  für  ein  Correlat  der  Dia- 
lektik (avrlazQOfpog  r^  diaJUxTix^),  von  welcher  sie  sich  hauptsäch- 
lich dadurch  auterscheide ,  dafs  sie  das  ivdo^ov  und  nicht  das  aX7]9ig 
selbst  zum  Gegenstand  habe,  wobei  aber  nothwendig  die  Kenntnig 
des  alti^ig  zur  richtigen  Beurtheilung  des  Svöo^ov  vorausgesetzt  wer- 
den morse.  Gegen  eine  solche  Behandlung  der  Redekunst  hätte  auch 
Piaton  nichts  einzuwenden  gehabt:  insofern  er  aber  in  dem  genannten 
Dialog  von  der  Rhetorik  als  einer  schlechten  Praxis  spricht,  aufser 
welcher  eine  befsere  nicht  einmal  denkbar  sei,  ist  er  hier  widerlegt; 
indes  hat  er  selbst  im  Phaedros-(p.  258 — 274)  eine  ähnliche  Auffa- 
fsung  davon  gegeben.  Dafs  Aristoteles  dieser  Uebereinstimmung  nicht 
gedenkt,  müste  befremden,  wenn  man  nicht  seine  Gewohnheit  kennte, 
andere  Schriftsteller  nur  da  zu  eitleren,  wo  er  ihre  Ansichten  be- 
streiten will,  oder  wo  ihre  von  ihm  gebilligten  Sätze  paradox  er- 
scheinen. So  berührt  er  diesmal  nur  diejenige  Behauptung  Plalons, 
welche,  um  Misverständnisse  zu  Verhüten,  bekämpft  werden  muste; 
sonst  ruht  die  aristotelische  Rhetorik  auf  Piatons  Principien :  das 
wesentlicheist  darin  die  Erkenntnis  des  wahren,  guten  und  schönen 
und  der  diesen  Kategorien  sich  anschliefscnden  Controversen  {ifi- 
q>usßriTi!laifAce)\  so  erhob  sie  der  Vf.  zur  eigentlichen  Techne,  nachdem 
vorher  nur  Nebensachen  {TtQoa&iJTcai.)  in  unwifsenschaftlicher  Weise 
behandelt  worden  waren;  desgleichen  machte  er  aus  der  empirischen 
^l;vyctyciyyCa  der  früheren  eine  systemutisclie  Psychologie. 

Aristoteles  eröffnete  in  Athen  noch  bei  Lebzeiten  des  Isokrates 
Vortrüge  über  Rhetorik,  was  dieser  als  EingrifT  in  sein  Eigenthum 
betrachtete  und  sehr  übel  nahm.  Der  grofse  Unterschied  zwischen 
beiden  Männern  konnte  natürlich  den  Schülern  des  Redekünstlers,  wel- 
cher seine  q>tXoao(pla  fast  nur  auf  geschickte  Handhabung  der  Sprache 
beschränkte,  nicht  entgehen:  er  polemisierte  daher  heftig  gegen  die 
Leute  im  Lykeion  (XII,  17  IT.),  welche  über  seine  Borniertheit  ganz 
im  reinen  waren,  und  richtete  aus  Neid  gegen  den  zur  Erziehung  des 
Prinzen  nach  Makedonien  berufenen  Aristoteles  einen  Brief  an  diesen, 
den  fünften  *).  Aristoteles  seinerseits  verkannte  nicht  die  Verdienste 
des  Isokrates ,  aus  dessen  Reden  er  viele  Beispiele  zog ,  d.  h.  er  ach- 
tete seine  stilistische  Gewandtheit;  dafs  er  im  Stande  sei,  eine  wifsen- 
schaftliche  Rhetorik  zu  liefern,  mufs  er  aber  bezweifelt  haben,  sonst 
wäre  sein  Ausspruch,  alle  Techniker  vor  ihm  hatten  nur  die  Aufsen- 
werke  ihrer  Kunst  bearbeitet,  ungerecht,  und  einer  solchen  Ungerech- 
iigkeit  war  er  nicht  fähig. 

Das  wifsenschaftliche  Element  in  der  Rhetorik  ist  die  Entwick- 
lung der  nlcretg^  welche  die  zwei  ersten  Bücher  umfafst;  im  3n  be- 


♦')   Diesen   hat    der   spute    Rlictor   nachgebildet,  von  welchem  die 
der  ^titoffiK^  ff^ög  'AXi^ccvö^ov  vorgesetzte  Dedication  herrührt. 


274  L.  Spengel :  Rhotores  Graoci.  Vol.  I. 

handelt  er  die  U^ig  und  ra^ig.  Herkwürdigr  ist  es  nur,  dofs  letztere 
beide  im  Prooemium  des  Werkes  nicht  angekündigt  werden,  daher 
Sp.  mit  andern  vermulhet,  das  3e  Buch  sei  erst  spater  hinsugefägl 
worden.  Noch  auffallender  ist  aber,  dafs  Aristoteles  nach  der  Ankün- 
digung, zuerst  diejenigen  nUsxeig  behandeln  zu  wollen,  welche  er  aas 
den  ro;K0^9  den  allgemeinen  Quellen  der  Enthymeme,  und  den  speciel- 
Icn,  eldri^  die  der  einzelnen  Doctrin  angehören,  schöpft,  um  dann  auf 
die  Behandlung  von  riO'og  und  na&og  fiberzugehen,  letztere  beide 
vornimmt,  ehe  er  von  den  xoTtot  gesprochen  hat.  Nan  ist  wohl  be- 
rechtigt zu  zweifeln,  dafs  diese  Folge  von  Aristoteles  selbst  ausge- 
gangen sei,  wodurch  zwischen  die  zwei  Arten  des  In  Theils  der 
nlaxBig^  die  ddti  und  xonoi^  der  2e  und  3e  Tbeil  derselben,  die  na^v^ 
und  ^fh;,  geschoben  sind.  Der  Uebergang  von  den  tUti  zu  den  ttckOv; 
in  II,  1  enthält  in  der  That  die  Voraussetzung,  dafs  die  nUsxiig  erster 
Art  von  denen  zweiter  und  dritter  Gattung  bereits  abgethan  seien. 
Eine  Confusion,  die  ihres  gleichen  sucht,  ist  vollends  in  11,  18  an- 
zuircffen,  deren  Entwirrung  erst  Sp.  bewerkstelligt  hat.  Wir  finden 
hier  p.  93,  17 — 20  eine  Protasis  zur  Apodosis  9*,  1 — I,  dann  93,  20 
— 94,  1  («Äfl  <y'  ^  —  ßovUvovxaCy  eine  lange  Protasis  ohne  Apodo- 
sis, wenn  man  nicht  mit  Tilgung  von  ontag  94,  18  den  Nachsatz  dasa 
xa  lovjta  itQoa&ivxsg  anoö^fiev  xriv  i^  ce(fxrjg  nqo&saiv  etwas  gewalt- 
sam herstellt.  Ferner  steht  94,  4 — 7  (bis  afi^ttf/Siyrovi/rt^) ,  9 — 19 
in  engem  Zusammenhang  mit  dem  Eingang  11,  1  ix  r/vooi/  —  co^  ne^l 
iY,a(Sxov  «rmofifv*)  ISlci  xo  yivog  xmv  layrnv  (60,  24  ff.).  Der  Satz 
fn —  dtoo^KTrai (94, 8 f.)  mufs  ausgeschieden  werden.  Mithinsind  hier 
fünf  .Satze  mechanisch  aneinander  gereiht,  die  miteinander  nichts  zn 
thun  haben:  93,  17—20;  93,  20—94,  1;  94,  1—4;  94,  4—7,  9-19, 
94,  8,  9.  Die  durch  den  Sinn  gebotene  Verbindung  ist  nun  die,  dafa 
von  60,  24 — 29  übergegangen  wird  zu  94,  4 — 19  (natürlich  ohne  die 
Worte  94,  8,  9),  worauf  dann  die  letzten  Capitel  des  2n  Buches  fol- 
gen; hierauf  macht  60,  29  ff.  die  Einleitung  zu  den  ni^ri  («ine  Va- 
riation derselben  enthält  die  lange  aber  nicht  vollständige  Periode 
93,  20  ff.),  welche  87,  12  abgcschlofson  werden;  endlich  ist  in  dem 
in  zwei  Stücke  gerifsencn  Satz  93,  17-20,  94,  1 — I  die  Rccapitula- 
tion  der  t}&i/  zu  suchen.  Ein  Schlufs  der  nUsxBig  im  ganzen  wird 
aber  vermifst.  Doch  scheint  das  Bedenken,  welches  die  letzten  Worte 
des  2n  Buches  erregen,  gegen  die  obige  Darlegung  nicht  die  Beweis- 
kraft zu  haben,  welche  Sp.  (in  der  Abhandlung  S.  40  f.)  ilim  einzu- 
räumen geneigt  ist. 

Neben  solchen  Aufklärungen  müfsen  noch  viele  bedeutende  Emen- 
dationen  erwähot  werden,  durch  welche  die  Lectttre  der  Rhetorik 
aufserordentlich  erleichtert  ist.  Wir  meinen  Versetzungen  wie  46,  29, 
wo  %al  ijtel  xo  Sqxhv  an  x6  aQ%Biv  47,  1  sich  anschliefst;  77,  3 — 5, 
wo  der  Satz  a  yaQ  xig  avxog  noui  in  unmittelbarem  Zusammenhang 
mit  dem  %al  xovg  fii] —  xavxoig  stehen,  also  %ai  xovg  —  €i(ia(fxavstv  sei* 

*)  Verbefflernng  Spengels  statt  ilnstv. 


L.  Spen^l:  Rhetores  Graoci.  Vol.  I.  275 

nen  Plalz  vor  demselben  erhalten  mufs;  wie  106,  17 — 27,  an  welcher 
Sieile  die  Aasnahmo,  data  der  gemordete  den  Tod  verdiente,  der 
Mörder  aber  ihn  zu  vollziehen  kein  ilecht  hatte,  der  Regel  vom  Zu- 
sammenrallcn  des  mit  Recht  Handelns  nnd  Leidens  vorangeht,  statt  zu 
folgen;  28 — 32  mufs  heraufrJicken  hinter  tgo  noirjaavti;  dann  beson- 
ders Ergänzungen,  wie  3,  20;  9,  15;  20,  29;  32,  32;  40,  II;  48,  13; 
51, 16;  63, 1;  73,  28;  81,  6;  88,  26;  94,  8;  102,  7;  112,  9;  134,  26; 
149,  23;  166,  9.  £in  verstümmelter  Satz  ist  3,  20  sl  negl  ndcag  r^v 
rag  XQictig^  xa^aneQ  iv  iviaig  ye  (so  Sp.  statt  re)  vvv  iaxl  xav  «o- 
Afov,  denn  die  noXeig  können  nicht  den  xgCasig  entgegengesetzt  wer- 
den, sondern  alle  nglasig  den  besonderen,  welche  in  gewissen  Staaten 
(z.  B.  im  athenischen  Areopag)  jeden  rhetorischen  Zusatz  zur  schlich- 
ten Darlegung  des  Thatbestandes  ausschlierscn.  Also  ist  ns^l  tivag 
nach  xa^amg  beizufügen.  In  9,  15  hat  sich  die  Vergleichung  des 
Logischen  Beweises  mit  dem  rhetorischen ,  indem  jener  inayioyrj  und 
CvlXoyiaftogj  dieser  naQaönyfia  und  iv&vfi7]fia  ist,  in  der  handschrift- 
lichen Ueberlieferung  nicht  vollständig  erhalten ,  denn  zum  Syllogis- 
mus gesellt  sich  noch  der  tpatvofuvog  avkkoyia(i6g ^  welchem  dann  das 
durch  die  praktische  Anwendung  wichtige  qwivofisvov  iv^(i7i(ia  ent- 
sprechen mufs;  dieses  fehlt  aber  in  den  Hss.,  obgleich  Ar.  es  nicht 
weglafsen  konnte  und,  wie  Dionysios  von  Halikarnass  zeigt,  auch 
nicht  weggelafsen  hat;  bei  diesem  (ad  Amm.  c.  7)  steht  noch  der 
Satz  ro  de  g>aiv6fisvov  iv{>v(ii](ia  <paiv6}isvog  avkkoyiCfAog ,  welcher 
jetzt  zum  erstenmale  im  Text  des  Ar.  erscheint.  *)  In  20,  29  hat  man 
ehedem  übersehen ,  dafs  die  Eigenschaften  des  Reichthums  nicht  alle 
aufgezählt  sind,  denn  weiterhin  21,  3  wird  neben  dem  OQog  der  aatpa- 
leux  auch  der  des  olnsia  elvai  gegeben,  mithin  wird  Ar.  geschrieben 
haben:  aag>cck'q  xal  oineta  xtL  Die  ßegrifTsbestinimung  hiefs  sonst 
Tov  te  otxeia  elvai  (sc.  OQog  icxl)  ij  fiij  oxav  itp  avxcS  xb  akkoxgimaat 
—  aber  zur  Aufzählung  passt  nur  xov  6i  und  das  ti  iirj  gehört  nach 
ikkaxQimaai^  da  der  Schriftsteller  die  Negation  der  oinsta  so  wenig 
als  der  übrigen  Qualitäten  geben  wollte.  Ein  Beispiel  wie  Homoeo- 
teleuta  leicht  zu  Anslafsungen  führen,  bietet  40,  II,  wo  zwei  Lücken, 
die  eine  hinter  tot  ds  dt'  o^e|(v,  die  andere  in  derselben  Zeile  nach 
ßovhiCtg  ein  gänzliches  Dunkel  über  die  Stelle  verbreiten ,  wenn  man 
nicht  theils  mit  Hilfe  eines  Jüngern  cod.  (C)  dort  xav  6h  bi  oQe^iv 
und  hier  mit  Sp.  ^  de  ßovkriCig  einschiebt.  Der  Satz  ij  6t  ccitoqlttv  — 
anokicr^  (48,  13)  ist  grammatisch  unhaltbar,  wenn  nicht  ü  nach  i/ 
suppliert  wird ,  desgleichen  hat  imxeiifovaLv  keine  vollständige  Be- 
ziehung, wenn  nicht  aöixetu  hinzutritt.  Dasselbe  gilt  von  der  notli- 
wendigen  Ausfüllung  xccxccfpQovovvxeg  (63,  I);  von  S  ovk  gjovto,  wel- 
ches 73,  28  nach  n&tov&oxag  eingereiht  werden  mufs,  von  dem  durch 
den  Gegensatz  verlangte!!  Kolon  xal  xovg  aya&ovg  otyuv  q>iketv  (102, 


♦)  Demselben  a.  a.  O.  verdankt  man  auch  die  richtige  Lesung  %al 
iv  xoCg  avalvTiTioig ,  wo  sonst  dtaUxrtxots  stand ,  also  eine  sonst  un- 
bekannte Schrift  öiak£%xi%d  dem  Philosophen  beigelegt  uvurde. 


276  L.  Spen^el:  Rhctoros  Graeci.  Vol.  I. 

7)  und  dem  in  gleicher  Weise  gebotenen  und  schon  im  cod.  C  vor- 
handenen iav  de  fit/  vTtaQxy  fAt}  noarxetv  112,  9;  von  dem  Komma  134, 
2f>  xal  tsksvtföiTBg ,  dem  unentbehrlichen  Epitheton  ötxaviKOig  149, 
23,  welches  auch  156,  9  nebst  einem  vorausgehenden  iv  fiev  xoig  her- 
zustellen ist.  Defecte,  die  nur  bezeichnet,  aber  nicht  mit  Sicherheit 
ergänzt  v^erdcn  konnten,  sind  3*2,  32  und  51,  16;  dort  fehlt  das  zikog 
der  ßaadeia^  hier  das  aus  Alkidamas  citierte  Beispiel,  denn  was  die 
Schollen  geben,  halt  Sp.  fdr  fingiert.  Mehr  Emendation  als  Ausrttlluni^ 
darf  es  heiTscn,  wenn  die  lUchligkeit  der  Erzählung  81,  6  gewonnen 
werden  kann  durch  eine  Aendcrung  wie  ^^afifii^vtTog  o'AfAccCiogy  oder 
88,  26  ttal  q>lXot  in  der  Mitte  zwischen  kocI  <pikog>iloi  nnd  xal  (piUta^- 
QOi  mit  einem  entsprechenden  Compositum,  etwa  tpiXegaaialj  zu  ver- 
tauschen gerathen  wird.  Unter  den  Verberserungcn  des  durch  Cor- 
ruption  entstellten  Textes  begnügen  wir  uns  die  anzuführen ,  welche 
auf  den  Inhalt  wesentlich  einwirken.  Solche  sind  8,  24;  14,  3;  34,  2; 
47,  31 ;  58,  19;  60,  28;  74,  27;  99,  12;  107,  4;  110,  18;  124,  24;  J29, 
22;  143,  19;  144,  7;  J47,  3.  In  8,  24  kann  Aristoteles  nicht  dia  6i 
ruv  koyonv  gesagt  haben,  weil  der  moralische  Eindruck,  welchen  die 
Persönlichkeit  des  Redners  gewährt,  und  die  AlTecle  der  Zuhörer 
auch  durch  die  Ucde  hervorgebracht  werden  niüfscn,  der  Beweis  aber 
blofs  durch  sie,  nach  der  vorher  aufgestellten  EintheilungS,  6  IT.  Mit- 
hin war  hier  dt  avrov  6h  vov  Xoyov  zu  lesen.  Die  Ankündigung  J3, 
31  TtQmxov  öh  Xdßmusv  xct  yivrj  xrjg  ^r/ro^iXT/^,  und  die  iiecapitulation 
14^  11  erlauben  gcwis  nicht,  dafs  c.  3  mit  den  Worten  iöxi  ök  xrjg 
^flxoQixrig  etdrj  xgla  beginne,  wie  doch  in  allen  frühern  Ausgaben 
seht:  die  Abschreiber  haben  die  Biöri  und  To;rot  der  ii/Ovfit/|Lurrcr  mil 
den  Galtungen  der  Rede  verwechselt,  oder  noch  gedankenloser  daram 
st&Ti  für  7^1/1/ geschrieben,  weil  Ar.  kurz  vorher  sagt  13,  31  nqottqofy 
ovv  Eikotiev  ne^l  xap  eiödv,  34,  2  scheint  der  Sprachgebrauch  des- 
selben hinreichend  zu  erweisen,  dafs  die  oQSxrj  \on  ihm  nur  Ttoifixinti 
aycc&tavy  nicht  noQuniKfj  er.  genannt  werden  konnte;  sonst  wären  aya^ 
^i  nach  seiner  Ansicht  nur  üufsere  Güter.  In  47,  31  mufs  Armut  und 
llüfslichkeit  in  ^iner  Person  zusummenlreifen,  um  die  fio^xsla  un- 
wahrscheinlich zu  machen,  daher  6  vor  aiaxQog  zu  tilgen  ist.  Der  Ge- 
danke verlangt  58,  19  ovxovv  xavxag^  d.  h.  die  Vertrage,  welche  noch 
weniger  dem  Recht  entsprechen  als  Gesetze,  die,  falls  sie  verfehlt 
scheinen,  wir  zu  befolgen  nicht  für  gut  finden:  rouro  wäre  aber  ebei 
das  öUatov^  worauf  der  Richter  sehen  soll.  Die  Zurückbeziehung  auf 
das  im  In  Buch  vorgetragene  mustc  GO,  28  durch  das  persönliche  d- 
Ttofiev  ausgesprochen  werden,  nicht  durch  den  unpersönlichen  Infinitiv. 
Ueber  die  interessante  Diltographie  107,  4  IT.,  ohne  deren  Annahme 
die  Stelle  ganz  verworren  ist,  hat  Sp.  ausführlich  in  der  oben  ge- 
nannten Abhandlung  S.  57  f.  gesprochen;  es^musle  hier  xara  x6  naoh 
ex  xov  wegfallen;  übrigens  scheint  uns  die  kürzere  Fafsnng  xvitxu  ix 
tov  —  öiy  dtl^at  eine  von  spaterer  Hand  hinzugefügte  Inhaltsangabe 
ZQ  sein ,  obgleich  die  längere  Fafsuug  in  dem  ältesten  cod.  A  ausge- 
strichen und  unleserlich  ist.    Den  Zusammenhtng  mit  der  vorausge- 


L.  Spengel:  Rhelores  Grooci.  Vol.  L  277 

Iieiideii  Ucbersicht  verdunkelt  die  Vulgota  in  124,  23  tl  iilp  ovv 
xwaav  iwtczov  icxi  wxi  7t6(Sa  «fdiy  nBTag>OQag^  xai  ort  rovro  nksi- 
tftov  övvaTtti  —  ai  fura^o^ai:  die  Scliwicrigkcil  ist  jetzt  entrernt, 
indem  Sp.  fierafpoQäg  oingcsclilurscu  und  ort  rovraw  nX.  övvavrcci  ge- 
flchrieben  hat.  Das  ungehörige  avta  asl  144,  7  ist  sinngcmifs  abge&n- 
dert  in  avca&ev  aC  and  der  undeutliche  Ausdruck  von  der  Rode  vor 
Dar  Einern  Richter  ikaxiotov  yag  iaxiv  iv  (frjtogiKoig  erhält  seine  be- 
stimmte Fafsung,  wenn  man  liest  i,  y.  Ivecxt  x^  ^tixoQixijg.  Einer 
weitem  Erörterung  bedürfen  Emendationcu  nicht  wie  74,  27  tavxovg 
ita(^  mv  für  xovxovg  mgl  cov;  99, 12  alg  anoiQt]  für  efc  %Qri^HLog\  110, 
18  ocu  für  (0^:  129,  22  ^  Jtjfioa^ivovg  eig  xov  dijfiov  für  6  Atifioa^i- 
vrigrov  d.;  Idl3,  19  ^ivog  el  für  ^ivog  rj.  Die  Nachweisung  ziemlich 
vieler  Glosseme  können  wir  darum  unterlafsen,  weil  hier  schon  die 
Klammern  den  Leser  aufmerksam  machen,  wahrend  fast  alle  der  oben 
behandelten  Vcrbefsorungen  in  der  Praefatio  gesucht  werden  müfsen« 
Einige  Bedenken  und  der  Versuch  sie  zu  lösen  mögen  als  an- 
gpraohlose  Zusätze  hier  eine  Stelle  finden.  Ziemlich  unverständlich 
erscheint  der  Satz  13,  5  6i6  xal  Xav&avoval  xs  [xovg  axQomag]  »ul 
luclkov  aitxoiiEvoi  xccxa  xqwiov  (leraßalvovatv  ig  avxmv^  gewinnt  aber 
Licht  durch  Vergleichung  mit  13,  22  und  17,3:  wer  sich  in  die  tcqo- 
taCiig  der  speciellen  Wifsenschaften  verlieft,  entfernt  sich  unvermerkt 
von  den  allgemeinen.  Daraus  möchte  hervorgehen ,  dafs  luxaßalvov- 
TSff  zu  schreiben,  xovg  axQoaxag  aber,  was  Sp.  einschliefst  mit  der 
kurzen  Bemerkung  *  immo  oratores ',  ohne  weiteres  auszustofsen  sei. 
In  14,  29  schrieb  Ar.  wohl  nicht  6  öi  anmifircmv  co$  xsiifov  cmoxgiTU^^ 
da  er  ja  auch  vorher  nicht  6 —  ngingincnv  .ag  ßiXxiov  nqoxQbtu  sagt, 
sondern  cvfißovXaiSei ,  ebenso  erwartet  man  an  der  entsprechenden 
Stelle  ein  verschiedenes  Verbum,  wie  öuxßaXXsi.  In  30,  26  will  Sp., 
da  der  beste  cod.  Xiyovaav  ausläfst,  etwas  anderes,  etwa  itagaKomv^ 
ans  der  von  Aristoteles  citicrten  Stelle  Homers  II.  1 690  anbringen. 
Aber  dann  fällt  der  Mangel  des  verbum  dicendi  auf;  vielleicht  stand 
r^v  XiyovCav  oder  genauer  xfjv  »axaXiyfyuCav  nach  avacxijvai.  An 
der  Echtheit  der  Worte  54,  1 1  xal  ov  firi  iöxiv  laöig '  %ciXenov  yiiö  %a\ 
iövvaxov^  wo  Sp.  vor  x^^^^v  den  Satz  ij  (iti  Qadla  ergänzt  und  rj  ad, 
für  xal  ad.  verlangt,  möchten  wir  noch  zweifeln,  da  erst  im  folgßn« 
den  erklärt  wird,  was  laa^g  ist,  nemlich  die  öUrj  als  KoXaaig,  Das- 
selbe mag  von  54,  25  xct  fihv  ^tjxoQixä  iaxi  xoictvxa  gelten,  welche 
Worte  sich  wie  die  Bemerkung  eines  Rhetors  ausnehmen;  Ar.  schrieb 
vielleicht  nur  xal  o  noLciv  noXXa  apygiixi.  Entbehrlich  wenigstens  ist 
darch  das  vorausgehende  o[  d'  ä7t(o&€v  die  Erläuterung  57,  11  mcxo- 
xatoi  d'  oi  naXatoL  Eine  einfachere  Abhilfe  als  die  hier  vorgeschla-. 
gene  58,  3  xctvxag  —  mcxai  eusiv  ij  anicxoi  wäre  ovxmg  für  xovxoiqj 
vorausgesetzt  dafs  der  Sprachgebrauch  des  Schriftstellers  nicht  da- 
gegen ist.  Das  oxir  aber  57 ,  15  möchten  wir  nicht  verwerfen ,  da  der 
Inhalt  des  folgenden  Satzes  von  dem  des  vorhergehenden  abweicht. 
In  69,  22  schlägt  Sp.  ij  iv  olg  ^avua^ovxai  ccvxol  vor.  Ist  aber  ßaX- 
ti0xoig  nicht  Neutrum  and  dann  dieser  letzte  Satz  überflüfsig?  Denn 


278  E.  Bernhardt:  Begriff  und  Grundform  der  grieehischen  Periode. 

mit  iv  Toiig  ^av^af^ovatv  cxvrovg,  wie  man  bisher  las,  würde  nnr  das 
evdoxifuoi  wiederholt,  und  in  iv  olg  ^avua^ovrai  ovto/ ebenfalls  dieser 
Begriff,  wenn  auch  in  anderer  Beziehung,  eingcschlufsen.  Die  Citation 
des  um  einen  Fufs  zu  kurzen  Scnars  103,  6  aus  Eur.  Hipp.  989  »«(i* 
o%lip  (WvatxaniQOvg  kiyeiv  konnte  wie  anderswo,  z.  B.  106,  23,  daroh 
Absonderung  der  Zeile  bcmorklich  gemacht  werden.  Ueber  die  Ab- 
gemefsenheit  des  Zusatzes  133,  19  iav  ovv  —  irtl^avov  yiyvnai  he- 
gen wir  Zweifel ;  er  scheint  das  vorausgehende  eher  zu  bestreiten  als 
zu  bestätigen.  Gleich  nachher  Z.  24  wäre  xar^;/  deutlicher  als  Sifi» 
Lykoleon  meinte  (140,  29),  als  er  für  den  Chabrias  sprach  und  dessM 
eherne  Bildseulc  eine  [Hixijffla  nannte,  vor  der  die  Richter  Sehen 
empfinden  sollten,  wohl  nicht,  dafs  sie  ein  vTCoiivtjfia  xmv  xfjgnoXimg 
l(fy(ov  sei,  sondern  ein  vmfivtjiia  rmv  iiti^  r.  n.  f.,  ein  Denkmal  der 
ruhmvollen  Thaten  des  Feldherrn  für  das  Vaterland.  Auch  142,  IS 
scheint  einer  kleinen  Correctur  zu  bedürfen ,  wo  der  Ausspruch  des 
ArchytQS  xainov  slvai  diamjxriv  xal  ßcanov  mit  der  Motivierung  ht 
S(iq>€i>  yccQ  x6  aöixovfievov  xaxag>€vyBi  begleitet  wird:  das  Neutrum 
eignet  sich  jedoch  schlecht  zur  Bezeichnung  der  hilfesuchenden  Per« 
son;  doher  wir  zur  oratio  obliqua  xbv  —  xaxaq>€vyHv  rathen.  Das 
Prooemium  des  dixavMOg  loyog^  will  Ar.  149,  18  sagen,  mufs  im 
Gegensatz  zu  dem  iniöetKxtiwg  in  bestimmter  Beziehung  auf  die  Streit- 
frage abgefafst  sein,  also  schrieb  er  wahrscheinlich  xa  dh  r.  d.  9rpo- 
oifiuc  oi%Ha  (oder  Xöui)  öil  kaßiiv^  und  da  er  vorher  im  Plural  gespro- 
chen hat:  xa  (ihf  ovv  xöiv  iniöeiKxixmv  koyoav  ngoolfiuc^  wird  er  auch 
hier  nicht  den  Singular  xov  öixavixov  gesetzt  haben.  Kurz  darauf, 
149,  32,  wo  er  den  Prolog  der  Tragiker  damit  in  Verbindung  bringt: 
xal  ot  xQayixol  öijiovci  negi  xo  ö^äfia  xav  fiif  ev^vg  äansQ  EvQinl* 
ötjg^  akk^  iv  x<p  it^k6y<a  yi  nov  dt^Ao^,  Saneg  xal  £o(poxk^y  seheint 
der  Text  verwirrt  und  der  Sinn  etwa  so  gefafst  werden  zu  mflfsen : 
iiön€Q  EvQ.  iv  xotg  TtQokoyoig  öi]koi^  ikk  afiov  yi  nov^  äcneQ  xiA 
£o<p>  (vgl.  151,  22).  In  158,  23  ist  es  kaum  möglich,  das  Object  blofs 
hinzuzudenken,  daher  der  Zusatz  xov  xov  ivavxlov  (sc.  koyov)  notli*> 
wendig  erscheint. 

Eine  Stelle  haben  wir  auf  den  Schlufs  verspart,  weil  wir  an  die 
Besprechung  derselben  die  Anzeige  des  Programms  von  E.  BeruhardI 
Nr.  2  knüpfen  wollen,  das  davon  ausgeht.  Diese  ist  136,  31.  Aristoteles 
beschreibt  die  avxixeifiivii  ki^tg  mit  den  Worten :  a.  de  iv  {  ixicxign 
T«  xciktai]  n(fog  ivavxla  ivavxlov  avyxeixai  ^  xavxo  hti^Bvxxai  xoig 
ivavxioig^  wo  also  der  Gegensatz  entweder  in  zwei  Kola  vertheilt  ist 
oder  von  einem  Kolon  unifafst  wird.  Das  unverständliche  ij  nffog  ist 
vielleicht  die  Angabe  einer  Variante  zu  avyxHxat^  für  welches  »po^ 
xiLxai  gelesen  werden  kann.  Eine  solche  Ausdrucksweise  erklärt 
Ar.^  für  iJJcr«,  weil  xavavxia  yv(0(^ifA6xaxa  xal  naQakktjka  iiakkop 
yv^qilta,  Wenn  die  Gegensätze  an  sich  schon  deutlich  sind,  bedarf 
es  keines  Mittels  sie  uoch  deutlicher  zu  machen,  daher  die  Worte 
yvtaQindxaxa  xai  entweder  zu  tilgen  sind,  vgl.  158,  9  na^akktilu  — 
(idkkov  xavavxia  yvaQl^na&f  oder  wenigstens  zu  ändern  in  ^^Mu^ifuv 


E.  Bernhardt:  Begriff  und  Grondform  der  griechiscben  Periode.  279 

ovror  %aij  um  einen  einigermafscn  erträglichen  Gedanken  zn  erhalten. 
Ad  den  Kahlreichen  Beispielen  136,  29  —  137,  19  wird  man  durchaus 
nur  die  Gliederung  in  je  zwei  Kola  entdecken,  diese  genügten  um  eine 
Vorstellung  der  öialQiaig  und  ivrli^iCig  zu  geben.  Wenn  diese  in  din 
Kolon  zusammengedrängt  wird,  wie  z.  B.  in  xal  xovg  vnofieCvavrag 
%(d  Toifg  ccKolov^aavrag  (137,  2),  darf  man  dem  Schriftsteller  nicht 
die  Vorstellung  unterschieben ,  dafs  er  das  Kolon  selbst  für  einen  ge- 
gliederten Theil  der  Periode  halte,  etwa  wie  später  Longinus  in  der 
Techno  309,  23  aus  Kola  die  Perikopen  und  aus  diesen  die  Perioden 
soaammensetzt ;  sondern  hier  ist  unter  Kolon  immer  ein  logischer  Satz, 
der  zugleich  ein  rhythmisches  Ganzes  bildet,  zu  verstehen,  wie  denn 
die  mqioöog  (lovoxakog  oder  agpclf/g  (136, 11)  mit  dem  Kolon  geradezu 
zusammenfallt,  was  aber  nicht  hindert,  dafs  letzteres  insgemein  als 
unselbständiger  Theil  der  Periode  betrachtet  wird;  in  dem  Fall  spre- 
eben  die  Techniker  von  einer  cvvd'szog  neQhSogj  vgl,  Demetrius  Jt.  igfi. 
$.  35  und  deu  von  ihm  citierteu  Archedcmus  $.  34,  welcher  die  De- 
finition gab  xaXov  iauv  ijzot  anlij  Tceglodog  fj  avv^hov  neQioöov  ui- 
(fog,  worüber  Demetrius  a.  a.  0.  bemerkt:  avvd'irov  —  qyifaag  avto 
neQtoöov  fiiQog  ov  övai  [(lovov]  Ticiiotg  rr^v  neglodov  oqIIhv  ioixiv, 
uUm  %ai  xQ^alv  xal  nXeloaiv  *).  Dies  ist  gegen  dos  Aristoteles  Angabe 
nddov  —  iail  xo  itSQov  fiOQiov  zcnktig  (136,  10)  gerichtet.  Anders 
denkt  sich  die  Sache  der  Vf.  des  Programms,  dessen  flcifsiger  Bearbei- 
tung des  Gegenstandes  übrigens  lief,  mit  Vergnügen  gefolgt  ist.  Die 
Abhandlung  macht  auf  manche  wichtige  Punkte  in  der  Periodik  der 
Alten  aufmerksam,  namentlich  auf  das  Vorhersehen  der  Rhythmik,  ver- 
möge dessen  ihnen  auch  längere  einfache  Sätze,  die  wir  ohne  Inter- 
punction  zu  lesen  gewohnt  sind,  für  Perioden  gelten.  Nach  der  Haupt- 
steile  des  Aristoteles  Kbet.  111,  9  (135, 11  ff.)  behandelt  der  Vf.  zuerst 
die  slQOfiivfj  und  xaieat^afifiivti  li^tg.  Jene  ist  nicht  periodisch,  ent- 
behrt des  Numerus  und  heifst  daher  aydtjg  öuc  to  amiqov^  hingegen 
macht  die  naxiaz^a^^ivti  einen  angenehmen  Eindruck,  weil  sie  in 
rhythmische  Abschnitte  zerfällt  dadurch  übersichtlichen  Umfang  im 
ganzen  und  Symmetrie  in  den  Theilen  gewinnt.  Die  rhythmische  Glie- 
derung ist  also  das  wesentliche  Merkmal  um  zum  Begriff  der  Periodo 
zu  gelangen;  das  einzelne  Glied  hat  für  sich  nicht  nothwendig  einen 
Abschlufs  des  Gedankens,  kann  ihn  aber  haben,  und  darauf  bezieht 
sich  gewöhnlich  die  Eintheilung  der  Perioden  in  ^ovdxcoAot,  dlKoakotj 
xqUcdIoi  u.  s.  w.  Die  dreigliedrige  Periode  nun,  welche  Aristoteles 
nicht  besonders  berücksichtigt,  obwohl  es  S.  12  hier  behauptet  wird, 
ist  als  Grundform  zu  betrachten:  sie  entsteht  durch  correlalive  Ver- 
bindung, durch  Vorschieben  abhängiger  Gedankentheile  (was  der  Vf., 
wir  wifsen  nicht  mit  welcher  Berechtigung,  azffoyyvlov  nennt)  und 
durch  Einschieben  eines  Zwischensatzes ;  ein  so  gebildeter  Complex 
von  Sätzen  heifst  auch  Tivxlog.  Die  Erweiterung  der  Periode  zu  sehr 
amfangreichen  Ganzen  wird  schliefslich  an  mehreren  Proben  aus  De- 

*)  Dafs  luivov  nach  dvai  nicht  fehlen  darf,  zeigt  dlka  %aC. 


280  L.  Spcngel :  Rlictoros  Graeci.  Vol.  h 

mosthcncs  und  Isokrates  nachgewiesen;  wie  von  jenem  an  n.  Ox&p,  $.  ], 
6  f.,  41,  306  und  Chcrs.  §.  69,  von  diesem  an  Pancg.  $.  1,  11,  100, 
148.  Besonders  dieser  Analysen  wogen  ist  die  Abhandlung  den  Lesern 
beider  Redner  sehr  zu  empfehlen. 

Wir  gehen  zuAnaximenos  über,  dem  ältesten  Repraesentanten 
der  vulgaren  Rhetorik,  d.  h.  der  von  allen  classischen  Rednern  be- 
folgten Theorie.  Durum  ist  er,  so  sehr  er  auch  gegen  die  logische 
und  sittliche  Strenge  des  Aristoteles  absticht,  für  das  Studium  der 
Redner  von  der  gröfsten  Wichtigkeit.  Uebrigens  ist  in  allen  Stücken 
kaum  eine  gröfsero  Verschiedenheit  denkbar  als  die  zwischen  beiden 
Rhetoriken  bestehende.  Dies  nicht  zu  bemerken,  war  nur  dem  con- 
servativcn  Feuereifer  Lerschs  möglich,  den  selbst  die  frappante  Ueber- 
einstimmung  von  Quintilian  III,  4,  9  mit  Syrianus  Rhet.  Gr.  IV,  60 
lange  nicht  von  der  einmal  gefafsten  Idee  abzubringen  vermochte« 
Vergebens  stellte  man  ihm  vor,  dafs  Aristoteles,  der  sich  allenthalben 
selbst  citicrt ,  nirgends  von  dieser  sogenannten  Rhetorica  ad  Alexan* 
drum  spreche,  dafs  in  dieser  eben  so  der  Verfafser  niemals  zu  ver« 
stehen  gebe,  dafs  er  Aristoteles  sei;  dafs  die  Methode'*'),  die  Termi- 
nologie, der  ganze  Stil  durchgehcnds  ein  anderer  sei,  die  Tcndens 
beider  Werke  so  verschieden  wie  Sein  und  Schein;  dafs  manche  hier 
gegebene  Vorschrift  von  Aristoteles  geladelt  werde,  der  Zeitraum  aber, 
welcher  zwischen  die  Abfafsung  dieser  Bücher  füllt,  keineswegs  hin- 
reiche, um  DilTerenzen  von  solcher  Bedeutung  zu  erklären.  Erst  spät 
gelangte  Lerscii  zur  Erkenntnis,  dafs  sein  Bemühen,  dem  gröfsten  Phi- 
losophen ein  ganz  unphilosophisches  Buch  zu  vindicieren,  zo  niohls 
führe;  er  gab  den  Aristoteles  auf,  substituierte  ihm  aber,  wohl  nur  um 
seine  ^iederlage  etwas  zu  bemänteln,  den  Isokrates:  darauf  zu  ver- 
fallen war  insofern  nicht  schwer,  als  Anaximenes  eigentlich  nur  vor« 
trügt,  was  er  bei  jenem  gelernt  hat;  aber  Quintilian  müste  doch,  wire 
die  Rhetorik  wirklich  von  Isokrates,  a.  a.  0.  etwas  davon  gewusl 
haben.  Seine  Conjectur  dafs  dort  die  Namen  zu  vertauschen  seien 
unterliegt  mit  vollem  Recht  dem  Vorwurf  der  Grundlosigkeit,  welchen 
er,  ohne  das  mindeste  Recht  dazu  zu  haben,  Spcngel  in  der  Sprache 
Philosophie  der  Alten  II,  290  gemacht  halle.  So  viel  genüge  Ober 
diesen  Gegenstand,  welcher  ausführlicher  sowohl  von  Spengel  in  einer 
Antikritik  von  Lerschs  Anzeige  seines  Anaximenes  in  der  Ztschr.  f.  d. 
AW.  1847  Nr.  2,  als  auch  von  Finckh  in  einem  Programm,  worauf 
wir  unten  zurückkommen,  erörtert  worden  ist. 


♦)  Mit  Anweisungen,   wie   sie   der  ryrrcoy  Xoyog  bei  Aristopha 

nicht  nnverhoiener  geben  konnte,  z.  B.  202,  22.  207,  11.  237,  20  con- 
trafltiert  herlich  die  wurdevolle  Erörterung  vom  Nutzen  der  Rhetorik 
6,  6  ff.  Gerade  was  das  Werk  de«  Aristotele»  auszeichnet,  di«  Be- 
gründung der  Argumentation  durch  Syllogismus  und  Kpagoge  ist  bei 
Anaximenes  gar  nicht  vorhanden  und  Meine  Ilegriffe  von  diesen  logi- 
schen Functionen  sind  sehr  dürftig.  Du«  iv&vfifjfia^  welches  dort  das 
Fundament  der  Rhetorik  ausmacht,  nimmt  hier  eine  ziemlich  unterge« 
onlnete  Stelle  ein.  Kndtich  ist  in  der  Behandlung  des  stilistischen  der 
Fortschritt  des  Aristoteles  nicht  zu  ermefsen. 


L.  Spengel:  Rhetores  Graeci.  Vol.  I.  281 

Bei  Anaximenes  hat  Sp.  den  Text  seiner  Einzelausgabe  (Tnrici 
el  VItoduri  1844)  meistens  beibehalten  nnd  vieler  evidenter  Verberse- 
rangen,  welche  dort  in  den  kritischen  oder  exegetischen  Noten  sa 
finden  sind,  hier  nicht  einmal  in  der  Vorrede  gedacht.  Allerdinga 
wird  niemand,  der  mit  griechischer  Rhetorik  sich  beschäftigt,  den 
Commentar  lu  Anaximenes,  dies  vorzüglichste  Hilfsmittel,  fibergehen 
dfirfen;  aber  zur  Erleichterung  der  Leetüre  des  Schriftstellers  würde 
die  Angabe  jener  Emendationen  sehr  dienlich  sein ,  weshalb  Ref.  sie 
wenigstens  hier  nachtragen  zu  müfsen  glaubt.  Die  wesentlichsten 
Berichtigungen  sind  die,  wo  eine  verstümmelte  Textesstelle  nur 
dnreh  Restauration  des  vermifsten  Inhaltes  versländlich  wird.  Dies 
ist  geschehen  p.  200^  18:  hier  fehlt  nach  TcaQaSefytiara  der  Nach- 
satz acav  antarau  ]y  to  Xsyofievov^  tpiQOfiev.  und  vor  %al  ix  tcSv  ivccv- 
xlmv  mufs  eingeschoben  werden  xa  öi  xen^riqui  dictfpiQei  rmv  naQadsiy- 
(umrcov,  ou  rcnhcc  (vgl.  Sauppe  epist.  crit.  p.  149);  ferner  207,  22,  an 
welcher  Stelle  kein  vernünftiger  Sinn  in  den  Worten  xl  av  inoirfiav 
ovxoi^  sl  ft^  (pavEQol  iiiv  i^aav  ^(läg  ngoxe^v  iyiuxxaXsXomoxtg  za 
entdecken  ist,  wenn  man  nicht  nach  el  fiti  ergänzt  (plXot^  all*  ix&Qol 
iJfiTv  iyhovxo,  o?,  sodann  213,  20:  daselbst  ist  oca  dh  l§a)  xi%vrig  nei- 
xui  xxi.  nur  Apodosis  zu  der  unentbehrlichen  Protasis:  oiSa  (ihv  avv  ^ 
xixminaQaaTUvd^eiy  xam  iaxlv.  Unbegreiflich  ist,  wie  An.  216, 6  die 
Vorschrift  %al  ^rjxiov  mg  adUmg  fj  Kgiaig  iyivexo  geben  kann,  nach- 
dem er  zuvor  bemerkt  hat,  ein  richterliches  Unheil  müfse  in  dem  hier 
vorausgesetzten  Fall  entweder  bereits  erfolgt  sein  oder  erwartet  wer- 
den oder  die  Ausführung  der  Anklage  von  den  Gegnern  selbst  vermie- 
den werden;  jene  Behauptung  kann  nicht  die  drei  bezeichneten  Kate- 
gorien, sondern  nur  die  erste  treffen,  also  mufs  d  iyivexo  vor  ^rjtiov 
treten.  Mangelhaftigkeit  der  Aufzahlung  wies  Sp.  179,  22  nach,  wo 
die  Anwendung  des  vdftifiov  auf  die  ^dai  fehlt;  207,  20,  wo  i/  e/^oo- 
ifivofuvoi  (vgl.  208, 14)  vermifst  wird;  c.  21  durfte  darum  auch  kein 
neuer  Absatz  gemacht  werden.  Die  Vollständigkeit  verlangt,  dafs  auch 
213, 21  gelesen  werde  xal  yaq  xo  Slxaiov  nal  xb  vofitfU)v  xal  x6  xalov 
%xL  Die  stärkste  und  nicht  herstellbare  Lücke  fällt  231,  4,  wo  der 
iuifhlal  neql  xov  loyov  gedacht  werden  muste,  so  gut  als  vorher  derer 
nBfjl  xov  av&goimov  und  mgl  xb  nqctyna.  Wesentliche  Sinnesberich- 
tigungen gewinnt  der  Text  209,  23  durch  den  Zusatz  von  |^^  zu  xqri' 
a^ai  und  231 ,  30  durch  den  von  fiilliociv  vor  Svvofia  —  itnofpalvHVy 
die  Construction  endlich  182,  8.  186,  3.  202,  7.  226,  6.  228,  14.  235, 
24.  Der  entgegengesetzte  Fehler  besteht  darin ,  dafs  durch  unechte 
Zusätze  Verwirrung  oder  wenigstens  lästiger  Ueberflufs  bewirkt  wird. 
Nicht  selten  wurde  durch  den  Vorwitz  unberufener  Correcloren ,  die 
von  der  Sache  nichts  verstanden,  diesen  rhetorischen  Schriftstellern 
ein  Nonsens  angehängt,  indem  sie  die  Gedanken  derselben  vervoll- 
ständigen zu  müfsen  glaubten.  Beispiele  bieten  auch  die  Hss.  des 
Anaximenes  mehrere  dar.  Ohne  Einsicht  in  das  Wesen  des  ^l^ytog 
fügte  man  199,  31  zu  den  ivayuala  &g  fi(ietg  liyofiLev  hinzu  fl  o  «vt*- 
Xfytov;  ganz  gegen  die  Definition  des  Schriftstellers,  welche  er  von 

iV.  Jakrb.f.  PkO.  ».  Paed.  Bd.  LXX^fffl.  0.  19 


282  L.  Spengcl:  Rhetores  Graeci.  Vol.  I. 

der  aöxsiokoyla  gibt  209,  2  oka  rj  zu  i^ft/cTi},  worin  gerade  die  Eigen« 
thümlichkeit  der  Figur  liegen  soll.  Irrig  ist  ferner  der  Zusatz  xQOTtov 
224,  d  zu  ix  Tov  TtaQaXsleififiivov  und  störend  der  227,  B  ij  Ott  Stic 
rov  i7tn}]öev^aTog.  Einige  unnütze  Uecapitulalionen  hat  Sp.  auch  hier 
bezeichnet,  wie  195,  dO  das  noch  dazu  am  unrechten  Orte  eintretende 
Ta  fiev  ovv  roi^avta  naQuöefyfJLaxa  xaicc  Xoyov  iczlv  und  213,  30  xarl 
zccg  dia(poQccgf  über  das  meiste  aber  mufs  man  den  Commentar  zu  Rathe 
ziehen,  wie  zu  229,  2.  232,  26.  236,  16,  auf  welche  Stellen  wir  unten 
zurückkommen.  Verbcfserungen  von  Corruptelen,  die  aus  der  ersten 
Ausgabe  unbedenklich  in  den  Text  aufgenommen  werden  konnten,  aber 
nicht  einmal  in  der  Praefatio  erwähnt  werden,  sind  177,  1  fietuw 
nollaxag  Aijt/^r^;  177,  13  ta  rov  ansXev^i^ov  —  l^f^v;  179,  3  nivrai 
179,  6  n€Ql  vofiCDv  xccl  T^g  noXiuTiijg  xaiaaxevijg;  179,  8  ne^l  noki- 
fio)]/  aal  siQ'qviig;  180,  13  inü  twI  inl;  183,  10  cv(i(iaxi(av  t(ov  TtQog 
rag  Skkccg  nokeig  xal  avtißokalmv ;  186,  3  a7tog)alveiv;  199,  24  ix  Tc5y 
(laqTVQCDv;  203,  20  oxav  (ih  avtov;  217,  17  TtffoveQOv  aal  kiyovta; 

220,  28  ra  iv^vfiT^fiara;  225,  15  im  rovvtav  rtav  aiöav;  225,  26  xccvta 
öij  öukofuvoL;  226,  17  ysyovoxag]  227,  4  ngo^ifievog. 

Wesentliche  Verbcfserungen  verdankt  das  Buch  dem  Programm 
von  Finckh,  welches  betitelt  ist:  commentatio  de  auctore  rhetoricte 
qnae  dicitur  ad  Alexandrum  et  de  locis  nonnullis  eins  libri  vel  emen- 
ddndis  vel  illustrandis,  lleilbronnae  1849,  und  Halms  Beitragen  im 
Philol.  1,  576—81.  Wie  von  letzterem  vy^alveiv  (für  at  vtKOil)  186, 
25;  cvvaye  193,  32  und  öst  für  öi  222,  2  Aufnahme  gefunden  hat, 
dürfte  mit  gleichem  Recht  185,  1  nxalaünaiv  abgedruckt  werden  (vgl. 
ib.  9);  und  193,  4  iv  xotg  ko^oig;  196,  32  kiyeiv;  197,  25  avTOv;  204, 
22  iv  ivOvjitjfiaxog'y  208,  15  7}  xotg  ivavxlotg;  212,  21  aag)(og  fiiv  xoig; 

221,  15  avxov;  226,  4  naQand'ivai;  227,  10  nagaßakkeiv  xavxag  xoig 
iKtlvmv;  231 ,  9  ^  Ovva'tlfOiJiev ;  235,  17  xavxo;  238,  15  Cvvivxig;  239, 
20  fvftcmc;,  sämmllich  Emendationon  von  Finckh,  von  welchem  187,  8 
(jLeyu  (figeiv;  194,  31  ij  ot  navxeg;  227,  13  äkXcc  ö^tKQa  und  15  xalxo& 
oaxigj  24  nigari  wirklich  eine  Stelle  im  Text  erhallen  haben;  von 
Halms  Vorschlügün  war  191,  4  i]  xinga^euv  civ;  215,  30  itQcixav  uiv 
öei\  221,  3  xcc  oUeicc;  235,  6  xar'  a^iau  äv;  237,  27  aTtoxexvxipcoTig 
ticiv  nicht  zu  bezweifeln  und  somit  ebenfalls  aufzunehmen. 

Nur  wenige  der  von  beiden  Gelehrten  vorgebrachten  Conjecturen 
scheinen  uns  nicht  ganz  den  Sinn  des  Anaximencs  zu  trefTon,  z.  B.  wenn 
Fitickh  ihn  177,3  sagen  lüfst:  öaida  —  avxov xa xov ayoQSvovxaxovvo- 
fiov  ka(ißavaiv^  aha  x(p  lifioiov  tc5  yayQafifiavo}  vofioi.  Unzweckmäfsig 
ist  hier  die  Unterscheidung  des  Gesetzgebers  vom  Gesetz  selbst  und 
kommt  auch  sonst  bei  An.  nicht  vor,  wohl  aber  liest  man  nicht  selten, 
dafs  der  vofiog  xi  ayogavai:  so  möchte  er  an  unserer  Stelle  etwa  ge- 
schrieben haben  avxov  xe  xov  ayogavovxa  xi>  vo^iov,  noch  einfacher 
wäre  und  zugleich  seiner  Redeweise  am  entsprechendsten  avxov  xi  rov 
vofwv.  In  J93,  18  wird  man  die  vorher  aufgestellte  Dreitheilung  des 
aixog  nach  <pv<Stg  oder  naO-t},  aOog  oder  cvvijOatay  und  xiqöog  in  dem 
Sati  Ttokkamg  —  öia  xovxo  x^v  q^mv  ßtacdiiavoi  xal  xa  i^  9t(foei' 


L.  Spen^cl:  Rhetorcs  Graeci.  Vol.  I.  283 

ioiu^a  TtQazreiv  beracksichtigt  finden  und  aufser  dem  Zusatz  von  rt 
%a  TtQazTSiv  keine  Aenderung  für  nuthig  erachten;  diese  Beziehung 
wird  aber  geschwächt,  wenn  man  nach  Finckh,  mit  Sp.s  Billigung, 
lesen  wollte  xal  t«  atjd^ri.  Wegen  des  u  nqaxxEiv  bedarf  es  wohl  nicht 
des  Citatcs  von  194,  11  oder  ähnlicher  Stollen.  Wenn  ferner  von 
Finckh  187,  22  noXXdiitg  für  ttoAAo:  corrigiert  wird,  besorgen  wir, 
dafs  damit  nur  die  Verbefserung  eines  Glosscms  gewonnen  ist,  denn 
nichts  anderes  scheint  die  Phrase  co?  nolXcc  ngccTtsiv  imßaXeto  neben 
10^  noXvv  xQOvov  iitQaruv  vorzustellen.  Unter  den  Motiven,  welche 
zum  Abschlufs  einer  Bundcsgenofsenschaft  eingegangen  werden,  kommt 
auch  das  183,  16  vor:  oxav  —  TtoXi^itp  anoCxriaBiv  xivccg  vo^l^ovaiv 
(lies  vofilScoaiv^  indem  der  Zwischensatz  öii  xovxo  noirjaaad'cci  avfi- 
[iccxlav  TTQog  xtvag  oxi  nicht  echt  sein  kann).  Da  ccg>t,axdvcci  die  neu- 
trale Bedeutung  ^abfallen'  unseres  Wifsens  nicht  hat,  so  erscheinen 
die  Worte  unverständlich;  Halm  wollte  daher  aTioaxctxrjasiv  lesen,  ohne 
jedoch  einen  Beleg  für  diesen  Gebrauch  des  Verbums  beizubringen, 
welcher  auch  kaum  zu  entdecken  sein  möchte.  Das  richtige  liegt 
näher  und  ergibt  sich  mit  der  leichten  Aendernng  noXifiov:  man  wagt 
gegen  die  durch  starke  Bündner  geschützten  nicht  den  begonnenen 
Krieg  fortzusetzen.  Zu  185,  12  leidet  Halms  ix  xov  (ii]  an  Undeutlich- 
keit,  weil  so  dem  Hauptglicd  ix  xiov  xt^vövvcov  die  nähere  Bestimmung 
ebenfalls  mit  ix  untergeordnet  würde;  einfacher  schreibt  man  reo  fiY^« 
Die  dvxtXoyia  J92,  2  wird  von  Halm  mit  aixioXoyCci  vertauscht,  wel- 
cher Ausdruck  als  Name  einer  rhetorischen  Figur  bei  Kutilius  II,  19. 
Quint.  IX,  3,  93.  Aristid.  IX,  347.  Alexander  VIII,  438  u.  ö.  vorkommt. 
Diese  kann  hier  nicht  gemeint  sein,  in  einem  andern  Sinne  ist  aber 
das  Wort  nicht  zu  finden,  daher  wir  lieber  öi^xctioloylag  läsen,  wenn 
der  Satz  überhaupt  echt  ist;  er  kann  darum  verdächtigt  werden,  weil 
die  beiden  vorhergehenden  parallelen  Glieder,  die  mit  ^tiXtaxa  ö  av- 
Torij  —  ^dXiaxa  tf'  avxav  beginnen,  keinen  solchen  motivierenden 
Anhang  haben.  Die  202,  2  von  Finckh  vorgeschlagene  Einschiebung 
der  Negation  vor  '/^aXenou  ist  auf  den  ersten  Blick  sehr  speciös,  aber 
das  Passivum  iXeyx^ijvai  widerstrebt  dem  Gedanken,  welcher  durch 
das  ov  hervorgebracht  werden  soll,  auch  sieht  man  am  Ende  nicht 
ein ,  was  damit  gewonnen  wird ;  die  Vulgata  hat  dagegen  einen  ganz 
guten  Sinn:  dem  geringen  Nutzen,  den  der  Meineid  bringt,  wird  die 
schwere  Strafe,  welche  dies  Verbrechen  trifft,  entgegengesetzt ;  es 
verursacht  nicht  blofs  materiellen  Verlust,  sondern  zieht  auch  dem 
überwiesenen  Verachtung  und  Mistrauen  zu. 

Vorsicht  in  der  Kritik  ist  durch  den  Plan  dieser  Ausgaben  gebo- 
ten und  auch  sonst  Spengel  eigen;  seine  grofse  Erfahrung  und  Bele- 
senheit scheint  ihn  darin  eher  zu  bestärken  als  zu  einem  gewagtem 
Verfahren  zu  ermuthigen;  wir  gestehen  mehrmals  besonders  im  Anaxi- 
menes  seine  Skepsis  zu  grofs  gefunden  zu  haben.  Als  Beispiel  mag 
179,  3  dienen,  an  welcher  Stelle  er  gegen  den  Sinn  der  weiler  unten 
folgenden  Erörterung,  wo  sowohl  tcsqI  vo/höw  xccl  xijg  noXinxrjg  xa*- 
raaxevijg  als  neql  HQ'qvrig  xal  noXi(iov  zu  6inem  Haupttbeil  (nqo^eaHi) 

19* 


284  L.  Spengel :  Rbetores  Graeci.  Vol.  I. 

der  sUatomänniscben  Berathang  znsammengefarst  ist,  die  Siebensahl 
der  9tQ0^iasig  und  die  disjunctive  Anführung  rj  jce^l  v6(i(ov  ^  mQl  r^ 
jtoUuxrjg  %€cta07i€Vfjg,  sowie  ^  JteQl  noXiiicov  fj  tuqI  ilQ^vrig  stehen 
Ijirst;  An.  kann  nur  fünt  nQO^iaeig  hier  gezahlt  haben ,  muste  also  xal 
nsQl  Tfjs  %.  X.  und  xal  ^U^vt^  schreiben ;  einen  so  augenfälligen  Wi- 
derspruch dürfen  wir  ihm  nicht  zutrauen.  Dafs  dieser  auch  Sp.  nicht 
entgangen  ist,  zeigt  seine  Note  in  der  frühern  Ausgabe  p.  118  *  in  ex- 
positione  ipsa  non  septem  (sunt  ngo^iaeig)^  sed  quinque  —  faeile 
igitur  librarios  hie  {  pro  aal  dedisse  auctoremque  non  iitva  sed  nivta 
seripsisse  coniicias ,  sed  nil  mutamus ,  nam  parum  refert.' 

Durch  öftere  Leetüre  des  für  die  Geschichte  der  Rhetorik  lehr- 
reichen Werkes  ist  Ref.  auf  manche  von  Sp.  übergangene  Schfiden  ge- 
stofsen,  welche  er  hier  nach  einer  bestimmten  Ordnung  aufführen  will, 
in  der  Hoffnung  dafs  haltbare  VorschlSge  dem  spätem  Leser  einige 
Erleichterung  gewähren,  unrichtige  von  Kennern  als  solche  nachge- 
wiesen und  beseitigt  wenigstens  unschädlich  sein  werden.  Es  gilt 
von  dem  Text  des  Anaximenes,  was  Sp.  in  der  gröfseren  Ausgabe 
pag.  VII  sagt:  ^rari  et  corrupti  sunt  libri  neque  est  qui  ceteris  longe 
praestet'  und  p.  VIII  ^multo  plura  ex  ingenio  quam  ex  codicibus  snul 
reslituenda.'  Er  ist  zugleich  durch  Defecte  und  Glosseme  stark  ent- 
stellt, natürlich  auch  durch  arge  Schreibfehler.  Die  Defecte,  um  von 
diesen  zuerst  zu  reden,  stellen  sich  bei  der  systematischen  Anordnung 
auch  da  heraus ,  wo  die  syntaktische  Construclion  nicht  unterbrochen 
ist;  so  werden  186,  24  die  dort  aufgezählten  Kategorien  durch  Bei- 
spiele erläutert  mit  Ausnahme  des  vtt'  cevxov  aateQyaa&iv  und  dt  orv- 
xov  noQia&ivf  der  Schriftsteller  hat  gewis  diese  auf  gleiche  Weise 
erklärt,  daher  die  Lücke  a.  a.  0.  bezeichnet  werden  dürfte.  In  190, 
17  ist  T£,  welches  cod.  E  wegläfst,  wirklich  zu  streichen,  da  dort 
Gesetz  und  richterliche  Schätzung  Gegensätze  sind;  dagegen  wird  ein 
zweites  ig>^  olg  vor  oi  ötKacval  nöthig  sein,  sowie  der  Artikel  vor 
tfllJi^gi  vgl.  189,  2.  Vorher  189,  16  wird  die  Anweisung,  was  der 
Ankläger  zu  sagen  habe ,  durch  den  Satz  xcel  6  vofio^hrig  ovx  a^^xa 
Tovg  i^afiaQzocvowag  keineswegs  abgebrochen,  sondern  bildet  den 
Schlufs  von  jener ;  deshalb  ist  mg  nach  ngog  6e  tomoig  einzureihen. 
Die  Vollständigkeit  der  Aufzählung  vorlangt,  dafs  201,  7  wie  200,  13 
xccl  rcJt/  av^Q^Ttdiv  hinzugefügt  werde.  In  195, 16  ist  der  Sinn  mangel- 
haft ausgedrückt  mit  Ttoui  öi  ta  (liv  xavoc  Xoyov  yiv6(isva  niattvsa^t^ 
ta  di  iifi  xceta  loyov  antCT£i<s&an  man  führt  Beispiele  insgemein  nichl 
an  um  Zweifel  und  Unglauben  zu  erregen,  wohl  aber  werden  die 
TtaQaöiiyfutTa  notqu  Xoyov  aufgeboten  um  den  Glauben  ans  wahr- 
scheinlichere wankend  zu  machen ,  damit  etw^as  minder  wahrscheinli- 
ches geglaubt  werde;  daher  hier  xa  ehoxa  nach  TTMTrevfifOori  aasge- 
fallen zu  sein  scheint;  auf  dasselbe  Object  geht  dann  auch  aTtusxeid^aiy 
vgl.  196,  19 — 21.  Will  man  201, 17  Sp.  folgen  und  mit  Tilgung  von  xa 
ofkoUig  schreiben  Tuql  tov  cntofpcilvsxai  xr^v  do^avj  so  ist  ein  befriedi- 
gender Gedanke  hergestellt,  sonst  könnte  auch  nach  ofiolcng  ein  Ver- 
bum  diaßdXXsiv  eingeschoben  und  damit  der  Sinn  gewonnen  werden. 


L.  Spengel :  Rhetores  Graeci.  Vol.  I.  285 

dafs  man  den  Urheber  eines  entgeg^enslcbenden  Vorschlags  far  aner- 
fahren erkläre  und  ebenso  seine  Ansicht  fQr  verwerflich.  Die  von  Sp. 
gemachte  Ergänzung  209,  23  t^  ^i  Xi^si  slg  ovo  (itf  ;|f^Otff ,  wo  fci{ 
sonst  fehlte,  war  nothwendig,  wenn  die  Vorschrift  nicht  das  Gegen- 
theil  von  dem  aussagen  sollte,  was  der  Rhetor  meint,  dafs  ncmlich  in 
der  gedrängten  Redeweise  (Brachylogie)  der  Parallelismus  membromm 
SU  vermeiden  sei;  an  ein  ^maius  mcndum'  aber,  welches  in  dem  un- 
mittelbar vorhergehenden  ovofia^Eiv  fihv  ovtüd  stecke  (vgl.  den  Com- 
mentar  p.  189),  können  wir  nicht  glauben,  nur  xaC  scheint  vor  ovo« 
fia^Hv  zu  fehlen ;  dies  geht  auf  den  Ausdruck  im  einzelnen ,  die  li^ig 
auf  den  Stil  in  zusammenhängender  Rede.  Ein  grufserer  Ausfall  scheint 
207,  9  angenommen  zu  werden  mflfsen,  da  mit  dem  kurzen  iav  di  j 
naqii  xovg  vouovgy  adtxov  nicht  alles  gesagt  ist,  worauf  sich  An.  im  fol- 
genden ötsdofie^a  —  xaza  tov  xaiQov  bezieht.  Desgleichen  vermuthen 
wir  226, 28 ;  hier  stand  nothwendig  vor  etu  6i  ein  Satz,  welcher  die  Be- 
sprechung des  Jugendalters  einleitete.  Nur  ein  Defect  der  Construclion 
ist  es  214,  26,  wenn  da  ozav  vor  fpaaxcoai  fehlt;  flbrigens  kann  gleich 
darauf  Z.  28  ^  öktfiMtv  —  vovv  nicht  einen  selbständigen  Theil  der 
Aufzählung  ausmachen,  sondern  mufs  sich  dem  vorgehenden  dadurch 
anschliefsen ,  dafs  man  ^  in  xa/ verwandelt.  In  217,  2,  wo  der  Red- 
ner, welcher  in  einer  öfTentlichen  Angelegenheit  zum  erstenmal  auf- 
tritt, den  Verdacht  erregt,  dafs  er  dies  ivBxa  rivog  IdCov  thue,  fehlt 
wohl  xiqdovg,  231,  3  mufs  vor  ovi  ein  {  eingeschoben  und  entweder 
toifg  ivavxlovg  oder  amm  gelesen  werden,  wenn  manTOf  ivavxlov 
beibehält.  Endlich  kann  234,  3  die  Beziehung  auf  das  angeklagte 
Subject  koum  entbehrt  werden,  so  dafs  iXvOixBXig  aoi  zn  lesen  ist. 

Fast  noch  mehr  als  an  Lücken  leidet  der  Text  hier  an  unechten 
Zusätzen.  Als  blofse  ursprünglich  an  den  Rand  geschriebene  Inhalts- 
angabe ist  176,  26  naqaÖHyiut  zu  betrachten;  An.  selbst  kann,  wenn 
man  die  sonst  beobachtete  Redeweise  vergleicht,  kaum  anders  gespro- 
chen haben  als  so :  ix  dl  x^v  ivavxltav  %qri  xccxatpavlg  Ttouiv  ctvxo 
möe'  vgl.  z.  B.  177,  21.  Aehnliche  Marginalien  Anden  sich  189,28. 
199,  31.  203,  15.  In  178,  28  ist  xal  xlvmv  nach  itSQi  noamv  xal  ni(^ 
Tcoiav  wenigstens  entbehrlich,  vgl.  Aristot.  Rhet.  1, 10,  1.  Weiterhin 
180,  27  scheint  in  xal  xa  xcexa  r^i;  xqctxlaxriv  &valcev  nur  eine  Dilto- 
graphie  vorzuliegen,  welche  dadurch  entstand,  dafs  xal  xtjv  in  xaxa 
xrjv  verderbt  und  dann  beide  Lesarten  verbunden  wurden.  Aehnlich 
ist  aixdg  205 ,  8  aus  dem  vorausgehenden  vTtofielvavxag  wiederholt. 
183,  15  repetiert  das  sehr  überflüfsigo  Sia  xovxo  noii^aa&ai  cvfifia- 
Xfav  nQog  xivag  oxi  nur  was  Z.  12  stand:  av(i^axovg  di  Tcoutad^ai  (sc. 
avayxaiou)  wie  das  bereits  von  Sp.  Z.  17  eingeschlofscne  xovTCOutdO'at 
CviiiAcexovg.  Mit  Recht  hat  Finckh  193,  4  ein  iv  vor  Xoyotg  suppliert, 
da  der  Schriflsteller  gleich  nachher  mit  einem  Rflckblick  auf  die  ange- 
führte Stelle  sagt  a  <pa(iev  öuv  avfinagaXafAßdveitf  iv  xoig  Xoyoig^  er 
durfte  aber  zugleich  die  theils  entbehrliche,  theils  falsche  Explication 
in  Xoyoig:  iv  tw  xaxriyoQstv  ij  aTtoXoystOxyat  ausscheiden,  denn  dafs 
der  Ankläger  das  elxog  braucht,  versteht  sich  von  selbst,  der  Verthei- 


286  L.  Spcngel :  Rhetores  Graeci.  Vol.  I. 

diger  mufs  es  aber  nicht  sowohl  anwenden  als  bestreilen;  übrigenn 
ist  die  Angabe  auch  voreilig,  denn  erst  26  behandelt  An.  den  Gebrauch 
des  Hnog  bei  der  Ankluge,  vorher  aber  (19)  bei  den  n^oxqonaL  und 
ocitotQOTCaL  Ebenso  ist  193,  6  aus  26  der  Satz  i]  xal  airo  xovxo  to 
TCQciyfia  noXkccKig  Ttiitoiii'KoxBg  heraufgerathen,  wie  Finckh  schoo  be- 
merkt hat.  Das  TtSTtccvfihoi  t%  imO'Vfilag  aber  ib.  8  betrachtete  An. 
gewis  fiiphtals  ndd^og^  hier  hat  die  bereits  oben  nachgewiesene  Sucht 
durch  Antithesen  die  Aufzählung  zu  vervollständigen  ihr  verkehrtes 
Spiel  gelrieben.  Aehnlicher  Art  ist  die  nicht  in  allen  Hss.  vorkom- 
mende Variante  kccI  ol  y>Bol  lial  oi  ivd-gamoi;  andere  haben  blofs  %ci 
ot  avQ'Q(07tot^  welche  kürzere  Fafsung  Sp.  aufgenommen  hat.  Wa9 
soll  aber  dann  xa/  bedeuten?  Werden  Alenschen  eher  die  verschwen- 
derische Frömmigkeit  billigen  als  die  Gölter,  denen  zu  Ehren  mao 
sich  anstrengt?  Gewis  nicht,  also  können  nur  letztere  geneigt  sein 
dergleichen  dankbar  anzuerkennen,  aber  auch  sie  werden  ein  über  die 
Kräfte  des  Staates  hinausgehendes  Opfer  tadeln.  Mithin  verlangt  der 
Gedankengang  hier  xal  ot  %boI,  210,  2  liegt  in  nakiXXoyuv  an  sich 
schon  der  ßegrifT  des  Schlufses^  daher  das  angehängte  i%l  t^  zBlivtj^ 
nachijcl  tovicov  iicchöxan,  wenigstens  sehr  entbehrlich  erscheint;  ge- 
radezu störend  ist  im  xeXevxTig  in  221,  8.  Verschieden  ist  der  Fall  in 
207,  16.  208,  30.  Nicht  anders  als  durch  die  eben  besprochene  Unart 
Gegensätze  da  anzubringen,  wo  sie  nicht  hingehören,  ist  das  hl  fj 
210,  19  zu  erklären,  da  in  den  drei  übrigen  xa^sig  der  Plural  ange- 
wandt wird  Und  nolhwendig  ist,  wo  die  Verglcichung  verschiedener 
Combinalionen  angestellt  werden  muste.  In  218,  10  darf  die  Inter- 
punclion  nach  hOriao^ev  nur  Komma,  nicht  Punctum  sein,  219^  BQ 
aber  nach  ffaiveCvca  nicht  einmal  ein  Komma  stehen,  weil  davon  vitZQ- 
ßdklea&cci  abhängt:  es  mufs  den  Schein  haben  als  wolle  mao  den 
schwierigen  Punkt  spuler  besprechen;  ist  das  der  Sinn,  dann  kann  3^ 
xai  TtQo'iotnog  —  vmaxi^'£i:a\>ai.  nur  als  Erklärung  zu  vneQßdkXea^ai 
angesehen  werden,  die  sich  aber  mit  q:alve6d'ai  nicht  vertragt,  also 
den  {Ulrich  verdient.^  Dasselbe  gilt  von  222,  6,  wo  ij  axf](Ji(ixa}v  so  ab- 
solut neben  ivO-v^tiiiara  und  yvmiai  gestellt  nicht  richtig  sein  kann, 
da  sonst  das  Wort  überall  bei  An.  in  Bezug  zu  einer  bestimmten  Uede- 
ligur  erscheint.  Nur  als  fremden  Zusatz  vermögen  wir  222,  24  OXV' 
(laxa  öialoyic^ov  —  ij  eiQCOvELCcg  zu  betrachten,  da  diese  Formen  der 
Palillogie  schon  oben  207,  22  behandelt  worden  sind  und  zwar  ala 
KifpccXaia  nicht  als  Cxtjuccxa,  Eine  aus  zwei  liandnoten  componierte 
Stelle  ist  225,  29 — 32:  die  erste  xotyagovv  —  yevsakoyrjao^sv  hat  so 
gut  wie  gar  keinen  Sinn,  die  zweite  unterbricht  ziemlich  vorlaut  die 
Verbindung  der  Satze  uquiov  —  äöo^op  und  ysvsakoysiv  —  öei.  Eine 
ganz  leere  Periphrase  des  einfachen  ngoOs^svog  enthalten  die  Worte 
227,  3  XTjv  TtQo'&eaiv  noiriaag  xal.  Dafs  der  Inhalt  der  Periode  230, 
30  xag  fihv  —  dövvccxov  schon  oben  vorkommt  2;V0,  6  IT.,  bemerkt 
Sp.  in  der  Vorrede;  er  hält  die  zweite  Stelle  für  die  ursprüngliche; 
uns  scheint  diese  nur  ein  Auszug  der  viel  ausführlicheren  ersten  zu 
j^ein.    Eine  andere  Epilome  der  Art  entdecken  wir  231 ,  22  iccv  Öh  — 


L.  Spcngel:  Rhetores  Graeci.  Vol.  I.  287 

Xifffitiov^  welche  neben  231,  12 — 17  im  Text  nicht  greduldet  werden 
sollte.  Das  (Svvtoiwg  avafAvrfiig  236, 12  ist  die  207,  16  gegebene  De- 
finition der  itaXikkoyia,  deren  es  an  jener  Stelle,  nachdem  schon  so  oft 
in  dem  Buche  davon  die  Rede  gewesen  ist,  am  wenigsten  bedarf;  An. 
scheint  übrigens  hier  geschrieben  zu  haben :  fieroi  öh  xavtce  jcaXtlkoyia 
TCDv  eiQrifiivmv  Sarai,  In  dem  zunächst  folgenden  ist  sowohl  16  ht  öh 
naga  tag  Tt^orQonag  Ticel  anoff^onccg  ein  ganz  störendes  Einschiebsel, 
da  hervorgehoben  werden  soll,  warum  die  Palillogie  am  meisten  zum 
genus  iudieiale  sich  eignet,  als  auch  die  lange  Erörterung  über  dio 
Arten  derselben  21 — ^26:  iau  di  (ivtniaviKOv  —  Ttfft^v,  welche  eine 
gedehnte  Repetition  von  207,  18  enthält  und  am  unrechten  Orte  zu  der 
ennni«ratio  zurückkehrt,  wo  bereits  die  amplißcatio  mit  dem  Satz 
iXla  xal  —  Kaxfog  (19)  begonnen  hat,  zu  welchem  überdies  27 
£v  dh  öict&fjcofiev  xtI.  in  unmittelbarer  keine  Unterbrechung  zulafsen- 
der  Relation  steht.  In  229,  15  rührt  auch  das  zweite  öiKaarctl  schwer- 
lieh  vom  Verfafser  her;  230,  9  ist  löiovg  nur  eine  Erklärung  zu  ol- 
mhvg  und  sammt  rj  zu  tilgen;  233,  12  gibt  avikr^ßöriv  —  ngoxara- 
lfl^(ie^a  eine  keineswegs  nöthige  Recapitulation  des  Inhalts  von  231, 
25  —  233,  11 ;  eben  da  hat  15  ti)i/  uiUccv  (sollte  heifsen  t^v  xoti/^o- 
Qiav)  keinen  Sinn  neben  xov  loyov  okov;  für  überflüfsig  halten  wir  19 
auch  die  Worte  iv  rw  öt]^f^oqi%^  %cti  und  238,  16  iv  öh  xoig  öfjfAO- 
ctoig  —  avfAg>iQOv^  letztere,  weil  nicht  zu  verstehen  ist,  wie  die  tco- 
Xiuxol  avkkoyoi  von  den  öri(i6aioc  (16)  sich  unterscheiden  und  das 
voyL^LOv  und  öinaiov  keine  £t;Ao^o^  irqofpaaig  im  Prooemium  abgeben 
kann,  da  es  zur  Vertheidigung  von  Gesetz  und  Recht  doch  wohl  kei- 
ner guten  Ausrede  bedarf.  In  213,  32  nimmt  sich  %axa  xa  nQoyvfiva- 
iSfjLarcc  neben  dem  Satz  Sv  i&laro(jiev  i](icig  avxovg  xal  yvfivaaco^ev 
avakafißavHv  avxag  wie  ein  Glossem  aus  der  Zeit  aus,  wo  die  Pro- 
gymnasien von  Theon,  llermogenes  u.  a.  erschienen.  Für  inev^^rifia 
220,  28,  dessen  Anwendung  a.  a.  0.  jedes  Grundes  entbehrt,  hat  Sp. 
das  richtige  iv^vfirifia  wenigstens  in  der  Note  gefordert;  auch  hier 
erscheint  die  Spur  einer  späten  inlerpolierendeu  Redaction ,  auf  die 
vielleicht  noch  209,  11  der  Ausdruck  inöirjyuo^ai  statt  H^rjyiifS^a^ 
(219,  9)  zurückgeführt  werden  darf. 

Wir  gehen  zur  Betrachtung  der  Stollen  über,  die  uns  in  verderbter 
Gestalt  überliefert  zu  sein  scheinen.  Auffallend  ist  175, 11  die  negative 
Fafsnng  des  folgernden  Satzes:  alle  Handlungen  fallen  in  die  Kategorie 
des  öLuciiov  oder  vo^mov  oder  avfig>iQou  oder  xakov  oder  tjöv  oder 
^öiov  und  ihr  Gegentheil,  mcsxe  firiöexigav  xcÖv  vitod'i(SBO}v  ixovxcc 
kiyoav  anoQstv  =  so  dafs  wer  keine  der  beiden  Aufgaben  (an-  oder 
abzurathen)  hat ,  nichts  vorzubringen  vermag.  Man  erwartet  den  po- 
sitiven Ausdruck:  ciaxs  fi^tjöiva  xi]P  hiqav  t.  t;.  S^ovra  k.  i.  Sp. 
wollte  in  der  ersten  Ausgabe  Sxovxa  streichen;  dann  wäre  die  Frage, 
ob  von  der  vno^Baig  selbst  gesagt  wird,  dafs  sie  k6y(ov  aitoQSi  und 
BvitoQBi^  oder  diese  Verba  nur  ein  persönliches  Subject  zulafsen.  Ein 
starkes  Zeugma  müste  179,  14  zugegeben  werden,  wollte  man  den 
Satz  ^  yi(Q  igov^isv  —  xansivoxBqov  für  vollständig  halten.    Da  An. 


288  L.  Spengel:  Rbetores  Graeci.  Vol.  I. 

liebt,  derselben  Formen  der  Construction  sich  sn  bedienen,  wird  niobi 
sowohl  del  (iBl^KSTCcvai  ausgcfanen  sein  als  lutaazutiov  —  avcxalxiov 
(vgl.  180,  17  OTciv  dh  iTtl  ro  TOTtetvozeQOv  avaxikltofuv).  In  181, 15 
wird  die  ^icig  voficav  selbst  zum  Subject  gemacht,  welches  die  staat- 
liche Ordnung  einführt,  nicht  der  Gesetzgeber  (vgl.  23)  oder  die  Ge* 
setze  181,  12.  Dieser  Ungleichheit  wird  abgeholfen,  wenn  man  t{| 
^ifSet  für  Ttiv  ^iaiv  schreibt,  wodurch  das  noutv  (16)  die  Urheber 
der  Verfafsung  zum  Subject  erhält  und  Uebereinstimmung  mit  der  spä- 
teren avaxeg)alcU(aaig  182,  10  tav  ^£v  ovv  iu  t^  ötnioxQoctCc^  voiuo» 
T^v  ^ictv  xotavzfiv  ösi  nouia^at  erzielt  wird.  Der  Construction  wie 
dem  Sinn  widerstrebt  184,  24  öia  7tQoq>aaeojv ^  man  braucht  öui  nichl 
inrcoi'  zu  verwandeln,  sondern  lüge  lieber  die  Praeposition  (vgl.  19d, 
32,  wo  Finckh  ebenso  xara  streicht)  und  schreibe  dann  TCQOfpaauf, 
186,  19  scheint  der  Singular  rc3  jtQccy^cen  erforderlich,  da  die  Kate- 
gorien i%  zomov  und  bustuv  zovtov  auf  ein  itgäyiAa  unten  bezogen 
werden ;  für  zovzoav  verlangt  der  Gedanke  zotovzov,  183,  24  hat  tov- 
Tov  keine  rechte  Beziehung,  die  eben  angegebenen  Fälle  werden  durch 
sl  di  fiif  ausgenommen;  man  wird  es  wohl  streichen  dürfen.  Dasselbe 
mag  von  zb  xa£  188,  27  gelten,  wo  die  aßalzsQla  als  dem  damit  be- 
hafteten schädlich  dargestellt,  nicht  aber  behauptet  wird,  dafs  sie 
auch  auf  andere  nachtheilig  wirke,  wie  umgekehrt  bei  dem  novtufog 
nur  der  Schaden,  der  andere  trifft,  in  Betracht  kommt.  In  194,  24  wird 
il  nicht  sowohl  zu  tilgen  als  nloziv  elvai  in  mazevezat  zu  verändern 
sein.  Vorher  193,  25  hat  (liu  keine  Responsion  und  ist  nur  aus  24 
gedankenlos  wiederholt.  Ebend.  31  ist  ano  toi;  intöln^v  in  ahnlicher 
Weise  durch  die  Vergleichung  des  folgenden  ano  rcoi/  ofiotmv  veran- 
lafst;  da  indes  das  eluog  zuerst  an  der  Person  der  Gegner  selbst  wahr- 
genommen, dann  aber  von  andern  nur  abstrahiert  wird,  so  muste  An. 
dort  inl  zmv  L  setzen.  Von  den  gefolterten  helfsl  es  203,  7  zoig  ßa- 
aavCiovaiv  bfiokoyovötv  ov  zag  aXrj&elag^  wobei  die  Wortstellung  und 
der  Plural  auffallen  mufs.  Wir  vermuthen  in  ov  zag  die  Verstümmlung 
eines  Vcrbums  wie  ohyagovvzeg.  Hichligeres  Tempus  auch  in  der 
Zusammenstellung  mit  TtQoard^at  (l)  wäre  206,  3  axaiv  statt  i^^iv. 
209,  5  ist  avyxazaXiyHu  nicht  zu  erklären;  Kef.  hat  anderswo  schon 
avxva  hXiyuv  vorgeschlagen.  214,  27  ist  für  ^^öia  %al  alrj^ij  die 
gewöhnliche  Verbindung  §,  xal  fiöia  einzuführen.  Der  Schlufs  des 
Abschnittes,' worin  An.  über  die  Mittel  das  Interesse  der  Zuhörer  aniu- 
regen  spricht,  scheint,  was  wir  nachträglich  erst  jetzt  erinnern,  durch 
Beseitigung  des  schleppenden  Anhängsels  zotg  v(p  iificiv  nQayfiac&  1«- 
yo[iiuotg  (214,  31)  an  Bündigkeit  zu  gewinnen.  Den  Imperativ  imo- 
xijia  216,  13  vertauscht  Finckh  treffend  mit  dem  Indicativ.  Wose 
soll  aber  das  Compositum  vnoxifia  statt  des  sonst  überall  zur  Bezeich- 
nung der  Sache  gebrauchten  einfachen  Verbums?  Wahrscheinlich 
schrieb  An.  avzog  ztfia :  der  angeklagte  soll  versichern ,  dafs  im  Fall 
das  Verbrechen  erwiesen  werde,  er  selbst  auf  Todesstrafe  für  sich 
antrage.  Gegen  die  öiaßoXi^  soll  er  beständig  eifern  wg  duvov  %al 
noivov  %al  nokUiv  KaJtwv  alztov  (18);  das  zweite  Fraedicat  kann  wohl 


L.  Spengel:  Rhetores  Graeci.  Vol.  I.  289 

weder  die  Bedeatnng  *  gewöhnlich'  noch  die  *  niedertrfichtig,  gemein' 
haben,  daher  wir  ein  anderes  in  Vorschlag  bringen:  nsvov,  die  Ge- 
haltlosigkeit der  Verleumdung  umts  ja  der  gefährdete  vorKOglich  nach- 
snweisen  suchen.  In  217,  14  soll  der  greise  Sprecher  sein  Auftreten 
durch  den  Mangel  an  guten  Rathgebern  und  die  eigene  Erfahrenheit 
motivieren,  letzteres  kann  nicht  ix  trjg  ewtoglag  aixov  sondern  ix 
tfjg  ifiiUiQlag  avvov  heifsen,  wie  gleich  17  er  schreibt  ix  Trjg  iyatitr- 
^g  (lies  Ix  xa  r.  i.),  Dafs  man  nun  Frieden  gegen  die  starkem  za 
halten  suche,  kann  niemand  verargen,  wohl  aber,  wenn  der  Redner 
•elbsl  gegen  schwächere  einen  Krieg  su  beginnen  widerr&th.  Es  ist 
darum  217,  25  nicht  nur  n^  xovg  aiiTiovvxag  mit  Sp.  zu  lesen,  son- 
dern auch  fi  nQog  xovg  fixxovag  statt  ^  n.  x.  XQelxxovag.  Ein  blofses 
Glossem  scheint  221,  26  x6  iii^og  zu  sein,  da  nach  24  dieser  Zusatz 
ganz  entbehrlich  wird;  223,  7  befremdet  die  Anwendung  von  awa- 
dmfuv  statt  des  einfachen  Verhums;  225,  10  verlangt  die  Concinnitftt 
der  in  gleiche  Reihe  gestellten  Begriffe  ajtokvxiovy  was  Halm  vor- 
Bchligt ,  nicht  oTeoXvovxag  oder  aTCoXvofiiuovg.  Dafs  ehend.  14  noch 
nicht  von  Tadel  die  Rede  sein  kann,  zeigt  die  spätere  Erwähnung  des 
Gegenstandes  228,  4  (f.;  also  mufs  xal  xovg  fjßeyofuvovg  wegfallen  und 
zugleich  das  in  Verbindung  damit  stehende  xal  avxov  toa  (vielleicht 
yerdorben  aus  xal  xov  avxov  xqotcov  und  Tc;«  xal^  indem  zwei  Phrasen 
zusammengeworfen  wurden).  Zu  dieser  Aenderung  und  einer  zweiten 
ebend.  20  htaivetvj  diaiqrfioiiLBv  öl  ovxta  hat  Ref.  schon  in  den  Anmer- 
kungen zu  Cornificius  p.  272  gerathen.  Irren  wir  nicht  sehr,  so  ist 
326,  17  xaXovg  rj  aya^ovg  nichts  als  Explication  zu  xovg  xoiovxovg.  In 
227,  2  mufs  mit  inl  Si  xy  ein  neuer  Satz  beginnen,  da  das  Jünglings- 
alter dem  des  Knaben  entgegengesetzt  wird,  welche  Antithese  bisher 
durch  die  flberlieferte  Lesart  ifcl  x^  verdunkelt  wurde.  Aufserdem 
scheint  hier  xijg  —  iiXixiag  richtiger  als  der  Dativ  zu  sein,  dessen 
Anwendung  vielleicht  durch  das  vorhergehende  ^1  x^  xeXsvxj  verur- 
sacht worden  ist.  229,  29  muste  Ttgaaßvxeqog  ^  was  Sp.  schon  in  der 
frQhern  Ausgabe  bemerkt  hat,  eingeklammert  werden,  wie  2d0, 19 — ^24 
zeigt.  230, 12  ist  der  Ausdruck  axoi%Ha  verdachtig.  Eine  Umstellung 
seheint  232,  3 — 18  getroffen  werden  zu  müfsen:  hier  bildet  die  Ver- 
theidigung  des  Gesetzes ,  welches  man  selbst  vorlegt,  und  die  Be- 
kämpfung des  von  den  avxlöwoi  vorgebrachten  (231,  29  ff.)  keinen 
Gegensatz  mit  dem,  was  232,  3 — 8  empfohlen  wird:  die  Richter  zu 
erinnern,  dafs  es  jetzt  nicht  Zeit  sei  Gesetze  zu  machon,  wohl  aber 
mit  dem  232,  8 — 17  behaupteten,  wo  der  Redner  den  Richtern  das 
Recht  einräumt  mit  Umgehung  eines  seiner  Ansicht  nach  verkehrten 
Gesetzes  zu  entscheiden;  letztere  Partie  mufs  deshalb  vor  die  voraus- 
gehende (3 — 8)  treten.  Auch  das  zunächst  folgende  leidet  an  einigen 
Corruptelen.  An.  unterscheidet  zwischen  deutlichen  und  zweideutigen 
Gesetzen;  jene  können  xaXol  oder  ^o;|fOt;^o/sein,  in  beiden  Fällen  wird 
sich  der  Redner  ihrer  Beschaffenheit  gegen  seine  Widersacher  bedienen: 
vuqI  (liv  ovv  xciv  iSa<pmg  elQrifiivav  vofitov  onoiovg  av  avxmv  (viel- 
mehr avxovg)  i%m^tv,  ix  xmv  xouyvxtov  TCQOxaxaXafißavovxig  ivxiXs- 


290  L.  Spengcl :  Rhctores  Graeci.  Vol.  I. 

ysiv  €V7tOQi^ao(i2v.  LaTscn  die  Gesetze  eine  verschiedene  Ausle^ng 
zu,  so  wird  jede  Partei  entweder  zu  erweisen  suchen,  dafs  die  von 
ihr  gewählte  richtiger  ist  und  die  Gegner,  sollten  ihnen  auch  die 
Richter  beistimmen,  falsch  interpretieren  (ag  b  v6}iog  av  rowo  du- 
voBtxOy  aXk^  o  av  Xeyeig^  vgl.  Sp.s  Note),  oder,  wenn  es  nicht  möglich 
ist  den  Sinn  des  Gesetzes  in  das  Gegentheil  von  dem  zu  verkehren 
was  jene  behaupten,  niufs  sie  darthun,  dafs  das  Gesetz  nichts  anderes 
bedeuten  kann  als  was  sie  darin  findet.  Man  schreibe  also  mg  wdiv 
akko  kiyuv  dvvctxai,  o  vofiog  1}  o  av,  mit  Tilgung  von  dem  aus  233,  39 
hierher  gerathencn  6  ivavtlog^  In  232,  32  erwartete  man  xa  aitijiiara 
statt  TOT  xoiavTccn  vgl.  207,  8,  wo  unter  mehreren  vom  Redner  an  dkn 
Richter  gestellten  Bitten  auch  die  angeführt  wird:  x6  xoig  arvxfjfuiai 
avyyv(6fi7]v  ixHv.  Der  folgende  Satz  scheint  an  zwei  Stellen  lacken- 
haft  zu  sein,  indem  zu  Tcaxoij&iaxsQOv  das  Subject,  etwa  xo  nqajfihß 
fehlt,  und  der  Sinn  von  yvcoa^Äai  erst  durch  den  Zusatz  eines  Parti- 
cips  wie  i8i%riactvxig  klar  wird,  vgl.  189,  20,  auch  234,  33.  Von  den 
Worten  233,  15  \itxa  öl  xcivxa  —  okov  war  schon  oben  die  Rede,  hier 
bemerken  wir  nachträglich,  dafs  statt  des  unpassenden  avaloyi[tiav 
An.  nicht  sowohl  das  allerdings  sonst  gebrauchte  Ttaktkkoyrpshv^  als 
zur  Abwechslung  das  leichter  damit  vertauschte  avaTCoXtixiov  gesetsl 
haben  könnte.  Auf  derselben  Seite  sollte  der  neue  Absatz  21  mit  rov 
(liv  ovv  beginnen;  ferner  25  für  reo  Kaxi^yoQOvvxi  nach  der  Aosdrocks- 
weise  des  Schriftstellers  xm  xaxyiyogixtp  gelesen  werden.  Eine  anrieh- 
tige  Coustruction  234,  26  wird  beseitigt,  wenn  man  Sv  ifinicoiaohrtibi. 
statt  6vvefi7tiaoi,  Einige  Fälle,  wo  der  Sprachgebrauch  des  An.  im  Text 
noch  herzustellen  ist,  mögen  noch  hier  Platz  finden:  180,2  soll  sich  die 
Belehrung  über  die  Pflege  der  bestehenden  Sacra  an  die  so  eben  ertheilte 
Anweisung  hallen;  also  mufs  ex  xciv  n qohq jj^i vcov  corrigieri  werden 
für  inl  X.  n.  vgl.  181,  8.  201,  9.  Die  indefinite  Redeform  ist  181,  39 
passender  und  kann  mittelst  der  Acnderung  %c(xcia%ivaa^dri  fQr  xcrpce^ 
axBvccGHt  eintreten.  An  der  Richtigkeit  des  ^liyct  (pigeiv  187,  8  erlan- 
ben  wir  uns  noch  zu  zweifeln,  da  es  vorerst  nur  auf  die  günstige  oder 
ungünstige  Entscheidung  der  KgiCig  ankommt,  das  filya  aber  weiter- 
hin durch  die  Zusammenstellung  hervorgebracht  wird;  auch  blofs  sti- 
listisch betrachtet  miifs  fiiya  misfullen ,  weil  es  den  Satz  schwerfällig 
macht.  In  197,  11  scheint  das  noch  dazu  zweimal  gesetzte  öia  un- 
richtig zu  sein  und  der  einfache  Genetiv  das  ursprüngliche,  endlich 
180,  18  ort  Ttgaxxovxeg  für  xC  tvq.  eintreten  zu  müfsen. 

Es  folgt  Jioinjcov  ij  Aoyyivov  negl  ütf/avg,  wie  die  Ueberschrift 
in  dem  Urcodex  (Par.  2036),  von  welchem  alle  übrigen  Copien  sind, 
lautet,  lieber  den  Verfafser  hegte  man  ehemals,  da  die  Ausgaben 
mit  Weglafsung  des  fi  nur  einen  Dionysius  Longinus  producierten, 
keinen  Zweifel:  es  schien  kaum  möglich,  an  einen  andern  Longin  zu 
denken  als  an  den  berühmten  Zeitgenofsen  Plotins,  von  welchem 
Schriften  ähnlichen  Inhalts,  wenn  auch  gerade  diese  nicht  genannt 
ist,  bei  Suidas  angeführt  werden.  Erst  Amati  machte  auf  die  in  dem 
Titel  ausgedrückte  Ungewisheit  aufmerksam  und  zugleich  auf  die  Un- 


L.  Spcngel:  Rhetores  Graeci.  Vol.  I.  291 

Wahrscheinlichkeit,  dafs  der  nicht  sehr  bedeutende  Caecilius  nach 
mehr  aU  zweihundert  Jahren  eine  so  umfafsende  Widerlegung  erfahren 
habe,  mit  Ucbcrgehung  anderer  Schriftsteller,  die  nach  ihm  dasselbe 
Thema  bearbeitet  haben;  er  glaubte,  dafs  die  Schrift  vielmehr  dem  Dio- 
nysios  von  Halikarnass  beigelegt  werden  müfse.  Dies  erlaubt  aber  die 
Anführung  des  Theodorus  von  Gadara  nicht,  von  dem  248,  24  (III,  5) 
wie  von  einem  verstorbenen  gesprochen  wird.  Diese  und  andere  Mo- 
mente hat  G.  Bnchenau  in  seiner  1849  erschienenen  Dissertation  ^  de 
scriptore  libri  Ttegl  t!if;ot;9'  zusammengestellt  und  daraus  das  Resultat 
gesogen,  das  Werk  sei  unter  der  Regierung  Yespasians,  und  zwar 
niflit  vor  75  erschienen,  der  Verfafser  selbst  sei  nicht  zu  entdecken. 
.Auf  die  Techne  des  Longinus,  woraus  loannes  Camariota  (VI,  119  bei 
>V|ilz)  die  Stelle  citiert,  welche  eigentlich  Ruhnken  auf  die  Ent- 
Jeckung  leitete,  dafs  die  Rhetorik  des  Apsines  ein  grofscs  Fragment 
der  yon  Longinus  einschliefse,  hat  Buchenau  keine  Rücksicht  genom- 
men, wa9  doch  nölhig  war,  da  man  neuerdings  darin  eine  Stütze  für 
.die  frühere  Ansicht  von  dem  Autor  des  fraglichen  Buches  zu  finden 
gehofTt  hat.  Nehmen  wir  aber  die  Uebereinstimmung  des  aporetisch 
gefafsten  Titels  mit  der  Citation  der  Epitome  (320,  6)  *)  und  des  lo. 
Camariota  aus,  so  bleibt  nicht  eben  viel  übrig,  um  die  Identität  des 
Yi^rfafsers  zu  begründen.  Die  stilistische  Aehnlichkcit  wenigstens  ist 
keineswegs  so  schlagend,  wie  sie  Ruhnken  erschien,  nachdem  ihn 
die  bekannte  Entdeckung  (vgl.  Wyttenbach  vita  Ruhnkonii  p.  127  f.) 
gleichsam  verpflichtet  hatte  daran  zu  glauben.  Einzelne  Phrasen  be- 
weisen nichts;  wollte  man  z.  B.  279,  8  (XXX,  2)  mit  304,  20  verglei- 
chen, und  wenn  man  dort  liest  g>c5g — t«  ovtt  töiov  xov  vov  xa  %aXit 
.ov6(icct€(^  hier  g>6jg — döneQ  tcdv  ivvorj(icct(av  rs  Ttal  imx^t.QrjfiatG)v  o 
toiovtog  Xoyog^  auf  gleichen  Ursprung  beider  Stellen  schlicfsen,  so 
müste  auch  der  von  Demetrius  n,  bq^,  §.  17  citicrte  Satz:  17 — aa(piig 
gtQaCig  TtoXv  g>^g  nagiistcci  tcttg  tcüv  utiovovxcov  diavoMig  demselben 
Autor  zugeschrieben  werden,  welcher  aber  dann  nicht  mehr  Longin 
bliebe.  Wichtiger  ist  der  unverkennbare  Unterschied  im  System  und 
«esthetischen  Urtheil:  der  eine  halt  sich  an  Aristoteles,  der  andere 
ist  offenbar  Platoniker;  dieser  spricht  von  Lysias  und  Isokratcs  mit 
Geringschätzung  (272,  3.  282,  12.  288,  4),  jener  betrachtete  (zufolge 
der  Epitome  p.  324)  beide  Redner  als  vollendete  Stilisten  und  hatte  an 
Piaton  au%vlcc  trjg  rwv  IdscSv  XQuasag  xai  tov  TtonjvLT^oksQou  oy%ov 
auszusetzen.  Der  Abschnitt  tt^^I  ^\ni^}]q^  welcher  in  der  Epit.  über- 
gangen und  durch  die  Worte  des  Vcrfafsers  (312,23  IT.)  selbst,  mit 
denen  er  seinen  Abrifs  beendigt,  ausgeschlofsen  wird,  möchte  noch 


*)  Der  aus  einem  Moskauer  Codex  gezogene  Aii8ziig  befand  sich 
schon  in  Ruhnkens  Händen,  ist  aber  erst  von  Bake  veröifentlicht  wor- 
den in  seiner  1849  zu  Oxford  erschienenen  An.^gabe  von  Apsinis  et 
Longini  Rlietorica.  Vaucher  (vgl.  riiistitut  I8J>2  iVr.  19ö)  hat  die  in- 
teretiAunte,  obwohl  wenig  wahrscheinliche  Kntdcckung  gemacht,  '<]Ue 
le  trait^  du  sublime  —  peut  etre  considere  comme  un  fragment  detach^ 
des  Oeuvres  de  Plutarque/ 


292  L.  Spengel:  Rhetores  Graeci.  Vol.  1. 

am  ersten 'an  die  gröfsere  Schrift  erinnern  and  jene  Vorstellang  tu 
befestigen  geeignet  sein.  Auf  das  übrige  sie  zu  übertragen  nnd  darum 
den  Satz  252, 16  di<S(Sa  di  %ov  xccvxaxii  fiiv  vorjaetog  ^aUQuc  Sh  ki^efog 
für  unecht  zu  erklaren,  weil  der  Rhetor  310,  10  im  Widerspruch  mit 
Alexander  (Rhet.  Gr.  Vlll,  427  ff.)  behauptet  es  gäbe  keine  axfifucva 
ivvoimvy  scheint  nicht  rathsam;  eher  kann  diese  Discrepanz  als  trif- 
tiger Beweis  der  Verschiedenheit  betrachtet  werden. 

Ueber  die  BeschafTenheit  nnd  Lücken  des  Par.  2036,  sowie  über 
die  Geschichte  des  Textes  enthalt  Sp.s  Praefatio  XIll — XX  wichtige 
Nachweisungen,  zugleich  auch  die  sorgfaltigste  Angabe  der  Lesarten 
jener  Handschrift.  —  Im  Text  ist  wenig  geändert,  aber  manche  ^te 
Vorschläge  bietet  die  Praefatio,  z.  B.  xa£  neng^^^  31,  wo  xal  Ag 
nach  xal  oxi  unpassend  ist;  xi  de  der  249,  25,  wie  es  der  Uebergang 
erfordert;  nqo  avxijg  252,  19;  c&9  afiilei  ib.  23;  efr'  bdqqmatv  dk 
oUovofilav  260,  12;  ff  (livxoi  277,  23;  ndvxa  xa  xaXa  281,  31;  navt 
avxi(H(iriaaixo  (lieber  a.  catavxa,  vffl.  250,  3.  284, 26)  284,  2;  rcSv  Xi- 
ycav  aizmv  289,  6 ;  cc7c6ilw%a  yotQ  xa  axaiQOv  (i'^Tiog  avaKakivdovfüvu 
292,  16;  firinoxe  ovxl  ff  295,  19.  Die  Ungehörigkeit  der  berühmten 
Citation  aus  dem  Pentateuch  haben  einige  Gelehrte  dunkel  empfunden, 
aber  noch  bemerkte  niemand,  warum  sie  hier  gar  nicht  angebracht 
werden  konnte ;  so  wenig  achteten  Männer  wie  Ruhnken ,  Morns ,  Ton- 
pius  auf  den  Zusammenhang  der  von  ihnen  bearbeiteten  Texte,  sonst 
hätten  sie  entdecken  müfsen,  dafs  §.  10  an  §.  8  anknüpft  und  die  m^ 
^Qfoniva  (leyid'fi  bei  Homer  den  öai^ovut  entgegengestellt  werden, 
was  jede  anderweitige  Anführung  ausschliefst;  es  wäre  ihnen  dann 
auch  nicht  entgangen,  dafs  die  fraglichen  Worte  eigentlich  nach  $.  10 
gehören ,  wo  sie  aber  ebenso  wenig  anzubringen  sind ,  und  auf  das 
homerische  nohiaov  6^  at^^rfv  sich  beziehen  (dies  ist  gemeint  mil 
xavxri  §.  9,  255,  17).  Beides  hat  neuerlich  Sp.  in  seiner  Gratala- 
tionsschrift  an  Thiersch  (München  1852)  p.  8  dargethan  und  damit 
alle  weiteren  Combinationcn  abgeschnitten  *),  Aufserdem  scheint  uns 
sowohl  250,  6  der  Beleg  aus  Homer  Ixafiov  ^oluoßaQhg  xwog  0(i(un* 
iX(ov^  (prfiiv  als  der  Zusatz  260,  8  xccxa  jceQtodovg  —  ivoTCavlag 
nicht  in  Verbindung  mit  dem  Vortrag  des  Verfafsers  zu  stehen,  ihn 
vielmehr  auf  sehr  störende  Weise  zu  unterbrechen.  Auch  xov  vonov 
262,  3  und  oqxiav  268,  22,  wo  in  demselben  Satz  oqiMg  vorausgegan- 
gen ist,  wird  man  dazu  rechnen  dürfen,  wie  das  von  Sp.  bereits  ein- 


*)  Buchenau  a.  a.  O.  p.  15  will  die  Notiz  von  der  Genesis  bei 
p8eudolongin  aus  dem  gleichnamigen  Werk  des  Caecilius,  der  jüdischer 
Proselyt  war,  ableiten.  Wahrhaft  ainu8aat  ist  die  Hypothese  von 
Clericus,  die  nnter  andern  Boissonade  in  seinem  Aufsatz  über  Longio 
Biogr.  universelle  T.  XXIV  p.  669  bespricht,  woher  wir  die  betref- 
fende Stelle  wiederholen :  '  Ledere  a  pens^  que  ie  passage  a  ^tö  ajont^ 
d^apr^s  coup,  mais  par  Longin  lui-meme,  (|ui  s'^tant  attach^,  Vera  la 
fin  de  sa  vie ,  k  la  reine  de  Palmyre,  vouiut,  pour  Ini  iHre  agreable» 
citer  un  passage  de  Moise:  car  Zenobie  ^tait  juive,  s'il  faut  admettre 
Ic  t^muignagc  de  quelques  p^res'  etc. 


L.  Spengrel:  Rhetorcs  Graeci.  Vol.  I.  293 

ffesohlorsene  ig  SovXov  271,  24;  weniger  neTtatxd'ai  263,  26,  wo  dem 
vnotl^ea^ai  (23)  ein  Verbum  wie  nenXaa^ai  enlsprechen  mufs.  Haa- 
fi^r  noch  scheint  der  entgegengesetzte  Fall,  dafs  Zusätze  nothwendig 
siad,  wie  264,  11;  hier  erkannte  schon  Moras,  dafs  nach  Tore  ein 
Praedicat,  welches  dem  avyTUxtvjjiiivov  synonym  sein  mafse,  ausge- 
fallen sei,  aber  tot'  gv^sov^  was  er  vorschlägt,  ist  für  den  Rhetor 
etwas  zu  hoch  gegriiTen,  vermuthlich  schrieb  der  Vf.  t6t£  Tta^tjnxovj 
wie  er  auch  278,  28  sagt  navra  —  Tctiha  na^rpuxanigovg  xal  avy%e- 
fuvtiiiivovg  anoTBlet  xovg  koyovg.  In  ahnlicher  Weise  fehlt  ToAfti^ 
nai^  nsQl  di  icX'q&ovg  nal  280, 1,  wo  man  entweder  naL  ausstiefs  oder 
es,  ohne  das  vorhergehende  anzusehen,  wo  kein  anderes  nkifiog  vor- 
kommt, mit  etiam  übersetzte,  oder  die  Umstellung  xul  niql  nXrfiovg 
3i  wagte.  Das  angemefsene  Verfahren  konnte  ein  Blick  auf  Z.  21  an 
die  Hand  geben ,  wo  es  heifst  nXi^ovg  aal  ToXfirig  (Uvaq)OQciv  —-^  xa 
iSxaiQa  xal  aq>o6Qa  nad^  —  tdUc  xiva  aXsiiq>aQ(iaxa,  Viel  gelitten 
hat  die  Stelle  282,  11,  deren  Gegenstand  des  Caecilius  unverständiges 
Urtheil  über  Piaton  und  Lysias  ist;  wenn  wir  den  Schriftsteller  richtig 
gefafst  haben,  ist  seine  Ansicht  die,  dafs  weder  behauptet  werden 
dürfe,  Lysias  sei  correcter  als  Piaton,  noch  dafs  Correctheit  für  den 
gröfstenVorzug  einer  poetischen  oder  prosaischen  Production  überhaupt 
gelten  könne.  Von  der  ersten  These  zur  zweiten  mangelt  es  aber  an  einem 
Uebergang,  welchen  allenfalls  ein  Satzchen  wie  el  6i  Kai  r^v  bildete, 
das  an  die  Spitze  von  c.  33  treten  müste;  und  am  Schlufs  des  Satzes 
nXijy  ovxog  —  ^rfin]  wird  das  Verbum  vermifst ,  von  welchem  ofto- 
UyyovyiivcL  abhängt,  etwa  naqlctriai  (naqiCxivu  nach  267,  30?).  Zu 
Anfang  des  §.  8  (282,  11)  mag  o/iioog  ttvxo  nal  aus  oXlyoig  avxi^a  ver- 
derbt sein,  so  dafs  dem  Caecilius  der  Vorwurf  gemacht  würde,  er 
halte  sich  an  wenige  Vcrstöfse  Piatons,  um  ihn  sofort  herabzusetzen. 
Beiläufig  bemerkt,  stimmt  Ref.  denen  nicht  bei,  welche  266,  32  die 
Aenderung  nqayiitixt.iimg  für  nöthig  halten ,  da  ebenso  gut  iitixBigav 
gelesen  wird,  was  durch  die  oben  behandelte  Stelle  eine  Bestätigung 
gewinnt;  denn  iXaxrcifiaaiv  kann  hier  neben  iiuxuQmf  doch  wohl  nur 
Ablativ  sein.  Dunkel  ist  der  Satz  285,  10  von  Demosthenes:  olg  I%h 
XttXolg  ccTCavxag  aal  vina  Kai  vTcig  ap  ovx  ix^i,  wenn  man  nicht  iTcaq- 
xoiksiv  oder  etwas  ähnliches  hinzufügt.  Eine  manigfach  corrupte  Pe- 
riode eröffnet  das  40e  Capitel  (290,  25) ;  ihren  durch  volle  Interpuno- 
tion  Z.  28  zerrifsenen  Zusammenhang  herzustellen  dient  der  Eingang 
der  Apodosis  ovto)  xcc  fieyaXci^  woraus  zugleich  erhellt,  dafs  Z.  26 
von  keiner  fieXav  inusvv^eoig^  sondern  von  der  i,  fiiys^mv  die  Rede 
sein  mufs,  vgl.  237,  28.  238,  27;  nach  htusvv&eatg  fuhr  der  Vf.  etwa 
so  fort:  &CTtBq  yag  *iv  (liv  (ii(^g  (od.  fioQtov)  xfiti&iv  u(p*  higov 
oiSkv  xaO*  iavxo  a^ioXoyov  ^x^i  Kxi,  Durch  genaue  Berücksichti- 
gung der  aesthetischen  Principien,  welche  er  aufstellt,  und  damit 
verbundene  Beobachtung  seines  Sprachgebrauchs  kann  noch  manches 
in  dem  Buch  berichtigt  werden.  So  ist  es  nicht  im  Sinn  des  Autors 
969,  20,  dafs  die  Kunst  des  navovQyuv  zu  na^  und  fuyi^  hinzn- 
gesogen  werde  (naQaXri<p&eiaa) ^  noch  weniger  will  er,  wie  Toup 


294  L.  Spengel:  Rhctores  Graeci.  Vol.  I. 

meinte,  mit  der  Erhabciilieit  der  Rede  die  im  Gebrauch  der  F'ign* 
reo  glanzende  Technik  bestreichen  (naQ-aXH(p^staa)\  auch  Rahn- 
kcns  Ttaganalvg^eiaa  (^  nihil  hac  emcndatione  ccrlius'  betheaerl 
er  selbst)  ist  unpassend,  indem  es  der  mit  komov  SiSvT^  ausge> 
drückten  Wirkung  vorgreift;  nur  7t£QdTig>^£USa  bleibt  Qbrig,  wo- 
für der  Satz  272,  31  ^  ^'  av  gwoig  imzvxi^g^  ötav  Xav^avovCav 
ytsQtixrj  T^v  zi%viiv  spricht.  Das  blendende  Licht  der  na^vi  und  tJ^iy 
soll  die  rhetorische  Intention  gleichsam  in  Schatten  stellen,  so  daHs 
der  Redner  unbemerkt  seine  Kunst  übt:  xriv  lixvtjv  ccvrciv  anoCxid^H 
xorl  olov  iv  xaxaXri'ilfSi  tijqh  sagt  der  Vf.  am  Schlufs  seiner  Ausfjlh- 
rung  (270,  3);  aus  xazaki^ilfei  hai  man  schon  früher  stillschweigend 
Tcazaxakvilfet  gemacht;  den  Gebrauch  der  Phrase  nachznweisen  möchte 
kaum  gelingen,  aber  von  der  xazahjijftg  selbst  kann  nur  das  Gegen«- 
theil  hier  stehen,  nemlich  die  axaraÄ?/t/;m ,  in  welcher  die  Ti;|(i^  er- 
halten wird.  Von  der  Anwendung  der  avzifiszaazaaig  d.  h.  des  an^ 
mittelbaren  Uebergangs  von  der  Erzählung  in  die  directe  Rede  wird 
276,  26  bemerkt,  ij  TiQOxgriaig  zov  axriiictzog  zoze ,  {jvUa  o^vg  o  xai* 
Qog  cjv  diafjiiXXeiv  zu  yqcKpovzi  firi  didtp.  Faber,  dem  Sp.  beipflichtet, 
will  einfach  ^  X^)7<^^?  corrigieren;  eher  ist  es  wahrscheinlich,  dafs 
der  Schriflsleller  erklärte,  in  dem  angegebenen  Fall  bietet  sich  das 
oxijucc  ungesucht  dar,  also:  Öio  xal  TtQOxetQog  rj  XQ^fi^'S'  Diese  Con- 
jeclur  werden  diejenigen  gelten  lafscn,  welche  die  Abhandlungea 
nsQi  vtl^ovg  und  negl  iivrjfirjg  als  AVcrke  desselben  Mannes  betrachten, 
da  letzterer  314,  22  von  dem  Gedächtnis  rühmt,  es  sei  eine  xrijaig 
TCQog  zb  TtQoxsiQOv  zijg  xQV^^^g*  In  280,  19  verdiente  H.  Stephanu» 
Emcndation  intzi^iiCLg  für  vTtozifitjöig  (vgl.  Rhot.  Gr.  VIII,  486),  wel- 
ches in  der  Bedeutung  aestimatio  (Monis  setzt  hinzu  *  si  orator  ipsc 
aestiniet  metaphoram,  si  prctium  ei  statuat')  nur  einen  sehr  gezwnn- 
gfinen  Sinn  gibt,  aufgenommen  zu  werden:  durch  solche  Vorbemer-^ 
kungen  nemlich  wie  ü  Set  itaQcditvövvtvziy.foxeQOv  Xi^at  wird  eior 
leichter  Tadel  ausgesprochen,  der  zugleich  die  Zuhörer  mit  der  Kflhn- 
lieit  des  gewählten  Ausdrucks  versöhnt.  Ebenso  unbedenklich  hätten 
wir  268,  4  aovtpLiofiivoig  statt  des  Accusutivs,  288,  4  fpfjaei  statt  de» 
Praesens,  289,  18  HQaGei  für  kqov(Sei,  ib.  25  icpaTtzofiivrjP  für  iq)U7tto^ 
fiivcov^  welche  Correcturen  schon  anderswo  gemacht  worden  sind,  in 
den  Text  gesetzt,  lieber  unsere  eigenen  Vermuthungen  284,  7  cmTtc 
ztov  fiBu  7tQ(oi6v6uza)v  iv  anaai  [zcov  äXXoav  aycoviozciv]  XdmC^ai^ 
ütQozsvBiv  Öh  Z(üv  öevzsQSvovzcüv  und  ib.  16  CKaniicizce  ovx  äfiovca  — 
naza  zovg  Azzmovg  Koifiovg^  aXX  ivöxw^^^  verweisen  wir  aaf  das 
in  den  Heidelberger  «lahrbüchern  185^)  S.  642  bemerkte,  und  fügen  für 
dasselbe  den  Ilyperides  betreiTende  Capilel  noch  hinzu,  dafs  285,  1  fOr 
afieyi{>ti  naoöir^  v/j<pouzog  ccQyd  der  Sinn  dieser  Charakteristik  a,  xal 
xoQÖicc  vt](poin[og  egya  zu  fordern  scheint,  weiterhin  Z.  6  ^vqiov  mit 
Kaigtov  verlauscht  werden  mufs.    Schliefslich  mögen  den  Lesern  die- 


L.  Spcngel :  Rhetores  Gracei.  Vol.  I.  295 

hovtog  i^ikoig  yavia^ai  ri"0(irjQog;  286,  10  avr ovo (lov — ,  ib.  24 
v^vg  xaT0Qi>(6fiUTi,  (vgl.  287,  12)  xal  zo  xatgicirciTOv ,  288,  11  xal 
liiyi&H^  289,  J2  ivTl^ijOi,  291,  14  t?)  avaloyov  nkda^ij  ib.  26  fitKifo- 
^oui  d\  292,  7  avvtjfy^ha^  293,  21  twv  la^iit^^v  Koa^ijfidrcav  ^  294, 
32  öuviynHv  (dispergere^  verbreiten),  296,  18  Tif^og  xijg  r^gp^. 

Die  ebenfalls  unter  dem  Namen  des  Longinus  gehende  zixvri  §ri' 
tOQixrj  ist  in  einem  sehr  Übeln  Zustand  überliefert,  den  zu  befsern 
Bake,  Speugel  und  Finckh  manches  geleistet  haben;  doch  bleibt  auf 
diesen  wenigen  Blättern  299 — 312  (oder,  weun  nsgl  fivtifiiig  dazu  ge- 
rechnet wird,  299 — 319)  noch  das  meiste  zu  thun  übrig.  Wir  schlie- 
fsen  uns  gern  dem  Wunsche  Sp.s  in  der  Vorrede  p.  XX  f.  an ,  wenn 
er  sagt:  ^de  emendanda  hac  arte  omnium  optime  meritus  est  Ch.  E. 
Finckhius  in  epistola  crilica  Annal.  autiqu.  1837  p.  619.  18äO  p.  422, 
AnnaL  lleidelb.  1838  p.  1088,  dissertatione  Heilbronnae  edila  18^7, 
quem  cum  etiam  nunc  multi  restent  corrupti  loci  ipseque  egregio 
floreat  ingenio  sanoquc  iudicio,  ut  denuo  hunc  librum  more  suo  via  et 
ratione  praecedens  castigct,  etiam  atque  etiam  admonemus',  und  er- 
lauben uns  nur  einstweilen  einige  unmafsgebliche  Vermuthungen  hier 
niederzulegen,  wie  301,  28  Tt  itqai^iv^  302,  1  9;V  ßovXstat  o  di6xmv^ 
302,  3  iav  i^erdatig  rag  agxceg  ttau  Jtqctyiiixuiv  nal  xd  Ovfißaivovra 
ii  iadaTOVy  303,  5  orav  dfpoQi^yg^  304,  2  xal  ficcXiaia^  304,  23  avrov, 
ib.  29  sl  ftt)  avv^etvai,  —  voyj^ccra  övvi^arj^  305,  4  firirt  yt,  305,  24 
duX^elv  Tcc  Ttgdyfiarcc  totg  dy.üvovai  (mit  Weglufsung  des  yvcoql^iifag 
T«  %ctl  yi'warwg,  vgl.  311,  6),  ib.  26  tot  arj(iaivovTa  rijg  öiavoiccg  av(i- 
ßoXa^  308,  26  Ttenarqfiivri  A£|e*,  ib.  29  svQOtfUv  av,  311,  7  utgaKzcxäg 
xov  xvjKjuv  Ti,  ib.  26  nqog  xdg  dqxdg. 

Die  xixvi]  xov  noXixmov  koyov  rührt  von  einem  Rhetor  her,  wel- 
cher auch  aiKpXnid  mql  eigiasoig  (vgl.  449,  24)  verfafst  hat  (ob  von 
dem  Anonymus  bei  Walz  Vll,  697  ff.?).  Sie  erhält  besonderes  Interesse 
durch  die  Mittheilung  der  Sülze  von  Apollodorus,  Theodorus,  Neokles, 
Uarpokration  und  am  meisten  von  Alexander,  der  die  Rhetorik  im 
Sinne  des  Aristoteles  bearbeitete:  es  ist  derselbe,  welcher  über  die 
axqfiaxa  geschrieben,  vgl.  Rhet.  Gr.  VIII, 421 — i86,  wenn  man  nicht 
dieses  Büchlein  nur  als  einen  Abschnitt  einer  vollständigen  tixvq 
frjvOQixti  zu  betrachten  hat,  vgl.  Rhet.  Gr.  IV,  35.  Leider  ist  auch 
hier  die  Corruption  ungeheuer  und  kaum  zu  bewältigen.  Indessen 
bietet  sich  einiges  wie  von  selbst  dar,  z.  B.  429,  18  nagehjkv&ivai^ 
ib.  19  öa<pcjg^  430,  2.  3  nQoxccXeadfisvog —  ngoxaXovfiivoig  doxcav  ifi- 
(livstv,  31  (a<psXi[i(ov,  432,  18  7caQttöxevdao(ASv ,  ib.  26  ige&iao(i£v  — 
Xvjtriaofuv^  433,  9  diaipogoig  &£Qcatevofiiv(ov —  ötatpogoig  xatg  xa- 
raax.,  ib.  17  Xiycnfiev^  434,  6  afia'  idv  öi  6id  xo  viog  dvai  (sc.  6ia- 
ßXrfi^g)^  435,  16  (Svvlaxcivxcii,  xai  Xöiai  Tijg  vno^iatiog  Xiyovxat ,  436, 
19  iv  xotg  ngoXoyoig^  ib.  24  avvxofiov  —  Xoyov  zu  tilgen,  437,  19 
Zzav  xax\  {fiq>aaLV  Xiyrjg^  ib.  28  xQOTtovg,  438,  11  naQaXelnafiev ^  ib. 
21  iv  xotg  dtrjyyi^aöt^  439,  16  yvcifiag^  440,  14  xvvtödgtov^  441,  32 
difiyriaofis^a  ^  und  so  auch  442,  1  wo  xb  exsQOv  auf  die  avveatg  und 
^avBQov  auf  die  diqXmiSig  zu  beziehen  ist,  443,  18  nal  xov  ngayfiaxog. 


296  L.  Spengel :  Rhetores  Graeci.  Vol.  I. 

444,  5  Tijv  yvcifiriVj  ib.  8  naQaqyvkarxeiv,  ib.  12  Kctta  fiigog  [sK^l  vov\ 
SiriyrjfKxnxWj  ib.  18  fiivroi  öXovj  ib.  30  ädre  fii^j  445,  25  ix  t%,  446, 
21  ^  xXojtfi  iylveto,  448, 2  ^vskbv  rov^  ib.  25  inix^lgrifia  ij  itUsxiv  ^(jor 
Tov  di  XO7C0V  —  xowov  dvaL  ^tadov  —  idiovj  449,  6  xic  (für  ^^a^) 
ijtt%€i^(icev€e^  ib.  10  %v  jiidi/ov,  ib.  11  fiovov  {  (für  xo^vorv^  xaUb^  to 
ngayfittj  Tf^v  dh  Xi^iv,  454,  3  i^rl  xekevr^g,Jib.  29  oxav  fihf  ovv  taxv- 
Qttlj  455,  12  TOT  T^  araaecogj  ib.  19  fehlt  otcbq  iaxlv  avxlXtifjfig  nach 
iv^g,  ib.  27  inodl6o<s^oii^  458,  26  t%  d^  dfi^i/cTfcog,  ib.  28  rcSv  M 
7ciaxi(ov,  An  andern  Stellen  ist  es  immer  gewagt,  Emeudaüonen  eo 
versuchen,  wie  429,  24  vor  xovg  ^QccavxiQOvg  aasgefallen  sein  könnte 
fi^  iäv,  432,  1  vielleicht  yivtcat  nach  Ti;^!^,  und  rnuiv  aus  ^em^^- 
Toov  verdorben  zu  sein  scheint;  ib.  22  halten  wir  fQr  nöthig  Sm  xo  — 
avÖQog  nach  diaksytofisd^a  zu  versetzen  (Z.  23);  435, 14  ist  tt[dh  bttfH 
Qiiial  ctt  dl  fAvd'ixal  entweder  ganz  zu  tilgen  oder  Z.  12  nach  nestla-' 
Cfiipcei  zu  stellen,  437,  30  aa<pig  zu  streichen.  Die  grofsen  Schwie- 
rigkeiten scheinen  auch  den  Herausgeber  bestimmt  zu  haben,  nur  das 
sicherste  vorzubringen,  die  Behandlung  der  ärgsten  Schäden  aber  auf 
andere  Gelegenheit  zu  verspareu;  die  Hauptsache  war  hier,  durch 
Besorgung  eines  urkundlichen  Textes  jedem  weitern  Studium  eine  feste 
Grundlage  zu  gewähren;  dafs  dies  geschehen  ist,  bedarf  nichl  erst 
unserer  Versicherung. 

Heidelberg.  Ludwig  Kayser. 


Untersuchungen  über  römische  Geschichte  von  Dr.  E.  Hagemj  Pro- 
fessor am  konigl.  Collegium  Fridericiannm  za  Königaberg.  Enter 
Theil :  Catilina.  —  Auch  unter  dem  Titel :  Catilina  ,  eine  histori- 
sche Untersuchung  von  Dr.  E,  H»  Königsberg,  in  Commisaion  bd 
Gräfe  and  Unzer.    1854.    XV  u.  405  S.  gr.  8. 

Der  Hr.  Vf.  erklärt  in  der  Vorrede  ganz  bestimmt  das  Ziel,  das 
er  sich  vorgesteckt  hat,  und  den  Weg,  auf  dem  er  es  zu  erreichen 
gedenkt.  Diese  Untersuchungen,  deren  Forlsetzung  versprochen  wird 
und  von  denen  der  zweite  Theil  die  Anfänge  Roms  enlhalten  soll,  be- 
ginnen mit  Catilina  und  seiner  Verschwörung;  Hr.  H.  wollte  die  man- 
cherlei Dunkelheiten,  die  auf  der  so  aufserordentlichen  Erscheinung 
des  Catilina  liegen ,  mit  Hilfe  genauster  Quellenerklärung  und  Verbin- 
dung der  Berichte  aufklaren  und  eine  Geschichte  dieser  Verschwöriug 
liefern,  die  Znsammenhang  und  Wahrscheinlichkeit  hat.  Indem  er 
nun  hinsichtlich  der  Quellen  sich  dahin  ausspricht,  auch  bei  einem  Au- 
tor, der  oft  geirrt  hat,  nicht  aberall  gleich  Irthnm  vorauszusetzen, 
und  was  nicht  passen  will,  als  absichtliche  Lüge  oder  abgeschmackte 
Auffafsung  verwerfen  zu  wollen,  und  den  Vorthcil  aufgibt  durch  ab- 
sprechendes Urtheil  den  Schein  geistiger  Ueberlcgenheit  zu  gewinnen, 
so  erweckt  diese  Erklirnng  schon  einganstigesVorurtheil;  weift  aehr 


E.  Hagen :  Calillna.  207 

■och  die  Ansicht,  die  er  über  das  Bemühen,  die  Verbindung  des 
überlieferten  zu  einem  in  sich  durch  Ursache  und  Wirkung  zusum- 
menhangenden  Ganzen  herzustellen,  äursert,  und  wie  er  die  nolliwen- 
dige  Zerrirsenhcit  und  Weitschweifigkeit  der  Darstellung,  die  Lang- 
weiligkeit und  Trockenheit  der  Untersuchung  zugibt.  Zum  Verständ- 
nis der  Thätigkeitdes  Catilina  wie  des  Cicero  schien  ihm  noch  nülhig 
einige  Zustände  und  Einrichtungen  des  damaligen  Rem  aufzuklaren. 
Hier  nimmt  er  noch  mehr  die  Nachsicht  in  Anspruch.  Er  sagt:  ^allein 
hier  gesteh'  ich  oiTen,  dafs  i^h  vielen  und  gerechten  Tadel  erwarte. 
Die  Stellung  eines  Lehrers,  die  ihm  wenig  Zeit  zu  wifsenschafllicher 
Arbeit  übrig  lüfst,  und  namentlich  selten  unuuterbrochene  Leclüre, 
ungestörtes  Nachdenken  gestattet,  erlaubt  ihm  wohl  die  Hulfuung,  auf 
einem  beschränkten  Felde  etwas  zu  leisten,  aber  kaum  die,  allgemei- 
nere manigfach  ineinander  greifende  Betrachtungen  mit  einigem  Er- 
folg zu  Ende  zu  führen.'  Diesen  Entschuldigungsgrund  für  etwaigen 
Irthum  ist  wohl  jeder  Lehrer  bereit  gelten  zu  lafsen;  nur  von  Seilen 
der  Wifsenschaft  kann  man  ihn  nicht  anerkennen. 

Das  Buch  zerfällt  in  6  Abschnitte:  l)  Quellen,  2)  Zustand  des 
römischen  Staates,  3)  Catilinas  Leben  bis  zu  seiner  Candidatur  im  J. 
64,  4)  Catilinas  beide  Candidnturen  bis  zum  21.  Oct.  63,  5)  die  Ver- 
schwörung, 6)  Uebersicht  der  Resultate. 

Mancher  mag,  wenn  er  über  400  Seiten  Untersuchungen  über  Ca- 
tilina vor  sich  sieht,  und  noch  obendrein  der  Vf.  selbst  in  der  Vor- 
rede Trockenheit  und  Weitschweifigkeit  zugesteht,  das  Buch  lieber 
iingelesen  wieder  weglegen;  Uec.  niufs  gestehen,  dafs  diese  geschicht- 
liche Untersuchung  ihn  sehr  angezogen  und  befriedigt  hat,  obgleich 
er  sich  gezwungen  gesehen,  alte  Meinungen  aufzugeben;  er  ist  dem 
Vf.  mit  Aufmerksamkeit  durch  das  ganze  Buch  gefolgt  und  ist  auch 
bei  den  trockensten  Untersuchungen  gefefsell  worden.  Wer  Cicero 
und  seine  Zeit  als  einen  wichtigen  Theil  seiner  Studien  betrachtet, 
und  eigentlich  sollte  doch  jeder  Philolog  sich  bemühn  diese  Zeit  und 
diesen  Schriftsleller  gründlich  zu  verslehn,  der  wird  durch  die  Leben- 
digkeit und  Klarheit  der  Darstellung,  die  ihren  Grund  in  eigner  For- 
schung und  in  selbständig  gewonnenen  Rcsultaleu  hat,  vollkommen 
befriedigt  werden.  Einzelne  Partien  sind  glänzend  durchgeführt,  und 
wenn  auch  hie  und  da  die  Sache  wohl  kürzer  gefafst  werden  konnte, 
80  wird  doch  nirgend  das  Gefühl  der  Langweiligkeil  den  Leser  be- 
schleichen.  Freilich  Sinn  für  dergleichen  Untersuchungen  mufs  man 
mitbringen,  wie  auch  der  Vf.  selbst  gesagt  hat:  *  wer  die  Mühe  und 
Trockenheit  der  Untersuchung  scheut,  dem  zeigt  der  Titel  des  Buchs, 
dafs  er  fern  davon  bleiben  mag.' 

Im  In  Abschnitt  weist  Hr.  H.  nach,  wie  es  gekommen,  dafs  gleich 
nach  der  Unterdrückung  der  Verschwörung  allerdings  nicht  die  That- 
sachen,  das  gieng  nicht,  aber  ihre  Verbindung  willkürlich  verändert 
wurde.  Er  handelt  dann  von  den  vornehmsten  Gewährsmännern :  Sal- 
lust,  Dio,  Plularch,  Appian  und  Cicero.  Von  Sallust  sucht  er  nach- 
zuweisen, dafs  er  seine  Geschichte  erst  *bald  nach  seiner  Rückkehr 

iV.  Jahrb.  /•.  Phü.  «.  Paed,  Bd.  LXX.  Hft.  3.  20 


208  E.  Ha^cn:  Culilina. 

aus  Africa,  um  die  Zeit  von  Caesars  Tode'  geschrieben  habe;  er  6n- 
det  in  dem  quam  verissume  potero  c.  4  u.  18  das  Eingeständnis,  daf» 
er  nicht  eine  ganz  genaue  Darstellung  geben  könne,  ^ja  an  einigen 
Stellen ,  wo  er  sich  in  seinen  Nachrichten  gar  nicht  zurecht  finden 
konnte,  da  schrieb  er  hin,  was  die  Quelle   halte,  ohne  seine  Beden- 
ken künstlich  verhüllen  zu  wollen.'   Zum  Beleg  werden  Stellen  aus  c. 
18.  28.  50,  die  fast  sinnlos  seien,  angeführt,  und  so  fügt  er  bei  Be- 
sprechung der  ersten  Stelle  S.  95,  nachdem  er  die  Abgeschmacktheit 
in   der  Erzählung  nachgewiesen   zu  haben  glaubt,   folgendes  hinzu: 
^sagt  Sallust  das  alles  dennoch,  so  mufs  er  es  eben  gethan  haben, 
weil  er  es  so  vorfand  und  selbst  nicht  daraus  klug  wurde:  denn  hätte 
er  eine  Geschichte  machen  wollen,  sie  wäre  sicher  viel  klüger  aus- 
gefallen.'   Er  wirft  ihm  ferner  vor  Parteilichkeit  für  Caesar,  Flüchtig- 
keil  und  Mangel  an  Einsicht  in  den  Zusammenhang;  ^danach  kann  ich 
Sallust  nicht  mehr  als  Führer  anerkennen,  der  alles  am  gehörigen 
Orte  vorbringt,  aber  als  zuverlufsig,  so  weit  er  die  Wahrheit  wüste, 
betrachte  ich  ihn  durchaus.'    Wenn  der  letzte  Ausspruch  mit  den  vor« 
hergehenden  Vorwürfen  nicht  recht  übereinstimmen  will,  mufs  man 
auch  die  Gerechtigkeit  derselben  bestreiten.    Hr.  H.  kann  keine  Ver- 
anlafsung  nachweisen,  die  Sallust  zur  Beschreibung  der  Verschwö- 
rung bestimmt  habe,  es  soll  nur  die  gewesen  sein,  dafs  er  geglaubl 
einiges  richtiger  als  Brutus  in  seinem  Buch  de  laudibus  Catonis  be- 
richten zu  können.     Dieser  Grund   reicht  nicht  hin,  und  das  ganze 
Buch  Sallusls,  sollte  ich  meinen,  zeigt  deutlich  die  Absicht  des  Vf., 
wie  er  sie  ja  selbst  auch  hinreichend  ausspricht.    Sein  Plan  ist  an 
diesem  aufbrechenden  Geschwür  die  Krankheit  des  römischen  Staats- 
körpers zu  zeigen,  zu  schildern,  welche  Leidenschaften  und  Verbre- 
chen den  Staat  zu   Grunde  richteten,  welche  Tugenden  damals  noch 
das  sinkende  Gebäude  stützten;  daher  kommt  es  ihm  nicht  auf  um- 
ständliche und  peinlich  genaue  Darstellung  der  Verhandlungen  im  Senat 
an,  er  hui  nicht  die  Protokolle  der  Sitzungen  des  3.  und  6.  December 
(>H,  IM  denen  die  Gefangennehmung  und  Hinrichtung  der  Verschwore- 
nen beschlofsen  wurde,  wiedergegeben,  sondern  er  stellt  uns  dar  die 
damaligen  beiden  Hauptrichtungen  der  höhern  Staatsbeamten  und  zwar 
in  den  Hauptvertrolern  derselben  Caesar  und  Cato;  das  ist  eigentlich 
die  Absicht  iXi^s  Schriftstellers;  deshalb  kümmert  er  sich  nicht  darum, 
was  noch  andere  wie  Nero  als  V^ermittluntr  der  beiden  äufser^ten  An- 
träge vorschlagen;  es  liegt  ihm  nicht  daran  in  den  Heden  die  Ver- 
handlung selbst  zu  schildern,  sondern  die  hau  dein  den  Personen. 
Damit  fälltauch   der  Vorwurf,  den  Hr.  H.   S.  9  macht,  dafs  Sallust 
Personen  auftreten  läfst,  ohne  dafs  er  nachher  weiter,  selbst  wenn 
Gelegenheit  wäre,  von  ihnen  redet.     Er  erwähnt,  dafs  zwei  Impera- 
toren und  zwei  Pruetoren  gegen  die  Bewegungen  in  Italien  aufgeboten 
werden ,  und  nichts  von  ihrem  Thun.    Das  war  aber  nach  seinem  Plane 
nicht  nölhig,  wichtig  für  ihn  nur,  dafs  solche  Anstalten  gctrolTen  wer- 
den musten ;  an  der  Sempronia  schildert  er  uns  damalige  römische 
Franen,  es  ist  ein  GattungsbegrilT,  nicht  ein  Eigenname;  man  denke 


E.  Hagen:  Calilina.  299 

nor  an  Calos  Schwester  Servilia,  die  Gattin  des  Silanns:  es  ist  daher 
für  Sallust  g^ar  nicht  von  Wichtigkeil,  dafs  die  Verhandlungen  mit 
den  Allobrogen  in  ihrem  Hause  stattfinden.  So  lafseu  sich  noch  andere 
scheinbare  Unebenheiten  der  Darstellung  erklären  und  rechtfertigen, 
da  Sallust  nicht  eine  Geschichte  der  calilinarischen  Verschwörung, 
sondern  in  dieser  eine  Sittenschilderung  geben  wollte.  So  erklärt 
sich  das  Zurücktreten  des  optimus  consul  Cicero^  aus  dem  man  ja 
frühzeitig  genug  auf  eine  Feindschaft  gegen  denselben  geschlofsen  hat. 
Der  Consul  nemlich  ist  durch  seine  Stellung  verpflichtet  gegen  die 
Umstnrzpartei  zu  kämpfen,  er  vertritt  also  als  Staatslenker  keine  Par- 
tei, alles  also,  was  er  thut,  gehört  nicht  in  Sallusts  Darstellung  und 
es  findet  nur  so  viel  Platz  als  zum  Verständnis  der  Schilderung  selbst 
durchaus  nöthig  ist.  So  stellt  sich  uns  in  Sallusts  Erzählung  die 
Sache  wesentlich  anders,  und  wir  sehen  in  ihr  klaren  und  bewusten 
Plan,  finden  keine  Widersprüche  in  ihr  selbst  oder  mit  der  wirklichen 
Geschichte,  wenn  auch  einzelne  unbedeutende  Versehen  zugegeben 
werden  mürsen.  So  erkläre  ich  denn  die  Nichterwähnung  der  drei 
letzten  Catilinarien,  der  Supplication  und  des  Titels  pater  patriae 
nicht  aus  dem  Streben  nach  ^ Kürze',  sondern  daraus,  dafs  in  alle 
diesem  kein  charakteristisches  Zeichen  der  Zeit  liegt.  Ich  linde  also 
auch  in  diesem  Stillschweigen  keinen  Beweis  der  Unechtheit  der  drei 
Beden,  den  andere  darin  gefunden  haben.  Diese  Iteden  halt  Hr.  H. 
für  echt.  Wir  kommen  darauf  weiter  unten  noch  zurück;  um  hier  aber 
mit  Sallust  abzuschliefsen,  so  ist  die  meiner  Meinung  nach  falsche 
Ansicht,  die  Hr.  H.  über  ihn  ausspricht,  von  keinen  nachtheiligen 
Folgen  für  seine  Untersuchungen  gewesen.  Den  Urtlieilen  über  Dio, 
Plutarch,  Appian  mufs  man  beitreten. 

Im  2n  Abschnitt  ist  trefflich  die  Schilderung  der  Verhältnisse  in 
Rom  im  allgemeinen,  besonders  der  Stellung  des  Senats  und  Proleta- 
riats durch  die  scmpronischen  Gesetze,  dann  über  die  Ritter,  den  ge- 
werbtreibenden  Mittelstand,  der  sich  nach  Sullas  Proscription  gebil- 
det haben  soll ,  dessen  Vorhandensein  auch  einige  Andeutungen  in  den 
Reden  gegen  Rullus  noch  hätten  wahrscheinlich  machen  können,  über 
die  Collegien  und  die  Möglichkeit,  dafs  junge  Leute  aus  dem  Senato- 
renstande sich  Zugang  und  Einflufs  erwerben  konnten ,  über  die  tri- 
huni  aerarii^  über  die  scrihae;  der  Einflufs  und  die  Organisation 
dieser  Suballernbeamten  ist  sehr  anziehend  geschildert.  Zuletzt  ist 
von  den  verschiedenen  Classen  der  unzufriedenen  die  Rede  nach  der 
2n  Catilinarie,  und  es  wird  nachzuweisen  gesucht,  dafs  die  Einthei- 
lung  in  die  6  Classen  nur  Cicero,  kein  Rhetor  hätte  machen  können. 

Im  3n  Abschnitt  wird  das  Privatleben  Catilinas  nach  den  Schrift- 
Btellern  geschildert  und  bewiesen,  dafs  er  3  Frauen  gehabt;  seine 
Schandthalen  werden  einzeln  ausgeführt,  ferner  dafs  die  Klage  de  in- 
cestu  von  Clodius  im  J.  73  angestellt  und  dafs  Catilina  von  Catulus 
sogar  dabei  vertlieidigl  wurde.  Besonders  gelungen  ist  die  Schilde- 
rung von  Catilinas  Stellung  dem  Senate  gegenüber  seit  seiner  Praetur 
S.  80:  *  die  Nobilitat  wollte  Catilina  nicht  zur  Verzweiflung  treiben, 

20* 


300  E.  Ilagcn:  Culilina. 

sie  hoffte  seinen  Ehrgeiz  durch  die  Praclorwurdc,  seine  Geldgier 
durch  eine  reiche  Provinz  zn  befriedigen,  das  höchste  Amt  der  Re- 
publik mochten  sie  aber  einem  Menschen  nicht  gewähren,  dessen  traa- 
rige  Berühmtheit  aus  Sullas  Schrcckenstagcn  her  datierte  und  der 
eben  wieder  die  schmutzigste  Geldgier  unverholen  gezeigt  hatte,  also 
nicht  einmal  den  Schein  der  Tugend  wahrte,  und  von  dem  sich,  was 
dem  Senat  wohl  die  Hauptsache  war,  alles  fürchten  liefs.' 

Es  folgt  nun  ein  überzeugender  Beweis  gegen  Drumann,  dafs  Ca« 
tilina  schon  66  unter  L.  Yolcatius  Tullus  sich  ums  Consulat  bewerben 
wollte;  aber  man  hatte  ihn  in  Africa  hingehalten,  dafs  er  in  Rom  za 
spöt  ankam.  Weil  indessen  beide  gewählten  Consuln  F.  Autroniu» 
Paetus  und  P.  Cornelius  Sulla  de  ambitu  verurthcilt  werden,  und  er 
sich  nun  noch  HolTnung  auf  Wahl  machen  kann,  entscheidet  Volcatin» 
nach  Bcrathung  mit  einem  consilium  publicum  ^  d.  h.  den  angesehen- 
sten Consularen  [einem  Vorbilde  des  consilium  principis]^  er  werde 
nur  Stimmen  für  solche  annehmen,  die  bereits  vor  der  ersten  Wahl 
sich  gemeldet.  So  gelang  es  Catilina  zurückzuhalten  ohne  ihn  zu  ver- 
letzen. Dies  Resultat  gewinnt  Hr.  H.  aus  Stellen  des  Sallust  und  As- 
conius.  Was  die  erste  Verschwörung  betrifft,  an  der  Catilina  Theil 
nahm,  in  der  Crassus,  Caesar,  Piso,  Autronius  die  Häupter  waren, 
so  widerlegt  Hr.  H.  gut  Brückners  Annahme  in  seinem  Leben  Ciceros 
von  zwei  Verschwörungen;  aber  seine  Behauptungen  sind  doch  auch 
nicht  nach  allen  Seiten  hin  geschützt,  namentlich  macht  er  S.  99  den 
allzu  raschen  Schlufs,  dafs  Ciceros  Aussage  (1,  15):  ^ jeder  Senator 
wcifs,  dafs  du  unter  Volcatius  und  Torquatus  Consulat  auf  dem  Co- 
mitium  mit  Waffen  gestanden  hast  und  3Iannschaft  gesammelt,  am  dio 
Consuln  und  die  Häupter  des  Staats  zu  morden'  deshalb  unwahr  sei, 
weil  unmöglich  Leute,  deren  Verschwörung  so  genau  den  1.  Janaar 
bekannt  und  vereitelt  war,  den  5.  Februar  wieder  die  Ausführung 
ihres  Planes  versuchen  konnten,  ohne  zur  Verantwortung  gezogen  zn 
werden;  denn  er  verwechselt  die  Zeiten:  was  2  Jahre  früher  Geheim- 
nis war,  konnte  später  jedem  bekannt  sein  ,  und  wie  käme  Cicero  dazn 
den  Senatoren  ins  Angesicht  über  ihre  eigne  Kenntnis  etwas  vorzu- 
lügen? Vergeblich  beruft  sich  auch  llr.  II.  auf  die  Stelle  pro  Sülls, 
die  zu  anderer  Zeit  vor  Richtern  gesprochen  ist,  aber  auch  den  aus 
ihr  gezogenen  Schlufs  gar  nicht  rechtfertigt.  Bei  derselben  Sache 
wird  auch  Sallust  ein  Unrecht  gethan;  die  Worte  über  c.  18  sind  be- 
reits oben  angeführt.  Noch  ist  zu  erinnern,  dafs  ein  Schreibfehler 
untergelaufen  ist,  denn  bei  Cicero  stehen  die  Namen  Lepidus  und  Tul- 
lus, der  Consuln  von  66,  da  65  Torquatus  und  Cotta  das  Consulat 
vorwallelen. 

TrolTcnd  ist  der  Plan  und  der  Grad  der  Thcilnahmo  der  Ver- 
schwörer angegeben ,  auch  die  Theilnehmer,  wie  besonders  Crassus 
und  Caesar,  richtig  bcurthcilt;  sehr  schön  ist  ferner  die  Darlegang 
der  veränderten  Umstände  am  5.  Februar  und  dafs  bei  dieser  Vor- 
srhwörung  erst  Catilina  hervortritt,  während  Sulla  in  den  Hintergrand 
geschoben  wird,  S.  104  IT.,  wie  auch  dio  auf  den  ersten  Blick  sonder- 


E.  Hugeii :  Catilina.  301 

baren  Narsnalimen  des  in  seinem  Leben  bedrohten  Consuls  und  Senats; 
dann  ist  die  Klage  des  Clodius  gegen  Catiiina  de  repetundis^  noch 
mehr  die  des  Luccejus  de  ci  ganz  meisterhaft  behandelt  und  geschicht- 
liche Kritik  mit  aulserordentlicher  Sicherheit  und  kühner  Conibinalion 
geübt,  obgleich  Hr.  H.  selbst  sagt,  es  möchte  seine  Ansicht  manchem 
^willkürlich,  ja  unwahrscheinlich'  erscheinen.  Gerade  diese  Wahr- 
scheinlichkeitsrechnung beweist  die  Befähigung  und  das  Geschick  des 
Vf.  für  solche  Untersuchungen. 

In  dem  4n  Abschnitte  über  Catilinas  Candidaturen  erhalten  wir 
genauem  Nachweis  auch  über  Ciceros  Stellung  und  seine  Hede  in  ioya 
Candida^  wie  über  das  Gesetz  de  ambitu  und  den  Zweck  solcher  Ge- 
setze überhaupt,  die  weniger  die  ßeslcchnug  unterdrücken  als  eine 
Gelegenheit  geben  sollten  einen  misliebigen  Beamten  durch  Klage  zu 
entfernen.  Nur  was  §.  20  aus  dem  Stillschweigen  Ciceros  gefolgert 
wird,  ist  doch  wohl  zu  viel,  da  die  Hede  selbst  nicht  mehr  erhallen 
ist;  dagegen  sind  die  Pläne  und  Absichten  Catilinas,  und  wie  er 
Schritt  vor  Schritt  bis  zur  Verschwörung  getrieben  wurde,  auch  der 
Uede  Catilinas  bei  Sallust  o.  20  eine  andere  und  richtigere  Stelle  in 
den  Begebenheiten  nachgewiesen;  ob  die  ganz  richtige,  möchte  aber 
doch  noch  mancher  bezweifeln,  wie  auch  zu  S.  135  und  178  zu  be- 
merken ist,  dafs  in  Hom  bewalTnet  umherzugehen  verboten  war,  vgl. 
Cic.  ad  Att.  11,  24.  Seitdem  Catilina  gegen  Cicero  durchgefallen  war, 
er  die  bei  Wahlen  entscheidenden  Stande  sich  so  abgeneigt  sah,  dafs 
sie  einen  hämo  uodus  gewählt  hatten,  von  da  begann  er  durch  ge- 
walllhälige  Mittel  sein  Ziel  zu  erstreben,  er  trachtete  dem  designier- 
ten Consul  nach  dem  Leben,  knüpfte  Verbindungen  mit  Leuten  allerlei 
Art  an;  nicht  mehr  durch  Bestechung  sondern  durch  Schrecken  suchte 
er  zu  wirken.  Dagegen  wird  auch  die  Thaligkeit  Ciceros  S.  153  in 
das  richtige  Licht  gestellt,  wie  im  folgenden  das  mühselige  Hingen 
dieser  beiden  hervorragenden  Männer,  indem  jeder  den  andern  aus 
iiciner  Stellung  herauszudrängen  sucht,  und  besonders  Cicero  den 
Catilina  zu  einer  entschieden  ungesetzlichen  Handlung,  zu  einem  olTen- 
burcn  Verbrechen  treiben  mufs,  wenn  er  ihn  vernichten  will,  wäh- 
rend Catilina  ebenso  vorsichtig  und  gewandt  alle  Beweise  seiner  ver- 
brecherischen Pläne  unmöglich  macht  und  seinen  Gegner  zu  einer 
Ueberschreilung  seiner  Amtsgewalt  reizt,  um  ihn  mit  dem  Senate  zu 
entzweien.  Es  wird  richtig  das  Verhältnis  der  Bewerber  für  das  Jahr 
(}2  angegeben,  des  Silanus,  Sulpicius  und  Murena,  nur  beim  ersten 
ist  nicht  bedacht,  dafs  Cato  ihn  deshalb  de  ambitu  nicht  anklagt,  weil 
er  sein  Schwager  ist.  Cicero  entfernt  die  Gefahr  vor  Catilina  einfach 
durch  Verschiebung  des  Wahltages  vom  21.  Juli  auf  den  21.  Oclober; 
so  lange  kann  Catilina  die  Veteranen  des  Manlius,  die  er  aus  den  sul- 
lanischen  Colonien  Etruriens  zur  Unterstützung  seiner  Bewerbung, 
wohl  auch  zu  etwaiger  kräftiger  Mitwirkung  am  Wahltage,  hat  kom- 
men lafsen,  nicht  in  Hom  erhalten.  Hiebei  ist  freilich  viel  Voraus- 
setzung. Auch  im  weitem  Verlauf  wird  der  Thätigkeit  und  dem  Ver- 
dienste Ciceros  einmal  voUc  Gerechtigkeit  zu  Theil.     S.  163  steht  u. 


302  ^'  Hagon:  Catilina. 

a.:  ^er  vertreibt  Coliliiia  aus  Rom  durch  eine  Rede,  deren  KüiiobeU 
Jahrhunderte  lang  bewundert  ist  und  nuch  mehr  angestaunt  zu  wer- 
den verdient,  wenn  man  wcifs,  dafs  Cicero  ohne  Vcrrath  auf  kahoe 
Combinationen  hin  als  Factum  ausspricht,  was  wirklich  wahr  ist.'    In 
dieser  in  den  letzten  Worten  ausgesprochenen  Ansicht  bemüht  sich 
Hr.  H.  umsonst  aus  den  Widersprüchen  (?)  bei  Sallusl  nachzuweisen, 
dafs  Curius  und  Fulvia  an  Cicero  nichts  berichtet;  denn  was  Sallusl 
c.  36  erzählt,  dafs  trotz  der  versprochenen  Belohnung  kein  Verschwo- 
rener etwas  verrathen,  steht  nicht  im  Widerspruch  damit,  dafs  Cu« 
rius  sich  habe  als  Spion  brauchen  lafsen.     So  bezweifelt  er  viel  zu 
sehr  die  Genauigkeit  der  Angaben  in  der  ersten  Rede  und  verwickelt 
sich  in  kleine  Widersprüche.    Es  muste  doch  der  Anschlag  auf  Prae- 
nesto  am  1.  Nov.  Cicero  bekannt  sein,  sonst  konnte  er  nicht  so  be* 
stimmt  reden;  er  muste  wifsen,  dafs  Senatoren  bei  Laeca  gewesen, 
sonst  konnte  er  es  nicht  so  sicher  behaupten,  wenn  er  nicht  Catilina 
läclierlich  werden  wollte;  dafs  er  keinen  nennt,  hat  allerdings  darin 
seinen  Grund,  dafs  er  sie  nicht  alle  nennen  kann,  also  auch  den  mit- 
schuldigen nicht  etwa  die  Furcht  nehmen  will,  und  dann  ebenso,  dafs 
er  sie  nicht  nennen  darf.    Manches  weifs  man  ja  sicher  und  gewis, 
aber  sagen  kann  man    es  nicht,  da  man  es  andern  gegenüber  nicht 
nachweisen  kann,  und  Hr.  H.  beweist  zu  viel,  wenn  er  behauptet, 
Cicero  habe  gar  nichts  von  Bedeutung  erfahren  und  nur  durch  Ver- 
muthungen  das  richtige  gefunden;  dabei  citiert  er  die  2e  Hede  so  gut 
wie  die  le  S.  169.    Dafs  Curius  später,  weil    er  gegen   Caesar  ge- 
zeugt, als  falscher  Angeber  verdächtig  gemadht  worden  ist,  ist  noch 
lange  kein  Beweis,  dafs  er  es  wirklich  gewesen;  aber  llr.  H.  läfst 
sich  verleiten  sogar  anzunehmen ,  dafs   Sallust  und  Sueton  durch  Ci- 
ceros   ^ofücielle  aber   doch   falsche  Angaben'  sich   haben  täuschen 
lafsen.    Es  ist  immer  gewagt  gegen  die  ausdrücklichen  Zeugnisse  der 
Schriftsteller  aus  Wahrscheinlichkeiten  und  daraus  gezogenen  Schlü- 
fsen  etwas  zu  beweisen,  und  Hr.   H.  hat  selbst  auf  das  gefährliche 
eines  solchen  Verfahrens  aufmerksam  gemacht;  es  ist  aber  eben  su 
leicht,  dafs  man  einmal  in  diesen  Fehler  verfüllt.     Dagegen  ist  §,  26 
die  Stellung  des  Antonius  wie  sein  Charakter  richtig  gewürdigt,  aber 
§.  27  linden  sich  manche  Vermuthungen,  dfe  man  eben  nicht  als  in  der 
Sache  begründet  ansehen  kann,  wie:  ^Cicero  war  bei  der  Wahl  im 
Harnisch  erschienen,  als  fürchte  er  von  Catilina  Gefahr,  Catilina  legte 
also  Waffen  für  immer  an,  als  sei  er  vor  dem  Consul  nicht  sicher, 
und  je  mehrere  dies  thun,  desto  mehr  wird  auf  Cicero  der  Schein  eines 
Tyrannen  geworfen.'    Mit  diesem  Verfahren  hätte  ja  Catilina  die  An- 
klage des  Cicero  bestätigt ;  denn  wer  hat  gegen  einen  Harnisch  Waf- 
fen nöthig,  wenn  er  nicht  den  Harnisch  durchbohren  will?    Dennoch 
hat  auch  hier  llr.  II.  in  der  Hauptsache  Recht  und  die  Zeitbestimmung 
der  einzelnen  Ereignisse  ist  mit  vielem  Geschick  und  Glück  gemacht, 
wie  auch  die  Umstimmung  des  Volks  zu  Gunsten  des  llurena  scharf- 
sinnig dargestellt  ist. 

Eine    eigentliche  Verschwörung  gegen  den  Staat  beginnt  erst 


II.  Hagen:  Catilina.  303 

■ach  der  Consulwabl,  nach  dem  21.  Octbr.  63,  aU  Catiiina  wiederum 
durchgefallen  war  und  nun  für  ihn  gar  keine  lIolTnung  übrig  blieb, 
durch  gewöhnliche  Mittel  wie  Bestechung  oder  Einschüchterung  zum 
Consulal  zu  gelangen ;  auch  hatte  er  für  den  Fall  schon  Vorbereitun- 
gen zum  Aufstand  getroflfen.  Aber  nothwendig  gestaltet  sich  nun  das 
Verhältnis  anders:  nicht  alle,  die  Cutilinas  Wahl  begünstigt  halten, 
sind  bereit  ihm  zu  einem  gewaltsamen  Umsturz  des  Staates  beizustehn; 
namentlich  ist  in  dieser  Verschwörung  für  Crassus  und  'Caesar  kein 
Platz  mehr  neben  Catilina.  £s  ist  Hrn.  H.  gelungen  die  allmähliche 
Eutwicklung  der  Verschwörung  und  wie  Catilina  durch  Cicero  aus 
einem  Vorlheile  nach  dem  andern  herausgedrängt  worden  ist,  deut- 
lich und  überzeugend  darzustellen,  und  es  tritt  uns  hier  die  Klugheit 
und  Besonnenheit  des  Consuls,  dem  der  Senat  als  einem  Feinde  Cuti- 
linas nicht  recht  glaubt,  den  er  als  einen  homo  norvs  beneidet,  in 
vollster  Klarheit  entgegen.  So  wird  der  Widerspruch  des  Sallust  und 
Cicero  in  der  In  Hede  über  die  Personen,  die  den  Consul  morden 
sollten,  befriedigend  gelöst.  Freilich  trilTt  hier  wieder  den  Sallust 
das  zweideutige  Lob,  daCs  er  ^getreu  referiert,  was  er  selbst  nicht 
begreift',  S.  211.  In  §.  35  ist  die  erste  Rede  des  Cicero  wiederge- 
geben, ihre  Absicht  und  ihr  Erfolg  geschildert.  Des  andern  Morgens, 
am  8.  Nov.,  hielt  Cicero  die  2e  Hede  ans  Volk.  Von  dieser  heifst  es 
S.  222:  ^die  Heftigkeit,  die  im  Senate  durch  den  versuchten  Mord 
und  die  Frechheit  Catilinns,  in  der  Curie  zu  erscheinen,  gerechtfer- 
tigt war,  fehlt,  sonst  aber  ist  die  ganze  Oekonomie  der  Hede  in  ihrer 
absichtlichen  Verwirrung  und  den  Hauptgedanken  der  ersten  so  ähn- 
lich, dafs  ich  nicht  begreife,  wie  man  die  eine  für  echt,  die  andere 
für  unecht  hat  halten  können.'  Das  liefse  sich  allerdings  begreifen, 
dafs  jemand  als  rhetorische  Uebunir  eine  Hede  ans  Volk,  da  doch  Ci- 
cero eine  gehalten  hatte,  gemacht  und  den  SloiT  aus  der  einzig  mög- 
lichen Quelle,  aus  der  Rede  im  Senate  geschöpft  hätte.  Nach  seinem 
Weggang  aus  Rom  schrieb  Catilina  Briefe  an  die  Nobilität,  um  sie 
mit  dem  Consul  zu  entzweien.  In  Manlius  Luger  angekommen  fand  er 
einen  Haufen  Menschen,  liiit  dem  noch  nichts  anzufangen  war,  er  mul's 
ihn  erst  organisieren  und  hat  dabei  keinen  numhaflen  Gehilfen.  Aber 
auch  Cicero  hatte  keinen  und  befand  sich  in  üufsersl  schwieriger  Lage: 
*es  war  wahrlich  keine  geringe  Aufjrabc,  ein  volles  Jahr  lang  sich 
in  der  gröfslen  persönlichen  Gefahr,  den  Slaat  am  Hände  des  Abgrunds 
zu  sehn,  zu  wachen  und  zu  sorgen,  und  gerade,  dafs  er  gewalt- 
Ihälige  Ausbrüche  hinderte,  als  Beweis,  wie  er  nur  Gespenster  sähe, 
anführen  zu  hören,  und  das  alles  noch  mit  der  Befürchtung,  dafs  Feig- 
heit und  Verrath  alle  seine  Mühe  vereiteln,  mit  der  Gewisheit,  dafs, 
wenn  er  siege,  Neid  und  Hafs  ihm  lohnen  werde.'  (S.  229)  Die 
Schwierigkeiten  steigerten  sich,  da  Murena  noch  zu  vertheidigen 
war  und  nach  Aechtung  des  Catilina  dem  Antonius  der  Oberbefehl  ge- 
gen ihn  gegeben  werden  muste.  In  §.  39  ist  die  Verschiedenheil  der 
Absichten  des  Catilina  und  Lentulus  nachgewiesen;  letzterer  stellt 
sich  den  AUobrogen  als  Haupt  dar,  hat  sie  nicht  an  Catilina  verwie- 


304  ^*  Hagen :  Catilina. 

scn,  sie  sind  gar  nicht  aufgefordert  Catilina    aufzusnchen,  sonder« 
Vollurciiis  soll  sie  hinrüliren  gelegcnllich ,  dafs  sie  eins  der  schon  be- 
reit siehenden  Heere  sehen.     Mit  den  Allobrogen  ist  Cicero  in  gar 
keinen  unmittelhoren  Verkehr  getreten,  er  hat  nur  durch  Q.  Fabias 
Sanga  alles  vermittelt;   diese   haben  auch    Lentulus    nicht  tauschen 
Müllen.    Mit  dem  §.  40  kommen  wir  zu  dem  Theile  der  Untersuchun- 
gen, >vo  besonders  die  lieden  und  ihre  Echtheil  den  Gegenstand  bil- 
den.   In  §.  40  wird   die  Uehereinstimmung  der  '6n  Rede  mit  Saunst 
nachgewiesen,  so  dafs  das  abweichende  eben  nur  aus  Ciceros  Stel- 
lung sich  erklärt,  also  von  ihm  wirklich  so  gesagt  werden  muste, 
wenn  er  berichtete.   Nach  einer  schönen  Erklärung  der  Worte  Sallasts 
<$.  41  gibt  er  §.  42  eine  Ausführung  des  Verhörs  am  3.  December,  wo 
der  wirkliche  Widerspruch  der  Hede  gegen  Sallust  als  Beweis  für  die 
Echtheit   derselben  geltend   gemacht  wird.    Auch  die  Einrede,  die 
man  aus  dem  Senatsbeschlufs  gemacht  hat,  der  in  der  3n  Catilinarie 
erwähnt  ist,  wird  gründlich  widerlegt,  doch  schiebt  sich  zwischen 
die  scharfe  Darlegung  der  Gründe  S.  265  folgendes:  ^was  mufs  ich 
auf  der  andern  Seite  glauben,  wenn  ich  die  Supplication  nicht  sta- 
tuiere?   dafs  Cicero  der  frechste   Lügner  war,  der  dem  Senate  ins 
Gesicht  Decrete  cilierte,  die  er  nie  gefafst'  u.  s.  w.    Das  ist  zu  viel; 
CS  soll  aus  dem  Verwerfen  der  Supplicalion  nur  die  Unechtheit  der 
Rede  gefolgert  werden ;  läfst  sich,  wie  es  Hrn.  H.  gelungen,  nach- 
weisen, dafs  anderswo  dieselbe  erwähnt  ist,  so  hört  die  Erwähnung 
in  der  Rede  auf  ein  Beweis  der  Unechtheit  zu  sein;  Ciceros  Charakter 
kommt  dabei  nicht  ins  Spiel.   Weiterhin  führt  Hr.  H.  mit  grofser  Klar- 
heit und  glücklicher  Diviuation  die  Folge  der  Ereignisse  vom  3. — 5. 
Decbr.  aus;  nur  dafs  er,  um  Sestius  Einflufs  hervorzuheben,  8.  273 
eine  Mulhlosigkeit  des  Cicero  für  den   3.  Decbr.  annimmt,    die  er 
S.  268  entschieden  geleugnet  hat.    Er  läfst  Sestius  den  6.  Decbr.  mit 
Truppen  in  Rom  einrücken  und  bis  zum  20   da  bleiben.    Die  Verhand- 
lung aber  selbst  im  Senat  ist  durch  Combinalion,   die  Hr.  H.  selbst 
kühn  nennt,  so  vortrefflich  dargestellt,  dafs  man  ihr  die  Zustimmung 
nicht  versagen  kann  und  jedcsfalls  zugestehn  mufs,  dafs,  wenn  der 
«'•ans  der  Verhandlungen  so  gewesen  ist,  wie  er  hier  geschildert  wird, 
die  Berichte  der  Geschichtschreibcr  zusammenstimmen  und  die  4e  Ca- 
lilinurie  echt  ist.    Milien  in  die  Beruthung  über  die  Strafe  der  Ver- 
brecher und  nach  Caesars  Rede  und  in  die  Erwiederung  des  Catulns 
fällt  nemlich  nach  Hrn.  H.s  Annahme  die  Nachricht  vom  Aufstande  der 
Verschworenen,  und  der  Consul  muste  auf  die  Strafse  eilen,  um  ihn 
zu  unterdrücken,  und  nachdem  die  Gefahr  beseitigt,  kehrt  er  znrttck 
und  hält  diese  4c  Rede.     M)as  mufs  ich  aber  gestehen,  dafs,  wenn 
mir  nicht  der  Auflauf  und  die  Entfernung  des  Consuls  unleugbar  schie- 
nen, ich  we;?en  dieser  dann  unmotivierten  Mattigkeit,  wegen  dieses 
Kingauges  der  fünf  ersten  Paragraphen   und  dieser  dann  unbegreifli- 
chen Resignution  nm  Ende  diese  Rede   für  unecht  halten  müste.'    (S. 
^^^)  Mit  diesem  Schluf.surtheil    mufs  auch  Ref.  übereinstimmen  und 
hüll  alle  bisherigen  Versuche  die  Echtheit  nachzuweisen  für  unzurei- 


E.  Hagen:  Catiliua.  305 

chcnd.  Auch  die  Debatte  nach  Ci^ros  Rede  ist  mit  vielen  aber  wahr> 
sühüinlichen  Voraussetzungen  so  lebhaft,  so  überzeugend  dargestellt, 
dar«  man  glaubt,  es  sei  alles  so  geschehen,  und  man  der  Freude  ge- 
nierst einen  wichtigen  Beschlurs  des  römischen  Senats  und  ein  Ereig- 
nis, das  von  so  grofsen  Folgen  für  den  Staat  war,  bis  in  die  klein- 
sten Faden  zu  verfolgen  und  begreifen  zu  können  meint.  Durch  die 
ganze  Darstellung  aber  gewinnt  die  Geistesüberlcgenheit,  der  Muth 
und  die  Mingabe  des  Cicero  vollständige  Anerkennung. 

Wir  könnten  nun  die  Resultate,  die  Hr.  H.  zuletzt  zusammen- 
stellt, im  Auszüge  geben,  allein  theils  sind  sie  schon  gegeben,  theils 
möchte  ich  dafs  recht  viele  sich  an  der  Art,  wie  dieselben  gewonnen 
Morden,  erfreuten.  Es  versteht  sich  übrigens  bei  solcher  Untersu- 
chung fast  von  selbst,  dafs  auch  manche  Schriftstelle  eine  nähere  Er- 
.drterung  erfahren  hat.  Sollen  wir  noch  etwas  zum  Schlufs  aussetzen, 
«0  ist  es  das,  dafs  die  Untersuchung  über  die  Catilinarien  nicht  selb- 
ständig geführt,  nicht  der  vollständige  Beweis  für  die  Echtheit  der- 
selben angetreten  ist.  Vieles  aber,  was  mit  grofsem  Scharfsinn  in 
diesem  Buche  wahrscheinlich  gemacht  ist,  bricht  unhaltbar  zusammen, 
wenn  die  Reden  unecht  sind.  Einen  Hauptgrund  nun  gegen  die  Echt- 
heit hat  man  in  der  Sprache  gefunden  und  der  ist  nicht  widerlegt 
durch  Worte  wie  *die  Bedenken  gegen  die  Latinitut  sind  gröfsten- 
theils  willkürlich :  steht  ein  Wort  in  einer  sonst  von  Cicero  nicht  ge- 
brauchten Verbindung,  so  heifst  das  unlateinisch,  steht  es  ander- 
wärts sehr  ahnlich,  so  ist  das  Plagiat  nachgewiesen,  und  dabei  müfsen 
doch  ganze  Stücke  der  Reden  wieder  für  echt  erklärt  werden,  weil 
sich  gar  kein  Vorwurf  gegen  sie  finden  läfst. '  (S.  14)  Auch  die  neu- 
ste Ausgabe  der  Reden  von  Halm  hat  trotz  der  Autorität  des  Heraus- 
gebers mit  allen  ihren  Gründen  für  die  Echtheit  der  Reden  und  mit  der 
Art  der  kritischen  Behandlung  des  Textes  bei  Ref.  wenigstens  nur  die 
Zweifel  vermehrt  und  verstärkt.  Doch  möchte  ich  den  gemachten  Vor- 
wurf nicht  so  sehr  betonen,  da  eben  die  fortlaufenden  Untersuchungen 
erst  Stück  vor  Stück  die  Echtheit  beweisen,  der  Leser  aber  im  vor- 
aus von  der  Ansicht  des  Vf.  unterrichtet  ist  (S.  13  IT.).  Nur  die  auch 
in  dieser  Hinsicht  gewonnenen  Resultate  hätten  zuletzt  noch  können 
KQsammengestellt  werden,  denn  diese  sind  wirklich  bedeutend  und 
Hr.  H.  hat  die  eine  Seite  wohl  vollständig  erledigt;  im  Inhalt  ist  kein 
Grund  zu  finden,  die  Reden  für  unecht  zu  erklären,  vielmehr  weist 
vieles  daraufhin,  dafs  ein  anderer  die  Sachen  nicht  so  zusammenge- 
stellt hätte.  In  der  Sprache  kommt  noch  manches  bedenkliche  vor, 
das  durch  genaue  Vergleichung  der  Handschriften  oder  Erklärung  sich 
wohl  noch  entfernen  läfst,  aber  nicht  durch  einfaches  Verneinen  oder 
durch  Streichen  solcher  anstöfsigen  Wörter. 

Quedlinburg.  G.  W.  Oossrau. 


306  W.  Spalding:  Geschiclile  der  englischen  Literatur. 

The  history  of  English  literatnf%;  with  an  ontline  of  tbe  origln 
and  growth  of  the  English  language:  illustrated  by  extract^. 
For  the  ose  of  schools  and  of  private  students.  By  ff^illiam  Spal- 
ding y  A.  M.,  Professor  of  Logik,  Rhetoric  and  M etaphysics ,  in 
the  university  of  Saint  Andrews.  Second  Edition.  Edinburgh : 
Oliver  and  Boyd.  1853.  414  S.   12. 

Geschichte  der  englischen  Literatur  nebst  Proben  aus  den  bedeu- 
tenderen Schriftstellern  und  einer  Entwicklungsgeschichte  der  eng- 
lischen Sprache.  Von  fF.  Spalding,  Professor  an  der  Universität 
St.  Andrews.  Nach  der  zweiten  Auflage  des  Originals  mit  An- 
merkungen ins  Deutsche  übersetzt.  Halle ,  Verlag  von  Ch.  Grä- 
ger.  1864.  XXIV  u.  548  S.  8. 

Schon  lange  hat  sich  die  litterarische  Welt,  insbesondere  aber 
Lehrer  und  lernende  der  englischen  Sprache,  nach  einer  gedrängten 
und  dabei  nicht  unvullständigcn  Geschichte  der  englischen  Litteratur 
sehnsüchtig  umgesehen.  An  dem  3Iulerial  zu  einer  solchen  fehlt  es 
allerdings  seit  mehreren  Jahrzehnten  keineswegs  mehr  —  Werke 
wie  z.  ti.  Chambers'*  ^  Cyclopuedia  of  English  literatnre',  Craik'S 
^Sketches  of  the  history  of  literalure  and  learning  in  England',  fer- 
ner die  eines  llallam,  Wurtou,  Campbell,  Cunningham  u.  a.  enthalten 
eine  bedeutende  Masse  biographischer,  bibliographischer  und  kriti- 
scher Notizen,  wohl  auch  ein  Gesummtbild  der  englischen  Poesie  — ; 
aber  eine  historische  Darlegung  des  EntwickUnigsprocesses  der  ge* 
sammten  Litteratur,  eine  räsonnierende  und  aeslhetisierende  Betrach- 
tung und  Würdigung  ihrer  einzelnen  Phasen ,  einen  Nachweis  ihres 
innigen  Zusammenhangs  mit  der  Geschichte  der  Nation  selbst  geben  sie 
noch  nicht.  Diese  schwere  Aufgabe  stellt  sich  das  vorliegende  Werk 
und  löst  sie  nicht  ohne  Erfolg,  aber  mit  einer  solchen  Fülle  rhetori* 
sehen  Prunkes,  mit  einem  solchen  Ilcrvorlreten  des  französischen 
Elements  der  Sprache,  dafs  der  Universitätsprofessor  der  ^ Logik, 
lihetorik  und  Metaphysik^  (seltsame  Zusammenstellung!)  überall  hin- 
durchblickt  und  dufs  ein  anderes  Ziel ,  welches  sich  der  Vf.  aufser- 
dem  noch  steckt,  recht  fafslich  für  die  studierende  Jugend  xii 
schreiben ,  nicht  immer  erreicht  wird. .  Eben  wegen  dieses  Strebens 
nach  einer  möglichst  kuns(f?erechten  und  gefeilten  Form  vernach- 
lüfsigt  Spalding  das  biographische,  bibliographische  und  besonders 
das  chronologische  Element  zu  sehr  und  der  deutsche  Leser 
würde  es  gewis  dem  sonst  sehr  gewandten  und  gewifsenhafleu  Ueber- 
setzer  herzlich  gedankt  haben,  wenn  derselbe  in  dieser  Beziehung  in 
Anmerkungen  noch  manclies  nachzuholen  versucht  hätte.  Soviel  steht 
fest,  dafs  erst  aus  dem  Zusammenfafsen  der  so  ganz  verschiedeneu 
Elemente  eines  Chambers,  Craik  und  ähnlicher  Compilatoren  und  eines 
Spalding  und  einiger  ihm  verwandten  Aestheliker  zur  hohem  Einheit 
eine  wahre  Geschichte  der  englischen  Litteratur  hervorgehen  kamt, 
und  es  wäre  wahrlich,  wie  der  Uebersetzer  mit  Recht  sagt,  gar  nicht 


W.  Spalding^:  Geschichte  der  englischen  Literatur.  307 

%u  verwundern,  wenn  ein  Deutscher  eine  solche  berser,  allseitiger 
und  vollendeter  darstellte,  als  die  Englander  selbst  es  vermögen.« 

^This  volume  is  oiTered,  as  an  Elemcnlary  Text-Book,  to  those 
who  arc  intercsted  in  the  instruction  of  youiig  persons'  sagt  der  Vf. 
in  seiner  (nicht  übersetzten)  Vorrede,  und  später:  M  am  at  least 
conßdent  that  the  book  does  not  contain  any  thing  that  is  beyond 
their  comprehension,  eithcr  in  its  maiiner  of  describing  facts,  or  in 
its  criticisms  of  works,  or  in  its  incidental  Suggestion  of  critical  and 
bistorical  principles.  .  .  I  have  frequcntly  invited  the  Student  to  re- 
flect,  how  closcly  the  world  of  letlers  is  related,  in  all  (?)  its  re- 
gions,  to  that  world  of  reality  and  action  in  the  midst  of  which  it 
€omes  into  being. . .'  Hatte  nur  der  Vf.  diesen  so  richtigen  Plan  über- 
all conscquent  verfolgt  und  sich  nicht  gar  zu  hoch  auf  das  hochkirch- 
liche Katheder  gesetzt!  £r  würde  dann  von  einer  gewissen  Ciasso 
von  Dramen  und  Romanen  etwas  mehr  haben  sagen  müfscn,  als  dafs 
das  Interesse  dieser  Classe  sehr  gering,  ja  dafs  deren  Leetüre  mora- 
lisches Gift  sei,  das  bekanntlich  um  so  gefährlicher  wird,  je  ängst- 
licher man  es  secretiert.  Er  hätte  dann  auch  die  kirchliche  Litteratur 
nicht  blofs  mit  besonderer  Vorliebe  und  anerkennenswerther  Sorgfalt, 
sondern  auch  von  einem  unparteiischern  und  höhern  Standpunkte  aus 
dargestellt.  Der  Uebcrsetzcr  steht  in  dieser  Beziehung  zu  seinem  Ori- 
ginal in  einem  eigenthümiicheu  Gegensalz;  er  ärgert  sich  über  den 
Vf.  und  hält  ihn  doch  wieder  lieb  und  werth,  er  eifert  gegen  ihn  und 
bewundert  ihn  an  andern  Stellen,  er  spricht  von  Betrachtungen,  wie 
wir  sie  eher  in  einer  Postille  suchen  würden,  vom  Anpreisen  der  ge- 
gen den  englischen  Deismus  geschriebeneu  ^Scharteken'  und  empfiehlt 
doch  wieder  ein  ^rechtschaffenes  Christenlhum',  wie  er  es  nennt,  das 
doch  gewis  nicht  dcistisch  ist.  In  dieser  Beziehung  ereifert  er  sich, 
wie  uns  scheint,  viel  zu  sehr.  Alan  darf  nicht  vergefsen,  dafs  Sp. 
für  junge  Studenten  und  zwar  für  englische  oder  vielmehr  schot- 
tische Studenten,  d.  h.  Mitglieder  einer  ihrer  ganzen  Entwicklung 
nach  wesentlich  theologischen  Geuofsenschaft,  schreibt.  Mit  mehr 
Grund  ist  unserer  Ansicht  nach  dem  Vf.  vorzuwerfen,  dafs  er  die  po- 
litische Litteratur  geflifsentlich  gar  zu  kurz  behandelt  habe.  Der  Ue- 
berselzer  gibt  in  dieser  Beziehung  in  den  Anmerkungen  einige  sehr 
dankenswerlhc  Beilrüge  zur  Geschichte  der  englischen  Parlamentsbe- 
redsamkeit. y\BS  die  dem  Werke  beigegebenen  Proben  und  Extracte 
anbetrilTt,  so  hallen  wir  sie  für  ziemlich  überttufsig,  weil  derartiges 
schon  anderweit  genug  zusammengestellt  worden  ist;  auch  ist  zu  be- 
dauern, dafs  Sp.  im  allgemeinen  die  alte  Orthographie  nicht  beibe- 
hält; denn  gerade  diese  ist  keineswegs  unwichtig.  In  Bezug  auf  die 
metrische  Uebersetzung  der  melrischen  Partien  bittet  der  Uebersetzer 
—  da  ihm ,  besonders  bei  den  vielreimigen  Stanzen,  seine  Versfähig- 
keit ausgegangen  sei  —  sehr  bescheiden  um  Nachsicht;  wir  wollen 
von  den  Versen  nicht  sagen,  was  Dryden  von  Settle'*s  Stümpereien 
•Igt:  and  if  Ihey  rhymed  and  rattlcd,  all  was  well;  sie  lesen  sich  viel- 
mehr ganz  gut. 


303  W.  Spalding:  Geschichte  der  englischen  Literatur. 

Durch  Verlheilung  des  gesammten  StolTes  in  Perioden  i^t  eine 
hiveichende  Uebcrsichllichkeit  gewonnen  und  diese  wird  dadurch 
noch  vermehrt,  da Ts  jeder  Periode  eine  Einleitung  vorangeht,  die  den 
socialen  und  lilterarischen  Charakter  derselben  in  grörsern  Umrirscn 
skizKierl  und  ihr  sicher  und  bestimmt  ihre  Stelle  anweist.  Auf  enU 
sprechende  Weise  geht  dem  ganzen  Werke  eine  längere  Einleitung 
voraus.  ^The  litcrature'  heirst  es  in  derselben  *of  our  native  country, 
like  thut  oi  etery  other^  is  related,  intimalely  and  at  many  points,  to 
the  history  of  the  nation.'  So  allgemein  gillig  ist  diese  Behauptung 
nicht;  es  hat  jedesfalls  in  der  Entwicklung  von  Litleraluren,  z.  B.  der 
römischen,  Epochen  gegeben,  welche  mit  der  Geschichte  der  Nation 
nicht  in  diesem  engen  Zusammenhang  standen.  —  Einige  Seiten  wei- 
terhin sagt  Sp.,  indem  er  von  der  keltischen  Lilteratur  spricht,  von 
Blacpherson'^s  Ossian:  Svir  Ursen,  wie  billig,  das  moderne  Machwerk 
(palchwork)  gans  aus  dem  Spiel,  welches  das  Original  dem  Leser 
maskiert  hat.'  Das  ist  unrecht;  wenn  schon  dieser  sogenannte  Oasiao 
zu  seinerzeit  zu  viel  Aufsehen  machte,  so  kann  ihm  ein  bescheide- 
nes Plülzchcn  in  der  Lilteralurgcschichle  doch  nicht  versagt  werden. 
Gleich  hier  an  der  Schwelle  seines  Werkes  ergeht  sich  übrigens  der 
Vf.  in  vielen  Phrasen  und  Umschreibungen,  welche  dem  deutschen  Le- 
ser mitunter  förmliche  Käthsel  zu  ralhen  geben,  seinen  glatten  rheto- 
rischen Stil  aber  nicht  selten  mit  einem  unausstehlichen  Schwulst 
belasten.  Einige  Beispiele  sollen  gleich  gegeben  werden.  Ueberhaupt 
wird  der  Leser  oft  als  ein  sehr  kenntnisreicher  Historiker  vorauage- 
setzt,  während  ihn  der  Vf.  in  Bezug  aufsein  kritisches  und  aesthetU 
schcs  Urtheil  fast  wie  ein  Kind  behandelt.  Wir  wollen  gar  nichl 
tadeln,  dafs  der  Vf.  selbst  stets  ein  sehr  fertiges  Urtheil  in  Bereit- 
schaft hält,  aber  dasselbe  niüste  sich,  zumal  da  es  oft  sehr  schroff 
hingestellt  wird,  um  so  mehr  vor  aller  Parteilichkeit  hüten.  Für  die 
Schotten  zeigt  Sp.  jedesfalls  eine  gewisse  Vorliebe.  So  sagt  er  k.  B» 
von  Gawain  oder  Gavin  Douglas,  Bischof  von  Dunkeid:  ^his  transla- 
tion  of  the  Aeneid,  inlo  hcroic  verse,  is  a  very  animated  poeni,  not 
uiore  unfailhful  to  the  original  tlian  it  might  have  been  expected  to 
be  (I);  and  it  is  cmheUished  wilh  ori«,Mnal  prologues,  of  which  some 
are  enenjelicaUy  dcscnplivc^  and  olhers  acUcely  crilical.*  Ueber 
Buchanan  sagt  er,  dafs  es  seit  Korns  Untergang  kaum  irgend  jemand 
gegeben  habe,  der  Latein  mit  so  vollendeter  und  gleichmäfsiger  Vir- 
tuosität geschrieben  habe  (?).  Noch  üppigere  Lorberen  werden  um 
W.  Hamiltons  Schläfe  geschlungen.  Mlumilton'  lieifst  es  S.  461  der 
Uebersetzung  ^  steht  (als  Psycholog  und  Melaphysiker]  allein  und  un- 
erreicht da;  ihm  widerfährt  weniger  als  Gerechtigkeit,  wenn 
>wr  sagen,  dafs  er  hei  weitem  der  gröfste  3letaphysiker  ist,  der 
seit  dem  Anfang  des  gegenwärtigen  Jahrhunderts  irgendwo  im  briti- 
schen Ueiche  aufgetreten  ist.'  Finden  demnach  die  Schotten  im  allge- 
meinen viel  Anerkennung,  so  wird  um  so  entschiedener  aHea  ver- 
dammt, was  irgend  geiren  den  guten  Anstand  verstöfst,  und  mit  Recht! 
nur  müsleSp.  nicht  so  überaus  btrcuge  BegrilTu  von  Wohlanstiudigkuit 


W.  Spaldinj»:  Gescliichlc  der  cnjjliscben  Lilerotur.  309 

haben,  dars  er  durch  die  vielen  vorgeklcblcn  Feigenblätter  hie  und  da 
wirklich  die  Lilleratnrgcschichto  beschädigt.  So  wagt  er  z.  B.  Dunbar''s 
*Tan2  der  Todsfinden'  nicht  einmal  zu  charakterisieren,  nennt  den  Inhalt 
dor  schon  von  Chaucer  behandelten  Geschichte  des  Troilus  ^most  dis- 
gusting',  verdammt  den  Inhalt  aller  Stücke  von  Beaumont  und  Fletcber 
u.  8.  w.  Der  Uebersetzer  geht  in  dieser  Beziehung  einmal  (S.  77), 
gewis  anabsichtlich,  noch  weiter  und  nennt  Chaucer'^s  humoristische 
Geschichten  unlesbar,  während  es  im  Original  heifst:  ^unprescn« 
table  to  young  readcrs.* —  Der  ßibcllittcratur  ist  dem  Standpunkt 
des  Vr.  geniärs  natürlich  besondere  Sorgfalt  gewidmet  und  man  findet 
hierober  manche  interessante  Notiz.  Ebenso  mag  man  die  Ueberscha- 
tznng  des  ehrwürdigen  Ilooker  aus  des  Vf.  Stellung  an  einer  schotli- 
sehen  Universität  e^lärcn.  Sp.  sagt  von  dieses  Geistlichen  ^  kirchli- 
cher Verfafsung':  mehr  als  ciceronianisch  in  seiner  stilistischen  Fülle 
und  Würde,  besitzt  sie  bei  allem  Keichthum  eine  majestätische  Ein> 

fach  he it '  und  gleich  darauf:   *  seine  Perioden  sind  allerdings 

im  allgemeinen  viel  zu  lang  und  zu  verwickelt  (!)'.  —  Auch 
Shakespeare  wird  als  Versificalor  überschätzt;  behauptet  doch  Sp. 
geradezu ,  dafs  die  Anwendung  der  englischen  Sprache  auf  metrische 
Composilionen  durch  Shakespeare  vollendet  worden  sei  und  dafs  es 
schwer  fallen  würde,  irgend  eine  Verbefserung  zu  entdecken,  die  sie 
nach  dieser  liichtung  seit  Sh.s  Zeit  empfangen  hätte!  Gilt  denn  das 
Streben  mehrerer  neuern  Dichter —  namentlich  mehrerer  Lyriker,  wie 
eines  Tennyson,  Shelley,  Longfellowu.a. —  nach  einem  vollendetem, 
feiner  ausgebildeten  Versbau  für  gar  nichts?  Haben  sie  neben  man- 
chen Künsteleien  nicht  auch  feinere  Versformen  ausgeprägt  als  der 
hierin  sehr  einseitige  Shakespeare?  Dieser  Heros  veranlafst  uns  zu- 
gleich, der  höchst  bornierten  BegritTe  Erwähnung  zu  thun,  die  Sp. 
von  der  Bedeutung  der  Bühne  sich  gebildet  hat.  *Sie  schrieben  sämmt- 
lich  für  die  Bühne'  sagt  er  von  den  Dramatikern  zu  Sh.s  Zeit,  *  keiner 
von  ihnen,  selbst  Shakespeare  nicht,  schrieb  für  die  Studier- 
stube. Dafs  dies  ihr  Zweck  war,  trug  ohne  Zweifel  dazu  bei,  den 
Ton  ihres  Geschmacks  sowohl  wie  ihrer  Moral  herabzustimmen.' 
Hat  denn  je  ein  Dramatiker  daran  gedacht  nur  für  die  Studierstube 
zu  schreiben,  und  wenn  es  einer  that,  verdiente  er  wirklich  noch  den 
Namen  eines  wahren  und  grofsen  Dichters? —  Ebenso  auffällig  ist 
die  Behauptung,  dafs  das  Drama  durchaus  nur  in  metrischer  Form 
denkbar  sei.  Die  Gefahren  moralischer  Corniption,  ^welche  das  Drama 
des  neuern  Europa  stets  begleitet  hat',  (armer  Schiller!)  werden 
nach  Sp.s  Ansicht  durch  den  Gebrauch  der  Prosa  bedeutend  gesteigert. 
Wahrlich,  nicht  die  poetische  Form  gehört  nothwendig  zum  Wesen 
des  Dramas,  sondern  umgekehrt  die  jemalige  ideale  Auffafsung  irgend 
einer  Sphaere  des  rein  menschlichen  Handelns  und  Wirkens  verlaugt 
eine  poetische  oder  in  besondern  Fällen  wohl  auch  eine  prosaische 
Einkleidung.  Wenn  übrigens  Sp.  selbst  von  Shakespeares  argen  mo- 
ralischen Flecken  spricht,  so  finden  wir  es  ganz  erklärlich,  dafs  er 
Drydens  Lustspiele  in  jeder  Beziehung  schlecht  nennen  konnte.  Wie 


310  W.  Spaldiug:  Gcschiclitc  der  englischen  Literalar. 

anders  weiTs  ihn  z.  B.  der  für  das  Verständnis  einer  Dichternatur  §0 
reich  begable  Th.  Campbell  zu  charakterisieren  und  zu  ^ardigen! 
(Gesch.  d.  engl.  Poesie,  übertragen  von  Dr.  Strahl  S.  150  ff.)  Den 
Edmund  Spcnser  hebt  dagegen  Sp.,  wie  uns  scheint,  über  Verdienst 
hervor;  er  soll  sich  in  seinem  ernsten,  sittlichen  Enthusiasmus  noch 
höher  als  das  befreite  Jerusalem  aufschwingen.  Er  erhebt  sich  wohl, 
aber  wie  massige,  mit  Zieraten  überladene  Spitzbogen  einer  Katbe<- 
dralc,  während  Tasso  sich  gen  Himmel  aufschwingt  wie  ein  junger 
Adler.  Wenn  aber  Spenser  bewundert  wird ,  so  wird  Milton  auf  einer 
Leiter  von  lauter  Superlativen  bis  in  den  siebenten  dichterischen  Him- 
mel emporgezogen;  und  doch  können  wir  uns  recht  wohl  manchen  ge« 
bildeten  Leser  denken,  dem  Slillon  unverständlich  und  ungeniefsbar 
bleibt.  Milton  elektrisiert  den  mit  ihm  zusammen\virkenden  Geisl  de» 
Lesers  wie  durch  Leitungsdrähte.  Er  skizziert  und  überläfst  es  ande- 
ren, die  grofsartigen  Umrifse  auszufüllen.  —  An  Popels  Deismus 
nimmt  Sp.  grofsen  Anstofs  und  der  Uebersetzer  lehnt  sich  hier  förm- 
lich gegen  ihn  auf,  indem  er  Sp.s  Ausdrücke  mildert  und  Fragmente 
aus  dem  *  Versuch  über  den  Menschen'  aufnimmt.  Wir  billigen  dies 
nicht;  der  Text  muste  durchweg  die  genaue  Uebersetzung  geben;  dem 
Uebersetzer  Standes  aber  natürlich  frei,  seine  subjective  Ansiebt  in 
Anmerkungen  zu  entwickeln,  wie  er  dies  auch  gleich  nachher  thut. 
Lord  ßolingbroke  wird  höchst  einseitig  charakterisiert.  Noch  viel 
schlimmer  aber  ergeht  es  dem  armen  Swift.  Seine  Berühmtheit  wird 
geradezu  mit  der  Notorielät  verglichen,  die  jemand  dadurch  erlangt, 
dafs  er  sich  an  den  Pranger  stellt.  Mag  in  Swift  immerhin  die  laxe 
Moral  seiner  Zeit  sich  deutlich  abspiegeln,  dennoch  halten  wir  eine 
solche  Abfertigung  für  höchst  ungerecht.  W.  M.  Thackcray  gibt  in 
seinen  ^  englischen  Humoristen',  so  widrig  auch  hier  und  da  sein  Stre- 
ben wird,  die  psychologische  Analyse  und  die  sarkastische  Ironie  auf 
das  feinste  zuzuspitzen,  ein  wahreres  und  keineswegs  geschmeichelte» 
Bild  von  den  grofsen  Dean.  Weiterhin  sind  die  Urtheile  des  Vf.  über 
Wesen  und  Werth  philosophischer  Leistungen  ganz  unzureichend  und 
oft  auch  ungenau.  Die  englische  Ilochkirche  hat  stets  Front  gemacht 
gegen  jedes  tiefer  eindringende  philosophische  Studium,  und  auch  in 
unsern  Tagen ,  wo  der  Einflufs  der  deutschen  Lilteratur  auf  die  eng- 
lische sich  auf  alle  Gebiete  auszudehnen  anfängt,  kämpfen  die  Univer^ 
sitäten  gegen  die  deutsche  Pliilosophie  wie  gegen  ihren  Erbfeind.  So 
erklart  es  sich,  dafs  man  über  die  Bacon  und  Hobbes,  über  Locke, 
Hume,  die  Moralisten  und  die  Schotten  nur  gründliche  deutsche  Werke 
nachlesen  kann.  Der  Komanschriflstellerei  und  überhaupt  der  leich- 
tern Belletristik  gegenüber  ist  Sp. ,  wie  schon  angedeutet  wurde,  im- 
mer voller  Vorurtheile.  Er  will  nicht  zugeben ,  dafs  sich  ein  dichte- 
rischer Gedanke  in  eine  prosaische  Form  kleiden  lafse,  ein  Jean  Paul 
ist  ihm  eine  Unmöglickeit  und  selbst  Walthcr  Scoll's  Leistungen  er- 
scheinen ihm  als  ein  Zeichen,  dafs  das  poetische  Licht  des  Zeit- 
alters im  Erlöschen  war;  und  doch  weifs  er  die  neuesten  poetischen 
Ster"c,  die  gleich  nach  ihm  aufgiengen,  enthusiastisch  genug  xu  be- 


W.  Spalding^:  Geschichte  der  englischen  Literatur.  311 

wundern  und  treffend  zu  würdigen!  Merkwürdigerweise  hat  er  für  die 
poetischen  Erzählungen  in  Moore'^s  Lalla  Üookh  kein  Wort  der  Aner- 
kennung, dagegen  hebt  er  die  unerquicklichen  und  ganz  undarslell- 
baren  Tragoedien  der  Joanna  Baillie  weit  über  Gebühr  hervor.    An 
dergleichen  leeren  Abstractioncn  menschlicher  Neigungen  kann  nur 
ein  Kritiker  Geschmack  finden ,  der  es  dem  Romanschriftsteller  zum 
Fehler  anrechnet,  wenn  er  Thatsachen  oder  Charaktere  zu  dem  Niveau 
der  Sentimentalität  herunter  bringt  oder  sie  nicht  *so  weit  verfälscht, 
als   es    das   Gesetz    der    poetischen   Verschönerung    nothwendig 
macht'.    Es  ist  ganz  natürlich,  dafs  unter  solchen  Voraussetzungen 
die  neuste  sehr  hervorragende  Komanlitteratnr  der  Engländer  wenig 
Anerkennung  findet,  ja  dafs  Sp.  behaupten  kann,  Prospero's  Zauber- 
stab liege  mit  W.  Scott  unter  den  liuinen  der  Dryburgh-Abtei  begra- 
ben. Marryat''s  Seeg^chichten  erscheinen  ihm  ^chimsy',  der  Trollope 
Charakterbilder  sind  *  rough  atid  (?)  clever  caricaturcs'.    Wer  ferner 
von  Dickens  sagen  kann,  seine  Geschichten  seien  mit  kleinlichen  Ein- 
zelheiten überladen  (encumbered),  er  vermöge  es   nicht  sich  in  die 
höhern  Welten  der  Einbildung  aufzuschwingen,  er  sei  nur  ein  schar- 
fer und  mitfühlender  Beobachter  für  Scenen,  deren  Niedrigkeit  absto- 
fsen  oder  deren  moralische  Fäulnis  abschrecken  könnte,  der  hat  eben 
Dickens  nicht  verstanden.  —   Was  die  Kritik  anbetrifft,  so  wird  Hal- 
lam  fast  zu  sehr  gepriesen  und  ebenso  wie  Warton  öfter  benutzt.  Der 
grofsc  Einflufs,  den  die  deutsche  Litteratur  während  des  19n  Jahrhun- 
derts auf  die  Engländer  und  besonders  die  Schotten  ausgeübt  hat, 
wird  übrigens  gebührend  anerkannt.    Die  am  Schlufs  gegebene  Cha- 
rakteristik der  neusten  amerikanischen  Litteratur  ist  noch  zu  unvoll- 
ständig und  flüchtig,  um   selbst  mäfsigen  Ansprüchen  zu   genügen. 
Dagegen  verdient  die  kurze  Geschichte  des  Ursprungs  und  der  Ent- 
wicklung der  englischen  Sprache,  welche  nur  eine  Einleitung  in  ein 
wifsenschafiliches  Studium  geben  soll,  aber  schon  tiefer  in  dasselbe 
einführt^  als  ein  kleines  didaktisches  Meisterstück  die  wärmste  Em- 
pfehlung.   Der  Uebersetzer  hat  sie  mit  Recht  als  Anhang  an  das  Ende 
des  Buches  gestellt,  während  sie  im  Original  dem  Zeitalter  der  Refor- 
mation vorangestellt  ist. 

Schon  aus  unserer  beiläufigen  Charakteristik  des  Spaldingschen 
Stils  wird  sich  ergeben,  dafs  die  Ueberselzung  keineswegs  leicht  war; 
die  Sprache  eines  englischen  Khetorikers  zeigt,  um  nur  öines  zu  er- 
wähnen, ganz  andere  attributive  Verhältnisse,  als  sie  im  Deutschen 
möglich  sind.  Ein  paar  Beispiele  mögen  zugleich  zeigen,  wie  sich 
der  Uebersetzer  zu  helfen  weifs.  Er  übersetzt  indiynqnt  freedom 
freimfithiger  Tadel,  familiär  realtty  schlicht  realistische  Hallung,  an 
irregulär  stateUness  ein  eigcnthümlich  stattlicher  Klang.  Für  persua- 
siveness  bildet  er  Ueberredsamkeit,  für  imaginative  einbildsam,  für 
»ufßciency  Zureichenheil;  slang  wird  wiedergegeben  mit  Bummelspra- 
che, finical  mit  zimperlich,  hungers  mit  Flaneurs,  obstrusite  mit  Mn 
die  Quere  kommend' ,  Ihey  impress  us  mit  ^  sie  packen  uns' ,  not  yet 
emergedfrom  histeens  milMcr  noch  nicht  aus  seiner  ersten  Zehen  heraus 


312  W.  Spalding:  Gcschiclile  der  englischen  Lileratuf. 

>var%  Ihevariefy  mit  ^  das  Nebeneinander'  u.  s.  w.  Ist  hiervon  schon 
einiges  sonderbar,  so  treten  uns  aber  auch  wirkliche  Härten  und  An-' 
glicisinen  entgegen,  wie  z.  B.  ^Baxter  lebte,  um  die  Hevolution  su 
sehen;  —  das  Buch  ist  geeignet,  uns  nur  wenig  zu  befriedigen;  — 
Shakespeare  war  nicht  faul,  sich  ihre  Schätze  anzueignen;  —  Thomas 
May'^s  Werk  ist  weniger  gefeilt  und  beredt,  als  uns  seine  poetischen 
Neigungen  zu  erwarten  verführen  könnten'  u.  s.  w. 

Die  Zahl  der  angegebenen  Druckfehler  und  Berichtigungen  läfst 
sich  ungefähr  verdoppeln.  Wir  lafsen  das  unbedeutendere  weg  und 
bemerken  nur  folgendes :  S.  77, 2  v.  u.  lies  Statins  für  Tatius ;  S.  203, 2 
V.  0.  Drummond  für  Drumond;  S.  277,  16  v.  o.  Marvell  für  MarwelL 
Walter  Halcigh  starb  nicht  I6L9,  sondern  den  29.  October  1618.  SkeU 
ton  starb  1529.  Pope  und  Swift  starben  nicht  1747,  sondern  I7i4. 
Fielding  ebenso  nicht  1767 ,  sondern  1754.  Wifton  und  Slontgomery 
starben  —  freilich  nach  der  Publication  des  Buches  —  1854.  Ein  —* 
im  Original  fehlendes —  Uegisler  ist  der  Uebersetzung  beigefügt,  de^ 
ren  äufsere  Ausstattung  anständig  ist. 

Dessau.  C,  Böltger. 


Kürzere  Anzeigen. 


Pialos  Phaedon  für  den  Schulzwcck  sachlich  erklart  von  Dr.  Her'^ 
mann  Schmidt.  Programm  des  Gymnasiums  zu  Wittenberg  Ostern 
1854.    38  S.  4. 

Wenn  Ref.  mit  dem  Zwecke  übereinstimmen  konnte,  welchen  der 
Hr.  Vf.  dem  vorliogcMidcn  Wcrkchen  vorzcichnete,  so  liefse  sich  sein 
Urthejl  in  wenigen  Worten  zu.sammonrafsen.  Denn  wie  2U  erwarten 
war,  begegnen  wir  in  ihm  einer  sorgsamen,  mit  Krnst  und  Liebe  inr 
Sache  pianmäfsig  durchgeführten  Arbeit,  weiche  den  Fachgenofsen  eine 
reiche  Anzahl  sachlicher  Erklärungen  zum  platonischen  Phaedon  bietet*. 
Aliein  die  Sache  liegt  so,  dufs  alle  Meinungsverschiedenheit  des  Ref. 
in  einzelnen  Punkten  aus  einem  principlell  verschiedenen  Standpunkt 
hervorgeht.  Denn  seiner  Ansicht  nach  ist  der  Phaedon  zur  Lecture 
auf  Gymnasien  durchaus  nicht  get^ignet;  darum  kann  er  auch  keine 
Erklärung  desselben  für  den  8chulzweck  als  geeignet  anerkennen.  Bei 
dieser  Lage  der  äarhe  schien  es  ihm  anfangs  nicht  gerathen,  die  An- 
zeige eines  Werkchens  zu  übernehmen,  das  er  von  vorn  herein  für  nn- 
nöthig  halten  muste.  Dennoch  entschlofs  er  sich  dazu,  theils  weii  die 
Frage,  ob  Her  Phaedon  aU  Unterrichtsgegenstand  in  Gymnasien  auf- 
treten solle  oder  nicht,  von  grofser  Wichtigkeit  und  weitreichendem 
Interesse  ist,  theils  weil  ihm  die  vorliegende  Arbeit  einige  Haltpnnkte 
an  die  Hand  gab,  auf  die  er  seine  lVIcinun|;  mit  begründen  konnte. 
AllerdingM  mufs  die  Begründung  derselben  im  wesentlichen  auf  den 
Dialog  und  seinen  Inhalt  selbst  zurückgehen;  aber  es  schien  doch 
etwas  werth  zu  sein,  wenn  die  Darlegung  der  Gesichtspunkte,  auf 
weiche  die  ei'rne  Meinung  sich  stützt,  zugleich  an  dem  Versuch  eines 
crlahrenen    Schulmanns,  praktisch   das  Gegentheii  zu   enveiven,   eine 


H.  Schmidt:  Piatos  Phacdon.  813 

^«nn  anch  nur  negativ  bestätigende  Grutidlagci  erhalten  konnte.  Eine 
vollständige  Durchfuhriirfg  der  einzelnen  Beweisgrunde,  die  sich  bis 
in  das  ganze  hier  in  Frage  kommende  Detail  ausbreitete,  wird  ohne- 
hin in  dieser  Zeitschrift  nicht  erwartet  und  beansprucht  werden.  Ref. 
halt  sie  auch  für  unnöthig.  Denn  in  praktischen  Fragen  wird  die 
Ueberzengung  doch  nur  bestimmt  durch  zwei  einander  entgegengesetzte 
Factoren:  entweder  die  Erfahrung,  aber  die  kann  hier  nicht  in  Be- 
tracht gezogen  werden;  oder  durch  allgemeine  Gesichtspunkte,  diese 
aber  leuchten,  nur  einmal  ausgesprochen,  von  vorn  herein  ein, 
oder  erscheinen  unannehmbar.  Darum  glaubt  Ref.  sich  auf  die  Mit- 
theilang  der  Bedenken  beschränken  zu  können,  auf  welche  sein  viel- 
leicht von  der  Meinung  der  Mehrzahl  seiner  Fachgenofsen  abweichen- 
des Urtheil  sich  stützt. 

AU  das  wichtigste    erschien   ihm   die  Ueberzougnng,   die   er  ans 
wiederholter    L(>ctüre    des    Phaedon   gewinnen    muste,-    dafs    auf   dem 
Standpunkt  einer  Prima  ein  selbst  nur  annäherndes  Verständ- 
nis dieses   Dialogs   sich    nicht   erzielen    lafse.     Sie   geht   hervor 
aus  den  Anforderungen,  die  der  Dialog  an  den  Leser  stellt.    Darunter 
ist  die  erste,  eine  übergrofse  Masse  von  Stoff  zu   bewältigen,   der  in 
dem   ^inen  Dialoge  zusammengedrängt  wird.     Nur  der   philosophische 
Gedankeninhalt  soll  hier  in  Betracht  kommen.     Vor  allen  Dingen  nmfs 
man   dabei   im   Auge   behalten,    dafs  der  Phaedon    ein    zusammen- 
fafsender  Dialog  ist,  der,  entstanden  in  der  Zeit  der  fast  vollende- 
ten platonischen  Philosophiej  die  Resultate  der  vorausgegangenen  Ent- 
wicklung sämmtiich   verarbeitet  und  darum   nach  allen   Seiten   hin  in 
die  weiten   Kreise  philosophischer  Probleme  eingreift.     Allerdings  hat 
er  auch  seinen  Einheitspunkt:  das  ist  die  Psychologie.     Aber  die  Dar- 
stellung derselben  greift  nothgedrungen   hinein  in  die  Ethik,   Logik, 
Metaphysik  und  Geschichte   der  Philosophie   und  zwar  mit  Ausnahme 
der  letztern   nicht   blofs    in  Nebenpunkten,   die  beiläufig  zur  Sprache 
kämen,  sondern  in  den  Kern  und  Quellpunkt  dieser  Disciplinen  selbst, 
weil  sie  im  Leben  der  Seele  ihren  Ursprung,   Begründung,  Mafs  und 
Inhalt  gewinnen.     Ein   flüchtiger   Blick  in   den  Dialog  kann    von  der 
Richtigkeit  dieser  Behauptung  überzeugen.     Der  erste  Theil  weist  nach, 
dafs   der  wahre  Philosoph  die  Trennung  der  Seele   vom  Leibe,    also 
den  Tod  erstreben  müfse ;  trotzdem  aber  dürfe  er  sich  selber  nicht  das 
Leben  nehmen.    Der  ethische  Gehalt  des  letzteren  liegt  auf  der  Hand ; 
aber  auch   das  erstere  ist   rein  ethisch  gefafst.     Indem  die  Interessen 
der  Seele  der  Sinnlichkeit  des  Leibes,   seinen  Trieben   und  Begierden 
gegenübertreten,    steht  man  ganz  auf  ethischem    Boden.     Der   Unter- 
schied der  sogenannten   philosophischen    und    gemeinen  Tugend   wird 
erörtert   und   die  Identität  von  Wahrheitserkenntnis  und  Tugend   be- 
hauptet.    Obwohl  aber  demnach    das   wesentliche  der   sokratisch-pla- 
tonischen   Ethik   zur   Sprache  kommen  mufs,   nimmt  doch  die  ganze 
Untersuchung  von   p.   61    C  —  69  D  einen   verhältnismäfsig  nur  gerin- 
gen Raum   ein.    Das   kommt  daher,  weil   Plato  die  Entwicklung  und 
Begründung  der  Lehre  im  einzelnen  voraussetzen    durfte  und  hier  nur 
eine    allgemeine    Recapitulation   nöthig  hattö.     Wiederum  vorwiegend 
ethischer  Natur  ist  dann  der  Schlufsstein  des  Dialogs,  der  grofse  My- 
thus, da  er  die  Resultate  des  ethischen  Verhaltens  der  Seele  in  diesem 
Leben  in  der  Lehre  von  dem  Lohn  und  der  Strafe  in  jenem  Leben  zu^ 
Anschauung  bringt.     Die  Logik,  wie  wir  die  Lehre  vom  Denken    seit 
Aristoteles  nennen,  ist  in  der  platonischen  Philosophie  oder  vielmehr 
in  ihrer  dialogischen  Darstellung  eng  vei^achsen  mit  psychologischen 
Und  metaphysischen  Problemen,  aus  deren  Lösung  sie  erst  hervorgeht. 
Darum  finden  sich  logische  Erörterungen  an  den  verschiedensten  Stel- 
len des  Dialogs  zerstreut.    Ich  führe  nur  einige  an,  aus  denen  hervor- 

K.  Jakrb.  f.  Phit,  «.  Paed,  Bd,  LXX.  Hft.  3.  ^^ 


314  H.  Schmidt:  Flotos  Phaedon. 

gehen  durfte,  dars  eben  die  Hauptfragen  der  Logik  zor  Entscheidqng 
kommen,  und  damit  das  Nachdenken  des  Lesers  auch  nach  dieser  Seite 
in  keiner  Weise  geschont  werde.     Mit  der  Wiedererinnerungvlehre  ver- 
knüpft sich   aufs  engste  die  Lehre  von  der  Entstehung  der  Begriffe 
(|>.  74  if.).     Damit  steht  man  auf  logischem  Gebiet,  dem  der  Erkennt- 
nistheorie.    Was   Begrilfe  sind,    kann    aber  nicht  verstanden  vrerden 
ohne   ilucksichtnahme  auf  die  übrigen  Stufen  des  Erkennens  und  des 
Verhältnisses    aller  zusammen  zu    den  Ideen  und  Erscheinungen.     Die 
I^ehre  davon  liegt  der  Beweisführung  überhaupt,  insbesondere  aber  von 
p.  96  an  als  stillschweigende  Voraussetzung  zu  Grunde.     Daza  kommt 
nun  noch   das   Verhältnis   der  Begrilfe  untereinander,  die  Lehre  vom 
Praedicieren ,  von  absoluten  und  relativen  Begriifen  p.  100  if.,  endlich 
von  den  verschiedenen  Methoden  des  Erkennens  und  der  wahrhaft  phi- 
losophischen Methode  p.  96  ff.     Die  Metaphysik  tritt  als  die  Lehre  von 
den  Ideen  und  dem  Verhältnis  des  Werdens  zum  Sein,  sowie  der  Ideen 
zu  den  Erscheinungen  in  manigfacher  Abwechslung  als  eng  verbanden 
mit  der  Psychologie  hervor.     Die   Geschichte  der  Philosophie  wird  in 
der  Kritik  pythagoreisch-phiiolaischer  und  anaxagoreischer  Lehren  mit 
hereingezogen.    Man  braucht  diese  Punkte  nur  zu  nennen,  der  Psycho- 
logie, des  bezweckten  eigentlichen  Gegenstandes  aller  Untersuchungen, 
g|iiz  zu  geschweigen,  um  zu  übersehen,  wie  viel  Schwierigkeiten  der 
Erklärung  des  Phaedon  schon  nach  der  Masse  des  Stoffes  in  den  Weg 
in;ten    niüfsen.     Hr.   Schmidt  konnte  natürlich  in  seiner  Arbeit  nach 
(lieser  Seite   hin   nicht  sparsam  sein.     Am  meisten  Kaum  nehmen  die 
metaphysischen  und  eigentlich  psychologischen  Punkte  in  Ansprach,  am 
wenigsten  —  aus  begreiflichen   Gründen  —   die  logiseben.    Doch  be- 
handeln die  Noten  29,  31,   53,  50,   95  solche  Punkte.    Ich  übergebe 
zuiiärhst  das  einzelne,  denn  die  Behandlungsweise  ist  die  Hauptsache. 
Nur   in   einem   Punkte  müsten   wir  selbst  mehr  verlangen ,  als  Hr.  S. 
nach  seiner  eigenen  Angabe  bei  der  Leetüre  des  Phaedon  seinen  Schü- 
lern zu  g<*ben  für  gut  hält.     Den  letzten,  aus  dem  Begriff  des  Lebens 
genommenen  Beweis  nemlich  pflegt  er  nur  seinem  Inhalt  nach  mitiu- 
theilen.     Es  mag  seinen  Grund  wohl  in  der  Erfahrung  haben,  dafs  der 
iSewois  wie  ihn  Plato  gibt  nicht  verstanden   würde.    Wenn  aber  ein- 
miil  der  Phaedon  gelesen  wird,  so  können  wir  durchaus  nicht  glauben, 
dafs   eine   blofse  Inhaltsangabe  die   Leetüre   dieser  Krone  des  ganzen 
Dialogs  ersetzen  könne.     Wie  soll  überhaupt  ein  Verständnis  der  vor- 
angehenden Theilc  möglich  sein,  wenn  dieser,   um   deswillen  die  übri- 
gen da  sind,  dem  Verständnis  unübersteigliche  Hindernisse  in  den  Weg 
legt  ?     Die  Thatsache,  die  uns  Hr.  S.  mittheilt,  könnte  als  Erfahrungs- 
beweis für  unsere  Ansicht  geltend    gemacht  werden.     Doch  man  prafe 
weiter  die^  Forderungen,   welche  der  Inhalt  des  Dialogs  an  den  Leser 
oder  Erklärer  stellt.    Diese  sind  theils  allgemeiner  Art,  sofern  wir  es 
mit  philosophischen  Problemen  überhaupt   zu  thun  haben,    für  welche 
eine   bestimmte   Art   der  Lösung   durch   unsern    Philosophen    versucht 
wird,   theils   besonderer   oder  individueller  Art,  Schwierigkeiten,   die 
nur  das  platonische  Philosophieren  mit  sich  bringt.    Ich  will  zunächst 
beide  andeutend  hinstellen  und  dann  zusehen,   wie  Hr.  S.  diesen  For- 
derungen  zu    genügen    und   die  Schwierigkeiten   zu   bewältigen  suche. 
Man  will  nemlich  bei  der  Leetüre  des  Phaedon  philosophisches  Denken 
überhaupt  erst  heranbilden  und  hält  d  ies  darum  für  einfach  und  leicht, 
weil  es  nur  darauf  ankomme,  die  Ansicht  Piatos,  das  was  er  jedesmal 
uninittelbdr  sage,  zum  Verständnis  zu  bringen,  bedenkt  aber  cfabei  die 
Voraussetzungen  nicht,   die   nothwendig   erst  erfüllt  sein  müfsen,   ehe 
ein  Verständnis  möglich  wird.     Dazu  gehört  ersten!  Bekanntschaft  mit 
«len    Thatsachen,   sei   es  der  Erscheinung  oder  des  Denkens,  seien 
Kie  realer  oder  idealer  Art,  welche  die  Frage,  das  philosophiscl^  Pro- 


H.  Schmidt:  Piatos  Phacdoo.  3l5 

olera  selbst  und  damit  das  Bedürfnis  seiner  Losung  erweckten.  Oft 
%vird  diese  vielleicht  schon  in  der  versuchten  Losung  mitgegeben  oder 
aach  bei  der  Vorbildung  eines  Primaners  als  bekannt  vorausgesetzt 
Werden  konni^n;  im  Phaedon  z.  B.  grofstenthells  in  jenen  ethischen 
Problemen ;  anders  aber  wird  es  bei  der  AViedererinnernngsIphre  (That- 
Mtcben  der  Ideenassociation) ,  der  Erkenntnistheorie,  der  Jdeenlehre  u. 
••  w.  sich  gestalten.  Da  mfiste  also  der  Ueberblick  über  die  Thatsachen 
▼om  Lehrer  nachgeholt  werden.  Doch  hier  erscheint  auch  mir  die 
Sache  so  schwierig  noch  nicht.  Denn  dem  Zwecke  des  Unterrichts  ge^ 
mafs  läfst  sich  eine  gewisse  Beschrankung  üben.  Die  Hauptschwie* 
rigkeit  aber  liegt  zweitens  darin,  dafs  der  Leser,  soll  er  wirklich  ver- 
•teben,  mit  der  Natur  des  Gegenstandes  selbst  vertraut  sein  mufs. 
Dies  darum,  weil  eine  historisch  versuchte  Losung  eines  Problems 
niemals  blufs  als  HeHultat  kann  verstanden  werden.  Kn  mufs  viel- 
mehr die  Stellung,  welche  der  Philosoph  zu  dem  Coniplex  jener  Tliat- 
Mchen  einnimmt,  welche  das  Problem  hervortreihen,  mitverstanden  wer- 
den. Hierzu  aber  bedarf  es  der  Vertrautheit  mit  deit  manigfachen  Be- 
grilTsrichtungen  oder  Auffafsungen,  welche  die  Natur  des  Gegenstandes 
möglich  macht.  Die  positiven  Seiten  müfsen  zuerst  bekannt  sein,  ehe 
man  verstehen  kann,  welche  Schranken  in  dieser  historisch  versuchten 
Losung  sich  geltend  machen.  Soviel  über  die  Sache  selbst,  so  schwie- 
rig sie  auch  ist.  Da  nun  jene  zu  dem  Verständnis  befähigenden  Vor- 
aussetzungen durchaus  fehlen,  so  wird  dem  Lehrer  nichts  übrig  bleiben, 
als  bei  der  Leetüre  des  Phaedon  zugleich  Philosophie  nach  fast  allen 
ihren  Theilen  zu  lehren.  Wem  dies  eine  erwüuMchte  Aufgabe  ist,  mit 
dem  können  wir  nicht  rechten.  Nur  soviel  sei  hier  gesagt,  dafs  jenes 
Nachholen  der  fehlenden  Voraussetzungen,  eben  weil  e»  nur  nothge- 
drungen  und  nothdürftig  geschieht,  allzuleicht,  wenn  nicht  immer,  in 
eine  ganz  verwerfliche  Kritik  der  Ansicht  Piatos  nniHchlagen  wird.  Das 
Ist  aUdaim  höchst  gefahrlich;  denn  es  wird  wahrhaft  wii»enschaftlicher 
AuffafMung  solcher  liiKtorincher  Erscheinungen  auf  diese  Weise  geradezu 
entgegengearbeitet.  Die  Wifsenschaft  kennt  auch  eine  Kritik,  aber  eine 
solche,  die  objectiv  in  der  bis  ins  einzelne  klaren  Zerlegung  und  der  an 
die  Sache  selbst  sich  anseht iefsenden  Darstellung  der  eigenthnmlichen 
Art,  wie  die  Lösung  vor  sich  geht,  mitgegeben  wird.  Jene  subjectivc 
Kritik  aber,  wie  sie  hier  nur  um  des  unmittelbaren  Verständnisses  des 
vorliegenden  Objectes  willen  geübt  wird,  ist  ihr  fem  und  widerstreitend. 
Schon  aus  diesem  Grunde  sollte  man  die  Leetüre  des  Phaedon  vom 
Gymnasium  verbannen. 

Dies  sind  Schwierigkeiten  allgemeiner  Art;  für  Plato  kommen  noch 
besondere  hinzu:  zunächst  der  Unterschied  antiker  und  moder- 
ner Anschauungsweise.  Plato  steht  im  Mittelpunkt  des  griechi- 
•chen  Lebens  und  Denkens;  eines  der  glänzendsten  Prodncte  der  helle- 
nischen Welt.  Das  möchte  man  vielleicht  gera<le  als  Grund  gelu>n<l 
machen,  dafs  ein  Werk  von  ihm,  wie  der  Phaedon,  das  in  «ich  so  ab- 
geschlofsen  echt  antike  Anschauung  athniet,  in  derselben  Schule  doch 
wohl  vorzugsweise  zu  lesen  sei,  in  der  man  in  den  Dramen  des  Sopho- 
kles die  edelste  Nahrung  für  den  jugendlichen  Geist  erblicke.  Mit  Un- 
recht. Der  verschitMlene  Inhalt  ändert  die  ganze  Sache.  Dort  tritt  uns 
antikes  Leben  und  Denken  als  Leben,  hier  als  Denken  entgegen.  Der 
Unterschied  antiken  und  modernen  I^bens  versteht  sich  unmittelbar; 
des  Denkens  über  bestimmte  Objecte  nur,  wenn  der  Gegensatz  wirklich 
daneben  tritt.  Der  Schüler  hat  ihn  noch  nicht  in  sich,  wie  er  selbst 
doch  im  modernen  Leben  steht;  er  rauste  also  von  aufsen  hinzugethan 
werden.  Darum  aber  können  wir  auch  die  antike  Philosophie  im  Gym- 
nasium nicht  lehren  wollen,  weil  wir  der  modernen  keinen  Zutritt  ge- 
statten mögen.     Das  besondere  endlich  wird    in   Plato   individuelL 

21* 


316  II.  Schmidt:  Platos  Phacdon. 

Die  Grundlagen  platonischer  BegrifTsentwicklung  sind  innere  Anschannfl-, 
gen.  Nichts  aber  ist,  zumal  in  unserer  Zeit,  so  schwer  als  innere 
Anschauungen  klar  zu  machen;  gar  Suf  dem  Standpunkt  eines  Prima- 
ners. Es  setzt  einen  allseitigen  Bildungsgang  und  nur  durch  eigene 
Erfahrungen  zu  erwerbendes  Vermögen  yoraus,  in  die  innere  Gestal- 
tung fremder  Seelenthätigkeit  einzudringen.  Doch  dieser  Forderung 
zu  genügen  mochte  in  der  That  der  Wifsenschaft  vorbehalten  bleiben. 
Wir  hätten  Unrecht  sie  hier  zu  erwähnen,  wenn  nit:ht  aus  dem  eigen« 
thümlichen  Quellpunkt  des  platonischen  Philosophierens  auch  eine  eigen- 
thümliche  Art  der  Gedankenfügung,  der  Behandlung  begrifflicher  Pro- 
bleme und  idealer  Objecte  überhaupt  hervorströmte.  Man  spricht  viel 
von  der  platonischen  Methode  und  liält  sie  wegen  ihres  propaedeutiscben 
Charakters  für  gar  geeignet,  in  unseren  Gymnasien  als  Uebuncaschaie 
für  ein  geordnetes  Denken  zu  dienen.  Wohl,  wenn  man  es  mit  einfa- 
chen begrifflichen  Untersuchungen  zu  thun  hätte.  Aber  der  Phaedon 
ist  ein  gar  complicierter  Dialog.  Weil  nun  Plato  alles  einzehie  aaf  die 
materiale  Grundlage  seiner  ganzen  Philosophie  zuruckbezieht ,  in  .der 
erst  die  volle,  concentrierte  Wahrheit  für  ihn  liegt,  so  erhält  die  An- 
wendung seiner  Methode  im  Zusammenhang  hiermit  eine  nicht  geringe 
Schwierigkeit.  Denn  es  wird  nunmehr  für  Plato  Bedürfnis,  in  der  Be- 
handlung der  Objecte  durch  die  verschiedenartigsten  Begriffsreihen  hin- 
durchzugehen und  den  Leser  seines  Dialogs  zu  nöthigen,  sich  den  Ein- 
heitspunkt  selber  zu  suchen.  Man  hat  es  daher  gar  oft  nicht  blofs  mit 
einem  äufscrn  Zusammenhang  der  Begriffe,  sondern  mit  einem  innern, 
von  jenem  gar  oft  divergenten  zu  thun.  Die  ganze  Masse  der  Begriffe, 
welche  zur  Anwendung  kommt,  steht  in  einem  vorgedachten  Zosam- 
menhang  und  von  diesem  Faden  mufs  man  sich  leiten  lafsen,  wenn  man 
verstehen  will,  d.  h.  aber  man  mufs  erst  das  ganze  verstehen  und 
aus  diesem  das  einzelne.  Wie  kann  das  bei  einer  einmaligen  Lec- 
türe  auf  dem  Gymnasium  erzielt  werden?  Ref.  mufs  sagen,  dafs  er 
es  an  sich  betrachtet  für  leichter  hielte  mit  Primanern  eine  Schrift 
von  Aristoteles  oder  Spinoza  zu  lesen  als  den  platonischen  Phaedon. 
Denn  ihre  Behandlung  eines  Objectes  geht  doch  änfserlich  in  einer 
geraden  Linie  fort,  so  dafs  der  Lehrer  nie  nach  dem  Faden  viel  in 
suchen  braucht;  aber  das  platonische  Denken  strahlt  von  Einern  noch 
dazu  oft  verborgenen  Mittelpunkt  nacli  allen  Seiten  zugleich  an«w 
Hieran  schliefet  sich  weiter,  dafs  ein  platonischer  Dialog  auch  alt 
Kunstwerk  in  seinem  eigenthümlichen  Bau  begriffen  werden  maffl. 
Das  hat  aber  auch  seine  eigenthümlichen  Sch\%ierigkeiten,  weil  die 
Form  vom  Inhalt  bestimmt  wird,  und  der  Fortschritt  der  Gedanken- 
entwicklung auf  dem  innern  vorgedachten  Zusammenhangs  dee  einiel- 
nen  beruht. 

Hier  dürfen  wir  denn  Halt  machen,  um  zuzusehn,  wie  Hr.  8«  aick 
diesen  Forderungen  und  Schwierigkeiten  gegenüber  verhalte.  Eher  war 
es  nicht  möglich,  \%eil  sie  meist  alle  in  der  Praxis  bei  einem  einsigea 
Punkte  sich  untereinander  verweben,  nicht,  wie  wir  sie  entwickeln 
konnten,  abgesondert  voneinander  bestehen.  Ich  beginne  mit  dem 
letzten  Punkte.  Für  ihn  hat  Hr.  S.  in  seinen  Erklärungen  am  allere 
wenigsten  gethan.  Der  künstlerische  Bau  des  ganzen  wird  an  keiner 
einzigen  Stelle  dargelegt.  Er  begnügt  sich  damit  das  einielne  ra 
erklären  und  höchstens  die  äufseren  Uebergange  von  dem  einen  %üm 
andern  anzugeben.  Allein  damit  ist  wenig  geholfen.  Vielleicht  dorfte 
man  es  nach  \nalogie  von  N.  37  für  genügend  erachten,  die  Composi- 
tinn  des  Dialogs  mittelst  eingehender  Dispositionen  klar  sn  machen. 
Aber  ein  Abscheiden  der  einzelnen  Theile  voneinander  kann  hier  nicht 
genügen,  wo  nicht  jedesmal  ein  Moment  eines  Beweises  abgehandelt 
wird,  sondern  das  frühere  gewissermafseu  im  spatern  und  amgekehrt 


H.  Schmidt:  Platos  Phaedoo.  317 

•nihaiten  ist  ond  jedes  einzelne  schon  das  ganze  in  sich  tragt,  nur 
der  Standpunkt  der  Betrachtung  wechselt.  Wie  sollte  aber  auch  durch 
eine  blofse  Disposition  zum  Bewnstsein  kommen,  dafs  allem  einzelnen, 
zumal  das  aus  Tersehiedenen  anderen  philosophischen  Disciplinen  für 
psychologische  Untersuchungen  entnommen  ist,  wie  ethisches,  logisches, 
metaphysisches,  seine  ^othwendige  Stellung  zu  Theil  geworden  ist? 
Doch  ich  will,  wenn  ich  diesen  Mangel  an  der  Arbeit  des  Hrn.  S. 
heryorhebe,  und  das  sei  auch  für  das  folgende  gesagt,  nicht  etwas 
tadeln,  was  in  einer  andern  Arbeit  für  denselben  Zweck  hätte  befser 
gemacht  sein  können,  sondern  nur  zeigen,  wie  sehr  die  Sache  selbst 
den  Zwecken  widerstrebt,  zu  denen  man  sie  rerwenden  will.  Wenden 
wir  uns  nun  einzelnem  zu.  Wenig  Beispiele  werden  genügen.  P.  74  A 
kommt  Plato  auf  die  Ideen  zu  sprechen.  Ein  Primaner  weifs  noch 
nicht,  was  Ideen  denn  eigentlich  sipd,  am  wenigsten  was  Plato  darun- 
ter Tersteht.  Hr.  S.  mufs  die  Thatsache  nachholen.  Man  lese  Note 
29  nach  und  frage  sich  selbst,  ob  nicht  jeder  Satz  für  einen  Prima- 
ner wieder  einer  besondern  Erklärung  bedürfe.  Ich  will  nur  das  haupt- 
sächliche der  Definition  anführen,  um  zu  zeigen,  durch  wie  verschie- 
denartige Begriifsreihen  sich  das  Verständnis  hindurch  winden  müfse. 
Sie  lautet:  'Die  Ideen  sind  dem  Plato  die  unwandelbar  für  sich  be- 
stehenden, körperlosen  aber  doch  substantiellen  und  Realität  an  sich 
habenden  Gestalten  und  Urbilder,  die  Ton  Ewigkeit  her  in  einem  über- 
sinnlichen Ort  gewesen  sind  und  nach  denen  die  Grottheit  die  Welt  mit 
allem  was  darinnen  ist  geschaffen  hat.  Es  sind  also  die  ewigen  Gedan- 
ken Gottes,  denen  als  solchen  Geist  und  Leben,  Realität  und  substan- 
tielles Sein  zukommt.'  Ich  will  Ton  der  philosophischen  Kunstsprache, 
deren  Verständnis  doch  auch  Uebung  erfordert,  ganz  absehen;  die 
Sache  selbst  ist  schwierig  genug.  Es  sollen  Wesen  gedacht  werden, 
die  mit  dem,  was  der  Schüler  bis  jetzt  unbewust  als  das  substan- 
tielle, reale  angesehen  hat,  durchaus  nicht  können  zusammengestellt 
oder  verglichen  werden  und  doch  substantiell  und  real  sein  sollen. 
Der  Schüler  v^eifs  von  Korpern,  von  Geistern  und  von  Wesen,  die 
ans  beiden  zugleich  bestehen.  Aber  die  platonischen  Ideen  sind  keines 
von  allen  dreien;  sie  sind  keine  Korper;  aber  körperliche  Attribute 
wie  Gestalt,  Schönheit  können  ihnen  dennoch  beigelegt  werden;  sie 
sind  auch  keine  Geister;  aber  sie  haben  doch  'Geist*  oder  Verstand, 
Bewustsein.  Sie  heifsen  'Gedanken  Gottes',  aber  sie  sind  doch  nicht- 
blofse  Gedanken ;  sie  sind  substantiell  und  mit  selbständiger  Exi- 
stenz begabt.  Sie  sind  Gedanken  einer  Persönlichkeit,  aber  doch 
ewig  substantiell.  Sie  sind  an  einem  Orte,  aber  dieser  Ort  ist 
nicht  sinnlicher  Art.  Sie  sind  Urbilder;  aber  diese  Urbilder  sind 
substantieller  als  die  Dinge  selbst,  die  der  Schüler  als  unreale  Er- 
scheinungen,  Abbilder  soll  begreifen  lernen.  Und  alles  das  soll  er 
Ideen  nennen.  Mufs  er  sich  da  nicht  zunächst  mit  dem  Begriff  von 
Idee,  der  ihm  seither  unbewust  inwohnte,  auseinandersetzen?  aber 
wenn  er  das  soll,  mufs  er  auch  wifsen  was  Begriffe  sind  und  wie  sie 
entstehen;  das  soll  er  ja  auch  von  Plato  lernen;  aber  der  lehrt  es  ihn 
anders,  als  er  bei  seiner  Auseinandersetzung  mit  sich  selbst  wird  zu- 

gsben  können.  Er  geräth  in  Unklarheit,  Widersprüche  in  seinem 
enken.  Der  Lehrer  mufs  helfen;  er  mufs  ihn  Logik  lehren.  Ich 
habe  oben  die  Noten  angegeben,  in  denen  Hr.  S.  sich  genöthigt  fühlt, 
dies  in  der  That  nicht  blofs  von  platonischem  Standpunkt  aus  zu  thun. 
Da  stürmt  aber  alsbald  eine  solche  Masse  neuer  Begriffe  auf  das  noch 
gar  ungeübte  Denken  ein,  dafs  sich  von  allem  im  besten  Falle  nur 
allgemeine,  in  sich  unklare  Nebelbilder  festsetzen  werden.  Das  ist 
aber  dem  Verständnis  des  Dialogs  höchst  gefährlich.  Denn  auf  die 
Begriffe  wie  z.  B.  der  Ideen  gründen  sich  nur  die  Beweise.    Wie  kön- 


gj^g  H.  Schmidt:  Platos  Fhaedon. 

)ien  aber  diese  verstanden   werden,  wenn  in  der  Seele  des  Schnlerf 
nur  erst  Abstractionen    sich  festausetzen    begonnen    haben,    während 
Plato  ganz   concrete  Anschauungen  seinen  beweisen  unterlegt?    Wei- 
tere Beispiele  dieser  Art  bieten  sich  genug  dar.     Man  vgl.  e.  B.  N.  36, 
37    4(>     51,  85,  89,  9*  u.  a.  m.     Belehrend  können  in  dieser  Hinsicht 
auch  die  Fälle  sein,  in  welchen  die  Principien  torausgegangener  Phi- 
losophenschulen behandelt  werden,  wie  in  N.  56,  75,  76,  78,  80,  8K 
Dabei    kommen    die    entgegengesetztesten    Richtungen    philosophischer 
Weltanschauung,   wie   Materialismus  --  Spiritualismus,    Realismus  — 
Idealismus  zur  Sprache.     Und  doch  wird  in  manchen  Fällen  wiederum 
zu  wenig  für  das  Verständnis  der  unmittelbar  vorliegenden  Gedanken 
Platos  nachgeholt,   z.  B.  in  N.  50,   wo  es  zu  unterscheiden  galt  zwi- 
schen Meinen  und  Vorstellen  einerseits  und  Wifscn  und  £rkennen  an- 
drerseits.    Jenes   wird  in  die  Mitte   gestellt  zwischen    sinnliche   An- 
schauung oder  Wahrnehmung  und  Begriflserkenntnis.     Denn  wenn  es 
einmal   darauf  ankam,   die   Auffafsung  Platos   Ton  den   verschiedenen 
Krkenntnisstufen  zu   besprechen,   so  kann  man  unmöglich  den  Zusam- 
menhang des  subjectiven  Erkennens  und  seiner  Stufen  mit  den  Objeo- 
ten  unerörtert  lafsen  oder  als  Nebensache  hinstellen.     Dann  mufs  aber 
die  schwierige  metaphysische  Frage  vom  Sein  und  Nichtsein  der  Dinge 
u.  s.  w.  klar  gemacht  und  gezeigt  werden,  wie  auf  dieser  Anschauung 
die  ganze  Erkenntnistheorie   Platos    beruhe.     Aehnlich   wenn  in  N«  89 
das  Verhältnis  der  Erscheinungswclt  zu  den  Ideen  zur  Sprache  kommt. 
Mit  den  Bogrilfen  nagovaCa  und  %oivoivCa  hat  man  erst  ein  unbestimm- 
te«   Bild.      Wie  die  Sache  objectiv  zu   denken   ist,    mufs  verstanden 
werden.     Doch  wir  behaupteten  auch,   dies  Eingehen    auf  die  Natur 
des  Gegenstandes,  des  philosophischen  Problems   an  «ich  werde  allzu- 
leicht  in   eine  Kritik  der  platonischen  Ansicht  umschlagen,   weil  man 
dadurch   den    Zweck,    die   Ansicht   Platos  klar    zu  machen,   auf  dem 
kürzesten  Wege  glaube  erreichen  zu  können.     Diesem  Streben  huldigt 
der  Hr.   Vf.  in   grofsem   Mafse.     Ich  werde   bald   Gelegenheit  haben, 
dasselbe  von  anderem  Staudpunkt  aus  hervorzuheben.     Hier  nur  soviel. 
Kunhardt  hatte  in  seinem  Buche  'Platos  Phaedon  mit  besonderer  Rück- 
sicht auf  die  Unsterblichkeitslehre  erläutert  und  beurtheilt'  unter  an- 
derm  auch  S.   33  Plato   einen  Vorwurf  daraus  gemacht,   dafs    er  das 
Sehen  und  Hören   von  der  Geburt  an  als   eine  seine  Ideen   und  Wie- 
dererinnerungslehre   beweisende   Thatsache   annimmt.     Er  selbst  sieht 
nichts  befseres  darin    als  Taubheit  und   Blindheit.    Hr.  S.   kritisiert 
nun  auch  seinerseits  jenen  Ausspruch  Platos.     Aber  statt  dafs  er  sich 
lediglich    daran   hielte    nachzuweisen,   inwiefern   allerdings   Plato   von 
i^einem  Standpunkte  aus  die  Transcendenz  der  subjectiven  Erkenntnis 
der  Ideen  aus  jener  Thatsache  mit  beweisen  konnte,  weil  diese  durch 
sinnliche  Wahrnehmungen   nicht  direct   gegeben  wird,   wohl   aber  in 
ihnen  enthalten  ist,  sinnliche  Wahrnehmungen  aber  bis  in  die  frühste 
Kindheit  zurückreichen:  schleicht  sich  des  Hrn.  Vf.  eigne  Anschauungs- 
weise  unvermerkt   ein  und  zwar   in   keiner  geringeren  Frage,   als  ob 
die  Seele  eine  tabula  rasa  sei  oder  ob  ein  Inhalt  mitgebracht  und  ein- 
geboren sei,  welcher   Art  er   auch   sein  möge.     Dadurch  wird  aber  id 
der  That ,   weil  fremdartiges   in  das  platonische   hineingetragen   wird, 
nur   damit  dieses   einigermafsen   verständlich  werde,   der  Unterschied 
zwischen  platonischer  und   moderner  Anschauung  geradezu  verwischt. 
Dies«  Betrachtungsweise  setzt  sich  in  Nt»te  37   am  Ende  fort,  wo  der 
Hr.    Vf.  ausdrücklich   erklärt,   die  materielle  Wahrheit  des    Be- 
weises für  die  Praeexistenz  der  Seele  aus  der  Wiedererinnerungslehre 
prüfen  zu  wollen.     Der  Unterschied  antiker  und  moderner  Anschauung 
wird  vom  Hrn.  Vf.  überhaupt  nur  wenig  beachtet.    Ks  mag  das    viei- 
It'icht  IUI  ganzen,   so  lange  nicht   das  erste   Interesse  richtigen   Ver- 


H.  Schmidt:  Pialos  Phaedon.  319 

«tindiUMes  Terletzt  wird,  ein  Vorzog  sein.  In  hinein  Ponkte  aber 
wird  ein  entschiedener  Gegensatz  zum  Nachtheil  für  die  wichtigsten 
Zwecke  de»  Gymnasialuntt^rrichts  geradezu  aufser  Acht  gelal'sen  und 
nach  der  entgegengesetzten  Seite  gefehlt.     Davon  unten. 

Wir  haben  bis  jetzt  nur  die  Schwierigkeiten  der  Sache  selbst  be- 
trachtet und  Anforderungen  gefunden,  weiche  unseres  Dafürhaltens  in 
dem  Gymnasialunterricht  nicht  können  erfüllt  werden.  Stellen  wir 
uns  nun  auch  auf  den  Standpunkt  der  Schule.  Die  Schule  hat  nach 
ihren  eignen  Zwecken  den  Bedürfnissen  der  Schaler  gemäfs,  je  nach 
der  Stufe  ihrer  Entwicklung  Stoff  und  Form  des  Unterrichts  zu  berei- 
ten. Wir  mnfsen  fragen :  ist  es  für  den  Primaner  auf  seiner  Stufe  in 
Wahrheit  ein  Bedürfnis,  ein  Werk  wie  den  Phaedon  geistig  zu  bewäl- 
tigen, oder  tritt  man,  wenn  man  es  verlangt,  nicht  andern  wichtige- 
ren Bedürfnissen  und  Interessen  verletzend  in  den  Weg?  Wir  niüfsen 
nochmals  auf  den  Boden  der  Sache  zurücktreten,  um  einen  nicht  un- 
wichtigen Kinwand  zu  beseitigen.  Man  wird  zugeben,  der  Phaedon 
werde  allerdings  von  Primanern  nicht  vollständig  verstanden  werden, 
aber  zugleich  behaupten,  das  sei  auch  nicht  nöthig.  Unsere  Korde- 
rungen seien  zu  hoch,  seien  Aufgaben  für  die  Wifsenschaft;  der  Schuk 
komme  es  nur  darauf  an  ein  annäherndes  Verständnis  zu  erzielen  und 
wenigstens  durch  diese  I^cture  für  ein  zukünftiges  gründlichere» 
Studium  dieses  und  anderer  platonischer  Dialoge  anzuregen.  Man  wird 
sich  auf  die  Erfahrung  berufen,  dafs  ja  kein  Schriftsteller  der  Alten 
von  den  Schülern  vollständig  verstanden,  gar  gewürdigt  werde  vom 
Cornelius  Nepos  an  hinauf  zum  Demosthenes.  Und  doch  lese  man  sie 
mit  dem  grofsten  Vortheil.  Die  Sache  ist  wahr;  der  Schlufs  auf  den 
Phaedon  doch  verfehlt.  Wenn  nemlich  der  Schüler  aus  jener  Leetüre 
auch  nur  ein  annäherndes  Verständnis  mitnimmt,  so  ist  dies  doch  so, 
dafs  er  auf  seinem  Standpunkt  nichts  mehr  zum  Verständnis  des  gele- 
senen Werkes  nach  Inhalt  und  Form  vermiist.  Ihm  fehlt  nur  das  tiefere 
Verständnis,  das  ein  höherer  geistiger  Standpunkt  ermöglicht,  wie  in  allen 
Dingen,  so  auch  in  der  Lectnre.  Das  liegt  in  der  Natur  alles  geistigen 
I^ebens  vorgebaut,  dafs  auch  die  einfachste  Wahrheit  nicht  eine  abge- 
schlofsene,  fertige  Erkenntnis  ist,  sondern  von  jeder  neuen  Erkenntnis- 
stufe aus  wieder  in  neuen  Zusammenhang  der  Erkenntnisse  eingereiht 
wird.  Wird  daher  die  Leetüre  dem  schon  vorhandenen  geistigen  Inhalt 
eines  Menschen  adaequat  gewählt,  so  dafs  sie  dem  Bedürfnis  einer  stu- 
fenmäfsigen  Fortbildung  entgegenkommt,  so  ist  allerdings  ein  je  nach 
dieser  Stufe  relativ  abgeschlofsenes  Verständnis  zu  erzielen. 
Darnach  bestimmt  sich  auf  der  Schule  der  abgemefsene  Fortschritt  von 
der  leichteren  zur  schwereren  Lectnre  nach  Gedankeninhalt  und  sprach- 
licher Form.  Jeder  Schüler  soll  in  sich  fühlen,  dafs  er,  soweit  es  ver- 
langt wird,  das  Verständnis  des  betreffenden  Schriftstellers  erlangt 
habe;  was  aber  von  höherem  Stand()unkte  aus  mehr  verlangt  werden 
könnte,  kann  ihm  gar  nicht  zum  Bewustsein  kommen.  Man  liest  den 
Caesar  in  der  Tertia  und  erreicht  ein  relativ  abgeschlofsenes  Verständ- 
nis; in  der  Prima  könnte  man  ihn  von  einem  höheren  geschichtlichen 
Standpunkt  aus  wiederum  lesen  und  eine  der  Entwicklung  der  Schüler 
entsprechende  neue  Stufe  des  Verständnisses  ersteigen,  von  der  sie  in 
Tertia  nfthts  ahnten.  Dieselbe  Geschichte  trägt  man  anders  in  Sexta, 
anders  in  Tertia,  anders  in  Prima  vor;  wieder  anders  in  akademischen 
Vorlesungen.  Das  Bedürfnis  der  lernenden  bedingt  also  den  Unter- 
schied,  gegründet  auf  den  in  sich  abgegrenzten  Boden  der  geistigen 
Entwicklung.  Dem  Bedürfnis  folgt  die  Befriedigung  und  diese  ist 
rückwärts  der  Beweis,  ob  ein  Bedürfnis  vorhanden  war  oder  nicht. 
Diese  Befriedigung  wird  aber  durch  die  Leetüre  des  Phaedon  Prima- 
nern  nicht  zu   Theil  werden.     Es   wird  vielmehr   alsbald   dem 


320  H.  Schmidt :  Piatos  Pliacdon. 

4;rofstcn  Theil  «um  Bewustsein  kommen,  wie  weit  sie  hin- 
ter allem  Verständnis  zurückbleiben.     Die  Kraft  wird  erlah« 
men    und   mit  innerem,  wenn   g'eich   verborgenem   Ueberdrufs  werden 
«ie  die  schwere  Last  tragen,  die  sie  freilich  anfangs  für  viel  angeneh- 
mer hielte«.     K«  wird  noch  ein  Glück  sein,   wenn   der  Zweck  zu  wei- 
terer Platolertüre  anzuregen   nicht  gerade   das  Gegentheil  im  Gefolge 
hat.     So  gewis  bei  den  nüttelmäfaig  begabten ,  welche  die  grofste  An- 
zahl  der  Schüler   zu  bilden   pflegen.    Die   begabten  machen  vielleicht 
dem  Lehrer  viele  Freude,   aber  er  sehe  wohl  zu,  auf  welchem  Grunde 
sie   steht.     Selbsttäuschung  ist  da  gar   leicht    möglich;   denn  Schüler 
(lieser  Altersstufe  pflegen  den  Lehrer  am^  meisten   zu   bewundern,   der 
ihnen  Dinge  bietet,   die  über   ihrem  Horizonte  liegen,  selbst  wenn  sie 
ihn  nicht  verstehen.     Der  Drang  über  die  Schule  hinauszuwachsen  ist 
erwacht;  was  ihnen  aus  Kreisen  geboten  wird,  die  ihrem  eigenen  Ge- 
fühle nach  für  sie  zu  hoch  sind,    scheint   sie  selber  zu  ehren.     Daher 
folgen  sie   den  sogenannten  philosophischen  Erörterungen  des  Lehrers 
willig;    sie  freuen  sich  der  höheren,   feineren  Kost  die  man  ihnen  vor- 
setzt und  geniefsen  sie  mit  "Wohlbehagen.     Aber  da»  Verständnis  wird 
darum  nicht  befser;  es  bleibt  halb  und  oberflächlich,   und  weil  es  ver- 
meintlich   ein    sehr   bedeutendes  ist  — -    sind    ja   doch   die   wichtigsten 
Gegenstände  menschlicher  Erkenntnis  ihrem  freigegebenen  Nachdenken 
nnterbreitetl  —  so  sind  die  Nachtheile  um  so  gröfser.     Sie  werden  zu 
wifsen  glauben,  was  sie  nicht  wifsen;  sie  werden  über  alles  iirtheilen, 
was   sie  nicht   verstehen;   sie   sind  Philosophen,   weil  man  sie  philoso- 
jihieren  läi'st.     Es   schwiudet   die  Zucht   des  Geistes,   die   am    Denken 
nicht   minder  will  geübt   sein  als  in  der  Sittlichkeit.     Andere  Lehrge- 
genstände werden  dies  schon    unmittelbar  empfinden;    noch  schlimmere 
Früchte  wird  die  Zukunft  bringen,  wenn  nicht  ein  scharfes  Messer  die 
verfrühten  Auswüchse  abschneidet.    Da  sind  denn  die  anderen,  welche 
fühlen,    dafs  sie   das  Verständnis   dieser   Dinge  nicht   erreicht   haben, 
befser  daran  als  die  welche  durch  Vorwegnehmen  ihrer  Altersstufe  vor- 
auseilend statt  zur  Speculation,  wie  man  will,  zur  Blasiertheit  heran- 
gebildet werden.    Wahrlich   die   Freude  snäterer  Studien   wird   ihnen 
auch  verkümmert.    Man  glaube  aber  ja  nicht  in  der  Leetüre  des  Phae- 
don   darum   ein   gutes  Unterrichtsobject   gefunden   zu    haben,   weil  sie 
tüchtige  Gedankenarbeit  verlange.     So  lange  die  Voraussetzungen  feh- 
len,   nie   sie   durchzumachen  befähigen,    wird   sie   auch   nicht  gethan. 
Dagegen  verleitet  der  Inhalt  gerade  zu  einem  zuchtlosen  Umherschwei- 
fen in  weiten  Gebieten,  die  man  noch  nicht  beherscht.     Nur  eine  zum 
Denken  nöthigende  Leetüre,   die  einen   sichern  Boden  unter  die  Füfse 
gibt,  von  concretem  Stoff  ist  da  an  ihrem  Platz,  wie  z.  B.  die  Reden 
des  Demosthenes. 

Zu  den  Forderungen,  die  wir  an  unsere  Schulen  stellen  dürfen, 
gehört  auch  die,  sie  fern  zu  halten  von  allen  Abstraotionen 
und  die  Richtung  auf  eine  lebensfrische  concrete  Anschauungsweise 
möglichst  an  fordern.  Diese  Forderung  ist  gerade  jetzt  um  so  wichr 
tiger,  als  wir  das  Zeitalter  der  Abstractionen  kaum  hinter  uns  haben 
und  uns  in  einem  Uebergangsstadium  befinden,  das  nur  durch  die  Hin- 
gabe an  das  wahrhafte  Leben  des  Geistes,  das  immer  individueller  Art 
sein  wird,  zn  einem  rechten  Ziele  führen  kann.  Nun  ist  z%ar  Plato 
gerade  darum  so  grofs,weil  er  durchweg  concret  denkt,  und  weil  seine 
Philosophie  nicht  blofs  Doctrin  sondern  Leben  ist.  Der  Phaedon  zeich- 
net sich  in  derselben  Weise  wieder  vor  allen  andern  Dialogen  aus.  Aber 
eben  deswegen,  so  paradox  es  klingt,  ist  die  Lectnrc  auf  Gymnasien 
bedenklich.  Denn  soll  der  Inhalt,  der  tief>peculativer  Art  ist,  erkISrt 
werden,  ohne  dafs  die  Voraussetzungen  vorhanden  sind,  so  wird  die 
Gefahr  in  Abstractionen  zu  gerathen   kaum  vermieden  werden.    Schon 


H.  SchAidt:  Pialos  Phaedon.  321 

die  dem  Schaler  noch  Dnbekannte  philosophische  Kunstsprache,  in  die 
er  eingeführt  werden  soll,  bringt  das  heutzutage  mit  sich.  Dazu  sind 
an  sich  abstracto  Themata  genug  im  Dialoge  zerstreut:  so  die  logi- 
schen Punkte,  die  Lehre  vom  Sein  und  Werden  u.  a.  m.  Unserer 
Jagend  aber  liegt  leider  noch  —  die  Richtung  der  Zeit,  die  Einrich- 
tung der  meisten  Lehrbucher  u.  s.  w.  brachten  es  mit  sich  —  die  ab- 
stracte  Auffafsung  viel  näher  als  die  concrete.  Was  daher  später  im 
akademischen  Studium  unter  guter  Leitung  das  beste  Gegenmittel  ge- 
gen diese  fehlerhafte  Richtung  werden  kann,  >vird  im  Gymnasium  zum 
Gift.  Sorgsame  Blicke  in  die  Arbeit  des  Hrn.  S.  verhüllen  auch  diese 
Gefahr  nicht.  Man  lese  z.  B.  die  oben  schon  in  anderer  Beziehung 
angeführte  Note  29.  Einen  Passus  daraus  will  ich  noch  mittheilen: 
'man  kann  die  Begriffe  daher  subjective  Ideen,  und  die  Ideen  dagegen 
objective  oder  realisierte  Begrilfe  nennen,  wie  denn  auch  in  neuerer 
Zeit  z.  B.  Hegel  die  Idee  als  die  Feinheit  des  Daseins  und  des  Begriifs 
definiert  hat.'  Ein  Primaner  wird  damit  schwerlich  eine  concrete  An- 
schauung von  den  platonischen  Ideen  erhalten.  Ueberhaupt  hätte  der 
Hr.  Vf.  die  häufigen  Citate  aus  Hegels  Schriften  vermeiden  sollen.  He- 
gel eignet  sich  am  wenigsten  zur  Erläuterung  platonischer  Ansichten 
und  zumal  für  Schüler!  Man  vgl.  ferner  N.  "20.  Sie  bietet  zu  einer  an 
sich  einfachen  Thatsache,  den  mystischen  Gebräuchen  der  Griechen, 
eine  religions philosophische  Exposition,  die  sich  aber  wie  alle  Abstrac- 
tionen  über  die  Sache  stellt,  statt  in  ihr  zu  stehen.  In  N.  51  werden 
zur  Erläuterung  der  Nahrung  der  Seele  mit  BegrÜfen  und  Ideen  fol- 
gende Worte  Deinhardts  citiert:  'durch  di&se  Processe  (vermöge  deren 
die  zum  Selbstbewustsein  erwachte  Seele  die  objective  Welt  zu  ihrem 
Eigenthuroe  macht)  assimiliert  sich  die  menschliche  Seele  einen  geisti- 
gen Leib,  der  die  von  ihr  aus  den  Naturmächlen  hcraut>gearbeitete,  von 
ihr  seihst  gesetzte  und  bestimmte  geistige  Objectivität,  und  als  solche 
der  Natumothwendigkeit  entzogen,  unverweslich  und  unsterblich  ist.**! 
Haec  instar  omnium. 

Wir  haben  oben  hervorgehoben,  wie  unumgänglich  für  den  Lehrer 
das  Kritisieren  platonischer  Ansichten  werde.  Diese  Kritik  trifft  aber 
die  wichtigsten  Lebensfragen.  Im  Kreise  der  Schüler  ist  das  höchst 
bedenklich;  denn  die  Erfahrung  kann  das  alle  Tage  leider  bestätigen, 
dafs  hier  solche  Kritik  leicht  einen  frivolen  Charakter  annimmt.  Denn 
innerhalb  einer  Classe  bildet  sich  immer  ein  gemeinsamer  Geist.  Der 
Gymnasialunterricht,  in  dem  die  Autorität  des  Lehrers  immer  die  Haupt- 
sache ist,  bringt  es  mit  sich,  dafs  der  Schüler  Urtheile  mehr  annimmt 
als  selber  schöpferisch  hinstellt.  Das  Vermögen  Kritik  zu  üben  soll  hier 
gewi»  gebildet  werden;  aber  es  kommt  darauf  an,  welche  Objecte  und  in 
welcher  Weise  man  sie  der  Kritik  unterzieht.  Feststehn  dürfte,  dafs 
dies  nicht  geschehen  darf  an  den  ernstesten  Fragen,  welche  das  höchste 
subjective  Interesse  in  Anspruch  nehmen.  Denn  da  wird  auch  die  Kri- 
tik allzu  leicht  eine  subjective,  falsche.  Eben  weil  die  Schüler  fühlen, 
dafs  sie  Schranken  einhalten  sollten,  freuen  sie  sich  des  Misbrauchs  der 
ihnen  gegebenen  Freiheit  und  statt  dafs  man  neue  Keime  für  zukünf- 
tige feste  Ueberzeugungen  legen  sollte,  erstickt  man  unvermerkt  die 
vorhandenen.  Hierbei  mufs  ich  noch  einen  Punkt  zur  Sprache  bringen, 
in  dem  die  Kritik  jedenfalls  geübt  werden  müste,  wenn  man  den  Phae- 
don mit  Schülern  liest.  Das  ist  sein  Verhältnis  zum  christli- 
chen Glauben,  mit  dem  er  in  den  entschiedensten  Gegensatz  tritt. 
Das  ganze  Heidenthum  ist  durchdrungen  von  einer  Sehnsucht  nach  einer 
Erlösung  des  Menschen;  aber  dabei  bleibt  es  im  allgemeinen  stehen. 
Plato  geht  weiter.  Er  bildet  eine  Lehre  aus,  worin  er  die  Erlösunps- 
bedürftigkeit  des  Menschen  mit  vollem  Bewustsein  ausspricht,  zugleich 
aber  auch  positiv  einen  Schritt  weiter  geht  und  sagt :  der  Mensch  kann 


322  H.  Schmidt:  Pialos  Phaedon. 

sich  selber  erlosen,  wenn  er  nur  dem  auf  Wahrheitoerkenntnii 
gerichteten  Wesen  seiner  Seele  folgt,  durch  die  Philosophie. 
Denn  den  Grund  der  Sunde  erkennt  er  nur  in  der  Leiblichkeit,  der 
Sinnlichkeit  des  Menschen.  Damit  aber  tritt  seine  Lehre  in  directen 
Widerspruch  mit  der  Grunduberzeugung  des  Christen:  dafs  der  Mensch 
durchaus  unfähig  ist  sich  selber  frei  zu  machen  von  der  Sünde  und 
nur  durch  die  Gnade  Gottes  der  Erlösung  theilhaftig  werden  kann. 
Daher  stehen  äufseriich  mit  christlichen  Wahrheiten  fast  gleichlautende 
Aussprüche  Piatos  doch  innerlich  in  entschiedenem  Gegensatz  zu  ihnen. 
Dies  Verhältnis  ist  auch  Hrn.  S.  mit  vielen  anderen  ganz  entgangen. 
Kr  läfst  sich  durch  die  Aehnlichkeit  der  äufsern  Forderung  täuschen  und 
sieht  innere  Uebereinstimmung.  So  schon  in  der  Erörterung  über  die 
Stellung  des  Philosophen  zum  Leibe  und  zu  leiblichen  Lüsten  p.  64 ff. 
Vgl.  dazu  N.  9,  13,  15,  17  u.  d.  Anm.  Wenn  Plato  sagt,  der  wahre 
Philosoph  wolle  im  Leben  schon  sterben,  so  soll  das  gleich  sein  dem 
Tode  des  alten  Menschen,  aus  dem  das  neue  Leben  quillt,  wie  es  Job. 
Tauler  beschreibt.  Das  Fernhalten  von  leiblichen  Begierden  wird 
gleichgesetzt  dem  ^kreuziget  euer  Fleisch  sammt  allen  Lüsten  und  Be- 
gierden', und  der  Pfad  idtganog),  auf  dem  der  Philosoph  frei  wird, 
unter  dem  aber  nur  die  Trennung  der  Seele  vom  Leibe,  der  Todes- 
weg, zu  verstehen  ist,  wird  zur  engen  Pforte,  durch  die  der  Christ 
ins  Himmelreich  eingehn  soll.  Da  wird  ganz  übersehen,  dafs  der  Tod, 
aus  dtMU  das  neue  Leben  des  Christen  quillt,  der  Tod  des  natürlichen 
Menschen  ist,  d.  i.  nicht  des  Leibes  allein,  sondern  vorzugsweise  der 
von  Selbstsucht  und  Sünde  venlorbenen  Seele;  während  der  Philosoph 
im  Sinne  Piatos  gerade  die  Seele  im  Gegensatz  zu  dem  Leihe,  der 
allein  ^ie  an  der  Erlösung  hindert,  in  sich  selbst  zu  sammeln  und  zn 
vertiefen  sucht.  Das  Fleisch  das  der  Christ  kreuzigen  soll  ist  wie- 
derum das  böse  Herz,  aus  dem  erst  die  Lüste  des  Leibes  stammen, 
während  Plato  umgekehrt  das  böse  in  der  Seele  aus  der  Leiblichkeit 
ableitet;  der  Pfud  endlich,  von  dem  dort  die  Rede  ist,  kann  in  gar 
keinen  Vergleich  gesetzt  werden  mit  der  engen  Pforte,  von  der  die 
heilige  Schrift  redet.  Man  thut  ebenso  wenig  Plato  einen  Gefallen, 
wenn  man  ihn  fälschlich  zu  christianisieren  sucht,  anstatt  ihn  als  die 
Spitze  der  auf  sich  selbst  gestellten  hellenischen  Welt  zu  begreifen, 
als  man  der  Erziehung  zum  Christenthum  nützt,  wenn  man  Philoso- 
phen des  Alterthums  misverständlich  sagen  läfst,  was  specifisch  christ« 
lieh  ist.  Denn  der  Unterschied  des  Piatonismus  vom  Christenthum 
besteht  wahrlich  nicht  blofs  darin,  dafs  jener  dasselbe  nur  von  den 
Philosophen,  das  Christenthum  dasselbe  von  allen  Menschen  fordere, 
wie  Hr.  S.  nach  N.  9  anzunehmen  scheint.  Ganz  unbegreiflich  ist  es 
Ref.  geblieben,  wie  der  Hr.  Vf.  N.  76  die  Urstoffe  der  alten  ionischen 
Naturphilosophen:  Wafscr,  Feuer,  Luft  zusammenstellen  konnte  mit 
den  Sinnhildern,  wie  er  es  nennt,  des  neuen  l^ebens,  aus  dem  der 
Mensch  wiedergeboren  werden  soll,  Wafser,  Feuer,  Geist  (Lev.  3, 
16.  Joh.  3.  5).  Offenbar  hat  der  Hr.  Vf.  in  gutmeinender  Absicht  in 
diesem  Punkte  ganz  und  gar  den  rechten  Weg  verfehlt.  Denn  wenn 
man  einmal  den  Phaedon  1  est,  so  kommt  es  gerade  darauf  an,  diese 
Unterscheidungslehren  vom  Christenthum  scharf  hervorzuheben ,  um  so 
mehr  weil  die  Theorie,  welche  Plato  begründet,  noch  immer  die 
Ansicht  vieler  ausspricht.  Hier  aber  scheiden  sich  die  Wege,  und  wir 
sollen  unsere  Schüler  den  rechten  führen! 

Diese  Andeutungen  mögen  genügen,  um  die  Ansicht  des  Ref.  xa 
begründen,  die  er  im  Anfang  dieses  Aufsatzes  aussprach.  Näheres 
Eingehen  in  die  Sache  kann  dem  einzelnen  die  Gründe  noch  verviel- 
fältigen. Die  Hauptgesichtspunkte  dürften  in  obiger  Auseinander- 
setzung enthalten  sein.   Was  von  Plato  auf  Gymnasien  gelesen  werden 


H.  Schmidt:  Piatos  Phaedon.  323 

aoUe,  18t  eine  andere  Frage,  die  hier  nicht  zur  Entscheidung  kommen 
kann.  Unter  den  kleineren  Dialogen  durften  am  wenigsten  solche  geeignet 
•eiuy  die  vrie  der  Laches  und  Charmides  fast  ganz  abstracter  Natur  sind. 
pw  Phaedon  aber  bleibe  dem  akademischen  Studium  vorbehalten.  Da 
ist  recht  eigentlich  sein  Platz.  Die  Grunde,  die  gegen  seine  Leetüre 
auf  Gymnasien  sprechen,  durften  dort  gerade  zum  Gegentheil  umzu- 
kehren sein.  Denn  zwischen  dem  Unterricht  von  Prima  and  dem  aka- 
demischen Studium  liegt  ein  grofser  Sprung.  Jener  bildet  das  Ende 
einer  Entwicklungsreihe;  dieses  beginnt  eine  neue  zu  dem  eigentlich 
wifsenscbaftlicben  Erkenntnisstandpunkt.  Können  wir  darum  der  Ar- 
beit des  Hrn.  S.  keinen  Werth  für  die  Zwecke  des  Gymnasiums  bei- 
mefsen,  so  bietet  sie  doch  für  die  Freunde  des  platonischen  Phaedon, 
insbesondere  die,  welche  ihre  Studien  zum  erstenmal  an  diesen  Dialog 
heranfuhren,  zahlreiche  das  Verständnis  erleichternde  Erläuterungen 
and  Einzelnotizen.  Für  diese  Zwecke  kann  sie  mit  Kepht  empfohlen 
werden. 

Hanau.  Julius  Dcusehle, 


Zur  Charakteristik  des  Tetitschen  Fürstensjtaats  von  F.  L.  von 
Seckendorff^  vom  Oberlehrer  Dr.  Thiele.  Herbstprogramm  dea 
Gymnasiums  zu  Duisburg  1853.  16  S.  4. 

Da  nach  der  Einrichtung  der  preussischen  Gymnasien  zur  Abfa- 
fsnng  der  wifsenschafilichen  Programmabhandlungen  möglichst  alle 
Lehrkräfte  herangezogen  werden,  so  ist  es  begreiÜich,  dafs  die  Ue- 
berschau  über  deren  Wahl  und  Ergebnisse  ein  sehr  manigfaltiges,  fast 
aniversales  Bild  der  verschiedensten  Disciplinen  bietet.  Am  seltensten 
erscheinen  wohl  quelienmäfsige  Behandlungen  mittelalterlicher  oder 
neuerer  Geschichte,  und  das  aus  naheliegenden  Gründen.  Selbst  die 
Geschichtslehrer  auf  den  meisten  prenssischen  Gymnasien  haben  in 
der  Regel  nur  zu  den  Quellen  der  alten  Historie  ein  eigentliches  Ver- 
hältnis; für  Mittelalter  und  neue  Zeit  treten  die  seit  einigen  Jahr- 
zehnten so  reichen  Bearbeitungen  und  Hilfsmittel  an  die  Stelle  der 
Quellen,  und  wohl  dem  Unterricht,  wenn  nur  diese  Fortschritte  ge- 
wifsenbaft  und  besonnen  benutzt  werden!  Auch  gestatten  die  Verhält- 
nisse des  Gymnasiallehrers  kaum  ein  tieferes  und  einigermafsen  voll- 
atäadiges  Einleben  in  die  so  viel  ausgedehnteren,  schwerer  zugäng- 
liche«, oft  erst  in  den  kritischen  Elementen  zu  sichtenden  und  zu  be- 
arbeitenden Quellengebiete.  Nur  ausnahmsweise,  wenn  es  einen  leicht 
SU  übersehenden  monographischen  Gegenstand  gilt,  für  den  kein  neues 
Material  herbeizuschalfen ,  sondern  nur  vorhandenes  in  neuer  Beleuch- 
tnng  darzulegen  ist,  eignen  sich  Gegenstände  der  bezeichneten  Ge- 
achichtskreise  zu  Gymnasialprogrammabhandlungen.  In  diesem  Fall  ist 
die  vorstehende  kleine  Monographie.  Ihr  Thema  hat  aber  noch  ein  höheres, 
inneres  Recht,  zu  obig«»m  Zweck  verwandt  zu  werden;  es  ist  der  kirchliche 
und  vaterländische  Gehalt,  von  dem  die  Bestrebungen  jenes  merkwür- 
digen sächsischen  Staatsmanns,  schliefslichen  Kanzlers  der  Universität 
Halle,  den  Eyring,  der  Biograph  Herzogs  Ernst  des  Frommen  von 
Sachsen-Gotha,  ^nobilium  decus  Germaniaeque  ornamentum'  nennt,  in 
Wort  and  That  erfüllt  sind.  Von  diesem  Standpunkte  aus  noch  mehr 
als  von  dem  rein  wifsenscbaftlicben  ist  die  Arbeit,  deren  Form  und 
Geist  dem  Werth  des  Stoffs  durchaus  entspricht,  vorzugsweise  für  die 
zannchst  bezeichneten  Kreise  eine  interessante  und  anregende  Lectüre. 
JUs  verlohnt  sich  deshalb  der  Mühe,  ein  wenig  näher  zuzusehen. 


324      Thiele:  V.  L.  von  SeckendorlTs  TeuUcher  Fürslenßlaat. 

Der  Vf.  stellt  znerst  dem  'Teutschen  Fiirstenstaat',  dem  Werk 
von  Seckendortr«  früherem  Mannesalter  (geschrieben  1655;  S.  geb. 
1623),  seinen  historisch-apologetischen  Commentar  über  das  Luther- 
thum/das  gleichfalls  berühmte  Werk  seines  höheren  Mannesalters  (1688), 
gegenüber,  um  an  diesen  beiden  litterarischen  Angelpunkten  aufzu- 
zev'en,  in  welchem  Geist  und  weicher  Richtung  sich  jenes  Mannes 
Schriftstellerleben  bewegte,  ruhend  auf  vaterländisch-kirchlichem  Bo- 
den und  ganz  naturgemäfs  von  dem  Vorwiegen  des  ersteren,  als  dem 
zeitlich-geschichtlichen,  zn  der  Ausschliefslichkeit  des  andern,  als  des 
ewigen  Elements  fortschreitend.  Sodann  charakterisiert  der  Vf.  in  der 
Kürze  den  'Teutsrhen  Fürstenstaat',  dieses  Lieblingsbuch  des  grofseu 
Kurfürsten,  als  eine  auf  der  Realität  des  politischen  Lebens  der 
damaligen  mittleren  und  kleineren  deutschen  Fürstenthümer  bernhende 
Schrift,  als  eine  descriptive  Behandlung  thatsächlicher  Zustände, 
und  bespricht -die  dreifache  Gliederung  des  Ganzen.  Daran  schliefsen 
»ich  Angaben  über  Wirkung,  Bedeutung  und  Ruf  der  Schrift,  die  zu- 
gleich ein  verstärktes  Motiv  für  die  Wahl  des  Gt>genstandes  enthalten. 
Der  'Teutsche  Fürstenstaat'  kann  im  kleinen  und  für  die  engen  Ver- 
hältnisse deutscher  Territorialtursten  detractis  detrahendis  als  ein 
analog  wirkendes  Buch  betrachtet  werden  wie  Macchiavells  Principe 
für  die  meisten  Fürsten  der  Grofsstaaten  des  damaligen  Kuropa;  aber 
{40  dufs  der  Fürstensta^t  zu  dem  ^gottlosen  Macchiavellus',  wie  er  ihn 
selbst  nennt,  principiell  den  strengsten  Gegensatz  germanischer  Frei- 
heit und  Staatsordnung  zu  romanischer  alles  absorbierender  Centralis 
sation  bildet. 

Der  Vf.  führt  uns  darauf  in  die  Entstehungszeit  des  Werks  ein; 
ein  so  ganz  auf  politischen  und  culturgeschichtlichen  Realitäten  beru- 
hendes Werk  ist  doppelt  ein  Kind  seiner  Zeit.  Es  wird  das  politische 
Chaos  im  Reich  nach  dem  Ende  des  dreifsigjährigen  Kriegs  in  weni- 
gen Zügen  treffend  geschildert,  die  tausendfache  Gelegenheit  und  die 
Nothwendigkeit  von  oben  herab  zu  helfen  und  zu  retten  was  noch  zu 
retten  war.  Unter  den  damals  in  solchem  Sinn  wirkenden  fürstlichen 
Personen  erhebt  sich  neben  dem  grofsen  Kurfürsten,  minder  bekannt 
aber  in  seiner  Weise  nicht  minder  verdient,  die  Gestalt  Herzogs  Ernst 
des  Frommen  von  Sachsen-Gotha,  des  Gönners  und  Dienstherrn  Se- 
ckendorifs,  dem  dieser,  um  mit  Eyring  zu  reden,  ^quidquid  elegantia 
litteraturae  acquisivit  sibi^  verdankte.  An  dessen  herlicner,  vom  Vf« 
näher  geschilderter  Thätigkeit  wuchs  die  Seckendorifs  heran,  dessen 
äufseres  Leben  und  Bildungsgeschichte  darauf  in  der  Kürze  nach  deD 
Note  JO  zusammengestellten  Quellen  folgt.  So  sind  die  Hauptfactoren 
vereinigt,  um  den  Ursprung  und  den  Charakter  unsers  Werks  Mi  er- 
klären: die  allgemeine  Zeitlage,  das  politische  und  administrative  Vor- 
bild der  Regierung  des  Herzogs  Ernst,  SeckendorlTs  Stellung  in  und 
zu  beiden.  Auf  einen  vierten  Factor,  auf  den  seit  der  Reformation 
erwachten  Zug,  reale  Zustände  auf  allen  Gebieten  der  Forschung  zu 
unterwerfen,  der  u.  a.  fast  gleichzeitig  (1640)  für  die  allgemeine  Reichs- 
verfafsung  des  Pseudonymen  Hippolithus  a  Lapide  (B.  Ph.  v.  Chemnitz, 
Vf.  der  Geschichte  des  dreifsigjährigen  Kriegs)  ^dissertatio  de  ratione 
Status  in  Jmperio  nostro  Romano  -  Germanico '  hervorgerufen  bat, 
hätte  der  Vf.  eingehender  aufmerksam  machen  können.  Darauf  geht 
derselbe  S.  12 — 16  zur  näheren  Besprechung  des  'Fürstenstaats'  über, 
dessen  Wesen  er  mit  Recht  darein  setzt,  dafs  er  den  beiden  damals 
so  eintlufKreichen  Abstractionen,  der  Vergötterung  des  römischen  Rechts 
und  der  naturrechtlichen  Schwärmerei  gegenüber  den  concreten  und 
positiven  Standpunkt  deutscher  fürstlicher  Territorialgewalt  geltend 
macht,  wie  sie  auf  der  Stellung  der  landesfürstlichen  Hoheit  einer- 
seits zur  Cent ralgewait  des  kaiserlichen  Oberlehnsherrn  und  der  Reichs- 


fliiele :  Y.  L.  von  Seckendorffs  Tentscher  Fürstoustaat.      325 

(iinheit,  andererseits  so  den  ständischen  Rechten  ond  Freiheiten,  vor 
allem  aber  in  dem  lebendigen  Zasammenhan^  mit  dem  christlichen 
Gianbensleben  and  den  ewigen  Heilswahrheiten  der  Kirche  fest  and 
sicher  raht. 

So  ist  der  ^Teutsche  Fürstenstaat'  ein  reiner  and  darum  auch 
für  den  Creschichtsforscher  so  wichtiger  Spiegel  des  besten  und  edelsten, 
was  die  damalige  Territorialgewalt  zu  leisten  vermochte,  und  der  Vf. 
hat  das  Verdienst,  diesen  Werth  in  knappen  aber  charakteristischen 
Zügen  ans  Licht  gestellt  zu  haben.  Wir  hätten  nur  in  noch  strenge- 
rem Anschlufs  an  den  Titel  der  Abhandlung  eine  noch  eingehendere 
Besprechung  des  Inhalts  unserer  Schrift  gewünscht,  sowie  eine  etwas 
veränderte  Anordnung  des  StofTs,  so  zwar  dafs  S.  4  und  5  sich  an  S. 
12,  wohin  sie  gehören,  angeschlofsen  hätten;  es  wären  dadurch  theil- 
vreise  Wiederholungen  vermieden  worden. 
Elberfeld.  W.  IL 


Neues  vom  Turnen  und  von  der  Gesundheitspflege  in  den 

Schulen. 

1)  Athenaetim  für  raticmelle  Gymnastik.   Heransgegeben  von  Ijg. 

Rothateiny  Unterrichtsdirigenten  des  k.  preuss.  Centralinstituts  für 
die  Gymnastik,  und  Dr.  A.  C.  Neumann y  k.  preuss.  Kreisphysik us, 
Dirigenten  des  heilgymnastischen  Kursaals  zu  Berlin.  Erster  Band 
in  2  Heften.     Berlin,  E.  H.  Schröder.  1853.  184  S.  gr.  8. 

2)  Die  Gymnastik ,  nach  dem  Systeme  des  schwedischen  Gymnasiarchen 

P.  H.  Ling  dargestellt  von  Hg»  Rothstein.  Fünfter  Abschnitt:  die 
aesthetiscbe  Gymnastik.  Erstes  Heft.  Berlin,  E.  H.  Schröder.  1854. 
152  S.  gr.  8. 

3)  Anleitung  zu  den  Hebungen  am  VoUigirbock.  Bearbeitet  und 
herausgegeben  von  Hg.  Rothstein.  Mit  15  erläuternden  Figuren. 
Berlin,  E.  H.  Schröder.  1854.  32  S.  8. 

4)  Blutarmuth  und  Bleichsticht  ^  die  verbreitetsten  Krankheiten  un- 

serer Zeit,  besonders  unter  der  Jugend.  Für  Eltern  und  Erzieher, 
Kranke  und  Aerzte  geschrieben  von  Dr.  Hermann  Eberhard  Rich- 
ter ,  Professor  der  Medicin  in  Dresden.  Zweite  verbefserte  Auflage. 
Leipzig,  B.  Schlicke.  1854.  VI  u.  86  S.  gr.  8. 

Das  Turnen  regt  sich  von  neuem  als  eine  wichtige  Frage  für  El- 
tern, Erzieher  und  Schul behörden.  Seit  etwa  sechs  Decennien  ist  bei 
uns  von  der  Nothwendigkeit  einer  sorgfaltigeren  körperlichen  Erziehung 
der  Jugend  viel  die  Rede  gewesen ,  und  mancherlei  mislungene  Versuche 
and  erfolglose  Anstrengungen  sind  gemacht  worden,  um  durch  die  Ein- 
richtung von  gymnastischen  üebungen  dem  unverkennbaren  Bedürfnis 
SU  entsprechen. 

Uebersieht  man  die  Geschichte  des  Tomwesens  in  diesem  Jahrhun- 
dert, so  mufs  man  erstaunen,  wenn  man  wahrnimmt,  dafs  die  ihm  zu 
Grunde  liegende  einfache,  klare  und  überzeugende  Idee  mit  so  vielen 
Irthamern  und  Vorurtheilen  zu  kämpfen  hatte,  ehe  es  ihr  gelang,  nur 
einigen  Boden  zu  gewinnen  und  zu  behaupten.  Noch  vor  wenigen  Jah- 
ren war  ein  gewaltiges  Leben  und  Treiben  in  den  Turnvereinen,  die 
zahlreich  entstanden  und  der  Sache  Vorschub  zu  leisten  schienen.  Doch 
da  mischten  sich  fremdartige  Tendenzen  in  jenes  öffentliche  Turnen, 
und  es  ward  alles  so  ziemlich  wieder  still.    Verfolgten  nun  jene  Turn- 


3S6  Tiirnantcrricht. 

Tereine  meist  cam  andere  Zwecke,  als  aie  die  Schale  mit  dem  TnmcM 
im  Ange  behalten  kann,  so  ist  es  mit  dem  Schalturnwesen  doch  eben- 
falls sehr  allmählich  vorwärts  gef[;angen,  wenngleich  dieses  anch  jenen 
äufseren  Wandlungen  nicht  so  ausgesetzt  war  wie  das  Vereinstumwe- 
sen.  Eb  galt  auch  hier  vieles  vorzubereiten,  um  nar  zu  einem  grün- 
denden Anfang  zu  kommen.  Wie  viel  Geist  und  beharlicher  Wille  mafa 
vor  allem  die  Lehrer  beseelen,  wenn  das  Turnen  in  den  Schulen  za 
vollem  Rechte  einbürgern  soll!  So  geht  es  aber  einer  jeden  Sache,  die 
Raum,  Zeit  und  Gellung  sich  verschaffen  mufs  da,  wo  gewohnte  Ein- 
richtungen und  damit  verwachsener  Zunftgeist  sich  sperren  gegen  den 
Störenfried,  und  brächte  er  auch  die  Ansprüche  des  besten  Mitbürgers 
offenkundig  mit. 

Die  Hemmnisse,  welche  sich  dem  Schnltumen  entgegenstellten,  hat* 
ten  ihren  Grund  theils  in  den  allgemeinen  Culturzuständen,  theils  in 
seiner  Gestaltung  an  und  für  sich.  Wenn  es  durch  die  Schale  der 
Philanthropen  seine  historische  Begründung  als  paedagogische  Angele- 
genheit erhalten  hatte,  so  muste  es  sich  fortan  nun  auch  als  eine  wirk- 
same, bildungsfähige  und  heilsame  Sache  erweisen.  Nur  wo  es  einen 
beharlichen  kernhaften  Lebenstrieb  in  sich  selbst  bewahrt,  wird  e» 
jenen  starren  und  störrischen  Widerstand  allmählich  überwinden.  Und 
zu  solcher  innerer  Erstarkung  und  allseitiger  Entwicklung  hat  die  Tum- 
kunst  Zeit  gebraucht  und  durch  verschiedene  Phasen  gehen  müfsen. 

Gegenwärtig  sind  die  Ansichten  über  Nothwendigkeit  nnd  Wich- 
tigkeit der  GjTimastik  auch  unter  der  gröfsern  Menge  wesentlich  ge- 
läutert und  verbreitet  worden,  was  als  eine  Folge  der  allgemeineren 
Cultivierung  der  Diaetetik  angesehen  werden  kann.  Auffällig  ist  es 
wenigstens ,  wie  in  den  letzten  Jahren  die  darauf  bezügliche  Litteratur 
angewachsen  ist.  Die  Diaetetik  ist  eine  Wifsenschaft  des  Bedürfnisses 
geworden;  an  vielen  Orten  werden  ihr  besondere  Vorträge  für  Laien 
gewidmet,  und  überall  regt  sich  das  Bestreben,  ihr  eine  praktische 
Bedeutung  zu  geben.  So  haben  sich  die  Kenntnisse  vun  dem  Leben 
des  Menschen  als  einem  Naturprocesse  in  weiteren  Kreisen  verbreitet 
und  jedermann,  dem  die  Gcsundhcitscultur  als  ein  beachtenswcFther 
Gegenstand  erscheint,  sucht  sich  mit  den  Gesetzen  jenes  Proccsses" 
bekannt  zu  machen. 

Dazu  hat  namentlich  auch  die  neuere  wifsenschaftliche  Heilkunde^ 
die  sogenannte  physiologische  Schule,  beigetragen,  deren  reiche  und 
bewundernswerthe  Fortschritte  und  Entdeckungen  auf  die  öffentliche 
Gesundheitspflege  von  Bedeutung  geworden  sind.  Von  einem  ihrer 
tüchtigsten  Vorkämpfer  findet  sich  auch  in  diesem  Referate  eine  hier 
einschlagende  und  für  Schulmänner  recht  beachtungswerthc  Schrift. 
Dieser  Schule  mufs  es  als  ein  Verdienst  angerechnet  werden,  dafs  sie 
gegenwärtig  am  nachdrücklichsten  auf  die  Nothwendigkeit  einer  syste- 
matisch geregelten,  knnstmäfsigen  Muskelfibung  durch  das  Turnen  für 
Jung  und  Alt  beiderlei  Geschlechts  hingewiesen  hat.  Viele  Eltern, 
Lehrer  und  Schulbehorden  haben  solchen  Stimmen  Gehör  gegeben  nnd 
der  Jugend  ihr  Recht  zu  anregenden,  belebenden  und  erfrischenden 
Korperbewegungen  gewährt;  mehrere  Staatsregierungen  haben  die  An- 
gelegenheiten der  Gymnastik  bei  den  Schulen  dem  Organismns  ihrer 
Verwaltung  eingereiht. 

Solche  günstige  Erscheinungen  fallen  in  eine  Periode,  in  welcher 
das  Turnen  selbst  auch  anf  neuen  Stufen  der  Entwicklung  angekommen 
ist,  wonach  es  fähig  gemacht  wird,  seiner  Bestimmung  als  mensch- 
heitliche Angelegenheit  zu  entsprechen  and  neue  Bahnen  des  Eingangs 
in  Schule,  Hans  nnd  Leben  zu  finden.  Für  die  Schule,  besonders 
anch  für  die  höhere,  ist  die  Fortentwicklung  der  Turnkunst  nicht 
unwichtig,  da  sie  ja  am  meisten  davon  berührt  wird,  sofern  sie  nem« 


Tarniinterricilt.  327 

lieh  den  Begriff  der  Erziehung  in  seiner  Totalitat  erfafst  und  danach 
sich  auch  in  Wirklichkeit  an  der  Entwicklung  der  körperlichen  Seite 
ihrer  Zöglinge  hetheiligt.  Die  wahre  Erziehang  hat  den  Menschen 
snm  Meister  seines  Leibes  zn  machen,  damit  dieser  in  jeder  Beziehung 
des  sittlichen  Lebens  ein  zuverläfsiger  Diener  und  Träger  des  ihm 
einwohnendes  Geistes  sei.  Das  Haus  kann  dieser  wichtigen  und  um- 
fafsenden  Aufgabe  nicht  allein  genügen,  und  die  Schule  mufs  hier  ihre 
entschiedene  Mithilfe  um  so  mehr  eintreten  lafsen ,  als  sie  ja  mit  der 
ihr  vorzugsweise  zugetheilten  geistigen  Bildung  augenscheinlich  so  be« 
deutende  Anforderungen  an  ihre  Zöglinge  macht,  wodurch  deren  leibliche 
Wohlfahrt  nachweislich  in  ihren  hauptsächlichsten  Interessen  beein- 
trächtigt wird.  Von  hier  aus  wird  die  Gymnastik  für  die  Schule  zur 
paedagogischen  Nothwendigkeit,  denn  sie  legt  sich  eine  schwere  Ver- 
antwortlichkeit auf,  wenn  sie  nicht  dafür  Sorge  trägt,  den  durch  ihre 
Organisation  unvermeidlichen  Nachtheilen  die  geeigneten  Gegenmittel 
entgegenzustellen.  Nicht  blofs  der  Schule  im  allgemeinen,  sondern 
jedem  gewifsenhaften  Lehrer,  der  seinen  Schülern  in  dem  richtigen 
Verhältnisse  eines  Erziehers   und  nicht  in  dem  eines  blofsen  Docenten 

fegenüber  steht,  drängt  sich  die  moralische  Verpflichtung  auf,   durch 
ITeckung   des   Sinnes  für  leibliche   Bethätigung  der  Jugend  rathend, 
fordernd  und  helfend  zur  Seite  zn  stehen. 

Die  gelehrten  Schulen  werden  gegenwärtig  auch  immer  seltener, 
welche  in  ihrem  Erziehungsplane  nicht  auch  der  Gymnastik  ihre  ge- 
bührende Stellung  angewiesen  hätten,  weil  sich  diese  der  Schule  als 
das  einfachste  und  wirksamste  Mittel  einer  physischen  Erziehung  und 
als  Schutzmittel  gegen  leibliche  Verkümmerung  darbietet.  Indem  die 
paedagogische  Turnkunst  darauf  berechnet  ist,  den  Lebens-  und  Ent- 
wicklungsprocess  des  Schülers  für  die  Zwecke  der  Erziehung  zu  un- 
terstützen, hat  sie  das  instinctmäfsige  Walten  der  leiblichen  Natur 
methodisch  zn  leiten  und  die  natürlichen  Uebungen  durch  künstliche 
SU  erweitern,  damit  sich  ihr  Pflegebefohlener  zn  einer  Vollkommenheit 
entwickle,  welche  der  Idee  der  veredelten  Menschennatur  entspricht. 
Je  mehr  die  Tnrnknnst  den  Charakter  einer  systematischen  Erzie- 
hungskunst des  Leibes  annimmt  und  durch  ihre  gesamrate  Organisa- 
tion 1)  der  Jugend  für  Körper  und  Geist  wahrhaften  Nutzen  bringt, 
2)  die  Entfaltung  des  Jugendlebens  und  reiner  Jugendlust  fördert  und 
8)  den  Anforderungen  der  Paedagogik  und  des  Schulgemeinwesens  ge- 
recht wird;  desto  mehr  wird  sie  sich  in  den  Schulen  aller  Gattungen 
einbürgern  und  zur  Geltung  bringen.  Von  der  Zeit  an,  wo  das  Tur- 
nen aufhörte  fremde  Zwecke  zu  verfolgen  und  genöthigt  war,  seine 
Stützpunkte  in  sich  selbst  zu  suchen,  ist  es  auch  diesem  Ziele  durch 
selbständige  Entwicklung  entgegengegangen.  Die  vorgestellte  Litte- 
ratur  gibt  Zeugnis  von  diesem  eifrigen  Bestreben,  der  Sache  nach  in- 
nen und  aufsen  ihre  Gestaltung  zu  geben. 

