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Neue ',
JAHRBOGHBR
rar
Philologie und Paedagogili.
Begründet
von
Mi Jibami Ghristiaii Jahn.
Gegenwärtig herausgegeben
von
Retobold Klotz Radolph Dietseh
Professor in Leipzig Professor in Grimma
and
Alfred Fleekeisen
Professor In Frankfurt am Main.
Siebenzigster Band.
L«9ugl854
Druck und Verlag yon B. 6. Tenbner. #
Kritische Benrtheilnngen.
EunpidU Troades. Edidit Dr. A. Eirehhoff. ProsUtBerolini apud
W. Hertz. 1852. 84 S. gr. 8.
Von den in der Vorrede zur Medea besprochenen Hss. enthalteo
folgende die Troades: Vaticanus 909 (nebst dessen Abschrift Palat.
98) 9 Havniensis, Florentinus A und Palalinus 287. Für die letzte Hs.
hat K. durch Brunn eine Collation bekommen, aus der sich ergibt,
dafs die Aldina aas diesem Falatinus geflofsen ist. Dazu kommt Har-
leianus 6743 (enth. Soph. Trach. und Fhil., von euripideischen Stücken
einen Theil der Alkestis, den Rhesos und die Troades), für die Troa-
des früher von Burges, jetzt aufs neue von R. Pauli verglichen. In
den Troades besteht der Harl. aus zwei Theilen: die erste Hälfte bis
Vs. 605 stimmt mit Pal. 287, der Rest mit dem Havn. fast durchgängig
zusammen, lieber eine neapolitanische Hs. des 14n Jh., die aufser den
drei ersten Stücken die Troades enthält, hat Cobet in Geels Ausgabe
der Phoenissen berichtet; K.s Bemühung eine Collation dieser Hs. zu
erlangen ist erfolglos geblieben ; da indes der NeapoL nach Cobets
Mittheilungen dem Vat. 909 ganz ähnlich ist, so wird niemand diesen
Verlast beklagen. — Schollen zu den Troades enthält der Vat. 909,
aus dem sie Amati zuerst bekannt gemacht hat (wiederholt bei L.
Dindorf , Leipzig 1825 und im lOn Band der Natthiaeschen Ausgabe),
und der erwähnte Neapolitanus.
Aufser diesen Hilfsmitteln hat K. theils den Christus patiens,
theilsCitatebei verschiedenen Schriftstellern mit dankenswerther Sorg-
falt benutzt. Besonders verdient es Anerkennung, dafs er das Lexikon
des Hesychius für die Kritik der Troades mit sehr erheblichem Gewinn
verwendet hat. Unter allen euripideischen Stücken ist keins bei He-
sychius so stark vertreten als die Troades. K. hat folgende Entleh-
nungen in seiner Ausgabe angeführt: i'^sUaaovöi Vs. '6. TCQVfivrfifv
ov^Qv 20. aT^av&a 117. oia^ TuJiaöuv 121. 6i* aka 7toQg>VQOiid^ 124.
naiavi, axvyv^ 126. %cLkiuyxitov 143. %vq>£tai 145. vav<s%hoaov(Siv 161.
XaAxiofiijaTO)^ 268. f£^ 392. ilQ)To[t;] xEQ^^t^g 435. ^colai 491. xqv-
%fiqcL 492. imxiqdetov 510. avadaßoccg o kedg 518. Alßvg t£ lanog 540.
tttvi6(Uvog 804. ^aßgct ßalvcov 814). aatigtav xi&Qinnog 844. övaxo-
naaxog 874. aytavla 992. ai^iqu 1067. avviqovog 1071. aia%qa 1160.
SuqicCQvxag 1241. Dazu lafsen sich noch folgende Glossen hinzu-
1*
4 A. Kii'cliliofT: Euripidis Troades.
lugen : Evßolag fivpi/ 84. niavH arvyv(p 126. TtccXkog ?^£v^£v 260.
nvxa^e 349. XaQvßöig cofioßgozog 432. kixog atvysQov 593. i; iitak^Bcoi'
946, von denen einige {Evßolag ^vjjiv und Ai^o^ tfrvye^o»') der Hg.
selbst mir mitgelheilt hat.
Bei der Bearbeitung der Troades ist K. zunächst, wie billig,
darauf ausgegangen die Ueberlieferung der besten Hss. herzustellen,
und man darf wohl sagen , dafs dadurch der Text des Stücks unend-
lich gewonnen hat. Seil mehr als dreifsig Jahren hatten die Troades
keinen speciellen Bearbeiter gefanden; so war der Ertrag, den die
CoUationen der bePsern Hss. lieferten, in der Hauptsache ungenutzt
geblieben, und es liefsen sich nicht wenige Stellen anführen, wo die
interpolierte Vnigata nicht sowohl absichtlich als vielmehr aus reiner
Gedankenlosigkeit und Bequemlichkeit aus einer Ausgabe in die andere
weiter geschleppt worden ist. Nachdem ein sicherer Boden für die
Kritik gewonnen war, hat der Hg. die Emendation begonnen tmd sich
durch mehrere ganz evidente Verbefserungen (wie ngonokog 205. %€el-
HeofiTjOTOgog 268. klvoio 538. ijkv&ov 965) um die Gestaltung des Tex-
tes verdient gemacht. Während in der Medea nur die Ueberlieferung
hergestellt werden sollte, sind hier unzweifelhaft scheinende Emen-
dationen in den Text aufgenommen worden, wobei die handschrift-
liche Lesart unter dem Text angemerkt wird. Sobald eine evidente
Verbefsernng fehlte, ist die am besten verbürgte Lesart beibehalten,
auch für den Fall dafs sie offenbar fehlerhaft, vielleicht ganz unver-
ständlich war. Dies Princip der Kritik ist gewis dnrchaus berechtigt
und für streng wifsenschaftliche Arbeiten sogar mit Nothwendigkeit
zu fordern ; wogegen freilich die dem Crebrauch der Schule oder ähn-
lichen Zwecken dienenden Texte als Hanptgesichtspnnkt die Lesbar-
keit festzuhalten haben und bemüht sein müfsen die kritischen Dornen
bei Seite zu schalfen. Bei der praktischen Durchführung dieses Prin-
cips kann es freilich nicht fehlen, dafs zuweilen dem einen dies, dem
andern jenes überzeugend scheint, dafs der erste gut heifst was der
zweite verwirft und umgekehrt. So möchte auch über einzelne von
K. aufgenommene Emendationen sich streiten iafsen (worüber unten
zu 136. 158. 314 ff. 345. 599. 608. 619. 1256), ohne dafs dadurch die
seiner ganzen Arbeit gebührende Anerkennung geschmälert würde.
Gewis würde es vielen erwünscht gewesen sein, über das Ver-
hältnis , in welchem die beiden Classen unserer Hss. in den Troades
zueinander stehn, Belehrung zu erhalten. K. ist auf diesen Punkt
nicht eingegangen, vermuthlich weil er in der Vorrede zur Medea sich
hinlänglich darüber ausgesprochen zu haben meinte. Doch scheint es
bedenklich, für die verschiedenen Stücke ohne weiteres denselben
Mfffsstab vorauszusetzen, und wenn ich nicht irre, sind gerade die
Troades dasjenige Stfiek, wo codex II (repraesentiert durch Pal. 287
und theilweise durch Harl. 5743) am häufigsten vor codex I den Vor-
zug verdient. Man vergleiche folgende Stellen, wo K. selbst nicht
umhin konnte dem Pal. 287 zn folgen:
70: old\ fiviK Aiccg elXxt {elke codex I) KaöavdQcev ßla.
A. KirchhofT; Enripidis Troades. 5
82: av d' av zo aov ntt^<s%eg (nccqcKSxz I) Alymov noQOv.
140: öovla d' ayofiai (dovÄ' äyofiai I) ygavg i^ (hWov.
150 : Ttoöog (naMg I) a^xexoQov nXotyaig 0^yUxig,
175: raad' ^Ayafiifivovog htaxovaouha (inaxovcofiivav I).
338: fjörj %8KitJQ<oa^\ d (eig I) toJ' iJv vfiiv <p6ßog,
240: d>OiCfJog rfTrcrg ij (^ xofl I) Kaöfislag x^ovog;
294 : (Off igayfcr^at T^d£ ftiiAot7(Tori (/a AitoviTt I) x^f^vog*
307: x«T"I^^og a yufiovfiiva {ceyovfiiva oder iyofiivcc I).
315: c5 '3>ivat£, <yo/ (au l).
324: &ye av {aoL I), OoißB vvv,
347 : da(piQ£Te nsvxag ödx^a (dctKQval I) t' avroAAaaacTf.
417: <yv d' ijvlK &v {av d"* tjv xal l) as Aa^iov X9V^V ^<>>tö?-
440 : ^Oövaaifog i^axortl^to (^|avr/^a> I) nivovg ;
460 : ovx crvTAAi/t^ftfÖ'' (avTiktj^et^ I) ;
492 : T^v^t^^v Bifiivrj {elfAivrjv I) x^^^'-
603: außdSa Tcgog ^^orjciatTTfr^ (^afte^T^ oder ;|^/üe^^ 1).
563: iivaasig rrjvö^ (rijv 1) Avö^ofiaxtiv-
674: T^ ««tav («ativ I) iftov arfW^f«^;
696: /VI);» g>iQ6iv xkaxai, (thauxui, 1).
605 : ivöqog og Ttor' (oÄTWr' I) ^A^eüav öoqI nk. d.
636 : nslvrj d' oinoUng äaneg (ixelvri <y' ofiolayg ü}g I) ovx idoiksa (ptag,
682: y^a9>^ (y^ag>»yv I) d' iSovaa Kai %kv(wa^ iidaxa^m,
707 : W9 ^toi g>QOifilci}v SqxjH (^QX^ 0 xäxöv.
713: inrjvea^ aida, Tckriv iicv kiyrjg Kala (KOKci 1).
746 : vsoaaog mael (ag I) Jtrigvyag danirvciv i(iag *).
785 : CO nai natöog fioysgov ((AOvoyBvov I).
801 : avvagtaxEvoyv «ft' (äti fehlt in I) AkKfirivag yoi^m,
805: I^tftosvxi d' «jt' evgelxa (evQtixao I) «Acfrav.
806: vavdrr' «i/if^aro ngvfivav (ngviivav I).
813: (idxav ((idxriv I) a^\ et) %^aiai^.
842 : xiKvonoiov ^x^ovaa xäaös (xdde 1) yag noaiv iv ^ak.
1124: ivxl KiÖQOv nsQißokmv x£ katvoiv (t' ikatvcav I).
1218: td d' iv vcx^tat ^^^rrm (g>QovxiaH 1) TtaxifQ aid'ev,
J267: iv^ovaiag^ övaxrive^ xoig aavxtjg (avxoig I) xaxor^.
Daza kommt dafs zwei Verse (778 und 1204) in codex I ganz fehlen
und dafs 958 die Lesart des Pal. xalg ^eaiai fcgaxa avfifiaxog yivfj-
aofiai (wo codex I den Artikel xatg auslöfst) durch Aristoteles Rhet.
111,17 i>. 1418 b *il bestätigt wird. Nimmt man alles dies zusammen,
so wird man auch an einigen andern Stellen weniger bedenklich sein
dem Pal. zu folgen. Es wird also zu schreiben sein: axiq>avog ovk
aiaxgog nokei Kaktag okia^ai^ fi!]Kak(og de övaKkeig (statt övaKkei^g)
398. elöav vtv crtJur/ (statt at;ii7v) 621. Kxeuovai aov (statt toi^) 7taid\
dtg 7tv&i[i KaKOV (liya 714. oiniQ ydg avxijv £|£|[i0%^i/acfv (statt
der sonst nirgends vorkommenden Form i^ifiox^^vaav) öoqI 862.
1) Ohne Zweifel hat auch Vat. 909 (og, wenngleich bei Dindorf
dies nicht angemerkt wird.
6 A. Kirchhoff: Euripidis Troades.
7t ov (stall noi) örpi^ iXiiq>&fjg rj ßQOXpvg a^tcofiivti 1001. I%£t yceg
ola d«t (stall 6^) ye vBQUQmv otiqnj 1230. Von 452. 438 und 924
wird später geredet werden. Sehr scheinbar ist auch die Lesart des
codex 11 in Vs. 75: övavoöxov^) avxocg voöxov i(ißaXetv ^iXco^ wo
die erste Classe der Hss. das gewöhnlichere övöxrivov gibt. Ohne
bestimmte Zeugnisse wird sich hier eine sichere Entscheidung nicht
treffen lafsen; darum scheint es allerdings gerathener, hier wie 429
in den Worten öixoc yccQ iaitki^oag (codex II avtkrjöag) ixrj sich vor-
läufig an die Autorität der Hss. zu binden. Denn trots der von uns
geltend gemachten Beschränkung behält codex 1 seine erste Stelle und
mit dieser die Ansprüche gröfserer Zuverläfsigkeil.
Die sonstigen Bemerkungen, eu denen die vorliegende Ausgabe
mich veranlafst, werde ich nach der Reihenfolge der Verse geben,
wobei ich wie bisher der K. sehen Zählung folge.
23 f. : iyoi äi, viKcSfiai yccQ A^yslccg d'eov
"HQag X ^A&ivag -0"', «1? iSwsl^BiXov 0qvyag,
Das TS hinter '^'iZipag ist falsch gestellt, denn nur die'^ir^a wird ^Aq-
yüa ^log genannt; demnach ist dies t£ entweder mit dem Pal. und Hari.
EU tilgen oder wahrscheinlicher nach ^Aqydug zu setzen , so dafs d^ov
(oder mit codex I ^tag) einsilbig gelesen wird.
71: A%. ov% ola^^ ißgca^eiöav (le nal öofiovg i(wvg;
HO, cid , 7}vIk Aiag ell%B Kaöavögav ßia.
AG. xovöhv ^Axceimv ina^ev ot5d' ijxova' twro;
Das beliebte ye^ welches die zweite Handschriftenclasse nach xovöiv
einfügt, scheint nichts als eine Conjectur zu sein; hiernach habe ich
mit leichlerer Aenderung kovös ^ ^Axceiav geschrieben. Porson be-
hauptet freilich, erst ^ circa posleriora Aristophanis tempora' hätten
die Attiker angefangen ovdh elg und (irjdi etg ohne Elision zu gebrau-
chen (praef. Hec. p. XXXIV); allein ich halte es für unzweifelhaft,
dafs dieser Gebrauch früher beginnt. Kratinos Com. U p. 183: xal
yccQ ißklfia^ov avxtjv ij d' iipQovxc^^ oiöe tv. Krales Com. II p. 237:
titEixa öovkov ovöe sig xsKx^jaex^ ovöh öovlrjv. Phryn. Com. 11 p. 600:
av Ss xiiiiOTtoikrig cig y ^AxilX^g ov^t elg (wo allerdings die jetzige
Lesart bedenklich ist: H. Jacobi vermuthet ovösvog). Pherekr. Com.
11 p. 311 nach Meinekes Conjectur: xovx itsxiv ix^S äXXog ovdi elg
ßoa^. Für die Tragoedie liegen freilich so sichere Belege nicht vor;
indes scheint Wagner Kechl zu haben, wenn er den unter dem Namen
des Dionysios von Stobaeus Flor. 38, 2 überlieferten Vers xoig ovdhv
iyvaiv ovdh elg olfog q>9ovei dem Tragiker beilegt (fr. 6 p. 117 cd.
Vratisl.), und ebenso möchte wohl der Trimeter üvev Oeov yccQ ovdh
elg avtiQOdiveL bei Stobaeus Ecl. 1 p. 34 ans der Tragoedie sein
(Wagner fr. ine. 195). Demnach habe ich bei Eur. Ale. 671: rjv d'
iyyvg ik^ ^dvaxog f ovdelg ßovkexai yermuihei ovdh elg ^ikei: war
2) Da« Adjectivum SvavoaTog^ das früher nur aus dieser Stelle
bekannt war, findet sich in einem Orakel bei dem sog. Origenes Phi-
losoph, p. 68, 65 ed. Miller.
A. KirchhofT: Euri|iidis Trotdes. 7-
dies in ovöng &iket verderbt, so lag es einem Corrcclor sehr nahe,
die fehlende Silbe durch das Synonyiuiim ßovknai zu gewinnen.
97 : ^ciQog 6e ^vtitav ö(Sz^ ixnoQ^eC reoUic:^
vaovg te rvfißovg ^ , isQcc tc5v xBXfirixouov^
iqi]^la öovq avxog «Afl^' vaxiqov.
Das matte v^x^qov halte ich ohne Bedenken für interpoliert; hältea
wir befsere Hss., so würden diese statt der jetzigen Lesart vermirtli-
lich einen fünffursigen Trimeter bieten: i^(ila doifg avrog äkevo. Ks
wird zu schreiben sein avrog ivraTniXsTO, Vgl. Hei. 106: xtfi ^vvye
^iQöag aiftog avTctnokofiffv. Sappl. 743 : tJjS^^f ' vß^C^mv r' av&ig (Do-
bree avzog) avTce^ciketo. Iphig. Taur. 715: (irjtiQa naraKtag avTog
awcenokkv^icci, Hec. 262: xoifg Kravovtag avtcmontuvai ^ikoiv,
108: CO Jtokvg oynog (fv(fxekko(iivcov
TtQoyovcov^ äg ovdhv ap' ^<S&a.
So K. nach der Hss., njit der Bemerkung: *corrigunl cvarekkoiievog^
quod quo nomine praestet traditae per libros lectioni fateor me non
intellegere.' Sollte es gleichgiltig sein ob wir sagen * o über die ge-
knickte Macht der Vorfahren', oder *o Aber die Macht der geknickten
Vorfahren'? Mir scheint es ganz unmöglich, den Cvörekkofievot n^-
yovot noch oynog beizulegen.
111 : xi (le XQ^ öiyav] xl 6h (iri <Siyäv\
xl dl ft^ ^QtivfiCai;
So die besten Hss. : statt xl öi ^Qijvijaai ist vielleicht xl fie ^Qtji'i](far
zu lesen.
133: TW t' EvQtoxa SvCKkeicci'^
S a(pa^si ^Iv xtA.
Wenn auch zuweilen in den Anapaesten miltelzcitige Silben vorkom-
men (vgl. Dindorf zu Eur. Hec. 83^ so hindert doch nichts hier Svö-
ükelav zu betonen, wie avota ayvola Ttocgavoia avaiöela akrjd'eia
mit langer Endsilbe sich findet. Statt KaaavSqav iti^xlftix^ ^<a aiöyiS-
vav Agyaloiöiv 168 dürfte zu schreiben sein KaaavdQav S^g) nifi^tii
aiaxvvav ^A^.^ und 224 möchte ich xiiv statt av vermuthen.
In einem anapaestischen System steht 136 :
Ilgiafiov i(ii xe fiskiav^Exdßav,
Seidler und Burges haben vor (iskiccv den Artikel xav eingeschaltet,
und K. ist ihnen beigetreten * et metro et sententia suadentibus.' Von
Seiten des Sinnes scheint mir der Artikel nicht nothwendig, da ja die
Tragiker im Weglafsen des Artikels die gröfste Freiheit üben (vgl
Tro. 283: ßißaxa övanoxnogj oi%ofiai, ic xakatva u. ä.). Was das Me-
trum anbelangt, so möchte es bedenklich sein, alle Stellen, wo in
freieren anapaestischen Systemen der Tribrachys statt des Anapaestus
angewendet wird, für verschrieben zu erklaren. Man vgl. Iphig.
Taur. 130: Ttodcc nagd-iviov öatov bclag, 197: qsovog inl q>6v(a ce%ea
t' axiCtv. 213: hsnev hQ€q>tv evxxalav, 220: ayafiog axexvogy «äo-
kig aq>ikog, 232: hi ß^itpog^ Sxt viov, m ^dkog n. a.
158 hat K. mit Seidler geschrieben:
8 A. Kirchhoff: Euripidis Troades.
00 xiiiv\ ^A(^üwv TtQog v€tvg dti
Die Hss. bieten nicht ^^, sondern ^dt;, wodurch der Vers eine Silbe
za viel enthfiU. Konnte nicht die arsprOngliche Lesart sein xixv ^Aq-
ydmv, TtQog vavg ffdr] xxLl So ist die Caesar der anapaestischen
Diraeter beobachtet, so der Misklang der einsilbigen Wörter Tcgog
vavg ifi rermieden. Damm seheint mir die Tilgung des lo vorsuzie-
Ken, und unsere Stelle würde nicht die einzige sein, wo die Ab-
schreiber ein CO zum Vocativ hinzugesetzt haben.
233: ^Ekaßfij nvxvag yaff ola^a [i ilg Tqolav oöovg
ik&ovta %fj^v%^ i^ Axatxov CTQcexov.
Der Harl. bietet ola^^ ilg, was auf oZd^a^ elg führt, eine Lesarldie
nicht zu verschmähen wäre, wofern die Autorität der befsern Hss.
sie schützte.
237 : toSb rode, q>lXai yvvatxeg^ o g>6ßog f^v nalut,
Vermuthlich ein dochmischer Dimeter. K.s Conjectur x66b toJ\ od
ipllaijO g)6ßogfiv Tcdlaij gibt einen unstatthaften Hiatus. W. Diu-
dorf will einen dochmischen Trimeter herstellen und zwar folgenden :
tods x6d% a fpiliui yvvaixsg, o (poßog o g)6ßog tjv fioi ytalai. Wel-
ches Schema des Dochmius bei dieser Conjectur vorausgesetzt wird^
habe ich nicht ermitteln können ; vermuthlich soll ijv eine Kürze bil-
den. In den Metra (Oxon. 1842) bat derselbe einen andern Vorschlag
gemacht: xode rod', (o q>llai yvvatxBg^ o <p6ßog o g)6ßog riv Ttakai
^admissa in flne secundi pedis yvvatnsg o <p6ßog syllaba ancipiti.*
Diese syllaba anceps lehrt eben, dafs die Vermuthuug falsch ist.
Vielleicht ist zu schreiben: rode, g>lkai yvvatKsg^ fpoßog rjv itaXai.
245: xwfiov xlg Sq^ ^kaxs rixog l weite ^ xkafiova KaödvÖQav;
Auch hier ist das Metrum fehlerhaft, und ich kann es nicht gut heifsen,
dafs aQ% welches im Vat. 909 und Havn. fehlt, im Text gelafsen ist;
ebenso halle ich die darauf fufsende Vermutbung xovfiov xlg a^ ^^^^
xixog ive%e für nicht zulafsig ; ich vermuthe tov/aov xtg xlg ikctxe xixog
fwene xXafiOva KaaavÖQUv ;
290 war die einleuchtende Verbefserung von Heath elxa t«^ el-
Xtiyfiivag (statt elkeyfiivag oder TfXeyfiivag) ohne Bedenken anzuneh-
men : elXrjyfiivag fordert der Sinn , wogegen das Simplex eiXsy^iai
meines Wifsens sonst nirgends nachweisbar ist.
314 ff. lauten bei K. :
ig avyav^ ig alyXccv^ ötdovöa
ä'Tfiivau^ coL,
didovc^ ä^Exaxa^ tpiog,
und in der Antistrophe :
lit%mg xe vvfKpav» It IJo)
naXUrcercXoi 0Qvymv
Kogai^ fiiXjtex ifiav yi^tov.
Hier ist fr' Qm die Lesart der besten Hss. (Vat. 909, Havn. und Flor.
A), dagegen bieten ix* m Pal. und Harl., wonach sonst geschrieben
wird
A KirchhoflT: Euripidis Troades. 9
ig avyav , ig cd^ykav
öiöov0^^ (o 'EKora , tpaog
ond loi%cLtg ra vvfigwv.
Xx* , 0) nakllTUTtXoi 0^vym^v.
K.8 Aenderung iidovaa statt öiöova^ wird schwerlich Beifall ßnden ;
das a in didovca mufs, wie ich glaube, vor (o elidiert werden, und
die Versabtheilung diöovo* co ^Tfiivats coi ist durch den folgenden
Vers öidova cS ^E%axa tpdog mit Nothwendigkeit geboten. Demnach
scheint mir nur zwischen zwei Möglichkeiten die Wahl zn sein; ent-
weder ist Tt' I§o) die richtige Lesart nnd %alXlittJtk(H ist aus einem
Anapaestus verderbt, oder die zweite Ciasse der Hss. hat das ur-
sprüngliche bewahrt. Nun ist aber das l^oo für den Sinn nicht ange-
mefsen; die hergebrachte Lesart war somit beizubehalten.
M5 sagt Hekabe zur Kassandra :
ov yccQ OQ^a 7tvQ<poQeig
(laivag ^oafovij', ovÖi a' atxvxat^ tinvov^
iöwp^ovrjxaa , akk^ ix iv xctvxdi fiivug.
So die Hss.; K. hat mit Seidler u. a. ovöh aal xvyat aeatxnpQOvriKaa^
gesetzt; dies wärde den Sinn geben * und nicht sind deine Schicksale
verständig gewesen.' Nach dem Gegensatz aber, akk* Ir' iv xavxa
liivctg^ erwartet man vielmehr einen Gedanken , wie ihn die Scholien
fanden oder zu finden meinten, ^ nicht haben dich deine Schicksale
verständig gemacht.' Aus der Ueberlieferung kann dies nun freilich
nicht herausinterpretiert werden; darum vermnthe ich ovdh aat^ tv*
%cctgj xinvov^ öeaatpQovipiag (oder iaGHp^vrjaag)^ * nicht bist du
durch deine Schicksale verständig geworden'. ^)
427 heifst es vom Odyssens: Svdtrjvog ovx old\ old viv (livei
ncc^Blv. Die Aufzählung der ihm drohenden Leiden und Gefahren folgt
erst 432 ff. :
ÖBivTi Xa(^ßöig (i(i6(pQ(ov x iTCißxaxtjg
KvKkfDil} Atyvcxlg -O-' ^ tfvwi; (lOQtpdxQia Kxk.
Dazwischen stehen die Worte:
mg x^vöog aixm xctfia xorl O^vymv koku
öo^Ei noPt tlvm • d^ica ya^ ixitkifitig Irt/
3) W. Dindorf 8agt in den Oxforder Anmerkungen, das hand-
schriftliche icacpQOVTJuaa' sei wieder herzustellen. Es wäre wohl der
Mühe werth gewejsen, eine derartige Perfectform durch Beispiele zu
sichern. Vielleicht dachte Dindorf an Dinge wie äntörj^tfKorts Her-
inippos Coro. II p. 413. ^vfoyäXiaxai. Eubnios Com. iJl p. 2ii f. iXf-
nxvv&ai PhotiusLex. p. 648, 12. iyviivaa^ai, He^ych. naxitoX^Tfus 8yn-
tip. fab. 18 und inehreres dieser Art (ißovXFvnB, i^sntcexB, ixdXnfvrtti.
nQoasnoTüxaXevfiivai) bei Eustathio» II. p. 7ö9. Od. p. 1570. Derar-
tige Formen können nach unsern bisherigen Erfahrungen nur für feh-
lerhaft gehalten werden. Dal« nQOCtTTaTTCilsviifvai auf einer falschen
Lesart beruht, ergibt sich aus dem anderweitig erhaltenen P^ragment
des Kratinos, das Kustathius im Sinn hatte (Meineke Fragm. Com.
II p. 107). Statt ytccTerolftrjtif bei Svntipa» ist vennwlhlich vMtBVToX-
fi^rjuB zn schreiben.
10 A. Kirchhoff : Euripidi« Troadcs.
TtQog TOiaiv ivd'aö^ t^ecat fiovog nuzqav.
ov öfi arevov öUcvXov mxiatai nhqag.
Vor dem letzten dieser Verse hat K. nach dem Vorgang anderer eine
Lücke gesetzt, einmal weil von den nachfolgenden Nominativen nur
der erste dttvii Xaqvßiiq mit arevov diavXov äxtavai verbunden wer-
den könne, sodann weil ov drj auf die sicilische Meerenge gehe, die
hier nicht erwähnt sei, endlich weil des Aufenthaltes bei der Kalypso
nicht gedacht werde. Nimmt man keine Lücke an , so mufs ov dif ver>
derbtsein; ich vermuthete früher idov, tfvevov diavkov £xixsxat »i-
Tgag d. X.j und meinte, wenn mfMgjQtov iTCiaravi^g als Praedicat zu
Kvxkforjf gefafst würde, so könuleu die folgenden Nominative wohl
ohne zu grofse Härte sich anschliefsen. Auch möchte ich die Erwäh-
nung der Kalypso nicht als etwas absolut nothwendiges betraohteo.
Allerdings aber scheint ein bisher nicht hervorgehobener Umstand für
die Annahme einer Lücke zu sprechen: die Erwähnung der Rückkehr
vor Aufzählung der Leiden stört augenscheinlich den Zusammenhang,
und die Verse G>g XQVöbg bis (lovog nixf^av scheinen einem Interpola-
tor zu gehören; wenigstens ist n(^g xousiv iv&ad^ äufserst prosaisch
und das Ttovi in do^ei not* elvai, möchte sich kaum anders als
durch das Versbedürfnis rechtfertigen lafsen. Diese drei Verse sind
demnach eingeschaltet, um dem Defect der Urhandschrift vor ov öti
ör. ö. abzuhelfen; in der Lücke kann dann allerdings sowohl die Ka-
lypso als das fretum Siculum vorgekommen sein. Die Nominative
XtixAcotf;, Kl^ri u. s. w. werden wir als Erläuterung des ola viv fii-
VH na^uv anfzufafsen haben. — In dem Vers ÖBtvii Xdqvßöig <üfi6(pQ(ov
X httöxaxrig führt die Lesart des Pal. und Harl. auf <ofioßQ(ig x oqu-
ßdxfigj wo mfwßqiig bestätigt wird durch die Autorität des Hesychius
11 p. 1544: Xaqvßdtg dfioßqoxog' ij avcmLvofiivri d'akaaaa.
458: (og ds avvrifio}
Kai fcöv ig^Atdtjv xaKqwyoiv A/fivi^ vd(OQ
xcfx' iv d6fMtCi> fivgl* ev^rjöH ftoAcDv.
So K., dem ich gefolgt bin, nach Vat. 909 und Havn., wahrend die
andere Classe der Hss. ^(dv fftf' (statt xal tmv) ig'^'Aidtiv bietet. Auch
hier hat codex II das richtige. Nachdem etö* vor ig ausgefallen war,
wurde xal als Ergänzung der fehlenden Silbe hinzugefügt. K.s Vcr-
muthung
Kai i6v ig"Ai8fiif [dai veQxiQov nvXag
fioyig 7C€Qa<iag] %axg>vymv Ufivrig v6(0(f
entbehrt des innern Grundes wie der palaeographischen Wahrschein-
lichkeit und liefert aufser dem Verbnm ilöi nichts was für den Sinn
der Stelle nothwendig oder wünschenswerlh wäre.
448: %alQn ' ixliloifp* ioQxdg^ alg fcdqoi^^ riyakk6(ii}v.
Die befsem Hss. bieten i%kiXouta d' ioqxdg. Die Richtigkeit des di
vorausgesetzt, würde man also ixliXoma d^ oQxdg zu schreiben haben.
Die Form OQxri statt iogxij wird geschätzt durch Ion bei Athenaeus
VI p. 258 F : ivwvcUxv yciQ dai fu ti^v o^xifV aynv. Darum möchte
ich nicht wagen sie dem Euripidcs abzusprechen.
A. Kirohboff: Euripidis Troades. 11
4^0: ovx avrUifiJwtfd'/ i] jufdf/a»', cd naxal;
y^ütv Ttiöovcav atqet^ elq o^ov difiag.
Berser wird man y^atav yteöovaav von (is^i^aiTB abhfingig machen und
demnach interpangieren : ij fi€^aBT\ ta iut%al^ yqaiav nsöovacev;
Vgl. Geel EU Ear. Phoen. p. 264 f. Die Verbindang ygatav aigstB
mag im Pal. und Harl. die Interpolation naliv (statt di(itig) hervor-
gerufen haben.
470 : rifiev xvQawot xslg xvqavv iyrifiafiijv.
Die Yermuthung von Elmsley (zu Soph. Oed. R. 588) 17 (liv rvQavvog
wird in der Hauptsache bestätigt durch Longin oder vielmehr Apsines
in Wals Rhetores Gr. IX p. 581, wo Kai ft^v vvqawog sich findet.
Hiernach vermuthete ich ijfiriv vvQctvvog und eben dies bietet die
beste Hs. des Apsines bei Spengel Rhet. Gr. I p. 394, 11. Die Form
fjfirjv gebraucht Enr. Hei. 931 : iya^ 6h n^odovtg ovk fjfiipf fpiXmv , ob-
wohl die Abschreiber sie auch hier verdrängt haben , und ein nicht
genannter Dichter bei Dio Chrysosf. 64, 4: tfog?^ ji4v ^f^^ ^^^^
nav%* ovx fvrvj^tjff.
Vor 473 eine Lücke ansunehmen halte ich nicht für nothwendig;
nachdem Hekabe der Vortrefflichkeit ihrer Kinder gedacht hat, kann
sie unbedenklich fortfahren: * keine Troärin, kein hellenisches Weib
mag sich mit ihren Kindern brüsten.' Schneidewin vermuthete
ov TQipitg ovö^ 'EUltivlg ovöh ßti^ßa^og
ywfj vexovifu xofimiöH^ oV av nove.
Allein diese Elision der Optativendung ist unzuläfsig, obgleich sie
auch für andere Stellen (wie Hippol. 469) in Vorschlag gebracht wor-
den ist und an ^iner Stelle sich in unsere Texte eingedrängt hat, nem-
lich Orest. 700, wo das handschriftliche iMCVivCHBv oxav nicht in ix-
ntfivCH^ otav geändert werden durfte.
475 möchte die Lesart des Apsines xal lavr' bttiöov den Vorzug
verdienen.
494: ol V^ xakaiva^ dia yafiov (uiig sva
ywatKog ol!utv hv^ov äv xe xev^oiiai.
Das &o würde passend sein, wenn es etwas auffallendes wäre, dafs
ein Frauenzimmer sich nur Einmal verheiratete ; da jedoch vielmehr die
öftere Verheiratung derselben Frau das ungewöhnliche ist, so er-
scheint hux als müfsiger Zusatz. Ehen dies iva enthält aber eine
offenbare Unwahrheit: nicht durch die einmalige, sondern durch
die doppelte Vermählung der Helena wurde der Iroianische Krieg
und mit diesem das Unglück der Hekabe hervorgerufen. Darum kann
Sva nicht richtig sein; vermuthlich ist dafür ä^a zu lesen.
518: ava d' ißoaatv ledg. Man hat av ö' iß. vorgeschlagen,
was dem iv di novm xol %ceQa in der Antistrophe 538 genauer ent-
sprechen würde. Da indes ava durch llesychius gesichert wird, so
möchte vielmehr in der Antistrophe ivl de Tiovfp zu schreiben sein,
wofür das inl öi ttovg) im Pal. und Harl. spricht. Auch bald nachher
543 schwanken die llss. zwischen iv und ivl,
521 : Tod [sQOv avayexi ^oavov.
12 A. Kirchhoff: Euripidis Troades.
Die befäern Hss. geben ayere ^oavoy. Darf man dies der Eraendation
zu Grunde legen, so würde die fehlende Silbe durch die leichlere
Aenderung aydyere ^oavov zu gewinnen sein.
599 ist statt iQrifAOg noUg mit Seidler das neue Wort igritionokig
zu Gunsten des Metrum gesetzt worden. So scheinbar dies sein mag,
so liegt doch das Verderbnis hier tiefer. Im vorhergehenden haben
wir in zwei Paaren von Strophen eine kunstvoll angelegte Wechsel-
klage der Andromache und Hekabe : es entspricht sich
axQ. a 573 — ^577 und ivxtöxf^, a 578 — 582,
(JT^. j5' 583 — 586 und ai/r*<Fr^. ^ 587—590.
Darauf folgen sechs der Andromache gehörende daktylische Hexameter
591 — 596. Die nachfolgenden Worte der Hekabe müfsen den Worten
der Andromache entsprechen: dafa dies jetzt nur theilweise der Fall
ist, liegt augenscheinlich an der Verderbnis unserer Hss., deren Les-
art so lautet:
Cd naxf^i^ co \ukki , TunaXeiTCOfiivav öe Sax^a^
i'vv xilog oIkxqov OQag %al i(Mv dofiov Ivd" iAo^ev^t/v.
(0 xiKv\ i^ri(ios nokig , iiaxtfQ anoXiiTCixat vftcov.
olog lakeuog ola x€ nivd-rj
daxQva X ix daxQvottv xaxakilßexai
aiiniQOtCi dofiounv. o ^ctviov d' iitikäi^exai akyitov adaxffvxog.
Die sechs von der Andromache gesungenen Hexameter bestehen mit
Ausnahme des sechsten Fufses durchweg aus Daktylen; ebenso die
beiden ersten Verse in den Worten der Hekabe. Dies kann nicht zu-
fällig sein. Daher meine ich , dafs durch Scidlers Verniuthung co r/xv ,
iffflfMTtokig fioxrjQ inokdntxat vfiäv Vs. 599 noch nicht geheilt ist,
schon deshalb weil der dritte Fufs hier ein Spondeus ist. Die beiden
nächsten Verse sind zwar rein daktylisch, aber verstämmelt, und zwar
weist alles darauf hin, dafs das Ende der Verse fehlt. Der letzte
Vers beginnt wieder mit reinen Daktylen (statt öofioiatv ist wohl ö6-
(loig zu lesen), fällt aber zn Ende aus dem Metrum, wie auch der
Sinn der letzten Worte anstöfsig ist. Die gemeinsame Quelle unserer
Hss. war in den Versen 599 — 602 lückenhaft; es fehlten die Ausgänge
• von vier Hexametern^), und man hat ergänzt, so weit der Sinn Er-
gänzungen forderte. Danach glaube ich, dafs von 599 nur folgendes
überliefert war : co Wxv' eQfjfAOTiokiafiaxeQ Man las dies
i^ficr TToiig, iiaxeq^ verwandelte (laieQ in den Nominativ ftari/p (weil
von der Mutter der Hekabe nirgends die Rede ist), ergänzte den Vers
durch ai€ok£limai vficov und corrigierte später i'ipi^fiog statt i^jücr.
Diese Erklärung der jetzt vorliegenden Corruptel kann auf keinen
Fall für zu künstlich gehalten werden. Gehen wir nun auf die vor-
ausgesetzte Ueberlieferung zurück, so möchte dieselbe vielmehr zu
deuten sein : to xixv\ Sgrifia nokiaiuix% lp[t/f^iv 6i Was am
Schlafs des Verses stand, läfst sich natürlich jetzt nicht wifsen, man
4) Dagegen fehlten Ipliig. Tanr. 630-632 die Versanfange, wor-
über gelegentlich.
A. Kirchhoff: EnripidU Troades. 13
könnte ödfiara navQog vermtithen. Der letzte Vers würde darch die
WegUrsung von aöctxQvrog das errorderliche Metrum bekommen;
allein es ist wahrscheinlieher , dafs der ganze Ausgang auch dieses
Verses von einem Interpolator herrührt. 600 würde statt %iv^ min-
destens nivd'sa erwartet werden. ^
608: ogm xa tcji/ d^stav^ (og ra (liv Ttvgyovö avto
TOT (irjöev oVrcr, ra öh öokovvt'' anuoXeöav,
K. hat Elmsleys Vermuthung to (itjdh ovta in den Text gesetzt, ich
zweifle ob mit Kecht. Man vgl. d'soig (ihv xav 6 firfdiv av bfiav x^a-
Tog TiaxaTixriaaiTO Soph. Ai. 767. ovx av nox , avögsg^ avöga ^av-
^ciaccifi^ ixL 6g (irjöev av yovaiatv fZ^' ifiaQxavei Ai. 1094 u. a.
619 sagt Rekabe:
6t yd xalaiva , Toi)T Itcbivo fiot, rcakai
TaXd-vßiog aXvty^ ov öag>€og bItcsv öccg>ig.
Fix schrieb ixav' o fiot tt., was K. aufgenommen hat, wie er sagt
^flagitante senlenlia; nusquam enim pronomina haec copulantur, quin
subiecti locum teneat alterum, alterum praedicati.' Allein tovv^
inBivo aXviy^a scheint mir in keiner Weise aurfallender als etwa das
aristophanische vvv rovr' ixety' i/XEi to Jaxiöog [lilog (Pac. 289),
und unserer Stelle ist besonders ahnlich Soph. £1. 1115: ot ^yn va-
laiva, xovx ixsiv tjörj aag)hg tcqoxhqov ^x^og, cd$ Ibixf, digKOfiai,
Andromache beginnt eine längere Auseinandersetzung mit den an
die Hekabe gerichteten Worten (629):
09 firjxeQ 09 xexoviSa , xdkliarov koyov
Sxovcavy äg aoi xigt^ftv iiißdXm gjgevL
Diese beiden Verse haben in mehr als 6iner Hinsicht etwas anffallen-
des ; die Aenderung o xixovaa xdlkiaxov yovov (nemlich den Hektor)
scheint mir die Schwierigkeiten nicht zu heben. Wozu die Erwäh-
nung des Hektor hier, wo über Leben und Sterben reflectiert wird?
Zu 650: j^ÖHv d' ctfil xgijv vixäv noatv bemerkt der Hg.: * olg
(^^ hQV'^ ^^^' P^^' ^' ^^^> ^^^^ ^^ codice scilicet legeretur a fi«
Xgiiv,* Allein wenn der Vf. des Christus patiens a fiberliefert fand,
so lag — nach seiner Metrik wenigstens — kein Grund vor, hiervon
abzuweichen. Möglich aber ist es , dafs unsere Lesart auch in seiner
Hs. vorlag und von ihm aus syntaktischen Gründen verändert wurde.
662 f.: ani7cxv6^ crtJnJv, ^r^g avdga xov itaqog
xuivousi XixxQoig aTtoßccXova^ akXov (piXet,
Diese beiden Verse stören den Zusammenhang; ich halte sie für eine
am Rand beigeschriebene und dann in den Text eingedrungene ParaU
lelstelle. Vgl. Philologus IV S. 193 f. Will man sie beibehalten,
würden sie nach Vs. 667 zu stellen sein.
687 ist von den Schiffern die Rede, die eine Zeit lang dem Stnrm
zu widerstehen suchen, endlich aber bei erfolglosem Ringen das Schiff
seinem Schicksal fiberlafsen:
iji/ d' vfcsQßttXri
TtoXvg xagax'd'elg itovxog^ ivSovxsg tvjri
nagitcav avxovg xvfidtcov ^QOfirifiaaiv.
14 A. Kirohhoff: Euripidis Troadeg.
Statt rvxy findet sieb im Christus patiens q>0Qai. Dies scheint mir za
gewählt um für erfunden gelten zu können; und bedenkt man, dafs
das Yersgesetz des Chr. pat. eine betonte penuUima zu £ude des Tri-
meters fordert, dafs also g>OQa mit dem Kanon der Byzantiner streitet,
so lafst sich unmöglich annehmen , dafs der Vf. des Chr. pat. etwas
anderes als dies (pOQa in seiner Hs. las. Wenn unsere Hss. keine
Spur davon gerettet haben, so ist dies wohl nur Zufall. Mir scheint
<poQa durchaus den Vorzug zu verdienen. Vgl. Georgius Pachym. bei
Walz Rhet. I p. 594 : ova tjSvvqd'riaav €ivxus%tlv nqoq racavrriv q>o-
Qav d'akdoctig xal xXvöeava,
698: xal ntuött vovöe Tcatdog in^Qi^eiag av
Tqola ^iyiövov ci(pilrjfi\ iv* eliKne
i% öav yevofuvoi natöeg vöregov naliv
xcctoixlönav xal nokig yivoir in.
K. nimmt an, zwischen naideg und vöuqov sei ein Vers ausgefallen:
*nempe hoc dicendum erat, Andromacham Hectoris filium in maximam
patriae otilitatem educaturam esse, ut, si forte ex ipsa Neoptolemo
progeniti filii vitrici voluntatem conciliassent, eins adiutus ope et vo-
luntate Astyanax patriae moenia instauraret. sie enim intellegitur, cur
Andromachae ex Neoptolemo flliornm mentio hie iniciatnr alias incom-
moda.' Mir schienen die erheblichsten Schwierigkeiten beseitigt,
wenn statt tv^ $1 noxB gelesen würde ^v av tcoxb, * Söhne von dir
werden vielleicht einst Troia wieder aufrichten ; dann wird Astyanax
seinem Vaterland nützen können ; zieh ihn also auf zum Frommen des
neuen Troia.' Soll Uekabe nicht hoffen dürfen, dafs die künftigen
Söhne des Neoptolemos nnd der Andromache einst um das Wieder*
erstehen ihrer mütterlichen Heimat bemüht sein werden? und dafs,
wenn das gestürzte Reich sich wieder erhebt, Astyanax sein Anrecht
auf den Thron behaupten wird?
715: orfiOA, ydficDv to^' ag xXvg> {jui^ov xaxov.
Worte der Andromache, als sie hört, man wolle den Astyanax tödten.
Dafs ydficav richtig sei, kann ich nicht glauben. Andromache hat
vorher von ihrer Treue gegen den Hektor gesprochen nnd den Tod
der Polyxena beneidenswerth gefunden im Vergleich zur Knechtschaft,
der sie selbst entgegengehe, und nun soll sie sagen: ^der Verlust
meines Kindes ist ein gröfseres Leid als die mir bevorstehende Ver-
mählung'? Dies wäre ein grober psychologischer MisgrilT, da die
Mutler durch den Mord ihres Kindes gegen dessen Mörder mit dem
bittersten Hafs nnd Abscheu erfüllt werden mufs. Vermuthlicb ist die
ursprüngliche Lesart:
otiioiy xaxav tod^ iag xXvoo fui^ov xaxov.
Derartige Steigerungen sind nicht ungewöhnlich: tmxiov xaxtiv lu
sagt Soph. Ant. 1281. xaxov xaxiov alko n^fia Aescb. Ag. 465. xa-
xcot/ xax' aXXa {jieltova Eur. Hec. 233. xorxot), g)aal^ xdxiov Psellus
ed. Boiss. p. 18. Palaeographisch erklärt sich die Verwechslung von
ydfjLcav und xaxöav sehr leicht, wenn man bedenkt dafs x und fi ein-
A. Kirchhoff: Euripidis Troadcs. 15
ander fiurserst nahe kommen, ja sich oft nicht unterscheiden lafsen;
der Lesefehler xorfuov oder ^a^dv veranlafste die Correctur ya(i€av.
TaUh>bio8 zeigt der Andromache, dafs jedes Widerstreben von
ihrer Seite fruchtlos und darum thöricht sei :
iXHg yag alariv ovdafifj • CKOTKtv 6k XQ'q '
TtoXig X* oA^coAe xorl noaig^ XQaxy 6e Cv^
reisig xe nQog yvvaixa lid^vacÖm (jUav oloi xe.
Die letzten Worte (Vs. 7*26) ^ wir sind im Stande gegen ein einzelnes
Weib zu kämpfen', enthalten eine Abgeschmacktheit: es kann von
einem ^txQvaad'ai der Griechen gegen das von aller Welt verlafsene,
hilf- lind wehrlose Weib gar nicht die Rede sein. Offenbar hat man
zu lesen: ijfitv xs ncSg yvvaCxa (laQvaad'ai fjUav olov xe; Jeder fühlt,
dafs nor dies einen vernünftigen Sinn gibt. Die Corruptel erklärt sich
aus der häufigen Verwechslung von nag und n^og^ die hier eine Ver-
änderung des fifitv olov xe in das gewöhnlichere ri(Aeig olol xe zur na-
türlichen Folge hatte.
737 ff. : ii xov ncexQog öi 6 evyiveC ancikeaevy
71 xoiciv ailoig ylvexat tfcoTY^^/a,
x6 d' ia&Xoy ov% elg aaiQOv rik^i aoc naxQog.
Die beiden ersten Verse enthalten eine Umschreibung des dritten, der
allein echt zu sein scheint. Der erste Vers mag aus Enr. Hipp. 1390:
xo 6^ evyevig 0e xmv gj^evav dmkeaev stammen , der zweite ist wört-
lich entlehnt aus Eur. Alexander nach Stobaeus Flor. 38, 20. Der Vf.
des Christus palieus hat die verdächtigen Verse schon vorgefunden
(Vs. 1615—17).
742 : ovx ^g (Sgjayiov Javatöaig xi^ovö^ ifnov.
Mit Recht hat K. die sinnwidrige Conjectur öfpctyetöv verworfen ; sein
Vorschlag ov (Sgjdyiov Iviv Javatöaig xi^ova^ i(i6v trifft in der Haupt-
sache gewis das richtige; statt Iviv möchte v&v wohl vorzuziehen
sein. Dobree vermnthete ov atpdyiov dg xi^ovace Javatdatg xinvov.
Im folgenden Vers aXV ü)g xvquwov ^Adiöog nolvCTtOQOv^ beruht
^Actdöog auf dem Pal., die übrigen Hss. haben ^Aoidxiöog: vielleicht
ist ^Aölöog zu schreiben; denn ^Aaidg scheint nur adjectivisch zu seio.
Tro. 916 '/'H^a^^ vnia%ex' ^ACidö^ EvQmnrjg ^^ o^ot;^, hat ^Aatdö^
ebenfalls nur den Pal. für sich, während die übrigen Hss. nebst Tze-
tzcs Exeg. II. p. 39, 29 ^Aalag bieten, was in 'AaCS^ zu ändern sein
möchte. Damit fällt zusammen die Beurtheilung von Ion 13j6: naöccv
6^ inth^mv^AaidS^ EvQiOTtrig <&' ognvg, wo die Aldina '/^<r/crv hat,
über die Hss. nichts bemerkt wird. Vgl. Aesch. Pers. 763: ev SvÖq^
andüTig ^Aaldog (die schlechten Hss. ^Aaidöog) firiloxQ6g>ov xuyelv.
809: TCvQog q>olvtin ßo^. Gewöhnlich liest man nvQog q>oiviiu
Tcvoa mit dem Pal. und versteht darunter das purpurrothe Lodern des
Feuers, wie (polviaöa <pX6^ bei Pindar Pyth. 1, 24 sich findet; K. hat
cpolviYA ßoa aufgenommen und durch ^ clamore bellico ' -interpretiert,
diese Anwendung von qioivi^ halte ich für unmöglich.
Zu (0 yijg oxrjfia kutÜ yrjg Sx^p Söqav %xl, wird bemerkt: W. 873
sqq. respiciunt Plutarchus mor. p. 173 et 1007, Themistios p. 196, Plo-
16 A. Kircbhoff: Euripidis Troades.
tinus p. 440/ Diese Angaben sind unrichtig. Das Citat Plut. Mor. p.
173 stammt aus Valck. zu Eur. Plioen. p. 9, der ich weirs nicht nach
welcher Ausgabe der Moralia citiert ; es war gemeint Plut. Mor. p.
381 B: aber sowohl hier als p. 1007 C und bei Themistius und Ploün
werden lediglich die Worte ndwa yccq 6i* a^ipov ßalvcDv xsXev^ov
Tiara 8U^v xa -^vifi' ayetq berücksichtigt, lieber die frühern Verse
war zu verweisen auf Sextus Empir. p. 219, 1. 666, 5. Clemens Alex.
Protr. p. 21. Justinus Martyr 1 p. 134 nebst Plut. Mor. p. 1026 C. Statt
elöivai 874 geben Sextus und Clemens slctöeiv, und 676 bat Sextus
inriv^dfiriv,
908 : TCQokov fihv ciQxdg htiuv ^ds tc5v %a%wv
IJaQlV TBKOVÖa.
Man würde an den Worten aQ%ag Iuksv i^Se tmv xaxav von der He-
kabe , die als Mutter des Paris die erste Schuld alles Unheils tragea
soll, keinen Anstofs nehmen, wenn nicht JJclqiv renovCa nachfolgte;
das doppelte rUreiv ist dagegen bedenklich, man sollte a^ag "ifi^
l^y\%i zav Kaoiäv erwarten.
917: 'Hga & vTtiö^sx Aüiad^ EvQcijctjg d'^ OQOvg
xvQavvCd^ B^Hv^ et öq>6 xglveuv Udgig,
Es ist zu verwundern dafs noch niemand , so viel ich weifs , am zwei-
ten Vers gerüttelt hat. Das Wort rvQavvig ist hier in einem Sinn ge-
braucht wie sonst wohl kaum ; es bezeichnet das Gebiet über welches
jemand herscbt: statt xvQavvlö* ?^eiv muste gesagt werden xvqawlia
ömöstvj und dafs Euripides xqIvsiv statt TtQOKQtvetv gesetzt haben
sollte, wird niemand warscheinlich finden, der an Stellen denkt wie
Iphig. Aul. 72: 6 xag ^edg kqCvcov od\ dg o (ivd-og Agyelcov ixBt^ oder
Tro. 913: ixQivB xQicaov ^svyog oöe xQiaamv ^£cov. Diesen Bedenken
entgehen wir durch Tilgung des Verses; er ist für den Sinn ganz ent-
behrlich , und Tzctzes scheint ihn nicht gekannt zu haben ; denn er
iSfst ihn aus in der Exeg. II. p. 39 IT., wo 914 — 919 citiert werden.
Jenes Citat des Tzetzes stimmt im übrigen mit den befsern Hss., mir
dafs er 919 das einzig richtige im^Qd^dfioi erhalten hat, wo unsere
Hss. vTtexÖQCifiot haben.
Nachdem Helena gezeigt hat , dafs sie ihrem Volk die Gelegen-
heit geboten habe über die Barbaren zu triumphieren, führt sie fori
(924): a^' evtvxrjaev^Ekldg; (oXofJirjv d' iyd)
BvnoQg>Ca Ttga^siöa,
So K. : d' fehlt im Pal. und wie es scheint im Vat. 909, statt Sq* hal
der Pal. a ö\ wonach man bisher las: a d' evrv^t^cv 'EHdg^ mX6~
lirfv iyci. Diese iiergebrachte Lesart halte ich für richtig, weil sie
das scharf hervorhebt worauf es hier ankömmt : ^ das Glück von Hel-
las war mein Unheil.'
931 : ^^0"' ovxl (nxQciv &e6v ix(ov avvav fiita
0 xrjöö^ äkdcxm^f m AXi\av^gw ^il^ig
ovofuxxi x^tSfpoaveip viv eXxB ntxl Ildqtv,
^ Du kannst ihn Alexander, du kannst ihn aber anch Paris nen-
nen' — in der That eine seltsame Weisheit! In welcher Absicht
A. Kirchhoff: Earipidis Troades. 17
konnte Euripides diese puerile Notiz der Helena in den Mund legfen?
Darüber wiTsen vielleicht diejenigen Auskunft zu geben, die auf jedes
Aberlieferte lola schwören und nichts für abgeschmackt genug halten,
nm es nicht gelegentlich einem antiken Dichter zuzutrauen. Andere
werden zugeben, dafs ute 9ial Tlaqiv eine unvernunflige ond plumpe
Interpolation ist. Sollen dem Paris zwei Namen gegeben werden , so
wird neben dem Namen, den er führt, der genannt werden müfsen, den
er führen sollte, d. h. der sein Wesen bezeichnet. Demnach glaube
ich mit Sicherheit behaupten zu dürfen, dafs man ehemals an der vor-
liegenden Stelle folgendes las:
6 xricö akdaxfoqj bix* AXi^avö()ov &iXBtg
6v6[iaTi TCQOiSgiioveiv viy bXx* aldCTOQa,
^Man nennt ihn Alexander, man sollte ihn nennen aXdartoQ* — dies
lafst sich verslehn. Zugleich erklärt sich, wie die abgeschmackten
Worte sTxs aal Tldqiv in den Text kamen: o r^tfJ' iXd<5x(OQ und eXx^
akdöxoQa vertrug sich nicht; man schaffte das dXdaxoga an der zwei-
ten Stelle fort. Man hatte vielmehr in den Worten 6 xthsö'* dXdöxcoQ
den Sitz des Fehlers suchen sollen, wofür 6 xrjaSs XjiaxrjQ oder etwas
ähnliches zu setzen sein wird. — Die vorliegende Stelle ist äufserst
belehrend für die Art, in welcher die allen Diorthoten die Kritik
handhabten. Ein ganz analoges Beispiel bietet Eur. Cycl. 382: insl
rcexQuiav rjfvJ' iai^X&ofiev x^ova. Dafs die Höhle des Kyklopen, von
der hier die Rede ist, nicht TttcQala x'&^v beifsen kann, liegt am
Tage. Die neuern Kritiker billigen das Musgravesche öxiyi]v. Viel-
leicht war die ehemalige Lesart inel nsxgalav rijvd' iariX^o^uv rci-
XQuv, Um das * hölzerne Holz' los zu werden, setzte man statt 7ti~
T^av ein sinnloses Wort, während die richtige Lesart sein dürfte:
inel iBTtaiav xr^vd^ icrjX&ofiev Tcixqav. Derselbe Fall liegt endlich
noch vor bei Soph. Anl. 292, wo die ursprüngliche Lesart:
otJj' vno ivym
v(Sxov Sixaicog elxov BvXoqxog g>iQStVy
zunächst durch einen Schreibfehler corrumpiert wurde in koipov di-
fuclmg bIxov evlogxog q>iQ£iv^ und diese Corruptel dann zu der
jetzigen Interpolation verleitete: X6g>ov dmalfag elxovj mg üxig-
yeiv i^L Wer hätte nach dieser Interpolation das ursprüngliche
auch nur ahnen können, wenn nicht durch ein günstiges Ungefähr uns
einige Citate gerettet wären, die uns die Leidensgeschichte dieses
Verses enthüllen? Man vgl. diese NJahrb. Bd. LXV S. 252. Zu dea
dort gegebenen Zeugnissen über die authentische Lesart nehme man
noch Schol. Aesch. Prom. 931 p. 282 Dind. : ilo^o^ 6 ctft/o xivan/ ip:oi
b TteQi xov XQdxflXov avio&sir o^ev xa2 x6 X€exaXoq>ddta iv ^Oövöceicc
xal TtaQa £<HpoiiX€i x6 vtco ^vyov (}, ivy^) vioxov svxoXcag
g>iQBiv, Statt ev%6X<ag fpiqaiv ist zu schreiben Bvkotptog tpiqBtv^
weil eben von X6(pog und dessen Compositis gehandelt wird.
935 : t/ Ol q)qoi*ovö^ . . ix öofitav S(i iönofirjv — ;
Das g>Qovovcd y i% dofiwif des Pal. hält K. mit Recht für eine Cor-
iV. JaMrb. f, PkU. «. Paed. Bd. LXX. Bß, 1. 2
18 A. Kirchlioff: Earipidis Troades.
rectur; Boihes Vorschlag g>Qovova^ Ix ö(0(iiaT<av ist unrhylhmisch : ich
vermuthe ipQOvil}0aa in ö6fA(ov,
9-40: IW«v <J' Sx^^g Sv eig Ijü' BwtQsnrj koyov.
Passender ist wolil svzQSTtijj so viel als 7r^;i^£^(K>i/. Die Verwechslung
von evTQBTttjg und svTtQiTcqg ist fast conslant. Dies hat zu einer fal-
schen Aenderung Anlafs gegeben bei Eur. Bacch. 440, wo vom Dio-
nysos erzählt wird, er habe sich willig binden lafsen: Sfuvi ve xov-
fiov iwtQenlg nQioviisvog. Hier durfte nicht evxQinlg Ttowviuvog ge-
schrieben werden, sondern es war zu lesen xovfiov evnazhg Ttotov-
(isvog * er machte mir die Arbeit leicht.'
980 : ov elatöovaa ßccQßuQoig i<5&rn».aat
%ifv0a re kccfiTtgov i^SfiuQycid'rjg <pQivag,
So der Pal., wogegen Havn. und Harl. ov ^vy Idovacc, der Vat. end-
lich blofs ov Idovca, Das Relalivum ov hat etwas auffallendes, da
das Nomen, worauf es sich beziehen würde, durch mehrere Sätze ge-
trennt ist. Die Lesarten der befsern Hss. fahren auf die Corruptel
övy* ov löovöa^ worin 6v yovv ISovöa enthalten sein wird.
Talthybios verspricht bei der Bestattung des Astyanax der He-
kabe behilflich zu sein,
mg övvxofA rifiiv xan ifiov xe nemo öov
sig ^v ^vveXd'ovx otnad^ oQ^örj nXdxipf.
Die letzten Worte (1138) erklärt man *das Schiff nach Hause an-
kern'; man hat nicht nöthig diesen geschraubten Ausdruck dem Euri-
pides beizulegen , da die besten Hss. o^fii^aei bieten , wonach oQfn^öy
nXttxriv zu schreiben ist.
1163: TtQog xatpov ^' ofitiXlncDV \ xaSfiot;^ aitd^G}. Es kann hier
nicht vom Wegführen , sondern nur vom Hinzuführen die Rede sein,
folglich ist iTTcrlo} zu schreiben. Das Wort Ka^og wird fast durch-
weg von fröhlichen Gelagen gebraucht; darum vermuthete ich früher
xofifiovg. Doch scheint xdfwvg bestätigt zu werden durch Choricius
p. 180 ed. Boiss. : nofidaovxeg aiv rifiiv xa^ov ayQiov^ wo ebenfalls
von der Trauer die Rede ist.
1171: offiot, T« ÄoU' iaTcdaiiad'^ ai x^ ifictl xgo<pal \ vnvoi t'
ixslvoi (pQOvöd fioi. Was soll vnvoi hier, wo es sich um die Pflege
und Erziehung handelt? Vermuthlich ist novoi zu verbefsern mit Do-
bree Advers. II p. 93.
1184: ov yccQ slg naXkog xvxccg 6al(imv SldaxJiv. Sollte nicht
slg %aX6v durch den stehenden Sprachgebrauch geboten sein? Vgl.
Eur. Herc. F. 728. Soph. Oed. R. 78. Plat. Symp. p. 176 E. Euthyd.
p. 275 B. Anthol. Pal. IX, 236. Ausdrücke wie slg xdXXog tv^ Xen.
Cyrop. Vin, 1, 33. xa elg xdXXog ßla> Xen. Ages. 9, 1. vxtg — slg
TuiXXog iaxetEviT, El. 1073, sind davon gänzlich verschieden.
1228 : ag>€tvsig Sv ovteg ovx Sv Vfivri^Bifisv Sv
(iovöatg äoiSag dovxeg aotdoig ßgoxmv.
So die guten Hss., dagegen der Pal. vöxigav ß(^xmv^ wonach jetzt
mit der Aldina v<Sxl(fOtg gelesen wird (ähnlich Suppl. 1225: oodag
iHniQOiüi d'^asxe). Darf man aoidoig als Grandlage für die Verbefse-.
A. Kirchhoff: Euripidis Troades. 19
ruDg Dehmen, so möchte ag>^lzovg die leichteste und wahrscheinlich-
ste Aenderung sein. Der Genetiv ßgormv wäre dann mit (lovaaig zu
verbinden. Doch ist noch zu beachten, dafs Vat. und Havn. öiöovreg
statt dovTig haben, wodurch ßginav Truglich wird.
1243: di xirax^s itL^ngavai JJqianov loö' aatv. Da der Vat.
xhax'&ev 7Ci(i7tQdvai hietei ^ BO hat K. (mit Härtung) xizax'd'^ ifATt^-
9F^a)/at geschrieben ; dann würde ifiTHngdvai nothwendig sein; aber
eben darum war es wohl rathsamer das Simplex beizubehalten.
1256 bricht Hekabe in den Wehruf aus :
Ol yca xdkaiva ' rovro dr^ to koicd-iov
xai xigfia ndvxav ijörj xöiv ifimv xaxcai/.
Des Metrums wegen hat man umgestellt xcSv ificiv ijSrj xaxcov, und so
gibt K. ; könnte nicht auch ^örj verderbt sein? Vielleicht aus r^k^e.
Von Druckfehlern dürften die erheblichsten sein: evQshaA^ (statt
iVQBltao A*) in der Anmerkung zu 805 und 'ExroQog g)dov (statt 9/-
lüv) adnog 1206 im Text. Die Accentuation igscOai (statt igia^cct)
888 durfte nicht geduldet werden, auch wenn sie die Autorität der
Hss. für sich haben sollte.
Wir schliefsen mit dem Wunsch, dafs der Herausgeber die wei-
tern Früchte seiner curipideischen Studien dem philologischen Publi-
cum baldigst mittheilen möge.
Berlin. Augiist Nauck,
Plalons sämmtliche Werke. Uebersctzt von Hieronymua Müller, mit
Einleitungen begleitet von Karl Steinhart, Vierter Band. Leipiig,
F. A. Brockhaus. 1854. 775 S. gr. 8.
(S. Bd. LXVII S. 270 ff. 417 ff. LXVIII 8. 273 ff. 414 ff.)
Der vorliegende vierte Band dieses vortrefflichen Werkes be-
bandelt zunächst den Phaedros. Je anerkannter jetzt die pythago-
reischen Einflüfse sind, welche dieser Dialog zur Schau stellt, desto
berechtigter ist es, wenn Hr. Steinhart zunächst im allgemeinen
die Einwirkungen bespricht, welche Piaton von der pythagoreischen
Lehre erfahren hat (S. 3 — 9). Von ihnen setzt er die Anregung zu
einer erneuten theoretischen Beschäftigung mit der Politik obenan und
betrachtet jetzt den Politikos als die erste Frucht derselben, was aber
nicht zu der im 3n Bd. S. 622 geaufserten Ansicht stimmt, dafs
dieser Dialog einen den Pythagoreern fremden Zug zur Monarchie
verrathe, und dafs daher die in ihm hervortretende Bekanntschaft mit
dem Pythagoreismus wohl schon von Athen , von Piatons Umgang mit
dem Simmias und Kebes herstamme. Mit Recht nennt der Hr. Vf. fer-
ner das kosmische System des Philolaos; auffallend ist es aber wie-
der, wenn er für die Ansicht, dafs Piaton die Schrift desselben erst
auf seiner italischen Reise kennen gelernt zu haben scheine, sich auf
20 H. Müller u. K. Steinhart: Piatons sammtliche Werke. 4r Bd.
Böckhs Philolaos S. 19 beruft, während doch Böckh hier gerade am-
gekehrt den Ungrund dieser Tradition nachgewiesen hat. Auch darin
kann ich dem Hrn. Vf. nur beistimmen, wenn er in der pythagoreischen
Auffafsung der Seele als einer Harmonie eine Anregung zu einer tie-
fem Betrachtung der Psychologie für Piaton erblickt. Dagegen kann
ich die hier aufgestellte und S. 377 u. S. 551 Anm. 23 wiederholte
Meinung nicht billigen, dafs die Definition der Seele als einer sich
selbst bewegenden Zahl bereits eine altpythagoreische sei, schon aus
dem einfachen Grunde nicht, weil die bestimmtere Angabe, welche sie
dem Xenokrates beilegt, schon als solche der unbestimmteren, welche
den Pythagoras zu ihrem Urheber macht, vorzuziehen is(, denn ^Pytha-
goras' besagt bekanntlich, wie auch Hr. St. zugibt, nichts anderes als
die pythagoreische Schule im allgemeinen, da von ihm selbst bereits
Aristoteles nichts mehr wüste. Wenn sich aber Hr. St. auf Aristo!,
de an. I, 2 beruft, so mufs ich umgekehrt auch gegen ihn die Bemer-
kung Zellers Phil. d. Gr. 1 S. 123 Anm. 3 geltend machen: ^ob Aristo-
teles an dieser Slelle wohl eine so bestimmte Erklärung über die ewige
Bewegung der Seele übergangen hatte, um dieselbe Lehre mfihsaq^
aus einigen vereinzelten Vorstellungen als pythagoreisch zu erwei-
sen'. Es versteht sich von selbst, dafs der Hr. Vf. zn den pythago-
reischen Einflürsen auf Piaton ferner die Seelenwanderung und die
Weltseele rechnet; sehr gut ist es aber, wenn er daraufhinweist, dafs
bei den Pythagoreern ganz mit den Aussprüchen im Phaedros über-
einstimmend die mündliche Darstellung dergestalt in Ehren stand, dafs
Philolaos der erste war, welcher sich in der schriftlichen versuchte;
schwerlich ist jedoch auf Angaben aus einer Zeit, welche platonisches
and pythagoreisches wirr durcheinander mischte, wie z, B. auf die
Angabe des Porphyrios, dafs die spätem Pythagoreer ebenso wie
Piaton im Phaedros der Schrift lediglich den Werth der Erinnerung
an den mündlichen Unterricht beilegten, viel zu geben, wie dies Hr.
St. thut. Auch ist nicht zu übersehn , dafs die Bevorzugung der Rede
vor der Schrift doch viel näher schon am Sokrates selbst ihr Vorbild
hatte , daher auch schon in viel früheren Schriften vom Piaton ebenso
ausgesprochen ward, z. B. Protag. p. 329 A. Ebenso mag ich nicht
glauben, dafs Piaton bei der Eröffnung seiner Schule mehr das Muster
der Pythagoreer als das des Sokrates im Auge gehabt oder für den
Gesichtspunkt der Liebe, unter welchen er dieselbe stellte, mehr das
pythagoreische als das sokratische Zusammenleben von Lehrer und
Schülern berücksichtigt habe , um so weniger da wir ja gar nicht wi-
fsen, ob der Pythagoreismus damals noch in der alten Weise eines
geschlofsenen Bundes fortbestand. Selbst dies, dafs die philosophi«
sehe Anregung nnd Belehmng anter den gegebenen Verhältnissen die
einzig mögliche wahrhafte praktisch-politische Thätigkeit sei, brauchte
er nicht von den Pythagoreern zu lernen , da er eben dies seinen So-
krates schon im Gorgias p. 521 C aussprechen läfst, und konnte es
auch nicht einmal von ihnen lernen, da Archytas bekanntlich auch in
anderem Sinne Staatsmann war; nur das ist zuzngeben, dafs das Vor-
H. Maller u. K. Steinbart: PUlons sämmUiche Werke. 4r Bd. 21
bild eben dieses philosophischen Beherschers von Tarent ihm Hoff-
nung und Zatraaen lu der dereinstigen praktischen Ausführbarkeit
eines von Philosophen nach wahrhaften philosophischen Grundsätzen
geleiteten Staats einflöfsen konnte. Ueberhaupt darf man die ursprüng-
lichen Einwirkungen der pythagoreischen Lehre auf den Piaton nicht
überschatten, Hr. St. selbst gesteht ja zu, dafs er gerade den Mittel-
punkt derselben, die Zahlensymbolik, fürs erste noch auf sich beruhen
liefs, und dafs es wesentlich nur das mystische Element dieser Lehre
war, welches zunächst ihn anzog. Es mufs für diejenigen, welche
mit dem genauem Eindringen in dieselbe eine ganz neue Entwick-
lungsperiode Piatons beginnen, im höchsten Grade störend sein, dafs
eins der Hauptwerke dieser Periode, das Symposion, doch so gar
keine Spuren dieses bestimmten und bestimmenden Einflufses zeigt,
und so sucht denn Hr. St. S. 337 Anro. 1 auch für dies Gesprach
wenigstens im allgemeinen den Einflufs des religiösen Geistes der
pythagoreischen Lehre zu retten. Allein zu diesem Zwecke wäre erst
nachzuweisen, dafs die frühem Schriften Piatons weniger von reli-
giösem Geiste durchdrungen seien : Kef. aber vermag wenigstens nicht
abzusehen, inwiefern z. B. jene bekannte Episode im Tbeaetetos p. 172
C — 177C in dieser Beziehung irgendwie hinter dem Symposion zu-
rückstehen sollte. Jenen religiösen Geist halte Piaton doch wohl schon
längst in unvertilgbarer Weise aus den Tiefen seiner eignen Brust
und aus dem Vorbilde seines Meisters, des Sokrates, geschöpft. Hr.
St. beruft sich nun freilich an eben dieser Stelle darauf, dafs auch
anderer philosophischer Systeme im Gastmahl nirgends ausführlich
gedacht werde. Das ist allerdings richtig, aber es waltet hier doch
der erhebliche Unterschied ob, dafs von andern Systemen sich man-
che einzelne bestimmte Einwirkungen nachweisen lafsen, gerade von
dem pythagoreischen aber nicht.
S. 9 — 12 hebt der Hr. Vf. die weiteren Anknüpfungspunkte des
Phaedros hervor, welche für den Piaton im Geiste seines Volkes und
seiner Zeit lagen, nemlich die Männerliebe und die Rhetorik, welche
ebenso sehr in ihrer Ausartung von ihm bekämpft werden musten,
als sie andrerseits doch zugleich einen gesundern Keim in sich tru-
gen, dessen weitere Entwicklung anch wiederum einen positiven
Anknüpfungspunkt für seine philosophischen Bestrebungen darbot.
Dann werden S. 12 — 18 die bisherigen Auffafsungsweisen des Dialogs
entwickelt, zuletzt anch die des Ref. lieber die einzelnen Gründe,
mit welchen der Hr. Vf. die letztere bekämpft, liefse sich streiten; in
der Hauptsache dagegen mufs ich ihm Recht geben , dafs die wahr-
hafte Rhetorik dieses Gesprächs mit der philosophischen Mittheilung
identisch ist, indem nemlich, wie Hr. St. S. 20 f. genauer ausführt,
diese letztere eine doppelte Seite haben mufs, die dialektische, wel-
che sich an die in der Sache liegende Methode anschliefst, und die
rhetorische, welche diese Methode nach der besondern Eigenthüm-
licbkeit der zu belehrenden Person näher modificiert. Nur geht Hr.
St. wieder nach der andern Seite zu weit, indem er selbst S. 19 sagt,
22 H. Müller a. K. Steinhart: Piatons simmtliche Werke. 4r Bd«
dafs nicht jede — erlaubte — Begeisterung und Liebe auf Dialektik
und Philosophie gerichtet sei, trotzdem aber übersieht, dars, da jede
echte Liebe sich in begeisterten Reden äufsert, es dann ganz conse-
quent auch eine erlaubte, aber doch unphilosophische Redekunst geben
muFs. Dafs diese letztere hier aber gar nicht ausdrücklich hervortritt,
ist ein wesentlicher Fingerzeig für den eigentlichen Zweck des Dia-
logs, denn auch hinsichtlich der Liebe späht man vergebens nach
einer wifsenschafllichen Abgrenzung des Gebiets der erlaubten, aber
unphilosophischen von dem der philosophischen, wie sie erst im Sym-
posion gegeben wird. Um so weniger durfte dann aber auch Hr. St.
bei derFafsung des Grundgedankens darauf Gewicht legen, dafs nicht
jede Liebe der letztern Art sei; es ist vielmehr ein Widerspruch,
wenn er doch zugleich bemerkt, dafs die Liebe hier nur in ihrer Be-
ziehung auf Dialektik und Rhetorik betrachtet werde (S. 19); denn
was heifst dies anders, als dafs nur die philosophische Liebe hier we-
sentlich in Betracht komme? Im Phaedros handelt es sich mithin we-
sentlich nur noch erst darum, die volle Kluft des Gegensatzes gegen
die gemeine Liebe zu begreifen. Wenn die Kluft durch Mittelstufen
ausgefüllt wird, wenn auch von sonstigen * einzelnen Arten und For-
men der Begeisterung und Liebe' die Rede ist, so hat man dies doch
theils nur als vorläufige Andeutungen zu nehmen, theils könnte ja
ohne Eintheilung und Induction, mithin ohne die Berücksichtigung
jener Arten nicht einmal die vorläufige Anschauung der philosophi-
schen Liebe gewonnen werden, wie sie uns im Phaedros entgegen-
tritt; denn dafs auch von ihr ein wirklicher Begriff sich nicht findet,
bemerkt Hr. St. mit Recht. Erst jetzt glaube ich K. Fr. Hermanns Be-
merkung (Gesch. u. Syst. der plat. Phil. 1 S. 522) richtig verstanden
zu haben , dafs der Phaedros die Trennung von geistiger und sinnli-
cher Liebe schroffer festhalte als das Symposion , und ich hätte hie-
gegen nicht in meinem Prodromus S. 82 aus dem Grunde, dafs das
körperlich und das geistig schöne im Phaedros gar nicht recht aus-
einander gehalten würden, polemisieren, vielmehr dessen eingedenk
sein sollen, dafs die abstracto theoretische Trennung der Gegen-
sätze stets eine praktische und f actische Vermischung und Ver«
mengung zur Folge hat. So gebe ich denn Hrn. St. zwar darin Recht,
dafs weder in der Liebe noch in der Dialektik noch endlich in der
Rhetorik der Mittelpunkt des Dialogs zu suchen ist, sehe aber nicht
ein, warum nicht in der Wechselwirkung von allen dreien, sehe fer-
ner nicht ein, inwieweit die philosophische Liebe etwas anderes sein
sollte als der philosophische Trieb , sofern man ihn nur im echt pla-
tonischen Sinne fafst , nicht blofs als den Trieb zu eigner Erkenntnis,
welcher erst hinterher zur Mitlheilung drängt, sondern als den unmit-
telbaren Drang nach geistiger Gemeinschaft uud Miltheilung, kraft
deren man sich seines eignen geistigen Inhalts erst bcwust wird, mit-
hin selbst erst zur Erkenntnis gelangt, durch welche dann erst der
Trieb selbst veredelt, aus einem unbewusten zu einem bewnsten erho-
ben, von den endlichen weg unmittelbar auf das ewige gerichtet wird.
U. Müller Q. K. Steinbart: Piatons sämmtliche Werke. 4r Bd. 2S
Und auch das müfsen wir behaupten, dafs in diesem Processe wenig-
stens der empirische Ausgangspunkt eben dieser noch unbewuste
Trieb ist. In der That geht denn auch Hr. St. in seiner eignen Dar-
siellang des Grundgedankens S. 20 — 24 wesentlich selbst auf diesen
von ihm verworfenen Pfaden; denn was ist das höhere, frei schöpfe-
rische Leben der Seele, in dessen Gegensatz gegen das am endlichen
klebende, ideenlose Treiben er diesen Grundgedanken findet, wohl
anders, als der so eben von uns angedeutete Entwicklungsprocess?
Nur das müfsen wir als einen erheblichen Fortschritt dabei anerken-
nen , dafs er noch um einen Schritt weiter zurückgeht und diesem Pro-
eess in der Ewigkeit und Praeexistenz der einzelnen Seelen und damit
in der ava}ivtj6tg seine breitere Basis anweist.
S. 25 — 52 folgt dann eine ausführliche Erörterung über die Stelle
des Phaedros in der Reihe der platonischen Dialoge. Was nun dabei
Eunächst die völlige Werthlosigkeit der Angaben des Alterthums be-
trifft, welche ihn zu dem frühesten der platonischen Werke machen,
80 bedurfte dieselbe kaum noch eines Nachweises. Andrerseits ist
aber auch durchaus nicht abzusehen, warum die entgegenstehende
Angabe Ciceros ein gröfseres Gewicht haben, ja durchaus zuverlöfsig
sein soll (S. 28), woher Hr. St. schliefst, dafs gerade er ^gewis aus
guten Quellen schöpfte' (S. 25). Warum sollten ihm denn gerade
befsere Quellen zu Gebote gestanden haben als dem vortrefflichen und
besonnenen Panaetios, welcher die erstere Ansicht theill? Panaetios
ist älter als Cicero, und wenn sich daher wirklich eine beglaubigte
Uebcrliefernng über diesen Gegenstand bis in diese Zeiten hinein ver-
pflanzt hätte, so würde sie in der That eher bei dem frühern als bei
dem spatern zu suchen sein. Von diesen äufsern Zeugnissen wendet
sich dann der Hr. Vf. zu den dem Werke eingepflanzten historischen
Spuren, mit andern Worten zu der Art, wie des Lysias und Isokrates
gedacht wird, und weist recht glücklich nach, dafs sich auch hieraus
durchaus kein sicheres Resultat gewinnen läfst. Ref. hat zwar bereits
dasselbe Ergebnis ausgesprochen, gesteht indessen mit Vergnügen,
dafs die von ihm in dieser Hinsicht noch festgehaltenen Anstöfse ge-
gen die spatere Abfafsung des Werks nnnmehr völlig beseitigt sind^).
Auch mit dem, was Hr. St. hierauf gegen die aus der Darstellungsform
hergenommenen inneren Gründe für die Jugendlichkeit desselben be-
merkt, kann ich im ganzen übereinstimmen. Der Abstand zwischen
der bei aller Fülle des Inhalts so einfachen und doch so durchgebil-
deten Form des Phaedros und zwischen der überschwellenden Form
in den Jugendwerken, gegen welche die verhältnismafsige Dürftigkeit
des Inhalts nm so greller absticht, läfst sich nicht hinwegdenten. Zu
erwägen wäre indessen doch wohl gewesen, ob andrerseits wiederum
der Unterschied, der in eben dieser Beziehung ebenso unleugbar den
*) Auf die Nichtberücksichtigung der Techne des Lysias hatte ich
nicht mit Krische Gewicht legen sollen, da die Existenz derselben über-
haupt höchst iweifelhaft ist, s. Spengel Artium scriptores p. 135 f.
24 H. Mailer o. K. Steiubart: Piatons s&mmllicbe Werke. 4r Bd.
Phaedros dem Gastmahl und Phaedon gegenüberatelU , sich darch die
Verschiedenheit des Zweckes wirklich genügend erklärt. Oder sollte
in der That die ruhige Sättigung, mit welcher sich Form und Inhalt
in den beiden letztern Gesprächen gegenseitig durchdringen, nicht
einen merklich andern Eindruck hervorrnfen als hier der begeisterte,
aberquellende Strom der Gedanken, welcher gerade entgegengesetzt
wie in den Jugendwerken durch die Knappheit der Anordnung so zu
sagen gewaltsam in seinem Bette zurückgehalten wird? Dies führt
denn von selbst auf das gegenseitige Verhältnis der dialektischen und
der mythischen Darstellung. Man kann — unter den selbstverständli-
chen Einschränkungen — recht wohl zugeben, dafs *die Dialoge, wel-
che Mythen enthalten, einer spätem Zeit angehören, in welcher Piaton
den Sokrates nicht mehr mit historischer Treue, sondern idealisierend
darstellt' (S. 39), aber man würde sich sehr täuschen, wenn man aus
dem letztern Grunde die mythische Darstellung erklären wollte. Es
ist dies vielmehr ein rein faclisches, keineswegs ursächliches Zusam-
mentreffen, wie einfach daraus hervorgeht, dafs anerkannt frühere
Werke, z. B. der Menon und Gorgias, Mythen enthalten, anerkannt
spätere, wie der Theaetctos, Sophist, Parmenides, nicht. Dafs in den
Mythen eine höhere Weisheil zu suchen wäre, widerlegt sich schon
biedurch, und von dem Kanon des Hrn. St. S. 40, dafs der Mythos das
ewige an sich, die Dialektik dagegen die Idee nur in ihrer Erschei-
nnng umfafse, lehrt eine unbefangene Betrachtung das gerade Gegen-
theil. Ich kann mich im allgemeinen in dieser Hinsicht auf die Beweis-
führuug von Deuschle (die plat. Sprachphil. S. 38 — 44) und auf die
Modification, welche ich in diesen NJahrb. Bd. LXVIII S. 597 f. seiner
Regel gegeben habe, zurückbeziehen; auch Böckh (Untersuchnngen
über das kosmische System des Piaton S. 16 f.) äufsert sich gelegent-
lich ganz entsprechend. Hinsichtlich des Phaedros selbst genügt aber
schon die Thatsache, dafs hier die Erörterung über das Wesen und
die Ewigkeit der Seele als solche p. 245 C — E, wenn auch schon
gefärbt durch die mythische Umgebung, so doch weit strenger in be-
grifflicher Form als alles folgende, vorgetragen wird. Im geraden
Gegensatz dazu erscheinen dann vielmehr die Entwicklungsphasen,
welche die Seele auch selbst in ihrer Praeexistenz durchzumachen hat,
also gerade nicht das Ansichsein , sondern das nnaufgelöste werdende
Sein als Bestandtheil des Mythos, und nur weil die Ideen hier blofs
im Znsammenhang mit diesem Processe betrachtet werden, treten auch
sie hier nur mythisch auf. Dazu kommt aber noch Piatons eigne aus-
drückliche Erklärung p. 346 A, auf welche ich nicht ermüden werde
alle diejenigen, welche des Hrn. Vf. Ansicht theilen, hinzuweisen.
Freilich mufs man aber diese Stelle auch richtig erklären. Wenn man
mit Hrn. Müller u. a. iöia hier durch ^Begriff' übersetzt, hört freilich
aller Zusammenhang auf, denn der Begriff der Seele ist ja eben im
vorigen als agx^ Kivtl0£(og bereits abgethan. Es heifst vielmehr ein-
fach * Gestalt', lieber diese Gestalt nun an sich zu reden, sagt Pia-
ton , dasa bedürfe es einer langen und göttlichen, gleichnisweise über
H. Malier a. K. SleioharC Piatons sämmtiiche Werke. 4r Bd. 25
sie EU spreclien, dagegen nur einer iKürzern und menscliiichen Un-
iersuchiing. Dafs hier von dem Gegensatz der göttlichen und der
menschlichen Erkenntnisweise nicht die Rede sein kann, ist klar, denn
die göttliche Erkenntnis ist, wie man aus dem ^Schauen der Ideen'
im Mythos sieht, keine Mange', sondern vielmehr eine sehr kurze,
mit ^inem Schlag erfolgende, mit andern Worten keine discursive^
sondern eine intuitive. Deutlich werden hier vielmehr die dialektische
und die mythische Darstellung einander entgegengesetzt und jene aus-
drQcklich als die göttliche, d. h. als die vorzüglichere gepriesen.
Dars man in den Mythen, so sehr man ihre künstlerische VortrefTlich-
keit bewundern mag, doch, rein philosophisch betrachtet, nicht mi(
Um. St. einen Vorzug, sondern lediglich einen Mangel des platoni-
schen Standpunktes erkennen kann, scheint mir klar zu sein, schon
weil ich nicht glauben kann , dafs die ganze nachfolgende Philosophie
vom Aristoteles ab sich in einem fortwährenden Irthum befunden
habe, indem sie die Mythen verbannte. Damit ist natürlich nicht aus>
geschlofsen, dafs diese Darstellung nicht in dem System des Piaton
selbst, rein für sich und in sich betrachtet, durchaus consequent und
nothwendig sein sollte, s. Deuschle a. a. 0. So aber hat auch Krische
trotz des Hrn. Vf. Widerspruch vollständig Recht darin, die frühere
und die spätere Form derselben zu unterscheiden. Wo sie nemlich in
denjenigen Werken sich findet, welche noch erst mit der vollständigen
Gestaltung der Ideenlehre beschäftigt sind , da liefert sie für diese
Gewinnung nur erst das empirische Material; wo dagegen in denjeni>
gen Werken, welche von der Idee aus die Endlichkeit construieren,
da ist aller der menschlichen Erkenntnis zugängliche feste Seinsgehalt
aus ihr bereits herausgezogen, und sie umfafsl nur noch diejenigen
Elemente des Werdens und der Erscheinung, welche der menschliche
Verstand, beschränkt wie er ist, nicht mehr anf ihr volles Wesen zu
reducieren vermag, daher hier nur noch Vermuthung und keine Ge-
wisheit besteht. So namentlich im Timaeos. Es fragt sich daher nur
noch, welcher von beiden Fällen hier Platz greift. An der obigen
Stelle nun sagt Piaton, dafs ihm der dialektische Weg zu Mang' sei
für den Zweck dieser Schrift, und eben deshalb schlägt er den my>
thischen ein. Kann es wohl deutlicher gesagt sein, dafs die Dia-
lektik oder Ideenlehre hier noch nicht ihre Vollendung hat? Hiezu
nun habe ich die Parallelstelle p. 265 B — D herangezogen (Prodr. S.
81), und der verehrte Vf. wird mir die Bemerkung erlauben, dafs er
dies zwar anführt, in der That aber auf diesen hochwichtigen Punkt
keineswegs naher eingegangen ist. Freilich hätte auch ich nicht mit
Krische (wie noch NJahrb. Bd. LXVIII S. 592 von mir geschehen ist)
von ^dialektischer Ungeübtheit' reden sollen, wodurch die Sache
allerdings in ein schiefes und unrichtiges Licht tritt.
Dafs nun hieraus noch nichts ganz sicheres für die Abfafsungszeit
fol^c, gestehe ich gern zu. Geltend machen mufs ich indessen doch,
dafs nach der eben gegebenen Erörterung die mythische Gestalt einer
Lehre bei Platoa nothwendig immer die frühere ist, früher wenigstens
26 H. Mauer q. K. Steinhart: PUtons summtliche Werke. 4r Bd.
als die ausgeprägte wirsenschafiliche BrscheinuDg derselben. Dies
Verhältnis findet nun aber ganz auf die Ideenlehre im Phaedros und
im Parmenides seine Anwendung. Nirgends erscheint hier, wie doch
im ersten Theile des Parmenides, der Ausdruck Bldog oder iSia in
seiner streng technischen Bedeutung, und dies ist mindestens ein star-
kes Anzeichen gegen die spatere Abfafsung des Phaedros.
Die eigentliche Entscheidung kann freilich erst der wifsenschaft-
liche Inhalt bringen. Auch in dieser Hinsicht enthalten die Erörte-
rungen des Hrn. Vf., soweit es sich um den Gegensatz gegen die
Werke der ersten Periode handelt, entschieden das richtige. Nur dar-
über kann ich mich nicht mit ihm einverstanden erklären, wenn er
den übrigen Sokratikern einzig eine Verbildung, allein dem Piaton
dagegen eine Weiterbildung der Sokratik zuschreibt. Dies ist frei-
lich ein ziemlich allgemeiner und verjährter Irthum, indessen, wie mir
scheint, schon durch K. Fr. Hermann genügend widerlegt. Aristip-
pos, Antisthenes, Eukleides, meint Hr. St. S. 46, hatten bereits in
anderen Sehnten eine andere Bildung empfangen, bevor sie zum So-
krates kamen. Und war denn dies etwa nicht auch beim Piaton der
Fall? Wifsen wir nicht wenigstens sicher von seinem Lehrer Kratylos
dem Herakleiteer? Der Gegensatz gegen die andern Sokratiker be-
stand nur darin, dafs er sich zu dieser bereits empfangenen Bildung
anders als sie verhielt, worüber Phaed. p. 96 IT. Aufschlüfse gibt.
Was dagegen das Verhältnis zu den vorzugsweise so genannten
dialektischen Dialogen anlangt, so hatte ich hervorgehoben, dafs im
Phaedros p. 260 C die Ideen unbeweglich (ar^e(iTJ) heifsen , während
schon im Sophisten p. 248 E die Ideenwelt zugleich als ruheud und
als bewegt erscheint und ebenso im Phaedon neben dem ruhenden Sein
derselben doch zugleich eine Idee des Lebens, mithin auch der Bewe-
gung auftritt. Dieser Gegensatz ist wohl klar genug, und um so we-
niger begreife ich es , wenn mir Hr. St. S. 52 gerade die zur Erhär-
tung desselben von mir gebrauchte Stelle des Sophisten ohne weiteres
zu meiner Widerlegung entgegenhält. ^ Schon im Sophisten ' meint
er * hatte ja Piaton das Doppelwesen der Ideen klar erkannt und in
ihnen zugleich das Princip der Ruhe und Bewegung gefunden\ Nun,
um so mehr sollte ich denken , wenn er sie im Phaedros noch für un-
beweglich ansieht, dafs der Phaedros früher abgefafst sein mufs als
der Sophist. Ebenso wenig verstehe ich , was Hr. St. damit beweisen
will, wenn er gegen mich geltend macht, was ich nie geleugnet habe,
dafs das ruhende Sein der Ideen im Phaedon wenigstens mit ebenso
grofser Eutschiedenheit hervortrete wie im Phaedros. Alles was ich
behauptet habe ist vielmehr nur dies , dafs eben jenes ruhende Sein im
Phaedon und Sophisten so gefafst wird, dafs es die Bewegung ein-,
im Phaedros aber so, dafs es sie ausschliefst, und dies hat der Hr.
Vf. auch nicht einmal versucht zn widerlegen. Oder bedeutet ax^enij
vielleicht gar nicht ^unbeweglich', sondern nur ^unveränderlich', wie
llr. Müller übersetzt? Ja wenn nur nicht die Schilderung der Ideeo-
lehre auch im vorliegenden Dialog Irolz der mythischen Färbung auf
H. Mailer o. K. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. 4r B^. 27
die eleatische ovala basiert wäre und nicht Parmenides Vs. 59 (Kar-
sten) gerade eben denselben Ausdruck gebrauchte, entschieden, um
nicht blors die Unverdnderlichkeit, sondern auch die Unbeweglichkeit
seines einen Seins zu bezeichnen ! Indessen habe ich auf diese , wie
mir scheint, ziemlich entscheidende Analogie nicht einmal Gewicht
gelegt, vielmehr zur Bestätigung die Kehrseite herbeigezogen, nem-
lich die verschiedenartige Stellung, welche die Seele im Phaedros
und welche sie im Phaedon einnimmt. Dort ist sie, so bemerkte ich,
in ursprünglicher Weise Princip des Lebens (aQxii Mvrjaecag)^ hier
kommt dies der ausgebildeten Ideenlehre gemäfs ursprünglich der
Idee des Lebens und nur abgeleiteterweise der Seele als deren Trä-
gerin zu. Dort ist also der Standpunkt dualistisch; wir haben dort
ein Princip der Ruhe, die Ideen, und ein Princip der Bewegung, die
Seelen; hier ist er durchaus monistisch. Darin liegt es nun schon
selbstverstfindlich , dars die Einzelseele im Phaedon nicht Idee, son-
dern Erscheinung ihrer Idee, der Idee der Seele ist; überdem aber
habe ich dies auch ausdrücklich gegen Ritter nachzuweisen gesucht
(Prodr. S. 16 f.); wenn daher Hr. St. S. 56 f. eben dies gegen mich
geltend macht, so ist dies wiederum eine (istcißaaLg elg aXlo yivoq.
Der Hr. Vf. findet nun freilich S. 80 sogar darin einen Fortschritt ge-
gen den Sophisten, dafs dort die Idee selbst als unmittelbares Princip
der Bewegung erscheint, während hier im Phaedros die Seele an ihre
Stelle tritt. Allein dies würde nur dann der Fall sein, wenn dabei
die Abhängigkeit der Seele von der Idee des Lebens und der Bewe-
gnng ans Licht träte; so aber, wie die Sache jetzt liegt, könnte gar
kein eclatanterer Rückschritt gedacht werden, da im Sophisten bereits
erkannt ist, dafs Leben, Seele und Bewegung nicht blofs in der Er-
scheinung, sondern auch schon in ihrem idealen Grunde eins sind.
Schon Zeller (Phil. d. Gr. II S. 267) und Rettig (über Piatons Phae-
don S. 31) haben ganz richtig bemerkt, dafs der Schlufsbeweis für
die Unsterblichkeit im Phaedon ganz derselbe sei wie der Beweis im
Phaedros, nur aber in dem eben vorgetragenen Sinne dem veränderten
Standpunkte gemäfs modificiert. Ja bereits Schleiermacher II, 3 S. 19
hat das richtige getroffen, indem er meint, Piaton habe den Beweis
des Phaedros im Phaedon ^bei Seite gestellt und gleichsam verleugnet,
weil er sich nun gescheut die Seele Urgrund oder Gott, welcher der
wahre Urgrund ist, Seele zu nennen'. Und noch mehr, der Vf. selbst
erkennt S. 82 an, dafs unser Philosoph im Phaedros noch eigentlich
nicht darüber hinausgekommen sei, Gott mit der Weltseele zu identi-
ficieren. Nun wird er aber doch gewis nicht leugnen wollen, dafs
dies dem ausgebildeten platonischen Standpunkte zuwider ist, mag
man den platonischen Gott für eins mit der höchsten Idee oder auch
von ihr noch für verschieden halten. Ueber diese Verwechslung Got-
tes mit der Wcltseele ist nun Piaton, selbst wenn man die Stellen
Soph. p. 248 E, Parmen. p. 134 C (vgl. Zeller a. a. 0. II S. 310. 313)
nicht für entscheidend halten wollte, obgleich sie mir dies zu sein
scheinen, doch wenigstens sichtbarlich im Politikos bereits hinaus, in
28 H. Maller u. K. Sleinhart: Piatons sämmUiche Werke. 4r Bd.
dessen Mythos ja die eigne Bewegung der Welt — wenn auch nach
der richtigen Erklärung nur beziehungsweise — der von Gott gewirk-
ten entgegengesetzt wird. Wenn aber Hr. St. behauptet (S. 79), dafs
im Phaedros zuerst die Weltseele auftrete, so ist dies von seinem
Standpunkte aus unrichtig, denn Polit. p. 269 D wird die Welt bereits
als vernunftbegabt (fcSov ov xal (pQOvtjaiv eikrjxog)^ mithin doch wohl
als beseelt (wie dies auch Stall bäum z. d. St. anerkennt) beschrie-
ben. Ja was noch mehr ist, im Phaedros findet sich keine einzige
Stelle, in welcher überhaupt diese Vorstellung schon so entwickelt
hervorträte wie hier, wozu doch wenigstens p. 290 der Anlafs nicht
gefehlt hätte; vielmehr findet sie sich eben hier noch in demselben
unentwickelten Zustande, wie wir sie im Kratylos p. 400. 413 verlie-
fsen (NJahrb. Bd. LXVII S. 435). Aus allen diesen Stellen kann man
übrigens auch den Beweis schöpfen, dafs diese Lehre nur secundär
aus pythagoreischer Quelle geflofsen ist und sich zunächst vielmehr
an den anaxagoreischen vovg anschlofs, in welchem gleichfalls Theis-
mus und Pautheismus noch keineswegs scharf auseinander treten. Aber
auch das kann ich nur sehr bedingt zugeben, dafs nach S. 52 der
Phaedon den Phaedros dahin ergänzen soll , dafs in dem letztern vor-
zugsweise die Praeexistenz der Seele gelehrt, in dem erstem daher
die Postexistenz nachgeholt werde. Denn der Beweis des Phaedros
ist geradezu auf die unendliche Dauer der Seele gerichtet, mithin auf
ihre Endlosigkeit so gut wie ihre Anfangslosigkeit, nur dafs allerdings
das letztere Moment dem Zwecke des Dialogs gemäfs schärfer hervor-
gehoben wird. Im Phaedon dagegen bleibt es durchaus problematisch,
ob Piaton die Praeexistenz auch nur zu einer vollständigen Anfangs-
losigkeit ausdehnen will, während nach der andern Seite hin die Un-
vergänglichkeit stehen bleibt; auch hier scheint er fast in der Sicher-
heit seiner Ansprüche für sie bescheidener geworden zu sein. Daher
ist denn auch der Einwurf des Simmias im Phaedon p. 77 B, dafs die
Praeexistenz noch nicht die Unsterblichkeit beweise, keineswegs, wie
der Hr. Vf. will, eine Rückdeutung auf den Phaedros, sondern eher
umgekehrt ein Zeugnis für die Modiflcation des Standpunktes.
Endlich sucht Hr. St. auch die Differenz vergebens hinwegzu-
leugnen, dafs im Phaedros alle drei Theile, im Phaedon nur der ver-
nünftige Theil der Seele unsterblich ist, denn sonst könnte im letz-
tern Dialog nicht gerade die Einfachheit der Seele zum Beweis die-
nen. Nach unserm modernen Standpunkte würde nun allerdings die
blofse Unsterblichkeit des Geistes als eine unpersönliche gelten mü-
fsen; allein dafs ich dies auch für Piatons Ansicht gehalten hätte, diese
Meinung hat mir Hr. St. S. 456 f. nur durch eine Verwechslung des
platonischen Standpunktes mit dem modernen untergeschoben. Auf
dem erstem sind ganz consequent auch die reinen Geister Erscheinun-
gen der Idee des vovg^ und da kein Erscheinungsding dem andei^n
vollständig gleich ist, so sind sie auch in dieser ihrer Reinheit doch
schon bereits individuell. Hätte ich die Fortdauer im piaionischen
Sinne nicht für eine bewuste gehalten ^ so würde ich ja offenbar aoch
(t. Malier 0. K. Steiiihart: Piatons sammtliche Werke. 4r Bd. 29
die ivcciivriCig nicht so buchstäblich auf^efafst haben , als ich es ent-
schieden gethan, s. m. Prodr. S. 2 u. 19 Anm. 44. Auch habe ich
bereits an der letztern Stelle die jetzt von Hrn. St. S. 51. 82 wieder
holte Ansicht Kitters für gar nicht unwahrscheinlich erklärt, dafs Pia-
ton das rein körperlose Leben der Menschenseele nur als ein unerreich-
bares Ideal ansieht. Ebenso wenig aber wie die Unsterblichkeit des
jedesmaligen einzelnen Körpers, folgt daraus auch die der beiden nie-
deren Scclenthcile, die ja recht wohl dem Geiste jedesmal mit dem
neuen Körper zugleich angebildet werden können, und ausdrücklich
bezeichnet sie ja Piaton im Timaeos p. 69 C, 72 D als sterblich. Da
nun dies also entschieden Piatons späterer Standpunkt in dieser Frage
ist, so wüste ich nicht, warum wir denselben nicht auch im Phaedon
bereits annehmen sollten, wo doch die Einfachheit der unsterblichen
Seele ungekünstelt nur hiemit übereinstimmt. Läfst sich überhaupt,
was ich nicht schlechthin von der HaYid weisen will, durch die Auf-
lösung der mythischen Form der Einklang der Lehre des Phaedros mit
der des Phaedon herstellen, so mufs dies wenigstens in ganz anderer
Weise geschehen. Nur so viel mufs ich allerdings jetzt Hm. St. S.
171 f. Anm. 93 zugeben, dafs die Stelle im Staatsmann p. d09 €, in
welcher ich nach dem Vorgange von Brandis griech.-röm. Phil. 11, 1
S. 406 Anm. s und Zeller a. a. 0. II S. 271 Anm. 1 bereits denselben
Gegensatz eines unsterblichen und eines sterblichen Seelentheils wie-
derfand, allenfalls auch so gedeutet werden kann, wie Hr. St. will,
dafs man nemlich tijg ^v%fjg als epexegetischen Genetiv fafst (= den
göttlichen Theil von ihnen, nemlich die Seele), erwarte aber noch
erst den Beweis dafür, dafs sie so gedeutet werden mufs. Ich finde
vielmehr die hergebrachte Erklärung viel einfacher und natürlicher,
nur dafs man dann unter dem ^ayoysvig überhaupt das sterbliche im
Menschen, also auch den Körper mit eingeschlofsen, zu verstehen hat.
Wir musten im vorhergehenden schon vielfach tiefer in den Ab-
schnitt eingehen, in welchem der Hr. Vf. von dem philosophischen
Fortschritt des Phaedros über die früheren Gespräche hinaus handelt
(S. 78 — 92), und wollen daher jetzt gleich auch die übrigen Punkte
vorwegnehmen, mit denen wir in demselben nicht Übereinstimmen
können. In dem Gegensatze des Raumes oberhalb und innerhalb des
Himmels finden wir einfach den der Ideen- und der Erscheinungswelt
verbildlicht, und wenn gesagt wird, dafs der erstere nur den vovg
zum Beschauer habe, so darf man daraus nicht ohne weiteres mit Hrn.
St. S. 80 f. folgern, dafs sich Piaton mithin den vovg im Gegensatz
gegen die Seele anbewegt gedacht habe; wäre er sich dieser Con-
Sequenz bereits bewust gewesen, so würde er sie auch wohl deut-
licher ausgesprochen haben. Der Gegensatz ferner, welchen der Hr.
Vf. S. 81 hinsichtlich des gegenseitigen Verhältnisses der Ideen- und
Erscheinungswelt in diesem Dialog gegen den Sophisten und Parme-
nides findet, dürfte sich bei näherer Betrachtung in blofsen Schein
auflösen. Hr. St. selbst war auf dem richtigen Wege, wenn er von
der ^dichterischen Einkleidung' spricht, ^ die- das stets verbundene
30 H. Malier q. K. Steinhart: Platons sämmtliche Werke. 4r Bd.
raumlicb trennt'. Es gehört zu Zellers bedeutendsten Verdiensten
nachgewiesen zu haben, dafs von Idee und Erscheinung als zwei ne-
beneinander bestehenden Welten bei Piaton nicht die Rede sein kann,
dafs das sie trennende nur ein firj ov ist. Dafs nun aber Piaton trotz-
dem an andern und wohl an den meisten Stellen sich genöthigt sieht,
diese Trennung und diesen Gegensatz hervorzuheben und so das an-
gebliche firj ov zu einer sehr realen Macht zu erheben, ist keine wei-
tere Entwicklung bei ihm , sondern nur der unlösbare Widerspruch
seines Standpunktes. Auch macht Hr. St. hier wiederum einen zwei-
deutigen Unterschied zwischen den urbildlichen Ideen und den Gat-
tungsbegriffen. Waren die Ideen wirklich etwas anderes als die sub-
stanziierten Begriffe, so müste uns der Hr. Vf. wenigstens zeigen,
wie sich beide voneinander unterscheiden und positiv zueinander ver-
halten.
Wenden wir uns jetzt schlierslich zur Analyse des Dialogs selbst,
S. 52 — 77, so wird zunächst die Bedeutung der beiden Personen, das
gemeinsame, welches beide als begeisterte miteinander haben, und
doch dabei der sich in ihnen darstellende Gegensatz des selbständigen
Denkers und des unselbständigen Enthusiasten vortrefflich geschildert
S. 52—57. Recht fein ist die Bemerkung S. 57 — 59, dafs überall, wo
Piaton den getadelten Richtungen andere befsere entgegenstellt, diese
letztern durch Athener oder doch in Athen eingebürgerte Männer ver-
treten werden. Ebenso wenig wüste ich gegen die Motivierung des
gewählten Schauplatzes und Zeitabschnittes etwas einzuwenden S. 59
— 61. Nicht so ganz einverstanden dagegen sind wir mit den Bemer-
kungen über die Einkleidungsform des Gesprächs S. 61. Es dünkt uns
vielmehr an sich immer als das natürlichere , dafs ein Gespräch unmit-
telbar dargestellt und nicht erst nacherzählt wird, und Piaton selbst
scheint im Eingange des Theaetetos dies anzudeuten. Dann aber be-
darf es dafür, wenn diese Form festgehalten wird, gar keiner wei-
teren Erklärung, sondern nur, wenn Pia ton von ihr abweicht, müfsen
in jedem einzelnen Falle die besondern Gründe hiefür aufgesucht wer-
den. Dafs dagegen diese Abweichung immer dann eintrete, wenn von
einer sei es wirklichen oder erdichteten Begebenheit aus dem Leben
des Sokrates ausgegangen wird, dürfte sich nicht mit Hrn. St. be-
haupten lafsen; denn wann wäre dies wohl nicht der Fall? oder, wenn
diese allgemeine Erwägung nicht überzeugt, so widerlegt sich doch
diese Behauptung durch den Euthyphron. Die Gliederung des Dialogs
in zwei Hauptabschnitte und jedes derselben wieder in drei Theile
war nicht zu verfehlen; ihr gegenseitiges Verhältnis hat Hr. St. ge-
bührend gewürdigt. Nur möchten wir zum Zweck einer vollständigen
Genauigkeit noch hinzufügen , dafs der zweite Hauptabschnitt eigent-
lich zunächst nur in zwei Theile zerfällt, von welchen der erste die
Rede, der zweite die Schrift behandelt, dafs dann aber der erstere
wieder in zwei Unterabtheilungen sich spaltet, von denen die eine die
dialektische, die andere die psychologische Seite hervorhebt, wah-
rend bei der Schrift eine gleiche Berücksichtigung dieser beiden Sei-
H. Maller u. K. Steinhart: Ptatons sfimmtliche Werke. 4r Bd. 31
iea unmöglich ist; denn dies gerade ist der Mangel der Schrift, dafs
b^i ihr das psychologische Moment nicht zu seinem vollen Recht
kommt.
Was wir aber an dieser Analyse vor allem tadeln müfsen, ist die
allzu skizzenhafte Behandlung. Oder wenn diese vielleicht durch den
beschränkten Raum geboten war, so halte Hr. St. wenigstens einzelne
Punkte durch reichlichere Anmerkungen befser ins Licht stellen sol-
len. Z. B. S. 172 Anm. 98 heifst es, kein aufmerksamer Leser würde
das Märchen von den Cicaden für zwecklos und überflüfsig halten.
Mag sein, aber selbst der aufmerksamste Leser würde es Hrn. St. ge-
dankt haben, wenn er ihm den Zweck dieses Mythos auch wirklich
zu erklären versucht hätte, denn die flüchtigen Andeutungen S. 67
genügen doch wohl kaum. Ebenso wäre doch erst zu untersuchen
gewesen, ob die Unklarheiten und Widersprüche, welche der grofse
Mythos der dritten Liebesrede enthält, nicht vom Piaton beabsichtigt
seien und ihrem bestimmten Zwecke dienen. Und wo eine solche Er-
klärung versucht wird , gelingt sie nicht immer. So wird z. B. S. 8S
mit Unrecht daran Anstofs genommen, dafs p. 248 A f. mit öinemmale
beide Rofse des Seelengespannes ungehorsam erscheinen; denn es ist
dabei übersehen , dafs hier auch von einer Schlechtigkeit der Wagen-
lenker die Rede ist. Schon deshalb ist die von Hr. St. gegebene Er-
klärung nicht die richtige, sondern es soll die Unvollkommenheit al-
ler Seelentheile bei den Menschen den Göttern gegenüber auch selbst
in der Praeexistenz und wiederum die Verschiedenheit der Menschen-
seelen voneinander in dieser Beziehung und gleichfalls auch schon in
diesem Zustande geltend gemacht werden ; die ganze Abweichung ist
also nur eine scheinbare. Dagegen ist eine andere Stelle p. 256 C
übersehen, wo gleichfalls beide Rofse zügellos heifsen, wo aber diese
scheinbare Abweichung sich ebenso leicht beseitigen läfst; denn wo
keine völlige Herschaft der Vernunft über die Sinnlichkeit staltfindet,
da artet auch das edlere Rofs aus. Auf S. 173 Anm. 105 aber liegt
jedesfalls in dem Citat p. 254 ein Irthum, sei es ein Schreib- oder
Druckfehler *), Anzuerkennen, dafs überhaupt solche Widersprüche
schon deshalb nöthig sind, damit man nicht alles einzelne im Mythos
für haare Münze annehme, daran hinderte den Hrn. Vf. seine unrich-
tige Ansicht über den Charakter der mythischen Darstellung, und so
hat er denn auch in der That, so wenig er den beigemischten Scherz
verkennt, manches für haare Münze genommen, was Piaton gar nicht
dafür ausgeben will, so z. B. die neunfache Abstufung der Lebens-
loose in allen ihren Einzelheiten. Ja Hr. St. glaubt S. 84 in der That,
dafs die echten Dichter mit den Philosophen auf ^ine Linie gestellt
werden sollen, oder S. 65, dafs die vier Gattungen des Wahnsinns
wirklich eine wifsenschaftliche Einlheilung abgäben, obwohl doch
Piaton hier (p. 244 f.) schon durch die eingeflochtenen abenteuerlichen
*) Ein anderer Druckfehler steht S. 75 Z. 13 v. u. ^Leidenschaft-
lichen' statt ^Leidenschaftslosen*.
32 H. Mailer u. K. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. 4r Bd.
Etymologien auf das Gegentheil hindeutet. Vielmehr, wie Sokrates
seine erste Rede von Dichtern herleitet, so mufs es ganz ähnlich er-
klärt werden, wenn er die zweite dem Stesichoros zuschreibt, nem-
lieh wenn auch nicht mehr der Standpunkt, so ist doch die DarsteU
lungsform noch immer eine unwiTsenschaftliche, und gewis ist es nicht
die richtige Deutung, wenn Hr. St. S. 54 meint, dafs Sokrates sie
nicht mehr ^wie die frühere Rede aus fremden Quellen herleitet, son-
dern sie dem begeisternden Einflufso des Pan und der Nymphen zu-
schreibt'. Denn dies gilt p. 263 D gar nicht blofs von der zweiten,
sondern auch von der ersten Rede, vgl. überdies p. 241 £; zudem
steckt in p. 263 D wohl ebenso gut wie in p. 244 A ein etymologi-
scher Scherz ; die ursprüngliche Identität der Musen und Nymphen
endlich (St. S. 172 Anm. 96) könnte nur dann ins Gewicht fallen, wenn
sie von Piaton selbst irgendwie angedeutet wäre. Wenn übrigens im
Anfange des Mythos nach der Vergleichung der Seele mit einem Flu-
geigespann die Schilderung der Flügel und ihrer Wirksamkeit folgt,
so kann ich dies nicht mit Hrn. St. S. 173 f. Anm. 113 ein Verlafsen
des Bildes nennen.
Nicht zugeben kann ich endlich, dafs auch die erste sokratische
Rede sich schon in einem höhern Gedankenkreise als die des Lysiaa
bewegen soll (S. 64); es treten vielmehr nur die Gedanken derselben
Situation klarer hervor. So mufs doch wahrlich auch schon für die
lysianische Rede vorausgesetzt werden , dafs der Bittsteller nur schlau
die Miene eines nichtliebenden annimmt, wenn das ganze einen Sinn
haben soll, und diesen Sinn enthält eben der kurze erzählende Prolog
der ersten sokratischen Rede p. 237 B. Es ist auch nicht richtig, dafs
hier die Berechtigung der Liebe ausdrücklich anerkannt werde. Im
Gegentheil, Liebe heifst hier lediglich die verwerfliche, unverständige
Begierde nach dem schönen; eine angeblich erlaubte Begierde nach
demselben hat aber der nichtliebende des lysianischen Vortrags ebenso
gut, denn er begehrt ja des Knaben. Nur in ^inem Sinn ist die Schil-
derung wesentlich im Geiste des Sokrates selbst, sofern er nemlich
auch so Charakteristik und Tadel des leidenschaftlich-sinnlichen Lieb-
habers aussprechen kann.
Sehr gefreut hat es mich, dafs meine Forschungen über des Gast-
mahl bei dem Hrn. Vf. eine so warme Anerkennung gefunden haben,
und ich kann ihm meinerseits wieder d i e nicht versagen , dafs er zn
den Aufhellungen, welche diesem unvergleichlichen Kunstwerk neuer-
dings von so vielen Seiten zu Theil wurden , doch noch eine nicht un-
beträchtliche Nachlese gehallen hat. Nur mufs ich trotzdem erinnern,
dafs Hr. St. mich nicht ganz richtig versteht, wenn er mir S. 205 die
Ansicht unterlegt, dafs der Gegensatz der fünf ersten Reden gegen
die beiden letzten hauptsächlich der der prunkenden Theorie gegen
die praktische Weisheit sei, und mich daher belehrt, dafs doch der
Standpunkt der fünf ersten Redner nur der der gewöhnlichen Lebens-
ansicht und nicht der tiefer eindringenden Theorie sei. Denn dies
letztere habe ich so wenig verkannt, dafs ich vielmehr ausdrücklich
H. Müller u. K. Steinhart: Piatons sfimmtliche Werke. 4r Bd. 3«3
Prodr. S. 59 ausspreche, wie die fünf Eingangsreden, nach ihrer nega<
tiven Seite gegen die sokratische betrachtet, ^den Contrast zwischen
dem gemeinen, sophistisch gebildeten und dem philosophischen Be-
wustsein' herausheben. Was ich über jenen andern Gegensalz zwischen
einseitiger Theorie und allseitiger Praxis erinnert habe, bezieht sich
vielmehr gar nicht auf die Rede des Sokratcs, sondern allein auf die
des Alkibiades. Ich wiederhole zur Verständigung hierüber meine
eignen Worte S. 60: die Urheber (jener fünf ersten Beden) musten
als Theoretiker auftreten , während ihnen gegenüber das ganze Leben
des Sokrates (durch Alkibiades) geschildert wurde. ^Sie musten als
Theoretiker auftreten' sagt aber doch w ahrlich nicht, dafs ich sie damit
auch schon zu philosophischen Theoretikern gemacht hätte. Dafs
im Eros Theorie und Praxis sich verschmelzen, habe ich dabei ebenso
wenig, wie Hr. St. glaubt, übersehen, vielmehr gleichfalls ausdrücklich
gesagt S. 58. Im Gegeniheil , gerade hierauf fufste ich , denn was ich
geltend machen wollte, war eben dies, dafs gerade deshalb bei den
fünf ersten Rednern ^ in ihrer Auffafsung der Liebe — auch praktisch
— diejenige Liebe sich charakterisiert, welche sie leitet' (S. ö8),
während beim Sokrates vielmehr beide Momente in die beiden Schlufs-
reden auseinander treten. TcufTel hob zuerst die praktische Seite der
fünf Eingangsvorträge, nur zu einseitig, hervor; dagegen freue ich
mich bei M. Lindemann: de prima quae in convivio Platonico legitur
orationc (Dresden 1853) S. 35 — 41 völlige Uebercinstimmung und
genauere Durchführung dieser Ansicht gefunden zu haben. Gerade bei
Hrn. St. dagegen scheint dieser wichtige Punkt nicht zu seinem vollen
Rechte zu kommen. Nun könnte man freilich einwenden, dafs noth-
wendig aber auch Sokrates in seiner Rede sich selbst charakterisiere,
und dies wäre auch durchaus zutreffend, wenn er nicht dieselbe zum
grofsen Theile nicht im eignen Namen, sondern in dem der Diotima
vortrüge. Dies alles wirkt denn auch bei dem Hrn. Vf. S. 192 auf eine
nicht ganz richtige Auffafsung der von mir aufgestellten Grundidee
zurück, obwohl ich gern zugebe, dafs ich mich hier hätte bestimmter
ausdrücken sollen. Wie weit ich davon entfernt bin, die Charakte-
ristik zur Hauptsache machen zu wollen, geht aus dem eben erörter-
ten hervor; ich finde auch keineswegs, wie Hr. St. annimmt, in der
Rede des Alkibiades, sondern in der des Sokrates den Mittelpunkt des
ganzen, wie ausdrücklich S. 59 im ersten Absätze zu lesen steht. Was
ich S. 63 von Sokrates als praktischem Ideal des philosophischen
Wirkens sage, bezieht sich wiederum nur auf die Schlufsrede, wie
Hr. St. wohl schon daraus, dafs ich hinzufüge ^wenn auch nur in
bedingter Weise', hätte entnehmen können; ausdrücklich setze ich ja
auch noch bei, man dürfe auf diese Schilderung des Sokrates nicht
einseitig das Hauptgewicht legen, und nur insofern man eben dies
von der Auffafsung Schiciermachers abzieht, fand ich in ihr viel halt-
bares. Wenn ich im Dialog die Darstellung des Philosophen nach
allen seinen praktischen Entwicklungsmomenten finde, so suche ich
diese in dem Abschnitt vor allen, welcher in den Erörterungen der
r/. Jahrb. f. Phü, u. Paed, Bd. LXX. Hft. 1. 3
34 H. Malier u. K. Steinhart: Plalons »fiminUiche Werke. 4r Bd.
Dioiima selbst den Höhenpunkl ansmacht, von p. 209 E ab, also in der
wiTsenschaftlichen Entwicklung^, nicht in der künstlerischen Charak-
terzeichuung. Wenn ich diese Entwicklungsmomente die praktischen
nenne, so glaube ich damit im guten Recht zu sein, um hiedurch die
Bedeutung davon hervorzuheben, wenn der Philosoph hier nicht als
rein theoretischer, nur für sich und in sich sinnender und forschender
Dialektiker, sondern vielmehr als ein an das praktisch und empirisch
gegebene anknüpfender Erotiker erscheint, nur dafs eben dabei auch
seine eigne innere dialektische Erkenntnis so wenig zu kurz kommt,
dafs sie vielmehr als das endliche Ziel dieses ganzen Processes sich
geltend macht. Und in der That gerade wenn man , wie auch Hr. St.
thut, die sokratische Rede zum Mittelpunkte erhebt, so mnfs dies noch
gar viel mehr von demjenigen Theile derselben gelten, in welchem sie
selbst culminiert, und dann mufs man auch wirklich Ernst aus der
Sache machen und von hier aus alles zu begreifen suchen, d. h. man
mufs zngeben, dafs die Darstellung der philosophischen Liebe
und ihres Entwicklungsgangs den eigentlichen letzten Zweck des Dia-
logs ausmacht, und dafs nur deshalb trotzdem das ganze Gebiet der
Liebe überhaupt und aller ihrer Arten und Formen beschrieben wird,
weil die philosophische nicht blofs ohne die Unterordnung anter den
allgemeineren Oberbegriff, sondern auch ohne die Vergleichung und
Beziehung mit den übrigen Arten gar nicht in ihrer vollen eigenthOm-
lieben Bedeutung erkannt werden kann.
So glaube ich, dafs die von mir ausgesprochene AufCiifsongs-
weise, richtig verstanden, die beiden Klippen, vor welchen Hr. St.
warnt, in der That bereits vermieden, dafs sie weder die küustleri-
sehe Charakteristik noch auch das begriffliche Element des Dialogs
einseitig hervorgehoben hat. Ich fehlte nur darin, dafs ich ^inen
wichtigen Punkt nicht heraustreten liefs, welchen Hr. St. S. 197 ff.
richtiger andeutet, aber bei seiner unrichtigen Auffafsung des platoni-
schen Mythos überhaupt auch hier in ein schiefes Licht stellen muste.
Nemlieh streng begrifflich ist die ganze Behandlungsweise keineswegs,
sondern eine mythische Auffafsung zieht sich durch das gesammte
Werk hindurch, wenn dieselbe auch immerhin nur zweimal sich zo
einem vollständigen Mythos ausprägt. Eine andere Betrachtungsweise
der Liebe ist auch in der That dem Piaion unmöglich , um in der my^
ibischen Sprache des Dialogs zu reden, weil Eros nicht ein Gott, son-
dern ein Daemon ist, d. h. nicht dem Gebiete des reinen, sondern nur
des aus dem Werden sich emporarbeitenden Seins angehört. Daher
wird denn auch gerade der engere Begriff der Liebe als des Zeugungs-
triebos in schönen nicht mehr methodisch entwickelt, sondern im
Prophetentone von der Diotima dogmatisch vorgetragen. Man sieht
hier noeh einen weitern, bisher unbeachteten Grund für die Einfflh*
rang dieser weisen Mantineerin; nicht blofs weil der Inhalt ihrer
Worte aber den Standpunkt des Sokrates hinausgeht, sondern auch
weil die Form derselben hinter ihm zurückbleibt, wird Diotima noth-
wendig für den Dialog. Nur so erkliri sich die aasdrücfeliche, wenn
H. Mfiller a. K. Steinfaart: Piatons sämmtliche Werke. 4r Bd. 35
auch leichte Ironie, mit welcher von ihr p. 208 C gesprochen wird.
Es war allerdings eine Thorheil von mir, ihrem Mythos eine Ansnahme-
Stellung unter den platonischen Mythen anweisen zu wollen (Prodr. S.
51 f. 81). Aus dem allen folgt nun aher keineswegs, was Hr. St. ver-
langt, dafs auch wir uns bei der Angabe des Grundgedankens der
mythischen Bezeichnung bedienen mQsten, denn dann dürften wir auch
überhaupt den Inhalt der platonischen Mythen selbst nur in mythi-
scher Sprache angeben, d. h. wir mUsten auf jede Erklärung dersel-
ben verzichten. Es ist ein Glück, dafs Hr. St. selbst an andern Stellen
diese Selbstverleugnung nicht ausgeübt hat, denn sonst waren die
platonischen Studien um manchen tüchtigen Fortschritt armer. Eben
deshalb befriedigt uns der hier von ihm S. 198 aufgestellte Grundge-
danke nicht (^die Darstellung des Eros als Vermittlers zwischen gött-
lichem und menschlichem, zwischen Idee und Erscheinung und als
Ausspenders unsterbliches Lebens'). Bei der Uebersicht über die frü-
heren Auffafsungen des Dialogs ist übrigens nur von der zweiten Aus-
gabe Stallbaums Gebrauch gemacht worden , wahrend er doch in der
dritten seine frühere Ansicht fast geradezu auf den Kopf gestellt hat,
s. NJahrb. Bd. LXVIH S. 593*).
Nach dieser Uebersicht (S. 191 — 205) bespricht Hr. St. zunächst
die Einkleidungsform, wobei es namentlich gut ist, dafs er dieselbe
mit der sehr verwandten des Parmenides vergleicht, Aehnlichkciten
und Verschiedenheiten beleuchtend, sodann aber besonders die Be-
deutung des Wiedererzählers Apollodoros gründlicher, als es bisher
geschehen ist, entwickelt (S. 205 — 209) **), endlich Scene und Cha-
rakter des ganzen Gesprächs vortrefflich darlegt (S. 209 — 213). Dann
werden die vorbereitende Handlung und die Zwischenhandlungen und
bei dieser Gelegenheit auch die Persönlichkeit des Aristodemos näher
besprochen (S. 213 — 217) und dasjenige gut entwickelt, was hiebei
darauf hinausläuft, statt des Agathon den Sokrates, statt des Dichters
den Philosophen zum eigentlichen Helden des Tages zu machen; nur
hätte das kurze Zwischengesprach zwischen Sokrates und Agathon
vor der Rede des letztern noch etwas bestimmter hierauf bezogen und
der Widerspruch hervorgehoben werden sollen, dafs der Tragiker
sich eigentlich für weit klüger hält als den grofsen Haufen und doch
auf seine Erfolge vor dem Urtheil desselben stolz ist. Was aber die
Auslafsung mancher bei diesem Gastmahl gehaltener Reden (S. 217 f.)
betrifft, so hat Hr. St. mit Uebergehung der von mir a. a. 0. S. 62
entwickelten äufsern Haltpnnkte einen sehr beachtenswerthen innem
Grund angegeben, weshalb diese Auslafsung gerade hinter des Phaedros
Rede stattfindet: diese ^muste als allen gemeinsame Einleitung allen
♦) Auch die gegen Stallbanm gerichtete Anm. 40 (S. 342 f.) war
nach d«ni, was derselbe jetzt in der 3n Ausg. lu p. 183 D seibat be-
merkt, äberflärsig.
**) Leider roufa ich mich hier wieder über ein ungenaues Referat
meiner Ansicht beklagen, da nur S. 34 meines Prodrorous, nicht aber
S. 61 f. berScksichtigt ist.
3*
36 H. Müller u. K. Steinhart: Piatons sfimmtliche Werke. 4r Bd.
voraufgelien ; vom Pausanias an aber wächst die Bedeutung der ein-
zelnen Reden so sehr, dafs das unbedeutende und gehaltlose dort
nirgends mehr eine Stelle fand.' Aristodemos aber hatte eigentlich
unmittelbar vor Agathon reden müfsen; daTs dies nicht geschieht, folgt
allerdings aus den Worten des Dialogs an dieser Stelle deutlich; aber
dafs dies ein kleiner Widerspruch ist, hätte Hr. St. zugeben und nicht
versuchen sollen ihn wcgzuerklären. Piaton konnte ihn nicht vermei-
den, denn da Aristodemos sputer als die andern bereits gelagerten
Gaste (mit Ausnahme des Sokrates) kommt und der ganzen vorberei-
tenden Handlung wegen kommen muste, so blieb für ihn kein anderer
Platz als am Schlnfs der Reihe übrig. Von der weiteren Gruppierung
der sechs ersten Reden in drei Paare (S. 218 f.) vermag ich schon
aus dem Grunde nicht viel zu halten, weil ich nicht zugeben kann,
dafs der Standpunkt des Eryximachos und Aristophanes ein einseitig
physischer wäre; ich brauche dies um so weniger zu widerlegen, als
die spatere Entwicklung des Hrn. Vf. selbst nicht damit übereinstimmt,
auch das nöthige gegen diese Annahme schon früher von TeufTel und
mir bemerkt worden ist. Einen befsern Grund hat die von Schwegler
nur zu einseitig hervorgehobene und auch von Hrn. St. angenommene
Einschliefsung der Reden des Pausanias, Eryximachos und Aristophanes
in die des Phaedros und des Agathon , bei denen die Form den Inhalt
überwiegt und eine bestimmt ausgeprägte Anschauung des Eros nicht
hervortritt, wie des Kernes in die Schale. Gefragt hätte wohl noch
werden können, warum Phaedros gerade den Eros als Redethema und
warum er dies nicht selbst aufstellt, sondern durch Eryximachos auf-
stellen läfst, worüber ich im Philologus VIII S. 157 ff. gehandelt
habe.
Bei der Betrachtung der Rede des Phaedros S. 219—222 hätte
wohl noch auf manche einzelne, namentlich von Lindemann a. a. 0.
hervorgehobene Punkte etwas näher eingegangen werden können. Neu
und gut ist in der Schilderung der Rede des Pausanias S. 222 — ^227
die Bemerkung, dafs dieser durch die freilich verkehrt gewendete
Annahme eines mittlem zwischen gutem und bösem den Eingang des
sokratischeu Vortrags vorbereitet; richtig ist ebenso der Gegensatz
gegen Phaedros, dafs jenem die Tapferkeit, dem Pausanias dagegen
die Klugheit die Haupttugend sei. Dagegen scheint es mir nicht be-
gründet, wegen einiger hingeworfener Aeufserungen den Pausanias
als Politiker dem Ethiker Phaedros gegenüberzustellen. Der erstere
hat doch ebenso wenig wie der letztere die Wohlfahrt des Staatsgan-
zen als wirkliches Ziel der Liebe im Auge, sondern beide zeigen nur,
dafs das was die einzelnen verbindet, ohne dafs diese selbst dabei
eine politische Rücksicht verfolgen, doch auch dem Staatsganzen zu
gute kommt, und nur darin geht Pausanias weiter, dafs er darstellt,
wie auch umgekehrt das verschiedene politische Leben der Völker aaf
die verschiedene Gestaltung der Liebesverhältnisse bei ihnen einwirkt.
Ethik and Politik stehen bei Phaedros nur in einer fiufsern , bei Pan-
sanias wenigstens nach der 6inen Seite hin in einem inoern Verhältnis.
H. Maller a. K. Steinhart: Piatons sämmlliche Werke. 4r Bd. 37
Zu viel ist es behauptet, dafs die BegriCTsdiremptionen des Redners
der synonymischen Kunst des Prodikos unwQrdig sein sollten, denn
ob diese wirklich feiner war, dies zu beurtheilen fehlt es uns an hin-
länglichen authentischen Quellen; im Gegentheil, dafs mit der Rede
nicht auf den Prodikos gezielt wird , wird mir umgekehrt gerade da-
durch glaublich, dafs nicht viel lächerlichere Dinge aufgetischt wer-
den, denn ohne solche kommen Prodikos und Genofsen niemals beim
Piaton weg.
Dem Eryximachos widerfahrt S. 227 — 233 fast zu viel Ehre;
Hr. St. vergifst die Eitelkeit und Pedanterie hervorzuheben, welche
ja Piaton deutlich genug an ihm zeichnet, und so fein die Bemerkung
ist, dafs die Correctur des Herakleitos p. 187 A ganz im Geiste des
Piaton sei, so ist sie bei alle dem formell ganz in demselben hochfah-
renden Tone vorgebracht wie der Tadel des Phaedros gegen den Ae- '
schylos, und beide interpretieren überdies nach der beliebten, schon
im Protagoras von Piaton getadelten Manier in den citierten Schrift-
steller hinein , was ihnen gerade passt. Der Sache nach aber stimmt
diese Modification des heraklaitischen Standpunktes allerdings mit dem
Hauptresultate des platonischen Parmenides überein, ^dafs nemlich
Gegensätze nur durch Vermittlung des Werdens ineinander übergehen
können, dafs also ein Moment gedacht werden müfse, in welchem
beide Seiten des Gegensatzes gleichsam gegeneinander neutral ge-
worden sind.' Mitten im Kampf der Gegensätze tritt auch immer ein
Moment seines Aufhörens ein, und dieser Moment ist eben der der
Harmonie. Wie und wo freilich Hr, St. diesen Satz auch im Sophisten
finden will, begreife ich nicht. Ebenso richtig ist es, dafs Eryxima-
chos den krankhaften Eros dem Pausanias gegenüber nicht als ur-
sprünglichen Gegensatz betrachtet, sondern als Ausartung beseitigt;
aber Hr. St. hätte zugeben müfsen, dafs dies keineswegs gründlich
und ohne Widerspruch geschieht, vgl. p. 187 E. Der Redner bat sich
eben zu sehr im unbestimmten verloren, um durch die bestimmte Un-
terscheidung des sinnlichen vom krankhaften, durch welche hier allein
geholfen werden konnte, sich zu helfen. Es ist richtig, was Hr. St.
S. 344 Anm. 43 sagt, es bereite gerade diese Stelle die Betrachtung
der nothwendigen sinnlichen Freuden im Philebos vor; bestimmter
aber hätte in Bezug auf das Gastmahl selbst gezeigt werden sollen,
wie gerade hier Sokrates Rede eingreift, indem sie durch die Auf-
stellung des Zengungstriebes als des eigenthümlichcn Begriffs für die
Liebe den Vortheil gewinnt, unmittelbar diejenige sinnliche Liebe,
welche unter diesen Begriff fällt, als berechtigt aufzunehmen, alle an-
dern aber stillschweigend als unter dem von Eryximachos gegebenen
Merkmal des krankhaflen stehend abzuweisen. Hervorgehoben muste
ferner werden , wie dies gerade durch den Aristophanes noch näher
vorbereitet wird, indem dieser mit seiner Spaltung der Menschen
ebenso sehr auf die Geschlechtsdifferenz als anf die geistige UnvolU
kommenheit jedes einzelnen Individuums hinweist.
Die Besprechung seiner Rede S. 233 — 238 bietet nichts erheblich
88 U. Müller u. K. Steinbart. Platons sfimmtUche Werke. 4r Bd.
neues ; aus der des Agathon aber (S. 238 — 241) heben wir die gute
Bemerkung heraus, dafs dieselbe von dem noch sehr sinnlich gefärb-
ten Standpunkte des Aristophanes zu dem des Sokrates durch die
Beziehung, welche sie dem £ros auf die Kunst und überhaupt da»
schöne gebe , hinüberleitet. Allein weit fruchtbarer hätte diese Bemer-
kung noch werden können, wenn der Vf. auch die Versicherung, dafa
die Liebe nicht in den Körpern, sondern in den Seelen wohne, und die
Polemik gegen das hohe Alter, welches Phaedros dem Eros zuschreibt,
hiemit zusammengebracht hätte. Es führt nemlich dies letztere den
Agathon offenbar auf den Gegensatz zwischen den alten und den jun-
gen Göttern (Titanen und Olympiern), und indem er behauptet, unter
jenen habe die Naturnothwendigkeit geherscht, unter diesen aber
hersche Eros, so ist damit erst die Ausscheidung des kosmischen Eros,
von welchem jene Behauptung des Phaedros und die Erörterungen lies
Eryximachos ausgiengen , vollzogen und die Liebe auch dem Aristo-
phanes gegenüber erst vollständig von dem physischen auf das psy-
chische und ethische Gebiet zurückgeführt. Denn allerdings hat auch
Aristophanes beide Gebiete noch nicht jrein voneinander geschieden,
indem er die geschlechtliche und die geistig individuelle Beschränkt-
heit durch allzu sehr miteinander verwandle Symbole ausdrückt. Des-
halb möchte ich nun aber seinen Standpunkt keineswegs mit Hrn. Sl.
S. 241 den anthropologisch-physiologischen nennen, sondern es heifsl
dies die Hülse mit dem Kerne verwechseln; der letztere ist durchauB
ethischer Natur. Umgekehrt passt, wie sich jetzt aus dem eben be-
merkten gezeigt hat, für die Rede des Phaedros die Bezeichnung des
moralischen Gesichtspunktes nicht, sein Gesichtspunkt ist vielmehr so
unentwickelt, dafs er den kosmischen Eros noch gar nicht als solchen
hervortreten läfst und ihn daher auch noch nicht ausgeschieden hat.
Wozu überhaupt diese technischen Bezeichnungsweisen der verschie-
denen Standpunkte, die sich doch immer nur durch Beschränkungen
und nähere Erläuterungen aufrecht erhalten lafsen and durch die daher
nichts gewonnen wird?
Neben einer schicklichen Zusammenstellung der von früheren
entwickelten Gründe für die Einführung der Diotima gibt der Hr. Vf.
S. 242 f. noch den richtigen Gesichtspunkt, dafs auf diese Weise der
dialogische Charakter für die Rede de» Sokrates festgehalten wird.
Wenn er aber S. 244 behauptet, dafs Piaton nie Personen, die er mil
Namen nennt, ßngiere, so scheint er nicht an den Pamphylier Er im
lOn B. der Republik gedacht zu haben, an welchen doch bereits Her-
mann zu diesem Zweck erinnerte. Ebenso ist es durchaus ein Irthum,
dafs diese Rede in streng dialektischem , lückenlosem, kein Mittelglied
überspringendem Fortschritt sich bewege. Wozu dann der Mythos?
Und wer wird wohl behaupten wollen, dafs von dem weitern Liebesbe-
griffe der Uebergaug zu dem engem streng wifsenschaftlich vermittelt,
und nicht vielmehr zugeben müfsen, dafs die Einerleiheit der Liebe
mit dem Zeugungstriebe blofs behauptet und nicht bewiesen ist? Gegen
das, was sonst über diese Rede gesagt wird (S. 244—256), haben wir
U. Müller u. K. S(einh«rt: Piatoos sämoitlichc Werke. 4r Bd. 39
wenig zu erinnern. Die Dreitheilung derselben wäre doch wohl nicht
ganz logisch; es sind wenigstens zunächst nur zwei Thcile: l) Wesen
und 2) Gegenstände, Wirkungen des Eros. Will man dann den zwei*
ten Abschnitt wieder in die unphilosophische und die philosophische
Sphaere zerlegen, so Ififst sich das hören. Dafs Melis als die Mutter
des Betriebs (Porös) nicht die himmlische Weisheit sein könne, sondern
nur die praktische Klugheit (S. 248), davon hat Hr. St. den Ref. nicht
überzeugt. Es kommt doch wohl alles darauf an, worauf der Betrieb
gerichtet ist, und da dies hier nach des Hrn. Vf. eigner Bemerkung
das schöne, in letzter Instanz das urschöne, die Liebe zum urschönen
aber bereits die Philosophie selbst ist (S. 253), wie sollte denn da die
Grofsmutter des Eros und die Mutter des Porös etwas anderes sein kön*
nen als das Ideal der Philosophie, d. h. die göttliche Intelligenz, die
Idee der Erkenntnis? Schärfer als bisher irgendwo habe ich dagegen den
Unterschied zwischen den beiden Arten der Liebe S. 248 hervorgehoben
gefunden. Die Liebe im unbestimmtem Sinne wünscht das schöne nur
KU besitzen, die eigentlichere Liebe dagegen vermittelst desselben
etwas neues hervorzubringen. Spater, sagt der Hr. Vf., würden beide
Arten zu einer höhern Einheit verbunden. Das ist ganz gut, erwie>
dem wir, wenn er nur auch das wo und wie genauer angegeben hatte.
Denn das S. 2ö4 f. bemerkte genügt nicht, sondern bestimmter rouste
gezeigt werden, wie die Ausschliefsung der Liebe zur Weisheit aus
dem engem Liebesbegriffe p. 205 D nur eine vorläuüge und schein-
bare ist, weil sich vielmehr gerade diese Liebe zur Weisheit in der
des urschönen als das letzte Ziel wiederßndet. Dadurch erhellt erst
die eigentliche Bedeutung des Abschniltes p. 202 E IT. , in welchen
der stetige Flufs der menschlichen Erkenntnis dargestellt wird, wor-
aus sich denn das Resultat ergibt , dafs an einen eigentlich dauerndea
Besitz der Weisheit für den Menschen nicht zu denken ist, sondern
ihm nur in der Form einer stetigen Neu- und Fortbildung derselben
in sich und andern zukommt. Der Fortschritt gegen den Phaedros in
der strengern Trennung der Seelen- von der Körperschönheit (S.
251 f.) möchte doch, wenn man die stärkere mythische Färbung da-
selbst in Anschlag bringt, mehr scheinbar als wirklich sein; das Gast-
mahl ist eher nur ein erläuternder, Misverstandnisso abwehrender
und allerdings das unentwickelte weiter fortbildender Commentar zn
dem frühem Dialog. Sehr richtig sagt Hr. St. selbst S. 264, dafs im
Phaedros das sinnliche Element der Liebe mehr hervorgehoben werden
muste, weil hier der Kampf des Geistes gegen die Sinnlichkeit schär-
fer ins Licht treten sollte. Noch mehr irrt der Hr. Vf., wenn er p.
210 B einen sichern Beleg für seine Unterscheidung der Gattungsbe-
griife von den Ideen zu finden glaubt (S. 254 u. 346 Anm. 68); to In
tXdu nctlov heifst, wie Rüge längst bemerkt hat, nichts anderes als
*das schöne der Gestalt', d. i. die Gestaltenschönheit oder die körper-
liehe Schönheit überhaupt. Hr. St. selbst wird doch wohl zugeben,
dafs man sich einen Gattungsbegriff des schönen nicht eher bilden
kann, bevor man auch die geistige Schönheit kennen gelernt hat; von
40 H. Malier u. K. Steinhart: Platons sämmtliche Werke. 4r Bd.
einem solchen kann daher hier auch noch nicht, wie der Hr. Vf. will,
die Rede sein.
Jene stärkere Hervorhebung der Seelenschönheit auch in einem
hafslichen und des Mangels derselben auch in einem schönen Körper
tritt nun nach des Hrn. Vf. richtiger Bemerkung auch im Sokrates,
wie ihn Alkibiades, und andrerseits contrastierend dagegen im Alki-
biades, wie er sich selbst darstellt, hervor (S. 257). lieber seinen
Vortrag handelt S. 256—261, über den Schlufs S. 261—263; das Ver-
hältnis zum Phaedros (S. 263 f.) hätte wohl eines weit speciellern
Eingehens bedurft; über das zum Sophisten und seiner Familie hilft
der Hr. Vf. sich gar mit der flüchtigen Bemerkung hinweg, dafs Phae-
don und Symposion unmöglich, wie Schleiermacher meinte, die Stelle
des Philosophos vertreten könnten. Gewis stehen sie aber doch des-
halb nicht beziehungslos zu den streng dialektischen Gesprächen da,
und wir hätten daher wohl gewünscht, dafs uns der Vf. wenigstens
angedeutet hätte , welche von den dort angeknüpften Fäden hier fort-
gesponnen werden. S. 264 — 266 wird endlich die Entstehungszeit
besprochen und wegen des bekannten Anachronismus in der Rede des
Aristophanes mit viel zu grofser Sicherheit das Jahr 385 angenommen;
denn weshalb nicht auch ein oder selbst einige Jahre später eine An-
spielung auf jenen ötomiöiiog von Mantinea noch den Lesern verständ-
lich oder die Sache selbst dem Piaton noch hinlänglich erinnerlich sein
konnte, um eben eine solche Anspielung hervorzurufen, vermag Ref.
wenigstens nicht abzusehen. Die Gründe aber, aus welchen Hr. Müller
S. 356 IT. Anm. 346 die ganzen in Frage kommenden Worte strei-
chen will, scheinen mir im wesentlichen durch die Gegenbemerkungen
von Hrn. St. bereits widerlegt zu sein. — Der Schlufs der Einleitung
bespricht S. 266 — 269 das Verhältnis zum Gastmahl des Xenophon im
Sinne K. Fr. Hermanns.
(Der Schlufä folgt im nächsten Heft.)
Greifswald. Fr. SusemihL
Des Q, UoraUus Flaccm Oden und Epoden. Für den Schulge-
brauch erklärt von Dr. C. W. Nuuck^ Director des Friedrich-
Wilhelms-Gymnasiums zu Königsberg i. d. N. Leipzig, Druck
und Verlag von B. G. Teubner. 1854. XVIII u. 225 S. 8.
Mit diesem Bändchen ist die Schulausgabe des Horaz, zu der
Hr. Dir. Krüger in Braunschweig vor anderthalb Jahren den zweiten
die Satiren und Episteln enthaltenden Theil lieferte (s. NJahrb. Bd.
LXVIII S. 76 IT.), abgeschlofsen , und, sprechen wir es gleich zam
Eingang aus, würdig abgeschlofsen. So wenig es sich verkennen
läfst, dafs die beiden Hrn. Herausgeber in manchen Dingen vonein-
ander abweichen, wo es der Charakter der Gedichte nicht bedingt,
C. W. Nauck: Horatius Oden und Epoden. 41
80 wenig läfst sich dem einen wie dem andern die Tüchtigkeit der
Leistungen bestreiten, und wir haben nun einer Ausgabe uns zu freuen,
durch die dem Studium dieses Lieblingsdichters der Schulen ein er-
heblicher Vorschub geleistet ist, und der wir den vollen Eingang in
dieselben von ganzem Herzen wünschen. Der wird ihr auch nicht
entstehen und die Freudigkeit, mit der Hr. N. mit einem rgsiv fi' ovx
ia IlakXag 'A^t]vri vor das Publicum hintritt, mag wohl ein günsti-
ges Vorurtheil erwecken, sowohl für das, was er hier geleistet hat,
als für den Eifer, mit dem er gestrebt hat etwas tüchtiges zu bieten.
Dafs das Unternehmen eine Schulausgabe des Horaz zu liefern ein
schwieriges ist, kann sich ja kein einsichtiger bergen, und so wird
auch bei dem regsten Eifer sich schon mancherlei vermifsen lafsen,
was die nachbefsernde Hand in einer zweiten Ausgabe, die gewis
nicht wird auf sich warten lafsen, nachzutragen hat, und worüber
der Hr. Hg. selbst gewis gern die Ansichten anderer vernimmt. Wir
wollen deshalb die Ausgabe einer etwas tiefer eingehenden Beurthei-
lung unterwerfen.
Vergleicht man zunächst die beiden sich ergfinzenden Theile des
Werkes öufserlich, so scheint es, als ob die Oden unverhältnismäfsig
stiefmütterlich ausgestattet wären ; denn bei ungefähr gleichem Um-
fang des Textes von Oden und Sermonen ist die vorliegende Aus-
gabe der erstem fast 100 Seiten , d. i. beinahe % des Umfanges , klei-
ner als jene. Aber das ist zum Theil scheinbar. Durch die äufserste
Kürze und Praecision in den Inhaltsangaben, Anmerkungen und Cita-
ten ist eine grofse Raumersparnis herbeigeführt, in den erstem viel-
leicht nicht im Interesse des Schülers. Auch in der letztgenannten
Hinsicht kann man den Hg. fast karg nennen: keine Grammatik, kein
Handbuch, kein Vorgänger findet sich citiert, auch der Kreis der an-
gezogenen Schriftsteller ist ein sehr ehger und mit Ausnahme von ein
paar griechischen Fragmenten, die als von Horaz nachgeahmt nicht
zu umgehen waren, gewis in jedes Schülers Händen. Aber wo Hr.
N. ein Citat gibt, da wirft es ein erhebliches Licht auf die Stelle und
das Nachschlagen sollte ja nicht unterbleiben. So ist hier denn nichts
überflüfsiges, keine gelehrten Excurse, alles auf Erklärung der vor-
liegenden Stelle berechnet, kurz, knapp, zu Zeiten bis zur Dunkel-
heit, Erläuterung von Seiten des Lehrers erheischend, aber scharf
und fürs Einprägen vortrefflich.
In der äufsersten Kürze bezeichnet Hr. N. in der Vorrede von
reichlich zwei Seiten seine Hauptgesichtspunkte , unter welchen er die
der Interpunction geschenkte Sorgfalt, die Bemühung das farblose der
früheren Ausgaben zu beseitigen und den Inhalt und die Gliederung
der einzelnen Gedichte nachzuweisen besonders hervorhebt. Wenn
Hr. N. meint, dafs die früheren Ausgaben statt des frischen lebendi-
gen (?) Lebens nur zu sehr die Luft der Studierstube athmeten , so
mufs man ihm Recht geben und mag ihm schon Glück wünschen zn
dem gelungenen Versuche hier neue Bahn zu brechen ; einmal über das
andere führt er durch Anführung der heimischen Dichter, Schiller,
42 C. W. Naiick: Uoratius Oden und Epodeu.
Goethe, Matthisson, A. Grün, Leoau, Freiligralh, Heine, Kopiscb,
auf das Menschenherz als des Liedes Quelle zurück. Diese Citale
werden beim Schüler reiche Frucht tragen und die Schranke nieder •
reifsen, die beim Zergliedern des Liedes sich nur zu leicht erhebt und
nur zu oft dessen Wirkung hemmt. Und die Weise wie, und die
Stelle wo Hr. N. citiert, ist eine gar wohl berechnete, z. B. 1, 1, 25:
sub lote frigido: ^der Gott für sein Element, wie bei Schiller der un-
bewölkte Zeus.' Wiegt dies Citat nicht 10 aus Vergil und Ovid auf,
indem es zeigt, was auch unsere Sprache in gleicher Weise wageo
darf, und welche Färbung der tropische Ausdruck der fremden mufs
gegeben haben? Vs. 34 tendere (pulsando): ^mittelbar und anschau-
lich für spielen. So Schiller: sie (die Hand] hat der Leier zarte Sai-
ten, doch nie des ßogens Kraft gespannt.' Mit vollem Recht betont
nach des Ref. Dafürhalten Hr. N. diese Aufgabe, das Lied wieder zu
seinem wahren Leben zu berufen, den Eindruck wieder hervorzuzau-
bern , den es auf die Zeitgenofsen machte : es ist das das erste , was
die Ausgabe zur Schulausgabe macht. Einen zweiten bis dahin viel
zu sehr vernachlafsigten Hebel bildet in dieser Beziehung die Hinwei-
sung auf das bedeutungsvolle der Namen, wodurch manche Gedichte
mit 6inem Schlag in die lebensvolle Gegenwart versetzt werden, wie
wenn er Alphius Epod. 2 ^ Piusmacher ' übersetzt und auf alq^aivm
zurückführt, Asterie Od. lU, 7 als ^Slernenmaid' fafst und aufstrah-
lende Schönheit bezieht, Galatea lU, 27 durch I.actea wiedergibt, aa
Theokrits UvKori^a itaKxäg^ Vergils candidior cycnis erinnernd, io
Tyndaris I, 17 die Helenaschönheit sucht, bei Lydia und Sybaris 1,8
hinweist, wie beide Namen auf Weichlichkeit und Wohlleben deuten,
und unzähliges andere. Scharf und fein führt er durch Vergleichung
von Hom. H. XV, 96 den Thaliarchus von einem Symposiarchen , wo-
für er nur zu oft gilt, aufsein wahres Mafs zurück, und selten thut
er darin zu viel , wie wenn er Otos und Ephialies durch ^ Eulenkopf'
und ^Alp oder Incubus' wiedergibt, da Horaz an jener Stelle III, 4,
51 diese Bedeutsamkeit der Namen gewis nicht gegenwärtig war, und
ebenso wenig will Ref. die Deutung von Leuconoi als Uhörichte Schöne'
gefallen mit Beziehung auf ktv%al (pgivsg = insipientia (freilich
nicht neu; s. Düntzer I, 174). Zu dieser Namensdeutung passt doch
der Ton des Gedichts gar nicht , das uns gar freundlich und gcmüth-
lich anspricht. Dafs sonst der Ton der Gedichte der Aufmerksamkeil
des Hrn. Hg. nicht entgangen sei , läfst sich nach dem gesagten leicht
vermuthen, und in Wahrheit ist die Andeutung des scherzhaften, hu-
moristischen, neckischen in den einzelnen Gedichten ein neues und um
80 viel gröfseres Verdienst des Hrn. N. , je weniger dies Element bis
dahin anerkannt, ja je mehr verkehrte Deutungen aus der Verkennung
desselben hervorgegangen sind. So finden wir hier III, 20 die Worte :
* durchaus humoristisch gehalten'; I, 8: *der Sehers richtet aich an
Lydia, scheint aber mehr noch auf Sybaris gemünzt'; 1, 16: * durch
das ganze Lied ist ein überlegener Humor und ein komisches Pathos
nicht lU verkennen ' ; U, 8: ^die scbmeichelbaflen Vorwürfe athnen
C. W. Nauck : Uoratius Oden und Epoden. ^ 43
Scherz und Zärtlichkeit' — vortrefflich; aber bei dieseo Andeatun-
gen hatte unserer Meinung nach Hr. N. stehen bleiben sollen. Auch
die Inhaltsangabe 11, 4 wollen wir hingehn lassen : ^ humoristische Trö-
stung eines Ancillariolus. Der Scherz culminiert in dem nescias
an des Idn Verses. Der Humor erstreckt sich bis auf das ernst feier-
liche Metrum. Von Ironie und Malignität keine Spur.^ Den Ancil-
lariolus ihm aufzumutzen, wäre vielleicht Prüderie, Hr. N. würde es
gewis dafür erklären. Es führt uns aber das Wort auf etwas anderes.
Dafs die Behandlung der erotischen Partien bei einer Schulausgabe
von einem Dichter wie Horaz eine grofse Schwierigkeit bietet, wird
sich nicht in Abrede stellen lafsen, aber mit der Losung den Scherz
ohne Prüderie anzudeuten (Vorr. S. VIII) wird man hier nicht durch-
kommen. Ref. glaubt wenig Widerspruch befürchten zu dürfen, wenn
er behauptet, dafs die erotischen Partien von Hrn. N. nicht mit dem
zarten Finger behandelt sind, den eine Schulausgabe vor allen Dingen
erheischt. Sie soll ja für unsere Jugend abgefafst sein, und da wird
man doch nicht aus den Augen lafsen dürfen, dafs unser Urtheil in
diesem Punkte von dem der Alten wesentlich verschieden ist, dafs
ihnen vielfach für eine Nudität galt, was in unsern Augen eine Unan-
ständigkeit ist, und die wird kein Lehrer seinen Schülern vorführen
wollen. Mufs er aber die Nudität behandeln , so wird e r wifsen mit
gehöriger Berücksichtigung der Persönlichkeiten am rechten Orte za
schweigen , und durch die Würde seiner Behandlung allem , was Lü-
sternheit und ähnliche Empfindungen zu wecken geeignet wäre , den
Stachel abzubrechen. Der Herausgeber wird unserer Meinung nach
hier früh ein manum de tabula sprechen müfsen. Hr. N. aber hat
vielmehr gesprochen, wo er schweigen konnte und muste, und ge-
redet, wie er als Paedagog nimmer reden durfte. Materiell genom-
men sind ja allerdings Bemerkungen, wie sie sich Ep. 8, 7 und Ep. 12
finden, richtig, man kann sagen vortrefflich; aber sind nicht die Sa-
chen von der Art, dafs man sich freuen mufs, wenn der Jüngling dar-
über hinliest, ohne sie zu verstehen, jedesfalls ohne sie sich auszu-
malen? War III, 10 die Deutung des Namens Lyce: *lvx^^ pellis
lupina , ist ein häfslicher Name , der sowohl an scorium = pellis als
an lupa=^ scortum erinnert' uothwendig? Und wenn uns denn da-
durch Hr. N. das Bild des Dichters wirklich schärfer gezeichnet hätte,
als von einer Lust beherscht, über die seine Zeit minder streng als
die unsere den Stab brach, ist es denn auch zweckniäfsig den Jüng-
ling zu erinnern, dafs hier ein unsittliches Verhältnis vorliege? Ist
die Bemerkung zu digito male pertinaci I, 9, 24: Mie Ausleger, wel-
che male für non admodum nehmen zu müfsen glauben, scheinen nicht
den Reiz zu kennen, der im Widerstände liegt: otf^ ^lovti^ucvnuv"
xoq ! ' wirklich hier am Platze ? Was soll man aber zu einer Bemer-
kung wie 1,30 sagen? ^An Venus. Wahrscheinlich bei Gelegenheit
einer vom Dichter selbst beabsichtigten Liebesfeier.^ Nicht, dafs sie
geeignet sei Lüsternheit zu wecken? was von der Uebersetznng von
Umpettina viro I, 23: *eben recht für den Mann'? Und wenn Hr. N.
44 C. W. Nauck: Horatius Oden und Epodcn.
III, 19, 23 den über die Verletzung der ehelichen Treue ergrimmten
Ehemann, seine Benennung Lycus übersetzend, einen ^alten Isegrimm^
nennt, heirst das wohl das heilige heilig behandeln? III, 7, 18 lesen
wir gar: ^Auch Hippolyte, Gemahlin des thessalischen Königs Aca-
stus, that gegen Peleus wie Fotiphars Weib gegen Joseph that. Der-
artige exempla octo hat Muret V. L. I, 12 zusammengestellt.' Will
Hr. N. wirklich, dars die exempla oclo vom Schüler sollen im Nurel
nachgelesen werden? und zu solch einem Citat hat er, der mit Citaten
sonst so karge, Raum? — Im Interesse seines Buchs und der Jugend,
für die Hr. N. in dieser Ausgabe so viel geleistet hat, möchte Ref.
ihn auf das allerdringendste bitten, dieser Seite seines Werkes bei
einer zweiten Ausgabe die sorgfältigste Aufmerksamkeit zu widmen
und gegen sich selbst eine schonungslose Strenge zu üben , und sollte
auch immerhin darüber ein Gedicht unbeachtet bleiben, das vom rech-
ten Standpunkt der Laune und des Humors betrachtet zu den gelun-
gensten gehört. Und ein gleiches möchte Ref. für manche Stelle er-
bitten, wo Hr. N. den sittlichen Ernst aufzuweisen sich bemüht. SitU
lieh religiös möchte ihn Ref. mit Hrn. N. S. VIII überall kaum nennen,
und gibt demselben in dieser Hinsicht nur zu bedenken, wie klein bei
Horaz die Zahl der die Gottheit feiernden Lieder und wie gering in
denselben die Tiefe der Empfindung ist. Aber die sittliche Seite isl
bei demselben nicht unbedeutend, denn das video meliora proboque
gilt von ihm im vollen Mafse, wenn er auch im Leben das Kind sei-
ner Zeit war. Damit ist aber zugleich ausgesprochen, wie Ref. über
die Citate aus der Bibel denkt, von denen wir das mislichste so eben
angeführt haben. Es wird dadurch Hrn. N. eher gelingen die Bibel in
die Weltlichkeit des Dichters herab , als diesen zu unserm religiösen
Bewustsein emporzuzieben. Wollte Hr. N. uns andeuten, dafs I, 9, 15
nee dulces amores speme puer doch nur zu unschuldiger Freude
mahne, wie Fred. Salom. 11, 9, so hätte er auch die zweite Hälfte des
Spruches nicht weglafsen mögen: ^aber wifse, dafs dich Gott um das
alles wird vor Gericht führen.' Das gieng freilich nicht an, denn ge-
rade dieser heilige Ernst ist unserm Dichter fremd. Ebenso wenig
hätte Ref. ein Citat wie III, 1, 30: ^der Eigner tritt zu seinen Bfinmen
wie Christus zum Feigenbaum und rechtet mit ihnen wie Jes. 5, 3 Je-
hovah mit seinem Weinberg' beigebracht; za welchem Zweck wollen
wir eine poetische Anschauung gerade aus der Bibel belegen, und
wenn das, warum aus historischen Büchern derselben? Wenn aber
Hr. N. zu I, 34 dem durch einen Donnerschlag aus heiterer Bläue zum
Gebet getriebenen Dichter den Saulus Apostg. 9, 3 gegenüber stellt,
so möchte man an ihn doch die Frage thun, ob er zwischen dem
Dichter, der durch einen Donnerschlag zu pathetischen Reflexionen
veranlafst wird, und dem Faulus, für dessen ganze Lebensrichtung
das Ereignis epochemachend war , auch nur eine flüchtige Aehnlich-
keit zu erkennen vermöge?
Von dem, was Hr. N. gethan hat, um die Färbung und den Ton
der einzelnen Lieder aniadeuten und an die Stelle einer griesgrim-
C. W. Nauck : Horatius Oden und Epoden. 45
liehen Erklärung eine frische, lebensfrohe und gesunde Auffafsung
treten zu lafsen, wenden wir uns zu dem, was er geleistet hat für
die Würdigung der poetischen Form, die Aufweisung des Grundge-
dankens und seiner Gliederung sammt den dazu in Anwendung ge-
brachten Kunstmilteln. Auch hier haben wir ihm eine höchst erfreu-
liche Gabe zu danken und möchlen nur den Wunsch aussprechen,
dafs sie allen Liedern in gleichmafsiger Weise möchte zu Theil ge-
worden sein. Die alten lateinischen Ueberschriften sind mit den sämmt-
liehen neuern Ausgaben als spatern Ursprungs beseitigt, an die Spitze
der Anmerkungen tritt dafür eine deutsche oftmals höchst charakteri-
stische, und an diese reiht sich in ein paar Worten eine Skizze des
Liedes, oftmals, aber leider bei weitem nicht immer, eine Andeutung
über die strophische Gliederung des Liedes. Manchmal vermifst man
dieselbe freilich nicht, ja sie liegt in dem Liedchen so klar zu Tage,
dafs jedes Wort darüber eigentlich verschleudert wäre. Es ist eine
feine sinnige Bemerkung Grotefends (Philologus V, 142), dafs die Ly-
rik des tioraz doppeller Art sei, nicht blofs die apollinische, durch
welche er sich den höchsten Ruhm erwarb, sondern auch die bacchi-
sche, durch welche er den Epheukranz um seine Dichterstirn schlang.
Dieser Scheidung gegenüber stellt sich aber die Aufgabe eines Her-
ausgebers des Horaz sehr verschiedenartig; denn wenn es bei den
neckischen, tändelnden bacchischen Liedern nur gilt den Mittelpunkt
anzudeuten und, so wie dieser gegeben ist, alles sich gleichsam von
selbst um ihn gruppiert und zu Krystallen zusammenschiefst, so ist
es bei den apollinischen Liedern , um bei dieser Bezeichnung zu blei-
ben, keineswegs der Fall; verfolgen sie doch ein ganz anderes Ziel.
Sie wollen eine ungewöhnliche Erscheinung, einen grofsartigen Ge-
danken in seiner ganzen Bedeutsamkeit hinstellen, wollen Anerken-
nung, Staunen, Bewunderung erwecken. So findet sich hier ein stu-
fenweises Emporsteigen; sie schmücken und erläutern den Hauptge-
danken durch einen Reichthum von Bildern , begründen ihn durch
rationelle, historische und mythologische Motive. Diese Würde er-
heischt eine schärfere Gliederung, es treten uns Strophencomplexe
entgegen, ein Aufgesang und Abgesang, und so erhält der einzelne
Satz durch seine Stellung im Strophencomplex oft ein ganz unverhält-
nismäfsig gröfseres Gewicht, als er an und für sich hat, ein Gewicht
das man gar nicht ahnt, wenn man des Gesetzes der Composition nicht
inne geworden ist. Oder glaubt jemand, es hatte Schiller, der in
Feinheiten dieser Art Meister war , die Worte ^doch die Liebe schreckt
sie nicht' oder ^das sollst du am Kreuze bereun', welche eigentlich
Träger des ganzen Gedichts sind, blofs zufällig an das Ende der
Strophe gesetzt? Ref. kann sich nicht versagen hiebei hinzuweisen
auf das, was sein Freund Hr. Prof. MüllenholT in Kiel im diesjährigen
Märzheft der allgemeinen Monatsschrift auf das glänzendste für Fro-
perz nachgewiesen hat. Es kann aber zumal bei einem Dichter wie
Horaz diese Gliederung nicht sorgfältig genug beachtet werden; denn
der Reichthum seiner Gedanken, Anspielungen, mythologischen und
46 C. W. Nauck : Horatins Oden und Epoden.
geschichlUchen Beziehungen ist oft wohl geeignet den wirklichen
Schwerpunkt zu verstecken. Gewis es würde um die Erklärung man-
ches horazischen Liedes ganz anders stehen, wenn man schon seil
längerer Zeit der Gliederung desselben eine grörsere Aufmerksamkeit
geschenkt hätte. Fragt man nun, was Hr. N. in dieser Beziehung ge-
leistet hat, so mnfs zunächst anerkannt werden, dafs er vielfach mei-
sterhaft den Grundgedanken des Liedes durch die Ueberschrift ange-
geben oder mit ein paar Worten den Schwerpunkt desselben ange-
deutet hat (z. B. I, 17. II, 14 u. 15). Hier ist seine Kürze gar sehr
am rechten Ort. Weniger hat er für die Nachweisung der Gliederung
gethan und es tritt uns da eine gewisse Ungleichmafsigkeit entgegen.
Während in der letzten Hälfte ein Fingerzeig darüber nur selten fehlt,
finden wir im ersten und der ersten Hälfte des zweiten Buches,
wenn Ref. nichts übersehn hat, nur dreimal einen solchen: I, 17. 21
u. 22 und nur an der letzten Stelle ist eine Andeutung über die Ge-
dankeneinheil in den einzelnen Theilen. Hr. N. scheint die Entwick-
lung dieses Gegenstandes dem Lehrer zuweisen zu wollen. und ist da-
rin einem richtigen Takt gefolgt: 3 Strophenpaare, 2 gleiche Hälften,
das ist gewöhnlich alles, was er gibt; aber Horazens Strophenban ist
zu künstlich, um damit überall ausreichen zu können. So mufs Ref.
die Andeutung im Schlufswort zu III, 1 — 6 doch gar zu dürftig finden.
Hr. N. erkennt sie als zusammengehörig an und vergleicht sie einem
Sonnettenkranze , weist auf die gleiche Zahl der Verse im ersten und
letzten Liede hin und auf die Gleichartigkeit ihrer Gliederung. Die
Lieder 2 — 5 gehen dabei leer aus ; Hr. N. sagt nur , dafs von diesen
Liedern jedesmal das folgende den Schlufsgedanken des vorhergehen-
den ausführe. Hätte er diesen Gedanken doch auf I, 1 angewandt,
wie würde das Meisterwerk dadurch in ein ganz anderes Licht treten,
während es uns so als eine Sammelei von allerhand Beispielen er-
scheint, die sich füglich um einige Dutzend vermehren liefsen. Bei
Hrn. N. lautet die Einleitung: ^Widmung. Dedieationsgedicht zu
den drei ersten Büchern der Oden. Manche reizt der Ruhm , andere
Ehrenämter und Grundbesitz ; dem einen geht nichts über ein beschei-
denes und sicheres Loos, einem andern nichts über gefahrvollen Er-
werb; mancher sucht Genufs und Behaglichkeit, viele wieder Kampf
und Strapazen: mich beseligt die Poesie, und setzest du mich in die
Reihe der Liederdichter, so habe ich das höchste erreicht.' — Da
scheint kaum ein bestimmter Faden hindurch zu führen, aber die Wahr-
heit ist, dafs wir hier 9 Punkte vor uns haben, in denen einzelne ihr
höchstes Glück suchen, und dafs sich dieselben wieder in 3 Gruppen
zusammenstellen. In der ersten zeichnet der Dichter mit markigen
Zügen, was das Hers des Griechen, und wieder, was das des Rö-
mers mit übcrschwänklichem Stolz erfüllt und darum das Endziel sei-
ner Bestrebungen abgibt; dem aber stellt ein auf das materielle ge-
richteter Sinn das Streben nach Besitz und Reichthum als das allein
befriedigende gegenüber, das nicht ruht, bis es alle Schätze Siciliena
und Africas zusammengehänft hat. Eben dieses Erringen und Er-
C. W. Nauck: Horatius Oden und Epoden. 47
raffen , das von keiner Mühe gebrochen , von keiner Gefahr geschreckt,
hier den Landmann, dort den Koufmann beseelt, führt uns dann der
zweite Theil vor, aber wieder nur, um ihm im Abgesang das ganz
verfehlte dieses Ringens, das propler vitam eivendi perdere causam
vorzuhalten, nur der Gennfs des Augenblicks sei wahrhaft unser. Aber
diesen Genufs, sagt uns dann der dritte Theil, finden die verschiede-
nen Menschen in den entgegengesetztesten Dingen, von denen andere
gar nicht im Stande sind zu begreifen , wie sie eine Befriedigung ge-
währen können (jnanet suh love frigido eenaior , bella matribus de-
iesiaia), und nachdem er uns in des Jägers und Kriegers Beispiel die
tiefe unendliche Lust vorgehalten, seiner Neigung zu leben, wendet
er sich zu dem ihn beseligenden Wunsche im Fach der lyrischen
Dichtung wirklich etwas zu leisten. Ob er das thue, darüber erwartet
er von des Freundes Urtheil die Entscheidung *) und erklärt, selig
werde es ihn machen ein ja aus des competenten Richters Munde zn
vernehmen. Die Aengstlichkeit aber, mit der er fragt, das Gewicht,
das er darauf legt, spiegelt sich aufs deutlichste in dem praesidium
im 2n Verse, das uns in das zagende, an sich selbst zweifelnde Dich-
terherz einen Blick thun läfst, wie das daneben stehende decns in die
Wonne so zu Ehren gebracht zu werden. Das Gedicht besteht dem-
nach aufser dem zweizeiligen Eingang aus 3 Theilen, von denen der
erste 2, die beiden folgenden 3 vierzeilige Strophen umfafsen und
jeder 3 Beispiele enthält, von denen die beiden ersten den Aufgesang,
das letzte den Abgesang bildet, und zwar nimmt der Umfang des
letztern in geometrischer Progression zu , indem er im ersten Theil
2, im zweiten 4, und im dritten 8 Verse umfafst.
So wenig wie hier kann Ref. sich bei manchen andern Oden von
Hrn. N.s Leistungen befriedigt fühlen in dieser Beziehung, der Hr.
Krüger in den Sermonen so grofse Aufmerksamkeit geschenkt hat,
weshalb man auch hier ein ähnliches voraussetzen durfte. Bei der
zweiten Ode ist die Gliederung noch viel deutlicher, der Dichter
selbst hat uns einen Wink darüber gegeben , denn die beiden Verse
lliae dum se nimium querenli iactat ultorem und patiens vocari
Caesaris ulior^ beziehen sich ja deutlich aufeinander^. Der erste
derselben schliefst die 5 Strophen der Prodigien ab ; nehmen wir den
andern als Abschlufs natürlich einer gleichen Anzahl von Strophen,
welche sämmtlich die Frage nach der sühnenden Gottheit behandeln,
so bleibt zwischen beiden Theilen die Strophe stehn:
Audiet cives acuisse ferrum^
Quo grates Persae melius perirent^
Audiet pugnas viiio parentum
Rata iuvenius.
Sie ist offenbar der Abgesang, zu welchem die ersten 5 Strophen den
Aufgesang bilden, und dadurch tritt sie so recht in den Afittelpunkt
^) Dies scheint für die auch handschriftlich sehr gut beglaubigt«
Lesart instres kq sprechen.
48 C. W. Naack: Horatius Oden und Epodcn.
des Gedichts, dem der Dichter im zweiten Theiie ebenso wie im vori-
gen Gedichte einen doppelt so grofsen Abgesang von 2 Slropheo enU
gegengeslellt hat. So erscheint die Aufzählung jener Prodigien als
ein biofses Mitlei das grausige jener Bürgerkriege darzustellen, die
nnter solchen Zeichen Anfang und Fortgang gehabt haben. Weit ge-
fehlt also, dafs unsere Ode in einem Jahre müste geschrieben sein,
wo entsetzliche Ueberschwemmungen stattgefunden hatten, weist sie
auf die Naturereignisse einer Ucihe von Jahren zurück. Hr. N. siehl
in Prodigien und Bürgerkriegen , freilich mit allen frühern firklarero,
zwei gesonderte Theiie: ^Wir haben genug gelitten' sagt er ^ durch
Aufruhr der Elemente und Bürgerkrieg.' Woher das Asyndeton bei
audiel komme, sagt er ebenso wenig als seine Vorgänger. Wie aber
die ersten 5 Strophen die obige vorbereiten, so stützen sich die 5
ersten Strophen des zweiten Thcils auf dieselbe, indem sie fragen,
welcher Gott dies scelus (den Bürgerkrieg) sühnen werde? (Von den
Prodigien ist natürlich nicht die Hede.) Hier hätte sich wohl ein Fin-
gerzeig finden mögen, dafs die vier genannten Götter sammtlich eine
nahe Beziehung auf Octavian haben , der nach Sueton Oct. 70 gern den
Apollo spielte und dem Apollo Palatinus wie dem Mars ultor Tempel
baute (Suet. Oct. 29), während Venus die Stammmutter des Geschlechts
der Julier ist, dem Octavian durch Adoption und von mütterlicher
Seite auch durch Geburt angehörte , während Mercur der pacifer von
Amtswegen ist. Die letzte Beziehung nachgewiesen zu haben ist ein
Verdienst des Hrn. N., der auch durch den Titel ^ Friedefürst', den er
dem Gedicht gegeben, den Grundgedanken glücklich aufgewiesen bat.
Wie er aber den Dichter vor dem Vorwurf der äufsersten impietas
schützen will, wenn seine fernere Inhaltsangabe richtig ist: ^welcher
Gott wird uns retten und sühnen? 0 komm Apollo, oder Venus, oder
Mars, oder Octavian, wenn du Mercurius bist', mag er selbst zu>
sehen. Wie? Octavian wäre geradezu Gott genannt? Und das hätte
lloraz gethan ? Nimmermehr. Allerdings ist hier sehr feine Schmei-
chelei, dafs einer der genannten 4 Götter in Octavians Gestalt auf
Erden tvandle. Jenes wäre aber denn doch eine sehr grobe, ebenso
wenig im Geiste Octavians (Suet. c. 52) als des Dichters selbst (Sat.
II, 1, J8. 19). Und so schliefst das ganze mit der Bitte ab, noch lange
zu weilen, ehe er in den Himmel zurückkehre. Wäre der letzte Ab-
gesang nicht acht- statt vierzeilig, so würde es aus zwei gleichen
Hälften bestehn. Die Chronologie in der Inhaltsangabe enthält übri-
gens einen Druckfehler: Mie Ode ist jedesfalls vor dem J. 37 und
wahrscheinlich 29 v. Chr. verfafst', was oiTenbar *vor dem J. 27*
heifsen soll. Sonst ist der Druck correct und nur wenige, sehr hand-
greifliche Druckfehler sind Ref. aufgestofsen: sie f. sü Ep. 16, 17;
liviore 111, 4, 11 und III, 19, 1: Inacbus, der erste König von Argos,
Codrus der letzte , wo * König von Athen ' fehlt.
Zu I, 3 lautet die Inhaltsangabe: ^ Geleitsgcdicht für Vergil, als
dieser nach Griechenland reiste, wahrscheinlich vom J. 19 v. Chr.
Der Dichter legt seine Wünsche für den Freund in eine Anrede an
C. W. Nanck: Horatios Oden und Epoden. 49
das Schiff desselben. Dann folgen Betrachtungen fiber die Kühnheit
des ersten Schiffers und aber die Verwegenheit des Menschen Über-
haupt.' Mit dieser chronologischen Angabe tritt Hr. N. in Wider-
spruch mit seinem Mitarbeiter Krüger, der Epist. I, 13 den Abschlufte
der drei ersten Bflcher der Oden um 22 v. Chr. annimmt, eine Schwie-
rigkeit die Lachmann bestimmte, hier an einen andern Vergil zu den-
ken. Aber anch mit Horaz selbst tritt er durch diese Inhaltsangabe
in Opposition; denn wie dieses Gedicht von 8 Versen mii 32müfsigen
Versen als Schwanz ein simples duntaxat et unum sein könne, ist
doch nicht abzusehen. Aber freilich hat meines Wifsens anch kein
Vorgänger diese Schwierigkeit berührt. Ref. hofft die Wahrheit za
treffen, wenn erden Hauptgedanken des Gedichts darin sucht, dafs
Vergils Reise unter Umstanden angetreten wurde, wo sie durchaus nicht
hatte gewagt werden sollen. Und wie bescheiden, in welcher hoch-
achtungsvollen Form und doch sichtbarlieh grofser Bewegung spricht
sich dann der Dichter aus ! Die 32 Verse des eigentlichen Gedichts
gliedern sich dann in zwei 16zeilige Strophen, die durch den Ton
nicht wenig sich unterscheiden , und die 8 Verse mit der Bitte an das
Schiff bilden den Eingang.
Des Liederkranzes UI, 1 — 6 ist oben bereits gedacht und wie Hr.
N. diese Lieder als zusammengehörig vindiciert; aber für die innere
Gliederung ist wenig oder nichts geschehn und Ref. möchte doch den
Schüler sehen, der aus der Einleitung zu III, 1 abnähme, dafs er hier
ein wohlgegliedertes Ganzes vor sich habe. Hr. N. tituliert es Theo-
dicee: warum? ist Ref. nicht klar. Das Ganze macht doch durch-
aus nicht den Eindruck eines religiösen Liedes , Ref. halt den Stand-
punkt für einen durchaus ethischen. Nicht das ist der Mittelpunkt des
Gedichts, * welche Macht Juppiter in Händen hat% sondern dafs der
hohe immer noch einen höhern , der Herscher den König der Könige
Ober sich findet und es darum eine Thorheit ist nach Her-
schaft zn streben, dafs der Weise die Schranke in sich, in wei-
ser Selbstbeherschuug suchte und dort allein das wahre Glück zn fin-
den ist. Eine solche Lehre tritt aber mit der Mafslosigkeit, mit wel-
cher Rom bis dahin alle Schranken nach aufsen und nach innen zu
brechen bemüht gewesen war, in so grellen Gegensatz, dafs man sich
darüber mit dem vuigus profanum der Alltags- nnd Parteimenschen
gar nicht verständigen kann, sondern nur mit einem unbefangenen
heranwachsenden Geschlecht. Das Gedicht ist nicht Theodioee , son-
dern einerseits wenigstens eine Anerkennung der factischen Verhält-
nisse Roms als für den verständigen Mann genügender und für sein
wahres Glück befriedigender. Hr. N. parallelisiert das Lied mit III, 6;
aber dafür liefert die gleiche Verszahl doch keine Gewahr. In Folge
dessen findet Hr. N. hier nach 2 Eingangsstrophen 3 Theile; Ref.
weifs nur zwei nachzuweisen, jeden von 4 Strophen, deren erste uns
die Lehre predigen , dafs Reichthum , Macht nnd Adel den Menschen
nicht glücklich machen, die folgenden das Glück des genügsamen
schildern. Dem ersten Theile geht aufser der Einleitungsstrophe der
/V. Jahrb. f. PkU, M. AmI. Bd. LXX. JSf/ir. 1. 4
50 C. W. Nanck: Horatios Oden and Epoden.
Hauptsatz vorauf, dem letztern tolgen zwei Schlufsstrophen , die
aus dem Ganzen den Sehlufs ziehen , dafs der Dichter keinen Grund
habe sein Sabinerthal mit Reichtbümern zu vertauschen , die ihm nur
Mühe and Last machen wQrden und, setzen wir hinzu, welche die ihm
gebotene, von ihm aber ausgeschlagene Geheimschreiberstelle bei Au-
gustus ihm reichlich in Aussicht stellen mochte.
Doch damit sei dieser Andeutungen des noch vermifsten genug •
denn wenden wir nns von den apollinischen Liedern zu den bacchi-
sehen , so finden wir da nur zu loben und möchten selbst des Lobes
Hafs schwer finden. So gleich I, 4: ' Frühlingslied. Vgl. IV, 7. Der
Hauptgedanke liegt in der mittelsten Strophe. Die beiden ersten
Strophen vorbereitend , die beiden letzten bestätigend.' — Ref. wflste
da kein aberflüfsiges Wort nachzuweisen und noch weniger zu sagen,
dafs das nicht genug sei. I, 5 : * An eine ungetreue.' — 1, 6 : ^M e i n e
Stoffe hatte Horaz dies kleine Lied überschreiben können, welches
indirect und gewissermafsen in der Form der praeteritio den M. Vip-
sanius Agrippa feiert.' — Und so geht es fort. Vielfach entwickelt
Hr. N. hier eine Laune und einen Humor, der den Kern der Dichtung
trifft und Ref. zu der Hoffnung verleitete, es werde sich hier das
Selbstgespräch des Wucherers Alphius (Epod. 2) als ein Product
jener schwärmenden Liebe zum Landleben herausstellen, die im Lobe
desselben nicht wortreich genug glaubt sein zu können, der aber im
Grunde die gemalten KQhe auf der Tapete doch lieber sind als die
wirklichen in Feld und Weide; aber da hatte er sich doch geirrt:
Hr. N. scheint es ernsthaft zu nehmen trotz seines überpathetischen
Tones , sn dem er das Seitenstack bei Horaz schwerlich finden wird.
Aber nehmen wir hier dankbar an , was Hr. N. uns bietet. £8 genügt,
am Gewähr zu leisten, dafs wir viel erfreuliches auch für die erstge-
nannte Gattung in einer zweiten Ausgabe werden zu erwarten haben.
Die Erklärung des einzelnen tritt nach zwei Seiten auseinander,
als Sackerklärung und Erklärung des Ausdrucks. Die erstere hat
freilich bei Gedichten dieser Art weniger zu thun und findet in den
Sittenschildernngen der Satiren ein ganz anderes Feld; andrerseits
aber kann sich Ref. doch nicht fiberzeugen, dafs der Mangel einer
historischen Einleitung, die eine Uebersicht der Zeitgeschichte gäbe,
kein wesentlicher Mangel sei , da hier doch so viele Anspielungen auf
dieselbe vorliegen. Es genügt hier die Betrachtung, dafs an einer
Reihe von Stellen Octavian auf das glänzendste von Horaz ist gefeiert
worden (wir erinnern nur an PoUux et Hercules^ quot int er Au^
gustuM recumbems purpureo hibit ore nectar). Hat aber die Jugend
auf unsern Schulen wirklich einen Begriff von dem Verdienst dessel-
ben? Hat er nicht in der Regel das Unglück von ihr fast mehr noch
verachtet als gehafst zu werden? Ich finde das einigermafsen be-
greiflich: Octavian hatte ein doppeltes Unglück, die verstorbene
Freiheit Roms einsargen und begraben zu müfsen (und das ist immer
ein trauriges und verhafstes Geschäft) und dabei als der kleinere iu
seines grofsea Oheims Fufsstapfea sa treten. Aber gleichviel, ob ge-
C. W. Ifaiuski Horatias Oden ond Epoden. 51
hafst oder geliebt, kann man Horazens Preis, oder sollen wir lieber
sagen, die Huldigung eines grofsen Theils seiner Zeitgenorsen , be-
greifen ohne Kenntnis der Geschichte Octavians? Oder geben unsere
Handbacher der Geschichte auch nur entfernt ein Bild von seiner Auf-
gabe, gleichviel ob er sie sich selbst stellte oder von den Umstän-
den gestellt erhielt? Ist es zu viel gesagt, wenn man behauptet, dafs
gerade in seiner Geschichte unsere HandbQcber an Eilfertigkeit und
Flüchtigkeit wetteifern, und mufs die verkehrte Würdigung des ge*
feierten nicht mit doppelter Schwere auf den Dichter zurückfallen,
der ihn feierte? Verlohnt es sich nicht der Mühe zu fragen, wenn
denn Aogustus seiner Welt nicht etwas unbedingt wünschenswerthes
zu bieten hatte, ob er ihr nicht doch das beste bot, was sich unter
den gegebenen Umständen bieten liefs? Verlohnt es sich nicht der
MQhe zu fragen, wie es denn kam, dafs Horaz, seiner Neigung nach
Vorkämpfer der Freiheit (sonst hatte Brutus den jugendlichen Sohn
des freigelafsenen schwerlich zum Tribunen gemacht), seiner befsern
Ueberzeugung Raum gab die Verdienste des Augustus anzuerkennen,
während er sich persönlich von ihm zurückzog? Eine gute Erzählung
könnte dann auch Männer wie Asinius Foilio, Munatius, Deliius in
etwas anderm Lichte erscheinen lafsen als sie jetzt daslehn ; sie gehört
nach des Ref. Dafürhalten unbedingt in den Kreis der Aufgabe, die
sich eine Schulausgabe der Oden stecken mufs; nicht der Satiren,
denn diese lafsen das Verhältnis des Dichters zu der Sitte, der Litte-
ratur und Philosophie seiner Zeit in den Mittelpunkt treten, die Oden
aber weisen uns einmal über das andere auf die politischen Verhält-
nisse hin. Einzelne Citate wie I, 26 können dem nicht abhelfen, ja
wie sie ohne Ordnung vorkommen , verwirren sie vielleicht mehr als
sie aufklären, und sie sind im vorliegenden Werke auch viel zu spär-
lich, um genügen zu können, wie denn z. B. 1, 12 die Hindeutung anf
den Marcellus fehlt, auf dessen Preis das ganze Gedicht offenbar an-
gelegt ist, und ebenso III, 8 auf die von Maecenas verwaltete pra«-
feciura urbis^ die doch wohl das privatus Vs. 26 allein genügend er-
klärt. Ref. tänsoht sich gar nicht über die Schwierigkeit der hier ge-
stellten Forderung, aber es genügt auf die sämmtlichen Ausgaben der
Haupt-Sauppeschen Samhilnng hinzuweisen, die die Noth wendigkeit
derselben thatsächlieh anerkennen. Will man von einer Schalansgabe
des Horaz sprechen, so mufs diese Aufgabe gut oder ttbel gelöst
werden.
Wenden wir uns aber nun zu der Erklärung des einzelnen, so
stehen wir vor der Glanzpartie des Werkes. Hier sind die Leistungen
so bedeutend , verrathen so viel klare Einsicht in die Aufgabe , so viel
Sinn für den schönen Ausdruck, so viel Takt und Gewandtheit, dafs
sie nicht leicht dürften überboten werden. Oftmals ist es eine ein-
fache Uebersetzung , aber so zutreffend, dafs die Frage damit sofort
entschieden ist. Vergleichen wir ^ine zufällig herausgegriffene Stelle,
die Bemerkungen zu III, 1, 18 ff., zugleich als Beispiel, wie Ur. N.
die verschiedenen Seiten der InterpretatioB berüeksicditigt:
4*
52 C. W. Nauck: HoratinB Oden und Bpoden.
non SicfUae dapes
Dulcem dahorabunl saporem^
Non avium cüharaeque canlns \
Somnutn reducent, Somnus agresUum
Lenis tirorum non humiles domos
Fastidit —
19. dulcem saporem nicht ^ WohPgeschmack , sondern ^safsen'
Wohlgeschmack: eiaborare^ erkansteln.
20. avium — eantus, Exclusive Vergnüglinge liefsen sich durch
Vogelhäuser und Symphonien einlullen.
21. reducere nicht ^denuo conciUare*^ sondern in Rücksicht dar-
anf , dafs jeder Mensch einen natürlichen Anspruch auf den Genufs des
Schlafes hat, s. v. a. insto tempore et quasi debitum adducere: II,
10, 15. I, 9, 20. Also adducere somnum ^ Schlummer ' bringen , redu^
cere ^dtn' Schlummer bringen. — agrestium virorum ist gegen die
Wortstellung mit domos zu construieren: (jit) lenis somnus non fas-
tidit humiles agrestium domos virorum^ aus dem Grunde weil es
der Sinn gar nicht anders gestattet. Nicht die niedern Wohnungen
an sich, sondern die niedern Wohnungen Ifindlieher Männer sind es,
worauf es ankommt ; und wäre der Schlummer bereits als der Vor-
sug ländlicher Männer bezeichnet, wozu dann die Versicherung, daCs
er die niedern Wohnungen derselben nicht verschmäht? —
Man sieht aus der letzten Bemerkung, dafs Hr. N. an gehöriger
Stelle auch seine Ansicht zu entwickeln und zu begründen versteht.
Das hat er, wo e^ noth that, anch nicht unterlafsen; aber die Mei-
sterschaft desselben auf dem Felde der Erklärung nachzuweisen müste
man seine Anmerkungen abschreiben. Läfst sich auch über vieles
rechten , so ist die Leistung jedesfalls eine höchst bedeutende, und sind
die Bemerkungen hie und da so kurz , dafs der Schüler ihrer Bedeut-
samkeit kaum ganz inne werden wird, so hat das der Lehrer Hrn. N.
nur (u danken, denn dadurch ist diesem der ihm gebührende Fiats
reserviert.
In der Metrik treffen wir auf einen erfrenlichen Fortschritt. Hr.
N. hat sich nicht begnügt die einzelnen Metra aufzustellen , sondern,
eine sehr dankenswerthe Zugabe, eine Andeutung des Charakters der
einzelnen Metra hinzugefügt und den Schüler dadurch aufmerksam ge-
macht, dafs die Wahl des Versmafses kein Gegenstand der Willkür
sondern einer gar sorgfaltigen Wahl sei. Dadurch sind wieder An-
deutungen wie II, 4 erst möglich geworden , dafs in dem Gegensatze
des scherzhaften Gegenstandes und des feierlichen Ernstes im Netrum
sich der Humor des Liedes kund gebe. Vortreffliche Winke über die
Caesur finden sich vielfach zerstreut und bedeutsame Resultate sind
für die Interpretation daraus gewonnen, s. B. I, 22, 17:
Pone me pigris ubi nulla campis
Arbor aestiva recreatur aura,
XU welchen Worten er bemerkt: ^ nach me ein Komma zu setzen [Jahn
ilt. Ausg.] verbietet die Caesar «nd hauptsächlich das parallele pome
C. W. Navck: Horatius Oden and Epoden. 59
8ub eurru.' — Ebenso 11, 13, 28: *bei der caesarwidrigen Inter-
punction hinter mala (Jahn 5e Ausg.) schleppt dura beut unertrfiglich
nach.' 111, 16, 26: * die kurze Endsilbe wird durch Caesur und Arsis
zulafsig (nicht lang!)'; vgl. auch 1, 18, 16. Epod. 13, 2 und vielfach.
Der Interpunction hat Hr. N. überall grofse Aufmerksamkeit gcr
widmet, und die obigen Stellen legen für die Umsicht, mit welcher
er hier verfahren ist , gewis ein günstiges Zeugnis ab. Abweichende
Ansichten über die einzelnen Stellen dürfen natürlich dabei nicht in
Betracht gezogen werden, und wer Ref. über die Gliederung der ersten
Ode beistimmt, wird es nicht billigen können, dafs Hr. N. das Punc-
tum am Ende des zweiten Theils Vs. 22 in ein Kolon verwandelt hat..
Warum aber Vs. 32 das Komma vor si neque iibias zum Kolon gewor-
den ist, begreift Aef. nicht, ebenso wenig warum I, 2, 9 das Komma
weggefallen ist. Ob es ein Gewinn ist, dafs Hr. N. I, 3, 6 ein Kolon
hinter Ker^fVitim gesetzt hat, möchte Ref. bezweifeln. An den Fall
Arions kann er nicht wohl gedacht haben, und geht das Schiff mit
Vergil unter, so ist ja kein Schuldner da, an den man sich halten
könnte.
Grofse Aufmerksamkeit hat Hr. N. auf die Wortstellung, den
Chiasmus, die rhetorischen und poetischen Figuren, die Allitteration
und Complosion gewandt und eine Reihe dankenswerther Winke über
Feinheiten gegeben, über die man nur zu leicht hinwegliest. Auf-
fallend ist, dafs sich in dem Buche kein grammatisches Gitat flndet;
dagegen hat Hr. N. eine Reihe finfserst feiner grammatischer Finger-
zeige gegeben und zwar so, dafs sie den Schüler zu weiterm Nach-
denken antreiben. Wir verweisen auf die hübschen Bemerkungen über
nohu animi 11, 2, 6, über den Ablativ in omnium versatur uma $ors
11, 3, 26, über den Dativ und Abi. neben abditus II, 2, 2, und die an
eben dieser Stelle angedeuteten Gesichtspunkte, nach denen zwischen
Genetiv und Dativ zu unterscheiden ist, die Andeutung über das so-
genannte Ferfect mit Praesensbedeutang III, 2, 32 und III, 3, 53. Sind
diese Anmerkungen oft so kurz, dafs erst die Anleitung des Lehrers
sie wird fruchtbar machen können, so sind sie zum Festhalten des
Punktes vortrefflich und die Schulausgabe mufs doch entschieden die
Aufgabe anerkennen, den Verkehr zwischen Lehrer und Schüler »i
vermitteln. Wegen der Gesetzmäfsigkeit der Erscheinung wird der
l^hrer auf die eingeführte Grammatik hinweisen können, im Interesse
des Schülers sind daher dergleichen Citale entbehrlich ; aber die Ei-
genthümiichkeiten des horatianischen Ausdrucks sind bisweilen so
auffallend, dafs der Lehrer, in dessen Händen sein Buch ja ebenso-
wohl sein mufs , es doch Hrn. N. würde Dank gewust haben , hfttte er
durch ein Citat ihm die Nachweisung analoger Beispiele erleichtert
und vielleicht ihm Gelegenheit gegeben, den Schüler auf das Citat
der Grammatik hinzuweisen, wenn derselbe sie auch nicht in Händen
hat, um jeden Wahn von Willkür im Sprachgebrauch des Dichters
auszuschliefsen.
Fafsen wir nun unser Gesammturtbeil zosammen , so wird Hrn.
54 A. Bielowski: Pompeii Trogi fragmenla.
N.s Ausgabe freilich nicht aU in jeder Beziehung die Nagelprobe ans-
haltend tlastehen, wohl aber als ein Werk, hervorgegangen ans
grQndlicher Kunde und treuer Benutzung der Vorgänger, verfafst mit
Geistesfrische und Umsicht, vielfach durchgeführt mit Meisterhand,
Lehrer und Schüler zu grofsem Danke verpflichtend.
Meldorf. W. H. Kolster.
Pampeü Trogi fragmenia^ quorum alia in codicibns manuscriptis
bibliotheeae Ossolinianae invenit, alia in op«ribus, scriptorum
maximam partem Polonorum, iam vulgatis primos animadvertit,
fragmenta pridem nota adiunxit, ac una cum prologis historiarum
Philippicarum et criticis annotationibus edidit AuguHut Bic
lowtkiy Ossolinianae bibliotheeae custos. Accedit notitia literaria
de Trogo et index. Leopoli in typogr. bibl. Osäolinianae 1853.
XXVI u. 91 S. 8.
Als nach Bekanntmachung des Palimpsests von Ciceros Bfichern
de re pubica die Aufmerksamkeit auf dieses Werk und zugleich auch
auf sonstige Ueberlieferungen aus demselben in zufallig erhaltenen
Ueberresten , in sanguinischer Hoffnung selbst auf noch andere etwa
vorhandene Handschriften erregt worden war , wurde auch die Sage
von einem sarmatischen Exemplare des Werks wieder lebendig, deren
Spuren nach allen directen und indirecten Andentungen der mit der
sarmatischen Litteratur wohl vertraute Krakauer Professor Wilh. Man-
nich (Ciceronis libri de re publica illustrati. Gottingae 1825) unter
dem Aufwand grofser Gelehrsamkeit aufzusuchen bemüht war. Blie-
ben diese Nachforschungen insofern ohne Verfolg, als durch dieselben
nur die Kunde von der vormaligen Existenz einer solchen Handschrift
in slavischen Ländern von neuem bestätigt wurde, so erhält durch
die vorliegende Schrift nicht nur der eben erwähnte Gegenstand eine
neue kaum erwartete Wendung, über welche am Schlufs dieser An-
zeige gesprochen werden wird, sondern wir begegnen jetzt einer
ähnlichen Erscheinung in Beziehung auf die bekanntlich nur im Aus-
züge eines gewissen Jnstinus auf uns gekommenen Hisloriae Fhilip-
picae des Trogus Pompejus, und zwar mit gröfserm Erfolg, insofern
nicht nur die Thatsache einer in Polen vordem vorhandenen und viel-
fach benutzten Hs. des Trogus erwiesen werden soll , sondern nun-
mehr in Folge dieser Benutzung selbst erhaltene Bruchstücke an das
Licht gezogen werden. Wenn die Sache auch an sich betrachtet nicht
so ganz unwahrscheinlich ist, zumal wenn man sich erinnert, dafs
trotz aller sonstigen Barbarei die alte Litteratur in diesen Ländern
doch hie und da eine Freistätte gefunden , in welchen Ueberreste der
römischen Litteratur sich der Zerstörung entzogen haben, wie z. B.
die sarmatische Hs. des Quintiltanrso ist sie- Jedoch geeignet die ern-
A. Bielowskj: Pompeii Trogi fragmenUi. 55
«teste Kritik um so nehr hemoBzofordera , als es nicht nur der Fest-
stellung: eines vagen Gerüchts gilt, sondern vielmehr die römisch»
Litteratur um eine gar nicht unbedeutende Anzahl von Fragmenten,
wenn auch gröfstentheils in moderner Ueberarbeitung, aus dem ver-
loren gegangenen Werke des Trogus su bereichern. Bestätigen sich
die behaupteten Entdeckungen, so sind wir dem Hrn. Hg. für diese
unerwartete Vermehrung des litterarischen Apparats aus dem Alter-
thnm KU um so grörserm Danke verpflichtet, als die Aufspürung dieser
Fragmente allerdings einen grofsen Aufwand von Mühe und mehr-
jähriges Forschen (s. p. VI) in Anspruch nahm : im entgegengesetzten
Falle aber wird es auch zur unabw eislichen Pflicht, die Reinheit an*
tiker Litteratur gegen das Eindringen unechter Bestandtheile auf das
schärfste zu wahren. Wenn wir nun in dem folgenden versuchen
unser Urtheil hierüber abzugeben, so gründen wir unsere Befug-
nis dazu auf eine gewifsenhafte Prüfung simmtlicher hier dargebote-
ner Fragmente, müfseu aber dabei eingestehn, dafs ein dabei viel-,
leicht nicht unwesentlicher Punkt, nemlich die Frage nach der Glaub-
würdigkeit und ZuverUfsigkeit der polnischen Schriftsteller, denen
die meisten der Fragmente entlehnt sind, unberührt bleiben muste.
Da jedoch in dieser Beziehung von dem in seiner vaterländischen Lit-
teratur und Geschichte wohl bewanderten Hrn. Hg. keine Zweifel er-
hoben worden sind, so bleibt Ref. auf seinem Standpunkte nichla
übrig als die Ueberlieferung als unverdächtig hinnehmen, und in der
That hat auch Ref. nach der Tragweite seiner Befähigung keinen
Grand zu Zweifeln gefanden.
Hr. August Bielowski, seit iS4ö Bibliothekar an der osso-
linischen Bibliothek zu Lemberg, mehr Litterator und Historiker als
Philolog, wie es scheint, obwohl mit der Thatsache bekannt, dafs
bei Anführungen des Justinus in spätem Schriflstellern an dessen Stelle
häufig Trogus Pompejas genannt werde, wurde durch die Wahrneh-
mang des Namens des letztem in dem Excerpt (Fr. 30) einer ossoli-
nischen Hs., wovon bei Jastinus keine Spur vorhanden , zu weiterer
Nachforschung veranlafst, in deren Folge er, durch weitere Entdeckung
einiger andern kleinen Fragmente in Hss. derselben Bibliothek unter-
stützt, zu der Ueberzeugung gelangte, *Pompeii Trogi Historias Phi-
lippicas, si non inlegras, saltem singulos earum libros, vel quaedam
alia, praeter lustinum, ex iisdem excerpta usque ad secnlum XVII in
Polonia extitisse', und nunmehr in gleicher Absicht sein Augenmerk
auf weitere handschriflliche ihm zugängliche oder auch bereits ge-
druckte Chronisten der polnischen Geschichte richtete, und nicht ohne
Erfolg.
Zu den wichtigsten Hilfemitteln dieser Art , über welche sich der
Hr. Hg. in der Vorrede ausführlichst verbreitet, und deren kurze
Namhaftmachung von der Sache geboten wird, gehört ein Chronicon
polnischer Geschichte von Vincentius Cotlob (oder auch Catlubonis,
Cadlubonis, auch Kadlubeck, nach dem Namen seines Vaters Bogus-
laus, gleich dem deutschen Gottlob), welcher im J. 1207 zur Würde
56 A. KelowBki: Pompeii Trogi fragmenta-.
eiees Bischofa von Krakau erhoben , im.J. 1223 als Mönch gestorben,
die Chronik des im J. 1166 als Bischof von Krakau verstorbenen Mat-
ihaeus einer neuen Bearbeitung in dialogischer Form , nach Art der
ciceronischen Bücher de re publica, in drei Büchern unter Hinsufü-
gung eines vierten eigner Arbeit unterwarf. Beide Chronisten sind
bekannt als i^uverlfifsigo Gewährsmänner und namentlich als Kenner
des classischen Alterthums. Bei Benutzung des Werks des Vincentius
ist die 1824 in Warschau erschienene Ausgabe (Res gestae Principum
et Regum Poloniae per Yincentium [Kadlubkonem] etc. accedit Chro«
nicon Polonorum per Dzierswam [Miersuam]) zu Grunde gelegt wor-
den, jedoch unter stetem Beirath verschiedener, dem Hrn. Hg. zu Ge-
bote stehender Hss., und letzteres nicht ohne erheblichen Nutzen.
Ferner Marlin Bielski , zu Biala terrae Sieradiensis geb., gegen das
Ende des 15n Jh. gestorben, Verfafser einer Kronika swiata (chro-
nicon mundi) und einer Kronika , welche beide, obwohl gedruckt, jetzt
jedoch äufserst selten , mehrere der bedeutenderen Fragmente gelie-
fert haben. Endlich haben aufser einigen ossolinischen Hss., von wel-
chen weiter unten, dem Hrn. Hg. Ausbeute gegeben Dtugossius, im
J. 1415 geb, and in Lemberg als Erzbischof im J. 1480 gestorben,
Verfafser einer Historia Polonica in 12 Büchern, und Auszüge von
Sentenzen and Memorabilien , zur Unterweisung seines Zöglings Ca-
simir , nachherigen Königs von Polen , von demselben gesammelt und
zusammengestellt.
Was sich nun ans diesen Hilfsmitteln dem Hrn. Hg. für Trogus
zu ergeben schien, sei es unter ausdrücklicher Nennnng desselben,
oder ohne solche nach wahrscheinlicher Vermuthung, hat derselbe
nach der Ordnung des Werks des Justinus in die einzelnen Bücher
eingereiht, dabei auch nicht Yerschmäht, solche Citate aufzunehmen,
welche mit Justinus in Uebereinstimmung stehen, also nicht unmittel-
bar als aus Trogus entlehnt angesehn zu werden brauchen, ein zur
Ansammlung des ganzen Materials für Trogus und Justinus zugleich
dankenswerthes Verfahren. Zu letztern gehören die Fragmente 9. 12.
17 ♦). 18. 19. 23. 26. 27. 28. 34 (aus Just. XXXVII, 2, nicht XXVII, 2).
Diesen Reliquien hat der Hr. Hg. zugleich nach demselben Princip der
Anordnung alle diejenigen den Trogus betreffenden Citate aus andern
Schriftstellern beigefügt, welche entweder bereits von den Hgg. des
Justinus namhaft gemacht worden , oder bisher noch ^keine Berück-
sichtigung gefunden, so dafs wir jetzt eine relativ vollständige Samm-
lung aller Fragmente des Trogus erhalten haben, welcher wir, aufser
einem einer andern Schrift des Trogus angehörigen (worüber unten),
nur ein einziges , und zwar aus dem einzigen Worte vecies bestehen-
des hinzuzufügen vermögen , wegen des masculinisohen Gebrauchs er-
*) Wenn bei Vincentius das zweite apud fehlt, so durfte dies
wohl als eine nicht zu verschmähende Variante angesehen werden, in-
dem es zur Vervollständigung des Parallelismus leicht von einem Ab-
schreiber hinzugefügt sein konnte. Intuliare ali^em sagt Justinus
auch XLU, 4, 8.
A. Bidowski: Pompeii Trogi fragmenta. 57
wäbnt von dem Aoetor de generibus noiniDnm p. 59 ed. Otto, frfiher
schon von Haopt xu Ovids Halieotica beransgegeben. Die Gesammt-
aabl der vom Hrn. Hg. aufgerührten Fragmente beträgt 53, von weU
eben aber 3 sedis incertae sind, 8 der Schrift des Trogus de anima^
libus angehören.
Kommen wir nnn aof die Hauptfrage zurück, so mufs zuerst der
Eifer und die Ausdauer, welche auf die Aufsuchung der Fragmente
verwendet worden ist, ebenso sehr als die fleifsige und gelehrte Be-
handlung derselben rühmlichst anerkannt werden. Man wird diesen
Bemühungen um so gröfsere Gerechtigkeit widerfahren zu lafsen ge-
neigt sein, als das daraus gewonnene Resultat im Betreff einer ehe^
mals in Polen (ob noch, bleibt zweifelhaft) vorhanden gewesenen Hs.
des Trogus oder doch einzelner Ueberreste einer solchen als erwie-
sen zugestanden werden mufs, und wrir nehmen die daraus jetzt ge-
botene Ausbeute dankbar an , wenn sich auch der Umfang derselben
bei schärferer Untersuchung jedes einzelnen Fragments vermindern
sollte. Denn wenn auch der Hr. Hg. bei der Aufnahme der einzelnen
Fragmente es an kritischer Vorsicht nicht hat fehlen lafsen , so dürfte
demselben doch der nur zu sehr zu entschuldigende Eifer für seine
Entdeckungen die Augen hie und da getrübt haben, wodurch übrigens
den verdienstlichen der Arbeit nichts entzogen wird, da unter den
hervorgezogenen Fragmenten sich immerhin mehrere und zwar be-
deutendere finden, welche theils mit Sicherheit, theils mit grofser
Wahrscheinlichkeit dem Trogus zugesprochen werden. Zur Recht-
fertigung dieses Urtheils glauben wir bei der relativen Verschieden-i
heit der jedem der angerufenen Gewährsmänner zukommenden Glaub-
würdigkeit am besten den Weg einzuschlagen, dafs wir in folgendem
die einzelnen Fragmente aufser der Reihe nach ihrer Herkunft zusam-
mengestellt einer Beurtheilung unterwerfen, welche nach der Sach-
lage sich freilich von subjectiven Ansichten nicht ganz frei halten kann.
Für ein unzweifelhaftes Beispiel von Täuschung, welche der Hr.
Hg. an sich erfahren, hält Ref. gleich das erste aus der Chronik des Vin-
centius, mit welcher wir den Anfang machen, entlehnte und dem Tro-
gus vindicierte Fragment, welches trotz seines bis auf den Scblufssats
(wo das unclassiscbe principandi mafsgebend wird) antiken Colorits
und man kann sagen bis auf einen Funkt dassischen Stils doch nur
als eine Bearbeitung der betreffenden Stelle beim Epitomator ange-
sehn werden kann, was eine Zusammenstellung beider Texte augen-
fällig machen wird.
Vincentius. Justinus I, 3. '*')
Vir tnuiiere corruptior Po$iremu$ apud eo$ regnavit Sarda-
Sardanapalus. tiuncnam^ napallu$^ vir tnuiiere corruptior.
que Arbacius^ praefectus Ad hunc videndum^ quod netnini ante eum
eius, . permissum fuerat^ praefectus ipsius, Medii
*) Wir theilen die Stelle nach der vertrefflichen Senkenbergschen
Hs. mit allen ihren Schreibfehlern mit.
58 A. Bielowski: Pompeii Trogi fragmenta.
praeposiiusy nomine Arhat^tM^ cum ad-
mitti magna amhicione aegre ohtinuisset:
cum inter scorlorum gre^ intenii eum inter scortorum grege$
gei^ muliebri habitu et purpuras colo neniem^ ei muliebri habiiu^
lascivia , cum moUicia corporis et oculorum la$civia
pensa eirginibus eidissei omne$ feminas anteirei^ pensa inier
dispensantem : eirginesparcieniem, Quibus f>f sis, tfi
dignaius iali feminae ianium eirorum sab-
iectum iracianiesque *), ferrum ei arma
habenies parere ; progressus ad socios^ quid
indignnm esse^ inquii^ ci- viderii referi: negaise ei **) parere
ros ei parere^ qui se fe- posse^ qui se feminam mala esse
minam esse rnäut quam quam rinfut. Fit igitur coniura^
virum. Ergo a suis ei bei- tio: bellum Sardanapallo infertur ;
tum inferiuTy quo ille audiio^ non ui vir, regnum defen-
surusj sed^ ui metu mortis mulieres solent^
primo latebras eircumspicit: mox deinde
cum paucis ei ineompositis in bellum pro-
qui ricfffs, exirucia py- greditur. Victus in regiam se rece-
ra^ et se ei dieitias suas pH^ ubi exirucia incensaque pyra^
in incendium mitiit^ hoc ei se ei divitias suas inincendium
solo imitatus eirum, Ar- mitiit, hoc solo imiiaius virum,
baetus t>ero imperio poti- Post hunc rex consiiluiiur inierfector eins
tur: laude poiius quam Arbacius^ qui praefectus Medorum fuerat.
viiuperio dignior^ qui non !s imperium ab Assyriis ad Medos Irans-
principandi appeiiii po- feri,
iesiatem; sed miseranti-
bus hnmeris poieniius suf-
fulsii.
Wie kann man glauben , dafs ein Epitomator einen so' körnigen
und gedmngenen Text in dieser Weise auseinander ziehen, ja ge-
radezu Yerwäfsern werde? Dagegen geben wir den p. 51 entwickel-
ten GrQnden nach , um die Vermuthnng gerechtfertigt zu finden , dafs
das Ifingere , aus derselben Quelle entlehnte Fr. 3 wirklich dem Tro-
gus entnommen sei. Es betrifft die Königin der Skythen (sonst nach
Herodot u. a. der Massageten) Tomyris***)^ und was hier erzShll
wird, enthilt bisher völlig neue Thatsachen.
Dieselbe Tiuschnng des Hrn. Hg. nehmen wir bei Fr. 7 wahr, wo
die verbale Benutzung des Just. II, 5 noch augenscheinlicher ist. Die
Schlufsworte des Vincentius: ui hos vel illas nee poena dissimiles
nee dispares fecerit sceleris immanitas^ aufweiche der Hr. Hg. das
Hauptgewicht legt, und wovon bei Justinus allerdings keine Spur ge-
*) lanam lafst die Hs. xur Unzeit weg.
**) 9o von I weiter Hand statt et,
***) In der Giefsener Hs. des Justin immer TTamyria,
A. Bielowski: Pompeii Trogi fragmenUi. 59
fanden wird, enlhfilt keine nene Thatsache, sondern nnr eine Folge-
rang, welche recht gat auf Rechnung des auch sonst zu dergleichen
Urkheilen bereiten Vincentius geseUk werden kann, wie z. B. bei Fr.
18, wo bei sonst wörtlicher Ausschreibung des Just. XII, 8 die mo-
ralische Betrachtung üecet enim etc. ein ähnlicher Zusatz des Vin-
centius ist. Dasselbe Urtheil ist über Fr. 12 vgl. mit Just. III, 4 zu
fällen. Wenn bei diesem Fragment von einem aus Bielski beigebrach-
ten, denselben Gegenstand betreffenden Auszug der Hr. Hg. richtig
bemerkt, dafs derselbe doch nnr mittelbar aus Trogus entlehnt sein
könne, so geben die Worte matribus nan $alutatis mit Justinus nee
ialutaiii matribus Gewisheit. — Fr. 20, mehr naturhistorischen Inhalts,
kommt, obwohl es mit Fr. 19 in Zusammenhang zu stehen scheint,
vorerst gar nicht in Betracht, da die Quelle, aus welcher Vincentius
geschöpft, unerwähnt bleibt. Dagegen ist der zu Fr. 27 aus einer an-
dern und zwar handschriftlichen Chronik vom Um. Hg. beigebrachte
Zusatz ultra Istrum et citra beachtenswerth. — Fr. 40 wird aus dem
blofsen Umstand, dafs Just. XLIII, S u. 4 des Königs der Segobrigii,
Nannus (bei Vincentius Nannides) Erwähnung thut, von dem Hrn.
Hg. zu voreilig geschlofsen , dafs die ausführliche Erzählung von dem
Tode desselben durch seinen Sohn vom Trogas, welcher dabei nicht
genannt wird, herrühre.
Obwohl Fr. 21, den Antigonus betreffend, der Angabe einer
Quelle entbricht, so ist doch aus Vergleichung mit Just. XIV, 4 au-
genfällig, dafs dasselbe entweder aus diesem oder aus Trogus entnom-
men ist. Wenn der Hr. Hg. sich nun für letzteren entscheidet, und
zwar wegen der allerdings neuen Thatsaohe perfidiae cauterio fron»
iibus impresso^ was schwerlich der Epitomator weggelafsen haben
würde, so können wir ihm kanm widersprechen. Darf hiernach eine
Unmittelbare Benutzung des Trogus angenommen werden, so ergibt
sich hieraus nebenbei die für Justinns bemerkenswerthe Thatsache,
dafs er bei seinem Geschäft des Epitomierens nicht verschmäht habe^
die Reden, welche Trogus seinen Helden in den Mund gelegt, beizn-
behalten, wobei jedoch nicht zu übersehen, dafs der Excerptor in den
dem Antigonus beigelegten Worten die nach der Weise des Trogus
(s. Just. XXX VIII, 3) oblique gehaltene Kedeform in die directe um-
gewandelt haben mufs. Freilich könnte gerade letzterer Umstand ge-
gen die Meinung des Hrn. Hg. in Geltung gebracht werden. Derselbe
Grad der Wahrscheinlichkeit tritt ein bei Fr. 45, die Geschichte Ma-
kedoniens betreffend, gleichfalls ohne Nennung des Trogas. Es han-
delt von einem Altentat auf den makedonischen Thron durch einen
gewissen Fpander (?). Dasselbe ist auch der Fall bei Fr. 32, trotz-
dem dafs auch hier Trogas nicht ausdrücklich genannt wird. In Be-
ziehung auf den erwähnten König der Geten Bolus ^ oder Oroles, hatte
übrigens dieser Stelle schon Münnich a. a. 0. p. 121 gedacht. Das-
selbe Urtheil gilt von Fr. 38, dessen Text bis zu abiiei iussit mit Just.
XLl, 6 stimmt, woraus der Hr. Hg. mit Recht folgert, dafs auch das
folgende, was vom Epitomator als zu speciell in die Sache eingehend
60 A. Bielowski: Fompeii Trogi fragmenta.
weggelafsen worden ist , aber gewis Dicht auf Rechnung des Chroni-
sten kommen kann, dem Trogns, wenn auch natarlich nicht in wört-
licher Fafsung, angehöre. Die ganze Stelle ist su interessant, auch
für die so im Dunkel liegende Specialgeschichte der baktrischen Kö-
nige zu wichtig, als dafs sie nicht verdiente hier ausgeschrieben zu
werden: Regem siquidem Bactrianorum Eucratidem filius^ tarn regni
socius a paire factus^ amhitu inier fecit; qui quasi hosiem non pa~
trem occidissei^ per sanguinem eins currum egit^ et corpus inhuma-
tum abiici iussit, Sed non sine ultione. Huius enim parricidae uni-
cus parvulns^ avi morte anxiatus^ ignaris custodibus nemus ingre-
ditur^ dolorem anxietaiis morsibus ferarum optai finire. Qui per
dies aliquot per luslra vagabundus , fungis et radicibus latranti slo-
maeho succurrii; novissime cuiusdam gusiu radicis pesiiferae in
languorem prostemitur ^ quo fatigatus^ quasi animam exhalaturus^
oscitare coepit. Oscitantis ori serpens iüabitury cognata forsilan
Muae pestilentiae radice illectus, hie introreplans ^ herhas crudas ei
indigestas ad os stomaehi retocat et ad eomitum impellit. Paler in-
terea venatibus indulgens^ diutissime quaesilum ac desperatum^ sie
tandem vomitantem invenii: qui cum rugitu super adulescentulum
proeohitur ^ lacrymis efßuit, ad os moribundi os applicai et hiantem
osculis faiigat, lUico serpens osculantis labio morsum impingit^ quo
laesus paier ac territus repenie resiliii , ei serpentem f>im cum parte
labii absirahii ei obterrit (oblerit?) parvulumque semianimem ad
9U0S reporiai, Ei in brevi redditur sospitati adolescens^ omni veneno
evomito. Patrem ex vulnere serpentis infusum virus in eesaniam
vertu: qua saevissime agilatus^ cum alios appeiere non possety iin-
guam^ labia mordicantim sibi delruncans^ absorbel. Sic propria
membra dimordicans^ eix iandem exspirat. Darf die hier berich-
tete Thatsache als beglaubigt angesehen werden, so bietet sie ein
nicht lu verschmähendes Material zu der von Raoul-Rochette mit so
viel Eifer behandelten Frage Über die Existenz eines Eukratides II,
eines baktrischen Königs, worOber jedoch hier zu sprechen der Ort
nicht ist.
Wir gehen Ober zu den Excerpten aus Bielski« Fr. 10 in lateini-
scher Uebersetzung, eine beabsichtigte Beraubung des delphischen
Heiligthums betreffend, kann als eine breitere Bearbeitung von Just. II,
12 angesehen werden. Alleines kann zugestanden werden, dafs der
Chronist wirklich aus der Originalquelle geschöpft habe, wenn man
die zwei anderen , aus demselben vom Hrn. Hg. angeführten Frr. '6^
und 36 vergleicht, denen man eine unmittelbare Benutzung des Trogus
nicht wohl absprechen wird. Das erstere lautet in lat. Uebersetzung :
Veieres hisiorici^ ut Trogus PompeiuSy Cornelius Tacitus^ de ludaeis
alia ac in Sacra scriptura reperiunlur^ memoriae iradiderunt. Fuisse
nempe propier conlagionem a rege Pharaone regno expulsos^ quod
tariis morbis infecti erant^ cultumque deorum^ quos Aegyptii co-
luere^ aspernabantur. Porro aquam in deserio ab Aarone^ equorum
vesiigia secuta, fuisse repertamj quae e rupe conUnuo scalebat. iu-
A. Bielowski: Pompeii Trogt fragmeDta. 61
daeoi opobtüsami, euhi$ mogna tu mante Sinai copia erai^ mtrca-
iuram fecisse^ sicque vitam 8usienias$e ; aique illorum genH nee deos
neque homines fuiue amicos: iilos iamen semper regum gratiam vir-
ginibui pulehrii, qnae apnd eos formosissimae nascuniur^ sibi cam-
parasse. Nach dem Wortlaat dieser Stellen nfirsen sich die erwiha-
ten Thatsachen bei Jast. XXX Vi, 3 ff. oder bei Tacitns Hiat. V, 2 ff.
finden. Mit Grund bemerkt aber der Hr. Hg., dafs dieses nicht in
allen Stacken der Fall sei, ohne sieh jedoch in die Erörterung des
einzelnen einsnlafsen. Ohne auf den Unterschied jetzt Rücksicht au
nehmen, dars bei der AafGndung der Quelle, worüber Jnstinns schweigt,
bei Tacitus Mo$es statt des Aaron genannt wird, macht Ref. darauf
aufmerksam, dafs in diesem Theile der Ersflhiung bei Tacitus Esel
statt der Pferde genannt werden , man also wohl an der Vermnthung
bingeleitet wird, Bielski sei hier nicht dem Berichte des Tacitus,
sondern dem des Trogns gefolgt; ferner auf das was von der Lock-
speise mittelst schöner Jungfrauen erzählt wird, wovon bei keinem
von beiden Historikern irgend eine Spur vorhanden ist. Ungleich
wichtiger aber und den Ausschlag gebend ist das andere Fragment:
lidem (ßoxolant) eiiam cum Miihridaie^ Ponti rege^ beUum gesse-
runi^ cuius Trogut Pompeivs^ orbis anügui hisioricu»^ mentionem
facti narraique: eos e crudis peUibus taurinis ihoraces tibi parasse^
aique ho$ ip$i$ arma fuisse; iiem scuia $ua eiusmodi cuiibus ob^
duxisse ac equis in$idenie$ acinace^ pilo aique arcu pugnasse. Ei
retera hoc armorum gener e nunc eiiam incolae Russiae uiuniur.
Nichts hiervon bei Justinus, welcher der Roxolani nicht einmal Er-
wähnung thut, wohl aber, wie der Hr. Hg. anmerkt, bei Strabon VII,
306 , der jedoch aus dem Grunde nicht etwa von Bielski statt jenes
genannt worden sein könne , weil derselbe des Strabon sammt dem
Trogus an einer andern Stelle gleichfalls in Bezug auf die Roxolani
gedenke. AuAierdem bringt der Hr. Hg. aus Bielski noch eine dritte
Stelle über dieselbe Völkerschaft mit Erwähnung des Trogus bei,
welche der Excerptor aber so sehr mit eignen Zusätzen modernisiert
hat, dafs das dem Trogus angehörige kaum mehr ausgeschieden wer-
den kann. Ueber noch ein anderes aus Bielski vom Hrn. Hg. gelegent-
lich mitgetheiltes Excerpt ist bei Vincentius gesprochen worden.
Aus Dtngossins , zu welchem wir ttbergeben , ist Fr. 30 entnom-
men , nach Cod. bibl. Ossol. Nr. 601 (u. a. auch die Satiren des Per-
sius enthaltend), von nicht geringerem Interesse, ja weil anzunehmen,
dafs wir hier die Worte des Schriftstellers in ziemlich originaler Fa-
fsung vor uns haben , noch wichtiger. Auch in anderer Beziehung ver-
dient die ganze Stelle ausgeschrieben zu werden : Trogus PompeiuM
de bello Geiarum. Eni mihi ionge iocundius fuissei lialiae feliciia-
tem quam clades referre^ iamen quia iempora sie iuleruni^ sequemur
ei nos foriunae muiabiiitaiem ^ Geiarumque ineasionis describemus
doiorosam profecio manum^ sed pro cogniiione illorum iemporum
necessariam, Neque enim Xenophontem Aiheniensem , summo inge-
nio virum^ cum obsidionem ei famem ac diruia w^enia Aihenarum
68 A. Bielowiki: Ponaipeii Trogi firtgmeiita.
detcriptit^ non doleniem id feeisse reor; scripsii tarnen^ quia «Ii7#
putabai iilarum remm memoriam non deperire, Neque LMus nosier^
cum urbem a GaUis capiam ei incendiis conßagratam referi^ mtno-
rem merelur lavdem^ quam cum Pauli Aemilii triumphum ilhtm prae-
darum de Macedonibus^ aui Fublii Africani viclorias enarrat ÜU^
toriae quippe est^ tam prosperas quam adf>ersas res monimeniiB
liierarum mandare: itaque optanda quidem meliora^ scribenda 9ero
quaecumque contigerunt. CivüaUs in lialia omaiissimaemagnisopibus
magnaque auctaritaU vigueruni hactenus hodieque tigent, quarum glo»
ria ei imperium longe lateque extenditur. Taceo morum eieganiiam
kumaniiaiemque praecipuam ae bonorum arOum discipNnas^ in qui~
bus parens scilieei ei alumna incomparabilis lialia reperiiur. Sed
commendaiionis aliud ßai iempus. Von weiteren Betrachtungen, so
welchen diese inhaltreiche Stelle VeranUrsong geben könnte , abse-
hend, will Ref. nur hervorheben, was der Hr. Hg. mit Wahrschein-
lichkeit annimmt , dafs unter der erwähnten Invasion der Geten die-
jenige gemeint sei, welche zur Zeit der Schlacht bei Actium statt-
fand, und dars, als Trogus schrieb, Livius sein Werk bis zu diesem
Ereignis noch nicht vollendet oder wenigstens nicht veröffentlicht
hatte: denn dafs Trogus Theile des Werkes bereits kannte, geht aas
Jnst. XXXVllI , 3 hervor. Auch das folgende Fr. 81 (ganz allgemeinen
Inhalts, darum hier nnansgeschrieben) aus derselben Quelle, von dem
Torhergehenden nur durch den Anfang einer neuen Zeile geschieden,
trigt denselben Charakter und Stil an sich, so dafs wir es dem Hrn.
Hg. nicht verargen, wenn er dasselbe dem Trogus gleichfalls zuweist,
obwohl er es dahin gestellt sein lafst, ob es in unmittelbarem Zusam-
menhang mit dem vorhergehenden gestanden habe. Ref. will im Vor-
beigehen auf die in dem Fragment vorkommende Form permaximui
aufmerksam machen , wodurch diese bisher dQrftig beglaubigte WorU
composition einige Stütze erhalten würde. Dafs dergleichen Anoma-
lien der gemeine Gebrauch nicht verschmäht hatte, und zwar schon
frOhzeitig, ersehen wir aus der gegen peropiimu$ von Palaemon ge-
richteten Warnung bei Char. p. 207: peccani auiem qui dicuni per-
opiimus. — Ebenso kann Fr. 43 aus Cod. Ossol. Nr. 601 dem Tro-
gus, obwohl direct für denselben nichts spricht, zugewiesen werden.
Dagegen ist Fr. 41 ans Dtugossii Hist. Polon. augenscheinlich aus Jusl.
XLIII , 14 und zwar wörtlich entlehnt. Wenn die einleitenden Worte
des Excerptor ab uno regulorum den Hrn. Hg. bestimmt haben, an
eine andere Quelle als Justinus zu denken, so hat er übersehen, dafs
dieselben aus den weiter oben vorhergehenden Worten des Just, ad-
firmanie regulo quodam gebildet sind.
Wir lafsen jetzt die übrigen theils aus Hss. , theils aus bereits
bekannten und gedrnckten Schriften gezogenen Fragmente folgen. Za
den bemerkenswerthesten und, wenn nicht an einen absichtlichen Be-
trag zu denken (wozu aber kein Grund vorhanden), sichersten Reli-
quien aus dem Werke des Trogus gehört anstreitig Fr. 22, aus Cod.
bibl. Ossol. Nr. 336, in polnischer Sprache Miscellen and darunter
A. BielowsU: Ponpeii Trogi firagnenUi. 63
^Varlae varioram aactonui senteatiae per alphabetom coDteriplae'
eathaliend, deaeo hinfig die Quelle, als i. B. Herodot, Polybioa, Sal-
lost, Livius a. a. m. in lateinischer Sprache hiasagefagt ist. Darunter
beQndet sich in polnischer Sprache nach lat. Uebersetzung folgendes :
Seleucui Colckarum rex mgentem de hosiibus tictoriam reparia^
mi. tiuius labore9 aique aerumnas Colehi grata animo agno$cemie$^
ereserutU regi $iaiuam argenleam Uomaris^ qui murea msirueimB
manu, obeliscum, in quo eariae coronae erani suspensae, aureum
tenehat. Quod rex gratum acceptumque habuii; ai manum ei oheHs-
cum aureum significant, dixit: (das folgende gibt die Hs. lateinisoh,
wohl absichtlich, am die Worte des Originals wiederiageben) Si
ioius kic tionor ntae manus naturam indnissei, principem locum in
nosiro tkesamro kabuitsei. Tragus. Wenn der Hr. Hg. dieses Faetam
anf Selenkos I bezieht und danach das Fragment dem ]5n Buche zu-
weist, in welchem Justinns der Thaten dieses Königs gedenkt, ohne
eine Spur von dem erwähnten Gegenstand zu enthalten, so halten wir
dies fflr um so voreiliger , als , wenn wirklich jene Erzihlang den
Trogns entlehnt ist, dieser jenen Selenkos unmöglich unter dem Na-
men eines rex Coichorum aufführen konnte, wenn immer auch die
erzählte Thatsaohe die Kolcher betreffen konnte. Uebrigens spricht
der Hr. Hg. in den Corr. et Add. selbst die Möglichkeit aus, dafs wohl
ein anderer Seleukos gemeint sein könne , wonach das Fragment eher
dem 37n B. zuzuweisen sei , wo Trogus über die Könige der Kolcher
gesprochen habe. Dafs überhaupt ein späterer Seleukos gemeint sei,
welchen Ref. freilich jetzt nicht näher bezeichnen kann, ergibt sich
mit Sicherheit aus der Erwähnung einer Statue des Honor, welche in
den Zeiten jenes Seleukos und zwar unter griecliischen Verhältnissett
etwas ganz unerhörtes ist. Die Personificatiou des Honor ist de«
Griechen ganz fremd: sie haben selbst nicht einmal ein Wort dafür,
nnd da an ein Misverständnis von Seiten des Trogns kaam zu denken
ist, so mufs maa für die ganze Sache eine Zeit annehmen, wo Bekannt-
schaft mit den Römern eine Erscheinung dieser Art möglich machen
konnte. Die Schilderung der Statue ist übrigens interessant genug
and erinnert an ähnliche Darstellungen einer stehenden Figur, welche
anf der ausgestreckten Hand Idole oder ähnliches trägt, wie z. B. anf
einer baktrianischen Münze bei Raoul-Rochette : Notice sur quelques
medailles des rois de la Bactriane , Nr. 3 und Denxitee Suppl. PI. II
Nr. 1 u. 15.
Fr. 13, ans Cod. bibl. Ossol. Nr. 160, nnbezweifelbar: Lex 9ero
Romanorum in duodectm tabtUit ebineis (ebumeis) scripta erat, iu
refert Trogus Pompeius libro lii de Lffcurgo; quae omnia signifi^
eant legis durattonem ei stabiliiatem perpeiuam. Diese gelegentliche
Bemerkung über die Beschaffenheit des Materials, auf welchem das
Zwölftafelgesetz eingegraben gewesen, muste ihre Stelle bei einer
Beschreibung der lykurgiscben Gesetztafeln gefunden haben. Allein
weder von der Beschaffenheit dieser, geschweige jener Tafeln findet
sich ein Wort der Erwähnung bei Jnst. HI, d, welcher von der Anf-
64 A. Bielowski: Pompeii Trogi rraginfliita.
rechlerhaltang der aeiemttas der lykargischen Gesetze in gani ande-
rer BesiehoDg spricht. Wenn übrigens aus dem Sinn des Zusatzes
quae omnia signißcant etc. vom Hrn. Hg. die Vermuthung hergeleitet
vird, dars der Vf. jener Worte eigentlich aeneü geschrieben habe,
woraus der Abschreiber irthQmlich sein eburneis gemacht habe, so
wird man ihm um so weniger widersprechen mögen, als jene Lesart
der Sache an sich selbst entspricht. S. zu Pompon. de orig. iuris
p. 27.
Fr. 37 aus Miersuae Chron. Pol. ist augenfällig eine Ueberarbei-
tung von Just. XXXIX, 5. Ueber das dabei gelegentlich aus Vincen-
tius angeführte und dem Trogus zugewiesene £xcerpt, gleichfalls
einen König Erolimos und dessen Reichthumer betreffend, bleibe das
Urtheil dahingestellt , zumal da die Meinung des Hrn. Hg. nicht ein-
mal die namhafte Anführung des Trogus für sich hat, aufserdem auch
zweifelhaft bleibt, ob dieselbe Person gemeint sei.
Das längere Fr. 11 , aus lacobi de Cessolis über de moribus ho-
minum et officiis nobilinm super ludo scacornm (mittelst Benntzuog
mehrerer Breslauer Hss.) und Cod. bibl. Ossol. Nr. 1, enthält nicht nur
nichts, was nicht bei Just. III, 3 und 3 sich findet, sondern zeigt die
Benutzung dieses Epilomators durch vielfach wörtliche Ausschreibung
seines Textes.
Dasselbe gilt von dem ans loanues Sarisberiensis entnommenen
Fr. 16, zum Theil wörtlich aus Just. VII, 2. Eher könnte Berücksich-
tigung das bei dieser Gelegenheit vom Hrn. Hg. aus Bielski Chronicon
mitgetheilte Excerpt verdienen : nur ermangelt es der ausdrücklichen
Beziehung auf die Quelle.
Ebenso wenig Geltung gebührt Fr. 39, ans zwei Exoerpten be-
stehend, welche aus Hatthaei Westmonasteriensis Flores historici ent-
lehnt sind. Das erstere ist, wie selbst der Hr. Hg. eingesehen hat,
mit Just. XLIII, 1, 1 zusammenzustellen, und hat daraas seine Färbung
erhalten. Das andere specioserer Beschaffenheit lautet: Anno ditinae
incamaiionis nono^ Caesare Augusio imperü mm quinquagesünum
primum agenie^ Trogus Pompeius chronica $ua terminatii^ in quibu9
quasi tnundi praeierili cursum ad memoriam posierorum reduani. lia
namque Romanorum rempublicam^ et arma, quae gens iila laie
per orbem ierrarum circumiulii , ab initio usque ad praesens tempus
prosequUur^ ut qui res eius leger it^ ad construendum Romanum im-
perium virlutem et fortunam discat contendisse. Wenn man nament-
lich aus dem zweiten Satze, und zwar unter besonderer Geltendma-
ckung der Worte ad praesens tempus schliefsen wollte, Trogus habe
die römische Geschichte ausführlichst und zusammenhangend behan-
delt, so würde sich eine solche Behauptung durch Justinus selbst wi-
derlegen, indem derselbe nur die Anfänge der römischen Geschichte
und kurz erzählt, ganz wie Trogus gethan habe, nnd eine Darstellung
dieser Art, wenn eine solche Trogus gegeben hätte, um so weniger
weggelafsen haben würde, als eine solche, bis auf Augustus fortgeführt,
für das Zeitaller des Jostin noch mehr Interesse als früher dargebo-
A. Bielowski: Pompeii Trogi fragrmenta. 65
ten haben würde. Vielnuehr ist Trogus so verfahren, dars am geeig<
nelen Orte, wo die Berührung^ anderer Völker mit den Römern in Er-
wägung kam, dcr.'römische Antheil an der Geschiebte gleich mit be-
handelt wurde, und da eine solche Bcrührang seit dem Aoflreten der
rumischen Waffen überhaupt sich durch die ganze Zeitgeschichte zieht,
die äurserlichen Hauptmomente der römischen Geschichte einverwebt
wurden. Da dies aber für die ältesten Zeiten Roms noch nicht der
Fall war, so schien es Trogus angemefsen, diesen Theil der römischen
Geschichte besonders im Zusammenbang zu behandeln, was am An-
fange des 43n B. nun auch, wie sich aus Jnstinus ergibt, wirklich
geschehen ist. Was also Matthaens von Zeitbestimmungen anführt, ist
nicht aus einer einzelnen Stelle des Trogos entlehnt, sondern aus dem
Umfang des ganzen Werkes des Justinus als angeleitet anzusehen.
Zu Fr. 5, aus Orosius, genügt es auf die schon von Beck Diss.
de Orosii fontibus et auctoritate §. 3 p. 5 u. 7 ^gemachte Behauptung
zu verweisen, dafs dieser Schriftsteller keineswegs aus Trogus ge-
schöpft habe. Dagegen wage ich in Beziehung auf Jordanes (der Hr.
Hg. schreibt Jornandes) mit Bestimmtheit dasselbe Urtheil zu fällen,
obwohl von den beiden Stellen, welche der Hr. Hg. aufführt, die er-
stere. Fr. 4 ans Get. 10, augenscheinlich nicht den Text des Trogus
wörtlich gibt, welcher überdies auch wiederum um mehr als die Hälfte
kürzer als sein Epitomator gewesen sein würde, sondern nur einen
magern Auszug aus Just. I, 8 enthält, bei welchem die einzige Bemer-
kung am Schlufse vermifst wird, ibique primum Getarum gens serica
9idU tentoria, welche weit eher für einen Zusatz des Jordanes gehal-
ten werden kann als umgekehrt, ganz ähnlich der Belehrung, welche
Jordanes Get. 6 über die ates Phasides gibt. Die Benutzung des Justi-
nus ergibt sich aus Vergleichung der Worte desselben guae non mu-
iiebnier adventu hoslmm ierrita — transire tarnen permisii. Allein
von ganz anderer Beschaffenheit ist die andere Stelle, Fr. 6 aus Get.
6. Wenn hier manches berichtet wird, was sonsther unbekannt ist,
so soll darauf noch kein grofses Gewicht gelegt werden, weil es nach
dem Zusammenhang des Textes nicht evident ist, ob alles dieses auf
den erst später genannten Gewährsmann zurückgeführt werden darf.
Aber es ist die Rede von dem Kriege des Tanausis (so Jordanes , bei
Just. Tanatis)^ Königs derGeten, und des Vesosis^ Königs der Aegypter,
und zunächst von den nach Besiegung Asiens durch jenen daselbst
Kurückgelafsenen Geten. Von den auf letzteres bezüglichen Worten
des Jordanes , ex gtiorum nomine vel genere Trogus Pompeins Par-
thorum dicit extilisse prosapiam^ wird man bei dem Epitomator des
Trogus keine Spur finden; vielmehr heifst es bei demselben II, 3 nur:
inde reversi (Scythae) Asiam perdomiiam vectigalem fecere^ modico
iribuio magis in tiiulum imperii quam in victoriae praemium im-
posito. Auch Dübner (dessen Ausg. vom J. 1836 mir allein vorliegt)
hatte zu I, 1, wo von beiden Königen, Tanausis ood Vesosis *), vor-
*) An beiden Stellen des Justinus hat man, auch Dubner, das in
K. Jahrb. f, PhU, «. Paed Bd, LXX. Bfl, 1. 5
66 A. Bielowski: Pompeii Trogi fragroenta.
läuGg die Rede ist, angemerkt, dars Jordanes in der angeführten Stelle
vielleicht nnmitlelbar aus Trogus geschöpft habe. Darf übrigens einer
solchen Annahme Raum gegeben werden, dann wird man nicht umhia
können dem Hrn. Hg. beizupflichten, wenn er eine dritte Stelle des
Jordanes aus Get. 10, obwohl hier der Gewährsmann nicht genannt
wird, augenscheinlich aber Trogus oder Justinus benutzt worden ist,
gleichfalls dem ersteren vindiciert, da die entsprechende Stelle des
Just. II, 5 schon durch die Dürftigkeit ihrer Darstellung den Epito-
mator nicht verkennen lafst.
Fr. 42, aus Luitprand Advers. Nr. 200 (Opp. ed. Antwerp. 1640
p. 490), wird man Anerkennung nicht versagen können: Memini me
iegisse in biblioiheca Fuldensi^ in libro Trogi Pompeii ^ Augustum
dedisse edictum de describendo orbe Tarracone, et idem ediclum in
libro Ulo dicebatur datum Tarracone: diiata tarnen execuiio propter
negotiorum muititudinem diu. Also noch im lOn Jh. in Deutschland
ein vorhandenes Exemplar des Trogus !
Diese Durchsicht sämmtlicher vom Hrn. Hg. aufgeführten Frag-
mente, von welchen wir wifscntlich keins übergangen haben, wird im
Stande sein, den Werth der Entdeckungen des Hrn. Hg. in ihr rech-
tes Licht zu stellen, dieselben zugleich aber auch auf das gebührende
Mafs zurückzuführen. Wenn auch, wie wir gesehen haben, nicht alle
erregten Erwartungen in Erfüllung gegangen, so ist des neuen und
bedeutenden vieles ans Licht gezogen worden , wofür man dem Hrn.
Hg. zu grofsem Danke verpflichtet ist. Thun wir einen Rückblick,
um das wifsenschaftliche Ergebnis genauer ins Auge zu fafsen, so
handelt es sich freilich, mit Ausnahme vielleicht eines einzigen Frag>
ments, nicht um den Erwerb wörtlicher Bruchstücke ans dem Werk
des Trogus, sondern nur um mehr oder weniger wortgetreue Auszüge
aus einzelnen Stellen. Allein schon diese gestatten einen freiem Ue-
berblick über den Umfang des verloren gegangenen Werks und beroi-
ohern die Geschichte der alten Völker um manche Notiz, welche in
den bisher kaum beachteten und nur wenigen zugänglichen Urkunden,
welche der Hr. Hg. ans Licht gezogen , wohl noch lange verborgen
geblieben wären. Aufserdem, um eine vollständige Uebersicht über
die jetzt noch vorhandenen Ueberreste des ganzen Werkes zu geben,
sind von dem Hrn. Hg. alle schon früher bekannten Fragmente nach
Citaten bei Friscianus (Fr. 14 und 15, welche wegen ihrer glücklich
gefundenen Wiederherstellung besonders namhaft gemacht zu werden
verdienen) u. a. an ihren geeigneten Stellen eingereiht worden; des-
gleichen auch die bekannten Prologe, deren Text gleichfalls hie und
da eine noch immer nothwendige Nachhilfe erfahren hat, worüber
keiner Hs. meines Wlfsens bis jetzt gefundene Seaoatris an die Stelle
der freilich noch unerklärten Lesart Feaoais aufgenommen. Dafs diese
einem hohen Alterthnm angehöre, bezeugt Jordanes, und ich trage
aus dem cod. Giss. Vczosia nach, eine noch nicht angemerkte Variante
dieses Namens.
A. Bielowdki: Pompeii Trogi fra^enta. 67
Ref. in dem folgenden einige Bemerkungen anachliefst. Die Grauerl-
sehe Bearbeitung derselben scheint dem Hrn. Hg. unbekannt geblieben
zu sein.
Prot. I. Die schon von Dübner aus Hss. aufgenommene Form
des medischen Namens Arbacius^ wofür Grauert trotz Just. I, 3 noch
Arbaces beibehielt, wird durch mehrfache Anfuhrung desselben in
polnischen, vom Hg. namhaft gemachten Urkunden, auch durch cod.
Cracov. bestätigt. Sonst freilich ist Arbaces die gewöhnliche Form,
wie z. B. bei Euseb. Chron. epit. in Mai Coli. Vat. T. I p. 7. In den
Worten Imperium Assyriorpm a Nino rege usque ad Sardanapallum
[sie] läfst der Hr. Hg. usque weg, vermuthlich nach Auetoritaten. —
Prol. 11 ist die richtige Lesart originesque, Scyihiae res usque endlich
aufgenommen worden. Dübner halte sie bereits gebilligt, ohne sie in
den Text zu nehmen. Sie wird durch den jedoch vom Hrn. Hg. nicht
angeführten cod. Cracov. bestätigt. — Prol. III : ui — belia inter ipsos
orta sint\ Der Hr. Hg. hat sich wohl durch Dübner täuschen lafsen,
indem er sint schrieb. Das richtige siinl, nach dem in diesen Prolo-
gen häufig gefundenen Gebrauch des Indicativs, gab schon Grauert,
und vor ihm andere, wie Gronov. Dieselbe Redeweise ist mit Bon-
dam Var. lect. I, 4 p. 38 nach dem Vorgange von Vorstius und Freins-
heim gewis auch wieder herzustellen Prol. XXIII, wo et a Sicilia re-
versus in Italiam ticius proelio a Romanis reeeriil in Epirum gele-
sen wird, und von Dübner sogar et ul aufgenommen worden ist: nur
mufs man aufserdem mit den befsern Hss., auch dem cod. Giss. f>ictus-
que lesen. Der Gebrauch des Conjunctivs in jener Phrase findet sieh
allerdings auch häufig, aber sonderbarerweise erst ungefähr vom
zehnten Prolog an. — Prol. XIV. Die Worte et captam ad favorem
populi^ welche einige Hss. hinter obsessam einschieben, werden vom
Hrn. Hg. gegen Dübner in Schutz genommen, fehlen aber auch im
cod. Giss. — Prol. XXIV. In den Worten bellum quod Ptolemaeus
Ceraunus in Macedonia cum Monio Illyrio et Ptolemaeo^ Lysimachi
filio, kabuit verbefsert statt Monio ^ wie selbst noch bei Grauert und
Dübner steht, der Hr. Hg. trefflich Monunio^ unter Hinweisung auf
eine Münze dieses illyrischen Königs bei Eckhel. Zu weiterer Bestä-
tigung dieser vollkommen sicheren Emendation konnte noch erinnert
werden, dafs der Name desselben Königs auf verschiedene Weise ver-
schrieben sich auch bei Polyb. XXIX , 5, 7 und Liv. XLIV , 31 findet,
wie schon von andern bemerkt worden ist ; vgl. Droysen Ztschr. f. d.
AW. 1836 Nr. 104 S. 833. — Prol. XXXU wird mit Wahrscheinlich-
keit der dacische Königsname Burobosten statt Rubobosten hergestellt.
Schon Vossius hatte aus Strabon Boerebistan vorgeschlagen.
In der löblichen Absicht, alles was aus dem Alterthum unter
dem Namen des Pompejus Trogus vorhanden ist zusammenzustellen,
hat der Hr. Hg. den Fragmenten des historischen Werks auch noch
einige andere aus bekannten Quellen p. 49 unter dem Titel einer
Schrift de animalibus angefugt, von welchen das letztere Nr. 53
jedoch der Hr. Hg. selbst glaubt eher den Philippicis znw^eisen zu
5*
68 A. Bielowski: Pompeii Trogi rragmenla.
marseo. Die andern sind meistens aus Plinius N. H. entnommen, wo
ihr Urheber einfach unter dem Namen Trogus erscheint, ebenso auch
in den Schriftstellervcrzeichnissen des Plinius: es mag aber wohl mit
Recht diese Ueberlieferung auf Rechnung des Pompejus T. kommen,
da kein anderer Schriftsteller unter dem Namen Trogus bisher bekannt
geworden. Den Titel der Schrift verdanken wir allein dem Charisius
p. 79, welche Stelle der Hr. Hg. anführt, ohne einer andern desselbeq
Grammatikers zu gedenken, aus welcher wir selbst eine Idee von dem
Umfange des ganzen Werkes erhallen, p. 110: itaque Trogum de ani-
malibus Uhro X partum numerorum et imparium non rede
dixisse^ sed parum et imparum.
Der gehaltreichen Vorrede, in welcher Auskunft über die be-
nutzten Hilfsmittel gegeben wird, folgt eine sich auf der Oberflache
haltende ^Notitia literaria de Pompeio Trogo', in welcher nament-
lich das über Justin bemerkte unbefriedigt läfst. Rucksicbtlich des
Zeilalters desselben folgt der Hr. Hg. der gewöhnlichen Annahme,
dafs Justiu um 161 n. Chr. gelebt habe, ohne sich daran zu erinnern,
dafs der schon früher von Wetzel (Ausg. des Just. S. l) aufgestellten
Behauptung, wonach er vielmehr dem 3n Jh. angehöre, nunmehr das
Urtheil Niebuhrs (Vortr. über alte Gesch. I S. 12) mit einem aus der
Form des eigentlichen, auch schon von Vossius de bist. Lat. gebil-
ligten Namens M. lunwnus lustinus abgcleilelcn gewichtigen Grunde
zor Seite steht. Es ist hier nicht der Ort zu weiterer Erörterung die-
ser noch schwebenden Frage, zumal dieselbe ohne Zutritt eines posi-
tiven Zeugnisses schwerlich über den Grad von Probabilitat erhoben
werden kann: jetzt nur so viel, dafs, wäre das bis jetzt nur in altern
Ausgaben gefundene Einschiebsel imperalor Antonine befser begrün-
det, wenn auch aus derselben Quelle unterstützt durch die Ueberschrift
des Werks . . . exordium ad Antoninum oder Antonium (s. Fischers
Ausg. S. 449), darin eine Bestätigung der Nicbuhrschen Behauptung
gefunden werden könnte, wenn unter dem genannten Antoninus viel-
mehr Caracalla verstanden würde. Auch rücksichtlich der Herkunft des
Justinus mag noch die, wie es scheint, bisher unbeachtete Notiz hier
ihre Stelle finden, dafs er in einer Wiener Hs. Hispanus genannt
wird: s. Endlicher Catal. p. 153.
Wir können diese Schrift nicht ans der Hand legen, ohne die
Aofmerksamkeit der Alterthumsfreunde noch auf zwei Entdeckungen
rücksichtlich zweier anderer alten Schriftsteller hinzulenken, deren
aufser noch einigen andern Andeutungen über Reliquien der alten Ge-
schichte in polnischen Hss. am Schlufs der Vorrede gedacht wird.
Die erste betrifft den Valerius Maximus, welcher, wie p. XIV berich-
tet wird, in der Chronik des Vincentius einmal mit den Worten ange-
führt wird: de isto refert Valerius Maximus in Uhro de vita Caesaris^
nnd zwar in Beziehung auf Kotys , König der Geten , ^i luUum Cae-
sar em^ primum monarcham^ tribns fudit proeliis; qui ducem Roma^
norum {Bebium) cum omnibus copiis delerit^ wie es daselbst heifsl.
Der Hr. Hg. verweist hierbei auf Appian de illyriis c. 12 and 13 und
A. Bielowski : Pompeii Trogi fragneDta. 69
Cio. Epitft. Y, 11. (Anfeine vollständigere Gestalt des 9tt Bachs der
Dicia etc., als der Jetzige Text beschaffen ist, wurde neulich im Philo-
logus VIII S. 384 hingewiesen.)
Die andere Entdeckung betrifft die Eingangs dieser Anzeige
schon berührte Nachweisung einer ehemals in Polen vorhandenen Hs.
der Bücher Ciceros de re publica. Hatte man über den frühem Ver*
such Müunichs vielfach den Kopf geschüttelt, so hat sich des Ref. in
seiner Ausg. p. XXXIl mit Zurückhaltung ausgesprochenes Urtheil
jetzt gerechtfertigt, wenn man nemlich aus dem Umstände, dafs aus
polnischen Quellen nunmehr Fragmente des ciceronischen Werks auftau-
chen, welche bisher ganz unbekannt waren, zu einem solchen Schlufse
sich berechtigt erachten will. Es würde voreilig sein, über diese Ent-
deckung jetzt ein entscheidendes Urtheil abgeben zu wollen, da das
Interesse der Sache gewis weitere Forschungen unter den Kennern
der polnischen Litteratur, und wenn man an Trogus denkt, vermuth-
lieh mit Erfolg, hervorrufen wird: es genügt hier die zwei vom Hm»
Hg. nachgewiesenen Fragmente wörtlich mitzutheilen. Das erste der-
selben wird entnommen aus einer 1603 geschriebenen und vom Hg.
1863 edierten Schrift * Paradoxa koronne': Rede Cicero in libris de
Republica scripsit: ^quicumque epulis et conriüiis ei sumptibus aetti-
maiionem hominum sibi conciliant^ palam ostendunt^ sibi verum de*
cusj quod ex virtute ac dignitate nasciiur^ deficere.^ Dieselbe
Sentenz wiederholt der Vf. später noch einmal, wiederum unter An-
führung seiner Quelle. Das andere Fragment findet sich in dem Cod.
bibl. Ossol. Nr. 458: Cicero de Republica: ^ leniier atque placide
fidesy non vi ei impetu^ concuti debere,^ Könnte dem vierten Buche
angehören, nach Berücksichtigung des Fragments bei Nouius s. v. fidei
(p. 321 der Ausg. des lief.).
Giefsen. F. Osann.
Kürzere Anzeigen.
Beobachtungen über den homerischen Sprachgebrauch you Dr.
Johannet Clanen, Director und Professor des Gymnasiums in
Frankfurt am Main. (Frühjahrsprogramm des genannten Gymna-
siums.) Frankfurt a. M. gedruckt bei H. L. Brönner. 1854. 26
S. 4.
Es sind bereits zehn Jahre, seit K. W. Krüger das crsU Heft
des zweiten Theils seiner griechischen Sprachlehre, das die Form-
lehre des epischen und ionischen Dialekts umfafst, herausgegeben
hat, und nocli warten wir vergebens auf die Fortsetzung im zwei-
ten Heft, die sich auf die Syntax der erwähnten Dialekte er-
strecken soll. Durch die Darstellung dieser, insbesondere der home-
rischen Syntax wird auch die zuletzt wieder auf Homer ruhende Syn-
tax des attischen Dialekts in mehrfacher Beziehung erst ihre tiefere
Begründung und klarere Entwicklung erbalten. Freilich bedarf es dam
70 J. Classen: Beobachtnngen aber den homerischen Sprachgebrauch.
genaaer, bis ins einzelne gehender grnnd lieber Vorarbeiten, deren wir
gerade aaf diesem Gebiete der classischen Philologie nicht eben ^iel
aufzuweisen haben. Um so dankenswerther ist es, dafs Hr. Director
Classen in dem oben genannten Programm gerade dieses Thema be-
handelt hat. Es sind nemiich die hier mitgetheilten Beobachtungen
über den homerischen Sprachgebranch zunächst auf die Syntax und
innerhalb dieser wieder auf den Unterschied der homerischen und der
YoUig ausgebildeten Periode der attischen Prosa gerichtet.
Hr. Cl. geht dabei von dem gewöhnlichen strengen Begriff der
Periode — als der Tollkommen logischen, hauptsachlich durch hypo-
taktische Satzverbindung vermittelten, zur völlig entsprechenden Form
hindnrchgedrnngenen Gliederung des Gedankens-- aus, und setzt dem-
§emäfs das eigenthumliche der homerischen Periode darein, dafs in
ieser 'der innere Zusammenhang und enge Anschlufs, welchen die
organisch gebaute Periode herbeißhrt, vielfach gelockert, und anstatt
der relativen Verbindung, des Hauptmittels der periodischen Stroctur,
die parenthetische Einfügung oder die parataktische An-
reihung durch manigfache Uebergangspartikeln viel häufiger als in
der spätem Sprache angewandt erscheint'. So werden denn 1) die
parenthetischen Fälle besprochen, doch zunächst nur in den so^.
Kedeeingängen bei Homer, wo 'der vordringende Affect nicht erst die
logische Anordnung der ihn treibenden Motive abwartet' und sich da-
her 'dem Hauptgedanken, welchen man im ruhigen Gange des Ans-
dmcks vorangestellt erwartet hätte, in der lebhaften Bewegung des
Moments irgend ein Nebengedanke voraufdrängt", sei es als anticipierte
Begründung eines nachfolgenden Hauptsatzes durch yuQ oder als ein-
leitender Satz durch fi4v oder durch eine Adversativpartikel. Dann
folgen 2) die parataktischen Erscheinungen, zuerst die einfachste
und bekannteste, wonach 'in mehrgliedrigen Relativsätzen das relative
Pronomen an der Spitze des ganzen auch auf die nachfolgenden Glie-
der seine Wirkung übt, mag im zweiten und dritten gar kein Pro-
nomen stehn oder das Personalpronomen an die Stelle des relativen
Setreten sein' ; dann die anderen der eben genannten analogen Ans-
rucksweisen. Daran schliefst sich endlich noch 3) die Betrachtung
einiger Uebergangs formen der noch unentwickelteren homerischen
zur vollkommen entwickelten Periode der späteren Prosa, namentlich
der Uebergauffspartikeln, die bei Homer als Vermittlung zwischen Vor-
der- und Nachsatz zu Anfang des letzteren vorkommen.
Unter 1) steht also a) der sog. parenthetische Gebrauch von ytxQ
voran; und so oft derselbe anch theils in den Wörterbüchern der
griechischen Sprache überhaupt und den Sneciallexicis insbesondere,
theils in den Grammatiken (so schon bei Viger p. 493 ff. Herm.),
theils gelegentlich in Commentaren (so schon bei Eustath. ad II. B
803 *) und sonst) oder in Excursen (wie bei Tafel Dilucid. Pindar. I
"JP Eustath. p. 349, 21 ^v dl tcj 'nolXol yaqyiatä Satv inUovqoi^
Sg iv xotg voijfutai itQOTifitai, x6 fihv ovv xoivov ovxag' ' insl Ttol-
'61 Ttoirj-
ivxa xeS
,, , ^ yäQ BnixovQOi , ^naaxog oi^fiaivtxm xotg iavxov^,
nal noiti xovxo dia xo %aiv6xsQ0v, nqoxi^tlg t^v xijv ctlxCav %axä
Xoyov TttQißolijg^ vnoxäoömv dh avx-j x6 ulxiccxov wtl iv xovxa fiovt»
isv^mv Sxt, an6 tov yctq övv9iafiov %ctxdQXttat> (vgl. zu N 735 p.
937, 35 ifp' olg dno xov yciQ avv9ia(iov ovvij^mg dQXo(tsvog^ ag Ico*
Svvafiovvxog xtß intidtj xal xtjv alxCttv iiantQißoXmg fCQOxd^ag xrjg
inax^cofUvfig cviLßovUvxtn^g dtmcemg) — eine Stelle die wir des-
J. Ciassen: Beobacfatungen Aber den homerischen Sprachgebrauch. 71
p. 163 fle usn parentbetico ▼. rcrV) behandelt ist: so verlohnt es sich
doch noch immer der Mähe, die einzelnen Stellen bei Homer genauer
VQ betrachten, wenn aach zunächst nur diejenigen, in welchen die
erwähnte Cansalpartikel gleich nach einer persönlichen Anrede, also
nach einem Nomen im Vocativ folgt. Als £rläuteningsbeispiei
wählt der Vf. die bekannte Stelle ^122 ff.
ndig ydg tot dtocovai yi^ag fiBydS^^fioi 'Jjttiot; %zL
Dieser \era (123) «oll eben die vorausgeschobene Begründung
des Hauptgedankens ( Vs. ] 27) dlXä av fihv vvv fqvde ^fto ngotg
enthalten, also weder, wie Nägelsbach annimmt, den in (piloyiTsavca-
Tccts enthaltenen Vorwurf, noch, wie Paesi meint, einen vorauszuden-
kenden Satz ('wie kannst du so unbilliges, ja unmögliches verlan-
gen?') motivieren. Dadurch nehmen die Verse von «o5g yap bis inaysC-
gnv einen parenthetischen Charakter an; denn streng logisch muste
fesagt werden! 'Arge^dtj, av filv vvv vijvoe &sdi ngosg — nxog ydg xot
oiüvvai yigag %tL Nach der Analogie dieser Stelle sollen nun alle
die andern gleich näher zu besprechenden Stellen in der Ilias und
Odyssee, in denen sich überall die anticipierte Begründung eines nach-
folgenden Hauptsatzes finde, benrtheilt und erklärt werden.
Wie aber, wenn ein Hauptsatz gar nicht nachfolgt? —
Der Vf. fährt unter den in der angegebenen Weise zu erklärenden
Stellen auch ^159 an. £uryalo8 hat auf Laodamas Antrieb den Odys-
»ens zur Theilnahme am Wettkampf aufgefordert, Odysseus aber diese
AnfTorderung unter Hinweisnng auf seine jetzige Lage und Stimmung
abgelehnt. Da fafst ihn Euryalos an seiner Ehre an mit den Worten:
ov ydg ß' ovdi, ^iCvs, Öaijfiovi (pwvl itayioa
äd'XtoVy old TS nolXd ftiv' dvd-gwnotai nilovtai,
dlld v(p og Q"* aiku vr]t noXvTiXij'cSi d'afiitmv^
dgrog vcevtdmv ot ts ng'qxTrjgfg ^ctoiv,
tpogxov TS fivfjamv xorl inCanoirog flciv odatmv
nsgdicov ^' agnaXioav ovd* d&Xritrjgi iomag.
Hier kann doch von einer ' anticipierten Begründung eines nachfol-
genden Hauptsatzes^ nicht die Rede sein, ans dem einfachen Grunde,
weil sich ein solcher gar nicht vorfindet. Das begründende ydg ist,
wie so oft, aus dem lebendigen Fortschritt der Rede und Gegenrede
zu verstehen; es 'argumentiert aus einem im Sinne behaltenen Grunde'
(Nitzsch z. d. St. II S. 185), wie es bekanntlich unzählige Male im
attischen Dialog in Antworten vorkommt und von den Erklärern immer
so genommen wird : 6Q9^g X^ysig, ov ^av^aatov u. s. w. ' das nimmt inirh
nicht Wunder, ganz recht, das will ich wohl glauben' u. dgl., nicht
als Ellipse, sondern als ein Gedanke, der sich aus der lebendigen
Rede mit dem ydg von selbst ergibt. — Ebensowenig folgt ein Haupt-
satz in der andern vom Vf. hierher gezogenen Stelle S 402 ff. Wenn
dein Herr nicht heimkehrt, wie ich sage, versichert der noch uner-
kannte Odysseus dem Eumaeos, so sollst du mich von einem hohen
Felsen herab zu Tode stürzen. Darauf antwortet Flumaeos:
^bCv\ ovToa ydg %iv fioi iv%Xs(fi t' agsttj ts
strj iit dv^goinovg, Sfia t* uvxUa %a\ (ksrim
«»r«,
halb vollständig angeführt haben, weil die hier gegebene Erklärung
und Gleichstellung des durch ydg gebildeten Satzes mit dem durch
fnsl eingeleiteten Satze im Princip mit der Erklärung Classens über-
einstimmt, wenngleich der letztere natürlich weit entfernt ist, dem
Dichter solche Gründe zu der erwähnten Satzverbindung unterzuschie-
ben, wie dies Eustathius thnt.
72 J. CUisen: Beobachtaugen über den homeritfchen Spracbgebrauoh.
og a' insl ig %XicCviv ayayov xal iBCvut dcoxa,
offenbar ironisch: 'ja, du hast Recht, ein schöner Vorschlag, denn
wenn ich das thäte, würde ich mir einen schonen Namen bei der Mit-
und Nachwelt machen.' — Auch in der dritten Stelle t 350 ist
ein solcher nachfolgender Hauptsatz, den ydq «um voraus begröirde,
nicht zu finden. Odysseus will sich nur von einer altern erprobten
Dienerin des Hauses ein Fufsbad gefallen lafseo. Darauf entgegnet
ihm Penelope: , , . » , r
isivB (pil* * ov yaQ nta xig dvriQ ytsnvviiivog oads
ieivmv fnXf^anciv tfiXltov ifiüvtiiSTO ^cojioc, ^
mg av iiui' tvtpQadsiog ytsnvvfiiva ndvx* dyoQfvfig xze.
and dann folgt nicht etwa eine Aufforderung an Odysseus, sondern
an Enrykleia. Faesi erklärt daher den Satz mit yccQ als Begründung
der vorausgehenden Anrede ^blvs q>ilBi 'so mufs ich dich nennen,
obwohl du ein Bettler bist, den Namen verdienst da'; das braucht
aber Penelope nicht ausdrücklich zu sagen, sondern das liegt eben
in der Anwendung dieser Anrede selbst und in deren Begründung ^).
Oder noch befser: auch das soll dir zu Theil werden; denn u. s. w.
Der formellen ausdrücklichen Ankündigung aber bedurfte es nicht, weil
hernach der bestimmte Befehl an Eurykleia ergeht.— Etwas schwie>
riger ist das vierte Beispiel o 545, das jedoch mit den drei anderen
das gemein hat, dafs auch in diesem ein Hauptsatz nicht nachfolgt.
Telemach vertraut seinen Gastfreund Theoklymenos dem treuen Fei-
raeos an, ihn in seinem Hause bis er (Telemach) zurückkehre zu ver-
pflegen. Peiraeos antwortet:
TrjXifiax', el ydq %bv ov itoXvv xqovov ivd'dös (iifipoig,
xövde d* iyd» TiofiicS^ ^tvitov Ss oi ov nod-rj iaxat.
Auch hier hat yuQ seinen Bezug auf die vorausgehenden Worte Tele-
machs und begründet die bejahende Versicherung des Peiraeos: 'sicher
und gewis werde ich ihn bewirthen bis zu deiner Ruckkehr; du thost
keine Fehlbitte, Telemach, denn selbst für den Fall, wenn du nicht
schon heute oder morgen kämest, sondern länger dort bliebest, ich
werde ihn wie sichs gebührt verpflegen.* — Auch das fünfte Beispiel
Q 78 kann unmöglich in der von Cl. angenommenen Weise erklärt wer-
den. Als Telemach von Eumacos in die Stadt zurückgekehrt war,
fordert ihn Peiraeos sogleich auf, sich nun die Geschenke des Mene-
laos aus seinem Hause holen zu lafsen. Der besonnene Telemach aber
antwortet ablehnend: Jlfi^Qni', ov ydg x* t^fisv ontog icxai xdde li^ya.
'Nein, Peiraeos, das darf nicht geschehen , denn wir wifsen ja noch gar
nicht, wie es kommen wird', nach dem ganz bekannten und gewöhn-
lichen Gebrauch von ov ydg in der Antwort.
Diese Beispiele, in denen ein nachfolgender Hauptsatz gar nicht
vorhanden ist, wären also zuerst unbedingt auszuscheiden. Doch auch
die Beispiele, in denen hernach wirklich ein Imperativ- oder impera-
tivartiger Satz nach vorausgehendem ydg folgt, sind nicht alle gleicher
Natur.^ Zunächst müfsen einmal wenigstens die Beispiele, in denen
sich ydg an ein Fragwort wie ntog, xig anlehnt, von den andern, in
denen dies nicht der Fall ist, gesondert werden. Da darf nun {bleich
das oben angeführte erste Hauptbeispiel aus A 122 ff. in des Vf. Weise
meines Erachtens nicht erklärt werden. Nicht diese Folge hatte die
logische Anordnung verlangt, wie Cl. meint: 'Atride, lafs sie für jetzt
^) Etwa wie bei Soph. O. T. 3^ otnt, i lumtop xohcior«, %al ydg
av ntxgov tpvaiv av y* ogydvtucg, iUif^ig ^oxB xrl. ; nur dafs hier der
Satz mit xnrl ydg wirklich parenthetisch ist.
J. Ciassen: Beobachtuogen aber dea bomerUchen Sprachgebrauch. 73
fahren! denn wie follen wir dir Ersatz schaffen, da nichts vorhanden
ist sur Vertheilung? Künftig sollst du reichliche Entschädigung er-
halten \ — wie hatte diese Hinweisung auf die Unmöglichkeit eines
Ersatzes die Aufforderung des Achilleus gehörig motivieren können?
Nach den vorausgehenden Worten des Agamemnon kam es vielmehr
darauf an, seine Anspräche auf ein anderes neues Ehrengeschenk zu-
rückzuweisen; denn zurückgeben will er ja die Chryseis, aber nur
unter der Bedingung, dafs ihm augenblicklicher Ersatz dafür
werde. Dagegen erhebt sich nun Achilleus: 'gib deine ungerechten
Ansprüche auf, du verlangst unmögliches und ungerechtes: wie sollen
dir denn die hochherzigen Achaeer sofort Ersatz leisten, wie ist denn
das möglich? das geht nicht an, sondern du hast jetzt einfach dem
Gott das Mädchen zurückzugeben; aber sobald wir wieder Beute
machen, sollst du reichlichen Ersatz haben.' Dafs die Stelle so zu
erklären ist, beweist der Zusammenhang mit dem vorhergehenden;
unterstützt wird diese Erklärung durch die Vergleichung mit den an-
dern, gleichfalls von Cl. als hierher gehörig betrachteten Interroga-
tivsätzen, in denen jedoch, wie oben, ein Hauptsatz gar nicht folgt,
sowohl i^ 61 ff., wo Menelaos von Agamemnon erst näheren Bescheid
verlangt, weil dieser sich nicht bestimmt genug ausgedrückt hattet
ntäg yäg (loi fiv-d'^s inixiXXecet i^6h %eX£V6ig; 'soll ich dich hier wieder
erwarten oder dir nachgehen?' als x 337 ff., wo Odysseus auf die
Zumuthung der Kirke, die sich doch gegen Odysseus Gefährten so
feindlich erwiesen, antwortet: (o K^qhtj, nmg yd^ (is nilsai aol f^rtoy
cJyat; 'wie kannst du denn verlangen' u. s. w. Ganz ähnlich ist
dann gleich darauf Vs. 383 ff.: 'Kirke, wie kannst du noch fragen,
wie sollte es anders sein? zig ydq %sv dvi)Q — tcqIv xXaCri näaaad'at
iöfitvog TjSl not^Tog, tcqIv Xvaaa&* izaQOvg'^ nzL und in demselben
Gesang weiter unten Vs. 501 J X^gnTj, zCg yuq zavzriv oöov ijyt/iAo-
vBvCBi\ 'ich soll die Reise in den Hades machen, da mufs ich erst
fragen: wer wird denn mein Führer dahin sein? als Schatten kommt
man wohl dahin (von Hermes geführt), aber so lebendiges Leibes zu
Schiff, wie du bei mir vorauszusetzen scheinst, ist noch niemand in
den Hades gekommen.' — So endlich auch in der Frage der Iris O
201fr. ....
ovzca ycto ori rot, yaii^oxB iivavo%aita,
tovde q>iQ<o dil fj^vd'ov ccTiTjvta zs ü^cczsqov zs,
rj ZI fiszaozQiilfeig;
'soll ich denn also wirklich (wie ich aus deinem bestimmten Auftrag
schliefsen mufs) das harte Wort melden, oder änderst du deinen
Sinn?'
Es blieben nun noch die Stellen übrig, in denen ein Imperativsatz
auf das einfache vorausgehende ydcQ folgt. Auch diese Stellen sind
keineswegs alle gleichartig; doch mufs ich mir, um nicht die Grenzen
dieser Anzeige zu überschreiten, für diesmal versagen, auf das einzelne
näher einzugehen. Auch hier dient ydg zuweilen dazu, die eben ge-
schehene Anrede selbst zu begründen nach Analogie der Stelle in der
Parodos des Oedipus in Kolonos:
3 naC Kgovovy öv yocQ viv tlg
zod* elaag avxq(i\ «vag noasiddv
'Sohn des Kronos, sc. dich rufe ich an, dich verehre ich', was aber
formell nicht ausgedruckt zu werden braucht, da es materiell in der
Anwendung des Yocativs^ selbst liegt; oder nach Pind^. Olymp. 4, 1
iXazrJQ vnfifzazt ßgovzäg dyiafiavzoTtodog Zev * zsal yd(f mqui uzt. Dar-
nach möchte ich z. B. V 156, Sl 334 erklären.
Nach dem causalen Verhältnis behandelt dann der Vf. (jedoch
gleichfalls nur in lebendig eingeführten Reden) b) diejenigen Fälle,
74 J. Classen: Beobachtungen über den homerischen Sprachgebrauch.
'wo dem Hauptgedanken nnd dem eigenttichen Inhalt der Rede ein
beschränkender und überall nur einleitender Umstand durch die Par-
tikel fiiv voraufgestellt wird, so dafs jener durch ein öi oder dXld
entgegengesetzt von dem ersten Glied eine schärfere Beleuchtung und
Hervorhebung empfangt', wie d 257 ff., G 161 , I 53, a 307. 400 n.
a. St. Innerhalb solcher Perioden, 'wo alles in nahem Zusammenhang
untereinander steht und auf die Mahnung des Schtufsverses hin-
wirkt', wünscht denn auch der Vf. die vollen Punkte {ziXsiai ariyfia^)
in die kleinern (fiiaat cxiyyLaC) verwandelt zu sehen. — Es folgen
dann c) die Fälle, 'wo gleich der einleitende Satz der Rede mit einer
Adversativ- Partikel beginnt.' Sie sind gleichfalls proleptisch zu
erklären; es 'wird nemlich selbst der beschränkende Kinwand , der
nach unserer bedächtigeren Weise sich doch erst dem ausgesprochenen
Satze entgegenstellen muste, durch den vorgreifenden Drang der
lebendigen Rede an die Spitze geruckt'. Hierher gehört z. B.^ 9 235 ff.
Ge^vis mit Recht wird Fac^is Erklärung des parenthetischen crr^^ #f6ff
alXoxB alXco Ztvg dyciQov rs hcctiöv xb diöoC als Gegensatz zu dem
avd(f(ov ia^Xmv naidsg verworfen. Nach Cl. ruht der Nachdruck und
wesentliche Inhalt des Satzes auf dem nachfolgenden vvv SaCwe^'f^
lafst es euch jetzt wohl sein! 'Die Theilnahme an dem Schmerz de«
Telemachos drängt aber vorher zu der Klage über die Gebrechlichkeit
und Unbeständigkeit des menschlichen Schicksals, die nicht leicht sn
ungestörtem Genufse kommen iäfst: freilich wohl läfst Zeus niemand
zur Sicherheit des Lebensglücks gelangen , in seiner Macht steht unser
Leben immer.' Ich glaube nicht, dafs die Stelle so erklärt werden
darf. Helena will doch offenbar ihre Aufforderung nicht beschränken,
sondern durch die eingeschobenen Worte vielmehr befur\%orten, und
der Sinn ist: der Schmerz, dem ihr euch bisher hingegeben habt, ist
ganz gerecht; nun aber vergefst nicht: Gott gibt nicht allein Leid,
sondern nach seiner Allmacht auch Freude, nach den Klagen gebührt
sichs nun, dafs wir der Freude Raum geben. Darum möchte ich den
Satz kaum als Parenthese fafsen, sondern lieber gleich an die Anrede
anschliefsen und in ^inem Flufs mit dem folgenden verbinden. Durch
die entgegensetzende und zugleich dem natürlichen Zusammenhang ge-
mäfs fortleitende Partikel arcr^ wird gleich nach der Anrede die be-
kannte allgemeine Sentenz zur Beherzigung empfohlen und daran un-
mittelbar die bestimmte concrete Aufforderung angereiht: 'aber nun,
fion Mcmper arcum tendit JpoUo, traun jetzt freut euch des Mahles'
u. 8. w. — Aehnlich ist denn auch die berühmte Stelle aus Hektors
und Andromaches Abschied Z 429 ff. zu erklären:
EntoQy dtag av fioi iaai natrJQ xal notvia fiTjTT^^
ijd^ naa^yvriTog, av dd ^oi d'ccXsQog nagayio^zTig '
ctlX' ays vvv iXiaigs aal ccvtov fi^fiv' ini nvgyai.
Auch hier nimmt Cl. die Worte ccTug — naqa%oCx7ig parenthetisch,
wodurch wenigstens meinem Gefühl nach der Nachdruck der ergrei-
fenden Worte sehr geschwächt wird, abgesehen davon, dafs in dieser
Parenthese clxuq schwerlich durch 'du bist mir Ja doch' übersetzt
werden kann. Es ist vielmehr draq wie oben zu fafsen: 'Vater, Mut-
ter und Bruder hat mir Achiileus getödtet; nun aber, Hektor, bist
du mir also Vater und Mutter und Bruder, aber noch mehr (^f'), auch
Gatte; wohlan, erbarme dich jetzt und bleib.' Dafs nach naganoCzfig
ein Semikolon statt eines Punktes gesetzt werde, halte ich, um den
raschern Anschlufs der Aufforderung dXX* dys dadurch zu bezeichnen,
gleichfalls für passend; wie auch an noch mehreren anderen Stellen
des Vf. Vorschlag, die schwächere Interpunction statt der stärkeren
zu wählen, sicherlich zu billigen ist. So z. B. wo 2) von der para-
taktischen Anreihung die Rede ist, J 61 nach Analogie von ß 313
J. Classen: Beobachtungen ober den homerischen Sprachgebranch. 75
und an anderen Stellen, hinsichtlich deren wir jedoch auf die Ab-
handlung selbst Terweisen mfifsen *). Verweilen wir dafür noch einen
Augenblick bei den Beobachtungen, die 3) auf die entwickelte
Periode selbst gerichtet sind, und zwar zunächst auf solche Formen
der homerischen Periodenbildung, in denen Vorder- und Nachsatz noch
durch das mechanische Bindemittel einer Partikel zur näheren Bezeich-
nung des Verhältnisses beider GHeder miteinander Terbundon werden,
sei es durch das weitreichende ciqa (ap, ^of) 'recht eigentlich die epi-
sche Partikel, die den nach naturlichem Zusammenhang zu erwartenden
Fortschritt ausdrückt und daher auch den sich gleichsam von selbst
ergebenden^ Nachsatz^ einführt ' , oder durch das 'nachdrücklich ver-
sichernde ^TOt oder 17 toc, wenn dem Nachsatz ein bedeutenderes Ge-
wicht gegeben werden soll', oder 'wenn es darauf ankommt, die zeit-
liche Folge hervorzuheben, theils durch das einfache insixa, theils
mit stärkerer Betonung der Unmittelbarkeit durch avtW l^nra und
drj ineixa, wofür auch gelegentlich ?v&a in seiner temporalen Bedeu-
tung und Tiß mit der Andeutung des bestimmten Falles eintritt, oder
endlich, wo im Nachsatz ein bedeutsames oder entscheidendes Mo-
ment enthalten ist, durch die Partikeln drj tots, tors dtj, aal xdte
drjy Hcel tot' innzd*. 'In allen diesen und ähnlichen Verbindungen
des Vorder- und Nachsatzes durch überleitende Partikeln, die noch
auf einen mechanischen Anschlufs hinweisen , bleibt indes das Gesetz
der Unterordnung unverletzt und der Charakter der hypotaktisch ge-
bildeten Periode bewahrt. Bei weitem mehr wird derselbe alteriert,
wenn die Anknüpfung durch solche Partikeln geschieht, welche eine
Gleichstellung beider Satzglieder andeuten und somit , indem das ganze
der Periode auf dem Gesetz der Subordination beruht, die äufsere
Form der Coordination darstellen', sei es durch xi — xi und xi — %ai
oder durch die Adversativpartikeln di, alXd, avxccg.
Es wäre vor allen Dingen hier der Ort gewesen, zuvor den Un-
terschied der poetischen Periode von der prosaischen im allge-
meinen festzustellen, ein Unterschied der weiterhin wieder auf dem
Unterschied der poetischen und prosaischen Anschauungs- und Dar-
stellungsweise überhaupt beruht. Dadurch würde wenigstens das ge-
wonnen sein, dafs wir die erwähnte Satzverbindung fiel Homer
nicht allein als eine losere, mehr äufserlich mechanische Gliederung
im Gegensatz zu der festern, mehr innerlich organisch verschmolzenen
der spätem Prosa betrachteten, sondern vor allem das Moment her-
vorhoben, dafs die Sprache des Dichters, seiner Anschauung gemäfs,
eine concretere, lebendigere, individualisierende ist, während es dem
abstractern Prosaiker hauptsächlich darum zu thun ist, dem streng
logisch durchgeführten Gedanken die entsprechende strenge Form zu
geben. Die Beachtung dieses Gegensatzes würde dann ferner auch
nicht ohne Einflufs auf die Erklärung der einzelnen Stellen geblieben
sein. So ist gleich das erste Beispiel: A 81. 82
sCnsp ydq xe xolov ye xal avT-^fiag HaxaTtiipfjy
aXXd xB xal fisxoTtiabev ^xsi %6xov
*) Die Stellen, an denen überhaupt eine Veränderung der ge-
wohnlichen Interpunction (Semikolon oder Komma oder Parenthese-
zeichen) vorgeschlagen ist, sind: A 133- 137. 586 ff. B 200 ff. F43 ff.
^ 58 ff. 261 ff. 353 ff. 362 f. E Ibl ff. Z pT ff. 429 ff. / 158 ff. 167.
X 25 ff . iVT 825 ff. n 126 ff. 2; 548 f. a 76 ff. (J 312 f. 262 ff. y 62.
6 204. n 160 f. 299 ff . t 466 f . il 537. £ 415 ff. « 235 ff . 418 ff. 9 22.
307 ff. ti 18 ff. 38 ff.
76 J. Classen: Beobachluiigen über den homerischen Sprachgebranch.
nicht nur zu übersetzen 'wird auch die Aufwallung gedämpft, so bleibt
doch der Grimm', sondern um das lebendige gleiche Wechsel Verhält-
nis im Gegensatz aaszudrücken: 'so bleibt doch ebensowohl der
Grimm.' Die ärmere, abstractere Prosa kann dies freilich nicht so
lebendig bezeichnen. Ebenso Terhält es sich mit d 160
hln^^ ydq TS mal avzin' *OXviintog ovx izilBaaav
Ix T« xal o-^^ teXsC.
Wie hier das lebendige gleiche Wechsel Verhältnis durch t£ in bei-
den Sätzen ausgedrückt wird: so J 261 (insQ yocQ t' ocXXoi ys naQtj-
HOfiocDvceg '^^"^ol öccLt^ov nivaaiv , cuv Öl nUtov dinag aCsl sotrjx'
mansQ i^o{ durch t£ im ersten und Si im zweiten Satz das Gegenver-
hältnis der Auszeichnung: 'die andern bekommen etwas wie du (ri
im ersten Satz), aber (St) du bekommst mehr' u. s. w., und es ist
meiner Ansicht nach nicht, wie Ci. meint, auch hier Si in xi zu än-
dern. Entsprechender scheint auf den ersten Blick die andere Con-
jectur zu sein, die CI. bei dieser Gelegenheit aufstellt. Der Vf. stoftit
sich nemlich y 62 ag äg' Enux* rigazo xal avrj) ndvz* itsXsvta an
inBtxct^ das allerdings etwas auffallendes hat, da oben schon gesagt
ist avxlxoL 6' tvxexo noXXd. Cl. schlägt daher vor lieber insi x* zu
lesen nnd bemerkt dazu: 'der wunderbare Fall, dafs die Gott in selbst
in Menschengestalt das Gebet spricht, dessen Erfüllung in ihrer Hand
liegt, so dafs, was in der Regel auseinander fällt, hier sich in der-
selben Person vereinigt findet, ist eben durch die Partikeln (xi — ytaC)
ausgedrückt, welche vorzugsweise die Function zu erfüllen haben, das
verschiedenartige in Beziehung zueinander zu setzen.' Indessen der
Vf. fühlt selbst das auffallende einer solchen Verbindung, meint
jedoch, weil die Sache in ihrer Art einzig dastehe, so könne es auch
nicht befremden, wenn sich für diese Ausdrucksweise kein zweites
Beispiel nachweisen lafse. Um des Sprachgebrauchs willen mochte es
aber doch gerathener sein, an der überlieferten Lesart insixa festzu-
halten: 'so nun betete sie darauf, ein solches Gebet sprach sie dar-
nach ', d. h. nachdem sie auf eine so freudig-überraschende Weise vom
Peisistratos bewillkommnet worden. Die Wiederholung des r/^aro trots
des schon vorausgehenden tvxexo kann nicht auffallen und findet sich
z. B. ganz gerade so zu Ende von £ im Vergleich mit dem Anfang von
1}. Da heifst es £328 oig Ptpax* svxofievog, xov d* inXvs UaXXdg *Ad"^vrj
und doch rj l log 6 (jlIv tv&* tjqccxo noXvxXag 9Cog 'Odvacsvg,
'Viel weiter aber als die blofs gleichstellende Anknüpfung von
Vorder- und Nachsatz durch die einfache Copula reicht im homeri-
schen Sprachgebrauch die in stärkerem oder schwächerem Gegensatz
gegenüberstellende Verbindung beider durch Adversativ -Partikeln.
Hier bricht noch entschiedener die Kraft des realen Inhalts des Ge-
dankens durch die formale Regel der Periode hindurch und behauptet
trotz der äufserlichen Unterordnung des Vordersatzes unter eine rela-
tive Conjunction sein ursprüngliches Recht, den Gegensatz durch eine
entsprechende Partikel zu bezeichnen.' So zunächst in kürzeren Ge-
genüberstellongen :
Z 146 orrj neg (pvXXoov yBVBij, xoCri 8\ xal dvdg^v.
A 137 bI di xf liq övaooaLV , iydo di xfi; avxog iXafiat.
Dann auch in längeren Perioden A 57 f. 193 f. B 321 f. und an vielen
andern Stellen; auch so, dafs statt Si das nachdrücklichere dXXd nnd
ccvxdq an die Spitze des Nachsatzes tritt , wie A 280 f. nnd ander-
wärts. Mit der Erklärung der drei besondern gleichfalls hierher ge-
zogenen Stellen jedoch, die darnach behandelt werden, kann Ref. sich
nicht ganz einverstanden erklären. In der ersten Stelle I 166 ff«
dXX' ayfxBy nXrixovg ozgvvofisv ^ ot %s xdxiöxa
iX^mo' ig xXia^Tjv IlTjXTiiddta} 'AxiXiqog.
J. Classen: Beobachlangen Aber den bomeriscben Spracfagebrancb. 77
soll nach des Vf. Erklärung Nestor die Wahl lafsen, ^ob man zu dem
wichtigen Auftrage Männer berufen wolle, die auch sonst gewählt za
werden pflegen * (das soll der Sinn von %XrizoC sein) ' oder ob er selbst
seine Begleiter bestimmen solle.' Aber von einer solchen Wahl ist
hier gar nicht die Rede; im Gegentheil Nestor will diesmal gleich von
vornherein zu der wichtigen Gesandtschaft bedentende Manner
haben, nicht Manner, wie man sie, so za sagen, auf der Gasse fin-
det, sondern Männer, wie man sie vorzugsweise sucht und gern hat.
Das ist der Sinn von nXrjtoi, wie die Stelle Q 586 zeigt. Dann fährt
er fort: 'wenn es euch aber recht ist, wohlan so nehmen wir die
%XrjTol avÖQsg, die ich ersehen werde; die aber sollen sich nicht
weigern.» — Die andere Stelle ist J 362 f., wo Cl. so interpnngiert
haben will :
all' t^i (tavta d* uniad'sv agsacofisd'') bF rt xaxoy vvv
(i^QTjtai , ra ds ndvta 9iol fisraficivta 4'sCsv,
'Agamemnon unterscheidet zwischen der Kränkung, die einer nach-
träglichen Sühne bedarf, und den blofsen Worten, die verwischt und
vergefsen werden mögen: für jene verhelfst er künftige Ausgleichung;
die Worte aber mögen die Gotter in die Winde verstreuen so ewiger
Vergefsenheit.' Das wäre aber für die einfache epische Sprache doch
etwas zu verschroben. £s ist jedoch nur von einer Kränkong durch
Worte die Rede, eine andere ist gar nicht vorgekommen und der an-
genommene Unterschied 'zwischen der Kränkung, die einer nachträg-
lichen Sühne bedarf, und den blofsen Worten' ist durch nichts ange-
deutet. Agamemnon nimmt seine beleidigenden Worte zurück; da
aber jetzt nicht lange Zeit ist, begütigende Reden zu fuhren, setzt
er hinzu: 'doch auf! das aber wollen wir später ausmachen, wenn ir-
gend ein beleidigendes Wort jetzt gesprochen; das aber mögen die
Gotter allesammt spurlos verschwinden lafsen ' ; xavxa fafst, wie dies
bekanntlich das Demonstrativpronomen ganz gewöhnlich thut, den fol-
genden Satz mit bI — etgritat, zusammen, 'das was eben vorgekommen
ist'; der Satz mit ta dl — d'fCsv enthält aber den Wunsch, dafs dann
jede Spur von gegenseitigen Vorwürfen verwischt werden möge. Dafs
aber das Si bei tavra nach der Aufforderung (td-i.) nichts^ auffallendes
enthält, beweist die ähnliche Stelle Z 526 cell' to(iev tcc d' onicd^tv
aQiaaoite^' xrl. — Die dritte Stelle ist Z 57 f. :
(tiqoq Tgtotov.) tcSv ftr/ rig vnmtpvyot alnvv Sled'QOv
XSldtts d'*^ rifittioag, j»ijd* Sv tiva yaaziqi, (iijtriQ
TiovQOV iovta (plgof firi$* og tpvyot nxi.
Hier werde die Verwünschung, meint Cl., viel nachdrücklicher, wenn
man mit fiti^* Sv xtvtt einen neuen Satz beginne, der in dem kräftig
wiederholten fiii^* Sg seinen Nachsatz erhalte. Ich dächte, es wäre
dem Affect angemefsener mit dem zweiten fAti^i von neuem anzuheben,
zumal^es sicherlich auch sprachlich befser ist. Die harte Verbindung
lirj^' ov tivtt yactigi (ijjtrjg xovgov iovta tpigoi , f*^^' og (pvyoi mochte
sich schwerlich rechtfertigen lafsen.
Die Erklärung dagegen, mit der Cl. seine in mehrfacher Bezie-
hung so anregenden Beobachtungen für diesmal schliefst, mochte vor
den bisherigen unbedingt den Vorzug verdienen. Es ist die bekannte
Stelle ^ 133 f. : , . „ , ,r
i i^ilng , oq>g' avtog ^ZV^ y« 9«^ i avvag ff* avtag
Tja^ai 9sv6iiBvov;
Nach den neusten Auslegern soll hier i^iUig eine doppelte Construc-
tion haben, zuerst mit iffpgce dafs und dem Conjnnctiv, dann die ge-
wohnliche mit dem Infinitiv. Dagegen erklart sich der Vf. mit Recht.
78 A. F. C. Kersten : qoo inre Kantius Aristotelis categorias reiecerit.
Der Sinn ist offenbar: willst du, damit dn allein ein Ehrenge-
schenk habest, dafs ich nun dafür meines Ehrengeschenks beraubt
werde und leer ausgehe? 'Nach dieser Auffafsung behält id'iXo) seine
einzig mögliche Structur, 0(pQa bleibt in seiner constanten Bedeu-
tung', und der Gedanke wird durch die Voranstellung des Finalsatzes
und die dadurch bedingte Anwendung Ton avrcc^, das den sich natür-
lich ergebenden Gegensatz scharf hervorhebt, aufserordentlich leben-
dig und kräftig ausgedrückt.
Hanau. iC. W. Piderii.
Quo iure Kantius Aristotelis categorias reiecerit. Abhandlung
▼on A. F. C Kersten im Osterprogramm 1853 des Colnischen Real-
gymnasiums zu Berlin. 11 S. 4.
Kant hatte bekanntlich über Aristoteles das harte Urtheil gefallt:
'seine Kategorien seien principlos aufgerafft, wie sie ihm eben auf-
stiefsen', ein Urtheil das unter andern auch Hegel im wesentlichen
nachspricht. Principlosigkeit ist immer ein schlimmer Vorwurf, am
schlimmsten, wenn er einen Philosophen trifft. Doch gelang es Tren-
delenburgs scharfsinniger Untersuchung der Sache, jenen schweren
Tadel gänzlich zu entkräften. Er wies zunächst nach, dafs sich Aris-
toteles in der Aufstellung seiner Kategorientafel Ton sprachlichen
Gründen leiten liefs, und lieferte dann in seinen historischen Beiträ-
gen zur Philosophie Ir Bd. (Berlin 1846) eine wohl alle in Betracht
kommenden Fragen berührende und fast immer erschöpfende Darstel-
lung der ganzen aristotelischen Kategorienlehre. Nach Ihm hat Bran-
dts in seinem Handbuch der Geschichte der griechisch- romischen Phi-
losophie II, ?, 1 S. 375 ff. denselben Gegenstand ziemlich ausführlich
behandelt. Er sagt zwar selbst S. 377: Mn der Reflexion über das
Wort als Träger des Begriffs und über seine grammatischen Formen
haben sich die Kategorien ihm wahrscheinlich nach manigfachen Ver-
suchen zusammengestellt', setzt aber noch hinzu: 'aber schwerlich
aus den grammatischen Formen als solchen', wie Trendelenburg an-
nehme (s. A. 517); Tgl. dazu S. 400. Doch sagt auch Trendelenburg
ausdrücKlich : 'die grammatische Form leitet, aber sie entscheidet
nicht', und behauptet also im Grunde nicht mehr als was Brandis zugibt.
Hr. Kersten geht nun nochmals Ton jenem Ausspruche Kants aus,
um damit eine doppelseitige Betrachtung der aristotelischen Katego-
rienlehre zu rechtfertigen. Im ersten Theil weist er nach, inwiefern
jener Ausspruch unbegründet sei, im zweiten Theil stellt er andrer-
seits die Mängel jener Lehre zusammen, wie sie freilich Kant selbst
nicht im Auge hatte. Man sieht wühl , dafs dieser Zweck der Ab-
handlung ein Eingehen auf alle wesentlichen Punkte der ganzen Lehre
nothwendig machen muste. Da sich aber der Hr. Vf. auf 11 Seiten
beschränkt, so war im allgemeinen nicht mehr möglich als ein gedräng-
ter und natürlich die Einzelheiten der Untersuchung nicht berücksich-
tigender Auszug aus Trendelenburgs umfafsender Darstellung derselben
Sache. Wesentlich neue Gesichtspunkte findet man in Hrn. K.s Auf-
satz nicht, wer sich aber einen Ueberblick über die Resultate der
Trendelenbnrgschen Untersuchungen verschaffen will, dem wird diese
einfach klare Darstellung immerhin das Verständnis erleichtern. Der
Beweis, durch welchen Kants Urtheil zurückgewiesen wird, wird durch
die Beantwortung dreier Fragen geführt. Die erste bezieht sich auf
Ursprung und Ableitung der Kategorien. Darin stützt sich der Hr.
Vf. natürlich ganz auf Trendelenburgs Exposition. In Anm. 4 auf
A. F. C. Kersten: quo iure Kantius Aristotelis categorias reieceril. 70
S. 4 erklärt er jedoch selbst nicht za verstehn, warum Aristoteles
dos l^cty zu einer besondern Kategorie mache. Auch Brandis wirft
gegen Trendelenbarg ein, dafs ein einzelnes intransitives Tempus ne-
ben den Arten der Verba erscheine, unter denen das intransitivum
selbst. Hr. K. meint, Aristoteles könne sich hierzu wohl durch die
seit den Pythagoreern traditionell gewordene Zehnzahl der Kategorien
Teranlafst gesehn haben. Der Grund wäre sehr aufserlich und des
Aristoteles un\%ürdig. Allein in der That druckt das perf. pass. etwas
aus, was sich charakteristisch von der Bedeutung des verbam transit.
und intrans. unterscheidet, indem es in die Mitte zwischen beide tritt.
Es ist eben ein aus der transitiven Handlung hervorgehender erfüllter
Znstand, ein Besitzstand des Subjects, der einen bestimmten Ob-
jects-Tnhalt hat und aus einem realen Grunde hervorgeht, fiber den
das einfache v. intrans. ebenfalls nichts aussagt. Man vgl. die aristo-
telischen Beispiele dvd'KSitai, nd&rjtcci einerseits und mnXiaxaiy vno-
SidBxai andrerseits. Dort wird nur gesagt: das Subject befindet sich
in dem Zustand des Liegens, Sitzens; eine andere Beziehung ist nicht
gegeben; hier heifst es, es sei mit Waifen, Schuhen angethan, ein
Zustand der das Subject eben noch in Beziehung setzt mit Waffen,
Schuhen und der hervorgeht aus der an sich transitiven Handlung des
oTüJUisiv und vnodBiv, Gewis wird erst durch dieses Mittelglied des
^%Hv die Stufenfolge von xfuf^at bis zum ndaxHv vollständig, oder
das V. intransitivum erscheint analog geschieden wie das transitivnin.
Gerade dafs dieser Unterschied mit in die Kategorien aufgenommen
wird, der eigentlich rein logisch gefafst verschwindet, während es
grammatisch betrachtet auffallend erscheinen kann, dafs durch blofse
Tempusbildung eine transitive Thätigkeit in einen intransitiven Zu-
stand umschlage: das spricht, so unvollkommen der Gesichtspunkt
sein mag, nicht gegen, sondern für die sprachliche Grundlage der aris-
totelischen Kategorienlehre. Doch soll damit nicht geleugnet werden,
dafs die Erkenntnis des in den sprachlichen Formen mitgegebenen
realen Unterschieds in Wahrheit diesen Formen erst die logische Be-
deutsamkeit verliehen habe. Der innere Zusammenhang zwischen lo-
gischem und grammatischem, wie er geschichtlich hervortritt, be-
durfte überhaupt noch einer genauem Untersuchung. Die Logik hat
vieles vorgedacht, was die Grammatiker erst spater technisch bezeich-
nen. Vgl. des Ref. platonische Sprachphilosophie S. 1 ff. Die zweite
Frage geht auf die Anordnung der Kategorien. Der Hr. Vf. zeigt,
dafs auch diese im allgemeinen durch die Rücksicht auf das sprach-
liche bedingt ist. Wie die Theile des einfachen Satzes, so folgen
auch die einzelnen Kategorien aufeinander (Subject mit seinen Be-
stimmungen, Numerale, Adjectivum, dann Adverbia [des Orts und
der Zeit], endlich das Praedicat, welcher Art es auch sein mag).
Auch diese Anordnung beweist die sprachliche Grundlage der Kate-
gorien. Drittens fragt es sich, ob Aristoteles selbst in dieser Zehn-
zahl der Kategorien alle Kategorien vollständig zu haben glaubte?
Die Antwort ist natürlich bejahend ; der Beweis freilich sehr kurz und
wenig eingehend.
Der zweite Haapttheil endlich, der die Mängel der aristotelischen
Kategorienlehre nacnweist, stützt sich ebenfalls in der Hauptsache
ganz auf Trendelenburg. Dieser hat die reale Bedeutung der Kate-
gorien nachdrücklich hervorgehoben und gezeigt, wie insbesondere dies
die Kategorienlehre des Aristoteles unzureichend mache, da sich die
einzelnen Kategorien in ihren realen Formen und Erscheinungen ge-
genseitig durchkreuzen; vgl. a. a. O. S. 181 ff. Ich unterlafse es da-
her dem Hrn. Vf. in die Einzelheiten nachzufolgen. Gewis hat die
Kritik auch ein' Recht gegenüber der Philosophie des Alterthums, zu-
80 E. Kärcher: Horax. 3e Lieferung.
mal des Aristoteles , der ober den 8tandpbnkt des Hellenenthnms hin-
ausragt. Aber vor allem roüste man feststellen : was wollte Aristoteles
überhaupt mit seinen Kategorien, was hielt er selbst für das Ziel nnd
den Endzweck seiner Behandlungsweise derselben? Eh unser Urtheil
kommen darf, müfsen wir die historische Erscheinung an sich und in
sich begriffen haben. Manche Anforderungen, die wir an eine Kate-
gorienlehre stellen möchten, werden dann von selber fallen, weil sie
durch die seinige Aristoteles von vorn herein nicht befriedigen wollte;
man vgl. darüber Brandis a. a. O. S. 401 ff. Man wird hier über-
haupt Andentungen über einige Punkte der aristotelischen Kategorien-
lehre finden, die zu Specialuntersuchungen sich besonders eignen durften.
Hanau. JuUum Deu$chle.
Horaz, Dritte Lieferung von Dr. E. Kärcher, Karlsruhe, Druck der
Hofbuchdruckerei von G. Braun. 1853. XVIII u. 29 8. 8.
Der erste Theil dieser Abhandlung bespricht, was in der 8n Ode
des 4n B. echt sei , was nicht. Hr. K. erklärt den Schlufs von Vs. 29
an für falsch, alles übrige für echt, und tetrastichisch. Die ineendia
Carihaginia will er vom Verbrennen der Flotte verstanden wifsen,
damit dieser Stein des Anstofses aas dem Wege geräumt werde. Alles
was Hr. K. über diese Ode sagt, ist klar und verständig, so dafs es
auf Beachtung Anspruch hat. Da ich seit vielen Jahren das, was an
Ausgaben dieses Dichters oder an Abhandlungen über denselben er-
schienen ist, nicht zu Gesicht bekommen habe, so kann ich über an-
derweitige Versuche , welche Hrn. K. vorhergegangen (er sagt z. B.,
man habe Vs. 7 und 8 herauswerfen wollen), nicht urtheilen. Meine
Ansicht über diese Ode stimmt in so weit mit Hrn. K. überein , als
ich den Schlufs für falsch erkläre. Horaz hat Beispiele der durch die
Dichtkunst bewirkten Unsterblichkeit gegeben und mit der allgemei-
nen Bemerkung geschlofsen dignum laude virum Muaa vetat mort»
Neue Beispiele hinterdrein zu bringen, die nichts anderes beweisen
sollen als was schon erwiesen ist, läfst sich von keinem besonnenen
Dichter, welcher der Form nur einigermafsen mächtig ist, erwarten.
Man konnte dagegen die 6e Ode des In B. anfuhren, wo in der ön
Strophe eine solche Wiederholung ist. Diese aber läfst sich sicher-
lich als falsches Einschiebsel erkennen, nicht blofs wegen müfsiger
Wiederholung, sondern weil sie eine auffallende Unschicklichkeit ent-
hält, die sich so leicht kein Mensch zu Schulden kommen läfst. Boras
weist den Agrippa an den Varius, dafs dieser seine Thaten zu Land
und zu Wafser besinge, weil derselbe homerische Kraft habe, eine
Iliade, eine Odyssee zu dichten (selbst die ernstesten tragischen Stoffe,
wie er im Thyestes bewiesen). Er, Horaz, würde den grofsen Stoff
durch sein zu solcher Dichtung nicht geeignetes Talent nur herab-
ziehn, denn dieses eigne sich nur zum leichten Liede, zum Gresangder
Gelage und zu Liebesneckereien , wobei er sich selbst scherzhaft preis-
gibt als ein gewohnlich verliebter. Die Symmetrie dieser vier Stro-
phen , deren zwei letzte den zwei ersten vollkommen harmonisch ge-
genuberstehn, sollte nun Horaz dadurch verletzt haben, dafs er von
sich redend in der 5n Strophe die Frage einschöbe: wer vermag Krieg
und troische Helden würdig zu besingen? Damit wurde er dem Va-
rius die in den beiden ersten Strophen zugesprochene Fähigkeit wie-
der absprechen, und das wäre nicht nur grob gegen Varius, sondern
auch gegen Agrippa ein wahrer Hohn; denn wenn er dem Varius die
Fähigkeit, selbst die grofsartigsten Stoffe besingen zu können, nicht
E. Kfircher: Horaz. 3e Liefernng. 81
xaerkcnnen wollte, konnte er den Helden nicht an denselben rerwei-
sen. Hier also zeigt die Unschicklichkeit des Inhalts die Unechtheit
der unkünstlerisch wiederholten Beispiele. In der 4n Ode des 3n B.
konnte die vorletzte Strophe, welche an dieser Stelle die Gattung der
Beispiele unschicklich stört and dabei nur auf schon berührtes und
abgetbanes unbeholfen zurückkommt, nach der J2n Strophe stehen,
aber auch dort wurde nach f ulmine auatulerit caduco das fulmine lu-
ridum mittot sich als lahme Wiederholung ergeben und die ganze
Strophe als überflufsig erscheinen.
Traf meine Ansicht über den Schlufs der 8n Ode des 4n B. mit
Hrn. K. überein, so kann ich doch seiner Erklärung der incendia
Carihaginit nicht beipflichten, sondern ich halte weitere 4 Verse für
ein Einschiebsel, und Terbinde t>o«t mortem ducibut clariut indicant
etc. und glaube, dafs die Calabrae Pieridet die Veranlafsung zu dem
Einschiebsel gaben. Da Horaz von Feldherrn spricht, welchen das
Lied Unsterblichkeit verliehen, nennt er das damals allein bekannte
romische Heldengedicht des Ennins als eins, welches Unsterblichkeit
verleihe, denn aufserdem hätte er ein griechisches nennen mufsen. Die
Symmetrie der Ode läfst dieses Einschiebsel ebenfalls nicht zu, denn
sie zerfallt in 3 gleiche Theile. In dem ersten, der 8 Verse umfafst,
leitet er das ein, worauf er kommen will, in den folgenden 8 Versen
erklärt er die Macht der Poesie, in den letzten 8 beweist er diese
Macht durch Beispiele. Bei einem Dichter, dessen Werke so sorg«
fältig ausgearbeitet sind, mufs die Symmetrie, welche wir überall von
ihm beobachtet finden, in Fällen, wo der Text anstofsiges darbietet,
durchaus mit in Betracht gezogen werden.
Aehnlich sehen wir in der 2n Ode des In B. die lOe Strophe, die
als eine unpassend nachschleppende zur 9n gefugt ist, auch die Sym-
metrie stören. Die ganze Strophe beschreibt den Mars im allgemei-
nen, während nur die ersten Worte nimit longo tatiate ludo, wenn
man von ihrer Unschicklichkeit absieht, sich auf den Bürgerkrieg be-
ziehen konnten, der allein zu erwähnen war und der in der 6n Stro-
phe energisch beschrieben ij»t. Apollo, Vesta, Mercurius sind ohne
Beschreibung, Venus hat eine kurze, und Mars sollte eine so mnfsige
lange Beschreibung haben? Das Ist nicht zu glauben. Das Gedient
zerfällt in 2 gleiche Hälften, jede von 6 Strophen, sobald die unpas-
sende Strophe ausgeschieden ist. In den ersten 6 die Bangigkeit, es
könne durch die schrecklichen Naturereignisse der Wiederausbruch
des Bürgerkriegs von der Gottheit angedeutet sein, in den 6 letzten
der Ruf nach der Hilfe der Gotter, welche den Abgrund schliefsen
möge durch Octavians Herschaft, die das Heer in auswärtigen Krie-
gen beschäftigen möge. Die 6 Strophen jedes Tbeils zerfallen wieder
symmetrisch in 2 Theile von je 3 Strophen, so dafs der ernste Ge-
danke im schönsten Ebenmafs fortschreitet und zum Schlufs gelangt.
Die 3e Ode des 2n B. hat in der 3n Strophe durch jemand, der
für das folgende huc eine Beziehung suchte und sie nicht in dem re-
moium gramen fand , ein Einschiebsel erhalten , worin quo sogar für
ubi gesetzt ist. Die 6 Strophen, die das Gedicht enthält, zerfallen
in 3 gleiche Theile. Der erste mahnt den Menschen zum rechten Mafs,
da er sterblich sei, mag er leben wie er wolle. Der zweite ermahnt
zum Lebensgenufs, da nur eine Weile zu leben vergönnt sei. Der
dritte schliefst diesen Gedanken ab durch die Erinnerung, dafs der
Tod keinen Unterschied zwischen den Menschen mache, sondern ohne
auf Geburt und Lebensstellung zu sehen, jeden früher oder später
hinwegnehme.
In der 37n Ode des In B. können die Worte nee muUebriter ex-
pavii entern etc. nicht richtig sein, da Cleopatra sich nicht mit dem
iV. Jahrb. f, PUL «. Ptied, Bd, LXX. HfL 1. 6
82 E. Kärclicr: IK)raz. 3e Lieferung.
Schwerte todtete, sondern durch Schlangenbifs , wie es in der fol-
genden Strophe heifst ; wollte man es aber darauf beziehen , dafs sie
in den Krieg gezogen sei, so wäre das unrecht , weil sie der moUi«
columba und dem lepua in scheuer Flucht Terglichen wird. Die
7 Strophen, welche bleiben, yertheilen sich in eine Aufforderung, die
folgenden 6 aber enthalten in 2 die Gefahr für Rom , in 2 die Ab-
wendung derselben durch Octavian, in den letzten 2 den Untergang
der Cleopatra.
Zu behaupten, die Symmetrie bestehe durchaus in einer völlig
gleichen Verszahl, wäre unrecht, denn in der strophischen Abtheilung
greifen ja schon einige Worte in die nächste Strophe zuweilen hin-
über, und kann man keine Beeinträchtigung der Symmetrie darin fin-
den wollen. In der In Ode des In B., welche nach der Anrede an
Maecenas in 8 Versen den Ehrgeiz , dann in 8 Besitzbegierde und Er-
werb schildert, folgt die Beschreibung des Zeitvertreibs in 10 Ver-
sen, und dann wieder in 8 Versen dus Streben des Dichters. Für
den Ehrgeiz hatte er 2 Arten, eben so zwei für Besitz und Erwerb
gewährt, für den Zeitvertreib aber 3 Arten, und wenn hier 2 Verse
mehr erscheinen, so ist dadurch die Symmetrie und innere Harmonie
nicht gestört.
Dafs die Gedichte eines so angesehenen Dichters, als welcher Ho-
raz stets galt, solchen Verfälschungen ausgesetzt waren, ist nicht sa
verwundern, da es nie an Leuten gefehlt hat, die es versuchten ihre
Sachen oder Sächelchen berühmten Namen unterzuschieben. Aber
nicht nur geschah dies mit einzelnen Versen oder Strophen, sondern
selbst mit ganzen Gedichten. So ist die ]4e Ode des 3n B. keine
Arbeit des Horaz, sondern ein unschöner Nachahmungsversuch, hol-
perig in den Ausdrücken und unbeholfen. So viel Takt kann man Ho-
raz schon zutrauen, dafs er nach der Aufforderung der Li via und
Octavia nicht für sich ein tcortum begehrt habe, mit der Erklärung,
' wenn die Dirne nicht komme, habe es auch nichts zu sagen, wie-
wohl er in Jüngern Jahren sich so etwas nicht habe bieten lafsen.
Dieser Zug ist eine schlechte Nachahmung des Endes der lln Ode des
2n B., und den Hauptgedanken entlehnte der Nachahmer aus der 15n
Ode des 4n B. Die 14e Ode desselben B. ist ein ganz unsymmetri-
scher und unharmonischer Versuch die schöne 4e Ode, welche den-
selben Gegenstand in dreimal sechs Strophen (deren Symmetrie das
an und für sich schon ungehörige Einschiebsel vom amazonischen Beil
verbannt) behandelt, zu überbieten, was durch starke Ausdrücke ge-
schehen sollte, die aber weitläufig und innerlich hohl gerathen sind.
Das unschickliche in beiden Oden vollständig nachzuweisen erfordert
ein genaues Betrachten aller einzelnen Ausdrücke und ihres Zusam-
menhangs, was mehr Raum erheischt, als ich hier in Ansprach neh-
men darf.
Den 2n Theil von Hrn. K.s Abhandlung bildet die Besprechung
von Vs. 254 der A. P., wie nemlich non iia pridem zu verstebn sei.
Die ganze Auseinandersetzung ist deutlich und lehnt ungelungene Er-
klärungen anderer mit verständigen Gründen ab. Nur wenn Hr. K.
meint, es könnte einer die Interpunction primua ad exiremum timitU
9ibi, Non ita? pridem etc. vielleicht versuchen, und wenn er dann
dieselbe widerlegt, so scheint diese Vorsicht zu weit getrieben. Denn
wer möchte sich die Mühe geben, im vorkommenden Falle so etwas
zu widerlegen? In der Hauptsache denke ich wie Hr. K. und finde
daher natürlich seine Erklärung von non ita pridem auf die Zeit des
Horaz bezogen richtig. 'Zuerst' sagt Hr. K. 'gibt Horaz das allge-
meine Gesetz über den Senar an, ohne weitere besondere Rücksicht
auf Griechen und Römer, nur dafs er gewissermafsen nebenbei be-
E. Kireher: Horaz. 3e Lieferang. g3
merkt, die erstem hatten ihn Trimeter, die andern Senar genannt.
Sodann deatet er an , er habe seine Landslente zuerst gelehrt diesen
(künstlichem) Senar (Spondeen nur im ersten, dritten and finften
Fafse) zu bilden. Die Worte
sullmbti longa brevi tubieeia voeatur iambus,
pes dtUM ; unde etiam trimetrU aecre$eere tvssif
nomen iambei$y cum 9eno$ redderet ietua;
primu$ ad extremum «tmi/t« «t6j
finde ich aber nicht geeignet, um daraus den Sinn zu erkennen: 'die
Griechen nannten ihn Trimeter, wir nennen ihn Senar'; cum mäste in
diesem Fall 'obschon' bedeuten und wurde den Namen Trimeter als
nicht ganz richtig oder gebilligt hinstellen. Mit einer solchen Cor-
rectur des Namens Trimeter wäre der Name des Senar seltsam ange-
deutet. Horaz sagt: der lambus besteht aus einer Kfirze und einer
Lange und ist ein rascher Versfufs. Er hat dem Trimeter den Na-
men des iambischen zufügen lafsen, da er von Anfang bis zu Ende
die sechs Jctns bildete. Unlängst ist dieser Trimeter durch die Auf-
nahme des Spondeus in die Stellen, die ihm als väterliches Erbtheil
rechtmafsig zukommen, etwas gewichtiger und minder rasch gemacht
worden. Die altem Dichter, wie Attius und Ennius, hatten dagegen
den Trimeter durch Spondeen auch an den unrechten Stellen mishan-
delt und den lambus zu selten angewandt. Wer hatte denn in der
lateinischen Sprache, von den altern Trimetern, die kaum einen lam-
bus darboten, abweichend, solche gebildet, in denen der lambus Ton
Anfang bis zu Ende in dem Mafse herschte, dafs man sie zu näherer
Bezeichnung iambische Trimeter, an welche man bis dahin nicht ge-
wöhnt war, nanntet Wir wifsen nur von Einern, der den raschen
Gang, welchen Horaz durch S{:ondeen mäfsigte, in einigen Gedichten
hat, nemlich von Catull. In den 77 iambischen Trimetern, welche
wir Ton ihm haben, findet sich einmal an falscher Stelle (im 4n Fufs)
ein Spondeus, dann in 2 Versen hintereinander, und noch einmal im
In Fufs und einmal im 3n, wenn ich recht gezählt habe. Dergleichen
Trimeter meint Horaz als die, welche er durch die richtige Wieder-
aufnahme des Spondeus im In, 3n, 5n Fufs gemäfsigt habe, da er
zuerst ein Nachbildner der archilochischen lamben gewesen sei, denn
diese sind nicht rein iambisch, wie A. W. Schlegels Bezeichnung
wie rasche Pfeile sandte mich Archilochos
angibt, sondern durch Spondeen gemäfsigt.
Den beiden hier angezeigten Abhandlungen hat Hr. K. kurze Be-
sprechungen über horazische Stellen vorausgeschickt, welche zeigen,
wie genau Hr. K. es mit der Erklärung des Dichters nimmt; doch
möchte ich nicht jeder Bemerkung Gewisheit zuschreiben. Epist. T,
6, 51 irans pondera von den Hemmungen auf der Strafse durch Last-
wagen u. s. w. erklärt, steht vielleicht der Erklärung des Ferrarius,
der es auf die Kleidung, ebenfalls unsicher, bezog, nicht voran. Da-
selbst 7, 51 eultello proprio dem proprio$ — «flaues vorgezogen , läfst
den Einwurf zu , dafs dem Messer nicht anzusehen war, wem es ge-
hörte. Doch will ich dabei nicht verweilen, um noch folgende Schrift
anzeigen zu können:
Scherflein »um Verständnis des HorcUius. Einladnngsschrift zur
öffentlichen Preis verthei In ng an der k. Studienanstalt zu Erlangen
' am 27. August 1853 von Dr. Ludwig DoderUin , k. Studienrector.
Erlangen, Druck der A. E. Jungeseben Universitäts-Buchdrucke-
rei. 28 S. 4.
Hr. D. hat hier 52 Bemerkungen zusammengestellt, weiche sämmt*
6*
g4 L. Dödcrlciu : SchcrAein zum Verständnis des Horalius.
lieh anzuzeigen zu viel wäre. Od. T, 1, 28 erklart er fercfet plagae
'feine Netze, zu dünn für den marsischen Eber.' Dafs die feinstea
Netze fSr die Eberjagd gemacht wurden und fest waren, sehen wir
aus Plinius N. H. X.IX, 1, wo vielleicht die Sache übertrieben dar-
gestellt wird. Dafs aber ein starkes Netz durch einen gewaltigen
Eber einmal durchrifsen werde, ist nicht zu verwundern. — Od. I, 7
ist nach Hrn. D.s fester Ueberzeugung in 2 Gedichte zu zerlegen, und
ebenso die Ode an Archytas. Beide Gedichte haben das nemliche
Versmafs, und da aufser d^m sapphischen und alcaeischen in den 4
Büchern der horazischen Oden durchaus nie das gleiche Versmafs nn^
mittelbar wiederholt wird , so wurde dies durch die Theilung beider
Gedichte geschehen, was nicht ganz gleichgiltig zu übersehen ist.
Wir wifsen den Gram und die Verhältnisne des Plancus, welche in
dieser Ode berührt werden, nicht genau, müfsen aber Yoraussetzen,
dafs er aufserhaib Italiens war, und hätte Horaz ihn von einem on-
mnthigen Schweifen in der Fremde abmahnen wollen, so wäre dies In
der Ode geschehen. Preise wer will die fremden Städte, ich lobe
mir Tibur, wo du auch einen Aufenthalt hast, und nenne es den
schönsten oder erfreulichsten Ort. Doch ob du nun in der Fremde,
selbst in einem Kriegslager bist, oder dich zurückgekehrt in Tibnr
befindest, lindere deinen Gram durch Wein. In der lln Epistel des
In Buchs spricht Horaz aus, dafs man durch Wechsel des Aufenthalts
und die Wahl herlicher Orte die Launen des Unmuths nicht beschwich-
tige: Romae laudetur Samos et Chios et Rhodos absem, — Od. f,
18, 15 tollcnt vacuum gloria verticcm soll toUen$ vacuum heifsen
'hoch erhebend', vertex nublime seu vacuum claiua. Nirgends heifst
vacuum hoch, sondern in vacuum y in die leere Ijuft , kann dies be*
deuten; aber allein für sich hat vacuum diese Bedeutung nicht, weil
es sie nicht haben kann. Vertex soll nicht gleich caput stehen kon»
neu, und daher die Bedeutung des leeren Kopfes unmöglich sein. Dem
ist nicht so, denn Vertex kann nur Kopf bedeuten bei Vergil, wenn
er Aen. VII, 784. XI, 683 von Turnus sagt: et toto vertice tupra est,
d. i. er ragt einen ganzen Kopf über die andern. Ovid Metam. V,
84. XII, 118 sagt: reaupinuB humum moribundo vertice pulsat. Wer
auf ebener Erde rücklings fällt, schlägt den Boden mit dem Hinter-
kopf, und wenn Petronius c. 137 tremulo deduxit vertice cano$y so
kann doch der Scheitel selbst nicht zittern. Das homerische ovQavtß
iatrlQL^e nccgrj (Callim. hymn. in Cer. 59 netpaXa 6s ot äfpaz' 'Olviiicta)
entspricht dem vergilischen (Aen. IV, 176) caput inter nuhila condit ;
aber ähnlich ist (Hör.) feriam tidera vertice, (Ovid. Met. VII, 61)
vertice tidera tangam, (Fast. I, 209) caput extulit — et tetigit t>er-
ttce. Der Versfuß entschied die Wahl zwischen caput und vcrtear.
Jnvenal nennt den Dummkopf vacuum caput. — Od. I, 20, 10 tu 6i-
be$ soll in tum bibes geändert werden. Dann würde Horaz zu Mae>
cenas sagen: du bekommst dann Caecuber und Calener, meine Becher
(anf dem vorangestellten mea ohne motivierende Partikel liegt Nach-
drack) füllt kein Falerner oder Formianer. Das heifst: Caecuber und
Calener werde ich dir geben, Falerner und Formianer übersteigen
meine Kräfte. Jene Weine waren aber ebenso kostbar wie diese*
und wenn er hätte sagen wollen , ich kann dich nur mit zwei edlen
Weinen bewirthen, nicht mit vier, so hätte er sich anders ausdrucken
mfifsen. Allein einem hochstehenden Manne zu sagen, ich werde dir
zwei sehr edle Weine geben, für vier reicht mein Geld nicht hin, ist
weder im Ernst noch im Scherz anständig. Entweder mufs er ihn
auf die Art, an welche der hochstehende Mann gewohnt ist, oder ein-
fach bewirthen. Einen vornehmen Mann, der glänzend zu leben ge-
wohnt ist, ehrt der geringere, der ihm sein bescheidenes kleines Ver-
L. Döderlein: ScherfleiD zum Verstindnis des Uoraiias. 85
mögen verdankt , wenn er nicht mit ihm irgend , bei welcher Gelegen-*
heit es sei, wetteifert, sondern ihn, wenn er ihn mit seinem Besuche
beehrt, auf die einfachste Weise empfangt; denn der reiche vornehme
fühlt sich nicht geschmeichelt, wenn der in beschrankten Verhält-
nissen lebende seinetwegen einen kostspieligen Aufwand macht. Wa«
rum nennt Horaz 4 Weine? Hr. D. meint, indem er von dem Mahle
des Nasidienus in den Satiren spricht, 4 Weine seien für einen rei-
chen Mann, der einen Maecenas bewirthe, wenig und es sei die Be-
schränkung auf blofs 4 Weine eine Unehre. So ist es aber nicht,
!iondern gerade 4 Sorten gehörten zur vollkommenen Tafel jener Zeit,
wie uns Piinius N. H. XLV, 15 sagt, wo er vom dritten Consulate
des Caesar spricht: quo primum tempore quattuor genera vini appo-
Sita constat. Solche Dinge sind eine Sache der Mode und müfsen
nicht nach ihrem Werth, sondern nach der Mode benrtheilt werden.
Die Lächerlichkeit des Nasidienus liegt in dem Mangel der gesell-
schaftlichen Bildung und des feinen Tones , für den sein ganzes Haus^
Wesen nicht passte. Horaz also, welcher ein gebildeter Mann war,
dem der feine Ton und die Kenntnis des schicklichen nicht fehlte,
lädt den Maecenas zu gewohnlichem Wein (viie vorangestellt) ein,
der aber einen sog. Affectionswerth hat, und sagt, die bei reichen
Tafeln vorkommenden 4 Weine der besten Sorten finden sich nicht
bei mir. £pist. J, 5 ladt er den Torquatus in anderm Tone ähnlich
ein, und dem Vergilius verspricht er Od. IV, 12 Calener beim Sulpi-
cius zu kaufen, wenn er die Salbe zum Gelage stellen wolle. — Od.
I, 35, 17. Die Werkzeuge der ^ccetsitas sollen bedeuten: die Nägel
das Befestigen; die Keile das Auseinandertreiben; der Haken das
Schleifen des getödteten Verbrechers; das geschmolzene Blei eine Art
Folter. Die AecessiCas kann hier nur in Beziehung auf das Walten
der Fortuna das unabwendbare Wirken dieser Göttin bezeichnen, und
ihre Attribute sollen dies versinnlichen, welche daher nur das feste
bedeuten können. Werkzeuge des Tödtens eines Verbrechers oder der
Mishandlung desselben oder des Folterns können nicht der Fortuna,
sondern der Justitia zukommen. Die Keile dienen zum Festmachen
durch Verkeilen, der Haken zur Verbindung und das Blei um densel-
ben fest zu lothen. — Od. I, 57, 9 eontaminato cum grege turpium
Alorbo virorum soll bedeuten ^mit der Schaar entmannter Scheu-
sale, der Pestbeule des Männergeschlechts.' Da im Lat. morbus nie-
mals so gebraucht worden ist, so soll das griech. voaog aushelfen,
welches aber nicht den Schandfleck bezeichnet, sondern etwas be-
nachtheiligendes, verletzendes, die Eunuchen sind aber nicht ver-
letzend oder benachtheiligend für die Männer, und wenn Horaz mor-
bus so verstanden wifsen wollte, so hätte er sich anders ausdrücken
muffen, denn die Wortstellung und das Adjectivum turpium fuhren
jeden auf die Verbindung der Wörter turpium morbo virorum j welche
auch angeben , wodurch der grcx als contaminaius bezeichnet wird.
Od. II, 1, 2. Die modi sollen hier moderata et prudentia eonai-
lia als Gegensatz gegen vitia sein. Modi sind Mafse, aber nicht
Mäfsigungen, und Mäfsigungen sind nicht prudentia consilia. -— Od.
IJ, 2, 23 quisquis ingcntcs oculo irrctorto Spectat aeervos. Dies soll
bedeuten quisquis ingcntes aeervos non spcctat oculo retorto, was in
D.s mir nicht bekannten Reden und Aufs, begründet sei; oder soll er-
klärt werden: quiaquia ingetites aeervos spectat, dein irretorto oculo
discedit. Diese Stelle ist ohne Schwierigkeit, denn der Ausdruck:
wer grofsen Reichthum anschaut, ohne von seinem Glänze geblendet
das Auge zurückzuwenden, wer ihn also mit völliger Selbstbeher-
.•»chung und ungerührt anschaut, ist ein passender. — Od. 11, 20, 9
supeme soll zu nascunturque etc. gezogen werden, weil die Ver-
86 L. Döderlein : Scherflein zam Vera tfindnii des Uoratiaii.
Wandlung in einen Schwan nicht blofs $upeme stattfinde. Die Beine
schrumpften zwar zu Vogelbeinen ein, aber der Obertheil wurde ein
albuB ales, denn obgleich sich die Vogel wohl auch durch die Beine
unterscheiden, so ist doch der übrige Theil vorzoglich entscheidend,
um z. B. einen Raben von einem Schwan, einen Adler von einem Huhn
u. s. w. zu unterscheiden. Bei dem Einschrumpfen der Beine war
noch nicht mit Gewisheit zu erkennen, welcher Vogel entstehen werde*
Od. III, 4, 60 numquam humeris positurus areum soll heifsen:
der nicht einen Augenblick wahrend des Kampfes den Bogen auf die
Schulter zur Ruhe zu bringen entschlofsen war. Numquam hat diese
Bedeutung nicht und könnte nur bei einer angegebenen Zeit in über-
triebener Bedeutung Ton dieser ganzen Zeit gebraucht werden. Die
folgende den Apollon zu seiner Verherlichung als lockenumwallten, ala
Gott der Kastalia, als Delier und Pataraeer beschreibende Strophe
zeigt deutlich, dafs er mit den fraglichen Worten ebenfalls beschrie-
ben wird als der Bogenschütze, als der welcher immer den Bogen mit
sich führt. Juno heifst blufs Matrone, Vulcan blofs gierig (weil das
Feuer alles, was ihm zur Nahrung dient, gierig ergreift); aber Apollo
wird in der Beschreibung mehr hervorgehoben, da er zu den Musen
und ihrem lene consilium gehört. Man kann an positurua mäkeln,
man kann berechnen , dafs er den Bogen beim Schlafen und andern
Verrichtungen wahrscheinlich ablege, aber damit erwachst für eine
unbegründete Erklärung keine Begründung. — Od. III, 9, 5. Der
Gleichheit mit der vorigen Strophe wegen soll multi Lydia nommiw
erklärt werden sed Lydia multi nominis erat , oder Apposition zu dem
vorhergehenden Lydia sein. Dieses multi nominia I^dia von vt^pii
darior zu trennen geht nicht, denn als Apposition wäre es lacherßcb
emphatisch, und über die erstere Erklärung zu sprechen wäre ober-
flufsig; die Symmetrie besteht eben nicht in einer Abzahlung der Sil-
ben, und statt der Symmetrie des Gedankens eine Gleichheit der Sil-
benvertheilung zum herschenden zu machen kann die Interpretation
nicht fördern. Die Symmetrie des Gedankens erfordert als abst-hlie-
fsend in der ersten Strophe iuvenie dabatj in der zweiten erat Lydia
poni Chloen, worauf unmittelbar und nicht durch einen Zusatz ge-
trennt der Ausspruch über das Glück des bezeichneten Znstandes fol-
gen mnfs. Die beiden letzten Strophen entsprechen einander in dem
Sinne, wie es die zweite der ersten soll, ganz und gar nicht. — Od.
III, 21, 4. Die pia iesta deutet Hr. D. auf die Wirkung des darin ent-
haltenen Weins und meint, man müfse es dem Dichter nachsehen,
wenn er, der noch nicht wüste, welche Wirkung dieser Wein hervor-
bringen werde, die gute allein ins Auge gefalst und danach das Bei-
wort gewählt habe. O naia mvcum consule Manlio — pia iesta be*
zeichnet den Wein als einen im Pietätsverhaltnis zu ihm stehenden
wegen der gleichsam geschwisterlichen Abstammung in Hinsicht der
Geburtszeit. Es ist, vvie wenn einer im Deutschen eine Flasche sol-
ches Weines im Liede sein 'Brüderchen' oder 'Schwesterchen' oder
ahnlich benennen wollte. Piu9 bezeichnet aber das liebende Verhält-
nis der nahen Verwandtschaft. — Od. ill, 24, 39 duratae boIo niv99
soll heifsen 'Schnee so hart wie fester Boden.' Dafs die Sprache
solche Erklärung zulafse, ist nicht bewiesen, mithin die Erklärung
nicht annehmbar.
Sat. I, I, 88 at si co^natos, nullo natura labere Quob tibi dmt^
retinere velis scrvareque amieos. Aus nullo labere soll zu refinere
das Wort laborc hinzugedacht werden, damit es bedeute: indem da
für die verwandten sparst, kannst du durch Mühe und Arbeit und
Opfer die Liebe der blutsverwandten nicht erwerben u. s. w. Jene
Wiederholung von labore ist nnnaturlich nnd der angebliche Gedanke
L. Döderlein: Scherfl«iin zum Verstöndnis des Horatius. 87
iener Worte in dieser Weise dem Verständnis unmöglich. Den Geiz-
lalsy heifst es, mag niemand, und wenn er meint die blotsverwandten,
die ihm die Natur, ohne dafs er etwas dafür gethan, gegeben hat,
wurden ihm bleiben (insofern ja ein solches Verhältnis eine gewisse
Anhänglichkeit ganz von selbst erzeugt), so irrt er sic-h, denn auch
ein solches Verhältnis verliert die Kraft gegenüber dem Egoismus des
Geizhalses, der keiner Liebe zu irgend jemand fähig ist, und darum
keine findet. — Sat. I, 5, 75 convivas avido8 ccnam servosque iimentea
Tum rapcrc — leideres soll heifsen: die Sklaven rafften aus Furcht ver-
stohlen von dem Efsen, aber timentes heif&t nicht 'verstohlen', und eine
solche Auslegung rouste sich auf einen Beweis stutzen. Timenie» kann auch
zu rapere construiert werden ohne 'verstohlen' bedeuten zu mufsen.
Epist. I, 6, 5 quid ccnses muncra terrae. Quid maris extremo» Arahaa
diianiia ei fndoa, Ludicra quid, plausua et amici donaQuiritis? Hier ver-
bindet Hr. D. ludicra plausus und stellt sie den dona Quiritis gegenüber.
Horaz hätte vielleicht in solcher Verbindung und Bedeutung ludicra plau-
8uum gesagt. Ich habe in dieser Stelle immer eine Aufzählung der Dinge
des Besitzes und der Dinge des Ehrgeizes oder der Eitelkeit (der am-
bitio misera) gesehen, so dafs die munera terrae et maris die ludicra^
welche in plautus und amict dona Quiritis bestehen , gegenüber haben.
Dafs dem philosophischen Betrachter des Werthes der Dinge das Bei-
fallklatschen und die Auszeichnung durch die honores des römischen
Volkes in der damaligen Zeit als Dinge ohne wahren Werth, als lu-
dicra erscheinen musten, ist naturlich. Unten Vs. 49 bezeichnet er
die plau9U9 und dona Quiritia als species et gratia. Sat. IT, 3, 179
läfst ein Vater seine Sohne schworen, sich durch die gloria nicht
zum Erjagen der Ehrenstellen bewegen zu lafsen: latus ut in Circo
spaiiere et aeneus ut sfe«, Scilicet ut plausus , quos fert j^grippa,
fcras tu, — Ebend. Vs. 15 insani nomen sapiens ferat, aequus twi-
711t, ultra quam satis est virtutem si petat ipsam. Das nil admirari^
welches bis zu diesen Worten aufsgefuhrt ist, soll mit der virtus ipsa
identisch sein, somit ein Widerspruch sich ergeben, da das Ringen nach
der eben empfohlenen virtus ipsa nicht als Uebermafs verboten werden
könne. Darum se'en jene beiden Verse als ein Einwurf des Numicius
oder eines andern anzusehn, und im folgenden sage dann Horaz: 'gut!
willst du nicht nach dem Ideal streben, so fang lieber gar nicht an!
suche dein Gluck auf dem Weg des Lebensgenufses und der Ehrsucht
— wähle mit Entschiedenheit zwischen beiden Wegen zum Lebens-
gliiik.' Der zweite Vers soll zweierlei Gedanken und Ausdrucksarten
in ^ine vereint enthalten, erst: ultra quam satis est virtutem si pctatj
dann virtutem si petat ipsam ohne ultra etc., und letzteres soll heifsen:
'wenn er das Urbild der virtus werden will und sich mit der blofsen
Aehnlichkeit nicht begnügt.' Das nil admirari ist die Unabhängigkeit
der Seele von allem was leidenschaftliche Regungen erwecken kann,
und niemand hat die Tugend selbst in diesen Zustnnd gesetzt und da-
rin beschlofsen geglaubt. Die Erklärung des letztem Verses läfst
Horaz reden, wie es gar nicht möglich ist. Der Sinn der Epistel ist
deutlich auf das nil admirari gerichtet, ohne welches der Mensch von
Leidenschaft getrieben wird und nicht zur Tugend gelangt, die zum
recte vivere nothig ist. Die alte Lebensphilosophie glaubte allerdings
an ein Uebermafs der Tugend, wenn nemlich das Streben nach Tu-
gend leidenschaftlich war. Virtus ipsa ist hier keineswegs das Urbild der
Tugend, und Cicero gebraucht dieses tp^a gerade so, wenn er von der
Leidenschaftlichkeit im Streben nach der Tugend abmahnt: eeiamsi
virtutis ipsius vehementior appetitus sit, eadem sit omnibus ad
deterrendum adhibenda oratio, — Epist. I, 8, 10 cur me funestopro-
perent arcere vetcmo. Die Todcsrnhe soll durch funestus veternus
88 L. Döderlein : Scherfleio Kom Verständnis des Horatins.
bezeichnet sein, der Schlaf im Grabe, den er als Erlösung vob
vetemusy dem Scheintod, wünscht. Funestu» vetemu$ in der Be-
deutung des wirklichen Todes kommt nicht vor, da es nicht einmal
den wirklichen Schlaf bezeichnet, und könnte vielleicht als Sehen an
einer geeigneten Stelle in jenem Sinne angebracht werden, was bis
jetzt nicht geschehen ist. Doch arcere soll gar nicht von dem blofsen
veternusy an dem Horaz zu leiden vorgibt, stehen können, von wel-
chem liberare gesagt werden muste. Dieser iorpor ist schlafähnlicb,
ist Schiafrigkeit , und diese kann man von einem abwehren, denn
$omnum arcere ist ein untadelhafter Ausdruck, und da kein leibliches
Uebel vorhanden ist, so ist der Ausdruck veternum arcere y oder poe-
tisch arcere a veterno nicht ungehörig. Funesius soll immer in Be-
ziehung zu dem wirklichen Tod und Grab stehn. Damit wird nicht
bewiesen, was hier bewiesen werden soll, denn alles kann funcBtum
heifsen, was zum Tode führen kann, wobei er in Betracht kommen
kann; so heifsen viele Dinge /unesta , die nicht in unmittelbarer Be-
ziehung zu ihm stehen, und dieses Wort ist geeignet, um einen krank-
haften Zustand sehr stark auszudrücken, selbst wenn dieser Zustand
seinen Sitz im Gemüthe hat, denn er kann ja gesteigert den Tod her-
beiführen. Horaz hat nie den Wunsch nach Sterben geäufsert. —
Epist. I, 16, 8 iemperiem laudes etc. Der Sinn soll sein: 'ja wollten
etwa durch ein Wunder der Natur die Dornbüsche so freundlich sein,
Cornelkirschen und Pflaumen zu tragen, und Eichen (die hier fehlen)
da sein, wie in Taren t , um Futter und Schatten zu geben — dann
könnte man sich gar in Tarent glauben.' Es folgt fons etiam etc.:
auch ein Quell von trefflichem kaltem Wafser ist da. Wäre jene Er-
klärung die rechte, dann würde hier nicht eiiam stehen, welches za
den genannten Herlichkeiten eine neue fügt. Der Sinn ist: wie wenn
nun hier reichlich gesegnete Dornbüsche Cornelkirschen (gut für das
Vieh) und Schlehen tragen, und Eichen das Vieh mit Futter, den
Herrn (für den hier keine Früchte wachsen) mit Schatten erquicken?
du möchtest oder könntest sagen, Tarent sei näher herangerückt.
Dieser Scherz ist leicht zu verstehen, da Tarent, wie er es in der 6n
Ode des 2n B. schildert, nicht wegen Cornelkirschen u. s. w. geprie-
sen war, aber als ein durch Oel, Wein u. s. w. vorzüglicher Punkt
der Erde. Den Quell und die Bäume seines Gütchens nennt er auch
Sat. II, 6 und Epist. J, 14, wo Holz und Laub als Futter erwähnt
wird; dafs aber, da er auch der temperiea nicht im Scherz sondern
im Ernst als einer angenehmen gedenkt, in seiner silva gerade ouer-
eus und Hex nicht habe wach^en können, ist undenkbar. — Epist.
I, 17, 24 tempianiem tnaiora^fere pracscniihus acquum von Aristip-
pus gesagt soll nicht recht sein, sondern fere zu tempianiem maiora
gehören, weil dem, der nur in der Regel zufrieden sei, bisweilen
aber über sie murre, nicht jede Lebenslage gut anstehe; tempianiem
maiora fere aber bedeute, dafs er in der Regel nach dem günstigem
strebte. Es heifst: jeder Zustand passte für ihn, seine Lebensweis-
heit war der Art, dafs er nach dem angenehmen strebend sich den-
noch in alles fand und sich nicht ungebährdig gegen eine unerfreu-
liche Lebenslage auflehnend das Leben umsonst noch bitterer machte.
Daraus folgte aber nicht, dafs er absolut aeguus praeaentibus gewe-
sen wäre, denn in der schlechten Lage strebte er wie immer nach der
befsern, und ein solcher, mag er sich auch noch so sehr gewöhnt
haben sich in alles zu fügen, ist nicht absolut aequus in Beziehung
auf jede mögliche Lage, sondern erträgt meistens das, was er nicht
vermeiden kann, gleichmüthig, um es sich nicht durch Unmuth noch
drückender zu machen. Wer das Vergnügen als höchstes Gut erkannt
hat, der strebt nicht /ere nach der guten Lage, sondern allezeit, und
L. Döderlein: Scherflein zum YersUiodaU des Horatios. 89
wenn er auch nicht immer vollkommen sufrieden ist mit dem, wa«
ihm begegnet, so ergibt er sich doch nicht einer heftigen Bekümmer-
nis, sondern läfst sich nicht zu sehr davon anfechten. Darum passt
er in jede Lage, omnia atatus eum decet^ ist aber nicht mit jeder
Lage zufrieden, was decet auch gar nicht heifst. — Bei dieser Gele-
genheit wird in Sat. I, 3, 96 quis paria esse fere placuit pcccata la-
borant, cum ventum ad verum est, mit Baxter fere zu laborant ge-
zogen durch den Ausdruck Hyperbaton. Dafs dieser Ausdruck eine
durchaus unverständliche Wortstellung zu einer verständlichen machen
könne, ist nicht näher erörtert. Von einer Lehre, welche trotz der
Theorie von der Gleichheit der Fehler diese Theorie durch eine Ca-
suistik mit dem Leben auszugleichen nicht umhin konnte, ist es nicht
unmöglich, dafs ein Dichter, welcher von ihr sagt, sie sei in Ver-
legenheit, wenn es auf das praktische Leben ankomme, sich durch
fere ausdrucke. Cicero Parad. JJT, 25 gibt ein Beispiel dieser Ca-
suistik. — Epist. J, 20, 24 praecatium , sotibus aptum. Der letztere
Ausdruck soll eine humoristische Umschreibung von calvus sein, weil
die Glatze den Sonnenstrahlen wie ein offenes ungeschütztes Feld
preisgegeben sei. Die anderswo gegebene Begründung kenne ich
nicht und vermag sie daher nicht anzugeben. Mit der Erklärung: ein
sonst unbekannter Ausdruck sei humoristisch, läfst sich allerdings vie-
les anfangen und wenn man will, so^ar alles. Sollte solibus aptua
den Glatzkopf bedeuten, so müste dieser Ausdruck wenigstens von
einem offenen Felde gebräuchlich oder je gebraucht sein, um daran zu
erinnern und durch diesen Vergleich humoristisch anzusprechen. Daran
fehlt es aber, und der für ein Feld ganz aflectierte Ausdruck ist erst
noch aufzusuchen. Horaz ist geeignet, passt für die Wärme, nicht
für die Kälte, weil ihn diese drückt (darum sehnt er sich nach Ta-
rent wegen der milden Luft Od. II, 6. Epist. I, 7). Wenn er sich
einen für die Wirksamkeit der Sonne passenden Gegenstand nennt,
an welchem die Wärme ein recht geeignetes Feld ihrer Wirkung fin-
det, so möchte das doch nicht allzu hochpnetiiich sein für den pro.sai-
schen Gedanken: ich bin geeignet zur Ertragun^^ der Sonnenhitze, die
Sonnenwärme thut mir wohl. Schwerlich ist diese Hypallage, wenn
man es etwa so nennen wollte, kühner oder nur ebenso kühn, als das
vergilische (Aen. IV, 385) cum frigida mors anima seduxerit artus,
Epist. II, 2, 134 signo laeso non insanire lagenae soll heifsen:
'der Mann pflegte nicht, wenn er einmal eine Flasche entsiegelt hatte,
sich sofort zu betrinken.^ Signum laedere gilt nicht vom Entsiegeln
durch den rechtmäfsigen Besitzer der Flasche, für den überdies die
Erwähnung des Signum, welches nur zum Schutz gegen unbefugte
Oeffnung der Flasche angewandt war, unpassend ist. Es bedarf da-
her nicht der Frage, ob insanire lagenae 'sich betrinken' heifse. —
Epist. II, 3, 68 mortalia facta peribuni soll bedeuten: morialia (ope-
ra) ita ut facta sunt, peribunt, oder mortalia flu nt et pereunt, sicut
mortales nascuntur et moriuntur. Solche verzwickte Affeetation des
Ausdrucks mag man dem Horaz nicht zutrauen. Wenn er sagt mor-
talia facta für cay quac mortales fecerunt, peribunt, so ist das ver-
ständlich. — Epist. ad Pis. 263:
non quivis videt inmodulata poemata iudex
et data Homanis venia est indigna poetis.
idcircone vager scribamque licenter? an omnes
visuros pcccata putcm mca tutus et intra
spem vcniae cautus? vitavi dcnique culpam,
non laudcm merui.
Das Fragezeichen soll nach putem mca stebn , und es soll der Sinn
sein: 'das römische Publicum ist gegen nachläfsige Verse über die
90 L. Döderlein : Scberflein zum Verslandnis des Horatius.
Mafsen blind und nachsichtig. Was folgt daraus für die Praxis den
Dichters? soll er auf diese Blindheit hin sundigen? oder soll er thnn,
als habe er laater strenge Richter zu gewärtigen? Antwort: wer das
erste thut und sich begnügt es nur nicht gar zu arg zu machen, der
entgebt nur dem Auszischen, bleibt eine Mittelmafsigkeit, die der
grofse Haufen gelten läfst; wer aber um den wahren Ruhm wirbt, der
mafs das zweite thun, strenge Richter vor Augen haben und sich die
Griechen zum Muster nehmen.' Es ist nicht möglich, tutus etc. in
solcher Deutung auf die Frage an omnea etc. folgen zu lafsen, weil
der Fortgang der Rede einen solchen Sinn nicht einmal errathen lafst.
Horaz sagt: 'nicht jeder sieht das nachläf^ige in den Gedichten, und
es hat sich eine unwürdige Nachsicht für die römischen Dichter ge-
bildet. Soll ich aus diesen Gründen nachiäfsig schreiben? oder soll
ich glauben , alle wüsten was nachläfsig in meinen Gedichten wäre,
sicher und geborgen durch jene unwürdige Nachsicht (indem ich mich
nemlich dadurch nicht bestimmen liefse, gröfsere Sorgfalt anzuwenden)?
Nun dann hätte ich keine Beschuldigung zu besorgen, Lob hätte ich
nicht Terdient.' Er sagt deutlich, dafs die Nachsicht nicht Ton der Ein-
sicht in die Fehler abhängt, sondern dafs sie vorhanden ist, mag der
Fehler bemerkt werden oder nicht. Es konnte einer, wenn er wollte,
jene Fehler begehn, sie wurden ihm nicht angerechnet, weil man die
Nachläfsigkeit im Versbau nun einmal herkömmlich für verzeihlich hielt.
Daher war es für den, der nur die Beschuldigung meiden, nicht aber
sich ein Lob erwerben wollte , einerlei , ob er nachläfsie schrieb io
der Meinung nicht jeder bemerke es , oder ob er nachläfsig achrieb in
der Meinung alle bemerkten es; denn er konnte dies nicht als einen
wesentlichen Grund zu einer sorgfältigen Behandlung des Verses an-
sehen , weil man Nachläfsigkeit im Vers durch eine indigna venia für
gleichgiltig hielt.
Frankfurt am Main. Konrad Schwenck,
Mnemosyne, Tijdschrift voor classieke Litteratuur, onder Redactie
van Dr. E, J. Kiehl, Dr. E. Mehler, Dr. S. A. Naber. Jahrg.
186-i, 1863 und l«54 Heft 1. Leyden, bei Brill. 8.
Die Herausgeber dieser Zeitschrift für classische Litteratur geben
in einer Einleitung Rechenschaft über den Zweck und die Einrichtung
derselben. Als erstem bezeichnen sie die Beförderung des wifscn-
Schaft liehen Studiums der classischen Litteratur. Nach einer kurxen
charakterisierenden Schilderung des Entwicklungsganges, welchen die
Philologie in neuerer Zeit genommen hat, wenden sie sich an ihr un-
mittelbares Publicum, die Philologen der Niederlande. Diese zunächst
werden aufgefordert Beiträge zu liefern , sei es ganz streng wifsen-
schaftliche, für engbegrenzte Leserkreise bestimmte, sei es mehr po-
pulär gehaltne. Die kritische Behandlung der classischen Schriftstel-
ler ist das Gebiet der Philologie, auf welchem die Niederländer den
meisten Ruhm geerntet haben : deshalb wird auch in dieser Zeitschrift
die litterarische Kritik in den Vordergrund gestellt, daneben aber
auch die übrigen Richtungen der Alterthumswifsenschaft nicht ausge-
schlofsen. Da nun die Texteskritik vor allen Dingen ein wifsenschaft-
liches Gebiet ist, auf welchem die Ergebnisse gründlicher Untersuchung
und scharfsinniger Emendation der Philologen aller europaeischen Län-
der zu gute kommt, so wird vielen deutschen Gelehrten eine kurze
Inhaltsübersicht der bis jetzt vorliegenden Theile dieser Zeitschrift
erwünscht sein. Der erste Jahrgang enthält folgendes: E. G. Kiehlt
der Text der Schutzflehenden des Aeschylos vor 3 Jahrhunderten und
MnemOfyne. Ir — 3r Jthrgrang:. Ol
Jetit« Die Aldina von 1518 ist nach einer sehr inittelmäfsigen H«.
besorgt worden, die sich jetzt in Wolfenbattel befindet. Obgleich
seitdem besonders durch die neuern Kritiker viel getban worden sei,
um den Text der Schutzflehenden des Aeschylos zu verbefsern, so sei
doch noch immer viel zu thun: es fanden sich darin noch jetzt 1) un>
bestreitbare Fehler, unmögliche Worte, sinnlose Buchstabengruppen;
2) unbestrittne Fehler, mögliche aber sinnstorende Worte ; 3) bestreit-
bare Fehler, verschieden interpretierte Stellen. Diese 3 Arten von
Fehlern seien in den Text gekommen entweder durch fehlerhafte Ver-
wechslung einzelner Buchstaben oder durch fehlerhafte Abtheilung der
Worte oder durch Begehung dieser beiden Versehen zugleich oder end-
lich in einzelnen Fällen durch andere Ursachen verschiedener Art,
welche aber seltner eingewirkt haben. Dann vergleicht der Vf. zu
diesen Arten die fehlerhaften Stellen der Aldina mit den Emendatio-
nen von Robortellus, Butler und Dindorf. — Kiehl: über ein romi-
sches zu Castelfranco aufbewahrtes Schwert mit der Inschrift Sic
Roma vinciU — Pluygers: das Scholion zu Hom. Od. Jll, 444 nach
einer venetianischen Rs. (Marc. 613). Dieser Cod. gibt: Ztjv69. dl iv
taig dno tov d yXmooaig. — Kiehl schlagt vor, in Aristoph. £qu.
539 zu lesen tiQapLßotpdyov, — J. St. Bernardi commereium /tltera-
rtum. Nach einer kurzen Schilderung des Lebens und der Verdienste
Bernards läfst der Hg. (Mehler) ausgewählte Briefe seiner Corre-
spondenz folgen , und zwar enthält diese Auswahl 1) Briefe von Val-
kenär und Reiske, 2) ein Verzeichnis von Kmendationen (zu Athenaeos,
Orpheus, Kallimachos a. a.), 3) Urtheile über Zeitgenofsen (Ruhnken,
Ernesti, Mencken u. a.). Sie liefert demnach einen interessanten Bei-
trag zur Geschichte der wifsenschaftlichen Betrebungen des vorigen
Jh. ^ J. V. Gl geh: Beitrage zur Latinität der XII Tafel gesetze : oc
ceniare in dem Fragm. bei Cic. de re publ. IV, 10 wird genau be-
sprochen.— Zu Horat. Od. I, 7, 1 schlägt Kiehl vor Claron, Rhodon
zu legen, indem er dabei an Klares auf der kleinasiatischen Küste er-
innert. — S. A. Naber: sieben unedierte kretische Inschriften. Ge-
bet fand im Dogenpalast zu Venedig in eine Wand eingemauert eine
Marmorplatte mit einer griechischen Inschrift, die sich bei näherer
Ansicht als ein Fragment eines Vertrags zwischen Hierapytna und
Rhodos herausstellte. Auf der Rückseite desselben Steins entdeckte
er dann noch 2 fragmentarische griechische Inschriften, Stücke von
Verträgen von Hierapytna mit den Städten Lyttos und Magnesia. Die
erstgenannte Inschrift konnte er vervollständigen, indem er eine Ab-
schrift derselben nach einem alten Blatte der ambrosianischen Biblio-
thek zu Mailand erhielt. Endlich entdeckte er in Venedig in einer
Privatsammlung Theile eines unedierten Werks eines ital. Abtes , worin
nicht nur die genannten 3 Inschriften sich finden, sondern aufserdem
noch 4 Verträge von Teos mit kretischen Städten. Den erstgenannten
Vertrag setzt der Vf. in das J. 220 v. Chr. ; ebenso vermiithungsweise
die beiden folgenden, welche weit weniger umfangreich sind. — Dann
folgen 65 Emendationen zum 4n— 45n Buche des Livius. — Mehl er
bespricht S. 126 ff. Matrangas Anecdota Graeca und Schmidts Schrift
de Pluiarehea quae vulgo Jertur Homeri vita Porphyrio vindicanda
(Beroi. 1860), insofern diese Schriften auf Herakleitos bezügliches
enthalten. Er weist nach, dafs Matranga sich einer unvollständigen
Hs. bedient habe, sowie dafs sein kritisches Verfahren zu tadeln sei.
Zum Beweise gibt er einen Vergleich der abweichenden Collationen
Cobets und Matrangas von der betreffenden Partie im cod. Vat. 84J
(p. 141 — 161). Was dann Schmidts Schrift anlangt, so wird zwar
dieselbe als eine höchst scharfsinnige Untersuchung gerühmt, aber es
wird doch vom Vf. die Richtigkeit der darin enthaltenen Ergebnisse
02 llnemosyne. Ir — 3r Jahrgaug.
in Abrede gestellt. — Kiehl: die Gesetzgebung des Licinius Stolo.
In 2 Abschnitten wird gesprochen Ton den darauf hinwirkenden Ver-
hältnissen 1) bis zur Annahme der rogaiionea Liciniae Sextiae und
2) von da an bis zum Aufstaude zu Lautulae. — Naber: die Anklage-
reden des Demosthenes gegen Aphobos. — D. J. v. Stegeren: Be-
merkung zum attischen Erbrechte (zu I)iod. Sic. XII, 16: Diod. be-
ziehe sich in den Worten ot filv yocg dno tir^tgog bis 6Q(pavoSiv auf ein
Gesetz des Solen). — Kiehl: der Reim bei den griechischen scentschen
Dichtern. — Hecker: zu Vergils Aen. IV, 166. — Kiehl: nachtrag-
liche Bemerkungen zu den Schutzflehenden des Aeschylos. — Kiehl:
Emendationen zu Xenophons Anabasis. — Naber: die Schlacht bei
den arginusischen Inseln und der damit zusammenhängende Frocess. —
Mehler: Porson über die Philologen Deutschlands. — P. v. Bem-
melen: die Bestimmungen der XII Tafeln über Schmähgesänge und
Zauberformeln; durch diese Abhandlung erhält die oben erwähnte von
Gigch eine Vervollständigung und Erläuterung. — Emendationen zu
Xenophons Hellenica. — Kiehl: Aeschyli vita. Zum Schlufs stellt
der Vf. seine Resultate in einer Tabelle zusammen, woraus man er-
sieht, dafs er hier und da von Clinton etwas abweicht, z. B. dafs die
Phoenissen des Phrynichos in Ol. 76, 4 gehören u. s. w. — Na her:
Solons Gesetzgebung in Betreff des Erbrechts. Der Vf. weist nach^
dafs die auf Erbrecht bezuglichen Gesetze, welche in den griechi-
schen Rednern vorkommen und dem Solon beigelegt werden, zum Theil
unvollständig, zum Theil durch die spätem Grammatiker aus den
Worten der Redner selbst nachgemacht worden sind. Vorzugsweise
bespricht er die Frage, ob, wenn jemand stirbt, ohne Erben in auf-
oder absteigender Linie nachzulafsen, die Erbschaft in Ermangelung
von Brüdern oder Bruderskindern an die Schwestern oder deren Kin-
der falle. — Mehl er: in Luciani veras historias et somnium obser-
vationes criticae. — Emendationen zu Arist. Acharn., Equites, Nubea,
Vespae. — Aufserdem stehen zerstreut im Buche unter dem Titel
Blattfüllungen (Lückenbüfser) zahlreiche Verbefserungsvorschläge zu
Aechylos, Aristophanes, Isaeos, Horatius, Cicero u. a. — Zweiter
Jahrgang. H. G. Hamaker: Bemerkungen zu den Acharnern des
Aristophanes (kritische Vorschläge). — Naber: zwei kretische In-
schriften: a) der Bundesvertrag von Allaria (C. 1. G. Nr. 2557); b)
Agos Testament (C. I. G. Nr. 2562). — Horatianum quoddam a Sap>
phone sumtum. Hör. Od. I 1 extr. sublimi fcriam sidera veriice ist
bei Sapph. fr. 15 (Bergk) zu finden. — Brink sucht nachzuweisen,
dafs Kallimachos und Herodes keine Hemiiambendichter gewesen seien.
— Ders. : über die hesychische Glosse yLvlkijßriv' noloßov. — Der«.:
ein Zeugnis des Priscianus über Tryphon. — Fortsetzung von Meh-
lers in Luciani veras historias et somnium observationes criticae« —
Kiehl: Hygini anecdoton. Es ist dies ein längeres Fragment der
Astronomica des Hyginus aus einem Leidener Codex. — Emendations*
vorschlage zu Aristophanes Fax, Aves und Lysistrata. — Hol wer da:
Observationes criticae in Fl. losephi Antiquitatum ludaicarum libnim
XVIII. — Kiehl weist nach, dafs Androtion der Redner wahrschein-
lich mit dem Geschichtschreiber dieses Namens identisch sei. — A.
Dederich: de gentis Fabiae origine. Der Vf. weist ge^en Niebuhr
(R. G. II, 198) nach, dafs die prcna Fabia nicht ein sabinisches, 8on>
dern ein altlatinisches Geschlecht gewesen sei. — Mehler: Anmer-
kungen zu Lucians Timon. — J. Geel: über Sophokles Aiax Vs. 646 —
692. — Emendationsvorschlägc zu Aristophanes Thesmophoriazusen, Frö-
schen, Ekklesiazusen und Plutos. — A. J. Vitringa: de sophistarum
scholis, quae Socratis aetate Athenii» floruerunt. Aus manchen Dia-
logen des Piaton erkennt man, wie verbreitet in Athen damals solche
Mnemosyne. Ir — 3r Jahrgang. 93
'philosophische Anschanungen waren, wie sie den Sophisten beigelegt
werden; da nun kein Theil der Geschichte der griechischen PhiIoso>
phie so unentwirrt ist wie dieser, so ist der Versuch des Vf., eine
klare Darle^^un^ der Sophistensysteroe zu geben, um so dankenswer-
ther. Das Wesen der Sophistik findet der Vf. weniger im behandelten
Gegenstande als in der Form der Behandlung; diese Form charakteri-
siert er mit folgenden Worten: 'itaque omnibus communis fuit et acn-
tissima dialectica et artificiosa illa rhetorica, qua de qaalicunqne re
apte et eleganter disserere se posse prolitebantur , cuins fastiginm
erat notum illud rov '^ztod loyov x^f/rro) noiei:v\ Aber innerhalb die-
ser ffemein5iamen Richtung bestanden Terschiedene Schalen, die der
Vf. dann zu charakterisieren sucht: 1) de Protagorae schola sire de
sophistis, quorum disciplina ad sensualismum absolutum pertinebat;
2) de Prodico si^e de sophistarum schola morali ; 3) de Hippia sive de
sophistarnm schola physica; 4) de Gorgia siTe de sophistarum schola
xflfT* i^oxijv politico-rhetorica. — Mehl er: Beurtheilung von Muliacbs
Ausg. Ton Hieroclis in aurenm Pythagoreorum Carmen commentarius
und dess. Conjectaneorum Byzantinorum libri doo (mit Besprechung
vieler einzelnen Stellen). — Dav. Ruhnkenii in lustini historias
Philippicas emendationes ineditae. — Beurtheilung von Bergks Aus-
gabe des Pindar in der 2n Auflage seiner Poetae lyrici Graeci. —
Kiehl: über die 2e Ausgabe von Bergks Poetae elegiaci Graeci. —
P. J. Uylenbroek: über Geppcrts homerische Kritik. Zu G.s Werke,
welches derselbe das Erzeugnis einer Reaction gegen die Anhänger
der unhaltbaren Wolfschen Hypothese nennt, bespricht der Vf. eine
grofse Anzahl schwieriger Stellen aus der fnjvidog dnoggrioig (II. 7*),
— Hyperidis oratio pro Euxenippo recens reperta, rec. C. G. Cobet.
Zuerst macht der Hg. diesen neuen litterarischen Fund durch Ab-
druck des Textes seinen Landsleuten bekannt, und lafst dann zu ein-
zelnen Stellen kritische Bemerkungen folgen. Ueber den Werth der
Hs. urtheilt Cobet mit folgenden Worten: Mtaque fieri^ potest, ut bis
mille annorum sit über, et certum est, a librario illitterato et alias
res agente negligenter admoduni et mendose esse descriptum*. — Brink
veröffentlicht drei noch nicht herausgegebene lateinische Briefe von
Luznc , Wyttenbach i^nd Wieland. — Unter dem Titel ' Aeschylos und
die gegenwärtige Alterthumskunde' bespricht Kiehl die Ausgaben des
Aescnylos von G. Hermann und W. Dindorf und deren handschriftliche
Grundlage; bei dieser Gelegenheit theilt ders. die abweichenden Les-
arten einer Pariser Handschrift nach Cobets, Renans, Askews und
Faehses Abschrift und eine Collation von 5 Codd. (Med., Vcn., Flor.,
Farn. u. Bessarionens) mit. — Kappeyne v. d. Coppellot kritische
Bemerkungen (zu Xenoph. Hell. U). — Brink: Bischof Hippolytus
ctlgsaFcov fXsyxos Bl. 144. — Cobet: variae lectiones. — Emendations-
vorschlage zu mehreren Schriften Ciceros. — Als 'Blattfullungen' fin-
den sich in diesem Bande zerstreut Jcritische Bemerkungen zu Aeschi-
nes or. in Timarch. 25; Aeschylos Suppl. 120; Sept. adv. Theb. 125;
613; 714 n. a. — Dritter Jahrgang. Mehler: quaestiones Lucia-
neae. Der Vf. bespricht einige Stellen aus Lucians Werken, in denen
dieser Schriftsteller Anklänge aus Gedichten enthält und die von den
Hgg. entweder übersehen oder doch nicht gehörig emendiert worden
sind. — Hamaker: Bemerkungen zu Aristophanes Wespen:^ L etwas
über die Zahl der Schauspieler und wie die Rollen unter ihnen ver-
theilt waren, mit Rücksicht auf K. O. Müllers Annahme (Gesch. d.
griech. Litt. II, 205), dafs Aristophanes in den Wespen ausnahmsweise
einen 4n Schauspieler habe mitwirken lafsen, was der Vf. als irthüm-
lich nachweist ; II. kritische Bemerkungen zu vielen Stellen dieser Ko-
moedie. — D. Ruhnkenii emendationes selectae; e schedis in biblio-
§4 L. Döderleiu: Schcrflein zum VerstttDÜnis des Horatius.
lieh anzuzeigen zu viel wäre. Od. T, 1, 28 erklart er iereie$ plagae
«feine Netze, zu dünn für den marsischen Eber.' Dafs die feinsten
Netze für die Eberjagd gemacht wurden und fest waren, sehen wir
aus Piinius N. H. XIX, 1, wo vielleicht die Sache übertrieben dar-
gestellt wird. Dafs aber ein starkes Netz durch einen gewaltigen
Eber einmal durchrifsen werde, ist nicht zu verwundern. — Od. I, 7
ist nach Hrn. D.s fester Ueberzeugung in 2 Gedichte zu zerlegen, und
ebenso die Ode an Archytas. Beide Gedichte haben das nemliche
Versmafs, und da aufser dt>m sapphischen und alcaeischen in den 4
Büchern der horazischen Oden durchaus nie das gleiche Versmafs un>
mittelbar wiederholt wird , so würde dies durch die Theilung beider
Gedichte geschehen, was nicht ganz gleichgiltig zu übersehen ist.
Wir wifsen den Gram und die Verhältnisse des Plancus, welche in
dieser Ode berührt werden, nicht genau, müfsen aber voraussetzen,
dafs er aofserhalb Italiens war, und hätte Horaz ihn von einem nn-
muthigen Schweifen in der Fremde abmahnen wollen, so wäre dies in
der Ode geschehen. Preise wer will die fremden Städte, ich lobe
mir Tibur, wo du auch einen Aufenthalt hast, und nenne es den
schönsten oder erfreulichsten Ort. Doch ob du nun in der Fremde,
selbst in einem Kriegslager bist, oder dich zurückgekehrt in Tibur
befindest, lindere deinen Gram durch Wein. In der 11 n Epistel des
In Buchs spricht Horaz aus, dafs man durch Wechsel des Aufenthalts
und die Wahl herlicher Orte die Launen des Unmuths nicht beschwich-
tige: Romae laudetur Samos ei Chio$ et Rhodos absens. — Od. f,
18, 15 tollcns vacuum gloria verticem soll tollem vacuum heifsen
'hoch erhebend', Vertex sublime $eu vacuum elatua. Nirgends heifst
t>acttttfit hoch, sondern in vacuum y in die leere Luft, kann dies be-
deuten; aber allein für sich hat vacuum diese Bedeutung nicht, weil
es sie nicht haben kann. Vertex soll nicht gleich caput stehen kön-
nen, und daher die Bedeutung des leeren Kopfes unmöglich sein. Dem
ist nicht so, denn Vertex kann nur Kopf bedeuten bei Vergil, wenn
er Aen. VII, 784. XI, 683 von Turnus sagt: et toto vertice supra esi^
d. i. er ragt einen ganzen Kopf über die andern. Ovid Metam. V,
84. Xir, 118 sagt: resupinus humum moribundo vertice puUat, Wer
auf ebener Erde rücklings fällt, schlägt den Boden mit dem Hinter-
kopf, und wenn Petronius c. 137 tremulo deduxit vertice eanos, so
kann doch der Scheitel selbst nicht zittern. Das homerische ovffavco
iavt^Qi^s xdgrj (Callim. hymn. in Cer. 59 %e<pala de ot u'^ltaz* *Olvfifcai)
entspricht dem vergilischen (Aen. IV, 176) caput inter nubila condit;
Aber ähnlich ist (Hör.) feriam sidera vertice, (Ovid. Met. VII, 61)
vertice sidera tangam, (Fast. I, 209) caput eociulit — et tetigii ver-
tice. Der Versfuls entschied die Wahl zwischen caput und vcrtex,
Javenal nennt den Dummkopf vacuum caput. — Od. I, 20, 10 tu 6t-
be$ soll in tum bibes geändert werden. Dann würde Horaz zu Mae-
cenas sagen: du bekommst dann Caecuber und Calener, meine Becher
(aof dem vorangestellten mea ohne motivierende Partikel liegt Nach-
druck) füllt kein Falerner oder Formianer. Das heifst: Caernber und
Calener werde ich dir geben, Falerner und F^ormianer übersteigen
meine Kräfte. Jene Weine waren aber ebenso kostbar wie diese,
und wenn er hätte sagen wollen , ich kann dich nur mit zwei edlen
Weinen bewirthen, nicht mit vier, so hatte er sich anders ausdrucken
mufsen. Allein einem hochstehenden Manne zu sagen, ich werde dir
zwei sehr edle Weine geben, für vier reicht mein Greld nicht hin, ist
weder im Ernst noch im Scherz anständig. Entweder mafs er ihn
auf die Art, an welche der hochstehende Mann gewöhnt ist, oder ein-
fach bewirthen. Einen vornehmen Mann, der glänzend zu leben ge-
wohnt ist, ehrt der geringere, der ihm sein bescheidenes kleines Ver-
L. Döderlein; ScherfleiD zum VerstündDis des Horaiias. 85
mögen verdankt , wenn er nicht mit ihm irgend , bei welcher Gelegea**
heit es sei, wetteifert, sondern ihn, wenn er ihn mit seinem Besuche
beehrt, auf die einfachste Weise empfangt; denn der reiche vornehme
fühlt sich nicht geschmeichelt, wenn der in beschränkten Verhält-
nissen lebende seinetwegen einen kostspieligen Aufwand macht. Wa^
rum nennt Horaz 4 Weine? Hr. D. meint, indem er von dem Mahle
des Nasidienus in den Satiren spricht, 4 Weine seien für einen rei-
chen Mann, der einen Maecenas bewirthe, wenig und es sei die Be-
schrankung auf blofs 4 Weine eine Unehre. So ist es aber nicht,
sondern gerade 4 Sorten gehörten zur vollkommenen Tafel jener Zeit,
wie uns Plinius N. H. XIV, 15 sagt, wo er vom dritten Consulate
des Caesar spricht: quo primum tempore quattuor genera vini appo-
«ita constat. Solche Dinge sind eine Sache der Mode und müfsen
nicht nach ihrem Werth, sondern nach der Mode benrtheilt werden.
Die Lächerlichkeit des Nasidienus liegt in dem Mangel der gesell-
schaftlichen Bildung und des feinen Tones, für den sein ganzes Haus^
Wesen nicht passte. Horaz also, welcher ein gebildeter Mann war,
dem der feine Ton und die Kenntnis des schicklichen nicht fehlte,
lädt den Maecenas zu gewohnlichem W^ein (vile vorangestellt) ein,
der aber einen sog. Affectionswerth hat, und sagt, die bei reichen
Tafeln vorkommenden 4 Weine der besten Sorten finden sich nicht
bei mir. Epist. J, 6 lädt er den Torquatus in anderm Tone ähnlich
ein, und dem Vergiüus verspricht er Od. IV, 12 Calener beim Sulpi-
cius zu kaufen, wenn er die Salbe zum Gelage stellen wolle. — Od.
I, 35, 17. Die Werkzeuge der ^ccesntas sollen bedeuten: die Nagel
das Befestigen; die Keile das Auseinandertreiben; der Haken das
Schleifen des getÖdteten Verbrechers; das geschmolzene Blei eine Art
Folter. Die ^eeessitaa kann hier nur in Beziehung auf das Walten
der Fortuna das unabwendbare Wirken dieser Göttin bezeichnen, und
ihre Attribute sollen dies versinnlichen, welche daher nur das feste
bedeuten können. Werkzeuge des Tödtens eines Verbrechers oder der
Mishandlung desselben oder des Folterns können nicht der Fortuna,
^ondern der Justitia zukommen. Die Keile dienen zum Festmacheu
durch Verkeilen, der Haken zur Verbindung und das Blei um densel-
ben fest zu löthen. — Od. I, 37, 9 contaminato cum grege iurpium
Morbo virorum soll bedeuten ^mit der Schaar entmannter Scheu-
(iale, der Pestbeule des Männergeschlechts.' Da im Lat. morbus nie-
mals so gebraucht worden ist, so soll das griech. voaog aushelfen,
welches aber nicht den Schandfleck bezeichnet, sondern etwas be-
nachtheiligendes, verletzendes, die Eunuchen sind aber nicht ver-
letzend oder benachtheiligend für die Männer, und wenn Horaz mor-
bus so verstanden wifsen wollte, so hätte er sich anders ausdrucken
muftien, denn die Wortstellung und das Adjectiviim iurpium führen
jeden auf die Verbindung der Wörter iurpium morbo virorum, welche
auch angeben, wodurch der grex als coniaminaius bezeichnet wird. ^
Od. II, ], 2. Die modi sollen hier moderata ei prudentia eonsi-
lia als Gegensatz gegen vitia sein. Modi sind Mafse, aber nicht
Mäfsigungen, und Mäfsigungen sind nicht prudentia eonsilia, -— Od.
II, 2, '2^ quisquis ingentcs ocu/o irreiorto Spcctat acervos. Dies soll
bedeuten quisquis ingcnies aeervos non spcctat ocuto reiorto, was in
D.s mir nicht bekannten Reden und Aufs, begründet sei; oder soll er-
klärt werden: ^uis^uts ingentes acervos spectai, dein irreiorto oculo
discedit. Diese Stelle ist ohne Schwierigkeit, denn der Ausdruck:
wer grofsen Reichthuro anschaut, ohne von seinem Glänze geblendet
das Auge zurückzuwenden, wer ihn also mit völliger Selbstbeher-
iichung und ungerührt anschaut, ist ein passender. — Od. II, 20, 9
supeme soll zu nascuniurque etc. gezogen werden, weil die Ver-
86 L. Döderlein: Scherflein zum Verftfindnii des Uoratiaii.
wandlong in einen Schwan nicht blofs $upeme stattfinde. Die Beine
schrumpften zwar zu Vogelbeinen ein, aber der Obertheii wurde ein
albu9 ales, denn obgleich sich die Vogel wohl auch durch die Beine
unterscheiden, so ist doch der übrige Theil vorzaglich entscheidend,
um z. B. einen Raben von einem Schwan , einen Adler Ton einem Huhn
u. s. w. zu unterscheiden. Bei dem Einschrumpfen der Beine war
noch nicht mit Gewisheit zuerkennen, welcher Vogel entstehen werde.
Od. III, 4, 60 numquam humeris pogituruß arcum soll heifsen :
der nicht einen Augenblick während des Kampfes den Bogen auf die
Schulter zur Ruhe zu bringen entschlofsen war. Numquam hat diese
Bedeutung nicht und könnte nur bei einer angegebenen Zeit in über-
triebener Bedeutung von dieser ganzen Zeit gebraucht werden. Die
folgende den Apollon zu seiner Verherlichung als lockenumwallten, als
Gott der Kastalia, als Delier und Pataraeer beschreibende Strophe
zeigt deutlich, dafs er mit den fraglichen Worten ebenfalls beschrie-
ben wird als der Bogenschütze, als der welcher immer den Bogen mit
sich fuhrt. Juno heifst blofs Matrone, Vulcan blofs gierig (weil das
Feuer alles, was ihm zur Nahrung dient, gierig ergreift); aber Apollo
wird in der Beschreibung mehr herYorgehoben , da er zu den Musen
und ihrem lene contilium gehört. Man kann an posiiurua mäkeln,
man kann berechnen, dafs er den Bogen beim Schlafen und andern
Verrichtungen wahrscheinlich ablege, aber damit erwächst für eine
nnbegrundete Erklärung keine Begründung. — Od. III, 9, 6. Der
Gleichheit mit der Torigen Strophe wegen soll multi Lydia nominia
erklärt werden $ed Lydia multi nominis erat , oder Apposition zu dem
Torhergehenden Lydia sein. Dieses multi nominia Lydia von vigui
darior zu trennen geht nicht, denn als Apposition wäre es lächerKch
emphatisch, und über die erstere Erklärung zu sprechen wäre Aber-
flujsig; die Symmetrie besteht eben nicht in einer Abzahlung der Sil-
ben, und statt der Symmetrie des Gedankens eine Gleichheit der Sil-
benvertheilung zum herschenden zu machen kann die Interpretation
nicht fördern. Die Symmetrie des Gedankens erfordert als abschlie-
ßend in der ersten Strophe iuvenia dabaty in der zweiten erat Lydia
poMt Chloeny worauf unmittelbar und nicht durch einen Zusatz ge-
trennt der Ausspruch über das Gluck des bezeichneten Zustandes fol-
gen mufs. Die beiden letzten Strophen entsprechen einander in dem
Sinne, wie es die zweite der ersten soll, ganz und gar nicht. — Od.
III, 21, 4. Die pia ieata deutet Hr. D. auf die Wirkung des darin ent-
haltenen Weins und meint, man mufse es dem Dichter nachsehen,
wenn er, der noch nicht wüste, welche Wirkung dieser Wein herror-
bringen werde, die gute allein ins Auge gefafst und danach das Bei-
wort gewählt habe. O nata mecum consule Manlio — pia iesta be*
zeichnet den Wein als einen im PietätsTerhaltnis zu ihm stehenden
wegen der gleichsam geschwisterlichen Abstammung in Hinsicht der
Geburtszeit. Es ist, wie wenn einer im Deutschen eine Flasche sol-
ches Weines im Liede sein 'Bruderchen' oder 'Schwesterchen^ oder
ähnlich benennen wollte. Piua bezeichnet aber das liebende Verhält-
nis der^ nahen Verwandtschaft. — Od. III, 24, 39 duratae solo nivea
soll heifsen 'Schnee so hart wie fester Boden.* Dafs die Sprache
solche Erklärung zulafse, ist nicht bewiesen, mithin die Erklärung
nicht annehmbar.
Sat. J, I, 88 ai si cognato», nullo natura labere Quoa tibi daty
retinere velis aervareque amicoa. Aus nullo labore soll zu reftnere
das Wort labore hinzugedacht werden, damit es bedeute: indem da
für die Terwandten sparst, kannst du durch Mühe und Arbeit und
Opfer die Liebe der blutsrerwandten nicht erwerben u. s. w. Jene
Wiederholung Ton /a6ore ist nnnaturlich nnd der angebliche Gedanke
L. Döderlein : Scherflein zum Verständnis des Horatius. 87
Jener Worte in dieser Weise dem Verständnis unmöglich. Den Geiz-
hals, heifst es, mag niemand, und wenn er meint die blotsverwandten,
die ihm die Natur, ohne dafs er etwas dafür gethan, gegeben hat,
würden ihm bleiben (insofern ja ein solches Verhältnis eine gewisse
Anhänglichkeit ganz von selbst erzeugt), so irrt er sich, denn auch
ein solches Verhältnis verliert die Kraft gegenüber dem Egoismus des
Geizhalses, der keiner Liebe zu irgend jemand fähig ist, und darum
keine findet. — Sat. I, 5, 75 convivas avidos ccnam servoaguc timentea
Tum raperc — videres soll heifsen: die Sklaven rafften aus Furcht ver-
stohlen von dem Efsen, aher timentes heifst nicht 'verstohlen', und eine
solche Auslegung mäste sich auf einen Beweis stützen. Timenics kann auch
zu raperc construiert werden ohne 'verstohlen' bedeuten zu mufsen.
Epist. I, 6, 5 quid ccnses munera terrae, Quid maria extremoa Arahat
ditaniia ei Irtdos, Ludicra quid, plauaus et amici donaQuiritis? Hier ver-
bindet Hr. D. ludicra plausus und stellt sie den dona Quiriti» gegenüber.
Horaz hätte vielleicht in solcher Verbindung und Bedeutung ludicra plau-
9uum gesagt. Ich habe in dieser Stelle immer eine Aufzählung der Dinge
des Besitzes und der Dinge des Ehrgeizes oder der Eitelkeit (der am-
bitio misera) gesehen, so dafs die munera terrae et maris die ludierOj
welche in plausus und amici dona Qutrifi« bestehen , gegenüberhaben.
Dafs dem philosophischen Betrachter des Werthes der Dinge das Bei-
fallklatschen und die Auszeichnung durch die honores des romischen
Volkes in der damaligen Zeit als Dinge ohne wahren Werth, als lu-
dicra erscheinen musten, ist natürlich. Unten Vs. 49 bezeichnet er
die plau8U9 und dona Quiritis als spccies et gratia, Sat. IT, 3, 179
läfst ein Vater seine Sohne schworen, sich durch die gloria nicht
zum Erjagen der Ehrenstellen bewegen zu lafsen: latu9 ut in Circo
spatiere et aeneus ut stes, Scilicet ut plaueus , quos fert Agrippa,
fcras tu, — Ebend. Vs. 15 insani nomen sapiens ferat, aequus tni-
quij ultra quam satis est virtutem si petat ipsam. Das nil admirariy
welches bis zu diesen Worten ausgeführt ist, soll mit der virtus ipsa
identisch sein, somit ein Widerspruch sich ergeben, da das Ringen nach
der eben empfohlenen virtus ipsa nicht als Uebermafs verboten werden
könne. Darum seien jene beiden Verse als ein Einwurf des Numicius
oder eines andern anzusehn, und im folgenden sage dann Horaz: 'gut!
willst du nicht nach dem Ideal streben, so fang lieber gar nicht an!
sQche dein Glück auf dem Weg des Lebensgenufses und der Ehrsucht
— wähle mit Entschiedenheit zwischen beiden Wegen zum Lebens-
glück.' Der zweite Vers soll zweierlei Gedanken und Ausdrucksarten
in ^ine vereint enthalten, erst: ultra quam satis est virtutem si petat,
dann virtutem si petat ipsam ohne ultra etc., und letzteres soll heifsen:
'wenn er das Urbild der virtus werden will und sich mit der blofsen
Aehnlichkeit nicht begnügt.' Das nil admirari ist die Unabhängigkeit
der Seele von allem was leidenschaftliche Regungen erwecken kann,
und niemand hat die Tugend selbst in diesen Zustand gesetzt und da-
rin beschlofsen geglaubt. Die Erklärung des letztem Verses läfst
Horaz reden, wie es gar nicht möglich ist. Der Sinn der Epistel ist
deutlich auf das nil admirari gerichtet, ohne welches der Mensch von
Leidenschaft getrieben wird und nicht zur Tugend g<^langt, die zum
rede vivere nothig ist. Die alte Lebensphilosophie glaubte allerdings
an ein Uebermafs der Tugend, wenn nemlich das Streben nach Tu-
gend leidenschaftlich war. Virtus ipsa ist hier keineswegs das Urbild der
Tugend , und Cicero gebraucht dieses ipsa gerade so, wenn er von der
Leidenschaftlichkeit im Streben nach der Tugend abmahnt : etiamst
virtutis ipsius vehementior appetitus sit, eadem sit omnibus ad
deterrendum adhibenda oratio, — Epist. T, 8, 10 cur me funesiopro^
perent arcere vetcmo. Die Todcsrnhe soll durch /uwcsfii« vcternus
88 L. Döderlein : Scherflein zum Verständnis des Horatins.
bezeichnet sein, der Schlaf im Grabe, den er als Erlösung vom
vetemuf , dem Scheintod, wünscht. Funeaius vetemu$ in der Be-
deutung des wirklichen Todes kommt nicht vor, da es nicht einmal
den wirklichen Schlaf bezeichnet, und konnte vielleicht als Sehen an
einer geeigneten Stelle in jenem Sinne angebracht werden, was bis
jetzt nicht geschehen ist. Doch arcere soll gar nicht von dem blofsen
veternua, an dem Horaz zu leiden vorgibt, stehen können, von wei-
ehern liberare gesagt werden müste. Dieser iorpor ist schlafähnlich,
ist Schläfrigkeit, und diese kann man von einem abwehren, denn
aomnum arcere ist ein untadelhafter Ausdruck, und da kein leibliches
Uebel vorhanden ist, so ist der Ausdruck veiemum arcere y oder poe-
tisch arcere a veterno nicht ungehörig. Funeaius soll immer in Be-
ziehung zu dem wirklichen Tod und Grab stehn. Damit wird nicht
bewiesen, was hier bewiesen werden soll, denn alles kann funeatum
heifsen, was zum Tode führen kann, wobei er in Betracht kommen
kann; so heifsen viele Dinge funeata , die nicht in unmittelbarer Be-
ziehung zu ihm stehen, und dieses Wort ist geeignet, um einen krank-
haften Zustand sehr stark auszudrucken, selbst wenn dieser Zustand
seinen Sitz im Gemuthe hat, denn er kann ja gesteigert den Tod her-
beifuhren. Horaz hat nie den Wunsch nach Sterben geäufsert. —
Epist. I, 16, 8 tempericm laudea etc. Der Sinn soll sein: 'ja wollten
etwa durch ein Wunder der Natur die Dornbüsche so freundlich sein,
Cornelkirschen und Pflaumen zu tragen, und Eichen (die hier fehlen)
da sein, wie in Taren t , um Futter und Schatten zu geben — dann
könnte man sich gar in Tarent glauben.' Es folgt fona etiam etc.:
auch ein Quell von trefflichem kaltem Wafser ist da. Ware jene Er-
klärung die rechte, dann würde hier nicht etiam stehen, welches za
den genannten Herlichkeiten eine neue fügt. Der Sinn ist: wie wenn
nun hier reichlich gesegnete Dornbüsche Cornelkirschen (gut für das
Vieh) und Schlehen tragen, und Eichen das Vieh mit Futter, den
Herrn (für den hier keine Früchte wachsen) mit Schatten erquicken?
du möchtest oder könntest sagen, Tarent sei näher herangerückt.
Dieser Scherz ist leicht zu verstehen, da Tarent, wie er es in der 6n
Ode des 2n B. schildert, nicht wegen Cornelkirschen u. s. w. geprie-
sen war, aber als ein durch Oel, Wein u. s. w. vorzüglicher Punkt
der Erde. Den Quell und die Bäume seines Gütchens nennt er auch
Sat. II, 6 und Epist. J, 14, wo Holz und Laub als Futter erwähnt
wird; dafs aber, da er auch der temperiea nicht im Scherz sondern
im Ernst als einer angenehmen gedenkt, in seiner ailva gerade quer-
eua und ilex nicht habe wachsen können, ist undenkbar. — Epist.
I, 17, 24 iempiantem tnaiora, fere praeaeniibua aequum von Aristip-
pus gesagt soll nicht recht sein, sondern fere zu tcmptaniem maiora
gehören, weil dem, der nur in der Regel zufrieden sei, bisweilen
aber über sie murre, nicht jede Lebenslage gut anstehe; iemptantem
maiora fere aber bedeute, dafs er In der Regel nach dem günstigem
strebte. Es heifst: jeder Zustand passte für ihn, seine Lebensweis-
heit war der Art, dafs er nach dem angenehmen strebend sich den-
noch in alles fand und sich nicht ungebährdig gegen eine unerfreu-
liche Lebenslage auflehnend das Leben umsonst noch bitterer machte.
Daraus folgte aber nicht, dafs er absolut aequua praeaeniibua gewe-
sen wäre, denn in der schlechten Lage strebte er wie immer nach der
befsern, und ein solcher, mag er sich auch noch so sehr ge\%öhnt
haben sich in alles zu fügen, ist nicht absolut aequua in Beziehung
auf jede mögliche Lage, sondern erträgt meistens das, was er nicht
vermeiden kann, gleichmüthig, um es sich nicht durch Unmuth noch
drückender zu machen. Wer das Vergnügen als höchstes Gut erkannt
hat, der strebt nicht /ere nach der guten Lage, sondern allezeit, und
L. Döderlein: Scherflein zum VersUiodnis des Horatias. 89
\
wenn er auch nicht immer vollkommen Eufrieden ist mit dem, was
ihm begegnet, so ergibt er sich doch nicht einer heftigen Bekümmer-
nis, sondern läfst sich nicht zu sehr davon anfechten. Darum passt
er in jede Lage, omnis Status cum decet, ist aber nicht mit jeder
Lage zufrieden, was decet auch gar nicht heifst. — Bei dieser Gele-
genheit wird in Sat. J, 3, 96 quis paria esse fere placuit pcccata la-
borant, cum ventum ad verum est, mit Baxter fere zu laborant ge-
zogen durch den Ausdruck Hyperbaton. Dafs dieser Ausdruck eine
durchaus unverständliche Wortstellung zu einer verständlichen machen
könne, ist nicht näher erörtert. Von einer Lehre, welche trotz der
Theorie von der Gleichheit der Fehler diese Theorie durch eine Ca-
suistik mit dem Leben auszugleichen nicht umhin konnte, ist es nicht
unmöglich, dafs ein Dichter, welcher von ihr sagt, sie sei in Ver-
legenheit, wenn es auf das praktische Leben ankomme, sich durch
fere ausdrücke. Cicero Parad. JJI, 25 gibt ein Beispiel dieser Ca-
suistik. — Epist. J, 20, 24 praecanum y solibus apium. Der letztere
Ausdruck soll eine humoristische Umschreibung von calvus sein, weil
die Glatze den Sonnenstrahlen wie ein offenes ungeschütztes Feld
preisgegeben sei. Die anderswo gegebene Begründung kenne ich
nicht und vermag sie daher nicht anzugeben. Mit der Erklärung: ein
sonst unbekannter Ausdruck sei humoristisch , läfst sich allerdings vie-
les anfangen und wenn man will, sogar alles. Sollte solibus aptua
den Glatzkopf bedeuten, so müste dieser Ausdruck wenigstens von
einem offenen Felde gebräuchlich oder je gebraucht sein, um daran zu
erinnern und durch diesen Vergleich humoristisch anzusprechen. Daran
fehlt es aber, und der für ein Feld ganz aflectierte Ausdruck ist erst
noch aufzusuchen. Horaz ist geeignet, passt für die Wärme, nicht
für die Kälte, weil ihn diese drückt (darum sehnt er sich nach Ta-
rent wegen der milden Luft Od. II, 6. Epist. I, 7). Wenn er sich
einen für die Wirksamkeit der Sonne passenden Gegenstand nennt,
an welchem die Wärme ein recht geeignetes Feld ihrer Wirkung fin-
det, so möchte das doch nicht allzu hochpoctisch sein für den prosai-
schen Gedanken: ich bin geeignet zur Ertragun^ der Sonnenhitze, die
Sonnenwärme thut mir wohl. Schwerlich ist diese Hypallage, wenn
man es etwa so nennen wollte, kühner oder nur ebenso kühn, als das
vergilische (Aen. IV, 385) cum frigida mors anima seduxerit artus,
Epist. II, 2, 134 signo laeso non insanire lagenae soll heiftien:
'der Mann pflegte nicht, wenn er einmal eine Flasche entsiegelt hatte,
sich sofort zu betrinken/ Signum laedere gilt nicht vom Entsiegeln
durch den rechtroäfsigen Besitzer der Flasche, für den überdies die
Erwähnung des signum, welches nur zum Schutz gegen unbefugte
Oeffnung der Flasche angewandt war, unpassend ist. Es bedarf da-
her nicht der Frage, ob insanire lagenae 'sirh betrinken' heifse. —
Epist. II, 3, 68 mortalia facta peribunt soll bedeuten: mortalia (ope-
ra) ita ut facta sunt^ peribunt, oder mortalia fiunt et pereunt, sicut
mortales nascuntur et moriuntur. Solche verzwickte Affeetation des
Ausdrucks mag man dem Horaz nicht zutrauen. Wenn er sagt mor-
talia facta für ea, quac mortales fecerunt, peribunt, so ist das ver-
ständlich. — Epist. ad Pis. 263:
71071 quivis videt inmodulata poemata iudex
et data Homanis venia est indigna poetis,
idcircone vager scribamque liccnter? an omnes
visuros pcccata putem mea tutus et intra
spem vcniae cautus? vitavi denique culpam,
non laudem merui.
Das Fragezeichen soll nach putem mea stebn , und es soll der Sinn
sein: 'das römische Publicum ist gegen nachlafsige Verse über die
90 L. Döderlein: Scherflein zum Vcrslandnis des Uoratius.
Mafsen blind and nachsichtig;. Was folgt daraus für die Praxis des
Dichters? soll er auf diese Blindheit hin sundigen? oder soll er thnn,
als habe er lauter strenge Richter zugewartigen? Antwort: wer das
erste thut und sich begnügt es nur nicht gar zu arg zu machen, der
entgeht nur dem Auszischen, bleibt eine Mittelmäfsigkeit, die der
grofse Haufen gelten läfst ; wer aber um den wahren Ruhm wirbt, der
mufs das zweite thun, strenge Richter vor Augen haben und sich die
Griechen zum Muster nehmen.' Es ist nicht möglich, tutus etc. in
solcher Deutung auf die Frage an omnes etc. folgen zu lafsen, weil
der Fortgang der Rede einen solchen Sinn nicht einmal errathen läfst.
Horaz sagt: 'nicht jeder sieht das nachläfsige in den Gedichten, und
es hat sich eine unwürdige Nachsicht für die römischen Dichter ge-
bildet. Soll ich aus diesen Gründen nachläfsig schreiben? oder soll
ich glauben , alle wüsten was nachläfsig in meinen Gedichten wäre,
sicher und geborgen durch jene unwürdige Nachsicht (indem ich mich
nemlich dadurch nicht bestimmen liefse, gröfsere Sorgfalt anzuwenden)?
Nun dann hatte ich keine Beschuldigung zu besorgen, Lob hätte ich
nicht verdient.^ Er sagt deutlich, dafs die Nachsicht nicht Ton der Ein-
sicht in die Fehler abhängt, sondern dafs sie vorhanden ist, mag der
Fehler bemerkt werden oder nicht. Es konnte einer, wenn er wollte,
jene Fehler begehn, sie wurden ihm nicht angerechnet, weil man die
Nachläfsigkeit im Versbau nun einmal herkömmlich für Yerzeihlich hielt.
Daher war es für den, der nur die Beschuldigung meiden, nicht aber
sich ein Lob erwerben wollte , einerlei , ob er nachläfsig schrieb in
der Meinung nicht jeder bemerke es , oder ob er nachläfsig schrieb in
der Meinung alle bemerkten es; denn er konnte dies nicht als einen
wesentlichen Grund zu einer sorgfältigen Behandlung des Verses an-
sehen , weil man Nachläfsigkeit im Vers durch eine indigna venia für
gleichgiltig hielt.
Frankfurt am Main. Konrad Schwenck.
Mnetnosyne, Tijdschrift voor classieke Litteratuur, onder Redactie
van Dr. E. J. Kiehly Dr. E. Mehler, Dr. Ä. j4. Naber, Jahrg.
185*2, 1855 und 1854 Heft 1. Leyden, bei Brill. 8.
Die Herausgeber dieser Zeitschrift für classische Litteratur geben
in einer Einleitung Rechenschaft über den Zweck und die Einrichtung
derselben. Als erstem bezeichnen sie die Beförderung des wifsen-
schaftlichen Studiums der classischen Litteratur. Nach einer kurzen
charakterisierenden Schilderung des Entwicklungsganges, welchen die
Philologie in neuerer Zeit genommen hat, wenden sie sich an ihr un-
mittelbares Publicum, die Philologen der Niederlande. Diese zunächst
werden aufgefordert Beiträge zu liefern , sei es ganz streng wifsen-
schaftliche, für enpbegrenzte Leserkreise bestimmte, sei es mehr po-
pulär gehaltne. Die kritische Behandlung der classischen Schriftstel-
ler ist das Gebiet der Philologie, auf welchem die Niederländer den
meisten Ruhm geerntet haben: deshalb wird auch in dieser Zeitschrift
die litterarische Kritik in den Vordergrund gestellt, daneben aber
auch die übrigen Richtungen der Alterthumswifsenschaft nicht ausge-
schlofsen. Da nun die Texteskritik vor allen Dingen ein wifsenschaft-
liches Gebiet ist, aufweichein die Ergebnisse grundlicher Untersuchung
und scharfsinniger Emendation der Philologen aller europaeischen Län-
der zu gute kommt, so wird vielen deutschen Gelehrten eine kurze
Inhaltsübersicht der bis jetzt vorliegenden Theile dieser Zeitschrift
erwünscht sein. Der erste Jahrgnng enthält folgendes: E. G. Kiehls
der Text der Scbutzflehenden des Aeschylos vor 3 Jahrhunderten und
MneaiMyiie. Ir — 3r Jahrgang. 91
Jetst. Die Aldina von 1518 ist nach einer sehr inittelmäfsigen H«.
besorgt worden, die sich jetzt in Wolfenbfittel befindet. Obgleich
seitdem besonders dorch die neuern Kritiker yiel gethan worden sei.
um den Text der Schutzflehenden des Aeschylos zu yerbefsern, so sei
doch noch immer viel zu thun: es fanden sich darin noch jetzt 1) un-
bestreitbare Fehler, unmögliche Worte, sinnlose Buchstabengruppen;
2) unbestrittne Fehler, mögliche aber sinnstorende Worte ; 3) bestreit-
bare Fehler, Yerschieden interpretierte Stellen. Diese 3 Arten von
Fehlern seien in den Text gekommen entweder durch fehlerhafte Ver-
wechslung einzelner Buchstaben oder durch fehlerhafte Abtheilung der
Worte oder durch Begehung dieser beiden Versehen zugleich oder end-
lich in einzelnen Fällen durch andere Ursachen Terschiedener Art,
welche aber seltner eingewirkt haben. Dann vergleicht der Vf. zu
diesen Arten die fehlerhaften Stellen der Aldina mit den Emendatio-
nen von Robortellus, Butler und Dindorf. — Kiehl: über ein romi-
sches zu Castelfranco aufbewahrtes Schwert mit der Inschrift Sic
Roma vinciU — Pluygers: das Scholion zu Hom. Od. IIT, 444 nach
einer venetianischen Hs. (Marc. 613). Dieser Cod. gibt: Zijvo'd. öl iv
xaig and tov d yXdaaaig. — Kiehl schlagt vor, in Aristoph. £qn.
539 zu lesen ngaiißotpäyov, — J. St. Bernardi commercium littera-
rium. Nach einer kurzen Schilderung des Lebens und der Verdienste
Bernards läfst der Hg. (Mehler) ausgewählte Briefe seiner Corre-
spondenz folgen , und zwar enthält diese Auswahl 1) Briefe von Val-
kenär und Reiske, 2) ein Verzeichnis von Emendationen (zu Athenaeos,
Orpheus, Kallimachos u. a.), 3) Urtheile über Zeitgenofsen (Ruhnken,
Ernesti, Mencken u. a.). Sie liefert demnach einen interessanten Bei-
trag zur Geschichte der wifsenschaftlichen Betrebungen des vorigen
Jh. — J. Y. Gigch: Beitrage zur Latinität der XII Tafelgesetze : oc-
centare in dem Fragm. bei Cic. de re publ. IV, 10 wird genau be-
sprochen.— Zu Horat. Od. I, 7, I schlägt Kiehl vor Ciaron, Rhodon
zu lesen, indem er dabei an Klares auf der kleinasiatischen Küste er-
innert. — S. A. Nah er: sieben unedierte kretische Inschriften. Ge-
bet fand im Dogenpalast zu Venedig in eine Wand eingemauert eine
Marmorplatte mit einer griechischen Inschrift, die sich bei näherer
Ansicht als ein Fragment eines Vertrags zwischen Hierapytna und
Rhodos herausstellte. Auf der Rückseite desselben Steins entdeckte
er dann noch 2 fragmentarische griechische Inschriften, Stücke von
Verträgen von Hierapytna mit den Städten Lyttos und Magnesia. Die
erstgenannte Inschrift konnte er vervollständigen, indem er eine Ab-
schrift derselben nach einem alten Blatte der ambrosianischen Biblio-
thek zu Mailand erhielt. Endlich entdeckte er in Venedig in einer
Privatsammlung Theile eines unedierten Werks eines ital. Abtes, worin
nicht nur die genannten 3 Inschriften sich finden, sondern ausserdem
noch 4 Verträge von Teos mit kretischen Städten. Den erstgenannten
Vertrag setzt der Vf. in das J. 220 v. Chr.; ebenso vermuthungsweise
die beiden folgenden, welche weit weniger umfangreich sind. — Dann
folgen 56 Emendationen zum 4n-^45n Buche des Livius. — Mehl er
bespricht S. 126 ff. Matrangas Anecdota Graeca und Schmidts Schrift
de Plutarchea quae vulgo Jertur Homeri vita Porphyrio vindicatida
(Berol. 1850), insofern diese Schriften auf Herakleitos bezügliches
enthalten. Er weist nach, dafs Matranga sich einer unvollständigen
Hs. bedient habe, sowie dafs sein kritisches Verfahren zn tadeln sei.
Zum Beweise gibt er einen Vergleich der abweichenden Ck>llationen
Cobets und Matrangas von der betreffenden Partie im cod. Vat. 841
(p. 141 — 151). Was dann Schmidts Schrift anlangt, so wird zwar
dieselbe als eine höchst scharfsinnige Untersuchung gerühmt, aber es
wird doch vom Vf. die Richtigkeit der darin enthaltenen Ergebnisse
92 Hnemoäyne. Ir — 3r Jahrgang.
in Abrede gestellt. — Kiehl: die Gesetzgebung des Licinius Stolo.
In 2 Abschnitten wird gesprochen Ton den darauf hinwirkenden Ver-
hältnissen 1) bis zur Annahme der rogationes Liciniae Sextiae und
2) von da an bis zum Aufstande zu Lautulae. — Naber: die Anklage-
reden des Demosthenes gegen Aphobos. — D. J. v. Stegeren: Be-
merkung zum attischen Erbrechte (zu Diod. Sic. XII, 15: Diod. be-
ziehe sich in den Worten ot fihv yoig dno firiZQog bis oQfpavcSv auf ein
Gesetz des Solon). — Kiehl: der Reim bei den griechischen scenischen
Dichtern. — Hecker: zu Vergils Aen. IV, 166. — Kiehl: nachtrag-
liche Bemerkungen zu den Schutzflehenden des Aeschylos. — Kiehl:
Kmendationen zu Xenophons Anabasis. — Naber: die Schlacht bei
den arginusischen Inseln und der damit zusammenhängende Frocess. —
Mehler: Porson über die Philologen Deutschlands. — P. ▼. Bem-
me len: die Bestimmungen der XII Tafeln über Schmähgesänge und
Zauberformeln; durch diese Abhandlung erhält die oben erwähnte von
Gigch eine Vervollständigung und Kriauterung. — Emendationen zu
Xenophons Hellenica. — Kiehl: Aeschyli vita. Zum Schlufs stellt
der Vf. seine Resultate in einer Tabelle zusammen, woraus man er-
sieht, dafs er hier und da von Clinton etwas abweicht, z. B. dafs die
Phoenissen des Phrynichos in Ol. 76, 4 gehören u. s. w. — Naber:
Solons Gesetzgebung in Betreff des Erbrechts. Der Vf. weist nach,
dafs die auf Erbrecht bezüglichen Gesetze, welche in den griechi-
schen Rednern vorkommen und dem Solon beigelegt werden, zum Theil
unvollständig, zum Theil durch die spätem Grammatiker aus den
Worten der Redner selbst nachgemacht worden sind. Vorzugsweise
bespricht er die Frage, ob, wenn jemand stirbt, ohne Erben in auf-
oder absteigender Linie nachzuiafsen , die Erbschaft in Ermangelung
von Brüdern oder Bruderskindern an die Schwestern oder deren Kin-
der falle. — Mehle r: in Luciani veras historias et somnium obser-
vationes criticae. — Emendationen zu Arist. Acharn., Equites, Nubes,
Vespae. — Aufserdem stehen zerstreut im Buche unter dem Titel
Blattfüllungen (Lückenbufser) zahlreiche Verbefserungsvorschläge zu
Aechylos, Aristophanes, Isaeos, Horatius, Cicero u. a. — Zweiter
Jahrgang. H. G. Hamaker: Bemerkungen zu den Acharnern des
Aristophanes (kritische Vorschläge). — Naber: zwei kretische In-
schriften: a) der Bundesvertrag von Allaria (C. 1. G. Nr. 2557); b)
Agos Testament (C. I. G. Nr. 2562). — Horatianum quoddam a Sap-
phone sumtum. Hör. Od. I 1 extr. sublimi feriam sidera vertice ist
bei Sapph. fr. 15 (Bergk) zu finden. — Brink sucht nachzuweisen,
dafs Kallimachos und Herodes keine Hemiiambendichter gewesen seien.
— Ders.: über die hesychische Glosse nvkkjjßTiv' noXoßdv. — Ders. :
ein Zeugnis des Priscianus über Tryphon. — Fortsetzung von Meh-
iers in Luciani veras historias et somnium observationes criticae. —
Kiehl: Hygini anecdoton. Es ist dies ein längeres Fragment der
Astronomica des Hyginus aus einem Leidener Codex. — Emendations-
vorschlage zu Aristophanes Fax, Aves und Lysistrata. — Holw«rda:
Observationes criticae in BM. losephi Antiquitatum ludaicarum librura
XVIII. — Kiehl weist nach, dafs Androtion der Redner wahrschein-
lich mit dem Geschichtschreiber dieses Namens identisch sei. — A.
Dederich: de gentis Fabiae origine. Der Vf. weist ge^en Niebuhr
(R. G. II, 198) nach, dafs die gens Fabia nicht ein sabinisches , son-
dern ein altlatinisches Geschlecht gewesen sei. — Mehler: Anmer-
kungen zu Lucians Timon. — J. Geel: über Sophokles Aiax Vs. 646 —
692.— Emendationsvorschläge zu Aristophanes Thesmophoriazusen, Frö-
schen, Ekklesiazusen und Plutos. — A. J. Vitringa: de sophiAtarum
»cholis, quae Socratis aetate Athenis floruerunt. Aus manchen Dia-
logen des Piaton erkennt man, wie verbreitet in Athen damals solche
Mnemosyne. Ir — 3r Jahrgang. 93
"{»bilosophiflche Ahschannngen waren, wie sie den Sophisten beigelegt
werden; da nun kein Theil der Geschichte der griechischen Philoso-
phie so unentwirrt ist wie dieser, so ist der Versuch des Vf., eine
klare Darlej^ung der Sophistensysteroe za geben, am so dankenswert
ther. Das Wesen der Sophistik findet der Vf. weniger im behandelten
Gegenstande als in der Form der Behandlung; diese Form charakteri-
siert er mit folgenden Worten: Mtaque omnibus communis fuit et acn-
tissima dialectica et artificiosa illa rhetorica, qua de qualicunqne re
apte et eleganter disserere se posse profitebantur , cujus fastigiura
erat notum illud t6v ^rrco Xoyov %QBCztm noisiv\ Aber innerhalb die-
ser gemeinsamen Richtung bestanden verschiedene Schulen, die der
Vf. dann zu charakterisieren sucht: 1) de Protagorae schola siye de
sophistis, quorum disciptina ad sensualismum absolutum pertinebat;
2) de Prodico slve de sophistarum schola morali ; 3) de Hippia siye de
sophistarum schola physica; 4) de Gorgia siye de sophistarum schola
%(xt' i^oxijv politico-rhetorica. — Mehl er: Beurtheilung von Mullacbs
Ausg. von Hieroclis in aureum Pythagoreorum Carmen commentarius
und dess. Conjectaneorum Byzantinorum libri duo (mit Besprechung
yieler einzelnen Stellen). — Dav. Ruhnkenii in lustini historias
Philippicas emendationes ineditae. — Beurtheilung yon Bergks Aus-
gabe des Pindar in der 2n Auflage seiner Poetae lyrici Graeci. —
Kiehl: über die 2e Ausgabe von Bergks Poetae elegiaci Graeci. -—
P. J. Uylenbroek: über Gepperts homerische Kritik. Zu G.s Werke,
welches derselbe das Krzeuj^nis einer Reaction gegen die Anhanger
der unhaltbaren Wolfschen Hypothese nennt, bespricht der Vf. eine
grofse Anzahl schwieriger Stellen aus der firjviSog dnoQgrjaig (II. T),
— Hyperidis oratio pro Euxenippo recens reperta, rec. C. G. Cobet.
Zuerst macht der Hg. diesen neuen litterarischen Fund durch Ab-
druck des Textes seinen Landsleuten bekannt, und läfst dann zu ein-
zelnen Stellen kritische Bemerkungen folgen. Ueber den Werth der
Hs. urtheilt Cobet mit folgenden Worten: ^itaqne fieri potest, ut bis
mille annorum sit liber, et certum est, a librario illitterato et alias
res agente negligenter admodum et mendose esse descriptum'. — Brink
verofTent licht drei noch nicht herausgegebene lateinische Briefe yon
Luzac, Wyttenbach i^nd Wieland. — Unter dem Titel 'Aeschylos und
die gegenwärtige Alterthumskunde* bespricht Kiehl die Ausgaben des
Aeschylos yon G. Hermann und W. Dindorf und deren handschriftliche
Grundlage; bei dieser Gelegenheit theilt ders. die abweichenden Les-
arten einer Pariser Handschrift nach Cobets, Renans, Askews und
Faehses Abschrift und eine Collation yon 5 Codd. (Med., Ven., Flor.,
Farn. u. Bessarioneus) mit. — Kappeyne y. d. Coppellot kritische
Bemerkungen (zu Xenoph. Hell. IT). — Brink: Bischof Hippolytns
atgfaFcov fXsyxog Bl. J44. — Cobet: yariae lectiones. — Emendations-
▼orschlage zu mehreren Schriften Ciceros. — Als 'Blattffillungen» fin-
den sich in diesem Bande zerstreut Jcritische Bemerkungen zu Aeschi-
nes or. in Timarch. 25; Aeschylos Suppl. 120; Sept. ady. Theb. 125;
613; 714 0. a. — Dritter Jahrgang. Mehler: quaestiones Lucia-
neac. Der Vf. bespricht einige Stellen ans Lucians Werken, in denen
dieser Schriftsteller Anklänge aus Gedichten enthalt und die yon den
Hgg. entweder Sbersehen oder doch nicht gehörig emendiert worden
sind. — Hamaker: Bemerkungen zu Aristophanes Wespen: L etwas
über die Zahl der Schauspieler und wie die Rollen unter ihnen yer-
theilt waren, mit Rücksicht auf K. O. Müllers Annahme (Gesch. d.
griech. Litt. II, 205), dafs Aristophanes in den Wespen ausnahmsweise
einen 4n Schauspieler habe mitwirken lafsen, was der Vf. als irthüm-
lich nachweist; 11. kritische Bemerkungen zu yielen Stellen dieser Ko-
moedie. — D. Ruhnkenii emendationes selectae; e schedis in biblio-
94 MnemoByne. Ir — 3r Jahrgang:.
theca Lagduno-Batava asseryatis ed. E. Mehl er (zu Livias, zur
Anthologia Latina and za Platarchi Moralia). — Naber: Andocidis
oratio de reditu. Eine für die Geschichte der attischen Redner sehr
interessante Abhandlang, worin der Vf. nachweist, dafs, wie die drei
andern dem Andokides beigelegten Reden unecht seien, dies aach in
Betreff der Rede de redita behauptet werden mufse. — Cobet: variae
iectiones (besonders zu Alkiphrons Briefen). — Diese karze Uebersicht
möge genügen, um zu zeigen, wie thatig die stammverwandten Hol-
länder auf den verschiedenen Gebieten der Philologie , Yor allem aber
auf dem der Textkritik sind, und ihre Leistungen den deutschen Fach-
genofsen zu aufmerksamer Würdigung anzuempfehlen.
Leipzig. H. Brandet,
The Journal ofclassical and sacred pkUology. Cambridge, prlnted
at the University press and sold by J. Deighton, Macmillan and
Co. Nr. I: March 1854. 144 S. 8.
In der vorliegenden Zeitschrift, die mit diesem ersten Hefte in das
Leben tritt, erhält das wifsenschaftliche Leben auf philologischem Ge-
biete in England ein neues Organ, welches vorzugsweise von den Phi-
lologen der Universität Cambridge auszugehen scheint. Kein Redacteur
schickt dem neuen Unternehmen eine Art von Vorwort oder vorläu-
figer Berichterstattung voraus, woraus sich der Charakter, der Zweck,
die Grenzen desselben erkennen liefsen. Nur eine Buchhändlernotiz be-
sagt, tlafs von diesem Journale jährlich drei Hefte erscheinen sollen.
Sonst ergibt sich aus dem Titel, dafs es für die classische und die
biblische Philologie bestimmt ist. Wenn man die Einrichtung des be-
reits erschienenen Heftes als mafsgebend für alle folgenden ^trachten
kann, so wurden ausgedehnte Leserkreise (auch in Deutschland) inter-
essante wifsenschaftliche Abhandlungen und Mittheilungen darin finden.
Wie manigfaltig der Inhalt ist, wird folgende kurze Uebersicht zeigen.
W. G. Clark: die Vogel des Aristophanes. Der Vf. sucht die
Ansicht von Suvern zu wideriegen, dafs Aristophanes in diesem Stücke
beabsichtigt habe, nicht nur die entsetzliche Verderbnis athenischer
Zustände und das schamlose Treiben der Demagogen den Zuschauem
vor die Aucen zu fuhren, sondern auch in verdeckter Weise die sicili-
sche Expedition als ein vollkommen thorichtes Unternehmen darzustel-
len. Nicht ohne bittere Ausfalle auf die Gelehrsamkeit der Deutschen
überhaupt sucht der Vf. die Unhaltbarkeit dieser Ansicht nachzuweisen.
Seine Widerlegung aber besteht nur darin, dafs er die Beweiskraft der
Gründe und Belege Süverns leugnet: Gegenbeweise gibt er nicht und
beschränkt sich auf die reine Negative. Z. B. heifst es S. 7, dafs nach
Süverns Allegorie die Vögel das athenische Volk darstellen; nach seiner
Ansicht dagegen stellten sie nur^en Vogel vor und sonst nichts. Eine
derartige Negation ist aber kein Gegenbeweis. Jedesfalls wird durch
eine solche Polemik die Wifsenschaft nicht gefordert. - — H. Munro:
über Lucretius. M. erklärt den Lucretius für den erofsten unter den
erhaltenen römischen Dichtern; denn obwohl er als schöpferisches Genie
nicht bedeutend sei, obgleich er viele Anklänge an Ennius, Empedokles
u. a. enthalte, entwickle er eine wanderbare Tiefe und Glut der Ge-
danken, eine aufserordentliche Kraft und Schönheit der Sprache u. s.
w. Nach dieser Charakteristik bespricht der Vf. die Lachmannsche
Kritik des Dichters mit gerechter Anerkennung, aber verschweigt einige
Schwächen derselben auch nicht (z. B. dafs Lachmann gewisse Regeln
aufgestellt and denselben zu Liebe dem Texte hier und da Gewalt an-
The joornal of classical and sacred philology. Nr. I. 93
gethan habe). Endlich fagt er noch Erlaoternngen und Emendations-
Yorschlage zu I, 459 ff.; 599 ff. u. a. m. hinzu. — Ch. Babington:
aber eine Stelle des Apostel Paulus im ersten Brief an die Korinther,
welche in einer Stelle des Philon (de allegor. leg. J, 12. 13) ihre Er-
klärung finde. — J. G.: fiber die Datierung in der Geschichte des
Alterthums. Der ungenannte Vf. geht die verschiedenen Datierungsarten
des Alterthums durch , wobei sich die Mangelhaftigkeit derselben heraus-
stellt. Er schlagt nun vor, in Betreff der yorcnristlichen Geschichte
tausendjährige Perioden anzunehmen, und innerhalb derselben so vor-
wärts zu zählen , wie man es mit den Jahren seit Christi Geburt thut :
z. B. Ol. 1, 1 wäre = I (1000) 225 n.s. w. — C. Hardwick: Bemer-
kungen aber das Studium der Bibel bei unsem Voreltern. Dieselben
behandeln die Frage, inwiefern und mit welchen Hilfsmitteln in Irland
die Bibel studiert wurde. — R. L. Ellis: über den Werth des römi-
schen Geldes. Er berechnet den denarius auf 6% Ngr , das sestertium
auf 66 Thir. 6% Ngr. — J. E. B. Mayor: erläuternde Parallelstellen
zum Evangelium des Matthaeus. — Die beiden letztern Aufsätze stehen
unter der Gesammtuberschrift Adversaria; dann folgt unter dem Titel
Anecdota: 1) Inschriften (griechische von den Küsten des schwarzen
Meeres); 2) einige Marginalien Pearsons zum Eusebios^ 3) Fragmente
von Ciceros Schrift de fato (s. NJahcb. Bd LXIX S. 346 f.)-— Dann
folgt eine Abtheilung, betitelt Reviews, was wohl am besten durch
^Anzeigen' wiederzugeben ist. 1) Aeschylos Agamemnon von J. A. Här-
tung. Wie die kritischen Leistungen der neuern deutschen Philologen
in Betreff des Aeschylos hier nur gering anfreschlagen werden, so ge-
schieht es auch speciell mit denen Hartungs in der genannten Ausgabe,
dem der Berichterstatter (J. Conington) nicht Geschmack und Ur-
theil genug zuschreibt, um die Texte alter Schriftsteller in genügender
Weise kritisch zu behandeln. 2) Hyperides. Bericht über die Auffin-
dung seiner Reden gegen Demosthenes, für Lykophron und für Euxenip-
pos. Der Vf. dieses Aufsatzes erkennt die Verdienste Babingtons und
Schneidewins um die Constituierung des Textes dieser Litteraturwerke
bereitwillig an und fugt dann seinerseits zahlreiche Emendationsvor-
schlage und Bemerkungen hinzu, um den Text in zuverläfsigerer Form
herzustellen. — Den Schlufs des Heftes bilden: kurze Anzeigen neuer
(philologischer) Bücher; Correspondenz d. h. Anfragen und Antworten
über philologische Gegenstände; Inhaltsübersicht auswärtiger Journale;
Verzeichnis neuer Bücher.
Leipzig. H. Brandet,
Lehrbuch der deutschen Metrik für höhere Lehranstalten sowie zum
Selbstunterricht. Von Dr. Carl Fuchs, Rector des Gymnasiums
und der Industrieschule zu St. Gallen. Stuttgart, Verlag der J.
G. Metzlerschen Buchhandlung. 1854. VIII u. 123 S. 8.
Geben wir zuerst eine kurze Uebersicht des Inhalts dieser Schrift.
In der Einleitung spricht der Vf. zuvorderst über 'Begriff und Ue-
bersicht der Metrik»; sodann behandelt er im In Abschnitt die 'Pro-
sodie' (8. 3—11), im 2n das 'Metrum' und den 'Rhythmus' (S. 12—
27), im 3n den 'Reim' (S. 27—41), im 4n die 'Versarten» (S. 41—
86), im 5n die 'Strophen' (S. 86—121), und in einem Anhang (S. 121
—23) erörtert er den 'Hiatus' und die 'Elision'.
Was den Zweck der Schrift anbelangt, so hat Hrn. F. laut des
Titels und des Vorworts bei Bearbeitung derselben 'vorzugsweise das
Bedürfnis der Schüler höherer Bildungixanstalten geleitet'. Er will
96 C. Fachs: Lehrbuch der deutschen Metrik.
damit, nicht 'Anleitung geben zum Verfertigen von Versen; sein Haupt-
zweck ist Ticlmehr da« Gefühl für Wohllaut und Wohlklang zu läu-
tern und zu scharfen und das Verständnis der poetischen Formen zu
vermitteln, durch welches eine tiefere Einsicht in die Schönheiten der
Poesie und ein grundliches Urtheil über die Vorzuge oder Maligel einer
Dichtung wesentlich bedingt ist'. Um aber diesem Zweck zu entspre-
chen, bat sich Hr. F. 'auf der einen 8eite nicht darauf beschränkt,
nur die Formen und Gesetze unserer neuern Poesie darzustellen', son-
dern er hat 'für alle Perioden unserer Litteratur die nöthigsten Er-
läuterungen und Anhaltspunkte zu geben gesucht'. Andrerseits wollte
er 'die metrischen Erscheinungen unserer Sprache nicht blofs empi-
rich verzeichnen, sondern die Kigenthümlichkeit, den Werth und die
Bedeutung der einzelnen zu klarerem Bewustsein bringen und ein be-
stimmtes Urtheil über dieselben hervorrufen'.
In Bezug auf die Ausführung hat der Vf. das Werk ganz ' nach dem
Schema der griechisch-römischen Metrik' bearbeitet, 'ohne die Rhyth-
men auf musikalische Noten oder Takte zurückzuführen', was er 'nicht
praktisch' findet. Er halt zwar unsere Sprache 'für wesentlich accen-
tuierend', glaubt aber, 'dafs mutatis mntandis alle Nachtheile, die aus
der gleichförmigen Behandlung zweier principiell verschiedener Vers-
lehren entspringen könnten, sich leicht vermeiden lafsen, ohne dafs man
einen wesentlichen Vortheil der rousikalidchen Methode aufgeben müste'.
Die nach quantitativen Versfüfsen mefsende Methode wäre ' nicht blofs
nicht schwieriger als jene, sondern führe auch zii gröfserer Sicherheit
und Bestimmtheit'. Ohnehin scheine ihm ' die Geschichte unserer Metrik,
die sich nun einmal seit Opitz nach dem Vorbilde der classischen ent-
wickelt habe, diese Behandlungsart zu verlsngen'.
Unter den Schriften, die Hr. F. zu Rathe gezogen, hebt er beson-
ders hervor neben Gödekes Einleitung zu 'Deutschlands Dichter von
J813 — 48' das Lehrbuch der deutschen Prosodie und Metrik von J. Mink-
witz (ob schon in der dritten Auflage?). Die Prosodie, welche der
letztere aufgestellt, hält er 'für die allein richtige'; er hat 'sie darum,
mit wenigen Ausnahmen, adoptiert und nur für den Zweck der Schule
vereinfacht'. Er bekennt auch sonst sehr viel Belehrung aus dem Buche
geschöpft zu haben; blofs hat er nicht geglaubt ihm in den Ansichten
über rhythmische Poesie zu folgen; denn hier scheine ihm 'Minkwiti
zu weit zu gehen, die Leistungsfähigkeit der deutschen Sprache zu
überschätzen und die eigenthümlichen Bedingungen, von welchen der
deutsche Rhythmus abhängig ist, zu verkennen', überhaupt 'die kunst-
liche Formpoesie in einer W^eise zu begünstigen, die seinem Sprachge-
fühl widerstrebe'. Im Gegensatz hiervon hat er sich veranlafst gefühlt,
'der rhythmischen Poesie im Deutschen engere Grenzen zu stecken und
nnsern einfacheren einheimischen Formen gröfsere Aufmerksamkeit zu
schenken und mehr Recht widerfahren zu lafsen'. Er findet 'von den
specifisch antiken Vcrsmafsen nur den Trimeter, Hexameter, das Disti-
chon und allenfalls die Anapaestensysteme unserer Sprache angemefsen;
alle übrigen kamen mit den Erfordernissen des deutschen Rhythmus mehr
oder weniger in Widerspruch'. Aus dem Grunde hat er auch die anti-
ken Versmaffte nur 'als Nebensache' behandelt ohne eine genauere Tha-
rakteristik derselben: die Absicht, eine deutsche Metrik zu schreiben,
schien es ihm zu gebieten, sich hierin nur auf das wesentlichste zu be-
schranken.
Das Werkchen bietet uns zu folgenden Bemerkungen, resp. Wün-
schen Anlafs. 1 ) Es ist ein höchst anerkennungswerthes Streben , unsere
Jugend einzufuhren in das Heiligthum unserer vielseitigen und reichen
vaterländischen Poesie und zu dem Ende sie vor allem zum klaren Be-
wustsein zu bringen dessen, was in der Beziehung schon im äufsern
C. Fuchs: Lebrboch der deutschen Metrik. 97
eines schonen Gedichts, im sprachlichen, In der wohlgeformten Grop-
piemng der Silben, Verse, Strophen for ein mächtiger Zauber liege.
Wenn man sieht, wie der Gegenatand gemeinhin in ansern Scholen, in
den hottern und niedern, yernachlärsigt ist oder so geistlos und saftlos
betrieben \iird, so kann man sich nicht genug freuen, dafs er in unsem
Tagen vielfältig besprochen, behandelt, der paedagogischen Welt in
Erinnerung gebracht und empfohlen wird. Mochte er nur solchen Leh-
rern immer übertragen werden, die Sinn, Lust, Liebe, Begeisterunf^
für die Sache hegen und die die Fähigkeit besitzen, den Schülern die-
selbe anschaulich, durchsichtig, angenehm zu machen. Nicht allein
dafs die Jugend auf solche Weise Einsicht bekommt in einen wesentli-
chen Theil der Poesie überhaupt ^ in denjenigen Theil, der ihr an der-
selben zuerst in die Sinne tritt, der auf sie zunächst seinen Zauber
ausübt; es wird ihr auch der Geiiufs des Lesens eines schonen Gedichts
erhöht, der jugendliche, heitere, fröhliche Sinn genährt, das Schön-
heitsgefühl geweckt und gebildet. Und an Mitteln hierzu haben wir in
unsem Schulen nicht gerade Ueherflufs; um so mehr ist dieses, noch
dazu gegenwärtig bei dem Umfang, dem Reichthum und der Verbreitung
der vaterländisch-poetischen Litteratur so leicht zugängliche Mittel an-
zuwenden und zu empfehlen. Ref. weifs aus jahrelanger Erfahrung,
welchen Reiz, welchen Zauber das Lernen des taktmäfsigen Scandie-
rens selbst für kleine Schüler hat. Dabei kann er aber freilich 2) den
Wunsch nicht unterdrücken , dafs unsere Anweisungen zur Metrik ratio-
neller, natur- und sachgemäfser eingerichtet, nicht blofse dürre, dürf-
tige, dogmatische Schematismen wären, blofse Knochengerippe ohne
Fleisch und Blut. Was Jacob Grimm an dem gewöhnlichen, herge-
brachten Unterricht in der Muttersprache und an der Abfafsung der
deutschen Grammatiken mit vollem Recht getadelt hat, dafs man
thörichterweise dabei so zu Werke gienge, wie wenn die Muttersprache
eine fremde Sprache wäre, die die deutsche Jugend erst mittelst der
Regein zu erlernen hätte, statt dafs sie dieselbe doch schon kennt und
nach Regeln, wenn auch unbewust, spricht, dieser Punkt kommt auch
hier in Betracht, und er ist, soviel Ref. weifs, noch von keinem Me-
triker von F^acb, auch nicht von Minkwitz und von Hrn. F. im vorlie-
genden Buche gehörig beachtet und durchgeführt worden. Am besten
haben wir auf denselben hingewiesen gefunden in dem opus postumum
von K. F. Becker, dem eigentlichen Begründer der rationellen Methode
in unserm Sprachunterricht: der deutsche Stil (Prankf. a. M. 1848) S.
527 if. Nemlich unfere deutschen Metriken sind gemeinhin ganz so ein-
gerichtet, wie die Grammatiken gewöhnliches Schlages, so dafs man
glauben mufs, die Dichter oder wohl gar erst die Metriker hätten die
Verskunst begründet, die Regeln derselben erfunden und zuerst aufge-
stellt oder angewendet. Ist es aber nicht vielmehr so mit der Sache
bestellt, dafs das Volk — und das ist namentlich bei dem deutschen der
Fall — seine Sprache gleich uranfänglich dermafsen gebildet hat, aus
einem feinen Gefiihl fürs rechte, dafs die Kunstpoesie nur zugreifen
darf, um schöne Verse herstellen zu können? Die Silben unsrer Wörter
sind schon immer, sind schon uranfänglich hochtonig, mitteltonig nnd
tieftonig gewesen, sind es gewesen, je nachdem sie Stamm- oder Neben-
silben waren ; und unsere Urahnen haben diese Schöpfungen so gemacht
aus dem richtigen Gefilhl, auch hier mufse äufseres und inneres con-
form sein, das sprachliche dem Gedanken entsprechen. Mit der Asso-
nanz , der Aliitteration und dem Reime ist es eben so. Alle diese Dinge
sind schon in der Sprache vorhanden gewesen, das passende, schick-
liche, vortheilhafte ihrer Anwendung, wenn auch nicht klar gewnst,
doch gefühlt, und sie angewendet worden, ehe die eigentliche, littera-
rische Kunstpoesie sie in Gebrauch bekommen oder genommen. Auch
yv. Jahrb,f, PkU, u. Paed, Bd. LXX. Bft. I. 7
98 C. Fuchs: Lehrbuch der deutschen Metrik.
das metrische unsrer Sprache ist ein organisches Gebilde, nichts von
einzelnen Individuen willkürlich nach eigens erdachten Gesetzen erfun-
denes. Mit der Aufstellung dieser Principien mufs die Metrik begin-
nen, darauf ihre Regeln basiert werden. 6) Bei den einzelnen Pufsen
reicht es nicht hin das Mafs derselben blofs zu verzeichnen und kahl zu
beschreiben , sondern sie sind auch zu charakterisieren , damit der Schu-
ler lerne, dafs es dem wahren Dichter nicht gleichgiltig sei, was für
'ein Metrum er seinen Gedichten verleihe. Wenn der Jambus und Tro-
chaeus, der Anapaest und der Daktylus umgekehrte Silbengruppierungen
sind, so mnfseu sie auch einen absonderlichen, einen entgegengesetz-
ten Charakter haben; folglich können sie nur für verschiedene Dinge sich
eignen. Wird es nun nicht mit den Versen, Strophen, ganzen Gedich-
ten gleicherweise der Fall sein ? Man sehe aber nur unsere gewöhn-
lichen .Metriken auf diesen Punkt an! wie trocken, wie dürftig, wie
ungenügend erscheinen sie ! höchstens geben sie beiläufig diese oder jene
Bemerkung in einer so wichtigen Sache. Wie ist es möglich ein Gedicht
richtig zu würdigen und zu verstehen, wenn man nicht mit diesen Kennt-
nissen an die Lectiire desselben geht? Die Gymnasiasten werden davon
auch noch den Vortheil haben, dafs sie diese Weise des Verstehen«
und der Behandlung vaterländischer Poesie auf das Alterthnm übertra-
gen und dort nun versuchen werden, ebenfalls die Gedichte so aufzn-
fafsen und zu behandeln. Leider ist von solcher Anleitung gar wenig
zu lesen in den gewöhnlichen Metriken der antiken Poesie. Hier wird
den Schülern meist nur ein trockener dürrer Formalismus geboten. Wie
wenig kann der die phantasiereiche Jugend ansprechen!
Im einzelnen ist uns noch aufgefallen, 1) dafs der Vf. in dem Vor-
worte (S. V) unserer Accentpoesie 'Regellosigkeit' Torwirft Dieses
Praedicat kann ihr billigeweise durchaus nicht so nackt gegeben wer-
den. Es gibt Ja der Regeln dort genug. Allein man mufs sich freuen,
wenn zn gleicher Zeit nicht alles auf wenige steife und enge Regeln
beschrankt, sondern dabei auch der Freiheit hinlänglicher Raum ge-
lafsen ist. Gibt es nicht in der Sprache überhaupt, auch in der deut-
schen, sogenannter Anomalien genug? Wir sagen 'sogenannter', denn
was man gewöhnlich so nennt, sind keine Regellosigkeiten, sondern nur
Varietäten. Dem widerspricht auch, was der Vf. §. 9 sagt: da der
Accent, den die hochdeutsche Sprache auf die Silben legt, nicht Sache
der Willkür und des Zufalls ist, sondern auf bestimmten Principien be-
ruht. 2) Billigen wir nicht, dafs Hr. F. die Lehre von der Länge und
Kürze der Silben und von ihrer Betonung nicht getrennt hat; beide
Punkte sind doch verschieden; auch hat Hr. F. diese Verschiedenheit
theilweise anerkannt; es fehlt darum in dem betreffenden Abschnitte an
Klarheit und Durchsichtigkeit. 3) Sollte die Assonanz nnd Allitteration
nicht all der Metrik angehörig und eigenthümlich hingestellt sein; beide
gehören schon dem gewöhnlichen Sprechen an, können auch in Prosa
mit Vortheil angewendet werden, und darum verma^r nicht minder der
Dichter davon mit Nutzen Gebrauch zu machen. Nicht viel anders ist
es mit dem Reime. Nur insofern die moderne Dichtkunst denselben als
Ende der Verszeilen , benutzt und mittelst desselben ein neues Maff,
ein längeres, als die Fufse sind, herrichtet, hat er seinen besondern
Platz in der Poesie gefunden und mufs in der Metrik besprochen wer-
den. Tst er ja doch schon in Sprichwörtern und sprichwörtlichen Re-
densarten genug gäng und gebe, d. h. beim Sprechen im gewöhnlichen
Leben, wo die Sprache nicht kunstmäfsig gehandbabt wird. Aber wie
konnte das sein? wie konnte das kommen? Ist nicht auch der Reim
eine Art von nothwendiger organischer Bildung? henrorgegangen ans
dem Triebe, die Vorstellungen mit passenden Ausdrücken zo belegen?
im vorliegenden Falle gleiche oder ähnliche Vorstellungen mit ähnlich
C. Fachs : Lehrbach der deutseben Metrik. 99
klingenden Wortern? wie z. B. Sang und Klang, saosen und brausen.
Anch hier ist das richtige Walten der menschlichen Vemnnftigkeit, eines
richtigen Gefühls bei dem Sprachbilden nicht zu verkennen. Das alles
mofs in der modernen, in der deutschen Metrik gelehrt werden, damit
die Jagend den Reim zu schätzen weifs als ein naturgemäfses Product,
durch das der Dichter im Stande ist (als Endreim) seinen Producten
noch mehr Abgemefsenheit, gesteigerte Kunstmäfsigkeit zu verleihen,
gegenüber den alten Griechen, die freilich bei ihrer quantitierenden
Sprache und bei ihrer Metrik (z. B. beim Hexameter und im Distichon)
ihn entbehren konnten und sogar (als überfläfsig, als zu künstlich) ge-
mieden haben. 4) Hätten wir den Abschnitt von dem Hiatus und der
Elision nicht ans Endo der Schrift gebracht: er gebort zum Capitel
von den Silben. Hätten nicht 5) anch die Strophen eine besondere Cha-
rakteristik verdient? Die antiken oder überhaupt die nicht deutschen
waren in einen Anhang za verweisen.
Brandenburg. M. W. Heffier.
Entgegnung.
Die Beurtheilung meiner Abhsndlung * über die Parabase der Wol-
ken des Aristophanes^ von Hrn. Teuf fei in diesen Jahrb. Bd. LXIX
S. 549 fiT. veranlafst mich zu einigen Gegenbemerkungen.
Unter 1. heifst es, dafs ich mir selbst Zweifel ffeschaffen, dafs ich
' die Angabe des Eratosthenes falsch aufgefafst und dann getadelt, aber
doch so viel um sie herumgeredet und an ihr berumgetastet habe, dafs
man sieht, ich hätte grofse Lust ihr Glauben zu schenken, wenn es
nur aus andern Gründen thunlich wäre. Natürlich, wer hätte nicht
Lust, dem Eratosthenes zu folgen, wenn dies irgend mojglich! Zur
näheren Erklärung aber folgendes. Meine Abhandlung knüpft an die
Worte des Dichters an und fährt unter Zugrundlegung und Prüfung
der alten Ueberlieferungen ohne alle Verweisung auf neuere Schriften
ganz selbständig den Gegenstand einem Resultate zu, über dessen
Richtigkeit der Leser aus dem gegebenen, ohne durch Autoritäten in
seinem Urtheil beirrt zu werden, selbst zu entscheiden in den Stand
gesetzt ist. Wer aber mit der einschläglicben Litteratur vertraut ist,
sieht sofort, dafs ich keine der vielen neueren Ansichten unbeachtet
gelafsen, aber dieselben selbständig in die Entwicklung des Gegen-
standes aufgenommen und verarbeitet habe. Hr. T. aber hat nicht
gesehen, dafs nicht ich zuerst den Eratosthenes falsch aufgefafst habe,
sondern dafs dies schon Ranke begegnet ist. Da nun die Ansicht, die
ich dem Eratosthenes beilege, auch Esser aufgestellt hat und zu dieser
Auffafsung selbst nach Hermanns Entgegnung auch Ranke hinneigt,
so war für mich sowohl der neueren Ansichten als auch der Autorität
des Eratosthenes wegen eine gründliche Prüfung geboten. Man sieht
also, dafs ich weder 'andere Zweifel mir selbst geschaffen' noch an
der Angabe des Eratosthenes ohne guten Grund ' herumgetastet' habe.
Aber hierin liegt eben die Grundverschiedenheit zwischen meinem und
Hrn. T.s Verfahren, dafs ich von der Ueberlieferung ausgehe, wäh-
rend Hr. T. mit einer fertigen Hypothese an die Untersuchung heran-
tritt. Hr. T. bekämpft nun meine Auffafsung, aber mit Gründen, die
den Beweis liefern, dafs Hr. T. die Sache nicht begriffen hat. Er
sagt, aus der Gegenüberstellung von Öidax^ftaat nndaiaansvaad^sCaai
könne logischerweise nur die Folgerung gezogen werden, dafs die
7*
100 Enlgegnang:.
Umarbeitung nicht aufgeführt wurde. Auf die Logik versteht sich
Ranke auch, es ist ihm aber auch nicht eingefallen zn behaupten, dafs
die Umarbeitung aufgeführt warde. Dann soll die Annahme, dafs Era-
tostheues nur unsere Wolken kannte, an sich unwahrscheinlich sein,
wenn man damit die genauen Angaben Yergleiche, welche die 6e Hy-
pothesis über den Unterschied der Bearbeitungen habe. Hr. T. meint
also, weil der Vf. der 6n Hypothesis die erste Bearbeitung kennt,
mufs sie auch Eratosthenes kennen. Ich will Hrn. T. nicht 'belehren ,
weil er dies Ton sich weist, nur zur eignen Vertheidigung rufe ich
ihm ins Gedächtnis zurück, was ihm entfallen zu sein scheint, dafs
nemlich Aristophanes nach den Didaskalien einen zweiten Frieden ge-
dichtet hat, dafs Krates diesen Frieden kannte, uns auch Fragmente
daraus erhalten sind, gleichwohl aber Eratosthenes nur ^inen Frieden
kennt. Endlich: 'woher hätte vielmehr Eratosthenes gewust, dafs in
den didax^ftaoci die Erwähnung des Marikas sich nicht fand?' Oleum
et operam perdidi; ich kann nur auf das verweisen, was ich S. 6. 7
gesagt habe, oder da ich unklar schreibe, auf Ranke p. CCLXXXVI.
— Weiter nennt Hr. T. die Kritik, welche ich an den überlieferten
Bruchstücken der ersten Wolken übe, eine in hohem Grade willkür-
liche, die fast durchgängig aus nnerwiesenen Behauptungen bestehe.
Aber Hr. T. verschweigt nur meinen Beweis. Ich sage: die 8cholia-
sten zu unsern Wolken sprechen überall über die erste Bearbeitung so,
dafs sie ihnen aus Autopsie nicht bekannt sein konnte, und wiewohl
sie zahlreiche Bruchstücke ans andern verlorenen Stücken anfuhren,
findet sich kein einziges aus den ersten Wolken, wozu doch reichliche
Gelegenheit geboten war; wenn nun ein Scholiast sagt, Phormion werde
in den Rittern, Wolken und Babylonicrn erwähnt, so nehme ich an,
dafs, da er in den Wolken nicht erwähnt wird, wohl aber in der Ly-
sistrata, der Scholiast die beiden Stücke verwechselt habe; ebenso,
wenn Suidas fistov avxäl aus den Wolken anführt, während sich fistov
avxm in den Ekklesiazusen findet. Ich glaube, dafs diejenigen, welche
sich mit Grammatikern beschäftigt haben, meine Deduction nicht für
willkürlich, sondern für wohl begründet erachten werden. Dabei will
ich die Fragmente aus den ersten Wolken gar nicht wegleugnen, im
Gegentheil benutze ich ihr Vorhandensein als Argument gegen Erato-
sthen(*s, wie S. 5 zu lesen ist.
2. Meine Behauptung, dafs die Veröffentlichung einer Komoedie
eine vorausgegangene Aufführung bedinge, wird als blofses Postulat
bezeichnet und daran erinnert, dafs ja auch nicht gehaltene Reden
herausgegeben wurden. Auch Episteln, und es ist wohl möglich, dafs
Aristophanes Lesekomoedien gedichtet hat und dafs die Gelehrten ganz
nnnothig mit der Vertheilung der Stücke nach den Festen sich die Kopfe
zerbrechen und dafs die meisten der erhaltenen Tragoedien solche bel-
letristische Erzengnisse sind. Ich meine aber, dafs die Komoedien zum
Dionysosfeste gehören, also eine Cultussache sind, mit der Reden zu-
sammenzustellen mindestens von grofser Uebereilung zeugt. Ich dachte,
Hr. T. werde mir wenigstens die aSC8oL%ta entge^ienhalten. Wenn Hr.
T. ferner entgegnet, es sei ja eine ganz feststehende Sitte gewesen,
durchgefallene Stücke in überarbeiteter Gestalt herauszugeben, ohne
dafs doch von einer regelmäfsigen Aufführung dieser Umarbeitung
entfernt die Rede sein konnte, so zeigt er wieder, dafs er meine Aus-
einandersetzung nicht verstanden hat. Durchgefallene Stücke wurden
überarbeitet entweder behufs der Herausgabe, und dann kann natür-
lich von einer Aufführung der Umarbeitung keine Rede sein, oder be-
hufs einer zweiten Aufführung, was höchst selten, aber doch vorge-
kommen ist, wie z. B. beim Hippolytos des Euripides. Nachdem Hr. T.
mit meinen 'Praemissen' auf diese Weise fertig geworden, fällt na-
EnlgegDung. 101
tfirlich mein Schlafa and kann scbiiefslich über meinen Vorschlag snr
^Tagesordnung' übergegangen werden.
3. Ich glaubte einen Weg gefanden za haben, auf dem sich die
verschiedenen Schwierigkeiten und Widersprüche am Iei«:htesten losten,
und habe ihn als Auskunftsmittel vorgeschlagen, ohne ihn für etwas
anderes als für eine Hypothese auszugeben. Die Hauptsache aber war
mir, durch gründliche Prüfung der Ueberlieferung, wie durch Aufstel-
lung und schärfere Bestimmung der versi hiedenen Gesichtspunkte die
Frage auf die richtif^e Bahn zu leiten, von der sie abgekommen war,
namentlich aber die jetzt herschende und meiner Ueberzeugung nach
ganz unbegründete Hypothese, dafs unsere Wolken ein unvollendetes,
vom Dichter gar nicht herausgegebenes Werk seien, zn beseitigen. Sie
datiert aus der Zeit, wo die Kritik der reinen Vernunft es mit der
historischen Ueberlieferung nicht zu genau nahm, und da sie berahmte
Namen an der Stirn trug, ist sie ohne nähere Prüfung angenommen
und in der neuem Zeit unter andern von Hrn. T. systematisch ausge-
beutet worden. Da sich Hr. T. in dieselbe so eingelebt, auch einen
kritisch exegetischen Commcntar geschrieben hat, der zum Theil durch
das Aufgeben jener Hypothese über den Haufen geworfen würde, so
finde ich es erklärlich, dafs er meine Angriffe abzuwehren sucht; nur
hätte ich erwarten können, dafs er den Standpunkt der Frage nicht
verrücken werde. Meine Bemerkung, dafs jener Annahme irgend wel-
che Ueberlieferung nicht zu Grunde liege, bekrittelt Hr. T. und weifa
mir das Wort 'Ueberlieferung' überall entgegenzuhalten, ohne zu er-
kennen, dafs ich damit jene Annahme nur in die gebührenden Grenzen
weisen, sie als Hypothese bezeichnen wollte, die von vorn herein
eine Berechtigung nicht habe. Da rinn Hr. T. sein Befremden darüber
äafsert, dafs ich ihm Nichtbeachtung der Ueberlieferung vorwerfe,
während ich doch selbst nur eine Hypothese vorzubringen habe, so
will ich den Unterschied, der zwischen meinem und seinem Verfahren
besteht, noch einmal angeben. Dafs unsere Wolken ein von Aristo-
phanes beendetes, vollständig ausgearbeitetes Stück sind, ii^t uberlie-.
fert, nicht nur durch die Hss., sondern auch durch die alexandrini-
sehen Kritiker, so wie durch die bestimmte Angabe, dafs der Dichter
das Stück bis zar letzten Scene einer Durchsicht und Umarbeitung
unterzogen habe. Wenn nun jemand annimmt, dafs der Dichter das
Stück unvollendet gelafsen, dafs in demselben Stücke aus beiden Bear-
beitungen nicht nur unvermittelt nebeneinandergestellt, sondern durch-
einandergeworfen sind, so ist dies gegen die Ueberlieferung. Eine
solche Annahme macht alle weitere Kritik unmöglich , da wir bei jedem
Fehler sagen können, er stamme aus der Vermischung beider Recen-
sionen, oder der Dichter habe nur vor der Hand so geschrieben, um
das richtige später an die Stelle zu setzen. Finden sich wirklich In-
convenienzen in dem Stück, so wäre diese Annahme nur als ein letz-
ter, verzweifelter Ausweg zu betrachten, und auch nur dann, wenn
er wirklich die Entstehuuj; der Inconvenienzen auf eine befriedigende
Weise erklärte; dies ist aber nicht nur nicht der B^all, sondern wir
werden im Gegentheil durch jene Annahme in noch weit gröfsere
Schwierigkeiten verwickelt, wie ich wenigstens nachgewiesen za haben
glaube. Hr. T. aber geht von jener Hypothese wie von einer ausge-
machten Sache aus, indem er in seiner Abhandlang S. 326 sagt, 'es
sei durch die ganz zuverläfsige Tbatsache der Ueberarbeitong des
Stacks durch den Dichter selbst Gelegenheit geboten, positive, auf
dem Grund sorgfältiger Scheidung des fremdartigen und Verbindung
des znsammengehÖrigen aufbauende Kritik zu üben'. Auf die Logik
verstehe ich mich nicht, dafs ein überarbeitetes Stück fremdartiges
enthalten müfse, and ist fremdartiges darin, so kann dies einen andern
102 Entgegnnng.
Entstehangsgrund haben. JetsEt glaubt Hr. T. seine Hypothese auch
darch die Ueberlieferong stutzen cn können, S. 651: *die 6e Hypo*
thesis bezeugt ausdrücklich, dafs der Dichter die Umarbeitung zwar
behufs einer neuen Aufführung unternahm, diese Absicht aber auszu-
führen unterliefs, aus Gründen, welche der Vf. der Hyp. dahingestellt
sein läfst, weil — , nicht aber (wie Hr. £. S. 19 meint) dafs er die
Nichtherausgabe blofs aus dem Fehlen der Didaskalie gefolgert habe.'
Das meine ich nicht, und Hr. T. schiebt mir, wie so oft, eine fremde
Ansicht unter; ich rede von der Aufführung, nicht von der Heraus-
gabe, und nur von der Auffuhrung spricht auch der Vf. der Hyp., und
auf diesen kleinen Unterschied kommt es hier eben an. Diesem Ver-
fahren gegenüber das meinige anzugeben, wird nun nicht nothig sein;
natürlich war es mir wie jedem Menschen unmöglich, diametral ent-
gegengesetzte Ansichten der Scholiasten zu vereinen oder alle ihre
Vermuthungen zu billigen, und kann ich mir das Sundenregister, das
mir Hr. T. S. 565 vorhält, ruhig gefallen lafsen. — Die Entgegnung
würde zu lang werden, wollte ich auf das weitere eingehen, daher nur
noch einiges zur Abwehr. Nach S. 553 soll ich Hrn. T. Dinge behaupten
lafsen, die ihm nie in den Sinn gekommen sind, und die ganze Darstellung
in wunderlichster Weise carikieren; so deute ich 8. 13 seine Worte «lahio,
als hätte er von einem Vorzuge nur gegenüber der ersten Bearbeitung
gesprochen. Dafs Hr. T. von einem Vorzuge vor der ersten Bearbei-
tung spricht, davon kann sich jeder überzeugen, auch ieuenet er es
selbst nicht; dafs er von einem Vorzüge nur gegenüber der ersten
Bearbeitung spricht, habe ich nicht gesagt; der Mrthum' bleibt, da
Aristophanes nirgends von einem umgearbeiteten, sondern überall
nur von einem Stücke spricht, oder Hr. T. mnste diesen letzten Satx
widerlegen. Auch schiebe ich ihm (S. 554) über das Scholion zu 734
nicht das unwahrscheinlichste unter, sondern ich wollte nur sagen,
dafs sich Hr. T. übereilt hat, wenn er in einem Scholion, das nur die
zweite Bearbeitung berücksichtigt, Aufschlufse über die erste findet.
Besonders über die Thätigkeit des Diaskeuasten soll ich abenteuerliche
Vorstellungen kund geben und Hrn. T. in die Schuhe zu schieben lie-
ben. Das habe ich nun zwar nicht gethan; da es mir aber Hr. T.
zum Vorwurf macht und mich S. 555 tadelt, dafs ich den Termeint-
lichen Herausgeber einen gedankenlosen, unwifsenden Menschen nenne,
so will ich ihm doch ins Gedächtnis zurückrufen, was in seiner Ab-
handlung S. 344 steht: 'dafs derjenige, welcher nach dem Tode des
Aristophanes die neue Bearbeitung herausgab — aus blinder Pietät
oder einfach aus Gedankenlosigkeit die neuen Verse mit herüber-
nahm'. Der Vorwurf in den letzten 10 Zeilen S. 555 fallt auf Hrn.
T. zurück, der nicht bedacht hat, dafs die Incongruenzen nach sei-
ner Auffafsung arg sind, nach meiner aber nicht, daher nichts auf
das Haupt des Aristophanes fallt. Ueberhaupt aber thnt mir Hr. T.
Unrecht, wenn er glaubt, dafs meine Angriffe ihm gelten. Der Name
des Hrn. T. kommt in meinem Aufsatz gar nicht vor und nur an öiner
Stelle ist auf seine Abhandlung im Philologus verwiesen. Tch wollte
die Richtung im allgemeinen bekämpfen, ohne jemand zu verletzen,
da ja zu dieser Richtung sich Männer bekennen , deren Namen ich mit
Hochachtung nenne, und eben weil ich es nur mit der Sache tu thun
hatte, habe ich keine Namen genannt und nur notbgedrnngen auf eine
neuere Schrift verwiesen. — Schliefslich die Bemerkung, dafs Hr. T.
etwas Ton mir aufgenommen hat, dafs nemlich Aristophanes die Ab-
sicht hatte, seine zweite Bearbeitung in einem Demottheater aufzu-
führen , doch heifst es auch , dafs die Unterscheidung zwischen dem
Stadttheater und den Demostheatern ein schon von G. Hermann nahe
geUgter Aiuweg mI. Ich bin non nicht durch Jme Steile , eonden anf
Entgegnung. 103
einem sehr Terschiedenen Wege za meiner Annahme gekommen; allein
wenn diea auch wäre, so haben bekanntlich die meisten Erlindaneen
sehr nahe gelesen, und doch vergieng eine geraume Zeit, bevor das
naheliegende erkannt und benutzt ^vpi^e.
Ostrowo, 21. Juli 1854. R, Enger.
Da nach dem vorstehenden Hr. Enger Yon der Unfehlbarkeit seiner
'Erfindung' so ganz durchdrungen ist, dafs er den Widerspruch dage-
gen als einen ]\&ngel an Fafsungskraft darstellt und eine aus sorgfäl-
tiger Durchforschung des Stücks selbst und aller über dasselbe übeHie-
ferten Nachrichten entstandene wifsenschaftliche Ueberzeagong , weil sie
seiner Hypothese nicht gunstig ist, aus den ärmlichsten Beweggründen
ableiten zu dürfen glaubt, so hält es der unterzeichnete für völlig
zwecklos sich mit Hm. Enger in weitere Erörterungen über die vorlie-
gende Frage einzalafsen, und benützt die ihm von der verehrlichen
Redaction freundlichst gebotene Gelegenheit einzig zu der Bemerkung,
dafs in seiner Recension S. 552 Z. 7 v. o. zu lesen ist: 'gewesen sein'
statt 'sein gewesen' und dafs das letzte Wort von 8. &55, als eine Be-
merkung für den Setzer, nicht zum Abdruck bestimmt war.
Tübingen, 28. Juli 1854. Prof. Dr. FF. TeuffeL
Auszüge aus Zeitschriften.
Paedagogische Revue, hegrundet von Magern, s. w. Jahrgang 1854.
(S. Bd. LXIX S. 2-24—228).
Januarheft. Abhandlungen. Am eis: griechische Schulgramma-
tiken und Formenlehren , zugleich ein Beitrag zur Methodik des griech.
Sprachunterrichts in Gymnasien, besonders in Hinsicht auf die Frage,
ob der Elementarunterricht auf Homer basiert werden könne (S. 1 —
32: die beiden Werke von Ahrens, das griech. Klementarbuch aus
Homer und die griech. Formenlehre des homerischen und attischen
Dialekts werden zuerst in Hinsicht auf die paedagogische Brauchbarkeit
eingehend besprochen und dagegen folgende Sätze geltend gemacht: mit
gutem Grunde lege man bei einer jeden gebildeten Sprache das Zeitalter
ihrer höchsten Ausbildung, den eigentlichen Höhepunkt ihrer classischen
Periode zu Grunde; im Homer habe man den etwas schwankenden Bo-
den einer noch im Flufs befindlichen Sprache, deren Formenreichthum
einerseits der für Anfanger nöthigen Einfachheit und Abgeschlofsenheit
ermangle und deren Formenarmuth andrerseits keine vollständigen Pa-
radigmen gestatte, die den Anfängern unentbehrlich seien; der Anfang
mit dem homerischen Dialekt gestatte keine naturgemäfsen Uebungen
durch schriftliche Arbeiten, indem er das zum sichern Schriftsteller-
verständnis nothwendige Griechischschreiben ausschliefse. Homer stehe
für die griech. Litteratur zu hoch, als dafs man ihn zum ABC-Buch
der griechisch lernenden Schuljugend erniedrigen dürfe; Homer sei
nicht der Zweck des griech. Unterrichts in den Gymnasien, wenn man
auf deren Ursprung sehe; der letzte Erfolg des Anfangs mit dem Ho-
mer werde schon bei dem Eintritt des Schülers in die Prima im glück-
lichsten Falle der Wirklichkeit nach ganz derselbe sein, als wenn man
mit dem attischen Dialekt begonnen hätte; ferner finde der Schuler
104 Auszüge au» Zeitschriften.
darin viel zu Tiel Gelehrsamkeit , die fortlaufende Unterscheidung Yon
Text und Anmerkungen erschwere die Auffafsung, man Termifse Ue-
bersichtlichkeit und nehme an der roafslosen Anzahl kunstlicher Sy-
steme in der Aufstellung der Ver^alformen und der Modi, sowie der
neuen Terminologie Anstofs, und endlich sei das ganze doch nur ein
Bruchstück, eine Formenlehre, mit welcher keine andere Syntax sich
passend verbinden lafse. Dagegen wird der hohe wifsenschaftliche
Werth der Arbeit bereitwilligst anerkannt und geruhrot, indes macht
Hr. A. aufser manchen einzelnen Bemerkungen namentlich auch den
Einwand geltend , dafs die paedagogische Lieblingsidee des Vf. nicht
ohne Einnufs auf die Forschung geblieben zu sein scheine). — Schei-
be rt: die mathematischen Aufgaben ^S. 35 — 45: unter Bezeichnung
der paedagogischen Forderungen , welcne in Hinsicht auf die genann-
ten Aufgaben gestellt werden müfsen, werden die physikalischen Auf-
gaben von Emsmann und die Sammlung trigonometrischer Aufga-
ben von Wiegand bestens empfohlen, auch manche Verbefserungen
und eigene Aufgaben mitgetheilt). :=: Beurtheilungen und Anzeigen.
Haacke: Beitrage zu einer Umgestaltung der griechischen Grammatik.
Is Heft von Noir^ (S. 46 — 54: ausführliche den Inhalt des Schrift-
chens darlegende, belobende Anzeige). — T. Livi ab urbe condita
libri. Erkl. v. Weifsenborn. Ir Bd. von Queck (S. 54 — 66: zuerst
wird die kritische (Behandlung des Textes gewürdigt; rücksichtlich
der durchweg gelobten Erklärung werden über einzelne Stellen abwei-
chende Ansichten aufgestellt). — 1) Hauser: Uebersicht der merk-
würdigsten Begebenheiten aus der allgeni. Weltgeschichte. 2) Kapp:
Leitfaden beim ersten Schulunterricht in der Geschichte u. Geogra-
phie. 3) Dithmar: Kistorienbuch. 4) Grube: deutsche Geschichte
in deutschen Gedichten. 5) Schaarschmidt: kleiner historisch-geo-
graphischer Atlas. 6) König: historisch-geographischer Handatlas. 7)
W inderlich: Lehrbuch der Weltgeschichte. 2e Aufl., von Miquei
(S. 66—76: Nr. 1 wird verworfen, Nr. 2 unter Verwerfung der Prin-
cipien für die Methode doch gelobt, Nr. 3 als viel vortreffliches und
brauchbares enthaltend bezeichnet, Nr. 4 zwar gelobt, aber die zu
Grunde liegende Idee als unausführbar dargelegt, Nr. 5 entschieden
gerühmt, Nr. 6 gegen Nr. 5 etwas zurückgestellt, Nr. 7 endlich aU
blau -republikanisch und der gründlichen Kenntnisse ermangelnd ver-
worfen).— 1) Trappe: Leitfaden für den Unterricht in der Physik.