Die  Heilsamkeit  der  Muskelaction  durch  Turnübungen  ist  bereits 
so  allgemein  hekannt  und  anerkannt,  dafs  es  unnütz  v^äre,  hier  dar- 
über viel  Worte  zn  machen.  Von  Wichtigkeit  war  es  aber,  dafs  man 
entdeckte,  jene  Muskelaction  müfse  nach  bestimmten  Gesetzen  erfol- 
gen, die  vom  Organismus  und  Leben  des  menschlichen  Körpers  zu 
entnehmen  wären,  so  dafs  als  das  Wesen  der  Turnkunst  der  Mensch 
seihst  in  der  vollen  Integrität  sowohl  seiner  Leiblichkeit  wie  seiner 
Geistigkeit  erscheinen  müfse.  So  wurden  Anatomie,  Physiologie  und 
Diaetetik  die  wesentlichsten  Hilfswifsenschaften  des  Turnens  als  ra- 
tioneller Leibesbildungskunst,  die  ihre  Bewegungslehre  und  ihre  Me- 
thodik danach  einzurichten  hatte  und  wegen  des  Zusammenhangs  mit 
der  geistigen  Seite  des  Menschen  auch  den  Gesetzen  der  Ethik  und 
Aesthetik  zn  unterwerfen  war.   Diese  wifscnschaftliche  Gestaltung  des 


328 II.  Rothslein  n.  A.  C.  Neumann:  Athenaeum  f.  rationelle  Gymnastik. 

Turnens  in  diesem  Sinne  ist  ihm  bekanntlich  dorch  den  Schwede* 
Ling  gegeben  worden,  welcher  eine  Lehre  von  deh  Korperbewegun- 
gen in  Uebereinstiinmung  mit  den  Gesetzen  des  menschlichen  Orga- 
nismus schuf  und  den  nächsten  Zweck  der  Gymnastik  in  der  Herstel- 
lung einer  Uebereinstimmung  zwischen  allen  Theilen  des  Körpers  er- 
kannte* 

Dieser  Richtung  gehören  die  oben  angezogenen  Schriften  Ton  Roth- 
stein an,  welcher  in  dem  'Athenaeum'  ein  eignes  Organ  gegründet 
hat,  um  darin  die  Gymnastik  nach  schwedischer  Auffafsung  einer  recht 
vielseitigen  Besprechung  zu  unterwerfen,  Mittheilungen  über  Erfah- 
rungen aus  der  Praxis  zu  geben  und  die  Beziehungen  der  Gymnastik 
zu  anderen  Kunst-  und  Wifsenschaftsgebieten  sowie  zu  den  verschie- 
denen Lebensverhältnissen  zu  unterhalten.  Das  ist  gewis  eine  ebenso 
wichtige  als  edle  Tendenz,  welche  nicht  nur  die  Tulle  Aufmerksam- 
keit aller  näher  betheiligten,  sondern  auch  das  Interesse  aller  gebil- 
deten, vor  allem  der  gelehrten  Schulmänner  verdient.  Ks  steht  diese 
Zeitschrift  bis  jetzt  als  einzig  in  ihrer  Weise  da,  und  die  Gediegen- 
heit ihrer  Artikel,  wie  die  würdige  und  wifsenschaftllche  Haltung  des 
Ganzen  lafsen  das  Unternehmen  jedesfalls  als  empfehlenswert h  erschei- 
nen. Nach  den  beiden  ersten  Heften  zu  .schliefsen,  scheint  Hr.  Roth- 
stein namentlich  die  Richtung  der  Gymnastik  auf  paedagogische  Zwecke 
und  Hr.  Dr.  Noumann  die  Heilgymnastik  zu  vertreten.  Vom  ersteren 
finden  wir  in  der  Einleitung  das  Programm  des  Athenaeums,  woran 
»ich  die  Entwicklung  des  Bcgrüfs  der  schwedischen  Gymnastik,  die 
Geschichte  und  Litteratur  derselben  und  ihre  Einbürgerung  zu  Berlin 
in  übersichtlicher  Darstellung  reihen.  Das  Ganze  zerfällt  in  3  Ab- 
schnitte: A.  die  Gymnastik  im  allgemeinen.  —  Die  Organomechanik 
und  gymnastische  Bewegungslehre.  —  Die  unterschiedenen  Zweige  der 
Gymnastik  im  besondern,  und  zwar  zunächs:  vorzugsweise  die  paeda-* 
gogische  Gymnastik,  demnächst  die  Heilgymnastik.  —  Die  Wehrgym-* 
nastik  und  die  aesthetische  Gymnastik.  B.  Nachrichten,  Notizen 
und  Aphorismen  über  gymnastische  Institute.  C.  Littcrnrisches.  Unter 
allen  3  Rubriken  sind  die  medicinischen  Artikel  die  vorherschendsten 
und  gediegensten,  wie  ja  überhaupt  die  schwedische  Gymnastik  ihrer 
ganzen  Natur  nach  mehr  geeignet  ist,  in  heilgymnastischen  Cnrsälen^ 
als  auf  den  Uebungsplätzen  der  Schulen  Erfolge  zu  erringen.  Vom 
Dr.  Neumann  rührt  die  trelFliche  Abhandlung:  'Fragmentarische  Be- 
trachtungen über  den  physiologischen  Unterschied  der  activen,  du- 
plicierlen  und  passiven  Bewegungen  des  mensclilichen  Organismus* 
her,  worin  die  3  von  der  schwedischen  Gymnastik  zur  Anwendung 
gebrachten  eigenthümlichen  Bewegungsformen  charakterisiert  werden« 
Von  demselben  Vf.  lesen  wir  weiter  noch  'über  therapeutische  Be- 
grenzung der  Heilgymnastik,  Mittheilungen  über  heilgymnastische 
Casuistik'  u.  dgl.  m.  Die  Artikel  über  paedagogische  Verwendung 
der  Gymnastik  sind  in  den  beiden  Heften  der  Zahl  und  dem  Gehalte 
nach  im  ganzen  unbedeutend.  Besonderes  Interesse  bietet  der  S.  57 
mitgetheilte  Plan  der  k.  preuss.  Central-Turnanstalt,  in  welcher  die 
preussischen  Turnlehrer  durch  einen  neunmonatlichen  Cursus  bei  täg- 
lich 5 — 6  Stunden  ausgebildet  werden.  Wie  die  schwedische  Gymna- 
stik nach  ihrer  gesammten  Richtung  und  wifsenschaftlichen  Anlage 
bekanntlich  sehr  hoch  geht  nnd  gegen  die  ältere,  mit  Recht  als  ein- 
seitig verworfene  Turnkunst  bis  zur  Uebertreibung  vielseitig  gemacht 
worden  ist,  so  erscheint  auch  dieser  Plan  als  sehr  umfänglich  ange- 
legt *),    Die  jungen  Lehrer  müfsen  ziemlich  ein  Jahr  lang  ihre  volle 


tomie , 


*)  Im  In  Quartal   stehen  auf  dem  Lectionsplan:   6  Stunden  Ana- 
e,  5  St.   Rüst-  und  2  St.  Freiübungen  und  7  St.  Degenfechten 


H.  Rothstein  u..A.  C.  Neumann:  Athcnaeom  f.  rationelle  Gymnastik.  329 

Zeit  dem  Gegenstande  widmen,  was  s.  B.  den  angehenden  Philologen 
and  Schalamtscandidaten  einen  der  wichtigsten  Zeitabschnitte  weg- 
nimmt. Das  unpraktische  dieser  Einrichtung  hat  sich  auch  schon  darin 
gezeigt,  dafs  anstatt  einer  Zahl  von  18  Lehrern,  wie  es  im  Plan« 
lag,  sich  in  der  Regel  noch  nicht  die  Hälfte  der  Nornialzahl  an  den 
Lehrcursen  betheiligte;  bei  dem  vorletzten  Lehrgange  betrug  die  Zahl 
der  Theilnehmer  nur  7.  Die  sonstigen  Mittheilungen  und  kritischen 
Anzeigen  bieten  gleichfalls  viel  beachtenswerthes ,  so  dafs  man  mit 
dem  reichhaltigen  StolTe  als  Beitrag  zu  einer  vorwiegend  theoretisch- 
physiologischen  Auffafsung  der  Gymnastik  recht  wohl  zufrieden  Kein 
konnte.  Doch  wird  man  nach  Einsicht  des  Athenaeums  in  der  schon 
früher  ausgesprochenen  Ansicht  bestärkt,  dafs  die  schwedische  Gym- 
nastik vorläufig  nur  ein  theoretisches  Interesse  habe,  so  lange  ihr  die 
rechte  praktische  Organisation  und  eine  an  unsern  Lehranstalten  sich 
bewährende  Durchführung  mangle.  Diese  paedagogisch  -  didaktische 
Handhabung  der  Sache  ist  est  vornehmlich,  welche  ihr  den  Eingang 
in  die  Schulen  erst  sichert.  Es  ist  nicht  genug,  ein  gymnastisches 
System  zu  gründen;  die  Hauptaufgabe  bleibt  immer  seine  Ausfuhrung 
nnd  Einführung  ins  wirkliche  Leben,  das  Anschliefsen  desselben  an 
gegebene  Zeitverhältnisse  und  bestehende  Einrichtungen.  Es  ist  nicht 
genug,  dafs  die  schwedische  Gymnastik  so  vorwiegend  die  leibliche 
Lebensseite  im  Auge  behält  und  in  ihren  Manipulationen  überall  das 
medicinische  Element  sorgfältig  wahrnimmt;  sie  mufs  weiter  zeigen,  dafs 
sie  eine  lehrbare,  schulmäfsige  Seite  an  sich  hat,  dafs  ihr  Unterrichts- 
BtofiT  mit  Classen  und  in  einer  wirklichen  Gemeinschaft  getrieben  wer- 
den kann,  dafs  sie  ein  geistig  bildendes  Element  in*  sich  habe  und 
wirksamen  Einilufs  auch  auf  die  sittlichen  vielverzweigten  Kräfte  des 
Zöglings  ausübe.  Von  dem  allen  ist  in  dem  von  Rothstein  weiter  aus 
gearbeiteten  Systeme  Lings  auch  wohl  die  Rede;  allein  seine  technisch- 
didaktische Gestaltung  ist  so  monoton,  ungefüge  und  steif  commando- 
förmlich ,  dafs  man  hier  nichts  von  dem  wiederfindet,  was  in  der 
Theorie  von  ethischem.  Geistigkeit  n.  dgl.  m.  gesagt  wird.  Nach  R. 
werden  bekanntlich  die  gymnastischen  Uebungen  durch  sogenannte 
Uebungszettel  genau  vorgeschrieben  und  ängstlich  zugewogen,  was 
wohl  eine  unerläfsliche  Ordnung  herstellt,  zugleich  aber  von  einer 
ertödtenden  Langweiligkeit  begleitet  ist.  Solch  eine  Methode,  wenn 
man  das  so   nennen   kann,    läfst  sich   möglicherweise  bei   einer  Com- 

Sagnie  Soldaten  zur  Anwendung  bringen,  die  mit  allen  Mitteln  der 
ubordination  zum  Stillstehen  gebracht  werden;  etwas  anderes  ist  es 
aber  mit  einer  Schaar  von  lebendigen  Knaben  und  Jünglingen,  welche 
beim  Turnunterricht  zwar  auch  in  eine  derbe  Schule  der  Zucht  und 
Ordnung  genommen  werden  müfsen,  ohne  dafs  jedoch  das  Gesetz  der 
Freiheit  und  der  Kunst  durch  das  Vorhersehen  einer  blinden  Subor- 
dination verdrängt  wird.  Soweit  die  Bestrebungen  der  schwedischen 
Schule  bekannt  geworden  sind,  wird  dieselbe  ihrem  ganzen  Zuschnitte 
nach  namentlich  einer  Gymnasialjugend  stets  etwas  fremdes  bleiben, 
nnd  wir  müfsen  immer  wieder  auf  das  verweisen,  was  in  diesen  NJahrb. 


(wöchentlich);  im  2n  Quartals  6  St.  Anat.  u.  Physiologie,  3  St.  Vor- 
trage über  Gymnastik,  2  Instructionsstunden ,  6  St.  Rustubungen,  3 
8t.  Degen-  nnd  2  St.  Bajonetfcchten,  3  St.  zur  Disposition  und  an  4 
Nachmittagen  1 — 2  St.  applicatoriacher  Unterricht;  im  3n  Quartal:  5 
8t.  Physiologie  u.  Diaetetik,  1  St.  Freiübungen,  sowie  Ringen  und 
Werfen,  2  St.  Vorträge  über  Gymnastik,  2  Instructionsstunden,  6  St. 
RiUtnbungen,  3  St.  Degenfechten,  2  St.  Bajonetfcchten,  3  St.  «ur 
Bisposition  und  an  4  Nachmittagen  applicatorischer  Unterricht. 

A'.  Jtihrb.  f.  na.  u.  Paed.  Bd.  LXX.  Hft.  3.  22 


330         H.  Roilislein:  dio  acslhetischc  Gymnastik.  l8  Heft. 

Bd.  LXI V  S.  391-404  and  Bd.  LXVII  S.  533—551  über  A.  Spicf» 
uud  seine  Turnweise  gesagt  wurde.  Ref.  ist  auch  nach  Einsicht  der 
neusten  litterarischen  Erzeugnisse  der  schwedischen  Turnschule  in  der 
Auflafsung  bestärkt  worden,  dafs  dieselbe  hinsichtlich  einer  paeda> 
gogisch- scholastischen  und  aesthetisch  -  harmonischen  Gestaltung  des 
praktischen  Unterrichts  hinter  den  Erwartungen  zurückbleibt,  welche 
von  ihren  Vertretern  durch  eine  mit  starker  Ueberschätzung  eigner 
Verdienste  verbundene  Verwerfung  alles  bei  uns  vorhandenen  rege 
gemacht  wurden.  Die  von  Spiefs  stark  reformierte  deutsche  Turnkunst 
wird  in  dieser  Beziehung  von  ihrer  schwedischen  Schwester  nimmer- 
mehr überholt  werden  können;  jene  wird  in  den  Händen  eines  paeda- 
gogisch  und  physiologisch  gebildeten  Lehrers  stets  gunstigere  Resul- 
tate erzielen. 

Durch  einen  Aufsatz  des  Athenaeum  'von  der  Gestalt  und  den 
räumlichen  Verhältnissen  des  menschlichen  Körpers'  (S.  103—119)  wer- 
den wir  darauf  vorbereitet  nun  weiter  zu  lernen,  wie  die  Gymnastik 
in  der  'aesthetischen  Gymnastik'  ihre  Aufgabe  auf  das  geistigste 
zu  erfafsen  habe.  Es  ist  schon  gesagt  worden,  dafs  die  ' aesthetische 
Gymnastik'  ein  Name  für  keine  Suche  sei,  sondern  nur  für  eine 
Classe  von  Bestrebungen.  Auch  Timm  in  dem  Werke:  'das  Turnen' 
will  die  'aesthetischc  Gymnastik  niclit  als  Hauptart  gelten  lafsen  und 
nennt  die  Aufstellung  derselben  eine  verfehlte.  'Insofern  die  gcsammte 
Gymnastik  den  menschlichen  Organismus  zur  Darstellung  seiner  natür- 
lichen Einheit  bringen  will  und  überall  volle  Harmonie  jeder  Bewe- 
gung fordern  mufs,  kann  das  aesthetische  Element  nur  einen  Gesichts- 
punkt, aber  keine  Art  abgeben.'  Das  hält  aber  Hrn.  Rothstein  nicht 
ab,  sein  System  weiter  zu  constfuieren  und  ihm  in  dem  vorliegenden 
Werke  (Nr.  2)  'das  höchste  Glied  oder  so  zu  sagen  die  Krone  oder 
Blüte  der  Gymnastik'  hinzuzufügen. 

Die  Aufgabe  der  aesthetischen  Gymnastik  bestimmt  der  Hr.  Vf. 
(8,  5)  dahin:  'das  Aeufsere  des  Menschen  als  den  adaequaten  Aus- 
druck dessen  erscheinen  zu  lafsen,  was  in  seinem  Innern  vorhanden 
ist  und  vor  sich  geht,  was  sein  Gemüth  fühlt  und  begehrt,  sein  Geist 
denkt  und  will,  und  wobei  das  Aeufsere  des  Menschen  ebensowohl  in 
seiner  physiognomischcn  Erscheinung  wie  auch  in  seinen  Handlungen 
oder  Actionen  zu  suchen  ist;  so  dafs  also  der  Mensch  gleichsam  alt 
ein  lebendiges  schönes  Kunstwerk  erscheint,  dessen  Idee  aus 
der  Erscheinung  hervorleuchtet  und  so  auch  Gegenstand 
der  aesthetischen  Anschauung  wird.'  Ihre  Stellung  zum  Ling- 
schen  System  hat  der  Vf.  bereits  in  dem  In  Abschnitte  seines  grö- 
fsern  Werks  (S.  281)  aus  dem  objectivpassiven  Verhältnis  entwickelt, 
in  welchem  sich  der  Mensch  unserer  Betrachtung  darstelle  ♦). 

Wenn  Hr.  R.  schon  in  der  paedagogischen  Gymnastik  den 
Menschen  als  Subject  betrachtete,  welches  durch  seine  Willensbestim- 
mung  und  durch  Vermittlung  seiner  eignen  Willensorgane  sich  selbst 
in  Bewegung  setzt  und   dabei  dieses   Thun,   welches  sich  so   in   der 


*)  Dort  argumentiert  er  nemlich  also:  der  Mensch  stellt  sich  una 
als  Mensch  in  einem  vierfachen  Grnndverhältnis  dar:  zunächst  als 
Subject  oder  als  Object,  und  demnächst  in  jeder  dieser  Stellangen  ent* 
weder  activ  oder  passiv.  Hieraus  ergeben  sich  die  vier  Verhältniaae : 
das  subjectivactive ,  das  tubjectivpassive,  das  objectivactive  und  daf 
objectivpassive,  und  hiernach  gliedert  sich  die  Gymnastik  ans  ihrem 
Innern  heraus  in  die  4  Zweige,  welche  in  Lings  System  unterschieden 
sind:  die  pacdagogische  Gymnastik,  die  Heilgymnastik,  die  Wehr- 
gymnastik  und  die  aesthetische  Gymnastik. 


II.  Rothstein:  dio  aesthetisclic  Gymnastik.   Is  Heft.         331 

actJTen  Leibesbewegnng  offenbart,  als  eine  behufs  seiner  snb- 
jectiTen  und  der  Idee  des  Menschen  entsprechenden  Ausbilduni; 
anzustellende  Uebnng  activ  Tollfuhre,  so  mufs  in  der  That  die  beson- 
dere Abzweigung  der  aesthetischen  G.  auf  sehr  künstlichem  Wege  zu 
Stande  gebracht  werden,  da  der  Mensch  auch  hier  ebenso  wie  bei 
der  paedagogischen  G.  als  ein  'Symbol  einer  hohen  gottlichen  Idee' 
erscheint,  und  der  Umstand,  'dafs  der  Mensch  dabei  Gegenstand  der 
aesthetischen  Anschauung  wird',  nicht  als  charakteristisches  Merkmal 
der  aesthetischen  G.  in  Betracht  kommen  kann,  insofern  auch  bei  der 
paedagogischen  G.  der  Mensch  stets  Gegenstand  der  Anschauung,  z. 
D.  des  Gymnasten,  bleibt,  was  bei  der  Begriffsbestimmung  übrigens 
gleichgiltig  ist.  So  würden  der  aesthetischen  G.  nur  solche  leibliche 
Darstellungen  Terbleiben,  welche  als  'adaequater  Ausdruck'  des  Füh- 
lens,  Denkens  und  Woilens  zu  betrachten  wären.  Die  Natur,  wie  sie 
for  jeden  Ausdruck  der  Leidenschaft,  für  jede  Stimmung  der  Seele 
ihren  eignen  Ton  und  eigne  Bewegung  in  der  Sprache  und  Stimme 
hat,  hat  dafür  auch  ihre  eignen  Bewegungen  und  Stellungen  im  Kör- 
per. Die  Muskeln  sind  in  diesem  Sinne  die  aufseren  Werkzeuge  der 
seelischen  Thätigkeit,  und  jedermann  weifs,  dafs  der  zornige,  der 
stolze,  der  erschrockene,  der  betrübte,  der  fröhliche  u.  s.  w.  den 
Charakter  seiner  Stimmung  auch  in  den  uns  bekannten  körperlichen 
Gebährden  ausdrückt.  Auf  diese  Erscheinungen  hat  man  eine  beson- 
dere Kunst  gegründet,  welche  gleichsam  als  Körperliche  Beredsamkeit 
dazu  dient,  einem  andern  seine  Gedanken  mittels  des  Körpers  und 
gewisser  ModiHcationen  desselben  so  mitzutheilen,  dafs  sie  den  beab- 
sichtigten Eindruck  auf  ihn  machen.  Eine  solche  Kunst  hütte  für 
ihren  Zweck  die  mnnigfaltigen  Ausdrücke  der  verschiedenen  Gemüths- 
zustände  und  Handlungen  zu  studieren  und  die  Geschicklichkeit  zu 
lehren,  dafs  durch  Haltung,  Stellung  und  Gang,  und  vorzüglich  durch 
Bewegung  der  Hände  und  Mienen  jene  menschlichen  Vorstellungen  so 
vorgeführt  werden  können,  wie  sie  sich  aus  dem  rndividuum  selbst 
herausgestalten  oder  von  ihm  nach  einem  poetischen  Ideal  zur  Dar- 
stellung gebracht  werden.  Diese  Kunst  ist  nicht  neu  und  hat  nach 
den  verschiedenartigsten  Richtungen  hin  ihre  Ausprägung  erhalten, 
wie  in  dem  Ballet,  in  der  Schauspielkunst,  in  der  Pantomimik,  der 
Attitüde,  in  den  sogenannten  lebenden  Bildern  u.  s.  w.  Wir  er- 
innern nur  an  die  im  vorigen  Jh.  bewunderte  Lady  Hamilton,  wel- 
che ihr  im  hohen  Grade  ausgebildetes  Schaustellungstalent  bei  ihrem 
Aufenthalte  in  Italien  selbst  auf  die  Nachbildung  der  Antiken  mit 
grofsem  Erfolge  anwendete.  Zu  solch  einer  Fertigkeit  ist  allerdings 
der  freie  Gebrauch  eines  wohlgestalteten  und  beweglichen  Korpers, 
wie  ihn  die  rationelle  Gymnastik  heranbildet,  vor  allem  Bedürf- 
nis. Eine  andere  Frage  ist  aber  die:  ob  solch  eine  Kunst  als  eine 
selbständige  vom  körperlichen  heraus  zu  construieren  sei  und  so  als 
Aufgabe  und  als  ein  besonderer  Zweig  der  Gymnastik  gelten  könne, 
oder  ob  sie  nicht  vielmehr  von  der  Poesie  getragen  und  abhängig,  nur 
eine  untergeordnete  Stellung  zu  anderen  Wifsenschafts-  oder  Kunst- 
richtungen einzunehmen  hätte.  In  diesem  Sinne  wäre  die  aesthetische 
Gymnastik  nur  eine  Gehilfin  der  Mimik,  welche  im  weitern  Sinne  als 
die  Kunst  gilt,  mit  deren  Hilfe  geistige  Zustände  ausgedrückt  werden 
können.  Hr.  R.  ist  aber  anderer  Meinung,  indem  er  die  aesthetische 
G.  als  den  ^Inbegriff  derjenigen  schonen  Künste,  welche  hauptsäch- 
lich anter  dem  Namen  der  Mimik  und  Orchestik  auftreten',  betrach- 
tet. Ob  er  diese  Selbständigkeit  und  charakteristische  Ausbildung  der 
aesthetischen  G.  der  Theorie  nach  und  insbesondere  auch  für  die  prak- 
tische Ausübung  festzuhalten  im  Stande  sein  wird ,  mufs  erst  der  2e 
Theil   dieses  Werks  nachweisen.     Der   hier  vorliegende  le  Theil  läfst 

22* 


332         H.  Rotlistein:  die  aesthetische  Gymnaslik.  U  lieft. 

uns  noch  über  die  wichtif^sten  Punkte  hinsichtlich  einer  scharfen  Un- 
terscheidung der  aesthetischon  G.,  namentlich  von  der  paeda^^ogt- 
sehen  im  unklaren.  Der  Hauptabschnitt:  'der  menschliche  Leib  als 
des  concreten  menschlichen  Geistes  Organ  und  Erscheinung'  ($.  13 — 
34)  würde  z.  B.  ganz  als  integrierender  Thoil  einer  paedagogischcn  G. 
anzusehen  sein,  während  das  *  Historische'  (^\  6 — 12)  wiederum  in  nä- 
herem Zusammenhange  mit  der  Schauspielkunst  und  Tanzkunst  steht 
und  hier  oft  etwas  gewaltsam  in  Bezug  auf  vorliegenden  Gegenstand 
gesetzt  wird.  Dieses  Verschwimmen  der  verschiedenen  Materien  in- 
einander ist  auch  in  dem  vorliegenden  Werke  vielfach  störend  und 
erschwert  das  Herausfinden  'der  langen  Rede  kurzen  Sinns'.  Mit  be- 
deutendem Aufwände  philosophischer  Gelehrsamkeit  sind  alle  nur  im 
entferntesten  zur  Gymnastik  in  Beziehung  stehenden  Gegenstände  in 
einer  hochgehenden  Diction  ziemlich  lose  aneinander  gereiht  und  reich- 
lich mit  Citaten  aus  philosophisch  -  aesthetischen  Schriften  Hegels, 
Schillers,  Vischers,  Schuberts,  Winckelmanns  u.  a.  unterstützt,  so  dafs 
von  den  157  Seiten  doi  Buches  volle  37  Seiten  fortlaufende  Anfuh- 
rungen anderer  Schrift.*«teller  in  Abzug  zu  bringen  sind.  Die  aesthe- 
tische Gymnastik  erscheint  darum  noch  nicht  als  eine  sicher  begrün- 
dete und  organisch  gegliederte  Wifsenschaft,  sondern  mehr  als  ein 
höchst  interessanter  und  geistreicher  'Beitrag  zur  Aesthetik  der 
Gymnastik'.  Man  konnte  hier  füglich  in  mehr  als  ^iner  Beziehung  von 
einer  'Gymnastik  der  Zukunft'  reden. 

Die  'weitere  Betrachtung  aus  der  gymnastischen  Bewegungslehre' 
(S.  120 — i-Ü))  wiederholt  vieles,  was  schon  in  den  frühem  Abschnitten 
über  diesen  Gegenstand  gesagt  war,  beginnt  aber  hier  mit  einer  de- 
tallierten  Angabe  der  Gesichts-  und  Antlitzmuskeln ,  da  jedes  Mienen- 
spiel wesentlich  vom  Mechanismus  derselben  abhängig  ist.  Für  den 
Zweck  der  Schrift  hat  der  Hr.  Vf.  mit  grofser  Genauigkeit  die  Thä- 
tigkeit  der  einzelnen  Muskeln  bei  verschiedenen  Affecten  und  mimi- 
schen Ausdrücken  beigefügt.  Der  Mimiker  wird  aber  nirht  fragen: 
welche  Muskeln  nehme  ich  bei  diesem  oder  jenem  Gesichtsausdrurk  in 
Anspruch?  sondern  er  wird  sich  in  die  beabsichtigte  Stimmung  durch 
die  Thätigkeit  seines  Geihtes  vernetzen,  und  je  mehr  ihm  dieses  ge- 
lingt, wird  sich  der  Gebrauch  der  Ge.sichtsmu^keln  ohne  eine  be- 
sondere Berechnung  ergeben.  Hr.  R.  legt,  wie  überhaupt,  so  auch 
hier  zu  viel  Gewiclit  auf  das  körperliche.  Derjenige,  welcher  in  der 
Ausbildung  der  Ge.sichtsmuskeln  den  höchsten  Grad  von  Virtuosität 
erlangt  hätte,  würde  demjenigen  doch  immer  nachstehen,  welcher  bei 
einem  geringern  Grade  der  Au.sbildung  von  hier  in  Betracht  kommen- 
den Organen  doch  das  Mienenspiel  geistig  beherschte. 

'Ks  ist  der  Geist,  der  sich  den  Körper  baut.' 
An  diese  Worte  des  Dichters  müfsen  wir  den  Hrn.  Vf.  auch  erinnern, 
wenn  wir  S.  127  weiter  lesen:  'unedler  und  unschöner  Aus- 
druck ist  sehr  oft  lediglich  eine  Folge  oft  wiederholter 
ubergrofser  oder  heftiger  Muskelanstrengung,  weshalb  man 
auch  Bo  häufig  einen  solchen  Ausdruck  in  denjenigen  Arbeiterclassen, 
welche  sehr  anstrengende  Arbeit  verrichten,  sowie  bei  Turnern  und 
Seiltänzern  antrifTt'.  Jedermann,  der  sich  nur  einigermalsen  mit  offnem 
Blicke  umgesehen  hat,  wird  das  verkehrte  dieser  Ansicht  darin  fin- 
den, dafs  nicht  einseitige  Korperausbildung,  sondern  d«»r  höhere  oder 
niedere  Grad  geistiger  Bildung  im  allgemeinen  den  Gesicht  sausdruck 
bestimmt.  Die  physiognomische  Vergleirhung  von  2  Turneräbtheilnn- 
gen,  von  denen  die  eine  z.  B.  von  Lehrlingen  und  Gesellen,  die  an- 
dere etwa  von  Primanern  und  Secundanern  einer  Gelehrtenschnle  ge- 
bildet wäre,   würde  uns   sofort  auf  den   wahren  Grund  der  gewis  in 


II.  Rolbslein:  Anleiiuiig  zn  den  Uebungen  am  VoUigirbock.    333 

die  Allgen  springenden  Verschiedenartigkeit  in  dem  Gesichtsausdrnck 
leiten. 

Doch  Hr.  R.  ist  von  der  Wirksamkeit  der  schwedischen  Gymna- 
fitik  als  Universal-Bildungsmittel  so  fest  überzeugt,  dafs  es  uns  nicht 
Wunder  nähme,  wenn  er  behauptete:  durch  die  genau  berechneten  und 
harmonisch  angewendeten  Manipulationen  derselben  einer  8chaar  roher 
und  ungebildeter  Leute  binnen  kurzem  die  ausdrucksvollsten  und  edel- 
sten Gesichtszuge  zu  verleihen.  Solche  und  ahnliche  Ansichten,  aus 
deuHn  eine  Ueberschätznng  der  Gymnastik  überhaupt  und  der  schwe- 
dischen insbesondere  zu  entnehmen  ist,  finden  sich  häufig  in  den 
R.schen  Werken,  z.  B.  hier  auf  S.  129,  wo  es  heifst:  Mn  Betroff  der  Glie- 
derbewegungen  aber  ist  das  metrische  bisher  theils  gar  nicht,  theils 
nur  sehr  dürftig  und  einseitig  Gegenstand  der  gymnastischen  Ausbii- 
dong  gewesen,  und  es  ist  einer  der  besonderen  Vorzüge  der  Ling- 
8 eben  Gymnastik,  dieses  Bildungs-  und  Darstellungsmittel  in 
ebenso  rationeller  und  consequenter  Weise  erfafst  und  benutzt  zu  ha- 
ben, wie  alle  in  der  Gymnastik  liegenden.'  Wenn  das  sich 
irgendwo  in  der  Praxis  der  Gymnastik  herausstellen  konnte,  so  ist 
dazu  die  geeignetste  Gelegenheit  bei  Behandlung  der  Freiübungen. 
Wir  haben  schon  früher  bei  Besprechung  der  R.schen  ^Freiübungen 
nach  dem  Systeme  Lings»  (NJahrb.  Bd.  LXVJI  S.  544  ff.)  darauf  hin- 
gewiesen, wie  es  sich  mit  der  behaupteten  Erschöpfung  der  in  der 
Gymnastik  liegenden  Bildungsmittel  seitens  der  schwedischen  Schule 
namentlich  im  Vergleich  mit  Spiefsscher  Auffafsung  und  Behandlung 
eigentlich  verhalte.  Danach  hätte  die  schwedische  Gymnastik  keines- 
wegs Ursache,  sich  die  Eigenschaften  des  allein  selig  machenden 
Evangeliums  zu  vindicieren.  Bis  jetzt  ist  sie  mit  sehr  vielem  im 
Papier  und  in  blofsen  Phrasen  stecken  geblieben.  Hinsichtlich  der 
^aesthetischen  Gymnastik',  bis  zu  welcher  sich  die  deutsche  Turn- 
srhule  allerdings  noch  nicht  verstiegen  hat,  mag  ein  bestimmteres 
Urtheil  erst  nach  Vollendung  des  vorstehenden  Werks  statthaft  sein. 
Uebrigons  kommt  durch  dasselbe  viel  Einsicht  und  Kenntnis  zu  der 
bildungsfähigen  Sache,  die  in  dem  Grade  an  Wirksamkeit  gewinnt 
und  vor  Entartung  bewahrt  bleibt,  als  sie  auf  dem  fruchtbaren  Boden 
der  Wifsenschaft  gepflegt  wird.  Die  vollste  Anerkennung  eines  tüch- 
tigen und  fleilsigen  Strebens  für  den  letztern  Zweck  wird  auch  der 
Hrn.  Rothstein  zollen  müfsen,  der  sich  mit  ihm  hinsichtlich  der  Ge- 
staltung des  Turnens  in  den  gegenwärtigen  Culturverhältnissen  nicht 
ganz  in  Uebereinstimmung  befindet. 

Nr.  3  von  demselben  Vf.  gibt  eine  sehr  zweckmäfsige  Auswahl 
von  Uebungen  einer  recht  beachtenswerthen  Turnart.  Durch  die  Ver- 
bindung des  bei  den  Voltigierübnngen  stattfindenden  Sprunges  mit  Stütz- 
übungen aller  Art  wird  die  allseitige  gymnastische  Ausbildung  wesent- 
lich gefördert,  besonders  wenn  dazu  ein  gewisser  Grad  turnerischer 
Vorbildung  mitgebracht  wird.  Die  dabei  stattfindende  stärkere  Kör- 
peranstrengung und  wegen  sicherer  Ausführung  vorauszusetzende  grö- 
fserc  Geübtheit  lafsen  diese  Uebungen  namentlich  für  die  reifern  Al- 
tersstufen als  angemefsen  erscheinen,  z.  B.  für  die  Schüler  der  obern 
Gym  nasialclassen.  Neben  ihrer  Zweckmäfsigkeit  sind  diese  Ue- 
bungen für  reifere  Schüler  auch  anziehend,  so  dafs  sie  auf  keinem 
Gymnasial  -  Turnplatze  mehr  fehlen  sollten.  Das  R.sche  Werkchen 
durfte  sich  zur  Benutzung  beim  Unterrichte  solcher  Schülerclassen 
ganz  brauchbar  erweisen.  Die  ziemlich  genauen  Beschreibungen  sind 
durch  gute  Abbildungen  unterstützt.  Um  die  etwa  einseitige  oder 
stark  aufregende  Wirkung  der  Voltigicrnbungen  auszugleichen,  hat  der 
Hr.  Vf.  ganz  zweckmäfsig  einige  passende,  ruhigere  Freiübungen  da- 
zwischen gelegt.   Die  auf  S.  1—10  gegebenen  Erläuterungen  verdienen 


334  H.  E.  Richter:  Blutarmulh  uud  BleichsuohU 

volle  Beachtung  für  einen  wahrhaft  bildenden  and  gedeihlichen  Turn- 
unterricht. ,        „r    ,      ,      „        «.     ^   « •    . 

Nr.  4.  Wenden  wir  uns  nun  zu  dem  Werke  dea  Hrn.  Prof.  Rich- 
ter so  lernen  wir  hier  einen  Krankheitszustand  kennen,  welcher  die 
Aufiiierksamkeit  aller  gewilsenhaften  Erzieher  um  so  mehr  verdient, 
als  er  sich  am.  häufigsten  in  den  Schul-  and  Wachsthurnnjahren  der 
Jugend  zeigt  und  seinen  Kntstehungsgrund  meist  in  naturwidriger  Le- 
bens- and  Krziehungsweise  findet.  Man  hat  diese  Blutarmulh  als  eine 
leider  sehr  häufig  erscheinende  Krankheit  der  Gegenwart  zu  beklagen, 
und  es  ist  ein  sehr  yerdienstliches  Unternehmen  des  Hrn.  Vf.,  über 
die  Natur  derselben  die  so  nöthige  Aufklärung  gegeben  zu  haben. 
Wir  lernen  hier  das  Blut  als  den  Mittelpunkt  aller  Lebensthätigkeiten 
im  menschlichen  Organismus  kennen,  von  dessen  Verfafsung  die  ge- 
sammte  Gesundheit  und  alles  leibliche  Wohlergehen  abhängig  ist. 
Nachdem  uns  der  Vf.  S.  1 — 10  in  klarer  übersichtlicher  Darstellung 
über  die  chemischen  Bestandtheile  des  Blutes,  über  seine  Bereitung 
und  seine  Thätigkeit  für  Ernährung  und  Belebung  aller  Organe  be- 
lehrt hat,  folgt  eine  Charakteristik  der  Blutkrankheiten  im  allgemei- 
nen und  der  Blutarmulh  im  besondern.  Die  letztere  erscheint  als  eine 
fehlerhafte  Mischung  der  dem  Blut  nothwendigen  ErnährungsstolTe  oder 
Hauptbestandtheile ,  indem  durch  ein  Fehlen  der  so  wichtigen  Blut- 
körperchen die  Gesundheit  und  Ernährungsfahigkeit  des  Blutes  ver- 
loren geht.  Nach  den  Symptomen  wird  dieser  krankhafte  Zustand  unter 
Bleichsucht  verstanden.  Der  Vf.  gibt  als  Kennzeichen  (S.  21  ff.)  dieses 
Zustandes  an:  1)  eine  grünlich-  oder  gelblich-weif^ie  Hautfarbe,  was 
die  Aerzte  in  der  vollständigen  Entwicklung  die  ^wächserne  Bleich- 
sucht' nennen.  In  den  milderen  Fällen  und  den  ersten  Stadien  der 
Krankheit  soll  jedoch  häufig  eine  schonweifse  Haut  mit  hellem  Roth 
der  Wangen  ('die  wie  Milch  und  Purpur  prangen')  das  Uebel  verra- 
then,  wodurch  sich  nicht  selten  Eltern,  ja  selbst  Aerzte  täuschen 
liefsen.  Als  weitere  Merkmale  führt  das  vorstehende  Buch  an:  2) 
Bleichheit  der  Schleimhäute,  namentlich  der  Lippen;  3)  Gefäfsleere, 
was  sich  statt  der  gesunden  graublauen  Farbe  der  oberen  Hautvenen 
in  einer  violetten  oder  röthlichen  Farbe  derselben  bei  den  bleichsüch- 
tigen zu  erkennen  gibt;  4)  Muskelschwäche;  5)  Herz-  und  Athem- 
noth;  6)  Nervenzufälle;  7)  Verdauungsstörungen.  Durch  eine  Menge 
interessanter  und  scharfsinniger  Beobachtungen  gibt  der  Vf.  sichere 
Erkennungsmittel  der  Krankheit.  Besonders  wichtig  ist  das  Capitel 
'von  den  Ursachen  der  Blutarmuth'.  Da  heifst  es  unter  anderem  8, 
56:  'die  Ursachen,  welche  diesen  der  gröfsern  Hälfte  unserer  städti- 
hchen  Schulkinder,  besonders  der  Mädchen,  eigenthümlicheu  Blutman- 
gel bedingen,  sind  jedesfalls  manigfaltig.  Obenan  stelle  ich  die 
Einfiü  fse  der  Schule  selbst,  die  ganze  der  kindlichen  nnd  ins- 
besondere weiblichen  Natur  zuwiderlaufende  Disciplin,  Eniehunga- 
und  Unterrichtsweise  derselben,  die  überfüllten,  schlechtgelüfteten 
Stuben,  den  Mangel  der  Freistunden,  die  täglichen  6  bis  7  Stunden  dea 
StUlsitzens,  die  einseitige  Verstandesrultur  u.  s.  w.  Da»  wichtigste 
dieser  Momente  jedoch  ist  nach  meinen  sehr  zahlreichen  Beob- 
achtungen immer  die  Vernac  hläfsigung  der  Muskelthätig- 
keit,  und  ich  stehe  nicht  an  (obschon  es  ein  Zirkel  in  der  Schluis- 
folgerong  ist)  anzunehmen,  dafs  im  lebenden  Organismus  nicht  nar 
das  Blut  für  die  Erzeugung  von  kräftiger  Muskelsubstanz,  sondern 
auch  umgekehrt  ein  tüchtig  ausgearbeitetes  Muskelsystem 
für  die  Erzeugung  eines  kraftigen  und  an  Blutkörpern 
reichen  Blutes  eine  Hauptbedingung  ist.'  Hr.  R.  warnt  da- 
vor, die  Bleichiacht  als  eine  Folge  der  Pubertatsentwicklung  anzu- 
sehen, was  nur  laweilen  der  Fall  sei;  hinsichtlich  der  Bleich- 


IK  E.  Uichter:  Blutannuth  and  Bleichsucht.  335 

sncht  der  älteren  Knaben  and  Jünglinge  wäre  da«  bei  den 
Aerzteu  schon  anerkannt.  8eine  Meinung  über  die  Blutarniuth  des 
Janglingsalterh  geht  dahin,  «dafs  dieselbe  in  den  meisten  Fällen  eine 
Wachsthuntskrankheit,  ein  von  der  gesammten  körperlichen,  besonders 
der  Muskelentwicklung  abhängiger  Zustand  sei,  der  nur  als  Folge  oder 
Nachwirkung  in  der  Pubertätszeit  su  seiner  höhern  Ausbildung  su 
kommen  pflegt'^ 

Wir  mäfsen  auf  das  Buch  selbst  verweisen,  welches  die  Kntste> 
hang  der  Blutannuth  von  Tuberkeln  (am  häufigsten  in  den  Jünglings- 
and  angehenden  Mannesjahren  zur  Entwicklung  kommend),  von  Ent- 
behrungen, Verdauungsstörungen,  Säfteverl asten,  Nervenleiden  u.  s. 
w.  (S.  41 — 57)  einer  lehrreichen  Betrachtung  unterwirft.  Man  fragt 
sich  billig:  woher  es  komme,  dafs  gegenwärtig  erst  so  viel  von  dieser 
Krankheit  die  Rede  ist,  von  deren  häufiger  Verbreitung  man  früher 
ao  viel  wie  nichts  wüste.  Ks  ist  das  eine  Folge  der  oben  bezeichne- 
ten Forschungen  der  neueren  wifsenschaftlichen  Heilmethode,  welche 
durch  den  Fortschritt  der  Naturwifsenschaften  zur  Aufklärung  über 
das  eigentliche  Wesen  der  Krankheiten  geführt  wurde.  Die  vorlie- 
gende 8chrift  ist  ein  schönes  Zeugnis  für  diesen  Fortschritt,  der  we- 
sentlich zur  Beseitigung  von  Verkehrtheiten  und  schreienden  Uebel- 
ständen  im  Bereiche  der  physischen  Erziehung  beitragen  wird. 

Dafs  sich  jener  kraiiLhafte  Zustand  gerade  bei  uns  häufig  zeigt, 
findet  zum  Theil  seine  Erklärung  auch  in  den  klimatischen  Verhält- 
nissen. Das  Klima  von  Europa  ist  durchschnittlich  ein  feuchtes  ver- 
änderliches Klima,  und  die  feuchte,  wenig  warme  Luft  beeinträchtigt 
physikalisch  den  StolTwechsel.  Die  bei  uns  einheimischen  Krankheiten, 
wie  der  Gastricismus,  Verdauungsschwäche,  Scrophelsucht  and  Blnt- 
armuth  rühren  meist  davon  her,  dafs  die  Blutoxydation  durch  die  hin- 
derlichen Eigenschaften  der  Luft  zu  wenig  begünstigt  wird,  weshalb 
sich  Hemmungen  in  der  Bewegung  des  Blutes  zeigen ,  die  auch  eine 
fehlerhafte  Mischung  dessell)cn  nach  sich  ziehen.  Aus  den  Wirkungen 
der  Atmosphaere  auf  die  Bildungsthätigkeit  des  Organismus,  auf  die 
iStoffumwandlungen  u.  s.  w.  hat  man  deshalb  nicht  mit  Unrecht  das 
bei  uns  häufige  Vorkommen  der  Scropheln  und  der  Biutarmuth  herge- 
leitet, die  z.  B.  beim  Tropenbewohner  und  beim  Bewohner  der  kalten 
Zone  unbekannt  sind.  Damit  wird  uns  die  Nothwendigkeit  besonders 
nahe  gelegt,  gegen  solche  Schädlichkeiten  die  geeigneten  vorbauenden 
iVlittel  anzuwenden.  Hr.  R,  gibt  zur  Verhütung  der  Biutarmuth  oder 
zur  Beseitigung  derselben  in  mren  Anfängen  einige  positive  Regeln  (S. 
61  ff.),  welche  sich  auf  Vermehrung  der  Blutbereitung  im  Unterleib 
durch  geeignete  Nahrungsmittel,  auf  fleifsige  Hautcultur  ,  auf  Pflege  des 
gesammten  Nervenlebens,  Bewegung  in  freier  Luft  u.  s.  w.  beziehen. 
Eine  besondere  Schutzkraft  legt  der  Vf.  dem  uns  hier  angehenden  Ge- 
genstande mit  den  Worten  bei:  'vor  allem  aber  dient  der  Jugend  bei- 
derlei Geschlechts  (und  zum  Theil  aach  dem  vorgeschrittenen  Alter) 
die  systematisch  geregelte,  kunstmäfsige  Uebnng  der  Muskeln  durch 
das  Turnen  (die  Gymnastik),  besonders  nach  der  wifsenschaftlichen  und 
mildem  neuen  Schule,  nemlich  der  neuem  deutschen  von  Spiefs  in 
Dannstadt,  oder  nach  der  schwedischen  Heilgymnastik  Lings.  Seit 
einer  Reihe  von  Jahren  habe  ich  viele  an  beginnender  Bleichsucht  lei- 
dende Kinder  auf  den  Turnboden  geschickt  und  dort  beobachtet;  daher 
ich  für  dieses  Mittel  Gewähr  leiste,  dafern  es  so,  wie  auf  unsern  Dres- 
dener Turnplatzen,  d.  h.  vernünftig  und  nach  physiologischen  Grund- 
sätzen, mit  allmählicher  stufenweiser  Steigerung  und  steter  zweckmä- 
faiger  Abwechslung  der  einzelnen  Uebungen  angewendet  wird.* 

Solche  Urtheile  eines  erfahrenen  Arztes  und  geschätzten  Gelehrten 
verdienen    überall    offene  Ohren  lu   finden,   besonders    auch  bei  den 


336  11.  E.  Richter:  Blutarmuth  und  Bleichsucht. 

Le«ern  dieser  Blätter.  Wir  brauc'ien  nur  an  die  grofse  Zahl  gelehr- 
ter Schulmänner  zu  erinnern,  die  in  rein  geistiger  Arbeit  den  gröfsten 
Theil  ihrer  Lebenszeit  verbringen  jnd  meist  aus  Zeitgeiz  es  versäumen, 
durch  entsprechende  Muskeltliätigkeit  und  Korperübung  die  Leben»- 
kraft  zu  erneuen,  welche  durch  geistige  Spannung  um  so  mehr  ver- 
zehrt wird.  Eine  Unzahl  von  Krankheiten  pflegt  darum  meist  den 
muskelschwachen  Gelehrten,  besonders  wenn  er  in  seiner  Jugend  der 
gymnastischen  Erziehung  entbehrte,  zu  treffen.  Die  bitteren  Klagen  in 
den  Biographien  berühmter  Männer  über  die  zahllosen  Unterbrechun- 
gen, welche  ihr  geistiges  Schaffen  durch  physische  Hemmnisse  aller 
Art  zu  erleiden  hatte,  finden  ihre  naturliche  Erklärung  in  dem  Um- 
stände, dafs  sie  in  der  Entwicklung  der  Körperkräfte  und  der  Aut- 
bildung ihrer  Glieder  meist  sehr  verkümmert  blieben.  Die  Muskel- 
thätigkeit,  Verdauung,  Blutbereitung  und  Ernährung  waren  in  Folge 
dessen  auf  das  Minimum  der  Thätigkeit  redu eiert  oder  so  gestört,  dafs 
Trägheit  des  Blutumlaufes,  mancherlei  Verdauungsbeschwerden,  Hae- 
raorrhoidalzufalle  n.  dgl.  m.  das  gewöhnliche  Kreuz  der  Gelehrten 
bildeten.  Viele  der  letzteren,  welche  das  Richtersche  Buch  lesen  und 
sich  danach  den  Verlauf  des  Lebensprocessea  vergegenwärtigen,  wer- 
den bald  finden:  wie  wenig  sie  sich  hinsichtlich  ihrer  Lebensweise  iu 
Uebereinstimmung  mit  den  Naturgesetzen  befinden.  '  Das  Wohl  de» 
Körpers'  sagt  der  verdienstvolle  Arzt  S.  Ch,  Vogel  'steht  mit  der 
Cultur  des  Geistes  in  einem  so  widrigen  Verhältnis,  dafs  jener  sinkt 
und  zerfällt,  je  mehr  dieser  sich  erhebt  und  seinen  Gesichtskreis  er- 
weitert, und  dafs  gemeiniglich  Gesichter  wie  Dreierke,  Arme  and  Beine 
wie  Haberröhre,  Herzen  von  Butter,  Magen  von  Löschpapier,  schlappe, 
kraftlose  Körperchen  das  Loos  grofser,  geistvoller  Gelehrten  sind.'  Man 
erkennt  an  dieser  Schilderung  sofort  die  während  des  ganzen  Lebens 
versäumte  Muskelthätigkcit,  und  wir  müfsen  Hrn.  R.  darin  beistim- 
men, dafs  die  gymnastischen  Leibesübungen  eine  nothwendige  Bedin- 
gung des  geregelten  und  kraftvollen  Vonstattengehens  aller  vegetativen 
Lebensäufscrungen  sind  und  aus  diesem  Grunde  namentlich  auch  dem 
Denker  and  Gelehrten  Bedürfnis  werden. 

Solche  Untersuchungen,  wie  sie  Hr.  R.  hier  bietet,  fordern  aber 
auch  die  Lehrer  der  Gelehrtcnschulen  ganz  besonders  zu  einer  sorg- 
fältigen Beachtung  und  Prüfung  auf,  damit  sie  ihres  Theils  die  Schäd- 
lichkeiten hinwegräumen  helfen,  welche  die  theuersten  Interessen  der 
.studierenden  Jugend  so  .sehr  beeinträchtigen  können.  In  dem  letzten 
Abschnitte  'öffentliche  Gesundheitspflege'  gibt  unser  Vf.  noch  ebenso 
gut  gemeinte  wie  praktische  Rathschläge.  Wenn  die  Stimmen  über  den 
Passus  S.  82:  'vor  allem  aber  ist  das  Schul-  und  Unterrichtswesen 
zu  reformieren.  Der  unnütze  gelehrte  Kram  ist  aus  den  Elementar- 
nnd  höheren  Schulen  zu  verbannen;  statt  des  Grammatical-Unterrichts 
ist  eine  natürlichere  Art  des  Spracherlernens,  und  daneben  ein  realisti- 
scher, naturwifsenschaftlicher  Unterricht,  statt  der  Dogmatik  die  Mo- 
ral einzuführen' —  gethoilt  sein  werden,  so  erfreuen  sich  die  folgen- 
den Ansichten:  'vor  allem  aber  ist  darauf  zu  sehen,  dafs  auch  dem 
Korper  des  Schulkindes  und  seinem  Jugendmuthe  sein  Recht  werde, 
dafs  die  Schulzimmer  gesund  seien,  dafs  gehörige  Zwischenstunden  mit 
der  Erlaubnis  ins  freie  zu  gehen,  allenthalben  eingerichtet  werden; 
dafs  das  anhaltende  Sitzen  auf  lehnelosen  Bänken  aufhöre,  die  Ein- 
richtung von  Turnplätzen  zur  allgemeineren  Verbreitung  einer  an 
Geist  und  Körper  verjüngenden  und  gesundmachenden  Körperübung 
für  alle  Clussen  und  Lebensalter  getroffen  werde'  u.  s.  w.  gewis  der 
Zustimmung  aller  einsichtigen  und  wohlwollenden  Erzieher.  Schon  ein- 
mal hat  der  vor  kurzem  verstorbene  Dr.  Lorinser  die  Mängel  und 
Mifibräuche  in  der  gelehrten  Schulerziehnng  einer  grundlichen  Bcspre- 


II.  E.  Richter:  Blatarmuth  uod  Bleicbsuchf.  337 

chnng  unterworfen.  Er  stiefs  damals  anf  Tielfache  Widerspruche, 
welche  einem  unserer  geachietsten  Mediciner  der  Gegenwart,  Prof. 
Ideler,  zum  Beweise  dienen,  'daf»  unser  Zeitalter  noch  viel  zu  sehr 
in  scholastischer  Afterweisheit  befangen  ist,  als  dafs  es  seine  wich- 
tigsten Angelegenheiten  mit  reiner  Naturanschauung  auffafsen  könnte.' 
Auch  dieser  Gelehrte  findet,  gestützt  auf  die  Wifsenschaft,  Veran- 
lafsung,  die  Bedeutung  der  Gymnastik  in  seiner  'Diaetetik  für  Gebil- 
dete' des  ausführlichsten  zu  würdigen,  weil  sie  es  sei  'welche  den  bis 
dahin  zu  einem  grofsen  Tlieile  brach  gelegenen  Boden  der  Naturan- 
lagen zur  frnchtreichsten  Ergiebigkeit  aufschliefsen  wird.'  In  den 
nmfafsenden  Abschnitten  des  gedachten  Werkes:  'Cultur  des  Gehirns, 
des  Muskelsystems  und  des  bildenden  Lebens'  ist  die  Gymnastik  die 
Grundlage  einer  prophylaktischen«Diaetetik.  Mit  schwungvoller  Sprache 
und  überzeugender  Darstellung  dringt  Ideler  darauf,  dafs  Gelehrsamkeit 
und  Gymnastik  einen  Bund  fürs  ganze  Leben  zu  schliefsen  hätten,  und 
widerlegt  auf  das  schlagendste  die  noch  immer  herschende  Ansicht,  als 
sei  die  den  Turnübungen  gewidmete  Zeit  eine  verlorne,  den  Wifsen- 
•chaften  geraubte,  während  der  in  seinen  Gliedern  erstarkte  Jüngling 
auch  im  Gebiete  des  Denkens  die  schwersten  Aufgaben  zu  lösen  im 
Stande  sein  werde. 

Die  Richtersche  Schrift  geht  die  Gymnasien  durch  die  gründliche 
Betrachtung  ^iner  Krankheitserscheinung  mehr  an,  als  es  nach  dem 
Titel  scheinen  möchte.  Man  prüfe  nun  im  einzelnen,  wenn  man  die 
hier  gegebenen  Thatsachen  nicht  widerlegen  kann,  ob  die  bestehen- 
den Einrichtungen  für  die  körperliche  Erziehung  der  Gymnasialjngend 
wirklich  ausreichen.  Tn  den  meisten  Fällen  beruhigt  man  sich,  wenn 
der  erste  beste  Turnlehrer  angenommen  und  ein  Platz  nothdürftig  mit 
Reck  und  Barren  besetzt  wird,  an  denen  sich  die  Schüler  zuweilen 
in  einigen  Uebungen  versuchen.  Dann  kann  man  doch  wenigstens  auf 
den  Lectionsplan  setzen,  dafs  das  Gymnasium  auch  Turnunterrirht 
habe.  Wie  wenig  Schulen  gibt  es  aber,  die  dafür  Sorge  tragen,  dafs 
durch  Anlage  von  ordentlichen  und  anständigen  Turnsälen  die  Uebun- 
gen zu  jeder  Zeit  und  unter  allen  Witterungsverhältnissen  ihren  re- 
gelmäfsigcn  Fortgang  nehmen  können!  Das  Winterturnen  ist  bei  den 
meisten  Gymnasien  kläglich  oder  gar  nicht  bestellt,  und  es  gehört 
nicht  viel  Einsicht  dazu,  um  die  Nothwendigkeit  der  gymnastischen 
Uebun<;en  namentlich  im  Winter  zu  begreifen.  In  dieser  Jahreszeit 
häufen  sich  jene  Schädlichkeiten  im  jugendlichen  Körper  besonders, 
wovon  bei  Hrn.  R.  die  Rede  ist.  Es  ist  noch  viel  zu  thun,  ehe  dem 
Turnen  auch  nur  äufserlich  mit  den  nöthigen  entsprechenden  Ein- 
richtungen die  erforderliche  Rücksicht  erwiesen  ist,  ehe  die  rechten 
Lehrer  für  diese  Erziehungssache  gewonnen  sind,  welche  die  Gymna- 
stik in  ihrer  natürlichen  Grenze  zu  halten  und  wahrhaft  erzieherisch 
zu  gestalten  verstehen.     Noch  liegt  da  vieles  im  argen. 

Hat  man  sich  aber  von  der  erzieherischen  Kraft  und  der  Noth- 
wendigkeit der  Gymnastik  für  die  Gymnasien  überzeugt,  so  reihe  man 
sie  mit  allem  Nachdruck  in  den  Schulplan  ein.  Bis  jetzt  ist  man  meist 
auf  halbem  Wege  stehen  geblieben,  indem  man  das  Turnen  nur  zu 
häufig  als  indifferente  Nebensache  oder  als  ein  feindliches  Gegenge- 
wicht ansah.  Es  bleibt  jetzt  nichts  anderes  übrig,  als  das  Turnen 
ordentlich  in  das  Schulsystem  einzureihen  oder  es  ganz  von  den  Schu- 
len wegzulafsen.  Eine  genauere  Prüfung  unseres  heutigen  Gymnasial- 
Tumwesens  wird  uns  davon  überzeugen,  'dafs  das  Turnen  in 
jeder  Halbheit  verkümmert  und  in  jeder  ungebildeten 
Form  mehr  schadet  als  Nutzen  bringt'.  Von  Resultaten  des 
Turnens  kann  nicht  eher  die  Rede  sein,  bis  man  ihm  bei  den  Schulen 
hinreichenden  Schutz,   sowie  bestimmte  Pflichten   und  Rechte  zu- 


338  Auszüge  aus  Zcilschriften. 

erkennt.  Dafs  die  Verbindlichkeit  aller  Schüler  nicht  2n  vermeiden 
sei,  wird  niemandem  mehr  zweifelhaft  ertjcheinen,  der  die  Gestaltung 
eines  rationellen  Turnunterrichts  an  sich  und  in  seinem  Verhältnis  xur 
Schule  begriffen  hat.  Die  ganze  Autorität  der  Schule  mnfs  aber  für 
die  Sache  in  die  Schranken  treten,  wenn  sie  den  gedeihlichen  Port- 
gang nehmen  soll,  der  ihr  zum  wahrhaften  Gedeihen  künftiger  Gene- 
rationen gewünscht  werden  mufs.  Die  Schulmänner  sind  vor  allen  be- 
rufen hier  mit  zu  helfen,  und  Gott  gebe,  dafs  sich  zu  diesem  Zwecke 
recht  yiele  geschäftige  Hände  regen. 

(Der  Schlufs  folgt  im  nächsten  Hefte.) 
Dresden.  M.  Klo$$, 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Zeitschrift  für  die  Mtcrthumswissenachaft  herausgegeben  von  Ju- 
lius Caesar.  XL  Jahrgang.  I85H.  Sechstes  Heft  [s.  Bd.  LKIX 
S.  lOj  if.].  Das  Latein  im  Uebergange  zum  Romanischen,  von  A.  F. 
Pott  (S.  481 — 499:  an  vielen  einzelni>n  Beispielen  wird  nachgewiesen, 
wie  die  romanischen  Sprachen  viel  alt  überlieferten  Stoif  und  zwar 
bei  weitem  mehr  durch  das  Medium  der  römischen  Volks-  als  der 
Schriftsprache  in  lebendigem  Gebrauch  bis  zu  uns  herabfuhren).  — 
Kritische  Studien  zur  Geschichte  der  scrtorianischen  Kämpfe,  von  G. 
Dronke  (S.  499 — 510:  nach  vorausgegangener  Würdigung  der  Quellen 
wird  hauptsächlich  die  Chronologie  jener  achtjährigen  Kämpfe  bestimmt 
und  dabei  mehrere  Stellen  aus  Plut.  v.  Sert. ,  Sali.  Hist.  und  Orosius 
kritisch  behandelt). —  Didymi  ^i^is  xco^atxij,  scr.  Mauritius  Schmidt 
(S.  510—526:  Zusammenstellung  der  darauf  zurückzuführenden  Glossen 
mit  einem  Kpimetrum  über  den  Grammatiker  Theon).  —  G^rmnasial- 
programnie  der  Provinz  Posen  aus  dem  Jahre  1052  (S.  518 — 5*20).  — 
Rec.  von  H.  Brunn:  Geschichte  der  griechischen  Künstler.  Ir  ThL 
(Braunschweig  1853),  von  J.  Ov  erb  eck  (S.  526—544:  der  Vf.  habe 
seine  Aufgabe,  so  wie  er  sie  richtig  gestellt  und  gefafst,  auch  mit 
Geschick  und  Geist  durchgeführt,  w.is  durch  eine  mit  Anmerkungen 
begleitete  Ucbersicht  des  Inhalts  nachgewiesen  wird).  —  Rec.  von 
Platonis  dialogi  ex  rec.  C.  Fr.  Hermanni.  Vol.  I — VL  (Lipsiae  18dl 
— 53",  von  W.  Wiegand  (S.  545 — 564:  Charakteristik  uieser  von 
einem  der  ersten  unter  den  jetzt  lebenden  Piatonikern  besorgten  Aus- 
gabe; im  einzelnen  werden  mehrere  Stellen  der  Apologie  und  dea  2a 
Buchs  der  Politie  besprochen).  —  Anz.  von  E.  Curtius:  Herakles 
der  Satyr-  und  Dreifufsräuber  (Berlin  1852),  von  K.  Hausdorffer 
(S.  564-566:  Inhaltsangabe).  —  Topographische  Notiz  zur  Dar«tel- 
lung  der  Belagerung  von  Rhodos  [durch  Demetrios  Poliorketes  305 — 
304J  in  Kochly-Rüstows  griech.  Kriegsgeschichte,  von  Kerd.  Luders 
(8,  566—568:  die  Operationsbasis  sei  nicht  an  der  Nord-  sondern  an 
der  Südseite  der  Stadt  gewesen).  —  Auszüge  aus  Zeitschriften  (S. 
569 — 571).  —  Bibliographische  Uebersicht  der  neuesten  philologischeu 
Litteratnr  (S.  571—576).  —  Beilage.  Antwort,  von  W.  Teuf  fei  (S. 
1 — 8:  gegen  Kocks  Entgegnung  auf  T.s  Rec.  von  des  erstem  Aas- 
gäbe  der  Wolken  des  Aristophanes). 

Zwölfter  Jahrgang.  1854.  Erstes  Heft.  Ueber  die  Munera 
der  römischen  Gemeinden,  von  Emil  Kuhn  (S.  1—23:  dieselben  werden 
in  folgenden  Abschnitten  behandelt:  1)  munera  und  honorea,  2)  munerm 

personarum  und  patrimonii,  3)  die  Reallasten) Epigrapbica,  mit- 

getheilt  von  F.  Osann  (8.  33  f.).  ^    Ueber  den  innern  Gedanken* 


Auszüge  aus  Zeilschrifleo.  339 

susanimenhang  im  platonischen  Phaedros,  von  J.  Den  sehte  (8.  26 — 
44:  der  Hauptzweck  des  Aufsatses  ist,  ein  inneres  nothwendiges  Ver- 
hältnis der  beiden  Reden  des  Sokrates  im  Jn  Theile  des  Dialogs  mit 
seinem  2n  Haupttheile  nachzuweisen;  dieser  enthält  nur  Postulate,  jene 
die  Begründung  dazu.  Unter  Rhetorik  werden  alle  praktischen  Gei- 
•teserzeugniüse  mit  verstanden,  sofern  sie  ihren  Ausdruck  in  Worten 
finden.  Der  Zweck  des  Phaedrns  ist  also  Vermittlung  der  Philosophie 
mit  diesen  —  auf  Grund  der  Psychologie.  Ausgegangen  wird  von  dem 
Inhalt  des  2n  Haupttheiis  und  nachgewiesen,  dal's  die  Rhetorik  nach 
allen  Seiten  die  Psychologie  zur  Voraussetzung  habe:  1)  sie  ist  defi- 
niert als  psychagogiscbe  Kunst;  2)  die  subjective  Seite  dieser  Bestim- 
mung stützt  sich  auf  die  Lehre  von  der  Seele  a)  sofern  die  Erkenntnis 
der  wahren  Verhältnisse  der  Begriffe  die  Grundlage  des  je  zu  errei- 
chenden Zweckes  bildet,  b)  insofern  die  logischen  Gesetze  die  Rede 
constituieren  sollen;  3)  die  objective  Seite,  insofern  auf  die  Lehre  von 
der  Seele  sich  die  von  den  Arten  der  Rede  und  ihrer  eigenthümlichen 
Form  zu  richten  habe.  Die  psychologischen  Voraussetzungen  nun,  wel- 
che diesen  Postulaten  zu  Grunde  liegen,  enthalten  die  Reden  des  So- 
krates, insbesondere  die  2e.  In  dem  Begriff  des  Eros,  welcher  der 
Seele  inhaeriert,  ist  die  Bestimmung  der  Rhetorik  als  psychagogiscbe 
Kunst  vorbegründet.  In  der  Lehre  vom  Wesen  der  Seele  wird  ferner 
die  Möglichkeit  des  Erkennens  begrifflicher  Verhältnisse  und  die  Noth- 
wendigkeit  der  Geltung  der  logischen  Gesetze  nachgewiesen.  Endlich 
beantwortet  der  Mythus  im  voraus  die  Fragen,  welche  in  dem  letzten 
Punkte  zusammentreffen.  An  einigen  Einzelheiten  wird  noch  die  Be- 
ziehung auf  den  Mittelpunkt  des  ganzen  —  psychisches  —  dargelegt. 
So  an  der  Fabel  von  den  Grillen,  deren  künstlerische  Noth wendigkeit 
nun  erhellt.  Ebenso  führt  der  Gegensatz  gf'gen  Beschäftigung  mit  alle- 
gorischer Mythenerklärung  wie  gegen  Naturbetrachtnng  gleich  auf  psy- 
chologisches Gebiet.  Der  Schlafs  des  Dialogs  berührt  den  Einheits- 
punkt des  ganzen  nicht  minder  nah.  Der  Aufsatz  schliefst  mit  einigen 
allgemeinen  Bemerkungen  über  die  Richtung,  die  die  platonischen  Stu- 
dien heutzutage  nehmen  und  nehmen  sollten).  —  Rec.  von  J.  O  ver- 
beck: kunstarchaeologische  Vorlesungen  (Braunschweig  1863),  von  H. 
A.  Müller  (S.  44—54:  das  Hauptverdienst  und  der  Hauptfortschritt 
des  Buchs  bestehe  in  der  Erklärung  der  einzelnen  Bildwerke,  aus  denen 
eine  Anzahl  hervorgehoben  und  besprochen  wird;  gerügt  wird  der 
Mangel  an  Consequenz  in  den  Angaben  und  die  nicht  unbedeutende 
Anzahl  von  Druckfehlern).  —  Programme  aus  Dänemark  und  den  Her- 
zogthümern  Johannis  1852,  von  G.  Stier  (S.  54—56.  64.  79  f.  89 — 
93s  eingehend  werden  folgende  besprochen,  resp.  im  Auszug  mitge- 
theilt:  Ingerslev  de  vocibus  et  locis  quibusdam  scriptorum  Latino- 
rum  in  lexicis  plerisque  non  satis  recte  explicatis  pars  I  et  II,  Kolding 
1850  u.  52;  Birch  Beitrag  zur  Erklärung  von  Enripides  Iphigeneia 
in  Aulis,  Horsens  1852;  Berg  einige  Sprachbemerkungen  angeknüpft 
an  einen  Commentar  zu  Xenophons  Hieron,  Kopenhagen  1852;  Boje- 
sen  Aristoteles  Staatslehre,  Ir  u.  2r  Tbl.,  Sorö  1851  und  52). —  Rec. 
Ton  Horatius  Satiren  und  Episteln  erklärt  von  G.  T.  A.  Krüger 
(Leipzig  1853),  von  Voigt  (S.  57—83:  die  Ausgabe  lafse  viel  zu  wün- 
schen nbrig,  obgleich  ihr  Brauchbarkeit  nicht  abzusprechen  sei;  viele 
einzelne  Stellen  werden  besprochen).  —  Anz.  von  H.  Middendorf: 
über  die  Philaenensage  (Münster  1853),  von  Holscher  (S.  84  f.:  In- 
haltsangabe). —  Ein  Wort  über  Schulausgaben  der  alten  Classiker, 
von  einem  ehemaligen  Schulmanne  (S.  85—88:  dieselben  seien  für  den 
Schulgebranch  vom  Uebel,  weil  sie  die  vereinte  Thätigkeit  des  Lehrers 
nnd  Schulers  hemmten;  nur  zur  Behuf  der  Privatlecture  seien  sie  für 
Schaler  empfehienswerth).  —    Auszüge  ans  Zeitschriften  (8.  93  f.).  — 


340  Auszüge  aus  Zeilschiiften. 

Nachtrag  zur  bibliographischen  Uebersicht  der  neusten  philologischen 
Litterat ur  aus  dem  J.  lÖo3  (S.  94 — 96).  —  Beilage.  Krkläning,  von 
H.  Köchly  (gegen  Bergks  Rec.  von  Köchly-Ruatow«  Geschichte  de» 
griech.  Kriegswesens).  —  Zweites  Heft.  Patrimi  matrimi ,  diKpi- 
^aXsCg,  von  iMerckliu  (S.  97-  122:  Behandlung  dieses  Gegenstande« 
vom  Standpunkte  des  griechischen  und  römischen  Sarralrechts  auf 
Grund  der  «teile  des  Dionysius  A.  R.  II,  22;  zuerst  wird  der  sprach- 
liche Ausdruck  und  seine  Bedeutung  betrachtet,  darauf  die  factischen 
Verhältnisse  dieser  Classe,  ihre  Stellung  im  Prie^terthum,  ihre  Wahl- 
art, ihre  ritualen  Functionen,  sowohl  priesterliche  als  nichtpriester- 
liche,  und  ihre  äufscre  Erscheinung  verfol^rt). —  Pronrramme  der  Gym- 
nasien Westfalens  von  18 V2  (S.  112.  120.  J3ü).  —  M.  Junius  Congus 
Gracchanus,  der  Geschichtschreiber  der  alten  römischen  Verfafsung, 
von  J.  Becker  (S.  123—128;  Beweis  dals  die  abwechselnd  vorkom- 
menden Namen  M.  Junius,  Junius,  Junius  Gracchanus,  Congus,  Junius 
Congus  eine  und  dieselbe  Persönlichkeit  bezeichnen;  kritische  Behand- 
lung des  Fragments  des  Lucilius  bei  Plinius  N.  H.  praef.  §.  7).  — 
Ueber  das  gestrichene  Iota  im  oskischen  Alphabet,  von  G.  Stier  (S. 
129- -138:  dasselbe  bezeichne  den  vocalischcn  Laut,  das  einfache  Iota 
den  Consonanten  j ;  jedoch  erleide  dies  Gesetz  einige  Beschränkungen, 
die  namhaft  gemacht  werden).  -  Rec.  von  Fr.  K.  Kraft  u.  C.  Mül- 
ler: llealschuUexlkon,  2  Bde  (Hamburg  1863),  und  Fr.  Lubkert 
Reallexikon  des  classisclien  Alterthums  für  Gymnasien,  le  Abth.  (Leip- 
zig 1853),  von  W.  Teuf  fei  (S.  139—155:  ersterm  Werke  wird,  so- 
weit es  Krafts  Werk  sei,  also  zum  allergröfsten  Theile,  aller  Werth 
abgesprochen  und  widerrechtliche  Plünderung  fremdes  Kigenthums,  der 
»Stuttgarter  Realencyclopaedie,  daran  gerügt;  das  zweite  sei  unprak- 
tisch angelegt,  ein  Vorwurf  der  lediglich  die  Redaction  treffe,  übrigens 
nicht  ohne  wifsenschaftlichen  Werth).  —  Rec.  von  A.  Feuerbach« 
nachgelafsenen  Schriften,  4  Bde  (Braunschweig  1853),  von  H.  A.  Mül- 
ler (S.  155— 167:  blofs  die  den  2n  u.  3n  Bd.  ausmachende  Geschichte 
der  griechischen  Plastik  wird  be>proclien  und  über  diese  geurtheilt, 
sie  enthalte  der  eignen  kunsthistorischen  Untersuchungen  und  kuust- 
hermenentischen  Resultate  so  wenige  und  ignoriere  die  Fortschritte 
und  Kntdeckungen  der  neusten  Zeit  so  gänzlich,  dafs  ihr  Erscheinen 
um  ein  ganzes  Decennium  zu  spät  erfolge ;  dieses  Urthcil  wird  durch 
Besprechung  vieler  Einzelheiten  erhärtet). —  Zu  Plato  Apol.  c.  25  p.  27  K, 
von  Finckh  (S.  168:  die  von  Bäumicin  und  K.  Fr.  Hermann  als  unecht 
eingeklammerten  Worte  rovg  qutovov^  seien  schon  von  Arrian  dissert. 
Epict.2,  5  med.  gelesen  word«Mi  und  als  Apposition  zu  LTtTCoav  ncctSag  xal 
ovav  zu  fafsen).  —  Rec.  von  F  r.  I  n  g e  r s  l  e  v s  lateinisch- deutschem  Schul- 
wörterbuch (Braunschweig  1853),  von  Otto  (S.  169 — 176:  durchaus 
verwerfendes  Urtheil,  es  sei  ein  magerer,  unvollkommener  und  unkriti- 
scher, gröfstentheils  aller  wahren  Selb^tändigkeit  entbehrender  Auszog 
ans  einigen  gröfsern  Wörterbüchern).  —  Rec.  von  Ciceronis  Tuscnl. 
disp.  libri  V  erklärt  von  G.  Tischer  (Leipzig  1850),  von  E.  Haus- 
dörffer  (S.  177 — 183:  anerkennende  Beurthetlung  mit  Besprechung 
mehrerer  einzelnen  Stellen).  —  Anz.  von  W.  O.  Freese:  der  Partei- 
kampf der  üeichen  und  der  Armen  in  Athen  zur  Zeit  der  Demokratie 
(Stralsund  1848),  von  E.  (S.  183 f.:  die  Schrift  enthalte  trotz  mehrerer 
Mängel  manche  gute  und  anregende  Gedanken,  müfse  aber  mit  Vor- 
sicht benutzt  werden).  —  Auszuge  aus  Zeitschriften  (S.  185—192). 
—  Drittes  Heft.  Von  den  griechischen  und  lateinischen  Vemei- 
nungswörtern,  von  Fritsch  (S.  193-219,  Forts,  im  4n  Heft  S.  389 
— 302:  nach  etymologischen  Vorbemerkungen  wird  gehandelt  über  den 
Gebrauch  der  selbständigen  Negationen,  über  den  Unterschied  und 
Gebrauch  von  ov  und  fi^  und  den  acheinbaren  Pleonaamus  dieser  bei- 


Auszüge  aus  Zeitschriflen.  341 

den  Negationen). —  Das  Latein  im  Ucberg^angc  zum  Romanischen,  von 
A.  F.  Pott,  t>r  Artikel  (S.  219—238:  an  dem  Beiispiel  des  Innocen- 
tius,  eines  der  römischen  Gromatiker,  und  der  von  Wilhelm  Grimm 
J861  herausgep'benen  'altdeutschen  Gespräche'  wird  nachgewiesen, 
dafs  manche  8chriftdenkmale  dos  Mittelalters  entweder  in  dem  zu  der 
Zeit  und  an  dem  Orte  ihrer  Abtaisung  oder  Umarbeitung  üblichen 
Volksidiome  oder  in  einem  Latein  niedergeschrieben  worden  seien,  das 
sich  mehr  oder  minder  stark  mit  Idiotismen  der  gemeinen  Rede  ver- 
setzt zeige  in  ihrer  Annäherung  an  eine  der  romanischen  Sprachge- 
staltungen). —  Programme  der  bayerischen  Gymnasien  von  1851  (S. 
224.  231  f.  240.  248.  255  f.).  —  Programme  des  Herzogthums  Braun- 
schweig (S.  256). —  Anulecta  Vergiliana,  scr.  H.  Paidamus  (S.  238 
— 242:  Aen.  I,  2  sei  Luvinaque  die  richtige  Lesart,  II,  347  und  IV, 
587  die  handschriftlichen  ]jesarten  andere  und  aequatis  beizubehalten 
gegen  Gronovs  ordere  und  K.  Fr.  Hermanns  arquatisj  V,  796  libeat 
statt  liceut  und  VI,  '200  sequentem  statt  scquentum  zu  schreiben).  — 
Rec.  von  A.  Seh  wegler:  römische  Geschichte,  In  Bdes  Je  Abth. 
(Tubingen  1853),  von  Fr.  Dor.  Ger  lach  (8.  243— 26'2:  das  Buch  sei 
eher  eine  Kritik  aller  möglichen  Meinungen,  Ansichten,  Vermuthnngen, 
Forschungen  über  die  römische  Geschichte  zu  nennen  als  selbst  rrnn. 
Gesch.,  von  der  nicht  viel  mehr  übrig  bleibe  als  die  eigne  Ansicht  des 
Vf.  Um  dies  zu  beweisen,  geht  der  Rec.  das  le  Buch,  welches  die 
Bezeugung  der  ältesten  Geschichte  in  Betracht  zieht,  durch  und  wie^ 
derholt  am  Schhifs  die  Grundsätze,  welche  nach  seiner  Ansicht  den 
römiAchen  Geschichtsforscher  und  Darsteller  leiten  mufsen).  —  Rec. 
von:  Aristophanes  ausgew.  Komoedien  erkl.  von  Th.  Kock,  2s  Bdchen: 
die  Ritter  (Leipzig  1853),  von  W.  Teuffei  (S.  262—277:  die  Bear- 
beitung dieses  Bändchens  sei  um  vieles  befser  als  die  der  Wolken, 
obwohl  das  nufserste  bei  weitem  noch  nicht  erreicht  sei;  die  Einleitung 
und  der  Commentar  werden,  der  letztere  in  Bezug  auf  Kritik  und  Er- 
klärung, im  einzelnen  durchgegangen).  —  Verhandlungen  gelehrter 
Gesellschaften  (S.  277 — 280:  Akademien  zu  Paris,  St.  Petersburg  und 
Wien).—  Auszüge  aus  Zeitschriften  (8.  281—288).-  Vierte»  Heft. 
S.  289 — 302  8.  oben.  —  Zu  Longinus  negl  vrljovg^  von  Noite  (S. 
302 — 304:  Verbefserungsvorschläge).  —  Drei  Schreiben  an  Hrn.  Dr. 
Schubart  über  Dr.  Pyls  Wiederherstellung  des  amyklaeischen  Throns, 
von  Ruhl  (S.  305 — 324:  mit  Bezug  auf  den  Aufsatz  in  der  Ztschr.  f. 
d.  AW.  1853  S.  1  ff. ;  Bedenken  dagegen  hauptsächlich  vom  Stand- 
punkte der  Technik  aus  und  eigner  Wiederherstellungsversuch). —  Die 
griechische  Opfergerste  war  mit  Salz  vermischt,  von  Anton  Eberz 
(S.  324 — 330:  der  Vf.  stützt  seinen  Beweis  hauptsächlich  darauf,  dafs 
das  Fragment  des  Komikers  Athenion  bei  Athen.  XIV,  661  ,  aus  dem 
man  gewöhnlich  das  Gegentheil  ableite,  dies  nicht  beweise;  somit  hät- 
ten die  Scholiasten  Recht,  welche  Beimischung  des  Salzes  positiv 
bezeugten).  —  Rec.  von  A.  Rofsbach:  Untersuchungen  über  die 
römische  Ehe  (Stuttgart  1853',  von  E.  Piatner  (S.  330—350:  ein- 
dringliche Empfehlung  dieses  'nicht  nur  durch  eine  grofse  Belesenheit 
in  den  Quellen,  in  der  philologischen  sowohl  als  juristischen  Littc- 
ratur,  durch  Gründlichkeit  der  P^orschung,  sondern  auch  durch  Selh- 
•tandigkeit  des  Urtheils  und  eine  scharfsinnige  und  geistreiche  Behand- 
lang der  Gegenstände'  ausgezeichneten  Buches  mit  ins  einzelne  einge- 
henden Bemerkungen,  namentlich  über  das  Verhältnis  der  P^amilie  zum 
Staat,  den  Begriff  der  Familie,  die  Manns,  Coemption  nnd  Confarreation). 
—  Anz.  von  L.  Herrig:  deDruidibu«  commentatio  (Berolini  1853),  von 
Holscher  (S.  335  f.:  Inhaltsangabe).  —  Rec.  von:  Albius  Tibnilus 
Gedichte  übersetzt  n.  erläutert  von  W.  Teuffei  (Stuttgart  1853),  von 
Hertzberg  (S.  350 — 356:    der  Rec.   referiert  beistimmend  über  den 


342  Aaszüge  aus  Zeitschriften. 

Inhalt  der  Einleitung  und  bezeichnet  die  Uebersetzung  als  durchgangig 
fliefsend  und  gefällig ;  nur  hätte  der  Uebersetzer  sich  mehr  von  gewissen 
selbstgemachten  Regeln  emancipieren  sollen). —  Rec.  TonA.  Haake: 
Beiträge  zur  einer  Neugestaltung  der  griech.  Grammatik,  2s  Heft 
(Nordhausen  1852),  "von  J.  Rott  (S.  356—366:  der  Rec.  stimmt  des 
Vf.  Auffafsung  der  Genera  des  griech.  Verbums,  deren  derselbe  nur 
zwei,  Activ  und  Passiv,  anerkennt,  im  ganzen  bei,  vermifst  aber 
genaueres  Eingehn  auf  die  verwandten  Sprachen  und  gibt  gelbst  meh- 
rere dahin  abzielende  Nachträge).  —  Programme  der  kurhessischen 
Gymnasien  zu  Ostern  1854  (S.  366—368).  —  Feier  des  Winckelmanns* 
festes  9.  Decbr.  1853  in  Berlin,  Bonn,  Gottingen,  Greifswaid,  Ham- 
burg, Rom  (S.  312.  328.  344).—  Anz.  von  F.  G.  Welcker«  kleinen 
Schriften,  3r  Tbl.  (Bonn  1850),  von  — s—  (S.  369--375!  Charakte- 
ristik und  Inhaltsangabe).  —  Auszuge  aus  Zeitschriften  (S.  375 — 
379).  —  Bibliographische  Uebersicht  der  neusten  philologischen  Litte- 
ratur  (S.  379-sJ84). 


Gelehrte  Anzeigen  herausgegeben  von  Mitgliedern  der  k.  bayer, 
Akademie  der  Wissenschaften  [s.  NJahrb.  Bd.  LXIX  S.  340  IT.].  Band 
XXXVIII.  Januar  bis  Juni  1854.  Nr.  13.  14.  1)  Taschenwörter- 
buch der  rhaetoromanischen  Sprache  in  Graubünden  von  Otto  Ca- 
rl seh,  Prof.  an  der  evang.  Kantonschule.  Chur  1848.  2)  Gramma- 
tische Formenlehre  der  deutschen  und  rhaetoromanischen  Sprache  für  die 
romanischen  Schulen  Graubündens  von  demselben  Verf.  Chur  1853. 
Berichtende  Anzeige  von  Ludwig  Steub  mit  zahlreichen  eingestreu- 
ten Vermuthungen  über  die  Entstehung  einzelner  Wörter.  Das  Wör- 
terbuch wird  als  ein  erster  Anfang  bezeichnet,  dem  gegenüber  das 
frühere  Conradische  Lexicon  nicht  mehr  zählen  könne.  —  Nr.  17.  18. 
Ilgeniana.  Erinnerungen  an  Dr.  Karl  David  Ilgen,  Rector  der  Schule 
zu  Pforte,  insbesondere  an  dessen  Reden  in  Erholungsstunden.  Eine 
kleine  Anekdotensammlung  von  W.  N.  Leipzig  1853.  Sehr  rühmende 
Anz.  von  L.  Döderlein,  der  die  kleine  Schrift  als  das  Muster  einer 
tiefgegriffenen  Charakteristik  bezeichnet.  —  Nr.  19-21.  Vortrag  de« 
Rectors  K.  Halm  über  den  In  Band  der  von  ihm  und  Prof.  Bai t er 
in  Zürich  besorgten  kritischen  Ausgabe  der  Ciceronischen  Reden. 
Der  Vf.  gibt  eine  Uebersicht  über  den  für  die  Ausg.  benutzten  neuen 
Apparat  mit  einzelnem  Nachweis,  was  für  die  Verbefserung  der  Reden 
p.  Roscio  Am.,  p.  Fonteio,  p.  Caecina,  p.  Rah.  perd.  reo  und  p.  Mu- 
rena  geMchehen  sei.  Eingeflochten  ist  eine  Mittheiiung  mit  neuem  De- 
tail über  die  von  Poggio  im  15n  Jh.  aufgefundenen  Ciceronischen 
Reden  und  eine  Beschreibung  des  cod.  Tegernseensis  =  Bavaricus  Ga- 
ratonii,  der  im  J.  1H53  bei  einem  Pariser  Antiquar  wieder  aufgefunden 
und  aus  dem  Besitz  des  Prof.  Baiter  in  die  Bibliothek  zu  München 
übergegangen  ist.  —  Nr.  31 — 34.  1)  Memoire  sur  ^thicus  et  snr  lea 
ouvrages  cosmographiques  intituUs  de  ce  nom,  par  M.  D'Avesac. 
Paris  1852.  2)  De  Cosmograpliia  Ethici  libri  tres,  scr.  Car.  Aug. 
Fr  id.  Pertz.  Berol.  1853.  3)  Die  Kosmographie  des  Istrier  Aethi- 
kos  im  latein.  Auszüge  des  Hieronymus.  Aus  einer  Leipziger  Hs.  lum 
erstenmal  besonders  herausgegeben  von  Heinrich  Wuttke.  Leipiig 
1853.  Ausführliche  Anzeige  von  Fr.  Kunstmann,  der  seine  Ansicht 
in  folgenden  Schlufsworten  ausspricht:  'Ref.  will  die  Frage  nicht  beant- 
worten, ob  ein  Aethikus  eine  Cosmographie  geschrieben  habe,  sondern 
beschränkt  seine  Untersuchung  darauf,  dafs  sich  für  die  Erweiterung 
unserer  geographischen  Kenntnisse  aus  dem  Torliegenden  unechten 
Werke  kein  Nutzen  ziehen  lafse,  weil  es,  wie  achon  altere  Schrift- 
•Uller  richtig  bemerkten,  neben  langst  bekannten  Thatsachen  nur  ein 


Aaslüge  tug  Zeitschriften.  343 

buntes  kaiim  verstandliches  Gemengsel  fabelhafter  Berichte  enthalte. 
Wohl  aber  sind  nach  seiner  Meinung  die  Nachrichten  über  die  ver- 
schiedene Bauart  der  Schiffe  für  die  Geschichte  der  Schilfahrtükunde 
ein  schätzbares  Fragment,  weiches  deshalb  auch  Jal  in  sein  bekannt e^^ 
Werk,  aufgeiiüinmen  hat,  sowie  die  vielfachen  sagenhaften  Berichte  über 
Alexander  den  Grofsen  für  die  Entwicklung  und  Verbreitung  der  Alexun- 
dersage  einen  wesentlichen  Beitrag  darbieten.'  —  Nr.  46  f.  Akademi- 
scher Vortrag  des  Prof.  Prantl,  der  Aber  einen  Abschnitt  seiner  in 
Bälde  erscheinenden  Geschichte  der  Logik  berichtet,  und  zwar  zunächst 
über  jenen  Theil  derselben,  welcher  die  Entwicklung  der  Logik  nach 
Aristoteles  bis  zum  Schlufse  des  Alterthums  betrifft.  —  Nr.  62 — ö-i. 
Alciphronis  rheturis  epistolae  cum  adnot.  crit.  editae  ab  Aug.  Mei- 
nekio.  Lips.  18j3.  Sehr  anerkennende  Recension  von  Kayser,  der 
viele  Stellen  eingehend  bespricht  und  seine  eigenen  Emendations ver- 
suche mittheilt.  Die  in  Seilers  Ausgabe  zuerst  ans  dem  Florentiner 
Codex  vollständig  erschienenen  Fragmente  werden  dem  Alciphron  ab- 
gesprochen. —  Nr.  54—56.  1)  Zur  Erklärung  des  Pünius.  Antiken- 
kranz zum  I3n  Berliner  Winckelmannsfest  geweiht  von  Th.  Panofka. 
Nebst  V2  bildlichen  Darstellungen.  Berlin  1853.  4.  2)  Die  Hadeskappe 
Ton  K.  Fr.  Hermann.  Gröttingen  1853.  Referierende  Anz.  von  Fr. 
Creuzer,  der  aus  beiden  Schriften  einzelne  Stellen  unter  manchen 
eingestreuten  Zweifeln  aushebt,  ohne  sich  auf  eine  eingehende  Widerlegung 
der  ihm  als  gewagt  erscheinenden  Deutungen  und  Erklärungen  einzu- 
lafsen.  —  Nr.  18.  1)  Ueber  den  Dolichenus-Cult.  Von  J.  G.  Seidl. 
Wien  1854.  2)  Das  altitalische  Schwergeld  im  k.  k.  Münz-  und  Anti- 
ken-Cabinette  zu  Wien.  Beschrieben  von  J.  G.  Seidl.  Lobendes 
Referat  von  Otto  Jahn,  der  zu  den  Ton  dem  Hg.  gesammelten  auf 
den  Juppiter  Dolichonus  bezüglichen  68  Inschriften  eine  1862  zu  Re- 
magen gefundene  nachträgt,  die  Braun  im  Winckelmannsprogramm  des 
Vereines  von  Alter thumsfreunden  im  Rheinlande  1862  herausgegeben 
und  erklärt  hat. 

Band  XXXIX.  Juli  bis  September.  Philosophisch-philologische 
Classe*).  Nr.  1—4.  Aeschyli  tragoediae.  Rec.  G.  Hermann us. 
Zweiter  Artikel,  in  welchem  der  Ref.  Ludwig  Schiller  die  kriti- 
schen Leistungen  des  Hg.  unter  Mittheilung  von  zahlreichen  Zusätzen 
zumeist  aus  neueren  Schriften  und  von  eigenen  Emendationsversuchen 
sehr  anerkennend  bespricht.  —  Nr.  4.  Index  lectionum  quae  in  univ. 
litt.  Friderica  Guilelma  per  semestre  aestivum  a.  1854  habebuntur. 
Berol.  Referat  von  G.  Thomas  über  die  das  Gedicht  Aetna  betref- 
fende Abhandlung  von  M.  Haupt,  dessen  theils  aus  dem  cod.  Canta- 
brigiensis  theils  durch  eigene  Vermuthung  gewonnenen  ungemeinen  Ver- 
befserungen  übersichtlich  mitgetheilt  werden.  —  Nr.  6 — 7.  Horatius 
Satiren  und  Episteln.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von  G.  T.  A. 
Krüger.  Leipzig  1853.  Der  Rec.  L.  Döderlein  findet  durch  diese 
Schulausgabe  seine  Erwartungen  nicht  ganz  befriedigt;  abgesehen  da- 
von dafs  \^enig  neue  Aufschlüise  über  die  vielen  noch  ungelösten 
Schwierigkeiten  zu  finden  und  manche  schon  vorhandene  evident  rich- 
tige Erklärungen  ignoriert  seien,  sei  der  Hg.  aucb  von  seinen  in  dem 
Schulprogramm  vom  J.  1849  ausgesprochenen  eigenen  Grundsätzen  nicht 
selten  abgewichen.  Die  nähere  Besprechung  einzelner  Stellen  erstreckt 
sich  bes.  auf  Sat.  I,  9.  Epist.  I,  11.  18.  19.  —  Nr.  7.  Skopas  im 
Peloponnes.    Von  Ludwig  Urlichs.    Greifs wald  1853.    Lobendes  Re- 

*)  Von  Band  39  an  erscheinen-  die  gelehrten  Anzeigen  nach  den 
drei  akademischen  Classen  in  drei  Abtheilnngen ,  die  man  künftig  ein- 
zeln beziehen  kann;  gesondert  davon  das  Bulletin  der  Akademie  in  fort- 
laafenden  Nammern. 


344  Auszuge  aus  Zeitschriflen. 

4. 

ferat  von  Otto  Jahn.  —  Nr.  7.  Supplement  k  TAntliologie  grecqne, 
contenaiit  des  ^pigrauimes  et  autre«  po^nies  legeres  in^dites,  pr^c^de 
d'observations  sur  l*AntUologie  et  suivi  de  remnrniieä  sur  divers  po^tes 
grecs,  par  N.  Piccolos,  D.M.  Paris  IKvd,  XVI  u.  .^48  S.  Inhalts- 
angabe von  Fr.  Diibner,  der  von  dem  Vf.  rühmt,  dals  er  mit  viel 
Gelehrsamkeit  einen  geläuterten  poetischen  8inn  und  oinen  durchaus 
richtigen  Geschmack  vereinige.  •-  Nr.  8.  Macrobii  Ambrosii  Theo- 
dosii  opera  quae  supersunt.  Kd.  Lud.  Janus.  2  Voll.  Quedlinb.  a. 
Leipz.  1852 — 53.  Kurze,  aber  sehr  rühmende  Anzeige  von  Kayser, 
der  in  dem  Fragment  des  Polemo  Sat.  V,  19,  29  vorschlägt:  v«i- 
cxviixai,,,  jjv  xij  äga  tvoxog  yivritcci,  und  in  dem  des  Mumm ius  Sat.  I, 
10,  3:  nontri  maiorea  ut  bcne  Malta  instiiuerCy  hoc  optumcj  guom  o 
frigore  Fccerc  aummo  scpiem  Saturnalia.  —  Nr.  9.  1)  A.  Gellii  noc- 
tium  Atticarum  libri  XX  ex  rec.  Martini  Hertz.  2  Voll.  Lips.  1853. 
2)  Zur  Kritik  der  altlateinischen  Dichterfragmente  bei  Gellius  von 
Alfred  Fleckeisen.  Leipzig  1854.  Um  von  den  bedeutenden  Lei- 
stungen der  Ausg.  Nr.  1  einen  Begriff  zu  geben,  stellt  der  Rec.  Kay- 
ser die  Verbeffierungen  zusammen,  welche  die  Fragmente  der  Redner 
gegenüber  dem  Text  in  der  2n  Aufgabe  von  H.  iMeyer  erfahren  haben. 
In  der  lobenden  Anzeige  von  Nr.  2  will  er  den  Anfang  des  von  Fl. 
ausführlich  behandelten  grolsen  Fragments  aus  des  Caecilius  Plocium 
80  in  trochaeischen  Octonaren  lesen: 

h  demum  miscr  est,  gut  aerumnam  $uam  ipse  non  guit  occuUare. 
Ferre  ita  tne  uxor  forma  et  /actis  facit,  st  tuceam,  tarnen  indicium: 
Quae  nisi  dotcm^  habet  omtna,  guae  nolia.    gui  aapict^  de  me  discet, 
Qui  guaai  ad  hostis  captus  Über  servio  aalva  urbc  atgue  arcc. 
Dann  fahrt  er  unter  Annahme  einer  Lücke  von  Einern  Verse  oder  mehr 
so  weiter  fort: 

Quae  mihi  guidguid  placet,  eo  privatum  it  [nee  volt  mihi]  »ervatum: 
Cuius  dum  cgo  mortem  inhioy  iam  egomet  vivo  mortuua  inter  vivo«. 
—  Nr.  9.  Varia  variorum  cariiiina  lutinis  modis  aptata  adiectis  arche- 
typis  oifert  He  n  r.  8 1  a  d  e  1  m a  n  n.  Onoldi  1854.  Empfehlende  Anzeige 
von  G.  Thomas.  —  Nr.  10.  11.  Hermetis  Trismegisti  Poemander.  Ad 
fidemcodd.msM.ruc.  Gu.st.  Parthey.  Rerol.  1854.  Sehr  empfehlende 
Anzeige  von  Fr.  Creuzer,  der  aulscr  einigen  litterar-historischen 
Notizen  Stellen  de»  Plotinus  zur  Erklärung  des  Werkes  heranzieht. 

lliatoriachc  Classe.  Nr.  4 — 9.  Das  römische  Bayern  in  seinen 
Schrift-  und  Bildmalen  von  Jus.  Ton  Hefner.  3.  Aufl.  München 
1852.  AusfühHiche  Rec.  von  Chr.  W.  Glück,  der  in  dem  Werke 
zahlreiche  Irthümer  nachweist  und  sich  besonders  mit  der  Besprechung 
nnd  Erklärung  der  in  den  bayerischen  Inschriften  vorkommenden  cel- 
tischen  Namen  befafst,  wobei  er  ein  eigenes  später  erscheinendes  Werk 
'über  das  keltisch-römische  Bayern'  ankündigt. 

Bulletin  der  Akademie.  Nr.  J.  Rede  des  Vorstandes  der  Akade- 
mie V.  Thiersch  über  Lorenz  Ton  Westenrieder  im  Verhältnis  ID 
seiner  Zeit.  Nr.  2  f.  Rede  des  Secretärs  der  bist.  Classe  Dr.  Rud- 
hart:  Lorenz  v.  Westenrieder,  der  Geschichtschreiber  seines  Volket. 
(Beide  Reden  bei  Gelegenheit  der  Enthüllung  des  Westenrieder-Denk- 
inal«  zu  München  gehalten.)  —  Nr.  3.  4.  Vortrag  des  Prof.  Thomasi 
1)  Bemerkungen  über  die  Anwendong  des  römischen  Civilprocesses  in 
Vertragen  der  Venezianer  und  Byzantiner,  sowie  der  Venezianer  and 
Franken  nach  Urkunden  vom  J.  1199  und  1207.  2)  Dialektisches  aas 
Bozen.  —  Nr.  5 — 9.  Vortrag  von  Krabinger  über  die  Kinführunc  und 
den  Betrieb  der  classischen  Studien  auf  der  Universität  zu  Ingolstadt  am 
Ende  des  lön  und  in  den  ersten  drei  Deccnnien  des  16n  Jh.  durch  Con- 
rad Celtes,  Philomusus  Locher,  Johann  Aventin  und  Johann  Reuchlin. 


Schal-  lind  Personalnachrichlen,  statistisclic  Blittheilungfen  u.  s.  w.  34,') 

Schul-  und  Personalnachrichlen ,  statistische  Millheihmf^^en, 
litterarische  und  antiquarische  Miscellen. 

Aachen.  Die  wlfsenscbaft liehe  Abhandlung  des  die.<ijahrigen  Herhst- 
programms  vom  dortigen  Gymnasium  ist  folgende:  De  digammo  eius- 
que  immutationibu$  dUsertatio,  Pars  I:  de  digammo  $ive  vau  Gracco, 
scr.  Dr.  J.  SaveUberg  (16  S.  4). 

Augsburg.  Aufser  den  Bd.  LXIX  S.  117  bereits  mitgetheilten  Ver- 
änderungen ist  über  die  Unterrichts-  und  Erziehungsanstalten  bei  8t. 
Anna  folgendes  zu  berichten.  Nachdem  dem  franzosischen  Sprachlehrer 
Joseph  Etienne  Ronsseil  die  Verwesung  der  Lehrstelle  für  franz. 
Sprache  am  Gymnasium  und  dem  Cand.  Andreas  Schalkhau  scr 
•U0  Bayreuth  die  erledigte  Stelle  des  2n  Inspectora  am  Collegium  bei 
St.  Anna  übertragen  worden  ist,  ist  der  Personalstand  folgender.  Stu- 
dienrector:  Prof.  Dr.  G.  K.  Mezger;  Gymnasialprofessoren:  C.  Fr. 
Dorfmüller,  J.  K.  Ed.  Oppenrieder,  Dr.  Chr.  Cron,  O.  F.  L. 
Wucherer;  Studienlehrer:  A.  Bauer,  B.  Greiff,  H.  Gürsching, 
M.  Mezger;  Fachlehrer:  J.  K.  Roussell  (franz.  Spr.  am  Gymn.;, 
Negges  (dies,  an  der  lat.  Seh.),  J.  A.  Hofstätter  n.  Eichleitcr 
(Gesang) ,  G.  Po  1  a  (Zeichnen) ,  B i s ch  o  f f  (Kalligraphie)  ;  Inspecto- 
ren  am  Collegium:  M.  Mezger  u.  A.  Schal  kh  auser.  Das  Gymna- 
sium zahlte  am  Schlufs  des  Schuljahres  1853—54  64  Schuler  (IV:  12, 
IIT:  16,  II:  15,  1:  21),  die  Lateinschule  104  (IV:  22,  III:  27,  II:  25, 
I:  30);  dem  Collegium  gehorten  65  Zöglinge  an.  Inhalt  des  Pro- 
gramms: Zur  Erinnerung  an  Johann  Gottfried  Herder  und  Heinrich 
Peiialozzi,  von  Dr.  K.  G.  Mezger  (22  S.  4). 

Bamberg  [s.  Bd.  LXIX  S.  117].  Im  Anfang  des  Schuljahres  1853 
— 54  trat  als  kath.  Religionslehrer  an  der  dortigen  Lateinschule  Jo- 
seph Strätz  ein;  seit  Januar  d.  J.  bekleidet  dieselbe  Stelle  Priester 
Georg  Wagner.  Auch  der  prot.  Religionslehrer  an  der  Lateinschule 
hat  gewechselt:  tfn  die  Stelle  des  nach  Augsburg  beförderten  Chr. 
Mayer  trat  der  Predigtamt«cand.  Joseph  Wilhelm  Bohne r.  Die 
durch  den  Tod  des  Prof.  Th.  Buchert  (geb.  27.  Juni  1806,  gest. 
11.  Decbr.  1853)  herbeigeführten  Veränderungen  sind  Bd.  LXIX  S. 
347  [wo  Hegmann  zu  lesen  ist  statt  Heymann]  berichtet  worden. 
Am  k.  Lyceum  waren  im  letzten  Studienjahre  66  Candidaten  iramatri- 
cuiiert  (32  der  Theologie,  in  3  Curse  Tertheilt,  34  der  Philosophie); 
das  Gymnasium  wurde  von  138  (IV:  26,  III:  34,  II:  43,  I:  35),  die 
Lateinschule  von  240  (IV:  57,  HI:  44,  II«:  41,  H»»:  40,  l:  58)  Schü- 
lern besucht.  Eine  wifaenschaftliche  Abhandlung  wurde  für  dieses  Jahr 
nicht  ausgegeben. 

Berlin.  Die  k.  Akademie  der  Wifsenschaften  hat  zu  Corresponden- 
ten  der  philosophisch -historischen  Classe  die  Hrn.  G.  L.  von  Mau- 
rer in  München  und  A.  Reumont  in  Florenz,  der  physikalisch-ma- 
thematischen Ciusse  die  Hrn.  Elias  Fries  in  Upsala  und  Dal  ton 
Hook  er  in  England,  zum  auswärtigen  Mitgliede  derselben  Classe  den 
Prof.  Tiedemannin  Frankfurt  a.  M.,zu  Ehrenmitgliedern  den  Cardinal 
AngeloMaiin  Rom  [am  9.  Septbr.  d.  J.  gestorben],  den  wirklichen  Geh. 
Ober-Reg.-R.  Dr.  JohannesScbulzein  Berlin  und  den  Kammerherrn 
und  Oberceremonienmeister  Freiherrn  von  Still  fr  ied-Rattonitz 
daselbst  gewählt.  Der  langjährige  Archivar  der  Akademie,  Hofrath 
UIri€i,  ist  in  Ruhestand  getreten  und  zu  seinem  Nachfolger  Dr.  Pri- 
tsel  (vorher  auf  der  k.  Bibliothek  beschäftigt)  ernannt.  —  Der  bis- 
herige Streitsche  CoUaborator  Dr.  Maximilian  Sengebusch  ist 
zam  12n  ordentlichen  Lehrer  am  Gymnasium  zum  grauen  Kloster  be- 
mfen  und  bestätigt. 

üf.Jakrb.  f.  PhU,  u.  Paed.  Bd.  LXX.  ffft,  3.  23 


346    Schul  -  and  Personalnachrichten,  statistische  Mittheilungen, 

Bonn  [s.  Bd.  LWII  S.  594  f.].  Nach  mehrfachen  im  Laaf  der 
letzten  2  Jahre  vorgekommeuea  Veränderungen  bestand  das  Lehrercol- 
iegium  des  dortigen  k.  Gymnasiums  am  Schlafs  des  Sommersemesters 
1864  aus  folgenden  Mitgliedern:  Dircctor  Prof.  Dr.  Schopen,  Ober- 
lehrer Remacly,  Freudenberg,  Zirkel,  Werner,  Dr.  Harn- 
pert,  kath.  Religionslehrer  Dubelman,  Gymnasiallehrer  Kneisel, 
Sonnenbarg,  Dronke,  Hilfslehrer  Dr.  Vahlen,  evangelische  Re- 
iigionslehrer  Prof.  Dr.  Kr  äfft  and  Lic.  Diestel,  Schuiamtacandi- 
daten  Enders,  Dr.  A.  Passow,  P.  S^n^chaute,  M.  Schieffer, 
Zeichenlehrer  Phi  1  i  p  part.  Eine  neuere  Anstellung  s.  oben  S.  226  unter 
DÜREN.  Die  Schülerzahl  betrug  am  Schlufs  des  Schuljahres  1852 — o3 
339,  1853—54  358  (I:  47,  If:  34,  U»»:  4>,  III:  49,  IV:  61 ,  V:  &6, 
VI:  69),  darunter  285  Kath.,  67  Evang.,  6  Isr.  Zur  Universität  wur- 
den Mich.  1853  19,  Ostern  d.  J.  1 ,  Mich.  21  entlafsen.  Programm- 
abhandlungen  Mich.  1853:  Die  arithmetischen  Epigramme  der  grie- 
chischen Anthologie  übersetzt  und  erklärt  vom  Oberlehrer  Zirkel  (33 
S.  4);  Mich.  1854:  Obacrvationes  Livianae,  scr.  Job.  Preaden- 
berg  (14  S.  4). 

Braunsberg.  Zum  3n  ordentlichen  Lehrer  am  dortigen  Gymna- 
sium ist  der  Collaborator  am  katholischen  Gymnasium  zu  Breslau  Dr. 
Haegele  ernannt. 

Breslau.  Privatdocent  Dr.  Fr.  Moritz  Baumert  von  dort  ist 
zum  aufserordentlicben  Professor  der  Chemie  in  der  philosophischen 
F^acultät  der  Universität  Bonn  ernannt. 

CuLM.  Zum  3n  ordentlichen  Lehrer  am  dortigen  Gymnasium  ist 
der  Schulamtscandidat  Altendorf  berufen  und  bestätigt. 

CzERNOwiTZ.  Zum  wirklichen  Lehrer  am  dortigen  Gymnasium  ist 
der  gewesene  Supplent  am  Prefsburger  Gymnasium  Johann  Tunst 
ernannt. 

DoTfAUEscHiNGEN.  An  die  Stelle  des  in  die  praktische  Seelsorge 
zurücktretenden  geistlichen  Lehrers  am  dortigen  Gymnasium,  Priester 
Behrle,  trat  Pfarrverweser  Linder  aus  Binningen.  Anfserdeni  s. 
Bd.  LXIX  S.  699.  Das  Lehrercollegium  hat  demnach  gegenwärtig 
folgenden  Bestand:  Dircctor  Prof.  Duffncr,  die  Professoren  Schuch 
und  Gagg,  die  Gymn.lehrer  Schaber  und  Heine  mann,  geiftl. 
Lehrer  Linder,  Reallehrer  Weber,  evang.  Religionslehrer  Hofpre- 
diger Dr.  Becker  und  Gesanglehrer  Böhm.  Die  Schülersahl  betrog 
am  Anfang  des  Schuljahres  1853—54  97,  am  Schlafs  88  (I:  13,  II: 
17,  HI:  21,  IV-:  10,  IV»>:  13,  V:  4,  V»-:  10).  Program mabhandlang 
Mich.  1854:  Gemüse  und  Salate  der  Alten  in  gesunden  und  kranken 
Tagen,  le  Abth.  Blattgemüse  und  Salate,  Botanischphilologische  Ab- 
handlung vom  Prof.  Chr.  Theophil  Schuch  (Schlufs  dieser  Abth. 
S.  41-76.  8). 

DÜSSELDORF  [s.  Bd.  LXV  S.  113.  LXVI  S.  352].  Am  Schlufs  ded 
vorigen  Schuljahrs  trat  Professor  Dr.  Hildebrand,  nachdem  er  seit 
dem  Januar  1818  am  dortigen  Gymnasium  gelehrt  hatte,  in  den  Rahe» 
stand;  die  dadurch  entstandene  Lücke  wurde  durch  die  commissarifche 
Beschäftigune  des  Cand.  Gi esen  ausgefüllt.  Ihr  Probejahr  hielten 
ab  die  Candidaten  Kessels  und  Schneiderwirth.  Aufserdem  •• 
Bd.  LXIX  S.  459.  Schälerzahl  am  Schlafs  des  Sommerhalbjahrs  1854: 
271  (I:  22,  II*:  33,  11»»:  23,  ül:  48.  IV:  55,  V:  51,  VI:  38);  Abitn- 
rienten  8.  Programmabhandlnng:  Ulixis  ingenium  quäle  et  /lowcrwe 
finxerit  et  tragici  Graecorum  poetae^  scr.  Gull.  Marcowits  (13 
S.  4). 

KLBi!tG.  Zum  ersten  ordentlichen  Lehrer  am  dortigen  Gymnasiam 
ist  der  Gymnasiallehrer  Dr.  Rensch  in  Gumbinnen  berufen  und  be- 
stätigt. 


litterarische  nnd  antiquarische  Miscellen.  347 

Frarkpvrt  amMaiic.  Ihrem  Director  Prof.  Dr.  J,  Clansen,  der 
sich  am  2.  Septbr.  1829  auf  der  Universität  Bonn  die  philosophische 
Doctorwurde  erworben  hatte,  bezeugten  bei  der  Wiederkehr  dieses 
Tages  nach  25  Jahren  die  Collegen  ihre  freudige  Theilnahme  durch 
Ueberreichung  folgendes  Schriftchens :  Firo  praestantisaumo  loanni 
Clatseno  per  quinque  lustra  doctori  phifosophiae  elarisaumo  ea  qua 
par  est  ohaervantia  graiulantur  gymnatii  Moenofrancofurtani  conle- 
gae  die  II  menais  Septembris  anni  MDCCCLIIIL  Insunt  Catonianae 
poe$U  reliquiae  ex  recensione  Alfredi  Fleckeiaeni.  Lipsiae  formis 
descripsit  fi.  6.  Teubnerus  (J9  S.  8). 

GÖRZ.  Zum  wirklichen  Lehrer  am  dortigen  Gymnasium  ist  der 
Supplent  am  Gymnasium  zu  Ofen  Carl  Doblika  ernannt. 

Gottingen.  Im  Lehrercollegium  des  dortigen  Gymnasiums  waren 
im  Schuljahre  Ostern  1853 — 54  folgende  Veränderungen  vorgekommen: 
Ostern  1853  wurde  Collaborator  Pabst  als  IVlitarheiter  für  das  Volk»- 
Schulwesen  in  das  Consistorium  zu  Hannover  versetzt,  in  seine  Stelle 
trat  Cand.  Schmidt;  im  Sommer  schied  Cand.  Pertz,  Mich.  Cand. 
Meyer  aus  dem  mit  dem  Gymnasium  verbundenen  paedagogischen 
Seminar,  dagegen  traten  ein  die  Candidaten  Valett  aus  Gottingen, 
Stüve  aus  Osnabrück  und  Dr.  Bleske  aus  Emden.  Der  Tod  des 
Rector  Karl  Friedrich  Schrickel  (geb.  I.  August  1786  zu  Set- 
telstedt  im  Gothaischen)  ist  Bd.  LXIX  S.  707  gemeldet.  Das  Lehrer^ 
coliegium  bestand  demnach  am  Schlufs  des  Schuljahrs  aus  dem  Di- 
rector Geffers,  den  Conrectoren  Meifsner  und  Schöning,  dem 
Subconrector  Dr,  Hummel,  dem  Oberlehrer  Dr.  Thiermann,  Dr. 
Scheele,  Dr.  Muhlert,  Dr.  Lattmann,  den  Collaboratoren  Mül- 
ler und  Schmidt  und  den  obengenannten  Candidaten.  Die  Schuier- 
zahl  betrug  248  (I:  15,  II*:  27,  II»:  29,  HI:  47,  IV i  54,  V:  42,  VI: 
34);  zur  Univ.  wurden  Ostern  1853  3,  Mich.  5  entlafsen.  Seit  dem 
1.  Mai  d.  J.  ist  das  Gymnasium  durch  drei  Realclassen  erweitert  wor- 
den, so  dafs  die  ganze  Lehranstalt  jetzt  in  folgende  3  Abtheilungen 
zerfällt:  die  Vorbereitungsanstalt  von  3,  das  Gymnasium  im  engern 
Sinne  von  4  Classen  und  die  3  Realclassen.  Programmabhandlung 
Ostern  1854:  De  deo  ex  machina  in  Philocteta  Sophoclia  interveniente 
eommeniaiio,  scr.  Augustus  Geffers  (30  S.  4). 

Graz.  Zum  aufserordentlichen  Professor  der  politischen  WiPsen- 
schaften  an  der  dortigen  Universität  ist  der  Privatdocent  Dr.  Wil- 
helm Kosegarten  aus  Wien  ernannt. 

GuMBiNNEN.  Dem  Oberlehrer  am  dortigen  Gymnasium  Dr.  K.  Fr. 
August  Dewischeit  ist  der  Professor-Titel  verliehen. 

Hannover  [die  orthographische  Conferenz,  vgl.  NJahrb.  Bd.  LXIX 
S.  701  f.].  Die  dortigen  Zeitungen  theilen  die  Ergebnisse  der  am  1. 
nnd  2.  September  d.  J.  dort  abgehaltenen  Conferenz  zur  möglichen 
Normierung  der  deutschen  Orthographie  mit.  Sie  bestand  aus  vier 
Mitgliedern  des  Oberschulcollegiums  (dem  Oberschulrath  Kohlrausch, 
Scholrath  Schmalfufs,  Hofrath  Bode  und  Regierungsrath  Bruel), 
den  Gymnasialdirectoren  A  h  r  e  n  s  aus  Hannover  und  H o  f  f  m  a  n  n  ans 
Lüneburg,  den  Rectoren  Schädel  aus  Stade,  Berg  er  aus  Celle, 
Scham bach  aus  Eimbeck  und  dem  Collaborator  Ruprecht  ans  Hil- 
desheim,  dem  Director  der  hohem  Bürgerschule  in  Hannover  Teil- 
kampf und  der  hohem  Tochterschule  Dieckmann,  endlich  für  die 
Volksschulen  dem  Oberschulinspector  Seffer.  Die  Ergebnisse  der 
Berathnng  sind  narh  der  ^Zeitung  für  Norddeutschland '^  in  kurzem 
folgende.  Die  grofsen  Anfangsbuchstaben  sind  möglichst  ein- 
geschränkt; festgehalten  bei  Eigennamen,  für  den  Anfang  der  Sätze, 
bei   Substantiven  und    andern   wirklich    als   Substantive   gebrauchten 

23* 


348  Scliu  -  und  Pcrsonalnachrichten ,  statistische  Mitlhcilungcn, 

Wörtern  (auf  das  ^euszcrate  ^efnszi  «ein);  abgeworfen  dagegen  bei  den 
Adjectiven  der  Lander-  und  Völkernamen  sowie  in  vielen  Ausdrücken, 
die  nur  scheinbar  substantivischen  Charakter  haben  {von  neuem,  aufa 
äusscrste  u.  s.  w.)«     Der  Convenienz  ist    hinreichender  Spielraum    ge- 
laPsen.    Die    Bezeichnung  der   Vocallänge  durch    Verdoppelung 
oder  durch   das  Dchnungs-A  ist  da  eingeschränkt  wo  der  Gebrauch  es 
bereits  zuläfst  (z.  B.  in  bar,  Ware,  strale,  liliiic,  Hase,  Schaf  u.  s. 
w.).     Das    unglückselige   th   ist    ziemlich    glücklich    dem    gefürchteten 
8chifn>ruch  entgangen  und  mit  einem  gewis  leicht  zu  verschmerzenden 
Beinbruch  davon   gekommen.     Es  ist   nenilich  abgeworfen  in  den   End- 
silben at  und  ut  {Heimat,  ^rmut)  und  in  den  Wörtern  ff^irt  und  Turm, 
In  der  Silbe  thum  ist  es  beibehalten  der  allgemein  üblichen  officiellen 
Schreibweise  wegen  {Hcrzogthum  n.  ä.)-     Das  ie  als  Bezeichnung  de» 
langen  i  ist  consequent  durchgeführt  in  den  Verben  auf  -ieren    (regie- 
ren, passieren  u.  s.  w.).    Der  nicht  selten  sich  findenden  übermaPsigen 
Häufung  der  Consonan  ten  ist  ein  Damm  gesetzt.    Von  drei  gleichen 
Consonanten  hat  einer  das  Feld  räumen  mülsen  in  Wörtern  wie  Kam- 
macher (statt  Kammmachcr) ,    Schiffahrt  u.  s.  w. ;   von   zwei  gleichen 
Consonanten  einer  in  den  Endsilben  -nis  und  -in  (Finsternis^  hont  ff  in, 
auch  in  Sachtigal  u.  s.  w.,  die  natürlich  in  der  Mehrzahl  Finstemtase, 
Königinnen,  Nachtigallen  heifsen)  sowie  in  der  Silbe  mis  (Misbrauch), 
Dem   sz   ist   dem    ss    gegenüber   sein   volles   Recht   geworden.     Das  ss 
ist  die   Verdoppelung   des  weichen   8,    müste  also   weich   gesprochen 
werden,    wie  m  grissetn,  missefn  :  keineswegs   ist  es  als  Verdoppelung 
von   sz  (also   szsz)  anzusehen.     Das    ss  hat  seine  Berechtigung  aufser 
in  Fremdwörtern   (s.  unten)  nur  in  etwa  15  deutschen  Wörtern  (mis- 
sen, küssen,  Küssen  oder  Kissen  u.  s.  w.),  in  mis-  und  -nis.    In  allen 
übrigen  Worten  ist  sowohl   im  Inlaut    als   im  Auslaut  ss  zu  schreiben 
{Flusz,   Flüsze,  eszen  u.   s.   w.).     Da   die  Conferenz  aber  anerkennen 
muste  daPs  die  neuhochdeutsche  Aussprache  zwischen  ss  und  sz  keinen 
Unterschied   macht,    so    hat   sie    aus  Gründen   der  Zweckmäfsigkeit  es 
jedem   freigestellt  überall    wo   der  scharfe   «-laut   gesprochen  wird    in 
deutschen  Wörtern   sz  zu  schreiben.     In  Betreff  der  Fremdwörter  ist 
zwar    grofser  Spielraum   gelaPsen,   da   sich  (ausgenommen  bei  wenigen 
Wörtern   wie  Kasse,  Klasse,  Kanzel)  schwer  die  Grenze  ziehen  laPst 
zwischen    eingebürgerten    und    nicht    eingebürgerten    Wörtern;   jedoch 
ist   der   Grundsatz   anerkannt:    man   schreibe  Fremdwörter   am   besten 
der  fremden  Orthographie   gemäPs  oder  gebrauche   sie  gar  nicht,   man 
schreibe  also  Concentration,  nicht  konzentrazion,    C  ist  ein  deutscher 
Buchstab,   die   Sucht   diesen    zu  verdrängen    also  nicht  gerechtfertigt. 
Eine    ausführlichere    Besprechung    der    Tnterpunction    wurde    von    der 
Conferenz  abgelehnt,    da  die  Fälle  wo  jedenfalls  interpungiert  werden 
mups   ziemlich    allgemein  feststehn,    in    zweifelhaften    Fällen    dagegen 
das    Gefühl    des   schreibenden    entscheiden    muPs.     Die    F'rgebnisse   der 
Conferenz   werden   demnächst   durch   d.is  k.  Oberschnlrollegium  veröf- 
fentlicht werden  und  zwar  in  drei  Ahtheilungen:   I)  systematische  Zu- 
sammenstellung der  Hauptregeln,   '2)  alphabetisches  Wörterverzeichnis, 
3)    wiPsenschaftliche   Begründung   und  Zusammenstellung   der  wit-htig- 
»ten    Wörtergrunpen.  —    Das   k.  Oberschulcollegium   will   sodann  nur 
empfehlen,  nicht  octroyieren. 

HkiLiiRoNN.  Der  Rector  des  dortigen  Gvmnatfiums  und  der  Real- 
schule Kapff  ist  zum  Ephorus  am  Seminar  in  Urach,  zu  seinem  Nach- 
folger der  erste  Professor  am  Seminar  in  Urach  Mönnich  ernannt 
worden.  -  Zur  Feier  des  Gebnrtsfestes  des  Königs  am  27.  Scptembar 
d.  J.  lud  Professor  Dr.  Chr.  Eberhard  Finckh  durch  folgendes 
Programm  ein:  De  incerti  auctoris  artis  rhetoricae  post  Seguerium  a 
Leonardo  Spengclio  cditac  locis  aliquot  tmendandis  (18  S.  4). 


littcrarische  und  aotiquarisclie  Miscellco.  349 

Hermann S.TADT.  Am  dortigen  katholischen  Gymnasium  sind  zu 
wirklichen  Lehrern  ernannt  die  Supplenten  Dr.  Wenzel  Kratky  am 
Brunner,  Johann  Rozek  am  Neusohler,  Anton  Tschofen  am  Görzer, 
Eduard  Krischek  am  Grazer,  Theodor  Pantke  am  Teschener 
katholischen  und  Joseph  Nepomucky   am  Prager  Altstädter   Gymn. 

HiLDEsiiKiM.  Das  dortige  Gymnasium  And reanum  Ist  im  Schul- 
jahr Ostern  J8j3 — 54  um  neue  Classen  vermehrt  worden,  indem  Sep- 
tima  und  Tertia  in  zwei  selbständige  Abtheilungen  zcrtheilt  worden 
sind;  als  Lehrer  von  VII'*  wurde  der  Cand.  th.  Ürauns  I  und  nach 
dessen  Abgang  der  Schularatscand.  Schnitzen  angestellt,  für  die 
durch  Errichtung  von  Jll''  nothwendig  gewordene  neue  Lehrerstelle  der 
Collaborator  Ruprecht  vom  Progymnasium  in  Northeim  ernannt. 
Aufserdem  kamen  im  LehrercoUogium  noch  folgende  Veränderungen 
vor:  die  Schulaiutsctindidaten  Dr.  Buch  holz  (am  Gymn.  in  Clausthal 
angestellt)  und  Lion  und  der  Cand.  th.  Rauterberg!  schieden  aus, 
dagegen  traten  ein  Collalorator  Lorberg  (der  Ostern  d.  J.  schon 
wieder  abgegangen  ist  und  Dr.  Schumann  zum  Nachfolger,  erhalten 
hat),  Cand.  th.  Brauns  II  und  Collaborator  Schröder,  der  letzte 
als  '2r  Lehrer  der  Mathematik  und  Naturwi^sen^chaften  vom  Gymn.  in 
Clausthal  berufen.  Zum  provisorLschen  Gesanglehrer  wurde  Organist 
Tietz  ernannt.  Das  Lehrercollegium  hatte  danach  am  Schlufs  des 
letzten  Schuljahres  folgenden  Bestand:  Director  Brandt,  Rector  Dr. 
Schröder,  Conrector  Sonne,  Subrertor  Jatho,  Musikdirector  Er- 
furt, die  Collaboratoren  Dr.  Wieseler,  Fischer,  Pastor  Fun- 
deling^  Schröder  und  Wolter,  die  Gymnasiallehrer  Löbnitz  und 
Wilken,  dem  Lehrercollegium  aggregiert;  Prof.  Graven hörst, 
aufserordentliche  Lehrer:  Collab.  Lorberg,  Cand.  th.  Brauns, 
Schulamtscand.  Schultzen.  Die  Schulerzahl  betrug  im  Decbr.  v.  J. 
36Ö  (I:  24,  H:  34,  111:  42,  IV:  27,  V:  51.  VI:  54,  VII:  49,  Real  I: 
11,  Real  II:  41,  Real  III:  32).  Zur  Universität  wurden  Mich.  18j3 
6,  Ostern  d.  J.  7  entlafsen.  Programmabhandlung:  lieber  den  Un- 
terricht in  der  Mineralogie  auf  Gymnasien,  vom  Collab.  Fischer 
(12  S.  4). —  Das  bischöfliche  Gymnasium  Josephinum  hat  keine 
wifsenschafiliche  Abhandlung  ausgegeben. 

HoHENsTKiN.  Zum  Director  des  dortigen  Progymnasiums  ist  der 
Oberlehrer  an  der  Realschule  zu  Posen  Dr.  Max  Toeppen  ernannt. 

Krakau.  Zum  anfserordentlichen  Professor  der  Rechtsphilosophie 
an  der  dortigen  Universität  ist  der  Privatdocent  Dr.  Vincenz  Wa- 
iiiorek  zu  Wien  ernannt. 

Kreuznach  [s.  Bd.  LXVIII  S.  655].  An  die  Stelle  des  kath.  Rc- 
ligionslehrers  am  dortigen  k.  Gymnasium,  Caplan  Faust,  trat  Caplan 
Johann  Weifsbrodt.  Die  Schüierzahl  betrog  im  Winter  1853- -54 
163,  im  Sommer  d.  J.  146.  Im  Herbst  1853  wuHen  6,  1854  i'iner  zur 
Universität  entlafsen.  Programmabhandlung:  AUfremeine  Grösscnbe- 
stimmunfr  der  homoedriachen  Formen  des  regelmässigen  Krystalhy- 
Sterns,  vom  Oberlehrer  J.  Fr.  G.  De  11  mann  (10  S.  4  mit  einer  Fi- 
ßurentafel). 

Mai.nz  [s.  Bd.  LXV  S.  341  f.  LXIX  S.  461].  Für  das  2e  Seme- 
ster des  Schuljahres  1853—54  waren  die  Priester  Thoms  und  Lipp 
zn  Stellvertretern  des  kath.  Religionslehrers  Euler  bestimmt.  Mit 
dem  nächsten  Schuljahre  wird  eine  neue  Parallelclasse  errichtet  wer 
den,  zu  deren  Classenfiihrer  Dr.  Noire  ernannt  worden  ist.  Die 
Schnlerzahl  betrug  366  (I:  30,  II:  34,  III:  28,  IV:  39,  V:  45,  VI:  57, 
VII:  61,  VIII:  72),  darunter  269  Kath.,  49  Prot,  und  48  Ur,  Abitu 
rienten  Ostern  1854:  14,  Mich.  14.  Progrummabhandlung  von  F.  M. 
Gredy:  lieber  die  Kaiserchronik,  ein  Gedicht  des  l2n  Jh.,  einige 
Theilc  derselben  mit  nhd.  Ucbcrtragvng  und  Anmcrhungen  (26  S.  4). 


350  Schal-  und  PersooalnachrichteD ,  sittistiBche  Mittheilnngen, 

Ofen.  Der  Sapplent  am  dortigen  Gymnasium  Joseph  Hotsl 
ist  zum  wirklichen  Lehrer  an  derselben  Anstalt  ernannt. 

Paris.  An  des  verstorbenen  Raool-Rochette  Stelle  ist  Dr. 
E.  Beul^,  ehemaliges  Mitglied  der  Schule  Ton  Athen,  zum  Professor 
der  Archaeologie  an  der  kais.  Bibliothek  ernannt. 

Prag.  Zum  aurserordentlichen  Professor  der  slaTischen  Philo- 
logie an  der  dortigen  Universität  ist  der  Weltpriester  der  Graner 
Erzdioecese  und  Privatdocent  Martin  Hattala  ernannt.-—  Der  pro- 
visorische Director  des  Kleinseitner  Gymnasiums  Dominik  Kra- 
tochwile  ist  zum  wirklichen  Director  dieser  Lehranstalt  ernannt. 

Przemysl.  Der  Supplent  am  dortigen  Gymnasium  Weltoriester 
Heinrich  Lewinski  ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  aaselbst 
ernannt. 

Ratibor.  Als  Prorector  ist  an  das  dortige  Gymnasium  Professor 
Dr.  Wilhelm  Arthur  Passow  aus  Meiningen  berufen  worden. 

RossLEBEif  (Jubelfeier  der  dortiffen  Klosterschule).  Die  im  J.  1554 
von  dem  thüringischen  Ritter  Heinrich  von  Witzleben  gestiftete 
Klosterschule  Rofsleben  begieng  am  5.  und  6.  Juli  d.  J.  die  dreihun- 
dertjährige Feier  ihres  Bestehens  unter  zahlreicher  Betheiligung  so- 
wohl ihrer  ehemaligen  Zöglinge  als  auch  der  hohen  vorgesetzten  Be- 
hörden, sowie  anderer  Freunde  und  Gönner  der  Anstalt.  Da  die 
Stiftungsurkunde  wahrscheinlich  bei  dem  Brande,  welcher  im  J.  1686 
sämmtliche  Klostergebäude  in  Asche  legt^,  verloren  gegangen  ist  und 
auch  aus  den  übrigen  bei  jener  Feuersbrnnst  geretteten  Acten  des 
Klosters  der  Tag  der  Stiftung  und  Eröffnung  der  Schule  nicht  ermit- 
telt werden  konnte,  so  wurden  der  5.  u.  6.  Juli  zur  Feier  festgesetzt« 
Der  gegenwärtige  Erbadministrator  der  Klosterschule,  Hartmann 
von  Witzleben,  Oberpraesident  der  Provinz  Sachsen,  sowie  das  Leh- 
rercollegium  wünschten  ursprünglich  das  Fest  im  stillen  und  intra 
parietes  privatos  durch  einen. kirchlichen  und  Schulact  zu  feiern;  die 
Liebe  und  Anhänglichkeit  der  ehemaligen  Zöglinge  der  Anstalt  iiefs  es 
aber  dazu  nicht  kommen.  Schon  seit  Jahren  hatten  viele  derselben  im 
allgemeinen  die  Absicht  ausgesprochen,  diesem  Feste  persönlich  bei- 
zuwohnen und  dadurch  ihre  Liebe  zur  alma  mater  Rhodoscia  zu  be- 
thätigen.  Die  erste  directe  und  öffentliche  Aufforderung  zu  einer  sol- 
chen Betheiligung  aber  gieng  aus  von  zwei  in  Berlin  lebenden  ehema- 
ligen Zöglingen,  den  Doctoren  Weber  und  Hesekiel,  welche  Anfang 
Decembers  v.  J.  durch  die  Berliner  Zeitungen  eine  öffentliche  Einla- 
dung namentlich  an  die  in  Berlin  anwesenden  Commilitonen  erliefsen, 
aus  ihrer  Mitte  ein  Comit^  zu  bilden,  um  die  ersten  einleitenden 
Schritte  zu  thnn  und  die  Art  und  Weise  zu  bestimmen,  wie  der  alma 
mater  bei  dieser  Gelegenheit  die  Liebe  und  Verehrung  ihrer  Söhne  sa 
bethätigen  sei.  In  Folge  dieser  Aufforderung  trat  ein  Comit^  zusam- 
men, welches  beschlofs  ein  Album  sämmtlicher  auf  der  Klosterschule 
recipierter  Zöglinge  drucken  zu  lafsen  und  zu  Geldbeiträgen  zur  Be- 
streitung der  Kosten  aufforderte.  Unmittelbar  darauf  traten  auch  die 
in  Leipzig,  Dresden,  Halle  und  Umgegend  wohnenden  ehemaligen  Zög- 
linge zusammen  und  beriefen  für  den  Anfang  Januar  d.  J.  eine  Ver- 
hammlung  nach  Leipzig,  zu  der  auch  im  Namen  des  Berliner  Comit^s 
Dr.  Weber  und  von  Rofsleben  Prof.  Herold  sich  einfanden.  Auf 
dieser  Versammlung  wurde  beschlofsen,  aufser  dem  Schüleralbum  noch 
ein  wifsenschaftliches  Programm,  zu  dessen  Abfafsung  sich  der  Gym- 
nasiallehrer Dr.  Giseke  in  Meiningen  bereit  erklärte,  drucken  in 
lafsen;  ferner  zwei  Oelgemälde,  die  Portraits  des  vongen  und  des 
jetzigen  Erbadministrators  anfertigen  zu  lafsen  und  der  AnsUlt  zu 
überreichen;   endlich  aber  zu  einer   Geldsammlung  aufsufordem,  ui 


Schul-  und  Pcrsonalnachriclilen  u.  s.  w.  351 

«inen  Fonds  kq  bilden,  durch  den  später  eine  eigene  Klosterkirche 
gebaut  werden  könne,  welche  bei  der  vermehrten  FrequeoE  ein  drin- 
gendes Bedürfnis  geworden  ist.  —  Inzwischen  war  man  auch  in  Rofs- 
leben  selbst  nicht  mufsig.  Auch  hier  wurde  ans  4  Mitgliedern  des 
LehrercoUegiums  ein  Fest-Comite  gebildet,  der  P^hadministrator  liefs 
das  Schulgebaude  von  auf^en  restaurieren,  im  Innern  mehrere  (lassen- 
locale  mif^neuen  Dielen  und  Tapeten  versehen;  es  wurde,  da  auf  einen 
zahlreichen  Besuch  gerechnet  werden  muste,  eine  eigene  Festhalle  auf 
dem  Spielplätze,  gebaut,  kurz  es  geschah  alles,  um  das  Fest  auch 
äufferlich  der  Wurde  desselben  angemefsen  zu  feiern.  Die  jetzigen 
Zöglinge  beeiferteu  >ich,  in  lateinischen,  griechischen,  deutschen  Ge- 
dichten und  Reden  ihre  Freude  an  dem  Feste,  ihre  Liebe  zur  Anstalt 
und  zum  Krbadministrator,  ihre  Verehrung  für  die  älteren  Commilito- 
nen  auszn>j»rechen.  Die  letzten  Tage  vor  dem  Feste  wurden  fast  aus- 
adiliefslich  darauf  verwendet,  Guirlanden  und  Kränze  aus  Moos,  Laub 
und  Blumen  zu  flechten,  um  das  Kloster  von  innen  und  aufsen,  sowie 
die  Festhalle  festlich  zu  srhmucken.  —  Unter  diesen  Vorbereitungen 
brach  der  festliche  Tag  an.  Am  Tage  vorher  hatte  sich  eine  grofse 
Menge  ehemaliger  Zöglinge,  zum  Theil  aus  weiter  Ferne,  die  Vertre- 
ter der  hohen  vorgesetzten  Behörden,  namentlich  der  Geh.  Rath  Dr. 
Wiese  aus  Berlin  und  der  Provincial-Schulrath  Dr.  Schaub  aus 
Magdeburg,  und  die  Deputierten  benachbarter  Gymnasien  eingefun- 
den. Zum  vorläufigen  Empfang  derselben  war  ein  eigenes  Bureau  ein- 
gerichtet, in  welchem  den  ankommenden  die  zu  dem  Fest  erschienenen 
Drucksachen  übergeben  und  W^ohnungen  angewiesen  uurden.  Um  8  Uhr 
Abends  versammelten  sich  der  Erbadministrator,  das  Lehrercollegium 
und  die  gegenwärtigen  Zöglinge  auf  dem  Spielplatz  und  empfiengen  die 
Gäste  durch  einen  zu  diesem  Zweck  von  einem  Mitglied  des  Lehrer- 
coUegiums,  Arnold  Steudener,  gedichteten  und  von  dem  Schüler- 
chor vorgetragenen  Bcwillkomnuiungsgrufs.  Die  bereits  eingetroffenen 
Gäste  hatten  sich  einem  ihnen  vurher  eingehändigten  Festprogramm 
gemäfs  hierzu  eingefunden,  und  es  suchten  und  begrnfsten  sich  hier 
nun  die  alten  Freunde  und  Bekannten,  die  sich  zum  Theil  seit  ihrer 
Schulzeit  nicht  wieder  gesehen  hatten.  Da  sah  man  Männer,  welche 
das  Leben  in  der  Blüte  der  Jahre  voneinander  getrennt,  jetzt  mit  er- 
grautem Haare  sich  an  die  Brust  sinken  und  den  alten  Freundschafts- 
bund in  jugendlicher  Frische  erneuen.  Denn  so  verschieden  auch  die 
einzelnen  waren  an  Alter  und  Lebensstellung,  hier  fühlten  sich  alle 
verwandt  als  Söhne  der  einen  Mutter.  —  Um  9  Uhr  begaben  sich  alle 
anwesenden  in  die  zu  einer  Aula  umgcschafTene  Kirche,  woselbst  der 
Rector  der  Anstalt,  Prof.  Dr.  Anton,  das  Abendgebet  hielt.  Derselbe 
zeigte  in  seiner  Ansprache:  'hätte  der  Herr  nicht  gebanet,  so  baneten 
umsonst  die  Duuleute.''  Leider  war  der  Rector  durch  ein  wenige  T<ige 
vorher  ausgebrochenes  Unwohlsein  verhindert,  das  Gebet  der  ursprüng- 
lichen Bestimmung  gemäfs  im  Freien  unter  den  schönen  Linden  des 
Spielplatzes  zu  halten.  p]in  Choralgesang  eröffnete  und  beschlofs  das 
Gebet.  Der  übrige  Theil  des  Abends  war  der  geselligen  Unterhaltung 
im  Freien  und  in  der  Festhalle  gewidmet.  —  Am  5.  Juli,  dem  eigent- 
lichen Festtage,  überraschte  der  Sängerchor  der  gegenwärtigen  Schüler 
den  Erbadminisiratur  um  %6  Uhr  Morgens  durch  ein  Ständchen,  wozn 
A.  Steudener  ebenfalls  den  Text  gedichtet  hatte.  Schlag  6  Uhr  früh 
ordneten  sich  die  Srhüler  vor  dem  Portale  des  Klosters  und  eröffneten 
die  Feier  des  Tages  mit  dem  Choral  ^Wie  grofs  ist  des  Allmächtigen 
Gute',  wozu  sich  schon  eine  grofse  Anzahl  von  Gästen  eingefunden 
hatte.  Um  8  Uhr  begann  die  kirchliche  Feier.  Da  die  Räumlichkeiten 
dea  Klosters  nicht  ausreichten,  so  war  für  dieselbe  die  Benutzung  der 
Dorfkirche  erbeten  und  von  dem  Kirchen  vorstände  bereitwillig  zngc- 


352  Schul-  und  Personalnaclirichlen,  statistische  Mittheilungen, 

standen.  Die  ganze  Versamnilung  begab  sich  dahin  in  geordnetera 
Zuge.  Vorauf  giengen,  von  Marschällen  geleitet,  die  gegenwärtigen 
Zöglinge,  dann  kamen,  ebenfalls  von  Marschällen  gefuhrt,  die  Geistlichen, 
der  Krbtidministrator  nebst  den  übrigen  mitbelehnten  Gliedern  seiner  Fa- 
milie, die  Vertreter  der  Behörden,  die  jetzigen  und  ehemaligen  Lehrer  der 
An&talt,  an  welche  sich  dann,  ebenfalls  unter  der  Leitung  von  Marschäl- 
len, in  langem  Znge  die  ehemaligen  Schüler  anschlofsen.  Dffir  Choral 
<" Allein  Gott  in  der  Höh  sei  Ehr'  eröffnete  die  Feier.  Nach  Beendi- 
gung desselben  hielt  der  Prediger  Besser  von  Ziegelrode,  ein  ehe- 
maliger Zögling,  die  Liturgie  und  der  Prof.  Herold  die  Predigt  über 
den  Text  Pa.  143,  5  n.  6.  Um  10  Uhr,  nach  beendigter  kirchlicher 
Feier,  berief  der  Erbadministrator  die  mitbelehnten  Glieder  seiner 
Familie  und  das  LehrercoUegium  in  die  Wohnung  des  Rectors,  nm  die 
Glückwünsche  der  Deputierten  der  Behörden  und  Gymnasien  entgegen- 
zunehmen. Zunächst  trat  der  zeitige  Rector  der  Universität  Leipzig, 
Prof.  Dr.  Haenel,  auf,  um  die  Gluckwünsche  der  Universität  anszn- 
sprechen.  Leipzig  habe  früher,  äufserte  derselbe,  in  engerer  Verbin- 
dung mit  Rof>leben  gestanden,  und  so  sehr  die  Universität  auch  be- 
daure,  dafs  dieses  Band  gelockert  sei,  so  habe  sie  doch  stets  mit 
Theilnahme  auf  die  Klosterschule  geblickt  und  mit  inniger  Freude 
wahrgenommen,  wie  unter  den  Auspicien  der  Könige  von  Preussen  die 
Anstalt  zu  blühen  und  Segen  zu  verbreiten  fortgefahren  habe.  Tief 
bewegt  fügte  sodann  der  Redner  als  ehemaliger  Zögling  seine  person- 
lichen Glückwünsche  hinzu.  Zugleich  überreichte  er  ein  von  dem  Rector 
der  Nicolaischnle,  Prof.  Dr.  Nobbe,  im  Namen  derselben  verfafstes 
lateinisches  Gedicht.  Na«  h  ihm  nahm  der  Geh.  Rath  Dr.  Wiese  aus 
Berlin  das  Wort,  nm  im  Namen  8r.  Exe.  des  Ministers  von  Raumer 
der  Anstalt  zu  diesem  T<ige  Glück  zu  wünschen.  Freudig  sprach  der- 
selbe es  aus,  wie  willkommen  gerade  ihm  dieser  Auftrag  des  Herrn 
Ministers  gewesen,  da  er  seit  seiner  ersten  Anwesenheit  in  Rofsleben 
eine  so  günstige  Ansicht  von  der  Ans* alt  gewonnen  habe.  Darauf  ver- 
las er  ein  Hescript  des  Ministers,  in  welchem  derselbe  der  Anstalt 
die  Auszeichnung  verleiht,  dafs  hinfort  mit  den  vier  Oberlehrerstellen 
der  Professor-Titel  verknüpft  sein  solle,  und  somit  den  Oberlehrern 
Dr.  Johann  Karl  Gottwerth  Schmiedt  und  Dr.  Karl  Fried- 
rich Sickei  diesen  Titel  verleiht.  Hieran  reiheten  sich  die  Gluck- 
wünsche des  Provinctal-Schulrath  Dr.  Seh  au  b  im  Namen  des  Scbol- 
collegiums  in  Magdeburg,  des  Regierungs-Praesi«lenten  v.  Wedcll  im 
Namen  der  k.  Regierung  in  Merseburg,  des  Director  Dr.  Kramer 
und  Condirector  Dr.  Eckstein  im  Namen  der  Franckeschen  Stiftun- 
gen zu  Halle,  des  Prof.  J)r.  Jacobi  I  im  Namen  der  fast  gleichzeitig 
und  in  demselben  Sinne  wie  Rofsleben  gestifteten  Pforte,  des  Rector 
Müller,  ehemaligen  Lehrers  der  Anstalt,  im  Namen  des  Progymna- 
s  ums  zu  Wernigerode,  des  Superintendenten  Urtel,  ebenfalls  eines 
ehemaligen  Lehrers,  im  Namen  tU^s  Gymnasiums  zu  Merseburg,  des 
iSeminardirertors  Rothmuler  in  Erfurt,  zugleich  im  Namen  des  dor- 
tigen Gymnasiums.  Alle  diese  Anstalten  hatten  zugleich  ihrer  Theil- 
nahme auch  einen  schriftlichen  Ausdruck  gegeben  und  liefsen  theils 
lateinische  Abhandlungen,  theils  lateinische,  theils  deutsche  Gedichte, 
theils  lateinische  Votivtafeln  in  kostbarem  Druck  überreichen.  Aufser 
diesen  durch  Abgeordnete  überbrachten  Geschenken  war  noch  eine  An- 
zahl anderer  zum  Theil  aus  weiter  Ferne  eingelaufen;  namentlich 
hatten  «ich  die  benachbarten  Gymnasien  der  Provinz  Sachsen  beeifert, 
der  Schwester  zu  diesem  Tage  ihren  Glückwunsch  darzubringen.  Mit 
besonderem  Danke  mufs  hier  der  k.  bayerischen  Akademie  der  Wifsen- 
schaften  zu  München  gedacht  werden,  welche  durch  ihren  Vorstand, 
den  Geh.   Rath  Prof.   Dr.  von   T  hier  seh  die  sämmt  liehen  Schriften 


litterarische  und  antiqaarische  Miscellen.  353 

ihrer  philosophisch-philologischen  Classe  in  6  Banden  übersenden  liefrf. 
Nachoem  der  Rector  bereits  den  zunächst  an  ihn  gerichteten  Glück- 
wünschen einzeln  gedankt  hatte,  nahm  znin  Schluls  der  Erbadministra- 
tor das  Wort  und  sprach  in  längerer  Rede  sowohl  im  allgemeinen  sei- 
nen tiefgefühlten  Dank  aus  für  die  Theilnahme,  die  man  in  so  weiten 
Kreisen  an  der  frommen  Stiftung  seines  edlen  Ahnherrn  nähme,  na- 
mentlich aber  bat  er  den  Geh.  Rath  Dr.  Wiese,  den  Herrn  Minister 
von  Raumer  zu  versichern,  wie  hocherfreut  er  über  die  Auszeichnung 
sei,  die  der  Anstalt  ho  eben  durch  ihn  geworden.  —  Um  11  Uhr  be- 
,  gann  der  Schulactus,  welcher  ebenfalls  mit  einem  Choralgesang  erölTnet 
wurde.  Sodann  erhob  sich  der  Erbadministrator,  dankte  Gott,  dafs  er 
ihn  diesen  Tag  habe  erleben  lafsen,  wandte  sich  sodann  in  trefflichen 
Worten  an  die  mitbelehnten  Glieder  seines  Hauses  und  forderte  sie  auf, 
mit  ihm  vereint  ans  allen  Kräften  dahin  zu  wirken,  dafs  die  fromme  Stif- 
tung ihres  edlen  Ahnherrn  im  Sturme  der  Zeiten  nicht  verloren  gehe, 
sondern  wachse  und  blühe  in  .stets  segensreicherem  Wirken,  damit  noch 
die  spätesten  Enkel  mit  Stolz  sich  der  Vorfahren  erinnern  konnten. 
Hierauf  dankte  er  den  Lehrern  für  ihre  bisherige  Thätigkeit  und  for- 
derte sie  auf,  auch  fernerhin  ihren  ganzen  Fleil's  und  alle  ihre  Kräfte 
der  Anstalt  zu  widmen,  in  deren  Gedeihen  er  den  Stolz  seines  Lebens 
setze;  bat  die  jetzigen  Zöglinge  den  Zweck  ihres  Aufenthaltes  auf  der 
Klosterschule  nie  aus  den  Augen  zu  verlieren,  damit  auch  sie  einst 
mit  Freude  sich  der  hier  verlebten  Jahre  erinnern  konnten,  und  dankte 
7:nm  Schlufs  den  ehemalifi;en  Zöglingen,  dafs  sie  durch  ihre  zahlreiche 
Anwesenheit  an  dem  heutigen  Tage  einen  erfreulichen  Beweis  abgelegt 
hätten  von  dem  segensreichen  Wirken  dieser  ihm  so  theuren  Anstalt. 
Nach  dieser  trefflichen  Rede,  deren  Eindruck  allen  die  das  Gluck 
hatten  sie  zu  hören  unvergefslich  sein  wird,  hielt  der  Rector  der  An- 
stalt, Prof.  Dr.  Anton,  die  lateinische  Festrede,  in  weicherer  zeigte, 
wie  das  Kloster,  besonders  in  der  jüngsten  Zeit,  soweit  gediehen  und 
welcher  Entwicklungsgang  in  den  kommenden  Jahrhunderten  zu  wün- 
schen und  zn  erwarten  sei.  Nachdem  darauf  der  Schülerchor  eine  von 
dem  Lehrer  der  Anstalt  Dr.  Kroschel  verfafste  lateini.srhe  Ode  im 
sapphischen  Metrum  gesungen  hatte,  trugen  12  Schüler  der  beiden 
oberen  Classen  ihre  griechischen,  lateini>'cl)en,  deutschen  Gedichte  und 
Reden  vor.  Nach  einem  abermaligen  Chorgesang  mit  deutschem  Text 
erhoben  sich  nacheinander  der  Dr.  Albrecht  Weber,  Privatdocent 
an  der  Universität  zu  Berlin,  und  der  Praesident  von  Seckendorff 
aus  Meuselwitz  bei  Altenbur^,  um  im  Namen  der  ehemaligen  Zöglinge 
dem  Gefühl  der  Dankbarkeit,  das  dieselben  beseele,  beredten  Aus- 
druck zu  geben  und  der  Anstalt  als  ein  äufseres  Zeichen  derselben  die 
beiden  schon  erwähnten  Oelgemälde,  welche  zu  diesem  Behuf  zur  Seite 
des  Katheders  aufgestellt  waren,  und  das  Mlbum  der  Schüler  zu 
Kloster  Rofsleben  von  1742— 1H54'  zn  überreichen  und  auf  die  zum 
Behuf  eines  Kirchenbaues  veranstaltete  Sammlung  hinzuweisen.  Hierauf 
erhob  sich  Se.  Exe.  der  Minister  des  Cultus  und  öfifentlichen  Unterrichts 
im  Königreich  Sachsen,  von  Falkenstein,  um  im  Auftrage  seines 
Kön-gs  dem  Erbadministrator  den  Orden  Albrechts  des  Gerechten 
zn  überreichen  als  ein  Zeichen,  dafs  seine  Majestät  auch  nach  der 
Trennung  Rofslebens  von  dem  Königreich  Sachsen  mit  lebhafter  Freude 
die  Sorgfalt  wahrgenommen,  welche  die  Herren  von  Witz  leben  fort- 
während in  so  an.«gezeichncter  Weise  der  Anstalt  gewidmet  hätten. 
Nachdem  der  Erbadministrator,  durch  dieses  Zeichen  königlicher  Huld 
auf  das  freudigste  überrascht,  in  kurzen  Worten  gedankt  hatte,  wurde 
die  Feier  mit  einem  kurzen  Choralgesang  geschlofsen.  —  Um  2  Uhr 
begann  das  Festmahl,  bei  welchem  die  ungezwungenste  Fröhlichkeit 
herschte.    Den  ersten  Toast,   auf  Se.  Maj.  den  König   von  Preusscn, 


354  Schul-  und  Personalnachrichten,  statislische  MiUheilungen, 

brachte  der  Erbadministrator  aus,  wobei  er  mit  Dank  auf  die  Ehre 
hinwies,  welche  wenige  Wochen  zuvor  der  Anstalt  durch  die  Anwe- 
senheit des  Königs  zu  Theil  geworden  war.  Der  zweite  Toast ,  aus- 
gebracht von  dem  General  Ton  Witzleben  aus  Schwerin,  galt  dem 
Konige  von  Sachsen;  der  dritte,  ausgebracht  durch  den  Geh.  Rath 
Wiese  aus  Berlin,  der  Klosterschule;  der  Major  von  Witzleben  aus 
Gotha  brachte  den  preussischen,  der  Regierungspraesident  v  on  Wedeil 
aus  Merseburg  den  sächsischen  Behörden,  der  Minister  von  Falken- 
stein (in  lateinischer  Sprache)  der  Familie  von  Witzleben,  der 
Provincialschulrath  Schaub  aus  Magdeburg  den  Lehrern  ein  Hoch 
aus.  An  diese  vorher  bestimmten  Toaste  schlofs  sich  eine  lange  Reihe 
theils  ernster  theils  scherzhafter  an;  auch  wurde  eine  Sammlung  für 
die  Armen  veranstaltet,  welche  50  Thaler  ergab.  Zu  bleicher  Zeit 
waren  die  jetzigen  Zöglinge  durch  ein  fe-^tliches  Mahl  und  Nachmittags 
mit  Kaffee  und  Kuchen  bewirthct  worden.  Am  Abend  wurde,  zum 
Beschinfs  der  eigentlichen  Schulfeierlichkeiten,  das  Klostergebaude 
glänzend  illuminiert,  wobei  sich  namentlich  die  Schülerwohnungen 
durch  zahlreiche  Transparente  auszeichneten.  —  Wie  der  erste  Tag 
für  die  oflicielle  Jubelfeier  der  Schule,  so  war  der  zweite  zu  einem 
Erinnerungsfest  ftir  die  ehemaligen  Schüler  bestimmt.  Demgemäfs  ver- 
sammelte man  sich  früh  7  Uhr  vor  dem  Portale  des  Klosters  und  be- 
gab sich  zunächst  an  das  Grab  des  früheren  Erbadministrators,  des 
Geh.  Rath  von  Witzleben,  woselbst  der  Consistorialrath  Prof.  Dr. 
Gebser  von  Königsberg  zum  Andenken  des  allen  die  ihn  gekannt  ha- 
ben unvergefslichen  und  um  die  Klosterschule  hochverdienten  Mannes 
herzliche  Worte  sprach  und  einen  Kranz  auf  den  Grabhügel  legte. 
Dieselbe  Huldigung  brachte  man  sodann  den  hier  gestorbenen  Lehrern, 
dem  Rector  Dr.  Wilhelm,  dem  Pastor  Kessel  und  dem  Mathema- 
ticus  Zachariae  dar.  Dieser  wehmüthigen  Erinnerungsfeier  folgte 
eine  andere  von  mehr  heiterem  Charakter.  Alle  an\%ej>euden  begaben 
sich  nemlich  in  den  Wald  zur  Knabenciche,  um  die  Erinnerung  der 
dort  verlebten  fröhlichen  Stunden  zu  erneuern.  Im  Namen  aller  muste 
der  älteste  anwesende  Zögling,  Pastor  Kretzschmar  aus  Ablafs  in 
Sachsen,  ein  noch  rüstiger  Greis  von  83  Jahren,  einer  alten  rofslebi- 
schen  Schülersitte  gemäfs,  ein  mit  dem  Messer  gelöstes  Stückchen 
Rinde  dieser  Eiche  mit  den  Zähnen  herausholen  und  dann  im  Kreise 
um  dieselbe  herumgehen,  wobei  die  anwesenden  ihn  leicht  mit  den 
Taschentüchern  schlugen.  Nachdem  man  hierauf,  in  beliebige  Grup- 
pen vertheilt,  ein  Frühstück  eingenommen,  bei  welchem  noch  mancher 
fröhliche  Toast,  manches  heitere  Lied  erscholl,  begab  man  sich,  die 
Mubik  voran,  in  langem  Zuge  in  das  Kloster  zurück  und  brachte  da- 
selbst der  Wittwe  des  Geh.  Raths  von  Witzleben  und  dem  noch 
immer  durch  Unwohlsein  an  sein  Zimmer  gefefselten  Rector  vor  ihren 
Wohnungen  ein  donnerndes  Hoch.  Um  3  Uhr  fand  das  Mittagsmahl 
statt,  an  welchem  auih  viele  Damen  Theil  nahmen.  Hierbei  wurde 
den  anwesendt-n  noch  eine  freudige  Ueberraschung  bereitet.  Bald 
nach  dem  Beginn  der  Tafel  erhob  sich  nemlich  der  Erbadministrator 
und  theilte  ein  kurz  vorher  eingegangenes  Cabinetsachreiben  Sr.  Mai. 
des  Königs  von  Preussen  mit,  in  welchem  Hochderselbe  der  Anstalt 
zu  ihrer  Jubelfeier  Gluck  wünscht  und  derselben  als  ein  Zeichen  sei- 
ner Huld  sein  Bildnis  schenkt.  Mit  lautem  Jubel  stimmten  die  anwe- 
senden in  das  von  dem  Erbadministrator  ausgebrachte  Hoch  ein  und 
freudig  erscholl  das  Preussenlied  durch  die  Räume.  Ein  Ball  beschlofa 
diese  allen  Theilnehmern  gewia  unvergefsliche  Feier.  —  Zum  Schiurs 
dieses  Berichtes  geben  wir  noch  ein  Verzeichnis  aller  bei  dieser  Ge- 
legenheit erschienenen  Drucksachen.  Von  Seiten  der  Klosterschule: 
])  eine  lateiniiche  Fe$tode  in  17  alcaeischen  Strophen,   Terfafst  too 


litterarische  und  antiquarische  Miscellen.  355 

dem  Prof.  Dr.  Kefsler;  3)  Oeschichte  der  von  der  Familie  von  fFitz- 
Men  gestifteten  Klosterschule  Rossleben  von  155-1  bis  1854  durch  Dr. 
Theodor  Herold,  k.  Professor,  Predigerund  Oberlehrer  an  der  Klo- 
aterschnle  (82  S.  4) ;  3)  Quaestionum  Homeriearum  part,  L  scr.  Dr.  C. 
Fr.  Sickel  (14  S.  4),  zugleich  den  Jahresbericht  des  Rectors  für  den 
Zeitraum  von  Ostern  1853  bis  Ostern  1854  enthaltend  (S.  15—30).  — 
Von  Seiten  der  ehemaligen  Zöglinge :  1)  Mbum  der  Schüler  zu  Kloster 
Rossleben  von  1742  bis  1854,  eingeleitet  durch  ein  von  Dr.  J.  G.  L. 
Uesekiel  verfafhtes  Gedicht;  2)  Q.  B.  F.  F.  Q.  S.  Scholae  Rosle- 
hianae  abhine  trecentos  annos  dedicatae  ab  Henrico  a  fFitzleben, 
equite  et  doctore  iuris  uiriusque  sollemnia  saeeularia  die  F.  mensis 
lulii  anni  MDCCCHF,  pie  celebranda  indicunt  communi  consensu 
discipuli  interprete  Bernardo  Giseke.  Quaeritur:  num  quas  belli 
Troiani  partes  Homerus  non  ad  veritatem  narrasse  videatur.  Prostat 
Meiningae  apud  L.  ab  Eye.  —  Von  Seiten  des  Paedagogiums  und  der 
iatein.  Schule  zu  Halle:  Farietas  lectionis  codicis  Leidensis  ad  Cice- 
ronis  de  inventione  libros  11  j  vom  Condirector  Dr.  F.  A.  Eckstein, 
eingeleitet  durch  ein  aus  43  Distichen  bestehendes  lateinisches  Gedicht 
von  Dr.  R.  Geier.  —  Von  Seiten  der  Realschule  daselbst:  Ein  ma- 
thematisches Thema  aus  der  Schule  y  von  Dr.  A.  Wigand.  — Votiv- 
tafeln  überreichten:  die  Gymnasien  zu  Eisleben,  Naumburg,  Quedlin- 
burg, das  Kloster  U.  L.  Fr.  zu  Magdeburg  und  Schulpforte;  latei- 
nische Gedichte:  das  Gymnasium  in  Zeitz  und  die  Nicolaischule  in 
Leipzig;  deutsche  Gedichte:  die  Gymnasien  in  Merseburg  und  in 
Schleusingen  (letzteres  Proben  von  Uebersetzungen  horazischer  Oden). 

' Diesem  von  Hrn.  Dr.  Hermann  Steudener  abgefafsten  Bericht 

fGgt  die  Redaction  noch  einige  statistische  Notizen  über  die  Kloster- 
schule Rofsleben  bei.  Das  Lehrercollegium  besteht  gegenwartig  ans 
dem  Rector  Prof.  Dr.  Anton,  den  vier  Oberlehrern  Prof.  Dr.  He- 
rold (zugleich  Klosterprediger),  Prof.  Dr.  Kefsler,  Prof.  Dr. 
Schmiedt  und  Prof.  Dr.  Sickel,  dem  ordentlichen  Gymn.Iehrer  Dr. 
Hermann  Steudener  (1),  den  beiden  Adjuncten  Dr.  Arnold  Steu- 
dener (11)  und  Dr.  Kroschel,  dem  Oberprediger  Wetze!  (Zeichen- 
lehrer) und  dem  Cantor  Härtel  (Schreib-  und  Gesanglehrer).  Die 
Schülerzahl  betrug  im  Sommerhalbjahr  1853  JOl,  im  TVinter  1853 — 54 
102  (I:  23,  II:  35,  HI:  28,  IV:  16);  zur  Universität  wurden  Mich. 
1853  6,  Ostern  d.  J.  4  entlafsen.  Programmabhandlungen  Ostern  1849: 
De  Euripidis  Phoenissis  scr.  Dr.  H.  R.  E.  Steudener  (21  S.  4); 
Mich.  1850:  Num  ad  veritatem  Tacitus  in  ann.  1  et  II  narrarit  de 
expeditionibus  Germanici,  scr.  Dr.  A.  F.  M.  Anton  (32  S.  4);  Ostern 
]8o2:  Les  tems  et  les  modes  du  verbe  fran^ais  comparis  ä  ceux  du 
vcrbe  latin,  par  Dr.  J.  C.  G.  Schmiedt  (16  S.  4);  Ostern  1853: 
Kritik  der  Sage  vom  Konig  Euandros,  von  Dr.  Albert  Bormann 
(28  S.  4).     Die  letzte  von  Ostern  1854  ist  schon  oben  erwähnt. 

RuDOLSTADT.  An  dem  dortigen  Gymnasium  haben  folgende  drei 
Lehrer  das  Praedicat  Professor  erhalten:  der  Collaborator  J.  Re- 
gensburger, Mathematicus  am  Gymnasium  u.  2r  Lehrer  an  der  mit 
■eibigem  verbundenen  Realschule;  Dr.  Sigismund,  erster  Lehrer  an 
der  Realschule,  und  Dr.  Rudolf  Hercher,  Collaborator  am  Gym- 
nasium. 

Salzburg  [s.  Bd.  LXVIII  S.  568].  Eine  Veränderung  im  Lehr- 
körper des  dortigen  k.  k.  akademihcben  Gymnasiums  kam  im  Schul- 
jahre 1853—54  weiter  nicht  vor  als  dafs  der  zu  seiner  Ausbildung 
nach  Wien  einberufene  Supplent  Matthias  Plainer  am  26.  Juni  d. 
J.  gestorben  ist;  die  Supplierung  der  Iatein.  Spr.  im  Obergymn.  wird 
seitdem  durch  Dr.  J.  N.  Kapfinger  besorgt.  Die  SchGlerzahl  betrug 
284  (Vni:  32,  VH;  23,  VI:  30,  V:  27,  IV:  29,  lU:  37,  H:  43,  1:  63). 


S56   Schul-  und  Personalnachrichten,  sUtistische  Mittlieilungcn, 

Am  Schlnfä  des  Schuljahrs  1862 — ^3  hatten  21  Schüler  das  Zeugnis 
der  Reife  erhalten.  Programmabhandlung  vom  26.  Juli  1864:  Das 
Gebiet  da  deutschen  Sprachstudiums  mit  besonderer  Rücksicht  auf 
den  aestheiischen  Theil  desselben,  von  P.  Aemilian  Köck  (20  S.  4). 

Salzwedel.  Als  Programm  des  dortigen  Gymnasiums  wurde  aus- 
gegeben: Systematisch  geordnetes  Verzeichnis  der  Abhandlungen,  Re- 
den und  Gedichte,  die  in  den  an  den  preussischen  Gymnasien  und 
Progymnasien  1842-  1860  erschienenen  Programmen  enthalten  sind, 
vom  Oberlehrer  Dr.  Gustav  Hahn  (60  S.  4,  auch  im  fiuchhandei 
erschienen). 

ScnwiiiDNiTZ  [s.  Bd.  LXVIII  S.  221].  Das  Osterprogramm  des 
hiesigen  Gymnasiums  für  1864  enthält  auf  28  S.  Schulnachrichten  und 
in  einer  Beilage  (16  S.  4)  eine  philologische  Abhandlung  des  Directors 
Dr.  Julius  Held:  Observationes  in  difficiliores  quosdam  Sophoclis 
Antigonae  locos.  Es  sind  in  dieser  Abhandlung*  solche  Stellen  be- 
handelt, in  welchen  Hr.  Held  von  den  Ansichten  Schneidewins  ab- 
weicht. Das  ürtheily  welches  er  über  des  letztern  Ausgabe  fallt, 
ist  in  folgenden  Sätzen  enihalten:  '  Multis  profecto  fabularum  lo- 
eis  vir  eruditus  aul  accurata  interpretatione  lucem  aut  coniecturis 
perquam  ingeniosis  medelam  attulit,  unu  tamen  in  re,  ut  opinor, 
minus  laudandus,  quod  nimio  novas  res  in  medium  proferendi  stu- 
dio abreptus  interdum  aut,  quae  verba  genuina  prorsus  existimanda 
erant,  ea  vel  immutavit  aut  posthabitis  spretisque  interpretum  sen- 
tentiis  novas  obtulit  explicationes,  speciosas  plerumque  nee  tamen 
eas,  quas  aequa  iudicandi  ratio  aut  prolatis  meliores  aut  omnino 
Veras  censere  potuerit. '  Der  Vf.  bespricht  hierauf  die  Stellen  Vs. 
21 — 24,  die  er  bereits  bei  einer  andern  Gelegenheit  behandelt  hatte, 
31  ff.  824.  363.  604.  673-676.  683-687.  736.  761.  762  ff.  906—915. 
926—928.  —  Die  Anstalt  zählte  im  Verlauf  des  Jahres  nahe  an  300 
Schüler,  welche,  in  6  Classen  vertheilt,  wöchentlich  in  196  Stunden 
von  7  ordentlichen,  2  Hilfslehrern  und  2  Schulamtscandidaten  unter- 
richtet wurden.  Die  Zahl  der  ordenilichen  Lehrerhtellcn  ist  in  dem 
Schuljahre  durch  Verwandlung  der  ersten  Hiif>lehrerstelle  in  eine  (6e) 
Collegenstelle  um  eine  vermehrt  worden;  die  Errichtung  der  6n  Gym- 
nasialclasse  im  Jahre  1860  hatte  dazu  die  Veranlafsung  geboten.  Die 
Lehrerstellen  sind  von  der  Pritronat^hehorde  gemäfs  einer  Auffor- 
derung der  k.  Behörde  in  den  Gehältern  gebefsert  worden;  wie  viel 
die  Verbefserung  bei  einer  jeden  Stelle  betrage,  ist  nicht  angegeben; 
bei  einigen  Stellen  ist  dieselbe,  wie  Ref.  aus  sicherer  Quelle  weifa, 
sehr  kärglich,  bei  drei  Stellen  nicht  viel  über  20  Thaler,  wobei  die 
jetzt  von  den  Lehrern  zu  entrichtende  Communalsteuer  noch  nicht  in 
Abrechnung  gebracht  ist,  bei  andern  drei  bis  vier  mal  höher  ausge- 
fallen. Die  Prorectorstelle  ist  Pa>  Jahr  erledigt  gewesen.  Das  k.  Mi- 
nisterium hat  das  von  der  städtischen  Putronatsbehörde  proponierte 
und  von  dem  k.  Provincial-Schulcollegium  befürwortete  Avancement  der 
Lehrer  nicht  genehmigt,  da  es  für  das  Prorectorat  einen  Lehrer  ver- 
langt, der  zugleich  befähigt  sei,  den  Religionsunterricht  in  einer  der 
beiden  obern  Classen  zu  ertheilen.  Kin  Zusammenhang  zwischen  dem 
Prorectorat  und  der  Stellung  eines  Religionslehrers  hat  bisher  laut 
Statuten  des  Gymnasiums  nicht  bestanden;  die  Anstellung  eines  Reli- 
gionslehrers ist  übrigens  seit  Jahren  ein  Bedürfnis  gewesen,  da  bis 
jetzt  zwei  Geistliche,  in  ihren  Glaubensansichten  von  sehr  heterogenen 
Richtungen,  zur  Aushilfe  den  gedachten  Unterricht  in  den  mittleren 
(blassen  ertheilt  haben.  Die  PatronatsbehÖrde  hat  im  März  d.  J.  den 
Prorector  am  k.  Gymnasium  zu  Ratibor  JohannJuliusGuttmann  lum 
Prorector  des  hiesigen  Gymnasiums  erwählt;  derselbe  wird  nach  nunmehr 
erfolgter  Bestätigung  der  Wahl  zu  Michaelis  d.  J.  «ein  Amt  an  hiesiger 


lilterarische  ond  antiiiiiarische  Miscellen.  357 

.Anstalt  antreten.  Zor  Abbaltang  des  Ton  M.  Gottfried  Hahn,  wei- 
land Senior  der  evangelischen  Kirche  zu  Schweidnitz,  und  Chr.  W. 
Otto,  weiland  Assessor  des  Stadtgerichts  daselbst,  gestifteten  und 
erweiterten  Praemialredeactus  hat  Conrector  Dr.  Pr.  J.  Schmidt  im 
Jahre  1853  durch  ein  Programm  (8  S.  4),  enthaltend:  Mittheilung 
zweier  urkundlichen  j4cten$tüeke ,  beireffend  die  Vereinigung  der 
schleaitchen  Furatenthümer  Schweidnits  und  Jauer  mit  der  Krone 
Bohmena,  und  im  Jahre  1864  durch  ein  Programm  (12  S.  4),  enthal- 
tend: Andeutungen  über  die  Aufgabe  der  hiatoriachen  Geographie 
eingeladen.  Diese  Andeutungen  sind,  wie  der  Vf.  sagt,  Aphorismen 
einer  umfangreicheren  Arbeit  im  Gebiete  der  bis  jetzt  noch  nicht  allzu 
sehr  cultivierten  historischen  Geographie.  [King.] 

Schwerin.  Das  Lehrercoliegium  des  dortigen  Gymnasium  Fride- 
ricianum,  welches  in  dem  verflossenen  Schuljahre,  dem  ersten  d(>K  4n 
Jahrhunderts  der  Schule  [s.  Bd.  LXVIII  S.  569  ff.] ,  keine  Verände- 
rung erlitt,  besteht  aus  dem  Director  Dr.  Wex,  Prorector  Reitz, 
den  Oberlehrern  Dr.  Buchner,  Dr.  Dippe,  Dr.  Schiller,  Dr. 
Hey  er,  Dr.  Huther,  Collaborator  Hoyer,  Schreiblehrer  Foth.  Die 
Schülerzahl  betrug  im  Sommer  d.  J.  16*  (I:  23,  II:  24,  UV:  37,  III»»: 
35,  IV:  44);  zur  Unirersität  wurden  11  entlafsen.  Programmabhand- 
long:  Beiträge  zur  Elementar-Mathemaiik ,  le  Abth.,  vom  Oberlehrer 
Dr.  Dippe  (36  S.  4). 

Soest.  Zum  wifsenschaftlichen  Hilfslehrer  am  dortigen  Gymna- 
sium ist  der  Lehrer  an  der  höhern  Stadtschule  zu  Lennep  Dr.  Fr. 
Rudolf  Kriegeskotte  berufen  und  bestätigt. 

Tilsit.  Der  Hilfslehrer  am  dortigen  Gymnasium  Karl  Hein- 
rich Schaper  ist  zum  4n  ordentlichen  Lehrer  an  derselben  Anstalt 
ernannt. 

TÜBINGEN.  Die  neulich  durch  den  Druck  veröffentlichten  Statuten 
des  dortigen  philologischen  Seminars  lauten  wie  folgt:  $.  1.  Das 
philolocisrhe  Seminar  ist  eine  akademische  Anstalt  zum  Zwecke  der 
Heranbildung  von  Lehrern  der  höheren  und  niederen  Gelehrtenschulen. 
S.  2.  Diesen  Zweck  sucht  das  philologische  Seminar  zu  erreichen  durch 
Anleitung  seiner  Mitglieder  zu  selbstthätigem  Studium  der  classischen 
Philologie.  §.  3.  Demgemäfs  erstrecken  sich  die  Uebangen  des  philo- 
logischen Seminars  auf  folgende  Gegenstände:  I)  Interpretation  grie- 
chischer und  römischer  Schriftsteller,  sowohl  Dichter  als  Prosaiker; 
2)  Uebersetzungen  aus  dem  Deutschen  ins  Lateinische  und  Griechi- 
sche; 3)  schriftliche  Ausarbeitungen  aber  Ge(>en8tände  aus  dem  Gebiet 
der  classischen  Alterthumswifsenschaft.  §.  4.  Anf  diese  Uebungen  wer- 
den im  ganzen  sechs  Wochenstunden  verwendet,  von  welchen  vier  der 
Interpretation  je  eines  griechischen  und  eines  lateinischen  Schriftstel- 
lers zu  widmen  sind.  §.  5.  Die  Interpretation  (§.  3,  1)  geschieht  in 
freiem  Vortrage  anf  dem  Grunde  schriftlicher  Vorbereitung  (welche 
dem  Lehrer,  auf  dessen  Verlangen,  vorzulegen  ist)  durch  die  Mitglie- 
der selbst,  so  dafs  abwechselnd  ein  Mitglied  je  in  einer  Stunde  das 
Wort  fuhrt,  die  andern  aber  sich  gleichfalls  mit  dem  Gegenstande 
zuvor  b«*kannt  gemacht  haben.  §.  6.  Den  Uebersetzungen  aus  dem 
Deutschen  ins  Lateinische  und  Griechische  (§.  3,  2)  wird  wöchentlich 
mindestens  eine  Stunde  gewidmet.  §•  7.  Die  schriftlichen  Ausarbei- 
tungen (S.  3,  3)  werden  in  der  Regel  in  Isteinischer  Sprache  gefertigt 
ond  in  jedem  Halbjahr  mindestens  eine.  S«  S*  ^^^  Leitung  der  ver- 
schiedenen Uebungen  (§.  3)  wechselt  unter  den  Lehrern  des  philolo- 
gischen Seminars.  $•  9.  Innerhalb  der  angegebenen  Grenzen  steht  die 
Wahl  der  Stoffe,  sowie  die  Bestimmung  der  Art,  Reihenfolge  nnd 
Behandlung  der  einzelnen  Uebungen,  dem  betreffenden  Lehrer  frei; 
doch  ist  es  wunschenswerth,  dafs  Zeit  und  Gegenstände  der  Uebungen 


358     Schul-  and  Peraonalnachrichten,  statistische  Mittheilang^en, 

durch  coliegialische  Vereinbarang  festgesetzt  werden.  $.  10.  Solchen 
Mitgliedern,  welche  es  wünschen,  ist  am  Tfibinger  Lyceam  Gelegen- 
heit geboten,  theils  an  den  Lectionen  der  Lehrer  als  Ztihorer  Antheil 
zu  nehmen,  theils  selbst  aach  von  Zeit  zu  Zeit  unter  der  Aufsicht 
des  Lycealvorstands  im  Ertheilen  Ton  Unterricht  sich  zn  üben.  Das 
letztere  indessen  ist  nur  solchen  gestattet,  welche  mindestens  schon 
ein  Jahr  lang  ordentliche  Mitglieder  des  philologischen  Seminars  sind. 
$.  11.  Mitglieder  des  philologischen  Seminars  können  alle  Studieren- 
den werden,  welche  die  Ermächtigung  ihres  betreffenden  Staats  zam 
Studium  der  Philologie  oder  der  Theologie,  ausnahmsweise  auch  der 
Jurisprudenz,  erlangt  haben.  §.  12.  Der  aufzunehmende  hat  dem  Vor- 
stande eine  selbständig  in  lateinischer  Sprache  terfafste  Uebersicht 
seines  bisherigen  Lebens-  und  Bildungsganges  zu  übergeben,  und  sich 
bei  den  einzelnen  Lehrern  persönlich  zu  melden.  $.  13.  Eine  Anf- 
nahmsprüfung  ist  nur  in  dem  Falle  nothwendig,  wenn  über  das  Vor- 
handensein oder  das  Mafs  der  Befähigung  eines  Studierenden  Zweifel 
obwalten.  $.  14.  Die  Mitglieder  des  philologischen  Seminars  sind 
theils  ordentliche  (actire),  theils  Zuhörer  (Auscultanten ,  Hospites). 
$.  15.  Pur  die  Zulafsung  und  Betheiligung  als  Zuhörer  bedarf  es  nnr 
der  Zustimmung  des  betreffenden  Lehrers.  $.  16.  Die  ordentlichen 
Mitglieder  sind  zur  Theilnahme  an  sämmtlichen  Uebungen  rerpflichtet, 
und  können  nur  in  seltenen  Ausnahmsfällen,  und  unter  Zustimmung 
des  betreffenden  Lehrers,  von  einer  oder  der  andern  derselben  dispen- 
siert werden.  §.  17.  Das  nach  dem  Datum  seiner  Aufnahme  älteste 
ordentliche  Mitglied  ist  Senior  des  philologischen  Seminars.  $.  18. 
Der  Senior  vermittelt  den  amtlichen  Verkehr  zwischen  den  Lehrern 
und  Mitgliedern  des  philologischen  Seminars,  besorgt  die  Mittheilunffen 
Ton  jenen  an  diese,  überbringt  dem  betreffenden  Lehrer  die  schrift- 
lichen Ausarbeitungen  der  Mitglieder,  und  macht  in  jeder  Stunde 
Anzeige  über  die  abwesenden  ordentlichen  Mitglieder  und  dereii  Ab- 
haltungsgrund. $.  19.  Sollte  die  Zahl  der  ordentlichen  Mitglieder  in 
einer  Weise  sich  steigern,  dafs  dadurch  die  Selbstthätigkeit  der  ein- 
zelnen Mitglieder  beeinträchtigt  würde,  oder  unter  den  ordentlichen 
Mitgliedern  ein  bedeutender  Unterschied  der  Fähigkeiten  und  Kennt- 
nisse sich  fühlbar  machen,  so  wird  ein  zweiter  Cursus  eingerichtet. 
$.  20.  Ein  solcher  zweiter  Cursus  hat  einen  Theil  der  Uebungen  mit 
dem  ersten  gemeinschaftlich,  ein  anderer  ist  ihm  eigenthümlich.  $.  21. 
Ueber  die  Leitung  der  dem  zweiten  Cursus  eigen thumlichen  Uebunffen 
verständigen  sich  die  Lehrer.  $.  22.  Die  Theilnahme  an  sämmtlichen 
Uebungen  des  philologischen  Seminars  ist  kostenfrei.  $.  23.  Gegen 
beharrlich  unfleifsige  oder  sonst  sich  ungeeignet  beweisende  ordent- 
liche Mitglieder  kann  nach  Erschöpfung  anderer  Mittel  zeitweise  oder 
bleibende  Ansschliefsung  verhängt  werden.  Die  bleibende  Ausschlie- 
fsung  wird  auf  Antrag  des  Lehrercollegiums  vom  akademischen  Senate 
rerfügt.  Bei  Zöglingen  eines  theologischen  Seminars  wird  sich  das 
Lehrercolleginm  in  allen  geeigneten  Fällen  mit  dem  Vorstande  der 
betreffenden  Anstalt  ins  Vernehmen  setzen.  $.  24.  Ueber  sämmtliche 
ordentliche  Mitglieder  werden  halbjährlich  vom  Lebrercollegium  Zeog- 
nisse  gefertigt  und  theils  dem  akademischen  Senat,  theils  —  bei  Zög- 
lingen eines  theologischen  Seminars  —  dem  Vorstand  der  betreffenden 
Anstalt  Übermacht.  S-  2^*  Auf  Grund  dieser  Zeugnisse  beantragt  das 
Lebrercollegium  halbjährlich  beim  akademischen  Senate  die  Ertheilunc 
eines  Staatsstipendiums  an  eine  bestimmte  Anzahl  [gegenwärtig  dreij 
würdiger  und  bedürftiger  ordentlicher  Mitglieder,  welche  nicht  im 
Genulae  eines  theologischen  Seminars  stehen.  $.  26.  Ebenso  wird  voni 
Lehrercoliegium  halbjährlich  dem  k.  Ministerium  durch  den  akademi- 
schen Senat  ein  Bericht  über  den  Stand  des  philologischen  Seminars 


litterarische  and  antiquarische  Miscellen.      Todesfälle.      359 

Torgelegt,  welchem  der  Lycealrector  eine  Aeorserunff  aber  die  7*he]I- 
nähme  an  den  Docierubungen  fleitens  der  Mitglieder  des  philologischen 
Seminars  anschliefst.  $.  27.  Vorstehende  Statuten  sind  mit  Geneh- 
migung des  k.  Ministeriums  gedruckt,  und  jedes  ordentliche  Mitglied 
erhält  bei  seinem  Eintritt  ins  philologische  Seminar  durch  den  Vor- 
stand ein  Exemplar  derselben. 

Ulm.  Die  erledigte  Lehrstelle  an  der  ersten  Classe  des  dortigen 
Gymnasiums  ist  dem  Lehramtscandidaten  und  dermaligen  Amtsverwe- 
ser dieser  Stelle  Zeller  übertragen  und  der  Lehrer  der  6n  Classe 
Professor  Kentner  seinem  Ansuchen  gemäfs  unter  Anerkennung  sei- 
ner Tieljährigen  und  treuen  Dienstleistung  in  den  Ruhestand  versetzt 
worden. 


Todesfälle. 


Am  5.  August  starb  zu  Stuttgart  Dr.  Carl  August  Mebold,  Vf. 
eines  Werks  über  den  dreifsigjährigen  Krieg  (Stuttgart  1836.  40) 
und  Mitredactear  der  Augsburger  Allgemeinen  Zeitung,  geb.  l'i. 
Februar  1798  zu  Loffenau  in  Württemberg. 

Am  29.  August  zu  Breslau  Johann  Gottlob  Regis,  Baccalanreus 
iuris  und  Doctor  phil. ,  verdienstvoller  Sprachforscher,  besonders 
bekannt  durch  seine  Bearbeitung  des  Rabelais,  geb.  23.  April  1791 
zu  Leipzig. 

Am  3.  September  zu  Augsburg  der  als  Jugendschriftsteller  weit  be- 
rühmte Domcapitular  Dr.  Christoph  von  Schmid,  geb.  16. 
August  1768  zu  Dinkelsbühl  in  Mittelfranken. 

Am  4.  September  zu  Jena  Geh.  Hofrath  Dr.  Heinrich  Wilhelm 
Ferdinand  Wackenroder,  Professor  der  Chemie  und  Director 
des  pharmaceutischen  Instituts  an  der  dortigen  Universität. 

Am  9.  September  zu  Albano  der  Cardinal  Angelo  Mai,  geb.  7.  März 
1782  zu  Schilpario  in  der  Dioecese  Bergamo. 

Am  II.  Seotember  zu  Heidelberg  Dr.  G.  W.  Bischoff,  Professor  der 

BotaniK  und  wifsenschaftlicher  Director  des  botanischen  Gartens 

an  der  dortigen  Universität,  geb.  1797  zu  Dürkheim  an  der  Hardt, 

.  seit  1826  als  Privatdocent ,  seit  1839  als  Professor  in  Heidelberg. 


Kritische  Benrtheilnngen. 


Aeschyli  tragoediae,  Recensuit  Godofredua  IlcrmannuB.  Lipsiae  apod 
Weidmannos.  A.  MDCCCLII.  Tomus  primus.  XVII  u.  454  S.  To- 
mu8  secundus.  674  S.  gr.  8. 

Der  Herausgeber  der  Hermannschen  Ausgabe  des  Aeschylos ,  Hr. 
Professor  M.  Haupt,  theilt  in  der  Praefalio  mit,  >vie  G.  Hermann, 
als  er  seinen  Tod  herannahen  fühlte,  ihm,  seinem  Schüler  und  Schwie- 
gersohn, die  Herausgabe  seines  Aeschylos  übertragen  habe;  wie  druck- 
fertig nur  das  Manuscript  zu  den  Supplices  vorgelegen  und  er  bei 
der  Redaction  des  Commentars  zu  den  übrigen  Stücken  sich  streng 
an  die  von  H.  selbst  seit  einer  Reihe  von  Jahren  niedergeschriebenen 
Bemerkungen   gehalten  habe,  ohne  ausführliche  Begründungen  nach 
der  Norm  des  Commentars  zu  den  Supplices  abzukürzen  oder  andeu- 
tende Bemerkungen  weiter  auszufüluren ,  so  dafs  die  Ausgabe  ohne 
fremde  Zuthat  ganz  von  H.  stamme.    Durch  dieses  Verfahren ,  sowie 
durch  die  überhaupt  bei  der  Redaction  bewiesene  Sorgfalt  und  Um- 
sicht hat  der  Hr.  Herausgeber  in  Wahrheit  sich  ein  schönes  Denkmal 
der  Pietät  gegen  H.  gesetzt  und  alle  Freunde  des  Aeschylos  und  des 
classischeu  Altcrthums  zu  dem  anerkenucndslcn  Danke  verpflichtet. — 
Die  Hermannsche  Bearbeitung  des  Aeschylos  ist  vorwiegend  kritisch, 
doch  ist  theils  bei  der  Begründung  der  Lesarten,  theils  durch  gele- 
gentliche  Bemerkungen   auch   die  Erklärung  nach   allen  Richtungen 
wesentlich  gefördert.    An  neuen  handschriftlichen  Hilfsmitteln  standen 
H.  nur  der  Escorialcnsis ,  der  die  Supplices,  und  ein  Auguslanus,  der 
den  Prometheus,   ein  anderer,  der  die  Septem  enthalt,  zu  Gebote, 
doch  war  er  im  Besitz  genauerer  Collalioncn,  namentlich  des  Modi- 
ccus,  für  die  Perser  und  die  Orestie  von  C.  F.  Weber,  für  die  übrigen 
Stücke  und  die  Perser  von  Tycho  Mommsen  besorgt.    Dafs  diese  Hs. 
indessen  auch  jetzt  noch  nicht  genau  und  vollständig  ausgebeutet  ist, 
zeigt  die  von  Hitschl  besorgte  Ausgabe  der  Septem.   Aufserdem  hat 
H.  selbst  genau  verglichen  den  Guelpherbytanus ,  Lipsicnsis  und  Vite- 
bergensis.    Von  den  Kritikern  hält  H.  besonders  den  loanncs  Auratus 
hoch^  den  er  ^omnium  qui  Aeschylum  attigerunt  princeps'  nennt; 
seine  und  Joseph  Scaligers  Bemerkungen  standen  ihm  aus  der  Ber- 
liner Bibliothek  aus  einer  Abschrift  des  Spanhemius  zu  Gebote ,  die 

N,  Jahrb.  f.  PkU.  «.  Patd,  Bd.  LXX.  Bß,  4.  u.  5.  24 


362  G.  Hermann:  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  l  et  11. 

der  letztere  zu  Windsor  aus  den  Exemplaren  der  Stephanschen  Aus- 
gabe, die  im  Besitz  des  Is.  Vossius  waren,  besorgt  hatte.    Alle  Kri- 
tiker aber  hat  Hermann  selbst  weit  hinter  sich  zurackgelafsen,  und 
wir  würden  den  uns  hier  zngemersenen  Raum  überschreiten  müfsen, 
wollten  wir  auch  nur  eine  Uebcrsicht  von  dem  geben,  was  H.  für 
Aeschylos  geleistet  hat,  wie  seine  Kenntnis  der  poetischen  und  na- 
mentlich aeschyleischen  Sprache,  die  scharfe  Beachtung  des  Zusam- 
menhanges im  ganzen  und  einzelnen,  seine  innige  Vertrautheit  mit 
der  poetischen  Anschauungsweise  des  Dichters,  endlich  der  feine  Sinn 
für  Khylhmik  Iheils  zur  Entdeckung  von  Schäden  geführt  hat,  die 
bisher  dem  Scharfsinn  der  Gelehrten  entgangen  waren,  tlieils  durch 
alles  dies  verbunden  mit  der  glücklichsten  Combinationsgabe  und  ge- 
nialem Scharfblick  auch  in  den  meisten  Fallen  eine  gfückliche  Heilung 
der  Schäden  erreicht  und  eine  Menge  von  Stellen,  die  von  den  frü- 
heren Herausgebern  für  unheilbar   gehalten  worden,  ebenso  sicher 
als  leicht  hergestellt  worden  sind.    Alles  dies  auch  nur  mit  einzelnen 
Beispielen  zu  belegen  halten  wir  um  so  mehr  für  flberflüfsig,  als  seit 
dem  Erscheinen   des  Buches  schon   zwei  Jahre   verflofsen  und  die 
treiriichsten  Emendationen  bereits  von  anderen  hervorgehoben  worden 
sind.    Vielmehr  halten  wir  es  heute  für  die  Aufgabe  der  Kritik,  ein- 
fach die  Thatsache  zu  constatieren ,  dafs  Hermann  nicht  nur  eine  dem 
Standpunkte  der  Wifsenschaft  angemefscne  Bearbeitung  des  Aeschylos 
geliefert,  sondern  auch  den  Text  so  durchgreifend,  wie  dies  wenigen 
Schriftstellern  zu  Theil  geworden,  hergestellt  hat,  dafs  für  die  Kritik 
des  Aeschylos  eine  neue  Epoche  datiert,   anderntheils  aber  darauf 
hinzuweisen,  wie  von  dieser  gewonnenen  Grundlage  aus  Erklfirang 
und  Kritik  des  Dichters  weiter  zu  fordern  sind.    Denn  wir  haben  nur 
eine  Grundlage  gewonnen  und  sind  vom  Abschlufs  so  weit  entfernt, 
dafs  noch  eine  geraume  Zeit  hingehen  wird,  ehe  durch  die  vereintes 
Bemühungen  vieler  eine  nur  einigermafsen  befriedigende  Textesge- 
slaltung  gewonnen  sein  wird.    Hermann  selbst  war  auch  weit  entfernt 
zu  glauben,  dafs  ihm  die  Befserung  verdorbener  Stellen  überall  ge- 
lungen sei,  und  sehr  schön  spricht  sich  Haupt  in  seinem  trefflichen 
Vorworte  darüber  aus,   wie,  so  oft  H.  zur  Leetüre  des  Aeschylos 
zurückkehrte,  dies  nicht  ohne  Förderung  der  Kritik  geschah  und  wie 
er  eben  deshalb  die  Herausgabe  von  Jahr  zu  Jahr  verschob,   weil 
er  hoffte  dafs  ein  grofser  Theil  der  Stellen,  deren  Emendation  ihm 
selbst  noch  nicht  genügte,  sich  doch  noch  werde  herstellou  lafsen. 
Dieser  unverdrofsencn ,  beharrlichen  Ausdauer  und  der  treuen  hinge- 
benden Liebe  zu  dem  Dichter  sind  auch  die  glanzenden  Erfolge  zn 
danken,  und  andrerseits  liegt  in  diesen  Erfolgen  die  Errouthigang 
für  uns,  auf  diesem  Wege  uns  weiter  zu  versuchen,  da  es  auch  ohne 
neue  Hilfsmittel  sicher  gelingen  wird,  wenn  auch  nicht  alle,  so  doch 
sehr  viele  verdorbene  Stellen  genügend  za  emendieren.    Denn  in  Be- 
zug auf  die  handschriftlichen  Hilfsmittel  ist  der  Umstand,  dafs  wir  far 
die  eine  Hälfte  der  Stücke  nur  6ine,   für  die  andere  Hälfte  allerdings 
noch  eine  zweite  Quelle  haben,  allerdings  sehr  zn  beklagen,  da  selbst 


6.  Hermann:  Aesohyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II.  363 

acblechtere  Has.  einer  andern  Familie  oft  gute  Dienste  leisten,  beson« 
ders  wenn  in  der  alten  Quelle  aus  Versehen  Wörter  oder  Verse  aus- 
gefallen sind;  allein  es  ist  wieder  ein  Glück,  dafs  der  Mediceus  nicht 
nur  aus  einer  sehr  alten  Quelle  stammt,  sondern  auch  data  der  Schrei- 
ber zwar  aus  Unkunde,  Nisverslandnis  und  Nachlafsigkeit  viele  Feh- 
ler hineingebracht,  auch  wohl  nach  Gutdünken  geändert,  aber  doch 
keine  Kecension  geübt  und  systematisch  gefälscht  hat,  so  dafs  es 
immer  möglich  ist,  natürlich  Lücken  ausgenommen,  das  wahre  zu 
entrathseln.  Diese  Beschaffenheit  des  Mediceus  hat  H.  sehr  wohl  und 
mit  dem  besten  Erfolge  berücksichtigt  und  namentlich  in  den  Suppli- 
ces  in  dieser  Beziehung  seinen  Scharfsinn  und  seine  geniale  Divina- 
tionsgabe  auf  das  glänzendste  bewährt.  Freilich  ist  auch  oft  richtiges 
in  Zweifel  gezogen,  für  unrichtiges  ein  entferntes  statt  eines  nahe 
liegenden  Hilfsmittels  gesucht,  oft  gewagte  und  unwahrscheinliche, 
bisweilen  auch  unrichtige  Emendationen  in  den  Text  aufgenommen. 
Dies  näher  zu  begründen  wollen  wir,  wie  C.  Frien  im  Rheinischen 
Museum  die  Leistungen  Hermanns  an  den  Septem  näher  geprüft  hat,  so 
aus  den  Supplices  und  dem  Agamemnon  einzelne  Stellen  genauer  be- 
sprechen ,  alsdann ,  wenn  der  Raum  nicht  bereits  zn  sehr  in  Anspruch 
genommen  sein  sollte,  einzelne  Stellen  auch  aus  den  andern  Stücken 
herausheben  und  «lit  einer  kurzen  Besprechung  der  Fragmente  mit 
Berücksichtigung  der  Wagnerschen  Fragmentensammlung  schliefsen. 
Wir  beginnen  mit  dem  Agamemnon;  die  beigesetzten  Verszahlen 
sind  die  der  Wellauerschen  Ausgabe.  *) 

7.  Der  Vers  aCxiqag^  ovcev  (pd-Cvcoöiv,  avzoXag  rs  tav  wird  auch 
jetzt  für  echt  gehalten,  nur  awoXdg  %e  rcjv  nicht  et  ortus  horumj 
sondern  et  aliorum  ortus  übersetzt.  Ueber  die  Angemefsenheit  des 
Gedankens  kann  man  getheilter  Meinung  sein,  das  Hauptbedenken 
liegt  aber  in  dem  Worte  aarigag^  worüber  sehr  treffend  bemerkt  wird: 
*si  subiectum  est  ^vi/atfra^  et  interpungitur  demnm  posta^i^i,  friget 
sane  addita  explicatio  aarigocg:  sin,  ut  quibusdam  placuit,  iungnntur 
haec,  ifMtQinovxag  ald'iQi  aari^ag^  non  est  id  multo  melius,  quia  de- 
scriptio  prope  idem  quod  nomen  ipsum  significat,  nee  stellae  sunt 
quae  non  sint  in  aethere.'  Daher  wird  zovg  tpiqovxoig  iöxiqotg  ver- 
bunden, so  dafs  der  Vers  Xct^nQovg  övvaatag  zur  Erklärung  oder 
Erweiterung  hinzugefügt  sei,  sidera^  quae  lucidi  in  aethere  reges 
tnicant.  Aber  durch  diese  Stellung,  zumal  am  Anfange  des  Verses, 
erhielte  das  Wort  einen  bedeutenden  Nachdruck,  während  es  diesen 
nicht  hat,  ja  sogar  ganz  überflüfsig  ist.  Wir  glauben,  dafs  derjenige, 
der  unter  Xaim^ovg  dvvdörag  die  Sonne  im  Gegensatz  zu  den  Sternen 
verstehen  zu  müfsen  glaubte,  zur  Erklärung,  dafs  nur  der  Auf-  und 


♦)  Schoemanns  Abhandlung  '  emendationes  Agamemnonis  Aeschy- 
Icae»  im  Greifswalder  Lectionskatalog  für  da»  Wintersemester  1854 — 
65  konnte  ich  nicht  mehr  berücksichtigen,  da  sie  eben  erst  in  meine 
Hände  gelangt  ist,  als  die  gegenwartigen  Bemerkungen  bereits  nieder- 
geschrieben waren. 

24* 


364  G.  Hermann :  Aeschyli  tragocdiae.  Tom.  1  e(  II. 

Untergang  gemeint  sei ,  da  der  Wächter  nur  des  Nachts  zn  wachen 
hatte ,  diesen  Vers  oder  auch  zunächst  die  Bemerkung  orav  g)^lv(o(fi 
xal  avarikkcDai  hinzugefügt  hat,  woraus  dann  unser  Vers  enislandefn 
ist.  —  57.  TCaQaßdöiv  wird  auf  die  Troer  bezogen,  fiszoUrov  auf  die 
Helena  und  uov  Öi  statt  xcovös  gelesen ,  indem  zu  dCatv  das  Verhum 
suhstantivum  zu  ergänzen,  oder  (liya  ^fiovxai  nach  o^vßoav  ausge- 
fallen sei.  Wie  man  auch  zcivde  (leioUiov  beziehe  und  erklare,  so 
zeii>:t  doch  die  ganze  Fufsung  der  Stelle,  dafs  das  Gleichnis  von  den 
Geiern  noch  fortgeführt  werde,  so  das  oicovod^Qoov  und  GO  das  ovrco. 
Das  befremdliche  der  Stelle  wird  allerdings  gemildert,  wenn  wir  mit 
Schneiduwin  im  Philologus  lil  S.  530  annehmen,  dafs  sich  Aeschylos 
an  einen  uns  unbekannten  alvog  gehalten  habe.  —  69  werden  die 
\>*ortc  oijxe  öaxQViov  gestrichen  und  unter  änvga  hqu  die  Opferung 
der  Iphigenia  verstanden  und  als  Subject  Agamemnon  gedacht.  Das 
wäre  gegen  den  Zusammenhang.  Es  ist  die  Hede  von  dem  Frevel  des 
Paris,  den  zu  rächen  Zeus  die  Atriden  nach  Troia  gesandt  habe;  wie 
nun  auch  der  Kampf  stehe,  so  werde  er  doch  nach  dem  Schicksals- 
schlufs  vollendet  werden,  d.  h.  die  Troer  werden  unterliegen.  Der 
Sinn  der  Stelle  mufs  also  sein :  die  Troer  mögen  opfern  und  spenden, 
sie  werden  den  gerechten  Zorn  der  Gölter  nicht  versöhnen.  Richtig 
werden  anvQa  Uqcc  durch  ^sacra  igne  carentia,  qaae  irrita  sunt  im- 
picque  facta'  erklärt,  nur  ist  aytvQcov  isQ(ov  ogyccl  nicht  der  Zorn 
über  das  Opfer,  sondern  der  Zorn,  wie  er  sich  in  der  Nichterhörung 
des  Opfers  äufsert.  —  116  (119):  *non  dicit  Xocai^lav  ^^o/tcov  de 
postremo  ante  partum  cursu,  sed  ut  signilicetur  quum  iam  in  eo  esset 
ut  elTugeret  Icpus  impetum  aquilarum.  Kefertur  enim  augurium  ad 
captam  post  diuturnum  bellum  Troiam,  sperantibus  Troianis  non  simu- 
lato  rcditu  vela  dedisse  Graecos. '  Das  ist  schon  deshalb  unmöglich, 
weil  die  Adler  von  der  Höhe  auf  ihre  Beute  herabschiefsen,  von  einem 
Verfolgen  und  möglichen  Entrinnen  des  Hasen  also  nicht  die  Rede 
sein  kann.  Dann  wird  auch  in  der  Deutung  des  Zeichens  auf  diesen 
Punkt  durchaus  nicht  Rücksicht  genommen.  Vielmehr  wird  hervorge- 
hoben, dafs  die  Häsin  eben  werfen  sollte,  was  die  Deutung  erhält, 
einmal,  dafs  sich  Troia  lange  halten  werde,  daher  xq6v(o  Vs.  136, 
besonders  aber,  dafs  diese  Grausamkeit  auf  den  Zorn  der  Artemis 
hinweist,  wobei  auch  die  Deutung  am  längsten  verweilt.  Es  ist  wohl 
zu  beachten,  dafs  es  dem  Chor  allerdings  darauf  ankommt,  die  HolT. 
nung  auf  die  endliche  Eroberung  zu  begründen,  dafs  aber  der  Dichter 
zngleich  und  hauptsächlich  auf  die  Ermordung  des  Agamemnon  vor- 
bereiten will.  Daher  wählt  er  nicht  das  Zeichen  von  der  Schlange, 
das  für  jenen  Zweck  »ehr  passend  wäre ,  sondern  das  von  den  Adlern, 
weil  darin  ein  böses  omen  liegt,  das  besonders  hervorgehoben  und 
woran  die  Opferung  der  Iphigenie  angeknüpft  wird,  die  der  Chor 
durch  5  Strophenpaare  hindurch  besingt.  Dies  hat  man  nicht  beachtet 
und  daher  an  einzelnen  Stellen  fehlgegrifTen.  Ueber  die  richtige  Les- 
art der  Stelle  s.  zu  410.  —  126  (131)  TtQoxvniv  atofnou  wird  crkUrI 
^ prius  percnssum^    i.    c.  ante   belli   cladcs  immolatione  Iphigeniae 


G.  Hermann:  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  IL  365 

afflictum'  und  av(^(o&iv  von  Hxi^ctiows^at  in  caüris  esse  von  dem  in 
Aulis  weilenden  Heere.  L.  Schiller  kann  die  Beziehung  auf  die  Iphi- 
gcnie  nicht  zugeben,  allein  nur  von  dieser  kann  hier  die  Rede  sein, 
nur  ist  TtQOtvjtiv  proleptisch  zu  fafsen.  In  dem  folgCtiden  otxo  yccQ 
initp&ovog  '*AQVS(iig  iyvct  nxccvotaiv  xvtfi  ncix(^6g  werden  die  Worte 
nxav,  X.  JT.  übersetzt  quanlum  per  aquilas  coijnosci  potesL  Schiller 
halt  diese  Erklärung  weder  mit  dem  Gedanken  noch  mit  der  Gram- 
matik für  vereinbar  und  fafst  %vaL  als  Apposition  zu  orxco.  Das  ist 
aber  unmöglich,  da  nicht  darauf  folgen  könnte  ctvyei  öi  ^'emvov  aU- 
%(av.  Die  Hermannsche  Erklärung  ist  die  einzig  mögliche,  Kalchas 
schliefst  eben  aus  dem  Zeichen  auf  den  Zorn  der  Artemis;  nur  glauben 
wir,  dafs  nxavotg  iv  Kval  zu  schreiben  sei,  das  heihi  a}g  arjfActlvei 
iv  nvölv.  —  In  der  folgenden  Epode  bietet  der  erste  Satz  grofse 
Sch>Yierigkeiten.  H.  fafst  den  Sinn  dahin:  quamvis  ianiopere  favens 
calulis  ferarum^  tarnen  bona  vuU  portendi^  nimmt  re^TTva^  das  auf 
Ivftj^oAa  zu  beziehen  Sinn  und  Netrum  verbieten ,  für  laeta  und  ver- 
befsert  oßqt%aXotg  im  xBqnva,  weil  Aeschylos  ohne  i-xl  schwerlich 
80  gesagt  hatte,  ändert  ngävai  in  XQtvai,  und  <pa6(iaxa  axQOv&tav  in 
q)d6iiixxita  axQOvd'divy  ^notum  ex  Iliade  passerum  augurium  intelli- 
gendum  est,  quo  Troiam  decimo  anno  captum  iri  signiflcabatur.  Id 
augurium  cum  allero  aquilarum  augurio  comparat  Calchas.'  Aber 
Kalchas  will,  wie  ausdrücklich  gesagt  wird,  nur  das  ^ino  Zeichen 
von  den  Adlern  deuten ,  und  die  Herbeiziehung  des  andern  wäre  nicht 
nur  nutzlos,  sondern  auch  ungehörig,  da  es  nur  günstig  ist,  während 
hier  das  unglückvorküudende  hervorgehoben  wird.  Der  Sinn  der 
Stelle  kann  auch  nicht  der  von  H.  angegebene  sein.  Denn  das  Zeichen 
hatte  Zeus  gesandt  und  zwar  als  ein  günstiges,  und  liegt  auch  etwas 
ungünstiges  darin,. so  ist  dies  der  Artemis  zuzuschreiben,  so  dafs 
diese  an  dem  Glück  der  Griechen  keinen  Theil  hat,  wohl  aber  das 
Unglück  ihr,  und  zwar  ihr  allein  zuzuschreiben  ist.  Der  Sinn  müste 
also  umgekehrt  folgender  sein:  so  sehr  ist  Artemis  hold  den  Jungen 
der  Thiere,  dafs  man  trotz  der  günstigen  Vorbedeutung  der  Adler 
das  Zeichen  doch  zugleich  für  ein  unglückverkttndendes  halten  mufs. 
Die  Stelle,  ist  schwierig;  wir  machen  aber  darauf  aufmerksam ,  dafs 
man  das  xovxcov  nicht  beachtet  hat,  das  in  dem  Zusammenhango  sich 
nur  auf  die  Jungen  der  wilden  Thiere  beziehen Jiann ,  so  dafs  xovxmv 
aix£i  ^vfißoka  KQdvai>  wohl  so  zu  fafsen  ist:  da  Artemis  die  Jungen 
der  wilden  Thiere  so  sehr  liebt,  so  verlangt  sie  auch  die  Zeichen 
derselben  zu  erfüllen,  nemlich  die  zwar  sonst  günstige,  aber  ihr 
verhafste  Erscheinung  der  Adler.  axQov^mf  ist  offenbar  ein  Glossem, 
wodurch  das  ursprüngliche  Wort  verdrangt  worden  ist,  xwu  kayadai- 
Tcov  oder  etwas  ähnliches.  --^  140  (147)  ist  ^vciav  kxiQotv  richtig 
erklart:  ^respexit  is  Iphigeniae  immolationem ,  quae  hiqa  est,  alia 
quam  aquilarum,  quas  p,(yy£Qav  nxdxa  ^vofiivovg  dixerat.'  Sehr  gut 
benutzt  dies  der  Dichter,  um  diese  Opferung  als  die  Quelle  neuen 
Unheils  zu  bezeichnen,  und  zwar  so  dafs  dies  Kalchas  spricht,  ohne 
dafs  der  Chor  den  eigentlichen  Sinn  der  Prophezeiung  ahnt.  —   Die 


866  G.  HermaDD :  Aescbyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II. 

Ergänzung  gxoxog  nach  öntS'qvoQa  141  scheint  annöthig;  die  Ahthei- 
Inng  der  Verse  ist  in  folgender  Weise  geändert:  [irj  rtvag  —  imlolug 
j  t£vj]?  —  aöaixov  |  vai^iav  —  (panog.    Die  gewöhnliche  Versab- 
theilung scheint  richtig,  nur  ist  ankoiag  levj]?  umzustellen.  —    Die 
Consliluierung  und  Erklärung  der  6n  Strophe  kann   nicht  gebilligt 
werden.    Der  Sinn  wird  dahin  angegeben :   ^  iusserat  Agamemno  pre- 
hendi  Iphigoniam    obvolutamqne  vestibus  ne  mala  imprecaretur  ad 
aram  sisti.   At  illa  reiecto  croceo  velamine,  quo  ut  regia  virgo  indata 
erat,  sponte  vocem  comprimit,  salis  habens  adspicere  duces,  tarn- 
quam  verba  factura.'    Es  wird  nun  der  erste  Vs.  223  noch  zum  vor- 
hergehenden gezoffen,  xiovaa  des  Hiatus  und  der  erforderlichen  Länge 
wegen  in  xiova'  cSd'  geändert,  IfteAiJ;«!/  in  Siiix^ev  verhefsert,  ayva 
avöä  geschrieben  und  pio  sileniio  erklärt,  endlich  azavQCDxog  in  der 
Bedeutung  non  efferata  genommen,  Mioc  enim  dicit  poßta,  puellam 
Don  indignatam  quod  immolaretur,  pio  silentio  honorasse  sortem  pa- 
tris,  faustam  futuram  per  hoc  sacrilicium. '    Diese  ganze  Vorstellung 
Yon  der  Sache  scheint  uns  ebenso  unwahrscheinlich  an  sich  und  gegen 
die  von  uns  zu  116  bezeichnete  Absicht  des  Dichters  zu  sein,  wie  sie 
entschieden   gegen  die  Worte  der  Stelle  ist.    Dafs  axctvQGjftog  non 
efferata  heifse,  ist  durch  Anführung  von  Eur.  Med.  91.  190,  ojiif*«  xav- 
QOvp,ivi]  und  öiQyfia  anoxavQovxai  nicht  erwiesen,  dagegen  ist  axav- 
Qtaxog  in  der  Bedeutung  *  jungfräulich'   bekannt.    Wir  ferner  ityva 
avöä  pio  silentio  heifsen  soll,  ist  nicht  einzusehen,  da  doch  das  Wort 
das  gerade  Gegentheil  davon  bedeutet;  die  angeführte  Stelle  Soph. 
Oed.  C.  131  a(p(üvcog^  ccXoycog  xo  xäg  £vg>t]fiov  öxofia  q>QOvx£öog  Uvxsg 
spricht  eher  gegen  diese  Erklärung;  denn  obwohl  man  (pcavrj  iBxai  sagt, 
bat  doch  der  Dichter  jenes  vermieden,  weil  darin  ein  Widerspruch 
läge,  und  er  sagt  axofia  lexai  zur  Bezeichnung,  dafs  die  Lippen  laut- 
los, akoycDg,  zum  Gebete  geöffnet  werden;  mindestens  hätte  es  also 
hier  heifsen  müfscn  avavöo)  av6a.    Aber  abgesehen  davon  fragt  ef 
sich,  woher  man  denn  so  sicher  gewust  habe,  dafs  die  Iphigenia  sich 
freiwillig  werde  opfern  lafsen,  woher  ferner,  dafs  sie  den  Vater  und 
sein  Unternehmen  gesegnet  habe,  endlich  warum,  da  doch  einmal 
die  bestimmt  ausgesprochenen  Befehle  des  Agamemnon  217 — 222  nicht 
ausgeführt  wurden,  Iphigonie  nicht  laut  den  Segen  ausgesprochen 
habe.    Dafs  das   Gebet  der  Iphigenie  nicht  bei  der  Opferung  statt- 
gefunden haben  könne,  ist  ganz  entschieden;  wann  es  stattgefunden 
habe,  zeigen  deutlich  die  vorhergehenden  Worte  nqoCBwiitBtv  ^i- 
kovö'  inel  Ttokkamg  nctxQog  xar'  avÖQcovag  ivxgani^ovg  ^fisk^ev.  Hier 
wird  SfiiX'&sv  geschrieben,  allein  was  soll  hier  die  Erwähnung,  dafs 
die  Farsten  sich  oft  zum  Mahle  bei  Agamemnon  einfanden?   Dann  zei- 
gen ja  die  Ausdrücke  evxQani^ovg  und  XQtxoa^ovöov  ganz  deutlich  die 
gegenseitige  Beziehung;   folglich  ist  auch  ifiekijjev  richtig  und  der 
Sinn  folgender:  ^die  Fürsten  rührt  der  mitleidflehende  Blick  des  Mid- 
ehens,  das  ein  stummes  Bild  sie  anreden  zu  wollen  scheint,  wie  oft, 
da  sie  beim  Mahle  des  Vaters  in  kindlich  reinem  Gebet  xar  dritten 
Spende  liebend  dem  lieben  Vater  ein  glückliches  Lebensloof  wOnachte.' 


6.  Hermano:  Aefchyli  tra^roediae.  Vol.  I  el  II.  367 

H.8  BiDwand,  dafa  bei  Gaatmihlern  nicht  Jnngfraueo  sangen,  sondern 
Fiötenapielerinnen  und  Tänzerinnen  dazu  gezogen  wurden,  ist  nicht 
satreffend,  da  hier  von  keinem  Symposion  die  Rede  ist,  sondern  von 
dem  Besuche  eines  Freundes,  also  von  einer  Mahlzeit,  an  der  Fran 
und  Kinder  Theil  nehmen  konnten.    Eben  deshalb,  weil  zum  Paean 
keine  Flötenspielerin  genommen  wurde,  Tagt  der  Dichter  hinzu  ayv^ 
d'  izavqunog  av6a.  Endlich  wird  mit  Unrecht  223  zum  vorhergehen- 
den gezogen,  da  dies  schleppend  wäre  und  eine  neue  Strophe  mit 
einem  neuen  Gedanken  anfangen  mufs.    Die  Worte  (p^oyyov  ccqaiov 
oinoig  erklärt  man  vielleicht  unrichtig  so,  dafs  Agam.  vorausgesetzt 
habe,  sie  werde  ihm  fluchen.  Er  setzt  nur  voraus,  dafs  das  zum  Tode 
geführte  Mädchen  weinen  und  um  Mitleid  flehen  und  die  heilige  Hand- 
lung stören  werde;  schon  der  Todesschrei  des  Mädchens  wäre  ein 
Fluch  für  das  Haus.   Aber  trotzdem  dafs  sie  am  Sprechen  gehindert 
wurde  {ßlc^  xalivmv)  erregt  sie  doch  durch  eine  stumme  Kraft,  den 
milleidflehenden  Blick  des  Auges ,  das  Mitleid  der  Fürsten.    Die  Worte 
7i(fQ%ov  ßag)ag  ig  itiöov  %iovca  bedeuten  *  als  sie  zur  Opferung  schrei- 
ten sollte',  denn  nur  da  konnte  sie  Mitleid  erwecken,  da  sie  später 
gemäfs  Agam.  Befehle  218  niitlotUi  mquinr^  war;  doch  davon,  von 
der  Opferung  selbst,  spricht  der  Chor  nicht.   Unrichtig  nimmt  H.  an, 
jene  Umhüllung  habe  das  Sprechen  hindern  sollen,  Iphigenie  aber 
habe  die  Umhüllung  abgeworfen.   Uebrigens  ist  diese  Stelle  von  er- 
greifender Wirkung.    Nicht  klagend  geht  Iphigenie  zum  Tode,  wie 
ein  stummes  Bild  steht  sie  da  und  ihr  Blick  trifft  selbst  die  harten 
Fürsten  mit  erschütternder  Wirkung.   Meisterhaft  aber  ist  die  Erinne- 
rung an  die  frühere  Zeit,  wo  beim  Mahle  das  Kind  für  den  lieben 
Vater  Segen  herabfleht;  ein  anderes  Mahl  wird  jetzt  gefeiert  und  der 
Segen  des  Kindes  mufs  sich  in  Fluch  gegen  den  unbarmherzigen  Va- 
ter verkehren.  —  234  (240):  ^dicit  hoc  universe,  non  vana  est  an 
Calchaniis,    Bespielt  enim  quae  supra  commemoraverat  v.  126  sqq. 
non  ex  omni  parte  prospere  successuram  esse  expeditionem ,  quum- 
que  modo  de  impio  facto  Agamemnonis  dixisset,  simul  ex  hoc  aliquid 
mali  nasciturum  praesagit.'   Vielmehr  nimmt  der  Chor  ganz  bestimmt 
auf  141  Rücksicht:  ^cCccv  veiximv  zi%xova  avii(pvrov,   Kalchas  hatte 
einen  glücklichen  Ausgang  prophezeit,  allein  auf  den  Zorn  der  Arte- 
mis hingewiesen  und  auf  ein  mögliches  Opfer  und  daraus  entsprin- 
gendes Unheil.    Die  Prophezeiung  in  Betreff  des  Zürnens  der  Artemis 
und  des  versöhnenden  Opfers  ist  in  Erfüllung  gegangen;  es  ist  also 
noch  ein  Unglück  zu  befürchten,  von  dem  freilich  der  Chor  nichts  be- 
stimmtes weifs,  während  der  Zuschauer  auf  die  folgende  Katastrophe 
vorbereitet  wird.    In  Verbindung  damit  steht  das  folgende  öCtw  61 
xoig  fiiv  ütad'ovaiv  iia&eiv  htiqqbtH  xo  fiikkov^  was  so  gefafst  wird: 
*  iuslitia  his  quidem  (eos  dicit  qui  virginem  immolarunt)  experiundo 
admavet  cognüionem  futuri*  Blofs  Agamemnon  ist  gemeint,  und  das 
bekannte  Sprichwort  na^u  (la^og  bedeutet  nicht  durch  Erfahrung  die 
Zukunft  erkennen,  sondern  durch  Erfahrung  klug  werden.   Wenn  also 
Jlnfl  den  Agam.  durch  Leidei  zor  Erkenntnis  bringt,  so  heifst  das, 


368  G.  Hermann:  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  IL 

dars  Agamemnon,  der  die  Iphigenie  geopfert  hat,  dafür  bestraft  wer- 
den wird.    Doch,  fahrt  der  Chor  fort,  die  Zukunft  will  ich  nicht  vor- 
auswifscn,    denn  das  hicfse  sich  vor  der  Zeit  Leiden  schaffen,  das 
ohnedies  schnell  genug  kommt.    Daraus  geht  hervor,  dafs  to  ftiklov 
nicht  zum  vorhergehenden,  sondern  zum  folgenden  gehört,  also  H.b 
Befserung  von  237  ro  ngoxlvetv  d   ijivaiv  nQOictiqixoi  nicht  richtig 
sein  kann.    In  der  handschriftlichen  Lesart  xo  öl  nqoulvHv  htiyivoix^ 
av  nlvoig  nqoimqixio  ist  etwas  zu  viel,  allein  iniyivoiio  herauszu- 
werfen liegt  kein  Grund  vor,  dies  ist  jedenfalls  aus  de  nij  yivotxo 
entstanden.    Dagegen  müfsen  nQ97ikvetv  und  nkvoig   verdächtig  er- 
scheinen, wozu  kommt,  dafs  im  Mediceus  die  Worte  ro  de  nfjoxkvsiv 
mit  anderer  Dinte,  also  später  beigesetzt  sind.   Blan  könnte  also  diese 
auswerfen  und  schreiben  zb  fiikkov  d'  ojtt}  yivoix^  civ  %lveiv  fCQOxai- 
Qixco,  allein  nQoxoctQizoa  hat  hier  keinen  Sinn  und  Ttgoxlvstv  ist  nöthig 
wegen  des  Gegensatzes  itQOdxivetv.^  3Ian  kann  also  ziemlich  sicher 
schreiben  x6  fiilkov  öe  nQOKkvBLv  ij  yi^vixo  %ciLqix(o,  —    Dafs  mit 
241.  42  Klytaemnestra  gemeint  sei,  wird  mit  Hecht  gegen  andere 
bemerkt;  diese  tritt  nemlich  eben  auf.    Der  Chor  redet  übrigens  hier 
die  Klytaemnestra  zum  zweitenmale  an,  zuerst  83,  ohne  dafs  er  in- 
dessen auf  die  erste  Anrede  eine  Antwort  erhalt.   Darüber  wird  p.  373 
bemerkt:    ^scilicet  quum  ante  aedes  regias  in  scena  oompluros  arae 
cerni  videantur,  in  quibus  ignis  vel  accensus  erat  vel  iam  accende- 
batur,  egressa  ex  aedibus  rcgina,  ut  mos  est,  cum  duabus  ancillis,  ad 
eas  aras  deinceps  accedit,  tus  et  sufiimenta  in  ignes  iniiciens.  Deindo 
vidctnr  ^pectatoribus  a  dextra  abire,  ut  in  urbe  sacra  factura;  tarn 
redire  linito  chori   carmine.'    Damit  ist  immer  nicht  erklärt,  warum 
Klytaemnestra  auf  die  Anrede  des  Chors  nichts  crwiedert;  dann  ist 
auch  die  Vorstellung  von  dem  Opfern  der  Klyt.  unrichtig,  da  88  ff. 
zeigt,  dafs  bereits  überall  das  Opfer  begonnen  hatte,  und  das  war 
ja  eben  der  Grund,  dafs  der  Chor  sich  versammelte.    Klyt.  tritt  erst 
240  auf  die  Bühne,  wie  schon  die  Anrede  zeigt,  ?;xo)  asßl^cav  crov, 
KkvxaifivrjaxQu^  y.Qccxog^  und  durch  die  erste  Anrede  will  der  Chor 
eben  ihr  Auftreten  veranlafsen.    Ganz  ebenso  ist  es  im  Aias  des  So- 
phokles, wo  der  Chor  den  Aias  anredet,  obwohl  dieser  nicht  da  ist, 
auch  gar  nicht   erscheint,  sondern  statt  seiner  Tekmcssa.  —    276 
(281)  0  d'  ovxi  (likkav^  ovd'  afpQaafWva}?  vnuco  vtxaifisvog  Ttagriitev 
ayyikov  iiiqog,    *Alio  transmissum  nuntii  officium  dixit  Aeschylat, 
quod  Orellius  non  negasset,  si  reputasset  ovxt  iiikkov  esse  ceteriler^ 
neqne  ovxi  separari  ab  eo  participio  posse.'    Aber  7taQt)x€v  heifst 
*  praetermisit '  und  nicht  Mransmisit',  weni&rstens  nicht  in  der  hier 
erforderlichen  Bedeutung,  und  auch  der  Ausdruck  Mransmisit  nuntii 
mnnus'  für  Mransmisit  nuntium'  wäre  höchst  sonderbar,  wahrend 
*non  neglexit  nuntii  munus'  ganz  in  der  Ordnung  ist.  -  Da  ovö^  wtvfo 
vixoifisvog  folgt,  läfst  sich  die  Negation  auf  das  Ilauplverbnm  leicht 
üben  ragen.  —   321  (327)  wird  dg  d'  akrifioveg  verbefsert  in  dem 
Sinn,  wie  Schütz  övadaifioveg  erklärt  ^ut  dicantur  Graeci  band  secos 
ac  pauperes,  quibus  nihil  est  quod  costodiaut,  incustoditam   totam 


G.  Hermann :  Acschyli  tragoediac.  Tom.  I  et  II.  369 

noctem  dormire. '   Aber  ctqjvlxxxxov  schlafen  sie  deshalb,  weil  kein 
Feind  mehr  da  ist,  dessentwegen  sie  Wachtposten  aufstellen  müsten. 
r^i—  346  (352)  wird  verbanden  yiiya  ydyya^ov  Srrjg  navalmov  Tfjg 
öovkelag^  so  dafs  der  eine  Genetiv  vom  andern  abhängt.    Das  scheint 
nicht  wahrscheinlich,  noch   mehr  aber  mnfs  es  befremden,  dafs  es 
hüifst  (og  ^iJtc  fiiyav  (irjt^  ow  vsaQoiv  uv   vnsQvekiaai  yayya^ov^  da 
ein  Netz  zwar  über  alle  gespannt  ist,  aber  nur  über  die  vsccqoI  das 
der  Knechtschaft,  über  die  andern  das  der  Vernichtung.    Die  Worte 
(liya  öovlslag  müfsen  daher  verdachtig  erscheinen.  —    In  dem  fol- 
genden Chorgesange  wird  354  (360)  ediert  inga^ctv  coj  ixQavsv^  wie 
schon  Franz  vermuthet  hatte.    Allein  der  Gedanke,  dafs  es  ihnen  geht, 
wie  es  Zeus  vollendet,  ist  eine  müfsige  Wiederholung.    Es  ist  auch 
iyiQavccv  zu  vcrbefsern :  Zeus  Strafe  haben  die  Troer  erfahren  und  es 
ist  leicht  den  Grund  zu  finden:  es  ist  ihnen  ergangen,  wie  sie  es  voll- 
bracht, und  niemand  sage,  die  Götter  strafen  nicht  die  Vergehen  der 
Menschen.    Weiter  wird  358  ediert  nitpavrai  d'  hyovoLg  aro/fti/TCOff 
Z^ Qtj  nvsovTCDv  fiel^ov^  ^  dtxor/a)^,  fpkeovxcov  dcofidtcov  vitiqtpiv'  onsQ 
TD  ßilTiöTOv^  so  dafs  zu  7te(pavtai  als  Subject  z/^og  nkayd  ergänzt 
wird ,  was  wohl  nicht  angeht.    Man  könnte  iv  yovotg  setzen :   dafs  die 
Götter  die  Sünder  strafen ,  ist  klar  an  das  Licht  getreten  an  den  Kin- 
dern  der  kriegsübermüthigen  Troer.    Allein  nicht  die  Vorfahren  der 
damaligen  Troer,  sondern  diese  selbst  haben  gesündigt,  so  dafs  wir 
llartungs  Emendation  für  richtig  halten ,  der  scharfsinnig  mit  Aende- 
rung  eines  einzigen  Buchstabens  hergestellt  hat  nitpavxai  d'  iKzlvovca 
ToXfia  rmv"Aqri  itveovriov.    Im  folgenden  ist  die  Aenderung  \K)n  vtieq 
in  07CSQ  nothwendig;  die  Worte  q>k66vT(av  dcoiidzcov  vniqtptv  sind  also 
nicht  im  tadelnden  Sinne  gesagt,  sondern  wie  im  Prom.  464  iTiitovg^ 
ayaX^ia  Trjg  inegnXovzov  xhdrjg.    Aber  nicht  zu  vereinen  wifsen  wir 
damit  das  folgende  äaxs  xditaQKBtv^  ita  ut  satis  sit^  wodurch  der 
vorhergehende  Gedanke  wieder  aufgehoben  wird.  %d7tciqY.Elv  ist  nicht 
9cal  aitaq^Blv  sondern   %al  inaQKelv  und  der   Sinn:    Wohlstand  ist 
etwas  trefTliches,  aber  man  benütze  ihn  nicht  um  andern  zu  schaden, 
sondern  vielmehr  um  andern  zu  helfen.  —   377  (383):    *eius  (pro- 
verbii)  hie  haec  vis  est,  ut  inania  sperasse  dicalur  Paris,  quum  se 
hello  victorem  fore  credidit.'    Vielmehr  ist  das  vergebliche  hier  der 
Besitz  der  Helena.    Paris  strebt  vergebens  nach  dem  sichern  Besitz 
der  Helena  und  stürzt  dabei  das  Vaterland  ins  Verderben.    Denselben 
Gedanken  spricht  der  Dichter  521.  22  aus  tov  ^valov  O'  tjiiaQTe  xal 
^avdkB&QOv  aitox^ovov  TtuTQfpov  {d'Qiasv  öofiov.  —   387:  *non  ele- 
ganter hie  ri  positum  est.    Videtur  Aeschylus  scripsisse  aöTtlaroqag 
te  yial  Aoy%/fiovff  xlovovg  vctvßdrag  d'    oJckiCiAOvg.'    Allein  dann  wäre 
doch  die  von  H.  nicht  erwähnte  Verbefserung  von  Ahrcns  vorzuziehen 
%k6v(yvg  re  %ccl  koyxi^ovg  vavßdxag  -&'  bnkiASfiovg ,  wodurch  dreierlei 
auf  einmal  erreicht  wird,  erstlich  die  Beseitigung  des  von  H.  erwähn- 
ten Bedenkens,  zweitens  dafs  wir  die  Dochmien  loswerden  und  einen 
passenden  Rhythmus  erhalten,  drittens  dafs  in  der  Antistrophe  nichts 
zu  ändern  ist,  wo  II.  do^at  in  doTiai  zu  verwandeln  genöthigt  ist.  — 


370  G.  Hermann :  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II. 

394.  95.  Diese  verzweifelte  Stelle  ist  mit  ziemlicher  Sicherheit  her- 
gestellt naQeaxi  acyag  axi^iovg  akotöoQovg  aX(S%iax^  aq>e^iiv(ov  idetv^ 
nur  würden  wir  statt  artf%t(TT'  lieber  aXyiCx*  setzen.  Ueber  diese 
Stelle  hat  Welcker  die  Ansicht  ausgesprochen,  dafs  unter  den  Pro- 
pheten die  Seher  des  Hauses  des  Priamos  zu  verstehen  seien.  Dafär 
scheint  der  Anfang  der  Strophe  allerdings  zu  sprechen,  allein  die 
Worte  TTo^G)  d'  ineqitovxlag  und  das  folgende  können  nur  von  Mene- 
laos  verstanden  werden.  Es  scheint  uns  die  eigentliche  Bedeutung 
dieses  Chorgesanges  noch  nicht  richtig  aufgefafst  zu  sein.  Wie  der 
Chor  in  dem  ersten  Stasimon  die  Hoffnung  auf  die  Eroberung  Troias 
ausspricht,  dabei  aber  auf  die  künftige  Katastrophe  vorbereitet,  indem 
er  sich  von  der  Ahnung  eines  herannahenden  Unheils  ergriffen  zeigt, 
so  weist  auch  hier  der  Chor  auf  die  Schuld  des  Agamemnon  hin,  nicht 
wegen  der  Opferung  der  Iphigenie,  sondern  dafs  er  überhaupt  den 
Feldzug  unternommen,  von  dem  ihn  ja  eben  Artemis  abbringen  wollte. 
Den  Grundgedanken,  dafs  die  Götter  den  Frevel  strafen,  wendet  der 
Chor  allerdings  zunächst  auf  die  Troianer  an,  allein  er  bahnt  sich 
durch  Paris  einen  leichten  Uebergang  zur  Helena  und  stellt  den  Krieg 
nicht  als  Uachekricg  des  über  den  ihm  angethanen  Schimpf  empörten 
Volkes  dar,  sondern  als  vom  Menelaos  unternommen,  der  die  Sehn- 
sucht nach  der  Helena  nicht  überwinden  konnte.  Daher  verweilt  der 
Chor  bei  der  Schilderung  der  Liebespein,  die  den  Menelaos  verzehrte, 
und  führt  dann  fort:  das  ist  das  Unglück  im  Hause  des  Menelaos,  das 
Helena  verschuldet,  aber  weit  gröfser  noch  ist  das  Unglück  von  gani 
Griechenland,  das  seine  Söhne  nach  Troia  entsandte,  damit  sie  dort 
ihr  Grab  finden;  darüber  murrt  das  Volk  und  die  strafende  Stimme 
des  Volkes  und  das  viele  vergofsene  Blut  lafsen  unheilvolles  besor- 
gen; darum  beneide  ich  nicht  die  hochgestellten.  —  410 — 12  wird 
ediert  xo  näv  d^  afp  'Eklavlöog  yäg  övvogfiivoig  niv^nct  xlrfiL%ii^ 
diog  öofKov  inadxov  nqinzi.  Das  ist  aber  nicht  zu  verstehen.  Der 
Scholiast  erklärt  tc5i/  avvriyfiiv(ov  aKO  xijg^ Ekkaöog  anäpxav  hiuinov 
xoig  oiKOig  oövvtjqcc  nivd-fjOLg  övccnqhtBi,^  als  ob  öwogfiivcav  und  d6~ 
fiotg  dastände,  und  öo^LOig  wollte  auch  Auratus  setzen.  Wir  vermu- 
thcn  xo  nav  d'  ig>^  'EXXaviöog  yäg  avvoQfiivag  niv&Ha  xXrfiixaQÖiog 
S6(A€o  \  ixaaxiü  nqimi.  Das  v  bat  die  Abschreiber  meist  irre  ge- 
führt ;  bei  Arislophanes  ist  es  hauHg  ausgefallen ,  bei  Aeschylos  mis- 
verstanden  worden.  So  steht  Prom.  742  ^Yjd*  bt^v  ngooifitoig  in 
Med.,  was  Turnebus  richtig  firjdiTta  \  ngooifiioig  gelesen  hat.  Das 
ist  aber  öfter  geschehen  und  wir  können  allein  aus  dem  Agamemnoii 
noch  drei,  wie  wir  glauben,  sichere  Beispiele  hinzufügen.  Vs.  1103 
(1114)  axoQtxog  ßoäg  q>ev  xaXalvatg  <pQealp  schliefst  sich  H.  an  die 
schlechtere  Quelle  der  Hss.  an  und  ediert  axogexog  ßoag  g>dalxxotg 
xalcUvaig  fpQiolv^  was  aufserdem  auch  deshalb  nicht  gebilligt  werden 
kann,  weil  zugleich  das  Metrum  iu  dem  antistrophischen  Verse  gelo- 
dert werden  mufs  iiBXoxvnetg  ouov  t'  oq^loig  iv  vofioig.  Hier  setzt 
H.  öxivova  hinzu:  fuXoxvrulgj  o^iov  axivova*  of^loig  iv  vofioig^  weil 
*  vehementer  languet  bfiov  nisi  verbam  addatar. '   Das  oimv  %   kann 


0.  Hermann:  Aeschyll  tragoediae.  Tom.  I  et  II.  371 

allerdings  so  nicht  stehen,  allein  die  Heilung  des  Schadens  ist  nicht 
so  fern  su  suchen,  sondern  2u  setzen  fieXoTvnsig  bfiov  \  oq&ioiciv 
voiiotg.  Das  zweite  Beispiel  hat  mit  unserer  Stelle  mehr  Aehnlichkeit, 
indem  auch  dort  die  Verderbnis  auf  den  Casus  des  dabeistehenden 
Nomen  eingewirkt  hat.  Vs.  1159  (1173)  sagt  der  Chor  zur  Kassan- 
dra:  ^ovfia^G)  di  6ov^  novxov  niqav  xqaq>iiaav  iXXo^qovv  nohv  %v- 
qalv  Xiyovöav,  äönsQ  ü  naQsatccxeig.  H.  macht  akXo^QOvv  noXiv  von 
kiyovöav  abhängig,  *te  de  peregrina  urbe  sie  loqui' ;  aber  noXtv  Xlyetv 
heirst  nicht  von  der  Stadt  reden,  dann  hatte  auch  Kassandra  nicht 
von  der  Stadt,  sondern  vom  Hause  gesprochen,  und  endlich  kann  im 
Munde  eines  Griechen  unter  aXXod'QOvg  noXtg  niemals  eine  griechische 
Stadt  gemeint  sein.  Die  Yerberserung  der  Stelle  ist  so  in  die  Augen 
springend,  dafs  sie  wohl  nur  deshalb  niemand  gemacht  hat,  weil  sie 
zu  nahe  liegt,  es  ist  nemlich  ofTenbar  zu  setzen  aXXo^Qco  \  noXn, 
iXXid'Qto  V  und  aXXo^QOvv  sind  nach  alter  Schreibart  leicht  zu  ver- 
tauschen und  dafs  der  Abschreiber  eher  auf  das  letztere  als  auf  das 
richtige  verfiel,  wird  nach  dem  angeführten  nicht  befremden.  Die 
spätere  Aenderung  von  jcoXst  in  noXtv  war  selbstverständlich  und 
können  Belege  für  solche  Uebereinstimmungen  im  Casus  aus  dem  Med. 
in  Menge  beigebracht  werden.  Ebenso  Vs.  116  ßXaßivxa  Xom^lav 
ÖQOHiüv,  wo  der  Genetiv  ofTenbar  falsch  ist  und  Prion  ganz  richtig 
Xoiö^itp  ÖQOiiG)  vermuthete,  ist  vielmehr  Xo^ad'ia)  V  ÖQoiito  zu  schrei- 
ben, wo  gleichfalls  das  misverstandene  Xoiö^ltov  das  Sgoiioav  nach 
sich  gezogen  hat.  —  429  (437)  rcc  öi  öiya  xig  ßccv^eij  ^  alia  tacite 
quis  tnussitat^  non  suscipiendum  scilicet  bellum  fuisse  propter  mulie- 
rem  adulteram.'  Erwägt  man,  dafs  derselbe  Gedanke  436  wiederkehrt 
ßaQBicc  6  aöTÖov  <pccug  ^vv  xotoo,  und  dafs  die  in  der  Mitte  liegenden 
Verse  432 — 435  einen  bereits  dagewesenen  Gedanken  ausdrücken,  und  • 
auch  Paleys  Erklärung  von  evfiOQtpoi  ^non  combustos,  sed  integro 
corpore'  im  Gegensatz  zu  der  Asche  der  verbrannten  keineswegs, 
wie  H.  sagt,  eine  ^sententiam  bonam'  geben,  schon  darum  nicht, 
weil  dieser  Gedanke  vor  xa  öi  ölyct  xtg  ßaviet  hätte  stehn  müfsen, 
so  wird  man  das  xcc  di  wohl  auf  diese  Verse  zu  beziehen  haben,  die 
mit  bitterer  Ironie  dahin  zu  verstehen  sind:  sie  dort  haben  um  die 
Mauer  des  troischen  Landes  rühmlich  Grabstätten  erobert  und  feind- 
liches Land  birgt  die  Eroberer. —  445  (453):  'ambigue  dicit  il<sxovg^ 
quamquam  ipse  de  mortuis  cogitans.'  Schwerlich  denkt  er  daran,  da 
der  Gedanke  zu  trivial  wäre.  Wie  oft  knüpft  hier  der  Dichter  an  das 
vorhergehende  an,  um  zu  etwas  neuem  überzugehen:  wer  im  dunkeln 
lebt  ist  machtlos,  hoch  berühmt  zu  sein  bringt  Gefahr,  darum  wünsche 
ich  weder  das  eine  noch  das  andere,  sondern  ein  neidloses  Glück. — 
Die  Epode  wird  4  Choreuten  der  ersten  Reihe  zugetheilt,  indem  der 
Chorführer  schweige,  der  dann  die  Trimeter  467  ff.  spreche;  Kly- 
taemnestra  sei  während  der  Epode  wieder  an  die  Altäre  getreten  und 
kehre  nach  Beendigung  des  Gesanges  zum  Chore  zurück.  Das  letzte 
ist  nicht  wahrscheinlich ,  da  der  Chor  nicht  so  frei  würde  gesprochen 
haben,  wenn  Klytaemneatra  aaf  der  Bühne  wäre;  auch  kehrt  sie  nicht 


372  G.  Hermann:  Acscliyli  Irngoodiae.  Tom.  1  ol  IL 

nach  der  Epode,  sondern  erst  565  (571)  wieder  zurück.  Welche  Clio- 
reuleu  ilie  Epode  singun,  ist,  schwer  zu  criiiilteln,  doch  hut  II.s  An^ 
nuhmc  nicht  viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  da  der  Sinn  nicht  4, 
sondern  nur  6  Slinimen  unterscheiden  läfst.  —  4')8  wird  ediert  el  d' 
iti]iviiog  xCg  olöev;  iixi  ^üov  icii  fi*/  t/;i;(^o?,  verane^  quis  scii?  tu'si 
iiit>ina  aliqua  (raus  est.  So  viel  wir  sehen,  könnte  d  ^^tj  hier  nur  stehen, 
wenn  vorher  gesatjt  worden  wäre,  dafs  die  Kunde  wahr  ist,  wahrend 
hier  der  Chor  zweifelt,  ob  sie  wahr  sei  oder  nicht.  Schneidewin  hat 
are  verbefsert,  was  11.  als  ^niale'  bezeichnet.,  allein  unserer  Ansicht 
nach  ist  dies  das  einzig  richtige.  Ebenso  heifst  es  weiter  tax  ^^o- 
fisö'&ct  —  fii'  ovv  «Ai^O'ffj,  eHz^  ovscqcctcov  öiKtjv  xeqkvov  xoö"  ild'Oif 
q)(ag  iq)ii\k(06ev  q)f)ivag.  Hierzu  wird  bemerkt:  ^  cohaerent  ovii^atav 
ÖLKtiv  eÄO^üv  xsfritvov^  sommorum  ritu  teuiens  ut  obleviareL^  Aber  frohe 
Bilder  vorzuführen  ist  dem  Traume  nicht  eigenthümlich,  wohl  aber 
täuschende  Bilder  zu  bringen,  also  ist  zu  verbinden  ehe  xcqkvop  toöe 
qxag^  oi^et^axcov  öUijv  ik&ov^  iq)t}lcoaev  (pgevccg.  —  515  (523)  wird 
^ccficcQxla  als  Dual  stutt  d-a^aQxia  geschrieben,  was  sich  auf  die  bei- 
den Vergehen  ccQTtccyri  und  xkoTc/j  beziehen  soll;  ^non  dixit  autem 
Aeschylus  ÖLTtlt}^  quia  id  amhiguum  fuisset,  utruni  dnae  duorum  pec- 
calorum  poenae,  an  magniludine  duplae  essent  intelligcndae.'  liier-, 
nach  scheint  11.  den  Herold  sagen  zu  lafsen,  die  Priamiden  hätten  für 
zwei  Vergehen  zwei  Strafen  erlitten.  Das  wäre  aber  nicht  richtig, 
da  der  Herold  zeigen  will,  das  d^d^a  sei  geringer  als  das  Trcf^o^, 
Paris  habe  Schätze  und  die  Helena  geraubt  und  diese  nicht  nur  nicht 
behalten,  sondern  aufserdem  die  ganze  Stadt  zu  Grunde  gerichtet, 
also  —  fafst  er  seine  Bede  zusammen  —  eine  doppelle  Strafe  für  die 
Vergehen.  <>a^dQxia  ist  also  noihwendig.  —  520  (528).  Zum  Herold, 
der  Thräuen  der  Freude  vergiefst,  da  er  den  vaterländischen  Boden 
betrill,  sagt  der  Chor  xtQ7Tvt)g  «()'  i'öxe  riJaJ'  ijti'ißokoi  vdcrov,  was  H. 
vertheidigt  ^  seile  vos  compoles  esse  huius  suavis  morbi.'  Allein  wie 
dieser  Gedanke  in  den  Zusammenhang  passen  soll,  sehen  wir  nicht 
ein,  und  auch  wenn  auf  xeQJti/ijg  der  Nachdruck  gelegt  wird,  erhalten 
'wir  nicht  den  erforderlichen  Gedanken.  Denn  die  folgende  Erklärung 
des  Chors  twv  avxegtivxaiv  tyLi^tp  Tie7th\y^iivoi,  zeigt,  dafs  der  Chor 
sagen  mufs  ^auch  wir  haben  uns  ebenso  nach  euch  gesehnt.'  Wir 
veruiuthen  also  xeQ-xviig  a^  töx  i}i{}g  in:t]ihküt  roaou,  oder  vielmehr 
la^y  ififig  iit/jßokog^  denn  dafs  nur  das  falsch  gelesene  taxe  das  in»}' 
ßokoL  nach  sich  gezogen,  zeigt  der  Singular  ntTckiiyfiivog  im  folgen- 
den Verse,  also:  *  suavis  ergo  mei  scito  te  compolem  esse  morbi.'  — 
528  (535)  wird  das  Fragezeichen  nach  xai  TTcJg  gesetzt,  was  nicht 
nur  aus  dem  von  II.  angeführten  Grunde  noihwendig  ist,  weil  man 
»ich  vielmehr  wundern  uiüfse,  wie  die  Bürger  bei  Anwesenheit,  als  bei 
Abwesenheit  des  Königs  jemand  zu  fürchten  haben,  sondern  auch  wegen 
der  Entgegnung  des  Clior/s.  Dieser  antwortet  nenilich  auf  die  Frage, 
ob  er  etwa  in  Abwesenheit  des  Königs  jemand  zu  fürchten  habe:  ja 
\|-ohl,  so  dafs  ich  jetzt,  wo  der  König  anwesend  ist,  ebenso  vor 
Freude  sterben  möchte,  wie  du  vorhin  vor  Freude  sterben  wolltust, 


6.  Hermann :  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II.  873 

da  da  den  vaterlandischen  Boden  betratst;  worauf  der  Herold  be- 
merkt: ja  ich  hatte  auch  Grund  dazu,  denn  sieggekrönl  kehren  wir 
heim.  —  536  'ra  6i  ut  saepe  aha  significat,  Kai  autem  iungendum 
cum  TcXlov.'  Wir  vermuthen,  dafs  H.  sagen  wollte  *aut  xaC  iungen- 
dum  cum  nXiov.'  Denn  gehört  Tial  zu  nXiov^  so  beifst  ta  S^  avxs 
XiqfSfü  was  aber  unsern  Aufenthalt  auf  dem  Festlande,  die  eigentliche 
Belagerung,  betrifft;  heifst  xa  öi  alia^  so  wäre  nach  xiQüto  zu  inter« 
pungieren  und  Kai  durch  und  zu  übersetzen.  —  547  (555).  Der 
Sinn  wird  dahin  gefafst:  *  praeterierunt  illa  mortuis,  ut  non  amplim 
querantur,  et  ne,  si  darctur  quidem,  in  vitam  redire  Telint.'  Das  ist 
aber  kein  richtiger  Gedanke,  dafs  die  vergangenen  Leiden  so  wenig 
die  Todten  berühren,  dafs  sie  nicht  einmal  ins  Leben  zurückzukehren 
wünschen.  Statt  avaöTfjvai  ist  mit  Auratus  avaöxivstv  zu  setzen:  aller 
Kummer  ist  vorüber,  für  die  Todten  so  sehr,  dafs  sie  weder  jetzt 
seufzen  noch  auch  je  wieder  zu  seufzen  haben  werden,  für  uns,  inso- 
fern das  gute  überwiegt  und  das  unangenehme  in  den  Hintergrund 
zurückdrängt.  Nach  diesem  Verse  sind  551.  52  zu  stellen,  wie  Eiber- 
ling  vorgeschlagen,  was  von  H.  nicht  einmal  erwähnt  wird,  wiewohl 
der  Zusammenhang  die  Umstellung  entschieden  fordert.  —  563.  64: 
*hoc  dicil,  sitignla  accvralius  exquirere  maxime  Clytaemnestram  decet^ 
eamqite  me  simul  ditare  hi$^  i.  e.  me  participem  fieri  sinere  narra- 
tionis  illius.'  Dagegen  ist  zu  erinnern,  dafs  der  Gedanke  sirigula 
accnrathis  exquirere  willkürlich  hineingetragen  ist,  dafs  zweitens 
einen  Wechsel  des  Subjects  anzunehmen  nichts  berechtigt  und  dafs 
drittens  damit  der  Dichter  eine  folgende  genauere  Erforschung  des 
einzelnen  durch  Klyt.  motivieren  würde,  die  doch  in  der  That  nicht 
staltßndet.  Der  Chor  sagt,  indem  eben  Klyt.  aus  dem  Hause  tritt: 
dem  Hause  wird  diese  Botschaft  und  der  Klyt.  zumeist  Freude  bereiten 
und  dann  auch  mich  beglücken.  —  558 — 60  wird  verbunden  xAtJov- 
xag  noXiv^  i.  e.  KkvovOav  xtjv  nohv  xqi]  evXoysiv  Kai  xovg  axQctxtj- 
yovg  Kai  xov  Jla^  indem  das  letztere  ausgedrückt  sei  durch  die  Worte 
Kai  xaqig  xifiijasxai  Jiog  ^usitata  familiari  sermoni  negligentia,  quam 
consectatur  poela  in  humilioris  conditionis  hominibus.'  Allein  die 
Verbindung  ist  so  künstlich,  dafs  der  Hörer  nicht  leicht  die  Worte 
so  auffafscn  kann,  um  so  mehr  hätte  der  Dichter  wirklich  KXvovqav 
setzen  müfscn,  woran  ihn  hier  nichts  hinderte.  Mit  Unrecht  wird  an 
noXiv  Ansiofs  genommen,  wofür  öxqaxov  erwartet  werde,  da  die  Stadt 
hier  gepriesen  wird,  weil  Agamemnon  sie  glücklich  gemacht  habe, 
wie  der  Herold  500  sagt  rinu  yaQ  vfitv  <pcig  iv  £vg}Q6vri  (pJQfov  Kai 
xoiaö^  aTraOL  koivov  ^Aya^i^varv  ava^.  Vielleicht  ist  KXvovxa  a  statt 
KXvovxag  zu  setzen.  —  586  werden  die  Worte  noXefilav  xoig  övaq>QO- 
Ctv  für  zweideutig  erklart,  Klyt.  denke  an  Agamemnon,  was  uns 
unmöglich  scheint,  da  h^Xiiv  iKslva  vorhergeht.  Es  findet  sich  nir- 
gends eine  Spur,  dafs  Klyt.  zu  eigener  Rechtfertigung  vor  sich  selbst 
zweideutige  Reden  suche,  sie  ist  eine  vollständige  Heuchlerin  und 
trägt  Sehnsucht  nach  Agam.  und  treue  Liebe  zu  ihm  zur  Schau.  Sie 
selbst  spricht  sich  spater  darüber  aus,  dafs,  um  zum  Zweck  zu  ge- 


374  G.  Hermann :  Aeschyli  f ragocdiae.  Tom.  I  et  IL 

langen,  mau  die  geeigneten  Mittel  wählen  müfse.  Nicht  richtig  ist 
auch  die  Bemerkung  zu  589.  90:  ^expressit  autem  Acschylus  mores 
hominum  improborum,  qui  qnibus  vitiis  laborant,  iis  se  maxime  im- 
munes iactare  solcnt.  Ita  hie  Clytaemnestra,  adultcra,  pudicam  se  esse 
praedicat,  quumquo  neccm  marito  mcditetur,  a  caedis  crudelitate  ab- 
horrere.'  Klyt.  hebt  ihre  Treue  nicht  aus  dem  angegebenen  Grunde 
hervor^  sondern  damit  die  Meldung  des  Herolds  etwaige  Gerüchte, 
die  zu  Agam.  Ohren  gekommen  sein  könnten,  entkräfte;  und  dafs  sie, 
den  Mord  im  Sinne,  eben  darum  sich  frei  von  Mordgedanken  aus- 
geben solle,  kann  unmöglich  angenommen  werden.  ;i^ttXxov  ßatpag 
bedeutet  Färbung  des  Erzes.  Klyt.  weifs  von  einer  Untreue  ebenso 
wenig  wie  von  einer  Färbung  des  Erzes,  das  nicht  wie  die  Wolle 
von  jeder  Farbe  durchzogen  wird.  —  594  (602):  *hoc  dicit  chorus, 
sie  haec  tibi  speciose  rem  exposuii^  cognoscenti  per  veraces  scilicei 
inierpretes,  Fatet  autem  ironice  chorum  reprehendere  Clytaemnestram 
de  se  ipsam  edentem  testimonium.'  Der  eigentliche  Sinn  ist  hiermit 
nicht  getrofTen.  Das  Amt  des  Herolds  ist  etwas  zu  melden.  Nun  nimmt 
aber  Klyt.  gleich  bei  ihrem  Auftreten  565  das  Wort  und  tritt  nach 
ihrer  Kede  592  wieder  ab,  so  dafs  nicht  der  Herold  der  Klyt.,  sondern 
diese  dem  Herold  etwas  gemeldet  hat.  Dies  bespöttelt  der  Chor,  da- 
her p,av%ivovzL  aoiy  ferner  xo(^l(Siv  igfitjvevctv^  womit  die  verständ- 
liche Kede  der  Klyt.  gemeint,  aber  der  Ausdruck  igfifjvevg  absichtlich 
gewählt  ist,  daher  endlich  das  folgende  Ov  d^  tirci^  x^^v|.  Natürlich 
liegt  darin  die  Ironie,  die  H.  darin  gefunden.  —  598  (606):  ^non 
narrem^  inquit,  falsa  bona^  quibus  diu  fruantur  amici,  Proprie  ad 
id^  i.  e.  eo  consHio  ut  diulnrnus  ex  iis  fructus  sii.^  Sollte  nicht 
vielmehr  der  Sinn  sein:  fieri  non  polest  ut  falsa  bona  ita  narrem^  nt 
amici  diu  iis  fruantur?  Zum  folgenden  heifst  es:  *  verum  est,  quod 
Wellauerus  vidit,  ad  xv^oig  repetendum  esse  htccov,'*  Aber  den  Sinn 
hat  Wellauer  nicht  getrotren,  wenn  er  erklärt:  quomodo  igitur  fieri 
poterit^  ut  bona  narrans  tera  dicas?  i.  e.  te  mala  nuntiaturum  esse 
intelligo.  Das  muste  heifsen  stTttov  rakri&ij  xedvcc  rvxoig.  nag  Sv 
heifst  utinam.  Möchtest  du  also,  gutes  meldend,  die  Wahrheit  sagen; 
weichst  du  aber  von  dieser  ab,  dann  wird  es  freilich  bald  an  den  Tag 
kommen  und  darum  ist  es  befser,  du  bleibst  der  Wahrheit  treu  und 
sagst  nöthigenfalls  das  schlimme.  So  kann  man  die  Vulgata  verthei- 
diffen,  allein  es  ist  xaAiyOi}  zu  setzen,  wie  schon  das  folgende  (T;^!- 
a^ivTct  zeigt. —  634  wird,  wie  in  den  alten  Ausgaben,  nach  ;f«^a)r« 
ein  Komma  gesetzt  und  Tvtp^  mit  ^oA»;  verbunden,  im  folgenden 
Verse  noifAkvog  TtaxoaxQoßov  gesetzt  und  als  Apposition  zu  Tvg>ca  ge- 
fafst.  Gegen  diese  Verbindung  ist  doch  wohl  die  Wortstellung,  um 
so  mehr  du  nach  tvgxo  die  Cacsur  fällt.  Unter  xstii^vi  zvq)(ü  ist  der 
Seesturm  zu  verstehen,  der  mit  einem  Gewitter  verbunden  ist;  in  der 
Antigone  des  Sophokles  sagt  der  Bote  auch  ruyco»?  aslgag  c%i]7txov. 
Es  hiels  vorher,  Feuer  und  Wafser  hätten  sich  verschworen,  daher 
sagt  er  hier,  die  SchifTe  seien  aneinander  geschlagen  worden  durch 
den  unter  einschlagendem  Blitz  erregten  Sturm  und  zugleich  (axg 


6.  Hermtnn:  Aesebyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II.  S75 

oftjS^oxmrf»,  dnrdi  das  Wogen  des  Meeres,  wodaroh  die  Schilfe  mit 
Wafsor  gefüllt  warden.  Die  Worte  Ttoiiiivog  %aiiov  öt^oß^  sind  wohl 
nicht  anzufechten;  der  Wind  wird  ganz  passend  der  Hirt  genannt, 
wenn  man  sich  die  Schiffe  als  Herde  denkt ,  and  dieser  letzte  Ver- 
gleich ist  vermittelt  durch  das  vorausgegangene  lUQorvnovfievat.  — • 
652  (660)  yicQ  ovv  ^quoniam  praeco,  quum  optat,  sperare  se  indioat, 
addit  cur  speret/  Aber  nicht  weil,  sondern  dafs  Menelaos  zurück- 
kehren werde,  hoift  der  Herold.  Er  meint,  dafs,  so  wie  ihr  Schiflf 
gerettet  worden,  es  ebenso  auch  mit  andern  der  Fall  sein  könne,  die 
dann  gleicherweise  den  Agamemnon  für  verunglückt  halten  werden ; 
darum  könne  man  das  beste  hoffen,  und  was  den  Menelaos  betrifft, 
so  werde  dieser  wohl  am  ehesten  gerettet  sein.  Das  yag  ovv  ist  also 
schwerlich  richtig,  wofür  vielmehr  (liv  ovv  erwartet  wird.  Auch 
654  wird  bI  S^  ovv  vertheidigt  und  durch  si  igiiur  übersetzt,  allein 
wie  dies  in  den  Zusammenhang  passe,  wird  nicht  angegeben.  Man 
erwartet  el  yaQ  oder,  was  wohl  richtig  ist,  elyovv:  Menelaos  wird 
wohl  zuerst  wiederkehren,  wenigstens,  wenn  er  irgendwo  lebt  und 
Zeus  ihn  also  sichtbar  erhalten  wollte,  so  ist  Hoffnung  vorhanden, 
dafs  er  auch  zurückkehren  werde. 

671  (679)  wird  zu  xor'  ixvog  ergänzt  eiöl  und  Kekaavroov  von 
Paris  und  Helena  mit  Wellauer  verstanden.  Das  scheint  uns  nicht 
richtig,  denn  die  Erwähnung,  dafs  Paris  in  Troja  landet,  ist  unnöthig, 
das  war  vielmehr  von  den  Griechen  zu  sagen,  diese  landen  gerüstet 
d('  Iqiv  atfiatoi^Cav j  auch  das  ag)avTOv  hat  keine  passende  Bedeu- 
tung, xilaav  scheint  unentbehrlich  zu  sein.  —  681  wird  xlovrag 
in  der  Bedeutung  iuenies  gefafst  und  dafür  xlvovxag  vermuthet.  Dies 
hätte  sicher  Aeschylos  gesetzt  und  aufserdem  ist  der  Ausdruck  ft^vi^ 
Ttgaöösrai  axlfioHSiv  fJtiXog  xivovxctg  sehr  auffallend.  Uns  scheint  r/ov- 
tag  richtig,  denn  eben  dadurch,  dafs  die  Troer  die  Verbindung  biU 
ligten,  haben  sie  die  Strafe  verdient,  die  sonst  nur  den  Paris  getroffen 
hätte. —  688  (696)  ist  mit  Seidler  7ta(i7toQ&rj  aufgenommen  und  dann 
gesetzt  cr^covor,  q>lkov  stoXiravj  statt  atW  afitpl  noXizäv^  denn  der 
Scholiast  habe  a(ig)i  nicht  gelesen ,  da  er  erklärt  aimva  nolv^Qjjvov 
xal  (lÜBOv  cdfia  avavXaöa.  Das  ist  richtig,  aber  tplkov  hat  er  auch 
nicht  gelesen,  da  er  wegen  der  möglichen  Beziehung  auf  ccitava 
dieses  Wort  eher  als  fiikeov  berücksichtigt  hätte;  darum  ist  bei  4er 
Ergänzung  nicht  auf  Aehnlichkeit  der  Schriftzüge  mit  afitpl  zu  sehen. 
Vielleicht  ist  di'  mv  ausgefallen,  wozu  das  vorhergehende  aiapttj  das 
fast  dieselben  Schriftzüge  hat,  Veranlafsung  geben  konnte.  —  731 
(739):  ^yctQ  in  seutentia  parenthetice  inserta  dicitnr:  nam  illud  qui- 
dem  non  dubium  esl^  iustae  domus prosperam  soriem  esse,'  Diese 
Erklärung  ist  wohl  nicht  richtig,  ebenso  wenig  wie  die  von  Wel- 
lauer, auch  ist  xakktTCaig  not^iog  nicht  prospera  sors.  Das  yiq  be- 
zieht sich  auf  den  unmittelbar  vorhergehenden  Satz  CipsriQoi  d'  aWr« 
yhva:  die  böse  That  erzeugt  viele  andere  Thaten,  diese  aber  glei- 
chen ihrem  Ursprung,  natürlich,  denn  auch  aus  gerechtem  Hause 
stammen  gute  Kinder.  —   736.  37  (744.  45)  wird  ediert  %6r'  ^  rdr' 


376  Gr.  Hermana:  Aeschyli  Iragoediae.  Tom.  1  et  IL 

l<n^  av  htl  To  KVQiov  (wXfj  —  via  QUipa,  Die  Hinzufügong  von  &c/, 
so  wie  das  Auswerfen  von  xdrov  ist  nicht  wahrscheinlich.  Wenn  das 
via  Qaq>a  richtig  hergestellt  ist,  dann  wäre  zu  setzen:  toV  ij  ror' 
evxE  TO  xvQMv  —  (loXf}  via  ^afpa  toxou  und  in  der  Antistrophe  xa 
iqvöwtacxa  d'  Ui^Xa  övv  —  nlvo)  x€(fmv  nahvxqofnoig.  Ebenso  ist 
«Jrc  gebraucht  Sept.  320  «Sre  nxohg  dc^iaa&fi.  —  748  (756)  ndv  J' 
int  xigiia  vmfia  wird  litt  gesetzt  und  Ttäv  mit  xigiia  verbunden :  om^ 
nem  atlribuit  exiium^  i.  e.  bonum  ei  malum^  ut  quisque  sii  meritus. 
Aber  denselben  Sinn  hat  die  Uebersetzung  otnnia  dirigit  ad  exitum 
und  diese  ist  natürlicher.  —  764  (772).  Statt  iöagei  erwartet  man  das 
Gegentheil,  Square  sie  statuendum  est,  in  recitando  hano  vocem  v6a- 
^et  brevi  ante  et  post  pausa  facta  a  ceteris  verbis  separari ,  ut  non  ad 
SoKovPxa  evtpQovcDg  ix  dtavoCag  referatur,  sed  ipse  quid  de  ea  sentiat 
Chorus  indicet.'  Dafs  dies  angehe,  müfsen  wir  doch  bexweifela. 
Entweder  steht  aalvsLv  statt  aaivovxa,  oder  es  ist  aalvei  zu  setzen. 
Richtig  dagegen  wird  784  (791)  statt  x^^9^S  verberscrt  X9^^£  indiga^ 
was  nicht  hätte  in  Zweifel  gezogen  werden  sollen.  Schön  ist  auch 
786  (793)  die  Emendation  Ovi/^a»  statt  ^sklat^  obgleich,  wie  uns 
scheint,  nicht  nölhig.  II.  meint,  dafs  das  folgende  avv^vriQ%ov6a 
CTCoöog  etwas  erfordere,  mit  dem  zugleich  die  Asche  stirbt:  ^sacrificia 
et  mvtimae  perniciei  tivuvt:  quod  quum  sit  consumi  igne  omnia, 
recte  potuit  avv&vriaxovda  anodog  adiungi.'  Allein  bei  ^vjjXal  ^möi 
denkt  man  an  das  helle  Brennen  des  Feuers  und  nicht  an  das  Erlöschen 
desselben ,  wie  das  avv&ftjaxovaa  aitoÖog  es  erfordert.  Das  was  H. 
verlangt  liegt  schon  in  cfn/g,  und  ^catftv  wird  mit  Rücksicht  auf  den 
vorhergehenden  Vers  gesagt:  dafs  die  Stadt  erobert  ist,  erkennt  man 
noch  jetzt  am  Rauche,  denn  noch  weht  der  Sturm  des  Verderben», 
und  zugleich  mit  dem  Verglimmen  entsendet  die  Asche  den  fetten 
Dampf  des  Rcichthums.  —  789  (796)  wird  geschrieben  xat  Ttayag 
VTtstiKOXOvg  i(pQa^d^Bad'a  ^  aber  das  folgende  yvuaiKog  ovvejia  deutet 
darauf  hin,  dafs  vorher  von  dem  Raube  der  liede  war,  für  den  sich 
die  Griechen  bezahlt  machten,  daher  x^^t^y^i  ^^^^  Sinne  nach  sehr 
passend  ist. —  802  (809):  ^denique  perelcgans  est  et  nescio  an  vernnt 
quod  in  excerptis  Aurati  aduotatum  est,  voaov^  eredo  ut,  (ix^og  voaov 
iunclis,  ad  rw  7tcrca(iiva  suppleatur  xnv  iuv.''  Zu  Suppl.  |44  wird  iog 
durch  üdtutn  übersetzt,  doch  bedeutet  es  wohl  hwidia.  Mag  man  nun 
voaov  oder  mit  Auratus  vooov  lesen,  so  sehen  wir  nicht  ein,  ^\ie  der 
Gedanke  in  den  Zusammenhang  passen  soll.  Denn  es  soll  erläutert 
werden,  warum  nur  wenige  das  Glück  des  Freundes  ohne  Misguust 
auschen  können,  was  doch  unuKiglich  durch  den  Satz  geschehen  kann, 
dafs,  wenn  jemand  misgünstig  ist,  er  an  einem  zwiefachen  Uebel  lei- 
det. Auch  wenn  wir  iog  durch  odium  übersetzen,  wird  die  Folge- 
richtigkeit der  Gedanken  nicht  hergestellt.  Der  Fehler  liegt  800  in 
den  »orten  itviv  q>^6vov^  wofür  Slobaeus  i\f6yov  und  die  einzige 
verlufsliche  Hs.  q>96viov  hat.  Es  ist  ttoi/cov  zu  setzen,  *ohne  Schmer£% 
d.  h.  sie  machen,  wie  der  Chor  früher  sagte,  ein  freundliches  Gesicht, 
fühlen  aber  im  Innern  Schmerz.   Jetzt  erst  wird  das  folgende  passend 


G.  Hermann:  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  IL  377 

and  sind  die  beiden  Verba  ßttqvvettci  and  cthti  an  ihrer  Stelle.  Was 
nun  die  Lesart  vocov  betriiTt,  so  ist  diese  sicher  falsch,  da  es  wenig- 
stens xiiv  voaov  heifsen  müste.  Aber  auch  ä^^g  voaov  kann  nicht 
richtig  sein,  da  man  nicht  weifs,  was  denn  das  für  eine  rdtfo^  sei; 
und  schon  die  formelle  Symmetrie  erfordert,  dafs,  wie  das  eine  Uebel 
durch  6vag>Qtov  log  luxqöia  nQoai^fievog  näher  bezeichnet  ist,  so  auch 
das  andere  Uebel  näher  bestimmt  werde,  so  dafs  dann  in  den  beiden 
folgenden  Versen  die  beiden  Uebel  berücksichtigt  werden.  Wir  ver- 
muthen  daher,  dafs  der  Vers  ursprünglich  so  gelautet  habe:  ax'&og 
dmXolj^si  (ifl  TtenafiivG)  roaov,  so  dafs  wir  folgenden  Sinn  erhallen: 
nnr  wenige  können  den  beglückten  Freund  ohne  Innern  Schmerz 
ehren,  denn  das  Gift  der  Misgunst  nistet  sich  in  das  Herz  und  bereitet 
dem,  der  jenes  Glück  entbehrt,  doppeltes  Leid,  indem  ihn  die  eigene 
Entbehrung  drückt  und  aufscrdem  der  Anblick  des  fremden  Glücks 
schmerzt.  —  806  (813)  wird  oiitUag  ndxonzQOv  durch  tmago  specu- 
laris  amicitiae  übersetzt,  jedenfalls  richtig,  allein  wir  sehen  nicht 
ein ,  warum  nach  Uyoifi  av  und  »aiOTtx^v  und  öxiäg  Kommata  ge- 
setzt sind,  denn  der  Sinn  ist:  ich  spreche  dies  aus  Ei  fahrung,  da  ich 
wohl  weifs,  dafs  diejenigen,  die  sich  als  meine  Freunde  stellen,  mir 
nur  den  Spiegel  der  Freundschaft  vorhalten  und  leere  Schattenbilder 
sind.  —  817  (824)  billigt  man  allgemein  die  Porsonsche  Emendalion 
n^(i  aTtoaigir^i  voaov  statt  Tttj^aiog  tgiiljcit  voaov,  was  H.  ein  *ob- 
sequium  ridiculum'  nennt:  ^Acschylus  de  malis  loquitur,  quibus  quasi 
aegrotct  res  publica:  itaque  rede  hie  morbum  dicit  mali.'  Aber  dar^ 
aus,  dafs  man  sagt  ^an  einem  Uebel  kranken'  folgt  noch  nicht,  dafs 
man  auch  gesagt  habe  ^  die  Krankheit  des  Uebels%  was  eine  unnüthige 
Tautologie  wäre.  —  Die  Verse  868.  867.  866  werden  in  der  ange- 
gebenen Reihenfolge  umgestellt,  867  statt  xakhaxov  geschrieben  ya- 
krivov^  endlich  869  vertheidigt,  indem  sich  dieser  Vers  auf  die  Worte 
862  anev&ijtG)  g)Qevl  Uyotfi'  av  (wie  mit  Elberling  verbunden  wird) 
beziehe.  Allein  der  Gedanke  würde  sehr  matt  nachschleppen,  und 
das  folgende  xoiolaÖB  nqoa(p^iy^ciatv  zeigt  dafs  die  nQoaq>4>iyfiaxa 
unmittelbar  vorausgehn.  Es  scheint,  dafs  der  Vers  869  als  paren- 
thetische Erklärung  zu  aTTcvO^/roo  g)QSvl  nach  862  zu  stellen ,  sonst 
aber  die  hergebrachte  Versfolge  nicht  zu  ändern  ist.  —  900  (907) 
i^gco  &eoig  öelaug  av  aÖ^  ^göetv  xa6s;  ^  lohannes  Auratus,  qui  omnes 
Aeschyli  interpretes  iudicio  et  recli  sensu  superavit,  pro  öeiaag  scribi 
ÖTjovg  volebat,  non  ille  hie  quidem  verum  assecutus,  sed  tarnen  cou- 
iiciens  quod  aptissimam  pracberet  scutcntiam.  Scribendum  erat  i/ii^oi 
^eoLg  öeiaaaav  «d'  igösiv  xaöe;*  Eine  Uebersetzung  hat  II.  nicht  bei- 
gefügt ;  so  viel  wir  sehen ,  könnte  der  Sinn  nur  sein :  ^  hast  du  dir 
vorgenommen,  mir,  die  ich  um  dich  so  in  Angst  war,  dies  anzuthun?' 
oder:  *mir  dem  schwachen  Weibe  so  zu  begegnen?'  Dafs  dies  pas»- 
send  ist,  bezweifeln  wir.  Auffallend  aber  ist,  dafs  Auratus  hier  ge- 
priesen wird,  der  doch  etwas  ganz  anderes  wollte,  nemlicb,  wenn 
wir  nicht  irren,  folgendes:  *  würdest  du  wünschen,  dafs  die  Feinde 
dies  than%  d.  b.  auf  Teppichen  einherschreilen?  Auratus  ist  aller- 
IV.  Jahrb.  f.  Pm. »,  Patd.  Bd.  LXX.  F/l.  4.  a.  5.  ^ 


37d  G.  Hermann:  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  1  et  IL 

dings  zu  loben,  denn  er  hat  erstlich  gesehen,  dars  (Sd'  lipdav  xade 
stich  nicht  auf  das  vorhergehende  yvdfitjv  öiatp^dqHv ^  sondern  auf 
das  Einherschreiten  auf  den  Tcppichen  bezieht,  wie  nicht  nur  der 
folgende  Vers,  sondern  ganz  bestimmt  die  nächste  Frage  der  Kly- 
laemnestra  zeigt:  xi  <)'  av  Öonei  (SOi  Ilgiafiog^  d  rad'  ijvvöev;  da  hier 
zu  av  aus  unserem  Verse  egSstv  zu  ergänzen  ist.  Das  zweite,  wich- 
tigere ist,  dafs  unser  Vers  eine  Vermittlung  zu  der  folgenden  Frage 
enthalten  niufs,  die  sonst  sehr  befremdend  wäre.  Es  ist  aber  nichts 
zu  ändern,  sondern  auf  ÖEicag  der  Nachdruck  zu  legen,  das  hier  in 
dem  Sinne  steht,  dafs  es  einen  Gegensatz  zu  xQUTi^aag  bildet,  wie 
dicse>  Worte  z.  B.  Sept.  171  entgegengestellt  sind  xQaiovöa  (ihv  yccff 
ovxbfidtiTov  d-Qctaog^  öelaaaa  d'  oikg}  xal  noksi  tcUop  naxov.  Kly- 
tacmnestrn  sagt:  würdest  du  wünschen,  als  besiegter  so  zn  thun? 
d.  h.  wärest  du  als  besiegter  zurückgekehrt,  dann  könntest  du  diese 
Ehrenbezeigung  ablehnen,  dem  Sieger  aber  gebührt  sie,  wenn  irgend 
jemand,  so  dafs  ich  deine  Weigerung  unerklärlich  finde.  Hierauf  ant- 
wortet passend  Agamemnon,  dafs,  wenn  sie  es  auch  unerklärlich 
findet,  er  doch  recht  gut  weifs  was  er  thut;  andererseits  knüpft  sich 
natürlich  die  weitere  Frage  daran,  was  wohl,  wenn  nicht  er,  sondern 
Priamos  gesiegt  hätte,  dieser  als  Sieger  gethan  haben  würde.  —  909 
(916)  t]  x«l  av  vUt]v  x{]vÖB  öriQiog  tUig;  Hier  hatte  Franz  rj  ov  statt 
?/ gesetzt,  H.  ediert  t;  ov,  was  nicht  gebilligt  werden  kann,  da  auf 
Klytacmncstras  Aeufserung,  dem  glücklichen  stehe  es  wohl  an  sich 
besiegen  zu  lafsen,  Agamemnon  ganz  unpassend  antworten  würde, 
dafs  sie  ja  auch  nach  dem  Siege  strebe.  Dann  müste  es  auch  i//x?/v 
riiaös  ötjQtog  hcifsen,  nicht  Trjvde.  Es  ist  nichts  zu  ändern,  xor/  gehört 
nicht  zu  (TV,  sondern  wie  öfter  in  der  Verbindung  mit  ri  zum  ganzen 
Satze,  und  der  Sinn  ist:  ist  dir  denn  auch  dieser  Sieg  recht?  nemlich 
ein  solcher  Sieg,  wenn  in  einem  Streite  dir  der  andere  grofsmüthig 
den  Sieg  überläfst.  Darum  ist  auch  öinftog  hinzusresetzt  und  daraffl 
sagt  Klyt.,  da  in  jenen  Worten  ein  halbes  Zugeständnis  liegt,  ni^v 
— ,  und  mit  Uücksicht  auf  die  Aeufserung  selbst,  er  solle  ihr  den 
Sieg  freiwillig  überlafsen.  Dieser  Vers  ist  übrigens  so  zu  schreiben: 
nt^ov  TCQcirog  (ihv  cov  naQslg  bkcov  i(jLol.  Diese  Aenderung  verlangt 
nicht  nur  der  Gedanke,  sondern  nach  der  Vulgata  ist  auch  der  Vers 
unrhythmisch  und  fiivroi^  und  yi  ohne  alle  Bedeutung.  Die  Aenderung 
von  TtaQeg  in  naqdg  ist  nach  der  Beschaifenheit  unserer  Hss.  so  gut 
wie  gar  keine  und  yi  ist  dann  des  Verses  wegen  eingeschoben  wor- 
den. —  913  (920)  wird  mit  dem  Flor,  nal  xolaöt  geschrieben  und 
im  folgenden  Verse  ßah)i  beibehalten,  mit  vollem  Kecht.  Wenn  Hr. 
Härtung  bemerkt:  ^  was  Hermann  hier  wiederum  gedacht  habe,  mögen 
seine  Verehrer  bei  ihm  selber  nachlesen',  so  glauben  wir ,  dafs,  wenn 
Hr.  Härtung  sich  hier,  wie  sonst  sehr  häuüg,  die  Mühe  hätte  geben 
wollen,  genauer  die  Sache  zu  prüfen,  er  gefunden  hätte,  dafs  Her- 
mann das  richtige  gedacht  habe.  Denn  wenn  es  Agamemnon  nicht  far 
strafbaren  Uebermuth  gehalten  hätte,  auch  mit  blofscn  Füfson  über 
den  Teppich  zu  gehen,  so  würde  er  nicht  am  Endo  die  so  beceich- 


G.  Hermann:  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II.  370 

iienden  Worte  sagten  iml  S^  äxovsiv  tfov  xartaxQaiifiai  rccSs ,  slfi*  ig 
ö6(i(ov  (liXadQa  noQg>VQag  natav^  und  auch  die  folgende  Rede  der 
Klytaemneslra  wäre  überflüfsig.  Es  ist  za  bedairern,  dafs  der  scharf- 
sinnige Herausgeber  der  Tragiker  die  Unbefangenheit  Hermanns  grofse 
Verdienste  zu  würdigen  verloren  hat,  da  dies  für  seine  Ausgabe  von 
entschiedenem  Nachtheil  geworden  ist.  —  928  (935)  wird  erklart 
^est  domus  quae  horum  affalim  habeat.'  Das  scheint  nicht  richtig, 
weil  dadurch  die  Verbindung  mit  dem  vorhergehenden  aufgehoben 
würde  und  die  Rede  zu  pathetisch  wäre,  wenn  Klytaemnestra  sagte: 
noch  gibt  es  ein  Meer  das  Purpursaft  erzeugt,  noch  gibt  es  ein  Haus 
das  daran  Ueberflufs  hat,  und  unser  Haus  weifs  nicht  zu  darben.  Die 
Aendcrnng  von  olKog  in  otxotg  scheint  nothwendig  zu  sein,  denn  Klyt. 
will  sagen,  dufs  es  Purpur  genug  gibt,  wenn  er  auch  kostbar  ist,  und 
dafs  mit  Gottes  Hilfe  des  Haus  im  Stande  ist  davon  zu  besitzen,  da  es 
Armut  nicht  kenne.  —  938  (945)  wird  r]öri^  wofür  Auratus  ijdv  ver- 
muthet,  festgehalten,  ^rjöri  est  tarn,  referturque  ad  praecedentia. 
Neque  enim  de  praesente  vel  calore  vel  frigore,  sed  de  venturo  loqui- 
tur  Clytaemnestra,  reditu  Agamemnonis  dicens  quasi  hieme  ver  ven> 
turum  nunliari,  aestate  autem  iam  instare  frigns.'  Es  wäre  ein  selt- 
samer Gedanke,  dafs  durch  die  Ankunft  des  Mannes  die  künftige  Jah-« 
reszeit  angekündigt  werde.  Klyt.  kann  nur  meinen,  dafs  mit  der 
Ankunft  Agamemnons  Frühlingswärme  in  den  Winter  einziehe,  und 
dafs  ebenso  in  heifser  Sommerszeit  der  heimkehrende  Mann  Erfri- 
schung ins  Haus  bringe. 

In  der  folgenden  Scene  schliefst  Klytaemnestra  ihre  Aufforderung, 
Kassandra  möge  ins  Haus  kommen,  mit  dem  Verse  (1005)  ix^ig  nuq* 
tjfi(üv  otansQ  vofilS^xat,  H.  setzt  nach  ^xBig  ein  Komma:  tenes^  quod 
ejrspevtari  a  nobis  polest^  wie  schon  Droysen  die  Stelle  gcfafst  hat. 
Allein  dieser  Gedanke  am  Schlufs  der  Rede  ist  unpassend,  da  Klyt. 
nicht  herausgekommen  war,  um  die  Kassandra  zu  belehren,  was  sie 
zu  erwarten  habe,  sondern  um  sie  ins  Haus  zu  rufen,  und  nur  als 
Bestimmongsgrund  für  die  Kassandra  erwähnt  sie,  was  diese  zu  er- 
warten habe.  Gegen  die  gewöhnliche  Erklärung  wird  bemerkt:  ^sed 
tota  illa  sententia  non  convenit  huic  loco.  Non  enim  quae  communi 
more  servorum  conditio  sit,  eam  Cassandrae  quoque  fore  dicit,  sed 
meliorem,  ut  in  domo  cicmentiore. '  Davon  hat  sich  Schiller  über- 
zeugen lafson,  aber  mit  Unrecht.  Klyt.,  die  sich  ihrem  Ziele  nahe 
sieht,  behält  die  Maske  der  Verstellung  nur  noch  so  weit  bei,  als  es 
nothwendig  ist.  Um  Kassandra  zum  Hineingehen  zu  bewegen  und  um 
beim  Chor  keinen  Verdacht  zu  erregen,  zeigt  sie  sich  zwar  mild 
gegen  die  verhafste  Sklavin,  allein  sie  verspricht  ihr  nicht  mehr,  als 
jeder  Sklave  zu  erwarten  hat,  noXkmf  iiitcc  öovXodv  aza^siaav  xri^- 
alov  ßcjfiov  Ttikag^  aber  darin  liegt  ein  Vorzug,  dafs  sie  Sklavin  in 
einem  altbegüterten  Hause  ist,  denn  Emporkömmlinge,  sagt  Klyt., 
pflegen  rauh  gegen  die  Sklaven  zu  sein,  bei  uns  dagegen  erhältst  da 
was  Sklaven  zukommt.  Statt  ix^ig  vermuthet  Auratus  ^eig  und  H. 
bemerkt:    ^Wellauerus  quum  praestare  dixit  praesens,  conticuisset, 

23* 


380  G.  Hermann:  Aeschyli  tragoediae.  Vol.  1  et  11. 

si  rationem  reddere  inssns  esset. '  Es  läfst  sich  doch  wohl  ein  genü- 
gender Grund  angeben.  Denn  der  vorhergehende  Gedanke,  dar»  Em- 
porkömmlinge hart  gegen  ihre  Sklaven  sind,  erfordert  den  Gegensatz  : 
wir  aber  sind  billig  gegen  unsere  Sklaven,  und  das  ist  auch  der  Sinn 
dieses  Verses,  nur  zugleich  mit  Beziehung  auf  die  Kassandra:  bei  uns 
dagegen  findest  du ,  ßndet  der  Sklave ,  eine  angemefsene  Behandlung. 
Die  Stellung  des  naq^  ^itcov  endlich,  die  Thiersch  zu  der  Annahme 
vcranlafste,  es  sei  ein  Vers  ausgefallen,  ist  der  Art,  dafs  der  reci< 
ticrende  die  vor  die  Caesur  gestellten  Worte  sehr  gut  hervorheben 
kann.  —  1007  (lOIö).  Die  Worte  ivxog  d'  av  ovcra  sind  verdorben.» 
weil  civ  hier  nicht  stehen  kann,  daher  verbefsert  II.  inzog  d^  av  ovöa. 
Allein  diesen  Fall  kann  der  Chor  nicht  berücksichtigen,  da  ja  Klyt. 
dann  die  Forderung  an  die  Kassandra  nicht  stellen  würde.  Es  ist  iv- 
zog  ö^  ivovöa  zu  verbefsern.  —  1011  (1022)  fow  q>QBv<ov  Xiyovöa 
neld-co  vtv  loyto,  II.  bemerkt:  * coniungendum  vero  est  kiyovaa  kiym: 
dicendo  ei  persuadeo  intus  in  anitno,*  Aber  warum  intus  in  animo? 
Der  Chor  hatte  gesagt  ansi^olijg  d'  Ttfcog,  das  glaubt  Klyt.  nicht  und 
sagt,  wenn  sie  ihr  verständlich  spreche,  werde  sie  auch  folgen.  Die 
Worte  iOG)  fpqtvtov  XiyovfSa  bedeuten  dasselbe,  was  das  vorhergo- 
»hendc:  wenn  sie  nicht  eine  fremde  Sprache  spricht,  ich  ihr  also  vor- 
ständlich rede  (so  dofs  die  Worte  nicht  blofs  das  Ohr  treffen ,  son- 
dern ins  Innere  zu  ihrem  Geiste  gelangen),  so  überrede  ich  sie  durch 
mein  Wort.  Aber  Teei^o)  viv  l6y(p  hat  Aeschylos  sicher  nicht  ge- 
schrieben, da  der  Spondeus  unrhythmisch  ist  und  das  Praesens  hier 
nicht  stehen  kann.  Es  ist  neld-otfi  Sv  loya  zu  setzen.  Auffallend  ist 
II. s  Bemerkung:  ^nianet  vero  Clytaemnestra,  exspectans  etiam:  tum 
demum,  Cassandra  nihil  respondente,  abit.'  H.  scheint  also  anzuneh- 
men, Klyt.  wende  sich  von  der  Kassandra  weg,  und  dafs  hierauf  sich 
das  snov  des  Chors  beziehe.  Allein  Klyt.  sieht  in  dem  Zaudern  der 
Kassandra  noch  keine  Halsstarrigkeit,  sundern  erwartet  noch,  daft 
sie  mitkommen  werde,  wie  ihre  späteren  Worte  1018 — 1020  zeigen, 
dann  erst  wird  sie  ungehalten  und  entfernt  sich.  —  IOjO  (106S) 
'scribendum  aut  avxotpova  xaxa  xort  d^tdvagj  out  quod  praetuli  m}- 
TOfpopcc  TB  xaxi  naqxavag,'*  Der  Vers  ist  wohl  iambisch  zu  mefsen, 
wie  z.  B.  136«  (13H1),  so  dafs  der  erstere  Vorschlag  nicht  möglich 
und  auch  der  zweite  unrhythmisch  wäre,  wofür  es  vielmehr  heifsen 
müste  avxoq)6vtt  xofxa  XB  nicQxayag,  —  1093  (1105)  %a%^v  yag  dtal 
Ilokvensig  xi%vai  d'BCnttodol  Ooßov  tpiqovtsiv  lAaOsiv.  *  lloc  dicil,  per 
mala  tnuliiloquae  arics  fatidicae  intelUgentiam  timoris  a/feruni^  i.  o. 
faciunt  ut  quis,  quid  significaverit  timor,  ipso  ovontu  maiorum  intol- 
ligat.  Sic  Euripides  Ilec.  v.  702  iiia^ov  ivwtpiovj  iniellexi  quid  vo- 
iuerii  somnium, '  Aber  <p6ßov  hoifst  nicht  blofs  quid  signi/icarerit 
timor ^  sondern  auch  quid  significet^  und  in  dem  Zusammenhange  liegt 
durchaus  nichts,  was  für  das  eine  oder  das  andere  den  Ausschlag 
gäbe.  Auch  ist  der  Gedanke ,  dafs  wir  durch  den  unglücklichen  Aus- 
gang zu  der  Erkenntnis  gelangen ,  wie  begründet  unsere  Furcht  war, 
einmal  unrichtige   da  die  Furcht  vorausgesetzt  wird,  wihrend  doch 


G.  Hermann:  Aesebyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II.  381 

erkürt  werden  soll ,  warum  wir  die  Orakelspracho  zu  fürcliten  Grund 
haben,  alsdann  aber  passt  er  nicht  hierher,  da  der  Chor  zeigen  will, 
dar»  die  Weissagungen  der  Kassandra,  wenn  auch  unverstandlich, 
doch  sicher  nichts  gutes  zu  bedeuten  haben.  Zu  (ux^aiv  ist  nicht  q>6' 
ßov  Object,  sondern  xixvag.  Durch  das  Unglück,  das  sie  im  Gefolge 
haben,  bringen  die  vieldeutigen  Sprache  Furcht,  sie  zu  verstehen, 
sie  richtig  zu  deuten;  und  eben  darum  will  der  Chor  die  dunkeln 
Sprüche  der  Kassandra  nicht  deuten,  weil  sie  doch  nichts  gutes  ver- 
künden. So  erhalt  auch  das  itoXveTcetg  seine  Bedeutung.  —  1096 
(1108)  To  yciQ  ifiov  &qow  na^og  iTteyxiaöa.  H.  verbersert  ^gostg  ni- 
hog  htay%iagj  indem  Kassandra  den  Chor  anrede.  Das  kann  durchaus 
nicht  gebilligt  werden ,  da  der  Chor  niemand  beklagt  halte  und  ircty- 
Xiag  ohne  alle  Bedeutung  wäre.  Der  strophische  Vers  ist  ohne 
Zweifel  unverdorben.  In  der  Gegenstrophe  1106  nageßccXomo  yiq  ol 
TCXiQixpoQOv  öifAug^  wo  11.  yccQ  auswirft,  könnte  man  dieses  beibehalten 
und  o^ans  £nde  stellen  und  die  Umstellung  so  rechtfertigen,  dafs,  da 
of  vor  ^eol  steht,  ein  Abschreiber  die  Bedeutung  des  ol  durch  Bezeich- 
nung der  Wortstellung  bemerkt  und  so  die  Veranlafsung  zur  Umstel- 
lung gegeben  habe.  Allein  das  Medium  neQeßdJLovro  ist  nicht  zu  recht- 
fertigen, dann  haben  auch  andere  Bücher  ncQtßaXovreg ^  was  unmög- 
lich von  einem  Verbefserer  herrührt,  da  das  Particip  hier  nicht  stehen 
kann;  ferner  ist  yag  nicht  angemefsen,  wofür  vielmehr  fiivrot  erwartet 
wird,  dann  ist  naQeßakopxo  altova  befremdlich,  und  endlich  ist  die 
Lesart  aller  Bücher  ayavcc  für  aioiva  zu  beachten.  Richtig  hat  Empe- 
pius  vcrmuthet,  dafs  in  ayava  stecke  aysiv  alava  und  dafs  &eoC  zum 
vorhergehenden  Verse  zu  ziehen  sei,  nur  war  t'  iu  y  zu  vorwandeln. 
Aufserdem  ist  zu  schreiben  negißakov  yi  otj  woraus  sich  die  Varian- 
ten leicht  erklären.  Denn  da  dieses  neQEßaXovxi  ol  gelesen  wurde,  so 
haben  die  einen,  da  '^eo/ Subject  ist  und  zur  Vermeidung  des  Hiatus 
7T£Qtßak6vTsg  ol,  andere,  da  ein  Verbum  Gnitum  nothwendig  war,  tm- 
Qeßdkovto  ol  daraus  gemacht  und  dann  zur  Vermeidung  des  Hiatus 
noch  yoiQ  hinzugefügt,  was  dann  auch  in  die  andere  Classe  von  IIss. 
übergegangen  ist,  wie  z.  B.  IUI  im  Med.  im(p6ßm^  das  richtige  iTcl- 
g>oßa  in  der  andern  Classe,  aber  mit  darübergeschriebenem  (o  steht. 
Was  den  Sinn  der  Stelle  belrilTt,  so  hält  Kassandra  das  Loos  der 
Nachligal  für  ein  glückliches,  da  sie  mitten  im  Leiden  in  einen  Vogel 
verwandelt  worden,  so  dafs  sie  nun  diesem  Leiden  entrückt  ein  ange- 
nehmes Leben  führe,  während  Kassandra  dem  Unglück  entgegen  geht. 
—  1122  (1135)  wird  statt  veoyvog  av&gdnmv  fidOoi.  geschrieben  xal 
yiaig  vBoyovog  av  (id&ot^  annehmbarer  vermuthet  Martin  av  ßgo^av; 
in  der  Antislrophe  ist  xaxo^^oovav  wohl  kaum  richtig.  Ebenso  ge- 
wagt ist  die  Emendation  im  folgenden  Verse  rcbtkr]y^ai  d'  OTtfog  dax€t 
g)otvl(o.  Es  wird  wohl  driyuccvi  <potvlai  beizubehalten  und  in  der  An- 
tistrophe  intiQßa(^g  iitt^Lnixvtov  zu  setzen  sein.  Noch  kühner  endlich 
wird  liiWQo  xccMc  ^geoiiivag  verwandelt  iu  iitwga  (poßeQO&Qoa. 
Nach  den  Büchern  folgen  zwei  Kretiker  auf  den  Dochmius  luwQa 
xaita  &ifBV(klvag  und  in  der  Antislrophe  yosi^  ^avoTf^^a,  was  bei- 


382  6.  Hermann:  Aeschyii  tragoediae.  Tom.  I  et  11. 

zubehalten  das  geratlienste  scheint.   1132  ist  statt  nqotiqoi6i  wohl  zn 
setzen  TtgoriQOig  (Sv. 