2) Kern: die Naturlehre. 3) Schmitz: der kleine Kosmos und: An-
schauung der Natur. 4) Cabart: die Elemente der Physik, von Ems-
mann (S. 76 — 80: Nr. 1 ist werthvoll, wenn schon manche Wunsche
aufgestellt werden, Nr. 2 sehr empfehlenswerth, Nr. 3 wird als re-
formatorisch 'jedem, der eine leere Stunde auf amüsante Weise aus-
füllen will' empfohlen, Nr. 4 endlich in dem, was es bietet, als
brauchbar bezeichnet). = Paedagogische Zeitung. Regulativ für die
in Berlin eingerichteten Lehrerconferenzen (S. 1—4). — Thrämer:
das öffentliche Schulwesen in Rufsland nach seiner Entwicklung seit
Peter dem Gr. (S. 5 — 27: Abdruck aus den paedagogischen Beilagen
zum Inlande, Dorpat 1846, Nr. 13 u. 14). — Rapport du ministre de
l'instruction publique et des cultes k Tempereur, sur la Situation de
Tinstruction publique depuis le 2 d^cembre 1851, vom 19. Sept. 1853
(S. 28—38. Ir Theil). —
Februarheft. Abhandlungen. Grafs mann: Bruchstücke über
den grundlegenden Unterricht, besonders für die Sprache, den sprach-
lichen Elementarunterricht (S. 81 — 100: enthält allerdings auch man-
che für den Gymnasiallehrer branchbare Winke). — Beurtheilungen.
Palm er: evangelische Paedagogik, von Scheibert (S. 101—131:
als ein Beitrag zur Losung der Fragen in der gegenwärtigen Bewe-
Auszüge aus Zeitscbrifteo. 105
eung nach einer Seite hin eine sehr wichtige y verdienstliche nnd ein-
flafsreiche Arbeit, die niemand, welcher sich an der theoretischen
wie praktischen Entwicklung der Paedagogik betheiligen will, über-
sehen darf; eingebende Beurtheilung)^ — l)Burchard: lateinische
Schulgrammatik, 6e Aufl. 2) Midde^dorf und Gräter: lateinische
Schulgrammatik. 3) Fritzschei praktische Regeln und Anweisung
xum Versbau, zunächst für die lat. Spr. nebst Anhängen über grie-
chische Prosodie und Metra, Ton Qu eck (S. 131 — 134: zu Nr. 1 wer-
den einige berichtigende Bemerkungen gemacht, Nr. 2 trotz einzelner
Ausstellungen als aller Beachtung werth bezeichnet, Nr. 3 als zu
mechanisch getadelt). — I) Haug: Uebungsbuch zum Uebersetzen
aus dem Deutschen ins Lat. 2) Cornelii Nepotis vitae u. Wörterbuch
dazu von O. Eichert, 3e Aufl. 3) Virgilii carmina mit deutschen
Anmerkungen von W. Freund, von de ms. (S. 134 — 137: Nr. 1 wird
trotz mancher Ausstellungen dennoch sehr empfohlen, Nr. 2 durchweg
anerkannt, Nr. 3 in mancher Hinsicht gelobt). — Hildebrand: la-
teinische Chrestomathie für Real- und höhere Bürgerschulen. Ir Theil,
▼on Langbein (8. 139 — 142: wird als zu viel aus der spätem romi-
schen Litteratur und ein Bild revolutionärer Zuckungen bietend , un-
geeignet gefunden). — Fahles de BMorian mit Erklärungen von Ferd.
Hanthal u. Le nouveau Robinson. Nouvelle Edition par Louis, von
Dr. Buch mann (S. 142 f.: beide Bücher werden als durchaus un-
brauchbar und reine Pfuscherarbeiten bezeichnet). — Braubach:
stilistisches Lern-, Lehr- und Lesebuch, von Langbei^(S. 143 f.:
wird als auch zum Unterrichte in der deutschen Litteraturgeschichte
dienlich gelobt). — Rumpel, Scholz, Dietlein: deutsche Art und
Kunst in Gedichten für christliche Schulen, von dems. (S. 145: sehr
gelobt). — Lothholz: deutsches Lesebuch für Gymnasien, von dems.
(S. 145 — 147: scheint über das untere Gymnasium hinauszugehn, auch
wäre wohl eine andere Ordnung wunscbenswerth). — Schwenck:
die Sinnbilder der alten Völker, von H. Schweizer (S. 150—154:
sehr gelobt, doch wird bedauert, dafs der Vf. mit dem nicht classi-
schen , namentlich mit dem indischen Uralterthum nicht vertrauter sei,
und dies an Beispielen nachgewiesen). — l)Kambly: Elementarma-
thematik. 3r Tbl. 2) Kramer: Anfangsgründe der ebenen und sphae-
rischen Trigonometrie. 3) Koppe: die ebene Trigonometrie, 2e Aufl.
von Langbein (S. 154—157: Nr. 1 wird gar nicht, Nr. 2 nur be-
dingt, Nr, 3 als für den Unterricht sehr gut empfohlen). — Thieme:
populäre Astronomie, von dems. (S. 157 — 158: wird als brauchbar
bezeichnet, obgleich die Stellung, welche dem Gegenstande in den
sächsischen Gymnasien angewiesen ist, keine Billigung findet). — Wo-
ekel: neue Sternkarte, von dems. (S. 158 f.: empfohlen). — Klofs:
Katechismus der Turnkunst, von dems. (S. 159: gelobt). — Elster:
die höhere Zeichenkunst in 50 Briefen, von dems. (S. 159 f.: den
Lehrern dringend empfohlen). — C. Meyer: Normalzeichenbuch, von
dems. (S. 160: als brauchbar bezeichnet). = Paedagogische Zeitung.
Wir heben aus den zahlreichen Notizen hervor: der Sprachenkampf
in Schleswig (S. 43 — 46), die Lectionspläne der Solothurner und Zü-
richer Cantonsschulen (S. 48 f.), Mittheilungen aus Frankreich über
die Fete des ^coles am 27. Nov. 1853, das Deutsche in den französi-
schen Schulen , Aufsatz von St. Marc Girardin über des Bischof Du-
panloup Briefe über die häusliche Erziehung (S. 50—58), Bericht über
die Schule zu Eton (S. 58—63), statistische Nachrichteii über die
Schulen in Griechenland und Aegypten (S. 64 — 66), über die Verlei-
hung der Stipendien in Preufsen nebst einer Verordnung darüber (S.
66-69).
Märzheft. Abhandlungen. Scheibert: die populäre nnd die
106 Auszüge aus Zeitschriften.
christliche Paedagogik (S. 161 — 182: nachdem der Vf. den Schaden,
den die sogenannte -populäre Paedagogik gestiftet, bezeichnet ond so-
dann die beiden Richtungen, welche die neu aufgetretene christliche
genommen, charakterisiert hat, l^pspricht er: Helds Schnlreden belo-
bend, Vilmars Schulreden 2e Aufl. mit gröfster Anerkennung, Schir-
litz' neue Schulreden unter der Bemerkung, dafs sie nicht indlTidnell
genug seien, Hein dl s paedagogische Aehrenlese, Keysers paedago-
gische Studien, Thaulows Buch: Hegels Ansichten über Erziehung
und Unterricht werden getadelt, am stärksten Hanschmann: das
Strafrecht der Schule, dagegen finden Kellners paedagogische Mit-
theilungen und besonders Volters Beiträge zur christlichen Paedago-
gik und Didaktik volle Anerkennung). — Noir^: über die Behandlung
und Erklärung moderner Classiker auf Gymnasien (S. 183—188: es
wird statt des Strebens nach blofser Rede- und Uebersetzungsfertig-
keit Einfahrung in die Litteratur und philosophische Behandlung ge-
fordert; sodann die Lesung älterer Prosaiker und Chronisten, nament-
lich aber, um das Alterthum den Schälern lieb zu machen, die von
Montaigne gefordert). = Beurtheilnngen und Anzeigen. Hauschild:
Elementarbuch der franz. Spr. nach der calculierenden Methode. Ir
Curs. 3e Aufl. von Buchmann (S. 189: unter einzelnen Ausstellun-
gen gelobt). — Bettinger: Lehrb. der franz. Sprache, 4e Aufl. von
de ms. (S. 189 f.: als den heutigen Anforderungen an französische
Schulbuches nicht entsprechend, übrigens aber mit tüchtiger Sach-
kenntnis geschrieben bezeichnet). — 1) Eugene FaTre: premi^rea
le9ons de langue allemande, 2) dess. deutsches Lesebuch, 3) ders.
und Strebinger: Cours de th^mes aliemandes. 4) G^org: gram-
maire pratique de la langue allemande, 5) ders.: cours ^l^mentaire
de langue anglaise, 6) ders.: Elementargrammatik der französischen
Sprache, von Köhler (S. 190 — 193: werden alle, obgleich der Rec.
mit der Methode nicht überall einverstanden ist, dennoch als tüchtig
gelobt). — Drobisch: neue Darstellung der Logik, 2e Aufl. und
Cajus: des Antibarbarus logicus 2e Aufl. Is Heft, von Schilling in
Giefsen (S. 193 — 208^: eingehende Beurtheilung des erstem Werks,
dessen hohe Verdienstlichkeit bereitwilligst anerkannt wird; das zweite
wird kürzer empfohlen und baldige Vollendung gewünscht). — Sime-
sen: die Geometrie genetisch dargestellt, von Langbein (S. 208 f.:
trotz einiger Bedenken wird auf das Buch dringend aufmerksam ge-
macht).— Franke: die Elemente der ebenen Geometrie, von dems.
(8. 209 — ^211: aus principiellen Bedenken für Gymnasien und höhere
Burgerschulen nicht empfohlen). — Brennecke: die Beruhrungsauf-
gabe für Kreis und Kugel, von dems. (S. 211 f.: 'eine vortrefifliche
Arbeit aus der Schule für die Schule'). — Baltzer: Schulgebete
für Gymnasien u. s. w., von dems. (S. 219: 'sie genügen nicht, na-
mentlich fehlt die Predigt der Bufse')- — Zur Kritik der Volkslese-
bucher (S. 222 — 234: das Lese- und Lehrbuch für Volksschulen von
Fr. G. Rettig wird mit derben Wafi'en bekämpft). — Vermischte
Aufsätze. Miquel: der Verfafser des Robinson Crusoe (S. 235 — 240:
Lebensbeschreibung und Charakteristik von Daniel de Foe). = Pae-
dagogische Zeitung. Bericht über die Revision der evangelischen Gym-
nasien Schlesiens durch den Geh. Reg.-Rath Dr. Wiese aus der N.
Preuss. Ztg. (S. 71—76). — Mittheilung des Programme des cours de
TAth^nee royal de Li4ge pendant Tann^e scolaire 1863—1864 (S. 78
— 90). — Ueber P. Daniel les «^tudes classiques dans la soci^t^
chr^tienne aus der Aug^tb. allg. Zeitung (S. 98—92: es wird dieser
Schrift sehr rahmend gedacht). — Bericht aber das Girard College in
Philadelphia und statistisches aus Nordamerika (S. 92—95). — Schul-
wesen in Mexico (S. 95 f.)« — Schulwesen in Java aas der Weser-
AuBZüge au8 Zeitschriften. 107
leitang (S. 97 — 101). — Schulwesen in Brittisch -Indien ans Nen-
manns Brnchstocken einer neueren Geschichte von Brittisch-Indien
(8. 102 — 108). — Bekanntmachang, betreffend einen Unterrichtsplan
und Bestimmungen über die Examina für die gelehrten Schulen in
Dänemark vom 13. Mai 1850 (S. 108—117).
Aprilheft. Abhandlungen. Scheibert: die Examina (S. 241 —
294: als Folgen der durch die zur Controle über die Schalen einge-
richteten Examina bewirkten Conformität werden Hemmung der Pae-
dagogik und Didaktik in ihrer Entwicklung, Hinderung der Producti-
"vitat in den Arbeiten der Schüler, oberflächliches Einlernen statt
Vertiefung, Verlust des Ueberblicks und innern Zusammenhangs im
TVifsen bezeichnet und dagegen die Forderungen aufgestellt: das Exa-
men sei Fortsetzung der Schälerarbeiten und ein Ausdruck dafür, wie
die Schüler arbeiten können, es greife im Stoff nicht in die frühem
Classenpensa zurück , sondern halte sich im Unterrichtsstoffe der letz-
ten Classe; das Urtheil richte sich nach dem Mafse der geistigen und
sittlichen Kraft und jede Primanerarbeit sei eine Examenarbeit; dar-
nach richte sich der k. Commissarius und lafse nur da ein examen
rigorosum eintreten, wo entweder das Urtheil zweifelhaft ist, oder
der ZD prüfende dem seiner Lehrer sich nicht unterwerfen will. In
Bezug auf die Examina, welche um besonderer Zwecke (des ein-
jährigen Militärdienstes u. dgl.) willen gefordert werden, wird die
Forderung geltend gemacht, dafs sie entweder nur auf allgemeine
Schulbildung gerichtet seien, und demnach unter dem Ministerio des
Cultus stehen, oder die zu Terlangenden speciellen Kenntnisse auch
nur auf dem Priyatwege erworben werden müfsen. Rücksichtlich der
Examina .in den Schulen endlich werden Gründlichkeit der Prü-
fung, Umwandlung in eine Repetition, also Fortsetzung des Unter-
richts und die Unterrichtung der Lehrer über die Leistungen der
Schüler als Hauptzweck verlangt; am Schlufs aber als des besten
Mittels zum erziehenden Unterricht der freien Unterrichtsform ge-
dacht, deren Anwendung eben durch die Torgeschriebenen Endexamina
yerhindert werde). — Mezger: die Classiker und die Kirchenväter in
den Gymnasien (S. 295 — 311: nach einer geschichtlichen Auseinander-
setzung des Ganges , den die von G a u m e angeregte Frage in Frank-
reich und Deutschland genommen, erklärt sich der Vf. bei aller Ach-
tung, welche er vor den christlichen Classikern hegt, bei aller Aner-
kennung davon, wie nothwendig christliche Bildung für das Gymna-
sium, und wie wünschenswerth Einführung in die Patristik für die
künftigen Theologen sei, doch gegen den vermittelnden Vorschlag,
Kirchenväter neben den alten Classikern zu lesen, weil dieser Weg
weder geeignet sei zum Ziele zu führen , noch nothwendig, da wir ja
die Quelle, woraus die Kirchenväter alles, was sie hatten, geschöpft,
selbst besitzen, die Bibel, und fordert, weit entfernt das Hebraeische
von andern als von den künftigen Theologen, Philologen und Histo-
rikern — dies allerdings eine Erweiterung — zu verlangen, von dem
Religionslehrer Vertrautheit mit der Sprache und dem Inhalt des A.
T. und gründliche Einführung der Schüler in dasselbe). = Beurthei-
Inngen und Anzeigen. Timm: die Lehre von den Formen und den
Arten der Dichtungen, von Bu ebner (S. 312 f.: unter manchen Aus-
stellungen als dem Lehrer förderlich bezeichnet). — Schroer: Ge-
schichte der deutschen Litteratur und Hüppe: Geschichte der deut-
schen Nationallitteratur, 2e Aufl. von dems. (8. 313 — 316: das erstere
Buch wird als für den Nichtosterreirher im ganzen werthlos, da«
zweite unter manchen Ausstellungen und Wünschen als recht brauchbar
und gut dargestellt). — Herrig: Sammlung englischer Schriftsteller
mit dautschen Anmerkungen, von Langbein (S. 316 f.: das Unter-
108 Auszüge aus Zeitschriften.
nehmen wird sehr willkommen geheifsen, aber von dem Standpunkt der
Schule aus werden Bedenken dagegen erhoben). — Holle: historisch-
geographischer Handatlas, Ton Kleinsorge (S. 317 — 320: im ganzen
gebilligt und empfohlen). — Knigge: über den Umgang mit Menschen,
neu herausgegeben von K. Gödeke, von L. (S. 320: in der neuen
Bearbeitung empfohlen). = Paedagogische Zeitung. Nekrolog von
G. Fr. Grotefend (S. 126—127). — Statistische Uebersicht über
die Österreichischen Gymnasien (S. 127 — 142: nach den in der österr.
Zeitschr. gegebenen Tabellen bearbeitet). — Znstand der holländi-
hchen lateinischen Schulen und Gymnasien am 1. Nov. 1852 (S. 142 —
146). — Ueber Schulen im Königreich Polen (S. 147 f. Furtsetzung
von XXXV S. 357 ff.) — Eilers: Jahresbericht der Unterrichts- und
Erziehungsanstalt zu Freiimfeide bei Halle (S. 149 — 154: Mitthei-
lung eines längern Abschnitts, welcher höchst beachtnngswerthes über
die Ueberladung der Gymnasien , die Vorbildung der Lehrer und die
Wirksamkeit der classischen Studien enthält). — Verordnung über die
Prüfungen zum Gymnasial lehramte im Königreich Bayern vom 24. Sept.
1853 (S. 155—157). -— Rapport du minlstre u. s. w. (S. 157—174:
ForU. vom Januarheft S. 28 ff.)
Mai- und Juniheft. Kleinpaul: die k. Universität zu Dublin
und ihre drei Colleges (S. 321-344: interessante Darstellung des Ge-
(renstandes in seiner Entwicklung und seinem gegenwärtigen Stande).
— Scheibert: aus der Schulstube. 9t Artikel (S. 345 — 360: wie in
frühern Artikeln, werden hier die mechanischen und stumpfen, träu-
merischen und zerstreuten, verworrenen und kritischen Köpfe bespro-
chen, die Ursachen zur Entstehung der Fehler, die Gefahren ihrer
Vermehrung und Vergröfserung und die Mittel zur Heilung dargelegt).
— Beurtheilungen. 1) Michaelis: theoretischer und praktischer Cur-
sus der franz. Sprache für G. 2) de Castros: theoretisch-prakti-
bches Lehrbuch der franz. Sprache. 3) Uebungsstoff zum Uebersetzen
aus dem Deutschen ins Franz. (Bremen 1853). 4) Parlez-vous fran-
9ais? franz. -deutsche Gespräche. 4e Aufl. 6) Louis: idiotismes dialo-
gu^s, von B. in Br. (S. 361 — 364: Nr. 1 könne aufser der Schule
brauchbar sein, zu einem Schulbuche fehlen ihm Methode, Klarheit,
Kürze, Uebersichtlichkeit ; die übrigen Werke werden sämmtlich streng
getadelt).— Ciceronis Laelius de amicitia, erläutert von G. A. Koch,
von Queck (S. 364 — 368: bei Anerkennung der Brauchbarkeit im all-
gemeinen werden doch im einzelnen mancherlei Desiderien aufgestellt).
— Volckmar: poematia latina, von de ms. (S. 368 f.: sehr lobende
und anerkennende Anzeige). — Caesaris comm. de hello Gallico, her-
ausg. von A. Doberenz, von dems. (S. 370 — 374: der Zweck und
die Methode werden anerkannt, aber wegen der Ungleichförmigkeit
der Anmerkungen, zu grufsen Bindens bei der Uebersetzung und Ver-
nachläfsigung der Phraseologie eiuige Bedenken geäufsert). ~ Lübker:
Reallexikon des classischen Alterthums, von Langbein (S. 374 f.:
der Zweck und die Ausführung werden charakterisiert und das Unter-
nehmen der Beachtung empfohlen). — Lansing: französisches Lese-
buch, von dems. (S. 3^5: als ein ganz vortreffliches Buch gerühmt).
— De Castros: bibliotheque de Tadolescence. Ir Bd., von dems.
(S. 376: für die Bcfnützung in deutschen Schulen nicht empfohlen).
»—Eberhard, Maafs und G ruber: deutsche Synonymik. 4e Aufl.
von dems. (S. 377 f.: wird auch in der neuen Auflage zur Benutzung
dringend empfohlen). — E. Klei npaul: die Lehre von den Formen
und Gattungen der deutschen Dichtkunst, 2e Aufl. und Schröders
theoretisch-praktischer Leitfaden für den Declamationsunterricht in d..
obern Classen der Gymnasien, von G. Th. Becker (S. 377—384: das
erstere Buch wird in eingehender Beortheilung gelobt, auch das sweite
AaszQge aus Zeilschriflen. 1(^
als eine gute Leistang aber Declamation mit Freaden begnirst. Tn
einem Anhange erwähnt Langbein das Declarairbuch von denis. Vf.
Ir Thl.). — Kannegiefser: der deotscke Redner, von Buchner
(S. 394—397: neben manchem guten leide das Buch doch durch Zwie-
spältigkeit des Kreises, für den es bestimmt sei, und belohne nicht die
darauf verwandte Muhe). — Walther von der Vogelweide, abersetzt
von K. Simrock, von H. Schweizer (S 387—393: nach einer Ein-
leitung aber des Dichters Bedeutsamkeit wird die Uebersetzung als
eine vorzuglich gelungene bezeichnet). — Thrämer: Entwurf einer
8atzlehre und: Geschichte des deutschen Sprachstudiums, von H. (S.
396: beide Schriften werden als werthvoll und sehr beachtungswerth
geschildert). = Paedagogische Zeitung. Mittheilung über die BVied-
rich-Wilhelmsschule in Sfettin (S. 179— I8i: ausführliche Darstellung
der innern Entwicklung). Anträge der Schuldepntation über die Hanpt-
schule in Bremen (8. 184 f.). Mittheilung über den Katechismus von
Nagel (S. 186: ans der N. Pr. Ztg. , die antichristliche Richtung wird
entschieden dargethan). — Programm des k. holländ. Athenaeams in
Mastricht lKö3— ö4 (S. 188—194: ausführliche Darstellung des Unter-
richtsplanes und der Vertheilung der Lectionen). — Die Schulen der
buddhistischen Mönche auf der Insel Ceylon (S. 195—198! aus der
Revue des deux mondes übersetzt von Kleinpaul). — Rapport da
ministre a. 8. w. (8. 200—211: Schlafs von dem im Januar- und April-
hefte gegebenen).
Schul- und Personalnachrichten, statistische Mittheilungen,
litterarische und antiquarische Miscellen.
Aarau. Die dortige Cantonsschule hatte im !• 1853 folgende Schu-
lerzahl: Gymnasium 45 (I: 10, II: 15, III: 13, IV: 7), Gewerbschule
70(1: 23, H: 31, III: 10, IV: 6). Programmabhandlung i Nielaiem
von fFyla zehnte Translation mit einleitenden Bemerkungen über des-
§en Leben und Schriften, vom Professor Dr. H. Kurz.
Agram. Der Supplent am k. k. Gymnasium Matthias Nesic
wurde zum wirklichen Gymnasiallehrer befördert.
Alton A. Zum Director der dortigen Sternwarte ist Professor Dr.
C. A. F. Peters, Observator an der Universitätssternwarte in Kö-
nigsberg, ernannt worden.
Basel. An die dortige üniver>ität ist der Privatdocent Dr. Stef-
fensen aus Kiel als ordentlicher Professor der Philosophie berufen.
Ferner sind die Privatdocenten Dr. Balthaser Reber und Dr.
Karl Ludwig Roth zu aufserordentlichen Professoren ernannt.
Berlin. Die diesjährige öffentliche Sitzung der k. Akademie der
Wifsenschaften zum Andenken an Leibnitz fand am 6. Juli statt und
ward von dem Vorsitzenden Secretar Hrn. Kncke mit einer Einlei-
tungsrede eröffnet, in welcher besonders die wifsenschaftlichen Bezie-
hungen, welche zwischen der Königin Sophie Charlotte und Leibnitz
stattgefunden haben, und ihre Wichtigkeit für die Stiftung der Aka-
demie erörtert wurden. Hierauf hielten die seit der letzten Leibnitz-
Sitzung neu eingetretenen Mitglieder ihre Antrittsreden, nemlich die
Hrn. Haupt und Kiepert, welchen der Secretar der philosophisch-
historischen Clas.se Hr. Böckh antwortete, und die Hrn. Beyrich
110 Schal - und Personalnachrichton, statistische Hittheilungen,
und Ewald, deren Reden der Secretar der physikalisch-mathemati-
flehen Classe Hr. Ehrenberg erwiederte. Derselbe noachte darauf
bekannt, dafs eine im J. I80I gestellte Preisfrage der physikalisch-
mathematischen Classe, für welche in der heutigen Sitzung der Preis
hätte zuerkannt werden mufsen, noch auf die drei folgenden Jahre bis
1857 verlängert werden solle, weil keine Bewerbungsschriften einge-
laufen waren. Dieselbe lautet: 'Die Theorie des hydraulischen Mor*
tels ist bereits in vieler Hinsicht aufgeklärt worden. Sie beruht offen-
bar auf einer Bildung zoolithartiger Silicate. Noch kennt man aber
das chemische Verhalten der Verbindungen, die sich bei Anwendung
der verschiedenen Mörtel bilden, nicht genau genug. Die Akademie
wünscht eine umfafsende Arbeit über diesen Gegenstand und beson-
ders eine nach zweckmäfsigen Methoden angestellte Untersuchung der
Producte der Mörtelbildung.' Hr. Böckh macht sodann die neue
Preisaufgabe der philosophisch - historischen Classe bekannt. 'Ueber
die Aussprache des Lateinischen im Alterthum selbst ist sowohl
in früheren Zeiten als von den neuern Bearbeitern der lateinischen
Sprachlehre vielfach gehandelt ; meistentheils hat sich jedoch die
Betrachtung auf die phonetische Bedeutung der einzelnen Buchsta-
ben beschränkt, worüber in mehreren Werlcen reicher Stoff nieder-
gelegt ist. Dagegen sind die von der gewohnlichen Schreibweise
abweichenden Besonderheiten , welche theils nach andern Spuren theila
nach dem Gebrauch der altern romischen Poesie, vorzüglich der
komischen, entweder überhaupt oder im gemeinen Leben in der Aus-
sprache vieler P^ormen oder Wörter stattgefunden haben, noch nicht
erschöpfend ermittelt, begründet und erklärt, und das Urtheil über
manche Stellen in den altrömischen Gedichten und über die Gesetze
des Versmafses derselben, weiches von der Aussprache der Wörter
theilweise abhängt, ist daher noch schwankend und streitig. Da sich
die Philologie jetzt wieder der römischen Litteratur mit erneutem Ei-
fer zuwendet, hält es die philosophisch -historische Classe der Akade-
mie für angemefsen, eine umfafsende und zusammenhängende Erörterung
dieses Gegenstandes zu veranlafsen, und stellt daher folgende Preis-
aufgabe: Nachdem über die antike Aussprache der Vocale und Consonan-
ten und ihrer Verbindungen und über das Accentsystem der Römer
je nach dem Ermefsen des Verfafsers kurzer oder ausfuhrlicher gehandelt
worden, soll untersucht werden, welche Besonderheiten der Aussprache,
vorzüglich Zusammenziehungen und Abkürzungen, in gewissen Wertfor-
men und einzelnen Wörtern entweder allgemein oder in der Sprache
des gewöhnlichen Lebens , namentlich auch unter der geringern Volks-
classe, stattgefunden haben. Hierbei sollen die Etymologie, die Zeug-
nisse der Alten selbst , die verschiedenen Schreibweisen in Inschriften
und Handschriften, die Formen welche die lateinischen Wörter in
der Uebertragung ins Griechische erhalten haben, die altitalischen
Dialekte und die aus dem Lateinischen stammenden neuern Sprachen
benutzt werden, endlich besonders die altrömischen Dichtungen, vor-
züglich die Komoedien. Dabei ist auch auf die Accentuatiun wie auf
die Quantität Rücksicht zu nehmen. Da das Urtheil über die Aus-
sprache zum Theil von dem Gebrauch der Dichter abhängt, diesea
aber sehr verschieden ausfallen kann, je nachdem man andere metri-
sche Gesetze zu Grunde legt, und umgekehrt das Urtheil über die
letzteren in manchen Fällen sich anders gestaltet, wenn eine andere
Aussprache vorausgesetzt wird, so mufs zugleich das der altrömischen
Poesie zu Grunde liegende metrische System in die Untersuchung hin-
eingezogen werden und namentlich zur Sprache und zur Entscheidung
kommen, ob oder inwieweit der Sprachaccent auf den altrömischen
Versbau Einflufs gehabt hat. Endlich sind die aus der ganzen Un-
litterarUche und antiquarische Miscellen. 111
tersQchang sich ergehenden Folgerangen für die philologisch-kritische
Behandlung der altroniischen Poesie darzulegen. Man erwartet eine
fihersichtliche nnd möglichst systematische Anordnung des gesammten
Stoffs.' Die ausschliefsende Frist für die Einsendung der Beantwor-
tungen heider Aufgaben , welche nach der Wahl der Bewerber in deut-
scher, lateinischer oder franzosischer Sprache abgefafst sein können,
ist der erste März 1857. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Motto
zu yersehn und dieses auf dem äufsern des Tersiegelten Zettels, wel-
cher den Namen des Vf. enthält, zu wiederholen. Die Entscheidung
über die Zuerkennung des Preises von 100 Ducaten geschieht in der
öffentlichen Sitzung am Leibnitzischen Jahrestage im Monat Juli 1857.
— Nach diesen Bekanntmachungen las Hr. Ewald zum Schlufs die
▼on ihm übernommene Gedächtnisrede auf das hochTerdiente , am 4.
März 1853 verstorbene Mitglied der Akademie, Leopold von Buch.
Bermburg. Das Lehrercollegium des dortigen Carlsgymnasiums
hatte am Schlufs des Schuljahrs 1863— 54 folgenden Bestand : Director
Prof. Dr. Francke, die Professoren Dr. Günther und Felgen-
treu, Inspector Korner, die Oberlehrer Dr. Spieker, Nicolai,
Dr. von Heinemann, Gymn.lehrer Moller, Coilab. Kilian, Cand.
Freund, Musikdirector Kanzler, die Lehrer Wiele, Döring
(Zeichnen) und Richter (Gymnastik); anfserdem ertheilten Unter-
richt der Oberconsistorialrath Dr. Wa 1 1 h er und die Pastoren Schlick
und Valentin er. Ostern 1854 schied Oberlehrer Dr. Spieker ans,
um einem Ruf an die Realschule in Potsdam zu folgen. Die mit dem
Gymnasium Terbundene Realschule ist seit Mich. t. J. eingegangen.
Die Schülerzahl betrug im Sommer 1853 216, im folgenden Winter 192
(I: 19, II. 21, ni: 42, IV: 38, V: 43, VI: 28); zur Universität wur-
den Mich. 1853 2, Ostern d. J. 5 entlafsen. Programmabhandlung:
üeber Entstehung und Wesen des griechischen Romans, vom Ober-
lehrer Nicolai (31 S. 4).
Blankenburg am Harz [s. Bd. LXVII S. 490]. Collaborator
Volk mar am dortigen Gymnasium wurde zum Oberlehrer ernannt.
Der Schulamtscand. Hermann Elster hält seit Mich. v. J. «ein
Probejahr ab. Die Schülerzahl betrug am Schlufs des Schuljahrs 1853
—54 61 (I: 9, II: 13, III: 12, IV: 27), darunter 21 auswärtige. Pro-
grammabhandlung Ostern 1854: üeber Realismus und Humanismus
auf Cfymnasien, insbesondere über die lateinische Sprache als Chrund-
läge formaler Rildungy vom Collaborator Dr. H. Hausdörffer
(22 S. 4).
Bonn. Am 11. Juli d. J. kehrte der Tag wieder, an welchem vor
25 Jahren Professor Friedrich Ritschi auf der Fried richs-UnlTer-
sität in Halle sich die philosophische Doctorwürde erworben hatte.
Seine zahlreichen Schüler und Verehrer in der Nähe und Ferne lie-
fsen es sich angelegen sein, ihre freudige Theilnahme an diesem fest-
lichen Tage durch Beglückwünschungen und Geschenke zu bezeugen.
Das Hauptgeschenk war eine bronzene VotiTtafel mit folgender, in
Charakteren der augusteischen Zeit eingegrabenen Inschrift :
112 Schul- ond Perflonalnaohrichten, statistische Mittheilongen,
y\
y / AD
'■o^^^^
I VID IVL I
I A eiBBeeeLiiii I
\ VOT • XXV /
\
\.
^®^o
FRIDERICO • RITSCDELIO
ORAECARVM • ET - ROMAN ARVM • UTERARVM
INVESTIGATORI • FELICISSIMO
VINDICI • FORTISSIMO
DOCTORI • PER • QYINQYE • LVSTRA • PROBATISSIMO
VIRO • CONSILIVM • ARTIS • CVM • INGEM • VELOCITATE • SOCIANTI
ADVLESCENTIVM • ST YDIOSORVM • L VMINI • AG • PRAESIDIO
OB HYLTA ET E6BE6IA EIYS
IN • SINGVLOS . VNIVERSOSQVE • MERITA
AVDITORES . PIKNTISSIMI
LVBENTES
deren Rückseite
I. BKRNAYS
G. BLKRK
I. BRANDIS
H BRVNN
G. BVNSKN
G. CONRADS
G. CVRTIVS
F. KBBKN
G. KCKKRTZ
A. ECKSTEIN
R. ENGER
I. FOLTZ
I. FREI
G. GRSRNIV8
P. GRAVTOFF
die Namen der Geber enthält
A. GVTSCHMFDT
W. HARLESS
T. HVG
G. IHNE
H. ILBERG
H. KEIL
I. KLEIN
A. KOCH
I. KRAVSS
A. LANGE
H. LANGENSfEPEN
A. LOWINSKY
E. MEHLER
E. NASSE
L NICKES
, nemlich:
O. NITZSCH
F. PAVLY
C. PRIEN
L REISACKER
O. RIBBECK
A. SCHLEICHER
L. SCHMIDT
O. SEEMANN
H. STEIN
G. THILO
P. TZSCHTRNER
L VAHLEN
A. VPPKNKAMP
M. WILMS
L ZAHN
liUerariflche nhd antiquarische Miscellen. HS
— Die Mitglieder der Geseilschaft janger Philologen in Bonn grata-
Herten mit einer yon Dr. J. Vahlen verfafsten Schrift, welche aufser
einer epistula gratalatoria das bellum Pnnicnm des NaeTios enthält.
Eine den Fragmenten yorausgescbickte Vorrede gibt Andeutungen
ober die Behandlung derselben und theilt aufserdem Verbefserungs-
vorschlage lu Valerius Maximus Vif, 6, I. Fronte I ep. IX p. 19 ed.
Mediol. und Velleius Paterculos II, 28 mit. [Diese Schrift ist auch
im Buchhandel erschienen unter dem Titel: Cr. Naevi de hello Pu-
tiieo reliquiae. Ex reeemione loannit Vahleni, Lipsiae formis
B. 6. Teubneri. 20 S. ^r. 4.] — Die ordentlichen Mitglieder des
philologischen Seminars m Bonn nberreicbten eine antike Eule in
Bronze, über welche Rauch in einem Briefen Böttiger (Amaltbea III
S. :260) das nähere mittheilt. Es ist die im herzoglichen Museum zu
Braunschweig befindliche Eule, an welcher Rauch die fehlenden Kral-
len und den liegenden Jnnglingskopf, auf welchem die Eule steht, er-
gänzt hat. Ein in Rom aufgefundenes Original desselben Käuzchens,
von welchem die Amalthea a. a. O. eine Zeichnung gibt, ist vollstän-
dig erhalten; hier steht die Eule 'auf drei Mäusen, deren Schwänz-
chen sich um den linken Fufs derselben winden. Mit der rechten
Kralle scheint sie sich die eine oder die andere als Frafs zum Schna-
bel fuhren zu wollen.' — Femer sandte Dr. Otto Ribbeck in Ber-
lin die ersten sechs Bogen seiner demnächst bei B. G. Teubner in
Leipzig erscheinenden Comieorum LaÜnorum reliquiae^ ungefihr die
sämmtlichen Reste der fabula palliata enthaltend, mit folgender De-
dication:
T MACCI . PLAVTI
IN COMICA ARTE • CONLEGARVM
QVANTVLVM TEMPORVM • TRISTITIA RESTAT
SVMMO • INLVSTRANDAE • SCBNAE - ARTIFICI
GRATVLATVR
DIEM A D V . ID IVL A MDCCCLIIII • FE8TISSIMVM
INTERPRETE
OR
— Dr. J. Bernays in Breslau überschickte den ersten Abschnitt sei-
nes Buchs über Joseph JustuB Sealiger, In dem vorgedruckten Gra-
tttlationsschreiben hebt der Vf. namentlich den Gedanken mit Nach-
druck hervor, dafs für Ritschi das Praedicat eines Doctors nie
blofser Titel gewesen, dafs er vielmehr mit Recht ein Lehrer ge-
nannt worden sei, da er in seinem 'hingebenden und Hingebung er-
weckenden Verkehr mit der Jugend' stets sich Schüler zu erziehn
gewust habe ^). — Von Dr. Martin Hertz in Berlin gieng folgende
'^) Um die Aufmerksamkeit unserer Leser auf dieses Buch von
Bernays (von dem wir nach seinem vollständigen Erscheinen eine
eingehendere Anzeige bringen zu können hoffen) vorläufig hinzulenken,
geben wir hier einstweilen ein kurzes Referat über den Inhalt des bis
jetzt in wenigen Abdrücken ausgegebenen ersten Abschnitts. Er ent^
hält eine einleitende Charakteristik Scaligers, worin der grofse Fran-
zose des 16n Jh. mit wenigen lichtvollen Strichen als der Heros der
universalen Philologie gezeichnet wird. Ausgehend von den
Urtheilen stimmberechtigter Philologen der Neuzeit über Scaliger
zeigt B., wie fikaligers wifsenschaftliche Hohe nur im Verein mit sei-
ner ethischen Eigenthnmlicbkeit im rechten Lichte betrachtet werden
könne, und beleuchtet sodann diese Verknüpfong von ' Geist nnd Cha.
If. Jokrb, f. Pm, ». Pmd. BtL LXX, Bfl. 1. 8
114 Schal- and Personaliiachrichlen, statistische Mittheilungen,
Schrift ein: T. Macciua Plauiui oder M, Acciu8 Plauiui? Eine Ah-
handlunff von M. H. Berlin MDCCCLIIIf. Verlag von I. Gutten-
tag (T. Trautweinscher Buchverlag). 32 S. 8, als Festesgabe im
eignen Namen wie in dem des durch Bande der Freundschaft wie
naher Verwandtschaft Ritschi gleich verbundenen Verlegers darge-
bracht. Der Vf. weist darin die neulich im Archiv für Philol. u. Paed.
XIX S. 262 ff. von Hrn. Geppert gegen Ritschis Untersuchungen über
die Namen des Plautus gemachten Ausstellungen als durchaus grundlos
zurück. Dr. Maximilian Enger, Privatdocent der orientalischen
Philologie in Bonn, überreichte eine lateinische Ode in sapphischem
Versroafsy die wir als ein erfreuliches Zeichen, dafs die praktische
Uebung der lateinischen Verskunst heutzutage doch noch nicht ganz
aufser Gebrauch gekommen ist, hier vollständig mittheilen:
Convenit laete iuvenum bonorum
Spiritum magnum quibns indldisti
Vera sectari veterumque amorem
Maxima turba.
Qui diem festum tibi literisque
Gaudiis certant alacres obire
Atque dilecto pia nuncupare
Vota magittro.
Quis meam frustra sociare vocem
Debilis vollem, quia si faveret
Viribus numen , tamen ipse prodis
Carmine maior.
Laudibus nnm quid superadditurus
Debitas grates coperem referre
Anne virtutis memorare digna
Praemia possem?
Sive tu profers veterum labores,
Seu naras nisus iuvenum levare,
Nominis fama celebri roagisque
Sidere claro,
rakter, von Wifsen und Wollen' in Scaliger an der Stellang, welche
er der italienischen Philologie gegenüber eingenommen hatte. Der
ansschliefslich geniefsenden und künstlerisch nachbildenden Richtung der
Italiener and ihrem Mangel an Wahrheitsliebe und Kritik tritt Scali-
ger mit seinem auf Erkenntnis dringenden Wahrbeitsstolz schroff ent-
gegen, und indem er den Gesichtskreis der classischen Studien weit
aber die von den Italienern abgesteckten Grenzen aasdehnt, stellt er
ihnen das Muster einer ins einzelne dringenden und zugleich künst-
lerisch schaffenden Kritik entgegen. Diese von der italienischen Ober-
hoheit sich emancipierende Stellung Scaligers bedingt and charakte-
risiert die erste Reihe seiner schriftstellerischen Arbeiten, zu denea
die Coniectanea zu Varro, die virgilischen Catalecta. die lectionet
Ausonianae, die drei lateinischen Krotiker und der Festas gehören.
Was die zweite Reihe seiner wifsenschaftlichen Thatigkeit anlangt, so
bestimmt B. zunächst den Platz, welchen das easebianiscbe Geschichts-
werk in der universalen Historie einnimmt, nnd xeigt wie Scaligen
Universalität im Anschlofs an jenes Werk ihren Abachlafs and la*
gleich ihren Glanz- und Höhepnnkt erreicht hat.
litterariscbe imd antiquarische Miscellen. 115
Lnstra lam fausti snperata qninque
Monerifl Musae tibi qiiod deaere
Gratnlor felix meliora ferre
Si licaisset,
Alteris ange totidem nee ulla
Mentis ardorein minuat senectii8
Nee tQo tristifl valeat morari
Pectore cura.
Arbori8 ritn prope fontis oram
Quam rigant imber tenuesque rores
Nee suo cessat radio fovere
Jupiter almus,
Floreas crescaaqne diuque nobis
LaetU8 intersis meritosque honores
Pi, preeor, iongis ciimulent, beate,
Nestorifl annis.
— B« bleibt uns nun noch nbrig über das von dem berühmten Maler,
Professor Julius Hubner in Dresden, als Geschenk an Ritscbi ein-
gesandte Gemälde eu berichten , in dessen Beschreibung wir etwas
ausführlicher sein wollen, weil doch nur wenigen unserer Leser Tergonnt
sein wird, sich an dem Anblick des herlichen Kunstwerks selbst zu
erfreuen. Es ist ein Tableau mit Zeichnungen aus des Plautus Miles
gloriosus. Die Hauptpersonen des Stucks sind in der Mitte des Blat-
tes in drei Toneinander geschiedenen Gruppen dargestellt: die mitt-
lere zeigt auf einem Thronsessel sitzend den Pyrgopolinices, wie er
von dem etwas tiefer sitzenden pausbackigen Parasiten Artotrogus ge-
streichelt wird; über beiden am obern Ende des Thronsessels ist eine
Venus angebracht; am Fnfse desselben sieht man nicht ganz Tollstän-
dig die Scipioneninschrift: hone oino ploirume coaentwnt Homai etc.
Von den beiden etwas hoher liegenden Seitengruppen stellt die eine
auf der rechten Seite die Philocomasinm und den Pieusicles sich um-
armend, die änderte links den alten Periplecomenus im Gespräch mit
der Acrotelentium dar. Ueber diesen beiden Seitengruppen ungefähr
in gleicher Linie mit der Venus sind die beiden Sklaven angebracht,
links Sceledrus auf den Knien liegend, die linke Hand nachdenklich
an die Stirn gehalten, mit der rechten auf Palaestrio zeigend, rechts
Palaestrio ebenfalls in kniender Stellung, mit der einen Hand nach
Philocomasinm und Pleufticies, mit der andern auf Sceledrus zeigend.
Zu Oberst in der Mitte ist der Ausgang des Stücks als 'Bonus Even-
tns' dargestellt: Amor mit Bogen und Pfeil; darunter Philocomasium
und Pieusicles sich umarmend, in Blick und Gebäbrden Reiselust aus-
druckend, und Palaestrio den von den Geschenken des IVliles gefüllten
Sack auf der Schulter tragend. Dieser Gruppe entsprechend etwas
tiefer zu beiden Seiten links die Milphidippa auf Periplecomenus her-
abblickend und beide Hände ausstreckend, rechts Cario mit dem Me-
fser in der Hand. Die unterste Gruppe des ganzen zeigt in der Mitte
einen Genius, rechts den Plautus mit der Mühle und einigen gefüllten
Säcken: er ist auf das eine Knie gestützt und hält die eine Hand
nachdenkend an die Stirn. Links ein Gelehrter (Prof. Ritschi vor-
stellend) an seinem Schreibtisch von Büchern umgeben, hinter ihm
eine Muse, welche die rechte Hand auf seine Schulter gelegt hat, mit
der linken auf Plautus zeigt. Der Genius in der Mitte deutet mit
der einen Hand auf die Muse , mit der afidern auf Plautus. Die freien
8*
116 Schul- und Personalnachrichten, statistische Mittheilungen,
Stellen zwischen diesen drei Personen sind durch Steine mit lateini-
neben Inschriften ausgefüllt. Aufserdein sind noch zwei Paare von
Figuren da: das eine zu beiden Seiten des * Bonus Eventus': links
ein Genius mit einem Spiegel in der Hand und dem S}irucb 'Te fa-
bula narrat% rechts ein anderer jenem entsprechend mit dem Spruch
' ridendo corrigere mores'. Das andere Paar ist auf beiden Seiten un-
gefähr in gleicher Linie mit dem Fnfse des Thronsessels: links eine
Figur mit einem geöffneten Buch, auf dessen einer Seite 'Die alexan-
driniscben Bibliotheken', auf der andern 'Parerga' steht; rechts eine
entsprechende Figur, die Maske der Komoedie in den Händen haltend
mit dem 'Piaudite'. Die Dedication lautet folgendennafsen :
Hasce imperitissimi in Pfauti Militem Gloriosum Inlustrationunculas
Tnlustrissimo Antiqnitatis VniTersae Jnlnstratori
FRIDERICO RITSCHELIO
diem festum XT. m. lul. A. MDCCCLIV congratnians
gratissimi animi tesseram Tolins Hubnerus Pictor o. d. d.
— Am Morgen des Festes war von den Zuhörern Ritschis Auditorium
und Katheder mit Laub und Blumen bekränzt worden und beim Ein-
tritt desselben erhoben sich alle anwesenden von ihren Sitzen, wor-
auf Ritschi in herzlichen Worten den Zuhörern seinen Dank aussprach.
Das Fest wurde bescblofsen mit einem Abendefsen im 'goldnen Stern %
wozu sich die anwesenden Schuler sowie mehrere Freunde und CoUe-
gen Ritschis um den Jubilar Tersammelten.
Braumsberg. Dem ordentlichen Lehrer am dortigen Gymnasium
Dr. Weierstrafs ist das Praedicat als Oberlehrer beigelegt worden«
Braunschweig [s. Bd. LXVIII S. 105]. Die einzige im Schuljahr
1853 — 54 im Lehrerpersonal des dortigen Obergymnasiuros vorgegan-
gene Veränderung ist Bd. LXVIIf S. ö51 berichtet worden. Die Fre*
quenz betrug im Sommer 1853 69, im folgenden Winter 71 (!': 9, 1*^:
15, II*: 17, 11^: 30), darunter 17 auswärtige Schüler. Zur UniTersi-
tat wurden Mich. 1853 5, Ostern d. J. 6 entlafsen. Den Schalnach-
richten im Osterprogramm d. J. gehen voraus: Einige [fünf] Schul-
reden vom Director Prof. Dr. G. T. A. Krug er (27 S. 4).
Breslau. Nachdem am dortigen Gymnasium zu St. Maria Mag-
dalena [s. Bd. LXIX S. 459] der 3e Professor Dr. Rüdiger nach
34jähriger Dienstzeit in Ruhestand getreten war, wurde dessen Stelle
dem ersten Oberlehrer Dr. Sadebeck übertragen und die folgenden
Coilegen ruckten in die nächst höhere Stelle auf. lieber die Besetzunff
der dadurch erledigten 8n Lebrerstelle ist Bd. LXVIH S. 458, auch
über den durch den Tod des Oberlehrers Dr. H. Bartsch (geb. 6.
Octbr. 1810) erlittenen Verlust Bd. LXIX S. 234 berichtet worden.
Einige neuere Veränderungen s. Bd. LXIX S. 699. Das Lehrercolle-
gium besteht demnach gegenwärtig aus dem Director Prof. Dr. Schon-
born, dem Prorector Prof. Dr. Lilie, den Professoren Dr. Sade-
beck und Dr. Tzschirner, den Coilegen Dr. Beinert, Palm,
Dr. Schuck, Dr. Cauer, Dr. Beinling, Königk, Dr. Sorof,
dem Collab. John, den Lehrern Seltzsam, Köhler, Slurra, Can-
tor Kahl, Zeichenlehrer Maler Eitner und Scbreiblehrer Jung.
Die Schüierzahl betrug im Sommer 1853 641, im folgenden Winter
635 (I: 55, II: 68, III* : 56, 111»»: 63, IV: 71, V: 64^ VI: 79, Elemen-
tarclassen: 179). Zur Universität wurden Mich. 1853 11, Ostern d. J.
5 entlafsen. Den Schulnachrichten im Osterprogramm geht voraus:
Christian Weise. Eine litterarhistorisehe Abhandlung von H. Palm
(56 S. 4).
CzERiiowiTZ. Als wirkliche Gymnasiallehrer wurden am k. k.
Gymnasiom angestellt derSupplent Wensel Real und der vorher am
Utterarische und auliquarwche Miscellen. 117
akademiaclieii Gynnuuuom so Lemberg beschäftigte Supplent Nico-
laus Unidy.
EisEifACH. Nachträglich zu dem Bd. LXIX S. 699 ff. mitgetheii-
ten Bericht über das dortige Kari-Friedrichs-Gymnasiam sei hier er-
wähnt, dafs zur Feier des Geburtsfestes des Grofsherzogs am 24. Juni
d. J. der Director Hofrath Dr. K. H. Funkhänel eingeladen hat
durch ein Programm mit folgender Abhandlung : Beiträge sur Ge-
Bchiekte der Schule, 3r Theil (15 S. 4), worin u. a. die vom Rector
Andreas Boetius im J. 1555 aufgesetzte und hohem Orts bestätigte
Schulordnung in ihrem wichtigsten Theil abgedruckt ist.
Fueioerg. Das dasige Gymnasium zählte Ostern 1834 121 Schüler
(I: 13, 11: 18, III: 19, IV: 26j V: 31, VI: 14). Mich. 1853 wurden
5, Ostern 1854 7 zur Universität entiafsen. Die Prograromabhandlung
ist Bd. LXIX S. 576 angegeben.
Gleiwitz. An dem dortigen katholischen Gymnasium ist der Li-
centiat der Theologie Hirschfelder als 2r Religionslehrer ange-
stellt worden.
Glogau. An das dortige evang. Gymnasium ist der Oberlehrer
Dr. Rühle Tom Paedagogium in ZüUichan in gleicher Eigenschaft
▼ersetzt worden.
GÖRLITZ. Dem Conrector am dortigen Gymnasium Dr. Ernst
Emil StruTe ist der Professor-Titel Terüehen worden.
GÖTTiMGEN. Am 2. Juni d. J. wurde die alljährliche PreisYerthei-
lung vollzogen und durch den Professor der Eloquenz, Hofrath Dr.
K. Fr. Hermann» mit einer Rede eingeleitet. Diese erinnerte an
den am 6. Januar d. J. erfolgten Tod des ehemaligen langjährigen Or-
gans dieser Festlichkeit, des Geb. Justizraths Mitscherlich, der
von 1808 — 35 und dann noch einmal als 80jähriger Greis in den Jah-
ren 1810 und 41 als akademischer Redner gewirkt hatte, und knüpfte
daran einige allgemeine Worte über V^Tesen und Zweck der aka-
demischen Beredtsamkeit, die mit der Betrachtung endigten,
dafs für den rein künstlerischen panegyrischen Charakter dieser Be-
redtsamkeit, der auch mit dem Gebrauch der lateinischen Sprache eng
verwachsen war, der Sinn verschwunden und dieselbe vielmehr in das
Gebiet der Discnssion hinübergedrängt sei, auf welchem sie allerdings
in der lebendigen Muttersprache vom Herzen zum Herzen reden könne,
aber doch zunächst nur das Votum eines einzelnen in dem grofsen
Sprechsaal der Gegenwart ausdrücke und noch lange Zeit bedürfen
werde, bis sie darin die Meisterschaft ihrer Vorgängerin erreicht
habe. — Die philosophische Facultät krönte den Stud. Otto Scho-
nemann aus Wolfenbüttel für die Bearbeitung der historischen Preis-
aufgabe des vorigen Jahrs über die romische PfDvinz Bithynien und
Pontus. Die für das nächste Jahr von derselben Facultät gestellte
Preisauf^abe aus dem Gebiete der classischen Philologie lautet: 'De
eloquentia Isocratis hniusque aucturitate et disciplina cum in reliqua
literarum Graecarum historia tum in artis oratoriae conformatione et
incrementis cunspicua.' — Die Rede ist unter dem angegebenen Titel
bereits im Druck erschienen (21 S. 4).
Greifswald. Zum ordentlichen Lehrer am dortigen Gymnasium
ist der Torherige Lehrer am Paedagogium der Franckeschen Stiftun*
gen in Halle, Dr. Konrad Niemeyer, erwählt und bestätigt worden.
Iglau. Der Supplent am k. k. Gymnasium Karl Werner wurde
zum wirklichen Gymnasiallehrer ernannt, der Supplent Thomas Ho-
henwarter nach Kaschau versetzt.
Kaschau. Am k. k. Gymnasium wurden als wirkliche Gymnasial-
lenten Dr. Hermann Tausch und Tho-
lehrer angestellt die Suppl
mas Hohenwärter, feta
etzterer vorher am k. k. Gymn. zu Jglau.
118 Schul- und Personalnachrichtcn , siatislisclie Mittheilungen,
KÖNIGSBERG IM DER Neumark. Zum Oberlehrer and Mathematicus
am dortigen Gymnasium ist der Oberlehrer Chr. Aug. Heyer vom
evang. Gymnasiaro in Glogau berufen und bestätigt worden.
Laicach. Der Supplent am k. k. Gymnasium, Weltpriester Bla-
sius Kozenn ist zum wirklichen Gymnasiallehrer befördert worden.
Leipzig. Der Privatdocent Dr. Fr. Zarncke ist zum aufseror-
deutlichen Professor in der philosophischen Facultät der dortigen
Hochschule ernannt. Der aufserordentliche Professor der Staats wifsen-
schaften Dr. Karl Biedermann ist seiner Professur enthoben worden.
Leutschau. Am dortigen katholischen Gymnasium ist der Sup-
plent AloisJehlickazum wirklichen Gymnasiallehrer ernannt worden.
Magdeburg. Am dortigen Paedagogium zum Kloster U. L. F. [s.
Bd. LXVIII S. 106 f.] wurde Ostern 1853 dem Schulamtscand. Fr.
Danneil eine Hilfslehrerstelle übertragen. Michaelis dess. J. schie-
den die Hilfslehrer Händler und Dr. Bech aus dem Lehrercollegium,
jener als Oberlehrer an die Realschule in Fraustadt berufen, dieser
um die 6e ordentliche Lehrerstelle am Gymnasium zu Zeitz zu aber-
nehmen. Ueber die Wiederbesetzung der beiden dadurch erledigten
Stellen ist Bd. LXVIII S. 655 berichtet worden; aufserdem s. Bd.
LXIX S. 231. Das Lehrercollegium besteht demnach jetzt aus folgen-
den Mitgliedern: dem Director Prof. Dr. th. G. W. Mul ler, dem Pro-
rector Prof. Hennige, den Professoren Schwalbe und Dr. Hasse,
den Collegen Michaelis , Dr. Kloppe, Dr. Eiselen, Dr. Schmidt,
Dr. Götze, Dr. Krause, Dr. Leitzmann, Danneil, Banse,
den Hilfslehrern Kalkow, Dr. Ackermann, Dr. Arndt, Musik-
director Ehrlich (Gesang), Historienmaler von Hopffgarten
(Zeichnen). Die Schülerzahi betrug im letzten Winterhalbjahr 433
(I: 24, H: 38, III*: 27, III»': 39, IV*: 4>, IV»»: 44. V*: 53, V«»: 67,
VI»: 58, VI»»: 41), darunter 72 Alumnen. Zur Unirersität wurden
Ostern 1853 9, Mich. 5 entlafsen. Programmabhandlung Ostern 1854:
Recherchca sur le dialccte de Guace (Wace), trouvire anglo-normand
du Xlle iUcle, Ile partie, vom Dr. Kloppe (24 S. 4).
Münstereifkl. Dem dortigen Gymnasiallehrer Dr. Thisken ist
das Praedicat als Oberlehrer beigelegt worden.
OsTROwo. Der bisherige interimistische Lehrer Dr. Ton Broni-
kowski ist als 2r ordentlicher Lehrer am dortigen Gymnasium defi-
nitiv angestellt worden.
Padua. Am dortigen k. k. Lycealgymnasium ist der provisori-
sche Lehrer Dr. Joseph de Leva zum wirklichen Gymnasiallehrer
ernannt.
Plön [s. Bd. LXVIH S. 566]. Michaelis 1853 wurde den bishe-
rigen 5 Classen der dortigen Gelehrtenschule eine 6e beigefügt und
Hr. Eh lerszum 8n Lehrer ernannt. Die übrigen Veränderungen im Leh-
rercollegium sind Bd. LXIX S. 232 berichtet. Dasselbe hat demnach jetzt
folgenden Bestand: Rector Prof. Bendixen, Cour. Klan der, Sub-
rector Sorensen, Collaborator Clausen und die ordentlichen Leh-
rer Keck, Bahnsen, Kuphaldt, Ehlers. Die Schülerzahl betrug
im Sommer 1853 58, im folgenden Winter 70 (I: 7, II: 7, III: 15,
IV: 17, V: 14, VI: 10). Programmabhandlung Ostern 1854: De Ethi-
corum Nicomacheorum intcgritate commeniatioy scr. J. Bendixen
(30 S. 4).
Posen. Die seitherigen interimistischen Lehrer Dr. Ustymo-
wicz und We^lewski sind als ordentliche Lehrer am Mariengymna-
sium angestellt worden.
Prag. Am dortigen Altstädter Gymnasium ist zum wirklichen
Lehrer ernannt der bisherige Polizeicommissär Franz Isidor
Proschko in Linz.
litterariscbe nnd antiquarische Miscellen. 119
SoLOTHURM. Die dasige höhere Lehranstalt zahlte 1853 an Schü-
lern, das Gymnasium 50 (C: 10, U: 12, III: 9, TV: 7, V: 8, VI: 4),
das Lyceum 17 (l: 10, II: 7), die technische Anstalt 37 (I: 17, II:
12, III: 6, IV: 4), die theologische Anstalt 2.
SoRAir. Ostern 1853 schied der Rector des dortigen Gymnasioms
Dr. Adler nach 45jähriger Amtsthatigkeit aas seiner bisherigen Stel-
lung; über die Wiederbesetzung der erledigten Stelle s. Bd. LXVII
S. 728; ferner s. Bd. LXIX S. 233. Das Lehrercolleginm hat gegen-
wärtig folgenden Bestand: Director Dr. Schrader, Conrector Prof.
Lennius, Subrector Dr. Paschke, Oberlehrer Dr. Klinkmüller,
Gymn.lehrer Dr. Moser und Scoppewer, Cantor Magdeburg,
Organist Heinrich. Mit dem Beginn des laufenden Sommersemesters
sollte eine 6e Classe neu errichtet werden. Die Schülerzahl betrug
im Winter 1853—54 162 (I: 11, II: 16, III: 46, IV: 40, V: 49). Mit
dem Zeugnis der Reife waren Ostern 1853 7 entlafsen worden. Pro-
grammabnandlungen Ostern 1853: De Phoenieum in omni negoiio ge-
rendo prudentia et aollertiay quae ex Homero vel aperte cogno$ei vel
quibuidam ve$iigiii intelligi poasunt , scr. E. A. Lennius (9 S. 4);
Ostern 1854: Ueber die elemeniar-geometriache Behandlung der Ke-
gehchnitiey von Fr. G. Scoppewer (19 S. 4 mit einer Figurentafel).
Teschen. Der Supplent am katholischen Gymnasium Job. Mrhal
wurde als wirklicher Gymnasiallehrer angestellt.
Tilsit. Der Hilfslehrer am dortigen Gymnasium Heinrich
Pohlmann ist zum 4n ordentlichen Lehrer an derselben Anstalt er-
nannt worden.
Torgau. Der Schulamtscandidat K. Fr. Blitz ist in eine etat-
mafsige Hilfslehrerstelle am dortigen eyangelischen Gymnasium beru-
fen und bestätigt.
Troppau. Der Religionslehrer am k. k. Gymnasium Dr. Jos.
Hanel wurde zum ordentlichen Professor der Moraltheologie an der
Olmützer Universität ernannt.
Ulm. Praeceptor Hetsch am dortigen Gymnasium ist seinem
Ansuchen gemäfs in den Ruhestand versetzt worden.
Worms [s. Bd. LXVIII S. 333 f.]* Am dortigen Gymnasium wurde
an die Stelle des pensionierten Gymnasiallehrers H. £. Pf äff der
vorherige Lehrer an der höhern Bildungsanstalt za Alzey Chr. Schü-
ler ernannt. Lehramtscand. Willenbücher schied nach Beendigung
seines Accesses von der Anstalt; dagegen tratCand. th. Carl Eich als
Accessist ein. Am 23. Januar d. J. wurde das 50jährige Jubilaeum der
vereinigten Gelehrtenschulen von Worms festlich begangen. Die bei
dieser Feier vom Director Dr. W. Wiegand gehaltene Rede ist im
Druck erschienen (Worms, in Comm. bei D. Schmidt. 16 S. 8); fer-
ner hat derselbe als Gedächtnisschrift dazu veröffentlicht einen
Grundriaa der Geschichte der Philosophie für Schüler der obersten
Classe von Gymnasien und für angehende Studierende y nebst Be-
trachtungen über die Vergangenheit und die Zukunft der Philoso-
phie (ebend. 107 S. 8). Die Schülerzahl betrog im Sommer 1853 174
(Gymn. I: 10, II: 17, HI: 26, IV: 34, Real I: 20, II: 28, III: 39);
zur Universität wurden Mich. 5 entlafsen. Programmabhandinng Ostern
1854: Symbolae eritieae ad epistolarum quae Piatoni vulgo tribuuntur
secundamy vom Director Dr. W. Wiegand (32 S. 8).
Zara. Der bisherige provisorische Director des dortigen Gymna-
siums Weltpriester und Dr. th. Georg Pullich ist zum wirklichen
Director der genannten Lehranstalt ernannt.
ZÜLLiCHAU. Veränderungen im LehrercoUegium des dortigen Pae-
dagogiums s. Bd. LXVIII S. 575. LXIX 8. 576 (unter Glogau). Die
120 Todesrälle.
Schflleriahl betrng im Wintersemester 1853—54 220 (T: 25, II*: 29,
IIb: 21, II1-: 30, IIP: 29, IV: 49, V: 20, VI: 17), darunter 124 Zög-
linge der Anstalt. Zur Universität wurden 3 entlafsen. Programm-
abhandlung: Thukydide$ und die Folksreligion vom Oberlehrer I>r.
Klix (30 S. 4).
Todesfälle.
Am 17. April 1854 starb zn Gmnnden in Oberosterreich Dr. Wilhelm
Hebenstreit, verdient als Kunstkritiker and Aesthetiker, geb.
24. Mai 1774 zn Eisleben.
Im Monat Mai zu Helmstedt Dr. Johann Christian Elster, Con-
rector am dortigen Gymnasium.
Am 16. Juni zu Boppard am Rhein Professor Dr. Friedrich Li Ode-
rn ann, pensionierter Director des Gymnasiums zu Zittau.
Am 24. Juni zu Dresden der seit 1848 emeritierte Rector der Kreuz-
schule daselbst Christian Ernst August Grobel, geb. 1783
in dem thüringischen Dorfe Flemmingen.
Am 4. Juli zu Köln der Geh. Oberjustizrath a. D. Dr. Karl Frie-
drich Eichhorn, Vf. der ^deutschen Staats- und Rechtsge-
schichte % früher Professor der Jurisprudenz an den Universitäten
Frankfurt an der Oder, Berlin und Gottingen, geb. 20. Novem-
ber 1781 zu Jena.
Am 6. Juli zu München der ordentliche Professor der Mathematik nnd
Physik an der dortigen Hochschule Dr. Georg Simon Ohm,
geb. 1789 zu Erlangen, von 1817 — ^26 Professor am katholischen
Gymnasium in Köln.
An demselben Tage zu Paris Desir^ Raonl Roche tte, Professor
der Archaeologie, Mitglied des Instituts seit 1816, bestandiger Se-
cretär der Akademie der schonen Künste, geb. zu St. Amand
9. März 1789.
Am 8. Juli zu Gottingen Consistorialrath Professor Dr. Johann Karl
Ludwig Gieseler, der rühmlichst bekannte Kirchenhistoriker,
geb. 3. März 1792 zn Petershagen bei Minden, 1812 Collaborator
an der lat. Hauptschule in Halle, 1817 Conrector in Minden, 1&I8
Gymnasialdirector in Cleve, 1819 ordentlicher Professor der Theo-
logie in Bonn, seit 1831 in derselben Stellung in Gottingen.
Am 10. Juli zu Zürich Professor Konrad von Orelli, jüngerer
Bruder Job. Kaspars von Orelli, langjähriger Bearbeiter der neuen
Ausgaben von Hirzels französischer Grammatik, geb. 1788.
Am 12. Juli zu Frankfurt am Main der Professor der Geschichte fSr
die katholischen Schüler des dortigen Gymnasiums Dr. Johann
Baptist Joseph Leopold Steingafs, geb. 23. April 1790 m
Mühlheim am Rhein.
Kritische Benrtheilnngen.
Piatons sämmtUche Werke. Uebersetzt von Hieranymu$ Müller^ mit
Einleitungen begleitet von Karl Steinhart. Vierter Band. Leipzig,
F. A. Brockhaas. 1864. 775 S. gr. 8.
(Schlufs von S. 19 ff.
Viel schönes enthalt die Einleitung zum Phaedon. Zuerst wer-
den die Ansichten der frühem Dichter und Denker über Wesen und
Unsterblichkeit der Seele durchgemustert S. 373 — 381, wobei wir es
nicht gerechtfertigt finden, wenn S. 548 Anm. 4 in den sogenannten
Werken und Tagen, die unter dem Namen des Hcsiodos umgehen,
der Mythos von den Wellallern Vs. 106 — 200 ohne weiteres demsel-
ben Dichter mit Vs. 213 ff. beigelegt wird, s. Schumann im Greifs-
walder Sommerkatalog 1854 S. 12 f. Ebenso wenig vermag ich Ge-
wicht auf die Gründe zu legen, mit welchen S. 552 Anm. 24 die von
mir gebilligte Vermuthung Zellers bestritten wird, welche erst den
Piaton zum Urheber der wirklich ausgebildeten Lehre von der Welt-
secle macht. Aus dem angeblich philolaischen Fragment bei Stobaeos
Ecl. I, 21, 2 kann, wie ja auch Hr. St. zugibt, wenigstens nichts
sicheres bewiesen werden. Sehen wir aber von dieser Stelle ab, so
ist im übrigen bei Philolaos höchstens von einer Weltharmonie die
Rede. Noch weniger beweist der das Weltall durchwehende unbe-
grenzte Hauch der Pythagoreer, Aristot. Phys. IV, 6 p. 213 b 22:
denn mag derselbe bezeichnen was er will, jedesfalls bezeichnet er
nicht die Weltseele, da er zunächst aufserhalb und nicht innerhalb
der Welt ist. Die Verse des Empedokles endlich 359 — 361 führen
allerdings auf eine Weltseele , allein Hr. St. selbst bemerkt ja S. 376,
dafs Empedokles die Seele ganz materiell anffafste; ebenso gut hatte
er mithin ja bereits das Fragment des Anaximencs (S. 549 Anm. 11)
gegen mich geltend machen können, in welchem gleichfalls nicht un-
deutlich die Luft als alldurchdringende Seele anerkannt wird. Solche
Stellen beweisen nichts , die ausgeprägte Lehre von der Weltseele ist
vielmehr erst da vorhanden , wo der specifische Unterschied zwischen
Seele und Körper erkannt ist, und dies war bei keinem andern vor-
sokralischen Denker der Fall als beim Anaxagoras, nicht aber bei den
Pythagoreern, denn wenn man wie diese alles aus Zahlen bestehen
läfst, so gilt dies vom Körper so gut wie vom Geiste. Weshalb es
/V. Jakrh. f. PhU. u, PaetL Bd. LXX. ///». 1, ^
122 H. Malier u. K. Steinhart: Piatons sammtliche Werke. 4r Bd.
(S. 378) ^ kaum zu bezweifeln ' ist , dafs die Folgerungen , welche im
Phaedon aus der pythagoreischen DeHnition der Seele als Harmonie
gezogen werden , schon zu Piatons Zeit von einzelnen Pythagoreern
ausgesprochen waren , vermag Ref. gleichfalls nicht abzusehen. Wa-
rum sollte es nicht ebenso gut möglich sein, dafs Piatons kritischer
Geist zuerst die Consequenzen dieser Lehre entdeckte, welche ihren
eignen Urhebern noch entgangen waren?
Es folgt eine Erörterung über die Gestaltung der Unsterblich-
keitslehre in Piatons bisherigen Dialogen S. 381 — 386. Zu viel ist es
behauptet, dafs im Theaeieios der Unsterblichkeit gar nicht gedacht
werde; s. daselbst p. 177 A. Auch was über den Staatsmann berichtet
wird, ist nicht zutreffend; es steht dort keineswegs, dafs jede Seele
während jeder Weltperiode nur einmal ein selbstbewustes Leben
führe, sondern nur dafs die verschiedenen Zustande der Seele mit in
den Kreislauf der Wellperioden verflochten sind; nicht anders wie
auch im Phaedros. Ebenso ist die Behauptung irrig, dafs die Ewig-
keit der Seele, wie sie im Phaedros nachgewiesen wird, noch nicht
die ewige Fortdauer der einzelnen Seelen in sich schliefse ; wenig-
stens ist der dort gebrauchte Ausdruck näca tfn;%T) ^ alles was Seele
heifst' bisher noch immer so gedeutet worden, dafs er gew&hlt sei,
um anzudeuten, dafs das hier bewiesene von aller und jeder Seele
gelte. Man wende nicht ein, dafs wir so mit den Thier- und Pflanzeu-
seelen ins Gedränge kommen, indem so auch deren Unsterblichkeit
liieraus folgen würde ; denn von dem Widerspruch , nach dieser Seite
hin zu viel bewiesen zu haben, ist auch das Schlufsargument des
Phaedon nicht frei. Dafs aber die Meinung des Hrn. St. , die auf den
Unslerblichkeitsbeweis im Phaedros folgende mythische Darstellung
diene dazu, wenigstens den Glauben an die persönliche Fortdauer za
sichern , irrig sei , folgt aus Piatons eignen Worten p. 246 A : niql ftiv
ovv a&avaalag aitijg tKavmg^ mit welchen ja deutlich gesagt wird,
dafs dies Capitel als solches hier bereits abgeschlofsen sei, der fol-
gende Mythos mithin einen andern Zweck habe.
S. 386—389 beurtheilt der Hr. Vf. die frühern Ansichten über
den Grundgedanken des Phaedon und entwickelt dann S. 389 f. seine
eigne in dem Satz , ^ dafs die zur Erkenntnis erhobene Ueberzeugung
von dem ewigen Leben der Seele, der Trägerin der Idee des Lebens
und der unaufhörlich wirksamen Vermittlerin zwischen der Welt
der Ideen und Erscheinungen , aller Philosophie Grundbedingung und
höchstes Ergebnis sei'. Das letztere dürfte denn doch zu viel gesagt
sein; höchstes Ergebnis der Philosophie ist vielmehr die Ideenlehre,
und die Unsterblichkeit ist vielmehr erst deren weitere Consequens.
Grundbedingung aber ist sie nach Piaton allerdings; fragen wir je-
doch, warum, so wird sich keine andere als die schon von Schleier-
macher gegebene Antwort finden lafsen , weil nur so eine Erkenntnis
der Idee möglich ist, weil das ähnliche nur durch das ähnliche, das
ewige nur durch das unsterbliche erkannt werden kann. Mit Recht
bemerkt nun freilich Hr. St., dies sei nur die subjective, wir würden
H. Haller u. K. Sleinhtrl: PIttons simmtliche Werke. 4r Bd. 123
lieber sagen, nur die theoretische Seite. Allerdings mufs die prakti-
sche hinsutrelen: die Seele ist auch die belebende und beherschende
Macht über alles körperliche , welches mithin nur durch ihre Vermitt-
lung zu der vollen Entfaltuug seines Lebens und Daseins, sn der vol-
len Theilnahme an den Ideen gelangt, deren es überhaupt fähig ist.
Auch diese Aufgabe kann die Seele nur erfüllen, indem sie, obwohl
selbst Erscheinungsding, doch durch ihre Unsterblichkeit mit den
ewigen Ideen näher verwandt ist. Und gerade auf dieser Bestimmung
der Seele als der Bringerin des Lebens beruht der eigentlich ent^
scheidende Schlufsbeweis , und auch dies erklärt sich leicht, weil
diese zweite Aufgabe, obwohl sie an sich und losgerifsen von der
erstem weit niedriger steht als diese, obwohl sie, genauer ausge-
drückt, allen Seelen gemeinsam und blofs physischer Natur, oder viel-
mehr gerade weil dies alles der Fall ist, als die unentbehrliche Vor-
aussetzung und Grundbedingung der erstem erscheint. Aber gerade
wegen ihrer Verwandtschaft mit den Ideen, den Prinoipien alles Wi-
fsens so gut wie alles Seins, strebt die Seele nothwendig von vorn
herein sich diese ihre Aufgabe zum Bewustsein zu erheben , sie lernt
nicht blofs den Körper, sondern auch ihre eignen, mit demselben
verwachsenen Leidenschaften beherschcn, d. h. sie erhebt sich zur
Tugend und eben damit auch zum Wifsen. So ist der Uebergang von
der zweiten Aufgabe der Seele in die erstere in und mit ihrem Wesen
gegeben, d. h. eben mit andern Worten: lebenspendend stirbt sie
doch selbst dem Leben ab , um so in ein höheres Dasein überzugehen.
Keinen Kenner der platonischen Denkart wird dieser Uebergang überra-
schen, denn gerade ebenso erschien im Gastmahl als das letzte Ziel der
bildenden Mittheilung vielmehr die eigne Erkenntnis. Dafs nun aber eben
deshalb auch hier diese ganze belehrende Miltheilung an andere mit in
die Entwicklung aufgenommen werden mufs und soll, daran erinnert uns,
wie auch Hr. St. nach Schlciermacher zugibt, vornehmlich das dramati-
sche Element des Dialogs. Sehr richtig bemerkt Hr. St. S. 655 Anm. 36,
dafs die von mir gewählte Bezeichnung der auf den Tod des Sokrates
bezüglichen Erzählung als ^Einrahmung' nicht passend ist; doch durfte
er daraus nicht die weitere Folgerung (S. 387) ziehen, dafs ich dieselbe
deshalb für unwesentlich gehalten hätte, da das Gegentlieil aus S. 25
meines Prodromus erhellt. Ueberhaupt aber stellt er meine Auffafsung
nicht correct dar, woran allerdings die derselben auch im Aus-
druck noch anhaftende Unklarheit schuld ist. Dafs der Grundgedanke
des Dialogs die Outologie der Seele sei, behaupte ich allerdings noch
heute, aber wenn Hr. St. angibt, dafs nach meiner Ansicht *die Un-
sterblichkeit nur hineingezogen sei, weil sie nothwendig zum Wesen
der Seele gehöre, so sind das nur und das hineingezogensein
seine eignen Zusätze. Meine Worte lauten vielmehr: ^sollte der
Dialog daher nicht überhaupt eine Darstellung des Wesens der Seele
und ihrer Gesammtbeziebungen zur Ideen- wie zur Erscheinungswelt
enthalten und die der Unsterblichkeit ebendeswegen, sofern sie noth-
wendig zu diesem Wesen gehört?' (a. a. 0. S. 23). Klarer und rich-
9*
124 H. Maller u. K. Steinhart : Platons sämmtUche Werke. 4r Bd.
tiger hätte ich allerdings sagen sollen : ^ und die der Unsterblichkeit
deshalb, weil sie eben dies Wesen in allen seinen Entfaltnngen sn
seiner letzten und höchsten Einheit zusammenschliefst,' und durch
diese Fafsung glaube ich mich denn auch mit dem Hrn. Vr. verstän-
digen zu können, da sie im wesentlichen mit der seinigen auf das-
selbe hinausläuft. Denn wenn er die Bedeutung der Seele als der
unaufhörlichen Vermittlerin zwischen Ideen und Erscheinungen in
seine Auffafsung aufnimmt, was besagen denn in der meinen die Ge-
sammtbeziehungen der Seele zu beiden Weiten anderes, da doch gewif
auch Hr. St. keine andern Seiten jener Vermitllung als die beiden hier
bereits entwickelten bei Plalon kennt? Freilich kann ich es ihm nicht
verdenken, wenn er S. 555 f. Anm. 38 in meinen unvorsichtigen Aus-
drücken a. a. 0. S. 89 einen Widerspruch gegen meine Grundannahme
findet. Indessen läfst auch dieser sich heben, denn was ich hier nach-
weisen wollte, war nur, dafs die Behandlungsweise des von mir
angenommenen Themas (Wesen und Verhältnis der Seele zu beiden
Welten) keine erschöpfende sei. Noch weniger Sorge macht mir der
Einwurf, warum denn Piaton auf die innere Gliederung der Seele
nicht einmal so viel Rücksicht genommen habe als im Phaedros. Meine
Antwort lautet ganz einfach: weil diese innere Gliederung, will sagen
die beiden sterblichen Theile nach meiner Auffafsung gar nicht zum
reinen Wesen der Seele gehören (s. o.). Bei seinem letzten Einwurf
endlich, wie zu dieser allgemeinen Weseusbestimmung die eschato-
logischen Mythen stimmton , da diese ja gerade das individuelle der
einzelnen Seelen behandeln, vergifst der Hr. Vf., dafs wir es hier
nicht mit physischen Gegenständen zu thun haben, bei welchen aller-
dings die Wesensbestimmung eine von vorn herein *allen gleichmäfsig
zukommende' ist. Bei der Seele dagegen ist dieselbe keine gegebene,
sondern ist in einer ihr erst gesteckten, erst durch freie Thätigkeit zu
erreichenden Aufgabe zu suchen, und gesteckt ist diese zwar allen,
aber wirklich erfüllt wird sie selbst annähernd nur von wenigen,
im strengen Sinne nur von den Philosophen, und nur in den letztern
tritt ihr Wesen daher in höchster Reinheit in die Erscheinung ; ohne
jene individuellen Unterscheidungen konnte es daher auch so hier
nicht abgehen.
Recht schön ist die mit dem Phaedros und dem Symposion ange-
stellte Vergleichung S. 390 — 393. Auch das über die Einkleidungs-
form gesagte S. 394 — 398 ist höchst beachtungswerlh. Der Bericht
eines Augen- und Ohrenzeugen deute auf gröfsere historische Treue
der Auffafsung , zumal da sie einem derjenigen Sokratiker beigelegt
werde, welche am wenigsten über die Lehre des Meisters hinans-
giengen. Dafür werde aber auf der andern Seite durch die Verbin-
dung dieses reinen Sokratikers Phaedon mit dem Pythagoreer Eche-
krales, zumal da beide. Platons Freunde waren, die iu diesem Ge-
spräche herschende Verschmelzung des sokratisohen Geistes mit dem
pythagoreischen ausgedrückt, und ebenso werde durch die Verlegung
ihrer Unterredung nach Phlius, welche der Vf. gut nachweist, ond
H. Maller n. K. Steiehart: Plttons simmtüche Werke. 4r Bd. 125
in eine von dem Tode des Sokrates schon etwas entfernte Zeit der
Gegenstand in eine gewisse Ferne gerfickt. Mit Recht wird jedoeh
Stalibaums Annahme, dafs diese Unterredang erst ins Jahr 394 falle,
verworfen. Ebenso werde auch darch die ausdrücklich hervorgeho-
bene Abwesenheit Piatons das ideale Gepräge, welches er diesen
letzten Ereignissen und Reden des Sokrates aufdrückt, bezeichnet.
Auch die Schilderung der Personen S. 398 — 411 darf sich, so sehr
die vortrefTliche Darstellung von Hermann Schmidt in der Ztschr. f.
d. GW. 1852 unserm Vf. die Hauptpunkte bereits vorweggenommen
hat, doch in der Kunst der Ausführung wohl mit der seinigen ver-
gleichen. Dafs der Nachrichler nicht mit dem p. 116 auftretenden Ge-
fangenwärter dieselbe Person ist, wie ich ehemals behauptet habe,
gebe ich Hrn. St. S. 559 Anm. 50 bereitwillig zu, wenn auch weniger
aus dem von ihm geltend gemachten Grunde, als vielmehr deshalb,
weil der Gefangenwörter offenbar dergestalt an dieser Stelle vom So-
krates Abschied nimmt, dafs man nicht erwarten darf ihn p. 117 noch
einmal auftreten zu sehen. Weniger treffend scheint uns dagegen die
Verschiedenheit zwischen dem Kebes ind dem Simmias , wie der Hr.
Vf. sie auffafst. Kebes soll mehr dem Verstände , Simmias mehr dem
Gefühle folgen. Ich sehe hiefür keinen Anhalt und glaube, man mufs
sich damit begnügen, in dem Kebes den schärferen, im Simmias da-
gegen den oberflächlicheren Forscher zu finden. Nicht darin , dafs der
letztere sich die mit seinem Einwurf unverträgliche Lehre von der
Praeexistenz gefallen läfst, die ja auch nach Piatons Ansicht bereits
hinlänglich bewiesen war , vermag ich mit Hrn. St. einen Tadel gegen
ihn zu finden , sondern nur darin , dafs er diese Unverträglichkeit gar
nicht bemerkt hat. Auch aus der Stelle im Phaedros p. 242 B, welche
ihn als unersättlichen Redefreund schildert, schliefst der Hr. Vf. zu
viel, wenu er meint, dafs es ihm darnach mehr um das Wort als um
die Sache zu thun gewesen sei; es folgt daraus nur, dafs er mehr die
Untersuchungen um ihrer selbst als um ihrer Resultate willen liebt.
Eben deshalb geht ihm der scharfe Sinn dafür ab , wo in den letziern
die blofse Wahrscheinlichkeit aufhört und die Gewisheit anfängt, p.
107 A B; dafs er sich allzu leicht bei dem zweifelhaften beruhige,
durfte im Angesicht dieser Stelle nicht behauptet werden: im Gegen-
thcil, selbst das gewisse unterliegt für ihn noch immer dem Zweifel,
weil er in keinem Punkte die Lust des Forsohens zu Ende kommen
lafsen will. Nicht Kebes, wie Hr. St. meint, sondern Simmias schwebt
in der Gefahr eines bodenlosen Skepticismns, denn der erstere ist im
geraden Gegensatz gegen den letztern am Sohlufse der Untersuchung
vollständig beruhigt, eben weil sein Zweifel gründlicher der Sache
selbst nachgeht. Seine Einseitigkeit besteht wohl nur darin, dafs er
mehr kritisch als productiv ist; Simmias ist im Streite, Phaedon, wie
es scheint , im Frieden allzu sehr von fremden Meinungen abhängig.
Simmias liebt, Phaedon scheut den Streit, jener ist ein guloloyog^
dieser droht ein fu<Sol6yog zu werden, denn hierauf mufs man es doch
wohl nach des Hrn. Vf. feiner Bemerkung S. 397 deuten, wenn So-
12Ö H. Müller u. K. Steinhart: PUions sümmtUcht Werke. 4r Bd.
krales gerade an ihn die Abmahnung yon der Misolugie richtet ; er ist
weder kritisch noch productiv, sondern eine weiche, sinnige, rein
receptive Natur. Beide drohen von entgegengesetzten Ausgangspunkten
demselben Skepticismus zuzueilen. Mit Recht aber erinnert Hr. St.,
dafs keiner der bisherigen Dialoge die Mitunterredner des Sokrates
so selbständig gegen ihn auftreten läfst wie hier den Simmias and
Kebes, und dafs ebenso keiner den Sokrates so ausschliefslich nur
mit einem Kreise seiner eigentlichen Schüler umgibt, denn nur so
sehen wir das Lebenswerk des Sokrates wirklich vollendet und die
von ihm geschaffene geistige Welt in hinlänglich selbstkräfligen und
hoffnungsreichen Anfangen vor uns.
Wenden wir uns nun der kurzen Analyse des Dialogs S. 413 —
428 zu, so wollen wir nicht verbeten, dafs wir gegen manches in
derselben entschieden protestieren müfsen, vor allem dagegen, wann
Piaton S. 414 brevi mann zum Glaubensphilosophen gemacht wird,
ganz abgesehn davon, dafs das vieldeutige Wort ^Glaube', welches
schon den Kirchenvätern und Scholastikern so viel zu schaffen machte
und von ihnen keineswegs immer in übereinstimmender Weise ga-
braucht ward, von uns billigerweise in philosophischen Dingen nicht
mehr angewendet werden sollte, ohne deutlich zu sagen, was wir
eigentlich darunter verstehn. Dafs im platonischen Eros jener dunkle
Drang der Menschenseele , welcher sie zunächst noch unbewusl zum
ewigen und wahren emporzieht und so, empirisch betrachtet, allem
Wifsen voraufgeht, enthalten liegt, wird niemand leugnen; will man
das Glauben nennen, so thue man es immerhin. Aber dos vergef^c
man darüber nicht, dafs dieser Trieb, eben weil unbewust, auch noch
gar keinen entwickelten ßewustseinsgehalt hat und auch nie einen an-
dern als den des entwickelten theoretischen Bewnstseins empfängt.
Ob diese Auffafsung richtig oder unrichtig ist, gehört nicht hioher;
platonisch ist sie jedcsfalls, denn sonst hätte nicht Plalon die Identi-
tät der Tugend mit dem Wifsen behaupten können. Schon hiedurch
zerfällt die Behauptung, dafs nach Piatons Intention die Beweise für
die Unsterblichkeit allein nicht ausreichen , sondern zu ihrer Ergän-
zung einer festern Begründung durch die Ethik bedürfen, welche nicht
durch Reflexion , sondern durch die Unmittelbarkeit des sittlich-reli-
giösen Bewnstseins allein Festigkeit und Freudigkeit der Uebcrzeu-
gung bewirkt. Wäre dies wirklich der Fall, so hätte Sokrates am
Schlufs zu dem immer noch zweifelnden Simmias schwerlich gesagt:
prüfe genauer die Ideenlebre , und auch du wirst überzeugt werden,
sondern vielmehr: werde ein befserer Mensch , dann allein kannst du
zur Ueberzeugung gelangen. Was aber das wichtigste ist. diese
ganze Behauptung des Hrn. Vf. beruht wieder allein auf jener unhalt-
baren Ansicht über die platonischen Mythen, als ob diesen ein über-
zeugenderer Glaubensinhalt inwohnte, welche wir bereits vorbin zu-
rückgetvicsen haben. Aber auch so muste der Hr. Vf. doch wenig-
stens die Verschiedenheit der Darstellung im Auge behalten und
durfte mithin (S. 41>5 ff.) nicht den einleitenden Abschnitt p. 63 E —
IL Nttller h. K. Sleiiihart: Plataas stenlliehe Werke. 4r Bd. 127
60 E 9 welcher gar nichto nythisches ui sich fafsl, mit den beiden
eschalologischen Mylhen ohne weitereg unter denselben Gesichtspunkt
«uNiaMneBwerfeB. Die, wie mir scheint, richtige Zusammenordnung
der verschiedenen einzelnen Massen des Dialogs habe ich schon in
meinem Prodromus gegeben und besiehe mich daher einfach auf meine
dortige Entwicklung zurück.
Für die Reihenfolge der Beweise für die Unsterblichkeit eignet
sich Hr. St. S. 414 f. Hermanns Ansicht an , bricht derselben jedoch
die Spitze ab. Denn nicht blofs entsprechen soll dieselbe nach
Hermann dem Entwicklungsgange der platonischen Philosophie, son-
dern vielmehr die wirkliche ßeihe der Beweise sein, wie sie Piaton
nacheinander immer je einen in jeder Phase dieser seiner Entwick-
lung sich gebildet hat. Hr. St. geht aber noch weiter in der Be-
schränkung: nicht ganz genau, sondern nur im wesentlichen soll
nach ihm jenes Entsprechen stattfinden. Das ist zuzugeben, aber dann
ist auch kaum mehr als etwas ziemlich selbstverständliches damit ge-
4Migt; denn da die historische Gesammtentwicklung Piatons eine so
höchst normal vom aiedern zum höhern aufsteigende war, wie sollte
da nicht die systematische , gleichfalls normal vom niedern zum hö-
hern aufsteigende Darlegung einer besondern Lehre mit ihr manigfal-
lige Berührungspunkte darbieten? Ueberdies fügt Hr. St mii Recht
noch die weitere Beschränkung hinzu, dafs der letzte, auf der Ideen-
lehre beruhende Beweis auch schon auf die frühem zurückwirkt, so
dafs dieselben wenigstens in der vorliegenden Gestalt auch bereits
vom Standpunkte der Ideeulehre geführt werden. Auf der andern
Seite aber schiebt der Hr. Yf. wiederum Hermann eine viel erweiter-
tere Ansicht unter, als er sie wirklich ausgesprochen hat. Die Rei-
henfolge der Beweise soll auch dem Entwicklungsgange der griechi-
schen Philosophie überhaupt entsprechen. Ich wcifs nicht, ob Hermann
diese Erweiterung billigen wird; mir erscheint sie im höchsten Grade
mislich. Gewis hat der Beweis aus dem Kreislauf des Werdens (p.
70 C — ^72 E) die herakleitische Lehre zur Voraussetzung , gewis hat
der folgende aus der avaiivriatg (p. 72 E — ^77 A) mit der pylhagoreisch-
empedokleischen Auffafsung der Seelenwanderungslehre, nach wel-
cher sie eine be wüste Fortdauer nicht ausschlofs, Zusammenhang;
aber das Vediältnis ist doch gleich in diesen beiden Fällen ein sehr
verschiedenes. Das herakleitische Werden ist Basis des. Beweises,
die pythagoreische Seelen Wanderung keineswegs, sondern sie wird
vielmehr erst selbst aus der avi^vrfiiq bewiesen. Das erstemal wird
von dem eigentlichen Princip der herakleitischen Lehre ausgegangen,
das zweitemal ein Dogma, welches mit dem Princip der Pythagoreer
nur in einem lockern, mit dem des Empedokles in gar keinem Zusam-
menhang stand, berücksichtigt. Der folgende Beweis aus der Ver-
wandtschaft der Seele mit den Ideen (p. 78 B — 80 E) soll mit Parme-
nides und Anaxagoras in Verbindung slehn ; auch dies mag eine ge-
wisse Wahrheit haben, allein ausdrücklich wird doch erst der Schlufs-
beweis mit dem vovg des letztern in Zusammenbang gebracht Ueberdies
128 H. Malier a. K. Steinhart: PUions sämmtliche Werke. 4r Bd.
M'ird der Hr. Vf. doch schwerlich eine Entwicklungsreihe der grie-
chischen Philosophie aufstellen wollen, in welcher Herakleitos (ab-
gesehn von den frühern loniern) in erster, die Pythagoreer und Em-
pedokles in zweiler, Parmenides und Anaxagoras in dritter Linie stehn.
Auch die Bezeichnungsweise dieser vier Beweise bei Uru. St.
will uns nicht scheinen. Gefallen Ursen könnte man sich , dafs der
erste derselben der physische oder naturphilosophische genannt wird ;
der Name des psychologischen ist dagegen für den zweiten ganz un-
passend , da er nicht aus der gesammten Psychologie , sondern nur aus
der Erkenntnislebre geführt wird ; noch weniger gefällt es uns end-
lich, wenn der dritte der ontologisch-metaphysische, der vierte aber
der dialektische heirsen soll, denn die platonische Dialektik hat ja
keinen andern Inhalt als die Ideenlehre, und nichts anderes als diese
ist für den Piaton Ontotogie und Metaphysik. Hr. St. hätte des
richtigen Weg Zellers (Phil. d. Gr. II S. 267 f. Anm.) nicht wieder
verlafsen sollen. Alle Beweise sind nur Abstufungen des ^inen onto-
logisch-metaphysischen oder dialektischen, wie es denn für Piaton
überhaupt keine andere Art des Beweises geben kann; alle suchen das
Wesen der Seele in seinem Zusammenhang mit den ewigen Wesen-
heiten überhaupt, d. h. den Ideen zu entwickeln, wie dies ja zum
Ueberflufs Hr. St. selbst anerkennt. Nur der erste dieser Beweise
könnte eine scheinbare Ausnahme bilden, wenn nicht der letzte p.
103 B ergänzend und ihn auf sein richtiges Mafs führend auf ihn zu-
rückblickte. Unrichtig und Piatons eignen Worten p. 77 C D wider-
sprechend ist die Behauptung (S. 407) , dafs der zweite dieser Beweise
mit dem ersten verbunden doch nur die Praeexistenz , nicht aber die
Fortdauer genügend erhärte.
Sehr gut gibt dagegen der Hr. Vf. S. 417 das Verhältnis der
drei ersten von den erwähnten Beweisen zueinander an: der erst«
geht von der Objectivilät des Daseins, der zweite von der Sub-
jectivität des Denkens und Erkcnnens aus, der dritte von der We-
senseinheit beider Seilen, von Object und Subject, Sein und Denken.
Noch feiner ist die Beobachtung (S. 424), dafs die beiden spätem Ein-
würfe des Simmias und Kebes die beiden frühern (p. 69 E IT. 77 B f.)
in einer reinem Form wiederholen. Eben dies hätte den Hrn. Vf. aber
um so mehr veranlafsen müfsen, auch schon die Entwicklung p. 63 E
— 69 E, gegen welche der erste Einwurf gerichtet ist, bereits als
einen, wenn auch nur einleitenden Beweis anzuschn und ebenso die
drei folgenden Beweise dem Schlufsargumente gegenüber in ^incn
Hauptabschnitt zusammenzuziehn.
Specieller geht hierauf Hr. St. S. 428 — 456 auf die Einzelheiten
des Dialogs mit besonderer Berücksichtigung des philosophischen Lehr-
gehaltcs ein. Zunächst nmfs sich Ref. hier, wie schon früher, dage-
gen erklären , wenn die Praeexistenz und avdfivTjatg S. 438 f. zu einem
blofsen Symbol der Ewigkeit des Seelenwesens und seiner Wesens-
einheit mit den Ideen verflüchtigt wird. Es wird vielmehr diese Lehre
hier in so durchaus wifsenschaftlicher Haitang entwickelt, dafs wir sa
H. Maller o. K. Steinhart: Piatons sfinmtliche Werke. 4r Bd. 129
einer solchen ausweichenden Deutung selbst dann kein Recht hfilten,
wenn Piaton sie wirklich , wie schon oben S. 416 f. behauptet ward,
später aufgegeben haben sollte. Dies letztere möchte aber schwer su
erweisen sein, denn wenn Piaton auf dieselbe später nicht wieder zu-
rückkommt, so kann man doch billigerweise überhaupt von ihm nicht
erwarten, dafs er das früher bereits erwiesene spater immer von
neuem wiederholen soll. Nur dann würde dieser Punkt ins Gewicht
fallen , wenn man zuvor bewiesen hatte , dafs eine solche Wiederho-
lung für seine gerade vorliegenden Zwecke nothwendig gewesen wäre
und trotzdem von ihm unterlafsen ist. Die Bemerkung des Hrn. Vf.
aber, dafs der avafivtfiig die unwifsenschaftliche Auffafsung der Seele
als eines Raumes zu Grunde liege, in welchem Ideen und Bilder ne-
beneinander aufgeschichtet liegen , um gelegentlich in Bewegung ge-
setzt zu werden, ist mir, offen gesagt, unverständlich, und ich mufs
daher ihre Beurtheilung den Lesern anheimstellen.
S. 439 findet Hr. St. in dem Beweise aus der Verwandtschaft mit
den Ideen den letztern die Bewegung abgesprochen; allein dies wi-
derlegt sich sclion aus der Idee des Lebens im Schlufsbeweise. Auch
die Darstellung der Widerlegung des Simmias S. 413 445 befriedigt
uns nicht ganz, noch weniger freilich die unbewiesene Behauptung
S. 425 f., dafs Piaton seinem Sokrates diese Widerlegung durch die
allzu grofse Nachgiebigkeit des Simmias leicht gemacht habe , womit
es uns überdies wenig zu stimmen scheint, wenn dieselbe trotzdem
S. 443 f. noch den heutigen Anhängern der Ansicht dieses Thebaners
zur Ueberführung ihres Irthums empfohlen wird. Uns scheint viel-
mehr diese Beweisführung eine der scharfsinnigsten zu sein , welche
Piaton jemals versucht hat, wovon man sich namentlich durch die Dar-
legung derselben bei H. Schmidt in seinem von Hrn. St. übersehe-
nen vortrefflichen * kritischen Commentar zu Piatos Phaedon' 2e Hälfte
(Halle 1852) S. 4 — 13 überzeugen kann. Hr. Schmidt stimmt mir zu-
nächst in meiner Deutung der Stelle p. 94 A bei , und wie zu Plalons
eignen Worten die hypothetische Fafsung derselben, welche Hr. St.
S. 564 f. Anm. 70 mit Brandts annimmt (Mnsofern doch, wenn Harmo-
nie und Seele gleichbedeutend wären, jene so wenig als diese einen
Gradunterschied zulafseu würde') stimmen soll, vermag ich nicht ab-
zusehn. Ausdrücklich sagt Piaton: aQfiovta yaq di^^roi; navxzX^g
avxb rovxo ovaa^ aQfWvlay ivaQfioöziag ovnor av fiivciaxoi.
Von einer Ueberrumpelung der Gegner, indem ihnen Sokrates mit
einemmale seinen eignen Begriff von der Seele unterlege, kann daher
nicht die Rede sein; im Gegentheil spricht gerade die Nöthigung, eine
solche Ueberrumpelung annehmen zu müfsen, entschieden gegen die
von Hrn. St. vertretene Ansicht. Im übrigen ist nun ferner die von
mir und auch noch von Hrn. St. ausgesprochene Meinung, dafs in der
Annahme einer moralischen Harmonie oder Disharmonie in der natür-
lichen Harmonie eine Absurdität und mithin ein selbständiger Wider-
legungsgrund zu suchen sei, durchaus nicht mit Piatons eignen Aus-
drücken zu vereinigen, wie Hr. Schmidt zureichend bewiesen bat.
130 H. Malier a. K. Steinhart: Piatons sammlliohe Werke. 4r Bd.
Sonst stimmt meine Darstellung (Prodr. S. 11) mit dem letztem aber-
ein, nar dars derselbe, von mir wie von Hrn. St. obweichend, niC
Recht die ganze Argumentationsreihe p. 93 A — 94 A in einen einsigea
Beweis zusammenzieht, wodurch der hypothetischen Deutung jener
obigen Worte in p. 94 A der letzte Boden entzogen wird. Endlich
steht Hr. St. den an die Spitze dieser Reihe gestellten Satz (p. 92 E f.X
dafs keine Harmonie ihren Theilen widersprechen dürfe, wiederum aU
ein selbständiges Argument an; was aber dadurch in dieser unausge-
führten Gestalt bewiesen sein könnte , ist nicht abzusehn. Hr. Schmidt
hat auch hier das richtige getrolTen , indem er in diesem Satze den
gemeinsamen Kern der beiden folgenden Argumentationsreihen findet,
in denen derselbe seine weitere Ausführung erhält und von denen die
erste (p. 93 A — ^94 A), wie Hr. Schmidt mit mir annimmt, beweist,
dafs die Seele überhaupt keine Harmonie, die zweite (von p. 94B
ab), dafs sie noch weniger speciell Harmonie des Körpers ist.
Noch befser freilich würde sich der Uebergang machen, wenn man p.
93 A in den Worten zl di; ovx ovroog aQfnovla xxL wagen dürfte zwi-
schen ovtfog und aQfiovUc ein uqu einzuschieben.
In dem Schlufsmythos findet Hr. St. S. 452 eine Abweichung und
einen Fortschritt gegen die kosmische Anschauung im Phaedros; dort
nemlich bilde Heslia , d. i. das Centralfeuer des Philolaos, hier die
Erde die Mitte des Weltalls. Ja wenn sich der Hr. Vf. nnr nicht die
Widerlegung der entgegenstehenden Ansicht, dafs im Phaedros unter
llestia vielmehr die Erde zu verstehen sei, einem so gründlichen Geg-
ner wie Krische gegenüber gar zu leicht gemacht hätte ! Denn alles
was er dagegen bemerkt ist nur, dafs die Erde niemals so heifse (S.
170 Aom. 77 b). Als ob nicht Piaton seine Zwecke dabei haben konnte
sie zum erstenmal so zu nennen, wenn er nur durch den ganzen Zu-
sammenhang genügend andeutete, was er meint! Und dafs dies ge-
schehen sei, wollen wir, im übrigen auf Krische uns berufend, nnr
noch dadurch erhärten, dafs die Centralfeuerlehre nicht blofs zweck-
los für den Mythos ist , sondern ihn sogar geradezu auf den Kopf stel-
len würde. Denn die kosmische Bewegung der Weltkörper wird my-
thisch benutzt, um eine überkosmische,- steil aufwärts gehende zum
Schauen der Ideen an sie anzuknüpfen ; bewegt sich daher auch die
Erde um das Centralfeuer, so müste auch sie dem letztern Zuge fol-
gen, d. h. mit andern Worten, es gäbe dann im irdischen Dasein
ebenso gut ein unmittelbares Schauen der Ideen wie in der Praeexi-
stenz; jeder Unterschied zwischen beiden Zuständen fiele dann wey.
Ganz anders, wenn die Erde im Mittelpunkt der Welt ruht. Sehr
richtig bemerkt der Hr. Vf. S. 567 f. Anm. 75, dafs in p. 108 D die Ab-
weichung von dem astronomischen System des Philolaos angedeutet
wird; aber daraus folgt doch noch nicht, dafs Piaton sich im Phae-
dros schlechthin an dasselbe angeschlofsen habe. Noch weniger frei-
lich hätte Hr. St. sich die von Böckh bereits gebührend zurechtge-
wiesene Erfindung eines allem pythagoreischen Weltsystems, in wel-
chem bereits die Erde die Mitte gebildet habe, von Hrn. Grappe
U. Müller u. K. SieiohtrI: PUtons g&iiintUche Weite. 4r Bd. 131
aneignen sollen , wobei er sich noch dazo unvorsichtig so ansdracht,
als wenn in Piatons so eben berücksichtigter Andeutung auch hiefür
ein Zeugnis läge.
Ansprechender sind die symbolischen Deutungen, welche der Hr.
Yf. S. 453 von den Innern Räumen der Erde gibt, nemlich die des
Tartaros als der Sphaere des wesenlosen Scheines und der Unterwelt-
liehen Ströme als Bilder des verschieden abgestuften Zusammenhan*
ges alles irdischen mit jener Scheinwelt.
Hinsichtlich des Philebos stimmen wir, was den Grundgedan-
ken anlangt, ganz mit Hrn. St. S. 596 dahin überein, dafs ein mittlerer
Weg zwischen den Auffafsungen Schleiermachers und Stallbaums ein-
zuschlagen sein wird. Denn für eine Behandlung des guten in seinen
Gesammtbeziebungen zur physischen wie zur ethischen Welt, wie sie
der erstere annimmt, würde doch entschieden die physische Seite zu
kurz kommen} für eine blofse ethische Behandlung des höchsten
Guts dagegen, wie sie der letztere will, dürften wiederum die meta-
physischen Erörterungen, welche gerade den Höheupunkt des Ge-
sprächs bilden, zu weit hergeholt sein; zu diesem Zwecke müsten sie
blofs entlehnt, nicht aber selber erst gesucht werden. Die Frage ist
daher nur, welcher von beiden Ansichten man sich nfiher anzuschlie-
fsen und ob der Hr. Vf. mit seiner gröfsern Annäherung an Schleier-
macher wohl gethan hat. Man mufs ohne Zweifel jeden Dialog nach
den Bedingungen der gröfsern Reihe beurtheilen , welcher er ange-
hört, und da sieht nun der Philebos mit dem Staate in näherer Ver-
bindung als mit den dialektischen Dialogen, von denen er durch Sym-
posion und Phaedon getrennt ist. Mit dem Staate wie mit dem Sophi-
sten zeigt die Composition eine unleugbare Verwandtschaft, mit dem
Sophisten darin, dafs die streng dialektischen oder metaphysi-
schen Entwicklungen recht eigentlich die Mitte und so zu sagen
den Kern ausmachen, mit dem Staate darin, dafs dieser Kern von
einer ethischen Hauptmasse eingehüllt ist. Nun spricht aber dem
Staate wegen seiner dialektischen Partien doch niemand seinen ethi-
schen Endzweck ab ; man mufs daher doch wohl nach aller Analogie
fragen , ob denn für den Philebos wirklich ein entgegengesetztes Ver-
fahren gerechtfertigt sei. Es fehlt der Ideenlehre , wie wir sie im
Sophisten und Parmenides verlafsen, noch ihr letzter Abschlufs, das
höchste Causalprincip oder die Idee des guten. Ich habe früher
(NJahrb. Bd. LXVIÜ S. 284) angenommen, dafs Piaton im Sophisten
noch die Idee des Seins für die höchste halte ; ich mufs dies aber jetzt
zurücknehmen , ohne freilich deshalb meine mit hiefbuf gestützte Ue-
berzeugung von der spätem Abfafsung des Parmenides aufzugeben.
Nemlich im Politikos p. 284D ist das avto xaKQißig^ auf dessen spä-
tere Erörterung vorausgedeutet wird, nach dem ganzen Zusammenhang
nichts anderes als die Idee des guten , und die dort nur gleichsam
beiläufig hingeworfenen Andeutungen über die Natur des Mafses lei-
ten entschieden die Entwicklungen im Philebos über Grenze und Un-
begrenztheit ein, so wie denn auch die Unterscheidung einer doppelten
132 U. Maller u. K. Steinhart: PUtons sämmtliche Werke. 4r Bd.
Mathematik im Politikos sich hier zu jener Gliederung der Wirsen-
Schäften erweitert, durch welche die früheren, scherzhaft gehaltenen
im Sophisten und im Staatsmann berichtigt werden, und in welcher ge-
rade die Abgrenzung der Dialektik gegen die Mathematik eine Haupt-
rolle spielt. Hiernach beurkundet sich die kurze Kritik, welche der
Phaedon vom anaxagoreischen vovg gibt, und die Verbindung, io
welche er, wenn schon in populärer Sprache, die Idee des guten sa
demselben setzt, als ein wesentliches Uebergangsglied zwischen Po-
litikos und Philebos. Niemand wird nun aber um dieser Entwicklung
willen dem Phaedon einen dialektischen Zweck leihen; haben wir da-
her aus einem ganz ähnlichen Grunde im Philebos ein gröfseres Recht
dazu? Ist das, was seiner philosophischen Wichtigkeit nach aller-
dings der Kern des Philebos ist, dies auch wirklich für seine Com-
Position ? Läfst sich nicht die Aehnlichkeit in derselben mit der des
Sophisten durch die allerdings vorhandene fortsetzende Beziehung auf
jene dialektischen Dialoge erklären, zumal da die Unähnlichkeiten
doch wohl mindestens ebenso grofs sind? Konnte nicht Piaton, in-
dem er durch die Behandlung seines höchsten ethischen Princips, des
höchsten Gutes, zu der umfafsenden Behandlung seiner Ethik und Po-
litik im Staate überleiten will, sehr wohl bei dieser Gelegenheit auch
die noch unvollendeten dialektischen Fäden weiter spinnen, da sich
ja die Ethik selbst nur im Zusammenhang mit der Dialektik begreifen
läfst? Hr. St. selbst bemerkt ja S. 596 f., dafs das sittlich gute vom
allgemeinen guten gar nicht verschieden sei. Freilich ist diese Be-
hauptung nur halb wahr , ncmlich vom dialektischen oder rein idealen
Standpunkte betrachtet; wollte man aber nur diesen anlegen, so könnte
es eine gesonderte Behandlung der Ethik überhaupt für Piaton nicht
geben. Warum wiederholt denn Piaton mehrmals ausdrücklich, er
wolle das höchste der menschlichen Güter in Betracht ziehen?'^)
Warum werden denn am Schlufs gerade die idealen Momente des
höchsten Gutes nur so dunkel und skizzenhaft, ja in einer nur mit
Mühe vereinbaren Weise angedeutet, während die subjectiv-mensch-
lichen durchaus plan und deutlich vorliegen? Wie liefse sich dies
erklären , wenn jene als mehr denn blofs als die wesentlichen Vor-
aussetzungen für diese in Betracht kommen sollten?
Dazu kommt nun, dafs die physisch -metaphysischen Erörterun-
gen denn doch in der That zunächst nur in der Gestalt von Lehns&tzen
aus früheren Darstellungen auftreten. Allerdings wird indessen bei
*) Wohlveri^tanden, wir folgern hieraus nichts unmittelbar für den
Kndzweck des Dialogs , denn darin sind wir mit Hrn. 8t. S. 597 gani
einverstanden, dafs solche scheinbare eigne Hindeutungen Piatons aof
denselben oft das gerade Gegentheil beweisen; aber das folgt aller-
dings daraus, dafs es für ihn in der That einen Standpunkt geben
muste, von welchem aus das höchste (metaphysische) gute ihm nicht
lächle "hthin mit dem höchsten (ethischen) Gut zusammenfiel. Um ao
übler thut Hr. St. daran, wiederholt in einer unserer Sprache gani
fremden Bezeichnungsweise den letztern Ausdruck zu wählen, wo er
das erstere bezeichnen will.
H; Malier u. K. Steinhart : Piatons sämmtliche Werke. 4r Bd. 133
dieser Gelegenheit das früher vieirach nar angedeutete mit voller
Klarheit und Bestimmtheit ausgesprochen, bisher nur zerstreute Er-
gebnisse scharfer zusammengestellt und auch einige bisher noch nicht
ausdrücklich als solche zum Vorschein gekommene Consequenzen ge-
zogen; durchgreifend neue Gesichtspunkte dagegen sind nirgends zu
finden. Man beachte doch einmal die fast komische Art (ctfii — ysXoiog
sagt Sokrates selbst), wie p. 23 C D gerade der am meisten dialekti-
sche Abschnitt eingeleitet wird. Freilich weist dabei Sokrates auf
die in einem frühern Abschnitt liegenden Eiutheilungsprincipien zu-
rück, von da aber werden wir entschieden noch weiter auf den Par-
menides zurückverwiesen , dessen erster Theil hier (p. 14 C IT.) fast
vollständig in 4er Kürze recapituliert wird. Seltsam ist es, wie Hr.
St. S. 631 behaupten kann, die dort aufgeworfenen Fragen würden
hier klarer und allseitiger gelöst. Im Gegenlheil, Piaton macht auch
nicht den geringsten Versuch zu ihrer Lösung, sondern will offenbar
die Leser nur an die im Parmenides bereits gegebene erinnern. Denn
so gern wir dem Hrn. Vf. S. 633 f. zugeben , dafs die Stellung der
Kategorien des 6inen , vielen und unbegrenzten zueinander wenigstens
in dieser bestimmten Form neu ist, so ist doch durch dieselbe für die
Beantwortung der Frage, wie das ^ine durch das viele hindurchgehn
könne, ohne dadurch vervielfacht oder aber getheilt zu werden (p.
15 B), gar nichts gewonnen. Die Sache ist vielmehr gerade umgekehrt:
erst wenn man weifs, wie das ^ine durch das viele und unendliche
unbeschadet seiner Einheit hindurchgeht, kann man mit Sicherheit
die Regel aufstellen, dafs man im dialektischen Verfahren vom ^inen
erst durch das bestimmte viele zum unendlich vielen hindurchgehn
mufs. Jenes ist also vielmehr Voraussetzung , dieses Folgerung , so-
wie sich ja auch die Methode nach der Sache und nicht umgekehrt
richten soll. Uebrigens ist diese logische Regel in der That auch nur
in der Form , nicht aber im Inhalt neu ; von ein*er Modification der
frühern Grundlagen der Ideenlehre (S. 630) kann gar nicht die Rede
sein; ich verweise vor allem auf die erste Antithese im Parmenides
und die dort gegebene Ableitung der Zahlen , sodann aber auf die
vierte Antinomie und die dort gegebene Schilderung der platonischen
Materie. Dafs nun diese Materie, die übrigens auch schon Polit. p.
273 D so gut wie im Philebos als aTtei^ov bezeichnet wird, die Scheide
der Ideenwelt ausmacht, dafs daher der Dialektiker in seinem uns
gleichfalls aus frühern Dialogen sattsam bekannten Theil ungsgeschäft
bis zu ihr herabsteigen mufs, also durch die bestimmte Vielheit zur
unbestimmten, das ist eine so ganz unmittelbare und nahe liegende
Consequenz, dafs Piaton sie hier ohne allen weitern Beweis ziehen
darf und wir es an seiner Stelle gethan haben würden , wenn uns der
Philebos unglücklicherweise verloren gegangen wäre. Eine wirkliche
Modification dagegen ohne weitern Beweis an die alten Grundlagen,
und noch dazu mit ausdrücklicher Hervorhebung der letztern anzu-
knüpfen , wäre das unwifsenschaftlichste Verfahren von der Welt ge-
wesen. Beiläufig bemerkt, sind hiernach auch.*die pythagoreischen
134 H. Maller a. K. Steinhart: Piatons sammlliche Werke. 4r Bd.
Eioflafse im Philebos gar nicht wesentlich höher anzuschlagen, als sie
schon im Politikos und Parmenides enthalten sind.
Aber auch in dem Abschnitt von p. 23 C ab ist hiernach gar
nichts besonders neues zu entdecken , es mflste denn die Bezeichnung
des itiqag für die Ideenwelt sein, welche aber durch den Gegensatz
gegen das a7tst(^v oder die Materie sehr natürlich hervorgerufen wird.
In dieser Auffarsung beider Kategorien stimmt Ref. Hrn. St. S. 638 —
641 gegen Zeller (plat. Studien S. 248 ff. Phil. d. Gr. II S. 198. 231.
248) bei , welcher unter dem 7ci(fag vielmehr die Weltseele versteht.
Wenn freilich Hr. St. meint, Piaton fafse das niQag als blofse Abs-
traction , die ohne das unbegrenzte in der Wirklichkeit nie vorkomane,
so wird damit demselben ein vollständig moderner oder ^renigstens ari-
stotelischer Standpunkt untergeschoben, da ja nach ihm vielmehr die
Ideen das allein wirkliche, das unbegrenzte dagegen das schlechthin na-
wirkliche ist. Gerade aus diesem mangelhaften Staudpunkte erklärt
sich die mechanische Behandlungsweise der Erscheinnugswelt als einer
^ Mischung ' aus beiden. Dafs das gemischte befser sei als das be-
grenzte und unbegrenzt« (S. 641), steht nirgends, sondern nur, dafs
das aus Einsicht und Lust gemischte Leben befser ist als Einsicht oder
Lust allein. Die Einsicht wird aber nicht etwa mit dem begrenzenden
zusammengebracht, sondern mit der ^Ursache' und auch nicht etwa die-
ser zugerechnet, sondern nur als ihr verwandt bezeichnet. Auch
dafs Piaton die Ausdrücke Grenze und begrenztes glcichbedeulig ge-
braucht, durfte ihm S. 640 nicht zum Vorwurf angerechnet werden,
denn sie sind es vom platonischen Standpunkt aus in der That, die
Ideenwelt ist die Grenze gegen die Materie und zugleich das in sich
begrenzte, der Ausdruck nsQccxoeiöis aber fafst nur diese beiden Seiten
in 6ins zusammen. Endlich sind nun aber die Ideen auch das begren-
zende, nemlich der Erscheinungswelt, oder mit andern Worten die Ur-
sache der Begrenzurfl; selbst. Das real verbundene wird hier mit einem
logischen Mechanismus voneinander geschieden. Allerdings gilt dies
aber vorzugsweise für die höchste Idee, indem diese wieder Ursache
aller andern ist, und zwar immanente Ursache oder InbegriiT. Man
kann daher sagen, aixla sei die Ideenwelt nach der Seite ihrer Ein-
heit, d. h., wie auch Hr. St. S. 643 f. annimmt, die Idee des guten,
%iQag nach Seiten ihrer Vielheit, aber wohlverstanden ihrer durch die
altla bestimmten Vielheit, so dafs doch auch hier die Idee des guten
wieder nicht ausgeschlofsen ist: das gute bildet sich selbst und mit
sich auch alle andern Ideen in die Materie ein. Blan sieht wohl, selbst
durch die cehicc wird nichts eigentlich neues gelehrt, aber allerdings
werden die bisherigen Resultate auch hier scharfer hervorgehoben
und bestimmter zusammengefafst. Das einzige wirklich neue ist nor,
dafs wir aus dem ganzen Zusammenhang des Dialogs zuerst bestimmt
erfahren, dafs diese höchste Idee gerade die des guten ist, und so-
dann die p. 28 E hinzugefügte Identität derselben mit dem vovgj die
in der obigen Stelle des Phaedon nnr erst vorbereitet wurde. Allein
Hr. St. erinnert S. 644 mit Recht, dafs die hier beginnende Entwick-
EL Malier o. K. Steinliarl: Plalons sammlUehe Werke. 4r Bd. 135
Ibd^ einen mebr religiösen als dialektischen Charakter an sich trägt,
und ebenso (S. 615), dafs nicht Anaxagoras ausdrücklich als Urheber
der Lehre vom vovg bezeichnet, sondern dieselbe in das graue Aiter-
thum zurückverlegt wird. Was wir nach unsern Praemissen über den
Charakter des . platonischen Mythos hieraus folgern müfsen, konnte
freilich der Hr. Vf. nach den seinigen nicht erschliefsen. Die Dar-
stellung beginnt hier einen leichten mythischen Anstrich anzunehmen,
weil Gott oder die höchste Idee hier nicht mehr an sich , sondern in
seiner weltbildenden Thitigkeit in Betracht kommt, als Demiurg, um
mit dem Timaeos zu reden (x6 dri^tov(^wv Fhileb. p. 27 B). Daraus
erklärt sich denn im folgenden das unerwartete und plötzliche lieber-
springen auf di^ Weltseele, welches von Hrn. St. keineswegs gehö-
rig gewürdigt wird. Der göttliche höchste vovg findet mit ^inemmal
seine höchste Erscheinung in dem innerweltlichen vovg^ *in der her-
sehenden Vernunft und Seele des Zeus', die demselben *durch die Kraft
der Ursache' inwohnt, p. 30 D. Denn dafs hier nicht mehr die alrla
selbst oder der absolute vovg zu verstehen sei, lehrt aufser dem gan-
zen Zusammenhange mit der unmittelbar voran fgehenden Entwicklung
schon eben dieser Zusatz 6ta ti^v xijg ahUtg dvvaiuv, welcher doch
wohl schon sprachlich das nicht heifsen kann , was Hr. St. S. 646 in
demselben findet, *Zeus stelle die schaffende Kraft dar.' Durch dv-
vttiiig wird hier vielmehr das bezeichnet, was sonst xoivmvla oder
naQOvala der Idee in der gleichnamigen Erscheinung heifst, und diese
abweichende Bezeichnung ist sehr natürlich , weil die nagovaUc hier
eben als eine durch die Idee als wirkende Ursache hervorgebrachte
sich darstellen soll. Eben dies erhellt ferner auch ans den folgenden
Worten, denn wenn hier noch der vovg oder die höchste Idee selbst
gemeint wäre , so würde es eine leere Tautologie sein zu sagen, durch
dies Ergebnis werde der Satz , mg isl xov nutvxog vovg &^fi unter-
stützt. Freilich wenn man dann mit Hrn. Müller das folgende yivov^
atf^g durch * Erzeugerin' übersetzen und so den vovg noch wieder
zur Ursache der alxCa machen, d. h. die ahla gar nicht wirkliche
ahldc sein lafsen wollte, würde aller Sinn und Zusammenhang ver-
loren gehn. Will man das monströse Wort yevovcvrig überhaupt bei-
behalten, so mufs man es wenigstens durch ^Slandesgenofse' mit Hrn.
Stallbaum wiedergeben ; Bef. möchte indessen lieber mit Bekker und
K. Fr. Hermann yivovg schreiben. Endlich ist die Benennung Zeus
selbst dem Kreise der Volksreligion entnommen und belehrt uns gleich-
falls, dafs wir es nicht mit dem absoluten, sondern nur mit dem höch-
sten weltlichen oder * gewordenen' Gotte zu thun haben, zeigt aber
zugleich noch deutlicher auf den halbmyihischen Boden hin , auf wel-
chem wir nns befinden. Mit ^inem Wort, die Identität dos vovg mit
der Idee des guten wird nur vorausgesetzt und nicht bewiesen.
Hierin liegt nun, beiläufig bemerkt, die wirkliche Bechlferti-
gnng des Piaton gegen einen vulgären Pantheismus, wogegen die von
Hrn. St. S. 646 versuchte ihre grofsen Schwächen hat. Sie beruht im
wesentlichen nur darauf, aus solchen vereinzelten Anklängen dürfe
136 H. Maller u. K. Steinhart: Platons summtliche Werke. 4r Bd.
man nichts schliefsen. Gabe man das auch zu, so würde doch imnaer
noch die neue Frfige entstehn, was man denn mit solchen vereinsei*
ten Anklängen anzufangen halte und wie es dann rücksichtlich ihrer
mit der philosophischen Consequenz Platons stände. Hr. St. thut aber
auch darin sehr unrecht, diesen vulgären Pantheismus, welcher die
Welt zu Gott macht, nicht von jenem echt philosophischen zu schei-
den , welcher umgekehrt die Welt in Gott verschwinden läfst. Deno
der letztere ist sehr weit davon entfernt, die Herschaft Gottes und
der göttlichen Vernunft über die Welt leugnen zu wollen, wie Hr. St.
meint ; er entspringt vielmehr aus dem gerade entgegengesetzten Feh-
ler, die Selbständigkeit der Welt dieser Herschaft gegenüber nichl
zu wahren, wie dies namentlich Spinozas Beispiel zeigt. Und ob nicht
gerade Piatou der naive Begründer dieses letztern Pantheismus war?
Zu den weitern Spuren , dafs das eigentlich dialektische im Phi*
lebos immer zunächst nur in der Form von Lehnsätzen auftritt, gehört
nun ferner namentlich p. 20 B C, wo es heifst, ein Gott habe dem So-
krates sei es im Wachen oder im Traum die Erkenntnis eingegeben,
dafs über Einsicht und Lust noch ein höheres drittes stehe, denn dies
dritte ergibt sich als das gemischte Leben, dessen oberster Bestand-
theil die Idee des guten selbst ist, so weit diese Mischung an ihr
Theil hat. Also mit andern Worten, aus frühern Entwicklungen wird
die Anwendung auf den vorliegenden Fall entlehnt, dafs immer nicht
die Erscheinung, sondern die Idee das höchste sei. Solche unmittel-
bare göttliche Eingebung steht aber bei Piaton immer der streng dia-
lektischen Untersuchung gegenüber.
Aus diesem allen dürfen wir nun wohl den Schlufs ziehn, dafs
die Idee des guten als solche hier nicht in Betracht kommt. Oder
sollten wirklich die eingewobenen physisch -metaphysischen Erörte-
rungen für die Lehre vom höchsten ethischen Gut unwesentlich sein?
Wenn Piaton sich in dieser Beziehung blofs für die Einsicht oder die
Lust entscheiden wollte , dann würde Hr. St. S. 595 jedesfalls mit die-
ser Behauptung Recht haben. Aber das wollte und konnte er nun eben
nicht, jene Frage betrachten vielmehr auch wir nur als seinen Aus-
gangspunkt. Wollte er dagegen den höchsten Grundsatz seiner Ethik
entwickeln, so vermag Ref. nicht abzusehn, wie er dies vom Stand-
punkte seiner Ideenlehre aus anders anfangen sollte, als er es hier
wirklich gelhan hat. Gerade die Identität seiner Ethik in ihrer idea-
len Wurzel mit seiner Dialektik, des höchsten Gutes in seiner eigent-
lichen Substanz mit dem höchsten guten erklärt ja die metaphysisch-
ethische Bchandlungsweise hinlänglich, bei welcher denn auch die
Idee des guten selbst nicht blufs vorläufig bestimmt werden kann,
sondern sogar mufs. Endlich beruft sich Hr. St. auch aufp. 64C
(nicht p. G5, wie er angibt), wo die Rede davon sein soll, dafs die
Idee des Mafses in dem ganzen , also nicht blofs in der menschlichen
Seele , der Einsicht verwandter sei als der Lust. In seinem sogleich
näher zu erwähnenden Programm S. 7 Anm. 25 fühlt er den nahe lie-
genden Einwand, dafs unter dem näv hier nicht das Weltall, sondera
H. Maller u. K. Steiaharl: PUtons sinunUiche Werke. 4r Bd. 137
das ganze der menschlichen Lebensgflter zn verstehn sei , and sacht
ihn dadurch za beseitigen , dafs auch die folgenden Worte p. 64 D ort
fiixQOv xaUtijg ^(ifiivQov gwascag |it^ xvxovaa ^tivovv xal onma-
ovv avyKQuaig kxL ebenso allgemein sprächen. Allein wenn diese
Worte überhaupt etwas beweisen, so beweisen sie eher gegen als für
ihn, denn der Sinn derselben ist ja ganz einfach: ^ keine Mischung,
welche und wie sie immer sein möge, kann ohne Mafs bestehn, folg-
lich auch diese nicht.' Dazu kommt nun aber, dafs das obige näv
doch unmöglich den zunächst voraufgehenden Worten widersprechen
kann , in denen ausdrücklich nur von der wünschenswertben did^eaig
die Rede ist, welches Wort doch auch Hr. St. gewis nicht anders als
durch ^Gemüthsverfafsung' übersetzen wird. Wir glauben, dafs eine
Auffafsung des Grundgedankens wie die Trendelenburgs vollkommen
allen Bedürfnissen des Dialogs entspricht. Kurz ausgedrückt, es wird
das höchste Gut mit anknüpfender Entwicklung der Idee des guten
behandelt, nicht aber, wie Hr. St. S. 598 will, die Idee des guten als
höchster Zweck alles Daseins und als Princip des Mafses wie in der
ganzen Natur so auch in der menschlichen Seele. Ueberdies würde
mit der letztern Annahme doch die auch von Hrn. St. S. 595 verwor-
fene Ansicht Schleiermachers im wesentlichen wieder aufgenommen
werden, denn weiter besagt dieselbe auch im Grunde nichts, s. seine
Uebers. II, 3 S. 132.
Sehr gut ist die Bemerkung über den abgebrochenen Anfang (S.
609 f.), dafs Piaton durch die Anknüpfung der Unterredung an einen
vorangegangenen Streit über die Frage , ob Erkenntnis oder Lust ein
gröfseres Gut sei, recht geflifsentlich zu erkennen gebe, dafs er über
diese Fafsung derselben längst hinaus sei und sie nur als Anknüpfungs-
punkt weiter gehender Forschungen ansehe.
In der Gliederung des Dialogs (S. 610 — 620) weicht Hr. St. nicht
unerheblich von Trendelenburg ab. Der letztere setzt nemlich den
ersten Abschnitt bis p. 20 B , den zweiten bis p. 22 E , unser Vf. da-
gegen macht schon p. 14 C die Scheide. Am besten ist es wohl , beide
Theilungen zu vereinigen und so drei Abschnitte zu gewinnen ; jedes-
falls beginnt p. 20 B eine so wesentlich neue, wenn auch schon im
Eingang vorbereitete Phase der Untersuchung, dafs sie nicht mit Hrn.
St. zum vorhergehenden gezogen werden kann. Man beachte auch,
wie vortrefflich dergestalt immer ein psychologischer und ein dialekti-
scher Abschnitt miteinander wechseln, was übrigens Hr. St. selbst in
seinem Programm S. 21 hervorhebt. Ueber die beiden folgenden
Theile (p. 23 C — 31 A und von da bis p. 59 B) kann kein Streit sein.
Auch ist es wohl kaum erheblich , ob man dann das folgende mit Tren-
delenburg in zwei Abschnitte (p. 59 A — 64 E und 65 A — 69 A) glie-
dern oder mit Hrn. St. nur als Theile desselben Abschnitts ansehen
will. Oder noch genauer, Hr. St. theilt denselben vielmehr in drei
Absitze, indem er die kurze Entwicklung des guten an sieh p. 64 C —
65 A noch ala einen besondern ausscheidet, wogegen auch wir nichts
einzuwenden haben.
^. Jokrb. . Pkii. u. Paed. Bd. LXX. Bfl. 2. 10
138 11. Mttlier u. K. Slciahart: Piatons sämmlliche Werke. 4r Bd.
Gehen wir nun näher auf das einzelne ein, so ist die VermathQDg
des Hrn. Vf. S. 631 f. sehr ansprechend, dafs unter den jugendlichen
Denkern, wclche^as 6inc immer sogleich in das viele und umgekehrt
auflösen (p. 15 E ff.) und die Mittelglieder überspringen, Platons
eigene, vor schv>' ärmer i scher Begeisterung noch nicht zu dialektischer
Nüchternheit gelangte Anhänger zu vcrstehn seien. Piaton hatte die Aus-
artung der Sokralik in Eiistik gesehen, leicht konnte er auf dem Bo-
den seiner eigenen Schule in anderer Gestalt et^vas ähnliches fürchten.
Auch darüber bekenne ich gern vom Hrn. Vf. S. 631 — 634 eines befsem
belehrt zu sein, dafs das aiteiQOv auch p. 14 — 20 nicht, wie ich frü-
her (NJahrb. Bd. LXVlll S. 285) behauptet habe, als Idee auftriU,
sondern vielmehr auch hier schon die Materie als das Princip der In-
dividuation bezeichnet (womit natürlich nicht Stallbaums BehauptQDg
Prot. p. 28. 36 f. zu verwechseln ist, durch otceiqu würden *die In-
dividuen' bezeichnet). Dort erscheint es also als logisches, von p.
23 C ab als reales Princip.
Dagegen glauben wir nicht , dafs es dem Piaton mit der Hindeu-
tung auf eine besondere Ursache der Trennung neben der der Ver-
einigung (p. 23 D) Ernst sei, wie S. 644 angedeutet wird. Piaton er-
kannte in seiner Dialektik wenigstens Trennung und Verbindung als
Seiten desselben Processcs an, Polit. p. 285; warum soll er in Bezug
auf das reale Sein anders gedacht haben? Vielmehr wird von ihm
gerade nichts anderes als dies durch jenen Hinweis hervorzuheben
bezweckt gewesen sein.
Mit Recht macht der Hr. Vf. S. 648 auf die Schwierigkeit auf-
merksam , dafs anfangs der Schmerz als unzertrennlich von der Lust
dargestellt, später aber die reine Lust als die schmerzlose beschrie-
ben wird. Ganz richtig ist es, dafs auch die Art, wie im Symposion
und Phaedros die reine Liebe geschildert wird, der letztern Annahme
widerspreche. Doch löst Hr. St. diese Schwierigkeit nicht, und sie
ist auch schwer zu lösen. Trotzdem glaube ich kaum, dafs Piaton
selbst dieser Widerspruch entgangen sei. Zugeben mufs man wenig-
stens, dafs diese Darstellung nothwendig für ihn war, wenn aus der
Darlegung des höchsten Gutes jedes beigemischte Uebel verschwinden
sollte , und eine gewisse sachliche Berechtigung zu derselben fehlte
ihm nicht. Fafst man die Erkenntnis als eine schon gewonnene auf,
indem man ganz von der Art ihrer Gewinnung abstrahiert, so darf
man ein ähnliches auch bei der Lust thun, welche auch diese schon
gewonnene Erkenntnis noch immer begleitet, unähnlich allen andern
Lüsten, die mit der Vollendung der Thätigkeit aufhören. Erklären
konnte freilich Piaton diese Ausnahmestellung nicht und hat es daher
auch nicht versucht , brauchte es auch nach seinen Principien nicht,
welche eine vollständige Auflösung der Momente des Werdens in
ein reines Sein für die menschliche Erkenntnis ausschlofsen. Die
Behauptung (S. 654), dafs Piaton die himmlische Liebe zu den schmers-
losen Gefühlen gerechnet haben würde, scheint aber eben hiernach
dem Ref. nicht mit der vorher erwähnten im Einklang zu stehen; über-
H. Maller o. K. Steinharl: Piatons sfimmiliehe Werke, ir Bd. 139
dief ist die Liebe keine Lost, sondern vielnekr eine Begierde, Symp.
p. 200 ff.
Aus der Anerkennung, welche Piaton p. 44C den Kynikern zu
Theil werden lärsl, wird S. 652 geschlorsen , dafs die Ueberlieferung
von seiner Feindschaft mit dem Antisthenes ein albernes Märchen sei.
Dieser Schlufs ist doch wohl etwas zu kühn , da andere Stellen der
vorliegenden die Wage halten , so wie denn namentlich Soph. p. 251
B C wahrlich keine Artigkeiten ausspricht. Warum sollte nicht Pia-
ton, wo es der Gegenstand mit sich brachte, selbst bei einem so
schroff ausgedrückten wirsenschaftlichen Gegensatz, der, so wie die
Menschen nun einmal sind, nicht ohne alle persönliche Gereiztheit
vorüberzugehn pflegt, doch trotz derselben anerkannt haben, was er
durfte und muste? Auch spricht die Ueberlieferung im Grunde nur
seitens des Antisthenes von einer gewissen nicht besonders anstän-
digen Persönlichkeit seiner Angriffe, und ich wüste nicht, warum wir
dieselbe diesem Manne, so weit wir seinen Charakter kennen, nicht
zutrauen sollten.
In der Gliederung der Wifsenschaften (p. 55 C— 59 D) fällt Hrn.
St. S. 656 f. die Geringschätzung der Physik auf, und er meint, Pia-
ton habe dabei nur die gewöhnliche , nicht aber seine eigne teleolo-
gische im Auge gehabt , fügt indessen hinzu , dafs er auch seine eigne
Naturphilosophie nur mythisch darstelle. Dieser letztere Punkt ist
aber gerade die Hauptsache, so sehr, dafs es sich fragt, ob nicht Pia-
ton für die erstere Annahme sich zu allgemein ausdrückt, denn die
analoge Behandlung der Rhetorik ist doch wohl nicht ganz analog,
sofern die echte Rhetorik in der That nach Piaton keine besondere
Wifsenschaft ist, sondern ebenso zur Philosophie gehört wie das Wort
zum Gedanken. Schlimmer ist es, dafs Physik und Ethik gar nicht in
das hier gegebene System der Wifsenschaften hineinpassen, aber
auch dies erklärt sich daraus , dafs ihr wahrhaft philosophischer Seins-
gehalt im Grunde mit der Dialektik zusammenfällt. Dafs aber das
Gebiet der Dialektik bei Piaton allmählich immer mehr an Umfang
wadise (S. 656), vermag Ref. nicht einzusebn; wo immer ihr Name
auftritt, da umfafst er von vorn herein fiberall Logik und Metaphysik.
Werfeu wir nun einen Blick auf jene schwierige Stelle p. 65, wo
die Idee des guten als Verein von Schönheit, Ebenmafs und Wahr-
heit beschrieben wird, so hat Piaton leider das genauere Verhältnis
dieser drei Bestimmungen zueinander so wenig auch nur angedeutet,
dafs eine sichere Deutung derselben im höchsten Grade mislich bleibt.
Nur so viel ist klar, dafs, wenn die Idee des guten vorhin offenbar
als die Ursache aller richtigen Mischung erschien, wir auch hier hie-
von ausgehen müfsen, um überhaupt einen festen Boden zu haben.
Dazu bietet dann ferner das p. 64 B gesagte einen Anhalt, dafs nur
die Wahrheit die Mischung ins Leben ruft und erhält; in ihr mufs da-
her von jenen drei Bestimmungen vorzugsweise die ursächliche Kraft
repraesentiert sein. Die ^v(i(ietQltt aber entspricht, darüber kann wohl
kein Zweifel sein, dem ni^ag. In beiden Deutungen stimme ich mit
10*
140 H. Bialler u. K. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. 4r Bd.
Trendelenbarg (de Piatonis Pbilebi consilio p. 14 f.) ttberein und kann
Hrn. Sl. S. 659 nicht beipflichten, dafs das wahre vielmehr das ans
dem cbenmärsigen und dem schönen gemischte sei. Die eigentliche
Schwierigkeit liegt im ßcgrilT der Schönheit. Trendelonburg deutet
sie, wenn ich ihn recht versiehe, auf die Gestalt, welche nun die Mi-
schung selbst durch das Einwohnen der Wahrheit und des Ebenmafses
annimmt, also die Erscheinung, sofern sie sich ihrem wahren Wesen
nach ganz in die Idee auflöst, und ahnlich findet auch Ilr. St. eine
Andeutung des unbegrenzten und manigfalligen in ihr, will sie jedoch
nur auf die vereinigte Fülle der Ideen bezichen. Ich für mein Theil
mufs auch hier nach meiner Grundauffafsung des Dialogs auf die Seite
des erstem treten. Es wird uns an dieser Stelle ein flüchtiger Ein-
blick von der blofsen Mischung aus in die Idee des guten , wie sie an
sich ist, gestattet, was auch Hr. St. anerkennt. Die drei Bestimmun-
gen, so wie sie nacheinander gestellt sind, Schönheit, Ebenmafs,
Wahrheit, bieten also eine aufsteigende Stufenleiter von jener in
dieser dar. Das schöne ist mithin noch die Mischung selbst, aber so,
dafs sie schon das Ebenmafs als ihre eigentliche Wesenheit offenbart
und so vermittelst desselben der reinen, ungemischten Wahrheit zu-
strebt.
Es versteht sich nun, dafs wir hiernach auch in der Erklürnng
der folgenden Gütertafel nicht Hrn. Sl. S. 659 f., sondern Ritter Gesch.
der Phil. II S. 464 folgen , wie dies auch schon Zeller Phil. d. Gr.
11 S. 281 f. gelhan hat. Hr. St. ist bemüht in den drei ersten Stufen
derselben die drei eben erwähnten Bestimmungen Ebenmafs, Schön-
heit und Wahrheit wiederzufinden. Dabei geht es ohne Zwang nicht
ab , weil die Worte dazu nicht passen wollen. Da mufs sich der vovg
gefallen lafsen für die Wahrheit gesetzt zu sein, wie schon Schleier-
macher annahm. Allein die Wahrheit bildet vorbin, wie wir gezeigt
KU haben glauben, die oberste, der vovg dagegen hier erst die dritte
Stufe. Dazu kommt, dafs alle und jede atöiog qfvCtg p. 66 A, d. h.
die Idee, schon für die erste Stufe vorweggenommen ist, also an-
möglich trotzdem in der zweiten und dritten noch wiederkehren kann.
Endlich ist es eine haare Unmöglichkeit, man mag sagen was man will,
dafs, wenn das ^v^fierQOv die erste Reihe bilden sollte, es trotzdoa
ausdrücklich in der zweiten genannt wird; und noch dazu bildet yt'
veäg im zweiten Gliede, wie schon Trendelcnburg erinnert, olTen*
sichtlich einen Gegensatz gegen die atSiog g/vCig im ersten. Nach der
von uns im obigen angenommenen vermittelnden Stellung von ^vfificr^oy
und xaXov kann es uns dagegen gar nicht befremden, hier die auf die
Idee bezogene Erscheinung durch sie versinnlicht zu sehn. Sollte man
endlich im erste Gliede eher die Ursache des Nafses als das Mab
selbst erwarten , so mag man eben dies zum sichersten Zeichen neh-
men, dafs an dieser Stelle nicht, wie viele wollen, die Idee in ihrer
Reinheit, sondern wiederum nur die anf die Erscheinung bezogene
Idee zu verstehen ist. Mit der erstem sind wir vielmehr nach jenen
flüchtigen Einblick , der uns vom schönen durchs Ebenmafs zur reinen
K. Steinhart : prolegomena ad Platoois Philebum. 141
Wahrheit emporhebt, bereits fertig, der sicherste Beleg für die Rich-
tigkeit des von uns aufgestellten Grundgedankens. — Unter den
Schriften aber diesen Dialog haben wir die tüchtige Arbeit von Wehr-
mann: Piatonis de summo bono doctrina (Berlin 1843. 8) vermifst.
Nit wenigen Worten gedenken wir zum Schlufs noch des bereits
vorhin erwähnten Programms von unserm Vf., da dasselbe im wesent-
lichen natarlich keinen andern Inhalt hat als die vorliegende Einleitung:
Prolegomena ad Piatonis Philebum ad celebrandam memoriam an-
niversariam scholae Portensis ante hos CCCX annos instauratae
scripsit D. Carolus Steinhart , Professor Portensis. Nuraburgi
tjrpis H. Siellngi. 1853. 58 S. 4.
Wir heben an diesem Programm nur die in demselben enthaltene
Besprechung einzelner Stellen heraus. Zunächst p. 15 A scheint uns
der Hr. Vf. S. 32 Anm. 131 richtig gegen Hermann zu bemerken, dafs
die Worte anovöi} luza diatqiaecog nicht gestrichen werden dürfen,
denn im folgenden werden die Schwierigkeiten aufgezählt, welche
der £intheilung im platonischen Sinne entgegenstehen, und es ist da-
her nothwendig , dafs sie auch als solche geltend gemacht werden,
mithin der Eintheilung schon bei dieser Gelegenheit Erwähnung ge-
schieht. Hr. St. will entweder mit Schütz schreiben ij afiq)iaßfjxriaig
xorl anovdrj fura diaigiaetog ylyvsrai oder aber erklären : ^ der Eifer,
welchen man auf die Eintheilung verwendet, der Eifer die richtige
Eintheilung aufzufinden, wird zum Gegenstande des Streites, gibt
zum Streite Anlafs, gibt dem Streite und Zweifel Raum.' Diese Zwei-
fel und Schwierigkeiten dreifacher Art enthält nun das folgende, wie
schon bemerkt, in kurzer Rccapitulation des ersten Tlieilcs vom Par-
uienides. Hier sind die Worte slta Ttcog av ravxag — pari/ zavxriv
dunkel. Zu der Erklärung Stallbaums passt, wie Hr. St. richtig be-
merkt (Anm. 134), das ofiag nicht. Er selbst erklärt: ^wie eine jede
Idee, obgleich des Werdens unlheilhaftig, dennoch eine bestimmte,
so zu sagen individuelle Einheit bildet.' Dies ist richtig, aber das
eigentliche Gewicht dieser Aporie scheint damit noch nicht erfafst zu
sein , dafs man sonst gewöhnlich nur den werdenden Dingen der Er-
scheinung Individualität zuzuschreiben pflege. Freilich Piatons Worte
führen zunächst nur hierauf, aber Ref. vermag wenigstens nicht ab-
zusehn, was denn hierin für eine grofse Schwierigkeit liegen sollte,
es müste denn etwa die sein, wie sich das Fürsichscin jeder Idee von
dem relativen Fürsichsein des Individuums unterscheide. Allein Pia-
ton wirft sonst diese Frage nirgends auf, aller Analogie nach müsten
wir doch aber auch sie im Parmenides suchen, Hr. St. findet sie
(Anm, 135) auch dort p. 135 A berührt; jedoch für mein Auge wenig-
stens liegt dies zu tief. Dagegen müste man sich wundern, eine an-
dere dort erwähnte Schwierigkeit, die in dem gegenseitigen Verhält-
nis der Ideen selbst, dem ihrer eignen Einheit und Vielheit zueinander,,
liegt, hier gar nicht berücksichtigt zu finden, da sie doch für das
folgende so wichtig ist, nemlich die Schwierigkeit, wie das Fürsich-
142 K. Steinhart: prolegomena ad Platouis Philebum.
sein jeder einzelnen Idee mit ihrer Immanenz in der 6inen , höchsten
and wiederum das Fürsicbsein dieser letztern selbst mit der Theil-
nähme aller andern an ihr bestehen kann , da doch das Entstehen und
Vergehen der Einheit und Vielheit, der zeitliche Wechsel beider Zu-
stande ausgeschlofsen ist, durch welchen allein der Gegensatz ver-
mittelt werden zu können scheint. Man weifs, wie im Parmenides diese
Aporie durch den Gedanken des Uebergangs im aurserzeitlichen Au-
genblicke gelöst wird. Sollte nun nicht eben diese Aporie hier ange-
deutet werden? Sollte nicht die dunkle Kürze der Worte eben durch
die deutliche Rückbeziohung auf den Parmenides sich entschuldigen
lafsen? Es soll mich freuen, wenn jemand einen befsern Rath weifs.
S. 35 Anm. 150 wird in p. 17 A die handschriftliche Lesart xal
nokXa gegen das von Hermann aufgenommene tcc noXka (^meisten-
theils') verthcidigt, und einen Sinn gibt sie in der That allenfalls,
denn allerdings wenn man zu rasch xo ?v setzt , so eben damit zu lang-
sam ra noXXä, und wenn wieder umgekehrt das erstere zu langsam,
so das letztere zu rasch. Allein es fragt sich, was konnte dem Pia-
ton daran liegen, einen so selbstverständlichen Gedanken auszo-
dracken und dadurch immerhin den geradlinigen Entwicklungsgang
zu trüben?
Ob Phaedr. p. 277 B arfirp:a die Individuen sind, wie Anm. 149
behauptet wird, und nicht vielmehr bereits die niedrigsten Arten,
lafsen wir dahingestellt, doch scheint uns das letztere mehr im Geiste
des platonischen Idealismus zu sein. Dagegen rechtfertigt sich jedes-
falls die Behauptung nicht, der Auszug zum Schauen der Ideen ge-
schehe im Phaedros täglich (S. 44), es steht dort ganz unbestimmt
6ia xQovov p. 247 D. Auch durfte die dort mythisch vorgenommene
Scheidung der drei Seelenthoile nicht (Anm. 1^) mit der hier ange-
wandten von vovg und il^vxri selbst schlechthin zusammengeworfen
werden; wie sich die beiden letztern unterscheiden, sagt Piaton auch
hier nicht genauer, man kann nur vermulhen, dafs, so wie er die
iwxi^ als bewegende Kraft auffafst, so der vovg das Element des ru-
henden Seins in der Erkenntnis darstellt.
Die übrigen Conjecturen des Hrn. Vf. begnügen wir uns kurz
zu referieren. S. 51 Anm. 233 erklärt er in p. 46 D elg itvq q>iqovTtq
wörtlich: *wenn das blofse Kratzen nicht hilft, so sucht man die
Krätze durch Wärme zu heilen' und fügt vor ivloxB ein i%x6q ein. S. 58
Anm. 244 versetzt er in p. 52 D xo tnavov hinter BlhxQivig, theils der
Concinnität wegen, indem so je drei Glieder einander entsprechen,
theils wegen der Bedeutung von ixavov^ welches nicht saiis amplum
heifsen könne, wie Stallbaum übersetzt. (Also wohl xo xorlhv^ov %a\
xo dXiKQLveq aal xo fxoi^oi/?) Dann in Anm. 244 schreibt er p. 54B
UV für äv und behält iTuganag mit den meisten Handschriften bei.
Endlich in p. 56 A widerspricht er (S. 54 Anm. 249) der Aendernng
von K. Fr. Hermann av tfwilTtxif für ^vfinaöa crvAt^iX^, weil so dem
ganzen ein Theil entgegengesetzt würde. Er nimmt seinerseits das
von jüngerer Hand im Cod. Von. £ hinzugefügte xcri xi^aQiaxiniq aaf|
J. Deusehle: dU platonischen Mythen. I43
Irtnspoiiiert aber überdies, weil auch so noch der Unterschied der
Mosik, welche fiir^o), and derjenigen, welche (leXivfig aroxccafi^ to
gv/i^cDvov or^fiorre«, nicht klar genug hervortreten würde, folgender-
m^ken: ovKovv fM^r^ fiip nov (Mvatif^g (für fiovcixti) n^mov ^vfi-
Ttaca avlfinx^ aal fu^aQiartKi^ , ti to ^vfupmvov agfiotjovca ov fii-
VQf, aXlii (leXkfig ctoxaafMp xal ro fiitQov — ^Qsvovöa^ xrl.
Wühread ich dies noch schreibe, geht mir folgende kleine
Schrift zu:
Die plcUotuschen Mythen j insbesondere der Mythos im plato-
nischen Phaedros. Von Dr. Juüus Deuichle. Hanau, Druck
der Waisenhaus-Buchdruckerei. 1854. 37 8. 4. (Zugleich als
Osterprogramm des Gymnasiums zu Hanau.)
Ich beeile mich am so mehr diese tüchtige Abhandlung zur An-
zeige xa bringen, als durch sie eine oben von mir angemerkte Lücke
der Sleinhartschen Einleitung zum Phaedros ausgefüllt wird. Ilr.
Deaschle hat sich hier die Aufgabe gestellt, seine Auffafsung der
platonischen Blythen , wie er sie in der von mir in diesen NJahrb. Bd.
LxVin S. 695 — 099 beurtheilten Schrift über die platonische Sprach-
philosophie niedergelegt hat, näher zu entwickeln und zu veranschau-
lichen , wobei er sich jedoch mit den von mir gegebenen Beschran-
kungen seiner Sfttze einverstanden erklärt, S. 23 — ^25. Es ist durchaus
der richtige Weg, wenn der Hr. Vf. zu diesem Zwecke zunächst auf die
innere Enlwicklungsgescliichte Plalons zurückgeht, wie dieser sie
selbst im Phaedon p. 96 ff. dargelegt hat , S. 5 — 9. Und ebenso rich-
tig bemerkt er, dafs die hier aus der Kritik des Anaxagoras gewon-
nene Unterscheidung von Ursache und blofser Bedingung und die Be-
schränkung der eigentlich philosophischen Betrachtung auf die cr-
stere (p« 97 C) nichts anderes besage, als dafs der eigentliche Gegen-
stand dieser Betrachtung nicht das werdende sei, sondern das zu
Grande liegende Sein, dafs ferner, wenn der denkende göttliche Geist
diese Ursache sei, daraus das folgende sich nolhwendig ergebe, es
müfse dann auch die richtige Betrachtung derselben die denkende, lo-
gische, begriffliche sein (p. 99 D). Damit sei indessen erst die Me-
thode gegeben; dafs dagegen die Begriffe nun auch selbst schon das
wahre Sein wären, mit ^inem Wort der Uebergang von der sokrati-
schen Begriffs- in die platonische Ideenlehre geschehe p. 100 B nur
durch einen Sprung, weil die Nothwendigkeit desselben für Plutun
zunächst nur eine subjectiv empfundene, noch keine objectiv erwie-
sene gewesen sei , und eben deshalb werde die Ideenlehre im folgen-
den zunächst nur als eine Hypothese behandelt. Ans dem obigen sei
nun das p. 103 B bemerkte nur die weitere Folgerung, dafs es sich
jetzt nicht mehr um das Werden der Dinge, sondern nur um das Ver-
hältnis der Begriffe handle; auf dieses müfse sich denn auch die }liög-
lichkeit des Ueberganges eines Dinges aus einem Sein in ein anderes
(p. 69 E) gründen, auf welches wir an dieser Stelle zurückgewiesen
werden; nemlich diese Möglichkeit liegt in den Mittelbegriffen zwi-
144 J. Deuschle; die plaloui sehen Mythen.
sehen zwei Gegensätzen, z. B. Einschlafen und Aufwachen zwischen
Schlaf und Wachen, indem nemlich die im Werden beßndiichen Dinge
nur relativ die Be^riiTo in sich darstellen. Ref. möchte nun freilich
im Hinblick auf Parm. p. 153 E (F. bezweifeln, ob diese letztere Lö-
sung tief genug gegriÜen ist; jedcsfalls indessen ist sie nicht un-
richtig und geuügt für den vorliegenden Zweck.
Wenn nun demnach das werdende als solches nicht Gegenstand
der Dialektik ist, aus welchen Gründen drängt es sich dennoch in die
Behandlung ein und zwingt den Piaton in dem Mythos eine besondere
Form für dasselbe zu schaffen oder aufzunehmen? Diese Frage be-
antwortet Hr. D. S. 9 erschöpfend mit den Worten: * wollte Plato za
einer vollen Entwicklung seiner dialektischen Lehre gelangen, so
stiefs er überall an die Objecte der Erfahrung an und das nicht blofs,
um sie aus dem Wege zu räumen, sondern auch um theils seiner Dia-
lektik vollkommen Herr werden zu können, theils um deren Resultate
für das irdische Dasein fruchtbar zu machen.' Wir haben bereits oben
bemerkt, wie dieser doppelte Zweck der Mythen nach der Zeitfolge
der platonischen Werke auseinander fällt, worauf trotz der falschen
Erklärung bereits Krisches Andentungen richtig hinführen.
Hiernach erledigt denn auch der Hr. Vf. die weitere Frage nach
dem Objecte der Mythen sehr einfach. Es sind überhaupt alle blo-
fsen Erfahrungsthatsachen, zuerst von allen muste aber bei dem sub-
jectiven Ausgangspunkte der sokratisch- platonischen Philosophie die
psychologische in Betracht kommen, S. 9 f. Ehe sich aber der
Hr. Vf. derselben speciell zuwendet, wirft er zuvor noch eine andere
Frage auf, nemlich nach dem Orte der Mythen. Im allgemeinen liegt
auch hierauf die Antwort bereits im vorstehenden gegeben: überall
da ist dieser Ort, wo ein Knotenpunkt in der Lehre Piatons selbst
eintritt zwischen wahrhaft seiendem und einem Werdeprocess (S. lo).
Spccieller aber ist sie in dem vorhin erwähnten Doppelzweck enthal-
ten , je nachdem nemlich die eine oder die andere der beiden zu einem
solchen Knotenpunkt zusammcntrelTendcn Seiten als Voraussetzung der
andern behandelt wird, d. h. wo das mythische Voraussetzung des
dialektischen ist, im Anfang, wie im Politikos und Phaedros, wo da«
umgekehrte stattßndet, am Schlufs des Dialogs, wie im Phaedon und
in der Republik, wenn nicht etwa die mythische Darstellung das ganze
durchzieht, wie im Timaeos (S. iO f.). Sehr richtig nemlich bemerk!
Hr. D., dafs die voraufgehende scheinbar dialektische Einleitung des
Mythos im Politikos in Wahrheit nichts anderes als ein mythischer
Apparat ist. Gröfsere Schwierigkeit mache der Mythos der Diotima
im Symposion (S. 10—14). Hr. D. mag aus dem oben von mir bereits
bemerkten die Richtigkeit seiner Vermuthung bestätigt flnden, Ref.
werde über denselben jetzt anders denken als früher, wie er denn
auch meine jetzigen oben gemachten Bemerkungen mit den seinen
übereinstimmend finden wird. Nur möchten wir noch einen wichtigen,
von ihm übersehenen Punkt hinzufügen , nemlich die sämmtlichen der
sokralischen voraufgehenden, theilweise oder durchweg mythischeu
J. Deaschle: die platonischen Mythen. 145
Reden, an welche sich ja jene so entschieden anlehnt, welche für sie
gleichsam die mythischen Voraussetzangen sind. So kommt man zu
dem Resaltat, dars das dialektische und mythische sich in diesem Dia-
log wechselseitig durchdringen, beinahe ahnlich wie im Timaeos,
nur dafs freilich das Ucbergewicht des Nylhos, ja die völlige Ver-
schlingung des dialektischen durch denselben wohl nicht so entschie-
den ist wie dort. Das fast gänzliche Verschwinden des Dialogs hin-
ter der fortlaufenden Rede hangt in beiden Werken hiemit zusammen.
Und wer würde dies alles wohl nicht höchst passend für die Stellung
finden , welche das Symposion in der Reihe der platonischen Gesprä-
che einnimmt, als der erste eigentliche Uebergangsdialog von den
dialektischen Werken za den constructiven , so dafs es an der Natur
von beiden Theil hat?
Der Hr. Vf. kommt hierauf S. 14 noch kurz auf die Frage zu
sprechen , wie es sich erklären bfse , wenn derselbe Gegenstand bei
Piaton mythisch und auch wieder dialektisch behandelt werde, und
verweist anf die von mir (NJahrb. LXVIII S. 558) gegebene Lösung.
Nur meint er, man müfse überdies wohl darauf achten, ^ ob nicht der
verschiedene Zweck und die verschiedene Anlage zweier Dialoge in
dem einen ein Eingehen auf die Werdensform des Dinges selbst ver-
langte, in dem andern dagegen nur auf seinen begrifflichen Seinsge-
balt.' Wir lafsen uns das gern gefallen und wollen selbst einen Fall
anführen, in welchem die dialektische Gestalt einer Lehre früher als
die mythische ist. Im Kratylos wie im Phaedros wird die Idecnlehrc
selbst im Zusammenhang mit der menschlichen Subjectivität bespro-
chen, Phaedros ist der spätere von beiden, dennoch ist hier das my-
thische Gewand der Ideenlehre mindestens dichter, gerade weil hier
tiefer auf die letzten empirischen Bedingungen des Seelenlebens zu-
rückgegangen wird, und so wird denn anch eine weit höhere Stufe
der Dialektik hier vorbereitet als im Kratylos. Solche Ausnahmen
bestätigen aber eben die Regel.
Neben den ausgeprägten Mythen nimmt nun Hr. D. mit Recht die-
selben Gesichtspunkte auch für die blofsen mythischen Apparate, na-
mentlich die hypostasierten Persönlichkeiten in Anspruch und folgert
ganz richtig , dafs die Erklärung dies alles nicht in feste allgemeine
Begriffe, sondern nur in individuelle, nur des bildlichen entkleidete
Anschauungen umsetzen könne und dürfe ; auch die mythischen Per-
sönlichkeiten seien keine blofse Hypostasen. Je mehr ich dies zu-
gebe, desto weniger begreife ich doch, was für einen andern Unter-
schied Hr. D. noch wieder unter den letztern selbst machen will als
den, welcher in der verschiedenen philosophischen Wichtigkeit
des Gegenstandes liegt. Dafs der Weltbildner im Timacos auch eine
ganz andere pjßrsönliche Bedeutung für Piaton haben muste als der
Wortbildner im Kratylos, gibt wohl jeder zu, aber woraus folgt denn,
dafs diese persönlichen, religiösen Interessen nicht ganz mit seinen
philosophischen im Einklang waren? Auch der Wortbildner ist keine
blofse Hypostase, denn Piaton kann doch unmöglich daran gezweifelt
146 J- Deiisckle: die platonischen Mythen.
haben, dars die Bildang der Worte von wirklichen und leibhaftigen
l^ersonen ausgegangen ist; nur dafs er diese alle in eine einzige lu-
sammenzieht, ist das mythische an dieser Vorstellung. Und warum
sollten wir den Weltbildner nicht analog behandeln , wenn wir nur
den verschiedenen Gesichtspunkt inne halten, welchen die Sache
selbst an die Hand gibt? Das mythische liegt hier darin, dafs Piaton
ihn nach menschlicher Weise wirken läfst, d. h. nach zeitlichen und
räumlichen Kategorien. Sollte nun das, was dann noch zurückbleibt,
d. h. die Idee des guleu, wirklich Piatons religiösen BedUrfnisaen
nicht genügt haben, da sie doch ebenso gut erkennend als seiend, d.
h. ebenso gut Subject als Object ist? Es müste dann ein dunkles Ge-
fühl in ihm vorausgesetzt werden, dafs damit noch immer keine voll-
standige * Persönlichkeit' erreicht ist. Aber konnte ein solches Ge-
fühl in einem Zeitalter entstehen , dessen Blick noch so gar nicht für
den eigentlichen Lebensnerv der Persönlichkeit geschärft war, weil
ihm die plastische Anschauung noch immer das belebte und personifi-
eierte war, was bei uns dem nüchternen Verstände anheimfällt? Und
wie wäre ohne diese Plastik die ganze platonische Philosophie zu be-
greifen? Ja noch mehr, ist denn der Gott des Aristoteles, dessen
Theismus doch niemand bezweifeln kann, auch nur um irgend etwas
mehr und nicht vielmehr eher noch weniger eine Person im strengen
Sinne als die platonische Idee des guten? Und zu welchem unge-
wohnten hymnenartigen religiösen Aufschwung erhebt sich trotzdem
dieser sonst so kühle und nüchterne filanu hei der Schilderung seines
Gottes! Wir Ihun daher hiemit der tiefen Religiosität unseres Piaton
keinen Abbruch, wohl aber erhalten wir ihm so ein nicht minder
kostbares Gut, jenes Einswerden seiner Person mit seiner Lehre, jene
innere Uebereinstimmung des Denkens, Fühlcns und Wollens, welche,
von wenigen auch unter den gröfsten Philosophen völlig erreicht,
noch stets als ihr edelstes Kleinod gegolten hat.
Wir sind weitläuüger in dieser Frage geworden, als uns die
Darstellung des Hrn. Vf. S. 10 f. eigentlich dazu berechtigt, tlieils
weil wir uns gern gerade hierüber mit ihm verständigen möchten,
theils weil wir diese Gelegenheit nicht vorübergehen lafsen wollten,
ohne einmal recht nachdrücklich unser Bedenken geltend lu machen,
ob man nicht bei der Beantwortung dieser Frage heutzutage noch
immer seinen modernen Sympathien und Antipathien mehr als der
Geschichte zu folgen pflege.
Mehr als bedenklich steht es dagegen um die S. 15 ausgospro-
ebene Behauptung: *dcr eigentliche Inhalt der platonischen Lehre, d.
h. die wesentlichen Entwicklungsmomente derselben musten voUstin-
dig ausgebildet sein, ehe der Mythos möglich ward, denn dieser ist
nur als ein jenen zugehöriges Ergänzungsstück zu begreifen. So lange
Piaton noch nicht über den sokratischen Standpunkt hinausgekommen
war , gab es für ihn noch keine Mythen.' Was will denn Hr. D. wohl
mit den Mythen im Protagoras, Menon und Gorgias anfangen, welche
Dialoge doch alle vor die Ausbildung der platonischen Idoenlehre fal-
J. Deasckle: die platonischen Mythen. 147
len? Aach nach dieser Seite hin mafs daher der Kanon des Hrn. Vf.
noch modificiert, es mafs zugestanden werden, dafs die mythische
Darstellung ursprünglich nicht dem Boden des objectiven Gegensattes
von Sein und Werden, sondern dem des snbjectiven von Begriff und
Vorstellung entwachsen ist, so dafs also auch sie den ganzen UmbiU
dungsprocess der platonischen Philosophie mit durchgemacht hat, kraft
dessen die Begriffe zum wahrhaft seienden, das vorstellungsmäfsige
zum blofs werdenden sich gestaltet.
Indem sich nun der Hr. Vf. speciell dem Mythos im Phaedros
zuwendet, zeigt er höchst geschickt auf, wie derselhe nicht erst von
p. 246 A an, sondern gleich mit dem Anfange der zweiten sokrati-
sehen Rede beginnt , indem gleich der im Eingang (p. 244 A — 245
C) aufgestellte Begriff der (lavla, ganz der Bezeichnung des Eros als
eines Daemonen im Symposion entsprechend, specifisch-mythisch , die
Wesens- und Unsterblichkeitsbestimmung der Seele (p. 245 C — 246
A) dagegen zwar begrifflich, logisch, aber nicht, wie ich früher mit
Krische behauptet habe, streng dialektisch ist, weil ihr die Begrün-
dung mangelt. Nur aber liege der Grund hiefür noch nicht im Inhalt
dieses Theils, sondern erst in dem des folgenden, und so zeige sich
denn, dafs auch das wahrhaft seiende, als Grundlage innerhalb eines
Mythos gebraucht, eine verfinderle Form , nemlich die unbewiesene,
blofs dogmatische annimmt (S. 18 — 21). Dies alles ist unbedenk-
lich zuzugeben, nur muste doch hervorgehoben werden, dafs nach
Flatons eigner Erklärung die eigentliche mythische Darstellung
erst mit p. 246 A beginnt, so dafs alles bisher besprochene doch nur
erst so zu sagen ein vorbereitender mythischer Apparat ist, ähn-
lich wie die scheinbar dialektische Masse, welche dem Mythos im
Staatsmann voraufgeht. Ueberdies aber spannt Hr. D. seine Anforde-
rungen an eine dialektische Entwicklung bei Piaton doch wohl etwas
zu hoch. Fragen z. B. wie diese: *wie verhält sich nlvrfitg zur yh^-
CigV bleiben auch im Sophisten und Parmenidcs unbeantwortet. Däfs
unter tfn;%i7 näiSa neben der individuellen Seele auch die Weltseele
zu verstehen sei , soll aus p. 245 E folgen ; aber Ref. gesteht nicht zu
begreifen, in welchen Worten dieser Stelle hiezu die Nöthigung lie-
gen sollte *).
Sehr richtig theilt hierauf der Hr. Vf. die Hauptmasse des My-
thos in zwei Theile , von denen er den ersten (p. 245 C — 249 D)
den aTlgemeinen, begründenden, den zweiten den spcciellen, folgern-
den nennt (S. 19), oder, wie er S. 30 genauer ausführt: der erste
Theil enthält die transcendente , der zweite die auf ihr ruhende irdi-
sche Entwicklungsgeschichte der Seele, d. h. die Schilderung des
*) Ein auffallendes Versehen hat sich noch S« 21 eingeschlichen,
Platon bezeichne die so eben von der Seele gewonnene Anschauung durch
ISia , während sich doch dieser Ausdruck nicht auf das vorhergehende,
sondern auf das folgende bezieht. Idia ist vielmehr die von da ab näher
BU besprechende innere Gestalt der Seele.
148 J> Deuschlti: die platouiüclicn Mythen.
Triebes uud der Kraft sich wieder aufzuschwingen zu den verlafscDen
idealen Höhen , mit andern Worten : dort wird von der Praeexisl^nx
und dem Abfall, hier von der Zurückbringung der Seele in den Urzu-
stand durch Vermittlung des Eros gehandelt. Das eigentlich wcsenU
liehe sei dabei die inteliecluelle Seite, mithin an der Praeexistenz
selbst das inteliectuelle Resultat derselben, die avaiiv}]aig (S. 24 —
26), und der eigentliche Zweck des ersten Theilcs sei mithin, der
Seele in der Praeexistenz ein unmittelbares Zusammensein mit den
Ideen, einen Zustand reinen Seins wenigstens annähernd zu verschaf-
fen, zugleich aber auch ihren Uebergang in die Leiblichkeit als einen
nothweudigen zu vermitteln, und diese Vermittlung liege in der Be-
stimmung, dafs die Seele sich alles unbeseelten anzunehmen habe (S.
22—24).
Damit sind wir nun mit dem, was der Hr. Vf. als den eigenU
liehen dogmatischen Zweck dieses ersten Thciles anerkennt, zu Ende,
und gewis hat er Recht zu sagen, dafs die ganze weitere Geschichte
vom Abfall der Seele den Eintritt derselben in die irdische Welt
nicht erklärt (S. 26). Allein wenn nun doch dergestalt von der Dar-
stellung des idealen Seinszustandes das zeitliche, das früher, auch
dogmatisch betrachtet, nicht hat ausgeschlofsen werden können, so
liegt in der Thnt die Frage nahe, ob nicht auch dem zweiten Elemente
jeder mythischen Einkleidung, dem räumlichen, schon der Congrueni
wegen ein gleiches Recht eingeräumt werden mufs. Hr. D. freilich
bestreitet S. 28 die astronomische Auffafsung der * Götter' ganz und
gar, und zuzugeben ist, dafs dieselbe wenigstens p. 246 C in ein sehr
zweifelhaftes Licht gestellt wird. Indessen lafst diese Stelle doch
auch ganz ungezwungen eine andere Deutung zu, denn es braucht
blofs die Erinnerung darin zu liegen, dufs man bei dieser blofs phy-
sischen Auffafsung des göttlichen nicht stehen bleiben und sie nicht
zur Hauptsache erheben, geschweige äenn glauben dürfe, dafs mit
der Deutung der Einzelgötler als der Gestirne schon das ganze We-
sen des göttlichen erschöpft sei. Ueberdics kann man diese Stelle
auch ganz wörtlich dahin nuffafsen , dafs dem Plalon die Identität der
Einzelgötter und der Gestirne, auf welche er zuerst im Kratylos p.
397 C D anspielt, dermalen noch nicht zweifellos feststand. Oder
will Hr. D. dies Dogma auch im Timaeos in ähnlicher Weise beseiti-
gen? Mir scheint dasselbe eine unausbleibliche Consequenz der An-
nahme einer Weltscele zu sein, und auch das Festhalten dos Ari-
stoteles an demselben scheint mir ^egcn eine solche Beseitigung zu
sprechen. Noch weniger liegt ein Grund liiefür in den Worten xo di
^Hov xidov^ ao(pov, aya&ov^ denn wenn Piaton die Gestirne für Göt^
ter ansah, so spricht er ihnen eben damit auch Intelligenz zu. Ebenso
beruht das Bedenken, dafs grofse zwischen den einzelnen Umzügen
zum Schauen der Ideen offenbar anzunehmende Zeilräume sich schwer
mit einem alltäglichen Vorgang zusammendenken liefsen, welcher eine
Unterbrechung der Bewegung nicht dulde , auf einer schiefen Auf-
fafsung. Denn niemand hat ja behauptet, dafs der Auszug der Götter
J. Denschie: die platonischen Mythen. 149
• af steiler Bahn in den aberweltlichen Ort schlechthin mit
der gewöhnlichen kosmischen Bewegung der Gestirne zasammen>
falle. Vielmehr sind hier offenbar zwei verschiedene, sich gegensei-
tig modificicrende mythische Anschauungen ineinander geschoben.
Plalon benutzt die Anschauung, dafs die Sterne über der Erde ste-
hen, um dadurch die Ideen noch mehr nach oben, d. h. in den über-
weltlichen Raum zu verlegen. Sodann aber wirkt zweitens die letz-
tere Anschauung wieder auf die erstere zurück , um die fortlaufende
kosmische Bewegung der Gestirne in eine periodische aberkosmische
zu verwandeln: gleichsam hinauf- und angezogen von den Ideen lau-
fen sie nicht mehr in verschiedenen Bahnen unter-, sondern in der-
selben Bahn, dem äufsern Rande des Fixsternhimmels, hinterein-
ander. Oder sollte die Anknüpfung des intellectuellen an das phy-
sische wirklich für die tiefere Auffafsung so hinderlich sein , wie Hr.
D. meint? Aber der zweite Theil des Dialogs sagt ja ausdrücklich,
dafs die Natur der Seele nicht verstanden werden könne ohne die
des All (p. 270 C). Das intellectuelle , ethische und physische sollen
also offenbar in letzter Instanz an dieselben ewigen Gesetze gebunden
werden.
So läfst sich denn auch für den Ort der praeexistentiellen See-
len eine dogmatische Anschauung feststellen: es sind die Gestirne.
Wir würden indessen hierauf kein Gewicht legen, weun nicht gerade
hiedurch auf den intellectuellen Gehalt der Praeexistenz ein überra-
schendes Licht fiele. Die Einzelseelen verhalten sich ncmlich hiernach
zu deuen der Gestirne ebenso wie diese selbst zur Weltseele (so weit
die Vorstellung von dieser überhaupt im Phaedros schon entwickelt
ist), d. h. wie das abgeleitete zum ursprünglichen. Freilich ist es
dann mit der Körperlosigkeit auch der praeexistierenden Seelen zu
Ende ; aber ist dies nicht auch in der That eine nothwendige Conse-
quenz von der obigen Aufgabe der Seele, sich alles unbeseelten an-
zunehmen? Der Mythos freilich mufs in seinem Verfolg diese Conse-
quenz hinwegleugnen , um nicht über den zweiten der oben angedeu-
teten Zwecke seines ersten Haupttheils den ersten zu verfehlen. Allzu
schnell geht Hr. D. S. 27 über das .Verhältnis der Menschenseele zur
göttlichen hinweg, so richtig er sonst bemerkt, der Unterschied liege
hier nicht, wie der gegen die Thiere, in dem Mangel oder Besitz des
idealen Inhalts, sondern allein in der Form der Erkenntnis, die
bei den Göttern nicht eine stückweise und vermittelte , sondern eine
rein intuitive sei. Nun hatte er ja aber kurz vorher (S. 55 f.) deshalb
die Schilderung des Umzugs der Seelen eine rein mythische, d. h.
dem Inhalt schlechthin inadaequate Form genannt, weil nach dersel-
ben auch in der Praeexistenz das Ergreifen der Ideen nur ein stück-
weises sei. Ich weifs nicht, ist dies nur ein Widerspruch im Aus-
druck oder aber in der Sache selbst? So viel aber meine ich zu
wifsen, dafs das ganze nach meiner Auffafsung jetzt einen vortreff-
lichen Halt gewinnt, und dafs so Piaton auch in der mythischen Aus-
malung des Praeexistenzzustandes nicht weiter geht, als ihm die
150 ' J- Deoschle: die platonischen Mythen.
Grenzen seiner Weltanschauung erlauben. Allerdings ist nemlich dar-
nach auch in diesem Zustande die Erkenntnis der Menschenseele keine
rein unmittelbare, wohl aber eine der unmittelbaren sich annähernde,
da ja auch die Körper der Gestirne und mithin auch die der auf
ihnen lebenden Geschöpfe nach der antiken Weltanschauung weit voll-
kommener sind als der unserer Erde.
Gibt man dies zu, so kann man auch dej^S. 21 f. entwickelten
Ansicht nicht beistimmen, dafs die Dreitheilung der Seele blofs aus
dem irdischen Zustande in die Praeexistenz hineingeschoben sei , so
erklärlich und glaublich dies an sich auch sein würde. Und nur das
wage ich nicht mehr so entschieden zu behaupten, dafs die Unsterb-
lichkeit der nicdern Seelentheile hier buchstäblich zu nehmen sei, und
dafs eine mehr als blofs scheinbare Abweichung von dem späteren
Standpunkt vorliege, welcher dieselben mit den verschiedenen Kör-
pern wechseln löfst; s. o.
In Bezug auf die Entwicklung des zweiten Thcils vom vorlie-
genden Mythos S. 30 — 37 kann ich mich kürzer fafsen, weil ich hier
dem Urn. Vf. wesentlich beistimme; ich begnüge mich die besonders
eingreifenden Hauptpunkte kurz hervorzuheben. So namentlich die
Gliederung in vier Abschnitte: 1) das Wesen der Liebe an sich, bis
p. 250 C, 2) ihre Entstehung und Entwicklung in der menschlichen
Natur im a 1 1 g e m e i n e n, bis p. 252 C, 3) die b e s o n d e r e Gestaltung
derselben nach den besondern Individualitaten, bis p. 253 C, 4) ihre
Wirkungen und Aeufserungsweise in der einzelnen Seele. Indessen
fragt es sich doch, ob nicht die beiden ersten Abschnitte sachgcmürs
vielmehr in einen einzigen zusammenzuziehen sind. Sehr scharfsinnig
spricht Hr. D. über das Vcrhüllnis der im dritten Abschnitt enthalte-
nen Gliederung der Individualitäten zu der Tafel der Lebensloose p.
248 C — E, in welcher er oben S. 26 f. in gleichfalls sehr beach-
tenswerther Weise ein Gesetz der Abstufung zu entdecken versucht
hat. Beide lafsen sich nach seiner Meinung recht wohl miteinan-
der vereinigen, weil dort an quantitativ-graduelle, hier dagegen an
gleichberechtigte qualitative Unterschiede zu denken sei. Die Diener
des Zeus seien innerliche, die des Ares thatkräftige, nach aufsen
strebende Naturen; ebenso verhielten sich die Diener des Apollon
und der Hera zueinander. Was uns vor der Hand noch abhält, die-
ser Erklärung unscrn ganz rückhaltlosen BeifaH zu geben, ist dies,
dafs wir aus der Darstellung des Hrn. Vf. nicht zu entnehmen ver-
mögen, wie sich wiederum die beiden letztern, die Nachfolger des
Apollon und der Hera , genauer von den beiden erstem unterscheiden.
Kef. kann nicht ohne die Versicherung der lebhaftesten Befriedi-
gung diese kleine Schrift aus der Hand legen, die der früheren des
Hrn. Vf. in keinem Punkte nachsieht. Sollte auch das, was uns an
derselben zu weit gehend erschien, wie wir hoffen, mit Recht von
uns bestritten sein, so sind doch Irthümcr dieser Art bei einem nahem
Eingehen in einen so schwierigen Gegenstand fast unvermeidlich, and
H. Schmidt: kritiscber Commentar zu Piatos Phtedon. 151
sie ehren den Forscher nnd nützen der Wifsenschafl jedesfalls mehr
als oberflächliche Wahrheiten.
Greifswald. Fr. SuiemU.
Kritischer CommentS zu Plaios JKaedon ron Hermann Sckmidt^
Director des Gymnasiums zu Wittenberg. Erste Hälfte. HaJle,
Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. 1850. \U1 n. 127 S.
Zweite Hälfte. Ebend. 1852. lY u. 122 S. gr. 8.
Es hat gewis schon mancher die Erfahrung gemacht, dafs oft ein
kleiner scheinbar unwesentlicher Umstand sein erstes Urtheii über
ein Buch im voraus günstig oder ungünstig stimmte, noch ehe er es
gelesen hatte. So gieng es Ref., als er znerst den Titel der vorlie-
genden Schrift las, dafs er schon dadurch sich vor ihr angezogen
fühlte. Doch der Titel scheint so einfach nnd alltiglich , dafs man ihm
keine grofse Wirkung zutrauen sollte? Allerdings war es auch nicht
der blofse Titel, sondern fast könnte ich behaupten, das vielmehr,
was auf dem Titel nicht stand; um es gerade herauszusagen, Ref.
freute sich einem kritischen Commentar zu begegnen , der mit keiner
neuen Textausgabe verbunden war. Und das ist verhaltnismäfsig eine
seltene Erscheinung. Neue Textausgaben von Werken des classischen
Alterthums mögen aus gar verschiedenen Gründen sich rechtfertigen
lafsen, ja nothwendig sein; aber ganz gewis unberechtigt ist die
Ausgabe, die nur gemacht wird um der Anmerkungen willen, damit
einige wenige selbständige Beobachtungen des neuen Herausgebers
unter zahlreichen notis variorum den Weg in die Oeffentlichkeit fin-
den mögen. Dieser Zweck kann aber auf andere Art befser erreicht
werden, und, ist das Material der Interpretation u. s. w. gut verar-
beitet, am besten durch einen vom Text losgelösten Commentar, den
man zu jeder Ausgabe benutzen kann; ja wenn die Vortheile, welche
dieser bei freierer Bewegung dem Verfafser bietet, den Umständen
gemäfs benutzt werden, so kann ein solcher Commentar selbst einem
wahren Bedürfnis der Wifsenschaft Abhilfe schaffen. Durch die Ver-
dienste vieler ist das Material der Erklärung zu mancher Schrift so
angeschwollen, dafs man es nur schwer zusammenhaben und überse-
hen kann ; doch aber mufs es immer erst gesichtet werden , ehe wei-
tere Fortschritte möglich werden. Darin können nun kritische Com-
mentare trefflich vorarbeiten. Darum freute sich auch Ref., als er obi-
gen Titel las, und er darf sagen, die Hoffnung, die er zur Leetüre
des Buches mitnahm, war wohl berechtigt. Denn für den platonischen
Phaedon leistet der Commentar des Hrn. Schmidt, ohne es aus-
drücklich zu versprechen, eigentlich ohne es darauf anzulegen, gröfs-
tenlheils das, was Ref. von einem zusammenfafsenden Werke dieser
Art wünschen möchte. Der Freiheit iu der Behandlung, wie sie ein
selbständiger und zwar kritischer Commentar zuläfsk, wüste sich der
152 H. Schmidt: kritbcher Commentar zu PlatOB Phtedon.
Vf. mi( 80 besonnenem Bewiislsein zu bedienen, dafs sein Buch als eia
nachabmungswerlhcs Musler für Werke dieser Art bezeichnet werdea
darf. Es liefse sich allerdings streiten, ob nicht eine noch gröfaere
Anzahl von Slellen des Phaedon Berücksichligung verdient hatte. Doch
da der Vf. selbst, was schon der Titel anzeigen sollte, eine Beschrän-
kung nach zwei Seilen für nolhwendig hielt (s. das Vorwort zur In
Hälfte), so wollen wir um so lieber seine Auswahl unangetastet lafaen,
als in den 93 Noten, welche das ganze umfafff, immerhin eine grofse
Anzahl von Stellen (und zwar bei w eitern die schwierigsten) ausreichend
besprochen wird. Ohnedies wird ja seltener durch eigne Beschran-
kung als nach der entgegengesetzten Seite gefehlt. — Von der Erklä-
rung sollte ausgeschlofsen bleiben alles, was keine kritische Seite
bietet, und von der Kritik wieder alles, wodurch die Erklärung nicht
gefördert wird. Die kritische Erklärung selbst aber bestimmte sich
nach Form, Inhalt und Umfang nur durch die Rücksicht auf die Sache
selbst; der gegebene Fall brachte somit jedesmal gleichsam das Geseti
der Behandlung selbst mit. Der Vf. konnte kurz sein , wenn wenige
AVorte die Sache hinlänglich aufliellten, und sich ausführlich über
das ganze Material der Interpretation verbreiten, wenn durch die ver-
schiedenen Ansichten hindurch eine überzeugende Entscheidung sollte
erzielt werden. Die Schwierigkeiten, die in einer Stelle liegen oder
zu liegen scheinen, stellt er meist voran; dann legt er die verschie-
denen Versuche dar, die zu ihrer Lösung gemacht sind, unterwirft
diese mit ihren Gründen einer scharfen Kritik und führt dann selb-
ständig zur Entscheidung über bald in Gegensatz mit allen, bald in
Uebereinstimmung mit einigen Auslegern. In der Anordnung der ver-
schiedenen Ansichten und der Darstellung der für jede sprechenden
Gründe besitzt er entschiedenes Geschick. Während er den Leser in
dem oft überreichen Material blofs zu orientieren scheint, weifs er
die Sache sich selbst entwickeln zu lafsen. Wo dieser Ueberblick
über den ganzen Stoff und die Klarheit formeller Methode flberhaapt
sich findet, kann natürlich auch der Kritik fremder Ansichten im ein-
zelnen und der Begründung der eignen Meinung jene logische Schärfe
nicht fehlen, welche Ueberzeugung zu wecken geeignet ist. Unnö-
thige Abschweifungen sind vermieden ; was aber zur Sache selbst ge-
hört, ist so bestimmt und in so wohllhuender Kühe, ja Behaglichkeit
ausgeführt, dafs die Belehrung nicht durch ermüdende Lectüre erkauft
zu werden braucht. Weil Ilr. S. die Arbeit des Denkens nicht scheut,
erregt er auch das Interesse des mit- und nachdenkenden, und weil
er alles bis zum Ende, bis in die letzte Folgerung durchzudenken
strebt, ist es ihm gelungen in vielen Stellen die Untersuchung zun
Abschlufs zu bringen und auch dann der Entscheidung näher zu fah-
ren, wenn die von ihm gegebene nicht als richtig anerkannt werden
kann. Bef. gesteht gern , ehe er dazu übergebt die Punkte vorzuneh-
men, in denen er abweichender Meinung sein muste, dafs ihm zu voll-
ständiger Feststellung der eignen Ansicht die Entwicklung des Hrn.
Vf. immer guten Grund und Boden schafTlc. Durch selbständige Be-
H. Sehnidt: kritischer Commeotor so PUtos PliaedoB. 15S
sprechung solcher Pnnkte hoffi er auch das Interesse fflr die Grnnd-
lagen anzuregen, auf denen er selbst weiter bauen konnte. Die Ver-
gleichnng zu erleichtern bezeichne ich die von mir zu besprechenden
Punkte mit denselben Nummern , die den betreffenden Stellen in der
Reihe der Noten des Hrn. Vf. ihre Plätze anweisen.
Nr. 3 zn p. 61 D hätte der Vf. seine eigne Ansicht hinzufügen
sollen, weil gerade die Kenntnis der pythagoreischen Lehre oder des
Philolaos von neueren Gelehrten zum Kennzeichen eines Abschnitts in
der Entwicklungsgeschichte Piatons gemacht worden ist und in dem
Phaedros für die Frage nach der Abfafsnugszeit zu praktischen Folgen
geführt hat. Die Ansicht des Ref. ist, dafs Piaton allerdings, wenn er
die Meinung des Philolaos anfahrt, seine Schrift selbst vor sich hat.
Daraus darf aber nicht geschlofsen werden, es verstofse gegen die
geschichtliche Wahrheil und sei nur eine künstlerisch berechtigte Frei-
heit , wenn er den Sokrates sagen lafst, er kenne sie von Hörensagen.
Sokrates kannte gewis die pythagoreische Philosophie ; denn ein Um-
gang mit Simmias und Kebes Ufst sich in der That nicht denken, ohne
dafs auch die Resultate jener Lehren zur Sprache gekommen wfiren
^vgl. Zlschr. f. d. AW. 1854 S. 43). — Nr. 5 p. 64 B rovg fiiv nuQ
flUtv av^Qoircovg. Hr. S. stimmt im Grunde mit der Ansicht Schleier-
machers flberein und versteht darunter die Athener, aber mittelst eines
Zwischengedankens, da zunächst alle Griechen gemeint sein sollen. Das
scheint mir unhaltbar: denn den Gegensatz bildeten dann die Barbaren,
und das (liv nach xovg weist wohl auf einen Gegensatz hin. Die Bar-
baren aber können schwerlich in dem Verhältnis zur Philosophie in so
anerkennender Weise in Betracht kommen , als es daraus folgen würde.
Daher scheint es mir gcrathen entweder bei der Erklärung Schleier-
machers stehen zu bleiben oder mit Dacier Trao' vfiiv zu lesen. — Nr.
8 p. 67 B. Die Schwierigkeit, die a^tnofiivco^ ol iy<o TCOQBvofMt zu ver-
ursachen scheint, da es sich fragt, ob hier ifiol oder uv£ zu ergänzen
sei, läfst sich einfacher lösen, wenn man p. 67 C nal aXXm ivdqC
hierher zieht, welches gewis keinen Gegensatz zn ^ yt aTtodfifäa ^
vvv ifiol fcqoaxBjccyfAivri fieta aya^g iXstlöog yfyvetm bilden kann , wie
Slallbaum annimmt. Hierdurch erst wird der Gegensatz im Gedanken
vollständig abgeschlofsen , der sonst durch die Tautologie des ttoH^
iXitlg und fierä aya^g ilntöog in dem übergeordneten und unterge-
ordneten Gliede sehr schleppend würde. Die zwischengeschobenen
Glieder können darum keine Verwunderung erregen, weil sie zur Er-
läuterung der Ansicht des Sokrates nothwendig waren. Und diese
Ansicht liefs sich am besten erläutern durch sein eignes Beispiel. —
Nr. 10 p. 68 B C. Ref. mufs der Erklärung Wyttenbachs beistimmen.
Er kann in den Worten 6 ceinog dh %xX, nicht die Absicht Piatons fin-
den, (piXotStoiktnog^ tpiXo^q^^Mtzog und tptXoxi^og gleich zu setzen, mufs
vielmehr gerade das Gegentheil darin sehen. Die Worte, auf die sich
der Vf. stützt, heifsen nur: aber dieser ist — nach Umständen, d. h.
der eine so, der andere so, also nach der concreten Erscheinung des
allgemeinen Begriffs — sowohl fpilo%i^iunog als auch tpiXoxiiiogy und
/V. Jahrb. f, PkU. «. Patd, Bd, LXX. Bß. 2. 11
154 H. Schnidt: krilisclier Commenlar zn Platos Phaedon.
zwar kann jedes allein für sich vorkommen oder verbunden. Sollten
alle drei Begriffe gleiclistehcn , so begreift man nicht, warum Piaton
nur den tptloödfiarog dem g)iX6(So(pog gegenüberstelle und nicht gleich
die beiden anderen coordinierten Begriffe durch kccC — xat oder 1} — §
anfüge und w arum die (pikodcnficcvlcc entweder mit der g>iloxqf}fJtoavvfi
oder der fpdortfila oder beiden verbunden sein solle und nicht auch
allein vorkomme. In der Thal kann aber auch (piXoaoifiatog jenen
Begriffen nicht gleichgeslclll worden, da sowohl %(ffjfiaTa tiXs riiitxC
lediglich dem leiblichen Leben zukommende Güter sind, wührend
aaficc selbst der Seele, deren Interessen der (piXoaoipog uusschliefs-
lieh vertritt, direet gegenüber sieht. Ob Dreitheilung oder Zweilhei-
lung des Begriffs an sich logisch richtiger sei, kann nichts entschei-
den. Piaton ist bekanntlich gerade ein Freund der Dichotomie. Weis
dazu die Erklärung N^'yttenbachs mit Kep. IX p. öSO E ff. so vollkom-
men übereinstimmt, dufs daselbst auch nur die beiden Arten der Lust
des ^ilox^i^ficrTog und g)iX6ri(iog aufgestellt werden, ja dafs q>iXoxffil'
(JLO0VV1I sogar ausdrücklich als der gemeinsame Name, die Ueberschrift
gleichsam für die Liebe zu Geld, Trank, Liebessachen bezeichnet
wird, so verdient sie unbedingte Empfehlung und hat Olynipiodors
müfsige Frage beantwortet, da der (piXox^jucnog eben der fpUrjdovog
ist. — Nr. 13 p. 69 B. Hr. S. sucht xal rovrov ^hv navia xerl jxercr
TOVTOv cDvov^ievct K€cl 7ri7tQaöii6(i6%'a TCO oi'Ti rj xtA. scharfer zu fafscn,
bringt aber in diesem Bestreben eine Schwierigkeil hinein, die nicht
darin liegt, indem er den Begriff der ijdoval einseilig als sinnliche
Genüfso fafst. Der Begriff ist aber weiteres Umfangs, denn die i]6ovai
können auch mit der ipqoviiCig und aqixri verbunden sein (xal rcqofS"
yiyvo^ivcyif xal anoyiyvofiivcov i^öavai'). Daher kann auch ^dovij ein-
gekauft werden, nur mufs es mit q*Q6v}]<5ig geschehen. Man mufs also
für die beiden Verba das Object tidoin] in verschiedenem Sinne neh-
men; die eine gibt mau hin, die andere kauft man ein. Das beweist
schon der Satz av&* ov Sei ixTcavra ravza xaraXXdruc&ai, welcher
in unserem Ausspruch nach den zwei Seiten des Tausches, dem Kauf
und Verkauf, naher ausgeführt wird. DasTFcrvra^ welches hierbei folgt,
ist alsdann der jedesmal resultierende Zustand, gleich Tapferkeit,
Besonnenheit, Gerechtigkeit, der aus dem Einkauf und Verkauf um
die wahre Münze, die (pQovt^atg^ in dem concreten Falle hervorgeht.
— Nr. 17 p. 70 D. Von den Einwürfen Kunhardls widerlegt Hr. S.
den einen treffend durch den Nachweis, dafs es sich hier nur um das
Werden handle. Es muste hinzugefügt werden: um das Werden
eines bestimmten Dinges, seinen Uebergang aus einem Zustand in den
entgegengesetzten. Wir haben hier die Frage von dem Ding mit seinen
wechselnden Eigenschaften. Der andere Einwand Kunhardts wird da-
^^egen nicht von dem rechten Standpunkt aus abgewiesen. Dieser geht
im wesentlichen darauf hinaus, dafs Piaton in dem Beweise aus dem
> Verden des entgegengesetzten auseinander eine Voraussetzung mache.
Diese Voraussetzung ist die, dafs die Seele ein substantielles sei, an
der Leben und Tod nur verschiedene Zustünde bezeichneD. Das Todt-
H. Sohnidt: kritischer Coamentar %u PUtos Phaedon. 155
sein wird damit nur ein anderer Name fflr ein verändertes Leben. Es
f ibt also kein absolutes Todtsein , sondern nur ein relatives , d. h. ein
von diesem Leben verschiedenes Leben. Alles dies wird aus Analo-
gie geschlofsen. Aber eben darum mufs man das Vorhandensein
der Voraussetzung anerkennen und zugestehen, dafs ein metaphysisch
unantastbarer Deweis nicht geliefert sei ; aber darum braucht man Pia-
ton doch nicht zu nahe zu treten. Es kommt darauf an zu erkennen,
was Piaton mit diesem Beweise glaubte erreichen zu können. Dazu
mufs man die S teil nng desselben im Ganzen des Dialogs ins Auge fa-
fsen. Danach aber soll die Frage nach dem Sein der Seele hier nur von
der Seite des Werdens behandelt werden. Da mufs nun nothwendig
dieselbe Anschauung in diesem speciellen Falle wiederkehren, die
gleichsam der Grund seines ganzen philosophischen Systems ist: es
mufs alles werdende, soll es fiberhaupt Gegenstand philosophischer
Betrachtung werden, von der Seite des ihm unterliegenden Seins
erfafst werden. Somit mufs für das werdende ein seiendes voraus-
gesetzt werden. Alles seiende aber (soweit das Sein nicht blofs als
praedicativer Begriff gebraucht wird) ist substantiell. Wenn also
etwas wird, so ist zu fragen: welches ist das seiende, das da wird?
Wenn nun die Seele ein solches seiendes ist, das in verschiedenen
Zuständen erscheint, so ist nach dieser Anschauung die Consequenz
nothwendig: sie ist ewig, es gibt eine bestimmte Zahl von Seelen
und Tod und Leben sind nur verschiedene Zustände relativer Art.
Damit wollte ich als Princip philosophischer Erklärung platonischer
Stellen das geltend machen , dafs man zunächst sich ganz auf Piatons
eigenen Standpunkt, in seine Anschauungsweise versetze. Nur da-
durch macht man sich um das Verständnis desselben wahrhaft ver-
dient, wenn man auch das, was selbst als Voraussetzung in allen
seinen Beweisen wiederkehren mufs, anerkennt (vgl. darüber des Ref.
Abb. über die platonischen Mythen. Hanau 1864). — Nr. 24 p. 74 B
aQ^ ov kC&oi fiiv taoi %al ^vXa ivlozB tctvra wta toth ^tiv Uta <pcdve-
xui^ Tori 6' ov; Diese Stelle wird trotz der richtigen Bemerkung, dafs
es hier nur auf die Dinge und die Geltung des Begriffs der Gleichheit
ankomme, nicht richtig erklärt. Der Vf. sucht die Schwierigkeit da-
durch zu lösen, dafs er substituiert: die Dinge seien einer steten Ver-
änderung unterworfen nnd darum könne aus ihnen Gleichheit nicht
erkannt werden. Aber wollte Piaton so erklären, so hätte er es aus-
drücklich gesagt. Doch hätte bei dieser Annahme der Beweis ein ganz
anderer werden müfsen. Aus ihr konnte weiter nichts geschlofsen
werden, als dafs, während die Dinge in der Eigenschaft der Gleich-
heit und Ungleichheit wechseln, die Begriffe stets dieselben bleiben.
Aber dem widerspricht Piatons eigne Voraussetzung. Er sagt gerade
von den Dingen xavxci ovxa, setzt also selbst voraus, dafs die Dinge
dieselben, also gleiche bleiben, und will doch gefolgert haben, dafs
aus ihnen der Begriff der Gleichheit nicht stammen könne, weil sie
zugleich bald gleich bald ungleich seien, während der Begriff der
Gleichheit sich mit dem der Ungleichheit nie verträgt. Die Sohwie-
11*
15Ö H. Schmidt: krilischer Commentar za Platos Phtedon.
rigkeit ist aber lediglich von deu Erklirern in die Stelle hinein*
getragen worden, indem sie annahmen, es handle sich um gleiche
Steine, gleiche Hölzer u. s. w. und damit weiter operieren wolUen.
Damit aber liefs sich das Ziel, das allerdings leicht zn erkennen
war, nur durch Scheinschlüfse erreichen. Mit Sokrates Worten ov
^vkov liyto }^vXfp ovöl U&ov U&m xrA. wird aber auch jene Auf-
farsung ausdrücklich abgelehnt. Dagegen lafscn die Worte ^ |vla
« Movq iq &ll^ orra löovug toa i% xovxtav ixaivo Ivvorfia^itv hiffov
ovxovxiav^ wonach wir gerade in dem, was wir als gleiche Dinge
anerkennen, zugleich zur Einsicht gelangen, dafs das gleiche etwas
von ihnen verschiedenes ist, gar keinen Zweifel über die richtige Anf-
fafsung übrig. Die gleichen Dinge, tor Tifor, sind uemlich jedesmal die
Gattungen von Dingen; alle Steine, alle Hölzer u. s. w. sind der
Gattung nach gleiches, lca\ aber sie sind unter sich wieder ungleich,
d. h. die einzelnen. Es handelt sich also hier um Gattungen und Art
oder Individuum. Was nach jener Seite Xca ist, ist nach dieser Seite
ungleich. Nur wenn man dies festhält, wird das folgende verständ-
lich, wie z. B. p. 74 C ctXkic firiv ix tovtcov y" lqfi\ tav tacuv, kiQcw
ovTiov xxL ; sonst aber müfsen nothwendig die ärgsten Misvcrständ-
nisse entstehen. Dies zeigt sich alsbald in der folgenden Note Nr. 25
p. 74 B x£ öi; ccvxa xa Hoa Eaxiv oxe uviaa aoi ig}dvij; Es konnte nicht
fehlen, dafs der Hr. Vf. nach seiner Annahme sich zu dem Geständ-
nis genöthigt sah, dafs er sich den Gebrauch des Plural für avxo
x6 Taov nicht erklären könne. Uns wird die Stelle nun keine bedeu-
tende Schwierigkeit mehr bieten, wenn wir avia xa laay wie es auch
Schleiermacher (wenn auch in anderem Siune) thut, auf die Dinge
beziehen und dann das Fragwort i] folgen lafsen. Dann heifst es:
*wie nun? die gleichen Dinge sogar erschienen dir bisweilen ungleich;
etwa auch die Gleichheit als Ungleichheit?' Alsdann wird das ganx
verschiedene Verhältnis der gleichen, d. h. zu ^iner Galtung gehören-
den Dinge und des BegrifTs der Gleichheit gegenübergestellt und die
Worte von avxd bis ^ sind nur Uebergangsglied, in einem selbständi-
gen Satz ausgedrückt, entsprechend einem Satzgefüge, das wir mit
* während' einleiten können. Dem widerstrebt x£ di gar nicht, da es
nicht nur auf dies ^ine Glied sondern auf die ganze Frage sich bezieht,
die im Gegensatz zu dem vorhergehenden steht. Gleichwohl lärst die
Stelle auch noch eine andere Fafsung zu, wenn man { schreibt. Dann
ist der Sinn: weder die Gattungen der Dinge gehen in andere Gattun-
gen über, werden also aviaa, noch auch der Begriff der Gleichheit in
den der Ungleichheit und doch — ist aus dem vorhergehenden hinzu-
zudenken — enthalten die der Gattung nach gleichen Dinge zugleich
ungleiche Arten und Individuen. Allein das enge Verhältnis, in wel-
chem diese Frage mit dem durch ov xavxov Sq^ eingeleiteten Schlufs
steht, läfst mich jene Auffafsung vorziehen. — Nr. 26 p. 74 C kann
ich mit der Streichung der Stelle von ovTiovv — xl dal to'<J' nicht ein-
verstanden sein, da mir nicht nur der Grund nicht klar werden kann,
der einen Abschreiber zum Einschieben sollte bewogen haben, sondern
H. Schmidt: kritischer CommenUir ko Piatos Phaedon. 157
aach andrerseits die Entwicklung des Gedankens den Inhalt des Satzes
rechtfertigt. Allerdings behaaptet Hr. S. mit Recht, dafs keinesfalls
ein Schlufssatz darin gesacht werden könne; denn das wäre unlogisch.
Der Schlafs wird Tielmehr erst spater gezogen. Aber es soll das
Zusammenstimmen der Deßnition der avi^ivrfStg in allen Theilen er-
wiesen werden. Dazu gehörte: sie könne aus ähnlichem und unähnli-
chem entstehen. Nun war nachgewiesen, dafs in der Wahrnehmung
ihrer Gattung nach gleicher Dinge, so ungleich sie auch sein mögen,
der Begriff der Gleichheit zum Bewustsein komme. Es muste also
•ach die Frage sich erheben: sind nun die gleichen Dinge, die doch
untereinander gleich und ungleich sein können, dem Begriff der Gleich-
heit ähnlich oder unähnlich? Hr. S. nimmt geradezu ao, es müsten
die gleichen Dinge als dem Begriff der Gleichheit ähnlich genommen
werden. Allein diese Frage bedClrfte aberhaupt einer tiefer einge-
henden metaphysischen Erörterung von dem Verhältnis verschiedener
Ideen untereinander und zu den Dingen, wenn die Antwort anfser
Zweifel feststehn sollte. Man darf sich durch die allgemeine Bestim-
mung, dafs die Erscheinungsdinge OfioidficiTcc der Ideen seien, nicht
täuschen lafsen; denn es kommt im speciellen Falle darauf an zu ent-
scheiden, welcher Ideen? Sind Steine oiioiciftaxa der Idee Stein oder
der Idee Gleichheit? So rasch war die Entscheidung dieses Problems
nicht möglich und doch machte es sich gerade hier mit einer gewissen
Nothwendigkeit geltend. Aber für den Beweis, der hier geführt wer-
den soll, war das ganz gleichgiltig und eben darum darf auch ein
Hinweis darauf nicht fehlen. Diesen gibt gerade unser Satz, indem
er nochmals die Deßnition der ivd^ivriaig hervorhebt und ausspricht,
es mache keinen Unterschied, wie das Problem gelöst werden müfse,
das wesentliche sei nur, dafs man etwas anderes wahrnimmt und
an etwas anderes denkt. Eben darum halte ich auch an der Lesart
?G)g yciQ Sv fest, da nur diese im Sinn von dum modo dem geforderten
Sinn entspricht, während otav ovv einen schiefen Sinn mit herein-
bringt. Hr. S. bezieht sich aber mit Unrecht auf p. 74 A: denn mit
üxoTCSi 61^ beginnt eine neue Entwicklung und der voraufgehende Satz
von a^' ov gibt nur das Resultat der im allgemeinen eben festgestell-
ten Erscheinung in der Erinnerung an , dafs nemlich zugleich das Zu-
rückbleiben hinter der Aehnlichkeit des vorgestellten Bildes und der
Wirklichkeit des Dinges mit erkannt werde — und es war dort nur
von Dingen , nicht wie jetzt von dem Verhältnis der Begriffe oder Ideen
zu Erscheinungen die Rede. Dort war der Begriff HIeItcbiv das we-
sentliche. Dafs ein Analogon aber auch in dem neuen Fall, der Er-
kenntnis des Begriffs oder der Idee aus der Erscheinung stattfinde,
wird erst von r/ di dal an nachgewiesen. Da muste denn um so mehr
vorher hervorgehoben werden , dafs es auf ofioiov und avofioiov nicht
ankomme, als es sich hier nicht um den Nachweis handelt, dafs die
Dinge hinter der 6fioi6xi]g zurückbleiben, sondern hinter der Idee,
während es sich dort um das Vorstellungsbild und die Sache selbst,
also eine wirkliche ofioiotijg handelte. — Nr. 38 p. 79 D twl nhwvxai
158 U. Schmidt: kritischer Commentar zu PUtos Phaedon.
xtX. ist weder die von Ast noch die von Hrn. S. vorgeschlagene Acn-
derung anzunehmen. Die Vulgala gibt den besten und nothwendigeo
Sinn. Denn wenn lir. S. meint, man sehe nicht ein, warum die
Seele jenen Charakter der Ruhe und Unveranderiichkeit nur in Bexie-
hung auf die Ideen und nicht vielmehr der Aufsenwelt gegenüber be-
haupten solle, so beruht das auf einer Verkennung der ganzen pla-
tonischen Erkenntnistheorie. Denn was Ilr. S. will, ist nach Plalona
Ansicht schlechterdings unmöglich. Die Aufsenwelt zieht die Seele
stets in den veränderlichen Wirbel mit hinein , wie auch p. 79 C aua-
drQcklich lehrt. Nur solange es ihr möglich ist {i^y) für sich seibat
zu sein, bleibt sie frei von dieser Unsicherheit. Darum ist dieser Zu-
satz ne^l ixeiva durchaus nothwcndig, rotovtcDv aber kann ebenso
wenig fehlen und steht auch nicht für die Sache selbst, sondern aller-
dings für die Praedicatsangabe xa xorcr ravta i%ovxa^ was in (oottv-
xmg noch mit bcschlofsen liegt. Jeder Versuch den Ausspruch aaf die
Erscheinungsdinge zu beziehen mufs daher fern gehulten werden. Ja
nur wenn man an der alten Lesart festhält, kann man Platona An-
schauung recht verstehen. Die Seele und die Art ihrer Erkenntnis
wird bestimmt durch die Objecte der Erkenntnis. Sind dies die stets
sich ändernden schwankenden Erscheinungen als solche, so ist sie
ebenso; sind es die Ideen rein an sich, so ist auch die Erkenntnis
und damit die Seele selbst sicher, fest und gehalten. Als Aufgabe des
Seelenlebens entsteht daher negatives Verhalten gegen jene Hingabe
an die Ideen. — Nr. 41 p. 82 E. Auffallenderweise hat Hr. S., nach-
dem er die verschiedenen Erklärungsversuche für die Worte nal tov
EtQyfiOv tijv ÖELVOtr^rci KaTiöovaa ort öi* iitid'VfjUag iaxivj iq av ^a-
Xicxcc avxog 6 Öedeiiiiog ^vkXiqTtxoiQ etrj xa ösdia^ai aufgezählt und
widerlegt hat, sich aufser Stande gesehen, eine Erklärung der Stelle
überhaupt zu geben. Ich übersetze: ^und dufs sie (die Philosophie)
erkannt hat, dafs die Hauptmacht der Fefselung auf der Sinnlichkeit
beruht, gleichsam als ob gerade (gerade wie wenn) der gebundene
selbst Mithelfer wäre zum Binden.' Die Stelle erfordert nemlich fol-
gendes. Die lernbegierigen erkennen, dafs die Philosophie mit Recht
Lossagung von allem sinnlichen und allem Streben nach aufsen ver-
langt, weil sie 1) die Seele trifft in einem gefefselteu Zustande, der
ihr durch das Gitter hindurch die Wahrheitserkenntnis unmöglich
macht; 2) weil sie auch den Grund erkennt, worin die verderbliche
Macht der Fefselung liegt, dafs sie nemlich, entstanden aus der Sinn-
lichkeit, in immer fesleren Banden den Menschen umschlingt, der sich
seiner eignen Sinnenlust hingibt. Die Hauptsacke ist hier die Er-
kenntnis von der öeivoxtjg xov tt^^y^iov^ die vorausgehen mufs, ehe
die Philosophie seihst Eingang finden, Macht gewinnen und von den
Fefsclü erlösen kann. Und diese ÖBivoxiig beruht eben auf der fort
und fort arbeitenden ijn^vfila^ gleichviel ob man sie hier nur der
Seele oder dem Leibe zuschreiben oder als Bindeglied zwischen bei-
den ansehen will. Hält man jenen Sinn fest, so ist auch grammatisch
die Stelle klar und durchsichtig : rijv öe&v6xiixa gehört als Subject in
H. Schmidl: kritischer Commenliir zu Piatos Phaedon. 150
dea Salz niit oxi und ist alkrahierl zum Object des regierenden Ver-
bum; mg Sv siti ist Vorgleichungssatz, der das Verhältnis erUulert, in
welchem die Philosophie den Menschen antrilTt, bevor er sich noch
ihrer Leitung übergeben hat: ^ganz gerade so, als ob der gebundene,
der doch frei zu werden wünschen sollte, sich selbst immer noch
mehr binden helfe', ein Gebrauch von »g av mit dem Optativ, wie er
in unzähligen Fallen sich wiederfindet. Das Misverständnis in der
Stelle kommt theils daher, dafs man zu dt^ ^i^vfiiag iatlv ein fal-
sches Subject unterschob, wie K. Fr. Hermann o d^yiiog^ theils daher
dafs man dg av xxL statt zum Ganze! nur zu öi inp^fäag iaxiv in
Beziehung setzte und daher fälschlich für einen Absichtssatz ansah,
statt für einen Vergleichungssatz. — Nr. 49 p. 90 A glaube ich 09M).
dQ€c doch zu den voraufgehenden Adjecliven beziehen zu müfsen. Zu
den von den anderen £rklärern für diese Beziehung vorgebrachten
Gründen füge ich hinzu, dafs schon durch p. 89 D nal ^yi^cac&at
TtavxaTCaat kxI, dieser Form des Urtheils vorgearbeitet wird. Dafs
oXiyovg gleich ist *nur wenige', erhellt dann aus dem Gegensatz
nkeiaravgj wenn es nicht ohnedies bekannt wäre, dafs bei Zahlwör-
tern gerade das * nur ' im Griechischen wie im Lateinischen wegge-
lafscn zu werden pflegt. Hr. S. stützt sich in seiner entgegengesetzten
Meinung darauf, dafs die Frage nag itysig; nur dann einen Sinn habe,
wenn eben im voraufgehenden eine auffaiieude Aussage enthalten sei;
und die findet er in dem absolut philosophischen Gebrauch von %Qif-
axog und novijQog im Sinne von vollkommen gut und schlecht. Aber
das auffallende liegt eben in der Behauptung , dafs es auch nur wenige
sehr schlechte Menschen gebe. Es ergibt sich das aus der Beant-
wortung jener Frage. Denn nachdem Sokrates zur Erläuterung der
Sache überhaupt von der Analogie Gebrauch gemacht hat, liüfert er
nicht den Nachweis, dufs es sehr wenige gute Menschen gebe und
ebenso sehr wenige schlechte Menschen, wie man nach Hrn. S.s Auf-
fafsung erwarten müste, sondern nur dafs im Wettijtreit der Schlech-
tigkeit nur gar wenige den ersten Preis davon tragen würden.
Nr. 52 p. 92 D äöTtSQ avxijg e0xtv r^ ovaia. Hr. S. rechtfertigt
diese Lesart gegenüber der von Mudge zuerst vorgeschlagenen Aende-
rung in cruti^. ich stimme Hrn. S. vollkommen bei, erlaube mir aber
noch einen Grund hinzuzufügen, den ich in dem Entsprechen der ein-
zelnen Glieder des Vergleichs finde. Dem ovxcag entspricht natürlich
äaitef}^ dem Subject zu jenem ij '^vx^ ^^ Subject zu diesem ij ovüCa,
Nun aber hat jenes Subject einen Zusatz in dem Genetiv ^fi»i/ und
diesem kann nur wieder der Genetiv aivtlg entsprechen; avr?) dage-
gen würde die Beziehung der oialcc auf die tlwpj ganz wegrücken.
Beide ständen voneinander unabhängig in ihrem Sein da und der Ver-
gleich könnte nur dann, wie er soll, begründende Kraft haben, wenn
erwiesen wäre, dufs die Seele auch eine ovaCa sei. So aber heifst es:
unsere Seele (gleichsam unser Inhalt) existiert ebenso gut vor dem
Eintritt in den Leib, als ihr Inhalt, die ovaia ^ den sie mitbringt
zu dem Eintritt in den Leib. — Nr. 53. Die Auseinandersetzung über
160 U. Schmidt: kritischer Commentiir zu Piatos Phaedon.
den von p. 92 E — 94C sich abspinnenden Beweis enthält viel schönes
und zeichnet sich durch umfarscude Schärfe und lichtvolle Klarheit in
der Feststellung der einzelnen Theile des Beweises vortheilhaft ans.
Gleichwohl mögen einige ergänzende und berichtigende Bemerkungen
nicht überflüfsig erscheinen. Gleich zu Anfang wird es als eine
Schwierigkeit bezeichnet, dafs zuerst die Bestimmung gegeben werde:
die Harmonie sei aus den Theilen zusammengesetzt und daher von
diesen in allen ihren Theilen abhängig , dafs aber Sokrates dennoch,
ohne diesen Gedanken fruchtbar zu machen und auszubeuten, zu dem
neuen Argumente abergehe, eflie Harmonie könne mehr oder weniger
Harmonie sein. Die Schwierigkeit löst Hr. S. so, dafs er jenen ersten
Gedanken ganz und gar sich anschliefsen lafsen will an den vor auf-
gehenden Beweis und die darin aufgestellte Grundbestimmung der
Harmonie. Allein dieser Gedanke ist in der That ebenso nothwendig far
das folgende. Wird nemlich nicht die Harmonie bestimmt als bestehend
aus den Theilen und abhängig von ihnen, so könnte gar nicht gesagt
werden, es gebe Gradunterschiede in der Harmonie; denn worauf sol-
len sich diese gründen, wenn nicht eben auf das verschiedene Ver-
hältnis der Theile zueinander? Somit ist der von Piaton an die Spitze
gestellte Gedanke die unentbehrlichste Stütze des zweiten, aus ihm
folgenden, der allerdings in der Beweisführung selbst die Hauptsache
ist. — Weiler unten stimme ich zwar der Erklärung von p. 95 C so,
wonach t/^/ioa^at nicht auf die metaphysische Harmonie als Sein
der Seele, sondern auf die qualitative moralische zu beziehen ist.
Daher kann ihm in schiechten Seelen das avaQ(ioatov entsprechen.
Ebenso fafse ich diesen ganzen Satz auf als Uebergang zu der sich
erst anreihenden Schlafs Folgerung. Die Schlufsfolgerung selbst aber
mufs ich mit Beibehaltung der alten Lesart aQ(ioviccv aQ(ioviag anders
stellen. Hr. S. macht nemlich geltend, wenn aus der Begriffsbestinu
mung der Seele wieder zurückgeschlofsen würde auf die Harmonie,
so sei dies eine logische Unrichtigkeit, da von dem Gattungsbegriff
nicht alle Praedicute gelten müsten wie von dem Artbegriff. An sick
gewis richtig: aber ein kleines ist dabei doch übersehen. Es war
gesagt, die Harmonie läfst nach ihrem allgemeinen BegriflT Gradunter-
schiede zu, die Seele nicht. Damit ist natürlich noch nicht widerlegt,
dafs die Seele überhaupt nicht Harmonie sei; vielmehr soll dies erst
geschehen. Wohl aber liegt darin , was p. 93 D als xovxo d' laxt to
Ofiokoyrnia bezeichnet wird, das Zugeständnis, dafs, wenn die Seele
Harmonie sei, dies eben eine Art der Harmonie sei, die über-
all, wo sie vorkommt, in demselben Grade als Harmonie
betrachtet werden müfse. Wenn man nun einem entgegenhält,
dafs es doch gute und schlechte Seelen gebe, und er macht den Ver-
such sich damit zu helfen, dafs er behauptet, jene hätten in der Har-
monie noch eine andere Harmonie, diese aber nicht, so würde daraus
folgen, dafs also doch die eine Seele eine andere Harmonie in sich
hätte als die andere, nemlich die eine hätte mehr, die andere weniger
Harmonie in sich. Aber gerade das würde gegen jenes Zugeständnis
H. Schmidt: krilisi^her Commentar zu Piatos Phaedon. 161
Teratorsen , dar» die Seelen Hormonien seien , die in sich keinen Unter-
schied von mehr oder weniger zuliefsen. Hr. S. kommt natttrlich zu
demselben Resultat, aber ohne die entsprechenden Voraussetzungen.
Statt des Satzes: durch das Zugeständnis, eine Seele sei nicht mehr
noch minder Seele als eine andere, sei zugleich zugestanden, eine
Seele sei nicht mehr noch minder Harmonie als die andere , müste es
heifsen: eine Harmonie, sofern sie als Seele erscheine, sei nicht mehr
noch minder Harmonie als die andere; also kann auch in ihr kein
Unterschied durch eine andere moralische Harmonie mehr hervorge-
bracht werden. So heifst es ausdrücklich rnv 6i ye (itjöiv fiällov
(iriöifjtTOv icQfiovlav ovCav /Lti/re (läkkov (n^xe r^trov iiQfi66^ai p. 93 D.
Dabei ist stets a^fiovla als Subjcct festzuhalten bis E, wo es heifst
ovKOvv ^X'l ^^^' ^^^ ^*"? is^ ^'^^ ^^* Zuerst wird erwiesen, dafs
man dem Begriff Harmonie, auf die Seele angewandt, eine Beschrän-
kung auferlegen mQfse, sofern es der Seele allgemeiner Begriff sein
solle. Dann aber, sofern die Arten der Seele, wie sie factisch sich
darstellen, nach jenem Begriff wiederum ihre Erklärung finden sollen,
geräth dieser abermals beschränkte Begriff mit der erst nothwendigen
Beschränkung in Widerspruch und es ergibt sich daraus als Folge, dafs,
wenn der Begriff der Harmonie auf die Seele solle angewendet wer-
den, dies nur auf die Arten der Seele, nicht auf ihr allgemeines
Wesen geschehen könne. Denn dann könne er die Gradunterschiede,
die der Harmonie allgemein zukommen, wieder annehmen, indem als
iufserste Endpunkte Tugend als vollkommene Harmonie, Schlechtigkeit
als Disharmonie sich bezeichnen läfst. Bei dieser Erklärung des Zu-
sammenhangs mufs ich natürlich Hrn. S.s Nachweis beistimmen , dafs
wir hier nicht ein Conglomerat von Gründen, sondern die einheitliche
Entwicklung 6ines Grundgedankens haben. Dagegen müfsen mir die
Angriffe wie die Vertheidigung der vorangestellten Definition von
Harmonie und Seele, ob das eine in ideellem, das andere in populä-
rem Sinne oder beides in ein und demselben genommen sei, als glcich-
giltig erscheinen, da es sich überhaupt nur darum handelt, wie der
Begriff Harmonie gefafst werden mufs , wenn er auf die Seele seine
Anwendung finden soll. — Nr. 57. In p. 96 C — 97 B bereitet sich Hr.
S. eine wunderliche Schwierigkeit, indem er annimmt, wie der soge-
nannte gesunde Menschenverstand die Dinge ansehe, so sei es ein-
fache, gesunde Wahrheit. Nur die Naturphilosophie habe den Sokra-
teseine Zeitlang irre gemacht; dann aber sei er wieder zur allen
Ansicht zurückgekehrt. Allein die Sache steht ganz anders. Sokrates
findet in jener auf die Sinnen Wahrnehmung gestützten Anschauung gar
keine Wahrheit. Die Naturphilosophie regte zuerst die Frage über das
Werden der Dinge auf. Aber sie selbst hielt sich eben auch nur an
die Dinge , ohne die Begriffe scharf ins Auge zu fafscn. Sokrates da-
gegen fand alsbald die begrifflichen Schwierigkeiten und nun fafste
er die Sache metaphysisch an. Das Resultat seines eignen — oder
wenn man will des platonischen — Nachdenkens ist die negative Rich-
tung gegen das Werden (vgl. des Ref. oben angcf. Abb, S. 5 — 9). So
160 H. Schmidt: kritischer CommenlHr zu Pialos Phaedon.
den von p. 92 E — 94C sich abspinnenden Beweis enthält viel schönos
und zeichnet sich durch umfarsende Schärfe und lichtvolle Klarheit iu
der Feststellung der einzelnen Theile des Beweises vortheilhart aus.
Gleichwohl mögen einige ergänzende und berichtigende Bemerkungen
nicht überflüfsig erscheinen. Gleich zu Anfang wird es als eine
Schwierigkeit bezeichnet, dafs zuerst die Bestimmung gegeben werde :
die Harmonie sei aus den Theilcn zusammengesetzt und daher von
diesen in allen ihren Theilen abhangig , dafs aber Sokrates dennoch,
ohne diesen Gedanken fruchtbar zu machen und auszubeuten, zu dem
neuen Argumente übergehe, eHie Harmonie könne mehr oder weniger
Harmonie sein. Die Schwierigkeit löst Hr. S. so, dafs er jenen ersten
Gedanken ganz und gar sich anschliefsen lafscn will an den vorauf-
gehendenBcweis und die darin aufgestellte Grundbeslimmung der
Harmonie. Allein dieser Gedanke ist in der That ebenso nolhwcndig für
das folgende. Wird nemlich nicht die Harmonie bestimmt als bestehend
aus den Theilen und abhängig von ihnen , so könnte gar nicht gesagt
werden, es gebe Gradunterschiede in der Harmonie; denn worauf sul<
len sich diese gründen , wenn nicht eben auf das verschiedene Ver-
hältnis der Theile zueinander? Somit ist der von Piaton an die Spitze
gestellte Gedanke die unentbehrlichste Stütze des zweiten, aus ihm
folgenden, der allerdings in der Beweisführung selbst die Hauptsache
ist. — Weiter unten stimme ich zwar der Erklärung von p. 93 C zu,
wonach t]Qii6a&ai nicht auf die metaphysische Harmonie als Sein
der Seele, sondern auf die qualitative moralische zu beziehen ist.
Daher kann ihm in schlechten Seelen das avaQiiocxov entsprechen.
Ebenso fafse ich diesen ganzen Satz auf als Uebergang zu der sich
erst anreihenden Schlufsfolgerung. Die Schlufsfolgerung selbst aber
mufs ich mit Beibehaltung der alten Lesart a^fioviccv aQfioviag anders
stellen. Hr. S. macht nemlich geltend, wenn aus der BegrilTsbeslinu
mung der Seele wieder zurückgeschlofsen würde auf die Harmonie,
so sei dies eine logische Unrichtigkeit, da von dem GatlungsbegrifT
nicht alle Praedicate gelten müsten wie von dem ArlbegrilT. An sich
gewis richtig: aber ein kleines ist dabei doch übersehen. Es war
gesagt, die Harmonie läfst nach ihrem allgemeinen BegriflT Gradunter-
schiede zu, die Seele nicht. Damit ist natürlich noch nicht widerlegt,
dafs die Seele überhaupt nicht Harmonie sei ; vielmehr soll dies erst
geschehen. Wohl aber liegt darin, was p. d3 D als rovro d' la%i %o
oiJLol6yfi(ia bezeichnet wird, das Zugeständnis, dafs, wenn die Seele
Harmonie sei, dies eben eine Art der Harmonie sei, die über-
all, wo sie vorkommt, in demselben Grade als Harmonie
betrachtet werden müfse. Wenn man nun einem entgegenhält,
dafs es doch gute und schlechte Seelen gebe, und er macht dun Ver-
such sich damit zu helfen, dafs er behauptet, jene hätten in der Har-
monie noch eine andere Harmonie, diese aber nicht, so würde daraus
folgen, dafs also doch die eine Seele eine andere Harmonie in sieh
hätte als die andere, nemlich die eine hätte mehr, die andere weniger
Harmonie in sich. Aber gerade das würde gegen jenes Zugeständnis
H. Scbmidt: kritisi^ber Commentar zu Piatos Phaedoo. 161
Terstorsen, dafs die Seelen Hormonien seien, die in sich keinen Unter-
schied von mehr oder weniger zulierscn. Hr. S. kommt natürlich zu
demselben Resultat, aber ohne die entsprechenden Voraussetzungen.
Statt des Satzes: durch das Zugeständnis, eine Seele sei nicht mehr
noch minder Seele als eine andere, sei zugleich zugestanden, eine
Seele sei nicht mehr noch minder Harmonie als die andere, mäste es
heifsen: eine Harmonie, sofern sie als Seele erscheine, sei nicht mehr
noch minder Harmonie als die andere; also kann auch in ihr kein
Unterschied durch eine andere moralische Harmonie mehr hervorge-
bracht werden. So heifst es ausdrücklich xnv di ys (irjdev (lalkov
(iflöifivxov icQfiovUtv ovfSav ^rfSB (laXkov (ii^ts rirrov iiQfioö^ai, p. 93 D.
Dabei ist stets aQfiovia als Subjcct festzuhalten bis E, wo es heifst
ovxovv flfvxfl xrA. Der Gang ist also so. Zuerst wird erwiesen, dafs
man dem Begri IT Harmonie, auf die Seele angewandt, eine Beschrän-
kung auferlegen müfse, sofern es der Seele allgemeiner Begriff sein
solle. Dann aber, sofern die Arten der Seele, wie sie factisch sich
darstellen, nach jenem Begriff wiederum ihre Erklärung ßndcn sollen,
gerith dieser abermals beschränkt« BegrifT mit der erst nothwendigen
Beschränkung in Widerspruch und es ergibt sich daraus als Folge, dafs,
wenn der BegrifT der Harmonie anf die Seele solle angewendet wer-
den, dies nur auf die Arten der Seele, nicht auf ihr allgemeines
Wesen geschehen könne. Denn dann könne er die Gradunterschiede,
die der Harmonie allgemein zukommen, wieder annehmen, indem als
änfserste Endpunkte Tugend als vollkommene Harmonie, Schlechtigkeit
als Disharmonie sich bezeichnen läfst. Bei dieser Erklärung des Zu-
sammenhangs mufs ich natürlich Hrn. S.s Nachweis beistimmen , dafs
wir hier nicht ein Conglomerat von Gründen, sondern die einheitliche
Entwicklung 6ines Grundgedankens haben. Dagegen müfsen mir die
Angriffe wie die Vertheidigung der vorangestellten Definition von
Harmonie und Seele, ob das eine in ideellem, das andere in populä-
rem Sinne oder beides in ein und demselben genommen sei, als glcich-
giltig erscheinen, da es sich überhaupt nur darum handelt, wie der
BegrifT Harmonie gefafst werden mufs, wenn er anf die Seele seine
Anwendung finden soll. — Nr. 57. In p. 96 C — 97 B bereitet sich Hr.
S. eine wunderliche Schwierigkeit, indem er annimmt, wie der soge-
nannte gesunde Menschenverstand die Dinge ansehe, so sei es ein-
fache, gesunde Wahrheit. Nur die Naturphilosophie habe den Sokra-
tes- eine Zeitlang irre gemacht; dann aber sei er wieder zur allen
Ansicht zurückgekehrt. Allein die Sache steht ganz anders. Sokrales
findet in jener auf die Sinnenwahrnehmung gestützten Anschauung gar
keine Wahrheit. Die Naturphilosophie regte zuerst die Frage über das
Werden der Dinge auf. Aber sie selbst hielt sich eben auch nur an
die Dinge, ohne die BegrifTe scharf ins Auge zu fafsen. Sokrates da-
gegen fand alsbald die begrifTlichen Schwierigkeiten und nun fafste
er die Sache metaphysisch an. Das Resultat seines eignen — oder
wenn man will des platonischen — Nachdenkens ist die negative Rich-
tung gegen das Werden (vgl. des Ref. oben angef. Abb. S. 5 — 9). So
162 H. Schmidt: krilischcr Comiuonlar zu Pialos Phaedoa.
kann er mit Recht sagen, er glaube über die Ursache nichts tu wirseii.
Es kommt vielmehr lediglich, wie das folgende klar genug auseinaa-
dersetzt, auf die Seinsvcrhältnissc an. Wer aber jene Schwierigkeit
im Anfang findet, kann unmöglich das folgende verstehen. — Nr. 61
p. JOl A wird ganz richtig erklärt. Nur halten die Einwürfe Kun-
hardts, der sich auf den Staudpunkt Piatons nicht stellen kann, kaum
die an sich richtige Widerlegung des Vf. verdient. Nicht jede Thor-
heit verdient eine Antwort. Dasselbe möchte gelten zu Nr. 64 p. 103
B -> lOdA. Wenn aber Kunhardt einmal widerlegt werden sollte, so
war auch hervorzuheben, dafs es Piatons Art nicht ist, wie Kunhardt
die Dinge abstract zu betrachleu, wie die avxtkoyixoC thun, son-
dern dafs er gerade nur von concreten Anschauungen geleitet operie-
ren mag. — Nr. 66 p. 102 E ändert ilr. S. elvcci Sre^ov ij oneq ^v
in elvcci Iti OTce^ ijv. Diese Aenderung gibt zwar an sich einen guten
Sinn, ist aber mindestens unnöthig. Es handelt sich hier um die Ver-
träglichkeit oder Unverträglichkeit verschiedener Praedicale mitein-
ander. Die Frage war: wenn ein Ding bald grofs bald klein erscheint
im Verhältnis zu andern Dingen, ist alsdann der Begriff der Gröfse in
den der Kleinheit übergegangen? Das wird verneint. Es ist bei sol-
chen Gegensätzen nur zweierlei möglich: entweder der Begriff der
Gröfse geht weg oder er geht unter. Nun wird angegeben, was nicht
möglich ist, dafs er nemlich den Begriff der Kleinheit aushalte, auf-
nehme und das Gegentheil sein wolle von dem, was er vorher war,
d. h. also: zwei entgegengesetzle Praedicalsbegriffe können nicht in-
einander aufgenommen werden, so dafs der eine nun die substan-
tielle Unterluge des andern werde, dieser das Praedicat für jenen.
Dies Verhältnis des substantiellen Substrats zum Praedicat mufs mau
festhalten und das Ganze ist leicht verständlich. Das substantielle
wird als vnofiivov aal ÖB^afievov bezeichnet, svsqov ist das Praedicat,
so also dafs das grofsc nun Substanz sei, das kleine sein Praedicat.
Man bedarf darum des fiiya 6v nicht mehr, wie Ur. S. annimmt, weil
alsdann fiiya ov noch einmal Praedicat wäre. Darum aber handelt es
sich gar nicht mehr, wie aus dem mit ciönsQ eingeleiteten Salze zur
Genüge hervorgeht: ich meine es so, erklärt Sokrates, wie ich als
Substrat die Kleinheit als Praedicat in mich aufnehmen kann, wiewohl
ich noch derselbe bin, dem vorher das Praedicat Gröfse zukam. So
soll demnach unter den Praedicaten selbst das Verhältnis nicht sein.
Folgte man Hrn. S.s Erklärung, so müste man erwarten: wie ich im
Stande bin, jetzt Gröfse, jetzt Kleinheit aufzunehmen und doch noch
derselbe bleibe. Dabei lüfst sich ohnedies der Grund nicht einsehen,
warum Sokrates von der Gröfse in Dingen so spräche, gesondert
und im Gegensatz zu der Idee der Gröfse. Ebenso wenig passend wäre
es aber das in tlvai auf ein blofses Praedicat zu beziehen, indem
gerade die Hauptsache, welche festgestellt werden soll, das Verhält-
nis des Substrats zum Praedicat im Unterschied von dem Verhältnis
der Praedicale zueinander, ganz verwischt würde. Dafs endlich nicht
geltend gemacht werden darf, es müfse hier ine^ iüxi hcifsen, kann
U. Schmidt: kritischer Commentar ku Piatos Phaedon. 163
schon das weiter uoter folg^ende ovöh alko ovöiv tgov ivaviiav iu
ov 07ce(f^v beweisen. — Nr. 75 p. 105 A will Hr. S. darch Einschal-
tnng der Negation vor ivavtiov emendieren. Ohne eine einigermafsen
eingehende Untersuchung über das Verhältnis der hier unterliegenden
Opera tionsbegriffe nach Piatons Auffafsung läfst sich aber gar nichts
über den nothwendigen Gedankengang entscheiden. Da diese Unter-
suchung erst noch geführt werden mufs, glaube ich diese Stelle vor-
erst übergehen zu dürfen. — Nr. 77 handelt über den Hauptbeweis
von der Unsterblichkeit der Seele, der sich auf Wesen und BegrifT
der Seele stützt. Dieser ganze Abschnitt verdient alle Beachtung.
Anziehend und klar ist die Darstellung von dem Gang des Beweises.
lo allem kann ich freilich auch hier nicht beistimmen, zumal ich bei
der Beurtheilung einer scheinbar vereinzelten und die Möglichkeit
einer abgesonderton Betrachtung zulafscnden Ansicht unseres Philoso-
phen nie die Rücksicht auf dessen ganze Anschauungsweise bei Seite
setzen möchte. Aber ein Eingehen auf das Ganze würde mich über
die Grenzen hinausführen, die eine Recension einhalten soll. Nur auf
zwei Punkte möchte ich aufmerksam machen. Der erste ist der, dafs
es überhaupt nicht heifst, der Tod trete an die Seele, sondern nur au
den Menschen, p. 106 E. An die Seele kann er nicht, sondern nur
an das Ding, welches sie besetzt hält, den menschlichen Leib, dem
sie Leben zubrachte. Es ist schon analog, wenn der Gegensatz des
geraden an die zwei, d. h. an die zwei Dinge herantritt, oder das
kalte, wie Piaton sagt, an das Feuer, d. h. nur an den brcnnünden
Gegenstand. Dann werden die zwei Dingo etwa zu dreien und das
Feuer erlischt oder der brennende Gegenstand wird kalt. Hier also
geht die Zweiheit der Dinge und das Feuer unter. Anders ist es,
wenn der Tod an den Menschen herantritt. Er kann die Seele gar
nicht erreichen, sondern nur den Leib, da er der direcle Gogeiisal/.
des Lebensprincips ist. Also kann für die Seele auch ein Aufhören des
Seins nicht die Folge sein, wie dort, wo das uqxiov wie das avdgriov^
das warme wie das kalte, Feuer und Schnee zwar untereinander anzu-
gfinglich sind, nicht aber dem Tod. Mau mufs dabei zweierlei beach-
ten , dafs eben hier der Gegensatz der Begriffe selbst Leben und Tod,
also das gleichsam potenzierte Sein und Nichtsein ist ; dort aber sind
es Gegensatze, welche dem Untergang verfallen können, so gut sie
ein Dasein haben; dann dafs diese zur Analogie herangezogeneu Be-
griffe nicht als selbständige Wesen in den concreten Dingen, an denen
sie erscheinen, können gefafst werden, wie die Seele, deren Sein
schon durch den ganzen Dialog hindurch im Gegensatz zu der Leib-
lichkeit des Menschen bestimmt war. Der Beweis, dafs die Seele zu
den Dingen gehört, die von ihrem Gegensatz nicht vernichtet werden,
sondern weggehen, darf nach allem gesagten gar nicht vermifst wer-
den, wie Hr. S. meint, wenn auch der Gedankengang durch die schon
dem Worte nach naheliegende Erörterung, die sich auf das Pracdicat
a&auoTog stützt, scheint unterbrochen zu werden, während er in der
That dadurch erfüllt wird. Doch genug hiervon. Der zweite Punkt
164 H. Schnidl: krilisclier Commenlar zu Piatos Phaedon.
bezieht sich auf den von Hrn. S. gemachten Vorwurf, dafs sich Piaton
durch seine Sprach theorie habe verleiten lafsen, a&avcczog statt
für untodt fär unsterblich zu nehmen. Aber dabei mufs man bedenken,
dafs der philosophisch nothwendige Begriff ^ unsterblich ' war, wie
ihn die Sprachpraxis bietet, und dann dafs auch die Sprachtheorie
darauf führt, das o Sv ^ivaxov fif) dixtfrai nicht blofs für untodt Ea
erklären, sondern für unsterblich, weil, was den Tod nicht aufnimmt,
eben darum nicht sterben kann. — Nr. 81 p. 111 C wird mit Recht
die Lesart (pQOVYi<sei gegenüber oatpgrjaei wiederhergestellt. Doch wfire
dazu Grund genug, dafs durch befsercs Sehen und Hören auch eine
befsere Wahrnehmungs - und Denkfähigkeit begründet wird, sowie
dafs der Zusammenhang eine Erwähnung der geistigen Fähigkeiten
verlangt, ehe von der Gemeinschaft mit den Göttern die Rede sein
kann. Dagegen ist an eine Abhängigkeit der Verstandesbildung von
den Temperaturverhältnissen nicht zu denken! xal nüai xoig rotovroig
beziehe ich daher auch nicht mehr auf die übrigen Sinne, sondern
lediglich auf geistige Eigenschaften.
In diesen Bemerkungen ist verhältnismäfsig wenig auf die von
dem Hrn. Vf. angenommenen oder vorgeschlagenen Lesarten Rücksicht
genommen. Es würde zu weit führen, wollte ich mich über alle hier
einschlagenden Punkte selbständig verbreiten. Und doch dürfte eine
Uebersioht \derselben nicht unwillkommen sein zur Orientierung für
die, welche auf die kritischen Expositionen des Hrn. Vf. nach dieser
Seite Rücksicht zu nehmen haben. Die kürzlich erschienene Ausgabe
der platonischen Werke von K. Fr. Hermann dürfte wohl bald in
allgemeinen Gebrauch übergehen, um allen gleichsam als Handausgabe
zu dienen. Darum halte ich es für zweckgemäfs, die Lesarten, wie
sie Hermann aufgenommen und wie sie Hr. S. zu begründen sucht, so
weit sie voneinander abweichen, gegenüberzustellen. Ich stelle die
von Hermann voran. 61 B dg ranfTra, will S. gestrichen wifsen. 64 8
desgl. orov d'avaxov, 66 B fieta rov koyov — fieri rovxov tov loyov
(bei der Begründung dieser Lesart ist auf H.s Ansicht bereits Rück-
sieht genommen). 67 B iv rta nageX^owt — iv rm na^vtt, 68 D
xmv fisyaXfov xaxwv — xdiv (leyCöxmv xaxtov, 69 A agexriv dklayvi
— S. nach der Vulg. 73 B Tta^stv — ^a^etv (da Sokrates unmittel-
bar vorher fragt amaxeig yccg d?J, %(og ij ficcXovfiivri fia^rjatg iva-
fiinialgiaxiv; so scheint mir zur Vollständigkeit des Wortspiels fia^crv
durchaus nothwendig). 73 C Xiyia öh xlva XQOTtov; xovöe — XiycD di
xtvtt xQOTtov xovrov ib. [ngoxBQOv] — exegov. 74 B avxo o fowv. —
avxo 0 icxiv laov (wie nur hierdurch der sonst mögliche Wider-
spruch zwischen der hier angenommenen Allgemeinheit des Wifsens
der Begriffe und der späteren Beschränkung gehoben werde, hat mir
nicht klar werden können , da es sich in beiden Fällen um ganz ver-
schiedene Arten des Wifsens handeln würde. Nur die Rücksicht auf
die Deutlichkeit kann entscheiden, vgl. 75 B). ib. 74 B ag ov — xm [liv
— xfo di — S. : Vulg. , vgl. oben zu Nr. 24 (H.s Lesart passt zu unse-
rer Erklärung zwar auch gut, wenn man x^ nicht von qHxIveteity son-
H. Schmidt: kritischer CommenUir sn Piatos Phaedon. 165
dern von taa abhiDgea l&rst, oder berser noch adverbialisch 01011111 =
einerseits, andrerseits; aber deutlicher wird jedesfalls der nolhwen-
dige Sinn der ganxen Steile durch T(ni ftiv — Torl d' ov ausgeprägt).
74 C avuovv %xk. — von S. gestrichen, s. oben zu Nr. 26. 77 B ufioi^ev
na&iv — akko^iv no&tv (H.s Lesart, die auf Bekkers Conjectnr be-
ruht, ist unbedingt vorzuziehn, da ikko^ev keinen ausgesprochenen
Gegensatz hat, die andere Lesart dagegen nicht, wie S. annimmt,
* irgend woher' sondern * woher es auch sei' bedeutet, gerade das
was der Gedanke hier erfordert). 78 B noreQOv tj ilfvxfl — nors-
Qov iffvifj (11. hat seine frühere Ansicht, die sich für noiiQfov t/n;;^^
entschied, zurückgezogen. Der Artikel ^ ist jedesfalls nolhwendig,
da ^xri Subject ist, nozeQOv dagegen zum Praedicat gehört). 80 B
ikk^ inumt^S — reAevrifa^^ Kai iv roictvx'g Hqcij aal itaw fiaka —
xikivvjja'jßj Kai iv r. &q^ naw fiaka (das Komma nach rek, scheint
mir mit S. nothwendig, dagegen ist aal vor Trcfi/i; eine gute Emenda-
tion). 82 B akk^ ^ xa tpikona^Bt — akka ij reo g>. (Vulg.) 84 A fic-
xaxHQitofiivrig — (uraxHQt^o^iiutjv. 84 B ravta ys inirridevaaaa —
imvtldivovca, 87 D ^ (liv ^XV — V 'H^XV f*^»'- 92 B ozt ravia —
ou ov Tovra (die Negation ist ein guter Zusatz von S., die Begrün-
düng in Nr. 51 sehr lichtvoll; doch wird dabei xavia gleichwohl vor-
zuziehen sein). 94 D Ttttto«; ünitov — tiCTtog Inmo (beides gibt densel-
ben Sinn. Durch den Dativ wird dieser zweite Fall dem ersten analog
gestaltet Tca^aarag yi^ag av^qumog cii^kq^ jitf/^ov elvat avr^ r^ x£-
9aA^. Dafs die Abhängigkeit von Ttagaatäg aufser Acht gelafscn
würde, macht den Genetiv jedesfalls auffallend). 96 £ neQi tovtodv
tov — Tavrji r^v alilav (der letztere Emendationsversuch ist unbe-
gründet, s. zu Nr. 57). 99 A xal ravia va nqaxxia — %al xavxy
v^ TCQ, 102 E elvat Svsqov ij oneQ riv — elvai Sxt otuq ffv (s. oben zu
Nr. 66). 103 E xov avxov ovofiaxog — xov iavxov ov 104 D akka %al
ivavxlov [avxai] aet xivog — akka Kai ivavxiov öei asl xivog avx^
nach Ambr. 5. 104 E avxo [xo ivavxlov] — avxo xo ivavxlov, 105 A
TOVTO [liv ovv xal avxo akkip ivavxlov — xal avxo akka ovk ivavxiov
(vgl. oben zu Nr. 75). 109 D ro di deivoxaxov — xo öi slvai xav-
TOV, HIB 6oq)QT^aet — g>QOviicei (s. oben zu Nr. 81). 113 B ns(^u^
kixxofievog [xy y^j — 7teQisktxx6(iBvog xy y^.
Die Begründung der von Hrn. S. angenommenen Lesarten dürfte
um so mehr Beachtung verdienen, als Hermann, dem sonst bekannt-
lich keine neue Erscheinung auf diesem Felde zu entgehen pflegt, den
vorliegenden Commentar wohl erst nach Vollendung seiner Arbeit in
die Hand bekam. Zeit und Raum gestatten mir ebenso wenig hierauf
genauer einzugehen, als die grofse Manigfaltigkeit des Inhalts aus-
führlich zu durchmustern, die der Commentar zum Besten der Sin-
neserklarung nach verschiedenen Seiten hin darbietet. Es wäre nicht
unschwer, an einem einzelnen Beispiel, z. B. Nr. 51 zu p. 92 B nach-
zuweisen, in wie gediegener systematisch strenger Weise der Hr. Vf.
Kritik übt und in der Erklärung zu Werke geht. Aber natürlich nimmt
gerade die Kritik entgegenstehender Ansichten vielen Raum in An-
166 H. Schmidt: kritischer Commentar zu PUtos Pbaedon.
Spruch und es lärst sich, ohne selbst umfongreich zu werden, der
Inhalt solcher Noten nicht wiedergeben, man mOste denn gerade der
Eigenthamlichkeit des Hrn. Vf. keine KOcksicht angedcihn lafsen, wo-
nach er in seiner Entwicklung kein Zwischenglied eines Gedankens
überspringen mag. Wer aber nur jene eine Note nachlesen will, wird
erkennen , wie er ebenso stark ist in der zusammenfarsenden Inter-
pretation eines grörsern Gedankencomplexes wie in gründlicher Acht-
samkeit auf das kleine und anscheinend unbedeutende, dem er seinen
eigenlhümlichen Worlh zu geben versteht. Freilich hat auch Ref.
manche Behauptung nicht gelten lafsen können. Aus dem oben mitge-
theillcn wird hervorgehen, dafs Hr. S. am wenigsten befriedigt, wo
es gilt, den philosophischen Gehalt, die innere Anschauung Piatons,
seine metaphysischen Ansichten darzulegen. Der Grund dieses Man-
gels liegt in demselben Punkte eingeschlofsen, der seine Hauptstirke
ausmacht: das ist seine durchweg verstandesmäfsige Zergliederung
des Gegenstandes ins einzelne hinein. Ueberall, wo die Frage nur
nach allgemein logischen Gesetzen zu erledigen war, konnte er damit
vieles leisten; wo er aber auf das dem allgemein logischen unzugäng-
liche individuelle Anschauungsgebiet hinüberkam, muste diese Methode
einseitige Resultate erzielen. Doch tritt der Hr. Vf. verhaltnismüfsig
nur selten nach dieser Seite hin erklärend auf. Trotzdem bleibt auch
für den, der die Erkenntnis des tieferen philosophischen Gehaltes un-
seres Dialogs zum Hauptgegenstand seiner Studien macht, die Aus-
beute aus diesem kritischen Commentar nicht gering. Grammatisch
und logisch richtiges Verständnis der einzelnen Stellen müfsen ja die
Grundlage bilden für das philosophisch richtige Verständnis des Gan-
zen. Da endlich, wie ich schon oben sagte, das Geschick des Hrn.
Vf. sich besonders glänzend zeigt in der kritisch referierenden Be-
wältigung des gesammten Materials der Interpretation, so kann ich
nur mit dem Wunsche schliefsen, der Hr. Vf. möge in gleicher Weise
seine Tbätigkeit anderen Dialogen Piatons zuwenden und auch für
sie durch möglichst vollständige Verarbeitung des aufgehäuften StolTes
an divergierenden Meinungen einem unzweifelhaften Bedürfnis unserer
Zeit abhelfend entgegenkommen.
Hanau. Julhts Deuschlc.
ApoHomus Dyscole, Essai sur Thistnire des th^ories grammaticales
dans rantiquito, par E, Eg^cTy professcur aiippl^ant k la facuU6
(lo8 Icitro» de Paris etc. Paris, Auguste Durand. ]H54. 349 S. 8.
Ein Buch über Grammatik und gar noch über Geschichte der
Grammatik ist in Frankreich eine seltene Erscheinung, und wir gra-
tulieren dem Vf. sowohl als dem Verleger zu dem Muth, den sie
hatten, hier zu Lande drei- bis vierhundert Seiten über Apolloaios
E. Egger: ApoHonius Dyscole. 167
Dyskolos heriaszDgeben. Der Franzose ist su lebhaft, am an gram-
matischen Studien Gefallen zu finden: er betrachtet sie als ein noth-
wendiges Uebel und beschränkt sich darum gern auf die kleinste,
unentbehrlichste Dosis davon. Wie es in Rom hiefs: philosophandum
eil, $ed paucis, so ist man hier, glaube ich, der Meinung, von der
Grammatik müfse man nehmen , viras zum praktischen Schulbedarf ge-
hört, das andere sei vom Ucbel. Wir Deutschen im Gegenlheil halten
dafür, man könne hierin des guten nicht zu viel thun, die Grammatik
begleitet, um nicht zu sagen, verfolgt uns durch die ganze Schule
bis in die Prima und gibt uns sogar auf der Universität nicht frei :
die liebe Jugend virird damit genährt, als wäre das die rechte Milch
ffir den jugendlichen Geist. Dafür sind wir auch die grammatischste
Nation in Europa , und kein Volk versteht sich befser auf die Zeichen
der Dinge. Offenbar wäre es wünschenswerth, was den allgemeinen
Unterricht betrifft, zwischen dem zuviel in Deutschland und dem zu-
wenig in Frankreich die richtige Mitte zu halten. In Bezug auf die
Wifsenschaft jedoch möchten wir keinen Hemmschuh angelegt wifsen.
Man kann kühn sagen , dafs was in diesem Jahrhundert bedeutendes
für philosophische wie für historisch vergleichende Grammatik gelei-
stet worden, fast ausschliefslich von Deutschland ausgegangen ist,
und die Deutschen haben sich wahrlich dieses Ruhmes nicht zu schä-
men. Hcifst es nun aber nicht, Eulen nach Athen tragen, ein franzö-
sisches Buch grammatischen Inhalts in einer deutschen Zeitschrift an-
zeigen wollen? Wir glauben es nicht. Erst unlängst hat Hr. Professor
Ludwig Lange in einer kurzen, aber eindringenden Analyse der Syntax
des Apollonios die Aufmerksamkeit von neuem auf diesen Schriftstel-
ler gelenkt und dabei ausgesprochen , derselbe sei noch nicht genug
gewürdigt und nicht immer richtig verstanden worden.
Hr. Egg er hat sich vorgesetzt einen vollständigen Begriff so-
wohl von der grammatischen Lehre des Apollonios als von seiner
Darstellungsweise und Schreibart zu geben. Nach einer kurzen Ein-
leitung handelt er in dem ersten Capitel von dem Leben und den
Werken , in dem zweiten von der Methode und dem Stil des Schrift«
siellers. Die vier folgenden Capitel enthalten seine Theorie der Rede-
tlieile, das 7e seine allgemeine Theorie der Syntax. Das 8e und letzte
bespricht den Nutzen, den das Studium der griechischen Grammatik
noch heutzutage aus Apollonios Schriften ziehen könne. Den meisten
Capiteln sind Andeutungen vorausgeschickt über die Art, wie die
Vorgänger des Apollonios dieselben Gegenstände behandelt hatten. In
alle sind längere Auszüge, oft wörtlich übersetzte Stellen des Schrift-
stellers verwebt, weil es dem Vf. darum zu thun war, neben dem
Gehalt auch die Form der Werke des Ap. seinen Lesern vorzuführen.
Diese vollständigen Analysen und Auszüge der vorhandenen Schrif-
ten, die sorgfältige und übersichtliche Zusammenstellung der verlo-
renen im 2n Capitel, die genaue Benutzung alles dessen, was sich
ans andern Quellen, besonders Priscian und den Scholiasten des Dio-
nysios Thrax über Ap. erfahren oder errathen läfst, geben ein voll-
168 £• Egger: Apollonius Dyscole.
ständiges Bild von der Thätigkeit des Grammatikers. Hr. E. hat seine
Schriften offenbar längere Zeit und mit einer gewissen Vorliebe stu-
diert, sich seine Ansichten und seine eigenthümliche Aus drucks weise
vollkommen zu eigen gemacht: in den zahlreichen übersetzten Stellen
sind uns nur wenige anfgestofsen , Ober deren Erklärung wir mit dem
Vr. rechten möchten. Er hat nicht nur die Ausgaben , sondern auch
die Pariser Handschriften, besonders die vortreffliche Nr. 2648 fort-
während zu Rathe gezogen und theilt daraus hin und wieder eine
Lesart genauer mit, als dies von Bekker geschehen ist. Wir heben
zwei Beispiele hervor. Synt. I, 2 p. 6, 4 liest man bei B. wie in den
frühern Ausgaben : ^AQiatagxog ovx Heye fiiv TiXeova^eiv ro a^^ov,
7UQiiy(fcc(pe di, ag illeiTtovrog övvff^iog rotg Sf^^QOtg, Hr. E. bemerkt
(p. 4), dafs die Hs. xov noirjftov hinzufügt, wodurch denn freilich der
Sinn viel deutlicher wird. P. 270 bestätigt er aus den Spuren der Hs.
die Conjectur von Lehrs: elxe naxit övv&etsiv eXxe %a[z hxiX\eittVj de
adv. p. 5<>9, 8. Auch von dem , was auswärts , besonders in Deutsch-
land, in Büchern und Abhandlungen zur Geschichte der griechischen
Grammatik beigetragen worden, ist ihm nicht leicht irgend etwas
entgangen. Die Darstellung ist klar und gefällig, und während die
Schriften des Ap. denjenigen, der zum erstenmal an sie herantritt,
durch eine schwerfällige Terminologie, schlecht gebaute Sätze, weit-
schichtige Digressionen abstofsen und ermüden, liest sich das Buch
seines französischen Interpreten mit grofser Leichtigkeit. Wir em-
pfehlen es allen denen, die nicht Zeit oder nicht Lust haben, den be-
schwerlichen Weg durch den griechischen Text zurückzulegen, und
auch den Lesern des Textes kann es sehr wohl als Wegweiser und
Dolmetscher dienen.
Der Vf. betrachtet mit Recht Ap. als den Vollender der antiken
Grammatik und die Syntax als die Spitze der Arbeiten des Ap. An kei-
nem Werke also lälst sich befser beurtheilen, wie weit es die Alten
überhaupt in der grammatischen Wifsenschaft gebracht haben. Von den
drei Theilen der Grammatik: Etymologie, Flexion und Syntax, ist es,
wie uns scheint, der zweite, die Flexion, welcher die Alten am meisten
beschäftigt hat. Dies kommt wohl daher, dafs der Streit über Analogie
und Anomalie sich hauptsächlich um die Flexion drehte. Auch die Ein-
theilung der Redetheile schliefst sich gewissermafsen an die Flexion
au. Man weifs, wie viel die grammatischen Schulen der Griechen über
Zahl und Ordnung der Redetheile gestritten, und dafs am Ende die
Classification des Aristarch die herschende ward. Die 8 aristarchi-
schen Redetheile sind von Ap. angenommen , finden sich bei Priscian
wieder und sind von da in die modernen Schulen übergegangen. Hr.
£. findet diese Eintheilung im ganzen recht vernünftig und praktisch:
und das mag sein. Nur glauben wir, dafs er gegen Varro ungerecht
ist, wenn er dessen Eintheilung jener gegenüber bizarr und äufserlich
findet (p. 73). Varro theilt die Worte in 4 Classen: diejenigen wel-
che Casus, diejenigen welche Tempora, die beides zugleich und die
keines von beiden haben (de L. L. VIII, 44 u. a.). Dies sind jedoch
E. Efger : Apollomas Dyscole. 169
Moht die Redetheile des Varro, sondern die Oberabtheilnngen, die
nun darch weiteres Spalten in die einzelnen Redetheile zerfallon.
Nun mOsten wir aber sehr irren , wenn nicht die varronische Einthei-
lung auch jener gelfinfigen in Nomen, Pronomen, Artikel, Verbum,
Parlicipium, Adverbium, Praeposilion , Conjunction dem Wesen nach
zu Grunde läge. Wenn Adjectiv und Substantiv in eine Classe zusam-
mengeworfen, wenn aus dem Particip eine besondere Kategorie ge-
macht wird, so rührt das doch wohl daher, dafs die Art der Flexion
den höchsten Eintheiiungsgrund bildete. So hängt der Schiursstein
der alten Grammatik, die Feststellung der Redetheile, mit der Bcu-
gungslehre und mittelbar mit dem Streit über Analogie und Anomalie
zusammen. Lersch hat mit sehr glücklichem Takt diesen Streit an die
Spitze seiner Untersuchungen über die Sprachphilosophie der Allen
gestellt.
Die beiden andern Haupttheile der Grammatik, Etymologie und
Syntax, sind von den Alten weniger ausgebildet worden, und zwar
aus entgegengesetzten Gründen. Die Etymologie tappte rathlos umher
und gerieth auf die wunderlichsten Irrwege, weil die Grammatiker
ihre eignen Ideen und Einfälle in die Sprache hineintrugen, ansialt
den Sprachstoff geduldig zusammenzustellen, zu zerlegen und ihm so
das Geheimnis seiner Eiilstehung abzuringen. Der hellenische Stolz,
der alles fremde als barbarisch verachtete, trug auch das seinige
dazu bei. Die römischen Grammatiker hat die Vergleichung des Grie
chischen hin und wieder zu richtigen Etymologien nnd guten Bemer-
kungen geführt; die Griechen würdigten keine einzige der vielen
Sprachen, die zu Alexandrien und anderwärts täglich um sie her ge-
redet wurden, ApoUonios nicht einmal die der wellherschenden Rö-
mer einer nähern Beachtung. Ilr. E. macht an verschiedenen Stellen
seines Buchs darauf aufmerksam , wie sich diese Vernachläfsigung an
dem Grammatiker gerächt habe. Er führt sehr passend (p. 52) die
naive Behauptung des Philodemos an , die Götter redeten untereinan*
der griechisch oder eine der griechischen nahe kommende Mundart:
«ari vfi Jia t^v 'Ekkrivlda vofuCTiov Sx^tv ctvtovg öuiXsKrov ij (iti
ttoQQfo .... (Vol. Hercul. t. VI , negl xtjg rmv ^eav evaroxovtiiv^jg
dutyayyiJQ col. 14). Diese ergötzliche Aeufserung des Nationalstolzes
erinnert an die Vergötterung des Latein bei dem Jesuiten Melchior
Inchofer, der es wahrscheinlich fand, dafs die Heiligen im Himmel
lateinisch redeten, und dafs auch Christus sich der kirchlichen Spra-
che zuweilen bedient habe (s. Bernhardy Grundrifs der röm. Litt. 2e
Bearb. S. 25).
Die Syntax der Alten hingegen bat erst spät einen Anlauf zu
wifsenschaftlicher Gestallung genommen, weil sie sich allzu äufser-
lieb an die einzelnen Erscheinungen hielt, nicht philosophisch zu all-
gemeinen Begriffen aufstieg. Selbst der Meisler der antiken Syntax,
ApoUonios, fafst mehr die Worte selbst ins Auge als die Beziehungen
der Worte, die doch den eigentlichen Gegenstand der Syntax bilden.
Er ordnet sein System nach den Redetheilcn, und seine Hauptschrift
A. Jakrb. f. PhU. u. Paed, Bd. LXX. Hfl. 2. « 12
170 B. Egfer: Apollonius Dyieole.
ist, wie Hr. E. (p. 244) mit Recht bemerkt, im Grande nicht viel
mehr als ein ge<irfinfter, abersicfatlicher Aaszag aas den Specinl-
schriflen, die er Aber die eineelnen Redetheile verfarst hatte: die Ver-
gleichang der Syntax mit den drei Einzelschriften , die theilweise nnf
ans gekommen sind, beweist dies durchaus. Wir können es daher
nur billigen, wenn Hr. E. zuerst in mehreren Capiteln weitliafig die
Lehren des Ap. über die einzelnen Redetheile abhandelt und an diese
ein einziges Capitel aber sein System der Syntax anreiht: die Schrift
n€Ql avvza^eng bot für jene ebenso viel und mehr Stoff als für dieses.
Mrgends findet man in derselben eine Theorie des Satzes, eine Zer-
legung des Satzganzen in seine Theile: die Ausdrücke Sobject and
Praedicat kommen nicht vor, geschweige dafs der Stoff nach den Be-
ziehungen dieser beiden Satztheile zueinander und zu ihren niheren
Bestimmungen geordnet wäre. Die Bezeichnung des Nomen (welches
das A4jectiv einschlierst) und des Yerbum als der bedeutendsten und
lebendigsten Redelheile gibt hierfür einen nur schwachen Ersatz. Ich
weifs nicht, wer die Ausdrücke Subject und Praedicat zuerst in die
moderne Grammatik eingeführt hat; aber das ist offenbar, dafs sie
aus Aristoteles (iuqI iQfirjvUag) abgeleitet sind, der auf das bestimm-
teste den praedicativen Charakter des Yerbum hervorhebt, indem er
sagt, es sei immer crffiBtov rmv xo^' hsQOv leyo(iiv»Py oder tmv
Tiad" imoxetfiivov i} iv v7to%€tfiivcj> oinroov, und der unter ovofia , im
Gegensatz zu nvfaaig ovofiatog^ nur eben dies vnoxelfuvov^ den er-
sten der beiden in jedem Urlheil enthaltenen Begriffe versteht. Die
alten Grammstiker halten es verschmäht, die Andeutungen des Philo-
sophen für die Syntax fruchtbar zu machen, die neueren erst haben
den Schatz gehoben, der darin verborgen lag, und dennoch lafst sich
nicht leugnen, dafs dieser philosophische Ursprung, diese Uebertra-
gung von Begriffen und Namen aus der Logik in die Grammatik etwas
schiefes in die Terminologie sowohl als die Anschaaungen der Gran^
matik brachte, bis es der Sprachforschung endlich gelang einen rich-
tigeren , sachgemifseren Standpunkt einzunehmen. Wie pedantisch ist
z. B. gleich der Ausdruck Satz, propoiitiOy womit wir das bezeich-
nen, was der alte Grammatiker viel passender einen vollständigen
Sinn, avxorekrig liyog^ nannte. Aristoteles beschränkte sich auf seine
logischen Zwecke und erklärte ausdrücklich , dafs er Wunsch- , Be-
fehlsatz n. s. w. bei Seite lafse (1. c. c. 4); die moderne Grammatik
will, dsfs jeder Satz ein Urtheil enthalte, und gibt sich dann ver-
gebliche Mühe das widerstrebende in diese einseitige Definition zu
zwängen. Die Namen Praedicat und Subject, Aussage und Gegenstand
von dem ausgesagt wird, passen nicht auf die Satztheile die sie be-
zeichnen sollen , sondern nur auf das was man später logisches Sub-
ject und Praedicat genannt hat *). Apollonios nennt einmal beiläafig
^*) Kin Ansatz zu der Unterscheidung zwischen logischem und gram-
matischem Subject findet sich schon in dem avftßccfiot und naQaevfißtqga
der Stoiker.
B. Efgerz Apollomas Dyicole. 171
dai sogenmiite flnbjeel to ivitfyo&p (III, 81 Jont.), wag Aem Wesen
der Sache viel niher kommt: de» daa graaimaUsf^e Snbject ial ja
niehtf anderei als der Aasgangrspukl dea durch daa Verbam aaa-
gedrackten Vorgaaga. Das ist nun freilich hentsntage allgemein be-
kannt; aber dennoch spukt die mit den Worten selbst verknflpfle
altere Anschauungsweise noch hin und wieder in Köpfen und BOchera.
So liest man in Zampts Grammatik §. d63: 'Sobject heifst in einem
Satze das, worüber etwas ausgesagt wird, Praedicat nennt man was
Ober das Subject [ausgesagt wird' : eine Definition die an den ein-
fachsten Sitzen, z. B. urbem Romam a prtncipio regßi kabuere^ zu
Schanden wird. Das Uebel liegt in dem philosophischen Ursprung
der grammatischen Kategorien. Dadurch wurden abstracto Urtheils-
aitse wie *der Mensch ist sterblich' zum Prototyp des Satzes erho-
ben, als die Norm betrachtet, auf welche alle übrigen Sitze zurflck-
suffihren seien, eine Ansicht die der lebendigen, graounatischen An-
schauung zuwiderläuft.
Allein kommen wir anf Ap. zurück. In seiner Lehre von den
Redetheilen verdient unstreitig die Begriffsbestimmnng des Artikels
eine besondere Auszeichnung: Hr. E. hat mit Recht darauf hingewie-
sen. Denen gegenüber, die ganz infserlich dem Artikel die Rollo
gaben, das Geschlecht dor Substantivs zu unterscheiden, setzt Ap. das
Wesen dieses Rcdetheils mit unübertrolTener Schärfe und Feiuhcit in
die Rflckbeziehung (ava<poQa) auf ein schon genanntes oder schon
bekanntes, in die yvMtq n^oihtOKBifiivri ^ ^QOvg)SOTMa, die secunda
noiüia^ und weist vortrefflich nach, warum er in gewissen Fällen
gesetzt, in andern weggelafsen, bald wiederholt (wie in 6 dovXog 6
ifiog) , bald nicht wiederholt werde (wie in o ifiog öovlog). Ebenso
scharfsinnig, wenn auch vielleicht nicht ebenso richtig, sagt Ap. vom
Pronomen, dafs es die oiöUcj das reine Sein bezeichne (er wollte
wohl sagen: auf ein Individuum deute), während das Nomen neben
der avifla noch die itoiotrfg, die mit dem Sein verknüpften Eigen-
schaften ausdrücke. Wir können dem Vf. nicht beislimmen , wenn er
p. 77 dem Ap. die Lehre zuschreibt, das Nomen und sogar das Nomen
proprium enthielte nicht den Begriff der ovöia, der aHsschliefslich
dem Pronomen zukomme. Er hat sich zu dieser Behauptung durch
eine Stelle im ersten Buch der Syntax, c. 37 B, verleiten lafsen, und
dennoch führt er selbst weiter unten aus der Schrift de pron. p. 33
die bestimmte Aeufserung an: ovclctv arifialvovaiv at avriowiäai,
TOT dl ovofuna ovalccv (Uta noioxrjtog. Eindringender Scharfsinn ist
überhaupt die hervorstechende Eigenschaft dieses Grammatikers. Nur
bedauert man, dafs er ihn so häufig an die Widerlegnng elender
Chicanen oder kindischer Irthümcr vergeuden muste: er hat mit den
Spitzfindigkeiten der Grammatiker fast ebenso viel zu schaffen als Ari-
stoteles mit denen der Sophisten. Er beweist mit der gröfsten Aus-
führlichkeit, Sei und %Qfi seien keine Adverbien, u gehöre nicht zu
den Artikeln u. dgl. Ernsthafte Discussionen über solche Armselig-
12*
172 E. Egger: Apolloiiias Dyscolc.
keiten lafgen sich nicht ohne peinliche Ungedald lesen und beweisen,
^'ie sehr die Grammatik damals noch in der Kindheit lag.
An der Syntax des Apollonios ist vor allem hervorzuheben, wie
tief der Schriftsteller von der Ueberzeugung durchdrungen ist, ei
walte Kegel und Gesetz in der Sprache, nicht Zufall und blinde Will-
kür. Diese Ueberzeugung zieht sich durch das ganze Buch hindurch,
spricht sich jedoch vorzüglich in der Einleitung aus, wo er den Ge-
danken ausführt, die Verbindung der Laute zur Silbe, der Silben zum
Wort, der Worte zum Satz, endlich der Sätze untereinander werde
von derselben Ordnung und Gesetzmafsigkeit bcherscht, und diese
verschiedeneu Theile der Grammatik seien einander parallel, gleich-
sam symmetrisch. Die Durchführung wird nun freilich im einzelnen
oft sonderbar, ja Ucherlich, aber der Grundgedanke ist des tiefsin-
nigen Grammatikers würdig. Sein Uauptirthum besteht darin, dafs
er diese Gesetzmafsigkeit nicht sowohl in der Sprache selbst als in
dem grammatischen System nachweisen will: die Ordnung der Buch-
staben im Alphabet, die nur historisch zu begründen ist, hat für ihn
eine Naturnothwendigkeit, einen tiefen philosophischen Sinn: die Rei-
benfolge der Redcthcilc, wie sie in der Schule festgestellt worden,
ist die einzig vernünftige und logische. Allein von diesen Auswüch-
sen abgesehen bleibt des guten und tiefen genug Übrig. So führt ihn
das Zusammenballen der Buchstaben mit den RedetMlen auf eine sehr
bedeutende Unterscheidung. Wie die Laute Selbstlauter oder Mitlau-
ter sind, q>€i>vi^svra und av^qxavoj so gibt es Redetheile, die für sich
allein einen Sinn ausdrücken und an die Stelle eines ganzen Satzes
treten können; dahin gehören Verbum, Nomen, Pronomen, Adver-
bium: während die übrigen, Praeposition, Artikel, Conjuuction, nar
in Verbindung mit andern Worten einen Sinn bilden. Diese letzteren
nennt er cvacrjfialvovra (consignificanlia Prise), der Benennung (Tvfi-
(poiiva entsprechend, gleichsam Mitdeutcr, wie Mitlauter**"). Man
sieht, Ap. war nicht sehr weit von der Unterscheidung der Begriffs-
und Formwörter entfernt. Es lag hier ein Keim zu einer fruchtbaren
Entwicklung, den niemand nach 'ihm aufgenommen haL Ap. konnte
nicht alles selbst vollenden: er hatte der Vater der Syntax werden
können, allein er beginnt und beschliefst die wifsenschaftliche Gram-
matik im Altcrthum.
Wir reihen hieran einige andere bedeutende Bemerkungen des
Ap. , auf welche schon Ilr. E. in seinem Buche (p. 156 f. p. 300 f.)
hingewiesen hat. So dringt er tief in die Analyse der Wortbildungen
ein, indem er den Satz aufstellt, dafs jede abgeleitete Form sich in
zwei Worte, das Grundwort und ein anderes, mit der Endung gleich-
*) Das Wort avaarjfiahfiv findet sich ganz passend in der Defi-
nition der Coiijunction bei Bekker Anecd. p. 952: ein Grund mehr,
sie mit Hrn. R. (p. 207) unbedenklich auf Apollonios zuruckzuftihren:
avvdeauog sazi fitQog Xoyov otnXitov y ovvdftmdv tcSv tov loyov fifQiov,
otg Tial avaarjtia^vn. ...
E. Eggen Apollonius Dyscole. 173
bedeatcDdes Wort attflösen läfst (Synt. HI, 13). 'EKxoQiötig l^^gt
sich durch "ExzoQog vügy yo^yote^og durch yo^og (läXkov^ t-mctiv
durch tTtnovg fSvvi%ov wiedergeben. Ebenso löst er die Tempora finita
des Yerbum auf, indem er allen die «bstracte Form des Infinitiv zu
Grunde legt: lu^m^etm isi soviel als WQtaaiiriv ne^maxeiVj mqina-
jolfu=^ flfj^ufiriv n£Qin€cv€iv^ rce^maxei^z ngoaha'^a xe^inctretv^ mit
Bexug auf die Namen dieser Modi OQUfrixrj^ ivKUKti, TeQoaraxuxfi.
Befser noch löst er anderswo (Synt. III , 22. 23) die Modi durch Ad-
verbia auf: der Wunsch, sagt er, läfst sieh auf doppelte Weise aus-
drücken, theils durch ein besonderes Wort ei&s^ das gleichsam Svofia
svx^g ist, theils durch die mit dem Stamm verschmolzene Endung des
Optativ. So entspricht dem Imperativ die allgemeine Partikel ays, so
enthält yqitpG» den Sinn des Pronomen iyto in seiner Endung, so ent-
halten Bildungen wie ^Ilw^sv den allgemeinen Begriff von SXXo^sv
neben dem einer bestimmten Oerllichkeit. Ja er spricht es auf das
bündigste aus, dafs dieselben Beziehungen bald durch Praepositionen
bald durch Flexionen ausgedrückt werden können. Tfüv Tcqo&icBfov
naQBiXkrifiiviav €ig tOTCwiiv (SxiCiv ofio£&g totg scrantxoig, ^Ev oTxco, i%
jiiisßov, ilg oIkov sind gleichbcdeutig mit otxo^ij Asaßod'Bv^ ofxaSe
(Synt. IV, 10 und die übrigen Stellen bei E. p. 186 n. l). Das sind
Keime einer tiefer gehenden Sprachforschung , die im Alterthum nicht
KU Früchten heranreifen sollten. Keiner von Ap. Nachfolgern war im
Stande sie zu entwickeln, und man kann sagen, dafs sie vergebens
ausgestreut worden: denn die moderne Wifsenschaft gelangte selb-
ständig zu ihren Resultaten. Wie er so einerseits in das Wesen der
Flexion eindringt, so gibt er auch über die Bedeutung einiger der
schwierigsten flcxivischen Endungen, insbesondere der Casus, geist-
reiche Winke. Die Verba der sinnlichen Wahrnehmung axoveiv, S-
^tetS^ai^ o0(pQ<xlve<S^aiy heifst es gegen Ende des 3n Buchs, regieren
den Genetiv, weil sich der hörende, fühlende u. s. w. gewissermafsen
leidend gegen die Gegenstände der Wahrnehmung verhält, welche auf
ihn wirken, auf ihn eindringen; jedoch nicht den Genetiv mit vtto,
wie die passiven Verba, weil der empfindende denn doch auch sei-
nerseits thälig ist. OiXetv regiert den Accusativ, weil es eine gei-
stige Thätigkeit ausdrückt, bei welcher der Gegenstand der Neigung
als ein leidender gedacht wird; igäv aber den Genetiv, weil es ein
Bedürfnis, eine Leidenschaft ausdrückt, bei welcher der liebende
zum leidenden wird: x6 ys fitiv iquv o^oXoynto TCQoaöiorcl^ea&cti vTto
rov iqiofiivov. Der ernste Grammatiker verliert sich hier auf ein Ge-
biet, wo er weniger zu Hause ist; aber er beruft sich auf eine vor-
treffliche Autorität, die Sappho. Schade dafs ihre Worte von den
Abschreibern so verderbt worden, dafs es sogar Bcrgks Scharfsinn
nicht gelungen ist sie befriedigend wieder herzustellen (fr. 16).
Schiicfslich berühren wir noch einen speciellen Punkt, der für
die griechische Grammatik nicht ohne Wichtigkeit ist. Bekanntlich
ist der Gebrauch , eine gewisse Anzahl kleiner Wörtchen , die wir
jetzt Atona oder Proclitica nennen, ohne Acceutzeichen zu lafseu, erst
174 E* Egger: ApoHonias Dyscole.
spit aufgekommen und enlbohrt aller eigentlichen Gewähr. Hr. E.
hat die bestimmtesten Zeugnisse des AUerlhums für sich, wenn er
gegen Hermanns Lehre protestiert (p. 280), diese Wörtchen Iheilieo
ihren Accent den nachfolgenden Wörtern mit, wie die Euolitica iba
auf die vorhergehenden zurückwerfen. Wir glauben übrigens nicht,
dafs Hermann oder irgend jemand sich die Sache so vorgestellt habe,
als ob s. B., wie in Jiovvaiog xtq die Endsilbe des Namens den Acut
erhält, so in 6 Jiovvctog die Silbe Jir- unter dem Einflufs des ton-
losen Artikels mit einem , wenn auch ungeschriebenen , höheren Tone
ausgesprochen worden. Was hat nun aber die byzantinischen Ab-
schreiber bewogen , für die 11 oder 12 Wörtchen eine Ausnahme zu
machen, und nicht ebenso wohl o nattJQ wie to xinvovj 'iv nolu
wie nqo TtoXetog zu schreiben? Der \L vermuthet nicht ohne Wahr«
scheinliohkeit, dafs sie die Artikel i, fi, ot^ at von den Relativen o, ^
ofr, ar durch die Schrift unterscheiden, den Unterschied zwischen Iv
und €v, ig und 8|, dg üg und äg u. s. w. noch augenfälliger machen
wollten, als dies der Fall gewesen wäre, wenn man jenen Praeposi-
tionen den Gravis gegeben hätte. Wirklich stehen allen Atonis mehr
oder weniger gleichlautende Wörter zur Seite. Vielleicht ist auch zu
beachten, dafs die Atona sämmtlich mit einem Yocal anfangen und
also einen Spiritus verlangen. Sollten die Kalligraphen gesucht ha-
ben, wo es angieng, ein Zeichen zu sparen, um die Schrift nicht mit
kleinen Strichen zu fiberladen? Wie dem auch sein mag, wir stim-
men dem Vf. darin vollkommen bei , dafs zwischen 6 und %o , ig und
ovv ein wirklicher Unterschied der Betonung in der lebendigen Aus-
sprache nicht stattfand. Weiter können wir ihm aber nicht folgen:
wir glauben dafs er irrt, wenn er diese Wörtchen auf 6ine Stufe mit
allen übrigen Oxytonis stellt, die in zusammenhängender Rede ihren
Acut in den Gravis verwandeln. Es ist nicht zu übersehen , dafs die
zweisilbigen Praepositionen , so wie einige andere Wörtchen: ovöl^
firidi, aÜ,äy wenn die letzte Silbe vor einem Vocal elidiert wird,
ihren Accent einbüfsen, während ihn die übrigen Oxytona auf die
vorletzte Silbe zurückziehen. Benloew (Paccentuation dans les lan-
gnes indo-europ^ennes p. 166) hat aus diesem Grunde sehr richtig
zwischen starken und schwachen Oxytonis unterschieden. Wir gehen
noch weiter: wir behaupten dafs alle diese Wörtchen gar keinen selb-
ständigen Accent hatten. Apollonios lüfst hierüber keinen Zweifel:
man braucht nur ohne vorgefafste Meinung zu lesen, was er im An-
fang des 4n Buchs der Syntax von der Betonung der Praepositionen
sagt, nicht von den conventioneilen, schriftlichen Tonzeichen, son-
dern von der wirklichen, lebendigen Aussprache. Er wirft hier eine
Frage auf, die auch die lateinischen Grammatiker viel beschäftigt hat.
Woran erkennt man , ob eine Praepositiou ein Wort für sich bildet
oder integrierender Theil eines zusammengesetzten Wortes ist? Bei
den übrigen Redetheilen , sagt er , gibt die verschiedene Betonung ein
entscheidendes Merkmal an die Hand. Jtog ttovQog unterscheidet sich
in der Aussprache von Ji6<SKOV(fogy "Elltig jsovtog hat einen Acut auf
E. Egger: ApollomuB Dyscole. 175
der ersten Silbe, besteht also aos Ewei Wörtern. Aber bei den Prae-
positionen kommt dies Merkmal nicht immer su Hilfe. IldQöiTcov frei-
lieh unterscheidet sich von Tcoiji* oliwv durch die Zurückziehung des
Tons, aber iiuduov lautet ganz so wie in otnov^ nazatpiqovzog wie
%aza q>i^VTog. To di KatayQaq>a e&f dvo (liffti loyov elalv (7),
ctre iv^ oi% ivdilnvvtai äta xijg %aa$(0£' nal ti rovroi^ o/iOia, xo
anolxov^ K€traq>iQovTog^ anuwa %m toiavxa xi^ ovr^ l^erac
aiiqHßoUag %xL (ich citiere den Text nach der Juntina , da mir Bek-
kers Ausgabe nicht Kur Hand ist). Hrn. E. ist diese Stelle nicht ent-
gangen: er begnügt sich, sie sonderbar au finden. Für uns geht dar-
aus mit der gröfsten Bestimmtheit hervor, dafs es sich mit dem Ton
der griechischen Praepositionen gerade so wie mit dem der lateini*
sehen verhielt: mindestens im Zeitalter der Antonine, und wir haben
kein Zeugnis, dafs es früher anders gewesen. Man weifs, dafs die
lateinischen Grammatiker erklaren, alle Praepositionen, nicht nur die
einsilbigen, sondern auch die xwei- und mehrsilbigen haben auf der
letzten Silbe einen Acut, der sich jedoch vor dem regierten Casus in
einen Gravis verwandle. Quintilian hingegen (I, 5, 27) stellt die
Sache einfacher und natürlicher so dar, dafs die beiden Worte mit*
einander verbunden und wie ein einziges ausgesprochen werden. Die
griechischen wie die lateinischen Grammatiker haben, wie uns scheint,
dem im allgemeinen richtigen Sats , jedes Wort habe einen Accent,
der Accent sei das Kennzeichen der Worteinheit, eine zu grofse Aus-
dehnung gegeben. Sie wollten in ihren Schulen den, wie die Inschrif-
ten zeigen, so hüuQg vernachläfsigten Unterschied zwischen Com-
position und Jttxtaposition , %axa(piQOvxog und ncexa g>i(fovxog^ prae-
iermissoB und praeter missos^ recht deutlich hervorheben: dies hat
sie wohl zu ihrem künstlichen Verfahren verleitet. Im Lateinischen
oahm sich die Theorie noch wunderlicher aus, weil diese Sprache
sonst keine mehrsilbigen Worte mit betonter Ultima kennt; im Grie-
chischen war sie weniger auffallend. Man kann noch einen anderen
Umstand zur Yertheidigung der Grammatiker geltend machen. In bei-
den Sprachen bildete die acute Silbe den Höhepunkt der Betonung:
der Ton stieg vom Anfang des Wortes bis zu derselben hinauf, von
da bis zum Ende des Wortes wieder hinunter. Es genügt hier, auf
eine einzige, zwar bekannte, aber oft misverstandene, Stelle zu ver-
weisen: Prise, p. 1289 P.: ipsa cox quae per diciiones formalur (der
durch je ein Wort gebildete Laut), donec accenlus pcrficialur ^ in
arsim deputalur ; quae autem post accenlum seqnitur^ in thesim.
Die Worte arsis und thesis sind hier in einem minder gewöhnlichen,
jedoch sogar bei Griechen nicht unerhörten Sinne gebraucht: arsis
bedeutet das Aufsteigen der Stimme von der tiefern zur höhern, ike-
sis das Absteigen von der höhern zur tiefern Note. So sagt Plethon
in einer Schrift über Musik: aQCiv fiiv ovv elvai o^viigov q)96y'yov
i% ßaQViiQOv (UxaXri^tv^ Möiv di xovvavxlov ßa^vxiQOv i| o^vxbqov,
(Notiees et extraits des manuscrits de la bibl. du Roi. T. XYI p. 2 p.
236). Der Herausgeber, Hr* Vincent, bemerkt mit Recht, ein älterer
17Ö £. Egger: Apollonius Dyscolo.
Schriftsteller halle hier die Aosdrücke zdaig^ oder vielmehr inltU"
sjiqy und ave<stg gebraucht. Diese Stelle kann dazu beitragen, einiges
Licht auf die dunkle und verwirrte Geschichte der Worte arsit und
ihesis fallen zu lafsen: allein wir wollen hier nicht zu weit von un-
serem Gegenstand abschweifen. Das Aufsteigen des Tons zu Anfang
eines Worts kann den Gravis in xorra (piQOvxog vielleicht einigerma-
fsen rechtfertigen: -tot hatte wirklich einen etwas höhern Ton als
xa-: nur mufs man nicht vergefsen, dafs ganz dasselbe auch in xccxa-
q>i{^vzog stattfand. Man hätte befser gethan, sümmtliche Praeposi*
tionen, so wie einige andere Wörter, die sich an die nachfolgenden
anschliefsen , ohne Accentzeichen zu lafsen. Sollte aber einmal der
befsern Unterscheidung halber jedes Wort mit einem geschriebenen
Accent verseifen werden, so hatten die alten Grammatiker offenbar
Recht, zwischen i| und avv^ o und x6 keinen Unterschied zu machen,
vielmehr allen den Gravis zu geben. Allein dieser Gravis ist von der-
selben Natur wie die nicht geschriebenen Graves in jedem mehrsilbi-
gen Worte, und darf nicht mit dem Gravis verwechselt werden, wel-
cher den im Zusammenhang der Rede gedämpften Acut der wirklichen
Oxytona bezeichnet.
Wir würden daher vorschlagen die Benennung Proclitica auf alle
die unselbständigen Wörtcheu auszudehnen, von denen sich erweisen
läfst, dafs sie sich dem uachfolgendcu Worte in der Aussprache an-
schlofsen. Vielleicht wäre es jedoch rathsamer, einen andern Namen
zu erfinden. Der Ausdruck Proclitica ist zwar bequem, aber schlecht
gebildet, und kann leicht zu einem Misverständnis führen. Wir glau-
ben nemlich nicht, dafs die Enklitiken, wie man gewöhnlich annimmt,
deshalb ihren Namen tragen, weil sie sich mit ihrem Ton an das
vorhergehende Wort anlehnen. Das Verbum iyxUveiv heifst bekannt-
lich ^beugen, verändern' und umfafst alle möglichen Nodificationen
der Wortform, Conjugation, Declination, Tonveränderung. In enge-
rem Sinne bedeutet nun iyxXiPOfiBvov ein Wort, das seinen Ton ver-
ändert, und iyKXiviKOv transitiv, wie die von Verben abgeleiteten
Adjectiva auf -ixog in der Regel ein Wort, das den Ton eines andern
Worts verändert.
Besan9on. H, Weil.
Kunstarchaeologische Vorlesungen im Anschlufs an das akademische
Kunstmuseum in Bonn von Dr. Johannes Overbcck, a. o. Professor
der Archaeulogie der Kunst an der Universität Leipzig. Braun*
schweig, C. A. Schwetschke et Sohn. (M. Bruhn.) 1863. VlII u.
220 S. gr. ö.
Das okademischo Kunstmuseum in Bonn, mit preiswürdiger Libe-
ralität von dem k. Ministerium ausgestattet, wird allein hinreichen, sei-
nes Begründers F. G. Welckcr Namen auch dann in dankbarem An-
J. Overbeck: kniiBtarchaeologiiche Vorlesungen. 177
denken an der UniverfiUlt ko erhalten, wenn die zahlreichen Zuhörer,
welche durch seine Vorträge in das Studiam der alten Kunst eingeführt
worden sind, längst dahingegangen sein werden. Dem Vf. der vor-
liegenden Schrift hat es den Anlafs zu Vorlesungen geboten , welche
an der Hand der Monumente und durch eine eindringliche Beleuchtung
der hervorragendsten unter ihnen die Hauptphasen der Kunstgeschichte
verdeutlichen nnd dergestalt als eine Vorbereitung oder Ergänzung zu
systematischen Kathedervorträgen dienen sollten. Wie er selbst S. VII
bezeugt, ist ihm dies wohl gelungen: seine Vorlesungen haben sich
einer bedeutenden Frequenz (niemals unter fünfzig) zu erfreuen gehabt,
und zwar, nach dem lebendigen und warmen Ton mehrerer ausführ-
lichen Schilderungen zu urtheilen , mit gutem Grunde. Denn die innige
Liebe, womit der Vf. der alten Kunst ergeben ist, und die Lebhaftig-
keit seines Gefühls können nicht anders als anregend auf empfängliche
Gemflther wirken. Bei seinem Abgange nach Leipzig hat er diese Vor-
träge für den Druck ganz überarbeitet und ihnen eine Form gegeben,
* welche zwischen der der Vorlesungen und der des Katalogs die Mitte
hält' (S. V). Jene sollen ^ der studierenden Jugend einen anschaulichen
Abrifs der griechischen Kunstgeschichte', dieser ^ein ausreichendes
Hilfsmittel zum Studium des Museums' liefern. Den bekannten Wolcker-
schen Katalog kann er nemlich nach S. VI nicht dafür halten, weil die-
ser eine freie, in der Ausführung ungleiche Behandlung vorzieht und
in methodischen Vorlesungen über die Kunstgeschichte seine Vervoll-
ständigung flndet. Es ist freilich wahr, dafs Welcher einzelne und zwar
bedeutende Monumente kurz berührt, andere in Excursen ausführlich
behandelt. Indessen lafsen sich jene Lücken meistens aus andern
Schriften W^elckers, auf welche dieser selbst verweist, namentlich aus
der ersten Ausgabe des Katalogs, ergänzen, und wem die Excurse zu
gelehrt erscheinen, der kann sie ja ungelesen lafsen. Auch bringt es
die Natur der Sache mit sich , dafs in einem kleinen handlichen Buche
nicht alles gleich ausführlich erörtert wird, und ich mache es auch
Hrn. Overbeck ebenso wenig zum Vorwurf, dafs er S. 68 die Melopen
des Theseion, die Stücke vom Tempel der Nike Apteros, die Melopen
von Olympia (Nr. 82 — 108) mit einigen, zum Theil von Welckcr ent-
lehnten Worten abfertigt, als dafs er an mehreren Stellen, z. B. S.2I
Nr. 4, S. 48 Nr. 24, Statuen erklärt, wovon im Museum nur Büsten
vorhanden sind. Nur hätte er deshalb das Welckerscho Verzeichnis
nicht für weniger brauchbar erklären sollen. Ja es läfst sich fragen,
ob nicht der von dem Vf. befolgte Plan den praktischen Gebraach sei-
ner Schrift weniger leicht macht als den altern Katalog. Am bequem-
sten ordnet sich natürlich ein Verzeichnis räumlich nach Zimmern und
Wänden, aber abgesehen davon, dafs dann eine jede Umstellung grofse
Verwirrungen mit sich bringt, ist dies Princip für den lerneuden, wel-
cher verwandtes zusammen zu fafsen wünscht, zu mechanisch und un-
fruchtbar. Sehr zweckmäfsig hat daher Wclcker den Vorralh der Denk-
mäler nach den Formen in Gruppen, Statuen, Büsten, Kcliefs cingetheilt,
wonach man sich leicht zurecht findet, während der Vf. weder auf die
178 J- Overbeek : kansUrcbacologischc Vorlesungen.
räomliche Aufstellang noch auf die Form der Monumente durcbgreifend
Rücksicht nimmt und so trotz der überall beigefügten Nachwoisungen
über den Standort den Anfänger mündliche Nachhilfe oft vermifseB
lafsen wird. Femer ergeben sich aas dem doppelten Princip mancherlei
Incongruenzen. Hätte die Schrift ansschliefslich den kunstmytho-
logischen Gesichtspunkt im Ange, so müste man sich zufrieden geben^
wenn die Fortratstatuen , um von den Büsten gar nicht zu reden ^ mit
Stillschweigen übergangen werden; in einem Werke, welches * wesenU
lieh auf die Kunst gerichtet ist' (S.220), durfte ein Aeschines, Aesop^
Menander nicht fehlen. An vielen Stellen wird ferner der kunstge-
schicbtliche Faden durch die Zusammenstellung gleichartiger Gegen*
stände unterbrochen, so dafs man in der That nicht weifs, welches
Princip vorgeherscht hat. Betrachtet man endlich das Buch lediglich
als Katalog, so ist zwar anzuerkennen, dafs die Beschreibung der in
der letzten Zeit hinzugekommenen, zum Theil bedeutenden Denkmäler
das Welckersche Verzeichnis in dankcnswerther Weise vervollständigt,
aber anch nicht zu verschweigen, dafs einige Stücke fehlen, andere
irthflmlich zusammengeworfen werden. Der Hauptfehler aber liegt ia
der Flüchtigkeit und Unzuverläfsigkeit der thatsächlichen Angaben.
Der Vf. benutzt Welckers Katalog in einem Mafse, das ich, weil er
selbst S. VII nnd durch Anführungszeichen daranf aufmerksam macht,
im allgemeinen nicht tadeln will. Aber er entlehnt ihm auch die Litte-
ratur mit ihren Druckfehlern und hat es in der Regel nicht für nöthig
gehalten, die angeführten Werke selbst nachzuschlagen, woraus denn
Misverständnisse und Versehen aller Art nothwendig folgen musten.
Einen äufserlichen Beweis mag vorläufig S.127 geben, wo naohW^eU
cker S. 24 Sillig zu Plinius p. 197 angeführt wird. Jedermann wird
erwarten , dafs damit die neue Aasgabe Silligs gemeint sei; da ist aber
p. 305 die betreffende Stelle. Hr. 0. behält das Citat der altern Auf-
gabe bei, welches bei Welcher natürlich ganz in der Ordnung ist, da
er keine andere anführen konnte. Andere Proben werden gelegentlich
nachfolgen. Von späteren Werken ist besonders Brunns Künstler«
geschichte neben Müllers Handbach die Hanptquelle. Die nöthige Um*
schau in der Litteratur ist nicht überall angestellt worden. Ja zuweilea
scheint es fast, als ob die Beschreibung nicht im Anblick der Mona*
mente verfafst oder wenigstens nicht nachher mit ihnen verglichen
wäre. Nicht allein fohlen häufig die Blafse, sondern es kommen Irlhü*
mer vor, die sonst unerklärlich wären. Eine Entschuldigung gibt aller-
dings die Nothwcndigkeit eines übereilten Abschlufses, welche der
Abgang des Vf. von Bonn mit sich brachte ; aber dem Buche fehlt die
erste und uncrläfslichste Eigenschaft einer Beschreibung, die Zaver*
lafsigkeit.
In einer gut geschriebenen Einleitung S. 3 — 7 bezeichnet der
Vf. seinen schon oben besprochenen Standpunkt. Er legt die histo-
rische Betrachtung zu Grunde und verbindet damit die gegenständliche
an den Punkten, wo das Ideal einer Vorstellung mustergillig erreicht
worden ist, erörtert ferner an besonders hervorragenden HonnmeotaB
J. Overbeck: kanstarohaeologisohe Vorlesniigeii. 179
die toohoischen FrageD , sowie dio Gesetie dor Formgebung und Com-
position. Darauf folgt S. 8 — 17 ein kunstgeschichtlicher Ein«
gang, in xweckmafsiger Kflrze, meistens nach Brunn. An diesen Vor-
gänger schliefst sich der Vf. mit einer solchen Treue an, dafs er S.ll
selbst das offenbare Versehen Brunns S. 30 nicht berichtigt, womit
dem Glaukos die Löthung des Erzes statt des Eisens zugeschrieben
wird. Auch den Namen Dibutades statt Butades, welchen Brunn
S. 402 nach Einsicht der richtigem Schreibung des Cod. Bamb. bei Pli-
nins XXXV, 15ä verbefsert, nimmt er S.IO aus S.23 auf, ohne, wie
es scheint, Silligs neue Ausgabe nachgeschlagen zu haben. Mit einer
sonderbaren Flüchtigkeit werden die Zeitangaben, worauf es bei einem
fflr Anfänger bestimmten Abrifse doch wesentlich ankömmt, behandelt.
S. 10 Z. 96 liest man Ol. 29 = 656 v. Chr., dagegen S. 11 Z. 1 Ol. 30 s
660. Brunn gibt nemlich S. 24 die unrichtige Zahl Ol. 29 far die Ver-
treibung der Bakchiaden, aus einer andern Quelle scheint das Jahr
Y. Chr. entnommen zu sein. Die verwirrten Notizen S. 12 z. E. lafsen
sich zum Theil auf Druckfehler zurQckföhren , von denen das Buch
wimmelt *) — statt Ol. 43 ist zu lesen 53 (= 568), sUtt 48 ohne Zwei-
fel 68 (wie in dem Citat Fans. VllI, 40 statt 49) — zum Theil fallen sie
den Quellen des Vf. zur Last. Thicrsch gibt nemlich S. 52 für den Tod
des Arraehion Ol. 53 an, Fausanias aber 01.54; Müller Hdb. §.87, 1 für
den Sieg des Praxidamas Ol. 58, Fausanias 01.59. Diesen letztern
•oheint Hr. 0. nicht wieder eingesehen zu haben ; sonst würde er ihn
■icht sagen lafsen , dafs ^ gegen Ol. 60 Siegerstatuen in Gebrauch
kamen', während Fausanias Ol. 59 und 61 nennt. Auch S. 16 sind die
Zahlen 01.46 in 56 und 470 v. Chr. in 460 zu verbefsern.
Die Uebersicht des Denkmäler vorralhs eröffnen I. die archai-
sehen und archaistischen Monumente. Sie werden S. 17 — 36
in 18 Nummern gut und eingehend besprochen. Namentlich verdient die
genaue Charakteristik des ApoUon von Tenea Nr. 2 gerühmt zu werden.
Die Bemerkungen über die Artemis von Neapel Nr. 4 sind zwar richtig,
aber, da man in Bonn nur die Büste besitzt, zum Theil nicht gan^ an
ihrer Stelle. Auch über die Dresdener Fallas Nr. 3, sowie die Dreifufs-
Reliefs Nr. 6 — 8 spricht der Vf. lehrreich und klar. Mit Recht stellt
er ferner Nr. 1 den männlichen Kopf aus gebrannter Erde in der Mün-
chener Glyptothek (S. 34 Nr. 41 der Beschreibung) als echt alterthüm-
lieh an die Spitze, womit übrigens Welcker Zuwachs Nr. 8 und Schorn
a. a. 0. übereinzustimmen scheinen. Nur gehört er nicht unter die
griechischen Denkmäler. Schon dafs er von Gregor Vi dem König
Ludwig zum Geschenk gemacht wurde, läfst etruskischen , wahrschein-
lich volcentischen Ursprung vermuthen. Aber auch der Stil schien mir,
als ich des Original im J. 1842 aufmerksam betrachtete, unzweifel-
haft etruskisch zu sein. Ich bin also der Ueberzeugung, es sei nicht
♦) Besonders unangenehm fallen die nnrichtigen Accente in die
Augen, z. B. 8. 31 doitioQ, S. 55 vdog, S. 6i ax9i(Jffa, S. 65 fvya,
8. 66 avtofpvfi und XafinQOv y S. 85 zaige , 8. 187 oq^.
170 B. Bgger: Apollonins Dyseole.
ist, wie Hr. B. (p. 244) mit Recht benerkt, im Grande nicht viel
mehr als ein gedrfingter, abersichtlicher Aasing aes den Special-
schriften, die er Ober die einselnen Redetheile verfarst halte: die Ver-
gleichnng der Syntax mit den drei Einzelschriften , die theilweise auf
nns gekommen sind, beweist dies durchaus. Wir können es daher
nur billigen, wenn Hr. E. zuerst in mehreren Capiteln weitlinflg die
Lehren des Ap. aber die einzelnen Redetheile abhandelt und an diese
ein einziges Capitel aber sein System der Syntax anreiht: die Schrift
tu(fl cvwa^sng bot far jene ebenso viel und mehr Stoff als far dieses.
Nirgends iadet man in derselben eine Theorie des Satzes , eine Zer-
legung des Satzganzen in seine Tbeile: die Ausdrücke Subject and
Praedicat kommen nicht vor, geschweige dafs der Stoff nach den Be-
aiehungen dieser beiden Saiztheile zueinander und zu ihren näheren
Bestimmungen geordnet wäre. Die Bezeichnung des Nomen (welches
das Adjectir einschlierst) und des Verbum als der bedeulendsten und
lebendigsten Kedelhcile gibt hierfür einen nur schwachen Ersata. Ich
weifs nicht, wer die AasdrOckc Subject und Praedicat zuerst in die
moderne Grammatik eingeführt hat; aber das ist offenbar, dafs sie
aus Aristoteles (tuqI iQfjLtjvdag) abgeleitet sind, der auf das bestimm-
teste den praedicativen Charakter des Verbum hervorhebt, indem er
sagt, es sei immer ctifieiöv rcov xod' hi^ov Xeyofiivnv, oder xdv
xad" v7COK€t(Aivov fj iv wtoxsifiiva oi/rcov, und der unter ovofiUy im
Gegensatz zu nvfacig ovofuevogj nur eben dies v7toiie£(Uvov ^ den er-
sten der beiden in jedem Urtheil enthaltenen Begriffe versteht. Die
alten Grammatiker hatten es verschmäht, die Andeutungen des Philo-
sophen für die Syntax fruchtbar zu machen, die neueren erst haben
den Schatz gehoben, der darin verborgen lag, und dennoch lafst sich
nicht leugnen, dafs dieser philosophische Ursprung, diese Uebertra-
gung von Begriffen und Namen aus der Logik in die Grammatik etwas
schiefes in die Terminologie sowohl als die Anschauungen der Gram-
matik brachte , bis es der Sprachforschung endlich gelang einen rich-
tigeren , sachgemifseren Standpunkt einzunehmen. Wie pedantisch ist
I. B. gleich der Ausdruck Satz, propoiitio^ womit wir das bezeich-
nen, was der alte Grammatiker viel passender einen vollständigen
Sinn, avxotikfig ^^'^j nannte. Aristoteles beschränkte sich auf seine
logischen Zwecke und erklärte ausdrücklich, dafs er Wunsch-, Be-
fehlsatz n. s. w. bei Seite larse (l. c. c. 4); die moderne Grammatik
will, dafs jeder Satz ein Urtheil enthalte, und gibt sich dann ver-
gebliche Mühe das widerstrebende in diese einseitige Definition zn
zwängen. Die Namen Praedicat und Subject, Aussage und Gegenstand
von dem ausgesagt wird, passen nicht auf die Saiztheile die sie be-
zeichnen sollen , sondern nur auf das was man später logisches Snb-
ject und Praedicat genannt hat *). Apollonios nennt einmal beiläufig
^^) Kin Ansatz zu dor Unterscheidung xwischen logischem und gram-
matischem Subject findet sich schon in dem aviißafiu und K«Qa9Vftßa(iu
der Stoiker.
E. Egget t Apolkmius Dyscole. 171
das BO^ennato Sobjeel to ivtqya^ (III, 81 Jant.), was Aem Wesen
der Sache Yiel näher kommt: deaa das grammatist^e Sobject isl ja
nichts anderes als der Ansgangspaakl des darch das Verbam ans-
gedraekten Vorgangs. Das ist nun freilich heutzutage allgemein be-
kannt; aber dennoch spukt die mit den Worten selbst Verknflpfle
iltere Anschauungsweise noch hin und wieder in Köpfen und Büchern.
So liest man in Znmpts Grammatik %. 362 : ' Subject heifst in einem
Satze das, worüber etwas ausgesagt wird, Praedicat nennt man was
Aber das Subject [ausgesagt wird' : eine Definition die an den ein-
fachsten Sätzen, z. B. Mrbtm Romam a principio reges kabuere^ zu
Schanden wird. Das Uebel liegt in dem philosophischen Ursprung
der grammalischen Kategorien. Dadurch wurden abstracto Urtheils-
eätse wie ^ der Mensch ist sterblich ' zum Prototyp des Satzes erho-
ben, als die Norm betrachtet, auf welche alle übrigen Sätze zurück-
zufahren seien , eine Ansicht die der lebendigen , grammatischen An-
Bchaaung zuwiderläuft.
Allein kommen wir anf Ap. zurück. In seiner Lehre von den
Redetheilen verdient unstreitig die Begriffsbestimmung des Artikels
eine besondere Auszeichnung : Hr. £. hat mit Recht darauf hingewie-
sen. Denen gegenüber, die ganz äufserlich dem Artikel die Rollo
gaben, das Geschlecht der Snbstantiva zu unterscheiden, setzt Ap. das
Wesen dieses Redelhcils mit nnübertrolTener Schärfe und Feinheit in
die Rfickbeziehung (ivatpof^a) auf ein schon genanntes oder schon
bekanntes, in die yvtoötg nifoimoicu(i,ivri ^ «^oü^etfrMor, die eecunda
noiiiia^ und weist vortrefflich nach, warum er in gewissen Fällen
gesetzt, in andern weggelafsen, bald wiederholt (wie in 6 äovkog 6
ifiog) , bald nicht wiederholt werde (wie in o ifiog dovlog). Ebenso
scharfsinnig, wenn aaeh vielleicht nicht ebenso richtig, sagt Ap. vom
Pronomen, dafs es die oicUtj das reine Sein bezeichne (er wollte
wohl sagen: auf ein Individuum deute), während das Nomen neben
der oicia noch die novizf^^ die mit dem Sein verknüpften Eigen-
•chaflen ausdrücke. Wir können dem Vf. nicht beistimmen, wenn er
p. 77 dem Ap. die Lehre zuschreibt, das Nomen und sogar das Nomen
proprium enthielte nicht den Begriff der ovtfta, der aasschliefslich
dem Fronomen zukomme. Er hat sich zu dieser Behauptung durch
eine Stelle im ersten Buch der Syntax, c. 37 B, verleiten lafsen, und
dennoch führt er selbst weiter unten ans der Schrift de pron. p. 33
die bestimmte Aeufserung an: ovcUiv arifutCvovaiv aC avxvow^Cai^
%a dl ovofuna ovalav futa noiOTrjftog, Eindringender Scharfsinn ist
Oberhaupt die hervorstechende Eigenschaft dieses Grammatikers. Nur
bedauert man, dafs er ihn so häufig an die Widerlegung elender
Chicanen oder kindischer Irlhümer vergeuden mnstc: er hat mit den
Spitzfindigkeiten der Grammatiker fast ebenso viel zu schaffen als Ari-
stoteles mit denen der Sophisten. Er beweist mit der gröfsten Aus-
führlichkeit, dst und XQri seien keine Adverbien, ä gehöre nicht zu
den Artikeln u. dgl. Ernsthafte Discussionen über solche Armselig-
12*
172 E. Egger: Apollonias Dyscofc.
keilen lafsen sich nicht ohne peinliche Ungedald lesen und beweifen,
^'ie sehr die Grammatik damals noch in der Kindheit lag.
An der Syntax des Apollonios ist vor allem hervorzuheben, wie
lief der Schriftsteller von der Ueberzeugung durchdrungen ist, es
walte Regel und Gesct£ in der Sprache, nicht Zufall und blinde Will-
kür. Diese Ueberzeugung zieht sich durch das ganze Buch hindurch,
spricht sich jedoch vorzüglich in der Einleitung aus, wo er den Ge-
danken ausführt, die Verbindung der Laute zur Silbe, der Silben zum
Wort, der Worte zum Satz, endlich der Sätze untereinander werde
von derselben Ordnung und Gesetzmafsigkeit beherscht, und diese
verschiedeneu Theile der Grammatik seien einander parallel, gleich-
sam symmetrisch. Die Durchführung wird nun freilich im einzelnen
oft sonderbar, ja lächerlich, aber der Grundgedanke ist des tiefsin-
nigen Grammatikers würdig. Sein Hauptirthum besteht darin, dafs
er diese Gesetzmafsigkeit nicht sowohl in der Sprache selbst als ii
dem grammatischen System nachweisen will: die Ordnung der Buch-
staben im Alphabet, die nur historisch zu begründen ist, hat für ihn
eine Naturnothwendigkeit, einen tiefen philosophischen Sinn: die Rei-
henfolge der Redcthcile, wie sie in der Schule festgestellt worden,
ist die einzig vernünftige und logische. Allein von diesen Auswüch-
sen abgesehen bleibt des guten und tiefen genug übrig. So führt ihn
das Zusammenhalten der Buchstaben mit den Redctli^ilen auf eine sehr
bedeutende Unterscheidung. Wie die Laute Selbstlauter oder Millau-
ter sind, gxovrjsvra und avfiqxava^ so gibt es Redethcile, die für sich
allein einen Sinn ausdrücken und an die Stelle eines ganzen Satzes
treten können; dahin gehören Verbum, Nomen, Pronomen, Adver-
bium: während die übrigen, Pi*aeposition, Artikel, Conjunction, nur
in Verbindung mit andern Worten einen Sinn bilden. Diese letzteren
nennt er avca^j^alvovta (vonsignificantia Prise), der Benennung avfi'
gxovcc entsprechend, gleichsam Mitdeuter, wie Mitlauter'*'). Man
sieht, Ap. war nicht sehr weit von der Unterscheidung der Begriffs-
und Formwörtcr entfernt. Es lag hier ein Keim zu einer fruchtbaren
Entwicklung, den niemand nach ihm aufgenommen hat. Ap. konnte
nicht alles selbst vollenden: er hätte der Vater der Syntax werden
können, allein er beginnt und beschliefst die wifsenschaftliche Gram-
matik im Alterthum.
Wir reihen hieran einige andere bedeutende Bemerkungen des
Ap. , auf welche schon Hr. E. in seinem Buche (p. 156 f. p. 300 f.)
hingewiesen hat. So dringt er tief in die Analyse der Wortbildungen
ein, indem er den Satz aufstellt, dafs jede abgeleitete Form sich in
zwei Worte, das Grundwort und ein anderes, mit der Endung gleich-
*) Das Wort ova6r}(ia/v(tv findet sich ganz passend in der Defi-
nition der Conjunction bei Bekker Anecd. p. 952: ein Grund mehr,
sie mit Hrn. E. (p. 207) unbedenklich auf Apollonio« zurückzuführen:
auvdeauog eaxt fifQog Xoyov ccuXitov , üvvJffunov xtov tov Xoyov /[tf^cJy,
oJi xofl üvoarjaaivfi. ...
E. Eggtn Apollonias Dyscole. 173
liodeatcndeB Wort aariösen lafst (Synt. III, 13). 'ExroQiöffg lafst
stell durch "ExTO(fog vioQy yof^yovBQog durch yofiyog jtcaUov, tmtciv
durch Zitnovg avvi%ov wiedergeben. Ebenso löst er die Tempora finita
des Verbura auf, indem er allen die abstracte Form des Infinitiv xn
Grunde legt: %€(^menio ist soviel als ai(fiaafirjv ne^iTtaxstyf neQiTta-
toiju=^ flv^afjLflv nB(^at€CTHv, neqmaxBi^=z ngoaha^a xeQinaxetVy mit
Bezug auf die Namen dieser Modi OQnSnx'qy iVKtiKi^, jt^araxuxili.
Befser noch löst er anderswo (Synt. HI, 22. 23) die Modi durch Ad-
verbia auf: der Wunsch, sagt er, Ififst sich auf doppelte Weise aus-
drflcken, theils durch ein besonderes Wort et&s^ das gleichsam Svofna
evx^g ist, theils durch die mit dem Stamm verschmolzene Endung des
Optativ. So entspricht dem Imperativ die allgemeine Partikel Sye^ so
enthält yQccfpxo den Sinn des Pronomen iyti in seiner Endung, so ent-
halten Bildungen wie ^IXio&ev den allgemeinen Begriff von SXXo^ev
neben dem einer bestimmten Oertlichkeit. Ja er spricht es auf das
bündigste aus, dafs dieselben Beziehungen bald durch Praepositionen
bald durch Flexionen ausgedrückt werden können. Täv nqo^icBfov
naQBikXtjfiiviov Big tomxriv c^iaiv ofiole^g ro£g jcvanixotg. *Ev oTxg), i%
A^ßovj Big olxov sind gleichbedeutig mit oTtco^Ij uisaßo^Bv^ otnaSe
(Synt. IV, 10 und die Abrigen Stelion bei E. p. 186 n. l). Das sind
Keime einer tiefer gehenden Sprachforschung , die im Alterthum nicht
sa Früchten heranreifen sollten. Keiner von Ap. Nachfolgern war im
Stande sie zu entwickeln, und man kann sagen, dafs sie vergebens
ausgestreut worden: denn die moderne Wifsenschaft gelangte selb-
ständig zu ihren Kesuliatcn. Wie er so einerseits in das Wesen der
Flexion eindringt, so gibt er auch über die Bedeutung einiger der
schwierigsten flexivischen Endungen, insbesondere der Casus, geist-
reiche Winke. Die Verba der sinnlichen Wahrnehmung axovBiVj S-
ntBö&aij oöipQcelvBa^at j heifst es gegen Endo des 3n Buchs, regieren
den Genetiv, weil sich der hörende, fühlende u. s. w. gewissermafsen
leidend gegen die Gegenstände der Wahrnehmung verhält, welche auf
ihn wirken, auf ihn eindringen; jedoch nicht den Genetiv mit vtco^
wie die passiven Vorba, weil der empfindende denn doch auch sei-
nerseits thälig ist. OlIbIv regiert den Accusativ, weil es eine gei-
stige Thätigkeit ausdrückt, bei welcher der Gegenstand der Neigung
als ein leidender gedacht wird; iqüv aber den Genetiv, weil es ein
Bedürfnis, eine Leidenschaft ausdrückt, bei welcher der liebende
zum leidenden wird: xo ye ft^v iquu ofioXoyBito nQoaöiocvCd'sad^cci wto
tov igtofiipov. Der ernste Grammatiker verliert sich hier auf ein Ge-
biet, wo er weniger zu Hause ist; aber er beruft sich auf eine vor-
treiniche Autorität, die Sappho. Schade dafs ihre Worte von den
Abschreibern so verderbt worden, dofs es sogar Bergks Scharfsinn
nicht gelungen ist sie befriedigend wieder herzustellen (fr. 16).
Schliefslich berühren wir noch einen specicllen Punkt, der für
die griechische Grammatik nicht ohne Wichtigkeit ist. Bekanntlich
ist der Gebrauch, eine gewisse Anzahl kleiner Wörtchen, die wir
jetzt Atona oder Proclitica nennen, ohne Acccutzeichen zu lafsen, erst
174 E. Egger: Apollonitts Dysoole.
spät aufgekommen und entbehrl aller eigentlichen Gewahr. Hr. E.
hat die bestimmtesten Zeugnisse des Alterthums für sich, wenn er
gegen Hermanns Lehre protestiert (p. 280) , diese Wörtchen Iheilten
ihren Accent den nachfolgenden Wörtern mit, wie die Euolitica ihn
auf die vorhergehenden surttckwerfen. Wir glauben übrigens nicht,
dafs Hermann oder irgend jemand sich die Sache so vorgestellt habe,
als ob I. B., wie in Jtovvniog rtg die Endsilbe des Namens den Acut
orhfilt, so in o JtovvaMg die Silbe Jt- unter dem EinfluPs des ton-
losen Artikels mit einem , wenn auch ungeschriebenen , höheren Tone
ausgesprochen worden. Was hat nun aber die byzantinischen Ab-
schreiber bewogen , für die 11 oder 12 Wörtchen eine Ausnahme eu
machen, und nicht ebenso wohl o nccvfJQ wie xo xIkvov, Iv Ttolu
wie TCQO nolitog tn schreiben? Der VL vermuthet nicht ohne Wahr-
scheinlichkeit, dafs sie die Artikel o, ^, ot^ ut von den Relativen o, %
or, i^r durch die Schrift unterscheiden, den Unterschied zwischen iv
und IV ^ i§ und 8^, e^ eZ$ und ilg u. s. w. noch augenfälliger machen
wollten, als dies der Fall gewesen wäre, wenn man jenen Fraeposi-
tioncn den Gravis gegeben hatte. Wirklich stehen allen Atonis mehr
oder weniger gleichlautende Wörter zur Seile. Vielleicht ist auch zu
beachten, dafs die Atona sämmtlich mit einem Vocal anfangen und
also einen Spiritus verlangen. Sollten die Kalligraphen gesucht ha-
ben, wo es angieng, ein Zeichen zu sparen, um die Schrift nicht mit
kleinen Strichen zn überladen? Wie dem auch sein mag, wir stim-
men dem Vf. darin vollkommen bei, dafs zwischen 6 und to, ig und
avv ein wirklicher Unterschied der Betonung in der lebendigen Aus-
sprache nicht stattfand. Weiter können wir ihm aber nicht folgen:
wir glauben dafs er irrt, wenn er diese Wörtchen auf 6ine Stufe mit
allen übrigen Oxytonis stellt, die in zusammenhängender Hede ihren
Acut in den Gravis verwandeln. Es ist nicht zu übersehen , dafs die
zweisilbigen Praepositionen , so wie einige andere Wörtchen: aiöij
(iridiy akXa, wenn die letzte Silbe vor einem Vocal elidiert wird,
ihren Accent einbüfsen, während ihn die übrigen Oxytona auf die
vorletzte Silbe zurückziehen. Benloew (raccentuation dans les lan-
gues indo-enrop^ennes p. 166) hat aus diesem Grunde sehr richtig
zwischen starken und schwachen Oxytonis unterschieden. Wir gehen
noch weiter: wir behaupten dafs alle diese Wörtchen gar keinen selb-
ständigen Accent hatten. ApoUonios läfst hierüber keinen Zweifel:
man braucht nur ohne vorgcfafste dieinung zu lesen , was er im An-
fang des 4n Buchs der Syntax von der Betonung der Praepositionen
sagt, nicht von den Conventionellen, schriftlichen Tonzeichen, son-
dern von der wirklichen , lebendigen Aussprache. Er wirft hier eine
Frage auf, die auch die lateinischen Grammatiker viel beschäftigt hat.
Woran erkennt man , ob eine Praepositiou ein Wort für sich bildet
oder integrierender Theil eines zusammengesetzten Wortes ist? Bei
den übrigen Redetheilen, sagt er, gibt die verschiedene Betonung ein
entscheidendes Merkmal an die Hand. Jtog tiovQog unterscheidet sich
in der Aussprache von Jiocuovqogy "EkXi^ novtog hat einen Acut auf
E. Egger: ApollomuB Dyscole. 175
der erstell Silbe, besteht tlso tas xwei Wörtern. Aber bei den Prae>
Positionen kommt dies Merkmal nicht immer in Hilfe. IldQötKOv frei-
lich unterscheidet sich von Ttafji* olnov durch die Znrackziehang des
Tons, aber anoinov lautet gant so wie iat otnovy xumfpiQOvtog wie
Kota g>i(fovzog. To Sa kut ayf^dipai} cTr« ovo (^igr^ liyov elaiv (?),
&ki Sv^ ovK ivdflnwtmi äw xijg xdaecas' %al t« jovtoig Ofioia, to
anolxovj Karugfigovrog^ Satavra t« xoiavtcc viig avx^g Ix^ctt
inqußolüxg %xL (ich eitlere den Text nach der Juntina, da mir Bek-
kers Ausgabe nicht Eur Hand ist). Hrn. E. ist diese Stelle nicht ent-
gangen: er begnägt sich, sie sonderbar au inden. Für uns geht dar-
aus mit der gröfsten Bestimmtheit hervor, dafs es sich mit dem Tob
der griechischen Praepositionen gerade so wie mit dem der lateini--
sehen verhielt: mindestens im Zeilalter der Antonine, und wir haben
kein Zeugnis, dafs es früher anders gewesen. Man weifs, dafs die
lateinischen Grammatiker erklären, alle Praepositionen, nicht nur die
einsilbigen , sondern auch die awei- und mehrsilbigen haben auf der
letzten Silbe einen Acut, der sich jedoch vor dem regierten Casus ia
einen Gravis verwandle. Quintilian hingegen (l, 5, 27) stellt die
Sache einfacher und natürlicher so dar, dafs die beiden Worte mit«
einander verbunden und wie ein einziges ausgesprochen werden. Die
griechischen wie die lateinischen Grammatiker haben, wie uns scheint,
dem im allgemeinen richtigen Satz , jedes Wort habe einen Accent,
der Accent sei das Kennzeichen der Worleinheit, eine zu grofse Aus-
dehnung gegeben. Sie wollten in ihren Schulen den, wie die Inschrif-
len zeigen, so hfiuQg vernachUfsigtea Unterschied zwischen Com-
Position und Juxta Position , xccxag>iQOvxog und »axa q>iQOvxog^ prae^
iermissog und praeter mtssos, recht deutlich hervorheben: dies hat
sie wohl zu ihrem künstlichen Verfahren verleitet. Im Laleiiiischen
nahm sich die Theorie noch wunderlicher aus, weil diese Sprache
sonst keine mehrsilbigen Worte mit betonler Ultima kennt; im Grie-
chischen war sie weniger auffallend. Man kann noch einen anderen
Umstand zur Yertheidigung der Grammatiker geltend machen. In bei-
den Sprachen bildete die acute Silbe den Höhepunkt der Betonung:
der Ton stieg vom Anfang des Wortes bis zu derselben hinauf, von
da bis zum Ende des Wortes wieder hinunter. Es genügt hier, auf
eine einzige, zwar bekannte, aber oft misverstandenc, Stelle zu ver-
weisen: Prise, p. 1289 P.: ipsa vox quae per dicliones funnalur (der
durch je ein Wort gebildete Laut), donec accentus perßciatur^ in
arsim depuiatur; quae autem posi accentum sequitur^ in thesim.
Die Worte arsis und lhe$i$ sind hier in einem minder gewöhnlichen,
jedoch sogar bei Griechen nicht unerhörten Sinne gebraucht: arsis
bedeutet das Aufsteigen der Stimme von der tiefern zur hohem, the-
sis das Absteigen von der höhern zur tiefern Note. So sagt Plethon
in einer Schrift über Musik: a^iv {ikv ovv elvai o^vziQOv q>&6yy(n)
in ßaf^vxiqov fUxdlri'^iVy Oitftv de xwvavxiov ßaQvxigov i| o^vxiQOV,
(Notices et extraits des manuscrils de la bibl. du Roi. T. XVI p. 2 p.
236). Der Herausgeber, Hr. Vincent, bemerkt mit Recht, ein ftllerer
170 E. Egger: ApoUonius Dyscole.
Schriftsteller hätte hier die Aasdrucke riaig^ oder vielmehr tTtlxa-
öiSf und avs(ftg gebraucht. Diese Stelle kann dazu beitragen, einiges
Licht auf die dunkle und verwirrte Geschichte der Worte arsis and
thesis fallen zu lafsen: allein wir wollen hier nicht zu weit von un-
serem Gegenstand abschweifen. Das Aufsteigen des Tons zu Anfang
eines Worts kann den Gravis in xaxa q>iqovxog vielleicht einigerma-
fsen rechtfertigen: -xa hatte wirklich einen etwas höhern Ton als
xcr-: nur mufs man nicht vergefsen, dafs ganz dasselbe auch in xora-
g>iQOvxog stattfand. Man hatte befser gethan, sämmtliche Praeposi-
tionen, so wie einige andere Wörter, die sich an die nachfolgenden
anschliefsen , ohne Accentzeichen zu lafsen. Sollte aber einmal der
befsern Unterscheidung halber jedes Wort mit einem geschriebenen
Accent versehen werden, so hatten die alten Grammatiker offenbar
Recht, zwischen i^ und avvy o und ro keinen Unterschied zu machen,
vielmehr allen den Gravis zu geben. Allein dieser Gravis ist von der-
selben Natur wie die nicht geschriebenen Graves in jedem mehrsilbi-
gen Worte, und darf nicht mit dem Gravis verwechselt werden, wel-
eher den im Zusammenhang der Rede gedämpften Acut der wirklichen
Oxylona bezeichnet.
Wir würden daher vorschlagen die Benennung Proclitica auf alle
die unselbständigen Wörtchen auszudehnen, von denen sich erweisen
läfst, dafs sie sich dem uachfolgendeu Worte in der Aussprache an-
schlofsen. Vielleicht wäre es jedoch rathsamer, einen andern Namen
zu erfinden. Der Ausdruck Proclitica ist zwar bequem, aber schlecht
gebildet, und kann leicht zu einem Misverständnis führen. Wir glau-
ben nemlich nicht, dafs die Enklitiken, wie man gewöhnlich annimmt,
deshalb ihren Namen tragen, weil sie sich mit ihrem Ton an das
vorhergehende Wort anlehnen. Das Verbum iyaklvstv heifst bekannt-
lich ^beugen, verändern' und umfafst alle möglichen Modificationen
der Wortform, Conjugalion, Declination, Tonveränderung. In enge-
rem Sinne bedeutet nun iyxhvoiisvov ein Wort, das seinen Ton ver-
ändert, und iyxXixiKov transitiv, wie die von Verben abgeleiteten
Adjectiva auf -ixog in der Regel ein Wort, das den Ton eines andern
Worts verändert.
Besan^on. H» Weil,
Kunstarchaeologische Vorlesungen im Anschlufs an das akademische
Kunstmuseum in Bonn von Dr. Johannes Overbecky a. o. Professor
der Archaeologie der Kunst an der Universität Leipzig. Braun*
schweig, C. A. Schwetschke et Sohn. (M. Bruhn.) 1863. VIII n.
220 S. gr. 8.
Das akademische Kunstmuseum in Bonn, mit preiswürdiger Libe-
ralität von dem k. Ministerium ausgestattet, wird allein hinreichen, sei-
nes Begründers F. G. Welcker Namen auch dann in dankbarem An-
J. Overbeck: kansttrchaeologische Vorlesungen. 177
denken an der Univera itfli eu erhalten , wenn die zahlreichen Zuhörer,
welche durch seine Vorträge in das Studium der alten Kunst eingeführt
worden sind, längst dahingegangen sein werden. Dem Vf. der vor-
liegenden Schrift hat es den Anlafs zu Vorlesungen geboten , welche
an der Hand der llonumentc und durch eine eindringliche Beleuchtung
der hervorragendsten unter ihnen die Hauptphasen der Kunstgeschichte
verdeutlichen und dergestalt als eine Vorbereitung oder Ergänzung zu
systematischen Katheder vortragen dienen sollten. Wie er selbst S. VII
bezeugt, ist ihm dies wohl gelungen: seine Vorlesungen haben sich
einer bedeutenden Frequenz (niemals unter fünfzig) zu erfreuen gehabt,
und zwar, nach dem lebendigen und warmen Ton mehrerer ausführ-
lichen Schilderungen zu urtheilen, mit gutem Grunde. Denn die innige
Liebe, womit der Vf. der alten Kunst ergeben ist, und die Lebhaftig-
keit seines Gefühls können nicht anders als anregend auf empfängliche
Gemüther wirken. Bei seinem Abgange nach Leipzig hat er diese Vor-
träge für den Druck ganz überarbeitet und ihnen eine Form gegeben,
* welche zwischen der der Vorlesungen und der des Katalogs die Mitte
hilf (S. V). Jene sollen * der studierenden Jugend einen anschaulichen
Abrifs der griechischen Kunstgeschichte', dieser ^ein ausreichendes
Hilfsmittel zum Studium des Museums' liefern. Den bekannten Welcker-
schen Katalog kann er nemlich nach S. VI nicht dafür halten, weil die-
ser eine freie, in der Ausführung ungleiche Behandlung vorzieht und
in methodischen Vorlesungen über die Kunstgeschichte seine Vervoll-
ständigung findet. Es ist freilich wahr, dafs Weicker einzelne und zwar
bedeutende Monumente kurz berührt, andere in Excursen ausführlich
behandelt. Indessen lafsen sich jene Lücken meistens aus andern
Schriften Welckers, auf welche dieser selbst verweist, namentlich aus
der ersten Ausgabe des Katalogs, ergänzen, und wem die Excurse zu
gelehrt erscheinen, der kann sie ja ungclescn lafsen. Auch bringt es
die Natur der Sache mit sich , dafs in einem kleinen handlichen Buche
nicht alles gleich ausführlich erörtert wird, und ich mache es auch
Hrn. Overbeck ebenso wenig zum Vorwurf, dafs er S. 68 die Mulopen
des Theseion, die Stücke vom Tempel der Nike Aptcros, die Metopcn
von Olympia (Nr. 82 — 108) mit einigen, zum Theil von Weicker ent-
lehnten Worten abfertigt, als dafs er an mehreren Stellen, z. B. S.21
Nr. 4, S. 48 Nr. 24, Statuen erklärt, wovon im Museum nur Büsten
vorhanden sind. Nur hätte er deshalb das Welckerschc Verzeichnis
nicht für weniger brauchbar erklären sollen. Ja es läfst sich fragen,
ob nicht der von dem Vf. befolgte Plan den praktischen Gebranch sei-
ner Schrift weniger leicht macht als den altern Katalog. Am bequem-
sten ordnet sich natürlich ein Verzeichnis räumlich nach Zimmern und
Wänden , aber abgesehen davon , dafs dann eine jede Umstellung grofse
Verwirrungen mit sich bringt, ist dies Prineip für den lernenden, wel-
cher verwandtes zusammen zu fafsen wünscht, zu mechanisch und un-
fruchtbar. Sehr zweckmäfsig hat daher Weicker den Vorrath der Denk-
mäler nach den Formen in Gruppen, Statuen, Büsten, Reliefs eingetheilt,
wonach man sich leicht zurecht findet, während der Vf. weder auf die
178 J. Overbeek : kanstarchacologische Vorlesungen.
räomliche Aufstellung noch auf die Form der Monumente durcbgreifend
Rflcksicht nimmt und so trotz der überall beigefügten Nachwoisungen
über den Standort den Anfänger mündliche Nachhilfe oft vermifsea
lafsen wird. Ferner ergeben sich aus dem doppelten Princip mancherlei
Incongrnenzen. Hätte die Schrift ausschliefslich den kunstmytho-
logischen Gesichtspunkt im Auge , so müste man sich zufrieden geben^
wenn die Fortratstatuen, um von den Büsten gar nicht zu reden ^ mit
Stillschweigen übergangen werden; in einem Werke, welches ^wesent-
lich auf die Kunst gerichtet ist' (S.220), durfte ein Aeschines, Aesop,
Menander nicht fehlen. An vielen Stellen wird ferner der kunstge-
schicbtliche Faden durch die Zusammenstellung gleichartiger Gegeo-
stände unterbrochen, so dafs man in der That nicht weifs, welchef
Princip vorgeherscht hat. Betrachtet man endlich das Buch ledigiich
als Katalog, so ist zwar anzuerkennen, dafs die Beschreibung der in
der letzten Zeit hinzugekommenen, zum Theil bedeutenden Denkmäler
das Welckersche Verzeichnis in dankcnswerther Weise vervollständigt,
aber anch nicht zu verschweigen, dafs einige Stücke fehlen, andere
irthflmlich zusammengeworfen werden. Der Hauptfehler aber liegt in
der Flüchtigkeit und Unzuverläfsigkeit der thatsächlichen Angaben.
Der Vf. benutzt Welckers Katalog in einem Mafse, das ich, weil er
selbst S. Vll und durch Anführungszeichen daranf aufmerksam macht,
im allgemeinen nicht tadeln will. Aber er entlehnt ihm auch die Litte-
ratur mit ihren Druckfehlern und hat es in der Regel nicht für nöthig
gehalten, die angeführten Werke selbst nachzuschlagen, woraus denn
Misverständnisse und Versehen aller Art nothwendig folgen musten.
Einen äufserlichen Beweis mag vorläufig S.127 geben, wo nachWeU
cker S. 24 Sillig zu Plinius p. 197 angeführt wird. Jedermann wird
erwarten , dafs damit die neue Ausgabe Silligs gemeint sei; da ist aber
p. 305 die betreffende Stelle. Hr. 0. behält das Citat der altem Auf-
gabe bei, welches bei Welcker natürlich ganz in der Ordnung ist, da
er keine andere anführen konnte. Andere Proben werden gelegentlich
nachfolgen. Von späteren Werken ist besonders Brunns Künstler-
geschichte neben Müllers Handbuch die Hauptquelle. Die nöthige Um-
schau in der Litteratur ist nicht überall angestellt worden. Ja zuweilen
scheint es fast, als ob die Beschreibung nicht im Anblick der Monn-
monte verfafst oder wenigstens nicht nachher mit ihnen verglichen
wäre. Nicht allein fehlen häuüg die Mafse, sondern es kommen Irlhü-
mer vor, die sonst unerklärlich wären. Eine Entschuldigung gibt aller-
dings die Nothwendigkeit eines übereilten Abschlufses, welche der
Abgang des Vf. von Bonn mit sich brachte; aber dem Buche fehlt die
erste und unorläfslichste Eigenschaft einer Beschreibung, die Zaver-
läfsigkeit.
In einer gutgeschriebenen Einleitung S. 3 — 7 bezeichnet der
Vf. seinen schon oben besprochenen Standpunkt. Er legt die histo-
rische Betrachtung zu Grunde und verbindet damit die gegenständliche
an den Punkten, wo das Ideal einer Vorstellung mustergiltig erreicht
worden ist, erörtert ferner an besonders hervorragenden Monanentan
J. Overbeck: kaostarchaeoloflsohe Vorlesangen. 179
die leohnischen FrageD , sowie die Gesetie der Formgebang^ und Com-
posiiion. Darauf folgt S. 8 — 17 ein kanstgeschichlUcher Ein*
gang, in xweckn&fsiger Kurse, mciBtens nach Brunn. An diesen Vor-
gftnger schliefst sich der Vf. mit einer solchen Treue an, dafs er S.ll
selbst das offenbare Versehen Brunns S. 30 nicht berichtigt, womit
dem Glaukos die Löthung des Erzes statt des Eisens zugeschrieben
wird. Auch den Namen Dibutades statt Buta des, welchen Brunn
S. 402 nach Einsicht der richtigem Schreibung des Cod. Bamb. bei Fli-
nins XXXV, 152 verbefsert, nimmt er S.IO aus S.23 auf, ohne, wie
es scheint, Silligs neue Ausgabe nachgeschlagen zu haben. Mit einer
sonderbaren Flüchtigkeit werden die Zeitangaben, worauf es bei einem
ffir Anfänger bestimmten Abrifse doch wesentlich ankömmt, behandelt.
S. 10 Z. 96 liest man Ol. 29 = 656 v. Chr., dagegen S. 11 Z. 1 Ol. 30 =
660. Brunn gibt nemlich S. 24 die unrichtige Zahl Ol. 29 fflr die Ver-
treibung der Bakchiaden , aus einer andern Quelle scheint das Jahr
Y. Chr. entnommen zu sein. Die yerwirrten Notizen S. 12 z. E. lafsen
sich zum Theil auf Druckfehler zurQckführen , von denen das Buch
wimmelt *) — statt Ol. 43 ist zu lesen 53 (= 568), sUtt 48 ohne Zwei-
fel 58 (wie in dem Citat Paus. VIII, 40 statt 49) — zum Theil fallen Me
den Quellen des Vf. zur Last. Thiersch gibt nemlich S. 52 für den Tod
des Arrachion Ol. 53 an, Fausanias aber 01.54; Müller Hdb. §.87, 1 für
den Sieg des Praxidamas Ol. 58, Fausanias Ol. 59. Diesen letztern
•oheint Hr. 0. nicht wieder eingesehen zu haben ; sonst würde er ihn
nicht sagen lafsen , dafs * gegen Ol. 60 Siegerstatuen in Gebrauch
kamen', während Fausanias Ol. 59 und 61 nennt. Auch S. 16 sind die
Zahlen 01.46 in 56 und 470 v. Chr. in 460 zu yerbefsern.
Die Uebersicht des Denkmälervorraths eröffnen I. die archai-
schen und archaistischen Monumente. Sie werden S. 17 — 36
in 18 Nummern gut und eingehend besprochen. Namentlich verdient die
genaue Charakteristik des ApoUon von Tenea Nr. 2 gerühmt zu werden.
Die Bemerkungen über die Artemis von Neapel Nr. 4 sind zwar richtig,
aber, da man in Bonn nur die Büste besitzt, zum Theil nicht ganz an
ihrer Stelle. Auch über die Dresdener Falles Nr. 3, sowie die Dreifufs-
Reliefs Nr. 6 — 8 spricht der Vf. lehrreich und klar. Mit Recht stellt
er ferner Nr. 1 den minnlichen Kopf aus gebrannter Erde in der Mün-
chener Glyptothek (S. 34 Nr. 41 der Beschreibung) als echt allerlhüm-
lieh an die Spitze, womit übrigens Welcker Zuwachs Nr. 8 und Schorn
a. a. 0. Übereinzustimmen scheinen. Nur gehört er nicht unter die
griechischen Denkmäler. Schon dafs er von Gregor VI dem König
Ludwig zum Geschenk gemacht wurde, läfst etruskischen , wahrschein-
lich volcentischen Ursprung vermuthen. Aber auch der Stil schien mir,
als ich das Original im J. 1842 aufmerksam betrachtete, unzweifel-
haft etruskisch zu sein. Ich bin also der Ueberzcugung, es sei nicht
'^) Besonders unangenehm fallen die nnrichtigen Acccnte in dio
Augen, X. B. S. 31 9oit(OQ, S. 55 vaog, S. 61 djiQißsia^ 8. 65 Cvy«,
8« 66 avtwpvfi und XdfinQOVy S.85 zcU^e, 8. 187 09^17.
180 J. Overbeck : kunstarchaeologische Vorlesungen.
blors möglich, wie Schorn meint, dars der Kopf aus Etrurien her*
stamme, sondern gewis. Für ein echt altgriechisches tv^erk habe ich
dagegen stets das Relief Nr. 12 aus Museo Chiaramonli ^Aphrodite zwi-
schen zwei Hören' gehalten, wozu auch der Vf. geneigt i«t, während
Gerhard Beschr. d. St. Rom I S. 284 es mit dem albanischen Götterznge
zusammenstellt * als frühe Werke hieratischer Nachahmung in der An»-
führung, wenn auch nicht in der etwas strengern Anlage'. Den
albanischen Götterzug beschreibt der Vf. Nr. 9 S. 29 — 31 ausführlich.
Dafs er dabei statt Poseidons Hephaestos der Hera als Bruder folgen
Ufst, ist gewis nur ein Schreibfehler, aber für einen Anfänger störend.
— Nach einer kurzen und genügenden Charakteristik des Kaiamis,
Pythagoras und Myron S. 36 ff. folgt (H.) S. 41— 72 Pheidias, ein
mit Liebe und Geschick bearbeiteter Abschnitt, worin zuerst die Bil-
dungen der Athena und des Zeus besprochen werden. Hier macht sich
jene oben erwähnte Inoongruenz des Planes zuerst bemerklich. Denn
während kein einziges der vorhandenen Monuinente auf Pheidias als
Schöpfer zurückgeführt wird , horscht die Rücksicht auf die Gegen-
stände dergestalt vor, dafs selbst die beiden Büsten der Roma Nr. 30
und 31 in diese Darstellung der Kunst des Pheidias sich einfügen mü-
fsen. Dafs auch Nr. 31 eine Büste ist, wird nicht ausdrücklich bemerkt
und nur durch den Ausdruck Mn diesem Kopfe' angedeutet. Nicht
ganz so auffallend erscheint der Anschlufs des Serapistypus an die
Zeusbildungen des Pheidias (S. 54). Da indessen der Vf. die wahr-
scheinliche Vermuthung Brunns (S. 384, nicht 334) billigt, wonach
Bryaxis es war, welcher das Ideal des Serapis ausbildete, sO wäre
besser unter IV. bei der jüngeren attischen Schule von ihm zu reden
gewesen. Die Entwicklung des Zeusideals bei Gelegenheit der berühm-
ten Büste von Otricoli, wovon in Bonn die Maske (Nr. 32) vorhanden
ist (S. 74 heifst sie freilich Büste), S. 51 — 53 ist sehr gelungen.
Ehe sich der Vf. zu den Tempelsculpturen des Parthenon n. a.
Gebäude wendet, gibt er S. 55 — 57 nach Anleitungeines Korkmodells
von dem grofsen Tempel zu Paestum (Nr.39) eine Beschreibung des
Tempelbaues und des dorischen Tempels insbesondere, aber mit einer
unbegreiflichen Sorglosigkeit. Was soll ein Student sagen, wenn er
bei seinem Führer liest: *der Tempel, dessen Modell hier aufgestellt
ist, ist hexastylos (mit sechs Säulen in der Front, 13 au der Lang-
seite)' und dann auf jeder Langseite 14 Säulen findet? wenn ihm dann
weiter erzählt wird, dafs die Säulen der dorischen Ordnung 20, die
andern 24 Cannelierungen haben, während das Modell, wenn es anders
richtig ist , ihm dorische Säulen mit 24 Cannelierungen zeigt ? Vgl. z. B.
die Tafeln 22 und 23 in Bötticliers Tektonik und bei Winckelmann Taf.
3 ff. Hier sind nur zwei Fälle möglich. Entweder der Vf. hat das Mo-
dell gar nicht näher angesehen und die gelänfigcn Bestimmungen Über
die dorische Bauart aus irgend einem Handbuche entlehnt, oder das
Modell bezieht sich nicht auf den grofsen, sondern auf den kleinem Tem-
pel, und der Vf. schreibt ein Versehen Welckers (Zuwachs S. 27) ohne
nähere Prüfung nach. Da Welcher Taf. 3 bei Winckelmann, d. h. die
J. Overbeck: knnsUrchaeolo^ehe Vorlesangen. 181
Abbildung des firröfsern Tempels anfObrt ODd des Vf. Angabe über die
IntercoLumnieif (1^ Säulendicke) auf jeden Fall falsch ist, so mdchte
man sich fflr die erstere Alternative entscheiden. Unangenehm fallen
•Qch die falschen Artikel *das Stereobat' nnd *das Stylobat' einem
Philologen ins Auge. Unter den Bildwerken des Parthenon wid-
met der Vf. S. ö8 — 61 der auf einem Thierfell Hegenden Figur, die
Welcker Kekrops nennt, eine besondere Aufmerksamkeit. Er verthei>
digt die ältere Meinung, es sei Theseus, scharfsinnig und nicht ohne
Wahrscheinlichkeit, obgleich es mir doch bedenklich vorkömmt, die
kräftige Gestalt für Theseus zu halten, den man sich lieber als schönen
Jüngling denken möchte. Zur Evidenz läfst sich die Sache schwerlich
bringen. Die übrigen architektonischen Reliefs geben keinen Anlafs zu
Bemerkungen , obgleich sich die Verschiedenheiten des Stils in den
Sculpturen von Olympia und Phigalia wohl hatten hervorheben lafsen.
Dafs aber S. 70 der Fries vom Denkmal des Lysikratcs, weil er
zu den architektonischen Sculpturen gehört, hier beschrieben wird,
ist ein kunstgeschiditlicbes iHfr^^ov TtQoreQOv. Denn da er , wie der
Vf. selbst erwähnt, der Inschrift nach in OL ill, 3 gehört, muste er
der Jüngern altischen Schule vorbehalten bleiben. Die matteische und
das Fragment der trierschen Amazone machen den Beschlufs des II. Ab-
schnitts, wonach
III. Polykleitos (S. 72 — 77) folgt. Wie Brunn begnügt sich
der Vf. mit einer beiläutigen Bemerkung über Hermes, ^der füglich
aus den genreartigen Gegenständen nahestehend gefafst werden darf,'
von Feuerbach (nachgelafs. Schriften III S. 61) befser mit dem Gymna-
sien und den Ephebcnstatuen Polyklets in Verbindung gebracht wird.
Mit Recht scheint der Vf. gegen Brunn nach wie vor die ludovisische
Büste für das vorzüglichste Abbild der berühmten argivischen Hera zu
erklaren, indessen traue ich mir, da ich keinen Abgufs der neapolita-
nischen Büste vor mir habe, kein Urtheil über Brunns Meinung zu, sie
sei eher auf das polykletische Bild zurückzuführen. Ungern vermisst
man in der Litteratur die Schrift von Schömann über das Ideal der Hera.
IV. Die jüngere attische Schule S. 77 — 133. Die Büste
der N i 0 b e schildert der Vf. in einem Auszug aus W^elckers Abhand-
lung , der u. a. auch die Vorstellung von den hervorbrechenden Thrä-
nen entnommen ist. Den Pacdagogen begnügt er sich nur zu nennen,
während eine Vergleichung ihrer Ausführung mit den übrigen Statuen
nicht ohne Interesse gewesen wäre. Ueber den sog. Ilioneus in
München'^) trägt er eine geistreiche Vermnthung vor, die er schon
in seiner Gallerie her. Bildw. I S. 363 f. ausgesprochen hatte. Bewei-
♦) Hr. O. bemerkt nach Welcker, dafs die Statue 'ohne die gewi«
wesentlich richtigen Ergänzungen' im Kunstbl. 1826 Nr. 46 und danach
in Mullers Denkm. I, 34, 142 £ abgebildet sei. Jetzt ist das Original,
wie anch der hiesi{|[e Abgufs, nicht ergänzt, wie schon ein kundiger
Recensent in der Ztschr. f. d. AW. 1864 S. 60 bemerkt. Indessen er-
wähnt Schorn S. 112 einen restaurierten Kopf. Inwieweit der Bonner
Abgufs ergänzt ist, weifs ich nicht.
182 J. OTerbeck: kamtarchaeologisdie VoiiesmigeB.
Ben UM es sich allerdings nicht, dar« diese schöne Fignr za der Nio-
bidengruppe gehörte, aber auch nicht das Gegentheil. * Knieende Nio-
biden sind ja mit und ohne Wunde beliannt, n. a. der sog. Narciss, dar
den einen Arm erhebt, während er mit dem andern nach der Wunde
fahrt, und der unverwnndete Jüngling des vaticanischen Sarkophags
P. - Ci. IV, 17, welcher mit der linken Hand den Kopf verdeckt und die
rechte auf den Boden stfllzt Die von Hrn. 0. angefochtene Stellung
lafst sich, da der Kopf und beide Arme fehlen, nicht völlig sicher her-
stellen. Möglich dafs der rechte Arm den Kopf gegen die von oben
fliegenden Pfeile, der linke sowie die zusammengeschmiegte Haltung
den Leib schützen sollte; möglich auch, dafs der knieende, eben ge-
IrolTen, den rechten Arm instinctmäfsig halb zur Abwehr halb vor Ent-
setzen erhebt, während der linke nach der Stolle hinfährt, wo der
Pfeil den Jüngling getroffen hat, nach dem Unterleibe. Dafs die Wunde
nicht sichtbar ist, verschlägt nichts; sie fehlt auch bei dem iiegendea
Niobiden in München *) , sowie bei dem auf ein Knie gestützten ie
Florenz (Nr. 14 bei Welcher). Darüber läfst sich streiten. Aber die
Vermuthung des Vf., dafs wir den zarten Troilos vor uns sehen, wel-
chen Achillens vom Pferde gerifscn habe und mit dem tödtli eben Schwert-
streich bedrohe, hat viel mehr gegen sich. In der neapolitanischen
Marmorgruppc (Overbeck GuUeric Tf. XV Nr. 7) erscheint Troilos ala
Knabenleiche auf Hektors Schulter; sein Tod wird auf keinem Marmor-
werke dargestellt, und auch die Vasenbilder (Overbeck a. a. 0. S. 359 ff.)
zeigen ihn nicht auf den Knieen , sondern von seinem Feinde fortge-
schleppt oder vor ihm fliehend, und immer als Knaben. Es bedürfte
aber einer unzweifelhaften Gruppe, um das von Hrn. 0. angenommene
Motiv zu rechtfertigen. Denn sinkt man vom Pferde auf die Kniee? und
wird man, wenn man *mit angestrengter Kraft namentlich der Fflfse sieh
gern wieder erheben möchte', den Oberleib so wie das Mflnchener Frag-
ment seitwärts gewendet zusammenschmiegen? — Den vaticani-
schenApollon erklärt der Vf. S . S3 ff., indem er einen von Fenerbach
verworfenen Gedanken aufnimmt, nach Anleitung einer volcentischea
Vase (Mou. d. inst. I, 23, auch Müller Denkm. 11, 13, 146) *% als das
erhaltene Stuck einer Gruppe, *wie er Tityos überwunden hat, der
Leto nachstellte, und wie er jetzt siegesfroh und grofs sich mit dem
Xal^l welches auf jener Vase beigoschrieben ist, zu der befreiten
Mutter wendet.' Er läfst 'es unentschieden, ob Leto und Artemis wie
in jener Vase die Gruppe vervollständigten.' Dazu ist zuvörderst i«
bemerken, dafs auf jener Vase kein xai^e beigeschrieben ist, und dafs
keine Artemis die Gruppe vervollständigt. Allerdings würde Leto als
dritte Person zu unserem ApoUon gesellt werden müfsen. Denn denkt
'*') Glyptoth. Nr. 124. Daran ist freilich aufser dem Haare noch
anderes uiiYolleiidct. Ich habe mir namentlich die linke Hand und die
Arme angemerkt. Nur die BruHt scheint ganz fertig su sein.
**) Die Abbildung in der £lite c^ramogr. H, 56 habe ich nicht ein-
fr^sehen. Ist da violJeicht das in den andern Werken fehlende vorhandenf
Artemis erscheint auf einer anderen Vase Ann. II tav. H.
J. Overbock: kaasUirchaeoIogitcho VorlMoiifei. 183
aas Isich Tityos alleiB niedersinkend aber noeh am Leben, 00 »fiste
der Gott, wie auf der Vase, im Scbiefsen fortfahren, and dann würde
die Slatae nicht anf dem rechten Fufse, sondern auf dem linken ruhen,
nnch wohl durch einen Zwischenraum von dem besiegten gelrennt wer-
den. Lag aber Tityos todt am Boden, so kann allerdings Apollon ihm
einen Schritt naher getreten sein. Wenn aber nicht eine aufrechte Per-
son, also Leto, ihm gegenüber stand, so hatte dies eine unglückliche
Linie für eine Gruppe abgegeben. Trat ihm nun Lcto nach dem Siege
entgegen, so muste sie wenigstens vor den erlegten Feind sich stellen,
nm von ihrem Sohne, der sich % nach vorn richtet, etwas mehr sn
sehen als den Mantel. Tityos war dann eine hinderliche Nebenperson,
worin der Beschauer schwerlich einen zureichendem Grund für den
siegesstolzen Ausdruck der Statue erkannt haben würde, als jetzt in
der Andeutung der erlegten Schlange an dem Stamme. Aber dieser
Stamm ist ja eine Stütze für die einem Erzwerke nachgebildete Copie?
Ich will mich nickt auf die Gründe für und gegen diese Meinung ein-
lafsen, da auch der Vf. keine beigebracht hat — mir bleibt sie sehr
iweifelhaft. Aber wenn der Copist einen Apollon im Kampf mit dem
Uiesen vor sich hatte, warum gab er der Stütze, welche sein Marmor-
werk bedurfte, eine Schlange bei, welche den Beschauer irre führen
konnte? Mag aber dieses Beiwerk sich auf den Sieg über den Drachen
.Python beziehen oder nicht, oder mag irgend eiue andere Thal des
Gottes als Alotiv angenommen werden, das wichtigste bleibt, wie Mül-
ler $. 361 ganz richtig bemerkt: der Gott schreitet als Kallinikos von
einer Siegeslhat hinweg, und sein Kampfzorn geht in selige Heiterkeit
über. £s bedarf keiner zweiten Figur, um diesen Charakter der Statue
deutlich zn nmchen oder zu begründen. Auf die Proportionen dersel-
ben geht der Vf. nicht ein , auch nicht auf die von Müller und von Gött-
ling im Jenaer Verzeichnis S«53 ausgesprochene Behauptung, dafs jenes
Original in Erz der Proportionen wegen nachlysippisch gewesen sei. —
Wer es nicht vorher wüste, der erfährt S.85 nicht, dafs der Apollo
Giustiniani Nr.l26 keine Statne, sondern blofs eine Büste ist. Der Vf.
findet ihren Ausdruck schwermüthig. Wagener streng und finster. Die
Polemik des Vf. gegen Wagener, welcher eine Marsyasgrnppe annahm,
passt also nicht recht. Da ich keinen Abgufs vor mir habe, weifs ich
nicht , wem ich beipflichten soll. Die Aphroditebilder des Museums
behandelt der Vf. von 8.88 — d5. Ich verstehe gleich nicht, was er
mit den einleitenden Worten: *von Aphrodite haben wir aufser einem
spätem Werke ersten nur solche zweiten Banges' sagen will. Meint
er mit jenem die Venus von Milo oder die mediceische? denn
Jene hält er in der Tfaat für «ein Werk späterer Zeit', während Waa-
gen sie als Originalwerk eines Schülers des Skopas betrachtet und
Welcher (alte Denkmäler I S. 444) ihm * in Hinsicht der Originalität
■nd des Zeitalters' beipflichtet. Doch da der Vf. in der Litteratur nur
die von Welcher S. 59 angeführten Abhandlungen (erste Ausgabe des
Katalogs Nr. 2 nad Boiliger kl. Sehr. li S. 169 ff.) aufzählt, auch die
Abbildung bei Müller Denkm. II, 25, 270, die Weicker a. a. 0. citiert,
184 J. Orerbeok: kunstarchaeologische Vorlesongen.
nicht erwähnt, so scheint er Welckers Znsätee a. a. 0. S. 441 ff. nieht
verglichen zu haben. Aber auch wenn er das unterliefs , so konnte er
ans der ersten Ausgabe des Vers. S. 20 ersehn, dafs der auf einen
Helm gesetzte linke Fufs nicht der ursprüngliche ist. — Der Kopf vom
Capitol (S. 89 Nr. 158) fehlt ganz : der bei Welcker Nr. 159 verzeich-
nete ^vom Capitol' wird von Hrn. 0. S. 94 Nr. 144 als im Louvre be-
findlich angegeben (Müller Denkm. II, 24, 255), man mufs annehmen,
mit Rocht. Bei den beiden kleinen Büsten aber Nr. 146 und 147 schein!
eine Verwechslung vorgefallen zu sein. Denn die ^kleine Büste' Nr. 146
kann doch unmöglich von der 6 Fnfs hohen Statue in München (Glypt.
Nr. 135) herrühren. Welcker führt nach der kleinen Büste (Nr. 161 =
147 bei 0.) eine ^ Maske' der Venus (162= 146 ?) an , welche entweder
von der genannten Statue oder von der Büste (Glypt. Nr. 143} entnom-
men sein soll. — Die hohe Schönheit der sog. Psyche in Neapel wür-
digt der Vf. S. 96 f. nach Verdienst. Er meint, dafs sie wegen ihres
^wehmüthig-heiteren, dabei liebevollen Anblickens eines zweiten Gegen-
standes ' etwa * in das Gebiet des Genre ' fallen möge. Ich finde frei-
lich mehr einen göttlichen Ausdruck in dem Fragment, glaube anch
nicht, dafs man eine Genreflgur in das Amphitheater von Capua gestellt
haben wird; indessen bin ich nicht im Stande, eine allseitig genügende
Erklärung zu geben. — Gut und lebendig wird S. 98 f. der sog. tief-
sinnige Eros besprochen. Uebrigcns hat nicht ^ine Wiederholnng.
des vRticanischcn Eros marmorne Flügel, sondern zwei, vgl. Welcker
S. 22. — Zu den Bildern des Hermes macht der Vf. S. 101 mit Recht
bemerklich, dafs die Zurückführung seines Idealtypus auf Praxiteles
ihr bedenkliches hat, weil kein berühmtes Kunstwerk von seiner Hand
den Gott gerade als Vorsteher der Palaestra dargestellt zu haben scheint.
Ich habe schon oben darauf hingewiesen, dafs diese Bildung der Rich-
tung der polykletischen Kunst entspricht^ mag sie auch später nament-
lich in den Proportionen modificiert worden sein. Die sonst sehr an-
sprechende Behandlung dieses Abschnittes leidet an derselben Unge-
nauigkeit, die wir schon mehrmals hervorheben musten. Gleich bei
der ersten Büste Nr. 154 Mlermes mitFlügeln imHaar' bemerkt
der Vf. S.102: Mm Vatican, Beschreib. Roms 11,2 S.185 Nr. 15, Mns.
Pio-Clem. VI, 3.' Das erste Citat ist verdruckt, denn an der Steile
findet man die * Büste eines unbekannten Jünglings'. Berichtigt man
es nach Welcker S. 74 in S. 181 Nr. 55, so stöfst man auf die Bildsaule
aus Villa Negroni, welche im Mus. Pio-Clem. III, 4L abgebildet ist und
allerdings einen Hermes mit Flügeln im Haar darstellt. Wir wollen
daher annehmen, dafs der Vf. nicht diese Bildsäule, sondern die a.a.O.
II, 2 S.185 Nr. 5 erwähnte Büste meint, die mit der bei Visconti VI, 3
beschriebenen identisch ist. Aber auch diese kann nicht die Bonner
Büste sein , welche der Vf. als eine der * besten Leistungen des grie-
chischen Meifsels' hervorhebt. Denn es ist ein mittelmäfsiges , por-
Irätähnliches Werk, welches gar nicht, wie die Statue, ^das kurze
krause Haar' des Gottes zeigt, das der Vf. bemerklich macht, *car la
chcvelurc parait plutdt propre ä la modc des Romains' (Visconti a. a. 0.).
J. Orerbeck : kmistarchaeologisehe Vorlesimgeii. 185
Ihre Flagel sind Qbrigens nach alten Spuren erginzt. Da nnn Weickir
sagt: ^Mercur mit SchM-ingen, nicht am Petasos, sondern am Haupt,
selbst' (lies: Haupt selbst,) * ähnlich wie der Vaticanische M. Piocl.
VI, 3 [Beschr. Roms II, 2 S. 181 Nr. 55] ', so wird es mir sehr wahr-
scheinlich, dafs der Vf. die Worte seines Vorgängers misverstanden
hat. Mit Grund bezweifelt der Vf. S. 103, dafs die BQste Nr. 155 die-
selbe sei wie die lansdownsche, in den Specimens of ancient sculpt.
I, 55 (lies 51) und bei Müller Denkm. II, 28, 304 abgebildete , da diese
keine Brust hat. Vermuthlich ist es der von Meyer zu Winckelmann
V, ], 17 beschriebene, unter Nr. 47 daselbst abgebildete Kopf *mit
etwas Brust, der, wie man sagt, aus Rom nach England gegangen.
Er ist durch Abgfifse und häufige Copien bekannt.' Der vortreff-
liche ^ruhende Hermes' (Nfiller Denkm. II, 28, 309) Nr. 157 wird
von S. 103 — 5 lebendig beschrieben. Er ist aber nicht *in Portici',
sondern inHerculanum gefunden; der Kopf, dessen Form der Vf. ^aller-
dings auffallend^ nennt, war nach Winckelmann (Sendschreiben $.37)
in 100 Stücke zerdrückt; endlich wird Hermes nicht als ermüdeter
Laufer gebildet, denn er hat unter dem Fufs eine Schnalle, die ihn
beim Laufen drücken würde. Er ruht vielmehr vom Fluge aus, wie
Winckelmann sehr richtig aus eben dieser Schnalle % Verbindung mit
den Flügeln an den Ftifsen schliefst. Gegen Rathgebers Behauptung,
Hermes sei mit Angeln beschäftigt, protestiert der Vf. wohl mit Grund.
Den sog. *G e r m a n i c u s ' Nr. 158 charakterisiert er fein und gut, eben-
so die verschiedenen Bilder des Dionysos S. 107 — 116, die sehr
geschmackvoll und ansprechend behandelt werden. Die Büste des
^Dionysos mit Ephenkranz' Nr. 163 S. 112 ist wohl eher mit
Weinlaub und Trauben (Welcher S. 74), als *mit schattigen Epheu-
blüttcrn und Trauben ' bekränzt. Der ^gehörnteDionysos' Nr.l64
befindet sich, wie schon Hr. Müller Ztschr. f. d. AW. 1854 S. ^4 be-
merkt, nicht im Vatican, sondern im Capitol. Er ist übrigens nicht
nach links, wie der Vf. angibt, sondern nach rechts geneigt. Der
Abschnitt über die Satyrfiguren S. 116 — ^29 gehört zu den besten
des Buches , obgleich auch er von den oft berührten Mängeln nicht
frei ist. Namentlich fehlen auch hier ergänzende Angaben über die
Litteratur. So ist, wie oben die Büste des Dionysos Nr. 161 bei Wie-
seler 31, 342 und der sog. Germanicus bei Müller Denkm. I, 50, 225,
der alte Satyr bei Wieseler 39, 462 abgebildet. Den ^angelehnten
Satyr' Nr. 167 S. 116 trennt der Vf. nach Starks Vorgange (arch.
Studien S. 18 ff.) von dem 7t£qiß6yp;og des Praxiteles (Plin. XXXI V, 69),
wenn man nicht einen Irthum des Plinius annehmen will, mit Recht.
Wenn er aber mit Stark glaubt, dafs Plinius aus Pausanias I, 20, 1
zu berichtigen sei , so scheint es mir kaum thunlich anzunehmen , dafs
Plinius Gcwährsmonn, etwa Pasiteles, Eros und Mcthe verwechselt
habe. Eher möchte ich vermuthen, dafs die Statue des Praxiteles von
einem Römer fortgenommen und von dem unbekannten Künstler Thymi-
los durch Eros ersetzt worden sei. Bei dem ^alten Satyr' Nr. 170
S. 121 hat der Vf. AVeIckers Beschreibung S. 27 einschliefslich der
iV. Jahrb. f. PhU. ». Paed. Bd. LXX. Hfl. 1. 13
186 J. Overbeck : kunsUrchaeologische Vorlcsangfen.
Cilatc ausgesogen, letzlorc aber scbwerlirh nachgeschlagen. Denn
sonst würde er nichl die ^bäucrischü Kirmcfslustigkeil' des Gesichts
ohne weitere Bemerkung loben. Der von Welcker angeführte Meyer
gibt zu AViuckelinunn V, ] , 5 und Kunstgcsch. III S. 381 ausdrücklich
an, dafs der Kopf dieser schönen Statue modern sei. Den * tanzen-
den Satyr' aus Pompeji Nr. 172 lobt der Vf. 8. 122 verdienter Mafäen
nach Welcher. Seinen eignen Zusatz, welcher die pompejanische
Figur auf Kosten des von »elcker citierten Satyrs in Villa Borghese
OVieseler39, 463, Mon. d. inst. III, 59) erhebt, würde er wohl wog-
gelafsen haben, wenn er Brunns feine Erörterung Bhein. Mus. N. F. IV
S. 468 ff. zu lialhe gezogen hält«. Denn du der borghesische Satyr
sich beim Flötenspiei zum Tanz anschickt, kann er natürlich nicht
in derselben Bewegung erscheinen w ie der pompejanische. S. 124 wird
richtig bemerkt, dafs Nr. 130 bei Welcker eine Wiederholung von
Nr. 127 (Nr. 174 und 174a bei 0.) zu sein scheint. — Nr. 177 nennt der
Yf. S. 125 eine Papposilensbüste. Das falsche Citat Beschr. d. St.
Rom II, 2 S.168 wird Welcker Zuwachs S.7 nachgedruckt. Berichtigt
man es in S. 193, so ündet man, dufs die Büste Silens nicht * lange
Bocksohren', sondern menschliche Ohren hat. (.4n der Identität beider
Köpfe kann, wAn man die von Gerhard angeführte Abbildung Pio-
Cl.VI, 9, 1 mit der von dem Vf. citierten beiWiescler41,495 vergleicht,
kein Zweifel sein.) Warum der Kopf nun nicht blofs einen Silen vor-
stellen soll, ist mir unbegreiflich: ich ßnde so wenig in beiden Abbil-
dungen als in den Beschreibungen eine Andeutung der Ilaarzotleln,
welche nach dem Vf. die Arme bedecken sollen, und blofs die Ver-
schiedenheit, dufs Wieseler S. 42 die Ohren für nicht rein menschlich
erklärt. Dagegen mufs ich dem Vf. beipflichten, wenn er S. 126 gegen
die Beziehung der Stelle des PliniusXXWI, 20 auf die berühmte bor-
ghesische Statue Silens mit dem Bacchuskinde polemisiert. Denn das
Weinen des Kindes ist in der Beschreibung bei Plinius ein wesentliches
Merkmal, und auch das Gegenstück, Libera als durstiges Mädchen, das
aus dem Krater getränkt wird, deutet für den Knaben ein charakteristi-
sches und bewegteres 3Iotiv an. Von der Ino in München (Glypt. Nr.97)
hat das Museum nur die Büste Nr. 179; der Vf. brauchte also von der
ganzen Statue nicht zu reden. That er es aber, so musto er deren Ab-
bildungen und Beschreibungen genauer ansehen. Es grenzt an das ko-
mische, wenn man S. 128 liest, dafs sie mit dem ionischen Ermelchiton
bekleidet sei und den spielenden Dionysosknaben auf dem rechten Arme
halte , während in Wahrheit das Kind auf dem linken Arme sitzt und
das Gewand gar keine Krmel hat. — S. 131 Nr. IH;^ gibt der Vf. an,
dafs die Federn auf dem Haupte der sog. Urania im Vatican ergänzt
seien, ob nach Zoöga, dessen Abhandlung ich nicht einsehen kann,
weifs ich nicht. Visconti Pio<Cl. I, 25 und Gerhard B. d. St. K. II, 2
S. 169 berichten beide, dafs die Sirenenfeder, so wie der ganze Kopf
alt, aber der Statue fremd sei.
V. Die jüngere sikyonisch-argivischo Schule S. I3ji
— 38. In diesem kurzen Abschnitt verdient die scharfsinnige Vcr-
J. 0 verbeck: knnsUrcbaeologiscIic Vorlesongen. 187
mnkhung S. 137 f. ausgezeichnet za werden, der sog. sterbende
Alexondcrin Florenz (Nr. 196, Blüller Denkm. I, 39, 160) stelle Ka-
paiieus dar, wie er, vom Blitzstrahl getroffen, das Haopt schmerz-
voll zurückwerfe. Mohr als eine Vermuthung kann man freilich die
Behauptung niclit nennen. Die Büste entspricht nicht dem gigantischen
Charakter des Helden (vgl. z. B. Anth. Plan. IV, 106), den man sich
mehr dem Aias ähnlich vorstellt; ebenso wenig der Mangel an Bart,
die Andeutung des Gewandes an der Brust (wenn dies alt ist). Bis mau
eine unzweifelhafte Darstellung des Kapancus findet, läfst sich aber
kein bestimmtes Urtheil fällen, und es mufs anerkannt werden, dafs
dio Haltung des Kopfes mit der von dem Vf. angenommenen Situation
übereinstimmt. S. 137 Z.2 v. u. statt Minken' lies * rechten', S. 140
Z. 10 statt * Gallierschlacht' lies ^Markomannenschlacht'.
Die folgenden Abschnitte VI. Pergamenischo Künstler
S.139 — f4,VIl. Die rhodischcn Künstler S.144— 54, VIII. Die
neuattische Kunst S.154 — 60, (IX.) Kleinasiatische Künst-
ler S. 160 — 65, X. Kunstzeit des Kaisers Hadrianus S.160 — 69
im einzelnen und mit derselben Vollständigkeit zu prüfen mufs Bec.
sich versagen. Sie enthalten ausführliche und grofsentheils wohl gc-
inngeno Beurtheilungen berühmter Werke , des Laokoon, Torso, bor-
ghesischen Fechters, die im wesentlichen auf Welckers und Brunns Un-
tersuchungen beruhen, aber mit feinen Bemerkungen begleitet werden.
£inige Werke stellt der Vf. tiefer als Hec. Wenn z. B. der Laokoon
auch in seiner Composition getadelt, der Kopf peinlich (S. 148), ja
S. 80 gegen Niobo gehalten sogar widerwärtig genannt wird, so er-
innert man sich unwillkürlich der Prophezeiung Feuerbachs (Apoll
S. 185). Aber obgleich er dieUrtheile des Vf. nicht durchweg für ge-
recht hält, nimmt Bec. keinen Anstand sie für wohl durchdacht zu er-
klären und wohl geeignet, einen angehenden Beobachter in Beifall und
Widerspruch zu eignem Nachdenken anzuregen.
Die folgenden Bildwerke von S. 169 — 90 sind ganz nach den
Gegenständen geordnet, als: 1) göttliche und daemonische
Wesen, 2) Heroen, 3) Athletenbilder, 4) Genrebilder.
Darunter verdienen manche Beschreibungen, z. B. des Adonis, des
Discuswerfers , der Uingcr, des betenden Knaben, alles Lob. Den
borghesischen Achilles Nr. 221 beurtheilt der Vf. S. 176 f. zu
ungünstig. Meines Erachtens kommen die Fehler der Statue auf Bech-
nung des Copislen, das Original trage ich kein Bedenken auf die Blüte-
zeit der griechischen Kunst zurückzuführen. Irthümlich mifst der Vf.
Welcker die Vermuthung bei , sie gehöre zu der berühmten Gruppe des
Skopas bei Plin. XXXVl, 26. Welcker führt diese S.34 nur der Ver-
gleichung wegen an, was sich schon äufserlich daraus ergibt, dafs er
in den alten Denkmälern 1 S.204 ff., wo er von Skopas Werke ausführ-
licher handelt, ihrer nicht gedenkt. Ein anderes Verschen ist S. 173
zu berichtigen. Zu der schönen sog. Ceres des Vaticans Nr. 212
(Pio-Clem.I, 40; Beschr. d. St. B. H, 2 S. 276) bemerkt der Vf.: Mer
Kopf mit einer römischen Perücke ist aufgesetzt'. Das ist freilich rich-
13*
188 J. Ovcrbeck : kanstarchaeologiscbo Vorlesnngen.
iig, aber sowobl Visconti als Gerbard bericbten aiisdrßcklicb, dafs er
ursprünglich zu der Statue gehörte; ersterer rühmt sogar die einfache
Behandlung des Haars. Auch die *D an aide Auch irr ho 6' in Tegel
Nr. 214 erklärt der Vf. S. 174 nicht richtig. Er sagt : * der sanfte Flufs
der Quelle ist durch den gleitenden Schritt der Statue augedeutet, wei-
cher ähnlich auch bei Poseidon vorkommt'. Natürlich, weil er über
das weite Meer dahin schreitet, über eine Quelle aber springt man hin-
M'eg, wenn man nicht an ihr verweilen will. Unsere Nymphe aber ist im
Begriff Wafscr aus der Quelle zu schöpfen und hebt das Gewand, das
sie im Schreiten hindern würde, um es nicht nafs zu machen, in die
Höhe. Der Schritt aber deutet an, dafs sie sich zum Schöpfen hcrab-
neigen will, vgl. Visconti Pio-CI. III p.258 (Mail. Ausg.) und Jahn arch.
Aufs. S. 26. — Unter Nr. 242 beschreibt der Vf. S. 190 zum Schiurs
eine ^weibliche Statue, welche einen geschnittenen Stein in der Hand
hält, ohne ihn jedoch zu betrachten. Es scheint ein genreartig behan-
deltes Porträt zu sein, dessen Aufbewahrungsort mir nicht bekannt
ist. Die Behandlung des Gewandes verdient Anerkennung, der Kopf
sieht modern aus\ Die Statue gehört zu der bekannten Familie des
Lykomedes, steht im Berliner Museum, ist kein Portrait, sondern eine
Muse; das Gewand ist sehr fehlerhaft ergänzt, nicht allein der Kopf,
sondern die ganze obere Hälfte bis auf die Hüften, natürlich auch die
Münze oder der geschnittene Stein. Man vgl. Levezow: Familie des
Lykomedes S.35 u. 41, Tafel V. Was soll man aber von dieser Be-
schreibung sagen ?
Die Reliefs werden von S. 190 an im Anhange, meistens nach
Welckcr, behandelt, mit verschiedenen Zusätzen. Die Ära Casali
Nr. 250 beGndet sich nicht in Villa Casali (S. 195), sondern imVatican,
der Musen Sarkophag Nr. 361 nicht im capitolin. Museum (S. 199),
sondern im Louvre. Unbegründet ist auch der hyperkritische Verdacht
S.20I, die floren tiner Vase mit der sog. Opferung der Iphigcnia
Nr. 268 möge unecht sein. Es ist zwar vieles daran ergänzt, da sie in
viele Stücke zerbrochen Mar, das meiste aber ohne Zweifel antik. Die
alten und neuen Stücke werden von Meyer K. G. 111 S.384 f. sorgfäl-
tig unterschieden.
Manche der bezeichneten Mängel lafsen sich bei Vorlesungen,
welche den Sinn für die bildende Kunst zu wecken beabsichtigen, leicht
übersehen. Bec. bedauert aufrichtig, dafs der Vf. sie bei der Herans-
gabe eines Buches, woran man andere Ansprüche machen mufs, nicht
berichtigt hat.
Grcifswald. L. Urlicks,
E. Eytb: Ueberblick der Weltgcscliichle. 189
Ueberblick der WeUgeschichte rom christlichen Standpunkte.
Von Dt, Eduard Eythy Prof. am evangelisch-theologischen Seminar
in Schouthal. Heidelberg 1853. Verlag von K. Winter. IV u. 250 8. 8.
Wer als gläubiger Christ an die Betrachtung der Geschichte
geht, hat schon die Gewisheit, dafs Christus der Mittelpunkt derselben
sei, dafs alles, was seit dem Sündenfalle auf Erden geschehen, zur
Verwirklichung des Gnadenrathschlufses der Erlösung und zum Kom-
men des Reiches Gottes gedient hat und dient. Die Aufgabe der \Vi-
fsenschaft aber ist es, alled einzelne als solches zu begreifen, durch
die Zusammenordnung die Abstufungen, die Rück- und Fortschritte
im grofsen Gange der Geschichte nachzuweisen und die innere Noth-
wendigkeit desselben zur Erkenntnis zu bringen. Ebensowenig wie
der Christ sich erdreisten wird die vollständige Lösung dieser Auf-
gabe für auf Erden möglich zu halten, wird er sich abschrecken lafseu,
für dieselbe alle seine Kräfte anzustrengen und immer tiefer in die
Geheimnisse einzudringen z« versuchen , zumal da ihm die Ueberzeu-
gung beiwohnen mufs, dafs nur so die Geschichte selbst dem Reiche
Gottes dienen, nur so auch dem Zweifler endlich das Resultat sich
aurdrüngcn kann, welches dem fleifsigstcn, gewifsenhaflesten, scharf-
sinnigsten Forscher Johannes von Müller entgegentrat: ^Christus ist
der Schlüfsel der Weltgeschichte.' Jeden Versuch, der zu diesem
Zwecke unternommen wird , müfsen wir deshalb mit Freuden bcgrü-
fsen und so heifscn wir denn auch Hrn. Eyths Buch von Herzen will-
kommen, zumal da wir dankbar anerkennen müfsen, in demselben viel
anregendes und belehrendes gefunden zu haben. Je inniger wir uns
aber mit der Absicht des Hrn. Vf. und seiner Grundanschauung ein-
verstanden erklären, um so mehr fühlen wir uns verpflichtet, dasjeni-
ge offen auszusprechen , woran wir Anstofs genommen. Je lebhafter
wir uns die Schwierigkeit, einen Ueberblick über die Weltgeschichte
von christlichem Slandpunkte zu geben, vor Augen stellen, je deutlicher
wir uns bewust werden, dafs dieselbe nur ein Resultat der sorgfältig-
sten Durchforschung der Ereignisse, der genausten Prüfung aller
geistigen Erzeugnisse aller Völker, des Verfolgens jedes Vorkomm-
nisses bis zu seinen letzten und höchsten Gründen, der scharfsichtig-
sten Unterordnung des besondern unter das allgemeine, der tiefsin-
nigen Auffindung verborgener Beziehungen sein kann , je mehr wir
endlich die Gröfse einer solchen Aufgabe auch dann noch, wenn wir sie
auf gewisse Hauptrichtungen und Hauptvölker beschränken, empfinden,
um so weniger kann uns das bescheidene Gefühl, wie viel zu ver-
mifseu sein würde, wenn wir selbst ihre Lösung versuchten, verlafsen
und um so weniger werden wir einen Stachel in das legen , was wir
rügen und tadeln.
Wir gehen von dem aus, was S. 7 über die Methode der Ge-
schichtsdarslellung gesagt wird. W^ir sind natürlich weit davon ent-
fernt der einseiligen Anwendung und Durchführung der ethnographischen
oder dar synchronistischen Methode das Wort reden zu wollen, eben-
190 E. Eylh : Uebcrblick der Weltgeschichte.
so weit davon die Forderung der Wifscnschafl zu verkennen, dars dio
Methode darch ein inneres Princip bestimmt sein mürse, aber wir kön>
nen doch nicht einstimmen, wenn llr. E. sagt: ^die erste Methode (dio
synchronistische) ruht lediglich aur der Form der Zeit, die andere auf
derjenigen des Raumes , also beide auf Grundlagen , welche nur mate-
riell und üufserlich sind. Hierdurch sind beide falsch.' Die Mensch-
heit ist an Zeit und Kaum gebunden. Sie sind nicht allein für das
leibliche, sondern auch für das geistige Leben des einzelnen wie der
gcsammten Menschheit unabstrcifbaro Bedingungen, und es ist daher
absolut unmöglich, Geschichte zu schreiben oder zu begreifen, ohne
jenen beiden Rechnung zu tragen. Auch kann nicht zugegeben wer-
den, dafs beide Methoden nur auf einem äufserlichen materiellen
Grunde ruhen. Die Scheidung der Blenschheit in Völker ist eine der
wichtigsten Veranstaltungen der göttlichen Vorsehung. Jedes Volk
bildet eine Persönlichkeit für sich, bewegt sich in gewissen nicht
allein räumlichen, sonJern auch geistigen Grenzen und Bedingungen
und hat, mag es noch so viel nach aufscn mittheilen und von aufsen
in sich aufnehmen, dennoch, so lange es noch wirklich ein Volk, nicht
blofs eine nur äufserlich und zufällig zusammengefügte, nur durch
einen Namen zusammengehaltene Masse, ist, seine eigenthümliche Ent-
wicklung, und damit — dies ist die Hauptsache — seine eigene Ge-
schichte. Die geistige Menschheit ist nicht anders vorhanden als in
Individuen, in den einzelnen und in den Summen, den Völkern. Be-
ruht nun die Scheidung in Völker nicht blofs auf äufserlichem, son-
dern auch auf inncrm Grunde, so ist nothwendig auch die Belraclituufj^
der einzelnen für sich ebenso wenig nur auf der Form des Raumes be-
ruhend, vielmehr auf dem Wesen der Menschheit, freilich nicht auf
dem ursprünglichen, aber auf dem factisch gewordenen, ja es ist
keine Geschichte der Menschheit möglich , ohne dafs sie zugleich eine
Geschichte der Völker wäre. In der That gibt es auch Völker, wel-
che eine Zeit lang in völliger Isoliertheit dastehen und für sich allein
in energischer Einseitigkeit Bildungskeime entwickeln, welche dann
aus der Abgeschlofscnheit heraustretend für die gesammte Menschheil
von Wichtigkeit werden. Kann man solche Erscheinungen in die Ge-
schichte der Menschheit hell und klar einreihen, ohne das zu thun,
was die ethnographische Methode bei allen beabsichtigt? Kann man,
um ein Beispiel anzuführen, die Geschichte des römischen Volks bis
auf die Zeiten Alexanders des Grofsen anders als in ethnographischer
Abgesondertheit darstellen? Leichter kann die synchronistische Me-
thode als nur auf äufserlichem beruhend erscheinen. Scheint doch da
in den entlegensten Gegenden geschehenes, unter sich in gar keiner
Beziehung stehendes, ja wirkungslos für das allgemeine gebliebenes
nur deshalb nebeneinander gestellt zu werden, weil es zufällig in das-
selbe Jahr fällt. Allein gleichwohl hat auch diese Methode eine Be-
rechtigung in sich. Denn wenn zu einer Geschichte der Menschheit
im allgemeinen erforderlich ist, dafs man dio gleichzeitigen Zustände
in den verschiedenen Theilen derselben überschaut, — ein Satz, der
£. Eyth: Ueberblick der Weltgeschichte. 191
gewis nicht iy Abrede gestellt werden kann , wenn man sich bewust
geworden ist , dars nur dadurch die Tragweite einer bedeutenden Er-
scheinung und die Nothwendigkeil ihres Hervortretens für das allge-
meine erkannt oder doch annähernd bcgriden wird — so ist es un-
möglich dies ohne synchronistische Zusammenordnung der Begeben-
heiten KU erreichen, abgcsehn davon, dafs ja oft ein Zusammenhang
auch zwischen dem scheinbar ganz beziehungslos dastehenden wirklich
vorhanden ist. Also beruht auch sie doch am Ende auf der Geschie-
denheit und Sonderuug im Menschengeschlecht, um nicht davon zu
reden, dafs im Plane der Weltregierung auch die Gleichzeitigkeit
nichts zuTälliges sein kann. Die synchronistische Methode ist im
Grunde nur ein Versuch die Mangel, welche die ethnographische für
die allgemeine Geschichte bietet, zu beseitigen, ein Versuch, der frei-
lich einseitig durchgeführt zu noch gröfsern Mängeln führen mufs.
Daher ist man denn schon längst auf eine zweckmäfsige Verbindung
beider Methoden bedacht gewesen und es fehlt nicht an wohlgelungc-
nen Versuchen. In der That hat sich denn auch Hr. E. der Verschmel-
zung beider Methoden bedient, und führt uns bald ethnographisch,
bald synchronistisch durch die Geschichte, ein deutlicher Beweis da-
für, dafs wenn man auf das rein geistige sehen will, mau doch von
den Banden, an welche die Menschheit gcfefselt ist, sich nicht los-
machen kann. Ueberliaupt aber scheint uns die ganze Frage mit dem
Standpunkte, von weichemaus die Geschichte betrachtet wird, gar
nichts zu thun zu haben. Wir sind überzeugt, dafs eine ethnographi-
sehe Darstellung der Geschichte, wie eine synchronistische, durch ihr
Wesen nicht gezwungen ist den christlichen Standpunkt zu verlafsen,
dafs wer eine von beiden befolgt, damit noch nicht die Befähigung
verliert, die Beziehung des einzelnen und besondern zum Christenthum
und zum allgemein geistigen zu erkennen und deutlich zu machen, und
dafs der eingeschlagene Weg der Darstellung nur die Uebersicht ent-
weder erleichtert oder erschwert. Drumaui^at seine Geschichte des
Untergangs der römischen Republik in Biographien geschrieben.
Mag man sich beklagen, dafs dadurch die Uebersicht erschwert sei,
niemand wird dem Vf. mit Hecht vorwerfen können, dafs er dabei
irgend etwas allgemeines vernachläfsigt habe. Hr. E. betrachtet die
Weltgeschichte gern als ^biographie en gros.' Wie in einem Men-
schen verschiedene Thüligkeitsrichtungen nebeneinander hergehen kön-
nen und man bei Lebensbeschreibung eines Fürsten die Bestrebungen
in den verschiedenen Zweigen der Verwaltung, den innern und äufsern
Angelegenheiten , in Krieg und Frieden oft sondern , dagegen doch
auch um von der Thäligkeit des Mannes eine Vorstellung zu geben,
das gleichzeitige zusammenstellen mufs, so ist es auch mit der Ge-
schichte der Menschheil , in der die Geschichten der einzelnen Völker
gleichsam Branchen und Thätigkeitskreise eines Wesens sind. Wenn
man bei einem Menschen sein religiöses Verhalten als den letzten und
höchsten Mafsstab deshalb nicht verliert, wenn man z. B. seine Rei-
sen im Zusammenhang beschreibt u. dgl., und dann wieder zufällig
192 E. EyUi: Ueberblick der Weltgeschichte.
zusammeDtrelTended nebeneinander erwähnt, so wird mau auch in der
Geschichte weder durch synchronistische noch durch ethnographische
Darstellung genöthigt, die Verwirklichung des Reiches Gottes als das
Endziel und die Entfernung davon als den Grund alles Uebels aus dca
Augen zu verlieren.
Wir würden uns hierbei nicht so lange aufgehalten haben, wenn
wir nicht die Verkennung der Berechtigung, welche die Volkslhüm-
lichkeiten in der Geschichte besitzen, und der Bedeutsamkeit der Zeit,
in welche ein Ereignis fallt, als die Ursache zu einem nicht unerheb-
lichen Maugel in dem vorliegenden Buche ansähen. Das ersterc fin-
den wir, wenn wir die Phoeniker und Aegypter erst nach dem baby-
lonischen und persischen Weltreiche und nach den Israeliten in einem
liückblicke vor der griechischen Geschichte ausführlicher berücksich-
tigt sehn, also gewisscrmafsen nur deshalb herbeigezogen, weil die
Sagen von Kekrops, Danaos und Kadmos auf den Einflufs hinweisen,
welchen jene Völker auf die Griechen geübt haben. Wäre es einer-
seits viel zu weit gegangen, wollte man behaupten, die Aegypter
hätten nur durch das , was sie von ihrer Bildung an die Griechen ab-
gegeben, Bedeutung für die Weltgeschichte, so geht andrerseits die
Entwicklung jenes Volks ja noch fort langst nach jenen Einwanderun-
gen und ohne Berührung mit den Griechen und die Bildung gewinnt
einen tiefern Einflufs erst im hellenistischen Zeitalter. Von den Phoe-
nikern aber sind so viele selbständige Schöpfungen ausgegangen, dafs
sie wohl als Träger einer bestimmten Entwicklung hervorgehoben zu
werden verdienen. Wer der Karlhagcr Bedeutung für die Geschichte
zu würdigen weifs, der kann schon um deswillen den Vätern dersel-
ben nicht eine bedeutende Stellung versagen, um nicht davon zu re-
den, dafs ja diese auch auf das israelitische Volk nicht ohne Einflufs
geblieben sind.
Das zweite finden wir in der Geschichte des Mittelalters. Wer
die Uebersicht liest: ^Zejf nach Christus. Erste Hauptperiodo. 1 —
1517. I. Ausbreitung des Christenthums. l) Apostel , Jünger. 2) Gc>
meinde. Sieg über das Judenthum. 3) Sieg über das römische Hei-
denthum. Kirche. 4) Völkerwanderung und Germanenthum. 5) Skizze
der germanischen Religion. 6) Geistiger, sittlicher, politischer, häus-
licher Charakter der Germanen. 7) Germanische Heiche. 8) Fränki*
sches Reich. 9) Rückblick. II. Verderbnis der Kirche, l) Ger-
manen. Verweltlichung. Feudalwcscn. Kaiser und Reich. 2) Rom.
Pabstthum. Mönchthum. Clerus. 3) Griechisches Reich. 111. Innere
Folgen, l) Nothwendigkeit des Conflicts zwischen Kaiser und Pabst.
2) Uebersicht des Kampfes. 3) Sieg des Pabstthums. 4) Folgen des
Siegs und Umschlag. IV. Aeufsere Folgen, l) Rückblick. 2) Die
Araber, Muhamed. 3) Vordringen des Muhamedanismus. V. Gegen-
wirkung. 1) Die Franken und Karl Martell. 2) Die Spanier im Kam-
pfe. 3) Deutschland. Frankreich. Italien. Pabst. 4) Die Kreuzzüge.
ö) Mislingcn derselben. 6) Gründe hievon. 7) Nutzen derselben. 8) Die
Entdeckungen. 9) Wiedererwachen der classischen Litteratur', wird
E. Eylb: Ueberblick der Wellgeschichte. 193
gewis an der Ordnung Anslofs nehmen. Wir können nnn swar kei-
noswegs'behanptcn, dafs der Hr. Vf. die Beziehungen der einselneo
Begebenheiten aufeinander gar nicht erkannt oder gar nicht darauf
hingewiesen habe, im Gegentheil er sucht oft durch Rückblicke für
das Verlafsen der Zeitordnung zu entschädigen , aber ein klarer Ue-
berblick scheint uns dabei geradezu unmöglich. Wenn zu einer christ-
lichen Auffafsung der Geschichte vor allem nothwendig ist, den der
Annahme des Evangeliums folgenden Segen und die dem Abfall und
Misbrauch folgende Strafe und die heilsame Wirkung der Strafge-
richte kenneu zu lernen, und ein zweites Erfordernis, den Gang der
Ereignisse als von Gottes Hand geordnet, nicht als ein Spiel des Zu-
falls oder von den Menschen selbst gemacht, dem Bewustsein näher
zu bringen , so darf unmöglich die Ordnung der Ereignisse in der Zeit,
die ja auch von Gott herrührt, so unbeachtet gelafsen werden. Die
Ursachen , warum der Islam in so reifsender Schnelligkeit siegreich
sich ausbreitete, liegen in den Zuständen eines Theils der christlichen
Kirche, welche früher sind als das römische Pabstthum. Aus wel-
chem Grunde nun das Auftreten des Islam erst nachdem die Geschichte
der abendländischen Kirche und der ganze Kampf zwischen Pabsllhum
und Kaiserthum behandelt ist, seine Stelle Gnden soll, gestehen wir
durchaus nicht einzusehn, und um so weniger können wir es gut hei-
fsen, als wir ja die grofse Mahnung, die des Islams Gcifsel der abend-
ländischen Christenheit gibt, durchaus als von grofsem Einflufs auf
die Gestaltung der Kirche erkennen. Mag auch dieser Einflufs später
verborgener sein , bei den grofsarligen Grund legenden Gestaltungen,
welche sich an Karls des Grofsen Namen anknüpfen , kann ihn der
nicht verkennen, welcher weifs, dufs nichts ins Lehen tritt, was nicht
im Geiste der Völker schon vorbereitet und angebahnt ist. Wie tief
erkennen wir doch die Gnade Gottes, wenn wir sehen, dafs in der-
selben Zeit, wo Mohamed zu lehren begann, in der gänzliche Zer-
rüttung befürchten lafsenden Kirche des Abendlands durch Gregor den
Grofsen der Grund zu feslerer Kirchenordnung und zu jenem Geiste
gelegt w urd, der Karl Martells und seiner Krieger Armen die Kraft lieh,
bei Tours und Poitiers dem Andringen der Araber ein Ziel zu setzen!
Dürfen wir beim Belehren anderer solch ZusammentrefTen in der Zeit
dnrch Auseinanderrücken der Ereignisse unkennllich machen ? Ferner
kann doch niemand verkennen, wie gerade die Kreuzzüge dazu bei-
getragen, das von Gregor dem VII begonnene Werk zu befestigen,
>vie die Idee zu ihnen der erste Ausflufs der geistigen Macht des Pub-
sles, zugleich aber auch die siegreiche Verbreitung derselben ist.
Der Kampf zwischen Kaiserthum und Pabstthum in der Ilohenstaufcn-
zeit kann weder in seinem Verlaufe, noch in seinem Ausgange, ebenso
wenig w ie der folgende Bückschlag ohne die Kenntnis der Kreuzzügo
recht verstauden werden. Warum also von den Kreuzzügen erst reden,
nachdem jenes alles schon behandelt? Wir wären sehr begierig die
Gründe zu vernehmen, warum Ilr. E. von Leo und Dittmar, deren er
dankbar gedenkt (S. 8), so weit abgewichen sei. Aus dem Buche
194 E. Eylh : Ucbcrblick der Weltgescliiclite.
selbst haben wir keine gütigen und zwingenden zu finden vermocht.
Wir würden jedoch auf diese Mangel ein geringeres Gewiclit legen,
wenn wir nicht sahen, dafs die Erreichung der Absicht, welche der
llr. Vf. hegt und die wir herzlich anerkennen, dadurch erschwert und
beeinträchtigt werde. Kein anderer Grund leitet uns auch bei den Be-
merkungen, welche wir noch ferner mittheileu.
Wer eine christliche Auffafsung der Geschichte anbahnen will,
hat vor allem den Erscheinungen gerecht zu werden. Er mufs durch*
aus das wahre Wesen derselben durchforschen, oder um nicht weitläufig
zu werden die strengste Kritik üben, aber nicht allein, indem er alles
aus reiner Erdichtung hervorgegangene oder unsicher überlieferte aus-
schliefst, sondern auch indem er sich hütet das vereinzelte 4ür das
allgemeine auszugeben, und jenem wenigstens die ihm gebührende
Stellung zum ganzen anweist. Volle Anerkennung des schönen und
guten auch an dem Nichtchristcn ist ebenso nothweudig geboten, wio
die rücksichtslose Aufdeckung der Schüden und Mängel. Je objectiv
wahrer die Geschichte gegeben wird, um so mehr dient sie dem Chri-
stenthum. Es freut uns, dafs wir bei Hrn. E. in dieser Hinsicht man-
ches abgestreift finden , was wir früher an ihm ungern sahen , indes
stufst uns doch auch in diesem ßuclie noch manches auf, was wir an-
ders wünschten, namentlich bezeichnen wir ein gewisses Haschen nach
geistreichen Ausdrücken und Anspielungen auf die neuste Zeit als
öfters jener Forderung entgegenstehend. Ist bei einem Uoberblick
Kürze eines der ersten Erfordernisse, so darf diese doch nie so weit
ausgedehnt werden, dafs Unklarheit und Schiefheit der Vorstellungen
daraus hervorgeht, und haben Uebersichten den Zweck das allge-
meine deutlich vor Augen zu legen, so mufs streng alles ausgeschie-
den werden, was zerstreut und auf das besonderste hinweist. In bei-
derlei Hinsichten scheint uns Hr. E. manchmal gefehlt zu haben. Wenn
>vir endlich noch Vollständigkeit vcrmifsen, so wollen wir ihm daraus
weniger einen Vorwurf machen, weil wir uns wohl Gründe denken
können, welche ihn zurUebergehung von diesem und jenem bestimmten,
dürfen aber davon nicht gänzlich ahsehn, wenigstens in so weit nicht,
als es mit der erklärten Absicht des Hrn. Vf. in Widerspruch steht.
Begründen wir dies unser Urtheil durch Anführung von einzelnem.
Zuerst wünschtCTi wir die alten orientalischen Völker etwas
sorgsamer behandelt, wenn schon »ir sehen, dafs der Hr. Vf. seine
Gründe gehabt hat, darüber kürzer hinwegzugehn. Einmal nemlich
ist die Bildung dieser Völker eine so eigeulhümliche, so scharf und
bestimmt ausgeprü«]:tc und begrenzte, dafs sie eine >\irklichc Stufe
der Cultur ausmacht, deshalb aber in der Geschichte, die nichts ein-
mal dagewesenes iü:norieren durf, auch eine scharfe und klare, we-
nigstens alle lluuptzüge wiedergebende Darstellung finden mufs. So-
dann darf gerade eine vom christlichen Standpunkte aus geschriebene
(icschichto am wenigsten untcrlafsen, einerseits nachzuweisen, in
welche Irlhümer der der göttlichen Wahrheit entfremdete Geist
sich verirrt, um die Vergeblichkeil des Bingens auf allen selbst er-
E. fiyth: Ueberblick der Weltgeschichte. 105
wählten Wogen Eur Anschauung zu bringfen, andererseits zu zeigen,
wie die Völker, denen die Leuchte des Evangeliums aufzurichten jetzt
die göttliche Gnade sich anschickt, durch die lange Zeit hindurch
geführt wurden, und so begreiflich zu machen, auf welche IJindcrnisse
das Christenlhum bei ihnen stufst. Wir wollen hier nicht dem Hrn.
Vf. Vorwürfe machen, aber wir sind der Meinung, dafs eine Religion,
wie der Buddhismus, der noch jetzt mindestens ebenso viele Bcken-
ner zählt als das Christenlhum, wenigstens Erwähnung finden müfsc
in einer Geschichlsdarstellung, die das religiöse Moment als das
oberste Princip sich gestellt hat. Auch entstehen ja durch das Schwei-
gen leicht irrige Vorstellungen. Mufs man denn nicht glauben, ganz
llinterasien sei Jahrtausende hindurch lodt gewesen, nur von mecha-
nisch sich bewegenden Völkern bewohnt worden, wenn man nichts
von ihnen in der Geschichte findet? Aber die Entstehung und Aus-
bildung des Buddhismus, die Kämpfe für sein Bestehen, die Arbeiten
für seine Ausbreitung bilden in der That fast ein Jahrtausend lang eine
geschichtliche Bewegung, wie sie in gleicher Art das abendlündischo
Alterthum nicht aufzuweisen hat. Mufs man nicht entweder die gei-
stige Ueberlegenheit der indischen Priester oder den Stumpfsinn der
andern Classen zu hoch anschlagen, wenn man denkt, dafs ohne alles
Widerstreben der Kastenzwang hingenommen und ertrugen worden
sei? Aber wie ganz anders stellt sich das Urtheil, wenn mun in dem
Buddhismus gerade das, was im Bramanismus mit Füfsen getreten ist,
an die Spitze gestellt sieht, die Gleichheit der Menschen und das Ge-
setz einer allgemeinen Menschenliebe? Wir sollten meinen, die christ-
liche Auffafsnng der Geschichte könne nur gewinnen, wenn sie die
Besultate, welche die wifsenschaflliche Forschung auf diesem Gebiete
jetzt an den Tag gefördert hat, in sich aufnimmt. Dafs der Hr. Vf.
auf diesem nicht genug bewandert ist, zeigen Sätze wie folgende
(S. 22): *aus dem Anblick der brennenden Naphlhaquellen am caspi-
schen 3Ieere bildete sich für das Zendvolk (wenn es ein solches gab)
jene Religion Heoms und Dschenischids , welche späterhin auf Meder
und Perser übergieng', und *gern entschuldigen wir den Aegypler,
wenn er seinen befruchtenden Strom und sein väterliches Land als
üsiris und Isis anbetete', welche vor der Wifsenschafl nicht bestehn
können. Wenn wir S. 40 lesen, dafs zu Hirams Zeit Phoenikcr um
Afrika herumgefahren seien, mit Anführung der Stelle Hcrod. IV, 42,
so sind wir geneigt einen Schreibfehler anzunehmen, aber unange-
nehmer noch hat es uns berührt, als wir S. 35 vom babylonischen und
assyrischen Weltreich lasen: ^Unförmlichkeit und Rohheit herschl in
allen Erzeugnissen der schalfcnden Menschenhand für den kleinem
wie für den gröfsern Mafsstab* und dünn die Anmerkung dazu fanden:
'doch mufs man gestehn, dafs die neuern Ausgrahungen Botlas und
anderer das Urlheil ungleich günstiger stellen als früher.' We^iu man
weifs, dafs das Urtheil jetzt günstiger lauten mufs, sollte du es nicht
auch im Texte günstiger stchn? Uubcrhaupt sehen wir den Orient
von Hrn. E. nicht gebührend gewürdigt. Es ist von der Wifsenschafl
196 E. Eyth: Ueberblick der Wellgeschichte.
geboten, die Charakterrichtung ganzer Zeitaller auf eine Spitze lu-
rUclizurühren , aber wenn man dem Laien gegenüber sich begnügt, das
wirscnschaftUche Resultat zu nennen, ohne seine volle Bedeutung dar-
zulegen, scheint man uns doch nicht ganz recht zu handeln. So neh*
men wir denn Anstofs, wenn wir als den Grundcharakler des Orients
die Richtung auf das physische bezeichnet finden, nicht als wenn wir
das richtige darin nicht anerkennten, sondern weil es uns nothwendig
scheint, dafs der BegrifT ^das physische' eine scharfe und klare Be-
stimmung erhalte. Man kann nicht mit Recht sagen, dafs der Orient
materielles Wohlsein als die einzige Quelle der Befriedigung ange-
sehen. Die tiefsinnige Speculation der Inder, die Poesie derselben,
die Büfsungen und Reinigungen, das aegyptische Todtengericht, das
doch moralische Forderungen stellte , sprechen dagegen und aas dem
Zustande der Verderbnis allein darf man doch nicht auf das ursprüng-
liche zurückschlicfsen. Das physische ist die sichtbare Natur. Das
Geschöpf wird an die Stelle des Schöpfers gesetzt; die Unwandelbar-
kcit der grofsen Naturerscheinungen prägt sich in der Auffafsung der
Götter ab , während die ursprüngliche geistigere Vorstellung in der
Symbolik sich kund gibt. Aber die gleichbleibende Gesetzmufsigkeit
der Natur wird auch auf das Leben übertragen. Wie dort alles seine
begrenzte Bestimmung hat, so wird jedem im Leben eine solche an-
gewiesen. Wie in der Natur ein Gesetz alles beherscht, so mufsauch
die Menschheit sich einem solchen unterwerfen. Es ist nicht Stumpf-
sinn allein , wenn die Völker sich in die starren Fefseln des Kaslen-
tiiums fügen, es liegt dem auch ein Gefangengeben der eignen Per-
sönlichkeit, eine Züchtigung des Eigenwillens zu Grunde. Die des-
potische Monarchie beruht auf demselben Princip der Einheitlichkeit
und unterscheidet sich von der frühern Priesterherschaft nur durch die
Einheit und den Beruf der herschenden Person; sie ist aber wie selbst
schon eine Depravation, so der Verderbnis mehr ausgesetzt, da der
einzelne Mensch nur zu leicht über das göttliche Recht (das zu ver-
treten in der persischen Monarchie die königlichen Richter berufen
waren) den eignen Willen zu setzen versucht wird. W^enn der Orient,
wie llerodot sagt, to nokXov yyiatai taxvQOv elvat, so ist dies nicht
ein blofses Vertrauen auf das Fleisch , sondern es liegt auch die An-
sicht zu Grunde, dufs, wenn der König selbst ins Feld ziehe, alle ihn
begleiten müfsen (llerod. VIl, 59). Was Xerxes bei llerodot (VII,
103) zu Demaralos spricht, ist freilich schon die Sprache, die der
stolze Despot gegen die verachteten Sklaven führt, aber es spricht
sich doch nuch dort die ursprüngliche Idee aus, dafs der Mensch, wenn
er sich einem höhern einheitlichen Willen unterwirft, mehr leistet,
als wenn er in absoluter Freiheit sich bewegt. Doch Mir müfsen
fürchten, dasselbe zu begehen, was wir rügten, da wir ja nur An>
deulungen zu geben im Stande sind. Man wird uns einhalten, dafs in
einem Ueberblicke Kürze die erste Pflicht sei, wir meinen aber, dafs
eine schärfere Fafsung und eine tiefere Ansicht ohne bedeutende Aus-
dehnung der Masse hätte gegeben werden könoeo. Die Tiefe aber ist
E. Eyth: Ueberblick der Wellgoschichlo. 197
unbedingt nothwendig, wenn die wahre christliche AiifTiirsang der 6e<
schichte Platz greifen soll , weil jo genauer wir die vielen Wege,
welche die von Gott losgerifsene Menschheit gegangen , kennen Icr-
iien, um so klarer die Unmöglichkeit, dnrch etwas anderes, als durch
die göttliche Gnade das Heil zu finden , zum Bewustsein tritt.
Wir können dieses Gebiet nicht verlafsen, ohne noch auf einen
Pnnkt aufmerksam gemacht zu haben, der uns sehr wichtig scheint.
Wenn wir wifsen, dafs nach der Sündflut die Menschen die Kenntnis
des wahren Gottes hatten, so mnfs als eine wichtige Aufgabe die Er-
forschung erscheinen, wie viele und welche Reste von dieser ursprüng-
lichen reinem Gotteserkenntnis geblieben sind. Liefert die verglei-
chende Sprachforschung die Resultate, welche Schleicher in der Allg.
Monatsschrift 1853 S. 786 kurz zusammengestellt hat, so mufs wohl
die Frage entstehen , ob nicht die würdigere Ansicht von dem Wesen
der Gottheit bei den Griechen und bei den Germanen eine Folge der
frühem Losreifsung von dem indogermanischen Urvolke sei, ein Schatz,
den sie sich von der mitgebrachten UrÜberlieferung gewahrt. Es
müste für die rechte Auffafsung der griechischen Mythologie höchst
bedeutsam werden, wenn die Frage, ob was die Griechen aus dem
Orient empfangen, nicht vielmehr eine Trübung des rcinern und wah-
rern , als eine Mittheilung höherer Cultur gewesen sei , eine genügende
Beantwortung fände. Wir wurden hierauf geführt durch das, wos
der Hr. Vf. S. 37 f. über die Wanderung der Cultur sagt.
Wird es uns vergönnt Hrn. E. noch weiter zu folgen, so finden
wir zuerst S. 38 f. von den Acgyptern gesagt: * sobald aber Frucht
und Eigenthum gewonnen wurde, musten auch Anstalten entstehen
zur Sicherheit, Gerechtigkeit und Ordnung' und in einer Anmerkung:
*die Ordnung gieng so weit, dafs selbst die Diebe eine Art Zunft bil-
deten, bei deren Hauptmann der Entwender nnd der Bestohiene sich
meldeten , worauf der letztere den Gegenstand zurückerhielt , der er-
»tere den vierten Theil des Werlhes empfieng. Dies lehrte Vorsicht.'
Es ist die Notiz aus Diodor I, 80, sie erscheint hier aber fast ebenso
gefafst, wie bei Gellius N. A. XI c. 18. Was an der Sache wahres
gewesen, darauf hat schon Wesseling in seinem Commentar zu Dio-
dor aufmerksam gemacht. Wir nehmen hier eine Manier wahr, vor
der wir Ilrn. E. warnen zu müfson glauben. Kann man bei jener Zu-
sammenstellung anders denken, als der Diebstahl sei bei den Ac-
gyptern geradezu erlaubt gewesen, sie hätten bei ihrer staatlichen
Ordnung das Mein und Dein nicht geachtet? Wäre jene Notiz benutzt
worden um das zu zeigen, wor^if Diodor selbst uns führt, dafs man
die Unmöglichkeit erkannt, durch Strafgesetze die Menschen von Ver-
brechen abzuhalten, und deshalb auf einen solchen Ausweg verfallen
Bei, so würde sie zum Beweise gedient haben, wie ohne Erkenntnis
des göttlichen Gesetzes eine befriedigende politische Ordnung unmög-
lich sei, so aber dient sie ungerechterweise das Bild der Aegyptcr zu
trüben. Man verfällt leicht in solche Fehler, wenn man statt. ruhig
das Bild des ganzen zu prüfen, bei vereinzelten Partien verweilt.
196 E. Eyth : Ueberblick der Weltgeschichte.
— Etwas ähnliches ist, wenn wir S. 43 lesen: Mn der That: — konnte
es ein günsd^eres Klima, einen bcfsern Boden für den Ackerbau ge-
ben, als den griechischen?' Wenn wir von Güte des Bodens für den
Ackerbau reden, so meinen wir doch gewis nicht einen Boden, der
fortwährend anstrengender Bearbeitung bedarf, um die Nahrung den
Menschen zu spenden , gewis nur einen üppig fruchtbaren Boden. Der
griechische Boden ist über gerade ein solcher, dafs ihm das, wessen
der Mensch bedarf, durch Arbeit abgerungen werden mufs, wenn er
auch die Arbeit nicht unbelohnt lüfst. Das haben schon die Alten ge-
sehen (llerod. VII, 102. Vgl. Wachsmuth Hell. Allerthumsk. I 8.46).
Meinte vielleicht llr. E., dafs der Boden Griechenlands eben geeignet
gewesen sei , seine Bewohner in fortwährender Thatigkeit zu erhalten,
so wird man wenigstens sagen müfscu, dafs er sich sehr unbestimmt
ausgedrückt. Beilüulig sei bemerkt, dafs wir, wenn die Küste des
hellenischen Festlandes richtig zu 330 geogr. Meilen geschätzt wer-
den kann (Wachsmuth a. a. 0. S. 37), der Flächeninhalt aber zu IGöO,
wir ein noch günsligeres Küstenverhültnis finden, als das von dem
Hrn. Vf. S. 43 angegebene 1 : 3*4- — Wenn wir 8. 44 den Satz lesen:
^und vielleicht wäre Griechenland gröfser und glücklichei* geworden,
hätte es unter Ausbildung freier und würdiger Institutionen bei diesem
errungenen Ziele [der angeblich im trojanischen Kriege sich zeigen-
den, völligen aber noch unfesten Vereinigung sümmtlicher Theile der
Nation unter einem einzigen Oberhaiiple] verharrt — einem Ziele, das
ihm mit der Einheit seine Kraft und eben damit seine Zukunft zu ver-
bürgen schien. Das Schicksal wollte es anders', so wollen wir an
dem Ausdrucke ^ das Schicksal' nicht mäkeln, in der Ueberzeugung,
dafs der Hr. Vf. den mit dem Christenthum vereinbaren BegrilT fest-
gehalten habe , aber wir finden hier eine Art die Geschichte zu be-
trachten , die uns zum mindesten unfruchtbar erscheint. Was meint
denn der Hr. Vf. mit der verbürgten Kraft und Zukunft? Wir sind
vielmehr der Ueberzeugung, dafs des Griechenvolks Kraft ohne die
Zertheilung in viele Staaten nicht so ausgebildet worden wäre, dafs
es ohne jene nicht die Stellung in der Geschichte der Menschheit ein-
nehmen würde, dafs also, eben damit es ^eine Zukunft erfülle, die
Vorsehung den eingeschlagenen Pfad zu nationaler Einheit abgeschnit-
ten habe.
Wir wenden uns zu der Behandlung ^der Götter Griechenlands'
(S. 47 — 63). Sie gründet sich vorzugsweise auf Nägelsbachs IrelT-
liches Werk, enthält indes mancherlei, womit wir nicht einverstan-
den sein können. Wir wollen nicht (\^rüber einen Streit erheben, in-
wiefern Homer den Griechen ihre Götter gegeben, aber wir müfsen
namentlich das hervorheben, worin uns eine zu grofso Herabsetzung
der (griechischen Heligion enthalten zu sein scheint. S. 50: ^ nach ihrem
geistigen Wesen werden die Götter als allwifsend gerühmt, aber neben
der Allwifsenheit sehen wir Einfalt und Ignoranz. Ulysses [bei Ho-
mer wird unsers Wifsens nur Menelaos mit Proteus zusammenircbracht
Od. IV, 349 — 370] versteckt sich anter Seehandsfellen und kann den
E. Eyth: Ueberbliok der Weltgeschichte. 199
allwifsenden Proteus überrumpeln. Sie besinnen sich, worden beihört
und schelten sich selbst wegen ihrer Unwirscnheit.' Es ist hier ein
Widerspruch nachgewiesen, auf den schon Nugclsbach aufmerksam ge<
macht. Die Gottheit (so mufs es heifsen) wird als allwifsend gedacht,
aber nicht die einzelnen Götter. Muste denn nun aber gerade die
gröbste Geschichte von einem Wesen angeführt werden, von dem es
zweifelhaft ist, ob es je in Griechenland göttliche Verehrung genofsen?
Solche >\'idersprüche, wie auch der in BetrelT der Moi^a (aufweiche
wir nicht eingchcu wollen), führen uolhwendig dazu, eine reinere ur-
sprüngliche Auffufsung als fortwirkend anzusehn, Irolzdem dafs sie
sich mit dem Polytheismus niciit mehr voreinigen liefs. S. 51:^ die
überirdische Majestät ruht auf dum Magen, und ein Ulysses weist sie
zurück, um sein einfaches menschliches Glück wieder zu erlangen.'
Berechtigt wirklich die Vorstellung, welche die Griechen von den
Göttern halten, dazu, sie mit einem solchen Ausdrucke zu bezeichnen?
Muste, wenn mau daraufhinwies, dafs sie die Göller sich nicht ohne
Nahrung gedacht, nicht auch gesagt werden, dafs sie diese Nahrung als
etwas ätherisches über alle irdische Speise erhabenes betrachtet? Und
wie ist ein tiefer und herlicher Zug benutzt, um anzudeuten, als
hätten die Griechen sich ihrer Götter Leben als lief unter dem mensch-
lichen stehend gedacht? Dafs Odysseus die ihm von Kalypso gebotene
Unsterblichkeit verschmäht, weil er sie mit Aufgabe der Pflicht ge-
gen die, welche die Seinen sind, mit eigenwilliger Zerreifsung der
natürlichen Bande erkaufen müste, dafs er verständig genug ist, um
einzusühn, dafs ihm die Unsterblichkeit ohne Befriedung des Her-
zens nur zum Leiden werden mufs, daran ist gar nicht gedacht wor-
den. S. 54: ^Zeus, Apollo und Athene sind Gott der Vater, der Sohn
und der Geist als Person ; die beiden letztern gehen von dem erslcrn
aus und fliefsen zugleich immer in ihn zurück.' Wir müfsen hier im
geraden Gegensatz gegen das, was wir vorher erinnert, aussprechen:
die christliche Dreieinigkeitslehre steht uns so hoch, dafs wir nicht
wagen würden, sie nur mit der griechischen Gölterlehre zusammen-
zustellen. Von ihr aber Qnden sich selbst im alten Testament keine
Spnren, so dafs wir sie nicht als aus alter Ueberlieferung nachtönend
ansehn dürfen und dafs die Griechen selbst auch nur eine Ahnung
davon aus sich gefunden, wer will das behaupten? S. 67: ^man sieht,
wie nöthig ein Kalchas war, um die Zeichen zu deuten, und w ie leicht es
ihm werden mochte, die hohe Stellung eines antiken Pabstes zu er-
ringen; aber man sieht auch, wie selbst ein llektor, dieser edelste
Charakter, zum entschiedenen Unglauben gelangen kann' sieht recht
geistreich aus , ist aber grundfalsch, weil dem Kalchas die wesent-
lichen Praedicate des Pabstthums gänzlich abgehn, gerade so falsch,
wie wenn jemand von einer antiken Kirche reden wollte. Wer aber
die Stelle Ilom. II. XU, 231 — 250 genau ansieht, der w ird etwas ganz
anderes daraus gewinnen als der Ilr. Vf., der wird das vorausgegangene :
og itrikBui Zt^vog (liv iQiyöovnoio Xad^iad-ai
ßovXicov^ aax€ fAOi avxog VTtiapxo xai xarcwvcrev
200 E. Eyth: Uebcrblick der Weltgeschichte.
und das unmittelbar nachfolgende
iiastg df ^EyaXoio Jiog TtEt^ciiis&a ßovXij^
og nadi ^vtfcoiai Kai a^avaroiOiv ävaadn
nicht übersehen und also Tindcn, dafs Hektor nicht überhaupt an der
Geltung der Zeichen, als von Göttern gesandt, zweifelt, sondern nur
dann sie nicht achtot, wenn er ein ausdrückliches Geheifs des ober-
sten Gottes hat. Mögen dann glückliche oder unglückliche Anzeicben
eintreten, er darf sich nicht um sie kümmern und auf sie achten, mag
er zu Grunde gehen oder nicht, unter allen Umstünden mufs er dem
Zeus gehorchen. Wenn S. 60 *die Farce' und 8. 64 die Steigerang
^der räthsclhaften Geister zu einer gewifsen Göttlichkeit der divi
Man es hinauf erwähnt wird, so erscheint uns wenigstens römisches
mit griechischem ungebührlich vermischt. Diese Beispiele werden hin-
reichen , um das Verfahren des Hrn. Vf. klar zu machen. Ohne dafs
man dem Christenthum etwas vergibt, ohne dafs mau die Falschheit
und Verkehrtheit der gcsammten griechischen Religion und die Trost-
losigkeit für das menschliche Herz im geringsten in Abrede stellt and
aus den Augen verliert, kann man die tiefern nnd reinem Anschauun-
gen aus der Hülle zu Tage stellen. Man mufs es , wenn man gerecht
sein will, man mufs es, wenn auch das Hcidenthum nicht als ganz
vcrsSumt erscheinen soll, man mufs es, weil die Ehrfurcht nnd der
Gehorsam gegen die falschen Gölter den Namenchristen zur Beschä-
mung dienen soll. Davon, dafs es nach Homer eine Zeit gibt, reprae-
sentiert vorzüglich durch Aescliylos und Sophokles, in der eine von
der homerischen nicht unwesentlich verschiedene religiöse Anschau-
ung Platz ergrilTcn , wollen wir nichts sagen.
Haben wir schon hier gesehen, dafs der Hr. Vf. durch falsche
Anwendung moderner Begriffe Unklarheit in dos Alterthum bringt, so
begegnen wir demselben Fehler auch bei der Darstellung der antiken
Verfafsungen. Man höre folgendes von den Königen Spartas (S. 73):
^als Ohurpricstcr des Staats und antike ^^Londesbischöfe" sollten
sie wohl auch merken, dufs ihr Heich eigentlich nicht von dieser Welt
ist. In dem Hathe der Alten waren sie Mitglieder, ja ihrem Stande
gemafs, sogar die ^ Praesidenten ', aber gerade als solchen fehlte ihnen
das Recht der Abstimmung. [Dies ist uns ganz neu; bisher haben wir
mit Tittmann gr. Slaatsverf. 117, J2l. Müller Dorier II, 102. Waclis-
muth Hell. Alferlh. I, 463. Herniunn gr. Staalsallerth. §. "24 geglaubt,
dafs die Könige wie jeder andere Geront gestimmt, und die Ansicht
im Alterthum, dafs sie sogar zwei Stimmen gehabt, welche Thuc. 1,20
bekämpft, und die Nachricht, dafs sogar wenn sie abwesend warco,
ihre Stimmen vortreten sein ninslen, bei Her. VI, 57 a. E. hat uns
darüber gar keinen Zweifel gelafsen]. Nur als oberste ^Kriegsherrn'
[welchen BegrifT verbindet das moderne Staatsrecht mit diesen Worteoj
besafsen sie, wenigstens anfänglich, eine unbeschränkte Gewalt, die
jedoch durch spätere Erfahrungen von der militärischen Unfähigkeit
oder sonstigen verkehrten Handlungsweise einzelner Könige im Felde
vermindert, wo nicht aufgehoben wurde. Man setzte ihnen nenilich
E. Eyth: Ueberbliok der Weltgeschichte. 201
darcb 10 Cvfißavlot einen obersten ^Kriegsrath' an die Seite,
ohne dessen Einwilligung nichts geschehen durfte fnemlich erst 418
V. Chr. und es war auch dies ein Uebergriff der Ephoren. Kann man
ein deutliches Bild von Lykurgs Verfarsnng gewinnen, wenn man die
aie nmstofsenden Aenderungen so ohne weiteres in ihre Darstellung
aufnimmt? Wie ganz anders verfahrt doch K. Fr. Hermann, vgl. des-
sen Staatsalterth. $. 24 mit §. 45]. Endlich standen ihnen für alle
veitern Regierungsmafsregeln schon früh die 5 Ephoren als gesetz-
liche Controle so nahe, dafs man sie gar wohl mit ^verantwort-
lichen Ministem^ eines modernen Staats vergleichen könnte, ohne
deren Gegenzeichnung kein Befehl eine Giltigkeit erhält [man kann
dies nicht unbedingt verwerfen, und schon Johannes von Haller sagt
AUg. Gesch. I S. 41 f.: * hinwiederum war auch ihnen das Ansehn der
Ephoren vortheilhafl (welche König Theopompus vielleicht eben des-
wegen eingeführt hatte), weil diese verehrte Würde ein Theil der
Verantwortlichkeit bei schlimmer Wendung der Geschäfte fiber-
nahm.' Aber wohl aufgeschaut! Es fehlt die Gleichheit, weil die
Ephoren nicht von den Königen gewählt wurden und nicht alle, son-
dern nur einen Theil der Verantwortlichkeit übernahmen]. Spater
wurden diese Ephoren die Könige der Könige.' Wir denken, diese
Probe wird genügen.
Doch wir wollen nun auch sehen, wie der Hr. Vf. Begebenheiten
darstellt, und wählen dazu ans der römischen Geschichte S. 104: ^Die
Reihe der sich drängenden Eroberungen können und dürfen wir blofs
andeuten. Drei Samnitenkriege mit drei, freilich sehr ungleichen,
Kriegsereignissen (am Vesuv, in den caudinischcn Pässen und bei Sen-
iinum) verschalften Rom den Besitz von Mittclitalien [die Schlacht
am Vesuv ward gar nicht gegen die Samniteu geliefert, sondern ad-
iunclo Samnitium exercitUy, Liv. VIII, 6, gegen die Latiner; doch
wollen wir dies nicht rügen und den Latinerkrieg als eine Fort-
setzung des ersten Samnitenkriegs gelten lafsen]. Drei Feldzüge ge-
gen Tarent und dessen Söldling, Pyrrhus, fügten durch drei Schlach-
ten, bei Heraclea, Asculum und Benevent [der Hr. Vf. hat wahr-
scheinlich diese drei Kriegsereignisse nicht als ungleich bezeichnet,
weil Pyrrhus nach der Schlacht bei Asculum ausrief: av ht (ilav
[uixriv 'Poüfialovg vtxi)<Tß)fi£ v , a7tolov(ie^a TCavrakmg]^ die Hersc'iaft
aber Unteritalien hinzu. Die Legionen standen jetzt am Meere nnd
blickten nach Sicilien hinüber, wo die Karthager die Oberhand halten,
selbst auch bemüht, sich wo möglich die Welt zu unterwerfen. Der
Zasammenstofs konnte also nicht ausbleiben und geschah in drei pn-
niachen Kriegen. Indem ersten glänzen drei Namen: Duillius, der
energische Begründer einer römischen Seemacht, Regulus, der Mär-
tyrer seines Pflichtgefühls in Africa [wir lafsen den Ausdruck gelten ;
denn 'wenn wir auch wegen Polybius^ Schweigen und Diodor Exe.
XXIV an der grausamen Hinrichtung zweifeln, immer opferte Regulus
seine Freiheit] , Luctatius Catulus , der Sieger von den Aegaten. Durch
diese Erfolge wurden zunächst — unmittelbar und mittelbar — die
iV. Jakrh, f. Pkit. «. Ptud. B4. LXX. Hfl. 2. 14
202 E- Eyth '• Ucberblick der WcUgcsclncli(o.
drei Hauptinscin, Sicilien, Sardinien und Corsicn, für Born g^wonnerr.
In der Zwischenzeit war auch Oberilalicn durch Besieg^ung der drei
Slamme (der Gacsatcn, Bojer und Insubrer) römisch geworden [die
Gaesaten waren freilich nur als Soldner aus dem jenseiligen Gallien
herbeigeruren (Pulyb. II, 2*2) und hüllen mindestens nicht zuerst ge-
nannt werden dürfen]. Mit dem nächsten puiiischen Kriege stehen so-
dann von panischer Seile drei grofse Feldherrn in 'näherer oder fer-
nerer Beziehung: llamilcar, Ilannibal und llasdrubal ; auf römischer
Seite stehen die drei Helden: der Zauderer Fabius, Marcellus and
der jüngere [sie! natürlich im Gegensatz gegen seinen Vater, den
Cos. 218; die Geschichte nennt ihn den altern wegen des spätem Zer-
störers von Karthago] Scipio. Drei Schlachten brachten Rom dem Ver-
derben nahe, Trebia, Trasimenus und Cannae; aber dieses Rom wir
immer nur um so gröfser im Unglück und fand den Lohn seiner
Beharrlichkeit und seines Mnthes in den drei siegreichen und ent-
scheidenden Kämpfen bei Nola, Sena und Zama [die Schlacht bei Noia
wird zu den siegreichen und entscheidenden gezählt, wahrscheinlich
weil Livius sagt VIII, J6 exir. : noti rinci enim ah Ilannihafe tinctn-
tihus difpcilius fuii , quam posiea riticcre; sie bezeichnet allerdings
den Wendepunkt des Krieges in Italien). Ilieniit hicngen drei Sei-
tenkriege zusammen, wovon der erste sicilianische — trotz der Kün-
ste eines Archiuicdes — mit der Zerstörung von Syracus geendigt
hatte, der zweite macedonische nach einiger Zeit mit der Einverlei-
bung [wovon?] abschlofs [wir haben bisher mehrere macedonische
Kriege gezählt], der dritte syrische gegen Antiochus den Grofsen bei
Magnesia den Untergang auch dieses Reichs vorbereitete [der syrische
Krieg war eine Folge des zweiten punisehen; mit welchem Rechte er
ein Seitenkrieg desselben, dem er erst nach neun Jahren nachfolgte,
genannt werden könne, gestehen wir nicht einzuselin]. Der letzte pa-
nische Krieg endigte nach drei Jahren mit der Zerstörung von Kar-
thago; in dasselbe Jahr fällt die Zerstörung von Korinth, welches den
schwachen Rest des achaeischen Bundes und Griechnnlands gebildet
hatte [sieht dies nicht gerade so aus, als wäre Korinth von den Staa-
ten des achaeischen Bundes noch übrig gewesen?], und warum sollten
wir nicht die Zahl der drei Städte völlig machen durch den Namen
von Numanlia? Denn mit Numantia, dem Gegenbild von SagnnI,
schlofs erst der Riesenkampf völlig ab , der also in Spanien sein Ende
nahm, wie er dort seinen Anfang gefunden hatte' [der Kampf zwi-
schen Rom nnd Karthago hatte in Sicilien begonnen und war dann
auf ein neues Feld, nach Spanien hiuübergespiell worden; dort begann
nur der zweite punische Krieg. Weist dies nicht auf die Nothwen-
digkeit einer andern Darstellung hin?]. Wir wollen dem Hrn. Vf. die
Freude überall die Zahl drei herauszufinden, nicht verkümmern, un-
sere Leser werden über die Manier desselben hieraus genug ersehen.
Wir müfsen aber auch ans andern Partien der Geschichte wenig-
stens einige Proben anfuhren, damit wir nicht über einen Tlieil des
Buchs einseitig zu urlhoilen scheinen. Der Hr. Vf. spricht von der
E. Eyth: Ueberblick der Weltgeschichte. 203
Eotwicklang romanischer Nationali tateD als einem Hindernis des Fort-
beslehens von Karls des Grorsen Monarchie. S. 172: ^ Somit hatte das
Kaiserthum nicht nur auf dem geistlichen, sondern auch auf dem rein
politischen Gebiet ein feindseliges Element schon in seinem eignen
Wesen eingeschlofscn [wir halten einen Unterschied zwischen Franken-
reich und Kaiserthum fest, und dafs auch das Mittelalter diesen aner-
kannte, wird aufs deutlichste durch*die Uebertragung auf Otto den Gr.
bewiesen]. Vielleicht führte das Gefühl hiervon selbst die klügsten
Kaiser, wie einen Karl den Grofsen , auf den unglückseligen Gedanken
von Theilungen , wie sie bald nach ihm zu Verdun vollzogen wurden,
lim die Reichseinheit für immer zu schwächen, ja aufzuheben [nie bat
die Idee von der Möglichkeit einer Theilung des Kaiserthuma bestanden,
kein Kaiser hat je einen Mitkaiser geduldet, und als Ludwig der Baier
sich mit Friedrich dem Schönen einigte, ward das als eine unzuläfsige
Abnormilüt betrachtet. In dem Vertrage zu Verdun ward die Kaiser-
krone nur ^inem zu Theil, aber die Lande wurden getheilt. So weit
entfernt aber waren die theilenden von einer Anerkennung der Na-
tionalitat, dafs die Theilung eben dadurch unhaltbar wardj. Wenn die
apanische Mark ohnehin nicht zu behaupten war, so gieng durch die
genannte Theilung zunächst auch Frankreich nach der Hauptmasse
seines Gebiets geradezu verloren [wem? war Deutschland das
Hauptland Karls des Grofsen? war das römische Kaiserthum an die
rein germanischen Stämme geknüpft?]; den Rest, wie etwa (?) Bur-
gund, Lothringen, Elsafs [nach dem dreifsigjährigen Kriege?], holten
spätere Jahrhunderte nach. Nur Italien wurde nicht so rasch preis-
gegeben [von den deutschen Kaisern früher als das Elsafs]. Aber hier
eben sträubte sich das romanische Blut selbst am hartnäckigsten ge-
gen das Deutschthum [haben nicht die deutschen Kaiser Italien stets
als nicht in Deutschland incorporiert betrachtet? Welche Versuche
haben sie gemacht, die italienische Nationalität durch die deutsche
zu verdrängen?]. Man erinnere sich an den Widerstand der lombar-
dischen Städte und ihren zügellosen Freiheitstrieb gegenüber von
Kaiser und Reich. Mochte man auf den roncalischen Feldern immerhin
das römische Imperalorenrecht laut ausrufen: Mailand und seine Ver-
bündeten wollten sich nicht davon überzeugen. Sie liefsen ihre Städte
in einen Trümmerhaufen verwandeln, den man mit Salz bestreute,
snm Zeichen, dafs hier ein Sodom und Gomorrha zu ewigem Unter-
gange darniederliege [man vergleiche die kritischen Bemerkungen
aber Mailands Zerstörung bei Raumer: Hohenstaufen II S. 144 f. Und
welche Städte erfuhren sonst das gleiche Schicksal?], aber sie gaben
dennoch nicht nach. Und hat denn bis auf den heutigen Tag dieser
trotzige Hafs sein Ende gefunden?'
Wir müfsen noch einmal anerkennen , dafs das Bach auch seine
gaten Seiten hat, dafs wir manchem geistreich gedachten und scharf
bezeichneten begegnen. Je inniger wir mit Hrn. Eyth in der Grond-
anschauung einverstanden sind, je mehr wir das christliehe Princip
als das einzige wahre erkennen und zur Geltung gebracht zu sehen
14*
204 E. Eyth: Ueberblick der Wellgescliidite.
wünschen, nm so rücksichtsloser mnsten viir uns über die Art und
Weise, wie der Hr. Vf. seine Aufgebe gelöst hat, aussprechen. Ist
für uns keine wahre Wifsenschaft ohne Chrislenihum denkbar, so
gibt es auch keine christliche Wifsenschaft, wenn sie die Erforder-
nisse, welche an den Namen Wifsenschaft sich knüpfen, unerfüllt
lafst. Das Chrislcnthuin mufs den Teig durchsäuern, aber den Teig
selbst bereitet es nicht, dics'übcrlüfst es der Wifsenschaft; je voll-
kommener sie ihre Aufgabe löst, um so befser wird die geistige
Nahrung, aber den nicht recht durchgearbeiteten Teig kann auch das
Christenthum nicht durchdringen. Das Feld der Geschichte ist ein so
ungeheuer umfafsendes , dafs es dem einzelnen schwer wird es zu be-
wältigen. Wir verlangen von niemandem, dafs er alles selbst durch-
forscht habe, nnd sind gewis gegen Irthümer nachsichtig; aber wir
müfsen die Forderung festhalten, dafs wer eine bestimmte Auffafsung
der Geschichte durchführen will, mit den Resultaten der bedeutend-
sten Forschungen bekannt sei. Hr. Eyth erscheint uns dazu nicht ge-
nug gerüstet und eine gewisse Manier, durch den Schein des geist-
reichen blendende Ideen auch sofort für wahr zu halten, verhindert
das Gelingen seiner Bestrebungen. Von je redlicherem Eifer wir ihn
beseelt halten, je mehr wir ihn um dieses Eifers willen lieben, um so
nothwendiger erschien es uns ihn auf seine Schwächen aufmerksam
zu machen, um so mehr als dadurch denen, welche noch immer glau-
ben, christlicher Glaube sei mit wahrer Wifsenschaftlichkeit unver-
einbar, WalTen in die Hände gegeben werden.
Grimma. R. Dietsch.
Kürzere Aiizeiije.
smamt.
Vulersuchungen über das Nfbelungenlied von Dr. yidolf üoltzn^u^^
Hofrath und Professor. Stuttgart, Verlag von Ad. Krabbe. VUI
u. 215 S. 4.
Seit einer reihe von Jahren haben die Untersuchungen über das
Nibelungenlied gerastet, die kritische hersteliung des texte» nament-
lich war seit dem erscheinen der Lachniannschen ausgäbe für abge-
schlofsen geachtet. Wenn gleich Lachmann nirgends eine ausführliche
darlegung seines kritischen Verfahrens gpge!)en, 80 waren seine grund-
Sätze und deren reanitate doch als allgemein giltig angenommen und
80 in alle lehrbücher der litteratur bis auf die jüngste ausgäbe von
Gervinus übergegangen. Bald nach Lachmanna tode ward indes durch
J. Grimm bei gelegonheit des Hahiischen abdrucks der '20 lieder' das
sonderbare Zahlenverhältnis der lieder, und somit ein zweifei an dem
kritischen verfahren überhaupt rege gemacht. Nicht in den unglück-
lichen versuchen des I>r. Förster, die aufserdem durch persönliche
angrüTe entstellt waren , stuidern durch das gegenwärtige werk ist dem
zweifei ein grofser theil seiner losung geworden.
A. HoIlzmaDn : Untersachungen aber das Nibelungenlied. 205
Der vf. hat es nnternommen, and man mnrs gesteben, mit Scharf-
sinn durchgeführt y die bisher gang und gäbe gewesene ansieht über
die Nibelungen zu widerlegen. Er beginnt damit die Lachmannsche
krltik in ihren grundvesten anzugreifen, indem er Lachmanns ansieht
fiber das Verhältnis der handschril'ten als irrig nachweist, die von ihm
beigebrachten beispiele sind schlagend genug um zu zeigen wie die bis-
her als die jüngste betrachtete bearbeitung des gedichtes die älteste
ist, und somit die ganze Lachmannsche recension über den häufen ge-
worfen; seine ausgäbe wird daher (s. 69) für ^unbrauchbar' erklärt.
Nach diesem wesentlich negierenden abschnitte, worin jedoch auch
eine ruhige, von leldenschaft und persönlichkeit freie spräche herscht
(und dafs diese allein die wifsenschaft fordern kann, wird jeder ein-
sehen), geht der vf. auf den haupttheil seines werkes: die entstehuiig
des gedichtes, was zeit und verfafser betrifft, über, hier ist es wo er
zu zwar nicht immer gleich sicheren, doch überraschenden resultaten
gelangt. ^ Aus reim, versbau und spräche wird die ältere grundlage
nachgewiesen^ und diese in der im lOn jh. unternommenen Sammlung des
bischof Pilgrim von Passau erkannt. Die resultate sind nun im we-
sentlichen folgende.
Der Nibelungen lied (fälschlich der Nibelunge n6t genannt, wie
s. 124 nachgewiesen ist) und die klage bildeten ursprünglich den ersten
und zweiten theii eines deutschen gedichtes aus dem lOn jh., welches
die geschichte der Hunnen behandelte; der dritte theil verfolgte die
eeschichte Ungarns bis zur sclilacht auf dem Lechfelde. Als verfafser
dieses werkes ist nach der angäbe der klage des bischof Pilgrims Schrei-
ber, Konrad, zu betrachten.
Zu dem ersten theile, welcher die Schicksale der Nibelungen be-
handelte, dichtete ein dichter im anfung des l'in jh. die episode vom
Sachseiikriege hinzu, die wir in der gegenwärtigen gestalt des liedes
finden. Im letzten decennium des lt!n jh. erhielt das gedieht die form,
in der es uns die älteste und beste handschrift (C) überliefert, und zu
anfang des 13n jh. übernahm ein anderer dichter die Überarbeitung des
zweiten theiles von Konrads werke, weicher die dem untergange der
Nibelungen zunächst folgenden begebenheiten, 'die klage' um die ge-
fallenen, behandelte.
Nach diesen gewonnenen resultaten ist nun erst die frage möglich,
wie viel von unserem Nibelungenliede dem bearbeiter des I2n jh. , wie
viel dem ursprünglichen gedichte angehöre, der vf. versucht in kur-
zen umrifsen eine ausscheidung des späteren und herstellun^ des Kon-
radschen werkes, hauptsächlich unter hinzuziehung des Biterolf und
der klage.
Damit wäre nun freilich die Lachmannsche textkritik — seine an-
sieht über die entstehung des liedes aus einzelnen liedern dagegen nur
in eine frühere zeit zurückgeschoben, aber nicht widerlegt, denn Kon-
rad konnte eben so gut einzelne zerstreute lieder in ein ganzes zusam-
menfügen, wie es nach Lachmann der bearbeiter des 13n jh. that.
Diesem einwände zu begegnen geht der vf. auf die natur des epos zu-
rück und sucht nachzuwei^en, wie dieses, als geschichte eines Volkes
in sagenhafter zeit, notwendic ein ganzes bilden mnfse, und erst durch
störende einflüfse, in Deutschland durch gewaltsame Unterdrückung von
Seiten des christenthums, verkümmere und zertrümmere. Aus diesen
trümmern erst wurden, als in ruhiger zeit grofse für die vorzeit be-
geisterte münner wie Karl der grofse ihre aufmerksamkeit der vergan-
genheit zuwendeten, die alten epen zusammengelesen und wieder aufge-
ant. DaTs hiebei vieles entstellt und undeutlich geworden, ist leicht
erklärlich, und hierin, nicht in dem ur.«jprunge aus selbständigen ein-
206 A. Holtsmann : UnlersuchiingeD über das Nibelungenlied.
seinen liedem sind nach des yf. meiniing die Widersprüche in unsern
volksepen zu suchen
Den letzten abschnitt bildet eine untersuchnng iiber die sage, un-
ter hinzuziehung des indischen epus, vielleicht der schwächste theil
des ganzen und nur als ein verbuch zu betrachten, eine andere als die
bisherigen deutungen aufzustellen; womit indes flicht gesagt sein soll,
dafs des vf. princip, ein allgemein indogermanisc-es epos, ein unrich-
tiges sei. vielmehr sind wir überzeugt, dafs die indogermanischen Vol-
ker in den verschiedenen richtungen ihrer geistigen entwickliing ebenso
xusammentreffen wie in der spräche, nur möchte die nachweisune in
einzelnen grofsere Schwierigkeit haben, da die epische gcataltune emem
grofseren Wechsel unterworfen ist als die spräche, man fände wol
auch in einzelheiten gleiche Übereinstimmung des epos mit unverwand-
ten Völkern, ohne dals uns dies zur herleitung aus gleicher quelle be-
rechtigte.
Der anhang über den Wallerstciner codex der Nibelungen, über
den auch von der Hagen jüngst in der Berliner academie mittheilnnffen
gemacht hat, bestätigt namentlich in ^inem punkte auf merkwürdige
weise des vf. Vermutungen (vgl. s. 206 mit 94 If).
Im allgemeinen wird man des vf. resultaten beitreten müfsen , ein-
zelnes wird zu berichtigen sein. s. 64 vermutet Uoltzmann, es sei in
Str. 1851 für min eineg man: tuon C (wo B aun : frun reimt) zu
lesen min ein gomdn; doch möchte diese betonung schwerlich zuläfsig
sein. Freilich fafste man schon in althochdeutscher zeit das wort als
ein compositum, wie die Schreibung gomman beweist; allein selbst
dann konnte zwar gömmän reimen, nicht aber gommdn^ welche beto-
nung nur innerhalb des verses keine Schwierigkeit haben wurde. Die
s. 65 aufgestellte behanptung, Otfrids reime seien immer stumpf, zu
widerlegen würde einen grofseren räum, erfordern; es ist freilich eine
allgemein angenommene ansieht, der klingende reim sei später entstan-
den als der stumpfe, weil man in der that in den ältesten gedichten
fast nur stumpfe reime findet. Indes sprechen die romanischen spra-
chen, wie auch schon die spuren des reims im lateinischen zum theil
dagegen, die erledigung der frage hängt von der über den Ursprung
und das wesen des reunes zusammen, die ich an anderem orte ausführ-
lich besprechen werde. — Wenn der vf. s. 70 (»tr. 2139) in lugende:
künde einen innern reim erblickt, so stimmen wir ihm bei; soll dies
aber auf kosten der ursprünglichen kürze durch annähme der betonung
tügünd^ geschehen, so mufs ich protestieren, die sache ist einfacher:
es reimt: tügnde : künde; das vor dem n stehende g thut keinen ein-
trag.^ denn so reimen alle dichter des l'in jh.: $agen:8tän; haben :gän
und ähnliches. — Nach s. 79 sollen schon im Hn jh. langzeilen mit nur
sieben hebungen (statt mit acht) vorkommen; allein so gut der vf. in
den 8. 77 angeführten beispielen acht hebungen erkennt, darf man sie
auch in den s. 79 beigebrachten erblicken; das einzige beiftpiel das sich
anführen liefse, wäre das aus Muspilli genommene:
ddz er kötee wiilin k^rnö tüo:
dessen zweite hälfte wirklich nur drei silben enthält, also auch nur drei
hebungen. allein es scheint nur so. das Muspilli weist aus uiuncben
gründen auf ein älteres gedieht hin, dessen spräche vielleicht noch auf
dem Standpunkte des gothischen stand, vergleicht man mit tuo (lies tüo)
das gothische taujan : mit gerno die gotli. adverbialendnng «a6a, so
sind die drei hebungen leicht auf vier geführt. Andere beispiele wären
hier^ richtig angebracht, wemi die regel dafs wörter wie aunu nicht
zwei hebungen ausfüllen können, unbestritten wäre; allein es läfst sich
nachweisen dafs schon in ahd. periode (bei Otfrid) die-se für unrichtig
gehaltene betonung öfter vorkommt. — Die erste hälfte des epischen
A. UolUmann: Untersuchungen aber das Nibelungenlied. 207
langyerses soll (nach s, 78) immer ein srofserea gewicht haben als die
zweite; im indischen and deutschen trifu dies zu, anders ist es im he-
xameter, dessen gröfseres gewicht entschieden auf der zweiten häifte
ruht, namentlich wenn man die gewohnliche caesur (nach der siebenten
cilbe), die indes nicht die ursprünglich epische ist, in anschlag bringt.
— Wir stimmen dem yf. bei, wenn er s. 150 sagt: 'alle epische poesie
ist nnstrophisch.' Es beweist dies vor allem der hexameter, der keine
atrophische abtheilung zuläfst; ebenso der indische sldka (wiewol hier
die gewöhnliche Zahlung, die immer zwei halbsldken zusammenfafst,
widerspricht) und der deutsche allitterierende yers. Anders wird es in
der deutschen poesie mit der einführung des reimes. so lange dieser al-
lerdings noch «lie beiden halften der langzeile verbindet (wie bei Otfrid
geschieht, d«r indessen nach dem Vorgänge Aes lateinischen hymnus
immer je zwei langzeilen strophisch zusammenfafst), war noch keine
strophische abtheilung möglich, wiewol hier die gefahr nahe lag die
«inheit des epischen verses zu verlieren, wie es in den reimpaaren der
mhd. poesie sich zeigt. Allein sobald der reim je zwei langzeilen mit-
«inander verband, ergab sich dadurch von selbst eine absondernng in
atrophen von je zwei langzeilen (wie bei Otfrid und beim indischen
al6ka, dessen halften auch schon hin und wieder spuren des reimes zei-
gen). Anders war es im romanischen epos: die dort lang fortlaufenden
reime traten einer strophischen trennung in den wes.
Wir haben unsere bemerkungen auf den abschnitt .aber reim und
▼ersbau beschrankt, ähnliches liefse sich auch in den übrigen abschnitten
beibringen. Die von dem vf. zwar nur vermutete Identität des Karen-
bergers und des Konrad ist zu bezweifeln. Der Kärenberger, wenn
gleich durch alterthümliche einfacliheit von den ältesten minnesingern
(Dietmar von Aistu. s. w.) unterschieden, berechtigt uns dennoch mihi,
ihn über das 12e jh. hinaus, ja gar in das lOe zu setzen, der Inhalt
seiner Strophen liegt dem wesen des ritterlichen minnegesanges nicht so
fern als Holtzmann meint. Eine strophe (der tunkelsterre) deutet schon
sehr bestimmt auf die in der höfischen poesie so bedeutsam hervortre-
tenden merker hin. — Eine andere Vermutung des vf. , Rudolf von Ems
habe den Biterolf und die klage gedichtet (der leisen hindeutun^ auf
Walter von der vogelweide als verfafser der Nibelungenbearbeitung
gar nicht zu gedenken) durfte eben so wenig fest stehen. Rudolf mäste
in seinen späteren werken durch und durch ein anderer geworden sein;
▼on der jugendfrische, die in der klage herscht, ist schon in seinem •
ersten anerkannten werke, dem Gerhart, keine spur, der ähnlichen aus-
drucke, dieH. als beweis anfuhrt, liefsen sich aus werken anderer dich-
ter genug aufspüren, finden sich ausdrucke in Rudolfs werken, die der
höfischen poesie sonst fremd sind , so beweist dies nur Rudolfs bekannt-
Schaft mit der volksmäfsigen litteratur.
Jedenfalls hat der vf. das verdienst, eine so wichtige frage wie die
ober die entstchung des Nibelungenliedes wieder in fJufs gebracht z»
haben. Ffir abgeschlofRen erklärt er selbst die Untersuchungen nich^t ; eine
kritische ausgäbe des textes nach den gefundenen resuitatcn wäre das
nächst erforderliche werk, das uns Holtzmann hoffentlich bald geben
Dr. C. Bartsch.
208 Abwehr.
Abwehr.
Bars die neuiiche Besprechung meiner 'Hadeskappe' in diesen Jahrba-
chern Bd. LXIX S. 676 ff. durch Hrn. Prof. Schwcnck nur der Ausdruck
einer entgegenstehenden Ansicht ist, über welche wir beide die Entschei-
dung andern Richtern überlafsen mufsen, liegt am Tage, und wenji ich
allen Lesern jener auch meine Schrift als bekannt voraussetzen durfte,
wurde ich kein Wort weiter hinzufügen ; insofern jedoch der Ton
jener Anzeige manchen verleiten könnte, sich daraus allein auch aber
meine Schrift ein Urtheil zu bilden, bin ich es mir schuldig wenig-
stens an einem Beispiele zu zeigen, wie wenig sie dazu angethan ist«
Ein Haupttrumpf, den Hr. Schwenck gegen mich ausspielt, ist S. 677,
dafs, indem ich Perseus für einen Sonnengott, seinen Helm fnr das
Symbol der Finsternis halte, ich 'einer Gottheit ihr Gegentheil sinn-
bildlich auf das Haupt gesetzt habe'; und wenn ich diesen Helm far
Perseus eigenes Symbol erklärt hätte, so wurde ich den Spott, den
er daran knüpft, völlig verdient haben; nun aber sage ich kan vor
der von ihm aus dem Zusammenhang gerifsenen Schlufsstelle wortlich
folgendes: 'Perseas der Sonnenheld mit dem Helme der Finsternis als
personlichem Attribut, wäre ein innerer Widerspruch; ist ihm aber
derselbe nur geborgt, so ist er eine neue Variante zu dem alten
Liede: durch Nacht zum Licht'; und wenn also mein Beurtheiler ge-
rade diesen Grundgedanken meiner ganzen Abhandlung, dafs die orien-
talische Kopfbedeckung des Perseus, als zu seiner übrigen Person
nicht passend, nur als geborgt, nicht als sein, sondern als des
Hades Helm zu betrachten sei, so gröblich verkannt hat, so wird es
mir« erlaubt sein auch sein weiteres Referat als unzulänglich zu JptT"
horrescieren.
Göttingen. K» Fr. Hermann.
Hr. Professor Hermann verkennt im Eifer das,* was ich gegen ihn
gesagt habe, sehr gröblich. An seiner Variante des 'durch Nacht zum
Licht' kann so lange ganz und gar nichts liegen, als er nicht nach-
weist, dafs es eine Symbolik gibt, welche diesen oder einen ähnlichen
Gedanken in der von ihm bei Perseus angewandten Weise darstellt.
Eigen besitzen oder borgen macht in Hinsicht auf die Darstellung des
Gedankens nichts aus, und es liegt Hrn. Hermann ob, eine solche
wunderbare Symbolik zu beweisen, welche durch die Phrase 'durch
Nacht zum Licht' nicht bewiesen ist. Dafs diese Stelle ein Haupt-
trumpf sei, bemerkt er irthümlich, denn ich habe geflifsentlich keinen
Trumpf gegen ihn ausgespielt aus Gründen, die ich hier um so mehr
übergehe, als er sagt, dafs er mein 'Referat als unzulänglich perhor-
resciere'. Statt Hrn. Hermanns archaeologische und mythologische
l^undgebungen meinerseits als unzulänglich zu perhorrescieren und von
ihm zu verlangen, er möge Bewcisüe für die Hauptsachen seiner Ha-
deskappe liefern, statt in einem minder wichtigen Punkte mich fälsch-
lich eines Misverstehens seiner Meinung oder wohl noch eines ärgeren
zu zeihen, wünsche ich ihm für die Hadeskappe als Nachtkappe und
für den Gorgoschrecken der Morgenkühle u. a. m. den Beifall vieler
Menschen, denn warum sollte ich ihm nicht gutes für eine Schrift
wünschen, welche mir eine kurze Erheiterung gewährte V Spotten *
wollte ich seiner «o wenig, dafs ich betheure, mir bei Abfarsung der
Recension allen Zwang in dieser Hinsicht angethan zu haben.
Frank finrt a. M. Konrad Schwenck,
Schal- und Personalnachrichten u. s. w. 209
Schul- und Personalnachrichten, statistische Millheilungen,
litterarische und antiquarische Miscelien.
Amberg. Auf die darch Beforderang des Stadienlehrers Georg
Krk (b. unter Straubing) erledigte Lehrstelle aa der dortigen Lat ei n-
fchale wurde der Studienlehrer zu. Bamberg Valentin Meyring
▼ersetzt.
Bamberg. Auf die an der dortigen Lateinschule erledigte unterste
Lehrstelle (s. unter Amberg) wurde der geprüfte Lehramtscandidat
Ignaz Schrepfer befordert.
Königreich Bayern. An die Stelle der Schulordnung Tom 13.
Man 1830 ist durch Verordnung des kon. Staatsroinisteriums des
Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten vom 24. Februar d. J.
folgende 'revidierte Ordnung der lateinischen Schulen und der Gym-
nasien im Königreich Bayern' getreten:
Tit. L Arten der Lehranstalten, f. 1« Für die höhere allge-
meine Bildung der Jugend, zu welcher der Grund einerseits durch die
tiefere Erkenntnis und Bewahrung des Christenthums, so wie andrer-
seits hauptsächlich durch das Studium der Sprachen und der Litte*
ratur des classischen Alterthums gelegt wird, sollen lateinische Schu-
len und über denselben Gymnasien bestehen.
A. Von der lateinischen Schule. Tit. TL Allgemeine Bestim-
mungen. C. 2. Die lateinische Schule hat den Zweck, die im §. 1 be-
seichnete Bildung auf ihrer ersten Stufe zu begründen und die Schüler
für die am Gymnasium zu erlangende höhere Bildung vorzubereiteiu
Nach diesem Zwecke richtet sich Stoff, Umfang und Art des Unter-
richts. An diesem Unterricht können auch solche Knaben Theil neh-
men, welche das Gymnasium zu besuchen nicht beabsichtigen. §. 3«
Die lat. Schule besteht aus vier Classen und ist mit jedem Gymna-
sium verbunden, kann aber auch nach Mafsgabe des Bedürfnisses für
sich bestehen, f. 4« Jede der vier Classen hat ihren eignen Lehrer,
welcher den Namen 'Studienlehrer' führt. Haben sich für eine Classe
mehr als 50 Schüler gemeldet, so wird nach Mafsgabe des Bedürf-
nisses dem Lehrer entweder ein Aushilfslehrer beigegeben, .oder die
Trennung der Classe in Paralleicurse eingeleitet. $• 5* Vorstand der
mit einem Gymnasium verbundenen lat. Schule ist der Rector des
Gymnasiums, welchem an zahlreich besuchten Anstalten zur Unter-
stützung in seinem Wirkungskreise aus dem Lehrergremium ein Con-
rector beigegeben wird. An der für sich bestehenden vollständigen
lat. Schule ist ein Lehrer der beiden obern Classen zugleich Vorstand
der Anstalt (Subrector). ^ 6. Die bereits eingerichteten vollständi-
gen und unvollständigen isolierten lat. Schulen dürfen vorerst fort-
bestehen.
Tit. TIT. Von dem Unterricht in der lateinischen Schule. ^. 7.
Die Lehrgegenstände der lat. Schule sind: Religionslehre, lateinische
Sprache, griechische Sprache, deutsche Sprache, Arithmetik, Ge-
schichte, Geographie. Daneben wird technischer Unterricht in der
Kalligraphie, im Gesang und in der Musik, so wie im Zeichnen, dann
gymnastischer Unterricht im Turnen und Schwimmen ertheilt. $• 8«
er Religionsunterricht für die katholischen und die protestanti-
schen Schüler soll von einem katholischen und protestantischen Geist-
lichen, als besonderem Lehrer, ertheilt werden. Ueher die Befugnisse
der kirchlichen Behörden in Beziehung auf den Religionsunterricht
haben die einschlagenden gesetzlichen Bestimmungen Mafs zu geben.
f* 9* Jeder Schultag beginnt mit einer Andachtsübung, welche für
210 Schul- und Personalnachrichten, statistische Mittheilungen,
die katholischen Zöglinge im Besuche der heiligen Messe, und für die
protestantischen im Morgengebet mit («esang besteht, f. 10. Ferner
sind die Schüler beider Confeiisionen gehalten, an allen Sonn- and
Feiertagen dem Gottesdienst in ihren Kirchen unter der AufMcht der
Lehrer ihrer Confession beizuwohnen. In allen Beziehungen aber
hat die Anstalt dahin zu trachten, dafs das Christenthum in den Ge-
muthern der Schüler fest begründet und lebendig erhalten werde, f«
]|. Der Unterricht in der lateinischen Sprache behandelt in der
ersten Classe vollständig das allgemeine der gesammten Formenlehre,
wubei einige leichtere Regeln der Syntax auf praktischem Wege
niiizutheilen sind. Besondere Aufmerksamkeit ist der Wortbildung
durch Kriernung der Wortstämme in ihren Ableitungen zu widmen,
mechanisches Memorieren von zusammenhanglosen Wörtern und Re-
densarten und sogenannten Sentenzen aber, wodurch nur das Gedächt-
nis beschwert, und der Jugend, anstatt ihren Verstand zu schärfea
und zu bilden, Ekel am Lernen beigebracht wird, nicht zu dulden.