Nachdem  Kassandra  dem  Chor,  zum  Zeichen  dafs  sie  wah^  rede, 
die  alte  Schuld  des  Hauses  verkündet,  fahrt  sie  fort  1153  (1167) 
Tj^aQxov^  ff  d'TjQia  ZI,  xol6xi]g  xtg  äg\ 
-w  ijjcvöoiiavxlg  eifit  ^Qoxonog  q>Xiöot)v; 
eTtfiaQxvQrjöov  TtQOVfiodag  x6  fi'  dölvcti 
k6y(a  TCakaiccg  xdvd    ct^ctQxictg  do^cov, 
Hermann  meint,  dafs  entweder  loya  falsch  sei  oder  eine  Negation 
fehle,  daher  ediert  er  t6  (i'^  eldivoti.  ^EnfiaQxvQtjaov  wird  gefafst  de 
ahsente^  quum  mortua  ero^  testare^  ytQOVfioaag  aber  heifse  es,  weil 
der  Chor   vor  der  Erfüllung  der  Prophezeiung  schwören  soll.    Das 
kann  unmöglich  richtig  sein.   Denn  Ttoovfioaag  xo  fiy^  eidivoct  kann  nnr 
heifscn:    *  schwöre,  nicht  zu  wifsen',  aber  nicht  ^schwöre,  dafs  ich 
nicht  weifs.'    Dann  spricht  Kassandra  nicht  von  der  Zukunft,  sondern 
von  der  Vergangenheit,  und  wozu  sollte  ihr  der  Schwur  des  Chors, 
dafs  sie  die  alte  Schuld  des  Hauses  klar  geschaut,  nach  ihrem  Tode 
dienen,  da  ja   dann  bereits  ihre  Prophezeiung  der  Zukunft  einge^ 
troffen  war?    Nur  deshalb  erwähnt  sie  ja  die  alte  Schuld  des  Hauses, 
damit  ihrer  Prophezeiung  des   bevorstehenden  Unheils  Glauben  ge- 
schenkt werde.    Der  Fehler  steckt  keineswegs,  wie  aufser  H.  auch 
Bamberger  urthcilt,  entweder  in  xo  fi'  eidivat  oder  in  Xd/o),  sondern 
in  dem  vorhergehenden  Verse,  der  offenbar  verdorben  ist.   Denn  diese 
Frage  wäre  nur  dann  richtig,  wenn  nicht  ijucf^rov  ij  Oi^^oi  rt,  son- 
dern nur  das  letztere  d'ijQw  xi  vorausgiengc.    Setzen  wir  mit  ganz 
leichter  Aenderung  sl  —  cpXiöiov^  iK^uccQxvQtjöov^  so  wird  nicht  nnr 
der  Fehler  in  diesem  Verse  beseitigt,  sondern  es  erhält  auch  das  fol- 
gende einen  angemefsencn  Sinn.     Gib  Zeugnis,   sagt  Kassandra,  ob 
ich  eine  Lügenprophetin  bin,   nachdem  du  mir  vorher  geschworen, 
dafs  ich  die  alte  Schuld  des  Hauses  nur  obenhin  kenne.    Hierauf  ant- 
wortet der  Chor  xal  ncog  av  oqxov  nrjyfia  yevvaicog  nayhv  nciitoviov 
yfWro;   So  hatte  statt  0^x05  «^fta  Aura tus  richtig  verbefsert,  Her- 
mann setzt  o^Koj,  nrjyfia:   ^at  inepte  addidisset  Aoschylus  yei'vmG>g 
nayiv^  si  quaercret  ehorus,  quid  prodesse  iusiurandum  posset.  Hoc  po- 
tius  dicit,  alque  utinam  iusiurandum,  firmamentum  (jenerose prmatum, 
t^iedelmnafferrepossilf  quo  indioat,  quam  vis  sanclissimum  iusiurandnm 
tarnen  nihil  profuturum  esse.'    Dieser  Wunsch  passt  aber  in  keiner 
Weise  zu  der  Aufforderung  der  Kassandra ,  und  die  Worte  ntjyfia  yev- 
vaifüg  Ttayiv  bleiben  auch  so  unerklärlich.    Nach  unserer  Auffafsnng 
liegt  in  den  Worten  der  Kass.  die  Aufforderung,  der  Chor  möge  sich 
darüber  finfsern,  ob  Kass.  recht  sehe.,  daher  dieser  entgegnet:    und 
was  würde  der  Schwur,  auch  wenn  ich  ihn  mit  gutem  Gewifscn  lei- 
sten könnte,  für  einen  Nutzen  bringen?  d.  h.  eines  Schwnres  bedarf 
es  nicht ,  aber  du  hast  so  wahr  gesprochen ,  als  ob  du  zugegen  gewe- 
sen wärest.  —    1215  (1229)  wird  rod'  ofoi;  nvQ  statt  otov  xo  ttü^ 
ediert.    Die  Vulgata  ist  vielleicht  richtig,  da  Kass.  das  Feuer,  das 
Vorderben,  schon  vorher  gesehen  hatte  und  nur  ausdrückt,  dafs  ea 


G.  Hermann :  Aesehyli  (ragoediae.  Tom.  I  et  IL  383 

M^ächst,  ja  sogar  ihr  naht,  um  sie  zu  ergreifen.  —  1220  (1234)  wird 
die  frühere  Verbefserung  iu&t}ativ  xdro»  statt  iv^rfiu  xorco  beibehält 
tcn ,  die  auch  Wellauer  aufgenommen  hat.  Wir  können  sie  nicht  für 
richtig  hallen,  denn  das  Futurum  ivd'ifiseiv  ist  nicht  eu  erklären,  und 
dufs  iTcevierat  nicht  hierzu,  sondern  zu  aTtorlaua^ai  gehört,  zeigt 
sowohl  der  Sinn,  da  Klytaemnestra  sich  wohl  dessen  rühmen  kann, 
dafs  sie  Vergeltung  übt,  aber  nicht,  dafs  sie  einen  Yorwand  zum 
Morde  erhält,  als  auch  die  Stellung  des  avTixlcaal^aij  das  als  Epex- 
egese  zu  xcrftov  fiia&ov  iv^rjCstv  xotgd  zu  fafsen  sehr  hart  ist,  und 
das  noch  weniger  von  ^i^ovaa  abhängen  kann,  wie  Wellauer  an- 
nimmt, da  ja  nach  Kassandras  Ansicht  dies  nur  ein  Vorwand  ist,  denn 
Kassandra  will  sagen:  Klytaemnestra,  die  doch  wahrend  des  Mannes 
Abwesenheit  mit  ihrem  Buhlen  lebte ,  wird  mich  tödten  und  zu  dem 
wahren  Beweggründe,  aus  dem  sie  den  Mann  tödlele,  den  Vorwand 
hinzufügen,  sie  habe  sich  meinetwegen  gerächt.  Ein  zweites  Beden- 
Ken  erregt  auch  xdrco,  wozu  man  irgend  eine  nähere  Bestimmung  er- 
wartet. Wir  vermuthen  iv&itö'  w  xdrca.  —  1231  (1245)  wird  fidxriv 
in  fittTi'JQ  verwandelt:  ^nam  quod  me  hoc  quoque  in  ornalu  valde 
derisam  ab  amicis  inimicis  conspexii,  non  ambigue  eius  ornatus 
r index  est,  Hesychius  ftorij^,  iitLonwioq^  i7rif»/rcoi/,  iqtvvr(triq^  nescio 
an  ex  hoc  ipso  loco,  sicut  alibi  Aeschyleas  glossas  habet.'  Dafs  |Lia- 
xi]q  in  der  hier  angegebenen  Bedeutung  vorkomme,  bezweifeln  wir.  Es 
könnte  allerdings  den  Beschützer  oder  Bächer  bedeuten,  aber  nur  in- 
sofern damit  ein  Erkunden,  Erforschen  verbunden  ist,  so  dafs  bei- 
spielsweise Hermes  ein  ^laxriQ  genannt  werden  kann,  wenn  er  zur 
Ermittlung  des  verlornen  beiträgt,  aber  nicht  ApoUon.  Vollends  ist 
aber  der  Sinn  gegen  jene  Verbefserung,  da  ja  die  Verspottung  der 
Kassandra  eine  Strafe  des  Apollon  war.  Weicker  verbindet  inonxeV' 
aag  jLiaTf^v,  was  nicht  möglich  ist,  da  naxayekoDiiivriv  noch  auf  Itc- 
OTtxevcag  folgt.  Hierzu  mufs  man  also  fAaxtjv  ziehen,  und  zwar  ov 
dtxoQQonoDg  fidxjiVy  da  ov  ötxoQQOTtog  mit  ix^gtav  zu  verbinden  die 
Stellung  der  Worte  im  Verse  verhindert.  H.  wendet  freilich  ein,  dafs 
es  hier  nicht  darauf  ankomme,  dafs  Kassandra  mit  Unrecht,  sondern 
dafs  sie  eben  verspottet  werde,  und  das  ist  ganz  richtig;  allein  xa- 
xayekciiiai  fiarip/,  wenn  nicht  vielleicht  fidxrjg  zu  schreiben  ist,  steht 
hier  wie  TtcnaysXtoiiai,  üg  fiara/a,  wie  man  in  derselben  Bedeutung 
jLiaTi^v  voaaiv^  (idxrjy  ov%  vyuiLvHv  sagte.  Dies  verlangt  auch  der 
Zusammenhang,  nicht  dafs  sie  einfach  verspottet,  sondern  dafs  sie  für 
eine  wahnsinnige  gehalten  wird,  daher  sie  fortfährt  xolovjiAiut}  de 
fpoixag^  wo  vielleicht  g^oißdg  das  richtige  ist,  da  in  dieser  ganzen 
Stelle  Kassandra  die  Gegensätze  hervorhebt.  Statt  iitojtxevaag  di  iie 
ist  zu  setzen  ijtOTtxsvaag  i(ii^  das  öi  scheint  hinzugefügt  von  solchen, 
welche  inonxsvoag  gelesen  haben.  Der  Gedanke ,  dafs  Apollon  selbst 
sie  des  Schmuckes  entkleidet,  bedeutet  so  viel,  als  dafs  Apollon  sie 
in  den  Tod  führt,  wohin  der  Gedanke  wieder  zurOckgeführt  wird 
1134  xal  vvv  b  iidvxig  fidvxtv  iKitgci^ag  ifii  aitrjycty^  ig  touiaös  da- 
vualfiovg  xvxag.  —   1245  (1259)  wird  statt  xarwxog  verbefserl  ^€- 


3S4  G.  HermaiiD:  Aescbyli  tragoediae.  Tora.  I  et  II. 

toiw>g^  wie  anch  Alirens  vermuthot  hatte.  ^Kespicit  qaae  v.  1234 
dixerat:  conflrmaturqne  verbis  quao  scquiinlur,  di  o  elxou  mXtVj  qui 
opponuntnr  x'^  fi£ro/xoo.'  Allein  das  folgende  di  d  elxov  noXiv  ist 
offenbar  verdorben  und  sehr  richtig  hat  Bamberger  hXov  statt  ff^ov 
hergestellt;  ebenso  ist  %ixov%xoq  mit  Scaliger  zu  vcrbefsern.  —  1276 
(1290)  ovxoi  övaoitG)  ^diivov  og  OQVtg  (poßo)  "AkXtog  •  ^avovarj  jua^ 
xvquxi  iioi  xode.  So  hatte  H.  schon  früher  die  Stelle  verbcfsert,  in- 
dem er  die  Lesart  der  Bücher  aH'  co^  in  äKXoDg  umwandelte.  Dies 
tadelt  Härtung,  weil  es  den  Sinn  verderbe;  was  der  Chor  der  ster- 
benden einst  beseugcn  soll,  sei  die  grausame  Art,  wie  sie  gestorben 
ist,  keineswegs  aber  der  Muth,  mit  welchem  sie  zum  Tode  gieng. 
Das  ist  ganz  richtig,  aber  gerade  deshalb  ist  Hermanns  Emendation 
nölhig.  H.  hat  sieh  über  die  Stelle  nicht  ausgesprochen,  er  übersetzt 
nur:  non  ego^  ui  aois  virgulium^  prae  timore  fruslra  metuo:  iesia^ 
mini  hoc  tnoriuae^  quum  mulier  pro  me  mulier e  et  vir  pro  infausti 
connuhii  ciro  ceciderit.  Hier  kann  es  allerdings  auffallen,  dafs  der 
Chor  Zeugnis  davon,  dafs  Kassandra  nicht  grundlos  gefürchtet  habe, 
nicht  gleich  nach  ihrem  Tode,  sondern  erst  zur  Zeit  der  Rache  ab- 
legen soll.  Allein  die  Stelle  ist  wohl  folgendermafsen  zu  fafsen.  Kas- 
sandra war  bereits  einmal,  nachdem  sie  1264  gesprochen,  nach  der 
Thür  des  Palastes  gegangen ,  aber  wieder  entsetzt  umgekehrt,  xi  d^ 
iatl  xQTJfia'^  xCg  a^  a%oaxqi<pH  (poßog;  weil  sie  Mordgeruch  daraus  an- 
wehte. 1272  sagt  sie  akk^  alfii,  xai/  öofioiai  xoDxvtfoua'  ^fi^v  ^Aycc- 
(li^vovog  xs  fiotgav,  a^Ksixco  ßlog^  und  es  ist  anzunehmen,  dafs  sie 
sich  wieder  zur  Thür  wendet,  aber  von  Todesangst  ergriffen  noch 
einmal  umkehrt  und  sich  an  den  Chor  wendet:  *uch  Freunde!  nicht 
umsonst  flattere  ich  einem  Vogel  gleich  um  den  Palast  angsterfüllt, 
denn  der  Tod  erwartet  mich;  der  todten  seid  Zeugen  dieser  meiner 
Leiden,  wenn  die  Stunde  der  Vergeltung  kommt;  denn  dafs  sie  kommt, 
bezeuge  ich,  indem  ich  dem  Tode  entgegengehe.'  Nach  des  Scholia- 
sten  Auffafsung,  meint  Härtung,  vergleiche  sich  Kassandra  mit  einem 
Vogel,  welcher  von  einem  andern  Thiere  gejagt  in  das  Dickicht  sei- 
nes Nestes  flüchte,  was  unrichtig  sei,  da  der  Vogel  sich  vielmehr  vor 
dem  Dickicht  fürchte.  Der  Scholiast  hat  zwar  die  Stelle  selbst  wegen 
der  falschen  Lesart  falsch  aufgefafst,  allein  das  Gleichnis  erklärt  er 
ganz  richtig  und  Härtung  hat  ihn  nur  nicht  verstanden:  ov  öxhSxb- 
^a/i'w,  q^ijalvy  agoQuig  4^ilovaa  elg  %ahav  elaek&eiv  xal  &fJQa  xtvu 
ipoßoviiivjl^  d.  h.  ^ikovaa  ^Iv  eiask^eiy,  g>oßov(iivij  öi  OiJQcc  xiva. — 
1281  (1295;^  sagt  Kassandra:  anal  h'  stmiv  ^ijaiv  ij  ^q^vov  ^ikm 
i(iov  xov  avtiig.  Die  Verbindung  (rj0iv  rj  ^qtjvov  wird  *  plane  stalta 
vcrbonim  consociatio'  genannt,  und  zwar  mit  Hecht,  allein  Qt^ötv 
av  ^Q^vov,  was  H.  setzt,  kann  gleichfalls  nicht  stehen,  denn  Kas- 
sandra geht  keineswegs  so  leichten  Muthes  in  den  Tod,  und  dann 
musto  es  blofs  O^jji'ov,  nicht  ^Qrjvov  ifiov  roi/ aur^^  hoifsen.  Wir 
yermutben  fi  statt  {:  *  das  letzte  Wort  noch  will  ich  sprechen,  gleicb- 
ssm  mein  eigen  Klagelied.'  Denn  die  verlafseno  Sklavin  wird  nie- 
mand beweinen.  —    1334  (1347)  sagt  Klytaemnestra:  itmg  yuQ  x^ 


G.  Hermann :  Aesobyli  tragoediae.  Tom.  I  et  IL  385 

xov  OQceiBiev^  vijfog  xQStaöov  innriSi^ficcTog;  H.  billigt  fiimsleys  Emon- 
dation  ntjfwv^g  a^xvcrror'  av,  hält  aber  damit  die  Stelle  noch  nicht 
für  hergestellt,  weil  der  Gedanke  nicht  vollständig  ist:  quomodo  enim 
quis  inimicis  insuperahilia  relia  pararei?  und  man  ergänzen  müste 
ntsi  facerei  quod  ego  feci^  ui  tilia  diceret  quam  sentireL  Nicht  blora 
aus  diesem  Grunde,  sondern  weil  der  ganze  Gedanke  nichts  taugt, 
da  man  ja  auch  auf  anderem  Wege  als  durch  Verstellung  zum  Ziele 
gelangen  kann.  H.  verändert  daher  aufserdem  nmg  in  ntig^  wie  schon 
Bothe  gethan  hatte,  und  stellt  damit  einen  angemefsenen  Gedanken 
her.  Aber  noch  treffender  ist  der  Gedanke  und  weit  einfacher  die 
Aendcrung,  wenn  wir  mit  Härtung  nijfiovtjg  aQXvatax^  ov  setzen. 
Aber  den  Sinn  hat  Härtung  nicht  richtig  aufgefafst,  wenn  er  sagt, 
daTs  Klytaemnestra  es  für  billig  findet,  selbst  die  nächsten  Angehöri- 
gen tückisch  zu  erschlagen,  wenn  sie  tödtlich  beleidigt  haben,  lieber 
die  Berechtigung  zu  der  That  spricht  hier  Klyl.  nicht,  sie  will  nur 
ihre  frühere  Verstellung  rechtfertigen  und  sagt,  man  müfse  die  Mittel 
wählen,  die  sicher  zum  Ziele  führen.  —  1358  (1371)  toadipös  x^a- 
T^^'  iv  öofioig  xcrxcov  ode  Illfjaag  aQalcav^  cevxog  ixicivei  fioAoiv.  H. 
bemerkt:  ^nk-^aag  iqalmv  per  se  constant.  Male  iungunt  xaxmv  nXri- 
aag  (XQccifov.^  Aliein  diese  Verbindung  ist  nothwendig  und  man  kann 
doch  unmöglich  einen  KQccriJQa  xoxcoi/  mit  aqaimv  anfüllen.  Der  Zu- 
sammenhang scheint  allerdings  den  Gedanken  zu  verlangen  *  ein  sol- 
ches Unheil  büfst  er' ;  dafs  aber  der  Dichter  dies  nicht  sagen  wollte, 
zeigt  das  cevxog,  Aeschylos  hat  hier  zwei  Gedanken  in  ^inen  zusam- 
mengezogen ,  xocovÖB  %q{xxi\qa  xaxc5v  aqal(ov  inh}(fB  und  avxog  ixnl- 
VH  (Aolciv.  Die  Schwierigkeit  fiele  weg,  wenn  man  nach  dcxaltog  t^v 
inlerpungierte,  was  aber  aus  analeren  Gründen  nicht  thunlich  ist.  — 
1862  (1575)  ^ngog  eldoxtcg  dicit  ui  sitis  scienUs,^  Sollte  nicht  tt^ 
üöoxag  kiyto  hier  heifsen:  ich  wiederhole  es  euch?  —  1383  (1396) 
sagt  Klytaemnestra  zum  Chor,  der  ihr  mit  Verbannung  droht:  liyta 
de  öoi  TOMxvt'  aitedeivj  cSg  TcaqeöxevaOfiivf^g  ix  rav  ofioCcav  %Cf^l 
vixi}(Tai/T'  ifiov  aqxBtv,  Dies  übersetzt  und  erklärt  Hermann:  ^iubeo 
ie  ialia  tninari^  ut  me  parata  imperare  mihij  qui  vicissim  me  vi  vi- 
cerit,  Id  est,  minitare  si  übet:  ego  parata  sum ,  si,  quemadmodum 
ego  nunc  potentior  sum,  sie  tu  me  viceris,  ferre  imperium.'  Schon 
die  Uebersetzung  zeigt,  wie  unverständlich  das  ist;  dann  wäre  es 
sehr  ungeschickt  zu  sagen  naQEaKBvaafiivrj  vmrioavxa  ifiov  Hqxbiv 
statt  TtaQeaKEvaOfiivrj  vno  xov  vmtjaavxag  agxead'aiy  endlich  ist  auch 
der  Gedanke  unpassend,  da  Klyt.  sich  in  Unterhandlungen  mit  dem 
Chor  nicht  einlafsen  kann.  Dafs  die  Vermulhung  von  Schütz  Ttaqe- 
tfxcvacrfii)/!}  a'  unrichtig  ist,  hat  Wellauer  gezeigt,  der  noch  hervor- 
heben konnte,  dafs  die  Worte  ix  xmv  ofiolav  entschieden  gegen  diese 
Auffafsung  sind.  Dieses  ex  xav  bfioloDv  zeigt,  dafs  Wellauer  das  rich- 
tige gesehen  hat,  der  TtagtOTttvaCfiivri  schreibt  und  nach  iiym  öi  60i 
und  nach  ofiolav  Kommata  setzt,  so  dafs  Klyt.  sagt:  ich  aber  ver* 
künde  dir,  denn  zu  solcher  Drohung  bin  in  gleicher  Weise  ich  ge- 


386  G.  Hermann :  Aoschyli  iragoediae.  Tom.  I  et  II. 

rüstet,  dars  du  mich  erst  besiegen  mufst,  und  dann  behcrschen  kannst. 
—  1396  (1409).  Slalt  ov  fiot  (poßov  fiikaOgov  ikmg  ifinavet  wird 
ediert  ov  ftot  q>6ßov  fiiXcc^g  av  ilTtlg  ifiJtaiatv^  non  spes  mihi  esi 
timorem  in  domum  meam  ingressurum  esse.  Hier  ist  eine  dreifache 
Aenderung  vorgenommen,  während  doch  die  handschrifllicho  Lesart 
einen  weil  kräftigeren  Gedanken  gibt:  Mch  schwöre  es  euch:  nicht 
dringt  ein  Gedanke  von  Furcht  mir  in  das  Haus.'  —  1400  (1413)  tui- 
rat  yvvaiKog  Ttjaöe  kv}iairtriQiogj  XQV0}}töci)v  fielktyfia  xc^v  vit  ^IkC(a. 
H.  wundert  sich,  dafs  hier  niemand  an  kviiatT'^Qiog  Anstofs  genommen 
habe,  da  es  doch  heifscn  müslc  kviiairctjQ  ööe  oder  kv^avtrjQ  venQog, 
Daher  nimmt  er  an,  es  sei  ein  Vers  ausgefallen,  etwa:  ccvrjg^  ^vycc^ 
TQog  xijg  ififjg  g)Ovsvg  oÖs,  Hierin  können  wir  nicht  beistimmen  und 
glauben,  dafs  diese  Ergänzung  gegen  den  Zusammenhang  verstöfst. 
Klytaemnestra  nemlich,  die  bisher  blofs  vom  Agamemnon  gesprochen, 
nimmt  jetzt  auf  die  Kassandra  Hücksicht  und  dabei  auch  auf  Aga- 
memnon, aber  nur  in  Bezug  auf  das  Verhältnis  zu  jener.  Agamemnon 
ist  also  kvfiavrrJQtog ^  nicht  weil  er  seine  Tochter  geopfert,  sondern 
weil  er  der  Klyt.  die  Treue  gebrochen  hat.  31it  Unrecht  aber  nimmt 
H.  an  dem  Adjectivum  Anstofs,  da  kv^uavfqQiog  nicht  Subject  ist,  son- 
dern im  Gegensatz  zu  fielkty^ia  XQvatjtöcov  steht  und  so  viel  ist  aU 
kvfiaiv6(isvog  j  oder  kvfiauitiQLog  fiev  civ  tiJtfJc  yvvaixog^  iielkiyiia  6i 
XQva}}tdci}v:  *da  liegt  er,  der  mir  die  Treue  brechend  mit  Troerinnou 
gebuhlt  hat.'  —  1441  (1452)  wird  statt  Koganog  verbefsert  xtJQVKog 
und  fioi  wcggelafsen.  Dafs  xoQaTcog  falsch  ist,  zeigt  nicht  nur  das 
Metrum,  da  einem  Krctiker  kein  Paeon  entsprechen  kann,  sondern 
auch  der  Sinn,  da  sich  weder  das  Frohlocken  über  die  That  mit  dem 
Geschrei  eines  Haben  vergleichen  läfst,  noch  auch  Klytaemnestra 
einem  Raben  gleich  bei  dem  Leichnam  steht;  was  soll  vollends  ein 
feindlicher  Habe  bedeuten?  Wenn  Welcher  einwendet,  dafs  die 
Herolde  nicht  neben  den  gefallenen  Helden  stehend  Triumphreden 
hielten,  so  ist  dagegen  zu  bemerken,  dafs  der  Chor  nur  sagen  will, 
Klyt.  hübe  nicht  nur  den  Agamemnon  getödtet,  sondern  sie  ver- 
künde auch  wie  ein  Herold  frohlockend  den  Sieg.  -—  14ü6  (1477) 
wird  firjxin  kex^^  ^'  statt  fti;6'  imkex^ljg  ediert  und  keine  Lücke 
angenommen,  dagegen  werden  die  schon  von  Seidler  angefochte- 
nen und  früher  von  H.  geschützten  Verse  1502.  3  (Well.)  als  unecht 
herausgeworfen,  *nam  frigcnt  maximc  hi  versus,  produntque  ro«- 
num  interpretis,  rationem  reddentis  eorum  quae  scquuntur.'  Diese 
Verse  sind  sicher  echt,  denn  Klyt.  nimmt  jedesmal  auf  die  Worte  des 
Chors  Rücksicht,  und  da  dieser  gesagt  hatte  co  fioi  fioi  xolxav  xdvö^ 
avekev^iQOVj  so  nimmt  Klyt.  das  erstemal  darauf  insofern  Rücksicht, 
«Is  sie  für  die  Urheberin  angesehen  wird,  und  fährt  bei  der  Wieder- 
holung jener  Verse  sehr  passend  fort  ovx  avekav^e^^ov  ol(iaL  d'dvazov 
r^ds  ytvia^ai^  was  sie  dann  so  begründet,  dafs  Agamemnon  ja  gleich- 
falls öoklav  arr/v  dem  Hause  bereitet  habe  und  sich  also  nicht  be- 
schweren könne.  Dazu  kommt  aber,  dafs  in  der  Strophe  jedenfalls 
etwas  «usgefalleo  ist.  Nach  H.s  Aenderung  wäre  der  Sinn:  *du  tagst, 


G.  Hermann :  Aescliyli  (ragoediae.  Tom.  I  el  II.  387 

dies  sei  mein  Werk,  aber  es  soll  nicht  mehr  heiTsen,  dah  ich  die 
Gemohlin  Agamemnons  bin',  womit  Klyt.  sagen  würde,  dafs  sie  auf- 
gehört hat  Agamemnons  Gemahlin  zu  sein,  was  sie  hier  nicht  sagen 
kann.  Der  Chor  erwiedert  ag  ^liv  avaluog  el  rovöe  901/ov,  xlg  0  fiag^ 
xvQi^iScDV]  wahrscheinlich  werden  also  diese  Worte  in  der  Hede  der 
Klyt.  vorgekommen,  jedenfalls  aber  der  Gegensatz  stärker  markiert 
gewesen  sein:  *  du  sagst,  das  sei  mein  Werk;  das  leugne  ich  zwar 
nicht,  allein  schiebe  nicht  mir  die  Schuld  zu  und  sag  nicht,  ich  sei 
Agamemnons  Gemahlin,  sondern  der  Kachegeist  des  Hauses  hat  meine 
Gestalt  angenommen.'  Uebrigens  lafsen  die  Worte  avxng  shai  xoöe 
Tov^ov  ifiov  vermuthen ,  dafs  es  im  vorhergehenden  dafieig  daiiagzog 
oder  wenigstens  danelg  rtjad^  geheifsen  habe.  —  1533  (1547)  xexdil- 
lijiai  yivog  TtQoadipai.  Blomßeld  hatte  JtQog  axce  vermuthet;  H.  räumt 
zwar  ein,  dafs  axai  leicht  in  cc^ccl  übergehen  konnte,  allein  er  halt 
den  Gedanken  hier  für  unpassend  und  verbefsert  %eii6khixai  yivog 
TTQOOO'fpsi,  ^Conßrmans  chorus  quod  dixerat,  non  pellendam  domo 
fuisse  et  neci  tradendam  filiam,  graviter  addit,  prolem  adspectu  cum 
parcntibus  esse  coninnclam.'  Uns  scheint  die  Erwägung  der  Antwort 
der  Klyt.  eine  andere  Auffafsung  der  Stelle  zu  empfehlen.  Klyt.  und 
der  Chor  sind  am  Ende  dieses  meisterhaft  gedichteten  Kommos  von 
der  höchsten  Aufregung  allmählich  zu  einer  beruhigteren  Stimmung 
gelangt.  Der  Chor  erkennt,  dafs  Agamemnon  durch  seinen  Tod  eine 
Schuld  gesühnt  habe ,  denn  ^u^ivh  na^Eiv  xov  Iq^ctvxct,  Daran  knüpft 
sich  natürlich  der  Gedanke,  dafs  auch  Klyt.  werde  büfsen  müfsen,  allein 
der  Chor  spricht  diesen  Gedanken  nicht  schroff  aus,  sondern  fast  wie 
einen  Wunsch,  dafs  der  Fluchgeist,  der  an  das  Haus  gekettet  ist,  wei- 
chen möge.  Darauf  antwortet  denn  Klyt.:  *nun  bist  du  zur  Wahrheit 
gedrungen,  indem  du  den  Fluchgeist  anerkennst,  der  diesen  ergriffen 
hat;  aber  diesen  Fluchgeist  will  ich  aus  dem  Hause  bannen,  indem 
ich  mit  meinem  traurigen  Loose  zufrieden  sein,  ja  mir  sogar  Abbruch 
des  Vermögens  will  gefallen  lafsen.'  Hiernach  sind  die  Worte  des 
Chors  xtg  av  yovav  ctQalov  iußaXoi  öo^iojv;  von  dem  Flnchgeiste,  nicht 
aber  von  der  Iphigenie  zu  verstehen,  was  auch  des  folgenden  xovSe 
XQTianov  wegen  nicht  angeht;  und  hieran  schliefst  sich  nun  sehr  pas- 
send nexokXtfcm  yivog  ngog  axce^  wie  Blomfleld  unzweifelhaft  richtig 
verbefsert  hat.  Die  Aenderung  ist  sogar  leichter  als  die  Hermannschc 
und  der  Schreiber  wurde  um  so  leichter  verführt  TtQoaaxat  wie  ngoa- 
aipat  zu  lesen,  da  er  von  dem  vorhergehenden  KSKolltjxat  den  Be- 
griff des  TtQoad'tpai  im  Kopfe  hatte.  —  1567  (1581)  wird  ccTto  atpa- 
yijg  ifi^  erklart  *«  mactatis  carnibus^  faslidio  scilicct  affectus.' 
Kichtig  hat  Härtung  emondiert  anb  c^pctyiiv  ifitav,  —  1576  (1590): 
*Ne  cui  haec  Ticcl  xovös  xavÖQog  non  recte  nexa  videanlur  cum  praece- 
dentibus,  tenendum  est  conlinuata  haec  esse  cum  v.  1572  ceteris  in 
medio  explicandi  causa  positis.'  Das  dürfte  die  Stelle  nicht  erklären. 
Es  ist  vielmehr  xax  xovöb  zu  verbefsern.  —  l.')94  (1608).  Die  drei 
Verse  yvvai  —  ißovXsvOag  fiogov  spricht  der  Chor  nach  W^ellauers 
Ansicht  zum  Aegisthos,  was  H.  misbilligt,  ohne  indes  zu  erklären,  wie 


388  G.  Hermann :  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II. 

CS  möglich  ist,  dafs  der  Chor,  von  Aegislhos  eben  getadelt,  diesem 
nichts  erwicdcrt,  sondern  der  Klytaemnestra  einen  Vorwurf  macht, 
den  er  ihr  schon  vorher  gemacht  halte  und  den  in  dieser  Weise  hier 
zu  wiederholen  durchaus  keine  Veranlafsung  gegeben  ist.  Nur  wenn 
der  Chor  den  Aegislhos  ignorieren  wollte,  konnte  er  sich  an  die  Klyt. 
wenden,  dann  niuste  aber  seine  Rede  ganz  anders  ausfallen,  etwa 
^  eines  solchen  Feiglings  wegen  konntest  du  deinen  heldenmüthigen 
Mann  tödlcn?'  Dafs  der  Chor  nicht  die  Klyt.  anredet,  sieht  man  auch 
ans  der  Entgegnung  des  Aegisthos  xal  zaxna  tarn]  xiavfiarcoi/  ^Q%^ 
yevtj  und  av  d'  i^ogivag  viptloig  vkayficcatv  i'^f*,  da  doch,  wenn  jene 
Worte  an  die  Klyt.  gerichtet  sind,  nicht  nur  keine  vXdyiiata  darin 
vorkommen,  sondern  sie  überhaupt  weit  milder  sind  als  die  zuerst 
an  den  Aegisthos  gerichteten.  Endlich  hätte  der  Chor  unmöglich  die 
Klyt.  oUovQog  xov  viov  ix  ficcxqg  ^xovrog  nennen  können,  während 
Aegisthos,  das  haushütende  Weib,  dem  aus  dem  Kampfe  zurückge- 
kehrten Helden  trelTend  entgegengestellt  wird,  wie  schon  Kassandra 
vom  Aegisthos  sagt  1182  (1197)  kiopz^  ävakxLv  iv  kixBi  argagxafisvov 
olxovQov,  Darüber  also,  dafs  der  Chor  hier  zu  Aegislhos  spricht,  kann 
kein  Zweifel  sein,  es  handelt  sich  nur  um  die  richtige  llerstellung, 
die  auch,  wenn  wir  yvvrj  und  ataxviag  setzen,  noch  nicht  vollendet 
ist. —  1625.  Die  Verse  1640.  41  (Well.)  werden  umgestellt  und  dann 
1649  hierher  gezogen,  so  dafs  die  ersten  vier  Verse  der  Rede  der 
Klytaemnestra  so  lauten: 

fi7}öaiimg^  o  g)lktaT   avÖQäv^  akka  ÖQuacufiev  xance, 

ntj^ovijg  akig  d'  VTtaQX^'''  f*»y<Jfv  atfiaxdfied'a, 

akka  aal  rdö    i^flffirjaat  nokka  dvanjvov  ^iQog' 

ato(pQovog  yvdfiiig  ö  afiaQTstv  xou  KQaxovvr^  (cclaxog  (J^iycc). 
80  dafs  der  Sinn  ist:  nequaqumn  faciamus  alia  maia^  sed  vel  hafc 
saiis  mulia  sunt  ut  malam  messetn  metamus^  prudeuUs  autem  cansilii 
expertem  esse  regnantcm  probrum  est.  Der  dritte  Vers  wird  erklärt: 
^ sed  ftaec  quoque  satis  multa  sunt,  ut  tristem  messem  metamus, 
Pracsagit  enim  vindictam  interfecti  Agamcmnonis.'  Das  letzte  ist  doch 
fraglich,  denn  wenn  auch  die  Klytaemnestra  jetzt  nach  der  That  der 
Gedanke  an  die  Rache  beschleichen  sollte,  so  hat  doch  die  Klyt.  des 
Aeschylos  so  viel  (jeistesslarke,  um  in  (Gegenwart  des  Volkes  einen 
solchen  Gedanken  zurückzudrängen;  von  folgenden  Uebeln  des  Hauses 
spricht  sie  nicht,  sondern  sie  meint  die  Ermordung  des  Agamemnon, 
die  auch  sie  für  ein  grofscs  Unglück  hält.  Die  Umstellung  der  Verse 
scheint  uns  unnöthig,  an  die  Worte  akka  xaxd  schliefst  sich  passend 
an  akka  xal  tdde  Ttokkä  i^afAijoai^  und  im  3n,  dem  Schlufsverse,  fafst 
sie  den  Inhalt  der  vorhergehenden  beiden  Verse  zusammen,  daher  dio 
Wiederholung,  die  durchaus  nichts  anstöfsiges  hat,  um  so  weniger 
als  die  beiden  unverbundenen  Sätze  in  dem  Sinne  stehen  dkkic  7Ci/|LiO- 
viig  yag  dkig  vTtdqiu^  p.t]div  aifiazcifiey^a.  Da  indessen  eben  Blut 
geflofsen  war,  so  ist  wohl  ^i/xiO-'  ai^aTcoiie&a  zu  setzen.  Was  end- 
lieh  die  Versetzung  des  4n  Verses  hierher  anlangt,  so  müfsen  wir 
dieselbe,  trotzdem  dafs  nicht  blufs  Kayser,  sondern  selbst  UarluDg 


G.  Hermann:  Aescfayli  fra^ediao.  Tom.  I  ol  IL  389 

sie  lobt,  gleichwohl  ffir  unwahrscheinlich  erkliren.  Dieser  Vers  folgt 
in  den  BQchern  auf  die  beiden  Verso  des  Aegisthos  16M.  35  (1647.  48) 
alXa  tovaÖB  (loi  ficczaicev  yXtoaaav  cod'  aTCav&lcai 
TiocxßaXeiv  Snri  zoLCcvra  öaiiiovog  neiQdDfiivovg. 
Hier,  meint  II. ,  sei  er  ^alienissima  in  sede  positus',  was  allerdings 
richtig  ist,  wenn  wir  ihn  mit  H.  ergänzen  aciipgovog  yvcifirfg  d'  ccfiaQ- 
xHv  Tov  x^ofTovvr'  {ptlcioq  tiiyci).  Allein  diese  Ergänzung  ist  keines- 
wegs so  sicher,  es  kann  auch  ovuöiiScet,  ausgefallen  sein,  worauf  der 
Chor  ganz  passend  antworten  würde  ovx  Sv^Agyslonv  xoo  etrj,  (pma 
TCQoaaaCveiv  naxov^  ja  es  ist  sogar  sehr  wahrscheinlich,  dafs  nicht 
nuiP  das  Ende  des  Verses,  sondern  aufserdem  noch  ein  Vers  aus- 
gefallen ist,  in  welchem  das  Verbum  stand,  von  dem  die  Infinitive 
oTtcev^laai  (ivantvaai?) ^  ixßaXetv  abhängig  waren.  Auch  di«  Ver- 
befserung  der  folgenden  Verse  der  Rede  der  Klylaemnoslra  scheint  zu 
rasch  gebilligt  worden  zu  sein.    H.  ediert: 

azetxe  xal  av  %ol  yiqovxtg  nQoq  öofiovg  7UTCQ<o(iivovg^ 
nQiv  Tta^Biv  iQ^ccvTsg.  aoxeiv  XQtiv  taö'  tog  inga^cifisv' 
ti  d'  ftr'  ov  fi6x^(ov  yivotxo  x^vo  aXig,  dfjro/f«^'  av 
daifiovog  xoX^  ßagela  övoxvxc^  ntnXtjy^iivot, 
*  t  et  tu  et  vo$ ,  senes ,  vestras  domos ,  priusquam  vim  vi  luatis.  Suf* 
ficere  oportebat  quae  passi  sumus.  Sin  nondum  satis  est  hisce  malis^ 
accipiemus^  dei  si  nos  gravis  ira  infortunio  plectet.  Hoc  modo  quum 
loquitur,  neque  asscverut  oportuisse  Agamcmnonom  interfici ,  sed  per- 
mittit  iudicio  aliorum,  et,  si  iniiiste  necatus  sit,  diis  rclinquendam  esse' 
vindictam  monct.'  Im  ersten  Verse  haben  die  Bücher  axslxBxe  d'  oi 
yiQOvxeg,  auf  jene  Ergänzung  war  auch  Franz  verfallen,  doch  scheint 
eine  solche  zurechtweisende  Rede  hier  nicht  angemcfscn.  Klyt.  hatte 
sich  in  den  ersten  drei  Versen  an  den  Aegisthos  gewandt,  jetzt  wen- 
det sie  sich  an  den  Chor  aitlxe^'  vfisig  C  ot  yiQOvxeg.  Im  3n  Verse 
ist  tl  ö^  ix^  ov  statt  el  di  rot  gesetzt,  allein  es  ist  nicht  wahrschein- 
lich, dafs  Klyt.  dem  Chor  gegenüber  eine  solche  Ansicht  aussprechen 
sollte;  ganz  entschieden  scheinen  uns  aber  die  Worte  ^oA]/  ßccQsia 
dvöxvx^g  dagegen  zu  sprechen,  denn  wenn  auch  Klyt.  sagen  könnte 
*habe  ich  den  Agamemnon  mit  Unrecht  getödtet,  so  fiberlafset  den 
Göttern  die  Strafe',  so  würde  sie  doch  nicht  sagen,  dafs  sie  eine  harte 
Strafe  erwartet.  Setzen  wir  ira  vorhergehenden  Verse  mit  Lobeck  al~ 
vetv^  so  könnte  man  die  Stelle  vielleicht  so  aurfarsen:  Mhr  aber,  o 
Greise,  geht  nach  Hause,  bevor  ihr  durch  euren  Widerstand  euch 
Leid  zuzieht;  füget  euch  in  das,  was  geschehen  ist,  und  sollte  nun 
genug  des  Leids  erfolgt  sein,  dann  wollen  wir  es  tragen,  wie  schwer 
wir  auch  vom  Daemon  heimgesucht  sind.'  So  sagt  Klyt.  1535  iyci  ä' 
ovv  i&iX(o  xccds  (ilv  (Sxiqynv  övaxXijxa  mg  ovxa.  —  1640  (1654) 
TtgäöaSf  nialvov,  fiialufov  xijv  öUrjv^  htel  ndgcc  wird  ngäöae  auf  das 
folgende  nialvov  bezogen,  womit  uns  der  Sinn  der  Stelle  nicht  ge- 
troffen zu  sein  scheint.  Aegisthos  halte  gesagt  oW  iya  q>evyovxag 
avögag  iXjtldag  <Six(>v(iivovg ^  womit  er  meint,  dafs,  da  der  Chor  sich 
auf  den  Orestes  verläfst,  er  für  jetzt  das  Feld  räumt.   Dies  bejaht  der 


300  G.  Hermann:  Acscliyli  tragoediac.  Tom.  I  et  IL 

Chor,  indem  er  sehr  treffend  den  Worten  ihtlöag  anovfiivovg  das 
niaCvov  ^lalvtov  ryv  öIkj]v  und  den  Worten  q^evyovTag  avÖQag  das 
TtQaaae  entgeg^enstelll;  er  solle  immerhin  den  Staat  verwalten  und 
sich  mästen ,  da  er  es  ihm  für  jetzt  nicht  wehren  könne. 

Dem  Commenlar  zu  den  Hiketiden,  den,  wie  bereits  erwähnt, 
Hermann  selbst  besorgt  hat,  ist  ein  kurzer  Nachweis  über  die  Hand- 
schriften und  Ausgaben  des  Stückes  vorausgeschickt,  worüber  wir  im 
5n  Bande  des  Rheinischen  Museums  für  Philologie  von  dem  leider  zu 
früh  verstorbenen  MarckschefTel  eine  trelTliche  Abhandlung  besitzen, 
die  auch  H.  mit  Anerkennung  erwähnt.  Das  Stück  ist  in  4  Hss.  er- 
hallen ,  im  Mediceus ,  von  dem  wir  bereits  gesprochen ,  im  Guelpbcr- 
bytanus,  einer  Abschrift  des  3Iediceus,  die  il.  selbst  genau  verglichen 
hat,  ia  dem  von  Askew  und  Faehse  verglichenen  Parisinus  (L  bei 
Wellauer),  der  nach  H.  aus  der  alten  Quelle  stammt,  aus  welcher  der 
Mediceus  abgeschrieben  ist,  und  in  dem  Escorialensis,  einer  Abschrift 
der  Pariser  Hs. ,  dessen  Collation  H.  von  Friedrich  Dietz  erhalten 
hatte.  Die  Aldina  hat  Asulanus  aus  dem  Guclpherbytanus  besorgt, 
Turnebus  halte  kein  weiteres  Hilfsmittel  als  die  Aldina,  Hobortellus 
dagegen  entweder  den  Mediceus  oder  eine  ihm  ganz  ähnliche  Hs.  Es 
folgten  dann  Victorius,  Canter,  Stanley,  Msque  deinceps  vulgatus 
textus  habebatur.  Eum  magis  magisquc  pcrlurbarunt  critici  pro  sua 
quisque  vel  scientia  vel  ingenio  vel  libidine.  Quorum  eos  conatus, 
qui  vel  falsi  vel  vani  vel  inepti  vcl  iusani  sunt,  oblivioni  relinquendos 
duxi.  Pariter  ubi  de  codicum  scriptura  constat,  vitia  commemorare, 
quae  edilio  Aldina  vel  errore  typolhelae  vel  male  intellecia  codicis 
scriptura  praebet,  inanis  plane  atque  inutilis  labor  fuisset.^  Will  man 
das  letzte  auch  gelten  lafsen,  wiewohl  die  Erwähnung  der  Lesarten 
der  editio  princeps  zur  Geschichte  der  Texteskritik  gehört,  so  wäre 
es  doch  wünschenswerth,  solche  Lesarten,  die  eine  weitere  Verbrei- 
tung gefunden  haben,  vermerkt  zu  finden.  So,  um  ein  Beispiel  anzu- 
führen, steht  bei  iL  Vs.  997  cl>g  av  eldcog  iwino}  ohne  eine  Varianten- 
angäbe;  allein  die  Vulgata  ist  eidfjg^  die  selbst  noch  in  der  ersten 
Oxforder  Ausgabe  von  Dindorf  steht,  und  Wellauer  bemerkt  (908) 
Ulöiig  vulg.  sensu  inepto,  recepcrunt  tarnen  editores  omncs.  HÖmg 
lieg.  L.  Guelph.  Aid.  Hob.'  Auch  der  Mediceus  hat  dödg  und  nur 
Turnebus  hat  emendierl  und  die  andern  nach  sich  gezogen,  allein  eben 
weil  diese  Eniendalion  eine  solche  Verbreitung  gefunden  hat,  wäre 
eine  kurze  Bemerkung  nülhig  gewesen.  Auch  die  Vermuthungen  der 
Editoren  oder  anderer  Gelehrten  sind  nur  selten  angeführt,  die  eige- 
nen Verbcfserungen  gar  nicht  oder  ganz  kurz  begründet,  überhaupt 
die  Bemerkungen  so  kurz  gefufst,  dafs  der  Commenlar  zu  den  Hike- 
tiden, wiewohl  hier  H.  die  meisten  Emendationen  gemacht  hat,  nur 
halb  so  umfangreich  ist  als  die  zu  den  anderen  Stücken.  Ueber  den 
Werth  der  llermannschen  Becension  der  Hiketiden  haben  wir  uns  be- 
reits ausgesprochen;  man  kann  mit  Hecht  sagen,  dufs  erst  durch  diese 
Bearbeitung  das  Stück  lesbar  geworden  ist.  Einen  Theil  der  trcIT- 
iichen  Emendationen  ILs  werden  wir  Gelcg.:nheit  haben  anzuführen. 


6.  Hermann :  Aeschyli  (ragoediae.  Tom.  I  et  II.  391 

wiewohl  wir  auch  hier  wie  beim  Agamemnon  nns  meist  darauf  be- 
schränken, solche  Stellen  zur  Besprechung  herauszuheben,  zu  deren 
Berichtigung  wir  etwas  beitragen  zu  können  glauben. 

Im  ersten  Chorgesang  ruTen  die  in  Argos  angelangten  Danaiden 
das  Land  ihrer  Ahne  au  und  dann  Vs.  24  die  Götter:  wtorol  te  ^sol 
xal  ßa^ifioi  x^ovLOt  ^i^Tiag  TtazixovxBg.  H.  schreibt  ßa4>vxifiot.  *  He- 
roibus  hie  locus  erat  sub  terra  conditis,  non  ultoribus  scelerum  diis 
inferis/  Von  den  strafenden  Göltern  der  Unterwelt  kann  hier  aller- 
dings nicht  die  Rede  sein,  allein  ßaQvxifiot,  braucht  nicht  in  dieser 
Bedeutung  gefafst  zu  werden.  Gleichwohl  ist  ßaQvxifioi  unrichtig,  da 
^xag  ohne  Epitheton  unerträglich  ist,  und  ßuQvrlfiovg  zu  setzen, 
das  der  Dichter  voranstellt,  um  die  richtige  Auffafsnng  von  x^oviot 
vorzubereiten.  Die  Aenderung  ist  leicht,  in  der  alten  Quelle  stand 
ßaQVTifiog^  was  wegen  des  folgenden  %&6viot  in  ßagviifioi  übergieng. 
—  33.  iv&a  de  kalkuTZc  xeifKüvorvnm ,  ßgovr^  axegony  x\  6(ißQoq)6^ 
QOKSiv  X  avifioig  aygiag  iXog  avxi^aavxeg  okoivxo  sind  die  Kommata 
mit  Recht  ausgelafsen,  in  welche  nach  Elmsleys  Vorgange  Wellauer 
die  Worte  ayqiag  ItXog  avxrjaavxeg  eingeschlofsen  hatte,  damit  nicht 
avifioig  ayqlag  aAo^  verbunden  werde;  die  Dative  enthalten  vielmehr 
eine  Bestimmung  zu  ayglag.  —  44 — 46  incowfiia  d'  inexgalvexo 
fiOQCifiog  atüiv  svXoycDg^^Enaipov  t'  iyivvaaev  werden  erklärt:  ^male 
haec  explicat  scholiastes.  Secundum  nomen  a  contactu  imposilum,  in- 
quit  Chorus,  exibal  iustum  tempus,  ut  consentaneum  erat:  h.  e.  a 
contactu,  quo  gravida  facta  est  lo,  exactis  iustis  mensibus  peperit 
puerum ,  cui  ab  illo  contactu  nomen  Epaphi  indilum  est.'  H.  fafst  also 
inoivvfiia  in  der  Bedeutung  von  iTtcovvfKog ^  was  uns  richtig  scheint, 
denn  L.  Schillers  Auffafsung  ^  es  erfüllte  sich  aber  für  die  Benennung 
die  bestimmte  Zeit'  gibt  den  unrichtigen  Gedanken,  dafs  lo  der  ijtcD- 
vx^filcc  wegen  geboren  habe.  Dagegen  verbinden  wir  ivXoyag  mit 
inG)vv(ila^  wie  es  z.  B.  239  heifst  ifiov  6'  ävaxxog  6vk6y(og  inciuvfiov 
yivog  IleXaayav  xi^vös  KOQnovxat  ;jjöova,  300  "Eatucpog  aXii&fog  Qvatcav 
i7t(ow(iogj  und  unter  fiogacfiog  alciv  verstehen  wir  die  vom  Schicksal 
bestimmte  Zeit  der  Geburt,  so  dafs  das  folgende '^or^ov  iyivvaosv 
die  nähere  Erklärung  dazu  enthält:  ^mit  dem  Namen  dieser  Berührung 
ganz  übereinstimmend  erfüllte  sich  die  vom  Schicksal  bestimmte 
Zeit,  denn  sie  gebar  den  Epaphos.'  Demnach  ist  nicht 'Efftacpov  x'  zu 
setzen,  was  eine  blofse  Aenderung  Porsons  ist,  sondern  die  hand- 
schriftliche Lesart  "ETragsov  d'  beizubehalten.  Weiterhin  geben  die 
Bücher  xa  xe  vvv  iTtiÖH^oD  Uiaxa  xsxfi-tjgia^  xa  x  avonoicc,  Olö  , 
ÜBXnxd  nsQ  ovxa  (pccvdxai.  Sehr  scharfsinnig  und  unzweirolhaft  rich- 
tig wird  hergestellt  itLCxct  xexiirJQLa  yaiovofiOLöi  ö  aeXnxa  mq  ovxa 
q>uvnxm'y  unwahrscheinlich  aber  ist  die  Aenderung  von  xa  xb  vvv  in 
70W0DV,  wir  vermuthen  ^niXa  vvv.  Ebenso  trefflich  ist  die  Verbefse- 
rung  Vs.  61  Sr'  ano  ^(o^ov  noxa^imv  r'  HQyofiiva  Ilev&ei  viov  oU 
xxov  fiHoiVy  wo  gesetzt  wird  cfr'  ano  xXcogmv  nsxdXcDv  iygofiiva^ 
dagegen  halten  wir  nicht  für  richtig  die  Ergänzung  tmv^«  vtoixTOv 
o?roi;,  es  ist  vielmehr  fiiv  ansgefallcn  mv&et  viov  fiiv  ohxovy  wie 


392  G.  Hermanu;  Aesoliyli  tragoediae.  Tom.  I  et  IL 

der  folgende  Gegensalz  zeigt  Jvvr/Oi/a«  61  naiöog  (ioqov.  —  67  sagt 
der  Chor  yosdva  d'  ivd^sfil^ofiai  Jeifiaivovaa  (pikovg^  Täaöe  tpvyag 
aeglag  aTtb  yäg  Eifrig  iexi  xi^dcftcav.  Unter  cpLXovg  müste  man  die  Söhne 
des  Aegyptos  verstehen,  welche  die  Danaiden  nicht  so  genannt  hahea 
würden,  auch  passt  der  folgende  Gedanke  nicht,  so  dafs  die  Stelle 
jedenfalls  verdorben  ist.  H.  verbefsert  ÖH^ct^  fihovaa  q>Uovg^  aber 
das  öetfia  ist  schwer  zu  erklaren  und  einen  richtigen  Gedanken  erhal- 
ten wir  auch  so  nicht.  Es  ist  (pilog  zu  setzen ,  was  bei  der  Beschaf- 
fenheit unserer  IIss.  so  gut  wie  keine  Aendcrung  ist,  d.  h.  öei(icuuovaa 
(plXog  elrig  ißrt  xrjdsfimv  Tcecfös  cpvyag.  Dem  Spondeus  entspricht  in 
der  Gegenstrophe  ein  Dactylus  I(5xi  de  xax  noUfiov  und  man  könnte 
leicht  vcrbefsern  iariv  xax  nokifiov:  allein  es  fragt  sich,  ob  dies 
durchaus  nothwendig  sei.  Der  unterzeichnete  hat  auf  das  von  Aeschy- 
los  beobachtete  Gesetz  der  strengen  Responsion  der  Antistrophica  za 
einer  Zeit  aufmerksam  gemacht,  als  H.  noch  eine  gröfsere  Freiheit 
hierin  annehmen  zu  müfsen  glaubte,  und  seitdem  hat  die  weitere  Kri- 
tik unsere  Ansicht  immer  mehr  bestätigt.  Allein  ich  habe  auch  zu- 
gleich darauf  aufmerksam  gemacht,  dafs  hierbei  einmal  die  Rhythmen 
und  zweitens  die  Stücke  selbst  zu  unterscheiden  sind.  Ich  glaube, 
dafs  Acschylos  in  seinen  späteren  Stücken  eine  gröfsere  Sorgfalt  auf 
die  Ausarbeitung  der  Chorgesängo  verwandt  hat,  und  die  WahrneU- 
mung,  dafs  in  den  Iliketiden  öfter  die  Genauigkeit  der  Responsion 
vcrmifst  wird,  stimmt  mit  der  Annahme  H.s  übcrein,  dafs  dieses  Stück 
das  älteste  von  den  uns  erhaltenen  sei.  Wir  wollen  hier  die  Stellen 
anführen,  in  denen  die  Entsprechung  nicht  genau  ist.  Für  die  soge- 
nannte Basis  haben  wir  schon  früher  das  Gesetz  aufgestellt,  dafs 
dem  Trochacus  wohl  der  Spondeus,  aber  niemals  der  lambus  entspre- 
chen könne.  Von  der  Vertausch ung  des  Trochaeus  und  Spondeus  fin- 
den sich  in  unserem  Stücke  9  Beispiele,  641  (552)  =r=:  550  (561),  561 
(572)  =  569  (580),  563  (574)  =  571  (582),  619  (630)  —  628  (639), 
620  ^=  629,  622  =  631,  640  (651)  =  650  (661),  641  =  651,  658  (669) 
=  666  (677).  Im  iambischen  Rhythmus  ist  die  Vertauschung  des 
lambus  mit  einem  Spondeus  auffallend  in  einem  Verse  wie  415  (426) 
tnmiÖQV  afiTCVTiOiv  -=  419  (431)  bfioitav  ^ifiiv^  nicht  häufig  im  iam- 
bisch-trochaeischen  Rhythmus ,  wie  545  (556)  vöcoq  xo  Neüov  voaotg 
aOixxov:z-  554  (565)  xav  d'  av  yvvaixog'  xi^g  d'  i^cifißovv^  wo  II. 
xdv  in  xd  verwandelt,  was  uns  nicht  wahrscheinlich  scheint,  denn 
ebenso  heifst  es  524  (535)  keifiava  ßovxdov  ii'{>ev  'Ico  und  in  der 
Gegenstrophe  533  nega  de  TtvOQavxog  äöiv  Mvaav;  unbedenklich 


kaiaxxav 

xaxcjt;,  zugleich  ciu  Beispiel  der  V^ertauschung  des  Trochacus  und 
Spondeus  im  trochaeischen  üimeter,  781  (793)  ßiaia  fiij  q>£loig  OQiav 
=  789  (>*0l)  ßlaia  öC^^jvxai  kaßeiv,  wo  H.  mit  Unrecht  statt  (plloig 
oder  fpdoig^  was  allerdings  nicht  stehen  kann,  oxiQ^rjg  gesetzt  hat, 
117  (128)  =  127  (137);  endlich  im  Trimotcr,  wie  762  (774)  =  770 


6.  Hermann :  Aeschyli  (ragoediae.  Tom.  I  et  IL  393 

(78i),  564  (575)  =  572  (583).  Dem  strophischen  Trimeter  748  (768) 
xl  7t€tö6(iea^a;  not  gyvytofiEv  A%iag  entspricht  in  der  Gegenstrophe  755 
(766)  itBlavoxQGig  di  nakkeral  fiov  rMQÖUc^  wo  statt  fAskavoxQcog  Lach- 
mann nekaLvoxQtog  verbefsert,  vielleicht  aber  fielayxQOog  zu  schreiben 
isL  Hier  nimmt  H.  an  dem  Rhythmus  Anstors:  ^sed  nov  etiam  Irime^ 
trum  facit  tam  turpem,  ut  eiusmodi  versus  non  possit  ab  Aeschylo 
profectus  putari.'  Es  wird  nun  im  vorhergehenden  Verse  ägyvKxov  in 
aXvurovy  ferner  niag  in  voaq  geändert:  ^videtnr  ab  vostv  dictum  esse 
voaQ  de  eo  quod  quis  animo  teneret  vel  sibi  fingeret,  de  simulacro, 
spectro,  quo  nomine  hie  signillcatur  praeco,  qui  abstractum  ab  aris 
virgines  venit',  aufserdem  noch  zwei  Aenderungen  in  unserem  Verse 
vorgenommen,  so  daTs  die  beiden  Verse  so  lauten:  ikvxTov  ö^  ovsc 
fr'  Sv  nikoc  voag^  KekuivoxQtov  de  nakksrai  ngo  xagölag.  Wir  glau- 
ben nicht,  dafs  diese  Aenderungen  bei  vielen  Zustimmung  finden  wer- 
den; sie  sind  zu  gewaltsam  und  dann  moste  voag  in  doppelter  Bedeu- 
tung gefafst  werden,  einmal  zu  akvxxov  concret  als  der  Herold,  dann 
zu  Ttakkexat  als  der  Gedanke.  Das  Wort  voag  setzt  H.  noch  einmal 
Vs.  853  in  den  Text,  wo  es  gleichfalls  unpassend  ist,  wie  wir  zu  die- 
ser Stelle  sehen  werden.  Ware  akvTixov  richtig  aus  aq>v%xov  herge- 
stellt, so  müste  Y,iaQ  in  xt^p  geändert  werden,  allein  %ictQ  ist  wohl 
richtig  und  afpv%xov  in  a(pqi%x6v  zu  andern.  Der  nächste  Vers  ist 
schwerlich  verdorben,  ein  Uurpis  trimeter'  wäre  der  Vers  nur  dann, 
wenn  er  zum  Recitiercn  im  Dialog  bestimmt  wäre;  den  Gesetzen  die- 
ses Trimeters  nnterliegt  aber  nicht  der  für  den  Gesang  bestimmte 
lyrische  Trimeter,  ja  es  hindert  nns  nichts,  den  Vers  in  zwei  Verse 
zu  theilcn,  in  der  Strophe  xinBLc6^iz(S^tt\  \  not  <pvy(Ofitv  ^Aniag  und 
hier  (iskäyxQOog  ds  \  nakkexal  fiov  nccgöla^  wie  im  folgenden  nglv 
ävÖQ^  ansvxxov  |  xmöe  xQ^t^^V^^^  XQ^^t  die  freilich  H.  in  ^inen  Vers 
zusammengezogen  hat.  Endlich  ist  noch  ein  Trimeter  zu  besprechen^ 
der  wegen  ungenauer  Responsion  Bedenken  erregen  könnte,  543  (554) 
X£t(JLc5vcc  x^ovoßoaKOVy  ovx'  iniQxexai  =  552  (563)  ßorov  iaogcavxsg 
övax€Qeg  fii^o^ßgoxov.  Dazu  bemerkt  Hermann :  *  talem  versum  non 
scripsit  Aeschylus.  Gcnuinum  vocabulum,  quod  nescio  an  assecutus 
sim  quum  non  inventum  alibi  xaxoxccQt  posui ,  ab  interpretatione  ex- 
pulsum  esse,  quoniam  non  intellectum  erat  accusativos  pendere  ex 
&vfiov  nakkovxo ^  ostendit  a  scholiasta  ad  o^fftv  arf&rj  adscriptum  otpiv 
arid't}  oQavxeg,  quod  metri  causa  in  ioogavxBg  esse  mutatum  prodit 
scriptura  codicum  M.  et  G.  ia  o^covvs-*  Das  letzte  Argument  beweist 
nichts,  da,  wie  aus  dem  von  Dindorf  in  seiner  Scholienausgabe  mit- 
getheilten  Facsimile  hervorgeht,  auf  Wortabtheilungen ,  Zeichen  und 
Accente  im  Mediceus  nichts  zu  geben  ist.  Auch  aus  der  Randglosse 
otf;tv  ai^&rj  oQcivxsg  läfst  sich  nichts  folgern,  da  der  Glossator  nur 
angeben  will,  dafs  das  folgende  iaoQcivxeg  nicht  blofs  auf  j^orov  son« 
dern  auch  auf  das  vorhergehende  o^tj^cv  arj^  zu  beziehen  sei;  hätte 
er  iaogmvxfg  nicht  vorgefunden,  würde  er  es  schwerlich  ergänzt  ha- 
ben. Dafs  Aeschylos  einen  solchen  Vers  nicht  gemacht  hätte,  können 
wir  auch  nicht  zugeben,  da  der  Ictus  auf  der  kurzen  Endsilbe  eines 

iV.  Jahrb.  f,  PkU.  n.  Paed.  Bd.  LXX,  Bfl.  4.  a.  5.  ^^ 


394  G.  Hermann:  Acschyli  tragocdiae.  Tom.  I  et  II. 

zweisilbigen  Wortes  gestattet  ist.  Was  endlich  die  Ungenaaigkeit 
der  Rcsponsion  betrifft,  so  pftegt  Aeschylos  allerdings  Auflösungen 
der  Arsis  auch  im  Trimeter  in  Strophe  und  Gegenstropho  auszuglci* 
chen,  da  diese  den  Charakter  des  Rhythmus  modilicieren;  allein  bei 
einer  einzelnen  Auflösung  ist  es  ausreichend,  wenn  zwar  nicht  die- 
selbe ,  aber  doch  die  Arsis  desselben  Metrums  in  der  Gegenstrophe 
aufgelöst  wird.  Man  kann  dies  um  so  mehr  annehmen ,  als  auch  sonst 
die  aufgelöste  Arsis  einer  nicht  aufgelösten  entspricht,  so  im  kreti- 
schen Rhythmus,  Vs.  403  (414)  q^^ovriaov  xai  yevov  navdUog  =^ 
408  (419)  ^irjö^  tdyg  fi'  i^  eÖQccu  nokv&i(ov.  Auch  im  dochmischen 
Rhythmus  lindet  dies  statt,  so  ^b  (d4b)  (pvyaöa  nef^iö^^iov  z=z  ^^ 
(3j(i)  fiä\>6  ytqmotpqiov  und  379  (389)  ft^JJ«^  bgl^Ofiai  yafiov  övag)QO- 
vog  =  389  (399)'of<J*3tof  filv  naxotg  oöia  d'  ivvofioig^  wo  zugleich  im 
ersten  Dochmius  der  langen  ersten  Thesis  eine  kurze  entspricht,  was 
übrigens  nur  dann  gestaltet  ist,  wenn  die  erste  Arsis  aufgelöst  ist; 
aufsurdem  ist  dies  in  unserem  Stücke  der  Fall  378  (388)  KQotaaiv 
ctQaivcav --^^  388(398)  Zeig  beQOQQenrjg,  ferner  nach  der  Hermann- 
sehen  Recension  720  (731)  6oX6(pQoveg  d'  ayav  Kai  öoXo^i^iösg=  727 
(738)  TCEQifpQovsg  d'  äyccv  avUqio  ^ivei^  doch  ist  im  strophischen 
Verse  iiyav  von  II.  zugesetzt  und  andere  lesen  öoXotpQOVSg  6i  Kai  do- 
ho^tjTidsg^  auch  könnte  man  mit  Kayser  in  der  Strophe  naviiga  (livH 
lesen ;  endlich  707  (71h)  noXvÖQOfiov  qivydg  oipekog  et  xl  [loi  =  714 
(725)  vijag  Inkevaau  od'  iitLxvxel  xorw,  allein  wir  halten  den  stro- 
phischen Vers  für  verdorben.  An  nokvÖQOiiov  q)vyäg  hat  niemand 
Anslofs  genommen  und  doch -sehen  wir  nicht  ein,  was  dies  hier  zu 
bedeuten  habe,  wo  von  einer  wirren  Flucht  und  einem  Entrinnen  gar 
nicht  die  Rede  ist.  Es  wird  ßcoiiodgaiiov  cpvyäg  zu  setzen  sein.  Da- 
naos  hatte  seine  Töchter  aufgefordert  sich  an  die  Allüre  der  Götter  zu 
flüchten,  damit  sie  für  alle  Fälle  gesichert  seien,  worauf  diese  dio 
Resorgnis  aussprechen,  ob  denn  auch  in  der  Thiit  diese  Zuflucht  einen 
Schutz  gewähren  werde:  ite^Cq>oß6v  fi^  exec  xaQßog  eX  xi  /tioi  ixijrviusg 
o(peXog  ßoi^oÖQOfiov  g;vyag.  Man  könnte  aber  uuch  an  die  Flucht  ans 
Aogyplen  denken,  worauf  die  Entgei^nung  des  Danaos  führt,  und  dann 
wäre  aXaÖQOfiov  zu  verbefsern.  Trotz  dieser  von  uns  eben  aufgeführ- 
ten nicht  unbedeulenden  Anzahl  von  ungenauen  Responsionen  würden 
wir  gleichwohl  Redenken  tragen,  in  jener  Stelle,  die  uns  zu  dieser 
Belrachtuug  veranlafst  hat,  dio  Entsprechung  eines  Spondeus  and 
Dactylus  zu  statuieren,  wenn  sich  nicht  in  unserem  Stücke  aufserdem 
noch  zwei  andere  Stellen  mit  gleicher  Rcsponsion  fänden,  527(638) 
TtoXXa  ßoxav  6iafieißo^e%'a  =  536  (547)  Ua^q)vX{ov  xe  diOQvvfiiva. 
Hier,  meint  IL,  sei  der  Spondeus  durch  das  Nomen  proprium  entschul- 
digt, allein  dieses  kann  wohl  bei  einem  festen  Rhythmus,  wie  im  He- 
xameter oder  Trimeter,  die  Dichter  zu  einzelnen  Licenzen  veranlafscn, 
aber  nicht  in  einem  Chorgesange,  der  den  Dichter  in  der  Wahl  der 
Rhythmen  durchaus  nicht  beschränkt,  und  dann  hinderte  ja  nichts,  in 
der  Strophe  gleichfalls  einen  Spondeus  zu  setzen.  Es  kommt  aber 
noch  ein  drittes  Beispiel  dazu:    811  (824)  aX(iiiEvxa  Jt6(fov  =  822 


G.  Hermann :  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II.  395 

(835)  aXfpBClßotov  vömg^  wo  H.  alfn^ivta  in  alfiwsvra  verändert, 
ohne  sich  darüber  auszusprechen,  woher  dies  gebildet  sein  soll,  da 
man  von  aXfirj  regelrecht  doch  nur  akfirjeig  bilden  kRun.  Durch  diese 
beiden  Stellen  scheint  uns  der  Spondcus  Vs.  68  öst^alvovace  (plkog 
hinreichend  geschützt  zu  sein. 

73.  74  wird  ediert  vßQtv  d'  ixvficog  axiyovvsg^  ev  niXoix^  Sv 
ivÖMOi  vofioig^  indem  vofwig  statt  yafiotg^  statt  atvyovxsg  aber  axi- 
yovxeg  sv  gesetzt  ist.  ^Heposui  quod  scholiastes  legit  ivdiKOt  voiioig. 
lustos  erga  leges  deos  esse  vult.  Legcs  antem  intelligi  eas,  quibus 
tnti  sunt  qui  ad  deorum  aras  confugerunt,  docent  quae  statim  sequun- 
tur.'  Die  Aendcrung  vofioig  ist  richtig,  auch  axiyovxsg  ist  viel  pas- 
sender, dann  wöre  aber  noch  eine  andere  Aenderung  nöthig,  nemlich 
vßgiv  de  y  iixov  (Sxiyovxeg.  Die  Züge  Ö6y£[A0^  auf  die  ein  a  folgt, 
sind  für  6  ixvfiiog  gelesen  worden,  da  dies  zu  axvyovvxeg  passt,  wie 
es  523  heifst  vßgiv  ev  axvyrfiag,  —  78  (80)  wird  statt  ü  ^elj]  Jiog 
verbefsert  l^dr^  *recta  voluntate  lovis.  Hesychius  ü^da,  ötxaioavvi].' 
Abgesehen  von  dem  Worte  selbst  erscheint  das  Hinüberziehen  des 
Gedankens  in  die  nächste  Strophe  unstatthaft,  um  so  mehr  als  der 
Gedankengang  mit  diesem  Verse  ganz  abgebrochen  wird.  Das  wahr- 
scheinlichste ist  el  d-dtj  ^£og  ev  navaXi^d'ag,  Ein  Object  könnte  man 
leicht  hineinbringen ,  doch  steht  d'rjöofiev  KaXag  am  Ende  des  Aga- 
memnon auch  ohne  Object.  Der  Gedanke,  Gott  möge  alles  in  Wahr- 
heit zum  guten  wenden,  schliefst  sich  ungezwungen  an  den  vorherge- 
gangenen Wunsch  an,  dafs  die  Danaidcn  den  Schutz  finden  mögen, 
der  ihnen  als  schutzflehenden  gebührt,  so  wie  ebenso  angemefsen  das 
folgende  daran  geknüpft  wird,  dafs  die  Wege  des  Zeus  unerfursch- 
lich  und  seine  Macht  grofs  sei,  so  dafs  die  jetzt  mächtigen  unvermu- 
thet  von  ihrer  Höhe  herabgestürzt  und  der  Sieg  den  schwachen  Wei- 
bern verliehen  werden  kann.  —  88  (92)  wird  ediert  ßlav  ö  ovvig 
i^aXv^ei  xav  aitovov  datftov/cov,  während  die  Bücher  haben  ßlav  6 
wxiv  i^onXC^ei^  was  einen  angemefseneren  Gedanken  gibt  als  die 
Hermannsche  Emendation,  da  es  hier  nicht  darauf  ankommt,  dafs 
niemand  der  Macht  des  Zeus  entrinnen  kann,  sondern  dafs  Zeus  die 
mächtigen  unvermuthet  von  ihrer  Höhe  herabstürzt,  mühelos,  wie 
alles  was  von  der  Gottheit  ausgeht,  die  oben  thronend  gleich  von 
ihrem  heiligen  Sitz  aus  alles  nach  ihrer  Weisheit  ausführt.  Der  Ein- 
wand, dafs  es  i^OTtXC^cDv  heifsen  müste,  ist  unbegründet,  da  es  Ae- 
schylos  liebt,  des  gröfsern  Nachdrucks  wegen  in  coordinierten  Sätzen 
das  auszudrücken,  was  sich  in  eine  Periode  zusammenfafsen  liefse; 
hier  wäre  i^OTcXlimv  auch  unpassend,  da  dieser  Gedanke  selbständig 
auftritt  und  in  dem  folgenden  weiter  ausgeführt  wird.  Es  ist  also  nach 
ßQOXOvg  ein  Kolon  zu  setzen  und  dann  näv  d'  anovov  zu  schreiben, 
das  ö'  ist,  wie  so  sehr  häufig  vor  «,  ausgefallen.  Auch  im  folgenden 
ist  es  durchaus  nicht  zu  billigen,  dafs  statt  ^^uvov  civ<o  (pQOvrifia  nag 
geändert  wird  (ivij(iov  ava  tp.  %,  H.  bemerkt :  *quod  sequitur  in  libris 
^/ifvov  avoo  etiam  si  non  repugnaret  metro,  languidum  esset  i^^frov, 
quum  sequatur  iögavav  atp^  iiyvfav. '    Wir  können  hier  nichts  über- 

26* 


396  G.  Hermann :  Acschyli  Iragocdiae.  Tom.  1  et  II. 

flarsiges  finden,  es  wird  gesagt,  dafs  die  Gottheit  hoch  oben  aber  den 
Menschen  thront  und  ohne  erst  auf  die  Erde  herabzukommen,  gleich 
von  ihrem  Throne  alles  ausführt.  Der  metrische  Fehler  aber  liegt 
nicht  in  tnisvov  ai/o,  was  einen  iambischen  Monomeler  gibt^  wie  oben 
ci(p^  v\j)i7tvQyG}u ,  und  w\e  ihn  auch  die  Strophe  bietet  xal  dicevoiavj 
indem  ot  wie  in  vielen  andern  ähnlichen  Worten  kurz  gebraucht  ist; 
auf  den  iambischen  Monometer  a(p  v^lftnvQytov  folgen  Cretici,  so  auch 
in  der  (jegenstrophe  iiccivoXiv^  und  dieser  Crelicus  ist  in  der  Strophe 
leicht  durch  Umstellung  von  g^QOvrjfia  nag  hergestellt  tj,ufi/oi/  äv(o 
n(og  q)Qovti^i\  was  Melriker  umgestellt  haben,  um  einen  iambischen 
Dimeler  zu  erhalten.  In  der  Gegenstrophe  schreibt  II.  löia^o}  d*  ii^ 
vßgt^v  ß(}6xH0v^  oTa  vedtsc^  Tcv&fii^v  — ,  allein  wenn  itv^^tiv  blofs 
Apposition  ist,  so  kann  nicht  füglich  xi&akag  (pQEtslv^  h^^i  ^^^^ 
fiszayvovg  darauf  bezogen  werden;  man  wird  also  wohl  unter  Ttv^fifjv 
den  Sprofs  des  Aegyptos  verstehen  und  otci  schreiben  müfseu.  Zum 
folgenden  bemerkt  der  Scholiast:  01;  <pvkkoigy  akXary  avoia  tcji/  itai^ 
d(ov  iavTOv  xal  didvoiav  (imvokiv  Ij^wi/,  Öksq  iavl  %iircQov  ag>vxTOv. 
II.  meint,  es  sei  i}  didvoiav  zu  schreiben  und  der  Scholiast  habe  ge- 
schwankt, ob  Öidvoiav  oder  öi"  dvoiav  das  richtige  sei.  Wir  glauben 
das  nicht.  Der  Scholiast  sagt,  der  TCvOfiifi;  sei  tt&ak(6g  nicht  gwkkoig, 
wie  man  erwarten  konnte,  sondern  t?}  dvoia;  nun  heifst  es  bei  Ae- 
schylos  ze^akfag  övanaQaßovkoiai  tpQsaiVy  folglich  gibt  der  Scholiast 
diese  Worte  durch  dvolcc  wieder,  da  er  doch  sonst  wenigstens  övaica- 
Qaftiwkotg  (pgeotv  xat  avoicc  gesagt  hatte;  das  folgende  aal  verbindet 
TE^akiog^  das  vor  ov  fpvkkoig  zu  denken  ist,  und  ?x^u.  —  98:  arav 
d^  andzcc  iiszayvovg  wird  erklart:  ^culpam  suam  sero  cognoscuni, 
fuga  nostra  decepti.'  Das  ist  unverständlich;  wahrscheinlich  ist  J'  zu 
streichen  und  der  Sinn  dahin  zu  fafsen,  dafs  die  Söhne  des  Aegyptos 
jetzt  wüthen,  nachdem  sie  ihr  Unglück  durch  die  Täuschung  zu  spät 
erkannt  haben. —  100(104).  Härtung  bemerkt:  *  für  Af'ywr  schrieb 
Enger  d^  iyco^  und  Hermann  machte  das  nach.  Weder  hätte  diese 
weile  Zurückschiehung  der  Partikel  hier  eine  Entschuldigung,  noch 
hat  das  Pronomen  einen  Sinn.'  Das  iyco  hat  den  Sinn,  dafs  es  die 
Person  der  Danaiden  hervorhebt,  nachdem  vorher  von  dem  die  Rede 
gewesen,  was  die  Sühne  des  Aegyptos  thun;  was  aber  die  Stellung^ 
der  Partikel  di  anlangt,  so  wäre  erst  der  Grund  anzugeben,  waroin 
sie  gerade  hier  keine  Entschuldigung  hat.  Gerade  hier  hat  diese 
Stellung  nach  dem  vierten  Worte  eine  Entschuldigung,  weil  xotavta 
TidOea  (likea  ^geoiiivct  den  einfachen  Sinn  hat  so  sehr  klagend, 
und  weil,  was  zu  beachten,  sich  das  öi  an  Ogsoftiva  anschliefst,  denn 
die  Stellung  nach  dem  vierten  Worte  wäre  falsch,  wenn  die  Worte 
so  folgten :  zoiavza  O^sofceV»  Ttd&ece  (Atkia  d'  iyoi.  —  In  der  Rede 
des  Danaos  setzt  II.  104  (175)  statt  kaßnv  mit  Wordsworth  und  Geel 
kaßdv.  Dieselbe  Emendation  halte  auch  der  unterz.  gemacht,  allein 
er  ist  auf  anderem  Wege  dazu  gelangt.  Was  Danaos  sagt,  ist  oiTen- 
har  folgendes:  ^so  wie  ihr  unter  meiner  verstundigen  Leitung  zur  See 
die  Reise  glücklich  zurückgelegt  habt,  so  habe  ich  auch  jetzt  auf  dem 


G.  Hermanu:  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II.  397 

Lande  Vorsorge  gelragen  und  ihr  mürst,  wie  damals,  so  auch  jelzt 
meinen  Rath  wohl  beherzigen. '  Folglich  sind  die  Worte  ^vv  97^0- 
vovvTi  i}%8TS  vavKXrJQG)  naxql  in  Beziehung  gesetzt  zu  den  Worten 
%(a  tarn  liqcov  vvv  ngofi^i&iav  Xaßdv^  wie  dies  auch  der  Scholiast 
bemerkt:  xal  xanl  liqoov:  cS^  xa  iv  ^aXdaarj,  Also  ist  das  Punctum 
nach  nccxgl  in  ein  Komma  zu  verwandeln  und  ^vv  q>QOvovvxl  O'  rjaexs 
zusetzen.  W^eiter  sagt  Danaos:  oq(ü  xoviv  ^  avavdov  ayyeXov  axQa- 
T0V5  Zvqiyyeg  ov  (Siymiv  aSfivriXaxoi  ^  "OjrAoj/  ^'  VTtaaTCiaxijga  xal 
doQv0aaov  AevaiSG),  liier  ist  das  Asyndeton  im  zweiten  Verse  Fehler- 
haft, da  in  den  drei  Gliedern  glcichmafsig  das  immer  nähere  Heran- 
rücken des  Königs  bezeichnet  wird,  indem  zuerst  sich  Staubwolken 
erheben,  alsdann  das  Knarren  der  Rader  dem  Ohre  vernehmlich,  end- 
lich der  Zug  selbst  dem  Auge  sichtbar  wird.  Es  ist  also  zu  schreiben 
ovQiyysg  ov  öiyaCt  6^  a^ovrjXaxoi^  das  d'  vor  einem  a  ist  hier  um  so 
leichler  vcrnachlafsigt  worden,  als  man  an  der  Stellung  der  Partikel 
Dach  dem  dritfen  Worte  Anstofs  nahm,  die  indessen  ganz  in  der  Ord- 
nung ist,  wie  wir  zu  Vs.  100  bemerkt  haben.  —  Den  Vs.  213  (223) 
oQvi&og  OQvig  Tcäg  av  iyvevoi  g)ay(iv;  hat  H.  unangetastet  gelafsen, 
Härtung  dagegen  fragt,  seit  wann  denn  tpayeiv  den  Genetiv  regiere, 
und  er  verbefsert  oqviv  yccg  oQVLg.  Diese  Willkür  ist  doch  gar  zu 
grofs,  und  leider  finden  sich  solche  Aenderungen  auf  jeder  Seite. 
Statt  OQvtdog  wäre  doch  wenigstens  OQvi&ag  zu  setzen,  wenn  der 
Genetiv  nicht  zu  erklar(!n  wäre ;  von  jeder  Aenderung  aber  mufs  die 
Erwägung  abhalten,  dafs  die  Abschreiber  an  dem  Accusaliv  sicher 
keinen  Anstofs  genommen  hatten  und  dafs  der  Vers  schon  bei  Plutarch 
so  angefahrt  ist,  wie  ihn  unsere  Bücher  haben.  —  218  (228)  schei- 
nen die  Worte  iv  xafiovöiv  überflüfsig,  da  xaxei  vorhergeht,  und 
aufserdcm  an  unpassender  Stelle,  vielleicht  ist  also  Zevg  äXXog  ovv 
Tiafiovaiv  zu  setzen.  —  272  (282):  Mibri  elvai,  Quum  libri  veleres 
in  praecedente  versu  axovaDv  habeant,  scripsi  olfiat^  quod  etiam  Bur- 
gcsius  coniccit.  Alioqui  aliquid  intercidisse  putandum  esset.'  Dafs 
olfiai  hier  stehen  könne,  glauben  wir  nicht,  axovco  konnte,  da  ein  v 
folgt,  leicht  in  axovcov  übergehen,  und  dieses  axovco  scheint  hier  in 
der  Bedeutung  von  beistimmen  gebraucht  zu  sein.  Anch  274  kann 
xaixciv  für  xal  xag  ^revocat  se  et  quasi  interpellat  rex'  wohl  kaum 
gerechtfertigt  erscheinen.  —  402  (412):  *vulgo  inde  a  Tnrnebo  in- 
eptissime  legebatur ,  repetita  v.  392  sententia,  ftcji/  01;  öoxet  öeiv  (pQOv- 
ridog  acoxtiQlov;  Contrarium  dici  debebat,  fioi)i/  aot.  doxei^  ut  dicta  sua 
rex  confirmaret:  h.  e.  inlelligisne  nunCj  opus  esse  accuraia  deltbe- 
ratiotie?'  Einfacher  wäre  ficov  ovv  öoxetg^  allein  dies,  so  wie  das 
von  H.  gesetzte  (lav  aoi  ^oxer würde  bedeuten  ^glaubst  du  etwa?'  Es 
ist  nichts  zu  änderu ,  höchstens  wäre  doxetg  zu  setzen.  —  426  (438). 
TrefBich  ist  die  Emendatiou  xal  ddfiacfiv  (ilv  iQyniaxmv  noQ&ovfiivoDv^ 
wofür  früher  xal  igrifiaaiv  ^ilv  ix  iofimv  gelesen  wurde ,  so  wie  die 
Umstellung  der  beiden  folgenden  Verse ;  nur  scheint  uns  die  Emen- 
dalion  artig  ye  fisl^o)  xaivbv  i(i7tX^at  yofiov  für  xal  ftiy'  iiinXriaag 
yofiov  nicht  nöthig,  da  xal  \Liy    ifiTtX^aai  yofiov  einen  guten  Siuu 


808  G.  Ilerinann:  AescbyU  tragoediae.  Tom.  1  et  11. 

gibt:  dem  Hause  entsteht  neuer  Reichtlium,  noch  gröfser  als  der  ver- 
lorene, so  dafs  er  das  Haus  wie  ein  SchilT  mit  Ladung  füllt.  Der  Ue- 
bergang  zu  der  Metapher  ist  ganz  ebenso  wie  in  der  ähnlichen  Stelle 
Agam.  973.  Ebenso  IrelTlich  ist  431  vcrbefserl  ^ij  akystu  S  d^fiov 
TiccQia  KLvricijQi'Ct  slalt  alyeiva  Ovfiov  x.  x. ;  doch  wird  es  statt  xtvif- 
TtiQia  wohl  heifsen  niüfsen  MutjTyQt'  riv.  Nicht  so  glücklieh  war  H. 
mit  der  Verbefserung  von  Vs.  434  (447)  r]  ^uqxcc  veUovg  rot>d'  iyoi 
TCctQoi'KpyLxn,  Dieser  Vers  ist  olTenbar  fehlerhaft,  denn  TCagolxofiai 
kann  nicht  mit  dem  Genetiv  verbunden  werden,  ebenso  fällt  das  t; 
xa^ra  auf  und  auch  der  Sinn  der  Worte  verstöfst  gegen  die  Gedaii- 
kenfolge.  Darum  hat  H.  den  Vers  nach  436  (449)  gestellt  und  dem 
Chor  zugetheilt,  indem  er  verbefsert  tj  xdgz^  ccvotKiog  rovö^  iyta  na- 
Qolxo^ai^  so  dafs  die  Chorführerin  sich  mit  diesen  Worten  au  ihre 
Schwestern  wende  und  mit  den  folgenden  noXiciu  axrovaou  vi^fiax* 
aldoLiüv  koyav  an  den  König.  Dus  ist  ganz  unwahrscheinlich;  aucb 
wäre  in  der  Hede  des  Königs  das  folgende  OfAco  6^  älÖQig  (idXkov  ij 
Oo<pbg  xaxav  elvat  ohne  alle  Verniilllung  an  den  vorhergehenden  Ge- 
danken angeknüpft.  Diese  Worte  erklärt  der  Scholiast  unrichtig  durch 
(jidvrig  anoßaltiv  (pavkog.  Der  König  ist  äiÖQig  xaxüov  insofern,  als 
er  nicht  weifs,  ob  die  Abweisung  der  Schutzllehenden  Unglück  im 
Gefolge  haben  wird,  ao(p6g  yMK<av  dagegen,  als  der  Krieg  sicher  be- 
vorsteht, wenn  er  sie  schützt.  Erwägt  man  dies  und  den  vorherge- 
henden Gedankeu,  wie  den  Schlufs  yivoito  (5'  ev  nctQu  yvd^iijv  ifiilivj 
so  kann  es  nicht  zweifelhaft  sein,  dafs  ein  Gedanke  erforderlich  ist, 
wie  ihn  folgende  Emendation  gibt:  i]  yaQ  xi  vsUovg  zovd'  iya  ov  Tta- 
QOLXOfiat,  Statt  7j  ydq  zi  zu  lesen  i)  KUQza  lag  um  so  näher,  als  der 
zweitvorhergehende  Vers  mit  öet  vMQxa  anfängt.  Der  König  hatte 
gesagt,  man  müfse  Opferthiere  schlachten  Ttt^^ovi};  axtj  ^  und  knöpft 
daran  die  Besorgnis,  es  werde  wohl  in  keinem  Falle  ohne  Unglück 
abgehen,  allein  er  wolle  lieber  dem  oITenbaren  Unglück  ausweicheo 
und  ein  mögliches  abwarten;  angcmefsen  ergibt  sich  der  Schlufs,  es 
m(>ge  die  Sache  ein  befseres  Ende  nehmen,  als  er  erwarte.  —  482 
(493)  qyvka^ai.  fii]  {>Q<iaog  zixri  (poßov.  ^Scholiastes  jiti)  {^ago^aag 
^lovog  UTteX'&uv  (poßii&(o  vno  zivog.  Qui  si  hacc  reclius  explicassct, 
uon  venissel  quibusdam  in  menlem  (povov  scribere,  quod  acriter  tuetur 
Marckscheffelius  p.  213.  Nam  ista  scriptura  Argivi  ut  proni  ad  cae- 
dem  notarentur.  Hoc  dicit  Danaus:  tidc  »e,  si  so/us  per  urbem  eam^ 
hominis  pereyrini  ipsoque  cutis  cohre  stitporem  facientis  avdacia 
nieium  civibus  inculiat^  concursusque  /tat  et  puhatio^  in  qua  facife 
accidere  polest^  ut  qnis  eum  qui  minime  hostis  est  occidat.*  Die 
Vermulhung  tpovov  ist  unrichtig,  weil  Danaos  zunächst  nur  Mishand- 
hingen  fürchtet,  die  allerdings  möglicherweise  bis  zum  Morde  führen 
können,  wie  ja  schon  mancher  einen  Freund  aus  Unkunde  getödtet 
hat.  Aber  die  Hermannsche  Erklärung  von  tpoßov  genügt  auch  nicht, 
da  die  Argiver  als  furchtsam  bezeichnet  würden,  wenn  die  Erschei- 
nung des  Danaos  sie  in  die  Flucht  jagen  soll,  und  dann  ist  von  der 
l'iircht  der  Argiver  bis  zu  einem  Auflauf  und  daraus  folgenden  Morde 


G.  Hermann:  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  IL  809 

uoch  ein  so  grofser  Sprung,  dafs  man  dies  unmöglich  aus  dem  Kopfe 
ergänzen  kann.  &Q€eaog  und  q>6ßog  sind  Gegensätze  und  die  Worte  firf 
&Qd(Sog  ziny  (poßov  enthalten  wahrscheinlich  einen  auf  einem  Sprich- 
worte beruhendeu  Gedanken.  Danaos  will  sagen,  seine  zu  grofse 
Kühnheit  könne  sich  leicht  in  Furcht  verwandeln,  und  Furcht  kann  er 
nur  haben,  wenn  ihm  die  Argiver  etwas  zu  Leide  thun  wollen,  wie 
man  sagt  nXavCei  ^du  wirst  Schlage  bekommen.'  Folglich  ist  der 
Sinn  der  Worte:  ^dafs  ich  meine  Kühnheit  nicht  bereue.'  —  511 
(522)  wird  Lobecks  Emendalion  nel&ov  xi  xal  yivet>  am  älevöov  av- 
dQmf  vßQiv  geistreich  genannt  und  doch  ze  xal  yeviad'co  beibehalten, 
was  sich  in  keiner  Weise  rechtfertigen  läfst.  —   Zu  515  hcifst  es : 

*  libri  TO  TtQog  yvvaiTicov.  Patet  hoc  non  solum  propter  yivog  yvvaixog 
ferri  non  posse,  sed  eliam  propterca  quod  luppiter,  qui  pariter  ut  lo 
generis  earum  auclor  est,  excluderetur.  Quare  in  ro  nqog  yevciq%äv 
mulavi.'  Allein  diese  Bestimmung  ist  hier  ganz  nutzlos.  Dafs  yvvai- 
xcov  richtig  ist,  scheint  uns  unzweifelhaft,  denn  dieses  bildet  den  hier 
erforderlichen  Gegensatz  zu  avÖQoav  vßQiv.  Die  Söhne  des  Aegyptos 
stammen  ebenso  gut  von  der  lo  ab  wie  die  Töchter  des  Danaos; 
allein  wegen  ihrer  vßQtg  soll  er  jene  vernichten  und  sich  den  verfolg- 
ten Weibern  geneigt  erweisen,  wie  er  früher  die  gleichfalls  verfolgte 
lo  geschützt  habe.  OiTeiibar  stehen  auch  yvvcciKtav  und  q>iXiag  TtQO- 
yovov  yvvaixog  in  Beziehung  zueinander.  Woraus  die  Worte  to  ngog 
verderbt  sind,  wifscn  wir  nicht  zu  sagen;  passend  wäre  to  ö  av  yv- 
vatKciv.  —  Zu  520  heifst  es:  *quod  libri  habent,  ölag  to*,  non  erat 
mulandum.  Sensus  est,  evxofie^a  yivog  slvai.  ano  crjaöe  diag  y%,  avoi- 
xot  avzrjg.^  Die  Aenderung  dt  ag  ist  nothwendig,  um  einen  Gedanken- 
sprung zu  vermeiden,  und  weil  der  Satz  in  Bezug  auf  die  lo  gesagt 
ist,  deren  Irren  daran  geknüpft  werden. —  579  (590)  wird  V7t  ccqx^S 
6^  ov  rivog  d^oa^cov  ediert  und  die  von  mehreren  angenommene  Be- 
deutung von  ^oa^stv  sitzen  verworfen;  Zeus  werde  ^ad  nullius 
Imperium  properans'  genannt,  ^properare  enim  debet,  qui  imperia 
potentioris  exsequitur.'  Im  folgenden  werden  die  früheren  Verbefse- 
rungen  zu  Soph.  Oed.  T.  p.  12  zurückgenommen  und  nur  XQavvvsiv 
statt  xQaxvvsi  beibehalten,  ohne  indessen  zu  bemerken,  dafs  die  Les- 
art TiQaxvvHv  blofse  Conjectur  ist.    Zur  Erklärung  wird  bemerkt: 

*  quoniam  autem  ipse  talis  est  Inppiter,  gaudct  etiam  facere  ut  debi- 
lior  potcnliorem  vincat,  neque  alio  superiorem  locnm  tenente  infra  sil 
positus.  Ut  ipsa  verba  reddam,  hoc  dicil,  sub  nullius  imperio  pro- 
per ans  j  probat  dehüiorem  fortioris  compotiri  infra  ^  nullo  superius 
sedenleJ*  Dagegen  ist  zu  erinnern ,  dafs  es  kein  folgerichtiger ,  über- 
haupt kein  richtiger  Gedanke  ist,  dafs  Zeus,  wie  er  selbst  niemanden 
über  sich  hat,  es  auch  liebe,  dafs  der  schwächere  den  mächtigen  be- 
siege und  niemanden  über  sich  habe;  dann  ist  die  Wortstellung  ver- 
worren und  besonders  das  xarco  an  dieser  Stelle  ganz  unverstandlich. 
Dieses  clßu  xaTco  so  wie  die  Worte  ov  xivog  ccvod^ev  rniivov  sind 
der  Art,  dafs  man  sie  nur  von  Zeus  verstehen  kann.  Es  scheint,  dafs 
ich  Aeschylos  hier  wie  einigemal  Wiederholungen  desselben  Gedan- 


400  G.  Hermann :  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  11. 

kons  erlaubt  habe,  und  dafs  zu  verbinden  sei  in  ciQxa^  d^  ovuvog 
^od^wv  ovTLvog  av(a\^ev  yfiivov  aißei  xaro),  der  da^wischenstehcnde 
Vers  aber  x6  7iQaxvv£i.v  fieiov  KQBtöCovov  als  Erklärung  zum  vorher- 
gehenden hinzugefügt  sei.  —  007  (618)  >vird  tJKovaev  in  k'Xvaev  und 
im  folgenden  Verse  Zsvg  ö^  ininQavev  tikog  in  Zevg  de  xgcivetiv  xiXog 
geändert.  Das  sind  verunglückte  Eniendationen,  denn  die  Erwäh- 
nung, dafs  die  Versammlung  aufgelöst  wurde,  ist  hier  ungehörig,  da 
OS  dem  Danaos  nur  darauf  ankommt,  den  Beschlufs  der  Argiver  seinen 
Töchtern  mitzutheilen.  TrelTlich  dagegen  wird  026.  27  (636.  37)  ver- 
Lefsert  övCnoXifitpiov  öaztg  du  öofiog  axrj  atp*  in  6q6<p(ov  iccvouva  für 
övaTtokiiiijvov  6v  ovvig  dv  öofiog  ijpi  in  oQogxov  fiiccivomoij  wenig- 
stens was  das  iavovia  betrilft,  denn  die  Einschiebuug  von  ag>^  iai 
nicht  wahrscheinlich,  und  auch  sonst  ist  Wellauers  Vorschlag  ao- 
uehnibarer  övOTtoXifiijxov ^  '6p  xlg  dv  do^og  exot,  nur  dafs  slalt  t%oi  mit 
Uarlung  eXotx^  zu  setzen  ist.  Im  vorhergehenden  Verse  ediert  H.  diov 
ditidofisvoi  nQaKiOQa  ndvCnoKOv^  allein  da  die  Bücher  Tr^crxropa  xe 
axonov  haben,  so  ist  n^d^xo^  dxe  ononov  zu  schreiben,  wodurch 
das  folgende  in  o^ogxov  iavoirca  vermittelt  wird,  indem  die  Vergel- 
tung gleichsam  der  Wächter  ist,  der  auf  dem  Hause  seine  Nachtwache 
hält.  Aus  dem  Scholiaslen:  diog  öxonov^  xov  Jiog  0(p&aXfi6v  toi/ 
ndvxct  a7ionovin:a  folgt  nichts  für  ndvanonov  y  im  (jcgcntheil  hat  die- 
ser axonov  gelesen,  indem  er  öiov  axonov  erklärt  ^Log  axoTtov  und 
darunter  das  Auge  des  Zeus  versteht,  das  dvanoXifirixou  genannt  wird, 
weil  ndvxa  axonovvxcc.  Mit  Unrecht  hat  daher  auch  Härtung  aus  dem 
Scholiaslen  ^log  aufgenommen;  diog  heifst  nicht  blofs  von  Zeus  ge- 
zeugt, wie  die  kurz  vorher  genannten  {^eol  Jioysveig  zeigen,  die 
Härtung  hier  hat  stehen  lafsen,  während  er  sie  aus  den  Septem  aus- 
gewiesen hat.  Dann  hätte  es  auch  Zi]v6g  hcifsen  müfsen,  denn  wenn 
auch  Härtung  an  die  (jenauigkeit  der  liesponsion  nicht  glaubt,  so  hal 
doch  hier  der  Dichter  eine  iieihe  von  Versen  gesetzt,  die  in  der  Form 
ganz   übereinstimmen,  so  dafs  es   überhaupt  fraglich  ist,    ob  diese 

Verse  nicht  choriambisch  zu  mefsen  sind.  —    042 — 44  (653 55) 

war  die  Vulgata  xai  yioctqoiaL  nQeoßvxodoxot  yefiovxiou  &v}iiXuij  yjl«- 
yoinav  y>\  ag  noXig  ev  vifioixo.  Das  ^'  dtg  ist  eine  Emendation  von 
Turnebus,  die  Bücher  haben  tcöj;  oder  twj,  welches  letztere  U.  auf- 
nimmt. Aufserdem  halt  er  (pXiyovxtov  für  einen  Schreibfehler  statt 
q)Xe6vxcov^  wovon  ytfiovxcov  eine  blofse  Erklärung  sei,  die  ein  anderes 
Wort  verdrängt  habe,  das  wahrscheinlich  ngoßovXoig  gewesen  sei,  da 
yeQaQoröi  ein  Substantivum  erfordere.  Zu  646  wird  bemerkt:  *Scho- 
liastes,  stulte  quidem  ac/ioiiov  participium  esse  ratus,  adscripsit  tcov 
yB^vxav  aeßovxcav  xov  /ila  xov  ^iviov  vnsgxdxtag,  *  Dieses  Urthoil 
ist  zu  vorsohnell.  Die  Worte  des  Dichters  Zt)va  tiiyav  ac/S^üi/rov  schei- 
nen so  klar,  dafs  jene  Erklärung  des  Scholiasten  uns  vielmehr  lu 
näherer  Prüfung  auffordern  mufs,  was  den  Scholiasten  zu  derselben 
veranlafste.  Nun  sagt  er  x<av  yeQOvxav  atßovxav,  während  doch  ye* 
ifüvx(ov  nirgends  steht.  Wir  werden  also,  da  der  Sclioliast  doch  nichl 
ganz  sinnlos  erklären  kann,  annehmen  müfsen,  dafs  er  y€{f6vx(ov  vor-» 


G.  Hermann:  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II.  401 

gefandcn  and  eben  deshalb,  yveW  yBQovrtov  da  stand,  aeßovrmv  dar- 
auf bezogen  habe.  Diese  Annahme  verbreitet  Licht  über  die  ganze 
Stelle.  Denn  ysQOvrmv  hat  er  jedenfalls  statt  ysfiovrcov  gelesen,  wo- 
durch wir  dieses  los  werden  und  zugleich  den  nöthigen  Genetiv  zu. 
g)ke6vz€ov  erhalten;  so  dafs  nun  auch  ysQagoiai  nicht  richtig  sein  kann, 
was  ohnedies  fehlerhaft  sein  mufs,  weil  der  Dativ  unstatthaft  ist  und 
ein  Substantiv  dazu  fehlt.  Das  richtige  Verständnis  dieser  Stelle 
verdanken  wir  Härtung,  welcher  erkannt  hat,  dafs  ^v^iXai  die  für 
Volksvertreter  bestimmten  Heiligthümer  sind,  und  der  die  Stelle  so 
ediert:  xal  yeQagol  dh  nQECßvxodoKOt  yeQovtoav  ^vfiiXai.  (pksovravj 
10$  nohg  ev  vi^oito.  Es  wird  wohl  zu  schreiben  sein  ai  ysQaqal  di 
xtA.,  und  dann  ist  aeßoirccov  mit  dem  Scholiaslen  für  das  Particip  zu 
nehmen,  da  ein  selbständiger  Satz  hier  den  Zusammenhang  stören 
>vurde  und  der  Chor  nicht  nur  sagen  will,  dafs  es  den  Versammlun- 
gen nicht  an  Greisen  fehle,  sondern  dafs  solche  Männer  darin  sitzen 
wie  die  jetzigen,  welche,  damit  es  der  Stadt  wohl  gehe,  vor  dem 
gastlichen  Zeus  Ehrfurcht  haben.  Den  folgenden  Vers  gibt  H.  nach 
der  Vulgala  rov  ^iviov  <J'  {migrarov,  colanl  lovem^  praecipue  autem 
Iof>emhospitalem^  und  vertheidigt  die  Kürze  am  Ende  damit,  dafs  ein 
anderer  Rhythmus  folge.  Härtung  schreibt  tov  ^iviov  r'  VTtiqxaxov  x* 
(aus  Versehen  statt  O  ),  was  wegen  des  vorhergehenden  Zriva  fiiyav 
nicht  angeht.  —  648  ediert  H.  xlxxead^at  de  g)6Q0vg  yag  akkovg  evxo- 
fie^^  ael^  was  ^nc  inutile  sit  älXovg^  sie  est  inlclligendum,  ut  neque 
agros  steriles  fieri ,  neque  arbores  exarescere  oplet.'  Wie  käme  man 
zu  einer  solchen  Auffafsung?  Das  richtige  ist  d'  itpoqovgy  die  alle  Les- 
art, die  auch  der  Scholiast  anerkennt,  indem  er  ßaadetg  erklart.  Der 
Chor  wünscht,  dafs  so  weise  Berather,  wie  die  jetzigen,  auch  künftig 
dem  Staate  geboren  werden,  und  dafs  Artemis  die  Geburten  beschütze. 
—  Wie  seltsame  Fehler  noch  im  Aeschylos  stehen  geblieben  sind, 
zeigt  auch  Vs.  632  (643),  wo  der  Chor,  zum  Dank  für  den  Schutz 
den  er  gefunden,  Segenswünsche  für  die  Stadt  aussprechen  will:  xot- 
yag  VTioaxCav  i%  axondxcov  Ttoxdad^co  g)tk6xtiiog  tv%ci.  Das  auffallende 
vTtoaxlGiv  erklärt  Stanley:  ^eo  quod  ori  suo  praetendebant  olivae 
ramos.  lla  supra  v.  359  xkdöoiat  veoÖQOTtoig  yMxdaxiov  —  o^ikov,* 
In  der  angezogenen  Stelle  werden  die  Götter,  zu  deren  Allären  sich 
die  Danaiden  geflüchtet  hatten,  xkdöoig  xaxdaKiog  o^dog  genannt, 
weil  sie  mit  den  Zweigen  der  Schutzflehenden  bedeckt  waren,  aber 
ihren  eigenen  Mund  werden  sich  die  Danaiden  doch  mit  diesen  Zwei- 
gen nicht  bedeckt  haben,  da  sie  ja  sonst  nicht  singen  könnten,  und 
selbst  wenn  dies  möglich  wäre,  wozu  sollte  hier  diese  Erwähnung? 
Gleichwohl  hat  man  sich  bei  dieser  Erklärung  beruhigt  und  nur  Här- 
tung, wie  wir  sehen,  hat  daran  Anstofs  genommen,  der  aber,  wie 
gewöhnlich,  sehr  gewaltsame  Aenderungen  vornimmt:  xotyag  in 
ivasßmv  vvv  axofidxwv  — .  Es  war  zu  verbefsern  £xov<sl(ov  ix  axofid- 
x(Qv.  —  Ein  gleichfalls  sehr  arger  Fehler  ist  bisher  unbemerkt  ge- 
blieben 742  (752),  wo  Danaos  seine  Töchter  über  die  Ankunft  der 
Söhne  des  Aegyptos  zu  trösten  sucht :  das  Landen  an  einer  hafenlosen 


402  G.  Hermann:  Acschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  11. 

Küste  sei  nicht  leicht,  das  Schiff  müfse  mit  Tauen  befestigt,  es  mufseri 
Anker  aiiss^eworfcn  werden,  und  ehe  das  nicht  geschehen,  sei  an  ein 
AusschiiTen  der  xMannschaft  nicht  zu  denken:  ovzco  yivoiv'  av  ovö^  au 
.ixßaaig  axQazov  KaXi^^  TtQiv  oq^g)  vavv  ^QaavvO^vat,  Das  doppelle 
av  licrsc  sich  entschuldigen,  ganz  falsch  ist  aber  der  Gedanke.  Denn 
der  Sinn  wäre,  daTs  auch  nicht  einmal  au  das  Aussteigen  der  Nann> 
Schaft  gedacht  werden  könne,  bevor  das  Schiff  befestigt  sei.  Aber 
an  was  sollte  denn  noch  weniger  zu  denken  sein?  Das  Landen  der 
Mannschaft  ist  es  ja  eben,  worauf  es  hier  ankommt.  Es  ist  zu  ver- 
befsern  ovico  yivoiv'  av  ovöcifi^  Sjißaöig  öxQavov  xakilj. 

Der  folgende  Chorgesang  ist  uns  in  sehr  schlechtem  Zustande 
erhalten.  Die  Handschrift,  aus  welcher  unser  Mediceus  geflofsen  ist, 
war  Iheils  an  anderen  Stellen  des  Stückes,  theils  vorzüglich  hier 
sehr  stark  beschädigt,  so  dafs  einzelne  Buchstaben  gar  nicht  mehr  zu 
erkennen ,  andere  so  unleserlich  waren ,  dafs  der  Abschreiber  man- 
ches erratlien  muste,  wodurch  denn  natürlich  vieles  falsche  sich  ein- 
geschlichen hat.  Zum  Unglück  helfen  uns  auch  die  Schollen  nicht  aus, 
von  denen  die  meisten  erst  nach  der  geschehenen  Verderbnis  des 
Textes  abgcfafst  sind.  Die  neuere  Kritik  hat  hier  wenig  geleistet: 
erst  Hermann  ist  es  gelungen,  einiges  Licht  über  diese  Stelle  zu  ver- 
breiten, der  besonders  dadurch,  dafs  er  die  antistrophische  Respon- 
sion  entdeckt  hat^  woraus  wieder  die  Verlheilung  der  einzelnen  Verse 
unter  den  fhor  und  den  Herold  sich  ergab,  die  Kritik  zuerst  in  eine 
sichere  Bahn  geleitet  hat.  Alles  herzustellen  ist  H.  freilich  nicht  ge- 
lungen, einige  Nachträge  wollen  wir  hier  liefern,  das  andere  wird 
sich,  eine  Stelle  ausgenommen,  wo  die  Lücke  zu  grofs  ist,  sicher 
noch  befriedigend  ermitteln  lafsen.  —  Nachdem  sich  Danaos  entfernt, 
wünscht  der  allein  zurückbleibende,  von  der  höchsten  Angst  erfüllte 
Chor,  er  könnte  irgend  wie  entrinnen.  Von  T.'iO  (760)  ab  hoifst  es, 
ziemlich  nach  den  Hss. :  fiilag  ysvoifiav  xaiivog  Nicpeaai  ysttovmv 
^log^  To  Tcäv  d'  aq)avxog^A}i7teTriaaig  öoaag  Kovig  aveg&e  7tv6(fvyap 
okolfiav.    Diese  Stelle  hat  11.  in  folgender  Weise  hergestellt: 

fiilag  ysvoi^av  xaitvog 

vi(peaai  yeirovav  /Icog^ 

TO  Ttav  0    aq)dvz(og  a^TCSTfjg  slg  aog^  tag 

xov^g,  axegOs  TtxsQvyav  okat^av. 
Wenn  auch  die  angebrachten  Vcrbefserungen  richtig  wären,  so 
könnte  damit  die  Stelle  noch  nicht  als  hergestellt  gelten.  Denn  erst- 
lich ist  das  äxeg&e  nxEQvytov  sehr  auffallend ,  da  von  einem  flügello- 
sen Staube  Aeschylos  sicher  nicht  gesprochen,  darum  auch  H.  nach 
aovig  interpungiert  hat;  allein  der  Stellung  nach  kann  es  nur  zu  xovtg 
oder  zu  oloL^iav  gehören,  und  flügellos  unterzugehen  wünscht  der 
Chor  hier  wohl  nicht.  Zweitens  hat  der  Dichter  hier  einen  fehler- 
haften Vergleich  gewählt,  da  der  Staub  nicht  untergeht,  sondern  nur 
den  Ort  wechselt,  und  endlich  können  die  Danaiden  hier  überhaupt 
nicht  wünschen  unterzugehen,  sondern  zu  entrinnen.  Daher  scheint 
uns  so  viel  sicher,  dafs  okalfiav  in  alaiiav  abzuändern  ist,  wodurch 


G.  Hermann :  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  IL  403 

die  angegebenen  Bedenken  beseitigt  werden.    Die  Aenderung  H.s  sig^ 
aog  mg  schliefst  sich  zwar  sehr  genau  an  die  handschriftliche  Lesart 
an,  doch  erregt  das  Wort  aog  Bedenken.    H.  sagt:   MIesychius  äog^ 
Tcvevfia  rj  tafia.    Videtur   rj  ccTjficc  scripsisse.    Grammatici   quidem, 
Etym.  N.  p.  248,  3  regulae  prosodicae  a  me  editae  p.  443.    Draco  p. 
34,  22  ä  in  neutris  bisyllabis  breve  esse  diclitant,  sed,  ut  dictum  sit 
aog,  non  dubitandum  puto  quin  fucrit  ctiam  aog  usurpalum,  pariter  ut 
iioQ  et  aoQ  dixerunt  poctae. '    Mit  aoQ  läfst  sich  das  Wort  nicht  ver- 
gleichen, da  man  sich  hier  durch  die  dreisilbigen  Formen  an  die  Länge 
des  a  gewöhnt  hatte  und  sie  dann  auch  bei  der  zweisilbigen  anwandle. 
Man  könnte  daher  xorr'  at&eQ^  ag  vermuthen,  wenn  dies  nicht  zu  sehr 
von  der  handschrifllichen  Lesart  abwiche  und  aufserdem  es   wahr- 
scheinlich wäre,  dafs  ein  Epitheton  zu  xovig  herzustellen  sei.    Wir 
schlagen  vor  a^iteTijg  äekXag  (og  xovig.  Bei  Homer  F  13  heifst  es  tcoi; 
xfjto  710(561  Y,ovl6(SaXog  cö^vvt'  aEXkr^g,    Dies  wird  zwar  jetzt  nicht, 
wie  früher,   mit  dem  Schol.  A  durch  aBllcodtig  erklärt,   doch  sagt 
Döderlein  in  seinem  Glossarium  II  S.  32:    ^wollte  man  der  Glosse 
aeXkimf  axQifpcDv  Ues.  trauen,  so  könnte  asXXi^g  auch  den  aufwirbeln- 
den (axQS^Ofisvov)  Staub  darstellen.'   Dies  würde  hier  sehr  treffend 
sein.   Der  Chor  wünscht  wie  Rauch  sich  zu  den  Wolken  zu  erheben, 
oder  wie  aufwirbelnder  Staub  ausgebreitet  zu  schweben.    Doch  wäre 
asXXag  auch  in  der  bekannten  Bedeutung  ^  sich  schnell  bewegend'  hier 
ganz  passend.    Demnach  würde  unsere  Stelle  etwa  so  lauten:    fiiXag 
ysvolfxai*  ytaitvog  Ni<peaai  yeirovmv  Jiog  Tb  nav  acpavxog'  ^"H  dfiTts- 
Tt^g  aeXXag  dg  Kovtg  axBQd'B  nxsQvycov  aXci^av.  —    761.  62  (773. 
74)  sagt  der  Chor:  noOev  öi  fioi  yivoix^  av  ai^iqog  d-QOvog^  Ugog  ov 
viq>rj  d'  vÖQi}Xa  ylyvsxai  xioiv^  wo  das  d'  vor  vÖQijXd  otTenbar  von 
einem  Metriker  zur  Vermeidung  des   Hiatus  eingeschoben  ist.    Hier 
wird  H.  etwas  ausführlicher:  ^illud  vicpi]  d'  vÖQTjXd  quum  Porsonus 
in  praefatione  Hecubao  p.  IX  probasset,  in  ßne  supplementi,  ne  se 
errasse  confiteretur,  in  alios  graviores  errores  incidit,  ut  fit,  quum 
quis  sibi  polius  consulcndum  existimat. '    Porson  hatte  nemlich  eine 
Umstellung  der  Worte  vorgeschlagen  nQog  ov  jimv  vÖQYjXa  ylyvexai 
vi(pr\^  was  IL  mit  Recht  tadelt  wegen  des  ^  rhtttoricum  vitium,  si  xkov 
eo  loco  poneretur,  ubi  collocatum  opponi   nives  imbri   aut   ncscio 
cui  alii  rei  signiiicareL'   H.  selbst  hat  Dindorfs  Emcndation  ^vcptXX^ 
vöqi]Xa  aufgenommen:  ^recipiendum  duxi  %vq>iXXa^  licet,  quod  sciam, 
ex  Alcxandrinis   tantum  poetis  Callimacho   et  Lycophronc  allatum.' 
Eben  dies  muste  von  der  Aufnahme  dieses  W^ortes  abhalten.    Es  wird 
wohl  vefpcav  vÖQtjXd  zu  verbefsern  sein.    So  hat  H.  Vs.  735  richtig 
hergestellt  netCfidxcav  öcoxi^Qca  ig  yfjv  ivByKBtv^  was  auch  der  Scho- 
liast  gelesen  hat,  wenn  er  erklärt  dvxl  xov  nBiO^axa  aaytriqia^  und  H. 
vergleicht  passend  Eur.  Tro.  810  vavdnr'  avrJi/;aro  nqv^ivav, —  Sehr 
schön  sind  in  der  zweiten  Gegenstraphe  besonders  die  beiden  letzten 
Verse  hergestellt :  ^*  xLif  a^qyvydv  ix    rj  Tto  -  qov  tixfim  yd(iov  Xv- 
xrJQa;  wofür  in  den  Büchern  steht  xlv*  d(i(p^  avxag  hi  noQOv  xifivci) 
ydfjiov  Kai  Xvxtiqta^  dagegen  ist  die  Conslituierung  des  dritten  3tro- 


404  G.  Hermann:  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II. 

phenpaares  noch  nicht  hcfriedigend.  Das  vierte  Strophenpaar  singen 
die  Danaiden,  als  der  Herold  erscheint.  In  der  Strophe  sind  von  ein- 
zelnen Versen  nur  einz^clne  Buchstaben  übrig  geblieben,  wie  tog),  ofi 
uvOt  KaKKag  vo  ömav  ßoau  aiig^aivco.  Viele  haben  dies  auf  das  Wort 
des  Scholiasten  für  griechische  Wörter  gehalten.  II.  hat  sehr  inge- 
niös Strophe  und  Gegeustrophe  hergestellt: 


»/    w 


aro.  S^.  ccvz.  f. 


o  0^  cc  a^  ooft),  OQCO' 

o  Öe  ^ttOTtng  o  i^aLog  ydiog.  rdde  q>Qoifu   ifiav  ßiaiuiv  novtov. 

z(ov  7TQ0  av^  uuQTtTL.  xfttiroiff.         ßutvB  (fvya  TtQug  akrMV. 
0(St.6(pQ0vc(  kvatv  Tiaßßccalag  olco-    ßkoövQOcpQO^'t  xU8ä  dv(Sg)OQa   vut 

Tay- 
Xvlci  ßoa^a  (palvo),  ycc'i\  Sva^,  nQOxdaaov, 

Die  beiden  ersten  Verse  sind  wohl  nicht  richtig  emendiert.  Die  Bü- 
cher haben  oöe  ^d^Ttig  vdirvg  ycttog,  so  dafs  der  dochmische  Dinieter, 
der  hier  passend  und  auch  in  den  folgenden  Versen  gebraucht  ist, 
offen  daliegt  6  ^donrig  öde  vdcog  ycaog^  wenn  man  es  nicht  etwa  für 
nölhig  hüll  zu  setzen  ö  ficiQTtrcg  oö"  b  vdiog  yacog^  denn  der  Sinn  ist: 
der  Häscher,  da  ist  er,  von  der  See  auf  dem  Lande.  Das  wird  auch 
durch  die  Gegenstrophe  bestätigt,  in  der  H.  eine  Umstellung  der 
Worte  hat  vornehmen  müfsen.  In  den  Büchern  steht  o^co  tdös  q'Qolfiia 
nQci^av  novcov  ßcmcov  i^iov.  H.  wirft  TTQcc^av  heraus,  er  bemerkt: 
^non  est  credibile  in  tanto  metu  et  terrore  Aeschyhim  illud  Ttgd^av 
posuisse,  sed  videtur  interpres  anQa^av  adscripsisse.'  Das  ist  sehr 
richtig:  da  das  Verbum  fohlte,  hat  es  ein  Abschreiber  ergänzt,  wahr- 
schrinlich  derselbe,  von  welchem  das  Scholion  stammt  ovxivma^cc 
Tou  TTaxQog  ayiotaadct ,  aXk  «uraTT/^g  yevn^jiivij  ßo(a ^  welches  zu  6q(o 
Td(h  gesetzt  ist,  im  Mediceus  aber  zu  ßodv  ctiicpctlvai.  Er  hat  also 
gelesen  ßoitv  d^cpalvo)  oqojv  ictde  und  geglaubt,  oqiov  könne  auch  im 
Biugular  wie  im  Plural  von  Frauen  gesagt  werden.  Nun  fehlte  zu 
g}ooL^iLct  TTouow  cin  Verbum,  das  er  durch  tTTQcc^av  ergänzte.  Die  Les- 
art OQ(ov  rdde  ist  aber  die  ältere,  wir  dürfen  das  v  nur  an  die  rechte 
Stelle  setzen,  so  erhalten  wir  einen  passenden  Sinn  und  eine  genaue 
Entsprechung  des  Rhythmus,  nemlich  6^c3  xdö^  ijv  Tcc  (pQoifiia  Ttovav 
ßiaitüv  ifim».  —  Die  folgenden  Worte  des  Herolds  aova&e^  aovad'* 
im  ßagiv  orccog  Jtoöav  bilden  die  fünfte  Strophe,  das  folgende  deo 
usacpöog,  hierauf  die  Gegenslrophe,  die  H.  so  schreibt:  aovtfO-f,  aovad^ 
oloai  fiiy*  ht  duaXa^  denn  so  ist  statt  dfidöa  oder  d^iöa  zu  schrei- 
ben nach  Hesychius:  duaka^  z!iv  vavv^  dno  rov  dfiav  t})v  ceka,  AI- 
Cxvkog  IlgtOTH  aarvQiKfp.  Uns  scheinen  die  Worte  nokvalfKov  q>6viog 
dnoKond  agaiog  im  Munde  des  Chors  nicht  passend,  vielleicht  ist 
also  das  Ganze  von  816 — 822  (VV.)  als  fieatpöog  dem  Herold  zuznthei- 
len,  und  so  hat  auch  der  Scholiast  die  Stelle  gefafsl,  der  zu  ovxovv 
bemerkt:  iöltag  tovto,  dvzl  zov  ei  de  (it].  Die  sechste  Strophe  bcginni 
mit  den  Worten  des  Chors,  die  bisher  dem  Herold  zugetheilt  waren 
823 — 828  (W.).   Die  beiden  letzten  Zeilen  lauten  ttJftovsg  ag  iitifuda 


G.  Hermann :  Aeschyli  tragoediae.  Tom.  I  et  IL  405 

riövdovnia  ramra,  was,  wie  H.  erkannt  hat,  bedeutet  atfiov*  ftsciyg  ai 
y*  1%  a^aXa  ijöei  öovniav  tanl  ya,  wo  statt  ai  y'  vielleicht  di  C^ 
vorzuziehen  ist  und  öovniav  nicht  befriedigt.  Dafs  die  beiden  folgen^ 
den  Verse  der  Herold  spricht,  geht  ganz  bestimmt  aus  der  Gegen- 
strophe hervor,  in  welcher  die  beiden  letzten  Verse  des  Chors,  die 
deu  eben  angeführten  entsprechen,  so  lauten:  ayeiog  iya  ßu^vxatog 
Ba&Qelag  ßce^Qelag,  yiqov^  wofür  H.  ediert  ynog  ixca  ßa^vxaiog  Ba- 
^Qelag  ßa&Qelag^  yiqov.  Er  nimmt  ßcc^qdag  in  der  Bedeutung  von 
ßd&Qa.  die  Stufen,  auf  denen  die  Götterbilder  standen  und  wo  sich 
die  Danaiden  zum  Schutz  niedergelafsen  hatten,  und  bemerkt  über 
yeiog:  ^Stephanus  Byzantius  yij  ano  rov  yicc  KQa&iw  itp*  ov  to  yi- 
yeiog  Kzijtixov  nXeovaCfitp  rov  ys.  Antiquum  xri/nxoi/  necesse  est 
yetog  fuorit,  possessorem  terrae  et  in  ea  natum  significans,  diversumque 
a  yaiog^  quod  opposilum  est  marino,  ut  supra  v.  794  6  vdiog  yd'tog, 
Debent  autem  hae  virgines  causam  memorare,  cur  iure  suo  istos 
gradus  teneant:  itaque  dicunt  y££b^  ßa&v%cciog  ixco  ßcc^gelag^  ut  in- 
digenae  ab  antiquissima  nobilitate  generis  hunc  locum  sibi  vindican- 
tes.^  Die  Folgerung  von  yiyeiog  auf  yeiog  ist  doch  zu  schnell,  und 
dann  wäre  weder  yBiog  noch  yiysiog  in  dem  angegebenen  Sinne  hier 
verständlich.  Die  I.esart  dyBiog  ist  weiter  nichts  als  äyiog  und  das 
hat  auch  der  Scholiast  gelesen,  iya  rj  ßa^x^''^9  ccva^ioc  zavvtig  v^g 
ßa^Qelag^  a>  yiqov^  indem  er  unter  ßa^qda  das  Hinabgehen  zum 
Schiffe  verstand.  Es  ist  also  zu  lesen  ayvci  ix<^  ßa&vxdtog.  Sehr  gut 
bemerkt  H. ,  dafs  in  den  folgenden  Worten  av  öh  vor,  vat  ßdarj  rdxcc 
^ikeog  ä&ikeog  das  Wort  vat  mit  höhnischer  Beziehung  auf  das  dop- 
pelte ßad-Qelag  wiederholt  sei,  und  das  ist  ein  ganz  sicherer  Finger- 
zeig, dafs  hier  der  Herold  spricht.  Es  sind  offenbar  drei  Dochmien, 
daher  H.  av  6"  iv  raf  richtig  verbefsert  hat.  Die  diesen  entsprechen- 
den Verse  der  Strophe  sind  also  auch  dem  Herold  zuzutheilen:  xeXevoi 
ßia  fie&i(S&ai  T^a^,  (pqivl  x^  arav,  wofür  H.  setzt  xelevfo  ßla  fie&i- 
ad'al  c  tx'^q^  q>QSvbg  afpQOvd  x  ayav.  Er  verbreitet  sich  in  einer 
längeren  Anmerkung  über  tx^Qj  aber  wir  irren  sicher  nicht,  wenn  wir 
dieses  Wort  den  vielen  anderen  monstris  beizahlen,  die  uns  die  Hi- 
ketiden  bieten.  Der  Scholiast  hat  es  freilich  gelesen  und  erklart  es 
durch  int&viilavj  allein  der  Scholiast  hält  auch  l6(p  für  ein  griechi- 
sches Wort,  und  unmittelbar  vorher  erklärt  er  amra  für  eine  Syn- 
kope statt  aniovxa;  man  sieht,  er  ist  um  eine  Erklärung  nicht  ver- 
legen. Schon  dafs  fie&ia&ai  mit  dem  Accusativ  verbunden  ist,  muste 
Bedenken  erregen;  da  nun  aber  ferner  vor  und  nach  diesem  ixaQ 
Buchstaben  ausgefallen  sind,  wie  die  Gegenstrophe  zeigt,  so  liegt 
nichts  naher  als  die  Annahme,  dafs  i  von  t£  oder  einem  andern  Worte 
übrig  geblieben  und  x^9  ^^r  Anfang  eines  andern  Wortes  ist,  oder 
dafs  es  hiefs  xskevco  ßlag  fis^iad^ac  tpvynv  d'  a%a^t  (pQ6<slv  ayav,  wie- 
wohl wir  nicht  glauben,  dafs  dies  das  richtige  sei.  Es  bleiben  nun 
noch  drei  Verse  in  diesem  Strophenpaare  übrig,  die  H.  dem  Chore 
Eutheilt  und  so  schreibt: 


406  G.  Hermann:  Aeschyli  tragoodiae.  Tom.  I  et  II. 

lov^  lovj  ^  ßlccj  ßla. 

Xeig>*  eÖQava^  x/*  ig  öoqVj  q>Qovöa  noXia  ßui>£  ^oij 

auszog  ava  nohv  a(S6ß(av.  ngonaKa  nad-    olofisvs  Jtakafiatg, 

Dafs  dies  unrichtig  sei,  läfst  sich  überzeugend  darlhun.  Es  würde 
nenilich  bei  dieser  Yertbeilung  der  Strophe  unter  den  Chor,  den  Herold, 
den  Chor,  in  der  Gegenstropho  wieder  der  Chor  beginnen  und  somit 
die  Symmetrie,  die  sonst  streng  beobachtet  ist,  gestört  werden,  und 
aufserdem  wäre  es  doch  sehr  auffallend,  dafs  der  Chor  sich  an  dea 
Herold  wendet,  ohne  von  diesem  dazu  veranlafst  zu  sein.  Dazu  kommt 
ein  ganz  entscheidender  Grund,  der  in  den  Worten  des  Dichters  selbst 
liegt.  Die  nächste  Strophe  nemlich  beginnt  der  Chor  mit  den  Worten 
€l  yciQ  övöTcakdficog  okoio^  was  nicht  nur  voraussetzen  läfst,  dafs 
unmittelbar  vorher  der  Herold  gesprochen  hat,  sondern  auch  in  dem 
6v(S7taXdii(og  eine  ganz  bestimmte  Beziehung  auf  das  vorausgegangene 
oXofievat  naXdiiaig  enthält,  wofür  auch  die  handschriftliche  Lesart 
okofievai  spricht,  die  H.  in  oko^ieve  geändert  hat.  Dies  spricht  also 
ofTcnbar  der  Herold,  folglich  auch  die  entsprechenden  strophischen 
Verse,  wogegen  freilich  das  evaeßiav  zu  streiten  scheint,  das  H.  in 
aaeßciv  ändert,  wofür  aber  evasßicov  zu  setzen  ist,  wodurch  eine 
genaue  Entsprechung  des  Rhythmus  oXoiis- vai  naXdfiatg  erreicht 
wird.  Es  ergibt  sich  also  folgende  Verthcilung  der  Personen  in  die- 
sem Slrophenpaare.  823 — 828  singt  der  Chor  als  Antwort  auf  die  Auf- 
forderung des  Herolds,  sich  auf  das  SohitT  zu  begeben;  hierauf  wieder 
der  Herold  829.  30,  der  zugleich  nach  den  Mädchen  hascht,  die  sich  mit 
dem  Schrei  tov,  lov  nach  dem  Altar  zurückziehen,  worauf  der  Herold 
von  der  Verfolgung  abläfst  und  sie  zu  überzeugen  sucht,  indem  er 
sagt  Xsiip  eÖQccva^  xl  ig  öoqvj  uxUxog  ava  noXiv  evosßtavj  sie  sol- 
len die  Sitze  verlafsen  und  ins  SchilT  kommen,  da  sie  der  frommen' 
Bräuche  in  der  Stadt  untheilhaflig  sind.  Darauf  antwortet  der  Chor 
in  der  Gegenstrophe  834^—839,  er  werde  nicht  zurückkehren  und  er 
sei  keineswegs  dvlerog  sva^ßnav^  denn  ayvd  i'jrw  ßa^v^ciLog  ßa^Qelag. 
Der  Herold  erneuert  nun  840 — 843  seinen  Angriff,  und  der  Chor  ruft 
aus  ßUt  noXXd^  wofür  man  auch,  da  in  den  Büchern  steht  ßLa  ßLa  te 
TtoXXa^  ßia  zweimal  setzen  und  in  der  Strophe  lov  hinzufügen  könnte, 
was  indessen  nicht  wahrscheinlich  ist.  Das  folgende,  was  der  Herold 
sprechen  mufs,  lautet  nach  den  Büchern  q)Qovöa  ßduai  ßa^fil  xgo- 
Kuxct  TtaOtav  oXo^ievai  naXduaig^  was  vielleicht  bedeuten  soll  (pQovöa 
ßaxia  ßaOuLÖdiv,  Trpoxax«  ndd-si^  oXoaevai,  TtaXdfiaig^  was  den  stro- 
phischen Versen  genau  entsprechen  würde.  —  Die  nächste  Strophe 
hat  H.  hergestellt,  indem  er  noXvxjfdfinov  statt  noXvilfdfifia(h)v  und 
degCaiaiv  avQcag  statt  evQelaig  eiv  avgatg  schreibt  und  8j3  ganz  trelT- 
licli  xiovöa  xal  nixQouQov  oi^vog  vofiov  emeudiert.  Die  Gegeostrophe 
lautet  bei  ihm : 

oioi^  oloi. 

Xv^av^dg  av  ntjo  yag  vXdöKOig 

Iltgi'KOVLTCa  ßQvd^CDV. 

o  di  ßmag^  6  (liyag  JNh- 


G.  Hermann :  Aeschyli  fragoediae.  Tom.  I  et  II.  407 

log  ißgl^ovra  ö'  anoxqi- 
'tjjsuv  aoiaxov  vßgiv,  oi 

Der  Mediceus  bietet  im  zweiten  Verse  Xvficc<Stg  VTCQoyaövXdaTiei,  Der 
Scholiast  sagt:  dg  vntQ  zmv  AiyvTtrlmv  nqB(Sßevoty  folglich  las  er  kv^ 
ficeg  elgvnsQ  yäg  vkaöKOi,  also  ziemlich  dasselbe.  Diese  Züge  können 
aber  auch  bedeuten  Ivfiag  jj  av  ttqo  yag  vXciöxoi^  und  da  die  Bücher 
ß^a^etg  haben,  käme  vkccöKcov  ßQvd^sig  der  handschriftlichen  Lesart 
näher.  TtSQUofina  ist  aus  negi^afimd  verbefsert,  vielleicht  TtsQ^iawa, 
was  der  Aussprache  nach  näher  liegt.  6  öe  ßcizag  ist  statt  og  igtoräg 
und  aoKSxov  statt  diCxov  gesetzt.  Vielleicht  wäre  also  zu  schreiben: 
ilvfiag,  a  av  nqo  yäg  vkaantov  TKqixctvva  ßQvd^stg^  inaqayyog  6  fiiyag 
INetkog  vßqi^ovxd  <y'  aTtoxqi'ifJHev  äoiöxov  vßqiv.  Es  heifst  iiqo  yag, 
weil  die  Altäre  vor  der  Stadt  waren,  so  dafs  der  Herold  gleichsam 
die  Stadt  anbellt. 

Der  Anfang  der  folgenden  Strophe  850 — 853  (862— ;-865)  lautet 
im  Mediceus  ot  ol  ndxeq  ßqoxioca  qocaxcci  fiakdadyeu  ccQa%vog  dig 
ßddrjv  ovaq  ovaq  (likav.    H.  ediert: 

oloi  ndxsQ, 

ßgixsog  agog  axa. 

afiakao   ayet  fi 

aqaxvog  iig  ßdöipf  voctq,  voaq  (likav. 
dqog  ^die  Hilfe'  halte  man  schon  früher  aus  Eustathius  und  dem  Scho- 
Hasten  hergestellt,  lieber  i/da^  wird  bemerkt:  Mn  sententia  nihil  vitu- 
perari  polest,  si  (le^  quod  non  habent  libri,  sie  inseritur,  dfiakdö^  ayBt 
dqaxvog  äg  ßdörjv  ovaq  (i\  ovaq  fiikav,  At  non  aptus  est  ille  locus 
pronomini ,  praeserlim  quum  etiam  ayei  dqaxvog  hiatum  faciat.  Quare 
post  ayei  pronomen  inserui.  *'Ovaq  de  praecone,  qui  spectri  instar 
est,  tam  bene  dictum,  ut  per  se  minime  suspectum  sit.  Schoiiastes 
quod  scribit,  xovxiaxL  firjöiv  ^s  ovöav,  ineptum  esse  patet,  scd  con- 
venit  ea  interpretatio  etiam  voci  quam  supra  v.  754  posui.  Quae  quum 
hie  eodem  significatu  parem  vim  atque  ovccq  habeat  praetereaque 
metro  commcndetur,  reponendam  iudicavi.'  Die  Herstellung  dieser 
Verse  ist  H.  durchaus  misglückt.  Die  Rhythmen  sind  nicht  gut,  die 
antistrophischc  Responsion  ungenau,  es  mufs  in  der  Gegenstrophe  eine 
Lücke  angenommen  werden,  die  sehr  unwahrscheinlich  ist,  und  end- 
lich ist  der  Gedanke  ein  ganz  unerträglicher.  Der  Gedanke ,  dafs  der 
Schutz  der  Götterbilder  Verderben  ist,  kann  nicht  für  richtig  gehalten 
werden  nnd  er  ist  aufserdem  sonderbar  ausgedrückt.  Vollends  räth> 
selhaft  ist  das  folgende,  warum  der  Herold  hier  ein  Gespenst  genannt, 
in  welcher  Beziehung  er  mit  einer  Spinne  verglichen  wird  und  was 
das  unerklärliche  ßdötiv  hier  soll.  Die  Ansicht,  dafs  sich  Aeschylos 
ungewöhnlich  und  seltsam  ausdrücke,  hat  der  Kritik  sehr  geschadet. 
Pathos  und  einen  gewissen  Schwung  wird  man  ihm  nicht  absprechen, 
im  ganzen  aber  ist  die  Diction  des  Aeschylos  klar  und  versländlich, 
und  einfacher  als  die  d^s  Sophokles.  So  glauben  wir  ist  auch  unsere 
Stelle  ganz  einfach  und  verständlich,  wenn  man  sie  richtig  behandelt. 
An  der  Richtigkeit  von  aqog  kann  man  wohl  nicht  zweifeln,  wohl  aber 


408  G.  Hermann:  Aescbyli  tragoediae.  Tom.  I  et  II. 

an  der  von  ara.  Eustatliius  p.  1422,  18  sagt  zwar:  airo  dl  tov  igm 
xai  oQog  to  o(peXog  naq*  AlßxvkG)  iv  Ixerlaij  ßgoisog  aQog  Sxa^  ijxoi 
TO  ev  r^v  BQoxav  xal  ro  oq)elog  axri  icxlv^  allein  er  hat  die  falsche 
Lesart  ßQoxeog  und  seine  Erklärung^  ist  ganz  sinnlos.  Der  Scholiasl 
erklärt  ij  xav  ßQ£xi(av  imxovQla  ßkanxei  ^€,  der  vielleicht  äxa^  viel- 
leicht auch  etwas  anderes  gelesen  hat.  Das  folgende,  was  die  Bücher 
haben  ^aköadyei  soll  ofTenbar  bedeuten  /Li'  aluö^  ^V^'?  >^ie  Schütz 
gesehen  hat,  allein  von  Aeschylos  rührt  das  nicht  her,  sondern  von 
einem  Glossator,  der  in  dem  Satze  kein  Yerbum  fand,  und  ebenso 
wie  er  Vs.  800  zu  xa  tpQoi^icc  nopcov  hinzufügte  inga^av^  so  hier 
ayBiy  indem  er  ara  als  Apposition  zu  ß^ixeog  agog  fafste,  ßqixBog  a(fog 
axct  II  äkad'  äyei,  »'ir  glauben ,  dafs  Aeschylos  folgendes  geschrie- 
ben habe: 

oloinaxEQ^ 

ßofxovg  ägog  uaxä  uaAa, 

aga^vog  (og  xao  i^r,  ovag  x  ovag  [U?mv, 
Hier  haben  wir  einen  einfachen  und  klaren  Gedanken,  gute  Rhythmen 
und  eine  Responsiou,  die  sich  bis  auf  den  Umfang  der  Worte  er- 
streckt; auch  eine  Lücke  in  der  Gegenstrophe  anzunehmen  ist  nicht 
nöthig,  sondern  nur  den  Ausfall  der  Interjcction,  wozu  das  (laifi^ 
Veranlafsung  gab.  Die  Gegenstrophe  lautet  nemlich  nach  Hermanns 
Verbcfserung  im  dritten  Verse: 

aiar  aiai^ 

fia^ia  TCsXag  diTtovg  o(pig^ 

Ixiöva  d'  !og  fii  xig  noö  iv6aK0v(S  l%€i. 
Wegen  der  Aenderung  von  ßaörjv  in  xaötjv  machen  wir  auf  das  früher 
erwähnte  aufmerksam,  dafs  nemlich  einzelne  Buchstaben  unleserlich 
geworden  waren,  der  Abschreiber  also  das  x  für  ein  ß  ansehen  konnte. 
Zu  946  (855)  xdaösaOs^  (piXai  öficotdsg  wird  bemerkt:  ^nec  famulas 
alloqui  regem  dccebat  ncque  eas  q)Uag  appellarc  neque  iubero  eas  üiiv 
evKXsicc  xal  afiiymu  ßd^u  Xaav  hcras  suas  sequi.  Scribendum  erat 
öiiaUag,  Activa  potestate  dictum  xdaasa^ai ,  ut  in  Euripidis  IleracL 
664.  Androm.  1099.'  Diese  Bemerkung  mufs  um  so  mehr  befremden, 
als  bereits  Droyscn  erkannt  hat,  dafs  hier  nicht  der  König,  sondern 
der  Chor  spricht.  Der  König  hatte  sich  mit  9.^2  (943)  zum  Abgang 
angeschickt,  und  der  Chor  ruft  ihm  nur  noch  ein  Wort  dos  Dankes 
zu  und  die  Bitte,  den  Vater  zu  senden;  darauf,  als  unterdessen  der 
König  abgetreten  war,  wendet  sich  der  Chor  an  seine  Dienerinnen  und 
fordert  sie  auf,  eine  jede  möge  sich  zu  ihrer  Gebieterin  stellen,  und 
nachdem  sich  der  Chor  zugleich  mit  den  Dienerinnen  auf  der  Orchestra 
aufgestellt,  tritt  Danaos  auf.  Jene  Aufforderung  aber  geschieht  des- 
halb, weil  der  Chor  sich  nicht  auf  der  Orchestra,  sondern  auf  der 
Bühne  beiindet.  Auf  dem  Logeion  nemlich  beßuden  sich  die  Altäre  der 
dydnot  r>£ol^  die  Orchestra  stellt  einen  freien,  zum  Ileiligtham  ge- 
hörigen Platz  vor.  Auf  dieser  tritt  zu  Anfang  der  Chor  auf,  begibt 
sich  aber  bei  der  Ankunft  des  Königs  auf  den  Rath  des  Danaos  zu  den 
Göttersitzeu,  also  auf  die  Sceno,  wo  er  bis  zum  Abgang  des  Königs 


6.  Hermann :  Aeschyli  trag'oediae.  Tom.  I  et  II.  409 

bleibt.  Dieser  sagt  492  (503)  kiVQOv  nm  aXaog  vvv  imaT^iqfov  rode^ 
damit  der  Chor  sich  wieder  auf  die  Orchestra  begebe,  wo  er  das  fol- 
gende Stasimon  zu  singen  hat.  Diese  Aufforderung  des  Königs  ist 
sonst  durch  den  Inhalt  des  Stückes  durchaus  nicht  begründet;  im  Ge- 
genlheil  hatte  die  Vorsicht  es  den  allein  zurückbleibenden  Danaidea 
gebieten  müfsen,  bei  den  Götterbildern  zu  bleiben.  Es  wird  hierdurch 
unsere  sonst  ausgesprochene  Ansicht  bestätigt,  dafs  viele  Stellen  in 
den  Tragoedien  und  Komoedien  der  Griechen  in  hohem  Grade  be- 
fremdlich und  nur  aus  der  Rücksicht  zu  erklären  sind ,  die  der  Dichter 
auf  die  scenische  Darstellung  zu  nehmen  genöthigt  war.  Uebrigens 
haben  wir  einen  ganz  ähnlichen  Fall  im  Frieden  des  Aristophanes, 
worüber  wir  im  Rhein.  Mus.  N.  F.  IX  S.  573  gesprochen  haben.  Zum 
zweitenmal  begeben  sich  die  Danaiden  auf  das  Proskenion,  als  der 
Herold  erscheint,  und  bleiben  wieder  bis  zum  Abgange  des  Königs 
daselbst.  Jetzt  stellen  sie  sich  auf  der  Orchestra  zugleich  mit  ihren 
Dienerinnen  auf,  auf  die  schon  der  König  92J  (932)  hingewiesen  hatte. 
Da  nun  diese  Dienerinnen  noch  zum  drittenmal  992  (1001)  vnodi- 
^aa&s  ö  OTtadol  {nikog  erwähnt  werden,  so  entsteht  die  Frage,  in 
welcher  Weise  eine  Betheiligung  derselben  an  dem  Gesänge  anzuneh- 
men ist.  H.  bemerkt  zu  dem  angeführten  Verse :  ^  falsi  sunt  interpre- 
tes,  qui  haec  ita  distinxerunt,  ut  oTCaöol  vocativus  esset,  ancillas 
vocari  a  Danaidibus  putantes,  quod  et  per  se  indecorum  fuisset  et 
refutatur  toto  carmine,  in  quo  ubique  ipsas  Danaides  verba  facere 
apertuni  est.  Immo  quae  hie  dicunt  vnoöi^aad'e  d'  OTcaöol  fiikogj  sese 
compellant  hortanturque  ut  sociae  in  eandcm  sententiam  canant,  quam 
prioris  hemichorii  virgines  praeierant,  Argivorum  iam  deos  colendos 
esse.'  Diese  Erklärung  läfst  der  Ausdruck  ojtcedol  hier  nicht  zu,  zu- 
mal die  Dienerinnen  kurz  vorher  oncloveg  genannt  und  zur  Aufstei- 
lung unter  die  Chorpersonen  aufgefordert  wurden.  Darin  aber  hat  H. 
Recht,  dafs  an  eine  Verlheilung  des  Chorgesanges  unter  den  Chor 
und  die  Dienerinnen  nicht  zu  denken  sei.  Die  dramatischen  Dichter, 
die  Tragiker  wie  die  Komiker  lieben  es,  am  Ende  des  Stückes*  das 
abziehende  Personal  zu  vermehren ,  wie  hier  durch  die  Leibwache  des 
Danaos  und  die  Sklavinnen  der  Danaiden.  Da  nun  die  letzteren  nicht 
besonders  aufgestellt  sind,  sondern  ovtcog  ojg  ig>  ixdarrj  öimXTiQcoasv 
/Icivaog  &eQa7tovzlda  (pSQvriv^  so  folgt  daraus,  dafs  sie  zwar  nicht 
gesungen,  wohl  aber  an  dem  Tanze  sich  beiheiligt  haben.  Indecorum 
ist  das  nicht,  wenn  die  fpCkai  öiiüotösg  millanzen,  und  der  Fall,  dafs 
der  Chor  singt  und  andere  tanzen,  kommt  bei  Aristophanes  in  den 
Wespen  und  Ekklesiazusen  vor.  Eine  Bestätigung  dieser  Ansicht  liegt 
aber  auch  in  der  Einrichtung  des  Chorgesanges  selbst,  dessen  beide 
erste  Strophenpaare  aus  je  zwei  besonderen  Theilen  bestehen,  und 
da  die  oftcedol  im  zweiten  Thoile  der  ersten  Strophe  aufgefordert  wer- 
den Theil  zu  nehmen,  so  haben  wir  einen  vierfach  getheilten  Chor  in 
der  Weise,  dafs  in  Strophe  und  Gegenstrophe  im  ersten  Theil  der 
Halbchor  singt  und  tanzt,  im  zweiten  die  dem  Halbchor  zugesellten 
Dienerinnen  tanzen  und  der  Halbchor  singt.    Eine  Vereinigung  iji  nur 

^.  Jahrb.  f.  PhO,  «.  Pmd,  Bd,  LXX.  Hfl.  4  n.  5.  27 


410  G.  Hermann:  Acschyli  Iragocdiae.  Tom.  I  et  IT. 

zwei  llalbchöre  findet  in  der  letzten,  der  vierten,  Strophe  statt,  die 
in  trochaeischem  llliytlimus  ^ediclitcl  ist;  den  Ucborgang  bildet  das 
dritte  Strophenpaar,  das  nur  von  den  beiden  Führerinnen  der  Halb- 
chöre gesungen  Mird.  Dieses  aus  je  5  Versen  bestehende  Slrophen- 
paar  hat  H.  so  verlheilt:  2.  1.  i.  1  >=  2.  1.  1.  J ,  was  jedenralls  an- 
richtig  ist.  In  der  vorigen  Strophe  hatte  der  zweite  Halbchor  gesagt 
(leia  nokkav  öh  yafitov  ade  rskevra  nqorsQciv  nikoi  ^'vvcrtxcov.  So  viel 
wir  sehen,  fehlt  hier  cfi/,  oder  es  ist,  da  sich  dies  nicht  einfügen  lafst, 
^rikei  zu  setzen.  Dieser  Halbchor  fügt  sich  resignierend  in  die  Noth- 
wendigkeit  und  tröstet  sich  damit,  dafs  einen  solchen  Ausgang  viele 
Ehen  früherer  Frauen  hatten.  Der  erste  Halbchor  dagegen  wUnschl, 
dafs  es  nicht  zu  der  Ehe  komme.  Folglich  mufs  1027  Cv  öi  ^ikyoig 
Sv  ad'ekKrov  dem  zweiten  nnd  1028  cv  öi  y^  ovx  olad'a  ro  (likkov  dem 
ersten  Halbchor  zugetheilt  werden,  so  dafs  wir  folgende  VertheiluDg 
erhalten:  «3.  /?'  1.  «'  1  =  j3  3.  a  1.  ß  1. 

958  (967)  sagt  Danaos  totavöe  Tvyxavovrag  fv:tQV(ivij  ipQBpog 
'/Ijttqiv  oißeaOai  u^uoixiqav  i^ov.  Das  evngvfivtj  hat  den  Herausge- 
hern viel  zu  schatfen  gemacht  und  H.  bemerkt:  Mil)ri  iimQVfiv^.  Id 
mntavi  in  iv  TtQv^ivrj^  quod  video  etiam  Paleium  suspicatum  esse,  sed 
male  interpretatum  in  restra  menle  ^  comparalu  TrgaQa  xaQÖiug  in 
rhoeph.  386.  Ibi  quod  ante  animum  versatur,  hie  quod  in  intime 
«nimo  fieri  debeat  intelligcndum  est.  Ut  in  navi  potissimus  locus  est 
puppis,  in  qua  et  gubernaculum  est  et  gubernator,  sie  TTQvuvav  (pQs- 
vog  dictam  esse  patet.'  Aufscrdem  ist  II.  genötliigl  ifiov  in  (^ifug  su 
vorwandeln.  Der  Ausdruck  7rQb}Q(x  xccQÖiag  ist  aus  einem  Chorge- 
sangc,  hier  mufs  iv  nQVfivrj  q>Qiv6g  jedenfalls  sehr  bedenklich  er- 
scheinen ;  dann  ist  TvyxavoiTag  hier  gar  nicht  zu  erklären  und  endlich 
ist  die  Aenderung  von  ifiov  in  ^ifiig  doch  eine  gar  zu  gewaltsame. 
Wir  glauben,  dafs  ewTQVfiinj  verschrieben  oder  falsch  gelesen  ist  statt 
ev  TcgiitBi^  und  Danaos,  der  vorher  nur  davon  gesprochen,  was  ihm 
gutes  widerfahren  ist,  fordert  nun  die  Töchter  auf,  um  so  dankbarer 
gegen  die  Argivor  zu  sein,  rotcoi/df  xvyxavomog  bv  nqiiKi  tpQevog 
xdgiv  cißsaOai  njui (otf^crv  i^ov.  Das  i^ov  ist  von  Tvyxavovvog  ge- 
trennt, doch  findet  sich  eine  solche  Wortstellung  unmittelbar  vorher 
TtaC  fioi,  ra  jtifv  TtQax^^ivra  TtQog  rovg  ixysvng  tplkov  niKQCjg  i^xoviSav 
ttviavtilfiovg ,  wo  gleichfalls  ixy evstg  \on  aviavitjflovg  getrennt  ist. 
Hier  hat  man  das  <plkov  in  (plkovg  verwandelt.  II.  erkannte,  dafs  in 
dem  tpikav  ein  ov  steckt,  und  er  ediert  (idk^  ov  niXQtjg,  aber  (ial*  ov 
sagt  man  nichts  es  ist  vielmehr  <plk   ov  nlnQ*  ilctjjiovaav  zu  sotsen. 

Um  unsere  Anzeige  nicht  ungebührlich  in  die  Länge  zu  ziehen, 
müfsen  wir  es  uns  versagen  auch  auf  Stellen  aus  anderen  Stücken  ein- 
zugehen, und  wir  schliefsen  daher  unser  Referat,  indem  wir  nnr  noch 
ein  kurzes  Wort  über  die  Fragmente  hinzufügen,  die  in  der  Hermann- 
scheu  Ausgabe  auf  den  Text  in  100  Seiten  folgen.  Fast  gleichzeitig 
mit  H.s  Ausgabe  ist  auch  von  der  Wagnerschen  Fragmentensammlang 
der  griechischen  Tragiker  der  le  Band  erschienen : 


F.  W.  Wagner:  Aeschyli  cl  Sophoclis  Tragmenta.  411 

Aeschyli  et  Sophoclis  perdUarum  fabtdamm  fragmenia  edidit 
Fridericui  GuiUlmut  Wagner.  VratisIaTiae,  impensis  Trewendti 
et  Granieri.  MDCCCLII.  XII  u.  507  8.  gr.  8. 

In  dieser  Sammlung,  die  auf  den  ersten  170  Seiten  die  Frag- 
mente des  Aeschylos  enthält ,  fehlen  nachstehende  Fragmente,  die  Her- 
mann aufgenümmen  hat:  357.  361.  381.  396.  397.  453.  457.  458.  460. 
462.  463.  Das  Fr. -357  aus  Stephanus  Byzantius:  "SlXevog^  Alc^log 
yqavCiov  Tt^v  ainetvriv  ^ad'iav  "Sllevovj  wo  Meineke  yqavutov  in 
KaQolv  verbefsert,  ist  wohl  nur  aus  Versehen  weggefallen,  da  das 
aus  derselben  Stelle  entnommene  Fragment  des  Sophokles  unter  287 
aufgenommen  ist.  457.  458.  460  sind  aus  Aristophanes  Ran.  959.  968. 
1478,  die  Hrn.  Wagner  nicht  unbekannt  sein  konnten  und  also  absicht- 
Hch  ausgelafsen  sind;  463  aus  Hcsych.  fie^axdÖBg'  dg  olvonkijyeg 
(xofl)  fie&vözddeg  yccficau  wird  vermulhungsweise  dem  Aeschylos  bei- 
gelegt, ebenso  der  von  Plutarch  Alcib.  c.  4  und  sonst  angeführte  Vers 
invt]^  akiKTCOQ  öovlov  oig  xkivag  meQovj  weil  er  ^  Aeschyleum  colo- 
rem  habet',  womit  zu  vergleichen  Aristoph.  Vesp.  1490  nzi^aöet^  Oqv- 
vvxog  &g  xig  alijctmQ,  Es  fehlen  also  bei  Wagner  aufser  dem  schon 
angeführten  357  noch  361  aus  Gramer  Anecd.  IV  p.  315,  25 ;  381  aus 
Libanius  epist.  175  p.  84  ed.  Wolf,  und  ep.  611  p.  294;  396  aus  Schol. 
Victor,  und  cod.  Ven.  B  zu  Hom.  T  87;  397  aus  Eustath.  p.  48,  37 
und  453  aus  Bachm.  Anecd.  II  p.  75,  13,  welches  Buch  Hr.  Wagner 
sonst  fleifsig  benutzt  hat.  Bei  Hermann  sind  ausgelafsen  folgende 
.Nummern  der  Wagnerschen  Sammlung:  52.  112.  277.  303.  310.  317. 
318.  322.  323.  327.  376.  383.  388.  391.  396.  399.  407.  414.  421.  436. 
443.  Von  diesen  hat  Hermann  absichtlich  ausgelafsen  und  dies  S.  411. 
412  begründet,  die  Nummern  277.  303.  310.  327.  376.  396.  399.  414. 
436.  443.  Die  beiden  letzten  hat  auch  W^agner  richtig  beurtheilt  und 
auch  aufserdem  einige  von  Dindorf  angeführte  Fragmente,  zum  Theil 
übereinstimmend  mit  Hermann ,  weggelafsen ,  worüber  er  in  der  dem 
Buche  angehängten  comparatio  numerorum  Rechenschaft  gibt.  Andere 
Fragmente  sind  zweifelhaft,  doch  hätten  391.  407.  421  erwähnt  wer- 
den müfsen.  Als  Nachtrag  vergleiche  man  Philologus  VI  S.  609  und 
VII  S.  400,  ferner  VI  S.  48,  VII  S.  76.  Endlich  gehört  hierher  der 
unter  die  Fragmente  anonymer  Tragiker  aufgenommene  Vers  Arist. 
Rhet.  II,  10  p.  1388,  7.  cf.  schol.  fol.  37  b,  21  ed.  Brandis. 

Auf  den  Inhalt  der  Fragmente  können  wir  uns  hier  nicht  oin- 
lafsen,  wir  setzen  zur  Prüfung  für  den  Leser  diejenigen  Nummern  her, 
die  abweichend  bei  beiden  verbefsert  sind:  23  (35  H.),  66  (71  H.),  71 
(76),  96  (104),  124  (131),  130  (137),  131  (141.  142),  S.  80  fin.  (174), 
179  (181),  198  (218),  199  (219),  204  (226),  232  (255),  255  (284),  293 
(319),  294  (320),  301  (380),  311  (311),  336  (333),  338  (386),  343  (332), 
363  (352),  372  (355),  395  (441).  Im  allgemeinen  findet  sich,  was  der 
Wagnerschen  Sammlung  nur  zur  Empfehlung  gereichen  kann,  viel 
fibereinstimmendes  in  beiden  Ausgaben,  auch  bei  Bestimmung  der  Ar- 
gumente der  Stücke ;  die  Hermannschen  Abhandlungen  sind  sammtlich 

27* 


412  F.  W.  Wagner:  Aescüyli  et  Sopliocli»  fragmenl«. 

sorgfältig  benutzt,  mit  Ausnahme  der  beiden  Abhandlungen  über  die 
Jixtvovkxol  in  den  Berichten  über  die  Verhandlungen  der  k.  sachs. 
Ges.  der  Wifs.  IS.  119  und  ebend.  S.  121  über  die  6ccXa(iojtom  ^  über 
\vclche8  Stück  Hermann  die  Vermulhung  aufstellt,  dufs  es  das  Mittel- 
stück  zwischen  den  Hiketiden  und  den  Danaiden  gewesen  sei.  lieber- 
all  in  dem  Buche  des  Hrn.  Wagner  zeigt  sich  eine  lleifsige  und  selb- 
ständige Benutzung  der  Quellen  und  wir  finden  uns  um  so  mehr  ver- 
anlafst,  darauf  aufmerksam  zu  machen,  als  es  für  die  Fragmente  des 
Sophokles  in  Bezug  auf  Vollständigkeit  (es  hat  einige  60  Fragmente 
mehr  als  die  Dindorfsche  Sammlung)  und  Nachweisung  und  nähere 
Bestimmung  des  Inhalts  der  einzelnen  Stücke  als  die  erste  brauch- 
bare Sammlung  der  Fragmente  des  Sophokles  zu  betrachten  ist.  Zum 
Schlufs  sprechen  wir  den  Wunsch  aus,  Hr.  Wagner  möge  eine  kleine 
Ausgabe  der  Fragmente  der  Tragiker  besorgen,  welche  nur  den  Texl 
der  drei  Bände  in  einem  Bande  vereinigte  *), 

Ostrowo.  Robert  Enger, 


Pautamae  descriptio  Graeciae.  Recognovit  !oanne$  tUnrieun  Chri- 
siianus  Schubart,  Volumen  primum.  Lipsiae  sumptibus  et  typis 
B.  G.  Teubneri.  MDCCCLUI.  XXVI  u.  486  S.  Volumen  secun- 
dum.    Ibidem  MDCCCLIV.  XXVI  n.  454  S.  8. 

Es  ist  bekannt,  dafs  über  den  Zustand  des  Textes  von  Pausanias 
erst  durch  die  Bearbeitung,  welche  1838  und  1839  Schubart  gemein- 
schaftlich mit  Walz  herausgab,  vollständige  Einsicht  ermöglicht  wurde. 
Ein  schon  früh  begonnenes  und  viele  Jahre  hindurch  fortgesetztes 
Studium  des  Autors  setzte  unsern  Freund  in  Stand  sowohl  die  hand- 
schriftlichen Mittel  gehörig  zu  benutzen,  als  auch  ohne  deren  Beistand 
oftmals  bestimmen  zu  können,  was  der  Perieget  geschrieben  habe  and 
was  seinem  stilistischen  Charakter  nicht  entspreche.  Die  llanigfaltig- 
keit  seiner  Objecte  und  die  Sonderbarkeit  seines  Ausdrucks  ist  aller- 
dings so  grofs,  dafs  häufig  darüber  divergierende  Ansichten  mög- 
lich sind,  die  dann  selbst  auf  die  Beurtheilung  der  diplomatischen 
Grundlage  einwirken.  Bef.  gesteht  gern  ein,  dafs  er  früher  einige 
Hss.  überschätzte,  glaubt  jedoch  auch  jetzt  noch,  dafs  den  Worth 
derselben  Schubart  zu  niedrig  anschlägt:  indes  hat  diese  Frage  bei 
dem  in  so  arger  Verderbnis  überlieferten  Werk  keine  vorhcrscbeude 
Wichtigkeit;  man  ist  an  unzähligen  Stellen  auf  genaue  Vergleichang 
des  dem  Pausanias  eignen  Sprachgebrauchs  und  natürlich  auf  die  Er- 
forschung und  Prüfung  der  von  ihm  behandelten  topographischen,  hi- 


*)  Kine^neue  Bearbeitung  der  Fragmente  der  griechischen  Tra- 
giker wird  für  die  Bibliotheca  Teubneriana  von  einem  anderen  Gelehr- 
ten bereits  vorbereitet.  A,  F. 


J.  H.  C.  Schubarl:  Pausaniae  descriplio  Graeciae.  Vol.  I  et  IL   413 

storischen,  mythologischen  und  archaeologischeo  Mittheil ohgeo  ver- 
wiesen.  Wären  nur  die  erstgenannten  Gegenstand  des  Schriftstellers, 
so  könnte  man  E.  Curtius  beistimmen,  wenn  er  eine  Ortskenntnis,  wie 
sie  aiifser  ihm  nur  sehr  wenige  besitzen ,  zur  Bedingung  der  Textes- 
kritik von  Pausanias  macht  (vgl.  Peloponnesos  I,  214  und  Register  II, 
625  unter:  Pausanias  der  Perieget);  bei  näherer  Ansicht  zeigt  sich 
aber,  dafs  die  Falle,  wo  Autopsie  den  Ausschlag  geben  mufs  und 
zu  geben  im  Stande  ist,  in  mäfsiger  Anzahl  vorliegen;  dafs  übrigens 
selbst  unter  den  Touristen,  welche  sich  lange  Zeit  in  Griechenland 
aufgehalten  haben,  noch  viele  Controversen  obwalten,  weifs  jeder, 
der  z.  B.  mit  attischer  Topographie  sich  beschäftigt.    Demungeachtet 
scheint  S.  in  der  Angabe  der  von  Curtius  vorgeschlagenen  Aenderun- 
gen  etwas  zu  sparsam  verfahren  zu  sein;    solche  wie  IlJieuci,  statt 
nalata  IH,  22,  6  (vgl.  Pel.  II,  328),  VIII,  21, 1  ferta  xai  dixa  (Pel.  I, 
398),  VIII,  23,  8  dyei,  fihv  öta  tov  i:6QG)vog  ff  im  Waxptdog  (Pd.  a. 
a.  0.),  VIII,  27,  3  Ttaga  de  Afyvrav  Alyvg  (Pel.  I,  336),  VIII,  28,  7 
Ttsölov  ^  <staöi(ov  naUaxa  (Pel.  I,  391),  VIII,  30,  1  avadloig  —  % 
fidtsiötv  (Pel.  I,  333  nach  K.  0.  Müller),  VIII,  35,  l'OaKVQog  oder 
'*0<SvQog  (Pel.  I,  336)  sollten  wenigstens  in  der  Praefatio  erwähnt  sein ; 
so  evidenten  Verbefserungen  aber,  wie  rov  iwra^iov  statt  tov  ^AXq>€tov 
in  VI,  21,  5  gebührt  ein  Platz  im  Text.    In  den  Wunsch  S.s  ^placeafi 
aliquando  viro  in  bis  regionibus  versato  laborem  suum  bono  scriptori 
dicare'  stimmen  wohl  alle  Freunde  des  Autors  ein.    Freilich  ist  das 
topographische  nur  6ine  Seite,  die  bei  dem  Kritiker  und  Erklärer  des 
Pausanias  in  Betracht  kommt;  er  mufs  auch  als  Historiker  die  in  jedem 
Buch  vorangestellten  Landes-  und  Stammgeschichten  prüfen,  als  My- 
tholog  die  Quellen  der  unzähligen  Sagen  und  die  Darstellungen  der 
Localcnlte  untersuchen,  als  Archaeolog  auf  die  Schilderung  der  Kunst- 
werke und  die  Nachrichten  über  ihre  Urheber  näher  eingehen,  wie 
das  in  neuster  Zeit  H.  Brunn  in  seiner  lehrreichen  Geschichte  der  grie- 
chischen Künstler  gethan  hat.    Diese  und  andere  Vorarbeiten  sind  bei 
der  Revision  des  P.  nicht  selten  in  Anwendung  gekommen,  aufserdem 
hat  gerade  die  gröfsere  Ausgabe  (SW)  sowohl  der  auch  manches 
gute  bietenden  von  W.  Dindorf  bedeutenden  Vorschub  geleistet,  als 
überhaupt  die  Aufmerksamkeit  mehrerer  Philologen  auf  den  Schrift- 
steller hingelenkt;  wir  nennen  K.  Fr.  Hermann,  welchem  die  recogni- 
tio  als  Denkmal  einer  ''amicitia  per  plus  quam  sex  lustra  continuata' 
gewidmet  ist,  Spengel,  von  welchem  eine  Reihe  schlagender  Verbefse- 
rungen den  neuen  Text  ziert.  Westermann,  Bergk,  der  besonders  um 
die  poetischen  Citate  wesentliche  Verdienste  sich  erworben  hat,  des- 
gleichen Meineke:  diesem  und  andern  Kritikern  verdankt  der  neue  Pau- 
sanias eine  bedeutende  Anzahl  wesentlicher  Berichtigungen. 

Die  neuen  Verdienste  Schubarts  selbst  um  Pausanias  sind  sehr 
manigfaltig;  wir  wollen  zuerst  von  den  Berichtigungen  des  Textes 
sprechen,  welche  offenbare  und  doch  noch  nie  bemerkte  Verstöfse 
gegen  die  Grammatik  entfernen.  So  war  bisher  II,  32,  10  das  Genus 
verfehlt ;  auf  den  noxtvog  konnte  nur  mit  tovtov  zurückgewiesen  wer- 


414  J.  H.  C.  Schabarl:  Pausaniae  descriptio  Graeciae.  Vol.  I  et  IL 

den,  uicht  mit  xovvo;  desgleichen  folgt  V,  14,  7  (ura  rovro  Dicbl 
richtig  nach  der  Einweihung  eines  ßooiiog  von  llephaeslos.  VII,  11, 
6  soll  sich  avra  auf  das  vorhergehende  aiidgrij^a  beziehen  können, 
kein  Herausgeber  dachte  daran  avio  ku  schreiben;  oder  VII,  18,  1 
dsiy^Uy  worauf  schon  die  Lesart  ikdxKSTOv  in  La  hinführte,  statt  6ely~ 
licna,  V,  14,  7  geht  aus  der  Aussage  des  P.  hervor,  dafs  jeder  unter 
den  Brüdern  des  idacischen  Herakles  seinen  eigenen  Altar  habe;  er 
wird  also  auch  nBnoit]vxai  und  nicht  nenoitftat  gesetzt  haben.  I,  20, 
3  wäre  xocvza —  yeyQUfifiiva  üai  gegen  seinen  Gebrauch  für  r.  y.  ictL 
III,  9,6  ergibt  sich  das  richtige  ötdaaaiv  aq%ovxa  bIvüi  cruroo,  wo 
die  Hss.  avrd)v,  CSB  olvxov  haben,  aus  der  Nothwendigkeit  dem  di- 
öocKSiv  sein  persönliches  Object  beizufügen  und  erhellt  auch  aus  der 
Parallelstelle  X,  34,  2.  Dafs  III,  II,  6  aymvctg  noli^ov  geschrieben 
werden  müfse,  erweist  das  sogleich  folgende  a/coi/ag  ttoA^ov  »iyrc 
ivUrjOa  (zugleich  spricht  dieser  Ausdruck  für  unsern  von  S.  jetzt  ge- 
billigten Vorschlag  aöijg  aymva  statt  fpörjg  ¥^yop^  woraus  Valckenaer 
mdrjg  iqiv  machen  wollte,  IX,  34,  3).  Ein  unentbehrlicher  Dativ  fehlt 
III,  14,  3  iyivovxo  vixai  für  L  ot  v.  Wenn  I,  9,  7  Phoenix  die  Zer- 
störung vun  Kolophon  zum  Gegenstand  seiner  laniben  machte,  kam 
doch  nichts  darauf  an,  dafs  er  selbst  Kolophonicr  war,  aber  dafs  er 
das  traurige  Loos  seiner  Landsleute  beweinte;  es  kann  mithin  nicht 
hüifscn  (üg  (Poivina  idfißav  noiriti]v  Kokog)€iviov  d'Qrjvrjaai  t^v  aXm- 
oiVj  sondern  KoXotpcDvitov  mufs  gelesen  werden,  auch  darum  weil 
xfiv  dkaatv  sonst  auf  beide  entvölkerte  Städte  zugleich  zu  beziehen 
wäre.  Uebrigens  scheint  der  Satz  o>g  —  akciHStv  erst  dadurch  seinen 
vollen  Sinn  zu  erhalten,  dafs  man  Kai  nach  <og  einschiebt:  sogar  ein 
lambograph  hat  das  Schicksal  von  Kolophon  beklagt  und  den  scherz- 
haften Ton  seiner  Dichtgattung  insoweit  verlafsen.  Andere  Herstel- 
lungen richtiger  Casus  sind  VIII,  32,  2  iTrUXtjaig  dh  Ovgccvicc^  xj  i* 
iaxl  n<iv6ri(iog  für  inlxXijaiv  xrl. :  VI,  3,  3  fisxa  xo  ixvxijfia  Akiu^ 
öccifiovlmv  statt  fi.  t.  cc.  Acmtda^iLOvioig ^  und  VIII,  16  ^  6  wo  ein  kla- 
rer BUck  in  den  Zusammenhang  auf  das  allein  verständliche  ^uxa  dh 
xovg  oQOvg  xav  naxsiXEyfiivav  nolscDv  gxigay^  vTtoKSixat  geleitet  hat; 
VIII,  35,  3  axaölovg  ^^eig  für  cxaöloig  ^^eig ;  auch  nach  Praepositio- 
nen,  wie  IV,  26,  1  wo  Naupaktos  ein  OQiitixriQiov  gegen  den  Pclopon- 
nes  wird,  iarJ  xijv  UeXonowifiov ^  minder  angemefscn  war  inl  rj 
IhXoTtovvrjaü};  ferner  IV,  31 ,  4  iovatv  ig  dgiaxegd  für  *.  iv  aQUixiff^; 
die  fehlende  wird  VII ,  6,  2  ergünzt :  oi  xo  (liytaxov  [iv\  xotg  ^Axatoig 
iXovxeg  xgdxog.  An  vielen  Stellen  ist  der  Artikel  bisher  falsch  ange- 
bracht oder  ausgelafson  worden.  Vlll.  52,  6  hat  man  den  zweiten 
nicht  auf  das  Epigramm,  sondern  auf  die  Statue  selbst  zu  beziehen, 
also  auch  nicht  rd,  sondern  reo  zu  schreiben;  Vll,  20,  2  veMangt  die 
richtige  Unterscheidung  xovg  für  rui;,  vgl.  das  folgende  Cxigidvovg 
—  xi(S(Sov;  I,  13,  5  handelt  es  sich  nur  davon,  dafs  die  Spartaner  bei 
Leuktra  zuerst  eine  Niederlage  erlitten  haben;  also  ist  das  ehemalige 
A.  ngo  fiiv  xqg  iv  Aivnxqoig  ov^iv  iysyovBi  7txat0fAa  nicht  exact  für 
:tQo  fiiv  xov  sc.  nxalöfAOxog.  II,  31,  9  ist  6  vor  ^^apUoigm'xi  Recht  jetftt 


J.  U.  C.  Schubart:  PauMDiae  deacripCio  Graeciae.  Vol.  I  ot  II.    415 

eiogeaohlorseD,  da  es  in  derselben  Bexiehung  nicht  vorhergeht;  dies 
gilt  auch  von  V,  3,  7.    Viel  häufiger  aber  fehlt  der  Artikel  noch,  wo 
Sinn  und  Syntax  ihn  verlangen.    Soll  IX,  7,  3  nicht  der  ansinnige  Ge- 
danke hervorgebracht  werden,  dafs  Antipater  seine  Mutter,  welche 
schon  Philippos  umgebracht  hat,  zum  zweitenmal  tödtet,  sondern  der 
beabsichtigte,  dafs  Ant.  Nachfolger  seines  Bruders  Ph.  war,  so  mufs 
6  vor  fABv^  iiutvov  treten.   Die  Beziehung  auf  den  schon  besprochenen 
Tuxig  xad'evöav  auf  dem  Kasten  des  Kypselos  erfordert  den  Artikel 
zw  (Ka^svdovri)  in  V,  18,  1.   Eine  Reihe  ähnlicher  Fälle,  wo  bis  jetst 
die  Phrase  mangelhaft  geblieben  ist,  lafst  sich  aufführen;  I,  3,  3  '^eovg 
[xoifg]  öoiösxa  »akovfiivovg^  I,  4,  6  y^v  r^v  T^mada,  II,  15,  3  [xa]  ig 
xo  Sgyov^  I,  24,  6  'A^iiiaöitoig  [roig]  vTchq  'laatidovavj  III,  16,  9  [oC] 
ix  Msaoag^  IV,  26,  2  to  nxatcfue  —  [x6]  ^A^fjfvalfov  iv  Älyog  Teora- 
(toig,  VII,  9,  5  avvxekslag  —  Aaxedaifioviovg  [xijg]  ig  xb^Ä%aixav 
ovx  aq>iaaty  VII,  15,  7  to  —  ^d^Yiyal(o\  ßovXevfjLa  [xo]  nQO  xov  Soyov 
xov  iv  Magad'avty  V,  3,  4  Je^oifiepov  ^ycnigag  [xov]  iv  ^SlXiv^ 
ßaatUvovxog,  IV,  28,  1  foßm  [xa]  SrißaCiov,  V,  4,  3  i|  'Eklxrig  [x^] 
^A%ai.ÄVy^  V,  14,  3  yrig  [r^]  Ä£Ara)v,,lX,  30,  1  irar^  JWovcTatg  —  ayaA- 
fuyra  [xic]  ^Ivnf^mci  iaxt  Krig>iao66xQv  xi%vri^  IX,  35,  2  iotnoxa  6k 
mal  [xa]  naq^  ^A^rjvaiotg^  VIII,  50,  8  ro  axQoxoTcedov  —  [xo]  iv  Fv 
^Ito,  X,  34,  8  xmv  ^A^r^vr^av  fUiitifia  [xov]  inl  xfj  aönlöi  x^g  —  IIciQ' 
^ivov.    Zu  diesen  Stellen  und  manchen  andern ,  derer  wir  uns  im  Au- 
genblick nicht  erinnern ,  mögen  noch  hinzukommen  X,  2,  2  tor  ^A^if- 
valiov  xal  [tot]  ix  AaKiöai^LOvog  innnÖBia^  VIII,  4,  1  xal  [xa]  akka 
Tcc  ig  xakaaiav  (la^dvj  V,  11,  10  t^)  ayäkfiaxC  icti  [xa]  iv  Okv^nCtf. 
Cvfifpigov.   Namentlich  ist  III,  12,  4  nicht  leicht  zu  errnthen ,  weshalb 
S.  xovg  vor  TvvdaQea  naidag  wegliefs,  da  der  Artikel  in  dieser  Ver- 
bindung sonst  nirgends  fehlt:  hier  hätte  nicht  nur  natöag  für  natöa^ 
sondern  auch  der  nur  nicht  ganz  richtig  geschriebene  Artikel  (xov 
statt  xovg)  aus  La  aufgenommen  werden  sollen.    Im  entgegengesetzten 
Falle  befinden  wir  uns  I,  38,  8:  hier  will  ihn  S.  vor  iq>^  rfimv  wie  II, 
31,  9  einschieben,  doch  ist  es  denkbar,  dafs  erst  zur  Zeit  des  Paa- 
sanias  eine  Copie  des  alten  eleutherensischen  Dionysos  aufgestellt 
wurde;  dann  müste  der  Artikel  hier  so  gut  wie  III,  16,  8  wegbleiben. 
Will  man  für  Ix  xa  ^Qoiav  III,  4,  6  nach  dem  Vorschlag  des  Heraus- 
gebers Fx  TS  'IqQoaog  lesen ,  so  wird  weder  xov  entbehrt  werden  kön- 
nen, da  der  vorher  genannte  Argos  gemeint  ist,  noch  rculv  vor  Oecoi/ 
fehlen  dürfen,  da  eben  von  ApoUon  und  den  elensinischen  Göttinnen 
die  Rede  war;  vielleicht  spricht  aber  P.  absichtlich  im  allgemeinen, 
was   auch  hier  ausdrucksvoller  ist.    Der   correlative  Gebrauch   des 
Artikels  war  vordem  durch  Verwechslung  von  xtjg  mit  xov  V,  13,  9 
verdunkölt,  wo  xov  dl  iitl  x^  ngo^vasi  auf  XQrjTudog  (liv  xijg  nQcixtig 
nicht  zurückbezogen  werden  konnte,  was  doch  der  Sinn  erfordert.  V, 
20,  3  spricht  P.  von  dem  Schlüfsel  in  der  Hand  des  Pluton,  dies  kann 
nicht  indefinite  geschehen,  treffend  stellt  darum  S.  inl  di  xy  xknöl 
her,  wo  die  Hss.  inl  dh  mkitöa  haben,  der  Dativ  mufs  dem  sogleich 
folgenden  in  avx^j  entsprechen. 


416   J.  H.  C.  Schiibart:  Pausaniae  descriptio  Graeciae.  Vol.  I  et  If. 

Noch  mehr  Verwirrung  als  die  eben  aufgeführten  Vertauschan- 
gen  richteten  die  falsch  gesetzten  Partikeln  an.  I,  10,  2  begegnen  wir 
der  lacher liehen  Distinction  NBaxlmv  xal  Mcmedoviüv^  da  die  Nestier 
nur  ein  einzelner  Stamm  der  Makedoner  sind;  jetzt  ist  von  S.  mit  Be- 
rufung auf  Slrabon  VII,  323  c  Gas.  und  Vll  fr.  35  (II,  61,  84  Kr.)  xa/ 
eingeklammert.  Kaum  verständiger  war,  was  man  sonst  ill,  16,8 
las:  afAg>i0ßfiTOvat —  KanTtdöoueg  xai  of  xov  Ev^eivov  oixovweg: 
mit  der  Tilgung  von  xaC  blieb  immer  noch  die  unrichtige  Namensform 
KannaöoKeg  stehen;  dafs  diese  durch  das  übergeschriebene  xai  cor- 
rigiert  wurde  und  dies  dann  im  Text  einen  ganz  ungehörigen  Plats 
erhielt,  ist  eine  sehr  interessante  Wahrnehmung  des  Heransgebers.  In 
ähnlicher  Weise  vermuthet  S. ,  dafs  VII,  18,  II  das  xai  vor  ig  i%%al- 
ds%a  nur  aus  der  Correctur  des  Schreibfehlers  iKniöexa  entstanden  sei. 
I,  12,  9,  wo  die  lateinische  Ueberselzung  schon  richtig  gibt:  quod  $i 
aut  elephaniem  vidisset  aut  df  eo  quicquam  audisset^  hat  man  bisher 
das  verkehrte  d^eaaa(i6%'og  de  nal  Ttenvafiivog  beibehalten.  Beide  Par- 
tikeln müfseu  auch  sonst  ihre  Stelle  wechseln.  So  ist  II,  29,  5  nkov- 
Tov  di  rj  öwafieaig  nicht  im  Sinne  des  Schriftstellers,  der  dort  Reich- 
thum  und  Macht  als  verbunden  betrachtet;  VII,  8,  4  MaMÖoatv  ij 
azqaxiä  x^  ZvQ(ov  ein  schiefer  Ausdruck,  da  die  Achaeer  nicht  ein 
oder  das  andere  Heer,  sondern  beide  bekämpften;  V,  27,  12  dagegen 
ist  T£r;^o^  iq  noktg  zu  lesen ,  wo  eine  Festung  von  einer  Stadt  unter- 
schieden werden  soll.  Aus  demselben  Grund  möchten  wir  Vll,  14,  6 
ßaadice  ^  itohv^  wo  xa/ noch  nicht  beanstandet  worden  ist,  verlan- 
gen. Wie  mit  i]  konnte  xcy/  auch  mit  9/  und  t^  verwechselt  werden : 
jenes  ist  VIII,  6,  4  der  Fall,  wo  zur  Unterscheidung  der  zwei  andern 
Wege,  die  aus  Argolis  nach  Arkadien  führen,  nqog  (ihv'Tsiav  ^  vffip 
10  OQOg  xb  üctq^iviov  %xL  gelesen  werden  mufs;  dieses  VI,  13,2. 
Hier  ist  das  sonderbare  ctvu%Eixat  öl  xi]  iv  ^Okvimla  xal  axtilii  daraus 
zu  erklären,  dafs  Corruptel  und  Correctur  derselben  verbunden  sind; 
vielleicht  stand  ursprünglich  das  xaC  über  xjj;  die  Ausgaben  verdun- 
keln die  eigentliche  Beschaffenheit  der  Stelle  durch  die  scheinbar 
leichte  Aenderung  «.  de  iv  xy  'OA.  xai  axi/jlri;  man  erinnerte  sich  nicht 
an  III,  14,  3,  wo  ein  ähnliches  Denkmal  des  Chionis  beschrieben 
wird;  auf  dieses  weist  eben  Pausanias  hier  zurück,  mufs  also  sagen, 
wie  jetzt  erst  S.  ihm  zurückgegeben  hat:  avdxeixai.  6h  xal  iv  'O. 
axfiXri.  Das  iv  xfj  Okv^ntla  verslöfst  gegen  den  Usus  des  Periegeten. 
An  der  Richtigkeit  der  Veränderung  von  xai  in  o  III,  2,  4  erlauben 
wir  uns  noch  zu  zweifeln ,  es  könnte  ein  freierer  Gebrauch  der  Par- 
tikel hier  stattfinden ;  nicht  aber  an  derselben  in  IV,  34,  4,  wo  gegen 
X^aqiov  o  Ivovg  isgbv  elvai  vofAl^ovCiv  statt  %,  xal '/.  L  €.  v.  nichts  ein- 
zuwenden ist;  eine  Verwechslung  von  i]v  mit  xai  ist  vielleicht  mit  mehr 
Recht  VIII,  9,  9  vor  Mavxiveig  anzunehmen  als  rathsam  das  xal^  wie 
S.  will,  zu  streichen.  Einige  andere  Fälle,  in  welchen  Ref.  den  Aen- 
derungen  oder  Vorschlägen ,  welche  S.  auf  diesem  Feld  gemacht  hat, 
nicht  beistimmen  kann,  sind  V,  23,  3:  dort  mufs  man  wohl  eher  r^ 
mit  Bezug  auf  Nixonolecog  als  xov  mit  Bezug  auf  avvoixtCfiov  ein- 


J.  H.  C.  Sohabart:  Paasaniae  deacriptio  Graeciae.  Vol.  I  et  II.    417 

schieben;  IV,  8,  11  würden  wir  lieber  afKjpotiifo^g  stehen  lafben,  aber 
fjymvlieto  schreiben;  VII,  16,  2  möchte  avxciv  für  cevxotg  zo  schrei- 
ben, das  von  S.  getilgte  xotg  nach  initld'evtat,  wieder  herzustellen 
sein.  V,  7,  1  soll  für  naQoc  öh  ravta  mit  Beziehung  auf  den  Tempel 
des  Asklepios  n.  ö^  xovro  gelesen  werden,  aber  es  ist  natürlicher, 
dafs  P.  von  der  ganzen  Stadt  Gortyna  als  von  jenem  einzelnen  Heilig- 
thom  spricht,  also  erscheint  n,  öri  xoevtriv  richtiger.  Die  Bedenklich- 
keit hinsichtlich  des  Gebrauchs  von  xcrra  V,  7,  3,  welches  S.  deshalb 
mit  dia  zu  vertauschen  räth ,  fallt  weg  durch  Vergleichung  von  X,  5, 
10  iuxxa  xovxo  ovv  yBvia^ai  xal  tc5  va^  xovvoficc  im  xov  o^xodofiif- 
actvxog.  VII ,  12,  1  wäre  h  x^g  ßorj^eiag  deutlicher  als  der  blofse  Ge- 
netiv; das  vorhergehende  x^g  ßorfielag  ist  nicht  einzuklammern,  eher 
gienge  aber  xrj  ßorfiela,  II,  34,  4  durfte  &v  nicht  fehlen,  nur  war  es 
nicht  nöthig,  mit  Sri  eine  Aenderung  zu  treffen,  da  die  Partikel  leicht 
nach  nequk^Hv  wegfiel,  man  vgl.  III,  M,  6  noi^  yctQ  dri  loyco  naxi- 
Xmev  av.  Weniger  passt  av  IV,  11,  3  wo  S.  vorschlägt  ^ci^ncc  — 
elxev  av  Sttaaxog  zu  lesen,  die  Art  der  Bewaffnung  (also  nichteine 
öfters  wiederkehrende  Handlung,  welche  eine  besondere  Ursache  hat) 
wird  beschrieben;  man  tilge  lieber  das  aus  axovxta  öh  Ixaarognokla 
heraufgerathene  ^Tucaxog  und  schreibe  flxov.  Sehr  ansprechend  ist 
VII,  18,  10  der  Vorschlag  xB7ifjuxCQa(iai,  für  xexfiai^ovxai ^  odersollen 
wir  glauben,  dafs  sich  die  Patrenser  mit  Untersuchungen  über  das 
Zeitalter  der  Bildhauer  Menaechmos  und  Soidas  beschäftigten  ?  Nicht 
ebenso  leicht  wird  man  dem  selbst  in  den  Text  gebrachten  i^svQla»Biv 
zustimmen ,  welches  nach  iTtoixlöctt  wenigstens  Aorist  werden  mäste ; 
richtiger  hat  aber  Ciavier  i^svQtaüs  (da  iq>alvixo  vorhergeht)  ge- 
schrieben, wo  die  Hss.  i^sv^lcxei  haben.  Im  Augenblick  vermögen 
wir  nicht  zu  uniersuchen,  ob  P.  sonst  ohne  weiteres  von  ^inem  Mo- 
dus zum  andern  überspringt,  wie  III,  13,  5  Jlga^iklrj  fih  öti  nmoiti- 
liiva  iaxlvy  G)g  Eigmctig  sitj  b  Kd^eiog  xai  aifxov  ave^Qiil^axo^ATtok" 
Xmv  (vgl.  dagegen  I,  3,  2),  oder  durch  ava^Qerjjaixo  die  übliche  Con- 
cinnität  herzustellen  ist.  In  der  Behandlung  der  Verba  composita  sind 
wir  mit  S.  nicht  überall  so  einverstanden  wie  VII,  9,  3,  wo  er  iaeX- 
^vrag  für  iiuX&ovxag  setzt;  oder  VI,  4,  1  dasselbe  tür  iX&ovxag; 
ebend.  scheini  aveX&ov^iv  für  a7reX'9'ov(T£v  noch  zweifelhaft;  nach  dem, 
was  S.  selbst  über  P.  Neigung  zu  den  mit  ngo  zusammengesetzten 
Verben  bemerkt,  befremdet  es  etwas  IV,  10,  3  imccQx^^^  an  ^^^  Stelle 
von  TCQoihtaQxovOa  treten  zu  sehen.  An  der  Aufnahme  des  so  natür- 
lichen inr^yiXXovxo  IV,  28,  2,  was  freilich  Vb  allein  bietet  (vgl. 
unter  andern  VII,  11,  6),  scheint  das  zu  grofse  Mislrauen  gegen  diese 
Us.  gehindert  zu  haben.  IV,  10,  1  hat  S.  ivtlqrfto  dem  von  Porson 
empfohlenen  ngiosl^rfro  vorgezogen,  beides  gieng  leicht  in  cnulqrjixo 
*über,  aber  letzteres  ist  dem  Schriftsteller  geläufiger.  VII,  4,  3  wird 
man  gern  dem  für  aveaciacevxo  gesetzten  avB%xri<savxo  zustimmen ,  be- 
sonders da  La  ivt&xriaccvxo  bietet,  und  V,21,  1  l7re|£^xofi/vof^  für 
i7te(^OfAivotg  billigen,  desgleichen  I,  25,  5  iQya  XafinQOxsQa  anoÖH- 
^dfuvog  für  ?.  X,  imdei^diJievog.    Ueber  xov  jttii/  öri  xr^v  XaQvaoia  xa- 


418  J.  H.  C.  Sclitibart:  Pausaniae  descriptio  Graeciae.  Vol.  I  et  I!. 

THQyaafihfOv  billigt  S.  unsere  Ansicht,  er  durfte  daher  die  Praepoai- 
tion  einklammern.  In  BetreiT  vou  II,  4,  wo  man  bei  der  Wiederholung 
i(SnE0av  statt  nqwsmtSfov  erwartet,  liefs  er  sich  vielleicht  durch  die 
Analogie  von  il,  3,  11  und  II,  32,  1  bestimmen;  aber  auch  dort  be- 
stehen wir  auf  ytvofisvov  (nach  Vb)  und  aTCoxaiQttfiivt]^  glauben  auch 
dafs  eine  ahnliche  Rücksicht  IV,  3,  5  für  avaiQeirai  statt  ai(f€itai  ent- 
scheide, und  IV,  14,  3  aus  nqoEiqvizo  6i  abzunehmen  sei,  wie  man  ^eu 
corrupten  Satz  oi  öe  tcjv  ystoQyoviiivcov  xQoq>^v  Cfplatv  initpeqov  ig 
JSTtaQXfiv  navxtav  xa  rifilaea  zu  lesen  habe,  nemlich,  wie  wir  schon 
früher  vorschlugen :  ol  6i  x,  y,  ngoeinov  aq>iaiv  inoq>iqHv  ig  £.  %, 
xa  ij.  Auch  über  nqotjyctyovy  was  in  das  entgegengesetzte  xaxtjyayov 
II,  19,  2  zu  verwandeln  ist,  und  über  Tcqotjxovcav  VI,  20,  16,  wo  fut- 
qtjxovaav  nicht  zu  passen  scheint,  ist  anderswo  schon  die  Rede  gew^ 
sen;  für  iöayccyofiivoig  V,  3,  3  möchte  man  das  siniplex  vorziehen; 
in  demselben  Capitel  durfte  unbedenklich  Bekkcrs  ccnidaxe  aufgenom- 
men und  iqtlrfiiv  geschrieben  werden,  ebenso  auch  rcx  t£  yiq  aus  La. 
Nicht  zu  bezweifeln  ist  S.s  Vorschlag  icxlv  aviitov  X,  30,  3,  wo  die 
IIss.  inavixcDv  haben;  warum  aber  II,  29,  5  avilaßov  befser  sein  soll 
als  aitiXaßoVj  der  eigentliche  Ausdruck  für  die  Wiedererlangung  eines 
lange  entbehrten  Besitzes,  ist  uns  nicht  klar  geworden. 

Allerdings  darf  man  voraussetzen,  dafs  S.  überall  durch  eine 
genaue  Kenntnis  seines  Autors  geleitet  wurde ;  manche  der  oben  ge- 
machten Ausstellungen  waren  vielleicht  unterblieben,  wenn  die  Ein- 
richtung der  Teubnerschen  Ausgaben  eine  ausführlichere  Erörterung 
erlaubt«.  Selten  hat  S.  sich  auf  die  Sonderbarkeiten,  die  bei  P.  vor- 
kommen, in  der  Praefatio  näher  eingelafsen,  wie  zu  III,  21,  5  fuxa  de 
KQoasag  inoxqcntHaiv  ig  öi^tccv —  fj^eig  Alyiag:  hier  glaubte  Sie- 
belis  mit  der  Correctur  anoxQcciteig  das  rechte  zu  treffeu :  ^  se  ipsa 
olTert  legenti  correctio  aytoxqccxulg  ig  di^idv'  sagt  er ;  und  ihm  folgten 
nicht  nur  Bekker  und  Dindorf,  sondern  S.  selbst  in  der  gemeinschaft* 
liehen  Bearbeitung  mit  Walz.  Jetzt  erhalten  wir  den  Aufschlufs:  ^fre- 
quentissima  apud  Pausaniam  sunt  haec  anacolutha,  quum  in  eiusmodi 
elocutionibus  omnes  casus  absolute  ponere  videatur.  Sic  v.  g.  nQaiX- 
^vxi  .  .  .  ovo^cL^Qvai  3,  20,  2;  htctvBl^ovxiov  .  .  .  r^^Big  2,  25,  9; 
nqoik^vxfov . . .  iq>t^'\^  8,  20,  1 ;  öucßavxaw . . .  iaxiv  3,  25,  1 ;  iovxi. .  • 
ngosk&ovxi . . .  ayu  8,  13,  4;  oöevaavxi, . .  .  orlfH  5,  6,  4;  iovxi . . .  CS 
ixdi^txm  8,  28,  1';  so  dafs  diese  locales  bezeichnenden  Participiea 
geradezu  wie  Adverbien  behandelt  werden.  Zu  VIII,  24,  7  macht  S. 
auf  die  Neigung  des  P.  zu  partitivcr  Fafsung,  wie  ig  xoöovxov  v^ovg 
aufmerksam,  welche  auch  VII,  15,  3  (ig  xoaovxo  ösificcxog)  und  VII,  8, 
4  (ig  ^Xeioxov  fOfioxtixog)  berücksichtigt  werden  muste ;  sonst  las  man 
vtlfog  ig  xovxo  und  ig  Ttkeiaxriv  (Ofioxfjxa,  Anderes  ist  kürzer  ange- 
deutet, wie  z.  B.  dafs  P.  bei  zusammengesetzten  Zahlen  immer  die* 
kürzere  vorausschickt,  weshalb  IX,  30,  8  nivxB  %al  ißöofiriKOvxa  cor- 
rigiert  werden  muste;  und  überhaupt  die  ihm  eigenthümliche  Phra- 
seologie, z.  B.  sagt  P.  immer  inl  navxi^  nicht  wie  Bekker  III ,  1,9 
wollte  inhtavj  nie  xaxa  xi  di/,  sondern  ncexic  di}  ri,  vgl.  I,  44,  1  und 


J.  H.  C.  Scbubart:  Pousaniae  descriptio  Graeciao.  Vol.  I  et  II.  419 

13;  stets  ivavzlcc  tdoiSsa^cei  und  dgl. ,  wogegen  III,  5,  4  r«  ivavzla 
verstörst;  diese  Redensart  regiert  überall  den  blofsen  Genetiv,  auch 
VII,  9,  7,  wo  inl  xa  vor  Oikinnov  zu  tilgen  war.  Das  Weglafsen 
von  6  ^ih  in  £inlheilungssatzen  findet  oft  statt,  z.  B.  VllI,  !2I,  2,  von 
welcher  Stelle  S.  xo  Öi^A6%hjxiov  für  x6  xe'A.^  wie  Ref.  angab,  ge- 
schrieben hat,  und  I,  24,  7:  hier  mufs  vor  NUriv  —  m}X^v  hinzuge- 
dacht werden  iv  x^  ^iv  oder  iv  xy  (lev  öe^ta.  Was  S.  daselbst  be- 
merkt: ^eodem  fere  redit  Kayseri  restitutio  xai  Mjm^  o0ov  xs  xsaad- 
(Hxw  TVfixavj  iv  de  xfi  axiga  xbiqI  öoqv  l%£i;  eiusdem  vero  neque  ratio- 
nem  neque  interprelationem  probo'  ist  uns  räthselhaft,  da  nur  eine 
Interpretation  möglich  ist;  Mxy/  statt  Nl%riv  ist  blofser  Schreibfehler, 
der  allerdings  nicht  aus  M.  G.  A.  1847  S.  324  in  Z.  f.  AW.  1848  S. 
502  übergehen  durfte;  die  ganze  Auseinandersetzung  S.  324  zeigt, 
dafs  wir  keinen  Grund  hatten,  den  Casus  zu  «andern  *).  VII,  21,  10 
hat  man  xo  fiiv  yoT^A^soag  zu  supplieren,  beide  daselbst  besprochene 
Statuen  des  Ares  und  Apollon  sind  von  Erz,  ihnen  wird  das  theils 
steinerne  theils  hölzerne  Bild  der  Aphrodite  entgegengesetzt,  daher 
mufs,  um  Ausdeutung  zu  verhüten,  ^Atpgoölxy  di  mit  Weglafsung  von 
xal  folgen.  Wollte  man  mit  Curtius  Pel.  I,  464  nach  "Agsiog  interpun- 
gieren  und  darauf  xd  öh  ^AnoXltovog  nal ''Aq>Qoölxi]g ,  ^g  xtI.  schrei- 
ben, so  würde  die  Undeutlichkeit  der  Beschreibung  noch  gröfser  wen- 
den. Dieselbe  Ellipse  glaubt  Ref.  in  I,  28,  9  zu  erkennen,  wo  der 
Text  jetzt  so  lautet:  OTCoaa  öe  iitl  xotg  tpoviMv  iaxiv,  ükXa  xal  ijtl 
IIockXaölG}  xaXovat  xai  xoig  aTtOKxelvccaiv  aTiOvaloDg  nqlctg  Ka^i(Sxrj7i€. 
K.  Fr.  Hermann  im  Philol.  III,  518  vermuthet  6.  öa  L  t.  (p.  iaxiVj 
nQmov  (liv  xo  inl  11,  x. ,  ov  x.  ä.  a.  x.  x. ,  Schubart  6.  öi  i.  x,  90- 
vsv<Siv,  ioxiv  ccXlct-  xai  ijcl  II.  nalovfiivG}  x,  a.  ä,  x.  x.  Dann  hätte 
das  clXIcc  den  Sinn,  der  sich  eigentlich  von  selbst  ergibt,  und  der 
auch  bereits  in  der  adversativen  Wendung  onoaa  de  liegt,  dafs  die 
folgenden  Gerichtshöfe  als  für  Blutklagen  bestimmt  von  den  vorher- 
gehenden zu  unterscheiden  seien.  aXkcc  geht  aber  darauf,  dafs. der 
Areopag  schon  oben  als  höchster  peinlicher  Gerichtshof  erw  ahnt  worden 
ist  (<J^.  5);  demnach  wäre  nur  das  erste  xai  zu  streichen,  das  zweite  in 
ein  localcs  Adverbium  (ov,  Tva,  IWcy)  zu  verwandeln;  durch  ein  vor 
inl  Ilakkaöla}  eingeschobenes  xovxtov  würde  indes  die  Construction 
fliefsender  werden.  Eigenthümlich  ist  dem  P.  der  Wechsel  der  Casus 
bei  gleicher  Rection :  VII,  24,  2  möchte  man  darum ,  da  hier  alle  llss. 
KoQTj  haben,  auch  in  vorliegender  Ausgabe  um  so  eher  den  Dativ 
(statt  des  Genetivs)  erwarten,  als  noch'OfiayvQltp  AU  folgt,  so  dafs 
dann  den  zwei  vorausgehenden  Genetiven  zwei  Dative  gegenüber  trä- 
ten. I,  17,  2  könnte  es  scheinen  als  sei  dasselbe  beabsichtigt  in  der 
Zusammenstellung  n£noh]xai  6i  G(piOiv  o  noksfiog  ovxog  xal  T17  'Aktiva 
l»i  xjj  ianCöt  xai  xov  'Okv(inlov  Atog  inl  xa  ßdd'Qfp,  und  xijg  ^A^^}}- 


♦)  Aehnlich  ist  der  Fall  T,  33,  7,  ^^o  unsere  Correctnr  ot  de  vcxf- 
Qov  die  Voraussetzung,  dafs  wir  auch  firjdi  wollten,  notliwcndig  ein- 
schliefst. 


420  J.  H.  C.  Schubart:  Pausaniae  descriptio  Graeciae.   Vol.  I  et  II. 

vag,  was  wir  einst  vorzogen,  trägt  wohl  zur  Deutlichkeit  bei,  ist 
aber  nicht  absolut  nothweudig.  Gelegentlich  bemerkt,  hat  es  uns  be- 
fremdet, in  der  Praefatio  p.  VI  zu  lesen:  ^quomodo  in  hac  descriptione 
Pausaniam  erroris  reum  agere  potuerint  interpretes  haud  satis  possum 
mirari ;  xov  ^OXvfinCov  Jiog  referendum  esse  non  ad  templum  qaod 
Olympiae,  sed  ad  id  qnod  Athcnis  erat  (v.  c.  18,  6),  manifesto  demon> 
strat  additum  aq>laiv  in  ittJtoLritai  di  a<pt0iv, '  Denn  vom  ßa&Qov  des 
erst  von  Hadrian  aufgestellten  Zeus  Olympios  zu  Athen  meldet  P. 
nichts,  wohl  aber  von  dem  im  Tempel  zu  Olympia,  vgl.  V,  11,7, 
wenn  auch  hier  eine  kleine  Verwechslung  des  vm^ti^a  unter  den 
Füfsen  des  Gottes  mit  dem  ßa^QOv  (§.  8)  unterläuft;  atpla^v  aber  ist 
mit  nokaiiog,  nicht  mit  7tenoup:at  zu  verbinden.  Uebrigens  muste  P., 
wenn  er  in  seiner  gewohnten  Weise  sich  ausdrückte,  xov  iv^Okvfinie^ 
Jiog  schreiben.  Zweifelhaft  wenigstens  scheint  die  Richtigkeit  der 
Verbindung  ta  KccruXsyiiiva  (iol  (VI,  5,  7)  von  Citaten,  vgl.  VIII,  13, 
6;  VIII,  37,  2;  in  VII,  8,  2  ist  es  auffallend,  k6q>oig  dem  iv  Kvvog 
naXov^ivaig  so  nachgeschickt  zu  linden,  und  die  Nothwendigkeit, 
dafs  dem  akka  eine  negative  nähere  Bezeichnung  von  rjtTOv  tjviyKcno 
vorausgehe,  wie  das  beispielweise  vorgeschlagene  ovx  aJijAcog,  wird 
man  nicht  bestreiten  können;  IX,  11,  6  glaubt  S.,  dafs  das  corrupte 
Ttokoaaov  inl  kl^ov  tovtov  (oder  xvtcov)  xov  IlBvxikr^oiv  aus  dem 
einfachen  nokocaovg  U&ov  xov  Tl.  entstanden  sei ,  doch  erklärt  sich 
die  Verderbnis  eher  aus  dem  sonst  (I,  19;  V,  6,  6;  X,  33,  4)  nach- 
weislichen Ausdruck  kt^oxo^ia  ij  IlBvxikriiSi.  Das  von  religiösen  Ge- 
bräuchen oft  angewandte  xa^iax7}%ev  bringt  S.  für  naxa  xavxd  11,  10, 
4  in  Vorschlag,  es  passl  aber  nur  auf  das  TtQoOBvxea^ai ^  nicht  ebenso 
auf  das  ogäv  cktco  xrjg  iaoöov  xrjv  ^bov;  hier  wird  nichts  zu  ändern, 
blofs  ein  S<Sxi,v  einzuschieben  sein,  vgl.  III,  20,  4.  Für  I,  9,  3  Bsge- 
vUjjv  Sd^rjKav  statt  ivi^iinav  ist  uns  keine  Parallele  vorgekommen. 
Ein  Zeugma  mfiste  V,  6,  5  angenommen  werden,  wenn  der  Satz  rifiC- 
vog  XB  [xal]  Ugov  nccl  vaov  ^Agxi^tdi,  ^xoöofiriacexo  ^EcpBOla  richtig 
wäre;  statt  indes  xa/  zu  streichen,  betrachten  wir  es  lieber  nebst  dem 
Ibqov  als  verdorben  aus  xa^ifpoxTf.  IV,  33,  2  verdiente  das  schon  in 
SW  angerathene  roa  oqBt  xfj  I&cofiri  eine  Aufnahme  in  den  Text;  in 
V,  11,  2  hat  S.s  Vermuthung  xa^i^^isvog  iaxt  xQ^^ov,  ;u^<yot;  dh  xal 
xa  VTtoöiliuccca  Brunns  Beifall  erhalleu  (Gesch.  der  gr.  Künstler  1, 169); 
das  so  weggelafsene  6  ccBxog  dürfte  aber  seine  rechte  Stelle  nach  6  öi 
OQvtg  finden,  wie  man  V,  22,  4  von  einem  andern  Zeus  liest  asxov 
lX(ov  xou  OQvt&a.  Das  XQ^^^  ^^  bezieht  man  passender  auf  den  er- 
sten Satz  des  Capitels  xai^B^sxai,  —  ikifpavxog  zurück:  er  selbst  ist 
von  Gold  und  Elfenbein,  von  Gold  sind  auch  die  Schuhe  und  das 
Gewand. 

Ein  wesentlicher  Vorzug  der  neuen  Bearbeitung  liegt  in  der  grö- 
fsern  Strenge,  mit  der  S.  auf  die  nicht  seltenen  Allotria  geachtet  hat, 
die  man  ehedem  entweder  uicht  gewahr  wurde  oder  dem  zu  Digres- 
sionen  immer  aufgelegten  Schriftsteller  glaubte  zutrauen  zu  können. 
Aber  Zusätze  wie  II,  1,  8;  IV,  35,  4j  IV,  36,  6;  V,  5,  3;  V,  12,  2  u. 


J.  H.  C.  Schubart:  Pansaniac  descriplio  Giaceiae.   Vol.  I  et  II.  421 

3;  V,  21,  9;  VIII,  29,  2;  X,  19, 2;  X,  29,  2  sind  zu  störend,  Iheils  aacli 
£u  albern  und  abgeschmackt,  als  dars  man  zugeben  dürfte,  Pausanias 
habe  irgend  einen  Anlafs  gehabt,  damit  seine  Erzählung  zu  versehen. 
Mit  Recht  urlheilt  S.  von  der  letzten  Stelle  (X,  29,  2):  '  verba  Ökvov 
d'  ovv —  xol  ot;rog  adeo  sunt  inepla,  ut  ne  ab  insulsissimo  quidem 
Bcriptore  sie  potuerint  iustae  descriptioni  obtrudi',  und  von  V,  21,  9 
*  verba  ^Ake^avÖQsiccg  —  usque  'Paamtv  quam  sint  inepta  dici  non 
potest.'  Hier  wird  der  Bericht  über  die  Athleten ,  welche  als  Pankra- 
tiasten  und  Ringer  in  Olympia  gesiegt  haben,  durch  die  Bemerkung 
unterbrochen,  dafs  Alexander  Gründer  von  Alexandria  sei,  welches 
indes  schon  früher  als  kleine  Stadt  mit  Namen  Rhakotis  bestanden 
habe,  blofs  weil  einer  dieser  Athleten,  Slraton,  aus  Alexandria  ge- 
bürtig war.  Einer  oben  nicht  angeführten  Note  gleichen  Schlags  über 
die  arkadischen  Eichen  VIII,  12,  1  will  S.  dadurch  helfen,  dafs  er  iht 
einen  Platz  hinter  ÖQvav  in  VIII,  11,  1  anweist,  aber  auch  dort  unter- 
bricht sie  in  anslöfsiger  Weise  den  Gang  der  Rcisebcschrcibung.  Sehr 
gut  ist  diese  Operation  V,  21,  8  gelungen,  wo  ottiveg —  i^tjyijrag 
durch  §.  9  widerlegt  wird,  aber  die  Namen  der  Gegner  des  Kallippos 
$.  5  waren  dem  P.  unbekannt  geblieben ,  also  gehört  der  Satz  nach 
vTto  ^HXeIiov  ebend.  Den  Obelos  scheint  auch  noch  die  Explication 
Ober  die  Bedeutung  von  Augustus  zu  verdienen:  ro  6s  ovoiia  slvcti 
TOVTOo  AvyovöTog,  o  xara  ykmaaap  dvvaTcci  tj]v  Elkrjvav  aßaarog 
(III,  II,  4),  wobei  die  Mühe  der  Construction  eine  leidlichere  Form 
zu  geben  nur  verschwendet  ist.  Dagegen  lufst  sich  vielleicht  V,  6,  1 
(mit  Ausnahme  von  den  Worten  ry  Zafiix^)  halten;  diese  Ansicht 
iheilt  unter  anderen  Be inert  in  seiner  dem  Programm  des  Breslauer 
Gymn.  zu  St.  Maria  Magdalena  1853  beigegebenen  Dispulatio  de  locis 
quibusdam  ex  Pausaniae  Eliacis  prioribus  p.  8.  Weniger  ungehörige 
Anmerkung  als  Häufung  unnützer  Worte  finden  wir  V,  20,  3,  worüber 
S.  sagt:  ^ locus  non  medicina  sed  ferro  sanandus;  si  ijv  6h  xcckovöLv 
usque  ad  Söti  (liv  et  6i  post  teOCa^sg  includimus,  recte  procedit  ora- 
tio. Sed  manum  violentam  abstineo.'  Vielleicht  bedarf  es  keiner  so 
starken  Cur,  wenn  man  xal  und  das  zweite  xalovaiv  tilgt,  dal  schreibt 
und  6i  nach  tsaaaQeg  weglüfst. 

Auch  einige  Glosseme  hat  S.  nachgewiesen,  wie  III,  20,  4,  wo 
vo^ltovrag  ungrammatisch  durch  ^vnv  erklärt  wird;  VII,  4,  3,  wo  iv 
ty  üdfiGi  neben  6L€tßctvxsg  weder  richtig  construiert  noch  für  den 
Zusammenhang  notliwendig  ist;  VII,  7,  5  hatte  Clavier  Recht  ro  (paQ- 
ftaxa  als  unecht  zu  erkennen ,  und  S.  ist  ihm  wenigstens  in  der  Prae- 
fatio  gefolgt,  im  Text  sind  die  Klammern  wohl  durch  ein  Verschen 
weggeblieben,  wie  VII,  8,  7  gleichfalls  durch  ein  Versehen  gesetzt 
worden,  wo  wir  ctvxog  ovzog  OiXimtog  einst  als  störendes  Einschieb- 
sel verwarfen;  S.  will  wenigstens  uvxog  in  der  Vorrede  retten,  *quod 
cum  vi  quadam  positum  est;  recte,  nam  dextrum  cornu,  cui  praeeral 
Philippus,  bene  rem  gessil',  aber  diese  Andeutung  wäre  zu  kurz  ge- 
fafst  und  der  Gedanke  der  Stelle  verträgt  die  Erwähnung  eines  sol- 
chen Nebenumstandes  nicht.  IV,  9,  5  ist  iv  tovtgi  blofse  Variation  des 


422  J.  H.  C.  Schubart:  Pausaniae  descriptio  Graeciae.   Vol.  I  et  II. 

gleich  folgenden  iv  Toawd«,  vgl.  Z.  f.  AW.  1848  S.  1081,  wo  auch 
ovx  oXa  TS  für  ovtwvv  ota  tb  vorgeschlagen  wurde.  Achnlich  hat  man 
TO  IhvxQOv  VIII,  14,  3  als  nähere  Bestimmung  des  allgemeinen  fo 
iqyov  anzusehen,  und,  wie  Trüher  Ref.  bemerkte,  VII,  11,  3  w?  nUl- 
(Sxag  als  unnütze  Paraphrase  neben  onoaccg  eatlv  olog  re.  In  der  Be- 
urtheilung  von  VlII,  20,  2  mag  S.  noch  nicht  zugeben,  dafs  xav  koyov 
6h  xov  ig  Jccg)vi]v  Dilogie  ist  neben  nal  xa  aöo^evcc  ig  xr^v  ^tdtpvrft*^ 
>^'elche  Worte  sich  ungezwungen  und  ohne  dafs  man  einen  Ausfall 
anzunehmen  braucht  mit  xa  fiiv  Zfvqoig  (für  UvQlag)  xolg  olnovaiv 
STtl  ^Oqovxri  verbindeu;  er  will  lieber  Ja(pvrjg  re  sivexa  streichen, 
aber  nur  xe  ist  ungehörig.  Auch  II,  27,  1  ist  xov  avxov  vofiov  neben 
xaOa  ganz  überflüfsig  und  es  bedarf  der  von  S.  proponierten  Aende- 
rung  in  xo  avxo  vofil^ovai  schwerlich.  V,  7,  2  will  Beinert  1.  c.  p.  10 
trus  ig  xt^v  ÖQxvylav  machen  iaxiv  ov^vyiäy  uns  scheint  damit  nur 
TtQOg  xriv  Ttrjyriv  erklärt  zu  werden,  übrigens  kommen  wir  unten  auf 
die  Stelle  zurück. 

Von  den  Glossen  hat  man  die  absichtlichen  Appositionen  zu  un- 
terscheiden, dergleichen  das  schon  früher  berührte  ivxav&a  iv  rfj 
XcciQcovslcc  IX,  41,  7;  die  Vermuthung  VI,  3,  9  habe  P.  ivxav&cc  iv 
^OkvfinCcc  geschrieben,  macht  wohl  eine  Versetzung  nöthig;  aber  das 
von  S\V  und  Dindorf  gebilligte  Ttsvxdd^XG)^  wenn  auch  ^proxime  ad 
literas  accedens',  nöthigt  die  höchst  auffallende  Verbindung  des  quin- 
quertium  und  pancratium  anzunehmen,  welche  der  Schriftsteller  als 
Merkwürdigkeit  zu  bezeichnen  nicht  unterlafscn  konnte.  Analog  mit 
dieser  Epexegese  des  Adverbiums  ist  III,  21,  4  iitl  ^dXaaadv  xe  ig 
Fv^iov^  wo  S.  mit  xal  vor  ig  F,  die  Phrase  richtig  ergänzt.  Unge- 
achtet des  Ausspruchs  von  demselben  über  IV,  4,  5  ig  xavxtjv  Fakd- 
xag  iXcevvovüiv  dnb  Oakdxxrjg:  ^nondum  restitutus  est  locus'  wa- 
gen wir  doch  noch  einmal  ivxev^ev  zu  empfehlen.  Von  der  Rich- 
tigkeit des  o<Sci  fiev  ig  igya  kccI  dvSQmv  XQelag  (für  xetgag)^  auf  wel- 
ches auch  Emperius  gefallen  war,  ist  S.  ganz  überzeugt,  aber  Sätze 
wie  VIII,  31,  6  ^Ag)QOÖlxtig  ye  i'vexa  xctl  Igyciiv  tc5v  ravxj]g  ♦),  VII,  18, 
1  onoaoidi  ig'HQaKkia  xaJ  xd  l^ya  avxov  nenoi'qxaatVj  welche  zwar 
nicht  dieselbe  Tautologie  aber  eine  ahnliche  enthalten,  dürften  um  so 
mehr  für  die  Vulgata  sprechen,  als  dvÖQoiv  statt  dv&Qcinoyv  neben 
XQslag  sonderbar  lautet  und  XQ^'^^''  selbst  bei  P.  sonst  nicht  vorzu- 
kommen scheint.  V,  9,  2  können  die  Reiter  der  xdkTCi],  welche  mit 
den  dvaßdtai  zu  P.  Zeit  theilwcise  Aehnlichkeit  haben  sollen,  aber 
auch  in  mancher  Hinsicht  von  ihnen  verschieden  sind,  nicht  auch  die- 
sen Namen  tragen,  also  ist  das  erste  ot  dvaßdxai  zu  streichen.  X,  I, 
9  ist  ovK  iv  ßißalo)  neben  aakivovCav  überflüfsig,  wohl  auch  VIII, 
48,  3  avBv  xcov  dvÖQWV  neben  Idia  und  VIII,  52,  5  iv  Üigaaigj  wo 
sich  von  selbst  versteht,  dafs  die  Söldner  in  persischem  Dienst  stan- 


^)  Am  Schluffl  dieser  Periode  hat  Dindorfs  ig  66Xovg  mit  Unrecht 
Schubarts  Beifall  erhalten;   die  koyoi  stehen  den  inizBxvijaeig  =  ^Qya 


entgegen 


J.  H.  C.  Schubarl:  Pausaniae  dcscriptio  Gracciae.  Vol.  I  cl  II.   423 

den,  Qberdies  aus  xara/Savrag 'genugsam  hervorgeht;  IV,  31,  5  wo  S. 
BattyiKov  ro  in£g)^sy^ia  {votlesen  will  für  B.  t*  i.  f.,  scheint  uns  ri 
ans  €0tt  verkürzt,  und  svdaavrog  aus  dnovxog  verdorben,  jenes  Bctx- 
IfjLKOv  iartv  inlq>^£yfici  svot  aber  nur  zur  Erklärung  von  evaaavrog 
beigefügt.  In  dem  Satz  I,  1,  4  ßtofiol  6i  Oecoi/  te  6vo(Aa^oiiivcov  ayvd- 
axfov  xorl  ^90)0)1/  xa2  nalSiov  rov  SrjaeoDg  xal  ^aXrjQOv  halt  S.  das 
aal  vor  naiöoDV  für  eingeschoben;  sollte  nicht  eher  %ai  tjQcioyv  hus 
einem  unrichtigen  Streben  nach  Deutlichkeit  hervorgegangen  sein,  in- 
dem man  für  die  Söhne  des  Theseus  die  Berechtigung  zur  Ehre  des 
Altars  hinzuzufügen  nöthig  fand,  dadurch  aber  gerade  die  schiefe  Be- 
ziehung von  ayvoiatav  zu  f]Qci<av  möglich  machte? 

Bei  weitem  schlimmer  und  hänüger  hat  der  Text  des  P.  durch 
Ausfalle  gelitten.  Durch  das  Fehlen  eines  \Vortes  schon  kann  der 
Sinn  einer  Stelle  total  alteriert  werden  oder  die  Construction  sich 
verwirren;  wie  I,  18,  6,  wenn  man  yag  nach  ^Ad^iavog  wegläfsl;  V,  8, 
6,  wo  t^v  vor  £7tl  raig  'Okvfinidai  treten  mufs;  V,  13,  4,  wo  avrotg 
keine  Beziehung  hat,  wenn  nicht "ElX7]aiv  vorhergeht;  in  demselben 
$.  leitet  aal  rj  vavg  auf  die  nothwendige  Ergänzung  und  Correctur 
ovTcoiv  T£  anoXXvvraL  nokXoi^  vulgo  liest  man  blofs  dnoXkvrai.  Un> 
entbehrlich  ist  VII,  5,  11  ymI  vor  Kkaloiietnoig ^  wie  bereits  Korai  er- 
kannte. Dafs  I,  18,  9  P.  crottl  fxcrrdv  HCl  xiovcdv  geschrieben  habe, 
scheint  S.  nicht  glauben  zu  wollen,  obwohl  das  gleich  folgende  rciig 
Ctocctg  zu  dieser  Vermuthung  nölhigt.  1,  28,  2  schlägt  S.  für  rrjv  inl 
%fjg  danldogy  was  zu  der  Ergänzung  (ni%7jv  nothwendig  führt,  rd  i. 
T.  d,  vor;  aber  ro;  Actniiymv  ngog  KsvxavQovg  ist  der  Diction  des 
Schriftstellers  fremd.  S.  hat  übrigens  (i(ixy]v  iu  Parenthese  beigefügt. 
Mehrmals  haben  wir  bemerkt,  dafs  er  lieber  eine  Corruption  als  eine 
Lücke  annimmt;  so  I,  13,  5,  wo  er  der  von  andern  verlangten  Ein- 
reihung des  og  nach  Kksciwfjiog  dadurch  auszuweichen  sucht,  dafs  er 
7i€nB0ri]  macht  aus  Ttareaz^aav;  so  hebt  er  die  Relativität,  welche 
nothwendig  ausgedrückt  werden  muste,  auf,  indem  jetzt  nur  Arcus 
als  €g  a(iq>iaßrjti]aiv  Karccarag  tvsqI  rijg  ccQ%fjg  erscheint.  Eine  Verglei- 
chung  mit  III,  6,  2  lg  avttXoyiav  €cq)Uovxo  vnsQ  xrig  ßaaiXelag  KXsd- 
Wfiog  rs  6  KXiOfisvovg  xal'AQBvg  o^AnQordxov  konnte  zeigen,  dafs 
auch  hier  beide  verbunden  werden  musten,  ferner  dafs  sowohl  der 
Zusatz  6  KXsoiiivovg  als  die  Angabe  von  dem  für  Kleonymos  ungün- 
stigen Ausspruch  der  Gerusie  hier  nicht  fehlen  könne,  mithin  ein  Satz 
nebst  0  KXsofJiivovg  ausgefallen  sei,  der  etwa  so  lautete  og  vnb  rcov 
ysQOitoiv  d7C£?M^elg  tijg  ßaOiXelag  r,xi.  111,  12,  2  schliefst  S.  xa/  vor 
0)^  yvvcduci  xxs.  ein;  eher  darf  man  die  Partikel  als  Spur  eines  Ver- 
lostes betrachten ,  denn  mit  xcri  d)g  pflegt  P.  eine  näher  eingehende 
Erörterung  zu  beginnen,  nachdem  die  allgemeine  Andeutung  voraus- 
gegangen ist,  welche  hier  mit  den  Worten  fifra  yciQ  xo  x6XfAfi(ta  xov- 
xdov  xo  lg  xovg  dvBfptovg  gegeben  werden  konnte.  VII,  14,  6  erwartet 
man,  dafs  zu  ßaaiXia  oder  mXiv  ein  Praedicat  wie  dvvctxov  trete,  da 
sonst  der  HauptbegrifT  in  der  Sentenz  fehlt.  Zu  Vif,  26,  10  bemerkt 
S. :    *  mendam  latet  in  vcrbis  ovdh  del  (OMito  xal  ^Imv&v  Ixi  ipiTcoi/ 


424  J.  H.  C.  Schubart:  Pausaniae  descriptio  Graeciae.  Vol.  I  et  II. 

Ti^v  yijv;  scripscrim  equidem  o  de  ael  oaxfiro.'  Abermals  sacht  er 
eine  dem  Buchslaben  nach  leichte  Aenderung  auf,  welche  jedoch  eine 
grofse  Ilürte  in  der  Construction  verursacht,  wo  unseres  Erachtens 
nur  das  stärkere  Mittel  helfen  kann:  vor  dem  widersinnigen  ovSi  feh- 
len drei  Silben,  und  der  Satz  ist  im  reinen,  wenn  man  in  TtaXaiov  6i 
schreibt,  vgl.  IX,  35,  2.  Gelegendich  sei  bemerkt,  dafs  aus  dieser 
Stelle  oben  VII,  26,  2  zu  berichtigen  ist,  wo  man  lieber  ixt  ixovtmv 
xriv  yijv  als  einfach  mit  S.  ht  olxovvrcov  für  eTCotxovviwv  lesen  wird. 
Dieselbe  Heilung  verlangt  wohl  V,  7,  2  tavia  filv  koyov  tov  ig^Ak- 
(psiov  ig  xfiv  ^ÖQXvylav  xo  dl  dtcc  xrjg  ^cckdaarig  iovxa  ivxav^a  cJva- 
Tioivova^ai  xo  vöcoQ  nqog  xriv  Tttjyriv  ovk  laxiv  07t(Qg  airtCxriöca  %xb. 
Wir  haben  schon  oben  erwöhnt,  dafs  Beinert  für  lg  xriv^O.  corrigiert 
icxiv  ov%  vytä^  worauf  auch  Amasarus  gefallen  sein  mag,  wenn  er 
übersetzte:  quae  omnia  fabulose  diclo  facile  videri possunt.  B.  über- 
sah dabei,  dafs  vor  koyov  der  Artikel  nicht  fehlen  darf;  für  den  Aus- 
druck ov%  v%tä  wünschte  man  einen  Beleg  aus  P. ,  abgesehen  davon 
dafs  dem  ovx  —  otniax^]a(o  genauer  der  Begriff  der  Uuwahrscheinlich- 
keit  entgegengesetzt  wird  als  der  der  Unrichtigkeit.  Jenen  gewinnen 
wir  durch  Annahme  des  Ausfalls  von  ovx  axdra  /not  (pa/vexm  dvai 
xov  vor  koyovj  und  e^  xiiv^Oqxvyiav  macht  keine  Schwierigkeit,  wenn 
man,  wie  oben  geschehen  ist,  darin  eine  Glosse  zu  den  Worten  nqog 
xriv  Tttjyrjv  sieht.  Für  das  hauflg  vorkommende  sUog  bei  P.  bedarf  es 
keines  Nachweises.  Dafs  Porson  VIII ,  10,  9  xo  slxog  nach  Mavxivev- 
civ  einzureihen  gerathen  hat,  muste  von  S.  wenigstens  in  der  Praef. 
angeführt  werden,  da  kaum  etwas  anderes  dort  stehen  kann  und  VIII, 
12,  7  die  vollkommenste  Uebereinstimmung  darbietet.  Wenn  1 ,  29,  7 
S.  nach  IxcitpriiSav  das  di  streicht  und  interpungiert,  statt  dafs  man 
sonst  liest  extiiprjtfav  öi  xal  ot  xekevxi^aavxsg  xrf.,  so  entstehen  zwei 
Abnormitäten :  dafs  der  Plural  ix€cq>t}accv  zunächst  mit  Mskrjöavögog 
verbunden  wird,  und  die  Wiederholung  von  xal  ot^  wo  man  an  der 
ersten  oder  zweiten  Stelle  oi  re  oder  sonst  eine  neue  Wendung  er- 
wartete; diese  fallen  weg  durch  Einschiebung  von  neivxai  nach  doxi- 
(icixcexoL  1,27,  4  befremdet  die  Adjectivform  svrjgsg,  worin  Bekker 
und  Toup  richtiger  ein  Nomen  proprium  erkannten,  so  dafs  Avatfiaxti 
ein  anderes  Bild  war;  diese  als  diccKovog  zu  bezeichnen,  ohne  die 
Person  zn  nennen  welcher  sie  dient,  geht  nicht  an,  man  mufs  wohl 
xal  xrjg  deov  vorausschicken.  Merkwürdig  ist  es  ,  dafs  1 ,  27,  I  keine 
einzige  IIs.  viceöi^ccvxo  hat,  sc.  AaKedattiovioi y  sondern  alle  in  vtcs- 
ds^aro  übereinstimmen ;  bedenkt  man  dazu  die  genaue  Bekanntschaft 
mit  Herodot,  welche  P.  überall  zeigt,  so  wird  es  kaum  denkbar  er- 
scheinen, dafs  er  hier  nicht  den  Aeimnestos  erwähnt  haben  sollte, 
von  welchem  Herodot  IX,  64  spricht:  ano^vi^aKSi  öh  Magöoviog  vno 
^AiifAvrjüxov  avÖQog  iv  JSndqxy  koylfiov;  und  wenn  er  das  that,  muste 
er  zugleich  auch  den  Umstand  bestimmt  hervorheben,  dafs  es  dem  A. 
nicht  gelungen  war  des  Schildes  von  Nardonios  habhaft  zu  werden; 
er  sagte  etwa  ovd^  avxog  vneöi^axo  aQxrjv  (statt  ovd*  Sv  VTKÖi^ctvxo 
dqXi'jv)  und  fuhr  dann  erst  hypothetisch  fort :  auch  hätten  die  Spartaner 


J.  H.  C.  Schubart:  Pausaniao  descriplio  Graeciac.   Vol.  I  et  II.  425 

den  Schild  gewis  nicht  den  Athenern  überlafsen  (naQ^nav  av).  Der 
fiBme^Aeifivfiavov  ^vird  vor  avÖQog  seine  Stelle  gehabt  haben,  wie 
bei  Herodot. 

Unter  den  von  S.  selbst  angegebenen  Ergänzungen  ist  V,  16,  1, 
wo  die  Dimensionen  des  Hcralempcls  in  Olympia  bestimmt  waren,  und 
VIII,  1,  2,  wo  die  Grenzen  von  Elis  und  Triphylien  vulgo  mangelhaft 
bezeichnet  sind,  so  sicher  behandelt,  dafs  man  nicht  daran  zweifeln 
wird.  IX,  19,  8  vermuthet  er  den  Ausfall  von  Iv  öe  to5  vaw  'Anok- 
lavog:  vielleicht  ist  die  Lücke  hier  hinter  Ai^hov  zu  suchen,  wo 
[sQOv^AnokXfovog  den  Namen  Ji^Xiov  erklart,  xal  vor  ^Agre^idog  wird 
dann  darauf  hinweisen,  dafs  auch  Apollou  wie  natürlich  seine  Statue 
hatte.  V,  8,  7  ist  die  von  Krause  zuerst  bemerkte  Lücke  wenigstens 
anerkannt;  was  und  wie  viel  fehlt,  lüfst  S.  wie  gewöhnlich  dahinge- 
stellt. Die  Vergleichung  mit  den  übrigen  Angaben  der  ersten  olym- 
pischen Sieger  jeder  Gattung  zeigt  wenigstens  die  einzelnen  Data, 
die  angeführt  werden  musten;  es  biefs  also  etwa  ty  öe  i^fjg  ['OXv^i- 
niaöi  TCQoaed^eCav  öokt^ov  xaJ  ivlxtfiev  in  ovrco  Aa^BÖcti^oviog] 
lAxavüog.  Dafs  aber  V,  9,  3  S.  die  vielbesprochene  Darstellung  des 
olympischen  Agon  für  vollständig  hält  und  nur  mit  der  Aenderung 
Xommv  statt  titncavj  wobei  noch  dazu  [liv  hinter  nevrccd'kov  stehen 
bleibt,  helfen  zu  können  glaubt,  wird  vielleicht  noch  andern  aufser 
Ref.  aufgefallen  sein.  Desgleichen  ist  bei  II,  35,  4,  wo  der  Gedauko 
einen  Zusatz  wie  öagov  kaßeiv  KUQnov  7]fi6QOv  verlangt;  VlIl,  24,  11, 
wo  für  yiyovB  di  alxiag  xo  AhtoX^v  Sd'vog  nothwcndig  y,  d.  «.  tov  A, 
i^vovg  ^  ccvaßiaaig  gesetzt  werden  mufs,  da  sich  das  gleichfolgcnde 
yByovaai  6h  avzol  re  avaararot  darauf  zurückbezieht;  IX,  2,  5,  über 
welche  Stelle  wir  auf  Rh.  Mus.  N.  F.  V,  356  verweisen ,  nicht  einmal 
der  Ausfall  angedeutet;  VIII,  7,  5  muste  Weiskes  ävÖQu  öe  ayaO^ov 
aufgenommen  werden,  aus  avQctrrjyov  würden  wir,  statt  mit  jenem 
CxqaxiYyov  ye  aya&ov  zu  lesen,  einfacher  azQaxfjyovvza  machen.  VI, 
20^  8  kann  xa^eaxtjxe  zu  iaiivat  nicht  fehlen;  VI,  21,  1  wird  etwas 
wie  Zva  öe^uLXO  zu  xavetv  vermifst;  I,  39,  2  CxQaxevaavxcov  nach  xau 
ig  &^ßagy  da  diese  Ellipse  bei  P.  sonst  nicht  zu  finden  ist;  VII,  17,  2 
möchte  S.  lieber  mit  Sylburg  und  Dindorf  iaivexo^  was  in  der  Ver- 
bindung mit  AaKiöamovlovg  ^EnafieLvcivöccg  aal  6  A%atav  nokeiiog 
fremdartig  sich  ausnimmt,  lesen  und  ist  gegen  das  von  uns  zu  eyivexo 
vorgeschlagene  Supplement  cvyicpo^a  oder  oke^QOV  atxiog :  ^  utrum  sit 
facilius  alii  videant'  liest  man  II  p.  VII  *},  Bei  der  Lückenhaftigkeit 
des  Textes  der  Periegese  und  mit  Berücksichtigung  des  dem  P.  cigcn- 
thfimlichen  Sprachgebrauchs  wird  man  sich  allerdings  leicht  entschei- 
den können.    VII,  23,  3  könnte  eher  darüber  gestritten  werden,  ob 


♦)  In  Beziehung  auf  das  sonst  dort  gegen  Ref.  bemerkte  ist  nur 
lu  crwicdcrn,  dafs  die  Uebertragung  Achacorum  impcrium  surgcre 
eonatur  quasi  e  iruncata  ei  maiori  ex  parte  arida  arbore  und  die 
Verbindung  von  xä  nXeCova  mit  dvceßlaaxccvei  nicht  gut  geheifscn  wer- 
den kann. 

iV.  Juhrb.  f,  Phd.  «.  Patd.  FJ.  LXX.  Il(t.  4  u.  0.  2"^ 


426  J.  H.  C.  Schabart:  Paasaniae  descriptio  Graeciao.  Vol.  T  et  II. 

yccQ  nach  XovofAivotg  einzureihen,  oder  liq^ip/  iQtatog  ylvsa^m  zu  til- 
gen sei.  Auf  die  Ergänzung  von  ig  vor  ikalag  nXavag  V,  11,  1  leitet 
>vicder  der  Usus  des  Schriftstellers,  welcher  fieiiiiirj^ivog  nur  als 
Passivum  kennt.  Gern  wird  man  zustimmen,  wenn  S.  VllI,  3,  7  ^  vor 
i:il  xifiy  T^  K,  anbringt,  da  so  erst  ein  vernunftiger  Gedanke  ent- 
steht; VIU,  32  ist  es  vielleicht  rathsamer  ig  zu  streichen  vor  v<SteQov 
als  ig  TtXiov  zu  schreiben,  da  dieses  schon  in  iiti^sKStv  ausgedrückt  ist. 
VIII,  11,  3  hat  ov  Tcoggoa  dh  0ol^(ovog^  was  Curtius  vorschlägt  Pel.  I, 
270,  gröfsere  Wahrscheinlichkeit  für  sich  als  6  6b  0ol^o)v. 

Einigemal  muston  auch  Versetzungen  vorgenommen  werden.  Eine 
sehr  vorzügliche  Emcndation  dieser  Art  besprachen  wir  schon  oben, 
die  wodurch  V,  21,  8  OLttveg  —  i^rjyriTcig  nach  ^Hkslav  §.  5  einge- 
rückt wird.     Ebenso  einleuchtend  ist  die  Transposilion  der  Worte 
^valaig  re  ccTtOQQfiTOtg  xal  xa&aQiiotg  VII,  18,  7,  welche  nach  §.  8 
hinter  r^^  iiavlag  verpflanzt  werden  müfsen;  desgleichen  die  IX,  3, 14, 
wo  ig  Katnov  nedlov   iXavvowa  (für   ikavvovzi)  nach    OiQaavÖQOv 
die  gehörige  Stelle  findet,  da  Kalnov  TteSiov  keine  Localitat  in  der 
Stadt  Elaca  gewesen  sein  kann;  auch  VII,  10,  5  niuste.  dies  Mittel  an- 
gewandt werden,  wo  sonst  öi  hinter  %dl(ov  statt  hinter  naget  stand, 
und  IV,  31,  wo   bisher  das  xa  vcrkehrlcrweise  auf  Tla^iCov  folgte. 
Ucberraschend  ist  K.  Fr.  Ileruianns  Vorschlag,  I,  24,  3  Ttsnottjvcii  di 
Ticcl  ro  (pvtov  xijg  ilalag  Ad'}jvä  xal  xv/ncr  avaq>atv(ov  TloiSBiöfav  in 
die  Beschreibung  des  westlichen  Giebels  am  Parthenon  (I,  24,  5)  zu 
übertragen;  woraus  hervorgeht,  dafs  Hermann  von  der  Darstellung 
Welckers  (alte  Denkmäler  I,  67  IT.)  hier  nicht  weniger  abweicht  als 
Gerhard  (drei  Vorlesungen,  zu  Taf.  U)  und  Panofka  (Proben  eines 
archaeologischen  Commcntars  zu  Pausanias  S.  50)  in  Betreff  des  öst- 
lichen.   S.  billigt  die  Idee  seines  Freundes  und  fügt  die  freilich  sehr 
allgemeine  Motivierung  hinzu:    ^non   uno  loco  verba,  versus,  sen« 
tentiae  per  iucuriam  omissae  deinceps  margini  adscriptae  in  locum 
ineptum  se  insinuarunt  maximasque  turbas  procrearunt.'    V,  7,  9  will 
er  xov  TOXB  umstellen,  doch  lafst  sich  dagegen  einwenden,  dafs  die 
olympischen  Spiele  zu  verschiedenen  Zeilen  erneuert  wurden,  die  er- 
ste Periode  aber  hier  gemeint  ist,  welche  der  idaeische  Herakles  ge- 
gründet haben  sollte,  indem   er   zugleich  die  Penletcris  festsetzte. 
Eher  dürfte  II,  21,  1  xtav  ot  KaxeigyaCyiivmv  statt  oi  tcoi/  x.  gelesen 
werden,  und  V,  4,  3  ist  kaum  daran  zu  zweifeln,  dafs  P.  a(pUtxo  dl 
%al  orvrco  in  J6kg>^v  XQtfCfiog  (mit  Bezug  auf  V,  3,  5)  schrieb,  nicht 
d.  ÖS  avxa  xai  ix  J,  %,    In  VIII,  7,  8  scheint  xov  Inovg  vor  tov  lg 
rXavKOv  treten  zu  müfsen,  so  dafs  dieser  Genetiv  von  beiden  Verben 
inoirliSaxo  Xoyov  und   aifsiil^v^jOKSv  avxov  abhängen   kann;  I,  22,  7 
haben  die  Uss.  die  leichte  Corruptel  inl  de  xciv  yQagxai^ —  i<Sxl  Mov- 
oaiogj  wofür  SW  ixi  xrl.    nach  G.  Hermanns   Conjeclur  schrieben; 
jetzt  ist  xav  öi  yg, . —  iaxl  M.  mit  Weglafsung  des  ersten  Wortes 
vorgezogen  worden;  uns  scheint  jenes  inl  aus  laxi  entstanden,  und 
in  Folge  der  Verwechslung  iaxl  nachgetragen  worden  zu  sein.  1, 38, 7 
scheinen  Xoyav  und  yeveav  ihre  Plätze  vertauscht  zu  haben. 


J.  II.  C.  Schubart:  Pausaniao  descriptio  Gracciac.    Vol.  I  et  II.    427 

Berichligungcn ,  die  mehr  den  Inhalt  als  die  Form  betrelTen,  könn- 
ten wir  viele  auffahren,  beschrfinken  uns  aber  auf  die  bedeutendsten. 
Darunter  gehört  I,  34,  5  anXdyxva  tegelcov,  II,  8,  5  avfißakovreg  — 
g>ifOVQioig,  II,  26,  l^^^y  avriji/,  III,  25,  4  vcfw  elnaOfthov  OTC^Xaiovj 

IV,  21,  9  of  avxol  rj^ivvovvo'  xqixti  Jiöri  fifiiQcc^  IV,  32,  2  ysvea  d^, 

V,  9,  4  Ttiiimy  Kccl  einoary  öe  'Okvumddi^  V,  13,  8  Ticc^amQ  ys  xal 
iv  üe^afiG)  tiipi^ag  iarl  ry'HqfCc  x^  Ikiftla  ßmfjiog,  V,  18,  2  yvvatna 
alöXQciv  xoXaSovaa,  VI,  5,  9  ^  t£  0^091},  VI,  12,  2  x^ccxfjaavxi ,  VI, 

23,  1  xelxovg,  VII,  9,  7  xoße  fiiv  —  inqax^^  VII,  24,  12  ivci%XivoV' 
Cav,  VIII,  44,  7  &eov  ^Aq>vBiov^  VIII,  46,  5  xo  fiixQov,  IX,  19,  8  nav- 
tBg  di  dciv^  IX,  29,  6  (iixgov  07Ci]kaloVj  X,  9,  1  xhiirivxm  ö\  öU^oöoij 
X,  12,  1  ^Hqo(pl\riv  inlxkTjaiVj  £ißvkkav  di  rijv  tcqoxsqov  y£vo(iivriv 
tavxfjg  und  vno  tc5v  JeXtpciv  AlßvCiSav^  X,  17,12  ig  ti^  cckXa  %uqa^ 
X,  28,  1  yiQ(öv  o  noq^fjisvg^  X,  33,  12  Navßokov  (Dwxov,  X,  37,  2 
Boi'klg  iaxiv  oiiOQog.  Hierzu  kommen  noch  mehrere  evidente  Ver- 
befserungeu,  welche  zur  richtigen  Auffafsung  der  Localität  dienen, 
wie  VIII,  8,  3  fpaivsxai  olxrjaag  ^  (^i*?)  IlxoXtv  ovofid^ovatv ^  worauf 
die  Vergleichung  von  VIII,  12,7  geleitet  hat;  wie  naga  Aamv  III, 

24,  7;  wie  ferner  IV,  29,  2  ^aqalag  statt  ^Aqydcig^  welches  letztere 
undenkbar  ist ,  da  Demetrios  sich  noch  vor  Tagesanbruch  nach  seinem 
Marsch  von  der  Flotte  her  in  Messenien  befindet,  und  V,  5,  3  Niöag 
neben  (oder  bcfscr  für)  ''HXstag,  Denn  die  Voraussetzung,  welche 
Curlius  Pel.  II,  115  macht  um  'HXelag  zu  halten:  ^Fausanias  kommt  von 
Mord-Elis,  wie  ich  glaube  zu  Wafser,  legt  bei  Samikon  an,  sieht  ge- 
gen Osten  gewendet,  Trifhyliens  Berge  zur  Rechten,  geht  nach  Le- 
preos und  beginnt  von  da  seine  Wanderung'  ist  zu  künstlich  und  ver- 
Btöfst  gegen  den  Zusammenhang  der  Periegese;  P.  kommt  nicht  aus  Elis, 
sondern  aus  Messene ;  er  hätte  auch  in  dem  angenommenen  Fall  we- 
nigstens mit  einem  Worte  seine  Seefahrt  angedeutet.  Dafs  IX,  10,  2 
derselbe  nicht  blofs  einen  ismenischen  Hügel  bei  Theben,  der  dem  Apol- 
lon  geweiht  war,  erwähnt  haben  kann,  sondern  zugleich  einen  Tem- 
pel des  Gottes ,  erhellt  aus  dem  spätem  Satz  fiaxa  öh  0  vaog  cokoöo- 
lir[xai',  deshalb  corrigiert  S.  mit  Recht  Kai  Uqov  (statt  iSQog),  wenn 
nicht  etwa  P.  aal  vaog  schrieb.  Emendationen  von  Eigennamen  sind 
VIII,  35,  5  Zxidöig  (wofür  Aie'^AQxsfiig  Zxtaötxig  spricht),  VIII,  10,  4 
^Oöoyaa  (statt 'Oywa)  nach  Slrabon  XIV,  136  Kr.  und  Böckh  C.  I.  II 
p.  476;  II,  5,  8  XQvaoQOij,  wo  sonst  XgvaoQd^rj^  eine  sinnlose  Com- 
position  gelesen  wurde;  triftig  ist  ferner  die  Bemerkung,  dafs  der 
Hafen  von  Pellcne,  wenn  er  nach  der  Argo  benannt  wurde,  !^(>yorav- 
Tttt  nicht '^(^itfTovavTCfihiefs,  auch  führt  die  Lesart  dgyoaxovavzai  im 
La  darauf.  Hierüber  ist  übrigens  schon  Siebeiis  gleichsam  unbcwust 
auf  dem  rechten  Weg  gewesen,  vgl.  die  von  Curtius  Pel.  I,  480  über- 
sehene Note  in  SW.  Eben  so  wenig  Notiz  hat  Curtius  von  unserer 
Correclur  anrjXaiov  Uqov  ^AauXijrcLOv  III,  24, 2  genommen  (vgl.  Ztschr. 
f.  AW.  1848  S.  1003),  welcher  S.  in  der  Pracf.  beipflichtet;  C.  nennt 
noch  das  ^Stetheon'  als  Ileiligthum  des  Asklepios.  VII,  5,  10  hält  S. 
lUovog  fest,  da  Plinius  N.  H.  V,  29,  31  und  die  Münzen  von  Ephesos 

28* 


428  J.  11.  C.  Schubart:  Pausaniae  descriptio  Graeciae.    Vol.  I  el  II. 

eine»  Berg  IllcDv  (Ilslmv)  kennen;  und  verlangt  VII,  26,  1  für  AlyEl- 
ocov  die  schon  vorher  angewandte  Form  Alysiffarmv^  da  bei  P.  nur 
Aiyuqa  im  Singular  vorkommt ;  VIII,  24,  3  stellt  er  die  richtige  Ge- 
netivform Zbiq^v  her,  wo  sonst  Usigalav  stand.  Auf  die  Unsicher- 
heit mancher  Namen  macht  die  Note  zu  VII,  1,  10  aufmerksam,  indem 
denselben  Mann  Strabon  KvÖQijXoQj  P.  KvdQrfvog  nennt,  ebenso  jener 
von  KvcSjcog^  dieser  von  KkioTtog  VII,  3,  7  redet,  vgl.  Strabon  XIV, 
93  Kr.  In  III,  20,  8  verschwindet  die  sonderbare  ^A^tivä  TlaQila^ 
wenn  man  S.s  Vcrmulhung  folgt,  dafs  diese  Göttin  von  dem  Spartaner 
Ugd^  benannt  sein  konnte,  welcher  das  nahe  [egov  des  Achillens  ge- 
baut hatte,  und  IlQctTisia  liest ;  Gerhard  gr.  Myth.  I,  234  denkt  an  ^Aqsla. 
Weniger  glücklich  möchte  die  Behauptung  zu  V,  15, 4  und  10  sein,  data 
P.  Aidnoivai  nenne  statt  der  6inen  oft  so  angerufenen  Persephone; 
an  ersterer  Stelle  konnte  AedTtolvg  CTchösiv  leicht  in  As<Sito£vaig  an, 
verschrieben  und  danach  der  Artikel  abgeändert  werden ,  und  eben  so 
§.  10  AEöTtoltnjg  in  AscnoCvaig  übergehen ;  der  Satz  ta  ig  t^v  d-iov 
sichert  gewis  den  Singular,  obgleich  S.  erklart:  ^ra  ig  r.  &.  obstare 
non  vidctur.^  Zu  I,  33,  7  liest  man  die  Bemerkung:  ^inter  liyovaiv 
ci  A^öav  cxpnnxi  "EkkTjvsg  ^  idque  reposui  inter  tavzd  et  Ala^  ubi 
codd.  edd.  habent  'EXivtig.  Illud^'£AA7/ve^  margiui  adscriptum  tanquam 
corroclura  ad  'EXivtjg  in  locum  alienum  irrcpsit  totumque  sensum  tur- 
bavit.'  Wir  finden  hier  keine  Verwirrung;  der  von  dem  Dichter  der 
KvTiQtcc  behandelte  Mythus  war  unter  den  Griechen  ohne  Zweifel  sehr 
bekannt;  dcn'^'Ekkriveg  aber,  zu  welchen  P.  sich  selbst  nicht  zfihU, 
wird  dann  die  ganze  übrige  Menschheit  entgegengesetzt,  welche  all- 
gemein annahm,  Helena  sei  Tochter  des  Zeus  und  nicht  des  Tynda- 
reus ,  so  wenig  als  Herakles  Sohn  des  Amphitryon.  Unter  dem  Na- 
men Kdqvstog  werden  drei  verschiedene  Personen  III,  13,  3  ff.  be- 
sprochen; der  letzte  soU  nach  Praxilla  (vgl.  Schol.  Tlieocr.  V,  83) 
Sohn  der  Europa  und  des  Zeus  gewesen  sein  und  Apollon  mit  Leto 
ihn  aufgezogen  haben.  Der  Text  lautet  Jlga^lkkrj  fiev  öri  neTCOirifiiva 
iauv,  tag  EvQdrcijg  euj  xal  Kdgve^og  xrl. ;  das  aal  lafsen  La  Vb  weg, 
S.  schreibt  dafür  6  Kdgv€iog,  doch  passt  der  Artikel  nicht,  wo  von 
einem  andern  Karneios  die  Rede  ist  als  von  dem  olnirag  der  Lakedae- 
monicr  und  dem  von  seinem  Mantis  Karnos  benannten  Apollon  Kar- 
neios aller  Dorier.  VllI,  47,  6  verdiente  Spengels  Teysäzai  wenig- 
stens eine  Erwähnung.  IV,  11,  8  ist  ^Aqydctg  nicht  zu  ändern;  die 
Korinthier  würden  auf  keinen  Fall  durch  Arkadien  gezogen  sein,  aber 
wenn  sie  entweder  den  weiten  Umweg  über  Elis  machten,  berührten 
sie  Sikyon,  oder  wollten  sie  durch  Argolis  sich  durchschleichen,  so 
waren  die  Argivcr  ihnen  hinderlich,  beides  Verbündete  der  Messenier. 
Sonderbar  ist  VllI,  16,  1  die  VorsleHung,  dafs  die  Anhöhe  Tf^iTeiOv 
auf  der  Strafse  liegen  solle ,  wenn  auch  die  Vulgata  ebenfalls  nicht 
richtig  zu  sein  scheint.  Hiefs  es  wohl  xal  Oevedraig  ögot  TCQogIkvfi* 
(paktovg  tijg  yfjg  xaric  vovxo  iici  to  reQOitsiovl  IV,  6,  1  spricht  P. 
von  der  Benennung  des  messenischen  Krieges :  ovx  ino  xwv  inusvqct- 
nvadvrnv  äaittQ  ya  o  Mtidixog  nal  6  üekoitovyi^Mg,  Mtac^vtov  di 


J.  H.  C.  Scbubart:  Paiisaniao  dcscriptio  Gracciac.    Vol.  I  el  11.   429 

(sc.  ovoiiatsMvTcc)  ccno  xav  avfig)OQ(ov  VM^a  di)  xcd  xov  inl  ^IXin  xA//- 
^Kivai  TgcoiKOv  aal  ovx  ^EXlrivixov  i^eviKtfiev.  S.  denkt  sich,  dulV* 
vor  avfiifOQWv  ausgefallen  sei  rav  MtGCrjyluiv ^  wodurch  eine  noeli 
schwerfälligere  Slructur  hervorgebracht  wird  als  wenn  P.  ccno  z^v 
av(AfpoQav  xav  M.  geschrieben  halte.  Indes  nuifs  olTenbar  den  im- 
ax(^evaavxeg  die  enlsprechende  Anlilhese  o[  afivvofiivoi  folgen,  so 
stark  auch  die  literale  Verschiedenheit  von  avfifpo^tov  und  afivvofii- 
vüüv  sein  mag.  Man  vergleiche,  wenn  es  dessen  bedarf,  Parallelslel- 
leo  wie  III,  12,  6;  IV,  17,  10.  Eine  zu  grofse  Ungleichheit  und  Härte 
des  Aasdrucks  muthet  S.  dem  Schriftsteller  auch  IV,  12,  10  zu,  wenn 
er  vorschlägt:  ^XiymvS^a  a  cum  anacoluthia  in  sequcutibus?'  Der 
Fehler  liegt  hier  nicht  in  äkka  xe  a,  welche  Worte  ganz  gesund  sind, 
aber  wohl  in  der  Zusammenstellung  von  nagenv<>Btxo  und  i'axtide  und 
in  der  Beziehungslosigkeit  von  xe.  Aristodemos  konnte  nicht  zu  glei- 
cher Zeit  die  Messenier  trösten  und  die  hundert  hölzernen  Dreifüfsc 
(vgl.  §.  8)  aufstellen,  vielmehr  muste  letzteres  unter  andern  ein  Ge- 
genstand seines  Halbes  und  seiner  tröstlichen  Zuspräche  sein;  iaxtjoe 
ist  nemlich  aus  cx^aai  verdorben.  VIII,  36,  3  ist  nicht  nölhig  [sgeiong 
za  setzen,  wenn  man  die  ugal  yvvaiKsg  der  Hhca  als  llierodulen  die- 
ser Göttin  betrachten  darf;  II,  2,  1  fragt  es  sich,  ob  mau  ein  advxov 
als  vaog  zu  betrachten  habe, da  S.  xal  akkogisc.vao^)  vermuthct;  lie- 
ber würden  wir  lesen  fort  dl  avxov  aal  aÖvxov  Tiakov^ievov.  IX,  27,  7 
soll  &£^  für  ^eog  eintreten,  aber  die  Götter  beslellen  ja  wie  im  ho- 
merischen Apollonhymnos  ihren  Cullus  selber.  An  der  Form  Kcdddiig 
1,  8,  5  mufs  man  jedenfalls  anslofsen  und  der  bcreils  von  Pulmerius 
gemachte  Vorschlag  Kakkiddrjg  verdiente  wenigstens  erwähnt  zu 
werden. 

Sehr  behutsam  verfahrt  S.  auch  in  der  Krilik  der  hie  und  da  ein- 
gestreuten Verse;  z.  B.  das  corrupte  rixxuküiG  7]uov(Sovai  Ttokiv  X, 
9,  11  (aus  den  XQV^i^^^  ^^^  Mnsaeos)  ist  beibehalten,  obgleich  Em- 
perius^  Emendalion  tjxxijg  ov  krjöovai  nokiv  (Zeilschr.  f.  AW.  183«  S. 
813)  kaum  einem  Zweifel  unterliegt;  f(txi]g  hat  Bergk  aus  Rh.  Gr.  IV, 
ö69  nachgewiesen.  Der  Vorzug,  welcher  V,  23,  10  der  Lesart  ^yov 
ov  Alylvr^  diiT  von  La  AlyivtfCEfa  toi/ eingeräumt  wird,  dürfte  nicht 
leicht  zu  begründen  sein;  der  Gebrauch  von  ^liv  V,  25,  13:  vtog  fiiv 
(jLB  MUiavog^  wenn  auch  Vlll,  42, 10 wiederkehrend,  bleibt  immer  auf- 
fallend und  eine  Aendernng  wie  idv  scheint  nötliig.  Freilich  möchte 
S.  ein  solches  absolut  stehendes  fiiv  auch  in  den  Vers  des  Pumphos 
iTTTKOv  xe  öcoxiJQa  veav  r'  i^vKQiidiiivcav  hineincorrigicrcn,  weil  er 
Lobecks  Unnov  r'  i&vvxiJQa  mit  l{>vy,Qiiöiiii>(ov  verbunden  für  eine 
Kakophonie  hält,  welcher  er  selbst  das  von  Ilccker  verlangte  TjCTtav 
xe  öfitixiiQUj  wodurch  ein  bedenkliches  Zeugma  enisleht,  vorzieht; 
das  heifsl  in  der  That  aus  Scheu  vor  einem  eingebildeten  Fehler  einen 
wirklichen  zulafsen;  es  ist  noch  die  Frage,  ob  Poseidon  sonst  wo  für 
den  Erfinder  des  Schiffbaus  gilt,  wie  er  die  Uofse  zähmen  lehrte. 
Und  was  will  hier  P.  beweisen?  nicht,  dafs  der  Gott  das  Hofs  den 
llenscbeD  schenkte,  sondern  dafs  man  die  inKiM\  ihm  verdankt.    Der 


430  J.  H.  C.  Schubart:  Pausaniao  doscriptio  Graeciae.  Vol.  I  et  II. 

Einwand  gegen  unser  &ea  V,  10,  4  ^quidni  &eotsf*  war  uns  über- 
raschend ,  da  hier  an  keinen  weitern  Golt  als  den  Zeus  gedacht  wer- 
den kann.  Beinert  bemerkt  deshalb  l.  c.  p.  12:  Wocabulo  zotg  quod 
est  in  codicibus,  &a^  a  Kaysero  propositum  non  admodum  simile  est, 
^eotgj  quod  Schubarto  probabilius  videtur  (so  war  es  nicht  gemeint!), 
propius  quidem  ad  ductus  vocis  rotg  accedit  et  cum  hac  aliis  iocis  a 
librariis  confusum  est,  sed  idcirco  mihi  displicet,  quod  donarium  La- 
cedaemoniorum,  quum  in  templo  lovis  esset  coilocalum,  non  in  Univer- 
sum diis ,  sed  lovi  soll  dedicalum  esse  puto.'  Was  die  Aehnlichkeit 
von  rotg  und  &e(p  betrifft  und  die  Möglichkeit  einer  Verwechslung,  so 
verweisen  wir  auf  V,  22,  3,  wo  im  vierten  Vers  des  Epigramms  alle 
Hss.  avv  roig  für  avv  &£otg  haben,  auf  VIII,  44,  7,  wo  S.  trelfend 
^eov  ^Aqyvziov  cmendiert;  unser  Pal.  356  sacc.  XIV  zeigt  epp.  Phalar. 
82  die  Corruptel  inl  ^eovg  aQXOvxag  für  iitl  xovg  &qiovxag\  andere 
Belege  werden  leicht  aufzufinden  sein.  Dafs  aber  Oecj  oder  ^U  in  der 
Dcdication  an  den  Gott  nicht  wegbleiben  kann,  beweisen  die  übrigen 
Inschriften  der  Art,  vgl.  V,23,  7;  V,  27,  12;  VI,19,6;  VIII,  42,9.  Deu 
Gebrauch  des  Artikels  to/,  welchen  K.  0.  Müller  hier  passend  fand, 
vertheidigt  Beinert  etwas  spitzfindig:  *nomen  eorum,  qui  donum  con- 
secraverunt,  non  inepte  elTeratur  a  poeta,  qui  forsitan  articulo  id  quo- 
que  indicare  voluit  clipeum  universi  Lacedaemoniorum  populi  esse  do- 
narium.' Für  ^£f^  verglich  Ref.  schon  im  Rh.  Mus.  N.  F.  V,  361  das 
Epigramm  V,  23,7.  Auf  die  Vorschläge  IV,  12,  1  und  7:  all'  ana- 
zrig '  ccTtdtij  (ihv  ixet  MBaarjvlöa  Xaog  und  xal  elXi  a*  ov  il^mtaxrfiag 
ist  S.  nicht  eingegangen,  wie  Vlll,42,  6  /li]Gi  fiiv  a  aitinccvae  vofAtjg^ 
dtja  d'  afii^toiv  ikKifiiarccxvoiv  ymI  ccxav^oq^dyov  nali  ^rjae  einer 
Prüfung  noch  entgegensieht.  Dafs  nicht  alle  Inschriften  Distichen  sein 
müfsen,  hat  kürzlich  Bergk  erinnert,  indem  er  auf  V,  28,  2  hinwies 
(hier  macht  der  AnTang  OoQfiig  avid^rixev  räihVich ^  den  folgenden  Pen- 
tameter in  zwei  solbslandigc  Enoplicn  zu  theilcn)  und  besonders  X,  7, 
6,  wo  der  Schlufs  ^iXecc  aal  iliyovg  eine  kalalcktische  trochacische 
Tripodie  ist  und  der  Eingang  ^Exiiißgorog  ^Agnag  T^i^xe  einen  Wink 
gibt,  dafs  dyccX^a  vor  ^Afiq)iKTv6v(ov  nicht  elidiert  werden  soll,  mit- 
hin lauter  kürzere  daktylische  Glieder  zusammengestellt  sind:  ^Exiti- 
ßQOTOg  ^Agxccg  inline  \  tw  'HgankBi  \  vixtjaag  rod'  äyakfia  \  ^AfAg>i- 
xxvovtav  iv  ai^Xotg  \  ^EXXffit  d'  aelömv  j  ^iXea  tal  iX{yovg.  Vgl. 
'Programm,  wodurch  zur  Feier  des  Gehurtsfcstes  S.  K.  H.  unseres 
durchlauchtigsten  Regenten  Friedrich  —  einladet  der  gegenwärtige 
Prorector  Dr.  Th.  Bergk.    Frei  bürg  im  Breisgau  1854'  S.  II. 

So  sehr  S.  geneigt  ist  conservativ  zu  verfahren,  ist  es  ihm  doch 
einigemal  begegnet,  dafs  er  offenbar  gesundes  für  verdorben  hielt;  so 
V,  21,  15  glaubt  er  lesen  zu  müfsen:  avÖQCcg  ovx  VTtFQ  avxijg  fiaxofii' 
vovg  xijg  vUi]g  IqxoQcc^av^  avv^e^iivovg  8\  inig  Xijunaxog.  Das  wi- 
derstreitet der  Intention  jenes  Contractes ;  die  Summe  war  festgesetzt, 
es  hamielte  sich  darum,  wer  die  Ehre  haben  sollte  zu  siegen  und  zu 
bezahlen.  Man  vergleiche  Philostr.  n,  yvfiv.  8,  9  nebst  unserer  Note. 
Zu  VIII,  38,  11  sagt  S. :  ^(liXog  ino  xfjg  avQiyyog  et  genetivus  TIavog 


J.  11.  C.  Schubart:  Pausaniae  descripUo  Graeciae.   Vol.  I  et  II.  43i 

a  valgari  sermone  abhorrent;  fortasse  to  rrig  avQiyyog  (likog  ivtavOa 
imo  riavog  evgs^vai.*  Die  Constraclioa  der  Syrinx  war  ursprüng:- 
lich  mangelhaft  und  iiefs  der  Melodie  keine  freie  Bewegung,  wodurch 
die  auf  ihr  gespielten  Weisen  einen  bestimmten  Charakter  erhielten, 
den  man  mit  dem  Ausdruck  Ilavog  fiikog  bezeichnete.  III,  23,  2  ist 
nicht  zu  verstehen ,  weshalb  um  den  Hafen  Nymphaeon  in  der  iNälie 
einer  Quelle  süfsen  Wafsers  nicht  ebensogut  viele  als  wenige  Leute 
wohnen  konnten.  Warum  soll  II,  26,  3  zrjg  yiig  gelesen  werden  für 
xrjg  nrjyilg'^!  Die  Stelle  VIII,  41,  10  nöthigt  zu  keiner  Aenderung. 
Wenn  P.  IV,  9,  1  erzahlt,  die  Messenier  hätten  den  Beschlufs  gefafst, 
die  vielen  Städte  im  Binnenlande  sämmtlich  zu  verlafsen,  so  ist  dies 
nicht  gerade  ein  unrichtiger  Ausdruck,  daher  bedarf  es  nicht  der  Cor- 
rectur  Tcavtcog  für  Ttccvta,  IV,  II,  1  ist  eher  rijg  ^AQiarodi^fiov  fisl- 
tovxwv  mit  Ergänzung  von  ßacikdag  beizubehalten  als  xov  A,  (lilkov- 
Tog  zu  schreiben,  da  der  Bericht  im  Plural  fortfährt.  lu  ähulicher 
Weise  möchten  wir  mittelst  des  Zusatzes  yt]g  IV,  26, 5  IVc  te  rijg  äk- 
Xtjg  erhalten;  S.  setzt  akrjg  in  den  Text,  aber  so  kann  die  Zerstreu- 
ung der  Messenier  nach  allen  Wcltgegenden  hin  nicht  bezeichuet  wer- 
den. V,  7,  8  ist  offenbar  davon  die  Rede,  dafs  Ölen  zuerst,  dann  Me- 
lanopos  und  Aristaeos  von  den  Hyperboreern  gesungen  hätten ,  und 
ngmog  geht  auf  die  voranstehenden,  nicht  die  folgenden  Worte;  also 
ist  litBiTct  di  nicht  zu  ändern,  S.  will  iitri  dl  MekavtOTtog  und  (ßö^v 
streichen:  ^  (pöt]v  addidit  librarius,  quod  necessarium  videbalur,  post- 
quam  Ftctj  transierat  in  insl^  nisi  fuit,  quod  magis  est  probabile,  cor- 
rectura  ad  praecedentia ,  ubi  revera  ad  ^Slkiiv  invenimus  variututem 
möijv;  quare  haec  vox  etiam  ab  iis  notanda  videtur,  qui  ETieiza  öl 
praeferunt.'  Letzteres  geben  La  Vb;  iitU  die  übrigen  Hss. ;  auf  jcQci- 
tog  fiiv  erwartet  man  die  Angabe  des  später  gesehenen,  also  ist  nur 
jenes  möglich,  wöriv  ist  freilich  lästig  neben  ydeuj  man  müslc  denn 
€1/ wd^  M.  X.  T^  corrigicren.  Ein  Ausfall,  der  nenilich  von  kiymv 
oder  ^öo}v  nach  rovrcav^  ist  abermals  an  aller  Verwirrung  schuld.  VI, 
11,  7  hat  Kaxayea^ai  als  Medium  den  Sprachgebrauch  gegen  sich,  und 
sowohl  xaxaöexiO^cci  als  sogleich  KaTaöexx^ivreg  wird  zu  restituieren 
sein;  Vl,23,2mufs  xovg  xaO*'  ^A^x/ai^ bleiben,  dcrFehler  liegt  indtagpf- 
Qovxag^  wofür  der  Sinn  das  GegentheilTcra  <piQovxag  fordert.  VII,5,9  ist 
mit  Claviers  xov  svdov  ccyakucexog  nichts  gewonnen,  bcfser  klammerten 
SW  Mov  vor  xov  cty.  ein,  es  versteht  sich  von  selbst,  dafs  das  Bild 
der  Athene  Polias  sich  nicht  vor  dem  Tempel  befand.  VIII,  22,  6  wür- 
den wir  das  wenn  auch  seltsame  nexoiiivjj  noxe  ano^oiga  nicht  gern 
mit  aTtoxsxfitjfiivri  noxl  ^lotga  vertauschen.  IX,  16,  7  passt  (pccalv  nicht, 
S.  muste  aq>l(Siv  beibehalten,  indem  olTenbar  KcctyiavtjKS  ausgefallen 
ist.  IX,  21,  6  ist  die  Wiederholung  von  nBi^o^cti  und  die  damit  ver- 
bundene Aenderung  «.  öl  oxi  unnölhig;  IX,  23,  2  durfte  nicht  ^iqovg 
entfernt  werden ,  da  P.  nirgends  sonst  nav^axog  ciga  sagt,  sondern 
Ik  war  vor  xavfiaro^  einzuschieben.  X,  1,  10  konnte  ATtokkcavi^  was 
SW  wollten,  nur  durch  Vorsetzung  des  Artikels  seine  Stelle  behalleu, 
sonst  ist  der  Accusaliv  nolhwendig,  vgl.  unsere  Erörterung  darüber 


432  J.  H.  C.  Scliabart:  Faasaniao  descriptio  Graeciae.   Vol.  I  et  IL 

in  Zoilschr.  f.  AW.  1848  S.  10  ff.,  wo  wir  ans  für  '^Anokhava  entschie- 
den; noch  heute  können  wir  nicht  begreifen,  was  sich  dagegen  ein- 
wenden lafst. 

Freilich  gilt  dies  von  vielen  Vorschlägen  des  Ref.,  welche  theils 
schon  oben  berührt  wurden,  theils  sogleich  erwähnt  werden  sollen, 
dafs  sie  bei   S.  wider  Erwarten  keine  Berücksichtigung  gefunden 
haben.    Für  eine  künftige  Ausgabe  mögen  denn  unter  andern  aufge- 
spart bleiben:  l,  5,  3  &%€  ^cA  vGxtqog^  og  dii  9ucl:  I,  20, 1^  vaol  Aio- 
vvaov  eialv  ov  fieyaXoi,  Kai  iStptCiv  iq)saTi^xaai  xqtnoÖBg^  ag>*  cav  »a* 
Xovdi  xo  x(oq£ov:  I,  39,  1  ywccixa  aQyrjv:  II,  1,  3  ivxav&a  XQaq>fjvai 
xiivvv  g>aal  xal  xav  Xsyofiivonv  ßriai(ag  9uxl  xo  i^slsiv  xavxriv  ioxlv 
iQycov:  II,  18, 1  yLtylcxag  dl  iv  Ze^ltpca^  laxi  Sh  xal  nag^  ^A&ipfaloig: 
II,  27,  4  iTtitovg  Sl  ^iTtJtolvxov  iva^elvat  to9  ^m  q>tfiiv  axea^iwa 
(vgl.  in  dem  vorhergehenden  §.  iyyBygaiiiiivoc —  iaxlv  ovofAcna  axt- 
a&ivx(ov  wto  xov  ^AaxXrptiov) :   II,  32,  6  TcUdavxog  Ttolkovg  (ihf  %cA 
allovg  Tcov  'EAA^i/ooi/:  III,  11,  5  xovxov  xov  ^AyCov  (uevxsvöafiivov 
q>aal  Avaavögov  xo  ^A&rjvatav  iketv  vavxi%6v :  III,  12,  6  Cvvil^tev 
ßovXevaoiisvoi.:  III,  19,  11  ^egccncclvag  EqivviSi  wxxa  xcevxcc  iansva* 
a^ivag:  III,  21  nqoiovxi  Sh  cog  irtxtt  axaölovg  XaQaxa^ia  ifSxivi  IV,  6, 1 
iQymv  xe  aal  fiXiKlag  Tciqi :  IV,  8  Aaxeöaifiovioi,  öh  TtQOXQon^  fiiv  lg 
akki^kovg  Kai  öerjaBi  ovk  ixgavxo:  IV,  12,  2  i]Qe<Se  Xfxvxa  xoig  ßaailiv^ 
6t  xal    xotg  itpoqoig*  xixvag  fihv    ovv  TtQO^vfioviAlvoig  ovk  iylvsxo 
avevgetv  xrl. :  IV,  29,  7  öijXov  de  Kai  iirj  avvxelovaiv  ^v  avxolg  xrl. : 
IV,  34  Big  KoQoivriv  Kai  xov  7toxa(i6v:  V,  7,  1  noXv  IöbIv:,  V,  7,  6  i| 
"lörjg  xov  KQtjxtKOv  OQOvg:  V,  11,  3  ov  yaq  ijCBtSxi  xa  ig  xovg  Ttatdag^ 
S  ijtl  riXiKlag  ijdri   xaOacFriJxet  xijg   Oeiölov:  VI,  4,  11  ig  'luigav 
acpiyinivog  noXixslag  xs  ixvxB  naq*  SKslvoig  Kai  TtoXXa  evQSXo  aXXa  ig 
xt(jLijv:  VI,  5,  7  o^iov  xi<si  IhqiSmv  Kai  Mi^Smv:  VI,  5,  7  iQycDv  dh  t£v 
KaxeiQyaafAivoov  ot  {KaxeiX€yfiiv<ov   (loi^  wie  S.  will,    dürfte  dem 
Sprachgebrauch  des  Schriftstellers  entgegen   sein,  vgl.  VIII,  13,6; 
X,  9,  9) :  VI,  7,  4  ig  o  xQirjqefSiv  aXoifg  ^AxxiKalg  ivrix^r] :  VI,  7,  7 
i^iXetv  fiot  q>alvBxai  AaKeSaifAOvlovg  ig  xo  V(Sov  alxiag  A^tjvaloig  xa- 
xaaxflöat:  VI,  17,  9  aXXa  yag  iKtlvov  —  ötöaCKaXtav  xw  ^A^rivrfiii 
VI,  21,  4  Kai  ovxog:  VI,  24,  1  inl  xa  mvxd&Xo}:  VI,  24,  3  iyvia  di 
Sulqyov(Sa  xrl. :  VII,  5,  6  19  di  iiSxi  xrig  rjTtBlQov  xotg  Ik  xov  ^Eqv^qalnv 
Xt^ivog  ig  vi](Sov  xifv  Xlav  TtXiovtSi  avxo  xo  fisöalxaxov:  VII,  15,  1 
aq>l^oixo:  VII,  20,  3  6g  Iloöeiömvi,  mQii^tjKEv:  VII,  24,  7  ort  firi  yv- 
vaiKl:  VII,  24,  8  viti^xV^^S  löxvQa:  VIII,  8,  5  tcsqI  ÖiXoKxrjxov  fihß 
yag  xrl.:  VIII,  31,  8  Kai  xovxo  KoQtjg:  VIII,  31,  9  igslma  öh  'AOrjväg 
lEQOv  IloXidöog,  ijtl  Sl  reo  itiga:  VIII,  32, 4  igslma  Kai  ovxog:  VIII, 
35,  4  TteQuöeiv  av:  VIII,  37,  3  iatovxcav  dlxa  dydXfiaxa:  VIII,  37,  8 
anoxifiVEiv  xaO/<Jri?x£:  VIII,  39,  2  füxiBaXi  xe  —  xal  cev^tg  ivBiSm- 
aaxo:  VIII,  53,  1  inl  naoav  XiyovCi  x^OQav  iX^etv:  IX,  1,  7:  ig  xovg 
ayQOvg  iX^ovxsg:  IX,  2,  3  KaXovifi   dl  t^v  filv  'AKxaltovog  Kai  inl 
xavxy  Kad-Bvöitv  (padl  xy  nixqa  xov  ^AKxalcava:  IX,  5,  9  xal  ig  xijv 
rificoQlav  xov  ^Afiiplovog  Snri  7toitja6(ag  Mivvdöog  ?%«:  IX,  8,  4  vwriyv 
r^i;  ^  KaXovöiv:  IX,  12,  4  /Tadftov  de  nXifilov  iaxl  Kai  Atowaov 


J.  IL  G.  Schubart:  Pausaniae  descriptio  Graeciae.   Vol.  I  et  II.  433 

aytiXiicc  »ai  rovro  (ih  *Ova<Stfiridrig  InolrjaBv  hixcigiog  dt  oXov  xaX- 
«ov,  TO  Kadfiov  de  ot  Ttaiöeg  elqyaaavro  ot  TlqalLTiXovg  (mit  diesea 
Vorschlugen  erklärt  Brunn  sich  einverstanden,  Gesch.  der  gr.  Künst- 
ler I,  297.  392):  IX,  15,  4  wg  di  ßoimzaqxdv  %ctl  öevtsqu  riqrixo:  IX, 
29,  8  fiCT«  xo  Tttaiöfia  rov  ^B^h^viKOv  ro  iv  Xaigcovela  (vgl.  VI,  3,  3 
UEzcc  xo  o[zvxrji.ia  Aaasöaifiovlcov  xo  iv  AsvKxgoig) :  X,  6,  7  (povov  d' 
OTto  K^0ioi>  avÖQeg  xeigag  ayog  vl'ipovai :  X,  13,  10  KaXkixikovg  og  f^v 
ot  cxjvtqyog  (vgl.  hierüber  Brunn  a.  a.  0.  93,  der  lieber  den  Kaiamis 
mm  Mitarbeiter  des  Onatas  machen  möchte,  was  jedoch  aus  VI,  12,  1 
noch  nicht  folgt,  für  Kalliteles  spricht  mit  gröfserer  Wahrscheinlich- 
keit V,  27,  8) ;  X,  29,  7  elxatseig  xy  hiqu  xav  %£f ^cov  IkbIvov  xov  oq- 
liov  ttvxrjv  ix^iv:  X,  31,  11  17  juev  via  iaxlv,  1}  di  naQoc  xov  ngeaßvx'tiv 
ftxL  Ergänzungs versuche  von  gröfserer  Ausdehnung  sind  in  dieser 
Aufzählung  übergangen,  da  dergleichen  Emendationen  ihrer  Natur 
nach  minder  gewis  sind.  Einige  neue  Conjecturen  aber  mögen  bei 
dieser  Gelegenheit  noch  erwähnt  werden.  I,  3, 1  erscheint  %ciXov^uvy]v 
ßactXBlccv  als  ganz  unnützer  Znsatz  ;  I,  22,  6  ist  zu  schreiben  OTtoöaig 
ie  xttd'icxfixev  —  6  di  ^OSvaaevg  trjv  ^Ad^vav  cctpaiQovfisvog  %xi.  P. 
unterscheidet  die  ganz  verblichenen  Bilder,  von  welchen  er  aus  altern 
Beschreibungen  Kunde  haben  konnte,  von  den  noch  erhaltenen ;  um  dies 
auszudrücken,  bedient  er  sich  hier  des  i/v,  weiterhin  braucht  er  über- 
all i(Sxl.  Hit  jenem  steht  jn^  Tia^iax^jxev,  wie  man  sonst  liest,  im 
Widerspruch.  S.  erklärt:  ^intactum  reliqui  locum  lacunosum;  Kcd 
^Odvaasvg  ab  interpolatore  profectum  est';  dies  ist  nicht  zuzugeben, 
jenes  nur  in  Bezug  auf  das  weggefallene  OövadBvg  nach  6  Si.  II,  28, 1 
lesen  wir  ÖQanovxsg  dh  ot  neXiol;  diese  den  Schriftzügcn  nach  nicht 
fern  liegende  Aenderung  wird  insofern  für  wahrscheinlich  gellen 
können,  als  davon  sogleich  das  ^eQOv  yivog  ig  xo  ^av^oxBqov 
^biov  xijg  XQ^^S  unterschieden,  also  offenbar  eine  Farbe  bezeichnet 
wird.  Wenn  S.  bemerkt:  ^ot  Xomol  et  xovg  fieyaXovg  mcdclam  adhuc 
exspectanl ',  so  scheint  uns  dagegen  nicht  xovg  ^eydXovg  corrupt  zu 
sein,  sondern  ot  ^Eitiöavqioi  und  q>aalv;  der  Autor  gibt  wohl  hier 
seine  eigene  Meinung  ab,  daher  jenes  zu  tilgen,  für  dieses  etwa  nel- 
^o^cii  zu  lesen  ist.  IV,  33,  3  wird  P.  schwerlich  für  nöthig  erachtet 
haben  anzugeben,  dafs  Mcgalopolis  in  Arkadien  liegt;  anstatt  nach 
Curtius  Pel.  II,  190  lovxi  öl  t%  ^Aqxaölag  ig  M.  n.  wird  es  genügen 
iovxi  de  inl  M,  tc.  zu  schreiben,  oder  allenfalls  l.  de  ag  iitl  M.  tc., 
vgl.  IV,  33,  6.  In  V,  9,  2  scheint  die  Construclion  ccTtrjvtjg  de  r« 
avevQt]fiaxi  zu  verlangen.  Vorher  V,  6,  5  ist  der  Sinn  des  Verbotes 
für  die  Frauen,  zur  Zeit  der  olympischen  Spiele  den  Alpheios  zu  pas- 
sieren, uns  aufrichtig  gestanden  noch  nicht  aufgegangen:  die  aus  dem 
Norden  nach  Olympia  sich  begebenden  berührten  ja  den  Flufs  nicht 
einmal:  dagegen  muste,  wer  dem  Agon  zusehen  wollte,  den  Kladeos 
überschreiten.  Hat  also  P.  wohl  diaßaaai  xov  KXdöeov  geschrieben? 
VIII,  49,  3  könnte  er  gesagt  haben  ^Ena^eLVcivöa  ydq  xa  xe  aXXa  ev 
netpvKBi  statt  '£.  yaQ  xd  xe  5.  ^  "^XV-  ^'^'^  ^^'  ^  ^^'"'*®  vielleicht  ne- 


434  J.  H.  C.  Schubart:  Pausaniae  doscriptio  Graeciae.  Vol.  1  et  II. 

Qi^^HV  xal  Ig  Odonolfiiva  richtiger  aud  IX,  5,  4  i^eßrig  ig  oder  ni^og 
/luiwaov,  vgl.  II,  2,  7;  I,  16,  2. 

Mögen  diese  Bemerkungen  und  unser  ganzer  Bericht  bei  dem  ver- 
ehrten Herausgeber  eine  so  freundliche  Aurnahme  linden,  wie  die  frü- 
hem Versuche ,  welche  wir  auf  seinem  Felde  angestellt  haben ! 

Heidelberg.  Ludwig  Kayser. 


C.  SaUusti  Crispi  de  coniuratione  Catilinae  et  de  hello  lugur- 
thino  libri^  ex  hisioriarum  libris  quinque  deperdiüs  aralianes 
et  epistolae.  Erklärt  von  Rudolf  Jacobs.  Leipzig,  Weidmann- 
sche  Buchhandlung  1852.    260  S.  8. 

Der  ziemlich  rasch  sich  mehrenden  Anzahl  von  guten  Schulaus- 
gaben der  lateinischen  und  griechischen  Classikcr  in  der  Haupt-Sauppe- 
sehen  Sammlung  schliefst  sich  die  vorliegende  Bearbeitung  in  ent- 
sprechender Weise  an.  Die  au  diesem  Ort  schon  wiederholt  be- 
sprochenen Grundsalze  des  Programms  sind  auch  von  diesem  Mitarbeiter 
im  ganzen  mit  Geschick  und  Pünktlichkeit  in  Anwendung  gebracht. 
Er  hat  mit  gutem  Takt  das  Mafs  der  Anmerkungen  sowie  deren  Form 
und  Fafsung  getroffen,  so  dafs  im  Grunde  nur  wenige  Stellen,  die  ei- 
ner Erläuterung  für  den  Schüler  noch  bedürftig  wären,  uncrörlert  ge- 
blieben sind,  andrerseits  aber  nicht  leicht  eine  Bemerkung  cingcflofsen 
ist,  die  selbst  für  den  gereiftercn  Schuler  entbehrlich  oder  zu  flach 
wäre.  Er  hat  es  verstanden  durch  seine  Anmerkungen  dem  Lehrer 
nicht  vorzugreifen,  wohl  aber  vorzuarbeiten,  besonders  in  sachlicher 
Beziehung  und,  was  wohl  noch  mehr  anzuerkennen  ist,  auch  in  gram- 
malischcn  Dingen.  Dies  vornehmlich  dadurch,  dafs  in  letzterer  Hin- 
sicht breitere  Auseinandersetzungen  vermieden,  dagegen,  manchmal  in 
recht  anregender  Weise,  W^inko  gegeben  sind,  die  das  Nachdenken  des 
Schülers  wecken  und  ihn  zu  selbslthäliger  Vorbcrüilung  vernnlafscn 
können.  Ein  Fall  dieser  Art  ist  die  Anm.  zu  Jug.  62,  3  facturum  — 
tradere  mit  folgender  Fafsung:  Svarum  zuerst  der  Inf.  fut.  und  dann 
derinf.  praos.  gesetzt  ist,  ergibt  sich  aus  der  natürlichen  Folge  der  ange- 
gebenen Dinge.'  An  diesem  und  ähnlichen  Beispielen  lüfst  sich  zugleich 
wahrnehmen,  wie  der  Hg.  sich  einer  die  eigene  Anstrengung  und  das 
Nachdenken  des  Schülers  fördernden  Kürze  und  Bündigkeit  beOeifsigt. 
Diesem  löblichen  Streben  müfsen  wir  es  auch  zuguthallen,  wenn  die 
Scheu  gar  zu  deutlich  und  platt  zu  reden  mitunter  zu  etwas  dunkle- 
rem, hartem,  zu  sehr  abstractem  Ausdruck  geführt  hat  und  technische 
Fremdwörter  sich  häufiger  eingeschlichen  haben,  als  in  einem  Schul- 
buch gerade  wünschenswerth  ist.  Entschiedene  Verstöfsc  gegen  die 
Klarheit  oder  die  deutsche  Sprache  sind  uns  wenigstens  in  den  An- 
merkungen niclit  viele  aufgestofsen ;  wir  machen  als  solche  nur  in 
der  2n  Anm.  zu  Jug.  1,  1  die  Worte  ^stutt  deren',  ferner  das  zu  Cat. 


R.  Jacobs:  C.  Sallustius  Crispus.  435 

58, 15.  16.  20,  7  (über  ieirarchae)^  iug,  41,  8  a.  9,  sowie  das  zu  orat. 
Phil.  §.  10  gesagte  bemerklich. 

Es  läfst  sich  demnach  mit  Grund  behaupten,  dafs  der  Hg.  durch 
eine  im  ganzen  saubere  und  zwcckmafsige  Bearbeitung  des  allerdings 
bei  Sallust  in  reichem  Mafse  vorliegenden  StolTes  ein  recht  brauch- 
bares Schulbuch  geliefert  hat.  Eine  andere  Frage  ist,  ob  er  nicht 
denn  doch  die  früheren  Arbeiten  zu  stark  benutzt,  zu  wenig  auf  ei- 
genen Füfsen  zu  stehen  gewagt  hat.  Es  versteht  sich,  dafs  es  vom 
Uebel  wäre,  zumal  bei  einer  Schulausgabe,  wenn  ein  neuer  Bearbeiter 
da,  wo  die  Auslegung  bereits  zu  sicherem  Abschlufs  gelangt  ist,  an- 
deres anstrebte  als  eine  formell  selbständige  Fafsung  der  schon  von 
anderen  richtig  gefundenen  Erklärung.  Auch  dafs  der  Hg.  der  Text- 
kritik so  gut  wie  keine  Berücksichtigung  hat  widerfahren  lafsen,  dürfte 
ihm  nicht  zum  Fehler  angerechnet  werden,  da  ihn  seiu  Programm  so- 
wie sein  Zweck  davon  gewissermafscn  dispensierte,  wiewohl  zu  wün- 
schen gewesen  wäre,  dafs  er  sich  wenigstens  über  seine  Grundsätze 
in  der  Wahl  des  Textes  etwas  eingehender  ausgesprochen  hätte,  zumal 
da  er  sich  an  keinen  der  neuesten  Kritiker  ausscbliefslich  hält.  Da- 
gegen müfsen  wir  es  tadelnswerth  finden,  dafs  nicht  selten  selbst  da 
ein  selbständiges  Urtheil  vermifst  wird,  wo  zwischen  zwei  einander 
liemlich  die  Wage  haltenden  Ansichten  eine  Endentscheidung  zu  geben 
war.  Es  licfse  sich  eine  Anzahl  von  Anmerkungen  namhoft  machen, 
worin  sich  noch  ein  Schwanken  des  Ilg.  kund  gibt,  sei  es  dafs  er  ver- 
schiedene Auffafsungen  zuläfst  oder  die  in  einem  Schulbuch  fatale 
Kategorie  der  Möglichkeit  ^es  kann  so  und  so  gefafst  werden'  anwen- 
det. Aufserdem  aber  hat  denn  doch  auch  der  vielbesprochene  Sallust 
noch  manche  Stellen,  die  noch  nicht  bis  zu  völliger  Klarheit  aufge- 
bellt sind  und  für  neue  befriedigendere  Erklärung  schwierigerer  Wen- 
dungen, für  klarere  Auseinandersetzung  des  Zusammenhangs,  auch 
wohl  für  feinere  Erörterungen  aus  der  Grammatik,  Synonymik  u.  s.  w. 
Raum  geben.  Fingerzeige  und  Beiträge  dieser  Art  sollen  im  folgen- 
den der  Beurtheilung  der  Leser,  vielleicht  auch  zur  Benützung  von 
Seiten  des  Hg.  bei  einer  neuen  Auflage,  vorgelegt  werden.  Zuvor  nur 
noch  eine  allgemeinere  Bemerkung  in  BotrelT  der  Einleitung  der 
vorliegenden  Ausgabe. 

Hier  ist  nemlich  thcilweise  die  Form  der  Darstellung  entschieden 
eine  minder  glückliche.  So  wenig  sich  leugnen  läfst,  dafs  die  Aus- 
wahl des  horgehörigen  StolTes  gut  getroffen  ist  und  alle  für  die  Schule 
passenden  Punkte  in  gedrängter  Kürze  ihre  Erledigung  finden,  und  so 
sehr  in  der  Ausführung  ein  guter  paedagogischer  Takt  sich  kund  gibt, 
der  die  kilzliche  Frage  über  Sallusts  Persönlichkeit  so  behandelt,  dafs 
einestheils  weder  das  sittliche  Gefühl  noch  die  Pietät  verletzt  wird, 
welche  der  Schüler  seinem  Schriftsteller  gegenüber  immer  haben  sollte, 
andernlheils  aber  der  Wahrheit  nichts  vergeben  ist ;  so  ist  doch  das 
Bestreben,  in  der  Einleitung  möglichst  vieles  zusammenzudrängen, 
auf  die  Ausdrucksweise  mitunter  von  nachtheiligem  Einflufs  gewesen. 
Schon  die  Wendungen  S.  4  ^angeblich  konnte  er  nicht  widerstehen' 


436  R.  Jacobs:  C.  Salluslius  Crispus. 

und  ^wahrscheinlich  wird  die  Sache  bei  seinem  nachmals  bedenteoden 
Reichlhum'  haben  etwas  hartes.  Noch  mehr  miifs  man  Anstofs  neh- 
men an  dem  ^aurserlich  betrachtet'  und  ^eino  helfende  Handhabe  daran, 
dafs  ihm  fühlbar  gemacht  wurde'  S.  6.  Auch  der  Ausdruck  ^maa 
kann  die  Ansicht  haben'  S.  8  nimmt  sich  etwas  sonderbar  atiß. 
Schleppend  und  schwerfallig  ist  die  Darstellung  S.  II  u.  12;  entbehr- 
lich die  S.  8  aufgeworfene  Frage:  Vas  wohl  die  Leute  gesagt  haben 
wArden,  wenn  sich  S.  selbst  an  den  Pranger  gestellt  hätte';  wie  auch 
sonst,  ist  S.  2  u.  3  thatsachliches  und  geurtheiltes  zu  wenig  ausein- 
andergehalten. Auch  dürfte  S.  8  manches  klarer  gefafst  und  nament- 
lich darauf  hingewiesen  sein,  dafs  neben  der  Unruhe  und  Gereiztheit 
bei  Sallust  dennoch  grofse  geschichtliche  Unparteilichkeit,  Treue  und 
Vorsicht  im  Urtheil  über  die  Persönlichkeiten,  besonders  im  Jugurtha, 
sich  wahrnehmen  lafsc.  Bei  einer  Ueberarbeitung  dieser  Vorbemer- 
kungen wird  unserem  Ilg.  sicherlich  eine  einfachere,  übersichtlichere 
und  leichter  lesbare  Darstellung  des  gut  ausgewählten  Stoffes  gelin- 
gen, in  der  Art,  dafs  auch  in  diesem  Thcil  seiner  Arbeit  noch  mehr 
cin/iig  das  Bedürfnis  der  Schule  ins  Auge  gefafst  und  dem  Schüler  in 
diesem  Lebens-  und  Litteraturbild  gleichfalls  eine  ebenso  gennrsreiche 
als  anregende  Leetüre  geboten  wird.    Und  nun  zum  einzelnen. 