Ein zweckmäftiiges Elementarbuch zum Uebersetzen aus dem Lateini-
schen in das Deutsche und umgekehrt aus dem D. in das Lat. dient
zur mündlichen und schriftlichen Einübung des Lehrstoffes. %, 12« In
der zweiten Classe beginnt nach genauer Wiederholung der Etymolo-
gie und Ergänzung der Formenlehre in ihren Anomalien der Untere
rieht in der Syntax bis zum Schlufs der Casuslehre. Mit anderen
leichteren Lehren der Syntax kann der Schüler auf praktischem W«>ge
durch die Lertüre bekannt gemacht werden. Mit der Denk- und Ge-
dächtnisübung der begonnenen Erlernung von Wörterfamilien zur Be-
reicherung der Wurtkenntnis, sowie mit beiden Arten Ttfn lieber-
Setzungen nach einem Elementarbuche ist fortzufahren, f* 13* In der
dritten Classe umfaf^it der Unterricht alle Theile der Syntax inner-
halb des regelmäfsigen Sprachgebrauchs; die memorierten Wörterfa-
niilien werden zwerkmäfsig erweitert, mündliche und schriftliche Ue-
bersetzungsübungen haben die erlernten Regeln zu sicherer und zu
geläufiger Anwendung zu bringen. Als lateinisches Lesebuch dienen
die Lebensheüchreibungen des Cornelius Nepo»; später, wenn die
Schüler die erfoi de «liehe Uebung haben, können die Fabeln des Phae-
drus erklärt werden. $. 14. In der vierten Classe wird die Syntax
unter fortgesetzten praktischen Uebnngen wiederholt und die Erklä-
rung von Caesiuris Commenturii de hello Gallico oder eine Chrestoma-
thie aus gröisern Stücken römischer ilititoriker vorgenommen. Zugleich
beginnt in dieser Classe der Unterricht in der Prosodie und in den
daktylischen Versmafsen mit den nöthigen Uebnngen in Wiederherstel-
lung aufgelöster Distichen. j(. ],1. Bei diesem Unterricht soll in der
]n und 2n Classe die Kenntnis der lat. Etymologie zur möglichsten
Geläufigkeit gebracht, in der 3n und 4n aber vorzüglich darauf gese-
hen werden, dem Schüler bei Uebersetzung aus dem Lateinischen in
das Deutsche Gewandtheit des Ausdrucks, dann bei jener aus dem
Deutschen in das Lateinische Sicherheit in Anwendung der gramma-
tischen Regeln zu verschaifen. Schriftliche Uebersetzung soll nur bei
einzelnen schwierigen und besonders merkwürdigen, von dem Lehrer im
voraus zu bezeichnenden Stellen gefordert werden; es genüge, dafe die
Schüler zur Vorbereitung das zu erklärende Pensum aufmerksam durch-
gegangen und die ihnen unbekannten Vocabeln aufgesucht, verzeichnet
und memoriert haben. %• 1({. Bei allem lateinischen Unterricht ist auf
genaue und richtige Anwendung der Muttersprache die sorgfältieete
Rücksicht zu nehmen, und besonders bei Uebersetzungen aus dem La-
teinischen dahin zu wirken, dais nicht nur der geeignete Ausdruck in
der Muttersprache nachgewiesen und das al»w-eichende gezeigt, sondern
auch der Inhalt des übersetzten von den Schulern in freier Darstellung
liUerariscbe nnd antiquarische Miscellen. 211
▼orgetragen and erlaatert werde. §• 17. Schriftliche Uebangen im
Lateinischen sollen während der Schalstunden zur richtigen Anwendung
des erlernten öftern und in der Art gehalten werden, dafs der Lehrer
das Ton den Schülern bearbeitete unmittelbar nach der Ausarbeitung
rerlesen, das fehlerhafte sogleich nachweisen und das richtige eintra-
fen läfst. [n den untern xwei Classen werden in jedem Monat Tier,
in den obern zwei Classen in jedem Monat zwei Schulaufgaben aus
dem Deutschen ins Lateinische, darunter manchmal auch umgekehrt
eine solche Aufgabe aus dem Lat. in das D. bearbeitet. Diese Scriptio-
nen, welche von dem Lehrer genau zu corrigieren, dann den Schülern
znr Einsicht mitzutheilen lyid mit ihnen genau durchzugehen sind, bilden
die Grundlsge zur Berechnung des Fortgangs. Die Zahl der Hausaufgaben
wird für sammtliche Sprachgegenstande auf wöchentlich zwei festgesetzt,
welche Ton dem Lehrer so einzurichten sind, dafs sie den Schülern
zur Erweiterung ihrer Kenntnisse bezüglich des in der Schule behandel-
ten LehrstolTes dienen , zugleich aber auch hinsichtlich der auf die Bear-
beitung zu verwendenden Zeit die der Jugend nöthige körperliche Er-
holung berücksichtigen. §• 18* Der Unterricht in der griechischen
Spracne beginnt in der 3n Clas.Ke. Es wird in dieser die Formenlehre
bis auf die Verba in fii gelehrt und eine Anzahl Ton Vocabeln und
ganzen Worterfamilien memoriert, zugleich werden schriftliche und
mündliche Uebersetzangen aus dem Deutschen in das Griechische und
umgekehrt nach einem zvveckmäfsigen Elementarbuche Torgenommen.
Der Unterricht in der 4n Classe umfafst die Verba in fit und die
Anomala, und hat den etymologischen Theil der Grammatik zu Toll-
enden. Leichte Regeln der Syntax sind auf praktischem Wege mitzu-
theilen. Das Auswendiglernen Ton Vocabeln und kurzen Sätzen, so
wie beide Arten Ton Uebungun nach einem zweckmäfsigen Elementar-
bnche werden fortgesetzt. §• 19* Die Uebersetzungen im Griechischen
sollen wie die im Lateinischen ($. 17) behandelt werden, damit Ge-
nauigkeit in Anwendung der Formenlehre und Kenntnis der allgemein^
sten syntaktischen Regeln erlangt werde. Alle 14 Tage ist ein kur-
zes Exercitium aas der deutschen in die griechische Sprache in der
Schule auszuarbeiten, wobei jedoch dem Lehrer überlafsen bleibt,
manchmal auch umgekehrt eine Aufgabe aus dem Griechischen in das
Deutsche bearbeiten zu lafsen. Diese Scriptionen, welche als Grund-
lage zur Loration dienen, hat der Lehrer genau zu corrigieren, dann
den Schulern zur Einsicht mitzutheilen und mit ihnen genau durch-
zugehen. §. 20. In der deutschen Sprache wird in den beiden un-
tern Classen unter Rücksichtnahme auf die Kenntnisse, welche die
Schüler sich schon früher erworben haben, ein fortschreitender gram-
maticalischer Unterricht ertheilt. Neben diesem theoretischen Unter-
richt in den zwei untern Classen, so wie in den beiden obern Classen
lauft ein praktischer Unterricht, welcher befafst: in der In Classe:
Bildung einfacher, dann zusammengesetzter Sätze, zuerst nackter,
hierauf erweiterter; Uebungen in Veränderung der Satzformen (be-
hauptend, emphatisch, befehlend, fragend), Zusammensetzung kleiner
Beschreibungen und Erzählungen, auch Briefe aus gegebenen Sätzen.
Dictandoübungen, Verbefserung fehlerhaft angegebener SäUe. In der
2n Cl.: Fortsetzung dieser Uebungen, dann Versuche freier Nach-
bildung Torgelesener kleiner Erzählungen, Beschreibungen und Briefe
(ohne angegebene Sätze), Verbefserung fehlerhafter kleiner Aufsätze.
In der Hn Cl.: Fortsetzung dieser Uebungen, dann auch Versuche in
Aaszügen ans gegebenen Stücken, und zwar in einfachen SäUen, mit
Ancabe des Hauptgedankens, Entwürfe (Skizzen) zu kleinen Aufsäuen
(Briefen u. dgl.). In der 4n Cl.: Fortsetzung dieser Uebungen, Ge-
dankenangabe za grofseren Beschreibungen, Erzählungen, Briefen,
212 Schal- und Personalnachrichten, statistische Hittheilangen,
RiiMfuhrlichere Skizzen; roetrijtche Vemiche in den daktylischen, iam-
bischen und trochaeischen Versmafsen. Hiemit ist durch alle Classen
zu verbinden das Auswendiglernen und freier Vortrag passender deut-
scher LesestöcLe in einer angeniefsenen Stufenfolge von Geilerts Ka-
beln und Krzähhingen bis zu Schillers Balladen einsrhliefslich. $• 21-
Der Unterricht in der Arithmetik umfafst: in der In Classe: die
Wiederholung und weitere Durchbildung der vier Species in benannten
und unbenannten Zahlen und die gemeinen Bräche in Verbindung mit
Kopfrechnen. In der 2n Cl. : Wiederholung der Lehre von den ge-
meinen Brüchen, Behandlung der Decimalbrüche, Anfang der Propor-
tionslehre mit unbenannten Zahlen und Versetzung der Glieder, Regel
de tri mit benannten Zahlen. In der 3n Cl. : Proportionslehre mit be-
nannten Zahlen, einschlülsig der Gesellschafts -Allegations- Rechnung
(angewandte Arithmetik). Jn der 4n Cl. : theoretische Begründung des
früher erlernten, Behandlung der Näherungsbrüche und Ausxiehung
der Quadrat- und Kubikwurzeln aus Zahlen ohne wifsenschaftliche Be-
gründung. §• 22« Der Unterricht in der Geschichte beginnt in der
dn Classe und hat sich in dieser auf eine übersichtliche, chronolo-
gisch geordnete Darstellung der wichtigsten, an hervorragende Per-
sönlichkeiten geknüpften Tliatsacheii und Ereignisse der griechischen
und römischen Geschichte, letzterer mit Einschluls der Zeit der Völ-
kerwanderung bis zu Chlodwig dem Prankenkönige zu erstrecken, und
in der 4n Cl. von Chlodwig dem Krankenköivige an die deutsche Ge-
schichte in gedrängten Zügen mit besonderer Berücksichtigung der zu
dem bayerischen Staate jetzt erwachsenen Gebiete und des bayeri-
«•chen Herscherhuuses abzuhandeln. §• 23* Der geographische Un-
terricht behandelt in der In Clas>e eine übersichtliche Darlegung di-r
fünf Krdtheile, in der 2n Cl. Kuropa im allgemeinen und Deutschland
im besondern unter vorzüglicher Berücksichtigung der Höhenzüge und
Klufsgebiete, um ein möglichst anschauliches Bild des Bodens zu ge-
ben, wobei Bayern %\ieder besonders ins Auge zu faisen ist, in der
3n Cl. die au i'tiercuropäischenErdt heile, so weit deren Kenntnis zur
allgcmeini'n Bildung gehört, in der 4n Cl. eine allgemeine Uebersicht
und tiefere Begründung des in den viirhergi^henden Classen behandel-
ten LehrstotlVs mit gröfserer Berück.sichtigung der politischen nnd
statistischen Verhältnisse. Uebrigens ist bei allem geographischen Un-
terricht, %vo nur immer tliunlich, auf wichtige historische Ereignisse
hinzuweisen und dadurch Geographie mit Geschichte in Verbindung
zu bringen. §. 24* In den zwei untern Classen der lat. Schule wird
Unterricht im Schönschreiben ertheilt, welcher von allen Schülern m
besuchen und bei welchem vorzugsweise auf Reinheit und Deutlichkeit
zu sehen ist. Uebrigen.s hüben die Lehrer sämmtlicher Classen auf
eine reinliche und deutliche Schrift in allen Heften streng zu halten,
und bleibt dem Ermefäpn des Uectors überlafsen, solche Schüler der
obern Classen, welche darin nachläfsig oder einer Nachhilfe noch be-
dürftig sind, dem Schrei blehrcr zum Unterricht und zur Uebung in
aufserordentlichen Stunden zuzuweisen. Unterricht im Gesang und in
der Musik, im Zeichnen, Turnen und Schwimmen wird nach Mafsgabe
des Begehrens, der iMittel und der Gelegenheit ertheilt. $. 25« Die
Wahl der erforderlichen Bücher ist dem Lehrerrathe aus der Zahl der
von dem k. StaatHministeriiim des Innern für Kirchen- und Schul-An-
gelegenheiten gebilligten Jahrbücher gestattet. Die einmal eingeführten
Lehrbücher dürfen unter fünf Jahren nicht gewechselt werden, Die^
für den Religionsunterricht bestimmten Lehrbücher sollen von den
kirchlichen Oberbehörden approbiert sein. §• 28* Den in den vorher-
gehenden SS' bezeichneten Unterrichtsgegenständen sollen in jeder der
vier Classen 22 Stunden wöchentlich gewidmet werden. Zwei Nach-
litterarisohe and antiquarische Miscellen. 213
mittage in der Woche sind Tom Schnlnnterricht frei. f. 27« Die
Standen yert heilen sich in folgender Art: le und 2e Clause: Religion
2, Latein 10, Deutsch 3, Arithmetik 5, Geographie 2, Kalligraphie 2
Standen. 3e Classe: Religion 2, Latein 8, Griechisch 5, Deutsch 2,
Arithmetik 2, Geschichte 2 Stunden, Geographie 1 Stunde. 4e Classe:
Religion 2, Latein 8, Griechisch 6, Deutsch 2, Arithmetik 2, Geschieht«
2 Stunden, Geographie 1 Stunde.
Tit. IV. Von der Kintheilung des Schuljahres, der Aufnahme und
dem Fortgang der Schüler. §• 28* Das Schuljahr beginnt für die
lat. Schule mit dem 1. October und endet das erste Semester am
Dienstag vor dem Ostersonntag. Das zweite Semester beginnt an
Donnerstag in der Osterwoche und schliefst am 8. August. Aufser
den dadurch bezeichneten Ferien zwischen beiden Semestern soll die
Schule nur an Sonn- und Feiertagen geschiofsen sein. §• 29« Die
Aufnahme in die le Ciasse der lat. Schule ist durch eine Prüfung
bedingt, in welcher der Schuler nachzuweisen hat, dafs er einen sei-
nem Alter entsprechenden Religionsunterricht genofsen und den in den
obern Abtheilungen der deutschen Schule behandelten Lehrstoff sich
angeeignet habe, dann .dafs er in den einfachen Rechnungsarten und
in den lateinischen Declinationen geübt sei. §• 30« Das Alter zum
Eintritt in die le Classe der lat. Schule wird auf das vollendete lOe
bis incl. 13e Lebensjahr festgesetzt. Dispensationen über dieses Alter
hinaus kann nur die k. Kreisregierung ertheilen. Der Eintritt von
Knaben, welche das lOe Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist
nur bei besonders früher körperlicher und geistiger Entwicklung zu-
läfsig, und erfordert eine Altersdispense, welche unter der eben an-
gedeuteten Voraussetzung der Rector zu ertheilen befugt ist. $• ^1*
Die Aufnahme in eine höhere Classe hängt davon ab, dafs der Schüler
den Anforderungen der vorausgehenden Classe vollständig genügt hat.
Bei den aus dem Privatunterricht eintretenden Schülern entscheidet
eine von dem Lehrerrath zu haltende Prüfung, bei den Schülern der
Anstalt selbst das von dem Lehrerrath gefällte Urtheil über ihre
Reife. Das Aufsteigen nicht hinreichend befähigter Schüler ist mit
rncksichtloser Strenge zu verhindern. Schüler, deren Befähigung oder
Nichtbefahigung zum Aufsteigen am Schlufse des Jahres noch zweifel-
haft geblieben ist, sind am Anfange des nächsten Schuljahres einer
Prüfung zn unterwerfen, und wenn sie diese nicht nach dem Urtheil
des Lehrerrathes befriedigend bestehen, in die nächst untere Classe
zurückzuweisen. Das Ueberspringen einer Classe der lat. Schule ist
nur ausnahmsweise bei vorgerücktem Alter und besonders ausgezeich-
neter Befähigung zu gestatten. Die Entscheidung darüber steht der
k. Kreisregierung nach eingeholtem Gutachten des Rectorates zu. Wer
nach zweijährigem Besuche einer Classe zum Uebertritt in die nächst
höhere sich nicht befähigt, ist von der Anstalt zu entfernen; ebenso
auch derjenige , der die nächst untere Classe repetiert hat und nun
die nächst höhere wieder repetieren müste. $• ci2* Zur Bestimmung
der Fortgangsplätze dienen als hauptsächlichste Grundlage die schrift-
lichen Schularbeiten. Im Lateinischen und Griechischen kommen dazu
die in den ^^ 17 und 19 bezeichneten Scriptionen in Anwendung.
Aus dem Deutschen findet in jedem Monat einmal , und aus jedem der
übrigen Fächer in jedem Semester zweimal eine besondere Schulscrip-
tion statt. Aufser diesen schriftlichen Schularbeiten sind am Schlufs
des Jahrs auch die Noten aus den mündlichen Leistungen in den ein-
zelnen Lehrgegenständen so weit in Rechnung zu bringen, dafs sie,
wenn in den schriftlichen Arbeiten bei zwei oder mehreren Schülern
eine Gleichheit oder nur ein sehr geringer Unterschied besteht, den
Aasschlag geben. §. 33. Für die 3 untern Classen der lat. Schule
214 Schul- und Porsonalnachrichten , statistische Mittheilangen,
findet am Schlnrs des Jahrs in Gegenwart des Rectors und des Leh-
rers der nnchtit liohern Classe eine öffentliche Prüfung statt , %n wel-
cher das Publicum einzuladen ist. C. 9i» Für die Schuler der 4n
Classe der tat. Schule, welche in das Gymnasium Eintreten wollen,
hat am Anfang des Schuljahrs vor dem Lehrercollegium des Gjoiiu-
sinms unter Beiziehung des Lehrers der 4n CI. der lat. Schule, der
jedoch bei der Abstimmung nur eine berathende Stimme hat, eine
Prüfung stattzufinden, welche schriftlich und mundlich sein und alle
Lehrgegenstande der lat. Schule umfafsen soll. Wer nicht in den
alten Sprachen das für die lat. Schule bestimmte Mafs Ton Kennt-
nissen vollständig besitzt, aufserdcm nicht zugleich in allen übrigen
Lehrfachern befriedigt, und ein entsprechendes religiossittliches Ver-
halten nachweist, soll die Erlaubnis zum Uebertritt in das Gymna-
sium nicht erhalten. Sämmtliche Mitglieder der Commission sind f6r
die strenge und unparteiische Vollziehung dieser Bestimmungen fer-
antwortlich. — Für diejenigen Schüler der vierten Classe, welche
nicht in das Gymnasium eintreten, sondern einem andern Berufe sich
widmen, und ein Schlnfszeugnis über Vollendung der lat. Schule erhalten
wollen , wird am Knde des Schuljahrs eine besondere schriftliche nnd
mündliche Prüfung gehalten, an welcher sich der Vorstand und sämmt*-
liehe Classlehrer der lateinischen Schule zu betheiligen und über das
Ergebnis derselben Beschlufs zu fafsen haben. Die Motive der Be-
sclilufsfafsung über diese, so wie über die Prüfung zur Aufnahme in
das Gymnasium sind in einem ausfuhrlichen ProtocoU niederzulegen,
ff. 33* Am Schlufs des Jahrs wird durch einen gedruckten Katalog,
der die Namen der Schuler nebst Angabe ihres Alters und Geburts-
ortes, dann des Standes und Wohnortes ihrer Kitern enthält, der
Fortgang der Schüler im allgemeinen und in den einzelnen Fachern
bekannt gemacht. Bei der Berechnung des allgemeinen Fortgangs wird
der Fortgangsplatz in der lateinischen Sprache 4fach, in der grie-
chischen und deutschen Sprache 3fach, in der Mathematik und Ge-
schichte 2fach, in der Geographie Ifach in Anschlag gebracht. Die
Fortschritte in der Religion^lehre werden bei dem allgemeinen Fort*
gang zwar nicht in Berechnung gezogen, aber in dem Jahreskataloff
aufgeführt nnd durch Noten mit den römischen Ziffern T, U, TfT und
TV ausgedrückt. j|. 36* Jahreszeugnisse mit Noten über Fähigkeiten,
sittliches Betragen, Fleifs und Fortgang sollen allen Schülern, Cen-
suren aber nur denjenigen ausgefertigt werden, 1) welche an eine
andere Anstalt übertreten, oder 2) deren Eltern oder Verwandte die
nähere Ang:»be darüber verlangen, endlich 3) deren Fleifs nnd Betra-
gen tadelhaft gewesen ist. — Tm letzten Falle sind diese Censuren
den Eltern oder Verwandten znzuschliefsen. Die Stufenfolge der No-
ten ist:
Fähigkeiten: Sittliches Betragen: Fleifs: F^ortgang:
I. Note: sehr viele, sehr lobenswürdig, sehr grofs, sehr gut,
?. „ viele, lobenswürdig, grofs. gut,
8. „ hinlängliche, befriedigend,^ genügend, mittelmafaig,
4. „ schwache, nicht tadelfrei, wenig, gering.
Die Lehrer sind verpflichtet, bei Ertheilung dieser Noten streng
und gewiTsenhaft zu verfahren und keinem Schüler höhere Praedicate
zu ertheilen, als ihm mit vollem Recht gebühren. §• ;i7> Zugleich
werden in jeder Classe aus dem allgemeinen jährlichen Fortgang Preise
in der Art vertheilt, dafs auf je 8 Schüler ein Preis trifft. Wer nicht
wenigstens die zweite Note im sittlichen Betragen sich erworben hat,
erhält keinen Preis. Aus der Religion wird ein besonderer Preis ge-
geben. Derselbe darf aber nur demjenigen Schüler luerkannt werden,
welcher neben gründlichen Kenntnissen in diesem wichtigen Lehrw
litlerarische und antiquarische Miscelien. 215
tweige in Riickaicht «nf Frömmigkeit und religiöse Gesinnung ent-
schieden den Vorrang unter seinen Mitschülern behauptet.
Tit. V. Von der ScIinlKucht. §• ;I8* Jeder Lehrer ist zunächst
für die Zucht und Ordnung in seiner Classe Terantwortlich und ver-
pflichtet, den Fleifs 'und die Sittlichkeit seiner Schüler zu überwa-
chen. Er hat aber auch ihr Verhalten aufserhalb der Schule nicht
aufser Augen zu lafsen, und sich mit den filtern oder deren Stellver-
tretern deshalb ins geeignete Benehmen zu setzen. Zur Handhabung
der Disciplin stehen ihm die in den Schulsatzungen festgestellten Straf-
mittel zu Gebote. Bei Carcerstrafen ist jedoch die Zustimmung des
Rectors erforderlich. Die Dimission (fintfernung von der Anstalt) kann
nur durch einen wenigstens mit 3 Drittheilen der Stimmen gefafsten
Beschlufs des Lehrerrathes verhängt werden, wogegen keine Berufung
stattfindet. Die Exclnsion (Ausschliefsung von sämmtlichen Anstalten)
wird mit Ausnahme des in $.39 bestimmten Falles auf Antrag des
Lehrerrathes von der k. Kreisregierung verfugt. §• 99» Der Einmal
dimittierte kann an einer andern Anstalt, doch nicht an demselben
Orte wieder aufgenommen werden. Schuler, die zum zweitenmal di-
mittiert wurden, können nur zu einem letzten Versuche nach Verlauf
eines Jahres die Wiederaufnahme an einer andern Anstalt nachsuchen.
Kin Schüler, gegen welchen zum drittenmal die Dimi«sionsstrafe aus-
gesprochen wird, ist als excludiert zu betrachten. f> 40* Der Rector
(Subrector) hat mit allen geeigneten Mitteln dahin zu wirken, dafs
in dem Unterricht wie in der Schulzucht überall vorschriftsmäfsig
verfahren werde. Namentlich hat er über die an dem Studienorte
nicht einheimischen Schüler strenge Aufsicht zu führen und darauf zu
sehen, dafs dieselben nur in solchen Häusern wohnen oder ihre Kost
nehmen, die er dazu für geeignet erklärt hat. Derselbe ist verpflichtet,
zu Anfang eines jeden Semesters sich mit den Lehrern über die Gegen-
stände und den Gang des Unterrichts zu berathen, den Unterricht in
den einzelnen Classen von Zeit zu Zeit zu besuchen und sich über
Ordnung und Methode desselben Kenntnis zu verschafl'en. Am Scblu fs
eines jeden Monats hat er sich von jedem Classenlehrer die sämmt-
lichen, sowohl Schul- als Hausaufgaben, welche nach genommener
Einsicht wieder zurückzugeben sind, nebst einer Tabelle über die
Fortschritte der Schüler im Lateinischen, Griechischen und Deut-
schen, dann ihre Fleifses- und Sittennoten vorlegen zu lafseu. Die
Zahl der Lehrerconferenzen wird durch das Bedürfnis bestimmt; jeder
Lehrer hat das Recht, in Schulangelegenheiten den Rector zu einer
allgemeinen Versammlung der Lehrer zu veranlaf^en, in welcher jeder
seine Bemerkungen, Anfragen und Wünsche der Berathung unterwer-
fen kann. Die Protocolle darüber werden von allen Tbeilnehmern
unterzeichnet und mit dem Jahresberichte der k. Kreis regi er ung vor-
gelegt.
Tit. VI. Von den Srhulvitiitationen und den Beziehungen der An-
stalt zur k. Kreisregiernng. J. 41* Um die Einhaltung des Lehrpla-
nes, den Unterricht und die Aiicht zu gewährleisten, sollen von Zeit
SU Zeit in allen Kreisen Visitationen sämmtlicher lat. Schulen gehal-
ten werden. $• 42* Bei diesen Visitationen sind die Zustände der
Anstalten, so wie deren Bedürfnisse genau zu untersuchen, und wo
Misstände sich zeigen, ist schleunige Abhilfe entweder sogleich an Ort
nnd Stelle zu treffen oder weiter zu veranlafsen. §• 43* Die nicht
mit einem Gymnasium verbundenen lat. Schulen sollen dem Rector eines
der nächsten Gymnasien zur Oberleitung zugewiesen werden, welcher
nach Bedürfnis von den Zuständen der Schule Einsicht lu nehmen
nnd das erforderliche vorzukehren hat. §• 44* Die k. Kreisregiernng
ibt über die lat. Schule, unbeschadet deren innerer Selbständigkeit, das
216 Schul - und Personalnachrichten, statistische Mittlieilnngeo,
Oberaiifsiclitsrecht aus. Am Schlors des Jahrs hat der Rector an die-
selbe über den Gejtainintzustand und die Bedürfnisse der Schale ans-
führlichen und wohl motivierten Bericht zu erstatten.
B. Von dem Gymnasium. Tit. VII. Allgemeine Bestimninn-
gen. §• 45« Das Gymnasium hat die Bestimmung, die iu der lateini-
schen Schule begonnene Bildung in allen Zweigen so fortxu führen, dafs
die Schüler in ihrer religiossittlichen und geistigen Entwicklung ge-
hörig gekräftigt und zum Uebertritt an die UniTersitat gründlich Tor-
bereitet werden. §. 46* Es soll deshalb in ihm die christliche Bil-
dung der Schüler durch fortgesetzte Unterweisung im Christenthnm,
<lurch Uebung und Zucht tiefer und fester begründet werden. Der
Sprachunterricht ist zu einem wohlbegründeten und umfafsenden Stn-
dium der lateinischen, griechischen und deutschen Litteratnr zu stei-
gern und zugleich durch Ausdehnung auf Poetik und Rhetorik, sowie
durch Vorbereitung auf das Studium der Philosophie yermittelst der
Leetüre philosophischer Schriften von Griechen und Römern zu er^
weitern. Der Unterricht in der französischen Sprache, welcher, wo
das Bedürfnis dringend ist, ausnahmsweise und facnltativ schon an
der lat. Schule begonnen werden kann , ist in dem Gymnasium obliga-
torisch; die Geschichte ist umfafsender zu behandeln; die Mathematik
soll auf Geometrie und Trigonometrie erstreckt und mit Physik ver-
bunden werden. §• 47* Das Gymnasium besteht ans vier Classen.
Eine jede Classe hat ihren eignen Lehrer, welcher den Namen 'Gym-
nasialprofessor' führt. Mit gleicher Benennung bestehen besondere
Lehrer für die Religion und die Mathematik. §*48> Einer der ordent-
lichen Lehrer der beiden obern Classen ist zugleich Rector der An-
stalt. Zu seiner Erleichterung und nach seinem Ermefsen zur Unter-
stützung der andern Lehrer wird ihm als Assistent ein geprüfter Lehr-
amtscandidat beigegeben. Ist ein Lyceum an dem Orte, so kann der
Rector oder ein Professor desselben auch Rector der übrigen Anstal-
ten sein. Bei Ueberfüilung einer Classe findet der $. 4 analoge An-
wendung.
Tit. VIII. Von dem Unterricht im Gymnasium. * f. 49« Der Un-
terricht in der Religionslehre soll, wie an der lat. Schule, am Gymn.
nach den Grundsätzen der beiden christlichen Confessionen ertheilt,.
und kann damit die Lesung einzelner Schriften des N. T. in der Ur-
sprache verbunden werden. Ueber die Befugnisse der kirchlichen Be-
hörden in Beziehung auf den Religionsunterricht haben die eiuhchla-
genden gesetzlichen Bestimmungen Mafs zu geben. In Bezug auf För-
derung des religiösen Sinnes und Lebens finden die SS» ^ und 10 anrh
auf das Gymn. volle Anwendung. $. 50* Da bei dem Unterricht in
der altclassischen Litteratnr die möglichst vollständige Kenntnis des
formellen und technischen vorausgesetzt wird, hat das Gymn. die Auf-
gabe, tiefer in den Geist der Sprachen einzuführen und vermittelst
einer zweckmafsig angeordneten und sorgfältig geführten Lesung der
Autoren den Jüngling während dieser 4 Jahre mit dem ihm zuging«
liehen besten Theile der classischen Liiteratur vertraut zu machen.
$• dl* Die alten Autoren sollen deshalb mit Rücksicht auf das jugend-
liche Alter ge%\ählt und in einer naturgemafsen Ordnung nacheinander
erklärt werden, so dafs man von den Historikern zu den Rednern und
Philosophen, von den Epikern zu den Lyrikern und Dramatikern fort-
schreitet. $• 52> Die Schüler sind bei der Erklärung des einzelnen
nicht länger aufzuhalten, als die Lösung der Schwierigkeiten durch-
aus erfordert, und die Lehrer sollen bedenken, dafs sie nicht darauf
ausgehen dürfen, Grammatiker, Kritiker, Archaeologen zu eniehen,
sondern durch sorgfaltig gewählte Mittheilungen aus den Schätsen
ihrer Discipiin und durch grundliche Methode ein genaues, die Form
lillerarisehe und aBtiqaarische Misoellen. 217
«ad den Gebt der alten Aatoren gleichmirsiff amfafiendel Ventind-
nif derselben lu begründen and dadarch den Sinn für das gnte, wahre
and «chone au bilden and lu starken. Demnach ist die Enclarnng anf
dasjenige, was inm Verstebn unentbehrlich ist, einsnschranken, Yor-
angliche Aafmerksaaikeit aber auf die Folge and Verbindung der Ge-
danken und die Composition eines ganien Werks au richten; bei dem
Uebersetaen sind die Schaler unabläfsig anauhalten, nicht allein nach
den entsprechenden, sondern auch nach einem schonen and fliefsenden
deutschen Ausdruck au streben. Kinielne besonders lehrreiche and
anziehende Stellen der gelesenen Autoren sollen f on den Schalem dem
Gedächtnis eingeprägt werden. §• 53* Diesen Zweck zn erreichen,
soll aafser der gewöhnlichen statarischen Liecture eine cursorische in
der Art stattfinden, dafs der in der untern Classe erklarte Autor in
der nachfolgenden zusammenhangend und wo möglich im ganzen ge-
lesen werde. In der In Gvmnasialclasse konneu Caesaris commentarii
de belle Gallico, in welche die 4e Gl. der lat. Schule zunächst in
sprachlicher Rücksicht eingeführt hat, ToUständig gelesen und histo-
nsch erklärt werden. Bei der alten Geschichte sind Justinns und die
Lebensbeschreibungen des Cornelius Nepos mit den nothigen histori-
schen Erläuterungen an Tergleichen; ebenso kann in der 3n Gymna-
sialclasse eine grofsere Anzahl Ton Büchern des Livius im Zusammen-
hang erläutert und dadurch der Sinn für Geschichte und deren rich-
tige Behandlung geweckt und geschärft werden. Durch das Studium
der historischen Litteratur, als der leichtern und anziehendem, sollen
die Schüler zu der poetischen, rhetorischen und philosophischen ge-
führt und die geeigneten griechischen Autoren, ähnlich den lateini-
schen, cursorisch behandelt werden. Eine solche cursoriscbe Leetüre'
wird jedoch nur dann fruchtbringend und der Jugend an^enehm^ wer-
den, wenn der Lehrer selbst durch ein genaues Studium mit den
betreffenden Autoren Yertraat, das wichtige und belehrende hervorzu-
heben, die Jünglinge in den Geist des Alterthums und damit zugleich
in den der neuen Litteratur einzuführen versteht, f. 54« Der Ge-
brauch von Chrestomathien und Anthologien am Gymn. ist nicht unter-
sagt, doch sollen vorzugsweise ganze Werke der Schriftsteller mit
Uebergehung derjenigen Stücke gelesen werden, deren Inhalt für das
jugendliche Alter nicht geeignet ist. In einer Classe mehr als 2 lat.
und 2 eriech. Schriftsteller in statarischer Leetüre nebeneinander za
lesen, ist nicht gestattet. §• 55* Nach diesen Grundsätzen werden
aur Auswahl der Lehrer vorgeschrieben: A. für die le Classe: 1) im
Lateinischen: Caesar de hello civili, Curtius, Cicero de senectute, de
amicitia; Stücke aus den Elegien und Metamorphosen des Ovidius;
zur cursorischen Lectfire: Caesar de hello Gallico und Justinus. 2) im
Griechischen: Xenophons Anabasis, Homers Odyssee. B. für die 2e
Classe: 1) im Lateinischen: Livius, Sallustius, die Fasti des Ovidius,
ausgewählte Stacke ans den Elegikern, Virgils Aeneis; zur cnrsori-
achen Leetüre : Curtius. 2) im Griechischen : die Kyropaedie und Hel-
lenica des Xenophon, Plutarchs Biographien, Arrianus (Attica von
Jacobs), Homers Ilias ; zur cursorischen Lectfire : die Ilias oder Odys-
see. C. für die 3e Classe: 1) im Lateinischen: Ciceros Reden, Aus-
wahl aus dessen Briefen, das zehnte Buch des Quintilian, Virgils Bu-
colica, die in dem Central- Schulbücher- Verlag erschienenen Carmina
aelecta des Horatius und die Epistola ad Pisones;^ zur carsorischen
Leetüre: Livius, Sallastius, die Aeneis. 2) im Griechischen: Reden
dea Isokrates, Lykurg und Lysias, Herodot, Xenophons philosophi-
sche Schriften, Euripides; cursorisch: die Ilias. D. für die 4e Classe:
1) im Lateinischen: Ciceros Reden, dessen rhetorische nnd philoso-
phische Schriften, Senecas kleinere philosophische Schriften nhd Briefe,
if. Jakri, f, PUL u. Pmd. Bd. LXX. Bfl. 2. 15
208 Abwehr.
Abwehr.
Dars die neuliche Besprechung meiner 'Hadeiilcappe' in diesen Jahrbü-
chern Bd. LXIX S. 675 ff. durch Hrn. Prof. Schwende nur der Ausdruck
einer entgegenstehenden Ansicht ist, über welche wir beide die Entschei-
dung andern Richtern uberlafsen mufsen, liegt am Tage, und wenji ich
allen Lesern jener auch meine Schrift als bekannt voraussetzen durfte,
würde ich kein Wort weiter hinzufügen; insofern jedoch der Ton
jener Anzeige manchen Terleiten konnte, sich daraus allein auch über
meine Schrift ein Urtheil zu bilden, bin ich es mir schuldig wenig-
stens an einem Beispiele zu zeigen, wie wenig sie dazu angethan ist.
Ein Haupttrnmpf, den Hr. Schwenck gegen mich ausspielt, ist S. 677,
dafs, indem ich Perseus für einen Sonnengott, seinen Helm für daa
Symbol der Finsternis halte, ich 'einer Gottheit ihr Gegentbeil sinn-
bildlich auf das Haupt gesetzt habe'; und wenn ich diesen Helm für
Perseus eigenes Symbol erklärt hatte, so würde ich den Spott, den
er daran knüpft, Yollig Terdient haben; nun aber sage ich kuri Tor
der von ihm aus dem Zusammenhang gerifsenen Schlufsstelle wortlich
folgendes: ^Perseus der Sonnenheld mit dem Helme der Finsternis als
personlichem Attribut, wäre ein innerer Widerspruch; ist ihm aber
derselbe nur geborgt, so ist er eine neue Variante zu dem alten
Liede: durch Nacht zum Licht*; und wenn also mein Beurtheiler ge-
rade diesen Grundgedanken meiner ganzen Abhandlung, dafs die orien-
talische Kopfbedeckung des Perseus, als zu seiner übrigen Person
nicht passend, nur als geborgt, nicht als sein, sondern als des
Hades Helm zu betrachten sei, so gröblich verkannt bat, so wird ea
mir« erlaubt sein auch sein weiteres Referat als unzulänglich zu .per-
horrescieren.
Gottingen. K, Fr, Hermann,
Hr. Professor Hermann verkennt im Eifer das,* was ich gegen ihn
gesagt habe, sehr gröblich. An seiner Variante des 'durch Nacht zum
Licht' kann so lange ganz und gar nichts liegen, als er nicht nach-
weist, dafs es eine Symbolik gibt, welche diesen oder einen ähnlichen
Gedanken in der von ihm bei Perseus angewandten Weise darstellt.
Eigen besitzen oder borgen macht in Hinsicht auf die Darstellung de«
Gedankens nichts aus, und es liegt Hrn. Hermann ob, eine solche
wunderbare Symbolik zu beweisen, welche durch die Phrase 'durch
Nacht zum Licht' nicht bewiesen ist. Dafs diese Stelle ein Haupt-
trumpf sei, bemerkt er irthümlich, denn ich habe eeflifsentlich keinen
Trumpf gegen ihn ausgespielt aus Gründen, die ich hier um so mehr
übergehe, als er sagt, dafs er mein 'Referat als unzulänglich perhor-
resciere'. Statt Hrn. Hermanns archaeologische und mythologische
Kundgebungen meinerseits als unzulänglich zu perhorrescieren und von
ihm zu verlangen, er möge Beweise für die Hauptsachen seiner Ha-
deskappe liefern, statt in einem minder wichtigen Punkte mich fälsch-
lich eines Mis^verstehens seiner Meinung oder wohl noch eines ärgeren
zu zeihen, wünsche ich ihm für die Hadeskappe als Nachtkappe und
für den Gorgoschrecken der Morgenkühle u. a. m. den Beifall vieler
Menschen, denn warum sollte ich ihm nicht gutes für eine Schrift
wünschen, welche mir eine kurze Erheiterung gewährte V Spotten "
wollte ich seiner so wenig, dafs ich betheure, mir bei Abfafsung der
ReceuMon allen Zwang in dieser Hinsicht angethan zu haben.
Frankfurt a. M. Konrad Schwenck,
Schul- und Personalnachrichtcn u. s. w. 209
Schul- und Personalnachrichten , statistische Miltheilungen,
lilterarische und antiquarische Miscellen.
Amberg. Auf die durch Beförderung des Studienlehrers Georg
Krk (s. unter Straubing) erledigte Lehrstelle an der dortigen Latein-
schule wurde der Studienlehrer zu Bamberg Valentin Meyring
'Versetzt.
Bamberg. Auf die an der dortigen Lateinschule erledigte unterste
Lehrstelle (s. unter Amberg) wurde der geprüfte LehramUcandldat
Ignaz Schrepfer befordert.
KÖNIGREICH Bayern. An die Stelle der Schulordnung Tom 13.
März 1830 ist durch Verordnung des kon. Staatsministeriums de«
Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten vom 24. Februar d. J.
folgende 'revidierte Ordnung der lateinischen Schulen und der Gym-
nasien im Königreich Bayern' getreten:
Tit.^ L Arten der Lehranstalten. §. !• Für die höhere allge-
meine Bildung der Jagend, zu welcher der Grund einerseits durch die
tiefere Erkenntnis und Bewahrung des Christenthums, so wie andrer-
seits hauptsächlich durch das Studium der Sprachen und der Litte-
ratur des^ classischen Alterthums gelegt wird , sollen lateinische Schu-
len und über denselben Gymnasien bestehen.
A. Von der lateinischen Schale. Tit. II. Allgemeine Bestim-
mungen. €• 2. Die lateinische Schule hat den Zweck, die im §, 1 be-
zeichnete Bildung auf ihrer ersten Stufe zu begründen und die Schuler
für die am Gymnasium zu erlangende höhere Bildung vorzubereiten«
Nach diesem Zwecke richtet sich Stoff, Umfang und Art des Unter-
richts. An diesem Unterricht können auch solche Knaben Theil neh-
men, welche das Gymnasium zu besuchen nicht beabsichtigen. §• 3*
Die tat. Schule besteht aus vier Classen und ist mit jedem Gymna-
sium verbunden, kann aber auch nach Mafsgabe des Bedürfnisses für
sich bestehen. §• 4* Jede der vier Classen hat ihren eignen Lehrer,
welcher den Namen 'Studienlehrer' führt. Haben sich für eine CIuksc
mehr als 50 Schüler gemeldet, so wird nach Mafsgabe des Bedürf-
nisses dem Lehrer entweder ein Aushilfslehrer beigegeben, .oder die
Trennung der Classe in Paralleicurse eingeleitet. {• B* Vorstand der
mit einem Gymnasium verbundenen lat. Schale ist der Rector des
Gjrmnasiums, welchem an zahlreich besuchten Anstalten zur Unter-
statzung in seinem Wirkungskreise aus dem Lehrergremium ein Con-
rector beigegeben wird. An der für sich bestehenden vollständigen
lat. Schule ist ein Lehrer der beiden obern Classen zugleich Vorstand
der Anstalt (Subrector). ^ 6. Die bereits eingerichteten vollständi-
gen und unvollständigen isolierten lat. Schulen dürfen vorerst furt-
DMtehen.
Tit. IIT. Von dem Unterricht in der lateinischen Schule. ^. 7.
Die Lehrgegenstände der lat. Schule sind: Religionslehre, lateinische
Sprache, griechische Sprache, deutsche Sprache, Arithmetik, Ge-
•chichte, Geographie. Daneben wird technischer Unterricht in der
Kalligraphie, im Gesang und in der Musik, so wie im Zeichnen, dann
^rmnastischer Unterricht im Turnen und Schwimmen ertheilt. f. 8«
Der Religionsunterricht für die katholischen und die protestanti-
schen Schüler soll von einem katholischen und protestantischen Geist-
lichen, als besonderem l^hrer, ertheilt werden. Uehcr die Befugnisse
der kirchlichen Behörden in Beziehung auf den Religionsunterricht
haben die einschlagenden gesetzlichen üe^itimniungen Mafs zu geben.
f« 9« Jeder Schul tag beginnt mit einer Andachti<übung, welche für
210 Schul- und Personalnachrichten, statistische Mittheilungen,
die katholischen Zöglinge im Besuche der heiligen Messe , und für die
protestantischen im Morgengebet mit (besang besteht. §. 10« Ferner
sind die Schüler beider Conf&isionen gehalten, an allen Sonn- und
Feiertagen dem Gottesdienst in ihren Kirchen unter der Aufhiebt der
Lehrer ihrer Confession beizuwohnen. In allen Beziehungen aber
hat die Anstalt dahin zu trachten, dafs das Christenthum in den Ge-
ranthern der Schüler fest begründet und lebendig erhalten werde. {•
II. Der Unterricht in der lateinischen Sprache behandelt in der
ersten Classe vollständig das allgemeine der gesammten Formenlehre,
wobei einige leichtere Regeln der Syntax auf praktischem Wege
miizutheilen sind. Besondere Aufmerksamkeit ist der Wortbildang
durch Erlernung der Wortstämme in ihren Ableitungen zu widmen,
mechanisches Memorieren von zusammenhanglosen Wörtern und Re-
densarten und sogenannten Sentenzen aber, wodurch nur das Gedächt-
nis beschwert, und der Jugend, anstatt ihren Verstand zu scharfen
und zu bilden, Kkel am Lernen beigebracht wird, nicht zu dulden.
Ein zweckmäfsiges Elementarbuch zum Uebersetzen aus dem Lateini-
schen in das Dentsche und umgekehrt aus dem D. in das Lat. dient
zur mündlichen und schriftlichen Einübung des Lehrstoffes, ff. ]2. In
der zweiten Classe beginnt nach genauer Wiederholung der Etymolo-
gie und Ergänzung der Formenlehre in ihren Anomalien der Untere
rieht in der Syntax bis zum Schlufs der Casuslehre. Mit anderen
leichteren Lehren der Syntax kann der Schüler auf praktischem Wrge
durch die Lertüre bekannt gemacht werden. Mit der Denk- und Ge-
dächtnisübung der begonnenen Erlernung von Wörterfamilien zur Be-
reicherung der Wortkenntnis, sowie mit beiden Arten von Ueber-
setzungen nach einem Elementarbuche ist fortzufahren. §. ]J. In der
dritten Clas^se umfafüt der Unterricht alle Theile der Syntax inner-
halb des regelmäfsipen Sprachgebrauchs; die memorierten Wörterfa-
niilien werden zwpckmäfsig erweitert, mündliche und schriftliche IJe-
bersetzungsnbungen haben die erlernten Regeln zu sicherer und zu
geläutiger Anwendung zu bringen. Als lateinisches Le^ebDch dienen
die Lebensbe^clireibungen des Cornelius Nepos; später, wenn die
Schüler die erfoi de fliehe Uebung haben, können die Fabeln des Phae-
drns erklärt werden, f^. 14. In der vierten Clnsse wird die Syntax
unter fontgesetzten praktischen Uebun^en wiederholt und die Erklä-
rung von Caesaris Commentarii de hello (rallico oder eine Chrestoma-
thie aus gröfsern Stücken römiMcher Historiker vorgenommen. Zugleich
beginnt in dieser Classe der Unterricht in der Prosodie und in den
daktylischen Yersmafsen mit den nötliigen Uebungen in Wiederherstel-
lung'aufgelöster Distichen. §. 1.1. Bei diesem Unterricht soll in der
]n und 2n Classe die Kenntnis der lat. Etymologie zur möglichsten
Geläufigkeit gebracht, in der 3n und 4n aber vorzüglich darauf gese-
hen werden, dem Schüler bei Uebersetzung aus dem Lateinischen in
das Deutsche Gewandtheit des Ausdrucks, dann bei jener aus dem
Deutschen in das Lateinische Sicherheit in Anwendung der gramma-
tischen Regeln zu verschaffen. Schriftliche Uebersetzung soll nur bei
einzelnen schwierigen und besonders merkwürdigen, von dem Lehrer im
voraus zu bezeichnenden Stellen gefordert werden ; es genüge, dafa die
Schüler zur Vorbereitung das zu erklärende Pensum aufmerksam durch-
gegangen und die ihnen unbekannten Vocabeln aufgesucht, verzeichnet
und memoriert haben. §• IH. Bei allem lateinischen Unterricht ist auf
genaue und richtige Anwendung der Muttersprache die sorgfältigite
Rücksicht zu nehmen, und besonders bei Uebersetzungen aus dem La-
teinischen dahin zu wirken, dals nicht nur der geeignete Ausdruck in
der Muttersprache nachgewiesen und das abweichende gezeigt, sondern
auch der Inhalt des übersetzten von den Schülern in freier Darstelinng
litterarische und antiquarische Miscellen. 211
▼orgetragen nnd erläulert werde. §• 17. Schriftliche Uebnngen im
Lateinischen sollen während der Schalstunden inr richtigen Anwendung
des erlernten öftertf nnd in der Art gehalten werden, dafs der Lehrer
das Ton den Schülern bearbeitete unmittelbar nach der Ausarbeitung
verlesen, das felilerhafte sogleich nachweisen und das richtige eintra-
?;en läfst. Tn den untern zwei Classen werden in jedem Monat yier,
n den obem zwei Clansen in jedem Monat zwei Schulaufgaben aus
dem Deutschen ins Lateinische, darunter manchmal auch umgekehrt
eine solche Aufgabe aus dem Lat. in das D. bearbeitet. Diese Scriptio-
nen, welche yon dem Lehrer genau zu corrigieren, dann den Schulern
inr Eiujiicht mitzutheilen lyid mit ihnen genau durchzugehen sind, bilden
die Grundlage zur Berechnung des Fortgangs. Die Zahl dejr Hausaufgaben
wird für sämmtliche Sprachgegenständeaulf wöchentlich zwei festgesetzt,
welche von dem fjehrer so einzurichten sind, dafs sie den Schülern
zur Krweiterung ihrer Kenntnisse bezüglich des in der Schule behandel-
ten Lehrstoffes dienen, zugleich aber auch hinsichtlich der auf die Bear-
beitung zu Terwendenden Zeit die der Jugend nöthige körperliche Kr-
holunff berücksichtigen. §. 18* Der Unterricht in der griechischen
Sprache beginnt in der Hn Classe. Es wird in dieser die Formenlehre
bis auf die Verha in fii gelehrt und eine Anzahl von Vocabeln und
ganzen Wörterfamilien memoriert, zugleich werden schriftliche und
mündliche Uebersetzangen aus dem Deutschen in das Griechische and
umgekehrt nach einem zwerkmäfsigen Elementarbnche vorgenommen.
Der Unterricht in der 4n Classe umfafst die Verba in (ii nnd die
Anomala, und hat den etymologischen Theil der Grammatik zu voll-
enden. Leichte Regeln der Syntax sind auf praktischem Wege mitzu-
theilen. Das Auswendiglernen von Vocabeln und kurzen Sätzen, so
wie beide Arten von Uebungcn nach einem zweckmäfsigen Elementar-
buche werden fortgesetzt. €• 19« Die Uebersetzungen im Griechischen
sollen wie die im Lateiniscnen ($. 17) behandelt werden, damit Ge-
nauigkeit in Anwendung der Formenlehre und Kenntnis der allgemein«
sten syntaktischen Regeln erlangt werde. Alle 14 Tage ist ein kur-
zes Exercitium aas der deutschen in die griechische Sprache in der
Schale auszuarbeiten, wobei jedoch dem Lehrer uberlafsen bleibt,
manchmal auch umgekehrt eine Aufgabe aus dem Griechischen in das
Deutsche bearbeiten zu lafsen. Diese Scriptionen, welche als Grund-
lage zur Location dienen, hat der Lehrer genau zu corrigieren, dann
den Schülern zur Einsicht mitzutheilen und mit ihnen genau durch-
zugehen. $. 20. In der deutschen Sprache wird in den beiden un-
tern Classen unter Rücksichtnahme auf die Kenntnisse, welche die
Schuler eich schon früher erworben haben , ein fortschreitender gram-
maticalischer Unterricht ertheilt. Neben diesem theoretischen Unter-
richt in den zwei untern Classen, so wie in den beiden obern Classen
läuft ein praktischer Unterricht, welcher befafst: in der In Classe:
Bildung einfacher, dann zusammengesetzter Sätze, zuerst nackter,
hierauf erweiterter; Uebnngen in Veränderung der Satzformen (be-
hauptend, emphatisch, befehlend, fragend), ZusammeuKetzung kleiner
Beschreibungen und Erzählungen, auch Briefe aus gegebenen Sätzen.
Dictandoübungen , Verbefserung fehlerhaft angegebener SäUe. In der
2n Cl.: Fortsetzung dieser Uebnngen, dann Versuche freier Nach-
bildung vorgelesener kleiner Erzählungen, Beschreibungen und Britfe
(ohne angegebene Sätze), Verbefserung fehlerhafter kleiner Aufsätze.
In der Hn Cl. : Fortsetzung dieser Uebungen, dann auch Versuche in
Auszügen aus gegebenen Stücken, und zwar in einfachen Sätzen, mit
Angabe des Hauptgedankens, Entwürfe (Skizzen) zu kleinen Aufsätzen
(Briefen u. dgl.). In der 4n Cl.: Fortsetzung dieser Uebungen, Ge-
dankenangabe zu gröfseren Beschreibungen, Erzählungen, Briefen,
212 Schul- und Personalnachrichten, statistische Mittheilungen,
aiiHfuhr liebere Skizzen; metritfche Versnobe in den daktyliflchen , iam-
bischen und trochaeischen Versmafsen. Hiemit ist durch alle Classen
KU verbinden das Auswendiglernen und freier Vortrag passender deut*
scher Lesestncke in einer angeiuefsenen Stufenfolge von Gelierte Fa-
beln and Erzählungen bis xa Scliillers Balladen einsscbliefslich. §• 21.
Der Unterricht in der Arithmetik nmfafst: in der In Classe: di«
Wiederholung und weitere Durchbildung der vier Species in benannten
und unbenannten Zahlen und die gemeinen Brüche in Verbindung mit
Kopfrechnen. In der 2n Cl. : Wiederholung der Lehre von den ge-
meinen Brüchen, Behandlung der Decimalbrüche, Anfang der Propor-
tionslehre mit unbenannten Zahlen und Versetzung der Glieder, Regel
de tri mit benannten Zahlen. In der 3n Cl.: Proportionslehre mit be-
nannten Zahlen, einschlüfsig der Gesellschafts -Allegations- Rechnung
(angewandte Arithmetik). In der 4n Cl. : theoretische Begründung des
früher erlernten, Behandlung der Näherungsbruche und Ausziehung
der Quadrat- und Kubikwurzeln aus Zahlen ohne wifsenschuftliche Be-
gründung. §• 22* Der Unterricht in der Geschichte beginnt in der
3n Clause und hat sich in dieser auf eine übersichtliche, chronolo-
gisch geordnete Darstellung der wichtigsten, an hervorragende Per-
sönlichkeiten geknüpften Thatsachen und Ereignisse der griechischen
und römischen Geschichte, letzterer mit Einsctilufs der Zeit der Völ-
kerwanderung bis zu Chlodwig dem Frankenkönige zu erstrecken, und
in der 4n Cl. von Chlodwig dem Frankenköiyge an die deutsche Ge-
schichte in gedrängten Zögen mit besonderer Berücksichtigung der za
dem bayerischen Staate jetzt erwachsenen Gebiete und des bayeri-
jichen Herscherhuuses abzuhandeln. §• 2^> Der geographische Un-
terricht behandelt in der In CIas>e eine übersichtliche Darlegung di-r
fünf Erdtheile, in der *2n Cl. Europa im allgemeinen und Deutschland
im besondern unter vorzüglicher Berücksichtigung der Höhenzüge und
Flufsgehiete, um ein möglichst anschauliches Bild de^ Bodens zu ge-
ben, wobei Bayern v\ieder besonders ins Auge zu fafsen ist, in der
3n Cl. die aul'sereuropäischen Erdtheile, so weit deren Kenntnis zur
allgemeinen nildiiiig gehört, in der 4n Cl. eine nilgemeine Uebersicht
und tiefere Begründung des in den vorhergehenden Classen behandel-
ten IjehrstotlVs mit gröfserer Berücksichtigung der politischen und
statistischen Verhältnisse. Uebrigens ist bei allem geographischen Un-
terricht, wo nur immer tliunlich, auf \-\ichtige historische Ereignisse
hinzuweisen und dadurch Geographie mit Gei>chichte in Verbindung
zu bringen. §• 2i* In den zwei untern Classen der lat. Schule wird
Unterricht im Schönschreiben ertheilt, welcher von allen Schülern zn
besuchen und bei welchem vorzugsweise auf Reinheit und Deutlichkeit
zu sehen ist. Uebrigens haben die Lehrer sämmtlicher Classen auf
eine reinliche und deutliche Schrift in allen Heften streng zu halten,
und bleibt dem Ermefsen des Rectors überlafsen, solche Schüler der
obern Classen, welche darin nachläfsig oder einer Nachhilfe noch be-
dürftig sind, dem Schreiblehrer zum Unterricht und zur Uebung in
au fserordent liehen Stunden zuzuweisen. Unterricht im Gesang und in
der Musik, im Zeichnen, Turnen und Schwimmen wird nach Mafsgabe
des Begehrens, der Mittel und der Gelegenheit ertheilt. §. 25* Die
Wahl der erforderlichen Bücher ist dem Lehrerrathe aus der Zahl der
von dem k. Stantsministerium des Innern für Kirchen- und Schnl-An-
gelegenheiten gebilligten Lehrbücher gestattet. Die einmal eingeführten
Lehrbücher dürfen unter fünf Jahren nicht gewechselt werden. Die^
für den Religionsunterricht bestimmten Lehrbücher sollen von den
kirchlichen Oberbehörden approbiert snin. §• 26* Den in den vorher-
gehenden SS" bezeichneten IJiiterrichtsgegenständen sollen in jeder der
vier Classen 22 Stunden wöchentlich gewidmet werden. Zwei Nach-
litterarisohe and antiqaarische Miscellen. 213
mittage in der Woche sind Tom Scbnlunterricht frei. f. 27« Die
Stunden yertheilen sich in folgender Art: le und 2e Ciasse: Religion
2y Latein 10, Deutsch 3, Arithmetik B, Geographie 2, Kalligraphie 2
Stunden. 3e Classe: Religion 2, Latein 8, Gffiechisch 5, Deutsch 2,
Arithmetilc 2, Geschichte 2 Stunden, Geographie 1 Stunde. 4e Classe:
Religion 2, Latein 8, Griechisch 5, Deutsch 2, Arithmetik 2, Geschichte
2 Stunden, Geographie 1 Stunde.
Tit. IV. Von der Eintheilung des Schuljahres, der Aufnahme und
dem Fortgang der Schuler. §. 28* Das Schuljahr beginnt für die
lat. Schule mit dem 1. October und endet das erste Semester am
Dienstag vor dem Ostersonntag. Das zweite Semester beginnt an
Donnerstag in der Oäterwoche und schliefst am 8. August. Aufser
den dadurch bezeichneten Ferien zwischen beiden Semestern soll die
Schule nur an Sonn- und Feiertagen geschlofsen sein. §. 29* Die
Aufnahme in die le Classe der lat. Schule ist durch eine Prüfung
bedingt, in welcher der Schüler nachzuweisen hat, dafs er einen sei-
nem Alter entsprechenden Religionsunterricht genofsen und den in den
obern Abtheilungen der deutschen Schule behandelten Lehrstoff sich
angeeignet habe, dann .dafs er in den einfachen Rechnungsarten und
in den lateinischen Declinationen geübt sei. §• SO* Das Alter zum
Eintritt in die le Classe der lat. Schule wird auf das vollendete lue
bis incl. ]3e Lebensjahr festgesetzt. Dispensationen über dieses Alter
hinaus kann nur die k. Kreisregierung ertheilen. Der Eintritt von
Knaben, welche das lOe Leben^tjahr noch nicht vollendet haben, int
nur bei besonders früher körperlicher und geistiger Entwicklung zu-
läfsig, und erfordert eine Altersdispense, welche unter der eben an-
gedeuteten Voraussetzung der Rector zu ertheilen befugt ist. §• ^1«
Die Aufnahme in eine höhere Classe hangt davon ab, dafs der Schüler
den Anforderungen der vorausgehenden Classe vollständig genügt hat.
Bei den aus dem Privatunterricht eintretenden Schülern entscheidet
eine von dem Lehrerrath zu haltende Prüfung, bei den Schülern der
Anstalt selbst das von dem Lehrerrath gefällte Urtheil über ihre
Reife. Das Aufsteigen nicht hinreichend befähigter Schüler ist mit
rucksichtloser Strenge zu verhindern. Schüler, deren Befähigung oder
Nichtbefähigung zum Aufsteigen am Schlufse des Jahres noch zweifel-
haft geblieben ist, sind am Anfange des nächsten Schuljahres einer
Prüfung zu unterwerfen, und wenn sie diese nicht nach dem Urtheil
des Lchrerrathes befriedigend bestehen, in die nächst untere Classe
zurückzuweisen. Das Ueberspringen einer Classe der lat. Schule ist
nur ausnahmsweise bei vorgerücktem Alter und besi nders ausgezeich-
neter Befähigung zu gestatten. Die Entscheidung darüber steht der
k. Kreisregierung nach eingeholtem Gutachten des Rectorates zu. Wer
nach zweijährigem Besuche einer Classe zum Uebertritt in die nächst
höhere sich nicht befähigt, ist von der Anstalt zu entfernen; ebenso
auch derjenige , der die nächst untere Classe repetiert hat und nun
die nächst höhere wieder repetieren müste. $. ^2* Zur Bestimmung
der Fortgangsplätze dienen als hauptsächlichste Grundlage die schrift-
lichen Schularbeiten. Im Lateinischen und Griechischen kommen dazu
die in den ^$ 17 und 19 bezeichneten Scriptionen in Anwendung.
Ans dem Deutschen findet in jedem Monat einmal, und aus jedem der
nbrigen Fächer in jedem Semester zweimal eine besondere Schulscrip-
tion statt. Aufser diesen schriftlichen Schularbeiten sind am Schlufs
des Jahrs auch die Noten aus den mündlichen Leistungen in den ein-
seinen Lehrgegenständen so weit in Rechnung zu bringen, dafs sie,
wenn in den schriftlichen Arbeiten bei zwei oder mehreren Schülern
•ine Gleichheit oder nur ein sehr geringer Unterschied besteht, den
Anaschlag geben. §. 33. Für die 3 untern Classen der lat. Schule
214 Schul- und Porsonalnachrichtcn , statistische Mittheilungen,
findet am SchluTs des Jahrs in Gegenwart des Rectors und def Leh-
rers der nächst höhern Classe eine öirentliche Prufnng statt, %n wel-
cher das Publicum einzuladen ist. €. cl4* Für die Schuler der 4n
Classe der lat. Schule, welche in das Gymnasium Eintreten wollen,
hat am Anfang des Schuljahrs vor dem Lehrercollegium des Gymna-
siums unter Beiziehung deii Liehrers der 4n Cl. der lat. Schale, der
jedoch bei der Abstimmung nar eine berathende Stimme hat, eine
Prüfung stattzufinden, welche schriftlich und mündlich sein und alle
Lehrgegenstände der lat. Schule umfafsen soll. Wer nicht in den
alten Sprachen das für die lat. Schule bestimmte Mafs Ton Kennt-
nissen vollständig besitzt, aufserdem nicht zugleich in allen übrigen
Lehrfächern befriedigt, und ein entsprechendes religiossittliches Ver-
halten nachweist, soll die Erlaubnis zum Uebertritt in das Gymna-
flium nicht erhalten. Sänimtliche Mitglieder der Commission sind für
die strenge und unparteiische Vollziehung dieser Bestimmungen fer-
antwortlich. — Für diejenigen Schüler der vierten Classe, welche
nicht in das Gymnasium eintreten, sondern einem andern Berufe sich
widmen, und ein Schliifszengnis über Vollendung der lat. Schule erhalten
wollen, wird am Knde des Schuljahrs eine besondere schriftliche und
mündliche Prüfung gehalten, an welcher sich der Vorstand und sämmt-
liche Classlehrer der lateinischen Schule za betheiligen und über das
Ergebnis ders^elben Beschlufs zu fafseu haben. Die Motive der Be*
schlufsfafsung über diese, so wie über die Prüfung zur Aufnahme in
das Gymnasium sind in einem ausführlichen Protocoll niederzulegen«
jf. 33* Am Schlufs des Jahrs wird durch einen gedruckten Katalog,
der die Namen der Schüler nebst Angabe ihres Alters und Geburts-
ortes, dann des Standes und Wohnortes ihrer filtern enthält, der
Fortgang der Schüler im allgemoiueu und in den einzelnen Fächern
bekannt gemacht. Bei der Berechnung des allgemeinen Fortgangs wird
der Fortgnngsplatz in der lateinischen Sprache 4fach, in der grie-
chischen und deutschen Sprache äfach, in der Mathematik und Ge-
schichte 2fach, in der Geographie Ifach in Anschlag gebracht. Die
Fortschritte in der Religiouälehre werden bei dem allgemeinen Fort*
gang zwar nicht in Berechnung gezogen, aber in dem Jahreskataloff
aufgeführt und durch Noten mit den romischen Ziffern T, IT, TIT und
TV ausgedrückt. j|. ;j6* Jahreszeugnisse mit Noten üher Fähigkeiten,
sittliches Betragen, Fleifs und Fortgang sollen allen Schülern, Cen-
suren aber nur denjenigen ausgefertigt werden, 1) welche an eine
andere Anstalt übertreten, oder 2) deren Eltern oder Verwandte die
nähere Ang->be darüber verlangen, endlich 3) deren Fleifs und Betra-
gen tadelhaft gewesen ist. — Im letzten Falle sind diese Censuren
den Eltern oder Verwandten zuzuschliefsen. Die Stufenfolge der No-
ten ist:
Fähigkeiten: Sittliches Betragen: Fleifs: Fortgang:
]. Note: sehr viele, sehr lobenswürdig, sehr grofs, sehr gut,
?. „ viele, lobenswürdig, grofs, gut,
3. „ hinlängliche, befriedigend, genügend, mittelmafsig,
4. „ schwache, nicht tadelfrei, wenig, gering.
Die Lehrer sind verpflichtet, bei Ertheilung dieser Noten streng
und gewifsenhaft zu verfahren und keinem Schüler höhere Praedicato
zu «rtheilen, als ihm mit vollem Recht gebühren. <|. «i7> Zugleich
werden in jeder Classe aus dem allgemeinen jährlichen Fortgang Preise
in der Art vertheilt, dafs auf je 8 Schüler ein Preis trifft. Wer nicht
wenigstens die zweite Note im sittlichen Betragen sich erworben hat,
erhält keinen Preis. Aus der Religion wird ein besonderer Preis ge-
geben. Derselbe darf aber nur demjenigen Schüler zuerkannt werden,
welcher neben gründlichen Kenntnissen in diesem wichtigen Lehrw
litlerarische und antiquarische Miscelien. 215
tweige in Rücksicht anf Frömmigkeit und religiöse Gesinnung ent'
schieden den Vorrang unter seinen Mitschäiem behauptet.
Tit. V. Von der Schnlzucht. $. 38« Jeder Lehrer ist lonachst
far die Zucht und Ordnung in seiner Classe verantwortlich und Ter-
pflichtet, den Fieifs 'und die Sittlichkeit seiner Schüler zu aberwa-
chen. Er hat aber auch ihr Verhalten aufserhalb der Schule nicht
anfser Augen zu lafsen, und sich mit den Eltern oder deren Stellver-
tretern deshalb ins geeignete Benehmen zu setzen. Zur Handhabung
der Disciplin stehen ihm die in den Schulsatzungen festgestellten Straf-
mittel zu Gebote. Bei Carcerstrafen ist jedoch die Zustimmung des
Rectors erforderlich. Die Dimission (Entfernung Ton der Anstalt) kann
nnr durch einen wenigstens mit 3 Drittheilen der Stimmen gefafsten
Beschlufs des Lehrerrathes verhängt werden, wogegen keine Berufung
stattfindet. Die Exclusion (Ausschliefsung Ton sämmtlichen Anstalten)
wird mit Ausnahme des in $. 39 bestimmten Falles auf Antrag des
Lehrerrathes Ton der k. Kreisregierung Terfugt. $• 39* Der Einmal
dimittierte kann an einer andern Anstalt, doch nicht an demselben
Orte wieder aufgenommen werden. Schüler, die znm zweitenmal di-
mittiert wurden, können nur zu einem letzten Versuche nach Verlauf
eines Jahres die Wiederaufnahme an einer andern Anstalt nachsuchen.
Ein Schüler, gegen welchen zum drittenmal die Dimi^^sionsstrafe aus-
gesprochen wird, ist als excludiert zu betrachten. §• 40* Der Rector
(Subrector) hat mit allen geeigneten Mitteln dahin zu wirken, dafs
in dem Unterricht wie in der Schulzucht überall Torschriftsmafsig
Terfahren werde. Namentlich hat er über die an dem Studienorte
nicht einheimischen Schuler strenge Aufsicht zu führen und darauf zu
sehen, dafs dieselben nur in solchen Häusern wohnen oder ihre Kost
nehmen, die er dazu für geeignet erklärt hat. Derselbe ist Terpflichtet,
zu Anfang eines jeden Semesters sich mit den Lehrern über die Gegen-
stände und den Gang des Unterrichts zu berathen, den Unterricht in
den einzelnen Classen Ton Zeit zu Zeit zu besuchen und sich über
Ordnung und Methode desselben Kenntnis zu TerschaiTen. Am Schlufs
eines jeden Monats hat er sich von jedem Ciassenlehrer die säiumt-
lichen, sowohl Schul- als Hausaufgaben, welche nach genommener
Einsicht wieder zurückzugeben sind, nebst einer Tabelle über die
Fortschritte der Schüler im Lateinischen, Griechischen und Deut-
schen, dann ihre Fleifses- und Sittennoten vorlegen zu lafsen. Die
Zahl der Lehrerconferenzen wird durch das Bedürfnis bestimmt; jeder
Lehrer hat das Recht, in Schulangelegenheiten den Rector zu einer
allgemeinen Versammlung der Lehrer zu veranlafsen, in welcher jeder
seine Bemerkungen, Anfragen und Wunsche der Berathung unterwer-
fen kann. Die Protocolle darüber werden von allen Theilnehmern
unterzeichnet und mit dem Jahresberichte der k. Kreisregierung vor-
gelegt.
Tit. VI. Von den Schulvifiitationen und den Beziehungen der An-
stalt zur k. Kreisregiernng. €- 41* Um die Einhaltung des Lehrpla-
nes, den Unterricht und die %ncht zu gewährleisten, sollen von Zeit
zu Zeit in allen Kreisen Visitationen sämmtlicher lat. Schulen gehal-
ten werden. $• 42* Bei diesen Visitationen sind die Zustände der
Anstalten, so wie deren Bedürfnisse genaa zu untersuchen, und wo
Misstände sich zeigen, ist schlennige Abhilfe entweder sogleich an Ort
und Stelle zu treffen oder weiter zu veranlafsen. §. 43* Die nicht
mit einem Gymnasium verbundenen lat. Schulen sollen dem Rector eines
der nächsten Gymnasien zur Oberleitung zugewiesen werden, welcher
nach Bedürfnis Ton den Zuständen der Schule Einsicht lu nehmen
vnd das erforderliche Tonukehren hat. §• 44- Die k. Kreisregiernng
iibt über die lat. Schule, unbeschadet deren innerer Selbständigkeit , das
216 Scbnl - und Personalnachrichlen, stalislische Mitllieilangen,
Oberaiifsiclits recht ans. Am Scblaffl des Jahrs hat der Rector an die-
selbe über den Gesainmizustand und die Bedürfnisse der Schale aat-
führiichen und wohl motivierten Bericht zu erstatten.
B. Von dem Gymnasium. Tit. VII. Allgemeine BestimmuQ-
gen. §• 45- Das Gymnasium hat die Bestimmung, die in der lateioi-
sehen Schule begonnene Bildung in allen Zweigen so fortzuführen, dafa
die Schuler in ihrer religiossittlichen und geistigen Entwicklung ge-
hörig gekräftigt und zum Uebertritt an die Universität gründlich for-
hereitet werden. §• 46* Es soll deshalb in ihm die christliche Bil-
dung der Schüler durch fortgesetzte Unterweisung im Christentham,
<lurch Uebung und Zucht tiefer und fester begründet werden. Der
Sprachunterricht ist zu einem wohlbegründeten und umfafsenden Sta-
dium der lateinischen, griechischen und deutschen Litteratnr za stei-
gern nnd zugleich durch Ausdehnung auf Poetik und Rhetorik, sowie
durch Vorbereitung auf das Studium der Philosophie vermittelst der
Lectüre philosophischer Schriften von Griechen und Römern zu er-
weitern. Der Unterricht in der französiMrhen Sprache, welcher, wo
das Bedürfnis dringend ist, ausnahmsweise und facnltativ schon an
der iat. Schule begonnen werden kann , ist in dem Gymnasium obliga-
torisch; die Geschichte ist umfafsender zu behandeln; die Mathematik
soll auf Geometrie und Trigonometrie erstreckt und mit Physik ver-
bunden werden. §• 47« Das Gymnasium besteht aus vier Classen.
Eine jede Classe hat ihren eignen Lehrer, welcher den Namen 'Gym-
nasialprofessor' führt. Mit gleicher Benennung bestehen besondere
Lehrer für die Religion und die Mathematik. $*48* Einer der ordent-
lichen Lehrer der beiden obern Classen ist zugleich Rector der An-
stalt. Zu seiner Erleichterung und nach seinem Ermefsen zur Unter-
stützung der andern Lehrer wird ihm als Assistent ein geprüfter Lelir-
amtscandidat beigegeben. Ist ein Lyceum an dem Orte, so kann der
Rector oder ein Professor desselben auch Rector der übrigen Anstal-
ten sein. Bei Ueberfüllung einer Classe findet der ^. 4 analoge An-
wendung.
Tit. VIII. Von dem Unterricht im Gymnasium. ' C. 49« Der Un-
terricht in der Rellgionsiehre soll, wie an der Iat. Schule, am Gymn.
nach den Grundsätzen der beiden christlichen Confessionen ertheilt,.
nnd kann damit die Lesung einzelner Schriften des N. T. in der Ur^
spräche verbunden werden. Ueber die Befugnisse der kirchlichen Be-
hörden in Beziehung auf den Religionsunterricht haben die einschla-
genden gesetzlichen Bestimmungen Mafs zu geben. In Bezug auf För-
derung des religiösen Sinnes und Lebens finden die |ü|(. 9 und 10 auch
auf das Gymn. volle Anwendung. $• 50- Da bei dem Unterricht in
der altclassischen Litteratnr die möglichst vollständige Kenntnis des
formellen und technischen vorausgesetzt wird, hat das Gymn. die Auf-
gabe, tiefer in den Geist der Sprachen einzuführen und vermittelst
einer zweckmäfsig angeordneten und sorgfältig geführten Lesung der
Autoren den Jüngling während dieser 4 Jahre mit dem ihm zugäng-
lichen besten Theile der classischen Litteratnr vertraut zu machen,
ff. 51* Die alten Autoren sollen deshnlb mit Rürk^cht auf das jugend-
lich«* Alter ge\%ählt und in einer naturgemäfsen Ordnung nacheinander
erklärt werden, so dafs man von den Historikern zu den Rednern und
Philosophen, von den Epikern zu den Lyrikern und Dramatikern fort-
schreitet. §. 52. Die Schüler sind bei der Erklärung des einzelnen
nicht länger aufzuhalten, als die Lösung der Schwierigkeiten durch-
aus erfordert, und die Lehrer sollen bedenken, dafs sie nicht darauf
ausgehen dürfen, Grammatiker, Kritiker, Archaeologen zu erziehen,
sondern durch sorgfältig gewählte Mittheilungen aus den Schatten
ihrer Disciplin und durch grundliche Methode ein genaues, die Form
lillerarisohe nvd ««Hqaarische Misoellen. 217
«■d den Geitt der alten Autoren gleichmSfeiff mufafiendel Verttind-
nie derselben lu begründen und dadurch den Sinn für da« ffote, wahre
nnd schone lu bilden and in starken. Demnach ist die Enclarnng auf
dasjenige, was mm Verstehn unentbehrlich ist, einsnschrinken, Yor-
sfigliche Aufmerksamkeit aber auf die Folge und Verbindung der Ge-
danken und die Composition eines ganien Werks su Hellten; bei dem
Uebersetsen sind die Schüler unablafsig aniuhaiten, nicht allein nach
dem entsprechenden, sondern auch nach einem schonen nnd fliefsenden
deatschen Ausdruck in streben. Einzelne besonders lehrreiche nnd
anziehende Stellen der gelesenen Autoren sollen f on den Schülern dem
Gedächtnis eingeprägt wer.den. $• 53* Diesen Zweck zn erreichen,
•oll anfser der gewohnlichen statarischen Lectnre eine carsorische in
der Art stattfinden, dafs der in der nntern Classe erklärte Autor in
der nachfolgenden zusammenhangend und wo möglich im ganzen ge-
lesen werde. In der In Gvmnasialclasse können Caesaris commentarii
de hello Gallico, in welche die 4e Cl. der lat. Schule zunächst in
sprachlicher Rücksicht eingeführt hat, vollständig gelesen nnd histo-
risch erklärt werden. Bei der alten Geschichte sind Justinns nnd die
Lebensbeschreibungen des Cornelias Nepos mit den nöthigen histori-
schen Erläaterun^en zn Tergleichen; ebenso kann in der 3n Gymna-
sialclasse eine grofsere Anzahl Ton Büchern des Livias im Zusammen-
bang erläutert und dadurch der Sinn für Geschichte nnd deren rich-
tige Behandlung geweckt nnd geschärft werden. Durch das Studium
der historischen latteratur, als der leichtern und anziehendem, sollen
die Schüler zn der poetischen, rhetorischen und philosophischen ge-
führt und die geeigneten griechischen Autoren, ähnlich den lateini-
schen, cursorisch behandelt werden. Eine solche cursorische Leetüre'
wird jedoch nur dann fruchtbringend und der Jugend angenehm wer-
den, wenn der Lehrer selbst durch ein genaues Studium mit den
betreffenden Autoren vertraut, das wichtige und belehrende hervorzu-
heben, die Jünglinge in den Geist des Alterthums und damit zugleich
in den der neuen Litteratnr einzuführen versteht, f. 54* Der Ge-
branch von Chrestomathien und Anthologien am Gymn. ist nicht unter-
sagt, doch sollen vorzugsweise ganze Werke der Schriftsteller mit
Uebergehung derjenigen Stücke gelesen werden, deren Inhalt für das
Jugendliche Alter nicht geeignet ist. In einer Classe mehr als 2 lat.
und 2 ^riech. Schriftsteller in statarischer Leetüre nebeneinander zn
lesen, ist nicht gestattet, f« 35* Nach diesen Grandsätzen werden
aar Auswahl der Lehrer vorgeschrieben: A. für die le Classe: 1) im
Lateinischen: Caesar de belle civili, Cnrtius, Cicero de senectute, de
amicitia; Stücke aus den Elegien and Metamorphosen des Ovidiuf»;
aar cursorischen Leetüre: Caesar de hello Gallico und Justinus. 2) im
Griechischen: Xenophons Anabasis, Homers Odyssee. B. für die 2e
Classe: I) im Lateinischen: Livius, Sallnstius, die Fasti des Ovidius,
aasgewählte Stücke ans den Elegikern, Virgils Aeneis; zur cursori-
schen Leetüre : Curtius. 3) im Griechischen : die Kyropaedie und Hel-
lenica des Xenophon, Plutarchs Biographien, Arrianus (Attica von
Jacobs), Homers Ilias; zur cursorischen Leetüre: die Ilias oder Odys-
see. C. für die 3e Classe: 1) im Lateinischen: Ciceros Reden, Aus-
wahl ans dessen Briefen, das zehnte Buch des Quintilian, Virgils Bn-
colica, die in dem Central- Schulbücher-Verlag erschienenen Carmina
selecta des Horatius und die Epistola ad Pisones;^ zur cursorischen
Leetüre t Livius, Sallnstius, die Aeneis. 2) im Griechischen: Reden
des Isokrates, Lykurg und Lysias, Herodot, Xenophons philosophi-
sche Schriften, Euripides; cursorisch: die Ilias. D. für die 4e Classe:
1) im Lateinischen: Ciceros Reden, dessen rhetorische nnd philoso-
pnische Schriften, Senecas kleinere philosophische Schriften nnd Briefe,
if. JakrL f, PUL u. PtimL Bd. LXX. Bfl. 2. 15
218 Scliul- and rersonalnaclirichten, statistische Mitthcilon^D,
Tacitus, Satiren und Kpisteln de» Horatius, Virgili Ge«r|?ica; aiir
cursorischen Lecture: Livius und Cicero. 2) im Griechinchen: De-
niosthene», Plato (Krito, Apologie des Sokrate«, Laches, Menexeiioi,
Chnnnides, Protagoras, Phaedo und Gorcias), KSopliokles, Aeschylos
(ProiiiethtfU» und die Perser), Theokrit. $• 56. Die I-K?hrer haben so-
wohl bei der Erklärung der Autoren als bei den schriftlichen Uebun-
gen sorgfältig darauf au achten, dafs nicht nur die Kenntnis der la-
teinischen Sprache, so weit sie in der lat. Schule erworben worden
ist, geläufig erhalten und ergänzt, sondern auch die Bildung des Ja-
telnischen Ausdrucks bpgruudet werde. Der grammatische Unterricht
in der griechischen Sprache hat die allgemeine Syntax nebst Prosodie
und den Dialekten zu umfalsen und ist mit schriftlichen Uebersetzan-
gen in das Griechische zu verbinden. §• 57* Der deutsche Sprach-
unterricht in dem Gymn. hat an der Hand eines passenden theoreti-
schen Leitfadens besonders auf die Bildung des Ausdrucks in uifind-
licher und schriftlicher Rede hinzuarbeiten und so viel es möglich ist,
Gewandtheit in den Terschiedenen Stilgattnngen zu erzielen. Man be-
ginnt unter Berücksichtigung der in der Jat. Schule erworbenen Fer-
tigkeiten mit der schriftlichen Uebersetzung vorzüglioher Stellen der
Alten und mit Verfertigung von Auszügen gröfserer und kleinerer
Stücke, damit die Schüler die Hauptmomente von den nntergetirdneten
gehörig unterscheiden lernen. Hierauf fährt man mit Ausarbeitung
kleiner Sätze und Themata fort, übt besonders häufig in Anfertigung
von Chrieu, und schliefst mit Abfafsung gröfserer Aufsätze über Ge-
genstände, welche dem Gebiete des Gymnasialunterrichts entnommen
sind. Sämmt liehe Ausarbeitungen hat der Lehrer sorgfältig zu prüfen
und den Schülern ccnsiert zurück zu geben. Diesen schriftlichen Ue*
bungen zur Seite geht ein sorgfältiges Studium der deutschen Litte-
ratur. Die Schüler sind mit den besten Autoren möglichst vertraut
zu machen, so dafs die Musterwerke der deutschen Litleratur theil«
in der Schule selbst gelesen und erklärt, theils der Privatlectüre zu-
gewiesen werden. Von dem gelesenen haben die Schüler durch zer-
gliedernde Uebersichten und Versuche eigner Beurtheilung Rechen-
schaft abzulegen. In der Jn und 2n Cl. ist das Lesen von Schrift-
werken, besonders der historischen Prosa, zu betreiben, und damit
(jebung in entsprechenden srhrifclichen Aufsätzen zu verbinden. Auf
dem Gebiete der Poesie genügt es, das Kpos und die damit verwand-
ten Dichtungsarten kennen zu lernen. In der 3n und 4n CI. wer-
den sich grölsere schriftliche Aufsätze an die Theorie der Dicht-
und Redekunst und die zur Kriäuterung hierüber gewählten deutschen
Autoren anschliefsen. Zugleich ist ein historischer Ueberblick der
deutschen Litteratur von Ulfilas bis Klopstock zu geben, and hiemit
die Erklärung passend gewählter Stücke nus den vorzüglichem Dich-
tungen des Mittelalters, namentlich des Nibelungenlieds, der Gudrun,
des Parcival, Walther von der Vogelweide, Kreidanks ' Bescheiden-
heit % zu verbinden, damit die Schüler hiedurch vor einseitiger Be-
wunderung der althellenischen und altrömischen Classicität bewahrt
und durch eigne Anschauung von der hohen Vollendung der in ihrer
Art nicht minder classischen Meisterwerke deutscher Dichtung über-
zeugt wenlen. §. 58. Rs soll den Schülern in einer Bibliothek deat-
acher Classiker für Schulen eine die einzelnen Gattungen der Poeaie
und Prosa umfafsende Auswahl vorzüglicher deutscher Werke zu eig-
ner Lesung in die Hände gegeben, und darauf sowohl in den Vor-
trägen über^ die Theorie als auch bei Erklärung der Autoren verwiesen
werden. Einzelne besonders lehrreiche und anziehende Steilen «US
den gelesenen und erklärten Classikem sind von den Schülern dem
Gedächtnis einzuprägen. |. 59* Rückaichtlich der schriftlichen Ar-
lilterarische und antiquarische Miseellen. 219
bellen, der Uebersetsungen , der freien AnfiStie, der rednerischen
nnd dichterischen Versuche wird dem Lehrer die Anordnung des ein-
■einen überlafsen, demselben aber genaue Correctur der in der Schule
bearbeiteten Aufgaben, so wie fleifsige Durchsicht und Beurtheilung
der Hausarbeiten zur Pflicht gemacht. ^. 60. Der Unterricht in der
französischen Sprache hat in den beiden untern Ciassen vorzugs-
weise die grammatische Seite, und in den beiden obern die Litteratur
zu berücksichtigen und hiemit Sprechübungen zu verbinden. S* 01«
In der allgemeinen Geschichte soll der Unterricht so eingetheilt
werden, dafs er in der In Cl. die allgemeine Geschichte vom Anfang
der historischen Zeit bis auf Augustus, in der 2n von Augustus bis
auf Karl d. Gr., in der 3n von Karl d. Gr. bis auf Maximilian I und
in der 4n von Maximilian I bis auf die neuste Zeit mit bes^onderer
Hervorhebung der deutschen Geschichte behandle. In der bayerischen
Geschichte, in welcher der Unterricht in der *2n Cl. beginnt, soll in
dieser Classe der Zeitraum von den historischen Anfangen des baye-
rischen Volks bis zum Krloschen des Agilolfingischen Regentenstammes,
in der 3n Cl. von dem Aussterben des Agilolfingischen Regentenstam-
mes bis zu dem Kurfürsten Maximilian I, und in der 4n Cl. von dem
Kurfürsten Maximilian I bis auf die Jetzige Zeit abgehandelt werden.
Dabei soll bezüglich der allgemeinen Geschichte am Anfang eines jeden
Schuljahrs eine summarische Uebersirht der im vorangegangenen Schuljahr
gelosten Lehraufgabe gegeben, und was die vaterländische Geschichte
betrifft, in der 4n Cl. eine genaue Wiederholung des ganzen in den
2 vorangehenden Ciassen behandelten LehrstolTs vorgenommen, übri-
gens im Unterricht überall sowohl auf die Hauptquellen der Geschichte
als auf die vorzüglichsten Bearbeitungen der»;elben hingewiciEen wer-
den. In der Geographie wird im Gymn. kein besonderer Unter-
richt ertheilt; doch sind die Lehrer verbunden, bei dem Vortrage der
Geschichte auf Wiederholung und Erweiterung der geographischen
Kenntnisse sorgfaltigen Bedacht zu nehmen. Der Geschicntsunter-
richt wird von dem Classlehrer, und wenn confi-s^iunelle Rücksicht
ten eine Aenderung wünschenswerth machen, von dem betreffenden
Religionslehrer ertheilt. $• 62. Der Unterricht in drr Mathematik
umfafht: in der In Cl.: Buchstabenrechnung innerhalb der vier ersten
Operationen, zugleich als wifsenschaftliche Begründung der in den
zwei ersten Ciassen der lat. Schule vorgekommenen Lehren. Ferner
die Lehre von den Proportionen und die Gleichungen vom In Grade.
In der 2n CL: Potenzen und Wurzeln, Gleichungen vom 2n Grade,
Logarithmen und Progressionen. In der 3n Cl. : Planimetrie in durch-
aus heuristischer Wei«e, daher langsam vorrückend. In der 4n Cl. :
Stereometrie und ebene Trigonometrie. $• 63« Der Unterricht in der
Physik behandelt: in der 3n Cl.: Erläuterung von so vielen princi«
piellen Sätzen der Naturlehre, als nothig sind, um mittelst ihrer und
der mathematischen Kenntnisse des Gymn. entfernter liegende Satze
mit Sicherheit ableiten zu können. Ableitung solcher Sätze, so weit
es die Kräfte dieser Classe gestatten. In der 4n Cl. : Fortsetzung der
Anwendung der Mathematik auf Physik , mathematische und physika-
lische Erdbeschreibung. Der Unterriebt in der Physik wird von dem
Lehrer der Mathematik ertheilt. |. 64. Der gesammte Gymnasial-
nnterricht soll wöchentlich in 24 Stunden gegeben und verthejlt wer-
den, wie folgt: A. für die Je und 2e Classe: Religion 2, Latein 7,
Griechisch 6, Deutsch 2, Franzosisch 3, Geschichte 2, Mathematik 3
Standen. B. Für die 3e und 4e CK: Religion 2, Latein 6, Griechisch
5, Dentsch 2, Franzosisch 2, Geschichte 2, Mathematik 3, Physik 1
Standen, f. 65* Für Schüler, welche sich künftig dem Stadium der
Theologie zu widmen gedenken, so wie überhaupt für andere, welche
15*
220 Schul- und Personalnachriehten, itatistische Mittheilangen,
es wanscben, soll in aarserordentlichen Stonden Unterricht in H«-
braeiflchen, und zwar für die beiden untern Clas^^en nach einer eia-
fachen Grammatik und Chrestomathie historischer Stücke ertheilt wer-
den. Diese Uebung ist in den beiden obern Classen an den histori-
schen Büchern des A. T. , Psalmen und an gewählten Abschnitten der
Propheten fortzusetzen. §• 66* Auf Begehren soll auch Unterricht im
Zeichnen und im Gesang, und nach Mafsgabe der Mittel und der Gelegen-
heit in der Musik und in der italienischen und englischen Sprache Ton
besondern Lehrern ertheilt werden. Dem Rector so wie den Professo-
ren liegt ob dafür zu sorgen , daf« der in diesen Fachern genommene
Unterricht mit derselben Kegelmäfsi^keit wie der übrige besucht und
jede Art Unordnung, so wie willkürliches Wegbleiben verhatet and
gestraft werde. Em Austritt aus demselben wahrend des Semesters
ist nicht zu gestatten. Leibesübungen sind im Sommer auf die afMlte-
ren Stunden der freien Nachmittage zu Yerlegen und von dem Rector
ao wie Yon den Professoren streng zu beaufsichtigen.
Tit. IX. Von der Eintheilung des Schuljahres, der Aufnahme nnd
dem Fortgang der Schuler. %• 67* Das Schuljahr wird im Gymna-
sium wie in der lat. Schule ($. 28) eingetheilt. f. 68« Jeder, welcher
die Aufnahme nachsucht, hat sich am Anfang des Schuljahrs inr In-
scription bei dem Rector des Gymn. zu melden und über Alter, Ort
und Art seiner bisherigen Studien durch Vorlegung sämmtlicher frühe-
rer Studienzeugnisse sich auszuweisen. §• 69* Ueber die Vorbedin-
gungen zur Aufnahme in die erste Classe des Gymn. entscheiden die
Vorschriften des §. 34. In eine höhere Classe soll kein Schüler ein-
treten , welcher nicht nach dem Urtheil seiner Lehrer , oder falls er ans
dem Privatunterricht kommt, nach einer strengen Prüfung aus sammt-
lichen Unterrichtsgegenständen für rollkomroen reif erklärt worden ist.
Den Lehrern wird rücksichtslose Streng in Verweigerung des Vor-
rückens für den Fall der Unreife zur Pflicht gemacht. Sollte bei ein-
zelnen Schülern das Urtheil über ihre Reife oder Unreife zum Vorrücken
am Ende des Schuljahres noch zweifelhaft sein, so sind dieselben am
Anfange des nächsten Schuljahrs einer Prüfung zu unterwerfen und,
wenn sie diese nicht nach dem Urtheil des Lehrerraths befriedigend be-
stehen, in die nächst untere Classe zurückzuweisen. §• 70* Wer ein
Zeugnis über die vollständige Absolvierung der Gymnasialstudien er-
halten will, hat sich einer Absolutorialprufung zu unterwerfen. §• 71*
Diese Prüfung wird an jedem Gymn. theils schriftlich theils mündlich
von einer Prüfungscommission abgehalten, welche gebildet wird: a)fur
die schriftliche Prüfung aus ssmmtlichen Professoren des Gymn. unter
dem Vorsitz des Rectors; b) für die mündliche Prüfung aus dem Rector
und sämmt liehen Professoren des Gymn. unter dem Vorsitz eines Mini-
sterialcommissärs. Zur Führung des Protocolls kann ein Individuum
aus der Rectoratscanzlei verwendet werden. $• 72* Die schriftliche
Prüfung beginnt am 1. Juni oder, wenn an diesem Tage ein Sonntag
einfallt, am 2. Juni und dauert drei Tage. Dieselbe umfafst: a) am
ersten Prüfungsftage : a) eine Aufgabe aus der Religionslehre, zu wel-
cher die Morgenstunden von 8 bis 11 Uhr zu verwenden sind, ß) eine
Uebcrsetznng aus dem Deutschen in das Lateinische (Nachmittag Ton
2 bis 6 Uhr); b) am zweiten Prüfungstage: er) eine Uebersetzung ans
dem Deutschen in das Griechische (Vormittag von 8 bis II Uhr),
ß) eine Aufgabe aus der Mathematik nebst Physik (Nachmittag Ton t
bis 5 Uhrj; c) am dritten Prüfungstage: a) einen deutschen Aufsati
(Vormittag von 7 bis II Uhr), ß) eine Aufgabe aus der allgemeinen
Geschichte (Nachmittag von 2 bis 4 Uhr), f. 73« Das k. Staatsmini-
sterium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten hat die Pro-
beaufgaben zu bestimmen. Die ausgewählten Aufgaben werden Tor
litterarisclie «nd anliquariselie lliscelleB. 221
Jeder Prafäng dem Vorstände der Prfiftuigscommission yenchlorsen sn-
geeendet, weiche die Eröffnung nicht froher als an 'dem xnr Beant-
wortung bestimmten Tage und zwar in Gegenwart der Examinanden
▼onnnehmen hat. f« 74« Die Bearbeitung bat unter der Aufsicht eines
Mitgliedes der Prufnngscommission stattzufinden, welches gegen alle
Unterschleife ernstlichst und bei strenger Verantwortung zu wachen und
faiebei pünktlichst darauf zu halten hat, dafs die zur Beantwortung
gestattete Zeit von jedem Examinanden genau eingehalten wird. Dem
Kzaminanden ist der Gebrauch Ton Wörterbüchern bei den Uebersetzun-
gen in das Lateinische und Griechische, dann der Logarithmentafeln
bei der mathematischen Arbeit, nicht aber sonstiger Hilfsmittel zu ge-
statten. Sobald ein Examinand mit seiner Arbeit fertig ist, hat er die-
selbe (sowohl das Concept als die etwa gefertigte Reinschrift) ahzn-
ffeben und das Arbeitslocal zu verlafsen. Vor Ablieferung der Arbeit
darf kein Examinand nach Hause entlafsen werden, f. 75* Wenn ein
Examinand sich einer Unredlichkeit bei der Arbeit schuldig macht —
mag dieselbe in Benutzune fremder Arbeit oder unerlaubter Hilfsmittel
bestehen — , so ist er sogleich ans dem Arbeitslocal zu entfernen. Der-
selbe darf erst im nächst folgenden Jahre wieder zu der Absolutorial-
prnfung zugelafsen werden, falls er befriedigende Zeugnisse über Fort-
setzung der Gymnasialstudien und über sittliches Wohlverhalten beizu-
bringen Yermag. Ueber diese Folgen der Unredlichkeit sind die Exa-
minanden vor Beginn der Prüfung ausdrucklich und unter eindringlicher
Verwarnung in Kenntnis zu setzen, f« 76* Die Correctur und Censur
der simmtlichen Arbeiten ist unmittelbar nach dem letzten Priifungs-
tage zu beginnen und mit der gröfsten Genauigkeit und Strenge vor-
sunehmen. f. 77« Bei der Censur sollen vier Noten an(;enommen wer-
den, nemlich: L sehr gut, II. gut, IIL mittelmäfsig, IV. gering. Bei
besonderer Auszeichnung kann die Note ^vorzüglich' oder «ausgezeich-
net' gewählt werden. |. 78* Das Urtheil über die Befähigung eines
jeden Examinanden ist m Ansehung einer jeden Aufgabe besonders zu
schöpfen. Die Totalclassification wird durch Summierung der aus den
einzelnen Arbeiten erhaltenen Classenzahl und durch Theilung der
Summe mit der Zahl der Aufgaben festgesetzt. Jede bei dieser Be-
rechnung sich ergebende Fraction , welche die Hälfte des Ganzen über-
steigt, ist der nächst untern Classe beizuzählen. Bei dieser Berech-
nung wird die Aufgabe aus der Religion 2fach, aus der lateinischen
Sprache 4fach, aus der griechischen und deutschen Sprache 3fach, aus
der Mathematik und Geschichte 2fach in Anschlag gebracht. Die Clas-
sification jedes einzelnen wird nach vorgängiser reifer Berathung durch
Abstimmung festgesetzt, wobei im Fall der Stimmengleichheit die
Stimme des Vorstandes entscheidet. Wer die vierte Note erhält, ist
snr mündlichen Prüfung nicht mehr zuzulafs^n und als rejiciert zu be-
handeln. Das Gesammtergebnis wird unter Anlage sämmtlicher Arbei-
ten und ProtocoUe unmittelbar an das k. Staatsministerium des Innern
für Kirchen- und Schulangelegenheiten und zwar in der Art eingesen-
det, dafs es längstens am 15. Juni zu dem Einlauf des Ministeriums
gelangt. $• 79* Die mündliche Prüfung wird im Monat Juli am Tage
nach Eintreffen des Ministerialcommissärs gehalten. Sie dauert zwei
bis drei Tage und an jedem Tage 8 Stunden , so dafs auf die Prüfung
eines jeden Schülers durchschnittlich die Zeit von einer halben Stunde
Terwendet wird. €. 80» Dieselbe erstreckt sich auf a) Uebersetzung
und Erklärung einiger Stellen aus den in der 4n Cl. des Gymn. er-
klarten romischen und griechischen Schriftstellern, dann einiger Stellen
aas einem während des Gymnasialstudiums cursorisch gelesenen romi-
schen und griechischen Classiker; b) Uebersetzung einiger Stellen ans
Franzosischen in das Deutsche; c) Losung einiger Fragen aus
222 Schal- und Personainachrichten , statistische Miliheiiangen,
a) der Religionslehre , ß) der Mathematik, y) der bayerischen Ge-
schichte. §• 81 • Das Urtheil über die Prüfung eines jeden Examinan-
den ist unmittelbar nach der Prüfung zu schöpfen und hiebei wie bei
der Censur der schriftlichen Arbeiten zu verfahren, und sofort das
liierüber aufzunehmende Protocoii au das k. ^tautsministerium für Kir-
chen- und Schuiangeleg«nheiten einzusenden, welches über die zuer-
kannte und abgesprochene Reife zum Uebertreten an die Universität
entscheidet. €• 82* Rejicierte Examinanden können nur Einmal noch
nach Ablauf eines Jahres und unter keiner Bedingung früher zu einer
wiederholten Absolutorialprüfung zugelafsen werden, als wenn sie sich
über Fortsetzung der Gymnasialstudien und sittliches Wohiverhalten
durch befriedigende Zeugnisse auszuweisen vermögen, f. 83* Es steht
jedem frei, der sich über seine Privatstudien gehörig ausgewiesen hat,
sich bei dem betreffenden Rectorat zur Absolutorialprüfung zu meiden
und an dieser Theil zu nehmen. Zu diesem Zweck hat er Zeugnisse
darüber beizubringen, dafs er in allen Gegenständen des Gymnasial-
studiums während der dafür vorgeschriebenen Zeit bei gehörig qualifi-
cierten Lehrern den Unterricht genofsen habe. Separatprüfuugen finden
zum Behuf des Uebertritts auf die Universität nicht statt, es rouste
denn von dem Examinanden durch glaubhafte Zeugnisse nachgewiesen
werden , dafs es ihm wegen unübersteiglicher Hindernisse unmöglich ge-
wesen sei, bei der allgemeinen Absolutorialprüfung zu erscheinen. fL S4«
Der Besuch auswärtiger Gymnactialan^talten wird nur mit Ermächtigung
des k. Staatsministeriums des Innern für Kirchen- und Schulangelegen-
heiten und unter der Bedingung gestattet, dafs die Absolutorialprüiung
an einer Studienanstalt des Königreichs erstanden werde. §• 85» Zur
Berechnung des Fortgangs sollen monatlich in der Schule wenigstens
eine lateinische, eine griechische und eine deutsche Aufgabe, dann jedes
Semester 2—3 Aufgaben aus der Mathematik und je 2 aus der franzö-
sischen Sprache, aus der Religionslehre und der Geschichte ausgearbei-
tet werden. Dem Lehrer bleibt überlal'sen, den Werth der bei diesen
Scriptionen gelieferten Arbeiten nach Anlage, Correctheit in der Aus-
führung und Gehall zu hestimmen und die einzelnen Locdtionen der
Schüler unter An\%endung des ^'. 35 zu ordnen. Die in dem letzten Mo-
nat des Schuljdiirs bearbeiteten Aufgaben sind dem Lehrer der nächst
höheren Classe, welcher bei der Erörterung der Frage über Reife oder
Unreife der Schüler zum Vorrücken neben dem Classlehrer vorzugs-
weise betheiligt ist , nach vollzogener Correctur zur genauen Einsicht
mitzutheilen. $. 86« Bezüglich der Anfertigung des Jahre^katalogs, der
Ausbtellung der Schlulszeugnisse und Noten und der Ertheilung der
Preise finden die Vorschriften der .^'§. 3.'), 36 u. 37 analüge Anwendung,
<lie Bestimmungen des ^, 36 bezüglich der Noten in der Art, dafs in
be^ondern Fällender Aus^ichnung die Note 'vorzüglich' oder ' aus-
gezeichnet' gegeben wird. Jedem Gymn. steht frei, am Ende des
Schuljahrs aufser dem Jahreskatalog ein Programm v\ifsenschaftlichen
Inhalts zu liefern, an des.sen Abfaf.sung Theil zu nehmen auch den Leh-
rern der lat. Schule das Recht zusteht.
Tit. X. Von den Professoren des Gymnasiums und den Lehrern
der lateinischen Schule. [Die §$. 87 — 94 stimmen im wesentlichen voll-
ständig und auch im Ausdruck fast wörtlich mit der in Bd. LXIX
S. 456 ff. mitgetheilten Verordiuing vom 24. Sept. 1853 fiberein, daher
ihr nochmaliger Abdruck hier unterbleibt.] §• 95« Die Prüfung für den
französischen Sprachunterricht findet unter Leitung eines k. Commissärs
durch einen <?\ninasialrector und zwei Lehrer der französischen Sprache
statt. Diese Prüfung hat sich an die allgemeine Prüfung für das Gym-
nasial-Lehramt anzureihen. $• 06* Die Prüfung umfulst: A. schrift-
lich: i) die Ucbcrsetzuiig ein>8 deutschen Thema in da^ Französijiche ;
lillerarische ond antiquriiche Misceiien. 223
2) Ueberaetiang «Ines proiaitchen oder poetischen Stucki aus dem Fran-
sdsiscben ins Deutsche; 3) die Beantwortung mehrerer Fragen aus der
frMizösischen Litteraturgeschichte ; 4) für solche, die keine 8tndienlehr-
amts-Candidaten sind, die Uebersetzung einer leichten Stelle eines la-
teinischen Prosaikers ins Deutsche oder ins FranzÖHiitche; B. mündlich:
die Erklärung eines prosaischen oder poetischen Stücks aus französi-
schen Classikern, wobei die Kenntnisse des Examinanden in gramma-
tischer, etymologischer und metrischer Beziehung zu ermitteln sind.
Die mündliche Prüfung ist in französischer Sprache zu halten. Die
PrSfungsnoten sind dieselben wie bei den Candidaten des Lehramts
der Mathematik.
Tit. XT. Von der Schnizncht, den Visitationen der Gymnasien
und den Beziehungen derselben zur k. Kreisregierung. §• 97* Hin-
sichtlich der Schulzucht soll es im allgemeinen in dem Gymnasium
wie in der lat. Schule ($$• 38 — 40) gehalten werden. Die bereits für
eine Anstalt bestehenden Disciplinarsatzungen sind fortwährend auf-
recht zu erhalten und nothigenfalls zu vervollständigen. Wo derglei-
chen noch nicht bestehen, sollen solche Satzungen in einer den Be-
dürfnissen des Junglings und den Verhältnissen des Orts und der An-
stalt entsprechenden Weise entworfen und der Genehmigung der k.
Kreisregierung unterstellt werden. §• 98* Bezüglich der Lehrerconfe-
renzen, der Visitation der Gymnasien und des Aufsichtsrechtes der k.
Krcisrogierungen über dieselben finden die $$. 40 — 44 analoge An-
wendung.
Tit. XII. Von besonderen Unterrichts- und Erziehungs-Anstalten.
{• 99« Die innere Einrichtung der k. Erziehungshäuser, Seminarien
und Alumnate, deren Zöglinge die öffentlichen Lehranstalten besuchen,
dürfen mit den Vorschriften gegenwärtiger Lehrordnung nicht im Wi-
derspruch stehen. §.100« Diejenigen Individuen, welche den Schülern
des Gymn. oder der lat. Schule blofs nachhelfenden Unterricht zu er-
theileu beabsichtigen, haben hiezu die Erlaubnis bei dem Kectorat«
nachzus>uchen , welches im Benehmen mit den einzelnen Lehrern ihre
Befähigung feststellen und danach ihr Gesuch bescheiden wird. $•
lOl* Wer einen den olTentlirhen Unterricht an der lat. Schule oder
an dem Gymn. ersetzenden Privatunterricht ertheilen will, mufs, wenn
er nicht dem geistlichen Stande angehört, die Prüfung für das Lehr-
amt am Gymn. bestanden haben. §. 102. Die Errichtung von Privat-
unterrichts- und Erziehungsanstalten, die anstatt der lat. Schule oder
des Gymn. dienen sollen, hängt von der Genehmigung der k. Kreis-
regierung ab, die nach Vernehmung der Polizeibehörde nicht anders
als auf das Gutachten des Gymnasialrectorates, welchem als dem näch-
sten die Aufsicht darüber zu übertragen ist, erfolgen soll.
. Bedburg. Dem Lehrer der Mathematik an der dortigen Ritteraka-
demie Dr. Feaux ist das Praedicat als Oberlehrer verliehen worden.
Bkrlin. (Die epigraphischen Unternehmungen der Akademie.) Die
k. preussische Akademie der Wifsenschaften, ihres Berufs eingedenk,
▼orzugsweise solche Unternehmungen ins Leben zu rufen, welche durch
Privatmittel und auf dem Wege des buchhnndlerischen Verlags nicht
SU Stande kommen können und die als Urkundenwerke eine von dem
Wechsel wifseuschafilinher Richtungen und Ansichten unabhängige
Giltigkeit behaupten, hat neuerdings für die Ausführung des seit sie-
ben Jahren vorbereiteten Sammelwerks der lateinischen Inschrif-
ten entscheidende Schritte gethan. Der Grund des ganzen Unterneh-
mens wurde auf Antrag des damaligen Justizministers von Savigny
durch die königliche Cabinetsurdre vom 2. November 1846 gelegt, wel-
che die ersten Mittel darbot die grofse Arbeit beginnen zu lafsen.
224 Schul- und Pertonalnachrichten, statistUche MiUheilongen,
Das nächste Aagenmerk muste die Ansammiang des ganien litteraii-
sehen Materials sein, die Vereinigong alier in den altern Sammelwer-
ken Ton Gruter, Muratori u. s. w. so wie in Monographien und Ztti-
Schriften seitdem gedruckter Inschriften. Dieser mühevollen VorarlXit
hat sich Prof. A. W. Ziimpt in Berlin untersogen und für die Aka-
demie ein Material von circa 65000 Inschriften zusammengebracht*
Gleichzeitig wurde für Herbeischalfung des noch nicht gesammeltea
Materials Sorge getragen und zu diesem Bndzweck förderte die Aka-
demie die Reisen und Studien des Prof. Th. Mommsen, aus denen
sein Werk über die Inschriften des Königreichs Neapel herTorgegangea
ist [s. NJahrb. Bd. LXIX S. 112 IS.]. Je mehr sich inzwischen in
Italien , Deutschland und Frankreich das Interesse für lateinische Bpi-
graphik belebte, um so dringender erschien es, die Ausführung mit
allem Eifer zu fordern und die in verschiedenen Landern wirkenden
Kräfte deutscher Forscher^ welche sich sonst in Einzelarbeiten zer-
splittern oder zu fremden Unternehmungen in Anspruch nehmen lafsen
würden, zu einem grofsen Gesammtwerke deutscher Gelehrsamkeit in
vereinigen. Es galt zunächst aufser einer gewifsenhaften Vervollstän-
digung der gesammelten Materialien aus gedruckten Büchern die Ana-
nutzung der epi^raphischen Codices und vor allem die erneute Durch-
forschung der für lateinische Epigraphik wichtigsten Länder, unter
denen nicht einmal Deutschland, geschweige denn Spanien u. a, genü-
gend durchforscht sind. Nachdem nun durch eine zweite, ansehnliche
Geldbewilligung Sr. M. des Königs (jährlich 2000 Thlr. für die näch-
sten 6 Jahre) die Mittel gesichert waren, um das grofse Werk in ein
neues Stadium eintreten zu lafsen, gelang es der Akademie die beiden
durch umfafsende Autopsie und vielfach bewährte Kennerschaft anace-
zeichneten Epigraphiker Theodor Mommsen in Breslau und Wil-
helm Henzen in Rom in der Weise für das Unternehmen zu gewin-
nen, dafs beide vereint die Redaction des Werks übernehmen. Aufser-
dem hat die Akademie Grund, auf die wichtige Theilnahme ihres Corre-
spondenten, des berühmten Epigraphikers Giamba^ttista de'Rossi
in Rom hoffen zu dürfen; durch seine Vermittlung werden schon Jetzt
die vaticanischen Codices sorgfältig durchgesehn, um Abschriften oder
neue Vergleichungen von allen darin enthaltenen Inschriften zu gewin-
nen. Endlich hat auch Prof. Fr. Ritschi in Bonn sich bereit finden
lafsen, dem neu belebten Unternehmen sich in der Weise anzuschlie-
fsen, dafs er seine ^priscae Latinitatis monumenta epigraphica' ab
Prodromus oder ersten Band des akademischen Werks erscheinen lafsen
will. Auch ist die^ zunächst für seine Zwecke unternommene Reise
des Dr. U. Brunn in den Gebirgsgegenden von Amitcrnum, vom lacu«
Kucinus u. s. w. von der Akademie unterstützt worden, um das Ma-
terial der italischen Inschriften aus jenen nur selten besuchten Gegen-
den zu vervollständigen. — Für die Fortführung des griechischen
Inschriften Werks ist das Material so weit geordnet und vorbereitet,
dafs der Druck des vierten und letzten Bandes unter der Redaction dea
Prof. E. C u rti US in Berlin in diesem Herbste beginnt. Der vierte Band
wird dem Plane des Ganzen zufolge zunächst diejenigen Inschriften
classischer Zeit umfafsen, welche in den bisher erschienenen Bänden
deshalb keinen Platz finden konnten, weil ihre Herkunft nicht zu er-
mitteln ist; also erst die Inschriften auf Steinen, Bildseulen und Re-
liefs unbekannten Fundorts und dann die Gattungen inschriftlicher
Kunstwerke, bei denen ihrer Natur nach die ursprüngliche Heimat
nicht leicht festgestellt werden kann, namentlich Gemmen und Thon-
gefafso. Diese drei Classen von ' inscriptiones locorum incertonim'
smd schon von dem verstorbenen Prof. J. Franz mit grofsem Fleifse
für den Druck vorbereitet worden. Dann folgen die Iiuchriften der
lUterariscIie aad aBtiqatrilolie Miseellen. 225
bywatlaUclieB Zeit and iwar erst die auf öffentliche GebSnde besfig-
lickeB and dann die lahlreichen Grabschriften , erst die netriBchen,
daim die prosaischen. Den Schlafs des Tierten Bandes werden die
indices bilden, an deren Fortfuhrang Dr. Bergmann in Brandenburg
arbeitet.
Berlin. An dem Kolnischen Realgymnasium ist dem ordentlichen
Lehrer Dr. J. F. L. George das Praedicat eines Professor beigelegt
and die Berafnng des Hilfslehrers Lic. th. nnd Dr. ph. Karl Gu-
stav Andreas Kuhlmey zum 12n ordentlichen Lehrer genehmigt
worden.
Born. Seit Anfang^ ▼. J. sind an der dortigen Universität fol-
fende Inanguraldissertationen philologischen Inhalts erschienen : am 23.
anuar 18dS Von WoldemarHarlefs: de Fabiii et Aufidii9 rerum
R^Maanarum »eriptoribu» (52 S. 8) ; 18. März Ton Wilhelm Schmitz:
quaestionet orthoepicae Latinae (dio 8, 8); 19. März von Paul Grau-
toff: Turpilianarum comoediarum reliquiae (42 S. 8) [s. NJahrb.
Bd.LXIXS. 31—37]; 14. Mai von Johann Peter Binsfeldi quaes-
Itofiet Ovidianae etiticae (41 S. 8); 27. Juli von Georg Thilo: de
Farrone Plutarchi quaettionum Romanarum auctore praeeipuo (34 S.
8) [s. NJahrb. Bd. LXIX S. 99— Ibl]; 13. August von Fr. Wilhelm
Conrads: in Anihologiae Latinae lihrum IV exercitationet criticae
et exegeiieae (45 S. 8); 15. August von Wilhelm Wiel: observatio-
ne» in Orphei Argonautiea (60 S. 8); am 14. Januar 1854 von Alex-
ander Richters Danati commentarii quem usum habeant ad illue-
trandam verborum Terentianorum corruptelam (? S. 8); 4. März von
Jacob Schmitz: de Dionysii Haliearnaseei quibuedam locis emen-
dandi» (26 S. 8); 18. März von Johann Barteist Aristoxeni ele-
mentorum rhythmieorum fragmentum emendatum et expUcatum (56 S.
8); 4. August vom Emil Hübner: quaeationet onomatologicae La-
fiiiae (44 S. 8); 5. August von Karl Schnelles exereitatione» criticae
in Dionysii Halicamaeeenne antiquitates Romanaa (36 S. 8); 7. Au-
gust von Wilhelm Steinhart: de emendatione Lucani (30 S. 8).
Breslau. In der juristischen Facultat der dortigen Universität
wnrde Professor Dr. Theodor Mommsen in Zürich zam ordentlichen
Professor ernannt.
Coburg [s. Bd. LXVI S. 325]. Das Lehrercollegium des dortigen
Gymnasium Casimirianum hat gegenwärtig folgenden Bestand: Direc-
tor Forberg, Geh. Kirchenrath Prof. prim. Dr. Genfs 1er, die Pro-
fessoren Trompheller, Schneider, Ahrens, Dr. Kern, Voigt-
mann, die Gymnasiallehrer Mather und Drossel, Prof. Rauscher
(Zeichnen), Stadtcantor Böhm (Gesang), Regierungscanzlist Klap-
penbach (Kalligraphie). Ostern d. J. betrug die Schnlerzahl 65 (Sei.:
6, I: 12, II: 13, IH: 9, IV: 25). Programmabhandlung Ostern 1854:
Zur Erklärung des Tkucydidee, 2s Heft, vom Director E. Forberg
(12 S. 4); das erste Heft (20 S. 4) war auf die gleiche Veranlafsung
Ostern 1853 erschienen.
DiLiifGEN. Die am Gymnasium durch die Pensionierung der Profes-
soren Martin Rifs und Joseph Haut erledigten Lehrstellen wur-
den darch Versetzang des Gymnasialprofessors Lorenz Englmann
in Kempten und darch Beförderung des Stadienlehrers zu Bamberg,
Georg Hann wacker, wieder besetzt.
Duisburg. Vom dortigen Gymnasium ist Oberlehrer Dr. Thiele
in gleicher Eigenschaft an die Realschule in Barmen abgegangen.
DÜREN. Oberlehrer Klein vom dortigen Gymnasium ist in glei-
cher Eigenschaft an das Gymnasium in Bonn und an dessen Stelle der
bisherige ordentliche Lehrer am Gymnasium zu Trier Dr. Gobel als
Oberlehrer «versetzt worden.
226 Schul- und Perfonalnaohrichten, statistische Mittheilungen,
EiCHSTÄTT. Die durch temporäre Qoiescierung des Professors am
Gymnasium Franz Brigl erledigte Professur erhielt der Studienleh-
rer daselbst Dr. Simon Zauner, die dadurch erledigte Lehrstelle
an der Lateinschule der geprüfte Lehramtscandidat Dr. Urban Kri-
ninger.
£lberfeld. Zum zweiten ordentlichen Lehrer am dortigen Gym-
nasium ist der Schalamtscandidat Dr. Otto Ribbeck in Berlin ge-
wählt und bestätigt, zur Vertretung des erkrankten Oberlehrers Dr.
Beltz für das Winterhalbjahr Dr. Wilhelm Herbst in Bonn (vor-
her an dem Vitzthum-BIochmannschen Gymnasium in Dresden) bernfea
worden.
EuTixN [s. Bd. LXVIII S. 216]. Collaborator W. K n o r r an der dor-
tigen Gelehrtenschule wurde detinitiY angestellt. Die Schfilerzahl be-
trug Ostern 1854 99 (I: 17, 11: 11, III: 25, IV*: 21, IV^: 25); zur
UniTprsität wurde Mich. 1853 1, Ostern d. J. 5 entlafsen. Der in den
Schul nachrichten mitgetheilte Auszug aus den Conferenzprotokollen
betrifft den Unterricht in der deutschen Sprache. Inhalt des Pro-
gramms: Das Leben des /4ffricola von Taeitus, au9 dem Latein Ueken
übersetzt vom Rector Dr. Ch. Pansch (38 S. 8).
Glatz. Als ordentlicher Lehrer am dortigen katholischen Gym-
nasium ist der bisherige zweite Civilinspector an der Ritterakademie
zu Liegnitz, Oskar Beschorner, angestellt worden.
Halle. Am Paodagogium der Franckeschen Stiftungen ist der
Schulamtscandidat Hermann Schwarz als ordentlicher Lehrer an-
gestellt.
Hannover. Den Lehrern am dortigen Lyreum Heinrich Brock
und Dr. Gustav Lahmeyer ist der Titel Oberlehrer verliehen
worden.
Homburg vor der Höhe. Der Landgraf läfst in diesem Sommer auf
Anregung des Archivar Habel aus Schienstein die Au»<grabungen ander
Saal bürg eifrig; betreiben. DieSaalbtirg, l'M)'k Fufs über dem Meeres-
spiegel, in der bequemsten Einsattlung d<!H Taunus an der Strafse von
Usingen nach Homburg gelegen, ist eins der Castelle des Pfahlgrabens,
höch.st wahrscheinlich das Artaunon des Ptolemaeus, das Castell von
welchem Taritus Ann. I, 56 berichtet, dafs Drusufl es erbaut (vgl.
Cassius Dio LIV, 33) und Germanicus nach der Zerstörung durch die
Germanen es wieder aufgerichtet habe. Ks war durch eine 20 Faf«
breite, theilweise noch erhaltene Heerstrafse mit dem Nävus Fieu9
zwischen Heddernheim und Praunheim verbunden. Die Obermauern
des bedeutenden Festungswerkes sind Jahrhunderte lang als Steinbruch
benutzt werden: ein Theil des Homburger Schlofses, die katholische
Kirche daselbst, das Kloster Thron u.a. sind daraus gebaut. Es bleibt
sonach nur die Aufgrabiing und Blolslegung der Fundamente übrig,
um den Umrils eines bedeutenden römi.*<chen Castells zu erhalten. Eis
bildet ein längliches Viereck von 20 — 24 Morgen Flächengehalt mit
abgerundeteil Ecken, umgeben von einem Graben und einer 5 Fnfs
dicken Mauer. Ks hat vier Thore, jedes mit zwei Thürmen zur Seite«
Zwei Wege schneiden es in vier Tbeile.'doch so dafs der mit den kur-
zem Seiten gleichlaufende Weg nicht die Mitte, sondern ein Drittheil
der längern Seite abtrennt. Wo beide Strafsen sich kreuzen, liegt
ein grÖfseres Gebäude; von kleinereu sind die Fundamente aufgedeckt,
welche einen vollständigen Begriff von der Heizung geben, welche im-
mer T«uftheizung war und theils durch vier unter dem Fursb öden einem
Mittelpunkt zulaufende Canäle theils dadurch bewirkt wurde, dafs
der Fufsbodcn auf Seulen von Backstein ruhend einen ganz hohlen
Kaum unter sich hatte. Die gefundenen Ziegel tragen die Stempel:
lillararisohe wid antiqnaritelie lliscellen. 8S7
COH n RAE.und COH IUI VINDEL; auch ▼on d«r dritten Cohorte
der Raeter and Yon der 22n Legion mit dem Stempel LEG XXII P P .
worden Ziegel gefunden. Die oben erwähnt« Nachricht de» Tacitas
bestätigt sich sowohl an den kleinen Gebäuden im Casteli als auch an
den Häusern der umliegenden Stadt dadurch, dafs in ein Haus mit
wohlerhaltenem Estrich ein zweites Hans etwa 3—4 Fufs höher hineiu-
gebaut wurde, offenbar ohne Kenntnis von jenem frühem Bau. Auch
altere Inschriftsteine sind so Bausteinen verwendet. Drei bis vier
Fnfs hoher Schott mit einer deotlichen Lage von Brandschatt bedeckt
den Raum. Einer der Brunnen ist bis auf 70 Fufs Tiefe vom Schntt
gereinigt und gibt bereits wieder Wafser. Die Dachbedecknng bestand
aus Schiefer.
Kempten. Auf die am dortigen Gymnasium erledigte Professor (s.
unter Dilingen) wurde der Studienlehrer so Männerstadt, Priester
Franz Mohr, befordert.
Kiel. An die dortige Universität sind als ordentliche Professoren
berufen worden: für orientalische Sprachen Prof. Dr. Di 11 mann aus
Tubingen, für romisches Recht Prof. Dr. Neuner aus Giefsen, für
deutsches Recht Prof. Dr. Wilda aus Breslau, für Statistik Prof. Dr.
Selig aus Freiburg. Anfserdem s. Bd. LXIX S. 704 unter Prag.
KuriHEssEN. Die 'Nene Preussische Zeitung' enthält von dort aus
folgende * Beleuchtung' der landeAherrlichen Verordnung in Betreff der
kirchlichen Stellung der Gymnasien. 'Der grofse Haufe stellt sich bei
der Beurtheilung dieser wichtigen Angelegenheit die Gymnasien als
nenmodig-ungläubige Institute vor, die, errichtet mitten in der unge*
bundenen Freiheit der negierenden Wifsenschaft, etwa wie die meisten
Realschulen nun unter die 'Tyrannei der Kirche' gezwängt würden.
Aber so steht die Sache gar ni<:ht. Unsere Gymnasien sind durchweg
uIm kirchliche Anstalten gestiftet worden und bis in die neueste Zeit
kirchliche Anstalten geblieben. So stand das Paedagogium zu Mar-
burg, aus dem vor zwanzig Jahren das dortige Gymnasium erwuchs,
unter dem Professor primarius der Theologie als Paedagogiarchcn ; so
stand das Hersfelder Gymnasium bis auf die Zeit, in der die Gymna;
sien unmittelbar unter das Ministerium gestellt wurden, unter dem
dortigen ersten Stadtgeistlichen als erstem Inspector. Das Gymnasium
XU Kassel ist entstanden aus einer Stadtschule, die wie alle Stadt-
schulen unter der Aufsicht der Geistlichen stand; es ist erst durch
Vertrag vom 11. Januar 1840 Staatsanstalt geworden. Die Gymnasien
zu Fulda, Rinteln und Hanau sind aus frühern ganzen oder halben
Universitäten entstanden und trugen schon seit ihrer Stiftung kirchlichen
Charakter. Die Fuldaer Universität wurde 1734 durch den Fürstabt
Adolf von Dalberg gestiftet, und die Stiftungsurkunde des Gymna-
siums zu Hanau, der hohen Landesschule der Grafschaft Hanau, ausge-
stellt 1607 von dem Grafen Philipp Ludwig, wahrt den kir« blichen
Charakter der Stiftung ausdrücklich. Diese ursprüngliche kirchliche
Stellung der Gymnasien ist nun durch ihre jetzige allerdings selbstän-
digere Stellung durchaus nicht aufgehoben. Es war eben nur eineäu-
fserliche Aenderung, hervorgegangen aos dem Bedürfnis eines schnel-
lern und gleichmäfsigern Geschäftsgangs. Ebensowenig ist bei den
manigfachen frühern Veränderungen , welche mit einzelnen dieser Gym-
nasien vorgenommen wurden, ihr ursprünglicher kirchlicher Charakter
irgendwie angetastet worden. Neue Gymnasien ohne eine solche
Grundlage sind überhaupt nicht gestiftet worden, so dafs es also un-
zweifelhaft feststeht: die sechs kurhessischen Gymnasien sind sämmt-
lieh noch kirchliche Anstalten. Dafs dieses Verhältnis in der jüng-
sten Zeit nicht beachtet worden ist, beweist nichts gegen seine
228 Schul- und PersonalnachricliteB, statistische Mittheilnngen,
Rechtabestandigkeit. Die feindselige Geiinnang gegen alles kirchliche«
welche schon mehrmals in Knrhessen regierte, hat doch nicht Einmal
einen Versach gemacht, den kirchlichen Charakter dieser Anstaltett
geradesu aafxnheben and sie etwa ausdrucklich für religionslose Staats*
anstalten za erklären. — Die karhessischen G3rmna8ien sind also nicht
zu kirchlichen Anstalten gemacht, sondern es ist nur ausgesprochea
worden, dafs sie kirchliche Anstalten sind. Warde dies wieder aas-
gesprochen, so war die nächste praktische Folge davon, dafs die
Gymnasien auch wieder in organische Verbindong mit der Kirche ge-
setzt wurden. ;^4yollstandig wäre dies geschehen, wenn sie durchaas
unter die AöffüSlK der kirchlichen Behörden gestellt worden wären.
Aber so weit ist die Regierung nicht einmal gegangen; sie ist dabei
stehn geblieben, die Gymnasien auf dieselbe Grundlage za stellen,
auf welcher die Kirche ruht: auf die Bekenntnisse. Man kann leicht
einsehen, dafs eine blofse Erklärung Ton Seiten der Lehrer, nichts
gegen die Bekenntnisse lehren zu wollen, rein unnütz gewesen wäre«
— Die wirkliche Verptlirhtung war, sollte anders die kirchliche Stel-
lung der Gymna»ien nicht eine Redensart bleiben, noth wendig. Eine
derartige Verpflichtung aber ist am nolhwendi^r^ten bei dem für die
Kirche wichtigsten Liehrgegenstande, dem Religionsunterricht. Darum
ist für die Lehrer der ReIi(;ion eine besondere, speciell kirchliche Ver-
pflichtung festgefietzt worden, während jene allgemeine einfach durch
die vorgesetzte Behörde erfolgt. — Keineswegs aber ist durch die
neuen Verordnungen etwa gar der Gyninasiallehrerstand als solcher
aufgehoben und so die wifsenfichaftlichen Erfordernisse beschränkt
oder aufser Acht gelafsen worden, wie dies wol im Auslande behaup-
tet wird. Die bisherigen Bentimmungen über die Prüfungen , denen
sich die Bewerber um ein Lehramt an den Gymnasien zu ontersiebn
haben, bestehen nach wie vor. Wie wenig die Gerüchte, dafs 'nur
Pfarrer an den kurhessischen Gymnasien angestellt wurden', der
Wahrheit entsprechen, beweist die Thatsache, dafs das grofste Gym-
nasium des Lande.«« nicht etwa zu viele, sondern so wenige Religions-
lehrer hat, dafs der Director sich dieserhalb an das Ministerium za
wenden nöthig hatte. Von den zahlreichen jungen Lehrern, welche
auftragäwei^e an unseren Gymnasien beschäftigt sind, sind unseres
Wifsens nur zwei ordiniert und nur einer von diesen ist wirklicher
Pfarrer. — Aus diesen Krorterungen ^ird man wol ersehn, dafs
in Kurhessen mit den Gymnasien nichts anderes vorgegangen ist, als
was z. B. auch in Preussen hie und da angebahnt und theilvieise aas-
gefuhrt wurde.*
Lahr. Professor Henn am dortigen Gymnasium wurde bis sor
Herstellung seiner Gesundheit in Ruhestand versetzt.
Lemberg. Der Supplent am dortigen akademischen Gymnasiam
Wilhelm Gabrigel ist zum wirklichen Gymnasiallehrer ernannt«
Lemgo. Das Lehrercoilegium des dortigen Gymnasiums 'bat fol-
genden Bestand: Rector Prof. Dr. Brandes, Prorector Dr. Giemen,
Conrector Prof. Schnitger, Subcon rector Hunnaeus, die ordentlichen
Lehrer Berger, Rentsch, Busse und Zeichenlehrer Rotteken.
Die SchülerzaUl betrug im Sommer 1853 126, im folgenden Winter
118 (I: II, II: 12, HI: 26, IV: 25, V: 26, VI: 18); zur Universiat
wurden entlafsen Ostern J853 3, Mich. 1853 2, Ostern 1854 I. Pro-
grammabhandlung: Oiäian und »eine Weltj vom Prorector Dr« Gie-
men (34 S. 4).
Lkutschau. Dem Sunplenten am dortigen kath. Gymnasiam An-
selm Mansuet Ried! ist die neuerrichtete Stelle eines Lehrers der
ungarischen Sprache an der Prager Universität verliehen.
liCtertriBohe und antiqinrif ebe Misceliea. 239
LÜBECK. Zum Direetor dei dortigen ORtharinaam ist der Rector
der hohem Borgerschnle in Oldenburg, Br. Friedrich Breier, er-
naont worden *),
Luckau. Zum Mathematiciu des dortigen Gymnasiums ist der Leh-
rer an der hohem Bargerschale la Stolp, Karl Alezander Her-
mann Fahland berufen nnd bestätigt.
Mailand. Der Sapplent fSr deutsche Sprache and Litteratur am
dortigen k. k. Lycealgymnasinm zu Porta Nno^a Joseph Maller ist
■am Professor desselben Fachs in der philosophischen Facaltat der
UniTersitat su Pavia ernannt worden.
MEISSEN. Aus dem Lehrercollegium der dortigen k. Landesschale
[s. Bd. LXVIII 8. a33] schieden Ostern d. J. ans der Professor Jn-
ins Theodor Graf, sum Oberpfarrer und Superintendenten der
Stadt Meissen designiert, und der proYisorische Hilfslehrer Dr. K.
Chr. Schubart, zom Oberlehrer an dem neu organisierten Gymna-
sium in Plauen ernannt. An des erstem Stelle wurde der Pfarrer Lic«
th. u. Dr. ph. Rudolf Hugo Hof mann in Störmthai bei Leipzig
unter Beilegung des Professortitels als 6r Lehrer angestellt; die Pro-
fessoren Dr. Peters und Dr. Graf ruckten in Folge davon in die 4e
und 5e Lehrerstelle auf. An Schuberts Stelle wurde der an der Krau-
seschen Lehranstalt in Dresden angestellte Schulamtscandidat Gott-
lob Bernhard Dinter provisorisch als Hilfslehrer angestellt. Das
Lehrercollegium hat demnach jetzt folgenden Bestand: Rector Prof.
Dr. Franke, die Professoren Dr. Oertel, Dr. Kraner, Dr. Pe-
ters, Dr. Graf, Dr. Hofroann, die Oberlehrer Dr. Milberg und
Dr. Dohner und Hilfslehrer Dinter. Die Schnlerzahl betragt im
«omroerhalbjahr 1854 150 (I: 28, H: 29, llf : 49, IV«: 28, !¥>»: J6);
sur Universität worden Michaelis 1863 10, Ostern d. J. 7 entlafsen.
Programmabhandlung zur Feier des Stiftnngstages 29. Juni 1854: lieber
die Nothwendigkeii der Einrichtung Mweekmäsnger mathemaUach-na-
turwiMsensehaftUcher Lehrerbildungsanstalten an deutsehen Universi-
täten, vom Prof. Dr. Adolf Peters (40 S. 4).
Meran [s. Bd. LXYITI S. 566]. Veränderungen im Persp nalstand
des Lehrkörpers des dortigen k. k. Gymnasiums kamen wahrend des
Schuljahres 1853—54 nicht vor. Die Schulerzahl betrug 180 (I: 41,
II: 21, III: 32, TV: 15, V: 18, VI: 27, VII: 14, VIII: 12). Programm-
abhandlang: Goniometrie vom Gymnasiallehrer P. Magnus Tschenet
(18 S. 4 mit einer Figurentafel).
MÜNCHEN. Dr. Friedrich Bodenstedt ist zum Professor an
der dortigen Hochschule für Sprachvergleichung und die slavischen
Sprachen und Litteraturen ernannt.
Herzogthuh Nassau. Zu Referenten in Schulsachen und Regie-
mngsräthen sind der Ministerialrath und Geh. Legationsrath Dr. Max
▼ on Gagern und der Gyronasialprofessor Dr. Flrnhaber in Wies-
baden ernannt. Der bisherige Referent bei der Ministerialabtheilung
des Innern in Schulsachen Professor Schmitt ist zum Professor am
Gymnasium in Hadamar ernannt, der Collaborator Ebhardt za Ha-
♦) Der Bd. LXIX S. 678 für diese Jahrb. in Aassicht gestellte
biographische Ueberblick aber das Leben und Wirken des verstorbe-
nen Direetor Fr. Jacob von seinem vieljährigen Freunde und Amts-
genofsen, dem jetzigen Direetor Dr. J. C lassen in Frankfurt am
lain, wird in Folge eines neuerdings gefafsten Planes nicht in dieser
Zeitschrift, sondern in Verbindung mit einer Auswahl aus dem litte-
nurischen Nachlafs des verstorbenen demnächst erscheinen.
230 Schal- und PersonalnachrichCen, slatisliBche Mitlbeilungeo,
damar in glfichcr Eigenschaft an das Gelehrtengymnasium za Wies-
baden versetzt.
Padua. Der provisorische Professor der Physik an der dortigen
Universität Priester Franz Zantedeschi ist zum wirklichen Pro-
fessor seines Fachs ebendaselbst ernannt.
Prenzlau. Am dortigen Gymnasium ist der Schulamtscandidat
Samuel Wilhelm Küster zum 7n Collaborator berufen und be-
stätigt.
Kü:«iGRFicii PREUSSEN. An den sieben k. wifsenschaftlichen Prfi-
fnngscommissionen fSr das höhere Lehramt haben während di>8 Jahres
]863 folgende Prüfungen stattgefunden: in Berlin 61, in Bonn 36, in
Breslau 56, in Greifswald 10, in Halle 10, in Königsberg 11, in MSn-
ster 19. Von diesen, zusammen 192, Prüfun<{en fanden 119 zam er-
stenmal statt. Die abgehaltenen colloquia pro rectoratu sind nicht
mit eingerechnet. — Ueber die Zahl der in demselben Jahre an saromt^
liehen Gymnasien der Monarchie geprüften Abiturienten und Maturi-
tätsaspiranten geben die öifentlichen Blätter aus amtlichen Quellen
folgende Notizen: Provinz Preussen. Geprüft wurden auf 14 Gym*
nasien 191 Schüler; davon wurden mit dem Zeugnis der Reife entla-
fsen 153, für unreif erklärt 31, zurückgetreten sind 5. Provinz Bran-
denburg. Geprüft wurden auf 16 Gymnasien und dem Paedagoeium
zu Züilichau 295 Schüler; davon wurden mit dem Zeugnis der Reife
entlafsen 245, für unreif erklärt 30, es traten zurück 20. Provins
Pommern. Geprüft wurden auf 8 Gymnasien und dem Paedagogiara
zu Putbus 75 Schüler; davon wurden mit dem Zeugnis der Reife ent-
lafsen 58 und für unreif erklärt 17. Provinz Schlesien. Geprüft
wurden auf 20 Gymnasien und der k. Ritterakudemie zu Liegnitz 336
Schüler; davon wurden mit dem Zeugnis der Reife entlafsen 253, für
nicht reif erklärt 72, es traten zurück 2. Provinz Posen. Geprüft
wurden auf 6 Gymnasien 108 Schüler; davon wurden mit dem Zeugnis
der Reife entlafsen 95, für unreif erklärt 12 and zurückgewiesen 1.
Provinz Sachsen. Geprüft wurden auf 17 Gymnasien, dem k. Pae-
dagogium' zu Halle, der lateinischen Hauptschule daselbst, der Lan-
desschule zu Pforta und der Klosterschalc zu Rofsleben 218 Schüler;
davon wurden mit dem Zeugnis der Reife entlafsen 211 und für unreif
erklärt 7. Provinz Westplialen. Geprüft wurden auf 11 Gymna-
sien, der hohem Bürger- und Realschule zu Siegen und dem Realin-
stitut zu Minden !287 Schüler; davon wurden mit dem Zeugnis der
Reife eniUfsen 220, für unreif sind erklärt 44, zurückgetreten 22 und
zur Prüfung nicht zugelafsen wurde 1. Rheinprovinz. Geprüft wnr-
den auf 18 Gymnasien, der Ritterakademie zu Bedburg und dem Gym-
nasium zu Hedingen in den Hohenzollernschen Landen 342 Schuler
und 10 Schüler, welche auf die Universitntsstudien verzichten; davon
wurden mit dem Zeugnis der Reife entlafsen 304, für nicht reif sind
erklärt 16, zurückgetreten 27 und abgewiesen wurden 5.
Rom. Dem ersten und dem zweiten correspondierenden Secretar
des archaeologi»ichen Instituts, Dr. Emil Braun und Dr. Wilhelm
He uzen, ist von Sr. Maj. di-m Konig von Preussen das Praedicat
Professor verliehen worden.
RovERKDo. Der Sunplent am dortigen Gymnasium Alois Ben-
venuti ist zum wirklichen Gymnasiallehrer an derselben Lehranstalt
ernannt.
RuDOLSTADT. An dem dortigen Gymnasium und der damit Ter-
bundenen Realschule unterrichten gegenwartig folgende Lehrer: Di-
rector Prof. l^r. K. W. Müller, die Professoren Dr. Obbarins,
litterariscbe and tnFiqaariicIie Miscellen. 2S1
Wächter, Dr. Klufsmann, Gascard, die ordentlichen Lehrer
Dr. Hercher, Dr. Horcher, Dr. Sigisround, Collaborator Re-
gensburger, Miiizprediger Günsche, Cand. Lenz. Die Schuler-
y.ahl betrug im Sommer 1853 125, im folgenden Winter )26 (I: 13,
IT: 13, III: 16, IV: 19, V: 33, Real 1: 13, II: 19); zur Universität
i¥urden Ostern d. J. 6 entlafsen. D«»n Schalnachrichten im Osterpro-
gramm 1854 gehn voraus: Commentaria lunilU Flagrüy T. Galli et
Gaudentii in Firgilii georgicorum libros nunc primum ex codice Der-
neust edidit Dr. C. G. Müller, pari. IV (32 S. 4). Der Einladungs-
at hrift zur Sommerschen Redefeierlichkeit am 9. Decbr. 1853 sind vor-
ausgeschickt: Bemerkungen über eine Stelle in Homer» Odytsee (Fi/,
Vl^) die fFeinblüte betreffend, von demselben (2 S. 4).
Stettin. Zum Collaborator am dortigen Gymnasium ist der Srhnl-
amtscandidat Dr. J. K. W. P. Barthold y, zo ordentlichen Lehrern
an der Friedrich - Wilhelmsschule der Lehrer an der hohem Bürger-
schule zu Perleberg H. H. Robolsky und der Collaborator Dr. Fr.
W. Gesenius, zum Collaborator der Schuiamtscandidat Alexander
Gustav Sievert berufen und bestätigt.
Straubing. Die durch Quiescierung de» Professors Mich. Hof-
bauer erledigte Professur am dortigen Gymnasium erhielt der Stu-
dienlehrer zu Amberg, Georg Erk.
Urach. Der Ephorns am dortigen Seminar von Kostlin ist un-
ier Anerkennung seiner treuen und vieljährigen Dienste wegen vorge-
rückten Alters in den Ruhestand versetzt worden.
Wehtukim. Der Director des dortigen Lyccums, Geheimer Rath
Dr. J. G. £• Fohlisch, wurde auf sein Ansuchen unter Anerkennung
seiner langjährigen treugeleisteten und erspriefslichen Dienste in den
Ruhestand versetzt und der Lehramtspracticant Friedrich Müller
unter Verleihung der Staatsdienereigenschaft zum Hauptichrer ernannt.
Wien. Zu wirklichen Mitgliedern der kaiserlichen Akademie der
Wifsensrhaften sind ernannt: der Professor der classischen Philologie
an der Wiener Universität Dr. Hermann Bonitz und der emeri-
tierte Appellationssecretär zu Venedig Emanuel Cicogna; zu in-
ländischen correspondierenden Mitgliedern gewählt und bestätigt: der
Landrath und Unterrichtsreferent bei der Landesregierung von Schle-
sien Rudolf Kink, der Professor der deutschen Sprache und Litte-
ratur an der Universität zu Graz Dr. Karl Weinhold und der Bi-
bliothekar der Brera zu Mailand Francesco Rossi; zum ausländi-
schen correspondierenden Mitglied der Director des k. preussischen
Archivs zu Königsberg Professor Dr. Johannes Voigt.
ZÜLLiCHAU. Als erster Oberlehrer am dortigen Paedagogium ist
angestellt worden der Lehrer Dr. Erler am Seminar für Stadtschulen
in Berlin.
ZÜRICH. An die dortige Hochschule wurde als ordentlicher Pro-
fessor der Theologie Lic. Konstantin Schlottmann, früher Do-
Cent in Berlin, dermalen Gesandtschaftsprediger in Konstantiii|^pel,
als aufserordentlicher Professor der staatswifsenschaftlichen Farvltät
für romisches Recht der Privatdocent Dr. Heinrich Dernburg in
Heidelberg berufen.
2S2 TodesfSUe. Berichtigungeo.
Todesfälle.
Am 17. Juli starb zu Hildburghausen der Oberconsistorialratli and
Oberpfarrer Karl Ludwig Nonne, ein TerdienstYoIler Paeda-
gog» g«l>- 6. Decbr. 1786.
Am 27. Juli zu SchalThausen der Lehrer der alten Sprachen am dor-
tigen Gymnasium Dr. Karl Rudolf Meyner, geburtig ans Wit-
tenberg, im 57n Lebensjahre.
Am 9. August zu Königsberg in der Neumark der Oberlehrer Dr. Pfef-
ferkorn.
Am 11. August XU Neapel der berühmte Naturforscher Dr. Melloni,
Mitglied der k. Akademien der Wifsenschaften zu Berlin lud
München.
Am 13. August zu Berlin der frühere Director des Gymnasinma in
Tilsit, H. Coerber, im 74n Lebensjahre.
Am 18. August zu München der als Yerfafser mehrerer Dichtanrnn
und Lehrbucher bekannte Professor am Ludwigs -Gymnasinm UTm
Johann Bartholomaeus Gofsmann.
Am 20. August im Bad Ragaz in der Schweiz der k. prenss. wirkliche
Geheime Oberregier ungsrath Dr. Friedrich Wilhelm Joseph
▼ on Scheliinc, geb. 27. Januar 1776 zu Leonberg in Württem-
berg, seit 1841 in Berlin.
Am 26. August zu Bonn der aufserordentliche Professor der Diploma-
tik, Sphragistik und Heraldik, Bibliothekssecretar Dr. Christian
Samuel Theodor Bernd, 79 Jahre alt.
Ferner starb in Breslau auf der Durchreise Dr. Friedrich Schnei-
der, Professor am Gymnasium zu Trzemesno, in London Henry
Tufnell, der in Gemeinschaft mit G. C. Lewis K. O. Müllers
Dorier ins Englische übersetzt hatte, und in Paris der Akademi-
ker Langlois, bekannt durch seine Werke über das Sanskrit
und die heiligen Schriften der Inder.
Berichtigungen zuBd. LXIX.
S. 686 Z. 31 lies Camhu» statt Comhu»
S. 686 Z. 37 lies Qnednow statt Quidnow
S. 689 Z. 22 lies «der RosmerU' statt «des RismerU'
S. 690 Z. 36 lies « Fetuniahenae bei Vettweis' statt « Fetunwhmae bei
Vittwcis'.
Kritische Benrtheilnngen.
Homers Odyssee, Erklart von J. ü. FaetL Zweite berichtigte Auflage.
Leipzig, Weidmannsche Buchhandlung. 1863. Erster Band: XLIl n.
284 8. Zweiter Band: 298 8. 8.
Dars eine erklärende Schulaasgabe des Homer zu den schwie-
rigsten Aufgaben gehöre, darüber herscht kein Zweifel. Denn Philo-
logie und Paedagogik stellen eigenthümliche Forderungen, die auf die
rechte Weise befriedigt sein wollen. I. Zunächst ist Homer ffir die
griechisch lernende Jugend der wichtigste Autor, weil ohne ein sorg-
sames Verständnis desselben jedes glückliche Weiterstreben in der
obersten Classe illusorisch bleibt. Daher hat ihm der angehende Se-
cundaner ein vorzügliches Studium zuzuwenden, und der gereifte
Primaner darf ihn nie aus der Hand legen: der Dichter mufs also in
beiden Classen für das Griechische so zu sagen das tägliche Brod
bilden, zu dem man immer und immer von verschiedenen Standpunk-
ten aus zurückkehrt, wenn man wirkliche Früchte von nachhaltiger
Wirkung erzeugen will. Eine Ausgabe nun hat vor allem die Frage
zu beantworten, welchen Schüler sie bei ihren Erklärungen vor Au-
gen habe, den Secundaner oder den Primaner oder beide.
II. Hierzu kommt zweitens die Schwierigkeit der homerischen
Frage. Welche Stellung hat hierbei ein Herausgeber einzunehmen?
Wie ist die Sache in pacdagogischer Hinsicht zu beurtheilen? Zwei
Wahrheiten sind bei dieser Frage, wie ich meine, nicht zu übersehen.
Zuerst mufs der Gymnasiast die homerischen Gedichte, wie sie uns
überliefert sind, kennen lernen, und tüchtig kennen lernen, bevor er
über Entstehung und innere Oekonomie derselben ein selbstthätiges
Urtheil gewinnen kann. Denn um diese Dinge zu beurtheilen, ist nö-
thig, dafs die Jugend erst den ganzen Homer mehr als einmal gelesen
habe, dafs sie der epischen Sprache bis zu einem gewissen Grade
schon mächtig sei. Aber dies zu erreichen, gibt es so viel zu lernen,
so viel zu beachten, so viel zu üben, dafs die jugendliche Kraft für
die Zeit der beiden oberen Classen vollkommen beschäftigt wird, und
dafs man auf jene spinösen Fragen der höheren Kritik verzichten oder
höchstens auf Andeutungen für die gereiftesten Primaner sich beschrän-
ken mufs. Wer dagegen glaubt, jene Fragen für Schüler als *Ein-
n, Jahrb. f. PfUl. v. Paed. Bd. LXX. Hft. 3. 16
294 y U. Facsi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Band.
leitung' behandeln tu können , |der bringt an den jagendlicben Geist
twar ein schätzbares Material, aber ein Material, das im günstigsten
Falle das blofse Wifsen bereichert, keine nachhaltige Wirkung aar»
Können aursert, weil es keine Uebung der jugendlichen Krfifte ftuUrst.
Es behandelt mithin jede derartige Einleitung das Gymnasium als
Lehranstalt des Wifsens, nicht, was es ursprünglich war und überall
sein sollte, als christliche Uebungsschule. Erst derjenige Schüler,
der unter Leitung seines Lehrers den überlieferten Text des Homer
gelesen und immer wieder gelesen und so gelesen hat, dafs er nach
einigen Semestern im Stande ist, mit Leichtigkeit einige Verse sn
bauen, die homerische Färbung tragen, — der allein hat etwas ge-
lernt, der kann etwas, während alle Hittheilung aus der Untersu-
chung über den Ursprung der homerischen Gedichte, alle eingebende
Beschäftigung mit der homerischen Frage höchstens £U dem prakti-
schen Resultate führt: der Schüler weifs vorgetragenes gut nachtn-
sprechen. Jede weitere Forderung ist Illusion, ist Verkennung des
wesentlichen, ist vorzeitiger Geistesreichthum , ist moderne Ueber-
stürzung; mit dem Uebersturz aber hängt der Umsturz der Sache aufs
engste zusammen. In Bezug auf Homer hat Dietsch in diesen NJahrb.
Bd. LXVIU S. 523 ff. sehr gut *) gehandelt. Auch der einsichtsvolle
G. Cnrtius (* Andeutungen über den gegenwärtigen Stand der homeri-
schen Frage' Wien 1854 **) S. 49) bemerkt mit Recht: «Der Eifer
für das frisch erkannte kann leicht manchen Gymnasiallehrer tu dem
Misgriff verführen , die homerische Frage in das Gymnasium vor die
Schüler zu ziehen. Dahin aber gehört sicherlich nicht mehr, als eine
kurze Andeutung über den Ursprung der homerischen Gedichte. Die
Schüler wird der Lehrer in diese Gedichte einzuführen, nicht za Ur-
theilen über sie zu verführen haben, welche schon deswegen für jene
keinen Werth haben , weil sie keine selbst erworbenen sein können.
Konnten sich Plato und Aristoteles an der Ilias freuen, wie sie ist, so
könnea es aach ohne Schaden die Schüler unserer Gymnasien.' Die
zweite in Jngendunterricht nicht zu übersehende Wahrheit ist die,
dafs 4ie ganze homerische Frage aufs Verständnis der übrigen grie-
chischen Antoren auch nicht den geringsten Kinflufs übt. Denn sie ist
ein Product der Neuzeit, die Alten haben sich in der Einheit ihres
*) Wie ungenau öfters Auszüge ans Zeitschriften abgefafst wer-
den, davon liefert die Ztschr. f. d. AW. 1H54 Nr. 24 ein Beispielt
indem man Hrn. Dietsch ohne weiteres sagen länit, dafs er *bei Homer
die Resultate der Kritik nicht anerkennt, namentlich auch nicht von
dem Standpunkt der christlichen Erziehung aus.' Aber wer genauer
nachsieht, der findet, dafs Hr. D. nur f^egen die Anwendbarkeit der
Lachmajinschen Liedertheorie im Gymnasium gesprochen hat, und swar
mit Gründen , die jedem Paedagogen stichhaltig sind.
**) In diesem Schriftchen, das zur Orientierung in den beiuglichea
Fragen gut abgefafst iat, fallt unter anderm der UmsUnd auf, dafs
für die dritte Richtung S. 31 — i3, d. i. unter den Anhangern der
Lachmannschen Liedertheorie die vier Abhandinngen von Kochly auch
licht mit einer Silbe berührt sind. Ist das Zufall oder Absicht?
J. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir a. 2r Bd. SB5
Hoaer nicht stören Ursen. Daher isl der ezenplarisehe und nomui.
Iire Standpankt des Homer, insofern er bei der Jugend die Erlernung
des Grieohisehen Oberhaupt auf die rechte Weise xu befördern ver-
mag, eioEig und allein ein grflndliches Studium des Qberlieferten
Textes. Will man aber die homerische Frage als Vorbereitung zum
Verständnis des altdeutschen Epos benutzen, so vermischt man damit
einen fremdartigen Zweck und entschligt sich der Erwignng, ob das
Altdeutsche in solcher Ausdehnung aufs Gymnasium gehöre. Jedes-
falls ist die Betreibung desselben im Gymnasium, wenn die Zeichen der
Zeit nicht trägen, ein mehrfacher Gehfllfe gewesen zum Todtschlag
altclassischer Studien.
III. Ein dritter Funkt für eine Schulausgabe des Homer ist die
Frage, welchen Text ein Herausgeber zu Grunde gelegt, wo and nach
welchem Principe er denselben verlafsen habe; ferner die Frage, wie
weit ihm die homerische Litteratur, die in einer Menge von Mono-
graphien zerstreut liegt, zuganglich war, ob er einiges absichtlich
unbenutzt gelafsen, ob er bei Erliuterung des epischen den Mafsstab
der attischen Periode, nach dem Vorgang anderer, angelegt habe;
wie er bei Erklärung der am häufigsten wiederkehrenden Redeweisen,
der stehenden Epitheta und dergleichen verfahren sei; nach welchem
Grundsatze die Vorgänger namentlich erwähnt oder stillschweigend
benutzt worden sind u. s. w.
Dies wären die hauptsächlichsten Schwierigkeiten fflr eine Schul-
ausgabe des Homer. Auf alle solche Fragen aber findet man bei Hrn.
Faesi keine ausdrückliche Antwort: denn die Ausgabe entbehrt einer
Vorrede. Hatte Hr. F. über die Lectfire des Homer und über die Me-
thode, wie man gerade diesen Dichter am zweckmäfsigsten für die
Jagend behandle, gar nichts zu bemerken? Oder ist er ein Anhänger
der superba tacitumitas? Oder hält er das aufgestellte Programm
der ganzen Sammlung für ausreichend? Die praktische Auslegung
desselben zeigt aber ein quot capita tot sernus in mancherlei Hin-
sicht. Oder beseelt ihn das sichere Vertrauen, dafs der Leser das nö-
thige von selbst scheu werde? Ich gestehe ohne Rückhalt, dafs ich
Ober mehreres zweifelhaft bin und den Auftrag der geehrten Redac-
tion , eine Anzeige dieser Ausgabe zu schreiben , schwerlich erfüllen
werde, ohne vielleicht wider Wifsen und Willen Hrn. F. ein Unrecht
zu thun. Doch es gilt den Versuch , aus der innern Beschaffenheit
der Bearbeitung selbst ein Urtheil zu fällen.
Dieses Urtheil nun wird bei jedem, der unbefangen prüft, im
ganzen ein günstiges sein. Denn der Hg. hat im Interesse der Sache
die Leistungen der Vorgänger fleifsig und mit selbständigem Urtheil
benutzt. Dabei hat er zugleich, was die Ausgabe vor manchem andern
Bändchen der Haupt-Sauppeschen Sammlung vortheilhaft auszeichnet,
die Erklärung des einzelnen überall in kurzem, klarem, populärem
Ausdruck gegeben, ohne vorzeitige Gelehrsamkeit einzumischen.
Hierzu kommt endlich Beschränkung aufs nothwendige nnd wesent-
liche, die man im ganzen gewahrt findet, ohne dafs die jugendliche
16*
226 Schal- und Persontlntohrichten, siatistische Mittheilongen,
EiCHSTÄTT. Die durch temporare Quiescierang des Professors am
Gymnasium Franz Brigl erledigte Professur erhielt der Stndienleh-
rer daselbst Dr. Simon Zauner, die dadurch erledigte Lfehrstelle
an der Lateinschule der geprüfte Lehramtscandidat Dr. Urhan Kri-
n i n g e r.
Elberkeld. Zum zweiten ordentlichen Lehrer am dortigen Gym-
nasium ist der Schulamtscandidat Dr. Otto Ribbeck in Berlin ge-
wählt und bestätigt, zur Vertretung des erkrankten Oberlehrers Dr.
Beltz für das Winterhalbjahr Dr. Wilhelm Herbst in Bonn (vor-
her an dem Vitzthum-Biochmannschen Gymnasium in Dresden) bemfen
worden.
Eutin [«. Bd. LXVFIF S. 216]. Collaborator W. K n o r r an der doi^
tigen Gelehrtenschule wurde definitiv angestellt. Die Schulerzahl be-
trug Ostern 1854 99 (1: 17, II: 11, Hl: 25, IV-: 21, IV^: 20)5 «nr
Universität wurde Mich. 1853 1, Ostern d. J. 6 entlafsen. Der in den
Schulnachrichten mitgetheilte Auszug aus den Conferenzprotokollen
betrifft den Unterricht in der deutschen Sprache. Inhalt des Pro-
gramms: Das Leben de» ^f^ricola von TacituSj aus dem LateinUeken
übersetzt vom Rector Dr. Ch. Pansch (38 S. 8).
Glatz. Als ordentlicher Lehrer am dortigen katholischen Gym-
nasium ist der bisherige zweite Civilinspector an der Ritterakademie
zu Liegnitz, Oskar Beschorner, angestellt worden.
Hallr. Am Pai'dagogium der Franckeschen Stiftungen ist der
Schulamtscandidat Hermann Schwarz als ordentlicher Lehrer an-
gestellt.
Hannovicu. Den Lehrern am dortigen Lyceum Heinrich Brock
und Dr. Gustav L ahme y er ist der Titel Oberlehrer verliehen
worden.
Homburg von der Höhe. Der Landgraf läfst in diesem Sommer auf
Anregung des Archivar Habel aus Schierstein die Aui^grabungen ander
Saal hurg ei Trig betreiben. DieSanIbnrg, 1304 Fufs über dem Meeres-
spiegel, in der bequemsten Einsattlung des Taunus an der Strafse von
Usingen nach Huuiburg gelegen, ist eins der Castelle des Pfablgrabens,
höchstwahrscheinlich das Artaunon des Ptolemaeus, das Castell von
welchem Taritus Ann. I, 56 berichtet, dal's Drn»<Uf es erbaut (vgl.
Cassius Dio LIV, 33) und Germanicns nach der Zerstörung durch die
Germanen es wieder aufgerichtet habe. Es war durch eine 20 Fofa
breite, theilwei:«e noch erhaltene Hecrstrafse mit dem Nävus Fieu9
zwischen Heddernheim und Praunheim verbunden. Die Obermauern
des bedeutenden Festungswerkes sind Jahrhunderte lang als Steinbruch
benutzt worden: ein Tlieil des Homburger Schlofses, die katholische
Kirche daselbst, das Kloster Thron u. a. sind daraus gebaut. Es bleibt
sonach nur die Aufgrab 11 iig und ßlolslegung der Fundamente Obrig,
uin den Umrifs eines bedeutenden römischen Castells zu erhalten. Ka
bildet ein längliches Viereck von 20 — 24 Morgen Flächcngehalt mit
abgerundeten Ecken, umgeben von einem Graben und einer 5 Fufa
dicken Mauer. Es hat vier Thore, jedes mit zwei Thürmen zur Seite.
Zwei Wege schneiden es in vier Theile.'doch so dafs der mit den kär-
zern Seiten gleichlaufende Weg nicht die Mitte, sondern ein Drittheil
der lungern Seite abtrennt. Wo beide Strafsen sich kreuzen, liegt
ein gröfseres Gebäude; von kleineren hind die Fundamente aufgedeckt,
welche einen vollständigen Begriff von der Heizung geben, welche im-
mer Tiuftheiznng war und theils durch vier unter dem Fufsboden einem
Mittelpunkt zulaufende Canäie theils dadurch bewirkt wurde, dafa
der Fufsboden auf Sculen von Backstein ruhend einen ganz hohlen
Raum unter sich hatte. Die gefundenen Ziegel tragen die Stempel:
Üllerarifolie und «nUgatrifche lliicellen. 827
COH n RAE. und COH IUI VINDBL; auch Ton der dritten Cohorte
der Raeter and Ton der 22n Legion mit dem Stempel LEG XXII P P .
wurden Ziegel gefanden. Die oben erwähnte Nachricht des Tacitae
bestätigt sich sowohl an den kleinen Gebäuden im Castell als auch an
den Häusern der umliegenden Stadt dadurch, dafs in ein Haus mit
wohlerhaltenem Estrich ein zweites Hans etwa d— 4 Fufs hoher hinein-
gebaut wurde, offenbar ohne Kenntnis yon jenem frühem Bau. Auch
altere Inschriftsteine sind zu Bausteinen verwendet. Drei bis vier
Fufs hoher Schutt mit einer deutlichen Lage von Brandschutt bedeckt
den Raum. Einer der Brunnen ist bis auf 70 Fufs Tiefe vom Schutt
gereinigt und gibt bereits wieder Wafser. Die Dachbedeckung bestand
ans Schiefer.
Kempten. Auf die am dortigen Gymnasium erledigte Professur (s.
unter Dilingen) wurde der Studienlehrer zu MGnnerstadt, Priester
Franz Mohr, befordert.
Kiel. An die dortige Universität sind als ordentliche Professoren
berufen worden: fiir orientalische Sprachen Prof. Dr. Dillmann aus
Tubingen, für romisches Recht Prof. Dr. Nenner aus Giefsen, für
deutsches Recht Prof. Dr. Wilda aus Breslau, für Stetistik Prof. Dr.
Selig aus Freiburg. Aufserdem s. Bd. LXIX S. 704 unter Prag.
KüUHESSEN. Die 'Nene Preussische Zeitung' enthält von dort aus
folgende < Beleuchtung^ der landesherrlichen Verordnung in Betreff der
kirchlichen Stellung der Gymnasien. 'Der grofse Haufe stellt sich bei
der Beurtheilung dieser wichtigen Angelegenheit die Gymnasien als
neumodig-ungläubige Institute vor, die, errichtet mitten in der unge*
bundenen Freiheit der negierenden Wifsenschaft, etwa wie die meisten
Realschulen nun unter die 'Tyrannei der Kirche' gezwängt wurden.
Aber so steht die Sache gar ni<:ht. Unsere Gymnasien sind durchweg
als kirchliche Anstalten gestiftet worden und bis in die neueste Zeit
kirchliche Anstalten geblieben. So stand das Paedagogium zu Mar-
burg, aus dem vor zwanzig Jahren das dortige Gymnasium erwuchs,
nnter dem Professor primarius der Theologie als Paedagogiarchen ; so
stand das Hersfelder Gymnasium bis auf die Zeit, in der die Gymna7
sien unmittelbar unter das Ministerium gestellt wurden, unter dem
dortigen ersten Stadtgeistlichen als erstem Inspector. Das Gymnasium
zu Kassel ist entstanden aus einer Stadtschule, die wie alle Stadt-
schulen unter der Aufsicht der Geistlichen stand; es ist erst durch
Vertrag vom IL Januar 1840 Staatsanstalt geworden. Die Gymnasien
zu Fulda, Rinteln und Hanau sind aus frühem ganzen oder halben
Universitäten entstanden und trugen schon seit ihrer Stiftung kirchlichen
Charakter. Die Fuldaer Universität wurde 1734 durch den Ffirstabt
Adolf von Dalberg gestiftet, und die Stiftnngsurkunde des Gymna-
siums zu Hanau, der hohen Landesschule der Grafschaft Hanau, ausge-
stellt 1607 von dem Grafen Philipp Ludwig, wahrt den kirchlichen
Charakter der Stiftung ausdrücklich. Diese ursprüngliche kirchliche
Stellung der Gymnasien ist nnn durch ihre jetzige allerdings selbstän-
digere Stellung durchaus nicht aufgehoben. Es war eben nur eineäu-
fserliche Aenderung, hervorgegangen aos dem Bedürfnis eines schnel-
lem und gleichmäfsigern Geschäftsgangs. Ebensowenig ist bei den
manigfachen frühem Veränderungen, welche mit einzelnen dieser Gym-
nasien vorgenommen wurden, ihr ursprunglicher kirchlicher Charakter
irgendwie angetastet worden. Neue Gymnasien ohne eine solche
Grundlage sind überhaupt nicht gestiftet worden, so dafs es also un-
zweifelhaft feststeht: die sechs kurhessischen Gymnasien sind sämmt-
lich noch kirchliche Anstalten. Dafs dieses Verhältnis in der jüng-
sten Zeit nicht beachtet worden ist, beweist nichts gegen seine
228 Schal- und Personalntchrichten, sUtistIfche Mittheilangen,
RechUbestandigkeit. Die feindselige Gesinnung gegen alle« kirchliche.
welche schon mehrmals in Karhessen regierte, bat doch nicht tinmal
einen Versach gemacht, den kirchlichen Charakter dieser Anstaltea
geradem aafzaheben und sie etwa ausdrücklich für religionslose Staats*
anstalten zn erklären. — Die kurhessischen Gymnasien sind also nicht
in kirchlichen Anstalten gemacht, sondern es ist nur ausgesprochen
worden, dafs sie kirchliche Anstalten sind. Wurde dies wieder aus-
gesprochen, so war die nächste praktische Folge davon, dafs die
Gymnasien auch wieder in organische Verbindung mit der Kirch« ge-
setzt wurden. 'i^YoIIstandig wäre dies geschehen, wenn sie dnrchana
unter die Anhirat der kirchlichen Behörden gestellt worden waren.
Aber so weit ist die Regierung nicht einmal gegangen; sie ist dabei
stehn geblieben, die Gymnasien auf dieselbe Grundlage zn stelleni
auf welcher die Kirche ruht: auf die Bekenntnisse. Man kann leicht
einsehen, dafs eine blofse Erklärung Ton Seiten der Lehrer, nicht«
gegen die Bekenntnisse lehren zu wollen, rein unnütz gewesen wäre.
— Die wirkliche Verpflichtung war, sollte anders die kirchliche Stel-
lung der Gymnasien nicht eine Redensart bleiben, nothwendig. Eine
derartige Verpflichtung aber ist am nolhwendiirsten bei dem für die
Kirrhe wichtigsten Lehrgegenstande, dem Religionsunterricht. Darum
ist für die Lehrer der Religion eine besondere, speciell kirchliche Ver-
pflichtung festgesetzt worden, während jene allgemeine einfach durch
die vorgesetzte Behörde erfolgt. — Keineswegs aber ist durch die
neuen Verordnungen etwa gar der Gymnasial lehrerstand als solcher
aufgehoben und so die wifsenschaftlichen Erfordernisse beschränkt
oder aufser Acht gelafsen worden, wie dies wol im Auslande behaup-
tet wird. Die bisherigen Bestimmungen über die Prüfungen, denen
sich die Bewerber um ein Lehramt an den Gymnasien zu unterziehn
haben, bestehen nach wie vor. Wie wenig die Gerüchte, dafs 'nur
Pfarrer an den kurhessischen Gymnasien angestellt wurden', der
Wahrheit entsprechen, beweist die Thatsache, dafs das grofste Gym-
nasium des Landes nicht etwa zu viele, sondern so wenige Religion«-
lehrer hat, dafs der Director sich die.serhalb an das Ministerium in
wenden nöthig hatte. Von den zahlreichen jungen Lehrern, welche
auftragsweiüe an unseren Gymnasien beschäftigt sind, sind unserea
Wifsens nur zwei ordiniert und nur einer von diesen ist wirklicher
Pfarrer. — Ans diesen Erörterungen wird man wol ersehn, dafs
in Kurhessen mit den Gymnasien nichts anderes vorgegangen ist, als
was z. B. auch in Preussen hie und da angebahnt und theilweise aoi-
geführt wurde.'
Lahr. Professor Henn am dortigen Gymnasium wurde bis rar
Herstellung seiner Gesundheit in Ruhestand versetzt.
Lemberg. Der Supplent am dortigen akademischen Gymnasian
Wilhelm Gabrigel ist zum wirklichen Gymnasiallehrer ernannt.
Lemgo. Das Lehrerrollegium des dortigen Gymnasiums 'hat fol-
genden Bestand: Rector Prof. Dr. Brandes, Prorector Dr. Giemen,
Conrector Prof. Schnitger, Subconrector Hunnaeus, die ordentlichen
Lehrer Berger, Rentsch, Busse und Zeichenlehrer Rotteken.
Die Schülerzahl betrug im Sommer 1853 126, im folgenden Winter
118 (I: 11, II: 12, III: 26, IV: 25, V: 26, VI: 18); zur Universität
wurden entlafsen Ostern 1853 3, Mich. 1853 2, Ostern 1854 I. Pro-
grammabhandlung: OUian und tcine Welt^ vom Prorector Dr. Gie-
men (34 S. 4).
Lkutschau. Dem Supplenten am dortigen kath. Gymnasiom An-
sei m Man SU et Riedl ist die neuerrichtete Stelle eines Lehren der
ungarischen Sprache an der Prager Universität verliehen.
Utterarigohe und aDliqocriiolie Mifoelien« 229
LÜBECK« Zam Direetor de» dortigen Gatharineiiai ist der Rector
der hobern Bfirgerschnle in Oldenburg, Dr. Friedrick Breier, er-
nannt worden ^).
Luckau. Zum Mathematicui de« dortigen Gymnasiams ist der Leh-
rer an der hohem Bürgerschule zu Stolp, Karl Alezander Her-
mann Fahland berufen und bestätigt.
Mailamp. Der Suppient för deutsche Sprache und Litteratur am
dortigen k. k. Lycealgymnasium zu Porta Nuova Joseph Müller ist
xam Professor desselben Fachs in der philosophischen Facnltät der
UniTersitat zu Pavia ernannt worden.
Meissen. Aus dem Lehrercollegium der dortigen k. Landesschule
[s. Bd. LXVni 8. 333] schieden Ostern d. J. aus der Professor Ju-
lius Theodor Graf, zum Oberpfarrer und Superintendenten der
Stadt Meissen designiert, und der provisorische Hilfslehrer Dr. K.
Chr. Schubart, zum Oberlehrer an dem neu organisierten Gymna-
sium in Planen ernannt. An des erstem Stelle wurde der Pfarrer Lic.
th. u. Dr. ph. Rudolf Hugo Hofmann in Stormthai bei Leipzig
unter Beilegung des Professortitels als 6r Lehrer angestellt; die Pro-
fessoren Dr. Peters und Dr. Graf ruckten in Folge davon in die 4e
and 5e Lehrerstelle auf. An Schubarts Stelle wurde der an der Krau-
seschen Lehranstalt in Dresden angestellte Schulamtsc^ndidat Gott-
lob Bernhard Dinter provisorisch als Hilfslehrer angestellt. Das
Lehrercollegium hat demnach jetzt folgenden Bestand: Rector Prof.
Dr. Franke, die Professoren Dr. Oertel, Dr. Kraner, Dr. Pe-
ters, Dr. Graf, Dr. Hofmann, die Oberlehrer Dr. Milberg und
Dr. Dohner und Hilfslehrer Dinter. Die Schulerzahl betragt im
^Sommerhalbjahr 1864 1M> (I: 28, II: 39, III: 49, iV«: 28, IV»: 16);
zur Universität wurden Michaelis 1863 10, Ostern d. J. 7 entlafsen.
Programmabhandlung zur Feier des Stiftungstages 39. Juni 1854: lieber
die Nothwendigkeit der Einrichtung »weekmoMnger nuttkemattaeh-na-
turvnMgengehaftlieher Lehrerbildungtangtalien an deuitehen Universi-
täteny vom Prof. Dr. Adolf Peters (40 S. 4).
Meran [s. Bd. LXVIII S. 566]. Veränderungen im Persp nalstand
des Lehrkörpers des dortigen k. k. Gymnasiums kamen wahrend des
Schuljahres 1863—54 nicht vor. Die Schfilerzahl betrug 180 (I: 41,
II: 21,111: 32, IV: 15, Vs 18, VI: 27, VII: 14, VIII: 12). Programm-
abhandlang: Grontometne vom Gymnasiallehrer P. Magnus Tschenet
(18 S. 4 mit einer Figurentafel).
MÜNCHEN. Dr. Friedrich Bodenstedt ist zum Professor an
der dortigen Hochschule für Sprachvergleichung und die slavischen
Sprachen und Litteraturen ernannt.
Herzogt« UM Nassau. Zu Referenten in Schulsachen und Regie-
mngsrathen sind der Ministerialrath und Geh. Legationsrath Dr. Ma z
von Gagern und der Gymnasialprofessor Dr. Firnhaber in Wies-
baden ernannt. Der bisherige Referent bei der Ministerialabtheilung
des Innern in Schulsachen Professor Schmitt ist zum Professor am
Gymnasium in Hadamar ernannt, der Coilaborator Ebhardt zu Ha-
*) Der Bd. LXIX S. 578 für diese Jahrb. in Aussicht gestellte
biographische Ueberblick über das Leben und Wirken des verstorbe-
nen Direetor Fr. Jacob von seinem vieljahrigen Freunde und Amts-
Senofsen, dem jetzigen Direetor Dr. J. Classen in Frankfurt am
lain, wird in Folge eines neuerdings gefafsten Planes nicht in dieser
Zeitschrift, sondern in Verbindung mit einer Auswahl aus dem litte-
nurischen Nachlafs des verstorbenen demnächst erscheinen.
230 Schul- und Personalnaclirichteii , slatisCische Mittlieilüngeii,
damar in gleicher Eigenschaft an das Gelehrtengymnasiam in Wies-
baden versetzt.
Padua. Der provisorische Professor der Physik an der dortigen
Universität Priester Franz Zantedeschi ist ziiiu wirklichen Pro-
fessor seines Fachs ebendaselbst ernannt.
pRENZLAU. Am dortigen Gymnasiam ist der Schuiamtscandidat
Samuel Wilhelm Küster zum 7n Collaborator berufen und be-
stätigt.
KÖNIGREICH PREUSSEN. An den sieben k. wirsenschaftlichen Prü-
ftingscommissionen für das höhere Lehramt haben während des Jahres
1853 folgende Prüfungen stattgefunden: in Berlin 61, in Bonn 35, in
Breslau 56, in Greifswald 10, in Halle 10, in Königsberg 11, in Mün-
ster 19. Von diesen, zusammen 192, Prufuni;en fanden 119 zum er^
steninal statt. Die abgehaltenen colloquia pro rectoratu sind niehi
mit eingerechnet. — Ueber die Zahl der in demselben Jahre an sämmtF
liehen Gymnasien der Monarchie geprüften Abitnrienten und Matnri-
tätsaspiranten geben die öffentlichen Blätter aus amtlichen Quellen
folgende Notizen: Provinz Preussen. Geprüft wurden auf 14 Gym-
nasien 191 Schüler; davon wurden mit dem Zeugnis der Reife entla-
fsen 155, für unreif erklärt 31, zurückgetreten sind 5. Provinz Bran-
denburg. Geprüft wurden auf IG Gymnasien und dem Paedagogiam
zu ZüUichau 295 Schuler; davon wurden mit dem Zeugnis der Reife
entlafsen 245, für unreif erklärt 30, es traten zurück 20. Provins
Pommern. Geprüft wurden auf 8 Gymnasien und dem Paedagogiam
zu Putbus 75 Schüler; davon wurden mit dem Zeugnis der Reife ent-
lafsen 58 und für unreif erklärt 17. Provinz Schlesien. Geprüft
wurden auf 20 Gymnasien und der k. Ritterakademie zu Liegnits 336
Schüler; davon wurden mit dem Zeugnis der Reife entlafsen 253, für
nicht reif erklärt 72, es traten zurück 2. Provinz Posen. Geprüft
wurden auf 6 Gymnasien 108 Schüler; davon wurden mit dem Zeugnis
der Reife entlafsen 95, für unreif erklärt 12 und zurückgewiesen 1.
Provinz Sachsen. Geprüft wurden auf 17 Gymnasien, dem k. Pae-
dagogium' zu Halle, der lateinischen Hauptschule daselbst, der Lan-
desschule zu Pforta und der Klosterschale zu Rofsleben 218 Schuler;
davon wurden mit dein Zeugnis der Reife entlafsen 211 und für anreif
erklärt 7. Provinz Westphalen. Geprüft wurden auf 11 Gymna-
sien , der höhern Bürger- und Realschule zu Siegen und dem Realin-
stitut zu Minden 287 Schuler; davon wurden mit dem Zeugnis der
Reife entlafsen 220, für unreif sind erklärt 44, zurückgetreten 32 und
zur Prüfung nicht zugelafsen wurde 1. Rheinprovinz. Geprüft wai^
den auf 18 Gymnasien, der Ritterakademie zu Bedburg und dem Gym-
nasium zu Hedingen in den Hohenzollernschcn Landen 342 Schuler
und 10 Schüler, welche auf die Universitätsstudien verzichten; davon
wurden mit dem Zeugnis der Reife entlafsen 304, für nicht reif sind
erklärt 16, zurückgetreten 27 und abgewiesen wurden 5.
Rom. Dem ersten und dem zweiten correspondierenden Secretir
des archaeologischen Instituts, Dr. Kmil Braun und Dr. Wilhelm
Hcnzen, ist von Sr. Maj. dem König von Preussen das Praedicat
Professor verliehen worden.
RovEREDO. Der Supplent am dortigen Gymnasium Alois Ben-
venuti ist zum wirklichen Gymnasiallehrer an derselben Lehranstalt
ernannt.
RunoLSTADT. An dem dortigen Gymnasium und der damit ver-
bundenen Realschule unterrichten gegenwärtig folgende Lehrer: Di-
rector Prof. Dr. K. W. Müller, die Professoren Dr, Obbarins,
litterarische nnd antiquarische Miscellen. 281
Wächter, Dr. Klnfsmann, Gascard, die ordentlichen Lehrer
Dr. Uercber, Dr. Höreber, Dr. Sigismund, Collaborator Re-
(^ensburger, Milizprediger Gunsche, Cand. Lenz. Die 8cbüler-
asabi betrug im Sommer 1853 125, im folgenden Winter 126 (I: 13,
II: 13, III: 16, IV: 19, V: 33, Real f: 13, U: 19); zur Universität
wurden Ostern d. J. 6 entlafsen. Den Schulnachrichten im Osterpro-
gramm 1854 gehn voraus: Commeniaria lunüii Flagrii^ T. Galli et
Gaudentii in Virgilii georgicorum libroa nunc primum ex codice Ber-
nensi edidit Dr. C. G. Müller, part. IV (32 S. 4). Der Einladung»-
«ihrift zur Sommcrschen Redefeierlichkeit am 9. Decbr. 1853 sind vor-
ausgeschickt: Bemerkvngen über eine Stelle in Homers Odyssee {Vll,
126) die ßFein blute betreffend, von demselben (2 6. 4).
Stettin. Zum Collaborator am dortigen Gymnasium ist der Srhnl-
amtscandidat Dr. J. K. W. P. Barthold y, zu ordentlichen Lehrern
an der Friedrich- Wilhelmsschule der Lehrer an der höhern Bnrger-
scbnle zu Perleberg H. H. Robolsky nnd der Collaborator Dr. Fr.
W. Gesenias, zum Collaborator der Schuiamtscandidat Alexander
Gnatav Sievert berufen und bestätigt.
Straubing. Die durch Quiesciernng des Professors Mich. Hof-
baner erledigte Professur am dortigen Gymnasium erhielt der Stu-
dienlehrer zn Amberg, Georg Erk.
Urach. Der Ephorus am dortigen Seminar von Kostlin ist un-
ier Anerkennung seiner treuen und vieljährigen Dienste wegen vorge-
rückten Alters in den Ruhestand versetzt worden.
Wkrtheim. Der Director des dortigen Lyceums, Geheimer Rath
Dr. J. G. E. Fohlisch, wurde auf sein Ansuchen unter Anerkennung
seiner langjährigen treugeleisteten und erspriefslichen Dienste in den
Ruhestand versetzt und der Lehramtspracticant Friedrich Müller
unter Verleihung der Staatsdienereigenschaft zum Hauptlehrer ernannt.
Wien. Zu wirklichen Mitgliedern der kaiserlichen Akademie der
Wifsensrhaften sind ernannt: der Professor der classischen Philologie
an der Wiener Universität Dr. Hermann Bonitz und der emeri-
tierte Appellationssecretär zu Venedig Emanuel Cicogna; zu in-
ländischen correspondierenden Mitgliedern gewählt und bestätigt: der
Landrath und Unterrichtsreferent bei der Landesregierung von Schle-
sien Rudolf Kink, der Professor der deutschen Sprache und Litte-
ratur an der Universität zu Graz Dr. Karl Weinhold und der Bi-
bliothekar der Brera zu Mailand Francesco Rossi; zum ausländi-
schen correspondierenden Mitglied der Director des k. preussischen
Archivs zu Königsberg Professor Dr. Johannes Voigt.
ZÜLLiCHAU. Als erster Oberlehrer am dortigen Paedagoeium ist
angestellt worden der Lehrer Dr. Erler am Seminar für Stadtschulen
in Berlin.
Zürich. An die dortige Hochschule wurde als ordentlicher Pro-
fessor der Theologie Lic. Konstantin Schlottmann, früher Do-
cent in Berlin, dermalen Gesandtschaftsprediger in Konstantii)({peI,
alfl aufserordentlicher Professor der staatswifsenschaftlichen Famltät
für romisches Recht der Privatdocent Dr. Heinrich Dernburg in
Heidelberg berufen.
232 Todesfalle. Berichtigungen.
Todesfälle.
Am 17. Juli starb zn Hildbarghansen der Oberconsistorialrath and
Oberpfarrer Karl Ladwig Nonne, ein verdienstToIler Paeda>
gog, geb. 6. Dccbr. 1785.
Am 27. Juli zn Schaffhausen der Lehrer der alten Sprachen am dor-
tigen Gymnasium Dr. Karl Rudolf Meyner, geburtig au« Wit-
tenberg, im 57n Lebensjahre.
Am 9. August zu Königsberg in der Neumark der Oberlehrer Dr. Pfef-
ferkorn.
Am 11. August zu Neapel der berühmte Naturforscher Dr. Melloni,
Mitglied der k. Aicaderaien der Wifsenschaften zn Berlin oad
Manchen.
Am 13. August zn Berlin der frühere Director des Gymnasianu m
Tilsit, H. Coerber, im 74n Lebensjahre.
Am 18. August zn München der als Verfafser mehrerer Dichtangon
und Letirbucher bekannte Professor am Ludwigs - Gymnasium Dr.
Johann Bartholomaeus Gofsmann.
Am 20. August im Bad Ragaz in der Schweiz der k. preuss. wirkliche
Geheime Oberregierungsrath Dr. Friedrich Wilhelm Joaeph
Ton Schellin g, geb. 27. Januar 1776 zu Leonberg in Württem-
berg, seit 1841 in Berlin.
Am 26. August zu Bonn der aufserordentliche Professor der Diploma-
tik, Sphragistik und Heraldik, Bibliothekssecretar Dr. Christian
Samuel Theodor Bernd, 79 Jahre alt.
Ferner starb in Breslau auf der Durchreise Dr. Friedrich Schnei-
der, Professor am Gymnasium zu Trzemeano, in London Henry
Tufnell, der in Gemeinschaft mit G. C. Lewis K. O. Müllers
Dorier ins Englische übersetzt hatte, und in Paris der Akademi-
ker Langlois, bekannt durch seine Werke über das Sanskrit
und die heiligen Schriften der Inder.
Berichtigungen zu Bd. LXIX.
S. 686 Z. 31 lies Cambus statt Combu9
8. 686 Z. 37 lies Quednow statt Quidnow
S. 689 Z. 22 lies «der Rosmerta' statt 'des Rismerta*
S. 690 Z. 36 lies ' Fesuniahenae bei Vettweis' statt * Feiuniakmae bei
Vittweis'.
Kritische BenrtheilnngeiL
Homers Odyssee. Erklärt Ton J. ü. Faeti. Zweite berichtigte Auflage.
Leipzig, Weidmannsche Buchhandlung. 1833. Erster Band: XLIl n.
284 8. Zweiter Band: 298 8. 8.
Dafs eine erklärende Schulausgabe des Homer zu den schwie-
rigsten Aufgaben gehöre, darüber herscht kein Zweifel. Denn Philo-
logie und Paedagogik stellen eigenthümliche Forderungen, die auf die
rechle Weise befriedigt sein wollen. I. Zunächst ist Homer für die
griechisch lernende Jugend der wichtigste Autor, weil ohne ein sorg-
sames Verständnis desselben jedes glückliche VV'eiterstreben in der
obersten Classe illusorisch bleibt. Daher hat ihm der angehende Se-
cundaner ein vorzügliches Studium zuzuwenden, und der gereifte
Primaner darf ihn nie aus der Hand legen: der Dichter roufs also in
beiden Classen für das Griechische so zu sagen das tägliche Brod
bilden, zu dem man immer und immer von verschiedenen Standpunk-
ten aus zurückkehrt, wenn man wirkliche Früchte von nachhaltiger
Wirkung erzeugen will. Eine Ausgabe nun hat vor allem die Frage
SU beantworten, welchen Schüler sie bei ihren Erklärungen vor Au-
gen habe, den Secundaner oder den Primaner oder beide.
II. Hierzu kommt zweitens die Schwierigkeit der homerischen
Frage. Welche Stellung hat hierbei ein Herausgeber einzunehmen?
Wie ist die Sache in pacdagogischer Hinsicht zu beurtheilen? Zwei
Wahrheiten sind bei dieser Frage, wie ich meine, nicht zu übersehen.
Zuerst mufs der Gymnasiast die homerischen Gedichte, wie sie uns
überliefert sind, kenneu lernen, und tüchtig kennen lernen, bevor er
über Entstehung und innere Oekonomie derselben ein selbstthätiges
Urtheil gewinnen kann. Denn um diese Dinge zu beurtheilen, ist nö-
thig, dafs die Jugend erst den ganzen Homer mehr als einmal gelesen
habe, dafs sie der epischen Sprache bis zu einem gewissen Grade
schon mächtig sei. Aber dies zu erreichen, gibt es so viel zu lernen,
so viel zu beachten, so viel zu üben, dafs die jugendliche Kraft für
die Zeit der beiden oberen Classen vollkommen beschäftigt wird, and
dafs man auf jene spinösen Fragen der höheren Kritik verzichten oder
höchstens auf Andeutungen für die gereiftesten Primaner sich beschrän-
ken mufs. Wer dagegen glaubt, jene Fragen für Schüler als *Ein-
iV. Jahrb. f. PfUl. u. Paed. Bd. LXX. Hß. 3. 16
234 J* U. Faesi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Btnd.
leitung' behandeln tu können , |der bringt an den jugendlichen Geisl
twar ein schäUbares Material, aber ein Material, das im günstigsten
Falle das blorse Wifsen bereichert, keine nachhaltige Wirkung turs
Können äursert, weil es keine Uebung der jugendlichen Kräfte ftuUrsl.
Es behandelt mithin jede derartige Einleitung das Gymnasium als
Lehranstalt des Wifsens, nicht, was es ursprünglich war und aberall
sein sollte, als christliche Uebungsschule. Erst derjenige Schüler,
der unter Leitung seines Lehrers den Überlieferlen Text des Homer
gelesen und immer wieder gelesen und so gelesen bat, dafs er nach
einigen Semestern im Stande ist, mit Leichtigkeit einige Verse su
bauen, die homerische Färbung tragen, — der allein hat etwas ge-
lernt, der kann etwas, während alle Hittheilung aus der Untersu-
chung über den Ursprung der homerischen Gedichte, alle eingehende
Beschäftigung mit der homerischen Frage höchstens tu dem prakti-
schen Resultate führt: der Schüler weifs vorgetragenes gut nachzu-
sprechen. Jede weitere Forderung ist Illusion, ist Verkennung des
wesentlichen 9 ist vorzeitiger Geistesreichthum , ist moderne Ueber-
stflrznng; mit dem Uebersturz aber hängt der Umsturz der Sache aoft
engste zusammen. In Bezug auf Homer hat Dielsch in diesen TUahrh.
Bd. LXVllI S. 523 ff. sehr gut *) gehandelt. Auch der einsichtsvolle
G. Cnrtius (* Andeutungen über den gegenwärtigen Stand der homeri-
schen Frage' Wien 1854 **) S. 49) bemerkt mit Recht: «Der Eifer
für das frisch erkannte kann leicht manchen Gymnasiallehrer zu dem
Misgriff verführen , die homerische Frage in das Gymnasium vor die
Schüler zu ziehen. Dahin aber gehört sicherlich nicht mehr, als eine
kurze Andeutung über den Ursprung der homerischen Gedichte. Die
Schüler wird der Lehrer in diese Gedichte einzuführen, nicht zn Ur-
theilen über sie zu verführen haben, welche schon deswegen für jene
keinen Werth haben, weil sie keine selbst erworbenen sein Jiönnen.
Konnten sich Plato und Aristoteles an der llias freuen, wie sie ist, so
könnea es nach ohne Schaden die Schüler unserer Gymnasien.' Dia
aweila in Jagendualerricht nicht zu übersehende Wahrheit ist die,
dafs 4ie ganae homerische Frage aufs Verständnis der übrigen grie-
chischen Autoren auch nicht den geringsten Kinflufs übt. Denn sie ist
ein Froduct der Neuzeit, die Alten haben sich in der Einheit ihres
*) Wie ungenau öfters Auszage ans Zeitschriften abgefafst wer-
den, davon liefert die Ztschr. f. d. AW. |Hö4 Nr. 24 ein Beispiel,
indem man Hm. Dietsch ohne weiteres sagen lähit, dafs er «bei Homer
die Resultate der Kritik nicht anerkennt, namentlich auch nicht von
dem Standpunkt der christlichen Erziehung aus.' Aber wer genauer
nachsieht, der findet, dafs Hr. D. nur gegen die Anwendbarkeit der
Lachmannschen Liedertheorie im Gymnasium gesprochen hat, und iwar
mit Gründen , die jedem Paedagogen stichhaltig sind.
**) In diesem Schriftchen, das zur Orientierung in den beiuglichaa
Fragen gut abgefafst ist, fillt unter anderm der Umstand auf, dafs
für die dritte Richtung ä. 31 — 13, d. i. nnter den Anhängern der
liachmannschen Liederthcorie die vier Abhandlongen Ton Kochly auch
licht mit einer Silbe berührt sind. Ist das Zufall oder Absicht?
J. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir a. 2r Bd. 2S5
Honer nich t stören Ursen. Daher isl der ezenplarisebe und aorma-
tiTo Standpankt des Honer, insofern er bei der Jagend die Erlernung
des Grieohisehen aberhanpt auf die reehte Weise xu befördern rer-
nag, einzig und allein ein grflndliches Studium des aberlieferten
Textes. Will man aber die homerische Frage als Vorbereitung xnn
Verständnis des altdeutschen Epos benutzen, so vermischt man damit
einen fremdartigen Zweck und entschligt sich der Erwägung, ob das
Altdeutsche in solcher Ausdehnung aufs Gymnasium gehöre. Jedes-
falls ist die Betreibung desselben im Gymnasium, wenn die Zeichen der
Zeit nicht trügen, ein mehrfacher Gehfllfe gewesen zum Todtschlag
altclassiscber Studien.
III. Ein dritter Funkt für eine Schulausgabe des Homer ist die
Frage, welchen Text ein Herausgeber zu Grunde gelegt, wo und nach
welchem Principe er denselben verlafsen habe; ferner die Frage, wie
weit ihm die homerische Litteratur, die in einer Menge Ton Mono-
graphien zerstreut liegt, zuganglich war, ob er einiges absichtlich
unbenutzt gelafsen, ob er bei Erliuterung des epischen den Mafsstab
der attischen Periode, nach dem Vorgang anderer, angelegt habe;
wie er bei Erklärung der am häufigsten wiederkehrenden Redeweisen,
der stehenden Epitheta und dergleichen verfahren sei; nach welchem
Grundsätze die Vorgänger namentlich erwähnt oder stillschweigend
benutzt worden sind u. s. w.
Dies wären die hauptsächlichsten Schwierigkeiten fflr eine Schul-
ausgabe des Homer. Auf alle solche Fragen aber findet man bei Hrn.
Faesi keine ausdrückliche Antwort: denn die Ausgabe entbehrt einer
Vorrede. Hatte Hr. F. über die Lectfire des Homer und über die Me-
thode, wie man gerade diesen Dichter am zweckmäfsigsten für die
Jagend behandle, gar nichts zu bemerken? Oder ist er ein Anhänger
der iuperba tacitumilas? Oder hält er das aufgestellte Programm
der ganzen Sammlung für ausreichend? Die praktische Auslegung
desselben zeigt aber ein quot capita toi semus in mancherlei Hin-
sicht. Oder beseelt ihn das sichere Vertrauen , dafs der Leser das nö-
thige von selbst sehen werde? Ich gestehe ohne Rückhalt, dafs ich
Ober mehreres zweifelhaft bin und den Auftrag der geehrten Redac-
tion , eine Anzeige dieser Ausgabe zu schreiben , schwerlich erfüllen
werde, ohne vielleicht wider Wifsen und Willen Hrn. F. ein Unrecht
zu Ihun. Doch es gilt den Versuch , aus der Innern Beschaffenheit
der Bearbeitung selbst ein Urtheil zu fallen.
Dieses Urtheil nun wird bei jedem, der unbefangen prüft, im
ganzen ein günstiges sein. Denn der Hg. hat im Interesse der Sache
die Leistungen der Vorgänger fleifsig und mit selbständigem Urtheil
benutzt. Dabei hat er zugleich, was die Ausgabe vor manchem andern
Bindchen der Haupt-Sauppeschen Sammlung vortheilhaft auszeiehnet,
die Erklärung des einzelnen überall in kurzem, klarem, populärem
Ausdruck gegeben, ohne vorzeitige Gelehrsamkeit einzumischen.
Hierzu kommt endlich Beschränkung aufs nothwendige and wesent-
liche, die man im ganzen gewahrt findet, ohne dafs die jugendliche
16*
^6 J. U. Faesi: Homers Odyssee. ]r u. 2r Bd.
SclbsUliütigkeil beeinträchtigt wird. Daher ist diese Ausgabe für Schu-
ler sehr brauchbar, oder richtiger gesprochen: es ist die einzige Aus-
gäbe mit Anmerkungen, die man einem Schüler unbedenklich in di»
Hand geben kann. Und diesen Eingang in Schulen scheint das Bucb
verdientemarsen gefunden zu haben, da es bereits in ^zweiter be-
richtigter Auflage' vorliegt*).
Eine nützliche und zwockmärsige Zugabe der neuen Auflage isl
die am Endo hinzugefügte ^ Uebersicht der Abweichungen dieser Aus-
gabe vom Bekkerschen Texte.' Aber diese Uebersicht erweckt so-
gleich mancherlei Zweifel. Abgesehen nemlich von einigen Druckfeh-
lern, die aus dem Bekkerschen Texte beibehalten sind, wie £ 39
ovöijtors vereinigt (vgl. v 137); e 44j o xig iaal (vgl. (i 40. n 228. v
188. X 415, dagegen wieder fehlerhaft i/; 66), wozu man vielleicht
uaavxa B 217 neben dem überall accentuierten iadvxa und einiges
andere beifügen könnte, — aber abgesehen von solchen Kleinigkeiteo
fragt man zunächst: warum hat Hr. F. die Autoritäten nicht genannt,
auf welche gestützt er diese Aenderungen vornahm? Denn viele der-
selben sind durch Forschungen anderer veranlufst. Warum hat er
ferner in den Anmerkungen nur Grashof, Kumpf und ein paarmal Nitzsch
genannt, dagegen manche andere, die sich um Homer verdient ge-
macht haben, stillschweigend benutzt? Auf beide Fragen weifs der
Leser keine sichere Antwort. Ein zweites Bedenken: wäre es nicht
zweckmäfsiger, manche Note unter dem Texte, besonders die Ver-
theidigung zweifelhafter Verse, in diese * Uebersicht' zu verweisen?
So liest man beispielsweise zu a 356 — 359 folgendes: ^ Diese vier
Verse kommen mit einer einzigen Verschiedenheit im dritten auch un-
ten (p 350 — 353 vor, mit etwas gröfserer Abweichung im dritten und
vierten 11. ^ 490 — 493; die anderthalb letzten noch Od. X 352. Ur-
sprünglich scheinen sie für den Zusammenhang in der llias a. a. 0.
gedichtet, aber auch hier können sie wegen 360 f. kaum entbehrt
werden.' Dafs aber die Jugend durch solche kritische Notizen auch
nur das geringste für das Verständnis des Dichters gewinne, das wird
sich durch keine Erfahrung bestätigen lufsen. Es führt höchstens aa
'^j In der Durchfülirung des einzelnen übrigens unterscheiden sich
llias und Odyssee unter anderem dadurch, dafs zum erstem Gedichte
bisweilen Bemerkungen der Schollen wörtlich angeführt «ind, freilich
Überuli nur mit der ganz allgemeinen Bezeirhnung A'cAo/., wo mehrmaiU
nach dem durch Lehrs hervorgerufenen Kurschun«irseifer das Eigen-
thumsrecht gewahrt werden konnte Aber im Commentur zur Odyssee
sind nirgends dergleichen 8choliastennotizen zur Aufnahme gekommen.
Und düch^ hätte es an mehreren Steilen zum Nutzen der Sache ge-
schehen können. Ja selbst der codex HamburgcnsU, dessen Schollen
Preller bekannt gemacht hat, würde ein paar brauchbare Glossen für
den Schulzweck geliefert haben, wie z. B. in ß 70 das y.* otov^ woia
Hr. F. in der zweiten Ausgabe eine Note beifügt, von jenem Scbo-
liasten bei Preller part. I p. U nicht übel durch das einzige Wort-
chen iiih ttÖBtog glossiert wird. Doch diese ganze Bemerkung nur
nebenbei !
J. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir o. 2r Bd. 237
einem nachsprechenden Urtheile Ober den Dichter, beR(rdert aber kein
Eindringen i n denselben. Aach denkt der gelehrte Hg. bei vereinzel-
ten Noten dieser Art onwillkürlich, wie schon der Ton im Schlufssatx
beweist, an den prafenden Lehrer, nicht an den Schüler. Was übri-
gens die Sache betrifft , die Hr. F. nach dem Vorgange von Nitzsch
(erkl. Anm. I S. 59) gestaltet hat, so wird Bekkers Beistimmung zum
Urtheile Aristarchs ihre Geltung behalten, wie später auch Nitzsch
Sagenpoesie S. 167 in der Kürze gezeigt hat. Man kann beifügen,
dafs hier (iv&ov nejtwfiivou nach epischer Sitte eine unpassende
Beziehung gewänne, wenn ein [iv^ogd^ Svdgeaai (ukriOei vorans-
gienge. Noch anderes behandelt Wilberg: lectionum Homer, spec. I
(Essen 1826) p. 15 sqq. Eine ähnliche Note , die wohl befser in den
Anhang zu setzen wäre, steht d 15, wo Hr. F. nach dem Vorgange
Bothes Vs. 17 — 19 eingeklammert und dazu bemerkt hat: * Diese fünf
Verse haben mehreres auifallende, namentlich die drei letzten, welche
unverändert aus H. a 604t — 606 herübergenommen sind, aber hier ganz
unpassend erscheinen. Dagegen können die zwei ersten als SchluFs-
und Ucbergangsformel kaum entbehrt werden, besonders weil sonst
ovT€ Vs. 20 keine Beziehung halte; das Mahl ist wohl im Hofe ge-
dacht.' Der letzte Gedanke, dafs das Mahl im Hofe zu denken sei,
wird durch Vs. 15. 24. 37. 43 widerlegt und findet aufserdem im Homer
keine Stütze, weil nirgends im Dichter der Hof als Speisclocal er-
wähnt ist. Die Beziehung des avxe hat auch Fritzsche zu Arist. Ran.
p. 290 hervorgehoben, indem er die Angabe des Alhcnaeus kurz be-
leuchtet. Die ganze Stelle wird behandelt in der sinnreichen Schrift
von Rumpf: de raiionoua Menelai, Giersen 1846, die Hr. F. nicht
gekannt zu haben scheint. Was er aber nur allgemein als * mehreres
auGTalleude' und als ^ganz unpassend' bezeichnet, das wird ein Schü-
ler ohne nähere Andeutung schwerlich von selbst finden , so dufs auch
aus diesem Grunde alle derartigen Noten vom eigentlichen Schulcom-
menlar zu trennen wären.
Drittens ist das Verzeichnis *der Abweichungen vom Bekker-
schen Texte' nicht vollständig. Es möge für jetzt nur an eine der
wichtigem Stellen, die nicht angeführt ist, erinnert v/erden, an d
785, wo Hr. F. zu seinem Texte folgende Bemerkung gibt: *ix d
Ißav avxol (nach einigen Handschriften mit Fovelsen und Rumpf statt
iv d' Sßav uixoC): sie selbst stiegen wieder aus, um noch am Ufer
die Nachtkost einzunehmen. Die wirkliche Abfahrt erfolgt erst 842.'
Die zu dieser richtigen Verbefserung *) beigefügte Parenthese bleibt
für Schüler eine öufserliche Notiz, wenn nicht die von Fovelsen gut
entwickelten Gründe kurz angedeutet werden, namentlich auch die
begründete Bemerkung über den homerischen Gebrauch von ifißalvsiv.
♦) Dieselbe ist mit Unrecht verschmäht in der neusten Ausgabe
der Odyssee von Bäumlein, wo auch mehrere Druckfehler des Bek-
kerschen Textes unverbefsert geblieben sind, wie a 291. ß 232 (vgl. e
10). y 173. 6 39. x 10. l 550.
238 J- V- Fa€S^'* Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
Kommt daflreflr«n d»© ?*"*® Ptpenlheso in den Anhang, so genOgt eiue
einfache Verweisung auf die Schriften der genannten »wei Mftnner.
lieber den Anhang nun, wie er vorliegt, ist viertens zu bemerken,
dafs nicht wenige «Abweichungen vom Bckkerschen Texte* höohsl
Kweifelhaft sind , jedesfalls einer besonderen Rechtfertigung bedArften,
«m sie als richtig erscheinen zu lafsen. Von einigen Stellen dieser
Art wird vielleicht unten die Rede sein.
Die Hauptsache jedoeh bei dieser Ausgabe bleibt die ErkÜrong,
wie schon der Titel besagt. Auf die Zweckmäfsigkeit dieser Erkll-
rung bezieht sic^ das allgemeine Urtheil, das oben gefällt wurde.
Nor hat sich manches entbehrliche oder trivieile eingemischt, waa
entfernt sein sollte, zumal da schon Biumlein in der Bcnrtheilung der
ersten Auflage (Ztschr. f. d. AW. 1850 S. 84) diesen Umstand be-
rührt bat. Es würde zweckmifsiger sein, wenn dafür den einselneii
Abschnitten kurze Inhaltsangaben in der Form von spannenden nnd
anregenden Ueberschriften unter dem Texte hinzugefügt wiren. Die
Darstellung des Ganges der Handlung, welche der Hg. in der EinleU
tsng (S. XVÜl — ^XXXII) nach Nitzsch^ Vorgange gibt, vermag diesen
Mangel nicht zu ersetzen. Denn der Schüler kann jene zusammenhin-
gende Darstellung erst dann gebrauchen, wenn er bereits die ganze
Odyssee gelesen hat. Diese Voraussetzung wird um so nolhwendiger,
weil der Hg. zwischen den Unilariern und den Anhingern der Lieder*
theorie auf dem Grunde selbstindiger Forschung zu vermitteln avcbC,
daher in der ganzen Einleitung aus diesen Studien nicht weniges vor-
gebracht hat. So schön auch die Einleitung viele Dinge, deren Kenntnis
dem Schüler zum Verständnis des Dichters nothwendig ist, in licht-
voller Uebersicht und mit der sichern Hand des geübten Forschers
auseinandersetzt, so tritt doch die einmal befolgte Theorie nicht sel-
ten bis zu dem Grade in den Vordergrund, dafs selbst der Ton der
Rede mehr an den mitforschenden Philologen als an den Schüler ge-
richtet erscheint. In diesem Sinne liest man sogleich auf der ersten
Seite : * Die verschiedenen Biographien , die wir unter Herodots , Flu-
tarofas, Proklos u. a. Namen von Homer haben, sind theils hinsicht-
lich ihres Ursprungs so verdichtig, theils in ihrem Inhalte auf der
einen Seite so dürftig, auf der andern so sagenhaft, dafs sie — mö-
gen auch einzelne Züge darin richtig und mehr als etymologische
Spiele sein, wenigstens die Einkleidung einer Thatsache enthalten —
sich in keinem Falle zur Grundlage einer historischen Darstellung
eignen und wir zum voraus darauf verzichten , ein Ganzes daraus her-
zustellen.' Dies alles sind Dinge, die ein Schüler nicht zu beurthei-
len vermag, weil er jene Biographien nicht aus eigner Lectflre kennt,
auch niemand ihm zumuthen wird jene Sachen zu lesen. Nicht einmal
die Existenz jener Erzeugnisse braucht ein Schüler zu wifsen, weil
sie ebeu zur wirklichen Einsicht in den Dichter nichts beitragen.
Aehnlich oder noch übler steht es mit den vielen Zerstörungselemen-
ten der Einheit, die sich überall an das nothwendige und zweckni-
J. U. Paesi: Honen OdjMee. Ir n. 3r Bd. 2S9
fsig« angeschloraen haben. Doch ich habe die Stelloit^ der honeri^
oeben Frage lur Sehulpaedagogik aohon oben kori angedeatet.
Die * Einleitung* des Hrn.^ F. tragt allerdings in dieser Beziebang
den Charakter der Sammlung,* ku der sie gehört. Denn in den mei-
nten Ausgaben der Haupt-Sauppeschen Sammlung haben gerade die
Einleitungen, wenn man auf Anlage und Ton sieht, grörstentheils die
Förderung des gelehrten Objeets und den mitforschenden Philolo-
gen *) lum Hintergrunde, kammern sich aber zn wenig um das zu
erziehende Subject des Schalers. Wer Ton den Kriften der Jugend
80 wie von dem Ziele, bis zu dem man dieselbe dnrch consequenie
Energie einer organischen Weiterfahrung zu bringen vermag, sich
keine Illusionen bildet, sondern dem Realismus der Erfahrung zun
Mafsstabe nimmt, der wird einfach fragen: wo liegt das deutsche
Gymnasium, dessen Schaler von solchen Dingen nicht etwa ein Wiben
•— denn das lafst sich erreichen als werthloser Luxus — , sondern ein
gelbstlhätiges Verstinduis aus eigenen Können besitzen? Wenn der
erste beste Schulrath in denjenigen Gymnasien, welche sich einbilden
solche Sachen in die Köpfe ihrer Zöglinge gebracht zu haben , eine
grandliche Prüfung in dieser Beziehung veranstalten wollte, so würde
sicherlich ein glänzender Schiffbruch der gelehrten Theoretiker zum
Vorschein kommen. Diese Bemerkung trifft nicht speciell die ver-
dienstliche Arbeit, von der hier gehandelt wird, sondern gilt allge-
nein der geistreichen Mafslosigkeit unserer Zeit, die sich einbildet,
durch gelehrte tief eingehende Einleitungen das Studium der Alten in
Gymnasien heben zu können. Die Zukunft wirds lehren.
Es bleibt abrig, eine Reihe von Stellen zu berahren, in deren
Erklärung vielleipht eine andere Ansicht als die aufgenommene die
richtigere sein möchte, wenn alle Momente erwogen werden. Dabei
wird sich zugleich noch manche allgemeinere Bemerkung, io weit sie
die Einrichtung einer Schulausgabe des Homer betriflFI, gelegentlich
•nschliefsen lafsen.
Erster Gesang.
Vs. 10: ilfcl %al fifiiv wird gedeutet: ^xcrl ^fuv, wie da es selbst
weifst, vgl. II. ß 485.' Aber das dürfte zu intuitiv und im Charakter
des Epos zu subjectiv sein, so dafs, wenn ein Epiker diesen Gedanken
meinte, derselbe ausdrücklich gesagt sein moste, wie es in der Pa-
rallelstelle geschehen ist. Dagegen wird die objective Sage der epi-
schen Dichtung nur den Gedanken: *wie du es auch andern erzihlst
and erzählt hast' als natarliche Beziehung verlangen, wodurch zu-
gleich die Vielheit der alten Lieder vor Homer angedeutet ist. —
Vs. 18 hat Hr. F. iv&et nnd das folgende %al futor ohsi tplXotöi ^ u n d im
Kreise der Freunde' als coordiniert getrennte Begriffe betrachtet, was
aber wegen der abstractcn Allgeroeinheit des ersten (&0«) and der
concreten Bestimmtheit des zweiten Begriffes in einer Verbindung mit
♦) Zwei Beispiele dieser Art »ind in der paedagog. Revue 1853
Octoberheft 8. 278—284 behandelt worden.
242 J. U. FaMi: Homers Odyssee. Ir n. 3r Bd.
objectiv Ton xlatg ab.' Ist seit den Zeiten des Eusthathias die Imf-
kömmliche Deutang. Mir will aber scheinen, als morse nun in der*
artigen Steilen das subjective Verhältnis geltend machen, also hier:
^des Atriden, d. h. der Atride wird durch seinen Sohn Orestes Ver-
geltung üben.' So wird auch den Todten beim alten Singer eckt hel-
lenisch noch ein Leben beigelegt. Aehnlich II. a 53, worflber in die-
sen NJahrb. Bd. L\V S. 356.— Vs. 46 liest man folgendes: * xoi i/ifss
eigentlich und xwar sehr, dann garsehr, freilich, allerdings.
Es sollte, nach der Bedeutung von xa/, seinem Satze eigentlich naeh-
stehen. xiivog yi nettai oki^Qrn ioixori, xai (tovxo) Utj^v,^ Das hiflÜM
aber doch die Sprachform des alten Epos in attische Logik Terwan-
dein , was die Einsicht des Schalers in den Dichter nicht fördert Es
genflgte eine einfache Deutung der Partikeln, wie sie Wnnder Adverb
in Soph. Phil. p. 46 für diese Stelle gibt. — Vs. &1 : * vrfioq itvi^ifinm^
auch eine Epanalepsis wie Vs. 23 Al^ümag* u. s. w. Wohl nicht|
weil das Nomen ein anderes Attribut hat, wahrend bei der * Epana-
lepsis ' oder Anadiplose entweder das Nomen allein oder das Nomen
mit demselben Beiworte wiederholt wird. Daher ist es nach epischem
Stile wohl einfach als apposilives Verhältnis zu OfupaXog zu fhÜMn.
Die Erklärung des letztern: *ein Punkt, der von allen Ufern in i
mefslichem Abstand gedacht wird' ist leicht misverslandlich,
nicht der * Punkt' mit * Insel' (oder nach Döderlein Gloss. I, lö3 mit
* Erhöhung') und * von allen Ufern' mit *von jedem Festlande' ver-
tauscht wird. Mit solcher Klarheit spricht auch G. Hermann Opnse.
VII, 249: *mare intclligebatur magnum atque immensnm, cuius in me-
dio, longe ab habitalis oris, insula esset.' Noch befser aber wird
man, nach dem Vorgange Bothes und Hermanns, hinter ^alaOOffs ^^^
des Komma eine stärkere Interpunction setzen und zu vflaog dcvdf^MWn
ein einfaches iaxl im Gedanken hinzunehmen. So wird die Fabel vom
Atlas als etwas neues echt episch mit vfjaog divöf^iCCa eingeleitet
und so die Gleichmäfsigkeit der Interpunction mit andern ähnlichen
Stellen gewahrt. Das olootpQiov vom Atlas hat der Hg. also ansgn-
deutet: 'eine ungewöhnliche Uebcrlcgenheit der Kraft, besonders der
GeisleskraH, erweckt beim gewöhnJichen Menschen Mistranen nnd
Furcht, weil er sich nicht denken kann, dafs jener seine VorsOgo
nicht zum Nachtheil des schwächern misbrauche.' Ich zweifle indes,
dafs der alte Hellene von so naturalistischer Ausdeutnng, die uns in
die Zeit von Köppcns Anmerkungen zurückversetzt, ein Bewustsein
gehabt habe. Sodann ist mir unklar, was derartige Noten znm Schnl-
verständnis des Dichters beitragen können. Endlich verstehe ich nieht,
wie überhaupt die allgemeine Beziehung auf * Ueberlegenheit der Kraft,
brflondcrs der Geisteskraft' im b on ti mm ternoAoo^^v liege nnd wer* der
^ehwächere' sei, zu dessen Nachtheil 'jener' [wer?] 'seine VorsOge'
fsh Alnitpfftov^ misbrauche. Soll über die Sache etwas bemerkt wer-
dfin, ^n schiene es mir zweckmäfsiger zu sein, nach der Darstellung von
f J llPrmann oder von llefTler (NJahrb Bd. XXXVI S. II IT.), je naehdem
tifh iir. F. entscheidet, eine kurze nnd bestimmte Note zu geben. —
J. U. Faesi: Honen Odytseo. Ir ■. 2r Bd. 241
rilitea fflr Ai^biteg xcl spreche«, wae Th. Bergk in eonmenl. erit.
spee. V (Marborg 1850) mit gewohotem Scharfblick begrandet bat. Ea
iat aus keiner Stelle dieser Ausgabe ersichtlich, ob Hr. F. Bergks Ab-
handlang gekannt habe. — Zum gleich folgenden Verse heifst es: ^ der
Genetiv ist örtlich au fafsen und bezeichnet den Bereich, innerhalb
dessen etwas geschieht.' Ist zwiefach bedenklieh. Am einfachsten
denkt man wohl im Sinne des alten Sfingers an den Genetiv der Zuge-
körigkeit, von At&lfmMq abhängig, das dnreh ol (liv und of di wieder
aafgeiommen wird: ^Aethiopen des untergehenden Hyperion und Aethio-
pen des aufgehenden.' Etwas anderer Natur ist das ganz vereinzelt
flehende ^ ovxldifytog ^v 'Axauxov y 251, wo hierher znrückverwie-
■an wird. Denn dort ist die Localitat partitiv bezeichnet: Mrgend wo
in Argos% und so (nach einer guten Bemerkung von Scheuerlein : Syn>
tax S. 101 f.) von Af^ii unterschieden. Aehnlich nedloto, nur far den
deutschen Ausdruck etwas verschieden, bei Verben der Bewegung, wie
^ 122, wo Hr. F. ^mdloio zu inkovro* zieht, was für die gleichlau-
tenden Stellen H. iff 372. 449 passl, aber für v 820 unpassend ist, woraus
kervorgeht, dafs man an allen vier Stellen xovlovteg TtsdloM eng zu
verbinden habe. Dies wird bestätigt durch die Analogie in 11.^38. 1 147.
C7- %2i. 26, i 244. Aufserdem hat Hr. F. nedioto dreimal nicht genau
flbersetzt, zu H. ß 785 (bei der Wiederholung y 14. ^ 364 steht keine
Verweisung; beim ühnlichen Od. y 476 keine Erklärung) und x 344
*in der Ebene', was das häufige ivmölto wöre; und zu q 748 Mn die
Ebene'. Man bat vielmehr an allen 31 Stellen, wo das formelhaft ge-
wordene Ttiöloio erscheint, ^ durch die Ebene hin' zu deuten. Nur ein-
mal erscheint die Fraeposition dux dabei, II. l 754, ein neuer Beweis
far das spatere Alter jenes Abschnittes. — Vs. 29. Die Note, dafs
*das Beiwort a(iv(A(ov bei Antilochos allerdings eigentlicher an seiner
Stelle sei, als hier bei Aegistlios' ist für Schüler nicht klar genug
und der Sache nach nicht ohne Anslofs. Entsprechender wäre der
kurze Hinweis, dafs das Beiwort nur auf aufserliche Vorzüge gehe,
wodurch ohne Zweifel Aegislhos auch die Klytuemnestra gewonnen
habe. Ueberhaupt aber dürfte es für die Einleitung einer Schulausgabe
des Homer recht zweckmüfsig sein, wenn statt des Eingehens in kri*
tische Differenzen der Composition, die über den Gesichtskreis des
Schülers hinausliegen, lieber ein kurzer insiructiver Abschnitt über
den Charakter der altepischen Epitheta beigegeben würde. Denn dies
führt in den Dichter hinein. — Vs. 35: ^vvv bezieht sich ... auf das
am Schlufs dieser Rede folgende rcavi aninaav^ vor dem es auch
noeh wiederholt wird.' Kennt der Hg. ein zweites Beispiel aus dem
Epos, wo bei erklärender Einleitung mit ag %€tl die unmittelbar fol-
gende Partikel nach einer Reihe von Versen noch einmal emphatisch
wiederholt wird ? Ich meine , dafs atg kccI vvv eng zusammengehöre,
weder aufs erste noch aufs letzte Verbum allein sich beziehe, sondern
anf die ganze gleich folgende Erzählung, so dafs der vorhergehende
Gemeinplatz (Vs. 33. 34) nun durch das Ganze als durch ein Beispiel mit
epischer Vollständigkeit erläutert werde. — Vs.40: ^'Ar^Mao hängt
242 J. U. FaMi: Homers Odyssee. Ir u. 3r Bd.
objectiv TOD xlcig ab/ Ist seit den Zeiten des Eusthathias die her*
kömmliche Deutong. Mir will aber scheinen, als mftrse man in der-
artigen Stellen das subjective Verhältnis geltend machen, also hier:
*des Atriden, d. b. der Atride wird dnrch seinen Sohn Orestes Ver-
geltung flben.' So wird auch den Todten beim alten Singer echt hel-
lenisch noch ein Leben beigelegt. Aehnlich II. a 52, worüber in die-
sen NJahrb. Bd. LXV S. 356.— Vs. 46 liest man folgendes: * xal l/iyv^
eigentlich and zwar sehr, dann gar sehr, fr ei lieh, allerdings.
Es sollte, nach der Bedeutung von xcr/, seinem Satze eigentlich aaeh-
stehen. xeivog y€ %t,ixai oU^qg} iimtOTL, tucI (xoüto) Utiv.* Das hiefse
aber doch die Sprachform des alten Epos in attische Logik verwiB-
dein, was die Einsicht des Schülers in den Dichter nicht fördert Es
genügte eine einfache Deutung der Partikeln, wie sie Wunder AdTem
in Soph. Phil. p. 46 für diese Stelle gibt. — Vs. 51: * v^ag ^evd^fftffl^
auch eine Epanalepsis wie Vs. 23 Ai^Umag* u. s. w. Wohl nicht^
weil das Nomen ein anderes Attribut hat, wihrend bei der *Epuin-
lepsis ' oder Anadiplose entweder das Nomen allein oder das Nomen
mit demselben Beiworle wiederholt wird. Daher ist es nach epischem
Stile wohl einfach als appositives Verhältnis zu oiupalog su faboB.
Die Erklärung des letzlern: *ein Punkt, der von allen Ufern in nner-
mefslichem Abstand gedacht wird' ist leicht misverständlich, wenn
nicht der * Punkt' mit ^ Insel' (oder nach Döderlein Gloss. I, 153 bH
* Erhöhung') und *von allen Ufern' mit *von jedem Festlande' Ter-
tauscht wird. Mit solcher Klarheit spricht auch G. Hermann Opise.
VII, 249: *mare inlelligebatur magnum atque immensem, cuius in me-
dio, longe ab babitatis oris, insula esset.' Noch befser aber wird
man , nach dem Vorgange Bothes und Hermanns, hinter OcrXirtftfi^ statt
des Komma eine stärkere Interpunction setzen und zu vffiog divi(f^ta0u
ein einfaches iarl im Gedanken hinzunehmen. So wird die Fabel vom
Atlas als etwas neues echt episch mit v^aog divdf^iCCa eingeleitet
und so die Gleichmafsigkcit der Interpunction mit andern fthnlichea
Steilen gewahrt. Das olooipQGiv vom Atlas bat der Hg. also ausge-
deutet: *eine ungewöhnliche Ueberlegenheit der Kraft, besonders der
Geisteskraft, erweckt beim gewöhnlichen Uenschen Mistrauen und
Furcht, weil er sich nicht denken kann, dafs jener seine Vorzüge
nicht zum Nachtheil des schwachem misbraucbe.' Ich zweifle indes,
dafs der alle Hellene von so naturalistischer Ausdeutung, die uns in
die Zeit von Köppens Anmerkungen zurückversetzt, ein Bewnstsein
gehabt habe. Sodann ist mir unklar, was derartige Noten zum Schii*
Verständnis des Dichters beitragen können. Endlich verstehe ich nicht,
wie überhaupt die allgemeine Beziehung auf * Ueberlegenheit der Kraft,
besonders der Geisteskraft' im bestimmtem oAoo^pmv liege und wer *der
schwächere' sei, zu dessen Nachtheil * jener' (wer?] * seine Vorzüge'
[als oXo6fpqf»vl\ misbraucbe. Soll über die Sache etwas bemerkt wer-
den, so schiene es mir zweckmfifsiger zu sein, nach der Darstellnng von
G. Hermann oder von HefTlcr (NJahrb Bd. XXXVI S. 11 ff.), je aaehdea
sich Hr. F. entscheidet, eine kurze und bestiBBte Note zu geben. —
J. U. Faesi. Uonert Odyssee. Ir u. 2r Bd. 249
Vis. 60: 'ov viS T<, hat deon nicht. %i ist an das abschliefsende vv ihn-
lieh angehängt, wie an die Relativpartikel Vs. 50.' Wie man auch aber
die Partikeln urtheilen möge, so viel scheint festzustehen, dafs man
weder den Ausdruck * abschliefsendes vv * noch die Uebersetzung des-
selben mit denn werde billigen dQrfen, wenn man dem Schüler eine
klare Einsicht beibringen will. Dazu dürfte ein ^hat nun nicht da
Odysseus' n. s. w. entsprechender sein. Vgl. NJahrb. Bd. LXY
S. 380 f. Sonst ist rühmend hervorzuheben , dafs Hr. F. bei Fartikel-
erklirnng in der Regel an G. Hermanns einfache Deutlichkeit sich an-
Bchliefst, mit welcher die Schulpaedagogik in der Regel am besten ihr
Ziel erreicht, sobald dasselbe auf rasches und gesichertes Yerstand-
■is der Alten gerichtet ist. Nur vereinzelte Ausnahmen, die Bedenken
erregen, kommen bei Hrn. F. zum Vorschein, wie gleich Ys. 65 ^mg
Sv tiuix ^Odvaipg iya ^eloio ila^o^i^v, wo bemerkt wird : * hier ist
IWciTcr etwas abgeschwächt, wie unser denn aus dann in der ver-
wundernden oder unwilligen Frage.' Die Etymologie mag richtig
sein, aber der Gebrauch von denn und dann ist bei uns so verschie-
den, dafs man nicht ohne wesentliche Sinnesänderung das eine für das
andere setzen kann. Und wie soll nun der Schüler Frsgen mit ndg
yiif (x 337. n 70. t 325. 11. a 123. x 61. 424) übersetzen? Wie soll
er zur Klarheit kommen, wenn auch das obige vv mit denn gedeutet
wird? Das sind Frsgen, auf die ich keine Antwort weifs. Für den
Anfang der Note: * Dieser Yers kommt zuerst 11. x 243 vor, wo Inura
eine leichtere Beziehung auf den vorhergehenden Bedingungssatz hat'
ist beizufügen, dafs die Fragform neig Sv inetxa schon 11. i 437 gele-
sen wird. An allen drei Stellen wird ein einfaches dann (oder in
diesem Falle, was Hr. F. selbst zu ß 273 hinzusetzt) wohl ausrei-
chen. Denn an unserer Stelle ist der Bedingungssatz , der in den bei-
den andern vorhergeht, mit im nachfolgenden Relativsatze (ig —
iVtt>xc) enthalten, so dafs o^, wie mir scheint, zugleich ein bi o yB
mit einschliefst. Auf ähnliche Weise möchten andere Noten über
üfSSiTcr, wie zu 11. i 444 ^denn, darum'; zu o 49 *also, demnach' einer
Revision bedürfen. — Ys. 71: ^naoiv KvKkdneaai. Der Dativ nach
einem Superlativ wie sonst der Genetiv = inmitten aller Kyklopen,
unter ihnen.' Mir ist nicht recht verständlich , wie in solchen Steilen
der Superlativ einen Einflufs ausüben solle, um besonders genannt zu
werden. Ich meine, dafs dieser Dativ mit dem häuAgen xoiai in die-
selbe Kategorie gehöre. — Ys. 75 : * ov n xaraxrc/vci hat nur den
Werth eines Zwischensatzes: wenn er ihn gleich nicht tödtet; er thut
wenigstens, was dem schlimmsten am nächsten kommt.' Da ist mit
attischem Mafsstabe gemessen, nicht nach homerischer Parataxe. Nun
aber dürfte durch die Forschungen von Fr. Thiersch und später von
Ahrens so viel erreicht sein, dafs man die fp^img^Axtinr^ nicht zur Benr-
theilungsnorm homerischer Sätze zu gebrauchen habe. Kann man auch
nicht mit Homer die Elemente des Griechischen beginnen, was Ahrens
verlangt (wogegen aber mehrere gesprochen haben), so ist doch aus
dessen gediegenen Leistungen leicht zu erkennen, wie man zum Nutzen
244 J. U. Ftesi : HomcrB Odyssee. Ir a. 3r Bd.
des Schülers die homerische Sprochrorm selbständig behandeln und
den Dichter nur aus dem Dichter erklären könne. Dies >vird nun ge-
stört, sobald man die Gedanken des Epikers entweder nach moderner
Sprachrorm oder nach der Satzbildung der Alliker beurtheilt. Anfser-
dem ist dies Verfahren für die Praxis der Schule ein Hindernis, wel-
ches das rasche und sichere Fortschreiten im Verständnis des Dichten
nnnöthig aufhalt. Eine kurze, die Hauptfulle der homerischen Parataxe
tibersichllich ordnende Lehre dürfte in der Einleitung, die einer Schul-
ausgabe vorausgienge, an ihrem Platze sein. — Vs. 83. Nach Ana-
logie mancher andern guten Bemerkung dieser Art hätte mau hier den
Wink erwartet, dafs an den übrigen Stellen, wo der Vers vocrr^cri
^OdyCtja Ö€ctq>QOva ovöe öofiovÖB wiederkehrt (£ 424. v 239. 329. 9
204), nokvg)Qovct stehe. — Vs. 95: ^ ?x£lv rtva, über einen kommen,
einen ankommen.' Das wäre das antecedens, wofür fxeaO'ai, laßtiVj
ikeiv und andere Verba gebräuchlich sind , wie auch hier von Porson
aus dem Ilarl. kdßtjai und von Alter aus einem Vindob. Sk^^iv ange-
merkt ist; aber xkiog fii-v eyn lieifst bestimmt: der Ruhm halt oder
besitzt ihn, so dafs xXiog (wie beim bekannten xklog ovqavov Tmi
oder Kkiog evgv (leTigxoiiaLU. ü ) in lebhafter Personiiicierung erscheint,
die man durch die herkömmliche Deutung abschwächt. — Vs. 1 16. Zur
Nachstellung des demonstrativen rcSv kann man besonders das sechs-
undzwanzigmal vorkommende tjfiau rcS, ore vergleichen, zweimal
ohne 0T£*), so wie ^eacav xatav IL e 332, avÖQa tov Od. x 74 (wo man
*) Nemlich Tl. q 401 und Od. rj 326 ^/ictrr. reo avrcS, wo Hr. F.
doch einen Wink hinzufngen sollte: ^ an jenem Tage selbst, damit es
der Schuler nicht attisch verstehe; vgL | 161; IL tp 5 iJiiaTi xtp xqo-
TF^flo. Uebrigens habe ich bei der Korincl r/unrt T<p ots so wie in
manchem andern Falle die Grundsätze der Dekkerschen Interpunction,
der Hr. F. gefolgt ist, noch nicht entdecken können. Bekker hat
nemlich I) II. |3 3öl. f 210. f 345. i 2j3. 439. <p 5. Od. s 309 vor o«
Komma gesetzt, dagegen 2) in don andern Stellen von gleicher Be-
schalfenheit: II. (3 743. y J«9. «" 470. k 766. v 33 j. Od. -^ 252 diues
Komma weggelafsen. Ebenso fehlt dasselbe 3) an den noch übrigen
Stellen, die allerdings einen Zweifel erregen können, weil unmittelbar
vor ^uccTi am Schlufse des vorhergehenden Verses interpungiert ist:
II. g 250. 0 76. <J^85. t 60. 89. 9ö. y 77. % 359. 471. rp 87. Od. v 19.
Aber rjunrt rrp ore könnte dann wohl nur bedeuten: ^als an jenen
Tage", und das hat für die epische Wortstellung seine Bedenken, be-
finnders well die Formel nicht durchgängig als stabile Redeweise sich
kundgibt. Dindorf hat das Komma überall getilgt, mit Ausnahme von
II. I? 351, wo es wahrscheinlich aus Versehen zurückgeblieben ist. Aber
doch hat er in gleichartigen SteJIen das Komma von Bekker beibehal-
ten: fl. fi 279y/urtrt xHiLfQCoi^ orf. o 252, was mit e 210 nicht har-
moniert; (p 5 ^u.(VTi TflS Tr^oTf^o), orf. Aulserdem erscheinen nun Yier-
mal (II. f 210. {:346. Od. b 309. M> 252) drei Verse hintereinander ohne
Interpunction, zu deren ausdrucksvoller Recitation wenigstens eine
gute Lunge gehört , was nur noch bei zwei andern , ebenfalls bedenk-
lichen Fallen vorkommt. Am ronseqnentesten verfahrt hier Uäumleini
welcher das Komma überall eingesetzt hat. Nur hätte er zugleich an
allen, oben unter 3) erwähnten Stellen daa dem i^fiavi vorhergehende
J. U. Faesi : Homers Odyssee, ir u. 2r Bd. 245
unhomeriseh erklärt) und anderes, wie II. 1 631. — Ys. 123: ^iptX^eaiy
mit Passivbedeutung wie o 281.' Es sclieint aber der gemathliclien
Naivetfit des homerischen Zeitalters mehr zu entsprechen, wenn man
den passiven Medialsinn beibehalt und erleutert: * du wirst dirs bei
uns lieb sein iafscu.' Diese Deutung harmoniert mit den Lehren der
Alten, wie des Theodosius in Bckk. An. III, 1014, 3: tovg x(f6vovg
Tfjg fiiatig [ätaOiaecog] xauiiiQUSav t^ xe ivs^tixtxy xal Tra^^txy
xtX. — Die äovQoäoTiti Vs. 128 wird erklart: * wahrscheinlich eine
Vertiefung, Einschnitt in einer [Seule] oder der hinten gcschiorseno
Zwischenraum zwischen zwei Seulcn.' Die zweite mit oder einge-
führte Vorstellung , zu welcher ohne Zweifel Rumpf: de aedibus Ilomc-
ricis p. 29 Veranlafsung gegeben hat, möchte drei Dingo gegen sich
haben, erstens das Epitheton iv^oov^ das für einen solchen * Zwischen-
raum zwischen zwei Seulcn' keine passende Deutung zuliefse; zwei-
tens die Schönheit der symmetrischen Seulenordnung , welche durch
einen ^hinten geschlofscuun Zwischenraum' verunstaltet würde; drit-
tens die Praeposilion und den Singularis 7i(fog Kiova fiaxQi'iv, wofür
man dann Big oder lura^v oder iv mit dem Plural erwarten sollte.
Alles erwogen, wird man die Vorstellung Döderleins Gloss. §. 225,
dafs es eine der rinnenähnlichen Verliefungen in der canellierten Seule
sei, am geeignetsten finden. Dieselbe wird bestätigt durch q 29, wo
Teleniach seinen Speer in der Halle vor dem iMünnersuale an eine Seule
stellt, und wo der Name Öovqoöokjj^ als eine zufällige Benennung der
Seulenrinnen von deren huurigem Gebrauche zur Spceranlehnung, weg-
bleiben konnte. Und noch kürzer ist von derselben Sache II. o 126
gesprochen, wo Athene dem Ares diex ngo&vQOv nacheilen muste. Ein
anderer Grund, warum man an keinen ^geschlofscnen Kaum' als be-
sonderes WaiTenbehällnis zu denken habe, möchte daraus ersichtlich
werden, dafs nach r 7. 9. 18. 20 die Waffen des Odysseus, darunter
die iyxea o^vosvra Vs. 33, vom Rauche geschwärzt sind, und dafs Odys-
seus und Telcmach diese Waffen ohne weiteres (t 32. 33) ergreifen
und in den ^akafiog tragen, ohne einen besondern Vcrschlufs erst öff-
nen zu müfseu. — Vs. 132. In dieser neu hinzugekommenen Note wird
Komma tilgen sollen (in % ^^70 ist Dindorf vorangegangen). Denn
dadurch gewänne erst manche jener Stellen die specielle homerische
Färbung, und es wäre bei ihm mit den obigen Stellen unter 1) und
2^ die vollkommene Eintracht hergestellt. Ueberhaupt verlohnte es
sich der Mühe, die Grundsätze der Interpunction in unserm homeri-
schen Texte einmal nach den einzelnen grammatischen Beziehnngen
der Gedanken durchzugehen, indem man die Lehren der Alten in ste-
tige Vergleichung zieht. Es ist dies ein Punkt, auf welchen ein ge-
lahrter Kenner der alten Grammatiker, Prof. Schmidt zu Stettin, bo
eben in Mützells Ztschr. 1854 Juniheft S. 472 mit voller Berechtigung
hinweist. Die Sache ist selbst für die Schule nicht gleicbgiltig. Denn
eine consequente, für gleichartige Stellen exemplarische Interpnnction
erspart für die Praxis manche Bemerkung. Im Interesse der Sache
wäre lu wünschen , dafs Hr. Schmidt seine gediegenen AufsäUe später
einmal lu einem Ganzen verarbeiten möchte.
246 J. U. Faesi: Honen Odyssee, ir a. 3r Bd.
aXlmv iivrfixriQCiw epexe^etiseh oder appositiv gefarst. Den dOrlle
indes die angezogene Parallele £ 84 widerstreben, wie schos Nigela-
bach zu II. ß 191 bemerkt hat, wozu vgl. NJahrb. Bd. LXV S. 368. —
Vs. 141. Die Note gegen die Echtheit der beiden Verse kann kfirser
und bestimmter gestaltet werden nach Nitzsch Sagenpoesie S. 151. -—
Vs. 148. Die Bemerkung zu iTCsari^avzo ^sie fällten bis zum Rande«
Anders nahm es Vergil in seiner Nachahmung — vina coronan^ laatol
wenigstens vorsichtiger als bei Buttmann und Nitzsch, die geradezu
meinen, dafs Vergil * sein Vorbild misverstanden habe.' Als richlig
aber wird wohl die Annahme bleiben, dafs Vergil den homerisclieB
Ausdruck absichtlich nach römischer Sitte umgedeutet habe. DeM
dieses Verfahren kann aus dem Charakter der Aeneide durch mehrere
Beispiele begründet werden. — Vs. 162: ^^... xvX/vdft. Verinderlo
Construction; ergänze avxi. Sonst sollte es heifsen: ^ ... xvfiavi »«-
Xludofuva.* Wohl slv ikog nvfiari, — Vs. 163: ^£^ yt mit Affeet
steigernd: ja wenn, wahrlich wenn.' Aber die Partikel yi gehOrt
doch nicht zu dj sondern hebt nur den Begriff des KSivog hervor
(Klotz zu Devar. 11 p. 514), und der AlTect in solcher Verbindniif
möchte überhaupt dem modernen Subjectivismus, nicht der altepischen
Objectivitat eigenthümlich sein. Mehr über diese Partikeln so y 255.
— Vs. 164: * Hi€cq>QOT€QOi noöag.., i} aq>vti6xiqot. Jeder dieser Con-
parative wird zuerst auf den wirklichen Standpunkt der Eigenschaft
bezogen; dann werden aber auch beide Eigenschaften miteinander
verglichen, so dafs vor { noch ^aXlov hineinzudenken ist.' Diese
Deutung ist wohl für homerische Einfachheit zu gekünstelt and paisle
mehr zum rhetorischen Gepräge der Spätem. Hierzu kommt, dafs die
von Matthiae §. 456 gesammelten Beispiele, zu deren Sichtnng Poppo u
Thnc. III, 42, 3 ed. Goth. auffordert, verschiedenartiger Natur sind.
Dagegen gibt die andere Auffafsung: ^ schnellfüfsiger (um dem Odya*
seus entfliehen) oder reicher (um sich durch Bufsegeld loskaufen sa
können, wenn er sie gefangen nehmen sollte)' einen Sinn, wie nan
ihn nur wünschen kann. Dann wird beides mit dem Zustande vergli-
chen, in dem sich die Freier jetzt beflnden. Und das passt zn den Ge-
mälde , welches die Odyssee von ihnen entwirft. Davon weiter unten.
— Vs. 173. Bei ov ftev yaq xi et m^ov olofnai iv^di' ixia&ui würde
ich zur Note noch das eben so naive *alle Strafsen wurden schallig/
wo man auf dem Meere fährt, und ähnliches zur Vergleiohung bin»-
fugen , so wie zu i^ ^QXV9 die drei homerischen Parallelen ß 254. l
438. Q 69. — Vs. 176. Für sliit mit blofsem Accusativ kann nan bei-
fügen X 6 anonov aXlov itaofiai (wo Ilr. F. nicht schweigen durfte)
nach der zweiten Erklärung des Eustathius : iTunoQSvaofiai. Denn die
andere Erklärung würde wenigstens das Praesens verlangen, nieht daa
Futurum, und gäbe anfserdem ein unhonerisches Bild. — Vs. 196:
* Xocimol . . . ixovaiv z= ino 2<yAc;r(i3i/ avö^äv ixifitvog^ Nebenheslin-
niung.' Aber nur nach dem Mafsstabe des Atticismus bcurtheilt, wo-
von schon oben die Rede war. Dieselbe Bemerkung gilt für ß 903.
313. 370. y 232 und für viele andere Noten in beiden Gedichten« —
J. U. Faesi: Hoaert Odjtfee. Ir a. fr Bd. 247
V». 115 : *T6m di ob Xifm\ erg. ylyvevai oder h%l^ wie, waram könnt
dich die Noth an?' Passt diese Uebersetxang xa der «adero, nicht an-
gefifthrlen Stelle II. »85? Dort steht keine Benerknng: nnd doch will
es scheinen, als wenn dort and IL l 606 der Sinn nur aus Od. 6 313
xifne 6i ce ^^etca 6iv^ ijyaye entlehnt werden könnte. Denn wenn
DOderlein im Gloss. %. 779 n. 780 die Fornen xf^m und XQiui so un-
terscheidet, dar« das erstere ein alteriertes Particip statt XQadv sei
^bedarflig nachend', so ist nir unbekannt, nach welcher Analogie
•in solches Particip auf -et yertheidigt werden könne. — Das Wort
€ia%sa Vs. 229 aberselzt Hr. F. wie Nitzsch etwas lu allgenein mit
*Uofhg', wo nit Ph. Mayer (dritter Beitrag zur homer. Synonymik
8. 13) genauer * schmihliche Handlungen , dedecora ' zu sagen wäre.
— Vs. 232: ^(UlXiv ... ifAfieva^, es war durch den Stand der Dinge
und den Willen des Schicksals bestimmt zu sein.' Das erstere wird
wegfallen mOfsen, da es sich hier aus * homerischer Theologie' nicht
hegrQnden lafst. — V. 234. Zum ixigcog ißolwio heifst es am Schiurse :
^ vgl. auch e 286 iinsßavkivaiiv ^eol aklfag,' was weniger passt als IL
o, öl ßovXixai alkfi vom Poseidon gesagL — Vs. 255: ^ii yiif zugleich
wAnschend und einen Vordersatz bildend.' Es möchte aber dem Epos
widerstreben, dem ü yiq eine beabsichtigte doppelte Function beizu-
legen. Man wird es wohl nur als wünschend auffafsen dürfen, wie in
der angeführten Stelle d 341 ff. , so dafs dann der Optativ Vs. 265 die
rein gedachte Vorstellung bezeichnet (Bänmlein über die Modi S. 254).
Wenn übrigens nach uiv^ ein Gedankenstrich steht, so sollte derselbe
auch Vs. 259 nach MiQ(A£Qlöao gesetzt sein, in der zweiten Parallele
dagegen, die angeführt wird, y 218 IT., bildet d yuq einen einfachen
Bedingungssatz, wie das den Nachsatz beginnende tu beweist, hat also
mit der vorliegenden Stelle nur wegen der Parenthese eine Aehnlich*
keit. Bäumlein in seiner kürzlich erschienenen Ausgabe hat am Schlufse
desselben Verses (265 und 6 345) verschieden interpungiert, wohl aus
Versehen. — Vs. 264: ^tpiXhaiu yuQ aivag^ und darum hatte er das
Zatrauen , dafs er es nicht misbrauchen werde.' Das ist eine Ivctg^
die bereits in den ambros. Scholicn steht, aber dem alten Sänger ein
reflectierendes Bewustsein unterlegt, das für jenes Zeitalter fremdartig
klingL Wenn dieser Gedanke verstanden werden sollte, so müste er
ausdrücklich bezeichnet sein. Wie aber die Worte nach dem Zusam-
menhange des Textes vorliegen, scheint man darin nur die einfache
Hinweisung auf ein noivi t« rav q>ikav (oder in homerischer Sprache
9£Uk üütig ikkriXoiOiv) finden zu können. — Vs. 266: ^ it^nffoyctp^^
beifsendscherzliafter Ausdruck.' Wohl «beifsendbitterer', da keine
Thersitesscene vorliegt , sondern alles bitterer Ernst ist. — Bei Oeioy
y yowaai xiitat. Vs. 267 sollte das antike Bild der K n i e nicht in das
modernisierte MmSchofse der Götter' verwandelt sein , da letzteres
weder zu vvv xa cu yovva^ £%avo(Atii passt , noch zur Anheftung von
VotivUfeln an die Knie der sitzenden Götterbilder. -- Vs. 277 wird
nach dem Vorgange von Nitzsch erklärt, zunächst: *o[ öi^ die im Hause
des Vaters.' Das kann unmöglich mit homerischer Einfachheit hämo-
248 J. U. Faesi : Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
nieren. Denn das genannte Subjecl ist nickt mit einer Silbe angeden-
tet, und es mQste wenigstens der Vater allein (6 di), aber nicht *die
im Hause des Vaters' erwähnt sein. Sodann widerstrebt es der Sille,
dafs die Ausrüstung der Hochzeit (wie man es versteht) eine Sache
^ der im Hause des Vaters' befindlichen in so vager Allgemeinheit saia
solle, und nicht speciell des Vaters und der Mutter. Endlich macht
der Ausdruck ydfiov xevxHv bedenklich, der mit iqxvHv oder iuivvvai
oder ixTfAciv yiiiov nicht ohne weiteres synonym ist, sondern vielmehr
den BegrifT ^bauen, zurecht machon, zu Stande bringen' in sich schlierat
Aus diesen Gründen wird man bei ot Öi nur an die Freier denkei
können , die unmittelbar vorhergehen. Und dies stimmt zugleich im
Tone mit oi öi ycifiov ansydovaiv r 137, und im Gedanken mit (ivifiv^
geg ... iiteiyofievoi tov i(ibv ytifiov ß 97. t 142. o 132. Was nun die
im Texte sich anscbliersenden Worle xori uQXvviovatv hdva anlangt,
Fo hat Hr. F. die Ansicht, welche Nilzsch mit den vorsichtigen Worten
einleitet: *wenn sich bestimmt darlhunliefse,' zu folgender Bestimmt-
heit gestaltet: ^sic werden einen beliebigen aber verhaltnismifsi-
gen Theil der Brautgeschenke (eJva), welche die vielumworheoe
Tochter den Kitern eingebracht hatte, derselben als frei willige Ana-
stattung folgen lafsen.' Dagegen machen sich sachliche und sprach-
liche Bedenken geltend: sachlich ii»t das Ganze eine Hypothese, die ia.
keiner Stelle des Homer Begründung findet. Sodann müsten die oben
hervorgehobenen Wörter ^beliebig' und ^ vielumworben' und * frei-
willig' wenigstens an dieser Stelle irgendwie angedeutet sein, wu
nicht der Fall ist. Denn ioixE bezeichnet das geziemende oder gebüh-
rende, nicht das ^beliebige.' Auch der ^ verhallnisniäfsige Theil' hat
in fiaXa nokXa keine Stütze. Und das (plXrig ini rcaiöog eTiea^ai wQrde
in dem Sinne, dafs die Eltern ^ ihrer Tochter die Brautgeschenke als
freiwillige Ausstattung folgen lafsen' sicherlich den Accnsativ ^ktpß
Ttceiöa verlangen. Der Genetiv g>ik7]g ini naiöog dagegen kann nur die
Einwirkung andeuten, die vom BegrilTe des bei ini stehenden Nomeu
ausgeht oder die jemand von demselben erfahrt, also ^das Object als
erreichtes oder zu erreichendes Ziel betrachtet' nach Krügers (Gr.
§. 68, 40 Anm. 3) Ausdruck. Wie nun dieser im Atticismus sehr gt~
wohnliche Gebrauch bereits bei Homer mit sinnlicher Localitat gefaa-
den wird, wie in vtlaov ini WvQLt;g (;' 171) und ähnlichen Stellen, so ist
hier diese Verbindung bildlich gesagt und läfst sich mit H. t/ 196 Ciyj
^V vfi^ioiv * still für euch' vergleichen oder mit II. r 255 (nebst Hm.
F.s Note), also an unserer Stelle: ^ für das Mädchen,' d. i. wegen des
Mädchens, oder ^ nach dem Mädchen,' d. i. in Absicht auf das Madchea,
so dafs auch hier an die Freier zu denken ist, d. h. an die Brautge-
schenke, welche einem Freier zur Bewerbung um ein Mädchen folgea.
Demnach bedeutet das Ganze: ^ sie aber (die Freier) werden die Hoch-
zeit zu Stande bringen und die Brautgeschenke zurecht stellen, sehr
viele, wie viele (einem Freier) zur Bewerbung um ein liebes MAdchea
nachfolgen.' Denn wie Nitzsch unter Beifügung der Belegstelleu sagt:
wer am meisten gibt, führt die Braut heim. Diese Erklärung paist vor-
J. U. Faesi : Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd. 249
trefflich znr Parallele ]3 196 ff., weil dort darauf folgt: ov yuQ tcqIv
9Utv6ta9at olofuv vlug *Axai<ov {ivtictvog a^yalitig^ in diesem begrfln-
denden Satze also angedeutet liegt, dafs unmittelbar vorher von Be-
werbung die Rede sein müfse. Eurymachos aber spricht allgemein in
des dritten Person, weil er weifs, welche Rolle er als einer der reich-
sten Freier gar bald (nach o 17) zu spielen gedenke, weshalb er sich
auch Vs. 194 so emphatisch mit i/coi/ . . . avxog im Gegensatz zu den
andern Freiern hervorhebt. — Vs. 297: ^vrpttiag^ zerdehnt aus vrptiag,^
Das würde aber voraussetzen , dafs die letzte Form dem Homer schon
bekannt wSre. Da nun dieser bekanntlich vrptihi gebraucht, so kann
man wohl nur von einer Assimilation des e nach dem er der Casusen-
dung reden. — Vs. 315 scheint statt ^i ht in unserem Texte vielmehr
^1^ fii XI vvv naxiQVKS nolhwendig zu sein, wenn man die Stelle mit
J 594 fi^ 01^ (IS nokvv xqouov iv^a^ ^qvkb (coli. 587) vergleicht.
Auch die übrigen Stellen des im^iHvov können znr Bestätigung die-
nen. Denn q 278 (coli. 278) steht (itjöe av dti&vvecv, II. £ M2 (coli.
d40) ov Tt n^aiq)r}. x 150 (coli. 142) ovdi öiaxQlßeiv, nirgends ist
ein Ixi in den Vers gebracht. — Vs. 318: ^ xa2 fidka xaXov ikdv scherz-
haft = aber nur ein recht schönes!' Möchte moderne Reflexion
sein, die dem alten Sanger fern liegt. Weder das ^aber' noch das
*nur' steht im Texte. Ich kann im Texte nur eine einfache Wieder-
aufnahme von Vs. 312 erkennen: * nachdem du sogar das sehr
schöne (für mich) ergriffen hast.' Mit xftl kl7}v Vs. 46, worauf zu-
rückgewiesen wird, hat kccI (idka an ffieser Stelle keine Aehnlichkeit.
— Vs. 320. Statt ^durch die Luke,' was erst im Verbo liegt, ge-
nauer: ^zurLuke hinauf. Zu den Worten * oder avoscaca' halte
ich den Schüler in einer kurzen Parenthese an analoge Adverbialbil-
dungen wie inidi^ia oder vnaaniöia erinnert, und zur letzten Paral-
lele % 240 würde, weil daselbst ein dauernder Zustand geschildert ist,
noch eins der (von Nagelsbach hom. Theol. S. 139 erwähnteil) Bei-
spiele vom momentanen auf passende Weise hinzukommen. Nebenbei
erwähne ich znr Deutung Döderleins (Gloss. §. 857) von iv iv wiula^
dafs erst das Vorhandensein der Fenster im Männersaale aus siche-
rern Stellen als aus ava q&yctg bewiesen werden müfse, und dafs der
von ihm angenommene Sprachgebrauch in der Vergleichung noch der
Begründung durch homerische Beispiele bedürfe. Und wie soll man fti-
yaqa a%iotvxot verstehen? Ist die Deutung (Nast Über hom. Sprache
S. 34), dafs die (liyaga * Schatten und Schulz gegen die Hitze der
Sonnenstrahlen geben,» homerisch? — Vs. 348. Die Erklärung hat
alch an Nitzsch angeschlofsen : ^ccixloi^ sind Schuld, nemlich an dem
Unglück , das sie etwa besingen.' Aber dieser Gedanke klingt zu ge-
sucht und deshalb nicht recht homerisch. Ein unbefangener Blick kann
hier, wie mir scheint, nur folgende Annahme billigen: *die Sanger
sind nicht {die Ursache, nicht die Schöpfer ihrer aoidti Avy^iJ, sind
nicht Schuld am Stoff ihrer Gesänge.' — Das avÖQeg aktp^jaxal^ wird
weiter bemerkt, bezeichnet * die Menschen im allgemeinen als erwerb-
same, strebsame, unternehmende (wohl auch begehrliche).' Bedenken :
ItJakrb. f. PkU. u. Paed. Bd, LXX. Uft. 3. ^^
250 J> U. Faesi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
es gibt bei Ilomcr kein zweites Epitheton von avögegf av^Qomoi. oder
ßooxol, das iu so vager Allgemeinheit verschwimmt; denn der Cha-
rakter des alten Epos fordert die Bestimmtheit der sinnlichen An-
schauung. Hierzu kommt, dafs ak(pdvo} nicht in so allgemeiner Be-
deutung gebraucht wird, sondern seine specielle Beziehung hat. End-
Hch bleibt bei jener Ansicht die Endung von a^^i/ari;^ ganz unbeachtet.
Alle diese Schwierigkeiten schwinden (nach der treiFlichen Erklärung
K. Fr. Hermanns, welchem Döderlein im Gloss. §. 35 und Schneidewin
zu Soph. Phil. 709 beistimmen) durch die Brotesser, was auch far
die Stellen der Spätem passt und selbst für die Fische bei Athenaeus
eine sinnreiche Beziehung zuläfsL — Vs. 382: * o &aQaaki(üg ayoQiVBV^
indirecter Ausruf: was er so (?) muthvoll gesprochen.' Einfacher
scheint es, auch hier Ö = (in zu fafsen. — Ys. 390: *xo/, freilich,
eigentlich: und dazu.' Blöchte moderne Ausdeutung sein statt des
einfachen eben oder gerade. -— Vs. 392: ^Ueber att/;a xs vgl. xo
H. T 221' wo gelehrt wird: ^ alilfd xe scheint unmittelbar zusammen
'ZU gehören und eine gewisse (?) Verstärkung von a7t/;a zu sein.' Aber
nach welcher Theorie soll sich dieses begründen lafscn? Mir ist es
unverständlich. AVer dagegen mit Nügelsbach und AVentzel (über den
Gebrauch der Partikel t£ bei Homer. Glogau 1847) unser hinweisendes
da als ursprüngliche Bedeutung der Partikel fafst, der wird mit Wentzel
S. 9 die vorliegende Stelle übersetzen: Mlim wird da alsbald das Haus
reich und er selbst geehrter.' — Vs. 41-i hätte das schwierige ayyMy
nd^oyLUi einer Erklärung bedueft. Döderlein scheint im Gloss. §. 872
diese Stelle übersehen zu haben; Nitzsch übersetzt nemlich unrichtig:
ich traue. — Vs. 411: ^ yv^iiBvui, ^ dafs man ihn erkenne; vgl. 138
v/ipaa^at.' Dies Citat passt weniger als diejenigen Stellen, welche
Nägelsbach zu 11. a 97 mit der vorliegenden verglichen hat. — Das
gleich folgende scheint, wenn man civatiag dtpaq oT^erat und ovJ'
vTtifieivev sowie Vs. 320 den Vergleich beachtet, den Sinn zu ent-
halten: ^denn er wur ein angesehener Fremdling von ehrbarem Aea-
fsern, kein Bettler oder Vagabond, so dafs man erwarten konnte, er
werde langer bleiben.' — Vs. 425: ^ oOt regiert hier einen Genetiv;
sonst bei Homer nirgends.' Dürfte noch sehr problematisch sein!
Denn 11. k 358 6&i ot Kaxaslaazo yalifg stehen der von Hrn. F. gebil-
ligten Erklärung zwei Bedenken entgegen, die er nicht berührt hat.
Erstens hat Diomedes den äufsersten Helm des Hi;ktor so getrolTen,
dafs die Klinge seines Speeres vom Erze des Helmes zurückgeschlagen
wurde (nkdyx^ij <)' a.-ro xakx6(pL xakaog 3öl). Wo findet sich in den
Schlachtscenen des Homer eine ähnliche Stelle, in welcher bei solcher
Sachlage von einem Hineinfahren des Speeres in die Erde die Rede
wäre? Zweitens ist Tidxeifii in allen übrigen Stellen entweder absolut
gesagt oder mit dem Accusativ verbunden (gewöhnlich unter Beiffl-
gung der entsprechenden Praeposilion oder des localen Je), nirgends
mit dem Genetiv. Diese zwei Gründe füge man zum Bedenken wegen
des Digamma, das Hr. F. miliTti eiöofiai für beseitigt zu halten scheint,
ohne geuug zu erwägen , dafs i und er als Finalbuchstabcn nicht ohne
J. U. Faesi: Uoners Odyssee. Ir o. 2r Bd. 251
weiteres parallelisiert werden könDon. Doch darüber hat K. A. J. Hoff-
mann Quaest. Hom. II p. 28 und I p. 83 *mit einer wohl nur in Deutsch-
land möglichen Ausdauer' (wie G. Curtius Andent. über den gegenw.
Stand der hom. Frage S. 32 urthoilt) gehandelt. Ich denke daher, dafs
Hr. F. bei nochmaliger Prüfung seine Note zu 11. k 358 ändern und dies
Beispiel an unserer Stelle hinzufügen werde. Auch ß 131 aiUodt yaitjg,
— Vs. 426. In der Erklärung von mgiaxiittm ivl x^qw folgt Hr. F.
der gewöhnlichen Ansicht. Scheint ihm die von EduardGeist (Ztschr.
f. d. AW. 1841 S. 156 f.) gebilligte Deutung Döderleins , welche auch
die neuen Herausgeber des Passow aufgenommen haben, keiner Beach-
long werth zu sein? Die Vorstellung wenigstens, welche Hr. F. beifügt,
dafs nemlich ^der ^dXa(Aog^ wenn er auch noch in der at^ovaa war,
doch von mehreren Seiten frei zunächst am Hofe' gestanden habe,
— diese Vorstellung würde ein Grieche schwerlich durch 9W^ be-
seichnet haben, wie man auch II. x 165 nicht ohne Snbjectivismus mit
Hrn. F. ^eine kreis- oder ellipsenförmige Linie beschrieben' sich den-
ken kann. Denn der alte Sanger hat sich Ilios als umgeh bar ge-
dacht, und diese Vorstellung darf man durch keine vermeintliche Exe-
gese entfernen wollen. Den ^cikafiog v^riXog scheint mir J. H. Vofs
(neuer Abdruck der ersten Uebstzg. S. 410 Anm. 56) auf ein * Schlaf-
ximmer mit hoher Decke,' nach Sitte der Orientalen, richtig be-
logen zu haben. — Vs. 435: ^(pdieOM^ erg. TrjUfAaxog.* Istder Sub-
jectswechsel bei Homer auch in solcher Verbindung mit xai gebrfiuch-
lich ? So viel ich mich erinnere , gilt hier dasselbe Gesetz wie bei tf
xal oder ri §a %ul^ wo bekanntlich das neue mit xor/ angereihte Glied
immer auf dasselbe Subject sich bezieht. An vorliegender Stelle wäre
auch ol und ^ nicht ohne Bedenken , wenn man Hrn. F. beistimmte.
Zweiter Gesang.
Vs. 22: ^ix'^v^ bewarben, lip^a^ Mann werk' werden der
Deutlichkeit wegen für Schüler die gewöhnlichen Ausdrücke daueben
fordern. — Vs. 24: ^xov hängt von dct%(^x^^^ a^*' ^^® °^^^ ^ ^^^
and auch dies ist ein Grund, warum man dcfx^ ^io^v getrennt zu
schreiben habe. Die andern Gründe s. in der paedag- Revue 1864 Ja-
nnarheft S. 31. — Vs. 30. Als Parallele zu igxoi^ivoio könnte hinzu-
kommen a 406 verglichen mit ß 215. — Vs. 41 hatte Hr. F. f Sfi von
Bothe annehmen sollen. — Vs. 43: ^i^v x v^uv aaq>a etnm. Zur Wahl
des Conjunctivs scheint vorzüglich das Bedürfnis des Verses bestimmt
in haben.' Das ist ein auffalliger Grund, den doch niemand in Wahr-
beit einem wirklichen Dichter zutrauen kann. Das Wesen der Sache
für unsere Stelle hat schon Dissen (kleine Schriften S. 43) berührt.
— Vs. 50 * (itiziQi (loi. Wegen des doppelten Dativs vgl. 6 771.' Und
dort findet der Leser wieder ein blofses Wgl. ß 50.' Die wenigen Ci-
late dieser Art sind um so mehr zu berichtigen , da Hr. F. gerade in
den Citaten eine musterhafte Sorgfalt und Beschränkung aufs nothwen-
dige geübt hat. — Vs. 58: ^IW' avi^Q^ erg. iaxlv/ Vielmehr: *fi« , d. i.
bcsar&v^ wegen der Anastrophe. Eben so an den übrigen Stellen. — «
Vs. 68: * 8i^Krroff, weil nur durch Beobachtung von Gesetz und Brauch
17*
252 J. t\ Faesi : Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
der bürgerliche Verein bestehen kann.' Diese Note greift über die
BegrifTswelt des Homer hinaus, wogegen schon Nitzschs Bemer-
kung über das ^noch ganz unentwickelte Wesen der Themis im
Homer' hätte schützen sollen. Hier ist die nölhige Beschränkung im
folgenden Verse gegeben, so dafs Themis nur auf die öfTentlichen Ein-
richtungen der Versammlung Bezug hat, noch nicht aufs ganze 'Be-
stehen des bürgerlichen Vereins.' — Vs. 74 scheint mir der Gedanke
an ^ die Väter' fremdartig zu sein. Befser wird dieser Ausdruck der
Leidenschaft wohl allgemein gefafst, wie Vs. 240. — Vs. 86 : ^avaTtritVj
anheften, anhangen, sonst nsgianxeiv.^ Aber doch erst bei
Spätem, was für Schüler hinzukommen muste. Der Ausdruck hat
höhnische Färbung: den Schandfleck gleichsam wie ein Syakfua anhef-
ten (y 274) , und erinnert somit an den Ton der Rede in a 386. —
Vs. 89, wo Hr. F. mit Hecht wie Lehrs de Arist. p. 102 erklärt, möchte
man nur noch für iaxlv^ vom Abschlufs gesagt, die Parallele H. ß^9b
verglichen mit 134 hinzugefügt wünschen. — Vs. 117 bemerkt Hr. F.:
^ g>Qivag ia&kdg hängt wie Ki^decc von Jcoxcv ab.' Etwas deutlicher
wäre zu sagen, dafs durch Sgya iniOTuad'cci, so wie durch tp^ivag ic^lag
und %lQÖia das vorhergehende Relativum S epcxegetisch oder appositiv
erleuturt würde, wahrend die beiden ersten BegriiTe in i} 111 das ein-
fuche Object zu duxei; bilden , daher an beiden Stellen mit Kecht ver-
schiedene Interpuuction. Aufserdem wird q>Qivag ia&Xcig an allen drei
Stellen des Homer, wo es vorkommt, wohl gleiche Bedeutung haben
müfsen. — Vs. J20 ist ivöriq^avog beibehalten. Hält Hr. F. Bergks
Bemerkung (Zlschr. f. d. AW. 1851 S. 531) über ivnXoxafiog für un-
begründet? Bothes Einwand wegen einer 'pessima tautologia ' kann
leicht widerlegt werden. — Vs. 122. In den Worten arocQ (aIv tovto
y ivalaifiov ovx ivorfiev wird der Begriff des fiiv (doch das verkarste
firiv) mit ^bei alle dem' und *so viel ist gewis' zu sehr gepresst, da
das einfache Mn der That' oder * wahrhaftig' ausreicht. Aach ival-
aifiov möchte durch ^ verstandig' und * billig' nicht gut übersetzt sein.
Denn da man von ii; cctay^ d. i. xcri aliSav =^ xaror fioiQtxv ansgehen
mufs, so wird man befser (mit Döderlein Gloss. §. 43o) ein * recht
und zweckmäfsig,' opportune gebrauchen. Nach dieser Deutung wird
man zugleich in vorliegenden Worten den Gedanken des Nachsatzes
zu Vs. 115 suchen, nicht erst im f<»lgenden Verse, der von diesen
Worten die Begründung enthält. — Vs. 125: *avT^, d. i. ol avrg.'
Das ol liegt im Medium noisixai, — Vs. 153: ^ ö^vt^afAivfo zuerst mit
dem blofsen Accusaliv, dann mit aiAg>£ c. acc. construiert; vgl. 11. %
673.' Das will mir bedenklicher erscheinen, als wenn man beide
Stellen zum ersten der von Nitzsch zu (i 27 mit tiefer Einsicht erlea-
tertcn Falle rechnet. Hrn. F.s Erklärung zu ft 27 kann ich nicht bei-
stimmen, da die angeführten Stellen anderer Natur sind. Znm Havpl-
beweise a 24 aber habe ich oben meine Ansicht angeführt. — Vs. 158.
Der Accusativ OfArihxiiiv bei ixixacxo soll sich, wie auch Nitisch wiH,
aus II. Q) 535 navxag yoQ in* av^Qoinovg inUacxo erklären. Warum
gerade aus ial^ da bekanntlich auch Iv und fccr« dabeistehen? Es
J. U. Faesi : Homers Odyssee. Ir o. 2r Bd. 259
scheint doch einfacher so sein, den Accvsativ wie bei den fibrigen
Mediis zu erklären, oder an /id synesi'n so denken: üb er treffen. Vs.
183 bfitte ovSite wohl eines Winkes bedurft. — Vs. 201: ^Eigentlich
erwartete man ^eon^imlriv , vom vorigen Verbom öeiSifiev abhängig.'
Aber dann moste doch ifma^ofiB^a wegfallen. — Vs. 204: ^dtax^Cßm nur
hier mit doppeltem Accusativ.' Wird man wohl am besten mit Döder-
lein Reden und Aufsätze 11 S. 188 eu erklären haben. ~ Vs. 211 : *t(Sciat.
Die erste Silbe dieses Wortes wird noch etwas öfter bei Homer kurx
■1s lang gebraucht.' Ist nicht richtig. Denn toaai hat die erste Silbe
karx achtmal (II. 1 151. tf 420. v 214. Od. ß 211. d 379. 468. v239.
I 89), aber lang z ehn mal (II. i 36. ijf 312. Od. /3 283. O 559. 560. X,
122. 124. if;269. 271. co 188).— Vs. 226 folgt Hr. F. der jetzt gewöhn-
lichen Ansicht vom doppelten Wechsel des Subjects und von der Be-
ziehung des yi^Qvxi auf Mentor. Aufser dem zu a 434 geäufserten
Bedenken erlaube ich mir folgendes zu bemerken. Zunächst kann man
bei 9c«/ ot lAv iv vrj[vc\v inh^ercsv olxov nicht von einem eigentlichen
Wechsel des Subjectes reden, sondern man hat vielmehr den Sprach-
gebrauch geltend zu machen, der von Homer an bei allen Autoren
herscht, dafs man nemlich aus der relativen Constraction mit acstheti-
tcher Freiheit in die demonstrative abergeht. So sollte es hier eigent-
lich heifsen: * — Mentor, welcher der Gefährte des Odysseus war
nnd welchem er das Haus anvertraute'; aber dafür ist nach höherem
Gesetze demonstrativ geredet: ^ und er vertraute ihm das Haus an,'
80 dafs vorliegende Stelle von a 434 verschieden ist. Sodann das yi-'
Qcnv auf Mentor bezogen macht Schwierigkeiten. Denn erstens ist die
sprachliche Härte bei so verschiedener Beziehung von zwei mit rh . .
xcr/ eng verbundenen Satzgliedern nicht abzuleugnen , und man mOste
aus dem epischen Stile ein ähnliches Beispiel verlangen: die vergli-
chenen sind alle anderer Natur. Wir werden daher die von Nitzsch
erwähnte * steife Ordnung der Grammatik' und * grammatische Steif-
heit' wohl respectieren müfscu, wenn uns das Gegentheil unepische
Härten bringt. Zweitens kann Mentor, da er ein irai^g des Odysseus
ist und % 209 von Odysseus mit o(irihxlri 6i (fl icai angeredet wird,
noch kein yi^mv sein. Was Hr. F. wahrscheinlich mit Bezug auf Po-
velsens (Emendatt. p. 82) richtige Ansicht beifügt: ^yiQOvxi von
Mentor mit Bezug auf die spätere Zeit [welche spätere Zeit?], nicht
den Moment des imtginetv^* das ist mir unverständlich, weil Odysseus
anch nach seiner Rückkehr noch kein wirklicher Greis ist, und nir-
gends (anfser nach der Verwandlung durch Athene) mit diesem Namen
benannt wird. Drittens ist olKog nsC^nal xivi eine bedenkliche Rede-
weise, weil oliMq nirgends beim Dichter in rein persönlicher Beziehung
erscheint. Endlich wäre es auffallend, wenn der alte Epiker bei sei-
ner stabilen Redeweise für den Gedanken , den man in ml^ea^ai yi-
Qovtt finden will, eine so gesuchte Formel gebraucht nnd nicht etwa
einfach gesagt haben sollte: orxot; Krjöea^ai xal unqfiaxa nivxa tpv-
kaööHV (r 23). Dies sind die Gründe , aus welchen ich die Erklärung
des Eustathius für richtig halte. Mentor soll das Haus als iidxqwtog
2h4 J. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
oder olKOvo^iog (nach Scliol. B bei Buttmann) sicher behaten,aber
dem Greise untergeben sein: dem Greise, d. i. dem Laertes, wie yiqtov
auch d 754 gesagt ist. Denn yiqviv ist in der Odyssee eben so Ehren*
titel für den Laertes , >vie derselbe nach der Uias in der Familie des
Nestor heimisch war, worüber Hr. F. selbst zu U. k 696 eine gute Be-
merkung gibt. — Vs. 245. An dieser schwierigen Stelle hat sich Hr.
F. im ganzen an Nitzsch angeschlofsen, der jedoch über seine Erklirnng
selbst bemerkt, dafs sie *nicht ganz befriedige^ mit dem Zusatz: *doch
möchte keine Erklärung alle Unebenheiten ausgleichen.' Mir will »chei*
nen, als wenn Leiokritos den Gegensatz zwischen nav(^ovg and noVüot
(241) in seiner Antwort mit höhnender Klage absichtlich anders wende,
indem er das noXXol sogleich in ein avö^dai xal TckeovBaöi ver-
wandle und auf die Freier beziehe, daher das xor/: ^ gegen Blinner
sogar gegen mehr, als deine TtoXXol sind.' Diese Beziehung auf
die Freier scheint Vs. 251 el icksoveaai fiaxoLxo nolhwendig zu machen.
Weil ferner Leiokritos mit einer Anrede an Menlor beginnt, und weil
nachher nur 6ine Person, Odysseus, dem Mentor als Gegensatz folgt,
so dürfte zu ccQyaXiov im Gedanken ein roi {MimoQi) keine Schwie-
rigkeit haben. Dann wäre Vs. 246 eine Umschreibung des Begriffes
ivriQ xai fiaXlov i!g>&i(iog Cov (MivxoQog). Und hieran würde das tfv
i* ov xara (toiQav iemeg und aAA' äys, Xaoi xrl. passend sich an-
schliefsen. Auf den Fall , dafs sich Odysseus mit den Hhakern ver-
binde, kann sich der schlechte Freier, der eine schlechte Sache onit
schlechten Gründen vertheidigt, nicht einlafsen. — Vs. 272: *olog
iTUivog irjv reXiaai iQyov te iitog rf, d. i. rotomov elvai olog iiuivog
h]v^ so dafs teXiaai von Irjv abhängt.' Kann denn u}v einen Infinitiv
regieren, ohne dafs es für i^^v steht? Das zu beweisen möchte
schwer sein. Es müste dann wenigstens noch ein Begriff dabei stellen,
wie II. A340 iyyvg iaav ngoipvyHv. Hier aber hängt der Infinitiv von
olog ab, wie oben Vs. 59 und olog re x 160. q> 1 17. Aehnlich noiog xe g> 193.
xtjXUog ^20. roro^ ß 60 (mit Hrn. F.s Note) und ähnliches. — V8.307:
*ISßtT05, syncopiert aus i^algexog.' Nach welcher Analogie wiH Hr.
F. dies rechtfertigen? Denn das beigefügte ^zum Theil aus Versbe-
dürfnis' verlangt ein zweites und wesentliches ^zum Theil'. — Vs. 322:
^öatra niuovzo nach Vs. 300.' Die dort erwähnten Dinge können noch
nicht mit diesem Namen benannt werden. Sodann ist ein daha nivt-
ad^ai überall Sache der Diener. Dahor wird das a^emrai für diesen
Vers sein Recht behalten. Auch hätte ^eia hier komischen Anstrich.
— Vs. 327: ^tjoye xaC^ oder dann auch.' Leicht misverständlioh,
da der Sänger epanaleptisch *oder er auch' sagt. — Vs. 351: * Kaf&-
(iogog^ nach sonstiger Analogie für xarafio^og, passiv: gegen den
das Geschick ist , vom Schicksal angefeindet.' Aber dann würde das
Wort aus der Analogie von a^fWQog {avafioQog)^ övcdfifiOQog, dvCfio-
Qog^ an'djuo^s'* Icofiogog^ vniQfioQog^ dxvfiOQog geradezu heraos-
springen, da alle diese Compositionen activ zu erklären sind. Ich
denke daher, dafs ein richtigerer Weg ans Ziel führe, den ich in
Mützells Ztschr. (zu Döderleins Gloss. §. 579) versucht habe. — Vs. 356
J. ü. Faesi ; Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd. 255
koonte bei ^id'Qoa zu rBxvx&a (firr«)' noch Vs. 411 hiozngefOgt sein.
— Vs. 385 hat Hr. F. aye(fia^at accentiiiert. Aber beim Hinblick auf
Lobeck Rhem. p. 132 sq. werden viele Bedenken tragen , den überlie-
ferten Accent von ayi^c^ai rasch zu ändern. Baum lein hat ihn vor-
sichlig beibehalten. — Vs. 390 fragt man, warum bei der Erklärung
von ivaa£l(ios der Urheber derselben, Grashof (über das Schilf S. 15)
nicht genannt sei, wie es sonst geschieht, zumal da jene richtige Deu-
lang noch von keinem der neuern Lexikographen erwähnt wird. Aufser-
dem bat Hr. F. dem oitXa zu viel beigelegt. Es bedeutet einfach * Ta-
kelwerk, Takelage.' Was Homer dazu rechnet, das lehrt die SchifTs-
werfte der Phaeaken £"268, wo es durch Tt^lßiiccta Kai citilqa näher
erklärt wird, natürlich nebst dem beiderseitigen Zubehör. Die Ruder
aber sind ausgeschlofsen ; denn diese werden speciell mit einem neuen
Verbnm hinzugefügt. Auch der* Mast muste bei Erklärung der OTrila
wegbleiben. — Vs. 403 lautet die kurze Note: ^eita iTti^QiVfiot sagt
etwas zu viel, wie 408 — 419 zeigen.' Das möchte wohl * etwas zu
viel' behauptet sein. Denn wenn Homer beabsichtigt hätte, die Athene
in Bfentorsgestalt hyperbolisch reden zu lafsen, so würde er nach
sonstiger Gewohnheit einerseits das Einsteigen der Gefährten aus-
drücklich erwähnt, andrerseits überhaupt deutlicher gesprochen haben,
da ihm ein ?lovxctl y in iqn^La^ T£i^t/ fCoxiSiy(iBvoi o^ftifv (nach fi
171) oder ähnliches zu Gebote stand. Ich glaube daher, dafs die Aus-
leger und Lexikographen Unrecht thun, dem iTC^gsTfioi hier eine andere
Beziehung zu geben, als es an allen übrigen Stellen hat. Es behält
vielmehr auch hier den Charakter eines epitheton perpetuum: ^als
Rudergefährten' (d. i. die auf der Fahrt mit Rudern versehen sind),
womit sonst die RuderschifTe gewöhnlich verbunden sind. In diesem
Sinne bezieht sich die Steile nur allgemein aufs Erwarten, wie 11. 1 628
ähnlich von den Danaern gesagt ist: o? nov vvv ^cctai TtoriöiyiiBvoi.
Ueberdies vergleiche man wegen der Ruder das Vs. 390 über onka
bemerkte. — Vs. 409. Bei Uqj] tg und ts^ov fiivog könnte der Schüler
passend an das Schillersche ^safs König Rudolphs heilige Macht'
und ähnliches aus unserer Poesie erinnert werden. — Vs. 419: ^idtfi-
Seg^ Ruderbänke, eigentlich Schlüfscl, d. h. schliefsende Dinge, weil
sie bei der ursprünglichen Bauart der Schiffe ohne Zweifel quer
durch die Breite des Schiffes giengen, wie auch die Benennungen ^vya,
Auga^ iranslra andeuten.' Diese landläufige Deutung macht mancher-
lei Schwierigkeilen. Erstens wird dabei der Begriff des * schliefsen-
den' bis zu einem Grade erweitert, dafs er unter den Händen zer-
fliefst. Denn * ein Querholz zur S pannung' (fvya von fetJywftt) und
ein *Schlüfsel' sind offenbar heterogene Begriffe. Zweitens findet
man beim Schiffsbau nirgends zwei Wörter für dieselbe Sache: weder
in Bergbaus^ Geschichte der Schiffahrtskunde des Alterthums, noch
in Böckhs Urkunden über das Seewesen, noch in Rödings allgem. Wör-
terbuch der Marine habe ich ein sicheres Beispiel dieser Art aufAnden
können. Und dem plastischen Naturdichter sollen wir dies für die
f;vya und alriiÖBg beilegen dürfen? Ist nicht glaubhaft. Drittens ist
256 3. U. Facsi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
bei dieser Deutung in Itt! xAt^r^t xa^i^ov die Praeposition nicht obno
Bedenken: nach den sonstigen Analogien sollte man wenigstens ivl
xXriiGi erwarten (wie bekanntlich auch Herod. 1^2^ iv totai iöcMoid
sagt). Viertens passt die Erklärung nicht zum * Anbinden der Ruder
auf die Ruderbänke' «^ 37: di/^Tafif vo« d' £i; navtEg iitl %lrilai,v ige-
T/Lia. Denn welche homerische Vorstellung sollte man damit verbinden
können? Alles dagegen stimmt zusammen, wenn man xlriiSeg in sol-
cher Verbindung durch ^ Ruder pflöcke' übersetzt (die Dullen nn-
serer SchifTer), an welchen die Ruder in ledernen Riemen befestigt
oder angebunden wurden. Es ist also so viel als das spätere axak"
^6g, scalmuSy worüber unter andern Vitruvius X, 8 (mit homeri-
scher Vorstellung übereinstimmend) bemerkt: eliatn remi circa $cal-
mos strophis reliyaii. Nach dieser Uebersetzung haben wir eine
naturgemäfse Aehnlichkcit mit dem Sphlüfsel, gewinnen die sinnliche
Anschauung der Specialität, wie sie durch in igexfia i^Ofievoi (fi 171)
und ähnliche Ausdrücke in Homers Geist uud Sitte erforderlich scheint,
und können ohne sprachlichen Anstofs erklären: ^sie setzten sich an
den'*') Ruderpflöcken nieder.' Vielleicht hat es so schon ApoUoniiu
verstanden mit seinem rcc ^vXa Icp olg [an welchen?] oi iXavvovxBg
xaO-7;vra», weil er aliein das allgemeinere ^vXa setzt, wahrend die
übrigen Grammatiker das speciellere nad'iÖQai oder ^vya gebrauchen.
Ist übrigens die angeführte Deutung richtig (welche schon Damm un-
ter xXelg zu billigen scheint) , so wird darnach natürlich auch itoXv^
xAiJig**) zu unterscheiden sein von TCoXv^vyog (viel verbunden), W^v-
yog (wohlverbunden oder gut gezimmert, ^£i; avve^evyfiivri xal ^pfio-
Cfiivrj^ Schol.), iKcrco^vyog (hundertfach verbunden). Das letztere
nemlich deute ich nach derselben Methode, mit welcher Döderlein
*) Ueber den Unterschied zwischen iv und ini bei andern Be-
griffen — was aber nach der Grundanschauung mit dem obigen hamo-
niert — handelt Kochly in der Ztschr. f. d. AW. 1841 S. 704 und %u
Quintus Smyrnaeus 11, 134.
*^) Das ivuXijig dgagvicc II. oo 318 hat Hr. P. beibehalten und in
enger Verbindung beider Wörter durch Paraphr. svnXHaxog ^Qfioaitivii
zu erklären gewagt. Kann aber Hr. F. eine solche Zusammenfuguiig
des Adjectivs mit einem dgagvicc aus irgend einem Epiker — aus Ho-
mer ists nicht möglich — durch Beispiele begründen? Ich zweifle.
Hätte der Dichter diesen einfachen Gedanken ausdrücken wollen, M
würde er wohl entweder (nach IL t 473. Od. (p 236. 382. z IS»- 2o8-
!275. rl> 194) ein d'vQi^ 7cv%iv(ii dqaQvia^ oder, wenn er Q'vgji nicht
wiederholen wollte, nach li. yi> 454 ein Trvxa arißageäg dgagvCa ge-
braucht haben. Nicht minder bedenklich ist die andere Weise, dia
Spitzner vertheidigt, nemlich iviiXtiig und dijagvia durch Komma la
trennen und dann zu erklären : ' ianuam 6cne firmatatn dgagviav esse
intelligitur.' Aber das ist leichter gesagt als bewiesen. Denn nir-
gends wird das nackte dgccgvia in dieser emphatischen Bedeutung ge-
funden, sondern überall steht ein entsprechendes Ad^erbium dabei:
anfjier den schon erwähnten Adverbien noch fv (II. ij 339. 438. Od. c
128. ^^^42). Alles dagegen vereinigt sich für f/ol dh dl diiilov^ iv
ulrjiö' dgaovia, was Bnthe und Bekker, und nach dessen Vorgang
, , , _ ', un
Dindorf und Bäumlein aufgenommen haben.
j. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd. 257
Gloss. $. 768 den ixatoyxHQog erledigt: die Note des Hrn. F. zu H. v
247 scheint mir za fern zu liegen. Vielleicht hat man auf dieselbe
Weise auch. den Apollon ixctrrjßekitrjg und ixaxrjßokog als einen ^hnn-
dertfach treffenden' zu verstehen, wofür sich mancherlei anführen
Ufst. Schliefslich hat Hr. F. für obige Erklärung noch aus Apoll. Kh.
8, 1664 das von der Medea gesagte Sice KXrjtSag lovtstiv hinzugefügt;
allein Merkel hat dort mit Recht das handschriftliche 6ui xkriiöog zu-
rflckgeführt. Sonst stimmt Apoll. Rh. in dieser Beziehung mit Homer
flbereiu. — Was das Vs. 420 erklarte fxfcevo^ ovQog anbetrifft, so wie
Vs. 434 das otolkrjg ivroa^s fiea6ö(ifig und Vs. 425 das ngorovotj so habe
ieh darüber meine Meinung an anderen Orten ausführlicher dargelegt.
— Vs. 421 ist nach dem Vorgange anderer bemerkt : * xslddovra zu
9VOVT0V.' Das scheint in Bezug auf die Vorstellung nicht unbedenk-
lich zu sein: ich entsinne mich wenigstens solches bei Epikern nur
in Verbindungen gelesen zu haben, wie Od. 6 510 xov^ itpoQBt xara
novTOv anBlqova xv^ialvovra. Für die Ansicht der Schol. E
Q bei Buttmann dagegen spricht aufser II. ijß 208 besonders der Vers-
ausgang inl otvona novxov mit unmittelbar vorhergehendem Xivcömv
(11. e 771) oder nXl(ov (H. ri 88. Od. 8 474) oder I86v (II. ^ 143) oder
&9V (Od. y 286) und ahnliches in II. a 350. 1 291. o 27. Od. tt, 183 u. s. w.
Das ^oi}^ ava vija ^ilaivav und anderes, was vielleicht jemand für
Hm. F. anführen könnte, ist verschiedener Natur. — Vs. 428 heifstes:
^CxHf^ay hier und II. a 482 besonders der den Vorderbug bildende
nnd stark aufwärts gehende Theil des Kielbalkens.' Was soll nun
a^itpl di bedeuten? Pflegt nicht die vom Vorderbug durchschnittene
Welle am Hintertheile wieder zusammenzurauschen, und sollte nicht
der naturtreue Dichter gerade deshalb sein aftq>l gesagt haben? Die
Meereswoge nemlich umrauscht den Kielbalken, wenn das Schiff die
Mündung des Hafens verlafst und in die offene See gelangt. Dieser
Moment ist an beiden Stellen mit l&eev xata xvfia bezeichnet. Die
Beachtung dieses Umstandcs dürfte nöthig machen , dafs in der Note
so Vs. 430 eine Kleinigkeit etwas verdeutlicht würde. Zu dem Stfia-
liavot ö^ &Q€t OTtXa ^orpf ava vija (liXaivav xxl. ist nemlich zunächst
bemerkt: * durch diese Worte wird nicht nur der 424 ff. beschriebene
Act wiederholt, sondern etwas neues hinzugefügt.' Aber an eine
^Wiederholung' des schon ^beschriebenen Actes' darf hier nicht ge-
dacht werden , weil die Mastaufstellung und das Aufhissen der Segel
(ELäov, noch nicht das Spanneu und StrafTziehen mit nixaaaav und
Ttiloi) nothwendigerweise dem drjaaa&ai OTtXa vorhergehen mufs.
Das letztere, das Festmachen alles Takelwerkes über das ganze Schi IT
bin {ava vija) erfolgt doch erst dann, wenn das Schiff in der offenen
See das volle Fahrwafser gewinnt. So hier. Hr. F. fährt fort: «weil
der so günstige Wind alle weitere Thätigkeit der schilfenden über-
flflfsig macht, binden sie Segeltaue und Ruder fest und verrichten mit
Mnfse eine Spende.' Hier waren die Ruder wegzulafsen, da diese,
wie schon oben bemerkt , nicht zu oTtXa gehören. Dies erhellt auch
daraus, dafs ein Festbinden der Ruder (d. i. das Befestigen der Ruder
258 J. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
vermittelst ihrer ledernen Riemen an die Raderpflöcke) schon Vs. 419
xoTor xo aiomci^evov mit angedeutet ist (wie (i 203 — 205 beweist)-
Denn wenn die Ruder nicht gleich anfangs beresligt worden wfiren, so
würden sie bei der ersten Bewegung des Schilfes schon in den Wellen
des Hafens oder der Bucht zerstreut worden sein. Es sind also aacii
hier die onka Taue, Segel und Rahen, und das driaaa9ai onla be-
zeichnet das spätere, das Festsetzen der Schoten und Brassen, wäh-
rend Vs. 423 das öitkoav anzea&cit aufs frühere geht, aufs blofse Za-
rechtmachen des Segelwerks. Wenn man dies alles zusammenfafst, so
wird man am Gange der Erzählung, der früher Nitzsch und Bothe
grofsen Anstofs erregle, nichts auszusetzen finden. Man darf nicht
vergefsen, dafs Homer an keiner Stolle, wo von Schiffahrt die Rede
ist, alles vollständig zu geben brauchte, sondern dafs er bald diei
bald jenes (wie hier nach 429 das Vs. 417 angedeutete Steuerruder)
seinen ursprünglichen Hörern als selbstverständlich überlafsen konnte,
da die klcinasiatischen und curopaeischen Hellenen von Jugend auf in
der Sache lebten , die wir Binnenbewohner erst aus Büchern und auf
Beobachtung auf kleinen Seereisen mühsam erlernen mflfsen. Gut aber
wäre es, wenn Hr. F. diesen innern Zusammenhang der Stelle von
Vs. 419 bis zum Schlufse für Schüler kurz darlegte.
Dritter Gesang.
Wenn Vs. 2 bei ^ fcoXvxakuog ^ reich an Erz (in Zieraten und
kostbarem Schmuck)' die von Nitzsch zu x 508 gebilligte Ansicht G.
Hermanns (Opusc. IV p. 268: ^splendidum aerea supellectile ornamen-
tisque') befolgt werden sollte, ohne den Bemerkungen Göttlings (Hes.
ThüOg. 126) und Dissens (kl. Sehr. S. 401) einen Einflufs zu gestatten,
so schiene es zweckmafsig zu sein, an den ^glänzenden Schmuck'
(erzumstrahlt) und an aatSQoeig zu erinnern, so wie an nag d*
cif^cif xakicm kafinsj an kdiiTte 8h %aAxo9, an ägficcta noixlka %€tlx^ and
ähnliches. Denn von derartigen Stellen mufs wohl der Ausgang fflr
die obige Deutung genommen werden. — Vs. 9 hat Hr. F. die be-
gründete Entgegnung Grashofs (zur Kritik des homerischen Textes,
Düsseldorf 1852, S. 31 Anm. 54) vielleicht noch nicht benutzen kön-
nen. Die fii}QCa und fiiJQa hat er vorsichtig erklärt; indes gibt ihn
die erneuerte Behandlung der Streitfrage von G. Hermann zu Aesch.
Prom. 498 wahrscheinlich Veranlafsung zu nochmaliger Prüfung, ob
er künftig die * Schenkel knocken' beibehalten könne. Waren diese
wirklich bei Homer gemeint, so würde wohl ein deutliches oaria fii}-
Qciv irgend einmal in den Vers gebracht sein. Ferner ist nur beia
Festhalten der Schenkel die Vs. 65 von xgia wiigrega gegebene
Erklärung passend. Widrigcsfalls enthält sie einen kleinen Wider-
spruch. Denn man kann wohl Knochen und Fleisch entgegen-
setzen, aber nicht Knochen und Kgia vni(ftBQa, Endlich ist die
seit J. H. Vofs in Umlauf gekommene Deutung der nlova fij}Qla noch
von niemand als homerisch erwiesen worden. — Vs. 31 : ^^iyvQig^ jede
gemischte Versammlung^ , nicht nur eine ölTentliche und formell geselx-
iiche (ft/o^i/) von politischer Bedentsamkoii'. Also doch auch das
J. U. Faesi : Homers Odyssee. Ir n. 2r Bd. 259
letztere? Aber dies wird durch homerischen Sprachgebrauch nicht
bestfitigt, wie schon Nitzsch und Dödericin Gloss. §. 54 in bestimm-
terem Ausdruck dargelegt haben. — Vs. 45 hat Hr. F. gegen Bekker
and dessen Nachfolger i &iiitg icxLv zurückgeführt. Aber der Um-
stand, dafs das blofse ]/ und tim bei Epikern so vorhersehend die
locale Bedeutung haben, wird schwerlich gestatten, dafs die drei
Ausnahmen mit beigefügtem ttc^, die er zu d 510 erwähnt, einen noch
weiter reichenden Einflufs üben. Gegen die Richtigkeit von iq ^ifitg
bttv und fj dixfi iaxi wird nach der Erörterung von Lebrs (Ztschr. f.
d. AW. 1834 S. 147 und Quaest. ep. p. 44) schwerlich ein begründeter
Zweifel entstehen können. Wo die Formel den Charakter des Neben-
satzes verläfst und einen Hauptsatz bildet, da mufs natürlich an die
Stelle der Partikel der PronominalbegrifT treten , wie Od. £ 59. (o 255.
286 und noch deutlicher r 43, welche Stellen Nagelsbach zu II. ß 73
(mit Beistimmung von Nilzsch zu X 451) für die Deutung auch des er-
steren Falles — ich glaube mit Unrecht — als mafsgebend betrachtet.
Denn dafs der Ausdruck auch wechselt, zeigen Steilen wie H. X 779
a XB ^ttvoig ^i(iig iaziv. — Vs. 48. Der vielciticrte Ausspruch nav-
ng Si &eav xaxiova av^qomoi hätte wohl eine kurze Note verdient,
snmal da die Ausleger und Lexikographen (auch Siebeiis Disputat.
quinque p. 55), %axiov6i, durch ^bedürfen' übersetzend, den Gedanken
mit Unrecht vertieft haben. Es heifst, was %axiHv und xuxIIelv über-
all bedeutet, * verlangen oder begehren der Gölter' und bezieht sich
auf das Verlangen , gleichsam den Durst nach Götterverehrung, wie
sie durch das hellenische AUerthum durchgeht und an unserer Stelle im
zweimaligen evyBC^ai vorliegt. Dies ist in Wahrheil der pius sensus^
von welchem Siebeiis redet. In solchem Sinne ist vorliegende Stelle
mit Recht benutzt von Tholuck: das Ileidenthum nach der heiligen
Schrift (Berlin 1853) S. 9. — Vs. 62: ^STtsixa hat etwa die Kraft wie
sonst iv&a^ da.' Schwerlich, weil iv&a und iiteixa nicht selten bei
Homer vereinigt sind. liier scheint ^itsixa vielmehr mit Bezug auf Vs.
43 evxeo vvv gesetzt zu sein. — Vs. 72: *«Tt naxa TCQtj^iv ^ erg.
nXsks,' Doch wohl mit Hinzufügung des vyqa nlXev^a. Aber dann
müste, wie ich meine, nach Ttgtj^cv Fragezeichen oder wenigstens
Komma stehen. Wenn aber mit Bekker jede Interpunction unterlafsen
wird, so scheint es dem naiven Tone der Erzählung mehr zu entspre-
chen, das gleich folgende aXaXtjcd'S auch zu aaxa TCQfj^LV zu ziehen,
so dafs es nach Analogie von TcXoc^sa^aL naxa XriCda (Vs. 106) gesagt
sei. Freilich ist es ein Wagnis, über die Grundsätze der Interpunc-
tion, die Bekker im Homer befolgt, ein Urtheil zu fallen, da man
darüber bei aller sorgsamen Verglcichung nicht zur vollkommenen
Klarheit kommt, und der grofse Philologe sich nicht erbitten läfst,
zum Nutzen für uns Schulleute einige Bogen herauszugeben. — Vs.
91 beifst ^^A^<ptx(flxri die Repraesentantin des Meeres als Weltelemen-
tes', was ein verfehlter Ausdruck ist, der über den Homer hinaus-
greift und die hesiodeische Ansicht unterschiebt. Es wird daher
blofs (mit Nitzsch zn e 422) die Repraesentantin des tobenden Meeres
260 J. U. Facsi: Homers Odysöoe. Ir u. 2r Bd.
hervorzuheben sein, was auch mit Nägclsbach hom. Theol. S. 79 sich
vereinigen läfsl. — Vs. J09. Bei IWa jiiv . . . iv^a 8i . . , iv^a di
. . . ^vd-a di schiene mir nöthig zu sein, dem Schuler einen kurzen
Wink darüber zu geben, dafs, wenn die Griechen auch dasselbe
Wort wiederholen , sie das erstemal fiiv^ sodann jedesmal öi hinzu-
setzen, weil sie bekanntlich die Nebenbestimmungen jenes BegrifTci
distinguieren. Es ist dies ein Fall , den die Schüler in den griechi-
schen Excrcitien beim Partikelgebrauch von fiiv und öi nicht selten
verfehlen. Das mögen auch die praktischen Engländer aus der Erfah-
rung ihrer Jugend wifsen, weil Elmsley zu den Tragikern gerade anf
diesen Fall mehrmals zurückkommt. — Vs. 112: *ijdf fiaxv^ijff, nem-
lieh ne(fl akkau* Leicht misvcrstundlich, weshalb deutlicher zu sa-
gen wäre, dafs das nigi zu beiden Begriffen gehöre, zn ra^vg und
zu fiaxt]Tiig, — Vs. 115: ^Tcevrcesrsg xal i^aBxeg, fünf, ja sechs Jahre;
wie im Lat. terque guaterque,* Aber im Texte sieht nevraez ig yi
xorl i^aereg^ so dafs im Geiste der Griechen der Accent tiu( nevraeiBg
fallt, mithin Tial nicht so stark betont werden darf. Das Lateinische
passte formell nur zu Stellen, wie ß 374 eine ist. Richtig sagt Nitzsch:
^wenn du auch fünf Jahr und darüber hier bliebest und immer frag-
test.' Gerade so a ^ä^ ^elvov ye Tial'^lQov {takog, wo im foigendeo
ßlri ö^ 0 ys g)iQxSQog riev der Aufschlufs für die Hervorhebung dea
^Hvog deutlich gegeben ist. Aehnlich in allen Stellen, wo diese Ver-
bindung wiederkehrt. — Vs. 118: ^c[}iq>iinovz€g^ adverbial: eifrig,
geschäftig.' Eine solche Erklärung will mir nirgends recht homerisch
erscheinen. Das einfache ^wir bereiteten ihnen Uebel sie umge-
bend (umdrängend) oder um sie beschäftigt' dürfte vorzu-
ziehen sein. Ebenso II. ß 525. e 667. r 392, an welchen Stellen Hr. F.
schweigt. Nur zu II. i} 316 tov Si^ov afirpl ^' itcov^ xal fiiv diixivav
ajtavra liest man: * aiiq)l -^ snov wie sonst das Participium, vgL zu
Od. y 118=IL f 667.' Dafs aber dies sein Bedenken habe, zeigt die
gleichlautende Stelle, zu der wieder nichts bemerkt ist. Od. ^ 61
Tovg diQOv i^ipL -&' &rov, tetvxovto xe 6alx iQoxeivTJv^ weil es bei
der Annahme jener Erklärung wenigstens xexvxovxo öi heifsen mQste,
wenn nicht nach der Stelle der llias ymC ins zweite Hemislichion
gebracht wäre. Ich meine daher, dafs man nicht nöthig habe, die
Jugend, der man ein Verständnis des homerischen Epos beibringen
will, durch derartige Noten in der Unmittelbarkeit der sprachlichen
Auffafsung zu stören. — Vs. 120. Zu fvO' ov xig ist beigeschrieben :
*vgl. J2Ü. 141 iv&* ?/TOi. Eine sehr zwanglose Verbindung.' Aber
das ist doch überall Charakter der epischen Verbindung, da das ge-
zwungene nicht ins Epos gehört. Hr. F. hat sich ohne Zweifel im
Ausdruck vergriffen , indem er mit praktischer Praecision ausdrücken
wollte, was Nitzsch zu Vs. 103 S. 153 also bemerkt: *iv9a steht hier
ohne Copula und gibt di;n ersten unabhängigen Satz' u. s. w. Uebri-
gens ündel sich ev&^ ov xig ebenso l 146. U. O 253. t/; 632. Und wie
oft steht frO' t/rot und IV&cc ohne weitere Copula zu Anfang des
Satzes, so dafs ich fast fürchte, die Note des Hrn. F. nicht riehlig
J. U. Faesi : Homers Odyssee. Ir n. 2r Bd. 261
verstanden zn haben. — Vs. 123: * alßag (i* l^«, nicht sowohl wegen
der auffallenden Aehnlichkeit (vgl. d, 142. 149), als in Betrachtung
des Gedankens , dafs Telemach der Sohn des trefFlichen Freundes sei.'
Das will mir für den Charakter der homerischen Naivetät zu gesucht,
sa reflexiv vorkommen. Sodann scheint es bedenklich, beide Stel-
len, die unsrige und die citierte, dem Sinne nach voneinander za
trennen. Hätte der Dichter dies beabsichtigt und die erwähnte ^ Be<
trachtung des Gedankens' hervorheben wollen, so würde er wobt
nicht die stabile Formel cißccg i^' axet mit dem folgenden eiüoQOODvxa
gebraucht haben, sondern mit oqfialvoma oder xi^rpta di fiegfitigl^wv
oder eine ähnliche Formel , die den Gedanken mit epischer Deutlich-
keit ausdrückte. Aber gerade die stabile Formel mit Bicogoonvra so
wie die gleich folgende Begründung mit yciQ scheint deutlich anzu-
deuten, dafs man an beiden Stellen dieselbe Beziehung, die naive Be-
zeichnung der Aehnlichkeit festhalten müfse. Anch im folgenden ioi-
noteg und iotxora^ wo Ur. F. (mit Nitzsch) die übertragene Bedeutung
gibt, scheint mir blofs der Begriff einer Aehnlichkeit vorzuliegen, so
dafs die Worte ov8i xe g>altig avöqa vBcixeQOv toSe ioin&ca (iv-
^jCaaO'ai nicht sowohl den schon etwas entfernter liegenden Sinn
enthalten: *wer als jung schon so angemefsen oder so verständig
spricht, mufs wohl einen ausgezeichneten Vater haben', sondern viel-
mehr die näher gelegene Einfachheit bieten : * man sollte nicht mei-
nen, dafs schon ein jüngerer Mann seinem Vater so ähnliches rede,
d. i. dafs diese Aehnlichkeit mit dem Vater schon im jungen Manne so
scharf ausgeprägt sei.' Nur dieser Gedanke ergibt sich, wie mir
scheint, auf natürliche Weise aus den Worten des Henelaos 6 204:
xoaa sliceg otf' Sv nsnwfiivog avrjQ iinoi xai Qi^su^ xal og nqoyt-
vicxBQog Bit), Dazu II. i 57. 58 und ähnliche Stellen. — Vs. 129.
Die praktische Kürze zu yivoixo ^ dies war ihre dauernde Absicht' ist
nur wegen des Wörtchens * dauernd' leicht misverständlich, weil eine
Betonung desselben auch für yivrjToci passte, wie bekanntlich auch
Vofs Randglossen S. 30 nach einer Wiener Handschrift mit Unrecht
lesen wollte. Duher wäre wohl die Note noch bestimmter gestaltet
mit einem: * dies war ihr beabsichtigter Gedanke.' — Vs. 131 ist Hr.
F. in der zweiten Ausgabe stillschweigend dem trelTlichen Nitzsch
gefolgt, indem er den Vers (was auch Bothe und Baumlein, aber mit
Anführung ihrer Anctorität gethan haben) als unecht einklammert,
weil * durch ^eog d' ixiöacaev ^Axatovg als [durch] die letzten Worte
des Vordersatzes schon dem Nachsatze xai xoxs dti — ^A^eloig vorge-
griffen und überhaupt das xeödaai 'A(^ilovg [vielmehr Axctuyvg] zu
früh erwähnt' sein würde. Mir scheint indes gerade dies Vorgreifen
ganz im Charakter von Nestors Reden zu liegen. Im Munde eines
Aehilleus, Agamemnon, Aias, Diomedes und ähnlicher würde es auf-
feilen , aber Nestor (man betrachte nur sorgsam II. of 260 ff. /? 337 ff.
17 133 ff. X 671 ff. -^ 630 ff.) Nestor pflegt den Gegenstand, von wel-
chem er sprechen will, gleich wie ein Thema an die Spitze zu stel-
len, sodann in der Regel zurückzugreifen und die Thatsache in ihrer
262 J- U. Faesi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
Entwicklung vom Anfang an mit epischer Fülle darzulegen. So aach
au unserer Stelle. Was Terner die ^ zu frühe Erwähnung des %edaaM
^Axtxiovg^ betrifft, so scheint mir Nitzsch den Gedanken zu sehr anf
die Spitze einer anstöfsigen Form erst gestellt zu haben, indem er
bemerkt: ^als über nach Trojas Zerstörung wir abfuhren und ein Gott
der Achaeer zerstreute, da erregten Zeus und Athene Hader, der die
Achaeer zerstreute und ihnen Unglück drohte.' Denn erstens sind
*Zeus und Athene' beim Dichter nicht in so unmittelbarer Verbindang
nebeneinander gestellt, und zweitens ist das nochmalige * zerstreute'
uur in einer zurückgreifenden detaillierten Erzählung des ganzen Her-
gangs enthalten, nicht in einer auffälligen Wiederholung derselben
Sprachform. Der Sache nach kann eine Abfahrt und ein Zerstreut-
werden der Achaeer vorausgehen, und doch das Ende eine glttcklicbe
Rückkehr sein; der Dichter aber will gerade hervorheben: ^als wir
nach Trojas Zerstörung abgefahren w aren und eine Gottheit die Achaeer
zerstreut hatte, da nun bereitete Zeus eiue schreckliche Kttck-
kehr'. Dies ist gleichsam das Thema für die folgende Detaillieruog.
(Von einer Seite kann man auch IL ^^ 316 das xXtjQovg nakkop ver-
gleichen, wozu Nägelsbach und diese NJahrb. Bd. LIX S. 276.) Das
XvyQOv ist hier besonders betont, weshalb der BegrilT desselben zu
wiederholten Malen wieder aufgenommen w ird, Vs. 152 mit Zeig t/^TV£
nt^fioc %axoLO, Vs. 1(30 mit Ztvg d* oii tko fitldevo vocvov^ Vs. 166 mit
%axa ittjdeto öaifi(av. Uebrigens scheinen mir ^eog (Vs. 131) und
öalfKov mit Bezug auf Athene gesagt zu sein, so dafs diese auch
hierdurch mit Zeus in geregelte Wechselwirkung tritt. Erwägt man
dies alles, so steht zu befürchten, dafs man hier mit dem * Obelos
neben dem Asteriskos' zu rasch gegen alte Ueberlieferung auftritt. —
Vs. 146. Nach sonstiger Gewohnheit wäre II. v 466 hinzuzufügen. —
Vs. 149 liest man: ^avoQOvaav^ sie brachen auf, stürmten fort.' FOr
diesen hier nicht passenden Begriff sind andere Verba gebräucbüch,
avoQOvaat dagegen ist bXofs avaazijvat ra;|^ca)g, ^aufspringen', noeh
nicht * fortstürmen'. — Vs. 170 sagt Hr. F.: ^ naiTtakoeig ^ durch
Reduplication von jraAi^, TraUco, torquere ^ crispare^ daher ioriuosuMj
reich an Windungen, gezackt, klippenreich: von Bergen und felsigen
Inseln.'' Diese G. Hermannsche Erklärung, die der feinfühlende Lu-
cas: de voce Homerica Ttoktmainulog aliisque cognatis vocabniia
(Uonnae 1841) am besten entwickelt, bietet mehrfache Schwierigkei-
ten. Erstens geht sie von einer Bedeutung des Ttdkkaiv aus, die nicht
naehweisbar ist : die erwähnte BegrifTssphaere gehört eher zu ikiaauv
und eki^f wie Aeschylos z. B. vom Zickzack des Blitzes ekixa atiffO'^
Tcijg sagt. Zweitens beeinträchtigt die Erklärung die sinnliche An-
schauung und das homerische Leben, indem sie in starren Zustand ver-
wandelt was im Dichter (bei richtiger Deutung) überall als sinnlich
selbstthutige Bewegung erscheint: kurz die ganze Erklärung würde
(die Möglichkeit der genannten Bedeutung von nakknu einmal an-
genommen, nicht zugegeben) erst durch eine zu verstandesmifsige
Operation gewonnen. Drittens ist die Deutung * gezackt' oder *klip-
J. U. Faesi : Homers Odyssee. Ir a. Sr Bd. 263
penreioh^ für axonii^^ odog und ava^nog unpassend. Was ist nun zu
Ihnn? Mir will alles auf einfache und natürliche Weise also snsam-
menstimmen. Das TraUctv heifst * schwingen' (ov <p£kov vlov nriJie
%e(fiiv oder nXriQovq iv xwiy, was theils einen Hauptnamen des Hel-
mes, nrjXfi^^ bildet, theils in ex d' l'do^s Kkijifog l\. i/ 182 sein Cor-
relat hat), ^sich schwingen, springen, hüpfen' (selbst in ndlkivat
fixoif iva tfrofta), so dafs es Euripides und Aristophanes auch von
tanzenden sagen. Demnach heifst naiitakoBig mit intensiver Redupli-
oation ganz einfach: ^sich aufschwingend, emporspringend.' Dies
passt auf die Inseln , insofern der Begriff mit plastischer Anschaulich-
keit von den Bewegungen des Schiffes aus auf die Inseln übertragen
wird. Denn die Griechen pflegen nicht selten das, was eine Person oder
Sache erleidet, als thätigen Act dieser Person oder Sache darzusteU
len '*'). Wie also z. B. Eurip. El. 435 ircttkU deXtpig nQCOQaig %va-
vsfißoloig eiltaaofievog sagt, so hat schon Homer einen solchen Ge-
danken mit versinnlichter Belebung des leblosen den vier Inseln bei-
gelegt, in deren Nähe sich die Schiffahrt der homerischen Menschen
häufig bewegte. Nach derselben Auffafsung haben wir im Dichter
eine sich aufschwingende oder emporspringende Warte (Od. x 97.
148. 194), einen sich aufschwingenden oder emporspringenden Berg
(11. V 17, vgl. wegen derselben versinnlichten Belebung des leblosen
11. ^ 748 TtQiov TteöioLO öiocrc^aiov x€xvxri%(6g. Od. x 88 nitgt]
^XlßccTOg rervxrjKe diafiTCSQeg afiq)oviQa>^ev)'y wir haben ferner einen
sich aufschwingenden oder emporspringenden Weg (II. fi 168; solche
Wege sind Lieblingsgänge der 170 erwähnten ^QtfcilQEg^ Od. q 204),
einen sich aufschwingenden oder emporspringenden Pfad (IL g 743, wo
erst durch vorstehende Deutung die Scene recht malerisch beleuchtet
wird). Das letztere vergleicht Hr. Vollbrecht zu Clausthal in
einem Privatbriefe an mich sehr gut mit unserem Ausdruck: ^der
schwindelnde Pfad.' So stimmt, wie ich meine, das Ganze zur
Glosse des Hesychius: natTtakkeuv ötUiv^ und der Anfang im neuen
Fassow: ^nmiiaXougj ein schwer zu bestimmendes episches Wort*
dürfte vielleicht erleichtert sein. Auch in der Deutung von noXwtal-
naXog Od. o 419 kann ich Hrn. F. , der (wie die Lexikographen) er-
klärt: ^an Windungen und Ränken reich, rersti/u», doiosus* nicht
beistimmen. Denn TraAi^, das geschwungene Mehl, was Hr. F. hinzu-
bringt, und TtatTcakrj sind nachhomerische Bildungen und verlafsen,
metaphorisch verstanden, die Begriffssphaere des Dichters. Das hat
Lucas p. 6 gut angedeutet. Dieser selbst aber gewinnt denselben Be-
griff auf folgende Weise: * verto noktmaCnakog toriuosus^ ut idem
fere valeat, quod nokvxgonog; in qua interpretatione mirifice me ad-
*) Darüber ist in Mützells Zeitschrift zu Döderleins Glossarium $.
217 genauer gehandelt worden. Aufserdem ist in jenem längeren Auf-
satze vieles zur Prüfung für Hrn. Faesi gegeben, da ich denselben
überall entweder ausdrücklich genannt oder stillschweigend berück-
•ichtigt habe.
264 J- U. Faesi : llomers Odyssee, ir u. 2r Bd.
itivat ipse sensu» Homeri atquo totius vetustatis coiisensas *), qao
iusta, Vera, proba, ciara et aperta dicunlur recta^ iniusta, falsa,
improba, obscara e( oblecta quaeque obliqua ei (lexa nnncupanlar'.
Dagegen lärst sich erwiedern, dars die Begriffe krumm und ge-
rade mit dem Sinne von nakluv und dessen Derivaten nicht in Ver-
bindung stehen. Denn von ndkkeiv hat so gut wie von XQhteiv keine
Ableitung bei Homer eine moralische Bedeutung. Daher wird nichtf
anderes übrig bleiben als unter TtokvTtaCitaXoi die Phocniker als solche
zu verstehen, die sich viel hin- und herschwingen auf ihren Fahrten,
die viel umhergeworfen werden. Ich adoptiere also die Worte des
Hrn. Lucas ^ ut idem fere valeat quod itoXvt(f(mo^*^ aber nur nach der
sinnlichen Bedeutung des Wortes, die auch Döderlein Gloss. %, 666
mit Recht hervorhebt. — Vs. 173 wird zur Erklärung von ipaCvuv
T€(»ag hinzugefügt: ^ durch Donner, Blitz oder Regenbogen.' Es läfst
sich, was noch wahrscheinlicher ist, hier hinzudenken: oder durch
einen Raubvogel, dessen Flug die zu ergreifende Richtung symbo-
lisch vorzeichne. — Vs. 182: *iara(Sav^ seltene Abkürzung für fori|-
öav.* Warum nicht genauer, dafs diese ^Abkürzung' nach dem Bek-
kerschen Texte nur noch II. (i 56, wo Hr. F. schweigt, gefunden
werde? Indes sind beide Stellen mehr als bedenklich, und es bedarf
noch erneuter Untersuchung, ob nicht auch hier ein tüTaaavy das we-
nigstens einige Handschriften bieten , die ursprüngliche Lesart gewe-
sen sei , weil man für eine derartige Verkürzung des Indicativs keine
Stütze der Analogie ganz hallbar findet. Das hat schon Thiersch gr.
Gr. §. 223 h S. 368 vor Jahrzelinten bemerkt und Taraaav empfohlen.
Spitzner im Exe. V sagt freilich apodiktisch: *in lliados locum abio-
num est.' Aber ein solches Urlheil bleibt stets subjectiv. Denn einen
Dichter mufs es erlaubt sein , jedes Factum in der Entwicklung seinei
mühevollen Herganges plastisch zu schildern, wenn es ihm gut dünkt,
wie z. B. der Dichter bei der Beschreibung des achilleischen Schildef
mit noiH und noltjiSe^ xev^e und iu ö^ ixl^st abwechselt. So kann der
Begriff des Imperfects auch bei Tcvaöav in 11. fi 56 und Od. y 18S
grammatisch und aeslhetisch gedacht werden. Oder wer die Theorie
von Nägelsbach II. a 25, die Hr. F. Od. tf 307 adoptiert, zu der aei-
nigen macht, dafs nemlich im Imperfect eine nachhaltige Wirkung
liege, der findet auch dafür einen Anhalt, an der Stelle der Hias in
den Worten driloav avdgmv aXeaQtiv^ und an unserer Stelle in dem
Gedanken, dafs Diomedes seine Schiffe iv"Agyei aufgestellt behielt,
weil er von jetzt an seine Herschaft ruhig genofsen, keine Seefahrten
*) Diesen wahren Ausspruch hat Koster: Erläuterungen der bal-
ligen Schrift ans den Klassikern, besonders aus Homer (Kiel 1833)
S. 3 f. auch mit alttestamentlichen Paraifefen belegt und in Hinsicht
auf obige Stelle 8. 4 bemerkt: 'Homer nennt zwar die betrüglichen
IMioeniker noXvnuCnaXoi (vielge%vandte, von ndXlta, torquere);
aber doch ohne deutliche Misbilligung.' Das letztere ist rich-
tig bemerkt; denn für diesen Fall wurde der Dichter wie ( 2ti8 aara-
triUoi cesagt haben.
J. U. Faesi: Homars Odyssee, ir u. 2r Bd. 265
weiter onternommen habe. Denn die späteren Sagen Qber Diomedes
finden im Homer keine AnknUpfang. Uebrigens hat der grOmlliche
Homeriker Grashof: zur Kritik des hom. Textes S. 6 für beide Stellen
tfnjaavr' in Vorschlag gebracht; allein im Homer bleibt jede Conjee^
tur, die aus alter Ueberlieferung nichts für sich hat, eine Kühnheit.
Nebenbei möchte cxrflcca^cct vijag nicht ganz unbedenklich sein , weil
Homer das Medium, aufser dem intransitiven Gebrauche desselben,
nur mit dem Objecte [arov und zweimal mit XQYirrj^a verbindet. —
Vs. 193. Die nach Nitzsch gegebene Bemerkung: *xa/ gehört nicht
nar za ovto/, sondern auch zu v6(Sq>iv iowBg* möchte man aus dem
Epos durch sichere Parallelen begründet sehen. — Vs. 205 hfitte
dvva(iiv na(fcc^Buv wohl eines Winkes bedurft. Bäumlein hat an der
Praeposition solchen Anstofs genommen, dafs er für nölhig hielt, aus
Schol. EQ Vs. 217 TtegL^nev in den Text zu setzen. Aber das klingt
gerade, als wenn die Götter wie Feldherren eine Nacht um Telema-
chos herum stellen sollten, da nsQid'Bivai sich sonst nur mit sinn-
lichen Begriffen und zwar stets in der Tmesis verbunden findet, wie
im bekannten nsgl xvrjfiriatv S&tixbv. Dagegen passt ein naga^etvai
dvva(iivB\s Geschenk, nach Analogie von nagce^eivai^sCviov^itaganal
xaxeo ia^lbv Id^jKe Zsvg (o 488), vortrefflich zur Holle homerischer
Götter, wo jemand sie anfleht. Aufserdem hat naga^etvai allein
eine Stütze in den Formeln oai] dvva(i£g yB nagBöuv (\l ^ 294. v
786. Od. if; 128) und Bi (loi övvct(ilg ys nugBlri (II. % 20. Od. /3 62),
während nBQCB&ti in solcher Verbindung unhomerisch ist. Nach der-
selben Anschauung heifst es nccQBfSxaiiBvai^ TtagiartiKBv, nagiötri
(d 827. t 52. II. 0 255. ^ 853. Q 563. m 132), während eine derartige
Composition mit TtBgl theils gar nicht gefunden Iheils in ganz anderem
Sinne gesagt wird. Aus alle dem sieht man: Abweichungen von Bek-
ker sind leichter vorgenommen als begründet. — Vs. 226. Zu den^
Anfangsworten des Telemach an Nestor: w yi^ov, ov «co rovro litog
teXiBC^at o/co wird folgendes bemerkt: *otJ «co, tiMo modo^ gar nicht.
im eigentlich nichts anderes als ein nachläfsig ausgesprochenes nag^
wie oSrco, cod«. Vgl. -O- 538.* Warum bat denn aber der Dichter hier
and an den citicrten Stellen nicht ov nayg gesetzt, das ebenso gut in
den Vers passte? Wen soll man sodann der * nachläfsigen Aussprache*
seihen, den alten Süngcr oder den Rhapsoden? Hierzu kommt folgen-
der Umstand: wenn Telemachos wirklich gar nicht an die Erfül-
lung glaubte, so brauchte er nicht erst nach Sparta zu reisen, um
etwa eine sichere Kunde vom Vater zu hören nnd darnach sein künf-
tiges Handeln bestimmen zu können. So aber ist, wie ich meine,
gerade mit Bezug auf Mcnelaos , auf welchen allein Telemachos (nach
der Nachricht Vs. 184 f.) seine hoffnungsvollen Kciscgedanken hin-
richten muste, dieses no ch n i ch t gebraucht. Dies wird auch durch
das folgende fyoLyB ilno^ivo) bestätigt, woran man unepisoh deu-
telt. An der cilierten Stelle ^ 538 singt Demodokos noch nicht
allen nach Wohlgefallen, weil man noch nicht von dem traurigen
Gesehicke des Odysseus unterrichtet ist, weil die lange Erzählung
iV. Jahrb. f. PMI. ». Püed. Bd. LXX. Hft. 3. 18
266 J* U. Facsi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
seiner bisherigen Leiden erst noch bevorsteht. So hat ov na über-
all seine genaue Beziehung, und die Bemerkung von Döderlein Re-
den u. Aufs. II S. 262 behält ihre Richtigkeit. — Vs. 244 *7r£^»d<
dUag i]6e q>Q6viv akltov. Der Genetiv hängt wohl von q>Q6viv ab, und
dies nimmt man am besten in derselben Bedeutung wie 6 258: Kunde
von andern.' £s scheint doch natürlicher und der Analogie (IL v 728.
Od. c 248. T 285. 326) entsprechender zu sein, cfilAoi/ von %iqloi6a
abhängig zu machen, zumal da der objectivc Genetiv bei Homer nur
in sehr vereinzelten Fällen erscheint. Dann wäre der einfache Sinn;
*da er an Gerechtigkeit und Einsicht andere überragt.' Auch an der
citierten Stelle ö 258, wo Hr. F. hierher verweisen sollte, möchte zu
erklären sein : * er brachte viel Einsicht zurück.' Döderlein Gloss. {(.
958 nimmt zwar gewaltigen Anstofs daran, so dafs er unter anderen
bemerkt: ^in beiden Fällen scheint mir die Verbindung von xazayeiv
mit einem intellectuellen BegrilT, wie (p^ovig, ein wenigstens
uuhomerisches Bild.' Aber den Uebergang dazu möchten doch wohl
homerische Verbindungen geben, die über das sinnliche hinausgehen
und ans intellectuclle wenigstens anstreifen, wie fivOov <f»a atofut
iysa&ai (IL § 91) neben tpi^eip (ivOov und uyyBkb]v oder htoq (Od.
n> 409) und einmal (IL x 337) ^vOoy aTtotpiqBiv ^ ferner %Uog ayuv
(Od. f 311) nebst dem mehrmaligen liXiog q>iqHv rivl, auch Synv vu-
xog (IL A 721), afiida CvvayHv oder (pi^tiv und TtQotpiqeiVy tpeQeiv
oiQorog (IL <r 308) und ö^jtoxijza (Od, ^203), wozu man noch g>iQ€tv
XaQiv (IL (p 458), ccynv xeQ7t(oX'i\v (Od. c 37) und aus ähnlicher An-
schauungsweise oxiuv vt^TCtdag (a 297), avekiaO'ui iniq>QOCvvu^ (t
22), jit^rtv UT^Talvead'ai oder vq)a£vstv^ voov vcofiäv und manches an-
dere hinzufügen könnte. Sodann vergefse man nicht zu erwägen, dafi
keius der homerischen Wörter auf fg eine rein abstracte Bedeutung
habe, sondern dafs durch dieselben bezeichnet werde entweder ein
Werkzeug {aiylq^ ciaTtlg^^öaTg^ xakmg, xAi/j, fiigiitg, XQomgj CaviSi
aiafilg)^ oder ein Ort {avXig^ noktg)^ oder Wirkung und Erfolg dei
Verbal begriffes (of/v^t$, wovon oben zu y 31, yAvgp/g, datg, Oifti^
ktjlg^ q>t)fiig)^ oder endlich eine Handlung und ein äufserlich manifes-
tierter Zustand (diJQig^ 6vva(iig^ eknig, Igig^ C-tivig^ omg^ ^ßo^g),
Aehnlich verhält es sich mit den Worten auf äig und ilg. Das Wort
(pQovig nun wird man am besten zur dritten Classe rechnen, so dafa ef
nicht die Einsicht als abstracten Begriff bedeutet, der natürlich dem
heroischen Zeitalter fremd ist, sondern was schon Nitzsch klar ange-
deutet hat: Klugheilsmafsregel, einsichtigen Plan. Und dies passt
für beide Stellen , indem dadurch der Nestor als avfi<pQdd(iav (U. ß
372), TCSTtwfiii'og, ^liitiv rsKxaivofievog (IL x 19) u. s. w., und der
Odysscus als Tcokvtptfov von neuem charakterisiert wird. Die Bedeu-
tung ^ Kunde' dagegen läfst sich theils mit dem Verbalbegriffe 9^
vEiv nicht vereinigen, theils enthält sie für einen Nestor oder Odysaeua
nichts charakteristisches. Denn zum *Wifsen' oder * Ueberbringen
einer Kunde' reichte ein ganz gewöhnlicher Bote hin, der nicht ein-
mal das homerische iaQkov xal x6 xirvxxaiy or' ayytkog cuaifia iUä
J, U. Faesi : Homers Odyssee. Ir n. 2r Bd. 267
nothwendig hStte. — Vs. 255 isl Hr. F. zu Wolfs Lesart &g neg
hvjfiji mit voller Interpunction zurflckg^ekehrt, indem er folgendes
sagt: *der Sinn ist: das fürwahr vermnthest du auch selbst gans
richtig, wie es geschehen ist, nemlich dafs Menelaos nicht zu Hause
war. Dann kommt er mit AfTect auf den entgegengesetzten Fall: ja
wenn (bI — yB) Menelaos den Aegisthos zu Hause getroffen hfitte, dann
wäre es anders gegangen. Vgl. co 284 fg. bI yaq — r© xev.' Dies
alles erscheint mir als unhaltbar aus folgenden Gründen. Erstens
wfire Tempus und BegrilT in hvx&ri auffällig gebraucht. Denn dies
Verbnm enthält überall einen so vollen und positiven Sinn, dafs es
schwerlich in blofs negativer Beziehung, wie die angeführte Abwe*
tenheit des Menelaos wäre, gesetzt werden kann *), Und der Zustand
eines * geschehen sein' oder eines emphatischen *sein' liegt nur im
Ferfectum und Plusqpft. pass., so dafs man für den obigen Sinn weit
eher ein ola r/rvxrat erwarten sollte. Dies wäre auch deshalb vor-
züglicher, weil man ein Praesens oieai mit &g neg itvx&Ti nicht ganz
ohne Anstofs lesen könnte. In den vier ähnlichen Steilen (II. ß 320.
Q 410. Od. 8 212. G) 124) hat der Dichter das Imperfect, den Aorist
und zweimal das Futurum mit hv%diri in Verbindung gebracht, nie-
mals das Praesens. Was folgt aus dem allen? Ich denke dieses, dafs
man zu äg neg irvx&rj nimmermehr hinzunehmen könne ein ^nemlich
dafs Menelaos nicht zu Hause war', sondern dafs man hinzunehmen
müfse ein einfaches ^ die Ermordung des Agamemnon.' Und das letz-
tere erfordern auch die vorhergehenden Hauptfragen: ncjg id'av^
^AxQslöijg; und rlva 6* otütw yirflux^ oKb^qov Aiyia^og; und o öh
^agör^aag xarinBfpvEv; Die Frage nach dem Aufenthaltsort des Mene-
laos ist Nebengedanke, der sogleich wieder zur Hauptfrage zurück-
kehrt und erst später in genauerer Erzählung seine Erledigung findet,
wie es wegen des weiteren Fortschritts der Handlung (Vs. 317) noth-
wendig ist. Das xaßB — hvx^ dagegen kann sich nur speciell auf
die Hauptsache, auf die Ermordung des Agamemnon beziehen. Hat
doch der Dichter selbst X 409. 430 von derselben Sache dasselbe Ver-
bnm gebraucht. Nun aber ist die nothwendige Beziehung auf die Art
und Weise der Ermordung, wonach Telemachos gefragt hatte, aller-
dings ein Gedanke, der nicht der blofsen Vermuthung (pUcei) anheim-
fallen kann, so lange ein Epiker Epiker bleibt. Und hiermit zerfällt,
wie ich meine, der erste Theil von Hrn. F.s Erklärung. Wir kommen
zum zweiten Theile. Da hat Hr. F. für bI — yi den modernisierten
Affcct wiederholt, wovon schon zu a 163 die Rede war, und hat dem
harmlosen yl zugleich etwas neues, den Begriff eines allgemeinen Gegen-
satzes beigelegt, indem es 'den entgegengesetzten Fall' bezeichnen soll.
♦) Auch d 212 hat Hr. F. mit seiner Note: ^ ttvx^ri:z:zhvzBy mv'
den Begriff geschwächt und aufserdem den Sinn eines ongeborigen
Zufalls hineingebracht, da doch der Dichter einfach den %Xav^t^og be-
zeichnet, der uns vorher bereitet wurde oder entstand, aber nicht 'der
zufällig stattfand' (Irvrcir äv).
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I. C. U€ii: UimtTS Odrts«^ Ir t tr Li
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^ Achnhchkeit (vgl. <!, I4i. i*-i. i* .= B^tncft'iar
dafs Telemich dtr Soha de« lr*r..::i*3: Frtiad*! *** '
fiftir !4r den Charakter der bomeriKhea >»-»*tit n z**i'.^*-
Rmit vofkoDmeo. Sodann »cheint e& bedes&I>.b. t^iä-i S-.el-
_ i nod die citierte. dem Siooe na.h ^ /::^ls»adtr za
1er Dichter dies beabsichiigt and dit tT'*i-^riX^ 'h*-
icdankens' bervorhebeo wollen, so i»ir:* er i^ohl
Formel 0£;^a; ' ' iiu mit dem folgcnd^a eiV.^cyi-rc«
i. , sondern mi^ ooiiaii-oiTU oder Te'C*r,Tc ^£ ut^iir^j.'sWv-
be Formel, die den Gedanken mit epischer b-zuWuh-
Aber iferadc die stabile Formel mit {{(To^coitci so
g)i]4t;h folgende Begründung mit yaQ scheint deutlich anza-
daf» man an beiden Stellen dieselbe Beziehung, die naive Be-
der Aehnlichkeit festhalten möfse. Auch im folgenden (oc
nd hiimta^ wo llr. F. (mit Nitzsch) die übertragene Bedeutung
ühtM mir blofs der Begriff einer Aehnlichkeit vorzuliegen, so
Worte ovdi m rpai},g avÖQa vedrtffov wdc ioixora uv-
luri nicht sowohl den schon etwas entfernter liegenden Sinn
leo: * wt>r als jung schon so angemefsen oder so verstendi*^
t^ müh wohl einen ausgezeichneten Vater haben', sondern viel-
*di€ Ttäher gelegene Einfachheit bieten: *man sollte nicht mci-
data schon ein jüngerer 3Iann seinem Vater so ahnliches rede,
difa diese Aehnlichkeit mit dem Vater schon im jungen Manne so
Kar? aiBge^rügt sei/ Nur dieser Gedanke ergibt sich, wie mir
i^helnt, auf natürliche Weise aus den Worten des Menelaos d 204:
iäa itmg ocf' Sv neTtwfiivog aviig eT:toi Kai ^c|fc£, xai dg ngoye-
iüti^og fr?/. Dazu 11. i 57. 68 uud ahnliche Stellen. — Vs. 129.
kie praktische Kürze zu yivoixo ^ dies war ihre dauernde Absicht' isl
Df wegen des Wörtchens * dauernd' leicht niisverstandlich, weil eine
dnung desselben auch für yivtjrai passte, wie bekanntlich auch
Randglossen S. 30 nach einer Wiener Handschrift mit Unrecht
ien wollte. Daher wäre wohl die Note noch bestimmter gestaltet
mit einem: Mies war ihr beabsichtigter Gedanke.' — Vs. 131 ist Hr.
F. in der zweiten Ausgabe stillschweigend dem trefflichen Nitzsch
gefolgt, indem er den Vers (was auch Bothc und Bäumlein, aber mit
Anfahrung ihrer Auclorität gelhan haben) als unecht einklammert,
weil * durch ^«og 6' i'Aiduaaev Axttiovg als (durch] die letzten Worte
des Vordersatzes schon dem Nachsatze ymI tow öt\ — ^Aoyeioig vorge-
griffen und überhaupt das xiddaai, ^Affydovg [vielmehr Axaiovg] zu
l^ah erwfthnl' sein würde. Mir scheint indes gerade dies Vorgreifen
gani im Charakter von Nestors Beden zu liegen. Im Munde eines
AehiHeus, Agamemnon, Aias, Diomedes und ähnlicher würde es auf-
bllen, aber Nestor (man betrachte nur sorgsam II. a 260 ff . /} 337 ff.
iy 133 ff. i 671 ff. tf; 630 ff.) Nestor pOegt den Gegenstand, von wel-
chem er sprechen will, gleich wie ein Thema an die Spitze zu »lel-
lei, aodann in der Regel zarQckzugreifen and die Thatsichc in ihrer
260 J. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
hervorzuheben sein, was auch mit Nägelsbach hom. Theol. S. 79 sich
vereinigen läfst. — Vs. 109. Bei fvOof fiiv . . . iv^a di . , . Iv^a di
. . . I'i/Oa di schiene mir nöthig zu sein, dem Schüler einen kurzen
Wink darüber zu geben, dafs, wenn die Griechen auch dasselbe
Wort wiederholen , sie das erstemal ^ivy sodann jedesmal 6i hinzu-
setzen, weil sie bekanntlich die Nebenbestimmungen jenes BegrilTes
distinguieren. Es ist dies ein Fall, den die Schüler in den griechi-
schen Exercitien beim Partikelgebrauch von fiiv und öi nicht selten
verfehlen. Das mögen auch die praktischen Engländer aus der Erfah-
rung ihrer Jugend wifsen, weil Elmsley zu den Tragikern gerade auf
diesen Fall mehrmals zurückkommt. — Vs. 112: *^df f*«Z^^^?j nem-
Vich nBQl aXkav.' Leicht misverständlich , weshalb deutlicher zu sa-
gen wäre, dafs das nigi. zu beiden Begriffen gehöre, zu raxvg und
zu t^axrji'qg. — Vs. 115: ^nsvrdstBs lucl i^aeteg^ fünf, ja sechs Jahre;
wie im Lat. terque qualer que,^ Aber im Texte steht jpfvraWff yt
%al fjacrfff, so dafs im Geiste der Griechen der Accent hVit mvtaBXBg
fallt, mithin xa/ nicht so stark betont werden darf. Das Lateinische
passte formell nur zu Stellen, wie ß 374 eine ist. Richtig sagt Nitzsch:
^wenn du auch fünf Jahr und darüber hier bliebest und immer frag-
test.' Gerade so C^^ldv(yv yz naVlqov ftcoAoff, wo im folgenden
ßtrji ö^ 0 ye q>iQxeQog tisv der Aufschlufs für die Hervorhebung des
^Bivog deutlich gegeben ist. Aehnlich in allen Stellen, wo diese Ver-
bindung wiederkehrt. — Vs. 118: ^anq>ii7tovxsg^ adverbial: eifrig,
geschäftig.' Eine solche Erklärung will mir nirgends recht homerisch
erscheinen. Das einfache *wir bereiteten ihnen Uebel sie umge-
bend (umdrängend) oder um sie beschäftigt' dürfte vorzu-
ziehen sein. Ebenso 11. ß 525. e 667. r 392, an welchen Stellen Hr. F.
schweigt. Nur zu 11. fi 316 xov öigov u^Kpl &' Srov, Kai fiiv öiix^vtiv
anavxa liest man: * ifiq>C d' snov wie sonst das Participium, vgL zu
Od. y 118=11. 6 667.' Dafs aber dies sein Bedenken habe, zeigt die
gleichlautende Stelle, zu der wieder nichts bemerkt ist. Od. & 61
xovg öigov afiq>l & ikov, xbtvkovxo xs öah iqaxHvriv^ weil es bei
der Annahme jener Erklärung wenigstens xtxwovxo öi heifsen müste,
wenn nicht nach der Stelle der llias %at ins zweite Hcmistichion
gebracht wäre. Ich meine daher, dafs man nicht nöthig habe, die
Jugend, der man ein Verständnis des homerischen Epos beibringen
wiU, durch derartige Noten in der Unmittelbarkeit der sprachlichen
Auffafsung zu stören. — Vs. 120. Zu Iv^' ov xig ist beigeschrieben:
*vgl. 126. 141 ?vd^ ^rot. Eine sehr zwanglose Verbindung.' Aber
das ist doch überall Charakter der epischen Verbindung, da das ge-
zwungene nicht ins Epos gehört. Hr. F. hat sich ohne Zweifel im
Ausdruck vergriffen , indem er mit praktischer Praecision ausdrücken
wollte, was Nitzsch zu Vs. 103 S. 153 also bemerkt: ^iv^a steht hier
ohne Copula und gibt den ersten unabhängigen Satz^ u. s. w. Uebri-
gens findet sich fv^' ov xig ebenso fc 146. 11. d" 253. tp 632. Und wie
oft steht iv9^ rixoi und fv&or ohne weitere Copula zu Anfang des
Satzes, so dafs ich fast furchte, die Note des Hrn. F. nicht richtig
J. U. Faesi : Homers Odyssee. Ir n. 2r Bd. 261
verstaDden eq haben.— Vs. 123: ^ alßag (i* f;j«, nicht sowohl wegen
der aufTallendcn Aehnlichkeit (vgl. d, 142. 149), als in Betrachtung
des Gedankens , dafs Telemach der Sohn des trelTlichcn Freundes sei.'
Das will mir fiir den Charakter der homerischen Naivetät zu gesucht,
zu reflexiv vorkommen. Sodaun scheint es bedenklich, beide Stel-
len, die unsrige und die citierte, dem Sinne nach voneinander za
trennen. Halte der Dichter dies beabsichtigt und die erwähnte ^Be-
trachtung des Gedankens' hervorheben wollen, so würde er wohl
nicht die stabile Formel aißag u' a^Bt mit dem folgenden elaoQOiovta
gebraucht haben , sondern mit oQficcLvovra oder ti^ipta öe fieQfitjQi^wv
oder eine ähnliche Formel, die den Gedanken mit epischer Deullicb-
keit ausdrückte. Aber gerade die stabile Formel mit HOogodovra so
wie die gleich folgende Begründung mit ydg scheint deutlich anzu-
deuten, dafs man an beiden Stellen dieselbe Beziehung, die naive Be-
zeichnung der Aehnlichkeit festhalten müfse. Anch im folgenden iot-
xoxeg und iotxora^ wo Hr. F. (mit Nitzsch) die übertragene Bedeutung
gibt, scheint mir blofs der Begriff einer Aehnlichkeit vorzuliegen, so
dafs die Worte ovöi x£ g>aliig ävÖQce veaxsQov (ode ioix&ca (iv-
^iCaod'aL nicht sowohl den schon etwas entfernter liegenden Sinn
enthalten: *wer als jung schon so angcmefsen oder so verständig
spricht, mufs wohl eineu ausgezeichneten Vater haben', sondern viel-
mehr die näher gelegene Einfachheit bieten : * mau sollte nicht mei-
nen, dafs schon ein jüngerer Mann seinem Vater so ähnliches rede,
d. i. dafs diese Aehnlichkeit mit dem Vater schon im jungen Manne so
scharf ausgeprägt sei.' Nur dieser Gedanke ergibt sich, wie mir
scheint, auf natürliche Weise aus den Worten des Menclaos d 204:
xooa sljtBg oö^ av nsnwfilvog aviiQ ahtoi xal (}i^£ie^ %al og TCQoye-
viaxsQog Etij. Dazu 11. i 57. 68 und ähnliche Stellen. — Vs. 129.
Die praktische Kürze zu yivoixo ^ dies war ihre dauernde Absicht' ist
nur wegen des Wörtchens ^dauernd' leicht misverstundlich, weil eine
Betonung desselben auch für yivrixcct passte, wie bekanntlich auch
Vofs Randglossen S. 30 nach einer Wiener Handschrift mit Unrecht
lesen wollte. Duher wäre wohl die Note noch bestimmter gestaltet
mit einem: ^dies war ihr beabsichtigter Gedanke.' — Vs. 131 ist Hr.
F. in der zweiten Ausgabe stillschweigend dem trelTlichen Nitzsch
gefolgt, indem er den Vers (was auch Bothe und Bäumlcin, aber mit
Anführung ihrer Auctorität gethan haben) als unecht einklammert,
weil * durch ^log d' ixidaaaev 'Axcciovg als [durch] die letzten Worte
des Vordersatzes schon dem Nachsatze xai xoxe dt/ — Aqyüoig vorge-
griffen und überhaupt das xEdaaori ^A(fye£ovg [vielmehr Axaiovg] zu
früh erwähnt' sein würde. Mir scheint indes gerade dies Vorgreifen
ganz im Charakter von Nestors Reden zu liegen. Im Munde eines
Achilleus, Agamemnon, Aias, Diomedes und ähnlicher würde es auf-
fallen, aber Nestor (man betrachte nur sorgsam 11. a 260 ff. ß 337 ff.
17 133 fr. il 671 ff. tf; 630 ff.) Nestor pflegt den Gegenstand, von wel-
chem er sprechen will, gleich wie ein Thema an die Spitze zu stel-
len, sodann in der Regel zurückzugreifen und die Thatsache in ihrer
262 J. U. Faeii: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
Entwicklung vom Anfang an mit epischer Fülle darzulegen. So auch
an unserer Stelle. Was ferner die ^ zu frühe Erwähnung des xeöaaat
^A%cciovq^ betrifft, so scheint mir Nitzsch den Gedanken zu sehr auf
die Spitze einer anstöfsigen Form erst gestellt zu haben, indem er
bemerkt: ^als aber nach Trojas Zerstörung wir abfuhren und ein Gott
der Achaeer zerstreute, da erregten Zeus und Athene Hader, der die
Achaeer zerstreute und ihnen Unglück drohte.' Denn erstens sind
* Zeus und Athene' beim Dichter nicht in so unmittelbarer Yerbindung
nebeneinander gestellt, und zweitens ist das nochmalige * zerstreute'
nur in einer zurückgreifenden detaillierten Erzählung des ganzen Her-
gangs enthalten, nicht in einer auffalligen Wiederholung derselbea
Sprachform. Der Sache nach kann eine Abfahrt und ein Zerstreut-
werden der Achaeer vorausgehen, und doch das Ende eine glückliche
Rückkehr sein; der Dichter aber will gerade hervorheben: *als wir
nach Trojas Zerstörung abgefahren waren und eine Gottheit die Achaeer
zerstreut hatte, da nun bereitete Zeus eine schreckliche Rück-
kehr'. Dies ist gleichsam das Thema für die folgende Detaillierung.
(Von 6iner Seite kann man auch II. / 316 das ulriQovq TcdkXov ver-
gleichen , wozu Nägelsbach und diese NJahrb. Bd. LIX S. 276.) Das
XvyQOv ist hier besonders betont, weshalb der Begriff desselben zu
wiederholten Malen wieder aufgenommen wird, Vs. 152 mit Zevg ijQxve
Tirjiia xaxoio^ Vs. 160 mit Zeig d' ov 7C(o fii^öezo voavov^ Vs. 166 mit
xaxa ftfjdero öaliiav. Uebrigens scheinen mir ^eog (Vs. 131) und
öalfKov mit Bezug auf Athene gesagt zn sein, so dafs diese auch
hierdurch mit Zeus in geregelte Wechselwirkung tritt. Erwägt man
dies alles, so steht zu befürchten, dafs man hier mit dem * Obelos
neben dem Asteriskos' zu rasch gegen alte Ueberlieferung auftritt. —
Vs. 146. Nach sonstiger Gewohnheit wäre IL i; 466 hinzuzufügen. —
Vs. 149 liest man: ^avoQOvaav^ sie brachen auf, stürmten fort.' Für
diesen hier nicht passenden Begriff sind andere Verba gebräuchlich,
ai'OQOvCai dagegen ist blofs avaaxijvat xaxicog, ^aufspringen', noch
nicht * fortstürmen'. — Vs. 170 sagt Hr. F.: ^naiTtaXong^ durch
Reduplication von ndkriy ndXX(Oj torquere, crispare, daher tortuosuMj
reich an Windungen, gezackt, klippenreich: von Bergen und felsigen
Inseln.^ Diese G. Hermannsche Erklärung, die der feinfühlende Lu-
cas: de voce Homerica noXrmal7tciX.og aliisque cognatis vocabulis
(Bonnae 1841) am besten entwickelt, bietet mehrfache Schwierigkei-
ten. Erstens geht sie von einer Bedentung des %dlluv aus, die nicht
nachweisbar ist: die erwähnte BegrifTssphaere gehört eher zu iUaasiv
und eU^j wie Aeschylos z. B. vom Zickzack des Blitzes ekiiue öxeQO'
Tcrjg sagt. Zweitens beeinträchtigt die Erklärung die sinnliche An-
schauung und das homerische Leben, indem sie in starren Zustand ver-
wandelt was im Dichter (bei richtiger Deutung) überall als sinnlich
selbstthätige Bewegung erscheint: kurz die ganze Erklärung würde
(die Möglichkeit der genannten Bedeutung von ndkkeiv einmal an-
genommen, nicht zugegeben) erst durch eine zu verstau desmäfsige
Operation gewonnen. Drittens ist die Deutung ^gezackt' oder ^klip-
J. U. Faesi : Homers Odyssee. Ir o. 2r Bd. 263
penreich^ für anoititj^ oöog und aTa(^6g unpassend. Was ist nun zu
thun? Mir will alles auf einrache und natürliche Weise also ziisam-
menstimmen. Das nakleiv heitsi ^schwingen' (ov tpLlov vlov niilB
laqolv oder nh'iQovg iv Kwitj, was tbeils einen Hauptnamen des Hel-
mes, TCi^At/^, bildet, Iheils in £x d' S^qs iikij(^g 11. ij 182 sein Cor-
relat hat), ^sich schwingen, springen, hüpfen' (selbst in naJiXsrai
fjxoQ avic ax6(ia)j so dafs es £uripides und Aristophanes auch von
tanzenden sagen. Demnach heifst Ttatnakoeig mit intensiver Redupli-
cation ganz einfach: *sich aufschwingend, emporspringend.' Dies
passt auf die Inseln, insofern der BegrifT mit plastischer Anschaulich-
keit von den Bewegungen des Schiffes aus auf die Inseln übertragen
wird. Denn die Griechen pflegen nicht selten das, was eine Person oder
Sache erleidet, als thüligen Act dieser Person oder Sache darzustel-
len *). Wie also z. B. £urip. £1. 435 i'nakis öekiplg nqtiqaig xva-
veiißokoig £tkLaa6(iBvog sagt, so hat schon Homer einen solchen Ge-
danken mit versinnlichter Belebung des leblosen den vier Inseln bei-
gelegt, in deren Nähe sich die Schiffahrt der homerischen Menschen
hauAg bewegte. Nach derselben Auffafsung haben wir im Dichter
eine sich aufschwingende oder emporspringende Warte (Od. x 97.
148. 194), einen sich aufschwingenden oder emporspringenden Berg
(11. V 17, vgl. wegen derselben vcrsinnlichten Belebung des leblosen
11. Q 748 TtQOiv möioLO öianQvaiov xetvxtjKcig. Od. x 88 nixQi]
tiklßcnog rezvxrjxe diaiinsQeg afifpoxigoü^ev); wir haben ferner einen
sich aufschwingenden oder emporspringenden Weg (11. ft 168; solche
Wege sind Lieblingsgänge der 170 erwähnten ^TiQrjtrJQeg , Od. g 204),
einen sich aufschwingenden oder emporspringenden Pfad (11. g 743, wo
erst durch vorstehende Deutung die Scene recht malerisch beleuchtet
wird). Das letztere vergleicht Hr. Vollbrecht zu Clausthal in
einem Privatbriefe an mich sehr gut mit unserem Ausdruck: ^der
schwindelnde Pfad.' So stimmt, wie ich meine, das Ganze zur
Glosse des Hesychius: namakkuv aeUiv^ und der Anfang im neuen
Passow: ^namakoetg^ ein schwer zu bestimmendes episches Wort'
dürfte vielleicht erleichtert sein. Auch in der Deutung von nokvnal-
nakog Od. o 419 kann ich Hrn. F., der (wie die Lexikographen) er-
klart: ^an Windungen und Ränken reich, versulus^ dolosu$* nicht
beistimmen. Denn TraAij, das geschwungene Mehl, was Hr. F. hinzu-
bringt, und Tcamdkti sind nachhomerische Bildungen und verlafsen,
metaphorisch verstanden, die Begrilfssphacre des Dichters. Das hat
Lucas p. 6 gut angedeutet. Dieser selbst aber gewinnt denselben Be-
griff auf folgende Weise: * verto TtokvnaiTtakog tortuosus^ ut idem
fere valeat, quod nokvxgo7tog\ in qua intcrpretatione miriAce me ad-
♦) Darüber ist in MützelU Zeitschrift zu Döderlein» Glossarium $•
217 genauer gehandelt worden. Aufüerdem ist in jenem längeren Auf-
sätze vieles zur Prüfung für Hrn. Faesi gegeben, da ich densel^b^n
überall entweder ausdrucklich genannt oder stillschweigend beruck*
aichtigt habe.
254 J. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
oder olxovofiog (nach Schol. B bei Bnttmann) sicher behaten,aber
dem Greise untergeben sein : dem Greise, d. i. dem Laertes, wie yi^mv
auch d 754 gesagt ist. Denn yigwv ist in der Odyssee eben so Ehren«
titel für den Laertes , wie derselbe nach der Ilias in der Familie des
Nestor heimisch war, worüber Hr. F. selbst zu IL l 696 eine gute Be-
merkung gibt. — Vs. 245. An dieser schwierigen Stelle hat sich Hr.
F. im ganzen an Nitzsch angeschlofsen, der jedoch über seine ErkUrang
selbst bemerkt, dafs sie ^nicht ganz befriedige^ mit dem Zusatz: *doch
möchte keine ErkUrung alle Unebenheiten ausgleichen.' Mir will acheU
nen, als wenn Leiokritos den Gegensatz zwischen navQovg ond nolXol
(241) in seiner Antwort mit höhnender Klage absichtlich anders wende,
indem er das itoXXol sogleich in ein ivöqact xal nksoveaai ver-
wandle und auf die Freier beziehe, daher das xor/: ^ gegen Minnef
sogar gegen mehr, als deine TtoXkol sind.' Diese Beziehung aof
die Freier scheint Vs. 251 bI TtksovBaai fiaxotro nothwendig zu machen.
Weil ferner Leiokritos mit einer Anrede an Mentor beginnt, und weil
nachher nur 6ine Person, Odysseus, dem Mentor als Gegensatz folgt,
so dürfte zn a^aXiov im Gedanken ein toi {MivroQi) keine Schwie-
rigkeit haben. Dann wäre Vs. 246 eine Umschreibung des Begriffea
ivf}Q xol (laXkov t(pd'inog aov (Mitn:oQog). Und hieran würde das aif
^ ov Kccta (loiQuv ieiTug und aXX! SyB, Xccol nzi. passend sich an-
schliefsen. Auf den Fall , dafs sich Odysseus mit den Ithakern ver-
binde, kann sich der schlechte Freier, der eine schlechte Sache mit
schlechten Gründen vertheidigt, nicht einlafsen. — Vs. 272: ^olog
ixBtvog iriv xBXiaat igyov tb iitog tf, d. i. roiovxov bIvui otog inBivog
ir^v^ so dafs xBXiaai von fijv abhangt.' Kann denn hpf einen Infinitiv
regieren, ohne dafs es für i|ijv steht? Das zu beweisen möchte
schwer sein. Es müste dann wenigstens noch ein Begriff dabei stehen,
wie IL X 340 iyyvg iaav TCQogyvyBtv, Hier aber hangt der Inßnitiv von
olog ab, wie oben Vs. 59 und olog tb x 160. 9 117. Aehnlich noiogxB q> 195.
tijXlnog p20. xotog j5 60(mil Hrn. F.s Note) und ähnliches. — Vs.307:
^IJaiTOg, syncopiert aus i^algBxog.' Nach welcher Analogie will Hr.
F. dies rechtfertigen? Denn das beigefügte *zum Theil aus Versbe-
dürfnis' verlangt ein zweites und wesentliches ^zum Theil'. — Vs. 322:
^{Satxa nivovxo nach Vs. 300.' Die dort erwähnten Dinge können noch
nicht mit diesem Namen benannt werden. Sodann ist ein datxa TcivB-
a^ai überall Sache der Diener. Daher wird das a^BxBixat für diesen
Vers sein Recht behalten. Auch hätte §iia hier komischen Anstrich.
— Vs. 327: ^iqoyB xaC^ oder dann auch.' Leicht misverständlich,
da der Sänger epanaleptisch ^oder er auch' sagt. — Vs. 351: ^ xafi-
fiOQog^ nach sonstiger Analogie für xaxdfiogog^ passiv: gegen den
das Geschick ist , vom Schicksal angefeindet.' Aber dann würde das
Wort aus der Analogie von afi(io(fog (avcefiOQog) ^ dvccnnLOQog^ ßvafio-
Qog^ aivöfioQog^ IcofiOQog^ inlgfiof^g^ dxvfiOQog geradezu heraus-
springen, da alle diese Compositionen activ zu erklären sind. Ich
denke daher, dafs ein richtigerer Weg ans Ziel führe, den ich in
Mtttiells Ztschr. (zu Döderleins Gloss. §. 579) versucht habe. — Vs. 356
J. U. Faesi ; Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd. 235
konnte bei ^cc^goa zu rsrvx^to («yrw)' noch Vs. 411 hinzugefügt sein.
— Vs. 385 hat Hr. F. ays^ia^ai, acccnhiiert. Aber beim IlinbHck aof
Lobeck Khcm. p. 132 sq. werden viele Bedenken tragen, den überlie-
ferten Accenl von ayi^a^ai rasch zu findern. Baumlein hat ihn vor-
sichtig beibehalten. — Vs. 390 fragt man, warum bei der Erklärung
von ivaaskfiog der Urheber derselben, Grashof (über das Schilf S. 15)
nicht genannt sei, wie es sonst geschieht, zumal da jene richtige Deu-
tung noch von keinem der neuern Lexikographen erwähnt wird. Aufser-
dem hat Hr. F. dem onXa zu viel beigelegt. Es bedeutet einfach * Ta-
kelwerk, Takelage.' Was Homer dazu rechnet, das lehrt die Schiffs-
werfle der Fhaeaken {^268, wo es durch nBla^uia %ai anBiqa naher
erklärt w ird , natürlich nebst dem beiderseitigen Zubehör. Die Ruder
aber sind ausgeschlofsen ; denn diese werden speciell mit einem neuen
Verbum hinzugefügt. Auch der* Mast musle bei Erklärung der ottA«
wegbleiben. — Vs. 403 lautet die kurze Note: ^Biax iTttiQEtfioi sagt
etwas zu viel, wie 408 — 419 zeigen.' Das möchte wohl ^ etwas zu
viel ' behauptet sein. Denn wenn Homer beabsichtigt hätte, die Athene
in Mentorsgestalt hyperbolisch reden zu lafsen, so würde er nach
sonstiger Gewohnheit einerseits das Einsteigen der Gefährten aus-
drücklich erwähnt, andrerseits überhaupt deutlicher gesprochen haben,
da ihm ein Hlovxctl y hi i^eT/iicf, xii{v Ttoridiyfi^svoi OQfii^v (nach (i
171) oder ähnliches zu Gebote stand. Ich glaube daher, dafs die Aus-
leger und Lexikographen Unrecht thun, dem im^Qsriioi hier eine andere
Beziehung zu geben, als es an allen übrigen Stellen hat. Es behalt
vielmehr auch hier den Charakter eines epitheton perpetuum: ^als
Rudergefährten' (d. i. die auf der Fahrt mit Rudern versehen sind),
womit sonst die Ruder.<chifTc gewöhnlich verbunden sind. In diesem
Sinne bezieht sich die Stelle nur allgemein aufs Erwarten, w ie 11. l 628
ähnlich von den Danuern gesagt ist: oi nov vvv ecnai nortöiytievoi.
Ueberdies vergleiche mnn we«:en der Ruder das Vs. 390 über oirla
bemerkte. — Vs. 409. Bei ugi) ig und ^£^6)' fiivog könnte der Schüler
passend an das Schillersche ^safs König Rudolphs heilige Macht'
und ähnliches aus unserer Poesie erinnert werden. — Vs. 419: *xXi^r-
dsg, Ruderbänke, eigentlich Schlüfscl, d. h. schlicfsende Dinge, weil
sie bei der ursprünglichen Bauart der Schiffe ohne Zweifel quer
durch die Breite des Schiffes giengen, wie auch die Benennungen ivya,
iuga^ iranstra andeuten.' Diese landläufige Deutung macht mancher-
lei Schwierigkeiten. Erstens wird dabei der BegrilT des * schliefsen-
den' bis zu einem Grade erweitert, dafs er unter den Händen zer-
fliefst. Denn * ein Querholz zur Spannung' {^vya von ^evywtii) und
ein *Schlüfsel' sind offenbar heterogene Begriffe. Zweitens find«l
man beim Schilfsbau nirgends zwei Wörter für dieselbe Sache: weder
in Berghaus' Geschichte der Schiffahrtskunde des Alterlhums, noch
in Böckhs Urkunden über das Seewesen, noch in Rödings allgem. Wör-
terbuch der Marine habe ich ein sicheres Beispiel dieser Art auffinden
können. Und dem plastischen Naturdichter sollen wir dies für die
ivyd und xhfiÖBg beilegen dürfen? Ist nicht glaubhaft. Drittens ist
256 J. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
bei dieser Deutung in inl xXriiai xa^t^ov die Praeposition nicht ohne
Bedenken: nach den sonstigen Analogien sollte man wenigstens ivl
TcXrjiai erwarten (wie bekanntlich auch Herod. I, 24 iv xotat i6oi}Uoi<s$
sagt). Viertens passt die Erklärung nicht zum ^Anbinden der Ruder
auf die Ruderbänke' ^ d>7 : iriö a ii s v o i i* ei nawEg inl %XriiCiv iqt-
tficf. Denn welche homerische Vorstellung sollte man damit verbinden
können? Alles dagegen stimmt zusammen, wenn man %Xrfi6eg in soU
eher Verbindung durch ^ Ruder pflöcke' übersetzt (die Dullen un-
serer Schiffer), an weichen die Ruder in ledernen Riemen befestigt
oder angebunden wurden. Es ist also so viel als das spätere a^ak-
flog, scalmus, worüber unter andern Vitruvius X, 8 (mit homeri-
scher Vorstellung übereinstimmend) bemerkt: etiam remi circa scal^
mos strophis religati. Nach dieser Ucbersetzung haben wir eine
naturgemäfse Aehnlichkcit mit dem Sphlüfsel, gewinnen die sinnliche
Anschauung der Specialität, wie sie durch in igeziia i^ofuvot ((i l7l)
und ähnliche Ausdrücke in Homers Geist uud Sitte erforderlich scheint,
und können ohne sprachlichen Anstofs erklären : * sie setzten sich a n
den*^) Ruderpflöcken nieder.' Vielleicht hat es so schon Apollonius
verstanden mit seinem ra ^vXa itp olg [an welchen ?J o£ iXavvovzsg
xad'fjvxat, weil er allein das allgemeinere |i;Aa setzt, während die
übrigen Grammatiker das speciellere xad'iÖQai oder ^vya gebrauchen.
Ist übrigens die angeführte Deutung richtig (welche schon Damm un-
ter xXelg KU billigen scheint), so wird darnach natürlich auch TtoXv-
xXriig**) zu unterscheiden sein von TCoXv^vyog (vielverbunden), iv^v-
yog (wohlverbunden oder gut gezimmert, ^£v avvz^ivyyiivri xal riQ^io-
Cfiivrj* Schol.), ixazoivyog (hundertfach verbunden). Das letztere
nemlich deute ich nach derselben Methode, mit welcher Döderlein
*) Ueber den Unterschied zwischen iv and ini bei andern Be-
griffen— was aber nach der Grundanschauung mit dem obigen harmo-
niert — handelt Kochly in der Ztschr. f. d. AW. 1841 S. 7U4 und za
Quintus Smyrnaeus U, 134.
**) Das ivuXTiig dgagvia II. m 318 hat Hr. P.^beibehalten und in
enger Verbindung beider Wörter durch Paraphr. svnXfiatog riQfioafiivii
zu erklaren gewagt. Kann aber Hr. P. eine solche Zusammenfugmig
des Adjectivs mit einem agagvCcc aus irgend einem Epiker — aus Ho-
mer ists nicht möglich — • durch Beii^pieie begründen? Ich zweifle.
Hätte der Dichter diesen einfachen Gedanken ausdrucken wollen, so
würde er wohl entweder (nach II. i 475. Od. <p 236. 382. % }^^* ^^
276. fff 194) ein ^qtj Ttvxivtog a^agvia, oder, wenn er i'VQi^ nicht
wiederholen wollte, nach II. n 454 ein nvna at^ßagdSg dgagvCa ge*
braucht haben. Nicht minder bedenklich i^t die andere Weise, di«
Spitiner vertheidigt, nemlich iv%Xr}ig und dgagvict durch Komma zn
trennen und dann zu erklaren: 'ianuam bene firmatam dgagvCav esse
intelligitur.^ Aber das ist leichter gesagt als bewie«en. Denn nir-
gends wird das nackte dgagvia in dieser emphatischen Bedeutung ge»
funden, sondern überall steht ein entsprechendes Adrerbium dabei:
anfser den schon erwähnten Adverbien noch sv (II. ij 339. 438. Od. %
128. ^^42). Alles dagegen vereinigt sich für tlal dl di diBiXov^ ii
%Xri£o' dgagvCUj was Bothe und Bekker, und nach dessen Vorgang
Dindorf und Banmlein aufgenommen haben.
J. U. Facsi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd. 257
Glos«. $. 768 den inctxoyxBtQog erledigt: die Note des Hrn. F. za H. i;
S47 scheint mir zu fern zu liegen. Vielleicht hat man auf dieselbe
Weise auch den Apollon iiiccxriߣkhi]g und iKaxTißoXog als einen ^hun-
dertfach treffenden' zu verstehen, wofür sich mancherlei anführen
lifst. Schliefslich hat Hr. F. für obige Erklärung noch aus Apoll. Hh.
tf, 1664 das von der Medea gesagte öia nXritöag lovaav hinzugefügt;
allein Merkel hat dort mit Recht das handschriftliche 6ia Klrjtöog zu-
fflckgeführt. Sonst stimmt Apoll. Rh. in dieser Beziehung mit Homer
Qbereiu. — Was das Vs. 420 erklärte tx^ievog ovgog anbetrifft, so wie
Vs. 434 das KolXtig ivioa^e fisaoöfirig und Vs. 425 das ngorovoi^ so habe
ich darüber meine Meinung an anderen Orten ausführlicher dargelegt.
-*- Vs. 421 ist nach dem Vorgange anderer bemerkt :* xfAodoiTa zu
9roi/rov.' Das scheint in Bezug auf die Vorstellung nicht unbedenk-
lich zu sein : ich entsinne mich wenigstens solches bei Epikern nur
in Verbindungen gelesen zu haben, wie Od. ö 510 rovf itpoQH xara
novxov anBlqova xvfiaCvovra. Für die Ansicht der Schol. R
Q bei Butlmann dagegen spricht aufser 11. if; 208 besonders der Vers-
auigang inl otvona novxov mit unmittelbar vorhergehendem If/iaacav
(II. B 771) oder nkitov (11. ri 88. Od. d 474) oder i66v (11. i/; 143) oder
uov (Od. y 286) und ähnliches in II. a 350. 1 291. o 27. Od. a 183 u. s. w.
Das ^oi)y ava vija (likaivav und anderes, was vielleicht jemand für
Hrn. F. anführen könnte, ist verschiedener Natur. — Vs. 428 heifst es :
*öuiQa, hier und 11. a 482 besonders der den Vorderbug bildende
und stark aufwärts gehende Theil des Kiclbalkens.' Was soll nun
a^(pl di bedeuten? Pflegt nicht die vom Vorderbug durchschnittene
Welle am Hintertheile wieder zusammenzurauschen, und sollte nicht
der naturtreue Dichter gerade deshalb sein a(iq>l gesagt haben? Die
Meereswoge nemlich umrauscht den Kielbalkcn, wenn das Schilf die
Mündung des Hafens verläfst und in die offene See gelangt. Dieser
Moment ist an beiden Stellen mit i^sev xaxa ti vfia bezeichnet. Die
Beachtung dieses Umstandcs dürfte nöthig machen , dafs in der Note
XU Vs. 430 eine Kleinigkeit etwas verdeutlicht würde. Zu dem diicd-
fuvot 6* ttQce OTtka Oorjv ava vija fiikaivav xxL ist nemlich zunächst
bemerkt: * durch diese Worte wird nicht nur der 424 IT. beschriebene
Act wiederholt, sondern etwas neues hinzugefügt.' Aber au eine
•Wiederholung' des schon •beschriebenen Actes' darf hier nicht gc*
dacht werden, weil die Mastanfstellung und das Aufliissen der Segel
(?ilxoi/, noch nicht das Spannen und Straffzichen mit nixaaaav und
xdkoi) nolhwendigerweise dem di^aaa^ai OTtka vorhergehen mufs.
Das letztere, das Festmachen alles Takelwerkes über das ganze Schiff
hin {avit vija) erfolgt doch erst dann, wenn das Schiff in der offenen
See das volle Fahrwafser gewinnt. So hier. llr. F. fahrt fort: 'weil
der so günstige Wind alle weitere Thäligkeit der schiffenden über-
flüfsig macht , binden sie Segeltaue und Ruder fest und verrichten mit
Mufse eine Spende.' Hier waren die Ruder wegzulafsen, da diese,
wie schon oben bemerkt, nicht zu onka gehören. Dies erhellt auch
daraus, dafs ein Festbinden der Ruder (d. i. das Befestigen der Ruder
258 3. U. Faesi : Homers Odyssee. Ir o. 2r Bd.
vermittelst ihrer ledernen Riemen an die Ruderpflöcke) scbon Vs. 419
xoT« xb ai(07t(6(Uvov mit angedeutet ist (wie fi 203 — 205 beweist).
Denn wenn die Ruder nicht gleich anfangs befestigt worden wären, so
würden sie bei der ersten Bewegung des Schiffes schon in den Wellen
des Hafens oder der Bucht zerstreut worden sein. Es sind also auch
hier die onka Taue, Segel und Raben, und das örfCaa^ai onXa be-
zeichnet das spätere, das Festsetzen der Schoten und Brassen, wäh-
rend Vs. 423 das onltov amsa^ai, aufs frühere geht, aufs blofse Zu-
rechtmachen des Segelwerks. Wenn man dies alles zusammenfafst, so
wird man am Gange der Erzählung, der früher Nitzsch und Bothe
grofsen Anstofs erregte, nichts auszusetzen finden. Man darf nichl
vergefsen , dafs Homer an keiner Stelle , wo von SchifTahrt die Rede
ist, alles vollständig zu geben brauchte, sondern dafs er bald dies
bald jenes (wie hier nach 429 das Vs. 417 angedeutete Steuerruder)
seinen ursprünglichen Hörern als selbstverständlich überlafsen konnte,
da die kleinasiatischen und europaeischen Hellenen von Jugend auf in
der Sache lebten , die wir Binnenbewohner erst aus Büchern und aus
Beobachtung auf kleinen Seereisen mühsam erlernen müfsen. Gut aber
wäre es, wenn Hr. F. diesen innern Zusammenhang der Stelle von
Vs. 419 bis zum Schlufse für Schüler kurz darlegte.
Dritter Gesang.
Wenn Vs. 2 bei ^nokvxaXxog, reich an Erz (in Zieraten und
kostbarem Schmuck)' die von Nitzsch zu x 508 gebilligte Ansicht G.
Hermanns (Opusc. IV p. 268: ^splendidum aerea supellectile ornamen-
tisque') befolgt werden sollte, ohne den Bemerkungen Göttlings (Hcs.
Theog. 126) und Dissens (kl. Sehr. S. 401) einen Einflufs zu gestalten,
so schiene es zweckmafsig zu sein, an den ^glänzenden Schmuck'
(erzumstrahlt) und an daxegoeig zu erinnern, so wie an Ttäg d*
oQa %€ckx^ kcc(i7t6, an kdfine öi ;t<^Axoo, an aQfiaza noiTdka ^alxcö nnd
ähnliches. Denn von derartigen Stellen mufs wohl der Ausgang für
die obige Deutung genommen werden. — Vs. 9 hat Hr. F. die be-
gründete Entgegnung Grashofs (zur Kritik des homerischen Textes,
Düsseldorf 1852, S. 31 Anm. 54) vielleicht noch nicht benutzen kön-
nen. Die firigla nnd fiiJQfic hat er vorsichtig erklärt; indes gibt ihm
die erneuerte Behandlung der Streitfrage von G. Hermann zu Aesch.
Prom. 498 wahrscheinlich Veranlafsung zu nochmaliger Prüfung, ob
er künftig die * Schenkel knochen' beibehalten könne. Wären diese
wirklich bei Homer gemeint, so würde wohl ein deutliches oatia (iri-
Qciv irgend einmal in den Vers gebracht sein. Ferner ist nur beim
Festbalten der Schenkel die Vs. 65 von XQia imiQxtqa gegebene
Erklärung passend. Widrigesfalls enthält sie einen kleinen Wider-
spruch. Denn man kann wohl Knochen und Fleisch entgegen-
setzen, aber nicht Knochen und %qia vnigxeQU. Endlich ist die
seit J. H. Vofs in Umlauf gekommene Deutung der nCova firigla noch
von niemand als homerisch erwiesen worden. — Vs. 31 : ^ciyvQig^ jede
gemischte Versammluni; , nicht nur eine öffentliche und formell gesetz-
liche (piyoQiq) von politischer Bedeutsamkeit'. Also doch auch dis
J. U. Faesi: Homers Odyssee. Jr u. 2r Bd. 259
leUlere? Aber dies wird durch homerischen Sprachgebraoch nicht
bestätigt, wie schon Nitzsch und Döderlein Gloss. §. 54 in bestimm-
terem Ausdruck dargelegt haben. — Vs. 45 hat Ilr. F. gegen Bekker
and dessen Nachfolger ^ &i}iig iauv zurückgeführt. Aber der Um-
gtand, dafs das blofse jj und 'fjxt bei Epikern so vorhersehend die
locale Bedeutung haben, wird schwerlich gestatten, dafs die drei
Aasnahmen mit beigefügtem tvsqj die er zu & 510 erwähnt, einen noch
weiter reichenden Einflufs üben. Gegen die Richtigkeit von fj ^iiug
knlv und fj 8ixi] iaxl wird nach der Erörterung von Lehrs (Ztschr. f.
d. AW. 1834 S. 147 und Quaest. ep. p. 44) schwerlich ein begründeter
Zweifel entstehen können. Wo die Formel den Charakter des Neben-
sitzes verlafst und einen Hauptsatz bildet, da mnfs natürlich an die
Stelle der Partikel der PronominalbegrifT treten, wie Od. 5 59. w 255.
986 und noch deutlicher r 43, welche Stellen Ndgclsbach zu IL ß 73
(mit Beistimmung von Nitzsch zu A 451) für die Deutung auch des er-
steren Falles — ich glaube mit Unrecht — als mafsgebend betrachtet.
Denn dafs der Ausdruck auch wechselt, zeigen Stellen wie II. X 779
u xz ^elvoig &ifiig iaziv. — Vs. 48. Der vielcitierte Ausspruch nav-
ug dl ^ecov %atiova Sv^qcotcoi hätte wohl eine kurze Note verdient,
zumal da die Ausleger und Lexikographen (auch Siebeiis Dispulat.
quinque p. 55), xariovat durch ^bedürfen' übersetzend, den Gedanken
mit Unrecht vertieft haben. Es heifst, was ^ar^ftv und xuxtluv über-
all bedeutet, Verlangen oder begehren der Götter' und bezieht sich
auf das Verlangen, gleichsam den Durst nach Göllcrverehrung, wie
sie durch das hellenische Alterthum durchgeht und an unserer Stelle im
zweimaligen Bv%i(S%^m vorliegt. Dies ist in Wahrheit der pius sensus^
von welchem Siebeiis redet. In solchem Sinne ist vorliegende Stelle
mit Recht benutzt von Tholuck: das Heidenthum nach der heiligen
Schrift (Berlin J853) S. 9. — Vs. 62: ^iTteixa hat etwa die Kraft wie
sonst fi/Oa, da.' Schwerlich, weil ivd'a und tneixa nicht selten bei
Homer vereinigt sind. Hier scheint iTtarcr vielmehr mit Bezug auf Vs.
43 «t!%«o vvv gesetzt zu sein. — Vs. 72: ^rixt %axa TtQij^iv ^ erg.
nksixe,* Doch wohl mit Hinznfügung des vyqa xiXev&a. Aber dann
mUsle, wie ich meine, nach ngti^iv Fragezeichen oder wenigstens
Komma stehen. Wenn aber mit Bekker jede Interpunction unterlafsen
wird , so scheint es dem naiven Tone der Erzählung mehr zu entspre-
chen, das gleich folgende aXaltiad'e auch zu xaxa TtQtj^iv zu ziehen,
80 dafs es nach Analogie von nXoi^sa&ai xaxcc Xt}tda (Vs. 106) gesagt
sei. Freilich ist es ein Wagnis, über die Grundsätze der Interpunc-
tion, die Bekker im Homer befolgt, ein Urtheil zu füllen, da man
darüber bei aller sorgsamen Vergleichung nicht zur vollkommenen
Klarheit kommt, und der grofse Philologe sich nicht erbitten läfst,
zum Nutzen für uns Schulleute einige Bogen herauszugeben. — Vs.
91 heifst ^^AiiipixQLXj} die Repraesentanlin des Meeres als Weltelemen-
tes', was ein verfehlter Ausdruck ist, der über den Homer hinaus-
greift und die hesiodeische Ansicht unterschiebt. Es wird daher
blofs (mit Nitzsch za e 422) die Repraesentantin des tobenden Meeres
260 J. U. FaesI; Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
hervorzuheben sein, was auch mit Nagcisbach hom. Theol. S. 79 sich
vereinigen läfsl. — Vs. 109. Bei IWa ^liv . . . iv^a öi . . . Iv&a 6i
. . . Sv^a de schiene mir nöthig zu sein, dem Schüler einen kurzen
Wink darüber zu geben, dafs, wenn die Griechen auch dasselbe
Wort wiederholen , sie das erstemal fiiv^ sodann jedesmal 6i hinzu-
setzen, weil sie bekanntlich die Nebenbestimmungen jenes BegrilTes
distinguieren. Es ist dies ein Fall , den die Schüler in den griechi-
schen Exercitien beim Partikelgebrauch von fiiv und di nicht selten
verfehlen. Das mögen auch die praktischen Englander aus der Erfah-
rung ihrer Jugend wifsen, weil Elmsley zu den Tragikern gerade auf
diesen Fall mehrmals zurückkommt. — Vs. 112: ^riöi ticcxi^T^g^ nem-
lich nBQl aXk(ov.' Leicht misverständlich, weshalb deutlicher zu sa-
gen wäre, dafs das nigi zu beiden Begriffen gehöre, zu xaxvg and
zu fiaxriX'qg, — Vs. 115: ^Tcevrdstes xal i^aetsg, fünf, ja sechs Jahre;
wie im Lat. terque qualer que.' Aber im Texte sieht nevr der ig y§
xal i^ditsg^ so dafs im Geiste der Griechen der Acccnt ant nevraetsg
fallt, mithin xal nicht so stark betont werden darf. Das Lateinische
passte formell nur zu Stellen, wie ß 374 eine ist. Richtig sagt Nitzsch:
^wenn du auch fünf Jahr und darüber hier blfebest und immer frag-
test.' Gerade so tf 233 gf/vov ye Kal'^lQov (iiaXog, wo im folgenden
ßCy d^ 0 ye q>iQXSQOg tisv der Aufschlufs für die Hervorhebung des
^Hvog deutlich gegeben ist. Aehnlich in allen Stellen, wo diese Ver-
bindung wiederkehrt. — Vs. 118: * ccfiq>ibtovreg ^ adverbial: eifrig,
geschäftig.' Eine solche Erklärung will mir nirgends recht homerisch
erscheinen. Das einfache *wir bereiteten ihnen Uebel sie umge-
bend (umdrängend) oder um sie beschäftigt' dürfte vorzu-
ziehen sein. Ebenso 11. ß 525. e 667. r 392, an welchen Stellen Hr. F.
schweigt. Nur zu II. rj 3J6 tov öiQOv dti(pl ^' titov^ %al fiiv diixsvacv
oTtavra liest man: ^ ifiipC d" inov wie sonst das Participium, vgl. zu
Od. y 118=11. e 667.' Dafs aber dies sein Bedenken habe, zeigt die
gleichlautende Stelle, zu der wieder nichts bemerkt ist. Od. & 61
Tovg digov a^^l ^' Sncov, «tvxovto t£ öcth* iqaxHvriv^ weil es hei
der Annahme jener Erklärung wenigstens xexvxovxo öi heifsen müste,
wenn nicht nach der Stelle der Ilias KaC ins zweite Hemistichion
gebracht wäre. Ich meine daher, dafs man nicht nöthig habe, die
Jugend, der man ein Verständnis des homerischen Epos beibringen
will, durch derartige Noten in der Unmittelbarkeit der sprachlichen
Auffafsung zu stören. — Vs. 120. Zu Iv^ ov xig ist beigeschrieben:
*vgl. 126. 141 iv&' ^rot. Eine sehr zwanglose Verbindung.' Aber
das ist doch überall Charakter der epischen Verbindung, da das ge-
zwungene nicht ins Epos gehört. Hr. F. hat sich ohne Zweifel im
Ausdruck vergriffen , indem er mit praktischer Praecision ausdrücken
wollte, was Nitzsch zu Vs. 103 S. 153 also bemerkt: ^ iv^a steht hier
ohne Copula und gibt den ersten unabhängigen Satz^ u. s. w. Uebri-
gens Bndet sich Iv^' ov xig ebenso t, 146. II. d- 253. ^ 632. Und wie
oft steht fi^' 1^x01 und fv^« ohne weitere Copula zu Anfang des
Satzes, so dafs ich fast furchte, die Note des Hrn. F. nicht richtig
J. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir ii. 2r Od. 261
verstanden zu haben. — Vs. 123: ^ alßag fi' f;|f«, nicht sowohl weisen
der aufrallenden Achnlichkeit (vgl. 6, 142. 149), als in Betrachtung
des Gedankens , dars Telemach der Sohn des treflflichen Freundes sei.'
Das will mir für den Charakter der homerischen Naivetät zu gesucht,
%u reflexiv vorkommen. iSodann scheint es bedenklich, beide Stel-
len, die unsrige und die citierte, dem Sinne nach voneinander za
trennen, flutte der Dichter dies beabsichtigt und die erwähnte ^Be-
Irachtong des Gedankens' hervorheben wollen, so würde er wohl
nicht die stabile Formel aißag rc' e^et mit dem folgenden daoQOoyina
gebraucht haben, sondern mit ogfialvovra oder xid^ijTta öe ^eQfiijgl^oiv
oder eine ahnliche Formel, die den Gedanken mit epischer Deutlich^
keit ausdrückte. Aber gerade die stabile Formel mit eiaoQoaita so
wie die gleich folgende Begründung mit yaQ scheint deutlich anzu-
deuten, dafs man an beiden Stellen dieselbe Beziehung, die naive Be-
zeichnung der Aehnlichkcil festhalten müfse. Auch im folgenden iot
wxsg und ioixOTa^ wo Hr. F. (mit Nilzsch) die übertragene Bedeutung
gibt, scheint mir blofs der Begriff einer Achnlichkeit vorzuliegen, so
dafs die Worte ovöi x£ gxxlt^g avöqa vearsQOv ade ioix&cce ^iv-
^ijaaat^ai nicht sowohl den schon etwas entfernter liegenden Sinn
enthalten: *wer als jung schon so angemefscn oder so verständig
spricht, mufs wohl eineu ausgezeichneten Vater haben', sondern viel-
mehr die näher gelegene Einfachheit bieten: *man sollte nicht mei-
nen, dafs schon ein jüngerer Mann seinem Vater so ähnliches rede,
d. i. dafs diese Achnlichkeit mit dem Vater schon im jungen Manne so
scharf ausgeprägt sei.' Nur dieser Gedanke ergibt sich, wie mir
scheint, auf natürliche Weise aus den Worten des Menclaos d 204:
Tooct elneg oö' Sv nsnwfilvog aviig ainot Kai gipste ^ 9ial og rtQoye-
viaxeQog ettj. Dazu 11. i 57. 58 und ähnliche Stellen. — Vs. 129.
Die praktische Kürze zu yivotxo ^ dies war ihre dauernde Absicht' ist
nur wegen des Wörtchens * dauernd' leicht misverstündlich, weil eino
Betonung desselben auch für yivrjrai passte, wie bekanntlich auch
Vofs Randglossen S. 30 nach einer Wiener Handschrift mit Unrecht
lesen wollte. Daher wäre wohl die Note noch bestimmter gestaltet
mit einem: *dies war ihr beabsichtij^ter Gedanke.' — Vs. 131 ist Hr.
F. in der zweiten Ausgabe stillschweigend dem troiTlichcu Nitzsch
gefolgt, indem er den Vers (was auch Bothe und Bäumlein, aber mit
Anfahrung ihrer Auctoritüt gothan haben) als unecht einklammert,
weil * durch ^eog 6' iKidaaaev 'Aicciovg als [durch] die letzten Worte
des Vordersatzes schon dem Nachsatze %al xoxe d>/ — ^Agveloig vorge-
grilTen und überhaupt das Kiödaai ^Agyilovg [vielmehr Axaiovg] zu
früh erwähnt' sein würde. Mir scheint indes gerade dies Vorgreifen
ganz im Charakter von Nestors Reden zu liegen. Im Munde eines
Achilleus, Agamemnon, Aias, Diomedes und ähnlicher würde es auf-
fallen, aber Nestor (man betrachte nur sorgsam II. a 260 ff. ß 337 ff.
17 133 ff. il 671 fff. tf; 630 fff.) Nestor pflegt den Gegenstand, von wel-
chem er sprechen will, gleich wie ein Thema an die Spitze zu stel-
len, sodaon in der Regel zurückzugreifen und die Thatsache in ihrer
262 J. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
Entwicklung vom Anfang an mit epischer Fülle darzulegen. So auch
an unserer Stelle. Was ferner die ^ zu frühe Erwähnung des %e6aaai
^Axuiovg' betrifft, so scheint mir Nitzsch den Gedanken zu sehr aaf
die Spitze einer anstöfsigen Form erst gestellt zu haben, indem er
bemerkt: ^als aber nach Trojas Zerstörung wir abfuhren und ein Goit
der Achaeer zerstreute, da erregten Zeus und Athene Hader, der die
Achaeer zerstreute und ihnen Unglück drohte.' Denn erstens sind
«Zeus und Athene' beim Dichter nicht in so unmittelbarer Verbindung
nebeneinander gestellt, und zweitens ist das nochmalige * zerstreute'
nur in einer zurückgreifenden detaillierten Erzählung des ganzen Her-
gangs enthalten, nicht in einer auffälligen Wiederholung derselbea
Sprachform. Der Sache nach kann eine Abfahrt und ein Zerstreui-
werden der Achaeer vorausgehen, und doch das Ende eine glückliche
Rückkehr sein; der Dichter aber will gerade hervorheben: *als wir
nach Trojas Zerstörung abgefahren waren und eine Gottheit die Achaeer
zerstreut hatte, da nun bereitete Zeus eine schreckliche Rück-
kehr'. Dies ist gleichsam das Thema für die folgende Detaillierung.
(Von 6iner Seite kann man auch IL / 316 das xki^QOvg ndkkov ver-
gleichen, wozu Nägelsbach und diese NJahrb. Bd. LIX S. 276.) Das
kvyQOv ist hier besonders betont, weshalb der Begriff desselben za
wiederholten Malen wieder aufgenommen wird, Vs. 162 mit Zeig ijgiva
Tirifia MixoiOj Vs. 160 mit Zeig d^ ov na) fti^Jero voaxov^ Vs. 166 mit
xaxa fiijdero öalfiav. Uebrigens scheinen mir ^eog (Vs. 131) und
öalfKüv mit Bezug auf Athene gesagt zn sein, so dafs diese auch
hierdurch mit Zeus in geregelte Wechselwirkung tritt. Erwägt man
dies alles, so steht zu befürchten, dafs man hier mit dem * Obeloa
neben dem Asteriskos' zu rasch gegen alte Ueberlieferung auftritt. —
Vs. 146. Nach sonstiger Gewohnheit wäre II. i; 466 hinzuzufügen. —
Vs. 149 liest man: ^avoQovCav^ sie brachen auf, stürmten fort.' Für
diesen hier nicht passenden Begriff sind andere Verba gebräuchlich,
avoQOvCai> dagegen ist blofs avaaxijvai raxicagj ^aufspringen', nooh
nicht ^fortstürmen'. — Vs. 170 sagt Hr. F.: ^naiTtakong^ durch
Reduplication von TraAi^, nakX(o^ torquere ^ crispare^ daher lorluoiuM^
reich an Windungen, gezackt, klippenreich: von Bergen und felsigen
Inseln.'' Diese G. Hermannsche Erklärung, die der feinfühlende Lu-
cas: de voce Homerica TtolvTialnalog aliisque cognatis vocabulia
(Bonnae 1841) am besten entwickelt, bietet mehrfache Schwierigkei-
ten. Erstens geht sie von einer Bedeutung des TtakXetv aus, die nicht
nachweisbar ist: die erwähnte BegrifTssphaere gehört eher zu ikiaasiv
und eki^, wie Aeschylos z. B. vom Zickzack des Blitzes Sltxa atSQO'
Ttrjg sagt. Zweitens beeinträchtigt die Erklärung die sinnliche An-
schauung und das homerische Leben, indem sie in starren Zustand ver-
wandelt was im Dichter (bei richtiger Deutung) überall als sinnlich
selbstlhätige Bewegung erscheint: kurz die ganze Erklärung würde
(die Möglichkeit der genannten Bedeutung von nakkeLv einmal an-
genommen, nicht zugegeben) erst durch eine zu verstandesmäfsige
Operation gewonnen. Drittens ist die Deutung ^gezackt' oder *klip-
J. U. Facsi : Homers Odyssee. Ir n. 2r Bd. 263
penreich ' für öKOTtii^ , oöog und aragycog unpassend. Was ist nun tu
thnn? Mir will alles auf einfache und natürliche Weise also zusam-
menstimmen. Das TtftAilfiv heifst ^8ch>vingen' (pv ipikov vibv nriXe
jiQClv oder ^UiQovq iv xvviy , was Iheils einen Hauptnamen des Hel-
mes, yt'qkii^^ bildet, (heils in fx ö' l^oge xkrjgog U. ?/ 182 sein Cor-
relat hat), ^sich schwingen, springen, hüpfen' (selbst in nakkizai
^xoQ iva arofuir), so dafs es £uripides und Aristophanes auch von
tanzenden sagen. Demnach heifst natnakoBig mit intensiver Redupli-
cation ganz einfach: ^sich aufschwingend, emporspringend.' Dies
passt auf die Inseln, insofern der Begriff mit plastischer Anschaulich-
keit von den Bewegungen des Schiffes aus auf die Inseln übertragen
wird. Denn die Griechen pflegen nicht selten das, was eine Person oder
Sache erleidet, als thütigen Act dieser Person oder Sache darzustel-
len *), Wie also z. B. £urip. £1. 435 inakke dekq>lg ngagaig xva-
vsfißokoig eiktaaüfiBvog sagt, so hat schon Homer einen solchen Ge-
danken mit versinnlichter Belebung des leblosen den vier Inseln bei-
gelegt, in deren Nähe sich die Schiffahrt der homerischen Menschen
häufig bewegte. Nach derselben Auffafsung haben wir im Dichter
eine sich aufschwingende oder emporspringende Warte (Od. x 97.
148. 194), einen sich aufschwingenden oder emporspringenden Berg
(11. V 17, vgl. wegen derselben versinnllchlen Belebung des leblosen
11. Q 748 TtQcav Tiedloto dianQvöiov xtcvxyj^dg. Od. x 88 nixQi]
ilklßaTog XBXvxriY,E öiccfineQeg aiig)oxiQ(o&£v); wir haben ferner einen
sich aufschwingenden oder emporspringenden Weg (11. (i 168; solche
Wege sind Lieblingsgänge der 170 erwähnten ^iQritfiQsg, Od. q 204),
einen sich aufschwingenden oder emporspringenden Pfad (11. ^743, wo
erst durch vorstehende Deutung die Scene recht malerisch beleuchtet
wird). Das letztere vergleicht llr. Vollbrecht zu Clausthal in
einem Privatbriefe an mich sehr gut mit unserem Ausdruck: ^der
schwindelnde Pfad.' So stimmt, wie ich meine, das Ganze zur
Glosse des Hesychius: TConTtakkuv (SeIhv^ und der Anfang im neuen
Passow: ^nuiTtctkoeig^ ein schwer zu bestimmendes episches Wort*
dürfte vielleicht erleichtert sein. Auch in der Deutung von nokvTtal-
nakog Od. o 419 kann ich Hrn. F., der (wie die Lexikographen) er-
klärt: *an Windungen und Bänken reich, versutus^ dolosus^ nicht
beistimmen. Denn itdkt}^ das geschwungene Mehl, was Hr. F. hinzu-
bringt, und Tcamdky sind nachhomerische Bildungen uud verlafsen,
metaphorisch verstanden, die Bcgriffssphaere des Dichters. Das hat
Lucas p. 6 gut angedeutet. Dieser selbst aber gewinnt denselben Be-
griff auf folgende Weise: ' verto Ttokyncclnakog torhwsus^ ul idem
fere valeat, quod TCokvxQonog; in qua interpretatione miriftce me ad-
♦) Darüber ist in MutzelU Zeitschrift zu Döderleiiis Glossarium $.
217 genauer gehandelt worden. Aufserdem ist in jenem längeren Auf-
sätze vieles zur Prüfung für Hrn. Faesi gegeben, da ich denselbi^n
fiberall entweJer ausdrücklich genannt oder stillschweigend berück-
sichtigt habe.
264 J- U. Faesi : Homers Odyssee, ir a. 2r Bd.
invat ipse sensus Homeri atque totius vetnstatis consensus "^^^ qao
iusta, Vera, proba, clara et aperta dicuntur recla, iniusta, falsa,
improba, obscura et obtecta quaeque obliqua ei flexa nancupantur*.
Dagegen Urst sich erwiedern, dafs die ße^rilTe krumm und ge-
rade mit dem Sinne von itaklnv und dessen Derivaten nicht in Ver-
bindung stehen. Denn von nakkBtv hat so gut wie von zgiTCSiv keine
Ableitung bei Homer eine moralische Bedeutung. Daher wird nichts
anderes übrig bleiben als unter TCokwtaCütaXoi die Phoeniker als solche
KU verstehen, die sich viel hin- und herschwingen auf ihren Fahrten,
die viel umhergeworfen werden. Ich adoptiere also die Worte des
Hrn. Lucas * ut idem fere valeat quod nokm^oito^'^ aber nur nach der
sinnlichen Bedeutung des Wortes, die auch Döderlein Gloss. §. 666
mit Recht hervorhebt. — Vs. 173 wird zur Erklärung von q>aCvsiv
rigag hinzugefügt: Murch Donner, Blitz oder Regenbogen.' Es lafst
sich, was noch wahrscheinlicher ist, hier hinzudenken: oder durch
einen Raubvogel, dessen Flug die zu ergreifende Richtung symbo-
lisch vorzeichne. — Vs. 182: ^foracrorv, seltene Abkürzung für fari^
aav.' Warum nicht genauer, dafs diese ^Abkürzung' nach dem Bek-
kerschen Texte nur noch II. (i 56, wo Hr. F. schweigt, gefunden
werde? Indes sind beide Stellen mehr als bedenklich, und es bedarf
noch erneuter Untersuchung, ob nicht auch hier ein Tarccöav^ das we-
nigstens einige Handschriften bieten , die ursprüngliche Lesart gewe-
sen sei , weil man für eine derartige Verkürzung des Indicalivs keine
Stütze der Analogie ganz haltbar ßndet. Das hat schon Thiersch gr.
Gr. §. 223 h S. 368 vor Jahrzehnten bemerkt und idTaaav empfohlen.
Spitzner im Exe. V sagt freilich apodiktisch: Mn lliados locum abso-
num est.' Aber ein solches Urtheil bleibt stets subjectiv. Denn einem
Dichter mufs es erlaubt sein , jedes Factum in der Entwicklung seines
mühevollen Herganges plastisch zu schildern, wenn es ihm gut dünkt,
wie z. B. der Dichter bei der Beschreibung des achilleischen Schildes
mit Ttolsi und nolrfii^ rsv^B und iv d' ixli^ei abwechselt. So kann der
BegrifT des Imperfects auch bei Taxaaccv in II. (a 56 und Od. y 182
grammatisch und aesthetisch gedacht werden. Oder wer die Theorie
von Nagelsbach II. a25, die Hr. F. Od. c 307 adoptiert, zu der sei-
nigen macht, dafs nemlich im Impcrfect eine nachhaltige Wirkung
liege, der findet auch dafür einen Anhalt, an der Stelle der Ilias in
den Worten öriliav avS^^v ak6(0QriVj und an unserer Stelle in dem
Gedanken, dafs Diomedes seine Schiffe iv^'Agyei aufgestellt behielt,
weil er von jetzt an seine Herschaft ruhig genofsen, keine Seefahrten
*) Diesen wahren Ausspruch hat Koster: Erläuterungen der hei-
ligen Schrift ans den Klassikern, besonders aus Homer (Kiel 1833)
S. 3 f. auch mit alttestamentlichen Parallelen belegt und in Hinsicht
auf obige Stelle S. 4 bemerkt: 'Humer nennt zwar die betrnglichen
Phoeniker nokvTtainaXoi (vielgewandte, von ndlXca, torquere} ;
aber doch ohne deutliche Misbilligung.' Das letztere ist rieh*
tie bemerkt; denn für diesen Fall würde der Dichter wie 4 288 dwa-
Ti^liOi cesagt haben.
J. U. Facsi: Homars Odyssee. Ir u. 2r Bd. 265
weiter unternommen habe. Denn die späteren Sagen über Diomodes
flndcn im Homer keine Anknüpfung. Ucbrigens hat der grOndliche
HoDierikcr Grashot': Kur Kritik des hom. Textes S. 6 für beide Stellen
arijaovr' in Vorschlag gebracht; allein im Homer bleibt jede Conjec^
tor, die aus alter Ueberlieferung nichts für sich hat, eine Kühnheit.
Nebenbei möchte ar^^actc^cci vijag nicht ganz unbedenklich sein, weil
Homer das Medium, aufser dem intransitiven Gebrauche desselben,
nur mit dem Objecto löxov und zweimal mit xQijrrJQa verbindet. —
Vs. 193. Die nach Nitzsch gegebene Bemerkung: ^xal gehört nicht
Bar KQ otrro/, sondern auch zu voCtpiv ioirceg' möchte man aus dem
Epos durch sichere Parallelen begründet sehen. — Vs. 205 hatte
ivva(uv7taQcc&shv wohl eines Winkes bedurft. Bäumlein hat an der
Praeposition solchen Anstofs genommen, dafs er für nöthig hielt, aus
Schol. EQ Vs. 217 Ttsgi^nev in den Text zu setzen. Aber das klingt
gerade, als wenn die Götter wie Feldherren eine Macht um Telcma-
chos herum stellen sollten, da TtEQid'Bivai sich sonst nur mit sinn-
lichen BegrifTen und zwar stets in der Tmesis verbunden findet, wie
im bekannten nzgl xvqfirjaLv i&rixBv. Dagegen passt ein nagad'etvai
dwafiivBls Geschenk^ nach Analogie von naQüed-stt^i^Blviov^ % aqaxal
JCflfxcS ic^kov t^hjKB Zsvg (o 48ö), vorlrefFlich zur Holle homerischer
Götter, wo jemand sie anfleht. Aufserdcm hat Ttaga^etvcct allein
eine Stütze in den Formeln o<St] dvvaiilg yz nigtiSTiv (\\. ^ 294. v
786. Od. >(/; 128) und er (loi övva^lg ys nagslri (II. % 20. Od. ß 62),
während TtsgleiSti in solcher Verbindung unhomerisch ist. Nach der*
selben Anschauung heifst es naQearaiiBvaij nttgiaTrixsv^ na^iazti
(d 827. i 52. II. 0 255. 7t 853. Q 563. oo 132), während eine derartige
Composition mit negl theils gar nicht gefunden Iheils in ganz anderem
Sinne gesagt wird. Aus alle dem sieht man: Abweichungen von Bek-
ker sind leichter vorgenommen als begründet. — Vs. 226. Zu den
Anfangsworten des Telemach an Nestor: w yiqov^ ov neu xovzo inog'
teXha&ai o/ra wird folgendes bemerkt: ^ov Ttoi^ nMo modo^ gar nicht.
nta eigentlich nichts anderes als ein nachläfsig ausgesprochenes ittog^
wie oBtw, Code. Vgl. ^ 538.* Warum hat denn aber der Dichter hier
und an den citierten Stellen nicht ov ntog gesetzt^ das ebenso gut in
den Vers passte? Wen soll man sodann der * nachläfsigen Aussprache'
zeihen, den alten Sänger oder den KhapsorIcn? Hierzu kommt folgen-
der Umstand: wenn Telemochos wirklich gar nicht an die Erfül-
lung glaubte, so brauchte er nicht erst nach Sparta zu reisen, nm
etwa eine sichere Kunde vom Vater zu hören und darnach sein künf-
tiges Handeln beslimmcn zu können. So aber ist, wie ich meine,
gerade mit Bezug auf Menclaos , auf welchen allein Telemachos (nach
der Nachricht Vs. 184 f.) seine holTnungsvollen Bcisegedanken hin-
richten muste, dieses noch nicht gebraucht. Dies wird auch durch
das folgende fiioiyt ilnofiivo) bestätigt, woran man unepisch deu-
telt. An der citierten Stelle O 538 singt Dcmodokos noch nicht
allen nach Wohlgefallen, weil man noch nicht von dem tranrigen
Geschicke des Odysseus unterrichtet ist, weil die lange Erzählung
IV. Jahrb. f, Phil. v. I'kiei/. Bd.LW. Hft. 3. 18
266 J. U. Facsi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
seiner bisherigen Leiden erst noch bevorsteht. So hat ov n& aber-
all seine g^cnaue Beziehung, und die Bemerkung von Döderlein Re-
den u. Avfs. 11 S. 262 behält ihre Richtigkeit. — Vs. 2M ^mifloidM
öixag ^de g>Qaviv akkaw- Der Genetiv hängt wohl von (pQoviv ab, and
dies nimmt man am besten in derselben Bedeutung wie ö 2ä8: Kunde
von andern.' Es scheint doch natürlicher und der Analogie (IL v 728.
Od. 0 248. T 286. 326) entsprechender zu sein, ülhov von ne^latiM
abhängig zumachen, zumal da der objective Genetiv bei Homer nur
in sehr verefnzelten Fällen erscheint. Dann wäre der einfache Sinn:
^da er an Gerechtigkeit und Einsicht andere überragt.' Auch an der
citierten Stelle ö 268, wo Hr. F. hierher verweisen sollte, möchte su
erklären sein : ^ er brachte viel Einsicht zurück.' Döderlein Gloss. %,
958 nimmt zwar gewaltigen Anstofs daran , so dafs er unter anderem
bemerkt: ^in beiden Fällen scheint mir die Verbindung von yMvdysiv
mit einem intellectucllen Begriff, wie g>Qivigy ein wenigstens
unhomerisches Bild.' Aber den Uebcrgaug dazu möchten doch wohl
homerische Verbindungen geben , die über das sinnliche hinausgehen
und ans iutellectuclle wenigstens anstreifen, wie (iv&ov dta otOfM
iysa^ai (II. g 91) neben (piqetv fiv{>ov und ccy/iUiiv oder htog (Od,
<& 409) und einmal (11. x 337) ^lv^v a7toq>iQHVy ferner Kkiog ayeiv
(Od. e 311) nebst dem mehrmaligen xXiog q>iqHv xivl^ auch ayBtv vsi-
nog (IL iL 721)9 BQida avvdyuv oder tpi^uv und nQoq>iQSiv^ q>iq€iv
XQotog (11. <r308) und 6i]iOTrjxcc (Od, £'203), wozu man noch g>iQ€iv
X^Qiv (IL 9 458), ayuv tc^oAi^i/ (Od. a 37) und aus ähnlicher An-
schauungsweise oxieiv vipttdag (a 297), ccvBXiaOui htupqoavvag (x
22), fi^ui/ xtuTciiviC^cii, oder v(palvBiv^ voov vcofiäv und manches an-
dere hinzufügen könnte. Sodann vergcfse man nicht zu erwägen, dafs
keius der homerischen Wörter auf Ig eine rein abstracte Bedeutung
habe, sondern dafs durch dieselben bezeichnet werde entweder eio
'Werkzeug (afylg, aanlg, öatg, Kccknigy %hiCg^ f'^Ql^-^Sj VQOTtig. aavlQj
cxaiilg), oder ein Art (avktg^ 7t6kig)y oder Wirkung und Erfolg des
VerbalbegrilTes (of^'v^t^, wovon oben zu y ^iyykvg>lgj öatg^ ^if^tSf
hilg, qnjfug)^ oder endlich eine Handlung und ein äufserlich manifes-
tierter Zustand {öiJQig^ 6vva(iig, Sk^tg, iQtgyjiijvig^ wtig^ ^ßQ^i)*
Aehnlich verhält es sich mit den Worten auf atg und ug. Das Wort
q>Q6vig nun wird man am besten zur dritten Classe rechnen, so dafs es
nicht die Einsicht als abstracten Begriff bedeutet, der natürlich dem
heroischen Zeitalter fremd ist , sondern was schon Nitzsch klar ange-
deutet hat: Klugheitsmafsregel, einsichtigen Plan. Und dies passt
für beide Stellen , indem dadurch der Nestor als av(Aq>QdS(A(ov (IL ß
372), Tcmwfiivog^ fiiiviv T€XTcciv6(Uvog (11. x 19) u. s. w., und der
Odysseus als ütokvq>QG>v von neuem charakterisiert wird. Die Bedeu-
tung ^ Kunde' dagegen läfst sich theils mit dem Verbalbegriffe qtQo^
vziv nicht vereinigen, theils enthält sie für einen Nestor oder Odysseus
nichts charakteristisches. Denn zum ^Wifsen' oder * Ueberbringen
einer Kunde' reichte ein ganz gewöhnlicher Bote hin, der nicht ein-
mal das homerische ia^kov %al xo xixvxxai, or* ayyikog ulaiiut iUy
S. U. Faesi : Homers Odyssee. Ir «. 2r Bd. 267
liothwendi^ hfille. — Vs. 255 ist Hr. F. zu Wolfs Lesart Sig tcbq
hv%^ mit voller Interpunction zurückgekehrt, indem er folgendes
sagt: *der Sinn ist: das fürwahr vermnthest du auch selbst ganz
richtig, wie es geschehen ist, nemlich dafs Menelaos nicht zu Hause
war. Dann kommt er mit AlTect auf den entgegengesetzten Fall: ja
wenn (6^ — yi) Menelaos den Aegisthos zu Hause getroffen hfitte, dann
wSre es anders gegangen. Vgl. w 284 fg. bI yaq — tw xtv.' Dies
alles erscheint mir als unhaltbar aus folgenden Gründen. Erstens
wftre Tempus und Begriff in irvx^yj auffällig gebraucht. Denn dies
Verbum enthält überall einen so vollen und positiven Sinn, dafs es
schwerlich in blofs negativer Beziehung, wie die angeführte Abwe^
senheit des Menelaos wäre, gesetzt werden kann *). Und der Zustand
eines * geschehen sein' oder eines emphatischen ^sein' liegt nur im
Perfectum und Plusqpft. pass., so dafs man für den obigen Sinn weit
eher ein ola xixvnTca erwarten sollte. Dies wäre auch deshalb vor-
sOglicher, weil man ein Praesens oUai, mit rag nEf^ ctv^O"?/ nicht ganz
ohne Anstofs lesen könnte. In den vier ähnlichen Stellen (11. ß 320.
9 410. Od. d 212. GJ 124) hat der Dichter das Imperfect., den Aorist
ond zweimal das Futurum mit hvx^ in Verbindung gebracht, nie-
mals das Praesens. Was folgt aus dem allen? Ich denke dieses, dafs
man zu cog n^q hv^di] nimmermehr hinzunehmen könne ein * nemlich
dafs Menelaos nicht zu Hause war', sondern dafs man hinzunehmea
mflfse ein einfaches ^ die Ermordung des Agamemnon.' Und das letz«
tere erfordern auch die vorhergehenden Hauptfragen: mag i&ttv
AxQsiörjg; und zlva d' ctvT<p (irfiar^ oXb^qov Atyia&og; und o öh
^a^ar^aag xaviTtEfpvsv; Die Frage nach dem Aufenthaltsort des Mene-
laos ist Nebengedanke, der sogleich wieder zur Hauptfrage zurück-
kehrt und erst spöter in genauerer Erzählung seine Erledigung findet,
wie es wegen des weiteren Fortschritts der Handlung (Vs. 317) noth-
wendig ist. Das Tads — hvx^ dagegen kann sich nur speciell auf
die Hauptsache, auf die Ermordung des Agamemnon beziehen. Hai
doch der Dichter selbst X 409. 430 von derselben Sache dasselbe Ver-
bum gebraucht. Nun aber ist die nothwendige Beziehung auf die Art
nnd Weise der Ermordung, wonach Telemachos gefragt hatte, aller-
dings ein Gedanke, der nicht der blofsen Vermuthung (oUai) anheim-
fallen kann, so lange ein Epiker Epiker bleibt. Und hiermit zerfällt,
wie ich meine, der erste Thcil von Hrn. F.s Erklärung. Wir kommen
zum zweiten Theile. Da hat Hr. F. für et — yi den modernisierten
Affect wiederholt, wovon schon zu a 163 die Rede war, und hat dem
harmlosen ^^zugleich etwas neues, den Begriffeines allgemeinen Gegen-
satzes beigelegt, indem es Mcn entgegengesetzten Fall' bezeichnen soll.
♦) Auch d 212 hat Hr. F. mit «einer Note: < ttvx^n=^^^n^y ,^^^
den Begriff geschwächt und aufserdem den Sinn eines ungehörigen
ZufalU hineingebracht, da doch der Dichter einfach den aXav^fiog be-
zeichnet, der uns vorher bereitet wurde oder entstand, aber nicht 'der
xafalliff stattfand^ (hvxev äv).
18*
268 J' U. Faesi : Honers Odyssee. Ir n. 2r Bdw
Aber )^i markiert bekanntlich nur den Gegensatz einzelner Begriffe,
niemals den eines ganzen Salzes, was doch durch G. Hermanns Anm.
zu Viger Nr. 296 b Gemeingut geworden ist. Wie oft ist besonders
Nagclsbacb, wenn auch bisweilen mit einem etwas unepischen Philo-
sophieren, darauf eingegangen! Man vergleiche dessen Noten zu II.
tt 60. 81. 116. 174. 216. 299. 304. 393. 531. 548. 582. ß 119. 379. y 143.
180. 224. 442. Hr. F. hat sich blofs durch seinen * Affect' von der ihm
bekannten Wahrheit hier abbringen lafsen. Sprachlich ist nichts an-
deres möglich als was Nitzsoh schon gesagt hat: ^wie es gekommen
wäre, wenn nur wenigstens noch am Leben getroffen hatte (ge*
schweige, wenn er vor dem Morde zugegen war).' Daher bemerkt
Capellmann: schedae Homericae (Conflucntibus 1850) p. 12, der eben-
falls &g K€v irvx^t] verthcidigt, mit Recht: *si legeretur äg TCiQ
Itvx^t} et vere facta significarentur bis vooibus, prorsus inepte
aavvSirog esset oratio, il ^ciovr^ [vielmehr d i(o6v /'] kxX, , qua
quidem oratione illis vere factis profecto contraria ponerentur.' Man
kann beifügen, dafs an den Stellen, wo sl — ye ohne Copula einen
neuen Hauptsatz beginnt (II. f 284. g 208. Od. a 163. € %^, *) rj 75.
( 529. n; 300. a 254. z 127. 488. 496), nirgends die Einführung eines
* entgegengesetzten Falles' stattfindet, wie die Noten des Hrn. F. selbst
beweisen. Denn dieser hat blofs an unserer Stelle den vermeintlichen
Gegensatz eines Gedankens angemerkt, dagegen H. S 284. Od. a 163.
a 254 nichts weiter gegeben als sein * äffe et volles: ja wenn, frei-
lich wenn', wiewohl diese Deutung für sl — ye in Nebensitzen, die
doch dem Wesen nach zu demselben Verhältnisse gehören müfsen,
unpassend ist, so dafs Hr. F. H. ft 217 und Od. i 529 wieder zu an-
dern Wendungen greift und r 86 bei akXci — yh sogar ein Moch da-
gegen' **} einmischt, was, wie es scheint, von neuem ^dcn entge-
gengesetzten Fall' zum vorigen Gedanken bezeichnen soll. Aber das
ist nicht möglich. Denn wo wirklich zum ganzen vorhergehenden
Satze ein entgegengesetzter Fall bezeichnet werden soll, was Hr. F.
für y 255 annimmt, da beginnt der alte Sänger wenigstens mit si di^
was bei Homer in zwei und neunzig Hauptsätzen gefunden wird,
wozu auch el Si—yi II. ß 379. i 184. 350. 897. ^ 128. q 102. Od. ß
115. 274. 17 199. l 380. Oder es könnte, wer die von Hrn. F. erwähnte
♦) An dieser Stelle hatte Hr. P. wohl die isolierte Wortstellung
tt yB iiiv berühren sollen, zumal da er in c 254 hinzugefügt hat: 'Tgl.
zu y S55=f 206' mit einem bedenklichen Gleiclilieitszeichen. VgL
Nagelsbach: de particulae yh usu Homerico (Norimbergae 1830) p. 20s
*Bt — yc, nam inncta ne haec quidem vocabula apud Homerum inve-
niuntor, nisi semel addito (liv* etc., wo nur II. f 258 st y ovv über*
sehen iHt, was schon Thiersch empfohlen hatte, ehe es durch Spitzner
und Bekker in den Text kam.
**) Diese Stelle hat Nagelsbach in der erwähnten Monographie
K. 14 der Sache nach richtig erlentert, indem er den vom Dichter
etonten Begriff des ApoIIon also andeutet : Mdque Apollinia faTore,
qni praecipua apud Ithacenses religione colebatur; cf. Od. v S78. 9
258.'
J. U. Ftesi : Homers Odyssee. Ir n. 2r Bd. 269
Parallele *o>284 fg.' *) beachtet, den Anfang des Satzes mit d ya^
erwarten, wie IL -^ 366. i 516. % 433. «9. v 276. ^ 166. v 26. w 206
0. 8. w., auch mit Hervorhebung des Hauptbegriffes durch ai ytxQ —
yiU, v485. if; 344. Od. if;2J. Aus allen diesen Andeutungen dürfte
erhellen, dafs der obige Ausspruch Capellmanns begründet sei. Nicht
minder richtig sagt derselbe gleich weiter: ^pronomen zdSe minus
■pte referretur ad ea , quae vere pcracta sunt (^äg tcbq izvx&ij) quae-
qoe Telemachi interrogationibus anlea quodammodo iam commemorata
sant, quam ad ea, quae deinccps dicuntur futura esse {äg xev ixvxOfj)^
81 Menelaus vivum Aegisthum in aedibus invcnisset, quae cum Nes-
tor dixerit ipsum posse Telemachum suspicari, apte tarnen vv. 258
sqq. exponit.' Es wird also einfach das ^ooov betont, wie bei dersel-
ben Sache ö 546, und in ähnlicher Verbindung fo 281. l\. tlf 77, wäh-
rend an den übrigen 57 Stellen, wo t<^S im Homer steht [bei Damm
fehlen vier], keine solche Hervorhobung gelesen wird. Es ist dies
bei einem fürs heroische Zeitalter so signiftcanten BegrilTe kein gleich-
gütiger Umstand. Denn es gibt im Homer nur noch acht oder neun
von dergleichen Adjcctiv begriffen, bei welchen aus gleichem Grunde
die gleiche Erscheinung stattfindet. Das genauere würde jetzt zu weit
abführen. — Vs. 261. Zu fiiya iQ^'ov hat Hr. F. gegeben : * magnum
facinus, arduum opus.' Natürlicher und deutlicher dürfte sein: ge-
waltig, schrecklich, scelestum facinySy wie Lehrs de Arist. p. 116 in
der Note sagt. — Vs. 266 folgt Hr. F. bei (pi^cl ycig xi^^i/r' aya-
^fjOtv der Deutung: ^denn sie war verständigen Sinnes; vgl. 20 ?re-
nwnivog."* Die Parallele ist wohl ungehörig, da Wort und Person
verschieden sind. Und der Begriff der Verständigkeit liegt wohl in
nsnwfiivog^ i%ifpQtov, ivtpQoviiov und ähnlichen Compositionen, scheint
aber für uya^og zu speciell zu sein, wofür man eher das ^gut, gut-
müthig, wohlwollend' des natürlichen Menschen vorziehen möchte.
Das von Nitzsch berührte xo amg>Qovetv des Plutarch enthält schon zu
viel von der späteren Reflexion. Der Ableitung von Döderlein Gloss.
$. 64 vermag ich in Hinsicht des Uebergangs eines ex in ^ mit dem
Mafse meiner Kenntnis nicht nachzufolgen. — Vs. 269. Von dem viel-
behandelten fiiv wird gesagt: ^geht auf Aegisthos als die Hauptperson
nnd den Frevler (264 fg.), den die verdiente Strafe erreichen sollte;
aber eben darum musto er das ganze Verbrechen vollbringen und
während geraumer Zeit der Früchte desselben geniefscn (305).' Aber
diese tiefe Schicksalsidee ist schon an und für sich tragisch, nicht
episch. Sie findet im Dichter keinen Anknüpfungspunkt. Denn sollte
das *eben darum muste er das ganze Verbrechen vollbringen' u. s. w.
begründet sein, so mflste der Satz mit einer Causalparlikel eingeführt
werden, nicht mit der Zeilbestimmung oxe 6ij — , Sri xoxb, die zu jener
*) Statt dieser Parallele war übrigens befser ip 21 zu nennen,
weil 60 284 noch eine andere Schwierigkeit enthält, worüber Grashof:
xur Kritik des hora. Textes S. 18 Anm. 20 mit gewohnter Klarheit
Und Scharfe gehandelt hat.
270 J. U. Faesi: Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd.
Erklärung nicht passt. Zweitens ist fäv als AiyM^ov aaffällig, wenn
man sich an a 35 Avyio^og VTteg (jloqov 'AzQBiöao ytj^i^ aJLo-
ypv fivrjatriv erinnert, weil dann dasselbe Factum hier als fioiQ€c
^mv und dort als vtisq fioQOv geschehen erscheinen würde , was ich
nicht zu vereinigen wüste. Drittens widerstrebt der Zusammen-
hang vorliegender Stelle. Denn das aAA' ore ö'q fiiv ^cga ^iav
htiöiiaa dafiijvai hängt mit dem vorhergehenden ?/ ö i^toizo tcqIv
^iv avalvsto igyov aeixsg so eng und so deutlich zusammen, dafs
man nach homerischer Rede schwerlich eine verschiedene Beziehung
beider Satze annehmen darf. Was das fioiga ^s^v iniöfiös betrifft,
80 soll dies offenbar ein Milderungsgrund des Verbrechens der Kly-
taemnestra sein und zugleich das i&ikovCav motivieren, indem dies ersi
stattfindet, nachdem sie vom Schicksal der Götter umstrickt worden
ist. Dieses Schicksal aber refselte sie so, dafs das öaiirjvai, eintrat,
was man am einfachsten nach Analogie des fpdoxtixi öcctiijvat (11. £ 363
u. 313) erklären wird» Dafs dies homerisch sei, zeigt IL y 301 akoxo$
d' aXkoiCi öafisuv. Nitzsch sagt zwar, es sei dies zu verstehen * von
der Sklaverei kriegsgefangener Frauen' , aber das ist eine aus Homer
nicht erweisbare Bedeutung , da bei diesem über aloxovg ayziv (11. 6
238) oder yvvali^ag bisweilen mit dem Zusätze Xiiiaöag 61 yvvalxagy
ilev&BQOv '^(ictQ oiTtovQccg, riyov (r 193. n 831. f 435), über ugt-
Qov susavayovct (Od. t)* 529) und ähnliche Wendungen niemals hiu-
ausgegangen ist. Natürlich; denn für aviikTiiöeg yvvcciKsg wäre im
Geiste des Dichters das starke öccfirjvai ' von der Sklaverei kriegsge-
fangener Frauen' ungeeignet. Wohl aber ist der gewaltsame Liebes-
gcnufs ein Gedanke, der im Homer durch IL j? 355. (T 85. 432 seine
Bestätigung findet, und dies um so mehr, je sichtbarer überhaupt die
Bildungen ödaag^ ccöii'qg^ veoö ^ir^g tinc Beziehung des öa^ijuai auf ehe-
liche Verhältnisse darlegen. So bleibt ^dcr Begriff der Gewall', den
Nitzsch für öafirjvat mit Hecht hervorhebt, auch in dieser Besjieliung
ungeschmälert.
In anderer Hinsicht wird es Zeit, eine solche ^Gewalt' mir selbst
anzuthun, indem ich mit jenem ddfiaaov öh (livog xal dytjvoQU dv^iov
ans Ende der Beurtheilung denke , so gern ich mich auch noch länger
mit Hrn. Faesi unterhallen hätte. Aber ich kann nicht, was anfangs
beabsichtigt war, bis zum Schlufse des Gesanges gelangen, ohne den
schon überschrittenen Kaum mit zu grofser Mafsiosigkeit zu bean-
spruchen. Darum ygat^ag iv Tiivccxi TtTvnTCO nokiog ye najtVQOv aij-
(icna xtiAtfcioi} naveo&at Ovfio^ avtoyet^ xal ^v&oig dyavoiCi nagav-
di^aag anoniiinet. Vielleicht gestattet die geehrte Uedaclion, einmal
später irgend einen Abschnitt der Ilias in Hrn. Faesis Commentare
durchzugehen. Denn wie viel im Homer noch zu thun sei, bevor wir
uns rühmen können den Dichter ganz zu verstehen, das weifs Hr.
Faesi befser als viele andere. Gottfried Hermanns Worte : * est Ho-
merus Graecorum scriptorum multo et facillimus et difficillimus: facil-
limus delectari cupientibus ; difficillimus inquirentibus vel in dictio-
ncm eins, vel in res quas commemorat, vel in carminum ipsoruQ
J. U. Faesi : Homers Odyssee. Ir u. 2r Bd. 271
onginem et composilionem' — diese Worte enthalten eine Wahr-
heil, die auch auf Bearbeitung eines Sehulcommentars ihren EinOnTs
flbl. Die Ausgabe des Hrn. Faesi nun gibt vom jetzigen Standpunkte
der homerischen Studien ein treues Abbild, bei dem nur ein einzi-
ger Umstand aufnillig wird : es sind ncmlich zwei der bedeutendsten
Werke, Döderleins Glossar undNilzschs Sagenpoesie, an dieser zwei-
ten Ausgabe spurlos vorübergegangen.
Unangefochten dagegen bleibt im ganzen die paedagogische
Einrichtung des Commenlars selbst. Denn wie viel man auch im ein-
lelnen erinnern möge, die gleich anfangs erwähnten drei Vorzüge :
die Beschränkung aufs wesentliche, die weise Sparsamkeit der Citate,
der kurze und populäre Ausdruck der Noten, — diese drei Vorzüge
haben der Ausgabe in der Sammlung, zu der sie gehört, vor vielen
anderen Bändchen eine rühmliche Stelle angewiesen. Bei einer neuen
Auflage aber möge Hr. Faesi unter anderem zuscheu , wie viel er von
den obigen Bemerkungen mit seiner Ueberzeugung vereinbar ßndet,
am davon beliebigen Gebrauch zu machen. Es sind überall Gründe
für oder wider eine Erklärung zur Prüfung gegeben, keine Macht-
Sprüche vermeintlicher Weisheit, \iio sie bei vornehmen und hochr.
nüthigen trotz alles Redens von ^ christlicher Demulh' öfters gebräuch-
lich sind. Die öfTcntliche Prüfung von Gründen aber, die durch Rede
nnd Gegenrede eine wifsenschaftliche Wahrheit zu fördern sucht,
sollte zwischen Männern, deren Leben von der praktischen Schulphi-
lologie ganz erfüllt ist, ihr stetiges Endresultat in den Worten des
Vaters Homer finden: iv tpiloxrjiti öUxfiayev aQ^firiöavre.
Mühlhauscn. Karl Friedrich Ameis,
1) Rhetores Graeci exreco^mixone LconardiSpengcU Lipsiae siimp-
tibus et typU B. G. Teubneri. MDCCCLIII. Vol. I. XXXU u.
470 S. 8.
2) Begriff und Grundform der griechischen Periode-, von dem
Conrector Emanuel Bernhardt. (Prograraiiiabhaiidiniift des Ge-
lehrten-Gymnasiums in Wiesbaden, Ostern 1854.) Wiesbaden,
A. Steinsche Buchdruckerei. 32 S. 4.
Wenn die Rhetorik lange Zeit mehr als andere Gebiete der for-
malen Philologie vernachläfsigt wurde, so war das in der That ein
Paradoxon, da die classischen Schriftsteller selbst, insbesondere die
Dramatiker, Geschichtschreiber und Philosophen, um von den Red-
nern gar nicht zu sprechen, auch in diesem Fach nichts weniger
als T<Iaturalisten sind: ihr Studium mufs also auch diese Bedingung
ihrer TrofTlichkeit ins Auge fafsen; es wäre verkehrt, da an ein be-
wustloses Erfafsen des rechten glauben zu wollen , wo es mit künstr-
lerischem Bewustsein erreicht worden ist. Eine Entschuldigung
272 L. Spcngcl: Rliotoros Graeci. Vol. 1.
liefs sich indes früher aus dem Zustmid der Texte fast aller rhetori-
schen Schriflcii uhlcilen, welcher allerdings nicht sehr geeignet war,
die Bekanntschaft mit der Theorie zw erleichtern. Dieser ist aber
jetKt durch Spcngels und anderer Bemühungen so wesentlich ver-
befsert, dafs man ferner nicht besorgen darf hier auf einen ganz un-
sichern und kaum gangbaren Boden zu stofsen. Eine Epitome der
Rhetores Graeci von Walz ist vorliegende Sammlung, welche drei
Bände umfafsen soll, insofern, als viele ßestandtheile jener von ih-
rem Plan ausgcschlofsen sind; dagegen hat Spengel nach Aldus Vor-
gang die Khetoriken des Aristoteles und Anaximenes, welche bei
AValz fehlen, wieder aufgenommen, desgleichen die Schrift niffl
vtlH)vg und die bei dem Erscheinen der Walzischen Ausgabe noch nicht
bekannt gewordene tixvti ^i^ro^ixt) aus cod. Par. 1874, welche in den
Notices et extrails de la bibliolhcquo royale XIV, 185 Seguier ediert
hat. Mithin fällt für den gröfsten Theil des ersten Bandes die Vor*
gleichung mit dem Vorgänger weg; nur Longinus, Apsincs, Minucia-
nus und Uufus sind beiden Sammlungen gemeinsam : über die kritische
Behandlung dieser Technographen hat neulich unser verehrter Freund
F.inckh in diesen Jahrbüchern Bd. lAlX S. 6^0 — 646 gesprochen, da-
her wir mit Ausnahme weniger den Longinus betrelTenden Bemerkun-
gen sie übergehen dürfen; das Verdienst der neuen Bearbeitung des
Aristoteles und Anaximenes würdigt derselbe a. a. 0. nur im allge-
meinen; uns schien gerade ein detaillierter Bericht darüber an der
Zeit zu sein , um so mehr als die früheren Schriften Spengels, auf wei-
che die neue Ausgabe häuiig sich gründet, immer noch nicht in dem
Grade bekannt sind, als es bei ihrer Bcdcuhiiig zu erwarten wäre.
Zugleich wollte lief, seinerseits manche eigne Bemerkungen den Freun-
den der rhetorfschen Lillerulur minheilen; es würde ihn freuen, wenn
man fände, dafs sie bei dem Studium derselben als Nachträge einige
Dienste leisten könnten.
Für die Rhetorik des Aristoteles hat Spengel weit mehr als
sämmtliche Vorgänger gethan: nicht nur ist, wie aus eiuer nähern
Betrachtung sich ergeben wird, an vielen Stellen der früher vordun-
kelte Sinn mittelst geeigneter Correctur ins klare gebracht; auch die
ursprüngliche Anlage des Werkes, die von der uns vorliegenden ohne
Zweifel sehr verschieden war, ist unwidersprechlich nachgewiesen in
der 1851 unter den Abhandlungen der k. bayer. Akademie d. Wifs.
erschienenen Schrift ^ über die Rhetorik des Aristoteles. '*') In der-
selben finden wir die belehrendsten Erörterungen hinsichtlich des
Verhältnisses, in welchem Aristoteles einerseits zu Piaton, andrer-
seits zu den empirischen Technographen stand. Zunächst wird dt-
selbsl die gleich im Eingang gegebene Definition der Rhetorik alg ein
Widerspruch gegen Piaton bezeichnet , desgleichen die ganze Einlei-
♦) Achnliche Verdienste Spcngels um die Politik und Poetik dos
AristoteleA sind wohl jedem bekannt, der sich damit nicht oberfläch-
lich beschäftigt.
L. Spcngel : Rhetores Graeci. Vol. I. 273
tuDg des Buches, indem Aristoteles durch den Beweis, dats die Rhe-
lorik allerdings eine ganz formelle Doctrin sein könne, die von jenem
im Gorgias gestellte Forderung eines materiellen Gebietes, welches
sie haben mürse, beseitigt: er erklärt sie für ein Correlat der Dia-
lektik (avrlazQOfpog r^ diaJUxTix^), von welcher sie sich hauptsäch-
lich dadurch auterscheide , dafs sie das ivdo^ov und nicht das aX7]9ig
selbst zum Gegenstand habe, wobei aber nothwendig die Kenntnig
des alti^ig zur richtigen Beurtheilung des Svöo^ov vorausgesetzt wer-
den morse. Gegen eine solche Behandlung der Redekunst hätte auch
Piaton nichts einzuwenden gehabt: insofern er aber in dem genannten
Dialog von der Rhetorik als einer schlechten Praxis spricht, aufser
welcher eine befsere nicht einmal denkbar sei, ist er hier widerlegt;
indes hat er selbst im Phaedros-(p. 258 — 274) eine ähnliche Auffa-
fsung davon gegeben. Dafs Aristoteles dieser Uebereinstimmung nicht
gedenkt, müste befremden, wenn man nicht seine Gewohnheit kennte,
andere Schriftsteller nur da zu eitleren, wo er ihre Ansichten be-
streiten will, oder wo ihre von ihm gebilligten Sätze paradox er-
scheinen. So berührt er diesmal nur diejenige Behauptung Plalons,
welche, um Misverständnisse zu Verhüten, bekämpft werden muste;
sonst ruht die aristotelische Rhetorik auf Piatons Principien : das
wesentlicheist darin die Erkenntnis des wahren, guten und schönen
und der diesen Kategorien sich anschliefscnden Controversen {ifi-
q>usßriTi!laifAce)\ so erhob sie der Vf. zur eigentlichen Techne, nachdem
vorher nur Nebensachen {TtQoa&iJTcai.) in unwifsenschaftlicher Weise
behandelt worden waren; desgleichen machte er aus der empirischen
^l;vyctyciyyCa der früheren eine systemutisclie Psychologie.
Aristoteles eröffnete in Athen noch bei Lebzeiten des Isokrates
Vortrüge über Rhetorik, was dieser als EingrifT in sein Eigenthum
betrachtete und sehr übel nahm. Der grofse Unterschied zwischen
beiden Männern konnte natürlich den Schülern des Redekünstlers, wel-
cher seine q>tXoao(pla fast nur auf geschickte Handhabung der Sprache
beschränkte, nicht entgehen: er polemisierte daher heftig gegen die
Leute im Lykeion (XII, 17 IT.), welche über seine Borniertheit ganz
im reinen waren, und richtete aus Neid gegen den zur Erziehung des
Prinzen nach Makedonien berufenen Aristoteles einen Brief an diesen,
den fünften *). Aristoteles seinerseits verkannte nicht die Verdienste
des Isokrates , aus dessen Reden er viele Beispiele zog , d. h. er ach-
tete seine stilistische Gewandtheit; dafs er im Stande sei, eine wifsen-
schaftliche Rhetorik zu liefern, mufs er aber bezweifelt haben, sonst
wäre sein Ausspruch, alle Techniker vor ihm hatten nur die Aufsen-
werke ihrer Kunst bearbeitet, ungerecht, und einer solchen Ungerech-
iigkeit war er nicht fähig.
Das wifsenschaftliche Element in der Rhetorik ist die Entwick-
lung der nlcretg^ welche die zwei ersten Bücher umfafst; im 3n be-
♦') Diesen hat der spute Rlictor nachgebildet, von welchem die
der ^titoffiK^ ff^ög 'AXi^ccvö^ov vorgesetzte Dedication herrührt.
274 L. Spengel : Rhotores Graoci. Vol. I.
handelt er die U^ig und ra^ig. Herkwürdigr ist es nur, dofs letztere
beide im Prooemium des Werkes nicht angekündigt werden, daher
Sp. mit andern vermulhet, das 3e Buch sei erst spater hinsugefägl
worden. Noch auffallender ist aber, dafs Aristoteles nach der Ankün-
digung, zuerst diejenigen nUsxeig behandeln zu wollen, welche er aas
den ro;K0^9 den allgemeinen Quellen der Enthymeme, und den speciel-
Icn, eldri^ die der einzelnen Doctrin angehören, schöpft, um dann auf
die Behandlung von riO'og und na&og fiberzugehen, letztere beide
vornimmt, ehe er von den xoTtot gesprochen hat. Nan ist wohl be-
rechtigt zu zweifeln, dafs diese Folge von Aristoteles selbst ausge-
gangen sei, wodurch zwischen die zwei Arten des In Theils der
nlaxBig^ die ddti und xonoi^ der 2e und 3e Tbeil derselben, die na^v^
und ^fh;, geschoben sind. Der Uebergang von den tUti zu den ttckOv;
in II, 1 enthält in der That die Voraussetzung, dafs die nUsxiig erster
Art von denen zweiter und dritter Gattung bereits abgethan seien.
Eine Confusion, die ihres gleichen sucht, ist vollends in 11, 18 an-
zuircffen, deren Entwirrung erst Sp. bewerkstelligt hat. Wir finden
hier p. 93, 17 — 20 eine Protasis zur Apodosis 9*, 1 — I, dann 93, 20
— 94, 1 («Äfl <y' ^ — ßovUvovxaCy eine lange Protasis ohne Apodo-
sis, wenn man nicht mit Tilgung von ontag 94, 18 den Nachsatz dasa
xa lovjta itQoa&ivxsg anoö^fiev xriv i^ ce(fxrjg nqo&saiv etwas gewalt-
sam herstellt. Ferner steht 94, 4 — 7 (bis afi^ttf/Siyrovi/rt^) , 9 — 19
in engem Zusammenhang mit dem Eingang 11, 1 ix r/vooi/ — co^ ne^l
iY,a(Sxov «rmofifv*) ISlci xo yivog xmv layrnv (60, 24 ff.). Der Satz
fn — dtoo^KTrai (94, 8 f.) mufs ausgeschieden werden. Mithinsind hier
fünf .Satze mechanisch aneinander gereiht, die miteinander nichts zn
thun haben: 93, 17—20; 93, 20—94, 1; 94, 1—4; 94, 4—7, 9-19,
94, 8, 9. Die durch den Sinn gebotene Verbindung ist nun die, dafa
von 60, 24 — 29 übergegangen wird zu 94, 4 — 19 (natürlich ohne die
Worte 94, 8, 9), worauf dann die letzten Capitel des 2n Buches fol-
gen; hierauf macht 60, 29 ff. die Einleitung zu den ni^ri («ine Va-
riation derselben enthält die lange aber nicht vollständige Periode
93, 20 ff.), welche 87, 12 abgcschlofson werden; endlich ist in dem
in zwei Stücke gerifsencn Satz 93, 17-20, 94, 1 — I die Rccapitula-
tion der t}&i/ zu suchen. Ein Schlufs der nUsxBig im ganzen wird
aber vermifst. Doch scheint das Bedenken, welches die letzten Worte
des 2n Buches erregen, gegen die obige Darlegung nicht die Beweis-
kraft zu haben, welche Sp. (in der Abhandlung S. 40 f.) ilim einzu-
räumen geneigt ist.
Neben solchen Aufklärungen müfsen noch viele bedeutende Emen-
dationen erwähot werden, durch welche die Lectttre der Rhetorik
aufserordentlich erleichtert ist. Wir meinen Versetzungen wie 46, 29,
wo %al ijtel xo Sqxhv an x6 aQ%Biv 47, 1 sich anschliefst; 77, 3 — 5,
wo der Satz a yaQ xig avxog noui in unmittelbarem Zusammenhang
mit dem %al xovg fii] — xavxoig stehen, also %ai xovg — €i(ia(fxavstv sei*
*) Verbefflernng Spengels statt ilnstv.
L. Spen^l: Rhetores Graoci. Vol. I. 275
nen Plalz vor demselben erhalten mufs; wie 106, 17 — 27, an welcher
Sieile die Aasnahmo, data der gemordete den Tod verdiente, der
Mörder aber ihn zu vollziehen kein ilecht hatte, der Regel vom Zu-
sammenrallcn des mit Recht Handelns nnd Leidens vorangeht, statt zu
folgen; 28 — 32 mufs heraufrJicken hinter tgo noirjaavti; dann beson-
ders Ergänzungen, wie 3, 20; 9, 15; 20, 29; 32, 32; 40, II; 48, 13;
51, 16; 63, 1; 73, 28; 81, 6; 88, 26; 94, 8; 102, 7; 112, 9; 134, 26;
149, 23; 166, 9. £in verstümmelter Satz ist 3, 20 sl negl ndcag r^v
rag XQictig^ xa^aneQ iv iviaig ye (so Sp. statt re) vvv iaxl xav «o-
Afov, denn die noXeig können nicht den xgCasig entgegengesetzt wer-
den, sondern alle nglasig den besonderen, welche in gewissen Staaten
(z. B. im athenischen Areopag) jeden rhetorischen Zusatz zur schlich-
ten Darlegung des Thatbestandes ausschlierscn. Also ist ns^l tivag
nach xa^amg beizufügen. In 9, 15 hat sich die Vergleichung des
Logischen Beweises mit dem rhetorischen , indem jener inayioyrj und
CvlXoyiaftogj dieser naQaönyfia und iv&vfi7]fia ist, in der handschrift-
lichen Ueberlieferung nicht vollständig erhalten , denn zum Syllogis-
mus gesellt sich noch der tpatvofuvog avkkoyia(i6g ^ welchem dann das
durch die praktische Anwendung wichtige qwivofisvov iv^(i7i(ia ent-
sprechen mufs; dieses fehlt aber in den Hss., obgleich Ar. es nicht
weglafsen konnte und, wie Dionysios von Halikarnass zeigt, auch
nicht weggelafsen hat; bei diesem (ad Amm. c. 7) steht noch der
Satz ro de g>aiv6fisvov iv{>v(ii](ia <paiv6}isvog avkkoyiCfAog , welcher
jetzt zum erstenmale im Text des Ar. erscheint. *) In 20, 29 hat man
ehedem übersehen , dafs die Eigenschaften des Reichthums nicht alle
aufgezählt sind, denn weiterhin 21, 3 wird neben dem OQog der aatpa-
leux auch der des olnsia elvai gegeben, mithin wird Ar. geschrieben
haben: aag>cck'q xal oineta xtL Die ßegrifTsbestinimung hiefs sonst
Tov te otxeia elvai (sc. OQog icxl) ij fiij oxav itp avxcS xb akkoxgimaat
— aber zur Aufzählung passt nur xov 6i und das ti iirj gehört nach
ikkaxQimaai^ da der Schriftsteller die Negation der oinsta so wenig
als der übrigen Qualitäten geben wollte. Ein Beispiel wie Homoeo-
teleuta leicht zu Anslafsungen führen, bietet 40, II, wo zwei Lücken,
die eine hinter tot ds dt' o^e|(v, die andere in derselben Zeile nach
ßovhiCtg ein gänzliches Dunkel über die Stelle verbreiten , wenn man
nicht theils mit Hilfe eines Jüngern cod. (C) dort xav 6h bi oQe^iv
und hier mit Sp. ^ de ßovkriCig einschiebt. Der Satz ij 6t ccitoqlttv —
anokicr^ (48, 13) ist grammatisch unhaltbar, wenn nicht ü nach i/
suppliert wird , desgleichen hat imxeiifovaLv keine vollständige Be-
ziehung, wenn nicht aöixetu hinzutritt. Dasselbe gilt von der notli-
wendigen Ausfüllung xccxccfpQovovvxeg (63, I); von S ovk gjovto, wel-
ches 73, 28 nach n&tov&oxag eingereiht werden mufs, von dem durch
den Gegensatz verlangte!! Kolon xal xovg aya&ovg otyuv q>iketv (102,
♦) Demselben a. a. O. verdankt man auch die richtige Lesung %al
iv xoCg avalvTiTioig , wo sonst dtaUxrtxots stand , also eine sonst un-
bekannte Schrift öiak£%xi%d dem Philosophen beigelegt uvurde.
276 L. Spen^el: Rhctoros Graeci. Vol. I.
7) und dem in gleicher Weise gebotenen und schon im cod. C vor-
handenen iav de fit/ vTtaQxy fAt} noarxetv 112, 9; von dem Komma 134,
2f> xal tsksvtföiTBg , dem unentbehrlichen Epitheton ötxaviKOig 149,
23, welches auch 156, 9 nebst einem vorausgehenden iv fiev xoig her-
zustellen ist. Defecte, die nur bezeichnet, aber nicht mit Sicherheit
ergänzt v^erdcn konnten, sind 3*2, 32 und 51, 16; dort fehlt das zikog
der ßaadeia^ hier das aus Alkidamas citierte Beispiel, denn was die
Schollen geben, halt Sp. fdr fingiert. Mehr Emendation als Ausrttlluni^
darf es heiTscn, wenn die lUchligkeit der Erzählung 81, 6 gewonnen
werden kann durch eine Aendcrung wie ^^afifii^vtTog o'AfAccCiogy oder
88, 26 ttal q>lXot in der Mitte zwischen kocI <pikog>iloi nnd xal (piUta^-
QOi mit einem entsprechenden Compositum, etwa tpiXegaaialj zu ver-
tauschen gerathen wird. Unter den Verberserungcn des durch Cor-
ruption entstellten Textes begnügen wir uns die anzuführen , welche
auf den Inhalt wesentlich einwirken. Solche sind 8, 24; 14, 3; 34, 2;
47, 31 ; 58, 19; 60, 28; 74, 27; 99, 12; 107, 4; 110, 18; 124, 24; J29,
22; 143, 19; 144, 7; J47, 3. In 8, 24 kann Aristoteles nicht dia 6i
ruv koyonv gesagt haben, weil der moralische Eindruck, welchen die
Persönlichkeit des Redners gewährt, und die AlTecle der Zuhörer
auch durch die Ucde hervorgebracht werden niüfscn, der Beweis aber
blofs durch sie, nach der vorher aufgestellten EintheilungS, 6 IT. Mit-
hin war hier dt avrov 6h vov Xoyov zu lesen. Die Ankündigung J3,
31 TtQmxov öh Xdßmusv xct yivrj xrjg ^r/ro^iXT/^, und die iiecapitulation
14^ 11 erlauben gcwis nicht, dafs c. 3 mit den Worten iöxi ök xrjg
^flxoQixrig etdrj xgla beginne, wie doch in allen frühern Ausgaben
seht: die Abschreiber haben die Biöri und To;rot der ii/Ovfit/|Lurrcr mil
den Galtungen der Rede verwechselt, oder noch gedankenloser daram
st&Ti für 7^1/1/ geschrieben, weil Ar. kurz vorher sagt 13, 31 nqottqofy
ovv Eikotiev ne^l xap eiödv, 34, 2 scheint der Sprachgebrauch des-
selben hinreichend zu erweisen, dafs die oQSxrj \on ihm nur Ttoifixinti
aycc&tavy nicht noQuniKfj er. genannt werden konnte; sonst wären aya^
^i nach seiner Ansicht nur üufsere Güter. In 47, 31 mufs Armut und
llüfslichkeit in ^iner Person zusummenlreifen, um die fio^xsla un-
wahrscheinlich zu machen, daher 6 vor aiaxQog zu tilgen ist. Der Ge-
danke verlangt 58, 19 ovxovv xavxag^ d. h. die Vertrage, welche noch
weniger dem Recht entsprechen als Gesetze, die, falls sie verfehlt
scheinen, wir zu befolgen nicht für gut finden: rouro wäre aber ebei
das öUatov^ worauf der Richter sehen soll. Die Zurückbeziehung auf
das im In Buch vorgetragene mustc GO, 28 durch das persönliche d-
Ttofiev ausgesprochen werden, nicht durch den unpersönlichen Infinitiv.
Ueber die interessante Diltographie 107, 4 IT., ohne deren Annahme
die Stelle ganz verworren ist, hat Sp. ausführlich in der oben ge-
nannten Abhandlung S. 57 f. gesprochen; es^musle hier xara x6 naoh
ex xov wegfallen; übrigens scheint uns die kürzere Fafsnng xvitxu ix
tov — öiy dtl^at eine von spaterer Hand hinzugefügte Inhaltsangabe
ZQ sein , obgleich die längere Fafsuug in dem ältesten cod. A ausge-
strichen und unleserlich ist. Den Zusammenhtng mit der vorausge-
L. Spengel: Rhelores Grooci. Vol. L 277
Iieiideii Ucbersicht verdunkelt die Vulgota in 124, 23 tl iilp ovv
xwaav iwtczov icxi wxi 7t6(Sa «fdiy nBTag>OQag^ xai ort rovro nksi-
tftov övvaTtti — ai fura^o^ai: die Scliwicrigkcil ist jetzt entrernt,
indem Sp. fierafpoQäg oingcsclilurscu und ort rovraw nX. övvavrcci ge-
flchrieben hat. Das ungehörige avta asl 144, 7 ist sinngcmifs abge&n-
dert in avca&ev aC and der undeutliche Ausdruck von der Rode vor
Dar Einern Richter ikaxiotov yag iaxiv iv (frjtogiKoig erhält seine be-
stimmte Fafsung, wenn man liest i, y. Ivecxt x^ ^tixoQixijg. Einer
weitem Erörterung bedürfen Emendationcu nicht wie 74, 27 tavxovg
ita(^ mv für xovxovg mgl cov; 99, 12 alg anoiQt] für efc %Qri^HLog\ 110,
18 ocu für (0^: 129, 22 ^ Jtjfioa^ivovg eig xov dijfiov für 6 Atifioa^i-
vrigrov d.; Idl3, 19 ^ivog el für ^ivog rj. Die Nachweisung ziemlich
vieler Glosseme können wir darum unterlafsen, weil hier schon die
Klammern den Leser aufmerksam machen, wahrend fast alle der oben
behandelten Vcrbefsorungen in der Praefatio gesucht werden müfsen«
Einige Bedenken und der Versuch sie zu lösen mögen als an-
gpraohlose Zusätze hier eine Stelle finden. Ziemlich unverständlich
erscheint der Satz 13, 5 6i6 xal Xav&avoval xs [xovg axQomag] »ul
luclkov aitxoiiEvoi xccxa xqwiov (leraßalvovatv ig avxmv^ gewinnt aber
Licht durch Vergleichung mit 13, 22 und 17,3: wer sich in die tcqo-
taCiig der speciellen Wifsenschaften verlieft, entfernt sich unvermerkt
von den allgemeinen. Daraus möchte hervorgehen , dafs luxaßalvov-
TSff zu schreiben, xovg axQoaxag aber, was Sp. einschliefst mit der
kurzen Bemerkung * immo oratores ', ohne weiteres auszustofsen sei.
In 14, 29 schrieb Ar. wohl nicht 6 öi anmifircmv co$ xsiifov cmoxgiTU^^
da er ja auch vorher nicht 6 — ngingincnv .ag ßiXxiov nqoxQbtu sagt,
sondern cvfißovXaiSei , ebenso erwartet man an der entsprechenden
Stelle ein verschiedenes Verbum, wie öuxßaXXsi. In 30, 26 will Sp.,
da der beste cod. Xiyovaav ausläfst, etwas anderes, etwa itagaKomv^
ans der von Aristoteles citicrten Stelle Homers II. 1 690 anbringen.
Aber dann fällt der Mangel des verbum dicendi auf; vielleicht stand
r^v XiyovCav oder genauer xfjv »axaXiyfyuCav nach avacxijvai. An
der Echtheit der Worte 54, 1 1 xal ov firi iöxiv laöig ' %ciXenov yiiö %a\
iövvaxov^ wo Sp. vor x^^^^v den Satz ij (iti Qadla ergänzt und rj ad,
für xal ad. verlangt, möchten wir noch zweifeln, da erst im folgßn«
den erklärt wird, was laa^g ist, nemlich die öUrj als KoXaaig, Das-
selbe mag von 54, 25 xct fihv ^tjxoQixä iaxi xoictvxa gelten, welche
Worte sich wie die Bemerkung eines Rhetors ausnehmen; Ar. schrieb
vielleicht nur xal o noLciv noXXa apygiixi. Entbehrlich wenigstens ist
darch das vorausgehende o[ d' ä7t(o&€v die Erläuterung 57, 11 mcxo-
xatoi d' oi naXatoL Eine einfachere Abhilfe als die hier vorgeschla-.
gene 58, 3 xctvxag — mcxai eusiv ij anicxoi wäre ovxmg für xovxoiqj
vorausgesetzt dafs der Sprachgebrauch des Schriftstellers nicht da-
gegen ist. Das oxir aber 57 , 15 möchten wir nicht verwerfen , da der
Inhalt des folgenden Satzes von dem des vorhergehenden abweicht.
In 69, 22 schlägt Sp. ij iv olg ^avua^ovxai ccvxol vor. Ist aber ßaX-
ti0xoig nicht Neutrum and dann dieser letzte Satz überflüfsig? Denn
278 E. Bernhardt: Begriff und Grundform der grieehischen Periode.
mit iv Toiig ^av^af^ovatv cxvrovg, wie man bisher las, würde nnr das
evdoxifuoi wiederholt, und in iv olg ^avua^ovrai ovto/ ebenfalls dieser
Begriff, wenn auch in anderer Beziehung, eingcschlufsen. Die Citation
des um einen Fufs zu kurzen Scnars 103, 6 aus Eur. Hipp. 989 »«(i*
o%lip (WvatxaniQOvg kiyeiv konnte wie anderswo, z. B. 106, 23, daroh
Absonderung der Zeile bcmorklich gemacht werden. Ueber die Ab-
gemefsenheit des Zusatzes 133, 19 iav ovv — irtl^avov yiyvnai he-
gen wir Zweifel ; er scheint das vorausgehende eher zu bestreiten als
zu bestätigen. Gleich nachher Z. 24 wäre xar^;/ deutlicher als Sifi»
Lykoleon meinte (140, 29), als er für den Chabrias sprach und dessM
eherne Bildseulc eine [Hixijffla nannte, vor der die Richter Sehen
empfinden sollten, wohl nicht, dafs sie ein vTCoiivtjfia xmv xfjgnoXimg
l(fy(ov sei, sondern ein vmfivtjiia rmv iiti^ r. n. f., ein Denkmal der
ruhmvollen Thaten des Feldherrn für das Vaterland. Auch 142, IS
scheint einer kleinen Correctur zu bedürfen , wo der Ausspruch des
ArchytQS xainov slvai diamjxriv xal ßcanov mit der Motivierung ht
S(iq>€i> yccQ x6 aöixovfievov xaxag>€vyBi begleitet wird: das Neutrum
eignet sich jedoch schlecht zur Bezeichnung der hilfesuchenden Per«
son; doher wir zur oratio obliqua xbv — xaxaq>€vyHv rathen. Das
Prooemium des dixavMOg loyog^ will Ar. 149, 18 sagen, mufs im
Gegensatz zu dem iniöetKxtiwg in bestimmter Beziehung auf die Streit-
frage abgefafst sein, also schrieb er wahrscheinlich xa dh r. d. 9rpo-
oifiuc oi%Ha (oder Xöui) öil kaßiiv^ und da er vorher im Plural gespro-
chen hat: xa (ihf ovv xöiv iniöeiKxixmv koyoav ngoolfiuc^ wird er auch
hier nicht den Singular xov öixavixov gesetzt haben. Kurz darauf,
149, 32, wo er den Prolog der Tragiker damit in Verbindung bringt:
xal ot xQayixol öijiovci negi xo ö^äfia xav fiif ev^vg äansQ EvQinl*
ötjg^ akk^ iv x<p it^k6y<a yi nov dt^Ao^, Saneg xal £o(poxk^y seheint
der Text verwirrt und der Sinn etwa so gefafst werden zu mflfsen :
iiön€Q EvQ. iv xotg TtQokoyoig öi]koi^ ikk afiov yi nov^ äcneQ xiA
£o<p> (vgl. 151, 22). In 158, 23 ist es kaum möglich, das Object blofs
hinzuzudenken, daher der Zusatz xov xov ivavxlov (sc. koyov) notli*>
wendig erscheint.
Eine Stelle haben wir auf den Schlufs verspart, weil wir an die
Besprechung derselben die Anzeige des Programms von E. BeruhardI
Nr. 2 knüpfen wollen, das davon ausgeht. Diese ist 136, 31. Aristoteles
beschreibt die avxixeifiivii ki^tg mit den Worten : a. de iv { ixicxign
T« xciktai] n(fog ivavxla ivavxlov avyxeixai ^ xavxo hti^Bvxxai xoig
ivavxioig^ wo also der Gegensatz entweder in zwei Kola vertheilt ist
oder von einem Kolon unifafst wird. Das unverständliche ij nffog ist
vielleicht die Angabe einer Variante zu avyxHxat^ für welches »po^
xiLxai gelesen werden kann. Eine solche Ausdrucksweise erklärt
Ar.^ für iJJcr«, weil xavavxia yv(0(^ifA6xaxa xal naQakktjka iiakkop
yv^qilta, Wenn die Gegensätze an sich schon deutlich sind, bedarf
es keines Mittels sie uoch deutlicher zu machen, daher die Worte
yvtaQindxaxa xai entweder zu tilgen sind, vgl. 158, 9 na^akktilu —
(idkkov xavavxia yvaQl^na&f oder wenigstens zu ändern in ^^Mu^ifuv
E. Bernhardt: Begriff und Grondform der griechiscben Periode. 279
ovror %aij um einen einigermafscn erträglichen Gedanken zn erhalten.
Ad den Kahlreichen Beispielen 136, 29 — 137, 19 wird man durchaus
nur die Gliederung in je zwei Kola entdecken, diese genügten um eine
Vorstellung der öialQiaig und ivrli^iCig zu geben. Wenn diese in din
Kolon zusammengedrängt wird, wie z. B. in xal xovg vnofieCvavrag
%(d Toifg ccKolov^aavrag (137, 2), darf man dem Schriftsteller nicht
die Vorstellung unterschieben , dafs er das Kolon selbst für einen ge-
gliederten Theil der Periode halte, etwa wie später Longinus in der
Techno 309, 23 aus Kola die Perikopen und aus diesen die Perioden
soaammensetzt ; sondern hier ist unter Kolon immer ein logischer Satz,
der zugleich ein rhythmisches Ganzes bildet, zu verstehen, wie denn
die mqioöog (lovoxakog oder agpclf/g (136, 11) mit dem Kolon geradezu
zusammenfallt, was aber nicht hindert, dafs letzteres insgemein als
unselbständiger Theil der Periode betrachtet wird; in dem Fall spre-
eben die Techniker von einer cvvd'szog neQhSogj vgl, Demetrius Jt. igfi.
$. 35 und deu von ihm citierteu Archedcmus $. 34, welcher die De-
finition gab xaXov iauv ijzot anlij Tceglodog fj avv^hov neQioöov ui-
(fog, worüber Demetrius a. a. 0. bemerkt: avvd'irov — qyifaag avto
neQtoöov fiiQog ov övai [(lovov] Ticiiotg rr^v neglodov oqIIhv ioixiv,
uUm %ai xQ^alv xal nXeloaiv *). Dies ist gegen dos Aristoteles Angabe
nddov — iail xo itSQov fiOQiov zcnktig (136, 10) gerichtet. Anders
denkt sich die Sache der Vf. des Programms, dessen flcifsiger Bearbei-
tung des Gegenstandes übrigens lief, mit Vergnügen gefolgt ist. Die
Abhandlung macht auf manche wichtige Punkte in der Periodik der
Alten aufmerksam, namentlich auf das Vorhersehen der Rhythmik, ver-
möge dessen ihnen auch längere einfache Sätze, die wir ohne Inter-
punction zu lesen gewohnt sind, für Perioden gelten. Nach der Haupt-
steile des Aristoteles Kbet. 111, 9 (135, 11 ff.) behandelt der Vf. zuerst
die slQOfiivfj und xaieat^afifiivti li^tg. Jene ist nicht periodisch, ent-
behrt des Numerus und heifst daher aydtjg öuc to amiqov^ hingegen
macht die naxiaz^a^^ivti einen angenehmen Eindruck, weil sie in
rhythmische Abschnitte zerfällt dadurch übersichtlichen Umfang im
ganzen und Symmetrie in den Theilen gewinnt. Die rhythmische Glie-
derung ist also das wesentliche Merkmal um zum Begriff der Periodo
zu gelangen; das einzelne Glied hat für sich nicht nothwendig einen
Abschlufs des Gedankens, kann ihn aber haben, und darauf bezieht
sich gewöhnlich die Eintheilung der Perioden in ^ovdxcoAot, dlKoakotj
xqUcdIoi u. s. w. Die dreigliedrige Periode nun, welche Aristoteles
nicht besonders berücksichtigt, obwohl es S. 12 hier behauptet wird,
ist als Grundform zu betrachten: sie entsteht durch correlalive Ver-
bindung, durch Vorschieben abhängiger Gedankentheile (was der Vf.,
wir wifsen nicht mit welcher Berechtigung, azffoyyvlov nennt) und
durch Einschieben eines Zwischensatzes ; ein so gebildeter Complex
von Sätzen heifst auch Tivxlog. Die Erweiterung der Periode zu sehr
amfangreichen Ganzen wird schliefslich an mehreren Proben aus De-
*) Dafs luivov nach dvai nicht fehlen darf, zeigt dlka %aC.
280 L. Spcngel : Rlictoros Graeci. Vol. h
mosthcncs und Isokrates nachgewiesen; wie von jenem an n. Ox&p, $. ],
6 f., 41, 306 und Chcrs. §. 69, von diesem an Pancg. $. 1, 11, 100,
148. Besonders dieser Analysen wogen ist die Abhandlung den Lesern
beider Redner sehr zu empfehlen.
Wir gehen zuAnaximenos über, dem ältesten Repraesentanten
der vulgaren Rhetorik, d. h. der von allen classischen Rednern be-
folgten Theorie. Durum ist er, so sehr er auch gegen die logische
und sittliche Strenge des Aristoteles absticht, für das Studium der
Redner von der gröfsten Wichtigkeit. Uebrigens ist in allen Stücken
kaum eine gröfsero Verschiedenheit denkbar als die zwischen beiden
Rhetoriken bestehende. Dies nicht zu bemerken, war nur dem con-
servativcn Feuereifer Lerschs möglich, den selbst die frappante Ueber-
einstimmung von Quintilian III, 4, 9 mit Syrianus Rhet. Gr. IV, 60
lange nicht von der einmal gefafsten Idee abzubringen vermochte«
Vergebens stellte man ihm vor, dafs Aristoteles, der sich allenthalben
selbst citicrt , nirgends von dieser sogenannten Rhetorica ad Alexan*
drum spreche, dafs in dieser eben so der Verfafser niemals zu ver«
stehen gebe, dafs er Aristoteles sei; dafs die Methode'*'), die Termi-
nologie, der ganze Stil durchgehcnds ein anderer sei, die Tcndens
beider Werke so verschieden wie Sein und Schein; dafs manche hier
gegebene Vorschrift von Aristoteles geladelt werde, der Zeitraum aber,
welcher zwischen die Abfafsung dieser Bücher füllt, keineswegs hin-
reiche, um DilTerenzen von solcher Bedeutung zu erklären. Erst spät
gelangte Lerscii zur Erkenntnis, dafs sein Bemühen, dem gröfsten Phi-
losophen ein ganz unphilosophisches Buch zu vindicieren, zo niohls
führe; er gab den Aristoteles auf, substituierte ihm aber, wohl nur um
seine ^iederlage etwas zu bemänteln, den Isokrates: darauf zu ver-
fallen war insofern nicht schwer, als Anaximenes eigentlich nur vor«
trügt, was er bei jenem gelernt hat; aber Quintilian müste doch, wire
die Rhetorik wirklich von Isokrates, a. a. 0. etwas davon gewusl
haben. Seine Conjectur dafs dort die Namen zu vertauschen seien
unterliegt mit vollem Recht dem Vorwurf der Grundlosigkeit, welchen
er, ohne das mindeste Recht dazu zu haben, Spcngel in der Sprache
Philosophie der Alten II, 290 gemacht halle. So viel genüge Ober
diesen Gegenstand, welcher ausführlicher sowohl von Spengel in einer
Antikritik von Lerschs Anzeige seines Anaximenes in der Ztschr. f. d.
AW. 1847 Nr. 2, als auch von Finckh in einem Programm, worauf
wir unten zurückkommen, erörtert worden ist.
♦) Mit Anweisungen, wie sie der ryrrcoy Xoyog bei Aristopha
nicht nnverhoiener geben konnte, z. B. 202, 22. 207, 11. 237, 20 con-
trafltiert herlich die wurdevolle Erörterung vom Nutzen der Rhetorik
6, 6 ff. Gerade was das Werk de« Aristotele» auszeichnet, di« Be-
gründung der Argumentation durch Syllogismus und Kpagoge ist bei
Anaximenes gar nicht vorhanden und Meine Ilegriffe von diesen logi-
schen Functionen sind sehr dürftig. Du« iv&vfifjfia^ welches dort das
Fundament der Rhetorik ausmacht, nimmt hier eine ziemlich unterge«
onlnete Stelle ein. Kndtich ist in der Behandlung des stilistischen der
Fortschritt des Aristoteles nicht zu ermefsen.