Dafs  zu  Ca  tili  na  1,  4  gesagt  ist,  überall  sei  hei  habere  im 
Sallust  die  eigentliche  Grundbedeutung  im  Auge  zu  behalten,  geht 
etwas  zu  weit,  m.  s.  Jug.  103,  6,  wo  haheri  im  Parallelismus  mit  pw 
tari  steht.  —  Sed  hat  wenigstens  1,  6  seine  gegensätzliche  Bedeutung 
nicht  ganz  abgelegt,  s.  Dietsch  z.  d.  St.  —  Anima  2,  8  ist  wohl  nicht 
anders  zu  fafsen  denn  als  völlig  gleichbedeutend  mit  animus^  wie 
Jug.  2,  1.  Unser  Hg.  legt  zu  viel  hinein.  Dagegen  möchten  3,  3  die 
einzelnen  BegrilTo  pudor — audacia  etc.  doch  einander  gegenüber- 
stehen; denn  was  die  Antithesen  betrifft,  gehen  die  Alten,  vor  allen 
aber  Sullust,  sehr  weit,  m.  vgl.  z.  B.  Cat.  20,  8  u.  ä.  Stellen.  —  Da- 
für, dafs  3,  4  tenebafur  und  cornipla  zusammenzunehmen  und  su 
übersetzen  ist:  Mnmitlcn  so  grofsen  Sittenverderbens  blieb  doch  meine 
schwache  Jugend  in  den  Schlingen  des  Ehrgeizes,'  spricht  Jug.  24,  3 
obsessus  leueor  und  orat.  Lep.  5  rapta  lenel.  —  Ueber  den  Unter- 
schied von  animus  und  ingemum  (5,  l)  sollte  um  so  weniger  still- 
schweigend weggegangen  sein,  als,  wie  mir  scheint,  Sullust  einerseits 
hier  die  ßegriff'e  sehr  richtig  auseinander  hält,  andrerseits  aber  die 
bisherigen  Herausgeber  die  Sache  nicht  scharf  und  erschöpfend  genug 
behandelt  haben.  Beide  Wörter  haben  ganz  deutlich  in  gleicherweise 
eine  allgemeine  und  eine  besondere  Bedeutung;  animus  ist  i)  der  In- 
begriff sämmtlicher  Seelenkrurto,  im  Gegensatz  gegen  corpus^  so  an 
unserer  Stelle;  2)  eine  besondere  Seite  des  geistigen  Wesens,  das 
ixii^v^irfTiKov.  das  begehrende  und  empfindende  im  Menschen,  gegen- 
über von  mens  im  engeren  Sinne,  wie  bekanntlich  auch  unsere  altere 
Psychologie  von  zwei  Hanplkräften  der  menschlichen  Seele  sprach  u. 
z.  B.  Chr.  Weifs  gleichfalls  Sinn  und  Trieb  unterschieden  hat.  So 
gebraucht  Sallust  animus  gleich  nachher  <§.  4.    Desgleichen  ist  inge- 


R.  Jacobs :  C.  Sallustias  Crispus.  437 

«iiMi  1)  nach  seiner  allgemeinen  Bedeutung  der  alles  eiuselne  beher- 
Bchende  und  bedingende  habitns,  die  eigenthümliche  Sinnes-,  Denk- 
nnd  Handlungsweise,  die  anhaftende  Richtung  des  inneren  Wesens  und 
der  gesammten  Seelenkräfte,  wie  dies  Product  der  Natur  und  Geburt 
oder  anderer  vom  Menschen  nicht  sclbstlhutig  herbeigeführter  Umstände 
ist,  weswegen  ingenium  selbst  vom  Körper  vorkommt  =  natürliche 
Beschaifenheit,  s.  orat.  Cott.  §.  9;  2)  in  der  speciellen  Bedeutung  aber 
ist  ingenium  Talent  für  productive  Geistesthäligkcit,  Phantasie,  Witz, 
Scharfsinn  u.  s.  w.  In  der  fraglichen  Stelle  ist  das  letztere  Wort 
natürlich  im  allgemeinen  Sinn  zu  fafsen,  aber  wie  zu  übersetzen? 
Dietsch  schlagt  ^Charakter'  vor,  und  allerdings  läfst  sich  dieses  Wort 
in  dem  angegebenen  Sinn  gebrauchen ,  wie  ja  sowohl  der  Deutsche 
selbst  von  einem  Charakter  einer  Gegend  als  auch  der  Römer  von 
ingenium  locorum  sprechen  kann.  Doch  ziehen  wir  ^Gesinnung^  vor, 
weil  offenbar  nachher  §.  4  animus  am  besten  mit  ^Charakter^  wieder- 
gegeben wird.  —  Ueber  periculum  (6^  4)  ebenso  über  das  verwandte 
metus  im  objectiven  Sinn  (Jug.  114,  2)  vermifse  ich  hier  und  an  an- 
dern Stellen  bei  unserem  Hg.  wie  auch  bei  sonstigen  Erklärern  einen 
Wink,  dafs  der  Schüler  sich  gewöhnt,  an  den  weiteren  objectiven 
Sinn  dieses  Wortes  wie  bei  dem  griechischen  xlvdvvog  za  denken. — 
Dafs  intentus  6,  5  absolut  =  rührig  gebraucht  wird,  beweist  nicht, 
wie  theilweise  angenommen  wird,  dafs  es  2,  9  u.  Jug.  89,  3  ebenso 
gefafst  werden  darf.  —  Falsch  ist  die  Anm.  zu  6f  7:  ^der  Gen.  gibt 
an,  wozu  das  reg.  imp.  gereicht  hatte.^  Dietsch  weist  ganz  richtig 
auf  die  ähnlichen  Redeweisen  in  moris^  iuris  est  hin.  —  Das  nicht 
leichte  curahant  9,  3  fordert  einen  Fingerzeig.  —  Wie  das  einfache 
quam  (9,  ö)  den  Sinn  von  tamguam  haben  könne,  mufs  erklärt  wer- 
den. Wohl  nur  deswegen,  weil  dem  Schriftsteller  bereits  das  nach- 
folgende malebanl  vorschwebt.  —  Der  in  der  That  trefTende  aber  dem 
Schüler  durch  seine  Wörterbücher  wohl  nicht  zu  völliger  Klarheit 
gebrachte  Ausdruck  ferocis  militum  animos  (11,  5)  fordert  deshalb, 
wie  das  obige  curahant^  eine  Bemerkung,  weil  der  allgemeine  Begriff 
hier  in  einer  eigenthümlichen  Anwendung  erscheint:  es  will  den 
Mangel  an  Sclbstbehcrschung  bezeichnen,  der  gewöhnlich  ein  Haupt- 
kennzeichen von  sittlicher  Unbildung  ist.  Es  ist  eine  vox  media,  so- 
fern ein  solcher  Mangel  an  Ueborlegung,  Umsicht  und  Selbstbeher- 
schung  gar  wohl  z.  B.  an  einem  Soldaten  auch  etwas  relativ  gutes 
mit  sich  führen  kann,  nemlich  einen  tollen,  aller  Gefahr  trotzenden 
Muth,  ein  Zufahren  und  Dreinschlagen,  wobei  man  sich  selber  ver- 
fifst  und  aufopfert.  Dies  ist  es  natürlich  hier  nicht,  weswegen  auch 
die  Bemerkung  von  Dietsch  ^virium  fiducia  ad  omnia  paratus'  weg- 
bleiben sollte,  sondern  mufs  übersetzt  werden:  die  in  ihren  Leiden- 
schaften ungebandiglen,  ungebildeten  Soldaten.  —  Promiseva  12,  2 
fafst  J.  =  gleichgültig,  was  schwer  zu  rechtfertigen  sein  möchte; 
Daher  liegt  wohl  die  Uebersetzung:  ^  über  das  Gefühl  für  Ehre  und 
Scham,  über  das  Verhöltnis  zu  Göttern  und  Menschen,  ohne  Unter- 
schied über  alles  setzte  man  sich  rücksichts-  und  schrankenlos  hin- 


438  R.  Jacobs:  C.  Sallastius  Crispus. 

weg/  Noch  eine  weitere  Schwierigkeit  ergibt  sich  far  unsern  Hg., 
sofern  er  wohl  bei  seiner  Beziehung  von  promiscua  zu  habere  die 
Worte  pensih.  anders,  als  er  5,  6  selbst  angenommen  hat,  oemlich  als 
Gen.  prclii  ansehen  müsle.  —  lieber  infestus  sollte,  wenn  einmal  (15, 
4)  darüber  gesprochen  wird ,  weiter  gesagt  sein,  dafs  und  wie  die  ur- 
sprünglich passive  Bedeutung  in  die  bei  Sallnst  allerdings  gewöhn- 
lichere active  übergeht.  Instructiv  ist  Jug.  89,  5.  Dort  heifst  es  von 
der  Umgegend  von  Capsa,  sie  sei  infesta  serpentibus^  d.  h.  zunächst 
8.  V.  a.  beunruhigt  durch  Schlangen;  die  Folge  davon  ist,  dafs  von 
der  Gegend  sofort  gesagt  werden  kann,  sie  beunruhige,  bringe  Ge- 
fahr uud  Anstofs  für  die  Menschen.  Ganz  auf  gleiche  Weise  fliefsen 
bei  offendere  zweierlei  Bedeutungen:  Schaden  nehmen  und  Schaden 
bringen,  ineinander.  —  Da  commodare  (16,  l)  keinen  Dativ  bei  sich 
hat,  so  scheint  es  näher  zu  liegen,  es  zunächst  in  der  Bedeutung  ^za- 
rechtmachen,  bilden'  zu  fafsen  und  sich  als  Ergänzung  davon  zu  den- 
ken :  für  sich  und  andere.  Offenbar  ist  absichtlich  ein  verächtlicher 
Ausdruck  gewählt,  wodurch  die  schmähliche  Unselbständigkeit  jener 
Leute  um  so  schärfer  gezeichnet  wird.  —  Das  Plusquamperf.  (20,  2) 
ist  nicht  richtig  gerechtfertigt.  Dasselbe  ist  meines  Erachlens  viel- 
mehr dadurch  herbeigeführt,  dafs  der  Schriftsteller  oder  vielmehr  der 
Redner  die  Besitznahme  der  Herschaft  als  längst  abgeschlofsene  That- 
Sache  betrachtet  wifsen  will.  Somit  ist  es  dieselbe  Anschauung,  wie 
in  der  Rede  llannibalsbei  Livius  XXI,  43.  44,  wo  vicimus  steht  von  ei- 
nem erst  gehofften  Sieg,  weil  der  Redner  denselben  als  schon  gewis 
den  seinigen  zugefallen  darstellen  will.  Die  hebraeische  Sprache  hat 
als  regclmäfsigen  Sprachgebrauch  ein  perfectum  propheticum.  Man 
vergleiche  auch  Cat.  38,  9  u.  10.  —  Wenn  der  Ausdruck  ^nnbarmher- 
zig  mit  dem  Gelde  umgehen'  nicht  blofs  ein  schwäbischer  Provincia- 
lismus  ist,  so  möchte  er  die  beste  Ucbcrsetzung  für  die  20,  12  ge- 
brauchten Ausdrücke  trahere,  vexare  sein.  Ich  erlaube  mir  hier  dar- 
über an  die  norddeutschen  Fachgenofsen  eine  Anfrage  zu  stellen. 
Ebenso  möchte  ich,  weil  ich  gerade  am  Fragen  bin,  mir  sagen  lafsen, 
ob  25,  2  und  5  elegans  nicht  am  besten  durch  ^  kokett',  tnollis  durch 
^sentimental'  zu  geben  wäre,  oder  ob  unsere  Sprache  eigene  Aus- 
drücke für  diese  zwei  offenbar  hier  gemeinten  Begriffe  besitze?  — 
Sed  ei  cariora  semper  omnia  —  fuit  (25,  2)  fordert,  wenn  nicht  eine 
Besprechung,  doch  jedenfalls  eine  Verweisung  auf  Jug.  50,  6  sifi  op- 
porluuior  fngae  colfis  quam  campi  fuerat  (al.  fueranl)^  etwa  mit  bei- 
gefügter Frage,  worin  beide  Fälle  verwandt  und  in  wiefern  sie  ver- 
schieden seien.  M.  vgl.  auch  Krügers  lat.  Gr.  <$.  665.  —  Die  Anm. 
zu  32,  2  sollte  einfacher  gefafst  sein  und  dem  Schüler  etwas  be- 
stimmteres an  die  Hand  geben.  Warum  steht  in  Sätzen  dieser 
Art  (Heischesätzen),  selbst  in  Verbindung  mit  einem  unterge- 
ordneten Satz  mit  dem  Imperf.  Conj.  posseni  (s.  34,  I  teilentj  Cio. 
Off.  I,  11,  11  palereiur),  dennoch  im  Heischesatz  selbst  Praes.  Conj. 
(s.  Ju>^^  13,  6.  28,  1)  und  zwar  nach  den  angeführten  Beispie- 
len mit   ziemlicher  Consequenz,  was  eben  aus  der  ungewöhnlichen 


R.  Jacobs :  C.  Sallnstius  Crispiis.  439 

Zasammenstellang  mit  Impf.  Conj.  erhelU?  Man  kann  wohl  mit  Krüger 
§.  656  Anm.  auf  die  lebhaftere  Vergegenwärtigung  als  auf  den  Grund 
dieses  Sprachgebrauchs,  der  auch  in  Fragesätzen  sich  findet,  s.  Tac. 
Ann.  I,  19  vgl.  I,  17,  verweisen.  Umfafsender  und  am  Ende  auch  rich- 
tiger wird  aber  vielleicht  die  Sache  gefafst,  wenn  wir  dieselbe  Er- 
scheinung eines  auffallenden  Praes.  Conj.  nach  einem  Perf.  histor. 
(nicht  biofs  logicum)  in  Aussagesätzen  hinzunehmen,  z.  B.  Sali. 
Jng.  111,  1;  vgl.  Liv.  XXIV,  8:  quales  eiros  creare  tos  consules  de- 
ceai^  satis  est  dic/uin, und  sagen:  das  Praes. Conj.  kann  im  Nebensatz 
stehen:  l)  wenn  der  Nebensatz  etwas  aussagt,  was  erst  eintreten  soll, 
oder  2)  etwas  was  zu  jeder  Zeit  stattfindet  oder  gilt.  Es  mu  fs  aber 
diese  von  der  rpgelmäfsigen  consecutio  temporum  abweichende  Con- 
struction  eintreten,  wenn  der  Schriftsteller  deu  Gedanken  ganz  abge- 
sehen von  der  Vergangenheit  darstellt  und  bis  auf  einen  gewissen 
Grad  von  der  indirecten  Rede  in  die  directc  überspringt,  was  bei 
Heischesätzen  besonders  nahe  liegt.  Somit  ist  es  dieselbe  Sprach- 
erscheinung, die  bei  den  oft  so  auffallenden  Indicaliven  in  Zwischen- 
sätzen der  oratio  obliqua  im  Lat.  (besonders  bei*Sallust)  wie  noch 
mehr  im  Griech.  stattflndet.  —  Für  die  ziemlich  allgemein  angenom- 
mene Bedeutung  von  aliena  (37,  l)  =  verirrt,  falsch  läfst  sich  zwar 
ans  Sallust  selbst  Jug.  1,  5  als  Belegstelle  anführen;  doch  liefse  sich 
fragen,  ob  nicht  auch  dieser  Ausdruck  wenigstens  im  vorliegenden 
Zusammenhang  enger  und  mehr  im  politischen  als  sittlichen  Sinne  auf- 
sufafsen  ist,  so  dafs  nicht  a  vero  sondern  a  re  publica  zu  supplicren 
wäre.  Für  den  Römer  haben  manche  derartige  Begriffe  (m.  vgl.  nur 
modeslus)  einen  rein  politischen  Sinn  erhalten,  da  ihm  eben  die  Sitt- 
lichkeit vielfach  in  der  Politik  aufgieng.  —  Das  für  den  Schüler  nicht 
leichte  egestas' facile  habetur  sine  damno  37,  3  erhält  vielleicht  am 
ehesten  Licht  durch  die  Bemerkung,  dafs  egestas  habetur  s.  v.  ist  als : 
man  befindet  sich  im  Zustand  der  Armut,  und  durch  dieUebersetzung: 
die  Armut  hat  einen  leichten  Stand,  sofern  sie  nichts  zu  verlieren  hat. 

—  Dafs  Sallust  37,  11  multos  scheinbar  ungenau  gebraucht,  hat  wohl 
einfach  darin  seinen  Grund,  dafs  er  eine  Monographie  schreibt;  für 
eine  solche  ist  schon  ein  Zeitraum  von  elf  Jahren  keine  kurze  Frist.  — 
Bei  der  von  unserm  Hg.  u.  a.  angenommenen  Auffafsung  von  placidius 
iraclarent  39,  2  erwartet  man  statt  iractarent  eher  haberent;  des- 
wegen und  weil  die  Grundbedeutung  von  placidus  es  jedenfalls  sehr 
gnt  zuläfst,  halte  ich  folgende  Uebersetzung  der  Stelle  für  richtiger: 
*sie  schrecken  die  von  der  Gegenpartei  durch  gerichtliche  Verfolgun- 
gen, damit  dieselben  (die  Tribunen)  während  ihrer  Amtsführung  das 
Volk  mehr  im  Geiste  der  Milde  (nicht  in  aufrührerischem,  aufwiegle- 
rischen Geiste)  behandeln  (und  bearbeiten)  sollten.'  Ist  diese  Auf- 
fafsung die  richtige,  so  wird  wohl  auch  eorum  §.  3  richtiger  auf 
ceteros  bezogen,  wiewohl  es  für  den  Zusammenhang  und  Sinn  der 
Stelle  von  wenig  Belang  ist,  wenn  man  dabei  lieber  an  plebem  denkt. 

—  Zweierlei  Sinn  zugleich  in  einem  und  demselben  Wort  cingeschlo- 
fsen  zu  finden,  hat  immer  etwas  misliches;  daher  wird  wohl  40,  5  der 


440  R*  Jacobs:  C.  Sallustius  Crispus. 

Zusatz:  aber  znglcicb  ist  der  Sinn  *dcm  Plane  nicht  fremd'  mit  darin 
cingeschlofsen  —  gestrichen  werden  müfsen.  —  Zur  Erläuterung  der 
Redensart  in  incerto  habuere  41, 1  ist  wohl  am  passendsten  das  griech. 
eX^iv  mit  Adverbium  beizubringen.  —  Zu  repetundarum  (49,  2)  ist 
die  Bemerkung,  dafs  dieser  Ausdruck  gegen  das  Ende  der  Republik 
einen  weiteren  Umfang  bekam,  nothwendig.  —  Die  diplomatische  Art, 
wie  Caesar  seine  philosophische  Erörterung  über  das  Dogma  von  der 
Unsterblichkeit  einleitet,  bedarf  einer  kurzen  Besprechung,  die  bei 
den  Auslegern  überhaupt  vermifsl  wird.  Caesar  will  mit  den  echt  welt- 
männisch gefafsten  Einleilungsworlcn  §.  20,  wie  mir  scheint,  sagen: 
4ch  (oder  wir)  können  in  dieser  Versammlung  gleichsam  im  Ver- 
trauen wohl  davon  reden,  wie  es  sich  mit  diesem  Glaubenssatz  eigent- 
lich verhalt,  wenn  man  gleich  sonst  und  gegenüber  dem  Volke  nicht 
gern  laut  davon  spricht,  weil  der  alte  Volksglaube  anderes  lehrt.'  — 
Auch  den  Gedankengang  §.  20  ff.  finde  ich  bei  den  Auslegern  noch 
nicht  gehörig  aufgehellt.  Ich  glaube  denselben  so  fafsen  zu  müfsen: 
philosophisch  betrachtet,  sagt  Caesar,  ist  die  Todesstrafe  in  den  Au- 
gen des  aufgeklärten  eine  Wohlthat  (§.  20);  dieselbe  ist  aber  ferner 
nach  römischen  Gesetzen  unzulüfsig:  dieser  Ilaupisatz  der  nachfolgen- 
den Erörterung  wird  mit  einer  dialektischen  Wendung  §.  21  ff.  einge- 
leitet und  gesagt,  insofern  Silanus  durch 'seine  Bestimmung,  keine 
Prügelstrafe  eintreten  zu  lafscn,  mit  sich  selbst  in  Widerspruch  kommt, 
das  einemal  die  Gesetze  heilig  hält,  das  anderemal  nicht,  huldigt  er 
stillschweigend  dem  Grundsatz,  dessen  Verfechter  ich  bin:  die  Ge- 
setze über  alles,  aber  freilich  in  einer  inconsequenten  Weise.  Der 
directe  und  materielle  Beweis,  dufs  der  Vorschlag  des  Silanus  ver- 
fafsungs widrig  sei,  wird  dann  §.  25  —  36  durch  einen  Blick  vorwärts, 
§.  37 — 42  durch  einen  Blick  rückwärts  geführt.  Merkwürdig  ist,  wie 
Caesar,  der  sonst  in  der  ganzen  Rede  so  überaus  klug  die  Gelcgenheiti 
sich  selbst  in  den  Augen  des  Volks  zu  heben,  benützt,  mit  seiner  phi- 
losophischen Aufklärung  <J.  20  aus  der  Rolle  füllt.  Sonst  schmeichelt 
er  den  Volksvorstellungen  auf  alle  Weise,  hier  trilt  er  ihnen  ent- 
schieden entgegen;  dafs  man  aber  durch  Misachtung  des  Volksglau- 
bens sich  auch  als  Staatsmann  eine  Blöfse  gibt,  hat  er  in  seinem  auf- 
klärerischen Pruritus  nicht  gemerkt.  Tout  comme  chez  nous.  —  Es 
liefse  sich  fragen,  ob  7?«i—</rr//ia//i  fecissem  (52,  8)  ohne  weiteres  cau- 
sal  zu  fafsen  und  nicht  vielmehr  zu  übersetzen  sei :  *ich ,  der  ich  mir 
und  meinem  Charakter  (oder:  Willen)  niemals  einen  Fehltritt  nachge- 
sehen hätte,  wollte  auch  nicht  leicht  fremder  Leidenschaft  Uebel- 
thatcu  verzeihen.'  Wenigstens  wird  auf  diese  Weise  auch  die  Zwei- 
deutigkeit vermieden,  welche  bei  der  Uebersctzung  von  qiii  mit:  *da 
ich—  nachgesehen  habe'  zurückbleibt  (s.  Dietsch  z.  d.  St.);  zudem 
spricht  das  Tempus  bei  fecissem  für  die  erstere  Auffafsung.  —  Za 
vacuam  rem  pubiicam  §.  23  sollte  auf  Jug.  85,  43  verwiesen  und  an 
die  mich  sonst  häufige  Vorstellung  des  Römers  vom  Stuatsganzen  als 
einer  Tir  sich  bestehenden  zwischen  die  Parteien  gestellten  ^morali- 
sche» Person'  erinnert  werden.    M.  s.  auch  53,  5.   Auch  Livius  und 


R.  Jacobs:  C.  Sallnstius  Crispus.  441 

Cicero  bieten  viele  Beispiele  von  dieser  Anschauungsweise.  —  Die 
Anm.  zu  52,  ^  scheint  mir  die  Sache  nicht  klarer  sondern  unklarer 
%ü  machen.  —  Von  §.  24—  35  wird  von  Calo  die  Nothwendigkeit  soi- 
■es  Antrags  bewiesen  und  zwar  (§.  24 — 34)  argumentiert  er  1)  aus 
der  Persönlichkeit  der  Verschworenen,  2)  aus  der  Dringlichkeit  der 
Sache  (34.  35).  Die  Persönlichkeit  derselben  wird  hauptsächlich  von 
Seite  ihrer  Vergangenheit  (vila)  ins  Auge  gefafst  und  gesagt:  so 
wenig  ein  Lentulus  sich  selbst,  seinen  guten  Namen  u.  dgl.  jemals 
mit  Schonung  behandelt  hat,  so  wenig  seid  ihr  ihm  Schonung  schul- 
dig. Von  anderen  wie  Gabinius  u.  s.  w.  brauche  ich  gar  nicht  zu 
reden.  Es  sind  dies  Leute,  die  bisher  in  allen  Stücken  gewifsenlos 
gedacht  und  gehandelt  haben ,  und  die  natürlich  auch  jetzt  keine  an- 
deren als  schlechte  Wege  im  politischen  Leben  einschlagen;  so  wenig 
als  diese  Leute  bisher  sich  aus  irgend  etwas  ein  Gewifsen  machten, 
80  wenig  auch  diesmal.  Es  wird  nicht,  wie  J.  sagt,  aus  der  That 
rückwärts  auf  den  Charakter  geschlofsen,  sondern  aus  der  Vergangen- 
heit auf  die  Gegenwart.  Statt  aber  in  schlichler  Rede  zu  sagen: 
Leute,  deren  Gewifsenlosigkeit  nothwendig  die  jetzigen  faulen  Früchte 
hervorbringen  muste,  drückt  sich  der  Redner  in  negativer  und  zu- 
gleich hypothetischer  Form  aus.  —  Bei  aniecapere  (55,  l)  sollte  auf 
13,  4  verwiesen  sein,  weil  sonst  der  Schüler  schwerlich  auf  die  rechte 
Uebersetzung  kommt.  —  Zur  Rechtfertigung,  jedenfalls  zur  Verdeut- 
lichung des  auffallenden  cuius  (56,  5)  liefse  sich  der  griechische 
Sprachgebrauch  anführen,  dafs  beim  Snbject  im  Plural,  das  ncutri 
gencris  ist,  das  Verbum  im  Singular  steht.  —  Dafs  palere  (56,  2) 
viel  natürlicher  mit  ^sichtbar  werden,  sich  herausstellen'  zu  über- 
setzen ist,  sagt  unser  Hg.  so  sehr  mit  Recht,  dafs  er  füglich  die  an- 
dere Uebersetzung  unbeachtet  lafscn  durfte.  —  Dagegen  spricht,  was 
in  der  Anm.  zu  quo  in  loco  (58,  5)  gesagt  wird,  gerade  gegen  die 
von  ihm  aufgenommene  Lesart.  —  Die  Anm.  zu  pace  bellum  mutatit 
(58, 15)  ist  unverständlich,  und  doch  ist  eine  klare  und  ausführlichere 
Erörterung  des  so  eigenthümlichen  Sprachgebrauchs  (m.  vgl.  auch 
eompensare)  mit  seiner  auf  zweifacher  Anschauung  beruhenden  Doppel- 
construction  gar  sehr  am  Platze.  M.  s.  unten  die  Bern,  zu  erat.  Phil. 
^.  7.  —  Auch  was  die  Worte  zu  58,  16  ^  guis  =  guibus  von  hier  an 
öfter'  besagen  sollen,  ist  nicht  verständlich.  —  Was  das  schwierige 
rupe  aspera  (59,  2)  betrifft,  so  ist  mir  keineswegs  ausgemacht,  dafs 
die  von  Dietsch  empfohlene  und  von  unserem  Hg.  angenommene  Er- 
klärung die  entschieden  und  allein  richtige  sei.  Vielmehr  mufs  ich 
aller  Einwendungen  ungeachtet  die  Auffafsung  von  rupe  aspera  als 
Abi.  quäl,  zu  planities  (oder  auch  etwa  aspera  als  Nom.)  für  natür- 
licher halten.  Es  scheint,  die  Voraussetzung,  zu  inier  werde  noth- 
wendig ein  zweites  Glied  erfordert,  habe  die  genannten  Erklärer  zu 
der  Annahme  der  olTenbar  harten  Construction  (aspera  als  neutr.  plur. 
acc.  zn  nehmen)  gebracht.  Sieht  man  aber  z.  B.  Jug.  89,  4  genau  an, 
so  erhellt,  dafs  dies  gar  nicht  nöthig  ist,  sondern  inter  überhaupt  die 
Umgebung  bezeichnet.    So  ergibt  sich  eine  einfache  Uebersetzung: 

/V.  Jakrb.  f.  PkU.  m.  Paed.  Bd.  LXX.  Hß.  4  ii.  r,.  29 


442  R.  Jacobs:  C.  Salliistius  Crispns. 

^da  die  Ebene  links  ganz  von  Bergen  begrenzt  war  und  rechts  einen 
raahen  steinigen  Boden  hatte.' 

Im  Jngurtha  1,  2  ist  mit  den  meisten  neueren  Herausgebern 
statt  der  in  vielen  Hss.  vorliegenden  Lesart  invenies  die  gleichfalls 
gut  beglaubigte  Form  invenias  aufgenommen.  Ohne  über  die  Richtig- 
keit der  einen  oder  andern  Lesart  endgiltig  entscheiden  zu  wollen, 
möchten  wir  doch  für  die  crstcre  die  Futura  in  ähnlichen  Stellen  Jug. 
17,  7.  42,  5.  Cat.  19,  6  anführen  und  über  die  Bedeutung  des  Fut.  in 
solchen  Wendungen  auf  das  unten  zu  17,  7  gesagte  verweisen. —  Dafs 
J.  die  auf  den  ersten  Anblick  so  sehr  sich  empfehlende  Conjcctur  von 
Dietsch  1,  4  statt  captus  zu  lesen  raptus,  nicht  aufgenommen  hat, 
könnte  auffallen,  ist  aber  zu  billigen.  Denn  captus  passt  ganz  gut 
in  den  Zusammenhang.  Man  übersetze :  ^  wenn  aber  der  Mensch  als 
Sklave  verkehrter  Neigungen  dem  Verderben  der  Trägheit  und  Sinn* 
lichkeit  anheimfällt,  auch  nach  kurzem  Genufse  der  verderblichen 
Lust'  u.  s.  w. ;  man  nehme  in  Betracht,  dufs  Trägheit  und  Sinnlichkeit 
hier  als  Zustände,  als  partes  corruptionis ^  nicht  als  Ursachen,  son- 
dern als  einzelne  Züge  des  aus  den  verkehrten  Neigungen  entstande- 
nen Habitus  des  Verderbens  anzusehen  sind;  man  erwäge  endlich,  dafs 
auf  diese  Weise  die  Concinnität  mit  ad  gloriam  grassalur  noch  befser 
gewahrt  ist  als  bei  der  von  D.  vorgeschlagenen  Auffafsung;  so  wird 
man  sich  bei  der  Texteslcsart  vollständig  beruhigen. —  Auch  ist  wohl 
die  Uebcrselzung  von  incrtia  mit  Unthätigkeit  (richligcr  wohl  Träg- 
heit, Schlaßlieit)  der  von  Dielsch  empfohlenen  ^  Pflichtvergefsenheii' 
vorzuziehen.  —  Dagegen  erregt  es  Befremden,  dafs  unser  Hg.  die 
von  D.  so  scharfsinnig  verthcidiglc  Lesart  der  besten  Hss.  actores 
nicht  zugelafsen,  sondern  das  immerhin  bedenkliche  auctores  vorge- 
zogen hat.  Wir  finden  mit  D.  in  dem  Satz  einen  in  metrische  Form 
gebrachten  Spruch,  vielleicht  ein  einem  poetischen  Werk  entnomme- 
nes Sprüchwort,  und  übersetzen:  ^man  nennet  die  Geschäfte  schuldig 
statt  sich  selbst.' —  Zu  4,  6  hat  D.  ofTenbar  richtig  bemerkt:  apparel 
hoc  enuntiatum  referri  ad  verbum,  quod  ex  ^dicere  solitos'  audiatur: 
scilicet,  cum  ila  dicerenl,  censebant,  und  zugleich  uachgewiesen, 
warum  scilicet  hier  nicht  als  das  regierende  Verbum  betrachtet  werden 
•£s  fällt  auf,  dafs  unser  Hg.  auf  die  letztere  Erklärung  zurück- 
^^..ur  en  ist.  M.  vgl.  82,  3.  85,  2.  88,  6.  —  Die  4,  4  bezeichneten 
Zeiten  sind  die  Zeiten  des  Triumvirats  von  Caesar,  Pompeius  und 
Crassus  und  des  darauf  folgenden  Bürgerkriegs.  Somit  wird  wohl  am 
ehesten  das  Merkmal  des  bedenklichen,  die  mit  Staatsämtern  ver- 
bundene Unlust  und  Gefahr  es  sein,  woran  Sallust  erinnern  will.  Seine 
Absicht  ist  zu  beweisen,  dafs  er  sich  nicht  aus  Trägheit  und  mit  Hint* 
ansetzung  seiner  Bürgerpflichten  vom  politischen  Treiben  zurückge- 
zogen habe,  und  er  erinnert  daher  daran,  wie  er  in  Zeiten,  da  es 
wahrlich  nichts  angenehmes  gewesen  sei ,  Staatsämler  zu  übernehmen, 
seine  Quaestur,  sein  Volkstribunat  bekleidet  habe;  ferner,  wie  es  da- 
zumal selbst  für  tüchtige  Männer  nicht  möglich  gewesen  sei,  die 
ihnen  gebührenden  und  von  ihnen  gesuchten  Ehrenstellen  zu  erhalten, 


R.  Jacobs :  C.  Sallostius  Crispas.  448 

wie  somit  neben  Nuth  auch  Klarheit  erforderlich  gewesen,  nm  in  boU 
chen  aufgeregten  Zeiten  ein  Amt  zu  bekommen  und  zu  verwalten. 
Demnach  will  er  sagen:   ^ durch  meinen  wirklichen  Antheil  an  der 
Staatsverwaltung  in  mislichcr  Zeit  kann  ich  mich  positiv  von  jenem 
Vorwurf  der  inertia  freisprechen.    Andrerseits  aber,  fahrt  er  fort, 
konnte  der  Umstand,  dafs  nach  jener  Zeit  der  Senat  von  schlech- 
ten Subjecten  bevölkert  wurde,  einem  Ehrenmann  es  wohl  enlleiden, 
mit  solchen  gemeinschaftlich  zu  amten,  und  man  mufs  es  vollkommen 
gerechtfertigt  finden ,  wenn  ich  dann  meine  Grundsätze  in  Betreff  po- 
litischer Thätigkeit  änderte;  ein  unbefangener  mufs  zugebeu,  dafs  ich 
nunmehr  meine  guten  Gründe  hatte,  mich  von  der  Politik  zurfickza- 
ziehcn,  nicht  aber  eine  ignavia^  d.  h.  eine  Gleichgiltigkeit  und  Scheu, 
meine  Bürgerpflichten  zu  erfüllen,  bei  meinem  otium  vorausgesetzt 
werden  darf.    Vielmehr  wird  man  mit  mir  überzeugt  sein,  dafs  man 
dermalen  patriotischer  handelt  und  dem  allgemeinen  Besten  wesent- 
lichere Dienste  leistet  durch  eine  wifsenschaftliche  Beschäftigung  als 
durch  praktische  Theilnahme  an  der  Staatsverwaltung  (negotid).  Meine 
in  Rom  als  Geschäftslosigkeit  bezeichnete  Thätigkeit  bringt  dem  Staate 
mehr  Nutzen  als  die  politische  Geschäftigkeit  anderer.    Dies  um  so 
mehr,  da  (§.  5.  6)  meine  Beschäftigung  von  der  Art  ist,  dafs  sie  von 
ferne  nicht  unpraktisch  heifsen  kann,  sondern  nach  dem  Geständnisse 
der  verdientesten  Männer  des  Staats  ein  treiTliches  Mittel  ist,  tüchtige 
Bürger  zu  bilden.'    Fafst  man  so  den  Zusammenhang  von  4,  4 — 6,  so 
ist  meines  Erachteus  alles  klar  und  jedes  Wort  an  seinem  Platze,  ins- 
besondere das  dreimalige  et  in  §.  4  vollkommen  gerechtfertigt,  und 
es  liefse  sich  fragen,  ob  nicht  hienach  die  Anm.  unseres  Buchs  zu  et 
quifms  zu  ändern  sein  dürfte. —  Dafs  unser  Hg.  mit  seiner  Auffafsung 
von  sed  imperi  —  pnis  fuit  5,  5  das  richtige  getroffen  hat,  beweist 
mir  aufser  der  Natürlichkeit  dieser  Deutung  besonders  auch  der  offen- 
bare Gegensatz  des  nachfolgenden  regnum^  womit  eben  angedeutet 
wird,  dafs  die  Nachfolger  des  Masinissa  kein  so  umfafsendes  Reich 
mehr  hatten.  —   6,1  mufs  der  Sing,  leonem  auffallen  und  erfordert 
eine  Bemerkung.    Man  könnte  85^  33  hostem  ferire  vergleichen ,  doch 
liegt  hier  vielleicht  etwas  anderes  zu  Grunde  als  dort.    Ist  es  nicht, 
möchte  ich  fragen,  ein  ähnlicher  Sprachgebrauch,  wie  ihn  die  kindr 
liehe  und  alterthümliche  Sprache  (m.  vgl.  Aesop  und  das  Hebraeische : 
il  aldrcrj^  und  '^'ll^'n  ^j'T^tl) ,  desgleichen  noch  jetzt  die  Sprache  des 
gemeinen  Lebens  durchweg  festhält,  bei  bekannten  Thiergattungen 
sich  alsbald  ein  Concretum,  ein  Individuum  vorzustellen?    Die  Erhe- 
bung zu  Gattungsbegriffen  gehört  einer  vorgerückteren  Culturstufe 
an;  auf  der  Stufe  der  Kindlichkeit  spricht  der  Mensch  von  ^dem  Lö- 
wen, dem  Bären'  und  dieser  Sprachgebranch  erhält  sich  in  solchen 
Redensarten  wie  leonem  ferire^  oder   im  deutschen  *  der  Fuchs  bat 
die  Hühner  geholt.'  M.  vgl.  auch  glande —  taedam  bl^  4.  5.  —  10,  3 
ist  per  hanc  dextram  keineswegs  nothwendig  =  per  meam  dextram. 
"Wie  §.  7  ante  hos  auf  die  vor  ihm  stehenden  Söhne  geht,  so  hier 
haue  dextram  auf  die  von   ihm  in  der  Aufregung  des  Gefühls  ergrif- 

29* 


444  R.  Jacobs:  C.  Salliistias  Crispns. 

fene  Hand  Jugurthas.  Per  regni  fidem  aber  scbeinl  am  iiatiirlidisleii 
gefafst  zu  werden:  ^bci  der  Treue,  welche  du  dem  Reiche  schuldig 
bist',  sei  es  dafs  regni  als  Geo.  object.  oder,  was  sprachlich  wohl 
bcTscr  ist,  als  Gen.  subject.  genommen  wird,  also  wörtlich  *bei  der 
ZuverUrsigkeit,  welche  dem  Königthum  zugehört,  d.  h.  welche  ich 
als  König  von  dir  erwarten  und  fordern  kann.'  Dafs  bei  der  Deutung 
unseres  Hg.  eine  Härte  zurückbleibt,  hat  derselbe,  nach  seiner  Bemer- 
kung z.  d.  St.  zu  urtheilen,  selbst  gefühlt.  —  11?  4  hat  meines  WU 
fscns  noch  kein  Ausleger  zur  Erklärung  des  rix  iraducttis  e$t  an  den 
griechischen  Sprachgebrauch  von  ^It^  und  ^oyig  erinnert,  der  unsere 
Stelle  vollkommen  aufklärt.  Wie  in  Soph.  El.  575  av^^  (ov  ßiaa^dg 
TTolXa  navTißag  (AoXtg  l^vasv  avri]v  dieses  Adverbium  von  Hermann 
zu  Vig.  p.  788  richtig  durch  tandem  übersetzt  wird,  so  ist  hier  vix 
:=  tandem.  Eigentlich  aber  ist  es  ein  abgekürzter  Adverbialsatz:  *er 
liefs  sich  bestimmen,  die  andere  Seite  einzunehmen,  wiewohl  er  dies 
ungern  Ihat.'  Man  vgl.  fruslra  92.8. —  Bei  13,  1  ilium  allervm 
iriflft  ganz  die  Bemerkung  von  Nägelsbach  lat.  Stil.  2e  Ausg.  S.  23  zu: 
^wenn  der  Lateiner  einen  Artikel  hätte,  so  würde  dieser  und  nicht 
das  Pronomen  stehen. '  Ille  mufs  häutig  als  Ersatz  für  den  der  Spra- 
che fehlenden  Artikel  dienen.  —  In  der  Stelle  exiorrem  palria  etc. 
14,  11  ist  denn  doch  wohl  mit  der  Annahme,  dafs  Sulliist  sich^s  so 
gedacht  habe:  elfecil^  ut  extom's —  inops —  Ittlius  essetn^  die  natür- 
lichste Auffafsung  der  Construction  gegeben.  Allerdings  ist,  wie 
Dietsch  bemerkt,  nicht  exlorris^  sondern  ego  als  Subject  zu  denken, 
und  insofern  der  Fall  cinigermafsen ,  aber  doch  nicht  wesentlich  ver- 
schieden von  ähnlichen  Beispielen  dieser  Attraclion  (wie  namentlich 
Liv.  II,  57:  distractam  rem  p.  magis^  quorum  in  manu  sil^  quam  ui 
incoltimis  5i7,  quaerf);  dieses  ego  oder  vielmehr  nie  ist  aber,  als 
nicht  nothwendig,  weggelafsen  und  blofs  die  dazu  gehörigen  Attri- 
bute extorris  —  inops  gesetzt,  mit  denen  me  in  Gedanken  gegeben 
war.  —  14,  23  ist  die  Beziehung  von  cuius  auf  Adherbal  in  alle 
Wege  sehr  naheliegend,  zumal  da  ipse  vorangeht.  Ich  erlaube  mir 
aber  noch  eine  andere  Deutung  der  vielbesprochenen  Stelle  zur  Prfi- 
fung  vorzulegen.  Sollte  nicht  cuius  auf  regni  sich  bezieben  lafsen? 
Mch  weifs  nicht,  was  ich  thun  soll,  soll  ich  das  an  dir  verübte  Un- 
recht zu  rächen  suchen,  obwohl  ich  selbst  der  Hilfe  bedürflig  bin, 
oder  soll  ich  das  Interesse  des  Königtbnms  wahren,  des  Königthumt, 
das  seine  Machtbefugnis  über  Leben  und  Tod  sich  selbst  genommen, 
von  fremder  Macht  abhängig  sehen  mufs?'  Ob  unter  alicnae  opes  die 
Römer  oder  Jugurtha  zu  verstehen  seien,  hat  der  Redner  vielleicht 
absichtlich  unentschieden  gelafsen.  Der  Gedanke  wäre  somit:  ich 
kann  ja  in  meinem  Reiche  durchaus  keine  Schritte  thun,  um  mich  gel- 
tend zu  machen,  da  ich  über  die  Hauptwaffe,  das  Recht  über  Leben 
und  Tod ,  nicht  mehr  verfügen  kann.  —  Die  Bemerkung  zu  15,  1  isl 
wohl  ganz  richtig;  noch  schärfer  liefse  sich  aber  die  Sache  fafsen, 
Menn  bellum  infercntem  auch  nicht  als  Handlung  sondern  gewisser- 
mafsen  als  Eigenschaft  Adherbals  gefafst  und  übersetzt  würde:  A.  sei 


U.  Jacubti:  C.  Sttllubliii:»  Oispus.  445 

ein  MeDscli,  der  ohno  Veraiilafäung:  Krieg  anfange.  —   Ebend.  %.  2 
mdchto  ich  graiia  depravaia  auch  lieber  anbestimniter  fafsen :    ^  die 
sich   durch    iiücksichten    auf  unrechte   Wege  hatten .  leiten  lafscn  % 
Rücksichten  ncmlich  auf  Jugurtha   wie  auf  dessen  Anhang.  —    17, 
7:  fides  penes  auciores  eriL    Das  Futur  ist  hier  und  in  den  oben  1, 
2  angeführten  Stellen  eine  Art  modus  potentialis,  die  dem  Griechi- 
schen (vgl.  Krüger  gr.  Sprachl.  §.  53,  7,  3)  und  auch   dem  Latei- 
nischen  nicht   fremd   ist  (s.  Reisig  Sprachwifs.  S.  513  Anm.   459). 
Eine  weitere  Analogie  bietet  der  (iebrauch  des  Futur  in  der  2n  Per- 
son für  den  Imperativ;  sowie  das,  was  Krüger  lat.  Gr.  §.  449  Anm. 
5  bemerkt,  dafs  das  Futur  überhaupt  wie  im  Deutschen  auch  zuwei- 
len zum  Ausdruck  eines   Wunsches   und  Befehls  dient.  —   Die  An- 
nahme, dafs   19,  1  zu  aliis  avidis  wiederum  solUcUatis  ergänzt  wer- 
den solle,  ist  und  bleibt  hart  und  gibt  auch  keine  klare  Vorstellung, 
was  mit  den  einzelnen  Bestandthcilen  des  Satzes  gesagt  sein  solle; 
auch  bei  der  Ansicht  von  Dietsch  ist  der  einfache  Sinn  von  imperi 
cupidine  verwischt,  wiewohl  derselbe  ganz  richtig  gesehen  hat,  wenn 
er  avidis  als  coordiniert  mit  sollicitata  betrachtet,  m.  vgl.  88,  4  und 
viele  ähnliche  Stellen,  wo  SallustAdjectiva  und  Participia  sichgegen- 
fiberstellt.    Mir  scheint  die  Stelle  folgendermafsen  übersetzt  und  anf- 
gefafst  werden  zu  müfsen:   ^später  gründeten  die  Phoenicier  (natür- 
lich die  hcrschende  Partei  im  Staate),  theils  um  die  Uebervölkerung 
in  der  Heimat  zu  beseitigen,  theils  ans  Herschsncht  (um  nicht  eine 
andere  Partei  an  die  llerschaft  kommen  zu  lafscn),  wenn  das  Volk  in 
Aufregung  war  und  andere  nach  einer  Staatsumwälzung  verlangten 
(d.  h.  wenn  sie  in  Folge  demokratischer  Bewegungen  u.  a.  revolutio- 
närer Umtriebe  fürchten  musten  nicht  mehr  an  der  Spitze  bleiben  zu 
können),  Hippo  u.  s.  w.  —  25,  5  in  invidia  dürfte  auch  einer  Bemer- 
kung bedürfen ;  es  könnte  an  Wendungen  wie  in  facili  esse^  in  incerlo 
habere  u.  ä.  besonders  bei  Tacitus  erinnert  werden.    In  zeigt  den  Zu- 
stand an,  in  welchem  sich  etwas  befindet.    Noch  ausgedehnter  ist  diese 
Sprachanschauung  im  Hebraeischen;  man  erinnere  sich  an  die  Bedeu- 
tung zur  Bezeichnung  des  in  dem  und  jenem  hervortretenden  Wesens 
einer  Sache,  das  Bei  essentiale  der  alten  hebr.  Grammatik. —  Ebenso 
ist  bei  iram  26,  7  der  Schüler  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dafs 
der  Hauptsatz  zu  einem  Bedingungssatz  oft  in  einem  Substantiv  ver- 
steckt sein  könne.  —  Die  Erörterung  der  vielbesprochenen  Stelle  31, 
1  mulla  me  dehorlaniur  —  ni  superel  befriedigt  nur  zum  Theil.    Es 
ist  ncmlich  allerdings  der  Indicativ  des  Hauptsatzes  richtig  und  dem 
Schüler  verständlich  gerechtfertigt,  wenn  der  Hg.  sagt:    Mer  Indic. 
ist  nothwendig,  weil  die  Abmahnung  wirklich  stattfindet';  wiewohl 
die  feinere  Fufsung  des   fraglichen  Falls  bei  Madvig  $.  348  b  noch 
vorzuziehen,  und  vielleicht  auch,  um  die  Sache  von  mehreren  Seiten 
her  so  zu  beleuchten,  dafs  man  sieht,  der  Schriftsteller  mus  te  so 
sprechen,  zu  sagen  wäre:  ^der  Sinn  ist  eigentlich:  ich  sollte,  genau 
betrachtet,  nicht  für  und  mit  euch  verhandeln,  oder:  beinahe  hätte  ich 
■uoh  abhalten  lafsen;  bekanntlich  aber  steht  bei  oportet,  debeOj  des- 


446  R.  Jacobs :  C.  Sallustius  Grispas. 

gleichen  bei  paene  in  solchen  Ffillen  der  Indicativ.'  Aber  was  sofort 
zum  Verständnis  des  Nebensatzes  ni  —  superet  gesagt  wird ,  klingt 
bei  Jacobs  wie  auch  bei  andern  Auslegern  mehr  wie  eine  Entschuldi- 
gung des  Schriftstellers,  als  dafs  es  dem  Schüler  die  Ueberseugung 
aufdränge ,  dafs  Sallust  nicht  anders  habe  reden  können  und  die  Wen- 
dung ni  superaret  sogar  ungehörig  sein  würde.  Es  ist  als  ob  die 
Gommcntatoren  sagen  wollten :  wenn  ich  Sallust  gewesen  wäre ,  hätte 
ich  so  oder  so  mich  anders  ausgedrückt.  Diesen  Eindruck  sollte 
jedenfalls  aber  der  Schüler  her  einem  so  genauen  Schriftsteller  nicht 
bekommen,  und  was  die  Hauptsache  ist,  die  Rechtfertigung,  wenn 
gleich  an  das  richtige  anstreifend,  befriedigt  erst  nicht  völlig.  Wir 
fragen  und  der  Schüler  fragt:  warum  hat  Sallust  superet  gesetzt?  Un> 
ser  Hg.  scheint  zu  antworten,  um  sich  an  das  Praesens  im  Hauptsatz 
anzuschliefsen.  Aber  wie?  sind  denn  Fälle  wie  Liv.  II,  1  neque  am- 
higitur^  —  st —  extorsissetj  vgl.  Cic.  Tnsc.  V,  7,  19,  wo  gleich- 
falls im  Hauptsatz  Praesens,  im  Nebensatz  Plusquamperf.  Conj.  steht, 
grammalisch  verwerflich?  mufs  nicht  der  gewöhnlichen  Regel  von 
dem  Verhältnis  der  Tempora  scheinbar  zuwider  manchmal  im  Ne- 
bensatz ein  Imperf.  oder  Plusquamperf.  Conj.  stehen?  Warum  aber 
muste  hier,  wenn  wirklich  der  Sinn  des  redenden  ganz  richtig  nnd 
fein  wiedergegeben  werden  sollte,  also  nicht  um  der  steifen  Regel 
von  der  Consecutio  temp.  willen,  sondern  aus  tieferliegenden  Grün- 
den, der  Conj.  praes.  gesetzt  werden?  Das  ist  zuletzt  die  Hauptfrage. 
Wir  antworten:  ni  $uperel  ist  ein  Bedingungssatz  ganz  derselben  Art, 
wie  sie  Kruger  lat.  Gr.  §.  639  a  II,  1  bestimmt:  ^  wenn  das  als  mög- 
lich angenommene  aufser  aller  Beziehung  auf  eine  bestimmte  Zeit  oder 
nur  in  Beziehung  auf  die  Gegenwart  des  redenden  gedacht  wird,  so 
steht  der  Conj.  praesentis  oder  absolutus. '  Der  eine  wie  der  andere 
von  den  zwei  von  Krüger  unterschiedenen  Fällen  konnte  hier  stattfin- 
den. Da  aber,  was  von  den  Erklärern  nicht  genug  beachtet  worden 
zu  sein  scheint,  in  dem  Satze  ni —  superet  keine  bestimmtere  Perso- 
nalbezeichnung beigefügt  ist,  so  ist  der  erstere  Fall  anzunehmen  und 
dieser  parenthetisch  und  elliptisch  eingefügte  Nebensatz  so  anzusehen, 
als  stände:  facile  quempiam^  nisi  in  quo  Studium  rei p,  superet^  de- 
hortentur  causae  illae^  quae  me  quidem  non  deterrent.  Wir  über- 
setzen demgemäfs:  ^vieles  mahnt  mich  von  euch  ab,  gesetzt  man 
hätte  nicht  einen  alles  überwiegenden  Eifer  für  das  Gemeinwesen  (so 
möchte  man  ganz  abgeschreckt  werden),  ncmlich  die  Macht  der  Partei' 
u.  s.  w.  —  Weil  der  Satz  31,  !29  st  iniuriae  non  sunt  etc.  die  Rede 
schliefst,  sowie  wegen  des  dabei  stehenden  ad  hoc^  möchte  ich  ihn 
nicht  als  Begründung  für  das  vorangehende,  sondern  als  allgemein 
giltigen  Satz  ansehen:  *je  weniger  Unrecht  verübt  wird,  desto  weni- 
ger bedarf  es  der  Abhilfe  durch  einzelne  boni*  ^  namentlich  dnrob 
Tribunen  (von  denen  ja  der  Ausdruck  auxilii  latio  der  Terminus  tech- 
nicus  war),  desto  weniger  Reibungen  finden  im  Staate  statt.  Das  war 
ja  auch  dem  befseren  Theil  der  Nobilität  erwünscht,  und  es  stimmt  ganz 
mit  dem  gesetzlichen  nnd  billigen  Sinne  des  Memmius  überein,  dafs 


R.  Jacobs:  C.  Sollustiiis  Crispus.  447 

mf  mit  diesem  versöhnliclien  Gedanken  schliefst.  —  Bei  dem  schwie- 
rigen bono  Vinci  (42.  3)  ist  mit  mehreren  früheren  Auslegern  bono 
als  Dat.  masc.  gefafst,  und  es  ist  keine  Frage,  dafs  der  hienach  sich 
ergebende  Sinn  gut  in  den  Zusammenhang  passt.  Und  doch  werden 
wir  zugestehen  müfsen,  es  wäre  uns  lieber,  wenn  bono  ebenso  wie 
malo  als  Ablaliv  genommen  werden  könnte;  dann  erst  ist  es  ein  voll- 
kommener Sinnspruch,  sofern  ein  solcher  auch  eine  durchaus  befriedi- 
gende Form  haben  mufs,  was  meines  Erachtens  nicht  der  Fall  ist,  wenn 
ganz  dieselbe  Wortform  (bono')  eine  andere  Beziehung  im  Satz  erhält, 
als  die  ihr  entsprechende  (malo)  im  zweiten  Glied.  Wie  nun,  wenn 
dies  möglich  wäre,  ohne  den  Grundgedanken  und  Znsammenhang  des 
Spruches  im  wesenUichcn  zu  ändern,  ja  sogar  so  dafs  alle  darin  lie- 
genden Beziehungen  noch  schärfer  hervorträten?  Wir  wollen  einmal 
Vinci  in  dem  nicht  selleneu  Sinn  fafsen:  zu  weit  geführt  werden,  sich 
fortreifsen  lafsen,  sich  vergefsen,  weil  eine  andere  Leidenschaft  stär- 
ker ist  (m.  vgl.  tra,  precibus,  iniuria  vinci  und  viclus  animi  = 
übermannt  vom  Gefühl  bei  Virg.  Georg.  lY,  490),  und  bono  als  Ab- 
lativ gelten  lafsen ,  dann  werden  wir  auf  folgende  Uebersetzung  ge- 
führt: ^aber  es  ist  (wenn  einmal  ein  Extrem  stattfinden  soll)  befser, 
im  Eifer  fürs  gute  sich  zu  weit  fortreifsen  zu  lafsen  (dafs  man  wie 
die  Gracchen  haud  salis  moderalus^  seiner  nicht  mehr  Meister  ist), 
als  durch  ein  schlechtes  Verfahren  sich  zum  Meister  über  das  Unrecht 
zu  machen  (etwaige  das  Recht  verletzende  UebergrilTe  zu  rächen,  wie 
es  der  Adel  gegenüber  der  Volkspartei  gethan  hat).'  Extreme  haben 
von  beiden  Seiten  stattgefunden  und  somit  sind  die  Gracchen  §.  2 
wie  der  Adel  §.  3  zu  tadeln,  aber  relativ  befser  sind  doch  die 
Gracchen,  sofern  ihre  Uebergriffe  auf  gutem  Grunde  beruhten,  der 
Adel  aber  schlechte  Mittel  zu  seinen  Zwecken  benutzte  und  dadurch 
den  Sieg  gewann.  —  Ob  bono  als  Neutrum  gefafst  oder  more  sup- 
pliert  wird,  macht  wenig  Unterschied.  —  Weil  denn  der  gröfsere 
Fehler  auf  Seilen  des  Adels  war,  waren  auch  die  Folgen  (igitur  §.  4) 
nicht  nur  überhaupt  sondern  für  die  Adelspartei  selbst  nur  nachthei- 
liger Art.  Schüchtern  nehme  ich  mir  heraus,  über  eine  Stelle,  an  der 
sich  der  Scharfsinn  erprobter  Ausleger  schon  nach  allen  Seiten  ver- 
sucht hat,  eine  neue  Ansicht  aufzustellen,  auch  verberge  ich  mir 
nicht,  dafs  auf  diese  Weise  ein  gleichfalls  die  Concinnität  stören- 
der Doppelsinn  in  das  Verbum  vincere  gelegt  wird;  wollte  aber  doch 
die  Auslegung,  die  mir  aus  mehreren  Gründen  empfehlenswerth 
scheint,  gleichfalls  der  Prüfung  unbefangener  Leser  vorlegen.  Was 
den  Mangel  an  Concinnität  betrifft,  so  ist  nach  meinem  Gefühl  der 
Doppelsinn  eines  Wortes  in  einer  aenigmalischen  Sentenz,  welche  in 
ein  Wortspiel  gefafst  wird,  weit  eher  am  Platz,  als  die  vorhin  ge- 
rügte Doppelbeziehung  in  grammatischer  Hinsicht.  —  Dafs  ne  und  ui 
öfters  von  einem  im  vorangehenden  eingeschlofsenen,  nicht  eigent- 
lich ausgesprochenen  Begriff  abhängen,  dürfte  von  den  Auslegern  zu 
45,  2  und  46,  7  ut  cum  his  —  propulsareni  ausdrücklich  bemerkt  wer- 
den. Uvius  bietet  für  diesen  Sprachgebrauch  besonders  viele  und  auf- 


448  R.  Jacobs:  C.  Sallustius  CrUpira. 

fallende  BeUpiele,  m.  s.  über  ul  I,  18fin.  20fin.  22fiD.  II,  12  ha.  I,  43 
8.  f.,  über  ne  1,  28  med.  1,  53  med.  11,29  in.  —  Die  schwierigere  Lesart 
frequentiam  negoUatorum  et  commealum  tuvalurum  exerciium  etc. 
(47,  2)  hat  unser  Hg.  mit  ilecht  aufgenommen;  es  liefse  sich  aber  fra- 
gen, ob  die  Auslegung  der  Worte  nicht  einfacher  folgcndermafsen  ge- 
geben würde:  frequentiam  neg,  und  commeah*m  bilden  einen  susam- 
mcngehürigen  Begriff  (Hendiadyoin),  wobei  auf  dem  zweiten  der  Haapt- 
nachdruck  liegt :  die  zahlreich  ab  und  zugehenden  Handelsleute  werden 
theils  überhaupt  dem  Heere  zu  stalten  kommen  durch  leichte  Herbeischaf- 
fnng  von  Lebensmitteln,  theils  die  bereits  vorhandenenVorräthe  schützen. 
—  Als  Anm.  zu  50,1  stände  vielleicht  richtiger:  Metellus  muste  sich  vor 
allem  (daher  antecapere)  der  Verbindung  mit  dem  Flufs  vergewissern. — 
Die  durch  ihre  Kürze  allerdings  etwas  dunkle  Stelle  53,  7  ac  primo 
obscura  nocte  etc.  hat  unser  Hg.  unzweifelhaft  richtig  angesehen  und 
erklärt,  er  würde  aber  noch  sicherer  aufgetreten  sein  (ohne  *wohl' 
und  *  vielleicht',  was  in  einer  Schulausgabe  immer  etwas  bedenkliche« 
bat),  wenn  er  strepitu  geradezu  als  das  Wort  bezeichnete,  von  dem 
velut  hostet  adventare  abhänge ,  was  unseres  Erachtens  ganz  zu  recht- 
fertigen ist.  Denn  strepitu  ist  (wie  tumultutn  facere  72, 2)  ein  techni- 
sches Wort,  das  uuserm^ Allarmierung'  entspricht,  und  es  kann  umschrei- 
bend gesagt  werden:  ^in  Folge  der  Allarmierung,  einer  thatsaoblichen 
Andeutung,  dafs  gleichsam  Feinde  kommen,  d.  h.  dafs  Feinde  kommen, 
was  aber  nur  ein  velut,  etwas  vermeintliches  war,  erschrak  jeder  Theil 
vor  dem  andern.'  Also  in  strepitu  liegt  der  Grund  zum  Acc.  c.  inf.  (nicht 
in  velut^  was  eine  zwar  scharfsinnige  aber  doch  zu  kecke  Vermuthung 
von  Dietsch  war),  indem  strepitus  einen  BcgriiT  wie  indicium  in  sich 
schliefst.  Bei  dieser  Annahme  ist  der  Ausdruck  bei  Sallust  zwar  kurz, 
aber  vollkommen  klar,  kein  Wort  zu  viel,  aber  auch  keins  zu  wenig; 
alle  andern  Auffafsungen  oder  gar  Aeuderungen  der  Stelle  erscheinen 
als  unznläfsig  und  überflüfsig.  —  Auch  bei  der  Stelle  Vaccenses  — 
principes  coniurant  (66,  2)  haben  meines  Erachtens  die  Ausleger  sa 
sehr  den  Ton  der  Entschuldigung  des  Schriftstellers  angeschlagen, 
oder  vielmehr  zu  laut  von  einem  Fehler,  der  einer  Entschuldigung  be- 
dürfe,  Anakolnthon  u.  dgl.  gesprochen,  statt  sich  auf  Analogien  sa 
berufen,  die  uns  beweisen,  dafs  im  Griech.  wie  im  Lat.  und  in  andern 
Sprachen  nicht  selten  von  der  rcgelmäfsigcn  Construction,  also  hier 
von  einem  Genetiv  des  ganzen,  abgegangen  wird,  und  zwar  mit  Ab- 
sicht, wenn  das  ganze,  etwa  des  Gegensatzes  wegen,  zunächst  mehr 
hervorzuheben  ist.  Vaccenses  ist  wohl  ahnlich  wie  19,  1  Phoenices 
oder  wie  Liv.  1,  51  zu  Anf.  zu  erklären  und  Krüger  gr.  Gr.  47,28 
Anm.  3  dabei  zu  vergleichen.  —  Bei  dum  —  poenas  caperent  (68, 3) 
vermifse  ich  bei  den  Commentatoren  durchweg  die  für  den  Schüler  in- 
structive  Bemerkung,  dafs  dum  häutig  ein  lebendigerer  Ausdruck  für 
einen  Absichtssatz  sei.  Livius  hat  es  oft  so.  —  Dafs  unser  Hg.  mit 
andern  das  durch  die  meisten  Hss.  beglaubigte  ex  perfugis  geradezu 
wegläfst,  ist  nicht  zu  billigen.  Sollte  denn  nicht  doch  dieser  Zusatz 
dadurch  gerechtfertigt  werden  können ,  dafs  man  sagt ,  jedem  Leser 


U.  Jacobs:  C.  Sallustius  Crispus.  449 

konnte  als  selbstverständlich  zagemuthet  werden,  hei perfugae  an  die 
Leibwache  zu  denken.  Nur  übersetze  man  nicht  Won  den  Ueberläu- 
fern'  sondern  Won  (wachestehenden  oder  sonst  in  der  Umgebung  be- 
findlichen) Ueberläuforn.'  —  Bei  moderata  (73,  4)  wäre  das  gleich- 
falls absolut  zu  gebrauchende  deutsche  Wort:  ^  das  marsgebende  — 
war'  oder :^ das  Urtheil  kam  nicht  zum  rechten  Mafs'  in  der  Anm. 
am  Platze,  statt  des  vom  Hg.  gesetzten  Menkte  (das  Volk).'  —  Ayi- 
iabat  (74,  l)  ist  ganz  und  gar  wie  55,  2  gebraucht.  —  Sollte  einem 
Sallüst  nicht  erlaubt  sein,  auch  ohne  anderweitigen  Vorgang  ein  Wort 
wie  supervadere  (75,  2)  bildlich  zu  gebrauchen,  um  eine  stärkere  Be- 
zeichnung für  super are  zu  gewinnen?  —  Es  wäre  denn  doch  einer 
wiederholten  Erwägung  werth,  ob  nicht  bei  mulio  ante  labore  (76, 
ö)  ein  Hyphen  anzunehmen  ist,  wie  Gerlach  meint.  Nicht  blofs  Vir- 
gil  in  dem  bekannten  ignari  sumus  ante  maiorum^  sondern  auch  Livius 
hat  nicht  wenige  Beispiele  dieser  Art.  —  Ebenso  scheint  mir  alia 
(78,  2)  richtiger  als  Neutrum  gefafst  und  die  Stelle  also  übersetzt 
werden  zu  müfsen:  *  zunächst  am  Lande  ist  es  sehr  tief,  sonst  je  nach 
zufälligen  Umständen  bald  tief  bald  bei  stürmischer  Witterung 
seicht.'  Dagegen  stimmen  wir  dem  Hg.  bei ,  wenn  er  78,  4  imperio 
regis  But  den  König  von  Numidien  bezieht,  nicht  aber  &\s  =  quod 
numjuam  regium  imperium  hahehant  fafst ,  insofern  im  letztern  Falle 
der  Ausdruck  ofTcnbar  gesucht  wäre.  —  Die  Bemerkung  zu  82,  3, 
dafs  ^  quam  nach  alii  stehe,  wegen  der  negativen  Grundbedeutung  des 
ganzen  Gedankens',  mufs  ich  für  unrichtig  halten.  Es  mufs  vielmehr 
heifsen:  quam  steht,  weil  dem  Schriftsteller  in  Gedanken  potius  vor- 
schwebt. —  Die  scheinbare  Uuregelmäfsigkeit  in  nam  —  admini- 
$irari  —  debere  (83,  2)  ist  durchaus  nicht  so  grofs,  dafs  man  von 
einem  Anakoluth  reden  darf,  wie  andere  Ausleger;  ja  wenn  man  be- 
denkt, wie  oft  ein  Verbum  dicendi  aus  einem  vorangehenden  Salz  für 
einen  folgenden  hineinzudenken  ist  (s.  82,  3),  und  wie  dies  ebenso 
wohl  von  einem  Verbum  sentiendi  gilt  (m.  vgl.  das  zu  4,  6  bemerkte); 
so  wird  man  keinen  Anstand  nehmen  dürfen  zu  sagen:  aus  dem  vor- 
ausgehenden videtur  mufs  für  den  folgenden  Satz  puto  suppliert  wer- 
den. —  Die  Bemerkung  zu  (85^  6)  capiamini  ist  nicht  deutlich  ge- 
nug. Die  richtige  Auseinandersetzung  der  Stelle  bei  Dietsch  sollte 
mehr  benützt  und  etwa  gesagt  sein  ^in  die  Schlingen  des  Adels  fal- 
len.' Dagegen  ist  die  für  den  Schüler  schwierige  Stelle  85,  12  ent- 
schieden richtiger  als  von  D.  gedeutet;  usus  is^  praktische  Uebung, 
Handhabung  dessen,  was  zum  Amt  gehört,  diese  vor  allem  mufs  dem 
förmlichen  Antritt  desselben  vorangehen,  und  so  mufs  man  genau  be- 
trachtet und  thatsächlich  [so  fafsen  wir  rej  dasselbe  schon  ver- 
waltet haben ,  ehe  man  den  Titel  nnd  die  volle  amtliche  Stellung  hat. 
—  Bei  gigni  —  voluisse  (85,  16)  wäre  etwa  die  Frage  am  Platze: 
warum  sind  diese  Tempora  nothwendig?  Antwort:  weil  vom  Stand- 
punkt der  redenden  aus  gesprochen  wird.  —  Es  darf  zu  85,  41  wohl 
einfach  gesagt  werden :  quin ,  als  Partikel  der  Aufforderung  aus  qni 
ne  entstanden,   kann  wie  mit  dem  Indicativ  und  Imperativ,  so  auch 


450  R.  Jacobs:  C.  Satlustius  Crispas. 

mit  dem  auffordernden  Conjnuctiv  in  den  verschiedenen  Personen  ver- 
bunden werden.  —    Circumvenire  (88,  4)  hat  schon  wegen  des  nach- 
folgenden/»raresidiVs  rmcfa/fis  meines  Erachtens  eine  Bedeutung,  wei- 
che zwischen  der  von  Dietsch  vorgezogenen  ^ab  alia  ad  aliam  venire' 
und  derjenigen,  welche  unser  Hg.  mit  Kritz  angibt,  in  der  Mitte  liegt: 
angreifend  herumkommen,   der  Reihe  nach  angreifen.     Ebenso  sind 
proelia  letia  (87,  l)  nicht    blofs  =  neque  pericuh  neque  iabor» 
magno ^  sondern  neben  diesem  zugleich  =  levis  momenti.  —  91,  1  ist 
ganz  richtig  bemerkt:  cum  =  quo  die;  dafs  dies  aber  eine  Abwei- 
chung von  der  gewöhnlichen  Bedeutung  dieser  Redensart  sei  (Z.  478), 
sollte  wenigstens  angedeutet    werden.  —    Unser  Hg.   läfst  es  wie 
Dietsch  unentschieden,  ob  infidus  (91,  7)  allgemein  zu  vorstehen  sei 
oder  auf  bestimmte  Thatsachen  sich  beziehe;  der   Zusatz  von  ante^ 
das  wohl  minder  gut  zum  folgenden  gezogen  wird ,  sowie  das  einen 
factischen  Grund  bezeichnende  quia  lufst  es  kaum  zweifelhaft,  dafs 
das  letztere  das  richtige  ist.  —    Bei  animum  vortit  (93,  3)  denkt  sich 
Sallust  wohl  ganz  das,  was  wir  mit  ^nahm  ihn  ganz  in  Ansprach' 
ausdrücken.    Es  ist  nur  lebendiger  gegeben  statt  invasit^  indem  xa- 
gleich  der  Gedanke  darin  liegt:  statt  an  Gefahr  oder  sonst  was  za 
denken,  war  er,  wie  es  dem  Menschen  gerne  geht,  von  der  Lust  ein 
Abenteuer  zu  bestehen  ganz  hingenommen.    Hicnach  möchte  die  An- 
merkung z.  d.  St.  zu  berichtigen  sein.  —   Warum  der  unbestimmte 
Ausdruck  proelianlthus  aderani  (93,  4)  gewählt  ist,  dürften  die  Aus- 
leger wohl  auch  aufklären.   Wohl  deswegen ,  weil  angedeutet  werden 
soll,   dafs  nicht  alle   Numider    thötlichen  Anlheil   am  Kampfe   nah- 
men, sondern  bei  der  Natur  der  Oerllichkeit  viele  nur  eben  da  sich 
befanden,  wo  der  Angriff  stattfand;  wir:  ^am  Kampfe  Antheil  nah- 
men.' —  Bei  pergif  (94,  i)  scheint  doch   die  Annahme,   Marias   sei 
Subject  (Dietsch),  ferner  zu  liegen,  als  was  unser  Hg.  mit  Kritz  sagt: 
das  Subject  ist  Ligus,    Auf  Marius  bezogen  stände  die  Notiz  za  ib- 
gerifsen  da;  auch  erwartete  man  ein  ipse,  —    Es  ist  mit  ziemlicher 
Wahrscheinlichkeit  anzunehmen,  dafs  de  uxore  (95, 3)  collectiv  zu  ver- 
stehen ist;  aber  sehr  erwünscht  wäre  es,  eine  ganz  schlagende  Ana- 
logie im  Lateinischen  nachzuweisen,  am  nächsten  kommt  noch  eques 
=  Ritterstand  und:  villa  ahuudat  porco^  haedo,  ijnUina.    Im  Schwi- 
bischen  ist  der  Sprachgebrauch  jedenfalls  constatiert:  ^das  Frauen- 
zimmer hat  ihn  ins  Unglück  gebracht'  statt:  sein  Verhältnis  zum  weib- 
lichen Geschlecht  u.  s.  w.    Immerhin  bleibt  jedoch  für  unsere  Stelle 
die  Beziehung  auf  einen  uns  eben  nicht  mehr  ganz  genau  bekannten 
einzelnen  Fall  im  ehelichen  Leben  Sullas  möglich.     Wir  fibersetzen 
daher:  ^nur  hätte  im  Verhältnis  zur  Frau  mehr  Anstand  beobachtet 
werden  können',  um  die  offenbar  zweideutig  gehaltene   Stelle  lieber 
auch  zweideutig  zu  lafsen.  —    Ucber  das  schwierige  amicilia  facilis 
(ebend.)  ist  in  der  betreffenden  Anm.  zu  vage  gesprochen.   Wir  müfsen 
wohl,  wie  Dietsch  richtig  gesehen  hat,  von  der  passiven  Bedeutung 
des  Adjectivs  ausgehen,  worauf  auch  die  Wortform  führt:  leicht  zu 
behandelu  als  Freund,  leicht  befriedigt  bei  der  Wahl  wie  im  Verkehr 


K.  Jacobs:  C.  Salluslius  Crispus.  451 

mit  Freunden,  weder  empfindlich  noch  anspruchsvoll.  Mit  diesem 
passiven  und  negaliven  Begriff  niurs  aber,  zumal  in  diesem  Zusammen- 
hang und  von  einem  Manne  wie  Sulla  gesagt,  das  weitere  verbunden 
werden:  willfährig,  gefällig,  umgänglich,  gewandt  im  Hufsern  Be- 
seigen,  worin  Menschen  die  in  der  Freundschaft  mehr  den  Verstand 
als  das  Herz  wallen  lafsen,  oftmals  weit  mehr  Meister  sind  als  solche 
denen  es  nm  Innigkeit  und  wirkliche  Treue  zu  thun  ist.  Ich  möchte 
es  daher  übersetzen:  Mn  der  Freundschaft  ein  Weltmann';  denn  nur 
in  diesem  allgemeinen  Ausdruck  finden  sich  alle  genannten  Merkmale, 
welche  offenbar  Sallust  hineingelegt  hat;  zugleich  passt  dies  besonders 
gat  zu  callidus.  Wollte  mau  naher  beim  Worte  bleiben,  so  giengo 
wohl  auch  an:  ^in  der  Freundschaft  nahm  ers  leicht';  denn  gerade 
dieses  Merkmal,  das  oberflächliche  und  rein  äufserliche  in  seinen 
Freundschaftsverbindungen ,  will  der  Schriftsteller  vornehmlich  her- 
vorheben. —  Wenn  95,  4  das  Komma  erst  nach  victortatn  statt,  wie 
bei  Dietsch,  nach  omntifm  gesetzt  wird,  so  übersieht  man,  dafs  die 
zwei  Perioden  im  Leben  Sullas  nicht  nach  der  /Wtctlas,  sondern  nach 
seiner  industria  und  inwieweit  die  letztere  mit  seinem  Beinamen  feli- 
eissimus  übereingestimmt  habe,  unterschieden  werden.  —  Die  Stelle 
neque  minus  hostibus  coniurbatis  98,  4  hat  Jacobs  richtig  erklärt;  nur 
hat  er  neque  unrichtig  als  =-•  ne  quidem  gefafst,  was  nie  der  Fall  ist 
und  nach  der  von  Hand  Turs.  IV,  94,  wie  mir  scheint,  fein  und  rich- 
tig angegebenen  Bedeutung  von  neque  und  seinem  Unterschied  von 
nee  nie  der  Fall  sein  kann.  Hätte  man  überhaupt  unsere  Stelle  ge- 
hörig nach  dem  ganzen  Zusammenhang  gelesen ,  versteht  sich  ohne  die 
80  häufig  störenden  Interpunctionen;  hätte  man  sich  erinnert,  wie  so 
gerne  neque  minus ^  nee  nnnus  für  ilemque  steht  (vgl.  Corn.  Alcib. 
5,  6.  Att.  12,  4.  Ovid.  Am.  III,  9,  15);  hatte  man  endlich  den  noch  häu- 
figem Sprachgebrauch  bedacht,  dafs  neque  und  nee  in  derselben  Art 
wie  das  Relativpronomen  die  in  ihnen  liegende  Kraft  an  zwei  Satze 
vertheilen  kann ,  so  dafs  et  zum  übergeordneten,  non  zum  unterge- 
ordneten Satz  gehört  (vgl.  Liv.  VII,  9, 1  u.  a.  von  Hand  IV,  99  ff.  an- 
geführte Stellen):  so  hatte  diese  crux  der  Ausleger  keinen  Augenblick 
Noth  verursacht  und  entschuldigender  Worte  bedurft.  Sallust  konnte 
gar  nicht  anders  reden,  wenn  er  nicht  unnöthig  breit  werden  wollte: 
*  Marina  zog  seine  zersprengte  Mannschaft  auf  einen  Punkt  zusammen 
(was  um  so  eher  möglich  war,)  da  auch  die  Feinde  in  Bestürzung 
waren.'  Wollte  Sallust  eine  Parenthese  vermeiden  und  zugleich  nicht 
unlateinisch  reden,  etwa:  et  id  fecit^  quia  et  hostes  conturbati  erant; 
so  muste  er  das  (nach  Hand)  relativ  verbindende  neque  setzen ,  das 
kurz  und  einfach  in  einer  Anm.  durch  et  {etenim)  contrahit^  quia  nun 
minus  (etiam)  hostes  conturbati  erant  zu  erklären  wäre.  —  In  der 
etwas  zu  kurz  gehaltenen  Beschreibung  der  Schlacht  JOl,  4  ff.  hat  un- 
ser Hg.  in  der  Hauptsache,  besonders  bei  Bestimmung,  wer  die  pedi- 
<es$.  6seien,  sich  ganz  an  die  Auffafsung  von  Dietsch  gehalten. 
Gewis  mit  Recht;  denn  die  Gründe  gegen  andere  Deutungen  sind  über- 
leagend.    Nur  darin  weicht  er  ab ,  dafs  er  ceteri  %,  4  nicht  auf  die 


452  R.  Jacobs:  C.  Sallaslius  Crispus. 

Abtlieiluiig  Sulias,  sondern  auf  die  übrigen  römischen  Trappen  über- 
haupt bezieht.  Dagegen  spricht  aber,  dafs  dann  das  vorangeheD^e 
aUi  als  verwechscii  mit  reliqui  genommen  werden  mufs,  noch  mehr 
aber,  dafs  Sallust  in  diesem  Fall  einiger  Unordnung  in  der  DarsteU 
lung  besichtigt  werden  dürfte,  was  wegfällt,  sobald  angenommen 
wird,  dafs  §.  4  nur  von  der  Reiterei,  §.  5  von  dem  HinterlreffeD,  $.  6 
vom  VordertrcfTcn  die  Rede  sei.  —  Dafs  103,  1  noch  als  möglich  an- 
genommen wird,  hihernacula  von  den  Winterquartieren  in  den  ein- 
zelnen Städten  selbst  zu  verstehen,  wobei  der  Unterschied  zwischen 
hibema  und  hibernacula^  der  hier  nothwendig  vorauszusetzen  ist, 
aufscr  Acht  gelafscn  wird,  befremdet  um  so  mehr,  da  Dietsch  die 
Sache  bereits  gehörig  ins  Licht  gestellt  und  Jacobs  im  ersten  Theil 
seiner  Anmerkung  dieser  richtigen  Ansicht  beigestimmt  hat.  Dafs 
103,  4  wiederum  der  allgemeinere  Ausdruck  hiherna  statt  des  beson- 
dern  steht,  hat  nichts  auffallendes,  da  alle  hibernactda  auch  hibtma 
sind,  aber  nicht  umgekehrt.  —  Ist  nicht  vielleicht  ]04,  2  quibus  lega- 
tis  — fii  zu  lesen  und  anzunehmen,  dofs  die  vorangehende  Silbe  -i7 
das  sonderbare  in  in  den  Text  gebracht  hat?  Die  Conjectnr  von  Dietsch 
in  quis  —  ßeret  ist  zwar  scharfsinnig,  aber  doch  zu  keck,  sowohl  in 
Beziehung  auf  die  Construction,  als  weil  fii  in  ßeret  verwandelt  wer- 
den mufs.  —  Zu  105,  3  efficiebant  etc.  wäre  eine  instructive  Paral- 
lelstelle Liv.  I,  14  med.:  fugne  quoqve  —  equestris  pugna  causam 
minus  mirabilem  dedii,  der  RcitcrangrilT  halte  zur  Folge,  dafs  — 
weniger  auffallend  war.  Das  kecke  der  Redeweise  in  unserer  Stelle 
mindert  sich  durch  diese  Vergleichung  mit  dem  Ausdruck  des  Livins, 
sowie  dadurch,  dafs  der  vermifsteBegrilTdes  ^Scheinens'  hierdurch 
ampliorem  vero  angedeutet  ist.  —  Ueber  nt  in  tali  negotio  (l07,  6) 
ist  das  richtige  gesagt,  auch  ist  das  was  Kritz,  Dietsch,  Krüger  tat. 
Gr.  S.  796  u.  a.  über  diese  Construction  bemerken ,  durchweg  gut  und 
wohl  begründet.  Aber  es  will  mich  bedünken,  dafs  der  einfachste 
und  kürzeste  Ausdruck  zur  Erklärung  dieses  so  häufigen  Spraohge* 
brauchs  noch  nicht  gefunden  sei.  Ich  möchte  so  sagen :  ^ut  wird  hiuflf , 
sei  es  in  einem  vollständigen  oder  abgekürzten  Nebensatze  (für  den 
Sinn  macht  dies  keinen  Unterschied)  beigefügt,  um  eine  Vergleichnng 
des  im  Hauptsatz  ausgesagten  mit  etwas  anderem,  das  dem  Leser  aoa  ' 
dem  Zusammenhang  oder  sonst  woher  bekannt  ist,  auszudrücken. 
Dieses  andere  kann  entweder  a)  etwas  mit  dem  vorliegenden  identi- 
sches ,  ähnliches  sein :  Uli  diligunt  se  uigerwani  fratres,  oder  b)  etwas 
bedeutenderes,  begrifflich  oder  realiter  höheres  und  positives:  Epi- 
charmi^  acuti  nee  insulsi  hominis^  ut  Siculi  (das  Individuum  wird 
mit  dem  Genus  vorglichen) ;  oder  c)  etwas  unbedeutenderes  und  ne- 
gierendes, womit  verglichen  zu  werden  nicht  sowohl  löblich  als  her- 
absetzeud  ist:  Graeci  prudentes^  ut  est  captus  hominum^  satis.  Es 
ist  bei  dieser  Redensart  derselbe  Fall,  wie  z.  B.  bei  non  magis  u.  a., 
dafs  einzig  der  Zusammenhang  entscheidet.,  ob  sie  negativen  oder  po- 
sitiven Sinn  hat.  —  In  der  Bemerkung  zu  quo  res  communis  liceniiui 
gereretur  ist  die  erste  Erklärung  jedenfalls  befriedigender  als  die 


K.  Jacobs:  C.  Saliasliiis  Crispns.  453 

Eweile,  aber  eben  deshalb  das  weiter  beigefü^^le  \^'ohl  enlbehrlich. — 
Uebrigens  nmrs  ich  gestchen,  dafs  mich  auch  jene  befsere  von  Dietsch 
entlehnte  Auffafsung  dieser  nicht  leichten  Stelle  nnbcfricdigt  lärst; 
ef  murs  dabei  zu  viel  ergauEt  nnd  Ucentius  in  einem  Sinne  genommen 
werden,  der  wenigstens  nicht  zunächst  im  Worte  liegt.  Denn  das- 
selbe hat  ja  doch  zuvörderst  den  Sinn:  üauilicentia  nimia  $it^  nem- 
lieh  von  Seiten  des  sprechenden:  es  enthält  etwas,  wasBochus  eigent- 
lich nicht  Ihnn  sollte,  womit  er  sich  zu  viel  herausnehme.  Ich  möchte 
folgende  Uebersctzung  vorschlagen :  ^  als  ob  er  sich  damit  bei  Ver- 
handlung der  gemeinsamen  Angelegenheit  zu  viel  Willkür  erlaube.' 
Das  sonst  bei  quo  in  dieser  Bedeutung  stehende  non  ist  in  neu  ent- 
halten, wie  es  auch  sonst  in  den  Hauptsatz  gezogen  wird,  z.  B.  Cic. 

ad  Att.  in,  15,  4  neque  haec  eo  scribo^  quo  te affecium  dolore 

Mciam, 

Nun  noch  einiges  wenige  über  die  ans  dem  Fragmenten  auf- 
genommenen Abschnitte.  Es  sind  dies  natürlich  nur  die  gröfsern 
Stücke,  die  Reden  und  Briefe,  welche  sich  von  den  Geschichtsbüchern 
Sallusts  erhalten  haben,  und  zwar  mit  Ausschlufs  dessen,  was  die 
Kritik  als  unecht  erkannt  hat.  Auch  hier  zeigt  sich  der  Fleifs  unsers 
Hg.  neben  seinem  das  Bedürfnis  der  Schule  fest  ins  Auge  fafsenden 
Takt.  Die  Vorbemerkungen  namentlich  verbreiten  sich  auf  gründliche 
und  für  die  Schüler  förderliche  Weise  über  die  jedesmalige  Zeitlage. 
Für  den  praktischen  Gebrauch  wäre  hier,  wie  auch  in  der  allgemeinen 
Einleitung,  eine  Eintheilung  des  Stoffes  in  einzelne  Paragraphen  zu 
empfehlen;  Halm  in  seiner  Schulausgabo  von  Ciceros  ausgewählten 
Reden  ist  hiefür  wie  überhaupt  für  lichtvolle  nnd  übersichtliche  Be- 
handlung solcher  Einleitungen  ein  Muster.  In  der  oratio  Lepidi  §.  18 
möchte  doch  die  Interpunction  mercatus  sum^pretio  soluto^  iure^  do- 
minis  etc.  vorzuziehen  sein,  auch  iure  am  besten  =  rechtlich,  d.  h. 
*ohne  dafs  man  mir  rechtlich  beikaun'  gefafst  und  zu  mercatus  sum 
bezogen  werden.  —  In  der  schwierigen  Stelle  §.  20  ist  die  Lesart 
fW  (nicht  ire)  mit  gutem  Grunde  beibehalten  worden,  da  der  Aus- 
druck an  Kraft  gewinnt,  wenn  passivisch  geredet  wird,  was  auch 
nicht  nur  grammatisch  correct,  sondern  neben  audeas  nothwendigist; 
dagegen  möchten  wir  doch  statt  des  harten  raptum  das  bei  Sallust  für 
die  fragliche  Bedeutung  so  beliebte  caphim  (s.  orat.  Lep.  §.  1.  20. 
Jug.  85,  6)  aufgenommen  sehen.  —  In  der  oratio  Philippi  §.  7  wird 
zur  Erklärung  von  quorum  nemo  diurna  mercede  vitam  muiaverit  auf 
Jug.  38,  10  verwiesen.  Nun  ist  aber  diese  Stelle  selbst  (s.  oben)  we- 
der leicht  zu  verstehen ,  noch  die  Auffafsung  unsers  Hg.  über  allen 
Zweifel  erhaben.  Ueberhaupt  vermifst  man  hier  oder  dort  eine  ein- 
gehende Behandlung  der  Construction  von  mutare,  Hiebei  sollte  mei- 
nes Erachtens  von  der  jedenfalls  deutlichsten  Stelle  bei  Sallust  Cat. 
58,  15  ausgegangen  werden.  Hier  nun  ist  offenbar  mutare  auf  dieje- 
nige Art  verbunden ,  wie  es  auch  unserm  deutschen  Sprachgefühl  am 
nächsten  liegt,  dafs  nomlich  im  Accusativ  steht  was  weggegeben,  im 
Ablativ  das  was  gewonnen  wird.  Dies  ist,  wenigstens  bei  Prosaikern, 


454  H.  Jacobs:  C.  Sallustius  Crispus. 

auch  im  Lateinischen  die  gewöhnliche  Anschaanng.  Wenden  wir  das 
gesagte  auf  die  vorliegende  Stelle  an,  so  haben  wir  za  flbersetsen: 
von  denen  wohl  keiner  das  Leben  hergibt  (modus  potentialis)  am  sei- 
nen Tageslohn,  d.  h.  welche,  um  das  einzige  Interesse,  das  für  sie 
auf  dem  Spiele  steht,  ihren  Taglobn,  su  gewinnen,  ihr  Leben  nichl 
aufs  Spiel  setzen  mögen.  Ihr  Leben  ist  solchen  Leuten  lie- 
berals  ihr  Taglohn;  sie  leisten ,  wie  alle  Miethlinge,  keinen  ernst- 
lichen Widerstand,  weil  es  sich  für  sie  nur  nm  den  schnöden  Sold 
handelt.  Jetzt  aber,  fügt  der  Redner  hinzu,  ist  ein  ganz  anderes  durch 
Verzweiflung  zu  allem  fähiges  Heer  aufgeboten.  —  Auf  diese  Weise 
ist  in  unserer  Stelle,  wie  mich  bedünkt,  der  Zusammenhang  mit  dem 
folgenden  ebenso  wie  der  Ausdruck  in  sich  selbst  klar.  Beides  aber 
scheint  mir  nicht  in  gleichem  Mafse  der  Fall  zu  sein,  wenn  von  an- 
deren so  commentiert  wird:  *  keiner  würde  seinen  Tageslohn  für  das 
Leben  hingegeben  haben;  ihr  Tageslohn  galt  ihnen  höher  als 
das  Leben,  indem  sie,  um  einen  Tageslohn  zu  erhalten,  ihr  Leben 
aufs  Spiel  setzten.'  Jedenfalls  sieht  man ,  dafs  sehr  verschiedene  Auf- 
fafsuugen  der  Stelle  möglich  sind,  und  dafs  somit  eine  umständlichere 
Besprechung  davon  in  der  Anm.  erwartet  wird.  —  Die  Erörterung  voo 
propius  est  ab  eo  statu  §.  10  ist  unnöthig  dunkel.  Unser  Hg.  hätte 
am  besten  gelhan,  die  einfache  Bemerkung  Fabris  zu  d.  St.  aufzuneh- 
men. —  In  der  oratio  Cottae  ist  §.  4  cum  illa  simul  genauer  sn  er- 
klären. Honestius  %,  7  und  nequicquam  §.  14  ist  wie  eix  Jug.  11,  4 
als  zusammengezogener  Nebensatz  zu  betrachten,  wie  das  bekannte 
dulcius  ex  ipso  fönte  bibuntur  aquae  und  viele  ähnliche  Wendangen 
bei  Livius,  z.  B.  1,  13  melius  peribimus  u.  a.  —  Die  Anm.  zu  Statuts- 
selis  in  der  epistola  Pompci  §.  1  trägt  mehr  zur  Verdunklung  als  zur 
Aufhellung  des  Sinnes  bei.  Agitis  ist  eben  der  stärkere  Ausdruck  fdr 
statuitis.  Der  Sinn  ist:  ihr  hättet  in  euren  Verfügungen  gegen  mich 
in  meiner  Abwesenheit  nicht  weiter  gehen  können ,  als  ihr  bis  jetzt 
thatsachlich  thut.  —  In  der  oratio  Licini  $.11  ist  die  vom  Hg.  zuletzt 
angegebene  Auffafsung  der  mislichen  Stelle  nach  meiner  Ansicht 
entschieden  die  beste  und  jene  Bedeutung  von  certare  de  —  gar 
wohl  zulafsig;  ein  solcher  Doppclsinn  nimmt  sich  im  Nunde  des  Lici- 
nius  sogar  gut  aus.  §.  20  möchte  ich  gleichfalls  der  Conjectur  ini«- 
riae  den  Vorzug  geben.  §.  26  wird  das  Wort  mutavistis  durch  den 
ähnlichen  Gedanken  und  Ausdruck  §.  13  nomina  rerum  ad  ignatiam 
mutantes  verdeutlicht,  und  hinwiederum  sind  diese  beiden  Stellen  ein 
Beleg,  dafs  die  Auffafsung  von  Jug.  38,  10,  welche  oben  der  Erwä- 
gung empfohlen  wurde,  die  richtige  sein  dürfte.  3futo  ist  schon  sei- 
ner Etymologie  nach  s.  v.  a.  ich  bringe  etwas  in  eine  andere  Lage, 
sei  es  thatsachlich  oder  in  meiner  Ansicht  und  Meinung  von  der  Sache. 
Zum  Schlufs  noch  einige  allgemeine  Bemerkungen  und  Wünsche. 
Dafs  der  Versuch  gemacht  wurde,  an  die  Stelle  der  oft  so  ungeschick- 
ten Abtheilung  nach  Capiteln  eine  andere  zu  setzen,  welche  den  In- 
halt nach  seiner  sachlichen  Znsammengehörigkeit  abtheilt ,  ist  wohl  zu 
loben,  aber  andrerseits  nicht  zu  bestreiten,  dafs  hier  noch  eine  Aen- 


R.  Jacobs :  C.  Sallnstius  Cfispas.  455 

deruBff  und  Nachbefserung  am  Platze  wäre.  Es  ist  mir  nicht  gelangen 
durchaus  ein  festes  Friucip  zu  entdecken ,  wonach  die  einzelnen  Ab- 
sätze abgelheilt  sind,  auch  sind  bis  jetzt  der  Absätze  zu  viele,  und 
namentlich  der  Wunsch  liegt  nahe,  es  möchte  bei  einer  neuen  Bear- 
beitung die  Gruppierung  in  bestimmte  gröfscre  Abschnitte  nicht 
allein  vom  Hg.  schärfer  ins  Auge  gefafst,  sondern  auch  die  Einrich- 
tung getroffen  werden,  dafs  dem  Schüler  auf  sinnlich  wahrnehmbare 
W'cise,  etwa  durch  gröfsere  Anfangsbuchstaben,  oder  noch  befser 
durch  Ueberschriften ,  jedesmal  bezeichnet  werde ,  was  zusammenge- 
hört. Ohne  mir  herausnehmen  zu  wollen,  eine  völlig  befriedigende 
Abscheidung  dieser  Art  geben  zu  können ,  möchte  ich  im  nachfolgen- 
den zusammenstellen,  wie  sich  mir  z.  B.  Jugurtha  in  bestimmte  25  Ab- 
theilungen zerlegt  hat:  Einleitung:  c.  1 — 4.  Erzählung:  l)  c.  5 — 12. 
2)  13—16.  3)  17—19.  4)  20—26.  5)  27—29.  6)  30— -35.  7)  36— 
39.  8)  40—53.  9)  54—62.  10)  63—65.  ll)  66—69.  12)  70—72.  13) 
73.  14)  74—78.  15)  79.  16)  m—&d.  17)  84—86.  18)  87—89,3. 
19)  89,  4—94.  20)  95.  96.  21)  97—99.  22)  100.  101.  23)  102—111. 
24)  112.  113.  25)  114.  Sollte  es  nicht  für  den  Schüler  wesentlich 
zum  Verständnis  förderlich  sein,  wenn  etwa  diese  Abtheilungen  in 
seinem  Buche  je  mit  grofsen  Anfangsbuchstaben,  auch  wo  möglich  mit 
ganz  kurzer  Angabe  des  Hauptinhalts  versehen,  ihm  vors  Auge  trä- 
ten? Um  demselben  Zweck  noch  weiter  zu  dienen,  könnten  dann  die 
einzelnen  Unterabiheilungen  jedes  Hauptabschnitts  durch  Beginnen 
einer  neuen  Zeile  markiert  werden;  so  wäre  z.  B.  die  Einleitung  zu 
Jugurtha  wiederum  nach  ihrem  dreifachen  Inhalt  in  drei  Absätzen  zu 
geben:  der  philosophisch  moralisierende  c.  1.  2;  der  politische  c.  3; 
der  persönlich  apologetische  Theil  c.  4.  —  Gleichfalls  im  Interesse 
des  Schülers  wäre  ein  doppeltes  Register,  ein  sachliches  und  ein 
grammatisch'lexicalisches,  sehr  zu  wünschen,  und  es  würde  diese  Zu- 
gabe eine  Zierde  einer  zweiton  Ausgabe  sein. 

Schönthal.  L.  Me^er. 


Titi  Uvi  ab  urbe  condila  libri.  Erklärt  von  ¥F.  fFcit$enbom.  Erster 
Band:  Buch  I  und  U.  IV  n.  314  S.  Zweiter  Band:  Buch  111— 
V.  332  S.     Leipzig,  Weidmannsche  Buchhandlung.    1853.  1854.  8. 

Ref.,  hoch  erfreut,  dafs  Livius  in  der  Haupt-Sauppeschen  Samm- 
lung einen  so  tüchtigen  Bearbeiter  gefunden,  wollte  in  einer  ausführ- 
lichen Recension  in  diesen  Jahrbüchern  dem  Hrn.  Herausgeber  ein 
*  Glück  auf  zurufen,  findet  aber  so  eben,  dafs  ein  anderer  Recensent 
(Bd.  LXIX  S.  649 — 672)  ihm  zuvorgekommen  ist,  der  die  Arbeit  be- 
reits nach  Verdienst  gewürdigt  hat.  Indem  ich  mich  dem  ehrenden 
Urtheile  jenes  Rec.  anschliefso,  verzichte  ich  nun  auf  eine  allgemeine 
Beartheilung  der  gesammten  Arbeit,  wiederhole  nicht  das  der  vor- 


456  W.  Weirsenborn:  Titi  Livi  ab  urbe  condila  libri.   ir  a.  2r  Bd. 

trefflichen  Einleitung  von  jenem  Rec.  gespendete  Lob,  übergebe  die 
bereits  von  jenem  durchmusterten  Abschnitte  und  gedenke  blofs  über 
den  zweiten  Band  einzelne  Bemerkungen  milzuthcilen ,  von  denen  der 
Ur.  llg.  bei  einer  zu  hofTenden  neuen  Auflage  vielleicht  Gebranch 
machen  kann.  Wenigstens  schreibt  Rec.  diese  Bemerkungen  nur  dar- 
um nieder,  um  sein  Scherflein  zur  Vervollkommnung  des  Buches  bei- 
zutragen. 

Da  nach  dem  Plane  der  Sammlung  die  Erklärnng  die  Hauptsache 
ist,  wollen  wir  die  Textkritik,  so  weit  dies  thunlich  ist,  um  so  lieber 
umgehen,  da  die  Kritik  des  Livius  durch  Aischefski  in  ein  sehr  uner- 
quickliches Stadium  getreten  ist.  Durch  Vergleichung  alter  Hand- 
schriften hat  sich  jener  Gelehrte  ein  bleibendes  Verdienst  erworben, 
aber  zum  Kritiker  fehlen  ihm  durchaus  die  erforderlichen  Eigenschaf- 
ten, und  vor  allem  eine  genügende  Kenntnis  des  Schriftstellers.  — 
Von  Hrn.  Weifsenborn  können  wir  rühmen,  dafs  er  durch  Aischefskis 
Superstition  sich  nicht  hat  beirren  lafsen ,  und  während  er  viele  vor- 
treffliche Lesarten  aus  jenen  Hss.  in  ihre  Rechte  eingesetzt,  zuweilen 
auch  ans  den  Spuren  derselben  das  richtige  durch  Coujectur  ermittelt 
hat,  manches  andere,  was  blofs  als  Schmutz  der  Hss.  anzusehn  ist, 
wieder  bei  Seite  geworfen  hat.  Doch  über  die  durchgehende  Con- 
stituierung  des  Textes  steht  blofs  dem  ein  Urtheil  zu,  der  dnrch  de- 
taillierte Untersuchung  den  Werth  der  Hss.  ermittelt  und  festgestellt 
hat.  Darum  wollen  wir  über  einzelne  Stellen ,  wo  wir  mit  Hrn.  W. 
nicht  übereinstimmen,  hier  nicht  mit  ihm  rechten.  Wir  halten  niu 
blofs  an  die  Erklärung  und  möchten  in  dieser  Hinsicht  im  allgemeinen 
den  Wunsch  gegen  den  Hrn.  Hg.  aussprechen,  er  möge  sich  seine  Auf- 
gabe nicht  vervielfachen.  Bei  Erklärung  eines  Schriftstellers  ist  natür- 
lich die  sachliche  Erläuterung  ein  wesentliches  Erfordernis,  aber  die 
bei  einem  eingehenden  Studium  des  Livius  sich  darbietenden  histori- 
schen und  antiquarischen  Controversen  können  in  einer  solchen  Aas- 
gabe nicht  ihre  Erledigung  finden.  In  solchen  Fällen  wird  eine  ein- 
fache Verweisung  auf  Niebuhr,  Becker,  Peter,  Mommsen  genügen. 
Dadurch  wird  Raum  gewonnen  werden  für  die  grammatische  Erkli- 
rung,  die  wir  in  noch  gröfserem  Mafse  und  in  der  Weise  berück- 
sichtigt wünschten,  dafs  der  Sprachgebrauch  des  Livius  recht  klar  und 
mit  derjenigen  Kürze  vorgeführt  würde,  die  auf  Praecision  beruht, 
nicht  auf  flüchtiger  Andeutung.  Kurz ,  wir  verlangen  von  dieser  Aus- 
gabe nicht  eine  Lösung  Niebuhrscher  Ratbsel,  sondern  eine  durch- 
gehende richtige  Erklärung  des  von  Ucbersetzcrn  und  Interpreten  so 
häufig  verkannten  Sinnes  von  Livius.  Z.  B.  V,  12  sagt  Livius:  hoc 
statu  müttarium  rerum  seditio  intestina  mawre  male  coorta  quam 
hcUa  tractnhantur.  Hr.  W.  bemerkt  hierzu:  ^mo/«  enthält  zu  coorta 
(est)  den  Begriff  des  gefährlichen,  zu  tractabantur  den  des  Eifers  und 
Nachdrucks:  quam  qnanta  male  tracf,'  So  freilich  fafsen  es  die  ge- 
wöhnlichen Ueberselzer  auf,  aber  Hr.  W.  muste  diese  eines  befsern 
belehren.  Wenn  zwei  Grade  einer  Eigenschaft  miteinander  verglichen 
werden,  müfscn  dies  doch  Grade  einer  und  derselben  Eigenschaft  sein. 


W.  WeirsoDbora:  Tili  Livi  ab  urbe  condiU  libri.   Ir  a.  2r  Bd.   457 

Und  so  ist  es  auch.  Sowohl  die  $ediiio  als  die  beUa  erzeugten  eine 
molesj  aber  die  erstere  moles  war  grörser.  Deutsch:  ^es  brach  ein 
Aufruhr  im  ionern  aus ,  der  auf  dem  Staate  noch  drückender  lastete 
als  die  Kriege ,  in  denen  man  begriffen  war.'  Dieselbe  Kürze  des  la- 
teinischen Ausdrucks  findet  sich  häufig  bei  Taeitus,  z.  B.  an  der  der 
unsrigen  ganz  ähnlichen  Stelle  Ann.  1, 18:  leviore  ßagtiio  legaium  in- 
terficietis ,  quam  ab  imperaiore  descisciiis ,  und  noch  kühner  bei  Li- 
vius  selbst  XXVU,  14:  eo  tnagis  ruere  in  suosbeluae;  tantoque  maio- 
rem  üragem  edere^  quam  inier  hostet  ediderant^  quanto  acrius 
pator  consternaiam  agit^  quam  insidentis  magi$tri 
imperio  regitur.  Vgl.  auch  Y,  49:  haud  maiore  momenio  fusi 
Galli  sunt^  quam  ad  Äliam  eicerant,  —  Vor  allem  gilt  es  in  einer  sol- 
chen Ausgabe  durch  richtige  Interpunction  den  Leser  auf  das  richtige 
Verständnis  hinzuleiten.  So  hätte  sieh  IV,  29  Hr.  W.  eine  falsche  An- 
merkung ersparen  können.  Dort  lesen  wir  in  allen  Ausgaben  und  auch 
bei  unserm  Ilg.:  nee  Übet  credere  et  licet  in  variti  opinionibus,  et 
argumenta  e$t  quod  etc.  Hierzu  macht  unser  Hg.  die  Anmerkung: 
'  ==  e/  libet  non  credere  et  licet  sc.  non  credere.*  Wie  wäre  dies 
grammalisch  möglich?  Wenn  der  Lateiner  nee —  et  sich  entsprechen 
lifst,  so  ist  ja  eben  der  erste  Satz  negativ,  der  andere  positiv.  Der 
Sinn,  den  unser  Hg.  findet,  konnte  lateinisch  blofs  durch  neque  libet 
credere  neque  licet  ausgedrückt  werden.  Es  muste  interpungiert 
werden :  nee  libet  credere  {et  licet  in  variis  opinionibus)  e t  argu- 
menlo  est^  quod  etc.  Dem  nee  entspricht  also  erst  das  zweite  e/,  und 
das  erstere  et  ist  das  bei  Li  vius  so  häufige  el,  welches  Parenthesen 
beginnt  (XXIII,  44.  XXIV,  7.  XXV,  17.  XXIX,  23.  XXXV,  34.  XXXVI, 
43).  In  dieser  Parenthese  aber  kann  nun  non  credere  füglich  suppliert 
werden.  Die  richtige  Interpunction  vermifst  man  namentlich  bei  pa- 
rataktischen Sätzen,  z.  B.  V,  21,  9:  sed  in  rebus  tarn  antiquis  si  quae 
wimilia  veri  sinl^  pro  terisaccipianlur^  satis  habeam,  Haec  ad  osten- 
tationem  etc.,  mufs  nach  habeam  blofs  ein  Komma  oder  ein  anderes 
Vordersatzzeichen  gesetzt  werden.  Denn  eng  gehört  zusammen  sed 
—  haec.  Die  Anmerkung :  ^  der  Satz  sed  —  habeam  vertritt  die 
Stelle  eines  Nebensatzes'  enthält  zwar  eine  für  den  kundigen  genü- 
gende Andeutung,  aber  wer  jenen  Gebrauch  parataktischer  Satze  nicht 
kennt,  wird  dadurch  wenig  an  Einsicht  gewinnen,  wohl  aber  durch 
die  richtige  Interpunction  aufmerksam  gemacht  werden.  Solche  Sätze 
darf  man  ebenso  wenig  durch  ein  Punctum  trennen,  als  man  im  Grie- 
chischen einen  Satz  mit  ^iv  von  seinem  entsprechenden  Satze  mit  öi 
durch  ein  Punctum  trennen  wird.  Wenn  V,  23  nach  censerent  ein 
Punkt  steht,  so  ist  dies  hoffentlich  blofs  ein  Druckfehler.  111,44  finde 
ich  schon  bei  Kreyfsig,  der  in  dieser  Hinsicht  vortreffliches  geleistet 
hat,  die  allein  richtige  Interpunction:  auctoribus  qui  aderanl^  ut  se- 
querelur^  ad  tribunal  Appi  perventum  est,  Ueberhaupt  scheint  mir 
der  Ausgabe  von  Kreyfsig,  die  ich  unter  den  in  der  Vorrede  erwähn- 
ten Vorarbeiten  ungern  vermifse,  nicht  die  gehörige  Aufmerksamkeit 
geschenkt.   Wenn  z.  B.  IV,  3  unser  Hg.  noch  immer  schreibt:  et  per- 

iV.  Jakrb,  f.  PML  u.  Paed.  Bd.  LXX.  Hft.  4  u.  5.  30 


458   W.  Weifsenborn:  Tili  Livi  ab  urbo  condito  libri.    Ir  a.  2r  Bd. 

ifide  hoc  valet  ^pleheius  ne  consul  fiai^^  iamquam  serrum  aut  Über- 
linnm  aliquis  consulem  futurum  dicat?  und  in  der  Anmerkung  Ter- 
lieblich  sich  abmüht,  einen  passenden  Sinn  herausKuGuden ,  hat 
Kreyrsig  durch  eine  kleine  Aenderung,  indem  er  mit  alten  Ausgaben 
plebeiusne  schrieb,  der  Stelle  die  gehörige  Klarheit  verschafft.  Denn 
offenbar  mufs  eine  Aeurserung  der  Plebejer,  nicht  eine  patricische 
durch  jene  Worte  eingeführt  sein.  Der  Sinn  ist:  wenn  man  äufscrt: 
^soll  nicht  ein  Plebejer  Consul  werden  können',  ist  das  etwa 
ebensoviel,  als  wenn  man  forderte,  es  solle  ein  Sklav  Consul  werden? 
Und  so  wird  noch  manches  von  Kreyfsig  gebotene  später  seine  An- 
erkennung finden.  Beiläufig  bemerke  ich,  die  auch  von  unscrm  Hg. 
erwähnte  Conjectur  Kreyfsigs  II,  50  propier  impuherem  aeialem  findet 
sich  buchstäblich  bei  Aurelius  Victor  de  viris  ill.  c.  14:  unus  ex  ea 
genle  propter  impuherem  aeialem  dornt  reliclui  genus  propagatU 
etc.  [Vgl.  Philologus  VIII  S.  384.] 

Doch  wir  wollen  nun  das  5e  Buch  der  Reihe  nach  durchgehen, 
aber  nur  dasjenige  anführen,  worin  wir  dem  Hg.  nicht  beistimmen 
können.    Cap.  2  lesen  wir:  iam  ne  hiemi  quidem  aut  tempori  anni 
cedere  ac  domos  ac  res  intisere  suas.    Der  Hg.  bringt  für  ac — «c, 
aut-^ac  Stellen  bei,  die  mit  jener  wenig  Aehnlichkeit  haben;  wir 
hatten  lieber  die  Fraise  beantwortet  gesehen ,  von  welcher  Jahreszeit 
aufser  dem  Winter  hier  überhaupt  die  Kedo  sein  könne.    Legt  man 
sich  als  Interpret  diese  Frage  vor,  so  ergibt  sich  sogleich,  dafs  es 
heifäcn  müfse:  iam  ne  hieme  quidem  aut  tempori  anni  cedere^  aui 
domos  ac  res  intisere  suas.   Beide  Momenie  werden  auch  nachher  in 
demselben  Capitcl  geschieden.    Wollte  man  das  handschriftliche  hiemi 
festhallen,  so  könnte  man  vermuthen,  dafs  es  wie  vesperi^  luci^  navi 
auch  einen  adverbialen   Ablativ   hiemi    ^znr   Winterszeit'   gegeben 
habe.    Wenigstens  wird  mau  hierauf  in  den  Hss.  der  Schriftsteller  %ü 
achten  haben.  —  Cap.  3  ist  zu  den  Worten  quid  ilios  aliud  aut  tum 
timuisse  creditis  aut  hodie   turhare  relie  nisi  voncordiam  civiumf 
bemerkt:  ^dcr  Gleichmäfsigkeit  des  Ausdrucks  wegen  statt  aut  quid 
aliud  velle  nisi  turbare  concordiam.'    Wozu  hier  diese  Bemerkung? 
Allerdings  konnte  der  Redner  dies  auch  sagen,  aber  jetzt  sagt  er  ein- 
facher concordiam  Vitium  et  timent  et  turhare  roiunf.    Eben  daselbst 
ist  tamquam   artifices   improbi  opus  quaerunt  erklärt  durch  ^  ihren 
Erwerb  suchen'.    Das  kann  man  doch  fürwahr  keinem  artifex  verar- 
gen, warum  werden  sie   also  improbi  genannt?    Es   sind  Leute  ge- 
meint, die  einen  Schaden  erst  anrichten,  durch  dessen  Reparatur  sie 
Arbeit  finden.  —  Cap.  7  pedestris  ordinis  se  aiunt  nunc  esse  ope^ 
ramque  rei pubficae  extra  ordinem  polliceri  bemerkt  der  Hg.:  *auch 
das  folgende  ist  nicht  ganz  deutlich,  da  sie  immer  dieser  Classe  an- 
gehören.'   Es  wird  ganz  deutlich,  wenn  man  den  Begri(Tor//o  urgiert. 
Sie  sagen:  bisher  gab  es  nur  ein  Ritt  er  cor  ps,  welches  sich  beru- 
fen fühlte  für  das  Vaterland  immer  bewaffnet  einzutreten.    Jetzt  bil- 
deten sie  auch  ein  Corps  und  wollten  als  ein  ordo pedestris ^   eben- 
so wie  der  ordo  equestris^   dem  Waffendiensle   fürs  Vaterland  sich 


W.  Weirsenbom :  Titi  Livi  ab  urbe  condita  libri.   ir  u.  2r  Bd.   450 

weihen.  —  €ap.  9  ne  ego  libenter  experirer^  quam  non  plus  in  his 
iuris  quam  in  vohis  animi  esset  wird  erkifirt:  ^ich  möchte  es  auf  einen 
Versuch  ankommen  lafsen,  enren  Drohung^en  ^egonQber  mein  Amt 
%n  behaupten.  —  his  bezieht  sich  auf  minas^  nicht  auf  die  Consular- 
Iribunen,  da'  u.  s.  w.  Da  his  dem  vobis  geg^enübersteht,  kann  es 
durchaus  nur  auf  die  Consulartribunen  bezogen  werden.  Auch  die 
Erklärung:  *  euren  Drohungen  gegenüber  mein  Amt  zu  behaup- 
ten' ist  unzulfifsig,  da  Ahala  zu  den  Tribunen  gehört,  die  sich  bereit 
erkürt  haben,  ihr  Amt  niederzulegen.  Ihn  als  stolzen  Aristokraten 
▼erdriefst  blofs ,  dafs  die  Volkstribunen  gegen  die  beiden  dem  Senate 
widerspenstigen  Consulartribunen  einzuschreiten  sich  vermefsen.  Darum 
sagt  er  die  Einmischung  der  Volkstribunen  stolz  zurückweisend:  was 
euch  betrifft  und  eure  Drohungen,  so  hfitte  ich  traun  wohl  Lust,  den 
Versuch  zu  machen ,  ob  es  nicht  um  euren  Huth  ebenso  schlecht  stehe 
wie  um  die  Berechtigung  der  beiden  Consularlribnnen.  Doch  es  ge- 
ziemt sich  nicht  irgend  wie  aufzutreten,  wo  eine  Entscheidung  des 
Senats  vorliegt.  Wogen  sed  verweist  Hr.  W.  auf  II,  39,  7.  III,  25,  9; 
doch  an  keiner  der  Stellen  kann  ich  einen  irgendwie  eigenthümlichen 
Gebrauch  des  sed  finden.  —  Cap.  13  nee  ^  multo  posi  iam  palantet^ 
f>eluli  forte  oblati^  populatores  Capenatis  agri  reliquias  pugnae  ab- 
sumpsere,  Hr.  W.  erklart:  ^  wie  durch  ein  gutes  Geschick ,  das  sie 
[die  Sieger]  wider  Erwarten  den  fliehenden  entgegenführte.'  Aber 
offerri  sagt  man  nur  von  der  Beute,  nicht  von  dem  verfolgenden. 
Aufserdem  bemerkt  Hr.  W.  selbst:  ^doch  bleibt  veluti  auffallend,  da 
es  in  der  That  nur  ein  günstiger  Zufall  war.'  Wie  konnte  es  Hrn.  W. 
entgehen,  dafs  es  hcifsen  mufs:  iam  palantes  veluti  forte  ablati  po- 
pulatores, Marodeurs,  die  umherschweiften  unter  dem  Scheine,  als 
wären  sie  zufällig  vom  Heer  getrennt  (versprengt),  vernichteten  den 
Ueberrest  der  Feinde.  Dergleichen  kleine  Verbcfsorungen  würden  oft 
lange  Anmerkungen  erspart  haben ,  z.  B.  IV,  20,  wo  statt  qui  si  ea  in 
re  Sit  error  offenbar  zu  lesen  ist  quis  ea  in  re  Sit  error ,  oder  V,  34, 
wo  statt  quod  eius  ex  populis  abundabat  vielmehr  quod  eis  ex  pop. 
ahundabat  zu  lesen  sein  wird.  —  Cap.  18  ^i  priusquam  renuntia- 
rentur  iure  vocatis  tribubus^  permissu  etc.  macht  der  Hg.  die  An- 
merkung: ^iure  vocatis  trib,  würde  nach  dem  gewöhnlichen  Sprach- 
gebrauch nur  als  Abi.  zu  nehmen  sein  und  bedeuten  können:  nachdem 
die  Tribus  in  ihrer  gesetzlichen  Ordnung  berufen  waren,  was  jedoch' 
u.  s.  w.  Hier  versperrt  sich  der  Hg.  gleich  zu  Anfang  den  Weg  zu 
einer  möglichen  Erklärung.  Schwierigkeit  macht  allein  das  Wort 
tribubus^  wofür  man  cenluriis  erwarten  sollte.  Ob  die  Ungenauigkeit 
dieses  Ausdrucks  irgendwie  entschuldigt  werden  kann,  etwa  weil  in 
späterer  Zeit  die  Centurien  mit  den  Tribus  manigfaclie  Berührungen 
hatte,  eine  solche  Conlroverse  würde  sich  kaum  in  einer  solchen  Aus- 
gabe erledigen  lafsen ;  hier  würde  sich  als  der  leichteste  Ausweg  dar- 
bieten tribubus  für  ein  Glossem  zu  halten ,  da  wie  praerogatita  so 
auch  das  daneben  stehende  iure  vocatae  den  Römern  ohne  ein  hinzu- 
gesetztes Substantiv  (so  XXVII,  6  eodemque  iure  vocatae  incUnas- 

30* 


460   >V.  Weifsenborh :  Tili  Livi  ab  nrbe  condita  iibri.    Ir  a.  2r  Bd. 

scfit)  YiTstundlich  sein  konnte.   In  keinem  Falle  aber  können,  wieder 
Hg.  w'iW,  iure  tocatis  {centuriit)  Ablativi  absoluti  sein,  denn   iure 
rocafae  ist  wie  capite  censi  und  ähnliches  ein  feststehender  attribu- 
tiver Ausdruck,  welcher  einen  Parlicipialgebrauch  des  vocatae  aus- 
schlierst.    Mir  scheint  iure  vocatis  vielmehr  der  Dativ  zu  sein.    Denn 
da  diu  iure  rocatae  centuriae  in  der  Regel  der  von  der  praerogaitpa 
gelrofTenen  Wahl  sich  anschlofsen,  so  galt  die  rcnuntiaiio  des  ersten 
VVahlresultates  doch  vor  allem  den  iure  vocatis^  für  die  jenes  eine 
leitende  Norm  abgab.  —    Cap.  25  quando  ea  se  qnisque  privatim  oh- 
liijaverit^  fiberatus  sil  populus  scheint  der  Hg.  zu  deuten:  *da  die  ein- 
zelnen —  Schuld  und  den  Zorn  der  Götter  auf  sich  geladen  bitten.' 
Aber  es  heifst  doch  blofs:  *  da  hinsichtlich  dieser  Abschätzung  jeder 
für  sich  selbst  verantwortlich  sei.'    Gleich  darauf  wird  enimeero  er- 
klärt: ^mit  gutem  Grunde;  zugleich  mit  der  Andeutung  dafs  es  unan- 
genehm sei.'     Wem  der  Gebrauch  des  enimvero  aus  den  bekannten 
Formeln:  ehimvero  hoc  non  ferendum  est;  enimvero  hoc  indignum 
est  auditu  u.  ä.  bekannt  ist,  wird  an  dieser  Erklärung  Anstofs  neh- 
men.   Im  folgenden  §.  7  wird  quod  eins  erklärt  durch  quantum  eiu$, 
was  nun  weitere  Deulnngeff  und  Worte  nöthig  macht.    Aber  quod  eiuM 
ante  rolum  ist  ja  offenbar  quod  ante  C  am  Uli  susceptum  eotum  etc. 
Auf  das  ganz  im  Stil  der  Scnatusconsulta  vorausgehende  quod  bezieht 
sich  dann  das  später  folgende  eins  partem  etc.  —   Cap.  26  ridebatur^ 
que  aeqne  diuturnns  futurus  labor  ac   Veits  fuisset^  ni  fortuna  im- 
pcratori  Romano  simul  ei  cognilae  rebus  bellicis  cirtutis  specimen 
et  ynnturam  rivforiam  dedisset.    Die  Erklärer  mühen  sich  hier  ab,  um 
in  diesen  Worten  die  Scelengröfse   des  Camillus  angedeutet  in 
linden,  mit  der  er  den  verrätherischen  Schulmeister  den  Faliskern  aus- 
liefert.   Auch  Hr.  W.  kann  sich  von  dieser  Voraussetzung  nicht  los- 
sagen, darum  klagt  er,  die  Stelle  sei  ^nicht  klar',  und  gibt  statt  einer 
kurzen  Entscheidung  eine  lange  Anmerkung.    Kein  Wort  bezeichnel 
hier  jene  Seelengrüfse ,  sondern  Livius  erwähnt  nur  den  Erfolg  der- 
selben, nemlich  die  matura  victoria^  und  erst  im  folgenden  Capitel 
erzählt   er,   wodurch  dieser  gewonnen  wurde.     Fragen  wir  weiter, 
M'elches  das  specimen  cognitae  rebus  bellicis  tirtutis  sei ,   so  ist  dies 
kein  anderes  als  die  kurz  vorher  erzählte,  den  Faliskern  beigebrachte 
Niederlage.     Nun  ist  ferner  simul   et  —  et  nach   dem   so   hänflgen 
Sprachgebrauch  der  Lateiner  so  zu  faPsen,  dafs  mit  dem  erstem  et 
etwas  schon  gegebenes  und  bekanntes  beigesellt  ist,  was  wir  durch 
einen  Relativsatz  auszudrücken  pflegen,  wie  es  Cap.  26  heifst:  sed 
eandem  pirtufem  et  oderant  et  admirabantur  statt  quam  oderant  f>ir- 
tutem^  eandem  simul  admirabantur.    Der  Sinn  ist  also:  der  Kampf 
um  Veji  würde  ein  langwieriger  geworden  sein,  Menn  nicht  das  Glück, 
welches   dem  römischen  Feldherrn  schon  eine    Gelegenheit  geboteo 
hatte ,  seine  sonst  erprobte  Tapferkeit  zu  zeigen ,  ihm  zugleich  auch 
einen  schnellen  Sieg  verliehn  hätte.    Wenn  er  neben  cictoriam  dare 
auch  specimen  tirtutis  dare  sagt  statt  occasionem  specimimis  edendi^ 
so  ist  dieses  Zeugma  durch  die  enge  Verbindung  jener  beiden  Ob- 


W.  Weirsenborn:  Titi  Li  vi  ab  arbe  eondiUi  libri.    Ir  o.  3r  Bd.   461 

jecte  binreichend  gerechtfertigt.    Matura  tictoria  scheint  übrigens 
nicht  biofs  ein  schneller  Sieg  sa  sein,  sondern  zugleich  ein  leich- 
ler, der  wie  reifes  Obst  von  selbst  in  die  Hände  fallt.  —   Cap.  28 
iacite  eins  eerecundiam  non  tulii  senaius^  quin  sine  tnora  voii  Hbe- 
raretur.    Gronovins  schrieb  lacUt  eius  etc. ;  Hr.  W.  aber  behält  la- 
cite  bei,  wovon  ihn  schon  der  bedenkliche  Vorgang  Aischefskis  und 
dessen  nichtssagende  Bemerkung    hätte  abhalten  sollen.     Was  soll 
jenes  heifsen?  lacitum  fero  (ab  aUqud)  I,  50.  III,  45,  sagt  Hr.  W., 
*ist  etwas  verschieden.'    Ich  sollte  meinen,  es  habe  nicht  die  ent- 
fernteste Aehnlichkcit;  tacitus  fero  aber,  was  zu  Ende  des  Capitels 
Hr.  W.  mit  tacüe  fero  gleichstellt,  ist  ebenso  wenig  zu  vergleichen, 
Bomal  wenn  man  tacüus  fertignominiam  XXXIV,  19  sich  vorhält. 
Sucht  man  in  den  Sinn  der  Worte  einzudringen,  so  ergibt  sich  tacili 
als  nolhwendig  und  allein  richtig.    In  manchen  Lagen  imponiert  nichts 
mehr  als  Schweigen  und  macht  einen  Eindruck,  dem  andere  nicht 
widerstehen  (ferre)  können.    So  machte  die  Bescheidenheit  des  schwei- 
genden Camillus  einen  solchen  Eindruck  auf  den  Senat,  dafs  er,  gleich- 
sam entwaffnet,  ohne  Säumen  den  geheimen  Wunsch  des  Camillus  er- 
füllte.   Hr.  W.  bemerkt,  quin  stehe,  weil  in  iacite  ferre  ein  negali- 
ver  Begriff  liege.    Aber  wir  haben  ja  ein  deutlich  dastehendes  twtf^ 
wozu   also  diese  noch  dazu  unbegründete  Bemerkung?  —    Cup.  39 
Romanik  cum  pars  maior  ex  acie  Veios  petisset  quam  Romam^  nemo 
superesse  quemquam  praeter   eos  qui  fiomam    rcfugerant   crederet^ 
complorati  omnes  pariter  vifoi  mortnique  totam  prope  urbem  lamentis 
impleteruni.    Hr.  W.  schreibt  zu  diesen  Worten,  welche  dem  unbe- 
fangenen Leser  keine  Schwierigkeit  bieten,  eine  sehr  complicicrtc  An- 
merkung.   Alles  wird  klar,  wenn  man  bei   den  Romanik  welclie  an 
der  Spitze  des  Satzes  stehen,  nicht  an  die  Kömer  in  Rom  denkt,  son- 
dern an  die  römischen  Streiter,  welche  an  der  Alia  geschlagen  wor- 
den sind;  diese  impleteruni  urbem  lamentis  i.  e.  fecerunt  ut  urbs  la- 
mentis impleretur  nach  der  bei  Tacitus  und  Livius  so  beliebten  Bede- 
weise.   Die  Worte  quam  Bomam^  bemerkt  Hr.  W.,  ^sind  nicht  nolh- 
wendig, aber  in   der  überhaupt   wortreichen   Schilderung  nicht  zu 
verwerfen.'    Wenn  man  pars  maior  schreibt,  so  ist  quam  Romam  als 
zweites  Glied  der  Vergleichung  nothwendig.    Will  man  quam  Romam 
wegUrsen,  so  mufs  es  heifsen  maior  pars  ^  die  Mehrzahl.     Und  wirk- 
lich haben  so  einige  Hss.    Wenn  man  ferner  das  obige  Romani  richtig 
fafsl,  so  fällt  auch  der  Grund  weg  die  gewöhnliche  Lesart  crederet 
mit  crederent  zu  vertauschen,  wie  Hr.  W.  will:  ^ crederent  im  Plural 
steht  nach  nemo  in  Bezug  auf  Romani*  —   Cap.  47  anseres  non  fe- 
fellere,  quibus  sacris  funonis  in  summa  inopia  cihi  tarnen  abstineba- 
tur.    Hier  wird  wegen  Un  -   tarnen'  auf  II,  23,  4  verwiesen.    Soll 
aber  hier  eine  grammatische  Bemerkung   gemacht    werden,   so   ist 
sicherlich  nicht  das  bemerkenswerlh ,  dafs  in  summa  inopia  =  quam- 
quam  summa  inopia  erat,  einen  Concessivsatz  enthält  oder  dafs  an- 
derwärts ein  solcher  Concessivsatz  pleonastisch  hinzugefügt  scheint, 
sondern  dafs  dem  Hauptsatze  ein  iamen  beigefügt  ist,  welches  sich 


462  W.  Wcifsenborn:  Titi  Livi  ab  arbo  condita  libri.    Ir  a.  2r  Bd. 

auf  einen  blofs  eingeschalteten  Concessivsatz  bezieht,  ein  Fall  der 
häufig  auch  bei  Cicero  vorkommt.  Im  folgenden  Cap.  48,  wo  der- 
selbe Fall  wieder  vorkommt  (superalis  tarnen  omnibus  tnaUs)  wird  es 
zwar  richtig  erklärt,  aber  der  Hg.  setzt  hinzu:  ^doch  enthält  supe- 
raiis  Omnibus  malis  zugleich  die  Einräumung  zu  dem  folgenden  Ge- 
danken ,  vor  dem  man  eigentlich  tarnen ,  wie  vor  superali  eher  cum 
erwarten  sollte.'  Die  zweite  Erscheinung  hat  mit  der  erstem  gar 
nichts  zu  schaffen ;  es  wird  also  durch  die  Fafsung  der  Anmerkung  der 
Anfänger,  für  den  sie  doch  bestimmt  ist,  irre  gemacht.  Deutlicher 
wäre  gewesen ,  wenn  Hr.  W.  gesagt  hätte :  *  nun  aber  trifft  es  sich 
hier,  dafs  statt  superavit  tarnen  omnia  mala  zu  sagen,  dieses  Factum 
wieder  als  Vordersatz  dem  folgenden  untergeordnet  wird,  was  hiaflg 
bei  Livius  geschieht,  z.  B.  c.  28  missi  —  devehuntur  Upara$^ 
Dies  alles  weifs  Hr.  W.  ebenso  gut  wie  jeder  andere;  es  galt  hier 
blofs  auf  die  Fafsung  der  Anmerkung  aufmerksam  zu  machen.  So  er- 
klärt Hr.  W.  Cap.  49  haud  maiore  momento  fusi  Gaüi  sunt  quam  ad 
Aliam  vicerant:  ^  haud  mai.  momento  mit  nicht  gröfserer  Anstren- 
gung, wie  auch  leve^  pareum  momentum  gebraucht  wird.'  Blufs  da 
nicht  der  junge  Leser  glauben,  momentum  solle  ^die  Anstrengnng' 
bedeuten?  Der  Sinn  ist  vielmehr:  sie  flohen  ohne  dafs  irgend  ein  ge- 
wichtiges Ereignis  dies  vermittelte;  ganz  auf  dieselbe  Weise  wie  an 
der  Alia  die  Römer  zur  Flucht  sich  wandten,  was  c.  38  durch  non 
temptalo  certamine,  sed  ne  clamore  quidem  reddito  etc.  näher  be- 
zeichnet ist. 

Aus  dem  vierten  Buche  will  ich  nur  ^ine  Stelle  hervorheben, 
wo  Hr.  W.  sich  nicht  frei  erhalten  hat  von  dem  beirrenden  Einflufse 
Aischefskis.  IV,  24  liest  man  in  den  Ausgaben  und  Hss. :  deposito  suo 
magistratu  modo  aliorum  magistratui  imposito  pne  altert^  cum  gra- 
tulatione  ac  favore  ingenti  populi  domum  est  reductus.  Dies  über- 
setzt Aischefski:  ^nachdem  er  sein  Amt  niedergelegt  und  nach  Mafs- 
gabe  der  übrigen  Staatsämter  jener  andern  Würde  eine  kürzere  Dauer 
bestimmt.'  Zwei  starke  Fehler  in  dieser  Verdolmctschnng  nimmt  Hr. 
W.  ohne  weiteres  hin,  ja,  weil  *nach  dem  Mafso  der  übrigen  Nag.' 
hcifsen  müfse  modo  aliorum  magistratuum^  wird  dieses  sogar  von 
Hrn.  W.  in  den  Text  gesetzt !  Ferner  weil  finem  imponere  von  Al- 
schefski  übersetzt  wird  ^eine  kürzere  Daner  bestimmen',  macht  nan 
auch  Hr.  W.  die  unglückliche  Anmerkung:  ^pne^  Beschränkung,  s. 
c.  54,  6,  hier  kürzere  Dauer.'  Sehen  wir  erst  die  citierto  Stelle  nach, 
c.  64:  pro  ingenti  itaque  Victor ia  id  fuit  plebi^  quaestnramque  eam 
non  honoris  ipsius  pne  aestimabot^  sed  patef actus  ad  consufatum  ac 
triumphos  locus  noris  hominihus  videbatur.  Hr.  W.  erklärt  honoris 
ipsius  pne  ^  nach  dem  beschränkten  Nafse  des  Amtes.'  Aber  hier  ist 
honoris  ipsius  offenbar  Genetivus  explicalivus.  Es  heifst:  den  Werlh 
der  von  ihnen  erlangten  Quaestur  suchten  sie  nicht  in  dieser  Errun- 
genschaft selbst  (in  dem  dadurch  errungenen  Ziele),  dafs  sie  die- 
ses Amt  erlangten,  sondern  sie  knüpften  an  dasselbe  weitaussehende 
Hoffnungen  auf  Consulat  und  Triumphe.    An  obiger  Stelle  nun  heifst 


W.  Weifsenbom :  Titi  Livi  ab  arbe  condita  libri.   Ir  a.  3r  Bd.  463 

die  Bescbränknng  eines  Amtes  offenbar  madum  imponere^  wie  XLIII, 
16  ut  modum  poUstaU  censoriae  imponereni,  und  zwor  ist  es  an  un- 
serer Stelle  ein  lemporis  modum  imponere^  wie  es  knrz  vorher 
heifst.  Hing^egen  finem  magisiraiui  imponere  kann  nichts  anderes  be- 
deuten als :  einem  Amte  ein  Ende  machen.  Mögen  nun  auch  die  altern 
Kritiker  an  diesem  fine  alleri  Anstors  genommen  haben,  man  wird 
darin  nichts  befremdliches  finden,  wenn  man  sich  erinnert,  dars  statt 
alii  —  alii  oder  aUer  —  alter  bei  Griechen  und  Lateinern  oft  für  das 
erstere  oder  zweite  Wort  eine  nähere  Bezeichnung  desselben  gesetzt 
wird.  Kurz,  man  übersetze:  nachdem  er  seine  Dictatur  niedergelegt 
hatte,  wurde  er  unter  grofscn  Gunstbezeigungen  des  Volkes  nach 
Hause  begleitet ,  weil  er  einem  Amte  (der  Censur)  Schranken  gesetzt, 
einem  andern  (seiner  Dictatur)  ein  Ende  gemacht  hatte.  Manchen 
mochte,  weil  deposilo  suo  magtstralu  vorangeht,  das  fine  imposilo 
diciaiurae  tautolog  erscheinen,  aber  da  es  hier  gilt,  den  Jubel  des 
Volks  zu  motivieren ,  wird  das  andere  als  ein  zweites  Verdienst  noch 
besonders  daneben  gestellt. 

Zum  Schlufs  will  ich  noch  einiges  über  den  Commentar  zu  der 
praefalio  Livi  bemerken.  Gleich  die  erste  Bemerkung  über  den  so- 
genannten hexametrischen  Anfang,  wünschte  ich,  wäre  weggeblieben. 
Dergleichen  gehört  in  die  Rumpelkammer  der  Ausgaben  in  usum  Del- 
phini.  Weder  Livius  noch  Tacitus  (in  den  Annalon)  sind  sich  wohl 
bewust  gewesen ,  dafs  sie  einen  rhythmischen  Anfang  geschrieben 
haben;  denn  kein  Lateiner  sprach  operai^  pretium^  principio^  reges. 
Wenn  also  das  römische  Ohr  hier  nichts  von  Rhythmen  hörte ,  warum 
unsere  Leser  mit  solchen  Dingen  behelligen?  Für  den  Kritiker  frei- 
lich und  für  die  Geschichte  des  Textes  ist  die  bekannte  Notiz  bei 
Quintilian  höchst  interessant.  Die  Bemerkung,  dafs  ausim  bei  €ic. 
Brut  5,  18  unsicher  sei,  ist  gleichfalls  eine  überflüfsige  und  nach 
des  Rec.  Meinung  auch  eine  unbegründete.  Im  §.  3  schreibt  Hr.  W. 
mit  Aischefski:  si  —  mea  fama  in  obscuro  est.  Von  einem  solchen 
abnormen  Modus  statt  des  bisherigen  gleichfalls  handschriftlichen  Sit 
hätte  man  wohl  eine  Erklärung  erwarten  sollen.  Rec.  kann  nur  einen 
Soloecismus  darin  finden.  Und  ebenso  befremdlich  ist  ihm  §.  5  effi- 
cereposset^  mit  dessen  Rechtfertigung  Rec.  sich  nicht  befreunden 
kann.  Ueberhaupt  hat  den  hier  und  da  vorkommenden  Ansichten  des 
Hrn.  Hg.  über  die  Modi  Rec.  selten  beistimmen  können.  §.  4  wird  zu 
et  quae  —  laboret  sua  bemerkt:  *  hierzu  ist  res  als  Bezeichnung  des 
römischen  Staates  selbst  zu  denken,  während  es  im  vorhergehen- 
den Satze  die  Geschichtschreibung  bedeutet.'  Das  ist  unmög- 
lich. Entweder  bezeichnet  res  auch  das  zweitemal  die  Geschicht- 
schreibung —  mit  dem  Umfange  des  Staates  wächst  ja  auch  seine  Ge- 
schichte an  —  oder  der  ganze  Satz  mufs  als  Glossem  gestrichen  wer- 
den, was  aus  vielerlei  Gründen  wahrscheinlich  ist.  Schon  das  un- 
lateinische et  quae  statt  et  oder  quae  begründet  Verdacht.  §.  5  ego 
contra  hoc  quoque  laboris  praemium  petam ,  ut  me  etc.  Hr.  W.  be- 
merkt: ^es  folgen  die  Gründe,  die  ihn  bestimmen,  ungeachtet  der 


464   W.  Weirseoborn :  Titi  Livi  ab  urbe  condita  Ubri.   Ir  a.  2r  Bd. 

Schwierigkeiten  doch  das  Werk  eu  beginnen.'  Hier  stimme  ich  mit 
dem  Hg.  nicht  überein  hinsichtlich  der  Disposition  der  Vorrede ,  die 
ofTenbar  in  zwei  Ilanpttheile  zerfällt.  §.  1 — 5  spricht  er  von  seinem 
Auftreten  als  historischer  Schriftsteller.  Von  $.  6  an  gibt  er  den  Plan 
und  die  Tendenz  seines  Werkes  an.  $.  5  führt  er  also  nur  noch  einen 
zweiten  Grund  an,  warum  er  mit  der  Geschichtschreibung  sich  be- 
fafse.  Weil  dieser  zweite  Grund  (hoc  quoque)  auf  einer  Ansicht  be- 
ruht, die  mit  der  vorher  erwähnten  der  Leser  contrastiert,  darum  ist 
es  zugleich  mit  contra  angeknüpft.  §.  9  donec  ad  haec  iempora^ 
quihus  nee  eitia  nostra  nee  remedia  pali  possumus  ist  kaum  richtig 
erklärt  durch:  ^obgleich  man  die  unangenehmen  Folgen  der  Laster 
fühlt,  höngt  man  doch  so  fest  an  denselben,  dafs  man  sich  schent 
wirksame  Mittel  dagegen  anzuwenden.'  Was  remedia  pati  hcirst,  er- 
sieht man  aus  XXXiV,  49:  inlermori  rehemenlioribus  quam 
quae  pati  possei  remediis  civilaletn  sinere.  Die  geeigneten  Heil- 
mitlei sind  oft  blofs  bei  noch  kräftigen ,  nicht  bei  entnervten  Körpern 
anwendbar.  Ebenso  verlangen  die  titia  eine  starke  Constitution.  $.11 
wird  dem  Worte  ceterum  eine  ^beschränkende'  Kraft  beigelegt. 
Lieber  hätte  ich  gewünscht,  der  Hr.  Hg.  hätte  seine  Leser  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dafs  ceterum  bei  Livius  und  Tacitus  alle  Bedeu- 
tungen von  öi  habe. 

Schwerin.  Carl  Wex. 


Zur  Vorgeschichte  des  römischen  Rechts.  Etymologische  Versnche. 
Vom  Canzler  Dr.  Ballhom-Rosen  in  Detmold.  J.  Als  Jubeldisser- 
tation heransgegeben.  Jjemgo  u.  Detmold,  in  der  Meyerschen  Uof- 
bnchhandlung.  1853.  XIV  n.  126  S. 

Der  Vf.  der  vorliegenden  Schrift  ist  mit  Recht  überzeugt,  dafs 
zur  *  Aufklärung  über  einzelne  Gegenstände  der  römischen  Religions- 
und  Uechtsalterthümcr,  des  Staats-  und  Privatrechts'  die  etymologi- 
sche Untersuchung  der  betrefTenden  Worte  von  grofser  Wichtigkeit 
ist.  Wenn  er  aber  meint,  dafs  derartige  Untersuchungen  in  neuerer 
Zeit  von  Rechtsgelehrtcn  und  Philologen  fast  gar  nicht  gepflogen 
worden  seien,  so  müfscn  wir  ihn  nur  beispielsweise  an  Männer  wie 
Huschke,  Mommsen,  liubino,  Oscnbrüggen  und  neuerdings  besonders 
an  Jhering  erinnern,  die  alle  mit  mehr  oder  weniger  Glück  sich  be- 
müht haben  auch  der  Etymologie  ihr  Recht  angedeihen  zu  lafsen.  Der 
Vf.,  der  in  der  Vorrede  offen  gesteht,  sich  seit  Jahren  mit  Studien 
zur  Vorgeschichte  des  R.  R.  in  den  Nebenstunden  seines  Geschäfts- 
lebens zu  seiner  Unterhaltung  beschäftigt  zu  haben,  und  mit  einer 
gewissen  Resignation  weder  von  Philologen  noch  von  Juristen  eine 
besondere  Beachtung  seines  Buches,  das  übrigens  nur  Proben  eines 
gröfsern  Werkes,  eines  etymologischen  Lexicons  des  R.  R.,  wie  man 


BaUhorn-Rosen :  zur  Vorgeschichte  des  röm.  Rechts.  I.      465 

es  wohl  ncDDenkann,  bieten  soll,  erwartet,  wünscht  eine  eingehende 
Beurtheilung  desselben.  Ref. ,  der  keine  eingebenden  Studien  in  der 
röm.  Recbtsgeschichte  —  soweit  man  dieselbe  von  der  Philologie  zu 
trennen  pflegt —  gemacht  hat,  wird  hauptsächlich  die  sprachliche 
Seite  in  Betracht  sieben ,  jedoch  auch  einige  andere  Erörterungen  bei- 
fOgen ,  wobei  es  ihm  vergönnt  war  auch  Mittheilungen  eines  juristi- 
schen Freundes  zu  benutzen. 

Sollen  wir  zuerst  ein  Wort  über  die  Etymologien  des  Vf.  im 
allgemeinen  sagen,  so  müfsen  wir  auf  das  entschiedenste  vor  der  Me- 
thode desselben  warnen.  Sein  sprachwifsenschaftlicher  Standpunkt 
ist  ein  sehr  veralteter,  und  er  mufs  den  hie  und  da  citierten  treff- 
lichen Werken  von  Bopp  (Sanskritgramm.),  Pott  (etymol.  Forschun- 
gen) und  Bcnary  (röm.  Lautlehre)  —  andere  seitdem  erschienene  das 
Latein  betreffende  sprachwifscnschaftliche  Werke  werden  nicht  er- 
wähnt—  kein  eindringendes  Studium  geschenkt  haben,  da  sie  sonst 
ganz  anders  auf  ihn  gewirkt  haben  würden.  Von  der  Strenge,  mit 
der  ein  Etymolog  sich  den  Regeln  der  Lautlehre  zu  unterwerfen  hat, 
und  von  der  Gewifsenhaftigkeit,  mit  der  er  jeden  Buchstaben  und  den 
ihm  in  jeder  Stellung  cukommeuden  Werth  prüfen  mufs,  scheint  der 
Vf.  keine  Ahnung  zu  haben,  weshalb  seine  Vergleichungen  griechi- 
scher und  lateinischer  Wörter  grofsentheils  auf  rein  äufserlicher  un- 
gefährer Aehnlichkeit  beruhen,  und  seine  Etymologien  voll  sind  von 
unorganischen  Laulübergängen,  Einschiebungen  und  Abwerfungen. 
Das  Mieduclionsalphabot^  (p.  X),  mit  dem  der  Vf.  orbeitet,  bedarf 
einer  schonungslosen  Sichtung  auf  die  Gefahr  hin,  dafs  nicht  viel 
übrig  bleiben  wird.  Ist'^s  glaublich,  dafs,  weil  adsiduus  durch  Assi- 
milation auch  assiduus  lauten  kann,  dies  mit  angeführt  wird,  um  nach- 
zuweisen, dafs  s  und  d  untereinander  wechseln?  Ebenso  sullcn  t  und 
a  beliebig  wechseln,  weil  unter  andern  neben  capio  doch  incipio  u. 
a.  vorkommt.  Also  kennt  der  Vf.  die  Regel  nicht,  wonach  in  incipio 
das  a  des  Simplex  i  werden  mufs.  Unter  Berufung  auf  incipio:  capio 
wird  denn  igitur  als  identisch  mit  agitur  erklärt!  Lot.  e  und  gricch. 
at  sollen  sich  oft  entsprechen,  so  in  feneslra  verglichen  mit  (pceivco^ 
ebenso  lat.  g  und  gr.  ^,  z.  B.  in  stigo  und  axi^ca;  in  beiden  Beispie- 
len hat  der  Vf.  nicht  bedacht,  dafs  er  den  Praesensstamm  der  gr. 
Verba  (jpcUvoa^^—fpavjcD^  aTl^(o=—<Sriyjci})  gar  nicht  vergleichen  durfte. 
Wenn  zum  Beweis,  dafs  im  LaL  g  und  s  wechseln,  mulgeo  und  mulsi 
verglichen  werden ,  so  zeigt  dies ,  dafs  der  Vf.  seine  ganz  eignen  An- 
sichten über  die  latein.  Tempusbildungen  haben  mufs.  Ein  Specimen 
seiner  Ansichten  über  griech.  Tempusbildung  geben  die  Erörterungen 
über  das  Augmentum  (p.  62). 

Berühren  müfsen  wir  auch  die  Ansicht  des  Vf.  über  das  Verhält- 
nis des  Lateinischen  und  Griechischen.  Beide  Sprachen  sind  ihm  nicht 
blofs  schwesterlich  verwandt,  sondern  das  Latein  ist  noch  ungemein 
dadurch  vom  Griechischen  influiert,  dafs  ^griechische  Auswanderer 
nicht  blofs  in  Süditalien,  sondern  fast  überall  an  den  Küsten  der  Halb- 
insel ,  namentlich  auch  in  der  Gegend  der  untern  Tiber  sich  ansiedel- 


466      Ballhorn-Rosen :  zar  Vorgegchichte  des  röm.  Rechts.  I. 

teo'  —  sebr  bezeichnend  für  den  Standpnnkt  des  Vf.  in  Bezog  «nf 
römische  Geschichte.  Wir  werden  ausdrücklich  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dafs  diese  Einwanderer  natürlich  verschiedene  Dialekte 
sprachen,  was  bei  der  Etymologie  wohl  zn  berücksichtigen  sei;  dalii 
sie  jedenfalls  ein  höchst  wunderbares  Griechisch  sprachen,  zeigt  ans 
das  Buch  an  vielen  Stellen:  in  dem^  Glossar  jener  Griechen  kamen 
Wörter  wie  iKadUQoa),  Ttf^tfcivij,  Ofioixag  vor.  Weiter  zeigt  sich 
der  von  der  neuern  Sprachwifsenschaft  weit  entfernte  Standpunkt  des 
Vf.  darin,  dafs  er  gemäfs  der  bezeichneten  Anschauung  von  dem  Ver- 
hältnis des  Gr.  u.  Lat.  für  jedes  lat.  Wort  ein  verwandtes  griechisches 
sucht  und  bei  seiner  Willkür  auch  findet,  resp.  sich  selbst  macht. 
Dafs  eine  Menge  lat.  Wörter  sich  im  Griechischen  nicht  ftnden,  die 
dann  entweder  überhaupt  dunkel  sind  oder  durch  andere  verwandte 
Sprachen  Licht  empfangen,  weifs  der  Vf.  nicht  und  fragt  nie  danach, 
ob  die  verwandten  Sprachen  gegen  Erklärung  jedes  lat.  Wortes  aus 
dem  Griech.  nicht  gegründete  Einsprüche  zu  erheben  haben.  So  ist 
precari  dorn  Vf.  das  griechische  nBQii%BirV  —  was  lautlich  und  der 
Bedeutung  nach  unmöglich  ist  —  und  er  weifs  nichts  von  dem  skr. 
prac.  Endlich  begnügt  Hr.  B.  sich  nicht  nur  die  Wurzel  im  Griech. 
zu  suchen,  nein!  das  ganze  lat.  Wort  mit  Haut  und  Haar  mufs  in 
einem  griech.  Vater  oder  Bruder  finden,  mag  nun  eine  Deutung  aus 
dem  Lat.  selbst  so  nahe  als  möglich  liegen.  So  soll  amicus  Buchstab 
für  Buchstab  einem  fingierten  griech.  oftotxog  entsprechen.  Abgese- 
hen von  der  lautlichen  Unmöglichkeit,  wie  denkt  sich  der  Vf.  nun 
die  Bildung  von  amo?  Ist  dies  etwa  von  amicus  abgeleitet,  oder 
hatten  die  Griechen  irgend  ein  von  o}icig  abgeleitetes  Verbum,  woher 
amo  stammt? 

Zu  diesem  etymologischen  Verfahren  kommt  noch  hinzu,  dafs 
llr.  B.  an  die  Untersuchung  fast  eines  jeden  Worts  aus  dem  Gebiete 
der  Rechtsalterthümcr  mit  der  Ueberzcugung  geht,  dafs  die  Urbedeu- 
tung desselben  irgendwie  eine  sacrale  sein  müfse. 

Gehen  wir  nun  kurz  die  Hauptparlien  des  Buches  durch.  Der 
erste  Abschnitt  ist  lus  personarum  überschrieben  und  enthält  die  Hy- 
pothese des  möglichen  Zusammenhanges  des  ius  personarum  mit  dem 
alten  ins  imaginum.  Persona  in  der  ursprünglichen  Bedeutung  von 
Maske  wird  von  nsQi^cavvva}  abgeleitet,  jedoch  wird  uns  nicht  gesagt, 
ob  persona  dem  Griech.  urverwandt  oder  entlehnt  ist.  Ersteres  wäre 
unmöglich,  da  das  Lat.  die  Praep.  neql  nicht  kennt  (Pott  II,  348)  aod 
dem  ^  ein  lat.  t  entsprechen  müsle.  Sollte  aber  persona  ein  Lehnwort 
aus  dem  Gr.  sein,  so  müste  ein  gr.  Substantiv  vom  Verbum  negi^dv 
will  nachgewiesen  werden,  was  der  Vf.  natürlich  nicht  vermag. 
—  Persona  ist  nun  dem  Vf.  das  in  einer  völligen  Bekleidung  beste- 
hende Ehren-  und  Andenkenkleid  eines  verstorbenen  patricischen  Haas- 
herrn, eine  Wollständige  Charaktermaske  desselben,  als  deren  Theil  die 
Gesichtsmaskeim  Atrium  aufbewahrt  wurde.'  Das  ist  nicht  genau.  Denn 
unter  personae^  iarvae^  expressi  cera  rullus^  imayines  sind  nur  die 


Ballhoni-Rosen:  zar  Vorgeschichte  des  röm.  Rechts.  I.      467 

Gesichtsmasken  selbst  ku  verstehen.  DieGcwSnder,  welche  den  Tragern 
der  personae  bei  den  feierlichen  LeichenzQgen  angethan  wurden,  ge- 
hören nicht  zu  den  personis —  vgl.  Eichstfidt  diss.  de  imagg.  Rom.  u. 
Beckers  Gallus  II ,  286  (lo  Ausg.)  —  wonach  also  die  Ableitung  von 
ntQi^awvm  auch  nicht  einmal  durch  den  Sinn  unterstützt  wäre.    Der 
Vf.  meint  nun ,  das  ius  personarum  —  die  Lehre  von  den  Rechtssub- 
Jecten  —  sei  urspranglich  nichts  anderes  als  das  ius  imaginum  ge- 
wesen ,  dann  die  Lehre  von  den  Personen ,  welche  das  ius  imaginum 
hatten,  d.  h.  die  alte  reine  Ingenuitfit,  als  die  Bedingung  der  Möglich- 
keit volle  Rechte  in  Rom  zu  haben,  auszuüben  und  zu  übertragen. 
Znnftchst  steht  es  nun  übel  mit  der  Verbindung  des  ius  imaginum  mit 
der  Ingenuitat,  da  ingenuus  bei  Festus  —  worauf  sich  der  Vf.  beruft 
—  nichts  anderes  heifst  als  zur  gens  gehörig,  mag  man  nun  mit  Gölt- 
ling  den  engeren  Geschlechtsvcrband  oder  mit  Jhering  den  weitern, 
den  Staat,  dabei  im  Auge  haben.    Ingenui  im  späteren  Siuno,  von 
freien  ElteVn  geboren,  waren  auch  die  Plebejer,  was  ihnen  Appius 
Claudius  bei  Liv.  VI,  40  willig  zugesteht.    Der  Vf.  denkt  nun  an  die 
Ingenuitat  im  letztem  Sinne ,  schreibt  sie  ausschliefslich  den  Patri- 
ciern  zu  und  macht  die  vollkommene  Rechtsfähigkeit  von  ihr  abhän- 
gig.   Ha^nun  diese  Ingenuitat  (derjenigen  gut  liberi  nati  sunt)  nichts 
mit  dem  Patriciale  zu  thun,  so  hat  die  letzterem  ausschlicfslich  zu- 
kommende Theilhaftigkcit  an  den  Gcntilitütsverbindungcn  ihrerseits 
gar  keinen  directen  Bezug  auf  das  Privatrecht,  und  nur  in  Bezug  auf 
letzteres  reden  die  Juristen  von  ius  personarum,  —  Andrerseits  steht 
auch  das  ius  imaginum  zu  dem  Patriciate  in  keiner  besonderen  Bezie- 
hung, s.  Beckers  Handb.  der  röm.  Alterth.  II,  1  S.  225.   Wie  der  Vf. 
dazu  kommt  dafür,  dafs  die  Patricier  ein  ausschlicfsliches  ius  imagi- 
num beansprucht  hätten,  Liv.  X,  7  zu  citieren,  in  welcher  Stelle  der 
plebejische  Consul  Decius  ausdrücklich  von  dem  ius  imaginum  der 
Plebejer  redet,  erhellt  nicht.    Auch  bei  Plinius  N.  H.  XXXV,  2  hat 
der  Ausdruck  geniiiicia  funera  allgemeine  Bedeutung.    Sonach  dürfte 
zwischen  ius  personarum  =  ius  imaginum  und  dem  ius  personarum 
des  Gaius  =  Lehre  von  den  Rechtssubjecten  nichts  gemeinsames  sein 
als  der  Klang  der  Worte.  —   Zur  Unterstützung  der  wohl  beseitigten 
Hypothese  gibt  der  Vf.  noch  eine  Etymologie  von  (cix),  vicis^  wel- 
ches dem  gr.   tlTidv  entsprechen  soll.    Abgesehen  von  der  Kürze  in 
rTcis,  die  neben  siyicov  sehr  bedenklich  ist,  ist  es  unmöglich  die  Ur- 
bedeutung des  Wechsels  abzuleugnen  und  die  Bedeutung  'Bild,  Cha- 
raktermaske' hineinzutragen.    Wie  man  sich  S.  8  folgendes  vorstellen 
soll :    *  bei  der  (Leichen-)  Feierlichkeil  trug  und  verbrannte  man  an- 
statt (vice,  in  dem  Bilde)  des  verstorbenen  dessen  imago^  ist  unklar. 
Wörtlich  heifst  es  doch:  das  Bild  des  verstorbenen  wird  in  dem  Bilde 
des  verstorbenen  verbrannt.    Was  soll  man  sagen,  wenn  vicissiiudo 
ursprünglich  *  BilderwechseP  heifsen  soll?    Wo  kommt  denn  auf  ein- 
mal der  Begriff*  Wechser  da  hinein?    In  der  angeführten  Stelle  des 
Plautus  ist  in  vicem  zu  lesen ,  wie  auch  Ritschi  in  den  Text  aufge- 
nommen hat.    Wenn  die  Buttmannsche  Etymologie  von  f>ix  die  neuste 


468      Ballhorn-Rosen :  zar  Vorgeschichte  des  röm.  Rechts.  I. 

genannt  wird,  so  ignoriert  Hr.  B.  die  sehr  beachtenswerthe  von  Potl 
([,  234),  die  ihm  doch  bekannt  sein  muste. 

Die  zweite  Partie  der  Schrift  beschäftigt  sich  mit  der  Einthei- 
lung  in  liberi  und  serrt,  und  speciell  mit  den  Uberi,  Liber  bedeutet 
nach  B.  ursprünglich  ^ein  iibierender'  und  gelangt  erst  später  la  der 
Bedeutung  ^cin  freier',  insofern  diese  nur  an  der  Libation  Theil  neh- 
men durften.  Der  Ableitung  der  liber  von  Hb  (libare)  steht  zuvör- 
derst die  oskische  Form  loupr  entgegen,  die  den  schon  früher  ver- 
mutheten  Zusammenhang  mit  iktv^Bqoq  (vgl.  iqv^Qogi  ruber ^  ov^af^i 
über)  bestätigt.  Sachlich  ist  aber  auch  gegen  die  Ableitung  einzu- 
wenden, dafs  danach  dem  Gebrauche  des  Libierens  eine  Bedeutung 
beigelegt  wird,  welche  man  schwerlich  wird  nachweisen  können.  Die 
spatere  Freilafsung  durch  Zuziehung  des  Sklaven  an  den  Tisch  des 
Herrn,  welche  B.  als  Rest  der  alten  Anschauung  hinstellt,  beruhte 
vielmehr  einfach  darauf,  dafs  die  servi  nicht  am  Tische  des  Herrn 
afscn  —  vgl.  jedoch  Beckers  Gallus  1 ,  127  —  und  daher  durch  jene 
Zuziehung  der  Wille  des  Herren  den  Sklaven  als  freien  zu  betrachten 
sich  kuud  gibt.  —  ^yeiter  meint  Hr.  B. ,  die  Libution  sei  ein  Act  von 
Sacragemeinschafl  gewesen,  welcher  nicht  an  die  einzelnen  civüaie$ 
gebunden  war,  und  will  darin  ein  Institut  des  ältesten  religiösen  Völ- 
kerrechts finden.  Als  Beleg  dafür  soll  —  Odysseus  dienen,  der  dem 
Polyphem ,  nachdem  derselbe  abermals  zwei  Genofseu  des  Odysseus 
verspeist,  einen  Becher  Weins  reicht  und  dann  beifügt  aol  d'  av  Im- 
ßiiv  (pigov^  Bi  |Lt'  iXeiiGaq  oÜKade  niiiil^etag^  welche  5  letzten  Worte 
B.  nicht  mit  anfahrt. —  Ferner  wird  angenommen,  dufs  die  männ- 
lichen Dcscendentcn  eines  puter  deshalb  liheri  hiefsen,  weil  sie  im 
Gegensatz  zu  den  servi  an  den  Haussacra  Theil  nehmen  und  am  Tische 
des  Hausvaters  mit  libieren  durften.  Dafs  zwischen  den  liberi  —  den 
Söhnen  —  und  den  sert>i  trotz  des  ursprünglichen  ius  titae  ei  necit 
des  Vaters  und  anderer  Uebcreinslimmungen  ein  viel  tieferer  Gegen- 
satz von  vorn  herein  staltiindet  (man  vgl.  unter  andern  die  eben 
erschienene  römische  Geschichte  von  Th.  Mommsen  I,  50),  bedenkt 
der  Vf.  nicht.  Auf  seine  Libationstheorie  baut  endlich  der  Vf.  eine 
dreifache //6er/a5,  welche  ganz  mit  dem  dreifachen  Status  liberiaiis^ 
cicitatis^  famiiiae  zusammenfällt,  und  führt  auch  die  dreifache  capitis 
deminutio  darauf  zurück.  Der  Vers  des  Ausonius:  triplex  liberia» 
capitisque  minutio  triplex  dürfte  ein  schwaches  Argument  sein ,  und 
den  des  Plautus  (Gas.  11,  8,  68):  tribusnon  conduci  possum  liber- 
tatibus  wird  ein  unbefangener  auch  ohne  jene  Annahme  begreifen. 
Einige  andere  Erklärungen,  wie  liberalis  d.  i.  einem  liber  anstandig, 
also  auch  gern  libierend,  spendend  [wer  denkt  nicht  an  spendabel?], 
deliberare^  auf  die  Bcrathungcn  gehend;,  welche  bei  patriarchalischen 
Gastmählern  nach  der  Libation  stattfanden,  unter  Beziehung  auf  die 
Germanen  bei  Tacitus,  könnten  auch  nicht  eben  böswilligen  Lesern 
etwas  scherzhaft  erscheinen. 

Das  eben  über  die  Etymologie  von  liber  gesagte  entzieht  auch 
den  Ableitungen  vou  Urnen  und  poslUmitnum  ihre  Stütze.    Limen  soll 


Ballhoro-Rosen :  znr  Vorgeschichte  des  röm.  Rechts.  I.      469 

für  iihimen  stehen  und  das  *belibierte'  bedeateo.  Allerdings  war  die 
Schwelle  den  Römern  heilig;  dafs  aber  gerade  sie  von  den  heiligen 
Spenden,  die  ihr  möglicherweise  za  Theil  wurden,  benannt  worden 
sei,  ist  schwer  glaublich,  und  die  einfache  Benarysche  Ableitung 
des  Wortes  hat  der  Vf.  nicht  widerlegt.  Während  nun  nach  Hrn.  B. 
li{bi)men  das  bilibierte  heifst,  soll  li{bt)minium  eine  Libation,  ein 
Opfer  bedeuten  und  in  postliminium  uns  erhalten  sein  als  Nachopfer 
d.  h.,  wie  ß.  hineinträgt,  das  während  einer  Gefangeuschaft  unterblie- 
bene und  nach  Aufhebung  derselben  nachgeholte  Opfer.  Man  sieht 
nicht  ein,  was  hier,  wo  von  keinem  bestimmten  Opfer  die  Rede 
ist,  ein  nachgeholtes  Opfer  soll.  Man  wird  bei  der  Ableitung  stehen 
bleiben  müfsen  und  postliminium  für  eine  Bildung  wie  posiscenium^ 
pomoerium  ansehen.  Wir  nehmen  also  die  Göltlingsche  Deutung  an, 
der  auch  Becker  röm.  Alterth.  II,  ]  S.  109  beitritt  und  die  Hase 
(Postliminium  S.  12)  nicht  widerlegt  hat.  Wenn  letzterer  in  posllimi" 
nium  *den  Act  der  Rückkehr  hinter  die  Grenze'  findet,  so  sieht  man 
nicht  ein,  wie  dies  möglich  ist.  Dafs  übrigens  Urnen  ursprünglich 
überhaupt  ^Grenze'  bedeutet  hat,  sieht  man  aus  eliminare^  was  Hr. 
B.  höchst  seltsam  deutet.  Denn  wäre  wirklich  ein  Verbum  lHbi^mi- 
nare  vorhanden  und  hiefso  ^  opfern',  so  könnte  eliminare  nur  ^  heraus- 
opfern' u.  dgl.  bedeuten,  nimmermehr  aber  ^vom  Opfern  entfernen'. 
Der  Hr.  Vf.  weise  ein  Compositum  mit  e  nach ,  welches  die  Trennung 
oder  Entfernung  von  der  im  einfachen  Verbum  bezeichneten  Thätig- 
keit  ausdrückt. 

Ein  Erzeugnis  der  baarsten  Willkür  ist  endlich  die  Erklärung 
des  rSthselhaften  coelebs  =  conlibs^  avanovSog,  d.  h.  einer  der  noch 
keinen  Hansstand  hat  und  daher  mit  einem  andern  libiert  und  speist"^). 
Wenn  bei  dieser  Gelegenheit  über  die  kasla  caelibaris  gesprochen 
wird ,  so  verweisen  wir  jetzt  auf  die  reiche  Erörterung  in  A.  Rofs- 
bachs  Untersuchungen  über  die  römische  Ehe  S.  286  ff.  **) 

Der  dritte  Theil  unseres  Buches  beschäftigt  sich  mit  dem  Cultus 
des  Hercules  an  der  ara  maxima  und  knüpft  an  ihn  verschiedene  pri- 
vatrechtliche  Institute.  Es  würde  uns  zu  weit  führen,  hier  diesen 
Cnlt  besprechen  zu  wollen;  wir  bemerken  nur,  dafs  Hr.  B.  das  Wesen 
des  H.  verkennt,  wenn  er  in  ihm  und  dem  Semo  Sancus,  den  er  nicht 
im  geringsten  vom  H.  trennt,  von  vorn  herein  weiter  nichts  als  den 
Sohutzgott  des  ältesten  Rom  sieht,  und  wir  müfsen  bedauern,  dafs  er 
auch  hier  die  neuern  den  Gegenstand  betreffenden  Untersuchungen 
nicht  kennt.  Nur  noch  einige  Bemerkungen !  Semo  Sancus  ist  Hrn. 
B.  buchstäblich  öalfimv  ayvog.    Dafs  Sancus  mit  sanctus  und  sancire 


*)  Kine  auch  verunglückte,  aber  doch  noch  eher  denkbare  Ety- 
mologie von  coeleba  gibt  Krahner  in  der  Ztschr.  f.  d.  AW.  18S2 
S.  410. 

**)  Wollte  der  Vf.  in  demselben  Buche  S.  352  ff.  lesen,  so  wurde 
er  vielletcht  doch  einige  Bedenken  über  seine  gelegentlich  mitgetheilte 
Etymologie  von  Oaiua  und  Gaia  bekommen. 


470       Ballhorn-Rosen :  zur  Vorgeschichte  des  röm.  Rechts.  I. 

verwandt  ist,  ist  allerdings  möglich,  Verwandtschaft  mit  ityvog  oder 
ayiog  dadurch  keineswegs  sicher  oder  nolhwcndig.  Semo  aber  and 
daiiiav  zusammenzubringen  vermag  nur  gänzliche  Verkennung  der 
gr.  und  iat.  Lautgesetze.  Von  den  S.  71  f.  beigebrachten  zum  Theil 
falschen  Beispielen  beweist  kein  einziges,  was  es  soll.  Unbegreifli- 
cherweise wird  zur  Erklärung  von  Semo  Sancus  eine  bei  Plato  er- 
haltene hesiodcische  Stelle  angeführt,  worin  die  daifioveg  ayvoi^^ 
die  Geister  der  im  goldenen  Zeitaller  verstorbenen  —  vorkommen. 
Hercules  wird  ohne  weiteres  mit  Herakles  für  identisch  gehalten  — 
die  Bedenken  von  Mommsen:  unterital.  Dialekte  S.  262  kennt  ß.  nicht 
—  u.  ^der  hochberühmlc'  übersetzt,  welche  Etymologie  von  Pott  (I, 
223)  herrührt,  was  Hr.  ß.  vergefsen  zu  haben  scheint,  wie  er  auch 
nicht  beachtet  hat,  dafs  Pott  selbst  II,  224  eine  andere  Deutung  vor- 
schlägt. Wenn  dann,  um  den  hohen  Ruhm  der  Fabier  zu  crklfiren, 
ein  besonderes  Gewicht  auf  ihre  Abstammung  von  Hercules  gelegt 
wird,  so  dürfte  das  sehr  überflüfsig  sein.  DaTs  ferner  Silius  I,  604  IT. 
von  Consanguinität  Sagunts  mit  Rom  redet,  soll  einzig  ans  der  Schutz- 
herschaft des  einen  Hercules  über  Rom  jund  eines  andern  über  Sagnnt 
sich  erklaren.  Allerdings  steht  Hercules  mit  Sagunts  Gründung  ia 
Verbindung  (Sil.  1,  273  n.  505),  das  consanguineae  bezieht  sich 
jedoch  nur  darauf,  dafs  Sagunt  auch  von  ardealischen  Rutulern  bevöl- 
kert worden  war,  weshalb  es  auch  das  ausonische  genannt  wird  (I, 
291.  332.  II,  604.  Liv.  XXI,  7). 

Mit  Recht  wird  die  sponsio  auf  den  Cult  an  der  ara  maxima 
zurückgeführt,  doch  scheint  der  Vf.  die  neuere  Litteratur  hierüber, 
z.  B.  Huschke  Verf.  des  Servius  S.  603  u.  Recht  des  Nexum  S.  100  ff., 
Girtanncr  Bürgschaft  I  Cap.  3  §.  3,  Jhering  Geist  des  r.  R.  I,  264 
nicht  zu  kennen.  Dafs  Nichtrömer  unfähig  waren,  sich  durch  spotuio 
zu  verpflichten,  kommt  aber  nicht,  wie  B.  meint,  daher  dafs  sie  nicht 
zur  'St.  Scmo-Gcmeinde'  gehörten  —  eine  solche  gab  es  nicht  — , 
sondern  daher,  dafs  der  Gott  an  der  ara  max.  eine  specifisch  römi- 
sche Gestalt,  die  sponsio  iuris  cicilis  war.  Ob  übrigens  spondeo 
wirklich  zum  gr.  anivSsiv  gehört,  wie  B.  und  andere  annehmen,  scheiot 
uns,  so  nahe  die  Vergleichung  zu  liegen  scheint,  noch  keineswegs 
sicher.  An  die  Erörterung  über  die  sponsio  schliefst  der  Vf.  eine 
über  die  pol'icitaiio ,  ursprünglich  '  ein  leckerer  Beitrag  zum  gemein- 
samen Mahle  an  der  ara  maxima^  dann  ein  heiliges  Gelübde'  u.  s.  w. 
Indem  wir  das  sachliche  den  Rechtsgclehrten  überlafsen  müfsen,  be- 
merken wir  nur  einiges  über  die  etymologische  Grundlage.  Poliiceriy 
pollicitari  sind  jedenfalls  Composita  von  liceri^  licitari  (wie  auch  G. 
Curtius  in  Kuhns  Zlschr.  für  vgl.  Sprachf.  111,409  mit  Recht  einer 
frühern  fernliegcndeu  Deutung  gegenüber  annimmt)  und  haben  nichts 
mit  poflHC*fre  zu  thun.  Sollte  aber  auch  jemand  mit  B.  Zusammenhang 
zwischen  poHiceri  u.  poUucere  annehmen,  keinesfalls  würde  man  die 
abenteuerliche  Ableitung  beider  Verba  von  dem  nur  in  der  Odyssee 
vorkommenden  gr.  Worte  nokvdevKifjg  billigen  können.  Letzlerem 
»orte  wird  die  allgemeine  Bedeutung  'köstlich'  untergelegt  und  eio 


Ballhorn-Rosen :  zur  Vorgeschichte  des  röiu.  Rechts.  I.       471 

Verbam  itoXvdevxioa  ^ etwas  köstliches  verrichten'  angenommen;  von 
diesem  Vcrbum  ist  im  Griechischen  keine  Spur  erhalten,  >vohl  aber 
nach  B.  im  lat.  pollucere,  freilich  in  entsetzlicher  Verstümmlung  und 
mit  höchst  wunderlicher  BegriiTsentwicklnng:  aus  der  Bedeutung  ^etwas 
köstliches  verrichten'  wird,  weil  dies  in  Folge  von  Gelübden  ge- 
schehe —  ^  geloben' !  Weil  nemlich  polliceri  und  pollucere  eins  sind, 
nimmt  der  Vf.  die  Bedeutung  ^  geloben'  für  pollucere  als  gewis  an, 
obwohl  sie  aus  den  wenigen  Stellen,  in  denen  das  Wort  vorkommt, 
nicht  hervorgeht.  Den  Uebergang  von  7roAi;d£vx(ioi))  in  polluc(pre) 
SU  begründen  scheint  der  Vf.  für  unnöthig  zu  halten  und  denkt  wahr- 
scheinlich: wie  aus  UoXvösvTiiig  Pollux^  Pollucis  wurde,  kann  auch 
aus  TCokvÖevfiSLv  pollucere  werden,  wobei  er  nur  vergifst,  dafs  das 
lat.  Polluces  od.  Pollux  zunächst  aus  dem  tuskischcn  Pultuke  (Müller 
Etr.  11,  279)  u.  dies  erst  aus  dem  Griechischen  entnommen  ward. 

Komischer  noch  als  die  Ableitung  von  pollicUatio  ist  die  in  die- 
sem Capitel  gegebene  von  caslralus.  Aus  i^ceg  wird  nemlich  ein  Ver- 
bum  Ixaare^oco,  nach  Ursprung  und  Bedeutung  nächster  Verwandter 
von  separare^  constrniert,  davon  kam  inaörBQonog,  welches  Wort 
jedoch  nur  im  lat.  castrahis  erhalten  ist  und  seine  Urbedeutung  mit 
der  späterhin  ausschliefslichen  Bedeutung  *  verschnitten'  vertauscht 
hat,  weil  —  Verschnittene,  wie  bei  Moses  V,  23,  1^  wahrscheinlich 
von  Opfern  ausgeschlofsen  waren.  Gleiche  Willkür  in  Annahme  nicht 
.vorhandener  Worte,  in  Beachtung  der  Lautgesetze  und  in  Entwick- 
lung der  Bedeutung! 
-'  Der  letzte  Abschnitt  ^Rex  und  Dominus'  von  der  nicht  unbe- 

rechtigten Idee  des  Zusammenhanges  der  Befehlshaberschaften  mit 
Opferverrichtungen  ausgehend  behandelt  zuerst  den  römischen  rex. 
Ohne  die  seiner  Ansicht  theils  gewissen  Vorschub  leistenden  theils 
diametral  entgegenstehenden  Untersuchungen  über  das  römische  Kö- 
nigthum  von  Ambrosch,  Rubino,  Becker  und  Jhering  irgend  zu  berück- 
sichtigen, erklärt  B.  den  rex  als  *  Opferer'  und  leitet  das  Wort  vom 
gr.  ^i^eiv  ab ,  wobei  nicht  bedacht  wird,  dafs  ^iluv  nur  facere  heifst 
und  blofs  in  bestimmtem  Zusammenhange  mit  ^opfern'  übersetzt  wer- 
den kann,  ferner  dafs  ^i^Biv  eine  Umformung  von  igÖBiv  ist  und  end- 
lich dafs  regere  und  rex  ganz  andere  Verwandte  in  den  indogerma- 
nischen Sprachen  haben  (Pott  1,  219.  271.  Bopp  Glossar  s.  v.  räj. 
Kuhn  in  Webers  indischen  Studien  1,  232  CT.).  Wenn  nach  S.  84  in 
rex  sa er ificulus  eiyf HS  spöttisches  liegen  soll,  so  verweisen  wir  auf 
die  ähnlichen  Worte  bei  Pott  11,  513  u.  604,  der  übrigens  auch  nicht 
abgeneigt  ist  ein  Deminutiv  in  sacrißculus  zu  erkennen,  aber  sich 
nicht  näher  darüber  ausspricht.  Wie  rex  ===  Opferer,  so  sind  nun 
dem  Vf.  regia  ==z  Opferhaus,  regio  =  Opferbezirk,  Sacrasprengol, 
leges  regiae  ==  Opfergesetze.  Die  sachlichen  Erläuterungen  hierzu 
sind  gegenüber  den  vollständigen  Untersuchungen ,  die  der  Vf.  igno- 
riert, ohne  Belang. 

Weiter  werden  imperaior  =  indoperator  d.  i.  inoperator^  Opfe- 
rer, herus  s=  hqsvgy  heres  =  eq6(j[ov\  tutor  =  ^vroo^,  tnagister  = 


462  W.  Weifsenborn:  Titi  Livi  ab  urbo  condita  libri.    Ir  a.  2r  Bd. 

auf  einen  blofs  eingeschalteten  Concessivsatz  bezieht,  ein  Fall  der 
häufig  auch  bei  Cicero  vorkommt.  Im  folgenden  Cap.  48,  wo  der- 
selbe Fall  wieder  vorkommt  (superalis  tarnen  omnibus  malis)  wird  es 
zwar  richtig  erklärt,  aber  der  Hg.  setzt  hinzu:  ^doch  enthält  sup^ 
ratis  Omnibus  malis  zugleich  die  Einräumung  zu  dem  folgenden  Ge- 
danken ,  vor  dem  man  eigentlich  tarnen ,  wie  vor  superati  eher  cum 
erwarten  sollte.'  Die  zweite  Erscheinung  hat  mit  der  erstem  gar 
nichts  zu  schaffen ;  es  wird  also  durch  die  Fafsung  der  Anmerkung  der 
Anfänger,  für  den  sie  doch  bestimmt  ist,  irre  gemacht.  Deutlicher 
wäre  gewesen ,  wenn  Hr.  W.  gesagt  hätte :  *  nun  aber  trifft  es  sich 
hier,  dafs  statt  superavit  tarnen  omnia  mala  zu  sagen,  dieses  Factum 
wieder  als  Vordersalz  dem  folgenden  untergeordnet  wird,  was  häufig 
bei  Livius  geschieht,  z.  B.  c.  28  missi  —  devehunlur  Liparas.* 
Dies  alles  weifs  Hr.  W.  ebenso  gut  wie  jeder  andere;  es  galt  hier 
blofs  auf  die  Fafsung  der  Anmerkung  aufmerksam  zu  machen.  So  er- 
klärt Hr.  W.  Cap.  49  haud  maiore  momento  fusi  Galli  sunt  quam  ad 
Aliam  vicerant:  ^  haud  mai.  momento  mit  nicht  gröfscrer  Anstren- 
gung, wie  auch  leve^  parvum  momentum  gebraucht  wird.'  Mufs  da 
nicht  der  junge  Leser  glauben,  momentum  solle  ^dio  Anstrengung' 
bedeuten?  Der  Sinn  ist  vielmehr:  sie  flohen  ohne  dafs  irgend  ein  ge- 
wichtiges Ereignis  dies  vermittelte;  ganz  auf  dieselbe  Weise  wie  an 
der  Alia  die  Römer  zur  Flucht  sich  wandten ,  was  c.  38  durch  non 
temptato  certamine,  sed  ne  clamore  quidem  reddito  etc.  näher  be- 
zeichnet ist. 

Aus  dem  vierten  Buche  will  ich  nur  ^ine  Stelle  hervorheben^ 
wo  Hr.  W.  sich  nicht  frei  erhalten  hat  von  dem  beirrenden  Einflufse 
Alschcfskis.  IV,  24  liest  man  in  den  Ausgaben  und  Hss. :  deposifo  suo 
magistratu  modo  aliorum  magistratui  imposito  pne  altert^  cum  gra- 
iulatione  ac  favore  ingenti  populi  domum  est  reductus.  Dies  über- 
setzt Aischefski :  ^  nachdem  er  sein  Amt  niedergelegt  und  nach  Mafs- 
gabe  der  übrigen  Slaatsämter  jener  andern  Würde  eine  kürzere  Dauer 
bestimmt.'  Zwei  starke  Fehler  in  dieser  Verdolmelschung  nimmt  Hr. 
W.  ohne  weiteres  hin,  ja,  weil  *nach  dem  Mafse  der  übrigen  Mag.' 
heifsen  müfse  modo  aliorum  mngistratuum  ^  wird  dieses  sogar  von 
Hrn.  W.  in  den  Text  gesetzt !  Ferner  weil  finem  imponere  von  Al- 
schefski  übersetzt  wird  ^eine  kürzere  Dauer  bestimmen',  macht  nun 
auch  Hr.  W.  die  unglückliche  Anmerkung:  ^fine^  Beschränkung,  8. 
c.  54,  6,  hier  kürzere  Dauer.'  Sehen  wir  erst  die  citicrto  Stelle  nach, 
c.  fA:  pro  ingenti  itaque  victoria  id  fuit  plebi^  quaesturamque  eam 
non  honoris  ipsius  pne  aestimabat^  sed  patef actus  ad  consulatum  ac 
triumphos  locus  notis  hominibus  videbatur.  Hr.  W.  erklärt  honoris 
ipsius  Pne  ^  nach  dem  beschränkten  Nafse  des  Amtes.'  Aber  hier  ist 
honoris  ipsius  offenbar  Genetivus  explicativus.  Es  hcifst:  den  Werth 
der  von  ihnen  erlangten  Quaestur  suchten  sie  nicht  in  dieser  Errun- 
genschaft seihst  (in  dem  dadurch  errungenen  Ziele),  dafs  sie  die- 
ses Amt  erlangten,  sondern  sie  knüpften  an  dasselbe  weitaussehendo 
Hoffnungen  auf  Consulat  and  Triumphe.    An  obiger  Stelle  nun  heifst 


W.  Weifsenborn :  Tili  Livi  ab  arbe  condita  libri.  Ir  a.  2r  Bd.  463 

die  BefcbrfinkuDg  eines  Amtes  offenbar  modum  imponere^  wie  XLlll, 
16  ut  modum  poteslaU  censoriae  imponerenly  und  zwar  ist  es  an  un- 
serer Stelle  ein  iemporis  modum  imponerCy  wie  es  kurz  vorher 
heifst.  Hingegen  ßnem  magisiratui  imponere  kann  nichts  anderes  be- 
deuten als:  einem  Amte  ein  Ende  machen.  Mögen  nun  auch  die  altern 
Kritiker  an  diesem  ßne  altert  Anstofs  genommen  haben,  man  wird 
darin  nichts  befremdliches  finden,  wenn  man  sich  erinnert,  dars  statt 
aUi  —  alii  oder  alter  —  alter  bei  Griechen  und  Lateinern  oft  für  das 
erstere  oder  zweite  Wort  eine  nähere  Bezeichnung  desselben  gesetzt 
wird.  Kurz,  man  übersetze:  nachdem  er  seine  Dictatur  niedergelegt 
hatte,  wurde  er  unter  grofsen  Gunstbezeigungen  des  Volkes  nach 
Hause  begleitet ,  weil  er  einem  Amte  (der  Censur)  Schranken  gesetzt, 
einem  andern  (seiner  Dictatur)  ein  Ende  gemacht  hatte.  Manchen 
mochte,  weil  deposito  suo  magistratu  vorangeht,  das  fine  imposito 
dictaturae  tautolog  erscheinen,  aber  da  es  hier  gilt,  den  Jubel  dos 
Volks  zu  motivieren ,  wird  das  andere  als  ein  zweites  Verdienst  noch 
besonders  daneben  gestellt. 

Zum  Schlufs  will  ich  noch  einiges  über  den  Commentar  zu  der 
praefatio  Livi  bemerken.  Gleich  die  erste  Bemerkung  über  den  so- 
genannten hexametrischen  Anfang,  wünschte  ich,  wäre  weggeblieben. 
Dergleichen  gehört  in  die  Rumpelkammer  der  Ausgaben  in  usum  Del- 
phini.  Weder  Livius  noch  Tacitus  (in  den  Annaion)  sind  sich  wohl 
bewust  gewesen ,  dafs  sie  einen  rhythmischen  Anfang  geschrieben 
haben;  denn  kein  Lateiner  sprach  opera^^  pretinm^  principio^  reges. 
Wenn  also  das  römische  Ohr  hier  nichts  von  Uhythmon  hörte,  warum 
unsere  Leser  mit  solchen  Dingen  behelligen?  Für  den  Kritiker  frei- 
lich und  für  die  Geschichte  des  Textes  ist  die  bekannte  Notiz  bei 
Quintilian  höchst  interessant.  Die  Bemerkung,  dafs  ausim  bei  Cic. 
Brut.  5,  18  unsicher  sei,  ist  gleichfalls  eine  überflüfsige  und  nach 
des  Kec.  Meinung  auch  eine  unbegründete.  Im  §.  3  schreibt  Hr.  W. 
mit  Aischefski:  st  —  mea  fama  in  obscuro  est.  Von  einem  solchen 
abnormen  Modus  statt  des  bisherigen  gleichfalls  handschriftlichen  sU 
hätte  man  wohl  eine  Erklärung  erwarten  sollen.  Rec.  kann  nur  einen 
Soloecismus  darin  finden.  Und  ebenso  befremdlich  ist  ihm  §.  5  effi- 
cere  passet^  mit  dessen  Rechtfertigung  Rec.  sich  nicht  befreunden 
kann.  Ueberhaupt  hat  den  hier  und  da  vorkommenden  Ansichten  des 
Hrn.  Hg.  über  die  Modi  Rec.  selten  beistimmen  können.  §.  4  wird  zu 
et  quae  —  laboret  sua  bemerkt:  ^hierzu  ist  res  als  Bezeichnung  des 
römischen  Staates  selbst  zu  denken,  während  es  im  vorhergehen- 
den Satze  die  Geschichtschreibung  bedeutet.'  Das  ist  unmög- 
Hch.  Entweder  bezeichnet  res  auch  das  zweitemal  die  Geschicht- 
schreibung —  mit  dem  Umfange  des  Staates  wächst  ja  auch  seine  Ge- 
schichte an  —  oder  der  ganze  Satz  mufs  als  Glosscm  gestrichen  wer- 
den, was  aus  vielerlei  Gründen  wahrscheinlich  ist.  Schon  das  nn- 
Inteinische  et  quae  statt  et  oder  quae  begründet  Verdacht.  §.  5  ego 
contra  hoc  quoqne  laboris  praemium  petam^  ut  me  etc.  Hr.  W.  be- 
inerkt:  *es  folgen  die  Gründe,  die  ihn  bestimmen,  ungeachtet  der 


464   W.  Weirsenborn :  Tili  Uvi  ab  urbe  condiU  libri.   Ir  o.  2r  Bd. 

Scbwierigkeiten  doch  das  Werk  zvl  beginnen.'  Hier  stimme  ich  mit 
dem  Hg.  nicht  überein  binsichtUch  der  Disposition  der  Vorrede,  die 
offenbar  in  zwei  Haupttheile  zerfällt.  §.  1 — 5  spricht  er  von  seinem 
Auftreten  als  historischer  Schriftsteller.  Von  %.  6  an  gibt  er  den  Plan 
und  die  Tendenz  seines  Werkes  an.  §.  5  führt  er  also  nur  noch  einen 
zweiten  Grand  an,  warum  er  mit  der  Geschichtschreibung  sieh  be- 
fafse.  Weil  dieser  zweite  Grund  {hoc  quoque)  auf  einer  Ansicht  be- 
ruht, die  mit  der  vorher  erwähnten  der  Leser  contrastiert,  darum  ist 
es  zugleich  mit  contra  angeknüpft.  §.  9  donec  ad  haec  tempora^ 
quibus  nee  vitia  nostra  nee  remedia  pati  possumus  ist  kaum  richtig 
erklärt  durch:  *  obgleich  man  die  unangenehmen  Folgen  der  Laster 
fühlt,  hängt  man  doch  so  fest  an  denselben,  dafs  man  sich  scheut 
wirksame  Mittel  dagegen  anzuwenden.'  Was  remedia  pati  hcifst,  er- 
sieht man  aus  XXXI V,  49:  intermori  rehementioribus  quam 
quae  pati  posset  remediis  civitalem  sinere.  Die  geeigneten  Heil- 
mittel sind  oft  blofs  bei  noch  kräftigen ,  nicht  bei  entnervten  Körpern 
anwendbar.  Ebenso  verlangen  die  citia  eine  starke  Constitution.  $.11 
wird  dem  Worte  ceterum  eine  ^beschränkende'  Kraft  beigelegt. 
Lieber  hätte  ich  gewünscht,  der  Hr.  Hg.  hätte  seine  Leser  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dafs  ceterum  bei  Livius  und  Tacitus  alle  Bedeu- 
tungen von  öi  habe. 

Schwerin.  "'  Carl  Wex. 


Zur  Vorgeschichte  des  römischen  Rechts,  Etymologische  Versuch«. 
Vom  Canzler  Dr.  Ballhom-Ro§en  in  Detmold.  J.  Als  Jubeldisser- 
tation herausgegeben.  Lemgo  n.  Detmold ,  in  der  Meyerschen  Hof- 
buchhandlung. 1853.  XIV  u.  125  S. 

Der  Vf.  der  vorliegenden  Schrift  ist  mit  Recht  überzeugt,  dars 
zur  *  Aufklärung  über  einzelne  Gegenstände  der  römischen  Ueligions- 
und  Rechtsallerthümer,  des  Staats-  und  Privatrechts'  die  etymologi- 
sche Untersuchung  der  betreifenden  Worte  von  grofscr  Wichtigkeit 
ist.  Wenn  er  aber  meint,  dafs  derartige  Untersuchungen  in  neuerer 
Zeit  von  Rechtsgelehrten  und  Philologen  fast  gar  nicht  gepflogen 
worden  seien,  so  müfsen  wir  ihn  nur  beispielsweise  an  Männer  wie 
Huschke,  Mommsen,  Rubino,  Osenbrüggen  und  neuerdings  besonders 
an  Jhering  erinnern,  die  alle  mit  mehr  oder  weniger  Glück  sich  be- 
müht haben  auch  der  Etymologie  ihr  Recht  angedeihen  zu  lafsen.  Der 
Vf.,  der  in  der  Vorrede  offen  gesteht,  sich  seit  Jahren  mit  Studien 
zur  Vorgeschichte  des  R.  R.  in  den  Nebenstunden  seines  Gcschäfls- 
lebens  zu  seiner  Unterhaltung  beschäftigt  zu  haben,  und  mit  einer 
gewissen  Resignation  weder  von  Philologen  noch  von  Juristen  eine 
besondere  Beachtung  seines  Buches,  das  übrigens  nur  Proben  eines 
grörsern  Werkes,  eines  etymologischen  Lexicons  des  R.  R.,  wie  man 


Ballhorn-Roien :  zvlt  Vorgeschichte  des  röni.  Rechts.  I.      465 

es  wohl  nennen  kann,  bieten  soll,  erwartet,  wünscht  eine  eingehende 
Beartheilung  desselben.  Ref. ,  der  keine  eingehenden  Studien  in  der 
röm.  Rechtsgeschichte  —  soweit  man  dieselbe  von  der  Philologie  zu 
trennen  pflegt  —  gemacht  hat,  wird  hauptsachlich  die  sprachliche 
Seile  in  Betracht  ziehen ,  jedoch  auch  einige  andere  Erörterungen  hei- 
fflgen,  wobei  es  ihm  vergönnt  war  auch  Mittheilungen  eines  juristi- 
schen Freundes  zu  benutzen. 

Sollen  wir  zuerst  ein  Wort  über  die  Etymologien  des  Vf.  im 
allgemeinen  sagen ,  so  müfsen  wir  auf  das  entschiedenste  vor  der  Me- 
thode desselben  warnen.  Sein  sprach wirsenschaftlichcr  Standpunkt 
ist  ein  sehr  veralteter,  und  er  mufs  den  hie  und  da  citierten  trelT- 
licben  Werken  von  Bopp  (Sanskritgramm.),  Pott  (etymol.  Forschun- 
gen) und  Benary  (röm.  Lautlehre)  —  andere  seitdem  erschienene  das 
Latein  betreffende  sprachwifsenschaftliche  Werke  werden  nicht  er- 
wähnt—  kein  eindringendes  Studium  geschenkt  haben,  da  sie  sonst 
ganz  anders  auf  ihn  gewirkt  haben  würden.  Von  der  Strenge,  nüt 
der  ein  Etymolog  sich  den  Regeln  der  Lautlehre  zu  unterwerfen  huU 
und  von  der  Gewifsenhaftigkeit,  mit  der  er  jeden  Buchstaben  und  den 
ihm  in  jeder  Stellung  zukommenden  Werth  prüfen  mufs,  scheint  der 
Vf.  keine  Ahnung  zu  haben,  weshalb  seine  Vergleicliuugen  gricciii- 
scher  und  lateinischer  Wörter  grofsentheils  auf  rein  äufserlichcr  un- 
gefährer Aehnlichkeil  beruhen,  und  seine  Etymologien  voll  sind  von 
unorganischen  Lautübergüngen,  Einschiebungen  und  Abwerfungen. 
Das  Mieduclionsalphabet^  (p.  X),  mit  dem  der  Vf.  arbeitet,  bedarf 
einer  schonungslosen  Sichtung  auf  die  Gefahr  hin,  dufs  nicht  viel 
übrig  bleiben  wird.  Ist'^s  glaublich,  dafs,  weil  adsiduus  durch  Assi- 
milation auch  assiduus  lauten  kann,  dies  mit  angeführt  wird,  um  nach- 
zuweisen, dafs  8  und  d  untereinander  wechseln?  Ebenso  sollen  t  und 
a  beliebig  wechseln,  weil  unter  andern  neben  capio  doch  ina'pio  u. 
a.  vorkommt.  Also  kennt  der  Vf.  die  Regel  nicht,  wonach  in  incipio 
das  a  des  Simplex  i  werden  mufs.  Unter  Berufung  auf  incipio: capio 
wird  denn  igitur  als  identisch  mit  agitur  erklärt !  Lut.  e  und  griech. 
ai  sollen  sich  oft  entsprechen,  so  in  fenestra  verglichen  mit  tpuivto^ 
ebenso  lat.  g  und  gr.  (;,  z.  B.  in  $Ugo  und  (Tt/^ci);  in  beiden  Beispie- 
len hat  der  Vf.  nicht  bedacht,  dafs  er  den  Praesen  sstamm  der  gr. 
Verba  {(paCvm=~—q>avj(a^  azl^co^^^CTtyJto)  gar  nicht  vergleichen  durfte. 
Wenn  zum  Beweis,  dafs  im  Lat.  g  and  s  wechseln,  mulgeo  und  mulsi 
verglichen  werden,  so  zeigt  dies,  dafs  der  Vf.  seine  ganz  eignen  An- 
sichten über  die  latein.  Tempusbildungen  haben  mufs.  Ein  Specimen 
seiner  Ansichten  über  griech.  Tempusbildung  geben  die  Erörterungen 
über  das  Augmentum  (p.  62). 

Berühren  müfsen  wir  auch  die  Ansicht  des  Vf.  über  das  Verhält- 
nis des  Lateinischen  und  Griechischen.  Beide  Sprachen  sind  ihm  nicht 
blofs  schwesterlich  verwandt,  sondern  das  Latein  ist  noch  ungemein 
dadurch  vom  Griechischen  influiert,  dafs  *  griechische  Auswanderer 
nicht  blofs  in  Süditalien,  sondern  fast  überall  an  den  Küsten  der  Halb- 
insel ,  namentlich  auch  in  der  Gegend  der  untern  Tiber  sich  ansiedel- 


466      Ballhorn-Rosen :  zur  Vorgeschichte  des  röm.  Rechts.  I. 

ten'  —  sehr  bezeichnend  für  den  Standpnnkt  des  Vf.  in  Besag  aaf 
römische  Geschichte.  Wir  werden  ausdrücklich  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dafs  diese  Einwanderer  natürlich  verschiedene  Dialekte 
sprachen,  was  bei  der  Etymologie  wohl  zu  berücksichtigen  sei;  dafs 
sie  jedenfalls  ein  höchst  wunderbares  Griechisch  sprachen ,  zeigt  uns 
das  Buch  an  vielen  Stellen:  in  dem  Glossar  jener  Griechen  kamen 
Wörter  wie  iTiaaxeQOtOj  TTf^^fcoi^,  ofWiKog  vor.  Weiter  zeigt  sich 
der  von  der  neuern  Sprachwifsenschaft  weit  entfernte  Standpunkt  des 
Yf.  darin,  dafs  er  gemafs  der  bezeichneten  Anschauung  von  dem  Ver- 
hältnis des  Gr.  u.  Lat.  für  jedes  lat.  Wort  ein  verwandtes  griechisches 
sucht  und  bei  seiner  Willkür  auch  findet,  resp.  sich  selbst  macht. 
Dafs  eine  Menge  lat.  Wörter  sich  im  Griechischen  nicht  finden,  die 
dann  entweder  überhaupt  dunkel  sind  oder  durch  andere  verwandte 
Sprachen  Licht  empfangen,  weifs  der  Vf.  nicht  und  fragt  nie  danach, 
ob  die  verwandten  Sprachen  gegen  Erklärung  jedes  lat.  Wortes  aus 
dem  Griech.  nicht  gegründete  Einsprüche  zu  erheben  haben.  So  ist 
precari  dem  Vf.  das  griechische  neg^xeiv  —  was  lautlich  und  der 
Bedeutung  nach  unmöglich  ist  —  und  er  weifs  nichts  von  dem  skr. 
prac.  Endlich  begnügt  Hr.  B.  sich  nicht  nur  die  Wurzel  im  Griech. 
zu  suchen,  nein!  das  ganze  lat.  Wort  mit  Haut  und  Haar  mufs  in 
einem  griech.  Vater  oder  Bruder  finden,  mag  nun  eine  Deutung  aus 
dem  Lat.  selbst  so  nahe  als  möglich  liegen.  So  soll  amiats  Buchstab 
für  ßuchslab  einem  fingierten  griech.  SiiotTiog  entsprechen.  Abgese- 
hen von  der  lautlichen  Unmöglichkeit,  wie  denkt  sich  der  Vf.  nun 
die  Bildung  von  amo?  Ist  dies  etwa  von  amicus  abgeleitet,  oder 
hatten  die  Griechen  irgeud  ein  von  octco^  abgeleitetes  Verbum,  woher 
amo  stammt? 

Zu  diesem  etymologischen  Verfahren  kommt  noch  hinzu,  dafs 
Hr.  B.  an  die  Untersuchung  fast  eines  jeden  Worts  aus  dem  Gebiete 
der  Rechtsalterthümer  mit  der  Ueberzeugung  geht,  dafs  die  Urbedeu- 
tung desselben  irgendwie  eine  sacrale  sein  müfse. 

Gehen  wir  nun  kurz  die  Hauptparlien  des  Buches  durch.  Der 
erste  Abschnitt  ist  lus  personarum  überschrieben  und  enthalt  die  Hy- 
pothese des  möglichen  Zusammenhanges  des  ius  personarum  mit  dem 
alten  ius  imaginum.  Persona  in  der  ursprünglichen  Bedeutung  von 
Maske  wird  von  %tqii(Qvvvm  abgeleitet,  jedoch  wird  uns  nicht  gesagt, 
ob  persona  dem  Griech.  urverwandt  oder  entlehnt  ist.  Ersteres  wäre 
unmöglich ,  da  das  Lat.  die  Praep.  neqi  nicht  kennt  (Pott  II,  348)  und 
dem  i  ein  lat.  t  entsprechen  müsle.  Sollte  aber  persona  ein  Lehnwort 
aus  dem  Gr.  sein,  so  müste  ein  gr.  Substantiv  vom  Verbum  TCtQiiciv' 
wf/,1  nachgewiesen  werden,  was  der  Vf.  natürlich  nicht  vermag. 
—  Persona  ist  nun  dem  Vf.  das  in  einer  völligen  Bekleidung  beste- 
hende Ehren-  und  Andenkenkleid  eines  verstorbenen  patricischen  Hans- 
herrn, eine  Wollständige  Charaktermaske  desselben,  als  deren  Theil  die 
Gesichtsmaskeim  Atrium  aufbewahrt  wurde.'  Das  ist  nicht  genau.  Denn 
unter  personae^  larvae^  expressi  cera  rullus^  imayines  sind  nur  die 


Ballhorn-Roscn :  zar  Vorgeschichte  des  rum.  Rechts.  I.       467 

Gesichtsmasken  selbst  tu  verstehen.  DieGcivfindcr,  welche  den  Trägern 
der  personae  bei  den  feierlichen  Leichenzügen  angcthan  wurden,  ge- 
hören nicht  zu  den  personis —  vgl.  Eichstfidt  diss.  de  imagg.  Koni.  u. 
Beckers  Gallus  II,  286  (lo  Ausg.)  —  wonach  also  die  Ableitung  von 
ntf^iitovvvm  auch  nicht  einmal  durch  den  Sinn  unterstützt  wäre.    Der 
Vf.  meint  nun,  das  ius  personarum  —  die  Lehre  von  den  Rechtssub- 
jecten  —  sei  ursprünglich  nichts  anderes  als  das  ius  imaginum  ge- 
wesen, dann  die  Lehre  von  den  Personen,  welche  das  ius  imaginum 
hatten,  d.  h.  die  alte  reine  Ingenuitat,  als  die  Bedingung  der  Möglich- 
keit volle  Rechte  in  Rom  zu  haben,  auszuüben  und  zu  übertragen. 
Zunächst  steht  es  nun  übel  mit  der  Verbindung  des  ius  imaginum  mit 
der  Ingenuitat,  da  ingenuus  bei  Fcstus  —  worauf  sich  der  Vf.  beruft 
—  nichts  anderes  heifst  als  zur  gens  gehörig,  mag  man  nun  mit  Gatt- 
ung den  engeren  Geschlechtsvcrband  oder  mit  «Iherlng  den  weitern, 
den  Staat,  dabei  im  Auge  haben.    Ingenui  im  späteren  Siuno,  von 
freien  ElteVn  geboren,  waren  auch  die  Plebejer,  was  ihnen  Appiiis 
Claudius  bei  Liv.  VI,  40  willig  zugesteht.    Der  Vf.  denkt  nun  an  die 
Ingenuitat  im  letzlern  Sinne,  schreibt  sie  ausschliefjjlich  den  Patri- 
eiern  zu  und  macht  die  vollkommene  Rechtsfähigkeit  von  ihr  abhün- 
gig.    Ha»  nun  diese  Ingenuitat  (derjenigen  qui  Hheri  nati  sunt)  nichls 
mit  dem  Patriciate  zu  thun,  so  hat  die  letzterem  uusschliefslich  zu- 
kommende Theilhafligkeit  an  den  Genlililülsvcrbindungen   ihrerseits 
gar  keinen  directen  Bezug  auf  das  Privatrecht,  und  nur  in  Bezug  auf 
letzteres  reden  die  Juristen  von  ins  personarum.  —  Andrerseits  sieht 
auch  das  ius  imaginum  zu  dem  Patriciate  in  keiner  besonderen  Bezie- 
hung, s.  Beckers  llandb.  der  röm.  Allerth.  II,  1  S.  225.   Wie  der  Vf. 
dazu  kommt  dafür,  dafs  die  Patricier  ein  ausschliefsliches  ius  imagi- 
num beansprucht  hätten,  Liv.  X,  7  zu  citieren,  in  welcher  Stelle  der 
plebejische  Consul  Decius  ausdrücklich  von  dem  ius  imaginum  der 
Plebejer  redet,  erhellt  nicht.    Auch  bei  Plinius  N.  IL  XXXV,  2  hat 
der  Ausdruck  gentiticia  funera  allgemeine  Bedeutung.    Sonach  dürfte 
xwischen  ius  personarum  =  ius  imaginum  nnd  dem  ius  personarum 
des  Gaius  =  Lehre  von  den  Rechtssubjecten  nichls  gemeinsames  sein 
als  der  Klang  der  Worte.  —   Zur  Unlerslülzung  der  wohl  beseiliglen 
Hypothese  gibt  der  Vf.  noch  eine  Etymologie  von  (rix),  vicis^  wel- 
ches dem  gr.   e^xwv  entsprechen  soll.    Abgesehen  von  der  Kürze  in 
dTciä,  die  neben  efxwv  sehr  bedenklich  ist,  ist  es  unmöglich  die  Ur- 
bedeutung des  Wechsels  abzuleugnen  und  die  Bedeutung  *Bild,  Cha- 
raklermaske'  hineinzutragen.    Wie  man  sich  S.  8  folgendes  vorstellen 
soll :    *  bei  der  (Leichen-)  Feierlichkeit  trug  und  verbrannte  man  an- 
statt (r<c6,  in  dem  Bilde)  des  verstorbenen  dessen  imago*  ist  unklar. 
Wörtlich  heifst  es  doch:  das  Bild  des  verstorbenen  wird  in  dem  Bilde 
des  verstorbenen  verbrannt.    Was  soll  man  sagen,  wenn  vicissiiudo 
ursprünglich  *  Bilderwechsel'  heifsen  soll?    Wo  kommt  denn  auf  ein- 
mal der  Begriir*  Wechsel'  da  hinein?    In  der  angeführten  Stelle  des 
Plautus  ist  fit  Dicem  zu  lesen ,  wie  auch  Ritschi  in  den  Text  aufge- 
nommen hat.    Wenn  die  Buttmannsche  Etymologie  von  tix  die  neuste 


468       Ballhorn-Rosen:  sar  Vorgeschichte  des  röm.  Rechls.  I. 

genannt  wird,  so  ignoriert  Hr.  B.  die  sehr  beachtenswerthe  von  Pott 
(1,  234) ,  die  ihm  dock  bekannt  sein  muste. 

Die  zweite  Partie  der  Schrift  beschäftigt  sich  mit  der  £inthei- 
lung  in  Uberi  und  serpi,  und  speciell  mit  den  Uberi.  Liter  bedeutet 
nach  B.  ursprünglich  ^  ein  libierender '  und  gelangt  erst  spater  zu  der 
Bedeutung  ^  ein  freier',  insofern  diese  nur  an  der  Libation  Theil  neh- 
men durften.  Der  Ableitung  der  Über  vou  Hb  {libare)  steht  zuvör- 
derst die  oskische  Form  loufir  entgegen,  die  den  schon  früher  ver- 
mutheten  Zusammenhang  mit  ilBv^eqog  (vgl.  i(^q6gi  ruber ^  ov^uq: 
über)  bestätigt.  Sachlich  ist  aber  auch  gegen  die  Ableitung  einzu- 
wenden, dafs  danach  dem  Gebrauche  des  Libierens  eine  Bedeutung 
beigelegt  wird ,  welche  man  schwerlich  wird  nachweisen  können.  Die 
spätere  Freilafsung  durch  Zuziehung  des  Sklaven  an  den  Tisch  des 
Herrn,  welche  B.  als  Rest  der  alten  Anschauung  hinstellt,  beruhte 
vielmehr  einfach  darauf,  dafs  die  servi  nicht  am  Tische  des  Herrn 
afsen  —  vgl.  jedoch  Beckers  Gallus  I,  127  —  und  daher  durch  jene 
Zuziehung  der  Wille  des  Herren  den  Sklaven  als  freien  zu  betrachten 
sich  kund  gibt.  —  Weiter  meint  Hr.  B. ,  die  Libation  sei  ein  Act  von 
Sacragcmeinschaft  gewesen,  welcher  nicht  an  die  einzelnen  civitates 
gebunden  war,  und  will  darin  ein  Institut  des  ältesten  religii^en  Völ- 
kerrechts finden.  Als  Beleg  dafür  soH —  Odysseus  dienen,  der  dem 
Polyphem,  nachdem  derselbe  abermals  zwei  Genofsen  des  Odysseus 
verspeist,  einen  Becher  \Veins  reicht  und  dann  beifügt  aol  6*  av  koi- 
ßiivfpiqov^  el  jti'  iXstjactg  otnade  nifi'tpetagj  welche  6  letzten  Worte 
B.  nicht  mit  anführt.  —  Ferner  wird  angenommen,  dufs  die  männ- 
lichen Descendenten  eines  püier  deshalb  Uberi  hiefsen ,  weil  sie  im 
Gegensalz  zu  den  serei  an  den  Haussacra  Thcil  nehmen  und  am  Tische 
des  Hausvaters  mit  libieren  durften.  Dafs  zwischen  den  Uberi  —  den 
Söhnen  —  und  den  serci  trotz  des  ursprünglichen  ins  ritae  ei  necia 
des  Vaters  und  anderer  Uebereinstimmungen  ein  viel  tieferer  Gegen- 
satz von  vorn  herein  stattfindet  (man  vgl.  unter  andern  die  eben 
erschienene  römische  Geschichte  von  Th.  Mommsen  I,  &0),  bedenkt 
der  Vf.  nicht.  Auf  seine  Libationstheorie  baut  endlich  der  Vf.  eine 
dreifache /<6er/as ,  welche  ganz  mit  dem  dreifachen  Status  tibertatis^ 
civitatis^  famiUae  zusammenfallt,  und  führt  auch  die  dreifache  capiiii 
deminutio  darauf  zurück.  Der  Vers  des  Ausonius:  tripfex  Ubertas 
capitisque  minutio  triplex  dürfte  ein  schwaches  Argument  sein,  und 
den  des  Plautus  (Gas.  II,  8,  68):  tribusnon  conduci  possum  Über- 
tatibus  wird  ein  unbefangener  auch  ohne  jene  Annahme  begreifen. 
Einige  andere  Erklärungen,  wie  liberalis  d.  i.  einem  Über  anständig, 
also  auch  gern  libierend,  spendend  [wer  denkt  nicht  an  spendabel?], 
deUberarCy  auf  die  Bcralhungen  gehend,  welche  bei  patriarchalischen 
Gastmählern  nach  der  Libation  stattfanden ,  unter  Beziehung  auf  die 
Germanen  bei  Tacitus,  könnten  auch  nicht  eben  böswilligen  Lesern 
etwas  scherzhaft  erscheinen. 

Das  eben  über  die  Etymologie  von  liber  gesagte  entzieht  auch 
den  Ableitungen  von  iimeu  und  postUminiurn  ihre  Stütze.   Limen  soll 


Ballhorn-Rosen :  znr  Vorgeschichte  des  röm.  Rechts.  I.      469 

fDr  libimen  stehen  und  das  ^belibierto'  bedeuten.  Allerdings  war  die 
Schwelle  den  Kömern  heilig;  dafs  aber  gerade  sie  von  den  heiligen 
Spenden ,  die  ihr  möglichcrw^eise  zu  Thcil  wurden ,  benannt  worden 
sei,  ist  schwer  glaublich,  und  die  einfache  Benarysche  Ableitung 
des  Wortes  hat  der  Vf.  nicht  widerlegt.  Wahrend  nun  nach  Hrn.  B. 
l9(bt)men  das  bilibierte  heifsi,  soll  li{b%)minium  eine  Libation,  ein 
Opfer  bedeuten  und  in  posüiminium  uns  erhalten  sein  als  Nachopfer 
d.  h.,  wie  B.  hineintragt,  das  während  einer  Gefangenschaft  unterblie- 
bene und  nach  Aufhebung  derselben  nachgeholte  Opfer.  Man  sieht 
nicht  ein,  was  hier,  wo  von  keinem  bestimmten  Opfer  die  Rede 
ist,  ein  nachgeholtes  Opfer  soll.  Man  wird  bei  der  Ableitung  stehen 
bleiben  müfsen  und  posüiminium  für  eine  Bildung  wie  postsceiiium^ 
pomoerium  ansehen.  Wir  nehmen  also  die  Göttlingsche  Deutung  an, 
der  auch  Becker  röm.  Alterlh.  II,  1  S.  109  beitritt  und  die  Hase 
(Postliminium  S.  12)  nicht  widerlegt  hat.  Wenn  letzterer  in  posliimi- 
nium  ^den  Act  der  Rückkehr  hinter  die  Grenze'  findet,  so  sieht  man 
nicht  ein,  wie  dies  möglich  ist.  Dafs  übrigens  Urnen  ursprünglich 
Oberhaupt  *  Grenze'  bedeutet  hat,  sieht  man  aus  eliminare^  was  Hr. 
B.  höchst  seltsam  deutet.  Denn  wäre  wirklich  ein  Verbum  li(bi)mi^ 
nare  vorhanden  und  hicfse  ^  opfern',  so  könnte  eliminare  nur  ^  hcraus- 
opfern'  u.  dgl.  bedeuten,  nimmermehr  aber  *vom  Opfern  entfernen'. 
Der  Hr.  Vf.  weise  ein  Compositum  mit  e  nach ,  welches  die  Trennung 
oder  Entfernung  von  der  im  einfachen  Verbum  bezeichneten  Thätig- 
keit  ausdrückt. 

Ein  Erzeugnis  der  baarsten  Willkür  ist  endlich  die  Erklärung 
des  rfithselhaften  coelebt  =  conlibs^  avanovöog^  d.  h.  einer  der  noch 
keinen  Hausstand  hat  und  daher  mit  einem  andern  libiort  und  speist*). 
Wenn  bei  dieser  Gelegenheit  über  die  hasia  caelibaris  gesprochen 
wird,  so  verweisen  wir  jetzt  auf  die  reiche  Erörterung  in  A.  Rofs- 
bachs  Untersuchungen  über  die  römische  Ehe  S.  286  ff.  **) 

Der  dritte  Theil  unseres  Buches  beschäftigt  sich  mit  dem  Cultus 
des  Hercules  an  der  ara  maxima  und  knüpft  an  ihn  verschiedene  pri- 
vatrechtliche Institute.  Es  würde  uns  zu  weit  führen,  hier  diesen 
Cult  besprechen  zu  wollen;  wir  bemerken  nur,  dafs  Hr.  B.  das  Wesen 
des  H.  verkennt,  wenn  er  in  ihm  und  dem  Semo  Sancus,  den  er  nicht 
im  geringsten  vom  H.  trennt,  von  vorn  herein  weiter  nichts  als  den 
Schnlzgott  des  ältesten  Rom  sieht,  und  wir  müfsen  bedauern,  dafs  er 
auch  hier  die  neuern  den  Gegenstand  betreffenden  Untersuchungen 
nicht  kennt.  Nur  noch  einige  Bemerkungen !  Semo  Sancus  ist  Hrn. 
B.  buchstäblich  dalfimv  ayvog.    Dafs  Sancus  mit  sancius  und  sancire 


*)  Eine  auch  verunglückte,  aber  doch  noch  eher  denkbare  Ety- 
mologie von  coelebs  gibt  Krahner  in  der  Ztschr.  f.  d.  AW.  1852 
8.  410. 

*^)  Wollte  der  Vf.  in  demselben  Buche  S.  352  ff.  lesen,  so  wurde 
er  vielleicht  doch  einige  Bedenken  über  seine  gelegentlich  mitgetheilte 
Etymologie  von  Oaius  und  Gaia  bekommen. 


470       Ballhorn-RoseD :  zur  Vorgeschichte  des  röm.  Rechts.  I. 

verwandt  ist,  ist  allerdings  möglich,  Verwandtschaft  mit  ayvog  oder 
ayi,og  dadurch  keineswegs  sicher  oder  nolhwendig.  Serno  aber  nnd 
dalfiGjv  zusammenzubringen  vermag  nur  gänzliche  Verkennung  der 
gr.  und  lat.  Lautgesetze.  Von  den  S.  71  f.  beigebrachten  zum  Theil 
falschen  Beispielen  beweist  kein  einziges,  was  es  soll.  Unbegreifli- 
cherweise wird  zur  Erklärung  von  Semo  Sancus  eine  bei  Plato  er- 
haltene hesiodcische  Stelle  angeführt,  worin  die  öalfiovBg  ayvoi  — 
die  Geister  der  im  goldenen  Zeilalter  verstorbenen  —  vorkommen. 
Hercules  wird  ohne  weiteres  mit  Herakles  für  identisch  gehalten  — 
die  Bedenken  von  Mommsen :  unterital.  Dialekte  S.  262  kennt  B.  nicht 
—  u.  *der  hochbcrühnite'  übersetzt,  welche  Etymologie  von  Pott  (I, 
223)  herrührt,  was  Hr.  B.  vergefsen  zu  haben  scheint,  wie  er  auch 
nicht  beachtet  hat,  dafs  Pott  selbst  H,  224  eine  andere  Deutung  vor- 
schlagt. Wenn  dann,  um  den  hohen  Ruhm  der  Fabier  zu  crklfiren, 
ein  besonderes  Gewicht  auf  ihre  Abstammung  von  Hercules  gelegt 
wird,  so  dürfte  das  sehr  überflüfsig  sein.  Dafs  ferner  Silius  I,  604  ff. 
von  Consanguinitat  Sagunts  mit  Rom  redet,  soll  einzig  ans  der  Schutz- 
herschaft des  einen  Hercules  über  Rom  [und  eines  andern  über  Sagunt 
sich  erklären.  Allerdings  steht  Hercules  mit  Sagunts  Gründung  io 
Verbindung  (Sil.  I,  273  u.  505),  das  consangutneae  bezieht  sich 
jedoch  nur  darauf,  dafs  Sagunt  auch  von  ardeatischen  Rutulern  bevöl- 
kert worden  war,  weshalb  es  auch  das  ausonische  genannt  wird  (I, 
291.  332.  11,  604.  Liv.  XXI,  7). 

Mit  Recht  wird  die  sponsio  auf  den  Cult  an  der  ara  maxima 
zurückgeführt,  doch  scheint  der  Vf.  die  neuere  Litteratur  hierüber, 
z.  B.  Huschke  Verf.  des  Scrvius  S.  603  u.  Recht  des  Nexum  S.  100  ff., 
Girtanncr  Bürgschaft  I  Cap.  3  §.  3,  Jhering  Geist  des  r.  R.  I,  264 
nicht  zu  kennen.  Dafs  Nichtrömer  unfähig  waren,  sich  durch  sponsio 
zu  verpflichten,  kommt  aber  nicht,  wie  B.  meint,  daher  dafs  sie  nicht 
zur  ^St.  Semo-Gemeinde'  gehörten  —  eine  solche  gab  es  nicht  — , 
sondern  daher,  dafs  der  GoU  an  der  ara  max.  eine  specifisch  römi- 
sche Gestalt,  die  sponsio  iuris  citilis  war.  Ob  übrigens  spondeo 
wirklich  zum  gr.  önivöeiv  gehört,  wie  B.  und  andere  annehmen,  scheint 
uns,  so  nahe  die  Vergleichung  zu  liegen  scheint,  noch  keineswegs 
sicher.  An  die  Erörterung  über  die  sponsio  schliefst  der  Vf.  eine 
über  die  poVicitatio ,  ursprünglich  ^  ein  leckerer  Beilrag  zum  gemein- 
samen Mahle  an  der  ara  maxima^  dann  ein  heiliges  Gelübde'  u.  s.  w. 
Indem  wir  das  sachliche  den  Rcchtsgelehrten  überlafsen  müfsen,  be- 
merken wir  nur  einiges  über  die  etymologische  Grundlage.  PoUiceri^ 
poiiicilari  sind  jedenfalls  Composita  von  liceri^  licitari  (wie  auch  G. 
Curtius  in  Kuhns  Zlschr.  für  vgl.  Sprachf.  111,409  mit  Recht  einer 
frühern  fernliegenden  Deutung  gegenüber  annimmt)  und  haben  nichts 
mit  polluc^re  zu  thun.  Sollte  aber  auch  jemand  mit  B.  Zusammenhang 
zwischen  poUiceri  u.  pollucere  annehmen ,  keinesfalls  würde  man  die 
abenteuerliche  Ableitung  beider  Verba  von  dem  nur  in  der  Odyssee 
vorkommenden  gr.  Worte  nokvdevxijg  billigen  können.  Letzlerem 
Worte  wird  die  allgemeine  Bedeutung  *  köstlich'  untergelegt  und  ein 


Ballhoro-Rosen :  zur  Vorgeschichte  des  röm.  Rechts.  I.       471 

Verbam  nokvöevxia  *  etwas  köstliches  verrichten'  angenommen;  von 
diesem  Vcrbum  ist  im  Griechischen  keine  Spur  erhalten,  wohl  aber 
nach  B.  im  lat.  pollucere^  freilich  in  entsetzlicher  Verstümmlung  und 
mit  höchst  wunderlicher  BegrifTsentwicklung:  aus  der  Bedeutung  ^etwas 
köstliches  verrichten'  wird,  weil  dies  in  Folge  von  Gelübden  ge- 
schehe —  *  geloben' !  Weil  nemlich  polUceri  und  pollucere  eins  sind, 
nimmt  der  Vr.  die  Bedeutung  *  geloben'  für  pollucere  als  gcwis  an, 
obwohl  sie  aus  den  wenigen  Steilen,  in  denen  das  Wort  vorkommt, 
nicht  hervorgeht.  Den  Uebcrgang  von  7roAi;d£vx(ea))  in  pollucQ^re) 
£u  begründen  scheint  der  Vf.  für  unnöthig  zu  halten  und  denkt  wahr- 
scheinlich: wie  aus  IloXvösvKtig  Pollux^  Pollucis  wurde,  kann  auch 
aus  Ttokvdev^elv  pollucere  werden,  wobei  er  nur  vergifst,  dafs  das 
lat.  Polluces  od.  Pollux  zunächst  aus  dem  tuskischen  Pultuke  (Müller 
Etr.  II,  279)  u.  dies  erst  aus  dem  Griechischen  entnommen  ward. 

Komischer  noch  als  die  Ableitung  von  polticitaiio  ist  die  in  die- 
sem Capitel  gegebene  von  caUralus,  Aus  ixag  wird  nemlich  ein  Ver- 
bum  inaöreffocuj  nach  Ursprung  und  Bedeutung  nächster  Verwandter 
von  separare^  construiert,  davon  kam  iKaarsQonog,  welches  Wort 
jedoch  nur  im  lat.  castrahts  erhalten  ist  und  seine  Urbedeutung  mit 
der  späterhin  ausschliefslichen  Bedeutung  *  verschnitten '  vertauscht 
hat,  weil  —  Verschnittene,  wie  bei  Moses  V,  23,  1^  wahrscheinlich 
von  Opfern  ausgeschlofsen  waren.    Gleiche  Willkür  in  Annahme  nicht 

.vorhandener  Worte,  in  Beachtung  der  Lautgesetze  und  in  Entwick- 
lang der  Bedeutung! 

*  Der  letzte  Abschnitt  *Rex  und  Dominus'  von  der  nicht  unbe- 

rechtigten Idee  des  Zusammenhanges  der  Befchlshabcrschaften  mit 
Opferverrichlungen  ausgehend  behandelt  zuerst  den  römischen  rex. 
Ohne  die  seiner  Ansicht  theils  gewissen  Vorschub  leistenden  theils 

diametral  entgegenstehenden  Untersuchungen  über  das  römische  Kö- 
niglhum  von  Ambrosch,  Rubino,  Becker  und  Jhering  irgend  zu  berück- 
sichtigen, erklärt  B.  den  rex  als  ^ Opferer'  und  leitet  das  Wort  vom 
gr.  ^i^Hv  ab ,  wobei  nicht  bedacht  wird,  dafs  (fi^siv  nur  facere  heifst 
und  blofs  in  bestimmtem  Zusammenhange  mit  ^opfern'  übersetzt  wer- 
den kann,  ferner  dafs  Qt^eiv  eine  Umformung  von  iQÖeiv  ist  und  end- 
lich dafs  regere  und  rex  ganz  andere  Verwandte  in  den  indogerma- 
nischen Sprachen  haben  (Pott  I,  219.  271.  Bopp  Glossar  s.  v.  räj, 
Kuhn  in  Webers  indischen  Studien  I,  232  CT.).  Wenn  nach  S.  &I  in 
rex  sacrifi culus  eiwsis  spöttisches  liegen  soll,  so  verweisen  wir  auf 
die  ähnlichen  Worte  bei  Pott  II,  513  u.  604,  der  übrigens  auch  nicht 
abgeneigt  ist  ein  Deminutiv  in  sacrificulus  zu  erkennen,  aber  sich 
nicht  näher  darüber  ausspricht.  Wie  rex  ^±z  Opferer,  so  sind  nun 
dem  Vf.  regia  =  Opferhaus,  regio  =  Opferbezirk,  Sacrasprengel, 
leges  regiae  =  Opfergesetze.  Die  sachlichen  Erläuterungen  hierzu 
sind  gegenüber  den  vollständigen  Untersuchungen ,  die  der  Vf.  igno- 
riert, ohne  Belang. 

Weiler  werden  imperator  =  indoperator  d.  i.  inoperaior.  Opfe- 
rer, herus  ==  hqivg^  heres  =.-  ?^d(a)r),  tutor  =  dvzcnQj  tnagister  -- 


472      Ballhorn-Rosen:  zar  Vorgeschichte  des  röm.  Rechts.  1. 

aylazi^g*)  erklärt,  welche  Etymologicu  zeigen  was  far  Resultate  einer 
derartigen  Methode  möglich  sind.  Bald  halte  ich  gar  die  Ableitung 
von  interrex  vergcfsen.  In  diesem  Worte  ist  inter  nicht  die  bekannte 
Praeposition,  sondern  vielmehr  das  alte  indo^  indu  in  indoperator  u. 
ä. ,  aber  mit  einem  zugegebenen  r;  wie  nun  dieses  indo  zu  der  Bedeu- 
tung ^zu  einem  bestimmten  Zwecke  oder  auf  eine  bestimmte  Zeit' 
kommt,  mag  man  selbst  nachlesen;  ich  versiehe  es  nicht.  Es  ist  na- 
türlich ,  dafs  man  bei  der  Methode  des  Vf.  leicht  von  Einern  Worte 
gleich  mehrere  Etymologien  aufstellen  kann,  von  denen  keine  der 
andern  etwas  vorzuwerfen  hat.  So  kann  sich  der  Vf.  in  einer  Anmer- 
kung nicht  enthalten  uns  zu  gestehen,  dafs  interrex  vielleicht  gar 
avTt,QQiKtrjg ^  vice-rex^  Vice-opfcrer ,  sein  könne,  da  die  litereile  Re- 
duction  jedenfalls  möglich  sei; 

Die  einzige  Etymologie  von  den  besprochenen,  die  lautlich  nichts 
gegen  sich  hat,  ist  die  von  dominus^  als  von  dare  herrührend.  Mit 
der  Deutung  freilich  können  wir  uns  nicht  befreunden.  Dominus  soll 
nemlich  *dcr  opfernde'  bedeuten,  weil  dare  dies  sehr  oft  heifseu 
soll.  Es  ist  hier  wie  oben  mit  $i^Hv:  dare  heifst  immer  nur  ^  geben' 
und  kann  wohl  in  gewissem  Zusammenhange  (braucht  es  aber  nie) 
mit  ^opfern'  übersetzt  werden.  Ansprechend  ist  die  Deutung,  die  L. 
Lange  in  diesen  NJahrb.  Bd.  LWII  S.  40  f.  von  dominus  gibt  und  der 
auch  G.  Curtius  a.  a.  0.  S.  409  beistimmt.  Wie  nemlich  herus  voa 
Wurzel  hr  den  nehmenden  d.  i.  erwerbenden  Eigenthfimer  bezeichnet, 
so  dominus  den  hingebenden  d.  i.  verkaufenden  (vgl.  da  in  vendo) 
Eigenlhümer;  beide  Worte  bezeichnen  das  unumschränkte  Verfüguugf- 
recht,  das  ius  emendi  et  vendendi. 

Ein  Index  der  erklärten  lateinischen  Worte  —  denn  noch  viele 
werden  gelegentlich  besprochen —  schliefst  das  Buch. 

Zum  Schlufs  sei  es  uns  nur  noch  gestattet,  unsere  Verwunde-* 
rung  auszusprechen,  wie  ein  Rechtsgelehrter  von  Rudorffs  Bedeo- 
tung  am  Ende  seiner  günstigen  Anzeige  des  Ballhornschen  Bnches 
(krit.  Ztschr.  f.  die  gesummte  Rechtswifsenschaft  1854  S.  304 — 311) 
in  dem  etwa  erscheinenden  juristischen  Lexicon  des  Hrn.  B.  eine  an- 
regende Bereicherung  der  juristischen  Litteratur  erwarten  kann;  wir 
von  un*: crem  philologischen  Standpunkte  fürchten,  dafs,  wofern  der 
Hr.  Vf.  nicht  andere  etymologische  Wege  einschlägt  ,  das  Buch  ma- 
nigfache  Verwirrung  anrichten  wird. 

Weimar.  lleiuhold  Kühler. 


♦)  Magister j  mactarCj  macte,  magmentum  wird  alles  unterein- 
ander |;ewurfen  und  bei  der  Zuruckfuhrung  dieser  Worter  auf  griechi- 
Hche  Wörter  mit  einem  prosthetischen  m  auf  das  wildeste  operiert. 


Fr.  Koch :  deutsche  Grammatik.  2e  Auflage.  473 

Deutsche  Grammatik  für  höhere  Lehranstalten,  Lyceen,  Gymnasien 
und  Realschulen.  Von  Dr.  Friedrich  Kochy  Professor  am  grofs- 
herzogl.  Realgymnasivm  zu  Eisenach.  Zweite  verbefserte  Auflage. 
Jena,  Fnedrich  Mauke.  1854.  XXXU  u.  264  S.  8.  • 

Nach  einer  gelungenen  Charakteristik  der  einzelnen  grammati- 
schen Behandlungsweisen  der  deutschen  Sprache  verspricht  der  Vf.  in 
der  Vorrede  (S.  IX),  er  wolle  die  Resultate  der  historischen  Gram- 
matik in  Beziehung  auf  das  neuhochdeutsche  darlegen.    Darauf  be- 
schränkt sich  aber  der  Vf.  nicht,  gewis  zum  Nachteile  des  Buches: 
er  gibt  hier  und  da  noch  Andeutungen  aus  dem  Gebiete  der  philoso- 
phischen Grammatik,  und  legt  abstracto  Satze  der  Darstellung  der 
einzelnen  Erscheinungen  zu  Grunde.    Was  hilft  es  aber  dem  Schaler, 
wenn  er  eine  Definition  von  Sprache  (S.  J)  zu  geben  weifs;  was  hilft 
ihm  der  abstracte  Satz  (S.  8):   Mn  der  Sprache  unterscheiden  wir 
Gedanken  und  Beziehungen  derselben,  im  Gedanken  die  einzelnen  Bo- 
griffe  und  ihre  Beziehungen'?  (ähnliches  S.  29.  39.  44.  51.  140.  174. 
200.)    Wozu  die  Angaben  über  Bildung  der  Laute  (g.  II.  16),  bei 
denen  Ref.  unwillkürlich  etwas  an  den  Schulmeister  Agesel  erinnert 
wurde,  den  der  Vf.,  wol  belesen  in  unserer  Literatur,  wie  seine 
sorgfältig  gesammelte  Beispielsammlung  zur  Syntax  zeigt,  gewis  auch 
kennt.    Ref.  wünschte  diese  Bemerkungen  um  so  mehr  weg,  da  trotz 
der  Warnung  des  Vf.  vor  dem  einüben  und  einlernen  es  nur  zu  sehr 
zu  fürchten  ist,  dafs  unberufene,  in  deren  Hand  der  deutsche  Sprach- 
unterricht leider  so  häufig  liegt,  auch  diese  Satze  einlernen,  ja  sie 
villeicht  als  etwas  ganz  besonderes  hervorheben.  —  Die  orthographi- 
schen Angaben  S.  7  wünschte  Ref.  gleichfalls  weggelafsen;  der  Vf. 
tadelt  selbst  die  Unterscheidungssucht  als  Grund  unserer  verwirrten 
Rechtschreibung  —  warum  aber  soll  Regellosigkeit  in  einer  Gram- 
matik einregistriert  werden?    Ist  da  nicht  Gefahr,   dafs  das  abzu- 
schaffende sich  doch  wieder  fest  setzt?  Auf  S.  10  passen  die  Beispiele 
kaniic  und  vatarjo  nicht  zu  ^,  da  n  in  beiden  Worten  kurz,  demnach 
sein  Umlaut  nicht  ae  ist,  sondern  e;  Ref.  weifs  auch  kein  Beispiel 
wo  i  für  ae  stünde.    Dafs  §.  16 — 24  (die  Consonanten)  zwischen  den 
Capiteln  über  die  Vocale  und  deren  Veränderung  eingeschoben  ist 
und  ebenso  wieder  die  beiden  Abschnitte  über  die  Consonanten  aus- 
einandergerifscn  sind,  hält  Ref.  nicht  für  zweckmäfsig:   übersichtli- 
cher würden  gewis  auf  das  über  einen  einzelnen  Vocal  gesagte  gleich 
die  diesen  betreffenden  oder  hervorrufenden  Veränderungen  folgen. 
Der  Satz  auf  S.  18  ^  da  t  im  nhd.  oft  abgeworfen  oder  geschwächt  ist, 
so  hat  es  Schwierigkeiten  zu  bestimmen,  ob  der  Umlaut  stchn  mufs' 
ist  Ref.  unklar  geblieben,  da  ursprüngliches  t  im  nhd.  auch  wenn  es 
geschwächt  und  selbst  abgeworfen  ist,  fast  ausnahmslos  den  Umlaut 
bewirkt;  richtiger  hiefse  es  wol:    da  i  im  nhd.  oft  abgeworfen  oder 
geschwächt  ist,  so  ist  der  Grund  des  Umlauts  nicht  mehr  zu  erkennen, 
s.  B.  Hand^  Hände  ^  wo  ahd.  i. —  Weiler  unten  konnte  für  ursprüng- 
liches e  in  Lötee  die  erweichte  Form  Leue  angeführt  werden.    Ge- 

H.  Jakrb.  f,  PhiL  u.  Paed,  Bd.  LX.X.  fiß.  4  u.  5.  31 


474  Fr.  Koch :  doulsche  Grammalik.  2e  Anflage. 

bürge  schreibt  wol  niemand  mehr  und  uuch  in  betriegen  und  Hilfe 
wird  die  ursprüngliche  Schreibart  leicht  herzustellen  sein.  IVf'rA'ffi 
ist  Kückumlaut  aus  werakon  nach  Wegfall  des  a.  Die  Angabe,  dafs  in 
dcMU  ahd.  Umlaut  e  ein  Vocal  den  Umlaut  verdrangt  habe,  beruht  auf 
der  Annahme,  als  sei  ä  der  eigentliche  Umlaut  von  a^  während  dieses 
r7,  wie  der  Vf.  selbst  bemerkt,  doch  erst  mhd.  vorkommt  und  neben 
dem  einfachen  e  einen  nur  beschrankten  Kaum  einnimmt.  Die  Pedan- 
terei, mit  der  man  nhd.  ä  schreibt,  wenn  das  ursprüngliche  a  erkenn- 
bar ist,  darf  nicht  Regel  sein,  sondern  die  Regel  müste  lauten:  a 
lautet  um  in  e,  für  das  ä  geschrieben  wird,  wenn  in  stammver> 
wandten  Worten  das  a  hinlänglich  deutlich  hervortritt.  —  Im  §.  32 
wäre  villeicht  der  zweite  Punkt  vom  ersten  zu  trennen,  da  die  Ver- 
wandlung des  b  vor  ^  in  ^  eigentlich  keine  Verhärtung  im  strengen 
Sinne  ist,  wenn  nicht  schon  der  Abteilungen  zu  viel  wären.  Die  Laut- 
verschiebung würde  Ref.,  als  dem  Zw^ecke  des  Buches  nicht  unmittel- 
bar dienend  ^  weggelafson  oder  in  die  Kinleitung  gestellt  haben.  — 
S.  23  würde  Ref.  den  Ausdrücken  stark  und  schwachbetont 
hoch  und  tieftonig  vorziehn,  welche  der  Sache  mehr  entsprechen: 
schwachbetont  trilTl  fast  mit  tonlos  zusammen  und  im  siukenlafsen  der 
Stimme,  nicht  im  starker  oder  schwächer  betonen  ligt  der  eigent- 
liche Unterschied  der  Silben,  wie  in  blut-jung^  Jung-frau. 

Die  Wortbildungslehre  scheint  dem  Ref.  etwas  zu  ausgedehnt; 
manches  Icxicalische ,  wie  die  Aufzälung  der  dunkeln  Composita  ist 
freilich  immer  noch  notwendig,  da  wir  kein  genügendes  neuhochdeut- 
sches Wörterbuch  besitzen  und  zur  Vollendung  des  Grimmschen  wol 
noch  ein  Menschenalter  gehört;  auch  ist  gewis  gerade  diefs  der  inter- 
essanteste Theil  einer  Grammatik.  Aber  dafs  diefs  Capitel  noch  eines 
Bearbeiters  wartet,  der  es  versteht  das  Material  übersichtlich  dar- 
zustellen, beweist  §.  87:  die  blofse  Anfzalung  der  verschiedenen 
Bedeutungen  des  ersten  Theils  einer  Composilion  reicht  nicht  hin  die 
Lebendigkeit  unserer  Sprache  nach  dieser  Beziehung  vollständig  dar- 
zustellen; liefse  sich  nicht  villeicht  ein  Compositum  bilden,  das  unter 
keinen  der  zehn  Fälle  passte?  Die  Schüler  haben  gewis  an  einer  soU 
eben  Aufzälung  nichts:  sie  lernen  sie  heute  und  vergefsen  sie  mor- 
gen. —  In  §.  90  war  als  Ursache  der  nneigentlichen  Composition 
wol  noch  hinzuzufügen,  dafs  die  alte  Sprache  den  Genetiv  vor  das 
Substantivum  setzen  konnte,  was  der  unsrigen  nicht  mehr  möglich  ist. 
—  In  dem  Abschnitt  über  Bildung  der  Pronomina  würde  Ref.  manches 
was  in  das  Gebiet  der  Sprachvergleichung  gehört  und  dem  Zwecke 
des  Buches  nicht  entspricht,  weglafsen,  so  in  §.  128. 

In  der  Flexion^lehre  ist  Ref.  mit  dem  Vf.  in  Bezug  auf  das  her- 
einziehn  der  goth.  ahd.  mhd.  Formen  nicht  ganz  einverstanden:  in 
einer  Grammatik  welche  die  voransgehenden  Entwicklungsstufen  der 
Sprache  mit  in  den  Kreifs  der  Behandlung  zieht,  kann  eine  solche 
Beziehung  nicht  fehlen.  Bei  der  Verwirrung  aber,  welche  in  dieser 
Beziehung  im  nhd.  herscht,  wäre  es  wol  befser  in  einer  Grammatik 
die  allein  das  nhd.  behandelt  zunächst  ohne  Rücksicht  auf  früheres 


Pr.  Koch:  deutsche  Grammatik.  2c  Auflage.  475 

einfach  den  facUschen  Zustand  hiniustellen ,  namentlich  wenn  nach 
der  Vorrede  diefs  Capitel  von  Knaben  von  11 — 12  Jahren  gelernt 
werden  soll.  So  würde  Ref.  z,  B.  die  siebeii  Classen  hintereinander 
aufgeführt  und  die  Verba  in  §.  149  ohne  weiteres  unter  ihre  Classen 
gestellt  haben.  Wer  die  Schwierigkeiten  kennt,  die  gerade  dieser 
Abschnitt  selbst  Primanern  macht,  wird  hier  möglichste  Einfachheit 
fUr  nötig  halten.  So  können  auch  die  Endungen  (152)  wegbleiben, 
die  im  nhd.  alle  das  tonlose  e  haben  und  in  154  doch  noch  einmal 
vorkommen  —  oder  soll  etwa  der  Schuler  e,  es/,  et  auswendig  ler- 
nen?—  In  149  ist  es  doch  nicht  ganz  richtig,  dafs  beide  Umlaute 
von  schwören  weggefallen  sind:  scAtour  ist  doch  immer  noch  ge- 
brauchlicher als  schwor.  In  157  ist  zu  tilgen  erlöschen ,  denn  erlosch 
ist  intransitiv,  erlöschle  transitiv,  folglich  so  unberechtigt  als  rufte^ 
welche  Form  in  einer  Grammptik  gar  nicht  slehn  dürfte.  —  Auch  in 
der  Behandlung  der  Substantivflexion  würde  Ref.  z.  B.  die  «-Declina- 
tion  ganz  weggelafsen  haben :  in  eine  blofs  nhd.  Grammatik  gehört 
sie  nicht.  —  Die  *  rhythmischen  Gründe'  auf  S.  96  liefsen  sich  näher 
dahin  bestimmen,  dafs  die  tonlosen  (auf  eine  Stammsilbe  folgenden) 
e  bleiben,  die  stummen  (auf  eine  tonlose  Silbe  folgenden)  ausfallen. 
Dafs  bei  Haus  und  Hof^  Mann  und  Mans  die  Endung  wegfällt,  ist 
wol  weniger  der  rhythmischen  Bewegung  dieser  Sprüche  als  dem 
sprichwortartigen  Gebrauch  derselben  zuzuschreiben ,  da  das  Sprich- 
wort geneigt  ist  die  Wortformen  möglichst  abzukürzen.  In  185  ist 
wol  Tropfen  schon  zu  denen  zu  rechnen,  welche  entschieden  das  n 
im  Nominativ  angenommen  haben.  In  190  wäre  2)  schärfer  zu  fafsen: 
diejenigen  auf/,  f  und  k^  welche  in  ihrer  ursprünglichen  Form  auf 
einen  Vocal  auslauten.  In  der  zweiten  Hälfte  von  191  weifs  Ref.  nicht, 
was  ^Adjectiva,  die  nicht  einen  BegriflT  enthalten'  heifsen  soll.  Der 
ganze  Passus  wäre  befser  weggeblieben.  In  206  war  wol  zu  erwäh- 
nen, dafs  das  ahd.  der  da  noch  nhd.  z.  B.  in  Luthers  Bibelüber- 
setzung (Apoc.  1,  6)  vorkommt. 

In  der  Satzlehre  schliefst  sich  der  Vf.  allzusehr  an  Becker  an, 
dessen  Verdienste  um  diesen  Theil  der  Grammatik  er  in  der  Vorrede 
hervorhebt —  nach  der  Ansicht  des  Ref.  sehr  wenig  zum  Vorteil  einer 
lebendigen  Behandlung  der  Syntax.  Das  knöcherne  Beckersche  System 
mag  ^übersichtlich'  und  ^durchsichtig'  sein —  für  den  Unterricht  aber 
ist  es  gar  nicht  zu  brauchen:  es  ist  für  Lehrer  und  Schüler  langweilig 
und  ermüdend  nnd  zuletzt  doch  resultatlos,  weil  der  Schematismus 
sofort  wieder  vergefsen  wird.  Der  Vf.  hat  durch  sorgfältig  gewählte 
Beispiele  und  durch  Beziehungen  auf  ahd.  und  mhd.  (die  nur  leider 
allzuspärlich  sind)  etwas  dieser  Unlebendigkeit  abgeholfen ,  über  im 
ganzen  ist  der  Fortschritt  vor  den  Schülern  Beckers,  Wurst  und  Com- 
pagnie ,  nicht  sehr  bedeutend.  —  Die  Interpunctionslehre  würde  doch 
wol  auch  noch  zum  ersten  Cursus  gehören. 

Die  Verslehre  leidet  an  dem  Fehler  der  meisten  neuern  Versleh- 
ren: die  deutsche  Sprache  wird  nach  classischem  Mafse  behandelt. 
Es  ist  ein  Irtum  wenn  es  heifst:   die  nhd.  Sprache  mifst  nach  Quan- 

31* 


476  Fr.  Koch :  deutsche  Grammatik.  2e  Auflage, 

t i ta  t  and  Accentuation ;  wenn  das  richtig  wäre ,  wfire  s.  B.  befser  eio 
Pyrrhichius,  während  es  doch  ein  Trochaeus  ist.  Oder  gibt  es  eine 
doppelte  Versmefsung?  Was  soll  es  heirsen,  dars  Quantität  und  Ac- 
centuation in  Widerstreit  miteinander  kommen?  Auf  diesem  Irtum 
heruht  es  wenn  der  Vf.  ohne  weiteres  die  persönlichen  Pronomina 
und  die  einsilbigen  Formen  des  Hilfsverbs  sein  für  tonlos  erklärt  — 
als  Stammwörter  sind  sie  hochlonig,  nach  dem  Gesetz  der  Accentua- 
tion können  sie  aber  sofort  in  die  Senkung  treten,  wenn  ein  andere» 
Wort  starker  betont  ist.  Auf  diesem  Irtum  beruht  es ,  wenn  der  Vf. 
glaubt,  wir  könnten  einen  Versfufs  wie  den  Proceleusmalicus  bilden: 
nieder  zu  dem  Gehöfte  können  wir  gar  nicht  so  lesen ,  wir  betonen 
zu.  Ebenso  ist  es  mit  königliche^  was  der  Vf.  als  Beispiel  fflr  den 
ersten  Paeon  anführt:  die  ursprüngliche  Composition  läfst  uns  diefs 
Wort  immer  noch  mit  zwei  Hebungen,  e^em  Hocliton  und  einem  Tief- 
ton aussprechen.  In  das  Gebirg^  was  der  Vf.  als  Beispiel  ^um  vierten 
Pacon  anführt,  ist  ebenso  ein  Choriambe.  Zu  521  waren  Beispiele  von 
Nachahmungen  classischer  Metra  passender  gewesen ;  die  vorliegenden 
sind  Beispiele  klingenden  und  stumpfen  Reims,  nicht  zunächst  eines  ka- 
taleklischen  und  akalalcktischen  Verses.  Von  523  an  zalt  der  Vf.  die 
einfachen  Versmafse  auf,  d.  h.  die  classischeu.  Der  Alexandriner  bat 
aufser  dem  Reim  ein  von  dem  Vf.  übersehenes  Kennzeichen ,  die  Cae- 
sur.  Der  siebenfüfsige  lambus  fehlt,  den  doch  z.  B.  W.  Müller  ange- 
wendet hat: 

Wir  fragen  nichts  nach  unserm  Ruhm ,  nach  unsrer  Namen  Preii, 
Justinus  Kcrner: 

Herr  Bitter  Ernst ^  der  u>ar  ergrimmt  »w  einer  bösen  Stttnd, 
Dafs  Anapaeste  in  iambische  Metra  gebracht  werden,  wie  in  Goethe» 
König  in  Thule,  mufs  in  einer  deutschen  Metrik  als  Nachlufsigkeit  ge- 
rügt werden,  um  so  mehr  da  die  Nachlufsigkeit  des  Versmafses  in 
neuester  Zeit  hierin  besonders  ihren  Grund  hat.  Bei  den  trochaeischeb 
und  daclyiischen  Versen  thut  es  wol,  nicht  der  knöchernen  Aufzalung 
ein-  zwei-  drei-  vier-  u.  s.  w.  füfsiger  Trochaeus  zu  begegnen ,  die 
z.  B.  in  der  Metrik  von  F.  W.  Rückert  einen  so  widerlichen  Eindruck 
macht.  Von  dem  Dome  ist  aber  nicht  ein  Anapaest,  wie  es  der  Vf. 
bezeichnet  hat,  sondern  zwei  Trochaeen.  —  Die  Anordnung  des  fol- 
genden begreift  Ref.  nicht.  Dafs  der  ^Knittelvers'  erwähnt  wird  vor 
dem  Reim,  da  dieser  Vers  doch  nichts  ist  als  eine  Vergröberung  der 
deutschen  Reimpaare ,  dafs  die  Nibelungenstrophe  (nicht  Nibelungen- 
vers) hier  steht  und  nicht  unter  den  Strophen,  das  ist  eine  Verwir- 
rung ,  die  eben  nur  aus  jler  Vermengung  von  deutschem  und  classi- 
schem  herkommt.  —  Der  Abschnitt  über  den  Reim  unterbricht  gleich- 
falls seltsam  die  Aufzalung:  einfache,  zusammengesetzte  Versmafse, 
Strophen  —  das  ist  Verwirrung  in  der  Anordnung;  Verwirrung  in 
der  Sache  aber  ist  es,  wenn  der  Vf.  die  Alliteration  ohne  weiteres 
unter  den  Reim  stellt,  dessen  gerades  Gegenteil  sie  ist  in  jeder  Be- 
ziehung; hat  den  Vf.  villeicht  nur  der  Name  Stabreim  dazu  bewogen? 
Verwirrung  in  der  Sache  ist  es ,  wenn  die  zufallige  Allitcration  und 


Fr.  Koch :  dcnUche  Grammalik.  2e  Auflage.  477 

9oUen  ftir  sagen  u.  s.  w.  hier  als  Beispiel  für  die  feste  Form  der  Al- 
literation gebraucht  wird :  Verwirrung  in  der  Sache  ist  es ,  wenn  die 
Assonanz,  die  etwa  nach  557  gehört  hatte,  hier  steht.  —  Für  die 
Doppelreime  hätte  der  Vf.  eine  alte  Formel  (wie  mitgegangen  mitge- 
hangen)  anführen  sollen,  der  Schüler  könnte  das  Beispiel  aus  den 
Makamen  des  Hariri  für  eine  solche  hallen.  Dem  Endreim  gegenüber  . 
muste  der  Innen-  und  Anfangsreim  nicht  nur  als  seltner,  sondern  als 
gar  nicht  gleichberechtigt  gegenübergestellt  werden.  —  Weshalb  der 
Vf.  die  üblichen  Ausdrücke  ^paarweise,  kreuseode  und  umarmende 
Reime'  nicht  beibehalten  hat,  ist  nicht  abzusehn:  der  Ausdruck  Vech< 
selnd'  ist  sehr  misverständlich.  —  Die  Strophen  sind  nach  einem  ganz 
infserlichen  Einteilungsgrund,  der  Zal  der  Zeilen,  aufgezäll:  das 
Gesetz  der  deutschen  dreiteiligen  Strophe  ist  gar  nicht  erwähnt.  Die 
Nibelungenstrophe  steht  zwischen  Riternell  und  der  Ottave  ohne  Rück- 
sicht auf  den  ganz  verschiedenen  Ursprung  dieser  Strophen. 

Ref.  hat  über  die  Metrik  ausführlicher  gesprochen,  als  einem 
blofsen  Nachtrag  zukommen  dürfte  —  aber  es  ist  wol  hochnot,  dafs 
der  einreifsenden  Verwirrung  in  unserer  Metrik  einmal  Einhalt  ge- 
than  werde,  sonst  erhalten  wir  zuletzt  eine  Verwirrung,  dafs  keiner 
den  andern  versteht.  —  Dem  Uauptteil  aber,  der  Grammatik,  wünscht 
Ref.  eine  dritte  verminderte  Auflage. 

Hanau.  Otto  Yilmar, 


Geschichte  der  deutschen  NationcUtiteralur  im  neunzehnten  Jahr- 
hundert. Von  Julian  Schmidt,  Zwei  Bände.  Leipzig,  F.  L.  Her- 
big.  1853.  VlII  u.  484,  VIII  u.  558  S.    gr.  8. 

In  demselben  Mafse  wie  nnsre  Litteratur  selbst  von  einer  an 
Schaffenslust  und  Schaffenskraft  reichen  Zeit  zu  einer  Zeit  der  Armut 
an  wahrhaft  bedeutenden  Erscheinungen  herabgesunken  ist,  ist  eine 
Wifsenschuft  der  Litteratur  üppig  emporgeblüht.  Die  Litteralurge- 
schichtc  ist  das  natürliche  Kind  einer  an  Froduction  ärmeren  Periode, 
welche  den  Blick  von  den  dürren  Feldern  der  Gegenwart  nach 
den  reicheren  Gärten  der  Vergangenheit  wendet  und  was  diese 
neben-  und  nacheinander  in  duftiger  Fülle  aufkeimen  und  erblühen 
liefsen,  betrachtend,  scheidend,  zusammenstellend,  nach  Ursprung 
und  Entwicklung  forschend  ordnet.  Wie  dort  das  Schaffen  ein  ver- 
schiedenartiges war,  bald  von  gleichem  Grunde  ausgehend  und 
im  Verlauf  der  Entwicklung  sich  sondernd,  bald  von  verschiedenem 
Anfange  beginnend  und  dann  in  den  Höhen  und  Endpunkten  sich  eini- 
gend, so  ist  hier  die  Art  und  Weise  des  Betrachtens  eine  verschie- 
dene. VV.  Wackernagel  hat  in  den  protestantischen  Monatsblättern 
eine  anziehende  Zusammenstellung  der  verschiedenen  Richtungen  ge- 
geben, die  sich  in  unsrer  Zeit  in  der  Behandlung  der  Litteraturge- 


478  J.  Schmidt:  Geschichte  d.  deutschen  Nalionallitteratar  im  19n  Jb. 

schichte  gezeigt  haben.  Gervinus,  Koberstein,  Vilmar  erscheinen  als 
diejenigen,  in  welchen  diese  Verschiedenheit  sich  am  deutlichsten 
veranschaulicht.  Von  diesen  hat  Vilmar  im  lernenden  und  lesenden 
Publicum  die  gröfste  Zahl  von  Anhängern  gefunden,  und  sowohl  Ger- 
vinus^  mehr  auflösendes  als  construierendes  Verfahren,  als  die  wüste 
Stofflichkeit  des  Kobersteinschen  Werkes  zieht  sich  mehr  auf  den 
Arbeitstisch  des  Gelehrten  zurück.  —  Alle  gröfseren  litterarhistori- 
schen  Werke  haben  der  Litteratur  des  neunzehnten  Jahrhunderts ,  der 
Zeit  der  Epigonen,  eine  ausführlichere  Darstellung  noch  nicht  zuge- 
wendet: die  Bezeichnung  der  nennenswerthesten  Erscheinungen,  die 
Andeutungen  der  wichtigsten  Richtungen  genügte.  Und  das  um  so 
mehr,  als  unsre  Litteraturgeschichten  sich  nur  allzusehr  gewöhnt 
haben,  den  Kreis  ihrer  Betrachtung  eng  um  die  dichterische  Schöpfung 
zu  ziehen.  Mit  um  so  gröfserem  Interesse  begrüfsten  wir  daher,  und 
gewis  jeder  der  diesen  Studien  durch  Beruf  und  Neigung  sich  zuwen- 
det, das  oben  genannte  Werk,  dessen  Vf.  theils  durch  sein  Werk  über 
die  Romantik,  theils  durch  die  ^ Grenzboten'  rühmlichst  bekannt  ist. 
Und  je  mehr  wir  dieses  W^erk  von  vorn  herein  als  eine  bedeutende, 
höchst  beachlenswerthe  Erscheinung  auf  dem  Gebiete  der  Litleratur- 
geschichte  bezeichnen  müfsen  und  auf  dasselbe  alle  Freunde  deutscher 
Litteratur,  und  alle  welche  dieselbe  lehrend  zu  behandeln  haben,  auf- 
merksam machen ,  um  so  weniger  durfte  diesen  Blättern  eine  Bespre- 
chung desselben  vorenthalten  werden ,  wenn  gleich  sich  ein  unmittel- 
barer Gebrauch  des  Works  im  Unterrichte  wohl  schwerlich  denken 
lafst.  Hier  scheint  es  vielmehr  dringend  räthlich,  sich  der  Bespre- 
chung der  nachclassischen  Periode  im  ganzen  zu  enthalten  und  nur 
einzelne  hervorragende  Erscheinungen  in  den  Kreis  des  Unterrichts 
zu  ziehen ,  vor  allem  aber  die  Aufmerksamkeit  und  das  Interesse  der 
Schüler  auf  die  eigentlichen  Classiker  Lessing,  Goethe,  Schiller  zu 
concentrieren. 

Eine  Geschichte  der  Litteratur  unsres  Jahrhunderts,  dessen  zweite 
Hälfte  erst  vor  wenig  Jahren  begonnen  hat,  ist  ein  Unternehmen,  das 
man  nicht  ohne  Befremden  und  Zweifel  zu  begrüfsen  geneigt  und  be- 
rechtigt ist.  Denn  mitten  in  einer  Zeit  stehend,  Theil  habend  und 
Thcil  nehmend  an  ihren  Bewegungen  und  Impulsen,  an  ihren  Richtun- 
gen und  Abwegen,  vermag  der  betrachtende  nicht  so  leicht,  wenn 
überhaupt,  sich  in  der  Weise  über  dieselbe  zu  erheben,  wie  es  der 
historischen  Darstellung  geziemt.  Ja  es  würde  vergeblich  und  zu- 
gleich schädlich  sein,  wollte  der  Gcschichtscbrciber  der  Gegenwart 
sieh  über  die  seine  Zeit  bewegenden  Gegensätze  ganz  und  gar  zu  steU 
len  suchen;  er  soll  immerhin  ein  Kind  seiner  Zeit,  aber  nicht  der 
Sklave  ihrer  Irthümer  sein.  Aber  freilich  sehen  wir  nur  allzu  oft, 
dafs  entweder  die  Befangenheit  der  Leidenschaft  das  gesunde  Urtheil 
verkehrte,  oder  dafs  der  hochmülhige  Wahn,  sich  über  den  Conflict 
erhohen  zu  haben,  zur  hohlen  Phrase  führte. 

Es  ist  kein  geringes  Verdienst  des  vorliegenden  Werkes,  dafs  es 
gleich  im  Eingange  den   richtigen  und  allein  möglichen  Standpunkt 


J.  Schmidt:  Geschichte  d.  deutschen  Nntionallilteratar  im  19n  Jh.  470 

4er  Darstellung  bezeichnet:  der  Vf.  gesteht,  dafs  an  eine  Darsfellung 
in  streng  objectiver  Form  jetzt  noch  nicht  gedacht  werden  könne,  dafs 
vielleicht  eine  Zeit,  die  sich  von  unsern  Thorheilen  frei  gemacht,  die 
Leidenschaft  nicht  mehr  verstehen  werde,  mit  der  er  heute  dieselben 
bekämpfe.  Ihm  scheint  vor  allem  eine  strenge  unerbittliche  Kritik 
Pflicht  und  Gebot,  da  die  Sünden  der  Poesie  auf  die  sittlichen  Grund- 
sätze, ja  selbst  auf  die  Geschichte  von  verderblichem  Eiaflufs  gewesen 
seien.  Einer  Kritik,  welche  von  Irrung  und  Abweg  zu  den  wahren 
Principien  zurückführen  will,  welche  hingebende  Liebe  mit  sittlichem 
Ernst  vereinigt,  stimmen  wir  gern  zu.  Und  es  ist,  obwohl  die  einzel- 
nen Theile  des  Werkes  noch  Gelegenheit  genug  zu  solchem  Lobe 
geben  werden,  dem  Vf.  eine  ernste  sittliche,  nicht  blofs  absprechend 
Degierende  Gesinnung  eigen,  welche  die  aufrichtigste  Anerkennung 
verdient.  Diese  Gewisheit  läfst  die  oft  beifsende  Scharfe  des  Vrtheils, 
welche  sich  namentlich  gegen  einige  auf  der  Oberflüche  unserer  Lit> 
teratur  schwimmende  Persönlichkeiten  richtet,  in  milderem  Lichte 
erscheinen:  denn  wo  es  den  Ernst  einer  sittlichen  Uebcrzeugung 
gilt,  frommt  es  der  Kritik  nicht,  um  den  Kern  der  Sache  schüchtern 
herumzagehen.  Es  gilt  die  Mangel  völlig  blofs  zu  legen,  und  ihnen 
auch  nicht  einen  noch  so  kleinen  Theil  des  falschen  Glanzes  zu  lafsen, 
wenn  der  Einflufs  solcher  Richtungen  und  Erscheinungen  paralysiert 
werden  soll.  Wir  haben  dem  vorliegenden  Werke  gegenüber  nicht 
Bu  fragen,  woher  im  einzelnen  Falte  die  Herbheit  desUrtheils  stamme, 
welche  Motive  ihr  unterliegen,  sondern  nur,  ob  wir  den  Anschauun- 
gen des  Vf.  uns  anzuschliefsen  vormögen. 

Julian  Schmidt  beginnt  mit  einem  kurzen  Bückblick  auf  die  das- 
sische  Periode,  auf  die  Zeit  vor  Schillers  Tod,  für  welche  er  im  we< 
«entliehen  auf  die  Darstellung  von  Gervinus  verweist.  Dabei  stellt  er 
sich  zunächst  die  Aufgabe  nachzuweisen,  wie  in  unserer  Litteratur 
Continuitdt  hersche,  so  dafs  auch  die  Irthümer  mit  innerer  Nolhwen- 
digkeit  sich  aufeinander  beziehen.  Der  trostlose  Anblick,  den  unsre 
Litteratur  seit  1806  gewahrt,  wird  freilich  durch  das  Aufiinden  des 
Znsammenhangs  nicht  in  einen  freundlichen  verwandelt;  doch  mildert 
flieh  das  befremdende  der  Erscheinung,  wenn  die  Einsicht  gewonnen 
wird,  dafs  die  classische  Periode  selbst  beitrug  die  nachfolgende  Dürf- 
tigkeit der  Litteratur  herbeizufuhren.  Denn  ^  unsre  Ideale  haben  sich 
nicht,  wie  in  der  classischen  Dichtungsperiode  der  andern  Völker, 
aus  dem  Instinct,  den  Sitten  und  Traditionen  unsrer  Nation  cnlwickelf, 
sondern  sie  sind  im  bewusten  Gegensatz  gegen  dieselben  künstlich  er- 
zeugt worden.'  Ug^  diesen  wichtigen  Ausspruch  zu  begründen,  geht 
der  Vf.  auf  die  Quellen  zurück,  aus  dcuen  das  classische  Zeitaller 
unsrer  Litteratur  im  L8n  u.  19n  Jh.  entsprang.  Als  solche  erschei- 
nen ihm  die  Sturm-  und  Drangpoesie  und  die  philosophische  Kritik. 
Beide,  einander  entgegengesetzt,  standen  in  noch  schärferem  Gegen- 
satze zu  dem  Herkommen  der  überliererteii  Bildung,  indem  in  diesem 
herabgekommenen  Zeitalter  die  neu  auflebende  Poesie  die  Idee  der  in- 
dividuellen Natur,  die  Philosophie  die  der  absoluten  Pflicht  aufstellte. 


480  J.  Schmidt:  Geschichte  d.  deutschen  Nationallitteratar  in  19d  Jb. 

Die  Dichter  sachten  die  Naturkraft  der  Individualität  geltend  machend 
sich  über  die  Oberflache  des  Herkommens  zu  erheben ,  die  Philosophie 
in  Kant  der  leichtfertigen  Toleranz  den  Ernst  des  Gesetzes  entgegen- 
zuhalten; es  sollte  die  Pflicht  um  der  Pflicht  willen,  ohne  den  Hin- 
blick auf  Verheifsung  und  Lohn,  gethan  werden.  Diese  beiden  ge- 
waltigen Bewegungen  trafen  zusammen,  als  Kant  für  die  höchste  Em- 
pfindung des  Geistes  das  interesselose  Wohlgefallen  am  schönen  fand 
und  die  Kunst  als  die  freie  Schöpfung  dieses  vollkommnen  bezeich- 
nete; denn  die  Dichter  zogen  sich  von  ihren  stürmenden  Bestrcban- 
gen  in  die  Welt  dieser  Kunst,  in  das  Ideal  zurück.  Das  Griechen- 
thum  ward  der  ideale  Mittelpunkt  dieser  Kunst;  doch  war  dieses  Hel- 
lenenthum  nur  ein  nachempfundenes,  ein  romantisiertes ,  weil  jede  re- 
flectierte  Wiederherstellung  nicht  das  ursprüngliche  zu  erzeugen  ver- 
mag. Diese  Betrachtungen  führen  den  Vf.  zu  interessanten  AuseiiH 
andersetzungen  über  Goethes  und  Schillers  Dichtungen.  Und  allerdings 
wird  man  ihm  darin  unbedingt  beistimmen  müfsen ,  dafs  die  Entfrem- 
dung der  Dichtung  vom  Leben,  der  Mangel  der  Uebcreinstimmung  des 
Ideals  mit  der  natürlichen  Empfindung  namentlich  Schillers  dramati- 
schen Dichtungen  Abbruch  that,  dafs  für  die  Entwicklung  unsrerLitte- 
ratur  bedenkliche  Folgen  daraus  hervorgiengen.  Bei  Goethe  tritt 
diese  Trennung  von  der  Wirklichkeit  weniger  hervor;  doch  können 
wir  ihn  weder  von  dem  Vorwurfe  zu  grofser  subjectiver  Willkür,  den 
ihm  J.  Schmidt  macht,  freisprechen,  noch  vermögen  wir  seine  Theii- 
nahmlosigkeit  den  politischen  Verhältnissen  in  den  ersten  Jahren  die- 
ses Jahrhunderts  gegenüber  zu  rechtfertigen.  Denn  wollen  wir  auch 
den  Satz,  den  der  Vf.  ausspricht,  dafs  die  öiTentlichen  Angelegenheiten 
der  Prüfstein  für  den  Werth  des  Menschen  seien,  nicht  vollständig 
unterschreiben,  sondern  ein  gleiches  Uecht  auch  für  den  engern  Kreis 
der  Verhältnisse  fordern ,  so  könnten  wir  uns  doch  nimmer  bei  einem 
Manne  wie  Goethe,  so  mitten  in  dem  öiTentlichen  Leben,  wenn  auch  in 
einem  kleinen  Staate  stehend,  nicht  mit  sporadischen  Aeufserungen 
der  Theilnahme  und  mit  verständigen  Aeufserungen  begnügen:  wir 
verlangen  von  ihm  ein  volles  warmes  hingebendes  Herz  für  das  ölTent- 
liche,  und  das  hatte  Goethe  nicht.  Nach  Schillers  Tode,  der  ein  wär- 
meres Verhältnis  zu  den  Zeitbewegungen  gehabt  halte,  trat,  da  für 
Goethe  auch  die  Quelle  der  poetischen  Anregung,  zu  der  ihm  der  mit- 
strebende Freund  geworden  war,  versiegle,  diese  Isoliertheit,  diese 
Ablösung  von  dem  Leben  der  Nation  noch  mehr  heraus.  Und  so  be- 
reitete sich  ein  Rückschlag  vor,  der  zunächst  von  den  Romantikern 
ausgieng,  die  ursprünglich  eine  Wiedervereinigjfng  des  Lebens  und 
der  Dichtung  anstrebend,  dieses  Ziel  durchaus  nicht  erreichten,  son- 
dern nur  die  Entfremdung  vergröfserten.  Aber  während  sie  die  Dich- 
tung zum  Schattenspiele  machten,  riefen  sie  auf  andern  Gebieten  mit- 
telbar Bestrebungen  hervor,  gaben  Anregungen,  denen  wir  grofscn 
Dank  schulden:  die  Belebung  der  Geschichte,  des  Rechtswesens,  die 
deutsche  Philologie  und  die  Sprachvergleichung  giengen  aus  der  Ro- 
mantik hervor. 


J.  Schmidt:  Geschichte  d.  deutschen  Nationallitteratiir  im  19n  Jb.  481 

Dieses  einleitende  Capitel  ist  scharfsinnig  und  geistreich,  wie 
irgend  eines  des  mit  Geist  und  Scharfsinn  reich  ausgestatteten  Werkes; 
doch  mögen  wir  nicht  bergen,  wie  es  uns  scheint,  als  sei  die  Betrach- 
tung nnsrer  zweiten  classischen  Litteraturperiode  eine  zu  enge,  um  es 
kurz  zu  sagen,  eine  zu  kritische.  Wir  können  die  Bedeutung  der 
Kritik  nicht  verkennen  wollen,  am  wenigsten  in  einer  Litteraturge- 
schichte  des  neunzehnten  Jahrhunderts,  welche,  wie  der  Vf.  selbst 
sehr  richtig  meint,  wesentlich  eine  Kritik  der  litterarischen  Richtun- 
gen und  Erscheinungen  sein  mufs.  Aber  wenn  uns  auch  sonst  in  dem 
trefflichen  Werke  hie  und  da  die  Kritik  über  sich  hinauszugehen 
scheint  und,  um  ein  Lieblingswort  des  Vf.  anzuwenden,  souverän 
wird,  so  möchten  wir  dies  insbesondere  hier  bemerken,  wo  der 
Boden  schon  ein  positiverer,  mehr  historischer  ist.  liier  hat  zwar 
die  Kritik  auch  noch  ihr  Recht,  aber  hier  ist  es  mit  dem  Zersetzen 
nicht  gethan:  in  der  eigentlichen  historischen  Betrachtung  hat  die 
Kritik  ihre  Schranke,  es  bleibt  bei  aller  ihrer  Schärfe  und  der  Kunst 
ihrer  Analyse  etwas  übrig,  so  dafs  der  Wiederaufbau  des  in  seine 
Theile  zerlegten  nicht  vollständig  gelingt. 

Die  folgenden  Abschnitte  sind  der  Romantik  gewidmet,  über 
welche  der  Vf.  schon  früher  sich  umfänglich  geäufsert  hat.  Die 
Gründlichkeit  seiner  Studien  tritt  überall  deutlich  hervor  und  sticht 
gar  vortheilhaft  gegen  manche  Werke  ab,  denen  man  es  nur  zu  deut- 
lich anmerkt,  dafs  viele  Urtheile  erborgt  sind.  Im  Gegensätze  zu 
solchen  Scribenten,  die  sich  auch  wohl  Historiker  nennen,  hat  J. 
Schmidt  eine  umfafsende  Kenntnis  unsrer  Litteratur;  er  hat  alles  ge- 
lesen und  hat  es  offenbar  gründlich  kennen  gelernt,  nicht  blofs  hie 
und  da  in  die  Bücher  hineingeblickt.  Und  je  gröfser  der  Kreis  der 
Erscheinungen  ist,  die  er  bespricht,  um  so  riesiger  erscheint  der  auf 
das  Werk,  wenn  auch  seit  langer  Zeit,  verwendete  Fleifs,  um  so 
Staunenswerther  die  Belesenheit,  die  sich  fast  nichts  entgehen  liefs; 
wo  uns  ein  Name  zu  fehlen  scheint,  möchten  wir  deshalb  eher  glau- 
ben, er  habe  ihn  absichtlich  verschwiegen ,  als  dafs  wir  meinen  könn- 
ten, er  sei  aus  Unkenntnis  übergangen.  Wir  werden  aber  auch  des* 
halb  gehindert,  allen  Theilen  des  Werkes  gleich  ausführliche  Würdi- 
gung zu  gönnen ,  weil  wir  uns  einer  solchen  Belescnheit  ins  einzelne 
nicht  rühmen  können,  und  werden  uns  oft  nur  auf  eine  kurze  Erwäh- 
nung des  Inhaltes  beschränken  müfsen. 

Der  Vf.  entwickelt  zunächst  die  Gründe  des  Auftretens  der  Ro- 
mantik im  Hinblick  auf  die  gesummte  politische  und  geistige  Bewe- 
gung des  Revolutionszeilallcrs.  Die  Franzosenherschaft  in  der  Litte- 
ratur war  schon  durch  Lessing  gebrochen,  noch  ehe  die  Kämpfe  der 
Freiheilskriege  das  äufserc  Joch  brachen.  Aber  in  der  Emancipation 
vom  französischen  war  man  nicht  auf  das  nationale  zurückgegangen, 
man  hatte  sich  zwar  an  das  verwandte,  das  englische,  angelehnt,  vor 
allem  aber  das  griechische  Alterthum  wieder  aufgenommen.  Nun  be- 
ganu  der  geistige  Kampf  gegen  die  französische  Revolution  mit  ihren 
die  Welt  erschütternden  Ideen ,  und  gegen  ihr  letztes  und  gröfslcs 


482  J.  S<^imidl:  Geschichte  d.  deutschen  Nationallitteratar  im  19u  Jh. 

Erzeug^nis,  gegen  Napoleon.  In  England  fährt  uns  der  Vf.  su  Edmund 
Burke  und  Walter  Scott,  bei  dessen  Beurtheilung  wir  gern  in  des 
Vf.  Behauptung  einstimmen ,  dafs  er  noch  lange  nicht  genug  gewür- 
digt sei;  in  Frankreich  werden  wir  auf  Chateaubriand  und  die  vom 
Gewallherscher  verfolgte  Frau  von  Stael  hingewiesen.  Der  Mittel- 
punkt dieses  von  germanischen  Elementen  getragenen  Kampfes  wurde 
Deutschland.  Hier  war  es  eben  die  Romantik,  die  den  Kampf  auf- 
nahm, ohne  ihn  zu  einer  wirklich  nationalen  Bedeutung  zu  bringen: 
das  Resultat  blieb  hinler  der  Tendenz  zurück.  Das  läfst  sich  eben 
überhaupt  von  der  Romantik  sagen,  dafs  sie  nicht  einzugreifen,  wenig- 
stens nicht  unmittelbar  zu  wirken  verstand,  sondern  dafs  sie,  Leben 
und  Dichtung  einigen  wollend,  beides  noch  mehr  voneinander  10816, 
als  es  die  classische  Periode  gethan  hatte.  Nach  einer  Besprechung 
der  Philosophen ,  die  gewöhnlich  den  Romantikern  zugezählt  werden, 
Fichte  und  Schelling,  wobei  die  Zusammenstellung  von  Fichte  und 
Kant  anziehend  gehalten  ist,  wendet  sich  der  Vf.  zu  den  bekannten 
Hauptvertretern  der  Schule,  zunächst  den  beiden  Haupldoctrinürs  der- 
selben, den  Brüdern  Schlegel.  Wie  die  romantische  Schule  über- 
haupt von  der  classischen  ausgicng  und  sich  erst  im  Verlaufe  abson- 
derte, ja  entgegenstellte,  so  ist  dies  besonders  bei  den  Schlegels  der 
Fall.  Im  vorliegenden  Werke  wird  A.  W.  Schlegel  mit  ziemlicher 
Anerkennung  behandelt,  uamentlich  seine  Verdienste  als  Uebersetzer 
hervorgehoben  und  seine  Selbstbeschränkung  auf  Kritik  und  Repro- 
duction  gerühmt.  Wir  wollen  nur  eine  Bemerkung  des  Vf.  hier  her- 
vorheben, welche  uns  sehr  richtig  und  eindringend  zu  sein  scheint, 
nemlich  die,  dafs  Schlegels  vortrefiliche  Shakspeare-Uebersetzung 
doch  eigentlich  nur  für  die  Leclüre,  nicht  für  die  Aufführung  passe: 
wir  haben  das  fremde  Element  in  derselben  selbst  nur  zu  oft  empfun- 
den, als  dafs  wir  nicht  von  Herzen  einstimmen  sollten.  Härtere  Be- 
handlung trifft  Friedrich  Schlegel ,  den  Schmidt  als  den  schädlichsten 
unter  den  Romantikern  bezeichnet:  und  auch  wir  können  ihn  nicht  für 
eine  der  erfreulichen  Erscheinungen  in  der  Litteratur  unsres  Volkes 
halten.  Unsres  Vf.  strenges  Wort,  dem  Apostaten  gegenüber,  mag 
mancher  modernen  Auffafsung  nicht  anstehen :  der  protestantische  Sinn 
des  Historikers ,  den  J.  Schmidt  ernst  und  doch  nicht  einseitig  kund- 
gibt, läfst  das  Verwerfungsurtheil  nicht  blofs  begreifen,  sondern  macht 
es  noth wendig.  Auch  wir  haben  gegen  die  Motive  solcher  Apostasie 
von  vorn  herein  entschieden  Abneigung  und  sind  noch  selten  von  der 
Erfahrung  zu  andrer  Anschauung  belehrt  worden.  Der  Hauptpoet  der 
Romantiker  aber,  Tieck,  wird  ausführlich  besprochen:  bei  strengem 
Urtheile  über  seine  litterarischen  Producle,  namentlich  seine  Dichtun- 
gen und  Novellen,  die  allerdings  auch  gar  zu  sehr  an  Inhaltslosigkeit, 
an  Gestaltenmangel  leiden,  widerfährt  seiner  Persönlichkeit,  seiner 
Natur  alle  Anerkennung:  das  bösartige,  welches  der  Vf.  in  deu  Ten- 
denzen und  Sympathien  der  übrigen  Romantiker  findet,  ist  in  Ticcks 
barmloser  Natur ,  die  wahre  Freude  am  schönen  hatte,  neuen  und  alten 
Talenten  mit  liebenswürdigem  Eifer  Bahn  brach ,  nicht  vorhanden.    Er 


J.  Sohmidt:  Geschichte  d.  deatschen  NatioDallitteratnr  im  19b  Jh.  48S 

ist  das  bedeutendste  produclive  Talent  der  Schule:  in  ihm  laufen  die 
Ffiden  der  romantischen  Dichtung  zusammen.  Auch  dürfen  seine  Ver- 
dienste nicht  unterschätzt  werden:  seine  Arbeiten  überShakspeare  und 
das  englische  Theater,  seine  dramaturgischen  und  kritischen  Schrif- 
ten, die  Belebung  des  Cervantes  und  die  Einführung  Heinrichs  von 
Kleist;  und  wenn  der  Werth  seiner  Mährchen,  Schauspiele  und  No- 
vellen weniger  hoch  angeschlagen  wird,  so  wird  darum  weder  der 
in  ihnen  waltende  poetische  Sinn,  noch  die  Sauberkeit  der  Form  ver- 
kannt. Es  gab  eine  Zeit,  in  der  Tiecks  dichterische  Bedeutung  bei 
weitem  aberschätzt  wurde,  indem  man  ihn  neben  Goethe  zu  stellen 
oder  doch  hart  an  ihn  heranzurücken  suchte.  Gervinus  im  letzteu 
Bande  seiner  Litteraturgeschichte  hat,  nachdem  schon  Goethe,  obwohl 
Tieck  anerkennend,  sich  dagegen  gesträubt  hatte,  andere  Gesichts- 
punkte aufgestellt  und  auf  eine  andere  Auffafsung  hingewirkt.  J. 
Schmidt  geht  in  diesem  Sinne  noch  weiter  und  erörtert  in  eingehen- 
der Betrachtung  der  einzelnen  Werke  Tiecks,  wie  gerade  in  ihm  sich 
der  die  Dichtung  vom  wirklichen  Leben  absondernde  und  ihr  den 
realen  Boden  entziehende  Process  vollzog.  Der  greise  Dichter,  der 
nun  hinüborgegangen ,  der  erste  und  letzte  der  Romantiker,  war  ei- 
gentlich schon  seit  Jahren  aus  der  Litteratur  herausgetreten:  seine 
Dichtungen  gehören  eben  um  jeuer  Eigenschaften  willen  zu  denjeni- 
gen, die  sich  von  den  Lesetischen  in  die  Bücherschränke  zurückge- 
zogen haben.  Desto  mehr  wird  die  Litteraturgeschichte  noch  mit  ih- 
nen zu  verkehren  haben  und,  wie  es  in  unserm  Werke  schon  geschieht, 
ihrem  Zusammenhange  mit  spätem  Erscheinungen  nachspüren.  Frei- 
lich werden  es  nicht  wohl  erfreuliche  Resultate  sein,  wie  z.  B.  ein 
Zusammenhang  der  Tieckschen  Novellen,  namentlich  der  aus  dem  so- 
cialen Leben  genommenen,  mit  dem  socialen  Romane  unsrer  Zeit,  mit 
jungdeutschen  und  ausländischen  Producten  nicht  in  Abrede  zu  stellen 
sein  wird,  obwohl  Tieck  selbst  das  sich  am  wenigsten  gedacht  haben 
möchte. 

Unser  Werk  wendet  sich  zu  den  EinOüfsen  der  Romantik  auf  das 
Theater;  hier  entwickelte  sich  die  Schicksalstragoedie,  eine  der  ärg- 
sten Verirrungen  in  unserer  Litteratur,  die  leider  zum  Theil  durch 
Schillers  sich  in  einzelnen  Gedichten,  wie  in  dem  Gang  nach  dem 
Eisenhammer,  in  der  Jungfrau  von  Orleans,  am  meisten  und  zwar  mit 
einem  geborgten  antiken  Aufputz  in  der  Braut  von  Messina  documen- 
tierendo  Hinneigung  zu  einer  Mystik  des  Zufalls  angeregt  worden 
war.  Das  traf  mit' dem  Behagen  der  Romantiker  am  wunderbaren,  un- 
begreiflichen zusammen;  an  die  Stelle  der  sittlichen  Nothwendigkeit 
trat  eine  dunkle,  nebelhafte  Macht;  das  Publicum  erfreute  sich  an  dem 
phantastischen  der  Sache  und  an  seiner  äufsern  künstlichen  Vcrmitt- 
Inng  und  verlor  das  sittliche  und  poetische  Gewifsen ,  ohne  das  unser 
Drama  nicht  bestehen  kann.  Wir  gehen  hier  auf  die  einzelnen  be- 
kannten Erscheinungen  unter  den  Schicksalstragoeden,  auf  Werner, 
MQllner,  Houwald  und  Grillparzer  nicht  weiter  ein;  unser  Werk  läfst 
ihnen  das  verdiente  Urtheil  zukommen;  von  der  Bühne  und  aus  der 


484  J.  Schmidt:  Geschichle  d.  deutschen  NationalliUeralar  im  19d  Jh. 

LectQre  sind  sie  längst  verbannt.  Nur  auT  die  öine  Bemerkung  Schmidli 
wollen  wir  noch  hinweisen,  wie  nemlich  diese  fatalistischen  Producte 
dem  Programme  der  Romantiker  selbst  widersprachen.  Dieses  sagte, 
dafs  ihre  Dichtkunst  sich  auf  Shakspeare  stülze;  dem  widersprach  die 
That.  Denn  während  Shakspeare  von  innen  heraus  dichtete ,  den  sitt- 
lichen Inhalt  seines  Zeitalters  und  sein  eignes  Gewifsen  zu  concreteo 
Individualitäten  gestaltete,  die  Sittlichkeit  zum  Principe  des 
Schicksals  machte,  giengen  die  Romantiker  umgekehrt  zu  Werke,  in- 
dem sie  für  ihre  ideale  Kunstform  nach  passenden  Charakteren  und 
sittlichen  Vorstellungen  suchten.  So  blieb  denn  die  sittliche  Ueber- 
zcugung  nebensächlich,  sie  verschmolz  nicht  inneres  und  äufseres  sa 
einem  ganzen,  es  kam  nicht  die  innere  Wahrheit  in  ihre  Dichtungen, 
durch  die  Shakspeare  so  überaus  grofs  ist.  Es  gieng  hier  der  Roman- 
tik wie  anderwärts  auch:  sie  wandle  sich  dann  selbst  von  dem  ab, 
was  sie  selbst  hervorgerufen  oder  doch  mit  verschuldet  hatte. 

Der  folgende  fünfte  Abschnitt  des  ersten  Bandes  ist  ^Dichter  ohne 
Schule'  überschrieben  und  behandelt  Jean  Paul,  Arnim,  Hölderlin,  H. 
V.  Kleist,  Brentano.  Von  ihnen  sagt  der  Vf.,  dafs  sie,  ohne  der  ro- 
mantischen Schule  anzugehören,  der  bisherigen  classischen  Tradition 
entgegengearbeitet;  ^cin  jeder  suchte  im  Nebel  seinen  Weg',  nm 
Schmidts  eigne  kurz  bezeichnenden  Worte  anzuführen.  Wir  sind  ge- 
wohnt, diese  Dichter  mit  anderen,  welche  hier  später  zur  Besprechung 
kommen,  kurzweg  der  romantischen  Schule  zugerechnet  zu  sehen, 
und  zwar  besonders  Arnim  und  Brentano ,  bei  denen  allerdings  nicht 
blofs  gegensätzliche  Beziehungen  gegen  das  classische,  sondern  un- 
mittelbar romantische  Richtungen,  wie  in  ^des  Knaben  Wunderhorn* 
hervortreten.  Hölderlin  würden  wir  lieber  im  unmittelbaren  Zusam- 
menhange mit  der  classischen  Periode  betrachten ;  er  schliefst  sich 
eng  an  Schiller  an  und  bleibt  Hellenist,  wenn  schon  mit  romantischen 
Beigeschmack.  Ist  nun  auch  das  oben  angeführte  Wort  Schmidts  ein 
wenig  zu  hart,  namentlich  einigen  der  belreircnden  Persönlichkeiten 
gegenüber,  so  werden  ihm  doch  alle  darin  beistimmen,  dafs  sie  alle 
an  einem  Vorhersehen  der  Reflexion,  an  einer  innern  Unsicherheit, 
an  einem  erfolglosen  Streben  nach  Popularität  leiden.  Keiner  der  ge- 
nannten ist  Liebling  der  Nation  geworden;  Jean  Paul  wird  wenig  ge- 
lesen, und  es  gilt  von  ihm  das  Wort  von  Gervinus,  es  werde  nicht 
leicht  ein  Gegner  J.  Pauls  zu  seinem  Freunde,  wohl  aber  ein  Freund 
zum  Gegher  werden  können.  Von  einer  Popularität  Arnims  und  Höl- 
derlins kann  gleich  gar  nicht  die  Rede  sein:  bei  Brentano  hätten  wir 
höchstens  an  die  Mährclien  und  an  die  Geschichte  vom  braven  Kaspert 
und  vom  schönen  Annerl  zu  denken,  bei  Kleist  an  einige  seiner  dra- 
matischen Werke.  Am  Schlufse  dieses  Abschnittes  erklärt  der  Vf., 
einige  andere  Romanliker  später  zur  Besprechung  bringen  zu  wollen, 
wie  Fouque  und  Eichendorfr,^weil  diese  letzteren  zwar  auch  mit  phan- 
tastischen irrationellen  Stoffen  auftraten,  aber  wenigstens  im  ganzen 
in  der  guten  Meinung,  diese  Stoffe  seien  vollkommen  klar,  verständ- 
lich und  der  gesunden  Natur  des  Menschen  entsprechend,  während  die 


J.  Sehnidt:  Geschichte  d.  deatochen  Nationallilteratur  im  19n  Jh.  485 

Dichter,  die  ^ir  hier  angeführt  haben,  bei  ihrem  grofsen  analytischen 
Taieni  sich  über  die  Irrationalität  ihrer  Figuren  keine  Täuschang 
machen  konnten'.  Das  Vorhandensein  eines  solchen  Unterschiedes 
unter  den  einzelnen  Romantikern  ist  nicht  in  Abrede  ku  stellen,  und 
doch  hätten  wir  hier  eine  andre  Anordnung  des  Stoffes  vorgezogen. 
Noch  finden  wir  am  Schlufse  dieses  Capitels  einen  interessanten  Hin- 
blick auf  Goethe,  dessen  Dichtungen  der  letzten  Periode  eine  Hinnei- 
gung zu  den  Eigenschaften  der  oben  genannten  Dichter  zeigen:  es  gilt 
dies  ganz  besonders  von  den  ^Wandcrjahreu'  und  dem  zweiten  Theile 
des  Faust,  denen  alle  Bemühungen  der  Commentatoren  —  und  jüngst 
hat  man  erst  sich  von  neuem  um  die  Wanderjahre  bemüht  und  in  die- 
selben alle  Fragen  des  Jahrhunderts  hinein  interpretiert —  doch  nicht 
ihre  Unverstandlichkeit  und  Unauflöslichkeit  nehmen.  Es  wird  zu- 
gleich das  sittliche  Princip  durch  eine  Art  von  Mystik  verdrängt,  für 
welche  unsre  sittlichen  Empfindungen  und  BegrilTe  nicht  ausreichen. 
Auf  diese  höchst  anziehenden  Betrachtungen  der  Einwirkungen  der 
Romantik  mit  der  sie  begleitenden  Alystik  auf  die  Dichtung  folgt  der 
Nachweis  gleicher  Resultate  in  Bezug  auf  die  Wifsenschaflt.  Das  führt 
auf  die  Naturphilosophie  und  mit  dieser  noch  einmal  auf  Schelling  zu- 
rück, der  vorher  nur  in  seinem  Verhältnis  zur  classischen  und  roman- 
tischen Schule  betrachlet  worden  war.  Wir  wollen  gerade  jetzt,  da 
die  Trauerkunde  von  dem  Tode  des  grofsen  Philosophen  erst  vor  wenig 
Wochen  durch  die  Welt  gicng,  nicht  aburlhcilend  verfahren,  aber  wir 
werden  doch  wohl  Schmidt  beistimmen  müfsen,  wenn  er  den  Einflufs 
der  Mystik  auf  die  philosophische  Prosa  als  gefährlich,  die  Schärfe 
der  Dialektik  auflösend,  Dilettantismus  fördernd  bezeichnet,  und  wenn 
auch  die  Schüler  weit  über  den  Meister  hinausgiengen,  so  ist  doch  auch 
Schelling  selbst  nicht  frei  von  solcher  Mischung  von  Abstraction  und 
Phantaslik.  G.  II.  Schubert  in  München  erfährt  keine  besonders  freund- 
liche Behandlung  vom  Lillerarhistoriker,  den  wir  dieser  in  so  man- 
cher Beziehung  höchst  tüchtigen  Persönlichkeit  gegenüber  wohl  gern 
milder  urtheilen  hören  möchten,  dem  wir  aber  in  seiner  Strenge  gegen 
die  Mystik ,  gegen  das  Spiel  mit  dem  wunderbaren  und  gespenstischen 
in  Betreff  der  Sache  nicht  widersprechen  können.  Es  ist  gerade  dieser 
unverbrüchliche  Ernst  des  Vf.,  der  nicht  wie  viele  moderne  Kritiker 
auf  der  Oberfläche  bleibt,  sondern  die  litterarischen  Erscheinungen  in 
ihrem  tiefsten  Wesen  und  in  ihrem  Zusammenhange  erfafst,  ein  grofses 
nicht  genug  anzuerkennendes  Verdienst  des  vorliegenden  Werkes;  es 
entschädigt  derselbe  für  manches  harte  Wort,  das  den  lesenden  hie  und 
dort  anfänglich  befremdet,  ja  wohl  verletzt.  Freilich  siegt  häufig  der 
Kritiker  über  den  Litterarhistoriker,  aber  man  müste  den  Tadel  höch- 
stens gegen  den  Titel  des  Buches  richten,  denn  der  Vf.  erklärt  ja  selbst 
im  Eingange,  dafs  eine  strenge  Kritik  Aufgabe  seiner  Darstellung  sei, 
nnddafs  von  einer  eigentlichen  objectiven  Geschichte  nicht  die  Rede  sein 
könne.  Nach  Schubert  stofsen  wir  auf  StelTens,  der  bei  aller  Schwä- 
che seiner  wifsenschaftlichen  Werke  und  seiner  Romane  doch  eine  im 
inoersteu  Kerne  tüchtige  Natur  genannt  wird.    Der  Vf.  geht  nun  zu 


486  J.  Schmidt:  Geschichte  d.  deutschen  NationaliiUeratur  im  19o  Jh. 

der  AUerthumsuvirsenschaft  über,  um  in  dieser  die  Einflüfse  der  My- 
stik nachzuweisen,  besonders  in  Bezug  auf  die  Behandlung  der  My- 
thologie. Das  führt  auf  die  bekannte  ^Symbolik'  von  Fr.  Crenser, 
welche  dann  durch  Vofs  (Antisymbolik),  Lobeck  (Aglaophamns) ,  G. 
Hermann  (Briefe  über  Homer  und  Hesiod)  bekämpft  wurde.  Wenn  tn 
dieser  Stelle  der  Vf.  sagt,  die  Wifscnschaft  habe  diese  Trugbilder 
längst  fiberwunden,  so  möchte  das  doch  wohl  zu  viel  Verwerfung  der 
symbolischen  Deutung  enthalten  und  zu  wenig  Rücksicht  auf  die 
noch  heute  bestehenden  und  noch  lange  nicht  zu  einer  Entscheidang 
geführten  Streitigkeiten  über  die  Mythologie  nehmen.  Namenllieh 
wird  der  Zusammenhang  des  griechischen  und  germanischen  mit  dem 
Oriente  ja  immer  deutlicher  und  wird  sich  schwerlich  aus  der  Mytho- 
logie herausbringen  lafsen,  und  so  wenig  als  eine  Mythologie  nur  auf 
Symbolik  ruhen  kann,  so  wenig  besteht  sie  auch  ohne  solche  symbo- 
lische Elemente.  Ausführlichere  Besprechung  erfahrt  hierauf  Joseph 
Görres,  der  Mann  seltsamer  Wandlungen ,  der  von  dem  Werk  der  fran- 
zösischen Revolution  ausgieng,  dann  für  ein  conslitutionellcs  Deotscb- 
land  focht,  endlich  die  Interessen  der  einzelnen  Fürsten  vertrat  und 
in  gleicher  Umgestaltung  seiner  religiösen  Ansichten  vom  Pantheiimos 
bis  zum  Ultramontanismus  gelangte. 