L. Spengel: Rhetores Graeci. Vol. I. 281
Bei Anaximenes hat Sp. den Text seiner Einzelausgabe (Tnrici
el VItoduri 1844) meistens beibehalten nnd vieler evidenter Verberse-
rangen, welche dort in den kritischen oder exegetischen Noten sa
finden sind, hier nicht einmal in der Vorrede gedacht. Allerdinga
wird niemand, der mit griechischer Rhetorik sich beschäftigt, den
Commentar lu Anaximenes, dies vorzüglichste Hilfsmittel, fibergehen
dfirfen; aber zur Erleichterung der Leetüre des Schriftstellers würde
die Angabe jener Emendationen sehr dienlich sein , weshalb Ref. sie
wenigstens hier nachtragen zu müfsen glaubt. Die wesentlichsten
Berichtigungen sind die, wo eine verstümmelte Textesstelle nur
dnreh Restauration des vermifsten Inhaltes versländlich wird. Dies
ist geschehen p. 200^ 18: hier fehlt nach TcaQaSefytiara der Nach-
satz acav antarau ]y to Xsyofievov^ tpiQOfiev. und vor %al ix tcSv ivccv-
xlmv mufs eingeschoben werden xa öi xen^riqui dictfpiQei rmv naQadsiy-
(umrcov, ou rcnhcc (vgl. Sauppe epist. crit. p. 149); ferner 207, 22, an
welcher Stelle kein vernünftiger Sinn in den Worten xl av inoirfiav
ovxoi^ sl ft^ (pavEQol iiiv i^aav ^(läg ngoxe^v iyiuxxaXsXomoxtg za
entdecken ist, wenn man nicht nach el fiti ergänzt (plXot^ all* ix&Qol
iJfiTv iyhovxo, o?, sodann 213, 20: daselbst ist oca dh l§a) xi%vrig nei-
xui xxi. nur Apodosis zu der unentbehrlichen Protasis: oiSa (ihv avv ^
xixminaQaaTUvd^eiy xam iaxlv. Unbegreiflich ist, wie An. 216, 6 die
Vorschrift %al ^rjxiov mg adUmg fj Kgiaig iyivexo geben kann, nach-
dem er zuvor bemerkt hat, ein richterliches Unheil müfse in dem hier
vorausgesetzten Fall entweder bereits erfolgt sein oder erwartet wer-
den oder die Ausführung der Anklage von den Gegnern selbst vermie-
den werden; jene Behauptung kann nicht die drei bezeichneten Kate-
gorien, sondern nur die erste treffen, also mufs d iyivexo vor ^rjtiov
treten. Mangelhaftigkeit der Aufzahlung wies Sp. 179, 22 nach, wo
die Anwendung des vdftifiov auf die ^dai fehlt; 207, 20, wo i/ e/^oo-
ifivofuvoi (vgl. 208, 14) vermifst wird; c. 21 durfte darum auch kein
neuer Absatz gemacht werden. Die Vollständigkeit verlangt, dafs auch
213, 21 gelesen werde xal yaq xo Slxaiov nal xb vofitfU)v xal x6 xalov
%xL Die stärkste und nicht herstellbare Lücke fällt 231, 4, wo der
iuifhlal neql xov loyov gedacht werden muste, so gut als vorher derer
nBfjl xov av&goimov und mgl xb nqctyna. Wesentliche Sinnesberich-
tigungen gewinnt der Text 209, 23 durch den Zusatz von |^^ zu xqri'
a^ai und 231 , 30 durch den von fiilliociv vor Svvofia — itnofpalvHVy
die Construction endlich 182, 8. 186, 3. 202, 7. 226, 6. 228, 14. 235,
24. Der entgegengesetzte Fehler besteht darin , dafs durch unechte
Zusätze Verwirrung oder wenigstens lästiger Ueberflufs bewirkt wird.
Nicht selten wurde durch den Vorwitz unberufener Correcloren , die
von der Sache nichts verstanden, diesen rhetorischen Schriftstellern
ein Nonsens angehängt, indem sie die Gedanken derselben vervoll-
ständigen zu müfsen glaubten. Beispiele bieten auch die Hss. des
Anaximenes mehrere dar. Ohne Einsicht in das Wesen des ^l^ytog
fügte man 199, 31 zu den ivayuala &g fi(ietg liyofiLev hinzu fl o «vt*-
Xfytov; ganz gegen die Definition des Schriftstellers, welche er von
iV. Jakrb.f. PkO. ». Paed. Bd. LXX^fffl. 0. 19
282 L. Spengcl: Rhetores Graeci. Vol. I.
der aöxsiokoyla gibt 209, 2 oka rj zu i^ft/cTi}, worin gerade die Eigen«
thümlichkeit der Figur liegen soll. Irrig ist ferner der Zusatz xQOTtov
224, d zu ix Tov TtaQaXsleififiivov und störend der 227, B ij Ott Stic
rov i7tn}]öev^aTog. Einige unnütze Uecapitulalionen hat Sp. auch hier
bezeichnet, wie 195, dO das noch dazu am unrechten Orte eintretende
Ta fiev ovv roi^avta naQuöefyfJLaxa xaicc Xoyov iczlv und 213, 30 xarl
zccg dia(poQccgf über das meiste aber mufs man den Commentar zu Rathe
ziehen, wie zu 229, 2. 232, 26. 236, 16, auf welche Stellen wir unten
zurückkommen. Verbcfserungen von Corruptelen, die aus der ersten
Ausgabe unbedenklich in den Text aufgenommen werden konnten, aber
nicht einmal in der Praefatio erwähnt werden, sind 177, 1 fietuw
nollaxag Aijt/^r^; 177, 13 ta rov ansXev^i^ov — l^f^v; 179, 3 nivrai
179, 6 n€Ql vofiCDv xccl T^g noXiuTiijg xaiaaxevijg; 179, 8 ne^l noki-
fio)]/ aal siQ'qviig; 180, 13 inü twI inl; 183, 10 cv(i(iaxi(av t(ov TtQog
rag Skkccg nokeig xal avtißokalmv ; 186, 3 a7tog)alveiv; 199, 24 ix Tc5y
(laqTVQCDv; 203, 20 oxav (ih avtov; 217, 17 TtffoveQOv aal kiyovta;
220, 28 ra iv^vfiT^fiara; 225, 15 im rovvtav rtav aiöav; 225, 26 xccvta
öij öukofuvoL; 226, 17 ysyovoxag] 227, 4 ngo^ifievog.
Wesentliche Verbcfserungen verdankt das Buch dem Programm
von Finckh, welches betitelt ist: commentatio de auctore rhetoricte
qnae dicitur ad Alexandrum et de locis nonnullis eins libri vel emen-
ddndis vel illustrandis, lleilbronnae 1849, und Halms Beitragen im
Philol. 1, 576—81. Wie von letzterem vy^alveiv (für at vtKOil) 186,
25; cvvaye 193, 32 und öst für öi 222, 2 Aufnahme gefunden hat,
dürfte mit gleichem Recht 185, 1 nxalaünaiv abgedruckt werden (vgl.
ib. 9); und 193, 4 iv xotg ko^oig; 196, 32 kiyeiv; 197, 25 avTOv; 204,
22 iv ivOvjitjfiaxog'y 208, 15 7} xotg ivavxlotg; 212, 21 aag)(og fiiv xoig;
221, 15 avxov; 226, 4 naQand'ivai; 227, 10 nagaßakkeiv xavxag xoig
iKtlvmv; 231 , 9 ^ Ovva'tlfOiJiev ; 235, 17 xavxo; 238, 15 Cvvivxig; 239,
20 fvftcmc;, sämmllich Emendationon von Finckh, von welchem 187, 8
(jLeyu (figeiv; 194, 31 ij ot navxeg; 227, 13 äkXcc ö^tKQa und 15 xalxo&
oaxigj 24 nigari wirklich eine Stelle im Text erhallen haben; von
Halms Vorschlügün war 191, 4 i] xinga^euv civ; 215, 30 itQcixav uiv
öei\ 221, 3 xcc oUeicc; 235, 6 xar' a^iau äv; 237, 27 aTtoxexvxipcoTig
ticiv nicht zu bezweifeln und somit ebenfalls aufzunehmen.
Nur wenige der von beiden Gelehrten vorgebrachten Conjecturen
scheinen uns nicht ganz den Sinn des Anaximencs zu trefTon, z. B. wenn
Fitickh ihn 177,3 sagen lüfst: öaida — avxov xa xov ayoQSvovxaxovvo-
fiov ka(ißavaiv^ aha x(p lifioiov tc5 yayQafifiavo} vofioi. Unzweckmäfsig
ist hier die Unterscheidung des Gesetzgebers vom Gesetz selbst und
kommt auch sonst bei An. nicht vor, wohl aber liest man nicht selten,
dafs der vofiog xi ayogavai: so möchte er an unserer Stelle etwa ge-
schrieben haben avxov xe xov ayogavovxa xi> vo^iov, noch einfacher
wäre und zugleich seiner Redeweise am entsprechendsten avxov xi rov
vofwv. In J93, 18 wird man die vorher aufgestellte Dreitheilung des
aixog nach <pv<Stg oder naO-t}, aOog oder cvvijOatay und xiqöog in dem
Sati Ttokkamg — öia xovxo x^v q^mv ßtacdiiavoi xal xa i^ 9t(foei'
L. Spen^cl: Rhetorcs Graeci. Vol. I. 283
ioiu^a TtQazreiv beracksichtigt finden und aufser dem Zusatz von rt
%a TtQazTSiv keine Aenderung für nuthig erachten; diese Beziehung
wird aber geschwächt, wenn man nach Finckh, mit Sp.s Billigung,
lesen wollte xal t« atjd^ri. Wegen des u nqaxxEiv bedarf es wohl nicht
des Citatcs von 194, 11 oder ähnlicher Stollen. Wenn ferner von
Finckh 187, 22 noXXdiitg für ttoAAo: corrigiert wird, besorgen wir,
dafs damit nur die Verbefserung eines Glosscms gewonnen ist, denn
nichts anderes scheint die Phrase co? nolXcc ngccTtsiv imßaXeto neben
10^ noXvv xQOvov iitQaruv vorzustellen. Unter den Motiven, welche
zum Abschlufs einer Bundcsgenofsenschaft eingegangen werden, kommt
auch das 183, 16 vor: oxav — TtoXi^itp anoCxriaBiv xivccg vo^l^ovaiv
(lies vofilScoaiv^ indem der Zwischensatz öii xovxo noirjaaad'cci avfi-
[iccxlav TTQog xtvag oxi nicht echt sein kann). Da ccg>t,axdvcci die neu-
trale Bedeutung ^abfallen' unseres Wifsens nicht hat, so erscheinen
die Worte unverständlich; Halm wollte daher aTioaxctxrjasiv lesen, ohne
jedoch einen Beleg für diesen Gebrauch des Verbums beizubringen,
welcher auch kaum zu entdecken sein möchte. Das richtige liegt
näher und ergibt sich mit der leichten Aendernng noXifiov: man wagt
gegen die durch starke Bündner geschützten nicht den begonnenen
Krieg fortzusetzen. Zu 185, 12 leidet Halms ix xov (ii] an Undeutlich-
keit, weil so dem Hauptglicd ix xiov xt^vövvcov die nähere Bestimmung
ebenfalls mit ix untergeordnet würde; einfacher schreibt man reo fiY^«
Die dvxtXoyia J92, 2 wird von Halm mit aixioXoyCci vertauscht, wel-
cher Ausdruck als Name einer rhetorischen Figur bei Kutilius II, 19.
Quint. IX, 3, 93. Aristid. IX, 347. Alexander VIII, 438 u. ö. vorkommt.
Diese kann hier nicht gemeint sein, in einem andern Sinne ist aber
das Wort nicht zu finden, daher wir lieber öi^xctioloylag läsen, wenn
der Satz überhaupt echt ist; er kann darum verdächtigt werden, weil
die beiden vorhergehenden parallelen Glieder, die mit ^tiXtaxa ö av-
Torij — ^dXiaxa tf' avxav beginnen, keinen solchen motivierenden
Anhang haben. Die 202, 2 von Finckh vorgeschlagene Einschiebung
der Negation vor '/^aXenou ist auf den ersten Blick sehr speciös, aber
das Passivum iXeyx^ijvai widerstrebt dem Gedanken, welcher durch
das ov hervorgebracht werden soll, auch sieht man am Ende nicht
ein , was damit gewonnen wird ; die Vulgata hat dagegen einen ganz
guten Sinn: dem geringen Nutzen, den der Meineid bringt, wird die
schwere Strafe, welche dies Verbrechen trifft, entgegengesetzt ; es
verursacht nicht blofs materiellen Verlust, sondern zieht auch dem
überwiesenen Verachtung und Mistrauen zu.
Vorsicht in der Kritik ist durch den Plan dieser Ausgaben gebo-
ten und auch sonst Spengel eigen; seine grofse Erfahrung und Bele-
senheit scheint ihn darin eher zu bestärken als zu einem gewagtem
Verfahren zu ermuthigen; wir gestehen mehrmals besonders im Anaxi-
menes seine Skepsis zu grofs gefunden zu haben. Als Beispiel mag
179, 3 dienen, an welcher Stelle er gegen den Sinn der weiler unten
folgenden Erörterung, wo sowohl tcsqI vo/höw xccl xijg noXinxrjg xa*-
raaxevijg als neql HQ'qvrig xal noXi(iov zu 6inem Haupttbeil (nqo^eaHi)
19*
284 L. Spengel : Rbetores Graeci. Vol. I.
der sUatomänniscben Berathang znsammengefarst ist, die Siebensahl
der 9tQ0^iasig und die disjunctive Anführung rj jce^l v6(i(ov ^ mQl r^
jtoUuxrjg %€cta07i€Vfjg, sowie ^ JteQl noXiiicov fj tuqI ilQ^vrig stehen
Ijirst; An. kann nur fünt nQO^iaeig hier gezahlt haben , muste also xal
nsQl Tfjs %. X. und xal ^U^vt^ schreiben ; einen so augenfälligen Wi-
derspruch dürfen wir ihm nicht zutrauen. Dafs dieser auch Sp. nicht
entgangen ist, zeigt seine Note in der frühern Ausgabe p. 118 * in ex-
positione ipsa non septem (sunt ngo^iaeig)^ sed quinque — faeile
igitur librarios hie { pro aal dedisse auctoremque non iitva sed nivta
seripsisse coniicias , sed nil mutamus , nam parum refert.'
Durch öftere Leetüre des für die Geschichte der Rhetorik lehr-
reichen Werkes ist Ref. auf manche von Sp. übergangene Schfiden ge-
stofsen, welche er hier nach einer bestimmten Ordnung aufführen will,
in der Hoffnung dafs haltbare VorschlSge dem spätem Leser einige
Erleichterung gewähren, unrichtige von Kennern als solche nachge-
wiesen und beseitigt wenigstens unschädlich sein werden. Es gilt
von dem Text des Anaximenes, was Sp. in der gröfseren Ausgabe
pag. VII sagt: ^rari et corrupti sunt libri neque est qui ceteris longe
praestet' und p. VIII ^multo plura ex ingenio quam ex codicibus snul
reslituenda.' Er ist zugleich durch Defecte und Glosseme stark ent-
stellt, natürlich auch durch arge Schreibfehler. Die Defecte, um von
diesen zuerst zu reden, stellen sich bei der systematischen Anordnung
auch da heraus , wo die syntaktische Construclion nicht unterbrochen
ist; so werden 186, 24 die dort aufgezählten Kategorien durch Bei-
spiele erläutert mit Ausnahme des vtt' cevxov aateQyaa&iv und dt orv-
xov noQia&ivf der Schriftsteller hat gewis diese auf gleiche Weise
erklärt, daher die Lücke a. a. 0. bezeichnet werden dürfte. In 190,
17 ist T£, welches cod. E wegläfst, wirklich zu streichen, da dort
Gesetz und richterliche Schätzung Gegensätze sind; dagegen wird ein
zweites ig>^ olg vor oi ötKacval nöthig sein, sowie der Artikel vor
tfllJi^gi vgl. 189, 2. Vorher 189, 16 wird die Anweisung, was der
Ankläger zu sagen habe , durch den Satz xcel 6 vofio^hrig ovx a^^xa
Tovg i^afiaQzocvowag keineswegs abgebrochen, sondern bildet den
Schlufs von jener ; deshalb ist mg nach ngog 6e tomoig einzureihen.
Die Vollständigkeit der Aufzählung vorlangt, dafs 201, 7 wie 200, 13
xccl rcJt/ av^Q^Ttdiv hinzugefügt werde. In 195, 16 ist der Sinn mangel-
haft ausgedrückt mit Ttoui öi ta (liv xavoc Xoyov yiv6(isva niattvsa^t^
ta di iifi xceta loyov antCT£i<s&an man führt Beispiele insgemein nichl
an um Zweifel und Unglauben zu erregen, wohl aber werden die
TtaQaöiiyfutTa notqu Xoyov aufgeboten um den Glauben ans wahr-
scheinlichere wankend zu machen , damit etw^as minder wahrscheinli-
ches geglaubt werde; daher hier xa ehoxa nach TTMTrevfifOori aasge-
fallen zu sein scheint; auf dasselbe Object geht dann auch aTtusxeid^aiy
vgl. 196, 19 — 21. Will man 201, 17 Sp. folgen und mit Tilgung von xa
ofkoUig schreiben Tuql tov cntofpcilvsxai xr^v do^avj so ist ein befriedi-
gender Gedanke hergestellt, sonst könnte auch nach ofiolcng ein Ver-
bum diaßdXXsiv eingeschoben und damit der Sinn gewonnen werden.
L. Spengel : Rhetores Graeci. Vol. I. 285
dafs man den Urheber eines entgeg^enslcbenden Vorschlags far aner-
fahren erkläre und ebenso seine Ansicht fQr verwerflich. Die von Sp.
gemachte Ergänzung 209, 23 t^ ^i Xi^si slg ovo (itf ;|f^Otff , wo fci{
sonst fehlte, war nothwendig, wenn die Vorschrift nicht das Gegen-
theil von dem aussagen sollte, was der Rhetor meint, dafs ncmlich in
der gedrängten Redeweise (Brachylogie) der Parallelismus membromm
SU vermeiden sei; an ein ^maius mcndum' aber, welches in dem un-
mittelbar vorhergehenden ovofia^Eiv fihv ovtüd stecke (vgl. den Com-
mentar p. 189), können wir nicht glauben, nur xaC scheint vor ovo«
fia^Hv zu fehlen ; dies geht auf den Ausdruck im einzelnen , die li^ig
auf den Stil in zusammenhängender Rede. Ein grufserer Ausfall scheint
207, 9 angenommen zu werden mflfsen, da mit dem kurzen iav di j
naqii xovg vouovgy adtxov nicht alles gesagt ist, worauf sich An. im fol-
genden ötsdofie^a — xaza tov xaiQov bezieht. Desgleichen vermuthen
wir 226, 28 ; hier stand nothwendig vor etu 6i ein Satz, welcher die Be-
sprechung des Jugendalters einleitete. Nur ein Defect der Construclion
ist es 214, 26, wenn da ozav vor fpaaxcoai fehlt; flbrigens kann gleich
darauf Z. 28 ^ öktfiMtv — vovv nicht einen selbständigen Theil der
Aufzählung ausmachen, sondern mufs sich dem vorgehenden dadurch
anschliefsen , dafs man ^ in xa/ verwandelt. In 217, 2, wo der Red-
ner, welcher in einer öfTentlichen Angelegenheit zum erstenmal auf-
tritt, den Verdacht erregt, dafs er dies ivBxa rivog IdCov thue, fehlt
wohl xiqdovg, 231, 3 mufs vor ovi ein { eingeschoben und entweder
toifg ivavxlovg oder amm gelesen werden, wenn manTOf ivavxlov
beibehält. Endlich kann 234, 3 die Beziehung auf das angeklagte
Subject koum entbehrt werden, so dafs iXvOixBXig aoi zn lesen ist.
Fast noch mehr als an Lücken leidet der Text hier an unechten
Zusätzen. Als blofse ursprünglich an den Rand geschriebene Inhalts-
angabe ist 176, 26 naqaÖHyiut zu betrachten; An. selbst kann, wenn
man die sonst beobachtete Redeweise vergleicht, kaum anders gespro-
chen haben als so : ix dl x^v ivavxltav %qri xccxatpavlg Ttouiv ctvxo
möe' vgl. z. B. 177, 21. Aehnliche Marginalien Anden sich 189,28.
199, 31. 203, 15. In 178, 28 ist xal xlvmv nach itSQi noamv xal ni(^
Tcoiav wenigstens entbehrlich, vgl. Aristot. Rhet. 1, 10, 1. Weiterhin
180, 27 scheint in xal xa xcexa r^i; xqctxlaxriv &valcev nur eine Dilto-
graphie vorzuliegen, welche dadurch entstand, dafs xal xtjv in xaxa
xrjv verderbt und dann beide Lesarten verbunden wurden. Aehnlich
ist aixdg 205 , 8 aus dem vorausgehenden vTtofielvavxag wiederholt.
183, 15 repetiert das sehr überflüfsigo Sia xovxo noii^aa&ai cvfifia-
Xfav nQog xivag oxi nur was Z. 12 stand: av(i^axovg di Tcoutad^ai (sc.
avayxaiou) wie das bereits von Sp. Z. 17 eingeschlofscne xovTCOutdO'at
CviiiAcexovg. Mit Recht hat Finckh 193, 4 ein iv vor Xoyotg suppliert,
da der Schriflsteller gleich nachher mit einem Rflckblick auf die ange-
führte Stelle sagt a <pa(iev öuv avfinagaXafAßdveitf iv xoig Xoyoig^ er
durfte aber zugleich die theils entbehrliche, theils falsche Explication
in Xoyoig: iv tw xaxriyoQstv ij aTtoXoystOxyat ausscheiden, denn dafs
der Ankläger das elxog braucht, versteht sich von selbst, der Verthei-
286 L. Spcngel : Rhetores Graeci. Vol. I.
diger mufs es aber nicht sowohl anwenden als bestreilen; übrigenn
ist die Angabe auch voreilig, denn erst 26 behandelt An. den Gebrauch
des Hnog bei der Ankluge, vorher aber (19) bei den n^oxqonaL und
ocitotQOTCaL Ebenso ist 193, 6 aus 26 der Satz i] xal airo xovxo to
TCQciyfia noXkccKig Ttiitoiii'KoxBg heraufgerathen, wie Finckh schoo be-
merkt hat. Das TtSTtccvfihoi t% imO'Vfilag aber ib. 8 betrachtete An.
gewis fiiphtals ndd^og^ hier hat die bereits oben nachgewiesene Sucht
durch Antithesen die Aufzählung zu vervollständigen ihr verkehrtes
Spiel gelrieben. Aehnlicher Art ist die nicht in allen Hss. vorkom-
mende Variante kccI ol y>Bol lial oi ivd-gamoi; andere haben blofs %ci
ot avQ'Q(07tot^ welche kürzere Fafsung Sp. aufgenommen hat. Wa9
soll aber dann xa/ bedeuten? Werden Alenschen eher die verschwen-
derische Frömmigkeit billigen als die Gölter, denen zu Ehren mao
sich anstrengt? Gewis nicht, also können nur letztere geneigt sein
dergleichen dankbar anzuerkennen, aber auch sie werden ein über die
Kräfte des Staates hinausgehendes Opfer tadeln. Mithin verlangt der
Gedankengang hier xal ot %boI, 210, 2 liegt in nakiXXoyuv an sich
schon der ßegrifT des Schlufses^ daher das angehängte i%l t^ zBlivtj^
nachijcl tovicov iicchöxan, wenigstens sehr entbehrlich erscheint; ge-
radezu störend ist im xeXevxTig in 221, 8. Verschieden ist der Fall in
207, 16. 208, 30. Nicht anders als durch die eben besprochene Unart
Gegensätze da anzubringen, wo sie nicht hingehören, ist das hl fj
210, 19 zu erklären, da in den drei übrigen xa^sig der Plural ange-
wandt wird Und nolhwendig ist, wo die Verglcichung verschiedener
Combinalionen angestellt werden muste. In 218, 10 darf die Inter-
punclion nach hOriao^ev nur Komma, nicht Punctum sein, 219^ BQ
aber nach ffaiveCvca nicht einmal ein Komma stehen, weil davon vitZQ-
ßdklea&cci abhängt: es mufs den Schein haben als wolle mao den
schwierigen Punkt spuler besprechen; ist das der Sinn, dann kann 3^
xai TtQo'iotnog — vmaxi^'£i:a\>ai. nur als Erklärung zu vneQßdkXea^ai
angesehen werden, die sich aber mit q:alve6d'ai nicht vertragt, also
den {Ulrich verdient.^ Dasselbe gilt von 222, 6, wo ij axf](Ji(ixa}v so ab-
solut neben ivO-v^tiiiara und yvmiai gestellt nicht richtig sein kann,
da sonst das Wort überall bei An. in Bezug zu einer bestimmten Uede-
ligur erscheint. Nur als fremden Zusatz vermögen wir 222, 24 OXV'
(laxa öialoyic^ov — ij eiQCOvELCcg zu betrachten, da diese Formen der
Palillogie schon oben 207, 22 behandelt worden sind und zwar ala
KifpccXaia nicht als Cxtjuccxa, Eine aus zwei liandnoten componierte
Stelle ist 225, 29 — 32: die erste xotyagovv — yevsakoyrjao^sv hat so
gut wie gar keinen Sinn, die zweite unterbricht ziemlich vorlaut die
Verbindung der Satze uquiov — äöo^op und ysvsakoysiv — öei. Eine
ganz leere Periphrase des einfachen ngoOs^svog enthalten die Worte
227, 3 XTjv TtQo'&eaiv noiriaag xal. Dafs der Inhalt der Periode 230,
30 xag fihv — dövvccxov schon oben vorkommt 2;V0, 6 IT., bemerkt
Sp. in der Vorrede; er hält die zweite Stelle für die ursprüngliche;
uns scheint diese nur ein Auszug der viel ausführlicheren ersten zu
j^ein. Eine andere Epilome der Art entdecken wir 231 , 22 iccv Öh —
L. Spcngel: Rhetores Graeci. Vol. I. 287
Xifffitiov^ welche neben 231, 12 — 17 im Text nicht greduldet werden
sollte. Das (Svvtoiwg avafAvrfiig 236, 12 ist die 207, 16 gegebene De-
finition der itaXikkoyia, deren es an jener Stelle, nachdem schon so oft
in dem Buche davon die Rede gewesen ist, am wenigsten bedarf; An.
scheint übrigens hier geschrieben zu haben : fieroi öh xavtce jcaXtlkoyia
TCDv eiQrifiivmv Sarai, In dem zunächst folgenden ist sowohl 16 ht öh
naga tag Tt^orQonag Ticel anoff^onccg ein ganz störendes Einschiebsel,
da hervorgehoben werden soll, warum die Palillogie am meisten zum
genus iudieiale sich eignet, als auch die lange Erörterung über dio
Arten derselben 21 — ^26: iau di (ivtniaviKOv — Ttfft^v, welche eine
gedehnte Repetition von 207, 18 enthält und am unrechten Orte zu der
ennni«ratio zurückkehrt, wo bereits die amplißcatio mit dem Satz
iXla xal — Kaxfog (19) begonnen hat, zu welchem überdies 27
£v dh öict&fjcofiev xtI. in unmittelbarer keine Unterbrechung zulafsen-
der Relation steht. In 229, 15 rührt auch das zweite öiKaarctl schwer-
lieh vom Verfafser her; 230, 9 ist löiovg nur eine Erklärung zu ol-
mhvg und sammt rj zu tilgen; 233, 12 gibt avikr^ßöriv — ngoxara-
lfl^(ie^a eine keineswegs nöthige Recapitulation des Inhalts von 231,
25 — 233, 11 ; eben da hat 15 ti)i/ uiUccv (sollte heifsen t^v xoti/^o-
Qiav) keinen Sinn neben xov loyov okov; für überflüfsig halten wir 19
auch die Worte iv rw öt]^f^oqi%^ %cti und 238, 16 iv öh xoig öfjfAO-
ctoig — avfAg>iQOv^ letztere, weil nicht zu verstehen ist, wie die tco-
Xiuxol avkkoyoi von den öri(i6aioc (16) sich unterscheiden und das
voyL^LOv und öinaiov keine £t;Ao^o^ irqofpaaig im Prooemium abgeben
kann, da es zur Vertheidigung von Gesetz und Recht doch wohl kei-
ner guten Ausrede bedarf. In 213, 32 nimmt sich %axa xa nQoyvfiva-
iSfjLarcc neben dem Satz Sv i&laro(jiev i](icig avxovg xal yvfivaaco^ev
avakafißavHv avxag wie ein Glossem aus der Zeit aus, wo die Pro-
gymnasien von Theon, llermogenes u. a. erschienen. Für inev^^rifia
220, 28, dessen Anwendung a. a. 0. jedes Grundes entbehrt, hat Sp.
das richtige iv^vfirifia wenigstens in der Note gefordert; auch hier
erscheint die Spur einer späten inlerpolierendeu Redaction , auf die
vielleicht noch 209, 11 der Ausdruck inöirjyuo^ai statt H^rjyiifS^a^
(219, 9) zurückgeführt werden darf.
Wir gehen zur Betrachtung der Stollen über, die uns in verderbter
Gestalt überliefert zu sein scheinen. Auffallend ist 175, 11 die negative
Fafsnng des folgernden Satzes: alle Handlungen fallen in die Kategorie
des öLuciiov oder vo^mov oder avfig>iQou oder xakov oder tjöv oder
^öiov und ihr Gegentheil, mcsxe firiöexigav xcÖv vitod'i(SBO}v ixovxcc
kiyoav anoQstv = so dafs wer keine der beiden Aufgaben (an- oder
abzurathen) hat , nichts vorzubringen vermag. Man erwartet den po-
sitiven Ausdruck: ciaxs fi^tjöiva xi]P hiqav t. t;. S^ovra k. i. Sp.
wollte in der ersten Ausgabe Sxovxa streichen; dann wäre die Frage,
ob von der vno^Baig selbst gesagt wird, dafs sie k6y(ov aitoQSi und
BvitoQBi^ oder diese Verba nur ein persönliches Subject zulafsen. Ein
starkes Zeugma müste 179, 14 zugegeben werden, wollte man den
Satz ^ yi(Q igov^isv — xansivoxBqov für vollständig halten. Da An.
288 L. Spengel: Rbetores Graeci. Vol. I.
liebt, derselben Formen der Construction sich sn bedienen, wird niobi
sowohl del (iBl^KSTCcvai ausgcfanen sein als lutaazutiov — avcxalxiov
(vgl. 180, 17 OTciv dh iTtl ro TOTtetvozeQOv avaxikltofuv). In 181, 15
wird die ^icig voficav selbst zum Subject gemacht, welches die staat-
liche Ordnung einführt, nicht der Gesetzgeber (vgl. 23) oder die Ge*
setze 181, 12. Dieser Ungleichheit wird abgeholfen, wenn man t{|
^ifSet für Ttiv ^iaiv schreibt, wodurch das noutv (16) die Urheber
der Verfafsung zum Subject erhält und Uebereinstimmung mit der spä-
teren avaxeg)alcU(aaig 182, 10 tav ^£v ovv iu t^ ötnioxQoctCc^ voiuo»
T^v ^ictv xotavzfiv ösi nouia^at erzielt wird. Der Construction wie
dem Sinn widerstrebt 184, 24 öia 7tQoq>aaeojv ^ man braucht öui nichl
inrcoi' zu verwandeln, sondern lüge lieber die Praeposition (vgl. 19d,
32, wo Finckh ebenso xara streicht) und schreibe dann TCQOfpaauf,
186, 19 scheint der Singular rc3 jtQccy^cen erforderlich, da die Kate-
gorien i% zomov und bustuv zovtov auf ein itgäyiAa unten bezogen
werden ; für zovzoav verlangt der Gedanke zotovzov, 183, 24 hat tov-
Tov keine rechte Beziehung, die eben angegebenen Fälle werden durch
sl di fiif ausgenommen; man wird es wohl streichen dürfen. Dasselbe
mag von zb xa£ 188, 27 gelten, wo die aßalzsQla als dem damit be-
hafteten schädlich dargestellt, nicht aber behauptet wird, dafs sie
auch auf andere nachtheilig wirke, wie umgekehrt bei dem novtufog
nur der Schaden, der andere trifft, in Betracht kommt. In 194, 24 wird
il nicht sowohl zu tilgen als nloziv elvai in mazevezat zu verändern
sein. Vorher 193, 25 hat (liu keine Responsion und ist nur aus 24
gedankenlos wiederholt. Ebend. 31 ist ano toi; intöln^v in ahnlicher
Weise durch die Vergleichung des folgenden ano rcoi/ ofiotmv veran-
lafst; da indes das eluog zuerst an der Person der Gegner selbst wahr-
genommen, dann aber von andern nur abstrahiert wird, so muste An.
dort inl zmv L setzen. Von den gefolterten helfsl es 203, 7 zoig ßa-
aavCiovaiv bfiokoyovötv ov zag aXrj&elag^ wobei die Wortstellung und
der Plural auffallen mufs. Wir vermuthen in ov zag die Verstümmlung
eines Vcrbums wie ohyagovvzeg. Hichligeres Tempus auch in der
Zusammenstellung mit TtQoard^at (l) wäre 206, 3 axaiv statt i^^iv.
209, 5 ist avyxazaXiyHu nicht zu erklären; Kef. hat anderswo schon
avxva hXiyuv vorgeschlagen. 214, 27 ist für ^^öia %al alrj^ij die
gewöhnliche Verbindung §, xal fiöia einzuführen. Der Schlufs des
Abschnittes,' worin An. über die Mittel das Interesse der Zuhörer aniu-
regen spricht, scheint, was wir nachträglich erst jetzt erinnern, durch
Beseitigung des schleppenden Anhängsels zotg v(p iificiv nQayfiac& 1«-
yo[iiuotg (214, 31) an Bündigkeit zu gewinnen. Den Imperativ imo-
xijia 216, 13 vertauscht Finckh treffend mit dem Indicativ. Wose
soll aber das Compositum vnoxifia statt des sonst überall zur Bezeich-
nung der Sache gebrauchten einfachen Verbums? Wahrscheinlich
schrieb An. avzog ztfia : der angeklagte soll versichern , dafs im Fall
das Verbrechen erwiesen werde, er selbst auf Todesstrafe für sich
antrage. Gegen die öiaßoXi^ soll er beständig eifern wg duvov %al
noivov %al nokUiv KaJtwv alztov (18); das zweite Fraedicat kann wohl
L. Spengel: Rhetores Graeci. Vol. I. 289
weder die Bedeatnng * gewöhnlich' noch die * niedertrfichtig, gemein'
haben, daher wir ein anderes in Vorschlag bringen: nsvov, die Ge-
haltlosigkeit der Verleumdung umts ja der gefährdete vorKOglich nach-
snweisen suchen. In 217, 14 soll der greise Sprecher sein Auftreten
durch den Mangel an guten Rathgebern und die eigene Erfahrenheit
motivieren, letzteres kann nicht ix trjg ewtoglag aixov sondern ix
tfjg ifiiUiQlag avvov heifsen, wie gleich 17 er schreibt ix Trjg iyatitr-
^g (lies Ix xa r. i.), Dafs man nun Frieden gegen die starkem za
halten suche, kann niemand verargen, wohl aber, wenn der Redner
•elbsl gegen schwächere einen Krieg su beginnen widerr&th. Es ist
darum 217, 25 nicht nur n^ xovg aiiTiovvxag mit Sp. zu lesen, son-
dern auch fi nQog xovg fixxovag statt ^ n. x. XQelxxovag. Ein blofses
Glossem scheint 221, 26 x6 iii^og zu sein, da nach 24 dieser Zusatz
ganz entbehrlich wird; 223, 7 befremdet die Anwendung von awa-
dmfuv statt des einfachen Verhums; 225, 10 verlangt die Concinnitftt
der in gleiche Reihe gestellten Begriffe ajtokvxiovy was Halm vor-
Bchligt , nicht oTeoXvovxag oder aTCoXvofiiuovg. Dafs ehend. 14 noch
nicht von Tadel die Rede sein kann, zeigt die spätere Erwähnung des
Gegenstandes 228, 4 (f.; also mufs xal xovg fjßeyofuvovg wegfallen und
zugleich das in Verbindung damit stehende xal avxov toa (vielleicht
yerdorben aus xal xov avxov xqotcov und Tc;« xal^ indem zwei Phrasen
zusammengeworfen wurden). Zu dieser Aenderung und einer zweiten
ebend. 20 htaivetvj diaiqrfioiiLBv öl ovxta hat Ref. schon in den Anmer-
kungen zu Cornificius p. 272 gerathen. Irren wir nicht sehr, so ist
326, 17 xaXovg rj aya^ovg nichts als Explication zu xovg xoiovxovg. In
227, 2 mufs mit inl Si xy ein neuer Satz beginnen, da das Jünglings-
alter dem des Knaben entgegengesetzt wird, welche Antithese bisher
durch die flberlieferte Lesart ifcl x^ verdunkelt wurde. Aufserdem
scheint hier xijg — iiXixiag richtiger als der Dativ zu sein, dessen
Anwendung vielleicht durch das vorhergehende ^1 x^ xeXsvxj verur-
sacht worden ist. 229, 29 muste Ttgaaßvxeqog ^ was Sp. schon in der
frQhern Ausgabe bemerkt hat, eingeklammert werden, wie 2d0, 19 — ^24
zeigt. 230, 12 ist der Ausdruck axoi%Ha verdachtig. Eine Umstellung
seheint 232, 3 — 18 getroffen werden zu müfsen: hier bildet die Ver-
theidigung des Gesetzes , welches man selbst vorlegt, und die Be-
kämpfung des von den avxlöwoi vorgebrachten (231, 29 ff.) keinen
Gegensatz mit dem, was 232, 3 — 8 empfohlen wird: die Richter zu
erinnern, dafs es jetzt nicht Zeit sei Gesetze zu machon, wohl aber
mit dem 232, 8 — 17 behaupteten, wo der Redner den Richtern das
Recht einräumt mit Umgehung eines seiner Ansicht nach verkehrten
Gesetzes zu entscheiden; letztere Partie mufs deshalb vor die voraus-
gehende (3 — 8) treten. Auch das zunächst folgende leidet an einigen
Corruptelen. An. unterscheidet zwischen deutlichen und zweideutigen
Gesetzen; jene können xaXol oder ^o;|fOt;^o/sein, in beiden Fällen wird
sich der Redner ihrer Beschaffenheit gegen seine Widersacher bedienen:
vuqI (liv ovv xciv iSa<pmg elQrifiivav vofitov onoiovg av avxmv (viel-
mehr avxovg) i%m^tv, ix xmv xouyvxtov TCQOxaxaXafißavovxig ivxiXs-
290 L. Spengcl : Rhctores Graeci. Vol. I.
ysiv €V7tOQi^ao(i2v. LaTscn die Gesetze eine verschiedene Ausle^ng
zu, so wird jede Partei entweder zu erweisen suchen, dafs die von
ihr gewählte richtiger ist und die Gegner, sollten ihnen auch die
Richter beistimmen, falsch interpretieren (ag b v6}iog av rowo du-
voBtxOy aXk^ o av Xeyeig^ vgl. Sp.s Note), oder, wenn es nicht möglich
ist den Sinn des Gesetzes in das Gegentheil von dem zu verkehren
was jene behaupten, niufs sie darthun, dafs das Gesetz nichts anderes
bedeuten kann als was sie darin findet. Man schreibe also mg wdiv
akko kiyuv dvvctxai, o vofiog 1} o av, mit Tilgung von dem aus 233, 39
hierher gerathencn 6 ivavtlog^ In 232, 32 erwartete man xa aitijiiara
statt TOT xoiavTccn vgl. 207, 8, wo unter mehreren vom Redner an dkn
Richter gestellten Bitten auch die angeführt wird: x6 xoig arvxfjfuiai
avyyv(6fi7]v ixHv. Der folgende Satz scheint an zwei Stellen lacken-
haft zu sein, indem zu Tcaxoij&iaxsQOv das Subject, etwa xo nqajfihß
fehlt, und der Sinn von yvcoa^Äai erst durch den Zusatz eines Parti-
cips wie i8i%riactvxig klar wird, vgl. 189, 20, auch 234, 33. Von den
Worten 233, 15 \itxa öl xcivxa — okov war schon oben die Rede, hier
bemerken wir nachträglich, dafs statt des unpassenden avaloyi[tiav
An. nicht sowohl das allerdings sonst gebrauchte Ttaktkkoyrpshv^ als
zur Abwechslung das leichter damit vertauschte avaTCoXtixiov gesetsl
haben könnte. Auf derselben Seite sollte der neue Absatz 21 mit rov
(liv ovv beginnen; ferner 25 für reo Kaxi^yoQOvvxi nach der Aosdrocks-
weise des Schriftstellers xm xaxyiyogixtp gelesen werden. Eine anrieh-
tige Coustruction 234, 26 wird beseitigt, wenn man Sv ifinicoiaohrtibi.
statt 6vvefi7tiaoi, Einige Fälle, wo der Sprachgebrauch des An. im Text
noch herzustellen ist, mögen noch hier Platz finden: 180,2 soll sich die
Belehrung über die Pflege der bestehenden Sacra an die so eben ertheilte
Anweisung hallen; also mufs ex xciv n qohq jj^i vcov corrigieri werden
für inl X. n. vgl. 181, 8. 201, 9. Die indefinite Redeform ist 181, 39
passender und kann mittelst der Acnderung %c(xcia%ivaa^dri fQr xcrpce^
axBvccGHt eintreten. An der Richtigkeit des ^liyct (pigeiv 187, 8 erlan-
ben wir uns noch zu zweifeln, da es vorerst nur auf die günstige oder
ungünstige Entscheidung der KgiCig ankommt, das filya aber weiter-
hin durch die Zusammenstellung hervorgebracht wird; auch blofs sti-
listisch betrachtet miifs fiiya misfullen , weil es den Satz schwerfällig
macht. In 197, 11 scheint das noch dazu zweimal gesetzte öia un-
richtig zu sein und der einfache Genetiv das ursprüngliche, endlich
180, 18 ort Ttgaxxovxeg für xC tvq. eintreten zu müfsen.
Es folgt Jioinjcov ij Aoyyivov negl ütf/avg, wie die Ueberschrift
in dem Urcodex (Par. 2036), von welchem alle übrigen Copien sind,
lautet, lieber den Verfafser hegte man ehemals, da die Ausgaben
mit Weglafsung des fi nur einen Dionysius Longinus producierten,
keinen Zweifel: es schien kaum möglich, an einen andern Longin zu
denken als an den berühmten Zeitgenofsen Plotins, von welchem
Schriften ähnlichen Inhalts, wenn auch gerade diese nicht genannt
ist, bei Suidas angeführt werden. Erst Amati machte auf die in dem
Titel ausgedrückte Ungewisheit aufmerksam und zugleich auf die Un-
L. Spcngel: Rhetores Graeci. Vol. I. 291
Wahrscheinlichkeit, dafs der nicht sehr bedeutende Caecilius nach
mehr aU zweihundert Jahren eine so umfafsende Widerlegung erfahren
habe, mit Ucbcrgehung anderer Schriftsteller, die nach ihm dasselbe
Thema bearbeitet haben; er glaubte, dafs die Schrift vielmehr dem Dio-
nysios von Halikarnass beigelegt werden müfse. Dies erlaubt aber die
Anführung des Theodorus von Gadara nicht, von dem 248, 24 (III, 5)
wie von einem verstorbenen gesprochen wird. Diese und andere Mo-
mente hat G. Bnchenau in seiner 1849 erschienenen Dissertation ^ de
scriptore libri Ttegl t!if;ot;9' zusammengestellt und daraus das Resultat
gesogen, das Werk sei unter der Regierung Yespasians, und zwar
niflit vor 75 erschienen, der Verfafser selbst sei nicht zu entdecken.
.Auf die Techne des Longinus, woraus loannes Camariota (VI, 119 bei
>V|ilz) die Stelle citiert, welche eigentlich Ruhnken auf die Ent-
Jeckung leitete, dafs die Rhetorik des Apsines ein grofscs Fragment
der yon Longinus einschliefse, hat Buchenau keine Rücksicht genom-
men, wa9 doch nölhig war, da man neuerdings darin eine Stütze für
.die frühere Ansicht von dem Autor des fraglichen Buches zu finden
gehofTt hat. Nehmen wir aber die Uebereinstimmung des aporetisch
gefafsten Titels mit der Citation der Epitome (320, 6) *) und des lo.
Camariota aus, so bleibt nicht eben viel übrig, um die Identität des
Yi^rfafsers zu begründen. Die stilistische Aehnlichkcit wenigstens ist
keineswegs so schlagend, wie sie Ruhnken erschien, nachdem ihn
die bekannte Entdeckung (vgl. Wyttenbach vita Ruhnkonii p. 127 f.)
gleichsam verpflichtet hatte daran zu glauben. Einzelne Phrasen be-
weisen nichts; wollte man z. B. 279, 8 (XXX, 2) mit 304, 20 verglei-
chen, und wenn man dort liest g>c5g — t« ovtt töiov xov vov xa %aXit
.ov6(icct€(^ hier g>6jg — döneQ tcdv ivvorj(icct(av rs Ttal imx^t.QrjfiatG)v o
toiovtog Xoyog^ auf gleichen Ursprung beider Stellen schlicfsen, so
müste auch der von Demetrius n, bq^, §. 17 citicrte Satz: 17 — aa(piig
gtQaCig TtoXv g>^g nagiistcci tcttg tcüv utiovovxcov diavoMig demselben
Autor zugeschrieben werden, welcher aber dann nicht mehr Longin
bliebe. Wichtiger ist der unverkennbare Unterschied im System und
«esthetischen Urtheil: der eine halt sich an Aristoteles, der andere
ist offenbar Platoniker; dieser spricht von Lysias und Isokratcs mit
Geringschätzung (272, 3. 282, 12. 288, 4), jener betrachtete (zufolge
der Epitome p. 324) beide Redner als vollendete Stilisten und hatte an
Piaton au%vlcc trjg rwv IdscSv XQuasag xai tov TtonjvLT^oksQou oy%ov
auszusetzen. Der Abschnitt tt^^I ^\ni^}]q^ welcher in der Epit. über-
gangen und durch die Worte des Vcrfafsers (312,23 IT.) selbst, mit
denen er seinen Abrifs beendigt, ausgeschlofsen wird, möchte noch
*) Der aus einem Moskauer Codex gezogene Aii8ziig befand sich
schon in Ruhnkens Händen, ist aber erst von Bake veröifentlicht wor-
den in seiner 1849 zu Oxford erschienenen An.^gabe von Apsinis et
Longini Rlietorica. Vaucher (vgl. riiistitut I8J>2 iVr. 19ö) hat die in-
teretiAunte, obwohl wenig wahrscheinliche Kntdcckung gemacht, '<]Ue
le trait^ du sublime — peut etre considere comme un fragment detach^
des Oeuvres de Plutarque/
292 L. Spengel: Rhetores Graeci. Vol. 1.
am ersten 'an die gröfsere Schrift erinnern and jene Vorstellang tu
befestigen geeignet sein. Auf das übrige sie zu übertragen nnd darum
den Satz 252, 16 di<S(Sa di %ov xccvxaxii fiiv vorjaetog ^aUQuc Sh ki^efog
für unecht zu erklaren, weil der Rhetor 310, 10 im Widerspruch mit
Alexander (Rhet. Gr. Vlll, 427 ff.) behauptet es gäbe keine axfifucva
ivvoimvy scheint nicht rathsam; eher kann diese Discrepanz als trif-
tiger Beweis der Verschiedenheit betrachtet werden.
Ueber die BeschafTenheit nnd Lücken des Par. 2036, sowie über
die Geschichte des Textes enthalt Sp.s Praefatio XIll — XX wichtige
Nachweisungen, zugleich auch die sorgfaltigste Angabe der Lesarten
jener Handschrift. — Im Text ist wenig geändert, aber manche ^te
Vorschläge bietet die Praefatio, z. B. xa£ neng^^^ 31, wo xal Ag
nach xal oxi unpassend ist; xi de der 249, 25, wie es der Uebergang
erfordert; nqo avxijg 252, 19; c&9 afiilei ib. 23; efr' bdqqmatv dk
oUovofilav 260, 12; ff (livxoi 277, 23; ndvxa xa xaXa 281, 31; navt
avxi(H(iriaaixo (lieber a. catavxa, vffl. 250, 3. 284, 26) 284, 2; rcSv Xi-
ycav aizmv 289, 6 ; cc7c6ilw%a yotQ xa axaiQOv (i'^Tiog avaKakivdovfüvu
292, 16; firinoxe ovxl ff 295, 19. Die Ungehörigkeit der berühmten
Citation aus dem Pentateuch haben einige Gelehrte dunkel empfunden,
aber noch bemerkte niemand, warum sie hier gar nicht angebracht
werden konnte ; so wenig achteten Männer wie Ruhnken , Morns , Ton-
pius auf den Zusammenhang der von ihnen bearbeiteten Texte, sonst
hätten sie entdecken müfsen, dafs §. 10 an §. 8 anknüpft und die m^
^Qfoniva (leyid'fi bei Homer den öai^ovut entgegengestellt werden,
was jede anderweitige Anführung ausschliefst; es wäre ihnen dann
auch nicht entgangen, dafs die fraglichen Worte eigentlich nach $. 10
gehören , wo sie aber ebenso wenig anzubringen sind , und auf das
homerische nohiaov 6^ at^^rfv sich beziehen (dies ist gemeint mil
xavxri §. 9, 255, 17). Beides hat neuerlich Sp. in seiner Gratala-
tionsschrift an Thiersch (München 1852) p. 8 dargethan und damit
alle weiteren Combinationcn abgeschnitten *), Aufserdem scheint uns
sowohl 250, 6 der Beleg aus Homer Ixafiov ^oluoßaQhg xwog 0(i(un*
iX(ov^ (prfiiv als der Zusatz 260, 8 xccxa jceQtodovg — ivoTCavlag
nicht in Verbindung mit dem Vortrag des Verfafsers zu stehen, ihn
vielmehr auf sehr störende Weise zu unterbrechen. Auch xov vonov
262, 3 und oqxiav 268, 22, wo in demselben Satz oqiMg vorausgegan-
gen ist, wird man dazu rechnen dürfen, wie das von Sp. bereits ein-
*) Buchenau a. a. O. p. 15 will die Notiz von der Genesis bei
p8eudolongin aus dem gleichnamigen Werk des Caecilius, der jüdischer
Proselyt war, ableiten. Wahrhaft ainu8aat ist die Hypothese von
Clericus, die nnter andern Boissonade in seinem Aufsatz über Longio
Biogr. universelle T. XXIV p. 669 bespricht, woher wir die betref-
fende Stelle wiederholen : ' Ledere a pens^ que ie passage a ^tö ajont^
d^apr^s coup, mais par Longin lui-meme, (|ui s'^tant attach^, Vera la
fin de sa vie , k la reine de Palmyre, vouiut, pour Ini iHre agreable»
citer un passage de Moise: car Zenobie ^tait juive, s'il faut admettre
Ic t^muignagc de quelques p^res' etc.
L. Spengrel: Rhetorcs Graeci. Vol. I. 293
ffesohlorsene ig SovXov 271, 24; weniger neTtatxd'ai 263, 26, wo dem
vnotl^ea^ai (23) ein Verbum wie nenXaa^ai enlsprechen mufs. Haa-
fi^r noch scheint der entgegengesetzte Fall, dafs Zusätze nothwendig
siad, wie 264, 11; hier erkannte schon Moras, dafs nach Tore ein
Praedicat, welches dem avyTUxtvjjiiivov synonym sein mafse, ausge-
fallen sei, aber tot' gv^sov^ was er vorschlägt, ist für den Rhetor
etwas zu hoch gegriiTen, vermuthlich schrieb der Vf. t6t£ Tta^tjnxovj
wie er auch 278, 28 sagt navra — Tctiha na^rpuxanigovg xal avy%e-
fuvtiiiivovg anoTBlet xovg koyovg. In ahnlicher Weise fehlt ToAfti^
nai^ nsQl di icX'q&ovg nal 280, 1, wo man entweder naL ausstiefs oder
es, ohne das vorhergehende anzusehen, wo kein anderes nkifiog vor-
kommt, mit etiam übersetzte, oder die Umstellung xul niql nXrfiovg
3i wagte. Das angemefsene Verfahren konnte ein Blick auf Z. 21 an
die Hand geben , wo es heifst nXi^ovg aal ToXfirig (Uvaq)OQciv —-^ xa
iSxaiQa xal aq>o6Qa nad^ — tdUc xiva aXsiiq>aQ(iaxa, Viel gelitten
hat die Stelle 282, 11, deren Gegenstand des Caecilius unverständiges
Urtheil über Piaton und Lysias ist; wenn wir den Schriftsteller richtig
gefafst haben, ist seine Ansicht die, dafs weder behauptet werden
dürfe, Lysias sei correcter als Piaton, noch dafs Correctheit für den
gröfstenVorzug einer poetischen oder prosaischen Production überhaupt
gelten könne. Von der ersten These zur zweiten mangelt es aber an einem
Uebergang, welchen allenfalls ein Satzchen wie el 6i Kai r^v bildete,
das an die Spitze von c. 33 treten müste; und am Schlufs des Satzes
nXijy ovxog — ^rfin] wird das Verbum vermifst , von welchem ofto-
UyyovyiivcL abhängt, etwa naqlctriai (naqiCxivu nach 267, 30?). Zu
Anfang des §. 8 (282, 11) mag o/iioog ttvxo nal aus oXlyoig avxi^a ver-
derbt sein, so dafs dem Caecilius der Vorwurf gemacht würde, er
halte sich an wenige Vcrstöfse Piatons, um ihn sofort herabzusetzen.
Beiläufig bemerkt, stimmt Ref. denen nicht bei, welche 266, 32 die
Aenderung nqayiitixt.iimg für nöthig halten , da ebenso gut iitixBigav
gelesen wird, was durch die oben behandelte Stelle eine Bestätigung
gewinnt; denn iXaxrcifiaaiv kann hier neben iiuxuQmf doch wohl nur
Ablativ sein. Dunkel ist der Satz 285, 10 von Demosthenes: olg I%h
XttXolg ccTCavxag aal vina Kai vTcig ap ovx ix^i, wenn man nicht iTcaq-
xoiksiv oder etwas ähnliches hinzufügt. Eine manigfach corrupte Pe-
riode eröffnet das 40e Capitel (290, 25) ; ihren durch volle Interpuno-
tion Z. 28 zerrifsenen Zusammenhang herzustellen dient der Eingang
der Apodosis ovto) xcc fieyaXci^ woraus zugleich erhellt, dafs Z. 26
von keiner fieXav inusvv^eoig^ sondern von der i, fiiys^mv die Rede
sein mufs, vgl. 237, 28. 238, 27; nach htusvv&eatg fuhr der Vf. etwa
so fort: &CTtBq yag *iv (liv (ii(^g (od. fioQtov) xfiti&iv u(p* higov
oiSkv xaO* iavxo a^ioXoyov ^x^i Kxi, Durch genaue Berücksichti-
gung der aesthetischen Principien, welche er aufstellt, und damit
verbundene Beobachtung seines Sprachgebrauchs kann noch manches
in dem Buch berichtigt werden. So ist es nicht im Sinn des Autors
969, 20, dafs die Kunst des navovQyuv zu na^ und fuyi^ hinzn-
gesogen werde (naQaXri<p&eiaa) ^ noch weniger will er, wie Toup
294 L. Spengel: Rhctores Graeci. Vol. I.
meinte, mit der Erhabciilieit der Rede die im Gebrauch der F'ign*
reo glanzende Technik bestreichen (naQ-aXH(p^staa)\ auch Rahn-
kcns Ttaganalvg^eiaa (^ nihil hac emcndatione ccrlius' betheaerl
er selbst) ist unpassend, indem es der mit komov SiSvT^ ausge>
drückten Wirkung vorgreift; nur 7t£QdTig>^£USa bleibt Qbrig, wo-
für der Satz 272, 31 ^ ^' av gwoig imzvxi^g^ ötav Xav^avovCav
ytsQtixrj T^v zi%viiv spricht. Das blendende Licht der na^vi und tJ^iy
soll die rhetorische Intention gleichsam in Schatten stellen, so daHs
der Redner unbemerkt seine Kunst übt: xriv lixvtjv ccvrciv anoCxid^H
xorl olov iv xaxaXri'ilfSi tijqh sagt der Vf. am Schlufs seiner Ausfjlh-
rung (270, 3); aus xazaki^ilfei hai man schon früher stillschweigend
Tcazaxakvilfet gemacht; den Gebrauch der Phrase nachznweisen möchte
kaum gelingen, aber von der xazahjijftg selbst kann nur das Gegen«-
theil hier stehen, nemlich die axaraÄ?/t/;m , in welcher die Ti;|(i^ er-
halten wird. Von der Anwendung der avzifiszaazaaig d. h. des an^
mittelbaren Uebergangs von der Erzählung in die directe Rede wird
276, 26 bemerkt, ij TiQOxgriaig zov axriiictzog zoze , {jvUa o^vg o xai*
Qog cjv diafjiiXXeiv zu yqcKpovzi firi didtp. Faber, dem Sp. beipflichtet,
will einfach ^ X^)7<^^? corrigieren; eher ist es wahrscheinlich, dafs
der Schriflsleller erklärte, in dem angegebenen Fall bietet sich das
oxijucc ungesucht dar, also: Öio xal TtQOxetQog rj XQ^fi^'S' Diese Con-
jeclur werden diejenigen gelten lafscn, welche die Abhandlungea
nsQi vtl^ovg und negl iivrjfirjg als AVcrke desselben Mannes betrachten,
da letzterer 314, 22 von dem Gedächtnis rühmt, es sei eine xrijaig
TCQog zb TtQoxsiQOv zijg xQV^^^g* In 280, 19 verdiente H. Stephanu»
Emcndation intzi^iiCLg für vTtozifitjöig (vgl. Rhot. Gr. VIII, 486), wel-
ches in der Bedeutung aestimatio (Monis setzt hinzu * si orator ipsc
aestiniet metaphoram, si prctium ei statuat') nur einen sehr gezwnn-
gfinen Sinn gibt, aufgenommen zu werden: durch solche Vorbemer-^
kungen nemlich wie ü Set itaQcditvövvtvziy.foxeQOv Xi^at wird eior
leichter Tadel ausgesprochen, der zugleich die Zuhörer mit der Kflhn-
lieit des gewählten Ausdrucks versöhnt. Ebenso unbedenklich hätten
wir 268, 4 aovtpLiofiivoig statt des Accusutivs, 288, 4 fpfjaei statt de»
Praesens, 289, 18 HQaGei für kqov(Sei, ib. 25 icpaTtzofiivrjP für iq)U7tto^
fiivcov^ welche Correcturen schon anderswo gemacht worden sind, in
den Text gesetzt, lieber unsere eigenen Vermuthungen 284, 7 cmTtc
ztov fiBu 7tQ(oi6v6uza)v iv anaai [zcov äXXoav aycoviozciv] XdmC^ai^
ütQozsvBiv Öh Z(üv öevzsQSvovzcüv und ib. 16 CKaniicizce ovx äfiovca —
naza zovg Azzmovg Koifiovg^ aXX ivöxw^^^ verweisen wir aaf das
in den Heidelberger «lahrbüchern 185^) S. 642 bemerkte, und fügen für
dasselbe den Ilyperides betreiTende Capilel noch hinzu, dafs 285, 1 fOr
afieyi{>ti naoöir^ v/j<pouzog ccQyd der Sinn dieser Charakteristik a, xal
xoQÖicc vt](poin[og egya zu fordern scheint, weiterhin Z. 6 ^vqiov mit
Kaigtov verlauscht werden mufs. Schliefslich mögen den Lesern die-
L. Spcngel : Rhetores Gracei. Vol. I. 295
hovtog i^ikoig yavia^ai ri"0(irjQog; 286, 10 avr ovo (lov — , ib. 24
v^vg xaT0Qi>(6fiUTi, (vgl. 287, 12) xal zo xatgicirciTOv , 288, 11 xal
liiyi&H^ 289, J2 ivTl^ijOi, 291, 14 t?) avaloyov nkda^ij ib. 26 fitKifo-
^oui d\ 292, 7 avvtjfy^ha^ 293, 21 twv la^iit^^v Koa^ijfidrcav ^ 294,
32 öuviynHv (dispergere^ verbreiten), 296, 18 Tif^og xijg r^gp^.
Die ebenfalls unter dem Namen des Longinus gehende zixvri §ri'
tOQixrj ist in einem sehr Übeln Zustand überliefert, den zu befsern
Bake, Speugel und Finckh manches geleistet haben; doch bleibt auf
diesen wenigen Blättern 299 — 312 (oder, weun nsgl fivtifiiig dazu ge-
rechnet wird, 299 — 319) noch das meiste zu thun übrig. Wir schlie-
fsen uns gern dem Wunsche Sp.s in der Vorrede p. XX f. an , wenn
er sagt: ^de emendanda hac arte omnium optime meritus est Ch. E.
Finckhius in epistola crilica Annal. autiqu. 1837 p. 619. 18äO p. 422,
AnnaL lleidelb. 1838 p. 1088, dissertatione Heilbronnae edila 18^7,
quem cum etiam nunc multi restent corrupti loci ipseque egregio
floreat ingenio sanoquc iudicio, ut denuo hunc librum more suo via et
ratione praecedens castigct, etiam atque etiam admonemus', und er-
lauben uns nur einstweilen einige unmafsgebliche Vermuthungen hier
niederzulegen, wie 301, 28 Tt itqai^iv^ 302, 1 9;V ßovXstat o di6xmv^
302, 3 iav i^erdatig rag agxceg ttau Jtqctyiiixuiv nal xd Ovfißaivovra
ii iadaTOVy 303, 5 orav dfpoQi^yg^ 304, 2 xal ficcXiaia^ 304, 23 avrov,
ib. 29 sl ftt) avv^etvai, — voyj^ccra övvi^arj^ 305, 4 firirt yt, 305, 24
duX^elv Tcc Ttgdyfiarcc totg dy.üvovai (mit Weglufsung des yvcoql^iifag
T« %ctl yi'warwg, vgl. 311, 6), ib. 26 tot arj(iaivovTa rijg öiavoiccg av(i-
ßoXa^ 308, 26 Ttenarqfiivri A£|e*, ib. 29 svQOtfUv av, 311, 7 utgaKzcxäg
xov xvjKjuv Ti, ib. 26 nqog xdg dqxdg.
Die xixvi] xov noXixmov koyov rührt von einem Rhetor her, wel-
cher auch aiKpXnid mql eigiasoig (vgl. 449, 24) verfafst hat (ob von
dem Anonymus bei Walz Vll, 697 ff.?). Sie erhält besonderes Interesse
durch die Mittheilung der Sülze von Apollodorus, Theodorus, Neokles,
Uarpokration und am meisten von Alexander, der die Rhetorik im
Sinne des Aristoteles bearbeitete: es ist derselbe, welcher über die
axqfiaxa geschrieben, vgl. Rhet. Gr. VIII, 421 — i86, wenn man nicht
dieses Büchlein nur als einen Abschnitt einer vollständigen tixvq
frjvOQixti zu betrachten hat, vgl. Rhet. Gr. IV, 35. Leider ist auch
hier die Corruption ungeheuer und kaum zu bewältigen. Indessen
bietet sich einiges wie von selbst dar, z. B. 429, 18 nagehjkv&ivai^
ib. 19 öa<pcjg^ 430, 2. 3 nQoxccXeadfisvog — ngoxaXovfiivoig doxcav ifi-
(livstv, 31 (a<psXi[i(ov, 432, 18 7caQttöxevdao(ASv , ib. 26 ige&iao(i£v —
Xvjtriaofuv^ 433, 9 diaipogoig &£Qcatevofiiv(ov — ötatpogoig xatg xa-
raax., ib. 17 Xiycnfiev^ 434, 6 afia' idv öi 6id xo viog dvai (sc. 6ia-
ßXrfi^g)^ 435, 16 (Svvlaxcivxcii, xai Xöiai Tijg vno^iatiog Xiyovxat , 436,
19 iv xotg ngoXoyoig^ ib. 24 avvxofiov — Xoyov zu tilgen, 437, 19
Zzav xax\ {fiq>aaLV Xiyrjg^ ib. 28 xQOTtovg, 438, 11 naQaXelnafiev ^ ib.
21 iv xotg dtrjyyi^aöt^ 439, 16 yvcifiag^ 440, 14 xvvtödgtov^ 441, 32
difiyriaofis^a ^ und so auch 442, 1 wo xb exsQOv auf die avveatg und
^avBQov auf die diqXmiSig zu beziehen ist, 443, 18 nal xov ngayfiaxog.
296 L. Spengel : Rhetores Graeci. Vol. I.
444, 5 Tijv yvcifiriVj ib. 8 naQaqyvkarxeiv, ib. 12 Kctta fiigog [sK^l vov\
SiriyrjfKxnxWj ib. 18 fiivroi öXovj ib. 30 ädre fii^j 445, 25 ix t%, 446,
21 ^ xXojtfi iylveto, 448, 2 ^vskbv rov^ ib. 25 inix^lgrifia ij itUsxiv ^(jor
Tov di XO7C0V — xowov dvaL ^tadov — idiovj 449, 6 xic (für ^^a^)
ijtt%€i^(icev€e^ ib. 10 %v jiidi/ov, ib. 11 fiovov { (für xo^vorv^ xaUb^ to
ngayfittj Tf^v dh Xi^iv, 454, 3 i^rl xekevr^g,Jib. 29 oxav fihf ovv taxv-
Qttlj 455, 12 TOT T^ araaecogj ib. 19 fehlt otcbq iaxlv avxlXtifjfig nach
iv^g, ib. 27 inodl6o<s^oii^ 458, 26 t% d^ dfi^i/cTfcog, ib. 28 rcSv M
7ciaxi(ov, An andern Stellen ist es immer gewagt, Emeudaüonen eo
versuchen, wie 429, 24 vor xovg ^QccavxiQOvg aasgefallen sein könnte
fi^ iäv, 432, 1 vielleicht yivtcat nach Ti;^!^, und rnuiv aus ^em^^-
Toov verdorben zu sein scheint; ib. 22 halten wir fQr nöthig Sm xo —
avÖQog nach diaksytofisd^a zu versetzen (Z. 23); 435, 14 ist tt[dh bttfH
Qiiial ctt dl fAvd'ixal entweder ganz zu tilgen oder Z. 12 nach nestla-'
Cfiipcei zu stellen, 437, 30 aa<pig zu streichen. Die grofsen Schwie-
rigkeiten scheinen auch den Herausgeber bestimmt zu haben, nur das
sicherste vorzubringen, die Behandlung der ärgsten Schäden aber auf
andere Gelegenheit zu verspareu; die Hauptsache war hier, durch
Besorgung eines urkundlichen Textes jedem weitern Studium eine feste
Grundlage zu gewähren; dafs dies geschehen ist, bedarf nichl erst
unserer Versicherung.
Heidelberg. Ludwig Kayser.
Untersuchungen über römische Geschichte von Dr. E. Hagemj Pro-
fessor am konigl. Collegium Fridericiannm za Königaberg. Enter
Theil : Catilina. — Auch unter dem Titel : Catilina , eine histori-
sche Untersuchung von Dr. E, H» Königsberg, in Commisaion bd
Gräfe and Unzer. 1854. XV u. 405 S. gr. 8.
Der Hr. Vf. erklärt in der Vorrede ganz bestimmt das Ziel, das
er sich vorgesteckt hat, und den Weg, auf dem er es zu erreichen
gedenkt. Diese Untersuchungen, deren Forlsetzung versprochen wird
und von denen der zweite Theil die Anfänge Roms enlhalten soll, be-
ginnen mit Catilina und seiner Verschwörung; Hr. H. wollte die man-
cherlei Dunkelheiten, die auf der so aufserordentlichen Erscheinung
des Catilina liegen , mit Hilfe genauster Quellenerklärung und Verbin-
dung der Berichte aufklaren und eine Geschichte dieser Verschwöriug
liefern, die Znsammenhang und Wahrscheinlichkeit hat. Indem er
nun hinsichtlich der Quellen sich dahin ausspricht, auch bei einem Au-
tor, der oft geirrt hat, nicht aberall gleich Irthnm vorauszusetzen,
und was nicht passen will, als absichtliche Lüge oder abgeschmackte
Auffafsung verwerfen zu wollen, und den Vorthcil aufgibt durch ab-
sprechendes Urtheil den Schein geistiger Ueberlcgenheit zu gewinnen,
so erweckt diese Erklirnng schon einganstigesVorurtheil; weift aehr
E. Hagen : Calillna. 207
■och die Ansicht, die er über das Bemühen, die Verbindung des
überlieferten zu einem in sich durch Ursache und Wirkung zusum-
menhangenden Ganzen herzustellen, äursert, und wie er die nolliwen-
dige Zerrirsenhcit und Weitschweifigkeit der Darstellung, die Lang-
weiligkeit und Trockenheit der Untersuchung zugibt. Zum Verständ-
nis der Thätigkeitdes Catilina wie des Cicero schien ihm noch nülhig
einige Zustände und Einrichtungen des damaligen Rem aufzuklaren.
Hier nimmt er noch mehr die Nachsicht in Anspruch. Er sagt: ^allein
hier gesteh' ich oiTen, dafs i^h vielen und gerechten Tadel erwarte.
Die Stellung eines Lehrers, die ihm wenig Zeit zu wifsenschafllicher
Arbeit übrig lüfst, und namentlich selten unuuterbrochene Leclüre,
ungestörtes Nachdenken gestattet, erlaubt ihm wohl die Hulfuung, auf
einem beschränkten Felde etwas zu leisten, aber kaum die, allgemei-
nere manigfach ineinander greifende Betrachtungen mit einigem Er-
folg zu Ende zu führen.' Diesen Entschuldigungsgrund für etwaigen
Irthum ist wohl jeder Lehrer bereit gelten zu lafsen; nur von Seilen
der Wifsenschaft kann man ihn nicht anerkennen.
Das Buch zerfällt in 6 Abschnitte: l) Quellen, 2) Zustand des
römischen Staates, 3) Catilinas Leben bis zu seiner Candidatur im J.
64, 4) Catilinas beide Candidnturen bis zum 21. Oct. 63, 5) die Ver-
schwörung, 6) Uebersicht der Resultate.
Mancher mag, wenn er über 400 Seiten Untersuchungen über Ca-
tilina vor sich sieht, und noch obendrein der Vf. selbst in der Vor-
rede Trockenheit und Weitschweifigkeit zugesteht, das Buch lieber
iingelesen wieder weglegen; Uec. niufs gestehen, dafs diese geschicht-
liche Untersuchung ihn sehr angezogen und befriedigt hat, obgleich
er sich gezwungen gesehen, alte Meinungen aufzugeben; er ist dem
Vf. mit Aufmerksamkeit durch das ganze Buch gefolgt und ist auch
bei den trockensten Untersuchungen gefefsell worden. Wer Cicero
und seine Zeit als einen wichtigen Theil seiner Studien betrachtet,
und eigentlich sollte doch jeder Philolog sich bemühn diese Zeit und
diesen Schriftsleller gründlich zu verslehn, der wird durch die Leben-
digkeit und Klarheit der Darstellung, die ihren Grund in eigner For-
schung und in selbständig gewonnenen Rcsultaleu hat, vollkommen
befriedigt werden. Einzelne Partien sind glänzend durchgeführt, und
wenn auch hie und da die Sache wohl kürzer gefafst werden konnte,
80 wird doch nirgend das Gefühl der Langweiligkeil den Leser be-
schleichen. Freilich Sinn für dergleichen Untersuchungen mufs man
mitbringen, wie auch der Vf. selbst gesagt hat: * wer die Mühe und
Trockenheit der Untersuchung scheut, dem zeigt der Titel des Buchs,
dafs er fern davon bleiben mag.'
Im In Abschnitt weist Hr. H. nach, wie es gekommen, dafs gleich
nach der Unterdrückung der Verschwörung allerdings nicht die That-
sachen, das gieng nicht, aber ihre Verbindung willkürlich verändert
wurde. Er handelt dann von den vornehmsten Gewährsmännern : Sal-
lust, Dio, Plularch, Appian und Cicero. Von Sallust sucht er nach-
zuweisen, dafs er seine Geschichte erst *bald nach seiner Rückkehr
iV. Jahrb. /•. Phü. «. Paed, Bd. LXX. Hft. 3. 20
208 E. Ha^cn: Culilina.
aus Africa, um die Zeit von Caesars Tode' geschrieben habe; er 6n-
det in dem quam verissume potero c. 4 u. 18 das Eingeständnis, daf»
er nicht eine ganz genaue Darstellung geben könne, ^ja an einigen
Stellen , wo er sich in seinen Nachrichten gar nicht zurecht finden
konnte, da schrieb er hin, was die Quelle halte, ohne seine Beden-
ken künstlich verhüllen zu wollen.' Zum Beleg werden Stellen aus c.
18. 28. 50, die fast sinnlos seien, angeführt, und so fügt er bei Be-
sprechung der ersten Stelle S. 95, nachdem er die Abgeschmacktheit
in der Erzählung nachgewiesen zu haben glaubt, folgendes hinzu:
^sagt Sallust das alles dennoch, so mufs er es eben gethan haben,
weil er es so vorfand und selbst nicht daraus klug wurde: denn hätte
er eine Geschichte machen wollen, sie wäre sicher viel klüger aus-
gefallen.' Er wirft ihm ferner vor Parteilichkeit für Caesar, Flüchtig-
keil und Mangel an Einsicht in den Zusammenhang; ^danach kann ich
Sallust nicht mehr als Führer anerkennen, der alles am gehörigen
Orte vorbringt, aber als zuverlufsig, so weit er die Wahrheit wüste,
betrachte ich ihn durchaus.' Wenn der letzte Ausspruch mit den vor«
hergehenden Vorwürfen nicht recht übereinstimmen will, mufs man
auch die Gerechtigkeit derselben bestreiten. Hr. H. kann keine Ver-
anlafsung nachweisen, die Sallust zur Beschreibung der Verschwö-
rung bestimmt habe, es soll nur die gewesen sein, dafs er geglaubl
einiges richtiger als Brutus in seinem Buch de laudibus Catonis be-
richten zu können. Dieser Grund reicht nicht hin, und das ganze
Buch Sallusls, sollte ich meinen, zeigt deutlich die Absicht des Vf.,
wie er sie ja selbst auch hinreichend ausspricht. Sein Plan ist an
diesem aufbrechenden Geschwür die Krankheit des römischen Staats-
körpers zu zeigen, zu schildern, welche Leidenschaften und Verbre-
chen den Staat zu Grunde richteten, welche Tugenden damals noch
das sinkende Gebäude stützten; daher kommt es ihm nicht auf um-
ständliche und peinlich genaue Darstellung der Verhandlungen im Senat
an, er hui nicht die Protokolle der Sitzungen des 3. und 6. December
(>H, IM denen die Gefangennehmung und Hinrichtung der Verschwore-
nen beschlofsen wurde, wiedergegeben, sondern er stellt uns dar die
damaligen beiden Hauptrichtungen der höhern Staatsbeamten und zwar
in den Hauptvertrolern derselben Caesar und Cato; das ist eigentlich
die Absicht iXi^s Schriftstellers; deshalb kümmert er sich nicht darum,
was noch andere wie Nero als V^ermittluntr der beiden äufser^ten An-
träge vorschlagen; es liegt ihm nicht daran in den Heden die Ver-
handlung selbst zu schildern, sondern die hau dein den Personen.
Damit fälltauch der Vorwurf, den Hr. H. S. 9 macht, dafs Sallust
Personen auftreten läfst, ohne dafs er nachher weiter, selbst wenn
Gelegenheit wäre, von ihnen redet. Er erwähnt, dafs zwei Impera-
toren und zwei Pruetoren gegen die Bewegungen in Italien aufgeboten
werden , und nichts von ihrem Thun. Das war aber nach seinem Plane
nicht nölhig, wichtig für ihn nur, dafs solche Anstalten gctrolTen wer-
den musten ; an der Sempronia schildert er uns damalige römische
Franen, es ist ein GattungsbegrilT, nicht ein Eigenname; man denke
E. Hagen: Calilina. 299
nor an Calos Schwester Servilia, die Gattin des Silanns: es ist daher
für Sallust g^ar nicht von Wichtigkeil, dafs die Verhandlungen mit
den Allobrogen in ihrem Hause stattfinden. So lafseu sich noch andere
scheinbare Unebenheiten der Darstellung erklären und rechtfertigen,
da Sallust nicht eine Geschichte der calilinarischen Verschwörung,
sondern in dieser eine Sittenschilderung geben wollte. So erklärt
sich das Zurücktreten des optimus consul Cicero^ aus dem man ja
frühzeitig genug auf eine Feindschaft gegen denselben geschlofsen hat.
Der Consul nemlich ist durch seine Stellung verpflichtet gegen die
Umstnrzpartei zu kämpfen, er vertritt also als Staatslenker keine Par-
tei, alles also, was er thut, gehört nicht in Sallusts Darstellung und
es findet nur so viel Platz als zum Verständnis der Schilderung selbst
durchaus nöthig ist. So stellt sich uns in Sallusts Erzählung die
Sache wesentlich anders, und wir sehen in ihr klaren und bewusten
Plan, finden keine Widersprüche in ihr selbst oder mit der wirklichen
Geschichte, wenn auch einzelne unbedeutende Versehen zugegeben
werden mürsen. So erkläre ich denn die Nichterwähnung der drei
letzten Catilinarien, der Supplication und des Titels pater patriae
nicht aus dem Streben nach ^ Kürze', sondern daraus, dafs in alle
diesem kein charakteristisches Zeichen der Zeit liegt. Ich linde also
auch in diesem Stillschweigen keinen Beweis der Unechtheit der drei
Beden, den andere darin gefunden haben. Diese Iteden halt Hr. H.
für echt. Wir kommen darauf weiter unten noch zurück; um hier aber
mit Sallust abzuschliefsen, so ist die meiner Meinung nach falsche
Ansicht, die Hr. H. über ihn ausspricht, von keinen nachtheiligen
Folgen für seine Untersuchungen gewesen. Den Urtlieilen über Dio,
Plutarch, Appian mufs man beitreten.
Im 2n Abschnitt ist trefflich die Schilderung der Verhältnisse in
Rom im allgemeinen, besonders der Stellung des Senats und Proleta-
riats durch die scmpronischen Gesetze, dann über die Ritter, den ge-
werbtreibenden Mittelstand, der sich nach Sullas Proscription gebil-
det haben soll , dessen Vorhandensein auch einige Andeutungen in den
Reden gegen Rullus noch hätten wahrscheinlich machen können, über
die Collegien und die Möglichkeit, dafs junge Leute aus dem Senato-
renstande sich Zugang und Einflufs erwerben konnten , über die tri-
huni aerarii^ über die scrihae; der Einflufs und die Organisation
dieser Suballernbeamten ist sehr anziehend geschildert. Zuletzt ist
von den verschiedenen Classen der unzufriedenen die Rede nach der
2n Catilinarie, und es wird nachzuweisen gesucht, dafs die Einthei-
lung in die 6 Classen nur Cicero, kein Rhetor hätte machen können.
Im 3n Abschnitt wird das Privatleben Catilinas nach den Schrift-
Btellern geschildert und bewiesen, dafs er 3 Frauen gehabt; seine
Schandthalen werden einzeln ausgeführt, ferner dafs die Klage de in-
cestu von Clodius im J. 73 angestellt und dafs Catilina von Catulus
sogar dabei vertlieidigl wurde. Besonders gelungen ist die Schilde-
rung von Catilinas Stellung dem Senate gegenüber seit seiner Praetur
S. 80: * die Nobilitat wollte Catilina nicht zur Verzweiflung treiben,
20*
300 E. Ilagcn: Culilina.
sie hoffte seinen Ehrgeiz durch die Praclorwurdc, seine Geldgier
durch eine reiche Provinz zn befriedigen, das höchste Amt der Re-
publik mochten sie aber einem Menschen nicht gewähren, dessen traa-
rige Berühmtheit aus Sullas Schrcckenstagcn her datierte und der
eben wieder die schmutzigste Geldgier unverholen gezeigt hatte, also
nicht einmal den Schein der Tugend wahrte, und von dem sich, was
dem Senat wohl die Hauptsache war, alles fürchten liefs.'
Es folgt nun ein überzeugender Beweis gegen Drumann, dafs Ca«
tilina schon 66 unter L. Yolcatius Tullus sich ums Consulat bewerben
wollte; aber man hatte ihn in Africa hingehalten, dafs er in Rom za
spöt ankam. Weil indessen beide gewählten Consuln F. Autroniu»
Paetus und P. Cornelius Sulla de ambitu verurthcilt werden, und er
sich nun noch HolTnung auf Wahl machen kann, entscheidet Volcatin»
nach Bcrathung mit einem consilium publicum ^ d. h. den angesehen-
sten Consularen [einem Vorbilde des consilium principis]^ er werde
nur Stimmen für solche annehmen, die bereits vor der ersten Wahl
sich gemeldet. So gelang es Catilina zurückzuhalten ohne ihn zu ver-
letzen. Dies Resultat gewinnt Hr. H. aus Stellen des Sallust und As-
conius. Was die erste Verschwörung betrifft, an der Catilina Theil
nahm, in der Crassus, Caesar, Piso, Autronius die Häupter waren,
so widerlegt Hr. H. gut Brückners Annahme in seinem Leben Ciceros
von zwei Verschwörungen; aber seine Behauptungen sind doch auch
nicht nach allen Seiten hin geschützt, namentlich macht er S. 99 den
allzu raschen Schlufs, dafs Ciceros Aussage (1, 15): ^ jeder Senator
wcifs, dafs du unter Volcatius und Torquatus Consulat auf dem Co-
mitium mit Waffen gestanden hast und 3Iannschaft gesammelt, am dio
Consuln und die Häupter des Staats zu morden' deshalb unwahr sei,
weil unmöglich Leute, deren Verschwörung so genau den 1. Janaar
bekannt und vereitelt war, den 5. Februar wieder die Ausführung
ihres Planes versuchen konnten, ohne zur Verantwortung gezogen zn
werden; denn er verwechselt die Zeiten: was 2 Jahre früher Geheim-
nis war, konnte später jedem bekannt sein , und wie käme Cicero dazn
den Senatoren ins Angesicht über ihre eigne Kenntnis etwas vorzu-
lügen? Vergeblich beruft sich auch llr. II. auf die Stelle pro Sülls,
die zu anderer Zeit vor Richtern gesprochen ist, aber auch den aus
ihr gezogenen Schlufs gar nicht rechtfertigt. Bei derselben Sache
wird auch Sallust ein Unrecht gethan; die Worte über c. 18 sind be-
reits oben angeführt. Noch ist zu erinnern, dafs ein Schreibfehler
untergelaufen ist, denn bei Cicero stehen die Namen Lepidus und Tul-
lus, der Consuln von 66, da 65 Torquatus und Cotta das Consulat
vorwallelen.
TrolTcnd ist der Plan und der Grad der Thcilnahmo der Ver-
schwörer angegeben , auch die Theilnehmer, wie besonders Crassus
und Caesar, richtig bcurthcilt; sehr schön ist ferner die Darlegang
der veränderten Umstände am 5. Februar und dafs bei dieser Vor-
srhwörung erst Catilina hervortritt, während Sulla in den Hintergrand
geschoben wird, S. 104 IT., wie auch dio auf den ersten Blick sonder-
E. Hugeii : Catilina. 301
baren Narsnalimen des in seinem Leben bedrohten Consuls und Senats;
dann ist die Klage des Clodius gegen Catiiina de repetundis^ noch
mehr die des Luccejus de ci ganz meisterhaft behandelt und geschicht-
liche Kritik mit aulserordentlicher Sicherheit und kühner Conibinalion
geübt, obgleich Hr. H. selbst sagt, es möchte seine Ansicht manchem
^willkürlich, ja unwahrscheinlich' erscheinen. Gerade diese Wahr-
scheinlichkeitsrechnung beweist die Befähigung und das Geschick des
Vf. für solche Untersuchungen.
In dem 4n Abschnitte über Catilinas Candidaturen erhalten wir
genauem Nachweis auch über Ciceros Stellung und seine Hede in ioya
Candida^ wie über das Gesetz de ambitu und den Zweck solcher Ge-
setze überhaupt, die weniger die ßeslcchnug unterdrücken als eine
Gelegenheit geben sollten einen misliebigen Beamten durch Klage zu
entfernen. Nur was §. 20 aus dem Stillschweigen Ciceros gefolgert
wird, ist doch wohl zu viel, da die Hede selbst nicht mehr erhallen
ist; dagegen sind die Pläne und Absichten Catilinas, und wie er
Schritt vor Schritt bis zur Verschwörung getrieben wurde, auch der
Uede Catilinas bei Sallust o. 20 eine andere und richtigere Stelle in
den Begebenheiten nachgewiesen; ob die ganz richtige, möchte aber
doch noch mancher bezweifeln, wie auch zu S. 135 und 178 zu be-
merken ist, dafs in Hom bewalTnet umherzugehen verboten war, vgl.
Cic. ad Att. 11, 24. Seitdem Catilina gegen Cicero durchgefallen war,
er die bei Wahlen entscheidenden Stande sich so abgeneigt sah, dafs
sie einen hämo uodus gewählt hatten, von da begann er durch ge-
walllhälige Mittel sein Ziel zu erstreben, er trachtete dem designier-
ten Consul nach dem Leben, knüpfte Verbindungen mit Leuten allerlei
Art an; nicht mehr durch Bestechung sondern durch Schrecken suchte
er zu wirken. Dagegen wird auch die Thaligkeit Ciceros S. 153 in
das richtige Licht gestellt, wie im folgenden das mühselige Hingen
dieser beiden hervorragenden Männer, indem jeder den andern aus
iiciner Stellung herauszudrängen sucht, und besonders Cicero den
Catilina zu einer entschieden ungesetzlichen Handlung, zu einem olTen-
burcn Verbrechen treiben mufs, wenn er ihn vernichten will, wäh-
rend Catilina ebenso vorsichtig und gewandt alle Beweise seiner ver-
brecherischen Pläne unmöglich macht und seinen Gegner zu einer
Ueberschreilung seiner Amtsgewalt reizt, um ihn mit dem Senate zu
entzweien. Es wird richtig das Verhältnis der Bewerber für das Jahr
(}2 angegeben, des Silanus, Sulpicius und Murena, nur beim ersten
ist nicht bedacht, dafs Cato ihn deshalb de ambitu nicht anklagt, weil
er sein Schwager ist. Cicero entfernt die Gefahr vor Catilina einfach
durch Verschiebung des Wahltages vom 21. Juli auf den 21. Oclober;
so lange kann Catilina die Veteranen des Manlius, die er aus den sul-
lanischen Colonien Etruriens zur Unterstützung seiner Bewerbung,
wohl auch zu etwaiger kräftiger Mitwirkung am Wahltage, hat kom-
men lafsen, nicht in Hom erhalten. Hiebei ist freilich viel Voraus-
setzung. Auch im weitem Verlauf wird der Thätigkeit und dem Ver-
dienste Ciceros einmal voUc Gerechtigkeit zu Theil. S. 163 steht u.
302 ^' Hagon: Catilina.
a.: ^er vertreibt Coliliiia aus Rom durch eine Rede, deren KüiiobeU
Jahrhunderte lang bewundert ist und nuch mehr angestaunt zu wer-
den verdient, wenn man wcifs, dafs Cicero ohne Vcrrath auf kahoe
Combinationen hin als Factum ausspricht, was wirklich wahr ist.' In
dieser in den letzten Worten ausgesprochenen Ansicht bemüht sich
Hr. H. umsonst aus den Widersprüchen (?) bei Sallusl nachzuweisen,
dafs Curius und Fulvia an Cicero nichts berichtet; denn was Sallusl
c. 36 erzählt, dafs trotz der versprochenen Belohnung kein Verschwo-
rener etwas verrathen, steht nicht im Widerspruch damit, dafs Cu«
rius sich habe als Spion brauchen lafsen. So bezweifelt er viel zu
sehr die Genauigkeit der Angaben in der ersten Rede und verwickelt
sich in kleine Widersprüche. Es muste doch der Anschlag auf Prae-
nesto am 1. Nov. Cicero bekannt sein, sonst konnte er nicht so be*
stimmt reden; er muste wifsen, dafs Senatoren bei Laeca gewesen,
sonst konnte er es nicht so sicher behaupten, wenn er nicht Catilina
läclierlich werden wollte; dafs er keinen nennt, hat allerdings darin
seinen Grund, dafs er sie nicht alle nennen kann, also auch den mit-
schuldigen nicht etwa die Furcht nehmen will, und dann ebenso, dafs
er sie nicht nennen darf. Manches weifs man ja sicher und gewis,
aber sagen kann man es nicht, da man es andern gegenüber nicht
nachweisen kann, und Hr. H. beweist zu viel, wenn er behauptet,
Cicero habe gar nichts von Bedeutung erfahren und nur durch Ver-
muthungen das richtige gefunden; dabei citiert er die 2e Hede so gut
wie die le S. 169. Dafs Curius später, weil er gegen Caesar ge-
zeugt, als falscher Angeber verdächtig gemadht worden ist, ist noch
lange kein Beweis, dafs er es wirklich gewesen; aber llr. H. läfst
sich verleiten sogar anzunehmen , dafs Sallust und Sueton durch Ci-
ceros ^ofücielle aber doch falsche Angaben' sich haben täuschen
lafsen. Es ist immer gewagt gegen die ausdrücklichen Zeugnisse der
Schriftsteller aus Wahrscheinlichkeiten und daraus gezogenen Schlü-
fsen etwas zu beweisen, und Hr. H. hat selbst auf das gefährliche
eines solchen Verfahrens aufmerksam gemacht; es ist aber eben su
leicht, dafs man einmal in diesen Fehler verfüllt. Dagegen ist §, 26
die Stellung des Antonius wie sein Charakter richtig gewürdigt, aber
§. 27 linden sich manche Vermuthungen, dfe man eben nicht als in der
Sache begründet ansehen kann, wie: ^Cicero war bei der Wahl im
Harnisch erschienen, als fürchte er von Catilina Gefahr, Catilina legte
also Waffen für immer an, als sei er vor dem Consul nicht sicher,
und je mehrere dies thun, desto mehr wird auf Cicero der Schein eines
Tyrannen geworfen.' Mit diesem Verfahren hätte ja Catilina die An-
klage des Cicero bestätigt ; denn wer hat gegen einen Harnisch Waf-
fen nöthig, wenn er nicht den Harnisch durchbohren will? Dennoch
hat auch hier llr. II. in der Hauptsache Recht und die Zeitbestimmung
der einzelnen Ereignisse ist mit vielem Geschick und Glück gemacht,
wie auch die Umstimmung des Volks zu Gunsten des llurena scharf-
sinnig dargestellt ist.
Eine eigentliche Verschwörung gegen den Staat beginnt erst
II. Hagen: Catilina. 303
■ach der Consulwabl, nach dem 21. Octbr. 63, aU Catiiina wiederum
durchgefallen war und nun für ihn gar keine lIolTnung übrig blieb,
durch gewöhnliche Mittel wie Bestechung oder Einschüchterung zum
Consulal zu gelangen ; auch hatte er für den Fall schon Vorbereitun-
gen zum Aufstand getroflfen. Aber nothwendig gestaltet sich nun das
Verhältnis anders: nicht alle, die Cutilinas Wahl begünstigt halten,
sind bereit ihm zu einem gewaltsamen Umsturz des Staates beizustehn;
namentlich ist in dieser Verschwörung für Crassus und 'Caesar kein
Platz mehr neben Catilina. £s ist Hrn. H. gelungen die allmähliche
Eutwicklung der Verschwörung und wie Catilina durch Cicero aus
einem Vorlheile nach dem andern herausgedrängt worden ist, deut-
lich und überzeugend darzustellen, und es tritt uns hier die Klugheit
und Besonnenheit des Consuls, dem der Senat als einem Feinde Cuti-
linas nicht recht glaubt, den er als einen homo norvs beneidet, in
vollster Klarheit entgegen. So wird der Widerspruch des Sallust und
Cicero in der In Hede über die Personen, die den Consul morden
sollten, befriedigend gelöst. Freilich trilTt hier wieder den Sallust
das zweideutige Lob, daCs er ^getreu referiert, was er selbst nicht
begreift', S. 211. In §. 35 ist die erste Rede des Cicero wiederge-
geben, ihre Absicht und ihr Erfolg geschildert. Des andern Morgens,
am 8. Nov., hielt Cicero die 2e Hede ans Volk. Von dieser heifst es
S. 222: ^die Heftigkeit, die im Senate durch den versuchten Mord
und die Frechheit Catilinns, in der Curie zu erscheinen, gerechtfer-
tigt war, fehlt, sonst aber ist die ganze Oekonomie der Hede in ihrer
absichtlichen Verwirrung und den Hauptgedanken der ersten so ähn-
lich, dafs ich nicht begreife, wie man die eine für echt, die andere
für unecht hat halten können.' Das liefse sich allerdings begreifen,
dafs jemand als rhetorische Uebunir eine Hede ans Volk, da doch Ci-
cero eine gehalten hatte, gemacht und den SloiT aus der einzig mög-
lichen Quelle, aus der Rede im Senate geschöpft hätte. Nach seinem
Weggang aus Rom schrieb Catilina Briefe an die Nobilität, um sie
mit dem Consul zu entzweien. In Manlius Luger angekommen fand er
einen Haufen Menschen, liiit dem noch nichts anzufangen war, er mul's
ihn erst organisieren und hat dabei keinen numhaflen Gehilfen. Aber
auch Cicero hatte keinen und befand sich in üufsersl schwieriger Lage:
*es war wahrlich keine geringe Aufjrabc, ein volles Jahr lang sich
in der gröfslen persönlichen Gefahr, den Slaat am Hände des Abgrunds
zu sehn, zu wachen und zu sorgen, und gerade, dafs er gewalt-
Ihälige Ausbrüche hinderte, als Beweis, wie er nur Gespenster sähe,
anführen zu hören, und das alles noch mit der Befürchtung, dafs Feig-
heit und Verrath alle seine Mühe vereiteln, mit der Gewisheit, dafs,
wenn er siege, Neid und Hafs ihm lohnen werde.' (S. 229) Die
Schwierigkeiten steigerten sich, da Murena noch zu vertheidigen
war und nach Aechtung des Catilina dem Antonius der Oberbefehl ge-
gen ihn gegeben werden muste. In §. 39 ist die Verschiedenheil der
Absichten des Catilina und Lentulus nachgewiesen; letzterer stellt
sich den AUobrogen als Haupt dar, hat sie nicht an Catilina verwie-
304 ^* Hagen : Catilina.
scn, sie sind gar nicht aufgefordert Catilina aufzusnchen, sonder«
Vollurciiis soll sie hinrüliren gelegcnllich , dafs sie eins der schon be-
reit siehenden Heere sehen. Mit den Allobrogen ist Cicero in gar
keinen unmittelhoren Verkehr getreten, er hat nur durch Q. Fabias
Sanga alles vermittelt; diese haben auch Lentulus nicht tauschen
Müllen. Mit dem §. 40 kommen wir zu dem Theile der Untersuchun-
gen, >vo besonders die lieden und ihre Echtheil den Gegenstand bil-
den. In §. 40 wird die Uehereinstimmung der '6n Rede mit Saunst
nachgewiesen, so dafs das abweichende eben nur aus Ciceros Stel-
lung sich erklärt, also von ihm wirklich so gesagt werden muste,
wenn er berichtete. Nach einer schönen Erklärung der Worte Sallasts
<$. 41 gibt er §. 42 eine Ausführung des Verhörs am 3. December, wo
der wirkliche Widerspruch der Hede gegen Sallust als Beweis für die
Echtheit derselben geltend gemacht wird. Auch die Einrede, die
man aus dem Senatsbeschlufs gemacht hat, der in der 3n Catilinarie
erwähnt ist, wird gründlich widerlegt, doch schiebt sich zwischen
die scharfe Darlegung der Gründe S. 265 folgendes: ^was mufs ich
auf der andern Seite glauben, wenn ich die Supplication nicht sta-
tuiere? dafs Cicero der frechste Lügner war, der dem Senate ins
Gesicht Decrete cilierte, die er nie gefafst' u. s. w. Das ist zu viel;
CS soll aus dem Verwerfen der Supplicalion nur die Unechtheit der
Rede gefolgert werden ; läfst sich, wie es Hrn. H. gelungen, nach-
weisen, dafs anderswo dieselbe erwähnt ist, so hört die Erwähnung
in der Rede auf ein Beweis der Unechtheit zu sein; Ciceros Charakter
kommt dabei nicht ins Spiel. Weiterhin führt Hr. H. mit grofser Klar-
heit und glücklicher Diviuation die Folge der Ereignisse vom 3. — 5.
Decbr. aus; nur dafs er, um Sestius Einflufs hervorzuheben, 8. 273
eine Mulhlosigkeit des Cicero für den 3. Decbr. annimmt, die er
S. 268 entschieden geleugnet hat. Er läfst Sestius den 6. Decbr. mit
Truppen in Rom einrücken und bis zum 20 da bleiben. Die Verhand-
lung aber selbst im Senat ist durch Combinalion, die Hr. H. selbst
kühn nennt, so vortrefflich dargestellt, dafs man ihr die Zustimmung
nicht versagen kann und jedcsfalls zugestehn mufs, dafs, wenn der
«'•ans der Verhandlungen so gewesen ist, wie er hier geschildert wird,
die Berichte der Geschichtschreibcr zusammenstimmen und die 4e Ca-
lilinurie echt ist. Milien in die Beruthung über die Strafe der Ver-
brecher und nach Caesars Rede und in die Erwiederung des Catulns
fällt nemlich nach Hrn. H.s Annahme die Nachricht vom Aufstande der
Verschworenen, und der Consul muste auf die Strafse eilen, um ihn
zu unterdrücken, und nachdem die Gefahr beseitigt, kehrt er znrttck
und hält diese 4c Rede. M)as mufs ich aber gestehen, dafs, wenn
mir nicht der Auflauf und die Entfernung des Consuls unleugbar schie-
nen, ich we;?en dieser dann unmotivierten Mattigkeit, wegen dieses
Kingauges der fünf ersten Paragraphen und dieser dann unbegreifli-
chen Resignution nm Ende diese Rede für unecht halten müste.' (S.
^^^) Mit diesem Schluf.surtheil mufs auch Ref. übereinstimmen und
hüll alle bisherigen Versuche die Echtheit nachzuweisen für unzurei-
E. Hagen: Catiliua. 305
chcnd. Auch die Debatte nach Ci^ros Rede ist mit vielen aber wahr>
sühüinlichen Voraussetzungen so lebhaft, so überzeugend dargestellt,
dar« man glaubt, es sei alles so geschehen, und man der Freude ge-
nierst einen wichtigen Beschlurs des römischen Senats und ein Ereig-
nis, das von so grofsen Folgen für den Staat war, bis in die klein-
sten Faden zu verfolgen und begreifen zu können meint. Durch die
ganze Darstellung aber gewinnt die Geistesüberlcgenheit, der Muth
und die Mingabe des Cicero vollständige Anerkennung.
Wir könnten nun die Resultate, die Hr. H. zuletzt zusammen-
stellt, im Auszüge geben, allein theils sind sie schon gegeben, theils
möchte ich dafs recht viele sich an der Art, wie dieselben gewonnen
Morden, erfreuten. Es versteht sich übrigens bei solcher Untersu-
chung fast von selbst, dafs auch manche Schriftstelle eine nähere Er-
.drterung erfahren hat. Sollen wir noch etwas zum Schlufs aussetzen,
«0 ist es das, dafs die Untersuchung über die Catilinarien nicht selb-
ständig geführt, nicht der vollständige Beweis für die Echtheit der-
selben angetreten ist. Vieles aber, was mit grofsem Scharfsinn in
diesem Buche wahrscheinlich gemacht ist, bricht unhaltbar zusammen,
wenn die Reden unecht sind. Einen Hauptgrund nun gegen die Echt-
heit hat man in der Sprache gefunden und der ist nicht widerlegt
durch Worte wie *die Bedenken gegen die Latinitut sind gröfsten-
theils willkürlich : steht ein Wort in einer sonst von Cicero nicht ge-
brauchten Verbindung, so heifst das unlateinisch, steht es ander-
wärts sehr ahnlich, so ist das Plagiat nachgewiesen, und dabei müfsen
doch ganze Stücke der Reden wieder für echt erklärt werden, weil
sich gar kein Vorwurf gegen sie finden läfst. ' (S. 14) Auch die neu-
ste Ausgabe der Reden von Halm hat trotz der Autorität des Heraus-
gebers mit allen ihren Gründen für die Echtheit der Reden und mit der
Art der kritischen Behandlung des Textes bei Ref. wenigstens nur die
Zweifel vermehrt und verstärkt. Doch möchte ich den gemachten Vor-
wurf nicht so sehr betonen, da eben die fortlaufenden Untersuchungen
erst Stück vor Stück die Echtheit beweisen, der Leser aber im vor-
aus von der Ansicht des Vf. unterrichtet ist (S. 13 IT.). Nur die auch
in dieser Hinsicht gewonnenen Resultate hätten zuletzt noch können
KQsammengestellt werden, denn diese sind wirklich bedeutend und
Hr. H. hat die eine Seite wohl vollständig erledigt; im Inhalt ist kein
Grund zu finden, die Reden für unecht zu erklären, vielmehr weist
vieles daraufhin, dafs ein anderer die Sachen nicht so zusammenge-
stellt hätte. In der Sprache kommt noch manches bedenkliche vor,
das durch genaue Vergleichung der Handschriften oder Erklärung sich
wohl noch entfernen läfst, aber nicht durch einfaches Verneinen oder
durch Streichen solcher anstöfsigen Wörter.
Quedlinburg. G. W. Oossrau.
306 W. Spalding: Geschiclile der englischen Literatur.
The history of English literatnf%; with an ontline of tbe origln
and growth of the English language: illustrated by extract^.
For the ose of schools and of private students. By ff^illiam Spal-
ding y A. M., Professor of Logik, Rhetoric and M etaphysics , in
the university of Saint Andrews. Second Edition. Edinburgh :
Oliver and Boyd. 1853. 414 S. 12.
Geschichte der englischen Literatur nebst Proben aus den bedeu-
tenderen Schriftstellern und einer Entwicklungsgeschichte der eng-
lischen Sprache. Von fF. Spalding, Professor an der Universität
St. Andrews. Nach der zweiten Auflage des Originals mit An-
merkungen ins Deutsche übersetzt. Halle , Verlag von Ch. Grä-
ger. 1864. XXIV u. 548 S. 8.
Schon lange hat sich die litterarische Welt, insbesondere aber
Lehrer und lernende der englischen Sprache, nach einer gedrängten
und dabei nicht unvullständigcn Geschichte der englischen Litteratur
sehnsüchtig umgesehen. An dem 3Iulerial zu einer solchen fehlt es
allerdings seit mehreren Jahrzehnten keineswegs mehr — Werke
wie z. ti. Chambers'* ^ Cyclopuedia of English literatnre', Craik'S
^Sketches of the history of literalure and learning in England', fer-
ner die eines llallam, Wurtou, Campbell, Cunningham u. a. enthalten
eine bedeutende Masse biographischer, bibliographischer und kriti-
scher Notizen, wohl auch ein Gesummtbild der englischen Poesie — ;
aber eine historische Darlegung des EntwickUnigsprocesses der ge*
sammten Litteratur, eine räsonnierende und aeslhetisierende Betrach-
tung und Würdigung ihrer einzelnen Phasen , einen Nachweis ihres
innigen Zusammenhangs mit der Geschichte der Nation selbst geben sie
noch nicht. Diese schwere Aufgabe stellt sich das vorliegende Werk
und löst sie nicht ohne Erfolg, aber mit einer solchen Fülle rhetori*
sehen Prunkes, mit einem solchen Ilcrvorlreten des französischen
Elements der Sprache, dafs der Universitätsprofessor der ^ Logik,
lihetorik und Metaphysik^ (seltsame Zusammenstellung!) überall hin-
durchblickt und dufs ein anderes Ziel , welches sich der Vf. aufser-
dem noch steckt, recht fafslich für die studierende Jugend xii
schreiben , nicht immer erreicht wird. . Eben wegen dieses Strebens
nach einer möglichst kuns(f?erechten und gefeilten Form vernach-
lüfsigt Spalding das biographische, bibliographische und besonders
das chronologische Element zu sehr und der deutsche Leser
würde es gewis dem sonst sehr gewandten und gewifsenhafleu Ueber-
setzer herzlich gedankt haben, wenn derselbe in dieser Beziehung in
Anmerkungen noch manclies nachzuholen versucht hätte. Soviel steht
fest, dafs erst aus dem Zusammenfafsen der so ganz verschiedeneu
Elemente eines Chambers, Craik und ähnlicher Compilatoren und eines
Spalding und einiger ihm verwandten Aestheliker zur hohem Einheit
eine wahre Geschichte der englischen Litteratur hervorgehen kamt,
und es wäre wahrlich, wie der Uebersetzer mit Recht sagt, gar nicht
W. Spalding^: Geschichte der englischen Literatur. 307
%u verwundern, wenn ein Deutscher eine solche berser, allseitiger
und vollendeter darstellte, als die Englander selbst es vermögen.«
^This volume is oiTered, as an Elemcnlary Text-Book, to those
who arc intercsted in the instruction of youiig persons' sagt der Vf.
in seiner (nicht übersetzten) Vorrede, und später: M am at least
conßdent that the book does not contain any thing that is beyond
their comprehension, eithcr in its maiiner of describing facts, or in
its criticisms of works, or in its incidental Suggestion of critical and
bistorical principles. . . I have frequcntly invited the Student to re-
flect, how closcly the world of letlers is related, in all (?) its re-
gions, to that world of reality and action in the midst of which it
€omes into being. . .' Hatte nur der Vf. diesen so richtigen Plan über-
all conscquent verfolgt und sich nicht gar zu hoch auf das hochkirch-
liche Katheder gesetzt! £r würde dann von einer gewissen Ciasso
von Dramen und Romanen etwas mehr haben sagen müfscn, als dafs
das Interesse dieser Classe sehr gering, ja dafs deren Leetüre mora-
lisches Gift sei, das bekanntlich um so gefährlicher wird, je ängst-
licher man es secretiert. Er hätte dann auch die kirchliche Litteratur
nicht blofs mit besonderer Vorliebe und anerkennenswerther Sorgfalt,
sondern auch von einem unparteiischern und höhern Standpunkte aus
dargestellt. Der Uebcrsetzcr steht in dieser Beziehung zu seinem Ori-
ginal in einem eigenthümiicheu Gegensalz; er ärgert sich über den
Vf. und hält ihn doch wieder lieb und werth, er eifert gegen ihn und
bewundert ihn an andern Stellen, er spricht von Betrachtungen, wie
wir sie eher in einer Postille suchen würden, vom Anpreisen der ge-
gen den englischen Deismus geschriebeneu ^Scharteken' und empfiehlt
doch wieder ein ^rechtschaffenes Christenlhum', wie er es nennt, das
doch gewis nicht dcistisch ist. In dieser Beziehung ereifert er sich,
wie uns scheint, viel zu sehr. Alan darf nicht vergefsen, dafs Sp.
für junge Studenten und zwar für englische oder vielmehr schot-
tische Studenten, d. h. Mitglieder einer ihrer ganzen Entwicklung
nach wesentlich theologischen Geuofsenschaft, schreibt. Mit mehr
Grund ist unserer Ansicht nach dem Vf. vorzuwerfen, dafs er die po-
litische Litteratur geflifsentlich gar zu kurz behandelt habe. Der Ue-
berselzer gibt in dieser Beziehung in den Anmerkungen einige sehr
dankenswerlhc Beilrüge zur Geschichte der englischen Parlamentsbe-
redsamkeit. y\BS die dem Werke beigegebenen Proben und Extracte
anbetrilTt, so hallen wir sie für ziemlich überttufsig, weil derartiges
schon anderweit genug zusammengestellt worden ist; auch ist zu be-
dauern, dafs Sp. im allgemeinen die alte Orthographie nicht beibe-
hält; denn gerade diese ist keineswegs unwichtig. In Bezug auf die
metrische Uebersetzung der melrischen Partien bittet der Uebersetzer
— da ihm , besonders bei den vielreimigen Stanzen, seine Versfähig-
keit ausgegangen sei — sehr bescheiden um Nachsicht; wir wollen
von den Versen nicht sagen, was Dryden von Settle'*s Stümpereien
•Igt: and if Ihey rhymed and rattlcd, all was well; sie lesen sich viel-
mehr ganz gut.
303 W. Spalding: Geschichte der englischen Literatur.
Durch Verlheilung des gesammten StolTes in Perioden i^t eine
hiveichende Uebcrsichllichkeit gewonnen und diese wird dadurch
noch vermehrt, da Ts jeder Periode eine Einleitung vorangeht, die den
socialen und lilterarischen Charakter derselben in grörsern Umrirscn
skizKierl und ihr sicher und bestimmt ihre Stelle anweist. Auf enU
sprechende Weise geht dem ganzen Werke eine längere Einleitung
voraus. ^The litcrature' heirst es in derselben *of our native country,
like thut oi etery other^ is related, intimalely and at many points, to
the history of the nation.' So allgemein gillig ist diese Behauptung
nicht; es hat jedesfalls in der Entwicklung von Litleraluren, z. B. der
römischen, Epochen gegeben, welche mit der Geschichte der Nation
nicht in diesem engen Zusammenhang standen. — Einige Seiten wei-
terhin sagt Sp., indem er von der keltischen Lilteratur spricht, von
Blacpherson'^s Ossian: Svir Ursen, wie billig, das moderne Machwerk
(palchwork) gans aus dem Spiel, welches das Original dem Leser
maskiert hat.' Das ist unrecht; wenn schon dieser sogenannte Oasiao
zu seinerzeit zu viel Aufsehen machte, so kann ihm ein bescheide-
nes Plülzchcn in der Lilteralurgcschichle doch nicht versagt werden.
Gleich hier an der Schwelle seines Werkes ergeht sich übrigens der
Vf. in vielen Phrasen und Umschreibungen, welche dem deutschen Le-
ser mitunter förmliche Käthsel zu ralhen geben, seinen glatten rheto-
rischen Stil aber nicht selten mit einem unausstehlichen Schwulst
belasten. Einige Beispiele sollen gleich gegeben werden. Ueberhaupt
wird der Leser oft als ein sehr kenntnisreicher Historiker vorauage-
setzt, während ihn der Vf. in Bezug aufsein kritisches und aesthetU
schcs Urtheil fast wie ein Kind behandelt. Wir wollen gar nichl
tadeln, dafs der Vf. selbst stets ein sehr fertiges Urtheil in Bereit-
schaft hält, aber dasselbe niüste sich, zumal da es oft sehr schroff
hingestellt wird, um so mehr vor aller Parteilichkeit hüten. Für die
Schotten zeigt Sp. jedesfalls eine gewisse Vorliebe. So sagt er k. B»
von Gawain oder Gavin Douglas, Bischof von Dunkeid: ^his transla-
tion of the Aeneid, inlo hcroic verse, is a very animated poeni, not
uiore unfailhful to the original tlian it might have been expected to
be (I); and it is cmheUished wilh ori«,Mnal prologues, of which some
are enenjelicaUy dcscnplivc^ and olhers acUcely crilical.* Ueber
Buchanan sagt er, dafs es seit Korns Untergang kaum irgend jemand
gegeben habe, der Latein mit so vollendeter und gleichmäfsiger Vir-
tuosität geschrieben habe (?). Noch üppigere Lorberen werden um
W. Hamiltons Schläfe geschlungen. Mlumilton' lieifst es S. 461 der
Uebersetzung ^ steht (als Psycholog und Melaphysiker] allein und un-
erreicht da; ihm widerfährt weniger als Gerechtigkeit, wenn
>wr sagen, dafs er hei weitem der gröfste 3letaphysiker ist, der
seit dem Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts irgendwo im briti-
schen Ueiche aufgetreten ist.' Finden demnach die Schotten im allge-
meinen viel Anerkennung, so wird um so entschiedener aHea ver-
dammt, was irgend geiren den guten Anstand verstöfst, und mit Recht!
nur müsleSp. nicht so überaus btrcuge BegrilTu von Wohlanstiudigkuit
W. Spaldinj»: Gescliichlc der cnjjliscben Lilerotur. 309
haben, dars er durch die vielen vorgeklcblcn Feigenblätter hie und da
wirklich die Lilleratnrgcschichto beschädigt. So wagt er z. B. Dunbar''s
*Tan2 der Todsfinden' nicht einmal zu charakterisieren, nennt den Inhalt
dor schon von Chaucer behandelten Geschichte des Troilus ^most dis-
gusting', verdammt den Inhalt aller Stücke von Beaumont und Fletcber
u. 8. w. Der Uebersetzer geht in dieser Beziehung einmal (S. 77),
gewis anabsichtlich, noch weiter und nennt Chaucer'^s humoristische
Geschichten unlesbar, während es im Original heifst: ^unprescn«
table to young readcrs.* — Der ßibcllittcratur ist dem Standpunkt
des Vr. geniärs natürlich besondere Sorgfalt gewidmet und man findet
hierober manche interessante Notiz. Ebenso mag man die Ueberscha-
tznng des ehrwürdigen Ilooker aus des Vf. Stellung an einer schotli-
sehen Universität e^lärcn. Sp. sagt von dieses Geistlichen ^ kirchli-
cher Verfafsung': mehr als ciceronianisch in seiner stilistischen Fülle
und Würde, besitzt sie bei allem Keichthum eine majestätische Ein>
fach he it ' und gleich darauf: * seine Perioden sind allerdings
im allgemeinen viel zu lang und zu verwickelt (!)'. — Auch
Shakespeare wird als Versificalor überschätzt; behauptet doch Sp.
geradezu , dafs die Anwendung der englischen Sprache auf metrische
Composilionen durch Shakespeare vollendet worden sei und dafs es
schwer fallen würde, irgend eine Verbefserung zu entdecken, die sie
nach dieser liichtung seit Sh.s Zeit empfangen hätte! Gilt denn das
Streben mehrerer neuern Dichter — namentlich mehrerer Lyriker, wie
eines Tennyson, Shelley, Longfellowu.a. — nach einem vollendetem,
feiner ausgebildeten Versbau für gar nichts? Haben sie neben man-
chen Künsteleien nicht auch feinere Versformen ausgeprägt als der
hierin sehr einseitige Shakespeare? Dieser Heros veranlafst uns zu-
gleich, der höchst bornierten BegritTe Erwähnung zu thun, die Sp.
von der Bedeutung der Bühne sich gebildet hat. *Sie schrieben sämmt-
lich für die Bühne' sagt er von den Dramatikern zu Sh.s Zeit, * keiner
von ihnen, selbst Shakespeare nicht, schrieb für die Studier-
stube. Dafs dies ihr Zweck war, trug ohne Zweifel dazu bei, den
Ton ihres Geschmacks sowohl wie ihrer Moral herabzustimmen.'
Hat denn je ein Dramatiker daran gedacht nur für die Studierstube
zu schreiben, und wenn es einer that, verdiente er wirklich noch den
Namen eines wahren und grofsen Dichters? — Ebenso auffällig ist
die Behauptung, dafs das Drama durchaus nur in metrischer Form
denkbar sei. Die Gefahren moralischer Corniption, ^welche das Drama
des neuern Europa stets begleitet hat', (armer Schiller!) werden
nach Sp.s Ansicht durch den Gebrauch der Prosa bedeutend gesteigert.
Wahrlich, nicht die poetische Form gehört nothwendig zum Wesen
des Dramas, sondern umgekehrt die jemalige ideale Auffafsung irgend
einer Sphaere des rein menschlichen Handelns und Wirkens verlaugt
eine poetische oder in besondern Fällen wohl auch eine prosaische
Einkleidung. Wenn übrigens Sp. selbst von Shakespeares argen mo-
ralischen Flecken spricht, so finden wir es ganz erklärlich, dafs er
Drydens Lustspiele in jeder Beziehung schlecht nennen konnte. Wie
310 W. Spaldiug: Gcschiclitc der englischen Literalar.
anders weiTs ihn z. B. der für das Verständnis einer Dichternatur §0
reich begable Th. Campbell zu charakterisieren und zu ^ardigen!
(Gesch. d. engl. Poesie, übertragen von Dr. Strahl S. 150 ff.) Den
Edmund Spcnser hebt dagegen Sp., wie uns scheint, über Verdienst
hervor; er soll sich in seinem ernsten, sittlichen Enthusiasmus noch
höher als das befreite Jerusalem aufschwingen. Er erhebt sich wohl,
aber wie massige, mit Zieraten überladene Spitzbogen einer Katbe<-
dralc, während Tasso sich gen Himmel aufschwingt wie ein junger
Adler. Wenn aber Spenser bewundert wird , so wird Milton auf einer
Leiter von lauter Superlativen bis in den siebenten dichterischen Him-
mel emporgezogen; und doch können wir uns recht wohl manchen ge«
bildeten Leser denken, dem Slillon unverständlich und ungeniefsbar
bleibt. Milton elektrisiert den mit ihm zusammen\virkenden Geisl de»
Lesers wie durch Leitungsdrähte. Er skizziert und überläfst es ande-
ren, die grofsartigen Umrifse auszufüllen. — An Popels Deismus
nimmt Sp. grofsen Anstofs und der Uebersetzer lehnt sich hier förm-
lich gegen ihn auf, indem er Sp.s Ausdrücke mildert und Fragmente
aus dem * Versuch über den Menschen' aufnimmt. Wir billigen dies
nicht; der Text muste durchweg die genaue Uebersetzung geben; dem
Uebersetzer Standes aber natürlich frei, seine subjective Ansiebt in
Anmerkungen zu entwickeln, wie er dies auch gleich nachher thut.
Lord ßolingbroke wird höchst einseitig charakterisiert. Noch viel
schlimmer aber ergeht es dem armen Swift. Seine Berühmtheit wird
geradezu mit der Notorielät verglichen, die jemand dadurch erlangt,
dafs er sich an den Pranger stellt. Mag in Swift immerhin die laxe
Moral seiner Zeit sich deutlich abspiegeln, dennoch halten wir eine
solche Abfertigung für höchst ungerecht. W. M. Thackcray gibt in
seinen ^ englischen Humoristen', so widrig auch hier und da sein Stre-
ben wird, die psychologische Analyse und die sarkastische Ironie auf
das feinste zuzuspitzen, ein wahreres und keineswegs geschmeichelte»
Bild von den grofsen Dean. Weiterhin sind die Urtheile des Vf. über
Wesen und Werth philosophischer Leistungen ganz unzureichend und
oft auch ungenau. Die englische Ilochkirche hat stets Front gemacht
gegen jedes tiefer eindringende philosophische Studium, und auch in
unsern Tagen , wo der Einflufs der deutschen Lilteratur auf die eng-
lische sich auf alle Gebiete auszudehnen anfängt, kämpfen die Univer^
sitäten gegen die deutsche Pliilosophie wie gegen ihren Erbfeind. So
erklart es sich, dafs man über die Bacon und Hobbes, über Locke,
Hume, die Moralisten und die Schotten nur gründliche deutsche Werke
nachlesen kann. Der Komanschriflstellerei und überhaupt der leich-
tern Belletristik gegenüber ist Sp. , wie schon angedeutet wurde, im-
mer voller Vorurtheile. Er will nicht zugeben , dafs sich ein dichte-
rischer Gedanke in eine prosaische Form kleiden lafse, ein Jean Paul
ist ihm eine Unmöglickeit und selbst Walthcr Scoll's Leistungen er-
scheinen ihm als ein Zeichen, dafs das poetische Licht des Zeit-
alters im Erlöschen war; und doch weifs er die neuesten poetischen
Ster"c, die gleich nach ihm aufgiengen, enthusiastisch genug xu be-
W. Spalding^: Geschichte der englischen Literatur. 311
wundern und treffend zu würdigen! Merkwürdigerweise hat er für die
poetischen Erzählungen in Moore'^s Lalla Üookh kein Wort der Aner-
kennung, dagegen hebt er die unerquicklichen und ganz undarslell-
baren Tragoedien der Joanna Baillie weit über Gebühr hervor. An
dergleichen leeren Abstractioncn menschlicher Neigungen kann nur
ein Kritiker Geschmack finden , der es dem Romanschriftsteller zum
Fehler anrechnet, wenn er Thatsachen oder Charaktere zu dem Niveau
der Sentimentalität herunter bringt oder sie nicht *so weit verfälscht,
als es das Gesetz der poetischen Verschönerung nothwendig
macht'. Es ist ganz natürlich, dafs unter solchen Voraussetzungen
die neuste sehr hervorragende Komanlitteratnr der Engländer wenig
Anerkennung findet, ja dafs Sp. behaupten kann, Prospero's Zauber-
stab liege mit W. Scott unter den liuinen der Dryburgh-Abtei begra-
ben. Marryat''s Seeg^chichten erscheinen ihm ^chimsy', der Trollope
Charakterbilder sind * rough atid (?) clever caricaturcs'. Wer ferner
von Dickens sagen kann, seine Geschichten seien mit kleinlichen Ein-
zelheiten überladen (encumbered), er vermöge es nicht sich in die
höhern Welten der Einbildung aufzuschwingen, er sei nur ein schar-
fer und mitfühlender Beobachter für Scenen, deren Niedrigkeit absto-
fsen oder deren moralische Fäulnis abschrecken könnte, der hat eben
Dickens nicht verstanden. — Was die Kritik anbetrifft, so wird Hal-
lam fast zu sehr gepriesen und ebenso wie Warton öfter benutzt. Der
grofsc Einflufs, den die deutsche Litteratur während des 19n Jahrhun-
derts auf die Engländer und besonders die Schotten ausgeübt hat,
wird übrigens gebührend anerkannt. Die am Schlufs gegebene Cha-
rakteristik der neusten amerikanischen Litteratur ist noch zu unvoll-
ständig und flüchtig, um selbst mäfsigen Ansprüchen zu genügen.
Dagegen verdient die kurze Geschichte des Ursprungs und der Ent-
wicklung der englischen Sprache, welche nur eine Einleitung in ein
wifsenschafiliches Studium geben soll, aber schon tiefer in dasselbe
einführt^ als ein kleines didaktisches Meisterstück die wärmste Em-
pfehlung. Der Uebersetzer hat sie mit Recht als Anhang an das Ende
des Buches gestellt, während sie im Original dem Zeitalter der Refor-
mation vorangestellt ist.
Schon aus unserer beiläufigen Charakteristik des Spaldingschen
Stils wird sich ergeben, dafs die Ueberselzung keineswegs leicht war;
die Sprache eines englischen Khetorikers zeigt, um nur öines zu er-
wähnen, ganz andere attributive Verhältnisse, als sie im Deutschen
möglich sind. Ein paar Beispiele mögen zugleich zeigen, wie sich
der Uebersetzer zu helfen weifs. Er übersetzt indiynqnt freedom
freimfithiger Tadel, familiär realtty schlicht realistische Hallung, an
irregulär stateUness ein eigcnthümlich stattlicher Klang. Für persua-
siveness bildet er Ueberredsamkeit, für imaginative einbildsam, für
»ufßciency Zureichenheil; slang wird wiedergegeben mit Bummelspra-
che, finical mit zimperlich, hungers mit Flaneurs, obstrusite mit Mn
die Quere kommend' , Ihey impress us mit ^ sie packen uns' , not yet
emergedfrom histeens milMcr noch nicht aus seiner ersten Zehen heraus
312 W. Spalding: Gcschiclile der englischen Lileratuf.
>var% Ihevariefy mit ^ das Nebeneinander' u. s. w. Ist hiervon schon
einiges sonderbar, so treten uns aber auch wirkliche Härten und An-'
glicisinen entgegen, wie z. B. ^Baxter lebte, um die Hevolution su
sehen; — das Buch ist geeignet, uns nur wenig zu befriedigen; —
Shakespeare war nicht faul, sich ihre Schätze anzueignen; — Thomas
May'^s Werk ist weniger gefeilt und beredt, als uns seine poetischen
Neigungen zu erwarten verführen könnten' u. s. w.
Die Zahl der angegebenen Druckfehler und Berichtigungen läfst
sich ungefähr verdoppeln. Wir lafsen das unbedeutendere weg und
bemerken nur folgendes : S. 77, 2 v. u. lies Statins für Tatius ; S. 203, 2
V. 0. Drummond für Drumond; S. 277, 16 v. o. Marvell für MarwelL
Walter Halcigh starb nicht I6L9, sondern den 29. October 1618. SkeU
ton starb 1529. Pope und Swift starben nicht 1747, sondern I7i4.
Fielding ebenso nicht 1767 , sondern 1754. Wifton und Slontgomery
starben — freilich nach der Publication des Buches — 1854. Ein —*
im Original fehlendes — Uegisler ist der Uebersetzung beigefügt, de^
ren äufsere Ausstattung anständig ist.
Dessau. C, Böltger.
Kürzere Anzeigen.
Pialos Phaedon für den Schulzwcck sachlich erklart von Dr. Her'^
mann Schmidt. Programm des Gymnasiums zu Wittenberg Ostern
1854. 38 S. 4.
Wenn Ref. mit dem Zwecke übereinstimmen konnte, welchen der
Hr. Vf. dem vorliogcMidcn Wcrkchen vorzcichnete, so liefse sich sein
Urthejl in wenigen Worten zu.sammonrafsen. Denn wie 2U erwarten
war, begegnen wir in ihm einer sorgsamen, mit Krnst und Liebe inr
Sache pianmäfsig durchgeführten Arbeit, weiche den Fachgenofsen eine
reiche Anzahl sachlicher Erklärungen zum platonischen Phaedon bietet*.
Aliein die Sache liegt so, dufs alle Meinungsverschiedenheit des Ref.
in einzelnen Punkten aus einem principlell verschiedenen Standpunkt
hervorgeht. Denn seiner Ansicht nach ist der Phaedon zur Lecture
auf Gymnasien durchaus nicht get^ignet; darum kann er auch keine
Erklärung desselben für den 8chulzweck als geeignet anerkennen. Bei
dieser Lage der äarhe schien es ihm anfangs nicht gerathen, die An-
zeige eines Werkchens zu übernehmen, das er von vorn herein für nn-
nöthig halten muste. Dennoch entschlofs er sich dazu, theils weii die
Frage, ob Her Phaedon aU Unterrichtsgegenstand in Gymnasien auf-
treten solle oder nicht, von grofser Wichtigkeit und weitreichendem
Interesse ist, theils weil ihm die vorliegende Arbeit einige Haltpnnkte
an die Hand gab, auf die er seine lVIcinun|; mit begründen konnte.
AllerdingM mufs die Begründung derselben im wesentlichen auf den
Dialog und seinen Inhalt selbst zurückgehen; aber es schien doch
etwas werth zu sein, wenn die Darlegung der Gesichtspunkte, auf
weiche die ei'rne Meinung sich stützt, zugleich an dem Versuch eines
crlahrenen Schulmanns, praktisch das Gegentheii zu enveiven, eine
H. Schmidt: Piatos Phacdon. 813
^«nn anch nur negativ bestätigende Grutidlagci erhalten konnte. Eine
vollständige Durchfuhriirfg der einzelnen Beweisgrunde, die sich bis
in das ganze hier in Frage kommende Detail ausbreitete, wird ohne-
hin in dieser Zeitschrift nicht erwartet und beansprucht werden. Ref.
halt sie auch für unnöthig. Denn in praktischen Fragen wird die
Ueberzengung doch nur bestimmt durch zwei einander entgegengesetzte
Factoren: entweder die Erfahrung, aber die kann hier nicht in Be-
tracht gezogen werden; oder durch allgemeine Gesichtspunkte, diese
aber leuchten, nur einmal ausgesprochen, von vorn herein ein,
oder erscheinen unannehmbar. Darum glaubt Ref. sich auf die Mit-
theilang der Bedenken beschränken zu können, auf welche sein viel-
leicht von der Meinung der Mehrzahl seiner Fachgenofsen abweichen-
des Urtheil sich stützt.
AU das wichtigste erschien ihm die Ueberzougnng, die er ans
wiederholter L(>ctüre des Phaedon gewinnen muste,- dafs auf dem
Standpunkt einer Prima ein selbst nur annäherndes Verständ-
nis dieses Dialogs sich nicht erzielen lafse. Sie geht hervor
aus den Anforderungen, die der Dialog an den Leser stellt. Darunter
ist die erste, eine übergrofse Masse von Stoff zu bewältigen, der in
dem ^inen Dialoge zusammengedrängt wird. Nur der philosophische
Gedankeninhalt soll hier in Betracht kommen. Vor allen Dingen nmfs
man dabei im Auge behalten, dafs der Phaedon ein zusammen-
fafsender Dialog ist, der, entstanden in der Zeit der fast vollende-
ten platonischen Philosophiej die Resultate der vorausgegangenen Ent-
wicklung sämmtiich verarbeitet und darum nach allen Seiten hin in
die weiten Kreise philosophischer Probleme eingreift. Allerdings hat
er auch seinen Einheitspunkt: das ist die Psychologie. Aber die Dar-
stellung derselben greift nothgedrungen hinein in die Ethik, Logik,
Metaphysik und Geschichte der Philosophie und zwar mit Ausnahme
der letztern nicht blofs in Nebenpunkten, die beiläufig zur Sprache
kämen, sondern in den Kern und Quellpunkt dieser Disciplinen selbst,
weil sie im Leben der Seele ihren Ursprung, Begründung, Mafs und
Inhalt gewinnen. Ein flüchtiger Blick in den Dialog kann von der
Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen. Der erste Theil weist nach,
dafs der wahre Philosoph die Trennung der Seele vom Leibe, also
den Tod erstreben müfse ; trotzdem aber dürfe er sich selber nicht das
Leben nehmen. Der ethische Gehalt des letzteren liegt auf der Hand ;
aber auch das erstere ist rein ethisch gefafst. Indem die Interessen
der Seele der Sinnlichkeit des Leibes, seinen Trieben und Begierden
gegenübertreten, steht man ganz auf ethischem Boden. Der Unter-
schied der sogenannten philosophischen und gemeinen Tugend wird
erörtert und die Identität von Wahrheitserkenntnis und Tugend be-
hauptet. Obwohl aber demnach das wesentliche der sokratisch-pla-
tonischen Ethik zur Sprache kommen mufs, nimmt doch die ganze
Untersuchung von p. 61 C — 69 D einen verhältnismäfsig nur gerin-
gen Raum ein. Das kommt daher, weil Plato die Entwicklung und
Begründung der Lehre im einzelnen voraussetzen durfte und hier nur
eine allgemeine Recapitulation nöthig hattö. Wiederum vorwiegend
ethischer Natur ist dann der Schlufsstein des Dialogs, der grofse My-
thus, da er die Resultate des ethischen Verhaltens der Seele in diesem
Leben in der Lehre von dem Lohn und der Strafe in jenem Leben zu^
Anschauung bringt. Die Logik, wie wir die Lehre vom Denken seit
Aristoteles nennen, ist in der platonischen Philosophie oder vielmehr
in ihrer dialogischen Darstellung eng vei^achsen mit psychologischen
Und metaphysischen Problemen, aus deren Lösung sie erst hervorgeht.
Darum finden sich logische Erörterungen an den verschiedensten Stel-
len des Dialogs zerstreut. Ich führe nur einige an, aus denen hervor-
K. Jakrb. f. Phit, «. Paed, Bd, LXX. Hft. 3. ^^
314 H. Schmidt: Flotos Phaedon.
gehen durfte, dars eben die Hauptfragen der Logik zor Entscheidqng
kommen, und damit das Nachdenken des Lesers auch nach dieser Seite
in keiner Weise geschont werde. Mit der Wiedererinnerungvlehre ver-
knüpft sich aufs engste die Lehre von der Entstehung der Begriffe
(|>. 74 if.). Damit steht man auf logischem Gebiet, dem der Erkennt-
nistheorie. Was Begrilfe sind, kann aber nicht verstanden vrerden
ohne ilucksichtnahme auf die übrigen Stufen des Erkennens und des
Verhältnisses aller zusammen zu den Ideen und Erscheinungen. Die
I^ehre davon liegt der Beweisführung überhaupt, insbesondere aber von
p. 96 an als stillschweigende Voraussetzung zu Grunde. Daza kommt
nun noch das Verhältnis der Begrilfe untereinander, die Lehre vom
Praedicieren , von absoluten und relativen Begriifen p. 100 if., endlich
von den verschiedenen Methoden des Erkennens und der wahrhaft phi-
losophischen Methode p. 96 ff. Die Metaphysik tritt als die Lehre von
den Ideen und dem Verhältnis des Werdens zum Sein, sowie der Ideen
zu den Erscheinungen in manigfacher Abwechslung als eng verbanden
mit der Psychologie hervor. Die Geschichte der Philosophie wird in
der Kritik pythagoreisch-phiiolaischer und anaxagoreischer Lehren mit
hereingezogen. Man braucht diese Punkte nur zu nennen, der Psycho-
logie, des bezweckten eigentlichen Gegenstandes aller Untersuchungen,
g|iiz zu geschweigen, um zu übersehen, wie viel Schwierigkeiten der
Erklärung des Phaedon schon nach der Masse des Stoffes in den Weg
in;ten niüfsen. Hr. Schmidt konnte natürlich in seiner Arbeit nach
(lieser Seite hin nicht sparsam sein. Am meisten Kaum nehmen die
metaphysischen und eigentlich psychologischen Punkte in Ansprach, am
wenigsten — aus begreiflichen Gründen — die logiseben. Doch be-
handeln die Noten 29, 31, 53, 50, 95 solche Punkte. Ich übergebe
zuiiärhst das einzelne, denn die Behandlungsweise ist die Hauptsache.
Nur in einem Punkte müsten wir selbst mehr verlangen , als Hr. S.
nach seiner eigenen Angabe bei der Leetüre des Phaedon seinen Schü-
lern zu g<*ben für gut hält. Den letzten, aus dem Begriff des Lebens
genommenen Beweis nemlich pflegt er nur seinem Inhalt nach mitiu-
theilen. Es mag seinen Grund wohl in der Erfahrung haben, dafs der
iSewois wie ihn Plato gibt nicht verstanden würde. Wenn aber ein-
miil der Phaedon gelesen wird, so können wir durchaus nicht glauben,
dafs eine blofse Inhaltsangabe die Leetüre dieser Krone des ganzen
Dialogs ersetzen könne. Wie soll überhaupt ein Verständnis der vor-
angehenden Theilc möglich sein, wenn dieser, um deswillen die übri-
gen da sind, dem Verständnis unübersteigliche Hindernisse in den Weg
legt ? Die Thatsache, die uns Hr. S. mittheilt, könnte als Erfahrungs-
beweis für unsere Ansicht geltend gemacht werden. Doch man prafe
weiter die^ Forderungen, welche der Inhalt des Dialogs an den Leser
oder Erklärer stellt. Diese sind theils allgemeiner Art, sofern wir es
mit philosophischen Problemen überhaupt zu thun haben, für welche
eine bestimmte Art der Lösung durch unsern Philosophen versucht
wird, theils besonderer oder individueller Art, Schwierigkeiten, die
nur das platonische Philosophieren mit sich bringt. Ich will zunächst
beide andeutend hinstellen und dann zusehen, wie Hr. S. diesen For-
derungen zu genügen und die Schwierigkeiten zu bewältigen suche.
Man will nemlich bei der Leetüre des Phaedon philosophisches Denken
überhaupt erst heranbilden und hält d ies darum für einfach und leicht,
weil es nur darauf ankomme, die Ansicht Piatos, das was er jedesmal
uninittelbdr sage, zum Verständnis zu bringen, bedenkt aber cfabei die
Voraussetzungen nicht, die nothwendig erst erfüllt sein müfsen, ehe
ein Verständnis möglich wird. Dazu gehört ersten! Bekanntschaft mit
«len Thatsachen, sei es der Erscheinung oder des Denkens, seien
Kie realer oder idealer Art, welche die Frage, das philosophiscl^ Pro-
H. Schmidt: Piatos Phacdoo. 3l5
olera selbst und damit das Bedürfnis seiner Losung erweckten. Oft
%vird diese vielleicht schon in der versuchten Losung mitgegeben oder
aach bei der Vorbildung eines Primaners als bekannt vorausgesetzt
Werden konni^n; im Phaedon z. B. grofstenthells in jenen ethischen
Problemen ; anders aber wird es bei der AViedererinnernngsIphre (That-
Mtcben der Ideenassociation) , der Erkenntnistheorie, der Jdeenlehre u.
•• w. sich gestalten. Da mfiste also der Ueberblick über die Thatsachen
▼om Lehrer nachgeholt werden. Doch hier erscheint auch mir die
Sache so schwierig noch nicht. Denn dem Zwecke des Unterrichts ge^
mafs läfst sich eine gewisse Beschrankung üben. Die Hauptschwie*
rigkeit aber liegt zweitens darin, dafs der Leser, soll er wirklich ver-
•teben, mit der Natur des Gegenstandes selbst vertraut sein mufs.
Dies darum, weil eine historisch versuchte Losung eines Problems
niemals blufs als HeHultat kann verstanden werden. Kn mufs viel-
mehr die Stellung, welche der Philosoph zu dem Coniplex jener Tliat-
Mchen einnimmt, welche das Problem hervortreihen, mitverstanden wer-
den. Hierzu aber bedarf es der Vertrautheit mit deit manigfachen Be-
grilTsrichtungen oder Auffafsungen, welche die Natur des Gegenstandes
möglich macht. Die positiven Seiten müfsen zuerst bekannt sein, ehe
man verstehen kann, welche Schranken in dieser historisch versuchten
Losung sich geltend machen. Soviel über die Sache selbst, so schwie-
rig sie auch ist. Da nun jene zu dem Verständnis befähigenden Vor-
aussetzungen durchaus fehlen, so wird dem Lehrer nichts übrig bleiben,
als bei der Leetüre des Phaedon zugleich Philosophie nach fast allen
ihren Theilen zu lehren. Wem dies eine erwüuMchte Aufgabe ist, mit
dem können wir nicht rechten. Nur soviel sei hier gesagt, dafs jenes
Nachholen der fehlenden Voraussetzungen, eben weil e» nur nothge-
drungen und nothdürftig geschieht, allzuleicht, wenn nicht immer, in
eine ganz verwerfliche Kritik der Ansicht Piatos nniHchlagen wird. Das
Ist aUdaim höchst gefahrlich; denn es wird wahrhaft wii»enschaftlicher
AuffafMung solcher liiKtorincher Erscheinungen auf diese Weise geradezu
entgegengearbeitet. Die Wifsenschaft kennt auch eine Kritik, aber eine
solche, die objectiv in der bis ins einzelne klaren Zerlegung und der an
die Sache selbst sich anseht iefsenden Darstellung der eigenthnmlichen
Art, wie die Lösung vor sich geht, mitgegeben wird. Jene subjectivc
Kritik aber, wie sie hier nur um des unmittelbaren Verständnisses des
vorliegenden Objectes willen geübt wird, ist ihr fem und widerstreitend.
Schon aus diesem Grunde sollte man die Leetüre des Phaedon vom
Gymnasium verbannen.
Dies sind Schwierigkeiten allgemeiner Art; für Plato kommen noch
besondere hinzu: zunächst der Unterschied antiker und moder-
ner Anschauungsweise. Plato steht im Mittelpunkt des griechi-
•chen Lebens und Denkens; eines der glänzendsten Prodncte der helle-
nischen Welt. Das möchte man vielleicht gera<le als Grund gelu>n<l
machen, dafs ein Werk von ihm, wie der Phaedon, das in «ich so ab-
geschlofsen echt antike Anschauung athniet, in derselben Schule doch
wohl vorzugsweise zu lesen sei, in der man in den Dramen des Sopho-
kles die edelste Nahrung für den jugendlichen Geist erblicke. Mit Un-
recht. Der verschitMlene Inhalt ändert die ganze Sache. Dort tritt uns
antikes Leben und Denken als Leben, hier als Denken entgegen. Der
Unterschied antiken und modernen I^bens versteht sich unmittelbar;
des Denkens über bestimmte Objecte nur, wenn der Gegensatz wirklich
daneben tritt. Der Schüler hat ihn noch nicht in sich, wie er selbst
doch im modernen Leben steht; er rauste also von aufsen hinzugethan
werden. Darum aber können wir auch die antike Philosophie im Gym-
nasium nicht lehren wollen, weil wir der modernen keinen Zutritt ge-
statten mögen. Das besondere endlich wird in Plato individuelL
21*
316 II. Schmidt: Platos Phacdon.
Die Grundlagen platonischer BegrifTsentwicklung sind innere Anschannfl-,
gen. Nichts aber ist, zumal in unserer Zeit, so schwer als innere
Anschauungen klar zu machen; gar Suf dem Standpunkt eines Prima-
ners. Es setzt einen allseitigen Bildungsgang und nur durch eigene
Erfahrungen zu erwerbendes Vermögen yoraus, in die innere Gestal-
tung fremder Seelenthätigkeit einzudringen. Doch dieser Forderung
zu genügen mochte in der That der Wifsenschaft vorbehalten bleiben.
Wir hätten Unrecht sie hier zu erwähnen, wenn nit:ht aus dem eigen«
thümlichen Quellpunkt des platonischen Philosophierens auch eine eigen-
thümliche Art der Gedankenfügung, der Behandlung begrifflicher Pro-
bleme und idealer Objecte überhaupt hervorströmte. Man spricht viel
von der platonischen Methode und liält sie wegen ihres propaedeutiscben
Charakters für gar geeignet, in unseren Gymnasien als Uebuncaschaie
für ein geordnetes Denken zu dienen. Wohl, wenn man es mit einfa-
chen begrifflichen Untersuchungen zu thun hätte. Aber der Phaedon
ist ein gar complicierter Dialog. Weil nun Plato alles einzehie aaf die
materiale Grundlage seiner ganzen Philosophie zuruckbezieht , in .der
erst die volle, concentrierte Wahrheit für ihn liegt, so erhält die An-
wendung seiner Methode im Zusammenhang hiermit eine nicht geringe
Schwierigkeit. Denn es wird nunmehr für Plato Bedürfnis, in der Be-
handlung der Objecte durch die verschiedenartigsten Begriffsreihen hin-
durchzugehen und den Leser seines Dialogs zu nöthigen, sich den Ein-
heitspunkt selber zu suchen. Man hat es daher gar oft nicht blofs mit
einem äufscrn Zusammenhang der Begriffe, sondern mit einem innern,
von jenem gar oft divergenten zu thun. Die ganze Masse der Begriffe,
welche zur Anwendung kommt, steht in einem vorgedachten Zosam-
menhang und von diesem Faden mufs man sich leiten lafsen, wenn man
verstehen will, d. h. aber man mufs erst das ganze verstehen und
aus diesem das einzelne. Wie kann das bei einer einmaligen Lec-
türe auf dem Gymnasium erzielt werden? Ref. mufs sagen, dafs er
es an sich betrachtet für leichter hielte mit Primanern eine Schrift
von Aristoteles oder Spinoza zu lesen als den platonischen Phaedon.
Denn ihre Behandlung eines Objectes geht doch änfserlich in einer
geraden Linie fort, so dafs der Lehrer nie nach dem Faden viel in
suchen braucht; aber das platonische Denken strahlt von Einern noch
dazu oft verborgenen Mittelpunkt nacli allen Seiten zugleich an«w
Hieran schliefet sich weiter, dafs ein platonischer Dialog auch alt
Kunstwerk in seinem eigenthümlichen Bau begriffen werden maffl.
Das hat aber auch seine eigenthümlichen Sch\%ierigkeiten, weil die
Form vom Inhalt bestimmt wird, und der Fortschritt der Gedanken-
entwicklung auf dem innern vorgedachten Zusammenhangs dee einiel-
nen beruht.
Hier dürfen wir denn Halt machen, um zuzusehn, wie Hr. 8« aick
diesen Forderungen und Schwierigkeiten gegenüber verhalte. Eher war
es nicht möglich, \%eil sie meist alle in der Praxis bei einem einsigea
Punkte sich untereinander verweben, nicht, wie wir sie entwickeln
konnten, abgesondert voneinander bestehen. Ich beginne mit dem
letzten Punkte. Für ihn hat Hr. S. in seinen Erklärungen am allere
wenigsten gethan. Der künstlerische Bau des ganzen wird an keiner
einzigen Stelle dargelegt. Er begnügt sich damit das einielne ra
erklären und höchstens die äufseren Uebergange von dem einen %üm
andern anzugeben. Allein damit ist wenig geholfen. Vielleicht dorfte
man es nach \nalogie von N. 37 für genügend erachten, die Composi-
tinn des Dialogs mittelst eingehender Dispositionen klar sn machen.
Aber ein Abscheiden der einzelnen Theile voneinander kann hier nicht
genügen, wo nicht jedesmal ein Moment eines Beweises abgehandelt
wird, sondern das frühere gewissermafseu im spatern und amgekehrt
H. Schmidt: Platos Phaedoo. 317
•nihaiten ist ond jedes einzelne schon das ganze in sich tragt, nur
der Standpunkt der Betrachtung wechselt. Wie sollte aber auch durch
eine blofse Disposition zum Bewnstsein kommen, dafs allem einzelnen,
zumal das aus Tersehiedenen anderen philosophischen Disciplinen für
psychologische Untersuchungen entnommen ist, wie ethisches, logisches,
metaphysisches, seine ^othwendige Stellung zu Theil geworden ist?
Doch ich will, wenn ich diesen Mangel an der Arbeit des Hrn. S.
heryorhebe, und das sei auch für das folgende gesagt, nicht etwas
tadeln, was in einer andern Arbeit für denselben Zweck hätte befser
gemacht sein können, sondern nur zeigen, wie sehr die Sache selbst
den Zwecken widerstrebt, zu denen man sie rerwenden will. Wenden
wir uns nun einzelnem zu. Wenig Beispiele werden genügen. P. 74 A
kommt Plato auf die Ideen zu sprechen. Ein Primaner weifs noch
nicht, was Ideen denn eigentlich sipd, am wenigsten was Plato darun-
ter Tersteht. Hr. S. mufs die Thatsache nachholen. Man lese Note
29 nach und frage sich selbst, ob nicht jeder Satz für einen Prima-
ner wieder einer besondern Erklärung bedürfe. Ich will nur das haupt-
sächliche der Definition anführen, um zu zeigen, durch wie verschie-
denartige Begriifsreihen sich das Verständnis hindurch winden müfse.
Sie lautet: 'Die Ideen sind dem Plato die unwandelbar für sich be-
stehenden, körperlosen aber doch substantiellen und Realität an sich
habenden Gestalten und Urbilder, die Ton Ewigkeit her in einem über-
sinnlichen Ort gewesen sind und nach denen die Grottheit die Welt mit
allem was darinnen ist geschaffen hat. Es sind also die ewigen Gedan-
ken Gottes, denen als solchen Geist und Leben, Realität und substan-
tielles Sein zukommt.' Ich will Ton der philosophischen Kunstsprache,
deren Verständnis doch auch Uebung erfordert, ganz absehen; die
Sache selbst ist schwierig genug. Es sollen Wesen gedacht werden,
die mit dem, was der Schüler bis jetzt unbewust als das substan-
tielle, reale angesehen hat, durchaus nicht können zusammengestellt
oder verglichen werden und doch substantiell und real sein sollen.
Der Schüler v^eifs von Korpern, von Geistern und von Wesen, die
ans beiden zugleich bestehen. Aber die platonischen Ideen sind keines
von allen dreien; sie sind keine Korper; aber körperliche Attribute
wie Gestalt, Schönheit können ihnen dennoch beigelegt werden; sie
sind auch keine Geister; aber sie haben doch 'Geist* oder Verstand,
Bewustsein. Sie heifsen 'Gedanken Gottes', aber sie sind doch nicht-
blofse Gedanken ; sie sind substantiell und mit selbständiger Exi-
stenz begabt. Sie sind Gedanken einer Persönlichkeit, aber doch
ewig substantiell. Sie sind an einem Orte, aber dieser Ort ist
nicht sinnlicher Art. Sie sind Urbilder; aber diese Urbilder sind
substantieller als die Dinge selbst, die der Schüler als unreale Er-
scheinungen, Abbilder soll begreifen lernen. Und alles das soll er
Ideen nennen. Mufs er sich da nicht zunächst mit dem Begriff von
Idee, der ihm seither unbewust inwohnte, auseinandersetzen? aber
wenn er das soll, mufs er auch wifsen was Begriffe sind und wie sie
entstehen; das soll er ja auch von Plato lernen; aber der lehrt es ihn
anders, als er bei seiner Auseinandersetzung mit sich selbst wird zu-
gsben können. Er geräth in Unklarheit, Widersprüche in seinem
enken. Der Lehrer mufs helfen; er mufs ihn Logik lehren. Ich
habe oben die Noten angegeben, in denen Hr. S. sich genöthigt fühlt,
dies in der That nicht blofs von platonischem Standpunkt aus zu thun.
Da stürmt aber alsbald eine solche Masse neuer Begriffe auf das noch
gar ungeübte Denken ein, dafs sich von allem im besten Falle nur
allgemeine, in sich unklare Nebelbilder festsetzen werden. Das ist
aber dem Verständnis des Dialogs höchst gefährlich. Denn auf die
Begriffe wie z. B. der Ideen gründen sich nur die Beweise. Wie kön-
gj^g H. Schmidt: Platos Fhaedon.
)ien aber diese verstanden werden, wenn in der Seele des Schnlerf
nur erst Abstractionen sich festausetzen begonnen haben, während
Plato ganz concrete Anschauungen seinen beweisen unterlegt? Wei-
tere Beispiele dieser Art bieten sich genug dar. Man vgl. e. B. N. 36,
37 4(> 51, 85, 89, 9* u. a. m. Belehrend können in dieser Hinsicht
auch die Fälle sein, in welchen die Principien torausgegangener Phi-
losophenschulen behandelt werden, wie in N. 56, 75, 76, 78, 80, 8K
Dabei kommen die entgegengesetztesten Richtungen philosophischer
Weltanschauung, wie Materialismus -- Spiritualismus, Realismus —
Idealismus zur Sprache. Und doch wird in manchen Fällen wiederum
zu wenig für das Verständnis der unmittelbar vorliegenden Gedanken
Platos nachgeholt, z. B. in N. 50, wo es zu unterscheiden galt zwi-
schen Meinen und Vorstellen einerseits und Wifscn und £rkennen an-
drerseits. Jenes wird in die Mitte gestellt zwischen sinnliche An-
schauung oder Wahrnehmung und Begriflserkenntnis. Denn wenn es
einmal darauf ankam, die Auffafsung Platos Ton den verschiedenen
Krkenntnisstufen zu besprechen, so kann man unmöglich den Zusam-
menhang des subjectiven Erkennens und seiner Stufen mit den Objeo-
ten unerörtert lafsen oder als Nebensache hinstellen. Dann mufs aber
die schwierige metaphysische Frage vom Sein und Nichtsein der Dinge
u. s. w. klar gemacht und gezeigt werden, wie auf dieser Anschauung
die ganze Erkenntnistheorie Platos beruhe. Aehnlich wenn in N« 89
das Verhältnis der Erscheinungswclt zu den Ideen zur Sprache kommt.
Mit den Bogrilfen nagovaCa und %oivoivCa hat man erst ein unbestimm-
te« Bild. Wie die Sache objectiv zu denken ist, mufs verstanden
werden. Doch wir behaupteten auch, dies Eingehen auf die Natur
des Gegenstandes, des philosophischen Problems an «ich werde allzu-
leicht in eine Kritik der platonischen Ansicht umschlagen, weil man
dadurch den Zweck, die Ansicht Platos klar zu machen, auf dem
kürzesten Wege glaube erreichen zu können. Diesem Streben huldigt
der Hr. Vf. in grofsem Mafse. Ich werde bald Gelegenheit haben,
dasselbe von anderem Staudpunkt aus hervorzuheben. Hier nur soviel.
Kunhardt hatte in seinem Buche 'Platos Phaedon mit besonderer Rück-
sicht auf die Unsterblichkeitslehre erläutert und beurtheilt' unter an-
derm auch S. 33 Plato einen Vorwurf daraus gemacht, dafs er das
Sehen und Hören von der Geburt an als eine seine Ideen und Wie-
dererinnerungslehre beweisende Thatsache annimmt. Er selbst sieht
nichts befseres darin als Taubheit und Blindheit. Hr. S. kritisiert
nun auch seinerseits jenen Ausspruch Platos. Aber statt dafs er sich
lediglich daran hielte nachzuweisen, inwiefern allerdings Plato von
i^einem Standpunkte aus die Transcendenz der subjectiven Erkenntnis
der Ideen aus jener Thatsache mit beweisen konnte, weil diese durch
sinnliche Wahrnehmungen nicht direct gegeben wird, wohl aber in
ihnen enthalten ist, sinnliche Wahrnehmungen aber bis in die frühste
Kindheit zurückreichen: schleicht sich des Hrn. Vf. eigne Anschauungs-
weise unvermerkt ein und zwar in keiner geringeren Frage, als ob
die Seele eine tabula rasa sei oder ob ein Inhalt mitgebracht und ein-
geboren sei, welcher Art er auch sein möge. Dadurch wird aber id
der That , weil fremdartiges in das platonische hineingetragen wird,
nur damit dieses einigermafsen verständlich werde, der Unterschied
zwischen platonischer und moderner Anschauung geradezu verwischt.
Dies« Betrachtungsweise setzt sich in Nt»te 37 am Ende fort, wo der
Hr. Vf. ausdrücklich erklärt, die materielle Wahrheit des Be-
weises für die Praeexistenz der Seele aus der Wiedererinnerungslehre
prüfen zu wollen. Der Unterschied antiker und moderner Anschauung
wird vom Hrn. Vf. überhaupt nur wenig beachtet. Ks mag das viei-
It'icht IUI ganzen, so lange nicht das erste Interesse richtigen Ver-
H. Schmidt: Pialos Phaedon. 319
«tindiUMes Terletzt wird, ein Vorzog sein. In hinein Ponkte aber
wird ein entschiedener Gegensatz zum Nachtheil für die wichtigsten
Zwecke de» Gymnasialuntt^rrichts geradezu aufser Acht gelal'sen und
nach der entgegengesetzten Seite gefehlt. Davon unten.
Wir haben bis jetzt nur die Schwierigkeiten der Sache selbst be-
trachtet und Anforderungen gefunden, weiche unseres Dafürhaltens in
dem Gymnasialunterricht nicht können erfüllt werden. Stellen wir
uns nun auch auf den Standpunkt der Schule. Die Schule hat nach
ihren eignen Zwecken den Bedürfnissen der Schaler gemäfs, je nach
der Stufe ihrer Entwicklung Stoff und Form des Unterrichts zu berei-
ten. Wir mnfsen fragen : ist es für den Primaner auf seiner Stufe in
Wahrheit ein Bedürfnis, ein Werk wie den Phaedon geistig zu bewäl-
tigen, oder tritt man, wenn man es verlangt, nicht andern wichtige-
ren Bedürfnissen und Interessen verletzend in den Weg? Wir niüfsen
nochmals auf den Boden der Sache zurücktreten, um einen nicht un-
wichtigen Kinwand zu beseitigen. Man wird zugeben, der Phaedon
werde allerdings von Primanern nicht vollständig verstanden werden,
aber zugleich behaupten, das sei auch nicht nöthig. Unsere Korde-
rungen seien zu hoch, seien Aufgaben für die Wifsenschaft; der Schuk
komme es nur darauf an ein annäherndes Verständnis zu erzielen und
wenigstens durch diese I^cture für ein zukünftiges gründlichere»
Studium dieses und anderer platonischer Dialoge anzuregen. Man wird
sich auf die Erfahrung berufen, dafs ja kein Schriftsteller der Alten
von den Schülern vollständig verstanden, gar gewürdigt werde vom
Cornelius Nepos an hinauf zum Demosthenes. Und doch lese man sie
mit dem grofsten Vortheil. Die Sache ist wahr; der Schlufs auf den
Phaedon doch verfehlt. Wenn nemlich der Schüler aus jener Leetüre
auch nur ein annäherndes Verständnis mitnimmt, so ist dies doch so,
dafs er auf seinem Standpunkt nichts mehr zum Verständnis des gele-
senen Werkes nach Inhalt und Form vermiist. Ihm fehlt nur das tiefere
Verständnis, das ein höherer geistiger Standpunkt ermöglicht, wie in allen
Dingen, so auch in der Lectnre. Das liegt in der Natur alles geistigen
I^ebens vorgebaut, dafs auch die einfachste Wahrheit nicht eine abge-
schlofsene, fertige Erkenntnis ist, sondern von jeder neuen Erkenntnis-
stufe aus wieder in neuen Zusammenhang der Erkenntnisse eingereiht
wird. Wird daher die Leetüre dem schon vorhandenen geistigen Inhalt
eines Menschen adaequat gewählt, so dafs sie dem Bedürfnis einer stu-
fenmäfsigen Fortbildung entgegenkommt, so ist allerdings ein je nach
dieser Stufe relativ abgeschlofsenes Verständnis zu erzielen.
Darnach bestimmt sich auf der Schule der abgemefsene Fortschritt von
der leichteren zur schwereren Lectnre nach Gedankeninhalt und sprach-
licher Form. Jeder Schüler soll in sich fühlen, dafs er, soweit es ver-
langt wird, das Verständnis des betreffenden Schriftstellers erlangt
habe; was aber von höherem Stand()unkte aus mehr verlangt werden
könnte, kann ihm gar nicht zum Bewustsein kommen. Man liest den
Caesar in der Tertia und erreicht ein relativ abgeschlofsenes Verständ-
nis; in der Prima könnte man ihn von einem höheren geschichtlichen
Standpunkt aus wiederum lesen und eine der Entwicklung der Schüler
entsprechende neue Stufe des Verständnisses ersteigen, von der sie in
Tertia nfthts ahnten. Dieselbe Geschichte trägt man anders in Sexta,
anders in Tertia, anders in Prima vor; wieder anders in akademischen
Vorlesungen. Das Bedürfnis der lernenden bedingt also den Unter-
schied, gegründet auf den in sich abgegrenzten Boden der geistigen
Entwicklung. Dem Bedürfnis folgt die Befriedigung und diese ist
rückwärts der Beweis, ob ein Bedürfnis vorhanden war oder nicht.
Diese Befriedigung wird aber durch die Leetüre des Phaedon Prima-
nern nicht zu Theil werden. Es wird vielmehr alsbald dem
320 H. Schmidt : Piatos Pliacdon.
4;rofstcn Theil «um Bewustsein kommen, wie weit sie hin-
ter allem Verständnis zurückbleiben. Die Kraft wird erlah«
men und mit innerem, wenn g'eich verborgenem Ueberdrufs werden
«ie die schwere Last tragen, die sie freilich anfangs für viel angeneh-
mer hielte«. K« wird noch ein Glück sein, wenn der Zweck zu wei-
terer Platolertüre anzuregen nicht gerade das Gegentheil im Gefolge
hat. So gewis bei den nüttelmäfaig begabten , welche die grofste An-
zahl der Schüler zu bilden pflegen. Die begabten machen vielleicht
dem Lehrer viele Freude, aber er sehe wohl zu, auf welchem Grunde
sie steht. Selbsttäuschung ist da gar leicht möglich; denn Schüler
(lieser Altersstufe pflegen den Lehrer am^ meisten zu bewundern, der
ihnen Dinge bietet, die über ihrem Horizonte liegen, selbst wenn sie
ihn nicht verstehen. Der Drang über die Schule hinauszuwachsen ist
erwacht; was ihnen aus Kreisen geboten wird, die ihrem eigenen Ge-
fühle nach für sie zu hoch sind, scheint sie selber zu ehren. Daher
folgen sie den sogenannten philosophischen Erörterungen des Lehrers
willig; sie freuen sich der höheren, feineren Kost die man ihnen vor-
setzt und geniefsen sie mit "Wohlbehagen. Aber da» Verständnis wird
darum nicht befser; es bleibt halb und oberflächlich, und weil es ver-
meintlich ein sehr bedeutendes ist — - sind ja doch die wichtigsten
Gegenstände menschlicher Erkenntnis ihrem freigegebenen Nachdenken
nnterbreitetl — so sind die Nachtheile um so gröfser. Sie werden zu
wifsen glauben, was sie nicht wifsen; sie werden über alles iirtheilen,
was sie nicht verstehen; sie sind Philosophen, weil man sie philoso-
jihieren läi'st. Es schwiudet die Zucht des Geistes, die am Denken
nicht minder will geübt sein als in der Sittlichkeit. Andere Lehrge-
genstände werden dies schon unmittelbar empfinden; noch schlimmere
Früchte wird die Zukunft bringen, wenn nicht ein scharfes Messer die
verfrühten Auswüchse abschneidet. Da sind denn die anderen, welche
fühlen, dafs sie das Verständnis dieser Dinge nicht erreicht haben,
befser daran als die welche durch Vorwegnehmen ihrer Altersstufe vor-
auseilend statt zur Speculation, wie man will, zur Blasiertheit heran-
gebildet werden. Wahrlich die Freude snäterer Studien wird ihnen
auch verkümmert. Man glaube aber ja nicht in der Leetüre des Phae-
don darum ein gutes Unterrichtsobject gefunden zu haben, weil sie
tüchtige Gedankenarbeit verlange. So lange die Voraussetzungen feh-
len, nie sie durchzumachen befähigen, wird sie auch nicht gethan.
Dagegen verleitet der Inhalt gerade zu einem zuchtlosen Umherschwei-
fen in weiten Gebieten, die man noch nicht beherscht. Nur eine zum
Denken nöthigende Leetüre, die einen sichern Boden unter die Füfse
gibt, von concretem Stoff ist da an ihrem Platz, wie z. B. die Reden
des Demosthenes.
Zu den Forderungen, die wir an unsere Schulen stellen dürfen,
gehört auch die, sie fern zu halten von allen Abstraotionen
und die Richtung auf eine lebensfrische concrete Anschauungsweise
möglichst an fordern. Diese Forderung ist gerade jetzt um so wichr
tiger, als wir das Zeitalter der Abstractionen kaum hinter uns haben
und uns in einem Uebergangsstadium befinden, das nur durch die Hin-
gabe an das wahrhafte Leben des Geistes, das immer individueller Art
sein wird, zn einem rechten Ziele führen kann. Nun ist z%ar Plato
gerade darum so grofs,weil er durchweg concret denkt, und weil seine
Philosophie nicht blofs Doctrin sondern Leben ist. Der Phaedon zeich-
net sich in derselben Weise wieder vor allen andern Dialogen aus. Aber
eben deswegen, so paradox es klingt, ist die Lectnrc auf Gymnasien
bedenklich. Denn soll der Inhalt, der tief>peculativer Art ist, erkISrt
werden, ohne dafs die Voraussetzungen vorhanden sind, so wird die
Gefahr in Abstractionen zu gerathen kaum vermieden werden. Schon
H. SchAidt: Pialos Phaedon. 321
die dem Schaler noch Dnbekannte philosophische Kunstsprache, in die
er eingeführt werden soll, bringt das heutzutage mit sich. Dazu sind
an sich abstracto Themata genug im Dialoge zerstreut: so die logi-
schen Punkte, die Lehre vom Sein und Werden u. a. m. Unserer
Jagend aber liegt leider noch — die Richtung der Zeit, die Einrich-
tung der meisten Lehrbucher u. s. w. brachten es mit sich — die ab-
stracte Auffafsung viel näher als die concrete. Was daher später im
akademischen Studium unter guter Leitung das beste Gegenmittel ge-
gen diese fehlerhafte Richtung werden kann, >vird im Gymnasium zum
Gift. Sorgsame Blicke in die Arbeit des Hrn. S. verhüllen auch diese
Gefahr nicht. Man lese z. B. die oben schon in anderer Beziehung
angeführte Note 29. Einen Passus daraus will ich noch mittheilen:
'man kann die Begriffe daher subjective Ideen, und die Ideen dagegen
objective oder realisierte Begrilfe nennen, wie denn auch in neuerer
Zeit z. B. Hegel die Idee als die Feinheit des Daseins und des Begriifs
definiert hat.' Ein Primaner wird damit schwerlich eine concrete An-
schauung von den platonischen Ideen erhalten. Ueberhaupt hätte der
Hr. Vf. die häufigen Citate aus Hegels Schriften vermeiden sollen. He-
gel eignet sich am wenigsten zur Erläuterung platonischer Ansichten
und zumal für Schüler! Man vgl. ferner N. "20. Sie bietet zu einer an
sich einfachen Thatsache, den mystischen Gebräuchen der Griechen,
eine religions philosophische Exposition, die sich aber wie alle Abstrac-
tionen über die Sache stellt, statt in ihr zu stehen. In N. 51 werden
zur Erläuterung der Nahrung der Seele mit BegrÜfen und Ideen fol-
gende Worte Deinhardts citiert: 'durch di&se Processe (vermöge deren
die zum Selbstbewustsein erwachte Seele die objective Welt zu ihrem
Eigenthuroe macht) assimiliert sich die menschliche Seele einen geisti-
gen Leib, der die von ihr aus den Naturmächlen hcraut>gearbeitete, von
ihr seihst gesetzte und bestimmte geistige Objectivität, und als solche
der Natumothwendigkeit entzogen, unverweslich und unsterblich ist.**!
Haec instar omnium.
Wir haben oben hervorgehoben, wie unumgänglich für den Lehrer
das Kritisieren platonischer Ansichten werde. Diese Kritik trifft aber
die wichtigsten Lebensfragen. Im Kreise der Schüler ist das höchst
bedenklich; denn die Erfahrung kann das alle Tage leider bestätigen,
dafs hier solche Kritik leicht einen frivolen Charakter annimmt. Denn
innerhalb einer Classe bildet sich immer ein gemeinsamer Geist. Der
Gymnasialunterricht, in dem die Autorität des Lehrers immer die Haupt-
sache ist, bringt es mit sich, dafs der Schüler Urtheile mehr annimmt
als selber schöpferisch hinstellt. Das Vermögen Kritik zu üben soll hier
gewi» gebildet werden; aber es kommt darauf an, welche Objecte und in
welcher Weise man sie der Kritik unterzieht. Feststehn dürfte, dafs
dies nicht geschehen darf an den ernstesten Fragen, welche das höchste
subjective Interesse in Anspruch nehmen. Denn da wird auch die Kri-
tik allzu leicht eine subjective, falsche. Eben weil die Schüler fühlen,
dafs sie Schranken einhalten sollten, freuen sie sich des Misbrauchs der
ihnen gegebenen Freiheit und statt dafs man neue Keime für zukünf-
tige feste Ueberzeugungen legen sollte, erstickt man unvermerkt die
vorhandenen. Hierbei mufs ich noch einen Punkt zur Sprache bringen,
in dem die Kritik jedenfalls geübt werden müste, wenn man den Phae-
don mit Schülern liest. Das ist sein Verhältnis zum christli-
chen Glauben, mit dem er in den entschiedensten Gegensatz tritt.
Das ganze Heidenthum ist durchdrungen von einer Sehnsucht nach einer
Erlösung des Menschen; aber dabei bleibt es im allgemeinen stehen.
Plato geht weiter. Er bildet eine Lehre aus, worin er die Erlösunps-
bedürftigkeit des Menschen mit vollem Bewustsein ausspricht, zugleich
aber auch positiv einen Schritt weiter geht und sagt : der Mensch kann
322 H. Schmidt: Pialos Phaedon.
sich selber erlosen, wenn er nur dem auf Wahrheitoerkenntnii
gerichteten Wesen seiner Seele folgt, durch die Philosophie.
Denn den Grund der Sunde erkennt er nur in der Leiblichkeit, der
Sinnlichkeit des Menschen. Damit aber tritt seine Lehre in directen
Widerspruch mit der Grunduberzeugung des Christen: dafs der Mensch
durchaus unfähig ist sich selber frei zu machen von der Sünde und
nur durch die Gnade Gottes der Erlösung theilhaftig werden kann.
Daher stehen äufseriich mit christlichen Wahrheiten fast gleichlautende
Aussprüche Piatos doch innerlich in entschiedenem Gegensatz zu ihnen.
Dies Verhältnis ist auch Hrn. S. mit vielen anderen ganz entgangen.
Kr läfst sich durch die Aehnlichkeit der äufsern Forderung täuschen und
sieht innere Uebereinstimmung. So schon in der Erörterung über die
Stellung des Philosophen zum Leibe und zu leiblichen Lüsten p. 64 ff.
Vgl. dazu N. 9, 13, 15, 17 u. d. Anm. Wenn Plato sagt, der wahre
Philosoph wolle im Leben schon sterben, so soll das gleich sein dem
Tode des alten Menschen, aus dem das neue Leben quillt, wie es Job.
Tauler beschreibt. Das Fernhalten von leiblichen Begierden wird
gleichgesetzt dem ^kreuziget euer Fleisch sammt allen Lüsten und Be-
gierden', und der Pfad idtganog), auf dem der Philosoph frei wird,
unter dem aber nur die Trennung der Seele vom Leibe, der Todes-
weg, zu verstehen ist, wird zur engen Pforte, durch die der Christ
ins Himmelreich eingehn soll. Da wird ganz übersehen, dafs der Tod,
aus dtMU das neue Leben des Christen quillt, der Tod des natürlichen
Menschen ist, d. i. nicht des Leibes allein, sondern vorzugsweise der
von Selbstsucht und Sünde venlorbenen Seele; während der Philosoph
im Sinne Piatos gerade die Seele im Gegensatz zu dem Leihe, der
allein ^ie an der Erlösung hindert, in sich selbst zu sammeln und zn
vertiefen sucht. Das Fleisch das der Christ kreuzigen soll ist wie-
derum das böse Herz, aus dem erst die Lüste des Leibes stammen,
während Plato umgekehrt das böse in der Seele aus der Leiblichkeit
ableitet; der Pfud endlich, von dem dort die Rede ist, kann in gar
keinen Vergleich gesetzt werden mit der engen Pforte, von der die
heilige Schrift redet. Man thut ebenso wenig Plato einen Gefallen,
wenn man ihn fälschlich zu christianisieren sucht, anstatt ihn als die
Spitze der auf sich selbst gestellten hellenischen Welt zu begreifen,
als man der Erziehung zum Christenthum nützt, wenn man Philoso-
phen des Alterthums misverständlich sagen läfst, was specifisch christ«
lieh ist. Denn der Unterschied des Piatonismus vom Christenthum
besteht wahrlich nicht blofs darin, dafs jener dasselbe nur von den
Philosophen, das Christenthum dasselbe von allen Menschen fordere,
wie Hr. S. nach N. 9 anzunehmen scheint. Ganz unbegreiflich ist es
Ref. geblieben, wie der Hr. Vf. N. 76 die Urstoffe der alten ionischen
Naturphilosophen: Wafscr, Feuer, Luft zusammenstellen konnte mit
den Sinnhildern, wie er es nennt, des neuen l^ebens, aus dem der
Mensch wiedergeboren werden soll, Wafser, Feuer, Geist (Lev. 3,
16. Joh. 3. 5). Offenbar hat der Hr. Vf. in gutmeinender Absicht in
diesem Punkte ganz und gar den rechten Weg verfehlt. Denn wenn
man einmal den Phaedon 1 est, so kommt es gerade darauf an, diese
Unterscheidungslehren vom Christenthum scharf hervorzuheben , um so
mehr weil die Theorie, welche Plato begründet, noch immer die
Ansicht vieler ausspricht. Hier aber scheiden sich die Wege, und wir
sollen unsere Schüler den rechten führen!
Diese Andeutungen mögen genügen, um die Ansicht des Ref. xa
begründen, die er im Anfang dieses Aufsatzes aussprach. Näheres
Eingehen in die Sache kann dem einzelnen die Gründe noch verviel-
fältigen. Die Hauptgesichtspunkte dürften in obiger Auseinander-
setzung enthalten sein. Was von Plato auf Gymnasien gelesen werden
H. Schmidt: Piatos Phaedon. 323
aoUe, 18t eine andere Frage, die hier nicht zur Entscheidung kommen
kann. Unter den kleineren Dialogen durften am wenigsten solche geeignet
•eiuy die vrie der Laches und Charmides fast ganz abstracter Natur sind.
pw Phaedon aber bleibe dem akademischen Studium vorbehalten. Da
ist recht eigentlich sein Platz. Die Grunde, die gegen seine Leetüre
auf Gymnasien sprechen, durften dort gerade zum Gegentheil umzu-
kehren sein. Denn zwischen dem Unterricht von Prima and dem aka-
demischen Studium liegt ein grofser Sprung. Jener bildet das Ende
einer Entwicklungsreihe; dieses beginnt eine neue zu dem eigentlich
wifsenscbaftlicben Erkenntnisstandpunkt. Können wir darum der Ar-
beit des Hrn. S. keinen Werth für die Zwecke des Gymnasiums bei-
mefsen, so bietet sie doch für die Freunde des platonischen Phaedon,
insbesondere die, welche ihre Studien zum erstenmal an diesen Dialog
heranfuhren, zahlreiche das Verständnis erleichternde Erläuterungen
and Einzelnotizen. Für diese Zwecke kann sie mit Kepht empfohlen
werden.
Hanau. Julius Dcusehle,
Zur Charakteristik des Tetitschen Fürstensjtaats von F. L. von
Seckendorff^ vom Oberlehrer Dr. Thiele. Herbstprogramm dea
Gymnasiums zu Duisburg 1853. 16 S. 4.
Da nach der Einrichtung der preussischen Gymnasien zur Abfa-
fsnng der wifsenschafilichen Programmabhandlungen möglichst alle
Lehrkräfte herangezogen werden, so ist es begreiÜich, dafs die Ue-
berschau über deren Wahl und Ergebnisse ein sehr manigfaltiges, fast
aniversales Bild der verschiedensten Disciplinen bietet. Am seltensten
erscheinen wohl quelienmäfsige Behandlungen mittelalterlicher oder
neuerer Geschichte, und das aus naheliegenden Gründen. Selbst die
Geschichtslehrer auf den meisten prenssischen Gymnasien haben in
der Regel nur zu den Quellen der alten Historie ein eigentliches Ver-
hältnis; für Mittelalter und neue Zeit treten die seit einigen Jahr-
zehnten so reichen Bearbeitungen und Hilfsmittel an die Stelle der
Quellen, und wohl dem Unterricht, wenn nur diese Fortschritte ge-
wifsenbaft und besonnen benutzt werden! Auch gestatten die Verhält-
nisse des Gymnasiallehrers kaum ein tieferes und einigermafsen voll-
atäadiges Einleben in die so viel ausgedehnteren, schwerer zugäng-
liche«, oft erst in den kritischen Elementen zu sichtenden und zu be-
arbeitenden Quellengebiete. Nur ausnahmsweise, wenn es einen leicht
SU übersehenden monographischen Gegenstand gilt, für den kein neues
Material herbeizuschalfen , sondern nur vorhandenes in neuer Beleuch-
tnng darzulegen ist, eignen sich Gegenstände der bezeichneten Ge-
achichtskreise zu Gymnasialprogrammabhandlungen. In diesem Fall ist
die vorstehende kleine Monographie. Ihr Thema hat aber noch ein höheres,
inneres Recht, zu obig«»m Zweck verwandt zu werden; es ist der kirchliche
und vaterländische Gehalt, von dem die Bestrebungen jenes merkwür-
digen sächsischen Staatsmanns, schliefslichen Kanzlers der Universität
Halle, den Eyring, der Biograph Herzogs Ernst des Frommen von
Sachsen-Gotha, ^nobilium decus Germaniaeque ornamentum' nennt, in
Wort and That erfüllt sind. Von diesem Standpunkte aus noch mehr
als von dem rein wifsenscbaftlicben ist die Arbeit, deren Form und
Geist dem Werth des Stoffs durchaus entspricht, vorzugsweise für die
zannchst bezeichneten Kreise eine interessante und anregende Lectüre.
JUs verlohnt sich deshalb der Mühe, ein wenig näher zuzusehen.
324 Thiele: V. L. von SeckendorlTs TeuUcher Fürslenßlaat.
Der Vf. stellt znerst dem 'Teutschen Fiirstenstaat', dem Werk
von Seckendortr« früherem Mannesalter (geschrieben 1655; S. geb.
1623), seinen historisch-apologetischen Commentar über das Luther-
thum/das gleichfalls berühmte Werk seines höheren Mannesalters (1688),
gegenüber, um an diesen beiden litterarischen Angelpunkten aufzu-
zev'en, in welchem Geist und weicher Richtung sich jenes Mannes
Schriftstellerleben bewegte, ruhend auf vaterländisch-kirchlichem Bo-
den und ganz naturgemäfs von dem Vorwiegen des ersteren, als dem
zeitlich-geschichtlichen, zn der Ausschliefslichkeit des andern, als des
ewigen Elements fortschreitend. Sodann charakterisiert der Vf. in der
Kürze den 'Teutsrhen Fürstenstaat', dieses Lieblingsbuch des grofseu
Kurfürsten, als eine auf der Realität des politischen Lebens der
damaligen mittleren und kleineren deutschen Fürstenthümer bernhende
Schrift, als eine descriptive Behandlung thatsächlicher Zustände,
und bespricht -die dreifache Gliederung des Ganzen. Daran schliefsen
»ich Angaben über Wirkung, Bedeutung und Ruf der Schrift, die zu-
gleich ein verstärktes Motiv für die Wahl des Gt>genstandes enthalten.
Der 'Teutsche Fürstenstaat' kann im kleinen und für die engen Ver-
hältnisse deutscher Territorialtursten detractis detrahendis als ein
analog wirkendes Buch betrachtet werden wie Macchiavells Principe
für die meisten Fürsten der Grofsstaaten des damaligen Kuropa; aber
{40 dufs der Fürstensta^t zu dem ^gottlosen Macchiavellus', wie er ihn
selbst nennt, principiell den strengsten Gegensatz germanischer Frei-
heit und Staatsordnung zu romanischer alles absorbierender Centralis
sation bildet.
Der Vf. führt uns darauf in die Entstehungszeit des Werks ein;
ein so ganz auf politischen und culturgeschichtlichen Realitäten beru-
hendes Werk ist doppelt ein Kind seiner Zeit. Es wird das politische
Chaos im Reich nach dem Ende des dreifsigjährigen Kriegs in weni-
gen Zügen treffend geschildert, die tausendfache Gelegenheit und die
Nothwendigkeit von oben herab zu helfen und zu retten was noch zu
retten war. Unter den damals in solchem Sinn wirkenden fürstlichen
Personen erhebt sich neben dem grofsen Kurfürsten, minder bekannt
aber in seiner Weise nicht minder verdient, die Gestalt Herzogs Ernst
des Frommen von Sachsen-Gotha, des Gönners und Dienstherrn Se-
ckendorifs, dem dieser, um mit Eyring zu reden, ^quidquid elegantia
litteraturae acquisivit sibi^ verdankte. An dessen herlicner, vom Vf«
näher geschilderter Thätigkeit wuchs die Seckendorifs heran, dessen
äufseres Leben und Bildungsgeschichte darauf in der Kürze nach deD
Note JO zusammengestellten Quellen folgt. So sind die Hauptfactoren
vereinigt, um den Ursprung und den Charakter unsers Werks Mi er-
klären: die allgemeine Zeitlage, das politische und administrative Vor-
bild der Regierung des Herzogs Ernst, SeckendorlTs Stellung in und
zu beiden. Auf einen vierten Factor, auf den seit der Reformation
erwachten Zug, reale Zustände auf allen Gebieten der Forschung zu
unterwerfen, der u. a. fast gleichzeitig (1640) für die allgemeine Reichs-
verfafsung des Pseudonymen Hippolithus a Lapide (B. Ph. v. Chemnitz,
Vf. der Geschichte des dreifsigjährigen Kriegs) ^dissertatio de ratione
Status in Jmperio nostro Romano - Germanico ' hervorgerufen bat,
hätte der Vf. eingehender aufmerksam machen können. Darauf geht
derselbe S. 12 — 16 zur näheren Besprechung des 'Fürstenstaats' über,
dessen Wesen er mit Recht darein setzt, dafs er den beiden damals
so eintlufKreichen Abstractionen, der Vergötterung des römischen Rechts
und der naturrechtlichen Schwärmerei gegenüber den concreten und
positiven Standpunkt deutscher fürstlicher Territorialgewalt geltend
macht, wie sie auf der Stellung der landesfürstlichen Hoheit einer-
seits zur Cent ralgewait des kaiserlichen Oberlehnsherrn und der Reichs-
fliiele : Y. L. von Seckendorffs Tentscher Fürstoustaat. 325
(iinheit, andererseits so den ständischen Rechten ond Freiheiten, vor
allem aber in dem lebendigen Zasammenhan^ mit dem christlichen
Gianbensleben and den ewigen Heilswahrheiten der Kirche fest and
sicher raht.
So ist der ^Teutsche Fürstenstaat' ein reiner and darum auch
für den Creschichtsforscher so wichtiger Spiegel des besten und edelsten,
was die damalige Territorialgewalt zu leisten vermochte, und der Vf.
hat das Verdienst, diesen Werth in knappen aber charakteristischen
Zügen ans Licht gestellt zu haben. Wir hätten nur in noch strenge-
rem Anschlufs an den Titel der Abhandlung eine noch eingehendere
Besprechung des Inhalts unserer Schrift gewünscht, sowie eine etwas
veränderte Anordnung des StofTs, so zwar dafs S. 4 und 5 sich an S.
12, wohin sie gehören, angeschlofsen hätten; es wären dadurch theil-
vreise Wiederholungen vermieden worden.
Elberfeld. W. IL
Neues vom Turnen und von der Gesundheitspflege in den
Schulen.
1) Athenaetim für raticmelle Gymnastik. Heransgegeben von Ijg.
Rothateiny Unterrichtsdirigenten des k. preuss. Centralinstituts für
die Gymnastik, und Dr. A. C. Neumann y k. preuss. Kreisphysik us,
Dirigenten des heilgymnastischen Kursaals zu Berlin. Erster Band
in 2 Heften. Berlin, E. H. Schröder. 1853. 184 S. gr. 8.
2) Die Gymnastik , nach dem Systeme des schwedischen Gymnasiarchen
P. H. Ling dargestellt von Hg» Rothstein. Fünfter Abschnitt: die
aesthetiscbe Gymnastik. Erstes Heft. Berlin, E. H. Schröder. 1854.
152 S. gr. 8.
3) Anleitung zu den Hebungen am VoUigirbock. Bearbeitet und
herausgegeben von Hg. Rothstein. Mit 15 erläuternden Figuren.
Berlin, E. H. Schröder. 1854. 32 S. 8.
4) Blutarmuth und Bleichsticht ^ die verbreitetsten Krankheiten un-
serer Zeit, besonders unter der Jugend. Für Eltern und Erzieher,
Kranke und Aerzte geschrieben von Dr. Hermann Eberhard Rich-
ter , Professor der Medicin in Dresden. Zweite verbefserte Auflage.
Leipzig, B. Schlicke. 1854. VI u. 86 S. gr. 8.
Das Turnen regt sich von neuem als eine wichtige Frage für El-
tern, Erzieher und Schul behörden. Seit etwa sechs Decennien ist bei
uns von der Nothwendigkeit einer sorgfaltigeren körperlichen Erziehung
der Jugend viel die Rede gewesen , und mancherlei mislungene Versuche
and erfolglose Anstrengungen sind gemacht worden, um durch die Ein-
richtung von gymnastischen üebungen dem unverkennbaren Bedürfnis
SU entsprechen.
Uebersieht man die Geschichte des Tomwesens in diesem Jahrhun-
dert, so mufs man erstaunen, wenn man wahrnimmt, dafs die ihm zu
Grunde liegende einfache, klare und überzeugende Idee mit so vielen
Irthamern und Vorurtheilen zu kämpfen hatte, ehe es ihr gelang, nur
einigen Boden zu gewinnen und zu behaupten. Noch vor wenigen Jah-
ren war ein gewaltiges Leben und Treiben in den Turnvereinen, die
zahlreich entstanden und der Sache Vorschub zu leisten schienen. Doch
da mischten sich fremdartige Tendenzen in jenes öffentliche Turnen,
und es ward alles so ziemlich wieder still. Verfolgten nun jene Turn-
3S6 Tiirnantcrricht.
Tereine meist cam andere Zwecke, als aie die Schale mit dem TnmcM
im Ange behalten kann, so ist es mit dem Schalturnwesen doch eben-
falls sehr allmählich vorwärts gef[;angen, wenngleich dieses anch jenen
äufseren Wandlungen nicht so ausgesetzt war wie das Vereinstumwe-
sen. Eb galt auch hier vieles vorzubereiten, um nar zu einem grün-
denden Anfang zu kommen. Wie viel Geist und beharlicher Wille mafa
vor allem die Lehrer beseelen, wenn das Turnen in den Schulen za
vollem Rechte einbürgern soll! So geht es aber einer jeden Sache, die
Raum, Zeit und Gellung sich verschaffen mufs da, wo gewohnte Ein-
richtungen und damit verwachsener Zunftgeist sich sperren gegen den
Störenfried, und brächte er auch die Ansprüche des besten Mitbürgers
offenkundig mit.
Die Hemmnisse, welche sich dem Schnltumen entgegenstellten, hat*
ten ihren Grund theils in den allgemeinen Culturzuständen, theils in
seiner Gestaltung an und für sich. Wenn es durch die Schale der
Philanthropen seine historische Begründung als paedagogische Angele-
genheit erhalten hatte, so muste es sich fortan nun auch als eine wirk-
same, bildungsfähige und heilsame Sache erweisen. Nur wo es einen
beharlichen kernhaften Lebenstrieb in sich selbst bewahrt, wird e»
jenen starren und störrischen Widerstand allmählich überwinden. Und
zu solcher innerer Erstarkung und allseitiger Entwicklung hat die Tum-
kunst Zeit gebraucht und durch verschiedene Phasen gehen müfsen.
Gegenwärtig sind die Ansichten über Nothwendigkeit nnd Wich-
tigkeit der GjTimastik auch unter der gröfsern Menge wesentlich ge-
läutert und verbreitet worden, was als eine Folge der allgemeineren
Cultivierung der Diaetetik angesehen werden kann. Auffällig ist es
wenigstens , wie in den letzten Jahren die darauf bezügliche Litteratur
angewachsen ist. Die Diaetetik ist eine Wifsenschaft des Bedürfnisses
geworden; an vielen Orten werden ihr besondere Vorträge für Laien
gewidmet, und überall regt sich das Bestreben, ihr eine praktische
Bedeutung zu geben. So haben sich die Kenntnisse vun dem Leben
des Menschen als einem Naturprocesse in weiteren Kreisen verbreitet
und jedermann, dem die Gcsundhcitscultur als ein beachtenswcFther
Gegenstand erscheint, sucht sich mit den Gesetzen jenes Proccsses"
bekannt zu machen.
Dazu hat namentlich auch die neuere wifsenschaftliche Heilkunde^
die sogenannte physiologische Schule, beigetragen, deren reiche und
bewundernswerthe Fortschritte und Entdeckungen auf die öffentliche
Gesundheitspflege von Bedeutung geworden sind. Von einem ihrer
tüchtigsten Vorkämpfer findet sich auch in diesem Referate eine hier
einschlagende und für Schulmänner recht beachtungswerthc Schrift.
Dieser Schule mufs es als ein Verdienst angerechnet werden, dafs sie
gegenwärtig am nachdrücklichsten auf die Nothwendigkeit einer syste-
matisch geregelten, knnstmäfsigen Muskelfibung durch das Turnen für
Jung und Alt beiderlei Geschlechts hingewiesen hat. Viele Eltern,
Lehrer und Schulbehorden haben solchen Stimmen Gehör gegeben nnd
der Jugend ihr Recht zu anregenden, belebenden und erfrischenden
Korperbewegungen gewährt; mehrere Staatsregierungen haben die An-
gelegenheiten der Gymnastik bei den Schulen dem Organismns ihrer
Verwaltung eingereiht.
Solche günstige Erscheinungen fallen in eine Periode, in welcher
das Turnen selbst auch anf neuen Stufen der Entwicklung angekommen
ist, wonach es fähig gemacht wird, seiner Bestimmung als mensch-
heitliche Angelegenheit zu entsprechen and neue Bahnen des Eingangs
in Schule, Hans nnd Leben zu finden. Für die Schule, besonders
anch für die höhere, ist die Fortentwicklung der Turnkunst nicht
unwichtig, da sie ja am meisten davon berührt wird, sofern sie nem«
Tarniinterricilt. 327
lieh den Begriff der Erziehung in seiner Totalitat erfafst und danach
sich auch in Wirklichkeit an der Entwicklung der körperlichen Seite
ihrer Zöglinge hetheiligt. Die wahre Erziehang hat den Menschen
snm Meister seines Leibes zn machen, damit dieser in jeder Beziehung
des sittlichen Lebens ein zuverläfsiger Diener und Träger des ihm
einwohnendes Geistes sei. Das Haus kann dieser wichtigen und um-
fafsenden Aufgabe nicht allein genügen, und die Schule mufs hier ihre
entschiedene Mithilfe um so mehr eintreten lafsen , als sie ja mit der
ihr vorzugsweise zugetheilten geistigen Bildung augenscheinlich so be«
deutende Anforderungen an ihre Zöglinge macht, wodurch deren leibliche
Wohlfahrt nachweislich in ihren hauptsächlichsten Interessen beein-
trächtigt wird. Von hier aus wird die Gymnastik für die Schule zur
paedagogischen Nothwendigkeit, denn sie legt sich eine schwere Ver-
antwortlichkeit auf, wenn sie nicht dafür Sorge trägt, den durch ihre
Organisation unvermeidlichen Nachtheilen die geeigneten Gegenmittel
entgegenzustellen. Nicht blofs der Schule im allgemeinen, sondern
jedem gewifsenhaften Lehrer, der seinen Schülern in dem richtigen
Verhältnisse eines Erziehers und nicht in dem eines blofsen Docenten
fegenüber steht, drängt sich die moralische Verpflichtung auf, durch
ITeckung des Sinnes für leibliche Bethätigung der Jugend rathend,
fordernd und helfend zur Seite zn stehen.
Die gelehrten Schulen werden gegenwärtig auch immer seltener,
welche in ihrem Erziehungsplane nicht auch der Gymnastik ihre ge-
bührende Stellung angewiesen hätten, weil sich diese der Schule als
das einfachste und wirksamste Mittel einer physischen Erziehung und
als Schutzmittel gegen leibliche Verkümmerung darbietet. Indem die
paedagogische Turnkunst darauf berechnet ist, den Lebens- und Ent-
wicklungsprocess des Schülers für die Zwecke der Erziehung zu un-
terstützen, hat sie das instinctmäfsige Walten der leiblichen Natur
methodisch zn leiten und die natürlichen Uebungen durch künstliche
SU erweitern, damit sich ihr Pflegebefohlener zn einer Vollkommenheit
entwickle, welche der Idee der veredelten Menschennatur entspricht.
Je mehr die Tnrnknnst den Charakter einer systematischen Erzie-
hungskunst des Leibes annimmt und durch ihre gesamrate Organisa-
tion 1) der Jugend für Körper und Geist wahrhaften Nutzen bringt,
2) die Entfaltung des Jugendlebens und reiner Jugendlust fördert und
8) den Anforderungen der Paedagogik und des Schulgemeinwesens ge-
recht wird; desto mehr wird sie sich in den Schulen aller Gattungen
einbürgern und zur Geltung bringen. Von der Zeit an, wo das Tur-
nen aufhörte fremde Zwecke zu verfolgen und genöthigt war, seine
Stützpunkte in sich selbst zu suchen, ist es auch diesem Ziele durch
selbständige Entwicklung entgegengegangen. Die vorgestellte Litte-
ratur gibt Zeugnis von diesem eifrigen Bestreben, der Sache nach in-
nen und aufsen ihre Gestaltung zu geben.
Die Heilsamkeit der Muskelaction durch Turnübungen ist bereits
so allgemein hekannt und anerkannt, dafs es unnütz v^äre, hier dar-
über viel Worte zn machen. Von Wichtigkeit war es aber, dafs man
entdeckte, jene Muskelaction müfse nach bestimmten Gesetzen erfol-
gen, die vom Organismus und Leben des menschlichen Körpers zu
entnehmen wären, so dafs als das Wesen der Turnkunst der Mensch
seihst in der vollen Integrität sowohl seiner Leiblichkeit wie seiner
Geistigkeit erscheinen müfse. So wurden Anatomie, Physiologie und
Diaetetik die wesentlichsten Hilfswifsenschaften des Turnens als ra-
tioneller Leibesbildungskunst, die ihre Bewegungslehre und ihre Me-
thodik danach einzurichten hatte und wegen des Zusammenhangs mit
der geistigen Seite des Menschen auch den Gesetzen der Ethik und
Aesthetik zn unterwerfen war. Diese wifscnschaftliche Gestaltung des
328 II. Rothslein n. A. C. Neumann: Athenaeum f. rationelle Gymnastik.
Turnens in diesem Sinne ist ihm bekanntlich dorch den Schwede*
Ling gegeben worden, welcher eine Lehre von deh Korperbewegun-
gen in Uebereinstiinmung mit den Gesetzen des menschlichen Orga-
nismus schuf und den nächsten Zweck der Gymnastik in der Herstel-
lung einer Uebereinstimmung zwischen allen Theilen des Körpers er-
kannte*
Dieser Richtung gehören die oben angezogenen Schriften Ton Roth-
stein an, welcher in dem 'Athenaeum' ein eignes Organ gegründet
hat, um darin die Gymnastik nach schwedischer Auffafsung einer recht
vielseitigen Besprechung zu unterwerfen, Mittheilungen über Erfah-
rungen aus der Praxis zu geben und die Beziehungen der Gymnastik
zu anderen Kunst- und Wifsenschaftsgebieten sowie zu den verschie-
denen Lebensverhältnissen zu unterhalten. Das ist gewis eine ebenso
wichtige als edle Tendenz, welche nicht nur die Tulle Aufmerksam-
keit aller näher betheiligten, sondern auch das Interesse aller gebil-
deten, vor allem der gelehrten Schulmänner verdient. Ks steht diese
Zeitschrift bis jetzt als einzig in ihrer Weise da, und die Gediegen-
heit ihrer Artikel, wie die würdige und wifsenschaftllche Haltung des
Ganzen lafsen das Unternehmen jedesfalls als empfehlenswert h erschei-
nen. Nach den beiden ersten Heften zu .schliefsen, scheint Hr. Roth-
stein namentlich die Richtung der Gymnastik auf paedagogische Zwecke
und Hr. Dr. Noumann die Heilgymnastik zu vertreten. Vom ersteren
finden wir in der Einleitung das Programm des Athenaeums, woran
»ich die Entwicklung des Bcgrüfs der schwedischen Gymnastik, die
Geschichte und Litteratur derselben und ihre Einbürgerung zu Berlin
in übersichtlicher Darstellung reihen. Das Ganze zerfällt in 3 Ab-
schnitte: A. die Gymnastik im allgemeinen. — Die Organomechanik
und gymnastische Bewegungslehre. — Die unterschiedenen Zweige der
Gymnastik im besondern, und zwar zunächs: vorzugsweise die paeda-*
gogische Gymnastik, demnächst die Heilgymnastik. — Die Wehrgym-*
nastik und die aesthetische Gymnastik. B. Nachrichten, Notizen
und Aphorismen über gymnastische Institute. C. Littcrnrisches. Unter
allen 3 Rubriken sind die medicinischen Artikel die vorherschendsten
und gediegensten, wie ja überhaupt die schwedische Gymnastik ihrer
ganzen Natur nach mehr geeignet ist, in heilgymnastischen Cnrsälen^
als auf den Uebungsplätzen der Schulen Erfolge zu erringen. Vom
Dr. Neumann rührt die trelFliche Abhandlung: 'Fragmentarische Be-
trachtungen über den physiologischen Unterschied der activen, du-
plicierlen und passiven Bewegungen des mensclilichen Organismus*
her, worin die 3 von der schwedischen Gymnastik zur Anwendung
gebrachten eigenthümlichen Bewegungsformen charakterisiert werden«
Von demselben Vf. lesen wir weiter noch 'über therapeutische Be-
grenzung der Heilgymnastik, Mittheilungen über heilgymnastische
Casuistik' u. dgl. m. Die Artikel über paedagogische Verwendung
der Gymnastik sind in den beiden Heften der Zahl und dem Gehalte
nach im ganzen unbedeutend. Besonderes Interesse bietet der S. 57
mitgetheilte Plan der k. preuss. Central-Turnanstalt, in welcher die
preussischen Turnlehrer durch einen neunmonatlichen Cursus bei täg-
lich 5 — 6 Stunden ausgebildet werden. Wie die schwedische Gymna-
stik nach ihrer gesammten Richtung und wifsenschaftlichen Anlage
bekanntlich sehr hoch geht nnd gegen die ältere, mit Recht als ein-
seitig verworfene Turnkunst bis zur Uebertreibung vielseitig gemacht
worden ist, so erscheint auch dieser Plan als sehr umfänglich ange-
legt *), Die jungen Lehrer müfsen ziemlich ein Jahr lang ihre volle
tomie ,
*) Im In Quartal stehen auf dem Lectionsplan: 6 Stunden Ana-
e, 5 St. Rüst- und 2 St. Freiübungen und 7 St. Degenfechten
H. Rothstein u..A. C. Neumann: Athcnaeom f. rationelle Gymnastik. 329
Zeit dem Gegenstande widmen, was s. B. den angehenden Philologen
and Schalamtscandidaten einen der wichtigsten Zeitabschnitte weg-
nimmt. Das unpraktische dieser Einrichtung hat sich auch schon darin
gezeigt, dafs anstatt einer Zahl von 18 Lehrern, wie es im Plan«
lag, sich in der Regel noch nicht die Hälfte der Nornialzahl an den
Lehrcursen betheiligte; bei dem vorletzten Lehrgange betrug die Zahl
der Theilnehmer nur 7. Die sonstigen Mittheilungen und kritischen
Anzeigen bieten gleichfalls viel beachtenswerthes , so dafs man mit
dem reichhaltigen StolTe als Beitrag zu einer vorwiegend theoretisch-
physiologischen Auffafsung der Gymnastik recht wohl zufrieden Kein
konnte. Doch wird man nach Einsicht des Athenaeums in der schon
früher ausgesprochenen Ansicht bestärkt, dafs die schwedische Gym-
nastik vorläufig nur ein theoretisches Interesse habe, so lange ihr die
rechte praktische Organisation und eine an unsern Lehranstalten sich
bewährende Durchführung mangle. Diese paedagogisch - didaktische
Handhabung der Sache ist est vornehmlich, welche ihr den Eingang
in die Schulen erst sichert. Es ist nicht genug, ein gymnastisches
System zu gründen; die Hauptaufgabe bleibt immer seine Ausfuhrung
nnd Einführung ins wirkliche Leben, das Anschliefsen desselben an
gegebene Zeitverhältnisse und bestehende Einrichtungen. Es ist nicht
genug, dafs die schwedische Gymnastik so vorwiegend die leibliche
Lebensseite im Auge behält und in ihren Manipulationen überall das
medicinische Element sorgfältig wahrnimmt; sie mufs weiter zeigen, dafs
sie eine lehrbare, schulmäfsige Seite an sich hat, dafs ihr Unterrichts-
BtofiT mit Classen und in einer wirklichen Gemeinschaft getrieben wer-
den kann, dafs sie ein geistig bildendes Element in* sich habe und
wirksamen Einilufs auch auf die sittlichen vielverzweigten Kräfte des
Zöglings ausübe. Von dem allen ist in dem von Rothstein weiter aus
gearbeiteten Systeme Lings auch wohl die Rede; allein seine technisch-
didaktische Gestaltung ist so monoton, ungefüge und steif commando-
förmlich , dafs man hier nichts von dem wiederfindet, was in der
Theorie von ethischem. Geistigkeit n. dgl. m. gesagt wird. Nach R.
werden bekanntlich die gymnastischen Uebungen durch sogenannte
Uebungszettel genau vorgeschrieben und ängstlich zugewogen, was
wohl eine unerläfsliche Ordnung herstellt, zugleich aber von einer
ertödtenden Langweiligkeit begleitet ist. Solch eine Methode, wenn
man das so nennen kann, läfst sich möglicherweise bei einer Com-
Sagnie Soldaten zur Anwendung bringen, die mit allen Mitteln der
ubordination zum Stillstehen gebracht werden; etwas anderes ist es
aber mit einer Schaar von lebendigen Knaben und Jünglingen, welche
beim Turnunterricht zwar auch in eine derbe Schule der Zucht und
Ordnung genommen werden müfsen, ohne dafs jedoch das Gesetz der
Freiheit und der Kunst durch das Vorhersehen einer blinden Subor-
dination verdrängt wird. Soweit die Bestrebungen der schwedischen
Schule bekannt geworden sind, wird dieselbe ihrem ganzen Zuschnitte
nach namentlich einer Gymnasialjugend stets etwas fremdes bleiben,
nnd wir müfsen immer wieder auf das verweisen, was in diesen NJahrb.
(wöchentlich); im 2n Quartals 6 St. Anat. u. Physiologie, 3 St. Vor-
trage über Gymnastik, 2 Instructionsstunden , 6 St. Rustubungen, 3
8t. Degen- nnd 2 St. Bajonetfcchten, 3 St. zur Disposition und an 4
Nachmittagen 1 — 2 St. applicatoriacher Unterricht; im 3n Quartal: 5
8t. Physiologie u. Diaetetik, 1 St. Freiübungen, sowie Ringen und
Werfen, 2 St. Vorträge über Gymnastik, 2 Instructionsstunden, 6 St.
RiUtnbungen, 3 St. Degenfechten, 2 St. Bajonetfcchten, 3 St. «ur
Bisposition und an 4 Nachmittagen applicatorischer Unterricht.
A'. Jtihrb. f. na. u. Paed. Bd. LXX. Hft. 3. 22
330 H. Roilislein: dio acslhetischc Gymnastik. l8 Heft.
Bd. LXI V S. 391-404 and Bd. LXVII S. 533—551 über A. Spicf»
uud seine Turnweise gesagt wurde. Ref. ist auch nach Einsicht der
neusten litterarischen Erzeugnisse der schwedischen Turnschule in der
Auflafsung bestärkt worden, dafs dieselbe hinsichtlich einer paeda>
gogisch- scholastischen und aesthetisch - harmonischen Gestaltung des
praktischen Unterrichts hinter den Erwartungen zurückbleibt, welche
von ihren Vertretern durch eine mit starker Ueberschätzung eigner
Verdienste verbundene Verwerfung alles bei uns vorhandenen rege
gemacht wurden. Die von Spiefs stark reformierte deutsche Turnkunst
wird in dieser Beziehung von ihrer schwedischen Schwester nimmer-
mehr überholt werden können; jene wird in den Händen eines paeda-
gogisch und physiologisch gebildeten Lehrers stets gunstigere Resul-
tate erzielen.
Durch einen Aufsatz des Athenaeum 'von der Gestalt und den
räumlichen Verhältnissen des menschlichen Körpers' (S. 103—119) wer-
den wir darauf vorbereitet nun weiter zu lernen, wie die Gymnastik
in der 'aesthetischen Gymnastik' ihre Aufgabe auf das geistigste
zu erfafsen habe. Es ist schon gesagt worden, dafs die ' aesthetische
Gymnastik' ein Name für keine Suche sei, sondern nur für eine
Classe von Bestrebungen. Auch Timm in dem Werke: 'das Turnen'
will die 'aesthetischc Gymnastik niclit als Hauptart gelten lafsen und
nennt die Aufstellung derselben eine verfehlte. 'Insofern die gcsammte
Gymnastik den menschlichen Organismus zur Darstellung seiner natür-
lichen Einheit bringen will und überall volle Harmonie jeder Bewe-
gung fordern mufs, kann das aesthetische Element nur einen Gesichts-
punkt, aber keine Art abgeben.' Das hält aber Hrn. Rothstein nicht
ab, sein System weiter zu constfuieren und ihm in dem vorliegenden
Werke (Nr. 2) 'das höchste Glied oder so zu sagen die Krone oder
Blüte der Gymnastik' hinzuzufügen.
Die Aufgabe der aesthetischen Gymnastik bestimmt der Hr. Vf.
(8, 5) dahin: 'das Aeufsere des Menschen als den adaequaten Aus-
druck dessen erscheinen zu lafsen, was in seinem Innern vorhanden
ist und vor sich geht, was sein Gemüth fühlt und begehrt, sein Geist
denkt und will, und wobei das Aeufsere des Menschen ebensowohl in
seiner physiognomischcn Erscheinung wie auch in seinen Handlungen
oder Actionen zu suchen ist; so dafs also der Mensch gleichsam alt
ein lebendiges schönes Kunstwerk erscheint, dessen Idee aus
der Erscheinung hervorleuchtet und so auch Gegenstand
der aesthetischen Anschauung wird.' Ihre Stellung zum Ling-
schen System hat der Vf. bereits in dem In Abschnitte seines grö-
fsern Werks (S. 281) aus dem objectivpassiven Verhältnis entwickelt,
in welchem sich der Mensch unserer Betrachtung darstelle ♦).
Wenn Hr. R. schon in der paedagogischen Gymnastik den
Menschen als Subject betrachtete, welches durch seine Willensbestim-
mung und durch Vermittlung seiner eignen Willensorgane sich selbst
in Bewegung setzt und dabei dieses Thun, welches sich so in der
*) Dort argumentiert er nemlich also: der Mensch stellt sich una
als Mensch in einem vierfachen Grnndverhältnis dar: zunächst als
Subject oder als Object, und demnächst in jeder dieser Stellangen ent*
weder activ oder passiv. Hieraus ergeben sich die vier Verhältniaae :
das subjectivactive , das tubjectivpassive, das objectivactive und daf
objectivpassive, und hiernach gliedert sich die Gymnastik ans ihrem
Innern heraus in die 4 Zweige, welche in Lings System unterschieden
sind: die pacdagogische Gymnastik, die Heilgymnastik, die Wehr-
gymnastik und die aesthetische Gymnastik.
II. Rothstein: dio aesthetisclic Gymnastik. Is Heft. 331
actJTen Leibesbewegnng offenbart, als eine behufs seiner snb-
jectiTen und der Idee des Menschen entsprechenden Ausbilduni;
anzustellende Uebnng activ Tollfuhre, so mufs in der That die beson-
dere Abzweigung der aesthetischen G. auf sehr künstlichem Wege zu
Stande gebracht werden, da der Mensch auch hier ebenso wie bei
der paedagogischen G. als ein 'Symbol einer hohen gottlichen Idee'
erscheint, und der Umstand, 'dafs der Mensch dabei Gegenstand der
aesthetischen Anschauung wird', nicht als charakteristisches Merkmal
der aesthetischen G. in Betracht kommen kann, insofern auch bei der
paedagogischen G. der Mensch stets Gegenstand der Anschauung, z.
D. des Gymnasten, bleibt, was bei der Begriffsbestimmung übrigens
gleichgiltig ist. So würden der aesthetischen G. nur solche leibliche
Darstellungen Terbleiben, welche als 'adaequater Ausdruck' des Füh-
lens, Denkens und Woilens zu betrachten wären. Die Natur, wie sie
for jeden Ausdruck der Leidenschaft, für jede Stimmung der Seele
ihren eignen Ton und eigne Bewegung in der Sprache und Stimme
hat, hat dafür auch ihre eignen Bewegungen und Stellungen im Kör-
per. Die Muskeln sind in diesem Sinne die aufseren Werkzeuge der
seelischen Thätigkeit, und jedermann weifs, dafs der zornige, der
stolze, der erschrockene, der betrübte, der fröhliche u. s. w. den
Charakter seiner Stimmung auch in den uns bekannten körperlichen
Gebährden ausdrückt. Auf diese Erscheinungen hat man eine beson-
dere Kunst gegründet, welche gleichsam als Körperliche Beredsamkeit
dazu dient, einem andern seine Gedanken mittels des Körpers und
gewisser ModiHcationen desselben so mitzutheilen, dafs sie den beab-
sichtigten Eindruck auf ihn machen. Eine solche Kunst hütte für
ihren Zweck die mnnigfaltigen Ausdrücke der verschiedenen Gemüths-
zustände und Handlungen zu studieren und die Geschicklichkeit zu
lehren, dafs durch Haltung, Stellung und Gang, und vorzüglich durch
Bewegung der Hände und Mienen jene menschlichen Vorstellungen so
vorgeführt werden können, wie sie sich aus dem rndividuum selbst
herausgestalten oder von ihm nach einem poetischen Ideal zur Dar-
stellung gebracht werden. Diese Kunst ist nicht neu und hat nach
den verschiedenartigsten Richtungen hin ihre Ausprägung erhalten,
wie in dem Ballet, in der Schauspielkunst, in der Pantomimik, der
Attitüde, in den sogenannten lebenden Bildern u. s. w. Wir er-
innern nur an die im vorigen Jh. bewunderte Lady Hamilton, wel-
che ihr im hohen Grade ausgebildetes Schaustellungstalent bei ihrem
Aufenthalte in Italien selbst auf die Nachbildung der Antiken mit
grofsem Erfolge anwendete. Zu solch einer Fertigkeit ist allerdings
der freie Gebrauch eines wohlgestalteten und beweglichen Korpers,
wie ihn die rationelle Gymnastik heranbildet, vor allem Bedürf-
nis. Eine andere Frage ist aber die: ob solch eine Kunst als eine
selbständige vom körperlichen heraus zu construieren sei und so als
Aufgabe und als ein besonderer Zweig der Gymnastik gelten könne,
oder ob sie nicht vielmehr von der Poesie getragen und abhängig, nur
eine untergeordnete Stellung zu anderen Wifsenschafts- oder Kunst-
richtungen einzunehmen hätte. In diesem Sinne wäre die aesthetische
Gymnastik nur eine Gehilfin der Mimik, welche im weitern Sinne als
die Kunst gilt, mit deren Hilfe geistige Zustände ausgedrückt werden
können. Hr. R. ist aber anderer Meinung, indem er die aesthetische
G. als den ^Inbegriff derjenigen schonen Künste, welche hauptsäch-
lich anter dem Namen der Mimik und Orchestik auftreten', betrach-
tet. Ob er diese Selbständigkeit und charakteristische Ausbildung der
aesthetischen G. der Theorie nach und insbesondere auch für die prak-
tische Ausübung festzuhalten im Stande sein wird , mufs erst der 2e
Theil dieses Werks nachweisen. Der hier vorliegende le Theil läfst
22*
332 H. Rotlistein: die aesthetische Gymnaslik. U lieft.
uns noch über die wichtif^sten Punkte hinsichtlich einer scharfen Un-
terscheidung der aesthetischon G., namentlich von der paeda^^ogt-
sehen im unklaren. Der Hauptabschnitt: 'der menschliche Leib als
des concreten menschlichen Geistes Organ und Erscheinung' ($. 13 —
34) würde z. B. ganz als integrierender Thoil einer paedagogischcn G.
anzusehen sein, während das * Historische' (^\ 6 — 12) wiederum in nä-
herem Zusammenhange mit der Schauspielkunst und Tanzkunst steht
und hier oft etwas gewaltsam in Bezug auf vorliegenden Gegenstand
gesetzt wird. Dieses Verschwimmen der verschiedenen Materien in-
einander ist auch in dem vorliegenden Werke vielfach störend und
erschwert das Herausfinden 'der langen Rede kurzen Sinns'. Mit be-
deutendem Aufwände philosophischer Gelehrsamkeit sind alle nur im
entferntesten zur Gymnastik in Beziehung stehenden Gegenstände in
einer hochgehenden Diction ziemlich lose aneinander gereiht und reich-
lich mit Citaten aus philosophisch - aesthetischen Schriften Hegels,
Schillers, Vischers, Schuberts, Winckelmanns u. a. unterstützt, so dafs
von den 157 Seiten doi Buches volle 37 Seiten fortlaufende Anfuh-
rungen anderer Schrift.*«teller in Abzug zu bringen sind. Die aesthe-
tische Gymnastik erscheint darum noch nicht als eine sicher begrün-
dete und organisch gegliederte Wifsenschaft, sondern mehr als ein
höchst interessanter und geistreicher 'Beitrag zur Aesthetik der
Gymnastik'. Man konnte hier füglich in mehr als ^iner Beziehung von
einer 'Gymnastik der Zukunft' reden.
Die 'weitere Betrachtung aus der gymnastischen Bewegungslehre'
(S. 120 — i-Ü)) wiederholt vieles, was schon in den frühem Abschnitten
über diesen Gegenstand gesagt war, beginnt aber hier mit einer de-
tallierten Angabe der Gesichts- und Antlitzmuskeln , da jedes Mienen-
spiel wesentlich vom Mechanismus derselben abhängig ist. Für den
Zweck der Schrift hat der Hr. Vf. mit grofser Genauigkeit die Thä-
tigkeit der einzelnen Muskeln bei verschiedenen Affecten und mimi-
schen Ausdrücken beigefügt. Der Mimiker wird aber nirht fragen:
welche Muskeln nehme ich bei diesem oder jenem Gesichtsausdrurk in
Anspruch? sondern er wird sich in die beabsichtigte Stimmung durch
die Thätigkeit seines Geihtes vernetzen, und je mehr ihm dieses ge-
lingt, wird sich der Gebrauch der Ge.sichtsmu^keln ohne eine be-
sondere Berechnung ergeben. Hr. R. legt, wie überhaupt, so auch
hier zu viel Gewiclit auf das körperliche. Derjenige, welcher in der
Ausbildung der Ge.sichtsmuskeln den höchsten Grad von Virtuosität
erlangt hätte, würde demjenigen doch immer nachstehen, welcher bei
einem geringern Grade der Au.sbildung von hier in Betracht kommen-
den Organen doch das Mienenspiel geistig beherschte.
'Ks ist der Geist, der sich den Körper baut.'
An diese Worte des Dichters müfsen wir den Hrn. Vf. auch erinnern,
wenn wir S. 127 weiter lesen: 'unedler und unschöner Aus-
druck ist sehr oft lediglich eine Folge oft wiederholter
ubergrofser oder heftiger Muskelanstrengung, weshalb man
auch Bo häufig einen solchen Ausdruck in denjenigen Arbeiterclassen,
welche sehr anstrengende Arbeit verrichten, sowie bei Turnern und
Seiltänzern antrifTt'. Jedermann, der sich nur einigermalsen mit offnem
Blicke umgesehen hat, wird das verkehrte dieser Ansicht darin fin-
den, dafs nicht einseitige Korperausbildung, sondern d«»r höhere oder
niedere Grad geistiger Bildung im allgemeinen den Gesicht sausdruck
bestimmt. Die physiognomische Vergleirhung von 2 Turneräbtheilnn-
gen, von denen die eine z. B. von Lehrlingen und Gesellen, die an-
dere etwa von Primanern und Secundanern einer Gelehrtenschnle ge-
bildet wäre, würde uns sofort auf den wahren Grund der gewis in
II. Rolbslein: Anleiiuiig zn den Uebungen am VoUigirbock. 333
die Allgen springenden Verschiedenartigkeit in dem Gesichtsausdrnck
leiten.
Doch Hr. R. ist von der Wirksamkeit der schwedischen Gymna-
fitik als Universal-Bildungsmittel so fest überzeugt, dafs es uns nicht
Wunder nähme, wenn er behauptete: durch die genau berechneten und
harmonisch angewendeten Manipulationen derselben einer 8chaar roher
und ungebildeter Leute binnen kurzem die ausdrucksvollsten und edel-
sten Gesichtszuge zu verleihen. Solche und ahnliche Ansichten, aus
deuHn eine Ueberschätznng der Gymnastik überhaupt und der schwe-
dischen insbesondere zu entnehmen ist, finden sich häufig in den
R.schen Werken, z. B. hier auf S. 129, wo es heifst: Mn Betroff der Glie-
derbewegungen aber ist das metrische bisher theils gar nicht, theils
nur sehr dürftig und einseitig Gegenstand der gymnastischen Ausbii-
dong gewesen, und es ist einer der besonderen Vorzüge der Ling-
8 eben Gymnastik, dieses Bildungs- und Darstellungsmittel in
ebenso rationeller und consequenter Weise erfafst und benutzt zu ha-
ben, wie alle in der Gymnastik liegenden.' Wenn das sich
irgendwo in der Praxis der Gymnastik herausstellen konnte, so ist
dazu die geeignetste Gelegenheit bei Behandlung der Freiübungen.
Wir haben schon früher bei Besprechung der R.schen ^Freiübungen
nach dem Systeme Lings» (NJahrb. Bd. LXVJI S. 544 ff.) darauf hin-
gewiesen, wie es sich mit der behaupteten Erschöpfung der in der
Gymnastik liegenden Bildungsmittel seitens der schwedischen Schule
namentlich im Vergleich mit Spiefsscher Auffafsung und Behandlung
eigentlich verhalte. Danach hätte die schwedische Gymnastik keines-
wegs Ursache, sich die Eigenschaften des allein selig machenden
Evangeliums zu vindicieren. Bis jetzt ist sie mit sehr vielem im
Papier und in blofsen Phrasen stecken geblieben. Hinsichtlich der
^aesthetischen Gymnastik', bis zu welcher sich die deutsche Turn-
srhule allerdings noch nicht verstiegen hat, mag ein bestimmteres
Urtheil erst nach Vollendung des vorstehenden Werks statthaft sein.
Uebrigons kommt durch dasselbe viel Einsicht und Kenntnis zu der
bildungsfähigen Sache, die in dem Grade an Wirksamkeit gewinnt
und vor Entartung bewahrt bleibt, als sie auf dem fruchtbaren Boden
der Wifsenschaft gepflegt wird. Die vollste Anerkennung eines tüch-
tigen und fleilsigen Strebens für den letztern Zweck wird auch der
Hrn. Rothstein zollen müfsen, der sich mit ihm hinsichtlich der Ge-
staltung des Turnens in den gegenwärtigen Culturverhältnissen nicht
ganz in Uebereinstimmung befindet.
Nr. 3 von demselben Vf. gibt eine sehr zweckmäfsige Auswahl
von Uebungen einer recht beachtenswerthen Turnart. Durch die Ver-
bindung des bei den Voltigierübnngen stattfindenden Sprunges mit Stütz-
übungen aller Art wird die allseitige gymnastische Ausbildung wesent-
lich gefördert, besonders wenn dazu ein gewisser Grad turnerischer
Vorbildung mitgebracht wird. Die dabei stattfindende stärkere Kör-
peranstrengung und wegen sicherer Ausführung vorauszusetzende grö-
fserc Geübtheit lafsen diese Uebungen namentlich für die reifern Al-
tersstufen als angemefsen erscheinen, z. B. für die Schüler der obern
Gym nasialclassen. Neben ihrer Zweckmäfsigkeit sind diese Ue-
bungen für reifere Schüler auch anziehend, so dafs sie auf keinem
Gymnasial - Turnplatze mehr fehlen sollten. Das R.sche Werkchen
durfte sich zur Benutzung beim Unterrichte solcher Schülerclassen
ganz brauchbar erweisen. Die ziemlich genauen Beschreibungen sind
durch gute Abbildungen unterstützt. Um die etwa einseitige oder
stark aufregende Wirkung der Voltigicrnbungen auszugleichen, hat der
Hr. Vf. ganz zweckmäfsig einige passende, ruhigere Freiübungen da-
zwischen gelegt. Die auf S. 1—10 gegebenen Erläuterungen verdienen
334 H. E. Richter: Blutarmulh uud BleichsuohU
volle Beachtung für einen wahrhaft bildenden and gedeihlichen Turn-
unterricht. , „r , , „ «. ^ « • .
Nr. 4. Wenden wir uns nun zu dem Werke dea Hrn. Prof. Rich-
ter so lernen wir hier einen Krankheitszustand kennen, welcher die
Aufiiierksamkeit aller gewilsenhaften Erzieher um so mehr verdient,
als er sich am. häufigsten in den Schul- and Wachsthurnnjahren der
Jugend zeigt und seinen Kntstehungsgrund meist in naturwidriger Le-
bens- and Krziehungsweise findet. Man hat diese Blutarmulh als eine
leider sehr häufig erscheinende Krankheit der Gegenwart zu beklagen,
und es ist ein sehr yerdienstliches Unternehmen des Hrn. Vf., über
die Natur derselben die so nöthige Aufklärung gegeben zu haben.
Wir lernen hier das Blut als den Mittelpunkt aller Lebensthätigkeiten
im menschlichen Organismus kennen, von dessen Verfafsung die ge-
sammte Gesundheit und alles leibliche Wohlergehen abhängig ist.
Nachdem uns der Vf. S. 1 — 10 in klarer übersichtlicher Darstellung
über die chemischen Bestandtheile des Blutes, über seine Bereitung
und seine Thätigkeit für Ernährung und Belebung aller Organe be-
lehrt hat, folgt eine Charakteristik der Blutkrankheiten im allgemei-
nen und der Blutarmulh im besondern. Die letztere erscheint als eine
fehlerhafte Mischung der dem Blut nothwendigen ErnährungsstolTe oder
Hauptbestandtheile , indem durch ein Fehlen der so wichtigen Blut-
körperchen die Gesundheit und Ernährungsfahigkeit des Blutes ver-
loren geht. Nach den Symptomen wird dieser krankhafte Zustand unter
Bleichsucht verstanden. Der Vf. gibt als Kennzeichen (S. 21 ff.) dieses
Zustandes an: 1) eine grünlich- oder gelblich-weif^ie Hautfarbe, was
die Aerzte in der vollständigen Entwicklung die ^wächserne Bleich-
sucht' nennen. In den milderen Fällen und den ersten Stadien der
Krankheit soll jedoch häufig eine schonweifse Haut mit hellem Roth
der Wangen ('die wie Milch und Purpur prangen') das Uebel verra-
then, wodurch sich nicht selten Eltern, ja selbst Aerzte täuschen
liefsen. Als weitere Merkmale führt das vorstehende Buch an: 2)
Bleichheit der Schleimhäute, namentlich der Lippen; 3) Gefäfsleere,
was sich statt der gesunden graublauen Farbe der oberen Hautvenen
in einer violetten oder röthlichen Farbe derselben bei den bleichsüch-
tigen zu erkennen gibt; 4) Muskelschwäche; 5) Herz- und Athem-
noth; 6) Nervenzufälle; 7) Verdauungsstörungen. Durch eine Menge
interessanter und scharfsinniger Beobachtungen gibt der Vf. sichere
Erkennungsmittel der Krankheit. Besonders wichtig ist das Capitel
'von den Ursachen der Blutarmuth'. Da heifst es unter anderem 8,
56: 'die Ursachen, welche diesen der gröfsern Hälfte unserer städti-
hchen Schulkinder, besonders der Mädchen, eigenthümlicheu Blutman-
gel bedingen, sind jedesfalls manigfaltig. Obenan stelle ich die
Einfiü fse der Schule selbst, die ganze der kindlichen nnd ins-
besondere weiblichen Natur zuwiderlaufende Disciplin, Eniehunga-
und Unterrichtsweise derselben, die überfüllten, schlechtgelüfteten
Stuben, den Mangel der Freistunden, die täglichen 6 bis 7 Stunden dea
StUlsitzens, die einseitige Verstandesrultur u. s. w. Da» wichtigste
dieser Momente jedoch ist nach meinen sehr zahlreichen Beob-
achtungen immer die Vernac hläfsigung der Muskelthätig-
keit, und ich stehe nicht an (obschon es ein Zirkel in der Schluis-
folgerong ist) anzunehmen, dafs im lebenden Organismus nicht nar
das Blut für die Erzeugung von kräftiger Muskelsubstanz, sondern
auch umgekehrt ein tüchtig ausgearbeitetes Muskelsystem
für die Erzeugung eines kraftigen und an Blutkörpern
reichen Blutes eine Hauptbedingung ist.' Hr. R. warnt da-
vor, die Bleichiacht als eine Folge der Pubertatsentwicklung anzu-
sehen, was nur laweilen der Fall sei; hinsichtlich der Bleich-
IK E. Uichter: Blutannuth and Bleichsucht. 335
sncht der älteren Knaben and Jünglinge wäre da« bei den
Aerzteu schon anerkannt. 8eine Meinung über die Blutarniuth des
Janglingsalterh geht dahin, «dafs dieselbe in den meisten Fällen eine
Wachsthuntskrankheit, ein von der gesammten körperlichen, besonders
der Muskelentwicklung abhängiger Zustand sei, der nur als Folge oder
Nachwirkung in der Pubertätszeit su seiner höhern Ausbildung su
kommen pflegt'^
Wir mäfsen auf das Buch selbst verweisen, welches die Kntste>
hang der Blutannuth von Tuberkeln (am häufigsten in den Jünglings-
and angehenden Mannesjahren zur Entwicklung kommend), von Ent-
behrungen, Verdauungsstörungen, Säfteverl asten, Nervenleiden u. s.
w. (S. 41 — 57) einer lehrreichen Betrachtung unterwirft. Man fragt
sich billig: woher es komme, dafs gegenwärtig erst so viel von dieser
Krankheit die Rede ist, von deren häufiger Verbreitung man früher
ao viel wie nichts wüste. Ks ist das eine Folge der oben bezeichne-
ten Forschungen der neueren wifsenschaftlichen Heilmethode, welche
durch den Fortschritt der Naturwifsenschaften zur Aufklärung über
das eigentliche Wesen der Krankheiten geführt wurde. Die vorlie-
gende 8chrift ist ein schönes Zeugnis für diesen Fortschritt, der we-
sentlich zur Beseitigung von Verkehrtheiten und schreienden Uebel-
ständen im Bereiche der physischen Erziehung beitragen wird.