In  dem  siebenten  Abschnitt  fafst  der  Vf.  den  Einflufs  der  Frei- 
heitskriege auf  die  Litteratur,  welche  bisher  schon  den  Hintergrund 
der  gegebenen  Darstellungen  bildeten,  im  Zusammenhang  ins  Auge, 
insofern  diese  Zeit,  obschon  an  unmittelbar  aus  ihr  hervorgehen- 
den dichterischen  Leistungen  nicht  eben  reich ,  doch  die  wesentliche 
Grundlage  unserer  poetischen  und  politischen  Entwicklung  bildete. 
Unter  den  vielen  Vorzügen  des  Buches  ist  die  deutsche  Gesinnung  des 
Vf.  nicht  der  geringste;  dieser  Abschnitt  gerade  lafst  sie  in  wohl- 
thuendster  Weise  hervortreten.  Dabei  ermangelt  aber  diese  nationale 
Gesinnung  nicht  der  von  der  historischen  Entwicklung  ausgehenden 
Einsicht,  die  wir  so  oft  bei  politischen  Betrachtungen  vermifsen  und 
ohne  welche  nur  Phantome  hervorgebracht  werden.  Es  erfreut  die 
warme  Würdigung  sowohl  der  politischen  Charaktere,  bei  welcher 
Gelegenheit  wir  auf  das  über  den  Freiherrn  von  Stein  gesagte  auf- 
merksam machen  (1  S.  262),  nnd  die  den  Freiheitsdichtern,  namentlieh 
^^'ItÖrner  und  Arndt  gezollte  Anerkennung.  Denn  allerdings  werden 
Körners  patriotische  Lieder  meist  durch  die  Unzulänglichkeit  seiner 
dramatischen  Werke  benachtheiligt,  und  leider  ist  auch  Arndts  kräf- 
tiger Gesang  über  manchem  schalen  Erzeugnis  moderner  Lyrik  ver- 
gefsen  worden.  Endlich  wollen  wir  auch  noch  den  sittlichen  Ernst 
rühmend  erwähnen,  der  uns  hier,  wie  durchgängig  in  dem  Werke, 
entgegentritt,  und  es  sei  uns  ausnahms\\cise  gestattet,  eine  denselben 
recht  klar  darlegende  Stelle  anzuführen.  Bei  Gelegenheit  der  Bespre- 
chung der  Demagogenverfolgungen,  insbesondere  der  in  Folge  des 
Sandschen  Meuchelmordes  orfolglen  Absetzung  de  Wettes  sagt  Schmidt, 
die  Denunciation  vcrnriheilcnd,  aber  doch  auch  die  Gerechtigkeit  des 
Absehens   vor   sophistischer  Beschönigung  eines  Verbrechens  anor- 


J.  Sehnidl:  Geschichle  d.  deatochen  Nationallilteratar  im  19a  Jh.  487 

kennend:  ^das  ist  der  FInoh  unserer  neuern  Entwicklung,  dafs  wir 
den  natürlichen  Mafsstab  des  Gewirsens  verloren  und  uns  daran  ge- 
wöhnt haben 9  die  einfachsten  Verhältnisse  von  sogenannten  höheren 
Standpunkten  zu  betrachten,  um  nach  Belieben  mit  ihnen  umspringen 
xa  können.'   Ein  wahres  und  beherzigenswerthes  Wort! 

Der  Vf.  fahrt  uns  demnächst  zu  der  Betrachtung  der  Bewegungen 
und  Entwicklungen  im  Gebiete  der  Wifsenschaft.  Wir  sind  gewohnt, 
in  unsern  Litteraturgeschichten  auf  eine  genauere  Behandlung  dieser 
Gebiete  zu  verzichten  und  uns  mit  den  nothwendigsten  Andeutungen 
sa  begnügen.  Auch  darin  können  wir  nur  einen  Vorzug  des  Schmidt- 
schen  Werkes  erblicken,  dafs  es  das  ganze  geistige  Leben  der  deut- 
schen Nation  zu  umfafsen  sucht :  es  wird  uns  dieses  Streben  nicht  zu 
der  nnmafsigen  Forderung  berechtigen,  dafs  der  Vf.  in  allen  Gebieten 
des  geistigen  Wirkens  und  Schaffens  gleich  heimisch  sei.  Auch  ver- 
wahrt er  sich  selbst  gegen  die  Annahme,  als  wolle  er  eine  wifsen- 
gchaftliche  Kritik  hier  ausüben,  oder  in  der  Anführung  gelehrter 
Werke  vollständig  sein,  er  will  nur  die  Denkweise  und  Gesinnung 
des  Zeitalters  anschaulich  machen  und  an  einzelnen  hervorragenden 
Beispielen  ein  Bild  von  dem  edeln,  aufopfernden  Wirken  der  deut- 
schen Gelehrsamkeit  geben.  Und  in  der  That  ist  hier  mehr  nicht  zu 
verlangen,  um  so  weniger  als  die  Geschichte  der  Wifsenschaft  im  19n 
Jh.  einen  vielseitigen,  fast  uncrmefslichen  Apparat  erfordert,  wenn 
es  sich  um  ihre  ausführliche  Darlegung  handelt.  Der  Gelehrte  wird 
freilich  in  diesen  Abschnitten  manches  vermifsen,  er  wird  vielleicht 
die  Ausführlichkeit  in  der  Behandlung  einzelner  Persönlichkeiten,  wie 
sie  namentlich  der  2e  Band  darbietet,  zu  Gunsten  der  Betrachtung 
der  hervorragenden  Persönlichkeiten  und  Leistungen  dieses  Gebietes 
verkürzt  wünschen:  und  doch  werden  wir  auch  bei  jenen  später  auf 
das  genaueste  entwickelten  Erscheinungen  auf  anerkennenswerthe  Mo- 
tive des  Vf.  stofsen.  Zunächst  führt  uns  die  bisherige  Darstellung  von 
selbst  auf  die  Einflüfse  der  Kantschen  Philosophie  auf  die  Wifsen- 
schaft und  ihre  Methode.  Sie  erweckte  die  analytische  Thätigkeit,  die 
Kritik,  und  warf  sich  in  der  Person  F.  A.  Wolfs  anf  die  Poesie;  die 
Bedeutung  der  Prolegomena  wird  vollständig  gewürdigt.  In  Bezug 
auf  die  Geschichte  treten  Niebuhr  und  Savigny  vor  uns,  zwei  nicht 
minder  grofse  Träger  des  wifsenschaftlichen  Fortschritts.  Hierauf 
kommen  wir  zu  der  eigentlichen  Philologie,  bei  deren  Betrachtung 
der  Vf.  sich  ziemlich  kurz  fafst,  doch  nicht  ohne  Bemerkungen  zu 
machen,  deren  Wahrheit  sich  uns  nur  gar  zu  sehr  fast  täglich  vor 
Augen  stellt.  Denn  wer  wollte  leugnen,  dafs  sich  die  unmittelbare 
Bedeutung  der  classischen  Philologie  für  das  Leben  und  die  Kunst 
gar  sehr  vermindert  hat,  dafs  sie  sich  nur  zu  sehr  vom  Leben  iso* 
liert  und  in  die  Gelehrtenstuben  zurückgezogen  hat?  Wir  können 
an  dieser  Stelle  uns  nicht  auf  eine  weitere  Betrachtung  dieser  Ver- 
hältnisse, ihren  Grund,  die  Möglichkeit  ihrer  Umgestaltung  u.  s.  w. 
einlafsen;  es  ist  aber  in  der  letzten  Zeit  manches  sehr  beherzigens- 
werthe  Wort  gesprochen  worden ,  und  wir  verweisen  hiebei  auf  die 


488  J.  Schmidt:  Geschickte  d.  deutschen  Nationallitteratar  in  I9li  A. 

anerkannte  Schrift  von  W.  Herbst:  das  classischc  Alterthnm  in  der 
Gegenwart  (Leipzig  1852).  Besondere  Bedeutung  far  die  wifsoD- 
schaftliche  Entwicklung  des  19n  Jh.  hat  die  vergleichende  Sprachfor- 
schung, die  ja  eine  Schöpfung  desselben  ist,  und  die  mit  derselben 
entstandene,  in  ihren  Früchten  sie  noch  überragende  germanische  Phi- 
lologie. Diesen  beiden  Richtungen  widmet  Schmidt  eine  ausführli- 
chere Behandlung,  insbesondere  der  Thäligkeit  W.  v.  Humboldti, 
Bopps,  der  vcrchrungs würdigen  Brüder  Grimm  und  dem  kritischen 
Genius  Lachmanns.  Für  die  im  folgenden  Capilel  vorliegende  Betrach- 
tung der  Entwicklung  der  deutschen  Gcschichtschreibung  werden  na- 
mentlich Ranke  und  Schlosser,  als  die  hervorstechendsten  Gegensitie, 
herangezogen  und  die  trefflichen  Leistungen  des  erstem  ziemlich 
eingehend  gewürdigt,  wie  sie  sich  denn  auch  durch  die  Scharfe  der 
Kritik  und  die  Kunst  der  Darstellung  aus  der  Menge  der  historischen 
Werke  unserer  Zeit  herausheben.  Wir  treten  hierauf  in  einen  Ab- 
schnitt, welcher  über  das  Wesen  der  llegelschen  Philosophie  im  all- 
gemeinen handelt,  welche  der  Vf.  in  Verbindung  mit  der  historischen 
Schule  stellt,  indem  sie  von  denselben  Motiven  ausgegangen  den 
nemlichcn  Läulerungsprocess  darstelle.  Hegel  ist  nach  Schmidt  der 
Abschlufs  unsrer  classischen  Richtung :  in  seinen  Werken  ftndet  sich, 
abgesehen  von  der  Form,  alles  vereinigt,  was  grofses  und  schönes 
in  jener  Periode  gedacht  und  empfunden  ist.  Und  diesen  Reichthum 
an  Anschauungen,  Empfindungen  und  Gedanken  werden  auch  die  Geg- 
ner dem  Philosophen  gcwis  nicht  absprechen  können,  lieber  das  We- 
sen und  den  Einflufs  seines  Systems  werden  auch  unter  den  Lesern 
unseres  Werkes  die  Meinungen  sicher  getheilt  sein:  Schmidt  wird 
manchen  nicht  genug  für,  andern  nicht  genug  gegen  Hegel  sagen. 
Indes  wenn  wir  uns  auch  zu  denjenigen  zählen,  welche  weder  mit 
den  Grundlagen  noch  mit  den  Consequcnzen  der  Hegelianismus  ein- 
verstanden sind,  so  rechnen  wir  uns  auch  nicht  zu  denen,  welche 
zwar  stets  bereit  ihn  zu  verurlheilen,  aber  seinen  Werken  so  fremd 
sind ,  dafs  sie  weder  ihren  Ideenreichthum ,  noch  auch  die  ebenso  wo- 
nig abzuleugnenden  wohlthätigen  Folgen  derselben  für  die  Fortent- 
wicklung der  Wifsenschaft  anerkennen  können.  Da  der  Vf.  sich  hier 
ziemlich  kurz  fafst  und  wir  mit  ihm  später  auf  jene  Einflüfse  zurück- 
kommen werden,  sehen  wir  uns  nicht  veranlafst,  auf  das  einzelne 
weiter  einzugehen,  weil  wir  zu  weit  ab  führende  Erörterungen  ver- 
meiden möchten.  Im  folgenden  Abschnitt  handelt  der  Vf.  von  dem 
Einflufs  der  Gesellschaft  und  der  Frauen  auf  die  Litteratur:  Fran  von 
Stael,  Rahel,  Bettina  sind  die  besonders  hervortretenden  Namen.  Sehr 
interessant  ist  gleich  der  Anfang  dieses  Abschnittes,  der  den  Katho- 
licismus  und  Protestantismus  in  Bezug  auf  die  Betheiligung  des  Indi- 
viduums einander  gegenüberstellt.  Bereit  zu  solcher  Anerkennung, 
die  sich  überhaupt  schwerlich  irgend  einem  Theil  des  Buches  versa- 
gen läfst,  verschweigen  wir  die  Empfindung  nicht,  die  uns  da  und 
dort  übermannt,  als  sei  manches  gar  zu  fein  zugespitzt;  so  wur- 
den w  ir  von  der  Entwicklung  der  Reaction  der  weiblichen  Seite  des 


i.  Sfthmidt:  Geschichte  d.  deulsclieii  Nationallitteratur  im  19a  Jb.  480 

nenschlichen  Geistes  gegen  die  einseitig  männliche  Bildung  berührt. 
Es  fahrt  das  zu  der  allgemeinen  Bemerkung,  dafs  das  jedenfalls  nolh- 
wendige  Streben ,  das  geistige  Leben  des  Jahrhunderts  zu  durchdrin- 
gen, auf  die  einzelnen  Strömungen,  aus  denen  es  zusammenflofs ,  zu* 
rückzufahren ,  ein  Bestreben  für  welches  unser  Vf.  in  Schärfe  des 
Blickes  und  Urtheils  und  Reichthum  an  Kenntnissen  besondere  Befä- 
higung mitbringt,  doch  auch  mit  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  hat,  die 
sich  hie  ond  da  bis  zur  Unbesiegbarkeit  steigern.  Denn  der  chemische 
Anflösnngsprocess,  schon  bei  körperlichen  Zusammensetzungen  oft 
schwierig,  erschwert  sich,  wenn  das  geistige  Leben  Object  der  Ana- 
lyse wird.  Die  Auflösung  gelingt  nur  scheinbar,  und  die  Darstellung 
wird  mehr  anziehend  als  überzeugend:  es  ist  nichts  gegen  die  ein- 
zelnen aufgefundenen  Bestandtheile  zu  sagen,  und  auch  ihr  Zusam- 
menhang und  ihre  gegenseitige  Beziehung  nicht  in  Abrede  zu  stellen, 
und  doch  ist  das  Ganze  der  künstlichen  Reproduction  nicht  mehr  das, 
was  es  vor  der  Analyse  war.  Das  ist  ein  Uebelstand ,  der  an  jeder 
historischen  Darstellung  mehr  oder  minder  haften  wird  und  der  mit 
der  Schwierigkeit  des  darzustellenden  wächst:  ein  Werk,  das  wie  das 
ansrige  das  gesammte  Geistesleben  einer  Nation  während  eines  Jahr- 
hnnderts  zum  Gegenstande  hat,  wird  nicht  in  allen  Stücken  über  ihn 
hinwegkommen  können,  und  deshalb  auch  unsere  Bemerkung  nicht 
sam  Vorwurf  werden.  Was  nun  den  Inhalt  des  vorliegenden  Capitcls 
betrifft,  so  ist  besonders  das  über  Bettina  gesagte  höchst  geistvoll 
und  anziehend  und  erfreut  auch  durch  des  Vf.  ernste  Beurtheilungs- 
weise,  die  wir  schon  früher  hervorgehoben  haben.  Standen  die  ge- 
nannten Frauen  in  unverkennbarer  Beziehung  zur  Romantik,  so  ist 
dies  nicht  minder  bei  dem  Nordsternbunde  der  Fall  (Cap.  13),  der  sich 
1803  in  Berlin  bildete  und  der  die  Verbreitung  der  romantischen 
Ideen  im  Volke  beabsichtigte ;  ja  es  werden  einige  der  hieher  gehö- 
renden Dichter  in  der  Regel  gleich  den  Romantikern  beigezählt,  be- 
sonders Fouqu^ ,  der  wohl  auch  die  engste  Beziehung  zu  der  Roman-^ 
tik  hatte.  Während  Chamisso  ziemlich  kurz  behandelt  wird,  erfahren 
Fonqu^  und  Oehlenschläger,  welcher  in  weniger  enger  Beziehung 
zum  Bunde  stand,  ausführlichere  Besprechung;  je  mehr  Oehlenschlä- 
ger zu  den  vergefsencn  unserer  Tage  gehört,  um  so  mehr  erfreut  die 
warme  und  doch  nicht  gegen  Mängel  blinde  Würdigung  von  Seiten 
anseres  Litterarhistorikers.  An  diese  Dichter  schliefst  sich  der  zwar 
auch  jetzt  ferner  gestellte,  aber  doch  nicht  ganz  aus  dem  Gesichts- 
kreise geschwundene  Hoffmann,  auch  wohl  Teufels-HofTmann  genannt. 
Auch  diese  seltsame,  talentvolle  und  krankhafte  Erscheinung  wird 
grfindlich  besprochen,  wie  sich  denn  überhaupt  Schmidt  mit  vollem 
Recht  ausführlich  besonders  Richtungen  und  Persönlichkeiten  zuwen- 
det, welche  mittelbar  oder  unmittelbar  einen  schädlichen  Einflufs 
fibten,  worauf  wir  später  zurückkommen  werden.  Von  Hoffmann  ma- 
chen wir  in  unserm  Werke  einen  nach  unserer  Ansicht  nicht  genü- 
gend vermittelten  Sprung  zu  den  Schwaben,  zunächst  zu  Uhland,  wo 
wir  wieder  auf  höchst  anziehende  Betrachtungen ,  verbunden  mit  Sei- 

iV.  Jahr.  f.  PftH.  ».  Paed.  Ud.  LXX.  fiß.  4  u.  5.  32 


490  J.  Schmidt:  Geschichte  d.  deutschen  Nalionallilteralnr  im  19n  Jh. 

tenblicken  auf  musikalische  und  malerische  Composilion,  stofsen;  da- 
bei stellen  wir  nicht  in  Abrede,  dars  wir  nicht  in  allen  Stücken  mit 
dem  Vf.  hinsichtlich  der  Uhlandschen  Gedichte  einverstanden  sind. 
Nach  flüchtigerer  Erwähnung  der  Nachahmer  Uhlands,  die  allerdings 
weit  hinter  ihm  zurückstehen,  kommen  wir  ku  KichendorlT,  dem  letz- 
ten der  Romantiker,  wie  man  ihn,  nur  zum  Theil  mit  Recht,  genannt 
hat,  die  er  aber  an  unmittelbarer  poetischer  Stimmung  bei  weitem 
übertrifft.  Wir  stellen  seine  lyrischen  Gedichte  zu  den  besten  Lei- 
stungen neuerer  Zeit,  sehen  uns  aber  EichcndorlTs  neuern  litterar- 
historischen  Schriften  —  den  hier  angeführten  hat  sich  jüngst  noch 
eine  dritte,  das  Drama  betreffende  hinzugeselU  —  gegenüber  in  ent- 
schiedenem Gegensatze,  namentlich  was  die  AngrilTo  gegen  den  Pro- 
testantismus betrifft.  Wir  gelangen  zum  valerlöndischen  Romane:  dem 
historischen  Romane  gestehen  auch  wir  eine  bedingte  Berechtigung 
zu.  Auch  Iheilen  wir  des  Vf.  Verehrung  für  den  grofsen  Erfinder  des- 
selben, für  W.  Scott,  die  er  auch  in  einem  kleinen  Eiuleiliingsschrifl- 
chen  zu  Bozs  Werken  dargelhan  hat.  Es  verlohnte  wahrlich  der  Hübe, 
wenn  man  sich  der  Scottschen  Richtung  wieder  zuwendete  und  von 
den  Tendenzromanen  ablicfse,  die  jetzt  tagtäglich  entstehen.  Unsere 
bisherigen  Leistungen  im  historischen  Roman  sind  im  Vergleich  mit 
dem  englischen  Vorbild  allerdings  gering,  wenn  auch  W.  Alexis, 
Spindler,  Rehfues  einzelnes  verdienstliche  gegeben  haben:  leider  wen- 
det sich  nur  der  Geschmack  unserer  Tage  von  der  Scottschen  Dar- 
stellungsweise zu  sehr  ab  und  flach  verwerfende  Urtheilc  schwimmen 
oben  auf.  Das  letzte  Capitel  des  ersten  Bandes  ist  Auflösung  der 
Romantik'  überschrieben  und  behandelt  Immermnnn,  Platen,  Rückert, 
Schefer,  Mörike.  Wie  die  Romantik  sirh  erst  auflösücnd  gegen  die 
classisehen  Traditionen  verhielt,  ehe  sie  eigne  Principien  entwickelte, 
so  war  es  in  ähnlicher  Weise  mit  der  jungdeutschen  Litteratur.  Nach- 
dem man  unbefangen  seine  eignen  Ideen  gepriesen  und  mit  derselben 
Unbefangenheit  die  fremden  ironisiert  halte,  bildete  sich  ein  Wider- 
streit der  Empflndung,  aus  dem  dann  der  sogenannte  Weltschmerz 
hervorgieng.  Dieser  Zwischenzustand  brachte  eine  Reihe  von  schwan- 
kenden Charakteren  in  die  Litteratur,  die  trotz  der  Trefflichkeit  ihrer 
Bildung  ui:d  ihrer  Intentionen  in  ein  planloses  Experimentieren  ver- 
llelen.  Als  Beispiele  dieser  Richtung  führt  der  Vf.  Immermann  and 
Platen  an,  indem  er  zunächst  bei  dem  ersten  nachweist,  durch  wie 
manigfaltige  Phasen  er  hindurchgegangen  sei,  selbst  bis  über  die 
jungdeutsche  Richtung  hinaus,  ohne  vollendetes  zu  leisten  oder  für 
sich  selbst  Befriedigung  zu  finden.  Die  zweite  Persönlichkeit  der 
genannten,  Platen,  ist  eine  der  eigenthümlichslen  in  unserer  neue- 
ren Litteratur,  eine  von  denen,  welche  die  widersprechendsten  Ur- 
theile  erfahren  haben.  Und  allerdings  ist  des  kranken  mancherlei  bei 
ihm  zu  Anden;  sein  ruheloses  anfseres  Leben  gieng  Hand  in  Hand  mit 
einem  rastlosen  Suchen  fremder  Formen,  mit  einem  steten  Experi- 
mentieren mit  der  Form,  mit  einer  im  Grunde  doch  mit  Mangel  an 
dichterischer  Schopfungskrafl  zusammenhangenden  Polemik,  bei  der 


X  Schonid  :  Geschichte  d.  deutschen  Nationallitleratur  im  19n  Jh.  491 

noch  dazu  der  Kämprer  in  den  Fehler  verfiel,  den  er  bekämpft.    Denn 
gewis   hat  Schmidt  Recht,   wenn  er  das  Wesen  jener  Litteratur  der 
Restaurationszeit  in  der  Trennung  von  Dichtung  und  Leben  sucht,  und 
darauf  ist    man  bei  allen  dichterischen  Aeufserungen  der  Romantik 
immer  wieder  zurückzukommen  genöthigt.    Und  das  ist  sicher  auch 
bei  Platen  der  Fall,  so  volles  Lob  wir  auch  seinen  Intentionen  zu  zol- 
len haben.    Doch  hätten  wir  gern  im  vorliegenden  Werke  eine  wär- 
mere Würdigung  der  Verdienste  Platens  um  das  formale  gelesen,  und 
manche  seiner  Gedichte  und  Dichtungen  haben  doch  auch  einen  über 
das   formale    hinausreichenden  Werth.     Neben  dieser  Neigung  zum 
Experimentieren  findet  der  Vf.  in  jenem  Wendepunkt  der  Litteratur 
noch  die  Neigung  zu  einer  stillen  Grübelei ,  die  aber  im  Gegensatz  zu 
der  Speculation  der  Romantik  sich  auf  das  materielle  wendete.    *  Man 
träumte  sich '  sagt  er  S.  436  ^  eine  pantheistische  Naturreligion  zu- 
sammen,  die  nicht  wie  die  romantische  Kunstreligion  den  aestheli- 
schen  Bedürfnissen,  sondern  dem  exacten  Wifsen  Recht  geben  sollte.' 
Für  diese  Richtung  treten  uns  bei  Schmidt  Rückert,  L.  Schefor  und 
E.  Mörike  entgegen.    Die  formale  Seite  wiegt  allerdings  in  Rückert 
vor,  und  je  mehr  er  sich  in  die  Nachahmungen  orientalischer  Poesie 
verloren  hat,  um  so  mehr  hat  auch  das  formale  das  Uebergewicht 
erlangt:    doch   möchten    wir    darein    nicht  ganz  einstimmen,    dafs 
auch  in  den  übrigen  Gedichten   der  sinnliche  Klang  dem  Dichter  auf- 
gegangen sei,  ehe  sich  Gedanke  und  Empfindung  allmählich  in  die- 
selben einfügten.    Ausführlicher   wird  der  träumende  Pantheist,  der 
Dichter  des  Laienbreviers,  behandelt,  dem  es  trotz  seiner  namentlich 
im  Gebiete  der  Novelle  bedeutenden  Fruchtbarkeit  doch  eigentlich  an 
dichterischer  Schöpfungskraft  mangelt.  Aufser  Stande  dem  Werke  ins 
einzelne  zu  folgen,  machen  wir  auch  bei  diesem  Abschnitte  auf  die 
scharfe  Auseinandersetzung  und  sittliche  Betrachtungsweise  des  Vf. 
aufmerksam.    Nachdem  noch  als  zweiter  Hauptvertreter  des  dichteri- 
schen Pantheismus  Eduard  Mörike,  von  dem  einzelne  trelTliche  Ge- 
dichte bekannter  geworden  sind  als  der  Name  des  Dichters  selbst ,  und 
dessen  Roman  ^ Maler  Nolten'  vorgeführt  worden,  schliefst  der  erste 
Band. 

Indem  wir  nun  auf  den  zweiten  Theil  des  Werks  übergehn,  zwingt 
ans  ein  Blick  auf  die  uns  schon  vorliegenden  Blätter  zu  gröfserer 
Schnelligkeit  in  der  Durchwanderung  des  Buchs,  dessen  so  überaus 
reichem  Inhalte  wir  auch  bisher  nur  sehr  ungenügend  begegnen  konn- 
ten. Indes  wird,  je  näher  die  im  2n  Bande  besprochenen  Persönlich- 
keiten unserer  Zeit  stehen,  es  auch  um  so  leichter  werden,  uns  zu 
concentrieren,  da  bei  ihnen  noch  mehr  die  Nutzbarkeit  des  Werkes  in 
unmittelbarem  Sinne  für  den  Unterricht  zurücktritt.  Wir  be- 
schränken uns  deshalb  auf  einige  besonders  anziehende  Erörterungen, 
Dichtungsgattungen  und  Persönlichkeiten,  nachdem  wir  zuvor  den 
Inhalt  des  Bandes  nach  seinen  Capiteln  für  diejenigen  angeführt,  wel- 
ehe  sich  noch  nicht  mit  dem  Werke  vertraut  gemacht  haben.  Es  han- 
delt nemlich  das  erste  Cap.  von  der  Litteratur  der  Revolution ,  das  2e 

32* 


482  J.  Schmidl:  Geschieht«  d.  deutschen  NationalUtleratur  im  19ii  Jfi, 

von  dem  jangen  Deutschland;  im  3n  werden  die  lyrischen,  im  4n  nnd 
&n  die  dramatischen,  im  6n  und  7n  die  novellistischen  Versuche  be- 
sprochen ,  das  8e  Cap.  betrachtet  die  litterarischen  Tendenzen  in  der 
deutschen  Musik  und  bildenden  Kunst,  das  9e  und  lOo  den  theologi- 
schen und  politischen  Radicaiismus,  das  lle  entwickelt  in  der  Sehlufs- 
betrachtung  die  Neigungen  zum  Materialismus  und  zur  Naturwifscn- 
schafl.  Schon  dieses  kurze  Inhaltsverzeichnis  spricht  deutlich  für  den 
Reichthum  an  interessanten  Betrachtungen,  und  haben  wir  schon  aus 
dem  In  Bande  die  vielseitige  Kenntnis  der  litterarischen  Erscheinun- 
gen und  Erzeugnisse  zu  bewundern  Gelegenheit  gehabt,  so  steigert 
sich  dieses  Gefühl  nur  noch,  wenn  wir  den  Vf.  in  diesem  2n  Bande 
auch  das  Gebiet  der  Musik  und  der  bildenden  Kunst  gründlich  und 
sachkundig  besprechen  sehen ,  ein  Urthcil  zu  dem  uns  Aeufsernngen 
aus  hier  competeutem  Munde  berechtigen,  da  wir  die  Vielseitigkeit 
des  Vf.  nicht  für  uns  in  Anspruch  nehmen  können. 

Betrachten  wir  den  Eingang  des  2n  Bandes,  so  finden  wir  zu- 
nächst eine  Entwicklung  des  Uebergangs  zur  jungdeutschen  Lilt^ralar, 
wie  er  schon  am  Schlufs  des  In  in  der  Auflösung  der  Romantik  sich 
vorbereitete.  An  die  Stelle  des  den  bisherigen  litterarischen  Erschei- 
nungen gemeinsamen  Hintergrundes  der  Freiheitskriege  treten  die 
von  Zeit  zu  Zeit  Europa  erschütternden  Revolutionen ;  mit  dem  Zwie- 
spalt der  öfTcntlichen  Meinung  kommt  auch  in  die  Litteratur  und  Kunst 
ein  Geist  unruhiger  Bewegung.  Die  Rcaction  gegen  die  von  der  Ro- 
mantik ausgegangene  Kunst  der  Restaurationszeit  leitet  der  Vf.  aas 
der  Inhaltlosigkeit,  Principlosigkeit  und  Formlosigkeit  dieser  Kunst 
ab.  Ihre  Mängel  riefen  die  neue  Litteraturpcriodc  hervor ,  die  der  Ge- 
gensatz der  sie  hervorbringenden  wurde.  Diese  charakteristischen  Ge- 
gensätze der  romantischen  und  jnngdeutschen  Litteratur  entwickelt  der 
Vf.  dahin,  dafs  jene  von  einer  wesentlich  nationalen,  diese  von  einer 
weltbürgerlichen  Richtung  getragen  war,  dafs  ferne  jene  sich  auf 
die  historischen,  diese  auf  die  Naturwifsenschaften  wendete,  dafs 
endlich  die  romantische  Kunst  in  ihrem  Grundcharakter  optimistisch 
war,  die  moderne  Kunst  pessimistisch  ist.  Nach  diesen  geistvolleD 
Erörterungen  gebt  der  Vf.  auf  die  neufranzösische  Romantik  über,  die 
mit  ihrer  Verkehrung  aller  sittlichen  Begriffe  so  unendlich  viel  Scha- 
den angerichtet  hat  und  leider  noch  immer  anrichtet.  Daran  schliefst 
sich  die  Vorführung  einer  grofson  Erscheinung,  in  der,  um  des  Vf. 
Ausdruck  wiederzugeben,  sich  das  gesammte  Zeitalter  prophetiach 
znsammenfafst,  Byrons.  Von  diesem  poetisch  hochbegabten,  genialen 
Frevler  gehen  wir  zu  dem  über,  der,  zwar  weit  hinter  der  Bedeutung 
des  Vorgängers  zurückstehend ,  doch  ihm  am  nächsten  gekommen  ist, 
zu  Heinrich  Heine,  der  noch  in  den  jüngst  vergangenen  Tagen  wieder 
von  sich  reden  machte,  und  zu  dem  zwar  ihm  feindselig  entgegentre- 
tenden und  feindseliger  noch  von  ihm  behandelten,  aber  in  Natur, 
Richtung  und  Wirkung  verwandten  Ludwig  Börne.  Beide  werden 
scharf  und  streng  beurtheilt,  und  besonders  bei  Börne  wird  dt^anf 
hingewiesen,  dafs  seine  Stellung  in   unserer  Litteratur  über  seinen 


J.  Schmidt:  Geschichte  d.  deutschen  Nationallittcratur  im  19n  Jh.  493 

wirklichen  Werth  hinausgehe;  bei  Heine  fehlt  es  neben  der  Verdamm* 
nis  seiner  frivolen  destructiven  Richtung  nicht  an  Anerkennung  des 
glänzenden  Talents,  das  ihm  bei  anderem  Sinn  und  befserem  Glauben 
eine  hohe  Stellung  unter  den  Dichtern  Deutschlands  gesichert  haben 
würde.  Diese  beiden  Dichter  betrachtet  der  Vf.  als  die  Vorboten  der 
neuen  Bewegung;  diese,  nach  seiner  Meinung  in  ihrem  Auftreten  be- 
rechtigt, brachte  zugleich  den  Socialismus  in  die  Bewegung  hinein, 
der  sich  nun  der  Litteratur  bemächtigte  und  insbesondere  auf  die  deut- 
sche Litteratnr  einwirkte.  Gegen  diese  in  der  Litteratur  des  jungen 
Deutschlands  auftretende  Richtung  wandte  sich  der  Kampf  der  Ge- 
genpartei nach  Wolfgang  Menzels  bekanntem  Angriffe,  und  der  Bun- 
destag selbst  gab  eine  jene  Richtung  verwerfende  Erklärung.  Nach 
einer  flüchtigeren  Besprechung  von  Nundt  und  Laube  wendet  sich  der 
Vf.  zu  K.  Gutzkow,  über  den  volle  80  Seiten  handeln.  Wir  haben 
schon  früher  bemerkt,  dafs  in  dem  2n  Bande  einige  Persönlichkeiten 
in  zu  ausführlicher  Weise  heraustreten,  und  wir  bergen  nicht,  dafs 
wir  hinwiederum  bei  andern  ein  eingehendes,  bei  einigen  sogar  ein 
erwähnendes  Wort  vermifsen ,  worüber  uns  des  Vf.  mehrfach  gege- 
bene Erklärung,  dafs  er  Vollständigkeit  nicht  beabsichtige,  denn  doch 
nicht  beruhigt.  Was  nun  die  Kritik  der  letztgenannten  Erscheinung 
angeht,  so  ist  sie  eine  der  glänzendsten  und  schärfsten  Analysen  des 
Werkes.  Wenn  Schmidt  in  Gutzkow  ein  Totalbild  von  den  Verwir- 
rungen der  Zeit  geben  will,  wenn  er  in  ihm  den  schädlichsten  Schrift- 
steller erblickt,  so  berechtigt  freilich  Absicht  und  Ueberzeugung  zu 
einer  besonders  eingehenden  Behandlung.  In  vielen  Beziehungen  wer- 
den auch  die  Leser  mit  dem  Vf.  übereinstimmen,  wenn  sie  vielleicht 
auch  nicht  ganz  das  Verdammungsurtheil  z.  B.  seiner  dramatischen 
Werke  unterschreiben ;  aber  in  der  einen  Beziehung  wird  man  wohl 
uns  beitreten  müfsen,  dafs  diese  Partie  des  Werkes,  durch  und  durch 
verdienstlich  in  dem  Grunde  von  dem  sie  ausgeht,  doch  nicht  frei  ist 
von  persönlicher  Gereiztheit,  welche  im  Verlauf  des  Streites  hinzu- 
kam. Nach  dem  vorhergegangenen  Streite  zwischen  Gutzkow  und 
dem  Redacteur  der  ^  Grenzboten'  möchte  man  diese  jedenfalls  sieg- 
reiche Kritik  als  den  Schlufsstcin  einer  Reihe  vorhergegangener  An- 
griffe betrachten.  Uebrigens  sind  wir  der  Ansicht,  dafs  Gntzkow  sich 
schon  geraume  Zeit  in  der  Production  und  auch  in  seiner  Geltung  ab- 
wärts bewegt,  und  eben  in  diesem  Sinne  hätten  wir  uns  mit  einer  ge< 
drängtern  Besprechung  gern  begnügt.  Von  da  geht  der  Vf.  auf  die 
neuere  Zeit  über,  wobei  A.  Grün,  N.  Lenau,  Beck,  Ullrich,  Sallel, 
Gotischali,  Herwegh,  Freiligrath,  Reinick,  Kopisch,  Redwitz,  Dau- 
mer zur  Besprechung  kommen.  Wir  können  hier  nicht  wohl  auf  das 
einzelne  eingehen ,  verweisen  besonders  auf  die  gerechte  Würdigung 
von  Redwitz,  der  aus  seinem  kurzen  Glänze  schon  wieder  in  das  Dun- 
kel der  Vergefsenheit  zurücktritt,  seitdem  sich  seine  Unfähigkeit  in 
der  Sieglinde  so  deutlich  herausgestellt,  und  möchten  für  eine  ja  wohl 
bald  zu  erwartende  zweite  Auflage  sowohl  um  eine  nicht  zu  knappe 
Behandlung  Geibels,  der  schon  um  seiner  aufserordenllichen  Verbrei- 


494   J.  Schmidl:  Geschichte  d.  deulscheti  Nalionalliltcratur  im  19n  Jh. 

tung  willen  ein  Wort  verdient,  als  um  die  Berücksichtigung  jüngerer 
Talente  (Roquette,  Lingg  u.  s.  \v.)  bitten.  Hierauf  folgt  die  Betrach- 
tung der  neuern  dramatischen  Litteratur ,  und  wenn  wir  den  Vf.  in  die 
lebhaftesten  Klagen  über  den  Verfall  des  Dramas  und  des  Theaters 
ausbrechen  hören,  werden  wir  wohl  nur  einstimmen  können.  Denn  in 
der  That  liegt  unsere  dramatische  Poesie  arg  danieder:  ihr  ist  weder 
aus  den  Zeiten  der  Romantik,  noch  aus  den  Einflüfscn  der  jungdeul- 
schen  Poesie  ein  nachhaltiger  Vorlheil  erwachsen,  und  wollen  wir 
unsern  Blick  auf  die  Theaterzustände  ausdehnen ,  so  finden  wir  da  den 
gröbsten  Realismus,  der  das  Tlieater  in  seinem  innersten  Wesen  be- 
droht und  zugleich  sich  feindselig  gegen  die  dramatische  Poesie  wen> 
det.  In  dem  ersten  der  beiden  Capitel,  welche  bei  Schmidt  der  dra- 
matischen Dichtung  gewidmet  sind,  werden  wir  an  einer  nicht  unbe- 
deutenden Reihe  von  Persönlichkeiten^  wie  Grabbe,  Büchner,  Mosen, 
Halm,  Mosenthal,  Elise  Schmidt,  0.  Ludwig  vorbeigeführt;  dafs  des 
letztern  bedeutendes  Talent  auch  bei  Schmidt  warme  Anerkennung 
findet,  gereicht  uns  zu  nicht  geringer  Freude.  Neben  diesen  selbstän- 
digen Erscheinungen,  bei  denen  doch  noch  von  dramatischer  Poesie 
die  Rede  sein  kann,  und  zu  denen  noch  der  in  dem  nächsten  Cupitel 
ausführlich  behandeile  talentrciche,  aber  sich  immer  (iofer  in  lrv\cgo 
verstrickende  Hebbel  zu  rechnen  ist,  hüben  wir  eigentlich  heut  zu 
Tage  noch  einer  theatralischen  Litteratur  zu  gedenken,  wie  wir 
denn  überhaupt  eine  solche  Trennung  in  theatralische  und  dramatische 
Schriftsteller  jelzt  leider  für  möglich  halten,  wenn  man  nicht  den  kür- 
zern Weg  gehen  will  und  die  ersten  gleich  aus  der  Reihe  der  Schrift- 
steller herausstreicht.  Auch  diesen  Fabrikarbeitern,  welche  die  Bühne 
beherschen  und  von  den  meisten,  selbst  den  gröfsten  Bühnen  gar  zu- 
vorkommend behandelt  werden,  wirft  Schniiilt  einen  Seitenblick  zu: 
wir  können  sie  hier  nicht  nennen  und  beschränken  uns  darauf,  unser 
Bedauern  über  den  Verfall  der  Dichtung  wie  der  Buhne,  gegen  den 
nicht  einmal  ernstlich  angestrebt  wird,  zu  wiederholen.  Die  folgenden 
Abschnitte  sind  den  novellislischen  Versuchen  gewidmet,  die  sich  in 
Fluten,  freilich  meist  sehr  mittelmäfsigen  Inhalts,  über  die  Litteratur 
ergofsen  haben.  Der  Vf.  beginnt  mit  dem  Hinblick  auf  die  gerade  hier 
besonders  hervortretende  Slärke  der  fremden  EinHüfse  und  macht  auf 
das  darin  liegende  Misverhältnis  aufmerksam:  als  besonders  einwir- 
kende Persönlichkeiten  werden  Bulwer,  George  Sand  und  Eugen  Sue 
bezeichnet.  Von  deutschen  Schriüstellern  wird  die  criminalislischo 
Belletristik,  wenn  wir  uns  so  ausdrücken  dürfen,  der  Hitzig  und  Hü- 
ring  und  ausführlicher  noch  die  Gräfin  Hahn-Hahn  behandelt,  bei 
deren  Besprechnnij  wir  zugleich  auf  geistvolle  Erörterungen  iiber  re- 
ligiöse Confessionen  und  Apostasien  stofsen.  Im  folgenden  behandelt 
der  Vf.  die  auf  diesem  Gebiete  entstandene  Keaclion,  die  sich  aus  die- 
ser Zerfahrenheit  und  Zerflofsenheil  wie<ler  zu  einer  wirklichen  Freude 
an  den  Gegenständen  zu  erheben  suchte.  Wir  begegnen  hier  Sheals- 
field,  Haekländer,  dann  Andersen,  der  uns  zu  gut  wegzukommen 
scheint,  StilTier,  Auerbach  und  dem  leider  jünjLjsl  verstorbenen  Jere- 


J.  Schmidt:  Geschichte  d.  deutschen  Nationallilterulur  im  19n  Jh.  495 

mias  Gotlhelf  (Bilzius).  Bei  dem  folgenden  Cap.  wird  jeden  die  Ver- 
trautheit des  Vf.  mit  der  Musik  und  iMalerei  mit  grüfster  Anerkennung 
«rfüllen:  denn  mag  auch  Schmidt  vermöge  seiuer  Stellung  zu  einer 
der  besten  Zeitschriften  über  ein  reiches  Material  verfügt  haben,  so 
geht  doch  aus  dem  vorliegenden  Abschnitte  dcnilich  genug  hervor, 
dafs  es  sich  nicht  um  angeeignete ,  sondern  um  eigne  Anschauungen 
handelt,  und  dafs  wir  es  mit  einem  gründlichen  Verständnis  und  nicht 
mit  einem  oberflächlichen  Dilettantismus  zu  thun  haben;  wir  rechnen 
diesen  Abschnitt  zu  den  interessantesten  des  ganzen  Werkes.  Das  9e 
und  lOe  Cap.  führt  uns  hierauf  in  die  Gebiete  des  theologischen  und 
politischen  Radicalismus;  hier  kommt  der  Vf.  noch  einmal  auf  Hegel 
zurück,  die  Ginwirkungen  seiner  Philosophie  auf  Religion  und  Politik 
beleuchtend,  und  geht  dann  auf  Straufs,  Fenerbach,  Rüge,  Bauer, 
Daumer  u.  a.  über.  Der  Vf.  schliefst  sein  Werk  mit  der  Bemerkung, 
dafs  der  Gesammleindruck  der  Bilder  zwar  nicht  erfreulich  sei,  dafs 
er  aber  doch  die  gegenwärtigen  Zustände  höher  als  die  von  1790  oder 
1817  stelle,  indem  sich  ein  Fortschritt  im  Volke  kund  gethan  habe. 
Die  Poesie  sei  von  einer  Krankheit  in  die  andere  gefallen,  die  Wifsen- 
Schaft  mit  Riesenschritten  vorwärts  gedrungen,  aber  die  historischen 
Wifsenschaflen  haben  sich  von  dem  Leben  losgelöst  und  seien  in  die 
Studierstubcu  gewichen,  die  Nalurwifsenscliaft  sei  es,  der  sich  dio 
Zeit  zuneige.  Und  so  steht  denn  an  der  Schwelle  des  Werkes ,  von 
dem  wir  nun  scheiden,  hier  die  grofse  verehrungswürdige  Figur 
Alexanders  von  Humboldt. 

Blicken  wir  nun  noch  kurz  auf  das  ganze  zurück,  so  müfscn  wir 
mit  dem  Ausdruck  der  höchsten  Anerkennung  schlicfsen.  Dazu  zwingt 
uns  die  in  dem  Werke  sich  kundgebende  Vielseitigkeit  des  Wifsens, 
Gründlichkeit  der  Kenntnisse,  Schärfe  des  Urtheils  und  der  sittliche 
Ernst,  der  diesem  Urtbeile  zu  Grunde  liegt.  Freilich  verhehlen  wir 
uns  nicht,  dafs  diese  Kritik  der  Litteratur  des  19n  Jh.  nur  eine  Vor- 
arbeit zu  einer  Geschichte  derselben  uns  zu  sein  scheint,  aber  es 
möchte  kaum  ein  zweiter  für  eine  solche  in  der  Weise  des  Vf.  be- 
fähigt sein.  Wir  waren  aufser  Stande  in  den  vorliegenden  Blättern 
auf  eine  speciclle  Betrachtung  einzelner  Punkte  einzugehn,  wir  wollten 
vorzüglich  diejenigen,  welche  diesem  Werke  fremd  geblieben  sind, 
auf  eine  Betrachtung  desselben  durch  eine  Erörterung  seines  Inhaltes 
aufmerksam  machen.  Und  kein  Lehrer  der  deutschen  Litteralurge- 
schichtc,  ja  kein  Freund  derselben  wird  es,  wenn  er  auch  nicht  über- 
all derselben  Ansicht  sein,  wenn  er  selbst  in  andern  Voraussetzungen  an 
das  Werk  gehen  mag,  wie  wir  das  z.  B.  von  uns  seihst  nicht  in  Abrede 
stellen ,  ohne  reiche  Ernte  aus  der  Hand  legen.  Und  indem  es  Er- 
scheinungen, mit  denen  wir  auch  in  der  Schule  verkehren,  scharf  be- 
leuchtet, Beziehungen  und  Zusammenhänge  erörtert,  die  auf  Littera- 
turrichlungen  und  Persönlichkeiten  helleres  Licht  werfen,  wird  es  auch 
dem  Lehrer  der  deutschen  Sprache  und  Litteratur,  wenn  derselbe  auch 
in  seinem  eigentlichen  litterarhistorischen  Unterrichte  mit  der  classi- 
schen  Periode  schliefst,  nicht  ohne  Nutzen  sein;  denn  jener  Abschlufs 


496  J.  Schmidt:  Geschichte  d.  dcuUchen  Nationallittoratur  im  19n  Jh. 

wird  immerhin  einzelne  Bemerkungen  und  Andeutungen  namentlich 
über  einige  hervorragende  Persönlichkeiten  nicht  ausschiiefsen  kön- 
nen. Wir  schliefsen  mit  dem  Wunsche^  der  um  die  neuste  Lilleratar 
durch  seine  Kritik  hochverdiente  Vf.  möge  in  der  zweiten  Auflage  sich 
eine  Ausdehnung  seiner  Betrachtungen,  namentlich  auf  dem  eigent- 
lich poetischen  Gebiete,  durch  Aufnahme  einzelner  PersönliclikeilcSy 
angelegen  sein  lafsen. 

Dresden.  F,  P. 


Kürzere  Anzeigen. 


Zur  Litteratur  des  Demosthenes. 

Erster  Artikel. 

Schriften  über  Demosthenes  und  Ausgaben  seiner  Reden,  zumal  der 
philippischen,  sind  in  den  letzten  Jahren  schnell  aufeinander  gefolgt; 
vielleicht  auch  darum,  weil  die  politische  Bewegung  in  unserer  Zeit 
überhaupt  das  Verständnis  der  classischen  Redner  und  GeschichtAchrei- 
ber  nach  der  politischen  Seite  hin  erst  eröffnet  und  insbesondere  das 
Interesse  für  Dem.  gehoben  hat.  Jetzt  mag  ihn  mancher  lieben  und 
verstehen ,  dem  der  Schmerz  um  das  eigene  Vaterland  durch  die  Seele 
gegangen  ist.  Aber  musten  wir«  erleben,  dafs  im  grofsen  das  Ziel 
verfehlt  ist,  weil  neue  Bahnen  ohne  klare  Einsicht  eingeschlagen  Mnd, 
so  mögen  wir  Schulmänner  ohne  Bitterkeit  Irwege  ansehen,  welche  auch 
auf  unserem  kleinen  Gebiet  zu  dem  geahnten  Schatz  nicht  gefuhrt,  das 
Verständnis  des  Redners  nicht  gefördert  haben.  Solchen  Weg  schlagt 
eine  im  Frühjahr  1849,  in  einer  Zeit  voll  politischer  Aufregung  er- 
schienene Schrift  ein:  das  Programm  von  Bautzen: 

1)  Duscrtatio  a  C.  P.  Jaehne,  Gymnasii  Suhr.,  conseripta,  qua 
dcmonsiratur ,  quanium  adolcacenics  nostratcs  litterarum  ttü- 
diosi  lectionc  Demoathcnis  iuvcntur  in  rebus  ciuUibus  rede  ep- 
gnoscendii. 
Die  Geschichte  Griechenlands  und  sein  Untergang  liegen  abge- 
schlofsen  vor  uns;  die  Geschichte  Deutschlands  in  ihrem  bisherigen 
Verlauf  bietet  nur  zu  viele  Parallelen :  wer  fürchtet  nicht  bange  ein  ähn- 
liches Ende  V  Die  Mittel,  welche  der  Vf.  sieht,  dem  zu  wehren,  sollen 
die  Junglinge  ans  Dero.  Reden  lernen.  Es  werden  summarisch  Philipps 
Thaten,  Charakter,  die  Vortheile  seiner  Stellung  —  alles  durch  An- 
einanderreihung von  Stellen  aus  dem  Redner  geschildert ;  ebenso  die 
Verderbnis  der  Führer  in  Athen  und  des  Volkes  Leichtsinn;  sodann 
wird  beklagt,  wie  das  Kriegswesen  daselbst  verfallen,  das  Klottenwe- 
sen  nicht  geregelt,  das  Geldwesen  zerrüttet  sei.  Daraus  nun  sollen 
die  Jünglinge  lernen,  Deutschlund  vor  Russen  und  Franzosen  zu  wah- 
ren, die  Beredsamkeit  nicht  als  die  beste  Führerin  im  gutgeordneten 
Staat  anzusehen;  ferner  dafs  wir  ein  Heer  haben  müfsen,  dem  Feinde 
furchtbar  und  im  Frieden  so  gut  wie  im  Kriege  gerüstet;  sie  werden 
auch  die  Nothwendigkeit  einer  deutschen  Flotte  liegreifen  und  einsehen, 
wie  viel  Unglück  aus  der  Begierde  nach  Reichthum  zu  entstehen  pflegt. 
Und  der  künftige  Diplomat,  kann  er  nicht  alle  Pflichten  eines  gnteii 
Gesandten  hier  lernen?  und  die  befsercn  Köpfe  unter  der  Jugend  wer- 


C.  P.  Jaehne :  de  lectione  Demosthenis.  497 

den  iiu  klare  kommen,  welche  Staatsform  die  beste  ist:  für  Dentsch- 
land  das  erbliche  Kaiserthom  (S.  95).  Des  Vf.  ganz  gewis  loblicher 
Wille  nnd  die  Samroe  seiner  Gedanken,  aber  auch  der  ganze  Mangel 
dieser  Schrift  an  logischer  Beweisfahrung  spricht  sich  in  dem  Schlufs- 
satz  ans  (S.  26):  'Nam  si  verum  est,  quod  Isocrates  ait,  reipublicae 
formam  mentem  qnasi  esse  civitatis,  abundabnnt  (adolescentes)  intel- 
Jigentia  propter  magnam  et  oratoris  auctoritatem  et  Atheniensinm ,  quo- 
mm  ille  eos  scientia  augebit,  hi  exempiis.'  Die  Jünglinge  werden, 
sagt  der  Vf.,  die  constitutionelle  Monarchie  über  alles  schätzen  lernen. 
—  Es  wird  doch  bisweilen  dem  Vf.  bange,  als  mochte  diese  Anleitung 
der  Jugend  hie  nnd  da  misverstanden  werden.  Er  halte  die  Jugend, 
sagt  er,  keineswegs  berufen,  das  Staatsruder  zu  ergreifen,  aber  das 
Schiff  selber  in  all  seinen  Theilen  und  Zwecken  sollten  sie  kennen 
lernen,  um  als  Männer  durch  Kunde  und  Erfahrung  im  Seewesen  aus- 
gezeichnetes zu  leisten.  Aber  wäre  das  Gleichnis  treffend,  so  muste 
man  auf  der  Schule  die  einzelnen  Bänder  und  Räder  besprechen,  welche 
die  Verwaltungsmaschine  des  Staates  zusammenhalten  und  in  Bewegung 
setzen :  dem  künftigen  Staatslenker  zu  ebensoviel  Nutzen,  wie  der  Schiffs- 
capitain  von  den  Kähnen  aus  Borke  haben  wird ,  welche  er  sich  als 
Kind  auf  dem  Lande  gemacht  hat.  Der  künftige  Matrose  soll  gesunde 
Sinne  und  geschmeidige  Glieder  mitnehmen,  wie  der  knnftige  Staats- 
barger festen  Charakter  und  kräftiges  Urtheil,  damit  er  einst  erkennen 
lerne:  erst  die  Verhältnisse  des  wirklichen  Lebens,  wie  sie  sind,  dann 
vielleicht  mit  Einsicht  nnd  mit  reinem  nnd  festem  Sinn  auf  eine  Befse- 
rnng  denke.  Wie  sittliche  Fehler  auch  politische  Fehler  sind  und 
ganze  Staaten  ins  Verderben  fuhren,  hat  nie  ein  Redner  nachdrucklicher 
und  erschütternder  als  Dem.  ausgesprochen :  lehren  wir  den  Schüler  die 

fewaltige  Macht  dieser  Worte  verstehen;  ihren  Sinn  für  das  wirkliche 
■eben  fafst  er  schon  selber  zu  seiner  Zeit,  den  nachhaltigen  Eindruck 
können  sie  nie  verfehlen,  wo  des  Lehrers  Herz  warm  für  sein  Vater- 
land schlägt.  Doch  auch  geschichtliche  Parallelen  will  ich  nicht  ver- 
werfen, wo  sie  aus  abgeschlofsenen  klar  vorliegenden  Zeiten  genommen 
sind;  aber  mit  aller  Kraft  spreche  ich  mich  dagegen  aus,  der  unfer- 
tigen Jugend  die  unfertige  Gegenwart  als  Gegenbild  jener  Ereignisse 
vorzuhalten,  weil  dies,  ebenso  wie  der  Redner  selber  die  Geschichte 
nur  tendenzweise  braucht,  niemals  anders  als  in  Zwecken  der  Parteien 
geschehen  kann.  Wir  dürfen  überhaupt  —  wenn  anders  der  Mann  noch 
Freude  an  den  Classikern  behalten  soll  —  nicht  alles  in  den  Alten  für 
die  Jugend  erklären ;  ihrem  Gesammtinhalt  nach  sind  sie  —  und  haben 
selber  sich  niemals  andere  Leser  gedacht  —  Lectnre  für  Männer.  Nie- 
bahr that  recht,  wenn  er  in  den  Zeiten  napoleonischer  Unterdrückung 
die  le  Philippica  von  Dem.  für  Deutschlands  Männer  übersetzte,  und 
der  grofse  Friedrich  verstand  des  Redners  Lehren  anzuwenden*);  — 
die  Jugend  braucht  andere  Führung. 

2)  Demosihenes  als  Staatsmann  und  Redner  von  Dr.  Soltly 
k.  Prof.  an  d.  Univ.  zu  München.  Wien  1852.  ♦♦) 
Ich  setze  das  Vorwort  her,  und  darf  über  das  Buch  selber  am  so 
kürzer  sein.  '  In  den  fieberhaften  politischen  Zerwürfnissen  der  Gegen 
wart,  da  so  viele  das  gemeinsame  Heil  nur  in  dem  gänzlichen  Üm- 
atnrze  des  bestehenden  und  von  der  Gründung  einer  Republik  erwar- 
teten, da  beinahe  jeder  Tag  einen  andern  Staatsmann  werden  und  ver* 
gehen  sah;  in  dieser  Zeit  einen  gefeierten  Staatsmann  des  Alterthums 


*)  S.  Boeckhs  Rede  am  29.  Jan.  1846  S.  11. 
*♦)  [Vgl.  auch  NJahrb.   Bd.  LXV  S.  44  ff.] 


498  Söltl:  DciiiosUienes  als  Staatsmann  und  Redner. 

betrachten,  seine  Ansichten,  Pläne  und  Bestrebungen,  sein  vielbeweg- 
tes Leben  und  endlich  seinen  Tod  vornherführen  und  dabei  die  inneren 
traurigen  zerrifsenen  Zustände  der  vielgepriesenen  hellenischen  Re- 
publiken oiXen  darlegen:  dies  könnte,  schien  mir,  den  einen  zur  ange- 
nehmen Krhulung,  den  anderen  zur  Warnung  und  Belehrung  dienen. 
Schon  früher,  da  ich  meinen  Schülern  einzelne  Reden  des  grol'sen  Mei- 
sters erklärte,  suchte  ich  in  den  Geist  desselben  einzudringen  und 
sammelte  vieles  über  ihn  und  seine  Zeit.  Jetzt  ordnete  ich  die  zer- 
streuten Blätter,  nachdem  ich  die  neuesten  Forschungen  benutzt  hatte, 

und  gestaltete  daraus  ein  Ganzes. Mir  war  nicht  darum  zu  thun, 

die  vielen  langen  und  gelehrten  Abhandlungen  über  einzelne  Reden, 
Personen  und  Zeit  Verhältnisse  zu  vermehren;  sondern  ich  wollte  jene 
längst  vorübergegangeue  Zeit  in  ihrem  Gesammteindrucke  schildern 
und  einrii  Staatsmann  zeigen,  der  trotz  alier  Verfolgung  sein  Vaterland 
wahrhaft  liebte  und  es  aus  den  Greueln  der  Anarchie  retten  wollte, 
und  (leisen  Leben  un<l  Tod  eine  glänzende  Lobrede  auf  die  Monarchie 
sind.'  —  Das  leBuch  beginnt  mit  ganz  kurzen  Bemerkungen  über  den 
Zustand  der  hellenischen  Republiken  nach  dem  peioponnesischen  Kriege 
und  über  Dem.  Jugend,  behandelt  aber  von  S.  5  —  Ö2,  meint  in  ein- 
zelnen Capiteln,  die  einzelnen  Reden  nach  der  Zeitfolge  bis  zu  Olynths 
Belagerung,  und  zwar  so,  dafs  die  allgemein  bekannten  Thatsachen 
aus  der  Geschichte  dieser  Zeit  wie  aus  dem  Leben  des  Redners  vor 
jeder  Rede  kurz  besprochen  werden,  sodann  ausführlich  die  Hauptge- 
danken derselben  dem  Redner  Schritt  für  Schritt  nachgeschrieben  sind. 
J)a8  lOe  Cap.  des  '2i\  B.  schliefst  (S.  I>S7)  mit  der  Rede  für  den  Kranz, 
Wir  betrachten  zuerst  die  kurzen  geschichtlichen  Bemerkungen.  Kur 
den  hohen  Standpunkt,  auf  welchen  der  Vf.  bich  gestellt  hat,  sind  Ci- 
täte  von  Arbeiten  anderer  überllüfsig.  Wir  wollen  dies  nicht  eben  ta- 
deln,  können  jedoch  ebeuNowenig  ein  günstiges  Urtheil  über  die  Art 
fällen,  in  welcher  derselbe  die  neuesten  Forschungen  benutzt  hat.  Denn 
nachgerade  ist  dieser  Zeitraum  der  griechisclien  Geschiclite  so  oft  und 
80  tüchtig  behandelt,  dafs  wir  aulWr  der  klaren  Krkonntnis  vieler  ein- 
zelner Facta  auch  überall  wifseii,  wo  unser  WifscMi  seine  Grenze  hat. 
Der  Vf.  hat  diese  Grenze  bisweiten  nicht  erreicht,  bisweilen  überschrit- 
ten. Kr  macht  beispielsweise  fS.  "24)  Philipps  Aufenthalt  in  Theben  neun- 
jährig, läfst  (8.  '27)  den  Bundesgcnofsenkrieg  gegen  die  grofseren  und 
kleineren  Inseln  geführt  sein  und  erklärt  für  den  besten  Feldherrn  in 
dieser  Zeit  Chares,  durch  welchen  Krieg  (S.  ö\))  Rliodus  im  Friedens- 
schlufs  beinahe  die  volle  Selbständigkeit  errungen  habe.  Wir  erfahren 
(S.  GÜ),  dafs  seit  dem  J.  432  alljährlich  tausend  Talente  in  den  Scbati 
zurückgelegt  sind,  mit  der  Bestimmung,  ihn  nur  in  dringenden  Fallen 
zu  verwenden.  Die  Untersuchungen,  welche  über  einzelne  Reden  neuer- 
dings angestellt  und  noch  keineswegs  abgeschlofsen  sind,  haben  — 
doch  wohl  mit  Absicht  —  keine  Beachtung  gefunden.  Der  Vf.  läfst 
(S.  42  n.  48)  die  Midiana  von  Dem.  gesprochen  sein,  nimmt  (S.  52) 
die  le  Pliilippica  als  unbestritten  eins  an.  hält  (S.  143)  Philipps  Send- 
schreiben und  (S.  20.S)  ein/eliic  Briefe,  die  unter  Dem.  Namen  hinter- 
lafsen  sind,  für  echt,  kümmert  sich  (S.  11)  nicht  um  die  Frage,  was 
man  von  Dem.  Reden  für  und  wider  Apollodor  zu  halten  habe,  wie  er 
denn  überhaupt  die  Privat  reden  ganz  aus  dem  Kreise  seiner  Betrach- 
tung ausschliei'st.  In  der  Darstellung  von  Dem.  und  Aeschines  ZwiMt, 
in9l>esondere  wo  von  der  Gesandt>chaft  an  Philipp  gehandelt  wird 
(8.  97),  folgt  der  Vf.  unbedingt  jenem  Re<lner  und  sucht  einzelne  Wi- 
dersprüche und  oiVenbare  Lügen  in  Aeschines  Hede  nachzuweisen.  In 
diesem  Streite  wird  für  jeden  Leser  die  (Sesamnitansicht ,  welche  er 
sich  Von  jenen  Männern  gebildet  hat,  entscheiden  uiüfsen,  darum  mögen 
wir  hier  keinen  Vorwurf  erheben;  aber  wo  der  Vf.  durch  eigene  Schlufsc 


SöUl :  Demosthenes  als  Staatsmann  und  Redner.  409 

nackt  überlieferte  Thatsachen  erklären  will ,  also  die  Beweg^ünde  der 
handelnden  Personen  aufdecken  and  die  nuthwendigen  Folgen  des  ge- 
schehenen darlegen,  da  vermirsen  wir  —  verhältnismärsig  oft  genug 
—  klares  und  besonnenes  Urtheil.  Das  reimt  sich  doch  nicht,  um  von 
dem  kleinsten  anzufangen,  wenn  es  S.  41  heifst:  'Dem.  wurde  zum 
Opfervorsteher  für  den  Dienst  der  Rachegöttinnen  erwählt  und  brachte 
in  dieser  Wurde  die  Opfer  für  den  Staat  dar.  Dies  liefs  Meidias  ge- 
schehen, denn  er  konnte  keinen  Schatten  einer  Schuld  an  demselben 
auffinden;  aber  plötzlich  verklagte  er  ihn,  als  denselben  das  Loos  zum 
Mitglied  des  Senates  bestimmt  hatte  und  als  eben  die  Prüfung  der 
Würdigkeit  stattfand.'  Oder  ist  der  Vorwurf  gegründet,  welchen  der 
Vf.  ausspricht  (S.  68):   'die   (le)   Rede  gegen  Philipp   war  vergeblich 

gesprochen,  und  daran  war  der  Redner  und  warc;n  die  Zuhörer  Schuld: 
^em.,  weil  er  die  Macht  des  Feindes  gering  achtete  und  den  Auf- 
schwung (Vfaceduniens  einzig  dem  Leichtsinn  und  der  Sorglosigkeit  der 
Athener  zuschrieb  und  glaubte,  die  Kraft  der  Beredsamkeit  werde  und 
könne  die  alten  Tugenden  erwecken'?  Oder  heifst  das  den  Kern  der 
Sache  aufdecken,  wenn  (S.  90)  der  Untergang  von  Olynth  'eine  F'rucht 
der  Pöbelherschaft'  genannt  wird,  'die  in  den  Städten  ihren  wüsten 
Thron  aufgeschlagen  hatte,  auf  den  sich  jeder  wort-  und  listenmäch- 
tige schwang  und  bald  wieder  von  einem  machtigeren  verdrängt  wurde; 
das  war  die  Folge  der  öffentlichen  Verhandlungen  und  Beschlüfse,  da 
das  gesammte  Volk  alles  hören,  beurtheilen  und  entscheiden  wollte' 
u.  8.  w.  Wir  sprechen  es  geradezu  aus:  wer  dem  heutigen  Staats- 
mann  ein  Muster  vor  Augen  stellen  will,  sollte  nicht  so  wohlfeil  rä- 
sonniercn.  Ich  hoffe,  dafs  die  Bürger  unserer  Monarchien  ein  besserer 
Sinn  als  die  Athener  in  Dem.  Zeit  beseelt,  sonst  möchten  leicht  in  Zu- 
kunft mit  ebensoviel  Recht  oder  Unrecht  Schlüfse  entgegengesetzter 
Art  gezogen  werden.  —  Aber  ich  habe  keinen  Grund ,  an  der  Liebe  zu 
zweifeln,  welche  der  Vf.  für  Dem.  edlen  Charakter  an  den  Tag  legt. 
Im  lln  Cap.  (S.  189 — 198)  schaut  er  auf  die  Laufbahn  des  Redners  zu- 
rück und  betrachtet  im  Ueberblick  dessen  ganzes  Wirken  und  Wol- 
len; im  12nCap.  (bis  S.  204)  den  Charakter.  'Worin  besteht  denn  die 
grofse  Kraft  und  Kunst  der  Rede,  die  den  Dem.  seinen  Zeitgenofsen 
ehrwürdig  und  fruchtbar  machte?  In  der  Wahrheit.'  —  'Er  dachte  nur 
an  die  Gröfse  und  den  Ruhm  seines  Vaterlandes.'  —  'Was  Dem.  vor- 
schlug, war  überdacht,  den  Verhältnissen  angemefsen  nnd  ausführbar, 
für  den  gegenwärtigen  Augenblick  immer  das  beste,  zugleich  nützlich 
und  edel.'  —  'Dann  besteht  die  wunderbare  Kraft  seiner  Rede,  dafs 
er  für  die  Wahrheit  auch  immer  den  richtigen  Ausdruck  findet;  dafs 
er  je  nachdem  es  nothwendig  ist  jetzt  den  Verstand,  jetzt  das  Gefühl 
anregt  und  so  auf  den  Willen  einwirkt;  dafs  er  für  gewöhnliche  Dinge 
auch  gewöhnlicher  Worte,  für  erhabenes  aber  einer  ungewöhnlichen 
«icharfbezeichnenden  and  kühnen  Ausdrucksweise  sich  bedient.'  —  Mau 
kann  in  alle  diese  Behauptungen  einstimmen  und  dennoch,  wie  ich,  der 
Ansicht  sein,  dafs  daraus  weder  ein  bildendes  Moment  für  den  Leser 
demosthcnischer  Reden  gewonnen  noch  überhaupt  das  Verständnis  auch 
nur  einer  einzigen  seiner  i*erioden  gefördert  wird.  Für  jenen  Zweck 
fehlt  das  individuelle,  nach  dieser  Seite  hin  hängt  alles  davon  ab,  duis 
man  in  jedem  cnncreten  Fall  die  obigen  Behauptungen  erweisen  kann. 
Jede  allgemeine  Wahrheit  hat  unbestrittene  Geltung,  aber  wirksam  wird 
sie,  weil  des  Menschen  Thun  und  Denken  ein  endliches  ist,  erst  im 
einzelnen  Fall,  wo  Individuum,  Zeit,  Ort  und  Umstände  ihr  ein  be- 
stimmtes Gepräge  als  That  oder  Wort  aufdrücken.  Die  Rede  wirkt 
durch  Worte,  aber  wer  die  Rede  und  den  Redner  verstehen  will,  mufs 
nachweisen,  warum  in  jedem  einzelnen  Fall  Herz  und  Geist  des  R(?d- 
ncrs,    durchdrungen  von   jenen   allgemeinen   Wahrheiten,    sich    gerade 


500    A.  Schäfür:  Demoslh.  a.  die  alhen.  Staatsmänner  seiner  Zeit. 

diese  Form  des  Aiisdrocks  geschafTen  hat.  Nar  von  einem  durch  be- 
stimmte Begriire  vermittelten  und  erklärbaren  Ausdruck  lafst  «ich  ein 
bestimmter  Eindruck  erwarten.  So  ist  denn  auch  von  blofsen  Inhaltf- 
angaben  der  Reden,  welche  den  grofsten  Theil  de«  vorliegenden  Boches 
lullen,  wenig  Nutzen  abzusehen.  Mit  richtigerem  Takt,  obwohl  ohne 
richtige  Disposition  und  durum  häufig  unter  Wiederholung  de«  schon 
gesagten,  sind  im  ISn  Cap.  einzelne  Dem.  eigenthilmliche  Grundsatie 
zusammengestellt.  Der  Vf.  behandelt  im  13n,  dem  letzten,  Capitel 
(S.  205  — *2r2)  des  Redners  letzte  Schicksale  und  Tod.  —  Soll  ich 
nach  alle  dem  diesem  Buche  gegenüber  den  Schriften,  welche  über  den- 
selben Gegenstand  schon  geschrieben  sind,  einen  Platz  anweisen,  so 
würde  ich  keinen  Fortschritt  gegen  das  1816  erschienene  Werk  von 
Becker:  ^Demostbenes  als  Staatsmann  und  Redner'  erkennen,  stelle 
«'S  aber  weit  unter  das  Buch  von  Theremin:  ^Demosthenes  und  Massil- 
lon'  Berlin  1845. 

Einen  bedeutenden  Fortschritt  verspricht: 

3)  Detnost/ieties  und  die  athenischen  Staatsmänner  seiner  Zeit 
von  Arnold  Schaefcr.  Leipzig  1854. 
Davon  liegt  bis  jetzt  ein  Bruchstück  und  zugleich  Probestuck  vor, 
aus  dem  In  Buch  das  2e  u.  5e  Capitel,  gedruckt  als  G rat ulatio nasch rifl. 
Das  2e  Cap.  bespricht  ^die  rednerische  Ausbildung  des  Demosthenes' 
in  einer  Weise,  die  ausreicht,  um  ex  ungue  leonem  zu  erkennen;  denn 
es  findet  sich  darin  was  zu  solchem  Werke  befähigt:  umfafsende  Ge- 
lehrsamkeit, anhaltende  und  liebevolle  Beschäftigung,  ein  scharfes  nnd 
durch  gesunde  historische  Auffafsung  mafsvoU  gehaltenes  Urtheil,  das 
Vermögen  geschmackvoller  Darstellung.  Der  geehrte  Vf.  halte  sich 
überzeugt,  dafs  unterz.  mit  Freuden  seine  wenigen  Vorarbeiten  la 
einem  ähnlichen  Werke  bei  Seite  legt,  um  mit  Zuversicht  entschieden 
befseres  zu  erwarten.  Nur  eine  Frage.  Wird  auch  die  rednerische 
Vollkommenheit  des  Dem.  auf<führlichi-r  Besprechung  unterzogen  wer- 
den? Das  vorliegende  Capitel  behandelt  seine  'rednerische  Ausbil- 
dung': ich  gebe  einen  kurzen  Auszug.  Unter  Gefahren  und  Mfihsali 
aber  nicht  ohne  nachhaltigen  Gewinn  hatte  Dem.  seine  Lehrjahre  be- 
standen. Isaeos  unterstützte  ihn,  deflsen  Kinflufs  auf  den  eifrigen  Scha- 
ler nachgewiesen  wird,  so  wie  die  Wirkung,  welchen  der  oropische 
Process  des  Kallistratos  auf  Dem.  gehabt  hat  (S.  1'2).  An  welchen  rhe- 
torischen Schriften  hat  sich  Dem.  ferner  gebildet  V  sicherlich  hat  er 
den  unmittelbaren  Unterricht  des  Isokrates  nicht  genofsen  und  war 
ebensowenig  Piatons  Schüler,  wenn  schon  beide  so  bedeutende  Zeitge- 
nofsen  und  Mitbürger  nothwendig  auf  ihn  nicht  weniger  wirken  mosten 
als  das  sattsam  nachzuweisende  und  nachgewiesene*)  Studium  früherer 
Autoren,  besonders  des  Thukydides  (S.  21).  Denn  Dem.  hat,  wie  Dio- 
nysios  ausführlich  erörtert,  seine  Redeweise  an  allem  ausgezeichneten 
gebildet,  und  wie  ihn  geistige  Verwandtschaft  vorzugsweise  an  Thn- 
kydides  fefselte,  so  hatte  er  mit  Piaton  gemeinsam  die  Richtung  auf 
das  ideale,  stellte  sich  aber,  Piaton  gerade  entgegengesetzt,  auf  den 
Grund  der  gegebenen  Verhältnisse,  welche  er  zu  reformieren  sucht  **)| 
Isokrates  Schriften  hat  Dem.  unzweifelhaft  studiert,  aber  zwischen 
beiden  be?itand  von  vorn  herein  ein  innerer  Widerspruch  in  den  Grund- 
sätzen nicht  minder  wie  in  der  künstlerischen  Behandlung  der  Rede. 
Persönlichen  Verkehr  scheint  Dem.  mit  dem  Dialektiker  Eubulides  ge- 

♦)  Trotz  Bake  in  der  Biblioth.  crit.  nova  V.  V  P.   I  p.  |76. 
**)  Darum   hat  ihn  auch  Cato  zum  Vorbild  genommen:    Plut.  Cato 
1 .  2  u.  c.  4. 


G.  W.  Nitssch:  de  Demosthene  oratore.  501 

habt  za  haben  (S.  33).  —  Aber  der  Erfolg  des  Redners  in  Athen  Meng 
▼on  seiner  Action  ab,  der  VoUkommenheU  seines  Vortrags.  Diese  rang 
Dem.  seiner  kargen  Natnr  darch  beharliche  Uebang  ab,  unterrichtet 
in  der  Action  wahrscheinlich  Ton  dem  Schauspieler  Andronikos  (S.  40). 
Dieselbe  Strenge  und  Gewifsenhaftigkeit  im  Arbeiten  bewahrte  Dem. 
nach  im  Mannesaiter  und  zog  sich  dadurch  manchen  Spott  zu;  aber 
damit  vertragt  sich  kaum  der  Vorwurf  wollustiger  Weichlichkeit,  wenn 
man  diesen  in  dem  Namen  BccTzaXog  ausgesprochen  findet  (S.  45).  — 
Das  3e  Cap.:  Dem.  als  Rechtsanwalt.^  Der  an  sich  keineswegs  unehren- 
haften Thätigkeit  eines  Xoyoygeifpog  sich  zuzuwenden  wurde  Dem.  schon 
durch  die  Einbufse  seines  vaterlichen  Erbes  gezwungen;  seine  Reden 
sind  eine  Fundgrube  für  die  Kenntnis  der  athenischen  Gesetzgebung 
(8.  48). 

4)  G.G.Nitzschii  disputaiio  de  Demosthene  oraiore  taU  qua- 
lem  Plato  requisitit.    Ind.  schol.   Kiliae  1860. 

Die  kurze  Abhandlung  ist  im  Hinblick  auf  die  Lage  des  Vaterlands 
geschrieben,  mit  schwerem  Ernst.  'Die  Weisheit  bewahrt  ihre  Kraft 
and  ihren  Inhalt  zumeist  darin,  wie  wir  im  staatlichen  Leben  han- 
deln' (S.  4).  Diesen  Gedanken  fuhrt  der  Vf.,  ohne  eben  einen  streng 
Jogiseben  Gang  zu  verfolgen,  in  einer  Vergleicbung  durch,  welche  er 
zwischen  Phokion  und  Dem.  anstellt;  beide  sind  Schuler  Piatons,  Dem. 
wenigstens  dem  Geiste  nach.  Er  entscheidet  (S^  6)  mit  Niebnhr  für 
Dem.,  auf  welchen  Euripides  Ausspruch  passe:  ovtog  &*  ovtjq  agitnog^ 
Scxig  ilnCat,  ninot&av  asC"  x6  8'  anoQiiv  dvÖQog  naxov.  Doch  überall 
dringe  der  Redner  darauf,  dafs  wir  durch  eigene  Anstrengung  uns  gött- 
lichen Beistandes  werth  machen.  ^  Ita  exprompsit  illam ,  quam  Socra- 
ticam  quandam  dizi,  corripiendi  castigandique  liberrime  audaciam  * 
(S.  7).^ 

Hoffnungen  erweckt  der  Titel  eines  Buches:  5)  Les  arateurs 
Atliques  et  les  Saints  Pdres  ou  Etüde  d^histoire  Utteraire  sur 
tiloquence  Grecque.  Malines  1850,  —  Hoffnungen,  welche  die  Lecturc 
des  Buches  zerstört.  Der  Vf.,  Isid.  van  Overstraeten,  membre 
des  Acad^mies  des  Arcades,  du  Pantheon  et  de  Ste.  C^cile,  hat  nach  der 
Vorrede  (aus  dem  J.  1845)  noch  jung  diese  Zeilen  für  die  Jugend  ge- 
schrieben, elles  n'exig^rent  ni  Tinspiration  et  le  g^nie  qui  cr^e,  ni  le 
profond  savoir,  couronne  de  TAge  mdr.  Nun  aber  bespricht  der  Vf.  ein- 
mal die  ganze  Geschichte  der  griechischen  Beredsamkeit  und  der  Rheto- 
rik und  der  Philosophie  von  ihrem  Ursprung  bis  zum  Tode  des  Deme- 
trius  Phalereus  (S.  1—33);  sodann  die  sogenannte  alexandrinische  Bil- 
dungin ihrer  ganzen  Ausdehnung,  den  Einflufs  einbegriffen,  welchen  sie 
auf  die  römische  Litteratur  geübt  hat  (bis  S.  44);  auch  werden  nebenbei 
die  wichtigsten  Historiker  aus  Griechenland  und  Rom  verglichen;  die 
rhetorisch  -  grammatische  Litteratur  der  Kaiserzeit  schliefst  den  In  Ab- 
schnitt (bis  S.  55).  Ich  mnfs  gestehen,  dafs  wir  in  Deutschland  nicht 
absehen,  wie  eine  genjSgende  Behandlung  eines  so  massenhaften  Stoffes 
ohne  tiefe  Gelehrsamkeit  oder  doch  ohne  Inspiration  möglich  ist.  Aber 
im  2n  Abschnitt  (S.  55  — 111)  unternimmt  Hr.  v,  O.  eine  Geschicht- 
schreibung der  ganzen  griechischen  Patristik  bis  in  die  Mitte  des  5n 
Jh.  und  kritisiert  die  sammtlichen  noch  vorhandenen  Werke  dieser  Kir- 
chenväter. Wenn  der  noch  jugendliche  Vf.  alle  diese  Werke  gelesen 
hat,  kann  dies  nur  in  einem  Alter  geschehen  sein,  dem  naturgemäfs  ein 
selbständiges  Urtheil  noch  abgeht.  Der  3e  Abschnitt  (S.  112 — 141) 
bietet  Raisonnements  über  die  Entwicklung  des  Christenthums  gegen- 
über dem  Heidenthum  und  dem  Sectenwesen  und  nimmt,  wo  nicht  von 
den  lateinischen  Kirchenvätern  gehandelt  wird,  den  Charakter  einer  Prc« 


502  1.  van  Ov^crslraelen:  les  oraleurs  Alliqutis. 

<ligt  an.  Was  nun  hat  dem  Vf.  den  Muth  zu  diener  Arbeit  gegeben?  J*y 
consacrai,  8agt  er,  ce  que  j'avais,  le  sentiment  et  le  zMe  du  beao,  an 
respect  mel^  d^enthousiasme.  Das  ganze  ist  denn  auch  eine  warme,  im- 
merhin ehrliche,  aber  mit  der  falschen  Maske  der  Wifsenschaftlichkeit 
bekleidete  Apotheose  des  Katholicismus.  Ich  habe  nur  noch  wenig  aber 
den  In  Abschnitt,  der  uns  hier  allein  angeht,  zu  bemerken.  Die  Darstel- 
lung leidet  an  allen  Fehlern  des  franzöhischen  Stils,  bei  Schriftstellern 
nicht  'ersten  Ranges  unerträglich.  Um  in  ihrer  eigenen  Manier  zu  reden, 
es  ruht  auf  diesem  Stil  der  Fluch  der  Unruhe.  Vollends  die  Sache  bat 
aber  nichts  gewonnen.  Wie?  Solon  vint  r^diger  ses  lois  et  les  imposer 
k  Äthanes  sous  le  double  charme  de  la  po^sie  et  de  Teloquence  (S.  6). 
Und  wolle  das  niemand  für  eine  Art  Gedanken-Zeugma  erklären,  so  wenig 
wie  (8.  8):  les  tribnnanx  d*Kgypte  ^taient  les  modales  et  les  sources  de 
ces  moeura  oratoires  de  rAr<^opage.  Unter  dem  Griffel  des  Vf.  gewinnt 
alles  historische  Sicherheit.  Von  L^okrates  sagt  er  (S.  19):  ses  r^la- 
tions  intimes  avec  Philippe  de  Macf^duine  sauv(;rent  sa  patrie  pendant 
plusieurs  annc^es.  Obwohl  er  Lysias  exil6  sein  läfst  par  Lysandre  et 
les  trente  comme  ennemi  de  Sparte,  nennt  er  ihn  gleichwohl  (S.  17) 
presque  indifferent  aux  lüttes  de  la  patrie.  Für  diesen  In  Abschnitt 
seines  Buches  hat  der  Vf.  selbständige  Studien  historischer  Art  sicher 
nicht  gemacht;  das  Resultat  seiner  aesthetischen  Betrachtungen  spricht 
er  im  allgemeinen  so  aus  (S.  11):  il  n\  a  point  dVIocjuence  sans  po^sie, 
disait  FentWon,  la  pocVsie  est  Tarne  de  IVIoquence.  L  histoire  le  prouve 
aussi  bien  que  TcsthfHique;  im  besonderen  erklärt  er  (S.  19)  höchst 
bezeichnend  für  das  beste  von  Lysias  Werken  die  Leichenrede.  — 
Nichts  destoweniger  berührt  wohlthuend,  wie  alles  was  vom  Herzen 
kommt,  and  söhnt  uns  einigermafsen  mit  dem  Vf.  aus  die  Wärme  auf- 
richtiger Begeisterung,  welche  sein  ganzes  Werk  belebt.  Diese  theilt 
auch  der  Abschnitt  über  Dem.  (S.  22-27),  theilt  aber  zugleich  die 
Fehler  geschichtlicher  Ungründlichkeit  und  allgemeinen  Raisonnements. 
Sa  premi^re  ^ducation  fut  nulle;  mais  IVnergie  de  son  ame  s%innonce 
d*abord  par  des  vires  de  caract^re,  qui  le  fönt  qualificr  de  serpent  par 
ses  ^gaux.  Für  eine  Bemerkung  bin  ich  dem  Vf.  Dank  schuldig  (8.25): 
a  la  tribune,  dit  M.  Villemain,  la  premi^re  vertu  de  Demosth^ne  est 
le  mouvement.  Villemain  hat  vollkommen  Recht,  aber  es  bleibt  nach- 
zuweisen, durch  welche  Mittel,  vornehmlich  rhetorischer  Art,  Dem. 
diese  Bewegung  den  Herzen  der  Hörer  mitzutheilen  erreicht  hat,  and 
wir  dürfen  uns  nicht  bei  Antithesen  beruhigen,  wie  sie  der  Vf.  hin- 
stellt: c*est  tont  ensemble  le  g^nie  de  la  logique  et  la  logique  du  g^nie. 
Ein  beschränktes  Thema  haben  sich  die  Schriften  gestellt,  welche 
ich  demnächst  besprechen  will : 

6)  Einleitende  Bemerkungen  zu  Demoslhenes  paragraphi" 
sehen  Reden,  von  Prof.  Dr.  Ilerrmann,  Erfurt  1853.  S.  3  f.  wird 
das  nöthige  über  die  Paragraphe  kurz  ausgesprochen,  dann  von  7  Re- 
dengehandelt, welche  wir  unter  Dem.  Namen  lesen.  Es  sind  die  Num- 
mern 32  g.  Zenothemis,  33  g.  Apaturios,  34  g.  Phormion,  35  g.  La- 
kritos,  36  f.  Phormion,  37  g.  Pantainetos,  38  g.  Nausimachos  und 
Xenopeithes.  Der  Angabe  des  Inhalts,  wobei  der  Vf.  ein  möglichst 
klares  Bild  der  Sachlage  entwirft,  folgen  kurze  Bemerkungen  über  die 
Zeit  und  Echtheit  der  Reden.  Der  Vf.  hat  in  der  Chronologie  die  Re- 
sultate von  Clintons  Untersuchungen  hie  und  da  ein  wenig  scharfer 
begrenzt,  etwas  mehr  begründet.  Ich  glaube  auch,  dafs  man  bei  dem 
Manntet  an  äufj«eren  Argumenten  zu  genaueren  Bestimmungen  nicht  kom- 
men wird.  'Dürften  wir  den  in  $.27  (der  38n  Rede)  und  [den]  g.  Ko- 
nun  S'  39  erwähnten  Aristokrates  für  eine  und  dieselbe  Person  halten, 
so  niUKte  sie  früher  als  diese,   also  vor  343  gehalten  sein'  (S.  23).  — 


Herrmann:  zu  Demosllienes  paragraphischen  Reden.         503 

Die  37e  Rede  'erwähnt  den  Elaphebolion  unter  d.  A.  Tlieophilos  348/7, 
einer  darauf  folgenden  Iangv\ierigen  Reise  in  den  Pontiis,  sowie  einer 
Verzögerung  des  Proce»ises,  und  kann  also  vor  3-M)  nicht  gehalten  sein' 
(S.  21).  —  Bei  Nr.  '66,  der  Rede  für  Phoroiion,  hält  Hr.  Herrmann 
mit  Recht  seine  frühere  Bestimmung,  das  Jahr  '6i)0.-k9  fest.  —  Für  Nr. 
35  geht  der  Vf.  zu  weit,  wenn  er  oiTenbar  nur  daraus  dafn  Lakritof* 
ein  Schuler  des  Isokrates  war,  folgert:  'die  Rede  seihst  setzt  sich  in 
die  Zeit  des  Jsokrates,  will  also  wohl  vor  dessen  Todesjahr  338  gehal- 
ten sein.'  —  'Könnte  man  die  in  der  34n  Rede  {S*  30.  37j  erwähnte 
Theurung  als  eine  durch  den  Getraidewucher  des  Kleomenes,  des  Sa- 
trapen Alexanders  in  Alexandrien  331  -  328  veranlafste  betrachten  und 
mit  der  in  der  Rede  g.  Dionysodoros  ^'.  7.  8  erwähnten  identificieren,  so 
wurde  die  Rede  nicht  vor  329  oder  noch  später  gehalten  sein.'  —  Die 
Zeit  von  Nr.  33  hält  der  Vf.,  wie  Clinton,  unbestimmbar.  —  Die 
Aeufserung  am  Schlufs  der  32n  Rede  läfst  Clinton  nach  355,  Herrmann 
nach  354 — 51  fallen.  Hätte  nur  der  Vf.  die  Consequenzen  dieser 
Aeufserung  gezogen,  um  die  zweite  Frage,  die  nach  der  Echtheit  die- 
ser Reden,  der  Entscheidung  näher  zu  bringen!  Der  Sprecher  Demon 
sagt:  "Eti  toivvv  txiqa  tiV  taxiv  iknlg  avroCg  (den  Gegnern)  xov  na- 
QCt^QOvaea&ccL  mal  (psvanutv  vfiäg'  alxidapvrcti  ^Jr/^oa^ivt/v^  nal  lY,tiv<o 
fiB  niüxsvovxa  tpiUsovaiv  i^dynv  xovxovi,  vnoXafißävovxBg  xtp  orjxogu  xal 
yvoigifiov  flvai  ineivov  Tri^ctvijv  ^x^iv  xijv  alxiav.  Euol  d'  laxl  fitVt  (S 
u,  *A,^  drjfioa&iv^g  oinstog  yivsiy  xal  ntivxag  vfiiv  ouLVVfii  xovg  &BOvg 
^  ^i/y  igfiv  xdlrid'TJ,  ngoaeXiyovxog  6'  avrco  (lov  aal  nuQhCvui  xai  ßorj- 
^eiv  d^iovvTogj  tt  xi  ^;fOt,  '-Ji^awi; ',  t<pi?,  *iy(o  noijjaoi  (ilv  ag  äv  av 
^BXsvyg  (xofl  yctg  av  d'fivüv  eCrj),  ön  ftfVTOt  xal  x6  aavxov  xal  xovfiov 
Xoyiaaa^at,  ifioi  avußtßrjiifVy  u(p'  ov  tcbqI  xcSv  notvtov  XiyBtv 
rJQ^ctfirjv,  ^LTjAl  ngog  fr  ngay^'  i'öiov  TCQOGBXrjXvd'svaif  aXXct 

-xttl  T/Jtf  noXiTBtag  ttvxrjg  xd  xoiaüx'  i^taxTitia^ ,   hier  bricht  die 

Kede  ab.  Hiemit  fällt  ohne  weiteres  die  Echtheit  der  vorliegenden 
Kede  gegen  Zcnothemis,  wenn  man  nicht  annehmen  will,  dafs  Dcnion 
und  Dem.  sich  ohne  allen  Grund  einer  handgreiflichen  Luge  und  Be- 
trugerei «chuldig  machen,  auch  mufs  die  Rede,  weil  Dem.  Ansehen  da- 
mals fest  stand,  tiefer  noch  als  nach  350  herabgcrückt  werden;  aber 
wenn  Dem.  seinen  Verwandten  die  Wahrheit  gesagt  hat,  und  dies 
scheint  psychologisch  vollkommen  begründet  und  ist  überdies  von  Ae- 
schines  angedeutet  (g.  Ktes.  <{.  173),  dafs  er  mit  Beginn  seiner  Staats- 
iaufbahn  aufgegeben  hat  in  Privathändeln  anderer  Reden  zu  schrei- 
ben, so  fallt  damit  die  Echtheit  aller  der  Reden,  welche  nach  der  Zeit 
der  olynthischen  Reden,  d.  i.  nach  349/48  in  Privatsachen  anderer  ge- 
halten unter  Dem.  Namen  aufbewahrt  sind,  es  bleibt  von  den  7  oben 
genannten  —  über  Nr.  33  läfst  sich  nichts  entscheiden  —  als  unbe- 
zweifclt  echt  einzig  die  Rede  36,  fiir  Phormion,  stehen.  Der  Vf.  spricht 
(S.  5)  mit  Recht  von  dem  trüben  Geschick ,  welches  die  Schriften  des 
Dem.  mit  eben  der  Bitterkeit  wie  ihn  selbst  verfolgt  hat,  er  bleibt 
aber  bei  der  Frage  über  die  Echtheit  jener  Reden  allein  bei  den  in- 
neren Gründen,  lediglich  aus  der  sprachlichen  Composition  und  juri- 
stischen Argumentation  hergenommen,  stehen.  Danach  ist  er  geneigt, 
Nr.  32  und  35  als  gar  zu  schwach  dem  Dem.  ohne  weiteres  abzuspre- 
chen, erklärt  aber  37,  3S  und  33,  34,  letztere  auch  wegen  'ihrer  Aehn- 
Hcbkeit  mit  der  Leptinea  in  einzelnen  Theilen'  für  möglicherweise  und 
wahrscheinlicherweise  für  demosthenisch ,  36  für  unbezweifelt  echt. 
Dabei  übersieht  der  Vf.  nicht  manche  einzelne  Schwierigkeiten,  wie 
in  34  den  Wechsel  der  Personen,  in  38  und  37  die  wörtliche  Ueber- 
einstimmung  an  mehreren  Stellen.  Indessen  die  Untersuchungen  über 
Sprache  und  Composition  dieser  Reden  sind  noch  keineswegs  geschlofsen, 
müfsen  vielmehr  Gegenstand  einer  umfafsenden  nnd  tiefgehenden  Arbeit 


504  W.  Hornbostel :  über  Dem.  Gerichtsred.  in  Sachen  des  ApoUodor. 

werden,  wobei  z.  B.  das  Werk  von  Benseier  de  hiatu,  so  einseitig  das 
Verfahren  ist,  gewis  Beachtung  verdient. 

7)  Ueber  die  von  Demosihenes  in  Sachen  des  Apollodor  ver- 
fasslen  Gerichtsreden,  von  W.  Homboatel.  Programm  von 
Ratzeburg  1851. 
Die  Bearbeitung  dieses  Themas,  dessen  Bedeutsamkeit  ich  vor  bei- 
nahe 10  Jahren  aussprach  (Vitae  Iphicratis  Chabriae  Timothei  p.  191), 
Ist  sn  meiner  Freude  mit  dem  gewifsen haften  Fleifs  unternommen, 
welcher  erst  die  Resultate  solcher  Specialarbeiten  auch  für  andere 
nutzbar  macht.  Nach  der  Einleitung,  worin  Dem.  grofsartige  politische 
Thätigkeit  kurz  charakterisiert  und  gerechtfertigt  wird,  vornehmlich 
gegenüber  dem  unpraktischen  Isokrates,  bahnt  sich  Hr.  H.  den  Weg 
lu  seinem  Thema  durch  die  interessante  Behauptung  (S.  10):  «von  der 
politischen  Stellung  der  dienten  können  wir  aber  zurfickschliefsen  auf 
die  des  Advocaten  selbst;  denn  das  ist  das  interessante  Resultat  der 
Vergleichung  der  Gerichtsreden  untereinander,  dafs  Dem.  dieselbe  feste 
Consequenz,  welche  er  in  seiner  politischen  Thätigkeit  beweist,  auch 
in  seiner  Praxis  als  Logograph  bewährt;  auf  diese  Weise  dient  ihm 
seine  Thätigkeit  als  Advocat  nicht  nur  dazu ,  sein  Rednertalent  aus- 
zubilden, sondern  auch  dazu,  sich  eine  Partei  zu  bilden  und  einen  festen 
Standpunkt  im  Staate  als  Vertreter  derselben  zu  sichern.'  Er  behan> 
delt  sodann  1  (S.  13 — 35)  'das  Leben  des  Apollodur  mit  vorwiegender 
Betrachtung  seiner  Privatverhältnisse',  II  (S.  35 — 42)  'die  politische 
Thätigkeit  des  Apollodor  und  sein  Verhältnis  zum  Dem.  und  zu  an- 
deren Zeitgenofsen '.  In  dem  In  Cap.  hat  der  Vf.  'eine  zusammenhän- 
gende Darstellung  der  Processe  gegeben,  welche  sich  auf  die  Person 
des  Apollodor  beziehen  —  es  sind  die  Reden  f.  Phormion  (Nr.  36),  g. 
Stephanos  1  u.  2  (45  u.  46) ,  g.  Timotheos  (49),  g.  Polykles  (50),  über 
den  trierarchischen  Krieg  (51),  g.  Kalljppos  (52),  g.  Nikostratos  (&3) 
—  und  bei  denjenigen  Punkten,  welche  ihm  einer  genaueren  Erörterung 
zu  bedürfen  schienen,  seine  Ansichten  darüber  dargelegt  und  motiviert'. 
Er  geht  dabei,  soweit  es  die  Darlegung  allgemeiner  Rechtsverhältnisse, 
wie  besonders  des  Trapezitenwesens ,  anlangt,  vornehmlich  auf  den 
attischen  Proress  von  Meier  und  Schomann,  auf  Bockhs  Staatshaas- 
haltnng  (le  Ausg.)  und  Hermanns  Staatsalterthomer  zurück,  ohne  Je* 
doch  irgendwie  seine  Selbständigkeit  aufzugeben;  bei  geschichtlichen 
und  chronologischen  Bestimmungen  vergleicht  er  nicht  selten  das  Werk 
des  unten.  Um  einzelnes  wollen  wir  nicht  hadern;  in  manchem  geirrt 
zu  haben,  gestehe  ich  gern  dem  Vf.  zu,  in  anderem  halte  ich  neine 
Ansicht  fest;  aber  ich  bin  seitdem  auch  zu  folgender  Ueberzengung 
gekommen:  das  Material  kann  zwar  vollständig  gesammelt  und  im  ein- 
zelnen meist  ausreichend  erklärt  werden,  —  beides  ist  in  dieser  Schrift 
geschehen  — ,  dagegen  ist  eine  sichere  Ordnung  des  Stoffes  unmöglich, 
ehe  die  Frage  nach  der  Chronologie  dieser  Reden  genügend  beantwor- 
tet ist,  mit  welcher  die  Frage  über  die  Echtheit  derselben  eng  zu- 
sammenhängt. Es  wäre  die  Lösung  dieser  Fragen  auch  darum  zu  wün- 
schen, damit  endlich  einmal  der  Flecken  getilgt  werde,  welcher  einzig 
noch  dem  reinen  Charakter  des  Redners  anhaftet.  Es  kann  doch  kein 
edler  Mann,  der  Jahre  lang  jemand  beigestanden  hat,  gerade  in  dem 
schwersten  Kampf  die  Partei  von  dessen  Todfeind  ergreifen,  und  wie- 
der sogleich  in  ebenderselben  Sache,  doppelt  treulos,  für  jenen  alten 
wider  den  neuen  Freund  streiten.  So  hat  aber  Dem.  gehandelt,  wenn 
die  Reden  für  Apollodoros,  für  Phormion,  gegen  Stephanos  von  ihm 
geschrieben  sind.  Wie  nun  antwortet  dir  Vf.  auf  diese  Frage?  Er 
setzt  mit  Clinton  die  Rede  gegen  Kallippos  361/52  und  Infst  sie  somit 
von  dem  höchstens  16^y^  Jahre  alten  Dem.  verfafst  sein,  dessen  Gebnrt 


W.  Hornboslel :  über  Dero.  Gerichtsred.  in  Sachen  des  Apollodor.  505 

er  mit  Bohnecke  381/30  annimmt.  Für  die  Entstehung  der  Rede  g. 
Timotheos  hat  er  nach  Vorgang  des  unters,  den  Zeitraum  von  360 — 
354  angenommen;  aber  ich  kann  diese  Ansicht  nicht  Janger  festhalten 
ans  Gründen,  welche  ich  bei  passender  Gelegenheit  entwickeln  will. 
Die  Rede  g.  Nikostratos  setzen  aufser  dem  Vf.  auch  Bohnecke  (For- 
schungen S.  676)  und  Droysen  (Ztschr.  f.  d.  AW.  1839  S.  931)  in  Ol. 
107,  'I  d.  i.  361,  veranlafst  durch  die  in  §.  14  u.  9  yo% Apollodor  er- 
wähnten Streitigkeiten  wider  seine  Verwandten,  welche  sie  auf  den 
Process  gegen  Phormion  beziehen.  Aber  damals  war  Apollodor  44  Jahr 
alty  also  wahrhaftig  nicht,  wie  er  selber  sich  $.  12  u.  13  nennt,  viog 
wxl  axBiQoe  tiov  Ttgayfiattov,  Die  Rede  gebort  wie  die  g.  Kallippos 
und  g.  Timotheos  in  die  Zeit  um  368;^  alle  3  sind  deshalb  nicht  Ton 
Dem.  Die  Zeitbestimmung  der  Rede  über  den  trierarchischen  Krieg 
hat  Hr.  H.,  wie  seine  Vorganger,  darum  verfehlen  müfsen,  weil  sie 
das  ^jjqfLafitty  auf  Grund  dessen  Apollodor  den  Kampf  verlangt,  for 
identisch  mit  dem  von  Aristophon  im  Sept.  362  durchgesetzten  halten. 
Die  Rede  gebort  wahrscheinlicher  um  367.  Was  die  Reden  gegen  Po- 
lykies  und  für  Phormion  anlangt,  so  ist  ihre  Fchtheit,  aber  auch  ihra 
Abfafsungszeit,  369  für  die  Polyclea,  für  die  Phormiana  360/49,  nicht 
zu  bezweifeln;  Hr.  H.  thut  nicht  gut  daran,  für  diese  das  Jahr  362 
anzunehmen.  Endlich  die  Rede  gegen  Stephanos,  hat  Dem.  sie  ge- 
schrieben? Der  Vf.  weigert  sich  mit  Recht,  solche  Schmach  dem  edlen 
Redner  znzumuthen.  Ich  werde  bei  anderer  Gelegenheit  versuchen, 
jene  Ansicht,  nach  welcher  Dem.  der  Vf.  war,  von  ihrer  Entstehung 
an  zu  verfolgen  und  damit  zu  beseitigen.  Aus  der  politischen  Thatig- 
keit  Apollodors,  welche  Hr.  H.  S.  36 — 42  behandelt  hat,  wifsen  wir 
—  einzelne  Trierarchien  und  zahlreiche  Anklagen  von  Feldherren  ab- 
gerechnet, darunter  die  des  Autokies  vermittelst  Hyperides  Rede  — 
nur  4\n  bedeutendes  Factum :  seinen  Vorschlag  die  O'scaQind  in  argattm^ 
zmd  umzuwandeln.  Hr.  H.  folgt  in  der  Zeitrechnung  den  Forschungen 
Böhneckes  und  setzt  somit  jenen  Vorschlag,  welcher  in  diesen  Krieg 
fallt,  ins  Frühjahr  349.  Er  ^zweifelt  kaum  daran,  dafs  Dem.  Urheber 
jenes  Planes  und  Apollodor  nur  Organ  für  den  Vorschlag  gewesen  sei'. 
Darum  niüfse  nach  dem  letzten  Process  wider  Phormion,  wo  Dem.  ge- 
gen Apollodor  geschrieben  hatte,  eine  Annäherung  beider  stattgefun- 
den haben.  Der  Vf.  hat  dieses  dornenreiche  Feld  nicht  durchwandert, 
ohne  sich  hie  und  da  in  Widerspruche  verwickelt  zu  haben,  aber  die 
ruhigen  und  ausdauernden  Wanderer  sind  schätzbare  Grefährten  und  ich 
möchte  von  einem  solchen  nicht  scheiden,  ohne  ihm  Mufse  zur  Fortsetzung 
dieser  zwar  mühsamen  aber  dankbaren  Forschungen  zu  wünschen. 

8)  C  Fr.  H ermannt  dispuiaiio  de  Midia  Anagyrasio^  vor 
dem  Index  scholarum  der  Georgia  Augusta  für  das  Wintersemester 
1861  —  52.  18  S.  4. 
Dem.  nennt  sich  in  dem  Augenblick  wo  er  die  Rede  gegen  Mei- 
dias  schreibt,  32  Jahr  alt.  Die  Ueberlieferung  ans  dem  Alterthum 
nennt  als  sein  Geburtsjahr  Ol.  99,  4  und  auch  Ol.  98,  4.  Man  setzte 
danach  die  Entstehnngszeit  der  Midiana  in  Ol.  107,^  4  oder  106,  4  und 
bestimmte  demgemäfs  das  Zeitverhältnis  der  in  dieser  Rede  bespro- 
chenen Facta.  Hr.  H.  schlägt  den  entffeffengesetzten  Weg  ein  und 
geht  —  nach  kurzer  Besprechung  von  Mei£as  bürgerlicher  und  poli- 
tischer Stellung  —  von  dem  geschichtlich  beglaubigten  Zuge  aus,  wel- 
chen die  Athener  Ol.  106,  3  nach  Euboea  ausgeführt  haben.  Von  die- 
sem unterscheidet  er  (p.  9),  natürlich  mit  Recht,  den  in  unserer  Rede 
mehrfach  erwähnten  Feldzug,  welcher  zu  Gunsten  des  Eretriers  Plu- 
tarchos  unter  Phokions  Leitung  unternommen  und  durch  die  Schlacht 
bei  Tamynae  ausgezeichnet  ist.    Das  Ergebnis  der  scharfsinnigen  und 

TV.  Jahrb.  f.  PMI.  u.  Paed,  TftL  LXX.  Hft.  4  u.  5.  ^3 


506  C.  Fr.  Hermann:  de  Midia  Anagyrasio. 

mit  amfafsender  Kenntnis  aller  einschlagenden  Schriften  durchgeführten 
Untersuchung  ist  folgendes.  Den  Feldziig  zu  Gunsten  des  Plutarchoi» 
machte  Meidias  als  Reiter,  nicht  aber  als  Hipparch*),  und  Dem.  als 
Hoplit  mit.  Dieser  kehrt,  um  die  vorher  übernommene  Choregie  zu 
leisten,  nach  Athen  zurück;  um  dieselbe  Zeit  auch  Meidias.  Hier  be- 
ginnen die  Versuche,  welche  Meidias  macht,  um  Dem.  Festvorberei- 
tungen  zu  stU'en;  nach  der  persönlichen  Beleidigung  an  den  Dionysien 
legt  sofort  Dem.  die  Probole  gegen  Meidias  ein.  Die  Kunde,  dafs  Pbo- 
kion  die  Reiter  holen  läfst,  bewegt  Meidias,  als  Trierarch  einer  frei- 
willig gestellten  Triere  Athen  zu  Terlafsen,  nachdem  er  durch  Eukte- 
mon  eine  Klage  ksinota^^ov  gegen  Dem.  Yersucht  hat.  Kr  bleibt  einige 
Monate  abwesend.  Nach  seiner  Ruckkehr  beschuldigt  er  Dem.  der 
Theilnahme  an  Nikodcmos  Ermordung,  schiebt  ihm  auch  die  Verluste 
in  Euboea  zu  und  sucht  dadurch,  aber  umsonst.  Dem.  Eintritt  in  den 
Rath  zu  verhindern.  Dieser  tritt  das  Amt  und  zwar  in  dem  Jahre  nach 
der  Beleidigung  an,  fuhrt  die  h.  Gesandtschaft  nach  Nemea  und  wird 
zum  tBQonoiog  gewählt.  Darauf  fafst  er  die  Rede  gegen  Meidias  ab 
fp.  13).  Kann  diese  nun,  wie  Bockh  will,  Ol.  106,  4  abgefafst  sein? 
Nein**).  Es  fiele  dann  Meidias  inidoaig,  welche  zu  den  rgitai,  ixt- 
Soasig  gehört,  in  Ol.  106,  3,  und  weil  die  d fvtf qccl  inidoffBtg  slg 
"OXvv&ov  (§.  161)  vorangehen,  miisten  wir  eine  Hilfälei.stung  der  Athe- 
ner nach  Olynth  schon  um  Ol.  106,  2  d.  i.  355/J4  annehmen,  wogegen 
directe  und  indirecte  Zeugnisse  sprechen.  So  entscheidet  sich  Hr.  H. 
mit  Dionysios  für  Ol.  107,  4,  setzt  die  Züge  nach  Euboea  und  Olynth, 
die  beide  eng  zusammenhängen  (R.  g.  Neaera  !¥.  4)  Ende  Ol.  107,  2, 
d.  i.  in  die  erste  Hälfte  von  350***;,  und  stimmt  sonst  mit  Böhneckc 
überein.  Dieser  legt  die  Beleidigung  an  den  Dionysien  auf  den  15.  März 
349  (Ol.  107,  3),  läfst  im  Juli  349  (Ol.  107,  4)  Dem.  in  den  Rath  losen 
und  als  Architheoros  nach  Nemea  abgehen;  die  Rede  sei  dann  etwa  An- 
fang 348  (Ol.  107,  4)  geschrieben.  —  Während  die  Reihenfolge  derBege^ 
benheiten  unter  sich  richtig  geordnet  ♦♦♦♦)  scheint,  bleibt  mir  hinsicht- 
lich der  Zeitbestimmung  öin  Bedenken:  Böhnecke  und  Hermann  sagen, 
die  Rede  wurde  Anf.  348  (Ol.  107,  4  Arch.  Kalliinachos)  abgefafst;  sie 
erklären  auch  die  Worte  des  Redners  ov  nad'faTri-KOtog  xoQTjyov  rij  Iltxv- 
diovCdt  qtvXp  xqIxov  irog  xovxl  richtig  so,  dafs  sie  sagend  Dem. 
übernahm  die  Choregie  im  3n  Jahre  vor  der  Rede.  Wann  also?  Min< 
destens  doch  vor  Anfang  350,  denn  von  Anfang  348  bis  Anfang  350  sind 
erst  2  Jahre.  Die  Choregie  leistete  aber  Dem.,  wie  sie  sagen ,  im  März 
349,  es  fiele  also  zwischen  Uebemahme  und  Leistung  mindestens  mehr 


^*)  Gegen  Böhnecke  Forschungen  S.  14.  Der  Beweis  ist  nicht  ganz 
befriedigend. 

**)  Man  könnte  gegen  Böckhs  Ansicht  auch  folgendes  Argument  an- 
fuhren. Dem.  sagt  ($.  157),  er  sei  zehn  Jahre  lang  ^yfficoy  ovfifiog^ag 
gewesen,  Caov  ^OQfiicavi  %ai  To£g  nXovaKotdtoig.  Unter  dem  reichen 
Phormion  fst  kaum  ein  anderer  zu  verstehen  als  der  bekannte  Gegner 
ApoUodors,  Pasions  Freigelafsener.  Dieser  Phormion  wurde  atheni- 
scher Bürger  unter  Archen  Nikophemos,  d.  i.  Ol.  104,  4,  361/60,  und 
kann,  wenn  anders  nur  ein  Bürger  'qysijuov  avfiyLOQiag  sein  durfte,  die 
Hegemonie  erst  damals  übernommen  haben,  welche  mindestens  also  bis 
Ol.  107,  2,  351y50  gedauert  hat.     Folglich  schrieb  Dem.  nach  351/50. 

♦♦♦)  Böhnecke  setzt  sie  in  Ol.  107,  3,  also  Anfangs  349,  wodurch 
aber  der  Zeitraum,  wie  Hr.  H.  sagt,  für  die  Menge  der  Dinge,  welche 
dieser  Beleidigung  vorangiengen,  zu  sehr  beschränkt  wird. 

♦♦♦♦)  Jedenfalls  mit  Recht  ist  die  Zeitordnung  verworfen,  welche 
Bake  aufgestellt  hat. 


C.  Fr.  Hermann:  de  Midia  Anagyrasio.  507 

«U  1  Jahr  Zwischenraum.  Das  ist  aber  undenkbar,  wenn  man  folgen- 
der Ueberlegung  zustimmt:  Archonten  sind  Thessalos  für  Ol.  107,  % 
d.  i.  d.  Jahr  351  zweite  Hälfte  und  für  350  erste  Hälfte;  ApoUodoros  für 
Ol.  107,  3,  d.  i.  für  d.  J.  350  zweite  Hälfte  und  349  erste  Hälfte;  Kalli- 
machos  für  Ol.  107,  4,  d.  i.  für  das  J.  349  zweite  Hälfte  und  348  erste 
Hälfte.  Archen  Thessalos  leitet  die  Dionysien  im  März  des  Jahres  350, 
Kann  ebenderselbe  noch  vor  dem  März  350  schon  die  Choragen  bestimmen, 
welche  die  Dionysien  im  März  349  feiern  sollen?  Gewis  nicht.  Höch- 
stens konnte  er  nach  Vollendung  seiner  Dionysien,  also  nach  März 350, 
c.  B.  im  Mai  für  Ernennung  der  Choragen  zu  den  folgenden  Dionysien 
gesorgt  haben.  Ende  Juni  horte  sein  Amt  auf.  Dann  wären  aber  zwi- 
schen Mai  350  und  Anfang  348  keine  zwei  Jahre  verflofsen.  Aber  es 
ist  überhaupt  naturlich,  zumal  bei  so  geordneten  Verhältnissen,  wie 
es  die  FesUiturgien  waren  (D.  g.  Phil.  I  $.  36),  dafs  der  Archon  des 
vorigen  Jahres  uber^iff  in  das  Recht  des  folgenden  Archon,  unter 
dessen  Leitung  die  Dionysien  gefeiert  wurden.  Und  weil  die  Dionysien 
in  den  9n  Munat  des  Archontenjahres  fielen,  blieb  dem  zeitweiligen 
Archon  Zeit  genug,  die  nothigen  Anordnungen  zu  treffen.  Ich  glaube, 
dafs  jeder  Archon,  wahrscheinlich  bald  nach  Antritt  seines  Amtes,  die 
Choragen  zu  den  Dionysien  seines  Jahres  ernannte.  Das  wäre  dann, 
wenn  die  Beleidigung  wirklich  am  15.  März  349  vorfiel,  Archon  Apol- 
lodoros  im  Juli  350  gewesen.  Dann  fiele  aber  die  Rede  selbst  in  das 
3e  Jahr  nachher,  also  frühestens  in  die  2e  Hälfte  von  348,  wo  Dem., 
dessen  Geburtstag  spätestens  in  der  2n  Hälfte  von  381  liegen  kann, 
schon  33  Jahr  alt  war.  Aber  was  hindert  uns,  die  Beleidigung  in  die 
Dionysien,  d.  i.  in  den  März  350  zu  setzen?  Mir  hat  sich  folgendes 
Resultat  ergeben  t  Dem.  übernimmt  die  Choregie  im  Juli  351,  im  ersten 
Monat  des  A.  Thessalos  107,  2.  Der  Feldzng  nach  Euboea,  wel- 
chen er  und  Meidias  mitmachen,  fallt  in  den  Herbst  351.  Die  Reiter 
gehen  nach  Olynth  ab.  Dem.  und  Meidias  nach  Athen  zurück.  Pho- 
kion  setzt  im  Febr.  350  nach  Euboea  über,  wird  in  Tamynae  einge- 
schlofsen.  Meidias  beleidigt  Dem.  an  den  Dionysien  im  März  350.  Pho- 
kion  läfst  die  Reiter  holen ,  siegt  bei  Tamynae  und  kehrt  etwa  im  Mai 
350  über  Styra  nach  Athen  zurück.  Zwei  Tage  darauf  auch  Meidias, 
welcher  im  April  und  Mai  freiwillige  Trierarchie  geleistet.  Er  setzt 
seine  Beschuldigungen  gegen  Dem.  fort  und  besonders  auch,  als  dieser 
im  Juli  350,  Ol.  J07,  3,  A.  ApoUodoros,  durch  das  Loos  in  den  Rath 
kommt.  Dem.  geht  als  Architheoros  im  Sommer  349  (Ol.  107,  3)  nach 
Nemea,  schreibt  im  Herbst  349  (Ol.  107,  4,  A.  Kallimachos) ,  gerade 
32  Jahr  alt,  wenn  man  von  381  an  rechnet,  die  Rede  gegen  Meidias. 

9)  Demosthenische  Studien^  von  0.  Haupt.    Erstes  Heft.    Coes- 
lin  1852.    8.  * 

Das  vorliegende  Heft  enthält  Untersuchungen,  im  ]n  bis  7n  Cap. 
(S.  1 — 44)  über  die  erste  philippische,  in  Cap.  8~12  (S.  45—72)  über 
die  3  olynthischen  Reden.  Den  Zeitpunkt  der  In  Philippica  setzt  der 
Vf.  (S.  15)  in  Ol.  107,  %  d.  4.  350  v.  Chr.  Ich  kann  seinen  Beweis, 
gegenüber  den  vielen  und  gewichtigen  Gründen,  durch  welche  bewogen 
Böhnecke  diese  Rede  nach  den  olynthischen  setzt,  nicht  für  genügend 
anerkennen.  Hr.  Haupt  operiert  mit  2  Argumenten.  ^JeneT  Zustand 
völliger  Ruhe,  wo  alle  Feldherren  zu  Hause  waren  und  die  Athener 
nicht  einmal  wüsten,  wohin  sie  ihre  Flotte  schicken  sollten,  um  Philipp 
anzugreifen  (Phil,  d  $.  44),  kann  nicht  stattgefunden  haben  während  der 
Feldzuge,  welche  vom  Anthesterion  Ol.  ]07,  3  d.  i.  Febr.  349  an  bis 
Ol.  108,  1  d.  i.  348/7  die  Athener  auf  Euboea  und  für  Olynth  gefuhrt 
haben.'  Aber  der  Vf.  hat  zuviel  in  den  Worten  gesucht,  mit  welchen 
der  Redner  nichts  weiter  als  die  Lässigkeit  der  Burger  geifselt.     Viel- 

33* 


508  0.  Haupt:  domoslhenisclic  Studien.    Is  Heflt. 

mehr  vraren  diese  muthloa  (§.  2)  bei  der  gegenwärtigen  Lage,  das  heifst 
doch  darch  erlittene  Unglücksfälle  und  vergebliche  Anstrengungen  ge- 
worden; im  Kriege  aber  waren  sie  mit  Philipp,  wie  der  Redner  wie- 
derholt  versichert.  —  Zweitens:  Philipp,  sagt  Hr.  H.,  belagerte  Heraion 
3  oder  (befser  ^bis')  4  Jahre  vor  der  3n  olynthischen  Rede  {^,  4),  welche 
Ol.  107,  4,  im  October  349  gehalten  ist.  Die  Athener  erfuhren  es  im 
Maimakterion ,  d.  i.  November  352.  Erst  im  October  351  gieng  Chari- 
demos  und  zwar  mit  10  Schiffen  ab,  weil  inzwischen  die  Kunde  von 
Philipps  Krankheit  nach  Athen  gekommen  war  (§.  5).  Von  dieser  Krank- 
heit genesen  griff  Philipp  Olynth  an  (Ol.  a  §.  12),  etwa  im  Winter 
351/50  und  dieser  Angriff  auf  Olynth  hat  die  Athener  veranlafst  zu  den 
inidoaeig  dg  *'OXvv^ov  ^  deren  Dem.  in  der  Midiana  {%.  161)  Erwäh- 
nung thut.  —  Bis  hieher  ist  die  Anordnung  der  Facta  richtig,  übrigens 
auch  ebenso  schon  von  Uöhnecke  (S.  730)  aufgestellt.  Aber  wie  schliefst 
Hr.  H.  weiter?  Das  Geschwätz  der  Burger,  sagt  er,  welche  Dem.  in 
Phil,  a  %,  11  von  einer  gegenwärtigen  Krankheit  Philipps  klatschen 
läfst,  betreffe  eben  jene  Krankheit  aus  dem  J.  351,  und  der  in  Phil,  d 
<$.  17  erwähnte  Zug  Philipps  sei  der  nach  dieser  Krankheit  unternom- 
mene. Das  ist  aber  ein  Widerspruch.  Denn  Philipp  hat,  genesen  von 
seiner  Krankheit,  diesen  Zug  unternommen,  welcher  Athen  so  allar- 
miert hat;  es  können  also  die  Burger  nicht  mehr  sagen,  Philipp  sei  todt 
oder  doch  krank,  wenn  er  sie  eben  erst  zu  ^nidooBig  gezwungen  hat. 
Hier  sind  folgende  3  Möglichkeiten :  entweder  Philipp  ist  in  dem  Aa- 
genblick  der  Rede  wirklich  krank;  dann  ist  eine  andere  Krankheit  ge- 
meint als  die  oben  erwähnte;  oder  Dem.  hat  die  vergangene  Krankheit 
im  Sinn  und  das  damals  in  Athen  cursierende  Geschwätz;  er  erinnert 
daran,  um  an  einem  Factum  den  Leichtsinn  der  Athener  zu  malen,  was 
natürlich  eben  so  gut  2  Jahre  als  1  Jahr  nach  der  Sache  selbst  ge- 
schehen konnte;  oder  endlich  Dem.  will  ohne  Rücksicht  auf  ein  be- 
stimmtes F^actum  überhaupt  die  Art  der  Athener  charakterisieren,  welche 
an  grundlosen  Gerfichten  viel  mehr  als  an  energischem  Handeln  Gefallen 
finden.  Keineswegs  dürfen  wir  auf  diese  Kthopoiie  so  genaue  Bestim- 
mungen, wie  Hr.  H.  thut,  bauen.  —  Der  Vf.  wendet  sich  hierauf  zu 
dem  Kernpunkt  seiner  Schrift:  er  will  die  'noch  nicht  bewiesene'  Ein- 
heit der  ersten  Philippica  erhärten.  Bekanntlich  ist  darüber  viel  hin 
und  her  gestritten,  und  die  verschiedenen  Ansichten  sind  mit  ebensoviel 
Scharfsinn  wie  Unparteilichkeit  besprochen  von  Seebeck  in  der  Ztschr. 
f.  d.  AW.  1838  S.  737—787.  Er  hat  dargelegt,  wie  alle  bis  dahin 
aufgestellten  Gründe  und  Gegengründe  unhaltbar  sind,  so  dafs  man  un- 
zweifelhaft der  historischen  und  handschriftlichen  Autorität  zu  Folge 
sich  für  die  Einheit  erklären  müstc,  zwänge  uns  nicht  ein  Widerspruch, 
und  das  ein  unauflöslicher,  in  dem  li^  u.  2n  Thcil,  die  Zusammenge- 
hörigkeit beider  Theile  zu  Einern  Ganzen  unbedingt  zu  verwerfen.  In 
dem  In  Theile  (ich  bezeichne  ihn  mit  I)  fordert  der  Redner  a),  dafs  man 
50  Trieren  und  ein  Bürgerheer  in  steter  Bereitschaft  halte  {$.  16—18), 
um  etwaige  Angriffe  des  Königs  zu  verhüten  oder  unschädlich  zu  ma- 
chen; b)  die  sofortige  Absendung  einer  kleineren  und  zum  Theii  aus 
Bürgern  zusammengesetzten  Flotte  und  Kriegsmacht,  nicht  zu  offenem 
Kampfe,  sondern  um  beständig  Philipp  zu  schädigen  ($.  19 — 23).  Da- 
gegen wird  in  dem  2n  Theil  (II)  der  Rede  stets  nur  von  4inem  Heere 
gesprochen  und  man  mag  sich  nun  für  la  oder  Ib  entscheiden,  im- 
mer vorwickelt  man  sich  in  mehr  als  ^ine  bedeutende  Schwierigkeit. 
Der  Kriegsplan,  welchen  der  Redner  in  I  vorschlägt,  ist  also  wesent- 
lich verschieden,  zum  Theil  entgegengesetzt  dem  in  II  besprochenen; 
mithin  können  die  beiden  Theile  nicht  zusammengehören.  Vielmehr  ist 
der  Theil  II  von  $.  30  an  eine  selbständige  —  und  zwar,  wie  See- 
beck in  Folge  von  mancherlei  Combinationen  schliefst,  eine  Ol.  107,  2 


0.  Haupt:  dcmoslhciiisclic  Siudicu.    is  lieft.  500 

von  Dem.  als  Mitglied  des  Senats  in  Kolgo  eines  besonderen  Auftrags 
dieser  Behörde  vor  dein  Volke  gehaltene  Rede.  —  Jenen  Bedenken 
Seebecks  schliefst  sich  Hr.  H.  an  und  fiigt  folgende  hinzn :  Während 
Ib  genügend  erörtert  ist,  scheint  dos  wichtigere  Ta  ganz  Tergefien. 
Kerner:  das  Versprechen  des  Redners  (§.  15),  die  Mittel  nachzuweisen, 
durch  welche  Flotte  und  Heer  bis  zur  Beendigung  des  Krieges  erhaU 
ten  wurde,  ist  nicht  gelöst.  Endlich:  die  Besorgnis  des  Redners  (§,  51) 
für  seine  Person  in  Folge  der  gemachten  Vorschläge  ist  bei  dem  jetzigen 
Inhalt  der  Rede  unbegreiflich.  Allen  diesen  Schwierigkeiten,  sagt  Hr. 
IL,  begegnet  der  Inhalt  des  verloren  gegangenen  Actenstäcks,  der  nogov 
dxoÖHitSy  welches  den  In  und  2n  Theil  trennt.  Wie  gewinnt  Hr.  H. 
seine  Ansicht  über  den  Inhalt  dieses  Actenstäcks?  Dem.  mufs  doch 
irgendwo  die  Kosten  für  das  la  geforderte  Heer  berechnen,  wenn  seine 
Forderung  nicht  mufsig  bleiben  soll ,  und  er  legt  ein  so  grofses  Ge- 
wicht auf  die  Bedingung  ($,  33)  ecv  xavxa,  cd  ä.'ji,,  noqlcrixB  xä 
XQii(tctxa  icQfüxov  a  Isyoa  und  deren  Consequenzen ,  dafs  er  offenbar  mehr 
als  die  Bewilligung  von  92  Talenten  begehrt.  Br  macht  in  der  Rede 
«.  avyxaffcoff,  von  welcher  Hr.  H.  $.  1  —  18  und  32—36  für  echt  an- 
erkennt und  sie  Ol.  107,  3  bald  nach  der  In  Phil,  gehalten  oder  ge- 
schrieben denkt,  den  Vorschlag,  alle  Einkünfte  der  Stadt  unter  die 
Burger  zu  Tertheiien,  unter  xovq  fi^v  iv  iqltx^qi  als  axQciximxiTioVy 
tovs  d*  vxIq  xov  %axoiXoyov  als  iisxaaxiyiav ,  oder  wie  man  es  nen- 
nen wolle;  fordert  aber  dagegen  von  den  Athenern,  axQaxeveo^ai 
avxovg  und  x^v  ^vvaiitv  xi^s  nolemg  oUsiav  slvai  %al  naxsanivaüfiLivmf 
d^a  xovxoov,  also  eine  Verwendung  der  Staatsgelder  zu  einem  geord- 
neten Kriegsdienst,  an  welchem  jeder  Athener  nach  Kräften  theilnehme 
(».  cvvxä^.  J.  4).  Kr  sagt  aber  (ebend.  §.  9) :  qpi?ftl  9etv  vf/Mg  avvxB- 
tdx^^cciy  xal  xTJv  aikjjv  xov  xs  laßsiv  %al  xov  sroiCiv  a  7tQoaij%Bi  avv- 
xafiv  alvai,  disXix'^riv  d'  vfittv  ne^l  xovxtov  xal  n^oxeifovy  %al  dis^iqX- 
%ov  dig  av  avvxax^'sijixe  ^  ot  &*  onlixmi  %ai  ot  tmiBtg^  xal  oaoi  xovtcdv 
i%x6g  iaxSf  xal  BvnoQ^a  xig  av  anaoi  yivoixo  hoivt].  Er  wiederholt 
in  der  Ol.  107,  4  (349)  j^ehaltenen  3n  olynth.^R^ede  ($.  35):/ ich  for- 
dere sofort  xi}y  avxiqv  avvta^iv  dndvxtov,  oa  ä,  S#.,  tva  x<Sv  notvcSv 
snaaxog  x6  aigog  Xafißdviov  ^  oxov  dioixo  17  nolig  y  xovd"'  v^ra^roi,  und 
sagt:  xr)v  axa^^av  aysZc^y  slg  xd^iv  rjyayov  xr^v  noXiv^  zi^v  avxriv  xov 
XaßBiv,  X06  axQcexBVBO&aiy  xov  dmdisiv,  xov  noteCv  xovb^'  o  xi  xa^' 
iJZ&xiav  Buctaxog  l^j^oi  %al  oxov  naiQOg  strj ,  xa|tv  nonjaag.  —  Wo  nun, 
fragt  Hr.  H.,  hat  Dem.  diese  avvxa^ig  vorgeschlagen?  Nirgends  an- 
ders als  in  dem  genannten  Actenstnck,  «ogov  dnoosi^tgy  der  In  phil. 
Rede.  Dieses  enthielt,  meint  er,  nicht  blofs  eine  Berechnung  der  Ko- 
sten, welche  das  grofse  in  Ja  geforderte  Heer  nöthig  machte,  sondern 
auch  ^die  Anordnung  aller  Athener,  sowohl  derer,  deren  Alter  für  den 
Kriegsdienst  tauglich  war,  als  auch  derer,  welche  nach  vollendetem 
60n  Lebensjahre  nicht  länger  verbunden  waren  ins  Feld  auszurücken; 
jedem  Athener,  wie  sein  Name  in  den  Listen  verzeichnet  war,  waren 
bestimmte  Pflichten  auferlegt,  wie  es  seinem  Alter  gemafs  oder  den 
Umständen  nach  erforderlich  war.  Aber  jeder  Dienst  wurde  belohnt, 
und  zu  diesem  Zwecke  alle  vorhandenen  Gelder  verwandt.  Sonach  be- 
ruhte diese  Syntaxis  auf  dem  grofsen  Gedanken:  xal  ft/av  aifvxct^iv 
Bivai  xr)v  avx^v  xov  xs  Xaiißdvnv  xal  xov  novBiv  xä  diovxa  (S.  41). 
Diese  avvxa^tg y  sagt  Hr.  H. ,  ist  der  politische  Grundsatz,  welcher 
der  ersten  phil.  Rede  zu  Grunde  liegt  und  nur  durch  diesen  Gedanken 
gewinnen  wir  die  Ueberzeugung  von  ihrer  Einheit  und  ihr  völliges  Ver- 
ständnis (S.  35).  So  löst  der  Redner  seine  vnoaxBaiv  ovxco  fitydXriv 
($.  15),  hat  nachgewiesen  die  BeschalTcnheit  und  Grofse  der  Streit- 
macht, aber  auch  die  Mittel  zu  ihrer  Erhaltung  bis  zur  Beendigung 
des  Krieges.     So  löst  sich,  meint  Hr.  H. ,    auch  das  oben  hingestellte 


510  0.  Haupt:  demoslhcnischc  Studien.    Is  Heft. 

Hauptbedenken,  weil  nunmehr  II  nicht  die  Rüstungen  Ton  la  oder  Ib 
speciell  im  Auge  hat,  sondern  yielmehr  den  Zweck  verfolgt,  mit  den 
kräftigsten  Worten  die  Nothwendigkeit  einer  so  durchgreifenden  Mafs- 
regel  zu  beweisen  (8.  43).  Wir  verstehen  jetzt  auch  die  ivxslrj  nä- 
cav  fqv  dvva^iv  $.  33  (S.  38).  Und  sollen  wir  noch  die  persönliche 
Besorgnis  des  Redners  erklären?  Nun  er  hatte  die  Verwendung  aller 
öffentlichen  Gelder  für  Kriegszwecke  beantragt  und  somit  auch  die 
Theatergelder  angetastet  (S.  •&).  «Diese  Gelder  hatte  er  in  dem  Acten- 
stücke  ohne  weiteres  yerrechnet,  denn  in  bestimmten  Worten  ihre  Ver- 
wendung für  Kriegszwecke  zu  beantragen,  wäre  zu  gefährlich  gewe- 
sen, und  bald  darauf  zeigte  das  Unglück  des  Apollodoros,  wie  noth- 
wendig  eine  Vorsicht  war,  welche  den  heilsamsten  Antrag  verborgen 
und  versteckt  unter  den  Linien  einer  Rechnnng  vor  das  Volk  brachte, 
das  durch  den  seltsamen  Kunstgriff  überrascht  und  in  Erstaunen  ge- 
setzt, dem  Redner  seinen  kühnen  Antrag  verzieh'  (S.  36).  Seltsam 
allerdings  und,  so  sehr  ich  den  Scharfsinn  und  die  Freudigkeit  aner- 
kenne, mit  welcher  Hr.  H.  combiniert  hat,  doch  unglaublich.  Ich  lege 
wenig  Gewicht  auf  den  Widerspruch,  in  welchen  Hr.  H.  sich  ver- 
wickelt hat;  Dem.,  welcher  in  der  Rede  n,  awru^Bcng  offen  die  Mög- 
lichkeit einer  Verwendung  der  d'SonQi.'itd  zum  Kriege  bespricht  und  dies 
ohne  Scheu  thun  durfte,  weil  Kubulos  Gesetz  noch  nicht  gegeben  war 
(vgl.  H.  S.  50),  hatte  doch  also  in  der  kurz  zuvor  gehaltenen  ersten 
Philippica  nicht  nöthig,  so  ungemein  versteckt  sich  auszudrücken.  Ich 
greife  lieber  den  Hauptpunkt  an  und  sage  erstens:  ein  solches  Ver- 
fahren, wie  von  Dem.  hier  behauptet  wird,  war  dem  Volke  und  mäch- 
tigen Widersachern  gegenaber,  überhaupt  bei  der  Verfafsung  und  Ver- 
waltung Athens  undenkbar.  Zweitens,  wenn  Dem.  einen  solchen  in  der 
TCOQOv  dnoffei^ig  enthaltenen  Vorschlag  empfehlen  wollte,  einen  Vor- 
schlag von  ungeheurer  Tragweite  und  total  reformierendem  Charakter, 
so  muste  der  2e  Theil  der  Rede,  worin  er  dies*nach  H.s  Meinung  thut, 
ganz  anders  lauten.  Man  sehe  nur  ohne  Befangenheit  den  Uebergang 
an.  Demosthenes  berechnet  §.  28  die  Kosten  der  kleineren  Rüstung 
auf  92  Talente,  freilich  nur  als  airrighiov^  aber  was  noch  am  vollen 
Sold  fehle,  werde  sich  das  Heer  durch  den  Krieg  verschaffen:  no^fv 
ovv,  fährt  er  fort,  6  nogog  tcov  xc^^f^arcov,  ä  nag'  vficSv  [im  Gegen- 
satz zu  dem,  was  sich  die  Soldaten  selber  durch  den  Krieg  verschaf- 
fen] %fXfV(o  yspiad-tti^  zovx'  rjdrj  Is^to,  Man  kann  einzig  und  allein 
die  92  Talente  verstehen.  ^Es  folgt  nogotJ^  dnodfi^iq;  worauf  der  Red- 
ner wieder  anfangt  mit  a  (ihv  rj^tsig,  d  ä,  'A.^  dedvvrjfiF^a  fVQSi^Vj 
xctvt'  hxivi  ^ diese  Quellen  sind  es,  welche  wir  haben  ausfindig  ma- 
chen können.'  Ich  bitte,  wer  kann  hier  den  innigsten  Zusammenhang 
mit  dem  unmittelbar  vorangegangenen  Versprechen  verkennen?  Wer 
wird  aber  diesen  Zusammenhang  zerreifsen  wollen,  um  in  diesen  höchst 
einfachen  Worten  die  Einleitung  zu  sehen  zur  Rechtfertigung  eines 
ganz  unen/^artet  von  dem  Redner  hinein  escamotierten  Vorschlags  einer 
Totalreform  des  Staates?  Und  diese  Rechtfertigung,  was  hat  sie  mit 
T^emnos  und  Skiathos  zu  thun,  welche  Dem.  geeignete  Winterquartiere 
fiir  das  kleine  beständig  unterhaltene  Heer  nennt?  Uebcrhaupt  dient 
der  2e  Theil  einzig  und  allein  dazu,  die  Unterhaltung  des  kleineren 
stehenden  Heeres  zu  empfehlen;  aber  man  hat  fälschlicherweise  dieser 
Beorderung  des  Redners  zu  wenig  Gewicht  beigelegt,  verleitet,  wie 
ich  denke,  durch  moderne  Anschauungen.  Ein  stehendes  Heer,  dar- 
unter Vi  Bürger ,  immerfort  im  Felde,  alljährlich  92  Talente  bis  zur 
Beendigung  des  vielleicht  noch  langwierigen  Krieges  —  das  sind  For- 
derongen,  welche  den  Athenern  sicherlich  ganz  neu  waren  und  gewis 
hart  ankamen,  mochte  die  Zahl  der  Burger  auch  nur  500,  des  ganzen 
Heeres  2000  Mann  betragen.    Dem.  durfte  nicht  mehr  fordern  und  wollte, 


0.  Haupt:  demo&thcnische  Sludiea.    Is  Heft.  511 

^ie  ich  überzeagt  bin,  die  Athener  überhaupt  erst  an  diese  Art  der 
Kriegführung  gewöhnen,  von  welcher  allein  Heil  zu  hoffen  war.  Damit 
erledigen  sich  auch  alle  Schwierigkeiten  in  der  Rede,  die  einzige  aus- 
genommen, dafs  der  Redner  tou  den  la  vorgeschlagenen  M)  Trieren 
ganz  schweigt.  Das  aber,  meine  ich,  erklart  sich  so  am  natürlichsten: 
wie  im  peloponnesischen  Kriege  bestand  ig  100  Trieren  zum  Schutze 
Attikas  in  Bereitschaft  liegen  mnsten,  so  war  höchst  wahrscheinlich 
in  dem  Kriege  gegen  Philipp  der  Beschlufs  längst  gefafst  worden  oder 
zur  Sprache  gekommen ,  50  Trieren  segelfertig  zu  halten ,  welche  im 
Nothfall  von  den  Bürgern  bemannt  werden  sollten.  Dem. ,  dem  jede 
Art  Rüstung,  wenn  sie  nur  Philipp  gilt,  recht  ist,  nimmt  diese  Sache 
als  seinen  Vorschlag  wieder  auf;  er  kann  aus  früheren  Erfahrungen 
überzeugt  sein,  dafs  die  Athener  ihn  ohne  weiteres  annehmen  —  hatte 
doch  der  Staat  Trieren  genug  und  brauchten  sie  selber  nicht  sogleich 
auszuziehen,  wozu  immer  noch  ein  neuer  Beschlufs  nöthig  war — , 
er  ist  ebenso  aber  auch  überzeugt,  dafs  dieser  Beschlufs  nicht  wesent- 
lich helfen  kann;  darum  fügt  er  einen  2n  Vorschlag,  den  einer  xaiv^ 
naQaoKSvij  hinzu,  welchen  er  mit  der  ganzen  Kraft  seiner  Beredsamkeit 
anempfiehlt.  Mit  diesem  zugleich  wurde  sicherlich  auch  der  erste  Vor- 
schlag angenommen,  welcher  sich  eigentlich  so  von  selbst  versteht, 
wie  die  Mobilmachung  unseres  Heeres  da  wo  Krieg  droht.  Darum 
zweifle  ich  auch  keinen  Augenblick  an  der  Kinheit  der  ersten  philip- 
pischen Rede;  die  Aeufsernngen  in  der  Rede  n,  üwra^eatg  und  in  der 
3n  olynthischen  erklare  ich  so ,  dafs  allerdings  einmal  Dem.  eine  ovv- 
''€c^iSf  d.  i.  Ordnung  des  Kriegswesens  beantragt  hat,  aber  wir  wifsen 
nicht  wann  und  in  welcher  Weise;  dafs  auch  eine  solche  Notiz  für 
irgend  wen  Anlafs  gewesen  ist,  die  Rede  n,  avvrce^smg  abzufafsen, 
und  wieder  für  andere,  sie  unter  die  demosthenischen  aufzunehmen. 

Von  dem  Zuge  Philipps  gegen  Olynth,  welcher  in  Phil.  «  u.  Ol.  « 
erwähnt  wird,  unterscheidet  Hr.  H.  mit  Recht  den  zweiten  olynthischen 
oder  chalkidischen  Krieg,  welcher  mit  der  Zerstörung  Olynths  endete. 
Diesem  2n  Kriege  gehören  die  3  olynthischen  Reden  an:  denn  Apollo- 
doros,  sagt  H.,  schlug  die  Verwandlung  der  &e(OQi%d  in  aTgorrKorind 
vor  im  Beginn  des  euboeischen  und  zweiten  olynthischen  Krieges^  (R. 
g.  Neacra  ^.  41),  d.  i.  im  Febr.  349.  Apollodoros  wurde  naQav6(iajv 
angeklagt,  aber  sein  Process  schwebte  noch,  als  Dem.  die  Rede  n» 
avvxd^ecDg  hielt.  Er  wurde  verurtheilt  und  gleichzeitig  Eubulos  Gesetz, 
welches  durch  eben  jenen  Vorschlag  veranlafst  war,  angenommen.  Auf 
dieses  Gesetz  deuten  die  Worte  (wo  H.  mit  Recht  die  Worte  xal  xavr' 
Eivat,  azQaTKoztTid y  welche  Franke  ausstöfst,  in  Schutz  genommen  hat) 
in  Ol.  d  ^.  19.  20  und  in  Ol.  y'  §.  10  und  12.  Die  Reden  gehören  also 
dem  2n  Kriege  an;  die  le  und  2e  bald  nacheinander  gehalten,  als  die 
OlyntÄier  nach  längerem  Widerstand  gegen  Philipp  (Ol.  d  ^.  4.  21) 
Athen  im  Sommer  349  um  Hilfe  angiengen;  die  3e,  nachdem  bereits  die 
Athener  Hilfe  abgeschickt  und  einige  Vortheile  über  Philipp  gewonnen 
hatten  Die  besondere  Betonung  der  ßoridgoiiicc  (§.  31  im  Vergleich 
mit  d(>m  53n  nQOo:'fitov)  weist  auf  den  ^Tonat  Boedromion  Ol.  107,  4 
(d.  i.  October  349)  hin  (S.  58).  In  dem  letzten  Capitel  bespricht  der 
Vf.  die  Stelle  aus  Ol.  ß  §.  29  und  nimmt  an,  dafs  ot  tQiayioaiot  rav 
fiatpBQOVTODV  mit  den  zQia%oaiotg  toSv  x girjQaQXO wrcav  streiten.  Er  ver- 
folgt endlich  die  Tendenz  der  olynthischen  Reden  aus  dem  Gesichts- 
punkt der  ovvxa^tg  des  Kriegswesens,  welche  Dem.,  sagt  er,  bcharlich 
angestrebt  hat.  —  Möge  es  dem  Hrn.  Vf.,  durch  dessen  Schrift  eine 
wohlthuende  Frische  von  reger  Forsrhun^slust  weht,  möglich  sein  und 
gefallen,  uns  bald  mit  einem  2n  Heft  demosthenischer  Studien  zu  be- 
schenken. 


512  J.  E.  Heinrichs:  qaaestiones  Demosthcnicae, 

10)  Quaestiones  DemostherUcae.  Von  Dr.  J.  E.  HeinriehB.  Pro- 
gramm der  Konigstädtischen  Realschale  in  Berlin.  J853.  8. 
Die  Frage  nach  Dem.  Geburtsjahr,  seit  Jahren  schon  ein  Stecken 
pferd  der  Gelehrten,  ist  immer  noch  nicht  befriedigend  gelost  worden. 
Sie  lautete  früher:  Ol.  98,  4  oder  99,  4?  jenes  bekanntlich  die  Angabe 
von  Ps.-Plutarchos,  diese  Yon  Dionysios  von  Halikarnass.  Seit  aber 
Bockh,  obwohl  noch  nicht  von  der  Unrichtigkeit  seiner  Behauptung 
überzeugt,  dafs  Dem.  Ol.  98,  4  geboren  sei  (Staatsh.  1  S.  733  n.  A.}, 
doch  zugibt,  es  sei  eines  der  (zwischen  Ol.  98,  4  und  99,  4)  mittle- 
ren Jahre  das  richtige,  wahrscheinlich  näher  dem  ersten  als  dem 
letzten  Zeitpunkt  (ebend.  T  S.  668):  seitdem  mufs  die  Ansicht  durch- 
gedrungen sein,  dafs  weder  Ps.-Plutarchos  nach  Dionysios  ihre  Be- 
hauptungen auf  authentische  Angaben  gestutzt,  sondern  auf  Grund 
eigner  oder  früherer  Berechnung  aufgestellt  haben.  Der  Vf.,  überzeugt, 
dafs  wir  dieselben  Materialien  zu  einer  Berechnung  vor  uns  haben, 
welche  Dionysios  hatte,  macht  den  Versuch,  durch  Combination  von 
Dem.  eignen  Angaben,  wie  sie  in  den  Vormundschaftsreden  g.  Aphobos 
und  Onetor  vorliegen,  ein  Resultat  zu  gewinnen,  mit  welchem  dann 
auch  die  in  der  Midiana  sowie  über  die  Androtiana ,  Leptinea  u.  a.  Re- 
den überlieferten  Zeitangaben  und  sonstigen  Zeugnisse  über  Dem.  I^e- 
bensalter  in  Einklang  zu  bringen  sind.  Diesen  Weg,  welcher  sich 
durch  Logik  empfiehlt,  hat  vor  dem  Vf.  schon  Seebeck  eingeschlagen; 
aber  dessen  scharfsinnige  und  mit  strenger  Consequenz  durchgeführte 
Untersuchung  (Ztschr.  f.  d.  AW.  1838  S.  321—346)  ist  leider  Hrn. 
Heinrichs,  wie  vorher  Hrn.  Böhnecke  unbekannt  geblieben:  sie  würde 
jenem  den  positiven  Theil  seiner. Arbeit  so  ziemlich  erspart  haben*). 
Kr  würde  auch  durch  folgende  Worte,  die  Seebeck  gegen  Ranke  braucht 
(S.  326),  sich  getroffen  fühlen:  'weiterhin  aber  zieht  R.  die,  wie  er 
selbst  sagt,  noch  nicht  definitiv  entschiedene  Frage,  ob  der  Eintritt 
in  die  Ephebie  immer  nur  mit  dem  Schlafs  des  bürgerlichen  Jahres 
stattfand,  in  den  Kreis  seiner  Betrachtung,  und  macht  damit  seine 
Untersuchung  unsicher  und  unklar.'  Freilich  Hr.  H.  entscheidet  de- 
finitiv: die  Dokimasie  fand  in  den  Archacresien,  d.  i.  in  der  ersten 
Hälfte  des  Thargelion  statt,  bald  darauf  die  Uebergabe  des  Vermögens 
(S.  14).  Nun  fiel  aber,  sagt  er.  Dem.  Dokimasie  mit  Aphobos  Hoch 
zeit  ziemlich  zusammen;  die  Hochzeit  war  im  Skirophurion  des  A.  Po- 
lyzelos,  Ol.  103,  2  d.  i.  Juli  366  (D.  g.  Onetor  ä  15)^  also  geschah  die 
Dokimasie  in  dem  Thargelion  desselben  A.  Polyzclos,  d.  i.  Juni  366. 
Somit  fiele  Dem.  Dokimasie  vor  Aphobos  Hochzeit,  eine  Ansicht  welche 
freilich  bis  jetzt  niemand  aus  den  Worten  des  Redners  (g.  Onetor  d 
§,  17):  iv^vg  fisrarovg  ycifiovg  Sonifiaa&slg  ivtudXovv  sc.  'j4(p6ßfp  gewon- 
nen hat.  Hr.  H.  übersetzt,  mit  Zustimmung  Vomels,  wie  er  sagtik  etwa 
folgendermafsen :  'sofort  nach  der  Hochzeit  begann  ich  —  mundig  wie 
ich  war  —  meine  Beschwerde  wider  Aphobos.'  Es  stimme  damit,  sagt 
Hr.  H. ,  f.  17  fieTu  zoCvvv  xovtov  tov  üqxovtcc  (Polyzelos)  Kr^tpiaödmgog 
XCav.  inl  zovxtov  ivsiidXovv  Somaaad'SLgy  wo  ebenfalls  doyiifuxad'Bfg 
abgelost  und  nimmermehr  mit  inl  tovxcov  verbunden  werden  dürfe. 
Richtig,  es  kann  nichts  anderes  heilsen  als:  unter  diesen  Archonten 
führte  ich  als  mündiger  wiederholt  und  beharlich  (doch  erfolglos)  Be- 
schwerde wider  Aphobos.  Soll  nun  aber  das  Imperfectum  in  der  erst- 
genannten Stelle  eine  andere  Bedeutung  haben  als  hier,  als  überhaupt 
im  Griechischen?  Das  wird  Hr.  H.  nicht  behaupten  wollen;  aber  un- 
willkürlich hat  er   es  angenommen,   wenn  er  (vxfvg  fistd  rovg  yäfiovgy 

♦)    Zu  seinem  §.  2   vgl.  Seebeck   S.  341,   zu   .^.  3  S.  331    Nr.  48, 
und  wegen  der  Beispiele  S.  344,  über  die  Fabrik  Verwaltung  S.  343. 


J.  E.  Heinrichs:  qnaeslioncs  Dcmosthenicac.  513 

was  den  sofortigen  Eintritt  einer  Handlung  nach  einem  hcKtimmten 
Zeitraum,  nothvrendig  also  den  Aorist  (oder  das  hitftorische  Praesens) 
fordert,  mit  dem  Tmperfectum  verbindet,  durch  weiches  Dem.  die  Wie- 
derholung und  Beharlichkeit  seiner  vergeblichen  Versuche  bezeichnen 
will.  Aber  die  nach  ivdvg  eintretende  Handlung  ist  eben  in  doytifut- 
ad^eig  enthalten:  'sofort  nach  der  Hochzeit  mundig  erklärt*.  Schon 
die  Stellung  von  8o%i{i,aü^B£g  erlaubte  hier  Icein  anderes  Verständnis. 
Wenn  also  die  Dokimasie  nach  des  Vf.  Ansicht  immer  im  Thargelion 
erfolgte,  so  wurde  Dem.  nicht  im  Juni  366  unter  A.  Polyzelos,  son- 
dern erst  im  Juni  366  unter  A.  Kephisodoros  mündig  geworden  sein: 
damit  fallt  die  Berechnung  aller  anderen  Pacta  bei  Hrn.  H.  zusammen. 
Denn  gleich  zuTersichtlich,  wie  den  Zeitpunkt  der  Dokimasie,  be- 
stimmt Hr.  H.  als  das  Alter  der  dazu  befähigten  Bpheben  das  vollen- 
dete I7e  Jahr,  dergestalt,  dafs  im  Thargelion  jedes  Jahres  diejenigen, 
welche  ihr  17s  Lebensjahr  überschritten  hatten,  für  mündig  erklärt 
wurden.  Dem.  war  also,  schliefst  er,  im  Juni  366  (Ol.  103,  2)  sicher 
alter  als  17  Jahre,  mnfs  also  Ol.  99,  1 ,  wahrscheinlich  im  Herbst  (des 
Jahres  384)  geboren  sein.  F^ür  den  Herbst  384  entscheidet  sich  Hr. 
H. ,  wie  es  scheint,  jenem  alten  Horoskop  zu  Liebe,  sonst  folgt  au.H 
seiner  Berechnung  natürlicher  noch  das  i^^uhjahr  383.  —  Der  Vf.  sucht 
nun  mit  dem  gewonnenen  Resultat  die  sonstigen  Zeitangaben  in  Ein- 
klang zu  bringen  und  die  Widersprüche,  welche  besonders  Bohnecke 
erhoben  bat,  sn  beseitigen.  Mit  vollem  Recht  thnt  er  dies  mit  der 
Ansicht,  welche  Bohnecke  über  die  10 jährige  Berechnung  der  Zinsen 
aufgestellt  hat.  Danach  wären  10  Jahre  seit  dem  Tode  des  Vaters 
nicht  bis  zu  Dem.  Dokimasie,  sondern  bis  zu  dem  Augenblick  der  Klage 
▼erflofsen.  Denn  die  Vormunder,  sagt  Bohnecke,  waren  doch  auch  nach 
seiner  Dokimasie  während  der  Zeit,  wo  er  noch  mit  der  Klage  zögerte, 
im  Genufs  des  Vermögens.  Aber  abgesehen  davon,  dafs  an  13  Stellen 
die  Vormundschaft  selber  von  Dem.  eine  zehnjährige  genannt  wird,  so 
kann  doch  dieser  die  Klage,  welche  längere  Zeit  hindurch  anfangs  vor 
einem  gewählten,  dann  vor  dem  vom  Staat  ernannten  Diaeteten  schwebte, 
in  dem  Augenblicke  nicht  geändert  haben ,  wo  sie  vor  Gericht  kam ; 
vielmehr  ist  die  ganze  Rede  gegen  Aphobos  Rechenschaftsablage  ge- 
richtet, welche  doch  unmittelbar  nach  der  Dokimasie  eintrat;  auch 
würden,  weil  doch  Dem.  einen  Theil  seines  Erbes  erhalten  hatte,  die 
Zinsen  der  2  Jahre  nach  der  Dokimasie  anders  als  die  der  8  vorange- 
gangenen Jahre  berechnet  sein.  Was  der  Vf.  über  Aphobos  Trierarchie 
nach  Kerkyra  beibringt  ($.  6  S.  17),  sodann  über  die  Bezeichnung  durch 
IJkHQanvXXiov  (Jf.  7  S.  18)  sowie  über  den  oropischen  Process  (S.  19), 
darf  ich  als  zu  wenig  schlagend  übergehen.  Er  hat  Recht,  wenn  er 
im  Ifn  Abschnitt  (S.  21  —  23)  nachweist,  dafs  die  Zeitangaben  der  Al- 
ten über  die  Androtiana  und  Leptinea  zu  keinem  sicheren  Resultat  füh- 
ren. Er  stimmt  in  111  (S.  24 — 25)  Bockh  bei,  welcher  aus  Hyperei- 
des  Worten  \vv  ü%  —  of  vioi,  xoCq  vuIq  c|)fxovTa  h-q  amtpQovitovaiv 
ein  wenigstens  60jähriges  Alter  des  Dem.  in  Ol.  114,  1  folgert,  als 
Hypereides  obige  Worte  im  harpalischen  Process  gegen  Dem.  aus- 
sprach, wonach  freilich  seine  Geburt  nicht  unter  Ol.  ^K),  I  herabzu- 
setzen wäre.  Ungenügend  scheint  mir  der  Abschnitt  IV  (S.  26  —  41) 
hinsichtlich  der  Zeitbestimmung  des  (2n)  euboeischen  und  des  damit 
verbundenen  olynthischen  Keldzugs.  Der  Vf.  ist  gezwungen,  diese  Züge, 
also  auih  die  Schlacht  bei  Tamynae  in  Ol.  106,  4  (353/2),  die  Belei- 
digung des  Dem.  in  den  März  352,  die  Midiann  gegen  Ende  d.  J.  352 
(Ol.  107,  1)  zu  setzen.  Ich  verweise  darüber  auf  das  oben  zu  Nr.  8 
gesagte.  —  Also  auch  diese  fleifsige  Abhandlung  hat  die  schwierige 
Untersuchung  über  Dem.  Geburtsjahr  nicht  zum  Abschlufs  gebracht, 
doch  ist  der  Vf.  so  ernstlich  und  anhaltend  mit  seinem  Thema  hcschäf- 


514  L.  Ruprcchl:  die  deutsche  Rechlschrcibung. 

tigt  gewesen  und  hat  aach  die  Nebenfragen :  ober  die  Zeit  der  Ephebie 
in  Athen  (Berl.  IHöl)  wie  fiber  die  Zeit  der  neincischen  Spiele  in  selb- 
ständigen  Schriften  behandelt,  dafs  wir  im  Interewse  der  Sache  den 
Wunsch  aussprechen  dürfen,  Hr.  H.  wolle  und  könne  auch  fernerhin 
diesen  Studien  zugewandt  bleiben  *), 

Halberstadt.  C.  Rchdantz. 


Die  deutsche  Rechtschreibung  vorn  Standpunkte  der  historischen 
Grammatik  beleuchtet  von  Ludwig  Ruprecht  y  Collaborator  am 
Gymnasium  Andreanum  zu  Hildesheim.  Gottingen  bei  Vanden- 
hoeck  und  Ruprecht.     1864.     65  S.  8. 

Ref.  kann  dies  Buchlein  jedem  empfehlen,  der  Belehrung  über  die 
geschichtliche  Rechtschreibung  sucht,  auch  solchen,  welche  keine 
Kenntnis  der  frühern  Entwicklungsstufen  der  deutschen  Sprache  ha- 
ben; da  es  populär  gehalten  ist,  so  eignet  es  sich  auch  für  Voikt- 
schullehrer,  die  sich  doch  endlich  der  neuen  Rechtschreibung  nicht 
werden  entziehen  können.  Das  Material  ist  sehr  fleifsig  zusammenge- 
tragen und  im  ganzen  übersichtlich  geordnet.  Auf  eine  historische 
Einleitung  folgt  die  Sache  selbst  nach  drei  Theilen:  Bezeichnung  der 
Lange,  der  Kürze,  Verwechslung  der  Buchstaben.  (Ref.  hat  einst  bei 
Behandlung  desselben  Gegenstandes  für  einen  kleinen  Kreifs  noch  ein- 
facher eingetheilt:  1)  Consonanten:  az,  h  (tft),  di\  Verdoppelung  und 
Verwechslung.  2)  Vocale:  ie,  Verdopplung  und  Verwechslung.  Bei 
der  Kintheilung  des  Vf.  kommt  das  ursprüngliche  h  mit  in  den  Kreifs 
der  Untersuchung  über  die  Bezeichnung  der  Länge,  was  verwirren 
kann.)  Die  Vorschläge  zur  Verbefserung  und  die  ganze  Haltung  des 
Buchs  sind  so  gemäfäigt  und  mild,  dafs  Ref.  gesteht,  nicht  so  säuber- 
lich', fahren  zu  können.  Aber  villeicht  ist  gerade  diese  Milde  der 
Sache  nützer  als  ein,  wenn  auch  hier  berechtigtes,  dreinschlagen. 
Wenn  der  Vf.  sagt:  die  Klagen  über  die  Neuerungen  in  der  Orthogra- 
phie hätten  gewis  ihr  Recht  —  so  scheint  das  doch  der  behaglichen 
Philisterei,  die  eine  süfse  Gewohnheit  des  Unverstandes  nicht  aufge- 
ben will,  viel  zu  viel  nachgegeben;  wenn  der  Vf.  die  Berechtigung  der 
Wifsenschaft  in  Zweifel  zieht  zu  Aenderungen  auf  einem  Gebiete  des 
Volkslebens,  so  passt  das  nicht  auf  die  moderne  Unrechtschreibung, 
die  so  wenig  etwas  nationales  ist,  als  der  Zopf  des  vorigen  Jahrhun- 
derts die  deutsche  Nationaltracht.  Es  ist  kein  Kampf  zwischen  Wifsen- 
.schaft  und  Volksleben  —  es  ist  ein  Kampf  zwischen  wahrer  und  fal- 
scher Wifsenschaft,  falscher  WifHenschaft ,  die  das  Volk  in  ihr  Gan- 
gelband genommen  hat.  Der  Vf.  weifs  sich  aber  so  auf  den  Standpunkt 
seiner  Gegner  zu  versetzen,  dafs  man  nicht  weifs,  ob  es  sein  Ernst 
oder  Scherz  ist,  wenn  er  sagt  (S.  7),  dafs  die  strenge  Aufrechterhal- 
tung der  alten  Schreibart  ^wirklich  leider'  eine  Unmöglichkeit  gewor- 
den ist.  —  Ref.  kann  es  nicht  tadeln,  wie  der  Vf.,  wenn  Weinhold  eine 
Reihe  neuer  Aenderungen  in  Aussicht  stellt,  wenn  sich  das  Auge  an 
die  ersten  gewöhnt  habe:  das  Pesthalten  an  der  alten  Rechtschreibung 
beruht  fast  lediglich  auf  Gewöhnung  der  Augen,  und  einer  spätem  Ge- 
neration  wird   villeicht   Tat,  im,   in   für    That,  ihm,   ihn   nicht   mehr 


*)  Ich  empfehle  ihm,  was  die  Bedeutung  des  in  Dem.  Berechnung 
nicht  sehen  gebrauchten  Wortes  oXog  anlangt,  das  Programm  von 
Vömel,  falls  es  ihm  nicht  zu  Händen  gekommen  ist,  'über  den  Ge- 
brauch von  iidliata  bei  Zahlen.'     Krankf.  a/M.  1862. 


L.  Ruprecht:  die  deutsche  Rechtschreibung.  513 

Auffallen,  \ieil  ihre  Augen  an  Worte  ohne  den  Zierrat  des  k  gewohn- 
ter «ein  werden.  —  Auch  bei  den  einzelnen  Vorschlagen  des  Vf.  wurde 
Ref.  hier  und  da  weiter  gehn.  Warum  sollen  wir  die  Verdopplungen  der 
Vocale  a  und  e  nicht  verbannen,  da  sie  streng  genommen,  nach  des 
Vf.  eignen  Worten,  nie  einen  Laut  ausdrucken,  ungrammatisch  sind 
und  inconsequent  (wie  Heer  und  Herberge)  angewendet  werden?  Auf 
die  praktische  Bedeutung  des  Unterschiedes  von  die  Waage  und  der 
Wagen  gibt  Ref.  nichts,  denn  bei  yorlesen  und  hören  geht  der  Unter- 
schied doch  gänzlich  verloren,  der  lebende  aber  wird  hoffentlich  Ver- 
stand genug  haben,  aus  dem  Zusammenhang  zu  ersehn,  ob  von  einem 
Wagen  oder  einer  Wage  die  Rede  ist;  hat  er  nicht  so  viel  Verstand, 
80  hilft  ihm  auch  das  aa  nichts.  —  Bei  den  Worten,  welche  te  ver- 
loren haben  und  denen  es  der  Vf.  nicht  wiedergeben  will ,  mochte  Ref. 
fnr  eins  ein  gut  Wort  einlegen,  für  Liecht.  Das  tu  ist  uns  noch  in 
leuchten  lebendig  und  in  manchen  Gegenden  Deutschlands  wird  das 
Wort  noch  lang  gesprochen.  In  den  übrigen  Worten  zu  befsern,  hält 
Ref.  gleichfalls  für  verfrüht,  aber  er  glaubt,  dafs  die  Rechtschreibung 
dereinst,  wenn  die  Hauptsachen  vollkommen  festliegen,  auch  den  Be- 
ruf hat,  die  verirrte  und  abgeschliffene  Sprache  in  einzelnen  Dingen 
wieder  auf  den  rechten  Weg  zu  leiten;  da  wir  nun  einmal  ein  Schreib- 
lesevolk sind,  so  wird  das  auch  möglich  sein  und  wer  weifs,  ob  un- 
sere Nachkommen  nicht  wieder  Flechte  sprechen  lernen  —  sprechen 
wir  doch  nur  la9$en  wegen  der  Orthographie  statt /^sarcit. —  Auf  S.  23 
wird  das  e  in  Stuel  als  Verlängerung  angesehn;  es  ist  aber  wol  ein 
Rest  des  alten  iio.  Ebendaselbst  ist  Stier  zu  tilgen  (s.  S.  20),  oder 
wenn  es  etwa  der  ahd.  Pflanzenname  sein  soll,  näher  zu  bezeichnen. 
Bei  te  läfst  uns  der  Vf.  ganz  ratlos,  wie  denn  nun  zu  befsern  ist.  An- 
zufangen ist  hier  mit  den  Worten,  wo  i  mit  e  wechselt,  also  mit  dem 
Imperativ  und  der  2n  und  3n  Person  der  nenn  vom  Vf.  aufgezälten 
Verba.  Dahin  gebort  auch  Gefider  von  Feder,  Gir  (begeren),  tigen 
(legen),  »chwirig  (schwer),  langwierig  {währen)  und  sicmcti  (^zähmen). 
Hier  ist  das  dnrch  die  Etymologie  gebotene  %  zunächst  herzustellen. 
Denn  werden  einige  Worte  noch  immer  hier  und  da  trotz  des  te  kurz 
gesprochen:  dieser,  Fiedel  (welches  Wort  ohnehin  oft  Fidel  geschrie- 
ben wird),  kriegen,  liegen,  nieder,  Riegel y  Schirling  (auch  bei  die- 
sem Wort  ist  ie  nicht  immer  geschrieben  worden),  sie,  sieben,  Siegel, 
Stiefel  (freilich  meist  verderbt),  viel  in  villeicht,  wider  —  warum 
sollte  man  in  diesen  Worten  nicht  die  Aussprache  zu  ihrem  Recht  kom- 
men lafsen?  Es  bleiben  freilich  noch  immer  einige  Worte  übrig  und 
am  schwersten  wird  die  Wiederherstellung  in  den  Praeteritis  sein,  weil 
unserm  Auge  das  einfache  lange  t  zu*  ungewohnt  ist.  Und  doch  sind 
wir  es  in  mir,  dir,  wir  gewohnt  und  müfsen  und  sollen  es  auch  sonst 
gewohnt  werden.  Die  Menge  der  Worte  darf  uns  hier  so  wenig  ab- 
schrecken wie  bei  dem  h.  Hier  kann  man  als  Regel  der  Befserung 
aufstellen:  man  lafse  das  unberechtigte  h  zuerst  einmal  in  der  Com- 
position,  namentlich  in  unbetonten  Silben  weg:  wem  Teil  auffällt,  der 
liest  über  Nachteil  weg  u.  a.  Es  wird  aber  auch  hier  letztes  Ziel 
sein  müfsen,  das  h,  wo  es  unberechtigt  ist,  zu  verbannen  und  warum 
sollten  wir  nicht  Han  schreiben,  da  wir  doch  in  Henne  ein  abgelei- 
tetes Wort  haben,  das  die  ursprüngliche  Kürze  festhält?  Wir  werden 
auch  noch  aol  und  kan  schreiben ,  sobald  nur  die  Hauptsachen  der  Re- 
form Gemeingut  geworden  sind.  —  S.  41  mochte  Ref.  für  Erbsze  gel- 
tend machen,  da^  die  Aussprache  hier  zu  Land  den  scharfen  Zisch- 
laut sehr  deutlich  wahrnehmen  läfst.  Bis  wir  einmal  e$s  und  wasz 
schreiben ,  das  kann  lange  dauern ;  die$z  aber  wird  hin  und  wieder 
schon  geschrieben,  und  bisz  erinnert  sich  Ref.  in  sämmtlichen  Schrif- 
ten eines  theologischen  Vielschreibers   der   Neuzeit    gelesen  zu   haben. 


516  L.  Ruprecht:  dio  deutsche  Rcchlschreibang. 

—  Warnm  nicht  groate  geschrieben  werden  soll,  da  ohne  Ausnahme 
beste  geschrieben  wird,  sieht  Ref.  nicht  ein.  Stat  fär  Stadt  werden 
wir  woi  erst  schreiben,  wenn  wir  einmal  soweit  sind,  dafs  wir  die 
grofsen  Buchstaben  und  die  sogenannte  dentsche  Schrift  entbehren  kön- 
nen, wozu  es  endlich  doch  einmal  kommen  wird.  Einen  Wunsch  will 
Ref.  noch  aufsern:  der  Vf.  möge,  um  sein  Buch  noch  nutsbarer  su 
machen,  bei  einer  etwaigen  neuen  Auflage  ein  alphabetisches  Wort- 
verzeichnis anhängen,  für  die  welche  nicht  grammatisch  gebildet  ge- 
nug sind,  um  überall  bei  jedem  Worte  gleich  der  Kegel  sich  zu  enn- 
nern,  und  doch  immer  wieder  fragen,  wie  dies  oder  jenes  Wort  ge- 
schrieben werde. 

Hanau.  Otto  Filmar. 


Handbuch  der  englischen  Sprache.  Nach  einem  neuen  Plane  bear^ 
beitet  von  Dr.  F.  E,  Feller ,  Director  der  öffentlichen  Handels- 
schule in  Gotha.  Zweite  verbefserte  und  vermehrte  Auflage.  Leip- 
zig, Druck  und  Veriag  von  B.  6.  Teubner.  1854.  VI  u.  280  S.  8. 

Das  Buch  ist  namentlich  für  Schulclassen  berechnet,  die  aus  Scha- 
lern verschiedenartiger  Vorbildung  bestehen,  und  soll  den  Unterricht 
auf  eine  Weise  regeln ,  dafs  er  für  die  wenig  oder  gar  nicht  wifaen- 
schaftlich  vorbereiteten  Schüler  erfolgreich  und  zugleich  für  die  befser 
ausgestatteten  anregend  und  befriedigend  sei. 

Die  nicht  unbedeutenden  Erfolge,  welche  in  Bürger-,  Real-  und 
Gelehrtenschulen  die  sogenannte  'calculierende  Methode'  (in  den  Be- 
arbeitungen von  Seidenstücker,  Ahn,  Hauschild,  Munde,  Kilippi  u.a.) 
errungen  hat,  so  dafs»  eine  grofse  Anzahl  neuerer  Lehrer  die  Krage, 
wie  der  Unterricht  in  den  neueren  Sprachen  bei  jedweder,  auch 
der  heterogensten  Zusammensetzung  der  Classen  zu  ertheilen  sei,  für 
längst  abgethan  halten,  scheinen  den  Vf.  bewogen  zu  haben,  im  An- 
lehnen an  diese  Methode  den  einleitenden  Theil  des  vorliegenden  Bu- 
ches, die  '  Uebungen  im  Uebersetzen,  als  Vorbereitung'  S.  "lo  R»  zu 
bearbeiten,  allerdings  mit  manigfachen,  dem  Schüler  nachhelfenden  In- 
terpolationen, die  nicht  mit  dem  Geiste  der  Methode  stimmen,  da  diese 
den  Schüler  aus  dem  gelernten  selbständig  ein  neues  und  ganses 
entwickeln  lafsen  soll.  Die  Bahn  dieser  Methode  ist  jedoch  auch  von 
S.  43  an  ganzlich  veriafsen  und  der  grammatische  Weg  an  ihre  Stelle 
getreten.  Den  Vorzug  der  Unterrichtsmethoden  hier  des  weiteren  ge- 
geneinander abzuwägen  ist  nicht  Sache  der  gegenwärtigen  Bcurtheilung; 
wir  nehmen  daher  das  Buch  wie  es  ist,  als  eine  Grammatik,  bestehend 
aus  sehr  gedrängter  Formenlehre  und  ziemlich  ausführlicher  Syntax. 
Die  Syntax  ist  theils  in  kurzen  (nur  zu  sparsam  auftretenden)  Regeln, 
denen  auch  zuweilen  etwas  schärfere  Kafsung  zu  wünschen  wäre,  theils 
in  Andeutungen  oder  Fingerzeigen  auf  praktische  Beispiele  aufgestellt. 
Der  Hauptwerth  des  Buchs  liegt  unstreitig  in  der  ungemeinen  Reich- 
haltigkeit und  guten  Auswahl  interessanter  Beispiele,  welche  neben 
dem  grammatischen  immer  auch  besondere  Rücksicht  darauf  nehmen, 
das  eigenthümliche  des  Idioms  darzustellen  (m.  vgl.  beispielsweise  die 
gute  Sammlung  von  Beispielen  über  die  Anwendung  der  Zahlworter 
S.  ICH)  u.  V.  a.)  —  und  in  dieser  gleichzeitigen  Erstrebung  zweier 
Zwecke  besteht  eben  das  eigenthümliche  des  neuen  Planes.  —  Ref. 
Mtimmt  allerdings  nicht  immer  mit  den  Behauptungen  des  Vf.  überein; 
wenn  z.  B.  der  Vf.  S.  47  über  die  Steigerung  der  Adjcctive  sagt: 
'man  findet  in  den  Grammatiken  zwar  auch  die  Endung   atif ,  cntj  ivc. 


F.  E.  Fclior:  Handbucb  der  englischen  Sprache.   2o  Aufl.     517 

edj  ain  n.  m.  a.  als  solche  bezeichnet,  welche  nicht  gern  er  und  eH 
annehmen;  die  Erfahrung  zeigt  aber  das  unhaltbare  dieser  Bestimmung', 
80  ist  CS  zu  weit  gegangen  die  gewohnliche  Regel  'unhaltbar'  zu  nen- 
nen, vielmehr  steht  fest,  dafs  die  ursprüngliche  deutsche  Steigerung 
auf  -er,  -est  bei  einem  verhältnismafsig  nur  geringen  Theile  der  eng- 
lischen Adjective  beibehalten  worden  ist.  Als  allgemeine  Regel  gilt, 
dafs  die  sogenannte  regelmäfsige  Steigerung  (auf  -er  und  -e$t)  nur  bei 
einsilbigen  Adjectiven,  bei  den  zweisilbigen  auf  -10  und  -y  und  bei 
denen  stattfindet,  welche  den  Accent  auf  der  letzten  Silbe  haben.  An- 
dere zweisilbige,  besonders  die  yom  Vf.  in  Zweifel  gezogenen  auf -an#, 
-en<,  -iv€,  -eS,  -ain  u.  s.  w.,  haben  nur  ausnahmsweise  die  Steigerung 
auf  -er,  -est;  allerdings  hat  sich  z.  B.  pleasanter,  plea$ante$t  seit  lan- 
ger Zeit  bei  guten  Schriftstellern  (so  bei  Goldsmith,  W.  Scott,  den 
Quarterly  Reviews,  Bulwer,  Mrs.  Gore,  Ainsworth,  James,  Captain 
Beilew,  Capt.  Marryat  u.  s.  w.)  festgesetzt;  aber  andere  Formen,  wie 
tke  arrante$t  Tartuffe  in  tcience  (Sterne),  one  of  the  emtnentesl 
among  the  Jewiah  Doctort  (Disraeli),  properer  (Lord  Falkland) ,  heau- 
tifuller  (Carlyle),  faiihfullest  (Burns),  delightfalleBt  (Dickens),  won- 
derfullett  (Westm.  Rev.),  vulgarest  (Bulwer,  Westm.  Rev.),  forwar- 
dcr  (IVlrs.  Gore),  dismallest  (Dickenj^  rottcncst  (id.),  abrupter  (id.), 
honvster  (Lord  Byron),  honc8te$t  (d^h^er,  James),  modeateat  (Gold- 
smith), forlorncr  (Dickens),  acuter  (Kemble),  miserable$t  (Westm. 
Rev.),  induhitahlcst  (ib.),  incrcdihilest  (Carlyle),  a  score  or  $0  of  the 
raggedeat  (Dickens),  proJifickvst  (Bulwer),  //c'«  the  devotedcat  and 
innocentcut  crcetur  (Dickens)  sind  entweder,  wie  die  letzten,  wirklich 
nur  der  Volkssprache  angehörig,  zum  Theil  der  komischen  eigenthum- 
lichen  Wirkung  halber  angebracht,  von  ähnliclien  Formen  bei  frühe- 
ren Schriftstellern  (so  principalleat  [aus  dem  Jahre  1486],  fooliaheat 
(Sir  Thomas  Brown  etc.)  gar  nicht  zu  reden.  —  Naturlich  ist  bei  dic- 
Ren  Formen  der  Wohllaut  von  grofsem  Gewicht,  wie  dies  von  Ref.  in 
Bezug  auf  solclie  Formen,  wie  quieter,  quictcst,  tcndcrcr,  tendere$t 
etc.  im  2n  Bande  seiner  Ausg.  von  Dickens^  A  Child's  Hist.  of  Eng- 
land S.  70  erörtert  worden  ist.  —  Jedenfalls  ist  hier  vorsichtige  Schei- 
dung nothig,  damit  nicht  Unsicherheit  in  den  Regeln  und  in  Folge 
dessen  Schwanken  beim  Schüler  eintrete.  —  Es  wiirde  jedoch  zu  weit 
fuhren,  auf  solche  Einzelheiten  cinzugehn;  wir  schliefsen  daher  unsere 
Beurtheilung  mit  der  Bemerkung,  dafs,  wenn  ein  tüchtiger  Lehrer  das 
Buch  in  seine  Hand  nimmt  und  es  nicht  gerade  den  allerersten  Anfän- 
gern vorlegt,  dasselbe  sicher  recht  fruchtbringend  sein  wird.  Uebri- 
gens  sind  jedem  einzelnen  Capitel  deutsche  Uebungen  zum  Uebcr- 
setzen  ins  Englische  angehängt. —  Druck  und  Papier  sind  untadelhaft. 
Leipzig.  Felix  Flügel, 

Neues  vom  Turnen  und  von  der  Gesundheitspflege  in  den 

Schulen. 
(Schlufs  von  S.  325—338.) 

5)  Paedagogisches  Jahrbuch  für  1854.     Von  Adolph    Diesterweg. 

Vierter  Jahrgang.  Mit  dem  Bildnis  Jahns.  Berlin,  im  Selbstver- 
lag des  Verfafsers.    XXXI  u.  308  S.  gr.  8. 

6)  Das  Turnen  j  sein  Ein  fluss  und  seine  Verbreitung.  Eine  vom  Ber- 

nischen  Kantonalturnverein  gekrönte  Preisschrift.  Von  Joh,  Nig- 
geler,  Turnlehrer  am  Seminar  zu  Munchenbuchsee.  Bern,  J.  Dalp. 
1852.    IV  u.  100  S.  gr.  8. 


518  A.  Dicslerwog:  pacdagogisclics  Jahrbuch  für  1854. 

7)  Wie  kann  sich  die  Schule  an  der  Sorge  für  die  nöthige  Lei- 
besbeweyung  unserer  Kinder  ^  sowie  für  deren  körperliche  Ue- 
bnng  und  Ausbildung  belheiUgen?  Eine  Schulfrage,  in  dem 
Leipziger  Lehrerverein  am  2.  F^ebr.  1853  behandelt  und  bei  Gele- 
genheit des  5.  Berichts  über  das  moderne  Gesaramtgymnasiam  in 
Leipzig  yeröffentlicht  von  Dr.  Ernst  J.  Hauschild ,  Director.  Leip- 
zig, in  Comm.  von  Colditz.     1853.    34  S.  gr.  8. 

8)  Ueber  den  Zusammenhang  des  Turnplatzes  mit  der  Schule 
von  j4.  Vieth,  Coilaborator  und  Turnlehrer.  Programm  des  Gym- 
nasiums zu  Ratzeburg.     1852.    42  8.   4. 


Nr.  5.  Das  Die  st  er  wegsehe  Jahrbuch  gehört  nur  nach 
Theile  seines  Inhalts  in  dieses  Referat ,  insofern  es  das  Andenken  einet 
deutschen  Mannes  feiert,  dessen  Wirken  und  Schaffen  darauf  hinans- 
gieng,  die  Jugend  als  ein  Ganzes  nach  Leib  und  Seele  zu  erziehn,  den 
man  deshalb  als  den  Grunder  des  deutschen  Turnwesens  anzusehii  pflegt. 

Friedrich  Ludwig  Jahn  (gest.  den  15.  October  1852)  ver- 
dient gewis  in  vollem  Mafse  sQ^e  Würdigung,  wie  ihm  hier  von  Hrn. 
Diestenveg  zu  Theil  wird.  E^mufs  besonders  den  Lehrern  unver- 
gefsen  bleiben,  wie  Jahn  mit  seineA  Genofsen  vor  40  Jahren  so  rüstig 
nnd  glücklich  für  die  klare  und  leicht  verständliche  fdee  des  Turnens 
auftrat  und  ihm  einen  Boden  schuf,  auf  dem  es  geblüht  und  Fruchte 
getragen  hat  und  hoffentlich  noch  tragen  wird  hundertfältig.  Indem 
Jahn  als  das  hohe  Ziel  des  Turnens  jene  männliche  Rüstigkeit  erkannte 
und  hinstellte,  welche  sowohl  in  Bezug  auf  die  leibliche  Gresundheit, 
Kraft  und  Ausdauer  des  einzelnen,  wie  namentlich  auch  auf  mann- 
hafte Gesinnung  und  volksthümliche  Wehrhaftigkeit  des  ganzen  von 
Bedeutung  war,  füllte  er  mit  dem  Turnen  eine  wesentliche  Lücke  in 
der  öffentlichen  Erziehung  aus  und  verschaffte  dieser  wichtigen  Ange- 
legenheit mit  dem  ganzen  Einflufse  seiner  personlichen  und  geistigen 
Gaben  Ansehn  und  Bedeutung.  Sein  Streben  gieng  darauf  hinaus,  mit 
einer  gesunden ,  schnellkräftigen  Leibesbildung  der  Jugend  sie  zugleich 
zu  Lauterkeit  und  Offenheit  des  Wesens,  zu  Tüchtigkeit  der  Gesin- 
nung und  R(>inheit  der  Sitte  anzuleiten  und  Ehrfurcht,  Liebe  und 
Glauben  in  die  Herzen  der  heranreifenden  Jünglinge  zu  pflanzen,  auf 
denen  die  Hoffnungen  des  Vaterlands  ruhen.  Das  Verdienst,  dieses 
hohe  Lebenswerk  durch  Schrift  und  That  nach  bestem  Wifsen  und 
Gewifsen  gefordert  zu  haben,  wird  ihm  die  Geschichte  der  Kr- 
ziehung  und  des  Turnwesens  stets  hoch  anzuschlagen  haben.  Der 
Denkstein,  welchen  Hr.  D.  hier  dem  verdienten  Manne  setzt,  besteht 
aus  einzelnen  Charakterbildern,  welche  die  Persönlichkeit,  den  Lebens- 
gang und  die  Wirksamkeit  des  hingeschiedenen  in  treffender  Zeichnung 
und  lebendiger  Schilderung  zur  Anschauung  bringen.  Die  Biographie 
zerfällt  in  die  einzelnen  Abschnitte:  die  Begegnung  —  das  Schicksal 
—  der  Schriftsteller  —  der  Turnvater  —  der  Gefangene  —  der  Mensch 
(8.   1—97  des  Jahrb.). 

Die  Schilderung  Jahns  nach  seinem  Charakter,  seinen  Thaten,  sei- 
nen Bestrebungen  und  Ansichten  ist  vom  Vf.  mit  grofser  Wärme  durch- 
geführt und  gewinnt  an  Interesse  durch  die  frische  und  pikante  Form 
der  Darstellung,  wie  durch  die  Mittheilung  von  vielen  bis  dahin  nicht 
bekannten  Briefen  und  Aktenstücken.  So  \^eit  ist  das  alles  ganz  schon 
und  man  folgt  Hrn.  D.  gern,  so  lange  es  ihm  darum  zu  thun  ist,  einen 
Act  der  Pietät  zu  erfüllen.  Nur  wo  er  s»>ine  personliche  Anschauungs- 
weise hinsichtlich    der  gegenwärtigen  politischen    Cultnrzustände  aus- 


A.  Dicstcrwcg :  paedagogischcs  Jahrbuch  für  1854.         519 

drfickt,  zeigt  er  seine  Schwachen,  besonders  wenn  er  die  Geschichte 
der  Jahre  1848  und  1849  berührt,  wie  8.  93.  Dann  zeigt  sich  der 
kleinliche  Parteiniann  mit  leeren  Raisonnemcnts  in  einseitigster  Rich- 
tung und  bitterster  Stimmung.  ^  Mit  leidenschaftlicher  Hast  saust  er 
dann  hinweg  über  die  gewichtigsten  Gegenstande,  über  Kirche  und 
Nationaierziehung ,  und  robertbiumt  über  diese  Dinge  in  den  abge< 
standenaten  Phrasen,  die  hoffentlich  von  dem  gesünderen  Theile  der 
Lehrerwelt  belächelt  werden. 

Da  kommt  der  grofse  Paedagog  auch  auf  die  Gestaltung  des  heu- 
tigen Turnens,  das  ihm  gar  nicht  gefallen  will,  weil  hier  nicht  an  eine 
'Hervorhebung  der  socialen  Richtung  und  gesellschaftlichen  Bildung 
durch  gemeinsames  Leben  der  Jugend  aus  allen  Standen '  gedacht  wird. 
Hr.  D.  will  ein  Turnen  'unter  freiem  Himmel,  in  Mischung  verschie- 
dener Stände,  für  nationale  Zwecke'  und  man  miifs  sich  billig  wun- 
dem, dafs  er  noch  bei  dieser  phantastischen  Auffafsung  des  Turnens 
stehen  geblieben  ist,  die  auf  eine  leere  Phrasenmacherei  hinauslief, 
während  der  eigentliche  Kern  der  Sache  meist  verloren  gieng.  Er  gibt 
selbst  zu,  dafs  die  alte  Jahnsche  Turnkunst  unter  ihren  10 — 12 Haupt- 
zwecken die  gesunde  und  kräftige  Bildung  des  Leibes  nur  als  ^inen 
derselben  angesehn  habe,  und  doch  schwärmt  er  für  ein  nationales  Tur 
nen,  über  dessen  Charakter,  Bedeutung  und  Stellung  zur  Schule  wir 
jedoch  vollständig  im  unklaren  golafsen  werden.  Es  scheint  fast  als 
kenne  Hr.  D.  seit  seinem  Austritt  ans  der  Schule  die  Bedürfnisse  der- 
selben nicht  mehr,  wenn  er  hier  ins  blaue  hinein  von  freier  Bewegung, 
von  volksthümlicher  Bildung,  von  Ideen  auf  dem  Turnplatze,  von  Gk- 
meiiü»amkeit  und  Kameradschaft  u.  dgl.  m.  schwatzt.  Oder  er  denkt 
sich  vielleicht  die  Schule  nach  dem  Zuschnitt  jener  Volksversammlun- 
gen und  die  Thätigkeit  des  Turnlehrers  als  die  eines  volksbeglückenden 
Redners,  der  etwa  auf  dem  Tie  des  Turnplatzes  die  umstehende  Turn- 
Jugend  haranguiert. 

Wir  wollen  nicht  vergefsen ,  was  wir  den  wackern  deutschen  Män- 
nern verdanken ,  welche  ehemals  in  dem  Turnen  den  Volksgeist  hoben 
und  die  Volkskraft  stärkten.  Unmöglich  aber  können  wir  heute  noch 
die  Schale  füv  den  Kern  der  Sache  selbst  halten.  In  der  ersten  Ent- 
wicklungsperiode des  Turnens  war  die  Gestaltung  desselben  durch  be- 
sondere hochwichtige  Interessen  bestimmt.  Die  Verbindung  des  poli- 
tischen mit  dein  Turnen  war  zu  jener  Zeit  vielleicht  ganz  nothwendig, 
and  man  kann  recht  wohl  sagen,  dafs  Jahn  das  Turnen  für  seine  Zeit 
im  allgemeinen  richtig  behandelte,  während  es  unnatürlich  und  abge- 
schmackt wäre,  wenn  man  heutzutage  noch  so  fortfahren  wollte.  Das 
würde  eine  schone  Erziehung  geben  und  viel  Ueberdrufs  erregen,  wenn 
man  beim  Turnen  der  Jugend  stets  nur  das  Ziel  der  Wehrhaftigkeit 
hinstellte;  jede  andere  Verrückung  des  einfachen  Zieles,  wie  es  sich 
aus  der  Sache  selbst  ergibt,  mnste  ein  gleiches  Geschick  haben.  Was 
hat  denn  das  Turnen  der  Jugend  mit  Politik  zu  thun?  Oder  ist  es 
dem  Blicke  des  Hrn.  D.  entgangen,  wie  nach  der  Mittheilung  unbe- 
fangener Zeitgenofsen  die  Jugend  damals  sich  aufspreizen  lernte 
und  sich  durch  wenige  hohle  Vorstellungen  in  das  Selbstgefühl 
hoher  Gesinnung  einwiegte,  die  sich  gar  nicht  selten  in  exaltiertem 
Wesen  und  confusem  Patriotismus  kundgab?  Die  Geschichte  des  deut- 
schen Turnwesens  lehrt  uns  nur  zu  deutlich,  dafs  solche  politisch- 
nationale Beisätze  den  eig^tlichen  Geist  der  Sache  'Vergiftet  haben. 
Der  Freund  des  Turnens  mufs  sich  deshalb  nur  freuen,  wenn  es  jetzt 
anfängt  sich  davon  los  zu  machen  und  im  Sinne  einer  vernünftigen 
Paedagogik  durch  ein  genaueres  Anschliefsen  an  die  individuellen  Bil- 
dongsbedürfnisse  in  dem  Ganzen  des  Schul-  und  Erziehungswesens  als 
ein  branchbares    und    wesentliches    Glied  die   rechte  Gestalt  und   die 


520  J.  Niggeler:  das  Turnen,  sein  Einflurs  und  seine  Verbreitung. 

rechte  Stelle  zu  finden.  Auch  von  Spiefs  redet  Hr.  D.:  Mch  Terkenne 
seine  Verdienste  nicht.  Er  discipliniert  durch  Gymnastik ,  er  fordert 
die  aesthetjsche  Bildung,  seine  Ordnungsübungen  sind  vortrefflich.  Blit 
Recht  hat  Brückner  die  Bedeutsamkeit  seiner  Methode  für  individuell- 
menschliche  Bildung  anerkannt.  Aber  .  .  .'  Wir  wifsen  bereits,  was 
dieses  Aber  zu  bedeuten  habe,  und  werden  deshalb  nicht  in  Verlegen- 
heit sein,  wenn  es  sich  um  die  Frage  handelt:  wie  gegenwartig  die 
Organisation  des  Schulturnens  zu  trefTen  sei. 

Nr.  6.  Die  Schrift  von  Niggeler  gewährt  uns  einen  Einblick 
in  die  Zustände  des  schweizerischen  Turnwesens.  In  der  Schweiz  regt 
sich  bekanntlich  ein  frischer  Sinn  und  eine  allgemeinere  Bethätigang 
für  diese  Angelegenheit  fast  in  allen  Schichten  der  Gesellschaft.  Nach 
den  Mittheilungen  über  das  Turnen  bei  den  Schulen  zu  schliefsen,  so 
scheint  man  dasselbe  mit  gröfserer  Entschiedenheit  in  den  Schulplan 
aufgenommen  zu  haben ,  als  es  bei  uns  in  Deutschland  der  Fall  zu  sein 
pflegt.  Wenn  die  Schweizer  einmal  etwas  für  gut  und  nützlich  er- 
kannt haben,  so  scheuen  sie  auch  die  Opfer  nicht,  um  ihm  Geltung  sa 
verschaffen.  So  stimmen  z.  B.  die  Mittheilungen  darin  überein,  dafs 
die  schweizerischen  Schnl-Turnanstalten  viel  splendider  eingerichtet 
sind  als  anderwärts.  Wenn  man  die  Thätigkeit  A.  Spiefs*  zu  Barg- 
dorf, Münchenbuchsee  und  Basel  aus  seinen  Schriften  kennen  lernt, 
so  mufs  man  daraus  ersehen,  wie  die  schweizerischen  Schulbehorden 
kräftig  und  sorgfältig  sich  auch  der  leiblichen  Erziehung  der  Jugend 
annehmen.  Ref.  erinnert  sich  selbst  von  Spiefs  gehört  zu  haben,  mit 
welchen  Opfern  die  Stadt  Burgdorf  Turnhaus  und  Turnplatz  für  die 
sämmtlichen  Schulen  einrichtete  und  der  turnerischen  Ausbildung  im 
engern  Anschlufs  an  die  Schulen  allen  Vorschub  leistete.  Als  nun 
alles  zu  Stande  und  in  Gang  gebracht  war,  bemerkte  Spiefs,  dafs  der 
wohleingerichteten  Turnanstalt  nur  noch  eine  Gelegenheit  zum  Baden 
und  Schwimmen  für  den  Sommer  fehle,  womit  die  turnerischen  Er- 
ziehungsmittel zu  completieren  wären.  Da  das  beim  Fehlen  eines  cro- 
fseren  Gewäfsers  nur  durch  die  Anlegung  eines  Bassins  zu  ermöglichen 
war,  so  wurde  Spiefs  vom  Gemeinderath  aufgegeben,  die  Kosten  einer 
solchen  Einrichtung  zu  ermitteln.  Nachdem  das  gesch^hn,  erhielt  er 
schon  nach  der  folgenden  Sitzung  des  Gemeinderaths  die  Mittheilong, 
er  könne  mit  dem  Bau  des  Schwimmbassins  beginnen  lafsen,  da  die 
(nicht  unbedeutenden)  Kosten  einstimmig  bewilligt  seien.  Wie  sieht 
das  da  manchmal  bei  uns  aus,  wenn  ein  Magistrat  oder  eine  Stadt^ 
verordnetenvcrsammlung  nur  50  oder  100  Thlr.  zur  Herstellung  der 
allerdringlichsten  Einrichtungen  für  die  gymnastische  Ausbildung  der 
Jugend  bewilligen  soll!  Der  bernische  Kantonalturnverein  hatte  die 
Preisfrage  gestellt:  'ist  das  Turnen  blofs  für  die  Stadtbewohner  oder 
ist  es  auch  für  die  Landbewohner  nothwendig  und  wünsclibar?  Wenn 
ja,  auf  welche  Weise  kann  demselben  auch  bei  diesen  am  besten  Ein- 
gang verschafft  werden?'  und  die  vorstehende  Schrift  versucht  zur 
Lösung  dieser  Frage  das  Turnen  als  eine  Nothwendigkeit  für  alle 
Stände  vom  historischen,  physiologischen,  psychologischen  und  prak- 
tischen Standpunkte  aus  zu  begründen.  Diesem  Zwecke  entspricht  die 
Schrift  durch  eine  klare  übersichtliche  Darstellung  der  hier  einschla- 
genden Verhältnisse.  Der  Hauptabschnitt:  'Vorschläge  zur  Verbrei- 
tung des  Turnens'  (S.  72 — 100)  enthält  viel  praktisches  und  allge- 
mein giltiges,  während  die  Besprechung  des  'Turnens  als  Staatsan- 
gelegenheit' mehr  auf  schweizerische  Einrichtungen  Bezug  nimmt. 

Nr.  7.  Das  Programm  des  modernen  Gesammtgymnasiums  in 
Leipzig  bezeichnet  Eingangs  der  erwähnten  'Schulfrage'  als  die  zwei 
Klippen,  an  denen  Erziehung  und  Unterricht  so  leicht  scheitern:  die 
Störung  des  Gleichgewichts  und   der  Eintracht   der  Seelenkrafte  und 


E.  J.  Hauschild:  Sorge  d.  Schule  F.  d.  Leibesbewegung d.  Kinder.  521 

ebenso  des  Verhältnisses  zwischen  Leib  und  Seele.  Hr.  Dir.  Hau- 
Schild  ist  der  Meinung,  dafs  man  es  in  den  Bestrebungen  'denKor- 
per  als  das  Werkzeug  des  Geistes  und  die  Hülle  einer  unsterblichen 
Seele,  diesen  Tempel  Gottes  und  seines  heiligen  Geistes  wieder  auf- 
bauen zu  helfen'  nicht  weit  gebracht  habe.  'Man  zähle  doch  nur 
in  Sachsen'  sagt  er  'die  Knaben  und  Junglinee,  welche  eine  gleich- 
mäfsige  und  ununterbrochene,  etwa  vom  8n  bis  zum  ]8n  Jahre  fort- 
gesetzte körperliche  Uebnng  und  Ausbildung  erhalten,  und  man  wird 
mir  die  obige  Behauptung  nicht  übel  nehmen.'  Der  Vf.  geht  sofort 
auf  die  Ursachen  dieser  Erscheinung  ein  und  findet  einen  Fehler  da- 
rin, dafs  man  fälschlicherweise  unter  körperlicher  Ausbildung  immer 
nur  das  Turnen,  und  zwar  das  Turnen  am  Turngeräth  verstehe,  wäh- 
rend die  Schuler  eine  nicht  zu  anstrengende  und  angreifende  Bewe- 
gung nothig  hätten. 

Hr.  H.  berührt  hier  einen  Punkt,  der  allerdings  sehr  der  Beach- 
tung werth  ist.  Man  kann  nicht  genug  dagegen  ankämpfen,  dafs  die 
Turnlehrer  ihren  Schülern  eine  zu  heftige  und  übermäfsige  Korper- 
bewegung beim  Turnen  zumuthen.  Man  läfst  da  häufig  sonst  noch 
gar  nicht  ausgebildete  und  schwächliche  Knaben  dieselben  Uebungen 
treiben,  welche  für  Erwachsene  bestimmt  sind,  so  dafs  ein  völliger 
Verbrauch  der  Kräfte  erfolgt  und  die  Schuler  sich  nach  jeder  Turn- 
stunde wie  gerädert  und  zerschlagen  fühlen.  Es  hatte  dieses  seinen 
Grund  darin,  dafs  die  Turnlehrer  aus  der  alten  Schule  beim  Mangel 
nn  physiologischer  Bildung  ihren  Unterricht  nicht  nach  Mafsgabe 
äufserer  Fertigkeitsstufen  einrichteten  und  die  Turnkunst  nicht  als 
Mittel,  sondern  als  Zweck  ansahen.  Die  Turnkunst  mufs  aber  nicht 
als  eine  selbständige,  bis  an  die  änfsersten  Grenzen  des  physisch 
möglichen  zu  treibende  Kunst,  sondern  nur  in  ihrer  Beziehung  zum 
menschlichen  Organismus  und  zur  Gesammtentwicklung  der  Jugend 
aufgefafst  werden.  Die  Nachtheile  eines  übertriebenen  Turnens  liegen 
auf  der  Hand,  und  Hr.  H.  hat  vollkommen  Recht,  wenn  er  sie  zu  den 
Ursachen  der  Abneigung  rechnet,  welche  von  Seiten  der  Schüler  und 
mehr  noch  von  den  Eltern  und  dem  Publicum  überhaupt  gegen  das 
Turnen  an  den  Tag  gelegt  wird.  Ein  Turnunterricht,  der  trotz  tüch- 
tiger Körperbewegung  nicht  das  Gefühl  des  Wohlbefindens  in  dem 
Schüler  hervorbringt,  sondern  die  Kräfte  desselben  so  in  Anspruch 
nimmt,  dafs  sie  völlig  absorbiert  werden,  ist  ein  verkehrter,  da  die 
Turnübungen  die  bildende  Natur  im  jugendlichen  Korper  nur  sorgsam 
fordern,  nicht  aber  durch  ungebührliche  Kraftanstrengnngen  hemmen 
tollen.  Die  neuere  rationelle  Turnschule  hat  das  auch  recht  wohl  durch 
eine  einfachere  Gestaltung  ihrer  Mittel  und  durch  eine  heilsamere  Ord- 
nung ihres  Unterrichts  zu  berücksichtigen  gewust;  die  Spiefssche 
Schule  z.  B.  verwendet  den  grofsten  Theil  der  Turnstunde  auf  Frei- 
übungen. Hr.  H.  hat  nun  als  Aushilfsmittel  militärische  Exer- 
citien  im  Progymnasium  eingeführt  und  dazu  einen  Exercier- 
meister  angenommen,  wahrend  die  Schüler  des  Gymnasiums  einen 
Tanzmeister  erhalten.  Damit  kann  man  sich  kaum  einverstanden 
erklären.  Nicht  ohne  Grund  sagt  K.  v.  Raumer  in  seiner  Gesch.  der 
Paedagogik:  'Soldaten  turnen  zu  lafsen  ist  entschieden  zu  rathen,  aber 
höchst  bedenklich  ist  es,  wenn  Turner  Soldaten  spielen.'^  Man  hat 
schon  an  yerschiedenen  Schulen  die  Erfahrung  machen  müfsen ,  dafs 
die  militärischen  Exercitien  nur  einen  höchst  geringen  gymnastischen 
Werth  haben  und  auf  Schulturnplätzen  nur  zu  häufig  zur  gefährlichen 
Spielerei  wurden,  die  von  der  Hauptsache  ablenkt.  Alle  die  Vor- 
zuge,  welche  Hr.  H.  S.  16  f.  seiner  Abhandlung  an  den  militärischen 
Exercitien  entdecken  will,  finden  sich  in  viel  eröfserm  Mafse  und  in 
ganz  anderer  und  befserer  Form  in  den  Spiefsschen   Ordnungs-  und 

N.  Jakr^  f.  PkU,  «.  Patd.  'Bd,  LXX.  Bfl.  4  a.5.  34 


522  E.  J.llauschild:  Sorge  d.  Schule  f.  d.  Leibesbewegung  d.  Kinder. 

Gemeinubungen.  Wenn  Hr.  H.  das  9e  Programm  der  höhern  Barger- 
schale zu  Oldenburg  1852  einzusehen  Gelegenheit  hätte,  so  wurde  er 
gewis  die  Exercierübungen  fallen  lafsen  und  lieber  zum  modernen  Tur- 
nen greifen,  das  in  der  That  einem  modernen  Gymnasium  mehr  ent- 
spräche. In  den  Werken  von  Spiefn  würde  ihm  jedenfalls  befsere«  ge- 
boten, und  vielleicht  überzeugte  er  sich  von  dem,  was  Spiefs  selbst 
über  den  fraglichen  Punkt  äufsert:  'auch  das  Turnen  hat  den  grofsen 
Krieg  aller  Erziehung  gegen  das  träge  und  unfreie  zu  führen;  und  ein 
rechter  Turnlehrer  ist  da  bei  seinen  Schülern  der  Kriegsführer,  der 
vor  allem  seine  Schaar  zu  einem  einigen  Kriegsh&ufen  zu  ordnen  und 
zu  bilden  hat ,  dafs  in  dem  Gefühle  der  Gemeinkraft  der  einzelne  ge- 
schickt und  beherzt  werden  könne,  die  kleine  Schaar  neben  der  an- 
dern wetteifernd  die  Gemeinübungen  aller  unterstützt.  Solche  Ge- 
meinübungen ersetzen  in  vollkommenem  Grade  das,  was  man  sonst  in 
der  Einführung  des  Exercierens  suchte.  Das  steife  Exercieren 
bleibt  dem  Geiste  einer  Jugend,  und  insbesondere  einer 
Gymnasialjugend,  stets  etwas  fremdes,  insofern  dasselbe  eine 
auf  einen  bestimmten  Gebrauch  gemünzte  Bewegung  ist,  welcher  nicht 
in  den  Kreis  der  nächsten  Beziehungen  gehört;  abgesehen  davon,  dafs 
in  dem  Exercieren  ganz  das  Gesetz  der  (Veiheit  nnd  der  Kunst  fehlt.* 
Wa&  in  dem  modernen  Gesammtgymnasium  ein  Tanzmeister  leisten 
soll,  würde  sich  aus  einem  rationellen  Turnunterrichte  fast  von  selbst 
ergeben.  Schon  Spiefs  hat  die  richtige  Bemerkung  gemacht,  dafs  aus 
Gründen,  die  der  Zweck  der  Turnkbnst  von  selbst  fordert,  die  Tanz- 
fertigkeit mit  dem  Geiste  der  Gymnastik  durchdrungen  und  im  Verein 
mit  andern  Leibeskünsten  getrieben  werden  müfse.  Tänze,  wie  jene 
kriegerische  Pyrriche,  welche  zu  Sparta  und  Kreta  von  Knaben  nnd 
Jünglingen  geübt  wurde,  sind  ganz  geeignet,  für  den  Turnzweck  mit- 
zuwirken, indem  sie  ebenso  sehr  die  schnelle  Beweglichkeit  wie  die 
sichere  Beherschung  und  das  anstandsvolle  Tragen  des  Leibes  ent- 
wickeln. Spiefs  hat  sich  das  grofse  Verdienst  um  die  Sache  erworben, 
durch  eine  kunstgeniäfse  Durchbildung  des  Turnens  auch  die  Reigen 
in  den  sogenannten  Gemeinübungen  so  schön  behandelt  zu  haben.  In 
dem  2n  Theile  seines  Turnbnchs  für  Schulen  ist  für  diesen  Zweck  ein 
reichhaltiger  Unterrichtsstoff  geboten.  Damit  verglichen  haben  *die 
I^ibesübungen  der  Schüler  des  modernen  Gesammtgymnasiums*,  wie 
sie  hier  S.  19 — 31  gegeben  werden,  eine  sehr  untergeordnete  Bedeu- 
tung. Man  kann  zugeben,  dafs  Hr.  H.  an  der  Ordnung  der  militäri- 
schen Exercitien  vielleicht  mehr  Freude  hatte  als  an  einem  ungeregel- 
ten und  unsystematischen  Turnunterricht  nach  der  alten  hergebrachten 
Weise.  Wenn  er  aber  Gelegenheit  erhielte,  dem  Schulturnen  in  der 
neueren  Spiefsschen  Weise  nahe  zu  treten,  so  würde  er  sich  gewis 
sofort  davon  überzeugen,  dafs  hier  ein  Turnunterricht  geboten  wird, 
mit  dem  Schule  und  Haus  in  gleichem  Mafse  zufrieden  sein  können.  — 
Abgesehn  von  den  erwähnten  Ausstellungen  macht  das  Programm  des 
Hrn.  H.  einen  recht^  guten  Eindruck  durch  die  Wärme  und  Entschie- 
denheit, womit  er  sich  der  körperlichen  Bildung  und  Stärkung  seiner 
Zöglinge  angenommen  hat. 

Nr.  8.  Einer  recht  tüchtigen  Arbeit  begegnen  wir  in  der  Ab- 
handlung des  Hrn.  Vieth.  Wenn  wir  nicht  irren,  so  haben  wir  es 
hier  mit  einem  Sohne  des  durch  seine  'Encyclopaedie  der  Leibesuban- 
gen'  rühmlichst  bekannt  gewordenen  dessauischen  Schuldirector  Vieth 
zu  thun,  und  es  bewahrheitete  sich  dann  das  Sprichwort:  ^der  Apfel 
fällt  nicht  weit  vom  Stamme',  insofern  wir  in  der  Monographie  oen- 
selben  Fleifs  und  denselben  sittlichen  Ernst  antreffen,  wie  in  jenem 
gröfsern  Werke. 

Der  Vf.  nimmt  in  seiner  Stellung  als  Lehrer  und   Turnlehrer  am 


A.  Vielh:  Zusammenhang  des  Turnplatzes  mit  der  Schule.     523 

Gymnasium  zu  Ratzeburg  Gelegenheit,  für  die  Schule  die  Noth^vendig- 
keit  einer  einheitlichen  Bildung  der  leiblichen  wie  geistigen  Fähigkeiten 
namentlich  vom  ethischen   Standpunkte  aus   nachzuweisen,   um  sodann 
der  körperlichen  Ausbildung  der  Gymnasialjugend   im  Zusammenhange 
mit  der  ^vifsenschaftlichen  und  sittlichen  das  Wort  zu  reden.    Zu  die- 
sem Zwecke  behandelt  er  die  3  Fragen:  1)  welchen  Nutzen  gewahren 
die  Leibesübungen    im   allgemeinen    und   besonders    der  Schuljugend? 
2)  gewähren  die  gewöhnlichen  Turnübungen  diesen  Nutzen?  3)  woran 
liegt  es ,  dafs  der  Nutzen  des  Turnens  noch  keineswegs  auf  den  Schu- 
len so  zur  Anerkennung  gekommen  ist,   wie  er  es   verdient?    Die  Je 
Frage  beantwortet  Hr.  V.  mit  einer  umfafsenden  Darlegung  des  Nutzens 
der  Leibesübungen  in  Bezug  auf  geistige  und   leibliche  Frische,    wie 
auf  Hebung  der  Geselligkeit  durch  Anstrebung  eines  gemeinsamen  Zie- 
les auf  dem  Wege  der  Arbeit,  der  Ausdauer  und  £hrliebe.    Nach  die* 
ser   allgemeinen    Begründung    folgt    der    specielle    Nachweis    von   der 
Brauchbarkeit   der  deutschen    Turnkunst,   wie  sie  litterarisch   in    den 
Werken    von    Jahn   und   Spiefs   vorliegt  und  danach   bei  den  meisten 
deutschen  Schulen  in  Gebrauch  gekommen  ist.     Dabei   nimmt   der  Vf. 
fortwährend  Bezug  auf  die  schwedische  Gymnastik  und    ventiliert  zu- 
gleich die  Frage,  ob   dieselbe  nicht  passlicher  für  die  Körperausbil- 
dung wäre  als  das  deutsche  Turnen.    Das  gibt  ihm  Gelegenheit,  nach 
dem  bekannten  Werke  von    Rothstein:    'die  Gymnastik  des  schw.  G. 
Ling'  eine  Parallele  zwischen  deutscher  und   schwedischer  Turnschule 
zu  ziehen,  wobei  er  der  ersteren  den  Vorzug  einräumt  und  dieses  durch 
eine  Kritik  der  Cardinalpnnkte  aus  gedachtem  Werke  näher  motiviert. 
Ref.  kann  sich  nicht  mit  allem  einverstanden   erklären,   z.    B.   mit  der 
Behauptung  (S.  22):  'dafs  bei  den  Turnschülern   an   Stelle   des  Com- 
mandowortes  der  gute  Wille  eintreten'  und  'die  Freiheit  des  Turnens 
einen  Ersatz  für  den  Lernzwang  der  Schule'  bieten  müfse  u.  dgl.  m.; 
allein  es  mufs  Hrn.  V.  zugestanden  werden,  dafs  er  die  von  Rothstein 
erhobenen  Anklagen  gegen  das  deutsche  Turnen  einer  recht  gediegenen 
und   gründlichen   Besprechung  unterwirft   und    mit    der   Unhaltbarkeit 
derselben  besonders  nachweist,  wie  Ankläger  die  in  der  That  erfolgte 
rationelle  Ausbildung  des  deutschen  Turnens  absichtlich  oder  aus  Un- 
kenntnis ignoriert   habe.     Indem   der  Vf.  auf  die  Fallstricke   aufmerk- 
sam macht,  welche  denen  gelegt  sind  zum  Hemmnis,    die  sich  auf  die 
schwedische    Turnerei    bei    Gestaltung  des  Schulturnens   ein- 
iafsen,  sagt  er  unter  anderm  S.  29:   'möge   immerhin  eine  Gymnastik 
im  Sinne  der  von  Rothstein  empfohlenen  begründet  werden,   die  sich 
vermifst,  von  der  Wirkung  jeder  einzelnen  Bewegung  rücksichtlich 
ihres  Einflufses  auf  den  menschlichen  Organismus  Rechenschaft  geben 
zu  können ,  die  ihre  Uebungen  nach  dem  Recepte   vorschreibt  und  mit 
der  Goldwace  austheilt,  sie  ist  und  bleibt  unausführbar  auf  die  Länge 
unter  einer  Schaar  froher,  gesunder  Knaben  und  Jünglinge,  die  in  kur- 
zem gelangweilt  durch  solchen  gelehrten  Zwang  alle  Lust  und^  Liebe 
zur  Sache  bei  einer  gymnastischen  Methode  verlieren  wurden ,  die  nach 
der  Apotheke  riecht  und  ihre  Uebungen  mit  dem   Theelöffel  austheilt. 
Wir  wollen  die  Grewisheit  haben,   dafs  die  Uebungen   die  Muskulatur 
starken,  den  Körper  strecken  und  abhärten,  den   Geist  erfrischen,  in- 
dem sie  ihn  zum  Herrn  eines  starken  und  willigen  Dieners  machen  und 
80  einer  Vergeistigung    entgegenarbeiten,    die    von  einer  christlichen 
Paedagogik  nur  als  ein  Rückschritt  kann  betrachtet  werden,  weil  sie 
dem  Leibe  nicht  sein  Recht  widerfahren  läfst.'    Hr.  V.  unternimmt  es, 
nach  dem  Vorgange  von  Mafsmann ,   Lion ,  Bauer  u.  a.  nun  weiter  die 
Vorwürfe  zu  entkräften,  welche  in  dem  Rothsteinschen  Werke  der  Jahn- 
sehen  Tumschule  hinsichtlich  ihres  Princips  und  ihrer  Praktik  in  oft 
sehr  künstlicher  und  unlogischer  Weise  gemacht  worden  sind. 

34* 


524     A.  Vieth:  Zusammenhang  des  Turnplatzes  mit  der  Schule. 

Der  3e  Abschnitt  des  Programms  verbreitet  sich  über  die  Hinder- 
iiisf^e,  die  sich  einem  erfreulichen  Portgang  des  Turnens  bei  den  Schn- 
Jen  hemmend  entgegenstellen,  zu  welchem  Zweck  der  Vf.  untersucht, 
ob  die  Gleichgiltigkeit  gegen  das  Turnen  an  der  Sache  selbst,  oder 
an  den  dazu  nothigen  Einrichtungen,  oder  an  den  Turnlehrern 
liege?  Oder  ob  wir  in  das  allgemeine,  immer  mehr  überhand  neh- 
mende Klagelied  der  Paedagogen  über  zunehmende  Verweichlichung 
und  geistige  wie  körperliche  Erschlaffung  der  Jugend  mit  einstimmen 
Mollen?  Der  Vf.  gibt  seine  Erfahrungen  und  Ansichten  über  diese 
Punkte,  die  allerdings  dahin  gehen,  dafs  ohne  stetige  Thellnahme  aller 
Schaler  am  Turnunterrichte,  ohne  geeignete  Locale,  in  denen  der  Un- 
terricht bei  schlechtem  Wetter  und  im  Winter  ununterbrochen  fort- 
dauern könne,  ohne  einen  gebildeten  Turnlehrer,  ohne  eine  geistig  und 
leiblich  bildende  Turnunterrichtsmethode,  bei  den  Gymnasien  mit  die- 
ser Erziehungssachc  wenig  ausgerichtet  werde.  Ohne  diese  Praemis- 
sen  wird  man  umsonst  Resultate  vom  Turnen  erwarten,  und  es  mag 
richtig  sein,  wenn  Hr.  V.  sagt,  dafs  ein  matt  und  lahm  betriebenes 
Turnen  schlimmer  sei  als  gar  keins.  Mancherlei  Unordnungen  und  Un- 
regelmäfsigkeiten  knüpfen  sich  an  solche  mangelhafte  Einrichtungen, 
die  nur  zu  leicht  nacntheilig  auf  die  Jugend  einwirken.  Es  lohnte 
sich  doch  wohl  der  Mühe,  für  die  unsern  Schulen  anvertraute  Jugend 
anstandige  und  wohlein^erichtete  Ans  alten  zu  schaffen,  durch  deren 
wohlthäticen  Einflufs  dieselbe  gegen  so  viele  Plagen  und  Uebel,  die 
aus  dem  Mangel  an  zweckmäfsiger  Erholung  und  Auftriebt  und  aus  dem 
Müfsiggange  hervorgehen,  physisch  und  moralisch  geschützt  werden 
konnte. 

Wir  schliefsen  mit  dem  Wunsche,  dafs  auch  die  hier  besprochenen 
Schriften  dazu  beitragen  mögen,  die  Turnfrage  ihrer  Losung  nahe  zu 
bringen  und  dieser  Erziehungssache  bei  den  Schulen  die  rechte  Gel- 
tung und  richtige  Einordnung  verschaffen  helfen.  An  der  Hand  der 
S rufenden  Forschung  und  Erfahrung  wird  sich  die  begonnene  heilsame 
^eform  auf  dem  Gebiete  der  Gymnastik  zu  Nutz  und  Frommen  unse- 
rer Jugend  mit  Gottes  Hilfe  als  eine  recht  segensreiche  erweisen. 
Dresden.  M.  Kloss. 


Bericht  über  die  vom  25.  —  28.  September  1S54  in  Alten- 
burg  abgehaltene  vierzehnte  Versammlung  deutscher 
Philologen  und  Schulmänner. 

Obgleich  die  in  manchen  Gegenden  herschenden  Nothstande  und 
die  in  vielen  Gymnasien  stattfindenden  Examina  viele  am  Erscheinen 
verhindert  hatten,  war  dennoch  die  Versammlung  eine  zahlreich  be- 
suchte zu  nennen.  Die  Mitgliederliste  wies  294  aus,  zu  denen  aller- 
dings Altenbnrg  selbst  ein  beträchtliches  Contingent  gestellt  hatte. 
Von  auswärts  waren  erschienen  aus  Bairenth  Heerwagen  und  Lech- 
ner, aus  Basel  Gerlach,  Vischer,  Merlan  und  Stähelin,  ans 
Berlin  Wiese,  Gerhard,  Mutzeil,  Hertz  und  Weber,  aus  C6- 
then  Cramer  und  Bosse,  aus  Dessau  Ritter  und  Jahn,  aus  Dres- 
den Käuffer,  Heibig  und  Krehl,  aus  Eisenach  Weifsenborn 
und  Rein,  ans  Erlangen  Doderlein  und  Delitzsch,  aus  Erfurt 
Weifsenborn,  aus  Eutin  Hausdörffer,  aus  Frankfurt  a.  d.  O. 
Reinhardt,  aus  Gera  Herzoff,  Mayer  und  Saupe,  ans  Gottingen 
Hermann,  Schneidewin  und  Wnstenfeld,  ans  Gotha  Wuifte- 


Die  14e  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner.   525 

mann,  autt  Grimma  Dietsch  und  Schäfer,  aus  Güstrow  Raspe, 
aus  Haiberstadt  Schmid,  ans  Halle  Bernhardy,  Kramer,  Eck- 
stein, Keil,  Oehler,  Geier,  Voigt,  Hertzberg,  Weiske 
und  Arnold,  aus  Hamburg  Petersen  und  Redslob,  ans  Hanau 
Den  seh  le,  aus  Hannover  Kühner  und  Grotefend,  aus  Heidelberg 
Holtzmann,  aus  Herford  Knoche,  aus  Hildesheim  Gravenhorst, 
aus  Hof  Gebhardt  und  Riedel,  aus  Jena  Göttling,  Nipper 
dey,  Stark,  Stickel  und  Hoffmann,  aus  Kassel  Heraus,  ans 
Kiel  Forchhammer,  aus  Leipzig  Nitzsch,  Westermann,  Over- 
beck,  Wachsmuth,  Wuttke,  Gersdorf,  Mobins,  Dietzel, 
Nobbe,  Korbiger,  Kreufsler,  Tittmann,  Brockhaus,  Flei- 
scher, Anger,  Tuch,  Graul,  ans  Liegnitz  Sanppe,  aus  Magde 
bürg  Schwalbe,  aus  Marburg  Caesar,  aus  Meifsen  Kraner, 
Graf,  Döhner  und  Flügel,  aus  Mühlhausen  Ameis,  aus  Nenstre- 
litz  Lad  ewig  und  Scheibe,  aus  Nürnberg  Herold,  aus  Oxford 
Max  Müller,  aus  Pforta  Keil,  Purmann,  Corfsen  und  Müller, 
aus  Plauen  Palm,  Meutzner,  Vogel,  aus  Quedlinburg  Matt hiae, 
aus  Rostock  Fritzsche,  aus  Rudolstadt  Müller  und  Her  eher, 
aus  Torgau  Rothmann,  Arndt,  Kleinschmidt,  Giesel,  Mi- 
chael, F^rancke,  Handrick  und  Puls,  aus  Weimar  Prell  er, 
Sauppe,  Weber,  Lieberkühn,  Scharff,  Lothholz,  aus  Wien 
Tomaschek,  aas  Wittenberg  St  ier,  aus  Zeitz  Wehrmann,  Feld- 
hügei  und  Langgoth,  aus  Zerbst  Sintenis,  Hammer  und 
Schulze,  aus  Zwickau  Rieck,  Hertel,  Heinichen,  Rüdijrer 
und  Döhner.  Dafs  die  Versammlung  durch  den  Ernst  und  die  Wurde 
der  Verhandlungen  und  die  Gemüthlichkeit  des  Zusammenlebens  einen 
nachhaltigen  wohlthätigen  Einflufs  ausgeübt  habe,  wurde  von  allen 
Theilnehmern  anerkannt,  und  ebenso  für  die  geschickte  Leitung  des 
Praesidiums,  wie  für  die  freundliche  und  wohlwollende  Theilnahme  Sr. 
Hoheit  des  Herzogs,  des  ganzen  hohen  Hauses  und  der  Behörden  des 
Landes  und  der  Stadt,  und  für  die  Gastfreundlichkeit  der  Bewohner 
die  lebhafteste  Dankbarkeit  empfunden. 

Die  Versammlung  ward  am  25.  Septbr.  ^y^ll  Uhr  durch  den  Prae- 
sidenten  Schulrath  und  Director  Dr.  Fofs  eröffnet.  Nachdem  derselbe 
die  Aussetzung  der  Versammlung  im  vorhergehenden  Jahre  auf  eine  Weise 
gerechtfertigt,  dafs  sich  auch  nicht  öine  Stimme  dagegen  erhob,  hielt 
er  einen  Vortrag  über  das  Verhältnis  der  classischen  Studien 
zur  gegenwärtigen  Zeit,  welcher  eines  tiefen  Eindrucks  nicht 
verfehlte  und  in  weitesten  Kreisen  Beachtung  verdient.  Zuerst  wur- 
den die  Gründe,  worauf  man  gewöhnlich  die  Behauptung  stützt,  dafs 
die  gegenwärtige  Zeit  dem  Studium  der  Alten  ungünstig  sei,  abge- 
wiesen. Die  heftigen  Angriffe  bewiesen  nichts ,  weil  sie  gar  nicht  der 
Wifsenschaft,  sondern  nur  dem  Schulunterrichte  gelten,  der  Kampf 
heilsam  und  erbitterte  Gegner  nicht  zu  fürchten  seien.  Die  Gleich- 
giltigkeit  bei  der  Jugend  sei  in  Wahrheit  nicht  vorhanden  und  auf  die 
Abnahme  der  Philologie  Studierenden  dürfte  man  sich  nicht  berufen, 
weil  sie  ebenso  wenig  Abnahme  des  Interesses  für  die  Wifsenschaft 
beweise,  wie  die  Abnahme  der  Theologie  Studierenden  Mangel  an  kirch- 
lichem Leben,  auf^serdem  aber  das  den  Studierenden  von  der  Schule 
her  bekannte  mühevolle  Leben  des  Lehrers  viele  abhalte.  Endlich 
dürfe  man  sich  auch  nicht  auf  den  buchhändlerischen  Absatz  philolo- 
gischer Werke  berufen,  da  in  neuerer  Zeit  gerade  eine  erhöhte  Thä- 
tigkeit  auf  diesem  Felde  hervorgetreten  sei.  Gleichwohl  sei  die  Sache 
ans  dem  Leben  nicht  hinwegzuleugnen,  wenn  schon  sie  nicht  so  schlimm 
stehe,  wie  es  von  mehreren  Seiten  dargestellt  werde.  Den^ Lehrern 
die  Schuld  aufzubürden  sei  ungerecht;  auf  die  Streitigkeiten  über  Me- 
thode sei  kein  Gewicht  zu  legen,  da  solche  zu  allen  Zeiten  vorhnn<'pn 


526  Die  14e  VerBammiuug  deutscher  Philologen  und  Schulmänner. 

gewesen  seien,  in  Bezug  worauf  sich  der  Redner  auf  Comcnius'  und 
Ratichs  Zeiten  beruft.  Wo  seien  jetzt  die  Lehrer ,  welche  nicht  nach 
einer  befsern  Methode  unterrichteten?  Die  Ursachen  der  Erscheinung 
seien  vielmehr  1)  die  grofse  Ausdehnung  und  ^Selbständigkeit,  welche 
die  einzelnen  Wifsenscliaften,  namentlich  die  Naturwifrienscbaften,  ge- 
wonnen. Wahrend  nach  dem  Wiederaufleben  der  Humanitätsstudien 
alle  Wifsenschaften  sich  an  das  Alterthum  angelehnt  hatten,  sei  seit 
Baco  Ton  Verulam  allmählich  eine  Emancipation  aller  eingetreten; 
jede  einzelne  habe  an  Umfang  und  an  gesteigerten  Ansprächen  für  die 
Praxis  eine  solche  Umgestaltung  erfahren,  dal's  für  sie  ein  ganzes  lie- 
ben allein  gefordert  werde.  2)  aber  stehen  die  Naturwifsenschaftcn 
in  einem  principiellen  Gegensatz  gegen  die  Humanitätsstudien.  Wie 
Baco  Ton  Verulam  ein  Verächter  der  Alten  gewesen  sei,  so  blickten 
auch  jetzt  die  Anhänger  der  Naturwifsen^chaften  mit  Verachtung  anf 
sie,  weil  sie  von  der  Natur  nichts  verstanden.  Während  früher  nur 
^ine  Bildung,  die  classische,  vorhanden  gewesen,  habe  sich  eine  neue, 
die  reale,  geltend  gemacht;  der  lange  vierzigjährige  Friede  sei  dieser 
Richtung  auf  das  materielle  günstig  gewesen  und  sie  habe  sich  bereits 
ihre  Anstalten  und  ihre  Schulen  gegründet.  Während  in  den  classic 
sehen  Studien  der  Weg  ein  mühevoller  sei,  ehe  man  zum  Gennfs  und 
zur  Freude  gelange,  werfe  die  Beschäftigung  mit  den  realen  Wifsen- 
schaften schon  von  vorn  herein  manche  Befriedigung  ab;  während  in 
jenen  der  Erfolg  für  den  Nichtkenner  verborgen  bleibe,  trete  in  die- 
sen die  Nutzbarkeit  für  das  Leben  auch  dem  blödesten  Auge  sichtbar 
hervor,  und  der  materielle  Sinn,  sowie  die  herschende  Verfeinerung 
des  Lebensgenufses  lege  nun  ihr  Gewicht  hinzu.  3)  habe  aufserdem 
noch  der  erwachte  nationale  Sinn  manchen  Unterrichtsgegenstand ,  wie 
das  Altdeutsche,  in  das  Gymnasium  gebracht,  der  wie  die  realen  Fä- 
cher auf  Gleichberechtigung  Anspruch  mache.  Von  dieser  Menge  von 
Fächern  sei  eine  Erschöpfung  der  Schüler  die  nothwendige  Folge  nnd 
diese  bewirke  nicht  allein  während  der  Schulzeit  eine  Erschlaffung  für 
die  Studien  der  Alten,  son^lern  auch  eine  Abschwächnng  des  Interesses 
daran  für  die  Folgezeit.  Rechne  man  die  kritische  Richtung  unser« 
Zeitalters  und  das  so  viele  Aufmerksamkeit  und  Kraft  in  Anspruch 
nehmende  politische  Leben  hinzu,  so  könne  man  darin,  dafs  sich  jene 
Studien  behauptet  haben,  trotz  der  Ungunst  der  Zeit,  einen  Beweis 
für  ihren  hohen  Werth  finden.  Frage  man  nun  was  zu  thun  sei,  so 
müfse  man  zuerst  mit  aller  Kraft  zu  erhalten  und  dem  einseitigen  Ma- 
terialismus unserer  Tage  entgegenzuwirken  suchen.  Die  Wifsenschaft 
der  Philologie  habe  nicht«  zu  besorgen;  sie  werde  fortbestehen,  auch 
wenn  die  alten  Sprachen  aus  den  Gymnasien  verbannt  würden;  des- 
halb sei  die  FVage  die  wichtigste,  was  für  die  letzteren  zu  geschehen 
habe.  Die  Lehrer  hätten  vor  allen  Dingen  das  Ziel  fest  im  Auge  lU 
behalten  und  durch  nichts  sich  darin  irre  machen,  deshalb  sich  auch 
nicht  zu  weiteren  Concessionen  verleiten  zu  lafsen,  sie  müsten  aber 
anch  den  Unterschied  zwischen  philologischer  Wifsenschaft  und  Unter- 
richt streng  festhalten,  sich  stets  dessen  bewust  bleiben,  dafs  Uebung 
der  geistigen  Kräfte  Und  Erweckung  des  wifsenschaftlichen  Sinnes  die 
Hauptaufgabe  der  Schule  bleibe,  dafs  damit  zwar  nicht  eine  edle  Po- 

ßularisierung  der  Ausbeute  aus  der  Wifsenschaft  ausgeschlofsen,  aber 
eschränkang  anf  Sprache  und  Leetüre  nothweudig  geboten  sei.  Man 
müfse  ebenao  streng  die  massenhafte  Leetüre  meiden,  weil  sie  in  ge- 
fahrlicher Ungründlichkeit  führe,  wie  an  der  ernsten  Methode  festhal- 
ten; denn  in  der  Ueberwindung  der  Schwierigkeiten  bestehe  eben  der 
Se^en  des  Unterrichts,  es  liege  darin  auch  ein  ethisches  Moment. 
Zeigten  sich  nun  schon  jetzt  Symptome  einer  befsern  Schätzung  der 
AlterthamsstudieUy  so  wurden  die  eigne  begeisterte  Liebe   der  Lehrer, 


Die  14e  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner.  527 

der  Muth  der  Ueberzeiiguiigiind  rahige  und  würdige  Geltendmachung  der 
Berechtigung  das  beste  dazu  thon;  halbe  Freunde  taugten  btets  weniger 
als  entschiedene  Feinde.  Mochte  auch  die  gegenwärtige  Versammlung 
dazu  beitragen  eine  richtigere  und  würdigere  Schätzung  zu  vermitteln. 

Nach  dieser  EröfTnungsrede  wurden  zu  Schriftführern  der  allge- 
meinen Versammlung  gewählt  Prof.  Dr.  Caesar  aus  Marburg,  Prof. 
Dr.  H.  Weifsenborn  aus  Erfurt,  Prof.  Zetzsche  und  Dr.  Sehr- 
wald aus  Altenburg.  Nach  Erledigung  einiger  anderer  äufserlicher 
Angelegenheiten  wurde  diese   vorbereitende  Sitzung  geschlofsen. 

In  der  zweiten  allgemeinen  Sitzung  am  26.  Septbr.  referierte  zu- 
erst der  Vorsitzende  Vicepraesident  Director  Dr.  Eckstein  über  die 
Aosfuhrung  des  Beschlufses  ein  Denkmal  für  Fr.  A.  Wolf  zu  errich- 
ten. Das  dazu  ernannte  Comit^  habe,  weil  die  Grabstätte  zu  Mar- 
seille trotz  aller  Nachforschungen  nicht  mit  Sicherheit  zu  ermitteln  ge- 
wesen sei,  beschlofsen,  die  Büste  Wolfs  in  der  Aula  der  Universität 
Halle,  als  des  Ortes  wo  seine  Wirksamkeit  die  bedeutendste  gewesen 
sei,  aufzustellen;  die  Büste  sei  von  Hey  de I  trefflich  ausgeführt,  be- 
reits aufgestellt  und  bilde  eine  Zierde  der  Aula;  die  Beiträge  von  c. 
330  Thlm.  hätten  die  Kosten  nicht  nur  hinlänglich  gedeckt,  sondern 
noch  einen  Ueberschnfs  von  c.  35  Thirn.  gelafsen.  Der  Vorschlag  die- 
sen Ueberschufs  zur  Unterstützung  eines  armen  und  würdigen  Philo- 
logie Studierenden  za  verwenden  und  die  Verleihung  den  Professoren 
der  Philologie  zu  Halle  zu  überlafsen,  fand  allgemeine  Annahme. 

Hofrath  K.  Fr.  Hermann  aus  Gottingen  hielt  darauf  einen  Vor- 
trag über  die  Geschichte  der  dorischen  Könige  von  Argos. 
Nachdem  er  K.  O.  Müllers  und  H.  Weifsenborns  Forschungen  als  die- 
jenigen,  auf  welchen  fnfsend  er  weiter  gegangen,  dagegen  Grotes 
vielfach  überschätztes  Werk  als  in  diesem  Punkte  buchst  leichtfertig 
bezeichnet  und  auf  die  neuerdings  im  Escurial  entdeckten  Fragmente 
als  neue  Quellen  hingewiesen  hatte,  stellte  er  zuerst  die  Vermuthung 
auf,  dafs  die  Nachricht  von  dem  dnrch  Temenos  zu  Gunsten  des  Kres- 
phontes  bei  der  Theilung  verübten  Betrug  aus  den  genealogischen  Ge- 
dichten des  Kinaethon  stamme.  Nachdem  er  hierauf  die  hohe  Wahr- 
scheinlichkeit, dafs  die  Dorier  bei  der  Eroberung  von  Ureinwohnern, 
welche  die  Achaeer  nicht  lange  erst  unterjocht  gehabt  (dabei  Erinne- 
rung an  die  gleichen  Verhältnisse  in  Mexico),  unterstützt  worden  seien, 
erläutert  und  dabei  Lewis  Ansicht,  dass  die  Heloten  Lakonikas  Lele- 
ger  gewesen  seien,  berücksichtigt,  wurde  daraus,  dafs  Dei'phontes 
kein  dorischer  Name  sei  und  dafs  der  Name  seiner  Gemahlin,  Temenos 
Tochter,  Hyrnetho,  auf  die  Hyrnethier,  welche  Bockh  als  Theil  der 
argivischen  Urbevölkerung  nachgewiesen  (die  Aegialea  von  Sikyon),  hin- 
deute, gefolgert,  dafs  die  von  Deiphontes  dem  Temenos  bei  der  Er- 
oberung geleisteten  Dienste  von  der  vorachaeischen  Bevölkerung  ge- 
leistete Unterstützungen  seien.  Die  den  Deiphontes  mit  Herakles  in  Ver- 
bindung setzende  Genealogie  sei  natiirlicn  eine  spätere  Erfindung. 
Wenn  ferner  überliefert  werde,  dafs  Temenos  den  DeTphontes  im  Ge- 
gensatz  gegen   die  eignen  Sohne  begünstigt  habe,   so    sei    damit   der 


Aus  diesem  Grunde  würden  Charilaos  und  alle  altern  lakonischen  Ko- 
nige als  Tyrannen  geschildert,  und  die  Familien  führten  nicht  die 
Namen  der  ersten  Stammväter,  sondern  die  der  zweiten  (Enryponti- 
den  und  Agiaden).  Wie  Kresphontes  Messenien  in  fünf  Theile  ge- 
theilt  und  davon  nur  ^inen  den  Doriem  angewiesen,  wie  In  Lakonien 
sich  die  Eintheilung  in  sechs  Districte  finde  mit  einer  Art  von  Vice- 
konigen,  von  denen  Philonomos,  ein  Nichtdorier,  den  Bezirk  von  Amy- 


528  Die  14e  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner. 

kiae  ofTenbar  nur  zur  Belohnung  für  bei  der  Einnahme  durch  Ver- 
ratb  geleistete  Dienste  erhalten  habe,  so  habe  auch  Deiphontes  Epi- 
dauros  aus  gleichem  Grunde  empfangen.  Die  Sache  habe  indes  in  den 
drei  Ländern  einen  verschiedenen  Ausgang  genommen;  in  8parta  sei 
nach  langem  Kampfe  die  dorische  Herschaft  erstarkt  und  die  Sechs- 
theilung verschwunden,  in  Messenien  sei  Kresphontes  erschlagen  wor- 
den und  seine  Nachkommen,  die  nun  ahnlich  wie  in  Lakonien  die  Ko- 
nige ,  von  dem  Sohne  Aepytiden  genannt  wurden ,  hätten  sich  Bedingun- 
gen von  den  Doriern  gefallen  lafsen  müfsen;  in  Argolis  aber  habe  sich 
die  Theilung  fortgepflanzt  und  eine  Schwächung  des  dorischen  Konig- 
thums  herbeigeführt;  Epidanros,  Sikyon,  Korinth  seien  selbständig 
gewordene  Theile,  Temenos  Sohn  habe  nur  Argos  behalten.  Was 
man  auch  von  der  Uneinigkeit  der  Sohne  des  Temenos  halte,  Haupt- 
sache bleibe  die  Begünstigung  des  Deiphontes  und  die  Hinwegräumung 
des  Temenos.  Der  Redner  vergafs  das  Temenion,  von  wo  ans  Argos 
erobert  sein  sollte,  nicht,  auch  nicht,  dafs  die  nach  Polyaen  dabei 
angewandte  Kriegslist  dasselbe  Verfahren  sei,  welches  die  Dorier  als  oifx 
iTCKfTäfiBvoi  tsixofiaxeeiv  (Her.  IX  70)  immer  angewendet,  wie  bei  Am- 
phea,  Korinth  (Solygioshüg|el),  Oenoe;  selbst  Dekeleia  sei  im  peloponnesi- 
schen  Kriege  ein  solches  oQ(n^TTiQi.ov  gewesen.  Nachdem  er  noch  dar- 
auf hingewiesen ,  wie  die  spätem  Kämpfe  gegen  Mykenae  nicht  be- 
wiesen ,  dafs  auch  dieser  Ort  unabhängig  geblieben  sei,  gieng  er  zu  den 
Kriegen  der  Argiver  mit  den  Lakedaemoniern  über,  welche  mit  den 
übrigen  Begebenheiten  im  Peloponnes  im  engsten  Zusammenhang  stün- 
den. Der  erste  Krieg,  als  Prytanis  in  Sparta  König  war,  gab  Gele- 
genheit, die  dabei  von  den  Lakoniern  angewandte  Politik  als  das  Vor- 
bild der  später  stets  von  ihnen  befolgten  zu  bezeichnen.  Bei  dem 
zweiten  Kriege  unter  König  Charilaos  in  Sparta  um  860  v.  Chr.  wurde 
des  bei  Herodot  I,  66  erwähnten ,  von  den  Spartanern  gegen  die  Te- 
geaten  erlittenen  Unglücks  Erwähnung  getban  nnd  damit  ein  neues 
Fragment  des  Diodorus  Siculus,  welches  der  den  Arkadern  von  einem 
Könige  von  Argos  geleisteten  Hilfe  erwähne,  combiniert.  Tn  diesem 
glaubte  Hr.  Hermann  einen  König  Pheidon  finden  zu  dürfen,  freilich 
nicht  den,  welcher  das  Erbe  des  Temenos  wieder  vereint  .und  die 
olympischen  Spiele  gefeiert,  den  Weifsenborn  mit  Recht  in  Ol.  28  her- 
abgerückt habe.  Denn  in  Ol.  8  sei  für  ihn  kein  Platz;  er  niüste'dann 
zwischen  Eratos,  der  Asine  Ol.  5  zerstört,  und  Damokratidas,  wel- 
cher vor  dem  zweiten  messenischen  Kriege  Nauplia  eingenommen,  fal- 
len, die  Kraft  aber,  welche  das  argivische  Königthum  unter  dem  letz- 
tem Könige  bewiesen,  passe  nicht  zu  der  Nachricht,  dafs  nach  de« 
grofsen  Pheidon  Untergang  eine  gänzliche  Schwächung  eingetreten. 
Die  Niederlage,  welche  die  Argiver  im  J.  669  bei  Hysiae  den  Lakedae- 
moniern beigebracht,  sei  (gegen  Clinton)  Pheidons  That,  und  in  die- 
selbe Zeit  müfse  die  von  Herodot  I,  82  erwähnte  Herschaft  der  Argi- 
ver über  die  ganze  Ostküste  vx)n  Lakonika  fallen;  ja  man  könne  an- 
nehmen, dafs  der  zweite  messenische  Krieg,  den  schon  Müller  nnd 
Krebs  (Lectt.  Diodor.)  richtig  20  Jahre  unter  die  gewöhnliche  Annah- 
me (685— 68)  herabgerückt ,  eine  Folge  davon  gewesen  sei;  weniffstens 
stimmten  dafür  die  in  demselben  erwähnten  beiderseitigen  Bundesge- 
nofsen ,  namentlich,  dafs  die  Eleer,  die  als  ein  heiliges  Volk  sich  der 
WalTenführung  früher  enthalten  und  erst  durch  Pheidons  AngriiT  dazu 

Setrieben  worden  seien,  als  Bündner  Spartas  im  Kriege  erwähnt  wär- 
en. Daraus  ercebe  sich  denn  nun,  dafs  der  König,  welcher  nach 
dem  Fragmente  des  Diodor  aus  Argos  vertrieben,  in  Tegea  eine  Zu- 
flacht gesucht  habe,  unmöglich  der  Pheidon  sein  könne,  welcher  die 
Olympien  gefeiert  und  der  sicher  in  Ol.  28  gehöre,  dafs  man  vielmehr 
noch  einen  altern  König  Pheidon  annehmen  müfse.     Mit  jener  Nachricht 


Die  14e  Versammlung  dcaUcher  Philologen  und  Schulmänner.  529 

stimme  aber  die  Schwächung  des  Konigthuins,  welche  Pausanias  (IT, 
19,  2)  als  unter  Medon,  dem  Sohne  des  Keisos,  dem  zweiten  Nach- 
kommen des  Temenos,  vorhanden  melde.  Man  komme  auf  den  Namen 
Pheidon  durch  die  Genealogie  des  Karanos.  Man  dürfe  über  die  Mög- 
lichkeit, dafs  die  makedonischen  Könige  aus  Argos  gestammt,  nicht  so 
leicht  hin  absprechen;  hätten  sich  später  die  Mykenaeer  an  Alexander 
Philhellen  gewendet,  so  sei  gar  nicht  abzusehn,  warum  nicht  auch  in 
älterer  Zeit  Karanos  den  Weg  durch  Griechenland  nach  Makedonien 
habe  finden  können,  zumal  da  ja  Auswanderungen  in  weite  B^erne  we- 
gen Zurücksetzung  bei  Thronwechseln  (Neleus,  Dorieus)  in  altern  Zei- 
ten nichts  unerhörtes  seien.  Karanos  werde  durch  Thestios,  Merops 
(^Akoos)  und  Aristodamidas  mit  Medon  in  Verbindung  gesetzt  und  heilse 
der  siebente  Nachkomme  des  Temenos,  sowie  der  Sohn  oder  Bruder 
des  Pheidon.  Dieser  Pheidon  könne  aber  nicht  der  berühmte  dieses 
Namens  sein,  der  übereinstimmend  der  eilfte  Nachkomme  des  Temenos 
genannt  werde,  und  man  müfse  demnach  einen  altern  dieses  Namens 
annehmen,  welcher  der  nach  Tegea  geflohene  König  gewesen  sei.  Da- 
mit combinierte  nun  der  Redner  die  bei  PIntarch  vorkommende  ver- 
einzelte Nachricht  von  dem  Erloschen  des  Königshauses  und  von  dem 
Orakel,  dafs  ein  Adler  sich  auf  dem  Hause  des  bestimmten  neuen  Kö- 
nigs niederlafsen  werde,  was  dann  auf  dem  Hause  des  Aegon  gesche- 
hen sei.  Wenn  Müller  diese  auf  die  Absetzung  des  Meltas  um  550 
beziehe,  so  widerspreche  dem,  dafs  Pausanias  nach  diesem  republika- 
nische Verfafsnng  eingetreten  melde,  während  bei  Plutarch  vom  Em- 
porkommen einer  neuen  Dynastie  die  Rede  sei.  Man  komme  auf  fol- 
gende  wahrscheinliche  Corobination:  Pheidon  I  wurde  vertrieben  und 
floh  nach  Tegea;  über  die  Nachfolge  entstand  Streit;  Aegon  erhielt 
sie,  nicht  Karanos,  und  dieser  wanderte  aus.  Uebrigens  brauche  man 
auf  die  Genealogie,  die  ohnehin  verschieden  überliefert  worden,  nicht 
zu  viel  zu  geben;  sie  sei  nur  gemacht  um  Ansprüche  zu  begründen;  es 
genüge,  den  Karanos  für  einen  entfernteren  Verwandten  zu  halten,  der 
dem  nähern  Aegon  habe  weichen  müfsen.  Die  Reihe  der  argivischen 
Könige  nach  Pheidon  I  setze  sich  nun  so  fort:  Aegon,  Eratos,  Damo- 
kratidas,  Pheidon  II.  In  Betreff  des  Todes  des  letzten  wurde  auf 
ein  Fragment  des  Nicol.  Damasc.  hingewiesen,  wonach  er  in  Korinth 
wegen  Einmischung  in  die  innern  Angelegenheiten  getödtet  worden, 
ond  Weifsenborns  Vermuthnng,  dafs  dies  mit  dem  Sturze  der  Bakchia- 
den  in  Verbindung  stehe,  bestätigt.  Ueberhaupt  habe,  fuhr  der  Red- 
ner fort,  dieses  Pheidon  Herschaft  das  Aufkommen  der  Tyrannendyna- 
stien begünstigt,  was  sich  nicht  als  möglich  erklären  lafse,  wenn 
nicht  Sparta  in  dieser  Zeit  ernstlich  bedroht  gewesen  sei ;  dies  erhalte 
man  durch  die  oben  angegebene  Zeitannahme  für  den  zweiten  messe- 
nischen Krieg,  nach  dessen  siegreicher  Beendigung  erst  die  Spartaner 
an  die  Einmischung  zu  Gunsten  der  dorischen  Aristokratien  denken 
konnten.  Mit  Pheidons  II  Sohne  Leokedes,  der  unter  den  Freiern  in 
Sikyon  erwähnt  werde  (Her.  Vf,  127),  und  dessen  Sohn  Meltas  schlief&e 
die  argivische  Königsreihe,  die  durch  die  Annahme  eines  altern  Phei- 
don und  die  vorgenommene  Ordnung  eine  in  die  Entwicklung  organisch 
eingreifende  Gestalt  erhalte.  Schliefslich  bemerkte  der  Redner  noch, 
wenn  man  aus  Herodot  (VII,  149)  eine  Fortdauer  des  argivii^chen  KÖ- 
nigthums  während  der  Perserkriege  angenommen  habe,  so  scheine  ihm 
vielmehr  ein  Misverständnis  von  Seiten  Herodots  vorzuliegen  ;  dic^  Spar- 
taner würden  sich  nicht  auf  ihre  zwei  Könige,  sondern  auf  die  dvo 
lioCgagy  die  sie  vom  Peloponnes  inne  gehabt,  berufen  haben.  —  Prof. 
Weifsenborn  ans  Erturt  dankte  dem  Redner  für  die  Humanität, 
mit  welcher  er  seine  Forschungen  beurtheilt,  und  für  das  Licht,  wel- 
ches er  über  den  wichtigen  Gegenstand  verbreitet  habe. 


530  Die  14c  Versammlung:  deatscber  Philologen  und  Schalmänncr. 

Hierauf  las  Prof.  Ger  lach  ans  Basel  über  Mommsens  ro  mi- 
sche Gertchichte.  Von  dem  Praesidium  zu  einem  Vortrag  aufge- 
fordert, habe  er  die  neuste  Erscheinung  in  der  Litteratnr  der  römi- 
schen Geschichte  einer  Beurtheilung  unterzogen.  Anzuerkennen  sei  in 
derselben  die  Praecision  und  Bündigkeit  der  Darstellung,  welche  aber 
nicht  selten  in  St-hroffheit  verfalle;  aber  zu  rügen  sei,  dafs  man  die 
Stützen  für  die  aufgestellten  oft  sehr  kühnen  Meinungen  vermifse,  in- 
dem alle  Quellenangaben  unterlafsen  seien.  Unter  den  vielen  Punkten, 
welche  getadelt  wurden,  hebt  Ref.  hervor:  die  Unterlafsung  der  Nen- 
nung der  Könige,  welche  Hr.  G.  als  eine  Aposiopese  deuten  zu  mufsen 
glaubte;  die  grofse  Incoitöequenz,  dafs  das  Königthum  aus  dem  Fami- 
lien verband  hervorgegangen  und  doch  als  göttlich  betrachtet  angesehn 
uerdc,  wobei  der  Redner  sich  nicht  enthielt  auf  den  Wohnortswechsel 
Mommsens  hinzuweisen;  die  Construction  der  Geschichte  rückwärts; 
die  Deutung  der  Namen  Siculi ,  Opici,  Hercules,  Flamen;  die  Deu- 
tung des  Verhältnisses  der  Plebejer  und  Clienten;  die  Annahme,  dafs 
die  servianische  Verfafsung  ursprünglich  nur  eine  militärische  gewesen. 
Ausführlicher  wurde  gekämpft  1)  gegen  die  Hypothese,  Rom  sei  als 
eine  Handelsstadt,  als  ein  latinisches  £mporium,  eine  maritime  Grenz- 
festung gegründet  worden,  unter  Hinweisung  auf  die  Entfernung  vom 
Meere  und  die  Verachtung,  in  welcher  stets  der  Handel  gestanden; 
!2)  gegen  die  Annahme  eines  iapygischen  Urstammes  unter  Hinweisung 
auf  die  offene  Lage  Apuliens,  auf  die  später  dort  geborenen  römischen 
Schriftsteller,  aus  deren  Sprache  das  Vorhandensein  einer  gleichen 
Bevölkerung  geschlofsen  werden  müfse,  auf  den  weitverbreiteten  Die- 
medescult,  %velcher  Einwanderung  aus  dem  Osten  voraussetze.  Der 
Redner  erklärte,  dafs  er  gegen  die  der  Sophistik  verwandt  scheinende 
Ges<  hichtschrelbung  der  Neuzeit  Widerspruch  erheben  müfse.  —  Nach- 
dem der  Vorsitzende  Eckstein  um  die  Beobachtung  des  suaviterin  modo 
gebeten  hatte,  erhob  sich  Hofrath  Dr.  Preller  aus  Weimar:  es  sei 
durch  den  Vortrag  ein  Zug  hindurchgegangen,  der  ihn  und  viele  an- 
dere in  der  Versammlung  verletzt  habe;  es  habe  vieles  eine  Verdäch- 
tigung von  Mommsens  Charakter  enthalten ,  gegen  die  er  als  ein  lang- 
jähriger Freund  des  abwesenden  seine  Stimme  erheben  müfse;  Momm- 
scn  sei  es  um  die  Wahrheit  allein  stets  zu  thun  und  er  werde  sein 
scharfes  Schwert  zu  schwingen  wifsen  gegen  Angriffe;  gleichwohlwolle 
er  einige  Punkte  besprechen,  ohne  alles,  was  M.  gesagt,  als  wahr  hin- 
zustellen. Wenn  M.  Rom  eine  Handelsstadt  genannt  habe,  so  müfse 
er  erwähnen,  wie  er  schon  vor  mehreren  Jahren  in  einem  besondem 
Aufsatz  dargelegt,  dafs,  wenn  man  vom  Albanergebirge  herabschaue, 
sich  allerdings  die  Frage  aufdränge,  was  denn  zur  Anlage  der  Stadt 
in  dieser  Gegend  veranlafst  habe,  und  dafs  man  nichts  so  abge- 
schmacktes finden  dürfe  in  dem ,  worauf  er  selbst  schon  früher  hinge- 
wiesen und  was  M.  an^nommen,  zumal  da  ja  auch  die  Alten  etwas 
davon  erkannt,  und  Cicero  selbst  sage,  Rom  sei  situ  urbia  zu  dem 
geworden,  was  es  sei;  was  die  Auffafsung  des  Königthums  betreffe^ 
so  sei  zwischen  der  juristischen  und  religiösen  ein  wesentlicher  Unter- 
schied, die  Auffafsung  eines  römischen  Juristen  könne  nicht  durch 
eine  Stelle  aus  Kallimachus  widerlegt  werden ;  die  Ueberreste  der  Spra- 
che und  Inschriften  bildeten  für  die  Geschichte  gewis  eine  sichrere 
Quelle  als  die  mythischen  Genealogien,  welche  in  den  Noatot.  ihren 
Ursprung  hätten;  Diomedes  sei  für  ihn  eine  mythische  Person,  keine 
historische.  Wenn  man  daraus  dafs  Rnnius,  im  Osten  Italiens  gebo- 
ren, lateinisch  geschrieben  habe,  folgern  wolle,  dafs  einst  dort  die 
gleiche  Sprache  geherscht,  so  müfse  man  auch  daraus,  dafs  jetzt  in 
Bordeaux  französisch  gesprochen  werde,  schliefsen,  Ausonius  habe 
französisch  geschrieben.   —   Ger  lach   protestierte  gegen  das   Ansin- 


Die  ]4e  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner.  531 

neu,  aU  habe  er  Terdachtigen  wollen,  und  suchte  nuch  einmal  seine 
Einwände  gegen  Mommsen  zu  begränden.  Der  Vorsitzende  Keks t ein 
schnitt  mit  grofser  Geschicklichkeit ,  indem  er  auf  Preller  das  amieum 
qui  non  defendit  alio  culpante  —  anwandte  und  Gerlachs  Erklärung, 
er  habe  nicht  persönlich  verdächtigen  wollen,  wiederholte,  zugleich 
aber  äufserte,  die  heutige  Besprechung  werde  gewis  viele  zum  Studium 
Hes  bedeutsamen  Buchs  von  Mommsen  anregen  und  daraus  ein  grofser 
Gewinn  entstehen,  die  Debatte  ab,  welche  leicht  eine  heftige  hätte 
werden  können. 

In  der  dritten  allgemeinen  Sitzung  am  27.  Septbr.,  welche  Se. 
Hoheit  der  regierende  Herzog  von  Sachsen-Altenburg  nebst  seinem  Bru- 
der dem  Prinzen  Moritz  und  seinem  Oheim  dem  Herzog  Joseph  mit 
ihrer  Gegenwart  beehrten,  trug  zunächst  Director  Eckstein  im  Na- 
men der  dazu  gewählten  Commission  die  wegen  des  nächsten  Versamm- 
lungsortes zu  machenden  Vorschläge  vor.  Ohne  Debatte  und  Wider- 
spruch ward  Hamburg  erwählt,  Senator  Dr.  Hudtwalcker,  der 
sich  durch  seine  Schrift  über  die  attischen  Diaeteten  als  Philologen 
hinlänglich  documentiert  und  als  langjähriger  Protoschularch  um  das 
Schulwesen  Hamburgs  sich  die  anerkennenswerthesten  Verdienste  er- 
worben, zum  Praesidenten  ernannt  und  diesem  die  Wahl  der  Viceprae 
sidenten,  sowie  der  Vorsitzenden  in  den  Abtheilnngen  uberlafsen. 
Hierauf  hielt  Prof.  Dr.  Vis  eher  aus  Basel  einen  längern  Vortrag  über 
den  Parnass  und  seine  Umgebungen,  die  auf  seiner  Reise  Ende 
Mai  1853  an  Ort  und  Stelle  gemachten  Beobachtungen  wiedergebend. 
Der  Vortrag  enthielt  nicht  nur  die  interessantesten  Schilderungen,  son- 
dern war  auch  reich  an  Bemerkungen ,  welche  Aber  die  Besrhaifenheit 
des  Landes  und  die  daraus  folgende  geschichtliche  Entwicklung  auf- 
klärten, so  z.  B.  über  die  VerKchiedenheit  der  Gebirgsgestaltung  in 
der  Peloponnesos  und  in  Mittelgriechcnland,  über  den  Mangel  der  gc- 
flchlofsenen  Landschaften  um  den  Parnafs,  dafs  Doris  nur  ein  durch 
nichts  gesonderter  Thcil  von  Phokis  sei ,  wie  sich  auf  der  Höhe  des 
Purnafs  die  Ueberzeugung  aufdränge,  dafs  das  Land  bis  zu  dem  Olym- 
pos  und  Akrokeraunion  ein  nationales  und  geschichtliches  Ganzes  bilde. 
Es  fehlte  nicht  an  Erklärungen  über  Ausdrücke  der  Alten ,  so  z.  B.  über 
S£lo€pogf  an  Aufschlüfsen  über  das  Vorhandensein  oder  Verschwinden 
▼on  Denkmälern  und  über  das  Alter  vorhandener  Bauwerke  (so  z.  B. 
der  Mauern  von  Tithoreia,  welche  V.  wegen  des  Vorkommens  ähnli- 
cher Schiefsscharte»  bei  Messene  gegen  Urlichs  in  eine  frühere  Zeit 
setzte),  sowie  an  Hinblicken  auf  die  gegenwärtigen  Zustände  des 
Landes  und  die  geistige  und  sittliche  Bildung  des  Jetzigen  Volks.  Auch 
für  seine  gegenwärtige  politische  Lage  wurde  das  Mitgefühl  in  Anspruch 
genommen.  Gewis  wird  niemand  den  Vortrag  in  den  Verhandlungen 
ohne  Freude  und  Belehrung  lesen. 

In  der  Aula  des  Josephinums  las  darauf  Prof.  Dr.  Gravenhorst 
aus  Hildesheim  in  Gegenwart  Ihrer  Hoheit  der  regierenden  Herzogin 
und  der  Prinzessin  Therese,  aufser  den  oben  genannten  hohen  Her- 
schaften und  vielen  andern  Damen,  einen  grofs^n  Theil  seiner  Ueber- 
setzung  von  Aeschylos  Agamemnon  vor.  Der  gegenwärtige  Bericht  ist 
nicht  ein  Ort  um  über  die  Uebersetzung ,  welche  vielmehr  eine  ge- 
wifsenhaft  an  das  Original  sich  anschliefsende  Nachdichtung  genannt 
werden  mufs,  ein  Urtheil  abzugeben,  daher  werde  nur  soviel  erwähnt, 
dafs  die  Vorlesung  bei  den  meisten  Zuhörern  eines  erfreulichen  Ein- 
drucks nicht  verfehlt  hat. 

Die  vierte  allgemeine  Sitzung  am  28.  Septbr.  begann  mit  einem 
Vortrag  des  Prof.  Dr.  Petersen  aus  Hamburg:  über  das  Verhält- 
nis der  altern  attischen  Vasenbilder  zum  troischen  Sa- 
genkreise und  Homer.     Nach  einer  die  Classification  der  Vasen 


532  Die  14e  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner. 

darlegenden  Einleitung  erklärte  der  Redner,  dafs  die  von  ihm  in  der 
Recension  über  Overbecks  Gallerie  heroischer  Bildwerke  (NJahrb.  Bd. 
LXIX  S.  385 — 403)  geaufserten  Bedenken  ihm  nun  zu  Gegeiigränden 
geworden  seien.  Darauf  bemerkte  er,  dafs,  obgleich  eine Töilige Chro- 
nologie der  Vasen  noch  zu  geben  sei,  dennoch,  wie  Brunn  aas  dem 
inoLtL  für  das  Alter  der  Monumente  einen  Entjicheidungngrund  aufge- 
funden, 80  auch  bei  jenen  dasselbe  gelte  und  dafH  er  cinertteits  keinen 
Unterschied  zwischen  epischen  Darstellungen  auf  den  archaisierenden 
und  archaistischen  Vasen  anerkenne,  indem  die  archaisierenden  trene 
Nachbilder  älterer  seien ,  andrerseits  die  Nachahmung  nicht  über  die 
Zerstörung  Korinths  hinaufreiche.  Was  nun  das  Verhältnis  der  altern 
attischen  Vasen  zu  den  Epen  anbetreife,  so  sei,  wenn  dieselben  nach 
Kpen  oefertigt  wären,  auffallig,  dafs  die  Bildner  manche  Gedichte 
lind  Dichter  fast  gar  nicht  benutzt  zu  haben  schienen;  aus  Homer,  ann 
den  K^'prien  und  andern  Gedichten  fanden  sich  nur  wenig  Darsteilun- 
{Ten  und  es  sei  schon  deshalb  unzuläfsig,  die  Telegonie  aus  dem  Grunde 
als  wenig  verbreitet  anzunehmen,  weil  sich  aus  ihr  wenig  Darstel- 
lungen vorfänden.  Das  Hauptargument  für  ihn  bilde  nun,  dafs  sich 
auf  den  attischen  Vasen  nur  attische  Formen  finden,  nicht  epische, 
woraus  zu  schliefsen  sei,  dafs  sie  nicht  nach  Epen  gearbeitet  seien. 
Daraus  und  aus  den  sonst  vorkommenden  Merkmalen  folgerte  nun  der 
Redner,  dafs  die  Vasenbildner  aus  der  lebendigen  Sage,  nicht  aus  den 
Epen  geschöpft  hätten,  und  machte  darauf  aufmerksam,  wie  wichtig 
dies  für  die  homerische  Frage  sei.  --  Director  Dr.  Kramer  aus  Halle 
dankte  für  die  Beziehung  des  Achilleus  auf  Attika,  äufserte  aber  leb- 
hafte Bedenken  gegen  das  Herabrücken  bis  auf  die  Zerstörung  Ko- 
rinths bei  den  einen,  wie  gegen  das  Hinaufrücken  über  die  Entstehung 
der  Epen  bei  den  andern.  Der  Vorsitzende  Vicepraesident  Eckstein 
sprach  den  Wunsch  aus,  dafs  die  Besprechung  im  nächsten  Jahre  in 
Hamburg  wieder -aufgenommen  werden  möchte. 

Prof.  Dr.  Do  der  lein  aus  Erlangen  richtete  sodann  in  seiner  be- 
kannten humoristischen  Manier  eine  Anfrage  über  Horatius  A. 
P.  Vs.  366—407  an  die  Versammlung.  Nachdem  er  zuerst  auseinander- 
gesetzt, dafs  ihm  das  Gedicht  in  zwei  Theile  za  zerfallen  scheine,  von 
welchen  der  erste,  didaktischen  Inhalts,  bis  Vs.  366  gehe  und  die  ara 
poeticay  der  zweite  von  da  an,  paraenetischen  Inhalts,  die  eigentliche 
epiatola  ad  Pisonea  sei,  warf  er  die  Frage  auf,  wie  die  Stelle  von 
ailücatrea  hominca  —  cantor  ytpotlo  in  den  Zusammenhang  passe.  Kr 
erklärte,  dafs  sie  kein  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  griechi- 
schen Poesie  sei,  vielmehr  ein  Loblied  anf  die  Lyrik  enthalte,  und  las 
aus  seinem  letzten  Programme  die  über  poat  hoa  von  ihm  aufgestellte 
Ansicht  vor.  Das  Räthsel  schien  ihm  nnr  dadurch  losbar,  dafs  man 
darin  eine  Motivierung  für  das  unbescheidene  Anerbieten  der  Censur 
sehe,  da  er  doch  nur  ein  kleiner  Lyriker  sei,  welche  Gattung  von 
Dichtern  in  Rom  nicht  eben  im  besten  Rufe  gestanden  habe ;  dazu  pas^e 
die  Verherlichung  der  lyrischen  Poesie.  —  Hofrath  Hermann  ans 
Gottingen  sprach  seine  Freude  über  die  vorgebrachte  Ansicht  aus  und 
erklärte  dem  Redner  secundieren  zu  wollen.  Die  Erklärung  von  poat 
hoa  sei  der  schwächste  Punkt  der  Argumentation;  er  schlage  vor  das 
Komma  nach  Homerua  zu  streichen;  nichts  hindere,  Homer  wie  Tyr- 
taeus  hier  als  Subject  von  cxacuit  den  Dichtern  kriegerischer  Be- 
geisterung beizuzählen.  Nachdem  Eckstein  bemerkt,  Doderlein  sei  an 
dem  Komma  gar  nicht  schuld,  secundiertc  Prof.  Schneidewin  aus 
Göttingen  Hermann,  indem  er  darauf  hinwies,  wie  schon  die  alten 
Scholiasten  die  elegische  Poesie  des  Tyrtaeus  als  aus  den  Reden  der 
homerischen  Helden  hervorgegangen  bezeichnet  hätten,  wofür  der  ge- 
wöhnliche AuBÜruck  nccQO^vvft  sei.    Prof.  Ger  lach  erklärte   sich  ge- 


Die  14e  Versamminng  deutscher  Philologen  und  Schulmanner.    533 

gen  Doderleins  Ansicht;  mit  poit  hoa  falle  der  ganze  Beweis  weg;  wo 
liege  der  Beweis j'dafs  die  Lyrik  gelobt  werden  solle,  da  doch  Homer 
erwähnt  werde?  Da  Doderlein  seine  Meinung  weiter  erläuterte,  ohne 
jedoch  das  von  Hermann  gesagte  anzunehmen,  bat  ihn  dieser,  doch 
nicht  seine  Secundanten  zu  Opponenten  zu  machen,  sondern  das  von 
ihm  aufgestellte  einfach  zu  adoptieren.  Weil  dabei  Doderlein  longo- 
rum  operum  finiM  auf  die  Tragoedie  deutete,  so  wurde  von  Hermann 
und  Schneidewin  bemerkt,  dafs  auch  dies  lyrische,  bei  ländlichen  Fe- 
sten gesungene  Lieder,  Dithyramben,  bezeichne.  Eckstein  richtete 
zwei  Fragen  an  den  Antragsteller.  Gegen  die  erste:  warum  denn  Ho- 
raz,  der  ja  doch  Ton  den  Pisonen  geachtet  und  geschätzt  gewesen  sei, 
es  für  nothig  erachte  sein  Anerbieten  einer  Censur  zu  entschuldigen, 
erwiederte  Doderlein:  auperflua  non  noecnt;  auf  die  zweite:  warum 
denn  die  Motivierung  so  spät,  nach  drei  eingeschobenen  Sätzen  komme, 
bemerkte  derselbe,  es  seien  die  drei  Sätze  nur  ^iner;  Horaz  mache 
eine  Pause  und  trage  nun  nach,  %\(>durch  er  sich  wegen  seines  Aner> 
bietens  entschuldige.  Director  Raspe  ans  Güstrow  konnte  sich 
nicht  überzeugen,  dafs  die  Stelle  eine  Verherlichung  der  Lyrik  ent- 
halte, da  in  den  Worten  das  specißsche  Epos  bezeichnet  sei.  Dr. 
Hertz  aus  Berlin  weist  auf  eine  Theilung  auch  des  paraenetischen 
Theils  hin  und  findet  den  Zusammenhang  des  zweiten  mit  dem  ersten 
darin,  dafs,  nachdem  der  Dichter  dem  Piso  gute  Regeln  gegeben,  er 
ihm  nun  zeigen  wolle,  was  dann,  wenn  er  diese  befolge,  aus  ihm  wer- 
den werde.  Nachdem  noch  Hermann  und  Gerlach  bemerkt  hatten,  daf» 
auf /uit  haec  sapientia  und  auf  soUers  das  gröfste  Gewicht  zu  legen 
sei,  ward  mit  Ecksteins  Erklärung,  dafs  sein  zweiter  Einwurf  ihm 
nicht  widerlegt  scheine,  die  Debatte  geschlofsen.  Schade  war  es,  dafs 
Doderlein  auf  seine  zweite  im  Programm  angekündigte  Anfrage  über 
Salust.  Catil.  51,  37 — 42  wegen  der  vorgerückten  Zeit  verzichten  muste. 
Noch  hielt  Prof.  Dr.  Porehhammer  aus  Kiel  einen  Vortrag 
über  die  Lage  von  Theben  mit  besonderer  Berücksichti- 
gung der  Tragiker,  wobei  er  einen  Plan  zu  Grunde  legte;  indes 
läfst  dieser  Vortrag  kaum  einen  Auszug  zu  *), 

Nachdem  der  versitzende  Vicepraesident  Eckstein  die  Schlufs- 
rede,  in  der  er  den  Dank  gegen  das  Herscherhaus,  die  Behörden  und 
Bewohner  Altenburgs  und  die  Befriedigung  durch  die  Resultate  aus- 
sprach, gehalten,  erwiederte  Hofrath  Hermann,  den  gleichen  Dank 
auch  auf  das  Praesidium  ausdehnend  and  offen  aussprechend,  dafs  die 
gegenwärtige  Versamminng  einen  freudigen  Blick  in  die  Zukunft  des 
Vereins  eröffne.  Nachdem  er  Altenburg  und  Hamburg,  Hamburg 
nnd  Altenbnrg  leben  gelafsen,  trennte  sich  die  Versammlung.  War 
auch  diesmal  die  Zahl  der  Vorträge  eine  sehr  geringe  zu  nennen,  so 
waren  sie  doch  alle  anregend  und  die  Würde  und  der  Ernst  der  De- 
batte fanden  allgemeine  Anerkennung.  Von  den  nicht  an  die  Reihe 
gekommenen  angekündigten  Vorträgen:  des  Prof.  Dr.  Stark  aus  Jena: 
über  die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Niobe-Myth  us,  des 
Prof.  Dr.  Lothholz  aus  Weimar:  F.  A.Wolf,  W.  v.  Goethe  und 
W.  von  Humboldt,  nnd  des  Dr.  Hertzberg  aus  Halle:  über  die 
Hebung  des  Königthnms  unter  Agesilaos  ist  wenigstens  theil- 
weise  die  Aussicht  vorhanden,  dafs  sie  in  den  Verhandlungen  erschei- 
nen werden.  Allgemein  war  die  Stimmung  eine  freundlich  heitere  und 
von  niemand  hat  Ref.  gehört,  dafs  er  ohne  lebendige  Befriedigung  nnd 
dauernde  Anregung,  namentlich  durch  den  geselligen  Verkehr ,  geschie- 
den sei. 

*)  Hr.  Prof.  F.  hat  den  Inhalt  seines  Vortrags  nebst  der  daza  g>ehörig«n  Karle  nnler 
dem  Titel:  Tapogranhia  Theharum  heptapylarum  in  dem  EinladoDgtprog^ranini  der  Kieler 
Universität  com  6.  Oclbr.  veröffentlicht. 


534   Die  14e  Versammhing  deutscher  Philologen  und  Schnlmftnner. 

Verhandinngen  der  paedagogischon    Section  nach   den 
amtlichen  Niederschriften. 

Die  paedagogische  Section  constituierte  sich  nach  Beendigung  der 
ersten  allgemeinen  Sitzung  in  der  Aula  des  Josephinums.  Die  Mitglie- 
derliste wies  die  Zahl  50  aus,  wobei  manche  Theilnehmcr  sich  nicht 
eingezeichnet  hatten.  Auf  allseitige  Aufforderung  erklärten  sich  die 
beiden  Vorsitzenden  der  allgemeinen  Sitzung,  Schulrath  Dir.  Dr.  Fof« 
und  Dir.  Dr.  Eck  st  ein,  bereit  auch  in  dieser  Section  alternierend 
den  Vorsitz  zu  führen.  Zu  Secretären  wurden  auf  P'ofs'  Vorschlag  der 
unterzeichnete  Berichterstatter  und  Dr.  Gustav  Schmidt,  Lehrer 
an  der  Matthiaeschen  Erziehungj^anstnlt  in  Altenburg,  erwählt.  Der 
Vorsitzende  Fofs  legte  darauffolgende  von  Prof.  Dr.  Mützeil  aas 
Berlin  gestellte  Sätze  vor: 

Die  Ueberladung  der  Gymnasien  mit  Unterrichtsgegenstanden. 

1)  Philosophie,  deutsche  Litteratargeschichte,  Naturgeschichte, 
Naturlehre  sind  beizubehalten,  aber  in  Ansehung  des  Lehrstoffes  zu 
beschränken. 

2)  Hebraeisch  und  Franzosisch  können  facultativ  sein. 

3)  Mathematik  und  Geschichte  dürfen  hinsichtlich  des  Lehrstoffes 
beschränkt  werden. 

4)  In  Folge  der  grundlicheren  Bearbeitung  der  einzelnen  Wifsen- 
schafteu  ist  auch  der  Unterricht,  sowohl  der  sprachliche  als  der  in 
den  meisten  andern  Objecten,  dem  Stoffe  nach  häufig  zu  reichlich  aub- 
gestattet  worden. 

5)  Die  ausführliche  systematische  Behandlung  einzelner  Lehrfacher, 
namentlich  der  Hermeneutik,  Stilistik,  Mathematik,  Geographie,  hat 
der  Methode  häufig  eine  zu  grofse  Breite  gegeben. 

6)  Die  Last  des  Stoffes  und  das  gedehnte  der  Methode  trifft  be- 
sonders die  unteren  und  mittleren  Classen  und  hemmt  auch  für  die 
oberen  den  Wifsenstrieb. 

7)  Zu  diesen  Uebelständen  tritt  hinzu:  a)  dafs  einzelne  Gecen- 
stände  zu  lange  durch  die  Classen  hindurchgezogen  werden;  b)  daf» 
ein  und  derselbe  Gegenstand  in  den  Gymnasien  unter  zu  viele  Lehrer 
vertheilt  wird  ;  c)  dafs  diejenigen  Bestimmungen  der  Schulordnun^eo, 
welche  auf  einheitliches  Zusammenwirken  der  Lehrer  hinzielen,  nicht 
immer  zu  lebendiger  Ausführung  kommen. 

8)  Endlich  sind  es  die  Translocationsexamina  und  das  Abitnrienten- 
examen,  durch  deren  Einrichtung  für  die  Schuler  theils  eine  tempo- 
räre Ueberladunc,  theils  eine  fortwährende  Zer^splitterung  eintritt. 

Mützeil  erklärt,  dafs  er  diese  Sätze  nicht  aufgestellt,  damit  sie 
vollständig  berathen  würden,  sondern  nur  damit  man  einzelne  Punkte 
herausnehme. 

Auf  die  Aufforderung  des  Vorsitzenden  schlägt  Eckstein  Tor: 
1)  die  Berechtigung  des  freien  lateinischen  Aufsatzes  in  dem  Unter- 
richte und  in  der  Maturitätsprüfung,  2)  den  Wirthshausbesuch  der 
Gymnasiasten. 

Geheimer  Rath  Dr.  Wiese  aus  Berlin  bezeichnet  die  Benützung 
lateinischer  Vocabularien  zum  selbständigen  Vocabellernen  als  einen 
geeigneten  Gegenstand. 

Der  unterz.  bemerkte,  es  dürfe  wohl  nicht  gerathen  sein,  über 
Mathematik  und  andere  Realien  zu  berathen,  weil  bei  der  Abwesen- 
heit von  Vertretern  dieser  Fächer  leicht  der  Vorwurf  gemacht  werden 
könne,  man  habe  jene  nicht  gehört;  er  schlage  vor,  die  auf  den  la- 
teinischen Unterricht  bezüglichen  Anträge,  namentlich  den  von  Eck- 
stein, dann  den  von  Wiese  und  die  auf  denselben  Gegenstand  bezüg- 
lichen Punkte   ans  Mützells   Sätzen  zur   Berathung  zu   ziehen;    stelle 


Die  14e  VersamiDliing  deutscher  Philologen  und  Schulmänner.    533 

sich  heraus,  welche  Forderungen  rticksichtlich  der  alten  Sprachen  un- 
umgänglich  festgehalten  werden  mufsen,  so  folge  daraus  auch,  wozu 
mehr  Zeit  zu  verschaiTen  sei,  und  es  werde  auch  auf  diesem  Wege  der 
Ueberladung  entgegengewirkt. 

Kck stein  erklärt,  dafs  er  seinen  zweiten  Antrag  gern  fallen 
lafse;  er  habe  ohnehin  nur  gewünscht,  dafs  man  sich  über  den  Gegen- 
stand gegenseitig  vertrauliche  Mittheilung  machen  möchte,  und  dies 
könne  im  geselligen  Zusammensein  am  besten  geschehn. 

Der  Vorsitzende,  schlägt  demnach  folgende  Tagesordnung  ror: 
1)  Ecksteins  Antrag,  2)  Wieses  Antrag,  3)  die  Mutzellschen  Thesen, 
und  fand  dieselbe  allgemeine  Beistimmung. 

Auf  Mutz  eil  8  Wunsch,  dafs  doch  bestimmt  formulierte  Satze 
▼orgelegt  werden  mochten,  stellt  Eckstein  folgenden  anf:  ^die  la- 
teinischen freien  Aufsätze  haben  ihre  volle  Berechtigung  im  Unter- 
richte und  der  Maturitätsprüfung',  Geh.  R.  Wiese  aber  erklärt,  dafs 
er  den  Gegenstand  nur  zur  Mittheilung  von  Erfahrungen  und  zum  Aus- 
tausch von  Ansichten  gestellt  habe,  eine  bestimmt  gefafste  These  nicht 
geben  könne. 

In  der  zweiten  Sitzung  am  26.  Septbr.,  in  welcher  gleichfalls 
Schulrath  Dr.  Fofs  den  Vorsitz  führte,  erhielt  nach  der  am  vorher- 
gehenden Tage  festgestellten  Tagesordnung  zunächst  Rekstein  das 
Wort  zar  Motivierung  seines  Antrags.  Derselbe  erinnerte  zuerst 
an  den  auf  der  Philolugenversamnilung  zu  Jena  cefafsten  ßeschlufs: 
dafs  die  Frage  eine  Frage  der  Zeit  sei;  damals  habe  Kochly  seinen 
Feldzug  gegen  das  Lateinschreiben  und  Lateinsprechen  eröffnet  ge- 
habt; seitdem  sei  man  älter  und  verständiger  geworden  und  könne 
eine  nochmalige  Erörterung  jener  vornehmen  mit  gewifserer  Aussiebt, 
sie  der  Lösung  näher  zu  bringen.  Sein  Satz  zerfalle  in  zwei  zu  tren- 
nende Theile:  die  Berechtigung  in  der  Schule  und  in  der  Maturitätsprü- 
fung. Die  Gegner  des  lateinischen  Aufsatzes  pflegten  einzuwenden, 
derselbe  sei  nicht  nur  nutzlos,  sondern  sogar  schädlich,  weil  er  den 
Stil  verderbe;  indes  wie  man  Exercitien  zur  Befestigung  in  der  Gram- 
matik und  praktischen  Anwendung  derselben  habe,  so  müfse  man  auch 
dem  Schüler  Gelegenheit  bieten  das  was  er  bei  der  Leetüre  gewonnen 
habe  praktisch  anzn wenden  und  dabei  sich  frei  zn  bewegen,  was  bei 
dem  Exercitium  fehle.  Das  Bewustsein:  er  könne  mit  dem,  was  er 
mit  Aufmerksamkeit  gelesen,  auch  selbst  etwas  machen,  und  das  da- 
bei gewonnene  Gefühl  der  Selbständigkeit  und  Sicherheit  des  erwor- 
benen erwecke  Theilnahme  bei  der  Leetüre,  weil  der  Schüler  nun  auf 
das  zu  gewinnende  achte.  Deshalb  müfse  der  freie  lateinische  Auf- 
satz auf  der  obersten  Stufe  des  Gymnasialunterrichts  beibehalten 
vrerden. 

Prorector  Heini  che  n  aus  Zwickau:  die  Pensa  sollten  den  Schü- 
lern mit  den  Darstellungsmitteln  der  lateinischen  Sprache  bekannt 
machen  -j-  er  erinnere  in  Bezug  darauf  an  Nägelsbachs  Vorrede  zu 
seiner  Stilistik  — ,  aber  die  freien  Arbeiten  müsten  hinzutreten, 
damit  sich  der  Schüler  in  der  Anwendung  dessen,  was  er  bei  derLec- 
tfire  gewonnen  habe,  freier  bewegen  lerne;  dadurch  entstehe  Freudig- 
keit des  Schaffens.  Aber  freilich  eine  andere  Frage  sei,  wie  bei  der 
jetzt  herschenden  Polymathie  Zeit  zu  gewinnen  sei,  um  diese  Uebun- 
gen  wahrhaft  nutzbar  zu  machen;  es  verhalte  sich  damit  ebenso  wie 
mit  dem  Privatstudium,  wenn  dieses  in  der  Weise,  wie  Seyffert  es 
dargestellt,  betrieben  werden  solle.  Damit  stünden  die  von  Mntzell 
gestellten  Sätze  in  Zusammenhang,  wie  der  Ueberladung  mit  Unter- 
richtsgegenständen im  Gymnasium  vorzubeugen  sei. 

Prof.  Ameis  aus  Mühlhausen :  die  Frage  sei  eine  Cardinalfrage 
unserer  Gymnasien.     Man  wende    gegen  die  Aufsätze  ein,  sie  seien 


536  Die  I4e  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schalminner. 

nutzlos,  ja  schädlich;  das  könne  wohl  der  Fall  sein,  wenn  die  Sache 
beiriehen  werde  wie  sie  eben  betrieben  werde:  solcher  Tadel  treffe 
nicht  die  Sache,  sondern  nur  die  Methode.  Die  lateinischen  Aafsätie 
musten  sich  auf  tüchtige  Lectiire  gründen.  Systematische  Grammatik 
und  freier  Aufsatz  seien  scharfe  Opposita;  eins  von  beiden  müfse  fallen. 
Der  wesentliche  Unterschied  zwiscfien  Exercitium  und  Aufsatz  bestehe 
darin,  dafs  das  Exercitium  etwas  vages  sei,  dafs  man  dabei  keinen 
rechten  Mafsstab  für  Beurtheilung  des  ganzen  habe.  Ob  sich  der 
Schüler  einen  color  Laiinua  angeeignet  habe,  zeige  der  Aufsatz  viel 
befaer  als  das  Exercitium.  Ohne  Grammatik  und  ohne  Lexikun  solle 
der  Schüler  seinen  Gedanken  lateinische  Form  geben;  er  solle  Rasch- 
heit des  Uebertragens  in  die  lateinische  Form  erlangen. 

Eckstein  gegen  Ameis:  das  Exercitium  gebe  allerdings  einen 
Mafsstab  ab,  es  sei  schwerer  als  der  Aufsatz,  und  der  Schüler  mufse 
auch  im  Uebertragen  von  gegebenem  Deutsch  geübt  werden.  Die  Leh- 
rer musten  doch  wllsen,  was  schwerer  und  was  leichter  sei.  Sei  etwa 
gemeint,  dafs  man  einen  verschiedenen  Mafsstab  habe,  auf  locale  nnd 
individuelle  Verhältnisse  sei  doch  hier  keine  Rücksicht  zu  nehmen;  es 
bleibe  doch  das  allgemeine:  man  erkenne  die  Fertigkeit  des  SchiUers 
aus  der  Art  und  Weise,  wie  er  den  deutschen  Text  übertrage.  Er 
knüpft  daran  die  Bitte  sich  doch  ja  frei  und  unverholen  auszusprechen. 

Ameis:  er  habe  nicht  sagen  wollen,  dafs  das  Exercitium  keinen 
Mafsstab  abgebe,  sondern  dafs  es  ein  vager,  kein  so  sicherer  Mafs- 
stab sei  objcctiv;  subjectiv  könne  der  Lehrer  ihn  wohl  heraus- 
finden. 

Mutz  eil:  die  Schwierigkeit  liege  nicht  in  der  Theorie  -—  denn 
darin  seien  wohl  alle  einig — ,  sondern  in  der  Praxis.  Es  würden  den 
Lehrern  Vorwurfe  gemacht,  dafs  die  Schüler  durch  die  Arbeiten  in 
sehr  überlastet  wurden.  Man  wende  ferner  ein,  dafs  die  Schüler  bei 
der  Arbeit  einö  falsche  Methode  anwendeten.  Es  gebe  Anstalten,  in 
welchen  viele  kleine  Arbeiten,  andere,  in  welchen  eine  oder  doch  nur 
wenige  gröfsere  verlangt  würden,  die  mehr  Privatstudium  forderten. 
Durch  die  gröfsere  Zahl,  sage  man,  werde  die  Zeit  und  Kraft  des 
Schülers  zu  sehr  in  Anspruch  genommen;  er  werde  erschöpft  und  er- 
schlalTe.  Auch  sei  die  Frage  aufzuwerfen,  ob  nicht  die  Art  der  Be- 
nützung des  deutsch-lateinischen  Lexikons  Schaden  bringe.  Ueber  diese 
Punkte  wünsche  er  Erfahrungen  zu  hören. 

Dir.  Raspe  aus  Güstrow:  bei  den  lat.  Aufsätzen  werde  ein  ge- 
wisses Mafs  von  Gewandtheit  im  Lateinisch-denken  vorausgesetzt.  Sei 
es  nun  bei  unserer  jetzigen  Einrichtung  der  Gymnasien,  wenn  man 
nicht  ganze  Unterrichtsgegenstände  entfernen  wolle,  möglich,  dafs 
sich  der  Schüler  dies  erwerben  könne?  Gebe  er  einen  wirklichen  Auf- 
satz oder  eine  Uebertragung  aus  einem  schlechten  Deutsch,  das  er 
sich  für  das  Latein  zurecht  gemacht?  Seine  Erfahrung  spreche  da- 
gegen, er  glaube  nicht,  dafs  die  Schuler  sich  so  in  den  Geist  der  lat. 
Sprache  versenken  könnten.  Da  nun  lat.  Stilübungen  vorgenommen 
werden  musten,  so  werde  die  Frage  sein:  welches  die  beste  Weise 
derselben  sei,  Uebertragungen  aus  dem  Deutschen,  wie  etwa  aus  Les- 
sings  Laokoon,  oder  freie  Aufsätze;  er  sei  für  das  erstere. 

Eckstein:  die  Schüler  hätten  vit^l  zu  wenig  zu  thun.  Mit  3^ 
3stündiger  Arbeit  des  Tages  wurden  die  Primaner  fertig,  gute  Köpfe 
brauchten  nicht  einmal  so  viel.  Man  solle  nur  beachten,  wie  viel  Zeit 
sie  zu  unnützer  Lectüre  und  andern  Dingen,  wie  Wirthshausbesnch, 
übrig  hätten.  Wenn  man  auch  3-^  Wochen  zn  einem  Anfsats  Zeit 
gebe,  so  würden  ihn  dennoch  viele  erst  in  den  letzten  Tagen  machen 
und  dann  wohl  in  die  Nacht  hineinarbeiten  und  erschöpft  werden, 
weil  sie  Zeit  und  Arbeit  nicht  gehörig  vertheilten.    Eine  Erschöpfung 


Die  14e  Versanmlnng  deutscher  Philologen  und  Schulninner.   537 

der  Schüler  rnnfse  er  sowohl  im  allgemeinen  als  auch  in  diesem  Pankte 
leugnen.  Anlangend  die  Methode,  mit  welcher  die  Schuler  arbeiteten, 
so  wolle  sich  unsere  Jugend  immer  mehr  vom  Selbstarbeiten  dispen- 
sieren; die  Schuler  lafsen  sich  Arbeiten  fertigen,  je  nach  der  Güte 
und  Wichtigkeit  za  10  Sgr.  —  1  Thlr.,  und  nicht  blofs  in  Universi« 
tatsstadten,  sondern  auch  anderwärts  finden  sich  bereitwillige  Helfer. 
Aus  den  Annalen,  d.  h.  gesammelten  Arbeiten  alterer  Schüler,  werde 
zusammengelesen  und  gestoppelt,  was  nur  irgend  gehe.  Das  seien  Mis- 
brauche,  denen  entgegengetreten  werden  mufse.  Das  deutsch-lateini- 
sche Lexikon  dürfe  ear  nicht  gebraucht  werden.  Die  Primaner  mach- 
ten den  Aufsatz  wohl  nicht  erst  deutsch  und  Raspe  gehe  in  dieser 
Hinsicht  zu  weit.  Wie  die  deutschen  Arbeiten  auch  erst  nach  und 
nach  gediehen,  so  musten  auch  die  lateinischen  anfangs  stümperhaft 
sein,  aber  sie  führten  zum  Lateinisch-denken.  In  den  Geist  der  Spra- 
che sich  zu  versenken  sei  den  Lehrern  noch  schwer,  von  Schülern  gar 
nicht  zu  verlangen. 

Mut  Zell  bittet  von  Ecksteins  Erfahrung,  dafs  die  Schüler  nicht 
BU  sehr  in  Anspruch  genommen  seien,  Acht  zu  nehmen;  der  Vorwurf 
werde  dadurch  von  Einern  Orte  her  widerlegt;  ihm  selbst  sei  er  oft 
gemacht  worden.  Die  Schüler  konnten  wohl  mit  2 — Sstündiger  Arbeit 
fertig  werden,  aber  nicht  so,  wie  die  Lehrer  wünschen  mästen.  Er 
wünsche  darüber  Erfahrungen  -von  andern  Seiten  zu  boren.  Unberührt 
lafse  er  die  unerlaubten  Hilfsmittel;  dergleichen  würden  immer  Tor- 
handen  sein  und  benützt  werden ,  aber  wichtig  sei  die  Art  wie  die 
Schüler  arbeiten,  namentlich  die  Zusammenstoppelung  von  Phrasen 
aus  dem  Lexikon.  Wie  sei  diesem  Misbrauch  zu  begegnen?  Gegen 
Raspe  bemerkt  er:  beides,  Exercitia  und  freie  Aufsätze,  seien  Stil- 
nbungen,  jene  gebundene,  diese  freie. 

Prof.  Gravenhorst  aus  Hildesheim:  man  müfse  den  Begriff 
*  Aufsatz'  feststellen.  Verstehe  man  dasselbe  darunter,  was  im  Deut- 
schen, so  müfse  man  Raspe  beistimmen;  ein  solches  Prodoct,  wie  im 
Deutschen,  könne  man  von  dem  Schüler  im  Lateinischen  nicht  ver- 
langen. Im  Gegensatz  gegen  die  ängstliche  Schreibweise  beim  Exer- 
citium  seien  die  latein.  Aufsätze  freie  Stilübungen  zu  nennen,  aber  es 
dürften  nicht  eigentliche  Aufsätze  im  strengen  Sinne  verlangt  werden, 
in  welchen  Ideenkreise,  die  der  Gegenwart  angehören,  darzustellen 
seien. 

Fofs  erinnert  an  den  in  Jena  gefafsten,  wenigstens  für  einen 
Majoritatsbeschlufs  geltenden  Bescblufs  auf  Ecksteins  Antrag,  dafs  der 
lateinische  Aufsatz  nur  Reprodaction  sein  solle;  es  sei  interessant  zu 
hören,  welche  Erfahrung  man  seitdem  gemacht  habe,  und  die  Frage 
anfznwerfen,  ob  eine  bestimmte  Art  von  freien  Aufsätzen  berechtigt  sei. 
Dir.  Palm  aus  Plauen:  eine  Bemerkung  habe  ihm  Gravenhorst  vor- 
weggenommen. Nach  seiner  Erfahrung  sei  es  mit  dem  Deutschdenken 
der  Schüler  anfangs  auch  nur  so  so  bestellt.  Der  Ideenkreis  und  der 
WortTorrath,  welchen  sie  aus  der  Familie  mitbrächten  und  dort  er- 
langen konnten,  seien  sehr  beschränkt;  aber  nach  einiger  Zeit  zeigen 
de  weit  mehr  davon;  da  sie  es  nicht  im  Hause  gewinnen  könnten,  so 
nüsten  sie  es  aus  der  Schule  und  der  Leetüre  sich  angeeignet  haben.  Das 
gleiche  finde  auch  in  Bezog  auf  die  lateinischen  Aufsätze  statt.  Er 
aal  für  Reproductionen ,  aber  auch  dieser  Begriff  sei  noch  zu  weit- 
achichtig.  Das  praktische  sei,  sich  nach  den  Kräften  der  Schüler  zn 
richteo. 

Prof.  Lieberkübn  aus  Weimar:  die  lateinischen  Aufsitze  seien 
ihm  gerade  als  das  bildendste  erschienen,  was  sie  in  Prima  unter  Gern- 
hards  und  Webers  Leitung  gehabt  hätten:  die  Freiheit  des  Denkens 
habe  sich  dadurch  mehr  und  mehr  entwickelt.     Die  Schüler  des  Wei- 

iV.  Jahrb.  A  Pkii,  «.  Paed.  Bd.  LXX.  Hß.  4  o.  5.  35 


538   Die  14e  Versammlung  dculscher  FhilologeD  unl  SclmlminMOr. 

inarschen  Gymnasiums  hätten  sich  auch,  wie  die  des  Altenburger,  im 
phiiologischoa  Seminar  zu  Jena  immer  ausgezeichnet.  Exerciuen  nit 
allen  Finessen  zu  fertigen,  sei  sehr  schwer  und  beenge  den  Kreis;  man 
werde  immer  auf  die  Aufsätze  zurückkommen  müfsen.  Unsere  Zeit 
wolle  alles  philosophisch  bestimmen;  aber  Eckstein  habe  schon  Bit 
Recht  bemerkt:  wenn  man  schwimmen  lernen  wolle,  mlfse  man  Ins 
Wafscr  gehn. 

Raspe:  er  habe  sich^elnen  Arbeits^tat  vorlegen  lafeen  und  dar- 
aus ersehen,  dafs  die  Schüler  'viel  zu  thun  hätten  und  ein  Versenken 
in  die  Gegenstände  des  Unterrichts  nicht  so  möglich  wie  wnnscheos- 
werth  sei.  Wenn  wirklich  ein  Schüler  im  Deutschdenken  so  wenig  lei- 
ste, wie  vorher  angeführt  worden  sei,  so  könne  dies  nur  ein  Arguaent 
gegen  den  lat.  Aufsatz  sein.  Der  lat.  Aufsatz  solle  nicht  durch  das 
Medium  des  Deutschdenkens  htndnrchgehn ;  wie  aber  sei  das  möglich? 
Der  Nutzen  könne  nicht  bestritten  werden,  wohl  aber  die  Möglichkeit. 
£r  komme  auf  die  Frage  zurück :  ist  der  lat.  Aufsatz  bei  unserer  jetzi- 
gen Gymnasialeinrichtung  noglich?  Ist  Uebersetzen  oder  freies  Com- 
ponioren  befser,  oder  beides  zu  verbinden?  Die  Ueborselzung  halte 
er  für  fruchtbarer,  doch  habe  er  auch  freie  Aufsätze  fertigen  iafsen 
zur  Erholung  für  die  Schüler. 

Schulrath  Cr  am  er  aus  Cothen:  Zweck  des  lateinischen  Aufsatzes 
sei  hauptsächlich  Ausbildung  der  Form,  nicht  Erweiterunfr  des  Ideen- 
kreises, das  letztere  Aufgabe  des  Deutschen.  Habe  der  Schüler  noch 
mit  dem  Gedanken  zu  ringen,  so  werde  die  Form  nicht  entsprechend 
sein.  Er  habe  gefunden,  dafs  mancher  Schüler  die  Sache  erst  deutsch 
mache,  und  dies  geradezu  verboten.  Andere  dächten  sich  einen  deut- 
schen Satz  aus,  suchten  die  fehlenden  Vocabeln  und  Wendungen  auf 
und  schrieben  dann  nieder;  dadurch  würden  oft  Wendungen,  die  in 
Lexikon  ganz  richtig  stunden,  ganz  verkehrt  angebracht  und  es  komme 
kein  Latein  heraus.  Er  pflege  aus  der  Geschichte  oder  sonst  aus  dem 
Unterrichte  ein  Thema  zu  nehmen,  das  rücksichtlich  der  Gedanken 
nicht  besonders  zu  schaiTen  mache.  Mit  befsern  Schülern  sei  er  auch 
weiter  gegangen  und  habe  gute  Erfahrungen  gemacht.  Romische  und 
griechische  Geschichte,  Alterthümer,  Tragiker  mästen  die  Gegenstäade 
zur  Bearbeitung  hergeben.  Der  Lehrer  habe  da  einen  vollständigen 
Mafsstab  zur  Beurthoilung  des  Schülers,  hauptsächlich  aber  sei  die 
Form  zu  beachten. 

Prof.  Kran  er  aus  Meifsen:  wäre  es  nicht  möglich  den  Betrug  der 
Schüler  und  den  Misbrauch  des  Lexikons  zu  beseitigen  und  dem  Vor^ 
würfe,  die  Zeit  reiche  nicht  ans,  zu  begegnen,  zugleich  aber  auch  den  Schukr 
zu  fordern,  wenn  auf  den  freien  Gymnasien  alle  Monate  Aufsätze  unter 
Aufsicht  der  Lehrer  in  der  Schule  gemacht  würden?  Freilich  darften 
diese  nicht  lang  sein,  sondern  so  wie  die  Abiturientenarbeiten. 

Prof.  Lothholz  ans  Weimar  bestätigt,  was  sein  Colleee  Lieber- 
kühn gesagt,  auch  von  den  spätem  Schülern  des  Weimarscnen  Gym- 
nasiums. Aber  freilich  wären  die  Vorbedingungen  damals  andere  gewcten 
wie  jetzt:  die  Schüler  seien  mit  Mathematik,  Geschichte,  Naturwifsen- 
schaften  noch  nicht  so  viel  beschäftigt  gewesen,  hätten  mehr  Zeit  ßr 
das  Privatstudium  gehabt  und  seien  in  den  untern  Classen  für  die  lat. 
Aufsätze  befser  eingeschult  worden.  Man  müfse,  wie  in  andern  Din- 
gen ,  so  auch  in  dieser  Rücksicht  wieder  reactionär  werden  und  für  die 
Aufsätze  mehr  Zeit  cewiunen.  In  den  Stunden  müfse  man  durch  La- 
teinsprechen die  Schüler  in  das  Idiom  einführen.  Mathematik,  €Se- 
schichte,  Naturgeschichte  seien  zu  beschränken  und  der  Unterricht  auf 
das  Lateinische  und  Griechische  zu  concentrieren.  Wie  es  jetxt  sei, 
könne  man  keinen  guten  lat.  Aufsatz  verlangen. 

Oberlehrer  Rüdiger  aus  Zwickau:  der  Satz  hatte  nicht  getrennt 


Die  14e  Versammlung  dentseher  Philologen  und  Schnlmfinner.    539 

werden  f ollen.  Werde  der  Aaffatz  Sn  der  Schale  beibehalten,  so  mfirse 
er  auch  in  der  Mataritataprnfung  bleiben,  und  amgekchrt.  Die  Berech- 
Uffung  sei  eine  ToUkommene ,  die  Leetüre  gewinne  dadurch.  Exercitien 
seien  nur  Alittei  um  zu  dem  Aufsätze  zu  gelangen.  Er  wünsche  die 
Frage  auch  auf  das  Lateinsprecheii  ausgedehnt.  Er  sehe  auch  diea  als 
berechtigt  an,  wdl  es  zur  Fertigkeit  im  Verstehen  des  Lateinischen 
führe. 

Am  eis:  die  Ueberburdung,  von  der  man  so  viel  spreche,  aei  nur 
ein  Popanz.  Die  Jugend  sei  blasiert,  wie  daa  ganze  Geschlecht.  Sie 
könne  aber  etwas  leisten ,  wenn  man  sie  nur  recht  fafse.  Das  deutsch- 
lateinische  Lexikon  und  die  Annalen  wurden  wegfallen,  wenn  der  Leh- 
rer den  Schüler  dahin  bringe,  dafs  er  könne;  dadurch  wefde  erreicht, 
dafs  er  auch  ^ern  arbeite.  Darnach  richte  sich  auch  die  Anforderung; 
der  Schüler  mufse  eben  arbeiten,  soweit  er  es  könne.  Neue  Gedan- 
ken könne  die  Jugend  nicht  schaffen ;  daher  müfse  der  Aufsatz  Repro- 
duction  sein.  Mit  Kraners  Vorschlag  sei  er  Yollkommen  einverstanden 
und  wolle  ein  Beispiel  dazu  geben:  ein  Lehrer  habe  das  le  Buch  des 
Thukydides  vollendet;  vorausgesetzt  werde,  dafs  er  zwei  Stunden  hin- 
tereinander habe;  nun  könne  er  die  Aufgabe  stellen  über  die  Ursachen 
des  peloponnesischen  Kriegs  nach  Thukydides  zu  schreiben  und  die  Ar- 
beit sogleich  machen  lafsen.  Form  und  Inhalt  liefsen  sich  nicht  tren- 
nen; die  Gedankenbildung  gehe  mit  der  Formgebung  Hand  in  Hand. 

Oberlehrer  He Ib Ig  aus  Dresden:  nach  seiner  Erfahrung  seien  die 
Schüler  nicht  überbürdet.  Die  deshalb  gehorten  Klagen  kamen  von  dem 
Mangel  collegialischer  Besprechungen  unter  den  Lehrern,  hauptsächlich 
aber  von  der  schiechten  häuslichen  Zucht,  ^as  die  Beschränkungen 
betreffe,  welche  Lothholz  verlange,  so  begnüge  sich  gewis  jeder 
Geschichtslehrer  mit  einer  Stunde  häuslicher  Arbeit  in  der  Woche. 

Dir.  Schmid  aus  Halberstadt:  das  vielerlei  könne  zwar  nicht  ent- 
fernt werden ,  aber  viel  zur  Erleichterung  der  Schüler  eeschehen.  Der 
Satz  variatio  deleetai  sei  ganz  schädlich.  Die  Lectionen  seien  zu 
zerstreut;  an  manchen  Gymnasien  würden  sechs  verschiedene  Gegen- 
stände an  Einern  Tage  getrieben.  In  der  ersten  Hälfte  der  Woche  solle 
man  nur  Latein,  in  der  zweiten  nur  Griechisch  treiben,  in  jedem  Vier- 
teljahre nur  ^inen  Schriftsteller  lesen.  So  könne  sich  der  Schüler  mehr 
in  den  Stoff  versenken.    Die  Einrichtung  bestehe  an  seiner  Anstalt. 

Eckstein  fordert  die  CoUegen  aus  Bayern,  namentlich  Prof« 
Heerwagen  aus  Baireuth  auf,  ihre  Erfahrungen  mitzutheilen.  Er 
habe  früher  in  der  3n  Ci.  des  dortigen  Gymnasiums  Aufisätze  gefunden, 
die  ihm  komisch  vorgekommen,  womit  er  dem  verdienten,  nun  ge- 
schiedenen Lehrer  nicht  zu  nahe  treten  wolle.  Er  frage,  ob  Heerwa- 
gen, jenes  Nachfolger,  es  noch  ebenso  mache.  Die  bayerschen  Lehrer 
seien  freilich  insofern  slficklicher,  als  die  Zahl  der  Gegenstände  und 
Unterrichtsstunden  (18)  beschränkter  sei. 

Heerwagen:  die  Verhältnisse  der  bayerschen  Gymnasien  seien 
andere  als  die  der  norddeutschen.  Durch  das  Reglement  werde  ein 
lat.  Aufsatz  bei  der  Maturitätsprüfung  nicht  gefordert  und  auch  in  der 
Schule  würden  Stilfibungen  nur  an  Uebersetzungsbüchern  vorgenommen. 
Seine  und  seiner  Collegen  Ansicht  sei  ea aber  allerdings,  dafs  ein  Gym- 
nasium, welches  seine  Schüler  dahin  bringe  lesbare  lat.  Aufsätze  zu 
liefern,  sehr  glücklich  zu  schätzen  sei,  und  wenn  sie  in  den  Schul- 
nachrichten der  lat.  Hauptschule  zu  Halle  die  Themata  der  gefertigten 
Aufsätze  gelesen,  so  habe  dies  sie  oft  errothen  gemacht.  Was  die  spe- 
cielle  Frage  Eckateins  anlange,  so  seien  die  persönlichen  Verhältnisse 
geändert.  Der  frühere  Lehrer  habe  Aufsätze  über  philosophische  Ge- 
genstände verlangt  und  sie  hätten  manches  gute  getragen;  aber  die 
menschliche  Natur  lafse  sich  nicht  vernichten  und  er  wifse  recht  wohl, 

35* 


540    Die  14e  Versammlung  deiilsclier  riiilologcn  und  SchulniSnuer. 

^ie  nie  sich  ih  diesem  Falle  gezeigt.  Er  mochte  wifMen,  ob  die  Col- 
legen  die  Erfahrungen  gemacht  hätten,  dafs  die  Hälfte  der  Arbeiten 
regelmäfsig  befriedige  oder  nur  3 — i.  In  Bayern  habe  man  traurige 
Erfahrungen  gemacht,  aber  die  bayersche  Jugend  habe  freilich  mit 
dem  Ausdruck,  selbst  im  Deutschen,  aufserordentlich  zu  ringen. 

Eckstein:  nach  seiner  Erfahrung  sei  die  Mehrzahl  der  Schüler 
im  Stande  etwas  befriedigendes  zu  leisten,  über  3 — 5  habe  man  stets 
seine  rechte  Freude.  Er  lafse  freilich  in  stufenweisem  Fortschritte  in 
fünf  Classen  hintereinander  Aufsätze  machen,  welche  allemal  auf  die 
Lecture  basiert,  also  Reproductionen  seien. 

Ameis  erkennt  nochmals  die  Aufsätze  als  vollkommen  berechtigt 
an,  bittet  aber,  weil  auf  die  Grunde  und  die  Methode  viel  ankomme, 
Eckstein  möge  einen  bestimmt  formulierten  Antrag  stellen:  'die  latei- 
nischen freien  Aufsätze  sind  berechtigt:  1)  weil  —  2)  wenn  sie  — .** 
Dabei  solle  namentlich  Doderlein,  obgleich  er  tacitu»  zu  s^in  Hebe, 
mit  helfen. 

Eckstein  fordert,  da  ^r  seine  Grunde  angegeben,  Ameis  auf  es 
selbst  zu  thun,  und  nachdem  Mütze II  den  Antrag  unter  Hinweisnng 
auf  seine  schon  gestern  gethane  Aeufserung  unterstützt,  erklärt  Amei«, 
dafs  die  Methode  erst  noch  zu  besprechen  sei. 

Dritte  Sitzung  am  27.  Septbr.  Vorsitzender:  Eckstein. 

Eckst  ein  fordert  den  unterz.  Berichterstatter  auf,  da  er  über 
die  Frage  motivierte  Sätze  gestellt  habe,  diese  vorzulesen. 

D  i  e  1 8  c  h :  '  Die  lateinischen  Aufsätze  haben  ihre  volle  Berechtigung : 

1)  weil  sie  zur  Erlangung  derjenigen  Fertigkeit,  ohne  welche  die 
Beschäftigung  mit  dem  römischen  Alterthnm  nicht  als  zu  einem  gena- 
genden Resultate  gelangt  angesehn  werden  kann,  erforderlich  sind,  und 
die  Lust  zum  Studium  wecken ; 

2)  weil  sie  eine  so  vielseitige  Uebung  der  Geisteskraft  bieten,  dafs 
sie  durch  kein  anderes  Mittel  ersetzt  werden  können ; 

3)  weil  sie  die  beste  Gelegenheit  bieten  zu  demjenigen  selbständi- 
gen Arbeiten,  zu  welchem  der  Schüler  fähig  und  anzuhalten  ist. 

Sie  müfsen  aber 

1)  durch  die  sprachlichen  Uebungen  vom  Anfang  des  Unterrichts 
an  vorbereitet  werden; 

2)  der  Stoff  darf  nur  Kreisen  angehören,  mit  welchen  der  Schaler 
durch  oiTentliche  oder  Privatlectnre  eine  gewisse  Vertrautheit  gewon- 
nen hat; 

3)  die  erforderlichen  Darstellungsmittel  müfsen  dem  Schüler  durrh 
die  Lectüre  in  ausreichender  Weise  zum  Eigenthum  geworden  sein.' 

Eckstein  erklärt  die  allgemeine  Debatte  für  geschlofsen  and 
bittet  auf  die  einzelnen  Punkte  einzugehn.  Für  die  Worte  im  In  Mo- 
tiv 'mit  dem  romischen  Alterthum'  schlägt  er  'mit  der  lateinischen 
Litteratur'  vor,  was  von  Dietsch  adoptiert  wird. 

Auf  die  Anfrage  Mütze Us,  was  unter  'Fertigkeit'  zu  verstehen 
sei,  erläutert  der  letztere:  die  lateinischen  Aufsätze  setzten  eine  Fer- 
tigkeit voraus,  führten  aber  auch  zu  grofserer  Fertigkeit  die  lateini- 
scnen  Schriftsteller  zu  verstehen.  Je  mehr  der  Schuler  geübt  werde 
lateinisch  zu  denken ,  desto  rascher  und  sicherer  werde  er  jeden  latei- 
nischen Text  verstehen  lernen;  die  Sprache  werde  ihm  dadurch  mehr 
zum  unmittelbaren  geistigen  Besitz.  Dies  sei  aber  das  Ziel  des  Unter- 
richts im  Gymnasium,  durch  dessen  Erreichung  man  auch  das  erlan- 
gen werde,  über  dessen  Mangel  man  jetzt  so  klage:  Liebe  und  Be- 
schäftigung mit  den  romischen  Classikern  auch  über  die  Schule  hinaus. 

Die  Motive  werden  hierauf  ohne  Widerspruch  angenommen. 

In  Betreff  des  zweiten  Theils  erläutert  Dietsch:  wenn  der  Un- 
terricht in  der  Ist.  Sprache  ein  solcher  sei,  dafs  er   Sicherheit  in  der 


Die  14e  Versammluag  deutscher  Philologen  und  Schulmänner.    541 

raschen  Anwendung  der  Formen  und  Regeln  der  Syntax  Terleihe,  so 
werde  die  Klage  i^erscbwinden,  dafs  der  Aufsatz  in  den  obern  Classen 
an  schwer  sei  und  nicht  gehörig  Tom  Schüler  gearbeitet  werden  könne. 
Zu  dem  vom  Yorsitsenden  bemerkten:  unter  sprachlichen  Uebnngen 
seien  Memoriernbungen  u.  dgl.,  welche  ein  reiches  phraseologisches 
Material  gewahren,  zu  verstehen,  fagt  er  namentlich  Uebungen  im 
Lateinsprechen  hinzu.  Auf  den  Vorschlag  desselben  2)  und  3)  umzu- 
stellen geht  er  bereitwillig  ein  und  mit  dieser  Abänderung  werden 
auch  diese  Sätze  ohne  Widerspruch  angenommen. 

Nachdem  der  Vorsitzende  die  Besprechang  auf  den  zweiten  Tfaeil, 
die  Berechtigung  in  der  Maturitätsprüfung,  gelenkt,  erinnert  Rüdi- 
ger an  das,  was  er  schon  gestern  gesagt,  wenn  man  den  Aufsatz  in 
der  Schule  beibehalte,  so  müfse  man  ihn  auch  in  der  Maturitätsprü- 
fung stehen  lafsen,  worauf  Eckstein  erwiedert:  die  Sache  habe  ooch 
eine  andere  Seite.  Man  gründe  Bedenken  gegen  die  Beibehaltung  in 
der  Maturitätsprüfung  auf  die  Betrügereien,  die  dabei  nicht  immer 
verhütet  werden  konnten,  und  meine,  man  könne  ja  ohne  Prüfungsar- 
beit die  im  Laufe  des  Halbjahrs  gefertigten  Aufsätze  vorlegen.  Wenn 
aber  diese  als  Mafsstab  für  die  Beurtheilung  gelten  sollten,  werde 
man  erst  recht  betrogen  werden. 

Kram  er  aus  Halle:  der  Sinn  der  Schüler  sei  zu  berücksichtigen. 
Betrug  könne  bei  allen  Clausurarbeiten  stattfinden.  Die  Frage  ronfse 
aligemein  gefafst  werden:  wie  könne  auf  die  Gesinnung  der  Schüler 
eingewirkt  werden ,  wie  könne  man  es  dahin  bringen,  dafs  der  Schüler 
nicht  mehr  betrügen  wolle? 

Mut  Zell:  nachdem  der  erste  Theil  mit  den  ihn  motivierenden 
Sätzen  angenommen  sei ,  sollte  doch  selbstverständlich  der  zweite  auch 
angenommen  werden.  Denn  falle  beim  Examen  der  Aufsatz  weg,  so 
würden  auch  die  Aufsätze  in  der  Schule  darunter  leiden.  Die  Auf- 
hebung des  griechischen  Exercitiums  bei  der  Maturitätsprüfung  habe 
dem  Fleifse  und  den  Leistungen  im  Griechischen  sehr  geschadet. 

Geh.  R.  Wiese  aus  Berlin:  es  seien  manche  Gebiete  berührt 
worden,  welche  einer  eingehenden  Erörterung  bedürften,  namentlich 
die  Ueberbürdnng  der  Schüler.  Man  solle  aus  persönlicher  Erfahrung 
nicht  generalisieren,  das  geschehe  aber,  wenn  ^iner  die  Ueberbürdung 
überhaupt  leugnen  wolle.  Nehme  man  drei  Schüler  oder  drei  Lehrer 
vor,  so  werde  man  über  das  Quantum  und  das  Wie  dpr  Arbeit  eine 
verschiedene  Aussage  erhalten.  Die  Individualitäten  böten  in  Bezug 
auf  das  Arbeitenlernen  eine  so  grofse  Verschiedenheit,  dafs  kein  all- 
gemeines Urtheil  gefallt  werden  und  die  Sache  fördern  könne.  Wenn 
6 — 7  Lehrer  in  einer  Classe  unterrichteten  und  jeder  sein  Fach  recht 
fördern  wolle,  so  gehe  es  oft  mit  Unbarmherzigkeit  her.  Er  könne 
aus  ziemlich grorser  Erfahrung  sagen,  dafs  die  Schüler  vielfach  überbür- 
det würden.  Den  Gegenstand  der  Debatte  anlangend  sei,  so  der  Werth 
des  lat.  Aufsatzes  für  die  GymnasiaUtndien  unschätzbar.  Man  habe 
vom  Lateinsprechen  und  -schreiben  und  Versificieren  viel  zu  viel  fallen 
lafsen  und  müfse  mehr  und  mehr  dazu  zurückkehren,  wobei  freilich 
zu  beklagen  sei,  dafs  die  Schulen  von  den  Universitäten  nicht  genug 
unterstützt  würden.  Aber  eine  davon  ganz  verschiedene  Frage  sei 
die  über  Beibehaltung  des  Aufsatzes  in  der  Matnritätsprüfnng.  Die 
Reglements  der  meisten  deutschen  Staaten  setzten  für  denselben  6  Vor- 
mittagsstunden fest.  Von  diesen  branchten  die  Schüler  zwei  zum  Ab- 
schreiben; denn  der  Aufsatz  solle  gut  geschrieben  eingereicht  werden. 
Also  hätten  die  Schüler  in  3  Stunden  einen  Stoif ,  der  ihnen  erst  im 
günstigsten  Falle  bekannt  sei,  in  eine  entsprechende  lateinische  Form 
zu  bringen.  Der  beste  Stoff  sei  geschichtlicher,  aber  der  Lehrer  der 
Geschichte  und   der  lat.   Sprache  sei   gewöhnlich   nicht  derselbe  und 


542    Die  lie  VersammluDg  deutocher  Philologen  und  Sohulainner. 

daraoB  entstunden  für  die  Schuler  i^iele  Schwierigkeiten.  Die  Anfgabe 
scheine  im  Verhältnis  zn  der  Kurze  der  Zeit  and  der  Kraft  an  Tiel 
zu  Terlangen.  Es  gebe  allerdings  Anstalten  mit  besonderer  Verfafsungy 
z.  B.geschiofsene,  in  denen  eine  alte  Tradition  hersche,  oder  mit  einem 
besonders  gestalteten  Lehrercoilegiom ,  in  denen  die  Aufgabe  za  leisten 
noch  möglich  sei,  aber  was  hier  und  da  möglich  sei,  könne  man  nicht 
zum  allgemeinen  Gesetze  machen  und  dürfe  auch  gar  nicht  leugnen, 
wie  der  Geist  der  Zeit  auf  die  Schule  in  einer  Weise  Binflufs  übe, 
dafs  die  Folgen  daTon  nicht  ignoriert  werden  konnten.  Die  Resultate 
lägen  nun  Tor  Augen.  Aus  seiner  Erfahrung  — -•  und  er  habe  eine  ziem- 
lich ausgedehnte  —  mufse  er  sagen,  dafs  die  Aufsätze  der  Mehrzahl 
nach  sehr  unbedeutend,  meist  Centonen  ron  Phrasen  und  historischen 
Notizen  seien.  Von  den  mafslosen  Betrugereien,  die  dabei  Torkom- 
men,  habe  man  gar  keinen  Begriff.  Der  conatus  zu  betrugen  sei  bei 
keiner  Arbeit  so  grofs  wie  bei  dem  lat.  Aufsatz.  Die  Schuler  brachten 
zu  demselben  ganze  Taschen  toU  mit.  Sie  schrieben  einzelne  Sätie, 
die  nur  irgend  passten,  ad  vocem  ab.  Man  lafse  sich  die  Prufungsanf- 
sätze  Yon  anderen  fertigen  und  bezahle  nicht  selten  1  Louisd'or  dafür. 
Und  dies  thäten  oft  Schüler,  die  es  ganz  und  gar  nicht  nothig  hatten. 
Manche  wurden  ihre  Sache  befser  haben  machen  können ,  wenn  sie  das 
böse  Gewifsen,  unerlaubtes  bei  sich  zu  haben,  ruhig  hätte  arbeiten 
lafsen.  Die  Jugend  wolle  nicht  von  Haus  aus  betrugen;  das  FactQM 
sei  daher  nur  aus  dem  MisTerhältnis  der  Kraft  und  der  Zeit  zn  den 
Korderungen  zu  erklären.  Wozu  man  in  der  Schule  3 — !•  Wochen  Zeit, 
Hilfsmittel,  Invention  durch  Lectnre  u.  s.  w.  gewähre,  das  sollten 
die  Schuler  jetzt,  in  Zeit  und  Raum  eingeschränkt,  ohne  Hilfsmittel 
leisten.  In  Bayern,  HannoTer  und  Meklenburs  sei  der  Aufsatz  bei  der 
Maturitätsprüfung  abgeschalTt  worden  und  die  dortigen  Erfahrungen 
sprächen  pegen  Mützells  Befürchtung,  dafs  die  Weglafsnng  nachthei- 
lig auf  die  Schule  zurückwirken  werde.  Er  selbst  habe  Jünglinge, 
welche  ohne  Aufsatz  bei  der  Maturitätsprüfung  zur  Universität  abge« 
gangen  seien,  ungefähr  drei  Wochen  darnach  lat.  Aufsätze  anfertigen 
iafsen  und  jene  hätten  die  volle  Fertigkeit  bewiesen.  Kohlrausch  and 
Ahrens  in  Hannover  hätten  ihm  die  Erfahrung  mitgetheilt,  dafs  die 
Entfernung  des  Prüfungsanfsatzes  nicht  schädlich  eingewirkt  habe.  Das 
Unterbleiben  des  griechischen  Exercitiums  habe  allerdings  geschadet, 
aber  mit  dem  lat.  Aufsatz  sei  es  anders,  da  ja  noch  das  Specimen  als 
Prüfungsarbeit  bestehen  bleibe.  Seine  Ansicht  sei,  dafs  der  Aufisati 
in  der  Schule  beibehalten  und  noch  viel  eifriger  betrieben  werden  solle, 
doch  in  Bezug  auf  die  Prüfung  wünsche  er  denselben  mehr  diesseits 
gelegt.  Das  Examen  diene  für  die  Lehrer  höchstens  zu  nochma- 
liger Orientierung,  meist  hätten  sie  über  die  Reife  des  Schalen 
schon  vorher  ein  ganz  sicheres  Urtheil.  Für  die  Schüler  sei  es  nothig 
zn  einem  sollennen  Abschlufs  ihrer  SchuUaufbahn.  Die  Hauptsache 
aber  sei  seine  Nothwendigkeit  für  die  Behörde,  welche  namentlich  in 
grofsen  Staaten  nur  eine  gleiche  Forderung  an  alle  Anstalten  stellen 
könne.  Man  solle  nun  den  Aufsatz  während  des  letzten  Vierteljahrs 
fertigen  Iafsen,  da  könne  der  Lehrer  sich  hinlänglich  überzeugen,  ob 
der  Schüler  die  nöthige  Fertigkeit  im  lateinischen  Gedankenansdracke 
habe.  Für  diesen  werde  dadurch  auch  der  sollenne  Abschlufs  in  die- 
sem Fache  behalten  und  er  erinnere  in  dieser  Hinsicht  an  die  in  Schal- 
pforte  üblich  gewesenen  sogenannten  Valedictioncn .  welche  ganz  er- 
freuliche Resultate  gebracht  hätten.  Uebrigens  müsten  ja  auch  die 
während  des  biennium  in  Prima  gefertigten  Aufsätze  bei  der  Prüfung 
vorgelegt^  werden.  So  fürchte  er  nicht,  dafs  der  Fertigkeit  im  La- 
teinschreiben Abbrach  geschehen  werde. 

Eckstein  schlägt  yor,  die  Berechtigung  der  Maturitätsprüfang 


Die  I4e  Versammlung  deutscher  Pliilologeu  uod  ScbulmsDuer.    543 

ttberhanpt  and  die  Ueberbärdnng  der  Schaler  ganz  aas  der  Debatta 
in  lafsen,  da  diese  Fragen  hier  keinen  Gewinn  brächten. 

Mütsell:  man  muffle  höchst  dankbar  sein  för  die  Mittheiiongen  des 
Hrn.  G.  R.  Wiese.  Die  aaseinandergesetsten  Grunde  indes  deckten  nnr 
Misbraache  auf,  die  zum  Theil  in  den  Institutionen  und  Instructionen 
ihren  Grund  hätten,  sprachen  aber  nicht  gegen  den  Aufsatz  selbst. 
Der  Lehrer  sei  oft  in  mislicher  Lage,  weil  er  an  Instructionen  gebun- 
den sei,  während  das  Publicum  von  ihm  freie  Bewegung  verlange. 
Was  das  Misverhältnis  der  Zeit  anlange,  so  seien  5  Stunden  allerdings 
wenig  und  man  könne  dabei  nicht  Jange  Aufsätze  fordern,  wie  wäre 
es  aber,  wenn  die  Zeit  um  eine  Stunde  Terlängert  würde?  Die  Kennt- 
nis des  Stoffes  anlangend,  sei  es  allerdings  schlimm,  wenn  der  philo- 
logische Lehrer  tou  dem  Standpunkte  der  historischen  Kenntnisse  des 
Schulers  nicht  unterrichtet  sei  oder  die  übrigen  Fachlehrer  gar  nicht 
berücksichtige,  das  sei  dann  aber  Schuld  des  Directors.  Rncksichtlicli 
der  Kraft  konnten  die  Arbeiten  bei  der  Prüfung  natürlich  nicht  so 
ausfallen,  wie  die  in  der  Schulzeit  gefertigten,  aber  1)  yerlange  man 
beim  Examen  auch  jiicht  so  riel  nnd  2)  könne  man  ja  in  der  Classe 
selbst  Öfters  unter  Aufsicht  Aufsätze  machen  lafsen,  damit  die  promp- 
tere Weise  des  Arbeitens  ausgebildet  und  8o  der  Prüfungsaufsatz  Tor- 
bereitet  werde.  Die  Ansicht,  dafs  dieser  Theii  des  Examens  in  den 
Cursns  hineingelegt  werden  solle,  sei  für  ihn  sehr  erfreulich  zu  boren 
gewesen,  da  er  früher  schon  einen  ähnlichen  Vorschlag  gethan  habe 
nnd  es  jedenfalls  wünschenswert h  sei,  dafs  eine  grofsere  Leistung  der 
Schuler  bei  der  Prüfung  vorliege. 

Palm:  seit  vor  7—8  Jahren  in  Sachsen  die  Zeit  aaf  6  Stun- 
den beschrankt  worden  sei  (im  Winter  nnr  6),  habe  man  allerdings 
schwache  Arbeiten  erhalten,  schwach  besonders  im  Inhalt;  das  habe 
aber  sehr  an  der  Wahl  der  Themata  gelegen.  Man  müfse  sich  dabei 
an  die  I^ectüre  der  letzten  Zeit  anschliefsen,  die  Arbeiten  würden 
dann  zwar  auch  noch  nicht  ausreichend  gut  ausfallen,  aber  doch  von 
der  gewonnenen  Fertigkeit  zeugen.  Man  würde  dem  Schüler  etwas 
ent2iehen,  wenn  man  ihn  nicht  auch  im  lat.  Aufsatze  abschliefsen 
liefse,  und  man  werde  deshalb  immer  auf  die  Forderung  kleinerer 
Aufsätze  zurückkommen.  Gebe  man  Exercitia  ohne  Lexikon,  so  ver- 
lange man,  was  nicht  jeder  leisten  könne.  Sie  bewiesen  sonst  aber 
nur  Sicherheit  in  der  Grammatik,  während  die  freien  Aufsätze  doch 
etwas  mehr  documentierten,  wie  weit  der  Schüler  darin  gediehen  sei 
sich  lateinisch  auszudrücken.  Die  Zeit  für  die  letzteren  sei  freilich 
zu  kurz  gemefsen  und  die  schwachen  bewiesen  meist  nnr,  wie  sie 
schrieben,  nicht  wie  sie  lateinisch  schrieben.  Den  Gebrauch  des  Lexi> 
kons  müfse  man  beim  Aufsatze  doch  wohl  gestatten,  da  ja  das  Ge- 
dächtnis dem  Schüler  leicht  untren  werde.  Darüber,  ob  nicht  anfser- 
dem  noch  ein  Pensum  zu  fertigen  sei,  habe  er  oft  nachgedacht  und 
auch  mit  den  Männern,  in  deren  Händen  die  I^eitung  der  sächsischen 
Gymnasien  liege,  verkehrt,  aber  es  seien  ihm  noch  Bedenken  geblie- 
ben und  er  über  ein  non  liquet  nicht  hinausgekommen. 

Lieberkühn:  früher  seien  in  Weimar  die  Arbeiten  von  den  Schü> 
lern  einige  Wochen  vor  dem  Abitnrientenexamen  zu  Hause  gefertigt 
worden  nnd  die  Sache  sei  da  recht  gut  gegangen.  Dann  hätte  man 
sich  nach  dem  schonen  Institute  der  Clansur  gesehnt.  Diese  habe  ihn 
stets  geärgert,  obgleich  sie  nicht  gerade  über  Betrügereien  zu  klagen 
hätten;  dergleichen  seien  jedoch  auch  früher  nicht  vorgekommen. 

Conrector  Kühner  ans  Hannover:  die  Aufhebung  des  Prüfungs- 
anfsatzes  habe  in  Hannover  durchaus  nachtheilig  anf  die  Schulen  zu- 
rückgewirkt. Die»  habe  er  erfahren ,  und  dies  habe  ihm  Hr.  Hofrath 
Hermann  aus  Göttingen,  dem  die  Arbeiten  aller  Gymnasien  vorgelegen 


544    Die  14e  Versammlung  deutscher  Philologen  und  SchulmfinDer. 

haben,  mitgetheilt  *).  Auf  Wies  es  Frage,  ob  die  Klage  eine  allge- 
meine sei,  oder  nur  rucksichtlich  des  lat.  Aufsatzes  gelle,  erwiedert 
Kuhner:  er  könne  für  sich  nur  so  Tiel  sagen,  dafs  er  früher  die  lat. 
Aufsätze  mit  wahrer  Lust  geleitet  habe;  seit  der  Aufbebung  des  Pru- 
fungsaufsatxes  seien  an  die  Stelle  erfreulicher  Leistungen  nur  die  ndt- 
telmäfsigsten  und  trivialsten  getreten  und  jene  Lectionen  ihm  sn  einer 
wahren  Last  geworden. 

Prof.  D  öder  lein  aus  Erlangen  beginnt  in  Bezug  auf  die  gestern 
au  ihn  gerichtete  Aufforderung  mit  den  bekannten  Versen:  was  ihr 
auch  thut,  lafst  mich  aus  eurem  Rath  u.  s.  w.  Palm  habe  einen  Ge- 
danken ihm  ganz  aus  der  Seele  gesprochen.  Man  solle  sich  nicht  in 
Extremen  bewegen.  Zwischen  der  Stellung  von  Thematen,  welche 
Buchertiteln  gleich  lauteten,  wie  z.  B.  'welchen.  Werth  hatten  die 
griechischen  Colonien?'  und  dem  ganzlichen  Wegfall  des  Aufsatzes 
liege  viel  und  er  wolle  darüber  einen  ausfuhrlichen  Aphorismus  ma- 
chen. Der  Aufsatz  solle  einen  Beweis  liefern  Ton  der  Fertigkeit  im 
Lateinschreiben.  Werde  nun  ein  Thema  gegeben,  über  das  der  Scha- 
ler ein  Recht  habe  zu  schwatzen,  bei  welchem  er  Worte  machen  könne 
ohne  Gedanken,  so  werde  der  Zweck  erreicht.  Heifse  man  den  Schü- 
ler über  Alexander  den  Grofsen  zu  schreiben,  oder  über  Sejanus.  Von 
diesen  Männern  musten  die  Schüler  doch  etwas  wifsen  und  nieder- 
schreiben können.  Wenn  sie  nun  auch  Ton  Sejanus  nicht  viele  specielie 
Thatsacben  wüsten,  so  konnten  sie  Digressionen  machen  über  höfisches 
Wesen,  über  Schmeichelei  und  dgl.  Der  Aufsatz  dürfe  nicht  so  lang 
gefordert  werden.  Zwei  Seiten,  sechs  bis  acht  Perioden  reichten  für 
den  Zweck  hin.    Auf  diese  Weise  glaube  er  eine  Vermittlung  zu  geben, 

Schmid:  richtig  sei  bemerkt  worden,  dafs  die  Zeit  von  5  Stun- 
den zu  kurz  sei,  da  man  sonst  in  der  Schule  3—4  Wochen  gebe.  Allein 
lim  das  Mißverhältnis  zu  der  vorausgegan(>enen  Praxis  aufzuheben,  gebe 
es  eine  Vermittlung.  An  seiner  Anstalt  und  an  vielen  anderen  seien 
monatliche  Studiertage  eingeführt,  in  den  untern  Classen  um  die  Scha- 
ler zu  lehren,  wie  sie  arbeiten  sollen,  in  den  oberen  um  Aufsätze  in 
der  Schule  '(gewöhnlich  -1  Vormittagsstunden)  machen  zu  lafsen.  Die 
in  der  Schule  gefertigten  Aufsätze  würden  in  Hefte  eingeschrieben 
und  bei  dem  Examen  mit  Torgeicgt.  Die  Schüler  würden  so  daran 
gewöhnt,  in  kurzer  Zeit  einen  Aufsatz  zu  machen. 

Kramer:  er  stimme  Palm  bei,  dafs  der  Aufsatz  einen  Mafsstab 
über  etwas  gebe,  den  man  am  Pensum  nicht  habe.  Wo  ein  tüchtiger 
Unterricht  gegeben  werde,  habe  das  Examen  keinen  Einflufs  anf  die 
Betreibung  durch  die  Schüler  und  es  würde  schlimm  stehen ,  wenn 
Ijateinisch  und  Griechisch  nur  durch  Zwang  noch  aufrecht  erhalten 
werden  könnten.  Er  furchte  jedoch  die  menschliche  Natur  auch,  eine 
Vcrnachläfsigung  der  Uebung  von  Seiten  der  Schüler,  wenn  der  Prö- 
fungsaufsatz  wegfalle.  Was  man  am  griechischen  Scriptum  erfahren 
habe,  das  könne  auch  beim  lat.  Aufsatz  eintreten.  An  den  Betrüge- 
reien, welche  vorkämen,  sei  die  allgemeine  Zucht  der  Gymnasien  schuld. 
Man  mufsc  dagegen  mit  allen  Kräften  streben,  den  sittlichen  Geist 
der  Jugend  zu  heben,  t]ei\  Schüler  dahin  zu  bringen,  dafs  er  derglei- 
chen Betrügereien  vun  Herzensgrund  verachte. 

Eckstein:  als  er  auf  der  Schule  gewesen,  hätten  sie  jede  Woche 
einen  lateinischen  Aufsatz  zu  machen  gehabt.  Sie  hatten  freilich  oft 
in  der  letzten  Nacht  6—8  Stunden  darauf  verwendet,  gewöhnlich  aber 
H— 9  Seiten  gebracht.    Bei  der  Examenarbeit  habe  zwar  Clausnr  statt- 


*)  Hr.  Hofrath  Hermann  hat  dies   als   seine  Erfahrung  auch  meh- 
reren anderen  in  Altenburg  wiederholt. 


Die  146  Versammlung  deatocher  Philologea  and  Schnlmfinner.    545 

gefnnden.  Jedoch  so,  dafs  die  Schuler  wahrend  der  Tiachseit  tod  13 
— ä  heransgeben  konnten.  Da  aei  denn  Betrog  sehr  leicht  möglich 
gewesen,  gleichwohl  aber  hatten  selbst  die  schlechtesten  Schuler  es  (Hr 
eine  Ehrensache  gehalten,  ihren  Aufsatz  selbst  zu  machen.  Der  Grund 
daron  sei  gewesen:  weil  sie  die  Sache  gekonnt  hatten. 

GraYenhorst:  seine  Erfahrung  sei  nicht  die  gleicne,  wie  die 
yon  Kuhner  aufgestellte.  So  lange  der  Prüfungsaufsatz  in  Hannover 
bestanden,  hatten  die  Lehrer  die  Pflicht  gehabt,  den  Schuler  durch 
jede  sachliche  Nachweisnng  zu  seiner  Anfertigung  in  den  Stand  zu 
setzen.  Wenn  man  über  Sejan  zu  achreiben  aufgegeben  habe,  so  habe 
man  vorher  formlich  Geschichtsstonde  halten  inüTsen.  Die  gleiche  Ver- 
pflichtung bestehe  noch  jetzt  in  Bezug  auf  den  deutschen  Aufsatz. 

Am  eis:  es  sei  für  ihn  stets  ein  eigenthumliches  Gefilhl,  wenn 
man  in  die  Luft  des  Gesetzes  komme.  Er  wolle  jetzt  einen  Hanpt- 
generalismus  bringen.  Der  Gegenstand,  den  man  durch  das  Abiturien- 
tenexamen aufrecht  erhalten  wolle,  sei  schon  gerichtet.  Hoher  als  das 
Gesetz  stehe  die  Liebe.  Was  das  Gesetz  nicht  verlange,  konnten  die 
Lehrer  als  ein  Product  freier  Liebe  erlangen.  Kein  Prufungsreglement 
verlange  lateinische  oder  wohl  gar  griechische  Verse,  und  doch  zeige 
die  Erfahrung,  dafs  ohne  sie  ein  wahres  Dichterverständnis  nicht  mög- 
lich sei;  die  Schuler  aber  machten  dieselben,  wo  sie  nur  recht  gefallt 
wurden,  doch  mit  Lust  und  Liebe.  Mit  kalten  Gesetzen  komme  man 
nicht  aus. 

Raspe:  Doderlein  habe  vorgeschlagen,  aus  den  Aufsätzen  Dimi- 
nativa  zu  machen.  Man  solle  doch  gleirh  einen  Schritt  weiter  gehen 
nnd  doch  auch  diese  noch  weglafsen.  Dafs  alle  das  Bewustsein  hätten, 
der  Aufsatz  stehe  nicht  mehr  im  rechten  Verhältnis  zu  den  Einrich- 
tungen des  Gymnasiums,  zu  der  Zeit  und  der  Kraft  der  Schuler, 
gehe  daraus  hervor,  dafs  man  sich  so  viele  Muhe  gebe,  die  Sache  so 
leicht  wie  möglich  zu  machen  und  Hindernisse  hinwegzuräumen.  Man 
scheine  ihm  aus  Liebe  zur  Philologie  unverhältnismäfsigen  Werth  auf 
den  lat.  Aufsatz  zu  legen.  Es  könne  ein  Schüler  mündlich  recht  gut, 
z.  B.  in  der  Grammatik,  sich  zeigen  und  doch  schriftlich  schiecht 
arbeiten.  Was  sei  denn  das  paedagogische  Ziel  der  Aufsätze y  Sie 
hätten  praktischen  Werth  nur  für  den  künftigen  Philologen.  —  Vom 
Vorsitzenden  unterbrochen  mit  der  Bemerkung,  die  Frage  von  der 
Berechtigung  des  Aufsatzes  in  der  Schule  sei  schon,  als  er  noch  nicht 
zugegen  gewesen,  abgemacht,  jetzt  handle  es  sich  nur  um  die  Berech- 
tiffong  bei  der  Maturitätsprüfung,  fährt  er  fort:  auch  da  sei  er  abzu- 
sciiaff'en  und  das  Urtheil  der  Reife  nur  von  den  Ueberaetzungen  aus 
dem  Deutschen  ins  Lateinische  abhängig  zu  machen. 

Heinichen:  seiner  Erfahrung  nach  sei  allerdings  in  Sachsen  die 
Zeit  etwas  zu  kurz  zugemefsen,  von  Betrug  aber  habe  er  wenig  oder 
nichts  erfahren. 

Indem  Eckstein,  weil  niemand  mehr  das  Wort  begehrt,  zum 
Resnm^  schreitet,  erklärt  Wiese  noch;  er  habe  zu  dem,  was  er  vor- 
her gesagt,  hinzufugen  wollen,  dafs  er  es  jedem  Praeses  einer  Schul- 
behorde,  jedem  Prufungscommissar  unbenommen  wifsen  wolle,  auf  der 
Stelle  die  Abiturienten  einen  solchen  kurzern  Aufsatz,  wie  z.  B.  'der 
Tod  des  Archimedes'  fertigen  zu  lafsen. 

Eckstein:  für  die  Beibehaltung  des  lat.  Aufsatzes  bei  der  Abi- 
turientenprofung  seien  die  nachtheiligen  Wirkungen,  welche  man  nach 
bereits  gemachten  Erfahrungen  zu  erwarten  habe,  das  Verlieren  eines 
Mafses,  das  man  am  Pensum  nicht  habe,  und  das  Entziehen  einer  Lei- 
stung, die  der  Schüler  zu  geben  wünschen  inufse,  geltend  gemacht 
worden.     Dagegen    habe  man   sittliche  Bedenken  erhoben   nnd  diese 


546    Die  I4e  Versammlang  deutscher  Philologen  und  Schulaftnner. 

könnten  ihn  allerdings  zum  Pailenlafiten  bestimmen,  wenn  sie  nicht 
dnrch  die  Lehrer  nnd  die  Zucht  beseitigt  werden  könnten.  Die  eben- 
falls dagegen  geltend  gemachte  Mittelmäfsigkeit  werde  durch  stufen- 
niäfsige  Uebungen  in  Aufsätzen  -von  Tertia  an  verschwinden. 

Auf  die  Krage:  ist  der  freie  Aufsatz  bei  der  Matnritatsprofung 
als  Clausurarbeit  beizubehalten  ?  ergibt  die  dnrch  Gegenprobe  consta- 
tierte  Abstimmung:  37  bejahende  nnd  13  verneinende  Stimmen. 

Eckstein  fügt  noch  hinzu,  dafs  er  die  Uebersetznngen  deut- 
scher Pensa  als  das  schwierigere  auch  in  den  obersten  Classen  bei- 
behalten wifsen  wolle.  Kr  sei  ein  grofser  Freund  dieser  Uebungen, 
welche  nicht  viele  Zeit  forderten  und  sehr  wohithätige  Wirknngen 
hätten. 

Raspe  erklärt  noch  einmal:  er  bleibe  dabei,  das  Resultat  aus 
den  Kxercitien  sei  viel  sicherer  als  das  aus  den  Arbeiten. 

Vierte  Sitzung  am  28.  Sept.    Vorsitzender  Fofs. 

Wiese  motiviert  seine  auf  die  Tagesordnung  gestellte  Anfrage« 
Von  Vocabularion  seien  ihm  drei  bekannt  geworden,  das  von  Wiggert, 
das  eben  in  3r  Auflage  erschienene  von  Döderlein  und  ein  neues  von 
Haufser  in  Karlsruhe.  Ihr  Dasein  scheine  zu  beweisen,  dafs  man  die 
Methode  bei  der  Leetüre  sichere  Vocabelkenntnis  zu  erzielen  nicht  für 
ausreichend  halte.  Gegen  den  selbständigen  Gebrauch  von  Vocabn- 
larien  liegen  aber  allerdings  manche  Bedenken  vor,  die  sich  namentlich 
auf  die  sofortige  Verwendbarkeit  des  so  gewonnenen  Materials  grün- 
deten. Er  habe  deshalb  hier  den  Gegenstand  zur  Sprache  gebracht, 
um  Erfahrungen  darüber  zn  hören. 

Döderlein:  er  habe  bei  der  Abfafsung  seines  Buches  zwei  Ab- 
sichten gehabt,  einmal  ein  ausreichendes  Material  zum  Lernen  zn  ge- 
ben und  zweitens  dies  fiir  Benutzung  zu  Denkübungen  brauchbar  an 
machen.  Das  letztere  sei  ohne  etymologische  Anordnung,  welche  die 
Sprachbildung  zur  Anschauung  bringe,  nicht  möglich.  Er  habe  die 
Vocabeln  in  Gruppen  gebracht,  welche  sich  an  ein  einfaches  Wort  an- 
schliefsen.  Bei  denen,  wo  der  Srhuler  die  Bedeutung  selbst  finden 
könne,  compositis  sowohl  wie  dcri^'atis,  habe  er  keine  Uebersetivng 
beigefügt,  wohl  aber  überall,  wo  jenes  nicht  der  Fall  sei.  Natürlich 
solle  die  Bedeutung  der  Endungen,  wie  bili»,  osus,  nicht  gleich  in  der 
ersten  Zeit  vollständig  gegeben  werden,  aber  einiges  biete  der  Unter- 
richt doch  dar.  Zum  Beispiel  wählt  er  die  Gruppe  lux,  Lueidut  nnd 
lucifugus  seien  unübersetzt  gelafsen,  weil  ihre  Bedeutung  der  Schaler 
errathen  könne  und  müfsc,  dagegen  habe  er  zu  luculcntus  (was  von 
liiccm  olcns  komme)  die  Uebersetznng  gefügt.  So  geht  er  die  ganae 
Gruppe  durch. 

Wiese:  lucesccrc  sei  nicht  übersetzt,  wahrscheinlich  weil  der 
Schüler  die  Tnchoativa  kennen  solle.  Dies  könne  man  aber  von  Sex- 
tanern nicht  verlangen,  und  doch  müfse  das  Vocabellcrnen  wohl  gans 
früh  beginnen. 

Döderlein:  sein  Buch  sei  zum  Gebrauch  sogleich  im  Anfange 
der  fTauptclassen  bestimmt.  P^s  gebe  gewisse  Worte,  die  wegen  eines 
gleichsam  instinctartigen  Interesses  ganz  früh  gelernt  werden  musten, 
wie  z.  B  bo9,  bonus.  Natürlich  aber  sollten  nicht  sogleich  ganze  Fa- 
milien gelernt  werden.  Für  das  erste  Jahr  habe  er  daher  nur  die  ge- 
sperrt gedruckten  Worte  bestimmt,  die  übrigen  seien  «lann  nachzuholen. 
Er  habe  sich  absichtlich  bemüht,  dem  Schüler  die  Sache  nicht  an  leicht 
zu  machen,  und  aus  diesem  Grunde  die  Genetive  nnd  Perfecta  nicht 
beigefügt.  Wenn  ein  Knabe  wifsc,  was  ira  und  (cmpics  heifso,  so 
freue  er  sich;  wenn  er  aber  höre  iempu»,  temporisj  so  freue  er  sich 
nicht.  Dies  bewahre  ihn  nur  vor  einem  Fehler;  niemand  freue  sich 
aber,  wenn  er  vor  einem  Fehler  bewahrt  werde. 


Die  14e  Verflammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner.  547 

Eckstein:  das  Wiggertsclie  Voeabulariuni  sei  in  Minor  AnaUlt 
seit  !20  Jahren  in  den  swei  nntenten  Classen  gebraucht  worden,  aber 
es  habe  nicht  viel  Nutzen  gebracht.  Obgleich  drei  Stufen  darin  untei^ 
schieden  seien,  so  fehle  doch  das,  was  Doderlein  getban  habe.  Kr  habe 
dessen  Buch  mit  den  Bemerkungen  durchstudiert  und  mäfse  sagen,  dafs 
mit  den  ietiteren  etwas  anzufangen  sei.  Es  sei  eine  wesentliche  Ver- 
befserung,  dafs  in  der  3n  Auflage  nun  auch  das  Genus  hinzugefugt  sei. 
Der  Hanptnutzen  bestehe  in  der  Hinweisung  auf  die  Etymologie  und 
man  mnfse  ganz  besonders  die  grofse  Resignation  anerkennen,  mit  wel- 
cher Döderiein  anf  seine  Lieblingsetymologien  in  diesem  Buche  ver- 
zichtet und  nur  positives  und  gewisses  gegeben  habe.  Er  habe  daher 
mit  seinen  Coliegen  bereits  den  Beschinfs  gefafst,  die  Einfühnmg  des 
Doderleinschen  Buches  in  ihrer  Anstalt  zu  veranlafsen.  Neben  der 
Grammatik  sei  ein  solches  Vocabellernen  in  einem  2jährigen  Cursos  ein 
besonders  reiches  und  forderndes  Unterrichtsmittel.  Auch  habe  er  be- 
reits bei  der  neusten  Ausgabe  der  Schulzschen  Grammatik  mehreres  von 
Doderlein  angenommen. 

Wiese:  Haufsers  Buch  stimme  im  wesentlichen  mit  dem  von  Do- 
derlein uberein,  gebe  aber  auch  kurze  Phraseologie,  wie  z.  B.  bei- 
ium,  bellum  gerere.  Dies,  scheine  ihm  ein  Vortheil,  da  das  Material 
leichter  sofort  zur  Verwendung  gebracht  werden  könne.  Indes  komme 
freilich  dabei  alles  auf  den  Lehrer  an. 

Doderlein:  er  habe  dies  untcrlafsen,  eingedenk  des  Ausspruchs 
von  Montesquieu:  die  grofsten  Unternehmen  scheitern  oft  dadurch, 
dafs  man  im  Vorbeigehn  noch  ein  kleineres  mit  abmachen  will. 

Kramer:  er  furchte  die  Gefahr,  dafs  die  auf  solche  Weise  er- 
lernten Vocabeln  todtes  Gut  bleiben;  Anwendung  sei  die  Hauptsache. 
Vocabeln  mnsten  eelemt,  aber  auch  tüchtig  verwendet  werden.  Er  er- 
innere an  den  Orbis  pictus  von  Commenins.  Die  Ordnung  nach  Gegen- 
standen und  Kategorien  biete  mehr  Gelegenheit  zur  Verwendung.  In 
den  neuem  Sprachen  habe  sich  diese  Methode  bewährt  und  das  treff- 
liche Vocabulaire  von  Plötz  biete  so  geordnete  Vocabeln,  dafs  sie  nicht 
blofs  abgefragt,  sondern  durch  sofortige  Verwendung  eingeprägt  wur- 
den. Das  werde  auch  für  das  Lateinische  nutzlich  sein.  Pur  die  ety- 
mologische Anordnung  hätten  die  Sextaner  keinen  Sinn  und  es  sei  nicht 
gut  ihn  zu  wecken.  Denn  sie  gehöre  wesentlich  zu  dem  Gebiete  der 
Reflexion,  welches  durchaus,  namentlich  beim  Erlernen  des  Lateinischen 
und  Griechischen,  gemieden  werden  mnfse.  Nach  Gegenständen  geord- 
net wurden  die  Vocabeln  leichter  in  das  Gefühl  übergehen. 

Ameis:  auch  er  habe  an  den  Orbis  pictns  erinnern  wollen.  Es 
fehle  bei  der  etymologischen  Anordnung  der  reale  Boden.  Sexta  und 
Quinta  wurden  ermüdet  werden,  wenn  sie  sich  so  in  den  Worten  be- 
wegten. Neben  dem  formalen  mufse  auch  der  reale  Boden  geschaffen 
werden.  Er  richtet  an  Wiese  die  Bitte,  mitzutheilen ,  wie  die  Englän- 
der bei  ihrem  Unterrichte  verfuhren. 

Wiese:  es  sei  hier  kein  Raum  zu  ausführlicher  Mittheilung  dar- 
über. Nur  so  viel  könne  er  bemerken,  dafs  die  Engländer  Vocabeln 
aus  besondern  Bächern  lernten  nnd  mit  Phraseologie.  Lexica,  nach 
Gegenständen  geordnet,  würden  ihm  sehr  willkommen  sein. 

Doderlein:  die  volle  Berechtigung  von  Kramers  Gedanken  habe 
er  in  den  Bemerkungen  anerkannt,  allein  er  sehe  nicht  ein,  wie  das 
Vocabellernen  dadurch  erleichtert  werden  solle.  Der  Schüler  mufse  Ja 
dann  bei  jedem  Worte  von  vom  anfangen.  Z.  B.  corpus,  dazu  gehö- 
ren memfrra,  cajtui  u.  s.  w.  Wie  verschieden  seien  diese  Worte,  und 
das  allgemeine  sei  immer  etwas  abstractes.  Die  etymologische  Ord- 
nung gewähre  entschieden  Erleichterung.  Auch  dafs  die  Vocabeln  in 
das  Gefühl  übergehen  müsten,    wie  Kramer  bemerkt,   habe  er  anor- 


548  Die  146  Versammlung  deutscher  Philologen  und  SohulainDer. 

kannt,  allein  es  sei  befser  in  Einern  Benken  relativer  Meister  sa 
sein,  als  Ton  Tielem  etwas  zn  verstehen.  Die  Realisten  fragten  oft,  ob 
wir  denn  den  Schäler  zu  einer  Herschaft  über  die  iat.  Sprache  brach- 
ten, and  allerdings  sollten  8  Jahre  denselben  dahin  fuhren,  dafs  es  ihm 
einerlei  sei ,  ob  er  lateinisch  oder  deutsch  rede.  Dazu  sei  ein  cordia- 
les  Verhältnis  zur  Iat.  Sprache  yon  Torn  herein  nöthig,  wir  mustea 
aber  einen  andern  Weg  einschlagen  als  die  Spracbmeister.  Man  könne 
schon  im  ersten  Vierteljahre  das  Lateinsprecnen  anfangen,  aber  in  ha- 
moristischer  Weise.  Ein  Schuler  komme  in  die  Clause  und  sage:  'gu- 
ten Morgen';  der  Lehrer:  'hier  sind  wir  Lateiner,  mein  Sohn;  da 
mufsen  wir  salve  sagen'.  Ebenso  beim  Weggehen  vale»  Ein  Schüler 
komme:  'Herr  Doctor,  ich  bitte  mich  einmal  hinausgehen  zu  lafsea'. 
Der  Lehrer:  'ganz  schon,  wenn  wir  hier  nur  nicht  Lateiner  waren ;  da 
heifst  es  peto  veniam  exeundi\  Einen  andern  lafse  man  cxire  me  tinaty 
einen  dritten  permitle  ut  exeam  sagen ,  und  so  abwechseln.  Durch  der- 
gleichen werde  das  I^tein  dem  Gefühle  der  Schuler  naher  gebracht, 
wie  Kramer  wolle. 

Kram  er:  jedenfalls  werde  dies  aber  durch  eine  reale  Anordnung 
noch  erleichtert.  Der  jüngere  Schuler  reflectiere  nicht,  sondern  lerne 
mit  dem  Gedächtnis. 

Dö  der  lein:  in  seinem  Buche  stunden:  c^iius,  eques,  equiiare. 
Wie  leicht  seien  diese  drei  Worte  zu  merken! 

Kr  am  er:  das  geschehe  nach  der  Anordnung,  welche  er  verlsngei 
auch,  worauf  Wiese  einwirft:  aber  da  kommen  auch  die  Sporen  dazu. 
Kram  er:  man  dürfe  ein  Princip  nicht  zu  Tode  reiten;  es  lafso  sich 
beides  vereinen. 

Von  Eckstein  aufgefordert,  die  über  diese  Frage  von  ihm  wohl 
zusammengestellten  Sätze  vorzulegen,  erwiedert  Dietsch:  er  halte 
dies  nicht  für  nothig.  Ueber  das  allgemeine,  die  Nothwendigkeit  von 
vorn  herein  eine  sichere  und  umfangreiche  Wortkenntnis  zu  erzielen, 
sei  man  ja  wohl  einig  und  rucksichtlich  der  Methode  habe  man  den 
Zweck  erreicht:  Austausch  der  Ansichten  und  Erfahrungen.  Indes 
wolle  er  doch  einige  Bemerkungen  machen.  Er  lerne  selbst  Jetzt  noch 
viel  aus  Döderleins  Buch  und  glaube,  dafs  auch  jeder  Schuler  davon 
nur  profitieren  könne.  Bei  den  Worten  nach  der  Ableitung  zu  fragen, 
frehe  dadurch  ins  Gefühl,  gleichsam  ins  Blut  über  Eine  schädliche 
Reflexion  könne  er  darin  nicht  sehen,  wenn  der  Schüler  an  6 — 8  Bei- 
spielen endlich  inne  werde,  welches  die  Bedeutung  einer  bestimmten 
Endung  sei.  Er  habe  folgende  Erfahrung  gemacht:  oft  habe  er  sich 
gewundert,  wie  die  Schüler  der  obern  Classen  im  Homer,  aber  aach 
im  Lateinischen,  »o  sehr  das  Lexikon  wälzen  müsten  und  Worte  auf- 
schlügen, deren  Bedeutung  sie  doch  selbst  finden  sollten,  z.  B.  com- 
posita,  deren  simplicia  ihnen  bekannt  seien.  Er  glaube,  diesem  für 
die  Leetüre  ungemein  schädlichen  Uebelstande  könne  wenigstens  theil- 
weise  vorgebengt  werden,  wenn  die  Schüler  von  unten  herauf  die  Ab- 
leitung zu  beachten  gewöhnt  und  darin  geübt  würden.  In  allen  Gram- 
matiken stehe  ein  Capitel  'Wortbildungslehre'  ein  Bewein,  dafs  man 
doch  diese  für  die  Erlernung  der  Sprache  not h wendig  oder  doch  for- 
derlich halte.  Er  habe  aber  mit  diesem  Capitel  nie  etwas  anzufangen 
gewust  und  es  ganz  überschlagen.  Durch  Uebungen  nach  Döderleins 
Buch,  scheine  ihm,  erhalte  man  eine  praktische  Wortbildungslehre. 
Schliefslich  wolle  er  seine  Herren  Collegen  auf  das  Programm  über  den 
Iat.  Sprachunterricht  vom  Dir.  Dr.  Hermann  Schmidt  in  Witten- 
berg und  auf  dessen  eben  in  2r  Auflage  erschienenes  Elementarbnch 
( Neustrelitz  1864)  aufmerksam  machen.  Derselbe  beginne  auch  mit 
Vocabellernen  y  schlage  aber  dabei  weder  den  etymologischen  noch  den 


Die  14e  Versammlang  deutscher  Philologen  and  Sehulmfioner.   549 

realen  Weg  ein,  aondern  den  grammatischen.  Gewis  werde  mancher 
mit  Nutzen  auch  Yon  diesem  Buche  Gebrauch  machen  können. 

Kram  er  führt,  um  die  Erleichterong  durch  etymologische  Anord- 
nung zu  bestreiten,  faeilis  an.  Dessen  B^eutung  liege  nach  faeio  dem 
Schuler  zu  fern. 

Doderlein:  aber  der  Schüler  freue  sich  gewis,  wenn  er  auf 
'machbar'  komme.  Frage  man  ihn  nach  seinen  Erfahrungen,  so  könne 
er  nur  so  yiel  anführen ,  dafs  die  Lehrer  an  seiner  lat.  Schule  mit  dem 
Erfolge  der  Benützung  zufrieden  seien  und  dafs  ihm  ein  Freund  ge- 
schrieben habe,  er  treibe  alle  Abende  das  Buch  mit  seinem  Sohne  und 
sehe  grofsen  Nutzen. 

Eckstein:  Doderlein  möge  sein  Buch  noch  etwas  Terkürzen;  er 
habe  Worte  darin  gefunden,  die  er  selbst  noch  nicht  gekannt,  z.  B. 
^a«f7/iim. 

Doderlein:  das  sei  die  yoUe  Form  von  qualum,  Uebrigens 
müfse  er  an  Montaignes  Spruch  erinnern:  es  gibt  einen  einzigen  Feh- 
ler, der  bei  allen  Menschen  consequent  sich  findet,  die  Inconseqnenz. 

Der  Vorsitzende:  Abstimmung  sei  nicht  nothig,  da  der  Zweck 
der  Verhandlungen  nur  Mittheilung  Ton  Erfahrangen  gewesen  sei,  der 
folgende  Gegenstand  aber  zu  umfaffiend,  um  ihn  noch  besprechen  zu 
können.  Er  umfafse  die  ganze  Organisation  der  Gymnasien.  Er  be- 
daure  sehr,  dafs  dieser  wichtige  Gegenstand  nicht  berathen  werden 
könne,  und  spreche  Mütze II  seinen  und  der  Versammlung  Dank  für 
die  Stellung  der  Thesen  aus. 

Dietsch:  da  Vorbereitung  auf  die  Verhandlungen  der  paedago- 
fischen  Section  von  grofsem  Nutzen  sei,  so  frage  er,  ob  man  nicht  die 
Mützellschen  Thesen  schon  jetzt  als  Gegenstand  für  die  nächste 
Versammlung  wählen  könne. 

Mutz  eil:  die  Thesen  habe  er  unter  schwierigen  und  trüben  Ver- 
haltnissen aufgesetzt,  weil  sie  eine  Zeitfrage  enthielten.  Eine  Ueber- 
tragung  auf  die  nächste  Versammlung  erscheine  ihm  unthunlich ;  doch 
gedenke  er,  so  Gott  wolle,  in  Hamburg  einen  ahnlichen  Antrag  zu 
stellen. 

Fofs:  der  Vorschlag  Ton  Dietsch  sei  ebenso  zweckmafsig  an  sich, 
als  nach  §.  3  der  Statuten  zuläfsig.  Ein  Tdlliger  Beschlufs  darüber 
könne  jetzt  zwar  nicht  gefafst  werden,  da  die  gegenwärtige  Versamm- 
lung der  künftigen  keine  bindende  Vorschrift  machen  könne.  Die  Mü- 
tzellschen Thesen  würden  übrigens  in  den  Verhandlungen  mit  abge- 
druckt. Dadurch  kämen  sie  zur  allgemeinen  Kenntnis  und  sei  für  die 
folgende  Versammlung  die  Füglichkeit  gegeben,  sie  ihren  Verhandinn- 
gen  zu  Grunde  zu  legen. 

Darauf  schliefst  er  die  Sitzung  mit  folgenden  Worten,  deren  voll- 
ständige Mittheilung  hier  durch  ihren  Inhalt  hinlänglich  gerechtfertigt 
erscheinen  wird:  'Blicken  wir  auf  unsere  Verhandlungen  zurück,  so  kann 
dies  nicht  anders  als  mit  dem  Gefühl  einer  gewissen  Befriedigung  ge- 
achehn.  Die  Verhandlungen  sind  durch  keinen  Misklang  gestört,  son- 
dern mit  derjenigen  Ruhe  und  Würde,  mit  derjenigen  Achtung  entge- 
?|enstehender  Ansichten  geführt  worden,  die  sich  für  Männer  der  Wi- 
senschaft,  die  sich  für  Jugendbildner  geziemt.  Sie  haben  einen  Ver- 
lauf genommen  und  ein  Ergebnis  geliefert,  welches  ein  für  die  festere 
Begründung  der  classischen  Studien  in  den  Gymnasien  erfreuliches  ge- 
nannt werden  darf.  Allerdings  werden  sie  nicht  augenblicklich  einen 
directen  Erfolg  haben  —  wir  sind  keine  beschliefsende  Versammlung 
mit  gesetzgebender  Gewalt  — ,  allein  darauf  kommt  es  auch  nicht  allein 
an.  Die  moralische  Wirkung,  die  unsere  Besprechungen  und  Abstim- 
mungen haben  werden,  wird  jedenfalls  sowohl  nach  oben  als  nach  unten 
hin  eine  bedeutende  und  dauernde  sein,   und  ich   bezeichne  in  dieser 


550  Die  14e  VersammlaDg  deutscher  Philologen  und  Schulminner. 

Hinsicht  es  als  besonders  erfrealich,  dafs  Hr.  Geh.  Rath  Wiese  sich  mit 
Entschiedenheit  für  die  Berechtigung  und  Beibehaltung  des  freien  la> 
teinischen  Aufsatzes  in  dem  Lectionsplane  des  Gymnasiums  ausgespro- 
chen hat.  £s  wird  diese  moralische  Wirkung  um  so  grofser  and  nach- 
haltiger sein,  je  grofser  die  Zahl  ausgezeichneter  Schulmänner  ist,  die 
sich  zu  diesen  Berathungen  zu  meiner  Freude  hier  in  Aitenburg  einge- 
funden haben.  Das  meiste  Gewicht  jedoch  lege  ich,  wie  bei  allen  ahn- 
lichen Versammlungen,  so  auch  bei  der  unsrigen,  auf  die  Anregungen, 
die  wir  theils  aus  dem  Verkehr  mit  einzelnen,  theils aus  den  öffentlichen 
Verhandlungen  mit  uns  nach  Hause  nehmen.  Es  wird  keiner  unter  ans 
sein,  der  nicht  über  das,  was  er  hier  vernommen,  weiter  nachdenken, 
der  nicht  Versuche  machen,  Erfahrungen  sammeln  und  dann  dasjenige 
wählen  und  sich  aneignen  wird,  was  er  als  zweckmäfsig  erkennt  und 
was  seiner  Individualität  entsprechend  ist.  Denn  darüber  werden  wir 
alle  einverstanden  sein,  dafs  in  den  Schulmann  nichts  blofs  äufserlich 
hineingetragen ,  dafs  ihm  nichts  aufgezwungen  werden  darf.  Das  beste, 
was  der  Schulmann ,  wie  jeder  der  auf  geistigem  Gebiete  tbätig  ist ,  lei- 
stet, kommt  aus  dem  Innern  heraus,  geht  aus  der  freien  Ueberzengung 
hervor.  Daher  erklärt  es  sich  auch,  dafs  jeder  wahre  Schulmann  auf 
seinem  Gebiete  Selbständigkeit  und  Freiheit  wünscht  und  verlangt,  na- 
türlich eine  vernünftige  Freiheit.  Denn  da  er  nach  unten  hin,  seinen 
Schülern  gegenüber,  eine  ungezügelte  und  schrankenlose  Freiheit  nicht 
gestatten  wird,  so  wird  er  auch  für  sich  selbst  eine  solche  nicht  in  An- 
spruch nehmen.  Wird  ihm  diese  Freiheit  und  Selbständigkeit  entzogen, 
soll  er  zur  Maschine  gemacht  werden,  so  kann  der  Erfolg  seiner  Wirk- 
samkeit niemals  ein  bedeutender  sein.  Mit  dem  Wunsche,  dafs  die  hier 
empfangenen  Anregungen  recht  reiche  Früchte  bringen  mögen,  schliefse 
ich  die  heutige  Sitzung  und  unsere  diesmaligen  Verhandlungen.' 

Nachdem  Geh.  R.  Wiese  dem  Praesidium  gedankt  und  die  Ver- 
sammlung durch  Erhebung  von  den  Sitzen  ihre  Anerkennung  beseagi 
hatte,  giengen  die  anwesenden  auseinander. 

Grimma.  R.  Dietsek* 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Mlgemeinc  MonaUBchrifi  für  WUsenuchaft  und  Litteralur  (••  Bd. 
LXI\  S.  219  —  224).  Jahrgang  1854. 

Januarheft.  O.  Jahn:  Goethe  in  Leipzig  (S.  1  —  8:  Mitthei- 
lung zweier  noch  ungedruckten  Briefe  von  Hörn  und  eines  von  Goethe 
an  Karl  Ludwig  Moors  aus  dem  Jahre  1766,  auf  das  Verhältnis  zu 
Käthchen  Schonkopf  bezuglich.  Sodann  Bestätigung,  dafs  Riese 
Goethes  Briefe  an  ihn  vollständig  verbrannt  habe,  und  Mittheilun^  eines 
Briefes  von  Goethe,  worin  dieser  für  die  Uebersendung  der  Briefe  an 
Hörn  aus  jenes  Nachlafs  dankt  Notizen  über  den  Theologen,  der  G. 
in  Leipzig  gepflegt,  Limp recht,  und  zwei  Briefe:  an  Oeser  von  1783 
und  an  dessen  Tochter  v.  1778  schliefsen  sich  an).  —  Theod.  Benfey: 
Skizze  des  Organismus  der  indogermanischen  Sprachen.  Erster  Artikel 
(S.  0  —  42:  unter  Darlegung  der  Methode  an  zahlreichen  Beispielen 
werden  als  Resultate  der  sprachvergleichenden  Analyse  dargestellt:  Ab- 
scheidung der  flexivischen  Lautcomplexe ,  dann  der  bekannteren  gram- 
matischen Derivationselemente,  Nachweis,  dafs  viele  underivierte  und 
einfache  Derivationsthemen  scheinende  I^autcomplexe  theils  Derivationen 
—  denominatische,  desiderative,  causale,  intensive,  inchoative  und  nicht 


Auszage  ans  Zeitschriften.  551 

nfther  su  beatimmende  — ^  theik  aus  nnpranglichen  Praesens-  und  weiter 
entwickelten  generellen  Verbalthemen  entstanden,  tbeila  ursprünglich 
Compoflita  waren,  Erkenntnis,  dafs  die  Mehrzahl  der  Stamme  aus  Ver- 
ben besteht,  daneben  eine  kleine  Anzahl  Prouominalstämme,  ganz  ge- 
trennt aber  davon  die  Interjectionen  stehen.  Eine  feststehende  und 
durchgreifende  lautliche  Gestalt  lafse  sich  ebenso  wenic  noch  bestimmen, 
wie  die  Frage  bejahen,  ob  die  Stämme  noch  rücksichtlich  der  einzelnen 
Laute  zu  analysieren  möglich  sei).  —  Guhrauer:  Gabriel  Wagner  in 
seinem  Verhältnisse  zu  Thomasius  und  zu  der  deutschen  Wifsenschaft 
seiner  Zeit.  Zum  Theil  mit  Rücksicht  auf  Tholuck:  das  akademische 
Leben  des  1 7n  Jahrhunderts,  le  Abthlg.  (S.  43  —  60:  nachdem  unter 
den  weniger  bekannten  Männern ,  welche  für  die  Einführung  der  deut- 
schen Sprache  auf  den  Universitäten  und  in  die  Wifsenschaft  gewirkt, 
der  Herborner  Prof.  Chr.  Gli.  Grau  1092  erwähnt  ist,  wird  das  Leben 
des  fast  in  gänzliche  Vergefsenheit  gerathenen,  unter  dem  Schriftsteller- 
namen  Realis  de  Vienna  aufgetretenen,  nach  1712  verschollenen  Gabriel 
Wagner,  so  weit  möglich,  erzählt  und  aus  seinen  Schriften  seine  An- 
sichten über  Deutschheit  und  die  Idee  der  Wifsenschaft,  in  denen  er 
theils  mit  Thomasius  und  Leibniz  übereintraf,  theils  aber  weit  seinem 
Zeitalter  vorangeeilt  war,  während  er  durch  zu  stürmisches  Auftreten 
vieles  verdarb,  dargestellt). —  K.  W.  Nitzsch:  Q.  Fabius  Pictor  über 
die  ersten  Jahre  des  Uannibalischen  Kriegs.  Unter  Beziehung  auf  Su- 
semihl :  kritische  Skizzen  zur  Vorgeschichte  des  zweiten  punischen  Kriegs 
(8,  07  —  84:  es  wird  zuerst  nachgewiesen,  dafs  Polybius  und  Livius  in 
der  Darstellung  der  Hauptereignisse  vollkommen  übereinstimmen,  in 
allem  zwischen  dieselben  fallenden,  namentlich  dem  motivierenden  für 
jene  weit  auseinander  gehen,  und  daraus  gefolgert,  dafs  beide  eine  und 
dieselbe,  aber  verschieden  bearbeitete  und  ergänzte  Quelle  vor  sich 
hatten.  Die  Abweichungen  bei  Zonaras,  dem  Excerptor  des  Dlo,  und 
Appian  führen  zu  der  Vermuthung,  dafs  deren  Nachrichten  auf  einer 
anderen  Darstellung  und  zwar  der  eines  niederen,  in  der  Reihe  des 
Heeres  dienenden  Sfannes  beruhten,  während  die  Quelle  des  Polybius 
und  Livius  die  Erzählung  eines  Senators  sein  müfse.  Indem  nun  aus 
Liv.  XXI,  7  hervorgehe,  dafs  er  Q.  Fabius  Pictor  gefolgt  sei,  so  ergebe 
•ich,  dafs  dieser  nur  die  für  die  Romer  unglücklichsten  zur  vollständi- 
gen Rechtfertigung  des  von  Q.  Fabius  Cunctator  entworfenen  Kriegs- 
planes dienenden  Ereignisse  dargestellt  habe,  was  mit  dem  von  der 
ältesten  römischen  Geschichtschreibung  überlieferten  übereinstimme, 
und  da  Polybius  den  Fabius  tadle,  gleichwohl  aber  in  jenen  Partien 
von  ihm  nicht  abweichen  gekonnt  habe,  so  folge  daraus  unleugbar  der 
hohe  Werth  von  jenen  Erzählungen.  Fafse  man  nun  aber  ins  Auge, 
was  Polybius  am  Fabius  tadle,  so  zeige  sich,  dafs  er  die  eine  romi- 
sche Gresandtschaft  vor  Sagunts  Eroberung,  die  Verhandlungen  mit  den 
Gelten,  die  Existenz  einer  kleinen  antibarcinischen  Partei  im  carthagi- 
schen  Senate  nicht  gekannt,  vielmehr  das  ganze  Sanedrine  dem  Hannibai 
feindselig  gewufst  habe,  weil  dieser,  wie  gleichzeitig  in  Griechenland 
Kleomenes,  eine  Militärmonarchie  habe  gründen  woUen.  Nehme  man 
nun  hinzu,  dafs  wahrscheinlich  zwbchen  Rom  und  Carthago  eine  engere 
Verbindung  bestanden,  so  erkläre  sich,  wie  der  .römische  Senat  die 
Auslieferung  des  Hannibai  hoffen  gekonnt,  wie  dagegen  das  carthagische 
Sanedrine,  die  Schwäche  des  Senats  dem  von  Flamin  ins  siegreich  ge- 
führten Volke  gegenüber  wohl  kennend  und  die  Nothwendigkeit  die 
Sache  an  das  eigene  Volk  zu  bringen  vermeidend,  eine  unents€:hi«dene 
Antwort  gegeben  habe,  ebenso  aber,  wie  Hannibai  ohne  alle  Unter- 
stützung gelafsen  wurde). 

Februarheft.    Max  Enger:  Ueber  den  Ursprung  und  die  Be- 
deutung des  Khalifats  ( S.  85  —  09 :  Nachweisung  der  politischen  und 


552  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

rechtlichen  Zustande  vor  Mohammed,   die  Natur  des  von  diesem  auf 
nationale  Einheit  gegründeten  Staates   und  dessen  engste  Vereinigiuig 
mit  der  Kirche;   die  aus  der  von   ihm   selbst  eingenommenen  Stellung 
hervorgehende  Nothwendigkeit,  keinen  Nachfolger   zu  ernennen,   sowie 
die  Entwicklung  des  über  die    Besetzung  des  Khalifats    aufkommenden 
Rechts;  dessen  Attribute  und  die  rasche  Desorganisation,  welche  in  der 
anfanglich   die  gröfste  Kraft  erzeugenden    Vereinigung  des  Staats  and 
der  Kirche  gegründet  ist).  —  G.  Waitz:   zur  deutschen  Verfafsangs- 
geschichte  (S.  100  — 110:  nach  einer  die  Verdienste  ebenso  warm  und 
gerecht  würdigenden ,   wie   die  abweichenden  Ansichten  scharf  beseich> 
nenden  Charakteristik  der  Werke:  v.  Bethmann-Hollweg:  über  die 
Germanen  vor  der  Volkerwanderung,  P.  Roth:  Geschichte  des  Bene- 
ficialwesens,  F.  Walter:  deutsche  Rechtsgeschichte,   G.  Landau:   die 
Territorien  in  Bezug  auf  ihre  Bildung  und  ihre  Entwicklung,  G.  L.  ▼. 
Maurer:  Einleitung  zur  Geschichte  der  Mark-,  Hof-,  Dorf-  und  Stadt- 
verfafsung,  werden  einzelne  in   der  deutschen  '  Verfafsungsgeschichte' 
geaufserten  Ansichten  einer  neuen  Prüfung  unterzogen  und  zwar  zaerst 
unter   Berücksichtigung    von  Langethal:   Geschichte    der    deutschen 
Landwirthschaft    und    v.    Wietersheim:    über    das   Sondercigenthum 
der  Germanen  an  Grund  und  Boden,  die  Nachrichten   der  Alten  über 
den  Grundbesitz  der  Germanen.     Die  bekannte  Stelle  des  Caesar  lafse 
keine   andere   Auslegung   zu,   als:   die  gröfseren,   aber  auf  natürlicher 
Verwandtschaft  beruhenden  Verbände  des  Volkes  hatten  alljährlich  nach 
Anweisung  der  Fürsten  an  anderer  Stelle  Land  erhalten  und  es  sei,  wie 
ausdrücklich  hinzugesetzt  werde,   von  einem  wahren  Sondereigen   ger 
nicht  die  Rede;   diese   Nachricht  beruhe  aber  gewis   nur  auf  Misver^ 
standnis  und  finde  weder  bei  Strabo  noch  bei  Horat  carm.  III,  24, 11, 
wo  unter  cultura  annua  eine  Zweifelderwirthschaft  zu  verstehen  sei,  eine 
Stütze.     Die  Stelle  des  Tacitus  dagegen  wird  auf  die  Theilung  bei  der 
ersten  Ansiedlung  (der  Verf.   entscheidet  sich  dafür,  in   in  vice»  eine 
Corruption  aus  einer  Redensart  mit  vici  zu  sehen),  nicht  auf  eine  jahr- 
lich oder  periodisch  wiederkehrende   bezogen ,  dann  die  in  spaterer  Zeit 
allgemein  übliche  Hufe  mit  ihrer  Dreifelderwirthschaft  gefunden  und  als 
Resultat  hingestellt,  dafs  die  Deutschen   zu  des  Tacitus  Zeit  ein  Volk 
freier  Bauern  waren,  was  durch  die  Beschreibungen  ihrer  Wanderungen 
bestätigt  werde).  —  v.  Quandt:   über  den  Entwicklungsgang  und  die 
Gliederung  der  christlichen  Kunstgeschichte  (S.  117  — 124:  an  Canrieres 
Aufsatz  im  histor.  Taschenbuch  von  1853  wird  nachgewiesen,  dafs   nur 
wenn    eine  Idee   das  Centrum  der  Gedanken  ist,   eine  Geschichte  der 
Kunstentwicklung  möglich  erscheint).  —  Joh.  Brandis:  über  den  ge- 
genwärtigen Stand  assyrischer  Forschung  (S.  125 — 137:  durch  eine  ein- 
gehende Vergleichung   und  Kritik   der  von  Herodot  und  Ktesias  nach 
dem  Verf.  aus  Archiven  geschöpften   Nachrichten  mit  Berosus  und  den 
israelitischen,  phoenicischen  und  aegyptischen  Annalen  werden  als  fest- 
stehende Thatsachen   gewonnen:  die  Herschaft  Babylons  ist  die  älteste 
und  diejenige,    gegen  welche   die  Hyksos  ihre   Grenzen    vertheidigten. 
Dann  erhob  sich  Assyrien  unter  Semiramis,   der  ein  historischer  Grund 
nicht  fehlt,   und    1273  fiel  Babylon  unter  dessen  Herschaft     520  Jahre 
dauerte   diese  Herschaft  über  Asien.     753  machten  sich  die  Meder  und 
747  Babylon  frei,  aber  Ninive  blieb  noch  mächtig,  ja  713  ward  Babylon 
von  Sanherib  wieder  erobert.    Aber  um  705)  befestigte  Dejoces  die  Selb- 
ständigkeit der  Meder.    Ninive  unter  seinem  letzten  König  Sardanapal 
widersteht  den  AngrifTen  der  Meder,  mufs  sich  aber  den  Scythen  erge- 
ben und  unterliegt  nach  deren  Vertreibung  000  den  vereinigten  Königen 
Nabopalassar  von  Babylon  und  Cyaxares  von  Medien.     Von  den  aufge- 
fundenen Werken  der  Kunstthätigkeit  scheint  die  Hoffnung  auf  Auvful- 
lung  zu  leuchten),  —  Anzeigen.    Frdr.  Diez:  Etymologisches  Wörter- 


Auszüge  aus  Zeitschriften.  55S 

buch  der  romanischen  Sprachen.  Von  Blanc  (S.  138  —  142:  unter  Mit^ 
iheilung  einiger  abweichenden  Ansichten  wird  die  hohe  Bedeutsamkeit 
des  Werkes  henrorgehoben).  —  E.  Ruth:  Studien  über  Dante  Allighieri. 
Von  dems.  (S.  143  — 148:  Kenntnisse  und  manche  gute  Ansichten  wer* 
den  anerkannt  y  aber  das  Resultat  und  die  Anwendung  desselben  auf 
die  Dichtung  entschieden  gemisbiliigt). —  Frz.  Loeher:  General  Spork. 
Von  Theod.  Benfey  (S.  149  —  151:  dies  epische  Gedicht  wird  sehr 
gelobt). —  Michelsen:  die  Hausmarke.  Von  K.  M(nellenhoff)  (S. 
151  f.:  wenn  auch  gegen  einzelnes  Bedenken  geäufsert  werden ,  so  wird 
doch  die  Abhandlung  als  wichtig  und  höchst  anregend  empfohlen). 

Märzheft  C.  Hegel:  kritische  Beitrage  zur  Geschichte  der  deut- 
schen Stadteyerfalsung.  Ir  Artikel  (S.  154  —  185.  Arnold:  Verfa- 
fsungsgeschichte  der  deutschen  Freistadte  im  Anschlufs  an  .  die  Verfa- 
fsungsgeschichte  der  Stadt  Worms.  Ir  Bd.  wird  zwar  rücksichtlich  des 
wifsenschaftlichen  Strebens  und  vielfach  gebotener  Anregung  anerkannt, 
aber  die  Resultate  werden  nicht  als  solche  bezeichnet,  auf  welchen  die 
Wifsenschaft  sicher  weiter  bauen  konnte.  Eingehende  Erörterungen 
über  den  BegriiT  der  Freistädte,  über  die  bischöfliche  Gewalt  und  das 
Burggrafenamt,  über  die  Standesverhältnisse  und  das  Hervorgehen  eines 
Bürgerstandes  aus  ihnen,  endlich  über  die  Errichtung  eines  Stadtraths, 
welche  auch  für  Worms  nicht  vor  Ende  des  12n  Jahrhunderts  bestimmt 
wird).  —  K.  Müllenhof f:  über  den  Bau  der  Elegien  des  Properz 
(S.  180  —  201:  nach  einer  höchst  anerkennenden  Würdigung  der  von 
M.  Haupt  (Lpz.  bei  Hirzel)  besorgten  Ausgabe  theilt  der  Verf.  die  Ent- 
deckung mit^  dafs  jede  Elegie  ein  besonderes  System  strophischer  Sätze 
enthalte,  deren  Schema  und  Verhältnis  jedesmal  die  unbefangene  Be- 
trachtung der  Abschnitte  des  Sinnes  ergebe,  und  geht,  dies  nachzuwei- 
sen ,  die  20  ersten  Elegien  des  ersten  Buches  durciL  Gelegentlich  werden 
einige  kritische  Bemerkungen  gemacht,  namentlich  in  der  8n  Elegie  die 
auch  von  Haupt  angenommene  Umstellung  der  Verse  13/14  und  15/10  zu- 
rückgewiesen). —  A.  V.  Reumont:  Magliabecchi ,  Muratori  und  Leibnitz 
(S.  202  —  230:  sehr  interessante,  auch  für  die  Geschichte  Toscanas, 
Modenas  und  des  Hauses  Hannover  nicht  unwichtige  Darstellung  der 
Beziehungen,  in  welche  der  grofse  Leibnitz  bei  seinen  Forschungen 
über  die  Genealogie  der  Häuser  Este  und  Weif  zu  Italien,  namentlich 
den  Gelehrten ,  deren  Lebensverhältnisse  und  Verdienste  recht  anschaulich 
gemacht  werden,  f^etreten  sei.  Im  Anhange  werden  vier  noch  ungedruckte 
Briefe  von  Leibnitz  an  Guido  Grandi  (f  1742)  mit^etheilt,  welche  für 
die  Geschichte  der  Mathematik  manches  Material  bieten.  Ganz  unbe- 
deutend ist  der  an  den  Canonicus  Palmieri).  —  E.  Pflüger:  über 
den  Sitz  der  Seele  (S.  203  —  231). 

Aprilheft  O.  Jahn:  Goethe  in  Strafsburg  und  Wetzlar  (S.  247 
—  54:  Mittheilung  eines  noch  ungedruckten  in  Strafsburg  geschriebenen 
Aufsatzes  '  zum  Shakespeares  Tag ',  eines  Urtheils  über  Goethe  während 
seines  Aufenthalts  in  Wetzlar  und  eines  allerdings  in  einem  Verse  cor- 
rnpten  Gedichtes).  —  G.  Waitz:  zur  deutschen  Verfafsungsgeschichte 
jS^  255  —  75.  P'ortsetzung  vom  Februarheft  S.  100 — II ß.  2.  Die  Dörfer 
und  Marken  unter  Berücksichtigung  von  C.  Stüve:  Wesen  und  Ver- 
fafsung  der  Landgemeinden  und  des  ländlichen  Grundbesitzes  in  Nieder- 
sachsen und  Westphalen:  die  bei  der  Mark  stattfindende  Feldgemein- 
schaft habe  nicht  eine  so  weite  Bedeutung  gehabt,  wie  Maurer  ihr  vio- 
didere,  namentlich  sei  die  immunitat  nicht  die  Freiheit  von  ihr;  sie  habe 
auch  bestanden,  wo  es  keine  eigentlichen  Dörfer  gegeben,  aber  dafs 
es  gar  keine  Einzelnhöfe  ohne  genofsenschaftliches  Band  gegeben, 
lafse  sich  durch  keine  Beispiele  belegen;  die  Mark  habe  nur  einen  rein 
örtlichen  Besitz,  Gau  eine  auf  Gliederung  des  Volkes  in  Völkerschaften 
beruhende,  also  politische  Abtheilung  bezeichnet;   es  sei  oft  eine  Mark 

ff.  Jakrb.f,  PkU,  u.  Paed.  Bd,  LXX.  Hß.  4  u.  5.  36 


554  Auszöge  aus  Zeitschriften. 

in  mehrere  selbständige  Markp;rineinden  getheilt  worden,  aber  Landaus 
Behauptung,  dafs  spater  die  Dorfgemeinde  Cent,  der  Cent  Gau  gewor- 
den und  der  Gau  sich  in  mehrere  Gaue  geschieden  habe,  sei  unbegrün- 
det; Tun  einem  eigentlichen  Gerichte  eines  Dorfvorsteliers  ünde  sich 
keine  Spur,  nur  eine  Art  schiedsrichterlicher  Befugnis,  womit  >Tohl 
polizeiliche  und  Strafgewalt  in  Marksachen  yerbunden  gewesen  sein 
werde ;  die  Gesammtbürgschaft  habe  nicht  stattgefunden ;  dafs  später 
zahlreiche  Dörfer  von  Yomherein  auf  herschaftlichem  Grunde  und  Boden 
für  Hörige  angelegt  worden  seien,  unterliege  Bedenken;  die  Verbin- 
dungen der  alten  Deutschen,  welche  mit  den  Römern  Kriege  geführt, 
die  eivitatea  des  Tacitus  mit  ihren  conciUis,  haben  mit  den  wahren  Dorf- 
marken nichts  gemein.  3.  Adel,  Fürsten  und  Könige  unter  Rücksicht 
auf  Watterich:  de  veterum  Germanorum  nobüitate:  Vertheidigung  der 
schon  früher  aufgestellten  Ansicht,  dafs  bei  den  alten  Deutschen  ein  Adel 
als  erblicher  Stand  vorhanden,  seine  Bedeutung  aber  allerdings  nur  eine 
historische  gewesen  sei;  Begründung  dafür,  dafs  der  Unterschied  zwi* 
sehen  der  Stellung  eines  Königs  und  der  eines  Princeps  in  der  Ausdehnung 
der  Gewalt  über  eine  ganze  Völkerschaft  zu  finden  und  dafs  nur  der 
König,  wo  es  einen  solchen  gab,  berechtigt  gewesen  sei,  ein  Gefolge 
zu  halten.  Es  wird  dabei  vielfach  Tacitns  Germania  berücksichtigt  und 
die  Auslegung,  welche  Watterich  den  einschlägigen  Stellen  derselben 
gibt,  entschieden  gemisbilligt).  —  Fichte:  Traum,  Ahnung,  Vision 
und  die  damit  zusammenhängenden  Naturerscheinungen  (S.  21i) — 290). 
—  Frenze  1:  zur  Kritik  mittelalterlicher  Geschichlsch reiber.  Ramon 
Muntaner  (  S.  291  —  30S:  eingehende  Lebensbeschreibung  und  Cha- 
rakteristik. Darstellung  seines  innigen  Glaubens  und  seiner  Frömmig- 
keit, seiner  treuen  Ergebenheit  gegen  das  aragone-sische  Fürstenhaus, 
welche  ihn  zu  verschweigen  veranlafste,  was  ein  übles  Licht  auf  das- 
selbe geworfen  liätt^?,  seines  überaus  rechtlichen  Sinnes,  seiner  Gerech- 
tigkeit liebenden  Anerkennung  selbst  von  Feinden.  Dabei  auch  Schil- 
derung der  Almugnvaren,  zu  denen  er  selbst  gehört.  Rücksichtlicli 
der  Glaub\%ür<Iigkeit  werden  die  grofsen  Mängel  in  dem  Zeiträume  von 
1207  —  l'M)\  zugegeben  (dabei  die  Chronologie  der  Feldzfige  der  Cata- 
lonen  im  byz.  Reiche  festgestellt),  obgleich  die  Benutzung  schriftlicher 
Quellen  nachgewiesen  und  in  der  sicilischen  Vesper  seine  Uebereinstim- 
mung  mit  der  ghiubnürdigsten  Ueberliefening,  wonach  wohl  eine  Rü- 
stung Pwlros,  nicht  aber  eine  vorbereitete  Verschwörung  und  erst  ein 
allmähliches  Obsiegen  der  aragonesischen  Partei  bei  grofser  Bedrängnis 
stattgefunden .,  anerkannt  wird.  Dagegen  erhellt  in  dem  übrigen  l'heile 
seine  Glaubwürdigkeit  durch  eine  Zusaiumenstelliing  mit  anderen  Schrift- 
stellern, wobei  auf  einen  noch  ungedruckten  Originalbericht  Berengara 
il'Enten^e  im  Archiv  von  Barcellona  aufmerksam  gemacht  wird,  ein 
treffliches  Zeugnis.  Seinen  Geist  charakterisiert  der  \erf.  im  allgemeinen 
als  die  Mitte  haltend  zwischen  den  in  den  Ideen  des  Adels  lebenden 
französischen  Geschichtschreibem  und  den  in  dem  Kreise  des  Bürger- 
thums  sich  bewegenden  italienischen;  er  erkenne,  dafs  eine  wahre  Ge- 
schichte die  des  ganzen  Volkes  sei,  und  stehe  zwar  rücksichtlich  der 
Tiefe  der  Weltanschauung  und  reiner  Form  unter  Dino  Compagni,  aber 
sonst  noch  über  Froissart,  indem  er  seinen  Stoff  mit  Bc\>ustsein  xnr 
Verklarung  allgemeiner  Gedanken  gemacht  habe).  —  Knies:  über  die 
Wirkungen  der  Eisenbahnen  auf  die  Pflege  der  Wlfsenschaft  in  unserer 
Zeit  (S.  309  —  323:  indem  als  allgemeingiltige  und  zugleich  speciflsche 
Charakterzüge  für  die  Betreibung  der  Wirsenschaflten  in  unserer  Zeit  das 
entscheidende  Gewicht,  welches  auf  die  gegen  jeden  Zweifel  sicher  so 
stellenden  Thatsachen  gelegt  wird,  und  die  Einführung  einer  weit  vor- 
geschrittenen l^heilung  der  Arbeit  aufgezeigt  werden,  erhalt  der  Natien, 
welchen  die  Verkehrserleichterung  für  beides  bietet,  Darstellung). 


Auszüge  aus  Zeitochrifkeii.  555 

Maiheft.    Briefe  toii  Leonhard  Enler  und  von  Jo.  Alb.  Ea- 
Icr  an  Wenz.  Jo.  Gust.  Karsten  aua  den  Jahren  1758  —  17Ö6,  mit- 

Sctheilt  iron  G.  Karsten  in  Kiel  (S.  325 --349).  —  K.  W.  Nitzsch: 
er   holsteinische   Adel  im  12n  Jalurhundert  (S.  350  —  381:  nach  einer 
wahren  Würdigang  der  Verdienste  Falcks  und  Waitzs  um  die  holstei- 
nische  Geschichte     und   Abweisung  der  yon  Zimnermann:    das    wahn 
Rechtsrerhaltnis  der  Herzogthumer  Schleswig  und  Holstein ,    aufgestell- 
ten Ansichten,  erörtert  der  Verf.^  hauptsächlich  mit  einer  Interpretation 
Helmolds  beschäfti«^,  dafs  in  Holstein  und  Dithmarschen  vor  1148,  bis 
wohin   die  alte  Zeit  reicht,  die  Grenzdistricte  von  einem  kriegerischen 
Adel  bewohnt  waren,   dafs  das  Volk  mit   dem  Grafen   in  Holstein  in 
gemeiner  Versammlung  über  gewisse  Grenzdistricte,  *^ Gemeine  Marschen  % 
verfugt  hat  und  die  Landesrichter  in  corpore  zu  einem  dieser  Beschlufse 
ihre  Zustimmung  ertheilt  haben;   dafs  also  hier  die  Landesrichter  und 
der  kriegerische  Adel   identisch  erscheinen,    wahrend  in   Dithmarschen 
neben   den  Ethelingen  und   dem   Volke  noch  eine  besonder«,  mit  dem 
Adel   nicht   zusammenfallende  Behörde '  bestand.     Unter  Konig  Lothar 
entstanden  in  der  gemeinen  Marsch  zwischen  Dithmarschens  und  Hol- 
steins Grenze    klosterliche    Colonien,    in    Slarien    dagegen    kamen    die 
Tribute  den  Fürsten  nur  zu  gute  und  wurden  die  Streifereien  gehemmt. 
Ein   Umsturz   ward  durch  <lie  Vehde   des   Weifischen   und   Staufischen 
Hauses  herbeigeführt.     Die  Stellung   des  Grafen  und  des  zugleich  rich- 
terlichen  und   kriegerischen  Hauptes  des  Gaus  wird  auf  die  angelsäch- 
sische  Verfafsung,  wo   ebenso    ein   gerefa  und    ein    ealdonnan    neben- 
einander stehen,   zurückgeführt;    aber  yor  dem  Auftreten  der  Schauen- 
burger  ist  die  Grafengewalt  in  Holstein   nicht  erkenntlich.     Ausführlich 
weHen  sodann  die  Colonisationen  durch  Adolf  II.  und  die  Uebersiede- 
lung   des  Adels  nach  Bomhövede   unter  Marcrad,  die  Störungen  durch 
Niklots  Zug,  die  Verhältnisse  nach  dem  Kreuzzuge  y.  1148  f. ,  die  Wieder- 
ordnung  der  Verfafsung,    die  Thinge    und  der  Unterschied   zwischen 
Holstenrecht  und  Hülsten  landrecht  erörtert,  in  der  Kürze  die  Weiter- 
entwicklung bis  zur  Schlacht  bei  Bornhoyede  angedeutet).  —  Herzog: 
zur  Geschichte    des   Christenthums   in    der  alten  Welt  in  Anschlufs  an 
Schmidt:  essai   historic|Ue   sur  la  soci^t^  ciyile  dans  le  monde  romain 
et  sur  sa  transformation  par  le  christianisme  (  S.  382  —  302 :  eingehende 
Würdigung  des  yom  Institut  zu  Paris  mit  dem  Preise   gekrönten,   auf 
tiefen  Studien  beruhenden  und  über  yiete  Litteratur-  und  Lebenserschei- 
nungen  der  romischen   Kaiserzeit  ein   neues  Licht  y erbreitenden,  oder 
doch   zu  den   wichtigsten   Fragen  anregenden   Buches).  —    Fick:   die 
physikalische  Schule  in  der  Botanik.     Beurtheilung  yon  K.  Naegelit 
systematische  Uebersicht  der  Erscheinungen  im  Pflanzenreich  (S.  393»— 
308).  —   Schleicher:  über  böhmische  Personennamen  (S.  390  —  404: 
Mittheilung  einer  Reihe  yon   Personennamen  der  jetzigen  Generation, 
um    darzuuinn,    dafs  auch  hierin    der   eigenthümliche    Sug   der   slawi- 
schen   Sprachen,    die   klare    etymologische   Verständlichkeit,  sich  finde, 
zugleich  Ankündigung  einer  später  zu  yollendenden  ausführlichen  Arbeit 
darüber.) 

Juniheft.  Droysen:  zur  Geschichte  der  deutschen  Partei  in  Deutsch- 
land, in  Beziehung  auf  L.  Häufser:  deutsche  Geschichte  yom  Tode 
Friedrichs  des  Grofsen  bis  zur  Gründung  des  deutschen  Bundes.  Ir  TU. 
(S.  405  —  27 :  zum  Theil  auf  bisher  unbenutzte  Actenstucke  gegründete 
Darstellung  des  Fürstenbundes,  der  dem  Abschlufs  yorangegangenen 
Vorbereitungen  und  der  Ursachen  zum  Scheitern  der  dabei  heryorgetre- 
tenen  Ideen.  Gegen  Häufser  werden  namentlich  die  Rollen,  welche 
Kari  August  yon  Weimar,  Ernst  yon  Gotha,  Franz  yon  Deesau,  Karl 
1<Viedrich  yon  Baden ,  der  Herzog  yon  Braunschweig,  der  Freiherr  yon 
Hardenberg  und  Karl  Theodor  yon  Dalberg  dabei  spielten,  heryorgeho- 

36* 


556  Aaszage  aus  Zeitschriften. 

ben  um  nachzuweisen,  dafs  die  sich  dabei  geltend  machenden  Forde- 
rungen für  eine  weitere  Ausbildung  des  Bandes  nicht  blofs  patriotische 
Phantasien  einzelner  waren,  Tielmehr  Job.  v.  Mueller  als  Organ  der 
weiterstrebenden  Partei  gelten  niüfse).  —  O.  Jahn:  die  Bildnisse  Win- 
ckelmanns  (S.  428  —  37:  Nachweis,  dafs  das  Oelgemälde  von  Maron 
nicht  geringere  Beachtung  verdiene,  als  die  von  Mengs  und  Angelika 
Kauffmann,  dafs  aber,  wenn  man  in  keinem  den  Charakter  vollkonunen 
ausgedruckt  finde,  dies  nach  dem,  was  wir  von  Winckelmanns  körper- 
licher Persönlichkeit  wifsen,  nicht  auffallen  dürfe).  —  Ulrici:  Ueber- 
sicht  der  neueren  Shakspeare  -  Litteratur  (S.  438  —  59:  Darstellung  des 
über  Shakespeares  Text  ausgebrochenen  Streits  unter  Beurtheilung  fol- 
gender Schriften:  J.  Payne  Collier:  Notes  and  Emendations  to  the 
text  of  Shakespeare's  Plays.  Singer:  the  text  of  Shakespeare  from  the 
Interpolations  and  Corruptions  advocated  by  J.  P.  Collier.  H all i Tel: 
Observations  on  some  of  the  manuscript  Emendations  of  the  text  of 
Shakespeare.  Grimaldi:  the  Grimaldi  Shakespeare.  Dyce:  a  few 
notes  on  Shakespeare.  Trese:  Ergänzungsband  zu  allen  englischen 
Ausgaben  und  der  Schlegel -Tieckschen  Uebersetzung  von  Shakespeares 
dramatischen  Werken.  F.  A.  Leo:  Beiträge  und  Verbefserungen  zu 
Shakespeares  Dramen.  The  complete  works  of  W.  Shakespeare.  Lpz. 
Baumgärtner  1853.  Herrig:  Sammlung  englischer  Schriftsteller,  li^ 
3s  u.  4s  Bdchen.  Delius:  J.  Payne  Colliers  alte  handschriftlichen 
Emendationen  zum  Shakspere.  Desselben  Shakspere-Lexicon ,  der  My- 
thus Yon  W.  Shakspere  und  über  das  englische  Theaterwesen  zu  Shak- 
speres  Zeit.  Kugler:  Shakespeares  Bühne  und  Kunstform).  —  Kr«. 
Pfeiffer:  Deutsche  Lexicographie.  MittelhochdeuUches  Wörterbuch 
mit  Benutzung  des  Nachlafses  von  Benecke  ausgearbeitet  von  W. 
Müller  (S.  400  —  71:  unter  grÖfster  Anerkennung,  namentlich  auch 
von  Müllers  Arbeit,  werden  die  etymologische  Ordnung  und  die  Auf- 
führung der  Verben  nach  dem  Praesens  als  Mängel  bezeichnet,  an  einigen 
Beispielen  die  Möglichkeit  einer  Vervollständigung  gezeigt  und  zu  eini- 
gen Worten  Bemerkungen  mitgetheilt,  das  Buch  selbst  aber  für  ein 
ganz  bedeutendes  und  unentbehrliches  Werk  für  die  deutsche  Sprach- 
forschung mit  Freuden  begrüfst).  —  V.  Quandt:  Anzeige  von  Ott«: 
Handbuch  der  kirchlichen  Kunstarchaeologie  des  deutschen  Mittelalters 
(  S.  472  —  70). 

Juliheft.  Lobe  11:  zur  Geschichte  der  französischen  Revolution, 
ihrer  Geschichtschreibung  und  Beurtheilung.  Ir  Artikel  (S.  477  —  508: 
nach  einer  Einleitung,  worin  die  Ursachen,  warum  die  französische 
Revolution  so  verschiedenartige  Darstellung  gefunden,  durch  Beantwor- 
tung der  Fra<i(en:  wie  weit  kann  historische  Gewisheit  erreicht  wer- 
den und  wie  verhält  sich  die  Objectivität  zur  moralischen  subjectiven 
Ueberzeugung,  erörtert  werden,  und  nachdem  an  den  vor  1830  erschie- 
nenen Werken  von  Mignet  und  Thiers,  an  dem  sehr  gerühmten  von 
Joseph  Droz,  hauptsächlich  aber  an  Lamartines  Geschiente  der  Giron- 
disten, deren  schlimme  Seiten  mit  schonungsloser,  aber  gerechter  Kritik 
dargelegt  werden  —  Buchez  und  Roux,  Blanc,  Michelet  werden  als 
weniger  einflufsreich  kürzer  berührt  —  gezeigt  ist,  wie  die  politischen 
Absichten  auf  die  Darstellung  bei  den  Franzosen  eingewirkt  haben,  be- 
spricht der  Verf.  die  Histoire  de  la  Convention  nationale  von  Barante, 
welche  unter  Anführung  von  Vitets  Urtheil  als  in  jeder  Hinsicht  Epoche 
machend  anerkannt  wird,  Les  Constituantes  von  Lamartine,  an  wel- 
chem Werke  dieselben  üblen  Seiten  wie  an  der  Geschichte  «er  Giron- 
disten wieder  erkannt  werden,  endlich  H.  v.  Sybels  Geschichte  der 
Revolutionszeit  von  1789  —  95.  IrBd. ,  dem  die  gründlichste  und  ge- 
schickteste kritische  Quellenforschang  und  tiefste  und  allseitigste  Auf- 
fafsttng  des  thatsachlichen  nachgerühmt  werden).  —  M.  Unger:  aber 


Auszüge  aus  ZeitscIiriflcD.  557 

Guhls  Kuiifiilerbriefe  (S.  500  —  520:  Dariegung  des  yon  Guhl  ans 
Handschriften  gewonnenen,  unter  Anknüpfung  einiger  knnstgeschicht- 
llchen  Betrachtungen).  —  Pro  hie:  über  die  Sage  und  das  Märchen 
und  ihre  Benutzung  in  deutschen  Dichtungen,  insbesondere  6.  A.  Bür- 
gers (S.  521  —  547:  I.  der  Unterschied  zwischen  Sage  und  Märchen 
erhält  Bestimmung,  indem  dem  letzteren  eine  kunstvollere  Gestaltung, 
die  der  Sage  mangele,  beigelegt  wird.  Sodann  wird  die  Verbreitung, 
welche  die  Märchen  durch  die  Handelsreisen  gefunden,  und  namentlich 
der  Einflufs,  den  italienische  und  orientalische  in  Deutschland  geübt, 
und  die  Umgestaltung,  welche  sie  hier  erhalten,  durch  Beispiele  nach-, 
gewiesen.  li.  Es  werden  die  Quellen,  welche  Bürger  bei  seiner  Leonore 
benutzt,  das  Anschliefsen  der  Idee  an  den  Volksglauben,  dafs  übermä> 
fsiges  Klagen  die  Ruhe  der  Todten  störe,  welchen  übrigens  Bürger 
durch  einen  ethischen  Grund  verändert,  und  die  Anklänge  an  Sagen 
und  Volkslieder,  die  sich  bei  ihm  finden,  zusammengestellt.  Von  dem 
Liede,  welches  den  Dichter  zur  Abfafsung  vcranlafst,  werden  nur  einige 
wenige  Bruchstücke  nacligewiesen.  HJ.  Wie  an  der  Leonore  wird  am 
wilden  Jäger,  des  Pfarrers  Tochter  von  Taubenhain  (freilich  hier  nicht 
Sagen),  dem  Raubgrafen  nachgewiesen,  dafs  Bürger  nicht  eine  ein- 
zelne Quelle  benutzte,  sondern  aus  mehreren  zu  gestalten  pflegte.  Auch 
für  andere  Gedichte,  namentlich  den  Abt  von  St.  Gallen  und  ähnliche 
Dichtungen,  erscheinen  die  Quellen  zusammengestellt  unter  steter  Be- 
rücksichtigung der  Stellen,  wo  er  das  poetisch  schöne  minder  erreicht. 
IV.  Bürger  sei  bei  allen  seinen  Schwächen,  unter  denen  namentlich 
das  die  Form  sehr  ben achtheiligende  Haschen  nach  Popularität  hervor- 
gehoben wird,  dem  Wesen  der  Balla<le*,  das  nach  Echtermeyer  bestimmt 
wird,  viel  tiefer  auf  den  Grund  gekommen  als  Goethe).  —  Rofs:  Mit- 
theilung  eines  Artikels  aus  dem  Spectateur  de  TOrient  von  P.  (Papari- 
gopulos)  über  v.  Hahns  Albanesische  Studien  (S.  548  —  550:  der  Ar- 
tikel zeigt  von  grofser  Vertrautheit  mit  der  byzantinischen  Geschichte 
und  enthält  viel  interessantes,  indes  ist  er  zu  sehr  von  einseitigem 
griechisch -nationalem  Standpunkte  aus  geschrieben). 

Augustheft.  Pauli:  die  ältesten  Beziehungen  des  Hauses  Habs- 
burg zu  England  ( S.  501  —  572:  zum  Theil  aus  bisher  noch  unzugäng- 
lichen englipchen  Quellen  geschöpfte,  manches  in  den  bisherigen  Ge- 
schichtswerken berichtigende  Darstellung  des  Verkehrs,  in  welchen  Ru- 
dolf I.  von  Habsburg,  trotz  der  Verbindung  mit  Castilien,  mit  Eduard  I. 
wegen  der  Vermählung  seines  Sohnes  Hartmann  mit  der  Prinzessin 
Johanna  trat,  sowie  auch  anderer  Verbindungen,  namentlich  rücksicht- 
lich der  Hanse;  am  Schlufse  Erwälinung  des  engem  Verkehrs,  welchen 
in  derselben  Zeit  England  mit  den  deutschen  Rittern  in  Preufsen  an- 
knüpfte). —  Frenze!:  zur  Kritik  mittelalterlicher  Geschichtschreiber. 
Bartoiomeo  de  Neocastro  und  Nicolaus  Speciale  (S.  573  — 
580.  Vgl.  Aprilheft  S.  201  —308.  Eingehende  Charakteristik  der  beiden 
der  epischen  Dichtung  sich  nähernden  Chronisten  und  Darlegung  der 
Ausbeute,  welche  die  historische  Erforschung  des  thatsächlichen  aus 
ihnen  gewinnt).  —  Planck:  über  die  Bedeutung  Hesiods  (S.  500  — 
628:  die  hesiodische  Poesie  bezeichne  den  ersten  und  entscheidenden 
Anbruch  der  bürgerlich  historischen  Zeit  des  hellenischen  Geistes  im 
Gegensatz  gegen  die  heroisch  mythische;  dieser  Anbruch  empfinde,  ob- 
gleich bestimmt  und  bewust  er  sich  der  friedlich  bürgerlichen  Aufgabe 
zuwende,  doch  neu  an  dieselbe  herantretend,  in  scharf  nüchterner, 
mit  ihr  entzweiter  (^orm  die  unfrei  bindende  Naturseite  an  ihr,  die  in 
ihr  liegende  Bedürftigkeit  und  Mühsal  des  menschlichen  Daseins,  sowie 
die  ganze  UnvoUkommenheit  dieses  Anfangs  des  bürgerlichen  Lebens. 
Die  einzelnen  daraus  fliefsenden  Züge:  die  Weltalter,  namentlich  die 
Aaffafsung  des  letzten ,  der  Prometheusmythus,  die  Stellung  de«  Weibes, 


558  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

die  Beziehung  zur  OedipuBsage,  die  Daemonologie  u.  s.  w.  finden  ans* 
fiihrliche  Ejrorterung.  Bernhardys  Ansicht  von  dem  Dorischen  in  Hesiod 
wird  mehrmals  bekämpft  und  die  Stelle  "Eqy.  503  —  535  als  dem  hesiodi- 
sehen  Geist  entsprechend  in  Schutz  genommen).  —  Brugsch:  über 
die  aegyptischen  Benennungen  für  Sindon  und  Byssus  (S.  G29  —  036: 
gegen  U.  Ritter:  über  die  geographische  Verbreitung  der  Baumwolle, 
wird  nachgewiesen  dafs  die  Wurzeln  der  Namen  in  den  altaegyptischen 
Worten  sehint  und  pech  zu  suchen  seien.  Am  Schlufse  wird  noch  an 
einigen  anderen  Beispielen  gezeigt,  dafs  das  alte  Aegypten  als  ein 
Brennpunkt  der  Caltur  mit  dieser  selbst  auch  sprachliche  Bezeichnungen 
verbreitete). 

Septemberheft.  Glaser:  wer  ist  der  eigentliche  Begründer  der 
modernen  Wirthschaftslehre ?  (S.  037  —  644).—  Ferd.  Gregorovius: 
die  Grabmäier  der  Päpste  (S.  645  —  684 :  indem  die  Grabmonumente  der 
Päpste  in  Rom  nachgewiesen  und  geschildert  werden,  erhält  die  Geschichte 
derselben,  namentlich  des  Yon  ihnen  geübten  persönlichen  Einflufse«, 
neben  der  Kunstgesctiichte  Beleuchtung.)  —  B  lanc:  zur  Dante-Litterator 
(S.  685  —  695:  derbe  und  entschiedene  Abfertigung  von  E.  Aroux: 
Dante  h^r^tique,  r^volutionnaire  et  socialiste).  —  K.  Hegel:  kritische 
Beitrage  zur  Geschichte  der  deutschen  Städteverfafsung.  2r  Artikel 
(S.  696—711,  s.  Märzheft  S.  154  —  185.  1.  Die  Stelle  des  OdUo  bei 
Pertz  Mon.  Germ.  IV  p.  641,  auf  welche  man  den  Zusammenhang  der 
deutschen  Städteverfafsung  mit  der  altromischen  gegründet  hat,  erhalt 
unter  Berücksichtigung  der  die  Geschichte  constatierenden  Urkunden  und 
des  in  jener  Zeit  herschenden  Sprachgebrauchs  die  Deutung,  dafs  urh9 
nur  einen  befestigten  Platz,  liberlat  Romana  aber  das  Schutzverhältnie 
unter  dem  romischen  Stuhle  bezeichne.  —  2.  Nachdem  nachgewiesen  ist, 
dafs  der  Titel  con$ul  für  die  Stadtobrigkeiten  erst  in  der  Mitte  des 
12n  Jahrhunderts  in  Italien  sich  findet  und  von  dort  nach  Deutschland 
übertragen  wurde,  daher  er  auch  gerade  bei  den  jüngsten  Städten  am  früh- 
sten vorkomme  (Soest,  Medebach,  Lübeck),  wird  durch  ausführliche  Er- 
läuterung der  Stiftungsurkunde,  welche  als  Beweis  dafür  angeführt  wird, 
gezeigt,  dafs  es  im  Jahre  1120  zu  Freiburg  im  Breisgan  noch  keine 
Stadtconsuln  gegeben  habe).  R,  Dietseh, 


Schul-  und  Personalnachrichten,  statistische  Mittheilungen, 
litterarische  und  antiquarische  Miscellen. 

Altenburg.  Zum  Lehrer  am  dortigen  Friedrichs-Gymnasinm  ist 
Dr.  Chr.  Fr.  Sehrwald  aus  Jena  ernannt  worden. 

Aschaffenburg.  Auf  die  erledigte  Lehrstelle  der  2n  Classe  der 
dortigen  Lateinschule  wurde  der  bisherige  Studienlehrer  zu  Miltenberg 
Priester  Job.  Andr.  Vatter  versetzt. 

KÖNIGREICH  Batern.  Als  Ergänzung  zu  der  revidierten  Studienord- 
nung ($.  25)  ist  jetzt  das  Verzeichnis  der  zum  Gebrauch  erlaubten  Lehr- 
bücher erschienen.  1)  Lehrbücher  für  den  Religionsunterricht:  die 
bisher  von  beiden  Confessionen  gebrauchten.  2)  für  den  Unterricht  in  der 
lateinischen  Sprache:  a)  Grammatiken:  die  von  Feldbausch,  Mad- 
vig,  Mutzl,  Pntscne,  Siberti-Meiring^  Zumpt  (Auszug  und  groisere); 
b)  Lesebücher  und  sonstige  Hilfsmittel  für  den  Anfangs- 
unterricht: die  Lesebücher  von  Döring  und  Jacobs,  Eliendt,  SchSo- 
born;  das  Vocabolarinm  von  Doderlein,  Herolds  Vademecum  für  La- 


Schul-  und  Personal iiaclirichlen,  sUlistiäclie  Mittiieiluiigeu  u.  s.  w.  359 

teinlernende,  Hillers  Uebersichtstobellen  der  deuUclien  und  lateinisclien 
Spruche;   c)    Uebersetzuiigsbiicher:  die  von  Bombard,    Düunebier, 
Engliiiuiui,  Feldbausch,  Gröbel,  Haug,  J.  L.  Hofmann,  Holzer,    Krebs 
(Anleitung  zuni   Lateinschreiben),    Nägelsbach,   Se^fTert    (Uebungsbuch 
für  Secunda),  Siiüfle,   Teipel;    d)  Anthologien    und    Chrestoma- 
thien: die  von  li  eidbausch  (Ovids  Metamorphosen  nach  Vofs*  Auswahl), 
Fr.  Franke,    Ferd.   Ranke.      3)   für  den   Unterricht  in   der  griechi- 
schen  Sprache:  a)    Grammatiken:    Buttmanns    mittlere   und  Rosts 
Schulgrammutik;  b)  Lesebücher:  die  von  Halm  und  Jacobs;   c)  Ue- 
bersetzungsbücher:   die  von  Halm   und    Rost-Wüstemann.     4)   für 
den  Unterricht  in   der  deutschen   Sprache:   a)  Grammatiken:  die 
von  Becker  (Leitfaden  und  Schulgrammatik),  Gotzinger  (Anfangsgründe 
und  Sprachlehre  für  Schulen),  Heyse   (Leitfaden  und   Schulgrammatik), 
Kehrein  (Ueberblick  der  deutschen   Grammatik),  Weyh;   b)   Lesebu- 
cher: die  von  Bach,  Kehrein,  Phil.  Wackernagel  und  die  deutsche  Mu- 
stersammlung (von  Döderlein,   2  Thle,  München  im  Schulbücherverlag); 
c)  Lehrbücher  für  Poetik  und  Rhetorik:  Eschenburgs  Theorie,  Gofs- 
manns  Verslehre  nach  Emmerig  le  Abth.,  Richters  und  Schmeifsers  Lehrb. 
der  Rhetorik,  Uscholds  Lehrb.  der  Poetik.     3)  Lehrbücher  der  Litte- 
rat Urgeschichte:  die  von  Hamberger,  Hüppe,  Pischon,  Pütz,  Schä- 
fer (Grundrifs).    5)  für  den  Unterricht  in  der  Arithmetik,   Mathe- 
matik und  Physik:  Endlers  Sammlung  mathematischer  Beispiele,  Kop- 
ges  Leitfaden  für  den  Unterricht  im  Rechnen,  Neubigs  Anleitung  lar 
.echenkunst,  Lehrbuch  der  Arithmetik  von  Weigl  und  Wandner,  Schwerds 
Rechenbuch  (für  die  Studienanstalten  der  Pfalz),   Brettners  Lehrbuch 
der   Geometrie,    Koppes  Anfangsgründe    der  reinen  Mathematik,  Phil. 
Kramers   Rlementurmuthematik    für  Gymnasien,    Meyers  Leitfaden    der 
elementaren  Mathematik,  M.  Ohms  Jahrbuch  für  den  mathem.   Elemen- 
tarunterricht, Koppes  Physik,  Raumers  Lehrbuch  der  allgemeinen  Geo- 
graphie.     0)    Geschichte:    a)    allgemeine    und    dentsche   Ge- 
schichte:  a)    für  die    Katholiken   in  den   lateinischen    Schulen: 
Uscholds  Grundrifs  der  allgem.  Geschichte,  Lehrbuch  der  deutschen  Ge- 
schichte von   Milbiller-Uschold ,  Welters   Lehrbuch  der  Weltgesch.   für 
Schulen ;  an  den  Gymnasien :  die  Lehrbücher  der  allgemeinen  Geschichte 
von  Beitelrock,  Pütz,  Uschold,  Weiter;  ß)  für  die  Protestanten  in 
den  latein.  Schulen:  Becks  Leitfaden  und  Lehrbuch  der  allgemeinen  Ge- 
schichte,   Lehrbuch  der   deutschen  Geschichte   von   Dittmar  und  Kuhl- 
rausch; an  den  Gymnasien:  die  Lehrbücher  der  alldem.  Geschichte  von 
Dielitz,  Dietsch,   Dittmar;   b)  bayrische  Geschichte:  die  Lehrbü- 
cher von  Bader,  Böttiger,  Heilmann,  Heinisch,  Snruner.    7) Geogra- 
phie: Arendts  Geographie  von  Bayern,  Burgers  allgem.  Abrifs  der  Erd- 
beschreibung;  die  L^tfoden  und  Lehrbücher  von   Daniel,   Kleinstauber, 
Pütz,    Schacht,    Stein,    Völter,    Volger.      8)    Unterricht    in    der  he- 
braeischen    Sprache     a)    für    Katholiken:    die    Grammatik    von 
Gläser   und    Leseübniigen   von  Rauch,    b)    für    Protestanten:    die 
Grammatik  von  Tbiersch. 

Berlin.  Dem  Index  lectioniim  der  dortigen  Universität  für  das  Win- 
tersemester 1854 — 55  sind  vorausgeschickt:  Emendationea  Propertianae 
vom  Prof.  Dr.  Moriz  Haupt  (14  S.  4).  —  Der  Privatdocent  der  Ge- 
schichte Dr.  Wilhelm  Wattenbacb  ist  zum  Archivar  des  k.  Provin- 
cialarchivs  zu  Breslau,  der  Privatdocent  an  der  Universität  in  Breslau 
Lic.  th.  Dr.  Adolph  Wuttke  zum  aufserordentlichen  Professor  in  der 
theologischen  Facultät  der  Berliner  Universität  ernannt  worden. 

Born.  Dem  Index  schoiarum  für  das  Wintersemester  ist  voransge- 
schicki  eine  Abhandlung  von  Prof.  Dr.  Fr.  Ritschi  (p.  IIT— XIL  4^, 
enth.  Beiträge  zur  lateinischen  Sprachforschung  (über  die  Et^rmologie 
von  nugae  naugac  nogae  und  über  iurigare  und  purigare  mit  Com- 


560  Schul-  und  Personalnachrichten .,  statistische  Hittheilangen, 

positis,  die  nnpranglichen  und  in  der  alten  Latinitat  noch  nachweis- 
baren Formen  von  iurgare  und  purgare).  Zur  Feier  des  15.  October 
von  Seiten  der  Universität  lud  derselbe  ein  durch  folgendes  Programm: 
Poesis  Satumiae  spicilegium  I  fecit  Fr.  Ritseheliu»  (15  S.  4). 

Breslau.  Dem  Index  lectionum  der  Universität  für  das  Winterse- 
mester 1854 — 55  ist  vorausgeschickt:  C.  JB.  Chr,  Schneidert  de  Ro- 
mana  historiaf  quam  scrip$it  Theodorus  MommMen^  admonitio  (p.  3 — 
8.   4). 

Bruchsal.  Prof.  Dr.  Hirt  am  dortigen  Gymnasium  ist  in  den 
Ruhestand  versetzt. 

CiLLi.  Zu  wirklichen  Lehrern  am  dortigen  Gymnasium  sind  ernannt 
der  Supplent  am  Gorzer  Gymnasium  Anton  Tomas  che  k  und  der 
gewesene  Supplent  am  Laibacher  Gymn.  Priester  Johann  Solar. 

CÜSTRiN.  Zum  On  ordentlichen  Lehrer  an  der  combinierten  Raths- 
und  Friedrichsschule  ist  der  Candidat  des  hohem  Schulamts  Dr.  K.  G. 
W.  S  t  e  n  z  e  1  berufen  und  bestätigt. 

Detmold  [s.  Bd.  LXIX  S.  459].  Im  Schuljahre  1853—54  trat  in 
dem  Lehrercoitegium  des  Gymnasium  Leopoidinum  weiter  keine  Ver- 
änderune  ein,  als  dafs  Dr.  Adolph  Dornheim  als  ordentlicher  Leh- 
rer definitiv  angestellt  wurde.  Die  Schulerzahl  betrug  im  Winter  1853 
—A4  107,  im  Sommer  d.  J.  1Ö3  (I:  3,  II:  8,  III:  48,  IV:  37,  V:  30, 
VI:  28),  darunter  36  Realschuler  (II:  3,  III:  33).  Abiturienten  im 
Herbst  d.  J.  2.  Programmabhandlung:  Ueber  die  Komoedie  dc8  Ari- 
gtophaneg:  der  Frieden,  von  Gymn.lärer  W.  Rohdewald  (27  S.  4), 

Dresden.  Nachdem  der  bisherige  Conrector  an  der  dortigen  Kreuz- 
schule  Dr.  Georg  Philipp  Eberhard  Wagner  auf  sein  Ansuchen 
pensioniert  worden,  ist  dem  Coli.  IV  an  derselben  Dr.  Julius  Siliig 
das  erledigte  Conrectorat  übertragen  worden;  der  Coli.  III  Dr.  Bött- 
cher ist  an  seiner  Stelle  geblieben ,  die  übrigen  CoUegen  sind  aufge- 
rückt und  die  erledigte  unterste  Stelle  hatderCand.  theol.  Petsch  er- 
halten. Auf  Veranlafsung  der  Niederlegung  seines  Amtes  hat  Dr.  Wag- 
ner die  am  18.  Mai  1853  zur  Feier  des  königlichen  Geburtsfestes  von 
ihm  gehaltene  Rede  if6er  konigtichen  Sinn  in  Druck  gegeben  (Dresden, 
in  Comm.  bei  F.  C.  Janfsen,  16  S.  8),  um  sie  'seinen  lieben  Schülern 
zu  freundlicher  Erinnerung'  zu  widmen. 

DÜSSELDORF.  Als  ordentlicher  Lehrer  am  dortigen  Gymnasium  ist 
der  Schulamtscandidat  Dr.  Johannes  Vahlen  m  Bonn  angestellt 
worden. 

Duisburg  [s.  Bd.  LXVni  S.  652].  Im  Bestand  des  LehrercoUe- 
giums  des  dortigen  k.  Gymnasiums  und  der  Realschule  sind  im  Schul- 
jahr 1853 — 54  folgende  Veränderungen  eingetreten:  im  Herbst  v.  J. 
schied  der  2e  ord.  Lehrer  der  Realschule  Kottgen,  um  eine  ordent- 
liche Lehrerstelle  an  dem  Gymn.  zu  Saarbrücken  zu  übernehmen,  und 
an  seine  Stelle  trat  Dr.  Karl  Vogel  aus  Bonn.  Ostern  d.  J.  trat  der 
Hilfslehrer  der  Realschule  H.  Schwarz  aus  (s.  oben  S.  226  unter 
Halle)  und  an  dessen  Stelle  kam  Dr.  J.  Fr.  D.  Cramer  ans  Wesel. 
Die  Schülerzahl  betrug  im  Winter  1853^54  im  Gymnasium  107,  in  der 
Realschule  34,  im  Sommer  d.  J.  dort  186,  hier  31  (I:  23,  II:  46,  III: 
32,  IV:  27,  V:  32,  VI:  26,  Real  U*:  14,  II«»:  17);  zur  Universität  wur- 
den Ostern  d.  J.  3,  Mich.  11  entlafsen.  Programmabhandlung:  Logiea 
trium  dialogorum  Piatonieorum  [Menonis,  Critonis,  Phaedonis]  expli- 
catio,  vom  Director  Dr.  Karl  Eichhoff  (18  S.  4).  —  Neuerdings 
wurde  zum  ordentlichen  Lehrer  am  dortigen  Gymn.  der  Lehrer  an  der 
Realschule  in  Siecen  Dr.  Traugott  Schulz  berufen  und  bestätigt; 
dem  ordentlichen  Lehrer  Dr.  Otto  Nitzsch  das  Praedicat  Oberiehrer 
beigelegt. 


litterarische  und  antiquarische  Miacellen.  561 

Kger.  Zum  wirklichen  Lehrer  am  dortigen  Gymnanum  ist  der  8ap- 
plent  am  Gymn.  zu  Budweis  Johann  Lifsner  ernannt  worden. 

EiCHSTÄTT.  Die  erledigte  Lehrstelle  an  der  untersten  Classe  der 
dortigen  Lateinschule  erhielt  der  geprüfte  Lehramtscandidat  J  o  h.  B  a  p  t. 
Jungkuni. 

Elbkrfeld.  Der  erste  ordentliche  Lehrer  am  dortigen  Gymnosium 
Dr.  Liebau  folgte  einem  Rufe  als  Rector  an  die  höhere  Schule  in  Glad- 
bach, und  in  seine  Stelle  wurde  der  2e  ord.  Lehrer  Dr.  Volker  ge- 
wählt. Ueber  die  Wiederbesetzung  von  dessen  Stelle  ist  oben  S.  22Ö 
berichtet  worden.  Das  Lehrercollegium  hat  demnach  gegenwärtig  fol- 
genden Bestand:  Director  Dr.  Bouterwek,  die  Oberlehrer  Prof.  Dr. 
Clausen,  Dr.  Fischer  (IVtathematicus) ,  Dr.  Beltz  (vertreten  durch 
Dr.  W.  Herbst),  die  ordentlichen  Lehrer  Dr.  Volker,  Dr.  Rib- 
beck, Dr.  Petri,  Dr.  Petry,  dazu  der  proy.  Gymn.lehrer  Dr.  Bo- 
gekamp,  Gesang-  und  Schreiblehrer  Kegel,  Kaplan  Zi et z,  Zeichen- 
lehrer Luthmer,  Cand.  th.  Rein  hold  und  Lehrer  des  Franzos.  Ka- 
li scher.  Die  Schülerzahl  betrug  im  Winter  1853—54  100,  im  Sommer 
d.  J.  188  (I:  20,  II:  40,  III:  41,  IV;  29,  V:  25,  VI:  33),  dazu  die 
Vorschule  mit  10  Schülern.  Zur  Universität  wurde  Ostrm  d.  J.  I, 
Mich.  0  entlafsen.  Programmabhandlung:  Theoloffumena  Pindari  ly- 
rici.    Pars  prior,  vom  Prof.  Dr.  J.  C.  H.  Clausen  (13  S.  4). 

Ellwaugeh.  Dem  Professor  Piscalar  am  dortigen  obem  Gym- 
nasium ist  die  nachgesuchte  Enthebung  von  seinem  Dienste  bewilligt 
worden. 

Erlangen  [s.  Bd.  LXVIII  S.  458  f.].  Die  in  dem  Lehrercollegium 
der  dortigen  k.  Studienanstalt  vorgekommenen  Veränderungen  sind  Bd. 
LXIX  S.  117  (unter  Augsburg)  und  110  berichtet.  Die  Schülerzahl  be- 
trug während  des  Schuljahres  1853—54  im  Gymnasium  54  (IV:  10,  III: 
10,  II:  12,1:  13),  in  der  Lateinschule  77  (IV:  18,  III:  IH,  II:  19,  I: 
22).  Programmabhandlung:  Bemerkungen  stim  Unterricht  in  der  Geo- 
metrie^ vom  Prof.  Dr.  Heinrich  G  lasser  (13  S.  4). 

Feldkirch.  Der  Supplent  am  dortigen  Gymnasium  Johann  Mai- 
fa  tti  ist  zum  wirklichen  Lehrer  an  derselben  Lehranstalt  ernannt  worden. 

Frankfurt  am  Main.  An  die  Stelle  des  verstorbenen  Professor 
Dr.  Steingafs  ist  Dr.  Johann  Jan  fsen,  vorher  Privatdocent  an 
der  k.  Akademie  zu  Munster,  zum  Lehrer  der  Geschichte  für  die  katho- 
lischen Schuler  des  Gymnasiums  erwählt.  —  Folgende  von  dem  Direc- 
tor und  dem  Lehrercollegium  entworfenen  ^allgemeinen  Vorschrif- 
ten für  die  Schüler  des  Gymnasiums'  sind  nach  erfolgter  Ge- 
nehmigung durch  die  vorgesetzte  Behörde  seit  dem  Herbst  d.  J.  in 
Wirksamkeit  getreten,  deren  vollständige  Mittheilung  manchem  unserer 
Leser  nicht  unwillkommen  sein  dürfte.  ^Das  Wohl  und  Gedeihen  der 
Schule  hängt  wie  das  der  Familie  davon  ab,  dafs  Liebe,  Achtung  und 
Vertrauen  ihre  Glieder  untereinander  verbinde  und  alle  Aeufserungen 
ihrer  Thätigkeit  durchdringe.  Diese  Gesinnungen  lafsen  sich  so  wenig 
wie  die  Frömmigkeit  und  Gottesfurcht,  welche  die  innerste  Quelle  alier 
unsrer  Handlungen  sein  mufs,  durch  Gesetze  hervorrufen  und  gebieten ; 
aber  wie  es  die  erfreulichste  Aufgabe  des  Lehrers  ist,  sein  Verhältnis  zn 
den  Schülern  auf  dieser  Grundlage  auszubilden ,  so  wird  auch  der  Schü- 
ler an  sich  selbst  erfahren,  dafs  er  das  Ziel  seines  Strebens  nur  dann 
sicher  erreicht,  wenn  er  sich  von  Achtung  und  Vertrauen  gegen  seine 
Lehrer  leiten  läfst.  Otf^nheit  und  Wahrhaftigkeit,  Folgsamkeit  und 
williges  Eingehen  in  die  Wünsche  der  Lehrer,  Freundlichkeit  und  Ver- 
trägliohkeit  gegen  die  MiUchüler  fliefsen  aus  dieser  Quelle;  rege  Tbeil- 
nahme  am  Unterricht  und  beharrlicher  Fleifs  sind  die  lohnenden  Früchte 
solches  Sinnes.  Mufs  es  daher  das  unausgesetzte  Streben  aller  sein, 
diesen  guten  Geist  in  sich  selbst  und  in  andern  zu  wecken  und  leben- 


562  Schul-  und  Personalaachrichten ,  slatislische  MiUheilungen, 

dig  zu  erhalten,  damit  er  immer  mehr  das  ganze  behersche;  so  verlangt 
die  Aufrechtbaltung  der  äursern  Ordnung  eine  Reihe  von  finzelnen  Be- 
stimmungen, für  \«'elche  die  Schule  strengen  Gehorsam  von  allen  Schu- 
lern fordert.  Damit  sie  keinem  unbekannt  bleiben ,  sind  sie  in  folgen- 
dem zusammengestellt,  und  werden  jedem  Schuler  bei  seinem  Eintritt 
ins  Gymnasium  in  zwei  Exemplaren  übergeben,  von  denen  er  das  eine 
für  sich  selbst  zu  bewahren,  das  andere  seinen  Eltern  oder  Pflegeeltern 
einzuhandigen  hat.  {.  1.  Jeder  Schüler  ist  gegen  alle  Lehrer  des  Gym- 
nasiums zu  ('gleichem  Gehorsam  gegen  alle  ihre  Anordnungen  verpflichtet, 
und  hat  denselben  sofort  willige  Kolge  zu  leisten.  §.  2.  in  allen  An- 
gelegenheiten, wo  er  Rath  und  Belehrung  bedarf,  hat  er  sich  zunächst 
an  den  Uauptlehrer  seiner  Classe,  den  Classenlehrer,  zu  wenden, 
welchem  die  nähere  Fürsorge  für  die  Bedürfnisse  derselben  obliegt. 
$•  3.  Die  von  der  Lehrerconferenz  ernannten  Decurionen  (Claasen- 
aufseher)  jeder  Classe  haben  die  Verpflichtung  zur  Erhaltung  der  guten 
Ordnung  und  eines  guttru  Tones  unter  ihren  Mitschülern  mitzuwirken. 
Insbesondere  haben  sie  in  Abwesenheit  des  Lehrers  auf  Stille  und  Ord- 
nung in  der  Classe  zu  achten,  und  sind  wegen  vorkommender  Ruhe- 
störungen selbst  verantwortlich,  wenn  sie  die  verlangte  Auskunft  nicht 
geben.  Diejenigen  Schüler,  welche  sich  durch  die  Mahnung  der  Decu- 
rionen nicht  warnen  lafsen,  machen  sich  zwiefacher  Verantwortung 
schuldig.  §.  4*  Anfserdem  hat  jeder  Schüler  auch  den  Erinnerungen 
des  Pedellen,  welcher  auf  die  änfsere  Ordnung  im  Gymnasialgcbäude 
zu  achten  hat,  Folge  zu  leisten.  §.  5.  Die  Aufnahme  der  Schüler 
ins  Gymnasium  erfolgt  regelmäfsig  zu  Ostern  jedes  Jahres.  Die  Be- 
dingungen zur  Aufnahme  in  die  unterste  Classe  (Septima)  sind  das  voll- 
endete achte  Jahr,  Sicherheit  und  Fertigkeit  im  Lesen  und  Schreiben, 
so  dafs  das  dicticKe  in  beiderlei  Schrift  ohne  erhebliche  Fehler  nachge- 
schrieben werden  kann,  und  die  Kenntnis  der  vier  Species  und  einige 
Uebung  in  diesen  RechnungHarten.  Die  Bestimmung  der  Classe  für 
weiter  vorgerückte  Schüler  geschieht  nach  einer  am  ersten  Tage  des 
Schulcursus  von  den  betreffenden  Lehrern  gehaltenen  Prüfung  durch 
die  Lehrerconferenz.  Jeder  aufzunehmende  Schüler  mufs  zu  einer  von 
dem  Director  bekannt  gemachten  Zeit  zuvor  bei  diesem  angemeldet  und 
die  Stufe  seiner  Vorbereitung  angegeben  werden.  Wenn  er  voriier  eine 
andere  Lehranstalt  besucht  hat,  so  hat  er  beiseiner  Anmeldung  ein  Zeug- 
nis derselben  einzureichen.  Ziuu  Herbst  kann  die  Aufnahme  eines 
Schülers  ausnahmsweise  unter  der  Bedingung  erfolgen,  dafs  er  für  den 
in  dem  ersten  Semester  erreichten  Standpunkt  einer  ClaMe  genügend 
vorbereitet  ist.  Im  Lauf  eines  Semesters  kann  die  Aufnahme  eines 
Schülers  nur  dann  geschehen,  wenn  dringende  Griinde  den  rechtzeiti- 
gen Eintritt  verhindert  haben  und  wenn  die  Lehrerconferenz  ilire  Zu- 
stimmung ertheilt.  Für  diejenigen  Schüler,  welche  von  auswärts  dem 
Gymnasium  übergeben  werden,  ist  dem  Director  die  Familie  namhaft 
zu  machen ,  welcher  sie  zur  Aufnahme  und  Aufsicht  anvertraut  sind,  und 
weiche  in  allen  Beziehungen  zur  Schule  die  Stelle  der  Eltern  zu  ver- 
treten hat.  Von  jeder  Wohnungsveranderung  eines  auswärtigen  Schü- 
lers ist  sofort  Anzeige  zu  machen.  {.  0.  Die  Theilnahmc  an  denjenigen 
Unterrichtsgegenständen,  welche  nach  Ausweis  der  Lectionsveneich- 
nisses  von  dem  erklärten  WUlen  der  Eltern  oder  Pflegeeitern  abhängt, 
mufs  on  dem  ersten  Tage  des  neuen  Cursus  dem  Classenlehrer  ange- 
zeigt werden.  Sie  gilt  für  das  ganze  Semester  und  kann  nicht  vor  dem 
ScMufs  desselben  abgebrochen  werden.  Soll  sie  nach  dem  Ablauf  des 
Semesters  aufboren,  so  ist  davon  dem  Classenlehrer  durch  eine  schriü- 
liche  Anzeige  der  Eltern  Nachricht  zu  geben.  Von  allen  übrigen  Lehr- 
ge;>en8tänden  ist  keine  Dispensation  zuläfsig.  mit  der  einzigen  Aos- 
nthme:  dafs  solchen  Schülern,  welche  nicht  die  Universität  besuchen 


litterarische  und  antiquarische  Miacellen.  563 

•olleii,  das  letzte  Jahr  vor  ihrem  Auatritt  aua  der  Schule  die  Theil* 
nähme  am  j^riechlsehen  Unterricht  erlafsen  werden  kann,  wenn  der 
Wunsch  dazu  von  Seiten  der  Eltern  drm  Director  schriftlich  ausge- 
sprochen wird.  C.  7.  Das  Schulgeld  beträgt  für  die  drei  obem  Classen 
33  Gulden,  für  die  vier  untern  Classen  25  Gulden  im  halben  Jahre. 
Dasselbe  mufs  an  dem  auf  dem  Schulzettel  bezeichneten  Tage  in  einem 
versie-gelten  Päckchen  mit  der  Namensaufschrift  eingeliefert  werden. 
Die  neu  aufgenommenen  Schüler  haben  zu  derselben  Zeit  einen  Kronen- 
thaler  als  Eintrittsgeld  in  einem  besondern  Päckchen  zu  entrichten. 
J.  8.  Während  der  Unterrichtszeit  darf  kein  Schuler  die  Räumlichkeiten 
es  Gymnasiums  ohne  ausdrückliche  Erlaubnis  eines  Lehiers  verlafsen. 
$.  9.  Jeder  Schüler  mufs  sich  zu  rechter  Zeit,  weder  zu  früh  noch  zu 
spät,  im  Gymnasium  einfinden.  Wer  früher  als  eine  Viertelstunde  vor 
dem  Beginn  des  Unterrichts  kommt,  wird  vom  Pedellen  zurückgewie- 
sen. Verspätungen  werden  im  Classenbuche  aufgezeichnet  und  im  Zeug- 
nisse bemerkt;  wiederholte  Verspätungen  ohne  triftigen  Grund  unter- 
liegen einer  Strafe.  €.  10.  Sobald  durch  die  Glocke  das  Zeichen  zum 
Beginne  des  Unterrichts  ce<;eben  ist,  welches  jedesmal  fünf  Minuten 
nach  dem  Vollschlage  geschieht,  mufs  jeder  Schüler  sich  sofort  an  sei- 
nen Platz  begeben  und  alles  nothige  für  die  Lection  vorbereiten.  ^.  11* 
Zweimai  täglich,  um  10  Uhr  Vormittags  and  um  3  Uhr  Nachmittags, 
tritt  für  alle  Schüler  eine  Erholungspause  von  10  Minuten  ein,  die  zur 
Hälfte  auf  die  vorhergehende,  zur  Hälfte  auf  die  folgende  Stande  fal- 
len. In  dieser  Zeit  ist  der  Spiel-  und  Turnplatz  für  alle  Schüler  ee- 
offnet  und  bietet  hinlänglichen  Raum  zu  freier  Bewegung  im  Spielen 
und  Laufen  dar,  was  weder  in  den  Classen  noch  in  den  Gängen  er- 
laubt ist.  Lärmende  Spiele,  rohes  Geschrei  und  wilde  Raufereien  sind 
auch  auf  dem  Turnplatze  untersagt.  Das  Aus-  und  Eingehen^  mufs  in 
anständiger  Ruhe  und  Ordnung  geschehen.  ||.  12.  Jeder  Schüler  mufs 
für  jede  Lehrstunde  aufser  mit  den  Lehrbüchern  mit  dem  nothinen 
Schreibmaterial  versehen  sein.  Jede  Störung  während  des  Unterrichts 
durch  Plauderei  oder  andere  Unruhe  ist  antersagt.  Jede  Antwort  auf 
die  Frage  des  Lehrers  mufs  laut  und  deutlich  und  immer  nur  von  dem 
gefragten  gegeben  werden.  Die  Classe  während  des  Unterrichts  zu  ver- 
lafsen ist  möglichst  zu  vermeiden;  in  dringenden  Fällen  ist  es  nur  mit 
Erlaubnis  des  L:>hrer8  gestattet.  §.  13.  Alle  aufgegebenen  häuslichen 
Arbeiten  müfsen  sorgfaltig  ausgeführt  und  pünktlich  abgeliefert  werden. 
Reinlichkeit  und  Sauberkeit  in  der  Haltung  der  Bücher  und  Hefte  ist 
eine  Zierde  des  Schülers.  Jede  dem  Lehrer  unbekannte  Benutzung  Ton 
Hilfsmitteln  und  von  Nachhilfe  für  die  Aufgaben  der  Schule  ist  unter- 
sagt. Bücher  und  Hefte  dürfen  nicht  ohne  Erlaubnis  des  Lehren  in 
der  Schule  zurückeelafsen  werden,  f.  14*  Bücher  und  Gegenstände 
anderer  Art,  welche  nicht  zum  Gebrauch  in  der  Schule  erforderlich 
sind,  dürfen  nicht  von  Schülern  mitgebracht  werden.  Kauf  und  Ver^ 
kauf,  sowie  Tausch ,  Borgen  und  Verieihen  von  Büchern  oder  andern 
Gegenständen  in  der  Schule  ist  untersagt.  Verabredungen  und^  Samm- 
lungen zu  allgemeinen  oder  besondem  Zwecken  aller  oder  einzelner 
Classen  ohne  Vorwifsen  des  Classen lehrers  and  Directors  sind  nicht  ge- 
stattet. C.  15*  Alles  Eigenthum  der  Schule  an  Geräth  und  Lelirmit- 
teln  sowM  an  den  aus  der  Gymnasialbibliothek  entliehenen  Büchern 
mufs  von  den  Schülern  sorgfältig  geschont  werden.  Jede  Beschädi^ag 
durch  Verunreinigung,  Zerbrechen,  Einschneiden  in  Tische  und  Bänke 
und  dergleichen  wird  von  dem  Thäter  ersetzt  und  aufserdenk  der  Math- 
wille bestraft.  Wenn  der  Thäter  sich  nicht  selbst  nennt  oder  nicht 
entdeckt  wird,  so  hat  die  ganze  Classe  den  Ersatz  des  Schadens  in 
tragen.  Zufällige  Beschädigungen  hat  jeder  Schüler^,  der  sie  wahr- 
nimmt, unaufgefordert  anzaseigen.    $.  16.  Ist  ein  Schaler  dnrch  Krank» 


564    Schul-  und  Personalnachrichten,  statistische  Nittheilungen, 

heit  irerfaindert,  die   Schule  zu  besuchen,   so   mufs    die  Anzeige  daron 
an  dem  ersten  Tage  dem  Director  gemacht  werden.     Ueber  ein   kürze- 
res Unwohlsein,  welches  das   Versäumen   einzelner  Stunden   yeranlafst, 
mufs  der  schriftliche  Nachweis  der   Kitern   oder  Angehörigen   auf  Ver- 
langen gebracht  werden.     Nach  einer  überstandenen  ansteckenden  Krank  - 
heit  darf  der  Schuler  erst  dann  die  Schule  wieder  besuchen,  wenn  der 
Arzt  jede  Gefahr  einer  Ansteckung  für  beseitigt  erklärt  hat.     Zur  Ver- 
säumnis der  Schule   aus   andern    Gründen   als  wegen    Krankheit  bedarf 
es  eines  vorhergehenden  Gesuches  um  Rrljubnis  des  Classenlehrers  und 
Directors.     §.  17.  Beim    Gehen    zur  Schule  wie   beim   Nachhausegehen 
hat  jeder  Schüler  auf  der  Strafse  ein  anständiges  Betragen  zu  beobach- 
ten und  jede  Störung  von  Ordnung  und  Sitte  zu  vermeiden.     Verstofse 
hiergegen,  welche   zur    Kunde  der    Lehrer  komm<'n,    werden   von    der 
Schule  bestraft.     §.  18*  Zweimal  im  Jahre  vor  dem  Schlufs  jedes  Halb- 
jahrs finden  öffentliche  Prüfungen  statt:  vor  Ostern  in  aufserordent- 
lich  angesetzten  und  bekannt  gemachten  Stunden  und  LJnterrichtsgegen- 
ständen ;  zum  Herbst  im  Fortgang  des  regelmäfsigen  Unterrichts  m  den 
einzelnen  Classen.     Zu  derselben  Zeit  werden  allen  Schülern  die  regel- 
mäfsigen Zeugnisse  ertheilt,  welche   über  Betrafen,  Aufmerksamkeit, 
Fleifs  und  Fortschritte  die  Urtheile   aller  betreffenden   Lehrer  ausspre- 
chen  und  aufserdem  die  Zahl  der  versäumten  Stunden  und  der  Verspä- 
tungen angeben.   Diese  Zeugnisse  müfsen  an  einem  von  dem  Classenlehrer 
vorher  bestimmten  Tage  mit  der  Unterschrift  der  Eltern  oder  Pflegeelteru 
zurückgegeben  werden.  Andere  Schulzeugnisse  zu  besondern  Zwecken  mü- 
fsen von  dem  Director  erbeten  werden,  der  für  ihre  Ausfertigung  Sorge  tra- 
gen wird.   $.19.  Die  Classen  Versetzung,  welche  nur  einmal  im  Jahre 
zu  Ostern  stattfindet,  wird  von  dem  Director  bei  der  öffentlichen  Progres- 
sionsfeierlichkeit v.  rkündet.  Bei  dieser  für  alle  Schüler  wichtij;en  Feier  ha- 
ben sie  sich  nach  den  ihnen  vorher  bekannt  gemachten  Anordnungen  zu  rich- 
ten und  überhaupt  den  Anstand  und  die  Ruhe  zu  beobachten,  welche  der 
Veranlafsung  angeniefsen  ist.     Am   Schlufs   des  Sommersemesters  wird 
die  Locierung  der  Schüler  innerhalb  der  Clas  senordnungen  be- 
stimmt und  bei  der  Uebergabe  der  Zeugnisse  bekannt  gemacht,     j.  20. 
Diejenigen    Schüler   der   ersten    Classe,    welche   nach    Beendigung   des 
zweijährigen  Cursus  derselben  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  zur  Uni- 
versität abzugehen  wünschen,  haben  beim  Beginn  des  letzten  Semesters 
ihr  Gesuch  dem  Director  mitzuthoilen ,   worauf  ihnen  die   Bedingungen, 
welche  sie  zur  Erlangung  des   Maturitätszeugnisses  zu   erfüllen   haben, 
bekannt  gemacht  werden.     Die  abgehenden   Schüler,  welche  das  Zeug- 
nis der  Reife  erlangt  haben,  werden  bei  der   öffentlichen    Progressions- 
feierlichkeit von  dem  Director  im  Namen  ihrer  sämmtlichen    Lehrer  ent- 
lafsen.  —    Jeder   verständige   Schüler  erkennt  leicht,    dafs  die   obigen 
Anordnungen  nur   denjenigen   Theil   seiner  Pflichten   umfafsen,   welche 
auf  ein  bestimmtes  Mafs  zu  bringen  sind  und  in   sichtbaren  Aeufserun- 
gen  und  Leistungen  hervortreten.      Ihre  Erfüllung  wird   nur  dann   für 
ihn  selbst  und  für  die  Anstalt  segensreich  sein,  wenn  sie  aus  der  sitt- 
lichen Quelle  hervorgeht,  welche  oben  als  <ler  rechte  Grund  des  Lebens 
und  Wirkens  der  Schule  bezeichnet  ist.    Die  Sdiule  erkennt  die  Pflege 
dieses  Sinnes,    welcher   sich   nicht   auf  einzelne   Gebote   zurückführen 
läfst,  als  ihre  höchste  Aufgabe  an;  aber  sie  ist  sich  auch  bewust,  diese 
nicht  anders  als  im  Einklang  und  Zusammenwirken  mit  der  häuslichen 
BIrziehung  lösen  zu  können.      Diese   innere  Uebereinstimmung  der  bei- 
den Grundlagen  aller  Jugendbildung,  des  Hauses  und  der  Schule,  wird 
immer  wichtiger    und  einflufsreicher,  je  mehr  der  Knabe    zu  reiferem 
Nachdenken    und    selbständigem   Bewustsein    heranwächst.     Auf  dieser 
Altersstufe  hat  vor  allem  die  Sitte   und  Zucht  des  Hauses  in   dem  ja- 
gendlichen  Gemüth    den   Sinn    der  Einfachheit    und   Bescheidenheit  KU 


liUerarische  und  antiquarische  Miscellen.  565 

wahren  und  zu  pflegen,  der  die  Frische  und  Empfänglichkeit  für  die 
Forderungen  und  Leistungen  der  Schule  erhält.  JLiegt  es  in  der  Art 
der  Jugend,  gern  nach  solchen  Genüfsen  und  Zerstreuungen  zu  streben, 
die,  wenn  auch  an  sich  und  im  einzelnen  Falle  nicht  yerderblich,  doch 
immer  die  Gefahr  des  Uebermafses  und  weiterer  Verlockung  in  sich 
tragen  und  fär  die  jugendliche  Unerfahrenheit  oft  ihren  Hauptreiz  in 
der  Ueberschreitung  der  naturlichen  Altersgrenze  haben  (wohin  nament- 
lich der  Besuch  von  Wirthshäusern ,  das  Spiel  um  Geld,  der  Genufs 
geistiger  Getränke,  das  vorzeitige  Tabakrauchen,  die  Journal-  und 
Roman  -  Lecture  und  dergleichen  mehr  gehört),  so  darf  die  Schule  von 
der  häuslichen  Zucht  erwarten,  dafs  sie  auf  diesem  Gebiete,  auf  wel- 
chem blofse  Verbote  nie  ihr  Ziel  erreichen,  dem  Verhalten  der  Schuler 
die  heilsamen  Schranken  anweisen  werde.  Wenn  die  Schule  es  hier 
vergeblich  versuchen  würde,  einzelne  Vergehungen  mit  ihren  Strafen 
zu  verfolgen,  so  wird  sie  sich  doch  das  Recht  vorbehalten,  solche  Schu- 
ler, welche  trotz  ernster  Ermahnungen  und  Warnungen  sich  einer  mit 
ihren  Forderungen  unverträglichen  Lebensweise  hingeben,  nicht  in  ihrer 
Mitte  zu  dulden.  Es  ergeht  daher  an  alle  Eltern  und  Pflegeeltern  der 
unsrer  Leitung  anvertrauten  Schüler  die  ebenso  freundliche  wie  drin- 
gende Bitte,  sich  besonders  in  allem  demjenigen,  was  die  dem  jugend- 
lichen Alter  zustehende  Ordnung  und  Sitte  erhalten  und  veredeln  kann, 
mit  der  Schule  zu  gemeinsamer  Einwirkung  zu  verbinden.  —  Haben  wir 
bei  dieser  Bitte  vornehmlich  das  sittliche  Wohl  unsrer  Schüler  im  Auge, 
so  ist  uns  ein  anderer  Wunsch  für  dicf  zweckmäfsigste  Förderung  ihrer 
geistigen  Ausbildung  von  Wichtigkeit.  Wir  werden  es  stets  mit  be- 
sonderm  Danke  erkennen,  wenn  vor  der  Anordnung  von  Privatstunden 
zur  Nachhilfe  oder  Ergänzung  des  Schulunterrichts,  sowie  vor  der  Be- 
willigung der  Theilnahme  von  Schülern  an  öffentlichen  Vorlesungen  eine 
Verständigung  zwischen  Eltern  und  Lehrern  stattfindet.  Zu  jeder  Be- 
sprechung und  Berathung  in  dieser  wie  in  jeder  andern  Hinsiclit  wird 
der  Director  wie  jeder  andere  Lehrer  des  Gymnasiums  immer  gern 
bereit  sein.' 

Friedlakd  [s.  Bd.  LXIX  S.  347].  Aus  dem  Lehrercollegium  dcs 
dortigen  Gymnasiums  schied  Ostern  d.  J.  Dr.  Michaelis,  wogegen  der 
erste  Lehrer  der  Bürgerschule  Hegenbarth  zum  Hilfslehrer  ernannt 
wurde.  Die  Schülerzahl  betrug  im  Winter  1853  —  54  101,  im  Sommer 
d.  J.  100  (I:  8,  H:  8,  HI:  24,  IV:  31,  V:  35).  Zur  Universität  wur- 
den 2  entlafsen.  Programmabhandlnng :  Subneivorum  capiia  tria,  vom 
Director  Dr.  Robert  Unger  (12  S.  4). 

GIESSEN.  Zur  Feier  des  Ludwigstages  (25.  August)  lud  die  Uni- 
versität im  J.  1853  ein  durch  die  Part.  III,  in  diesem  J.  durch  Part.  IV 
von  F.  O sannt  Quaesiiones  llomericae  (20  u.  24  S.  4),  enth.  eine  Un- 
tersuchung   de  Hcraclide  Homcri  carminum  diorthota. 

Glogau.  Dem  Lehrer  am  dortigen  evangelischen  Gymnasium  Dr. 
Rühle  ist  das  Praedicat  als  Oberlehrer  verliehen  worden. 

GÖTTINGEN.  Dem  Index  scholarum  der  Georgia  Augusta  'für  das 
Wintersemester  1854  —  55  geht  voraus  eine  disputatio  de  Soeratis  aecw 
$atoribus,  vom  Hofrath  Prof.  Dr.  K.  (>.  Hermann  (17  S.  4). 

Greifswald.  Dem  Index  scholarum  der  Universität  für  das  Win- 
tersemester 1854  —  55  sind  vorausgeschickt:  G,  F,  Schoemanni  emen^ 
dationea  AgamemnonU  Aeschyleae  (liS  S.  4). —  An  dem  dortigen  städti- 
schen Gymnasium  [s.  Bd.  LXVII  S.  595]  hielten  die  Schulaintscandi- 
daten  Dr.  A  hl  war  dt  und  Tägert  ihr  Probejahr  ab,  letzterer  nur  bis 
Mich.  1853,  wo  er  zur  interimistischen  Verwaltung  einer  Lehrerstelle  an 
das  k.  Paedagogium  zu  Putbus  abgieng.  Andere  Veränderungen  im 
Lehrercollegium  sind  Bd.  LXIX  S.  230  u.  581  (unter  Stargard)  be- 
richtet worden.     Die  Frequenz  betrug  am  Schlufs  des  Winterhalbjahres 


566    Schul  -  and  Personalnachricbten,  statistische  Mi tthei langen, 

1853  —  54  259  (I:  20,  II:  18,  III:  31,  IV:  18,  Real  I:  12,  R.  II:  0, 
R.  111:  30,  R.  IV:  28,  V:  47,  VI:  40).  Znr  Universität  wurden  Mich. 
1853  4,  Ostern  d.  J.  11  entlafsen.  Prog^mmabhandlnng  Ostern  1854: 
Vorbemerkungen  su  einer  Parallel- Syntax  der  Comus  im  Deutschen, 
Griechischen  und  Lateinischen ,  vom  Director  Prof.  Hiecke  (20  8,  4). 

Griechenland  [vorläufige  Aasgrabungsnachricht].  Nach  einem  Briefe 
ans  Athen  vom  1.  d.  M.  war  Hr.  Prof.  Rangab^  so  eben  aus  dem 
Peloponnes  zurückgekehrt,  wo  er  für  die  kleine  in  Deutschland  gesam- 
melte Summe  bei  dem  argivischen  Heraeon  eine  Ausgrabnng  unter- 
nommen hatte ,  die  zu  einigen  glücklichen  Ergebnissen  führte.  Die  Heftig- 
keit, mit  welcher  die  Cholera  in  jenen  Tagen  in  Athen  auftrat,  nothigte 
ihn,  seine  Familie  in  Sicherheit  zu  bringen.  Er  verspricht  aber  dem- 
nächst genauere  Mittheilnngen.    Halle,  14.  Nov.  1854.    Prof.  L.  Ross. 

Halle.  Dem  Index  scholarum  der  Friedrichs- Universität  für  das 
Wintersemester  1854  —  55  ist  vorausgeschickt:  M.  H,  E,  Meieri  com- 
mentationis  epigraphicae  secundae  pariieula  altera  (17  S.  4  mit  einer 
Steindrucktafel). 

Hamburg.  Das  dortige  akademische  Gymnasium  ist  seit  dem  Be- 
ginn dieses  Winterhalbjahres  zu  einem  akademischen  und  Real -Gymna- 
sium erweitert  worden.  Nähere  Mittheilungen  über  diese  neue  Einridi- 
tung  nebst  Actenstücken  enthält  das  Vorwort  zu  dem  Voriesungsver- 
zeichnis  für  das  Halbjahr  von  Michaelis  1854  bis  Ostern  1855  vom 
derzeitigen  Rector  Prof.  C.  F.  Wurm  (XVI  S.  4).  Aufserdem  enthält 
die«  Verzeichnis  den  Abdruck  des  vom  Prof.  Dr.  Chr.  Petersen  zur 
Feier  von  Winckelmanns  Geburtstag  am  0.  Decbr.  1853  gehaltenen  offen t- 
liehen  Vortrags:  Ueber  die  Bedeutung  mythologischer  Darstellungen 
an  Geschenken  bei  den  Griechen  (28  S.  4). 

Hamm.  Als  Programmabhandlnng  des  dortigen  Gymnasiums  erschien: 
De  cmendatione  Manilii,  scr.  C.  T.  Breiter  (24  S.  4). 

Heidelberg.  Zum  ordentlichen  Professor  der  Physik  und  der  damit 
verbundenen  Fächer  an  der  dortigen  Hochschule  ist  der  a.  o.  Prof.  Dr. 
Gustav  Kirch  hoff  aus  Breslau  berufen  worden. 

Hermannstadt.  Aufser  den  oben  S.  349  erwähnten  Ernennungen 
für  das  dortige  katholische  Gymnasium  sind  noch  folgende  erfolgt:  der 

}>rov.  Director  des  Crymn.  zu  Troppau  Johann  Sobola  ist  zum  prov. 
Hrector,  die  Gymnasiallehrer  Jacob  Meister  zu  Troppau,  Wilhelm 
Schmidt  zu  Bochnia,  Eduard  Scholz  zu  Neuhaus  und  der  Supplent 
P.  Johann  Paulitsch  zu  Marburg  sind  zu  wirklichen  Lehrern  an  dem- 
selben ernannt. 

Jena.  Der  Privatdocent  bei  der  philosophischen  Facultät  der  dor^ 
tigen  Universität  Dr.  Hermann  Ludwig  ist  zum  aufserordentlichen 
Professor  ernannt  worden.  —  Zur  Ankündigung  des  Prorectoratswech- 
sels  am  5.  August  d.  J.  erschien:  C  Goettlingii  commentatio  de 
morte  fabulosa  Aeschyli  (7  S.  4);  dem  Index  scholarum  für  das  Win- 
tersemester 1854  — 1855  ist  von  demselben  Verf.  vorausgeschickt:  Sv^ 
eiUgium  nrimum  fragmentorum  Hesiodi  (p.  3  —  5.  4).  Aufserdem  sind 
neulich  vier  im  Lauf  des  vorigen  Jahres  von  demselben  als  Professor 
der  Eloquenz  im  Namen  der  Universität  gehaltene  Reden  im  Druck 
erschienen:  1)  am  3.  März  1853  in  sacris  parentalibus  quartis  Divi 
lohannis  Friderici  Magnaninä  conditoris  universitatis  litterarum  ie- 
ncnsis  (12  S.  4);  2)  am  15.  Juni  1853,  quo  die  lustra  quinque  re^- 
minis  et  reetoratus  Caroli  Friderici  magni  ducis  Saxoniae  serenisstmi 
felicissime  peracta  publice  eelebrabantur  (U  S.  4);  3)  am  14.  August 
1853  in  parentalibus  sacris  Divi  Caroli  Friderici  magni  ducis  Saxü- 
niac  reetoris  aeademiae  lenensis  magnifieentissimi  (15  8.  4);  4)  am  26. 
November  IK53  in  soUemni  renuntiatione  ereati  novi  reetoris  magni- 
fieentissimi Caroli  Alexandri  magni  ducis  Saxoniae  serenissimi  (12  8. 


litterariscbe  and  aniiqnarische  Miscellen.  567 

'}) ,  die  letzte  mit  historischen  Notizen  aber  die  Entstehung  und  weitere 
Ausbildung  der  Wurde  eines  Rectors  der  Universität. 

JiziN.iZum  wirlclicfaen  Lehrer  am  dortigen  Gymnasium  ist  der  Sup- 
plent  am  Gymn.  zu  Neuhaus  Franz  Kott  ernannt  worden. 

Karlsruhe.  Hofrath  Platz  vom  Generallandesarchiye  ist  an  das 
dortige  Lyceum  versetzt  worden. 

Kiel.  Dem  Index  scholarum  der  Christiana  Albertina  für  das  Win- 
tersemester 1854  —  55  ist  vorausgeschickt:  P.  W,  Forchhammeri 
quaestionum  eriticarum  eaput  II  de  Sophoelig  Aiaeit  w.  2  et  978  ( p: 
111— VIII.  4). 

KÖNiGGRATZ.  Der  Supplent  am  dortigen  Gymnasium  Franz 
Lifsner  ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  ernannt. 

KüNiGSBKRG.  Der  Privatdocent  an  der  Universität  und  Gymnasial- 
lehrer Dr.  £.  G.  Zaddach  ist  zum  aufserordentlicfaen  Professor  in  der 
Bhilosophischen  Facultät  der  gedachten  Universität  ernannt  worden.  — 
^as  Prooemium  zu  dem  Index  lectionum  der  Albertina  für  das  Winter- 
semester 1854  —  55  enthält  eine  Abhandlung  über  i^  und  /x,  oi$  und 
ovx  vom  Geh.  Reg.  Rath  Prof.  Dr.  C.  A.  Lobeck  (p.  3  sq.  4). 

KuEMSMÜMSTER.  Die Bestsllung  des  Stiftscapitulars  Gabriel  Stra- 
fser  als  wirklichen  Lehrers  am  dortigen  Gymnasium  ist  genehmigt 
worden. 

Laibach.  Eine  erledigte  Lehrerstelle  am  dortigen  k.  k.  G3rmnasiDm 
ist  dem  Gymnasiallehrer  Valentin  Konschegg  in  Marburg  übertragen 
worden. 

Lyck  [s.  Bd.  LXVIII  8.  6551.  Aufscr  der  Bd.  LXIX  8.  231  be- 
richteten Ernennung  kam  in  dem  Lehrercolleginm  des  dortigen  k.  Gym- 
nasiums keine  Veränderung  vor.  Die  8chülerzahl  betrug  am  8chlufs 
des  Schuljahrs  1853  —  54  244(1:  26,  IIa:  20,  IIb:  21,  III:  54,  IV:  42, 
V:  43,  VI:  38).  Zur  Universität  wurden  Ostern  d.  J,  4  entlafsen. 
Programmabhandlung  Mich.  1854:  De  praeverbio  vno  in  eompositis 
abundaniCj  vom  Gymnasiallehrer  Kissner  (44  8.  4). 

Mannheim.  Am  dortigen  Lyceum  sind  Hofrath  Gräff  und  geist- 
licher Rath  Rappen  egg  er  unter  Anerkennung  ihrer  langjährigen  treuen 
Dienstleistungen  in  den  Ruhestand  versetzt;  dagegen  sind  dorthin  ver- 
setzt worden  der  Prof.  Waag  vom  Kadettenhaus  und  der  Lehrer  Au- 
gust Schmidt  vom  Lyceum  in  Karlsruhe. 

Marburg.  Zur  Feier  des  kurfürstlichen  Gebnrtsfestes  am  20.  Au- 
gust d.  J.  lud  im  Namen  der  Universität  Prof.  Dr.  Karl  Fr.  Weber 
durch  folgendes  Programm  ein:  Vita  Jletnilii  Porti  (48  8.  4).  Den  In» 
dices  lectionum  für  das  Wintersemester  1854  —  55  sind  vorauf  geschickt: 
Angloaaxonicay  quae  primus  edidit  Francitcu»  Dietrich  (16  8.  4). 

Mühlhausen.  Nachdem  der  Subrector  des  dortigen  Gymnasiums 
Albert  Hartrodt  (geb.  zu  Nordhausen  23.  März  1808)  am  21.  August 
1853  gestorben,^  der  Lehrer  der  franz.  Sprache  Dr.  Gustav  Weigand 
als  Lehrer  an  die  Realschule  zu  Bromberg  abgegangen  und  der  Conrector 
Dr.  Mühlberg  in  Ruhestand  getreten  war,  bestand  das  Lehrercolle- 
^nm  zu  Ostern  d.  J.  aus  folgenden  Mitgliedern:  Director  Dr.  Haun, 
Prorector  Prof.  Dr.  Am  eis,  Conrector  vacat  [s.  Bd.  LXIX  8.  579], 
Subrector  vacat,  Subconrector  I  Recke,  Subconr.  II  Dr.  Dilling, 
Lehrer  der  franz.  Sprache  vacat,  CoIIaborator  Meinshausen,  Pastor 
Barlosius  und  Diaconus  Fuhr  (Religionslehrer),  Musikdir.  Thier- 
f e I d e  r,  Zeichen lehrer  Dreiheller  und  Schreiblehrer  Walter.  Aufser- 
dem  war  der  Cand.  philol.  Rudolf  Haun  mit  beschäftigt.  Scfaulerzahl 
Ostern  1853  118,  Mich.  115,  Ostern  1854  101  (I:  14,  U:  21,  III:  17, 
IV:  26,  V:  23);  Abiturienten  Ostern  1853:  2.  Seit  Anfang  d.  J.  ist 
eine  neue  und  höhere  Dotation  säromtlicher  Lehrerstellen  und  Vermeh- 
rung des  Etats  für  Lehrmittel  eingeführt,   wonach   die  Besoldung  des 


568  Schal-  und  Personalnachricbten ,  statistische  Mittheiliingen, 

Directors  auf  1000,  das  Prorectorat  auf  800,  das  Conrectorat  auf  650, 
das  Subrectorat  auf  600,  das  erste  und  zweite  Subconrectorat  auf  je 
500,  die  Coiiaboratur  auf  300,  die  franz.  Lehrstelle  auf  220,  die  Tum- 
lehrerstelle  auf  50  Thlr.    festgesetzt,   der  Etat  für  den   mathematisch* 

ßhysikalischen  Apparat  auf  50  Thlr.  erhöht  und  zur  Unterhaltung  und 
[ebung  des  philolog.  Leseyereius  des  Lehrercollegiunis  20  Thlr.  ange- 
wiesen worden  sind.  Das  Schulgeld  beträgt  in  I  und  II  20,  in  III  10, 
in  IV  und  V  12  Thlr.  jährlich.  Programmabhandlung  Ostern  1854: 
lieber  die  SpraeheigenthünUichkeiien  Juatiniy  Tom  Subconrector  Joh. 
Fr.  Recke  (25  S.  4). 

Mü.NCHKN.  Zu  Mitgliedern  des  k.  Maximiliansordens,  Abth.  für 
Wifsenschaft,  sind  ernannt  worden:  Geh.  Reg.  Rath  Prof.  B  ran  die 
in  Bonn,  Geh.  Rath  Prof.  Mitscherlich,  Prof.  Homeyer  und  Dr. 
Sc  hack  in  Berlin,  Prof.  und  Vorstand  der  Sternwarte  Lamont  in 
München.  —  Für  die  philosophisch-philologische  Classe  der  k.  Akademie 
der  Wifsenschaften  wurden  als  auswärtige  Mitglieder  gewählt:  Moris 
Haupt  in  Berlin,  Friedrich  Diez  in  Bonn  und  Max  Guchin  de 
Slane  in  Algier,  als  correspondierendes  Mitglied:  Rector  Johann 
Christoph  Held  in  Bayreuth;  aU  correspondierende  Mitglieder  der 
historischen  Classe:  F.  Freiherr  von  und  zu  Aufsefs,  Vorstand  des 
germanischen  Museums  zu  Nürnberg,  und  Michael  Fertig,  Prof.  am 
Gymn.  zu  Passau.  —  An  der  Universität  wurde  der  Professor  der  Bo- 
tanik Dr.  Karl  Friedrich  Philipp  von  Martins  aufsein  Ansu- 
chen in  Ruhestand  versetzt. —  Am  k.  Ludwigs-Gymnasium  kamen 
folgende  Veränderungen  vor:  zum  Professor  der  untersten  Gyinnasial- 
clasBe  wurde  der  Studienlehrer  an  derselben  Anstalt  Priester  Johann 
Baptist  Zrenner  befördert  und  auf  die  dadurch  in  Erledigung  ge- 
kommene Lehrstelle  der  Studien lehrer  zu  Kempten  Wolfgang  Bauer 
versetzt:  der  Studienlehrer  Karl  Ludwig  Graul  wurde  wegen  phy- 
sischer Gebrechlichkeit  in  zeitigen  Ruhestand  versetzt  und  an  seine 
Stelle  der  Studienlehrer  zu  Kichstätt  Joseph  Seitz  berufen.  —  Dem 
letzten  Jahr. 'sbe rieht  des  k.  Maximilians-Gymnasiums  ist  als  wi- 
fsenschaftliche  Abimndlung  beigegeben:  Emendationei  Falerianacy  scr. 
Carolus   Halm  (32  S.  4). 

Mü  NM  ERSTADT.  Die  erledigte  Lehrstelle  der  2n  Classe  der  dortigen 
Lateinschule  erhielt  der  geprüfte  Lehramtscandidat  und  bisherige  Assistent 
am  Gymnasium  zu  Würzburg  Stephan  Wehner. 

MÜNSTER.  Dem  Index  lectionum  der  dortigen  Akademie  für  das 
Wintersemester  1854  —  55  sind  vorausgeschickt:  Fragmenta  veterU 
glouarii  Latini  e  cod,  fFerthinenai  saec.  XI,  edidit  Ferdinandus 
Deycks  (10  S.  4). 

MÜNsTEREiKEL.  DerDirector  des  dortigen  Gymnasiums  J.  Katzfey 
wurde  zum  erzbischöflichen  geistlichen  Rathe,  Dr.  Thisquen  zum  Ober- 
lehrer ernannt.  Das  LehrercoJlegium  besteht  aufser  dem  genannten 
Director  aus  den  Oberlehrern  Dr.  Hoch,  Dr.  Hagel üken,  Mohr, 
Dr.  Thisquen,  den  Gymnasiallehrern  Cramer,  Dr.  Frieten,  Sydow 
und  dem  Religionslehrer  Roth.  Die  Schülerzalil  betrug  Mich.  1853 
128,  Ostern  d.  J.  13(»,  Mich.  i:W  (  I:  18,  II:  44,  III:  24,  IV:  23,  V:  lö, 
VI:  14);  zur  Universität  wurden  Mich.  1853  4,  Mich.  1854  0  cntlafsen. 
Programmabhandlung:  Die  wichtigeren  GcwdchMe  auM  der  Pkaneroga» 
men- Flora  von  Müntttereifcl ,  ausführlichst  beschrieben  von  Dr.  This- 
quen.    Ir  Tbl.  (32  S.  4). 

Nel'uurg  an  der  Donau  [s.  Bd.  LXVIII  S.  05((].  An  der  doi^igen 
k.  Studien-  und  Erziehungsanstalt  hatte  der  Studienlehrer  Priester  W. 
Linsma^cr  für  das  Schuljahr  1853  —  54  Urlaub  erhalten  und  wurde 
durch  den  Cand.  J.  Blatner  vertreten.  An  die  Stelle  des  Seminar- 
praefecten   Strafsmayr  trat  als  Religionslehrer  an    der  Lateinschule 


litterarische  and  antiquarische  Miscellen.  569 

der  Seminarpraefect  Joh.  Adam  Waldrogel.  Die  SchSlenahl  betrtig 
am  Schlafs  des  genannten  Schuljahrs  219,  103  im  Gymnasiam,  110  in 
der  Lateinschule.  Programmabhandlung:  Dob  ente  Buch  der  ytriitote- 
lUchen  Tapik  erläutert  vom  Prof.  Anton  Mang  (16  S.  4). 

Ofen.  Der  proyisorische  Director  des  dortigen  Gymnasiums,  der 
Benedictinerordenspriester  Theodor  Gafsner,  ist  zum  wirklichen  Di- 
rector desselben  Gymn.  ernannt. 

Olmutz.  Der  Religionslehrer  am  dortigen  Gymnasium  Joseph 
Partsch  ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  an  derselben  Lehranstalt 
ernannt  worden. 

OsTROWo  [s.  Bd.  LXIX  S.  122].  ^  Die  im  Schuljahre  1853  —  54  im 
LehrercoUegium  des  dortigen  k.  katholischen  Gymnasiums  Torgegangenen 
Veränderungen  sind  Bd.  LXIX  S.  466  und  oben  S.  118  berichtet  wor^ 
den.  Die  Schfilerzahl  betrug  am  Schlufs  des  genannten  Schuljahrs  304 
(I:  40,  11:  45,  III*:  18,  III»»:  15,  IV«:  39,  IV«»:  15,  V*:  41,  V»»: 
21,  VI*:  53,  VI»»:  17),  darunter  216  kath.,  56  evang.,  32  jfid.  Schuler. 
Zur  Universität  wurden  Ostern  d.  J.  4,  Mich.  13  enUafsen.  Programm- 
abhandlung: Ob»ervatione9  in  loco$  ^OBdam  jigamcmnonU  jie$chylcaCf 
vom  Director  Dr.  Robert  Enger  (10  S.  4). 

Parchim  [s.  Bd.  LXVIII  S.  566].  Am  grofsh.  Friedrich -Franz- 
Gymnasium  wurde  im  Lauf  des  Schuljahrs  1853  —  54  eine  neue  Lehrer- 
stelle errichtet  und  in  dieselbe  Dr.  August  Mommsen,  zuletzt  Lehrer 
an  der  Realschule  und  Lector  des  Englischen  an  der  Gelehrtenschule 
des  Johanneums  in  Hamburg,  mit  demPraedicat  eines  Oberlehrers  berufen. 
Die  bisher  städtische  Vorschule,  aus  drei  Classen  bestehend,  ist  jetzt, 
seit  der  Grofsherzog  das  Patronat  derselben  übernommen  hat,  mit  dem 
Gymnasium  vereinigt.  Die  ganze  Anstalt  besteht  demnach  jetzt  aus 
einem  eigentlichen  Gymnasium,  einer  Realschule,  höheren  Burgerschule 
und  Vorschule  und  zählt  folgende  15  Lehrer:  Director  Dr.  Lübker, 
Conrector  Gesellius,  die  Oberlehrer  Steffenhagen,  Dr.  Heussi, 
Dr.  Giese,  Schmidt,  Dr.  Timm,  Girschner,  Dr.  Mommsen, 
die  Coilaboratoren  Dr.  Huther,  Hast  und  Peters,  Dr.  Pfitzner, 
Werner,  Timm.  Die  Schulerzahl  betrug  im  Winter  1853 —  54  incl. 
der  Vorschule  269,  im  Sommer  d.  J.  264  (I:  24,  R  I:  1,  II:  22,  R  II: 
1,  HI:  28,  RIH:  12,  IV:  25,  R  IV:  18,  V:  18,  R  V:  13,  VI«:  18, 
VI»»  und  R  VI:  25,  Vorsch.  I:  36,  II:  9,  III:  14).  Zur  Universität 
wurden  entlafsen  Ostern  d.  J.  1,  Mich.  3.  Den  Schul nachrichten  im 
Michaelisprogramm  d.  J.  gehen  voraus:  1)  Mlgemeine  GeBchiehte  der 
ronuBchen  KaiBerlegionen  hU  Hadrian,  von  Dr.  W.  H.  Pfitzner  (S. 
]  — 25),  2)  Helfe  bei  der  Einweihung  deB  neuen  HorBaaU  vom  Director 
Dr.  Fr.  Lübker  (S.  26  —  32.  4). 

Pavia.  Zum  Lehrer  der  deutschen  Sprache  und  Litteratur  am 
dortigen  k.  k.  Lycealgymnasium  ist  der  am  Obergymnasium  zu  Laibach 
verwendete  Professor  der  italiänischen  Sprache  des  daselbst  bestandenen 
Lyceums,  Anton  Pertout,  ernannt  worden. 

Pforzheim.  Die  erste  Lehrstelle  am  dortigen  Paedagogium  und  an 
der  höheren  Burgerschule  ist  dem  Professor  Lamey  zu  Mannheim  fiber- 
tragen worden;  dem  Lehrer  Provence  ist  der  Charakter  als  Professor 
veniehen. 

R ATIBOR.  Als  7r  ordentlicher  Lehrer  am  dortigen  Gymnasium  ist 
der  Candidat  des  höheren  Schulamts  M.  K.  J.  Kunzel  angestellt 
worden. 

Rostock.  Dem  Index  lectionum  der  dortigen  Universität  für  das 
Wintersemester  1854 — 55  ist  vorausgeschickt:  Alexandri  Lueianei  Bpe- 
eimen  Beeundunty  vom  Professor  Dr.  F.  V.  Fritz  sehe  (p.  3  —  9.  4), 
berichtigter  Text  von  Cap.  11  —  20  mit  kritischem  Commentar,  an 
dessen   Schlufs  der  Verf.  die   demnächstige  Herausgabe  seiner  sämmt- 

iV.  Jahrb.  f.  PML  u.  Pütd.  Bd.  LXX.  Hft.  4  o.  5.  37 


570  Schul-  und  Pergonalnaehrichten,  statistische  Mittheilungeny 

liehen  in  Rostock  geschriebenen  akademischen  Gelegenheitsschriften,  in 
eine  Sammlung  vereinigt,  in  Aussicht  stellt. 

RovEREDO.  Der  Supplent  am  dortigen  Gymnasium  Johann  Gen- 
tilini  ist  zum  wirklichen  Gymnasialleh^r  an  derselben  Lehranstalt  er- 
nannt worden. 

Schulpforte  [s.  Bd.  LXVIII  S.  4dO].  Der  Austritt  des  Profeaeor 
A.  Dietrich  aus  dem  LehrercoUegium  der  dortigen  k.  Landesschale  ist 
Bd.  LXIX  S.  460  unter  Hirschberg  bereits  berichtet  worden.  Die 
Schulerzahl  betrug  nach  Mich.  1853  192,  nach  Ostern  1854  194  (I:  50, 
II*:  28,  IP:  35,  III«:  36,  Ul^i  45).  Zur  Universität  wurden  Mich. 
1853  12,  Ostern  d.  J.  9  entUrsen.  Programmabhandlung  zum  22.  Mai 
1854:  Die  äusiem  Entfemungiorter  geradliniger  Dreiecke,  eine  geo- 
metrische Abhandlung  vom  Prof.  Dr.  C.  Fr.  A.  Jacobi  (73  S.  4  mit 
2  Figurentafeln). 

ScHWEiDNiTZ.  Dem  zweiten  .CoUegen  am  dortigen  Gymnasium  6. 
Ed.  W.  Eugen  Rosinger  ist  das  Praedicat  Oberlehrer  yeriiehen 
worden. 

Stendal.  Zum  Director  des  dortigen  G3rmnasinms  ist  der  bisherige 
Director  des  Gymnasiums  in  Oels  Dr.  Heiland  gewählt  und  bestätigt 
worden. 

Trier.  Der  evangelische  Religionslehrer  des  dortigen  GymnasiniB% 
DiviBionsprediger  Höpfner  schied  aus  dem  LehrercoUegium  und  an 
seine  Stelle  trat  Prediger  Beyschlag.  Ferner  s.  Bd.  LXIX  S.  408. 
Die  Lehrer  des  Gymn.  während  des  Schuljahres  1853  —  54  waren:  Di- 
rector Prof.  Dr.  Loers,  Prof.  Stein  Inge r,  Prof.  Dr.  Hamacher, 
die  Oberlehrer  Dr.  Könighoff,  Houben,  Fles.ch,  die  Gymnasial- 
lehrer Simon,  Dr.  Hilgers,  Schmidt,  Blum,  Dr.  Gobel,  die  Re- 
ligionslehrer Korzilius,  Fisch  (kath.)  und  Beyschlag  (evang.),  der 
commissarische  Lehrer  Pohld,  Gesanglehrer  Hamm,  Zeichenlehrer 
Kraus,  Schreiblehrer  Paltzer.  Die  Schülerzahl  betrug  im  Sonuner 
1853  397,  im  Winter  1853  —  54  442,  im  Sommer  d.  J.  413  (!•:  1», 
I»»:  31,  II«:  27,  11":  34,  III:  64,  IV:  77,  V:  84,  VI:  77),  darunter 
375  kath.,  31  evanff.,  7  jüd.  Schüler.  Zur  Unirersität  wurden  Mich, 
d.  J.  19  entlafsen.  Programmabhandlung  Mich.  1854:  Critica  et  exe^e- 
üca  altera,  scr.  Dr.  J.  Koenighoff  (32  S.  4).  Die  priara  sind  Mich. 
1850  als  Programm  des  Gymn.  zu  Munstereifel  erschienen. 

Triebt.  An  das  dortige  Gymnasium  ist  der  Director  des  Gymn. 
zu  Gorz  Anton  Stimpel   in  gleicher  Eigenschaft  versetzt  worden. 

Troppau.  Zum  proyisorischen  Director  des  dortigen  Gymnasiune 
wurde  der  Lehrer  am  katholischen  Gymn.  zu  Teschen,  Johann  Blaha, 
za  wirklichen  Lehrern  an  derselben  Anstalt  die  Supplenten  Dr.  Joseph 
Marek  und  Carl  Häfele  ernannt. 

Trzemeszno.^  Der  interimlBtische  Gymnasiallehrer  Hieronymns 
von  Krzesinski  ist  als  ordentlicher  Lehrer  am  dortigen  Gymnasima 
angestellt. 

TÜBINGEN^  Der  Privatdocent  Dr.  Otto  Jäger  übersiedelt  an  die 
Universität  Zürich  und  übernimmt  an  der  dortigen  Kantonschule  die 
Stelle  eines  Turnlehrers. 

Urach.  Die  erledigte  Professur  am  dortigen  evangelischen  Seminar 
ist  dem  Diaconus  und  Praeceptor  Bocks  ha  mmer  in  Ravensburg  aber- 
tragen worden. 

Wkrtheim  [s.  Bd.  LXVIII  S.  574].  Im  Herbst  1853  schied  aus 
dem  LehrercoUegium  des  dortigen  Lyceums  der  Lehramtspraktikant  Ro- 
bert Salz  er,  statt  dessen  Ostern  d.  J.  der  Lehramtspraktikant  Karl 
von  Langsdorff  eintrat.  An  die  Stelle  des  kath.  Religionslehrers 
Bischoff  trat  Pfarrverweeer  Gerber,  d^r  jedoch  während  des  Som- 
merhalbjahrs keinen  Unterricht  ertheilte.     Noch  zwei  andere  Verande- 


liUerarische  ond  anliqoarigcbe  Miscellen.  571 

rangen  sind  oben  S.  231  berichtet.  Die  Direction  ist  gegenwärtig  dem 
Prof.  He  rtlein  übertragen.  Die  Schulercahi  betrug  im  ochnHahr  1853 
—  54  133  (1:  31,  U:  20,  III:  20,  IV:  22,  V:  8,  VI:  20).  Im  Herbst 
1853  worden  15  Schaler  zar  Universität  entlafsen.  Programmabhand- 
lung IVIich.  1854:  Beiträge  zur  Kritik  des  PolifaenuB,  vom  Professor 
Fr.  K.  Hertlein  (23  8.  8). 

Wesel.  Als  wifsenschafUicher  HilOslehrer  am  dortigen  Gymnasium 
ist  der  Schaiamtscandidat  Alwin  Fr.  Th.  Pro  11er  angestellt  worden. 

Wetzlar.  Das  LehrercoUegiam  des  dortigen  k.  Gymnasioms  be- 
stand im  Schaljahr  1853  —  54  aos  dem  Director  Prof.  Dr.  Hantschke, 
den  Professoren  Dr.  Kleine  und  Dr.  Schirlitz,  den  Oberlehrern 
Graff  und  Dr.  Fritsch,  dem  Mathem.  Eisermann,  den  ord.  Leh- 
rern Herr  and  Ruttger,  dem  commiss.  Lehrer  Dr.  Theobald,  Ca- 
plan  Rademacher  (kath.  Rel.)  and  Cantor  Franke  (Gesang).  Die 
Schulerzahl  betrag  im  Sommer  1853  111,  im  Winter  1853  —  54  121,  im 
Sommer  d.  J.  111  (I:  12,  U:  8,  III:  10,  IV:  20,  V«:  28,  V»>:  24).  Pro- 
grammabhandlung Mich.  1854:  Die  olympischen  Spiele  ^  ihre  Gründung^ 
Entatehung  und  Zeitrechnung,  vom  Oberlehrer  Georg  Graff  (10  S.  4). 

Wien.  Der  Lehrkörper  des  k.  k.  akademischen  Gymnasiums 
bestand  im  Schuljahr  1853  —  54  aufser  dem  Director  Dr.  J.  A.  Cap eil- 
mann (der  diese  Stelle  seit  dem  15.  Octbr.  1853  bekleidet)  aus  folgen- 
den Mitgliedern:  Dr.  J.  Auer,  C.  Berlin ger,  Dr.  C.  Bernd,  C. 
Böhm,  J.  Frank,  A.  Gernerth,  G.  Hlnterlechner,  Dr.  H.  Pick, 
A.  Pokorny,  J.  Windisch,  Th.  A.  Wolf  (vorher  Director  des  k.  k. 
kathol.  Gymn.  in  Prefsburg)  und  den  Supplenten  J.  von  Herbig, 
A.  Hluscik,  S.  Zepic,  A.Peter.  Die  Schülerzahl  betrug  im  Anfang 
des  genannten  Schuljahrs  388,  am  Schlafs  350  (I:  84,  II:  57,  III:  30^ 
IV:  44,  V:  34,  VI:  41,  VII:  27,  VIII:  27).  Zur  Universität  wurden 
Mich.  1853  7,  Ostern  d.  J.  1 ,  Mich.  d.  J.  22  entlafsen.  Programm- 
abhandlnng:  Einzelne  Züge  aue  dem  Leben  und  Wirken  der  habi- 
burgiichen  und  hababurg-lothringiechen  Herrecher^  vom  Prof.  Joh. 
Frank  (14  S.  4). 

Wien.  Neuerdings  sind  die  Statuten  des  philologisch-histo- 
rischen Seminars  an  der  dortigen  k.  k.  Universität  revidiert  wor- 
den und  lauten  jetzt  wie  folgt: 

§.  1.  Zweck  und  Eintheilang  des  philologisch -historischen  Semi- 
nars. 1.  Das  phil.-hi9t.  Seminar  in  Wien  ist  eine  mit  der  philosophi- 
schen Studienabtheilung  der  Universität  verbundene  Anstalt,  welche 
Studierenden  der  Philologie  und  Geschichte  narh  Erlangung  der  erfor- 
derlichen Vorbildung  Gelegenheit  darbietet,  durch  eigne  gemeinsame 
Uebunsen  anf  dem  Gebiete  ihrer  Studien  unter  Anleitung  von  Univer- 
sitätslehrern Forderung  für  ein  grundliches  Eindringen  in  diese  Wifsen- 
schaften,  und  namentlich  Vorbereitung  zu  ihrem  künftigen  Beruf  als 
Lehrer  an  höheren  Schulanstalten  zu  finden.  —  2.  Das  Seminar  hat 
zwei  Abtheilungen:  eine  philologische  und  eine  historische;  die 
Leitung  derselben  ist  Universitätslehrern  abertragen,  welche  in  colle- 
gialischer  Vereinigung  die  Direction  des  Seminars  bilden^). 

$.  2.  Uebungen  in  der  philologischen  Abtheilung  des  Seminars. 
Dieselben  bestehen:  1)  in  schriftlichen  Aufsätzen  aus  dem  Gebiete  der 
classischen  Philologie.  Die  Gegenstände  hierzu  sind  so  zu  wählen,  dafs 
sich  in  ihrer  Behandlung  nicht  nur  Fleifs,  sondern   auch  eigenes  Nach- 


*)  Gegenwärtig  in  der  philol.  Abth.  Prof.  Bonitz  für  die  griech. 
und  Prof.  Grysar  für  die  latein.  Uebungen;  in  der  historischen  Abth. 
Prof.  Aschbach  für  allgemeine  und  Prof.  Jäger  far  österreichische 
Geschichte. 

37* 


572  Schal-  und  Personalnachrichlen ,  statistische  Mittheilangen, 

denken  zeigen  kann;  ihre  Wahl  steht  den  Theiinehmern  frei;  wo  es 
gewünscht  wird,  haben  die  Vorsteher  des  Seminars  angemefsene  Vor- 
schläge zu  machen.  Jeder  eingelieferte  Aufsatz  wird  sauuntlichen  Mit- 
gliedern des  Seminars  zur  Durchsicht  gegeben,  zwei  von  den  Mitglie- 
dern übernehmen  die  Aufgabe,  ihn  genauer  zu  prüfen  und  dann  in  einer 
dazu  bestimmten  Stunde  zu  kritisieren,  beror  der  Vorsteher  des  Semi- 
nars sein  Urtheil  abgibt.  £s  versteht  sich,  dafs  in  all  diesen  Urtheüen 
der  würdige  Ton  bewahrt  werden  mufs,  der  allein  wifsenschaftlicher 
Förderung  und  Belehrung  dienen  kann.  Die  Discussion  über  die  latei- 
nisch geschriebenen  Aufsätze  findet  in  der  Regel  in  lateinischer  Sprache 
statt.  2)  In  mündlicher  Uebersetzung  und  Erklärung  lateinischer  und 
{rriechischer  Schriftsteller  durch  die  Mitglieder  des  Seminars.  Die  xa 
übersetzenden  Schriftsteller  bestimmen  die  Vorsteher  des  Seminars;  für 
jede  folgende  Stunde  übernimmt  nach  einer  vorher  bestimmten  Reüien- 
folge  eines  der  Mitglieder  die  Aufgabe  des  Uebersetzens  und  Erklärens; 
die  übrigen  Mitglieder  werden  in  ihrem  eigenen  Interesse  auf  die  mr 
Erklärung  kommende  Stelle  sich  so  vorbereiten ,  dafs  sie  im  Stande  sind, 
an  der  Erklärung  und  an  Discussionen  darüber  thätigen  Antheil  so 
nehmen ;  mit  der  Erklärung  des  grieclüschen  Schriftstellers  können  von 
Zeit  zu  Zeit  Uebungen  im  Griechischschreiben  verbunden  werden.  Für 
die  Uebungen  in  der  philologischen  Abtheilung  des  Seminars  sind  wö- 
chentlich vier  Stunden  bestimmt,  zwei  für  die  Erklärung  eines  lateini- 
schen, zwei  für  die  eines  griechischen  Schriftstellers;  die  Disputa- 
tionen über  eingelieferte  schriftliche  Aufsätze  finden  in  einer  sonst  für 
die  Interpretation  bestimmten  Stunde  statt,  und  zwar  nach  ihrem  In- 
halte in  einer  der  für  den  lateinischen  oder  der  für  den  griechischen 
Schriftsteller  bestimmten  Stunden. 

§.  3.  Uebungen  in  der  historischen  Abtheilung  des  Seminars,  i.  Die 
historische  Abtheilung  des  Seminars  hat  zwei  nebeneinander  bestehende 
Sectionen,  eine  für  die  Uebungen  in  der  allgemeinen,  die  andere  für 
die  in  der  österreichischen  Geschichte.  Die  Uebungen  über 
allgemeine  Geschichte  finden  in  jedem  Semester  zwei  Stunden  wöchent- 
lich statt,  so  dafs  in  sachgemäfser  Abfolge  innerhalb  einer  bestimmten 
Reihe  von  Semestern  das  gesammte  Gebiet  der  Geschichte  zur  Bearbei- 
tung kommt.  Die  Uebungen  über  österreichische  Geschichte  finden 
wälurend  jedes  Wintersemesters  zwei  Stunden  wöchentlich  statt  und 
zwar  so,  dafs  jedesmal  innerlialb  eines  Semesters  Hauptfragen  aus  dem 
gesammten  Gebiet  der  österreichischen  Geschichte  zur  Bearbeitung  kon- 
men.  —  2.  Aus  dem  historischen  Stoffe  werden  insbesondere  diejenigen 
Partien  hervorgehoben,  über  welche  gründliche  Kenntnisse  oder  richtige 
Auffafsung  gewonnen  zu  haben  dem  Gymnasiallehrer  vorzugsweise  noth- 
wendig  ist.  ^  Die  Wahl  der  einzelnen  Themata  bleibt  den  Mitgliedern 
überlafsen,  jedoch  unter  Genehmigung  des  Vorstandes,  welcher  zu  An- 
fang jedes  Semesters  eine  Anzahl  besonders  geeigneter  Aufgaben  inr 
beliebigen  Auswahl  mittheilt.  —  3.  Sämmtliche  Uebungen  sowohl  in  der 
Section  für  allgemeine  als  in  der  für  österreichische  Geschichte  werden 
in  deutscher  Sprache  gehalten.  —  4.  Die  historischen  Uebungen  bestehen : 
a)  in  Vorträgen  der  Mitglieder  über  einzelne  historische  Themata 
(vgl.  2).  Diese  Vorträge  sind  vorher  schriftlich  abzufafsen,  sodann  aber 
mojp;lichst  mit  freiem  Vortrage  zu  halten;  nach  Beendigung  des  Vortrage 
knüpft  sich  daran  eine  Disputation  der  Mitglieder  mit  dem  Verfafeer 
und  die  Beurtheiliing  von  Seite  des  Vorstandes.  Hierauf  werden  die 
Vorträge  entweder  in  ihrer  ursprünglichen  schriftlichen  Abfafsung  oder 
in  einer  durch  die  gemachten  Bemericungen  bestimmten  Umarbeitung  an 
den  Vorstand  abgegeben,  b)  In  Disputationen  über  historische  The- 
ses,  entweder  nach  der  Wahl  des  Vorstandes  oder  nach  der  Wahl  der 
Mitglieder,   jedoch  mit   Genehmigung   des  Vorstandes,   zwischen   iwei 


liUerarische  iiod  antiquarische  Miscellen.  573 

Ton  demselben  hiena  ernannten  Mitgliedern,  c)  In  CoUoauien  des 
Vorstandes  mit  den  Mitgliedern  fiber  Haoptpartien  der  Geschichte  und 
besondere  wichtige  oder  schwierige  Punkte,  meist  aus  demjenigen  Ge- 
biete, auf  welches  sich  die  Arbeiten  des  Seminars  in  demselben  Seme- 
ster beziehen. 

$.  4.     Theiinahme  an  den  Uebungen  des  Seminare.     Aufnahme  als 
wirkliches  Mitglied  in  das  Seminar.    1.   die  Uebungen  des  philologisch- 
historischen  Seminare  finden  unentgeltlich  statt,  und  es  steht  jedem  Stu- 
dierenden frei,  in  denselben  zuzuhören  und  auch  sich  thätig  zu  bethei- 
ligen durch  Interpretation,   Vorträge,   Disputationen,   schriftliche   Auf- 
sätze, insoweit  dies  ohne  Beeinträchtigung  der  zunächst  hierzu  berech- 
tigten und  TerpfUchteten    wirklichen   Mitglieder  geschehen    kann,   und 
insofern  die  Voreteher  die  Ueberzeugung  gewonnen  haben ,  dafs  die  Lei- 
stungen des  Bewerbers  nicht  unter  den  nothwendigsten  Anforderuncen 
des  Seminare  stehen  werden.  —  2.  Von  der  blofsen  Theiinahme  an  den 
Uebungen  ist  die  Aufnahme  zum  wirklichen  IVIitglied   unterechieden.    In 
dieser  Aufnahme  liegt  die  Anerkennung,   dafs  der  aufgenommene  nach 
bereits  früher  erworbener  Sicherheit  in   den  dem  Gymnasium  angehori- 
gen  Gegenständen   das  wifsenschaftliche  Studium  des  von   ihm  erwähl- 
ten Gebietes  selbstthätig  mit  gutem  Erfolge  begonnen  hat.     Durch  diese 
Aufnahme  übernimmt  das  wirkliche  Mitglied  bestimmte  Verpflichtungen 
(S.  5)  und   erhält,  soweit  die  Anzahl  es  erlaubt,  das  Anrecht  auf   ein 
Stipendium  ($.  6).  —  3.   Ueber  die  Aufnahme  wirklicher  Mitglieder  in 
jede  einzelne  und  in  beide  Abtheilungen  des  Seminare  entscheiden  die 
Vorsteher.     Wenn  diese  einereeits  darüber  zu  wachen  haben,  dafs  das 
Seminar  den  der  Univeraität  angemefsenen  wifsenschaftlichen  Charakter 
behaupte,  so  werden  sie  andrerseits   die   erforderliche   Voraicht  anwen- 
den, um  nicht  schwächere,  aber  eifrig  regsame  Kräfte  zurückzuschrecken. 
—  4.  Es  gibt  wirkliche  Mitglieder  der  philologischen  Abtheilung,  wirk- 
liche  Mitglieder  der  historischen   Abtheilung    und   wirkliche  Mitglieder 
beider  Abtheilungen;  aber  es   kann    niemand  blofs  für  die  lateinischen 
oder  blofs  für  die  griechischen  Uebungen ,  blofs  für  die  der  allgemeinen 
oder  die   der  österreichischen   Geschichte  gewidmeten   Uebungen    wirk- 
liches Mitfilied  des  Seminare  sein.  —  5.  Die  Bedingungen  der  Aufnahme 
zum  wirklichen  Mitgliede  sind:  a)  der  aufzunehmende   mufs  die  Maturi- 
tätsprüfung an  einem  Gymnasium   bestanden,   oder  nach   der  früheren 
Einrichtung  die  philosophischen  Obligatcuree  absolviert  und  bereits  ein 
Jahr  lang  auf  der  Univereität  wifsenschaftliche   Studien  seines  Gebiets 
betrieben  haben,     b)  Der  aufzunehmende  mufs  während  der  Theiinahme 
an'  den  Uebungen  wenigstens  eines  Semestera  durch  seine  schriftlichen 
und    mündlichen  Leistungen  die  für  das  Seminar  erforderliche  wifsen- 
schaftliche Reife  bewiesen  haben.     Speciell  für  die  philologische  Abthei- 
lung  ist  erforderlich,   dafs  der  aufzunehmende  eine    schriftliche  Arbeit 
aus  dem  Gebiete  der  lateinischen    und   eine   aus   dem  der  griechischen 
Philologie  zur  einstimmigen  Billigung  der  Voreteher  eingereicht  habe ; 
die  Arbeit  aus  dem  Gebiete  der  lateinischen  Philologie  ist  stets  in  latei- 
nischer Sprache  abzufafsen.     Für  die  historische  Abtheilnng  ist  jeden- 
falls   ein   schriftlicher    Aufsatz    aus   dem  Gebiete  der   allgemeinen   Ge- 
schichte erforderlich.  —  6.  Das  philolo^ch-historische  Seminar  ist  zwar 
zunächst   für  Studierende   der  Philologie  und   Geschichte  während   des 
letztern  Theils   ihrer  Studien  und  insbesondere  zur  Heranbildung  tou 
Gymnasiallehrern  dieser  Wifsenschaften  bestimmt;  doch  ist  es   durchaus 
zuläfsig,  dafs  auch  junge   Männer,  welche  ihre  Studienzeit    bereits  be- 
endigt haben,  oder  welche,  ohne  das  Studium   der  Philologie  oder  Ge- 
schichte zu    ihrem  Berufe  zu  machen,   diesen  Gegenständen  ein  reges 
Interesse  widmen ,  unter  den  vorher  bezeichneten  Bedingungen  als  wirk- 
liche Mitglieder  in  das  Seminar  aufgenommen  werden. 


574    Schul-  und  Personalnachrichten,  statistische  Mitlheiiangen, 

S.  5.    Verpflichtungen    der    wirklichen    Mit^ieder    des    Seminars. 

1.  Alle  wirklichen  Mitglieder  sind  Terpflichtet,  die  Uebungen  der  Ab- 
theilnng,  welcher  sie  angehören,  regelmäfsig  zu  besuchen,  und  sich  auf 
die  in  denselben  zu  behandelnden  Gegenstande  in  dem  MaTse  Torznbe- 
reiten,  dafs  sie  an  den    Uebungen  sich  thätig  betheiligen   können.  — 

2.  In  der  philologischen  Abtheilung  ist  jedes  Mitglied,  wo  die  Rei- 
henfolge es  trifft,  yerpflichtet,  die  mündliche  Interpretation  und  die  Kri- 
tik eines  eingereichten  schriftlichen  Aufsatzes  nach  Bestimmung  des  Vor- 
standes zu  übernehmen,  und  in  jedem  Semester  einen  schriftlichen  Auf- 
satz entweder  aus  dem  Gebiete  der  lateinischen,  oder  aus  dem  der 
griechischen  Philologie  einzuliefern.  Ueberdies  sind  die  wirklichen 
Mitglieder  der  philologischen  Abtheilung  yerpflichtet,  sich  an  den  Ue- 
bungen über  allgemeine  Geschichte  wallend  des  oder  der  Semester,  in 
welchen  dort  die  alte  Geschichte  behandelt  wird,  thatig  zu  betheiligen, 
jedoch  ohne  Verpflichtung  zur  Einreichung  eines  schriftlichen  Anfsatsea, 
aber  auch  ohne  schon  dadurch  allein  die  Mitgliedschaft  in  der  histori- 
schen Abtheilung  ($.  4,  5)  zu  erwerben.  —  3.  In  der  historischen 
Abtheilung  ist  jedes  Mitglied  verpflichtet,  Disputationen,  Kritiken  u.  a. 
m.  nach  Bestimmung  des  Vorstandes  zu  übernehmen,  und  in  jedem  Seme- 
ster einen  historischen  Vortrag  mündlich  zu  halten  und  schriftlich  aus- 
gearbeitet einzureichen,  ferner  während  der  Dauer  der  Mitgliedschaft 
in  Einern.  Semester  sich  an  der  Section  über  österreichische  Geschichte 
thätig  zu  betheiligen  und  einen  in  dieses  Gebiet  gehörigen  schriftlichen 
Aufsatz  zu  liefern.  Für  das  Semester  der  BetheUigung  an  der  Section 
für  österreichische  Geschichte  entfallt  die  Verpflichtung,  in  der  Section 
für  allgemeine  Geschichte  einen  schriftlichen  Aufsatz  zu  bearbeiten,  aber 
nicht  die  zu  der  übrigen  thätigen  Betheiligung.  Ueberdies  hat  jedes 
wirkliche  Mitglied  der  historischen  Abtheilung  während  ^ines  Jahres 
seiner  IVIitgliedschaft  sich  an  den  lateinischen  oder  den  griechischen  Ue- 
bungen der  philologischen  Abtheilung  thätig  zu  betheiligen ,  jedoch  ohne 
Verpflichtung  zur  Einreichung  eines  schriftlichen  Aufsatzes,  aber  auch 
ohne  schon  dadurch  allein  die  Mitgliedschaft  in  der  philologischen  Ab- 
theilung (J.  4,  5)  zu  erwerben.  —  4.  Die  Dauer  der  wirklichen  Mit- 
gliedschaft (mit  Anrecht  auf  ein  Stipendium)  kann  in  der  Regel  nicht 
über  zwei  Jahre  ausgedehnt  werden. 

$.  6.  Stipendien.  1.  Zur  Förderung  des  philologisch -historischen 
Seminars  in  Wien  werden  vierundzwanzig  Stipendien  zu  je  30  fl.  für 
jedes  Semester  bestimmt.  —  2.  Anrecht  auf  Empfang  eines  solchen  SU- 

f»endiums  hat,  so  weit  die  Zahl  der  Stipendien  es  gestattet,  jedes  wirk- 
iche  Mitglied  der  philologischen  oder  der  lustoriscnen  Abtheilung.  Die 
Auszahlung  der  Stipendien  an  die  wirklichen  Mitglieder,  nach  Mafs- 
gabe  des  relativen  Erfolgs  ilirer  Betheiligung,  gescheht  am  Schlafs  das 
Semesters  nach  yollständiger  Erfüllung  der  Verpflichtungen  in  demsel- 
ben, über  Antrag  der  Seminardirection  mit  Grenehmigung  des  k.  k.  Cul- 
tus-  und  Unterrichtsministeriums.  Die  am  Schlufs  eines  Semesters  aof 
Grund  ihrer  Leistungen  als  wirkliche  Mitglieder  aufgenommenen  erhal- 
ten das  Anrecht  auf  das  Stipendium  schon  für  das  eben  abgelaufene 
Semester.  —  3.  Für  wirkliche  Mitglieder  beider  Abtheilungen  kann 
bei  entsprechendem  Erfolge  ihrer  Leistungen  der  Betrag  von  zwei  Sti- 

{>endien,  also  00  fl.  für  jedes  Semester,  tSs  Stipendium  für  die  Bethei- 
igung  an  beiden  Abtheilungen  beantragt  werden.  Wirkliche  Mitglieder 
beider  Abtheilungen  haben  mit  ihren  höheren  Stipendien  den  Vonog 
vor  den  Mitgh'edem  nur  ^iner  Abtheilung. 

S.  7.  Benutzung  der  Universitäts-Bibliothek.  Da  zu  einem  erfolg- 
reichen Betriebe  der  philologischen  und  der  historischen  Uebungen  die 
Benützung  einer  flröfsem  Bibliothek  ein  nothwendiges  Erfordernis  ist, 
so  haben  die  wirklichen  Mitglieder  des  philologisch- historischen  Semi- 


litlerarisehe  und  «Btiquahgclie  Miscelleo.     Todesfttlle.      575 

uan  das  Recht,  ohne  Erleffdne  einer  Caation,  aber  mit  Beobachtung 
der  übrigen  allgemeinen  Bibliothek-Stataten,  aiu  der  Universitats- Biblio- 
thek Bücher  zum  häuslichen  Gebrauch  su  entlehnen.  Sie  haben  zu  die- 
sem Behuf  ihren  Empfangsschein  mit  der  Unterschriit  eines  Vorstehers 
des  Seminars  versehen  zu  lafsen,  durch  welche  dieser  bestätigt,  dafs 
der  Empfanger  wirkliches  Mitglied  des  philologisch  -  tdstorischen  Semi- 
nars ist,  und  das  bezeichnete  Buch  zu  seinen  ^beiten  in  dieser  Anstalt 
benöthigt. 

$.  8.  Leitung  des  Seminars.  Die  Vorsteher  des  Seminars  sind  nicht 
nur  yerpflichtet,  die  Uebungen  des  Seminars  zuzeiten,  sondern  auch 
durch  ihren  Rath  den  Mitgliedern  des  Seminars  bei  ihren  philologisch- 
historischen  Studien  in  aller  Weise  hilfreich  zu  sein.  Dieselben  haben 
am  Schiuls  jedes  Studienjahres  dem  k.  k.  Ministerium  des  Cultus  und 
Unterrichts  über  den  Fortgang  und  Erfole  des  Seminars  Bericht  zu  er- 
statten und  die  eingelieferten  Aufsätze  demselben  vorzulegen,  welche 
dann,  nach  erfolgter  Erledigung  durch  das  Ministerium,  im  Archi?  des 
Seminars  aufbewahrt  werden. 

Zara.  Der  Weltpriester  und  Snpplent  am  dortigen  Gymnasium 
Johann  Danilo  ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  daselbst  ernannt. 

Zittau.  Zum  Director  des  dortigen  Gymnasiums  ist  der  bisherige 
Conrector  K ä m m e  1*  gewählt  und  bestätigt ,  der  Tertius  Lachmann 
in  das  Conrectorat  angeruckt. 


Todesfälle. 


Am   27.  August  starb   zu  München  der   geistliche  Rath  und   vormalige 
Studiendirector  und  Professor  der  Philosophie  zu  Amberg,  Max  im  i 
lian  Furtmair. 

Im  September  zu  Karlsbad  auf  der  Rückreise  von  Marienbad  der  Ober- 
consistorial*Vicepraesident  Comthur  Johann  August  Nebe  aus 
Bisenach,  bekannt  als  paedagogischer  Schriftsteller. 

Am  19.  September  zu  Egern  am  Tegernsee  Dr.  Joseph  Ennemoser, 
praktischer  Arzt,  bekannt  durch  seine  Untersuchungen  über  den 
Magnetismus,  geb.  15.  Novbr.  1787  zu  Hintersee  im  tirolischen 
Landgericht  Passeyer. 

Am  2.  October  zu  Frankfurt  an  der  Oder  der  Professor  am  dortigen 
Gymnasium  Karl  Stange,  im  63n  Lebensjahre. 

Am  4.  October  zu  Düren,  seiner  Vaterstadt,  Dr.  Wilhelm  Esser, 
ordentlicher  Professor  der  Philosophie  an  der  k.  Akademie  lu  Mun- 
ster, 50  J.  alt. 

Am  8.  October  zu  Leipzig  der  ordentliche  Professor  der  Theologie  au 
der  dortigen  Universität  Dr.  Karl  Gottfried  Wilhelm  Theile, 
geb.  25.  Febr.  1799  zu  Grofskorbetha  bei  Merseburg. 

An  demselben  Tage  zu  Potsdam  der  pensionierte  k.  preuss.  Geh.  Re- 
gierungsrath  Dr.  Friedrich  Heinrich  Wilhelm  Lange,  früher 
Provincialschulrath  in  Berlin,  im  69n  Lebensjahre. 

Am  9.  October  auf  der  Rückreise  yom  Frankfurter  Kirchentage  Wil- 
helm Friedrich  Rinck,  Pfarrer  in  dem  badischen  Dorfe  Grea- 
zach,  Verf.  der  Prolegomena  ad  Aemilium  Probum  (vor  K.  L.  Roths 
Ausgabe)  und  des  noch  unvollendeten  Werks :  die  Religion  der  Hel- 
lend (Zürich  1853.  54),  £eb.  9.  Octbr.  1793,  seit  1835  in  GrenMch. 

Am  16.  October  zu  GreifowaB  der  Prorector  am  dorti^n  Gymnasium, 
Prof.  Dr.  Hermann  Paldamus,  im  52n  Lebensjahre. 

Am  22.  October  zu  Lütielflnh  Im  Emmenthal   in  der  Schweiz  Pfarrer 


576  VorlesungeD  für  das  Wintersemester  1854 — 55. 

Albert  Bitzius,  der  anter  dem  Namen  Jeremias  Gotthelf 
bekannte  and  beliebte  Volksschiiftsteiler,  geb.  1797  im  Pfarrfaaiue 
zu  Murten,  seit  1832  in  Lutzelflüli. 

Am  28.  October  za  Leonberg  in  Württemberg  Dr.  Heinrich  Fried- 
rich Otto  Abel,  Priyatdocent  der  Geschichte  an  der  Universität 
Bonn,  im  30n  Lebensjahre. 

Am  2.  November  zu  Frankfurt  am  Main  Dr.  phil.  Joseph  Ritter  von 
Xvlander,  k.  bayrischer  Generalmajor,  Verf.  mehrerer  sprach- 
wifsenschaftlicher  Werke,  geb.  4.  Februar  1794  in  Manchen. 

Am  11.  November  zu  Tübingen  der  emeritierte  Ephorus  des  evangeli- 
schen Seminars  in  Urach  von  Kostlin,  Ö9  J.  alt. 

Am  18.  November  zu  Edinburg  Eduard  Forbes,  Professor  der  Na- 
turgeschichte an  der  dortigen  Hochschule,  bekannt  durch  seine 
Reise  nach  Kleinasien,  39  J.  alt. 

In  der  Nacht  vom  24.  zum  25.  November  zu  Crottdorf  bei  Magdeburg 
Dr.  Anton  Wilhelm  Ferdinand  Briisse,  Oberlehrer  am  Col- 
nischen  Realgymnasium  zu  Berlin,  im  45n  Lebensjahre. 


Verzeichnis  der   auf  den  Universitäten   Deutschlands  und 

der  Nachbarländer   für   das  Winterhalbjahr  1854  —  1855 

angekündigten  Vorlesungen,  so  weit  sie  in  die  classische 

Philologie  und  die  übrigen  zur  Gymnasialpaedagogik 

gehörenden  Wissenschaften  einschlagen. 

Zusammengestellt   von    A.   Fleckeisen. 

(Die  mit  *  bezeichneten  Vorlesungen  werden  unentgeltlich  gehalten. 
Die  in  Parenthese  hinzugefugte  Zahl  bezeichnet,  in  wie  viel  Stun- 
den wöchentlich  die  betreffende  Vorlesung  gehalten  werden  solL) 

Basel*  Bernoulli:  Mechanik  (4).  Brömmel:  Geschichte  der 
Romer  (3).  Allgemeine  Geschichte  seit  1815  (3).  Principien  der  Staats- 
lehre (1).  Burckhardt:  Einleitung  in  das  Studium  der  Geschichte (2). 
Alte  Geschichte  bis  auf  die  Diadochen  (4).  E c  ke  rt :  Integralrechnung'r 2). 
System  der  neuern  Geometrie  und  Algebra  (3).  Analytische  Geometrie  (2). 
Gerlach:  romische  Litteraturgeschichte  (3).  Tacitus  Agricola  (2). 
Lateinische  Interpretier-  und  Disputierubungen  (2).  Girard:  fran- 
zösische Litteraturgeschichte  des  17n  Jahrh.  (3).  FranzosiBche  Stil- 
übungen  (l).  Grimm:  deutsche  Staats-  und  Rechtsgeschichte  (3). 
Mähly:  Euripides  Medea  (2),  Griechische  Geschichte  vom  Tod  Alex- 
anders bis  zum  Fall  Korinths  (2).  MeiTsner:  Zoologie  (4).  P.  Me- 
rian:  Geologie  (3).  R.  Merlan:  höhere  Mathematik.  J.  J.  Merian: 
griechische  Lyriker  (2).  Römische  Staatsalterthümer  (3).  A.  Mfiller: 
Mineralogie  (3).  Picchioni:  italiänische  Grammatik  (2).  Ital.  Stil- 
übungen (2).  Dantes  Holle  (2).  Preis  werk:  hebraeische  Grammatik 
(3)  mit  schriftlichen  Uebungen  (1).  Hiob  (3).  Reber:  Schweizerge- 
schichte des  18n  Jh.  (2).  Entwicklung  der  schweizerischen  Aristokra- 
tien (2).  Roth:  Horatius  Episteln  (3).  Demosthenes  vom  Kranz  (2). 
Schönbein:  unorganische  Chemie  (0).  Elektrochemie  (3).  J.  J.  Stä- 
hclin:  cursorische  Erklärung  leichter  Stellen  des  A.  T.  (2).  Erkl.  der 
auf  Archaeologie  sich  beziehenden  Stellen  des  A.  T.  (1).  Geschichte  der 
Israeliten   bis  zur  Zerstörung  des  2n  Tempels  (3).     Chr.  Stähelin: 


Vorlesungen  fttr  das  Wintersemester  1864 — ^55.  577 

iBathematitche  Physik  (2).  Steffensen  (wird  seine  Vorlesungen  nber 
Philosophie  später  anzeigen).  Streuber:  Plinias  Briefe  (2).  Latei- 
nische und  griechische  Interpretier-  und  Stilübungen  (2).  Vis  eher: 
Piatons  Symposion  (3).  Griechische  Litteraturgeschichte  bis  auf  Alexan- 
der (3).  Wackernagel:  deutsche  Litteraturgeschichte  bis  zum  Schlufs 
des  Mittelalters  (4).  Deutsche  Metrik  (2).  Widemann:  Experimen- 
talphysik (4). 

Berlin.  Althaus:  *  Darstellung  und  Kritik  der  Grundlehren  der 
Hegeischen  Philosophie  (1).  Logik  und  Encydopaedie  der  philosophi- 
schen Wifsenschaften  (4).  Allgemeine  Geschichte  der  Philosophie  (4). 
Arndt:  analytische  Geometrie  und  deren  Anwendung  auf  die  Linien 
und  Flachen  der  2n  Ordnung  (3).  Analytische  Mechanik  (4).  Die  Gau- 
fsische  Kreistheilung  mit  verschiedenen  Anwendungen  (3).  Beetz: 
über  GalvaniBmus  und  Magnetismus  (3).  Bekker:  "^Isokrates  (2). 
F.  Benary:  *  Daniel  (2).  Genesis  (5).  A.  Benary:  Tacitns  Histo- 
rien (4).  Berner:  Rechtsphilosophie  (4).  Beyrich:  Versteineruncs- 
kunde  (4).  Bockh:  *  Sophokles  Oedipus  auf  Kolonos  und  Leitung  der 
übrigen  Uebungen  im  philologischen  Seminar  (2).  Griechische  Littera- 
turgeschichte (5).  Piatons  Republik  mit  einer  Einleitung  in  Piatons 
Schriften  und  Philosophie  (4).  Botticher:  '^die  Tempel  der  alten  Volker 
in  architektonischer  und  archaeologischer  Hinsicht  (2).  Bopp:  '^Hitd- 
pad^s'a  (1).  Vergleichende  Grammatik  des  Griech.,  Latein,  und  Deut- 
schen (3).  Sanskritgrammatik (3).  Borchardt:  Algebra (4).  C a s p a r y : 
allgemeine  Botanik  (4).  Clausius:  Akustik,  Optik  und  die  Lehre 
des  Magnetismus  und  der  Electricität  (4).  Curtius:  ^^ectüsche  Epi- 
graphik  (1).  Alte  Länder-  und  Volkerkunde  mit  bes.  Rucksicht  auf  die 
Topo^phie  von  Kleinasien,  Griechenland  und  Italien  (5).  Cybulski: 
*  die  ältesten  Denkmäler  der  slawischen  Sprache  (2).  Slawische  Alter- 
thümer  (3).  von  Daniels:  deutsche  Staats-  und  Rechtsgeschichte  (4). 
C.  F.  G.  Dieterici:  Statistik  des  preussiM^hen  StaaU  (4).  F.  Die- 
terici:  *  Culturgeschichte  der  semitischen  Völker  (2).  '^Josua  (1). 
Lejeune-Dirichlet:  *  einige  Anwendungen  der  Integralrechnung  (I). 
Lehre  von  den  Kräften,  welche  im  umgekehrten  Verhältnis  des  Quadrats 
der  Entfernung  wirken,  und  die  Anwendung  dieser  Lehre  auf  physi- 
kalische Probleme  (3).  Dirksen:  * Pandektentitel  de  origine  turit  (2). 
Institutionen  und  Rechtsalterthümer  (6).  Geschichte  des  rom.  Rechts  (4). 
Dove:  *  Meteorologie  (2).  Experimentalphysik  (8).  Encke:  theorische 
Astronomie  (4).  Erman:  *die  elektrischen  und  magnetischen  Erschei- 
nungen nach  ihrem  theoretischen  Zusammenhaue  (1).  Physik  der  Erde 
oder  theoretische  Zusammenstellung  der  geograpnischen  Thatsachen  (2). 
F  a  b  b  r  u  c  c  i :  *  Geschichte  der  italiänischen  Litteratur  (3).  Tassos  be- 
freites Jerusalem,  nebst  einigen  Nachrichten  über  die  epische  Dichtkunst 
der  Italiäner  bes.  vor  Tasso.  Franceson:  *  über  die  französische 
Tragoedie  (1).     George:    *Principien  der  Naturphilosophie   mit    bes. 


Rücksicht  auf  Humboldts  Kosmos  (2).  Logik  und  Metaphysik  (4).  Ps;^- 
chologie  und  Anthropologie  (4).  Geppert:  *Terenz  Andria  (2).^  Romi- 
sche Litteraturgeschichte  (4).  Gernard:  '^auserlesene  Abschnitte  des 
Pausanias  (1).  Archaeologie  der  griechischen  Kunst  (4).  Archaeologische 
Uebungen  (2).  Gosche:  *  spanisch  -  arabische  Culturgeschichte  (2). 
Allgemeine  Litteraturgeschichte  (4).  Gruppe:  *  Geschichte  der  Logik  (1). 
Logik  und  Encyclopi^ie  der  Plulosophie  ^3).  Guhl:  *  Geschichte  der 
neuern  Kunst  (1).  Allgemeine  Kunstgeschichte  (4).  Encydopaedie  der 
Kunstvrifsenschaften  (4).  von  der  Haeen:  *  deutsche  und  nordische 
Mythologie  (2).  *Der  Nibelungen  Lied  (2).  Litteraturgeschichte  des 
Mittelalters  und  der  neuem  Zeit  (3).  Haupt:  *  Lucretius  im  philoloff. 
Seminar  (2).  *Tibullus  Eleeien  (2).  Lieder  von  den  Nibelungen  ^4). 
Uias    (4).      Hei  ff  er  ich:    *  Methode   des  akademischen   Studiums    (1). 


578  Vorlesuogeo  für  dag  Wintersemester  1854 — 55. 

Geschichte  der  neuem  Philosophie  (4).  Anthropologie  and  Psychologie 
(4).  Hengstenberg:  Jesaias  (5).  von  Henning:  Hecbtspliiloso- 
phie  (4).  Hertz:  *  römische  Priyatalterthümer  (2).  Römische  Littera- 
turgeschichte  (5).  Ciceros  Reden  für  Sestios  and  gegen  Vatinios  (4). 
Heydemann:  Rechtsphilosophie  (4).  Hirsch:  Geschichte  der  neusten 
Zeit  bes.  seit  1814  (4).  Homeyor:  deatsche  Staats-  und  Rechtsge- 
schichte (4).  Hoppe:  Integralrechnung  (4j.  Analytische  Geometrie  (3). 
Theorie  der  elliptischen  Functionen  (4).  Hotho:  *  Geschichte  der  flan- 
drischen   Malerschulen   im  15 n  Jh.  (2).    Aesthetik   (4).      von    KeHer: 

*  berühmte  Civil-  und  Criminalrechtsfölle  bei  den  Römern  (1).  Kirch- 
ner: über  Shakspeares  Dramen  (1).  Allgemeine  Geschichte  der  Poesie 
(4 ).  Klug:*  Entomologie  (2).    Koch:*  Pflanzengeographie  (2).  K  ö  p  k  e : 

*  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  seit  dem  Ende  des  i8n  Jh.  (2). 
Neuere  Geschichte  (4).  von  Lancizoll«*:  *  allgemeine  Geschichte  der 
deutschen  Landstände  (1).  Lepsius:  *aegyptische  Geschichte  (1). 
Aegyptische  Grammatik  (3).  Aegyptische  Denkmäler  nach  publiciertea 
und  unpublicierten  Zeichnungen  (1).  Lichtenstein:  allgemeine  Zoo- 
logie (0).  Mä  reker:  *Lucretius  (1).  *  Rhetorik  mit  Uebungen  (2). 
Geschichte  der  alten  Philosophie  (4).  Magnus:  Experimentalphysik  (5). 
Mafsmann:  *  Geschichte  der  Paedagogik  des  l(5n  und  17n  Jh.,  bes.  des 
Wolfgang  Ratichius  (2).  Aeltere  deutsche  Litteraturgeschlchte  (4). 
Aeltere  deutsche  Sprachdenkmäler  vom  Grothischen  an  (4).  Handschrif- 
tenkunde. Michelet:  Logik  und  Encyclopaedie  der  philosophischen 
Wifsenschaften  (4).  Rechtsplulosophie  (4).  Mitscherlich:  Experi- 
mentalchemie   (6).      Pflanzen-    und   Thierchemie   (3).      F.  H.  Müller: 

*  allgemeine  Geschichte  der  Geographie  und  der  Entdeckungsreisen  (2\ 
Geographie  und  Ethnographie  von  Europa  (4).  Mallach:  *Erotokritos 
des  Vikentios  Kornaros  (2).  Neugriechische  Grammatik  mit  Geschichte 
der  griech.  Sprache  (4).  Ohm:  *  höhere  Gleichungen  (2).  Höhere  Al- 
gebra und  Analogie  des  endlichen  (4).  Panofka:  *  Nutzen  der  Denk- 
mälerkenntnis zum  Verständnis  der  griechischen  Dichter  (1).  Mythologie 
der  Griechen  und  Römer  (4).  Poggendorff:  *  allgemeine  Geschichte 
der  Phvsik  seit  Galilei2(2).  Pringsheim:  Anatomie,  Entwicklungs- 
geschichte und  Physiologie  der  Pflanzen  (4).  Ranke:  deutsche  Ge- 
schichte (4).  von  Raumer:  alte  Geschichte  (4).  Ritter:  allgemeine 
Erdkunde  (4).  G.  Rose:  *  Krystallographie  (1).  MineraJoeie  (5).  H. 
Rose:  Experimentalchemie  (6).  Rudorff:  *  römischer  CiviTprocessr2). 
Institutionen  und  Rechtsalterthümer  (0).  Geschichte  des  röm.  Rechts  (4). 
F.  G.  Schultz:  *Exodus  (2).  Psalmen  (5).  SoUy:  *Geschichte  der 
englischen  Litteratur  seit  dem  17nJh.,  Forts.  (1).  Cursus  der  engl 
Sprache  (2).  Sonnenschein:  analytische  Chemie  mit  Versuchen  (9). 
Steiner:  *  ausgewählte  Capitel  der  Geometrie  (1).  Erläuterung  der 
neusten  Methoden  der  synthetischen  Geometrie  (4).  Straufs:  *  biblische 
Geographie  (1).  *  Kirchliche  Archaeoiogie  (2).  Tölken:  *die  Prin- 
cipien  archaeologischcr  Kritik  über  die  I^htheit  der  Kunstdenkmäler  (1). 
Aesthetik  (4).  Trendelenburg:  *  Aristoteles  über  die  Theiie  der 
Thiere  Is  Buch  (2).  Psychologie  (4).  Allgemeine  Geschichte  der  Phi- 
losophie (4).  Uhlemann:  Grenesis  (4).  Vatke:  *  Geschichte  der  Re- 
ligion des  A.  T.  (1).  Jesaias  (6).  Waagen:  *  allgemeine  Kanstffe- 
schichte  seit  1780  (1).  Allgemeine  Kunstgeschichte  (4).  Watte nbach: 
*fiber  Deutschlands  Geschichtsquellen  im  Mittelalter  (2).  Geschidite 
des  Mittelalters  (4).  Weber:  *  indische  Litteraturgt>schichte  (2).  Suis- 
kritgrammatik  (3).  Zend-  o 'er  Päligrammatik  (2).  Stücke  aus. dem 
Veda  (3).  Ein  indisches  noch  zu  bestimmendes  Drama  (3).  Weifs: 
Mineralogie ((>)•  Werder:  Logik  und  Metaphysik  mit  kritischer  Rück- 
sicht auf  die  bedeutendsten  altern  und  neuem  philosophischen  Systeme 
(4).     Psychologie  und  Anthropologie  (4).     Wollheiro  da   Fonseca: 


VorlMongen  fttr  das  Wintergemester  1864 — 55.  579 

*  Diplomatie  der  alten  Volker  des  Orients.  Indische  Mythologie  (3). 
Krijäjogasära,  ein  Sanskritwerk  (2). 

Bern.  B  r  u  n  n e r  (o.  P.) :  allgemeine  Chemie  Ir  Th.  i  C).  Chemische 
Analyse  (0).  Brunner  (a.  P.):  Experimentalphysik  IrThL  (5).  Repe- 
titonom  der  Chemie  (3).  Eckard t:  deatsche  Litteraturgeschichte  des 
18n  Jh.  (3).  Theoretisch -praktische  Anleitung  zur  Redekunst  (3).  Sti- 
listische Uebungen  ( 1).  Grandzuge  der  Aesthetik  (i).  Fischer:  Grund- 
sage  der  Anatomie  und  Physiologie  der  Pflanzen  (2).  Anleitung  zur 
Kenntnis'  der  Kryptogamen  (2).  Hahn:  Anfangsgrande  der  englischen 
Sprache  (2).  Engl.  Sprache  and  Litteratar  (2).  Shakespeare  Macbeth  (2). 
Henne:  Ethnographie  (3).  Vorgeschichte  und  hellenische  Geschichte  (^4)» 
Allgemeine  Geschichte  seit  1840  (4).  Jahn  (a.  P.):  Eoripides  Hecuba 
(3).    Thukydides  ausgewählte  Reden  (3).     ^Ciceros  ausgewählte  Briefe 

i3).  *  Ausgewählte  Abschnitte  aus  Tacitus  Annalen  und  Historien  (3). 
)ante  Tinfemo  (3).  Shakespeare  Othello  (3).  Jahn  (Docent):  Cicero 
de  re  publica  (2).  Perty:  allgemeine  Naturgeschichte  (3).  Zoologie  (6). 
Pfotenhauer:  Institationen  (0).  Rettig:  Piatons  Symposion  (3). 
Exegetische  Uebungen  (1).  Ries:  Logik  (5).  Religionsphilosophie  (ö). 
Creschichte  der  Philosophie  seit  Kant  (5).  Schläfli:  Elemente  der 
Mathematik  (2  —  3).  Analytische  Geometrie  (3).  Differential-  und 
Integralrechnung  (4).  Darstellende  Geometrie  und  Perspective  (2). 
Analytische  Mechanik  (4).  G.  Studer:  Hieb  1  —  31  ^5).  Hebraeische 
Interpretationsübang  (3).  B.  Studer:  Mineralogie  (6>.  Physikalische 
Geographie  (4).  Repetitorium  der  Physik  (2).  Wolf:  ebene  und  sphae- 
rische  Trigonometrie  (2).  Populäre  Astronomie  (2).  Wyfs:  Paeda- 
gogik  (4). 

Boiiii.  Argelander:  '^uber  Reduction  der  scheinbaren  Fixstem- 
orter  (2).  Elemente  der  Astronomie  (4).  Arndt  (a  venerabili  senec- 
tute  excusatus  otiabitnr).  Beckhaus:  y ergleichende  Interpretation  der 
Institutionen  des  Justinian  und  des  Gaius  (5).  Beer:  *  ausgewählte 
Capitel  der  mathematischen  Physik  (1).  Analytische  Geometrie  des  Ran- 
mes  (4).  Bergemann:  *  organische  Chemie  (2).  Experimentalchemie  (6). 
Bischof;  '^ausgewählte  Capitel  der  Geologie  (2).  Analytische  Experi- 
mentalchemie (0).  Bleek:  Jesaia  r5).  Bluhme:  *  Gaius  Institationen 
(1).  Institutionen  und  Qnellenkunde  des  römischen  Rechts  (0).  C.  A. 
Brand  is:  Geschichte  der  alten  Philosophie  (4).  Psychologie  (4%  D. 
Brandis:  *  Erziehung  der  Pflanzen  (2),  Brunn:  ^Plinius  N.  H.  B. 
34  —  36  in  Beziehang  auf  Kanstgeschidite  (2).  Systematische  Archaeo- 
logie  zugleich  als  archaeologische  Encyclopaedie  (3).  van  C alker: 
'^Encyclopaedie  der  Philosophie  (2).  Logik  (4).  Psychologie  (4). 
Aesthetik.    Clemens:  Rechtsphilosophie  (4>    Logik  (4).     D a^ilm a n n : 

*  Abschnitte  der  skandinarischen  Geschichte  (1).  Politik  (4X  Deatsche 
Geschichte  seit  Karl  V  (4).  Deiters:  deatsche  Staats-  und  Rechts- 
geschichte (6).  Delius:  ^Shaksperes  Heinrich  V  (2).  Englische  Litr 
teraturgeschichte  (5).  *  Sanskrit.  Diestel:  *  hebraeische  Uebungen. 
Diez:  ^Cervantes  Numancia  ^2).  Elemente  der  althochdeutschen  Sprache 
(2  —  3).  Gothische  Grammatik  (2).  Italiänische  Sprache  (3).  Engen 
^Elemente  des  Chaldaeischen  (2).  Erklärung  des  hohen  Liedes  (2). 
Fischer:  Geschichte  der  neuem  Philosophie  seit  Cartesius  (4).  Frey- 
taff:  hebraeische  Grammatik  mit  Uebungen  (4).  Hälschner:  Rechto- 
phiiosophie  (5).  Deutsche  Rechtsgescluchte  (5).  Hasse:  *  Geschichte 
des  Heidenthnms  (4).  Heim  so  th:  '^Aristoteles  Poetik  (2).  Piatons 
Protagoras  (4).  Heine:  *  ausgewählte  Capitel  der  Mathematik  (1). 
Differential-  und  Integralrechnung  (6).  Knoodt:  *  die  Hegelsche  und 
Herbartsche    Philosophie  (2).      Logik   (5).     Paeda^ogik  (3).      Lange: 

*  Entwicklung  der  aJttestamentlichen  Theokratie,  fnr  Zohorer  aus  afien 
Facoltäten  (2).    Lassen:  *  Elemente  des  Sanskrit  (2).     ^Benfeys  Sans- 


580  Vorlesmigen  für  das  Wintersemester  1864 — 65. 

krit- Chrestomathie  (2).  Alterthumer  der  vorderafliatischen  Volker,  bes. 
der  Iranier  (5).  Lobell:  Einleitung  in  das  Studium  der  alten  Ge- 
schichte (4).  Monnard:  *  neuere  französische  Litteraturgeschichte  (2). 
Moll^res  ausgewählte  Lustspiele  (3).  Theoretisches  und  geschichtlicnes 
Studium  der  franzosischen  Sprache  mit  praktischen  Uebungen  und  An- 
wendungen auf  die  Lehrmethode.  Nadaud:  *  Voltaires  Mahomet  (2). 
Franzosisches  Conversatorium  mit  Stilubungen  (3).  Franz.  Grammatik 
mit  Sprechfibungen  (3).  Noggerath:  Geologie  (4).  Ot erbeck;  Da- 
niel (2).  PI  u  CK  er:  *  ausgewälilte  Capitel  der  mathematischen  Physik 
(2).  Experimentalphysik  (0).  Analytische  Mechanik.  Radike:  ^Me- 
teorologie (2).  Elementarmathematik  (4).  Analysis  des  endlichen  und 
höhere  Algebra  (4).  Reu  seh:  Isaias  (3).  von  Riese:  *äber  Erd- 
magnetismus (1  —  2).  Wahrscheinlichkeitsrechnung  nebst  Anwendun- 
gen (4).  Ebene  und  sphaerische  Trigonometrie  (2).  F.  Ritschi:  *  ge- 
schichtliche Entwicklung  der  metrischen  Kunst  bei  den  Alten  (1).  *  Ci- 
ceros  Brutus  im  philologischen  Seminar  (2).  Plautus  Trinummus  (4). 
Ritter:  ^Tacitus  über  die  Redner  (2).  Romische  Alterthumer  (4). 
Römer:  '^Geognosie  des  nördlichen  Deutschlands  (1).  Geognosie  (5). 
Schmidt:  *über  das  metrische  in  den  Chorgesängen  der  griechischen 
Tragoedie  (2).  Demosthenes  Rede  vom  Kranz  nebst  Geschichte  der 
griech.   Beredsamkeit  (4).     Schopen:    ^Horatius  Episteln  (2).     Seil: 

*  Justinians  Institutionen  verglichen  mit  den  Commentarien  des  Gaius  (2). 
Institutionen   und  Quellenkunde  des  römischen  Rechts  (0).     Simrock: 

*  Grundzuge  der  deutschen  Metrik  (2).  Geschichte  der  deutschen  Sprache 
und  Litteratur  (5).  Springer:  Geschichte  der  Architectur  mit  prakti- 
schen Uebungen  ^2).  Archaeologie  und  Geschichte  der  christlichen 
Kunst  (4).  Treviranus:  *  allgemeine  Geschichte  der  kry  ptogamischen 
Gewächse  (2).    Anatomie  und  Physiologie  der  Gewächse  (3).  T  rose  hei: 

*  Naturgeschichte  der  Mollusken  (2).  Populäre  allgemeine  Naturge- 
schichte (4).  Ueberweg:  *die  Philosophie  Uerbarts  (1  —  2).  Logik  (4). 
Walter:  '^  Rechtsalterthümer  im  Gedicht  'Reineke  Vos'  (1).  Römische 
Rechtsgeschichte  (5).  Welcker:  *  homerische  Hymnen  im  philolog. 
Seminar  (2).  Die  lyrischen  Fragmente  der  Griechen  mit  Einleitung 
über  die  gesäumte  Geschichte  der  lyrischen  und  die  Anfänge  der  dra- 
matischen Poesie  (5).  Wessel:  *  Klimatologie  und  Meteorologie  (2). 
Vergleichende  Geographie  von  Europa  (4). 

Braunsberg  (Lyceum  Hosianum).  Beckmann:  Sophokles  Aias  (2). 
Cicero  de  re  publica  (3).  Justinus  M.  Apologien  (2).  Geschichte  Ton 
Wermeland  (2).  Fei  dt:  Einleitung  in  die  Analysis  des  unendlichen 
und  geometrische  Uebungen  (2).  Experimentalphysik  (2).  Elemente 
der  Astronomie  (2).  Junkmann:  allgemeine  Geschichte  von  Christi 
Geb.  an  (3).  Alte  Geschichte  von  Alexander  M.  an  (1).  Geschichte 
der  Colonien,  sowohl  weltlicher  als  geistlicher  (i).  Geschichte  der 
Poesie  bei  den  christlichen  Völkern  (1).  Krüger:  Genesis  (3).  Sacra!- 
alterthumer  der  Hebraeer  (2).  Trütschel:  Metaphysik  (5).  Logik  (5). 
Aristoteles  Bücher  über  die  Seele. 

Breslau.    Ab  egg:  Rechtsphilosophie  (5).     Ambrosch:  *philolo- 

gisch- antiquarische  Uebungen  geknüpft  an  Ovids  Frästen  (2).  ^  Ueber 
cn  Tempelbau  der  classischen  Völker  (1).  Erklärung  des  homerischen 
Hymnus  an  Demeter  nach  Betrachtung  der  Mysterien  von  Eleusis  (2). 
Ciceros  Miloniana  nach  Darstellung  des  altrömischen  Criniinalprocesses  (3). 
Beb  n seh:  *  Shakespeares  Hamlet  (2).  Grammatische  Einleitung  in  das 
Studium  der  englischen  Sprache  (3).  Angelsächsische  Grammatik  (1). 
Bernays:  *  Entwicklungsgeschichte  der  griechischen  Beredsamkeit  und 
Aristoteles   Rhetorik    (2).      '^Philologische   Unterhaltungen.      Böckel: 

*  Bossuets  oraisons  fun^bres  (2).  Uebungen  im  Französischsprechen 
und  -schreiben  (2).     Branifs:  Psychologie  und  Logik  (5).    Geschichte 


Vorlesungen  f&r  das  Wintersemester  1854 — 55.  581 

der  Philosophie  (5).  *  PhiloMphisches  Dispntatoriiim  (2).  Caner:  Ge- 
schichte der  Römer  (4).  Cohn:  "^  Entwicklangsgeschichte  der  Pflanzen 
(2).  Die  natürlichen  Pflanzen familien  der  europaeischen  Flora  (4). 
Cornelius:  *  Dante  und  sein  Zeitalter  (1).  Deutsche  Geschichte  (4). 
D u f  1  o s :  *  Elemente  der  analytischen  Chemie  (2).  Elvenich;  Ge- 
schichte der  neuem  Philosophie  seit  Cartesius  (4  —  5).  *  Philosophisches 
Diipntatorittm  (2).  Franlcenheim:  *  Meteorologie  (1).  Optik  (3). 
^Physikalische  Uebnngen  (i),  Galle:  *  über  mechiuiische  Quadratur  (2). 
Theorische  Astronomie  (4>  Glocker:  *die  vnlcanischen  Erscheinun 
gen  (1).  Geologie  und  Geognosie  (3).  GÖppert:  *  kryptoganusche 
Uewächse  (2).  Anatomie  und  Physiologie  der  Gewächse  (3).  Grog  er: 
'^ Geist  des  classischen  Alterthums.  '^Charakteristik  des  19n  Jh.  in  Be- 
zug auf  Religion,  Philosophie,  Staat,  Kunst  Haase:  ^Üebungen  des 
phuologischen  Seminars  (4).  Thukydides  3s  Buch  nebst  Einleitung  über 
Leben  und  Charakter  desselben  (4).  Römische  ^tteraturgeschichte  (6). 
Husch ke:  "^Geschichte  des  romischen  Civilyerfahrens  (2).  Geschichte 
und  Institutionen  des  rom.  Rechts  (12).  Kahlert:  *uber  Schiller  und 
Goethe  (1).  Aesthetik  (3).  Körber:  allgemeine  Naturgeschichte  im 
Grundrifs  (4).  Kummer:  *  über  bestimmte  Integrale  und  unendliche 
Reihen  (2).  Analytische  Geometrie  (5).  Differentialrechnung  (4).  LÖ- 
wig:  *  qualitative  anal3rtische  Chemie  (1).  Unorganische  Experimentai- 
chemie(6).  Magnus:  *chaldaeische  Grammatik  mit  Uebnngen  im  Ueber- 
setzen  (2).  Hebraeische  Grammatik  mit  mündlichen  Uebungen  (3). 
Marochetti:  *Cesare  Cantü  Universalgeschichte  (2).  Anfangsgrunde 
der  italianischen  Sprache  (2).  Middeldorpf:  Jesaias  2r  Thl.  (5  —  6). 
Movers:  »biblische  Archaeologie  IrThl.  (3).  Psalmen  (3).  W.  Neu 
mann:  Psalmen  (5).  Biblische  Alterthümer  (3).  C.  H.  Neumann: 
"*  Bücher  Samuelis  (3).  Hebraeische  Grammatik  (3).  Oginski:  *  Ge- 
nius des  Sokrates  (1).  Ethik  (3).  Pe ucker:  *  neugriechische  Gram- 
matik (2).  *  Biographie  des  Adamantios  Korai  (2).  R  ä  b  iger:  *Hoseas  (2)« 
Reuter:  *  christliche  Religionslehre  für  die  evangelischen  Commilitonen, 
vornehmlich  für  die  Studierenden  der  Philologie  (2).  Röpell:  »Uebnn- 
gen des  historischen  Seminars.  Geschichte  der  alten  Welt (5).  Rückert: 
*  Nibelungenlied  (2).  Deutsche  Grammatik  (4).  Angelsächsisch.  Rum- 
pelt: »neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  (2).  Gothische  Grammatik 
und  UlfUas (2).  Scharenberg:  * Krystallographie  (2).  Mineralogie (4). 
Palaeontologie  (3).  Seh mölders:  »Sanskrit- Schriftsteller  (2).  Schnei- 
der: »Uebnngen  im  philolog.  Seminar  (4).  Schwierigere  Stellen  in 
Caesars  Commentarien  (2).  Sil nzel:  »Geschichte  der  Botanik  mit 
biographischen  Umrifsen  der  bedeutendsten  Botaniker  (1).  Allgemeine 
Terminologie  der  Botanik  (2).  Stenzler:  »Sanskritsprache  2r  Cnrsns 
(2).  » Vergleichende  Darstellung  der  lateinischen  und  Sanskrit-Formen- 
lehre (2).  Suckow:  Grundzüge  der  Erziehung  und  des  Unterrichts  in 
wifsenschaftlichem  Zusammenhange  (3).  Tellkampf:  Statistik  der 
wichtigsten  Staaten  (4).  Wagner:  »Uebungen  im  Lateinsprechen 
und  -schreiben  (2).  Griechische  Litteraturgeschichte  (0).  Wuttke: 
»  christliche  Religionsphilosophie  (2). 

DoRPAT  (Semester  vom  30,  Juli  —  19.  Decbr.  1854).  Asmufs: 
kritische  Revision  der  Reptilien  (6).  Bunge:  systematische  Botanik  (3). 
Buraschi:  italianische  Sprache  (2).  Clemenz:  lettische  Formenlehre 
(2).  de  Corval:  französische  Syntax  und  Boileau  (2).  De  de:  Sta- 
tistik Ru fslands  (.')).  Englische  Sprache  und  Litteratur  (2).  G  r  e  w  i  n g k : 
Geognosie  (5).  Grube:  allgemeine  Zoologie  (6).  Helmling:  Elemen- 
tanuathematik  (5).  Differential-  und  Integralrechnung  Ir  Thl.  (4). 
Kamtz:  Physik  2r  Thl.  (3).  Galvanismus  (3).  Keil:  messianische 
Weissagungen  des  A.  T.  (5).  Madler:  sphaerische  Astronomie  (3). 
Theorische  Astronomie  (3).    Merck lin:  Geschichte  der  alten  Kunst  (M. 


582  Vorlesangen  für  dag  Wintersemegter  1854'-ö&. 

Demotthenes  Rede  toid  Kranz  (3).  Apollodon  Bibliothek  mit  Uebnngeii 
im  Lateinschreiben  und  DLipntieren  im  paedagogisch-philoloeischen 
Seminar  (2).  Mickwitz:  esthnische  Syntax  (2).  Mindiag:  Theorie 
der  höheren  Gleichungen  (3).  Theorie  der  Zahlen  (3).  Gesetze  der 
Warroeieitung  (2).  Neue:  griechische  Litteratnrgeschichte  (4).  Aristo- 
phanes  Frösche  (3).  Virgilius  Georgica  (3).  Ovidius  Ibis  mit  Uebangeo 
im  Lateinschreiben  und  Disputieren  im  paedagoffisch  -  philologischen 
Seminar  (2),  Otto:  deutsche  Rechstgeschichte  (5).  Pawlowskyj 
russische  Sprache  (6).  Rathlef:  Geschichte  des  Alterthums  (5).  Römi- 
sche Geschichte  (3).  Riemenschneider:  Geschichte  der  neuem  den^> 
sehen  LiUerator  von  1720  —  1794  (2).  Gothische  und  althochdeutsche 
Sprachdenkmäler  (1).  Rosberg:  Erläuterung  russischer  Dichter  (5). 
Russische  Litteraturgeschichte  (1).  Uebungen  in  der  russ.  Sprache  im 
paed. - philol.  Seminar  (1).  Schmidt:  allgemeine  Chemie  Ir  Thl.  (5). 
Geschichte  der  Chemie Jl).  Strümpell:  Psychologie  (4).  Metaphysik 
(4).    Geschichte  der  Paedagogik  im  paed.  -  philol.  Seminar  (i). 

Erlangen.  Böttiger:  *  Statistik,  allgemeiner  Thl.  ^2).  Geschichte 
der  neuern  und  neusten  Zeit  1500  —  1850  (4).  Geschichte  Deutsch- 
lands und  der  Deutschen  (4 ).  Brinz:  Institutionen  und  innere  Rechts- 
geschichte (8).  Delitzsch:  ausgewählte  Psalmen  mit  bes.  Rucksicht 
auf  hebraeische  Grammatik  (4).  *  Kleine  Propheten  im  exegetischen 
Seminar  (2).  Döderlein:  *  Uebungen  des  philologischen  Seminan« 
Ausgewählte  Satiren  und  Episteln  des  Horatius.  Römische  Litteratur- 
geschichte. Fischer:  *  Entwicklungsgeschichte  des  deutschen  Greistes 
von  der  Reformation  bis  auf  die  Gegenwart.  *  Methodologie  des  aka- 
demischen Studiums.  Speculative  Ethik  und  Religionsphilosophie.  Hey- 
der:  Logik  und  Metaphysik  (4).  Geschichte  der  neuern  Philosophie 
von  Cartesius  bis  Hef;el  (4).  Kastner:  * Gesammtnaturwifsenschalt. 
^Greschichte  der  Physik  und  Chemie.  Allgemeine  Experimentalchemie 
(5).  Nägelsbach:  ^Yirgils  Aeneide  und  lateinische  Stilubungen  im 
philologischen  Seminar.  Aeschylps  Choephoren  und  Eumeniden  (4^. 
Geschichte  der  griechischen  Theologie  (4).  Pf  äff:  *  Krystallographie 
(2).  Creognosie  und  Greologie  (4).  K.  von  Raumer:  allgemeine  Na- 
turgeschichte. Ueber  Bacos  Novum  Organum.  R.  von  Raumer:  Ge- 
schichte Europas  und  seiner  Colonien  seit  177(5.  Mittelhochdeutsche 
Sprachproben.  Rosenhaner:  *  Ornithologie  (1).  Repetitoriam  aber 
Zoologie  (2 — 3).  Spiegel:  vergleichende  Grammatik  der  indogerma- 
nischen Sprachen  (3).  Altpersisdie  Grammatik,  Erklärung  der  Keil- 
inschriften und  des  Vendidad.  von  Stiudt:  analytische  Geometrie  (4). 
Algebraische  Analysis.  Will:  Anthropologie  und  Psychologie  (4).  All- 
gemeine Naturgeschichte  (4).    Winterling:  Shakspeares  Macbeth. 

Freiburg  im  Breisgau.  von  Babo:  unorganische  Chemie  ^6). 
Baumstark:  erlesene  Reden  des  Thnkydides  und  Leitung  der  philo- 
logischen Uebungen  im  philol.  Seminar  (2).  Greschichte  der  griechischen 
Prosa  (3).  Cicero  de  legibus  (3).  Bergk:  Virgils  Aeneide  and  Lei- 
tung der  philolog.  Uebungen  im  Seminar  (2).  Mythologie  der  Griechen 
und  Römer  (4).  Aeschylos  Prometheus  (2).  Ecker:  Zoologie  (4). 
Eisengrein:  aligemeine  Botanik  (4).  Fischer:  Mineralogie  (4). 
Fritschi:  über  Humboldts  Kosmos  (4).  GfrÖrer:  alte  Greschichte (4). 
Geschichte  von  1650  — 1740  (4).  Geschichte  der  neuem  Zeit  seit  1740 
(4).  König:  hebraeische  Sprache,  Anfangsgrunde  mit  mundlichen  und 
schriftlichen  Uebungen  (2).  Buch  Job  (4).  Muller:  Experimental- 
physik Ir  Thl.  (4).  Meteorologie  (2  —  3).  Nägel i:  allgemeine  BoU- 
nik  (')).  Ueber  Kryptogamen  (4).  Oettinger:  Arithmetik  und  Alge- 
bra (r>).  Mechanik  (4).  Analytische  Geometrie  (2).  Schmidt:  Insti- 
tutionen und  äufsere  Rechtsgeschichte  (0).  Sengler:  Einleitung  in 
die  Philosophie  und   Encyclopaedie  der  philosophischen  Wifsenschaften 


VorlesoDgen  far  daf  Winters^nesler  1854—55.  583 

(4).  Geschichte  der  Philosophie  des  Alterthnms  und  des  Mittelalters  (4). 
Singer:  neuere  Sprachen.  Stolz:  Paedagogik  (3).  Ton  Woringen: 
Rechtsphilosophie  (5). 

GiESSEM.  Adrian:  italianische  Litteratur  (4).  Dante  diyina  com- 
media  (2).  Shakespeare  Hamlet  (2).  Boileau  art  po^tiqne  (2).  BaQr: 
Genesis  (5).  Paedagogik  (3).  Birnbaum:  Naturrecht  (5).  Brau- 
bach:  über  das  Princip  der  Paedagogik  (1).  Aesthetik  und  Organismus 
der  Sprache  (2).  Buff :  Mechanik  (6).  Mechanischer  Theil  der  Physik 
(2).  De urer:  Institutionen  und  Rechtsgeschichte  (74).  Dieffenbach: 
Geognosie  und  Petrefactenkunde  (5).  von  Heimelt:  Institutionen  (6). 
Römische  Rechtsgeschichte  (5).  ^RomiBcher  Civilprocess  (2).  Hoff- 
mann: allgemeine  Botanik  und  Pflanxenphysiologie  (4).  von  Klip- 
stein: Geologie  (5).  Knobel:  *Jona  (1).  Die  kleinen  Propheten  (5). 
Kopp:  *  Meteorologie  (2).  Theoretische  Chemie  und  chemische  Berech- 
nungen  (4).  Leuckart:  allgemeine  Naturgeschichte  der  Thiere  und 
Pflanzen  (4).  Lutterbeck:  griechische  Mythologie  (4).  Metrik  (2). 
"^ Piatons  Kritias  (2).  Neuner:  Institutionen  und  Rechtsgeschichte  (74)* 
Geschichte  des  romischen  Privatrechts  und  Ciyilprocesses  (5).    Osann: 

*  Vellejus  Paterculus  im  philolog.  Seminar  (2).  Philologische  Bncyclo- 
paedie  (4).  Otto:  ^Apoilonius  Rhodius  im  philologischen  Seminar  (2). 
Historisch- kritisch -philosophische  Einleitung  in  die  Schriften  des  Ci- 
cero (3).  Römische  Litteraturgeschichte  (6).  Auseewahlte  Proben  der 
rom.  Poesie  (2)«  Rieger:  ^Tacitus  Nachrichten  iiber  deutsches  Alter- 
thum  (2).  NibelungenUed  (3).  von  Ritgen  (Sohn):  * Kunstarchaeo- 
loffie  des  Mittelalters  (2).     Geschichte  der  Baukunst  (4).     Rofsmann: 

*  Morphologie  der  Pflanzen  (1-^2).  Angewandte  Botanik  (4).  Schäfer: 
Geschichte  der  neuem  Zeit  (4).  Culturgeschichte  des  Mittelalters  (2). 
Geschichte  der  romischen  Staatsverfafsung  in  der  Kaiserzeit  (2).  Schil- 
ling: *  Einleitung  in  die  Philosophie  (2).  Psychologie  (4).  Geschichte 
der  neuern  Philosophie  (3).  Schmid:  Logik  (2).  Geschichte  der  alten 
Philosophie  (3).  Philosophie  des  Mitteldters  (2).  Umpfenbach: 
reine  Mathematik  (4).  Algebra  (3).  Trigonometrie  und  Polygonometrie 
(3).  Differential-  und  Integralrechnung  (5).  Populäre  Astronomie  (2). 
Vullers:  hebraeische  Grammatik  mit  schriftlichen  Uebungen  und  Er- 
klärung ausgewählter  Stücke  ans  dem  Pentateuch  (5).  Sanskritgram- 
matik (3).  KigYeda  (2).  Wasserschieben:  deutsche  Staats-  und 
Rechtsffeschichte  (5).  Weigand:  '^Karl  der  Grofse  und  seine  Zeit  (1). 
Deutsche  Litteraturgeschichte  (3).  Reineke  Yoa  (2).  Will:  Expen- 
mentalchemie  (74).  Z  a  m m  i  n  er :  analytische  Geometrie  (3).  *  Politische 
Arithmetik  (2).  Experimentelle  Akustik  (1).  Polarisation  und  Doppel- 
brechung des  Lichts  (1). 

GÖTTIN G£N.  Aeeidi:  *  Verfafsungsgeschichte  des  deutschen  Reichs 
(1).  Benfey:  *  Sanskritgrammatik  (3).  Sanskritchrestomathie  (2).  Ver- 
gleichende Grammatik  der  indogermanischen  Sprachen  (4).  Berthean: 
Genesis  und  ausgewählte  Capitel  ans  den  übrigen  Büchern  des  Penta- 
teuch (5).  Geschichte  und  Theologie  der  Propheten  des  A.  T.  (3). 
Bialloblotsky:  bibliiche  Geographie  und  Reisen  (4).  Psalmen  nebst 
Yergleichnng  der  ältesten  und  neusten  (der  hebraeischen  und  englischen) 
Sprache.  Shakespeares  historische  Tragoedien.  Bodemeyer:  ^Gains 
4s  Buch  (2).  Institutionen  (5).  Ronusche  Rechtsgeschichte  (5).  B  o  h  t  z : 
Aesthetik  (4).  DeuUche  Litteraturgeschichte  seit  Lessing  (4).  C^sar: 
französische  Litteraturgeschichte  (4).  Franxos.  Sprache  (5).  Dede- 
kind:  *  Grundsätze  der  Probabilitätstheorie.  Analytische  Geometrie  (4). 
Die ck hoff:  *Platonismns  und  Christenthum  (1).  Elster:  ^Spru- 
che Salomonis  (2).  Ewald:  Psalmen  und  die  übrigen  Oden  des  A.  T. 
(5).     Finck:  *  Staatsalterthumer  Deutschlands  und  der  einzelnen  dent- 


584  Vorlesungen  ffir  das  Wintersemester  1854 — 55. 

sehen  Volkenchaften.  Gaufs:  Methode  der  kleinsten  Quadrate  und 
deren  Anwendang  in  der  Astronomie,  höheren  Geodaesie  und  Natur- 
wifsenschaft  (5).  Grisebach:  allgemeine  Naturgeschichte  (4).  Ana- 
tomie und  Physiologie  der  Pflanzen  (4).  Hartmanni  *  Geschichte  des 
römischen  Civilprocesses  (2).  Hausmann:  *  Geschichte  und  Theorie 
der  Vuicane  (1).  Mineralogie  (5).  Ha^emann:  Geschichte  der  Tor- 
EUglichsten  europaeischen  Reiche  seit  dem  16n  Jh.  (4).  Braunschweig- 
Ifineburgische  Geschichte  (4).  jH  ermann:  *  Disputierübungen  im  phi- 
lologischen Seminar  (1).  Lateinische  Litteratnrgeschichte  (Ö).  Platona 
Gorgias  und  Menon  (5).  *  Erklärung  der  alten  Kunstdenkmäler  im  ar- 
chaeologisch-numismatischen  Institut  (1).  *  Grundsätze  des  Schulunter^ 
richts  im  paedagogischen  Seminar  (2).  Ho  eck:  romische  Alterthnmer 
(5).  Holzhausen:  hebraeische  Grammatik  mit  Auslegung  auserlesener 
Stellen  aus  dem' Isaia  (5).  Lange:  *  Elemente  der  Sanskritgrammatik 
(2).  Vergleichende  Grammatik  der  griechischen  und  lateinischen  Sprache 
Ir  Thl.,  Formenlehre  (5).  Romische  Antiquitäten  (5).  Lantsius- 
Beninga:  Naturgeschichte  der  kryptogamischen  Pflanzen  (2).  Ton 
Leutsch:  ^Sallusts  Reden  und  Briefe  im  philolog.  Seminar  (2).  Me- 
trik (5).  Thuk^dides  (5).  Liyius  Reden  (5).  Linipricht:  organische 
Chemie  (5).  Lion:  Plutarchs  Lebensbeschreibungen.  Cicero  de  offi- 
ciis.  Listing:  Optik  (4).  Krystallographie  (3).  Loh  er:  deutsche 
Staats-  und  Rechtsgeschichte  (5).  Lotze:  Logik  und  Encyclopaedie 
der  Philosophie  (1).  Psychologie  und  Geistesstörungen  (4).  Mel- 
ford:  englische,  franzosische,  italiänische  und  spanische  Sprache.  Th. 
Muller:  englische  Grammatik  mit  praktischen  Uebungen  (4).  Elemente 
der  angelsächsischen  Sprache  (2).  W.  Mfiller:  Palaeographie  und  Di- 
plomatik  mit  praktischen  Uebungen  (3).  Auswahl  aus  ahd.  und  mhd. 
Gedichten  (3).  Redepenning:  *Joel,  Micha  und  Habakuk  (2).  Rib- 
b  e  n  t  r  o  p :  Institutionen  und  röm.  Rechtsgeschichte.  R  i  e  m a  n  n :  Theorie 
der  Integration  der  partiellen  Differentialgleichungen  nebst  Anwendung. 
Ritter:  Geschichte  und  Kritik  der  neusten  deutschen  Philosophie  (5).  Ge- 
schichte der  neuern  Philosophie  (5).  R  ö  fs  1  e  r :  deutsche  Staats-  und  Rechta- 
geschichtc  (4).  Sartorius  ▼.  Waltershausen:  Geologie  (5).  Schnei- 
de w  i  n :  *die  homerischen  Hymnen  im  philolog.  Seminar  (2).  Homers  Ilias 
mit  Geschichte  der  homerischen  Poesie  (5).  Tacitus  Annalen  (3).  Lateini- 
sche Schreibübungen  (2).  Schweiger:  Uebersicht  der  Litteratnrge- 
schichte des  Alterthums  (4).  von  Siebold:  ♦vergleichende  Psycholo- 
gie des  weiblichen  Geschlechts  der  altern  und  neuern  Zeit  mit  Zugrunde- 
legung von  Juvenals  6r  Satire  (1).  Stern:  Analysis  und  Anfang*- 
gründe  der  analytischen  Geometrie  (5).  Tittmann:  *die  deutsche 
Heldensage  (2).  Geschichte  der  deutschen  Dichtung  seit  Opitz  (4). 
U  b  1  e  m  an  n :  ♦  koptische  Grammatik  (2).  ♦  Geschichte  der  verschiedenen 
Hieroglyphensysteme  (2).  Aegyptisdie  Alterthümer  (4).  U  hl  hörn: 
♦Geschichte  des  Kirchenlieds  (2).  Jesaja  (5).  Ulrich:  Differential- 
und  Integralrechnung  nebst  deren  Anwendung  auf  Geometrie  (5).  Statik 
und  Mechanik  fester  Korper  (5).  Wagner:  Elemente  der  vergleichen- 
den Anatomie  und  allgemeinen  Zoologie  (4).  Waitz:  deutsche  Alter- 
thümer und  Tacitus  Germania  (4).  Deutsche  Geschichte  (5).  Wap- 
paeus:  ♦allgemeine  Bevölkerungsstatistik  (1).  Statistik  des  K.  Han- 
nover (2).  Geographie  und  Statistik  von  Nordamerika  (4).  Weber: 
Experimentalphysik  2r  Thl.  (6).  Wicke:  analytische  Chemie  (3).  Wie- 
se 1er:  ♦auserlesene  Denkmäler  der  alten  Kunst  im  archaeologisch- nu- 
mismatischen Institut  (1).  Theaterwesen  der  Griechen  mit  Analyse  der 
erhaltenen  Dramen  (3).  Aristophanes  Vögel  (3).  Wo  hl  er:  Chemie  (0). 
Wolff:  Gaius  Is  und  2s  Buch  (3).  Th.  Wustenfeld:  Staats-  und 
Ijitteraturgeschichte  Italiens  von  Anfang  des  Mittelalten  (4). 


Vorlesangen  Tür  das  Wintersemester  1854 — 55.  585 

Gratz.  Ahrens:  Einleitung  in  die  Philosophie  und  psychische 
Anthropologie  (4).  Rechtsphilosophie  (5).  Altherr:  englische  Spra- 
che und  Litterator  (6>.  Fr  ah  mann:  hebraeische  Sprache  mit  Ericla- 
rung  von  Naham  und  Habakuk  (3).  Genesis  (2).  Biblische  Archaeolo- 
gie  (4).  Gabriel:  Metaphysik  (3).  Geschichte  der  neuern  Philosophie 
seit  Cartesios  (3).  Erziehongskunde  and  zwar  aber  die  Entwickmng 
der  psychischen  und  intellectuellen  Anlagen  (2).  Hoffmann:  römi- 
sche Antinuitäten  (4).  *  Philologische  Uebuncen:  Homers  Jlias,  lateini- 
sche Stilübungen  und  Besprechung  schriftlicher  Elaborate  (3).  Hru- 
Bchauer:  ^theoretische  Cnemie  (3).  Methode  der  chemischen  Analyse 
(2).  Hummel:  demonstrative  Experimentalphysik  (4).  Knar:  Ein- 
leitung in  das  Studium  der  hohem  Mathematik  (4).  Theorie  der  hohem 
Gleichungen  (3).  Kopezky:  Mineralogie  (5).  Peche:  Anwendung 
der  analytischen  Mechanik  auf  Imponderabilien  (6).  Perez:  Inferno 
di  Dante  (2).  Storia  della  letteratura  italiana  dal  1300  al  1500  (2). 
Pohl:  Geschichte  des  österreichischen  Kaiserstaates  bis  1510  (4).  Die 
steiermärkischen  Ottokare  (2).  Quafs:  slo venische  Formenlehre  (4). 
Quenot:  franzosische  Sprache  und  Litteratur  (4).  Schreiner:  Theo- 
rie der  Statistik  und  Staatenkunde  der  europaeischen  Staaten  aufser 
Gestenreich  (5).  Skedl:  Theorie  der  Statistik  als  Wifsenschaft  und 
Statistik  der  europaeischen  Staaten  (5).  Tan  gl:  Piatons  Phaedon  (3). 
Juvenal  (3).  ^Uebungen  im  Uebersetzen  ins  Griechische  (2).  von 
Valesius:  italiänische  Sprache  in  verschiedenen  Cursen  (3).  Wein- 
hold: Tacitus  Germania  (2).  Hartmanns  Erek  (3).  Weifs:  Univer- 
salgeschichte des  Altexthums  (4).  Geschichte  des  17n  und  18n  Jh.  (4). 
Historisch-praktische  Uebungen  (2). 

Greifswald.  Bai  er:  *  Verhältnis  der  neuem  Philosophie  seit  Kant 
zur  Theologie  (2).  Barkow:  Quellengeschichte ,  Antiquitäten  und  In- 
stitutionen des  römischen  Rechts  (12).  Barthold:  ^Geschichte  der 
deutschen  Hansa  (2).  *  Allgemeine  Geschichte  des  Mittelalters,  Ir  Thl. 
— 1250  (4).  Geschichte  des  preussischen  Staats  (3).  Joraandis  resGe- 
ticae  (2).  Erichson:  *ilber  das  erhabene,  die  Grazie  und  das  idea- 
lisch-schöne (3).  *Dle  didaktische  und  epigrammatische  Dichtkunst  (2). 
Logik  (3).  von  Feilitzsch:  '^Meteorologie  und  physikalische  Geo- 
graphie (2).  Allgemeine  Experimentalphysik  (6).  Grunert:  *  elemen- 
tare Mechanik  (4).  Integralrechnung  nebst  deren  Anwendung  auf  die 
Geometrie  (4).  Häberlin:  *  Geschichte  des  deutschen  Bundes  (l). 
Deutsche  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  (4).  Hahn:  *  Theologie  des 
A.  T.  (4).  Genesis  (4).  Hasert:  ♦über  Religionsunterricht  (2).  Er- 
ziehnngswifsenschaft  (3).  Hof  er:  ^Elemente  des  Sanskrit  (2).  ♦Ge- 
schichte und  Orthographie  der  Muttersprache  (2).  Lateinische  Compo- 
sitions-  und  Flexionslehre  (3).  Hünefeld:  organische  Chemie  (2). 
Mineralogie (2).  Kosegarten:  ♦hebraeische  Archaeolugie (4).  Jesaias  c  i 
— 39(4).  M atthies : ♦Anthropologie (l — 2).  Allgemeine Propaedeutik und 
Encyclopaedie  der  gesammten  rhilosophie  (4).  Psychologie  (4).  M  n  n  ter :: 
allgemeine  und  specielle  Zoologie  (6).  Pyl:  ♦Kunstgeschichte  des  Mit- 
telalters und  der  neuern  Zeit  (4).  Archaeologische  Encyclopaedie  (2). 
Schildener:  Geschichte  der  neuern  Philosophie  seit  Cartesius  (3). 
Schmitz:  ♦Moli^re's  misanthrope  mit  einer  Einleitung  über  die  fran- 
zösische Litteratur  des  17n  Jh.  (2).  ♦Macaulay*s  history  of  England 
(2).  Siiakespeare^s  tempest  (2).  Scbömann:  ♦Horatius  Satiren  im  phi- 
lologischen Seminar  (2).  Aristophanes  Achamer  (2).  Griechische  Syn- 
tax (4).  Stiedenroth:  Lo^ik  (4).  Naturrecht  (3).  Susemihl:  ♦hi- 
storisch-philosophische Einleitung  in  das  Studium  des  Piaton  (2—3). 
♦Geschichte  der  griechischen  Litteratur  seit  Alexander M.  (2 — 3).  Till- 
berg: ♦Algebra  (4).     ♦Experimentalphysik,  bes.  von  den  Ponderabi- 

iV.  Jahrb.  f.  PhU.  m.  Patd,  Bd.  LXX.  Hß.  4  o.  5.  38 


586  VorlesuDgeD  fflr  dts  Wintersemester  1854 — 55. 

lien  (2).  Populäre  Astronomie  nebst  Astrognosie  (2).  Urlichs:  "^Ari- 
stoteleB  Poetik  im  philolog.  Seminar  (2).  '^Encyclopaedie  derArdiaeo- 
logie  (2).     Romische  Litteratargeschichte  (4). 

Halle.  Ailihn:  Logik  (3).  Psychologie  (3).  Arnold:  *JoSl 
und  Amos  (1).  Bekker:  *das  römische  GerichtsYerfahren  (1).  IntÜ- 
tntionen  (4) .  Geschichte  des  romischen  Rechts  (4).  Bernhardy:  *Ho- 
ratius  Carmina  IsB.  im  plulologischen  Seminar  (2).  Griechische  Litte- 
raturgeschichte  (5).  Blanc:  ^einige  Stücke  Moli^res  (2).  Dantes  di- 
Tina  commedia  p).  Bruns:  Institutionen  (5).  Buhle:  Zoologie  (5). 
Burmeister:  über  urweltliche  Amohibien  (2).  Cornelius:  ^Blectri- 
cität  und  IVIagnetismus  (2).  Statik  und  Mechanik  (4).  Dnncker: 
♦  Geschichte  der  letzten  40  Jahre  (2).  Neuere  Geschichte  von  1517 — 
1815  (4).  Eiselen:  Statistik  des  preussischen  Staats  (4).  Eisen- 
hart: allgemeine  Statistik  (4).  Erdmann:  "^akademisches  Leben  und 
Studium  (2).  Lo^k  (5).  Geschichte  der  Philosophie  (6).  Gartz:  *An- 
Wendungen  der  Differentialrechnung  auf  analytisciie  Geometrie  (2).  Diffe- 
rentialrechnunfi;  (5).  Stereometrischer  Theil  der  analytischen  Geometrie 
(4).  Gerlach:  *die  wichtigsten  Probleme  der  Metaphysik  (2).  Bflft- 
pirische  Psychologie  (4).  Giebel:  *  Schopf ungsgescnichte  (2).  Gi- 
rard:  Geologie  des  nördlichen  Deutschlands  (1).  Allgemeine  Mineralo- 
gie und  Geologie  (5).  Göschen:  deutsche  Staats-  und  Rechtsge- 
Bchichte  (4).  Haym:  *über  Heeel  und  dessen  System  (1).  Geschime 
der  Philosophie  (5).  Heintz:  Experimentalchemie  (6).  Hertsberg: 
"** Geschichte  der  illyrischen  Halbinsel,  d.  i.  der  Griechen,  Byzantiner 
und  Türken  yon  Theodosins  bis  1840  (2).  Geschichte  der  Griechen  Ton 
den  ältesten  Zeiten  bis  auf  Theodosios  (3).  Hinrichs:  "^ Encyclopae- 
die  und  Methodologie  der  Philosophie  (2).  Logik  (4).  Natur-  und  Völ- 
kerrecht (4).  Hollmann:  spanische  und  *  englische  Sprache.  Hup- 
feld:  "^  über  den  Prophetismns  der  Hebraeer  (1).  Jesaias  (5).  Hebraei- 
sche  Grammatik  (4).  Joachimsthal:  analytische  Geometrie  (4).  In- 
tegralrechnung (3).  Keil:  Plantus  Miles  gforiosns  (4).  Knoblauch: 
allgemeine  Experimentalphysik  (5).  Kramer:  *  Didaktik  (2).  Kranse: 
"^Tacitus  Germania  (3).  Kunstarchaeologie  (4).  Aeschylos  Prometheus 
(3).  Leo:  *  angelsachsische  Grammatik  (2).  Geschichte  der  neusten 
Zeit  yon  1804 — 1830  (4).  Louis:  *  französische  Litteraturgeschichte. 
Meier:  * Aristophanes  Ritter  im  philolog.  Seminar  (2).  RÖmisehe 
Staatsalterthümer  (5).  Pernice:  deutsche  Staats-  und  Rechtsgeachichte 
(6).  Pott:  *  Nalas  (2).  ^Elemente  der  aegyptischen  Hieroglvphen- 
schrift  (2).  Vergleichende  Grammatik  der  lat.  und  griech.  Sprache  (3). 
Prutz:  *über  Schillers  Leben  und  Werke  (1).  Geschichte  der  drama- 
tischen Poesie  und  Kunst  in  Deutschland  seit  den  ältesten  Zeiten  (4). 
Rödiger:  Genesis  (5).  Rosenberg  er:  sphaerische  und  theorische 
Astronomie  (4).  Höhere  Algebra  (4).  Rofs:  *  griechische  Inschriften 
(2).  Sc  hall  er:  *  Wesen  der  Religion  (2).  Psychologie  (4).  Natin^ 
recht  (3).  yon  SchlechtendaT:  * kryptogamische  Gewächse  (2). 
Pflanzenphysiologie  (3).  Ulrici:  '^  Shakespeares  Leben  und  Dichton- 
gen  (1).  Reiigionsphilosophie  (4).  Geschichte  der  christlichen  Kunst 
(3).  Wichelhaus:  *über  den  mosaischen  Cultus  (1).  Genesis  (5). 
Witte:  Geschichte  des  römischen  Rechts  (4). . 

Heidelberg,  yon  Babo:  Zoologie  (6).  Ueber  den  landschaftli- 
chen Charakter  der  Zonen  (1).  Bahr:  philologisches  Seminar  (2).  Ci- 
cero de  natura  deorum  mit  Anleitung  zum  lat.  Stil  (2).  Römische  Litte- 
raturgeschichte (3).  Blum:  Oryktognosie  oder  specielle  Mineralogie (4). 
Gesteinkunde  (2).  Bornträger:  organische  Chemie  (5).  Brenn: 
Homers  Ilias  und  Odyssee  (3).  Bronn:  Geschichte  der  Natur  (3). 
Bnnsen:  Experimentalchemie  (6).    Cantor:  Elementarmathematik  (3). 


Yorlesnngen  Tür  das  Wintersemester  1854 — 55.  587 

Analytische  Geometrie  (3).  Differential- and  Integralrechnung  (3).  Cor- 
nill:  Geschichte  der  Philosophie  (4).  Delffs:  allgemeine  und  anorga- 
nische Chemie  (6).  Gaspey:  englische  Litteratur  bis  ,zum  J.  1688(2). 
Gerstlacher:  Institutionen  (4).  H  aufs  er:  neuere  Geschichte  der 
europaeischen  Staaten  Ton  1517—1789  (4).  Deutsche  Geschichte  seit 
1048  mit  einleitender  Uebersicht  über  die  ältere  Geschichte  (4).  Hanno: 
hebraeische  Sprache  (2).  Auswahl  von  Psalmen  (4).  Hof  mann:  all- 
gemeine  Grammatik.  Holtzmann:  Sanskrit  (3).  Tacitus Germania (2). 
Geschichte  der  deutschen  Litteratur  bis  auf  Lessing  (5).  Jolly:  deut- 
sche Staats-  und  Rechtsgeschichte  (6).  Kayser:  Antiphon,  Lysias  und 
Isaeus  mit  Auswahl  im  philolojr.  Seminar  (2).  Sophokles  Aias  und  Tra- 
chin.  (2).  Griechische  Antiquitäten  (3).  Kleinschrod:  Institutionen 
(4).  Knapp:  Rechtsphilosophie  (3).  Kortnm:  romische  Geschichte 
(4).  Geschichte  des  Mittelalters  Ton  800-1453  (4).  Leger:  Heraldik 
(4).  Archaeologie  und  Geschichte  der  Architectur  (4).  Geometrische 
Zeichnungslehre  und  ihre  Anwendung  (4).  Ton  Leonhard:  Naturge- 
schichte des  Steinreichs  (3).  Neil:  Reduction  der  scheinbaren  Fixstern- 
orter  (2).  Berechnung  der  Planetenbahnen  (2).  Theorie  der  astrono- 
mischen Instrumente  (2).  Pagenstecher:  *  Geschichte  der  Quellen 
des  rom.  Rechts  (2).  Institutionen  (4).  von  Reichlin-Meldegg: 
Logik  nebst  Kinleitune;  zur  Philosophie  (4).  Geschichte  und  Kritik  der 
Philosophie  des  Alterthums,  des  Mittelalters  und  der  Neuzeit  (4).  Ueber 
Goethes  Faust  In  und  2n  Thl.  mit  einer  Kinleitune  über  die  Faustsage 
(2).  Roder:  Rechtsphilosophie  (4).  Roth:  Pmhologie  (4).  Rofs- 
hirt:  Institutionen  und  Rechtsgeschichte  (5).  Ruth:  Dantes  Inferno 
(3).  Italiänische Sprache.  Sachsse:  Naturrecht  (2).  Schmidt:  Ana- 
tomie und  Physiologie  der  Pflanzen  ^4).  Kryptogamenkunde (2).  Scho- 
berlein: Paedagogik  (4).  Schweins:  reine  Mathematik  (2).  Diffe- 
rential- und  Integralrechnung  (2).  Umbreit:  Jesaja  Cap.  40—60  (3). 
Weil:  Geschichte  des  Islams  bis  zum  Untergang  desChalifats  von  Bag- 
dad (2).  Zell:  Minucius  Felix  Dialog  Octavius  im  philolog.  Seminar 
2).  Aristoteles  de  mundo  (2).  Archaeologie  der  christlichen  Kunst  (2). 
opfl:  Naturrecht  (4).     Deutsche  Staats-  und  Recht^igeschichte  (6). 

Innsbruck.  Baumgarten:  Differentialrechnung  (5).  Analytische 
Geometrie  ohne  Anwendung  der  Infinitesimalrechnung  (3).  Billau- 
det:  franzosische  Grammatik  (4).  F  ick  er:  *  historische  Chronologie 
(1).  *  Anleitung  zur  quellenmäfsieen  Bearbeitung  der  Geschichte  för 
Lehramtscandidaten.  Greschichte  des  Mittelalters  seit  Gregor  VII  (4). 
Glax:  *  praktische  Uebungen  in  der  Behandlung  und  Bearbeitung  der 
osterreicmschen  Geschichte  für  Lehramtscandidaten  (1).  Oesterreichi- 
sche  Geschichte  von  den  ältesten  Zeiten  bis  1527  (4).  Hlasiwetz: 
*  physiologische  Chemie  des  Pflanzen-  und  Thieneichs  (1).  Allgemeine 
Chemie  der  unorganischen  Verbindungen  (4).  Kerer:  Theorie  der  Sta- 
tistik und  Statistik  der  europaeischen  Staaten  (4).  Kohler:  Minera- 
logie mit  Geognosie  und  Palaeontologie  (5).  Kopetzky:  Aesthetik 
(3).  Aristophanes  Wolken  (2).  Griecmsche  Mythologie  (1).  Malecki: 
romische  Staatsalterthnmer,  Forts.  (3).  Piatons S^posion  (2).  ^Prak- 
tische philologische  Uebungen  (Tacitus  Hist.  I)  für  Lehramtscandidaten 
(2).  Novotny:  Uebungen  im  Uebenetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Ita- 
liänische (2)  und  umgekehrt  (2).  Deutsche  Grammatik  (2).  Italiäni- 
sche Grammatik  (2).  Böhmische  Grammatik (2).  Occioni:  spiegazione 
deU*  intero  Purgatorio  dl  Dante  (4).  Schenach:  *  über  Hegels  Rechts- 
philosophie (1).  Metaphysik  (4).  Schuler:  Rechtsphilosophie  (8).  The- 
ser: Justinians  Institutionen  eriäutert  (2).  von  Waltenhofer:  phy- 
sikalischer Unterricht  für  Lehramtscandidaten  (3). 

Jena.    Apelt:  Geschichte  der  Philosophie  (4).    Artus:  allgemeine 


^ 


588  Vorlesungen  für  das  Wintersemester  1854 — 55. 

Kxperimentalchemie  (G).  Bachmann:  Psychologie  und  Logik.  Meta- 
physik (3).  Religionsphilosophie  (2).  Danz:  *  römischer  Ciyilprocess 
(2).  Droysen:  neuere  Geschichte  vom  Ende  des  15n  bis  zur  Mitte 
des  18n  Jh.  (5).  Fischer:  allgemeine  Statistik  (4).  Fort  läge:  *die 
philosophischen  Systeme  seit  Kant  (2).  Psychologie  und  Logik  (4). 
Göttling:  *  philologisches  Seminar.  Griechische  Grammatik  (5).  Grie- 
chische Staatsalterthümer  mit  Topog^phie  Ton  Athen  und  Sparta  (4). 
Herrmann:  *  Politik  Rufslands  (2).  Allgemeine  Geschichte  von  1703 
bis  1815  (1).  Hettner:  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  und  Poe- 
sie seit  Chr.  Wolif  und  Gottsched  (4).  Hoffmann:  '^ Bharrtriharis  (2). 
Genesis  (5).  Koppen:  Institutionen  (6).  Römische  Rechugeschichte 
(5).  von  Liliencron:  *  Nibelungenlieder  (3).  Elemente  des  Gothi- 
ächen  (2).  Althochdeutsch  (2).  Ludwig:  *  Geschichte  der  Chemie  (2). 
Stoechiometrie  (2).  Nipperdey:  ^Thukydides  im  philoloe.  Seminar 
(1).  Lateinische  Syntax  (4).  Horatius  Satiren  (3).  Rein  hold:  Ge- 
schichte der  Philosoi>hie  (5).  Rofsler:  *  formale  Logik  (2).  Ge- 
schichte der  Philosophie  (4).  Schaff  er:  ^uber  die  ElectricitSt  (1).  Al- 
gebraische Analysis  (4).  Stereometrie  und  ebene  und  sphaerische  Tri- 
gonometrie (4).  Scheid  1er:  ^Hodegetik  (2).  Natnrrecht  (3).  Phi- 
losophische und  constitutionelle  Politik  (3).  Volks-  und  Staatspaedago- 
gik  (3).  Schieiden:  *  Anthropologie  (3).  £.  Schmid:  ^Geologie 
(3).  Organische  Chemie  (4).  E.  O.  Schmidt:  *  Entomologie.  Ver- 
gleichende Anatomie  (4).  Schron:  Elemente  der  reinen  Mathematik 
{ü).  Goniometrie  und  ebene  u.  sphaerische  Trigonometrie  (4).  Scha- 
ler: Geologie  (2).  Mineralogie  und  Geognosie  (5).  Snell:  Experi- 
mentalphysUc  (6).  Infinitesimalcalcul  angewendet  auf  die  Geometrie  (2). 
Elektrodynamik  (3).  Stark:  ♦Aristophanes  Vogel  (3).  Der  Kunst- 
archaeologie  2r  oder  historischer  Theil  (4).  Pausanias  Is  Buch  (2). 
Sti ekel:  lob.  Stoy:  *  paedagogisches  Seminar.  Allgemeine  und  spe- 
cielle  Paedagogik  (4).  Suckow:  * Encyclopacdie  und  Methodologie  der 
Physik.  Allgemeine  Mineralogie  mit  Geognosie  und  Geologie  (6).  We- 
gele:  ^Tacitus  Germania  (2).  Deutsche  Geschichte  des  14n  und  15n 
Jh.  (3).    Diplomatik  (2). 

Kiel.  Chalybaeus:  Logik  und  Metaphysik  (4).  Geschichte  der 
alten  Philosophie  (4).  Curtius:  ^Homers  Ilias  im  philologischen  Se- 
minar (2).  Griechische  Grammatik  (5).  Sophokles  Antigene  (3).  Dill- 
mann: lob  (4).  Forchhammer:  ^Thukydides  und  Horatius  Cannina 
im  phUolug.  Seminar  (2).  Aeschylos  Sieben  g.  Th.  (4).  Archaeologische 
Uebungen  (2).  Fricke:  messianische  Stellen  des  A.  T.  (3).  Handel- 
mann: *  Abfall  der  americanischen  Colonlen  von  1703  bis  1826  (2). 
Neuere  Geschichte  Europas  von  1740 — 1815  (4).  Harms:  ♦die  Philo- 
sophie seit  Kant  (2).  Anthropologie  (2).  Philosophische  Physik  (2). 
Himly:  theoretische  Chemie  (G).  Karsten:  ♦  Krystallographie  (2). 
♦Physikalische  Geographie  (1).  Experimentalphysik  (0).  Lubbren: 
♦englische  Sprache  (2).  Meyn:  ♦über  Humboldts  Kosmos  (1).  Geogra- 
phie von  Deutschland  (4).  Molbech:  ♦Geschichte  der  dänischen  Poesie 
seit  1700  (2).  ♦  Dan ische  Grammatik.  ♦  Isländische  Sprache.  Mnllen- 
hoff:  Tacitus  Germania  (2).  Geschichte  der  deutschten  Poesie  bis  xam 
14n  Jh.  (2).  ♦Deutsche  Uebungen  (2).  Neuner:  Institutionen  and 
Rechugeschichte  (8).  Nitzsch:  alte  Geschichte  (5).  Geschichte  der 
Hohenstaufen  (2).  Nolte:  Kryptogamen  (2).  Ratjen:  ♦juristisdie 
Litterargeschichte  (2).  Sc1iwob-Doll<^:  ♦  franzosische  Litteratur- 
geschichte  des  17n  Jh.  Thaulow:  ♦  paedagogische  Uebungen.  Philo- 
sophie der  Geschichte  (4).  Gymnasialpaedagogik  (2).  Weyer:  ♦phy- 
sische Astronomie  (2).  Trigonometrie  und  Stereometrie  (3).  Differen- 
tial- und  Integralrechnung  (3). 


Vorlesungen  für  das  Wintersemester  I8ji — 55.  589 

Köx«iüSBERG.  Castell:  *  paedagogUche  Unterhaltungen.  Dru- 
mann:  ♦Geschichte  der  Griechen  (4).  Neuere  Geschichte  von  1500 — 
I78ti  (4).  Fischer:  ♦Platon  de  legibus  mit  Einleitung  in  die  platonische 
Philosophie  (3).  Tacitus  Germania  (2).  Friedländer:  ♦Einleitung 
in  die  Archaeologie  der  Kunst  (Ij.  ♦Ausgewählte  Abschnitte  aus  den 
römischen  FriTatalterthuniern  (1).  ♦Ueber  den  gegenwärtigen  Stand  der 
homerischen  Frage  (2j.  E.  A.  Hagen:  ♦GruncUätze  der  alten  Archi- 
tectur  (2).  ♦Ueber  spanische,  franzosische  und  englische  Maler  (2j. 
♦Die  Gemälde  der  Dresdener  Gallerie  (2).  von  Hasen k am  p:  ♦Ge- 
scliichte  der  vereinigten  Staaten  von  Nordamerica  im  19 n  Jh.  (1).  ♦Ge- 
schichte des  30 jährigen  Kriegs  (2).  Geschichte  Frankreichs  bis  1780  (3). 
Herbst:  ♦franzosische  Sprech-  und  Schreibübungen  (2).  ♦Ariosts 
Orlando  fnrioso  (2).  ♦Byrons  Childe  Harold  (2).  ♦Der  Janregui  Pa- 
storaldrama Aminta  (2).  Hesse:  *  Mechanik  Ir  Tlil.  (2).  Einleitang 
in  die  höhere  Analysis  (2j.  Jacobson:  deutsche  Reichs-  und  Rechts- 
geschichte (0).  Lehrs:  ♦  2e  Abtheil,  des  philologischen  Seminars  (2). 
♦Philologische  Encyclopaedie  (4).  ♦  Ciceros  verrinische  Rede  über  die 
Kunstwerke  (2).  Lobeck:  ♦Plautus  Amphitrno  und  schriftliche  und 
mündliche  Uebungen  im  philolog.  Seminar  (3).  ♦  Einleitung  in  die  grie- 
chische Grammatik  (4).  Luther:  ♦Geodaesie  (2).  Differentialrech- 
nungen (4).  Merle'ker:  ♦Geschichte  der  Päpste  und  des  Kirchen- 
staats. Meyer:  ♦  kryptogamische  Pflanzen  (2).  Generelle  Botanik  (4). 
Michaelis:  ♦englische  Litteratnrgeschichte  (2).  ♦Oden  von  Victor 
Hugo  (2).  Französische  Grammatik  (2).  Moser:  ♦Physik  der  Sinnes- 
werkzeuge (2).  Experimentalphysik  (4).  Nessel  mann:  ♦Sanskrit  (2). 
♦Buch  der  Richter  (3).  Neumann:  ♦ausgewählte  Capitel  der  mathe- 
matischen Physik  (2).  Mineralogie  (4).  ♦  Physikaliscties  Seminar. 
Olshausen:  grammatische  Erklärung  der  Psalmen  (4).  Rathke: 
♦Entwicklungsgeschichte  der  Wirbelthiere  (4).  Richelot:  ♦auserlesene 
Capitel  der  Mathematik  im  mathemat.  Seminar  (2).  Höhere  Arithmetik 
una  Zahlentheorie  (4).  Rosenkranz:  ♦Logik  (4).  Ethik  (1).  Saal- 
schütz: ♦Erfindung  der  Schreibkunst  und  aegyptische  Hieruglyphik 
(2).  Psalmen  (2).  Sanio:  Institutionen  (6).  Römische  Rechtsgc- 
schichte  (5).  Schubert:  ♦Litteratur  der  Geschichte  im  historischen 
Seminar  (2).  ♦Geschichte  der  neusten  Zeit,  Forts,  seit  1807  (1).  Ge- 
schichte des  Mittelalters  (4).  Politik  und  Encyclopaedie  der  Staats- 
wifsenschaften  (5).  C.  A.  Simson:  ♦einige  der  kleinen  Propheten  (3). 
Sommer:  ♦Einleitung  in  die  Hagiographen  des  A.  T.  (3).  Psalmen 
(4).  Taute:  ♦Logik  und  Einleitung  in  die  Philosophie  (4).  ♦Psycho- 
logie (4).  Voigt:  ♦Diplomatik  (2).  ♦Diplomatische  Uebungen  (l). 
♦Geschichte  der  Kreuzznge  (1).  Geschichte  des  Mittelalters.  Wer- 
ther: ♦analytische  Chemie  (2).  Experimentalchemie  (5).  Z  ad  dach: 
♦allgemeine  Naturgeschichte  (3).  Zander:  ♦Euripides  Helena  (2). 
♦Nibelungenlied  (2). 

Krakau.  Bratranek:  ♦Geschichte  der  altern  deutschen  Litte- 
ratur (2).  Historische  Grammatik  der  deutschen  Sprache  verb.  mit  Le- 
sung des  Nibelungenliedes  (2).  Aesthetik  der  deutschen  Poesie  (3). 
Czerwiakowski:  ♦Pflanzencharakteristik  (1).  Allgemeine  Pflanzen- 
kunde (5).  Czyrniahski:  allgemeine  unorganische  Chemie  (5).  Ana- 
lytische Chemie  H).  Dunajewski:  Theorie  der  Statistik  und  allge- 
meine Statistik  der  europaeischen  Staaten  (4).  Jülg:  *  im  philologi- 
schen Seminar  Homers  Ilias  (2)  und  Ciceros  Rede  pro  Milone^  (2). 
Griechische  Litteraturgcschichte  (3).  Tacitus  ab  exe.  divi  Augosti  (2). 
Kremer:  Einleitung  m  die  philosophischen  Wifsenschaften  (p).  Hode- 
gctik  des  akademischen  Studiums  (2).  Kuczynski:  ♦über  die  Wellen- 
bewegung (2).     Ueber  die  Wärme  (3).     ♦  Praktische  Uebungen  im  Ex- 


590  Vorlesungen  fflr  das  Wintersemester  1854 — 55. 

perimentieren  für  Lehrarotscandidateii  (5).  Mecherxynski:  nisritche 
Sprache  (4).  Muczkowski:  Diplomatik  (3).  Otremba:  über  Tiedfes 
Urania  mit  sprachlichen  and  sachlichen  Erklärungen  (2).  Deutscher 
Stil  (I).  Sosnowski:  biblische  Archaeologie  (3).  Hebraeische  Gram- 
matik (3).  Steczkowski:  allgemeine  Theorie  der  Gleichungen  und 
Auflösung  der  numerischen  Gleichungen  (4).  Ebene  und  sphaerische 
Trigonometrie  (*i).  von  Walewski:  Geschichte  des  Erzhauses  wäb- 
rend  der  2n  Hälfte  der  Regierung  Leopolds  I  mit  Rucksicht  auf  die 
abendländische  Revolution  und  die  veränderte  Lage  der  orientalischen 
Monarchien  in  dichter  Periode  (ö).  Waniorek:  Rechtsphilosophie  (4). 
Weifse:  analytische  Mechanik  (3).  Bestimmung  der  Elemente  der 
Planeten  und  Kometen  (2).  ^Anleituns  zum  Gebrauch  der  astronomi- 
schen Instrumente.  Zenschner:  allgemeine  und  specielle  Minera- 
logie (5). 

Leipzig.  Alb  recht:  deutsche  Rechtsgeschichte  (5).  Anger:  Joel, 
Amosy  Micha  und Habakuk (3j.  d* Arrest:  ^sphaerische  Astronomie (4). 
Geschichte  der  neuern  Entdeckungen  im  Sonnensystem (2).  Afsmann: 
vergleichende  Anatomie  der  Wirbäthiere  (4).  Brandes:  ^Staatsalter- 
thumer  der  römischen  Republik  (2).  Sächsische  Geschichte  (2).  *Die 
mittelalterlichen  Staatsverhältnisse  der  meissnisch-sächsischen  Länder 
im  historischen  Seminar.  Brockhaus:  ^Erklärung  von  Benfeys  Sans- 
kritchrestoniathie  2r  Curs.  (2).  ^Einleitung  in  das  grammatische  System 
des  Panini  (2j.  Das  indische  Schauspiel  Mrichakati  (4).  Carus:  *Cha- 
rakteristik  der  Hauptgruppen  des  Thierreichs  (2).  Vergleichende  Ana- 
tomie der  Wirbelthiere  (2).  D robisch:  ^Differentialrechnung,  Be- 
schlufs  (2).  Integralrechnung  (6).  Psychologie  (4).  Erdmann:  orga- 
nische Chemie  (4).  Fechner:  ^Naturphilosophie  (2).  Fiathe:  ^Aesthe- 
tik  (4).  Fritzsche:  »Pindar  lat.  erkl.  (2).  ♦Tibull  lat.  erkl.  (2). 
Hänel:  ^Quellenkunde ,  Schlufs  (2).  Institutionen  und  Rechtsge- 
schichte (10).  Hankel:  ^Anordnung  der  Electricität  auf  Leitern  (2). 
Physik  2r  Thl.  (6).  ^Uebungen  des  physikalischen  Seminars.  Harten- 
stein: "^historisch-kritische  Einleitung  in  die  Ethik  und  die  Rechts- 
philosophie (2).  Logik  (2).  Hermann:  ^philosophische  Grammatik!^). 
Psychologie  (4).  Hölemann:  Jesaias  Cap.  40—66  (4).  Klotz:  ^a- 
citus  ab  exe.  divi  Aug.  im  philologischen  Seminar  f2).  ^Hesiods  Werke 
und  Tage  (2).  ^Plautus  Mifes  glor.,  Schlufs  (2).  Lateinische  Sprach* 
wifsenschaft  (4).  Knop:  ^analytische  Chemie  (2).  Kühn:  anorganische 
Chemie  (6).  F.  W,  Lindner:  «'Anthropologie  (2).  Christliche  Paede- 
gogik  verb.  mit  Didaktik,  Methodik  und  Schulkunde  (2).  W.  B.  Lind- 
uer:  *  Geschichte  der  alten  griechischen  Philosophie  hinsichtlich  ihres 
Einflufses  auf  das  Christenthum  (2).  Marbach:  Elemente  der  Geo- 
metrie und  Arithmetik  (6).  Marezoll:  Institutionen  und  Rechtsge- 
schichte (9).  Mettenius:  ^kryptogamische  Gewächse  (2).  Anatomie 
und  Physiologie  der  Gewächse  (4).  A.  F.  Möbius:  ^Elemente  der 
Dioptrik  (2).  Grundlehren  der  neuern  Geometrie  (2).  Naumann: 
^physische  Geographie  (2).  ^KrysUlIographie  (2).  Mineralogie  (4). 
Nitzsch:  ^Disputierübungen  im  philolog.  Seminar  (2).  ^Hermenentik 
der  grlech.  und  latein.  Schriftsteller  in  Beispielen  (1).  ^Sophokles  An- 
tigene und  Trachinierinnen  (4).  Geschichte  und  specielle  Charakte- 
ristik der  drei  Tragiker  der  Griechen  (2).  Nobbe:  *iateiu.  Dispatler- 
übungen  (2).  »Horaz  Oden  2s  B.  (2).  Tacitus  Annalen  148  B.h). 
O verbeck:  ^auserlesene  heroische  Bildwerke  mit  litterarischer  An- 
leitung (2).  Griechische  PrivaUlterthuroer  (4).  Popp  ig:  specielle 
Zoologie,  IrThl.  Wirbelthiere  (4).  Scheibner:  analytische  Mecha- 
nik, Forts.  (2).  Die  elliptischen  Functionen  (4).  F.  A.  Schilling: 
»philosophisches  Staats-   und   Völkerrecht   (2).   Naturrecht  (4).   Inter- 


Vorlesungen  für  das  Wintersemester  1864 — 55.  591 

pretaiion  aatgewahlter  Stellen  des  rom.  Rechts  (2).  Stall  bäum: 
^Satiren  von  Borax  (Forts.)  und  Jurenal  (2).  Tuch:  ^Beschreibung 
von  Palaestina  (4).  Buch  Hieb  (4).  Hebraeische  Syntax  (2).  Voigt: 
^Geschichte  des  römischen  Staatsrechts  (4).  Wachsmut  h:  ^Geschichte 
des  Zeitalters  der  Reformation  (2).  Geschichte  der  deutschen  Natio- 
nallitteratur  seit  Grottsched  (2).  Sachsische  Geschichte  (2).  Weifse: 
Logik  und  Metaphysik  (4).  Geschichte  der  Philosophie  seit  Baco  (4). 
Wenck:  sachsische  Geschichte  (2).  Westermann:  ^Sophokles  Phi- 
loktetes  im  phiiolog.  Seminar  (2).  '^'Andokides  Rede  von  den  Myste- 
rien (2).  Attische  Staats-  und  Rechtsalterthümer  (4).  Willkomm: 
^Morpholone  und  Systematik  der  Kryptogamen  (2).  Specielle  Bota- 
nik (4).  Win  er:  neutestamentliche  Sprachwifsenschaft  (2).  Wnttke: 
'^allgemeine  Volkerkunde  (3).  lieber  die  alte  morgenlandische  Geschichte 
und  Erklärung  eines  mittelalterlichen  Schriftstellers  im  historischen 
Seminar.  Zarncke:  ^Lehre  von  der  Wortbildung,  Ableitung  und  Zu- 
sammensetzung sowie  vom  Genus  (3).  "^Metrik  (1).  ^Nibelungenlied  (4). 
Erkl.  ahd.  und  mhd.  Sprachdenkmale  (2).  Ziller:   Naturrecht  (2). 

Lemberg.  Glowacki:  ruthenische  Sprache  (2).  ^Riithenische 
Litteratur  (3).  Hammer:  Theorie  der  Statistik  und  Statistik  der 
Grofsmachte  Europas  (5).  Herbst:  Einleitung  in  die  Rechtsphiloso- 
phie und  natürliches  Privatrecht  (4).  Hl  och:  systematische  Aesthe- 
tik  (3).  Mittelhochdeutsche  Grammatik  (2).  Aeltere  Litteraturgeschichte 
der  Deutschen  (2).  Kergel:  "^Demosthenes erste  philipp.  Rede  (3)  und 
Ovids  Metamoroh.  (2)  im  philologisch-historischen  Seminar.  Sophokles 
Antigene  (2).  Romische  Litteraturgeschichte  (3).  von  Kucharski: 
biblische  Archaeologie  (6).  Hebraeische  Sprache  und  Exegese  (6). 
Lemoch:  Theorie  und  Auflosung  höherer  numerischer  Gleichungen  (3). 
Kennseichen  der  Convergenz  und  Divergenz  unendlicher  Reihen  und 
Entwicklung  der  Functionen  in  denselben  (3).  Lipiiiski:  Grundle- 
gung der  theoretischen  Philosophie  (3).  Geschichte  der  Philosophie  des 
Alterthums  (3).  Psychische  Anthropologie  (3).  {.obarzewski:  spe- 
cielle Oryktognosie  mit  Uebnngen  im  Bestimmen  der  Mineralien  fiii: 
Lehramtscandidaten  (1).  Maiinowski:  *hohere  Erz]ehungskunde(2). 
Pierre:  allgemeine  Physik  vom  experimentellen  Standpunkte  (5). 
Praktische  Uebungen  für  Lehramtscandidaten  (3).  Grundzuge  der  Wel- 
lenlehre vom  analytischen  Standpunkte  (l).  Schmidt:  Geschichte  der 
Thiere  (3).  Urbaiiski:  nber  elektrische ,  magnetische  und  magneto- 
elektrische  Actionen  durch  höhere  Rechnung  (3).  Wacholz:  "^Uebun- 
gen  aus  der  neuern  Geschichte  im  historischen  Seminar  (2j.  Europaei- 
sehe  Staatengeschichte  im  6n  und  7n  Jh.  (3).  Geschichte  der  oster- 
reichischen  Monarchie  seit  der  Thronbesteigung  Carls  VI  (3).  Wolf: 
allgemeine  und  specielle  unorganische  Chemie  (5). 

Marburg.  Amelnng:  Cicero  de  amicitia  lat.  erkl.  ^2).  Ueber 
deutschen  Stil.  Brom  eis:  ^chemische  Geoloeie  (I).  ^Verorennungs- 
process  und  dessen  Anwendung  (1).  Analytische  Chemie  (2).  Caesar: 
*Plutarchs  Perikles  im  philologischen  Seminar  (2).  ^Persius  Satiren  (2). 
Griechische  Litteraturgeschichte  (4).  Dietrich:  ^altnordische  Sprache 
und  Litteratur  (2).  ^Anfange  der  Helden^^age  (1).  Genesis  (5).  He- 
braeische Archaeologie  und  Geschichte  (4).  Dunker:  Mineralogie  (6). 
Bbert:  spanische  (3)  und  englische  Sprache  (3).  Eichelberg: 
^Hippokrates  ausgewählte  Aphorismen  (1).  Gerling:  ^einzelne  Ab- 
schnitte aus  der  praktischen  Geometrie  (I).  Ebene  und  sphaeriFche 
Trigonometrie  (5).  Experimentalphysik  (6).  Giidemeister:  *Sans- 
kritgrammatik,  Forts.  (2).  Vergleichende  Grammatik  der  indogermani- 
schen Sprachen  (4).  Jesaias  (6).  Herold:  Zoologie  2r  Thl.,  die  nie- 
d«rn  Thiere  (6).  Hessel:  ^Krystallographie  (2).  Reine  Mathematik  (4). 


592  Vorlesangen  für  das  Wintersemester  1854 — 65. 

Koch:  Geschichte  der  Paedagogik.  Kohl  rausch:  "^Meteorologie  (1). 
Lehre  rom  Magnetismus  und  der  Electricität  (4).  Kolbe:  Hheoreti- 
sehe  organische  Chemie  (1).  Experimentalchemie  (6).  Lange:  '^'dar- 
stellende  Geometrie  (2).  Geschichte  der  christlichen  Kunst  seit  Con- 
stantin  M.  (4).  Lob  eil:  Institutionen  (5).  K.  R.  Muller:  ^niedere 
Algebra  (2).  Reine  Mathematik  (4).  Lehre  von  den  Reihen  (4).  B. 
Platner:  ^Ulpians  Fragmente  (1).  Justinians  Institutionen  (5).  Ge- 
schichte des  römischen  Privatrechts  (6).  Rechtsphilosophie  (4).  V. 
Platner:  deutsche  Rechtsgeschichte  (4).  Rubino:  '^einige  Abschnitte 
der  romischen  Alterthumer  (I — 2).  Geschichte  der  alten  Volker  des 
Orients  (4).  Geschichte  der  romischen  Kaiserzeit  (4).  Schell:  neuere 
Geometrie  mit  besonderer  Rucksicht  auf  die  Kegelschnitte  (5).  Analy- 
tische Geometrie  der  Ebene  (3).  Schmidt:  Institutionen  (6).  Steg- 
mann: descriptive  Geometrie  (4).  Analysis  2r  Thl. ,  die  Anwendung 
der  Differentialrechnung  und  die  Integralrechnung  (6).  von  Sybel: 
Geschichte  des  Mittelalters  (4).  Neuere  Geschichte  seit  1490  (4). 
Vollgraff:  ethnologische  Einleitung  zur  genetischen  und  comparati- 
Ten  Staats-  und  Rechtslehre  (5).  Vorländer:  Logik  (4).  Allgemeine 
Geschichte  der  Philosophie  (6).  Waitz:  Psychologie  (4).  Paedago- 
gik  (2).  Weber:  ^CatuUs  Gedichte  im  philolog.  Seminar  (3).  Ari- 
stophanes  Frieden  (2).  Weifsenborn:  ^Darstellung  und  Kritik  des 
Schleiermacherschen  Systems  (1).  Geschichte  der  Philosophie  2r  Thl.  (5). 
Aesthetik  (4).  Wenderoth:  Botanik  der  kryptogamischen  Gewächse 
(4).  Pflanzeilphysiologie  (2).  Wigand:  ^Geographie  und  Geschichte 
des  Pflanzenreichs  (1).  Pflanzenphysiologie  (2).  Naturgeschichte  der 
kryptogamischen  Gewächse  (3).  Wolff:  ^einige  Pandektentitel  (2). 
Institutionen  (6).  Zeller:  ^Einleitung  in  Piatons  Schriften  (2).  Reli- 
gionsphilosophie (4).  Geschichte  der  philosophischen  Theorien  yon  Staat 
und  Gesellschaft  (2).  Zwenger:   organische  Chemie  (4). 

MÜNCHEN.  Arndts:  ^römisches  Actionenrecht  (2). -Geschichte des 
romischen  Rechts  (5).  Beckers:  Einleitung  in  die  Philosophie  mit 
Encyclopaedie  und  Methodologie  des  akademischen  Studiums.  Psych!- 
che  Anthropologie,  Logik  und  Metaphysik  (5).  Beraz:  Anthropologie 
und  Psychologie  (6).  Buchner:  Logik  und  Metaphysik  (4).  Geschichte 
von  Bayern  (4).  Carri^re:  *uber  Shakspeare  (I).  Aesthetik  und  Cha- 
rakteristik der  ausgezeichnetsten  Kunstwerke  und  ihrer  Meister  (5). 
Geschichte  der  deutschen  Nationallitteratur  (4).  Dollmann:  Institu- 
tionen (G).  Eil  1  es:  analytische  Mechanik.  Analytische  Greometrie. 
Frohschammer:  Paedagogik  (4).  Geibel:  die  poetischen  Formen 
der  abendländischen  Litteraturen  (2).  Geraeiner:  deutsche  Staats- 
und Rechts^eschichte  (5).  Haneberg:  hebraeische  Sprache.  Genesis. 
Einleitung  ins  A.  T.  Hierl:  Elementarmathematik  (4).  Höhere  Ver- 
mefsungskunde  (3).  Differential-  und  Integralcalcnl  (6).  Situations- 
zeichnen  (4).  Hofmann:  ältere  deutsche  Sprache  (4).  Provenzaliscli 
und  altfranzosisch  (3).  Sanskrit  (3).  Einleitung  in  die  germanische  und 
romanische  Litteratur  des  Mittelalters  (2).  Jolly:  Experimentalphy- 
sik (6).  Kaiser:  allgemeine  Chemie  (6).  Lamont:  populäre  Astro- 
nomie (4).  von  Lasanlz:  Encyclopaedie  und  Methodologie  der  aka- 
demischen Wifsenschaften  (5).  Geschichte  der  alten  Philosophie  (3). 
Hippokrates  de  aere  (2).  von  Lieb  ig:  allgemeine  Experimentalchemie 
(6).     Mair:  Einleitung  in  das  philosophische  Studium.  Logik  d.  Meta- 

Rhysik  (6).  Psychologie.  Maurer:  deutsche  Rechtsgeschichte  (5). 
linnet:  franzosische  Grammatik.  Racines  Athalie.  Obern  dorfer: 
Rechtsphilosophie  (4).  Prantl:  philologisches  Seminar.  Aristophanes. 
Recht:  Physik  (6).  Mathematik  (6).  Analytische  Geometrie  und  höhere 
Analysb,  Forts.  (6).     Riehl:  allgemeine  Culturgeschichte  des  Mittel- 


Vorlesungen  für  das  Wintersemester  1864 — 55.  503 

alters  (4).  Roth:  Repetitorium  der  Zoologie  (2).  Rudhart:  allge- 
meine Geschichte  (6).  .Schafhäutl:  Geognosie  und  Petrefactenkunde 
(6).  Ton  Schlichtegroll:  Diplomatik  und  Archivwifgenschaft  mit 
Practicum  im  Lesen  alter  Urkunden  (3).  Segarra:  spanische  Sprache. 
Seidel:  Elemente  der  Lehre  yon  den  Reihen  als  Einleitung  in  die  Ana- 
lyiis  (6).  Sendtner:  allgemeine  Botanik  (6).  Kryptogamenkunde. 
Sepp:  Universalgeschichte  (6).  Neuere  Geschichte  seit  1492.  Mytho- 
logie und  0£Fenbarung.  von  Sieboid:  Zoologie  (6).  Söltl:  allge- 
meine Länder-  und  Völkerkunde.  Neuste  allgemeine  Geschichte.  Deut- 
sche Litteraturgeschichte  und  Beredsamkeit.  Spengel:  philologisches 
Seminar.  Griechische  Litteraturgeschichte  (6).  Piatons  Phaedros  (4). 
Streber:  alte  Kunstgeschichte  (5).  von  Thierse h:  philologisches 
Seminar  (2).  Pindar  mit  Auswahl  und  Archaeologie  (4).  Wert  heim: 
Macaulays  Hist.  of  England.  Uebersetzung  von  Schillers  Wilhelm  Teil 
ins  Englische.  Wittwer:  Experimentalphysik  (6).  Zenger:  Insti- 
tutionen (6).  Geschichte  des  rom.  Rechts  (6). 

MÜNSTER  (theologische  und  philosophische  Akademie).  Berlage: 
"^Philosophie  der  Religion  und  Offenbarung  (4).  Deycks:  '*'Proper- 
tius  im  philologischen  Seminar.  ^Horatius  Dichtkunst  und  Epistel  an 
Augustus  (3).  Romische  Litteraturgeschichte  (4).  Heis:  ^populäre 
Astronomie  (2).  Mathematische  Uebungen  (2).  Analysis  der  algebrai- 
chen  Functionen  (3).  Theoretische  Astronomie  (3).  Uittorf:  *Elec- 
tricitat  und  Magnetismus  (2).  Experimentalchemie  (6).  Kar  seh:  *sM' 
gemeine  Naturgeschichte  (2).    Naturhistorische  Uebungen  (2).   Anthro- 

Sologie  (3).  Aristoteles  4  Bucher  über  die  Thiere  (3).  Reinke: 
Einleitung  ins  A.  T.  (4).  ^Jesaia  (4).  Hebraeische  Grammatik  mit 
Erklärung  einiger  Capitel  der  Genesis  und  ausgewählter  Psalmen. 
Rospatt:  ^Greschichte  des  Mittelalters  bis  zu  den  Kreuzzügen  (4). 
Alte  Geschichte  des  Orients  (3).  ^Historische  Uebungen  und  Disputa- 
tionen (2).  Schippen  ^Shakespeares  Hamlet  oder  praktische  Uebun- 
gen in  der  englischen  oder  franz. Sprache.  Schlüter:  *über  die  Un- 
sterblichkeit der  menschlichen  Seele.  Greschichte  der  neuern  Philosophie 
seit  Cartesius  und  Baco.  Winiewski:  ^Thukydides  6s  B.  im  phi- 
lologischen Seminar.  '''Sophokles  Antigene  (4).  Griechische  Alter- 
thümer  (5). 

Pest.  Ferenc:  wifsenschaftliche  Vergleichung  der  slawischen 
Dialekte  mit  praktischen  Uebungen  (4).  Gärtner:  ♦über  Schillers 
Dramen  (1).  Geschichte  der  deutschen  Dichtkunst  von  der  Reforma- 
tionszeit bis  Klopstock  (3).  Deutscher  Stil  (1).  Grynaeus:  höhere 
Paedagogik  (4).  Halder:  Horatius  Episteln  Is  Buch  (3).  Griechi- 
sche und  lateinische  Metrik  (6).  ^Philologische  Uebungen  für  Lehr- 
amtscandidaten  (2).  Henfner:  ♦über  die  Zwölftafelfragmente  (!)• 
Römischer  Civilprocess  (2).  Institutionen  und  Rechtsgeschichte  (8). 
Horvdt:  Diplomatik  (4^/^).  Jediik:  Lehre  von  den  Eigenschaften 
der  Körper  im  allgemeinen  und  Gesetze  des  Gleichgewichts  und  der 
Bewegung  fester  Körper  (3).  Praktische  Experimentiermethode  für  Lehr- 
amts candidaten  (3).  Kifs:  griechische  und  römische  Archaeologie  (2). 
Langer:  Zoologie  (6).  Lewis:  englische  Grammatik  mit  praktischen 
Uebungen  (2).  Englische  Litteraturgeschichte  CI).  Machik:  unga- 
rische Litteraturgeschichte  bis  zur  Rdbrmation  (2).  Ungarischer  Stil 
(2).  Mayer:  tluKoretische  Astronomie  (6).  Mutschenbacher:  fran- 
zösische Etymologie  und  Syntax  (2).  Französ.  Litteraturgeschichte  des 
I9n  Jh.  (2).  N^kdm:  algebraische  Analysis  (4).  Logarithmen  und 
Gleichungen  (2).  Petzval:  Differentialcaicul  mit  Anwendung  auf  die 
Geometrie  und  Theorie  der  höheren  Gleichungen  (5).  Reisinger: 
alte  Geschichte  (3).    Oesterreichische  Geschichte  des  Mittelalters  bis 


504  VorletOBfen  für  dti  Winlersemester  1854 — 55. 

aaf  Ferdinand  I  ^3).  '*'Prakti8che  Uebon^en  ans  der  alten  Geachichte 
ffir  Lduramtscandidaten  (2).  Repicky:  Sanskrit  (3).  Stanke:  *Ge- 
•chichte  der  yorsokratischen  Phiiosoplue  (2).  Metaphysik  (4).  Prak- 
tische Philosophie  (4).  Joh.  Szabö:  biblische  Archaeoiogie  (4J. 
Hebraeische  Sprache  (4).  Jos.  Szabö:  propaedeutischer  Theii  der 
Mineralogie  (3).^  Sztanojoyich:  Theorie  and  Geschichte  der  gal- 
yanischen  Electricität  (3).  Teffenberg:  italiäniache  Grammatik  (2). 
T^lfy:  Uebersetzang  yon  Homers  liias  II  in  attische  Prosa  (2),  von 
Caesar  B.  G.  I  ins  Griech.  (2).  Pintarchs  Apophthegmata  (2).  Toldy : 
Geschichte  der  angarischen  Poesie  im  19n  Jh.  (I).  Wenzel:  deutsche 
Rechtsgeschichte  bis  auf  Maximilians  I  Zeitalter  (2).  Wertheim: 
Bxperimentalchemie  (5).  Wolf:  neuere  österreichische  Geschichte 
seit  Leopold  I  (3).  Geschichte  des  Mittelalters  (2).  *Praktisdie 
Uebungen  aus  der  griechischen  Geschichte  für  Lehranitscandidaten  (2). 

Prag.  Bippart:  griechische  Antiquitäten.  Pindars  Oden.  La- 
teinische Seminarübungen.  Böhm:  iivifsenschaftliche  Astronomie.  Po- 
puläre Astronomie.  Buhl:  Rechtsphilosophie.  C  h  a  m  b  o  n :  Institutio- 
nen. Chnpp:  Statistik.  Francesconi:  italiänische  Grammatik. 
Franzosische  Grammatik,  yon  Uirzenfeld:  Numismatik.  Archaeo- 
iogie der  Kunst.  Hofier:  Weltgeschichte  des  Mittelalters.  Geschichte 
Europas.  Geschichte  der  deutschen  Litteratur.  Jan  der a:  Algebra 
und  Combinationen.  Jondk:  Statistik.  Kämpf:  hebraeische  Littera* 
tur.  Kosteletzky:  wifsenschaftliche  Botanik.  Ueber  die  kryptoga- 
mischen  Gewächse.  Koubek:  böhmische  Grammatik.  Polnische  Gram- 
matik. Kulik:  über  hyperbolische  Functionen.  Sphaerische  u.  sphaero- 
idische  Trigonometrie,  von  Leonhardi:  analytische  Psychologie. 
Encyclopaedie  der  Krauseschen  Philosophie.  Praktische  Uebungen  über 
die  Gewisheic  der  Gotteserkenntnis.  Lowe:  Ethik.  Erörterung  der 
wichtigsten  Fragen  der  Rechtsphilosophie.  Matzka:  Integralrechnung. 
Elementare  analytische  Geometrie  in  der  Ebene.  Nickerl:  Zoologie 
der  Wirbelthiere.  Praktische  Uebungen  in  der  Zoologie.  Padlesäk: 
Erziehungskunde.  Petr:  hebraeische  Grammatik  mit  exegetischen 
Uebuneen.  Biblische  Archaeoiogie.  Petiina:  Experimentalphysik. 
Unterricht  im  Experimentieren.  Akustik.  Purkyne:  Physiologie  des 
yegetativen  Lebens.  Reufs;  Kennzeichenlehre  der  Mineralien.  Prak- 
tische Uebungen.  Rochleder:  Chemie  der  unorganischen  Verbin- 
dungen. Ausgewählte  Capitel  der  Mineralcheroie.  Schleicher:  ter- 
gleichende  Formlehre  des  Gothischen  und  Hochdeutschen.  Sanskrit« 
Sprachengeschichte.  Schnabel:  Rechtsphilosophie.  Schwelle: 
englische  Sprache.  Vietz:  Vorgeschichte  der  österreichischen  Mo- 
narchie. Einleitung  in  das  Studium  der  Weltgeschichte.  Physische 
Geographie.  Volkmann:  Grundbegriffe  der  Aesthetik.  Psychologie. 
Wessely:  Buch  Hiob.  Wocel:  Sunstarchaeologie  des  christlichen 
Mittelalters.  Zimmermann:  Encyclopaedie  der  philosophischen  Wi- 
fsenschaften.  Geschichte  der  alten  Philosophie.  Geschichte  der  Leib- 
nitzischen  Philosophie. 

Rostock.  Baehmann:  Enrijpides  Hiketiden  (2).  Horatius  Epi- 
steln (3).  Topographie  yon  Altgnechenland  mit  Vergleichung  dfs  heu- 
tigen (4).  Baomgarten:  ^Elemente  des  Sanskrit  mit  Erklärung  des 
Nalus  Y2).  Daniel  und  Zacharja  (5).  Busch:  romische  Alterthnmer 
(4).  Tacitus  Annalen  (4).  Die  griechischen  Partikeln  (2).  Francke: 
^System  und  Kritik  der  Kantschen  und  Friesschen  Philosophie  (4). 
Philosophie  der  Geschichte  (4).  Religionsphilosophie  (rO.  Ethik  (5). 
Fritzsche:  ^Euripides  Medea  und  Terentius  Andria  im  philologi- 
schen Seminar.  Horatius  Oden  (4).  Homers  Utas  Is— 5s  B.  (2).  Die 
Religionen  der   alten  Griechen  (2).     Hegel:   Geschichte   yon    Grofs- 


Vorlesnngeii  fflr  daf  Wintereemester  1854^--55.  505 

britannten  (6).  Neuere  Geschichte  (5).  Karsten:  ^populäre  Attro- 
nomie  (2).  Analytische  Geometrie  (4).  Mineralogie  (4).  Meier: 
dentsche  Reichs-  nnd  Rechtsgeschichte  (5).  Robert:  französische 
Sprache  r4).  Franxos.  Litteraturgeschichte  (2).  Fransos.  Litterator 
des  19n  Jh.  [[2).  Roper:  ^Klemente  der  Kryptogamoiogie  (2).  Pflan- 
xenphysiolbgie  (2).  Allgemeine  Zoologie  (5).  Schmidt:  *philosophi- 
sche  Einleitane  in  die  Moral  (2).  Psychologie  (4).  Philosophie  der 
Geschichte  (5;.  Schalze:  organische  Chemie  (6).  Schwane rt: 
Institutionen  (6).  Romische  Rechtsgeschichte  (5).  Weinholti;  Logik. 
Ursprung  und  Bedeutung  des  Worts. 

TÜBiMGEif.  de  Bary:  Kryptogamen  (3— -4).  Pallati:  allgemeine 
SUtistik  (5).  Fehr:  Universalgeschichte  Ir  ThI.  (5).  Geschichte  des 
christlichen  Monchthums (3).  Geschichte  Europas  seit  1848  (2).  Fichte: 
Encyclopaedie  der  philosophischen  Wifsenschaften  und  Logik  (4).  Prak- 
tische Philosophie  mit  kritischer  Geschichte  der  Rechtsphilosophie  und 
Moral  (4-5).  Ton  Gerber:  deutsche  Staats-  und  Rechtsgeschichte  (5). 
Gmelin:  allgemeine  unorganische  Chemie  (5).  Haffner:  philosophi- 
sche Propaedeutik  (2).  Haug:  Geschichte  des  Mittelalters  bis  so  den 
Kreuzzugen  (5—6).  Hohl:  niedere  Analysis  mit  Trigonometrie  (5). 
Combinatorische  Analysis  (1).  Einleitung  in  die  Stereometrie  (1).  Va- 
riationsrechnung (3).  Holland:  Gudrun  (2).  Ulfilas  (I).  Gramma- 
tik der  romanischen  Sprachen  ^2).  Dantes  divina  commedia  nebst  Ein- 
leitung über  den  Dichter  und  seine  Werke  (2).  Kaichreuter:  englische 
Sprache  (2—3).  Keller:  deutsche  Grammatik  (3).  Shaksperische 
Dramen  (2).  Palaeographische  Uebungen  (1).  Kober:  Paedagogik 
und  Didaktik  (3).  E.  Meier:  messianische  Weissagungen  (2).  Alt- 
testamenttiche  Interpretationsnbungen  (2).  Ton  Mo  hl:  Anatomie  und 
Physiologie  der  Pflanzen  (5).  Oehler:  die  kleinen  Propheten  (4 — 5). 
Peschier:  französische  Grammatik  (2).     Franz.  Rede-  und  Stilnbnn- 

§en  (3).  Geschichte  der  neuesten  franz.  Litterat ur  (2).  Englische 
Sprache  (5).  P f e i f f e r :  Institutionen  (5).  Quenstedt:  Mineralogie 
(5).  Krystallographie  (2).  M.  Rapp:  vergleichende  Grammatik,  Cal- 
derons  Mägico  una  Camoens  Lusiade.  Reiff:  Psychologie  (4).  Prak- 
tische Philosophie  (6).  Geschichte  der  griechischen  Philosophie  (2—3). 
Reuse h:  höhere  Mechanik  (5).  Darstellende  Geometrie  (2--3j.  Rofa- 
bacht  Aeschylos  Agamemnon  (2 — 3).  Plautus  Trinummns  oder  Catulls 
aasgewählte  Gedichte  (2).  Römische  Staats-  und  Sacralverfafsnng  (4). 
Praktische  Uebungen  in  der  griechischen  Metrik  (1).  Roth:  Sanskrit- 
grammatik (3).  Weda  und  Avesta,  Forts.  (2).  Sanskrit  Sr  Cursus  (2). 
Ruckgaber:  Psychologie  (4).  Sc hlofs berger:  anorganische  Che- 
mie nebst  Einleitung  in  die  Chemie  überhaupt  (5).  Organische  Chemie 
(2—3).  vonSchrader:  exegetisches  Collegium  über  römisches  Recht 
(6).  Seh  wegler:  Horatius  Satiren  und  lat.  Stilubungen  im  philolo- 
gischen Seminar.  Geschichte  der  griechischen  Philosophie  (3).  Rö- 
mische Privatalterthnmer  (3).  Aristoteles  Politik  (2—3).  Sigwart: 
allgemeine  Chemie  (3).  Teuf  fei:  Quintilians  lOs  Bach  im  philolog. 
Seminar.  Geschichte  der  griechischen  Komoedie  (2).  Aristophanes 
Wolken  (2—3).  Juvenals  Satiren  (3).  Yischer:  Geschichte  der 
neuem  deutschen  Poesie  (4).  Geschichte  der  Malerei  (2).  von  Vols: 
Geschichte  der  Erfindungen  und  ihres  Einflafses  auf  Cultur  und  PoK- 
tik  (3^.  von  Walz:  Isokrates  Panegyrikos  nnd  griech.  Stilabnngen 
im  philolog.  Seminar.  Archaeologie  der  Kunst  (2).  Aeschylos  Prome- 
theus mit  Geschichte  der  dramatischen  Poesie  der  Griechen  (3).  Warn- 
konig:  Rechtsphilosophie  (4).  Weite:  Einleitung  ins  A.  T.  (4).  Psal- 
men ^).  Westphal:  griechische  Alterthümer  (4).  Tibnlls  Elegien 
oder  TacitoB  Germania  (2).    Piatons  Timaeos  (3 — I).    Zech:   höhere 


596  Vorlesungen  für  das  Wintersemester  1854 — 55. 

Mathematik  ir  ThI.  (5).     Populäre  Astronomie  (2).     Zukrigl:    Meta- 
physik (4).    Apologetik  (5). 

Wien.  Arneth:  '^'griechische  und  römische  geschnittene  Steine  und 
Gefafse  (2).  Aschbach:  ^ historische  Uebungen  im  philologisch-histo- 
rischen Seminar  (2).  Allgemeine  Geschichte  der  nenem  Zeit  (5").  ♦Ge- 
schichte Aegyptens  und  der  vorderasiatischen  Reiche  im  Alterthum  (2). 
B oller:  Sanskritgrammatik  (3).  Ausgewählte  Stücke  aus  Kdüddsa  (3). 
Vergleichende  Grammatik  der  finnischen  Sprachen  (2).  Bonitz:  ^De- 
mosthenes  philippische  Reden  (2).  und  platonische  Dialoge  (2)  im  philo- 
logisch-histor.  Seminar.  Griechische  Litteraturgeschichte  (4).  Thuky^ 
dides  ausgewählte  Reden  (2).  Dworzak:  Institutionen  (6).  Bitl- 
berger  vonEdelberg:  Archaeologie  der  Kunst  des  Alterthums  (3). 
Geschichte  der  Malerei  in  Italien  (2).  Gruudzüge  der  Aesthetik  der 
bildenden  Künste  (1).  von  Ettingshausen:  demonstrativer  Unter- 
richt in  physicalischen  Experimenten  (10).  Von  Fornasari-Verce: 
italiäniscne  Sprache  (3)  und  Litteratur  (3).  Friese:  allgemeine  Na- 
turgeschichte, Zoologie  (4).  *Die  Lebensmittel  des  Menschen  in  nator- 
historischer  und  geschichtlicher  Beziehung  (1).  Goldenthal:  Jere- 
mias  (2).  Grysar:  '''Quintillans  10s  Bach  im  philologisch -histor.  Se- 
minar (2).  Horaz  mit  Auswahl  (4).  Geschichte  des  römischen  Staats 
(2).  Hahn:  Gottfrieds  von  Strafsburg  Tristan  mit  Auswahl  und  mhd. 
Buchstaben-  und  Flexionslehre  (4).  Schriftliche  Uebnngen  aus  der 
mhd.  Litteratur  (Ij.  Hochegger:  Ilias  (2).  Hornig:  römisches 
Recht  (6).  Exegese  der  rÖm.  Rechtsquellen  (6).  Hornstein:  Gleich- 
gewicht und  Bewegung  flüfsiger  Körper  (4).  Jäger:  ^Uebungen  über 
österreichische  Geschichte  im  histor.  Seminar  (2j.  Oesterreichische  Ge- 
schichte bis  1527  (4).  ^  Desgl.  vom  westphäl lachen  Frieden  bis  zum 
Tode  Carls  VI  (2).  Kaerle:  ♦  kleine  Propheten  (2).  Kaiser:  ♦Di- 
plomatik  (2).  Allgemeine  Geschichte  des  Mittelalters  (5).  Vaterlän- 
dische Geschichte  bis  1619  (3).  Kawecki:  polnische  Formenlehre  (5). 
Kunzek:  über  Akustik,  Magnetismus,  Electricität  und  Wärme  (5). 
Experimentalphysik  (5).  Labat  de  Lambert:  englische  Sprache  (3) 
und  Litteraturgeschichte  (2).  Legat:  französische  Grammatik  (3). 
von  Lichtenfels:  ^Logik  (I).  Theoretische  Philosophie  (4).  All- 
gemeine Geschichte  der  Philosophie  (5).  Linker:  römische  G^eschichte 
mit  bes.  Rücksicht  auf  die  Verfafsung  (3).  Praktische  Uebungen  im 
lateinischen  Stil  (2).  von  Littrow:  theoretische  Astronomie  (4). 
Lott:  allgemeine  Ethik  mit  bes.  Hervorhebung  der  Rechtsphilosophie 
(5).  '''Allgemeine  Paedagogik  (2).  Miklosich:  altslovenische  Gram- 
matik (3).  Neuere  Denkmäler  der  slavischen  Litteratur  (I).  ♦Nestor 
(1).  Moth:  ^Principien  des  Infinltesimalcalculs  (1).  Analytische  Geo- 
metrie (4).  E.  Maller:  Erziehungskunde  (2).  Neumann:  ^statistl- 
sehe  Uebersicht  des  Donaugebiets  (I).  Theorie  der  Statistik  und  Sta- 
tistik von  Gestenreich  (4).  P achmann:  römisches  Recht  (6).  Petz- 
val:  ^analytische  Geometrie  (4).  Dioptrik  (2j.  Phillips:  deutsche 
Reichs-  nnd  Rechtsgeschichte  (6).  Ponisio:  italiunische  Sprache  (3) 
und  Litteratur  (3).  Remele:  ungarische  Sprache  (3)  und  Syntax  (3). 
Rosenhain:  Einleitung  in  die  Analysis  des  unendlichen  und  Differen- 
tialrechnung (4).  Scheiner:  hebraeische  Sprache  und  Is  Buch  Sa- 
muelis  (4).  Biblische  Archaeoloj^ie  und  Geographie  (4).  äembera: 
böhmische  Grammatik  (3)  und  Litteratur  (3).  Simony:  '^praktiscber 
Uebungscnrs  der  Geographie  für  Lehramtscandidaten  (3).  ^Uebnngen 
in  graphischen  Darstellungen  für  das  gesammte  Gebiet  der  vergleichen- 
den Erdkunde  (3).  ^Populäre  Vorträge  aus  demselben  Gebiet  (1).  Ele- 
mente der  vergleichenden  ph>bikali.schen  Geographie  (3).  Springer: 
Theorie   der  Statistik  und   allgemeine  Statistik  (4).     Unger:  Aiiato- 


Vorlesungen  fdr  das  Wintersemester  1864 — 65.  597 

nie  nnd  Physiologie  der  Pflanzen  (4^).  Ton  Zalesky:  mssiscke 
Sprache  (5).  Zekeli:  allgemeine  Palaeontologie  (2).  Uebersicht  der 
foologisch-palaeontologischen  Verhältnisse  des  österreichischen  Kaiser- 
Staats  (3). 

WÜRZBURG.  Contien:  bayrische  Geschichte  (5).  "^Statistik 
Bayerns  (2).  Aligemeine  Litteraturgeschichte  (5).  Geschichte  der 
deutschen  Nationallitteratur  seit  Lessing  (4).  Denzinger:  ^Theorie 
der  Statistik  (2).  Allgemeine  Geschichte  (5).  Statistik  der  europaeischen 
Staaten  (4).  Eggensberger:  englische  Sprache  und  ^Litteratur  (2). 
Fröhlich:  Encyclopaedie  und  Methodologie  der  Gymnasialstudien  (3). 
Gegenbanr:  Zoologie  (6).  Entwicklungsgeschichte  der  wirbellosen 
Thiere  (3).  Hildenbrand:  Rechtsphilosophie  (4).  Hoffmana: 
Loeik  und  Metaphysik  (5).  Psychologie  (4).^  Lang:  Institutionen 
und  Rechtsgeschichte  (12).  Leib  lein:  Zoologie  (5).  Allgemeine  Bo- 
tanik (2).  Ludwig:  allgemeine  Geschichte  (5).  Deutsche  Geschichte. 
Mayr:  Elemente  der  gesammten  Mathematik  (5).  Differentialrechnung 
und  ihre  Anwendung  auf  Geometrie  und  Mechanik  (6).  Logik  und 
Metaphysik  (5).  Osann:  Physik  mit  dem  In  ThI.  der  allgemeinen 
Chemie  (5).  Experimentierkunst.  Reifs  mann:  hebraeische  Sprache 
mit  Uebungen  (2).  Jesaja.  Reufs:  ^deutsche  Litteraturgeschichte 
mit  deutscher  Alterthumskunde  (2).  Reuter:  Ciceros  Orator  mit  lat. 
Stilübungen  im  philologischen  Seminar  (5).  Aristophanes  Frosche  (2). 
Romische  Alterthümer  (5).  Rumpf:  Mineralogie  (6).  Schenk: 
Kryptogamenknnde.  Anatomie  und  Physiologie  der  Pflanzen.  Sche- 
rer: allgemeine  Experimentalchemie  (4). 

Zürich.  Behn-Eschenburg:  Shakspeares  King  Lear  und  Merry 
Wives  of  Windsor  (2).  Englische  Grammatik  (2)  und  Litteraturge- 
schichte (3).  Bobrik:  Psychologie  (3).  Geschichte  der  Philosophie 
des  Mittelalters  und  der  neuern  Zeit  (3).  Beschreibung  und  Physik 
des  Meeres  (2).  Darstellung  und  Vergieichung  des  Hegeischen  und 
Herbartschen  Systems  (4).  Egli:  hebraeische  Syntax  (3).  Alttesta- 
mentliche  Interpretieriibungen  (2).  Geist  der  hebraeischen  Propheten 
('!),  Eschen  von  der  Linth:  Geologie  (2).  Mineralogie  (2).  Fehr: 
Psychologie  (3).  Geschichte  der  Architectur  des  Mittelalters  (2).  Ge- 
schichte der  griechischen  Sculptur  (2).  Deutsche  Litteraturgeschichte 
(2).  Fick:  Institutionen  (6).  Frei:  Aristophanes  Wolken  mit  Ge- 
schichte der  griechischen  Komoedie  (3).  Ciceros  Rede  für  Caecina  (3). 
Philologische  Uebungen  (2).  Frey:  Zoologie  2te  Abth.,  Wirbelthiere 
(3).  Heer:  allgemeine  Botanik  (5).  Pflanzen  der  Vorwelt  (3).  Ento- 
niolithen  (2).  Heufser:  Mineralogie  und  Krystallographie  (4).  Me- 
teorologie und  physikalische  Creographie  (2).  Hildebrand:  Statistik 
(5).  Hitzig:  Einleitung  ins  A.  T. ,  specieller  Tbl.  (4).  Buch  Hieb 
(4).  Buch  Esther  (1).  Hottinger:  Schweizergeschichte  von  dem 
Burgunderkrieg  bis  1789  (3).  Quellenkunde  zur  Schweizergeschichte  (2). 
Hug:  algebraische  Analysis  und  Einleitung  in  die  Differential-  und  In- 
tegralrechnung (2).  Anwendung  der  Diff.-  und  Int. -rerhnung  auf  die 
Mechanik  (2).  Decriptive  Geometrie  (3).  Mathematische  Methodologie 
für  Lehrer  (2).  Köchly:  *  Sophokles  K.  Oedipus  und  kritische  Uebun- 
gen in  der  philologischen  Gesellschaft  (3).  Kritisch  -  aesthetische  Ana- 
lyse der  Ilias  und  Odyssee  (4).  Demosthenes  Staatsreden  (3).  Plaiitus 
Menaechmi  (3).  Kym:  Logik  und  Metaphysik  (3).  Religionsphiloso- 
phie (3).  Aristotelische  Uebungen  (I).  Mousson:  Experimentalphy- 
sik (6).  A.Müller:  reine  Mathematik  (4).  Höhere  Geometrie,  insbes. 
die  Curven  und  Flachen  der  3n  Ordnung  (4).  Populäre  Astronomie  (IL). 
Mathematische  Physik  (4).  Raabe:  Coordinateneeometrie  dreier  Di- 
mensionen (2).     Convergenz  und  Divergenz  der  Reinen  (1).     Uebungen 


596  Vorlesmigen  für  dai  Wintert enetter  1864—65. 

am  der  DiffSerential -  nnd  Integralrechnung  (2).  Rucke rt:  deuUche 
Staats-  nnd  Rechtagetchichte  (5).  Rustow:  Geschichte  der  Kriege  in 
Ungarn  und  Siebenburgen  184iB — 49  (2).  Schmidt:  allgemeine  Ge- 
schichte der  neusten  Zeit  seit  der  Mitte  des  vorigen  Jh.  in  Verb,  mit 
Cultnr-  nnd  Litteraturgeschichte  (5).  Rufslands  innere  und  aufsere 
Entwicklung  im  19n  Jh.  (2).  Utterargeschichte  des  Mittelalters  (6^. 
H.  Schweiier:  Forts,  des  Sanscritcurses  (2).  Nibelungenlied  (B). 
Stadel  er:  organische  Chemie  (5).  Usteri:  christliche  Archaeolojsie 
(2).  Venedey:  deutsche  Geschichte  bis  lum  Beginn  der  Reformation 
(3).  Vogeli:  Geschichte  des  16n  und  17n  Jh.  bis  lum  Zeitalter 
Lonis  XIV  (4).  Yo gelin:  Aeschylos  Sieben  oder  Perser  r2).  Pla- 
tons  Gorgias  oder  Sym[>osion  (2).  Plndar  (3).  Terentius  Ennuchns 
(2).  Volger:  allgemeine  Naturgeschichte  (6).  KrystaUologie  oder 
Naturgeschichte  der  stoffeinigen  Naturkorper  (6).  Krystallographie 
oder  Formenlehre  der  st.  N.  (4).  Geologie  Ir  Thl.  (4).  Wipper- 
mann: Institutionen  (6).  Deutsche  Staats-  und  Rechtsgeschichte  (5). 
von  Wyfs:  Schweiiergeschickte  bis  in  den  Burgunderluriegen  (2). 


BmUOTHBGA  SCBIPTORDM  6RAHC0RÜM  BT  ROMANORin 
TEDBNBRIANA. 

So  eben  Tersandte  ich  folgende  neuen  Bande : 

Apollodori  bibliotheca.  Ex  reeensione  Immannelis  Bekkeri. 

&  9  ^gr.  ord. 
Velinpapier  &  15  Ngr.  ord. 
Catidll,  €•  TalertI»  Veronensis  über.     Recognovit  Augustna 
RoBsbach.  t  ^^^  Ngr.  ord. 

Velinpapier  i  7^  Ngr.  ord. 
CieeroniSy  HI.  Tollii»  scripta  quae  manseront  omuia.  Recogno- 
vit  Reinh  Klotz.  Partia  IV.  Vol.  I.  continens  academicorum  adM. 
Varronem  librom  primom ,  academicorum  priorom  libmm  secundum, 
qai  inscribitur  Lacullos,  de  flnibas  bonornm  et  malorom  libros  quin- 
que,  Tuscalanarnm  dispotationnm  libros  quinque. 

ä  18  Ngr.  ord. 
Velinpapier  &  27  Ngr.  ord. 

Daraus  einieln: 

—  —     opera  No.  29.     Academicorum  libri  duo. 

k  4%  Ngr.  ord. 

—  —         ^    No.  30.     De  finibus  bonorum  et  malorüm  libri  quinque. 

&  7%  Ngr.  ord. 

—  —         „     No.  31.     Tuaculanarum  disputationum  libri  quinque. 

h  6  Ngr.  ord. 
luvenalU   satirarnm  libri  quinque.    Accedit  Sulpiciae  satira.     Ex 
recognitione  Caroli  Priderici  Hermanni.  ll4^^Ngr.  ord. 

Velinpapier  k  7%  Ngr.  ord. 
Persily  A.,  Flaeel  aatirarum  liber.     Ex  recensione  Caroli  Pri- 
derici Hermanni.  i  3  Ngr.  ord. 

Velinpapier  ä  5  Ngr.  ord. 
Pllni»  €.,  Seeanill  naturalis  historiae  libri  XXXVII.  Recognovit  at- 
que  indicibus  instruxit  LudoYicus  Jan.   Vol  I.   Üb.  I— VI. 

i  18  Ngr.  ord. 
Velinpapier  k  1  Thlr.  ord."*;: 
Statlas »  Poblios  Papinins.     Recognovit   Gnstavus  Queck. 
2  Voll.  Zusammen  &  1  Thlr.  ord. 

Velinpapier  h  l  Thlr.  20  Ngr.  ord. 
(Einzeln  Vol.  I.  12  Ngr.,  Velinp.  20  Ngr.  —  Vol.  II.  18  Ngr.,  Velinp. 

1  Thlr.) 
Leipxig,  8.  NoTcmber  1864. 

B.  O.  Teabner. 


In  meinein  Verlage  ist  ▼•lUtttadlir  erschienen  and  in  allen  Boch- 
handlungen  zn  haben: 

I^elirbiich 

der  analyüsclien  Mechanik 

von 

Duhamel, 

Mitglied  der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Paris. 

Deutsch  von  Dr.  H.  Eggers. 

Revidirt,  mit  Zusätzen  und  Vorwort  begleitet 

Ton 

Dr.  Oskar  Sehldmlleh , 

Professor  der  höheren  Mathematik  und  analytischen  Mechanik  an  der 
polytechnischen  Schule  in  Dresden. 

Zwei   Bände, 
gr.  8.   eleg.  geheftet.   Preis  2  Thlr.  12  Ngr. 

Nach  dem  Urtheile  der  gewichtigsten  Aatoritäten  ist  Duhamel'« 
Cours  de  m^canique  de  l'öcole  politechnique  in  seiner  Art 
das  YoUständigste  und  zugleich  in  seiner  Behandlungsweise  das  elegan- 
teste Lehrbuch  der  analytischen  Mechanik,  welches  die  Litteratur  über- 
haupt besitzt,  so  dass  dasselbe  schon  seit  Jahren  den  Vorlesungen  und 
dem  Unterrichte  auf  deutschen  Universitäten  und  höheren  technischen 
Bildungsanstalten  im  Original  zu  Grunde  gelegt  wird. 

Die  unterzeichnete  Verlagshandlnng  glaubt  deshalb  einem  ent- 
schiedenen Bedurfnisse  zu  begegnen,  wenn  sie  eine  deutsche  Ausgabe 
veranstaltet  hat  und  zwar  in  einer  Bearbeitung,  weiche  sowohl  eine 
sorgfaltige  und  elegante  Uebersetzung  bietet,  als  auch  das  Original, 
wo  es  nothig  ist,  ergänzt  und  berichtigt.  In  dieser  Beziehung  wird 
der  Name  des  Herrn  Professor  Schi o'm i  1  c h ,  welcher  dem  Unter- 
nehmen seine  thätige  Mitwirkung  auf  das  Bereitwilligste  zn  Theii 
werden  liess,  die  vollständigsten  Garantien  bieten.  Ich  bitte  deshalb, 
um  Verwechselungen  mit  einer  anderen  Uebersetzung  zu  vermeiden, 
bei  Bestellungen  den  Heraasgeber  oder  Verleger  besonders  namhaft  zu 
machen. 

Leipzig,  im  October  1854. 

B.  O.  Teobner. 


Kritische  Beurtheilnngen. 

Alciphronis  rhetoris  epistolae  cum  adnotatione  critica  editae  ab 
Jugutto  Meinekio.  Lipsiae  sumtibus  et  typis  B.  G.  Teubneri. 
ÄIDCCCLIII.    IV  IL  179  S.  gr.  8. 

Alciphron,  unter  den  griechischen  Epistolographen  der  beste,  wenn 
auch  an  und  für  sich  vielleicht  überschätzt  oder  mindestens  in  den  vor- 
handcnen  Briefen  und  Bruchstücken  sich  selber  nicht  durchweg  gleich, 
hat  seit  der  Mittheilung  des  handschriftlichen  Apparats  in  der  Aus- 
gäbe  von  Seiler  (Lpz.  1853,  vgl.  NJahrb.  Bd.  LXVllI  S.  38—71)  durch 
die  ihm  alsbald  zugewendete  Thatigkeit  namentlich  zweier  ausgezeich* 
neter  Kritiker  und  Gelehrten  sehr  rasch  aufserordentlich  gewonnen. 
Kaum  ein  halbes  Jahr  nachdem  Hrn.  Dr.  Seilers  verdienstliche  Arbeit 
erschienen  war,  erhielten  wir  von  Hrn.  Meineke,  der  bekanntlich 
schon  vor  geraumer  Zeit  die  Briefe  3  und  4  des  2u  B.  mit  seinem  Me- 
nander  herausgegeben  hatte,  eine  neue  iiecension,  welche  im  folgen- 
den näher  besprochen  werden  soll.  An  sie  schlofsen  sich  dann  in  der 
Mnemosyne  1854  Heft  1  u.  2  S.  113 — 146  die  variae  lectiones  des  Hrn. 
Cobet,  welcher  heutzutage  unstreitig  die  genauste  Kenntnis  des  atti- 
schen Sprachgebrauchs  besitzt.  Aufserdem  mufs  einer  schätzbaren 
Beurtheilung  der  M.schen  Ausgabe  von  Hrn.  Kayser  in  den  Münch- 
ner gel.  Anzeigen  1854  Nr.  52 — 54  gedacht  werden.  Durch  diese  drei- 
fachen Bemühungen  also  liegt  der  Text  Alciphrons,  abgesehen  von 
einer  Anzahl  schwerlich  je  mit  voller  Sicherheit  zu  entfernender  Cor- 
ruptelen,  gegenwärtig  in  einer  Reinheit  vor,  wie  man  sie  nur  immer 
wünschen  kann.  Hr.  Meineke  zunächst,  dessen  Ausgabe  nach  der 
Pracfatio  p.  Hl  f.  den  Text  p.  3 — 82,  die  adnotatio  critica  p.  85 — 172 
mit  einem  supplcmentum  p.  172 — 176  und  einen  index  ad  adnotatiouem 
p.  177 — 79  enthält,  hat  mit  seiner  berühmten  genialen  Leichtigkeit 
zu  dieser  neuen  Durchbefserung  einen  vortrefDichen  Grund  gelegt.  Ein- 
mal nemlich  sind  durch  seinen  Scharfsinn  eine  grofse  Menge  zum  Theil 
früher  gar  nicht  einmal  wahrgenommener  Verderbnisse  auf  das  glück- 
lichste geheilt  worden.  Hieher  gehören  nach  des  unterz.  Dafürhalten 
Stellen  wie  I,  2,  4:  ccg>£lg  t6  q)6Qvlov  avxotg  Ix&vai  statt  <poQTlov.  1, 
5,  1 ;  Gol  fisv  yccQ  6  ßoXog  i^vsyne  %Q(arjv  jj^tfovg  Ko^^arog  JaQsixov 
st.  XQvaov  xofifiaTa  JaQSixov,  1,  6,  3:  TQCyXag  ovze  ü<5(piQBig  ovxe 
^Ikeig  öiöovai  st.  (pigsig.  I,  7 :  evöriXog  mg  anavta  aoiva  nQog  rovg 
q>lXovg  %ul  xa  zav  q>lka)v  ?%etv  i]yoviievog  st.  Tunva  xa  ngog  x.  g>.  I, 
8,  2:  xQig>ei  yicQ  ovöivu  i}  &aXa6aa  st.  ovöiv.    I,  9,  3:  inl  tw  aq>e" 

^'.  Jalirb.  f,  PiiU.  u.  Paed,  BtL  LXX.  l/ft.  C.  39 


600  A.  Meineke :  Aiciphronis  rhetoris  epistolae. 

tiQGD  xsQSalvovxi  st.  xigösi  (da  die  Hss.  xsQÖalvsiv  oder  xigdet  xeg- 
öaivBcv  haben).    I,  10,  3:  fort  dh  ovösvog  xomtov  6  Kaqyrjgsvg  htui- 
TiiötEQog  st.  ovdiv.    Ebend.  5:  rinnet  ös  ovöiv  ijTTOvrovg  ai^^Q(07tovg 
xo  övveiSog  sl.  XQiq>Ei.    I,  11,  3:  xov  (livsiv  ^[(piai^v  ofiov  xal  ^ukaxxrj 
naQocdiöovai  xo  6(oiicc  (was  übrigens  schon  der  Pariser  Codex  D  bie- 
tet) sl.  ftfiUftv.    1,  12,  5:  f^v  ^diKOv  xb  niXayog  nal  Ttaarjg  d'v^tjöiag 
(iBOTüv  st.  näv.    I,  17',  1 :  (pQ^xy  axisQccv  KaxaKOQCog  ti^v  &cckaxTav  st. 
xara  fiigog^  und  2:  anoqxtvEiv  inayyeXXofiSvov  p.  99  st.  cLTtotpaCveiv. 
1,  21,  2:  litel  kqlvov  aurw  6  yevvri<Sag  iyivsxo  sl.  KqCvodv —  i^eyivsxo, 
p.  98  f.,  eine  prachlvoUe  Emendation.    I,  23  in  der  Ueberschrift:  ^E^- 
ßLv^oUitovxi,  sl.  ^E^Bßivd^okiovxi,    1,  27,  1:  oXov  fie  ctvxij  [<Soue(p^]  xaza 
xriv  Ttaqoi^ilccv  uvcixqi'^aCa  st.  ovrij,  wenn  auch  nicht  völlig*  sicher 
doch  sehr  anmuthend ,  p.  101.    I,  29,  3 :  iqaGxov  iöxsQtjö^ai  st.  vdxe- 
Qriaai,    I,  39,  4:  xct  nttqa  noqfpvQuv  noqtpvqä  x6v  laxlmv  xuvxC  st. 
xa  naqccTtoqtpvqct  tcSv  i(S%its)v  p.  107.    Ebend.  5:  xriv  inl  xovg  iifiqaig 
iyyiXKSiv  st.  fyxqiaiv,    7 :  iqa  yaq  avxov  Satg  öiaKaoig  st.  xorxcog  p. 
108.    11,  2,  6 :  d  xccl  oXr/  yifiot  17  ^Ad'rivalcDV  TtoXtg  'EjTtLKovqcDv  st.  yi- 
voixo  p.  111.    11,  3,  2 :  t/  yaq  ifiol  %(oqtg  (Sov  yivoix'  av  riöv  st.  iqöiov 
p.  112.    Ebend.  xLvi  <J'  iitctq^rivat  fiel^oi't  Swaifiriv  xrjg  ötjg  ipiXiag 
st.  xL  d'  in,  p.  1J3.    17:  fvrvjrf/Tö}  xal  xafia  dya^a  [ix^'^oy]  yivofuvog 
iv  AlyvTtxco  p.  116.    11,  4,  1:  ijcTtXctyfjg  imo  ^öovrjg  yivofiivtj  st.  ix- 
TCaX'qg^  in  naXt^g^  inna^rig.    Ebend.  Evq>q6viov  st.  Evg>6qiov  p.  116^ 
3:  ovd^  el  Sqvg  fioi  xo  dri  Xeyo^evov  (p^fy^aixo  st.  ßovg  und  xo  Xsyi- 
(levov  p.  116  f.    111, 1, 3:  xo  öi  oXov  Ttqoacxtov  avxatg  ivoq%et0d'ai  xatg 
naqeiccig  Btnoig  Sv  xag  Xciqixag  xov  uq%Oii.tvov  ctnoXiTCovaag  xctl  xijg 
^AqycKpiag  xqrivrig  aTCOviij^afiivccg  st.  xo  ös  oXov  7cq6<Somov  avxag  ivoq- 
Xeta&cci  xatg  TtaqBiaig  xxL  p.  121.    III,  2,  1:  aiti^vaai  xriv  aidü  xov 
ytqoödjtov  st.  ani^söag,  111, 12,2:  Cxsvov  xo  nvEV(Aa  fiBxa^if  xmvxf^Xiiav 
iTtLövqoDV  st.  fiBxa  p.  129.  III,  18, 3 :  ioqxaöOfiBv  d'  afia  fiaX^  ^dio»?  st.  öi 
(laX*  ridicog  nach  dem  Vat.  aXX  afi(jL  aXX  fjdicog  p.  131.  III,  20, 1 :  xavxag 
TtoxB  itlv  xaxa  ^ilav  iöXBTtB  xjj  %aqot\>i6i  st.  xavxd  tcoxb  fihv  jcara  (Uav 
iöxBTCB  naqo^löa^  vgl.  das  suppl.  p.  175,  wo  ebend.  noxe  6'  ovx  oU' 
OTttag  [ndaag]  imo  xfj  uia  iÖBUw  treffend  ergänzt  wird.    III,  23,  2: 
Big  vBODxa  dh  öi%OLO  [dv  oder  iKÖixoio,  p.   133]  naq^  '^fidiv  xovxnvi 
fisl^ova  xal  r^dtova  st.  Big  vitova  öl  öixoto  n,  ^.  ftf/fw  xovxmv  ij  xal 
^ö.    III,  26:  d>g  ofiov  fi;/*/a  xal  xov  vtco  xcjv  ofioöovXmv  nqoaog>X^(Sai 
yiXoDxa  8l.  0(iov  irifilav,  da  zwei  Bücher  tVf^ia  geben,  p.  134.   III, 
50,  3:  xaXr^v  xaXcjg  a7toXdrlK>iiBv  xr^v  TcXrjafiovrjv  st.  xaX(og  —  xaXfäc 
anoXavöo^Bv  xijg  nX,  p.  145.    III,  55,  4:  xo  cxofia  iTCixBiXijg,  d)g  dito 
xov  TtBTtqiö&ai  xal  Xlav  ^B^vxivai  x^v  ixE^iv^lav  V7coat](ialv<ov  st. 
nsmtad'ai  p.  149.    III,  56,  2:  ^Aqrjvdörjg  st.  'AqTcdötjg  p.  151.    Nicht 
etwa  aus  Mangel  an  weiterem  StolT,  sondern  um  nicht  ein  Uebermafs 
des  Raumes  zu  beanspruchen,  geht  Ref.,  nachdem  er  noch  erwähnt 
hat,  dafs  von  vorstehenden  Befserungen   manche   nnver^enterweise 
blofs  in  der  adn.  crit.  stehen,  zu  einem  zweiten  Verdienst  der*  vor- 
liegenden Ausgabe  über.    Dieses  besteht  darin ,  dafs  Hr.  M.  nicht  we- 
nige von  Seiler  verscbm&hte  gute  Lesarten  der  Hss.  wieder  in  ihr 


A.  Mcineke :  Alciphronis  rbetoris  epistolae.  601 

Recht  eingesetzt  oder  mindestens  zur  Anrnahme  empfohlen  hat,  z.  B. 
1, 1,  1:  T«  Si  (xvfAOTa)  iQQf^yvvro  st.  iQQTjywvro  p.  86.    I,  2:  ralrj- 
vaiög  st.  Fakrivog.    Ebend.  a.  E.  ino^tjcsafisv  st.  iitEvOi^aocfisv.   I,  4:  ' 
Kv^io^og  St.  KviioD&og^  s.  Anal,  epigr.  et  onomat.  p.  171  N.  1.    1,  9: 
MccvSQoßoXov  si,   MavÖQoßovXov,    IH,  29,  2:   iQuaiay  aoL  %Q(Oii€cij 
TOVTO  dri  t6  tov  Xoyov  st.  xorra  Tovro,  ro  öri  r,  l.    IIF,  42:  Zr£fig)V' 
loöaliiovi  st.  2rccq)vXodaCiiovi,    III,  51,  1;  ov  ^e  yuQ  twv  w  T^vgp??- 
jiiarwi/  Tcov  iv  rovrotg  ^^eaev  st.  ov  yaq  fie  ttSv  rQvq>ri^ciT(av  rmv  iv 
Tovxoig  ovölv  rfQSösv.   Ebend.  2 :  tj  rov  nccga  vovtoig  iqvgIov  anoSqi- 
nsc&cci  st.  71  dicc  To  Ttaqcc  xovxotg  xQvalov  dnoÖQvmea&cct,    III,  55,  7: 
vmv  XQVöav  in^v  xivct  fiovfSiKrjv  aQfioviav  ixegin^ev  st.  xorrcJ  xiva 
fiovßcxriv  a^^,   III,  56,  1 :  xal  xvg>ov  TtXrJQrjg  sl  %al  ßaöl^Btg  tca  xovxo 
öri  x6  xov  Xoyov  Uv^onXei  sl.  xat  ßaöC^eig  taa  Sri  xcfi  xvq>ov  nXrjQrjg 
fl,  TOVTO  öi}  xo  xov  Xoyov ^  üv^OTiXei,    lU,  58, 1 :  öiaßoXag  ayevrixovg 
sl.  ayevvHg,    Ebend.  3:  xgifie  daxcoi;  t6  xeiXog^  cSj  V  tov  2lyr(Xov 
riQ(ü  naQiovxsg ,  firi  xi  kukov  TtQogXdßrjg  st.  ov  xgeiico  [ivöccK^iv  xb  xst- 
Aog,  oSg  of  TOV  HiyriXov  JJ^od  nctqiovxBg ^  (iri  naxov  xi  jtQogXccßafiat]. 
lll,  69,  1 :  ßccöavlaai  dt  iQSvvtjg  xo  nqäy^a  st.  ßa0avl<Sai  öuQevvav 
xs  xo  TtQ.    Zum  dritten  sind  von  Hrn.  M.  eine  Anzahl  Glosseme  aus 
dem  Text   unten  an  den  Rand  verwiesen,  wovon  allerdings  einige 
schon  früher  erkannt  waren,  die  aber  in  der  Mehrzahl  erst  durch  den 
Scharfsinn  des  letzten  Hg.  aufgespürt  worden  sind.     Man  sehe  I,  5,  1. 
I,  20,  1.  I,  21,  1.  I,  29,  2.  I,  31,  1.  11,  1,  6.  II,  3,  15.  111,  4,  2.  4.  III, 
5,  3.  III,  7,  2.  3.  III,  12,  1.  III,  30,  2.  III,  38,  1.  2.  HI,  40,  2.  III,  52,  1. 
III,  57,  1.  III,  63,  2.  III,  72,  5.    Hier  sind  auch   die  Stellen   anzu- 
schliefsen,  wo  entweder  ganz  unzweifelhaft  oder  doch  mit  grofser 
Wahrscheinlichkeit  eine  Lücke  in  den  Worten  Alciphrons  durch  Punkte 
bezeichnet  wird:  I,  12,  4.  I,  20,  2.  I,  27,  1.  I,  28,  2.  I,  34,  8.  I,  36,  4. 
I,  39,  6.  n,  1,  3.  II,  2,  5.  14.  HI,  3,  1.  III,  46,  3.  III,  71,  2.  Bruchst.  3. 
VI,  19.    Beachtet  man  endlich  die  Sorgfalt,  welche  auf  Reinheit  des 
Atticismus  wenn  auch  nicht  ganz  consequent  doch  hier  und  da  ver- 
wendet ist  (eUi]  I,  2,  1.  ft/;a)v  I,  18,  2.  a6i}q>ayovvxa  I,  21,  1.  rivci%Xsi 
I,  23,  3.  öiQfjv  I,  28,  2.  ayovuwfuci  I,  39,  5  u.  s.  w.),  und  würdigt 
mau  die  gelegentlichen   Bemerkungen  über  griechischen   Sprachge- 
brauch im  allgemeinen  und  die  Verbefserungen  anderer  Schriftsteller 
in  der  adn.  crit.  (Archestratns  p.  169.  Cinnamus  p.  130.  Eupolisp.  150. 
Euripides  p.  102.  Hesychius  p.  168.  173.  Menander  p.  123.  Theogno- 
stus  p.  181.  Xenophon  p.  132),  so  dürfte  Hrn.  M.s  Leistung  im  we- 
senllichen  charakterisiert  sein. 

Ehe  sich  nun  Ref.  erlaubt,  über  mehrere  Stellen  seine  abwei- 
chenden Ansichten  auseinanderzusetzen,  meint  er  noch  sein  Urtbeil 
über  Hrn.  C  o  b  e  t  s  variao  lectiones  und  Hrn.  K  a  y  s  e  r  s  Recension  aas- 
sprechen zu  müfsen.  Dafs  zuerst  in  den  var.  lect.  kein  Wort  ausdrück- 
licher. Anerkennung  der  Verdienste  Hrn.  M.s  um  den  Epistolographen 
gesagt  ist ,  wird  niemanden  grofs  befremden ,  der  die  Art  des  hollän- 
dischen Gelehrten,  mit  deutschen  Philologen  umzuspringen,  aus  der 
Rede  de  arte  iuterpretandi  oder  aus  den  Bemerkungen  zum  Hyperides 

39* 


602  A.  Meineke:  Alcipbronis  rhetoris  epistolae. 

kennt.  Hr.  M.  aber,  welcher  den  scbmahliclien  Aasfall  anf  den  seligen 
Laclimann  so  glimpflich  abgewehrt  hat,  Vind.  Slrab.  p.  137,  wird  sich 
'  in  seiner  liebenswürdigen  Bescheidenheit  (s.  zu  III,  8,  2  p.  128)  dar- 
über selbst  am  wenigsten  verwundern.    Nur  zu  Fragm.  VI,  18  a.  E. 
losen  wir  in  der  Mnem.  S.  146:  ^sl  ^liv  ouxas  i'axriTiag  fiaXaxag  (st. 
ovxcog)  Video  hoc  Meinekium  praecepisse,  qui  permultas  incertas  et 
TtaQccKButvövveviiivag  correcliones  recepit,   complusculas    certas   et 
manifcstas  in  annotatione  delitescere  maluit,  de  qua  re  alias  dicam.' 
Der  letztere  Vorwurf,  wenn  man  so  sagen  darf,  ist  nicht  ganz  unge- 
gründet und  darauf  schon  oben  hingewiesen ;  Schuld  mag  zum  Theil 
die  Schnelligkeit  tragen,  mit  welcher  die  Ausgabe  gearbeitet  ist.  Den 
vollen  Beweis  des  ersteren  ziemlich  scharfen  Tadels  mufs  man  abwar- 
ten.  Hr.  Cobet  selber  hat,  wie  bereitwilligst  anerkannt  wird,  an  sehr 
vielen  Stellen  theils  durch  Kleinbefserungen ,  indem  z.   B.  echt  atti- 
sche Formen  ttnd  Formeln  gleichmäfsig  hergestellt  werden,    theils 
durch  Ausmerzen  von  Glossen  (111,  56,  2 :  yvfivbv  ^qa^B  iv  aKagei 
XQOvov  ixTiaaaiv  S.  138  st.  xtjg  oiiUag  yviAvov  ^vQa^B  iv  uKccQBt  XQOvcii 
iKßkfi&ivva  iii7tB0Biv  .  /,  wo  Hr.  M.  eine  Lücke  annahm  p.  67),  durch 
kleine  Zusätze,  wie  den  Artikel,  durch  Aufnahme  verschmähter  Les- 
arten oder  Conjecturen  anderer  Gelehrten,  namentlich  Hrn.  M.s  sel- 
ber (111,  62,  1  fivazi^QWv  iv  avxatg  xqiq>Hai  S.  141,  vgl.  suppl.  p. 
176),  endlich  durch  eigene  schöne  Emendationen  die  Reinigung  des 
Textes  wesentlich  gefördert,  man  vgl.  I,  17:  BvihtiÖBg  ovv  st.  iXitlÖBg 
S.  116.     11,  2,  1:  imaxoXag  dtalvyCovg  fioi  yQagxov  st.  adiaXvxovg 
(adiccXslTtxovg)  S.  121.    II,  4,  21 :  Kvßaqväv  (lad'rfaofiai  st.  (ivtj&i^ao- 
fjuxt  S.  124.    111,  2,  16:  ig)BQBg  av  xal  [avxog]  xoig  ^soig  xixxov  S.  130. 
III,  22,  1:  xocg  gdyag  InaTCzov  st.  iaoTtxov  S.  131.    III,  51,  3:  tuctvovQ- 
yalv  St.  vBovQyBLV  S.  137  (vgl.  NJahrb.  a.  a.  0.  S.  46).   III,  44,3:  xvxri 
yoiQ  i(Sxi  ndvxa  xa  tcj»/  avd'QcirCfav  rCQciyfiaxa  st.  JtaQa  Ttdvxa  S.  134. 
III,  57,  1:  OBidcovalo)  xa  fiixQO)  XQrjxai  st.  g)Biöa>k^  S.  138,  eine  vor- 
treffliche Befserung.    III,  59,  5:  ov  qbtcbi  xo  ovuq  st.  g>iQBi  S.  140  a.  a. 
Uebrigens  unterliegt  von  den  Conjecturen  des  Hrn.  C.  doch  eine  und 
die  andere  einem  Bedenken,  was  weiter  unten  darzuthun  versucht 
werden  soll.   Aufserdem  aber  ist  es  unzweifelhaft,  dafs  wo  so  tüchtig 
vorgearbeitet  war,  wie  es  durch  Hrn.  N.  geschehen,  nachzurfiumen 
und  bis  ins  kleinste  auszubefsern ,  leichter  fallen  muste.  —  Hr.  Kayser 
endlich  hat  zwar  nach  des  uuterz.  Dafürhalten  gar  nicht  überall  die 
Hand  Alciphrons  wiederhergestellt,  wo  er  einen  Vorschlag   macht; 
seine  Conjecturen  tragen  häußg  den  Stempel  allzugrofser  Kühnheit  und 
gestalten  den  handschriftlich  überlieferten  Text  zu  frei  nm.   Allein 
aufser  mehreren  gewis  glücklichen  Vertheidigungen  der  Lesarten  der 
Uss.  (I,  4,  1:  örj(ioxi7ia  öiunqaxxovxctL  S.  421  gegen  M.s  örjfAtovQytxa, 
I,  6,  2:  ^aSiog  xat  6q>^ak(i(6  S.  421,  wo  M.  kdyvog  wollte.    1, 15:  ddl- 
%ovg  x^^Wag  S.  422)  und  neben  etlichen  sicheren  Emendationen  (1,  35, 
3:  (UXQU  d'  It'  i<sxi  (lot  naQatjwxii  S.  422,  was  neben  mgUcxi,  auch 
Cobet  vorschlägt  S.  119.    11,  4,  5:  %av  xolg  TcagaCKtjvlotg  iavrjxa  vovg 
öccxxvkovg  ifUKvx^g  nti^ovoa^  Btog  av  xQOxalion  vi  hiaxQov^  xal  xqi^ 


A.  Heineke :  AIcipbronis  rhetoris  epistolae. .  603 

fiovca'  toTS  dh  vi}  rfiv''AQXsniv  avcnlwxm  xtA.,  wo  sonst  nach  &kctQov 
stark  interpungiert  wird  und  di  nach  xoxs  fehlt,  S.  430.  III,  69  2:  ^ 
fiiv  yag  [iel]  airetS.  434.  III,  11:  Xiovlrn  st.  X^ovifp^  woran  schon 
Reiske  {Kqovl(ji)  anstiefs,  s.  M.  p.  129)  ist  vielfach  das  scharfe  und 
geistvolle  Eindringen  in  den  Sinn  des  Schriftstellers  hervorzuheben. 
Deshalb  wird  im  naphstehenden  auch  auf  diese  Rec.  mehrmals  Rück- 
sicht zu  nehmen  sein.  Dagegen  enthält  sich  Ref.  im  allgemeinen  wie- 
derholten Eingehens  auf  diejenigen  Stellen,  wo  er  in  der  Beurtheilung 
der  Seilerschen  Ausgabe  entweder  dieselben  Schreibweisen  der  Bü- 
.  eher  empfohlen  oder,  was  ein  paarmal  geschehen,  dieselben  Befse- 
rangen  vorgeschlagen  hat,  wie  kurz  darauf  Hr.  M.  Nur  da,  wo  ihm 
eine  derartige  doppelt  vorgetragene  Muthmafsung  mit  Unrecht  ange- 
griffen zu  sein  scheint,  wie  I,  18,  2  riyaad^g^  sei  ein  nochmaliges  Be- 
rühren verstattet. 

I,  1,  4:  Bv%vQ  ovv  oipcSvai  nhjalov^  xal  rocg  a<slkXag  Inofilovg 
aveko^evoi  Kai  rag  ixaxigcad'sv  CTtvQiSag  i^aQxrjdavxeg  nal  inlg  ccv- 
xcov  xaxaßakovxeg  agyvQiov  aaxvS*  ix  ^ali^QODV  i^itelyovxo.    Da  vtcIq 
aixmv  nur  auf  anvQCöag  bezogen  werden  kann ,  was  inept  sei ,  so  will 
Hr.  M.  p.  86  diese  Worte  entweder  tilgen  oder  schreiben :  ro:^  iMcxi- 
Qcod'ev  anvQldag  i^aqxriiSavxsg  an   avxciv  (x<av  aadXmv)  xai  naxaßa- 
XovxEg  xaqyvQLOv  xrÄ. ;    K.  dagegen  vermuthet  S.  420,  in  vnEq  avxav 
stecke  ein  Adjcctivum  im  Sinne  von  vitegalaiov ^  TteQiovaiov  oder  ns- 
oiöCov,    Dafs  aus  dem  ursprünglichen  aTC*  avxciv  Kai  fälschlich  Kai 
v7i£Q  avxciv  geworden  wäre ,  ist  wenig  wahrscheinlich ;  auch  bedurfte 
CS,  streng  genommen,  des  Zusatzes  an^  avxoSv  gar  nicht.    Streicht 
man  dagegen  vneq  avxcSv^  so  fehlt  ein  Umstand  gänzlich,  der  doch 
mindestens  anzudeuten  war.     Das  ist  das  Füllen  der   Körbe    mit  Fi- 
schen.   Möglich  also,  dafs  einige  Worte  dieses   Sinnes  ausgefallen 
sind.    Inzwischen  bedarf  es  wohl  auch  dieser  mislichen  Auskunft  nicht. 
Denn   warum  sollte  man  nicht  verstehen  können:  vitSQ  avxäv  (rcov 
anvQiöoiv)  KccxaßaXovxsg  xagyvQiov  ^sie  bezahlten  für  die  Körbe,  na- 
türlich die  nun  mit  Fischen  gefüllten,  welche  die  Händler  eben  beim 
Weggehen    an   die  Tragbretter  hängen'?     Vielleicht  ist  selbst  die 
Folge  der  Handlungen  nicht  rein  zufällig,  indem  die  Käufer  erst  be- 
zahlen, nachdem  sie  die  Körbe  aufgenommen  haben,  und  nun  nach 
dem  Gewicht  Gebote  machen  und  das  Geld  geben.  Vgl.  auch  Lucian  vit. 
auct.  25 :  tcoöov  vtiIq  avxäv  y.axaßaXco;  Mväg  dciÖBKa,  —  l,  2,  1:  ftcf- 
xrjv  Tj^ip  ndvxa  novHxai ,  w  Kvqxcov  ,  öi*  ri^iqag  ^iv  vno  xi]g  eYX-qg 
q)Xsyoiiivoig f  vvkxcoq  ob  vito  Xa^indai  xov  ßv{>ov  onto^vovat.  Die  Deu- 
tungen von  ano^vovct  durch  perscrvtari  (Seiler)  und  profundum  ma- 
us verrere  (Bcrgler)  werden  verworfen  und  aus  der  Lesart  des  Par. 
und  eines  Vat.  vnolvovdt  gemuthmafst  vnodvovGt^  profundum  maris 
subeuntibus  sc.  verriculo  m  mare  immisso  p.  87.    Gegen  diese  Aen- 
dcrung  hat  sich  schon  K.  S.420  erklärt:  ^an  xov  ßv^bv  aTCo^.  ist  wohl 
nichts  auszusetzen,  da  die  Geschäfte  des  Landmanns  häufig  metapho- 
risch dem  Fischer  beigelegt  werden;  man  vgl.  die  von  Seiler  I,  4,  1 
gesammelten  Stellen,  nam.  Anth.  Pal.  IX, 242  novxov  aQOVQSvxfiQy  und 


604  ■  A.  Meineke :  Alciphronis  rheioris  epistolae. 

Callim.  fr.  436  aQoxag  KVfjuxxog  ^Aovlov.*     Iliemit  möchte  nicht  viel 
bewiesen  sein.    Ref.  ist  zunächst  bedenklich ,  dars  es  heifsen  würde: 
^die  Fischer  tauchen  auf  den  Grund  des  Meeres',  während  diese 
doch  nur  ihre  Netze  in  die  Tiefe  lafsen.    Wenn  sodann  weder  ajro- 
^vetv  noch  iito^vHv  (yrtis  vom  Meere  vorkommt,  das  Berge  und  Ge- 
stade unten  bespült,  Dion.  Perieg.  61.  385)  hier  zi^läfsig  ist,  so  wird 
sich  das  einfache  ^ovCi  behaupten:  ^  über  den  Abgrund  hin  streifend', 
indem  die  Fischer  auf  das  hohe  Meer  hinausfahren.   Aehnlich  heifst  es 
bei  Babrius  VI,  1  vom  Fischer,  der,  die  Angelruthe  in  der  Hand,  am 
ganzen  Gestade  entlang  hingeht:  'A^uvg  ^akdaarfg  näaav  '{i6va^v<av 
Amx^  xe  xaXa|Lta}  xov  yXvxvv  ßlov  öfp^av,    Dafs  in  gleicher  Weise 
rädere  und  subradere  gebraucht  wurden,  lehren  die  Lexika.    Die  Les- 
art into^,  aber  und   aTCo^.  konnte  unschwer  durch  das  vorangehende 
intb  kcnüTidai  veranlafst  werden.  —  Ebend.  3:  xa  ix  r^g  &aXda<rfig 
iqia  a   qjvexai.  iTCieixäg  iv  evQvv6(ifjg  Xijfivov,    Hrn.  M.s  ingeniöser 
Vorschlag  iv  ^B^ni^ovrig  Xifiivt  p.  88  hat  allerdings  auch  das  von  K. 
S.  420  angeführte  Bedenken  gegen  sich ,  dafs  die  Leute  erst  eine  gar 
weite  Fahrt  von  Munychia  nach  Hermione  gehabt  haben  würden,  um 
dem  Befehle  ihres  Herrn  nachzukommen.    Aber  ebensowenig  befrie- 
digt Kaysers  iv  EvQvv6iit}g  ÖBfivlipj  mit  Berufung  auf  Find.  Nem.  1,3: 
'O^vyla^  öifiviov  ^A^xiiitöog.    Das   wäre  im  Munde  des  Fischers  zu 
hochpoetisch.    Sichere  Hilfe  —  iv  BAf^vofirig  OTtrikala}  wird  auch 
nicht  zusagen  —  weifs  ich  nicht.    Dafs  vor  iTCisiKag  ein  Adjectivum 
wie   dvöevQSxa  (Kayser)  verloren  gegangen  sei,  ist  nicht  unwahr- 
scheinlich. —  1,  2,  4 :  rjfisrg  avvsQyov  ayad-ov  inevO'Tfjccefisv.    Cobet 
verlangt  S.  114  das  auch  von  M.  empfohlene  iTtod'rjöafisv ,  weil  jenes 
nur  von  der  Trauer  um  die  todlen  gesagt  werde.    K.  bringt  nun  zwar 
Lysias  XXXIl,  11  bei,  wo  niv&og \on  der  Trauer  um  ein  Unglück  über- 
haupt steht;  allein  dieser  Gebrauch  ist  doch  sehr  selten  und  IttoO^- 
(Sa^iev  hat  zudem  die  Autorität  einer  guten  Hs.  für  sich.  —  1,  3,  2: 
axi,xldiov  xriv  uTtovoiav  rcai/  nleovrav  iitiaxvfpov,  so   corrigiert   mei- 
nes Erachtens   sehr  schön  Hr.  M.  p.  89  die  Lesart  der  Bücher  ini,- 
aivcpotfxog.    Wenn  aber  Cobet  S.  114  notiert,  Ale.   habe  selber  nichl 
gewust,  was  htKSzvcpeiv  xrjv  aTroi/otai/ bedeuten  solle,   so  bekenne  ich 
dies  nicht  zu  verstehen.    Für  mich  hat  Bergler  iitiGxvtpuv  im  Sinne 
von  adslringo^  coerceo  durch  zwei  Stellen  des  Clemens  Alex,  hin« 
länglich  nachgewiesen.    Musten  sich  freilich  die  grofsen  Tragiker  von 
Hrn.  Cobet  ineptias  vorwerfen  lafsen  (vgl.  Bernhardy  Faralip.  syntax. 
Gr.  p.  8  N.  5),  und  wüste  Sophokles  nicht  immer  was  er  sagte  (Co- 
bet de  orationc  arliüciali  Graeca  a  populari  dislinguenda  p.  9),  wie 
hätte  es  der  Spätling  Alciphron  bcfser  machen  sollen!  —  1,5:  Navd- 
xrjg^  so  Hr.  M.  nach  dem  Vcn.  und  C,  p.  90.   Allein  bei  Xenophon  Hell. 
III,  2,  5  (6)  hat  das  echte  Navßdxrjg  L.  Dindorf  endlich  in  der  neu- 
sten Ausgabe  (Oxon.  1853)  p.  145  aus  einer  Hs.  hergestellt  und  auf 
den  Artikel  im  Pariser  Stcphanus  verwiesen,  wo  C.  I.  G.  n.  538,  7 
NAYBATHN  steht.    Navdxrig  ist  ebenso  aus  falscher  Aussprache 
entstanden,  wie  Evoue  für  Evßota^  was  ehemals  Dindorf  zum  Xenoph. 


A.  Meineke:  Aleiphronis  rhetoris  epislolae.  606 

(Stereotypansg.  von  1847)  verglich.  —  I,  6^2:  i^ag  tijg'EiffUaviciios 
fUtUxoVj  rjy  iitl  ^axa  tcov  if^mrtoiv  o  IIet(faievs  iöi^aro'  TMUfid^ovai 
yag  tlg  (TCQog  Cobet  S.  115)  avr^v  i}  ngog  ^akavtav  vBolaict  xal  ük- 
kog  akko  dtoQov  aitotpiqu  (7CQoa<piQSt  Cob.)*  ^  dh  Bicdi%svat,  kuX  ava^ 
Xoi  XaQvßdea>g  ölxriv.   Da  einige  Bücher  igcitav  nnd   i^uvTcav  haben, 
80  liege  die  Yermuthung  igai/xtav  nicht  fern;  doch  wünscht  Hr.  M. 
p.  91  lieber  OQtovzmv.   Irre  ich  nicht,  so  hat  K.  S.  421  richtig  erkannt, 
dafs  der  Gedankengang  einen  Begriff  wie  %^iiax(ov  erheischt:  *die 
Einwohner  des  Peiraeeus   haben  jene  Hetaere  zum  grofsen  Nachtheil 
ihres  Vermögens  aufgenommen,  vgl.  I,  18,  3:  |iii/  ob  avxl  xijg  J^akax- 
xf^  ^  7^  vavayov  a7Cog)i^vy  ^ikcicctOa  xwv  XQfjfittxcDV,'    Denselben 
Sinn  werden  wir  durch  nähern  Anschlufs  an  die  Hss.  erhalten:  xmv 
t%6vx(ov,  —  I,  8,  2:  %6qovg  i%  noQCDv  ivfisyid'eig  wvtaxvovfAevon  statt 
"^  einer  zuerst,  p.  92,  angenommenen  Lücke  [xai  fiiad^ovg]  svfuyi^eig 
zieht  Hr.  M.  im  suppl.  p.  193  vor,  BVfuyi&eig  als  Glossem  zu  tilgen. 
Ich  war  früher  derselben  Ansicht,  bin  aber  davon  zurückgekommen, 
weil  Ale.  auch  sonst  Synonymen  häuft,  vgl.  III,  10,  1:  xaTtog  Tiaxmg 
aTtokoixo  0  Kccxioxog  akeüx^cav  und  Hrn.  M.  zu  III,  3,  1  .*  sio^la  mul 
nkrfiog  Ix^mv  p.  174.  —  I,  9,  1 :  xo  (liv  yaq  ini  kmxav  x€(^axmv 
intoölöocbai  %al  mvHdd'ai  xit  iifixi^deia  kvntiQccv  q>i^it  x^v  na^aftv- 
d-lav:  so  Hr.  M.  nach  dem  Yen.  und  nach  C,  wo  kvfi^Qav  steht:  Co^ 
bet,  der  auch  an  inl  kiitxmv  9UQ(i.  anstöfst,  verlangt  S.  116  kyngav, 
vielleicht  mit  Recht.   Wie  aber  die  Vulgate  kifitiqav  als  kräftigere  Be- 
zeichnung (K.  S.  421)  gerechtfertigt  werden  könne ,  ist  mir  nicht  recht 
klar.  —  Ebd.  3:  Ttavxmg  yaq  nqog  x^  Tioxaßokjj  xi^vglov  iaxai  Tva^' 
avxoig  (avTCöv  Cobet  S.    116)  xtg  Sta  aov  naqctiiv&ict  JtowisUov  ^ 
^ATtaxovQicDV  xekovfiivoav.    Das  dreimalige  TCagccfivd'la  in  diesem  kur- 
zen Briefchen  ist  gar  zu  auffällig,  und  selbst  wenn  §.  2  xtjv  naq^  fjfimv 
i^  mv  av  ij  &akcczxa  nogC^rj  naQa[iv&lav  ixöixsö&ai  das  Wort  mit  K. 
S.  422  zu  streichen  sein  sollte,  möchte  ich  oben  ein  Wort  wie  ^a^- 
fila  im  guten  Sinne:  *  Erholung,  Zerstreuung»,  Polyb.  X,  9,  15.   Isoer. 
p.  197  B.  198  A.  —  I,  10,  4:  nsQtvoöx'qaofiev  üxqi  nal  cpvxov  xov  Kot- 
fpriqiiog  xctg  axxag:  mir  ist  xal  avxov  auffällig.    Erwägt  man,  dafs 
die  Küste  zwischen  dem  Vorgebirge  Kaphareus  und  Geraistos,  die 
sogenannten  Koika  Evßoiag^  gerade  die  gefährlichste  Strecke  war,  s. 
Leake:  die  Demen  von  Attika  S.  185  N.  431  W.,  so  gewinnt  die  Yer- 
muthung axQt'  r€Qat.<Sxov  ^  wir  werden  bis  nach  Geraistos  hin  die  Kü- 
sten des  Kaphareus  umwandeln'  wohl  einige  Wahrscheinlichkeit.  Fe- 
ga^axog  wird  auch  im  nächsten  Briefe  I,  11,  2  erwähnt. —  Ebd.  €tnov 
XI  TCOV  ix  vcevayCag  aTtonxvö^sv  ivged^eCtj  amficc:  der  Artikel  xmv  ist  p.  94 
mit  vollem  Grunde  verdächtigt.  —    1,  11,  2:  (lixQ''  ^wv  ccvxm  rsgat- 
(Tro»  7CQO<5oCxo)v  ;(C9p/ci>i/:  die  Bücher  geben  sämmtlich  ogicav^  was  doch 
in  späterer  Graecität  die  Bedeutung  *  Gebiet,  Gegend'  wie  ßnes  zu 
haben  scheint;  vgl.  Aelian.  var.  bist.  VI,  14:  xovg  [liv  inl  xa  x^g  'iv- 
diXT^g  oqia  aTtiTtB^iiffB ,  xovg  dh  iitl  xa  Hxv^ixcc,    Evaug.  Matth.  2,  16 : 
avetks  Tcavxag  xovg  nalöug  xovg  Iv  Brfikek^L  xal  iv  TCaCi  xotg  oqCoig 
avxrig.    8,  34.  Marc.  5,  17.  10,  1.  Act.  apost.  13,  50.  —  1,  12,  3:  iv 


600  A.  Meineke:  AleiphroDiB  rheloris  epiBtoUe. 

t0(ü  yag  KQVfiovg  not  &dXavTixv  g>l^fiev  ....  ov  dl  S(i4}c  (ov  (Mvog 
ovöi  ftrra  fi6v(ov  tav  halgtov  o  Tlo^ttpiXog  ^  iXXcc  xal  yvvatcov  crvioo 
neQtxxäv  xi\v  ägav  nXtjd'os  cweCiteto^  (lovöovgyol  Ttadm'  17  ftlv  yiiQ 
ixaXeho  K^ovnaxiov  %ai  ^v  avkr(tqiq  *  aXXri  6i  Evinrjg ,  avxti  di  xvfi- 
ßccka  hcsTiQOtBi^  iyivSTO  ovv  fiOL  (JuyvüMrjg  rj  anazog  nXia,  Hier  ist 
HQVfibg  ncel  ^aXavxa,  q>eQOfiiv(ov  6h  Sfia  Yulgate ;  K^ftovg  xcrl  ^dXcct- 
tav,  wsQOfiivoav  6h  S^ia  hat  der  Flor. ;  xqvfiovg  xal  wXaaöav  g>iQO' 
fuv  afia.  (pegofiivcDV  6h  afia  Yen.  und  D  Tcod.  Palat.  155)  nach  K.  S. 
422 ;  iiQVfioxfg  xal  ^dXaxtap  g>iQ0(i6v  6h  cifia  JTI;  y,^(iOvg  xal  ^dX- 
Tcog  g)iQO[iev.  q>SQOfiiv(ov  6i  Par. ;  x^fiovg  xal  ^dXnog  *  q)€QO(iiv(ov  6h 
Sfia  C.  Hr.  M.  nun  vermntbet:  [jtXciH^o(iiv]aiv  6h  dfia  and  dann  mit 
Reiske:  ov  [yccQ]  fiovog^  p.  95.  K.  aber  verschmfiht  S.  422  jene  Er- 
gänzung, billigt  d'dXjtog^  wofür  ich  mich  früher  erklärt  halt« ,  streicht 
das  erste  tpiqo^nBv  ci^a  des  Yen.  und  der  Hs.  D  und  setzt  dann  Tqi 
6h  afia.  Nach  den  vorgängigen  Worten  ijfitv  6h  ov  fwvov  totg  tovti/v 
notovfiivoig  rriv  i^cKSiav^  iXXa  xal  näciv  uTta^anXcig  odoig  fiti  na* 
Qiovaia  %Xovvov  Tcgoaeart,  önov6d^exat  iaxtv  ov  6vvafiivoig  x^  siX^ 
hiqeö&at  scheint  mir  ^dXTCog  fortwährend  notbwendig:  iv  Taco  yciQ 
XQV^ovg  xal  ^aXitog  (pigofiBv,  Darauf  aber  möchte  ich  mit  Beseiti- 
gung der  schwerfälligen  Parenthese  fortfahren :  'qv  6h  dfuc  ov  (lovog 
ov6h  fisxd  iiovcav  rc5v  ixalgav  6  ndfiq>dog  xxX,  —  Ebend.  5 — 6: 
nXiiv  ifii  ye  xavxa  ovx  ixs^sv  ov6h  ydg  ovx  oXlyoi  tcöv  ofioßltov  xal 
(idXtaxa  0  ytiXQog  FXavxlag  TsX%i^vog  rju  fioi  ßaaxalvcov  ßagvxsQog. 
Die  in  ov6i  liegende  Schwierigkeit  hat  Cobet  S.  116  erkannt;  aber 
sein  Yorschlag  el6ov  reimt  sich  nicht  recht  zu  dem  folgenden  fidXiöxa, 
Man  wünscht  ein  Zeitwort  wie  icp&ovovv.  Auch  ßaCxaLvmv  ßagvxe- 
Qog  scheint  verdorben ;  entweder  war  ßaöxalvav  ßagfvxBQOv  oder  ßa- 
axavog  ßaqvxeqog  zu  schreiben,  s.  1,15.  111,62,3.  Eine  Form  ßd<sxai- 
vog  wird  auf  die  Stelle  C.  I.  G.  n.  2059,  31  nicht  zu  wagen  sein  (vgl. 
n.  3715,  I).  —  I,  13,  3:  ifiavxov  6h  6sl^ag  olog  elfxi  &aXaxxovqy6g ^  sl 
fifl  (lali'oixo  0  xavxrig  naxi^Q^  ölfiai  Ttagi^eiv  iTtiXTJösiOv  vv^ktplov,  Hr. 
M.  nennt  p.  96  Piersons  avaivoixo  *  speciosum*.  Mahoixo  passt  wohl 
befser  zu  jenem  Burschen,  den  man  so  selbstgefällig  zu  denken  hat 
wie  den  Freier  auf  dem  bekannten  Genrebild :  der  Heiratsantrag  auf 
Helgoland.  —  I,  14,  1 :  6ixxvov  —  vno  %q6vov  itaXaioxrixog  6uQQiJi}- 
yog:  Cobet  streicht  S.  116  naXaioxrjxog,  Gesagt  brauchte  sicherlich 
nur  ^ines  zu  werden,  vno  TCaXauixijxog  (Plato  Cratyl.  p.  421  D)  oder 
V7c6  XQOvov  (ders.  legg.  VII  p.  797  E.  Rofs  inscr.  Gr.  ined.  11  n.  88, 
4:  ix  noXXdov  ndvxa  xaxt]QeLfiiiiva  xal  t^Qi^fico^iva  %q6vg)v  [xal]  vno 
TcaXaioxtjxog  xQrj^ovza  i7iavoQ^(6c£(og).  Vielleicht  ist  aber  bei  der 
schon  berührten  Fülle  Alciphrons  eher  xai  einzuschieben.  —  I,  17,  3: 
xiXog  fi6y(p  7toXl(p  6eCXr]g  oipiag  xd^iyjXov  ilsiXxvöafisv :  Cobet  corri- 
giert  S.  116  ndch  Aesch.  Pers.  509  (loyig  noXXfp  noxw,  Ist  eine  solche 
Reminisccnz  sehr  glaublich?  Natürlicher  war  wohl,  wenn  i^^oyai  un- 
haltbar ist,  novm  itoXX^  oder  <5vv  tcovo)  itoXX^  wie  bei  Xen.  memor. 
II,  2,25.  —  I,  J8,  2:  Ofiov  yctQ  x^  äffcc  xijg  naMaxt^g  iiyda%>fig  xoi 
xocg  x(fovfta<Siv,    Diese  Conjectur  (Vulg.  t^^do^rig)  Hrn.  M.s  p.  97  be- 


A.  Meineke :  Alcipbronis  rbetoris  epistolae.  607 

kämpft  Cobet  S.  116  wesentlich  aus  dem  Gronde,  weil  ayaa^at  in  re 
amatoria  nicht  passe.  Er  liest  deshalb  jiQi&rig,  Da  ich  schon  vorher 
anf  dasselbe  iT/aadijg g^erathen  hatte,  nur  dafs  ich  den  ganzen  Satz 
als  Frage  auffafste,  so  ist  es  mir  um  so  erwünschter,  den  apodikti- 
schen Ausspruch  des  holländischen  Kritikers  durch  ein  Citat,  wie  ich 
glanbe,  fallen  zu  können.  Denn  bei  Philostratos  vit.  Apoll.  VI,  11 
p.  244,  p.  112  Kays,  heifst  es:  (isiQccxio}  %ak^  ivcvxav  ayaa&slg  avro 
xi\q  iigag.  Die  Verschiedenheit  der  Structur  kann  nicht  hindern,  hier 
"^aa^tj,  was  auch  K.  S.  419  billigt,  im  Texte  zu  belafsen.  Und  doch 
werden  vielleicht  andere  vorziehn:  o^ov  yag  ry  &Qa  xijg  nociölaxrig 
fJQuC^g  xal  rcSi/  XQOVfiaTVDv.  —  1,23,  2:  aH'  ovöh  iKSiae  awaxd- 
qovv  ot  tmv  ofiOTixvoüv  tvsqI  ravta  (ravtd'!)  ahvöoviitvoi'  xal  yccQ 
avzavg  ri  TragctTtkrjala  ^sog  rivcix^Bi.  Ilsvlct,  Hier  mit  Cobet  S.  117 
IlBvla  als  Randbemerkung  auszustreichen,  widersteht  mir  darum,  weil 
ohne  nähere  Erklärung  die  ^eog  etwas  dunkel  bleibt.  —  Ebend.  3: 
mg  övv  rjö^o^rjv  ovx  elval  fiot  elg  ravra  fttftri^roV,  ögccfitav  inl  to 
Sqcc0vXov  ßakavHOv  Idicunix'^g  oMag^  evQov  xovto  kbvov:  vorausge- 
setzt die  Echtheil  der  Worte  inl  rb  Sq,  ßak,  scheint  lönoviarjg  ohiag 
ein  ziemlich  mufsiger  Zusatz.  Nun  bieten  aber  statt  jener  Yulgata 
mehrere  Codices  etwas  anderes:  litl  &qciiSvko  C,  und  xo  im  Bqaövkov 
JIlFlor.  Zwar  kann  die  sonst  mit  inl  Ggaövkkov  oder  Ggaavkkoi 
bezeichnete  Oertlichkeit  im  Flecken  Maroncia  (s.  Bückh  C.  I.  G.  I  p. 
288  b.  290  a)  hier  nicht  füglich  verstanden  werden,  da  an  ein  Bad  in 
der  Stadt  selber,  gedacht  werden  mufs.  Allein  wer  wcifs,  ob  jene 
selbe  Benennung  nicht  auch  für  eine  Localität  in  oder  ganz  nahe  bei 
Athen  üblich  war?  Demnach  könnte  man  lesen:  dQa(ia>v  [elg]  oder 
[€la]dQafi(ov  xo  inl  OQaavk(X)ov  ßakavetov  idicyxcxijg  ohlag^  wo 
jetzt  auch  Wtoor.  otx.  nicht  mehr  unnützerweise  zugefügt  ist.  —  I,  26, 
1:  iitl  xctg  MccQ'tjjiov  dvgag:  so  Hr.  M.  p.  100,  wie  auch  bei  Enpolis 
ein  Parasit  Marpsias  gehcifsen  habe.  Doch  die  handschriftlichen  Les- 
arten BvQxlag  ^,  Ven.,  Par.,  MvqxIov  Flor.,  cod.  Dorv.  ad  Charit, 
p.  472,  halten  überwiegend  am  Ypsilon  fest,  und  darum  darf  meine 
frühere  Mulhmafsung  HißvQxiov  (Aristoph.  Ach.  118:  Kkeiai^iv^jg  6 
ZißvQxlov.  C.  I.  G.  n.  1001,  1  ZißvQxig,  d.  i.  üißv^iog  in  Athen, 
Anal,  epigr.  et  onom.  p.  137,  l)  wohl  nochmals  erwähnt  werden.  — 

I,  28,  1:  cig  xig  Hqti  ved^siv  ceQx6(i£vog:  kein  Zweifel,  dafs  ditf  mir 
brieflich  mitgetheille  Conjectur  meines  Freundes  A.  Nauck  agxi  ye- 
vsid^eiv  Aufnahme  verdient,  vgl.  C.  I.  G.  n.  3175,  1:  Squ  yevsid^ovxa 
fte  ßdaaavog  ijQTtaae  öcclfioDv.    Stat.  Flaccus  epigr.  I,  1   (Brunck  Anal. 

II,  262):  dgri  y£V£idSa}v  o  Kcckog  nal  öxsQQog  igacxaig  naiöog  iqa 
Addcov.  Xenoph.  Cyrop.  IV,  6,  5:  nttida  aqxu  ysveidaMvxa.  Theoer. 
XI,  9 :  nokvq)afiog  dgxt  yeveidaöcov  negl  xo  oxoficc  xcog  y.QOxdgxog  re. 
C.  I.  G.  n.  6314,  3  t.  III  p.  941:  ccqxi]  ysvHrjCavxi,  —  I,  30,  1:  £^  yccQ 
ahovßai  Ttaga  x(av  igaOxav  dgyvQiov  ov  xvyxdvo^Ev  ij  xotg  didovcip 
ctt  xvy%dvovaai  dösßslag  Kgivo^ed^cci  K.  tilgt  S.  422  ctt  und  xoig  StSov- 
6iv^  was  die  Construction  unnöthigerweise  schwerfällig  mache;  nccga 
xmv  IqctGx^v  gehe  ja  vorher  ond  die-  Beziehung  auf  dasselbe  verstehe 


608  A.  Meineke :  Alciphronis  rhetoris  epistolae. 

sich  vou  selbst.  Allein  gerade  der  Umstand,  dafs  eben  ot  dtSovteg 
nochmals  anklagen,  wie  Euthias  der  Phryne  that,  muste  nachdrück- 
lich hervorgehoben  werden.  Wenn  also  totg  öi6avaiv  nicht  faglich 
ZQ  entbehren  ist,  so  wird  sich  wegen  roig  öi8ov6iv  auch  ai  'xvy%a~ 
vovöcci.  rechtfertigen.  —  I,  35,  3:  ^ikqci  ö'  iitearl  (Ir'  itfiA  juoi  na^ 
(»ai/;v%^  Ttal  fiaQaiv6(i£VOV  tjÖt}  naQafivd'iov ,  ö  fioi  vtco  ri]v  XrmQav 
[iv]  T«  avfiTtoalG)  (lifi^ij^LV  %QoaiQQi'il;ag  iit  avrav  neqiön^aaccaa  rc5v 
TcAoxafiooi/ ,  cog  (ii]  näfSixolg  vcp^  rjfKov  TVifupd'HCiv  ax^Ofiivt}'  ei  Sq 
601  xavza  riöovriv  (pigei,  anoXavs  rrjg  ruisrigag  fiSQlfivrig.  ^^o  ''sc- 
haben insgcsammt  dg  drj  näai —  ax'^ofiivrj;  (ii^  rührt  von  Bergler  her, 
welchem  auch  schon  Wagner  (J^  firf)  und  Seiler  gefolgt  waren,  wo- 
bei sie  vcrmuthlich  auf  TCaQailJvx'q  xorl  naQUfiv^iov  den  Nachdruck 
legten.  Inzwischen  hat  Cobet  S.  J19  doch  Recht,  wenn  er  dtj  herge- 
stellt wifsen  will.  Die  Worte  d  Sri  ßoi  zavra  rjdovfiv  (pigsi  sprechen 
dafür.  Dafs  die  Petalc  dem  Simalion  die  Rose  nicht  ans  Liebe  znge- 
worfen  hat ,  lehrt  der  Zusammenhang :  kvTCQoi  iv  r<p  ayfinoaCm  /liCfitf;^. 
Der  unglücklich  schmachtende  aber  nennt  in  seiner  Liebesglut  sogar 
dieses  Zuwerfen,  was  sonst  allerdings  ein  Zeichen  der  Gunst  ist,  eine 
TtaQatl^vxti  und^ein  TcaQa^ivd'tov^  wenn  er  gleich  sich  nicht  verhehlen 
kann,  die  naQailwxt]  sei  (iikqcc  und  das  Tcccgafiv^iov  schon  fiaQaivo- 
fievov,  Uebrigens  fehlt  vielleicht  noch  eine  genauere  Angabe  des  zu- 
geworfenen Gegenstandes  und  nach  nceQanvd't.ov  konnte  ro  ^odov  un- 
schwer ausfallen.  Ueber  die  Rosenkränze  bei  Gastmahlern  hat  jüngst 
Wüslemaun  in  den  anmulhigen  *  Unterhaltungen  aus.  der  alten  Welt 
für  Garten-  und  Blumenfreunde'  (Gotha  1864)  S.  50  gesprochen.  — 
1,  36,  3:  slra  ohi  ^li  <Soi  rcaoanad'tjfiivtjv  noOev  fijtfftv;  Hr.  M.  erklart 
no&ev  p.  104  für  corrupt,  K.  S.  423  setzt  ro  Xotnov^  jedenfalls  etwas 
kühn.  Der  Liebhaber  ist  ein  armer  Schlucker,  der  keine  Geschenke 
machen  kann;  ist  daher  etwa  avro^ev  Wom  blofsen  Beidirsitzen '  za 
lesen? —  I,  37,  5:  aX-l'  afiqiißdkXeiv  eTcd^s  ra  (plXxQci  %al  ««otfxij- 
ilfeiv  eig  oXsd'Qov  ßgccxv  tioi  ^iXei'  östyccg  avxov  ij  ifiol  t^ijv  ti  xi^i^ 
vai  ^BxxaXri.  Statt  der  Vulg.  «TrocTxt/Trrftv  geben  der  Flor,  und  C  D 
cc'itoaK^\\jHv.  Weil  nun  cLnoG%'t]fitxEiv  mit  dem  unmittelbar  vorherge- 
henden sich  nicht  vereinen  lüfst,  so  will  Hr.  M.  p.  105  xal  [öii  xal] 
aitoan'iinxEiv  oder  wegen  jener  Hss.  noch  lieber  %civ  aTToax^^iCv 
befsern.  Auch  Cobet  setzt  S.  119  nicht  übel,  ja  vielleicht  annehmbar: 
xai  aTtoiSuriTtxHv  [IvioxB  oder  E(Sd^  oxe]  dg  oXs&gov,  Gleichwohl  ist 
am  Ende  noch  leichter  nal  aitoanflipsi  eig  oX, ;  ^  aber ,  wendet  man  ein, 
Zaubcrmittcl,  die  du  anwenden  willst,  pflegen  einen  zweifelhaften  Er- 
folg zu  haben,  ja  (gleich  den  schlimmsten  Fall  als  wirklich  voraus- 
gesetzt, um  von  ihnen  abzuschrecken)  sie  werden  zum  Verderben 
ausschlagen.'  —  I,  38,  1 :  noXXd  xe  ftoi  xaxaXmovaa  daxQvcc  xal  Iq»- 
xog  öaov  tidiaxov  xoxe^  xoaovxov  tcixqov  vvv  (iv^fiipf'  ov  yccg  ixkrjöa- 
ficci  noie  J5ax%/Jo$,  ovy  ovxog  ioxat,  xQovog.  So  Hr.  M.  p.  105  mit 
Abresch  und  Jacobs :  xoxe,  xoa(nrtov  juxqov  v.  fiv,j  wahrend  aus  den 
Hss.  x6  xiXog  ov  tcovtjqov  angemerkt  ist.  ütXQovj  was  den  Ausdruck 
des  vorwurfsvollen  und  widrigen  enthalten  wttrde,  misbilligt  K.  S.  433, 


A.  Meineke:  Alciphronis  rhetoris  epistolae.  609 

sobreibt  für  ov  novtjQov:  no^tftovy  iveil  sich  sonst  die  folgende  Be- 
Ibeuerung  ov  yaQ  ixÄtjaofia/  Tcoxe  Ba7i%Cöog^  ov%  ovrog  lavcit  xqovog 
Hiebt  ungezwungen  anschlierse ,  und  schützt  rjdiavov  xo  tilog  durch 
Anführung  von  I,  34,  wo  Thais  dem  Euthydemos  zuruft:  imösi^dfK&a 
alkfikoig  TO  xakov  tiXog  t%  rjöovrjg^  rikog  sei  nemlich  der  Reiz ,  den 
der  Moment  des  Liebesgennfses  gewährt.  Ob  jedoch  iqag  fjötatog  xo  . 
xiXog  in  diesem  Sinne  ohne  weitern  Zusatz  füglich  zu  verstehen  ist? 
Ausreichen  würde  i^ötöxag  oder  eher  ein  Wort  wie  ccTtokavaig  zuge* 
setzt  sein.  Dagegen  gefallt  Ttod'i^ou  sehr,  und  so  möchte  ich  jetzt 
schreiben:  ocov  iiöLaxov  tore,  xoaovxov  Tto&rjrov  vvv  ^vf}fit]v.  — 
Ebend.  4:  olad'a  xov  M'qösiov  iKslvnv  xov  ano  xrjg  Uvglag  devgl  xa- 
TUQavrcc  (i6&^  oörig  ^aqctmlag  xal  ytaQaöxexfijg  iöoßei^  svvovxovg  im,- 
a%voviievog  xal  ^eganaivag  xal  Koa^iov  xivct  ßaqßctQiniv:  weil  es  son- 
derbar sei,  dafs  die  athenische  Hetaere  durch  einen  barbarischen 
Schmuck  gewonnen  werden  solle,  schlägt  K.  S.423  vor:  Koa^iov  navv 
ßaOikiKOVy  wie  11,  3,  5:  ÖHxal  (lov  nacag  deriisstg  Kai  TTQOXQmerai  (?) 
ßccaihxag  vniöxvovfuvog.  Wo  freilich  zu  beachten  ist,  dafs  vom 
König  Ptolemaeos  gesprochen  wird.  Zudem  scheint  ein  barbari- 
scher Schmuck  als  Geschenk  eines  eben  aus  Syrien  gekommenen 
durchaus  angemefsen :  unter  den  Gaben  König  Seleukos  des  2n  von 
Syrien  in  das  Heiliglhum  des  Apollon  zu  Didyma  befindet  sich  nach 
dessen  eigener  Angabe :  ^tjwfixriQ  ßaQßaQixog  Xi&oxoXkog  iniysyQafifjii' 
vog  ^onelQag  slg^  kxoiv  ajioTCSTtxcoKOTcc  Tiagva  htxd  ^  C.  I.  G.  n.  2854, 
27.  —  Ebend.  folgt:  xal  ofitog  xXaovxa  avxov  ov  ngoalexo^  aXX^  vno 
xov^ov  fiyciTta  KOificDfiivrj  %Xctvlöiov  xo  Xixov  xovxo  nxX,  In  den  llss. 
steht  durchweg  iixoyxcc;  xXdovxcc  ist  Emendation  Hrn.  M.s  p.  105  (Ma- 
crimantes  amatores,  qualis  Medius  ille,  saepe  repraesentavit  comoedia 
nova',  ebenso  Lucian  und  Aristaenct),  welche  für  den  ersten  Anblick 
sehr  viel  bestechendes  hat.  Gleichwohl  möchte  das  leidige  ukovxu  so 
nicht  beseitigt  werden  können.  Denn  xXaovxa  ist,  wie  schon  K.  S. 
423  eingewendet  hat,  hier  zu  stark;  ^wo  solche  Ausbrüche  erotischer 
Desperation  vorkommen ,  ist  der  liebende  in  der  Regel  (vgl.  I,  36) 
wirklich  auf  Thränen  beschränkt  und  vermag  durch  nichts  anderes 
seine  Leidenschaft  zu  bezeugen.'  Ein  Medeios,  der  mit  solcher  Pracht 
mid  Hoffart  auftritt,  wird  sich  nicht  zum  Weinen  vor  einer  Hetaere 
herablafsen.  Aber  ebenso  wenig  passt  für  diesen  Pocher  und  Pracher 
was  K.  vorschlägt:  iTiexevovxa  (1,  31,  4:  xccg  Ev&lov  laealag).  Eher 
dürfte,  wenigstens  dem  Sinne  nach,  xoXciKevovxa  zu  ertragen  sein  (s. 
Menander  fr.  ine.  XXXll,  com.  Gr.  II  p.  978  ed.  min.,  6  öi  fi^  tjxoXov^ 
^6£v  fiixQt  Tov  TtQog  xiju  &VQav  •  kmixa  g>oi,xiav  xal  xoXccxsvav  [ifii 
xe  xal]  xi\v  iii^xeg^  kyv(o  ft'  — ),  wenn  nur  die  palaeographische  Wahr- 
scheinlichkeit ersichtlicher  wäre.  In  diesem  Betrachte  spricht  Seilers 
fjxovxa  an,  vgl.  auch  Lucian  dial.  meretr.  15,  2:  ixstvov  fihv  anixXsi-' 
aev  iixovxa  Tcqoöaga^aaa  ye  avx(p  xag  &vQag,  Stände  nicht  ov  TCQOöle^ 
to^  sondern  ein  Verbum  wie  anixXsiae  oder  aninefi^e^  so  käme  auch 
wohl  ccTtQaxxov  in  Betracht.  Yermifsen  aber  würde  schwerlich  jemand 
etwas ,  wenn  die  Hss.  blofs  aAi'  oficDg  avzov  ov  ngoaUxo  hätten.  -^ 


610  A.  Meineke:  Alciphronis  rhetoris  epistolae. 

Ebond.  5:  w?  XQV^''^^^  rfd-og  ovk  slg  evdatfiova  ßlov  TCQoalQeatv  ialfimv 
V7t^vsyy,sv :  Cobet  verlangt  S.  120  slg  ovx  evöxw^^^  ß^^'^  ^Q-  Diese 
nicht  eben  schmeichelhafte  Bezeichnung  des  Standes  der  Bakchis  würde 
sehr  übel  gegen  die  Zärtlichkeit  des  AfTects  contraslieren ,  welche  on- 
verkennbar  in  diesem  ganzen  Bricre  herscht.  Sein  Bedauern,  dafs  die 
Geliebte  eine  Hetaere  geworden ,  druckt  Menekleides  gewis  weit  ge< 
fühlvoller  und  feiner  durch  ovk  evdccliiav  ßlov  nqoaiqsiSiq  aus.  Für 
vTtrivtyyiBv  muthmafst  Ilr.  M.  p.  106  a7r?Ji/fyx£v ;  jenes  ist  mir  nicht  an- 
stöfsig,  s.  Appian  B.  civ.  U,  2  Kccxdlvag  elg  neviciv  VTtsvvjveyfiivog. 
Wirft  man  ein,  Catilina  sei  vordem  reich  gewesen,  so  kann  auch 
Bakchis  erst  durch  die  Nolh  zur  Buhlerin  herabgesunken  sein.  — - 
Ebend.  6:  r^  de  ovairi  fie  (pcciÖQotg  totg  OfifiacSiv  oi^frori  (nQ0(Sßliiff6* 
xcti  Cobet  S.  120)  itBiöi^Oa  ovöi  Tkstog  Tial  sviAeiffig  öicct^KTeQSvaei  roig 
i]dt(Sxoig  ixeli'Oig  anoXavauccatv  i^rloog  fiiv  oiov  itp^iyyBvOj  otov 
ißXenEv,  Die  hier  aufgenommene  Muthmafsung  ccTtoXavöfiaaiv  misbil- 
ligt  K.  S.  424,  weil  den  q>at8Q0ig  o^uiiaßiv  ein  anderer  Gegenstand  an 
der  Geliebten,  etwas  coiicretes  also,  entsprechen  müfse.  Das  seien 
die  ayvceXatj  und  da  in  aQXLcog  fiit^^  wie  schon  Hr.  M.  conjiciert,  ein 
Partieipium  verborgen  liege,  so  sei  etwa  in  dieser  Art  zu  schreiben: 
TOT«;  y\ÖL6xag  iaelvag  ccyxoiXag  ifiol  (Svvtjg^oafiivti.  Ehrlich  gestanden, 
mir  kommt  das  mehr  wie  ein  lusus  ingenii  als  wie  ein  Bemühen  vor, 
den  Text  diplomatisch  festzustellen.  Die  Nolhwendigkeit,  dafs  an  die 
(faiÖQu  o^fiaxa  ein  zweites  concreles  gereiht  werden  müfse,  wird 
kaum  zu  erweisen  sein.  ^ATtoXccvö^iaaiv  aber,  was  auch  ich  in  der 
liec.  der  Seilerschen  Ausg.  vorgeschlagen  hatte,  geht  aus  der  Ueber- 
liefcrung  KoXavfiaai^  %oXd(S(ia(Si  so  ungezwungen  hervor  und  der  Da- 
tiv ist  durch  die  früher  beigebrachte  Stelle  (^ÖtavvKxeQSveiv  xrj  Xtiß]]^ 
Phalar.  epist.  13)  so  ausreichend,  dünkt  mich,  geschützt,  dafs,  um 
ihn  abhängig  zu  machen,  die  Worte  agxlcog  fiiv  nicht  angetastet  za 
werden  brauchen.  Es  enthalten  vielmehr  auch  diese  einen  gewissen 
Atrect,  die  Wehmulh  spricht  sich  in  ihnen  nicht  undeutlich  aus:  noch 
neulich,  wie  sprach,  wie  blickte  sie  so  h>ld!  Fortfahren  wollte  der 
schreibende:  vvv  ös  xctrat,  wofür  nach  dem  langen  Zwischensätze 
dann  blofs  gesagt  ist:  Kshai  öi  7]  naöaig  iiiXovaa  Xagiai  xanpii  Mog 
xal  anoSia,  —  I,  39,  2:  TiXrj&eiaa  vito  FXvKigag  ijtl&valav  xoaovxov 
XQOvov  [roflrovTOv  %q6vov  Cobet  S.  120]  {ano  tc5i/  Ji,ovvala}if  yciQ  {fftiv 
iTtrjyyeiXev)  ovx  rjxeig,  ei  fiij  <Jt'  ixelvtiv  ovöi  xag  (plXag  Cöeiv  ywal- 
xag  ava0xof^ivi].  Nach  Hrn.  M.  p.  106  erfordert  der  Zusammenhang 
etwa  dies:  üv%  i^xe^g,  ov  firjv  öi  ixelvrjv  [fiovov^  aXX  ]  ovöi  xag  tpL" 
Xag  iö.  yvv.  av,  K.  glaubt  S.  424  ohne  starke  Aenderungen  den  Ge- 
danken ungezwungen  ausgesprochen,  welchen  hier  Megara  sagen  sa 
müfsen  sich  gedrungen  fühlte:  ovx  tjxftg,  ov  fia  AC  ex^lv\\v  %xX. 
Warum  aber  dieses  so  nachdrückliche  ov  (la  Jla'l  Aufserdem  wird 
so  die  Glykera  {ixeCvY^v^  nemlich  iöelv)  von  den  übrigen  (piXai  yv- 
vatxeg  in  auffallender  Weise  unterschieden.  Eher  ist  vielleicht  zu 
lesen:  ovx  ^xet;,  ei  /üy/  [iöei]  öi  i%eLvriv^  oitöi  xag  tplXag  iöeiv  yvvai- 
xag  avaaxoiUvti:  ^du  kommst  nicht,  indem,  wenn  es  nicht  wegen  jencf 


A.  Meineke:  Alciphronis  rhetoris  epistolae.  611 

(Si  iKelvfiv  verst.  ^alav)  aötbig  war  (nemlich  nach  deiner  Ansicht), 
«ach  die  befreundeten  Frauen  zu  sehen  du  nicht  über  dich  gewannst.' 
Ei  (lij  k'öei  öt^  ixelvriv  wäre  demnach  gleichbedeutend  mit  el  firi  äov 
•    ietv  (ri%£Lv)  öt   ixelvfjv  (^alav). 

Buch  II,  1,  7 :  ravta  de  TtQog  fiev  xovg  ixiQOvg  xi'/tt  Sv  idwonnriv^ 
ßaCdevj  nXaTxea^ai,  xotl  re^vtifvctv  TtQog  de  ai  -—  ovx  av  vTCo^ei- 
vacfii  nkarrea^M.    Statt  des  erstem  von  Bergler  gefundenen  nkazze- 
a&at  haben  die  Bücher  gyvlatxead'ai,-   Meine  ehemalige  Mutbmafsung 
^(fvmead'ai  lafse  ich  jetzt  willig  fahren,  möchte  dann  aber  auch  das 
zweite  nkaxread'at  als  erklärenden  Zusatz  der  Abschreiber  Preis  ge- 
ben. —    11,  2,  2:  iTtiatoXag  ctöialeLnxovg  iioc  yqaqxüv:  dafs  statt  des 
handschriftlichen  iöialvxovg  (jenes  ist  Conjectur  d^Arnauds)  mit  Co- 
bet  6iü:ilvyLovg  zu  bei'sern  ist,  habe  ich  oben  erwähnt.    Nun  bedarf 
es  auch ,  und  darum  gedenke  ich  eben  der  schönen  £mendation  noch- 
mals, §.  3  Tag  imarekag  avxov  xccg  aöiaTtavaxovg  (was  der  Flor,  hat) 
der  Veränderung  in  ötaaTcdaiovg  mit  K.  nicht  mehr  (S.  426   ^  vom 
weitläufigen  Stile  des  Philosophen'),  indem  die  gerügte  Tautologie, 
§.  1  imaxolal  ^ötaXeiTCroiy  wegfällt.  —  Ebd.  2:   ifie  aq)ixG)xriv  qyv- 
aixfog  xv^lav  i(jittvxflg  avxofiäxtfxov  %al  ivvßqiCxov:  so  Hr.  M.  p.  110 
statt  des  durch  alle  Hss.  bestätigten  aaxoiidxtixov:   ^verbum  avxofia- 
%eiv  proprie  dicitur  de  iis  qui  suas  ipsi  causas  defendunt,  quod  vidcs 
quam  facile  in  eam  sententiam  deflccti  possit,   qua  quis  pro  se  ipse 
pugnare  vel  sui  iuris  esse  dicilur.'    Diese  etwas  künstliche  Erklärung 
jener  Conjectur  hat  schon  K.  S.  426  berührt.    Er  selbst  wäre  geneigt, 
cccxot%elo3itov  zu  empfehlen,  ein  Praedicat  das  den  Widerwillen  der 
Leontion  gegen  die  philosophische  Unterhaltung  ausdrücke,  mit  der 
sie  Epikur  langweilte,  wenn  nicht  Ref.  das  überlieferte  otfrofia^i^oi/ 
durch  entlegene  Quellen  einigermafsen  gesichert  hätte.    Ich  glaube 
noch  immer   dieses  aaxoiidxrixov  verthcidigcn  zu   müJsen  und  kann 
heute  zu  den  früher  beigebrachten  daxo^axC  und  astomachetus  einen 
griechischen  Beleg  aus  einem  römischen  Grabtitel  fügen,  C.  I.  G.  n. 
6647  t.   in  p.  1003:   KakrjfiiQcc  xfj  aefiv^  tv^dari  hti  ^ß  dfiifiTtxcDg 
TtQog  xov  ävÖQa^  iaxoiiaxrjx[o)]g  ßKoadaly]  6  dvi^Q  Ueqctnug^  wo  der 
unwifsende  Steinmetz  aöxofiaxrjftog  ßKoaaaa  eingegraben  hat,  s.  Franz 
p.   1003  b.    Dieses  daxofidxrixog^   aCxo^otxi^  astomachetus  entspricht 
dem  lat.   sine  bile^  sine  stomacho^  Franz  p.  1004  b,  und  ist  sonst 
ein  Lob  der  verstorbenen.    Wenn  also  Leontion  sagt:    ^er  lafse  mich 
in  dem  Zustande,  dafs  ich  ohne  Galle,  ohne  Aerger  bin',  so  wird 
dies  soviel  wie  ungeärgert  sein,  was  ich  vordem  setzte.  —   Auch 
§.  3:  oircoog  iTCinoliOQxrfxrjv  ix^  xotovxov,  ovx  olov  av  jldjita  Jr^- 
fi'qxQiov  möchte  ich  bei  meinem  Vorschlag  xovxov  verharren,  welchen 
jetzt  K.  S.  425  billigt,  in  iTti  —  aber  nicht  mehr  ^EjiUovqov  suchen, 
sondern  dafür  mit  demselben  Gelehrten  etwa  iya  schreiben.   Hr.  M. 
scheint  zu  viele  Umstände  zu  machen,  wenn  er  nach  ovxoag  eine  Lücke 
statuiert  und  dann  liest:   inel  7CohoQ%r(triv  £x^  xoiovxov^  ovx  ^^<^  ^v 
jidfua  Jrjfii^xQiov^  p.  110.  —   Ebd.  4;  xai  t^v  nqmtiv  ^AtpQOÖixtiv 
Ifut^ov  Ttttq  avxov  ax^^ov  ovxog  ydq  fie  öima(fd'ivevaev  in  yeixovcav 


612  A.  Mcioeke:  Alciphronis  rhetoris  epistolae. 

ohovtsccv:  dars  man  dem  Ale.  in  yenovav  nicht  ändern  dfirfe,  da  er 
durch  Stellen  wie  Lysias  1 ,  14  (rov  kvxvov  i%  tc5v  ysirovcov  avccfffa^ 
öd-at)  getäuscht  sein  könne,  hat  Cobet  S.  121  erinnert.  Mir  ist  aber 
axeöop  anstöfsig:  wem  sie  ihre  Jungfrauschaft  Preis  gegeben,  wüste 
die  Hetaere  gewis  ganz  genau.  Darum  vermuthe  ich ,  dieses  6%i£d6v  sei 
als  Glosse  zu  ^x  ysitovcDv  vom  Rande  an  eine  falsche  Stelle  in  den  Text 
gerathen  und  zu  tilgen.  —  Ebd.  5 :  akloc  ra  fiiKQorctxa  nQokaiißdvsi 
zag  &Qceg^  "vct  (iijdslg  q>^darj  [le  yevadfievog,  Hr.  M.  p.  111  erachtet 
das  erste  Satzglied  für  verdorben,  ohne  jedoch  eine  Hilfe  beizubrin- 
gen. Sollte  man  aber  nicht  erklären  dürfen:  ^er  nimmt  die  gröfsteo 
Kleinigkeiten  (Blumen,  Früchte)  den  Jahreszeiten  vorweg  (ehe  diese 
dergleichen  als  etwas  häuHgcs  und  gewöhnliches,  für  jedermann  sa- 
gängliches  bringen),  damit  mir  niemand  im  Gcnufse  derselben  zuvor- 
komme'? TlQokafißdveiv  mit  doppeltem  Accusativ,  nach  der  Analogie 
von  aq)aiQSiad'al  Tivcc  u,  ist  schon  im  neuen  Passow  belegt:  Polyaen. 
VII,  29,  2  OTtcDg  Sv  Ttgoldßot  ag  Ttlelaxtiv  oöov  tovgdtcinovtag  jro- 
keitlovg  (wo  Casaubonus  (p&daag  vor  xovg  ökok.  noL  einschieben 
wollte).  Plut.  mor.  p.  117  E  diovt  ßQoixvv  %q6vov  7tQO£iki^(pa0iv  rffuig 
ot  öoKovvrsg  dcoQOi  rov  f?]v  iareQiia&ca.  —  Ebd.  7:  dkkd  öt*  ifii 
Ttdvra  rivdyyMarat  b  ^sccvlaKog  naiakmdv^  x6  Avnetov  xai  r^v 
eavrov  vsoTfjta  nul  xovg  avveg>i!jßovg  xal  tjJv  hai^Elctv  ^ux*  avxov 
^rjv:  die  Worte  xal  xfjv  iavxov  vsoxijxa  erklärt  Cobet  S.  121  nicht  zu 
verstehen.  Etwas  ungewöhnlich  ist  der  Ausdruck:  *er  läfst  seine 
Jugend  im  Stich  d.  h.  er  gibt  alles  auf,  wozu  ihn  seine  Jugend  be* 
rechtigt,  er  wird  mit  dem  Epikur  gleichsam  zum  alten  Manne.'  Allein 
von  einem  Abschreiber  rühren  die  Worte  schwerlich  her  and  mttfsen 
ertragen  werden.  Aehnlich  singt  Justinus  Kerner:  ^Wird  dir  Erd  nnd 
Himmel  trübe.  Beugt  dich  Gram  und  Alter  nieder,  Lafs  nicht  Ja- 
gend, lafs  nicht  Liebe,  Lafs  nicht  den  Gesang  der  Lieder!'  —  Ebd. 
9:  di^cii  fie  Ttgog  6€civxijv  ij^igag  oklyag^  xal  noi^ritSio  xovrov  ala&dvi- 
ad'ai  nrjklTiav  aTtrjkavsv  dyat^^v  k'xov  ivxrjolxla  fie'  xal  ovxhiifdQii^ 
xovxoQOv^  SV  olöa'  Ttgeaßevxccg  evd^g  ngog  rj^dg  öiccnifitffexai:  ^xo^av 
suspectum;  requiro  xogia^ov  vel  simile  quid'  Hr.  M.  S.  112.  K.  hat  S. 
419  dieses  dem  Sinne  nach  treffliche  x^iQ^f^H'^v  gebilligt.  Inzwischen 
schmiegt  sich  an  xogov  ein  anderes  wohl  noch  enger  an:  no^ov 
{KOPON :  noeON).  So:  ut  tolerabiUus  feramus  igniculum  de- 
siderii  tui^  Cicero  ad  famil.  XYl,  20,  und:  nunc  emergit  amor^  nunc 
desiderium  ferre  non  possum ,  ders.  ad  Att.  IX,  10,  2.  Auch  bei  Art- 
staenet ep.  20  a.  E.  p.  189  Boiss.  mufs  mit  Pauw  und  Abresch  ^v/ica 
dh  (lixQ^  xogov  xov  iavxov  aTtOTckiigdaexs  no^ov  für  xogov  gelesen 
werden.  —  II,  3,  5 :  xai  avxbg  ös  6  0iki!jfia)v  ijtiaxsdi  fioi  xa  t6ut 
drikoSv  (^ÖYikov  6x1  oder  diilcc  di^  mit  M.  p.  113)  ikawgoxsga  xal  Ag  ov 
Mevdvögo)  ysygafifiiva  ijxxov  kafingd,  6.  dkk^  oxlfsxat  xal  ßovksv- 
aexcci  xd  Idia  ovxog'  iyd)  6h  [ccvxovy  II.  mit  Seiler]  ov  nsgi^vn  ßov» 
kdg'  dkka  av  fiot,  iFkvxiga^  Kai  yvcifiri  KaVAgeOTtaytttg  ßovkfj  xal 
Hklctia  [xa/,  mit  Cobet  S.  122)  dnctvxa  vfj  xi^v  ^A^väv  dal  yiyovag 
Kai  vvv  iay,    Aaf  die  nicht  graziöse  Wiederholung  des  xa  Iota  bat 


A.  Neineke :  Alciphronis  rhetoris  epistolae.  613 

saerst  K.  S.  428  aufmerksam  gemacht;  er  setzt  dafür  an  zweiter  Stelle 
ldl€^.  Mir  scheint  das  ursprüngliche  blofs  akk^  o^era^  xal  ßovksvae- 
rat  ovTog  gewesen  zu  sein:  ^doch  er  wird  zusehen  und  überlegen 
(wie  er  mir  nemlich  schreibt)',  vgl.  was  Hr.  M.  anführt,  Aesch.  Prom. 
1001:  OTCvai  Ttakai  örj  Kcti  ßsßovkevtuL  zaÖ£,  Ueber  das  unmittelbar 
folgende  kommt  K.  deshalb  nicht  weg,  weil  Menander  der  Glycera 
damit,  dafs  er  keine  Kathschläge  abwartet,  ein  schlechtes  Compiiment 
machen  würde,  und  weil  die  Worte  iyat  de  Kti.  keine  Antithese  zu 
dem  euthalten,  was  Philemon  thun  wird.  Er  schreibt  deshalb,  wie- 
der ziemlich  frei  gestaltend:  ßovkevCetai  idia  ovroq*  iy(a  61  ov  TCQog 
ifunnbv  (lovov  ßovktvaoiiai.  Aber  das  ganze  Kaisonnement  ist  nicht 
recht  triftig.  Ueberliefert  ist  iyo)  öh  ov  iteQifisvm  ßovkdg.  Nun 
schreibt  Glycera  in  ihrer  Antwort  11,  4,  14:  ciazs  diofial  aov,  Mi- 
vavÖQSj  inlax^S  firiöino)  rc3  ßaöUet  firjöev  ccvzsTtiazelkyg'  hi  ßovksvoai, 
TCSQi^sivov  mg  y.oiv^  yevdfia&a  zal  iastcc  t(üv  q>ikcov  %al  Seotpqi- 
atov  ftaVEjTiKOVQOv.  Danach  hat  es  doch  die  gröfste  Wahrscheinlich- 
keit, dafs  die  Worte  iyto  da  ov  TCSQi^eva  echt  sind;  ßovkdg  dagegen 
wird  Ergänzung  eines  Abschreibers  sein.  Der  Gegensatz  ferner  zu 
dem,  was  Philemon  thut,  ist  vorhanden:  dieser  will  erst  überlegen 
ob  er  gehe  oder  nicht;  ich,  schreibt  Menander,  werde  nicht  warten, 
ich  schreibe  dem  Ptolemaeos  gleich  ab.  Ein  schlechtes  Compiiment 
aber  macht  er  seiner  Geliebten  hiemit  deshalb  nicht,  weil,  wie  er 
sofort  weiter  erklärt,  sein  Entschlufs  darauf  gegründet  ist,  dafs  er 
sich  von  der  Glykera  nicht  trennen  will.  Ueberdies,  so  entschlofsen 
er  schon  für  sich  ist,  er  fügt  hinzu:  akkd  av  fwij  rkvxiQa  xtA.,  ^doch 
du  wirst  mir  auch  jetzt  deinen  mafsgebenden  Rath  ertheilen. '  Des- 
halb weil  er  nicht  allein  ohne  der  Glykera  Zustimmung  handeln  mag, 
schickt  er  ihr  auch  seine  Antwort  an  den  König  mit.  W^orauf  jene 
angemefsen  erwiedert  (11,  4,  14):  ^  war  te,  bis  wir  die  Sache  gemein- 
schaftlich überlegt  haben.'  —  Ebd.  7:  rag  filv  ovv  iittatokag  tov 
ßctGikmg  aot  6i€nsfitlf(Xfi7jv j  Tvcc  (iri  hotcto  ae  öig  Kai  roig  ifiotg  nal  TOig 
ixelvov  y^dfifiaötv  ivrvyxdvovöav :  gegen  Hrn.  M.s  Correctur  p.  113, 
ivcc  dij  xoJKo  ae  öig  mit  ironischer  Färbung,  mufs  ich  mich  dem  Wi- 
derspruch Kaysers  S.  427  anschliefsen,  welcher,  wie  es  scheint,  mei- 
ner Voraussetzung  zustimmt,  dafs  nach  öieTte^ilfdfitiv  ein  Sätzchen  des 
Inhalts  ausgefallen:  deshalb  will  ich  den  Inhalt  des  königlichen 
Schreibens  nicht  genauer  und  bis  auf  das  einzelne  hier  in  meinem 
Briefe  angeben.'  —  Ebd.  10:  iyo  6h  Tial  rag  StiQMkeCovg  %al  xa 
xaQxqaia  %al  Ttdvta  xa  iv  tccig  cevkatg  intq>&ova ,  TtaQcc  Tovroig  aya^d 
xakovfieva ,  rdou  xav  hog  Xomv  nal  tav  iv  toig  d'edzQOig  ArivaUüv 
xai  zik  ^'9'*?'^?  ofiokoyCag  Kai  zav  zov  AvkbIov  yv^vaaCav  Kai  rrjg 
t€Qdg  Axaöfjfielag  ovk  dkkdzzo^ai.  Statt  xakoviieva  haben  sämmtli- 
che  Bücher  (pvofisva^  was  Mnepte  dictum'  sei,  31.  S.  114,  der  zugleich 
viAvovfieva  vorschlägt.  K.  meint  S.  428,  eher  werde  dya&d  zu  strei- 
chen sein,  doch  s.  11,  4,  3:  ßovki^ezai  Mivav6qog  fiovog  iv  Alyvnzta 
ßaaiUvBiv  fiizd  ndvzmv  t6v  dya^cov.  Cobet  endlich  vermuthet 
a<p&ova  für  htUp^ova  S.  123.  Dieses  intfp^ova^  insofern  es  nicht  so- 


614  A.  Heineke :  Alciphronis  rhetoris  epistolae. 

wohl  das  beneidete,  von  der  grofsen  Menge  ersehnte,  als  das  ge- 
hafsige,  widerwärtige  ausdrückt ,  erregt  hier  allerdings  eine  fremd- 
artige Vorstellung.  Allein  das  substituierte  aq>^ovoc  verträgt  sich 
wieder  nicht  recht  mit  naQcc  tovxoig  aya&a  g)v6(i6va.  Nach  den  Ein- 
zelangaben &tjQlxXeuCj  xaQxriaia,  %qv(sLdtq  erwartet  man  einen  zusam- 
menfafsenden  allgemeinen  BegriiT.  Ob  etwa  SniTcka'!  ^und  all  das 
Geräthe  an  den  Höfen,  Güter  wie  sie  bei  diesen  Leuten  erwachsen', 
indem  aya&a  g>v6fiBva  eine  Anspielung  sein  könnte  auf  Menander 
nXoKLOv  fr.  VIII  com.  Gr.  II  p.  948:  w  Uagfiivaiv,  ovk  Saxiv  «ya- 
d-ov  To5  ßico  Ovo^vov  äo7t£Q  öivÖQOv  ix  Ql^r^g  (itccgy  AkV  iyvvg  aya^ 
J^ov  TtaqccTcicpVKe  Kai  xofxov  Ek  tov  tuhkov  x  fjvsynev  ayadvv  1}  ^- 
üig,  —  Ebd.  wandelt  Hr.  M.  p.  114  das  vielbetastete  xrjg  x^i^HS  ^^o- 
koylag  (v.  1.  avoloylag ,  ccfiakoylag)  in  xrjg  XQvafjg  ßiafioloxlixg  am« 
XQvöijg  hatte  ich  mir  vordem  auch  notiert  {XSIZH2 :  XPrilHl!)^ 
doch  ßcofioXoxlcc  verschmilzt,  wie  auch  K.  S.  428  entgegnet  hat,  nicht 
gut  mit  XQvarj.  Ja  es  möchte  fraglich  sein,  ob  Menander  die  Komoe- 
die  auch  nur  mit  ßcofiolox^cc  allein  bezeichnet  hat,  da  dieses  Work 
doch  immer  das  gemeine  und  verächtliche  ausdrückt.  K.  selbst  muth- 
mafst  xilg  —  asfivoloyiag  als  Bezeichnung  der  damals  noch  beste- 
henden Tragoedieudichtung,  welche  Menander  unter  den  VorzQgea 
Athens  kaum  habe  übergehen  können.  Nur  fand  er  kein  passendes 
Adjectivum  für  xO'tfiJg,  da  x^Q^^tj^j  xgccyiKtjg^  ^viieXixtjgj  aymvioti' 
xijg  summtlich  einen  Anstofs  geben.  Indem  ich  davon  ausgehe,  dafs 
dem  Menander  vor  allen  Dingen  eine  Hervorhebung  der  Komoedie  an- 
gemefsen  ist,  schlage  ich  vor  xijg  XQ^^V9  yvafiokoylag.  ^  Das  Reden 
in  Sentenzen '  scheint  der  Verfafser  so  zahlreicher  yvafiai  (ßovocxt' 
Xoi.')  nicht  uneben  zu  erwähnen ,  wobei  sich  auch  X9^^^  —  ^^^  denke 
an  die  dem  Ale.  (III,  55,  7)  wohlbekannten  ^^vtfa  IVri/  der  Pythago- 
reer  —  ganz  gut  rechtfertigt.  —  Ebd.  11:  tcov  6e  d'eOfiod'ixag  (ötjH)- 
liai)  iu  xalg  isgatg  %6^atg  HeKi0(S(Ofiivovg;  Wider  Hrn.  M.s  nofiaigj 
was  im  Flor,  steht  und  was  er  p.  114  durch  iv  nokia  xfj  nofiy  Luciau. 
de  salt.  5  und  ij^lyviivog  iv  XQiß(övi(ii  Ale.  III,  40,  5  schützt,  wendet 
K.  S.  429  ein,  dafs  das  Epitheton  tiqalg  dieser  Interpretation  entgegen 
zu  sein  scheine.  Angenommen  daher,  dafs  die  Thesmolheten  bei  den 
dramatischen  Aufführungen  pracsidierten,  werde  ayonvlctig  (vgl.  Plato 
de  legg.  VI  p.  765  C :  XQ^^^  aycovlag  aOko&ixccg  a^Qeidbai  x^g  nsfjl 
xic  yvfivdaia  iTtncov  xe  xccl  av^Qcoitcov  — )  am  Platze  sein.  Hatte  aber 
der  Epistolograph  dann  nicht  eher  iv  xolg  legoig  ccycoct,  gesetzt?  Aach 
ist  palaeographisch  eben  nicht  wahrscheinlich ,  dafs  aycovlaig  in  »oh 
liaig  oder  KOfiaig  (was  die  beiden  einzigen  Lesarten  sind)  verderbt 
sein  sollte.  Cobet  fragt  S.  122:  d'sanod'ixai,  ne^tGOia^ivotl  und  for- 
dert Myrtenkränze.  Der  Epheu  dculet  wohl  auf  Feste  des  Dionysos 
hin;  die  Haare  aber  sind  isqaCj  insofern  die  Thesmotheten ,  d.  i.  die 
neun  Archonten ,  eine  uns  freilich  nicht  bekannte  Rolle  dabei  spielton, 
wie  dasselbe  Epitheton  bekanntlich  dem  Haar  der  Priester  und  Prophe- 
ten beigelegt  wird ,  z.  B.  bei  Heliodor  II,  21:  ^  noi^ri  TtQog  xo  Uq(0' 
xsQOV  »a&iixo  und  VII,  6:  xi}v  teqav  %6fif}v  aöivov  ovCav  na&iiiu.  — 


A.  Heineke :  Alcipbronis  rhetoris  epistolae.  615 

Ebd.:  Ttotöv  7t€Qiö%olvt6(ia ]  Tcotav  atosaiv;  notovg  xvxQOvg;  KsQafist- 
Jjov,  ctyoQuVj  di,%a(S%riQUii y  x^v  xaXiiv  axQonoXiv^  rag  asfivag  ^eag^  t« 
(iviSr'q^icc  — ;  Gewöhnlich  wird  Xvxgovg  geschrieben;  da  jedoch  vou 
den  Festen  schon  vorher  gesprochen  und  aigeaiv  unerklärbar  ist,  so 
emendiert  Hr.  M.  p.  115:  nolav  tdQvdiv;  noCovg  rvxQOvg-,  mit  Anfah- 
rung von  Aristoph.  Plut.  1197:  xag  xvxqagj  alg  xov  ^bov  [ögvcofis^ay 
IcißoviS*  htl  xrig  newalrig  tpiqB  asiivag^  nnd  vom  Scboliasten  zu  dieser 
Stelle:  ?^og  yag  r^v  iv  xaig  tÖQvaeai  xäv  ayalficixcnv  oanglav  rirjfri- 
fihmv  %vxQag  neQutOfiTUvea^ai  vno  ywaMov  Ttomikiog  \7toiKlloig') 
'^fiq>ie6fiiv(ov.  Denselben  Brauch  (Schneider  zuTheophr.  char.  p.  174  ff.) 
ersieht  man  aus  dem  Frieden  des  Komikers  Vs.  922:  xi  d'  akko  y  rj 
xavxr(v  %vxQaig  tÖQVxiov;  und  aus  dem  Bruchstück  seiner  Danaides 
beim  Scboliasten  zu  diesem  Vers:  fiaQxvQOfjiai  öi  Zrjvog  iqKÜov  %V' 
xqctg^  fisd'*  äv  o  ßta^ix^g  [d^&rj  Ttoxi  (Bergk  in  Meinekes  com.  Gr.  II 
p«  1048).  Nun  lehren  aber  diese  Stellen,  dafs  jene  Töpfe  %vxqaiy  nicht 
XVXQOty  genannt  wurden.  Ferner,  einmal  zugegeben,  LÖQvaiv  habe 
unschwer  in  aÜQBtSiv  corrumpiert  werden  können,  so  ermangelt  doch 
dieses  nackte  Td^cig  des  Anstofses  nicht:  kqoiv  tdoyCEig  heifst  es  bei 
Plato  republ.  IV  p.  427  B,  THNIAP  —  IINIEPßN  xifv  tÖQvaiv 
xmv  UqöSv  bei  Curtius  Inscr.  Att.  duod.  n.  II,  17  (^Eg>ri(i.  ccQxawk,  n. 
379),  xfiv^AqxBfiLV  JtQog  nad'lÖQvaiv  iavxijg  %al  xifiag  alavlovg  ixil«- 
kixd^ai  xov  svaeßiaxaxov  anavxtov  xciv  ßccdtkitov  bei  Diod.  Sic.  IV,  51. 
Kurz ,  die  obige  Conjectur  befriedigt  nicht  und  für  xovg  Xvxgovg  wird 
das  Topffest  (K.  F.  Hermanns  goUesd.  Alterth.  §.  24,  18)  vorlaufig 
festzuhalten  sein.  Jetzt  würde  sich,  besonders  nach  notov  nsgtaxol" 
vusfia;  Seilers  aQ%cttqialciv  empfehlen,  wenn  nicht  alsdann  xovg  Xv- 
xgovg zwischen  diesem  Begriff  und  dem  folgenden  Ksgufieixov  u.  s.  w. 
gar  zu  vereinzelt  wie  ein  verlorener  Posten  stände.  So  bin  ich,  da 
auch  Cobet  S.  123  mit  aigsaiv  nichts  anzufangei^weifs,  um  doch  etwas 
vorzuschlagen,  auf  die  Muthmafsung  slgsdiaivriv  gefallen,  über  welche 
des  unvergefslichen  alten  Ilgen  Abhandlung  jedermann  kennt.  Es  ent~ 
geht  mir  dabei  nicht,  dafs  selbst  so  die  slgsaidvifj  und  die  Xvxgoi 
nicht  gerade  den  besten  Platz  haben.  Beide  werden  aber  in  der  übri- 
gen Umgebung  mindestens  ebenso  gut  zu  dulden  sein,  ala  es  Hrn.  M.s 
LÖQvaig  und  xvxqoi  wären.  Auch  ist  gleich  nachher  ein  ziemlicher 
Sprung  von  der  xal^  aKQOTtokig  auf  die  CSfivcil  d'eal  und  die  ^vaxriQia, 
—   Ebd.  14:  kSv  ßagv^fv^ag  SxV^  dsddicgvKu'  xal  ngog  xavx  ovxi^ 

inoiislvaaec  xag  ifiieg  kwtag  deixat.  koiTtov ovxs  argaximag 

ixovöa  oOxe  Ö0Qvg>6Q0vg  ovxe  (pvkaxag'  iym  yaq  avx^  bI^i  Tcavxa, 
Für  kvTticg  SsLxai  setzt  K.  S.  429  das  bei  M.  p.  115  gar  nicht  erwähnte 
hxag  alÖBirai  (Fr.  Jacobs)  und  verwirft  die  von  dem  Hg.  bezeich- 
nete, in  den  Hss.  durch  nichts  angedeutete  Lücke:  ^Glycera  sei  keine 
mächtige  Herscherin  und  darum  habe  Menander  mit  ihr  leichteres  Spiel 
als  mit  Ptolemaeos  und  solchen  grofson  Herren,  die  einmal  abwendig 
gemacht  durch  nichts  mehr  zu  gewinnen  seien.'  Ich  will  nicht  ver- 
leugnen ,  dafs  auch  mir  trotz  Hrn.  M.s  ^  ineptissime  verba  ovxb  axga- 
xLmag  —   q^ka%ag  iunguntur  superioribus :   non  dubiom  est  plura 

19,  Jahrb.  f.  P^.  «,  Pbed.  lUL  LXX.  BfL  6.  40 


616  A.  Meineke:  Alciphronis  rhetoris  epistolae. 

cxcidisse'  ein  leidlicher  Zusammenhang  vorhanden  zu  sein  scheinL 
'  Wenn  ich  zuletzt  Thränen  vergiefse ,  so  wird  Glycera  erweicht, 
die  übrigens  weder  Soldaten  wie  Ptolemacos  noch  Trabanten  noch 
Wächter  hat  (die  mir  den  Zugang  zu  ijir  verweigerten  oder  erschwer- 
ten). '  Doch  Xirccg  aiöehai  ist  ein  etwas  pretiöser  Ausdruck.  Ob  rag 
ifiag  kvTtag  coishai  (Aristaen.  I,  27  S.  121  Boiss.  Tv^  txsrevijg  iiih  x6 
(Sov  ctyJdacQ'ai  TtdO'og,  Xen.  mem.  11,  7,  1  rag  aTCOQiag  rtav  <plk(ov 
yraift]/  UKHG^ai)  oder  ^tcoO-cfroft?  s.  Ale.  I,  35,  2:  cö^  <Jt)  rag  naqa 
rt]v  vvyaa  q)QOVTCdag  ÖLCnao^evog.  —  Ebd.  16:  rov  in  ia^i^d^ag  vfii/^- 
cai  x«t'  erog  Jiovvaov,  Dafs  Ilrn.  M.s  rov  in  iöxariaig  jdiovv^ 
dov  p.  115  nicht  wohl  so  viel  wie  rov  nar  ayqov  A.  sein  könne,  ist 
meines  Erachtens  mit  Fug  von  K.  S.  429  geltend  gemacht  worden. 
Leider  kommt  mir  nur  auch  dessen  ßerserung  roi/  ^'EäXzv%tqia  A,  (Fang. 
I,  29,  2.  Philostr.  vit.  soph.  II,  235,  31  p.  549  Ol.)  etwas  gar  zu  ge- 
waltsam vor.  Früher  dachte  ich  an'lxor^/a;  für  meine  jetzige  Muth- 
mafsung  rov  in  oq-fi\iSrqag  A,  führe  ich  den  Dio  Chrys.  XXXI,  121 
(I  p.  630  Rsk.,  p.  401  Emp.)  an:  ^A^r\vaioi  6h  iv  tc5  &edrQ<p  d'edovra^ 
ri}v  xaX7]v  rauTt;»/  &iav  vn''  avrtiu  rriv  axoonoXLV^  ov  rov  Atowaov 
inl  ri]v  oQxijdrQav  riOiaacv.  —  II,  4,  3:  ovöevl  rQona  —  neiad'elriv 
dvj  OTi  /SovAtJafrof/  ui  noxa  ri  öwriderai  MivavÖQog  anohndv  iv 
^A^]vaig  rkvyjgav  rrjv  iavrov  fiovog  iv  Aiyvnrto  ßaaikeveiv,  4:  akl« 
Tcal  rovro  ye  örikog  in  rmv  intarqkav  ov  äviyvoDV  örjkog  rjv  6  ßaci- 
Afvg,  ra^a  nenvG^ivog  wg  Ib^xe  nEQl  aov  —  das  zweite  örjkog  vor 
^v  6  ß*  crmangelt  rechter  Autorität,  namentlich  hat  es  der  Flor,  nicht. 
Hr.  M.  hat  seine  einstige  Conjectur  akka  xal  rovro  ys  eiöojg  ix  rmv 
iniörokav  (ov  dviyvcav  drjkog  rjv  6  ß.  jetzt  verworfen,  ohne  etwas 
anderes  dafür  zu  bieten.  Dem  Sinne  entsprechend  würde  wohl  sein: 
akkd  nal  roxko  ye  öeöiGig  ix  rmv  intarokcav  (ov  aviyvcnv  örikog  ijv  o 
ßaairkevg  rafia  nenvCfi^vog  tag  ^otKE.  Die  nächsten  Worte  negl  aov  lei- 
den offenbar  au  Verderbnis.  Ich  vermulhe:  [xal]  nsiqav  aov  xal 
argi^ia  (rjQi^ia  Meineke)  öi*  vnovoLciv  Alyvnrloig  ^ikoov  arriKia^otg 
(darsCafiotg  Cobet  S.  123)  ae  öiarcod'd^ov.  Nach  k'otKe  fiel  xal  leicht 
aus;  für  nsigöSv  aber  ist  auch  nziqd^orv  statthaft,  wie  unten  §.  17 
steht.  —  Ebd.  5:  xal  nsQißdkkovad  ae  rijv  isgdv  rtov  ögafiaxcov  ixzl- 
vrjv  xeq)akriv  ivayxaki^oiiac.  Hrn.  M.s  rrjv  Uqccv  r<av  Xagirtav  ixBivrjy 
xetp.  ^ iuum  illud  Gratiis  sacralum  capul'^  p.  116  behagt  K.  S.  430 
nicht,  weil  man  damit  auch  nicht  viel  weiter  komme.  Er  proponiert 
nach  der  von  Bergler  beigebrachten  Stelle  des  Phalaris  ep.  19  a.  E. 
S.  112  Schaef.  xal  aov  rrjv  iegav  xal  vfivonokov  xscpakrjv  17  Movamv 
avyyivua  xoafn^aeuv^  was  vom  Stesichoros  gesagt  ist,  für  nav  öga- 
liarav:  ögafiaroyovov  oder  ÖQa[iccron6kov ^  zwei  sonst  freilich  nicht 
nachweisbare  Wörter  im  Sinne  von  ögafiaronoiov.  Die  öga^xara  zu 
entfernen,  ist  mir  ebenfalls  bedenklich.  Vielleicht  dafs  nach  riSv  öga- 
liartav  ein  Adjectivum  wie  yovifiov  ausgefallen  ist;  narrjg^  narrig  ^^- 
y(n)  u.  dgl.  von  Schriftstellern  ist  allbekannt  und  jLti/Ttj^  hat  ähnlichen 
Gebrauch  bei  Dichtern  und  selbst  in  Prosa.  —  Ebd.  9:  akkd  nagalaa 
T^v  firixiga  xal  rag  aÖ€kq)dg  avv^g  iaofiat  avfutkiovad  aoi.  Dies  Hrn. 
M.s  Schreibweise  p.  118,   da  die  Bacher  avty  and  avtrig  ('scribe 


A.  Meinßke:  Alciphronis  rbelorls  epistolae.  617 

avT'^g  £=3  iftavrrjg^)  geben.  Indes  erscheint  dieses  cnnijg  als  ziemlich 
mfifsiger  Zasalz.  Mit  Vcrglcichung  von  C.  I.  G.  n.  496,  5:  ot  cw- 
nXiovxEg  vavzai^ATtolXaivi  Ta^cC^  xaQiOTtiQiov  habe  ich  vermuthet 
vavtlg  iaofiai  av(inliovaa  cot^  wie  schon  Bernard  vavrrjg  wollte. 
Dem  Einwände,  auch  dieses  vccvrig  sei  neben  iSvfinXiovca  überflursig, 
läfst  sich,  denke  ich,  begegnen.  Denn  Glycera  hebt  es  füglich  darch 
Fülle  des  Ausdrucks  hervor^  dafs  sie  dem  llenander  zu  Liebe  eine 
Schifferin  werden  will.  FwaiKeg  vavvlösg  wird  ans  Theopompos  an- 
geführt bei  Pollnx  Yll,  190  (Mcineke  com.  Gr.  II  p.  823),  und  avraig 
and  vcevxaig  sind  auch  sonst  verwechselt ,  Greg.  Cor.  p.  403.  Endlich 
mit  Cobet  S.  123  CvfAitXovg  cot  zu  schreiben  ist  nicht  nöthig.  —  Ebd. 
9:  oflco  ^i  CB  SzeQ  iilvcav  (juixov  Cobet  S.  123)  *Aqia8vri  tlg  Äiyv- 
.  TCtov,  ov  /iiowcov  iXla  z^^ovvaoi;  ^eganovra  xal  nf^oqyffcrpf.  Hiezu 
bemerkt  Hr.  M.  p.  118:  ^permirum  videri  debet  Alciphronem,  homi- 
Dem  in  veteram  poetaram  leclione  probe  versatum ,  ad  Dionysnm  ret> 
tulisse  quae  de  Theseo  dicenda  erant.  Vereor  ne  hie  quoque  descri- 
benlinm  socordia  pluscula  exciderint.  Coniectandi  si  copia  datur, 
crediderim  haec  in  hunc  ferme  modnm  a  scriptore  prodita  esse :  of|ai 
6i  ae  Steg  lUxmv  ^jiqiadvri  [ovk  tlg  xov  iv  K(^xn  laßvQtv^ovy  all^]  elg 
AiyvTtxov^  [küI  S8^toiao(iat]  ov  /iiowcovj  iXka  Jiovvcov  ^eQarcovxa 
%alnqofpr)fü7iv,^  Diese  auch  von  K.  S.  431  bezweifelte  Lückenhaftig- 
keit vermag  ich  nicht  wahrzunehmen.  Glycera  fafst  aus  jenem  Mythus 
nur  das  erfreuliche  und  gute  auf;  daher  vergleicht  sie  sich  mit  der 
Ariadne  blofs  in  so  weit,  als  sie  den  Menander  glücklich  zum  Ziele 
geleiten  will.  Sie  nennt  sich  eine  Ariadne  ohne  Faden  und  jenen  einen 
Propheten  nnd  Diener  des  Dionysos,  nicht  ihren  Theseus;  die  Erin- 
nerung an  diesen  treulosen ,  welcher  durch  den  Faden  gerettet  wurde, 
weist  sie  gleich  im  folgenden  zurück:  %atgix(aaccv  ot  S}](5Elg  ixeivoi 
9ud  xa  aniaxa  xcSv  fCQsaßvxigoiv  a^Ttlaurmccxa.  —  Ebd.  10:  ovSiv 
%foqiov  rifiüv  xovg  iQooxag  ovxl  di^exat  nXijgsig,  Cobet  verlangt  S.  123 
statt  nXrJQSig:  evfisvig.  Was  ist  aber  an  dem  Gedanken  zu  tadeln: 
^ jeder  Ort  wird  unsere  Liebe  so  aufnehmen,  dafs  sie  vollständig  ist, 
ihr  nichts  abgeht'?  Aehnlich,  wenn  auch  etwas  anders  gewendet, 
sagt  Goethe:  ^Raum  ist  in  der  kleinsten  Hütte  Für  ein  glücklich  lie- 
bend Paar.'  —  Ebd.  11:  aXX^  ot  avyysvttg ^  aXX"  ti  naxQlg^  aXX^  ot 
fplXoi^  axidov  ola&a  ndvxr}  Tcüvxeg  TtoXXcäv  ölovxaiy  nXovxdv  i^iXovai 
juxl  xQfjfuxxl^ea&ai,  Der  Anstofs  Hrn.  M.s  an  ij  naxQig  p.  119  (zwei 
Hss.  haben  ot  ncaqlg)  scheint  gegründet,  nur  ist  sein  ot  naxiqig^  die 
Eltern,  bedenklich,  weil  Glycera  §.  9  einzig  der  Mutter  and  Schwe- 
stern gedenkt.  Ich  hatte  deshalb  tpQccxsQeg  vermuthet  und  sehe  jetzt, 
dafs  K.  S.  431  anf  derselben  Spur  ist:  tpqixoQeg,  Jenes  gilt  als  alti- 
sche Form,  s.  L.  Dindorf  zu  Xen.  HelL  I,  7,  8  p.  57  b.  —  Ebd.  14: 
^ffco/itcO^a  %al  eldiafiev  xi  Xiyst  xa  teQa,  So  Hr.  M.  p.  119  ffiis  dem 
Flor. ,  in  den  andern  Hss.  steht  sVöcofiev.  Gleichwohl  wird  die  auch 
von  Cobet  S,  124  kurz  hingestellte  Yulgate  Uui^tv  nicht  zu  verdrän- 
gen sein.  Vgl.  Xen.  Anab.  11,  1,  9:  i%aXB(SB  yiq  ttg  avxov  x(6v  vTir^- 
i^mp^  onag  töoi  xa  tsQa  i^r^qri^iva'  lxv%e  ya(f  ^vofisvog  ^  und  VIL 

40* 


616  A.  Meineke :  Alciphronis  rhctoris  epistolae. 

cxcidisse'  ein  leidlicher  Zusnmmenhang  vorhanden  zu  sein  scheinh 
'Wenn  ich  zulelxl  Thräncn  vergiefse,  so  wird  Glycera  erweicht, 
die  übrigens  weder  Soldaten  wie  Ptolemaeos  noch  Trabanten  noch 
Wächler  hat  (die  mir  den  Zugang  zu  ihr  verweigerten  oder  erschwer- 
ten). '  Doch  kiTccg  ctiöehcu  iäl  ein  etwas  pretiöscr  Ausdruck.  Ob  rag 
i^ag  Xvnug  ayishat  (Arislaen.  I,  27  S.  121  Doiss.  tu^  [Ktcsvijg  ifih  to 
<Sov  c(yJ(ictad'at.  TtdOog.  Xen.  inem.  II,  7,  1  tag  onto^iag  rciv  <pU(ov 
yvco^ij  ciKStöd'ai)  oder  öico^etrat'?  s.  Ale.  1,  35,  2:  G)g  di]  rag  naQa 
xi]v  vv'ATa  g)QOVTCöag  di^GHSoiisvog.  —  Ebd.  16:  xov  in  iaxaQucg  vjiiv^- 
cai,  x«t'  i'rog  Jiovvöov.  Dafs  Ilrn.  M.s  tov  in  iiSictriaig  jäiow- 
60V  p.  115  nicht  wohl  so  viel  wie  xov  xar'  iyqov  J.  sein  könne,  ist 
meines  Erachtens  mit  Fug  von  K.  S.  429  geltend  gemacht  worden. 
Leider  kommt  mir  nur  auch  dessen  ßefserung  xov  ^EXsv&BQia  A.  (Paaf . 
1,  29,  2.  Philostr.  vil.  soph.  11,  235,  31  p.  549  Ol.)  etwas  gar  zu  ge- 
waltsam vor.  Früher  dachte  ich  an'lxor^/a;  für  meine  jetzige  Muth^ 
mafsung  xov  iit  o^X'^\6xqag  A,  führe  ich  den  Dio  Chrys.  XXXI,  121 
0  p.  630  Rsk.,  p.  401  Emp.)  an:  'A^nvaioi  öh  iv  reS  ^eaToco  ^mvttu 
xtjv  Oiukyjv  xavxijv  &eccv  vk  avxrjv  xiiv  dY.qoTCOhiv ^  ov  xov  AtowCov 
inl  xiiv  OQpiiSxQav  xiOiocßiv.  -^  II,  4,  3:  ovösvl  xqotco}  —  TreufO'c/i^y 
av^  oxi  ßovk7i(S£ta£  ui  tcoxs  rj  dvvi!j0Exai  MivavÖQog  anoXiTcdv  iv 
^Ad'^tivai.g  rkvyjQuv  xtjv  iavxov  ^ovog  iv  AlyvTtxo)  ßccaiXevsiv.  4:  iXlis 
xal  xovxo  ye  örilog  in  xav  imavqXcov  av  avsyvav  drjkog  rfv  6  ßa<St- 
ksvg^  Tfiffta  nsTtvG^ivog  cSg  Ibtxf  tvsqI  Cov  —  das  zweite  SijXog  vor 
^jv  6  ß.  ermangelt  rechter  Autorität,  namentlich  hat  es  der  Flor,  nicht. 
Hr.  M.  hat  seine  einstige  Conjectur  aXkcc  xal  xovxo  yi  e  16 mg  in  xmv 
iTtiövoXäv  (OV  aviyvcov  diflog  7jv  6  ß,  jetzt  verworfen,  ohne  etwas 
anderes  dafür  zu  bieten.  Dem  Sinne  entsprechend  würde  wohl  sein: 
itkla  nal  rovTo  ye  ösöioig  ix  xtav  imazokcjv  (ov  aviyvcav  ö^kog  i]v  o 
ßaadevg  raftor  7t67Cva(iivog  (og  lotKS,  Die  nächsten  Worte  neql  aov  lei- 
den offenbar  au  Verderbnis.  Ich  vermuthe:  [xal]  nsiQav  aov  ical 
axQBiia  (i]Qi^cc  Meineke)  öi  VTtovotciv  Alyimxloig  ^ikoov  ccmxiCiiotg 
(ctaxs'Ca^iovg  Cobet  S.  123)  (Se  diaxad'cc^oyv.  Nach  lbtx€  fiel  xccl  leicht 
aus;  für  neiQciv  aber  ist  auch  neiga^ayv  statthaft,  wie  unten  §.  17 
steht.  —  Ebd.  5:  xcrl  7tSQi,ßakkov<S<i  ös  xijv  [egav  x(üv  Sgafiaxcav  i-atl- 
vriv  K6(pakrjv  ivayncckl^oiiac.  Hrn.  M.s  xijv  UQav  xcSv  Xaglrav  ixBCvriv 
ascp,  ^ iuum  illud  Graiiis  sacratum  capul'^  p.  116  behagt  K.  S.  430 
nicht,  weil  man  damit  auch  nicht  viel  weiter  komme.  Er  proponiert 
nach  der  von  Bergler  beigebrachten  Stelle  des  Phalaris  ep.  19  a.  E. 
S.  112  Schaef.  %ai  aov  xijv  lequv  xal  vfivoTtokov  xfqpaAiJi/  ij  Movamv 
avyyivua  xoafn^asievj  was  vom  Stesichoros  gesagt  ist,  für  xav  ÖQa^ 
^ccxG)v:  ögafiaxoyovov  oder  ö(fa[iccxo7t6kov ,  zwei  sonst  freilich  nicht 
nachweisbare  Wörter  im  Sinne  von  ögccfiocxoTtoiov.  Die  Sgafiaxa  zn 
entfernen,  ist  mir  ebenfalls  bedenklich.  Vielleicht  dafs  nach  rcüli'  ^^- 
fiax(ov  ein  Adjeclivum  wie  yovi^ov  ausgefallen  ist;  nccxrJQ^  TcaxrfQ  Äo- 
yov  u.  dgl.  von  Schriftstellern  ist  allbekannt  und  /ii/ti;^  hat  ähnlicheo 
Gebrauch  bei  Dichtern  und  selbst  in  Prosa.  —  Ebd.  9:  akkcc  naqnaa 
xr^v  fiririga  xccl  xag  a6€kg>ag  avx^g  laofiat  övfMnXiavad  aoi.  Dies  Um. 
M.s  Schreibweise  p.  118,   da  die  Bücher  avr^  and  etvzrjg  ('scribe 


A.  Meinßke:  Alciphronis  rbetoris  epistolae.  617 

etvt^g  £=3  ifutvzrjg^)  geben.  Indes  erscheint  dieses  ctvrijg  als  ziemlich 
mäfsiger  Zusatz.  Mit  Vcrglcichang  von  C.  I.  G.  n.  496,  5:  o[  aw-- 
jtXiovreg  vamcct^A'JtokkfavL  TciqgIg)  xaQtari^Qiov  habe  ich  vermuthet 
vccvrlg  eaofiai  avfinliovaa  aot^  wie  schon  Bernard  vavxtig  wollte. 
Dem  Einwände,  auch  dieses  vavrlg  sei  neben  övfinkiovaa  überflufsig, 
läfst  sich,  denke  ich,  begegnen.  Denn  Giycera  hebt  es  füglich  durch 
Fülle  des  Ausdrucks  hervor^  dafs  sie  dem  Menander  zu  Liebe  eine 
Schifferin  werden  will.  FwatTieg  vavtlöeg  wird  ans  Theopompos  an- 
geführt bei  PoUux  VII,  190  (Meineke  com.  Gr.  II  p.  8*23),  und  avxatg 
and  vtevtaig  sind  auch  sonst  verwechselt ,  Greg.  Cor.  p.  403.  Endlich 
mit  Cobet  S.  123  <sv(jLnXovg  aoi  zu  schreiben  ist  nicht  nöthig.  —  Ebd. 
9:  a|Go  di  ce  cheQ  lUxmv  ((lirov  Cobet  S.  123)  'jigiaöin]  ilg  Aiyv- 
.  7CX0V,  ov  JtowGov  iXlct  J^ovvaov  d'egdTCOvra  Kai  nQogyrfVfiv.  Hiezu 
bemerkt  Hr.  M.  p.  118:  ^perroirum  videri  debet  Alciphronem,  homi- 
Dem  in  veterum  poetarum  lectione  probe  versatum ,  ad  Dionysnm  ret- 
tulisse  quae  de  Theseo  dicenda  erant.  Vereor  ne  hie  quoque  descri- 
bentium  socordia  pinscula  exciderint.  Coniectandi  si  copia  datur, 
crediderim  haec  in  hunc  ferme  modum  a  scriptore  prodita  esse:  a^a 
di  ae  Steg  (Uvcav  ^A^iciövri  [oi%  tig  xov  iv  Kgi^tr]  laßvQiv^ov^  ak£]  stg 
AtyvTtTOv^  [xal  ös^ioicofiai]  ov  Atowaovj  dkka  Jiovvaov  ^eqinovxu 
ncilnqocprftriv,^  Diese  auch  von  K.  S.  431  bezweifelte  Lückenhaftig- 
keit vermag  ich  nicht  wahrzunehmen.  Giycera  fafst  aus  jenem  Mythus 
nur  das  erfreuliche  and  gute  auf;  daher  vergleicht  sie  sich  mit  der 
Ariadne  blofs  in  so  weit,  als  sie  den  Menander  glücklich  zum  Ziele 
geleiten  will.  Sie  nennt  sich  eine  Ariadne  ohne  Faden  und  jenen  einen 
Propheten  nnd  Diener  des  Dionysos,  nicht  ihren  Theseus;  die  Erin- 
nerung an  diesen  treulosen ,  welcher  durch  den  Faden  gerettet  wnrde, 
weist  sie  gleich  im  folgenden  zurück:  xaighcDCav  ot  Grjaetg  ixetvoi 
%al  tot  aniara  rciv  ngsößvreQcov  ifATtkaxrificcra,  —  Ebd.  10:  ovSiv 
%odqIov  '^fidiv  roifg  Iqtotag  ovxl  öi^ttai  nkrJQStg,  Cobet  verlangt  S.  123 
statt  nkfJQeig:  svfisvig.  Was  ist  aber  an  dem  Gedanken  zu  tadeln: 
^ jeder  Ort  wird  unsere  Liebe  so  aufnehmen,  dafs  sie  vollständig  ist, 
ihr  nichts  abgeht'?  Aehnlich,  wenn  auch  etwas  anders  gewendet, 
sagt  Goethe:  ^Raum  ist  in  der  kleinsten  Hütte  Für  ein  glücklich  lie- 
bend Paar.'  —  Ebd.  11:  dkk^  otavyytvug^  aU'  ^  nctxqlg^  «fU'  ot 
fplkoi^  CxBÖov  ola^a  Tedvcrj  ndvzeg  nokk^v  öiovrat^  nkovrelv  i&ikovCt 
Tuxl  x^riiiLctxllBC^ai.  Der  Anstofs  Hrn.  M.s  an  ^  mnqlg  p.  119  (zwei 
Hss.  haben  ot  TCaxQig}  scheint  gegründet,  nur  ist  sein  ot  naxi^eg^  die 
Eltern,  bedenklich,  weil  Giycera  §.  9  einzig  der  Mutter  und  Schwe- 
stern gedenkt.  Ich  hatte  deshalb  q)Qdx€QBg  vermuthet  und  sehe  jetzt, 
dafs  K.  S.  431  anf  derselben  Spur  ist:  g)gdxoQ€g.  Jenes  gilt  als  alti- 
sche Form,  s.  L.  Dindorf  zu  Xen.  Hell.  I,  7,  8  p.  57  b.  —  Ebd.  14: 
^aco^is^a  xal  slö^iisv  xi  kiyei  xct  te^d.  So  Hr.  M.  p.  119  aas  dem 
Flor. ,  in  den  andern  Hss.  steht  etöcofiev.  Gleichwohl  wird  die  auch 
von  Cobet  S.  124  kurz  hingestellte  Yulgate  löcDfisv  nicht  zu  verdrän- 
gen sein.  Vgl.  Xen.  Anab.  II,  1,  9:  ixdkeas  ydq  xig  aixov  xmv  vTCtj- 
ifnmvj  oTtcog  Wot  xa  teQCc  i^jiQfjfiiva'  Sxv%e  ya(f  0v6fi€vog^  und  VII, 

40* 


618  A.  Meinekc:  Alciphronis  rhekoris  epjstolae. 

8,  3:  ida)v  ta  Uqcc  EjinXeldrig  slnBv  %xX,  —  Ebd.  19:  Menaoder  soll 
für  den  Ptolemaeos  bereit  halten  bXxb  Satda  eits  Micsovfjievov  stte  £i- 
7iv(ov[iov  bI&^  6ri]ovv  akXo,  Diese  M.sche  Ergänzung  p.  120  berahi 
auf  einem  leeren  Räume  für  sieben  oder  neun  Buchstaben  nach  Zixvoiv 
(ciKvd)  in  den  Hss.  und  sie  sieht  sich  nach  der  übrigen  Ueberliefe- 
r.ung  allerdings  so  an,  als  ob  sie  die  ursprüngliche  Lesart  zurQckge* 
führt  habe.  Aber  doch  bemerkt  K.  S.  433  nicht  übel,  dafs  nicht  jedes 
beliebige  andere  Stück  dem  König  gefallen  haben  würde,  und  dämm 
sucht  er  in  ovv  äkko  den  Namen  eines  andern  Lustspiels,  etwa:  S'evo- 
Xoyov.  Auch  ich  glaube,  das  gleich  folgende  zl  di;  iyo)  d'Qaaeia  xal 
toXfitlQcc  ziq  elfii  ta  MsvavÖQOv  dianQlveiv  idiciug  ovöa;  mit  einem 
unbestimmten  el^'  or^ovv  aXXo  schwerlich  vereinen  zu  können.  Weil 
jedoch  die  Worte  el^^  oxiovv  SXXo  han])schriftlich  so  gut  wie  fest 
stehen,  so  scheint  nach  Ztxvdviov  in  einem  ganz  alten  Codex  der 
Titel  eines  Stückes  wegen  Unleserlichkeit  ausgelafsen  und  dafür  vom 
Schreiber  fl^'  ouovv  SXXo  gesetzt  zu  sein ,  um  anzudeuten ,  was  hier 
ursprünglich  vorhanden  gewesen  war.  —  Ebd.  20:  Oixpov  l%(0  aov 
tov  igoarcc  xal  rarr'  Bidivoct  övvaad^ai.  av  yaq  fie  idlSa^ag  ivg)^ä 
yvvatTioc  xaxicog  TtaQ*  iQcivxcav  fiocv^dveiv  *  aXX^  olaovofAOViStv  IqanBg 
OTtevöovxsg '  aldoviud'a  [la  xr^v  I^QXEfitv  avd^toi  vfiäv  ilvai  (iij  ^av- 
xov  fAciv&dvovaon.  An  TtaQ*  igoivxcov  zweifelt  Hr.  M.  p.  121,  da  in 
den  Hss.  Tti^l  igciv  xw  gelesen  wird ;  auch  versteht  er  olxovo(iov6t,v 
nicht  vollkommen.  Schärfer  tritt  K.  S.  433  f.  wider  den  Gedanken- 
gang auf:  ^wie  kommt  Glycera  zu  der  Urtheilsfähigkeit  %u  Mevav^ 
dqov  dtaagtvsiv,  das  hat  sie  die  Liebe  gelehrt:  aötfov  S%m  0ov  tpv 
^Qcoxa  xal  xavx^  siSivai  dvvaa^ai.  Ohne  diese  Triebfeder  würde  sie 
es  nicht  so  weit  gebracht  haben,  denn  alöoviie^aj  (lij  xi^v'JiQx^uvJ 
ctva^ioi  fificov  slvat,  (jlti  ^axxov  fiai»&<ivovacci,  Nit  diesen  Aussprfloben 
steht  der  dazwischen  liegende  av  ydq  (is  idCda^ag  iv^ü  yvvaTx« 
xaxioog  naq*  igcivxtov  fiav^dvHv,  aXX^  olxovofiovaiv  l^crng  ifmviov- 
xeg  wenigstens  theilweise  nicht  in  Harmonie,  denn  mit  den  letzten 
Worten  wird  dem  Drängen  der  Eroten  eine  Wirkung  -zugeschrieben, 
die  sonst  ausbleiben  würde.  Glycera  ist  bescheiden  und  gesteht,  nur 
durch  die  Scheu,  von  ihrem  Freund  für  beschränkt  gehalten  za  wer- 
den, zu  grofser  geistiger  Anstrengung  getrieben  worden  zu  sein.  Jenes 
aXXd  enthält  nun  einen  Wink,  dafs  der  vorhergehende  Satz  das  Ge- 
gentheil  aussprechen  mufs  und  dafs  igdtrccov  verschrieben  ist,  etwa 
aus  hiqmv.  Glycera  wird  also  gesagt  haben:  av  ydg  fie  iöCda^ag  ov% 
tvtpvä  ywcLi%u  naq  ixigav  fiocv&dvsiVj  äXX^  oiaxovofiovatv  Igansg 
<mevdovxsg  — .  Dasselbe  Bild ,  wenn  auch  nicht  in  Bezug  zu  den  Ero- 
ten, hat  Ale.  I,  10  v;t'  dfirixavCag  xjj  xiixtf  xovg  otaitag  irckqt^^uv* 
Weder,  dafs  sich  Glycera  eine  ov%  svfpvtfg  yvvri  nennt,  scheint  mir 
erforderlich,  noch  dürfte  na(f^  txlQtov  und  olaKOvofiovaiv  (was  an  I, 
10  gar  keine  Stütze  hat)  zu  schreiben  sein.  In  negl  igiav  ta  verbirg! 
sich  etwas  entlegeneres.  Die  Igtoxsg  oder  iQmvxig  sind  aber  in  den 
Zusammenhang  nothwendig.  Ist  also  tisqI  i^cixav  oder  TtaQ*  iqwnta^ 
nicht  haltbar,  so  schlage  ich  vor  nsQutetetixg  iqmwv,    Mch  habe  an 


A.  Meineke :  Alciphronis  rhetoris  epistolae.  619 

deiner  Liebe  einen  klugen  Lehrmeister ,  so  dars  ich  auch  deine  Stücke 
za  beurtheiien  vermag.  Denn  du  hast  mich,  ein  talentvolles  Weib,  ge- 
lehrt schnell  Verwicklungen  von  Licbeshändeln  zu  begreifen.  Aber 
( —  kann  man  mir  oder  mafs  ich  mir  selber  einwerfen  —  du  traust 
dir  viel  zo ,  Glycera)  die  Liebeshöndel  wirthschaften  schnell  (sich  in 
ihre  Intriguen  zu  finden,  ist  nicht  leicht).  Ei  nun,  bei  der  Artemis, 
ich  müste  mich  ja  schämen,  deiner  unwerth  zu  sein,  wenn  ich  nicht 
rascher  begreifen  wollte/  So  hat  man  zwei  Paare  von  Sätzen:  v£  di; 
iym  —  idimtg  ovCa;  hierauf  ist  die  Antwort:  akka  ao<p6v  —  ficcvd'tt' 
viiv.  Sodann:  akk^  oixovofiovaiv  Igoaxeg  anevöovxig;  dieser  Einwand 
wird  beseitigt  durch  aiöovfie^a  —  (lavd'dvowscci.  OiKOvoiistvy  was 
von  der  Disposition  des  Dichters  ganz  gewöhnlich  ist,  hat  von  den 
iqoixsg  gebraucht  gewis  nichts  anstöfsiges.  —  Ebd. :  nccvtag  Sio(iai, 
MivavÖQe^  fcaticlvo  nuQaaKevddaa&ai  xo  dgäna,  iv  ai  (i€  yiyQatpccg, 
Iva  xav  ^^  7ta(fayiv(0fiai,  avv  coij  dia  Cov  TtkevCa  TtQog  nxoke(Aaiov. 
jdicc  aov  verdanken  wir  dem  unvergefslichen  Fr.  Jacobs,  die  Uss.  bie> 
teu  sämmtlich  dr'  akkov.  Ob  vielleicht  akka  Sice  aovl  Mindestens  ist 
die  Verderbnis  von  öta  aov  in  di^  akkov  recht  auffällig. 

Buch  III,  2,  1 :  ikkeßoi^  öblCoi^  tut  ig  öiov  alfS%vvta%ai,  %oqi%^ 
aiei^voai  xipf  aldm  xov  nQoatoTtov,  /Siov  hat  Valckenaer  aus  dem 
handschriftlichen  6i  gebildet,  iniiviSai  aber  Hr.  M.  p.  122  mit  Bezug 
auf  III,  40,  4 :  t^v  alö^  xav  TCQoadTtoav  aTci^vaxat  statt  ctTti^aaag  her- 
gestellt. Doch  K.  beruhigt  sich  bei  der  ersteren  dieser  Befserungen 
nicht.  Die  Pfälzer  Hs.  hat  xtoQvxag  für  9iOQi7i6og,  und  so  schreibt  er 
S.  434:  i^xig  Sri  alaxovrig  ^kiyfQqri%ag  %al  aTci^vCat  %xk,:  ein  Weg 
auf  dem  ich  nicht  nachfolgen  kann.  —  Ebd.  2:  l%e  axqifia  aal  naxa 
davxi^v  [yivo^Livri\  ^djtile  x6  xaxov  i^tod-ovaa  xrjg  diavolag.  Davon 
ist  ^aTTi^e,  was  des  trelTlichen  Reiske  Scharfsinn  hingeworfen  hatte, 
jetzt  aus  dem  Flor,  zu  Tage  gekommen ;  die  übrigen  Hss.  haben  ^Int^e. 
Jenes  erklärt  Hr.  M.  p.  122  von  der  Liebe,  die  wie  ein  piaculare  ma- 
lum  durch  Schläge  ausgetrieben  werden  müfse,  s.  Hipponax  chol.  V, 
2 :  ßdkkovxeg  iv  ketficavi  xal  ^anl^ovxeg  Kgddyai  xal  axikkrjaiv  iiansQ 
g>aQiiax6v^  und  VlI,  7:  tpa^fiaKog  ax^elg  eTtxdaig  ^ama^slri.  Von 
Lesart  und  Deutung  offenbar  unbefriedigt  schreibt  Cobet  S.  125:  xal 
%axa  Cavxrjv  XQinov,  xo  xaKOv  i^co&ovöa  xrjg  övavolag.  Sähe  ^man 
zunächst  nur  ab,  wie  es  gut  möglich  gewesen,  dafs  xQlnov  in  sämmt- 
liehen  Büchern  dem  ^dm^s  oder  ^Ini^s  Platz  machen  muste.  Von  die- 
sem §dm^s  darf  man  sicherlich  nicht  abgehen ,  es  wird  aber  aufser-« 
dem  die  volle,  wohl  sprüchwörtliche  Redensart  herzustellen  sein: 
(dni^a  xov  q>aQiianov  i^cD^ovaa  xr^g  öiavolag^  etwa  wie  unser:  ^schlag 
dir  den  Bösen  aus  dem  Sinn. '  Die  vorstehenden  Worte  aber  können 
ohne  aeavxtiv  gelesen  werden :  ^xe  ax(fi(ia  xd  %axd  aavxriv  xal  ^dnü^B 
—  (Ven.  dtgiiiaxd)  oder  ixe  dxgifia  aavxriv  nal  ^dit. ,  wie  beim  He- 
liodor  V,  2:  akka  av  fisv  axqifia  f%£  aavxov.  —  III,  3,  3  Euagros  hat 
dem  Chremes  sein  Fahrzeug  als  Unterpfand  für  ein  Darlehen  von  vier 
Goldstücken  versetzt  und  kann  am  bestimmten  Tage  nicht  zahlen: 
iniyvtav  —  xov  ix^Q^  ^^^^  g>QOvovvxa  Xqifitita  xov  0kvia'   xal  yaQ 


620  A.  Heineke:  Alciphronis  rheloris  epistolae. 

StoifAOg  ^  i7Ci,ki^^ea&ai  rov  önatpovg.  Das  letzte  Satzchen  notiert 
Gobet  S.  125  mit  ^aperte  corrupta'.  An  der  Graecitat  sehe  ich  keinen 
Fehler,  da  der  Infinitiv  Fulari  wie  manchmal  sonst  nach  den  Zeitwör- 
tern des  Vorhabens,  Wollens  und  Wünschens  gesetzt  ist,  s.  Krager 
gr.  Gr.  §.  53,  7,  II ;  und  aus  der  Ueberlieferung  Worte  zu  gestalten, 
die  das  gierige  Verlangen  des  hartherzigen  und  nnerbittlichen  Wu- 
cherers nach  dem  aKC((pog  scharfer  ausdrückten,  will  mir  auch  nicht 
gelingen.  Doch  könnte  etwas  ausgefallen  sein:  Kai  yaq  [Xxxi^ßÖBfQQ 
öLkii]v]  eroifiog  tjv  imkrixlfec^at  rov  axd(povg.  Dafs  ein  Mann  mit  der 
Charybdis  verglichen  wird  —  schon  Aristophanes  nennt  den  Kleon 
eine  XccQvßöig  ctQTtayijg,  Cic.  Verr.  V,  56,  145  non  enim  Charybdim 
tarn  infestam  neque  Scyllam  nautis  quam  istum  (ßionysium)  in  eo- 
dem  freto  fuisse  arbilror  —  wSre  um  so  natfirlicher,  weil  es  sich 
von  der  Besitznahme  eines  Nachens  handelt.  Vgl.  auch  v.  Lentsch  Pa- 
roem.  Gr.  II  p.  672.  —  Ebd.  4:  I6u)v  ovv  elg  oaov  diirnavlag  ihiXa- 
%BiVj  oiYMÖE  cc7CotQi%(a  xal  to  x^aovv  alvaiovj  otuq  Tcoii  evnoQmv 
rfj  yafiszy  xoafiov  etvai  TCEQiavxiviov  ineTtoQlxetv  ^  dnoöTeacag  tov 
TQax'qkov^  <og  IlaaioDva  vov  TQaTtetlxriv  ik^mv  omijfijcokifitt.  Hier  ist 
'imnoQUuv  für  inBTtoi.riiiUv  Befaerung  llrn.  M.s  p.  123,  welche  er 
durch  folgende,  dem  Ale.  vielleicht  vorschwebende  Stelle  Menanders 
bei  Pollux  X,  187,  com.  Gr.  IV  p.  181:  dkiaiov  Xqvöovv  htoQtcctg' 
il^B  ki^onokkrixov  fiv  Kockov  riv  av  ovxtog  für  bestätigt  erachtet.  Es 
ist  nur  schlimm ,  daf»  gerade  akvciov  beim  Pollux  nicht  steht,  sob- 
dern  erst  aus  dem  Epistolographen  in  jenes  Bruchstack  abertragen 
wird.  Sollte  zudem  Ale.  geschrieben  haben  bvtioq^v  —  htejtoglnHvt 
Und  gesetzt  auch,  dies  wäre  ein  unnöthiger  Scrupcl,  so  hat  doch 
ijtSTtoi^rjfiriv ^  da  insjcotqaetv  freilich  verdächtig  ist,  mindestens  ebenso 
viel  für  sich  als  inuioQinEiv.  Weiter  ist  das  von  Hrn.  BI.  zuräckge- 
rufene  und  auch  schon  von  Lobeck  pathol.  prol.  p.  495,  15  beachtete 
Tlaaecava  zwar  die  Lesart  der  Hss.;  allein  ich  bezweifle,  dafs  man 
neben  Ilaalcav  auch  Ilaaiav  wie  Kcckkiag  und  KakUag^  Ilaciag  und 
üccalag  (Lobeck  a.  a.  0.)  gesagt  habe.  Unten  111,  38  und  66,  4  wie 
beim  Demosthenes  und  sonst  finde  ich  nur  Iltxalcüv.  Auf  üü  Beispiel, 
welches  beweisend  sein  würde  und  das  ich  selber  gegen  mich  anfah- 
ren will,  c.  I.  G.  n.  115,  II,  32  APIZTEflNnOAYKPATOY 
AQKSxifov  Ilokvxqdxovj  darf  man,  obwohl  Böckh  p.  159  b  nicht  än- 
dert, darum  gar  kein  Gewicht  legen,  weil  jener  Titel  nur  aus  einer 
.vielfach  fehlerhaften  Copie  Pocockes  bekannt  ist.  Bei  andern  Namen 
aber,  wie  Jaf^icDv^  steht  dahin,  ob  sie  hierher  gehören.  —  111,4, 
1:  sUvj  ä^a  fioi  ßovkev(iccxog^  AonaöiTi^afißs  ^  fiäkkov  öe  (loxkov  xal 
xcikipdiov'  sl  yciQ  xai  okriv  Kaxaßakovfiev  xqv  nlova  ti^v  xo  ntxoov 
xovxo  ci^okoytov  avixovaaVf  7}  xov  yvdiiova  xgeij^Ofieu  ixBiös  vsveiv 
ov  xaxiov  dvvriöexat  xag  ÜQCtg  a7to6t]yLCtiviiv^  xal  iaxai  xo  ßovXsvfia 
nakafitjösiov.  Ilr.  M.  möchte,  um  einen  wunigdtcns  erträglichen  Fort 
gang  der  Gedanken  zu  erzielen,  statt  i]  xov  yi/co^ova  lesen  sl  dl  %ov 
yv(Ofiovcc:  ^si  enim  loiam  everiemus  coiumnam^  bene  res  habet  nee 
amplius  nobis  laborandum  (quod  notissimo  diceudi  genere  cogitatione 


A.  Meineke :  Alciphrouis  rlietoris  epislolae.  621 

supplendum  est) :  sin  indicis  converiendi  copia  erit,  ul  cttius  horas 
indicare  possit^  nae  Palatnedeum  hoc  erii  consUium*,  Noch  lieber 
jedoch  wäre  ihm  p.  125  einfach:  div^  ä^a  fnoi  ßovXwfunog'  el  vitQ 
«av  yvcifiova  xqi'^inv  ixetde  vevetv  ov  xixtov  dvvrjaeTai  ritg  iu^ag 
aTtoaijfialveiv  y  VQii  Satai  ro  ßovXeviicc  naXafiridetov,  Das  heifst  wohl 
den  Schriftsteller  verbefsern.  Müfsen  wir  nns  einmal  an  die  vollstän- 
digere Ueberlieferung  der  Hss.  halten,  so  bewerkstelligen  wir  den 
richtigen  Fortschritt  der  Gedanken  vielleicht  mit  geringeren  Aende- 
rungen,  wenn  geschrieben  wird:  ij  yaq  %al  olriv  KarocßcckovfAev  t^v 
nlava  ntX.  (and  dazu  gehört  poxlog  xal  xakmöiov)  ^  xov  yud^ova  — 
i7C0iSfi(icilvsiv f  xal  tovto  Satai  to  ß,  77.  Jenes  kccI  vor  ikr^v  hat  gegen 
Seilers  Anfechtung  Hrn.  M.s  Gelehrsamkeit  sicher  gestellt.  —  Ebd. 
3.  Theochares  speist  nicht,  bevor  ihm  der  Sclav  die  sechste  Stunde 
am  Gnomon  ansagt:  ösi  ovv  i^uv  xotovxov  axififiocxog  o  xoexccöoiplaa' 
tf^tfi  T^j;  xov  QsoxccQovg  evxa^iccv  öwridexa^  Nach  xaxaOotplöaad'ai 
haben  die  Hss.  noch  »ai  naQccXoylöaa&ai  ^  welche  Worte  Hr.  M.  p.  125 
ausgeworfen  hat.  Ist  nun  haqaXoyUfaa&ai  evxcc^iotv,  decipere  ordi- 
nem  kein  statthafter  Ausdruck ,  so  zeigt  der  Yen.  einen  Ausweg,  in 
welchem  naQaXoyüfaC&ai  Kai  Kaxaaog>laa(S&€ei  xr^v  eix,  steht.  Ich 
möchte  aber  dieses  netqaXoyitSctC^cti  darum  nicht  mifsen,  weil  die  Tau- 
schung durch  falsche  Rechnung  hier  ganz  an  ihrem  Platze  und  die 
Häufung  von  Synonymen  bei  Ale.  (s.  M.  zu  III,  3,  I  p.  174)  nicht  seU 
ten  ist.  ^—  Ebd.  4:  XQCiq>Blg  yaq  vtco  naLÖayayyip  ßaqel  Y,al  mq^Qvta- 
fiivo)  ov6hv  q>QOV£t  vsioxeQOv.  Das  ungewöhnliche  von  q)QOveti^  vacivs- 
Qov  im  Sinne  von  iuveniliter  lascivire  hat  Hrn.  M.s  feiner  Tact  p.  125 
zuerst  treffend  hervorgehoben.  ^EvemEqov  (Aesch.  Pcrs.  783  nach  3I«s 
Befserung:  Siq^tig  6""  ifiog  naig  ivsog  mv  ivscc  cpQOvü)  fällt  jedem 
unschwer  ein ,  ist  aber  doch  wohl  nicht  das  rechte.  Ob  veai/ixoire- 
^ov?*Vgl.  Lucian  conv.  3:  vecivi,ii(oxBqctr\{n,äg^  o)  OlXoov^  ci'^totg  iK(pi- 
qeiv  xavxoe  Tcqog  xovg  TCoXXovg  xal  ins^Uvat  öu^yovfiivovg  Tcgayfjuxxa 
iv  olvm  Kai  fii^i[i  ysvoiieva,  —  III ,  5,  1 :  Foqyiag  o  ^Exsoßovxäötjg 
övfißaXdv  fAOt  xcora  xvxr^v  XQV^'^ö^  iiCnadaxo  Koi  Kaxs^i^(paxo  oxi  (ir} 
^aiU^omi  naq*  avxov.  Mit  ßer|;ler  zu  übersetzen  comiter  salu- 
lavit^  ist  unstatthaft,  s.  Hrn.  M.  p.  125.  Dieser  vermulhel:  6  2^17- 
Cxog  oder  o  ^^utfovff.  Dadurch  würde  jedoch  eine  Ironie  (6  ^^(yovg 
III,  69, 1)  gleich  vom  Anfang  herein  in  die  Erzählung  gebracht,  wel- 
che kaum  passend  wäre.  Der  Parasit  mufs  zuerst  ganz  ruhig  berich- 
ten, um  seinen  Freund  in  Spannung  zu  halten,  welch  schöne  Hoff- 
nungen und  Aussichten  Gorgias  ihm  selber  erregt  habe.  Erst  weiter 
iinten  §.  3  folgt  dann,  wie  schmählich  ihn  dieser  zum  besten  gehabt. 
Da  nun  riCnaaaxo  ohne  weitere  Bestimmung  ausreicht,  wie  es  oft  al- 
lein steht,  so  streiche  ich  XQ^'^^^^  und  muthmafse,  es  sei  dies  eine 
nachlicr  in  den  Text  geschmuggelte  Randbemerkung  zu  ri(5'xa(5axo^ 
welche  den  Abschreibern  Alciphrons  ebenso  gut  zugetraut  werden 
darf  wie  ähnliche  Gefühlsergüfse,  z.  B,  gegen  die  Hetaereu  II,  1,6: 
nqog  v^iag  öi  ovöi  vTteqxld'ea^ai.  i^saxtv  äaxs  q>6ßov  slvat  xoqov^  und 
111,  7,  2:  7caü%€t  xä  dUaia.  —    III,  8,  2:    üqa  ovv  y.al  ßla  xavxfiv^  ei 


622  A.  Meineke :  Alciphronis  rhetoris  epistolae. 

(fvvri^mg  ivcnstvotto  fifitv ,  iitocitäv,  ovo  di  ovre  koI  igf^piiha  ta- 
%iCxa  avxiiv  ncil  axovdav  ccTcd^ai  övvrfiOfiB&a.  So  Hr.  M.  p.  128  nach 
glücklicher,  durch  den  Yen.  bestätigter  Muthmafsung ,  während  ia 
den  andern  Hss.  nur  ana^ut,  oder  and^ai  ohne  das  Schlafs verbam 
steht.  Cobet  S.  129,  vermuthlich  aus  Verdrufs  über  den  Aoristus  i^gor, 
schreibt  a^(i^oci(iiv.  Dann  befremdet  nur  der  Pleonasmus  %ai  ajwvcav 
iti^d^ctifiev,  der  über  die  bekannte  Fülle  von  axovta  avayKa^Hv  oder 
ßtd^ea^ai^  invitum  cogere  weit  hinauszugehen  scheint.  Eine  eben- 
falls entführte  Frau  sagt  III,  73,  3 :  elg  yccQ  ^e  ro  0vvtiQeq)lg  dyaydv, 
^Hi<t  aber  mufs  wie  Sao  (NJahrb.  Bd.  LXVIII  S.  70)  im  Ale.  ertragen 
werden.  —  III,  9,  1.  Es  ist  ein  Hase  aufgescheucht:  xa  61  (Snvlinw 
ov^iol  vtuq  in  xmv  [^avxttov  anilv6av.  %al  xic  fiiv  id'O^ßsi  nccl  iy 
yvg  fiv  iXetv  xo  ^qlov.  Cobet  verlangt  S.  129  ?^»  ^^]7«  Bo(n)ßsi^v 
ist  technischer  Ausdruck  von  anschlagenden  Hunden,  s.  Xen.  cyneg. 
14,  7:  d'Qctaetai  d'  crT  ovx  icS^i  xav  Cvvi^w  xag  aofpag  elg  xo  itQO- 
ad'ev  nqoUvai  iU.*  avelQyovCt  d'OQvßovaai,  (Hermogen.  TtSQl  Idsw  II, 
4,  328.  II  p.  361,  24  Sp.).  Aber  es  fehlt  die  Erwähnung  des  Nach- 
Setzens  der  Hunde,  weshalb  einer  vielleicht  wünscht :  i^OQvßei[iud 
l&Qcaajis]  xal  iyyvg  t/v  %xl.  Schwerlich  nöthig.  Die  vorliegende  Stelle 
und  III,  46,  3:  ro  xsiQOfiaKXQOv  vno  ^dXrjg  kaßmv  i^riklofiriv ,  ig  ip 
xy  (pvyjj  xoiv  ötaßdd'Qoiv  %uxBqov  aTtoßctXstv,  wo  Hr.  M.  p.  142  nach 
i|iyÄAofi)/v  die  Worte  xul  xoaovxov  '^TteiyofAriv  einschiebt,  achatse» 
einander  gegenseitig. —  III,  11,  3:  ov  acDg>Q0V6tgj  d>g  loiTtsv^  <o  yvvau 
ovöe  vyiig  xi  öiavofj'  iXkd  aiidXai  iv  xaig  aaxtxccig  xavxat(fl  xatg  vno 
x(fvq)fjg  ötaQQeovaatg,  Für  das  verdorbene  ccfiiXXa  iv  gibt  eine  Hs. 
ifidXaiScci  xatg,  eine  andere  SfiiXXai  iv  xcctg.  Hr.  M.  schlägt  p.  129 
vor:  ivdfuXXog  sl  oder  üfidXog  elj  K.  S.  435:  aiidXaa&air^  von  6uc- 
vo'^  abhängig.  Dies  würde  hier  zu  matt  sein;  Dryantidas  mufs  seiner 
Frau  einen  bestimmter  formulierten  Vorwurf  machen.  Diese  istoZi}rov 
aWo^,§.  3,  daher  denkt  sie  nicht  erst  auf  Wetteifer,  sondern  ist  schoa 
darin  begriffen.  Stand  etwa  ursprünglich:  äXX^ ifiiXXä  iv  fnaXcaUa  xal^ 
daxtxaig^^'i  Vgl.  Flato  rep.  VIII  p.  563  A:  diaiiiXXaa^ai  tv  Xoyoig 
YMi  iv  igyoig,  und  derselbe  verbindet  XQvtpri  xal  fiaXd'axla  rep.  IX 
p.  590  B.  —  III ,  12,  1 :  (pLXfjvsfiov  xiva  i7iXs^d(xsvog  nlxvv  v«o  ravrf 
ro  xofvfia  iönia^ov.  Hr.  M.  p.  129  nennt  es  ^mirum  dicendi  genas, 
quo  quis  aestum  obumbrare  pro  aestum  in  umbra  vitare  dicitur.  Ne« 
^cio  igitur  an  iiSKsna^ov  scribendum  sit.'  Und  doch  scheint  jenes  er- 
klärbar; 8.  Xen.  oecon.  19,  18:  {auneXog)  TteQiTCSxavvvovCcc  xa  oTvcr^ 
oxav  hl  avxy  anaXal  ot  ßoxQveg  oaai ,  didd<fitsi,  axtd^siv  xa  iiXiovfiBva 
xavxriv  xriv  cigav^  wenn  dies  auch  minder  kühn  ist.  —  Ebd.  2:  iv 
xovxo)  dh  ovK  oW  oTtcag  vito  xijg  riövtfxoviag  &€Xy6(ievat  itäcaC  (io$ 
Tcavxa^od'sv  ai  cclyeg  nequ^vQ^rfiav  xal  iq>BiGai  vifiB<S&at  xovg  %0(ia" 
Qovg  %al  xov  iv&iQiKOv  ZXai  xov  fiiXovg  iylvovxo*  iym  dl  iv  [liöatg 
xatg  vofiatg  ifiifiovfiriv  xov  Ttatöa  xilg  KaXXLOJttjg,  Die  Hss.  stimmep 
sämmtlich  in  i^dovatg^  wofür  Reiskes  mehr  blendende  als  angeme- 
fsene  Aenderung  iv  (liaoig  xoig  'Höcovoig  von  Wagner  und  Seiler  nicht 
halle  sollen  aufgenommen  werden.    Hr.  M.,  welcher  die  Ungehörig- 


A.  Meineke :  AIcipbronis  rhetoris  epistolae.  023 

keil  der  Edonen  nachweist,  setzt  das  obige  p.  129  f.  Allein  auch  dv 
mit  ist  der  Stalle  nicht  geholfen.  ^Denn'  entgegnet  K.  S.  435  ^soll 
das  die  Ziegenheerde  bedeuten  oder  |die  Wiese,  auf  welcher 
Pratinas  sich  hören  lafst?  Beides  würde  dem  schon  erzahlten  keine 
neue  Wendung  geben,  und  die  Aehnlichkeit  mit  Orpheus  wäre  so 
nich(  genugsam  motiviert.  Das  Publicum  des  thracischen  Sängers  wa- 
ren alle  möglichen  Thiere,  und  hier  müfsen  die  Ziegen  instar  omnium 
sein;  diese  Auffafsung  ergibt  sich,  wenn  wir  ^v  fiiaotg  xolg  xvcdöu- 
loig  schreiben.  In  ähnlicher  Allgemeinheit  braucht  Aristoph.  Lys.  476 
das  Wwt. '  Ohne  gegen  dieses  Kviodakoig  zu  polemisieren,  will  ich 
angeben  was  ich  für  das  echte  halte :  iv  fiiöMg  zctig  ifSoiiivaig.  Vgl. 
Conon  45:  ovroo  dh  ^iXyeiv  nal  KaxaKtikBip  avzov  (OQg>ia)  ^öatg 
filvai,  <So<p6vy  iig  nul  &riQia  xal  olmvovg  xal  dri  xccl  ^vXa  ymI  U&ovg 
avuatEQivocxHv  iq>*  rjdovijg,  und  Aesch.  Agam.  1630:  6  (ilv  yag  riye 
9ravr'  arco  g>9(yyyrjg  xciQa.  Uebrigens  erscheint  gerade  die  Ziege  beim 
Orpheus  auch  auf  Denkmälern  der  Kunst,  s.  F.  Piper:  über  einige 
Denkmaler  der  kön.  Museen  zu  Berlin  (Berlin  1845)  S.  13.  —  III,  20, 

1 :  olß&a  ^e  intaa^avta  r^i;  ovov  naXa^ta xataywyovra  ovv, 

eoog  av  tcciha  aTtedoiiriv  tmv  uvt  yviogifiav  Syn  fii  xig  Xaßdv  dg  xo 
^iaxQOv.  Die  Lückenhaftigkeit  dieses  Anfangs  hat  Hr.  M.  p.  132  satt- 
sam aufgedeckt.  Derselbe  verlangt  dann  etwa:  xaxccyccyovxcc  ovvj  tog 
Tortfra  a7cedofiT}v,  xfov  xtg  yv(OQlfiODv  Syst  (is  X,  sig  r.  ^,  Vielleicht  hat 
der  vorhergehende  Satz  mit  xcxt'  ayoQoiv  (statt  Ticcxceyayovxa)  ge- 
schlofseu  und, es  weiter  geheifsen:  äg  ovv  xavxa  anedofirjv  xöiv  xivt 
yvoüQlfKOVy  Syei  fie  Xaßciv,  nemlich  der  bekannte,  so  dafs  xtg  als 
Glosse  wegfällt.  —  Ebd.  2 :  ?v  di  Wwv  axavrjg  iyd  aot  fiai  fiixgov 
öetv  avavöog:  die  Vollständigkeit  dieses  Sätzchens  vertrete  ich  nicht. 
—  III,  22,  3 :  nXayyanf  dl  x6  MeXtxaiov  KvvCötoVj  o  xqitpo^Bv  a^vq^u 
T^  ÖEdnolvri  nqocrivig^  imo  xr^g  ccyav  Xi^vstag  Inl  xo  Ttqiccg  OQfiilßuv 
xeixccl  aoi  xqlxtiv  xavxrjv  rjfiiQctv  inxaör^y  vekqov  tidr]  fivötjaav.  Co- 
bets  Fragzeichen  zu  Ttgoöijvig  S.  131  legt  die  wunde  Stelle  blofs.  Ist 
etwa  nach  dsanolvri  zu  intcrpungiercn  und  TtQtivig  —  oQfiijiSav^  s.  v. 
wie  nqonsxigy  zu  schreiben?  Aufserdem  tilgen  ve%q6v  Cobet  und 
Kayser  S.  435.  —  III,  23:  IlixvUxtp,  Drei  Hss.  haben  TixvUxw^ 
wonach  Hr.  M.  p.  133  T^vglana)  vermuthet,  d.  i.  IknvQlöJia},  Ref. 
darf  versichern,  denselben  Vorschlag  in  seinen  Papieren  zu  haben. — 
III,  24,2:  xccg  ^iv  (celyag)  anodofievog^  xag  öh  Kaxa&voiv'  Tcal  tc5  fiiv  t/ 
yaöxriQ  xijg  xQccmakrig  iiiTtlnXccxai,  Kai  xa  >lot;ra  t^  xevd'sioc  SccTtaväxcci. 
Dafs  KQociTtdXri  nicht  vom  Fleischgennfse ,  der  hier  zu  erwähnen  war, 
verstanden  werden  kann,  hat  zuerst  K.  S.  435  erinnert,  wie  er  auch 
Ttt  XoiTta  mit  Grund  anßcht.  Näherte  sich  nur  seine  Conjectur  xat 
xa  fikv  71  yaaxfiif  xijg  xgscofpaylag  ifinlnXccxat  xcrl  xaTC  xijg  fCG)Xijg  xev- 
%Bla  öanotvaxcct  de'r  Ueberlieferung  etwas  mehr!  Mich  dünkt  eher 
möglich,  es  seien  zwischen  ij  yaax'j^Q  und  xijg  xQaiTtdXi^g  einige  Worte 
weggelafsen.  Statt  xa  Xomd  stand  vielleicht  xo:  Xiqfificcxa,  —  III,  29, 
1 :  ÖHvog  el  qi^xodq  inig  xovg  iv  Mdialco  x^v  aXXoxglmv  ?v£X€v  adi- 
KO(iaxovvxag.   Das  letzte  Wort  befsert  Cobet  S.  131  schön  in  ötKOfMc- 


624  A.  Meineke:  Alciphrouis  rhetoris  epistolae. 

%ovvtag  um.  Für  MtXicdm  weifs  er  aber  so  wenig  Uiifo  \vio  Hr.  M. 
p.  135  einen  Vorschlag  macht.  Die  Ilss.  haben:  Mdialo)  tcov  ß, 
MriUa»  xara  rc5i/  V  u.  F,  MHUta  %axa  rav  Vat.,  firiXUp  Kavct  tc5v 

Ven.,  firjXL  xofia  t^v  W.  Bisher  ist  Mt/rt^e/w  rav^  Mrixlxov  xalUa, 
'HXiala  Tcov,  alles  ohne  überzeugende  Kraft,  versucht  worden.  Mögli- 
cherweise hat  hier  ein  sonst  nicht  vorkommender  attischer  Gerichtshof 
gestanden.  Unter  den  bekannten  gibt  es  aber  noch  einen,  der  wenig- 
stens in  Betracht  gezogen  werden  dürfte:  iv^Sliödo)  {MlAlAISll: 
SIIJEJSII),  s.  Meier  u.  Schömaun  att.  Process  S.  145.  —  »III,  34, 
2:  Tiatakccßcav  yccQ  (Tliiav)  rriv  i6%azutv  zaig  ßcikoig  xovg  naQiovxag 
ßdXlH^  TtQOfirJQ'oviuvog  firiöivcc  avrm  Tia^oTta^  ivd'Qtoncav  ivrvyxa- 
veiv.  Dafür  schreibt  Cobet  p.  132:  ^rjdsvl  Kad-ana^  av&Qdjtav  iv- 
tvyxaveiv.  Die  Lesart  sämmllicher  Bücher  besagt:  ^wenn  Timon,  der 
auf  seinem  Grundstücke  zurückgezogen  lebt,  jemanden  vorbcigehea 
sieht,  wirft  er  diesen  mit  Erdklöfscn,  damit  derselbe  sich  ihm  nicht 
nähere.'  Beim  Lucian  Tim.  35  sind  seine  eignen  Worte:  ta  d'  aXXa 
evöat^oviaxatog  elfit  ^tjdevog  ^iol  TtkrjCLd^ovxog  ^  und  zu  Plutos  und 
Hermes  ebd.  34:  xlvsg  iaxij  cj  aaxctQaxot;  ij  xL  ßovXoiievci  devQO  t/xcrs 
avÖQu  iQydxriv  nal  ^icd'oqiOQOv  ivoxXi^cainsg)  aXX  ov  %(x(Q0vx£g  ajure 
(liaQol  Tcccvxeg  ovxeg '  iya  yuq  v(Accg  avxlxa  fidXa  ßdXXmv  xatg  jScailoi^ 
Kccl  xotg  Xl&ot^  avvxQlijfco:  eine  Stelle  welche  Ale.  gewis  hier  vor 
Augen  gehabt  hat.  Dagegen  würde  die  von  Cobet  geforderte  Schreib- 
weise ein  Herumgehen  des  Timon  auf  Wegen  und  Räumen  voraus- 
setzen, wo  er  Menschen  zu  treffen  befürchten  müstc.'  Das  ist  aber 
nicht  richtig:  der  Misanthrop  lebt  einsam  auf  seiner  Hufe  nud  stöfst 
mit  Leuten  nur  zusammen,  weun  diese  zu  ihm  oder  in  die  Nahe  seiner 
Besitzung  kommen.  —  111,  35,  J :  (idxma  rnii.iv  ag  ioiKe  xai  ovi^xoa 
xix^vxcci  xm  vexlfp.  Hrn.  M.s  avt/xoco  p.  137  ist  sehr  elegant,  wie  denn 
umgekehrt  die  Götter  oft  hiri%ooi  genannt  werden ;  aber  doch  maCs 
wohl  avri%oci  in  passiver  Bedeutung,  wie  bisweilen  inri%oog^  ertragen 
sein.  Vgl.  auch  I,  2,  1:  ccTtQaxxa  xal  aviqvvxa  öia^ioxOov^iBv.  —  III, 
37,  1 :  BlQZ<Smvi]v  ig  at/Ocov  nXit^aca  ffStv  ig  'EQiiag)QOÖlxov  ttp  ^Alm- 
Ttexi^d^ev  xctvxtiv  ctvcix^riGovGcc.  Mit  Bezugnahme  auf  eine  inschriftlich 
beglaubigte  Aphrodite  in  demselben  Demos  von  Attika,  C.  I.  G.  n. 
395,  habe  ich  vordem  (NJahrb.  Bd.  LXVIII  S.  70)  den  Hermaphroditos 
hier  zu  retten  gesucht.  Dies  voraus7.uschicken  ist  nölhig,  um  Kaysere 
Bemerkung  S.  436  zu  verstehen:  ^angenommen,  dafs  Uermaphrodi- 
tus  einen  Cultus  in  Alopeke  neben  der  Aphrodite  halte,  könnte  die 
Schwierigkeit  hier  mit  einer  ganz  kleinen  Aenderung  xov  ^AXum.  statt 
TW  *AX.  gehoben  werden.'  Grofser  Gewinn  will  sich  mir  davon  nicht 
offenbaren.  Eher  sind  vielleicht  nach  ' EQiiaq>Qo6lxov  ein  paar  Worte 
verloren  gegangen.  Hrn.  M.s  ig  eQ^a  OatÖQiov'  xov  ^AXfOTteKfj^ev  p. 
137  hat  nicht  blofs  das  wider  sich,  dafs  e^fia  ein  nur  dichterischer 
Ausdruck  ist  (C.  I.  G.  n.  4599,  5.  III  p.  259:  Bdacog  xv^ßov  hev^BV 
igia^eveg  €QpL[a  {>ccvovatv.  Eur.  Hei.  854),  sondern  auch  die  zwei- 
malige Anführung  des  verstorbenen  mit  seinem  Namen  Oatd^Utg  im 


A.  Meineke:  Alciphronis  rhetoris  epistolae.  025 

oAehBteD  Paragraph.  — «  Ebd.  2:  iXav&avov  di  vßqiCxr^  vfiivaiov 
avafilvovdcc  Tial  ÖaAorfiOv  vamp/  svQlaxovaa,  Hrn.  M.  ist  p.  137  avcc- 
lUvoviSa  verdächtig,  ^com  de  muliere  sermo  sit  a  veneris  usa  qaam 
maxime  aliena.'  Am  Ende  sei  vTtofiivovaa  das  ursprüngliche,  ^  quam- 
qoam  video  quid  obverti  possit.'  Nach  K.  S.  436  würde  Ttaax^iv  fiik- 
iov(Sa  jedenfalls  riclitig^er  sein,  ^  wenn  nicht  jenes  Verbum  selbst  eine 
solche  Bedeutung  haben  kann,  was  aber  nicht  wahrscheinlich  ist.' 
Kurz  vorher  schreibt  Epiphyllis,  sie  habe  den  Bewerbungen  des  Mo- 
achioD  kein  Gehör  geschenkt :  iya^  61  avrivaiiriv  S^tc  filv  ra  veoyvä 
naidla  xaxoiKvelQOvdcc,  ä(ia  de  xbv  riga)  Ooci^qlav  iv  Ofp&akuotg  ti&s- 
lUvri,  Nun  fährt  sie  fort:  *ich  wüste  aber  selber  nicht,  dafs  ich  auf 
einen  gewaltsamen  Hymenaeos  wartete  und  zum  Brautgemach  ein 
Waldthai  finden  sollte',  d.  h.  ohne  dafs  ich  es  merkte  und  ahnte ,  war 
der  Zweck  meiner  Weigerung,  mich  in  ordentlicher  Weise  wieder  zu 
vermählen,  nur  dieser  dafs  ich  den  Zeitpunkt  abwarten  sollte,  wo  ich 
mit  Gewalt  nochmals  geheiratet  würde.  Auf  diese  Weise  wird  das, 
was  der  Epiphyllis  widerfuhr,  dem  Schicksal  zugeschoben,  in  dessen 
Hand  sie  ein  willenloses  Werkzeug  war. —  III,  43,  1:  iyw  xal  l^r^ov- 
^l(ov  ymI  KvvctL^og  ot  Ttagaaixot:  der  Yen.  hat  iJxQOvhlag^  was  Hr. 
M.,  s.  p.  139 ,  in  den  Text  aufzunehmen  vergefsen  hat.  Dann  muth- 
mafst  derselbe  statt  des  allerdings  verdächtigen  ot  Ttagaairoi ^  weil 
der  Yen.  nagacczoi  og  gibt:  ot  nagcc  Tiaiöog  *sive  servi  a  Tiside 
manumissi  sivo  homincs  qui  in  clicutela  Tisidis  essent'  p.  140.  Wer 
möchte  das  feine  und  ansprechende  dieser  Conjectur  verkennen?  Aber 
doch  scheint  eher  of  nctQoKStxoi  gestrichen  werden  zu  müfsen.  —  III, 
50,2:  Oavo(SxqaxYi.  So  die  Yulg.  und  der  Yen.,  in  drei  Hss.  steht: 
OavvoaxqaxYi^  ^  quod  non  reiciam'  M.  p.  145.  OavoiSxqixi]  und  (2>a- 
vooxqaxog  sind  gerade  auch  in  Attika  so  häufig,  dafs  jene  seltenere 
Bildung  schwerlich  den  Yorzug  verdient.  —  III,  51,  3:  olct  y^Q  xa2 
veovQyeiv  iTttxeiQovöiv:  Hrn.  M.s  Yorschlag  ola  yctq  KuivovQysiv  p.  146 
will  Cobet  S.  137  aufgenommen  wifsen;  ich  darf  wohl  erinnern,  dafs 
ich  ebenso  (ola  yag  ola  Tiatv,)  geändert  hatte,  NJahrb.  Bd.  LXYIII 
S.  46. —  Ebd.  Kai  vdQi>rjKag  iniQQrjyvvvxsg  xai  öKvxeaL  xaJ  xotg  akXoig 
[iiäatv  avxl  naiötäg  nXr^xxovxeg,  Das  unpassend  erscheinende  alXog 
wandelt  Hr.  M.  p.  146  in  xoig  noXloig  tfiaatv^  multisque  Ulis  ßagriSj  wie 
III,  52,  3:  ftera  tcv^  xal  alörjgov  aal  xag  TtoXXag  ßa<Savovg.  Falls  jenes 
aXioi  in  der  seit  Homer  üblichen,  nur  zu  oft  verkannten  Weise  in  der 
That  nicht  statthaft  ist,  so  wünschte  ich  wenigstens  ein  ausdrucksvolleres 
Adjectivum  als  TtokkoL  Man  dürfte  dann  wohl  an  xoig  aaxgayakoDxoig 
t^Laaiv  denken.  Ygl.  Posidon.  bei  Athen.  lY  p.  152  F:  anoGJtao^äg 
xov  ;^afiat7r£rov5  öeltwov  Qccßöo^g  Kai  [iiä<Siv  aöXQayaXcaxolg  iiaöxiyov- 
xaL,  Hier  ist  zwar  von  einer  parthischen  Sitte  die  Rede;  dafs  aber 
jenes  Prügelinstrument  auch  sonst  bekannt  war ,  erhellt  aus  Plut.  mor. 
p.  1127  C:  ovöi  fiddxiyog  iXsvd'iQug  öso^svog  dXXa  xijg  aGxgayaXcaxijg 
iKclvi]^^  ri  tovg  FaXXovg  nlrjtnieXovvxag  iv  xoTg  MtjTQcpoig  noXa^ov- 
iSiv^  und  der  Parasit  hat  hier  die  ihm  wider fahreno  Mishandlung  als 
eine  recht  arge  darzustellen.    Gleichwohl  scheue  ich  mich,  im  Texlc 


626  A.  Heineke:  Alciphronis  rhetoris  epistolae. 

zu  ändern.  —  Ebend.  4:  i^ol  yivoito^  nQO^iom  ^A%rjyci  xal  nokun)%a 
xov  a0xtoq^^A^rivrfii  %ai  ^mai  nai  xov  ßiov  uTColinBiv  Sfistvov  ya^ 
7CQ0  xfig  Jiofiritöog  nvXrjg  rj  nQO  xcSv  ^iTtTtaScav  i^xdi-qv  KBia^ai  ve- 
x^ov  xv(ißov  [ov]  %BQi%vQ'ivxog  ^  ^  xrig  IlekoTtovvrialciw  evdai(tovlag 
civixe6d'aL  Gegen  die  alte  Lesart  ncaelö&ai  vskqov  und  für  Aufnahme 
des  Berglerschen  neta^ai  (vsia^at  hat  der  Yen.)  habe  ich  mich  früher 
ebenfalls  weitläufig  ausgesprochen  a.  a.  0.  S.  61  ff.  Nun  ist  aber  von 
Hrn.  M.  p.  147  das  überlieferte  xvfißov  7t£Qi%v^ivxog  mit  Nachdruck 
bestritten  worden:  ^  qnibus  verbis  cum  rei  atrocitas  non  parum  minua- 
tur,  sie  ut  nunc  scripta  sunt  parasitum  uti  non  potuisse  apertum  est. 
Quo  accedit  quod  non  sepultorum,  sed  insepultorum  hominum  corpora 
recte  ixradi^v  KELC&ai  dicuntur.  Non  igitnr  dubitandum  videtar ,  quin 
scribendum  sit  xvfißov  [ov]  neQi%v\>ivxog  sive  malis  [ovdi]  xv^ßav  n»- 
QiXv&ivxog.  Idque  verum  esse  etiam  hoc  documento  est,  quod  ante 
Hippades  portas,  quae  ex  Piraeeo  venientes  in  urbem  ducebant,  8ce> 
leratorum  et  qui  ipsi  sibi  manus  intulissent  cadavera  insepulta  proi- 
ciebantur.  Vid.  Plato  rep.  IV  p.  439  £ :  Asovxiog  6  ^Aykatfovog  vtog 
avimv  i%  üeiQaicig  vtco  xo  ßoquov  xel%og  inxog  ala^avoiisvog  vBK^fOvg 
TttxQcc  xä  öti^Ig)  Tcet^ivovg  a^a  fiev  lötiv  ini^vfioi  Sfia  ö  av  dvC%B' 
galvot.^  Nicht  aus  Widerspruchsgeist,  sondern  weil  ich  mich  von  der 
Richtigkeit  dieser  Beweisführung  nicht  habe  überzeugen  können,  er- 
hebe ich  im  nachstehenden  meine  Bedenken.  K.,  um  dies  vorweg  ab- 
zuthun ,  möchte  S.  436  die  Worte  xv^ißov  [ov]  %BQt%v^ivxog  für  on- 
echt  halten:  vermissen  würde  man  sie  schwerlich,  aber  ebenso  wenig 
ist  glaublich,  dafs  sie  als  Glosse,  etwa  zu  ixxccöiiv  TUia&ai  vfx^, 
in  dieser  Form  zugeschrieben  und  nachmals  in  den  Text  selbst  gera- 
then  seien.  Mufs  demnach  zwischen  xvfißov  neQixvd-ivrog  und  xv^ßinj 
[ov]  TteQixvOivxog  (ovöh  xv^ißov  neQixv^ivxog)  eine  Entscheidung  ge- 
troffen werden ,  so  mag  zunächst  ungefragt  bleiben ,  warum  doch  Ale. 
statt  xvfißov  ov  TtBQixvd'ivxog  nicht  das  natürlichere  (^axaipovj  oTtSQ- 
Qtl^fiivov  oder  so  etwas  vorgezogen  habe.  Aber  auf  Hrn.  N.s  ersten 
Grund,  r.  oi;  n,  mindere  die  atrocitas  rei,  läfst  sich  erwiedern,  dafa 
es  dem  Parasiten,  welcher  sicherlich  das  Leben  und  dessen  Genufsals 
der  Güter  höchstes  betrachtet,  schwerlich  etwas  verschlägt,  keinen 
Grabhügel  über  sich  zu  haben,  d.  h.  unbeerdigt  hingeworfen  zu  wer- 
den. Das  fürchterlichste  für  einen  solchen  Vergnügung  ist  der  Ge- 
danke, todt  zu  sein  und  daher  nicht  mehr  geniefsen  zu  können.  Eine 
Versicherung :  ^  ich  will  in  Athen  lieber  todt  sein  als  im  Peloponnes 
schwelgen'  ist  in  seinem  Munde  die  denkbar  kräftigste,  um  seinen 
Abscheu  gegen  die  Pcloponnesier  auszudrücken.  Und  wie  sollte  der 
Parasit  nur  auf  den  Gedanken  kommen ,  er  werde  nach  seinem  Ableben 
ohne  Begräbnis  bleiben,  da  dies  blofs  vernrtheilten  widerfuhr,  mit 
welchen  sich  gleichzustellen  jener  keine  Veranlafsung  hatte.  Hrn.  M.s 
zweiter  Satz  über  die  Bedeutung  von  ixia^i/v  xiia^ai  trifft  zu ,  inso- 
fern dieser  Ausdruck  von  schlafenden  (Ale.  HI,  55,  7)  oder  von  todten 
steht,  die  erst  noch  zu  bestatten  sind,  wie  III,  22,  3  (wo  Cobet  S. 
131  peTii^ov  tilgt),  III,  72,  4,  Lucian  dial.  mort.  VII,  2.    Warum  sollte 


A.  Meineke  tJAlciphronis^rhetoris  epistolae.  627 

man  jedoch  nicht  aach  voa  einem  beerdigten  sagen  können:  iura- 
ihpf  KBirai^  er  liegt  ausgestreckt,  d.  h.  ohne  Regang  und  Empfindung 
in  seinem  Grabe?  Der  Begriff  der  Bestattung  tritt  hier  eben  durch 
tviißov  TCBQixv^ivtog  hinzu.  Die  steigernde  Ausführlichkeit  aber: 
inraStiv  nsia^ai  —  vbkqop  — ;  tv^ßov  neQixv^ivrog:  ausgestreckt 
dazuliegen  —  als  todter  —  den  Grabhügel  über  sich  —  scheint  im 
Munde  des  Parasiten  recht  feierlich  zu  bekräftigen,  dafs  er  im  Vater- 
lande ,  in  heimischer  Erde ,  lieber  mausetodt  und  begraben  seiu  wolle 
(wie  umgekehrt  Scipio  der  Heimat  nicht  einmal  seine  Gebeine  gönnte), 
als  in  Korinth  Wohlleben  (angenommen  die  Worte  tijg  IIskoTCovvriclcDv 
eidai^ovlag  avix^a^ai.  seien  echt,  wovon  nachher).  Endlich  ist  es 
zum  dritten  mit  dem  aus  der  Localitat'entnommenen  Argumente  schwach 
bestellt.  Denn  das  tvfißov  [ov]  7t£Qi%v^ivrog  würde  höchstens  auf  die 
Gegend  vor  dem  Reiterthore  passen  (vgl.  Rofs.:  das  Theseion  S.  XIV. 
S.  47  Note  138  und  Forchhammer:  Topographie  von  Athen,  Kiel  1841 
S.  85).  Dagegen  ist  mir  wenigstens  nicht  bekannt  und  auch  von  Hrn. 
M.  nicht  beigebracht,  dafs  gleic^rweise  vor  dem  diomeischen  Thore 
die  Leichname  von  Verbrechern  auf  den  Anger  geworfen  wurden.  Die 
Erwähnung  dieses  Thores  würde  daher  sehr  auffällig  und  unange- 
mefsen  sein.  Ueberdies  aber ,  und  das  ist  wesentlich ,  wäre  es  irrig 
zu  glauben,  vor  dem  Reiterthore  hätten  nicht  auch  andere  ehr- 
liche Leute  ihre  Ruhestätte  gefunden.  Denn  der  sog.  Plutarch 
schreibt  im  Leben  des  Hyperides  §.  14  p.  849  C:  of  d'  iv  Kl6(ovatg 
iato^avHv  axnhv  XiyovCiv  —  xovg  o  olneCovg  xa  6<ncc  Xaßovrceg  ^a- 
TlKct  xe  äfia  xoig  yaveva^v  nqo  xwv  ^Imtadtov  ttvAcov,  &g  qniCiv  ^Hkio- 
dooQog  (JtQÖm^og)  iv  xip  xqLxfp  %bqI  iivri(iccx(ov,  inn/l  dh  xccT^i^Qeinxai 
x6  fiv^fia  Tuici  iiSxiv  aÖi^kov,  So  gelange  ich  zu  dem  Schlufse,  dafs 
die  Worte  xvfißov  7tSQi%v^ivxog  beizubehalten  sind ,  wenn  gleich  ihre 
Entbehrlichkeit  an  und  für  sich  zugegeben  werden  soll.  Am  Ende  hat 
Cobet  evöaifioviag  avixeo&cet  S.  137  als  *corruptum'  bezeichnet.  Ver- 
langte er  etwa  einen  Ausdruck  wie  vTtBqrfpavlccgl  Aber  Bvdai^ovki 
scheint  mit  Bezug  auf  die  x^q>tifi(na  §.  1  und  die  schnöde  Behand- 
lung, welche  Laimokyklops  §.  3  erfahren  hat,  ironisch  aufgefafst  wer- 
den zu  können.  —  lll,  53,  3:  evxofisvog  xot^  anoxQOitaloig.  Cobet 
fügt  S.  137  &sotg  hinzu.  Das  ist  indes  nicht  nothwendig,  s.  Flut.  mor. 
p.  159  F:  ovx  AaxXrptifp  dvoo^sv^  ovx  aitoxQonctloig,  Und  so  sagt 
Ale.  selber  lll,  35,  1  kurzweg:  xixhvxaL  x(p  vexla  (Zsvg  vinog^  Rofs 
inscr.  Gr.  ined.  11  n.  175,  3  p.  61).  —  Ebend.  4:  btiunrig  xig  xal  de- 
^ibg  ix  xav  dcaf^rj^axav  (pccvslg.  An  den  dcDQiqficcxa  stofse  ich  mit  Hrn. 
M.  p.  148  und  K.  S.  436  an,  weil  die  Bezeichnung  eines  unrecht- 
mäfsigen  Erwerbes  des  vom  Parasiten  verschenkten  Gutes  fehlt.  Da 
nun  des  Hrn.  Hg.  qxaQccfiaxonv  kein  sonst  erweisliches  Wort  ist  und 
dessen  an  und  für  sich  treffliches  idioifffiaxcmf  von  dcogruiaxcov  zu  weit 
abliege,  so  schiebt  K.  xoiovxtov  ein.  Vielleicht  läfst  sich  auch  ix  rcov 
^ttdiovi^rHiaxav  hören.  Vgl.  Polyb.  IV,  29,  4:  xo  rwv  §aiiovQymv 
xal  xkmxcSv  <pvkov^  und  hier  heifsen  unmittelbar  vorher  die  ver- 
schenkten Gegenstände  (^  XV^^ci  xcrt  to  loitadt^)  xa  lil^vce  xmv 


628  A.  Meineke:  Alciphronis  rhetoris  epistolae. 

%Xefificct(Ov.  Sollte  aber  der  Piuralis  Bedenken  hervorrufen,  wie  denn 
K.  deshalb  mit  an  adiKruiarmv  ansliefs,  so  ist  es  ja  ein  zwiefacher 
Frevel,  erst  zu  stehlen,  dann  das  gestohlene  zu  verschenken,  am  sich 
dadurch  einen  Freund  zu  machen.  —  III,  54,  3:  i](ifiv  old  tig  Zmaf^ 
tiitrig  avfiQ  inl  tov  ßoDfiov  tilg  ^ÖQ^lag  rvTCroiuvog,  Die  Ausleger, 
welche  das  handschriftliche  Ilv&lag  mit  Recht  geändert,  Haben  hier 
unbemerkt  gelafscn ,  dafs  avrjq  den  sonstigen  Nachrichten  Ober  die 
diccficicxfyoDöig  nicht  entspricht.  So  weit  ich  nachzukommen  im  Stande 
bin,  werden  dabei  aberall  nur  naideg,  Sg)rißoi,  pueri^  aduiescentes 
erwähnt,  s.  Uaase  zu  Xenoph.  de  rep.  Laced.  p.  63.  Den  Text  zu  be- 
zweifeln ,  kommt  mir  jedoch  nicht  in  den  Sinn.  —  III,  57,  1 :  K(H}vIuv 
iviSxcLvt(ov  ^Iq>iXQaTldag  (tot  veov^stg  iTtifiipB  ta  jdq6(i(Ovi  öovq  xofi^ 
gfiv  6  öi  hd  xavtaig  iß^tvdvsro  xal  fiiö^ovg  xrjg  ÖMXOviag  untijtu. 
So  oft  ich  diese  Worte  lese,  ist  mir  das  blofse  veov^itg  anstöfsig. 
Stand  etwa  urspranglich  ovdh  vsavgyeigt  —  lil,  60,  I:  ug  yicQ  iXov- 
iSavxo  ol  TtoXXoi  xorl  (isdovaa  viv  rffAigcc:  wenn  TtoXkol  wirklich  cor* 
rupt  ist  (s.  M.  p.  154),  so  ist  freilich  ^icht  mit  Schwarz  TtXovaiot  dafOr 
zu  lesen,  da  gleich  vorher  steht:  xfjv  ßdtXvqLav  rcSv  ixBiCt  nXovcUav 
r,c(l  xriv  Tcov  nsviljxGiv  aOA«OT?^a,  sondern  eher  nsQiovOUii  (M.  za  III, 
73,  2  p.  163)  oder  ewtogoi^  und  man  hat  dann  anzunehmen,  dafa  die 
ärmeren  gar  nicht  badeten,  sondern  blofs  die  reichen  vor  Tische,  nm 
sich  Appetit  zumachen,  s.  Becker  Charikles  II  S.  135.  Inz^iseheo 
dulde  ich  jenes  TtoXXal.  —  III,  61, 1 :  otccl  ovx  ovxcd  fAB  idanviv  ^  vß(f§g 
oaov  x6  nocQ*  ava^lov  vTCOfiivetv.  Auf  diese  Emeudation  Hrn.  K.s  p. 
155  statt  der  Vulg.  o<sov  x6  nciQ*  a^lccv  imofiiveiv  führt  der  Zasammeo- 
hang  unwiderleglich. '  Nun  hat  aber  der  Yen.  oaov  x6  Ö'i  aqnv  xov 
vßqliovxog^  worin  wiederum  der  glückliche  Scharfsinn  des  Hrn.  Hg. 
xo  dta^o^ov  entdeckt,  ^quamdiversa  eius  qui  me  contumelia  affecit 
condicio.'  Allein  für  die  Hand  Alciphrons,  wozu  Hr.  H.  geneigt 
scheint,  dürfte  dies  nicht  zu  halten  sein.  Tausche  ich  mich  nicht,  ao 
bemerkte  ein  librarins  zu  dem  echten  o<sov  xo  naq'  ava^iov  vTCOfilvuif 
erklärnngsweise:  6ia  xb  diacpOQOv  xov  vßql^ovxog^  wovon  im  Yen. 
nur  jenes  xo  ö'i  aq>ov  xov  vßg,  sich  in  den  Text  verirrte.  IlaQ^  aya- 
^Lov  bedurfte  allenfalls  i^iner  Erläuterung,  weshalb  es  auch  Cobei,  der 
es  für  echt  ansieht,  S.  141  tadelt  unter  Yergleich  von  Cic.  Fbil.  111,9. 
Dagegen  konnte  xo  öidtpoQOv  xov  vßqt^ovxog  kaum  zu  einer  Gkiaae 
060V  xo  Ttaq  ava^iov  VTio^iivHv  Yeraulafsung  geben.  —  III,  62,  4:  o 
(loi^og  dnoXBlxai  ^tpccvoig  X7]v  edgav  ßsßvöfiivog^  ff  (iiaQot  di  ywfi 
xiösi  xrjv  a^lav  xfjg  a%oXaaiag  öUrjv^  ü  ft^  üoXidyQOV  xov  Kvqrav 
fiaXaHcixsQog  iöxi  xd  xoiccvra  AvaLxXyjg-  ix£ivog  ydg  XvxQa  ycoQa  tüv 
(loixav  inl  xy  ya^iexy  nQaxxofievog  d^movg  xijg  xifimglag  rig>Ui.  SItU 
der  noch  von  Seiler  unbeanstandet  durchgelafsenen  Yulgata  xaKtoxei^ 
hat  Hr.  M.  p.  156  aus  dem  Yen.  das  auch  von  mir  empfohlene  fcoAa- 
Ticixeqog  hergestellt.  Mir  unerwartet  will  aber  Cobet  S.  143  ßXaxtnfi- 
XBQog.  Von  Dummheit  und  Einfalt  ist  hier  schwerlich  zu  sprechen. 
Foliagros  trieb  die  Nachsicht  nur  so  weit,  dafs  er  Geld  von  den  Bnh- 
lern  seiner  Frau  naffln  (eine  auch  sonst  bezeugte  Schäudiiohkeit,  •. 


A.  Meincke:  Aiciphronis  rhetoris  epistolae.  620 

Meier  u.  Schömann  aU.  Proc.  S.  328  Anm.  10).  Dabei  war  er  so  wenig 
ßka%i7i6g^  dafs  er  nach  gemeiner  Ansicht  eher  schlau  heifsen  konnte, 
weil  er  durch  die  iiccargonela  (PIul.  mor.  p.  27  C)  viel  Geld  gewann. 
Lysikrates  aber  wOrde  noch  glimpflicher  verfahren,  wenn  er  den  Galan 
und  die  Ehebrecherin  gar  nicht  bestrafte.  Weiter  verdächtigt  K.  S.  436 
den  ganzen  Satz  i%Btvog  yccQ  —  riq)Ui  als  ein  Einschiebsel,  ich  würde 
ihn  ungern  mifsen;  Stellen  wie  HI,  66,  1:  ßceöi^dg  Xca  rovro  dr}  to 
Tov  koyov  üd^okXbi  sind  doch  anders  beschaffen.  Endlich  streicht  Co- 
bet  S.  143  rijg  xiinioqiag.  Dann  wäre  ein  gleiches  wohl  auch  111,  40,  4 
za  thun:  xovg  öe  ctvöqanodiiovTCig  ctito  tov  fpqovxlluv  rovg  viovg 
a^ipovg  elvai  xrjg  xificoQLag  aniUnov^  wo  Gebet  S.  133  nur  dvai  ein- 
klammert [ebenfalls  ohne  Noth,  s.  III,  3,  4:  öneq  (Jukiciov)  Ttora  ei;- 
TTO^cov  T^  yc^itAfTj}  ^ioCiiov  elvui  nsQiavxivtov  iTtercogUeiv  (?)].  ^A&aog 
^rifilccg  wird  im  Pariser  Stephanus  auch  aus  Porphyr,  de  abstin.  1,  9 
beigebracht.  —  111,  63,  1 :  ola  ßovXivovxcci  %al  öiavoovvxat  cct  &BOig 
iyfiqal  kcaaxQvyoveg  avxai:  die  für  Acr^ar^ti^oreg  vorgeschlagenen  Aen- 
derungen  akaaxoQBgj  kaianvyovsg ^  kaiKciaxQiai,  s.  M.  p.  156  f.,  ge- 
nügen sänimtlich  nicht  recht;  ebenso  wenig  sagt  Bergks  von  Seiler 
p.  377  gebilligte  Deutung  des  Wortes  (Aa/,  kalg^  XQvyciv)tn,  An  fAcc-  ' 
CXQVsg  zu  denken ,  verbietet  die  Fraglichkeit  der  Form  bei  Photius 
lex.  p.  249,  13,  vgl.  Zonaras  p.  1335  (^ficcxigsg).  Am  Ende  ist  aber 
XcttCxgvyoveg  doch  echt.  In  den  Glossarien  des  Labbaeus  p.  326  der 
Lond.  Ausg.  steht:  Slriya  kioöXQvyav ^  xal  yvvrj  fpccQfiaxlg^  x^ficoA/cr, 
yivog  OQviov.  Wenn  man  dafür  richtig  kaKfx^yciv  gebefsert  hat,  so 
wird  beim  Ale.  das  Schimpfwort  (Nachteule  oder  Hexe)  hinzu- 
nehmen sein.  —  III,  65:  Jlt^layoovog  ^Ryoftajfco :  den  erstem  Namen  las 
Bergler  IIrj^ccyri(pvog;  in  F  steht  Ilrj^dyKGifiog  ^  im  Veh.  Ilrj^ccyüavog 
^  atque  hoc  haud  dubie  verum  est.  Ilri^ceyKmfiog  est  qui  in  certamine 
obrigescii^  respondetque  alteri  nomini  'Piyotiaxog^  M.  p.  158.  Ich 
hatte  üxri^aycovog  ^ Duckekampf'  versucht,  gebe  aber  dem  Cobet- 
schen  Tlri^ayTiODvog  (Lucian  conv.  14:  9Uicxaßcck(av  iavxov  iTietxo  fffil- 
yvfivog^  äcTtSQ  rJTtHkrJKei.  nri^ag  xov  ayKäva  ogd^ov^  Ixtav  a[ia  xov 
CHvq>ov  iv  xrj  ös^iä)  gern  den  Vorzug ,  dellA  es  kommt  der  handschrift- 
lichen Ueherlieferung  am  nächsten.  —  III,  69.  Mnesilochos  hat  erfah- 
ren, dafs  seine  Gattin  Ehebruch  treibt,  nnd  ihr  deshalb  einen  Eid  zu- 
geschoben: ciyayovacc  ovv  ccvxbv  ri  yvvrj  elg  x6  KakklxPQOv  xo  iv  Ekev- 
elvi  (pqiciQ  aitüifioaaxo  xal  aTtskvaccxo  xriv  alxlccv,  xal  6  fihv  cc(Aoyrftl 
ninsiaxai  xal  xrjv  vno'^l^iav  inißakev,  Cobet  streicht  S.  144  die  Worte 
xal  anekvaaxo.  Der  einzige  Grund,  welchen  ich  für  dieses  Verfahren' 
sehe,  ist  dafs  sie  nicht  nöthig  sind.  Ale.  häuft  aber,  wie  mehrmals 
ermahnt,  Synonymen  nicht  ganz  selten.  Dann  verlangt  jener  Kritiker 
statt  afioyrp:l  (Veu.)  die  Vulgata  afiriyinri  zurück.  Weil  nicht  zu  sa- 
gen war:  der  Ehemann  hat  sich  einigormafsen  von  der  Treue 
seiner  Frau  überzeugen  lafsen,  sondern  leicht,  ohne  Mühe,  so 
war  auch  mir  vordem  afiayrixl  befser  erschienen.  Hr.  M.  bemerkt  p. 
161,  das  Wort  sei  poetisch,  doch  habe  es  auch  Cinnamus  hist.  1,4 ge- 
braucht.   War  dies  für  Cobet  dttr  Hauptanstofs ,  so  ist  ihm  zu  begeg- 


630  A.  Meineke:  Alciphronis  rhetoris  epistolae. 

nen.  Beide  Gelehrte  erinnerten  sich  nicht,  dafs  sie  bei  Lacian  navig. 
21  g^elesen  hatten:  fj  aif  öi^rj  tvccq^  avrov  afioyrp:l  ov  <Sxvq>ov  alü 
ZtCvcpBiov  u  ßccQog  dvadtdovTog;  —  Hier  breche  ich  ab  und  erwähne 
biofs  noch ,  dafs  Hr.  Meineke  den  Alciphron  für  die  Teubuersche  Biblio- 
thek übernommen  hat.  Von  dieser  neuen  Ausgabe  erwarte  ich  in  ge- 
ziemender Bescheidenheit  belehrende  Auskunft  über  vieles,  was  im 
vorstehenden  besprochen  worden  ist.  Der  ehrenwerthe  Verleger  aber 
hat  auch  das  vorliegende  Buch  in  einer  dem  innern  Gehalt  entsprechen- 
den Weise  ausgestattet. 

Pforte.  Karl  Keil. 


Neuhochdeutsche  Schulgrammaiik,  Mit  Rücksicht  auf  Sprachver- 
gleichung bearbeitet  von  Karl  August  Julius  Hoffmann  j  Director 
des  Johanneums  zu  Lüneburg.  Zweite,  grofstenteils  umgearbei- 
tete Auflage.  Clausthal,  Druck  und  Verlag  der  Schweigerschen 
Buchhandlung.     1853.     XX  u.  279  S.  8. 

• 
Diese  Grammatik  unterscheidet  sich  von  der  vom  Ref.  oben  S. 
473  if.  angezeigten  von  Koch  ihrem  Zwecke  nach  dadurch ,  dafs  sie 
nur  für  Gymnasien  und  zwar  nach  der  Ansicht  des  Ref.  nur  für  die 
o\)erste  Classe  derselben  bestimt  ist.  BTanches  zwar  scheint  dem  xa 
widersprechen,  so  die  ausfürliche  Behandlung  der  Interpunctionslehre, 
die  Ref.  einer  frühern  Stufe  vindicieren  würde,  die  abstracten  Defini- 
tionen im  Anfang,  die  hernach  immer  wiederkehren:  was  in  diesen 
für  den  Schüler  brauchbar  ist,  das  weifs  ein  Primaner  schon  (wai 
Diphthong  u.  s.  w.  ist);  Definitionen  von  Laut,  Wort,  Satz,  Rede, 
Sprache  aber  passen  so  wenig  in  die  Schule  wie  die  anatomische  Aus- 
einandersetzung über  Kehlkopf  und  Stimmbänder  (S.  5)  in  eine  Gram- 
matik. —  In  2  b  sind  unter  Schwächung  auch  die  Brechungen  o  und  e 
begriffen;  Ref.  würde  den  Ausdruck  Schwächung  eben  nur  auf  die  En- 
dungen bezogen  und  die  Brechungen  o  und  e  getrennt  haben.  —  Die 
Aufzälung  der  Worte ,  in  denen  h  ursprünglich  ist  (S.  9),  gehört  doch 
wol  eher  in  die  Orthographie  als  Schranke  für  das  Abschaffen  des 
Dehnungszeichens:  in  der  Lautlehre  ist  keine  Veranlafsung,  alle  Worte 
in  denen  ein  bestimter  Buchstabe  vorkommt  aufzuzeichnen. —  Die  Be- 
merkung auf  S.  10,  weiche  Consonanten  können  sich  zuweilen  verhirten, 
wäf e  schärfer  zu  fafsen :  die  Media  wird  vor  Tennis  zur  Aspirata  und 
die  Aspirata  der  Aledia  zur  Aspirata  der  Tennis,  h  zu  cA,  welches 
letztere  freilich  nur  die  Schweizer  mit  dem  ihm  zukommenden  Laote 
aussprechen.  Bei  der  Lautverschiebung  bemerkt  der  Vf. :  das  Neuhoch- 
deutsche geht  in  mehreren  Fällen  wieder  auf  das  Gothische  zurück, 
am  meisten  in  den  Auslauten :  diese  Aehnlichkeit  zweier  sich  so  fern 
liegender  Sprachstufen  reduciert  sich  aber  darauf,  dafs  das  nhd.  das 
Gesetz  des  mhd.,  wonach  die  Tennis  im  Aaslaut  steht,  aufgibt,  und 


K.  A.  J.  Hoffmann:  neuhochdenUche  Schulgrammatik.    2e  Aafl.     631 

im  Inlaat  einige  ConsoDanten  abschwächt,  villeicht  unter  niderdent- 
schen  Einflüfsen,  da  ja  unsere  Schriftsprache  aus   einem  zwischen 
ober-  und  niderdeutsch  schwankenden  Dialekte  hervorgegangen  ist. 
Die  Bemerkung  hätte  aber  um  so  eher  wegbleiben  können ,  weil  sie 
das  Misverständnis  veranlafsen  könnte,  als  sei  dieses  Zusammentreffen 
etwa   ein  ebenso  regelmäfsiger  Process,  wie  die  Lautverschiebung 
selbst.  —  In  15  rechnet  der  Vf.  die  tieftonigen  Silben  zu  den  unbe- 
tonten, gewis  mit  Unrecht,  denn  ein  Wort  wie  Hausknecht  kann  recht 
gut  als  Spoudeus  gelesen  werden,  wie  das  der  Vf.  auch  selbst  sagt; 
auf  eine  tonlose  Silbe  aber  eine  Hebung  zu  bringen ,  gilt  als  Fehler. 
Wenn  der  Vf.  (S.  12)  sagt:  es  war  eine  Versmefsung  nach  Kürze  und 
Länge  nicht  mehr  möglich ,  so  hätte  diefs  schärfer  ausgedrückt  werden 
müfsen ,  um  dem  Misverständnis  vorzubeugen ,  als  sei  überhaupt  je 
eine  solche  Versmefsung  bei  uns  gewesen  und  als  habe  erst  Opitz  die 
Mefsung  nach  Hebung  und  Senkung  eingeführt.  —  Gehört  der  ^  Rede- 
ton' in  die  Grammatik?  —  Im  4n  Cap.  handelt  der  Vf.   von  der  Or- 
thographie, und  dafs  er  Beruf  dazu  hat,  beweist  die  angemefsene,  ge- 
inäfsigte  Weise ,  in  der  er  die  geschichtliche  Orthographie  selbst  an- 
gewendet hat.    (In  einer  neuen  Auflage  kann  er  villeicht  hier  und  da 
weiter  gehu.)    Aber  ein  wifsenschaftlicher  deutscher  Orthograph  darf 
nicht  mit  den  grofsen  Anfangbuchstaben  anfangen  oder  gar  noch  neue, 
nicht  allgemein  übliche,  vorschreiben:  Ref.  hat  sich  immer  hessischer 
Lehrer  geschrieben,  nie  Hessischer,  wie  es  der  Vf.  will.    Regeln  über 
die  grofsen  Buchstaben  zu  geben,  müfsen  wir  denen  überlafsen,  wel- 
che von  Jacob  Grimm  nichts  wifsen  oder  nichts  wifsen  wollen.  • —  Die 
Verdopplung  der  Consonanten  nach  kurzen  Vocalen  hält  der  Vf.  nur 
für  eine  Schreibweise;  das  ist  sie  aber  nicht  allein.    Das  nhd.  hat  das 
Bestreben  sämtliche  einfache  Stammvocale  zu  verlängern  (S.  247);  wo 
diefs  nicht  geschieht,  verdoppelt  sich  nhd.  der  Consonant.  Es  ist  also 
nicht  blofs  eine  Art,  sondern  wirkliche  Position  und  die  Mediae  blei- 
ben auslautend  nur  deshalb  einfach,  weil  alle  Worte,  welche  mit  einer 
Media  schliefsen,  lang  sind.  —  Warum  will  der  Vf.,  dafs  alles,  was 
vom  Verbum  herkömmt,  mit  denselben  Buchstaben  geschrieben  wer- 
den soll?  Dem  Ref.  scheint  das  beinahe  pedantisch,  denn  dafs  Hoff- 
nung von  hoffen  kommt,  das  weifs  man  auch,  wenn  Hofnung  geschrie- 
ben wird.    Eine   Erweichung  des  sz  in  s  ist  nicht  anzunehmen :  in 
Schleuse  ist  sie  nicht  verbanden,  denn  die  ahd.  Form  sclüsa  zeigt, 
dafs  diefs  Wort  nicht  von  sliozan  kommen  kann :  langes  u  hat  sliozan 
in  keiner  Form  des  Ablauts  und  dafs  «  schon  ahd.  in  s  fibergegangen 
sei,  wird  niemand  annehmen  wollen.   Das  c  zeigt  uns  vielmehr,  dafs  es 
aus  dem  lat.  exclusa  entstanden  ist.    In  Kreis%  und  Loosz  ist  das  s  der 
'Aussprache   nur  die  Abstumpfung,  die  überhaupt  die  Verwechslung 
zwischen  si  und  ss  herbeifürte  und  die  in  Ober-  und  Mitteldeutschland 
so  weit  geht,  dafs  Jacob  Grimm  für  diese  Theile  Deutschlands  mit  Recht 
sagen  konnte,  dafs  s«  inlautend  als  ss  ausgesprochen  werde  (der  Vf. 
arteilt  S.  266  nur  von  seiner  nächsten  Umgebung  aus).    In  den  Neutris 
ist  das  s  statt  s«  zunächst  Willkür  der  Schreiber, 'wie  der  Unterschied 

iv.  3akrb,  f.  Pha,  u.  Paed.  Bd.  LXX.  Hft.  6.  41 


632      K.  A.  J.  Hoffmann:  neuhochdeutsche  Schulgrammatik.   Se  Anfl. 

von  das  und  dasa  zeigt ,  dem  sich  die  Sprache  anbequemte.  Der  Vf. 
will  Preussen  mit  ss  schreiben:  der  jetzt  gewönliche  lat.  Name  Bo- 
russia  scheint  dafür  zu  sprechen ,  aber  rm  Jahre  1567  verfafsten  Möriin 
und  Chemnitz  nicht  ein  Corpus  Borussicum^  sondern  ein  Corpus  Pru- 
thenicum  und  aus  dem  /  in  dieser  Form  ist  wol  das  sz  zu  rechtferti- 
gen. Zu  den  Verben,  welche  s  haben,  könnte  noch  kreisen  parlurire 
gehören.  In  Bezug  auf  Rusze  ist  der  Vf.  von  seiner  in  der  ersten  Auf- 
lage ausgesprochenen  Meinung  abgegangen,  ohne  einen  Grund  anzu- 
geben. Ob  Russe  so  ganz  sicher  zu  schreiben  ist,  könnte  bezweifelt 
werden,  da  schon  nihd.  neben  Eiuze  die  Nebenforn[\y?t/«e  vorkommt,  ob 
freilich  handschriftlich  hinlänglich  beglaubigt  und  sicher,  mufa  Ref. 
dahingestellt  sein  lafsen ,  da  der  Name  nihd.  sehr  selten  vorkommt.  — 
Die  Schreibung  der  Eigennamen  konnte  wegbleiben,  die  Schreibniif 
der  Fremdwörter  geht  eine  deutsche  Grammatik  nichts  an,  die 
Silbentrennung  gehört  nur  in  die  Elcmentargrammatik.  —  Was  die 
Declinalion  betrifft,  so  ist  30  und  31  wieder,  falls  das  Buch  für  die 
obcrn  Classen  bestirnt  ist,  ohne  Zweck,  ebenso  beim  Adjectivnm  48, 
bei  den  Pronominibus  52,*bei  den  Zalwörtern  69.  70.  —  In  33konBte 
doch  die  erste  Declination  naher  bestirnt  werden  als  die  Wörter  um- ' 
fafsend,  welche  im  Pluralis  nicht  umlauten,  und  villeicht  war  die 
zweite  Declination,  die  ja  nur  eine  bestimte  Wortclasse  umfafst, 
mit  dieser  zu  verbinden.  Der  Unterscbied  zwischen  Orie  und  Oerter^ 
Worte  und  Wörter  ist  ein  so  willkürlich  angenommener,  zu  Gunstea 
einer  später  eingedrungenen  Form  gemachter,  dafs  er  in  eine  Gram- 
matik höchstens  in  der  Weise  zu  passen  scheint,  dafs  er  eben  als  un- 
berechtigt bezeichnet  wird ;  ebenso  ist  es  mit  der  angeblich  verschie- 
denen Bedeutung  von  Sporne  und  Sporen.  —  In  36,  1  konnte  nock 
Schade^  Balke  und  als  ein  ursprünglich  schwaches  Wort  Besen  er- 
wähnt werden,  wie  denn  die  Ueberschrifl  mit  Rücksicht  auf  das  nhd. 
heifsen  konnte:  Nominativ  auf  e  und  fn,  denn  der  letztere  ist  nhd.  der 
bei  weitem  üblichere,  wenn  auch  unberechtigt.  —  Ob  dies  zu  achrei- 
ben ist,  wie  der  Vf.  58  glaubt,  möchte  ich  wegen  der  mhd.  Form  dU%e 
(noch  mundartlich  ditz)  bezweifeln.  —  67,  6  war  villeicht  zu  crwü- 
nen,  dafs  dieses  da  (ahd.  dar)  das  Demonstrativum  der  zum  Relati- 
Yum  macht.  —  Auch  in  der  Conjugalion  kann  viel  entbert  werden,  ao 
77 — 81  die  Auseinandersetzung  über  die  Genera  und  Tempora,  welche 
Schüler,  mit  denen  diese  Grammatik  getrieben  werden  kann,  längst 
schon  am  Lateinischen  gelernt  haben  müfsen;  ebenso  grenzt  die  Voll- 
ständigkeit des  Paradigtna  in  89,  die  seihst  die  reflexive  und  fragende 
Form  (nach  Art  der  französischen  Grammatiken)  umfafst,  andasflber- 
flüfsige.  —  Die  Formen  halst  ^  fliehst^  fichst^  die  nur  der  nachlftfsigen, 
Aussprache  ihre  Entstehung  verdanken,  dürften  in  einer  Granunt- 
tik  höchstens  gerügt  werden;  ebenso  ist  es  wol  mit  du  vergisU^  das 
villeicht  unregelmifsig  nach  Analogie  von  weist  und  must  so  ausge* 
sprochett  und  abgekürzt  wird.  —  Warum  der  Vf.  in  91  nur  drei  Stufen 
des  AblauU  aufgefflrt  hat,  ist  nicht  abznsehn,  da  werden  doch  nooli 
alle  vier  vollständig  zeigt  (der  Vf.  hat  diefs  Verbum,  das  regelmifsig- 


K.  A.  J.  Hoffmann:  nenhochdentsche  Scbalgraromatik.  2e  Aufl.       633 

flie  Ton  tUen  nenhocbdevUchan ,  nnter  die  onregelmSrsigen  Verba  ge- 
stellt, nur  wegen  der  Form  wurde)  und  in  92,  4  des  Ablautes  im  Prae- 
leritHm  Plur.  Erwinung  gescbiebt.  —  In  98,  3  ist  wol  pflegen  zu  til- 
gen, da  pflog  nur  selten  vorkommen  dfirfle  und  die  scbwache  Form 
die  bei  weitem  gewöbnlicbste  ist.  Dagegen  Ist  die  schwache  Form 
bei  rufen  und  hauen  (99, 5)  glücklicherweise  noch  so  selten  gebraucht, 
dafsjie  nicht  verseichnet  zu  Werden  brauchte;  dars  der  Umlaut  im 
Praesens  fehlt,  daran  ist  wol  eben  nicht  diese  schwache  Form  schuld, 
sondern  der  «-  und  oii-Laut,  der  dem  Umlaut  unzugänglicher  war  als 
«.  Ebenso  zweifelhaft  wie  die  Form  pflog  scheint  die  in  102,  1  vor- 
kommende dang  von  dingen  und  die  in  104,2  erwfinte  hebte  von  heben. 
Auch  in  der  Wortbildungsiehre  konnte  manches ,  als  dem  Zweck 
einer  Schulgrammatik  nicht  unmittelbar  entsprechend,  wegbleiben,  so 
185,  14  (fehlte  auch  in  der  In  Aufl.),  ferner  das  Hereinziehn  altnordi- 
scher Wörter,  die  Aufzdlung  nur  vermuteter  Verbalformen  in  143,  die 
Form  ul  149,  welche  wie  die  von  ur  wol  nur  eine  Abschwichung  von 
al  ist  und  den  Uebergangin  e/,  er  vorbereitet.  —  Das  lat.  Wort  pogi 
hat  mit  der  deutschen  Ableitungssilbe  aih  161  nichts  zu  thun,  ebenso 
wenig  das  blofs  ahd.  vorkommende  lat.  tunica  mit  der  Ableitungssilbe 
ik  166.  —  Holunder  gehört  gewis  nicht  zu  den  Ableitungen  auf  nd  in 
171,  denn  es  ist  wie  Wachholder  (das  demnach  auch  nicht  unter  Id 
zu  stellen  wftre)  eine  Zusammensetzung  von  hol  und  driu  (griech. 
d^g)  *der  Baum.'  —  Die  Zusammensetzung  hat  der  Vf.  durch  Prae- 
positionen  klar  zu  machen  gesucht;  doch  lafsen  sich  nicht  alle  Ver- 
hältnisse darauf  zurflckfaren  und  bei  einigen  Beispielen  wäre  der  Ge- 
netiv einfacher  zur  Erklärung  anzuwenden ,  so  in  Hausandacht^  Kirch- 
hofe Bettdecke  e  Angstschrei^  Notrufe  wo  wir  Ruf  der  Angst  ^  der  Not 
ebenso  gut  sagen ;  theils  sind  die  Erklärungen  auch  kQnstlich ,  wie  bei 
Fusutapfe^  Wagengleise^  wo  niemand  leicht  die  Praeposition  hinter 
vermuten  wird,  theils  lafsen  sich  andere  Praepositionen  ebenso  gut 
anwenden,  wie  bei  Geldnot ^  Geldmangel ^  Landterlust  ^  wo  an  näher 
liegt  als  durch.  —  Die  Wörter  Jfut'/flrnd  vind  ArtnbruU  184,  3  sind 
doch  gewis  eben  nur  scheinbare  Composita.  —  192,  3  konnte  fehlen, 
ebenso  200,  5 ,  wie  denn  die  ganze  Wortbildungsiehre  den  Ref.  für 
eine  Schnlgrammatik  zu  ausfUrlich  erscheint  und  schwerlich  in  diesem 
Umfang  in*der  Schule  durchgenommen  werden  kann. —  Der  Unterschied 
in  der  Betonung,  der  in  207  aufgestellt  wird  in  Besug  auf  das  Wort 
Abendsonnenstral^  scheint  um  so  mehr  kflnstlich  und  der  Erfarung 
nicht  entsprechend,  da  die  deutsche  Sprache  die  Neigung  hat  bei 
Compositis  immer  die  erste  Silbe  zu  betonen ,  sobald  diese  nur  irgend 
wie  selbständige  Bedeutung  hat.  -~  Ebenso  künstlich  scheinen  dem 
Ref.  die  vier  Abteilungen  der  Composita  mit  ein:  läfst  sich  nicht  £tft- 
bein  und  Einfusz  auch  auf  den  *  schlichen  Begriff  der  Einheit'  su- 
rflekfahren ,  ebenso  einsam  und  eingeboren  ?  In  wiefern  ligt  in  letx- 
term  Wort  die  Auszeichnung?  Eingebomer  Sohn  heifst  nÜht  mehr 
als  einziger.  Und  kann  der  Begriff  des  Hangels  nicht  auch  in  eintönig 
und  einseitig  gefanden  werden?  —    Ob  es  so  ganx  sieher  ist,  in  mit 

41* 


634      K.  A.  J.  HofTmanii:  nealiochdeutsohe  Scholgrammatik.  2e  Aufl. 


dem  Pronominalstamme  is  zusammenzostellen,  so  sicher  dafa  mto  dies« 
Zusammenstellung  in  eine  Schulgsammatik  aufnehmen  könnte,  ktiu 
bei  den  BerQrungen  zwischen  in  und  an  zweifelhaft  sein.  Nötig  iat 
dieser  vierte  Punkt  keinenfalls.  —  In  216  würde  Ref.  alle  die  Sob- 
stantiva  weggelafsen  haben,  zu  welchen  man  Adjectiva  setzen  kann: 
sie  sind  noch  als  Substantiva  lebendig  und  noch  nicht  mit  der  Prae- 
position  zu  6inem  adverbialen  BegrifT  erstarrt,  z.  B.  von  Hente^  we- 
gen der  Redeweise  von  gametn  Herzen  ^  in  Eile  —  in  groszer  EiUj 
mit  Mühe  —  mit  groszer  Mühe^  zu  Zeiten  —  zu  gewissen  Zeiten^ 
wahrend  wir  zu  von  Kind  auf^  hei  der  Hand  kein  Adjectivum  mehr 
setzen  können.  Dasselbe  gilt  wol  von  den  Verben:  zu  halt  setzen  wir 
einmal^  zu  Gott  loeisz  einen  Nebensatz  (nicht  so  bei  weisz  Gott);  sieh 
einmal  oder  sieh  einmal  an  kennzeichnen  das  sieh  noch  als  Verban, 
da  es  zusammengesetzt  und  mit  einem  Adverbium  verbunden  werden 
kann.  —  Dafs  die  Interjeclion  0  jemine  aas  0  Jesu  domine  und  nicht 
aus  dem  Sla vischen  kommt  (227);  bestätigen  die  Ausrufe:  Herr  Je(aiia}, 
O  Jf(stis),  neben  denen  Herr  Jesses  vorkommt,  das  den  Namen  noch 
deutlicher  zeigt.  Die  Verbindung  pfui  dich  an  ist  wol  ans  pfui  ich 
speie  dich  an  abgekürzt.  —  Liebchen  (229,  7)  ist  gewis  aus  dem 
Substantivum  entstanden,  der  ursprünglichen  Bedeutung* von  Liehe^ 
nach  ganz  gleich  dem  ciceronischen  deliciolae^  da,  wie  der  Vf. 
selbst  bemerkt,  es  keine  verminderte  Adjectiva  im  Deutschen  gibt.  — 
Das  ganze  Capitel  über  das  Genus  der  Substantiva  liest  sich  recht 
schön ,  aber  bietet  keinen  concreten  Stoff  zum  Lernen  für  den  Schüler. 
Was  die  Syntax  im  allgemeinen  betrifft,  so  tritt  hier  der  fast 
allen  neuern  Schulgrammatiken  anhängende  Feier  hervor:  der  Stoff 
ist  nicht  mit  bestirnter  Hinsicht  auf  eine  Lehrstufe  gesichlet.  Der 
Bemerkungen  über  die  Bedeutung  der  Ausdrücke  Subject,  Object  o.  8. 
w.  bedarf  ein  Schüler  der  obern  Classen  nicht,  sie  sind  also,  soll  die 
Syntax  in  den  obern  Classen  getrieben  werden,  unnützer  Ballast,  der 
den  Schüler  glauben  macht,  er  wifse  das  alles  schon  und  die  dentaehe 
Grammatik  könne  ihn  nichts  neues  lehren.  In  den  untern  Claaaen 
werden  diese  abstracten  Dinge  gleichfalls  befser  an  fremden  Spra- 
chen gelernt:  sie  an  der  deutschen  Sprache  lehren  ist  nicht  allein  un- 
nütz, sondern  geradezu  schädlich.  Die  liebe  deutsche  Gründlichkeit 
meint  aber,  es  sei  nicht  recht,  wenn  nicht  das  Systemchen  von  dem 
Grundstein  bis  auf  die  Wetterfahne  aufgebaut  sei.  —  Eine  denlacha 
Syntax  für  die  untern  Classen  hält  also  Ref.  für  unnötig,  eine  Syntax 
für  die  obern  mäste  das  eigentlich  deutsche  in  der  Syntax  hervor- 
heben (mit  Voraussetzung  der  allgemeinen  syntaktischen  Begriffe), 
natürlich  auf  historischem  Weg,  und  sich  demnach  von  Becker  gani 
frei  machen,  nach  dessen  Grammatik  man  ebensogut  kamtschadaliach 
oder  hotlentotisch  in  unsern  Schulen  treiben  könnte  wie  deutsch.  Die 
deutsche  Syntax  ist  freilich  noch  lange  nicht  zu  so  bestirnten  Reanl- 
taten  ;^ngt  wie  die  Formenlehre,  so  dafs  für  eine  Schnlsyntax  der 
deutschen  Sprache  die  Zeit  noch  nicht  gekommen  scheint.  —  In  der 
vorliegenden  Grammatik  fehlt  zwar  das  historische  nicht  ganz:  Besie- 


J.  Frei:  Schulgrammftlik  der  nenhochdentschen  Sprache.     635 

hangen  auf  mfad.  und  ahd.  Constructionen  sind  mehrfach  angebracht; 
aber  Princip  ist  es  nicht:  im  Princip  vilmehr  unterscheidet  sich  die 
Syntax  nicht  von  der  Beckerschen,  und  da  Ref.  diefs  mit  einer  eigent- 
lich deutschen  Syntax  nicht  vereinbar  halt,  deipnach  im  Princip  ab- 
weicht ,  so  hält  er  es  für  flberflafisig ,  um  einzelnes  2u  rechten ,  na- 
mentlich da  er  befärchten  mufs,  schon  bei  der  Betrachtung  der  For- 
menlehre zuviel  auf  Einzelheiten  eingegangen  zu  sein.  * 

SchutgrammaUk  der  neuhochdeutschen  Sprache.  Zum  Gebrauche 
beim  Unterricht  an  Gymnasien,  Lehrerseminarien  u.  s.  w.  bear- 
beitet von  Dr.  J.  fVel,  Oberlehrer  am  Gymnasiara  und  aufseror- 
dentlichem  Professor  an  der  Universität  Zürich.  Zürich,  bei  S. 
Hohr.  1853.  XII  u.  228  S.  8. 

Diese  Grammatik  unterscheidet  sich  wesentlich  von  der  eben 
betrachteten  dadurch ,  dafs  sie  ganz  ^d  gar  für  das  Neuhochdeutsche 
allein  berechnet  ist  und  die  früheren  Stufen  der  Sprache  nur  selten 
berücksichtigt.  Es  ist  nicht  zu  verkennen,  dafs  damit  für  die  Einfach- 
heit der  Darstellung  und  die  Verständlichkeit  viel  gewonnen  wird, 
und  so  ist  das  Buch  auch  der  Form  nach  klar  und  bestimt ,  ohne  un- 
nützen Stoff  beizutragen,  gerade  auf  den  Zweck  losgehend.  Auf  der 
andern  Seite  kann  es  nicht  fehlen,  dafs  die  abstracto  Grammatik  in 
dem  Buche  einen  bei  weitem  gröfsern  Raum  einnimmt  als  in  dem  oben 
betrachteten,  obgleich  auch  hierbei  wieder  anzuerkennen  ist,  dafs 
der  Vf.  sich  von  allgemeinen  Reflexionen  im  ganzen  frei  gehallen  hat. 
(Einzelnes  philosophische  hätte  doch  wegbleiben  können,  so  gleich 
der  §.  1,  namentlich  wegen  des  ausgesprochenen  Zweckes:  nicht  nur 
nm  die  Denkkraft  zu  scharfen ,  soll  sich  der  Schüler  mit  der  Sprache 
bekannt  machen,  sonder-n  damit  er  lerne,  sein  eigen  Volk  zu  verstehn 
und  in  der  Sprache  sein  Volk  wieder  zu  finden,  wie  er  es  in  Ge- 
schichte und  Litteratur  kennen  lernt.  Dasselbe  gilt  von  der  Einleitung 
in  die  Syntax  §.53,  1.  2.)  Die  Regeln  sind  alle  leicht  verständlich 
und  fafslich  ausgesprochen,  für  den  unmittelbar  praktischen  Zweck 
des  Erlernens  und  zwar  des  Erlernens  durch  Anfänger.  Es  sollen  nem- 
lich  die  grammatischen  Grundbegriffe  an  der  deutsche^  Sprache  ge- 
lernt werden,  ist  des  Vf.  Absicht,  deshalb  hat  er  jedem  lateinischen 
Namen  das  lateinische  Wort  zugefügt,  das  diesem  Namen  zu  Grunde 
liegt.  Ref.  steht  zwar  in  dieser  Beziehung  auf  anderem  Standpunkt 
und  hält  es  fast  für  eine  Mishandlung  der  edlen  Muttersprache,  sie 
dazu  zu  verwenden,  kann  aber  nicht  umhin,  die  kurze  praecise  Form 
der  Erklärungen  dieser  Namen  als  gelungen  zu  bezeichnen.  Ebenso 
mufs  Ref.  es  von  dem  Standpunkle,  den  die  Grammatik  einnimmt,  bil- 
ligen, dafs  die  eigentlich  unberechtigte  Form  des  Pluralis  auf  er 
(Männer)  der  alten  a-  und  i>  Declinalion  gleichgestellt  wird  (und 
ähnliches):  wird  nur  das  Neuhochdeutsche  behandelt,  so  ist  eine  sol- 
che Aufzälung  der  verschiedenen  Classen  der  Substantive  durch  die 
Sache  selbst  geboten ;  selbst  der  unberechtigte  Unterschied  von  Wori€ 


636     J.  Frei:  Schulgrammatik  der  neubochdeatsohen  Spraehe. 

und  Wörter  Urst  sich  in  dieser  Grammatik  eker  lesen  als  in  einar,  die 
uns  erst  über  das  unberechtigte  dieses  Unterschiedes  belehrt  und  ihn 
dann  doch  aufstellt.  —  Dem  abstracten  Standpunkt  der  Grannatik 
entspricht  es  vollkommen,  dafs  die  Flexionstabellen  einen  groCseD 
Raum  einnehmen  und  die  Tabellen  nicht  als  Wiederholung  der  Regeln, 
sondern  die  Regeln  als  Erklärung  der  Tabellen  auftreten ;  die  Gefahr 
des  Einpaukens  und  Abhaspeins  auch  dieser  Paradigmata  durch  un- 
kundige liegt  aber  um  so  näher,  da  sonst  in  dem  Buche  nichts  über- 
gangen werden  kadn,  nirgends  Stoff  zur  Auswahl  für  den  Lehrer  gege- 
ben wird,  sondern  stets  nur  das  notwendige;  unkundige  könnten  auch 
diese  Tabellen  für  nötig  hallen.  So  werden  alle  Fronomina  durch- 
flectiert,  selbst  ein  solcher^  eine  solche^  ein  solches.  —  Schleppende 
Bezeichnungen  wie  ^  beiwörtliches  und  hauptwörtliches  Mittelwort' 
hatten  sich  anders  ausdrücken  lafsen,  namentlich  da  hernach  doch  im- 
mer dafür  die  Namen  Participium  und  Inflnitir  vorkommen.  —  Haben 
und  werden  sind  in  ganz  absta|pter  Weise  als  Hilfsverbe  betrachtet 
und  zu  sein  gestellt.  Diefs  Verbum  kommt  nicht  etwa  erst  bei  den 
unregelmäfsigen  Verbis  vor,  sondern  gleich  vorn  —  weshalb,  kann 
Ref.  nicht  recht  einsehn,  da  das  vollständige  Paradigma  erst  spftter 
kommt  als  die  unregelmäfsigen  Zeitwörter.  Wie  übrigens  werden  und 
haben  mit  sein  in  Bezug  auf  die  Unregelmafsigkeit  auf  £ine  Stufe  ge- 
stellt werden  können,  begreift  Ref.  nicht,  da  diefs  mehrere  Stimme 
vereinigt ,  haben  und  werden  nur  wenige  Formen  contrahieren ,  sonst 
aber  ganz  regelm&fsig  gehn.  Der  Vf.  hat  dieft  selbst  gefühlt,  denn 
er  nennt  sein  das  einzige  eigentlich  unregelmäfsige  Hilfsverbnn. ' — 
Weshalb  der  Vf.  die  Erklärung  des  Praesens  als  Imperfectnm  Prae- 
sens in  §.  24  zu  einem  Namen  des  Tempus  macht  statt  des  einfachen 
Praesens,  wie  es  alle  Welt  nennt,  dazu  weifs  Ref.  keinen  Grund; 
dafs  eine  gegenwärtige  Handlung  noch  nicht  vergangen  ist,  liegt  in 
sehr  auf  der  Hand,  als  dafs  es  noch  einmal  gesagt  zu  werden  brauchte. 
Der  Ausdruck  Imperfectum  Futurum  aber  ist  eigentlich  noch  auffal- 
lender: was  zukünftig  ist,  ist  oft  noch  nicht  angefangen,  also  kann 
OS  auch  nicht  als  unvollendet  bezeichnet  werden.  Ref.  fürchtet,  dafs 
die  übergrofse  Klarheit  des  Unterordnens  unter  die  zwei  Begriffe  Im- 
perfectum un^  Perfectum  in  Unklarheit  umschlügt  und  die  Erklärung 
mehr  Erklärung  nötig  macht  als  die  Sache  selbst.  —  Die  Regel  wel- 
che am  Schlufse  des  Verzeichnisses  der  ablautenden  Verbt  gegeben 
wird:  man  wähle  die  starke  Form  als  die  ältere,  ist  in  Bezug  auf  ^in 
Wort  bedenklich:  frug  von  fragen  kann  man  jetzt  schon  in  Romanen 
u.  dgl.  Büchern  gedruckt  lesen  und  man  wird  es  oft  sagen  hören.  -— 
Die  Lautlehre  kommt  etwas  seltsam  hinter  der  Fle;cion  her,  da  wir 
schon  von  Umlaut  in  der  Declination  und  von  Ablaut  in  der  Conjuga- 
tion  gehört  haben.  —  Der  Vf.  erklärt  in  der  Vorrede,  die  Wortbil- 
dmigslchre  solle  cur  im  Anschlufs  an  die  Lehre  vom  Ablaut  verglichen 
werden ;  aber  das  ist  doch  nur  ein  Stück  der  Wortbildungslehre.  Die 
ganze  Vocallehre  passt  nicht  recht  zu  dem  Standpunkt  der  Gramma- 
tik: es  bleibt  abstract  und  todt,  wenn  z.  B.  gesagt  wird,  au  ist  ent- 


J.  Frei :  Schitlgr«iiiiMtik  der  neuhochdeotsohen  Sprtcbe.    637 

•linden  nos  ti,  ou(?)  and  aWj  ohne  dafs  auf  die  frühere  Entwicklung 
des  Vocala  zurückgegangen  wird,  and  hier  ist  ein  Punkt,  der  ans  das 
ÜBlernehmen ,  eine  wifsenschaftiiclie  deutsche  Grammatik  nur  auf  das 
neuhochdeutsche  zu  stellen,  als  ein  vergebliches  zeigt:  man  kann  sich 
der  frühern  Stufen  derSprachentwicklung  nicht  cntschlagen,  und  doch, 
greift  man  bei  Anfängern  stets  bber  deren  Standpunkt  hinaus  mit  sol- 
oben  Zurückweisungen:  Ref.  glaubt,  dafs  hieraus  die  Unmöglichkeit 
deutsche  Grammatik  mit  Anfängern  zu  treiben  hervorgeht,  namentlich 
da  selbst  der  Vf.  bei  aller  Beherschung  des^  Stoffes  und  Bewustsein 
des  Zieles  diese  Aufgabe  nicht  hat  lösen  können.  Einen  wolthuenden 
Eindruck  macht  die  Kürze  der  Wortbiidungslehre,  das  Weglafscn  un- 
nötiger Definitionen  und  Einteilungen  und  das  Verzeichnis  der  von 
ablautenden  Verbis  abgeleiteten  Wörter. 

Die  Syntax  ist  der  ilauptteil  der  vorliegenden  Grammatik:  sie 
nmfafst  vieles,  was  sonst  zur  Formenlehre  gerechnet  wird,  und  die 
Einteilung  wird  dadurch,  so  scharf  sie  ist,  doch  durch  die  Masse 
des  Stoffes  dem  Schüler  aus  den  Augen  gerückt.  —  Alle  Redeweisen, 
denen  einSubject  feit,  selbst /a  und  net»,  werden,  etwas  zu  ausfürlich, 
durchgenommen  (§.  55),  nur  um  den  Satz  zu  halten:  diese  beiden 
Glieder  dürfen  in  keinem  Satze  fehlen  (54,  3),  und  ebenso  abstract 
und  eben  nur  auf  eine  Grammatik  passend  ist  §.  56  d.  —  Das  Ver- 
zeichnis zufällig  gleichlautender  Worte  gehört  wol  eben  wegen  der 
Zufälligkeit  nicht  in  eine  Grammatik  und  ebenso  wenig  ist  das  fol- 
gende von  gleichlautenden  Wörtern  gleicher  Abstammung  und  ver- 
wandter Bedeutung  nötig.  —  Die  Trockenheit  der  Syntax  hat  der  Vf. 
nicht  ohne  Glück  mit  allerlei  dem  wirklichen  Leben  entlehnten  Notizen 
und  Bemerkungen  zu  unterbrechen  gesucht,  so  in  dem  §.  68  über  das 
persönliche  Pronomen  in  der  Anrede.  Wenn  der  Vf.  aber  von  der 
Anrede  mit  er  annimmt,  sie  sei  in  der  Absicht  entstanden,  dafs  man 
zeigen  wollte,  man  nehme  von  der  Anwesenheit  des  angeredeten  keine 
Notiz,  so  ist  diefs  entschieden  falsch:  die  Anrede  er  entstand  aus  der 
Gewohnheit,  den  Titel  bei  der  Anrede  zu  nennen  und  zwar  mit  dem 
bestimmten  Artikel:  Wenn  der  Herr  Doctor  mii  mir  gekn  «>o//fe,  ick 
wollte  ihn  an  einen  Ort  fuhren,  da  er  das  Wasser  besehn  könnte  — 
heifst  es  in  einer  Anekdote  aus  dem  16n  Jh.  —  §.  74  hätte  wol  befser 
oben  bei  der  Declination  seinen  Platz  gehabt,  ebenso  §.  77.  79.  Durch 
diefs  Hereinziehn  von  Stücken  der  Formenlehre  kommt  es  dafs  erst 
§.  80  eigentlich  den  §.  54  wieder  aufnimmt.  —  In  §.  81  d  würde 
Ref.  anderer  Ansicht  sein:  in  dem  Satze:  dies  sind  die  Berner  Alpen 
beweist  der  Plnralis  sind  deutlich,  dafs  das  letzte  Wort  Subjcct  ist 
und  nur  eben  das  Demonstrativum  die  Umstellung  bewirkt  hat.  War- 
um sollen  wir  eine  Unregelmafsigkeit  annehmen,  wo  keine  ist?  — 
Ob  85,  2  und  3  verschieden  sind,  möchte  Ref.  bezweifeln:  der  Unter- 
schied ist  der,  dafs  auch  zwei  Adjectiva  nachgestellt  werden  können 
und  das  nachgestellte  Adjectivum  (so  gut  wie  das  vorgestellte)  ein 
Adverbium  bei  sich  nehmen  kann.  §.  90  gehörte  wol  in  die  Wortbil- 
dungslehre. —  Der  Lebendigkeit,  womit  das  ganze  Bach  geschrieben 


638    J.  Frei:  Schulgrammatik  der  neahochdentschen  Spraelie.' 

ist,  entspricht  es,  dars  manches  syntaktische  fest  nur  durch  Beispiele, 
welche  ansern  Dichtern  entnommen  sind ,  nicht  durch  Regeln  gelehrt 
wird,  so  die  Constructionen  der  Verba  ^und  die  Adverbia.  In  %,  117 
— 119  und  145  ist  der  Vf.  davon  abgewichen  nnd  gibt  ErkUrnngen  so 
den  einzelnen  Conjuuctioncn ;  Ref.  würde  die  erste  Behandlungsweise 
Yorziehn :  der  Lehrer  mag  mit  den  Schülern  an  dem  einzelnen  Beispiel 
den  Sinn  des  Wortes  entwickeln.  Die  künstlichen  Einteilungen  der 
Nebensätze  aber  zeigen  uns  wieder  den  abstracten  Standpunkt,  von 
dem  der  Vf.  die  Syntax  aufgefafst  hat  und  der  bei  allen  Vorzagen 
doch  den  Unterricht  auch  nach  diesem  Buche  unlcbendig  machen  mufs. 
So  könnte  Ref.  sein  Urteil  über  die  Grammatik  fast  mit  den  Worten 
der  Dichterin  geben: 

Kurz ,  wenig  wüfst  ich  zu  tadeln  an  dir. 
Wärst  du  nur  völlig  ein  andrer. 
Hanan.  Otto  Viltnar. 


Elementarbuch  der  hebraeischen  Sprache  von  Dr.  G.  H.  Seffer. 

Leipzig  1845.     Steinacker. 

(Schlufs  von  Bd.  LXVIII  S.  620  ff.)*) 

Es  mögen  jetzt  auch  noch  über  die  Syntax  und  das  Lesebuch 
nebst  dem  Wortregister  des  genannten  Schulbuchs  einige  Bemerkungen 
nachfolgen,  welche  dem  geehrten  Hrn.  Vf.  bei  einer  neuen  Bearbeitung 
vielleicht  von  Nutzen  sind,  zugleich  aber  theilweise  über  einzelne 
Punkte  der  hebr.  Sprachwifsenschaft  allgemeinere  Winke  oder  Muth- 
mafsungen  geben  sollen.  —  Unser  Buch  handelt  den  syntaktischen 
Stoff  in  drei  Capiteln  ab :  1)  die'Bestandtheile  des  Satzes,  2)  die  diese 
Satztheile  bildenden  Wörter  (Syntax  der  Wortarten),  3)  die  Stellung 
der  Wörter  im  Satze.  Dafs  unter  diese  Rubriken  alle  wesentlichen 
Punkte  der  Syntax  gebracht  und  in  einer  nicht  gerade  ganz  ungehöri- 
gen Ordnung  abgehandelt  werden  können ,  kann  man  zugeben.  Aber 
eine  andere  Frage  ist:  welches  Princip  und  welcher  Eintheilungsgrnnd 
liegt  dieser  Anordnung  zu  Grunde  und  ist  jeder  Theil  mit  einer  ge- 
wissen Nothwendigkeit  eben  dahin  gestellt,  wohin  er  gehört?  Diese 
Nothwendigkeit  kann  bekanntlich  bedingt  sein,  entweder  durch  allge- 
meine sprachphilosophische  oder  durch  rein  praktische  Gründe  oder 
endlich  durch  den  eigenthümlichen  Charakter  der  besonderen  Sprache, 
um  die  es  sich  handelt.  Während  die  meisten  Sprachlehren  früherer 
Zeit  das  praktische  Bedürfnis  vorhersehend  ins  Auge  fafsten.  und  so 
z.  B.  Gesenius  in  den  von  ihm  selbst  noch  verfafsten  grammatischen 

*)  Obgleich  oben  genanntes  Buch  im  Lauf  dieses  Jahres  eine  2e 
'verbefserte  und  vermehrte'  Auflage  erlebt  hat  (Leipzig  1Ö54  bei  Fr. 
Branddtettcr.  XVl  und  347  S.  8),  so  geben  wir  doch  noch  um  der 
Vollständigkeit  willen  den  dritten  Artikel  der  früher  begonnenen  Re- 
cension  der  ersten  Auflage.  jinm.  der  Red. 


6.  H.  Seffer:  ElemenUrbach  der  hebraeischen  Sprache.     6S9 

Lelurbfichem  den  gyniaktigchen  Stoff  nach  den  Haoptworlarten  abhan- 
delle,  freilich  mit  Einschiebung  eines  Capitels  von  der  Verbindung 
det  Sabjects  mit  dem  Praedicate,  was  sohon  ein  modernes  Ueberbein 
ist ;  findet  sich  in  Grammatiken  neusten  Datums  vielfach  die  Erscbei-r 
nung,  dafs  ein  Stttck  Spracbphihiaophie  den  allgemeinsten  Rahmen  ab- 
geben mufs ,  im  einzelnen  aber  bald  mehr  der  Bequemlichkeit  des 
Kaobschlagens,  also  dem  praktischen  Zwecke,  bald  mehr  der  Eigen- 
thflmlichkeit  der  betreffenden  Sprache  Rechnung  getragen,  oder  auch 
beides  nebeneinander  berücksichtigt  wird.  So  schwer  es  nun  ist, 
gerade  hierin  allen  es  recht  zu  machen,  und  so  wenig  ich  mir  herans- 
nehmen  möchte  zu  sagen,  nur  so  und  nicht  anders  darf  eine  Syntax 
angeordnet  sein ;  so  ist  mir  doch  von  der  ersten  Bekanntschaft  mit  den 
Ewaldscben  Sprachwerken  an  gewis  gewesen,  dafs  sie  unter  allen 
mir  bekannten  Grammatiken  auch  anderer  Sprachen  dem  Ziel  einer 
befriedigenden  Anordnung  des  Stoffes  am  nächsten  gekommen  seien. 
So  natürlich  und  notbwendig  entwickelt  sich  hier  ja  eines  aus  dem 
anderen,  so  einfach  gruppiert  sich  das  einzelne  um  die  leitenden 
Grundgedanken,  oder  vielmehr  so  naturgemifs  entfalten  sich  die 
Zweige  und  Blatter  aus  den  in 'der  Sprache  vorhandenen,  nicht  will- 
kürlich von  aufsen  hineingelegten  Keimen.  Es  ist,  was  wohl  nicht 
oft  von  der  Leetüre  einer  Grammatik  gesagt  werden  kann,  ein  Genufs, 
die  genannten  Sprachwerke  durchzulesen ;  es  sei  denn,  dafs  man  durch 
fremdartige  Einflüfse  sich  darum  bringen  lafst.  Damit  ist  nicht  ge- 
sagt, dafs  nicht  da  und  dort  im  ^zelnen  noch  Aenderungen  möglich 
und  dafs  die  Bezeichnungen  Ewalds  überall  ganz  zutreffend  seien,  wie 
z.B.  die  Ueberschrift  *  Zusammenhang  der  Wörter  im  Satz'  §  296 
offenbar  befser  mit  *  Ordnung  und  Stellung  d.  W.  i.  S.'  gegeben 
würde.  Auch  liefse  sich  in  4em  letzten  Abschnitt  ^von  den  gegen- 
seitigen Sätzen'  der  treffende  Gedanke,  die  Wechselsälze  als  beson- 
dere Spracherscheinung  zu  behandeln,  noch  weiter  verfolgen  als  bis 
jetzt  geschehen  ist.  Eine  an  Redefügungen  so  arme^ Sprache,  wie  die 
hebr.  isl,  muste  zu  dieser  Art  von  Sätzen  vielfach  ihre  Zuflucht  neh- 
men, und  es  läfst  sich  eine  Menge  von  Satzverhältnissen,  wofür  aus- 
gebildetere Sprachen  andere  Wendungen  erzeugt  haben ,  nachweisen, 
welche  im  Hebraeischen  insgesammt  durch  die  schon  im  Gesetz  des 
Parallelismus  begründeten  Wechselsätze  gegeben  werden.  Doch  da- 
von an  einem  andern  Orte. 

Um  so  befremdlicher  ist  es,  dafs  Hr.  S.,  welcher,  wie  schon  be- 
merkt, sonst  mit  Glück  nach  Ewaldschem  Vorgang  gearbeitet  hat,  hier- 
in einen  selbsterwahlten  Weg  geht,  der  doch  gleich  beim  ersten  Ab- 
schnitt *die  Bestandtheile  des  Satzes'  sich  als  ein  verfehlter  heraus- 
stellt. Denn  unter  dieser  Aufschrift  erwartet  doch  jeder  Leser ,  dafs 
alle  wesentlichen  Theile  des,  einfachen  Satzes  zur  Sprache  kommen 
werden,  findet  aber  nichts  als  Subject  und  Fraedicat  abgehandelt,  in 
Betreff  der  au(i(prn  wird  man  auf  das  zweite  Capilel  verwiesen.  Die- 
ses nun  aber  ist  nach  einem  andern  Eintheilungsgrunde,  nach  den 
Wortarten,  angeordnet  und  dieses  wie  lückenhaft!  oder  gibt  es  nicht 


640     0.  H.  Seffer:  BlemenUrbach  der  hebraeisehen  Spraohe. 

aneb  eine  Syntax  des  Pronomens,  somal  im  Hebraeisehenf  dem  manobe 
Aasdmcksweisen^z.B.  far*einige/  ^jeder,'  ganz  fehlen,  das  sein  Heia- 
tivum  80  eigenthflmlich  behandelt?  während  das  dritte  hinwiedernm 
vom  Verhältnis  des  Wortes  im  Satze  aosgeht.  DaTs  doeh  in  des 
meisten  Schnigrammatiken  diese  zwe^  so  nothwendig  auseinander  in 
haltenden  Kategorien  immer  durchcinanderlaufen!  Es  liegt  doch  nichts 
näher  als  zuerst  die  Wortarten  nach  ihrer  Form,  Bedeutung  und 
Anwendbarkeit  zu  erörtern,  wobei  das  Wort  zunächst  als  einzelnes 
zu  betrachten  ist,  und  dann  nachzuweisen,  wie  nunmehr  im  Znsam- 
menhang eines  Satzes  einfacher  oder  zusammengesetzter  Art  dieser 
Baustoff  verwendet  werde,  um  ein  ganzes  darzustellen,  mit  andern 
Worten  um  als  Satztheile  zu  gelten,  die  die  Glieder  eines  Organis- 
mus bilden.  Das  erste  gehört  der  Formenlehre,  das  zweite  der  Syntax 
an.  Allerdings  liegt  noch  etwas  in  der  Mitte,  das  Ewald  als  3n 
Abschnitt  der  Bildungslehre  abhandelt:  *das  Verhältnis  des  Wortes  im 
Satze^  (Casus,  Modi,  Tempora).  Es  ist  dies  vielmehr,  wie  es  Krüger  in 
seiner  griech.  Grammatik  treffend  bezeichnet,  der  analytische  Theil 
der  Syntax,  gehört  aber,  sofern  es  sich  vorläufig  noch  um  das  einselna 
Wort  handelt,  nicht  zur  Constnictionslehre  im  engern  Sinne,  was  ja' 
Syntax  dem  Worte  und  altern  Gebrauch  nach  bedeutet.  Am  xweck- 
mäfsigsten  wäre  somit  vielleicht,  auch  in  einer  Schulgrammatik,  wenn 
sie  einmal  vom  alten  Gang  abweichen  will,  den  Stoff  so  zu  ordnen,  dafs 
1.  die  reine  —  das  Wort  l)  nach  seinem  Stamm,  2)  nach  seiner  For- 
mation zu  Bezeichnung  von  Geschledht,  Zahl,  Person  betrachtende  — 
Formenlehre  für  sich  abgehandelt  wird,  dann  II.  der  analytische  Theil, 
als  Vorläufer  der  Syntax,  welcher  es  mit  der  Bedeutung  und  Anwend- 
barkeit der  Wortarten  nach  ihrem  Verhältnis  im  Satz  zu  tbun  hat,  aber 
weil  es  sich  noch  um  die  einzelnen  Wörter  handelt,  den  Stoff  noch 
nach  den  Wortarten  abhandelt,  und  zuletzt  III.  die  eigentliche  synthe- 
tische Syntax  folgt,  in  welchem  Theile  streng  nur,  wie  es  in  der  Syn- 
tax von  Ewald  der  Fall  ist,  der  Begriff  des  Satzes  als  Eintheilungs- 
grund  gelten  darf.  Der  Hr.  Vf.  hat  gefühlt,  dafs  an  der  Ewaldschen 
Anordnung  etwas  zu  ändern  sei,  natürlich  die  Aufnahme  von  II  in  die 
Bildungslehrc,  ist  aber,  wie  mir  scheint,  in  der  Art  der  Aenderung 
selbst  nicht  glücklich  gewesen.  Allerdings  ist  zumal  far  den,  der 
sich  in  die  genannten  Sprachwerke  nicht  gründlich  einstudiert  hat,  das 
Aufsuchen  der  Kegeln  über  einzelne  Fälle  oft  schwierig,  und  es  ist 
deswegen  sehr  erwünscht,  dafs  Ewald  seinem  gröfsern  Lehrbuch  zwei 
Register  beigegeben  hat.  Wenn  aber  Hr.  S.  meint,  bei  seiner  Anord- 
nung sei  dies  überflüfsig,  so  können  wir  ihm  nicht  beistimmen ,  son- 
dern müfsen  dringend  den  Wunsch  aussprechen,  dafs  eine  neue  Ant- 
gabe  diese  nothwendige  Zugabe  einer  Schulgrammatik  nicht  mehr 
vcrmifsen  lafse,  mag  nun  die  Anordnung  der  Syntax  die  bisherige 
bleiben  oder  nicht.  Praktisch  brauchbarer  für  die  Mehrzahl  der  Leser 
ist  freilich  die  Behandlung  der  Syntax  nach  alter  Weise,  und  das  hat 
unsern  Vf.  zu  seiner  Anordnung  veraniafst.  Aber  wie  wenig  dies 
unserer  Zeit  in  anderer  Beziehung  zusagt ,  dessen  sind  die  Inconse- 


G.  U.  Seffer:  EleMentarbMch  der  ^bcteifdien  Sprache.     641 

^iMien  Zeugnis,  in  welobe  man  mit  solchem  neuen  Most  in  alten 
Bchliuchen  immer  rerfallL 

Was  §.  102 — 106  aber  Snbjecf  und  Praedicat  und  deren  Harmo- 
nie (?)  gesagt  ist,  enthält  fast  alles  wesentliche  und  in  klarer  Farsnng; 
doch  sollte  erwähnt  sein,  dafs  auch  Adverbien,  wie  na*^»i  (s.  2  Sam. 
1,  4}  Sobjecte  sein  können,  ferner  dafs  auch  der  adrerbiale  Accnsatir 
eines  Nomens  die  Stelle  des  Praedicats  vertritt  1  Mos.  43,27,  dafs  das 
Praedicat  in  der  Regel  keinen  Artikel  hat,  sonderti  nur  in  solchen 
Fällen,  wie  bei  einem  Particip,  das  für  *  derjenige,  welcher'  steht 
1  Mos.  2, 13. 14.  46, 12.  1  Sam.  4,  8.  Auch  die  eigenthttmliche  Con- 
itruction  von  Vnn  u.  ä.  1  Mos.  9,  20.  1  Sam.  3, 2  verdient  Erwähnung. 
Zu  $.106, 3  add.  S^D»,  ^t^s» ,  Q*tps  2  Sam.  10, 9. —  In  der  Lehre  vom 
Ferfeetum  sind  die  Fälle  von  äer  Praesensbedeutung  dieses  Tempus  nicht 
vollständig  genug  anfgesählt,  da  besonders  die  Verba,  welche  ein 
Sehen,  Empfinden,  Wifsen  u.  ä.  bezeichnen,  vom  Hebraeer,  wie  auch 
von  den  Griechen  und  Römern,  gern  so  gefafst  werden,  dab  ihnen 
nicht  sowohl  die  damit  verbundene  Thatigkeit  als  der  daraus  entste- 
hende Seelenzustand  als  Hauptsache  gilt,  und  die  daher  (wie  itoei 
olda  ebenso  l^i'^  "nDt)  gewöhnlich  den  gegenwärtigen  Znstand  be- 
zeichnen. Es  sollten  also  derartige  Verba  $.  111^  genannt  und  im 
Lesebueh  IX  Vs.  24  bei  Cn'^K'iM  darauf  verwiesen  sein.  Aufserdem 
ist  noch  anderes  aus  Ew.  §.  133  aufzunehmen,  was  als  herschender 
Sprachgebrauch  feststeht.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  der  Lehre  vom 
Imperfectum  —  eine  Bezeichnung' dieses  Tempus,  die  uuser  Vf.  auch 
in  Ermangelung  einer  befsern,  minder  zweideutigen  von  Ewald  ange- 
nommen hat;  vielleicht  wäre  Relativum  vorzuziehen,  was  hiemit  vor- 
geschlagen sein  mag  — ;  der  Gebrauch  dieses  Tempus  in  Absichts- 
sätzen ist  nicht  erwähnt  und  zu  wenig  bestimmt  ausgesprochen,  dafs 
es  gar  nicht  selten  als  Praesens  historicum  vorkommt,  s.  z.  B.  1  Kön. 
7,  8.  Spruch.  7,  12  f.  —  Bei  dem  n  consecutivum  sollte  der  Fall  nicht 
abergangen  sein ,  wo  nach  i  ein  Wörtchen  wie  iXb  oder  ähnliche  ste- 
hen; es  mufs  dem  Schüler  gesagt  werden,  dafs  dann  das  schlichte 
Tempus  eintrete;  ein  Beispiel  bietet  Leseb.  X  Vs.  35.  —  Es  wäre 
wünschenswertb,  dafs  der  Unterschied  zwischen  Participium  mit  und 
ohne  Artikel  besprochen,  nicht  aber  verwischt  würde,  wie  §.  114 
Anm.  geschieht.  —  Bei  der  Erörterung  über  den  Infin.  abs.  ist  der 
Ausdruck  §.  120,  2,  1  ^Verstärkung'  zu  unbestimmt;  es  sollte  beige- 
fügt sein,  dafs  insbesondere  ^das  nuzweifelbare  Dasein  der  Handlung' 
damit  ausgedrückt  werde  und  dafs  in  diesem  Fall  der  InOn.  auch  dem 
Verb.'  fin.  voranstehen  dürfer,  auch  gäben  hier  wieder  Analogien ,  wie 
das  lat.  Gerundium  ini  Abi.  oder  auch  Redensarten  wie  occidione  oc- 
cidere  dem  Schüler  ein  erwünschtes  Licht.  —  Die  Constrnction  von 
'^\'^  %'  120,  3  ist  vollständiger  anzugeben,  dafs  nemlich  dreierlei 
Verbindungsarten  vorkommen:  a)  Verb.  fin.  und  zwei  Infinitive, 
b)  Verb,  fin.,  Infin.  und  Partie,  c)  Verb.  fin.  und  2  Partie.  —  Bei  §.121 
fehlt  die  Uinweisung  auf  die  so  überaus  häufige  Spracherscheinung, 
dafs  ein  Infin.  coustr.  mit  V  zur  näheren  Bestimmung  und  erweitern- 


642      G.  Hk  Seffer:  Elemenlarbach  der  hebraeisohen  Spraehe. 

• 
den   AusrahruDg  eines  vorangehenden  Verboms  steht,  entspreehend 
der  deutschen  Wendung  mit  Mndem,  so  dafs';  m.  s.  s.  B.  2  San.  3, 

10.  Auch  die  Erörterung  von  ^bfi^b  fällt  unter  diese  Bemerkung.  — 
Ebenso  vermifst  man  hier  oder  §.  134  sehr  die  Erwähnung  des  im 
llebr.  gar  nicht  seltenen  Acc.  c.  Infin.,  der  sogar  noch  weitere  An- 
wendung duldet  als  im  Lat.  und  Grieoh.,  m.  vgl.  4  Mos.  31,  23.    Rieht. 

11,  20.  —  Dafs  der  Abschnitt  über  Setzung  und  Nichtsetzung  des  Ar- 
tikels §.  123  unvollständig  ist,  zeigen  schon  mehrere  Fälle  im  Lese- 
buch, z.  B.  VI  Vs.  2.  XI,  24.  25;  besonders  ist  zu  beachten,  dafo 
nnK  u.  ä.  Wörter  des  Artikels  entbehren  können ,  überhaupt  aber  sind 
die  tiefeingehenden,  aber  schon  dem  Eiemintarschüler  nothwendigen 
Bemerkungen  Ewalds  §.  299  in  ihren  Hauptpunkten  aufzunehmen. 
Ebenso  ist  bei  der  Lehre  von  der  Apposition  §.  126  vollständiger  von 
der  Verbindung  des  gezählten  Nomens  mit  dem  Zahlwort  zu  handeln. 
Desgleichen  ist  §.  127  mehreres  aus  Ewald  nachzutragen,  besonders 
die  zu  1  Mos.  16, 12  und  sonst  oft  nothwendige  Bemerkung  Ew.  §. 
287  g.  —  Hinsichtlich  der  nicht  eben  seltenen  Beispiele,  wo  der  stat 
constr.  den  Artikel  hat  oder  der  stat.  abs.  statt  des  constr.  steht,  %. 
127,  möchte  die  Frage  Erwähnung  verdienen ,  ob  diese  auffallende  Er- 
scheinung nicht  einestheils  durch  adverbiale  Beiordnung  des  folgen- 
den Nomens,  anderntheils  in. anderen  Fällen  zu  erklären  sei  durch  Aus- 
lafsung,  z.  B.  1  Sam.  4,  1  =  bei  dem  Stein  nemlich  dem  der  Hilfe. 
—  Wird  der  Accusaliv  als  der  Casus  adverbialis  der  Hebr.  erklärt, 
so  hat  der  Schüler  eine  kurzgefafste  Bezeichnung  für  die  meisten  %. 
128  aufgeführten  Fälle.  —  Dafs  das  Öbjecl  *es'  oft  fehle,  mufs  aus- 
drücklich bemerkt  werden.  —  In  der  Regel  S.  197, 1  b  sollte  der  so 
häutige  Gebrauch  des  Accusativs  zu  Bezeichnung  eines  Gliedes  oder 
Theiles  ausdrücklich  hervorgehoben  sein;  auch  sind  mehrere  Arteo 
der  mit  Accus,  verbundenen  Verba,  z.  B.  la"!!  rra:?  Sl^at  bm  13n  oVt? 
u.  a.  noch  nachzutragen.  —  Läfst  sich  so  unbedingt  sagen  ($.  132) 
*  Kb  komme  nie  vor  Participien  und  Infinitiven  vor ',  und  meint  nicht 
nach  der  vorliegenden  Fafsnng  der  Schüler,  es  müfse  dann  bi!  stehn? 
Es  solllo  viel  eingehender  über  diese  zwei  Negationen  gesprochen 
sein.  Dafs  ri  interrogativum  auch  =  fi^bn  sein  könne,  findet  sich 
auch  bei  Ewald  nicht  bemerkt,  und  doch  kann  es  Hiob  20,  4.  1  Sam. 
2,  27  (vielleicht  auch  1  Mos.  50,  19)  nicht  anders  gefafst  werden.  Be- 
merkcnswcrth  ist  auch  der  von  Hitzig  Psalmen  II  Vorr.  S.  IX  beleuch- 
tete Gebrauch  des  Ferfects  statt  Imperf.  und  des  Impcrf.  statt  Ferfects 
in  Fragesätzen,  m.  s.  z.  B.  2  Kön.  20,  9.  2  Sam.  3,  33.' —  Bei  der  Be- 
merkung S.  20öß  ist  auf  §.  127,  2  zu  verweisen;  auch  ausdrücklich 
zu  bemerken,  dafs  bei  Sb  ^CK  und  ähnlichen  Wendungen  gewöhnlich 
6in  oder  mehrere  Wörter  dazwischen  stehen.  —  Wenn  Bezeichnnngen 
der  neuern  Grammatik  z.  B.  zur  Eintheilung  der  Nebensätze  $.  134 
aufgenommen  werden  sollen,  so  ist  wohl  die  Eintheilung  der  Neben- 
sätze nach  den  wesentlichen  Bestandlheilen  des  Hauptsatzes,  also  in 
Suhjccts-,  Praedtcats-,  Objects-,  Attributiv-  und  Adverbialnebensätse 
die  passendste.    Wie  gewisse  Arten  der  sogenannten  Sabstantivsitae 


6.  H.  Seffer :  ElemenUrbach  der  hebriieischen  Sprache.      643 

von  andern ,  s.  B.  FinalsfiUen  innerlich  yersehieden  sein  golien,  konnte 
ieh  nie  verstehen.  Sätze  wie:  *der  Herr  hat  mich  belohnt,  (dafQr) 
dar«  ich  —  gegeben  habe'  und:  ^Ehre  Vater  und  üntter,  (auf)  dafa 
dirs  wohl  gehe'  gehören  doch  wohl  unter  ^ine  Kategorie;  der  eine 
wie  der  andere  ist  Adverbialsatz ;  daher  auch  der  Ausdruck  fflr  beide 
in  vielen  Sprachen  der  gleiche  ist,  so  namentlich  im  Hebraeischen. — 
Die  Bezeichnung  ^Vordersatz  —  Nachsatz'  §.  136  sollte  nachgerade 
ans  unsern  Grammatiken  verschwinden ;  sie  richtet  viele  Verwirrung 
an ,  besonders  im  Verständnis  der  im  Deutschen  und  Lateinischen  so 
hiofigen  umgestellten  Sätze,  z.  B.  ^es  war  Nacht  als  er  ankam.'  Was 
ist  hier  Vorder-  was  Nachsatz?  Auch  bei  Bedingungssätzen  wird  da- 
mit nichts  gewonnen.  Man  rede  nur  von  Haupt-  und  Nebensätzen.  — 
In  der  Regel  von  den  Znstandssätzen  S.  212  sollte  schon  hier  die  Haupt- 
bestimmung genannt  sein,  dafs  in  denselben  das  Nomen  dem  Verbum 
Toraussteht.  —  Bei  Erörterung  des  V  S.  213  vermifst  man  den  soge- 
nannten Dat.  commodi ,  der  z.  B.  Leseb.  VII  Vs.  45  und  sonst  so  oft 
vorkommt  und  wohl  auch  bei  dem  Dat.  ethicns  zu  Ornnde  liegt;  des- 
gleichen ist  bei  173  S.  216  nicht,  wie  es  nöthig  wäre,  ausdrücklich 
bemerkt,  dafs  es  in  Verbindung  mit  Infin.  (s.  Leseb.  VII  Vs.  13.  IX 
Vs.  7)  ^dafs  nicht ^  bedeute.  Auch  sollte  nicht  vergedien  sein,  den 
elliptischen  Gebrauch  von  in  zu  Bezeichnung  fflr  *  einige'  mit  Erinne- 
rung an  den  griechischen  Genetiv  mit  ausgelafsenem  xig  deutlich  in 
machen.  Endlich  möge  aus  Veranlafsnng  der  Lehre  von  den  Praepo- 
sitionen  daran  erinnert  werden ,  wie  der  Hebraeer  so  gerne  unser  *was 
betrifft'  durch  b  bezeichnet,  m.  vgl.  1  Mos.  9,  10.  23,  10.  2  Mos.  20, 
6  f.  —  Dars  die  dem  Hebraeisehen  so  aurserordentlioh  geläufige  Con- 
atructio  praegnans  nur  gelegentlich  erwähnt  wird,  ist  auch  nicht  zu 
billigen.  Sie  erfordert  in  einer  Anm.  zu  §.  138  ausführliche  Bespre- 
chung. Ebenso  fände  der  für  das  Hehr,  wichtige  Punkt  der  Wieder- 
holung desselben  Wortes  im  3n  Cap.  eine  Stelle.  " 

Schon  aus  dem  bisherigen  läfst  sich  abnehmen,  dafs  bei  allem 
Fleifs,  mit  dem  unser  Lehrbuch  auch  in  manchen  Theilen  der  Syntax 
behandelt  ist,  und  neben  dem,  dafs  auch  die  Fafsnng  der  Regeln  nioht 
selten  eine  gelungene  heifsen  kann ,  dennoch  in  wesentlichen  Punkten 
noch  Lücken  und  Ungenanigkeiten  stattfinden.  Die  bedeutendsten  der- 
selben sind  im  obigen  angedeutet ,  auf  andere  wird  wohl  Hr.  S.  selbst 
aufmerksam  werden,  wenn  er  seine  Arbeit  gründlich  revidiert,  einige 
weitere  sollen  im  folgenden  kurz  besprochen  werden  aus  Veranlafsnng 
der  angehängten  Lesestttcke,  die  neben  dem  zugehörigen  Wortregi- 
ster noch  einige  beurtheilende  Worte  verlangen. 

Was  die  Auswahl  der  Lesestttcke  betrifft,  so  kann  ich  es  nioht 
billigen,  dafs  der  Hr.  Vf.  geglaubt  hat  ans  allen  Schriftgattungen 
Proben  geben  zu  müfsen.  Ein  Lesebuch  soll  doch  wohl  nur  vorherei* 
ten  auf  die  Leetüre  der  Bibel  im  Zusammenhang  und  zwar  natOrlich 
vorläufig  auf  die  rein  prosaischen  Bücher  derselben.  liest  aber  der 
so  vorbereitete  Schüler  die  wichtigsten  historischen  Bücher,  so  ist 
er  in  den  Stand  gesetzt,  die  Proverbien,  Psalmen,  Propheten  vorzs- 


644      G.  H.  Seffer:  Elementarbuch  der  Iiebraeischen  Sprache. 

nehmen,  und  thut  dies  nun  nicht  mehr  an  der  Hand  eines  Lesebnehs, 
sondern  greift  stracks  nach  dem  ganzen  Psalmbuch.  Bevor  derselbe 
an  die  Genesis  kommt,  ihm  einige  Proben  von  lyrischer,  didaktischer, 
prophetischer  Litteratur  zu  geben,  Urst  sich  so  wenig  rechtfertigeD, 
als  wenn  in  ein  lateinisches  Lesebuch,  das  dem  Schüler  noch  vor 
Cornelius  in  die  Hand  gegeben  wird,  Stücke  ans  Horaz,  Juvenal,  Se- 
neca  aufgenommen  würden.  Allerdings  wird  die  vorliegende  Einrich- 
tung des  Lesebuchs  manchem  Schüler  die  befriedigende  Meinung  bei- 
bringen, er  sei  nunmehr  völlig  ausgerüstet,  um  Vorlesungen  Ober 
Psalmen ,  über  Hiob  und  Jesaja  zu  hören ;  bei  einzelnen  besonders  be- 
gabten und  fleifsigen  mag  dies  zur  Noth  der  Fall  sein ,  aber  bei  der 
Mehrzahl  gewis  nicht.  Vielmehr  befänden  sich  diese  in  solchem  Falle 
in  einer  gefährlichen  Selbsttäuschung,  die  ja  nicht  genährt  werden 
darf,  der  die  Schule  im  Gegenlheil  auf  alle  Weise  entgegenarbeiten 
mufs ,  indem  sie  den  Schüler  noch  viel  länger  bei  leichterem  Lesestoff 
zurückhält  und  die  so  nothwendige  Ueberzeugung  nahe  legt,  die  hi- 
storischen Bücher  der  Bibel  seien  es,  die  er  vor  allem  zuerst  grflnd- 
lieh  verstehen  lernen  und  vollständig  lesen  müfse.  Würde  daher  der 
Lesestoff  in  unserm  Buche  von  S.  260 — ^280  bei  einer  neuen  Bearbei- 
tung durch  lauter  leichte  historische  Stücke- ersetzt,  so  könnte  die 
Sache  des  Unterrichts  dabei  nur  gewinnen,  zumal  da  unser  Vf. 
guten  Takt  beweist,  passende  Stücke  aus  der  hebraeischen  Prosa  i 
zuwählen.  Denn  mit  Ausnahme  des  VII  Abschnitts  (Levit.  26),  der 
wenigstens  an  dieser  Stelle  dem  Schüler  noch  zu  viele  Schwierig- 
keiten bietet,  möchten  wir  keines  der  ausgehobenen  Stücke  mifsen. 

In  ähnlicher  Weise  findet  meines  Erachtens  hinsichtlich  der  An- 
merkungen einestlieils  ein  gewisser  Luxus  statt,  anderntheils  aber 
ein  Mangel  an  dem,  was  ich  als  das  nothwendigere  ansehen  nnfs». 
Was  über  die  Entwicklung  des  Reiches  Gottes  im  alten  Bunde  beige^ 
geben  ist,  kann  an  und  für  sich  gröfstenthcils  recht  und  gut  heifsen, 
ja  in  einem  Lesebuch,  das  neben  dem  sprachlichen  Zwecke  die  Auf- 
gabe hätte,  die  Hauptthatsachen  dieses  altlestamentlichen  göttlichen 
Reiches  zusammenzustellen,  dürften  diese  Anmerkungen  nicht  einmal 
fehlen,  wenn  gleich  auch  dann  noch  thcilweise  eine  kürzere  Faftnng 
wünschenswerth  wäre.  Da  nun  aber  dieser  letztere  Zweck  ein  Lesebnch 
von  viermal  gröfsercm  Umfang  erforderte  und  unser  Vf.  ausdrücklich 
nur  *  Lesestücke'  geben  wollte,  und  da  hier  der  Natur  der  Sache  nach 
das  sprachliche  weitaus  die  erste  Rücksicht  in  Anspruch  nehmen  muste ; 
so  sollten  die  sachlichen  Bemerkungen  sich  um  ein  gutes  weniger 
breit  machen.  Ganz  fehlen  dürfen  sie  natürlich  nicht,  aber  noch  we- 
niger grammatikalischen  Erläuterungen  den  Platz  versperren.  Dies  ist 
aber  der  Fall ,  wenigstens  fehlen  die  letztern  manchmal  da,  wo  sie  der 
Schüler  ganz  nothwendig  braucht.  Auf  solche  Fälle  im  einzelnen  hin- 
zuweisen und  eben  damit  auch  noch  auf  weitere  Lücken  in  der  Gram- 
matik aufmerksam  zu  machen,  ist  der  Zweck  der  noch  folgenden  Zeilen. 

S.  226  Vs.  2  war  auf  %.  142  zu  verweisen  und  zu  bemerken,  dafa 
der  Superlativ  auch  von  A4jectiven  und  Adverbien  häuAg  dnreh  Wie-^ 


6.  H.  Seffer:  Elementarbach  der  hebraeischen  Sprache.      645 

derhokng  desselben  Wortes  ausgedrückt  werde.  Ebd.  Va.  5  war  bei 
1  auf  S.  212  b  [es  wäre  überhaupt  eine  Verweisung  auf  die  Seitenzahl 
stau  auf  die  Paragraphen  bequemer]  zu  verweisen;  auch  das  Perf. 
propheticum  muste  hier  erläutert,  an  S.  I7ö  c  erinnert, ^ort  aber  beige- 
fügt werden,  dafs  bei  Wiliensaufserungen  Gottes  ein  feines  Sprach* 
gefüht  des  Uebraeers  das  Perfect  setze,  wo  man  das  Futurum  erwar- 
tet. —  S.  227  Vs.  7  und  8,  wie  auch  S.  231  Vs.  3  war  passende  Ge- 
legenheit, den  Schüler  an  den  verschiedenen  Gebrauch  des  stat.  constr. 
%u  erinnern,  vgl.  S.  192.  Ebenso  erfordert  r\^i  Vs.  10 und  riM  Vs.  11 
eine  Anmerkung  *).  —  Im  zweiten  Lesestück  macht  die  Form  b72f*!l 
eine  Lücke  in  der  Grammatik  S.  45  bemerklich  und  durfte  um  so  we- 
niger unbesprochen  bleiben.  Bekanntlich  bietet  • ';|b^i  hier  eine  Ana- 
logie. —  Die  Construction  S.  228  Vs.  9  ^sie  sah  den  Sohn  einen  Spöt- 
ter '  sollte  besprochen  sein.  —  Dafs  ^*^^}  nicht  von  T!^*^ ,  sondern  von 
yy^  herkomme,  sagt  selbst  die  neuste  Bearbeitung  von*Gesenius  Le- 
xicon  manuale  und  nimmt  die  Ableitung  Ewalds  an.  —  lieber  n^n  S. 
229  Vs.  14  sollte  weitläufiger  gesprochen  sein,  dafs  es  ein  Nomen  Ti'b 
desselben  Stammes,  wie  riTSin,  r\12n  (Veste)  =  das  nmschliefsende, 
und  von  derselben  Bildung  wie  nb*?  ist,  während  der  stat.  constr.  der 
Analogie  von  nn^'in,  DtVilH  folgt ^  wobei  nur  das  unwandelbare  Zere 
auffällt,  das  sich  jedoch,  wie  manche  andere  Fälle,  z.  B.  dL"^^,  daraus 
erklärt,  dafs  die  Form  n»n  zweideutig  gewesen  wäre.  Die  Annahme, 
dafs  der  Form  des  stat.  constr.  eine  Form  mit  der  Femininaiendung 
rr^  zu  Grunde  liegt,  ist  zu  billigen  und  eine  passende  Ergänzung  un- 
sers  Vf.  zu  Ew.  §.  211  f.  Dagegen  ist  D^  ib.  S.  229  Vs.  14  wohl 
richtiger  als  Perf.  zu  fafsen  und  nach  Ew.  §.  336  a  2  zn  erklären. 
Ueber  den  feinern  Gebrauch  von  bM  war  bei  Vs.  1,6  zu  sprechen  und 
diesem  gemäfs  auch  in  der  Grammatik  eine  Regel  aufzunehmen.  Des- 
gleichen bei  n;f:73  auf  die  Analogie  des  lat.  a  dextra^  des  griech. 
noQqta&sv  hinzuweisen,  und  bei  '^b'^TS  an  S.  8  zu  erinnern;  so  wie 
auch  Lesest.  XI  Vs.  18.  22.  23.  XII,  21  die  Fälle  bemerklich  zu  ma- 
chen sind ,  in  denen  das  Dagesch  conjunct..  selbst  nach  einem  »-Laut 
steht.  —  Die  Erklärung  von  txdS  II,  20  hat  zu  viel  von  einem  Lati- 
nismus, als  dafs  man  nicht  gern  die  neuere,  auch  nach  LXX  wahr- 
scheinliche Auffafsung:  *und  er  ward  ein  Schütze  (n:}*j  ==  a*n  l)  zu- 
sammenraffen, viel  sein, -2)  fortraffen,  werfen  1  Mos.  49,  23.  Ps.  18, 
15),  nemlich  ein  Bogenschütze'  vorziehen  möchte.  So  fafst  es  auch 
Schwarz  in  seinem  hebr.  Lesebuch,  das  ich  sowohl  hinsichtlich  der  Aus- 
wahl des  Lesestoffs ,  als  wegen  seiner  Gründlichkeit  der  Anmerkungen 
anserm  Vf.  auch  für  eine  neue  Bearbeitung  seines  Lesebuchs  zur  Be- 
nutzung dringend  empfehlen  möchte.  —  Bei  "^^^b  HI,  2  ist,  wie 
auch  sonst  oft,  z.  B.  Vs.  5,  statt  der  Verweiaung  auf  die  Grammatik 
die  Angabe  der  Parallelstelle  II,  17  befser  am  Platz.    Ein  deutliches 


*)  Die  Anmerkung  zn  Vs.  1 1  ist  mehr  als  zweifelhaft;  mir  scheint 
68  wahrscheinlicher,  dafs  hier  eine  etwas  abweichende  Nifalfonn  von 
b^fi  aninnehmen  ist;  eine  Analogie  bietet  1  Mos.  II,  6. 


646      6.  H.  Seffer :  Elementarbach  der  hebraeischen  Sprache. 

Beispiel  von  Wechselsätzen  bietet  III,  4.  IX,  17.  —    Die  Anmerkong 
zu  in,  3  ist  falsch,  es  war  auf  S.  205  a  2  zu  verweisen;  ebenso  Vs.  6 
und  7  bei  n*jn:  auf  S.  157,  bei  {rP»N  auf  S.  156,  bei  b?rrVÄ  Vs.  12 
auf  S.  200,  bei  b,  V?7£?a  auf  S.  219.  —  Ueber  »in«  Ilf  Vs.  13  und  noch 
mehr  2  Mos.  3,  i  (Lesest.  VI,  1)  gibt  vielleicht  die  Bemerkung  er- 
wfinschtes  Licht ,  dafs  die  Volkssprache  auch  heutiges  Tags  noch  das 
weiter  abliegende  mit  *  hintere  Gegend'  bezeichnet.   Wenigstens  wird 
im  Schwäbischen  von  dem,  was  von  der  bekannten  Gegend  oder 
Strafse  abliegt,  immer  so  gesprochen.  —  In  der  schwierigen  Stelle 
III,  14  ist  wohl  folgende  Auffafsung  vorzuziehen:   *nnd  es  nannte 
Abraham  den  Namen  jenes  Ortes:  Jehova  ersieht,  von  welchem  (Orte) 
man  (noch)  heute  sagt:  auf  dem  Berge,  wo  (vgl.  S.  205)  Jehova  er- 
scheint.' —  Die  Form  ^D^änti  erinnert  daran,  dafs  §.  6  ein  Zusats 
über  zusammengesetztes  Sctiva  unter  Nichtgutturalen  nothwendig  ist. 
Was  die  Bedeutung  hetrifft,  so  möchte  beizufügen  sein:  '^'n^nSl  == 
sich  für  gesegnet  erkennen,  sich  glücklich  preisen.  -^  Der  Anfang  der 
Bemerkungen  zu  IV,  1  ist  doch  sicherlich  zu  entbehren ;  und  IV,  5 
auf  II,  13  zu  verweisen.    Bei  IV,  6  von  einem  Zustandssatz  zu  sprechen, 
möchte  ich  nicht  wagen.  —  Ueber  Vb;  b?r  sollte  V,  3,  vgl.  VIII,  35, 
oder  in  der  Gramm,  die  nöthige  Bemerkung  nicht  fehlen,  dafs  das 
rogelmäfsige  Impf,  nicht  vorkomme,  sondern  statt  dessen  ein  Impf. 
Hofal ,  ähnlich  wie  im  Lat.  gaudeoy  audeo  passive  Perfecta  bilden.  — 
Die  Bemerkung  über  ri^J*?, ,  wieder  anschliefsend  an  die  Vorstellang, 
der  Infin.  sei  vom  Impf,  abzuleiten,  würde  viel  einfacher  an  die  in 
der  Grammatik  fehlende  Angabe  einer  Infinitivform  mit  Femininalen- 
dung  sich  anreihen ;  wie  ^KSb  ^^iiK  ^!^73p  gesagt  wird ,  so  auch 
nrj'^.    Hierauf  wäre  dann  zu  verweisen  bei  der  auch  gar  nicht  er- 
klarten schwierigen  Form  von  n2<'npb  VIII,  31,  wo  aufser  der  Erwäh- 
nung der  genannten  Infinitivform  noch  weiter  zusagen  wäre,  dafshie- 
bei  der  Vocal  dem  M  zulieb  vorrückt,  ähnlich  wie  bei  tl^M^n  statt 
ÜDN^W,  vgl.  Ew.  §.  238.  —  Bei  V,  6  fnar?!  add.  s.  S.  135.  —  Ebd. 
Vs.  9  und  Anm.  Vs.  7  sind  Druckfehler  zu  verbefsern,  ebenso  VI,  1, 

VI,  13.  VllI,  31.  XI,  35  (leg.  nb).  XI,  28.  XII,  43,  in  der  Anm.  VI  Vs. 
5  ist  statt  141  Anm.  2  zu  lesen  142,  2.  V,  10  leg.  ^%3bini.  —  Etwa 
V,  11  wäre  die  Bemerkung  am  Platz,  die  in  der  Grammatik  fehlt,  dafs 
criri,  wohl  aber  K^nri  gesagt  werde;  V,  14  add.  n  interrog.,  s.  S. 
160/ —  Aus  Veranlafsung  von  n.:S|^i  Vs.  2,  vgl.  XI,  19.  20.  24,  nnfs 
über  die  Genauigkeit  in  Setzung  des  Artikels  etwas  gesagt  werden, 
wie  XI,  25  nnKb  in  der  Gramm,  die  Anmerkung  nothwendig  macht, 
dafs  der  Artikel'  bei  Pronomen,  Zahlwörtern  aus  ähnlichem  gnten 
Grunde  fehlt  wie  bei  Eigennamen.  —  Die  allegorisierende  Bemerkung 
zu  VI,  1  bleibt  wohl  befser  weg;  instructiver  für  den  Schüler  wäre 
eine  etymologische  Erläuterung  des  dunklen  Wortes  2^^*7)3,  das  wohl 
von  rn^  abzuleiten  ist  und  wobei  das  gricch.  tt  (uc&dv  eine  willkom- 
mene Analogie  darbietet.  —  Bei  '^ni2:Mi  VI,  13  wie  auch  sonst,  s.  B. 

VII,  4,  Perf.  consecut.  vorkommt,  straft  es  sich  von  selbst,  dafs  das 
Buch  die  kleinern  Distinctiven  wegläfst;  der  Schüler  gewöhnt'sich  gar 


G.  H.  Seffer :  Eiementarbach  der  hebraeischen  JSpraclie.       647 

Dicht  daran,  dafs  in  solchem  Falle  der  Ton  auf  der  letzten  Silbe  liegt. 

—  Formen  wie  v^t  VII,  4,  riDab  V».  5,  m''737anp  Vs.  13  fordern  ge- 
nauere grammat.  Erörterung  und  Verweisungen  auf  die  Grammatik.  — 
Kann  gesagt  werden,  das  Gesetz  sei  ein  Bundeszeichen,  wie  S.  242 
in  der  ohnedies  viel  zu  umständlichen  Anmerkung  geschieht?  Viel 
befser,  wenn  das  etwas  dunkle  Nomen  n:^.  grammatisch  erläutert 
warde ;  dies  erwartet  der  Leser  eines  Lesebuchs ,  nicht  eine  d^mati- 
sehe  Erörterung  über  den  Zweck  des  Gesetzes;  auch  würde  er,  wenn 
derlei  weggelafsen  wird,  weniger  verlieren,  als  wenn  er  bei  m'^rin 
VII,  13  und  bei  dem  schwierigen  DrM  VII,  39  rathlos  gelafsen  wird. 
Die  letztgenannte  Stelle  scheint  mir  Licht  zu  bekommen  durch  die  auch 
sonst  nachweisbare  Annahme ,  dafs  der  Hebraeer  für  die  ihm  fehlende 
Wendung  ^ nicht  nur,  sondern  auch'  sich  durch  ü^  n»  helfe,  vgl. 
1  Kon.  3, 17.  —  Zii  VII,  15  add.  in  der  Anm.  DD'icri  statt  DD'^cri.  Das 
tib»  ly  Vs.  18  fordert  eine  Erklärung.  —  Die  Auslafsung  im  ^exte 
Vs.  40 f.  wäre  befser  unterblieben,  da  die  ohnedies  dunkle  Stelle  da- 
durch noch  schwieriger  wird.  Bei  n^l  und  y)^  VII,  41  ist  wohl  zu 
erwägen ,  ob  nicht  die  Auslegung  von  Maurer  und  Gesenius  (im  Wör- 
terbuch) vorzuziehen  ist.  Doch  ist  der  Sprache  so  geläufig  Oxymora 
zu  bilden,  dafs  ich  fast  glaube,  unser  Vf.  hat  Recht,  wenn  er  ^^'n==s 
sich  gefallen  lafsen  fafst,  falls  es  sonst  sich  nachweisen  läfst;  jeden- 
falls aber  mufs  bei  p7  im  Register  gesagt  werden ,  dafs  es  auch  ^Strafe 
der  Sünde'  bedeute.  —  Der  Dat.  VII,  45  ist  offenbarer  Dat.  commodi. 

—  Bei  VIII,  4  fehlt  die*  Verweisung  auf  S.  216.  —  inr  VIII,  9  mufs 
erläutert  werden ,  sonst  übersetzt  der  Schüler  ^  und  wenn  geben  wird', 
was  in  den  Zusammenhang  nicht  passen  würde.  Es  ist  =  so  dafs.  — 
Die  Erklärung  von  ni^h  VIII,  35  =  zu  ändern  ist  nicht  nothwendig. 
Es  heifst:  ich  kann  nicht  mehr  zurück.  Ebd.  ist  bei  '^^'3^:2  auf  S.  170 
zu  verweisen.  Die  Form  ^^^^n  fehlt  im  Wortregister,  die  Erläuterung 
des  Flur,  bei  Altersstufen  (Vs.  37)  in  der  Grammatik.  —  Die  ängst- 
liche Bemerkung  über  das  Opfer  der  Tochter  J.  macht  die  Sache  nicht 
befser ;  es  bleibt  bei  dem  Wort  Lnthers :  ^  der  Text  steht  zu  gewaltig 
da',  d.  h.  als  dafs  man  an  der  mittelalterlichen  Beschönigung  der 
Sache  Geschmack  finden  könnte.  Glaube  man  doch  ja  nicht,  durch 
solche  Mittel  die  Ehre  der  biblischen  Geschichte  retten  zu  müfsen.  — 
Bei  IX,  1  add.  s.  S.  144,  2;  bei  ^'nu  S.  251  Vs.  2  s.  V,  2;  ebd.  bei 
nV3^731  s.  S.  161  c;  ebd.  6  ist  wieder  y^'^i  falsch  abgeleitet;  bg;».  Impf. 
Kai  vom  intrans.  bbp  konnte  ja  schon  auf  das  richtige  führen ;  ebd. 
ist  bei  pk^n  und  S.  252  Vs.  25  (wiewohl  bei  nrn  eine  andere  Erklä- 
rung möglich  ist  als  bei  p^"")  auf  die  Berichtigungen  zu  verweisen.  — 
b  M'ip  X,  32  gäbe  zn  der  wichtigen  Bemerkung  Veranlafsung,  wie  der 
Hebraeer  die  Verba  composita  anderer  Sprachen  ausdrücke;  vgl.  XI, 
21  ^als  ich  ihn  genau  (Hithpael)  ansah.'  —  Der  Flur,  majestat. 
X,  33  fordert  das  Citat  S.  126.  —  Darf  noch  ohne  weiteres  die  Bedeu- 
tung von  '^n'id  =  Scharfrichter  festgehalten  werden?  m.  s.  Ew. 
Gesch.  Isr.,  Bertheau,  Winer  im  Realwörterb.  —  In  XI  Vs.  9  ist  die 
Verweisung  auf  §.  128  falsch,  es  mufs  vielmehr  $.  96,  1.2  citiert 

/y.  JqM.  U  PM,  ff.  Poii,  Bd.  LXX.  Bft,  6.  42 


648      6.  H.  Sefft^r:  Elemontarbuch  der  bebraoischca  Sprache. 

werdea.  Ebenso  bei  Vs.  16  die  Uegel  S.  176  c;  auch  ist  die  Form  *^n!j!)t 
vgl.  ^nV^  Vs.  18  zu  erläutern  oder  noch  lieber  iu  die  Gramm.  S.  123 
Anm.  1  aufzunehmen.  Bei  Vä.  36  ist  auf  S.  206  hinzuweisen  und  über 
die  Construction  von  Ti^y  Vs.  27  hier  oder  XII,  6  zu  sprechen;  ebenso 
XII,  18  bei  nb^  über  dieselbe  Verkürzung.  —  Das  zweite  DDP 
XII,  1  ist  ein  Beleg  für  S.  222,  2  und  darauf  hinzuweisen.  In  Vs.'s 
scheii^,  nach  dem  dabeistehenden  Citatzu  scbliefsen,  ^IDM  mit  *  da' 
übersetzt  werden  zu  sollen ;  es  ist  aber  natürlicher  und  durch  1  Mos. 
35, 13  ganz  gerechtfertigt  zu  übersetzen:  Svohin  er  geflohen  war.'  In 
Vs.  8  sollte  von  t^^y  genauer  gesagt  sein;  es  ist  eine  Form,  die  dem 
Nom.  n"V  r77)n  ähnlich  ist  und  ebenso  flectiert  wird,  aber  eigentlich 
ein  Nom.  *>  &  lieifsen  mufs,  so  dafs  es  für  n^^'^  steht,  lieber  die 
Form  D'fbr^'K  sollte  Vs.  16  oder  befser  Gramm.  S.  130  das  nöthige  be- 
merkt sein.  Qie  neue  Erklärung  des  Schlufses  von  Vs.  16  ist  wohl 
keine  glückliche  Aenderung  der  herkömmlichen,  auch  durch  LXX  be- 
stätigten Auffafsung.  Ebenso  ist  die  mir  unverständliche  zweite  An- 
merkung zu  Vs.  21  nach  der  natürlichen  Uebersetzung  der  LXX  vca- 
vmv  noiovvTtüv  7t6Xe(iov  zu  verbefsern.  —  XII,  7  kann  der  Singular 
keineswegs  ohne  weiteres  als  unrichtig  bezeichnet  werden;  im  Ge- 
genthcil  ist  derselbe  hier,  wie  in  ähnlichen  Stellen,  genauer,  insofern 
nur  ^iner  den  Sprecher  zu  machen  pflegt.  —  Die  weitern  Stücke  des 
Lesebuchs  übergehen  wir,  da  es  zu  wünschen  ist,  dafs  sie,  wie  schon 
bemerkt,  durch  andern  Stoff  ersetzt  werden ;  höchstens  wären  einige 
leichtere  Psalmen  als  Nachtisch  suläfsig. 

Dagegen  mögen  noch  einzelne  Bemerkungen  über  den  einen  und 
andern  Artikel  des  Wortregisters  Platz  finden.  Dafs  die  Angabe  der 
Wurzeln  und  Grundbedeutungen  sorgfältiger  und  ausführlicher  sein 
sollte,  wurde  schon  bemerkt;  neben  Gesenius  ist  hiefür  besonders  die 
fleifsige  Arbeit  von  Franz  Maurer  (kurzgcfafstes  hehr.  u.  chald.  Hand- 
wörterbuch über  das  A.  T.  mit  einem  deutschen  Index.  Stuttgart,  Metx- 
1er.  1851),  wenngleich  mit  einiger  Vorsicht,  zu  benutzen.  —  Bei  Eigen- 
namen wie  D'^UID  b^M  u.  a.  ist  es  dem  Schüler  erwünscht,  wo  mdg- 
iich  die  Bedeutung  der  Wörter  zu  erfahren.  —  Die  Formen  der  Ano- 
mala  wie  bei  n)2M,  vielleicht  auch  bei  riK  u.  ä.  dürften  vielleicht  im 
Wortregister  vollständig  angegeben  werden,  wenn  nicht  anders  in  die 
Grammatik  ein  Verzeichnis  der  unregelmäfsigen  Nomina  und  anch,  was 
man  gewöhnlich  ganz  unterläfst,  der  Verba  aufgenommen  wird,  eine 
Zugabe  die  willkommen  wäre.  —  Bei  rrjöj  add.  von  •)«  ==  •)•»«  mit 
n-  locale. —  J^ni^  ^^^  ^*^*"®  hcbraeische  Form  für  ^Weg*;  denn 
nn'ifil  bezeichnet  Karawane  und  ist  eigentlich  das  Femin.  des  Part. 
von'n'iK.  —  Warum  b»  fehlt,  p  aber  aufgenommen  ist,  läfst  sich 
nicht  rechtfertigen.  Am  besten  wäre  wohl,  die  Praepositionen  nur 
einmal  entweder  in  der  Grammatik  oder  im  Wortregister ,  dann  aber 
gründlich  abzuhandeln.  Dasselbe  gilt  von  den  Pronominen  und  Zahl- 
wörtern. —  Bei  iVtN  wäre  beizufügen ,  dafs  die  gewöhnliche  Form 
n^M  und  fib«»  sei:  ebenso  bei  yz»  die  transitive nnd  intransitive  Form 
und  Bedeutung  anzugeben;  bei  "'ipM  add.  ^"^"nPi!!  ^veil  es  eine  unge- 


G.  H.  Seffer:  Elementarbach  der  hebraeischen  Sprache.      640 

wöknUohe  Formation  ist.  —  n»  leg.  n«.  —  tf-^niti  sollte  gar  nicht 
unter  \b'ia  stehen.  —  in!}  SiT!a.  Waram  ist  hier  ausdrücklich  bemerkt, 
daTs  Nif.  pass.  sei,  was  der  Schüler  längst  weifs?  —  Unter  den  Er- 
klärungen von  "^si ,  von  denen  wenigstens  eine  angegeben  sein  sollte, 
ist  die  von  Ewald  jedenfalls  der  von  Gesenius  und  wohl  auch  der  von 
Maurer,  dafs  97ap  ergänzt  werden  müfse,  vorzuziehen.  —  Der  Schü- 
ler könnte  auf  die  Meinung  kommen,  ^nb^  bedeute  vorhersehend  ^uicht', 
wenn  die  gewöhnliche  Bedeutung  davon  ^aufser'  ganz  weggelafsen 
ist.  —  Wo  ein  Verbum  wie  t?p:3  im  Kai  nicht  gebräuchlich  ist,  wird 
es  befser  unpunktiert  gelafsen.  —  Bei  Wörtern  wie  ^tj*!^,  wo  der 
Usus  ein  so  eigenthümliches  Spiel  treibt  und  im  stat.  conslr.  eine  ge- 
schlofsene,  bei  Sufßxis  eine  halb  offene  Silbe  bildet,  was  auch  noch 
der  sonst  so  pünktliche  Schwarz  übersehen  hat  (vgl.  Ps.  3,  9),  sollten 
die  Hauptformen  angegeben  werden,  also  hier:  n3^2-  aber  *in!}na.  — 
Auch  bei  ^yn  sollte  beigefügt  sein  l)  abweiden,  durch  Feuer  verzeh- 
ren, 2)  intrans.  verzehrt  werden,  verbrennen.  —  Bei  lib^  u.  ä.  Wör- 
tern ,  welche  ganz  auseinander  gehende  Bedeutungen  haben ,  niufs  dem 
Schüler  ein  Wink  gegeben  werden ,  wie  denn  doch  ein  Zusammenhang 
unter  den  Bedeutungen  stattfinde.  Bei  dem  fraglichen  Wort  geben 
Maurer  und  Gesenius  weit  auseinander.  —  Warum  ist  bei  n*^*it^  und 
nn^n  die  Aussprache  angegeben?  —  ''rib'i  hat  so  wenig  als  '^:d^12 
Dag.  leue.  —  So  gut  wie  bei  ri  sollte  bei  na  "i  ti^tl  u.  ä.  Wörleru 
auf  die  betreffenden  §§.  der  Gramm,  verwiesen  werden.  Es  ist  von 
gröfstem  Werth,  wenn  ein  Schulbuch  in  allen  seinen  Theilen  als  zu- 
sammengehörig erscheint  und  es  an  fortlaufender  Bezugnahme  auf  die 
zerstreuten  Bemerkungen  und  Regeln  nicht  fehlen  läfst.  —  ^rr  add.  ntitn 
n*irj  mit  r;  loc.  aber  'n^'nii  t:""irj  s-^nnr:.  — rriT  add.  fi-rhr  n'iyhT 
T»riV"lT,  da  der  Schüler  Wörter  dieser' Art  nicht  nach  einer  Kegel  zu 
formieren  weifs.  —  «nn  add.  Nif.  NSnj:.  —  "H  add.  A)  adj.  lebend, 
bei  Schwüren  'niTt^  ^r\  ^^i«  '^n.  B)  subst.  Leben  sing,  und  plur.,  bei 
Schwären:  ?ii?*ns  "ti.  —  Bei  S^n  fehlt  die  zu  S.  251,  1  Sam.  9,  1,  er- 
forderliche Bedeutung  *  Vermögen.'  Ebenso  sollte  bei  VVtl  als  erste 
Wortbedeutung  aufgeführt  sein:  durchbohren,  ein  Loch  machen,  daher 
(vom  Nomadenleben  hergenommen)  den  Anfang  eines  Geschäfts  ma- 
chen. —  Bei  ii:n  fehlt  das  Dagesch  f.,  ebenso  bei  Jia'nn  Dag.  lene. 
Zu  y^in  add.  *  von  y*in  l)  schneiden,  schärfen ,  2)  ausgraben.'  Zu 
nnn  l)  Gott  als  unlösbares  Eigenthum  weihen,  bauen,  2)  vertilgen. 

—  Die  Deutung  yon  inh  2  Mos.  3,  1  als  *  Schwager*  ist  unter  den 
verschiedenen  Auffafsungen  jener  Stelle  wohl  die  unwahrscheinlichste ; 
viel  einfacher  ist  der  Ausweg,  den  Abenesra  und  Kosenmüller  ein- 
schlagen, 2  Mos.  2,  18  nfij  von  Reguel  gebraucht  als  ^Grofsvater'  zu 
fafsen ,  so  dafs  nicht  Reguel  sondern  Jelhro  der  Sclnviegervaler  Moses 
^äre.  —  Ueber  lat:*^  3)  und  dafs  die  Deutung  von  TtTi^»^  welche  das 
Wörterbuch  angibt,  aufzugeben  sein  möchte,  ist  früher  gesprochen. 

—  imn*»  fehlt;  ebenso  y\ll2,  —  Bei  ©nV  sollte  das  auffallende  Impf. 
t:5abl  bemerkt  sein  und  gesagt  werden,  die  transit.  Bedeutung  des 
Wortes  gehe  in  die  halbpassive  über:  bekleidet  sein.  —  n^;?a  ist  kein 

42* 


650  M.Speck:  Würdigung  d.  plat. Lehre  v.  d. Unsterblichkeit  d. Seele. 

abstractum.  —  Dars  bei  ütz  an  der  Ableitung  von  OD72,  gegenflber 
der  gesuchten  Deutung  des  SVorts  von  Gcsenius,  festzuhalten  sei,  hat 
Maurer  richtig  gezeigt.  Es  sollte  etwas  darüber  bemerkt  sein.  — 
niDb73  ist  ohne  Dag.  Icne,  i:::^?::  mit  Schva  zu  schreiben;  n:£3  ist  sel- 
ten, weitaus  gewöhnlicher  n^:: ,  bei  m^:?,  1^3^,  O^C,  D^^tiVd,  Ü'^r^t 
sind  Druckfehler  zu  verbefsern.  —  Bei  nbo  ist  mehreres,  was  aos- 
einanderzuhalten  ist ,  zusammengeworfen ;  es  mufs  gründlicher  erör- 
tert werden;  bei  üy  add.  D7ri.  —  Statt  r'ic  leg.  yit  undadd.  l)  rei- 
fsen,  einreifsen,  2)  sich  zerstreuen,  ausbreiten,  wachsen,  3)  ein- 
brechen. —  riD  ist  Fem.  —  y^^  I)  ist  zn  tilgen ;  dagegen  *  fin^© 
grofser  Sabbath'  aufzunehmen. 

Iliemit  glaube  ich  das,  was  diesem  gut  angelegten  Schalbnch  sn 
seiner  Vervollkommnung  noch  zu  fehlen  scheint,  genügend  angedeutet 
zu  haben  und  wünsche  nur,  dafs  eine  neue  Bearbeitung,  welche  wohl 
nicht  lange  mehr  auf  sich  wird  warten  lafsen  dürfte,  den  Beweis  lie- 
fere ,  es  sei  das  hier  in  guter  Absicht  gebotene  auch  gut  aufgenommen 
worden,  ohne  damit  sagen  zu  wollen,  dafs  ich  in  den  vorgeschlage- 
nen Verbefserungen  immer  das  beste  und  der  Aufnahme  unbedingt 
würdige  gegeben. 

Schönthal.  L.  Mezger. 


Kürzere  Anzeigen. 

1)  Würdigung  der  platanischen  Lehre  ron  der  Unsterblichkeii 
der  Seele,  Von  Dr.  Moritz  Speck.  Vor  dem  Programm  de«  Eli- 
sabeth-Gymnasiums zu  Breslau  1853. 

2)  Materia  qualem  apud  Platanetn  habcat  rim  alqtte  naturam. 
Scripsit  G,  Bode,  phii.  Dr.  Vor  dem  Programm  des  Gymnasiums 
zu  Neu-Ruppin  1863.     12  S.  4. 

3)  Platotiica  Aristotelis  opuscula.  Vom  Adjuncten  Dr.  Boumot. 
Vor  dem  Programm  des  Paedagogiums  zti  Putbus  1853.    17  8.   4. 

Ref.  bedauert,  dafs  Nr.  1  ihm  nur  zu  dem  dringenden  Wunsche 
Veranlafsung  gibt,  es  möge  diese  kleine  Abhandlung  die  letzte  in  jener 
leider  ziemlich  langen  Reihe  von  Schriften  sein,  in  welchen  die  plato- 
nischen Unsterblichkeitsbeweijte  im  Phaedon  frischweg  beurtheilt  und 
verurtheilt  werden,  ohne  dafs  man  sich  erst  zuvor  die  Muhe  gegeben 
hat  zu  fragen,  wie  viel  oder  wie  wenig  denn  Piaton  selbst  mit  einem 
jeden  im  Gesammtzusammenhange  des  Dialogs  beweisen  will.  Dafür 
treffen  wir  bei  Hrn.  Speck  höchstens  einige  fluchtige,  unzureichende 
Andeutungen.  Die  Grundfrage  ist  vielmehr  die,  da  die  Beweise  des 
Dialogs  nur  verschiedene  Stufengrade  desselben  Beweises  sind,  ob  nicht 
eben  so  auch  das  durch  sie  bewiesene  erst  in  stufenweiser  Erhebung 
»ein  eigentliches  Ziel  erreicht;  diese  Frage  legt  der  Hr.  Vf.  sich  aber 
gar  nicht  vor.  Jede  Kritik  nun  kann  selbstverständlich  nur  dann  Werth 
haben,  wenn  ein  vollkommenes  Verständnis  des  lu  beurtheilenden  vor- 
aufgeht.    Wie  sehr  aber  der  Hr.   Vf.    noch  von  einem  solchen  entfernt 


% 


0.  Bode :  materia  qaalem  apud  Platonem  habeat  vim  atque  naturam.  651 

ist,  xeigt  er  auch  dadurch,  dafs  er  die  bekannte  (scheinbare)  Differenz 
iwiachen  Phaedros  und  Phaedon,  dafs  dort  die  Seele  selbst  Princip  der 
Bewegung,  hier  dagegen  nur  Trägerin  der  Idee  des  Lebens  heifst,  da- 
durch beseitigen  zn  können  glaubt  (8.  14),  dars  dort  nur  von  der  Idee 
der  Seele  die  Rede  sei,  und  nicht  merkt,  dafs  dann  die  dortige  Form 
des  Beweises  auch  als  solche  schon  durchaus  mufsig  wäre ,  da  jede 
Idee  an  sich  ewig  und  unsterblich  ist.  Die  Behauptung  (8.  16),  dafs 
Piaton  durch  die  Einmischung  der  Mythen  in  seine  Unsterblichkeits- 
lehre dieselbe  auf  den  Volksglauben  stützen  und  durch  ihn  stärken 
wolle,  haben  wir  bereits  im  vorliegenden  Bande  dieser  NJahrb.  S.  24 
f.  126  widerlegt. 

Nr.  2  nimmt  keinen  höheren  Rang  ein  und  enthält  nichts  als  schon 
bekannte  Dinge,  die  noch  dazu  mit  Irthümern  und  Unklarheiten  ver- 
mischt  sind,  z.  B.  die  Ideen  hätten  keine  Bewegung  (S.  6),  obwohl  Hr. 
Bode  nachher  selbst  eine  Idee  der  Bewegung  anerkennt  und  es  also 
;anz  räthselhaft  läfst,  was  er  sich  denn  eigentlich  unter  derselben 
lenkt,  ferner  Ideen  von  Einzelwesen  annimmt  (S.  6).  Die  platonische 
Materie  sei  das  fi-q  ov,  aber  doch  nicht  schlechterdings  nicht  seiend, 
da  sie  dann  auch  nicht  einmal  gedacht  werden  könne.  Dafs  Piaton  so 
schnell  mit  dieser  Frage  nicht  fertig  war,  hätte  der  Hr.  Vf.  aus  Soph. 
p.  258  E  ersehen  können,  auch  fuhrt  er  ja  selber  die  Stelle  aus  dem 
Timaeos  an,  nach  welcher  die  Materie  auch  nur  sehr  beziehungsweise 
gedacht  werden  kann.  Sie  ist  allerdings  nicht  schlechthin  nicht  seiend, 
nemlich  sofern  dieses  ihr  Nichtsein  durch  die  absolute  Uebergewalt 
der  Ideen  in  einem  beständigen  Aufgehobenwerden  begriffen  ist,  wie 
aus  dem  Gesammtzusammenhange  des  Parmenides  ersichtlich.  Neu  ist 
dem  Ref.  die  Angabe  (S.  11)  erschienen,  dafs  einige  die  platonische 
Materie  für  die  Relation  erklärt  hätten,  welche  zwischen  den  Ideen 
und  den  Dingen  stattfinde;  doch  hätte  der  Hr.  Vf.  befser  gethan,  diese 
Leute  auch  zu  nennen,  und  mit  seiner  Widerlegung  vermögen  wir  nicht 
einverstanden  zu  sein.  Man  habe,  sagt  Hr.  B.,  zu  dieser  Erklärung 
gegriffen,  um  den  Piaton  von  dem  Vorwurfe  des  Dualismus  zu  befreien, 
ein  solcher  sei  indessen  nur  da  Vorhanden,  wo  es  zwei  gleich  selbstän- 
dige Principien  gebe,  nicht  wo  die  Materie  schlechthin  passiv  sei  wie 
bei  Piaton.  Darnach  wäre,  erwidern  wir,  Anaxagoras  auch  kein  Dua- 
list, denn  bei  ihm  ist  dasselbe  der  Fall,  und  selbst  das  vom  Hrn.  Vf. 
angeführte  Beispiel  von  Ormuzd  und  Ahriman  möchte  nicht  ganz  vor« 
halten,  da  der  letztere  wenigstens  schliefslich  yom  ersteren  besiegt 
wird,  und  so  mochte  denn  nach  dieser  Theorie  der  Begriff  des  Dualis- 
mus wohl  überhaupt  aus  nnsern  philosophischen  Wörterbüchern  gestri- 
chen werden  müfsen.  ~ 

Nr.  3  dagegen  ist  eine  mit  Geschick  und  Kenntnis  abgefafste  Ar- 
beit. Zunächst  fnhrt  Hr.  Bournot  kurz  die  Auszuge  auf,  welche 
Aristoteles  aus  Schriften  seines  Lehrers  vermuthlich  nur  zum  eignen 
Gebrauch  gemacht  hat,  3  Bucher  aus  den  Gesetzen,  2  aus  der  Politik 
und  1  aus  dem  Timaeos,  welches  letztere  der  Hr.  Vf.  gegen  die  Ver- 
dächtigung des  aristotelischen  Ursprungs  durch  Gruppe  vertheidigt  (S. 
1—3).  Das  von  Olympiodoros  angeführte  iyncifuoy  Jlldrcavog  hält  er 
für  die  übliche  Leichenrede,  welche  hiernach.  Aristoteles  dem  Piaton 
gehalten  hätte  (S.  3).  Ref.  freut  sich  aufrichtig  über  diese  Vermuthung, 
welche  ein  wichtiges  Moment  gegen  die  bekannten  Anekdoten  über  das 
Misverhältnis  zwischen  beiden  in  die  Wagschale  legen  durfte.  Dann 
behandelt  Hr.  B.  kurz,  indem  er  für  da»  ausführlichere  auf  Brandis  ver- 
weist, die  Schrift  überdieldeen.  Er  gibt  hinsichtlich  der  abweichen- 
den Ansichten  über  die  Bücherzahl  mit  Recht  der  des  Alexander  von 
Aphrodisias  den  Vorzug,  der  das  4e  Buch  citiert,  so  dafs  die  Schrift  minde- 
stens 4  Bücher  hatte.   Alexander  führt  nun  aus  derselben  Dinge  an,  die 


652  Bournot:  Platonica  Arislotelis  opusciila. 

sich  80  aasdrücklich  in  Piatons  Werken  nicht  finden;  Trendelanburg 
hatte  daher  vermuthet,  dafs  Aristoteles  dabei  iedigli  ch,  Brandis,  dau 
er  wenigstens  nebenbei  dessen  mundliche  Lehrvorträge  benatit  habe; 
Hr.  B.  bemerkt  dagegen,  dafs  nicht  einmal  das  letztere,  obwohl  an 
.sich  wahrscheinlich,  »ich  wirklich  beweisen  lafse,  sofern  in  jenen  Fal- 
len Piaton  nicht  aasd  rucklich  genannt  wird  und  Aristoteles  erweislich  auck 
die  Meinungen  anderer  Philosophen  in  dieser  Schrift  kritisiert  hat.  Auch 
halt  der  Hr.  \T.  noch  eine  kleine  Nachlese  von  Anfuhrungen  aus  derselben 
(Asklepios  in  der  Scholicnsammlung  zu  Aristot.  Met.  p.  563  a  41  and 
schon  23  vgl.  mit  Bekker  Anccd.  11  p.  660,  32)  und  findet  eine  Ver- 
weisung auf  dies  Werk  bei  Aristoteles  selbst  Met.  XH,  6  p.  1080  a  9 
(8.  3—6).  —  Den  wichtigsten  Theii  der  Untersuchung  bilden  hierauf 
(8.  6—9  u.  12~17)  die  Bücher  negl  (pUoao(picis.  Hr.  B.  geht  dabei 
von  den  ayQccq)a  dayfiara,  d.  h.  ohne  Zweifel  den  Aiündlichen  Vortra- 
gen des  Piaton  aus  und  bemerkt,  dafs  die  Art,  wie  Aristoteles  Phya. 
IV,  2  p.  209  b  11  if.  dieselben  anfährt  (iv  roCg  ItyoiiivoiQ  «.  d.), 
fast  zu  dem  Glauben  verleiten  konnte,  dafs  sie  in  einer  scbriftlicheii 
Sammlung  von  irgend  einem  Platoniker  existierten;  wahrscheinlich  liege 
indessen,  wie  öfter  beim  Aristoteles,  nur  eine  aus  seiner  Kürze  hervor- 
gehende Ungenauigkeit  des  Ausdruckes  vor  (£=  'anders  äufserte  iich 
Piaton  hierüber  im  Timaeos,  anders  in  seinen  Vortragen,  weshalb  man 
dies  letztere  zu  seinen  sogenannten  ungeschriebenen  Lehrmeinangen 
rechnet').  An  dieser  Stelle  (vgl.  Z.  33  f.)  heifst  es  nemKch,  Piaton 
habe  die  Materie  in  seinen  mündlichen  Vortragen  als  'das  erofse  und 
kleine*  bezeichnet.  Aus  den  Commentatoren  aber  ergibt  sich  genauer, 
dafs  dies  in  dem  Vortrage  nsgl  rov  dya^ov  geschah,  und  dafs  Aristo- 
teles so  wie  andere  Platoniker  denselben  nachgeschrieben  hatten.  Bben- 
so  verweist  Aristoteles  selbst  de  an.  I,  2  p.  404  b  18  auf  gewisse 
Lehren  Piatons  iv  roi^  mgl  (piXoootpiag  XFyofiivoig ,  was  Hr.  B.  im 
Widerspruch  gegen  die  gewöhnliche  Meinung,  welche  dies  Citat  aaf 
die  aristotelische  Schrift  bezieht,  vielmehr  wiederum  auf  einen  münd- 
lichen Vortrag  des  Piaton  deutet,  dabei  aber  unentschieden  lüfst,  ob 
diei«er  mit  dem  Trf^l  tayad'ov  derselbe  sei.  Allerdings  aber  existierte 
vom  Aristoteles  eine  Schrift  negl  (ptloaorpi'ag ,  auf  welche  er  selbst 
Phys.  IT,  2  p.  194a  32  f.  verweist,  wie  Hr.  B.  gegen  die  griechischen 
Ausleger,  welche  unter  diesem  Namen  hier  vielmehr  die  nikomachische 
Kthik  verstehen,  erhärtet;  auch  spielt  Aristoteles  Met.  XI,  7  p.  1072b 

1  auf  ganz  dieselbe  iiia^QSCig  an  ,  welche  er  auch  dort  im  Sinne  hat» 
und  hiezn  bemerkt  Alexander,  dafs  dieselbe  in  den  Büchern  mpi  raya- 
0-0 1?  ausgeführt  werde,  nach  dessen  Worten  zu  schliefsen  sie  nberdem 
dieselbe  ist,  auf  welche  Aristoteles  auch  an  andern  Stellen  der  Meta- 
physik hinweist.  Dafs  die  Schrift  nfo)  tpiXoaofpCag  und  die  n%q\  raya- 
d'oii  dieselbe  ist,  obgleich  beide  in  den  Bncherverzetchnisaen  getrennt 
werden,  und  dafs  sie  jedenfalls  nicht  die  blofse  Nachschrift  jenes  pla- 
tonischen Vortrags,  sondern  anch  Erörterung  der  eignen  Lehren  des 
Aristoteles  enthält,  scheint  hiernach  erwiesen  zu  sein,  ja  es  konnte 
sich  fragen,  ob  dief«e  Nachschrift  überhaupt  in  ihr  enthalten  war.  Um 
dies  indessen  wahrscheinlich  zu  machen,  benatzt  der  Hr.  Vf.  die  ans 
dieser  aristotelischen  Schrift  angeführten,  schon  nach  der  Bemerknng 
der  Alten  ganz  platonisch  lautenden  Stellen:  Cic.  ^,  l^.  1,  13  (wo 
Krische  vielmehr  an  das  I2e  Buch  der  Metaphysik  dachte)  und  II,  37 
und  Simplic.  z.  Aristot.  de  caelo  fol.  67  b.  lieber  die  wahrscheinlich 
eben  daher  entnommene  Stelle  über  den  Orpheus  (Cic.  N.  D.  I,  38) 
hatte  Hr.  B.  sich  übrigens  nicht  bei  Trendelenburgs  Krirlämng  (in 
Aristot.  dp  an.   1,  5)  beruhigen  sollen,  s.  Schümann  z.  d.  St. 

Zweimal,  de  gen.   et   corr.  II,  3  p.  330b  7  und  de   part.   anim.   I, 

2  p.  fy42b  10  citiert  Aristoteles  die  ^fof^^ifa^t;  des  Piaton,  wie  et  scheint 


K.fiichhoff:  logica  triam  cUalogorain  PlatojuGorain  explicatio.  65S 

aach  Met.  VF,  12  p.  1037  b  27.  Hr.  B.  entscheidet  sich  hier  für  die 
achon  von  Alexander  aufgeatellte  Meinnng,  dafa  Sophist  and  8taata- 
mann  nnter  dieser  Bezeichming  vereinigt  wurden  (Sopb.  p.  94%  C. 
219fr.  samnit  Polit.  263f.,  endlich  Poiit.  266E).  Top.  YJ,  10  p.  148, 
15  bezieht  er  auf  Tim.  p.  41 B  (S.  9—12). 

Greifswald.  Fr.  Su9mnihL 


Logica  Irium  diahgomm  Platonicorum  expUcatio.  Abhandlung 
des  Director  Dr.  K.  Eiehkoff  im  Herbstprogramm  1854  des  k.  Gym- 
nasiums nnd  der  Realschule  zu  Duisburg.     18  8.  4. 

Mit  dieser  kleinen  Abhandlung  hat  der  Hr.  Vf.  einen  nach  der 
Ansicht  des  Ref.  sehr  fruchtbaren  Versuch  gemacht,  die  logische  Glie- 
derung platonischer  Gedankenentwicklung  darzulegen.  Seine  Methode 
verspricht  für  die  Schule,  wie  Hr.  E.  hofft,  aber  mehr  noch  für  die 
Wifsenschaft ,  wie  ich  glaube,  zu  erwünschten  Resultaten  zu  fahren. 
Hr.  £.  geht  von  der  Ansicht  aus,  dafs  aller  Unterricht  in  der  Philo- 
sophie auf  Gymnasien,  insbesondere  der  Unterricht  in  der  Logik  anzu- 
scbliefsen  sei  an  die  Lecture.  Wie  dies  praktisch  mogUch  sei,  sucht 
er  beispielsweise  durch  die  logische  Zergliederung  S^b  platonischen 
Menon,  Kriton  Und  Phaedon  nachzuweisen.  Zu  dem  Ende  nimmt  er 
einzelne  Gedanken  oder  Gedankenreihen  aus  jenen  Dialogen  vor  und 
zeigt,  welche  Art  lo^scher  Thatigkeit  darin  zur  Anwendung  komme, 
in  welchen  Formen  sie  sich  bewege,  welchen  Gesetzen  sie  folge.  Auf 
diese  Weise  bringt  er  den  Inhält  der  Logik,  natürlich  nicht  den  gan- 
zen, sondern  wie  es  der  Gegenstand  der  Untersuchung  mit  sieh  bringt, 
an  concreten  Beispielen  zur  Sprache.  Diese  Methode  soll  indes  nicht 
blofs  an  platonischen  Dialogen,  vielmehr  auch  an  jeder  dazu  geeigne- 
ten Lecture  der  Prima,  als  namentlich  der  Leetüre  ciceronischer  Schrif- 
ten geübt  werden.  Geeignet  sind  natürlich  nur  solche  Schriften,  die 
eine  gewisse  Manigfalttgkeit  logischer  Thatigkeit  darbieten.  Diese 
Art  die  Logik  praktisch  zu  lehren  scheint  mir  den  Forderungen  der 
Paedagogik  ganz  entsprechend.  Allerdings  mufs  man  Mafs  halten  um 
nicht  in  formalen  Schematismus  zu  gerathen,  über  die  Form  den  Inhalt 
zu  vergefsen  und  den  Geist  zu  ertödten.  Aber  daan  gibt  auch  die 
vorliegende  Abhandlung  keine  Anleitung.  Sie  lehrt  vieliMebr  nur  den 
Inhalt  aach  der  Innern  Form  nach  scharf  ins  Aoge  zu  fafsen  und  da- 
durch die  Einsicht  in  den  Gedankenzusammenhang  fest  zu  gründen. 
Doch  ich  sagte,  auch  der  Wifsenschaft  leiste  der  Versuch  des  Hrn.  E. 
einen  Dienst,  ohne  es  ausdrücklich  zu  versprechen.  An  einem  andern 
Orte  bezeichnete  ich  es  als  Aufgabe  der  Wifsenschaft,  die  innere  Denk- 
form Piatons  zu  reconstruieren.  Diese  logische  Gestaltung  seines  Denkens 
ist  die  Grundlage  zu  einer  vollen  Einsicht  in  jene;  doch  freilich  nur 
die  Grundlage.  Die  Aufgabe  nmfafst  mehr;  aber  mit  der  Grund- 
lage d.  i.  der  Reprodnctton  der  logischen  Form  der  einzelnen  Dialoge 
mufs  man  eben  den  Anfang  machen,  um  vorerst  zu  einer  Uebersicht 
über  dieses  Material  zu  gelangen.  In  dieser  Beziehung  hatte  ich  ge- 
wünscht, der  Hr.  Vf.  hatte  auch  die  einzelnen  Begriffe,  in  denen  sich 
die  Entwicklung  der  Gedanken  vorwärts  bewegt,  mit  in  den  Bereich 
seiner  Untersuchung  gezogen.  Doch  liegt  das  freilich  den  Bedürf- 
nissen der  Schale  ferner;  deshalb  will  ich  darüber  nicht  mit  ihm 
rechten. 

Nur  in  6inem  Punkte  kann  ich  dem  Verfahren  das  Hrn.  £.  nicht 
immer  beistimmen:  wenn  er  nemlich  in  der  Exposition  Platoiu  logische 


654  K.  Eichhoff:  logica  triam  dialogorum  Platonicornm  explicatio. 

Fehler  nachzuweisen  sucht.  Sie  scheinen  wohl  da  zu  sein,  sind  es 
aber  meist  bei  genauerer  Betrachtung  nicht.  Ich  will  gleich  zn  ein- 
zelnen Beispielen  übergehen.  P.  8  nndet  Hr.  E.  in  dem  Beweis  des 
Sokrates  im  Menon,  dafs  die  Tugend  auf  der  Rinaicht  beruhe,  in  dem 
Satz:  alles  was  nutzlich  sei,  sei  es  nur  mit  Hilfe  der  Einsicht,  einen 
Fehler,  weil  auch  etwas  ohne  Hilfe  der  Einsicht  nutzlich  werden  könne. 
Allerdings;  aber  jener  ^atz  beruht  auf  einer  Unterstellung,  die  man 
hinzu  ergänzen  mufs,  um  ihn  gerechtfertigt  zu  finden.  Diese  Unter- 
stellung liegt  darin,  dafs  unter  dem  nutzlichen  hier  nur  zu  verstehen  sei, 
was  wie  die  Tugend  als  ein  inixB^grifia  oder  nagtiQTjfta  t^g  'ilfVxrJQ  (88 
C)  zu  fafsen  sei.  Damit  wird  der  Kreis  desselben  durch  die  Angabe 
der  Quelle,  aus  welcher  es  —  unmittelbar  oder  yermittelt  —  entstehe, 
Ton  Torn  herein  beschränkt.  Unter  dieser  Voraussetzung  ist  aber 
der  Satz  vollkommen  richtig:  denn  das  Agens,  was  ein  Ding  zn  einem 
nfitzlichen  oder  schädlichen  macht,  ist  alsdann  in  der  Seele  gelegen, 
Vernunft  oder  Unvernunft.  Daher  wiederholt  Piaton  diese  beschran« 
kende  Bedingung  ausdrücklich:  bI  a^a  agsttj  tmv  iv  xij  ipv%fl  xl  icti  *al 
arayuaiov  <xvt<ß  (o(psX^fi(p  flvai  ml.  Uebrigens  gebort  gerade  der 
Menon  zu  den  Dialogen,  in  welchen  alle  Beweise  durch  ihre  Stellang 
zum  Zwecke  des  ganzen  nur  einen  relativen  Werth  erhalten.  Sie 
sollen  alle  nnr  dazu  dienen,  von  verschiedenen  Seiten  Probleme  hervor- 
zuheben, die  ihre  Entscheidung  ans  der  Lösung  der  Hauptfrage  'waa 
ist  Tugend?'  zu  erwarten  haben.  Hier  darf  man  das  einzelne,  wie 
es  unmittelbar  vorliegt,  nicht  allznstark  nrgieren,  sondern  mnfs  es  sich 
ergänzen  lafsen  durch  die  Ueberzeugung ,  welche  der  Dialog  als  gan- 
zes erwecken  soll.  Man  mufs  also  den  Zweck,  den  Piaton  vor  Aogen 
hatte,  zum  Verständnis  hinzu  nehmen.  8o  wenn  Piaton  darin  schein- 
bar einen  Beweis  von  der  Nichtlehrbarkeit  der  Tugend  findet,  dafs  et 
keine  Lehrer  derselben  gebe,  so  will  er  nicht,  wie  Hr.  B.  annimmt, 
eine  Contraposition  des  vorausgehenden  Urtheils.  Dann  bitte  Hr. 
E.  Recht,  dafs  seine  Form  also  lauten  mufse:  ^ea  res,  cuius  magistros 
esse  non  oportet,  doceri  non  pote8t\  Piaton  will  vielmehr  nur  einen 
indirecten  Beweis  aus  der  Erfahrung  gegen  die  eigene  Annahme,  and 
dieser  Beweis  hat  nur  die  Geltung  eines  möglichen  Einwurfs, 
und  sein  freilich  nicht  ausgesprochener  Schlofs  wäre:  die  wahre  (philo- 
sophische) Tugend  ist  von  der  Gewohnheitstogend  des  Lebens  zn  nnter- 
scneiden.  Dies  gibt  Hr.  E.  auch  in  der  Amn.  5  S.  8  zu ;  er  hatte  es 
nur  auch  auf  die  Sache  anwenden  sollen.  Piaton  sagt  daher  auch 
ausdrücklich  89  E:  yiaXtog  av  avto  Blndiovtfg  el%dioifit9  ntl. 

Noch  leichter  beseitigt  sich  meiner  Ansicht  nach  ein  anderer  Vor- 
wurf gegen  die  Entwicklung  im  Kriton  p.  49.  Sokrates  behauptet: 
ovdevl  tQonat  (pceiikv  tnovtag  dStnritiov  slvai.  Das  ddiMtp  unterschei- 
det er  wieder  als  naniovQYsiv  und  als  dvTiyia'KOVQyfiv.  Hr.  B.  meint 
nun  p.  10,  es  liefse  sich  in  dieser  Subsnmption  ein  Fehler  finden,  'qnod 
fieri  potest,  ut  necessitate  coacti  noceamus  vel  malum  raalo  rependa- 
mus,  nee  tamen  male  s.  iniuste  agamns'.  Aber  einmal  schlient  das 
fnövTug  in  der  propositio  schon  die  Noth wendigkeit  aus;  dann  aber 
ist  auch  das  dSiyttiv  nur  in  dem  Sinne  zu  fafsen,  dafs  durch  Noth- 
wendigkeit  gerechtfertigte  Handlungen  nicht  können  als  dSmicu  ange- 
sehen werden.  —  In  dem  ersten  Beweise  des  Sokrates  im  Phaedon 
wurde  gewis  auch  für  Hrn.  E.  die  'fallacia  falsi  medii'  weggefallen 
sein,  wenn  er  sich  strenger  an  Piatons  Worte  angeschlofsen  bitte. 
Er  urgiert  nemlich,  wie  auch  Tiedemann  thnt,  auf  den  er  sich  mit  be- 
ruft, allzusehr  den  Begriff  Tod;  Piaton  t6  avt^v  x«^  avxfjv  Tijr 
^vxiqv  ^inv,  also  die  Selbständigkeit  der  Seele.  Sie  ist  das  Zial^ 
nach  dem  der  Philosoph  in  seinem  Sinne  im  Leben  strebt,  und  das 
Ziel  das  der  Tod   gewahrt.    Dieser  MittelbegriiT  ist  also  beiden  ga» 


K.  Eichhoif:  iogica  triam  dialogornm  Platonicorum  explicatio.  655 

nelnschafUich  —  aU  das  positive  Ergebnis  der  Trennong  der  Secrie 
▼om  Leibe.  Der  Schlafs  ist  demnach  aach  nar:  da  der  Philosoph 
nach  dem  strebt  was  der  Tod  gewahrt,  so  mafs  er  ihm  erwünscht  sein 
nm  des  Ziels  willen,  das  er  nan  za  erreichen  hoffen  darf, reine  Erkennt- 
nis, 68  A.  In  diesem  Beweis  also  kam  es  nar  auf  schärferes  Auffafsen 
der  Begriffe  an,  durch  die  er  sich  hindarchbewegt.  Die  'fallacia'  liegt 
nicht  auf  Piatons  Seite.  Etwas  anders  steht  es  mit  der  Heterozeteie, 
die  in  dem  p.  70  C  beginnenden  Beweise  soll  enthalten  sein.  Er 
leidet  allerdings  an  einem  Mangel,  aber  an  dem  Mangel  den  alle  Ana- 
logteschlufse  miteinander  theilen.  Nicht  aber  darin  liegt  der  Fehler, 
qnod  'ad  singulas  animas  id  referatur,  qnod  nonnisi  de  universo  earum 
complexu  Taiet'  (p.  12),  denn  gerade  dieser  Beweis  soll,  wie  Piaton 
ausdrücklich  103  B  bemerkt,  nar  von  dem  Werden  der  Einzeldinge 
handeln.    Und  dieser  Gesichtspunkt  ist  auch  in  der  That  während  des 

ganzen  Beweises  eingebalten.  Nur  ist  der  Schlufs,  wie  gesagt,  ein 
chlafs  ans  der  Analogie.  Die  Fehler,  die  in  den  nächstfolgenden  Be- 
weisen gefunden  werden,  liegen  mehr  in  dem  Inhalt  als  in  der  logischen 
Form.  Ich  kann  sie  darum  übergehen  und  nur  darauf  aufmerksam 
machen,  dafs  man  zur  Entscheidung  der  Sache,  so  weit  das  formelle 
allerdings  auch  durch  den  Inhalt  mit  berührt  wird,  zurück  gehen  mufs 
auf  die  ganze  Anschauungsweise  Piatons,  die  im  Hintergrunde  steht. 
Die  Kritik  derselben  geht  über  die  Logik  hinaus*  Nur  zu  der  Widerle- 
gung des  Satzes  des  Simmias,  dafs  die  Seele  Harmonie  sei,  habe  ich 
hinzuzufügen,  dafs  der  Beweise  nicht  fünf  sind,  wie  Hr.  E.  annimmt, 
sondern  nur  zwei.  Die  beiden  mittleren  hat  er  selbst  durch  Ergänzung 
der  Schlufssätze  gebildet  —  nicht  mit  Recht.  Doch  habe  ich  über  den 
Gang  dieses  Sorites  meine  Ansicht  bereits  in  diesen  NJahrb.  oben  S. 
160  f.  ausgesprochen  und  begnüge  mich  darauf  zu  verweisen. 

Schliefslich  kann  ich  nur  wünschen,  dafs  die  Anwendung  der  Me- 
thode des  Hrn.  Vf.  nicht  blofs  auf  diese  wenigen  Proben  beschränkt 
bleibe.  Nicht  allein  für  die  Schule  verspricht  sie  fruchtbar  zu  werden, 
auch  dem  Verständnis  und  der  Kritik  der  Alten  schafft  sie  sichere 
Grundlagen,  und  die  Logik  wird  durch  sie  mit  einer  Sammlung  gediege- 
ner mustergiltiger  Beispiele  bereichert  werden.  Ref.  erkennt  dankbar 
an,  ans  der  kleinen  Schrift  viel  gelernt  zu  haben. 

Hanau.  Julius  Deuaehle, 


Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  Sechstes  Heft.  Mit 
5  Tafeln  Abbildungen.  Frankfurt  a.  M. ,  Verlag  von  Heinrich 
Keller.  1854.     233  S.  gr.  8. 

Unter  der  grofsen  Menge  deutscher  Vereinsschriften  nimmt  das 
oben  genannte  Archiv  seit  einer  Reihe  von  Jahren  eine  dem  Gegen- 
stande der  in  ihm  niedergelegten  Forschungen  sowohl  als  der  Stadt, 
deren  Namen  es  trägt,  entsprechende  Stelle  ein.  Liegt  es  auch  in  der 
Natur  der  Sache,  dafs  das  Archiv  hauptsächlich  der  localen  Geschichte 
und  Alterthumskunde  sich  zuzuwenden  hat,  so  bleibt  dabei  doch  der 
grofse  Gewinn  nicht  ausgeschlofsen ,  der  auch  der  allgemeinen  Cr«- 
schichte  und  Kunde  deutscher  Vorzeit  um  so  mehr  aus  demselben  er^ 
wachsen  mufs,  je  bedeutungsvoller  gerade  Frankfurt  vor  allen  Städten 
Deutschlands  als  dereinstige  Wahl-  und  Krönungsstadt  der  deutschen 
Kaiser,  sowie  als  eine  der  ersten  freien  Städte  mit  so  vielen  ruhmrei- 
chen Erinnerungen  und  an  die  schönsten  Zeiten  deutscher  Herlichkeit 
mahnenden  Reliquien  in  die  Gegenwart  hereinragt.    So  kann  es  denn 


656         Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  6s  Heft. 

nicht  fehlen,  dafs  die  Betrachtan^;  seiner  Denkmäler,  Geschichte,  Cnl- 
tur,  seines  Rechts-,  kirchlichen  und  privaten  Lebens  vielfach  im  engsten 
Besuge  lu  der  allgemeinen  deutschen  Entwicklung  und  dem  Verlauf 
der  angedeuteten  L^benssphaeren  steht  und  oft  aus  dem  KinEelbilde  ein 
Schlufs  auf  die  allgemeine  Anschauung  der  Zeit  gewonnen  werden  kann. 
Die  Untersuchungen  des  In  Heftes  über  die  ältesten  Bauwerke,  nament- 
lich die  Kapelle,  im  Saalhof  fuhren  zu  ebenso  interessanten  und  für 
die  allgemeine  Geschichte  erspriefslichen  Betrachtungen  über  die  letzten 
Carolinger  in  Deutschland,  wie  andrerseits  die  Versuche  über  Hart- 
mann Beyer  im  5n  Hefte  und  im  vorliegenden  ^iiber  den  Antoniterhof 
in  die  ereignisschwere  Zeit  des  16n  Jh.  und  der  danach  entbrannten 
religiösen  Kämpfe  Blicke  eröffnen,  welche  die  so  wunschenswerthe  all- 
seitige Beleuchtung  jener  für  Deutschland  so  verhängnisvoll  gewordenen 
Zeiten  ermöglichen  helfen,  um  endlich  Recht  und  Unrecht,  Schuld  nnd 
Unschuld  mit  gereckter  Wage  abwägen  und  zugleich  auch  die  Partei- 
cntstellungen  jeder  Art  würdigen  zu  können.  Einen  auch  anderweitig 
interessanten  Beitrag  zur  Geschichte  des  Reformationszeitalters  gibt 
auch  die  in  demselben  Hefte  mitgetheilte  ^Ablal'sbulle  Alberts  von  Bran- 
denburg, Erzbischofes  von  Mainz  und  Magdeburg,  Bischofs  von  Halber- 
stadt, nebst  Beiträgen  zu  einer  Geschichte  der  Ablafsertheilung  in 
Kr.  a.  M.'  Mit  strenger  Un^iarteilichkeit  und  Wahrheitsliebe  wird  von 
dem  gelehrten  Vf.,  Dr.  Römer-Büchner,  zuerst  die  Lehre  vom  AblaTs 
entwickelt,  das  Verhältnis  Alberts  als  Obercommissärs  des  von  Leo  X 
im  Jahre  1516  ausgeschriebenen  Jubelablafses  erörtert,  obige  1519  er- 
theilte  Ablafsbnlle  nach  dem  Originaltext  mitgetheilt  und  daran  mit 
Bezug  auf  das  an  der  Urkunde  hängende  trefflich  componierte  Siegel 
eine  Besprechung  der  (etwa  12)  verschiedenen  Siegel  Alberts  geknöpft. 
Die  Compositionen  derselben  durch  die  namhaftesten  Künstler  des  16n 
Jh.,  Albrecht  Dürer,  Peter  Vischer,  Lucas  Cranach  u.  a.  fuhrt  von 
selbst  auf  den  Einflufs,  welchen  der  prachtliebende  und  kunstsinnige 
Albert  auch  auf  die  Kunst  seiner  Zeit  ausgeübt  hat:  eine  Seite  im 
Leben  dieses  Kirckenfürsten,  welche  bei  einer  urkundlichen  Monographie 
über  sein  politisches  und  religiöses  Leben  nicht  wird  ausgeschlofsen 
bleiben  können:  \%ie  denn  überhaupt  Albert  eine  derjenigen  Persönlich- 
keiten ist,  die  vor  allem  bei  einer  urkundlichen  Behandlung  der  Re- 
formationsgeschichte  im  Auge  bebalten  werden  müfsen.  —  Nicht  minder 
werthvoU  und  von  mehr  als  localer  Bedeutung  sind  auch  die  vom  Dr. 
Böhmer  im  1i\  Hefte  bei  Besprechung  der  ^rothen  Thure  zu  Frank- 
furt '  über  die  Bedeutung  der  rothen  Farbe  als  Symbol  der  Hoheit 
(daher  auch  wohl  die  rothc  Einfafsung  um  das  guldne  Feld  mit  dem 
schwarzen  Adler),  insbesondere  der  Jurisdiction  (rothe  Brde),  der  Ja- 
ristenfacultäten  u.  s.  w.  zusammengestellten  lehrreichen  Notizen. 

Was  nun  <Ue  aus  dem  Archiv  zu  gewinnende  Ausbeute  zur  Urzeit 
des  Frankfurt  berührenden  Bereiches  römischer  Ansied  hing  betriflft, 
so  kommen  vor  allem  die  Untersuchungen  über  den  Novus  Ficu»  bei 
Heddernheim  und  über  das  vallum  ilomanum^  den  limcs  imperii  oder 
s.  g.  Pfablgraben  in  Betracht.  Der  Novus  Ficmt.  wegen  seiner  reichen 
Fundstätte  das  nordische  Pompeji  genannt,  vielleicht  identisch  mit  der 
rivitas  Tauncn»ium,  xoichnet  sich  besonders  durch  seine  mythologi- 
schen Denkmäler  wie  wenige  Städte  der  nördlichen  römischen  Grenz- 
lande aus.  ^Einheimisch  keltischer  wie  römischer  und  asiatisch -grie- 
chischer Götterdienst  mischten  sich  hier  mitten  in  dem  Gewoge  eines 
regen  bürgerlich-militärischen  Grenzverkeh rs.  Der  Novua  Ticifs  war, 
wie  andeTwärts  gezeigt  wurde,  einer  der  Hauptsitze  der  Verehmng 
des  luppitcr  Dotichcnus:  wenigstens  finden  sich  hier  die  zahlreichsten 
Denkmäler  desselben.  In  dem  vorliegenden  6n  Hefte  des  Archivs  ist 
die«e  mythologische  und  sociale  Bedeutung  des  Novut  Vieu9  besonders 


Archiv  für  Frankfurts  Gesohichte  and  Kunst.  6s  Heft.         657 

hervorgehoben  durch  die  ZusaoimensteUung  und  Erläuterung  der  jetit 
im  Frankfurter  Gebiete,  besonders  in  dem  Antiquarium  des  Dr.  Römer- 
Bachner  befindlichen  inschrifUichen  Funde  (8.  1 — 30),  welche  durch 
mehrere  Inedita,  wie  den  bis  jetzt  nur  durch  das  ^ine  Heddernheimer 
Denkmal  bekannt  gewordenen  luffnter  Olbiui'y  bemerkenswerth,  über- 
haupt für  alle  Seiten  des  religiösen,  bürgerlichen  und  militärischen 
Lebens  am  Taunus  zur  Römerzeit  reiche  Beiträge  zur  keltisch  >  römi- 
schen Urzeit  dieses  Grenzstriches  bieten.  Geschützt  zunächst  durch 
die  starken  Mauern  und  Thnrme  des  nahen  Jrtaunon^  der  Saalburg 
bei  Homburg,  entwickelte  sich  hier  wie  längs  des  Taunus  ein  reges 
Leben  zu  der  Zeit,  als  der  wohlgebaute  und  vert^eidigte  lime»  das  Anf- 
blühen  römischer  Cultur  und  Herschaft  sicherte.  Bekanntlich  hat  die 
Verfolgung  der  Spuren  dieSler  nördlichen  Vertheidignngslinie  des  Reichs 
die  Forschung  seit  langem  beschäftigt  und  ist  gerade  in  der  neusten  Zeit 
als  ein  so  wichtiger  Gegenstand  erkannt  worden,  dafs  man  mjlt  Spannung 
den  Arbeiten  entgegensieht,  welche  die  zur  Untersuchung  der  ganzen 
Linie  des  vallum  Romanum  in  Deutschland  niedergesetzte  gelehrte 
Commission  veröffentlichen  wird.  Schon  im  4n  Hefte  des  Archivs  war 
'die  römische  Grenzbefestigung  des  Taunus'  von  Dr.  Römer  -  Büchner 
unter  Vorausschickung  der  hauptsächlichsten  älteren  Litteratnr  bespro- 
chen worden.  Während  indes  die  Forschung  sich  immer  mehr  in  den 
Boden  wühlt  und  an  den  halbverwehten  Resten  den  Linien  und  Anla- 
gen des  zerstörten  Werkes  nachgeht,  ohne  je  ein  lebendiges  Bild  des 
ursprünglichen  Standes  uns  vor  Augen  führen  zu  können;  geben  uns 
inzwischen  einige  Scenen  von  der  Seule  Trajans,  wie  uns  scheint, 
einen  Begriff  von  der  Anlage  und  dem  vollendeten  Bau  eines  solchen 
Valium.  Offenbar  beziehen  sich  freilich  die  gleich  näher  zu  bespre- 
chenden Scenen  der  Trajan-Seule  auf  den  Bau  des  jetzt  wieder  viel- 
fach vom  Kriegsschauplatze  her  erwähnten  Trajanswalles ;  sie  geben 
jedoch  ohne  Zweifel  ein  entsprechendes  Bild  für  den  ehemaligen  Be- 
stand unseres  Pfahlgrabens.  Gleich  in  den  beiden  ersten  Scenen  er- 
blicken wir  römische  Soldaten  mitten  in  der  Arbeit.  Im  Vordergrund 
vor  einem  nnregelmäfsig  .aufgethürmten  Walle  sind  auf  dem  ersten 
Bilde  6  leichtgeschürzte  Römer  mit  dem  Umhauen  einer  Anzahl  hoch 
emporstrebender  Bäume  beschäftigt,  die,  obgleich  fast  bis  zum  Wipfel 
vom  Laub  entblöfst,  dennoch  an  demselben  sich  als  Eichen  hinlänglich 
erkennen  lafsen.  Schon  liegen  Hölzer  am  Boden,  während  an  einigen 
Bäumen  gerüttelt,  an  andern  gehauen  wird.  Dasselbe  Schauspiel  er- 
weitert sich  in  der  zweiten  Scene.  Die  arbeitenden  Soldaten  scheinen 
blofs  Helm  nnd  Waffen  abgelegt  zu  haben,  während  alle  im  Panzer 
stecken,  um  schnell  jedem  Ueberfall  entgegen  treten  zu  können:  auch 
die  caligae  sind  an  ihnen  erkennbar.  Der  Wall  im  Hintergrunde 
scheint  schon  oben  mehr  geebnet:  die  gefällten  Hölzer  werden  theils 
von  einzelnen  aufgenommen,  theils  von  je  zweien  in  der  Weise  fortge- 
schafft, dafs  an  dem  über  den  Schultern  Hegenden  Baum  ein  Seil  herab- 
geht, an  dem  ein  anderes  Holz  hängt.  Dabei  sind  andere  noch  mit 
Fällen  der  Eichen  beschäftigt,  während  einer  mehr  im  Hintergrunde 
andern  zuzurufen  und  Anweisungen  zu  geben  scheint.  Die  dritte  Scene 
gewährt  uns  einen  Blick  oben  auf  das  Plateau  des  Walles.  Der  obere 
Rand  scheint  mit  Holz  und  Flechtwerk  nach  Art  moderner  Schanz- 
körbe die  Erde  zusammen  zu  halten.  Auf  dem  Plateau  stehen  in  Di- 
stanzen 5  au»  Quadern,  wie  es  scheint,  erbaute  Wallthnrme,  Wach- 
posten, jeder  oben  mit  einer  ringsherum  laufenden  Gallerie  als  Warte 
versehen,  aus  deren  Zugang  eine  brennende  Fackel  hervorragt: 
offenbar  ein  all  armierendes  Feuersignal  bei  Annäherung  des  Feindes. 
Die  3  Thürme  umgibt  unten  eine  dichte,  durch  mittlere  Querhölzer 
gefestigte    Einfriedigung  von    (zugespitzten)    Pallisaden,  welche  vorn 


65S        Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  and  Kunst.   6s  Heft. 

durch  eine  Oeffnnng  unterhrochen  ist,  durch  welche  man  in  die  schmale 
Thurmthür  geht.  Die  3  aus  ihren  Thnrmen  getretenen  wachehaltenden 
Soldaten  haben  den  Schild  kampfbereit  an  der  Linken.  Während  der 
eine  den  rechten  Arm  erhebt,  als  wolle  er  auf  ein  von  dieser  Seite 
herkommendes  Geräusch  lauschen  und  aufmerksam  machen ,  sieht  der 
zweite  y  auf  einer  kleinen  Erderhöhung  neben  seinem  Thurm  stehende 
nach  derselben  rechten  Seite  bin,  indes  der  dritte  mehr  gerade  Tor 
sich  in  die  Tiefe  zu  sehen  scheint;  es  scheint  in  dem  Bildchen  der 
Moment  vergegenwärtigt,  in  welchem  die  Thurmwachen  eine  Spur  ▼cm 
Feinde  bemerkt  und  ihre  Feuersignale  ausgesteckt  haben.  Die  Wir- 
kung davon  bleibt  niqjit  aus.  Haben  wir  eben  ein  besonderes  Plateau 
gesehen,  welches  vorzugsweise  eine  Warte  zur  Ausspähung  des  Feindes 
abgab,  so  erblicken  wir  auf  dem  vierten  Bildchen  ein  Stock  Wall  oder 
vielmehr  Wallmauer  oder  Brustwehr,  unregelmäfsig  anfgethunnt,  nnd 
dahinter  4  Thürme  derselben  Art  halbhervorragend  mit  denselben  fla- 
chen spitz  zusammenlaufenden  Dächern ;  auch  einzelne  Eichen  scheint 
man  in  der  aufgehäuften  Erde  stehen  gelafsen  zu  haben.  Schon  hat 
sich  eine  Reihe  Soldaten  vor  dem  Walle  aufgestellt,  während  hinter 
demselben  zwischen  den  Thurmen  gleichfalls  bewaffnete  Krieger  er- 
scheinen, von  denen  ein  Theil  nach  der  linken  Seite  hingewendet  ist 
und  schaut,  wie  wenn  von  dorther  ein  Feind  erwartet  würde.  Andere 
wenden  sich  ebenso  lebhaft  in  Anspruch  genommen  nach  der  rechten 
Seite.  Vielleicht  läfst  sich  auch  noch  eine  andere  Darstellung  hierher 
beziehen ,  in  welcher  der  Kaiser  mit  Gefolge  eine  kleine  von  einem 
Thurme  auf  dem  Walle  ausgehende  Bracke  herabreitet,  während  rar 
Linken  und  hinter  dem  Walle  unter  dem  Feldzeichen  eines  Capricomus 
versammelte  Krieger  den  Wall  besetzt  halten. 

Frankfurt  am  Main.  J.  Beci:er. 


1)  Die  Allsgrabungen  von  Salona  im   Jahre  185Q  bewirkt,  be- 

schrieben und  illustrirt  von  Dr.  F.  Carraroy  Professor  nnd  Direc- 
tor  des  Museums  zu  Spalato.  Aus  dem  Italienischen  ubereetst  Yon 
jidele  Gräfin  v,  Haalingen  -  Schiekfuss ,  herausgegeben  von  J,  F* 
Neigebaur,  Leipzig,  Dyksche  Buchhandlung.  1864.  VIII  u.  26 
S.  mit  5  Tafeln,    gr.  8. 

2)  Der  Fund  von  Lengerich  im  Königreiche  Hannover,  Gofd- 
schmuck  und  romische  Münzen.  Beschrieben  von  Fr.  Hmhn.  Mit 
2  Tafeln  in  Steindruck.  Hannover,  Hahnsche  HofbncMiandlanff. 
J854.    III  u.  68  S.  gr.  8. 

Den  bekannten  verdienstvollen  Bemühungen  des  Hrn.  Neigebaur 
um  Dacien,  die  Geschichte  der  Sudslaven,  sowie  die  Alterthumer  Ton 
Sardinien  reiht  sich  nun  auch  die  durch  ihn  vermittelte  Veröffentlichung 
des  vorstehenden  Berichtes  über  die  Ausgrabungen  an,  welche  in  den 
seit  1200  Jahren  unter  dem  Schutte  der  Zerstörung  liegenden  Trüm- 
mern der  Colonid  Salonitanorum  gemacht  worden  sind.  Durch  Stein- 
buche!  schon  1821  veranlafst  liefs  die  österreichische  Regierung  zuerst 
durch  Lonza, dann  durch  den  zu  Anfang  1834  verstorbenen DirectorCarrara 
Ausgrabungen  veranstalten,  deren  Resultate  bereits  früher  in  dem 
Werke  Neigebaurs  über  die.  Südslaven  theilweise  niitgetheilt  sind;  die 
neuesten  vom  Jahre  1850  enthält  der  vorliegende  Bericht,  dessen  Vor- 
wort zugleich  eine  kurze  Skizze  der  Geschichte  und  der  Schicksale 
Salonas  einverleibt  ist.  Die  Resultate  früherer  Nachgrabungen  hatte 
übrigens  Carrara  auch  in  der  Topografia  e  Seavi  di  Salona  (Triest 


Fr.  Carrara :  die  AusgrabuDgen  von  Salona.  659 

1850)  mitgetheilt.  Von  den  neusten  Fanden  sind  vor  allem  bemerkens- 
werth  die  cippi  funerarü  des  C.  Aeniilias  Ingenuas  {8,  1  f.)i  welche 
in  sprachlicher  Hinsicht,  woraaf  schon  Farlanetto  aufmerksam  gemacht 
hatte,  durch  das  Wort  öathrumy  ßd^QOv  'Postament'  ganz  besonderes 
Interesse  haben.  Es  reihen  sich  dann  weitere  Grabsteine  des  M.  Utte- 
dius  Sallubianus  und  der  Tertulla,  denn'  so  ist  statt  des  TERYILIAB 
S.  3  n.3  ZQ  lesen.  Auch  heifat  ihre  Mutter  Primigenia,  nicht  Primigenita. 
Ueberhaupt  fallt  es  auf,  dafs  die  mitgetheilten  Inschriften  vielfach  an 
so  leicht  zu  verbeOsernden  Copierfehlern  leiden,  dafs  man  sich  wundem 
mufs,  sie  nicht  von  dem  Hg.  rectificiert  zu  sehen.  So  stellt  sich  zu 
dem  DASSIVS  8.  4  ein  Soldat  DASSIVS  DAETORIS  filiua  aus  der 
5n  Cohorte  der  Delmater,  und  S.  5  ist  in  der  3n  Inschrift  statt 
SALVATARIS  MARTIVS  offenbar  SALVTARIS  MARITVS  zu  lesen. 
Von  grofstem  Interesse  ist  die  daran  sich  reihende  Ausbeute  eines  mit 
Mosaik  gepflasterten  Todtensaales  und  dazu  gehöriger  Colnmharien*  bei 
Salona  am  Abhänge  des  Berges  Caprario  (S.  6  —  8),  woraus  besonders 
die  Spuren  christlicher  Todten,  sowie  die  griechische  Inschrift  S.  8 
hervorzuheben  sind,  welche  letztere  aber  so  ungenau  copiert  scheint, 
dafs  ohne  eine  neue  Vergleicbung  des  Originals  eine  Herstellung  kaum 
möglich  sein  durfte.  Die  Spuren  christlicher  Begräbnisse  zeigten  sich 
auch  auf  einem  andern  Todtenfelde,  dessen  Ausbeute  von  Cippi,  Aschen- 
krugen,  Sarkophagen,  Urnen,  Bleikästchen  mit  den  christlichen  Symbolen 
S.  10 — 12  zusammengestellt  ist.  Die  nächste  Ausgrabung  wandte  sich 
der  Untersuchung  eines  Privatbades  und  darauf  des  Amphitheaters  zu, 
dessen  einer  Abschnitt  auf  Taf.  III  dargestellt  und  S.  16  ff.  in  seinen 
einzelnen  Theilen,  so  weit  sich  darüber  etwas  bestimmen  läfst,  bespro- 
chen. Aus  der  grofsen  Masse  von  Asche  und  Kohlen  wird  dabei  mit 
Recht  wohl  geschlofsen,  dafs  die  Stufen  und  Treppen  von  Holz  ge- 
wesen sein  müsten.  In  gleicher  Weise  wurden  darnach  auch  die  Aus- 
grabungen des  schon  früher  in  Angriff  genommenen  Theaters  wieder  auf- 
genommen und  finden  sich  die  betreffenden  Ermittelungen  über  die 
Cavea,  das  Proscenium,  die  Orchestra  S.  19  ff.  in  der  Hoffnung  mitge- 
theilt, durch  spätere  totale  Aufdeckung  den  Grundrifs  zu  vervollstän- 
digen, welchen  Taf.  V  gibt.  Sehr  interessant  ist  dabei  die  an  der 
Vorderseite  des  Theaters  gefundene  dem  Hercules  geweihte  Ära  eines 

Sextus  Aquillius  Severus,   welcher  Z.   3   als   OCCH-V bezeichnet 

wird,  offenbar  also  centurio  COHortia  V  Delmaiarum  war,  die  oben 
erwähnt  wurde;  später  war  der  Veteran  decurio  seiner  Vaterstadt, 
denn  also  ist  Z.  5  DEC.  SALON-  •lANO  zu  erklären,  da  letzteres 
Wort  offenbar  SALONITANORVM  zu  lesen  und  zu  ergänzen  ist.  — 
So  sehr  man  aufser  dem  Tode  Carraras  die  Hindernisse,  welche  sich 
seinen  an  die  Befehle  von  Wien,  die  nicht  immer  rechtzeitig  einge- 
troffen zu  sein  scheinen,  gebundenen  Ausgrabungen  schon  durch  den 
Widerstand  der  Ackerbesitzer  und  Privateigenthümer  entgegenstellten, 
bedauern  mufs,  indem  durch  diese  Umstände  eine  grofsere  Planmäfsig- 
keit  und  ein  erfolgreicherer  Gewinn  der  Ausgrabungen  vielfach  nicht 
ermöglicht  wurde ;  so  ist  immerhin  die  S.  22  f.  gegebene  Zusammen- 
stellung der  Ausbeute  so  reich,  dafs  man  vorerst,  wenn  auch  jener 
classische  Boden  noch  viele  unberührte  Sehätze  enthalten  mag,  mit 
.den  vorliegenden  Resultaten  der  gemachten  Ausgrabungen  sich  befrie- 
digt sieht.  Von  Monumenten  mit  Inschriften  zählt  man  an  20 — 25; 
an  Münzen  79  silberne  und  230  von  Kupfer.  Unter  den  erstem 
einige  consularische,  sonst  von  M.  Antonius,  Galba,  Vespasian,  Julia, 
Nerva,  Trajan,  Hadrian,  Sabina,  Faustina,  M.  Aurelius,  Commodns, 
Septimius  Severus,  Pertinax,  Geta,  Tacitus  u.  a.  Die  kupfernen  sind 
09868  bis  zu  den  Zeiten  der  Valentiniane  und  des  Theodosius;  darunter 
•ine  Aelia  Flacilla.    Aufserdem  eine  Gemme  ^  Scnlpturwerke  (ein  Ter> 


660  Fr.  Carrart:  die  Ausgrabungen  von  Salona. 

minus  von  Marmor,  ein  kleiner  Lowe  u.  a.),  Bronaen,  Gegenstlnde 
von  Kupfer  und  Messing  (Pendel  zu  einer  Wasserwage,  Ring  nebst 
Schlufsel,  Ring  mit  einem  darauf  eingegrabenen  Kreuie,  Kettchen, 
Schnallen  usw.);  Werkzeuge  von  Eisen  (Pflug,  Sichel,  Karst,  Keile, 
Nägel),  ferner  Vasen  von  Krystall  und  buntfarbige  Halsbandperlen, 
zwei  Fragmente  eines  KIfenbeinreliefs,  Spindel,  Griffel,  Nadein  von 
demselben  Stoffe :  endlich  8  Lampen  von  gebrannter  Erde.' 

Den  Schlufs  des  interessanten  Berichtes  bilden  S.  23 — 26  18  ans 
der  Fundstätte  von  Epetium  stammende  Inschriftdenkmaie.  Diese  Co- 
lonie  grenzte  mit  ihrem  Gebiete  an  das  salonitaniscke.  Auch  in  diesen 
Inschriften  drängen  sich  einige  Verbelserungen  von  selbst  auf.  Gleich 
in  der  ersten  ist  Z.  2  (wenii  nicht  Druckfehler!)  VIPSANIO  statt 
VIRSANIO  zu  lesen.  Ebenso  II  Z.  7  FR4TRI  statt  ERATRf.  In 
V  ist  Z.  3  zu  trennen  und  in  die  Z.  4  fortzulescn  SILVINAE.  Inter- 
essant ist  dabei,  dafs  der  verstorbene  schliefslich  mit  EX  QVA  HABEO 
NATOS  selbstredend  eingeführt  ist.  VII  Z.  4.  6  ist  nur  «in  I  in 
dem  Namen  DRACONILLA  zu  lesen;  ebendaselbst  Z.  2  statt  IVPE 
jedenfalls  mit  bekannter  Verwechselung  des  1  und  L:  LVPE  statt 
LVPAE.     VHl  lautet: 

D.  M. 

P.  FLOR 

CRISPINO 

DE  AMII 

MIIIPELOR 

SEVERVSFI 

LIOHVFELICI 

hier  ist  Z.  2  und  5  zu  lesen  und  zu  emendieren  P.  FLOREIVS.     Z.  4 

zu  deuten  DE  funeto  annos  fre«,  woran  sich  Z.  5  auch  die  «eiise«  free 

reihen.     Z.   7   ist  statt  HVFELICI   zu   lesen  INFKLICL     IX  durfte 

ohne  eine  neue  Vergleichung  des  Originals  nicht  herzustellen  sein.     XI 

Z.   3   liegt    in    DIT  •  ONI    (DIDONIY)    ein    weiterer   Name  des  oder 

der  verstorbenen;  dabei  ist   auch  Z.   6  das   BKNTIPOS   seltsam,   das 

doch  wohl  kaum    als  Abbreviatur  von   benemcrcnti  poiuit  angesehen 

werden  kann. 

Fern  von  der  glanzvollen  Residenz  Diocletians  aus  den  Grenzen 
des  weiten  Römerrcichs  fuhrt  uns  der  unter  Nr.  2  angeführte  Bericht 
eines  Fundes,  welcher  durch  das  Land,  die  Art  der  Auffindung,  den 
realen,  künstlerischen  und  geschichtlichen  Werth  der  gefundenen  Ge- 
genstände ein  so  vieiseitiges  uud  allgemeines  Interesse  darbietet,  dafs 
eine  eingehende  Besprechung  gewis  allen  Forschern  auf  dem  Gebiete 
römischer  und  vaterländischer  Geschichte  und  Alterthuntskunde  ebenso 
erwünscht  als  an  und  für  sich  gerechtfertigt  erscheinen  wird.  —  Wie- 
wohl Hannover  nicht  zu  den  Ländern  des  römischen  Reiches  geb5rte, 
so  wurde  dennoch  neben  den  vorhersehend  keltischen  und  germani- 
schen Funden  auch  eine  Reihe  römischer  Fundstucke  zu  Tage  geför- 
dert, die  sich,  wie  theilwei.se  erklärlich  ist ,  gerade  uns  insbesondere 
durch  den  Werth  des  Metalls  und  dazu  auch  zum  Theil  den  der  Kunst 
auszeichnen.  Von  bekannten  Funden  sind  folgende  zu  bemerken:  t) 
ein  goldner  Halsschmuck  und  5  Goldmünzen  der  Kaiser  Valentiniaa 
und  Anasta-sius,  gefunden  1823  im  Mulsumer  Moor.  2)  Eine  grofse 
Menge  Silbermünzen  im  Amt  Neuhaus  a.  d.  Oste:  '644  Denare  davon 
aus  der  Zeit  der  Kaiaer  Nero  bis  M.  Aurelius  werden  von  C.  L.  Grote- 
fend  in  einem  Nachtrage  der  vorliegenden  Schrift  S.  06  f.  kurz  das- 
sificiert.  und  besprochen;  es  befindet  ^ich  darunter  auch  die  einzige 
griechische  Münze,  welche  bis  jetzt  als  in  Hannover  gefunden  be- 
kannt wurde:  es  ist  ein  unter  Trajan  in  Lycien  geprägter  griechischer 


Fr.  Hahn:  der  Fund  von  Lengerich.  661 

Deaar.  3)  Eine  Aniahl  Goldmünzen  aus  der  Zeit  Conaiantins,  gefun- 
den im  Osnabruckischen.  4)  Aus  der  frühern  Zeit  des  Drusus  und 
Germanicufi  sind  nur  einzelne  Munzfunde  bekannt  geworden,  worüber 
fit.  57  f.  näheres  beigebracht  ist.  5)  Wurde  bei  Börry  ein  romischer 
Feldkessel  gefunden  mit  Verzierungen  im  archaistischen  Stile,  wie  Hr. 
Hahn  S.  5  sagt.  6)  Eine  bei  Salzhausen  gefundene  römische  patella 
trägt  den  Stempel  P.  CIPI.  POLTBI.  ohne  dafs  jedoch  die  filtere,  im 
gemeinen  Leben  wohl  länger  im  Gebrauch  gebliebene  Form  des  Gene- 
tivs  für  eine  frühere  Zeit,  wie  S.  5  gemeint  wird,  zeugen  durfte^  Der 
bei  weitem  bedeutendste  Fund  aber  von  allen  betraf  7)  im  J.  1847  eine 
grofse  Menge  Silber-  nnd  Goldmünzen,  so  wie  Goldschmuck  manig- 
facher  Art,  der  jedoch  leider  um  einen  kostbaren  Halsschmuck  ver- 
ringert war,  als  der  Erhalter  und  Bewahrer  dieses  herlichen  Fundes 
denselben  vor  weiterer  Verschleppung  und  Vernichtung  retten  konnte. 
Alle  Freunde  der  Alterthumsstudien  werden  dieses  hohe  Verdienst  des 
Hm.  Pastor  Lodtmann  in  Froren  stets  mit  grofstem  Danke  anerkennen. 
—  Als  man  im  Frühjahr  1849  auf  einer  Anhöhe  bei  Süderweh  im  Kirch- 
spiel Lengerich,  Amts  Froren,  einige  grofse  Felssteine  zu  anderweitiger 
Benutzung  entfernen  «vollte,  fand  sich  unter  dem  ersten  eine  gröfsere 
Quantität  römischer  Silbermünzen  liegend  im  reinen  Sande,  von  einer 
kleinen  Bronzeschale  bedeckt.  Von  den  beiden  nächsten  gröfsern,  ge- 
gen Osten  liegenden  barg  der .  erste  Schmucksachen  von  Gold  und 
einigen  Goldmünzen,  unter  künstlich  zusammengehänften  kleinen  Stei- 
nen niedergelegt;  der  zweite  mehrere  mit  den  Bruchstücken  einer  flachen 
silbernen  Schale  (patera)  bedeckte  Silbermünzen.  Die  erste  Abtheilung 
des  Fundes  bestand  aus  1100  Stück  Kaiser -Denaren,  welche  aus  der 
Zeit  der  Antonine  stammen,  da  der  älteste  unter  Trajan,  der  jüngste 
unter  Septimius  Severus  fällt;  es  finden  sieh  darunter  nach  Grotefends 
Zusammenstellung  S.  10  —  32  von  folgenden  Kaisern  und  Kaiserinnen 
nachstehende  Varietäten  der  Reverse:  von  Trajan  1^  Matidia  1,  Ha- 
drian  25,  Sabina  2,  Aelius  Caesar  2,  Antoninus  Pius  94,  Faustina  se- 
nior 35,  M.  Aurelius  108,  Faustina  innior  39,  Lucius  Verus  20,  Lucilla 
11,  Commodus  57,  Orispina  7,  Pertinax  2,  Septimius  Severus  1.  Die 
Goldmünzen  des  zweiton  Steines  sind  von  Constantin  und  dessen  Söh- 
nen, gehen  daher  bis  361  nach  Chr.,  in  welche  demnach  auch  die  einige 
und  70  Silberdenare  des  Usurpators  Magoentius  fallen,  welche  nebst 
einem  Silbermedaillon  des  Conatantius  die  Fundstucke  des  dritten  Stei- 
nes bildeten.  In  dieselbe  Zeit  fallen  unzweifelhaft  auch  (S.  8)  die 
Goldsachen  des  zweiten  Steines.  Wiewohl  weitere  Untersnohnngen  der 
Fundstätte  weder  weitere  Funde  noch  auch  Spuren  eines  Begrabnis- 
platzes  oder  Scherben  oder  Kohlen  zu  Tage  forderten,  so  bleibt  es  doch 
ein  merkwürdiger  Umstand,  dafs  die  Tradition  von  einem  grofsen  an  jener 
Stelle  vergrabenen  Schatze  sich  im  Munde  des  Volkes  erhalten  hat: 
vielleicht  also  läfst  sich  auf  ein  dort  gestandenes  Heiligthum  schliefsen 
(S.  9),  in  welchem  die  der  Zeit  nach  streng  gesehiedenen  Abtheilungen 
des  Gesammtfundes  in  der  Weise  niedergelegt  worden  sein  konnten, 
dafs  zuerst  die  Antoninenmünzen  (vielleicht  um  200  n.  Chr.)  und  dann 
bedeutend  später  der  Goldschmuck  und  die  Münzen  aus  der  Zeit  des 
Constantius  und  Magnentius  und  zwar  gleichzeitig  verborgen  wurden 
(S.  33  f.).  Die  goldnen  Schmucksachen  des  zweiten  Fundes  sind  nun 
folgende:  1)  eine  grofse  ^2 6 u(a  in  Kreuzesform  (?):  es  ist  aber  wohl 
nur  die  bekannte  Form,  ohne  dafs  dabei  an  ein  Kreuzzeichen  gedacht 
werden  kann.  Auf  der  Rückseite  des  Querbalkens  befindet  sich  in 
punctierter  Schrift  ROMAN V,  letztere  beide  Buchstaben  ligiert  und 
durch  einige  andere  fortgesetzt,  unter  denen  sich  ein  R,  M,  weiter  L 
und  P  Hglert  finden,  ohne  dafs  die  übrigen  zur  Rrmittlung  eines  Sin- 
nes führten:  doch  scheint  es  der  Name  des  Besitzers,  nicht,   wie  es 


662  Fr.  Hahn :  der  Fund  von  Lengerich. 

S.  35  heifst,  des  Fabrikanten  zu  sein,  da  das  Monogramni  des  letitem 
sich  an  der  untern  Fläche  des  längern  Kreuzbalkens  in  verschlungenen 
Buchstaben  bezeichnet  findet.  2)  Zwei  goldne  Fingerringe  von  ge- 
schmackvoller, eleganter  Arbeit.  3)  Ein  goidner  Doppelring  von  guter 
und  zierlicher  Arbeit :  die  zusaminenstorscnden  Knopfchen  gleichen  ent- 
fernt Schlangenkopfen.  4)  Vier  Stucke  kleine  glockenförmige  goldne 
Knöpfchen  mit  einer  Oeifnung  zum  Durchziehen  eines  Fadens  versehen, 
80  dafs  sie  entweder  als  Knöpfchen  oder  als  Ohrenschmuck  gedient 
haben  mögen.  Können  alle  diese  Schmucksachen  nur  aus  den  Händen 
geschickter  römischer  Künstler  hervorgegangen  sein,  so  scheint  dieses 
minder  bei  den  übrigen  Fundstucken  der  Fall  zu  sein.  Es  sind  dieses 
5)  ein  spiralförmig  aufgerollter  starker  Golddraht,  ein  sogenannter 
Trauring,  wie  sie  in  germanischen  Gräbern  vorkommen ;  6)  zwei  goldne, 
nicht  geschlofsene ,  in  ihren  Ausläufen  sechseckig  facettierte  Armringe, 
wie  sie  sonst  in  keltischen  Gräbern  Frankreichs  und  Englands  vor- 
kommen. Alle  diese  Sachen  sind  zwar  gut  erhalten,  waren  aber  bereits 
längere  Zeit  getragen  und  betragen  etwa  173  Thaler  Werth ,  da  alles 
feines  Gold  ist.  Leider  ist  die  Krone  des  ganzen,  wie  oben  bemerkt, 
ein  grofser,  reicher  Halsschmuck  mit  herabhängenden  Pendeloqnen, 
bereits  vor  Rettung  des  übrigen  für  immer  verloren  in  den  Schmeli- 
tigel  gewandert.  VortrefTlich  erhalten  sind  die  Goldmünzen»  die  eben- 
so wie  die  Silberdenare  des  Magnentius  noch  nicht  cursiert  zu  haben 
scheinen,  wiewohl  sich  das  Silber  derselben  gröfstentheils  in  Chlor- 
silber verwandelt  bat,  wie  auch  bei  der  silbernen,  in  Fragmente  zer- 
fallenen patera ,  von  der  nur  ein  grÖfseres  Stück  erhalten  ist^  auf  dem 
sich  der  leider  (S.  41)  nicht  näher  angegebene  Stempel  des  Verferti- 
gers befindet.  Die  Denare  des  Magnentius  zeigen  im  Averse  den  Kopf 
des  Kaisers  mit  der  Legende  IM.  GAE.  MAGNENTIVS.  AVG,  im  Re- 
verse eine  stehende  geharnischte  Figur,  in  der  rechten  einen  mit  der 
Spitze  abwärts  gekehrten  Speer,  in  der  linken  einen  Schild  mit  der 
Umschrift  VfRTVS  EXERCITf.  In  dem  Abschnitte  unter  der  Figur 
stehen  die  Buchstaben  TR,  wonach  die  Denare  in  Trier  geschlagen 
sind.  Bemerkenswerth  sind  die  acht  kleinen  Varietäten  der  Stempel 
dieser  Münzen:  nach  den  drei  hauptsächlichsten  ist  die  VIRTVS  bald 
mit  einem  Panzerhemde  bald  mit  offner  Brust  dargestellt.  —  Diese  im 
Verhältnis  seltenen  Münzen  des  Magnentius  sind  in  mehrfacher  Hinsicht 
beachtenswerth  und  auch  für  die  vaterländische  Geschichte  von  Bedeutung. 
Die  kurze  Regierungszeit  des  Magnentius  von  350 — 351  läfst.  znmal  bei 
der  Erwägung,  dafs  diese  Denare  offenbar  gar  nicht  cursiert  haben, 
vor  allem  mit  ziemlicher  Bestimmtheit  die  Zeit  errathen,  in  der  die- 
ser Fund  verborgen  wurde.  Sehr  wahrscheinlich  ist  daher  die  Ver- 
muthung,  welche  Hr.  Hahn  in  der  kurzen  Skizze  der  Usurpationen  des 
Magnentius  und  Vetranio  S.  43 — 50  ausspricht,  dafs  der  Schatz  viel- 
leicht einem  jener  Vornehmen  oder  Häuptlinge  der  Sachsen  gehört 
habe,  welche  Magnentius  zugleich  auch  mit  Franken,  nach  dem 
Zeugnisse  des  Zosimus,  bei  seinem  Zuge  gegen  Constantius  aufgeboten 
und  als  Hilfstruppen  in  »einem  Heere  gehabt  habe.  Denn  die  Fund- 
stätte gehört  dem  Lande  der  alten  Sachsen  an.  Vielleicht  wurde  die 
erhaltene  Belohnung  vor  dem  Zuge  gegen  Constantius  von  dem  vor- 
nehmen Sachsen  vergraben,  der  dann  mit  den  seinen  bei  Mursa  umge- 
kommen sein  mag;  vielleicht  war  es  auch  auf  einem  Raubzuge  gemachte 
und  an  beiliger  Stätte  geborgene  Beute.  IVichtig  ist  daher  dieser 
Fund  auch  für  die  älteste  Geschichte  unseres  Vaterlandes,  insbesondere 
der  damals  zuerst  genannten  Sachsen  und  Franken.  —  Richtic  scheint 
auch  die  Münzstätte  Trier  in  dem  TR  erkannt  zu  sein,  welche  Buch- 
staben Eckhel  auf  den  bekannten  Münzen  des  Magnentius  nicht  deuten 
zu   können   erklärt.     Eine  besondere   Betrachtung  verdient  auch    die 


Fr.  Hahn :  der  Fund  von  Lengrericli.  663 

VIRTVS  EXERCITI  einestbeils  rucksichtlich  der  in  so  spater  Zeit 
•rscheiiienden  älteren  Form  des  Genetivs,  andemtheiis  wegen  der  Dar- 
•ieltang  der  VIRTVS.  JLdTias  XXVII,  25  und  Piatarch  civ.  Rom.  5 
•rwihnen  Dedicationen  von. Tempeln  der  VIRTVS  und  des  am  häufig- 
•ten  mit   ihr  verbundenen  HONOS.     Für  die  spätere  Verehrung  und 

Slaatische  Darsteiiiing  beider  sind  vor  allem  die  Steinschriften  und 
linien  in  berücksichtigen.  Die  Häupter  beider  Genii  erscheinen  ver- 
einigt auf  den  Münzen  der  gentes  Fufia  und  Mucia  (Bckhel  V,  256). 
HONOS  allein,  dargestellt  durch  einen  Mann  in  der  Toga,  der  in  der 
nfthten  einen  Zweig,  in  der  linken  Füllhorner  (comueopiae,  E.  VII, 
44)  trägt,  erscheint  anf  Münzen  des  M.  Aurelius;  HONOS  mit  VIRTVS 
Tereint  anf  einer  Inschrift  von  Esseck  (Grut.  100,  4.  Or.  1812),  auf 
M&nien  des  Gaiba  und  Vitellins  (E.  VI,  295.  310),  so  dafs  HONOS 
als  halbbekleideter  Mann,  in  der  rechten  eine  Lanze,  in  der  linken 
Füllhörner,  dargestellt  ist,  daneben  VIRTVS  mit  Helm,  in  der  rech- 
ten das  parazonium  (worüber  E.  VI,  310  ff.),  in  der  linken  eine  Lanze, 
mit  dem  rechten  Fufse  anf  einen  Helm  tretend  erscheint.  Mit  HONOS 
und  zugleich  mit  VENVS  VICTRIX  und  FELICITAS  verbunden  wird 
VIRTVS  auch  bei  Mommsen  LR.  N.  L.  5750  erwähnt,  mit  letzterer 
allein  auch  auf  Münzen  des  Trajan  (E.  VI,  436),  so  wie  andrerseits 
mit  SPES  und  VICTORIA  auf  einer  Siebenbürger  Inschrift  aus  der 
*Zeit  dieses  Kaisers  bei  Gruter  102,  4.  Zu  gleicher  Zeit  geht  daneben 
die  Individualisierung  als  VIRTVS  VISENT  (zn  Bisenti  in  Etrurien 
Grut.  100,  5)  so  wie  in  der  spätem  Zeit  bei  einzelnen  Kaisern  (E. 
VII,  46.  416.  VIII,  23.  30.  36.  416)  und  Ländern  (E.  VII,  484.  VIII, 
12.  23.  30).  Dabei  bleibt  indessen  ihre  allgemeinere  Bedeutung  als 
VIRTVS  MILITV]M(E.  VHI,  26)  und  EXERCITVVM  (E.  VIII,  91.  112. 
134.  164)  fortwährend  in  Anwendung.  Neben  die  oben  angeführte 
plastische  Darstellung  derselben  auf  den  Münzen  des  Galba  und  Vitel- 
lins stellen  sich  nun  aber  zwei  davon  abweichende,  unter  sich  wesent- 
lich übereinstimmende  weitere  bildliche  Verkörperungen  dieses  ursprüng- 
lich abstracten  Gotterwesens,  zunächst  nemlich  auf  den  schon  erwähnten 
Denaren  des  Magnentius,  dann  anf  demjenigen  Steindenkmale,  welches 
allein  ein  Bild  desselben  darbietet.  Auf  jenen  Denaren  erscheint 
VIRTVS  als  behelmte  Kriegerin  mit  caligae,  Wappenrock  mit  darüber- 
.iiegendem  Brustpanzer  und  über  die  linke  Schulter  liegendem  kurzem 
Kriegsmantel,  mit  der  emporgehobenen  rechten  auf  die  mit  der  Spitze 
zur  Erde  gewendete  Lanze,  wie  es  scheint,  sich  stützend,  mit  der  lin- 
ken den  vor  dem  linken  Bein  am  Boden  stehenden  Schild  haltend,  das 
Haupt  zur  linken  gekehrt.  Die  -beiden  andern  Hauptvarietäten  des 
Stempels  zeigen  die  Gottin  in  derselben  Stellung  und  Kleidung,  nur 
dafs  bei  dem  einen  der  Brustpanzer  fehlt  und  der  Wappenrock  am 
Halse  schliefst,  bei  dem  andern  die  rechte  der  beiden  Brüste  entblofst 
ist,  indem  der  Wappenrock,  die  linke  Brost  bedeckend,  sich  über  die 
linke  Schulter  hinaufwindet.  In  ähnlicher  Weise  erscheint  VIRTVS 
in  einem  trefflich  gearbeiteten  Bilde  einer  ihr  geweihten  Votiv-Ara  des 
Darmstädter  Museums.  Die  Feinheit  der  Gesichtszüge,  die  vollendete 
Technik  der  Gewandung  und  der  WafTenstücke  zeichnen  dieses  bis 
jetzt  noch  wenig  gewürdigte  und  als  Unicum  der  Art  merkwürdige 
Bild  aus.  VIRTVS,  zur  rechten  gewendet,  ist  wie  auf  der  Münze  des 
Magnentius  mit  dem  Wappenrocke  bekleidet,  dessen  schöner  Falten- 
Wurf  von  geübter  Kfinstlerhand  zeugt  und  welcher  die  rechte  Brust 
blofs  läfst.  Ihr  Haupt  schmückt  ein  zierlicher  Helm,  mit  der  rechten 
stützt  sie  sich  auf  die  Lanze,  in  der  linken  hat  sie  eine  Art  von  Füll- 
horn, welches  aber  in  zwei  Oeffnungen  ausläuft,  wahrscheinlich 
ganz  in  der  Weise»  wie  Eckhel  es  bei  den  Bildern  des  HONOS  an- 
fthrt,  denen  er  comiicoptae,  also  mehrere  Füllhörner  beilegt.     Ba 

li.  JaktL  f.  PUi,  «.  Pmd.  Bd.  LXX.  Bß.  6.  43 


664  Fr.  Hahn:  der  Fand  von  Lengericli. 

scheint  aiso  das  Bild  der  Darmstädier  Ära  die  Attrihute  der  VIRTV8 
und  des  HONOS  zu  vereinigen.  Die  Randeinfafsun^  der  Nische,  in 
welcher  das  Bild  steht,  besteht  in  einem  Blumengewinde:  ohne  Zwei- 
fel die  Kränze  andeutend,  womit  die  siegreiche  VIRTV8  MILITVM 
belohnt  wird:  daher  auch  die  oben^  beigebrachte  Zasammenstellaiif 
mit  VICTORIA.  Andrerseits  aber  kann  auch  beim  ersten  Anblicke 
des  Bildes  nicht  entgehen,  dafs  die  DBA  VIRTV9,  wie  sie  die  Dam- 
städter Inschrift  nennt,  dem  Wesen  und  Bild  der  BEIjLONA  zo  nahe 
steht,  um  nicht  mit  ihr  idcntiiiciert  zu  werden,  und  so  ist  denn  wirk- 
lieh  die  merkwürdige,  von  der  Stadtwehr  der  civitaa  Mattiaeorum  ge- 
weihte Votiv-Ara  zu  Mainz  (Or.  4983)  der  DEA  VIRTVS  BBLLONA 
zu  Ehren  errichtet,  wobei  zu  bedauern  ist,  dafs  die  Widmung  des  von 
jener  Stadtwehr  wiederhergestellten  Mons  Vaticanus  an  die  genannte 
Gottin  ihre  Verewigung  in  einem  Bilde  oder  einer  Statue,  wie  es 
scheint,  verhindert  hat. 

Frankfurt  a.  M.  J.  Becker. 


Leitfaden  der  allgemeinen  Idteraturgesckichie.  Zum  Gebrauche  f&r 
höhere  Bürger-  und  Realschulen  herausgegeben  von  Dr.  J.  G.  Tft« 
Grösse,  k.  säcbs.  Hofrath,  Biblioth.  Sr.  Maj.  d.  Königs  von  Sach- 
sen ,  Director  der  k.  sächs.  Porzellan-  u.  Gefärsesammlnng^  etc. 
Leipzig,  Verlag  von  Wilhelm  Baensch.  1864.    VIT  u.  306  S.  gr.  8« 

Als  wir  das  eben  genannte  Werk  in  die  Hand  nahmen,  rief  schon 
der  Titel  Fragen  in  uns  wieder  lebendig,  mit  denen  wir  uns  ebenso  oft  wie 
gern  beschäftigt,  über  die  Behandlung  der  Litteraturgeschichte  auf 
Schulen,  über  die  Art  und  die  Grenzen  derselben.  Und  es  mochte 
eine  Beurtheilune  des  Buchs  ohne  ein  Eingehn  auf  diese  Fragen  nicht 
wohl  möglich  sein,  da  ja  der  Titel  offenbar  dazu  auffordert.  Denn 
wenn  der  Vf.  einen  Leitfaden  der  *  allgemeinen  Litteraturgeschichte  für 
höhere  Bürger-  und  Realschulen'  yeroffentlicht ,  so  müfsen  wir  anneh- 
men, dafs  in  diesen  Unterrichtsanstalten  allgemeine  Litteraturge- 
schichte gelehrt  wird.  Wir  sind  nicht  im  Stande  die  Programme  afler 
Bürger-  und  Realschulen  durchzusehn,  ob  sich  in  ihnen  ein  solcher 
Unterricht  erwähnt  findet,  noch  kennen  wir  alle  einzelnen  Regulative, 
um  bestimmt  zu  sagen ,  dafs  in  ihnen  derselbe  gefordert  oder  nicht  ge- 
fordert werde:  ^ie  Schulschriften  der  hier  bestehenden  zwei  Reaispnn- 
len  erwähnen  davon  nichts,  und  dafs  das  sächsische  Regulativ  für 
Realschulen  eine  derartige  Forderung  ausspreche,  ist  uns  nicht  bdcannt. 
Falls  nun,  wie  wir  annehmen  und  auch  hoffen  möchten,  ein  solcher 
Brauch  nicht  allerwärts,  vielleicht  nur  an  weniff  Orten  bestände,  so 
blieben  wir  wohl  auf  die  Voraussetzung  beschränkt,  dafs  der  Vf.  einen 
solchen  Unterricht  für  erspriefslich  oder  gar  nothwendig  hafte,  und 
darüber  liefse  sich  an  dieser  Stelle  denn  wohl  ein  Wort  sagen.  Denn 
je  klarer  die  Noth wendigkeit  vor  den  Augen  liegt,  die  Gespanntheit 
der  Forderungen  an  die  lernende  Jugend  zu  mafsigen,  um  so  nothiger 
ist  es ,  allen  Versuchen ,  das  schon  überreiche  Material  noch  zu  ver- 
mehren, wo  sie  immer  sich  zeigen,  entgegenzutreten.  Ein  solcher 
Fall  liegt  hier  vor :  denn  das  Buch  macht  durch  seinen  Titel  das  Be- 
stehen oder  Eintreten  eines  solchen  Unterrichts  zu  seiner  Bedin^unc. 

Wir  haben  also  zunächst  zu  fragen:  soll  ein  Unterricht  m  der 
allgemeinen  Litteraturgeschichte  ertheilt  werden,  das  heifst 
Geschichte  der  Entwicklung  des  Schriftenthums  aller  Volker?  Diese 
Frage  glauben  wir  bestimmt  mit  nein  beantworten   in  dürfen.    Eine 


J.  6.  Th.  GrSrse:  Leitfaden  der  allgremeinen  Literaturgeschichte.  665 

solche  aUgemeine  Litteraturgeachichte  ifit  in  keiner  Schalanstalt  vor- 
satragen,  weil  sie  ganz  nnd  gar  über  die  Zwecke  und  die   Fähigkeit 
der  Schule  hinansgreift.    Hat  diese  mit  eigeutiicher  Wifsenschaft^ 
mit  dem  Systeme ,  noch  nicht  zu  thun ,  sondern  auf  dasselbe'  vorzube- 
reiten,  oder  den  Bildungsinhalt  zu  geben,  den  das  Leben  fordert,  so 
kann  sie  noch  weniger  mit  einer  Geschichte  der  Entwicklung  der  Wifsen- 
schaften  bei  den  einzelnen  Volkern  zu  thun  haben.     Man  kann  dem 
allenfalls  entgegnen,   dafs  man  die  Schuler  doch  mit  den  bedeutend- 
sten Erscheinungen  im  Gebiete  der  Wifsenschaften  bekannt  zu  machen 
habe,  und  daraiSf  wurden  wir  erwidern,  dafs  in  den  Gelehrtenschuien 
und  den  hohem  Realanstalten    das  wohl   gelegentlich  im  historischen 
Unterrichte  nnd  in  den  einzelnen  Lehrfachern  geschehen  könne,  dafs 
aber  ja  nur  andeutend  zu  yerfahren  sei ,  weil  man  sich  gewöhnen  mufse, 
auch  der  Selbstthatigkeit  des  Schülers  etwas    znzumutben,   und    dafs 
bei  den  Bürger-  und  niedern  Realschulen  die  Aufgabe  an  eine  solche 
Verpflichtung  ins  einzelne  hinein  gar  nicht  hinanreiche.    Ja  wir  moch- 
ten noch  auf  der  Universität  eine  Behandlung  der  allgemeinen  Litte- 
raturgeschichte   in    dem    Umfange   des   Leitfadens,    welcher  vorliegt, 
für  bedenklich  halten,  weil  eine  fast  unerschöpfliche  Stoffmasse  gege- 
ben ist.    Jedenfalls  aber;—  denn  auf  die  Frage  wegen  der  Universität 
ist  hier  nicht  weiter  einzugehn  —  hat   die  Schule  mit  einer  solchen 
allgemeinen  Litteraturgeschichte  nichts  zu  thun.     Haben  wir  so  zu- 
nächst die  Behandlung  der  prosaischen  oder  lieber   wifsenschaftlichen 
Litteratur  aus  dem  Schulkreise  entfernt,  so  fragte  es  sich  weiter,   Ob 
die   schone   Litteratur    all  er   Volker   zur  Behandlung  kommen    solle. 
Diese  liegt  schon  näher ,  bei  einigen  Völkern  alter  und  neuer  Zeit,  den 
Griechen,  Romern,  Engländern ,  Franzosen ,  ziemlich   nah,   die  vater- 
ländische Litteratur  noch  gar   nicht  zu  erwähnen.     Sollte    also  zum 
Nutzen  dieser  im   Sprachunterrichte  auf  G3rmnasien   und  Realschulen 
bekannt    werdenden    Litteratnren    allgemeine  Litteraturgeschichte  ge- 
lehrt werden,  von  den  Indern  bis  zu  den  Böhmen?    Wir   können  auch 
hier  nicht  bejahen,  sondern  haben   uns  wiederum  mit  dem   zu  begnü- 
gen, was  gelegentlich  im  Geschichtsunterrichte  und  in  den  einzelnen 
einschlagenden  Unterrichtszweigen    geschehen   kann.     Es   bleibt  also, 
was  Litteratureeschicbte  im  eigentlichen  Sinne  betrifft,    nur  die  deut- 
sche Litteratur  übrig.     Für  die  Behandlung  dieser  in  den  obern   Clas- 
sen  räumen  wir  willig  eine  Unterrichtsstunde  ein,  und  auch  hier  nicht 
ohne  einschränkende  Bemerkung.    Nacli  unserer  Meinung  nemlich  wird 
oft  zu  früh  mit  solchem  Unterrichte  begonnen  und  derselbe  in  unge- 
eigneter Weise  ertheilt.    Zwar  hat  aller  deutsche  Unterricht  vornehm- 
lich  zum  Zwecke,   auf  eine   Bekanntschaft  mit  den   Schätzen  unserer 
Litteratur  hinzuarbeiten,  Lust  und  Liebe  an   der  Dichtung  im  Herzen 
der  Jugend  zu  entzünden  und  zu  nähren;  dies  aber  ist  vor  allem  auf 
dem  Wege  der  Leetüre  in   einer  sinnigen  und  aufsteigenden   Auswahl, 
mit  Hinzuziehung  der    Gedächtnisübungen    und    der    reprodncierenden 
schriftlichen  Arbeiten  zu  erstreben.      Biographische  Notizen,  gegeben 
in  Hinweisung  auf  die  gleichzeitigen  bekanntesten  politischen  Ereig- 
nisse, um  so  für  die  Erscheinung  einen  festen  Rahmen  zu  finden,  kön- 
nen allmählich  dazu  gethan  werden.    Bei  weiterm  Aufsteigen  kann  man 
sich  geradezu  mit  einzelnen  besonders  wichtigen  Dichtern  so  beschäf- 
tigen ,  dafs  man  ihre  Lebensgeschichte  vorführt  und  gröfsere  Abschnitte 
aus  ihren  Werken  liest;  dies   Ist  ein  Verfahren,  das    selbst  noch  in 
Prima  (etwa  an  Lessing  und  Goethe)    beobachtet    werden    kann.  ^  Die 
Litteraturgeschichte  aber  kann  unsers  Erachtens  nicht  wohl   in  einem 
systematischen  Vortrae  gegeben  werden,  sondern  man  mag,   nachdem 
man   eine  genügende  Bekanntschaft  mit  dem  Stoffe   nnd  eine  warme 
Freude  an  demselben  erzielt  hat,   die  wichtigsten  Perioden,  Gruppen 

48* 


666  J.  0.  Th.  Grufso:  Leitraden  der  allgemeinen  Literalar^scliichte. 

und  Erscheinaugen  kurz  und  verstandlich  dem  Schüler  vorführen,  das 
weniger  unmittelbar  nahliegciide  aber  lieber  ganz  übergehen  oder  nar 
zur  Verbindung  andeuten. 

Nach  dem  j  was  wir  bisher  gefragt ,  ist  es  sehr  überflafsig  noch  tu 
bemerken,  dafs  also  eine  solche  allgemeine  Li tteraturgeschichte  sich  aaf 
hohem  Burger-  und  Realschulen  nicht  vortragen  iäfst.  Kein  einsich- 
tiger Schulmann  wird,  davon  sind  wir  überzeugt,  daran  denken  es  sa 
thun;  er  müste  ja  der  Aufgabe  untreu  werden ,  die  das  Schulwesen  in 
unserer  Zeit  allen  andern  voranzusetzen  hat,  ncmlichder,  dem  Ueber- 
bieten  in  den  Forderungen  und  dem  Vermehren  des  Materials  Einhalt 
zu  thun.  Mit  einer  solchen  allgemeinen  Litteraturgeschichte  schleppen 
wir  eine  solche  ungeheure  Last  in  die  Schule  hinein,  dafs  jede  Mög- 
lichkeit sie  zu  bewältigen  verschwindet.  Einfachheit,  Knappheit  thnt 
noth,  verbunden  mit  Gewifsenhaftigkeit  und  Sauberkeit  der  Aosfuh- 
rung:  wir  bedürfen  einer  gesünderen  Jugend,  damit  wir  wieder  so  In- 
dividualitäten und  damit  zu  grofsen  Erscheinungen  kommen.  Einer 
solchen  Entwicklung  der  kommenden  Generation  zu  reicherer  Kraft 
und  gröfserer  Eigenthümlichkeit  steht  gerade  die  Schule  mit  ihren 
übermäfsigen  Anforderungen  zwar  nirht  allein  hindernd,  aber  doch 
neben  andern  Hindernissen  ein  nicht  zu  übersehendes,  im  Wege.  Voll 
vielen  Seiten  ist  auf  Vereinfachung,  Mäfsigung,  auf  Concentriemng 
u.  dgl.  gedrungen:  der  einsichtigen  Mahnung  wird  mehr  und  mehr 
nachgegeben  werden  müfsen:  bewahre  uns  darum  der  Himmel,  dafs 
wir  da,  wo  wir  gern  mindern  mochten,  noch  mehren  sollten. 

Aus  dem  Vorworte  des  Vf.  ersehen  wir  ferner,  dafs  das  Buch 
auch  dem  Selbstunterrichte  Gebildeter  dienen  soll.  Unter  Gebildeten 
mochten  wir  nun  gern  solche  Leute  verstehen,  die  eine  wenn  schon 
nicht  gründliche  doch  allgemeine  Kenntnis  der  wichtigsten  litterari- 
schen Erscheinungen  haben.  Wie  denkt  sich  nun  der  Vf.  diesen  Selbst- 
unterricht? Zum  Nachlesen  ist  das  Buch  viel  zu  kurz  und  trocken; 
wie  könnte  es  auch  bei  seinem  geringen  Umfange  und  der  Unermefs- 
lichkeit  der  Aufgabe  im  einzelnen  über  dürftige  Andeutung  und  kars 
zusammenfafsendes  Urtheilcn  hinausgehen?  Will  aber  ein  sogenannter 
Gebildeter  sich  in  der  Litteraturgeschichte  belehren,  so  braucht  er 
mehr  als  das,  wenn  es  ihm  nicht  blofs  um  ein  paar  Namen  and  Zahlen 
zu  thun  ist.  Oder  er  will  nachschlagen;  das  geht  darum  nicht  gut, 
weil  weder  ein  Inhaltsverzeichnis  noch  ein  Register  da  ist.  Also  mit 
der  Benutzung  von  Seiten  der  Gebildeten  sieht  es  nicht  sonderlich  ans. 

Der  Vf.  sagt  in  seiner  Vorrede,  dafs  er  von  allem  and  Jedem  lit- 
terarischen Apparat  habe  absehen  müfsen  und  sich  deshalb  nur  anfein 
Resum6  des  in  seinen  gröfsern  Werken  gegebenen  Materials  habe  ein- 
lafsen  können.  Das  ist  nun  freilich  leicht  gesagt,  dafs  sich  so  etwas 
von  selbst  versteht;  wenn  es  sich  nur  wirklich  von  selbst  verstände. 
Uns  will  es  nicht  so  scheinen,  und  wenn  wir  uns  unter  den  Grund- 
rifsen  und  LeitHiden,  beispielsweise  der  deutschen  Litteratnr,  nmsehn, 
so  finden  wir  selbst  in  den  kürzesten,  wie  etwa  dem  vielgebrancbten 
von  Schafer  und  dem  kürzern  und  nicht  minder  brauchbaren  von  Heibig, 
nicht  allen  litterarischen  Nachweis  ausgeschlofsen.  Dafs  Gräfse  weder 
bei  den  einzelnen  Perioden  und  Völkern  die  wichtigsten  Hilfsmittel, 
noch  bei  den  bedeutendsten  Erscheinungen  die  Hauptwerke  and  Hanpt- 
ausgaben  nennt,-  das  versteht  sich  doch  wohl  kaum  von  selbst.  Nun 
fragt  es  sich  aber  auch  noch,  ob  nichts  anderes  zu  geben  war  als  ein 
Resuni^  aus  den  gröfsern  Werken:  dafs  es  wesentlich  auf  einen  solchen 
kurzen  Auszug  hinausläuft,  davon  haben  wir  uns  selbst  durch  Ver- 
gleichungcn  mit  des  Vf.  zweiter  Litteraturgeschichte  (4  Bde.  Leipzig 
und  Dresden  1845—50)  überzcagt.  Uns  scheint  aus  einem  Extract 
eines  grofseren  historischen  Werkes  noch  keinesn^'ags  das  hervorgehen 


J.  6.  Th.  Grftfse:  Leitfaden  der  allgemeinen  Literaturgeschichte.  667 

zu  mufsen,  was  man  einen  Leitfaden  nennt  und  als  solchen  brauchen 
kann :  es  ist  vielmehr  nur  eine  Verdannung  des  ersten  Weirkes  und  als 
Leitfaden  dann  brauchbar,  wenn  man  Nr.  1  hinzuzieht.  Eine  solche 
Voraussetzung  kann  nun  wohl  bisweilen  gemacht  werden,  etwa  bei 
akademischen  Vortragen,  aber  doch  wohl  nicht  hier.  Ist  der  vorlie- 
gende Leitfaden  für  Schulen  geschrieben ,  so  mothet  er  durch  seine  Ent- 
stehungsart und  Beschaffenheit  also  den  lehrenden  die  Benutzung  der 
grofsern  Gräfseschen  Werke  zu,  und  so  w^nig  wir  ihr  stofflich -ge- 
lehrtes Verdienst  verkennen  wollen,  so  kann  doch  gewis  die  Schule, 
selbst  wenn  alle  oben  geänfserten  Bedenken  wegfielen ,  nichts  damit  an- 
fangen. Der  sich  selbst  belehren  wollende  Gebildete  aber  ist  auch  auf 
Nr.  1  und  2  zurückgewiesen  und  wird  also  entweder  Nr.  3  gar  nicht 
erst  brauchen,  oder  mit  Nr.  3  überhaupt  nichts  erreichen.  -So  drän- 
gen sich  uns  von  allen  Seiten,  wir  mögen  hintreten  wohin  wir  wollen. 
Bedenken  gegen  die  Anwendbarkeit  des  Buches  auf. 

Was  nun  den  Inhalt  betrifft,  so  läfst  sich  weder  von  einer  neuen 
Anordnung  des  Materials,  noch  von  einem  besondern  Verdienste  der 
Darstellung  reden.  Das  erste  geht  aus  des  Vf.  eigenen  Worten  her- 
vor: das  zweite  liegt  darin,  dafs  der  Mangel  einer  praeciisen  Darstel- 
lung überhaupt  die  Schattenseite  der  Gräfseschen  Litteraturgeschichten 
ist.  Ihr  Verdienst,  die  gelehrte  Stoffmasse,  fallt  hier  weg,  und  wir 
haben  es  darum  vorzugsweise  mit  dem  Mangel  zu  thnn.  Aber  wer 
mochte  das  auch  von  ^inem  Menschen  verlangen?  wer  ihm  zumuthen, 
dafs  er  das  ungeheure  Gebiet  der  litterarischen  Erscheinung  mit  Kennt- 
nis und  Urtheil  bis  ins  einzelne  hinein  beherschen  solle,  dafs  es  ihm 
dann  auch  noch  gegeben  sei,  auf  knappem  Räume  überall  die  scharfe 
Essenz  dieses  Urtheils  zu  geben?  Das  muthen  wir  keinem  zu,  ver- 
langen von  ihm  aber  auch  nicht,  dafs  er  die  Aufgabe  zu  lösen  ver- 
suche. ^  Wir  könnten  nun  gar  leicht  bei  einer  Wanderung  durch  das 
Buch  über  einzelne  Darstellungen  und  Urtheile  unsere  Bemerkungen 
machen,  und  gleich  das  griechische  Epos  und  die  griechische  Tragoe- 
die  böte  Veranlafsung  dar ,  und  so  wurde  in  der  Wanderung  bis  za 
dem  ^lieblichsten  Dichter  der  Neuzeit'  Oskar  von  Redwitz,  sich 
manches  zeigen,  was  anzuführen  wäre.  Nachdem  wir  aber  einmal 
das  Buch  als  nicht  anwendbar  für  die  vorgezeichneten  Zwecke  be- 
trachten zu  müfsen  gemeint  und  uns  zum  Theil  gegen  jene  Zwecke 
selbst  erklären  musten,  scheint  es  uns  nicht  mehr  angemefsen  zu  sein, 
bis  in  das  Detail  der  Darstellung  hinabzusteigen.  Eins  aber  wollen 
wir  zum  Schlufs  noch  bemerken:  dafs  uns  $.  34  sehr  unangenehm  be- 
rührt hat.  Mitten  unter  dieser  im  ganzen  dürren  Nomenclatur  den 
Namen  'Christus'  als  Grunder  eines  'Systems'  zu  lesen,  das  ist,  um 
es  kurz  zu  sagen,  widerwärtig:  es  ist  die  Person  Christi  so  aller  Gött- 
lichkeit entkleidet,  seine  Religion  zu  einem  vernünftigen  System  her- 
abgedrückt, dafs  der  ^ine  Paragraph  schon  hinreicht,  um,  wenn  immer 
noch  eine  Benutzung  auf  Schulen  möglich  wäre,  dieselbe  gänzlich  ab- 
zulehnen. 

Alles  was  im  Verlauf  dieser  Blätter  gegen  das  Werk  gesagt  wor- 
den ist,  soll  keineswegs  dem  Vf.  die  Anerkennung  grofser  Gelehrsam- 
keit und  verdienstvollen  Strebens  entziehen:  wir  hatten  es  mit  der  von 
ihm  selbst  angegebenen  Tendenz  seines  Buchs  zu  thun;  sonst  gestehen 
wir  ihm  willigst  eine  ganz  au fserordent liehe  Kenntnis  des  Materials  zu, 
wenn  wir  dieses  sein  Verhältnis  auch  nicht  ganz  durch  des  Vf.  eigne 
Worte  in  der  Vorrede  »jeder  sachverständige  mag  mit  sich,  ehe  er  ein 
Urtheil  fallt,  zu  Rathe  gehen  und  sich  fragen,  ob  wohl  irgend  ein  an- 
derer, der  mit  dem  Gegenstande  ebenso  vertraut  ist  als  ich  —-und 
ich  schmeichle  mir  dies  zu  sein  — '  u.  s.  w.  bezeichnen  möchten. 

D.  "  ¥.  P. 


668  Antikritik. 

Zur  Recension  meiner  'Studien  über  die  Alt-  und  Neu- 
griechen.' 

Hr.  6.  Stier  hat.  in  diesen  geschätzten  Jahrb.  Bd.  LliK  8, 
434—443  meine  ^Stadien*  so  ungerecht  besprochen ,  daTt  ich  es  f6r 
meine  Pflicht  erachte,  mit  einigen  Gegenbemerkungen  in  gedrängter 
Kurze  zu  antworten. 

Wenn  Hr.  St.  behauptet,  dafs  im  Neugriechischen  keine  Infinitire, 
Participialconstructionen  usw.  nachweisbar  seien,  so  Terrath  dies,  daCi 
er  in  das  Wesen  dieser  Sprache  nicht  eingedrungen  ist.  Echte  Parti- 
cipialconstructionen wird  jedermann,  der  die  Zeitungen  und  Bucher  der 
heutigen  Griechen  liest,  in  HuUe  und  Fülle  finden.  Anch  Infinitire 
sind  in  grofser  Zahl  nachweisbar.  In  beiderlei  Hinsicht  empfehlen  wir 
Hrn.  St.,  um  sich  eines  befsern  zu  überzeugen,  die  grammatiichett 
Werke  der  griechischen  Gelehrten  Bambas,  Gennadios,  Asopios.  Die  Cy- 

firioten  gebrauchen  sogar  in  der  taglichen  Rede  den  altgriechiachen 
nfinitiT  (Leake:  Researches  in  Greece  p.  65).  Dafs  ubrigena  die  Um- 
schreibung des  Infinitivs  kein  neuer  Zuwachs  ist,  sondern  schon  in 
der  Volkssprache  der  Altgriechen  stattgefunden  hat,  hatte  Hr.  8t.  aoi 
Winers  Grammatik  des  neutestam.  Spracbidioms  (Leipzig  1844,  8.  388) ' 
und  aus  Minois  Mynas*  Calliope  (Paris  1825,  p.  IX)  lernen  können. 
Beim  erstern  kann  er  auch  finden  (S.  334),  dals  der  Optativ  ebenfalli 
eine  seltene  Erscheinung  in  der  Volkssprache  war. 

Hr.  St.  sagt:  'S.  72  sind  für  den  einfachen  Laut  des  Zeta  —  wie 
CS  auch  nicht  anders  möglich  war  (?!)  —  nur  Worter  mit  fifft  als  Be- 
weise beigebracht  worden,'  obschon  auf  derselben  Seite  meiner  'Sta- 
dien' auch  Sßiüccir  trr  aßeaat  zu  lesen  ist. 

Kr  tadelt  es,  dafs  ich  in  den  sprachvergleichenden  Beispielen  nir- 
gend zwischen  Stamm-  und  Ableitungssilben  zu  unterscheiden  wifae.  — 
Ich  habe  jene  Beispiele  nur  als  Retorsionsargumente  ans  dem 
Gesichtspunkte  der  Erasmianer  angewendet,  wie  dies  in  meh- 
reren Paragraphen  meiner  Schrift  ausdrücklich  bemerkt  wird.  Wenn 
nun  die  Erasmianer  zur  Begründung  ihrer  stereotypen  Regel,  dafs  das 
7}  immer  durch  das  lateinische  e  ausgedrückt  wira,  eine  Menge  Ter- 
wandter  Wörter  anführen;  so  war  es  mir  unbenommen,  nach  ihren 
Verfahren  entgegengesetzte  Wörter  herbeizuziehen. 

Hr.  St.  will  mir  ferner  eine  mangelhafte  Bekanntschaft  mit  der 
einfachen  griech.  Grammatik  aufdisputieren,  und  zwar  aus  folffenden 
Gründen:  a)  'S.  74  heifst  es:  der  allgemeine  Gebrauch  der  Gneehen 
war,  die  mit  Vocalen  anfangenden  Wörter  mittelst  eines  /  anlauten  sn 
lafsen.'  Wie  falsch !  In  meinem  Buche  steht  nicht  /,  sondern  F,  wel- 
ches jedermann,  so  er  von  keiner  Verdrehungslust  behaftet  ist,  fnr  das 
Zeichen  des  Digamma  halten  wird,  worüber  ich  die  Worte  des  Dionys 
von  Halicamass  in  meiner  Schrift  citiert  habe.  —  b)  'Nach  8.  108 
haben  die  Griechen  ihre  Schrift  von  den  Indern  mitgebracht.'  Unbe- 
greiflich !  Die  Inder  werden  dort  mit  keiner  Silbe  erwähnt.  —  c)  'Ver- 
gleicht man  S.  110,  so  ergibt  sich  die  völlige  Unbekanntschaft  des  Vf. 
mit  dem  Gesetze,  dafs  scbliefsender  langer  Vocal  vor  anlautendem 
Vocale  kurz  wird,'  obgleich  ich  gerade  auf  dieses  Gesetz  eines  meiner 
Argumente  S.  110  gründete.  Schöne  Wahrheitsliebe  eines  Kritikers !  — 
d)  Er  tadelt,  dafs  ich  darJQ  als  lambus  betrachte.  Möge  er  doch 
Thierschs  gr.  Gramm.  (3e  Aufl.  §,  147,  2)  aufmerksam  studieren. 

Sehr  drollig  ist  auch  seine  Beweisführung,  um  meine  mangelhafte 
Bekanntschaft  mit  dem  Deutschen  darzuthun,  welche  sich  darauf  grün- 
det, weil  ich  behauptete,  dafs  im  DeuUchen  sechs  Diphthongen :  ai,  ay, 
äa,  ei,  eu,  ey  einen  und  denselben  Laut  haben.    Hierdurch  beweist  er 


Antikritik.     Antwort.  060 

BOTy  dafs  ihm  K.  Weinholds  Abhandlang  fiber  deutsche  Rechtschreibung 
(Zeitscbr.  f.  d.  osterr.  Gymn.  3r  Jahrg.  S.  105)  und  die  Forschungen 
deutscher  Linguisten  fremd  sind. 

Noch  anmafsender  ist  aber  seine  Behauptung,  dafs  ich  sogar  mit 
meiner  ungarischen  Muttersprache  eine  mangelhafte  Bekanntschaft 
Terrathe,  Er  will  mich  belehren,  dafs  gute  Dichter  das  magyarische 
a  und  e  stets  als  lange  Silben  brauchen.  Das  ist  aber  grundfalsch. 
David  Szabo',  Garay,  Vajda,  Carl  Kisfaludy,  die  alle  gute  Dichter  sind, 
nehmen  das  d  und  e  für  kurz  und  lang.  —  Dann  stofst  er  sich  an  dem 
%o{Qavogy  weiches  ich  mit  dem  ungar.  kiraly  (Konig)  verglichen  habe, 
und  halt  es  für  das  slavische  kral,  poln.  kro*l,  litth.  koralue.  Komisch 
ist  es  aber,  wenn  Hr.  St.  über  denselben  Gegenstand  im  N.  ung.  Mn- 
seum  (Augustheft  1854  8,  175)  sagt:  ^eine  solche  Rtymologie  kann  der 
Ungar.  Sprache  keine  grofse  Ehre  bringen,  weil  so  ihr  Wortschatz  un- 
nutz  Vermindert  ivird.'  Schon!  ivenn  also  kiraly  mit  einem  griech. 
Worte  verglichen  wird,  das  bringt  keine  Ehre  der  ung.  Sprache;  wenn 
es  aber  von  dem  Slavischen  abgeleitet  wird ,  das  soll  ihr  Ehre  bringen ! 
Man  sieht,  Hr.  St.  hat  vorräthig  zwei  etymologische  Principien,  eines 
für  Deutschland,  das  andere  für  Ungarn. 

Fälschlich  behauptet  auch  Hr.  St.,  dafs  der  Urtext  zu  der  Ge- 
schichte der  Griechen  seit  Alexander  in  meinen  ^Studien'  bei  Henrichsen 
sich  finde,  indem  er  die  dort  citierten  Hilfsquellen  gänzlich  ignoriert. 

Wenn  er  aus  meinen  'Studien'  aufseü  der  Vergleichuhg  des 
i/Tcr  mit  dem  ung.  e  nichts  gelernt  hat,  so  kann  ich  hierauf  nur  er- 
wiedern,  dafs  auch  die  Bourbonen  nie  was  lernen  wollten.  Dies  wird 
man  mir  aber  ebensowenig  zur  Last  legen,  als  dafs  in  Wittenberg  die 
Bierbrauerei  Kuckuck  hei  Pst. 

Wie  ist  es  moelich,  dafs  der  griech.  Unterricht  in  der  itacistischen 
Aussprache  Nachtheile  und  Hindernisse  finden  soll,  wenn  dies  seit 
Alexander  bi»  zu  den  Zeiten  des  Erasmus  nicht  der  Fall  war?  Nur 
unkundige  können  es  behaupten ,  dafs  die  itacistische  Aussprache  das 
Scandieren  der  Verse  unmöglich  mache.  —  Hier  ist  es  am  rechten  Platze 
Hrn.  St.  zu  erinnern,  dafs  er  sich  den  Ausfall  über  den  gerügten 
Dactylus  fiiv  oUi  —  um  so  mehr  hätte  ersparen  können ,  als  in  §,  97 
meiner  'Studien'  (S.  105)  derselbe  Yerstheil  als  ein  Beispiel  der  Syni- 
zese  angefahrt  ist. 

Auf  die  Schlufsworte  des  Hrn.  St..  habe  ich  noch  folgendes  zu 
bemerken:  da  in  ganz  Griechenland  und  unter  allen  Griechen  eine 
gleiche  Aussprache  herscht,  und  da  im  College  de  France  wie  auch  in 
der  Facult^  des  lettres  zu  Paris,  dann  in  Rom  und  im  Yenetianischen 
die  itacistische  Aussprache  eingeführt  ist,  so  haben  die  Griechen, 
Franzosen  und  Italiener  aufgehört  die  Wahrheit  zu  suchen ! !  Eine 
schone  Satire  auf  die  deutsche  Wifsenschaft,  die  nicht  einmal  in  Schul- 
angelegenheiten eine  Einigkeit  zulafsen  soll.  Ist  es  dann  ein  Wunder, 
wenn  die  Theoretiker  durch  ihre  deutsche  Wifsenschaft  auch  die  poli- 
tische Einigkeit  Deutschlands  stets  hintertreiben? 

Pest  1854.  J.  T^lfy. 


Antwort. 


Obige  Entgegnung,  deren  Mittheilung  vor  dem  Druck  ich  der  Gute 
der  Redaction  verdanke,  hat  mich  mit  lebhaftem  Bedauern  über  die 
UnVollständigkeit  meiner  Recension  erfüllt.  Ich  hatte  nemlich  schon 
dort  hinzufügen  können  und  sollen,  dafs  ich  nach  Hm.  T^lfys  Art 
Bucher  zu  schreiben  mit  Sicherheit  vorauswifse,  wie  er  Repliken  schrei- 
ben wurde.    Diese  meine  Duplik  wäre  dann  unnothig,  und  ich  könnte 


670  Antwort. 

mich  hochfltenfl  in  stillen  wandern,  dafs  Hr.  T.  gerade  nur  amf  diese 
Punkte  meiner  Rec.  etwas  zu  entgegnen  gefunden  hat.  Nan  aber  be- 
nutze ich  die  Gelegenheit,  noch  nachträglich  zu  bemerken,  dafs  ich 
sicher  bin:  wenn  ein  dentscher  d.  h.  gründlicher  Gelehrter  (aad  auf 
deren  Beifall  allein  kommt  es  mir  an)  wirklich  der  ganzen  Angelegen- 
heit noch  einige  Aufmerksamkeit  schenken  sollte,  so  wird  ihm  einfache 
Lesung  meiner  Rccension  augenblicklich  zeigen,  anf  welcher  Seite  das 
Rocht  liegt. 

In  einem  einzigen  Punkte  fühle  ich  mich  im  Gewifsen  gedrungen 
Hrn.  T.  um  Entschuldigung  zu  bitten.  Derselbe  sagt  S.  107  f.:  in 
Sanskrit  habe  sich  ai  zu  c  gebildet;  die  Mehrheit  der  Griechen  habe 
also  das  «t  wahrscheinlich  so  geerbt,  dafs  es  nur  für  das  Aoge,  nicht 
aber  fürs  Ohr  Diphthong  war.  Ich  in  meiner  Unschuld  glanbte,  'Sans- 
krit' und  'Sprache  der  alten  Inder'  seien  Synonyma;  and  daher  mag 
die  Ungenanigkeit  meines  Citats  rühren  —  denn  Hr.  T.  hat  gani  Recht: 
das  Wort  'Inder'  wird   S.  ^  108  mit  keiner  Silbe  erwähnt. 

Die  Stelle  meines  im  Uj  Magyar  Museum  abgedruckten  Artikel- 
chens werde  ich  wo  möglich  in  einer  ungarischen  Zeitschrift  fnr  Hm. 
T.  zu  erläutern  suchen,  wiewohl  wer  den  Zusammenhang  beachtet, 
dies  um  so  weniger  bedürfen  wird,  da  auf  S.  174  jener  Zeitschrift 
kiräly  ebenso  abgeleitet  ist  wie  in  meiner  Recension  S.  438. 

Wittenberg.  G.  SHer. 


Register  zu  Bd.  LXIX  n  LXX. 

I.  Register  der  benrthefllen  und  angezeigten  Schriften  nnd  der 
vermischten  Aufsätze  und  Notiz  en."^) 


A«8chylas:  ed.  G.  Hermann,  70,  361. 
— •  Aeschyli  et  Sophoclis  fragmenta 

y    ed.  Wagner.  70,  411. 

Alciphronis  rhetoris  epistolae:  ed. 
Meineke.  70,  599. 

Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und 
Kunst.  68  Hft.  70,  655. 

Aristophanes:  ausgewählte  Komoedien 
erkl.  von  Th.  Kock.  2s.  Bdch.  69, 
353.  —  S.  auch  Enger, 

Aristoteles  :  s.  Kersten ,  Prantl, 
Boumot. 

Ausgrabung  von  Olympia:  69,  352. 

Auszüge  avs  Zeitschriften:  Gel.  An- 
zeigen herausg.  von  Mitgliedern 
der  k.  bayer.  Akad.  69,  340  u.  70, 
342.  —  Göttinger  gel.  Anze^q. 
69,  345.  —  Allgem.  Monatsscimft 
für  Wissensch.  u.  Litteratur.  69, 
219  u.  70,  550.  —  Paedagog.  Re- 
vue. 69,  224  u.  70,  103.  — Rhein. 
Museum.  69,  108.  —  Zeitschrift 
für  die  Alterthumswissenschaft.  69, 
105  u.  70,  338.  --  Zeitschrift  für 
das  Gymnasialwesen.  69,  443.  ■ — 
Ber.  über  die  zur  Bekanntmachung 
geeigneten  Verhandlungen  der  k. 
preuss.  Akademie.  69,  450.  — 
Zeitschrift  für  die  österreichischen 
Gymnasien.  69,  695.  —  S.  auch 
Kiehl  u.  The  Journal 

ß. 

Ballhom-Rosen:  zyr  Vorgeschichte  des 

röm.  Rechts.  70,  464. 
Bericht    über    die   14e  Versammlung 

deutscher    Philologen    und    Schul- 


männer zu  Altenbnrg.  70,  524.  — 
über  die  Verhandlungen  der  paeda- 
gogisehen  Section  bei  ders.  Ver- 
sammlung. 70,  534. 

Bernhardt :  Begriff  und  Grundform  der 
griech.  Periode.   70,  271. 

Bielowski:  Pompeii  Trogi  fragmenta. 
70,  54. 

Bode:  materia  qualem  apnd  Platonem 
habeat  vim  atque  natnram.  70,  651. 

Boumot:  Platonica  Aristotelis  opu- 
scula.  70,  651. 

Brunn:  Gesch.  der  griech.  Künstler. 
Ir  Theil.  69,  273.  372. 

C. 

Gadenbach:  conimentationum  Sopho- 
clearnm  specimen.  69,  203. 

Garrara:  die  Ausgrabungen  von  Sa- 
lona.  70,  658. 

Cicero:  Rede  für  P.  Sestiiis  erkl.  v. 
Halm.  69,  38. 

Classen :  Beobachtungen  über  den  ho- 
merischen Sprachgebrauch.  70,  69.. 

D. 

Demosthenes:  s.  Jaehne,  Solil,  Schä- 
fer j  Nitzsch,  Overstraeten ,  Herr- 
mann,  Hombastely  Hermann^  Haupt, 
Heinrichs. 

Deuschle:  die  platonischen  Mythen. 
70,  143. 

Deutsche  Sprache,  Unterricht,  Littera- 
tur: 8.  ü.  Raumery  Günther,  Fuchs, 
Hottzmann,  Koch^  Schmidt ,  Hoff- 
mann.  Frei, 

Diesterweg:  paedagog.  Jahrbuch  für 
1854.  70,  518. 

Döderlein  :    homerisches   Glossarium. 


*)  Diejenigen  Programme,  welche  in  den  stalislischen  Nachricliten  nur  genannt  sind, 
haben  in  diesem  Register  keine  Aufnahme  gefunden;  ilie  Nainen  9er  Verfasser  aber 
sind  in  das  HI.  Register  eingetragen« 


vji 


Regster. 


69»  481.   597.  -— Scherflein  fun  Griechische  Grammatik  und  Unteihrlöht: 

Ventändnis  des  Horatins.  70,  83.  s.  Feldbausch,  dassen,  Bernhardt. 

Dancker:  Geschiohte  des  Alterthums.  Günther:  Schiller's  Lied  von  der  Glocke. 

Ir  und  2r  Band.  69,  3dO.  69,  79. 


E. 

Egger:  ApoUonius  Dyscole*.  70,  166. 

Richhoff:  logica  trium  .dialogorum 
Platonicorum  explicatio.  70,  653. 

Enger:  über  die  Parabase  der  Wol- 
ken des  Aristophanes.  69,  549. 

Englische  Sprache,  Litteratur  u.  Un- 
terricht: B.  Kemmer,Spaldingy  Feiler. 

Epigraphik  (griecl^che)  und  Palaeo- 
graphie.  69,  511. 

Euripides:  Medea  ed.  Kirchhoff.  69, 
618.  —  Troades  ed.  Kirchhoff.  70,  3. 

Eyth:  Uebersicht  der  Weltgeschichte 
vom  christlichen  Standpunkte.  70, 
189. 

F. 

Feier  v.  Ritschl's  25jähr.  Doctorjnbi- 
laeum.  70,  111.  —  Jnbelfeier  der 
Klosterschule  zu  Rossleben.  70, 350. 

Feldbausch:  griech,  Grammatik  znm 
Schulgebrauch.  69,  327. 

Feller:  Handbuch  der  engl.  Sprache. 
70,  516. 

Flathe :  der  phokische  Krieg.  69,  674. 

Florus :  epitomae  de  T.  Livio  bellorum 
omnium  annorum  DCC  libri  II  ed. 
Jahn  69,  172. 

Frans:  corpns  inscriptionum  Graeca- 
rum.  Vol.  m  fasc.  U.  69,  511. 

Frei:  Schul grammatik  der  neuhoch- 
dentschen  Sprache«  70,  635. 

Fuchs:  Lehrbuch  der  deutschen  Me- 
trik. 70,  95. 

G. 

Geschichte :  s.  Folpert,  Duncker^  Eyth, 

ThUle, 
Giseke:    die    allmähliche    Entstehung 

der  Gesäuge  der  Ilias.  69,  241. 
Göttling:  de  loco  Antigouae  Sophociis 

vv.  866—879.  69,  199. 
Grässe :    Leitfaden    der    allgemeinen 

Literaturgeschichte.  70,  004. 
Graf:  religiöse  Vorträge.  69,  101. 
Grautoff:  Turpiliananim  comoediarum 

reliquiae.  69,  31  ff. 
Gregorius  Turonensis:  s.  Uaase» 
Griechische  Altcrthumer,   (beschichte, 

Kunst  und   Litteratur:    s.   Nitzsch, 

Ooerbeck,    Giseke,  Brunn,    T4lfy, 

RangM,  Flathe^  SöUl,  Schäfer. 


H. 

Haase:  Gregorii  Turonensis  episcopi 
über  de  cursu  stellarum.  69,  319. 

Hagen:  Catilina,  eine  historbche  Un- 
tersuchung. 70,  296. 

Hahn:  der  Fund  von  Lengerich  in 
Hannover.  70,  660. 

Halm:  s.  Cicero, 

Haupt:  demosthenische  Studien.  70, 
507. 

Hauschild:  wie  kann  sich  die  Schule 
an  der  Sorge  für  die  nöthige  Lei- 
besbewegung unserer  Kinder  —  be- 
theiligen? 70,  520. 

Hebraeische  Sprache:  s.  Meier  und 
Seffer. 

Heinrichs :  quaestiones  Demosthenieae. 
70,  512. 

Hermann,  G.:  s.  Aeschylut. 

Hermann,  K.  F.:  die  Hadeskappe.  69, 
Q75.  _  disputatio  de  Midia  Ana- 
gyrasio.  70,  505. 

Herodot:  s.  Herold, 

Herold :  emendationes  Herodoteae. 
Pars  I.  69,  329. 

Herrmann:  einl.  Bemerkungen  zu  De- 
mosthenes  paragraphisohen  Reden. 


TD,  502. 
[omna 


Homnann  :     neuhochdeutsche    Sehul- 

grammatik.  70,  630. 
Holtzmann :  Untersuchungen  über  das 

Nibelungenlied.  70,  204. 
Homer:  Odyssee  erkl.  von  faesi.   2e 

Aufl.   Ir  und  2r  Bd.  70,  283.  — 

S.   auch  Güeke,   Clanen,    Döder- 

lein, 
Horatins:  Oden  und  Epoden  erkl.  von 

Nauck.  70,    40.  —  S.  auch  Kär^ 

eher  u.  Böderlein. 
Hornbostel :  über  die  von  Demosthenes 

in  Sachen  des  Apollodor  verfasaten 
•  Gerichtsreden.  70 ,  504. 
Hudemann:  s.  Klotz, 
Huth:  vier  Erbauungsreden.  69,  101. 

J. 

Jacobs:  s.  Sallustius» 

Jaehne :  diss.  qua  demonstratur, 
quantum  adolescentes  —  lectione 
Demosthenis  Inventur  io  rebus  ei- 
vilibus  recte  cognoscendis.  70,  496. 

Jahn:s.  Florus. 


Keckster. 


67S 


JahibüeherdesVereiasvonAlterthoms-^Niggeler:  das  Turnen.  70,  520. 
freunden  im  Rheinlande.  XIX.  69,   Nipperdey:  b.  TaeUus, 


Ingenlev:  lateinisch- deutsches  Schul- 
wörterbuch. 69,  403. 

Inschriften :     s.     Franz , 
Mommsen,  Kirchhoff,  Lange, 

K. 

K&roher:  Horaz.  3e  Lieferung.  70,  80. 

Kemmer:  Andeutungen  su  einer  engl. 
Wort-  und  SaUlehre.  69,  694. 

Kersten:  quo  iure  Kantius  Aristotelis 
categorias  reiecerit.  70,  78. 

Kiehl,  Mehler,  Naber  :  Mnemosyne. 
70,  90. 

Kirchhoff:  das  Stadtrecht  v.  Bantia. 
69,  90.  —  S.  auch  Euripides. 

Klotz,  Liibker,  Hudemann:  Handwör- 
terbuch der  latein.  Sprache.  69, 403. 

Koch,  F.:  deutsche  Grammatik  für 
-     höhere  Lehranstalten.  70,  473. 

Koch,  G.  A. :  lateinisch  -  deutsches 
Handwörterbuch.  69,  403. 

Kock:  8.  Arisiophanes. 

L. 

Ladewig:  über  einige  Stellen  des  Ver- 
gil.  69,  558. 

Lange :  die  oskische  Inschrift  der  Ta- 
bula Bantina.  69,  90. 

Lateinische  Sprache  und  Unterricht: 
8.  Klotz,  Ingerslev,  Koch,  Scholz, 

Livlus:  erkl,  von  Weissenborn.  Is  und 
Ä  Bdch.  69,  649  u.  70,  455. 

Lübker:  s«  Klotz, 

M. 

Mathematik:  s.  Runge,  Meyer, 

Mehler:  s.  KieM, 

Meier:  die  Form  der  hebraeischen  Poe- 
sie. 69,  690. 

Meineke:  vindicianim  Strabonianarum 
über.  69,  258.  —  S.  auch  Strabo 
und  Alciphron, 

Meroklin :  quaestt.  Varronianae.  69, 96. 

Meyer :  die  windschiefe  Präche.  69, 104. 

Mommsen :  Inscriptiones  regni  Nea- 
poUtani  Latinae.  69,  112. 

Mythologie :  s.  //ermann ,  K,  F. 

N. 

Naber:  s.  KieM, 
Naturgeschichte:  s.  Schilling, 
Nekrolog  von  Chr.  W.   Mitscherlich. 

69,  235. 
Neumann:  s.  Rothitdn, 


Nitzsch:  die  Sagenpoesie  der  Grie- 
chen. 69,  8.  129.  —  disputatio  de 
Demosthene  oratore  tali  qualem 
Plato  requisivit.  70,  501. 

0. 

0 verbeck:  Gallerie  heroischer  Bild- 
werke der  alten  Kunst.  69,  141. 
385.  —  Knnstarchaeologische  Vor- 
lesungen. 70,  176. 

Overstraeten ,  van  :  les  oratenrs  At- 
tiques  et  les  Saints  P^res.  *70,  501. 

Ox^:  de  Sophoclis  trachiniis.  69, 209. 

P. 

Paedagogik:  s.  Raumer,  Hauschild, 

Pausanias:  ed.  Schubart.  70,  412. 

Physik:  s.   Trappe. 

Piaton:  sämmtl.  Werke  nbers.  von 
H.  Mailer,  mit  Einl.  von  Steinhart. 
4r  Bd.  70,  19.  121.  —  Phaedon 
für  den  Schulzweck  sachlich  erklärt 
von  Schmidt.  70,  312.  —  S.  auch 
Steinhart,  Deuschie,  Sdmädt,  Speck, 
Bode,  Boumotj  Eichhoff, 

PompejUs  Trogus,  s.  Bielowski. 

Prantl:  über  die  Entwicklung  der  ari- 
stotelischen Logik  aus  der  piaton. 
Philosophie.  69,  672. 

R. 

Rangabe:  Antiquit^s  Hell^niques.  69, 
511. 

V.  Raumer:  der  Unterricht  im  Deut- 
schen. 69,  73. 

Rhetores  Graeci:  s.  Spengel. 

Richter:  Blutarmuth  und  Bleichsucht. 
70,  334. 

Römische  Litteraturgeschlchte:  s.  (rrau- 
toff,  Mercklin,  Thilo, 

Rothstein:  die  Gymnastik  nach  dem 
Systeme  P.  H.  Ling's.  70,  330.  — 
Anleitung  zu  den  Uebungen  am 
Voltigirbock.  70,  333.  —  und  Neu- 
mann:  Athenaeum  für  rationelle 
Gymnastik.  70,  328. 

Runge:  zwei  Abhandlungen  über  die 
Cycloide  von  Pascal.  69,  104. 

Ruprecht:  die  deutsche  Rechtschrei- 
bung. 70,  514. 

S. 

Sallustius :  erkl.  von  Jacobs.  70,  434. 
Schaedel :  de  Sophoclis  Oedipi  in  Co-  * 
lono  locisnonnuUisepistoIa.  69,205. 


674 


Rd^Uter. 


Schaefer:  Demosthenes  und  die  alhen«^ 
Staatsmänner  seiner  Zeit.  70,  500. 

Schenkl:  krit.  und  erklärende  Anmer- 
kungep  zu  den  Trachi nierin  uen  des 
Sophokles.  69,  210. 

Schiller:  s.  Günther. 

Schilling:  Grundriss  der  Naturge- 
schichte. 69,  564. 

Schirlitz:  neue  Schulreden  im  Gymna- 
sium zu  Nordhausen  gehalten.  69, 
336. 

Schmidt,  H. :  krit.  Com meutar  zu  Piatos 
Phaedou.  le  und  2e  Hälfte.  70,  151. 

Schmidt,  J.:  Gesch.  der  deutschen 
Nationallitteratur  im  neunzehnten 
Jahrh.  70,  477. 

Schueidcwin:  s,  Sophokles, 

Scholz:  exempla  sermonis  Latiui  ex 
Corderii  Erasmique  coUoquiis  et  Te- 
reniii  comoediis  deprompta.  69, 212. 

Schubart:  s.  Pausanias. 

Schul  reden:  s.  ffuihf  Graf,  Schtrlilz, 

Seffer :  Elementarbuch  der  hebraeischen 
Sprache.  70,  638. 

Sohl :  Demosthenes  als  Staatsmann  und 
Redner.  70,497. 

Sophokles:  erkl.  von  Schneidewin.  4s 
und  5s  Bdch.  69,  492.  —  S.  4iuch 
Ullrich^  GöuUng,  Winckelmann,  Ca- 
denbach,  Schaedel,  Oxe^  Schenkl, 

Spaiding:  Geschichte  der  englischen 
Liiteratur.  70,  306. 

Speck:  Wärdiguug  der  platonischen 
Lehre  von  der  Unsterblichkeit.  70, 
650. 

Spengel:  Rhetores  Graeci.  Vol.  I.  69, 
630  u.  70,  271. 

Steinhart:  prolegomena  ad  Platonls 
Philebum.  70,  141.        # 

Straho:  geographica  recogn.  Meineke. 
69,  258.  —  8.  auch  Meineke, 


Ttilfy:  Studien  über  die  Alu  u.  Neu- 
griechen und  über  die  Lautgeschichte 
der  griech.  Buchstaben.  69,  434. 
vgl.  auch  70,  668. 

The  Journal  of  classical  and  sacred 
philülogy.  70,  94. 

Thiele:  zur  Charakteristik  des  Teut- 
schen  Fürstenstaats  von  V.  L.  von 
Seckendorff.  70,  323. 

Thilo :  de  Varrone  Plutarohi  quaestio- 
num  Roman,  auctore  praecipuo.  69, 
96. 

Trappe:  Leitfaden  für  den  Uuterricbt 
in  der  Physik.  69,  567. 

Turnen:  s.  Rothatein,  Richter j  Nigge^ 
lery  Hauachüd,  Vieth, 

U. 

Ullrich:  über  die  relig.  u.  sittl.  Be- 
deutung der  Antigone  des  Sopho- 
kles. 69,  197. 


Tacitus:  erkl.  v.  Nipperdey.  Ir  u.  2r 
Band.  69,  52.  154.  300. 


Varro:  s.  MercJcUn,  Thüo. 

Vergilius:  s.  Ladenfg, 

Verordnungen:  s.  Reg,  IV,  Sieben- 
bürgen, Preuasen,  Bayern,  Oeeter- 
reich ,  Württemberg ,  Tübingen, 
Frankfurt  am  Main,  Wien. 

Verzeichniss  der  Vorlesungen.  69, 469. 
586;  u.  70,  576. 

Vieth:  über  den  Zusammeahang  des 
Tui^platzes  mit  der  Schale.  70,  &22. 

Voipert:  de  regno  Pontico.  69,  A. 

W. 

Wagner:  s.  AescJiyltts. 

Weissenborn:  s.  Livius, 

Wex:  spicilegtum  in  Sophoclis  Oedipo 

Coloneo.  69,  207. 
Winckelmaim :  Beiträge  zur  Kritik  und 

zur   Erklärung   der    Autigone    des 

Sophokles.  69,  200. 


II.  Register  der  Hitarbeiter. 


A.  B. 

A.  in  L. :  Anz.  v.  Hemmers  Andeu-  Bartsch    in    Berlin:    Ana.    v.    Holts- 
tungen  zu  einer  engl.  Wort-  u.  Satz-  mann's  Unters,  über  d.  Nibelungen- 
lehre 69,  694.  lied  70,  204. 
,Ameis  in  Mühlhauscn:  Anz.  v.  Faesi's  Becker  in   Frankfurt  a.  M.:  Anz.  v.: 
Odyssee  70,  233.  Archiv  f.  Frankfurts  Gesch.  u.  Kunst 


Register. 


075 


70,  656,  V.  Carrara'g  Ausgrabun- 
gen V.  Saloua  70,  658,  v.  Hahn's 
Fund  V.  Leiigerich  70,  660. 

Böttger  in  Dessau :  Aoz.  v.  Spaldiug's 
Gesch.  d.  engl.  Litteratur  70,  906. 

Brandes  in  Leipzig:  Ans.  von  Kiel's 
u.  A.  Mnemosyne  70,  90,  v.  Jour- 
nal of  class.  and  sacred  philology 
70,  94. 

Braun  in  Rom:  Anz.  v.  ßninn's 
Gesch.  der  griech.  Künstler  69, 
273. 


Curtius  in  Prag:  Anz.  v.  KirohhoCT*» 
Stadtreclit  v.  Bantia  u.  Lange  d»  osk. 
Inschrift  der  Tab.  Bantiua  69,  90. 


Deuschle  in  Hanau:  Anz.  v.Prantl  über 
die  Entwicklung  der  aristotei.  Lo- 
gik 69,  672,  V.  Kersten  quo  iure 
Kantius  Aristotelis  categorias  reie- 
cerit  70,  78,  v.  Schmidt's  krit. 
Commentar  zu  Plato's  Phaedon  70, 
151,  V.  Schmidt's  Plato's  Phaedon 
sachl.  erklärt  70,  312,  v.  Eich- 
hofiTs  diaiogonim  Platonicorum  ex- 
plicatio  70,  653. 

Üietsch  in  Grimma:  Anz.  v.  Scholz's 
exempla  sermonis  Latini  69,  212, 
V.  Herold*s  emendatt.  Herodoteae 
69,  329,  Y.  Schirlitz's  neuen  Schul- 
reden 69,  336,  Antw.  an  R.  Geier 

69,  453,  Anz.  ▼.  Ladewig  über 
einige  Stellen  dea  Vcrgil  69, 558,  v. 
Eyth's  Ueberbl.  der  Weltgeschichte 

70,  189,  Bericht  über  die  Philolo- 
genversamrolung  in  Aitenburg  70, 
524. 

Düntzer  in  Köln:  Anz.  v.  Duderiein's 
homer.  Glossarium  69,  481.  597. 


EirgerinOstrowo:  Anz.  v.  Aristopha- 
nes  ausgew.  Koraoedien  erkl.  v.  Kock 
69,  353,  V.  Aeschylus  ed.  G.  Her- 
mann 70,  361,  V.  Aeschyli  et  So- 
psoclis  fragm.  ed.  Wagner  79,  411. 


Fahle  iu  Attendorn:  Anz.  v.  Scliil- 
Ung's  Grundr.  d.  Naturgeschichte 
09,  564,  V.  Trappe's  Leitfaden  für 
den  Uuterr.  in  d.  Physik  69,  567. 

Finckh  in  Heilbroun :  Anz.  v.  Rlietores 
Graeci  ed.  Spengel.  Vol.  I.  69,  630. 


Flügel   in    Leipzig:   Ana.   v.   Feller's 
Handb.  der  engl.  Sprache  70,  516. 


GoBsrau  in  Quedlinburg:  Anz.  v.  Ha- 

gen's  Catilina  70,  296. 
Gutschmidt,  v. ,  in  Dresden:  Anz.  y. 

Volperl  de  regno  Pontlco  69,  84. 

H. 

H.  io  D.:  Anz.  von  Schiller's  Glocke 
erkl.  T.  Günther  69,  79. 

H.  in  Elberfeld:  Anz.  v.  .Thiele  zur 
Charakteristik  des  Teutschen  Für- 
stenstaats von  Seckendorff  70,  323. 

Halm  in  München:  Anz.  v.  Florus  ed. 
0.  Jahn  69,  172. 

Heerwagen  in  Bayreuth:  Anz.  v.  Li- 
vius  erkl.  v.  Weissen bom  69,  649. 

Heffteriu Brandenburg:  Anz.  v.  Fuchs' 
deutscher  Metrik  70,  95. 

Heibig  in  Dresden:  Anz.  v.  Duncker's 
Gesch.  des  Altertliums  69,  330. 

K. 

K...1  in  D. :  Anz.  v.  Huth's  Erbauungs- 
reden u.  Grafs  relig.  Vortr.  69,  101. 

Kayser  in  Heidelberg:  Anz.  v.  Meine- 
ke's  vindiciae  Strabon.  u.  Strabo  ed. 
Meineke  69,  258,  v.  Schneidewiu's 
Sophokles  69,  492,  von  Rhetores 
Graeci  ed.  Spengel  u.Bernhardt's  Be- 
griff der  griech.  Periode  70,  271,  v. 
Pausanias  ed.  Schubart  70 ,  412. 

Keil,  K. ,  in  Schulpforte:  Anz.  v.  Al- 
ciphron  ed.  Meineke  70,  599. 

Keil,  H.,  in  Halle:  Anz.  v.  Mercklin's 
cfuaestt.  Varronianae  u.  Thilo  de 
Yarrone  69,  96. 

Klein  in  Mainz:  Anz.  der  Jahrbb. 
des  Vereins  rheinlfind.  Alterthums- 
fireunde  69,  682. 

KlosB  in  Dresden:  Aoz.  v.  Sciuriften 
vom  Turnen  u.  der  Gesundheits- 
pflege in  Schulen  70 ,  325  u.  517. 

Köhler  in  Weimar:  Anz.  v.  BallNbrn- 
Ro8en*s  Vorgesch.  des  röm.  Rechts 
70,  464. 

KolBter  in  Meldorf:  Anz.  v.  Horatius 
Oden  von  Nauok  70,  40. 


Ladewig  in  Neustreiitz :  Anz.  v.  KioU* 
Lübker-Hudemaun  lal.  Handwörter- 
buch, V.  Ingerslev's  lat.-deut8ch. 
Schulwörterbueh  u.  v.  Koch's  lat.- 
deulsch.  Handwörterbudi  69,  403. 


676 


Register. 


Ley  in  Dresden:  Ans.  ▼.  Meier^s  Form, 
d.  hebraeischen  Poesie  69»  690. 

M. 

Maehly  in  Basel:  Ans.  von  Cic.  or. 
pro  Sestio  ed.  Halm  69,  38. 

Mezger  in  Schönthal:  Ans.  y.  Sallust 
erkl.  V.  Jacobs  70,  434,  v.  Sef- 
fer's  hebr.  Elementarbuch  70,  638. 

N. 
Nauck  in  Berlin:  Ans.    v.  Euripldis 
Medea  ed.  Kirchhoff  69,   618,  v. 
Enrip.  Troades  ed.  Kirchhoff  70,  3. 

0.. 
Osann  in  Giessen:  Ans.  von  Gregorias 
Turonensis  de   cnrsa  stellamm  ed. 
Haase  69,  319,  v.  Trogl  Pompeii 
fragmenta  ed.  Bielowski  70,  54. 


P.  in  Dresden:  Ans.  v.  Schmidts 
Gesch.  der  deutschen  Nationalli- 
teratur im  19.  Jahrb.  70  <  477, 
V,  Gr&sse's  Leitfaden  der  all  gem. 
Literaturgeschichte  70,  664. 

Petersen  in  Hamburg:  Ans.  v.  Over- 
beck*s  Gallerie  heroischer  Bildwerke 

69,  141.  385. 

Piderit  in  Hanau:  Ans.  v.  Classen*s 
Beobachtungen  über  d.  homer. 
Sprachgebrauch  70,  69. 

R- 

Raumer,  v.,  in  Erlangen:  Selbstanz. 
von  V.  Raumer*8  Unterricht  im  Deut- 
schen 69,  73. 

Rehdauts  in  Halberstadt:  Anz.  v.  Jaehne 
lect.  Demosth.  70,  496,  v.'  SöUrs 
Demosthenes  70,  497,  v.  Schäfer's 
Dem.  u.   die  Staatsmänner  s.  Zeit 

70,  500,  T.  Nitzsoh's  disp.  de  De- 
mosthene  70,  501,  v.  van  Over- 
straeten's  orateurs  AtUques  70,  501, 
v.*Herrmann's  Bemeikungen  su  Dem. 
Paragraph.  Reden  70,  502,  v.  Hom- 
borstel  über  Dem.  Gerichtsreden  70, 
504,  T.  Hermann'»  disp.  de  Midia 
70,  505,  V.  Haupt's  demosthen. 
Studien  70,  507,  v.  Heinrichs 
quaestt.  Demosthenicae  70,  512. 

Ribbeck  iu  Elberfeld:  Ans.  von  Grautoff 
TurpU.  comoed.  reliqulae  69,  31. 

Ross  in  Halle:  Anz.  v.  Frauz*s  corpus 
inscriptt.  Graec.  u.  v.  Rangab^s 
Antiquit^  Hell^niques  69,  511. 647. 


S. 

Seh.  m  Gr.:  Anz.  v.  Flathe's  phok. 
Krieg  69,  674. 

Schlömilch  in  Dresden:  Ans.  ▼.  Run- 
ge's  Abhandl.  über  die  Cycloide  v. 
Pascal  u.  Meyer's  d.  windschiefe 
Fläche  69,  104. 

Schneidewin  in  Göttingen:  Anz.  v. 
Ullrich  über  Sophokles  Antigone, 
Göttling  de  loco  iaitigonae,  WinckeU 
mann  zur  Krit.  u.  zur  Erklärung  der 
Antigone ,  Cadenbadi's  oomment. 
Sophocieae,  Schaedel  de  Sophociis 
Oed.  Col.  loois,  Wex  spieil.  in 
Sqphoclis  Oedipo  Gol.,  0x6  de 
Soph.  Trachiniis,  Scheakl's  Anmer- 
kungen zu  Soph.  Traohinlerinnen 
69,  197,  Nekrolog  von  Mltscherlich 
69,  235. 

Schömann  in  Greifswald:  Ans.  von 
Nitzsch's  Sageapoesie  der  Griechen 

69,  3.  129. 

Schwenck  in  Frankf.  a.  M.:  Ans.  ▼. 
K.  F.  Hermann*s  Uadeskappe  69, 
675 ,  V.  Kärcher*s  Horas.  3e  Lief. 

70,  80,  V.  Döderlein's  Scherflein 
s.  Horaz  70,  83. 

Sengebusch  in  Berlin:  Anz.  v.  Gie- 
seke's  d.  allmähl.  Entstehung  der 
lliasOO,  241. 

Stier  in  Wittenberg:  Ans.  v.  T6lfy*s 
Studien  über  die  Alt-  u.  Neugriechen 

69,  434,  Antwort  an  Ti\t^  70,  669. 
Susemihl  in  Greifswald:  Ans.  y.  Pinto 

v.  Müller  u.  Steinhart  70,  19.  121, 
V.  Steinhart*s  prolegomena  ad  Pia- 
tonis Philebum  70, 141,  v.  Deuschle 
d.  piaton.  Mythen  70, 143,  t.  Speckes 
d.  piaton.  Lehre  von  der  Unsterb- 
lichkeit 70,  650,  V.  Rode's  materia 
ap.  Platonem  70,  651,  v.  Bour- 
not's  Platonica  Aristotelis  opuscula 

70,  651. 


feuffel  in  Töblogen:  Anz.  v.  Enger 
über  die  Parabase  von  Aristoph. 
Wolken  69,  549. 

U. 

Urlichs  in  Greifswald:  Ans.  von  Ntp- 
perdey*s  Tacitus  69,  52.  154.  300, 
V.  Brunn's  Gesch.  der  grieeh.  Künst- 
ler 69,  372,  V.  0verbeck*8  kunst- 
archaeol.  Voriess.  70,  176. 


Register.  (|77 


W. 


Vilmar  in  Hanau :  Anz.  V.  Koch'g  deut-  Weil   in  Be8an9on:   Anz.   v.  £gger'd 

scher   Grammatik  70,  473»  v.  ftu-  Apollonius  Dyscole  70,  106. 

preeht's  deutscher  Rechtschreibung  Wex  in  Schwerin :  Ans.  v.  Livius  erkl. 

70,   514,   V.   Hoffmann's  u.  Frei*s  v.  Weissenbom  70,  455. 
neuhochd.  Grammatiken  70,  630. 


m.  Register  der  in  den  statistischen  und  Personalnotizen 
Yorkommenden  Namen. 


Abel  t  70,  576.  Ackermann  70,  118.  Adam  in  München  69,  122.  —  v. 
Brackenheim  n.  Heilbronn  69,  348.  Adler  70,  119.  Agassis  69,  121. 
Ahlwardt  70,  565.  Ahn  69,  461.  Ahrens  in  Hannover  69,  702.  70, 
347.  —  in  Coburg  70,  225.  Aken  69,  701.  Albrecht  69,  126.  AU  v. 
Troppau  n.  Pressbnrg  69,  467.  Altenburg  69,  706.  Altendorf  70,  346. 
Ameis  70,  567.  Anderssen  69,  459.  Andrä  69,  118.  Anton  ▼.  Berlin 
n.  Lübben  69,  574.  —  in  Rossieben  70,  351.  Apel  f  69,  351.  Arndt 
in  Halle  69,  119.  —  in  Lissa  69,  461.  —  in  Bonn  69,  574.  —  in 
Magdeburg  70,  118.  Arneth  f  69,  707.  Arnold  f  69,  119.  Aschbach 
69,  707.  70,  571.  Aftchenbach  69,  702.  Aub  von  Bayreuth  n.  Mainz 
69,  117.  Auer  70,  571.  Anerbach  69,  575.  Auersperg,  v.  69,  122. 
Aufsess,  von  und  zu  70,  568.    August  69,  574. 

Babanck  69,  704.  Babo,  v.  69,  701.  Bahnsen  70,  118.  Balsam  69,  703. 
Banse  70,  118.  Barke  69,  234.  Bariösius  70,  567.  Bartels  70,  225. 
Barth  f  69,  127.  Bartholdy  70,  231.  Bartsch  69,  234.  Baudis  v. 
Budweis  n.  Görz  69,  119.  Bauer  v.  Eichstädt  n.  Kempten  69,  120.  — 
in  Augsburg  70,  345.  —  v.  Kempten  n.  München  70,  568.  Baumert  v. 
Breslau  n.  Bonn  70,  346.  Baumgardt  v.  Cöslin  n.  Potsdam  69,  574. 
Baumgartner,  v.  69,  121.  Baur  69,  675.  Beccard  69,  229.  Bech  v. 
Magdeburg  n.  Zeitz  69,  234.  Bechtold  69,  574.  Becker  v.  Hadamar  n. 
Frankf.  a.  M.  69,  230.  701.  —  in  Zwickau  69,  351.  —  in  Darmstadt 
69.  575.  —  in  Wittenberg  69,  707.  —  in  Donaueschingen  70,  346. 
Beckers  69,  121.  Beer  69,  580.  Behlau  69,  348.  Behrle  70,  346. 
Beinert  69,  459.  70,  116.  Beinling  70,  116.  Bekker  69,  230.  Beley 
69,  575.  Bellermann  69,  574.  Beltz  70*,  226.  561.  Bender  69,  575. 
Bendixen  v.  Altona  n.  Plön  69,  228.  70,  118.  Benecke  69,  702.  Be- 
neke  +  69,  585.^Bentfeld  69,  702.  Benvenuti  70,  230.  Berger  in  Celle 
69,  702.  70,  347.  —  in  Lemgo  70,  228.  Bergmann  70,  225.  Berlin- 
ger 70,  571.  Bernd  in  Bonn  +  70,  232.  —  in  Wien  70,  571.  Bern- 
hardt  in  Wiesbaden  69,  579.  —  in  Wittenberg  69,  707.  Bemhardy  69, 
121.    Bernays  70,  113.     Berthold  in  Stendal  69,  234.    —  in  Detmold 

69,  459.  Bertram  69,  229.  Berwinski  v.  Posen  n.  Trsemeszno  69,  467. 
Beschmaun  69,  573.    Beschorner  v.  Liegniti  n.  Glats  70,  226.    Besser 

70,  352.  Beuld  70,  350.  Beyrich  70,  109.  Beyschlag  70,  570.  Bie- 
dermann 70,  118.  Biehl  69,  580.  Bielke,  ▼.  60,  700.  Bierwirth  69, 
706.  BiU  69,  580.  Biltz  70,  119.  Binsfeld  70,  225.  Bippart  69, 
580.  Bischoff  in  Augsburg  70,  345.  —  in  Heidelberg  f  70,  859.  — 
in  Wertheim  70,  570.  —  in  Giessen  69,  573.  Bissinger  v.  Zweibraeken 
n.  Hof  69,  120.  Bitiius  f  70,  576.  Blaas  69,  458.  Blahav.  Teschenn. 
Troppau  70,  570.  Blatner  70,  568.  Blau  69,  230.  Bleske  v.  Emden  n. 
Güttingen  69,  701.  70,  347.  Bleyer  69,  122.  Bündow  69,  467.  BLum 
70,  570.    Bluntsohli  69,  121.     Bockshammer  70,  570.    Bode  in  Neu. 


078  Personenregister. 

Ruppin  69,  231.  —  in  Hannover  70,  347.  Bodenstedt  70,  229.  Bo- 
denslein 09,  577.  Böckh  69,  109.  121.  Bödeker  v.  Bonn  n.  Göllingen 
69,  576.  ßögekamp  70,  561.  Böhm  in  Prag  69,  122.  580.  —  in  Co- 
burg 70,  225.  —  in  Donaneschingon  70,  346.  —  in  Wien  70,  571. 
Böhner  70,  345.  Böttcher  70,  560.  Bohnenberger  69 ,  229.  BolsBer^ 
+  ß9,  686.  Bojnnga  69,  704.  Boll  69,  120.  Bonitz  70,  231.  571. 
Bormann  70,  355.  Bossler  69,  574.  Bonterwek  70,  591.  Boid^ch 
69,  126.  Brandes  70,  228.  Brandis  in  Altona  69,  228.  699.  —  in 
Berlin  69,  228.     —  in  Bonn  70,   568.    Brandscheid  69,   580.     Brandt 

69,  702.  70,  349.  Braun  70,  230.  Brauns  I.  und  II.  70,  349.  Bra- 
vais 69,  121.  Breda  69,  118.  Breier  v.  Oldenburg  n.  Lübeck  70,  229. 
Breitenbadi  69,  234.  707.  Breiter  70,  56«.  Breithaupt  +  69,  586. 
Bremiker  69,  574.  Breysig  69,  699.  Brigl  70,  226.  Brix  v.  Hirsch- 
berg n.  Liegnitz  69,  348.  703.  Brock  70,  226.  Bromig  v.  Düsseldorf 
n.  Burgsteinfurt  69,  118.  Bronikowski,  v.  70,  118.  Brooke  69,  121. 
Brücke  69,  573.  Brüel  70,  347.  Brünning  69,  231.  Brunn  70,  224. 
Bubendey  69,  701.  Buchen  f  69,  347.  70,  345.  Bnchholz  v.  Claus- 
thal  n.  Hildesheim  70.  349.  Buchner  69,  121.  ßudalowsky  69,  351. 
Büchner  in  Mainz  69,  401.  —  in  HiUlburghauscn  69,  577.  -—  in  Schwe- 
rin 70,  357.  Bünz  69,  704.  Büttner  69,  119.  Bunseu  in  Heidelberg 
60,  121.    —  in  London  69,  348.    Burmeister  69,  702.    Busse  in  Lemgo 

70,  228.     —  in  Berlin  +  70,  576.     Butller  +  69,  702. 

Canal  v.  Venedig  u.  Padua  09,  231.  Capelle  +-69.  702.  Capellmanu  69. 
126.  70,  571.  Carrara  f  69,  585.  Cauer  70,  116.  Clialybaeus  in 
Dresden  69,  575.    —  in  Kiel  09,  578.     Christ  69,  123.    Christiansen  f 

69,  468.     Cicogna  70.  231.    Cielecki  69,   231.     Classen  69,   575.  576. 

70,  347.  Clausen  in  Elberfeld  69,  459.  70,  500.  --  in  Plön  70,  118. 
Clanss69,351.  Clemen  70,  228.  Colin,  v.  69,  459.  Coerber  f  70, 232. 
Conrad  69,  228.  Conrads  70,  22.').  Contzen  69,  121.  Cousin  69,  458. 
Cordier69,  121.  Cornelius  69,  229.  —  v.  69,  122.  Cossiuna  v.  Marienwer- 
der n.  Tilsit  69,  121.  Cramer  v.  Wesel  n.  Duisburg  70,  560.  Gramer 
70,  568.  Creuzer  69,  121.  Crivelli  69,  466.  Cron  v.  Erlangen  n.  Augs- 
burg 69,  117.  121.  70,  345.  Cunze  69,  577. .  Curtius  in  Prag  69,  580. 
—  V.  Prag  n.  Kiel  69,  704.  —  in  Berlin  70,  224. 

Daniel  69«  230.  460.  Danilo  70,  575.  Danneil  69,  231.  70,  118.  Dantz 
69,  119.  Dauber  69,  577.  Daurailler69, 120.  Daxeuberger,  v.  69,  122. 
Debellak  69,  350.  Deck  69,  348.  Dedina  09,  126.  Deichmann  69,  702. 
Deinhardt  69,  118.  Delff  09,  704.  Dellmann  70,  349.  Demel  69,  126. 
Depping  69, 126.  Dernburg  v.  Heidelberg  n.  Zürich  70,  231.  Deusohle  69, 
567.  Dewischeit  70,  347.  Deycks  69,  579.  70,  568.  Dicknetler  69, 
458.  Dieckmann  70,  347.  Diestel  70,  346.  Dieteifch  69,  702.  Diet- 
rich V.  Schulpforte  n.  IJfirschberg  69,  460.  —  in  Marburg  70,  567. 
Dietsch  69,  117.  Diez  70,  568.  Dilling  70,  567.  Dillmann  v.  Tübin- 
gen n.  Kiel  70,  227.  Dilthey  09,  575.  Dingelstedt  69,  122.  Dinter  v. 
Dresden  n.  Meissen  70,  229.  Dippe  70,  357.  Ditges  v.  Emmerich  n. 
Münster  69,  122.  Doberenz  69,  577.  Doblika  v.  Ofen  n.  (lör«  70,  847. 
Döderiein  69,  119.  Döhner  70,  229.  Dullinger  69,  121.  Dönniges  69, 
121.  Döring  70,  111.  Dominicus  69,  118.  Dommerich  69,  577.  Dorf- 
müller 70,  345.  Dorn  69,  459.  Dornheim  70,  560.  Dreiheller  70,  567. 
Dresel  69,  459.  Dressel  70,  225.  Dronke  69,  229.  70,  346.  Dryander 
69,  230.  Dub  69,  347.  Dnbelman  70,  346.  Dnbied  69,  467.  Dubsky 
69,  122.  Dütdclike  69,  573.  DnfTner  70,  340.  Dulinskl  69,  ^61.  Du- 
vemoy  69.  573. 

Ebenau  69,  579.     Eben  69,  575.     Ebhardt  v.  Hadamar  n.   Wiesbaden  70, 


Personenregister.  570 

220.  Eckstein  69,  119.  70,  352.  355.  Ehlei-s  70,  118.  Ebrenberg  69, 
121.  70,  110.  111.  Ehrenberger  69,  458.  Ehrlich  in  Marienwerder  69, 
121.  —  In  Magdeburg  70,  118.  Eicli  70,  119.  Eichcndorff,  v.  69,  122. 
'Eiohhoff  70,  560.  Eichhorn  69,  121.  +  70,  120.  Eichleiter  70,  345. 
Eiselen  70,  118.  Eitner  70,  116.  Eisermann  70,  571.  Elster  in  Helm- 
stedt 69,  577.  t  70,  120.  —  in  Blaukenburg  70,  111.  Elten  69,  701. 
Emmrich  69,  577.  Enders  70,  346.  Enger  in  Ostrowo  69,  122.  70, 
569.  —  in  Bonn  70,  114.  Eng^lmann  v.  Kempten  n.  Dilingen  70,  225. 
Enke  69,  121.  Ennemoser  70,  575.  Erfurt  70,  349.  Erk  v.  Amberg 
n.  Straubing  70,  231.  Erler  v.  Berlin  n.  Züllichau  70,  231.  Ernst  69, 
576.  Ertl  69,  458.  Esser  f  ^0,  575.  Euler  70,  349.  Ewald  70,  110. 
Ezner  60,  460.    Eyth  69,  348. 

Faber  in  Lauban  69,  231.  —  in  Breslau  69,  458.  —  in  Posen  69,  467. 
Fabrucci  69,  228.  Fahl  69,  703.  Fahland  v,  Stolp  n.  Luckau  70, 
229.  Falkenstein  70,  353.  Faust  70,  349.  Feanx  70,  223.  Fechuer 
09,  118.  Fehler  v.  Clausthal  n.  Ilefeld  69,  702.  Feldmann  69,  228. 
609.  Felgentreu  70,  111.  Fertig  70,  568.  Feussner  v.  Hanau  n.  Rin- 
teln 69,  120.  Finckh  70,  348.  Firnhaber  70,  229.  Fisch  70,  570. 
Fischer  in  Halle  69,  119.  120.  —  in  Basel  f  69,  127.  —  in  Dresden 
69,  575.   —  in  Freiburg  im  Breisgau  69,  701.    —  in  Hamburg  69,  701. 

—  in  St.  Petersburg  f  Ö9,  707.  —  in  Hildesheim  70,-  349.  —  in  El- 
berfeld  70,  561.  Fischer  v.  Waldheim  f  69,  127.  Flathe  69,  580. 
Fleckeisen  v.  Dresden  n.  Frankf.  a.  M.  69,  230.  575.  70,  347.    Fleischer 

69,  230.  Flesch  70,  570.  Flügel  69,  126.  Föhlisch  70,  231.  Förste- 
mann  69,  233.  Forstes  69,  707.  Forberg  70,  225.  Forbes  70,  576. 
Forchhammer  69,  460.  70,  507.  Foth  70,  357.  Foyztik  69,  231. 
Francke  in  Weilburg  69,  579.  —  in  Bemburg  70,  111.  Frandsen  69, 
228.  690.     Frank  70,  571.     Fi-anke  v.  Ratzebnrg  n.  Altenburg  69,  233. 

—  in  Meissen  70,  229.  —  In  Wetzlar  70,  571.  Franz  69,  703.  Fran- 
zelin  69,  458.  Freeden,  v,  69,  702.  Flresenius  v.  Frankf.  a.  M.  n.  Ei- 
senach 69,  700.  Freudenberg  70,  346.  Freund  70,  111.  Friedleiu  69, 
119.  Fries  70,  345.  Frieten  70,  568.  Fritsch  70,  571.  Fritzsche  69, 
467.  70,  569.  Fromherz  69,  351.  Frommberger  69,  461.  Fuchs  in  Ha- 
nau 69,  577.  —  In  Landshul  69,  702.  Fuchs,  v.  69,  121.  Führ  70, 
567.  Fülle  69,  705.  Fündeling  70,  349.  Fussel  69,  348.  Funk  69, 
347.     Funkhänel  69,  459.  699.  700.  70,  117.    Furtmair  f  70,  575. 

Gabrigel  70,  228.  Gagg  70,  346.  Gagern,  ▼.  70,  229.  Gallois  60,  701. 
Gands  69,  575.  Garcke  69,  230.  231.  Gascard  70,  231.  Gass  v. 
Bamberg  n.  Würzburg  69,  347.  Gassner  70,  569.  Gattl  69,  120. 
Gauss  69,  121.  Gebhardt  69,  120.  Gebser  70,  354.  Geffers  70,  347. 
Geibel,  v.  69,  122.  Geier  69,  119.  70,  355.  Gensler  69,  701.  Genss- 
1er  70,  225.  Gent  69,  461.  Gentium  70,  570.  George  70,  225.  Ger- 
ber 70,  570.  Gergens  69,  461.  Gerhard  69,  119.  Gerhardt  v.  Salzwe- 
del  n.  Berlin  69,  229.    Gerlach  69,  573.     Gcmerth  70,  571.    Gesellius 

70,  569.    Gesenius  70,   231.    Gies  69,  577.    Giese  in  Gotha  69,  576. 

—  in  Parchim  70,  569.  Giesebreoht  69,  228.  Gieseler  f  70,  120.  Giesen 
70, 346.  Girard  ▼.  Marburg  n.  Halle  69,  230.  Girschner  70, 569.  Giseke  70, 
350.  355.    Gläser  69, 459.    Glasser  70,  561.    Göbel  in  Liegnitz  69,  703. 

—  in  Sondershausen  69,  706.    —  v.  Trier  n.  Düren  70.  225.    Göller  f 

69,  468.    Görlitz  v.  Ostrowo  n.  Leobschütz  69,  122.    GöiUing  69,  348. 

70,  566.  Götze  70,  118.  Gollnm  69,  119.  Gossmann  f  70,  232. 
Griff  70,  567.  Grtocr  69,  121.  Graf  70,  229.  Graff  70,  571.  Graham 
60,  121.  Gramcko  00,  600.  Granso  69,  230.  Graser  v.  Guben  n.  Tor- 
gau 69,  467.  Graul  70,  568.  Grautoff  70,  225.  Gravenhorst  70,  340. 
Grebe  v.  Cassel  n.  Marburg  60,  120.    Gredler,  60,  458.    Gredy  70,  840. 

I9.JakrLf,PldUu,PimLBd.hKX.e.ffß.  44 


090  Personenregister. 

Greger  69,  120.  Gregor  69,  461.  Greiff  70,  345.  Greiss  69,  579. 
GrilliMirier  69,  122.  Grimm  69,  121.  Gröbel  f  70,  120.  Gröniog  69, 
675.  Gross  in  Fulda  69,  120.  —  v.  Fulda  u.  Cassel  69,  702.  —  in 
Marienwerder  69,  121.  —  in  Berlin  69,  288.  Grosser  69,  458.  Grossi 
t  69,  127.  Grossmann  in  ßavreiuh  69,  117.  —  in  Leipzig  69,  231. 
Grote  69,   121.     Grotefend  +  69,   127.     Gründer  69,  117.     Grunhagen 

69.  229.  458.  Gruter  69,  704.  Grütsmacher  69,  118.  Gruscha  69, 
126.  Grusscsyiiski  69,  704.  Gr^-saf  70,  571.  GAnder  v.  Bamberg 
n.  Landshut  69,  460.     Günsclie  70,  231.     Günther  70,  111.     GOrsdiing 

70,  345.  Gassregen  ▼.  Freising  n.  Bamberg  69,  117.  Gützlaff  09,  121. 
Guhrauer  f  69,  234.  Guignard  69,  575.  Gntermann  69,  575.  Gott- 
mann in  Ratibor  69,  705.     —  v.  Ratibor  n.  Schweidnils  70,  356. 

Haacke  69,  460.  702.  Haage  69,  702.  Haas  69,  574.  Haase  60,  1X8. 
Babel  70,  226.  Häckermann  60,  233.  Häfele  70,  570.  Haegde  ▼. 
Breslau  n.  Brauns1>erg  70,  346.  Händler  v.  Magdeburg  n.  Franstadt  70, 
118.  Haenel  70,  352.  Hfirtel  70,  355.  Haftier  69,  574.  Hagelttken 
70,  568.  Hahmann  69,  702.  Hahn  70,  356.  HaUer,  y.  f  69,  586. 
Halm  70,  568.  Hamacher  69,  468.  70,  570.  Hamann  69,  699.  Ha- 
meriing  69,  126.  Hamm  70,  570.  Hammer. Purgstall,  v.  69,  121. 
Hanel  v.  Troppau  n.  Olmütz  70,  119.  Hanke  69,  703.  Hannwacker  ▼. 
Bamberg  n.  Dilingen  70,  225.  Hansen  in  Seeberg  69,  121.  —  in  Mel- 
dorf 69,  703.  Hansing  69,  578.  Hantschke  70,  571.  Hanwacker  ▼. 
Pirmasens  n.  Kempten  69,  120.  Harless  70,  225.  Harnecker  69,  703. 
Harpe,  de  la  69,  229.  Harries  69,  230.  Hartmann  69,  706.  Hartrodt 
f  70,  567.  Härtung  60,  706.  Hasper  t.  Wittenberg  n.  Mühlhauaen  69, 
579.  Hasae  70,  118.  Hasselbach  69,  577.  Hast  70,  569.  Hattala  v. 
Gran  n.  Prag  70,  350.  Hang  69,  348.  Haun,  Dir.  u.  Cand.  70,  567. 
Haupt  69,  458.  70,  109.  559.  568.  Hausdorffer  70,  111.  Haut  70^  225. 
Haym  60,  461.  Hebenstreit  f  70,  120.  Hechtel  69,  575.  Heermann 
69,  702.  Heerwagen  69,  117.  Hemer  in  Bromberg  69,  118.  099.  — 
in  Berlin  69,  228.  Hefher,  v.  69,  121.  Hegenbarth  70,  565.  Hegmann 
V.  Würsburg  n.  Bamberg  69,  347.  Heiland  v.  Oels  n.  Stendal  70,  570. 
Heine  69,  230.  Heinemann  69,  699.  70,  346.  —  v.  70,  111.  Heinichen 
69,  351.  Heinrich  70,  119.  Heinrichs  69,  229.  574.  Heinie  69,  231. 
Held  in  Schweidnits  70,  3r)6.  —  in  Bayreuth  70,  568.  Helforieh  69, 
577.  Heller  69,  119.  Henkel  69,  706.  Hcnn  70,  228.  Hennige  70,  118. 
Hensel  69,  458.  Henske  69,  121.  Henzen  70,  224.  230.  Heppner  69,  459. 
Herbig,  ▼.  70,571.  Herbst  y.  Bonn  n.  Elberfeld  70,  226.  560.  —in  Htm- 
bürg  69,  701.  Hercher  70,  231.  355.  Hermann  in  Göttingen  69,  119. 
121.  230.  460.  576.  70,  117.  565.  —  In  Beriiu  69,  574.  —  v. 
69,  121.    Hermes  69,  573.  574.    Herold  70,  350.    Herr  70,  671.   Heirig 

69,  229.    Henchel  69,  349.    Hertel  69,  351.    Hertlein  70,  571.    Hertz 

70,  113.  Hertaberg  69,  230.  Heseklel  70,  350.  Hess  in  Belmetedt  69, 
577.  —  in  Sehleusingen  69,  706.  —  in  München  69,  122.  —  v. 
60,  122.  Hetsch  70,  119.  Henbner,  E.  u.  L.  69,  580.  Henerroann  y. 
Minden  n.  Borgsteinfürt  69,  118.  Heuser  69,  702.  Henssi  70,  060. 
Hey  t  ^»  586.  Hcyd  60,  348.  Heyer  y.  Glogau  n.  Königsberg  in  d. 
Neomark  70,  118.  —  in  Schwerin  70,  357.  Hiecke  70,  566.  HUde- 
brand  70,  346.  Hllgers  70,  570.  Hincke  69,  460.  Hinricha  69,  701. 
Hiateriechner  70,  571.  Hintz  69,  121.  Hirsch  69,  458.  Hirsehfelder 
in  Beriin  60,  574.  —  in  Gleiwits  70,  117.  Hirt  70,  560.  HluscUt  70, 
571.  Hnidy  y.  Lemberg  n.  Czemowitz  70,  117.  Hech  70,  568.  Höohel 
60,  348.  Böflg  y.  Breslau  n.  Oels  69,  704.  Höfler  69,  580.  Höitdier 
69,  701.  Hönigsberg,  v.  69,  704.  Höpfner  70,  570.  Höreher  70,  231. 
Hösaler  60,  280.  Hötsl  70,  350.  Hofbauer  70,  231.  Hoff  69,  575. 
Hoffknann  in   Bromberg  69,    118.    —  in  LOnebnrg  69,   702.  70,  847. 


Personenregister.  Qg| 

Hof  mann  in  Manchen  00 ,  121.  —  in  London  69,  121.  —  in  Prag  00, 
122.  —  in  Berlin  00,  347.  —  in  Meissen  70,  220.  HofslÄtter  70, 
345.  Hollenwärter  y.  Iglan  n.  Kaschau  70,  117.  Hohlfeld  f  60,  468. 
Holans  t.  Bozen  n.  Hall  60,  458.  Hoilenberg  60,  228.  220.  Homeyer 
70,  568.  flooker  70,  345.  Hopffgarien,  v.  70,  118.  Hoppe  60,  578. 
Hörn  V.  Giackstadt  n.  Kiel  60,  231.  Horrmann  60^450.  Horst  60,  117. 
Hosebke  60,  600.  Houbeu  70,  570.  Hoyer  70,  357.  Hradll  60,  126. 
Bftbner  in  Dresden  70,  115.  —  in  Bonn  70,  225.  Höffell  60,  575. 
Hmnboldt,  v.  60,  121.  Hummel  70,  347.  Humpen  60,  600.  70,  346. 
Hannaens  70,  22a    Huther  in  SchweHn  70,  357.    —  in  Parohim  70,  560. 

Jaeob  t  60,  468.  Jacobi  in  Hersfeld  60,  702.  --  in  Scbnlpforte  70,  352. 
570.  Jacobs  60,  228.  Jäger  v.  Tübingen  n.  Zürich  70,  570.  —  in 
Wien  70,  571.  Jänicke  ▼.  Graudens  n.  Potsdam  60,  580.  Jahn  60, 
121.    Jahns  00,  467.    Jandaurek  60,   122.     Jansen  in  Jever  60,   702. 

.  ^  in  Meldorf  60,  704.  Janssen  v.  Munster  n.  Frankf.  a.  M.  70,  561. 
JannskOTiski  60,  118.  Jatho  70,  340.  Jeep  60,  581.  Jehllcka  70,  118. 
Jessen  v.  Kiel  n.  Glückstadt  60,  230.  Ilgen  60,  580.  Imhof  60,  110. 
John  70,  116.  Jolly  v.  Heidelberg  n.  München  60,  704.  Irmiseh  60, 
706.  Jung  in  Hanau  60,  577.  —  in  Breslau  70,  116.  Jungclaussen  60, 
231.    Jungkunz  70,  561.    Jungmann  v.  Münster  n.  Braunsberg  60,  461. 

Kämmel  70,  575.  Kahl  70,  116.  Kalischer  70,  561.  Kflkow  70,  118. 
Kambly  60,  600.  Kanzler  70,  111.  Kapff  in  Heilbronn  60,  347.  v.  HeU- 
bronn  n.  Urach  70,  348.  Kapfinger  70,  355.  Katsfey  70,  568.  Kauba 
60,  122.  Kauble  60,  122.  Kanffmann  00,  348.  Kaulbach,  v.  60,  122. 
Kayser  60,  575.  Keck  60,  230.  70,  118.  Kegel  70,  561.  Kelch  60,  705. 
Keil  in  Halle  60, 110.  —  in  Breslau  f  60,  458.  Keller  in  Tübingen  60,  234. 
—  in  Breslau  60,  458.  ~-  in  Mainz  60,  461.  ^  in  Ratibor  69,  705. 
Kempf  60,  574.  Kentner  70,  350.  Kern  70,  225.  Kerst  60,  455.  Kessels 
70,  346.  Kessler  in  Hildburghausen  69,  577.  —  in  Rossleben  70,  355. 
Kestner  70,  450.  Kiechl  60, 458.  Kiefer  60,  461.  Kiepert  70, 100.  Kieser 
60,  706.  Kilian  70,  111.  Kink  70,  231.  Kinzel  60,  467.  705.  Kirch- 
hoff  in  Berlin  60,  228.  —  v.  Breslau  n.  Heidelberg  70,  566.  Kissüer 
70,  567.  Klander  70,  118.  Klappenbach  70,  225.  Klapproth  60,  701. 
Klein,  A.  und  K.  ,  in  Mainz  60,  461.  —  v.  Düren  n.  Bonn  70,  225. 
RIenze,  v.  60,  122.  Kliepera  60,  232.  Klingender  v.  Rinteln  n.  Cassel 
60,  120.  Klinkmüller  70,  110.  Klix  v.  Zülliehau  n.  Glogau  60,  576. 
70,  120.  Kloppe  70,  118.  Klossowski  69.  468.  Klnssmann  70,  231. 
Kneisel  70,  346.  Knodi  60,  581.  Knorr  70,  226.  Kobell,  v.  60,  122. 
Koch  V.  Berlin  n.  Pntbus  60,  220.  Kock  v.  Rlbing  n.  Gnben  60,  577. 
Köck  70,  356.  Kohler  in  Posen  69,  467.  —  iu  Breslau  70,  116.  Kö- 
nig in  Freiburg  im  Breisgau  60,  701.  —  iu  Jever  69,  702.  —  in  Ra- 
tibor 60,  705.  Konighoff  70,  570.  KSnigk  70,  116.  Köpke  69,  228. 
Kömer  70,  111.  Körte  v.  Berlin  n.  Spandau  69,  573.  Köstlin ,  t.  70, 
231.  t  70,  576.  Köttgen  v.  Duisburg  ji.  Saarbrücken  69,  233.  Kohl- 
rausch  in  Marburg  69,  120.  —  in  Hannover  70,  347.  Kolster  60,  703. 
Konsohegg  v.  Marburg  n.  Laibaoh  70,  567.  Korsilius  70,  570.  Kose- 
garten V.  Wien  n.  Gras  70,  347.  Kott  ▼.  Neuhans  n.  Jizin  70,  567. 
Kozenn  70,  118.  Krämer  in  Heilbronn  60,  348.  —  in  Darmstadt  60, 
565.  Kram  70,  346.  Kraft  60,  701.  Kral  00,  122.  Kramer  in  GHIok- 
Stadt  69,  230.  —  in  Halle  69,  230.  70,  352.  Kramerius  60,  122. 
Kraner  70,  220.  KraUky  v.  Hermannstadt  n.  Brunn  70,  340.  Kratoch- 
wile  60,  122.  70,  350.  Kraus  70,  570.  Krause  70,  118.  Krauss  00, 
118.  Kraut  60,  348.  Kretschmar  69,  118.  Kreyssig  f  69,  351.  Krie- 
geskotte  v.  Lennep  n.  Soest  70,  357.  Krlegk  60,  545.  Kriainger  70, 
226.    Krischek  t.  Hermannstadt  n.  Graz  70,  340.    Krosohel  v.  BerWn  a. 

44* 


0g2  Personenregister. 

Rossleben  60,  574.  70,  353.  Kroger  v.  Bromberg  n.  FrausUdt  6d,  118. 
»  in  Braunschweig  70,  116.  Kniszynsky  69,  231.  Knesinski,  y.  70, 
570.  Kuder  69,  348.  Kühn  69,  706.  Könzel  70,  569.  Küraohner  09, 
703.  Küster  70,  230.  Kuhlmey  70,  255.  Kampa  v.  Darmstadt  n. 
Dresden  69,  575.    I^upfer  69,  229.    Knphaldt  70,   118.    Kars  70,  109. 

Lahns  f  69,  127.  Lachmann  70,  575.  Lachner  69,  122.  Ladurner  09, 
458.  Lahmeyer  70,  226.  Laichinger  69,  348.  Lamennaia,  de  1 09, 406. 
Lamey  v.  Mannheim  n.  Pforzheim  70,  569.  Lamont  70,  568.  Lange 
V.  Zürich  n.  Bonn  69,  458.  —  in  Altona  69,  699.  —  in  PoUdam  f 
70,  575.  Langer  v.  Edenkobeu  n.  Speyer  69,  123.  Langethal  69,  700. 
Langlois  70,  232.  Langsdorff  70,  570.  La  Pierre  f  69,  468.  Lappen- 
berg  69,  121.    Lattmaun  70,  347.    Laurent  69,  701.    Laateschliger  69, 

575.  Lawicki  69,  122.  Leber  69,  577.  Leder  69,  121.  Lehmann  in 
Marienwerder  69,  121.  —  in  Jever  69,  702.  Lejenne-Diriofalet  69,  573. 
Leithgeb  v,  Pressburg  n.  Oedenburg  69,  461.  Leitzmann  69,  231.  70, 
118.  Lennius  69,  233.  70,  119.  Lenz  70,  231.  Lerch  69,  575. 
Lerohenfeld,  v.  v.  Ansbadi  n.  München  69,  704.  Lessing  09,  122. 
Leva,  de  70,  118.     Lewinski  70,  350.    Leyde  f  09,  574.    Lhardy  09, 

699.  Lichtenberg  69,  702.  Liebaldt  v.  Naumburg  n.  Hamm  09,  231. 
Liebau  v.  Elberfeid  n.  Gladbach  70,  561.  Lieberkühn  69,  234.  Liebig, 
V.  69,  121.  Liebmann  69,  119.  Liepert  69,  704.  Lilie  70,  116. 
TAndemann  f  70,  120.  Liudenblatt  69,  459.  Linder  y.  Binningen  n. 
Donauesohingen  70,  346.  Linsmayer  70,  568.  Lion  70,  340.  Lipp 
70,  349.  Lippelt  69,  705.  Lissner  y.  Budweis  n.  Eger  70,  501.  — 
in  Königgratz  70,  567.    Listov  y.  Schleswig  n.  Seeland  69,  238.    Lob«ck 

69,  460.  70,  567.  Lobpreis  69,  126.  Löbnitz  70,  349.  Loers  70,  670. 
Lösener  69,  574.     Lommatzsch  69,   573.     Lomnitzer  69,  118.    Lorberg 

70,  349.  Lorenz  69,  230.  Lorinser  f  69,  126.  Lotz  69,  577.  Louis 
69,  230.  Lucan  69.  577.  Lucht  v.  Kiel  n.  Altona  69,  228.  699.  ~ 
in  Glückstadt  69,  230.  Lucius  69,  574.  Ludwig  70,  566.  Labbert 
69,  230.  Lubker  70,  509.  LüUgert  69,  574.  Luthmer  70,  501. 
Lutze  69,  706.     Lykowski  60,  122. 

Mänüer  69,  703.    Magdeburg  70,  119.     Maggi  f  69,  707.    Mahr  f  09, 

700.  Mai  70,  345.  f  70,  359.  Malecki  69,  460.  Malfatti  70,  501. 
Maltby  f  69,  234.     Malypetr  69,    122.     Mang  70,  569.    Mantels  00, 

578.  Marcowitz  70,  346.  Marek  70,  570.  Marschner  69,  122.  Märten 
V.  Posen  n.  Trzemeszno  69,  467.  Martins,  y.  69,  122.  70,  568.  Marg 
69,  118.  Mathia  69,  126.  Matthaei  69,  703.  Matthias  y.  Hanau  n. 
Cassel  69,  120.  Matunci  69,  707.  Mayer  in  Bamberg  69,  117.  y.  Barn- 
berg  n.  Augsburg  70,  245.  —  in  Gera  69,  347.  —  in  Frankf.  a.  M. 
69,  575.     Maurer,   y.   70,  345.     Mebold  f  70,  359.    Meggenhofen  09, 

576.  Meier  in  Halle  69,  460.  70,  566.  —  in  Helmstedt  69,  577.  Mei- 
nardus  69,  702.  Meineke  69,  228.  Meine  69,  230.  Meinshaosen  70, 
567.  Meissner  in  Basel  69,  573.  —  in  Gottingen  70,  347.  Meister  y. 
Troppau   n.  Hermannstadt  70,  566.    Melloni  f  70,    232.     Menges  09, 

579.  Menke  69,  458.  Menzel  69,  231.  Mercklin  69,  229.  Merkel  09, 
706.  Merschmann  y.  Berlin  n.  Fraustadt  69,  574.  Meuthner  09,  281. 
Meyer,  y.  60,  121.  Meyer  I.  u.  U.  in  Hamburg  69,  701.  —  in  Sen- 
dershausen 69,  706.  —  in  Gottingen  70,  347.  Meyerbeer  69,  122. 
Meyner  +  70,  232.  Meyring  y.  Bamberg  n.  Amberg  70,  209.  Metsger, 
M.  69,  117.  —  G.  K.  und  M.  70,  345.  Michaelis  in  Magdeburg  70, 
118.  —  in  Friedland  70,  565.  —  in  Guben  69,  577.  MIkala  v.  Trop- 
pau  n.  OlmüU  69,  234.  Milberg  70,  229.  Mill  f  69,  851.  Mitseher- 
lich  in  Göltingen  f  69,  234.  —  in  Berlin  70,  568.  Möblus  in  Leiptig 
69,  231.    —  in  Hamburg  69,  701.    Moller  in  Hamburg  69,  701.    —  In 


Personenregister.  0gS 

Bernburg  70,  111.  MSnnidi  v.  Urach  n.  Heilbronn  70,  348.  MobI,  v. 
dO,  121.  122.  Mohr  v.  Mönnerstadt  n.  Kempten  70,  227.  —  in  Mäuster- 
dfel  70,  56a.  Molinski  69,  234.  468.  Molty  69,  467.  Mommsen  ▼. 
Hamburg  n.  Parchim  69,  701.  70,  569.  —  v.  Zürich  n.  Breslau  70, 
225.  Mone  69,  578.  Morawits  69,  126.  Mordtmann  69,  120.  Mosehe 
69,  578.  Mosen  69,  351.  Moser  70,  119.  Mrhff  70,  119.  Mncke  69, 
459.  Mühlberg  70,  567.  Mfihlhofer  69,  .459.  Mühlvenzl  69,  122. 
Mühlmann  f  69,  119.  Müller  in  Berlin  69  ,«121.  —  in  London  69, 
348.  —  in  LiegnitE  69,  461.  703.  —  in  Darmstadt  69,  575.  —  in 
HUdbnrghansen  69,  577..    —  in  Lüneburg  69,  578.    ^  in  Emden  69, 

701.  —  in  Hamburg  69,  701.    —  in  Jever  69,  702.    —  in  Lahr  69, 

702.  —  in  Magdeburg  70,  118.  —  v.  Mailand  n.  Pavia  70,  229.  — 
in  Rndolstadt  70,  230.  —  in  Wertheim  70,  231.  —  in  Götlingen  70, 
347.  —  in  Wernigerode  70,  352.  Manch  69,  459.  Munscher  69,  702. 
Mutzen  69,  228.  Mohlert  70,  347.  Mallach  69,  229.  Mundiug  69, 
233.  Murhard  f  69,  234.  Mussard  69,  578.  Muther  70,  225.  Mutz- 
baner  69,  702.    Muys  69,  461.    Münster  f  69,  351. 

Nagel  69,  230.  Natani  69,  573.  Nauck  in  Berlin  69,  228.  —  in  Schleu- 
singen  69,  706.  Nebe  f  70,  575.  Negges  70,  345.  Neinhaus  69,  704. 
Nepomucky  v.  Hermannstadt  n.  Prag  70,  349.  Nesic  70,  109.  Netuka 
69,  122.  Neuner  v.  Giessen  n.  Kiel  70,  227.  Neydecker  69,  467. 
Nickerl  v.  Graz  n.  Prag  69,  576.  Nieolai  70,  111.  Niemeyer,  Fr.  und 
K.,  in  Halle  69,  230.  —  v.  Halle  n.  Greifswald  70,  117.  Ninger  69, 
7Ö4.  Nilzsch  70,  560.  Nobbe  70,  352.  Noire  70,  349.  Nonne  f  70, 
232.     Noth  69,  576.    Nowicki  69,  705. 

Obbarius  70,  230.  Gehler  69,  119.  706.  Oertel  70,  229.  Oestreich 
69,  233.  Orterdinger  69,  234.  Ohm  69,  122.  f  70,  120.  Oppel  69, 
575.  Oppenrieder  69,  117.  573.  70,  345.  Orchler  69,  458.  Orelli,  v. 
f  70,  120.  Osann  70,  565.  Ostermann  t.  Gassei  n.  Folda  69,  120. 
702.    —  Osthelder  69,  125.    Overbeck  69,  122.     Owen  69,  348. 

Pabst  V.  Göttingen  n.  Hannover   70,   347.     Padera  v.   Koniggrätz  n.  Prag 

69,  232.  Paldamus  f  70,  575.  Palm  70,  116.  Palmer  69,  575. 
Paltzer  70,  570.  Panofka  69,  228.  Pansch  70,  226.  Pantke  v.  Her- 
mannstadt  n.  Teschen  70,  349.  Pape  f  69,  468.  Parthe  69,  231. 
Partoch  70,  569.  Paschke  70,  119.  Passow  in  Berlin  69,  228.  —  in 
Meiningen  69,  579.    —  in  Bonn  70,  346.    -^  v.  Meiningen  n.  Ratibor 

70,  350.  Panl  69,  458.  Paulitsoh  v.  Marburg  n.  Hermaunstadt  70,  566. 
Pauschitz  v.  Laibaoh  n.  Eger  69,  119.  Pazaut  69,  704.  Pecjirka  v. 
Prag  n.  Neuhaus  69,  122.  Pelissier  69,  577.  Pellico  f  69,  351.  Perez 
V.  Padua  n.  Graz  69,  460.  Pertout  v.  Laibach  n.  Pavia  70,  569.  Pertz 
in  Berlin  69,  348.  —  in  Gottingen  70,  347.  Peter  v.  Metzioffen  n.  Heil- 
bronn 69,  348.  —  V.  Anclam  n.  Stettin  69,  455.  —  v.  Greiffenberg 
n.  Saarbrück  69,  581.  —  in  Wien  70,  571.  Peters  69,  121.  v.  Kö- 
nigsberg n.  Ahona  70,  109.  —  in  Meissen  70,  229.  —  in  Parchim 
70,  569.  Petersen  in  Grimma  69,  230.  —  Prof.  in  Altena  f  69,  351. 
—  Cant.  in  Altena  69,  699.     —  in  Hamburg  70,  566.     Petri  in  Detmold 

69.  459.  —  in  Elberfeld  70,  561.  Pctrlna  69,  580.  Petry  70,  561. 
Petseh  70,  560.  Pelter  f  69,  120.  ~  Petzold  69,  461.  Pfaff  70,  119. 
Pfefferkorn  f  70,  232.     Pfttzner  70,  569.    Philipp  69,  228.    Philippart 

70,  346.  Pick  70,  571.  Piderit  v.  Cassel  n.  Haoau  69,  120.  577. 
Piegsa  V.  Trzemeszno  n.  Ostrowo  69,  122.  Pierre  69,  231.  Piro  ▼. 
Coblenz  n.  Malmedy  69,  118.  Piscalar  69,  230.  70,  561.  Pistor  69, 
574.  Plainer  t  70,  355?  Planer  69,  228.  Plank  69,  348.  Platz  70, 
567.    Pohlmann  70,  119.    Pohl  v.  Lissa  n.  Posen  69,  461.    PohU  70, 


0g4  Penonenregister. 

570.    Pohler   69,  458.    Pokorny  70,  571.    Pda  70,  346.    PoUck  69, 

579.  Politeo  69»  125.    Pomptow  69,  228.     Prangner  69,  126.    Preis» 

69,  119.    Probst  60,  409.     Pröller  70,  571.     Proschko  ▼.  Uni  n.  Prag 

70,  118.  Pro?eno6  70,  569.  Pnyborowski  69,  468.  Ptascbnik  69,  126. 
Puia  69,  230.    —  ?.  HaUc  n.  Torgau  69,  577.    Purkync  69,  580, 

Quatreroere  69,  121.    Qaeck  69,  706. 

Raab  69,  117.  Raabe  69,  704.  Rabus  f  69,  127.  Rademacher  70,  671. 
Radowits,  v.  f  69,  127.  Rangabö  70,  566.  Ranke  69,  122.  Rapp  in 
Heiibronn  69,  348.  —  in  Mannheim  69,  703.  Rappenegger  70,  567. 
Rauch  in  Berlin  69,  122.     —  in  Darmstadt  69,  575.     ^  in  Rastatt  69, 

580.  Räumer,  v.  69,  122.  Rauscher  70,  225.  Rauterberg  70,  349. 
Rawlioson  69,  121.  Raymann  69,  121.  Reber  70,  109.  Recke  70,  667. 
Reddig  69,  121.  Redlich  69,  705.  Regel  69,  576.  Regeniborger  70, 
231.  355.  Regentke  69,  466.  Regia  f  70,  859.  Regnanlt  69,  121. 
Rehberg  69,  121.  Reichardt  69.  467.  705.  Reiche!  v.  Grats  n.  Laibach 
69,  121.  Reichenbach  69,  699.  Rein  in  Crefeld  69,  118.  —  in  Eise^ 
nach  69,  700.  Reinhardt  v.  Cannstadt  n.  Heiibronn  69,  348.  —  in 
Hildbairghausen  69,  577.  Reinhold  70,  561.  Reisacker  v.  Goblens  n. 
GolD  69,  118.  Reitz  70,  357.  Reitze  69,  459.  Remaoly  70,  346. 
Remling  69,  121.  Rentsch  70,  228.  Resl  70,  116.  Realer  69,  231. 
Reiiroont  70,  345.  —  v.  69,  121.  Reusch  v.  Gumbinnen  n.  Elbing  70, 
346.  Reuschle  09,  234.  Reiiss  69,  580.  Ribbeck,  W. ,  in  Berlin  69, 
229.  —  0.  V.  Berlin  n.  Elberfeld  70,  226.  560.  Ribbentrop  69,  576. 
Richter,  F.  H.  u.  Fl.,  in  Wien  69,  126.  —  in  Zwickau  69,  851.  —  in 
Bernburg  70,  111.  —  in  Bonn  70,  225.  Rieck  69,  351.  Rieckher, 
Prof.  69,  231.  Repetent  69,  348.  Riedel  69,  702.  Riedl  v.  Leutachau 
n.  Prag  70,  228.  Riehl  69,  461.  Rietschel  69,  122.  Rinck  f  W,  575. 
Riss  70,  225.  Ritschi  60,  117.  458.  574.  70,  111.  224.  559.  560. 
Ritter  69,  122.  Rittweger  69,  577.  Rizri  60,  458.  Robolsky  v,  Perie- 
berg  n.  Stettin  70,  231.  Rocliette  f  70,  120.  Roeber  69,  574.  B6di- 
ger  69,  230.  Rosinger  70,  570.  Rötteken  70,  228.  Rogg  69,  229. 
Rohdewald  69,  459.  70,  560.  Rommel,  v.  60,  578.  Rooschötx  69, 
348.  Ross  70,  231.  Rossi,  de  70,  224.  Rost  69,  233.  Roth  in  Basel  70, 
109.  —  in  Münstereifel  70,  568.  Rothe  v.  Bonn  n.  Heidelberg  60^  347. 
Rothmaler  70,  352.  Roulez  69,  121.  Roiissel  70,  345.  Roiek  v.  Her- 
manusudt  n.  Neusohl  70,  340.  Rubino  69,  579.  Rudorff  69,  228. 
Riickert  69,  122.  Rüdiger  in  Zwickau  69,  351.  —  in  Breslau  70,  116. 
Röhle  V.  Zülliihau  n.  Glogaii  70,  117.  565.  Rüttger  70,  571.  Rund- 
nagel 69,  702.  Runge  69,  702.  Ruprecht  v.  Northeim  n.  Uildeeheim 
69,  702.  70,  349.  347.     Rymarkiewicz  69,  350. 

Sadebcck  70, 116.  Sadowsky  f  69,  118.  Salier  70,  570.  Sammter  69,  703. 
Sandberger  69,  579.  Sartorius  69,  120.  Savelsberg  70,  345.  Savigny, 
V.  69,  122.  70,  223.  Schaarschmidt  69.  229.  Schaber  70,  346.  Schadit 
69,229.  Schack  70,  508.  Sdiädel  69;  702.  70,  347.  Schäfer  69,  231. 
Schäffer69,  705:  Schalkhauser  v.  Bayreuth  n.  Augsbnrg  70,  346.  Sohal- 
denhrand  69,  702.     Sclianibach  70,  347.     Schaper  70,  357.     Scharenberg 

69,  231.  Schaub  in  Licgnitz  69,  703.  —  in  Berlin  70,  351.  Scb«u- 
bach  69,  577.  Scheele  69,  230.  v.  (ireifswald  n.  Stargard  69,  581.  — 
in  Göttingen  70,  317.  Schcffer  69,  578.  Scheller  69,  702.  Sehelle- 
wald t  00,  468.  Schellinjj,  v.  69,  122.  f  70,  232.  Schenkl  69,  122. 
Scherk  60,   575.     SchtMierloln   69,   119.     Schieferer  69,   458.     Schiefer 

70,  346.  Schiller  70,  .357.  Scliimmelpf'eng  v.  Hersfeld  n.  Marburg  60, 
579.  Schirlitz  70,  571.  Schiwttz  v.  Göra  n.  «Triest  69,  126.  Schleicher 
69,  580.     Schlenkrich  69,   122.     Schlesicke  69,  703.    Schlick  70,  111. 


Personenregister.  ^5 

Schlosser  69,  122^  Schlottmann  v.  Konstaniinopel  n.  Zürich  70,  231. 
Sohmalfnss  70,  347.  Scbmeokebier  ▼.  Berlin  «.  Bielefeld  69,  574. 
Schmid,  v.  f  70,  359.  Schmidek  69,  351.  Schmidt  in  Augsburg  69, 
117.  —  In  Görs  69,  119.  —  in  Berlin  69,  228.  —  v.  Memmingen 
n.   Schweiofurt   69,   233.     —  in  Münster  69,  461.     —  in  Fraukf.  a.  M. 

69,  575.  —  in  Wittenberg  69,  707.  —  in  Magdeburg  70,  118.  — 
in  Goltingen  70,  347.  —  in  Schweidnits  70,  357.  —  v.  Bochnia  u. 
Hermannstadt  70,  566.  —  v.  Karlsnihe  n.  Mannheim  70,  567.  —  in 
Parchim  70,  569.  —  in  Trier  70,  570.  Schmidtborn  f  Öö»  Ö80. 
Schmiedt  70,  352.  Schmitt  v.  Wiesbaden  n.  Hadamar  70,  229.  Schmitc, 
W.  und  J.,  in  Darmstadt  69,  575.  —  in  Bonn  70,  225.  Schneck  69, 
467.  705.  Schneemeldier  69,  699.  Schneider  v.  Breslau  n.  Gleiwits  69, 
459.  ^  in  Breslau  69,  459.  70,  560.  —  in  Hildburghausen  69,  577. 
—  in  Coburg  70,  225.    —  in  Trsemescno  f  70,  232.    Schneiderwirth 

70,  346.     Schnelle  70,  225.     Schnitger  70,  228.    Schnorr  v.  Carolsfeld 

69,  122.  Schöbl  69,  704.  Schömann  69,  119.  460.  70,  565.  Sohdn. 
back  69,  118.  Schönbein  69,  573.  Schönborn  70,  116.  Schönemanu 
60,  229.  Schöning  70,  347.  Sohöpff  69,  458.  Scholl  69,  575. 
Scholu  69,  230.  Scholz  v.  Breslau  n.  Hirschberg  69,  450.  460.  —  v. 
Neuhaus  n.  Hermannstadt  70,  566.  Schopen  70,  346.  Schopf  69,  123. 
Schottin  69,  699.  Sohrantz  69,  458.  Schraudotph  69,  122.  Schrecken- 
berger  69,  707.  Schrepfer  69,  117.  70,  209.  Schrickel  f  69,  707. 
Schröder  in  Marienwerder  69,  121.  —  in  Hildesheim  70,  849.  —  v. 
Clausthal  n.  Hildesheim  70,  349.  Schrötter  09,  121.  Sdinbart  t. 
Meissen  u.  Plauen  70,  229.  Schubert,  v.  69,  122.  Schuch  70,  346. 
Schuck  70,  116.  Schüler  v.  Alzey  n.  Worms  70,  119.  Schürmann  69, 
573.  Schutt  y.  Plön  n.  Görlitz  69,  230.  232.  Schütte  v.  Coblens  n. 
Neuwied  69,  118.    >-  in  Helmstedt  69,  577.    Schulte  69,  118.    Schnitzen 

70,  S49.  Schulz  In  Breslau  t  69,  351.  —  r.  Siegen  n.  Duisburg  70, 
560.  Schulze  70,  345.  Schumann  in  Salswedel  69,  233.  —  in  Hildesheim 
70,349.  Schwab  y.  Gratz  n.  Kaschau  69, 120.  Schwalbe  70, 118.  Schwa- 
nitz  69,  700.  Schwann  69,  573.  Schwarz  in  Bayreuth  69,  117.  —  in 
Halle  69,  119.  70,  226.  Schwarze  69,  577.  Schweiger  69,  576. 
Scopperver  70,  119.  Seffer  70,  347.  Sehrwald  70,  558.  Scitz  in 
Eichstädt  69,  119.  —  in  Zweibröcken  69,  126.  —  v.  Eichstädt  n. 
München  70,  568.  Selig  v.  Preiburg  n.  Giessen  70,  227.  Seltzsam  70, 
116.  Sendtner  69,  579.  Sön^chaute  70,  346.  Sengebusch  70,  345. 
Seyffert  69,  228.  Sickel  70,  352.  Siebinger  69,  348.  Siebold,  v.  61», 
122.  Siefert  69,  228.  699.  Sievert  70,  231.  Sigismund  70,  281.  855. 
Sikorski  V.  Ostrowo  n.  Trzemeszno  69,  122.  234.  468.  Silber  f  69,  58^ 
Sillig  70,  560.  Simon  70,  570.  Simonides  69,  120.  Simrock  69,  122. 
Slane,  de  70,  568.     Smolej  v.  Laibach  n.  Troppau  69,  126.     Snelhlage 

69,  228.  Sobieski  69,  705.  Sobola  v.  Troppau  n.  Hermannstadt  70, 
566.  Sörensen  in  Altona  69,  228.  699.  —  in  Plön  70,  118.  Solar 
V.  Laibach  n.  Cilli  70,  560.  Soldan  69,  579.  Sommerbrodt  y.  Ratibor 
n.  Anclam  69,   573.    Sonne  70,  349.    Sonnekes  69,  702.    Sonnenburg 

70,  346.  Sorof  69,  458.  699.  70,  116.  Sosnowski  y.  Posen  n.  Brom- 
berg  69,  467.  SpangenberR  69,  577.  Speck  69,  458.  459.  Spiekcr  v. 
Beniburg  n.  Potsdam  70,  111.  Spless  69,  575.  Spörer  69,  228.  Spör- 
lein  69,  117.  Spohr  69,  122.  Spruncr,  y.  69,  121.  Stallbaum  69, 
231.  StanSk  69,  126.  Stange  In  Ltssa  69,  461.  — -  in  Potsdam  f  70, 
575.  Stanke  69,  466.  Staudenmayer  f  69,  348.  Steffenhagen  70,  569. 
Stegmayer  69,  122.  Stein  69,  707.  Steinbmnn  69,  118.  Steiner  69, 
120.  Steinhagen  69,  459.  Steinheil  69,  122.  Steinhoff  in  Hehnstedt 
69,  577.  —  in  Jeyer  69,  702.  Steingass  69,  575.  f  70,  120.  Stein- 
hart 70,  225.  Steininger  70,  57a  Steinmeyer  y.  Breslau  n.  Bonn  69, 
847.    Stenzel  in  Breslau  69,   121.  t  69,   234.    --In  Cüftfin  70,  560. 


QgQ  Personenregister, 

Stern  69,  703.  Steudeuer  I.  und  11.  70,  351.  355.  Stiehl  00,  702. 
Stier  69,  707.  SUlIfried-Rattonitz.  v.  70,  345.  Stimpel  69,  230.  v. 
Götz  n.  Triest  70,  570.  Slöter  69,  577.  Stordi  69,  705.  Strackojau 
69,  702.     Sträts  70,  345.    Strasser  70,  567.     Straubel  09,  576.     Strecke 

69,  230.  Stnitli  69,  575.  Struve  in  Kiel  69,  231.  —  in  Görlitz  70, 
117.     Studniarski  69,  467.     Siüler  69,  122.     Stürenborg  69,  577.     Sifive 

70,  347.  Sturm  70,  116.  Suchier  in  Hanau  69,  577.  —  In  Herafeld 
69,  702.  Suvem  69,  110.  Suttner  69,  126.  Szafarkiewicz  69,  467. 
Szostakowaki  v.  Ostrowo  u.  Trzemeszno  69,  122.    Szymanski  69»  468. 

Tägert  in  Cöslin  69,  699.    —  v.  Greifswald  n.  Putbus  70,  565.     TSnber 

69,  228.  Tappeiner  V.  Innsbruck  n.  Kaschau  69,  120.  Tausch  70,  117. 
Tellkampf  70,  347.  Tepel  69,  701.  Theiie  t  70,  575.  Thiel  69,  458. 
Thiele  v.  Duisburg  n.  Barmen  70,  225.  Thierfelder  70,  567.  Thicr- 
mann  70,  347.  Thiersch,  v.  69,  122.  70,  352.  Thilo  70,  225.  Tlio- 
mas  69,  118.  Thomaschek  in  Wien  69,  126.  —  v.  Görz  n.  Cilil  70, 
560.    Thoms  in  Greifswald  69,  230.    —  in  Mainz  70,  349.    Tiedemann 

70,  345.  Tietz  in  Conitz  69,  459.  —  in  Hiidesheim  70,  349.  Tillier, 
V.  f  69,  468.  Timm,  Oberl.  u.  CoUab.  70,  569.  Toeppen  v.  Posen 
n.  Hohenstein  70,  349.  Tomek  69,  580.  Triesi  69,  118.  TrompheUer 
70,  225.  Trübe  69,  699.  Tschackert  v.  Trzemeszno  n.  Ostrowo  69, 
122.  Tschenet  70,  229.  Tschepke  69,  461.  Tschofen  v.  Hermannitadt 
n.  Görz  70,  349.  Tufnell  |  70,  232.  Tunst  v.  Pressburg  n.  GMmowiU 
70,  346.  Turkowski  69,  118.  Tyn  69,  231.  Tzschimer  69,  460.  609. 
70,  116. 

Uhiand  69,  122.  ÜUrich  in  Prag  69,  122.  —  in  Hamburg  60,  701.  Ul- 
rici  70,  345.     Unger  in  Bayreuth  69,  117.    —   in  Venedig  60,   126. 

—  in  Friedland  70,  565.  UrUchs  69,  460.  Urtel  70,  352.  üstymo- 
wicz  V.  Posen  n.  Ostrowo  69,  122.  v.  Ostrowo  n.  Posen  69,  467.  70,  118. 
üvarov  69,  229. 

Vahlen  70,  113.  346.  v.  Bonn  n.  Düsseldorf  70,  560.  Valentiner  70, 
111.  ValeU  70,  347.  Vatter  v.  Miltenberg  n.  Aschaffenburg  70,  558. 
Vechtmann  69,  703.    Venu  69,  34a    Vilmar  v.  Homberg  n.  Hanau  00; 

577.  Vischer  69,  573.  Völker  70,  561.  Vömel  69,  576.  Vogel  70, 
560.    Voigt  in  Halle  69,  120.  230.    ^  in  Königsberg  69,  121.  70,  231. 

—  in  Zwickau  69,  351.  --<  in  Berlin  69,  574.  Voigtland  60,  706. 
Voigtmann  70,   225.     Voit  69,    122.     Volckmar  69,  702.     Volger  60, 

578.  Volkmann  69,  119.  Volkmar  70,  111.  Vollbehr  v.  Plön  n. 
Glückstadt  69,  230.    Volpert  69,  461. 

Waag  V.  Karlsruhe  n.  Mannheim  70,  567.  Wackenroder  f  70,  850. 
Wächter  70,  231.     Wagner  in  Dannstadt,  K.  69,  574  und  H.  69,  575. 

—  in  Bamberg  70,  345.  —  in  Dresden  70,  560.  Wähle  60,  706. 
Wahlenberg  v.  Coblenz  n.  Hedingen  69,  118.  Waldvogel  70,  568.  Wal- 
lace  69,  699.  Walter  70,  547.  Wallher  70,  111.  Walz  69,  284.  Wa- 
nicek  v.  Jicin  n.  Kaschau  69,  120.  Waniorek  v.  Wien  n.  Krakau  70, 
349.  Wattenbach  v.  Berlin  n.  Breslau  70,  559.  Weber  in  Halle  60, 
119.  —  in  Marburg  69,  579.  -—  in  Donaueschingen  70,  346.  —  in 
Berlin  70,  350.  —  Lehrer  in  Marburg  69,  579.  —  Prof.  in  Marburg 
70,  567.  Wevlewski  70,  118.  Wedell,  v.  70,  352.  Wedewer  60,  701. 
Weerth  69,  459.  Wehner  v.  Wörzburg  n.  Münnerstadt  70,  668,  Wei- 
deniann  v.  Saalfeld  n.  Meiningen  69,  579.  Weidlich  69,  122.  Weler 
strass  70,  116.  Weigand  v.  Mnhlhausen  n.  Bromberg  70,  567.  Wein- 
hold  70,  231.  Weippert  v.  Kitsingen  n.  Bamberg  69,  347.  Weiske  60, 
119.     Weiimanu   69,    575.     Weiss   69,   458.     Weissbrodt    70,    840. 


PeraoneDregister.  Qg7 

Weistenboni  Ö9,  459.  700.  Weicker  69,  574.  Wendt  v.  Sleltin  n. 
Greiffenberg  69,  577.  Wensih  69,  707.  Wentnip  69,  707.  Wenteke 
69,  229.  Werner  v.  OeU  n.  Liegnitz  69,  704.  —  in  Iglau  70,  117. 
—  'in  Bonn  70,  346.  —  in  Parchim  70,  569.  Weriheim  69,  466. 
Wetxel  70,  355.  —  WeUer  t  69,  234.  Wex  70,  357.  Weyrauch 
09,  467.  Wiehert  69,  459.  Wiedasch  69,  702.  Wiegand  In  Hersfeld 
69,  702.  —  In  Worms  70,  119.  Wiel  70,  225.  Wiele  70,  lli. 
Wiese  In  Altona  69,  699.  --  in  Berlin  70,  351.  Wieseler  in  GöUiRgen 
69,  576.  —  in  HUdesheim  70,  349.  Wigand  70,  355.  Wilda  v.  Bres- 
lau n.  Kid  70,  227.  WUde  f  69,  706.  Wilke  60,  118.  Wilienborg 
09,  461.  Wmenbficher  70,  119.  Willmann  v.  Berlin  n.  Halbersladt  69, 
674.  Wilson  f  69,  586.  Windisch  70,  571.  Winter  69,  126.  Wiske- 
maiin  69,  702.  Wittich  69,  699.  700.  Wittmann  69,  459.  Witzleben, 
T..70,  350.  -^  ans  Schwerin  70,  354.  —  aus  Gotha  70,  354.  Witz- 
sehel  69,  700.  Wöhler  69,  122.  Wolf,  F.  69,  122.  —  Th.  A.  70, 
571.     Wolff  in  Breslau  69,  458.     -^  in  Berlin  69,  574.     ^  in  Ratibor 

69,  705.  Wolinski  69,  467.  Wolter  70,  349.  Woltersdorf  v.  Halle  n. 
Halberstadt  69,  119.     Wucherer  70,  345.     Wüstenfeld  69,  576.     Wurm 

70,  566.     Wutke  v.  Breslau  n.  Berlin  70,  558, 

Xylander,  v.  f  70,  576. 

Zaborowoski  v.  Posen  n.  Bromberg  69,  467.  Zaddach  70,  567.  Zahourek 
69,  121.  Zange  69,  706.  Zantedeschi  70,  230.  Zamcke  70,  118. 
Zanner  70,  226.  Zawadzki  69,  231.  Zedlitz,  v.  69,  122.  Zelle  69, 
577.  Zeller  70,  359.  Zepic  70,  571.  Zaune  f  69,  127.  Zeyss  69, 
121.  Ziebiand  69,  122.  Zielonacki  69,  460.  Ziemssen  v.  Greifswald  u. 
Stargard  69,  706.  Zietz  70,  561.  Zimmermann  in  Hanau  69,  577.  — 
in  Prag  69,  580.  Zindorf  69,  576.  Zirkel  70,  346.  Zrenner  70,  568. 
Zumpt  69,  229.    70,  224. 


IV.  Regifler  der  OrUnamen. 


Aachen  69,  455.  70,  345.  Aarau  70,  109.  Agram  70,  109.  Altenburg 
70,   558.    Ahona  69,  228.    699.  70,  109.     Amberg  70,  209.     Anclam 

69,  228.  455.  578.  699.  Arnsberg  69,  573.  Arnstadt  69,  699.  Aschaf- 
fenburg  70,  558.    Augsburg  69,  117.  573.  70,  345. 

Baden,  69,  455.     Bamberg  69,   117.  347.  70,  209.  345.    Basel   69,   573. 

70,  109.  Bayern  70,  209.  558.  Bayreuth  69,  117.  Bedburg  70,  223. 
Berlin  69,  228.  347.  458.  578.  699.  70,  109.  223.  225.  845.  559. 
Bemburg  70,  111.  Blankenburg  am  Harz  70,  111.  Blanbeuren  69, 
229.  Boan  69,  117.  229.  347.  458.  574.  699.  70,  111.  225.  346.  559. 
Bozen  69,  458.  Brandenburg  69,  229.  Braunsberg  70, 116.  346.  Braun- 
schweig 70,  116.  346.  Breslau  69,  117.  229.  458.  699.  70,  116.  225. 
346.  560.    Bromberg  69,  118.  699.   Bruchsal  70,  560.    Budissin  69,  699. 

CUli  69,  574.  70,  560.  Coblenz  69,  118.  Coburg  70,  225.  Coslin  60, 
229.  574.  699.  Conitz  69,  459.  Crefeld  69,  118.  Ottstrin  70,  560. 
Culm  69,  229.  70,  346.    Czernowitz  70,  116.  346. 

Darmstadt  69,  574.  Detmold  69,  459.  70,  560.  DUingen  70,  225.  Do- 
naueschingen 69,  699.  70,  346.    Dorpat  69,  229.    Dortmund  69,  575. 

44«» 


Qgg  Ortsregister. 

Dresden  69,  575.  70,  560.     Düren  70,  225.    Düsseldorf  69,  459.  70, 

346.  560.     Duisburg  70,  225.  560. 

Eger  60,  119.  70,  501.  Ehingen  69,  229.  Eichstädl  69,  119.  70«  226. 
561.  Eisenacli  69,  459.  699.  70,  117.  Elberfcld  69,  459.  70,  226. 
561.  Elbing  70,  346.  Eiiwangen  69,  229.  70,  561.  Emden  69,  701. 
Erlangen  69,  119.  70,  561.    Essen  69,  459.    Eutin  70,  220. 

Feldkirch  70,  561.  Frankfurt  a.  M.  69,  230.  575.  701.  70,  347.  661. 
Freiberg   69,  576.   70,    117.     Freiburg  i.   Br.  69,  701.     Friedland  69, 

347.  70,  565. 

Gera  69,  347.  Giessen  70,  565.  Glatz  69,  230.  70,  226.  Gleiwitc  70, 
117.     Glückstadt  69,  230.    Gorliu  69,  230.   460.  70,  117.     Gör«  60, 

119.  230.  70,  347.  GoUingen  69,  119.  230.  460.  576.  70,  117.- 347. 
565.    Gotha  69,  576.     Graz  69,   119.  460.  576.  70,  347.    GreiiTenbcrg 

69,  577.     Greifswald  69,   119.  230.  460.  70,   117.  565.     Griechenland 

70,  566.  Grimma  69,  230.  Gross-Glogau  69,  230.  576.  70,  117.  565. 
Guben  69,  577.     Güslrow  69,  701.     Gumbinnen  70,  347. 

Halberstadt  69,  460.  Halle  69,  119.  230.  460.  577.  70,  226.  566.  Ham- 
burg 69,  701.  70,  566.  Hamm  69,  231.  70,  566.  Hanau  69,  577. 
Hannover,  Königreich  69,  701.     —  Stadt  70,  226.  347.     Heidelberg  69, 

577.  70,  506,  Hellbronn  69,  231.  347.  70,  348.  Heiligenstadt  69,  348. 
Helmstedt  69,  577.  Hermannstadt  70,  349.  566.  Hersfeld  69,  702. 
Hüdburghausen  69,  577.  Hildesheim  70,  349.  Hirschberg  09,  460.  702. 
Hof  69,  120.     Hohenstein  70,  349.    Homburg  vor  der  Höhe  70,  226. 

Jena  69,  .348.  70,  566.  Jever  69,  702.  Iglau  69,  120.  70,  117.  Jiiin 
70,  567.     Hfeld  69,  702.    Innsbrnok  69,  348.  460. 

Karisruhe  69,  578.   70,   567.     Kaschau   69,    120.  231.   70,   117.     Kassel 

69,  578.     Kempten   69,   120.   70,   227.     Kiel  69,   231.    460.   578.  70, 

227.  567^  Köln  69,  460.  702.  Königgrätz  70,  567.  Königsberg  in 
Preussen  69,  460.  70,  567.  —  in  der  Neumavk  70,  118.  Konstantino- 
pel 69,  120.    Krakau  70,  349.     Kremsmünster  70,  567.     Kreuinach  69, 

120.  70,  349.    Kurhessen  69,  120.  702.  70,  227. 

Lahr  69,  702.  70,  228.  Laibach  69,  121.  70,  118.  567.  Landshat  69,^ 
702.    —  in  Bayern  69,  460.     Lauban  69,  231.  460.    Leipilg  69,  231. 

70,  118.    Leitmeritz  69,  231.     Lemberg  69,  231.  70,  228.    Lemgo  70, 

228.  Leutschau  69,  121.  70,  118.  228.  Liegnitz  69,  348.  461.  702. 
Lissa  69,  231.  461.    London   69,  348.    Lnckau  69,  703.    Lübeck  69, 

578.  703.  70,  229.     Lüneburg  69,  578.     Lyck  69,  231.  70,  667. 

Magdeburg  69,  231.  70,  118.  Mailand  69,  350.  70,  229.  Main*  69,  461. 
70,  349.  Mannheim  69,  703.  70,  567.  Marburg  69,  578.  70,  667. 
Marienwerder  69,  121.  Meiningen  69,  579.  Meissen  70,  229.  Meldorf 
69,  703.  Meran  70,  229.  Mühlhausen  69,  579.  70,  567.  Mündien 
69,  121.  461.  579.  704.  70,  229.  568.  Münnerstadt  70,  568.  Münster 
69,  122.  461.  579.  704.  70,  568.    Münstereifel  70,  118.  568. 

Nassau  69,  679.  70,  229.  Nenburg  an  der  Donau  70,  568.  Nenhaus  69, 
122.  704.     Neu-Roppin  69,  231.     Norden  69,  704. 

Oedenburg  69,  461.  Oels  69,  704.  Ocsterreich  69,  462.  704.  Ofen  70, 
350.  569.  ülmüti  69,  704.  70,  569.  Oppeln  69,  281.  Ostrowo  69, 
122.  466.  70,  118.  669. 


V 


OrtstegiBter.  0gO 

Padua  60,  231.  70,  118.  230.    Parchim  70,  569.    Paris   70,  350.    Paria 

69,  466.  70,  569.     Peslh  69,  466.     St.  Petersburg  69,  231.    Pforsheim 

70,  569.  PUek  69,  704.  Plauen  69,  580.  Plön  69,  232.  70,  118. 
Posen  69,  350.  467.  704.  70,  118.  Potsdam  69,  580.  Prag  69,  122. 
232.  580.  704.  70,  118.  350.  Prenxlau  69,  704.  70,  230.  Pressburg 
69,  122.  467.  Preusseu  69,  232.  467.  70,  230.  Przomysl  70,  350. 
Putbus  69,  233. 

Rastatt  69,  580.  Ratibor  69,  467.  705.  70,  350.  569.  Ratcebnrg  69,  233. 
Ravenna  69,  705.  Rössel  69,  233.  Rom  69,  123.  705.  70,  230.  Ross- 
leben 70,  350.  Rostock  69,  467.  70,  569.  Rottweil  69,  233.  Rove- 
redo  70,  230.  570.    Rudolstadt  70,  230.  355.  ^ 

Saarbrücken  69,  233.  581.  Salzburg  70,355.  Salawedel  69,  233.  70,  / 
356.  Sambor  69,  705.  Sandec  69,  705.  Schleswig  69,  233.  Schleu- 
singen  69,  706.  Schulpforte  70,  570.  Schweidniu  69,  467.  70,  356. 
570.  Schweinfurt  69,  233.  Schwerin  70,  357.  Siebenburgen  69,  125. 
706.  Soest  70,  357.  Solothurn  70,  119.  Sondershausen  69,  706. 
Sorau  69,  233.  70,  119.  Spalato  69,  125.  Speyer  69,  125.  Stargard 
69,  581.  706.  Stendal  69,  234.  70,  570.  Stettin  70,  231.  Straubing 
•70,  231.    Stuttgart  69,  234. 

Teschen  70,  119.  Tilsit  70,  119.  357.  Torgau  69,  467.  70,  119. 
Trzemeszno  69,  234.  468.  70,  570.  Trier  69,  468.  70,  570.  Triest 
69,  126.  70,  570.  Troppau  69,  126.  234.  70,  119.  570.  Tübingen  69, 
234.  70,  357.  570. 

Ulm  69,  234.  70,  119.    Urach  70,  231.  570. 

Venedig  69,  126.    Vioenza  69,  126. 

Warasdin  69,  707.  Weimar  69,  234.  Wertheim  70,  231.  570.  Wesel 
70,571.  Wetzlar  70,  571.  Wien  69,  126.  707.  70,  23.1.  571.  Wit- 
tenberg 69,  234.  707.  Wolfenbüttel  69,  581.  Worms  70,  119.  Würt- 
temberg 69,  350.  581. 

Zara  70,  119.  575.  ZeiU  69,  234.  Zittau  70,  575.  Znaim  69,  351. 
ZüUichau  70,  119.  231.  Zürich  70,  231.  Zweibrücken  69,  126. 
Zwickau  69,  351.