Dafs sich jener kraiiLhafte Zustand gerade bei uns häufig zeigt,
findet zum Theil seine Erklärung auch in den klimatischen Verhält-
nissen. Das Klima von Europa ist durchschnittlich ein feuchtes ver-
änderliches Klima, und die feuchte, wenig warme Luft beeinträchtigt
physikalisch den StolTwechsel. Die bei uns einheimischen Krankheiten,
wie der Gastricismus, Verdauungsschwäche, Scrophelsucht and Blnt-
armuth rühren meist davon her, dafs die Blutoxydation durch die hin-
derlichen Eigenschaften der Luft zu wenig begünstigt wird, weshalb
sich Hemmungen in der Bewegung des Blutes zeigen , die auch eine
fehlerhafte Mischung dessell)cn nach sich ziehen. Aus den Wirkungen
der Atmosphaere auf die Bildungsthätigkeit des Organismus, auf die
iStoffumwandlungen u. s. w. hat man deshalb nicht mit Unrecht das
bei uns häufige Vorkommen der Scropheln und der Biutarmuth herge-
leitet, die z. B. beim Tropenbewohner und beim Bewohner der kalten
Zone unbekannt sind. Damit wird uns die Nothwendigkeit besonders
nahe gelegt, gegen solche Schädlichkeiten die geeigneten vorbauenden
iVlittel anzuwenden. Hr. R, gibt zur Verhütung der Biutarmuth oder
zur Beseitigung derselben in mren Anfängen einige positive Regeln (S.
61 ff.), welche sich auf Vermehrung der Blutbereitung im Unterleib
durch geeignete Nahrungsmittel, auf fleifsige Hautcultur , auf Pflege des
gesammten Nervenlebens, Bewegung in freier Luft u. s. w. beziehen.
Eine besondere Schutzkraft legt der Vf. dem uns hier angehenden Ge-
genstande mit den Worten bei: 'vor allem aber dient der Jugend bei-
derlei Geschlechts (und zum Theil aach dem vorgeschrittenen Alter)
die systematisch geregelte, kunstmäfsige Uebnng der Muskeln durch
das Turnen (die Gymnastik), besonders nach der wifsenschaftlichen und
mildem neuen Schule, nemlich der neuem deutschen von Spiefs in
Dannstadt, oder nach der schwedischen Heilgymnastik Lings. Seit
einer Reihe von Jahren habe ich viele an beginnender Bleichsucht lei-
dende Kinder auf den Turnboden geschickt und dort beobachtet; daher
ich für dieses Mittel Gewähr leiste, dafern es so, wie auf unsern Dres-
dener Turnplatzen, d. h. vernünftig und nach physiologischen Grund-
sätzen, mit allmählicher stufenweiser Steigerung und steter zweckmä-
faiger Abwechslung der einzelnen Uebungen angewendet wird.*
Solche Urtheile eines erfahrenen Arztes und geschätzten Gelehrten
verdienen überall offene Ohren lu finden, besonders auch bei den
336 11. E. Richter: Blutarmuth und Bleichsucht.
Le«ern dieser Blätter. Wir brauc'ien nur an die grofse Zahl gelehr-
ter Schulmänner zu erinnern, die in rein geistiger Arbeit den gröfsten
Theil ihrer Lebenszeit verbringen jnd meist aus Zeitgeiz es versäumen,
durch entsprechende Muskeltliätigkeit und Korperübung die Leben»-
kraft zu erneuen, welche durch geistige Spannung um so mehr ver-
zehrt wird. Eine Unzahl von Krankheiten pflegt darum meist den
muskelschwachen Gelehrten, besonders wenn er in seiner Jugend der
gymnastischen Erziehung entbehrte, zu treffen. Die bitteren Klagen in
den Biographien berühmter Männer über die zahllosen Unterbrechun-
gen, welche ihr geistiges Schaffen durch physische Hemmnisse aller
Art zu erleiden hatte, finden ihre naturliche Erklärung in dem Um-
stände, dafs sie in der Entwicklung der Körperkräfte und der Aut-
bildung ihrer Glieder meist sehr verkümmert blieben. Die Muskel-
thätigkeit, Verdauung, Blutbereitung und Ernährung waren in Folge
dessen auf das Minimum der Thätigkeit redu eiert oder so gestört, dafs
Trägheit des Blutumlaufes, mancherlei Verdauungsbeschwerden, Hae-
raorrhoidalzufalle n. dgl. m. das gewöhnliche Kreuz der Gelehrten
bildeten. Viele der letzteren, welche das Richtersche Buch lesen und
sich danach den Verlauf des Lebensprocessea vergegenwärtigen, wer-
den bald finden: wie wenig sie sich hinsichtlich ihrer Lebensweise iu
Uebereinstimmung mit den Naturgesetzen befinden. ' Das Wohl de»
Körpers' sagt der verdienstvolle Arzt S. Ch, Vogel 'steht mit der
Cultur des Geistes in einem so widrigen Verhältnis, dafs jener sinkt
und zerfällt, je mehr dieser sich erhebt und seinen Gesichtskreis er-
weitert, und dafs gemeiniglich Gesichter wie Dreierke, Arme and Beine
wie Haberröhre, Herzen von Butter, Magen von Löschpapier, schlappe,
kraftlose Körperchen das Loos grofser, geistvoller Gelehrten sind.' Man
erkennt an dieser Schilderung sofort die während des ganzen Lebens
versäumte Muskelthätigkcit, und wir müfsen Hrn. R. darin beistim-
men, dafs die gymnastischen Leibesübungen eine nothwendige Bedin-
gung des geregelten und kraftvollen Vonstattengehens aller vegetativen
Lebensäufscrungen sind und aus diesem Grunde namentlich auch dem
Denker and Gelehrten Bedürfnis werden.
Solche Untersuchungen, wie sie Hr. R. hier bietet, fordern aber
auch die Lehrer der Gelehrtcnschulen ganz besonders zu einer sorg-
fältigen Beachtung und Prüfung auf, damit sie ihres Theils die Schäd-
lichkeiten hinwegräumen helfen, welche die theuersten Interessen der
.studierenden Jugend so .sehr beeinträchtigen können. In dem letzten
Abschnitte 'öffentliche Gesundheitspflege' gibt unser Vf. noch ebenso
gut gemeinte wie praktische Rathschläge. Wenn die Stimmen über den
Passus S. 82: 'vor allem aber ist das Schul- und Unterrichtswesen
zu reformieren. Der unnütze gelehrte Kram ist aus den Elementar-
nnd höheren Schulen zu verbannen; statt des Grammatical-Unterrichts
ist eine natürlichere Art des Spracherlernens, und daneben ein realisti-
scher, naturwifsenschaftlicher Unterricht, statt der Dogmatik die Mo-
ral einzuführen' — gethoilt sein werden, so erfreuen sich die folgen-
den Ansichten: 'vor allem aber ist darauf zu sehen, dafs auch dem
Korper des Schulkindes und seinem Jugendmuthe sein Recht werde,
dafs die Schulzimmer gesund seien, dafs gehörige Zwischenstunden mit
der Erlaubnis ins freie zu gehen, allenthalben eingerichtet werden;
dafs das anhaltende Sitzen auf lehnelosen Bänken aufhöre, die Ein-
richtung von Turnplätzen zur allgemeineren Verbreitung einer an
Geist und Körper verjüngenden und gesundmachenden Körperübung
für alle Clussen und Lebensalter getroffen werde' u. s. w. gewis der
Zustimmung aller einsichtigen und wohlwollenden Erzieher. Schon ein-
mal hat der vor kurzem verstorbene Dr. Lorinser die Mängel und
Mifibräuche in der gelehrten Schulerziehnng einer grundlichen Bcspre-
II. E. Richter: Blatarmuth uod Bleicbsuchf. 337
chnng unterworfen. Er stiefs damals anf Tielfache Widerspruche,
welche einem unserer geachietsten Mediciner der Gegenwart, Prof.
Ideler, zum Beweise dienen, 'daf» unser Zeitalter noch viel zu sehr
in scholastischer Afterweisheit befangen ist, als dafs es seine wich-
tigsten Angelegenheiten mit reiner Naturanschauung auffafsen könnte.'
Auch dieser Gelehrte findet, gestützt auf die Wifsenschaft, Veran-
lafsung, die Bedeutung der Gymnastik in seiner 'Diaetetik für Gebil-
dete' des ausführlichsten zu würdigen, weil sie es sei 'welche den bis
dahin zu einem grofsen Tlieile brach gelegenen Boden der Naturan-
lagen zur frnchtreichsten Ergiebigkeit aufschliefsen wird.' In den
nmfafsenden Abschnitten des gedachten Werkes: 'Cultur des Gehirns,
des Muskelsystems und des bildenden Lebens' ist die Gymnastik die
Grundlage einer prophylaktischen«Diaetetik. Mit schwungvoller Sprache
und überzeugender Darstellung dringt Ideler darauf, dafs Gelehrsamkeit
und Gymnastik einen Bund fürs ganze Leben zu schliefsen hätten, und
widerlegt auf das schlagendste die noch immer herschende Ansicht, als
sei die den Turnübungen gewidmete Zeit eine verlorne, den Wifsen-
•chaften geraubte, während der in seinen Gliedern erstarkte Jüngling
auch im Gebiete des Denkens die schwersten Aufgaben zu lösen im
Stande sein werde.
Die Richtersche Schrift geht die Gymnasien durch die gründliche
Betrachtung ^iner Krankheitserscheinung mehr an, als es nach dem
Titel scheinen möchte. Man prüfe nun im einzelnen, wenn man die
hier gegebenen Thatsachen nicht widerlegen kann, ob die bestehen-
den Einrichtungen für die körperliche Erziehung der Gymnasialjngend
wirklich ausreichen. Tn den meisten Fällen beruhigt man sich, wenn
der erste beste Turnlehrer angenommen und ein Platz nothdürftig mit
Reck und Barren besetzt wird, an denen sich die Schüler zuweilen
in einigen Uebungen versuchen. Dann kann man doch wenigstens auf
den Lectionsplan setzen, dafs das Gymnasium auch Turnunterrirht
habe. Wie wenig Schulen gibt es aber, die dafür Sorge tragen, dafs
durch Anlage von ordentlichen und anständigen Turnsälen die Uebun-
gen zu jeder Zeit und unter allen Witterungsverhältnissen ihren re-
gelmäfsigcn Fortgang nehmen können! Das Winterturnen ist bei den
meisten Gymnasien kläglich oder gar nicht bestellt, und es gehört
nicht viel Einsicht dazu, um die Nothwendigkeit der gymnastischen
Uebun<;en namentlich im Winter zu begreifen. In dieser Jahreszeit
häufen sich jene Schädlichkeiten im jugendlichen Körper besonders,
wovon bei Hrn. R. die Rede ist. Es ist noch viel zu thun, ehe dem
Turnen auch nur äufserlich mit den nöthigen entsprechenden Ein-
richtungen die erforderliche Rücksicht erwiesen ist, ehe die rechten
Lehrer für diese Erziehungssache gewonnen sind, welche die Gymna-
stik in ihrer natürlichen Grenze zu halten und wahrhaft erzieherisch
zu gestalten verstehen. Noch liegt da vieles im argen.
Hat man sich aber von der erzieherischen Kraft und der Noth-
wendigkeit der Gymnastik für die Gymnasien überzeugt, so reihe man
sie mit allem Nachdruck in den Schulplan ein. Bis jetzt ist man meist
auf halbem Wege stehen geblieben, indem man das Turnen nur zu
häufig als indifferente Nebensache oder als ein feindliches Gegenge-
wicht ansah. Es bleibt jetzt nichts anderes übrig, als das Turnen
ordentlich in das Schulsystem einzureihen oder es ganz von den Schu-
len wegzulafsen. Eine genauere Prüfung unseres heutigen Gymnasial-
Tumwesens wird uns davon überzeugen, 'dafs das Turnen in
jeder Halbheit verkümmert und in jeder ungebildeten
Form mehr schadet als Nutzen bringt'. Von Resultaten des
Turnens kann nicht eher die Rede sein, bis man ihm bei den Schulen
hinreichenden Schutz, sowie bestimmte Pflichten und Rechte zu-
338 Auszüge aus Zcilschriften.
erkennt. Dafs die Verbindlichkeit aller Schüler nicht 2n vermeiden
sei, wird niemandem mehr zweifelhaft ertjcheinen, der die Gestaltung
eines rationellen Turnunterrichts an sich und in seinem Verhältnis xur
Schule begriffen hat. Die ganze Autorität der Schule mnfs aber für
die Sache in die Schranken treten, wenn sie den gedeihlichen Port-
gang nehmen soll, der ihr zum wahrhaften Gedeihen künftiger Gene-
rationen gewünscht werden mufs. Die Schulmänner sind vor allen be-
rufen hier mit zu helfen, und Gott gebe, dafs sich zu diesem Zwecke
recht yiele geschäftige Hände regen.
(Der Schlufs folgt im nächsten Hefte.)
Dresden. M. Klo$$,
Auszüge aus Zeitschriften.
Zeitschrift für die Mtcrthumswissenachaft herausgegeben von Ju-
lius Caesar. XL Jahrgang. I85H. Sechstes Heft [s. Bd. LKIX
S. lOj if.]. Das Latein im Uebergange zum Romanischen, von A. F.
Pott (S. 481 — 499: an vielen einzelni>n Beispielen wird nachgewiesen,
wie die romanischen Sprachen viel alt überlieferten Stoif und zwar
bei weitem mehr durch das Medium der römischen Volks- als der
Schriftsprache in lebendigem Gebrauch bis zu uns herabfuhren). —
Kritische Studien zur Geschichte der scrtorianischen Kämpfe, von G.
Dronke (S. 499 — 510: nach vorausgegangener Würdigung der Quellen
wird hauptsächlich die Chronologie jener achtjährigen Kämpfe bestimmt
und dabei mehrere Stellen aus Plut. v. Sert. , Sali. Hist. und Orosius
kritisch behandelt). — Didymi ^i^is xco^atxij, scr. Mauritius Schmidt
(S. 510—526: Zusammenstellung der darauf zurückzuführenden Glossen
mit einem Kpimetrum über den Grammatiker Theon). — G^rmnasial-
programnie der Provinz Posen aus dem Jahre 1052 (S. 518 — 5*20). —
Rec. von H. Brunn: Geschichte der griechischen Künstler. Ir ThL
(Braunschweig 1853), von J. Ov erb eck (S. 526—544: der Vf. habe
seine Aufgabe, so wie er sie richtig gestellt und gefafst, auch mit
Geschick und Geist durchgeführt, w.is durch eine mit Anmerkungen
begleitete Ucbersicht des Inhalts nachgewiesen wird). — Rec. von
Platonis dialogi ex rec. C. Fr. Hermanni. Vol. I — VL (Lipsiae 18dl
— 53", von W. Wiegand (S. 545 — 564: Charakteristik uieser von
einem der ersten unter den jetzt lebenden Piatonikern besorgten Aus-
gabe; im einzelnen werden mehrere Stellen der Apologie und dea 2a
Buchs der Politie besprochen). — Anz. von E. Curtius: Herakles
der Satyr- und Dreifufsräuber (Berlin 1852), von K. Hausdorffer
(S. 564-566: Inhaltsangabe). — Topographische Notiz zur Dar«tel-
lung der Belagerung von Rhodos [durch Demetrios Poliorketes 305 —
304J in Kochly-Rüstows griech. Kriegsgeschichte, von Kerd. Luders
(8, 566—568: die Operationsbasis sei nicht an der Nord- sondern an
der Südseite der Stadt gewesen). — Auszüge aus Zeitschriften (S.
569 — 571). — Bibliographische Uebersicht der neuesten philologischeu
Litteratnr (S. 571—576). — Beilage. Antwort, von W. Teuf fei (S.
1 — 8: gegen Kocks Entgegnung auf T.s Rec. von des erstem Aas-
gäbe der Wolken des Aristophanes).
Zwölfter Jahrgang. 1854. Erstes Heft. Ueber die Munera
der römischen Gemeinden, von Emil Kuhn (S. 1—23: dieselben werden
in folgenden Abschnitten behandelt: 1) munera und honorea, 2) munerm
personarum und patrimonii, 3) die Reallasten) Epigrapbica, mit-
getheilt von F. Osann (8. 33 f.). ^ Ueber den innern Gedanken*
Auszüge aus Zeilschrifleo. 339
susanimenhang im platonischen Phaedros, von J. Den sehte (8. 26 —
44: der Hauptzweck des Aufsatses ist, ein inneres nothwendiges Ver-
hältnis der beiden Reden des Sokrates im Jn Theile des Dialogs mit
seinem 2n Haupttheile nachzuweisen; dieser enthält nur Postulate, jene
die Begründung dazu. Unter Rhetorik werden alle praktischen Gei-
•teserzeugniüse mit verstanden, sofern sie ihren Ausdruck in Worten
finden. Der Zweck des Phaedrns ist also Vermittlung der Philosophie
mit diesen — auf Grund der Psychologie. Ausgegangen wird von dem
Inhalt des 2n Haupttheiis und nachgewiesen, dal's die Rhetorik nach
allen Seiten die Psychologie zur Voraussetzung habe: 1) sie ist defi-
niert als psychagogiscbe Kunst; 2) die subjective Seite dieser Bestim-
mung stützt sich auf die Lehre von der Seele a) sofern die Erkenntnis
der wahren Verhältnisse der Begriffe die Grundlage des je zu errei-
chenden Zweckes bildet, b) insofern die logischen Gesetze die Rede
constituieren sollen; 3) die objective Seite, insofern auf die Lehre von
der Seele sich die von den Arten der Rede und ihrer eigenthümlichen
Form zu richten habe. Die psychologischen Voraussetzungen nun, wel-
che diesen Postulaten zu Grunde liegen, enthalten die Reden des So-
krates, insbesondere die 2e. In dem Begriff des Eros, welcher der
Seele inhaeriert, ist die Bestimmung der Rhetorik als psychagogiscbe
Kunst vorbegründet. In der Lehre vom Wesen der Seele wird ferner
die Möglichkeit des Erkennens begrifflicher Verhältnisse und die Noth-
wendigkeit der Geltung der logischen Gesetze nachgewiesen. Endlich
beantwortet der Mythus im voraus die Fragen, welche in dem letzten
Punkte zusammentreffen. An einigen Einzelheiten wird noch die Be-
ziehung auf den Mittelpunkt des ganzen — psychisches — dargelegt.
So an der Fabel von den Grillen, deren künstlerische Noth wendigkeit
nun erhellt. Ebenso führt der Gegensatz gf'gen Beschäftigung mit alle-
gorischer Mythenerklärung wie gegen Naturbetrachtnng gleich auf psy-
chologisches Gebiet. Der Schlafs des Dialogs berührt den Einheits-
punkt des ganzen nicht minder nah. Der Aufsatz schliefst mit einigen
allgemeinen Bemerkungen über die Richtung, die die platonischen Stu-
dien heutzutage nehmen und nehmen sollten). — Rec. von J. O ver-
beck: kunstarchaeologische Vorlesungen (Braunschweig 1863), von H.
A. Müller (S. 44—54: das Hauptverdienst und der Hauptfortschritt
des Buchs bestehe in der Erklärung der einzelnen Bildwerke, aus denen
eine Anzahl hervorgehoben und besprochen wird; gerügt wird der
Mangel an Consequenz in den Angaben und die nicht unbedeutende
Anzahl von Druckfehlern). — Programme aus Dänemark und den Her-
zogthümern Johannis 1852, von G. Stier (S. 54—56. 64. 79 f. 89 —
93s eingehend werden folgende besprochen, resp. im Auszug mitge-
theilt: Ingerslev de vocibus et locis quibusdam scriptorum Latino-
rum in lexicis plerisque non satis recte explicatis pars I et II, Kolding
1850 u. 52; Birch Beitrag zur Erklärung von Enripides Iphigeneia
in Aulis, Horsens 1852; Berg einige Sprachbemerkungen angeknüpft
an einen Commentar zu Xenophons Hieron, Kopenhagen 1852; Boje-
sen Aristoteles Staatslehre, Ir u. 2r Tbl., Sorö 1851 und 52). — Rec.
Ton Horatius Satiren und Episteln erklärt von G. T. A. Krüger
(Leipzig 1853), von Voigt (S. 57—83: die Ausgabe lafse viel zu wün-
schen nbrig, obgleich ihr Brauchbarkeit nicht abzusprechen sei; viele
einzelne Stellen werden besprochen). — Anz. von H. Middendorf:
über die Philaenensage (Münster 1853), von Holscher (S. 84 f.: In-
haltsangabe). — Ein Wort über Schulausgaben der alten Classiker,
von einem ehemaligen Schulmanne (S. 85—88: dieselben seien für den
Schulgebranch vom Uebel, weil sie die vereinte Thätigkeit des Lehrers
nnd Schulers hemmten; nur zur Behuf der Privatlecture seien sie für
Schaler empfehienswerth). — Auszüge ans Zeitschriften (8. 93 f.). —
340 Auszüge aus Zeilschiiften.
Nachtrag zur bibliographischen Uebersicht der neusten philologischen
Litterat ur aus dem J. lÖo3 (S. 94 — 96). — Beilage. Krkläning, von
H. Köchly (gegen Bergks Rec. von Köchly-Ruatow« Geschichte de»
griech. Kriegswesens). — Zweites Heft. Patrimi matrimi , diKpi-
^aXsCg, von iMerckliu (S. 97- 122: Behandlung dieses Gegenstande«
vom Standpunkte des griechischen und römischen Sarralrechts auf
Grund der «teile des Dionysius A. R. II, 22; zuerst wird der sprach-
liche Ausdruck und seine Bedeutung betrachtet, darauf die factischen
Verhältnisse dieser Classe, ihre Stellung im Prie^terthum, ihre Wahl-
art, ihre ritualen Functionen, sowohl priesterliche als nichtpriester-
liche, und ihre äufscre Erscheinung verfol^rt). — Pronrramme der Gym-
nasien Westfalens von 18 V2 (S. 112. 120. J3ü). — M. Junius Congus
Gracchanus, der Geschichtschreiber der alten römischen Verfafsung,
von J. Becker (S. 123—128; Beweis dals die abwechselnd vorkom-
menden Namen M. Junius, Junius, Junius Gracchanus, Congus, Junius
Congus eine und dieselbe Persönlichkeit bezeichnen; kritische Behand-
lung des Fragments des Lucilius bei Plinius N. H. praef. §. 7). —
Ueber das gestrichene Iota im oskischen Alphabet, von G. Stier (S.
129- -138: dasselbe bezeichne den vocalischcn Laut, das einfache Iota
den Consonanten j ; jedoch erleide dies Gesetz einige Beschränkungen,
die namhaft gemacht werden). - Rec. von Fr. K. Kraft u. C. Mül-
ler: llealschuUexlkon, 2 Bde (Hamburg 1863), und Fr. Lubkert
Reallexikon des classisclien Alterthums für Gymnasien, le Abth. (Leip-
zig 1853), von W. Teuf fei (S. 139—155: ersterm Werke wird, so-
weit es Krafts Werk sei, also zum allergröfsten Theile, aller Werth
abgesprochen und widerrechtliche Plünderung fremdes Kigenthums, der
»Stuttgarter Realencyclopaedie, daran gerügt; das zweite sei unprak-
tisch angelegt, ein Vorwurf der lediglich die Redaction treffe, übrigens
nicht ohne wifsenschaftlichen Werth). — Rec. von A. Feuerbach«
nachgelafsenen Schriften, 4 Bde (Braunschweig 1853), von H. A. Mül-
ler (S. 155— 167: blofs die den 2n u. 3n Bd. ausmachende Geschichte
der griechischen Plastik wird be>proclien und über diese geurtheilt,
sie enthalte der eignen kunsthistorischen Untersuchungen und kuust-
hermenentischen Resultate so wenige und ignoriere die Fortschritte
und Kntdeckungen der neusten Zeit so gänzlich, dafs ihr Erscheinen
um ein ganzes Decennium zu spät erfolge ; dieses Urthcil wird durch
Besprechung vieler Einzelheiten erhärtet). — Zu Plato Apol. c. 25 p. 27 K,
von Finckh (S. 168: die von Bäumicin und K. Fr. Hermann als unecht
eingeklammerten Worte rovg qutovov^ seien schon von Arrian dissert.
Epict.2, 5 med. gelesen word«Mi und als Apposition zu LTtTCoav ncctSag xal
ovav zu fafsen). — Rec. von F r. I n g e r s l e v s lateinisch- deutschem Schul-
wörterbuch (Braunschweig 1853), von Otto (S. 169 — 176: durchaus
verwerfendes Urtheil, es sei ein magerer, unvollkommener und unkriti-
scher, gröfstentheils aller wahren Selb^tändigkeit entbehrender Auszog
ans einigen gröfsern Wörterbüchern). — Rec. von Ciceronis Tuscnl.
disp. libri V erklärt von G. Tischer (Leipzig 1850), von E. Haus-
dörffer (S. 177 — 183: anerkennende Beurthetlung mit Besprechung
mehrerer einzelnen Stellen). — Anz. von W. O. Freese: der Partei-
kampf der üeichen und der Armen in Athen zur Zeit der Demokratie
(Stralsund 1848), von E. (S. 183 f.: die Schrift enthalte trotz mehrerer
Mängel manche gute und anregende Gedanken, müfse aber mit Vor-
sicht benutzt werden). — Auszuge aus Zeitschriften (S. 185—192).
— Drittes Heft. Von den griechischen und lateinischen Vemei-
nungswörtern, von Fritsch (S. 193-219, Forts, im 4n Heft S. 389
— 302: nach etymologischen Vorbemerkungen wird gehandelt über den
Gebrauch der selbständigen Negationen, über den Unterschied und
Gebrauch von ov und fi^ und den acheinbaren Pleonaamus dieser bei-
Auszüge aus Zeitschriflen. 341
den Negationen). — Das Latein im Ucberg^angc zum Romanischen, von
A. F. Pott, t>r Artikel (S. 219—238: an dem Beiispiel des Innocen-
tius, eines der römischen Gromatiker, und der von Wilhelm Grimm
J861 herausgep'benen 'altdeutschen Gespräche' wird nachgewiesen,
dafs manche 8chriftdenkmale dos Mittelalters entweder in dem zu der
Zeit und an dem Orte ihrer Abtaisung oder Umarbeitung üblichen
Volksidiome oder in einem Latein niedergeschrieben worden seien, das
sich mehr oder minder stark mit Idiotismen der gemeinen Rede ver-
setzt zeige in ihrer Annäherung an eine der romanischen Sprachge-
staltungen). — Programme der bayerischen Gymnasien von 1851 (S.
224. 231 f. 240. 248. 255 f.). — Programme des Herzogthums Braun-
schweig (S. 256). — Anulecta Vergiliana, scr. H. Paidamus (S. 238
— 242: Aen. I, 2 sei Luvinaque die richtige Lesart, II, 347 und IV,
587 die handschriftlichen ]jesarten andere und aequatis beizubehalten
gegen Gronovs ordere und K. Fr. Hermanns arquatisj V, 796 libeat
statt liceut und VI, '200 sequentem statt scquentum zu schreiben). —
Rec. von A. Seh wegler: römische Geschichte, In Bdes Je Abth.
(Tubingen 1853), von Fr. Dor. Ger lach (8. 243— 26'2: das Buch sei
eher eine Kritik aller möglichen Meinungen, Ansichten, Vermuthnngen,
Forschungen über die römische Geschichte zu nennen als selbst rrnn.
Gesch., von der nicht viel mehr übrig bleibe als die eigne Ansicht des
Vf. Um dies zu beweisen, geht der Rec. das le Buch, welches die
Bezeugung der ältesten Geschichte in Betracht zieht, durch und wie^
derholt am Schhifs die Grundsätze, welche nach seiner Ansicht den
römiAchen Geschichtsforscher und Darsteller leiten mufsen). — Rec.
von: Aristophanes ausgew. Komoedien erkl. von Th. Kock, 2s Bdchen:
die Ritter (Leipzig 1853), von W. Teuffei (S. 262—277: die Bear-
beitung dieses Bändchens sei um vieles befser als die der Wolken,
obwohl das nufserste bei weitem noch nicht erreicht sei; die Einleitung
und der Commentar werden, der letztere in Bezug auf Kritik und Er-
klärung, im einzelnen durchgegangen). — Verhandlungen gelehrter
Gesellschaften (S. 277 — 280: Akademien zu Paris, St. Petersburg und
Wien).— Auszüge aus Zeitschriften (8. 281—288).- Vierte» Heft.
S. 289 — 302 8. oben. — Zu Longinus negl vrljovg^ von Noite (S.
302 — 304: Verbefserungsvorschläge). — Drei Schreiben an Hrn. Dr.
Schubart über Dr. Pyls Wiederherstellung des amyklaeischen Throns,
von Ruhl (S. 305 — 324: mit Bezug auf den Aufsatz in der Ztschr. f.
d. AW. 1853 S. 1 ff. ; Bedenken dagegen hauptsächlich vom Stand-
punkte der Technik aus und eigner Wiederherstellungsversuch). — Die
griechische Opfergerste war mit Salz vermischt, von Anton Eberz
(S. 324 — 330: der Vf. stützt seinen Beweis hauptsächlich darauf, dafs
das Fragment des Komikers Athenion bei Athen. XIV, 661 , aus dem
man gewöhnlich das Gegentheil ableite, dies nicht beweise; somit hät-
ten die Scholiasten Recht, welche Beimischung des Salzes positiv
bezeugten). — Rec. von A. Rofsbach: Untersuchungen über die
römische Ehe (Stuttgart 1853', von E. Piatner (S. 330—350: ein-
dringliche Empfehlung dieses 'nicht nur durch eine grofse Belesenheit
in den Quellen, in der philologischen sowohl als juristischen Littc-
ratur, durch Gründlichkeit der P^orschung, sondern auch durch Selh-
•tandigkeit des Urtheils und eine scharfsinnige und geistreiche Behand-
lang der Gegenstände' ausgezeichneten Buches mit ins einzelne einge-
henden Bemerkungen, namentlich über das Verhältnis der P^amilie zum
Staat, den Begriff der Familie, die Manns, Coemption nnd Confarreation).
— Anz. von L. Herrig: deDruidibu« commentatio (Berolini 1853), von
Holscher (S. 335 f.: Inhaltsangabe). — Rec. von: Albius Tibnilus
Gedichte übersetzt n. erläutert von W. Teuffei (Stuttgart 1853), von
Hertzberg (S. 350 — 356: der Rec. referiert beistimmend über den
342 Aaszüge aus Zeitschriften.
Inhalt der Einleitung und bezeichnet die Uebersetzung als durchgangig
fliefsend und gefällig ; nur hätte der Uebersetzer sich mehr von gewissen
selbstgemachten Regeln emancipieren sollen). — Rec. TonA. Haake:
Beiträge zur einer Neugestaltung der griech. Grammatik, 2s Heft
(Nordhausen 1852), "von J. Rott (S. 356—366: der Rec. stimmt des
Vf. Auffafsung der Genera des griech. Verbums, deren derselbe nur
zwei, Activ und Passiv, anerkennt, im ganzen bei, vermifst aber
genaueres Eingehn auf die verwandten Sprachen und gibt gelbst meh-
rere dahin abzielende Nachträge). — Programme der kurhessischen
Gymnasien zu Ostern 1854 (S. 366—368). — Feier des Winckelmanns*
festes 9. Decbr. 1853 in Berlin, Bonn, Gottingen, Greifswaid, Ham-
burg, Rom (S. 312. 328. 344).— Anz. von F. G. Welcker« kleinen
Schriften, 3r Tbl. (Bonn 1850), von — s— (S. 369--375! Charakte-
ristik und Inhaltsangabe). — Auszuge aus Zeitschriften (S. 375 —
379). — Bibliographische Uebersicht der neusten philologischen Litte-
ratur (S. 379-sJ84).
Gelehrte Anzeigen herausgegeben von Mitgliedern der k. bayer,
Akademie der Wissenschaften [s. NJahrb. Bd. LXIX S. 340 IT.]. Band
XXXVIII. Januar bis Juni 1854. Nr. 13. 14. 1) Taschenwörter-
buch der rhaetoromanischen Sprache in Graubünden von Otto Ca-
rl seh, Prof. an der evang. Kantonschule. Chur 1848. 2) Gramma-
tische Formenlehre der deutschen und rhaetoromanischen Sprache für die
romanischen Schulen Graubündens von demselben Verf. Chur 1853.
Berichtende Anzeige von Ludwig Steub mit zahlreichen eingestreu-
ten Vermuthungen über die Entstehung einzelner Wörter. Das Wör-
terbuch wird als ein erster Anfang bezeichnet, dem gegenüber das
frühere Conradische Lexicon nicht mehr zählen könne. — Nr. 17. 18.
Ilgeniana. Erinnerungen an Dr. Karl David Ilgen, Rector der Schule
zu Pforte, insbesondere an dessen Reden in Erholungsstunden. Eine
kleine Anekdotensammlung von W. N. Leipzig 1853. Sehr rühmende
Anz. von L. Döderlein, der die kleine Schrift als das Muster einer
tiefgegriffenen Charakteristik bezeichnet. — Nr. 19-21. Vortrag de«
Rectors K. Halm über den In Band der von ihm und Prof. Bai t er
in Zürich besorgten kritischen Ausgabe der Ciceronischen Reden.
Der Vf. gibt eine Uebersicht über den für die Ausg. benutzten neuen
Apparat mit einzelnem Nachweis, was für die Verbefserung der Reden
p. Roscio Am., p. Fonteio, p. Caecina, p. Rah. perd. reo und p. Mu-
rena geMchehen sei. Eingeflochten ist eine Mittheiiung mit neuem De-
tail über die von Poggio im 15n Jh. aufgefundenen Ciceronischen
Reden und eine Beschreibung des cod. Tegernseensis = Bavaricus Ga-
ratonii, der im J. 1H53 bei einem Pariser Antiquar wieder aufgefunden
und aus dem Besitz des Prof. Baiter in die Bibliothek zu München
übergegangen ist. — Nr. 31 — 34. 1) Memoire sur ^thicus et snr lea
ouvrages cosmographiques intituUs de ce nom, par M. D'Avesac.
Paris 1852. 2) De Cosmograpliia Ethici libri tres, scr. Car. Aug.
Fr id. Pertz. Berol. 1853. 3) Die Kosmographie des Istrier Aethi-
kos im latein. Auszüge des Hieronymus. Aus einer Leipziger Hs. lum
erstenmal besonders herausgegeben von Heinrich Wuttke. Leipiig
1853. Ausführliche Anzeige von Fr. Kunstmann, der seine Ansicht
in folgenden Schlufsworten ausspricht: 'Ref. will die Frage nicht beant-
worten, ob ein Aethikus eine Cosmographie geschrieben habe, sondern
beschränkt seine Untersuchung darauf, dafs sich für die Erweiterung
unserer geographischen Kenntnisse aus dem Torliegenden unechten
Werke kein Nutzen ziehen lafse, weil es, wie achon altere Schrift-
•Uller richtig bemerkten, neben langst bekannten Thatsachen nur ein
Aaslüge tug Zeitschriften. 343
buntes kaiim verstandliches Gemengsel fabelhafter Berichte enthalte.
Wohl aber sind nach seiner Meinung die Nachrichten über die ver-
schiedene Bauart der Schiffe für die Geschichte der Schilfahrtükunde
ein schätzbares Fragment, weiches deshalb auch Jal in sein bekannt e^^
Werk, aufgeiiüinmen hat, sowie die vielfachen sagenhaften Berichte über
Alexander den Grofsen für die Entwicklung und Verbreitung der Alexun-
dersage einen wesentlichen Beitrag darbieten.' — Nr. 46 f. Akademi-
scher Vortrag des Prof. Prantl, der Aber einen Abschnitt seiner in
Bälde erscheinenden Geschichte der Logik berichtet, und zwar zunächst
über jenen Theil derselben, welcher die Entwicklung der Logik nach
Aristoteles bis zum Schlufse des Alterthums betrifft. — Nr. 62 — ö-i.
Alciphronis rheturis epistolae cum adnot. crit. editae ab Aug. Mei-
nekio. Lips. 18j3. Sehr anerkennende Recension von Kayser, der
viele Stellen eingehend bespricht und seine eigenen Emendations ver-
suche mittheilt. Die in Seilers Ausgabe zuerst ans dem Florentiner
Codex vollständig erschienenen Fragmente werden dem Alciphron ab-
gesprochen. — Nr. 54—56. 1) Zur Erklärung des Pünius. Antiken-
kranz zum I3n Berliner Winckelmannsfest geweiht von Th. Panofka.
Nebst V2 bildlichen Darstellungen. Berlin 1853. 4. 2) Die Hadeskappe
Ton K. Fr. Hermann. Gröttingen 1853. Referierende Anz. von Fr.
Creuzer, der aus beiden Schriften einzelne Stellen unter manchen
eingestreuten Zweifeln aushebt, ohne sich auf eine eingehende Widerlegung
der ihm als gewagt erscheinenden Deutungen und Erklärungen einzu-
lafsen. — Nr. 18. 1) Ueber den Dolichenus-Cult. Von J. G. Seidl.
Wien 1854. 2) Das altitalische Schwergeld im k. k. Münz- und Anti-
ken-Cabinette zu Wien. Beschrieben von J. G. Seidl. Lobendes
Referat von Otto Jahn, der zu den Ton dem Hg. gesammelten auf
den Juppiter Dolichonus bezüglichen 68 Inschriften eine 1862 zu Re-
magen gefundene nachträgt, die Braun im Winckelmannsprogramm des
Vereines von Alter thumsfreunden im Rheinlande 1862 herausgegeben
und erklärt hat.
Band XXXIX. Juli bis September. Philosophisch-philologische
Classe*). Nr. 1—4. Aeschyli tragoediae. Rec. G. Hermann us.
Zweiter Artikel, in welchem der Ref. Ludwig Schiller die kriti-
schen Leistungen des Hg. unter Mittheilung von zahlreichen Zusätzen
zumeist aus neueren Schriften und von eigenen Emendationsversuchen
sehr anerkennend bespricht. — Nr. 4. Index lectionum quae in univ.
litt. Friderica Guilelma per semestre aestivum a. 1854 habebuntur.
Berol. Referat von G. Thomas über die das Gedicht Aetna betref-
fende Abhandlung von M. Haupt, dessen theils aus dem cod. Canta-
brigiensis theils durch eigene Vermuthung gewonnenen ungemeinen Ver-
befserungen übersichtlich mitgetheilt werden. — Nr. 6 — 7. Horatius
Satiren und Episteln. Für den Schulgebrauch erklärt von G. T. A.
Krüger. Leipzig 1853. Der Rec. L. Döderlein findet durch diese
Schulausgabe seine Erwartungen nicht ganz befriedigt; abgesehen da-
von dafs \^enig neue Aufschlüise über die vielen noch ungelösten
Schwierigkeiten zu finden und manche schon vorhandene evident rich-
tige Erklärungen ignoriert seien, sei der Hg. aucb von seinen in dem
Schulprogramm vom J. 1849 ausgesprochenen eigenen Grundsätzen nicht
selten abgewichen. Die nähere Besprechung einzelner Stellen erstreckt
sich bes. auf Sat. I, 9. Epist. I, 11. 18. 19. — Nr. 7. Skopas im
Peloponnes. Von Ludwig Urlichs. Greifs wald 1853. Lobendes Re-
*) Von Band 39 an erscheinen- die gelehrten Anzeigen nach den
drei akademischen Classen in drei Abtheilnngen , die man künftig ein-
zeln beziehen kann; gesondert davon das Bulletin der Akademie in fort-
laafenden Nammern.
344 Auszuge aus Zeitschriflen.
4.
ferat von Otto Jahn. — Nr. 7. Supplement k TAntliologie grecqne,
contenaiit des ^pigrauimes et autre« po^nies legeres in^dites, pr^c^de
d'observations sur l*AntUologie et suivi de remnrniieä sur divers po^tes
grecs, par N. Piccolos, D.M. Paris IKvd, XVI u. .^48 S. Inhalts-
angabe von Fr. Diibner, der von dem Vf. rühmt, dals er mit viel
Gelehrsamkeit einen geläuterten poetischen 8inn und oinen durchaus
richtigen Geschmack vereinige. •- Nr. 8. Macrobii Ambrosii Theo-
dosii opera quae supersunt. Kd. Lud. Janus. 2 Voll. Quedlinb. a.
Leipz. 1852 — 53. Kurze, aber sehr rühmende Anzeige von Kayser,
der in dem Fragment des Polemo Sat. V, 19, 29 vorschlägt: v«i-
cxviixai,,, jjv xij äga tvoxog yivritcci, und in dem des Mumm ius Sat. I,
10, 3: nontri maiorea ut bcne Malta instiiuerCy hoc optumcj guom o
frigore Fccerc aummo scpiem Saturnalia. — Nr. 9. 1) A. Gellii noc-
tium Atticarum libri XX ex rec. Martini Hertz. 2 Voll. Lips. 1853.
2) Zur Kritik der altlateinischen Dichterfragmente bei Gellius von
Alfred Fleckeisen. Leipzig 1854. Um von den bedeutenden Lei-
stungen der Ausg. Nr. 1 einen Begriff zu geben, stellt der Rec. Kay-
ser die Verbeffierungen zusammen, welche die Fragmente der Redner
gegenüber dem Text in der 2n Aufgabe von H. iMeyer erfahren haben.
In der lobenden Anzeige von Nr. 2 will er den Anfang des von Fl.
ausführlich behandelten grolsen Fragments aus des Caecilius Plocium
80 in trochaeischen Octonaren lesen:
h demum miscr est, gut aerumnam $uam ipse non guit occuUare.
Ferre ita tne uxor forma et /actis facit, st tuceam, tarnen indicium:
Quae nisi dotcm^ habet omtna, guae nolia. gui aapict^ de me discet,
Qui guaai ad hostis captus Über servio aalva urbc atgue arcc.
Dann fahrt er unter Annahme einer Lücke von Einern Verse oder mehr
so weiter fort:
Quae mihi guidguid placet, eo privatum it [nee volt mihi] »ervatum:
Cuius dum cgo mortem inhioy iam egomet vivo mortuua inter vivo«.
— Nr. 9. Varia variorum cariiiina lutinis modis aptata adiectis arche-
typis oifert He n r. 8 1 a d e 1 m a n n. Onoldi 1854. Empfehlende Anzeige
von G. Thomas. — Nr. 10. 11. Hermetis Trismegisti Poemander. Ad
fidemcodd.msM.ruc. Gu.st. Parthey. Rerol. 1854. Sehr empfehlende
Anzeige von Fr. Creuzer, der aulscr einigen litterar-historischen
Notizen Stellen de» Plotinus zur Erklärung des Werkes heranzieht.
lliatoriachc Classe. Nr. 4 — 9. Das römische Bayern in seinen
Schrift- und Bildmalen von Jus. Ton Hefner. 3. Aufl. München
1852. AusfühHiche Rec. von Chr. W. Glück, der in dem Werke
zahlreiche Irthümer nachweist und sich besonders mit der Besprechung
nnd Erklärung der in den bayerischen Inschriften vorkommenden cel-
tischen Namen befafst, wobei er ein eigenes später erscheinendes Werk
'über das keltisch-römische Bayern' ankündigt.
Bulletin der Akademie. Nr. J. Rede des Vorstandes der Akade-
mie V. Thiersch über Lorenz Ton Westenrieder im Verhältnis ID
seiner Zeit. Nr. 2 f. Rede des Secretärs der bist. Classe Dr. Rud-
hart: Lorenz v. Westenrieder, der Geschichtschreiber seines Volket.
(Beide Reden bei Gelegenheit der Enthüllung des Westenrieder-Denk-
inal« zu München gehalten.) — Nr. 3. 4. Vortrag des Prof. Thomasi
1) Bemerkungen über die Anwendong des römischen Civilprocesses in
Vertragen der Venezianer und Byzantiner, sowie der Venezianer and
Franken nach Urkunden vom J. 1199 und 1207. 2) Dialektisches aas
Bozen. — Nr. 5 — 9. Vortrag von Krabinger über die Kinführunc und
den Betrieb der classischen Studien auf der Universität zu Ingolstadt am
Ende des lön und in den ersten drei Deccnnien des 16n Jh. durch Con-
rad Celtes, Philomusus Locher, Johann Aventin und Johann Reuchlin.
Schal- lind Personalnachrichlen, statistisclic Blittheilungfen u. s. w. 34,')
Schul- und Personalnachrichlen , statistische Millheihmf^^en,
litterarische und antiquarische Miscellen.
Aachen. Die wlfsenscbaft liehe Abhandlung des die.<ijahrigen Herhst-
programms vom dortigen Gymnasium ist folgende: De digammo eius-
que immutationibu$ dUsertatio, Pars I: de digammo $ive vau Gracco,
scr. Dr. J. SaveUberg (16 S. 4).
Augsburg. Aufser den Bd. LXIX S. 117 bereits mitgetheilten Ver-
änderungen ist über die Unterrichts- und Erziehungsanstalten bei 8t.
Anna folgendes zu berichten. Nachdem dem franzosischen Sprachlehrer
Joseph Etienne Ronsseil die Verwesung der Lehrstelle für franz.
Sprache am Gymnasium und dem Cand. Andreas Schalkhau scr
•U0 Bayreuth die erledigte Stelle des 2n Inspectora am Collegium bei
St. Anna übertragen worden ist, ist der Personalstand folgender. Stu-
dienrector: Prof. Dr. G. K. Mezger; Gymnasialprofessoren: C. Fr.
Dorfmüller, J. K. Ed. Oppenrieder, Dr. Chr. Cron, O. F. L.
Wucherer; Studienlehrer: A. Bauer, B. Greiff, H. Gürsching,
M. Mezger; Fachlehrer: J. K. Roussell (franz. Spr. am Gymn.;,
Negges (dies, an der lat. Seh.), J. A. Hofstätter n. Eichleitcr
(Gesang) , G. Po 1 a (Zeichnen) , B i s ch o f f (Kalligraphie) ; Inspecto-
ren am Collegium: M. Mezger u. A. Schal kh auser. Das Gymna-
sium zahlte am Schlufs des Schuljahres 1853—54 64 Schuler (IV: 12,
IIT: 16, II: 15, 1: 21), die Lateinschule 104 (IV: 22, III: 27, II: 25,
I: 30); dem Collegium gehorten 65 Zöglinge an. Inhalt des Pro-
gramms: Zur Erinnerung an Johann Gottfried Herder und Heinrich
Peiialozzi, von Dr. K. G. Mezger (22 S. 4).
Bamberg [s. Bd. LXIX S. 117]. Im Anfang des Schuljahres 1853
— 54 trat als kath. Religionslehrer an der dortigen Lateinschule Jo-
seph Strätz ein; seit Januar d. J. bekleidet dieselbe Stelle Priester
Georg Wagner. Auch der prot. Religionslehrer an der Lateinschule
hat gewechselt: tfn die Stelle des nach Augsburg beförderten Chr.
Mayer trat der Predigtamt«cand. Joseph Wilhelm Bohne r. Die
durch den Tod des Prof. Th. Buchert (geb. 27. Juni 1806, gest.
11. Decbr. 1853) herbeigeführten Veränderungen sind Bd. LXIX S.
347 [wo Hegmann zu lesen ist statt Heymann] berichtet worden.
Am k. Lyceum waren im letzten Studienjahre 66 Candidaten iramatri-
cuiiert (32 der Theologie, in 3 Curse Tertheilt, 34 der Philosophie);
das Gymnasium wurde von 138 (IV: 26, III: 34, II: 43, I: 35), die
Lateinschule von 240 (IV: 57, HI: 44, II«: 41, H»»: 40, l: 58) Schü-
lern besucht. Eine wifaenschaftliche Abhandlung wurde für dieses Jahr
nicht ausgegeben.
Berlin. Die k. Akademie der Wifsenschaften hat zu Corresponden-
ten der philosophisch -historischen Classe die Hrn. G. L. von Mau-
rer in München und A. Reumont in Florenz, der physikalisch-ma-
thematischen Ciusse die Hrn. Elias Fries in Upsala und Dal ton
Hook er in England, zum auswärtigen Mitgliede derselben Classe den
Prof. Tiedemannin Frankfurt a. M.,zu Ehrenmitgliedern den Cardinal
AngeloMaiin Rom [am 9. Septbr. d. J. gestorben], den wirklichen Geh.
Ober-Reg.-R. Dr. JohannesScbulzein Berlin und den Kammerherrn
und Oberceremonienmeister Freiherrn von Still fr ied-Rattonitz
daselbst gewählt. Der langjährige Archivar der Akademie, Hofrath
UIri€i, ist in Ruhestand getreten und zu seinem Nachfolger Dr. Pri-
tsel (vorher auf der k. Bibliothek beschäftigt) ernannt. — Der bis-
herige Streitsche CoUaborator Dr. Maximilian Sengebusch ist
zam 12n ordentlichen Lehrer am Gymnasium zum grauen Kloster be-
mfen und bestätigt.
üf.Jakrb. f. PhU, u. Paed. Bd. LXX. ffft, 3. 23
346 Schul - and Personalnachrichten, statistische Mittheilungen,
Bonn [s. Bd. LWII S. 594 f.]. Nach mehrfachen im Laaf der
letzten 2 Jahre vorgekommeuea Veränderungen bestand das Lehrercol-
iegium des dortigen k. Gymnasiums am Schlafs des Sommersemesters
1864 aus folgenden Mitgliedern: Dircctor Prof. Dr. Schopen, Ober-
lehrer Remacly, Freudenberg, Zirkel, Werner, Dr. Harn-
pert, kath. Religionslehrer Dubelman, Gymnasiallehrer Kneisel,
Sonnenbarg, Dronke, Hilfslehrer Dr. Vahlen, evangelische Re-
iigionslehrer Prof. Dr. Kr äfft and Lic. Diestel, Schuiamtacandi-
daten Enders, Dr. A. Passow, P. S^n^chaute, M. Schieffer,
Zeichenlehrer Phi 1 i p part. Eine neuere Anstellung s. oben S. 226 unter
DÜREN. Die Schülerzahl betrug am Schlufs des Schuljahres 1852 — o3
339, 1853—54 358 (I: 47, If: 34, U»»: 4>, III: 49, IV: 61 , V: &6,
VI: 69), darunter 285 Kath., 67 Evang., 6 Isr. Zur Universität wur-
den Mich. 1853 19, Ostern d. J. 1 , Mich. 21 entlafsen. Programm-
abhandlungen Mich. 1853: Die arithmetischen Epigramme der grie-
chischen Anthologie übersetzt und erklärt vom Oberlehrer Zirkel (33
S. 4); Mich. 1854: Obacrvationes Livianae, scr. Job. Preaden-
berg (14 S. 4).
Braunsberg. Zum 3n ordentlichen Lehrer am dortigen Gymna-
sium ist der Collaborator am katholischen Gymnasium zu Breslau Dr.
Haegele ernannt.
Breslau. Privatdocent Dr. Fr. Moritz Baumert von dort ist
zum aufserordentlicben Professor der Chemie in der philosophischen
F^acultät der Universität Bonn ernannt.
CuLM. Zum 3n ordentlichen Lehrer am dortigen Gymnasium ist
der Schulamtscandidat Altendorf berufen und bestätigt.
CzERNOwiTZ. Zum wirklichen Lehrer am dortigen Gymnasium ist
der gewesene Supplent am Prefsburger Gymnasium Johann Tunst
ernannt.
DoTfAUEscHiNGEN. An die Stelle des in die praktische Seelsorge
zurücktretenden geistlichen Lehrers am dortigen Gymnasium, Priester
Behrle, trat Pfarrverweser Linder aus Binningen. Anfserdeni s.
Bd. LXIX S. 699. Das Lehrercollegium hat demnach gegenwärtig
folgenden Bestand: Dircctor Prof. Duffncr, die Professoren Schuch
und Gagg, die Gymn.lehrer Schaber und Heine mann, geiftl.
Lehrer Linder, Reallehrer Weber, evang. Religionslehrer Hofpre-
diger Dr. Becker und Gesanglehrer Böhm. Die Schülersahl betrog
am Anfang des Schuljahres 1853—54 97, am Schlafs 88 (I: 13, II:
17, HI: 21, IV-: 10, IV»>: 13, V: 4, V»-: 10). Program mabhandlang
Mich. 1854: Gemüse und Salate der Alten in gesunden und kranken
Tagen, le Abth. Blattgemüse und Salate, Botanischphilologische Ab-
handlung vom Prof. Chr. Theophil Schuch (Schlufs dieser Abth.
S. 41-76. 8).
DÜSSELDORF [s. Bd. LXV S. 113. LXVI S. 352]. Am Schlufs ded
vorigen Schuljahrs trat Professor Dr. Hildebrand, nachdem er seit
dem Januar 1818 am dortigen Gymnasium gelehrt hatte, in den Rahe»
stand; die dadurch entstandene Lücke wurde durch die commissarifche
Beschäftigune des Cand. Gi esen ausgefüllt. Ihr Probejahr hielten
ab die Candidaten Kessels und Schneiderwirth. Aufserdem ••
Bd. LXIX S. 459. Schälerzahl am Schlafs des Sommerhalbjahrs 1854:
271 (I: 22, II*: 33, 11»»: 23, ül: 48. IV: 55, V: 51, VI: 38); Abitn-
rienten 8. Programmabhandlnng: Ulixis ingenium quäle et /lowcrwe
finxerit et tragici Graecorum poetae^ scr. Gull. Marcowits (13
S. 4).
KLBi!tG. Zum ersten ordentlichen Lehrer am dortigen Gymnasiam
ist der Gymnasiallehrer Dr. Rensch in Gumbinnen berufen und be-
stätigt.
litterarische nnd antiquarische Miscellen. 347
Frarkpvrt amMaiic. Ihrem Director Prof. Dr. J, Clansen, der
sich am 2. Septbr. 1829 auf der Universität Bonn die philosophische
Doctorwurde erworben hatte, bezeugten bei der Wiederkehr dieses
Tages nach 25 Jahren die Collegen ihre freudige Theilnahme durch
Ueberreichung folgendes Schriftchens : Firo praestantisaumo loanni
Clatseno per quinque lustra doctori phifosophiae elarisaumo ea qua
par est ohaervantia graiulantur gymnatii Moenofrancofurtani conle-
gae die II menais Septembris anni MDCCCLIIIL Insunt Catonianae
poe$U reliquiae ex recensione Alfredi Fleckeiaeni. Lipsiae formis
descripsit fi. 6. Teubnerus (J9 S. 8).
GÖRZ. Zum wirklichen Lehrer am dortigen Gymnasium ist der
Supplent am Gymnasium zu Ofen Carl Doblika ernannt.
Gottingen. Im Lehrercollegium des dortigen Gymnasiums waren
im Schuljahre Ostern 1853 — 54 folgende Veränderungen vorgekommen:
Ostern 1853 wurde Collaborator Pabst als IVlitarheiter für das Volk»-
Schulwesen in das Consistorium zu Hannover versetzt, in seine Stelle
trat Cand. Schmidt; im Sommer schied Cand. Pertz, Mich. Cand.
Meyer aus dem mit dem Gymnasium verbundenen paedagogischen
Seminar, dagegen traten ein die Candidaten Valett aus Gottingen,
Stüve aus Osnabrück und Dr. Bleske aus Emden. Der Tod des
Rector Karl Friedrich Schrickel (geb. I. August 1786 zu Set-
telstedt im Gothaischen) ist Bd. LXIX S. 707 gemeldet. Das Lehrer^
coliegium bestand demnach am Schlufs des Schuljahrs aus dem Di-
rector Geffers, den Conrectoren Meifsner und Schöning, dem
Subconrector Dr, Hummel, dem Oberlehrer Dr. Thiermann, Dr.
Scheele, Dr. Muhlert, Dr. Lattmann, den Collaboratoren Mül-
ler und Schmidt und den obengenannten Candidaten. Die Schuier-
zahl betrug 248 (I: 15, II*: 27, II»: 29, HI: 47, IV i 54, V: 42, VI:
34); zur Univ. wurden Ostern 1853 3, Mich. 5 entlafsen. Seit dem
1. Mai d. J. ist das Gymnasium durch drei Realclassen erweitert wor-
den, so dafs die ganze Lehranstalt jetzt in folgende 3 Abtheilungen
zerfällt: die Vorbereitungsanstalt von 3, das Gymnasium im engern
Sinne von 4 Classen und die 3 Realclassen. Programmabhandlung
Ostern 1854: De deo ex machina in Philocteta Sophoclia interveniente
eommeniaiio, scr. Augustus Geffers (30 S. 4).
Graz. Zum aufserordentlichen Professor der politischen WiPsen-
schaften an der dortigen Universität ist der Privatdocent Dr. Wil-
helm Kosegarten aus Wien ernannt.
GuMBiNNEN. Dem Oberlehrer am dortigen Gymnasium Dr. K. Fr.
August Dewischeit ist der Professor-Titel verliehen.
Hannover [die orthographische Conferenz, vgl. NJahrb. Bd. LXIX
S. 701 f.]. Die dortigen Zeitungen theilen die Ergebnisse der am 1.
nnd 2. September d. J. dort abgehaltenen Conferenz zur möglichen
Normierung der deutschen Orthographie mit. Sie bestand aus vier
Mitgliedern des Oberschulcollegiums (dem Oberschulrath Kohlrausch,
Scholrath Schmalfufs, Hofrath Bode und Regierungsrath Bruel),
den Gymnasialdirectoren A h r e n s aus Hannover und H o f f m a n n ans
Lüneburg, den Rectoren Schädel aus Stade, Berg er aus Celle,
Scham bach aus Eimbeck und dem Collaborator Ruprecht ans Hil-
desheim, dem Director der hohem Bürgerschule in Hannover Teil-
kampf und der hohem Tochterschule Dieckmann, endlich für die
Volksschulen dem Oberschulinspector Seffer. Die Ergebnisse der
Berathnng sind narh der ^Zeitung für Norddeutschland '^ in kurzem
folgende. Die grofsen Anfangsbuchstaben sind möglichst ein-
geschränkt; festgehalten bei Eigennamen, für den Anfang der Sätze,
bei Substantiven und andern wirklich als Substantive gebrauchten
23*
348 Scliu - und Pcrsonalnachrichten , statistische Mitlhcilungcn,
Wörtern (auf das ^euszcrate ^efnszi «ein); abgeworfen dagegen bei den
Adjectiven der Lander- und Völkernamen sowie in vielen Ausdrücken,
die nur scheinbar substantivischen Charakter haben {von neuem, aufa
äusscrste u. s. w.)« Der Convenienz ist hinreichender Spielraum ge-
laPsen. Die Bezeichnung der Vocallänge durch Verdoppelung
oder durch das Dchnungs-A ist da eingeschränkt wo der Gebrauch es
bereits zuläfst (z. B. in bar, Ware, strale, liliiic, Hase, Schaf u. s.
w.). Das unglückselige th ist ziemlich glücklich dem gefürchteten
8chifn>ruch entgangen und mit einem gewis leicht zu verschmerzenden
Beinbruch davon gekommen. Es ist nenilich abgeworfen in den End-
silben at und ut {Heimat, ^rmut) und in den Wörtern ff^irt und Turm,
In der Silbe thum ist es beibehalten der allgemein üblichen officiellen
Schreibweise wegen {Hcrzogthum n. ä.)- Das ie als Bezeichnung de»
langen i ist consequent durchgeführt in den Verben auf -ieren (regie-
ren, passieren u. s. w.). Der nicht selten sich findenden übermaPsigen
Häufung der Consonan ten ist ein Damm gesetzt. Von drei gleichen
Consonanten hat einer das Feld räumen mülsen in Wörtern wie Kam-
macher (statt Kammmachcr) , Schiffahrt u. s. w. ; von zwei gleichen
Consonanten einer in den Endsilben -nis und -in (Finsternis^ hont ff in,
auch in Sachtigal u. s. w., die natürlich in der Mehrzahl Finstemtase,
Königinnen, Nachtigallen heifsen) sowie in der Silbe mis (Misbrauch),
Dem sz ist dem ss gegenüber sein volles Recht geworden. Das ss
ist die Verdoppelung des weichen 8, müste also weich gesprochen
werden, wie m grissetn, missefn : keineswegs ist es als Verdoppelung
von sz (also szsz) anzusehen. Das ss hat seine Berechtigung aufser
in Fremdwörtern (s. unten) nur in etwa 15 deutschen Wörtern (mis-
sen, küssen, Küssen oder Kissen u. s. w.), in mis- und -nis. In allen
übrigen Worten ist sowohl im Inlaut als im Auslaut ss zu schreiben
{Flusz, Flüsze, eszen u. s. w.). Da die Conferenz aber anerkennen
muste daPs die neuhochdeutsche Aussprache zwischen ss und sz keinen
Unterschied macht, so hat sie aus Gründen der Zweckmäfsigkeit es
jedem freigestellt überall wo der scharfe «-laut gesprochen wird in
deutschen Wörtern sz zu schreiben. In Betreff der Fremdwörter ist
zwar grofser Spielraum gelaPsen, da sich (ausgenommen bei wenigen
Wörtern wie Kasse, Klasse, Kanzel) schwer die Grenze ziehen laPst
zwischen eingebürgerten und nicht eingebürgerten Wörtern; jedoch
ist der Grundsatz anerkannt: man schreibe Fremdwörter am besten
der fremden Orthographie gemäPs oder gebrauche sie gar nicht, man
schreibe also Concentration, nicht konzentrazion, C ist ein deutscher
Buchstab, die Sucht diesen zu verdrängen also nicht gerechtfertigt.
Eine ausführlichere Besprechung der Tnterpunction wurde von der
Conferenz abgelehnt, da die Fälle wo jedenfalls interpungiert werden
mups ziemlich allgemein feststehn, in zweifelhaften Fällen dagegen
das Gefühl des schreibenden entscheiden muPs. Die F'rgebnisse der
Conferenz werden demnächst durch d.is k. Oberschnlrollegium veröf-
fentlicht werden und zwar in drei Ahtheilungen: I) systematische Zu-
sammenstellung der Hauptregeln, '2) alphabetisches Wörterverzeichnis,
3) wiPsenschaftliche Begründung und Zusammenstellung der wit-htig-
»ten Wörtergrunpen. — Das k. Oberschulcollegium will sodann nur
empfehlen, nicht octroyieren.
HkiLiiRoNN. Der Rector des dortigen Gvmnatfiums und der Real-
schule Kapff ist zum Ephorus am Seminar in Urach, zu seinem Nach-
folger der erste Professor am Seminar in Urach Mönnich ernannt
worden. - Zur Feier des Gebnrtsfestes des Königs am 27. Scptembar
d. J. lud Professor Dr. Chr. Eberhard Finckh durch folgendes
Programm ein: De incerti auctoris artis rhetoricae post Seguerium a
Leonardo Spengclio cditac locis aliquot tmendandis (18 S. 4).
littcrarische und aotiquarisclie Miscellco. 349
Hermann S.TADT. Am dortigen katholischen Gymnasium sind zu
wirklichen Lehrern ernannt die Supplenten Dr. Wenzel Kratky am
Brunner, Johann Rozek am Neusohler, Anton Tschofen am Görzer,
Eduard Krischek am Grazer, Theodor Pantke am Teschener
katholischen und Joseph Nepomucky am Prager Altstädter Gymn.
HiLDEsiiKiM. Das dortige Gymnasium And reanum Ist im Schul-
jahr Ostern J8j3 — 54 um neue Classen vermehrt worden, indem Sep-
tima und Tertia in zwei selbständige Abtheilungen zcrtheilt worden
sind; als Lehrer von VII'* wurde der Cand. th. Ürauns I und nach
dessen Abgang der Schularatscand. Schnitzen angestellt, für die
durch Errichtung von Jll'' nothwendig gewordene neue Lehrerstelle der
Collaborator Ruprecht vom Progymnasium in Northeim ernannt.
Aufserdem kamen im LehrercoUogium noch folgende Veränderungen
vor: die Schulaiutsctindidaten Dr. Buch holz (am Gymn. in Clausthal
angestellt) und Lion und der Cand. th. Rauterberg! schieden aus,
dagegen traten ein Collalorator Lorberg (der Ostern d. J. schon
wieder abgegangen ist und Dr. Schumann zum Nachfolger, erhalten
hat), Cand. th. Brauns II und Collaborator Schröder, der letzte
als '2r Lehrer der Mathematik und Naturwi^sen^chaften vom Gymn. in
Clausthal berufen. Zum provisorLschen Gesanglehrer wurde Organist
Tietz ernannt. Das Lehrercollegium hatte danach am Schlufs des
letzten Schuljahres folgenden Bestand: Director Brandt, Rector Dr.
Schröder, Conrector Sonne, Subrertor Jatho, Musikdirector Er-
furt, die Collaboratoren Dr. Wieseler, Fischer, Pastor Fun-
deling^ Schröder und Wolter, die Gymnasiallehrer Löbnitz und
Wilken, dem Lehrercollegium aggregiert; Prof. Graven hörst,
aufserordentliche Lehrer: Collab. Lorberg, Cand. th. Brauns,
Schulamtscand. Schultzen. Die Schulerzahl betrug im Decbr. v. J.
36Ö (I: 24, H: 34, 111: 42, IV: 27, V: 51. VI: 54, VII: 49, Real I:
11, Real II: 41, Real III: 32). Zur Universität wurden Mich. 18j3
6, Ostern d. J. 7 entlafsen. Programmabhandlung: lieber den Un-
terricht in der Mineralogie auf Gymnasien, vom Collab. Fischer
(12 S. 4). — Das bischöfliche Gymnasium Josephinum hat keine
wifsenschafiliche Abhandlung ausgegeben.
HoHENsTKiN. Zum Director des dortigen Progymnasiums ist der
Oberlehrer an der Realschule zu Posen Dr. Max Toeppen ernannt.
Krakau. Zum anfserordentlichen Professor der Rechtsphilosophie
an der dortigen Universität ist der Privatdocent Dr. Vincenz Wa-
iiiorek zu Wien ernannt.
Kreuznach [s. Bd. LXVIII S. 655]. An die Stelle des kath. Rc-
ligionslehrers am dortigen k. Gymnasium, Caplan Faust, trat Caplan
Johann Weifsbrodt. Die Schüierzahl betrog im Winter 1853- -54
163, im Sommer d. J. 146. Im Herbst 1853 wuHen 6, 1854 i'iner zur
Universität entlafsen. Programmabhandlung: AUfremeine Grösscnbe-
stimmunfr der homoedriachen Formen des regelmässigen Krystalhy-
Sterns, vom Oberlehrer J. Fr. G. De 11 mann (10 S. 4 mit einer Fi-
ßurentafel).
Mai.nz [s. Bd. LXV S. 341 f. LXIX S. 461]. Für das 2e Seme-
ster des Schuljahres 1853—54 waren die Priester Thoms und Lipp
zn Stellvertretern des kath. Religionslehrers Euler bestimmt. Mit
dem nächsten Schuljahre wird eine neue Parallelclasse errichtet wer
den, zu deren Classenfiihrer Dr. Noire ernannt worden ist. Die
Schnlerzahl betrug 366 (I: 30, II: 34, III: 28, IV: 39, V: 45, VI: 57,
VII: 61, VIII: 72), darunter 269 Kath., 49 Prot, und 48 Ur, Abitu
rienten Ostern 1854: 14, Mich. 14. Progrummabhandlung von F. M.
Gredy: lieber die Kaiserchronik, ein Gedicht des l2n Jh., einige
Theilc derselben mit nhd. Ucbcrtragvng und Anmcrhungen (26 S. 4).
350 Schal- und PersooalnachrichteD , sittistiBche Mittheilnngen,
Ofen. Der Sapplent am dortigen Gymnasium Joseph Hotsl
ist zum wirklichen Lehrer an derselben Anstalt ernannt.
Paris. An des verstorbenen Raool-Rochette Stelle ist Dr.
E. Beul^, ehemaliges Mitglied der Schule Ton Athen, zum Professor
der Archaeologie an der kais. Bibliothek ernannt.
Prag. Zum aurserordentlichen Professor der slaTischen Philo-
logie an der dortigen Universität ist der Weltpriester der Graner
Erzdioecese und Privatdocent Martin Hattala ernannt.-— Der pro-
visorische Director des Kleinseitner Gymnasiums Dominik Kra-
tochwile ist zum wirklichen Director dieser Lehranstalt ernannt.
Przemysl. Der Supplent am dortigen Gymnasium Weltoriester
Heinrich Lewinski ist zum wirklichen Gymnasiallehrer aaselbst
ernannt.
Ratibor. Als Prorector ist an das dortige Gymnasium Professor
Dr. Wilhelm Arthur Passow aus Meiningen berufen worden.
RossLEBEif (Jubelfeier der dortiffen Klosterschule). Die im J. 1554
von dem thüringischen Ritter Heinrich von Witzleben gestiftete
Klosterschule Rofsleben begieng am 5. und 6. Juli d. J. die dreihun-
dertjährige Feier ihres Bestehens unter zahlreicher Betheiligung so-
wohl ihrer ehemaligen Zöglinge als auch der hohen vorgesetzten Be-
hörden, sowie anderer Freunde und Gönner der Anstalt. Da die
Stiftungsurkunde wahrscheinlich bei dem Brande, welcher im J. 1686
sämmtliche Klostergebäude in Asche legt^, verloren gegangen ist und
auch aus den übrigen bei jener Feuersbrnnst geretteten Acten des
Klosters der Tag der Stiftung und Eröffnung der Schule nicht ermit-
telt werden konnte, so wurden der 5. u. 6. Juli zur Feier festgesetzt«
Der gegenwärtige Erbadministrator der Klosterschule, Hartmann
von Witzleben, Oberpraesident der Provinz Sachsen, sowie das Leh-
rercollegium wünschten ursprünglich das Fest im stillen und intra
parietes privatos durch einen. kirchlichen und Schulact zu feiern; die
Liebe und Anhänglichkeit der ehemaligen Zöglinge der Anstalt iiefs es
aber dazu nicht kommen. Schon seit Jahren hatten viele derselben im
allgemeinen die Absicht ausgesprochen, diesem Feste persönlich bei-
zuwohnen und dadurch ihre Liebe zur alma mater Rhodoscia zu be-
thätigen. Die erste directe und öffentliche Aufforderung zu einer sol-
chen Betheiligung aber gieng aus von zwei in Berlin lebenden ehema-
ligen Zöglingen, den Doctoren Weber und Hesekiel, welche Anfang
Decembers v. J. durch die Berliner Zeitungen eine öffentliche Einla-
dung namentlich an die in Berlin anwesenden Commilitonen erliefsen,
aus ihrer Mitte ein Comit^ zu bilden, um die ersten einleitenden
Schritte zu thnn und die Art und Weise zu bestimmen, wie der alma
mater bei dieser Gelegenheit die Liebe und Verehrung ihrer Söhne sa
bethätigen sei. In Folge dieser Aufforderung trat ein Comit^ zusam-
men, welches beschlofs ein Album sämmtlicher auf der Klosterschule
recipierter Zöglinge drucken zu lafsen und zu Geldbeiträgen zur Be-
streitung der Kosten aufforderte. Unmittelbar darauf traten auch die
in Leipzig, Dresden, Halle und Umgegend wohnenden ehemaligen Zög-
linge zusammen und beriefen für den Anfang Januar d. J. eine Ver-
hammlung nach Leipzig, zu der auch im Namen des Berliner Comit^s
Dr. Weber und von Rofsleben Prof. Herold sich einfanden. Auf
dieser Versammlung wurde beschlofsen, aufser dem Schüleralbum noch
ein wifsenschaftliches Programm, zu dessen Abfafsung sich der Gym-
nasiallehrer Dr. Giseke in Meiningen bereit erklärte, drucken in
lafsen; ferner zwei Oelgemälde, die Portraits des vongen und des
jetzigen Erbadministrators anfertigen zu lafsen und der AnsUlt zu
überreichen; endlich aber zu einer Geldsammlung aufsufordem, ui
Schul- und Pcrsonalnachriclilen u. s. w. 351
«inen Fonds kq bilden, durch den später eine eigene Klosterkirche
gebaut werden könne, welche bei der vermehrten FrequeoE ein drin-
gendes Bedürfnis geworden ist. — Inzwischen war man auch in Rofs-
leben selbst nicht mufsig. Auch hier wurde ans 4 Mitgliedern des
LehrercoUegiums ein Fest-Comite gebildet, der P^hadministrator liefs
das Schulgebaude von auf^en restaurieren, im Innern mehrere (lassen-
locale mif^neuen Dielen und Tapeten versehen; es wurde, da auf einen
zahlreichen Besuch gerechnet werden muste, eine eigene Festhalle auf
dem Spielplätze, gebaut, kurz es geschah alles, um das Fest auch
äufferlich der Wurde desselben angemefsen zu feiern. Die jetzigen
Zöglinge beeiferteu >ich, in lateinischen, griechischen, deutschen Ge-
dichten und Reden ihre Freude an dem Feste, ihre Liebe zur Anstalt
und zum Krbadministrator, ihre Verehrung für die älteren Commilito-
nen auszn>j»rechen. Die letzten Tage vor dem Feste wurden fast aus-
adiliefslich darauf verwendet, Guirlanden und Kränze aus Moos, Laub
und Blumen zu flechten, um das Kloster von innen und aufsen, sowie
die Festhalle festlich zu srhmucken. — Unter diesen Vorbereitungen
brach der festliche Tag an. Am Tage vorher hatte sich eine grofse
Menge ehemaliger Zöglinge, zum Theil aus weiter Ferne, die Vertre-
ter der hohen vorgesetzten Behörden, namentlich der Geh. Rath Dr.
Wiese aus Berlin und der Provincial-Schulrath Dr. Schaub aus
Magdeburg, und die Deputierten benachbarter Gymnasien eingefun-
den. Zum vorläufigen Empfang derselben war ein eigenes Bureau ein-
gerichtet, in welchem den ankommenden die zu dem Fest erschienenen
Drucksachen übergeben und W^ohnungen angewiesen uurden. Um 8 Uhr
Abends versammelten sich der Erbadministrator, das Lehrercollegium
und die gegenwärtigen Zöglinge auf dem Spielplatz und empfiengen die
Gäste durch einen zu diesem Zweck von einem Mitglied des Lehrer-
coUegiums, Arnold Steudener, gedichteten und von dem Schüler-
chor vorgetragenen Bcwillkomnuiungsgrufs. Die bereits eingetroffenen
Gäste hatten sich einem ihnen vurher eingehändigten Festprogramm
gemäfs hierzu eingefunden, und es suchten und begrnfsten sich hier
nun die alten Freunde und Bekannten, die sich zum Theil seit ihrer
Schulzeit nicht wieder gesehen hatten. Da sah man Männer, welche
das Leben in der Blüte der Jahre voneinander getrennt, jetzt mit er-
grautem Haare sich an die Brust sinken und den alten Freundschafts-
bund in jugendlicher Frische erneuen. Denn so verschieden auch die
einzelnen waren an Alter und Lebensstellung, hier fühlten sich alle
verwandt als Söhne der einen Mutter. — Um 9 Uhr begaben sich alle
anwesenden in die zu einer Aula umgcschafTene Kirche, woselbst der
Rector der Anstalt, Prof. Dr. Anton, das Abendgebet hielt. Derselbe
zeigte in seiner Ansprache: 'hätte der Herr nicht gebanet, so baneten
umsonst die Duuleute.'' Leider war der Rector durch ein wenige T<ige
vorher ausgebrochenes Unwohlsein verhindert, das Gebet der ursprüng-
lichen Bestimmung gemäfs im Freien unter den schönen Linden des
Spielplatzes zu halten. p]in Choralgesang eröffnete und beschlofs das
Gebet. Der übrige Theil des Abends war der geselligen Unterhaltung
im Freien und in der Festhalle gewidmet. — Am 5. Juli, dem eigent-
lichen Festtage, überraschte der Sängerchor der gegenwärtigen Schüler
den Erbadminisiratur um %6 Uhr Morgens durch ein Ständchen, wozn
A. Steudener ebenfalls den Text gedichtet hatte. Schlag 6 Uhr früh
ordneten sich die Srhüler vor dem Portale des Klosters und eröffneten
die Feier des Tages mit dem Choral ^Wie grofs ist des Allmächtigen
Gute', wozu sich schon eine grofse Anzahl von Gästen eingefunden
hatte. Um 8 Uhr begann die kirchliche Feier. Da die Räumlichkeiten
dea Klosters nicht ausreichten, so war für dieselbe die Benutzung der
Dorfkirche erbeten und von dem Kirchen vorstände bereitwillig zngc-
352 Schul- und Personalnaclirichlen, statistische Mittheilungen,
standen. Die ganze Versamnilung begab sich dahin in geordnetera
Zuge. Vorauf giengen, von Marschällen geleitet, die gegenwärtigen
Zöglinge, dann kamen, ebenfalls von Marschällen gefuhrt, die Geistlichen,
der Krbtidministrator nebst den übrigen mitbelehnten Gliedern seiner Fa-
milie, die Vertreter der Behörden, die jetzigen und ehemaligen Lehrer der
An&talt, an welche sich dann, ebenfalls unter der Leitung von Marschäl-
len, in langem Znge die ehemaligen Schüler anschlofsen. Dffir Choral
<" Allein Gott in der Höh sei Ehr' eröffnete die Feier. Nach Beendi-
gung desselben hielt der Prediger Besser von Ziegelrode, ein ehe-
maliger Zögling, die Liturgie und der Prof. Herold die Predigt über
den Text Pa. 143, 5 n. 6. Um 10 Uhr, nach beendigter kirchlicher
Feier, berief der Erbadministrator die mitbelehnten Glieder seiner
Familie und das LehrercoUegium in die Wohnung des Rectors, nm die
Glückwünsche der Deputierten der Behörden und Gymnasien entgegen-
zunehmen. Zunächst trat der zeitige Rector der Universität Leipzig,
Prof. Dr. Haenel, auf, um die Gluckwünsche der Universität anszn-
sprechen. Leipzig habe früher, äufserte derselbe, in engerer Verbin-
dung mit Rof>leben gestanden, und so sehr die Universität auch be-
daure, dafs dieses Band gelockert sei, so habe sie doch stets mit
Theilnahme auf die Klosterschule geblickt und mit inniger Freude
wahrgenommen, wie unter den Auspicien der Könige von Preussen die
Anstalt zu blühen und Segen zu verbreiten fortgefahren habe. Tief
bewegt fügte sodann der Redner als ehemaliger Zögling seine person-
lichen Glückwünsche hinzu. Zugleich überreichte er ein von dem Rector
der Nicolaischnle, Prof. Dr. Nobbe, im Namen derselben verfafstes
lateinisches Gedicht. Na« h ihm nahm der Geh. Rath Dr. Wiese aus
Berlin das Wort, nm im Namen 8r. Exe. des Ministers von Raumer
der Anstalt zu diesem T<ige Glück zu wünschen. Freudig sprach der-
selbe es aus, wie willkommen gerade ihm dieser Auftrag des Herrn
Ministers gewesen, da er seit seiner ersten Anwesenheit in Rofsleben
eine so günstige Ansicht von der Ans* alt gewonnen habe. Darauf ver-
las er ein Hescript des Ministers, in welchem derselbe der Anstalt
die Auszeichnung verleiht, dafs hinfort mit den vier Oberlehrerstellen
der Professor-Titel verknüpft sein solle, und somit den Oberlehrern
Dr. Johann Karl Gottwerth Schmiedt und Dr. Karl Fried-
rich Sickei diesen Titel verleiht. Hieran reiheten sich die Gluck-
wünsche des Provinctal-Schulrath Dr. Seh au b im Namen des Scbol-
collegiums in Magdeburg, des Regierungs-Praesi«lenten v. Wedcll im
Namen der k. Regierung in Merseburg, des Director Dr. Kramer
und Condirector Dr. Eckstein im Namen der Franckeschen Stiftun-
gen zu Halle, des Prof. J)r. Jacobi I im Namen der fast gleichzeitig
und in demselben Sinne wie Rofsleben gestifteten Pforte, des Rector
Müller, ehemaligen Lehrers der Anstalt, im Namen des Progymna-
s ums zu Wernigerode, des Superintendenten Urtel, ebenfalls eines
ehemaligen Lehrers, im Namen tU^s Gymnasiums zu Merseburg, des
iSeminardirertors Rothmuler in Erfurt, zugleich im Namen des dor-
tigen Gymnasiums. Alle diese Anstalten hatten zugleich ihrer Theil-
nahme auch einen schriftlichen Ausdruck gegeben und liefsen theils
lateinische Abhandlungen, theils lateinische, theils deutsche Gedichte,
theils lateinische Votivtafeln in kostbarem Druck überreichen. Aufser
diesen durch Abgeordnete überbrachten Geschenken war noch eine An-
zahl anderer zum Theil aus weiter Ferne eingelaufen; namentlich
hatten «ich die benachbarten Gymnasien der Provinz Sachsen beeifert,
der Schwester zu diesem Tage ihren Glückwunsch darzubringen. Mit
besonderem Danke mufs hier der k. bayerischen Akademie der Wifsen-
schaften zu München gedacht werden, welche durch ihren Vorstand,
den Geh. Rath Prof. Dr. von T hier seh die sämmt liehen Schriften
litterarische und antiqaarische Miscellen. 353
ihrer philosophisch-philologischen Classe in 6 Banden übersenden liefrf.
Nachoem der Rector bereits den zunächst an ihn gerichteten Glück-
wünschen einzeln gedankt hatte, nahm znin Schluls der Erbadministra-
tor das Wort und sprach in längerer Rede sowohl im allgemeinen sei-
nen tiefgefühlten Dank aus für die Theilnahme, die man in so weiten
Kreisen an der frommen Stiftung seines edlen Ahnherrn nähme, na-
mentlich aber bat er den Geh. Rath Dr. Wiese, den Herrn Minister
von Raumer zu versichern, wie hocherfreut er über die Auszeichnung
sei, die der Anstalt ho eben durch ihn geworden. — Um 11 Uhr be-
, gann der Schulactus, welcher ebenfalls mit einem Choralgesang erölTnet
wurde. Sodann erhob sich der Erbadministrator, dankte Gott, dafs er
ihn diesen Tag habe erleben lafsen, wandte sich sodann in trefflichen
Worten an die mitbelehnten Glieder seines Hauses und forderte sie auf,
mit ihm vereint ans allen Kräften dahin zu wirken, dafs die fromme Stif-
tung ihres edlen Ahnherrn im Sturme der Zeiten nicht verloren gehe,
sondern wachse und blühe in .stets segensreicherem Wirken, damit noch
die spätesten Enkel mit Stolz sich der Vorfahren erinnern konnten.
Hierauf dankte er den Lehrern für ihre bisherige Thätigkeit und for-
derte sie auf, auch fernerhin ihren ganzen Fleil's und alle ihre Kräfte
der Anstalt zu widmen, in deren Gedeihen er den Stolz seines Lebens
setze; bat die jetzigen Zöglinge den Zweck ihres Aufenthaltes auf der
Klosterschule nie aus den Augen zu verlieren, damit auch sie einst
mit Freude sich der hier verlebten Jahre erinnern konnten, und dankte
7:nm Schlufs den ehemalifi;en Zöglingen, dafs sie durch ihre zahlreiche
Anwesenheit an dem heutigen Tage einen erfreulichen Beweis abgelegt
hätten von dem segensreichen Wirken dieser ihm so theuren Anstalt.
Nach dieser trefflichen Rede, deren Eindruck allen die das Gluck
hatten sie zu hören unvergefslich sein wird, hielt der Rector der An-
stalt, Prof. Dr. Anton, die lateinische Festrede, in weicherer zeigte,
wie das Kloster, besonders in der jüngsten Zeit, soweit gediehen und
welcher Entwicklungsgang in den kommenden Jahrhunderten zu wün-
schen und zn erwarten sei. Nachdem darauf der Schülerchor eine von
dem Lehrer der Anstalt Dr. Kroschel verfafste lateini.srhe Ode im
sapphischen Metrum gesungen hatte, trugen 12 Schüler der beiden
oberen Classen ihre griechischen, lateini>'cl)en, deutschen Gedichte und
Reden vor. Nach einem abermaligen Chorgesang mit deutschem Text
erhoben sich nacheinander der Dr. Albrecht Weber, Privatdocent
an der Universität zu Berlin, und der Praesident von Seckendorff
aus Meuselwitz bei Altenbur^, um im Namen der ehemaligen Zöglinge
dem Gefühl der Dankbarkeit, das dieselben beseele, beredten Aus-
druck zu geben und der Anstalt als ein äufseres Zeichen derselben die
beiden schon erwähnten Oelgemälde, welche zu diesem Behuf zur Seite
des Katheders aufgestellt waren, und das Mlbum der Schüler zu
Kloster Rofsleben von 1742— 1H54' zn überreichen und auf die zum
Behuf eines Kirchenbaues veranstaltete Sammlung hinzuweisen. Hierauf
erhob sich Se. Exe. der Minister des Cultus und öfifentlichen Unterrichts
im Königreich Sachsen, von Falkenstein, um im Auftrage seines
Kön-gs dem Erbadministrator den Orden Albrechts des Gerechten
zn überreichen als ein Zeichen, dafs seine Majestät auch nach der
Trennung Rofslebens von dem Königreich Sachsen mit lebhafter Freude
die Sorgfalt wahrgenommen, welche die Herren von Witz leben fort-
während in so an.«gezeichncter Weise der Anstalt gewidmet hätten.
Nachdem der Erbadministrator, durch dieses Zeichen königlicher Huld
auf das freudigste überrascht, in kurzen Worten gedankt hatte, wurde
die Feier mit einem kurzen Choralgesang geschlofsen. — Um 2 Uhr
begann das Festmahl, bei welchem die ungezwungenste Fröhlichkeit
herschte. Den ersten Toast, auf Se. Maj. den König von Preusscn,
354 Schul- und Personalnachrichten, statislische MiUheilungen,
brachte der Erbadministrator aus, wobei er mit Dank auf die Ehre
hinwies, welche wenige Wochen zuvor der Anstalt durch die Anwe-
senheit des Königs zu Theil geworden war. Der zweite Toast , aus-
gebracht von dem General Ton Witzleben aus Schwerin, galt dem
Konige von Sachsen; der dritte, ausgebracht durch den Geh. Rath
Wiese aus Berlin, der Klosterschule; der Major von Witzleben aus
Gotha brachte den preussischen, der Regierungspraesident v on Wedeil
aus Merseburg den sächsischen Behörden, der Minister von Falken-
stein (in lateinischer Sprache) der Familie von Witzleben, der
Provincialschulrath Schaub aus Magdeburg den Lehrern ein Hoch
aus. An diese vorher bestimmten Toaste schlofs sich eine lange Reihe
theils ernster theils scherzhafter an; auch wurde eine Sammlung für
die Armen veranstaltet, welche 50 Thaler ergab. Zu bleicher Zeit
waren die jetzigen Zöglinge durch ein fe-^tliches Mahl und Nachmittags
mit Kaffee und Kuchen bewirthct worden. Am Abend wurde, zum
Beschinfs der eigentlichen Schulfeierlichkeiten, das Klostergebaude
glänzend illuminiert, wobei sich namentlich die Schülerwohnungen
durch zahlreiche Transparente auszeichneten. — Wie der erste Tag
für die oflicielle Jubelfeier der Schule, so war der zweite zu einem
Erinnerungsfest ftir die ehemaligen Schüler bestimmt. Demgemäfs ver-
sammelte man sich früh 7 Uhr vor dem Portale des Klosters und be-
gab sich zunächst an das Grab des früheren Erbadministrators, des
Geh. Rath von Witzleben, woselbst der Consistorialrath Prof. Dr.
Gebser von Königsberg zum Andenken des allen die ihn gekannt ha-
ben unvergefslichen und um die Klosterschule hochverdienten Mannes
herzliche Worte sprach und einen Kranz auf den Grabhügel legte.
Dieselbe Huldigung brachte man sodann den hier gestorbenen Lehrern,
dem Rector Dr. Wilhelm, dem Pastor Kessel und dem Mathema-
ticus Zachariae dar. Dieser wehmüthigen Erinnerungsfeier folgte
eine andere von mehr heiterem Charakter. Alle an\%ej>euden begaben
sich nemlich in den Wald zur Knabenciche, um die Erinnerung der
dort verlebten fröhlichen Stunden zu erneuern. Im Namen aller muste
der älteste anwesende Zögling, Pastor Kretzschmar aus Ablafs in
Sachsen, ein noch rüstiger Greis von 83 Jahren, einer alten rofslebi-
schen Schülersitte gemäfs, ein mit dem Messer gelöstes Stückchen
Rinde dieser Eiche mit den Zähnen herausholen und dann im Kreise
um dieselbe herumgehen, wobei die anwesenden ihn leicht mit den
Taschentüchern schlugen. Nachdem man hierauf, in beliebige Grup-
pen vertheilt, ein Frühstück eingenommen, bei welchem noch mancher
fröhliche Toast, manches heitere Lied erscholl, begab man sich, die
Mubik voran, in langem Zuge in das Kloster zurück und brachte da-
selbst der Wittwe des Geh. Raths von Witzleben und dem noch
immer durch Unwohlsein an sein Zimmer gefefselten Rector vor ihren
Wohnungen ein donnerndes Hoch. Um 3 Uhr fand das Mittagsmahl
statt, an welchem auih viele Damen Theil nahmen. Hierbei wurde
den anwesendt-n noch eine freudige Ueberraschung bereitet. Bald
nach dem Beginn der Tafel erhob sich nemlich der Erbadministrator
und theilte ein kurz vorher eingegangenes Cabinetsachreiben Sr. Mai.
des Königs von Preussen mit, in welchem Hochderselbe der Anstalt
zu ihrer Jubelfeier Gluck wünscht und derselben als ein Zeichen sei-
ner Huld sein Bildnis schenkt. Mit lautem Jubel stimmten die anwe-
senden in das von dem Erbadministrator ausgebrachte Hoch ein und
freudig erscholl das Preussenlied durch die Räume. Ein Ball beschlofa
diese allen Theilnehmern gewia unvergefsliche Feier. — Zum Schiurs
dieses Berichtes geben wir noch ein Verzeichnis aller bei dieser Ge-
legenheit erschienenen Drucksachen. Von Seiten der Klosterschule:
]) eine lateiniiche Fe$tode in 17 alcaeischen Strophen, Terfafst too
litterarische und antiquarische Miscellen. 355
dem Prof. Dr. Kefsler; 3) Oeschichte der von der Familie von fFitz-
Men gestifteten Klosterschule Rossleben von 155-1 bis 1854 durch Dr.
Theodor Herold, k. Professor, Predigerund Oberlehrer an der Klo-
aterschnle (82 S. 4) ; 3) Quaestionum Homeriearum part, L scr. Dr. C.
Fr. Sickel (14 S. 4), zugleich den Jahresbericht des Rectors für den
Zeitraum von Ostern 1853 bis Ostern 1854 enthaltend (S. 15—30). —
Von Seiten der ehemaligen Zöglinge : 1) Mbum der Schüler zu Kloster
Rossleben von 1742 bis 1854, eingeleitet durch ein von Dr. J. G. L.
Uesekiel verfafhtes Gedicht; 2) Q. B. F. F. Q. S. Scholae Rosle-
hianae abhine trecentos annos dedicatae ab Henrico a fFitzleben,
equite et doctore iuris uiriusque sollemnia saeeularia die F. mensis
lulii anni MDCCCHF, pie celebranda indicunt communi consensu
discipuli interprete Bernardo Giseke. Quaeritur: num quas belli
Troiani partes Homerus non ad veritatem narrasse videatur. Prostat
Meiningae apud L. ab Eye. — Von Seiten des Paedagogiums und der
iatein. Schule zu Halle: Farietas lectionis codicis Leidensis ad Cice-
ronis de inventione libros 11 j vom Condirector Dr. F. A. Eckstein,
eingeleitet durch ein aus 43 Distichen bestehendes lateinisches Gedicht
von Dr. R. Geier. — Von Seiten der Realschule daselbst: Ein ma-
thematisches Thema aus der Schule y von Dr. A. Wigand. — Votiv-
tafeln überreichten: die Gymnasien zu Eisleben, Naumburg, Quedlin-
burg, das Kloster U. L. Fr. zu Magdeburg und Schulpforte; latei-
nische Gedichte: das Gymnasium in Zeitz und die Nicolaischule in
Leipzig; deutsche Gedichte: die Gymnasien in Merseburg und in
Schleusingen (letzteres Proben von Uebersetzungen horazischer Oden).
' Diesem von Hrn. Dr. Hermann Steudener abgefafsten Bericht
fGgt die Redaction noch einige statistische Notizen über die Kloster-
schule Rofsleben bei. Das Lehrercollegium besteht gegenwartig ans
dem Rector Prof. Dr. Anton, den vier Oberlehrern Prof. Dr. He-
rold (zugleich Klosterprediger), Prof. Dr. Kefsler, Prof. Dr.
Schmiedt und Prof. Dr. Sickel, dem ordentlichen Gymn.Iehrer Dr.
Hermann Steudener (1), den beiden Adjuncten Dr. Arnold Steu-
dener (11) und Dr. Kroschel, dem Oberprediger Wetze! (Zeichen-
lehrer) und dem Cantor Härtel (Schreib- und Gesanglehrer). Die
Schülerzahl betrug im Sommerhalbjahr 1853 JOl, im TVinter 1853 — 54
102 (I: 23, II: 35, HI: 28, IV: 16); zur Universität wurden Mich.
1853 6, Ostern d. J. 4 entlafsen. Programmabhandlungen Ostern 1849:
De Euripidis Phoenissis scr. Dr. H. R. E. Steudener (21 S. 4);
Mich. 1850: Num ad veritatem Tacitus in ann. 1 et II narrarit de
expeditionibus Germanici, scr. Dr. A. F. M. Anton (32 S. 4); Ostern
]8o2: Les tems et les modes du verbe fran^ais comparis ä ceux du
vcrbe latin, par Dr. J. C. G. Schmiedt (16 S. 4); Ostern 1853:
Kritik der Sage vom Konig Euandros, von Dr. Albert Bormann
(28 S. 4). Die letzte von Ostern 1854 ist schon oben erwähnt.
RuDOLSTADT. An dem dortigen Gymnasium haben folgende drei
Lehrer das Praedicat Professor erhalten: der Collaborator J. Re-
gensburger, Mathematicus am Gymnasium u. 2r Lehrer an der mit
■eibigem verbundenen Realschule; Dr. Sigismund, erster Lehrer an
der Realschule, und Dr. Rudolf Hercher, Collaborator am Gym-
nasium.
Salzburg [s. Bd. LXVIII S. 568]. Eine Veränderung im Lehr-
körper des dortigen k. k. akademihcben Gymnasiums kam im Schul-
jahre 1853—54 weiter nicht vor als dafs der zu seiner Ausbildung
nach Wien einberufene Supplent Matthias Plainer am 26. Juni d.
J. gestorben ist; die Supplierung der Iatein. Spr. im Obergymn. wird
seitdem durch Dr. J. N. Kapfinger besorgt. Die SchGlerzahl betrug
284 (Vni: 32, VH; 23, VI: 30, V: 27, IV: 29, lU: 37, H: 43, 1: 63).
S56 Schul- und Personalnachrichten, sUtistische Mittlieilungcn,
Am Schlnfä des Schuljahrs 1862 — ^3 hatten 21 Schüler das Zeugnis
der Reife erhalten. Programmabhandlung vom 26. Juli 1864: Das
Gebiet da deutschen Sprachstudiums mit besonderer Rücksicht auf
den aestheiischen Theil desselben, von P. Aemilian Köck (20 S. 4).
Salzwedel. Als Programm des dortigen Gymnasiums wurde aus-
gegeben: Systematisch geordnetes Verzeichnis der Abhandlungen, Re-
den und Gedichte, die in den an den preussischen Gymnasien und
Progymnasien 1842- 1860 erschienenen Programmen enthalten sind,
vom Oberlehrer Dr. Gustav Hahn (60 S. 4, auch im fiuchhandei
erschienen).
ScnwiiiDNiTZ [s. Bd. LXVIII S. 221]. Das Osterprogramm des
hiesigen Gymnasiums für 1864 enthält auf 28 S. Schulnachrichten und
in einer Beilage (16 S. 4) eine philologische Abhandlung des Directors
Dr. Julius Held: Observationes in difficiliores quosdam Sophoclis
Antigonae locos. Es sind in dieser Abhandlung* solche Stellen be-
handelt, in welchen Hr. Held von den Ansichten Schneidewins ab-
weicht. Das ürtheily welches er über des letztern Ausgabe fallt,
ist in folgenden Sätzen enihalten: ' Multis profecto fabularum lo-
eis vir eruditus aul accurata interpretatione lucem aut coniecturis
perquam ingeniosis medelam attulit, unu tamen in re, ut opinor,
minus laudandus, quod nimio novas res in medium proferendi stu-
dio abreptus interdum aut, quae verba genuina prorsus existimanda
erant, ea vel immutavit aut posthabitis spretisque interpretum sen-
tentiis novas obtulit explicationes, speciosas plerumque nee tamen
eas, quas aequa iudicandi ratio aut prolatis meliores aut omnino
Veras censere potuerit. ' Der Vf. bespricht hierauf die Stellen Vs.
21 — 24, die er bereits bei einer andern Gelegenheit behandelt hatte,
31 ff. 824. 363. 604. 673-676. 683-687. 736. 761. 762 ff. 906—915.
926—928. — Die Anstalt zählte im Verlauf des Jahres nahe an 300
Schüler, welche, in 6 Classen vertheilt, wöchentlich in 196 Stunden
von 7 ordentlichen, 2 Hilfslehrern und 2 Schulamtscandidaten unter-
richtet wurden. Die Zahl der ordenilichen Lehrerhtellcn ist in dem
Schuljahre durch Verwandlung der ersten Hiif>lehrerstelle in eine (6e)
Collegenstelle um eine vermehrt worden; die Errichtung der 6n Gym-
nasialclasse im Jahre 1860 hatte dazu die Veranlafsung geboten. Die
Lehrerstellen sind von der Pritronat^hehorde gemäfs einer Auffor-
derung der k. Behörde in den Gehältern gebefsert worden; wie viel
die Verbefserung bei einer jeden Stelle betrage, ist nicht angegeben;
bei einigen Stellen ist dieselbe, wie Ref. aus sicherer Quelle weifa,
sehr kärglich, bei drei Stellen nicht viel über 20 Thaler, wobei die
jetzt von den Lehrern zu entrichtende Communalsteuer noch nicht in
Abrechnung gebracht ist, bei andern drei bis vier mal höher ausge-
fallen. Die Prorectorstelle ist Pa> Jahr erledigt gewesen. Das k. Mi-
nisterium hat das von der städtischen Putronatsbehörde proponierte
und von dem k. Provincial-Schulcollegium befürwortete Avancement der
Lehrer nicht genehmigt, da es für das Prorectorat einen Lehrer ver-
langt, der zugleich befähigt sei, den Religionsunterricht in einer der
beiden obern Classen zu ertheilen. Kin Zusammenhang zwischen dem
Prorectorat und der Stellung eines Religionslehrers hat bisher laut
Statuten des Gymnasiums nicht bestanden; die Anstellung eines Reli-
gionslehrers ist übrigens seit Jahren ein Bedürfnis gewesen, da bis
jetzt zwei Geistliche, in ihren Glaubensansichten von sehr heterogenen
Richtungen, zur Aushilfe den gedachten Unterricht in den mittleren
(blassen ertheilt haben. Die PatronatsbehÖrde hat im März d. J. den
Prorector am k. Gymnasium zu Ratibor JohannJuliusGuttmann lum
Prorector des hiesigen Gymnasiums erwählt; derselbe wird nach nunmehr
erfolgter Bestätigung der Wahl zu Michaelis d. J. «ein Amt an hiesiger
lilterarische ond antiiiiiarische Miscellen. 357
.Anstalt antreten. Zor Abbaltang des Ton M. Gottfried Hahn, wei-
land Senior der evangelischen Kirche zu Schweidnitz, und Chr. W.
Otto, weiland Assessor des Stadtgerichts daselbst, gestifteten und
erweiterten Praemialredeactus hat Conrector Dr. Pr. J. Schmidt im
Jahre 1853 durch ein Programm (8 S. 4), enthaltend: Mittheilung
zweier urkundlichen j4cten$tüeke , beireffend die Vereinigung der
schleaitchen Furatenthümer Schweidnits und Jauer mit der Krone
Bohmena, und im Jahre 1864 durch ein Programm (12 S. 4), enthal-
tend: Andeutungen über die Aufgabe der hiatoriachen Geographie
eingeladen. Diese Andeutungen sind, wie der Vf. sagt, Aphorismen
einer umfangreicheren Arbeit im Gebiete der bis jetzt noch nicht allzu
sehr cultivierten historischen Geographie. [King.]
Schwerin. Das Lehrercoliegium des dortigen Gymnasium Fride-
ricianum, welches in dem verflossenen Schuljahre, dem ersten d(>K 4n
Jahrhunderts der Schule [s. Bd. LXVIII S. 569 ff.] , keine Verände-
rung erlitt, besteht aus dem Director Dr. Wex, Prorector Reitz,
den Oberlehrern Dr. Buchner, Dr. Dippe, Dr. Schiller, Dr.
Hey er, Dr. Huther, Collaborator Hoyer, Schreiblehrer Foth. Die
Schülerzahl betrug im Sommer d. J. 16* (I: 23, II: 24, UV: 37, III»»:
35, IV: 44); zur Unirersität wurden 11 entlafsen. Programmabhand-
long: Beiträge zur Elementar-Mathemaiik , le Abth., vom Oberlehrer
Dr. Dippe (36 S. 4).
Soest. Zum wifsenschaftlichen Hilfslehrer am dortigen Gymna-
sium ist der Lehrer an der höhern Stadtschule zu Lennep Dr. Fr.
Rudolf Kriegeskotte berufen und bestätigt.
Tilsit. Der Hilfslehrer am dortigen Gymnasium Karl Hein-
rich Schaper ist zum 4n ordentlichen Lehrer an derselben Anstalt
ernannt.
TÜBINGEN. Die neulich durch den Druck veröffentlichten Statuten
des dortigen philologischen Seminars lauten wie folgt: $. 1. Das
philolocisrhe Seminar ist eine akademische Anstalt zum Zwecke der
Heranbildung von Lehrern der höheren und niederen Gelehrtenschulen.
S. 2. Diesen Zweck sucht das philologische Seminar zu erreichen durch
Anleitung seiner Mitglieder zu selbstthätigem Studium der classischen
Philologie. §. 3. Demgemäfs erstrecken sich die Uebangen des philo-
logischen Seminars auf folgende Gegenstände: I) Interpretation grie-
chischer und römischer Schriftsteller, sowohl Dichter als Prosaiker;
2) Uebersetzungen aus dem Deutschen ins Lateinische und Griechi-
sche; 3) schriftliche Ausarbeitungen aber Ge(>en8tände aus dem Gebiet
der classischen Alterthumswifsenschaft. §. 4. Anf diese Uebungen wer-
den im ganzen sechs Wochenstunden verwendet, von welchen vier der
Interpretation je eines griechischen und eines lateinischen Schriftstel-
lers zu widmen sind. §. 5. Die Interpretation (§. 3, 1) geschieht in
freiem Vortrage anf dem Grunde schriftlicher Vorbereitung (welche
dem Lehrer, auf dessen Verlangen, vorzulegen ist) durch die Mitglie-
der selbst, so dafs abwechselnd ein Mitglied je in einer Stunde das
Wort fuhrt, die andern aber sich gleichfalls mit dem Gegenstande
zuvor b«*kannt gemacht haben. §. 6. Den Uebersetzungen aus dem
Deutschen ins Lateinische und Griechische (§. 3, 2) wird wöchentlich
mindestens eine Stunde gewidmet. §• 7. Die schriftlichen Ausarbei-
tungen (S. 3, 3) werden in der Regel in Isteinischer Sprache gefertigt
ond in jedem Halbjahr mindestens eine. S« S* ^^^ Leitung der ver-
schiedenen Uebungen (§. 3) wechselt unter den Lehrern des philolo-
gischen Seminars. $• 9. Innerhalb der angegebenen Grenzen steht die
Wahl der Stoffe, sowie die Bestimmung der Art, Reihenfolge nnd
Behandlung der einzelnen Uebungen, dem betreffenden Lehrer frei;
doch ist es wunschenswerth, dafs Zeit und Gegenstände der Uebungen
358 Schul- and Peraonalnachrichten, statistische Mittheilang^en,
durch coliegialische Vereinbarang festgesetzt werden. $. 10. Solchen
Mitgliedern, welche es wünschen, ist am Tfibinger Lyceam Gelegen-
heit geboten, theils an den Lectionen der Lehrer als Ztihorer Antheil
zu nehmen, theils selbst aach von Zeit zu Zeit unter der Aufsicht
des Lycealvorstands im Ertheilen Ton Unterricht sich zn üben. Das
letztere indessen ist nur solchen gestattet, welche mindestens schon
ein Jahr lang ordentliche Mitglieder des philologischen Seminars sind.
$. 11. Mitglieder des philologischen Seminars können alle Studieren-
den werden, welche die Ermächtigung ihres betreffenden Staats zam
Studium der Philologie oder der Theologie, ausnahmsweise auch der
Jurisprudenz, erlangt haben. §. 12. Der aufzunehmende hat dem Vor-
stande eine selbständig in lateinischer Sprache terfafste Uebersicht
seines bisherigen Lebens- und Bildungsganges zu übergeben, und sich
bei den einzelnen Lehrern persönlich zu melden. $. 13. Eine Anf-
nahmsprüfung ist nur in dem Falle nothwendig, wenn über das Vor-
handensein oder das Mafs der Befähigung eines Studierenden Zweifel
obwalten. $. 14. Die Mitglieder des philologischen Seminars sind
theils ordentliche (actire), theils Zuhörer (Auscultanten , Hospites).
$. 15. Pur die Zulafsung und Betheiligung als Zuhörer bedarf es nnr
der Zustimmung des betreffenden Lehrers. $. 16. Die ordentlichen
Mitglieder sind zur Theilnahme an sämmtlichen Uebungen rerpflichtet,
und können nur in seltenen Ausnahmsfällen, und unter Zustimmung
des betreffenden Lehrers, von einer oder der andern derselben dispen-
siert werden. §. 17. Das nach dem Datum seiner Aufnahme älteste
ordentliche Mitglied ist Senior des philologischen Seminars. $. 18.
Der Senior vermittelt den amtlichen Verkehr zwischen den Lehrern
und Mitgliedern des philologischen Seminars, besorgt die Mittheilunffen
Ton jenen an diese, überbringt dem betreffenden Lehrer die schrift-
lichen Ausarbeitungen der Mitglieder, und macht in jeder Stunde
Anzeige über die abwesenden ordentlichen Mitglieder und dereii Ab-
haltungsgrund. $. 19. Sollte die Zahl der ordentlichen Mitglieder in
einer Weise sich steigern, dafs dadurch die Selbstthätigkeit der ein-
zelnen Mitglieder beeinträchtigt würde, oder unter den ordentlichen
Mitgliedern ein bedeutender Unterschied der Fähigkeiten und Kennt-
nisse sich fühlbar machen, so wird ein zweiter Cursus eingerichtet.
$. 20. Ein solcher zweiter Cursus hat einen Theil der Uebungen mit
dem ersten gemeinschaftlich, ein anderer ist ihm eigenthümlich. $. 21.
Ueber die Leitung der dem zweiten Cursus eigen thumlichen Uebunffen
verständigen sich die Lehrer. $. 22. Die Theilnahme an sämmtlichen
Uebungen des philologischen Seminars ist kostenfrei. $. 23. Gegen
beharrlich unfleifsige oder sonst sich ungeeignet beweisende ordent-
liche Mitglieder kann nach Erschöpfung anderer Mittel zeitweise oder
bleibende Ansschliefsung verhängt werden. Die bleibende Ausschlie-
fsung wird auf Antrag des Lehrercollegiums vom akademischen Senate
rerfügt. Bei Zöglingen eines theologischen Seminars wird sich das
Lehrercolleginm in allen geeigneten Fällen mit dem Vorstande der
betreffenden Anstalt ins Vernehmen setzen. $. 24. Ueber sämmtliche
ordentliche Mitglieder werden halbjährlich vom Lebrercollegium Zeog-
nisse gefertigt und theils dem akademischen Senat, theils — bei Zög-
lingen eines theologischen Seminars — dem Vorstand der betreffenden
Anstalt Übermacht. S- 2^* Auf Grund dieser Zeugnisse beantragt das
Lebrercollegium halbjährlich beim akademischen Senate die Ertheilunc
eines Staatsstipendiums an eine bestimmte Anzahl [gegenwärtig dreij
würdiger und bedürftiger ordentlicher Mitglieder, welche nicht im
Genulae eines theologischen Seminars stehen. $. 26. Ebenso wird voni
Lehrercoliegium halbjährlich dem k. Ministerium durch den akademi-
schen Senat ein Bericht über den Stand des philologischen Seminars
litterarische and antiquarische Miscellen. Todesfälle. 359
Torgelegt, welchem der Lycealrector eine Aeorserunff aber die 7*he]I-
nähme an den Docierubungen fleitens der Mitglieder des philologischen
Seminars anschliefst. $. 27. Vorstehende Statuten sind mit Geneh-
migung des k. Ministeriums gedruckt, und jedes ordentliche Mitglied
erhält bei seinem Eintritt ins philologische Seminar durch den Vor-
stand ein Exemplar derselben.
Ulm. Die erledigte Lehrstelle an der ersten Classe des dortigen
Gymnasiums ist dem Lehramtscandidaten und dermaligen Amtsverwe-
ser dieser Stelle Zeller übertragen und der Lehrer der 6n Classe
Professor Kentner seinem Ansuchen gemäfs unter Anerkennung sei-
ner Tieljährigen und treuen Dienstleistung in den Ruhestand versetzt
worden.
Todesfälle.
Am 5. August starb zu Stuttgart Dr. Carl August Mebold, Vf.
eines Werks über den dreifsigjährigen Krieg (Stuttgart 1836. 40)
und Mitredactear der Augsburger Allgemeinen Zeitung, geb. l'i.
Februar 1798 zu Loffenau in Württemberg.
Am 29. August zu Breslau Johann Gottlob Regis, Baccalanreus
iuris und Doctor phil. , verdienstvoller Sprachforscher, besonders
bekannt durch seine Bearbeitung des Rabelais, geb. 23. April 1791
zu Leipzig.
Am 3. September zu Augsburg der als Jugendschriftsteller weit be-
rühmte Domcapitular Dr. Christoph von Schmid, geb. 16.
August 1768 zu Dinkelsbühl in Mittelfranken.
Am 4. September zu Jena Geh. Hofrath Dr. Heinrich Wilhelm
Ferdinand Wackenroder, Professor der Chemie und Director
des pharmaceutischen Instituts an der dortigen Universität.
Am 9. September zu Albano der Cardinal Angelo Mai, geb. 7. März
1782 zu Schilpario in der Dioecese Bergamo.
Am II. Seotember zu Heidelberg Dr. G. W. Bischoff, Professor der
BotaniK und wifsenschaftlicher Director des botanischen Gartens
an der dortigen Universität, geb. 1797 zu Dürkheim an der Hardt,
. seit 1826 als Privatdocent , seit 1839 als Professor in Heidelberg.
Kritische Benrtheilnngen.
Aeschyli tragoediae, Recensuit Godofredua IlcrmannuB. Lipsiae apod
Weidmannos. A. MDCCCLII. Tomus primus. XVII u. 454 S. To-
mu8 secundus. 674 S. gr. 8.
Der Herausgeber der Hermannschen Ausgabe des Aeschylos , Hr.
Professor M. Haupt, theilt in der Praefalio mit, >vie G. Hermann,
als er seinen Tod herannahen fühlte, ihm, seinem Schüler und Schwie-
gersohn, die Herausgabe seines Aeschylos übertragen habe; wie druck-
fertig nur das Manuscript zu den Supplices vorgelegen und er bei
der Redaction des Commentars zu den übrigen Stücken sich streng
an die von H. selbst seit einer Reihe von Jahren niedergeschriebenen
Bemerkungen gehalten habe, ohne ausführliche Begründungen nach
der Norm des Commentars zu den Supplices abzukürzen oder andeu-
tende Bemerkungen weiter auszufüluren , so dafs die Ausgabe ohne
fremde Zuthat ganz von H. stamme. Durch dieses Verfahren , sowie
durch die überhaupt bei der Redaction bewiesene Sorgfalt und Um-
sicht hat der Hr. Herausgeber in Wahrheit sich ein schönes Denkmal
der Pietät gegen H. gesetzt und alle Freunde des Aeschylos und des
classischeu Altcrthums zu dem anerkenucndslcn Danke verpflichtet. —
Die Hermannsche Bearbeitung des Aeschylos ist vorwiegend kritisch,
doch ist theils bei der Begründung der Lesarten, theils durch gele-
gentliche Bemerkungen auch die Erklärung nach allen Richtungen
wesentlich gefördert. An neuen handschriftlichen Hilfsmitteln standen
H. nur der Escorialcnsis , der die Supplices, und ein Auguslanus, der
den Prometheus, ein anderer, der die Septem enthalt, zu Gebote,
doch war er im Besitz genauerer Collalioncn, namentlich des Modi-
ccus, für die Perser und die Orestie von C. F. Weber, für die übrigen
Stücke und die Perser von Tycho Mommsen besorgt. Dafs diese Hs.
indessen auch jetzt noch nicht genau und vollständig ausgebeutet ist,
zeigt die von Hitschl besorgte Ausgabe der Septem. Aufserdem hat
H. selbst genau verglichen den Guelpherbytanus , Lipsicnsis und Vite-
bergensis. Von den Kritikern hält H. besonders den loanncs Auratus
hoch^ den er ^omnium qui Aeschylum attigerunt princeps' nennt;
seine und Joseph Scaligers Bemerkungen standen ihm aus der Ber-
liner Bibliothek aus einer Abschrift des Spanhemius zu Gebote , die
N, Jahrb. f. PkU. «. Patd, Bd. LXX. Bß, 4. u. 5. 24
362 G. Hermann: Aeschyli tragoediae. Tom. l et 11.
der letztere zu Windsor aus den Exemplaren der Stephanschen Aus-
gabe, die im Besitz des Is. Vossius waren, besorgt hatte. Alle Kri-
tiker aber hat Hermann selbst weit hinter sich zurackgelafsen, und
wir würden den uns hier zngemersenen Raum überschreiten müfsen,
wollten wir auch nur eine Uebcrsicht von dem geben, was H. für
Aeschylos geleistet hat, wie seine Kenntnis der poetischen und na-
mentlich aeschyleischen Sprache, die scharfe Beachtung des Zusam-
menhanges im ganzen und einzelnen, seine innige Vertrautheit mit
der poetischen Anschauungsweise des Dichters, endlich der feine Sinn
für Khylhmik Iheils zur Entdeckung von Schäden geführt hat, die
bisher dem Scharfsinn der Gelehrten entgangen waren, tlieils durch
alles dies verbunden mit der glücklichsten Combinationsgabe und ge-
nialem Scharfblick auch in den meisten Fallen eine gfückliche Heilung
der Schäden erreicht und eine Menge von Stellen, die von den frü-
heren Herausgebern für unheilbar gehalten worden, ebenso sicher
als leicht hergestellt worden sind. Alles dies auch nur mit einzelnen
Beispielen zu belegen halten wir um so mehr für flberflüfsig, als seit
dem Erscheinen des Buches schon zwei Jahre verflofsen und die
treiriichsten Emendationen bereits von anderen hervorgehoben worden
sind. Vielmehr halten wir es heute für die Aufgabe der Kritik, ein-
fach die Thatsache zu constatieren , dafs Hermann nicht nur eine dem
Standpunkte der Wifsenschaft angemefscne Bearbeitung des Aeschylos
geliefert, sondern auch den Text so durchgreifend, wie dies wenigen
Schriftstellern zu Theil geworden, hergestellt hat, dafs für die Kritik
des Aeschylos eine neue Epoche datiert, anderntheils aber darauf
hinzuweisen, wie von dieser gewonnenen Grundlage aus Erklfirang
und Kritik des Dichters weiter zu fordern sind. Denn wir haben nur
eine Grundlage gewonnen und sind vom Abschlufs so weit entfernt,
dafs noch eine geraume Zeit hingehen wird, ehe durch die vereintes
Bemühungen vieler eine nur einigermafsen befriedigende Textesge-
slaltung gewonnen sein wird. Hermann selbst war auch weit entfernt
zu glauben, dafs ihm die Befserung verdorbener Stellen überall ge-
lungen sei, und sehr schön spricht sich Haupt in seinem trefflichen
Vorworte darüber aus, wie, so oft H. zur Leetüre des Aeschylos
zurückkehrte, dies nicht ohne Förderung der Kritik geschah und wie
er eben deshalb die Herausgabe von Jahr zu Jahr verschob, weil
er hoffte dafs ein grofser Theil der Stellen, deren Emendation ihm
selbst noch nicht genügte, sich doch noch werde herstellou lafsen.
Dieser unverdrofsencn , beharrlichen Ausdauer und der treuen hinge-
benden Liebe zu dem Dichter sind auch die glanzenden Erfolge zn
danken, und andrerseits liegt in diesen Erfolgen die Errouthigang
für uns, auf diesem Wege uns weiter zu versuchen, da es auch ohne
neue Hilfsmittel sicher gelingen wird, wenn auch nicht alle, so doch
sehr viele verdorbene Stellen genügend za emendieren. Denn in Be-
zug auf die handschriftlichen Hilfsmittel ist der Umstand, dafs wir far
die eine Hälfte der Stücke nur 6ine, für die andere Hälfte allerdings
noch eine zweite Quelle haben, allerdings sehr zn beklagen, da selbst
6. Hermann: Aesohyli tragoediae. Tom. I et II. 363
acblechtere Has. einer andern Familie oft gute Dienste leisten, beson«
ders wenn in der alten Quelle aus Versehen Wörter oder Verse aus-
gefallen sind; allein es ist wieder ein Glück, dafs der Mediceus nicht
nur aus einer sehr alten Quelle stammt, sondern auch data der Schrei-
ber zwar aus Unkunde, Nisverslandnis und Nachlafsigkeit viele Feh-
ler hineingebracht, auch wohl nach Gutdünken geändert, aber doch
keine Kecension geübt und systematisch gefälscht hat, so dafs es
immer möglich ist, natürlich Lücken ausgenommen, das wahre zu
entrathseln. Diese Beschaffenheit des Mediceus hat H. sehr wohl und
mit dem besten Erfolge berücksichtigt und namentlich in den Suppli-
ces in dieser Beziehung seinen Scharfsinn und seine geniale Divina-
tionsgabe auf das glänzendste bewährt. Freilich ist auch oft richtiges
in Zweifel gezogen, für unrichtiges ein entferntes statt eines nahe
liegenden Hilfsmittels gesucht, oft gewagte und unwahrscheinliche,
bisweilen auch unrichtige Emendationen in den Text aufgenommen.
Dies näher zu begründen wollen wir, wie C. Frien im Rheinischen
Museum die Leistungen Hermanns an den Septem näher geprüft hat, so
aus den Supplices und dem Agamemnon einzelne Stellen genauer be-
sprechen , alsdann , wenn der Raum nicht bereits zn sehr in Anspruch
genommen sein sollte, einzelne Stellen auch aus den andern Stücken
herausheben und «lit einer kurzen Besprechung der Fragmente mit
Berücksichtigung der Wagnerschen Fragmentensammlung schliefsen.
Wir beginnen mit dem Agamemnon; die beigesetzten Verszahlen
sind die der Wellauerschen Ausgabe. *)
7. Der Vers aCxiqag^ ovcev (pd-Cvcoöiv, avzoXag rs tav wird auch
jetzt für echt gehalten, nur awoXdg %e rcjv nicht et ortus horumj
sondern et aliorum ortus übersetzt. Ueber die Angemefsenheit des
Gedankens kann man getheilter Meinung sein, das Hauptbedenken
liegt aber in dem Worte aarigag^ worüber sehr treffend bemerkt wird:
*si subiectum est ^vi/atfra^ et interpungitur demnm posta^i^i, friget
sane addita explicatio aarigocg: sin, ut quibusdam placuit, iungnntur
haec, ifMtQinovxag ald'iQi aari^ag^ non est id multo melius, quia de-
scriptio prope idem quod nomen ipsum significat, nee stellae sunt
quae non sint in aethere.' Daher wird zovg tpiqovxoig iöxiqotg ver-
bunden, so dafs der Vers Xct^nQovg övvaatag zur Erklärung oder
Erweiterung hinzugefügt sei, sidera^ quae lucidi in aethere reges
tnicant. Aber durch diese Stellung, zumal am Anfange des Verses,
erhielte das Wort einen bedeutenden Nachdruck, während es diesen
nicht hat, ja sogar ganz überflüfsig ist. Wir glauben, dafs derjenige,
der unter Xaim^ovg dvvdörag die Sonne im Gegensatz zu den Sternen
verstehen zu müfsen glaubte, zur Erklärung, dafs nur der Auf- und
♦) Schoemanns Abhandlung ' emendationes Agamemnonis Aeschy-
Icae» im Greifswalder Lectionskatalog für da» Wintersemester 1854 —
65 konnte ich nicht mehr berücksichtigen, da sie eben erst in meine
Hände gelangt ist, als die gegenwartigen Bemerkungen bereits nieder-
geschrieben waren.
24*
364 G. Hermann : Aeschyli tragocdiae. Tom. 1 e( II.
Untergang gemeint sei , da der Wächter nur des Nachts zn wachen
hatte , diesen Vers oder auch zunächst die Bemerkung orav g)^lv(o(fi
xal avarikkcDai hinzugefügt hat, woraus dann unser Vers enislandefn
ist. — 57. TCaQaßdöiv wird auf die Troer bezogen, fiszoUrov auf die
Helena und uov Öi statt xcovös gelesen , indem zu dCatv das Verhum
suhstantivum zu ergänzen, oder (liya ^fiovxai nach o^vßoav ausge-
fallen sei. Wie man auch zcivde (leioUiov beziehe und erklare, so
zeii>:t doch die ganze Fufsung der Stelle, dafs das Gleichnis von den
Geiern noch fortgeführt werde, so das oicovod^Qoov und GO das ovrco.
Das befremdliche der Stelle wird allerdings gemildert, wenn wir mit
Schneiduwin im Philologus lil S. 530 annehmen, dafs sich Aeschylos
an einen uns unbekannten alvog gehalten habe. — 69 werden die
\>*ortc oijxe öaxQViov gestrichen und unter änvga hqu die Opferung
der Iphigenia verstanden und als Subject Agamemnon gedacht. Das
wäre gegen den Zusammenhang. Es ist die Hede von dem Frevel des
Paris, den zu rächen Zeus die Atriden nach Troia gesandt habe; wie
nun auch der Kampf stehe, so werde er doch nach dem Schicksals-
schlufs vollendet werden, d. h. die Troer werden unterliegen. Der
Sinn der Stelle mufs also sein : die Troer mögen opfern und spenden,
sie werden den gerechten Zorn der Gölter nicht versöhnen. Richtig
werden anvQa Uqcc durch ^sacra igne carentia, qaae irrita sunt im-
picque facta' erklärt, nur ist aytvQcov isQ(ov ogyccl nicht der Zorn
über das Opfer, sondern der Zorn, wie er sich in der Nichterhörung
des Opfers äufsert. — 116 (119): *non dicit Xocai^lav ^^o/tcov de
postremo ante partum cursu, sed ut signilicetur quum iam in eo esset
ut elTugeret Icpus impetum aquilarum. Kefertur enim augurium ad
captam post diuturnum bellum Troiam, sperantibus Troianis non simu-
lato rcditu vela dedisse Graecos. ' Das ist schon deshalb unmöglich,
weil die Adler von der Höhe auf ihre Beute herabschiefsen, von einem
Verfolgen und möglichen Entrinnen des Hasen also nicht die Rede
sein kann. Dann wird auch in der Deutung des Zeichens auf diesen
Punkt durchaus nicht Rücksicht genommen. Vielmehr wird hervorge-
hoben, dafs die Häsin eben werfen sollte, was die Deutung erhält,
einmal, dafs sich Troia lange halten werde, daher xq6v(o Vs. 136,
besonders aber, dafs diese Grausamkeit auf den Zorn der Artemis
hinweist, wobei auch die Deutung am längsten verweilt. Es ist wohl
zu beachten, dafs es dem Chor allerdings darauf ankommt, die HolT.
nung auf die endliche Eroberung zu begründen, dafs aber der Dichter
zngleich und hauptsächlich auf die Ermordung des Agamemnon vor-
bereiten will. Daher wählt er nicht das Zeichen von der Schlange,
das für jenen Zweck »ehr passend wäre , sondern das von den Adlern,
weil darin ein böses omen liegt, das besonders hervorgehoben und
woran die Opferung der Iphigenie angeknüpft wird, die der Chor
durch 5 Strophenpaare hindurch besingt. Dies hat man nicht beachtet
und daher an einzelnen Stellen fehlgegrifTen. Ueber die richtige Les-
art der Stelle s. zu 410. — 126 (131) TtQoxvniv atofnou wird crkUrI
^ prius percnssum^ i. c. ante belli cladcs immolatione Iphigeniae
G. Hermann: Aeschyli tragoediae. Tom. I et IL 365
afflictum' und av(^(o&iv von Hxi^ctiows^at in caüris esse von dem in
Aulis weilenden Heere. L. Schiller kann die Beziehung auf die Iphi-
gcnie nicht zugeben, allein nur von dieser kann hier die Rede sein,
nur ist TtQOtvjtiv proleptisch zu fafsen. In dem folgCtiden otxo yccQ
initp&ovog '*AQVS(iig iyvct nxccvotaiv xvtfi ncix(^6g werden die Worte
nxav, X. JT. übersetzt quanlum per aquilas coijnosci potesL Schiller
halt diese Erklärung weder mit dem Gedanken noch mit der Gram-
matik für vereinbar und fafst %vaL als Apposition zu orxco. Das ist
aber unmöglich, da nicht darauf folgen könnte ctvyei öi ^'emvov aU-
%(av. Die Hermannsche Erklärung ist die einzig mögliche, Kalchas
schliefst eben aus dem Zeichen auf den Zorn der Artemis; nur glauben
wir, dafs nxavotg iv Kval zu schreiben sei, das heihi a}g arjfActlvei
iv nvölv. — In der folgenden Epode bietet der erste Satz grofse
Sch>Yierigkeiten. H. fafst den Sinn dahin: quamvis ianiopere favens
calulis ferarum^ tarnen bona vuU portendi^ nimmt re^TTva^ das auf
Ivftj^oAa zu beziehen Sinn und Netrum verbieten , für laeta und ver-
befsert oßqt%aXotg im xBqnva, weil Aeschylos ohne i-xl schwerlich
80 gesagt hatte, ändert ngävai in XQtvai, und <pa6(iaxa axQOv&tav in
q)d6iiixxita axQOvd'divy ^notum ex Iliade passerum augurium intelli-
gendum est, quo Troiam decimo anno captum iri signiflcabatur. Id
augurium cum allero aquilarum augurio comparat Calchas.' Aber
Kalchas will, wie ausdrücklich gesagt wird, nur das ^ino Zeichen
von den Adlern deuten , und die Herbeiziehung des andern wäre nicht
nur nutzlos, sondern auch ungehörig, da es nur günstig ist, während
hier das unglückvorküudende hervorgehoben wird. Der Sinn der
Stelle kann auch nicht der von H. angegebene sein. Denn das Zeichen
hatte Zeus gesandt und zwar als ein günstiges, und liegt auch etwas
ungünstiges darin,. so ist dies der Artemis zuzuschreiben, so dafs
diese an dem Glück der Griechen keinen Theil hat, wohl aber das
Unglück ihr, und zwar ihr allein zuzuschreiben ist. Der Sinn müste
also umgekehrt folgender sein: so sehr ist Artemis hold den Jungen
der Thiere, dafs man trotz der günstigen Vorbedeutung der Adler
das Zeichen doch zugleich für ein unglückverkttndendes halten mufs.
Die Stelle, ist schwierig; wir machen aber darauf aufmerksam , dafs
man das xovxcov nicht beachtet hat, das in dem Zusammenhango sich
nur auf die Jungen der wilden Thiere beziehen Jiann , so dafs xovxmv
aix£i ^vfißoka KQdvai> wohl so zu fafsen ist: da Artemis die Jungen
der wilden Thiere so sehr liebt, so verlangt sie auch die Zeichen
derselben zu erfüllen, nemlich die zwar sonst günstige, aber ihr
verhafste Erscheinung der Adler. axQov^mf ist offenbar ein Glossem,
wodurch das ursprüngliche Wort verdrangt worden ist, xwu kayadai-
Tcov oder etwas ähnliches. --^ 140 (147) ist ^vciav kxiQotv richtig
erklart: ^respexit is Iphigeniae immolationem , quae hiqa est, alia
quam aquilarum, quas p,(yy£Qav nxdxa ^vofiivovg dixerat.' Sehr gut
benutzt dies der Dichter, um diese Opferung als die Quelle neuen
Unheils zu bezeichnen, und zwar so dafs dies Kalchas spricht, ohne
dafs der Chor den eigentlichen Sinn der Prophezeiung ahnt. — Die
866 G. HermaDD : Aescbyli tragoediae. Tom. I et II.
Ergänzung gxoxog nach öntS'qvoQa 141 scheint annöthig; die Ahthei-
Inng der Verse ist in folgender Weise geändert: [irj rtvag — imlolug
j t£vj]? — aöaixov | vai^iav — (panog. Die gewöhnliche Versab-
theilung scheint richtig, nur ist ankoiag levj]? umzustellen. — Die
Consliluierung und Erklärung der 6n Strophe kann nicht gebilligt
werden. Der Sinn wird dahin angegeben : ^ iusserat Agamemno pre-
hendi Iphigoniam obvolutamqne vestibus ne mala imprecaretur ad
aram sisti. At illa reiecto croceo velamine, quo ut regia virgo indata
erat, sponte vocem comprimit, salis habens adspicere duces, tarn-
quam verba factura.' Es wird nun der erste Vs. 223 noch zum vor-
hergehenden gezoffen, xiovaa des Hiatus und der erforderlichen Länge
wegen in xiova' cSd' geändert, IfteAiJ;«!/ in Siiix^ev verhefsert, ayva
avöä geschrieben und pio sileniio erklärt, endlich azavQCDxog in der
Bedeutung non efferata genommen, Mioc enim dicit poßta, puellam
Don indignatam quod immolaretur, pio silentio honorasse sortem pa-
tris, faustam futuram per hoc sacrilicium. ' Diese ganze Vorstellung
Yon der Sache scheint uns ebenso unwahrscheinlich an sich und gegen
die von uns zu 116 bezeichnete Absicht des Dichters zu sein, wie sie
entschieden gegen die Worte der Stelle ist. Dafs axctvQGjftog non
efferata heifse, ist durch Anführung von Eur. Med. 91. 190, ojiif*« xav-
QOvp,ivi] und öiQyfia anoxavQovxai nicht erwiesen, dagegen ist axav-
Qtaxog in der Bedeutung * jungfräulich' bekannt. Wir ferner ityva
avöä pio silentio heifsen soll, ist nicht einzusehen, da doch das Wort
das gerade Gegentheil davon bedeutet; die angeführte Stelle Soph.
Oed. C. 131 a(p(üvcog^ ccXoycog xo xäg £vg>t]fiov öxofia q>QOvx£öog Uvxsg
spricht eher gegen diese Erklärung; denn obwohl man (pcavrj iBxai sagt,
bat doch der Dichter jenes vermieden, weil darin ein Widerspruch
läge, und er sagt axofia lexai zur Bezeichnung, dafs die Lippen laut-
los, akoycDg, zum Gebete geöffnet werden; mindestens hätte es also
hier heifsen müfscn avavöo) av6a. Aber abgesehen davon fragt ef
sich, woher man denn so sicher gewust habe, dafs die Iphigenia sich
freiwillig werde opfern lafsen, woher ferner, dafs sie den Vater und
sein Unternehmen gesegnet habe, endlich warum, da doch einmal
die bestimmt ausgesprochenen Befehle des Agamemnon 217 — 222 nicht
ausgeführt wurden, Iphigonie nicht laut den Segen ausgesprochen
habe. Dafs das Gebet der Iphigenie nicht bei der Opferung statt-
gefunden haben könne, ist ganz entschieden; wann es stattgefunden
habe, zeigen deutlich die vorhergehenden Worte nqoCBwiitBtv ^i-
kovö' inel Ttokkamg nctxQog xar' avÖQcovag ivxgani^ovg ^fisk^ev. Hier
wird SfiiX'&sv geschrieben, allein was soll hier die Erwähnung, dafs
die Farsten sich oft zum Mahle bei Agamemnon einfanden? Dann zei-
gen ja die Ausdrücke evxQani^ovg und XQtxoa^ovöov ganz deutlich die
gegenseitige Beziehung; folglich ist auch ifiekijjev richtig und der
Sinn folgender: ^die Fürsten rührt der mitleidflehende Blick des Mid-
ehens, das ein stummes Bild sie anreden zu wollen scheint, wie oft,
da sie beim Mahle des Vaters in kindlich reinem Gebet xar dritten
Spende liebend dem lieben Vater ein glückliches Lebensloof wOnachte.'
6. Hermano: Aefchyli tra^roediae. Vol. I el II. 367
H.8 BiDwand, dafa bei Gaatmihlern nicht Jnngfraueo sangen, sondern
Fiötenapielerinnen und Tänzerinnen dazu gezogen wurden, ist nicht
satreffend, da hier von keinem Symposion die Rede ist, sondern von
dem Besuche eines Freundes, also von einer Mahlzeit, an der Fran
und Kinder Theil nehmen konnten. Eben deshalb, weil zum Paean
keine Flötenspielerin genommen wurde, Tagt der Dichter hinzu ayv^
d' izavqunog av6a. Endlich wird mit Unrecht 223 zum vorhergehen-
den gezogen, da dies schleppend wäre und eine neue Strophe mit
einem neuen Gedanken anfangen mufs. Die Worte (p^oyyov ccqaiov
oinoig erklärt man vielleicht unrichtig so, dafs Agam. vorausgesetzt
habe, sie werde ihm fluchen. Er setzt nur voraus, dafs das zum Tode
geführte Mädchen weinen und um Mitleid flehen und die heilige Hand-
lung stören werde; schon der Todesschrei des Mädchens wäre ein
Fluch für das Haus. Aber trotzdem dafs sie am Sprechen gehindert
wurde {ßlc^ xalivmv) erregt sie doch durch eine stumme Kraft, den
milleidflehenden Blick des Auges , das Mitleid der Fürsten. Die Worte
7i(fQ%ov ßag)ag ig itiöov %iovca bedeuten * als sie zur Opferung schrei-
ten sollte', denn nur da konnte sie Mitleid erwecken, da sie später
gemäfs Agam. Befehle 218 niitlotUi mquinr^ war; doch davon, von
der Opferung selbst, spricht der Chor nicht. Unrichtig nimmt H. an,
jene Umhüllung habe das Sprechen hindern sollen, Iphigenie aber
habe die Umhüllung abgeworfen. Uebrigens ist diese Stelle von er-
greifender Wirkung. Nicht klagend geht Iphigenie zum Tode, wie
ein stummes Bild steht sie da und ihr Blick trifft selbst die harten
Fürsten mit erschütternder Wirkung. Meisterhaft aber ist die Erinne-
rung an die frühere Zeit, wo beim Mahle das Kind für den lieben
Vater Segen herabfleht; ein anderes Mahl wird jetzt gefeiert und der
Segen des Kindes mufs sich in Fluch gegen den unbarmherzigen Va-
ter verkehren. — 234 (240): ^dicit hoc universe, non vana est an
Calchaniis, Bespielt enim quae supra commemoraverat v. 126 sqq.
non ex omni parte prospere successuram esse expeditionem , quum-
que modo de impio facto Agamemnonis dixisset, simul ex hoc aliquid
mali nasciturum praesagit.' Vielmehr nimmt der Chor ganz bestimmt
auf 141 Rücksicht: ^cCccv veiximv zi%xova avii(pvrov, Kalchas hatte
einen glücklichen Ausgang prophezeit, allein auf den Zorn der Arte-
mis hingewiesen und auf ein mögliches Opfer und daraus entsprin-
gendes Unheil. Die Prophezeiung in Betreff des Zürnens der Artemis
und des versöhnenden Opfers ist in Erfüllung gegangen; es ist also
noch ein Unglück zu befürchten, von dem freilich der Chor nichts be-
stimmtes weifs, während der Zuschauer auf die folgende Katastrophe
vorbereitet wird. In Verbindung damit steht das folgende öCtw 61
xoig fiiv ütad'ovaiv iia&eiv htiqqbtH xo fiikkov^ was so gefafst wird:
* iuslitia his quidem (eos dicit qui virginem immolarunt) experiundo
admavet cognüionem futuri* Blofs Agamemnon ist gemeint, und das
bekannte Sprichwort na^u (la^og bedeutet nicht durch Erfahrung die
Zukunft erkennen, sondern durch Erfahrung klug werden. Wenn also
Jlnfl den Agam. durch Leidei zor Erkenntnis bringt, so heifst das,
368 G. Hermann: Aeschyli tragoediae. Tom. I et IL
dars Agamemnon, der die Iphigenie geopfert hat, dafür bestraft wer-
den wird. Doch, fahrt der Chor fort, die Zukunft will ich nicht vor-
auswifscn, denn das hicfse sich vor der Zeit Leiden schaffen, das
ohnedies schnell genug kommt. Daraus geht hervor, dafs to ftiklov
nicht zum vorhergehenden, sondern zum folgenden gehört, also H.b
Befserung von 237 ro ngoxlvetv d ijivaiv nQOictiqixoi nicht richtig
sein kann. In der handschriftlichen Lesart xo öl nqoulvHv htiyivoix^
av nlvoig nqoimqixio ist etwas zu viel, allein iniyivoiio herauszu-
werfen liegt kein Grund vor, dies ist jedenfalls aus de nij yivotxo
entstanden. Dagegen müfsen nQ97ikvetv und nkvoig verdächtig er-
scheinen, wozu kommt, dafs im Mediceus die Worte ro de nfjoxkvsiv
mit anderer Dinte, also später beigesetzt sind. Blan könnte also diese
auswerfen und schreiben zb fiikkov d' ojtt} yivoix^ civ %lveiv fCQOxai-
Qixco, allein nQoxoctQizoa hat hier keinen Sinn und Ttgoxlvstv ist nöthig
wegen des Gegensatzes itQOdxivetv.^ 3Ian kann also ziemlich sicher
schreiben x6 fiilkov öe nQOKkvBLv ij yi^vixo %ciLqix(o, — Dafs mit
241. 42 Klytaemnestra gemeint sei, wird mit Hecht gegen andere
bemerkt; diese tritt nemlich eben auf. Der Chor redet übrigens hier
die Klytaemnestra zum zweitenmale an, zuerst 83, ohne dafs er in-
dessen auf die erste Anrede eine Antwort erhalt. Darüber wird p. 373
bemerkt: ^scilicet quum ante aedes regias in scena oompluros arae
cerni videantur, in quibus ignis vel accensus erat vel iam accende-
batur, egressa ex aedibus rcgina, ut mos est, cum duabus ancillis, ad
eas aras deinceps accedit, tus et sufiimenta in ignes iniiciens. Deindo
vidctnr ^pectatoribus a dextra abire, ut in urbe sacra factura; tarn
redire linito chori carmine.' Damit ist immer nicht erklärt, warum
Klytaemnestra auf die Anrede des Chors nichts crwiedert; dann ist
auch die Vorstellung von dem Opfern der Klyt. unrichtig, da 88 ff.
zeigt, dafs bereits überall das Opfer begonnen hatte, und das war
ja eben der Grund, dafs der Chor sich versammelte. Klyt. tritt erst
240 auf die Bühne, wie schon die Anrede zeigt, ?;xo) asßl^cav crov,
KkvxaifivrjaxQu^ y.Qccxog^ und durch die erste Anrede will der Chor
eben ihr Auftreten veranlafsen. Ganz ebenso ist es im Aias des So-
phokles, wo der Chor den Aias anredet, obwohl dieser nicht da ist,
auch gar nicht erscheint, sondern statt seiner Tekmcssa. — 276
(281) 0 d' ovxi (likkav^ ovd' afpQaafWva}? vnuco vtxaifisvog Ttagriitev
ayyikov iiiqog, *Alio transmissum nuntii officium dixit Aeschylat,
quod Orellius non negasset, si reputasset ovxt iiikkov esse ceteriler^
neqne ovxi separari ab eo participio posse.' Aber 7taQt)x€v heifst
* praetermisit ' und nicht Mransmisit', weni&rstens nicht in der hier
erforderlichen Bedeutung, und auch der Ausdruck Mransmisit nuntii
mnnus' für Mransmisit nuntium' wäre höchst sonderbar, wahrend
*non neglexit nuntii munus' ganz in der Ordnung ist. - Da ovö^ wtvfo
vixoifisvog folgt, läfst sich die Negation auf das Ilauplverbnm leicht
üben ragen. — 321 (327) wird dg d' akrifioveg verbefsert in dem
Sinn, wie Schütz övadaifioveg erklärt ^ut dicantur Graeci band secos
ac pauperes, quibus nihil est quod costodiaut, incustoditam totam
G. Hermann : Acschyli tragoediac. Tom. I et II. 369
noctem dormire. ' Aber ctqjvlxxxxov schlafen sie deshalb, weil kein
Feind mehr da ist, dessentwegen sie Wachtposten aufstellen müsten.
r^i— 346 (352) wird verbanden yiiya ydyya^ov Srrjg navalmov Tfjg
öovkelag^ so dafs der eine Genetiv vom andern abhängt. Das scheint
nicht wahrscheinlich, noch mehr aber mnfs es befremden, dafs es
hüifst (og ^iJtc fiiyav (irjt^ ow vsaQoiv uv vnsQvekiaai yayya^ov^ da
ein Netz zwar über alle gespannt ist, aber nur über die vsccqoI das
der Knechtschaft, über die andern das der Vernichtung. Die Worte
(liya öovlslag müfsen daher verdachtig erscheinen. — In dem fol-
genden Chorgesange wird 354 (360) ediert inga^ctv coj ixQavsv^ wie
schon Franz vermuthet hatte. Allein der Gedanke, dafs es ihnen geht,
wie es Zeus vollendet, ist eine müfsige Wiederholung. Es ist auch
iyiQavccv zu vcrbefsern : Zeus Strafe haben die Troer erfahren und es
ist leicht den Grund zu finden: es ist ihnen ergangen, wie sie es voll-
bracht, und niemand sage, die Götter strafen nicht die Vergehen der
Menschen. Weiter wird 358 ediert nitpavrai d' hyovoLg aro/fti/TCOff
Z^ Qtj nvsovTCDv fiel^ov^ ^ dtxor/a)^, fpkeovxcov dcofidtcov vitiqtpiv' onsQ
TD ßilTiöTOv^ so dafs zu 7te(pavtai als Subject z/^og nkayd ergänzt
wird , was wohl nicht angeht. Man könnte iv yovotg setzen : dafs die
Götter die Sünder strafen , ist klar an das Licht getreten an den Kin-
dern der kriegsübermüthigen Troer. Allein nicht die Vorfahren der
damaligen Troer, sondern diese selbst haben gesündigt, so dafs wir
llartungs Emendation für richtig halten , der scharfsinnig mit Aende-
rung eines einzigen Buchstabens hergestellt hat nitpavxai d' iKzlvovca
ToXfia rmv"Aqri itveovriov. Im folgenden ist die Aenderung \K)n vtieq
in 07CSQ nothwendig; die Worte q>k66vT(av dcoiidzcov vniqtptv sind also
nicht im tadelnden Sinne gesagt, sondern wie im Prom. 464 iTiitovg^
ayaX^ia Trjg inegnXovzov xhdrjg. Aber nicht zu vereinen wifsen wir
damit das folgende äaxs xditaQKBtv^ ita ut satis sit^ wodurch der
vorhergehende Gedanke wieder aufgehoben wird. %d7tciqY.Elv ist nicht
9cal aitaq^Blv sondern %al inaQKelv und der Sinn: Wohlstand ist
etwas trefTliches, aber man benütze ihn nicht um andern zu schaden,
sondern vielmehr um andern zu helfen. — 377 (383): *eius (pro-
verbii) hie haec vis est, ut inania sperasse dicalur Paris, quum se
hello victorem fore credidit.' Vielmehr ist das vergebliche hier der
Besitz der Helena. Paris strebt vergebens nach dem sichern Besitz
der Helena und stürzt dabei das Vaterland ins Verderben. Denselben
Gedanken spricht der Dichter 521. 22 aus tov ^valov O' tjiiaQTe xal
^avdkB&QOv aitox^ovov TtuTQfpov {d'Qiasv öofiov. — 387: *non ele-
ganter hie ri positum est. Videtur Aeschylus scripsisse aöTtlaroqag
te yial Aoy%/fiovff xlovovg vctvßdrag d' oJckiCiAOvg.' Allein dann wäre
doch die von H. nicht erwähnte Verbefserung von Ahrcns vorzuziehen
%k6v(yvg re %ccl koyxi^ovg vavßdxag -&' bnkiASfiovg , wodurch dreierlei
auf einmal erreicht wird, erstlich die Beseitigung des von H. erwähn-
ten Bedenkens, zweitens dafs wir die Dochmien loswerden und einen
passenden Rhythmus erhalten, drittens dafs in der Antistrophe nichts
zu ändern ist, wo II. do^at in doTiai zu verwandeln genöthigt ist. —
370 G. Hermann : Aeschyli tragoediae. Tom. I et II.
394. 95. Diese verzweifelte Stelle ist mit ziemlicher Sicherheit her-
gestellt naQeaxi acyag axi^iovg akotöoQovg aX(S%iax^ aq>e^iiv(ov idetv^
nur würden wir statt artf%t(TT' lieber aXyiCx* setzen. Ueber diese
Stelle hat Welcker die Ansicht ausgesprochen, dafs unter den Pro-
pheten die Seher des Hauses des Priamos zu verstehen seien. Dafär
scheint der Anfang der Strophe allerdings zu sprechen, allein die
Worte TTo^G) d' ineqitovxlag und das folgende können nur von Mene-
laos verstanden werden. Es scheint uns die eigentliche Bedeutung
dieses Chorgesanges noch nicht richtig aufgefafst zu sein. Wie der
Chor in dem ersten Stasimon die Hoffnung auf die Eroberung Troias
ausspricht, dabei aber auf die künftige Katastrophe vorbereitet, indem
er sich von der Ahnung eines herannahenden Unheils ergriffen zeigt,
so weist auch hier der Chor auf die Schuld des Agamemnon hin, nicht
wegen der Opferung der Iphigenie, sondern dafs er überhaupt den
Feldzug unternommen, von dem ihn ja eben Artemis abbringen wollte.
Den Grundgedanken, dafs die Götter den Frevel strafen, wendet der
Chor allerdings zunächst auf die Troianer an, allein er bahnt sich
durch Paris einen leichten Uebergang zur Helena und stellt den Krieg
nicht als Uachekricg des über den ihm angethanen Schimpf empörten
Volkes dar, sondern als vom Menelaos unternommen, der die Sehn-
sucht nach der Helena nicht überwinden konnte. Daher verweilt der
Chor bei der Schilderung der Liebespein, die den Menelaos verzehrte,
und führt dann fort: das ist das Unglück im Hause des Menelaos, das
Helena verschuldet, aber weit gröfser noch ist das Unglück von gani
Griechenland, das seine Söhne nach Troia entsandte, damit sie dort
ihr Grab finden; darüber murrt das Volk und die strafende Stimme
des Volkes und das viele vergofsene Blut lafsen unheilvolles besor-
gen; darum beneide ich nicht die hochgestellten. — 410 — 12 wird
ediert xo näv d^ afp 'Eklavlöog yäg övvogfiivoig niv^nct xlrfiL%ii^
diog öofKov inadxov nqinzi. Das ist aber nicht zu verstehen. Der
Scholiast erklärt tc5i/ avvriyfiiv(ov aKO xijg^ Ekkaöog anäpxav hiuinov
xoig oiKOig oövvtjqcc nivd-fjOLg övccnqhtBi,^ als ob öwogfiivcav und d6~
fiotg dastände, und öo^LOig wollte auch Auratus setzen. Wir vermu-
thcn xo nav d' ig>^ 'EXXaviöog yäg avvoQfiivag niv&Ha xXrfiixaQÖiog
S6(A€o \ ixaaxiü nqimi. Das v bat die Abschreiber meist irre ge-
führt ; bei Arislophanes ist es hauHg ausgefallen , bei Aeschylos mis-
verstanden worden. So steht Prom. 742 ^Yjd* bt^v ngooifitoig in
Med., was Turnebus richtig firjdiTta \ ngooifiioig gelesen hat. Das
ist aber öfter geschehen und wir können allein aus dem Agamemnoii
noch drei, wie wir glauben, sichere Beispiele hinzufügen. Vs. 1103
(1114) axoQtxog ßoäg q>ev xaXalvatg <pQealp schliefst sich H. an die
schlechtere Quelle der Hss. an und ediert axogexog ßoag g>dalxxotg
xalcUvaig fpQiolv^ was aufserdem auch deshalb nicht gebilligt werden
kann, weil zugleich das Metrum iu dem antistrophischen Verse gelo-
dert werden mufs iiBXoxvnetg ouov t' oq^loig iv vofioig. Hier setzt
H. öxivova hinzu: fuXoxvrulgj o^iov axivova* of^loig iv vofioig^ weil
* vehementer languet bfiov nisi verbam addatar. ' Das oimv % kann
0. Hermann: Aeschyll tragoediae. Tom. I et II. 371
allerdings so nicht stehen, allein die Heilung des Schadens ist nicht
so fern su suchen, sondern 2u setzen fieXoTvnsig bfiov \ oq&ioiciv
voiiotg. Das zweite Beispiel hat mit unserer Stelle mehr Aehnlichkeit,
indem auch dort die Verderbnis auf den Casus des dabeistehenden
Nomen eingewirkt hat. Vs. 1159 (1173) sagt der Chor zur Kassan-
dra: ^ovfia^G) di 6ov^ novxov niqav xqaq>iiaav iXXo^qovv nohv %v-
qalv Xiyovöav, äönsQ ü naQsatccxeig. H. macht akXo^QOvv noXiv von
kiyovöav abhängig, *te de peregrina urbe sie loqui' ; aber noXtv Xlyetv
heirst nicht von der Stadt reden, dann hatte auch Kassandra nicht
von der Stadt, sondern vom Hause gesprochen, und endlich kann im
Munde eines Griechen unter aXXod'QOvg noXtg niemals eine griechische
Stadt gemeint sein. Die Yerberserung der Stelle ist so in die Augen
springend, dafs sie wohl nur deshalb niemand gemacht hat, weil sie
zu nahe liegt, es ist nemlich ofTenbar zu setzen aXXo^Qco \ noXn,
iXXid'Qto V und aXXo^QOvv sind nach alter Schreibart leicht zu ver-
tauschen und dafs der Abschreiber eher auf das letztere als auf das
richtige verfiel, wird nach dem angeführten nicht befremden. Die
spätere Aenderung von jcoXst in noXtv war selbstverständlich und
können Belege für solche Uebereinstimmungen im Casus aus dem Med.
in Menge beigebracht werden. Ebenso Vs. 116 ßXaßivxa Xom^lav
ÖQOHiüv, wo der Genetiv ofTenbar falsch ist und Prion ganz richtig
Xoiö^itp ÖQOiiG) vermuthete, ist vielmehr Xo^ad'ia) V ÖQoiito zu schrei-
ben, wo gleichfalls das misverstandene Xoiö^ltov das Sgoiioav nach
sich gezogen hat. — 429 (437) rcc öi öiya xig ßccv^eij ^ alia tacite
quis tnussitat^ non suscipiendum scilicet bellum fuisse propter mulie-
rem adulteram.' Erwägt man, dafs derselbe Gedanke 436 wiederkehrt
ßaQBicc 6 aöTÖov <pccug ^vv xotoo, und dafs die in der Mitte liegenden
Verse 432 — 435 einen bereits dagewesenen Gedanken ausdrücken, und •
auch Paleys Erklärung von evfiOQtpoi ^non combustos, sed integro
corpore' im Gegensatz zu der Asche der verbrannten keineswegs,
wie H. sagt, eine ^sententiam bonam' geben, schon darum nicht,
weil dieser Gedanke vor xa öi ölyct xtg ßaviet hätte stehn müfsen,
so wird man das xcc di wohl auf diese Verse zu beziehen haben, die
mit bitterer Ironie dahin zu verstehen sind: sie dort haben um die
Mauer des troischen Landes rühmlich Grabstätten erobert und feind-
liches Land birgt die Eroberer. — 445 (453): 'ambigue dicit il<sxovg^
quamquam ipse de mortuis cogitans.' Schwerlich denkt er daran, da
der Gedanke zu trivial wäre. Wie oft knüpft hier der Dichter an das
vorhergehende an, um zu etwas neuem überzugehen: wer im dunkeln
lebt ist machtlos, hoch berühmt zu sein bringt Gefahr, darum wünsche
ich weder das eine noch das andere, sondern ein neidloses Glück. —
Die Epode wird 4 Choreuten der ersten Reihe zugetheilt, indem der
Chorführer schweige, der dann die Trimeter 467 ff. spreche; Kly-
taemnestra sei während der Epode wieder an die Altäre getreten und
kehre nach Beendigung des Gesanges zum Chore zurück. Das letzte
ist nicht wahrscheinlich , da der Chor nicht so frei würde gesprochen
haben, wenn Klytaemneatra aaf der Bühne wäre; auch kehrt sie nicht
372 G. Hermann: Acscliyli Irngoodiae. Tom. 1 ol IL
nach der Epode, sondern erst 565 (571) wieder zurück. Welche Clio-
reuleu ilie Epode singun, ist, schwer zu criiiilteln, doch hut II.s An^
nuhmc nicht viel Wahrscheinlichkeit für sich, da der Sinn nicht 4,
sondern nur 6 Slinimen unterscheiden läfst. — 4')8 wird ediert el d'
iti]iviiog xCg olöev; iixi ^üov icii fi*/ t/;i;(^o?, verane^ quis scii? tu'si
iiit>ina aliqua (raus est. So viel wir sehen, könnte d ^^tj hier nur stehen,
wenn vorher gesatjt worden wäre, dafs die Kunde wahr ist, wahrend
hier der Chor zweifelt, ob sie wahr sei oder nicht. Schneidewin hat
are verbefsert, was 11. als ^niale' bezeichnet., allein unserer Ansicht
nach ist dies das einzig richtige. Ebenso heifst es weiter tax ^^o-
fisö'&ct — fii' ovv «Ai^O'ffj, eHz^ ovscqcctcov öiKtjv xeqkvov xoö" ild'Oif
q)(ag iq)ii\k(06ev q)f)ivag. Hierzu wird bemerkt: ^ cohaerent ovii^atav
ÖLKtiv eÄO^üv xsfritvov^ sommorum ritu teuiens ut obleviareL^ Aber frohe
Bilder vorzuführen ist dem Traume nicht eigenthümlich, wohl aber
täuschende Bilder zu bringen, also ist zu verbinden ehe xcqkvop toöe
qxag^ oi^et^axcov öUijv ik&ov^ iq)t}lcoaev (pgevccg. — 515 (523) wird
^ccficcQxla als Dual stutt d-a^aQxia geschrieben, was sich auf die bei-
den Vergehen ccQTtccyri und xkoTc/j beziehen soll; ^non dixit autem
Aeschylus ÖLTtlt}^ quia id amhiguum fuisset, utruni dnae duorum pec-
calorum poenae, an magniludine duplae essent intelligcndae.' liier-,
nach scheint 11. den Herold sagen zu lafsen, die Priamiden hätten für
zwei Vergehen zwei Strafen erlitten. Das wäre aber nicht richtig,
da der Herold zeigen will, das d^d^a sei geringer als das Trcf^o^,
Paris habe Schätze und die Helena geraubt und diese nicht nur nicht
behalten, sondern aufserdem die ganze Stadt zu Grunde gerichtet,
also — fafst er seine Bede zusammen — eine doppelle Strafe für die
Vergehen. <>a^dQxia ist also noihwendig. — 520 (528). Zum Herold,
der Thräuen der Freude vergiefst, da er den vaterländischen Boden
betrill, sagt der Chor xtQ7Tvt)g «()' i'öxe riJaJ' ijti'ißokoi vdcrov, was H.
vertheidigt ^ seile vos compoles esse huius suavis morbi.' Allein wie
dieser Gedanke in den Zusammenhang passen soll, sehen wir nicht
ein, und auch wenn auf xeQJti/ijg der Nachdruck gelegt wird, erhalten
'wir nicht den erforderlichen Gedanken. Denn die folgende Erklärung
des Chors twv avxegtivxaiv tyLi^tp Tie7th\y^iivoi, zeigt, dafs der Chor
sagen mufs ^auch wir haben uns ebenso nach euch gesehnt.' Wir
veruiuthen also xeQ-xviig a^ töx i}i{}g in:t]ihküt roaou, oder vielmehr
la^y ififig iit/jßokog^ denn dafs nur das falsch gelesene taxe das in»}'
ßokoL nach sich gezogen, zeigt der Singular ntTckiiyfiivog im folgen-
den Verse, also: * suavis ergo mei scito te compolem esse morbi.' —
528 (535) wird das Fragezeichen nach xai TTcJg gesetzt, was nicht
nur aus dem von II. angeführten Grunde noihwendig ist, weil man
»ich vielmehr wundern uiüfse, wie die Bürger bei Anwesenheit, als bei
Abwesenheit des Königs jemand zu fürchten haben, sondern auch wegen
der Entgegnung des Clior/s. Dieser antwortet nenilich auf die Frage,
ob er etwa in Abwesenheit des Königs jemand zu fürchten habe: ja
\|-ohl, so dafs ich jetzt, wo der König anwesend ist, ebenso vor
Freude sterben möchte, wie du vorhin vor Freude sterben wolltust,
6. Hermann : Aeschyli tragoediae. Tom. I et II. 873
da da den vaterlandischen Boden betratst; worauf der Herold be-
merkt: ja ich hatte auch Grund dazu, denn sieggekrönl kehren wir
heim. — 536 'ra 6i ut saepe aha significat, Kai autem iungendum
cum TcXlov.' Wir vermuthen, dafs H. sagen wollte *aut xaC iungen-
dum cum nXiov.' Denn gehört Tial zu nXiov^ so beifst ta S^ avxs
XiqfSfü was aber unsern Aufenthalt auf dem Festlande, die eigentliche
Belagerung, betrifft; heifst xa öi alia^ so wäre nach xiQüto zu inter«
pungieren und Kai durch und zu übersetzen. — 547 (555). Der
Sinn wird dahin gefafst: * praeterierunt illa mortuis, ut non amplim
querantur, et ne, si darctur quidem, in vitam redire Telint.' Das ist
aber kein richtiger Gedanke, dafs die vergangenen Leiden so wenig
die Todten berühren, dafs sie nicht einmal ins Leben zurückzukehren
wünschen. Statt avaöTfjvai ist mit Auratus avaöxivstv zu setzen: aller
Kummer ist vorüber, für die Todten so sehr, dafs sie weder jetzt
seufzen noch auch je wieder zu seufzen haben werden, für uns, inso-
fern das gute überwiegt und das unangenehme in den Hintergrund
zurückdrängt. Nach diesem Verse sind 551. 52 zu stellen, wie Eiber-
ling vorgeschlagen, was von H. nicht einmal erwähnt wird, wiewohl
der Zusammenhang die Umstellung entschieden fordert. — 563. 64:
*hoc dicil, sitignla accvralius exquirere maxime Clytaemnestram decet^
eamqite me simul ditare hi$^ i. e. me participem fieri sinere narra-
tionis illius.' Dagegen ist zu erinnern, dafs der Gedanke sirigula
accnrathis exquirere willkürlich hineingetragen ist, dafs zweitens
einen Wechsel des Subjects anzunehmen nichts berechtigt und dafs
drittens damit der Dichter eine folgende genauere Erforschung des
einzelnen durch Klyt. motivieren würde, die doch in der That nicht
staltßndet. Der Chor sagt, indem eben Klyt. aus dem Hause tritt:
dem Hause wird diese Botschaft und der Klyt. zumeist Freude bereiten
und dann auch mich beglücken. — 558 — 60 wird verbunden xAtJov-
xag noXiv^ i. e. KkvovOav xtjv nohv xqi] evXoysiv Kai xovg axQctxtj-
yovg Kai xov Jla^ indem das letztere ausgedrückt sei durch die Worte
Kai xaqig xifiijasxai Jiog ^usitata familiari sermoni negligentia, quam
consectatur poela in humilioris conditionis hominibus.' Allein die
Verbindung ist so künstlich, dafs der Hörer nicht leicht die Worte
so auffafscn kann, um so mehr hätte der Dichter wirklich KXvovqav
setzen müfscn, woran ihn hier nichts hinderte. Mit Unrecht wird an
noXiv Ansiofs genommen, wofür öxqaxov erwartet werde, da die Stadt
hier gepriesen wird, weil Agamemnon sie glücklich gemacht habe,
wie der Herold 500 sagt rinu yaQ vfitv <pcig iv £vg}Q6vri (pJQfov Kai
xoiaö^ aTraOL koivov ^Aya^i^varv ava^. Vielleicht ist KXvovxa a statt
KXvovxag zu setzen. — 586 werden die Worte noXefilav xoig övaq>QO-
Ctv für zweideutig erklart, Klyt. denke an Agamemnon, was uns
unmöglich scheint, da h^Xiiv iKslva vorhergeht. Es findet sich nir-
gends eine Spur, dafs Klyt. zu eigener Rechtfertigung vor sich selbst
zweideutige Reden suche, sie ist eine vollständige Heuchlerin und
trägt Sehnsucht nach Agam. und treue Liebe zu ihm zur Schau. Sie
selbst spricht sich spater darüber aus, dafs, um zum Zweck zu ge-
374 G. Hermann : Aeschyli f ragocdiae. Tom. I et IL
langen, mau die geeigneten Mittel wählen müfse. Nicht richtig ist
auch die Bemerkung zu 589. 90: ^expressit autem Acschylus mores
hominum improborum, qui qnibus vitiis laborant, iis se maxime im-
munes iactare solcnt. Ita hie Clytaemnestra, adultcra, pudicam se esse
praedicat, quumquo neccm marito mcditetur, a caedis crudelitate ab-
horrere.' Klyt. hebt ihre Treue nicht aus dem angegebenen Grunde
hervor^ sondern damit die Meldung des Herolds etwaige Gerüchte,
die zu Agam. Ohren gekommen sein könnten, entkräfte; und dafs sie,
den Mord im Sinne, eben darum sich frei von Mordgedanken aus-
geben solle, kann unmöglich angenommen werden. ;i^ttXxov ßatpag
bedeutet Färbung des Erzes. Klyt. weifs von einer Untreue ebenso
wenig wie von einer Färbung des Erzes, das nicht wie die Wolle
von jeder Farbe durchzogen wird. — 594 (602): *hoc dicit chorus,
sie haec tibi speciose rem exposuii^ cognoscenti per veraces scilicei
inierpretes, Fatet autem ironice chorum reprehendere Clytaemnestram
de se ipsam edentem testimonium.' Der eigentliche Sinn ist hiermit
nicht getrofTen. Das Amt des Herolds ist etwas zu melden. Nun nimmt
aber Klyt. gleich bei ihrem Auftreten 565 das Wort und tritt nach
ihrer Kede 592 wieder ab, so dafs nicht der Herold der Klyt., sondern
diese dem Herold etwas gemeldet hat. Dies bespöttelt der Chor, da-
her p,av%ivovzL aoiy ferner xo(^l(Siv igfitjvevctv^ womit die verständ-
liche Kede der Klyt. gemeint, aber der Ausdruck igfifjvevg absichtlich
gewählt ist, daher endlich das folgende Ov d^ tirci^ x^^v|. Natürlich
liegt darin die Ironie, die H. darin gefunden. — 598 (606): ^non
narrem^ inquit, falsa bona^ quibus diu fruantur amici, Proprie ad
id^ i. e. eo consHio ut diulnrnus ex iis fructus sii.^ Sollte nicht
vielmehr der Sinn sein: fieri non polest ut falsa bona ita narrem^ nt
amici diu iis fruantur? Zum folgenden heifst es: * verum est, quod
Wellauerus vidit, ad xv^oig repetendum esse htccov,'* Aber den Sinn
hat Wellauer nicht getrotren, wenn er erklärt: quomodo igitur fieri
poterit^ ut bona narrans tera dicas? i. e. te mala nuntiaturum esse
intelligo. Das muste heifsen stTttov rakri&ij xedvcc rvxoig. nag Sv
heifst utinam. Möchtest du also, gutes meldend, die Wahrheit sagen;
weichst du aber von dieser ab, dann wird es freilich bald an den Tag
kommen und darum ist es befser, du bleibst der Wahrheit treu und
sagst nöthigenfalls das schlimme. So kann man die Vulgata verthei-
diffen, allein es ist xaAiyOi} zu setzen, wie schon das folgende (T;^!-
a^ivTct zeigt. — 634 wird, wie in den alten Ausgaben, nach ;f«^a)r«
ein Komma gesetzt und Tvtp^ mit ^oA»; verbunden, im folgenden
Verse noifAkvog TtaxoaxQoßov gesetzt und als Apposition zu Tvg>ca ge-
fafst. Gegen diese Verbindung ist doch wohl die Wortstellung, um
so mehr du nach tvgxo die Cacsur fällt. Unter xstii^vi zvq)(ü ist der
Seesturm zu verstehen, der mit einem Gewitter verbunden ist; in der
Antigone des Sophokles sagt der Bote auch ruyco»? aslgag c%i]7txov.
Es hiels vorher, Feuer und Wafser hätten sich verschworen, daher
sagt er hier, die SchifTe seien aneinander geschlagen worden durch
den unter einschlagendem Blitz erregten Sturm und zugleich (axg
6. Hermtnn: Aesebyli tragoediae. Tom. I et II. S75
oftjS^oxmrf», dnrdi das Wogen des Meeres, wodaroh die Schilfe mit
Wafsor gefüllt warden. Die Worte Ttoiiiivog %aiiov öt^oß^ sind wohl
nicht anzufechten; der Wind wird ganz passend der Hirt genannt,
wenn man sich die Schiffe als Herde denkt , and dieser letzte Ver-
gleich ist vermittelt durch das vorausgegangene lUQorvnovfievat. — •
652 (660) yicQ ovv ^quoniam praeco, quum optat, sperare se indioat,
addit cur speret/ Aber nicht weil, sondern dafs Menelaos zurück-
kehren werde, hoift der Herold. Er meint, dafs, so wie ihr Schiflf
gerettet worden, es ebenso auch mit andern der Fall sein könne, die
dann gleicherweise den Agamemnon für verunglückt halten werden ;
darum könne man das beste hoffen, und was den Menelaos betrifft,
so werde dieser wohl am ehesten gerettet sein. Das yag ovv ist also
schwerlich richtig, wofür vielmehr (liv ovv erwartet wird. Auch
654 wird bI S^ ovv vertheidigt und durch si igiiur übersetzt, allein
wie dies in den Zusammenhang passe, wird nicht angegeben. Man
erwartet el yaQ oder, was wohl richtig ist, elyovv: Menelaos wird
wohl zuerst wiederkehren, wenigstens, wenn er irgendwo lebt und
Zeus ihn also sichtbar erhalten wollte, so ist Hoffnung vorhanden,
dafs er auch zurückkehren werde.
671 (679) wird zu xor' ixvog ergänzt eiöl und Kekaavroov von
Paris und Helena mit Wellauer verstanden. Das scheint uns nicht
richtig, denn die Erwähnung, dafs Paris in Troja landet, ist unnöthig,
das war vielmehr von den Griechen zu sagen, diese landen gerüstet
d(' Iqiv atfiatoi^Cav j auch das ag)avTOv hat keine passende Bedeu-
tung, xilaav scheint unentbehrlich zu sein. — 681 wird xlovrag
in der Bedeutung iuenies gefafst und dafür xlvovxag vermuthet. Dies
hätte sicher Aeschylos gesetzt und aufserdem ist der Ausdruck ft^vi^
Ttgaöösrai axlfioHSiv fJtiXog xivovxctg sehr auffallend. Uns scheint r/ov-
tag richtig, denn eben dadurch, dafs die Troer die Verbindung biU
ligten, haben sie die Strafe verdient, die sonst nur den Paris getroffen
hätte. — 688 (696) ist mit Seidler 7ta(i7toQ&rj aufgenommen und dann
gesetzt cr^covor, q>lkov stoXiravj statt atW afitpl noXizäv^ denn der
Scholiast habe a(ig)i nicht gelesen , da er erklärt aimva nolv^Qjjvov
xal (lÜBOv cdfia avavXaöa. Das ist richtig, aber tplkov hat er auch
nicht gelesen, da er wegen der möglichen Beziehung auf ccitava
dieses Wort eher als fiikeov berücksichtigt hätte; darum ist bei 4er
Ergänzung nicht auf Aehnlichkeit der Schriftzüge mit afitpl zu sehen.
Vielleicht ist di' mv ausgefallen, wozu das vorhergehende aiapttj das
fast dieselben Schriftzüge hat, Veranlafsung geben konnte. — 731
(739): ^yctQ in seutentia parenthetice inserta dicitnr: nam illud qui-
dem non dubium esl^ iustae domus prosperam soriem esse,' Diese
Erklärung ist wohl nicht richtig, ebenso wenig wie die von Wel-
lauer, auch ist xakktTCaig not^iog nicht prospera sors. Das yiq be-
zieht sich auf den unmittelbar vorhergehenden Satz CipsriQoi d' aWr«
yhva: die böse That erzeugt viele andere Thaten, diese aber glei-
chen ihrem Ursprung, natürlich, denn auch aus gerechtem Hause
stammen gute Kinder. — 736. 37 (744. 45) wird ediert %6r' ^ rdr'
376 Gr. Hermana: Aeschyli Iragoediae. Tom. 1 et IL
l<n^ av htl To KVQiov (wXfj — via QUipa, Die Hinzufügong von &c/,
so wie das Auswerfen von xdrov ist nicht wahrscheinlich. Wenn das
via Qaq>a richtig hergestellt ist, dann wäre zu setzen: toV ij ror'
evxE TO xvQMv — (loXf} via ^afpa toxou und in der Antistrophe xa
iqvöwtacxa d' Ui^Xa övv — nlvo) x€(fmv nahvxqofnoig. Ebenso ist
«Jrc gebraucht Sept. 320 «Sre nxohg dc^iaa&fi. — 748 (756) ndv J'
int xigiia vmfia wird litt gesetzt und Ttäv mit xigiia verbunden : om^
nem atlribuit exiium^ i. e. bonum ei malum^ ut quisque sii meritus.
Aber denselben Sinn hat die Uebersetzung otnnia dirigit ad exitum
und diese ist natürlicher. — 764 (772). Statt iöagei erwartet man das
Gegentheil, Square sie statuendum est, in recitando hano vocem v6a-
^et brevi ante et post pausa facta a ceteris verbis separari , ut non ad
SoKovPxa evtpQovcDg ix dtavoCag referatur, sed ipse quid de ea sentiat
Chorus indicet.' Dafs dies angehe, müfsen wir doch bexweifela.
Entweder steht aalvsLv statt aaivovxa, oder es ist aalvei zu setzen.
Richtig dagegen wird 784 (791) statt x^^9^S verberscrt X9^^£ indiga^
was nicht hätte in Zweifel gezogen werden sollen. Schön ist auch
786 (793) die Emendation Ovi/^a» statt ^sklat^ obgleich, wie uns
scheint, nicht nölhig. II. meint, dafs das folgende avv^vriQ%ov6a
CTCoöog etwas erfordere, mit dem zugleich die Asche stirbt: ^sacrificia
et mvtimae perniciei tivuvt: quod quum sit consumi igne omnia,
recte potuit avv&vriaxovda anodog adiungi.' Allein bei ^vjjXal ^möi
denkt man an das helle Brennen des Feuers und nicht an das Erlöschen
desselben , wie das avv&ftjaxovaa aitoÖog es erfordert. Das was H.
verlangt liegt schon in cfn/g, und ^catftv wird mit Rücksicht auf den
vorhergehenden Vers gesagt: dafs die Stadt erobert ist, erkennt man
noch jetzt am Rauche, denn noch weht der Sturm des Verderben»,
und zugleich mit dem Verglimmen entsendet die Asche den fetten
Dampf des Rcichthums. — 789 (796) wird geschrieben xat Ttayag
VTtstiKOXOvg i(pQa^d^Bad'a ^ aber das folgende yvuaiKog ovvejia deutet
darauf hin, dafs vorher von dem Raube der liede war, für den sich
die Griechen bezahlt machten, daher x^^t^y^i ^^^^ Sinne nach sehr
passend ist. — 802 (809): ^denique perelcgans est et nescio an vernnt
quod in excerptis Aurati aduotatum est, voaov^ eredo ut, (ix^og voaov
iunclis, ad rw 7tcrca(iiva suppleatur xnv iuv.'' Zu Suppl. |44 wird iog
durch üdtutn übersetzt, doch bedeutet es wohl hwidia. Mag man nun
voaov oder mit Auratus vooov lesen, so sehen wir nicht ein, ^\ie der
Gedanke in den Zusammenhang passen soll. Denn es soll erläutert
werden, warum nur wenige das Glück des Freundes ohne Misguust
auschen können, was doch unuKiglich durch den Satz geschehen kann,
dafs, wenn jemand misgünstig ist, er an einem zwiefachen Uebel lei-
det. Auch wenn wir iog durch odium übersetzen, wird die Folge-
richtigkeit der Gedanken nicht hergestellt. Der Fehler liegt 800 in
den »orten itviv q>^6vov^ wofür Slobaeus i\f6yov und die einzige
verlufsliche Hs. q>96viov hat. Es ist ttoi/cov zu setzen, *ohne Schmer£%
d. h. sie machen, wie der Chor früher sagte, ein freundliches Gesicht,
fühlen aber im Innern Schmerz. Jetzt erst wird das folgende passend
G. Hermann: Aeschyli tragoediae. Tom. I et IL 377
and sind die beiden Verba ßttqvvettci and cthti an ihrer Stelle. Was
nun die Lesart vocov betriiTt, so ist diese sicher falsch, da es wenig-
stens xiiv voaov heifsen müste. Aber auch ä^^g voaov kann nicht
richtig sein, da man nicht weifs, was denn das für eine rdtfo^ sei;
und schon die formelle Symmetrie erfordert, dafs, wie das eine Uebel
durch 6vag>Qtov log luxqöia nQoai^fievog näher bezeichnet ist, so auch
das andere Uebel näher bestimmt werde, so dafs dann in den beiden
folgenden Versen die beiden Uebel berücksichtigt werden. Wir ver-
muthen daher, dafs der Vers ursprünglich so gelautet habe: ax'&og
dmXolj^si (ifl TtenafiivG) roaov, so dafs wir folgenden Sinn erhallen:
nnr wenige können den beglückten Freund ohne Innern Schmerz
ehren, denn das Gift der Misgunst nistet sich in das Herz und bereitet
dem, der jenes Glück entbehrt, doppeltes Leid, indem ihn die eigene
Entbehrung drückt und aufscrdem der Anblick des fremden Glücks
schmerzt. — 806 (813) wird oiitUag ndxonzQOv durch tmago specu-
laris amicitiae übersetzt, jedenfalls richtig, allein wir sehen nicht
ein , warum nach Uyoifi av und »aiOTtx^v und öxiäg Kommata ge-
setzt sind, denn der Sinn ist: ich spreche dies aus Ei fahrung, da ich
wohl weifs, dafs diejenigen, die sich als meine Freunde stellen, mir
nur den Spiegel der Freundschaft vorhalten und leere Schattenbilder
sind. — 817 (824) billigt man allgemein die Porsonsche Emendalion
n^(i aTtoaigir^i voaov statt Tttj^aiog tgiiljcit voaov, was H. ein *ob-
sequium ridiculum' nennt: ^Acschylus de malis loquitur, quibus quasi
aegrotct res publica: itaque rede hie morbum dicit mali.' Aber dar^
aus, dafs man sagt ^an einem Uebel kranken' folgt noch nicht, dafs
man auch gesagt habe ^ die Krankheit des Uebels% was eine unnüthige
Tautologie wäre. — Die Verse 868. 867. 866 werden in der ange-
gebenen Reihenfolge umgestellt, 867 statt xakhaxov geschrieben ya-
krivov^ endlich 869 vertheidigt, indem sich dieser Vers auf die Worte
862 anev&ijtG) g)Qevl Uyotfi' av (wie mit Elberling verbunden wird)
beziehe. Allein der Gedanke würde sehr matt nachschleppen, und
das folgende xoiolaÖB nqoa(p^iy^ciatv zeigt dafs die nQoaq>4>iyfiaxa
unmittelbar vorausgehn. Es scheint, dafs der Vers 869 als paren-
thetische Erklärung zu aTTcvO^/roo g)QSvl nach 862 zu stellen , sonst
aber die hergebrachte Versfolge nicht zu ändern ist. — 900 (907)
i^gco &eoig öelaug av aÖ^ ^göetv xa6s; ^ lohannes Auratus, qui omnes
Aeschyli interpretes iudicio et recli sensu superavit, pro öeiaag scribi
ÖTjovg volebat, non ille hie quidem verum assecutus, sed tarnen cou-
iiciens quod aptissimam pracberet scutcntiam. Scribendum erat i/ii^oi
^eoLg öeiaaaav «d' igösiv xaöe;* Eine Uebersetzung hat II. nicht bei-
gefügt ; so viel wir sehen , könnte der Sinn nur sein : ^ hast du dir
vorgenommen, mir, die ich um dich so in Angst war, dies anzuthun?'
oder: *mir dem schwachen Weibe so zu begegnen?' Dafs dies pas»-
send ist, bezweifeln wir. Auffallend aber ist, dafs Auratus hier ge-
priesen wird, der doch etwas ganz anderes wollte, nemlicb, wenn
wir nicht irren, folgendes: * würdest du wünschen, dafs die Feinde
dies than% d. b. auf Teppichen einherschreilen? Auratus ist aller-
IV. Jahrb. f. Pm. », Patd. Bd. LXX. F/l. 4. a. 5. ^
37d G. Hermann: Aeschyli tragoediae. Tom. 1 et IL
dings zu loben, denn er hat erstlich gesehen, dars (Sd' lipdav xade
stich nicht auf das vorhergehende yvdfitjv öiatp^dqHv ^ sondern auf
das Einherschreiten auf den Tcppichen bezieht, wie nicht nur der
folgende Vers, sondern ganz bestimmt die nächste Frage der Kly-
laemnestra zeigt: xi <)' av Öonei (SOi Ilgiafiog^ d rad' ijvvöev; da hier
zu av aus unserem Verse egSstv zu ergänzen ist. Das zweite, wich-
tigere ist, dafs unser Vers eine Vermittlung zu der folgenden Frage
enthalten niufs, die sonst sehr befremdend wäre. Es ist aber nichts
zu ändern, sondern auf ÖEicag der Nachdruck zu legen, das hier in
dem Sinne steht, dafs es einen Gegensatz zu xQUTi^aag bildet, wie
dicse> Worte z. B. Sept. 171 entgegengestellt sind xQaiovöa (ihv yccff
ovxbfidtiTov d-Qctaog^ öelaaaa d' oikg} xal noksi tcUop naxov. Kly-
tacmnestrn sagt: würdest du wünschen, als besiegter so zn thun?
d. h. wärest du als besiegter zurückgekehrt, dann könntest du diese
Ehrenbezeigung ablehnen, dem Sieger aber gebührt sie, wenn irgend
jemand, so dafs ich deine Weigerung unerklärlich finde. Hierauf ant-
wortet passend Agamemnon, dafs, wenn sie es auch unerklärlich
findet, er doch recht gut weifs was er thut; andererseits knüpft sich
natürlich die weitere Frage daran, was wohl, wenn nicht er, sondern
Priamos gesiegt hätte, dieser als Sieger gethan haben würde. — 909
(916) t] x«l av vUt]v x{]vÖB öriQiog tUig; Hier hatte Franz rj ov statt
?/ gesetzt, H. ediert t; ov, was nicht gebilligt werden kann, da auf
Klytacmncstras Aeufserung, dem glücklichen stehe es wohl an sich
besiegen zu lafsen, Agamemnon ganz unpassend antworten würde,
dafs sie ja auch nach dem Siege strebe. Dann müste es auch i//x?/v
riiaös ötjQtog hcifsen, nicht Trjvde. Es ist nichts zu ändern, xor/ gehört
nicht zu (TV, sondern wie öfter in der Verbindung mit ri zum ganzen
Satze, und der Sinn ist: ist dir denn auch dieser Sieg recht? nemlich
ein solcher Sieg, wenn in einem Streite dir der andere grofsmüthig
den Sieg überläfst. Darum ist auch öinftog hinzusresetzt und daraffl
sagt Klyt., da in jenen Worten ein halbes Zugeständnis liegt, ni^v
— , und mit Uücksicht auf die Aeufserung selbst, er solle ihr den
Sieg freiwillig überlafsen. Dieser Vers ist übrigens so zu schreiben:
nt^ov TCQcirog (ihv cov naQslg bkcov i(jLol. Diese Aenderung verlangt
nicht nur der Gedanke, sondern nach der Vulgata ist auch der Vers
unrhythmisch und fiivroi^ und yi ohne alle Bedeutung. Die Aenderung
von TtaQeg in naqdg ist nach der Beschaifenheit unserer Hss. so gut
wie gar keine und yi ist dann des Verses wegen eingeschoben wor-
den. — 913 (920) wird mit dem Flor, nal xolaöt geschrieben und
im folgenden Verse ßah)i beibehalten, mit vollem Kecht. Wenn Hr.
Härtung bemerkt: ^ was Hermann hier wiederum gedacht habe, mögen
seine Verehrer bei ihm selber nachlesen', so glauben wir , dafs, wenn
Hr. Härtung sich hier, wie sonst sehr häuüg, die Mühe hätte geben
wollen, genauer die Sache zu prüfen, er gefunden hätte, dafs Her-
mann das richtige gedacht habe. Denn wenn es Agamemnon nicht far
strafbaren Uebermuth gehalten hätte, auch mit blofscn Füfson über
den Teppich zu gehen, so würde er nicht am Endo die so beceich-
G. Hermann: Aeschyli tragoediae. Tom. I et II. 370
iienden Worte sagten iml S^ äxovsiv tfov xartaxQaiifiai rccSs , slfi* ig
ö6(i(ov (liXadQa noQg>VQag natav^ und auch die folgende Rede der
Klytaemneslra wäre überflüfsig. Es ist za bedairern, dafs der scharf-
sinnige Herausgeber der Tragiker die Unbefangenheit Hermanns grofse
Verdienste zu würdigen verloren hat, da dies für seine Ausgabe von
entschiedenem Nachtheil geworden ist. — 928 (935) wird erklart
^est domus quae horum affalim habeat.' Das scheint nicht richtig,
weil dadurch die Verbindung mit dem vorhergehenden aufgehoben
würde und die Rede zu pathetisch wäre, wenn Klytaemnestra sagte:
noch gibt es ein Meer das Purpursaft erzeugt, noch gibt es ein Haus
das daran Ueberflufs hat, und unser Haus weifs nicht zu darben. Die
Aendcrnng von olKog in otxotg scheint nothwendig zu sein, denn Klyt.
will sagen, dufs es Purpur genug gibt, wenn er auch kostbar ist, und
dafs mit Gottes Hilfe des Haus im Stande ist davon zu besitzen, da es
Armut nicht kenne. — 938 (945) wird r]öri^ wofür Auratus ijdv ver-
muthet, festgehalten, ^rjöri est tarn, referturque ad praecedentia.
Neque enim de praesente vel calore vel frigore, sed de venturo loqui-
tur Clytaemnestra, reditu Agamemnonis dicens quasi hieme ver ven>
turum nunliari, aestate autem iam instare frigns.' Es wäre ein selt-
samer Gedanke, dafs durch die Ankunft des Mannes die künftige Jah-«
reszeit angekündigt werde. Klyt. kann nur meinen, dafs mit der
Ankunft Agamemnons Frühlingswärme in den Winter einziehe, und
dafs ebenso in heifser Sommerszeit der heimkehrende Mann Erfri-
schung ins Haus bringe.
In der folgenden Scene schliefst Klytaemnestra ihre Aufforderung,
Kassandra möge ins Haus kommen, mit dem Verse (1005) ix^ig nuq*
tjfi(üv otansQ vofilS^xat, H. setzt nach ^xBig ein Komma: tenes^ quod
ejrspevtari a nobis polest^ wie schon Droysen die Stelle gcfafst hat.
Allein dieser Gedanke am Schlufs der Rede ist unpassend, da Klyt.
nicht herausgekommen war, um die Kassandra zu belehren, was sie
zu erwarten habe, sondern um sie ins Haus zu rufen, und nur als
Bestimmongsgrund für die Kassandra erwähnt sie, was diese zu er-
warten habe. Gegen die gewöhnliche Erklärung wird bemerkt: ^sed
tota illa sententia non convenit huic loco. Non enim quae communi
more servorum conditio sit, eam Cassandrae quoque fore dicit, sed
meliorem, ut in domo cicmentiore. ' Davon hat sich Schiller über-
zeugen lafson, aber mit Unrecht. Klyt., die sich ihrem Ziele nahe
sieht, behält die Maske der Verstellung nur noch so weit bei, als es
nothwendig ist. Um Kassandra zum Hineingehen zu bewegen und um
beim Chor keinen Verdacht zu erregen, zeigt sie sich zwar mild
gegen die verhafste Sklavin, allein sie verspricht ihr nicht mehr, als
jeder Sklave zu erwarten hat, noXkmf iiitcc öovXodv aza^siaav xri^-
alov ßcjfiov Ttikag^ aber darin liegt ein Vorzug, dafs sie Sklavin in
einem altbegüterten Hause ist, denn Emporkömmlinge, sagt Klyt.,
pflegen rauh gegen die Sklaven zu sein, bei uns dagegen erhältst da
was Sklaven zukommt. Statt ix^ig vermuthet Auratus ^eig und H.
bemerkt: ^Wellauerus quum praestare dixit praesens, conticuisset,
23*
380 G. Hermann: Aeschyli tragoediae. Vol. 1 et 11.
si rationem reddere inssns esset. ' Es läfst sich doch wohl ein genü-
gender Grund angeben. Denn der vorhergehende Gedanke, dar» Em-
porkömmlinge hart gegen ihre Sklaven sind, erfordert den Gegensatz :
wir aber sind billig gegen unsere Sklaven, und das ist auch der Sinn
dieses Verses, nur zugleich mit Beziehung auf die Kassandra: bei uns
dagegen findest du , ßndet der Sklave , eine angemefsene Behandlung.
Die Stellung des naq^ ^itcov endlich, die Thiersch zu der Annahme
vcranlafste, es sei ein Vers ausgefallen, ist der Art, dafs der reci<
ticrende die vor die Caesur gestellten Worte sehr gut hervorheben
kann. — 1007 (lOIö). Die Worte ivxog d' av ovcra sind verdorben.»
weil civ hier nicht stehen kann, daher verbefsert II. inzog d^ av ovöa.
Allein diesen Fall kann der Chor nicht berücksichtigen, da ja Klyt.
dann die Forderung an die Kassandra nicht stellen würde. Es ist iv-
zog ö^ ivovöa zu verbefsern. — 1011 (1022) fow q>QBv<ov Xiyovöa
neld-co vtv loyto, II. bemerkt: * coniungendum vero est kiyovaa kiym:
dicendo ei persuadeo intus in anitno,* Aber warum intus in animo?
Der Chor hatte gesagt ansi^olijg d' Ttfcog, das glaubt Klyt. nicht und
sagt, wenn sie ihr verständlich spreche, werde sie auch folgen. Die
Worte iOG) fpqtvtov XiyovfSa bedeuten dasselbe, was das vorhergo-
»hendc: wenn sie nicht eine fremde Sprache spricht, ich ihr also vor-
ständlich rede (so dofs die Worte nicht blofs das Ohr treffen , son-
dern ins Innere zu ihrem Geiste gelangen), so überrede ich sie durch
mein Wort. Aber Teei^o) viv l6y(p hat Aeschylos sicher nicht ge-
schrieben, da der Spondeus unrhythmisch ist und das Praesens hier
nicht stehen kann. Es ist neld-otfi Sv loya zu setzen. Auffallend ist
II. s Bemerkung: ^nianet vero Clytaemnestra, exspectans etiam: tum
demum, Cassandra nihil respondente, abit.' H. scheint also anzuneh-
men, Klyt. wende sich von der Kassandra weg, und dafs hierauf sich
das snov des Chors beziehe. Allein Klyt. sieht in dem Zaudern der
Kassandra noch keine Halsstarrigkeit, sundern erwartet noch, daft
sie mitkommen werde, wie ihre späteren Worte 1018 — 1020 zeigen,
dann erst wird sie ungehalten und entfernt sich. — IOjO (106S)
'scribendum aut avxotpova xaxa xort d^tdvagj out quod praetuli m}-
TOfpopcc TB xaxi naqxavag,'* Der Vers ist wohl iambisch zu mefsen,
wie z. B. 136« (13H1), so dafs der erstere Vorschlag nicht möglich
und auch der zweite unrhythmisch wäre, wofür es vielmehr heifsen
müste avxoq)6vtt xofxa XB nicQxayag, — 1093 (1105) %a%^v yag dtal
Ilokvensig xi%vai d'BCnttodol Ooßov tpiqovtsiv lAaOsiv. * lloc dicil, per
mala tnuliiloquae arics fatidicae intelUgentiam timoris a/feruni^ i. o.
faciunt ut quis, quid significaverit timor, ipso ovontu maiorum intol-
ligat. Sic Euripides Ilec. v. 702 iiia^ov ivwtpiovj iniellexi quid vo-
iuerii somnium, ' Aber <p6ßov hoifst nicht blofs quid signi/icarerit
timor ^ sondern auch quid significet^ und in dem Zusammenhange liegt
durchaus nichts, was für das eine oder das andere den Ausschlag
gäbe. Auch ist der Gedanke , dafs wir durch den unglücklichen Aus-
gang zu der Erkenntnis gelangen , wie begründet unsere Furcht war,
einmal unrichtige da die Furcht vorausgesetzt wird, wihrend doch
G. Hermann: Aesebyli tragoediae. Tom. I et II. 381
erkürt werden soll , warum wir die Orakelspracho zu fürcliten Grund
haben, alsdann aber passt er nicht hierher, da der Chor zeigen will,
dar» die Weissagungen der Kassandra, wenn auch unverstandlich,
doch sicher nichts gutes zu bedeuten haben. Zu (ux^aiv ist nicht q>6'
ßov Object, sondern xixvag. Durch das Unglück, das sie im Gefolge
haben, bringen die vieldeutigen Sprache Furcht, sie zu verstehen,
sie richtig zu deuten; und eben darum will der Chor die dunkeln
Sprüche der Kassandra nicht deuten, weil sie doch nichts gutes ver-
künden. So erhalt auch das itoXveTcetg seine Bedeutung. — 1096
(1108) To yciQ ifiov &qow na^og iTteyxiaöa. H. verbersert ^gostg ni-
hog htay%iagj indem Kassandra den Chor anrede. Das kann durchaus
nicht gebilligt werden , da der Chor niemand beklagt halte und ircty-
Xiag ohne alle Bedeutung wäre. Der strophische Vers ist ohne
Zweifel unverdorben. In der Gegenstrophe 1106 nageßccXomo yiq ol
TCXiQixpoQOv öifAug^ wo 11. yccQ auswirft, könnte man dieses beibehalten
und o^ans £nde stellen und die Umstellung so rechtfertigen, dafs, da
of vor ^eol steht, ein Abschreiber die Bedeutung des ol durch Bezeich-
nung der Wortstellung bemerkt und so die Veranlafsung zur Umstel-
lung gegeben habe. Allein das Medium neQeßdJLovro ist nicht zu recht-
fertigen, dann haben auch andere Bücher ncQtßaXovreg ^ was unmög-
lich von einem Verbefserer herrührt, da das Particip hier nicht stehen
kann; ferner ist yag nicht angemefsen, wofür vielmehr fiivrot erwartet
wird, dann ist naQeßakopxo altova befremdlich, und endlich ist die
Lesart aller Bücher ayavcc für aioiva zu beachten. Richtig hat Empe-
pius vcrmuthet, dafs in ayava stecke aysiv alava und dafs &eoC zum
vorhergehenden Verse zu ziehen sei, nur war t' iu y zu vorwandeln.
Aufserdem ist zu schreiben negißakov yi otj woraus sich die Varian-
ten leicht erklären. Denn da dieses neQEßaXovxi ol gelesen wurde, so
haben die einen, da '^eo/ Subject ist und zur Vermeidung des Hiatus
7T£Qtßak6vTsg ol, andere, da ein Verbum Gnitum nothwendig war, tm-
Qeßdkovto ol daraus gemacht und dann zur Vermeidung des Hiatus
noch yoiQ hinzugefügt, was dann auch in die andere Classe von IIss.
übergegangen ist, wie z. B. IUI im Med. im(p6ßm^ das richtige iTcl-
g>oßa in der andern Classe, aber mit darübergeschriebenem (o steht.
Was den Sinn der Stelle belrilTt, so hält Kassandra das Loos der
Nachligal für ein glückliches, da sie mitten im Leiden in einen Vogel
verwandelt worden, so dafs sie nun diesem Leiden entrückt ein ange-
nehmes Leben führe, während Kassandra dem Unglück entgegen geht.
— 1122 (1135) wird statt veoyvog av&gdnmv fidOoi. geschrieben xal
yiaig vBoyovog av (id&ot^ annehmbarer vermuthet Martin av ßgo^av;
in der Antislrophe ist xaxo^^oovav wohl kaum richtig. Ebenso ge-
wagt ist die Emendation im folgenden Verse rcbtkr]y^ai d' OTtfog dax€t
g)otvl(o. Es wird wohl driyuccvi <potvlai beizubehalten und in der An-
tistrophe intiQßa(^g iitt^Lnixvtov zu setzen sein. Noch kühner endlich
wird liiWQo xccMc ^geoiiivag verwandelt iu iitwga (poßeQO&Qoa.
Nach den Büchern folgen zwei Kretiker auf den Dochmius luwQa
xaita &ifBV(klvag und in der Antislrophe yosi^ ^avoTf^^a, was bei-
382 6. Hermann: Aeschyii tragoediae. Tom. I et 11.
zubehalten das geratlienste scheint. 1132 ist statt nqotiqoi6i wohl zn
setzen TtgoriQOig (Sv.
Nachdem Kassandra dem Chor, zum Zeichen dafs sie wah^ rede,
die alte Schuld des Hauses verkündet, fahrt sie fort 1153 (1167)
Tj^aQxov^ ff d'TjQia ZI, xol6xi]g xtg äg\
-w ijjcvöoiiavxlg eifit ^Qoxonog q>Xiöot)v;
eTtfiaQxvQrjöov TtQOVfiodag x6 fi' dölvcti
k6y(a TCakaiccg xdvd ct^ctQxictg do^cov,
Hermann meint, dafs entweder loya falsch sei oder eine Negation
fehle, daher ediert er t6 (i'^ eldivoti. ^EnfiaQxvQtjaov wird gefafst de
ahsente^ quum mortua ero^ testare^ ytQOVfioaag aber heifse es, weil
der Chor vor der Erfüllung der Prophezeiung schwören soll. Das
kann unmöglich richtig sein. Denn Ttoovfioaag xo fiy^ eidivoct kann nnr
heifscn: * schwöre, nicht zu wifsen', aber nicht ^schwöre, dafs ich
nicht weifs.' Dann spricht Kassandra nicht von der Zukunft, sondern
von der Vergangenheit, und wozu sollte ihr der Schwur des Chors,
dafs sie die alte Schuld des Hauses klar geschaut, nach ihrem Tode
dienen, da ja dann bereits ihre Prophezeiung der Zukunft einge^
troffen war? Nur deshalb erwähnt sie ja die alte Schuld des Hauses,
damit ihrer Prophezeiung des bevorstehenden Unheils Glauben ge-
schenkt werde. Der Fehler steckt keineswegs, wie aufser H. auch
Bamberger urthcilt, entweder in xo fi' eidivat oder in Xd/o), sondern
in dem vorhergehenden Verse, der offenbar verdorben ist. Denn diese
Frage wäre nur dann richtig, wenn nicht ijucf^rov ij Oi^^oi rt, son-
dern nur das letztere d'ijQw xi vorausgiengc. Setzen wir mit ganz
leichter Aenderung sl — cpXiöiov^ iK^uccQxvQtjöov^ so wird nicht nnr
der Fehler in diesem Verse beseitigt, sondern es erhält auch das fol-
gende einen angemefsencn Sinn. Gib Zeugnis, sagt Kassandra, ob
ich eine Lügenprophetin bin, nachdem du mir vorher geschworen,
dafs ich die alte Schuld des Hauses nur obenhin kenne. Hierauf ant-
wortet der Chor xal ncog av oqxov nrjyfia yevvaicog nayhv nciitoviov
yfWro; So hatte statt 0^x05 «^fta Aura tus richtig verbefsert, Her-
mann setzt o^Koj, nrjyfia: ^at inepte addidisset Aoschylus yei'vmG>g
nayiv^ si quaercret ehorus, quid prodesse iusiurandum posset. Hoc po-
tius dicit, alque utinam iusiurandum, firmamentum (jenerose prmatum,
t^iedelmnafferrepossilf quo indioat, quam vis sanclissimum iusiurandnm
tarnen nihil profuturum esse.' Dieser Wunsch passt aber in keiner
Weise zu der Aufforderung der Kassandra , und die Worte ntjyfia yev-
vaifüg Ttayiv bleiben auch so unerklärlich. Nach unserer Auffafsnng
liegt in den Worten der Kass. die Aufforderung, der Chor möge sich
darüber finfsern, ob Kass. recht sehe., daher dieser entgegnet: und
was würde der Schwur, auch wenn ich ihn mit gutem Gewifscn lei-
sten könnte, für einen Nutzen bringen? d. h. eines Schwnres bedarf
es nicht , aber du hast so wahr gesprochen , als ob du zugegen gewe-
sen wärest. — 1215 (1229) wird rod' ofoi; nvQ statt otov xo ttü^
ediert. Die Vulgata ist vielleicht richtig, da Kass. das Feuer, das
Vorderben, schon vorher gesehen hatte und nur ausdrückt, dafs ea
G. Hermann : Aesehyli (ragoediae. Tom. I et IL 383
M^ächst, ja sogar ihr naht, um sie zu ergreifen. — 1220 (1234) wird
die frühere Verbefserung iu&t}ativ xdro» statt iv^rfiu xorco beibehält
tcn , die auch Wellauer aufgenommen hat. Wir können sie nicht für
richtig hallen, denn das Futurum ivd'ifiseiv ist nicht eu erklären, und
dufs iTcevierat nicht hierzu, sondern zu aTtorlaua^ai gehört, zeigt
sowohl der Sinn, da Klytaemnestra sich wohl dessen rühmen kann,
dafs sie Vergeltung übt, aber nicht, dafs sie einen Yorwand zum
Morde erhält, als auch die Stellung des avTixlcaal^aij das als Epex-
egese zu xcrftov fiia&ov iv^rjCstv xotgd zu fafsen sehr hart ist, und
das noch weniger von ^i^ovaa abhängen kann, wie Wellauer an-
nimmt, da ja nach Kassandras Ansicht dies nur ein Vorwand ist, denn
Kassandra will sagen: Klytaemnestra, die doch wahrend des Mannes
Abwesenheit mit ihrem Buhlen lebte , wird mich tödten und zu dem
wahren Beweggründe, aus dem sie den Mann tödlele, den Vorwand
hinzufügen, sie habe sich meinetwegen gerächt. Ein zweites Beden-
Ken erregt auch xdrco, wozu man irgend eine nähere Bestimmung er-
wartet. Wir vermuthen iv&itö' w xdrca. — 1231 (1245) wird fidxriv
in fittTi'JQ verwandelt: ^nam quod me hoc quoque in ornalu valde
derisam ab amicis inimicis conspexii, non ambigue eius ornatus
r index est, Hesychius ftorij^, iitLonwioq^ i7rif»/rcoi/, iqtvvr(triq^ nescio
an ex hoc ipso loco, sicut alibi Aeschyleas glossas habet.' Dafs |Lia-
xi]q in der hier angegebenen Bedeutung vorkomme, bezweifeln wir. Es
könnte allerdings den Beschützer oder Bächer bedeuten, aber nur in-
sofern damit ein Erkunden, Erforschen verbunden ist, so dafs bei-
spielsweise Hermes ein ^laxriQ genannt werden kann, wenn er zur
Ermittlung des verlornen beiträgt, aber nicht ApoUon. Vollends ist
aber der Sinn gegen jene Verbefserung, da ja die Verspottung der
Kassandra eine Strafe des Apollon war. Weicker verbindet inonxeV'
aag jLiaTf^v, was nicht möglich ist, da naxayekoDiiivriv noch auf Itc-
OTtxevcag folgt. Hierzu mufs man also fAaxtjv ziehen, und zwar ov
dtxoQQonoDg fidxjiVy da ov ötxoQQOTtog mit ix^gtav zu verbinden die
Stellung der Worte im Verse verhindert. H. wendet freilich ein, dafs
es hier nicht darauf ankomme, dafs Kassandra mit Unrecht, sondern
dafs sie eben verspottet werde, und das ist ganz richtig; allein xa-
xayekciiiai fiarip/, wenn nicht vielleicht fidxrjg zu schreiben ist, steht
hier wie TtcnaysXtoiiai, üg fiara/a, wie man in derselben Bedeutung
jLiaTi^v voaaiv^ (idxrjy ov% vyuiLvHv sagte. Dies verlangt auch der
Zusammenhang, nicht dafs sie einfach verspottet, sondern dafs sie für
eine wahnsinnige gehalten wird, daher sie fortfährt xolovjiAiut} de
fpoixag^ wo vielleicht g^oißdg das richtige ist, da in dieser ganzen
Stelle Kassandra die Gegensätze hervorhebt. Statt iitojtxevaag di iie
ist zu setzen ijtOTtxsvaag i(ii^ das öi scheint hinzugefügt von solchen,
welche inonxsvoag gelesen haben. Der Gedanke , dafs Apollon selbst
sie des Schmuckes entkleidet, bedeutet so viel, als dafs Apollon sie
in den Tod führt, wohin der Gedanke wieder zurOckgeführt wird
1134 xal vvv b iidvxig fidvxtv iKitgci^ag ifii aitrjycty^ ig touiaös da-
vualfiovg xvxag. — 1245 (1259) wird statt xarwxog verbefserl ^€-
3S4 G. HermaiiD: Aescbyli tragoediae. Tora. I et II.
toiw>g^ wie anch Alirens vermuthot hatte. ^Kespicit qaae v. 1234
dixerat: conflrmaturqne verbis quao scquiinlur, di o elxou mXtVj qui
opponuntnr x'^ fi£ro/xoo.' Allein das folgende di d elxov noXiv ist
offenbar verdorben und sehr richtig hat Bamberger hXov statt ff^ov
hergestellt; ebenso ist %ixov%xoq mit Scaliger zu vcrbefsern. — 1276
(1290) ovxoi övaoitG) ^diivov og OQVtg (poßo) "AkXtog • ^avovarj jua^
xvquxi iioi xode. So hatte H. schon früher die Stelle verbcfsert, in-
dem er die Lesart der Bücher aH' co^ in äKXoDg umwandelte. Dies
tadelt Härtung, weil es den Sinn verderbe; was der Chor der ster-
benden einst beseugcn soll, sei die grausame Art, wie sie gestorben
ist, keineswegs aber der Muth, mit welchem sie zum Tode gieng.
Das ist ganz richtig, aber gerade deshalb ist Hermanns Emendation
nölhig. H. hat sieh über die Stelle nicht ausgesprochen, er übersetzt
nur: non ego^ ui aois virgulium^ prae timore fruslra metuo: iesia^
mini hoc tnoriuae^ quum mulier pro me mulier e et vir pro infausti
connuhii ciro ceciderit. Hier kann es allerdings auffallen, dafs der
Chor Zeugnis davon, dafs Kassandra nicht grundlos gefürchtet habe,
nicht gleich nach ihrem Tode, sondern erst zur Zeit der Rache ab-
legen soll. Allein die Stelle ist wohl folgendermafsen zu fafsen. Kas-
sandra war bereits einmal, nachdem sie 1264 gesprochen, nach der
Thür des Palastes gegangen , aber wieder entsetzt umgekehrt, xi d^
iatl xQTJfia'^ xCg a^ a%oaxqi<pH (poßog; weil sie Mordgeruch daraus an-
wehte. 1272 sagt sie akk^ alfii, xai/ öofioiai xoDxvtfoua' ^fi^v ^Aycc-
(li^vovog xs fiotgav, a^Ksixco ßlog^ und es ist anzunehmen, dafs sie
sich wieder zur Thür wendet, aber von Todesangst ergriffen noch
einmal umkehrt und sich an den Chor wendet: *uch Freunde! nicht
umsonst flattere ich einem Vogel gleich um den Palast angsterfüllt,
denn der Tod erwartet mich; der todten seid Zeugen dieser meiner
Leiden, wenn die Stunde der Vergeltung kommt; denn dafs sie kommt,
bezeuge ich, indem ich dem Tode entgegengehe.' Nach des Scholia-
sten Auffafsung, meint Härtung, vergleiche sich Kassandra mit einem
Vogel, welcher von einem andern Thiere gejagt in das Dickicht sei-
nes Nestes flüchte, was unrichtig sei, da der Vogel sich vielmehr vor
dem Dickicht fürchte. Der Scholiast hat zwar die Stelle selbst wegen
der falschen Lesart falsch aufgefafst, allein das Gleichnis erklärt er
ganz richtig und Härtung hat ihn nur nicht verstanden: ov öxhSxb-
^a/i'w, q^ijalvy agoQuig 4^ilovaa elg %ahav elaek&eiv xal &fJQa xtvu
ipoßoviiivjl^ d. h. ^ikovaa ^Iv eiask^eiy, g>oßov(iivij öi OiJQcc xiva. —
1281 (1295;^ sagt Kassandra: anal h' stmiv ^ijaiv ij ^q^vov ^ikm
i(iov xov avtiig. Die Verbindung (rj0iv rj ^qtjvov wird * plane stalta
vcrbonim consociatio' genannt, und zwar mit Hecht, allein Qt^ötv
av ^Q^vov, was H. setzt, kann gleichfalls nicht stehen, denn Kas-
sandra geht keineswegs so leichten Muthes in den Tod, und dann
musto es blofs O^jji'ov, nicht ^Qrjvov ifiov roi/ aur^^ hoifsen. Wir
yermutben fi statt {: * das letzte Wort noch will ich sprechen, gleicb-
ssm mein eigen Klagelied.' Denn die verlafseno Sklavin wird nie-
mand beweinen. — 1334 (1347) sagt Klytaemnestra: itmg yuQ x^
G. Hermann : Aesobyli tragoediae. Tom. I et IL 385
xov OQceiBiev^ vijfog xQStaöov innriSi^ficcTog; H. billigt fiimsleys Emon-
dation ntjfwv^g a^xvcrror' av, hält aber damit die Stelle noch nicht
für hergestellt, weil der Gedanke nicht vollständig ist: quomodo enim
quis inimicis insuperahilia relia pararei? und man ergänzen müste
ntsi facerei quod ego feci^ ui tilia diceret quam sentireL Nicht blora
aus diesem Grunde, sondern weil der ganze Gedanke nichts taugt,
da man ja auch auf anderem Wege als durch Verstellung zum Ziele
gelangen kann. H. verändert daher aufserdem nmg in ntig^ wie schon
Bothe gethan hatte, und stellt damit einen angemefsenen Gedanken
her. Aber noch treffender ist der Gedanke und weit einfacher die
Aendcrung, wenn wir mit Härtung nijfiovtjg aQXvatax^ ov setzen.
Aber den Sinn hat Härtung nicht richtig aufgefafst, wenn er sagt,
daTs Klytaemnestra es für billig findet, selbst die nächsten Angehöri-
gen tückisch zu erschlagen, wenn sie tödtlich beleidigt haben, lieber
die Berechtigung zu der That spricht hier Klyl. nicht, sie will nur
ihre frühere Verstellung rechtfertigen und sagt, man müfse die Mittel
wählen, die sicher zum Ziele führen. — 1358 (1371) toadipös x^a-
T^^' iv öofioig xcrxcov ode Illfjaag aQalcav^ cevxog ixicivei fioAoiv. H.
bemerkt: ^nk-^aag iqalmv per se constant. Male iungunt xaxmv nXri-
aag (XQccifov.^ Aliein diese Verbindung ist nothwendig und man kann
doch unmöglich einen KQccriJQa xoxcoi/ mit aqaimv anfüllen. Der Zu-
sammenhang scheint allerdings den Gedanken zu verlangen * ein sol-
ches Unheil büfst er' ; dafs aber der Dichter dies nicht sagen wollte,
zeigt das cevxog, Aeschylos hat hier zwei Gedanken in ^inen zusam-
mengezogen , xocovÖB %q{xxi\qa xaxc5v aqal(ov inh}(fB und avxog ixnl-
VH (Aolciv. Die Schwierigkeit fiele weg, wenn man nach dcxaltog t^v
inlerpungierte, was aber aus analeren Gründen nicht thunlich ist. —
1862 (1575) ^ngog eldoxtcg dicit ui sitis scienUs,^ Sollte nicht tt^
üöoxag kiyto hier heifsen: ich wiederhole es euch? — 1383 (1396)
sagt Klytaemnestra zum Chor, der ihr mit Verbannung droht: liyta
de öoi TOMxvt' aitedeivj cSg TcaqeöxevaOfiivf^g ix rav ofioCcav %Cf^l
vixi}(Tai/T' ifiov aqxBtv, Dies übersetzt und erklärt Hermann: ^iubeo
ie ialia tninari^ ut me parata imperare mihij qui vicissim me vi vi-
cerit, Id est, minitare si übet: ego parata sum , si, quemadmodum
ego nunc potentior sum, sie tu me viceris, ferre imperium.' Schon
die Uebersetzung zeigt, wie unverständlich das ist; dann wäre es
sehr ungeschickt zu sagen naQEaKBvaafiivrj vmrioavxa ifiov Hqxbiv
statt TtaQeaKEvaOfiivrj vno xov vmtjaavxag agxead'aiy endlich ist auch
der Gedanke unpassend, da Klyt. sich in Unterhandlungen mit dem
Chor nicht einlafsen kann. Dafs die Vermulhung von Schütz Ttaqe-
tfxcvacrfii)/!} a' unrichtig ist, hat Wellauer gezeigt, der noch hervor-
heben konnte, dafs die Worte ix xmv ofiolav entschieden gegen diese
Auffafsung sind. Dieses ex xav bfioloDv zeigt, dafs Wellauer das rich-
tige gesehen hat, der TtagtOTttvaCfiivri schreibt und nach iiym öi 60i
und nach ofiolav Kommata setzt, so dafs Klyt. sagt: ich aber ver*
künde dir, denn zu solcher Drohung bin in gleicher Weise ich ge-
386 G. Hermann : Aoschyli iragoediae. Tom. I et II.
rüstet, dars du mich erst besiegen mufst, und dann behcrschen kannst.
— 1396 (1409). Slalt ov fiot (poßov fiikaOgov ikmg ifinavet wird
ediert ov ftot q>6ßov fiiXcc^g av ilTtlg ifiJtaiatv^ non spes mihi esi
timorem in domum meam ingressurum esse. Hier ist eine dreifache
Aenderung vorgenommen, während doch die handschrifllicho Lesart
einen weil kräftigeren Gedanken gibt: Mch schwöre es euch: nicht
dringt ein Gedanke von Furcht mir in das Haus.' — 1400 (1413) tui-
rat yvvaiKog Ttjaöe kv}iairtriQiogj XQV0}}töci)v fielktyfia xc^v vit ^IkC(a.
H. wundert sich, dafs hier niemand an kviiatT'^Qiog Anstofs genommen
habe, da es doch heifscn müslc kviiairctjQ ööe oder kv^avtrjQ venQog,
Daher nimmt er an, es sei ein Vers ausgefallen, etwa: ccvrjg^ ^vycc^
TQog xijg ififjg g)Ovsvg oÖs, Hierin können wir nicht beistimmen und
glauben, dafs diese Ergänzung gegen den Zusammenhang verstöfst.
Klytaemnestra nemlich, die bisher blofs vom Agamemnon gesprochen,
nimmt jetzt auf die Kassandra Hücksicht und dabei auch auf Aga-
memnon, aber nur in Bezug auf das Verhältnis zu jener. Agamemnon
ist also kvfiavrrJQtog ^ nicht weil er seine Tochter geopfert, sondern
weil er der Klyt. die Treue gebrochen hat. 31it Unrecht aber nimmt
H. an dem Adjectivum Anstofs, da kv^uavfqQiog nicht Subject ist, son-
dern im Gegensatz zu fielkty^ia XQvatjtöcov steht und so viel ist aU
kvfiaiv6(isvog j oder kvfiauitiQLog fiev civ tiJtfJc yvvaixog^ iielkiyiia 6i
XQva}}tdci}v: *da liegt er, der mir die Treue brechend mit Troerinnou
gebuhlt hat.' — 1441 (1452) wird statt Koganog verbefsert xtJQVKog
und fioi wcggelafsen. Dafs xoQaTcog falsch ist, zeigt nicht nur das
Metrum, da einem Krctiker kein Paeon entsprechen kann, sondern
auch der Sinn, da sich weder das Frohlocken über die That mit dem
Geschrei eines Haben vergleichen läfst, noch auch Klytaemnestra
einem Raben gleich bei dem Leichnam steht; was soll vollends ein
feindlicher Habe bedeuten? Wenn Welcher einwendet, dafs die
Herolde nicht neben den gefallenen Helden stehend Triumphreden
hielten, so ist dagegen zu bemerken, dafs der Chor nur sagen will,
Klyt. hübe nicht nur den Agamemnon getödtet, sondern sie ver-
künde auch wie ein Herold frohlockend den Sieg. -— 14ü6 (1477)
wird firjxin kex^^ ^' statt fti;6' imkex^ljg ediert und keine Lücke
angenommen, dagegen werden die schon von Seidler angefochte-
nen und früher von H. geschützten Verse 1502. 3 (Well.) als unecht
herausgeworfen, *nam frigcnt maximc hi versus, produntque ro«-
num interpretis, rationem reddentis eorum quae scquuntur.' Diese
Verse sind sicher echt, denn Klyt. nimmt jedesmal auf die Worte des
Chors Rücksicht, und da dieser gesagt hatte co fioi fioi xolxav xdvö^
avekev^iQOVj so nimmt Klyt. das erstemal darauf insofern Rücksicht,
«Is sie für die Urheberin angesehen wird, und fährt bei der Wieder-
holung jener Verse sehr passend fort ovx avekav^e^^ov ol(iaL d'dvazov
r^ds ytvia^ai^ was sie dann so begründet, dafs Agamemnon ja gleich-
falls öoklav arr/v dem Hause bereitet habe und sich also nicht be-
schweren könne. Dazu kommt aber, dafs in der Strophe jedenfalls
etwas «usgefalleo ist. Nach H.s Aenderung wäre der Sinn: *du tagst,
G. Hermann : Aescliyli (ragoediae. Tom. I el II. 387
dies sei mein Werk, aber es soll nicht mehr heiTsen, dah ich die
Gemohlin Agamemnons bin', womit Klyt. sagen würde, dafs sie auf-
gehört hat Agamemnons Gemahlin zu sein, was sie hier nicht sagen
kann. Der Chor erwiedert ag ^liv avaluog el rovöe 901/ov, xlg 0 fiag^
xvQi^iScDV] wahrscheinlich werden also diese Worte in der Hede der
Klyt. vorgekommen, jedenfalls aber der Gegensatz stärker markiert
gewesen sein: * du sagst, das sei mein Werk; das leugne ich zwar
nicht, allein schiebe nicht mir die Schuld zu und sag nicht, ich sei
Agamemnons Gemahlin, sondern der Kachegeist des Hauses hat meine
Gestalt angenommen.' Uebrigens lafsen die Worte avxng shai xoöe
Tov^ov ifiov vermuthen , dafs es im vorhergehenden dafieig daiiagzog
oder wenigstens danelg rtjad^ geheifsen habe. — 1533 (1547) xexdil-
lijiai yivog TtQoadipai. Blomßeld hatte JtQog axce vermuthet; H. räumt
zwar ein, dafs axai leicht in cc^ccl übergehen konnte, allein er halt
den Gedanken hier für unpassend und verbefsert %eii6khixai yivog
TTQOOO'fpsi, ^Conßrmans chorus quod dixerat, non pellendam domo
fuisse et neci tradendam filiam, graviter addit, prolem adspectu cum
parcntibus esse coninnclam.' Uns scheint die Erwägung der Antwort
der Klyt. eine andere Auffafsung der Stelle zu empfehlen. Klyt. und
der Chor sind am Ende dieses meisterhaft gedichteten Kommos von
der höchsten Aufregung allmählich zu einer beruhigteren Stimmung
gelangt. Der Chor erkennt, dafs Agamemnon durch seinen Tod eine
Schuld gesühnt habe , denn ^u^ivh na^Eiv xov Iq^ctvxct, Daran knüpft
sich natürlich der Gedanke, dafs auch Klyt. werde büfsen müfsen, allein
der Chor spricht diesen Gedanken nicht schroff aus, sondern fast wie
einen Wunsch, dafs der Fluchgeist, der an das Haus gekettet ist, wei-
chen möge. Darauf antwortet denn Klyt.: *nun bist du zur Wahrheit
gedrungen, indem du den Fluchgeist anerkennst, der diesen ergriffen
hat; aber diesen Fluchgeist will ich aus dem Hause bannen, indem
ich mit meinem traurigen Loose zufrieden sein, ja mir sogar Abbruch
des Vermögens will gefallen lafsen.' Hiernach sind die Worte des
Chors xtg av yovav ctQalov iußaXoi öo^iojv; von dem Flnchgeiste, nicht
aber von der Iphigenie zu verstehen, was auch des folgenden xovSe
XQTianov wegen nicht angeht; und hieran schliefst sich nun sehr pas-
send nexokXtfcm yivog ngog axce^ wie Blomfleld unzweifelhaft richtig
verbefsert hat. Die Aenderung ist sogar leichter als die Hermannschc
und der Schreiber wurde um so leichter verführt TtQoaaxat wie ngoa-
aipat zu lesen, da er von dem vorhergehenden KSKolltjxat den Be-
griff des TtQoad'tpai im Kopfe hatte. — 1567 (1581) wird ccTto atpa-
yijg ifi^ erklart *« mactatis carnibus^ faslidio scilicct affectus.'
Kichtig hat Härtung emondiert anb c^pctyiiv ifitav, — 1576 (1590):
*Ne cui haec Ticcl xovös xavÖQog non recte nexa videanlur cum praece-
dentibus, tenendum est conlinuata haec esse cum v. 1572 ceteris in
medio explicandi causa positis.' Das dürfte die Stelle nicht erklären.
Es ist vielmehr xax xovöb zu verbefsern. — l.')94 (1608). Die drei
Verse yvvai — ißovXsvOag fiogov spricht der Chor nach W^ellauers
Ansicht zum Aegisthos, was H. misbilligt, ohne indes zu erklären, wie
388 G. Hermann : Aeschyli tragoediae. Tom. I et II.
CS möglich ist, dafs der Chor, von Aegislhos eben getadelt, diesem
nichts erwicdcrt, sondern der Klytaemnestra einen Vorwurf macht,
den er ihr schon vorher gemacht halte und den in dieser Weise hier
zu wiederholen durchaus keine Veranlafsung gegeben ist. Nur wenn
der Chor den Aegislhos ignorieren wollte, konnte er sich an die Klyt.
wenden, dann niuste aber seine Rede ganz anders ausfallen, etwa
^ eines solchen Feiglings wegen konntest du deinen heldenmüthigen
Mann tödlcn?' Dafs der Chor nicht die Klyt. anredet, sieht man auch
ans der Entgegnung des Aegisthos xal zaxna tarn] xiavfiarcoi/ ^Q%^
yevtj und av d' i^ogivag viptloig vkayficcatv i'^f*, da doch, wenn jene
Worte an die Klyt. gerichtet sind, nicht nur keine vXdyiiata darin
vorkommen, sondern sie überhaupt weit milder sind als die zuerst
an den Aegisthos gerichteten. Endlich hätte der Chor unmöglich die
Klyt. oUovQog xov viov ix ficcxqg ^xovrog nennen können, während
Aegisthos, das haushütende Weib, dem aus dem Kampfe zurückge-
kehrten Helden trelTend entgegengestellt wird, wie schon Kassandra
vom Aegisthos sagt 1182 (1197) kiopz^ ävakxLv iv kixBi argagxafisvov
olxovQov, Darüber also, dafs der Chor hier zu Aegislhos spricht, kann
kein Zweifel sein, es handelt sich nur um die richtige llerstellung,
die auch, wenn wir yvvrj und ataxviag setzen, noch nicht vollendet
ist. — 1625. Die Verse 1640. 41 (Well.) werden umgestellt und dann
1649 hierher gezogen, so dafs die ersten vier Verse der Rede der
Klytaemnestra so lauten:
fi7}öaiimg^ o g)lktaT avÖQäv^ akka ÖQuacufiev xance,
ntj^ovijg akig d' VTtaQX^''' f*»y<Jfv atfiaxdfied'a,
akka aal rdö i^flffirjaat nokka dvanjvov ^iQog'
ato(pQovog yvdfiiig ö afiaQTstv xou KQaxovvr^ (cclaxog (J^iycc).
80 dafs der Sinn ist: nequaqumn faciamus alia maia^ sed vel hafc
saiis mulia sunt ut malam messetn metamus^ prudeuUs autem cansilii
expertem esse regnantcm probrum est. Der dritte Vers wird erklärt:
^ sed ftaec quoque satis multa sunt, ut tristem messem metamus,
Pracsagit enim vindictam interfecti Agamcmnonis.' Das letzte ist doch
fraglich, denn wenn auch die Klytaemnestra jetzt nach der That der
Gedanke an die Rache beschleichen sollte, so hat doch die Klyt. des
Aeschylos so viel (jeistesslarke, um in (Gegenwart des Volkes einen
solchen Gedanken zurückzudrängen; von folgenden Uebeln des Hauses
spricht sie nicht, sondern sie meint die Ermordung des Agamemnon,
die auch sie für ein grofscs Unglück hält. Die Umstellung der Verse
scheint uns unnöthig, an die Worte akka xaxd schliefst sich passend
an akka xal tdde Ttokkä i^afAijoai^ und im 3n, dem Schlufsverse, fafst
sie den Inhalt der vorhergehenden beiden Verse zusammen, daher dio
Wiederholung, die durchaus nichts anstöfsiges hat, um so weniger
als die beiden unverbundenen Sätze in dem Sinne stehen dkkic 7Ci/|LiO-
viig yag dkig vTtdqiu^ p.t]div aifiazcifiey^a. Da indessen eben Blut
geflofsen war, so ist wohl ^i/xiO-' ai^aTcoiie&a zu setzen. Was end-
lieh die Versetzung des 4n Verses hierher anlangt, so müfsen wir
dieselbe, trotzdem dafs nicht blufs Kayser, sondern selbst UarluDg
G. Hermann: Aescfayli fra^ediao. Tom. I ol IL 389
sie lobt, gleichwohl ffir unwahrscheinlich erkliren. Dieser Vers folgt
in den BQchern auf die beiden Verso des Aegisthos 16M. 35 (1647. 48)
alXa tovaÖB (loi ficczaicev yXtoaaav cod' aTCav&lcai
TiocxßaXeiv Snri zoLCcvra öaiiiovog neiQdDfiivovg.
Hier, meint II. , sei er ^alienissima in sede positus', was allerdings
richtig ist, wenn wir ihn mit H. ergänzen aciipgovog yvcifirfg d' ccfiaQ-
xHv Tov x^ofTovvr' {ptlcioq tiiyci). Allein diese Ergänzung ist keines-
wegs so sicher, es kann auch ovuöiiScet, ausgefallen sein, worauf der
Chor ganz passend antworten würde ovx Sv^Agyslonv xoo etrj, (pma
TCQoaaaCveiv naxov^ ja es ist sogar sehr wahrscheinlich, dafs nicht
nuiP das Ende des Verses, sondern aufserdem noch ein Vers aus-
gefallen ist, in welchem das Verbum stand, von dem die Infinitive
oTtcev^laai (ivantvaai?) ^ ixßaXetv abhängig waren. Auch di« Ver-
befserung der folgenden Verse der Rede der Klylaemnoslra scheint zu
rasch gebilligt worden zu sein. H. ediert:
azetxe xal av %ol yiqovxtg nQoq öofiovg 7UTCQ<o(iivovg^
nQiv Tta^Biv iQ^ccvTsg. aoxeiv XQtiv taö' tog inga^cifisv'
ti d' ftr' ov fi6x^(ov yivotxo x^vo aXig, dfjro/f«^' av
daifiovog xoX^ ßagela övoxvxc^ ntnXtjy^iivot,
* t et tu et vo$ , senes , vestras domos , priusquam vim vi luatis. Suf*
ficere oportebat quae passi sumus. Sin nondum satis est hisce malis^
accipiemus^ dei si nos gravis ira infortunio plectet. Hoc modo quum
loquitur, neque asscverut oportuisse Agamcmnonom interfici , sed per-
mittit iudicio aliorum, et, si iniiiste necatus sit, diis rclinquendam esse'
vindictam monct.' Im ersten Verse haben die Bücher axslxBxe d' oi
yiQOvxeg, auf jene Ergänzung war auch Franz verfallen, doch scheint
eine solche zurechtweisende Rede hier nicht angemcfscn. Klyt. hatte
sich in den ersten drei Versen an den Aegisthos gewandt, jetzt wen-
det sie sich an den Chor aitlxe^' vfisig C ot yiQOvxeg. Im 3n Verse
ist tl ö^ ix^ ov statt el di rot gesetzt, allein es ist nicht wahrschein-
lich, dafs Klyt. dem Chor gegenüber eine solche Ansicht aussprechen
sollte; ganz entschieden scheinen uns aber die Worte ^oA]/ ßccQsia
dvöxvx^g dagegen zu sprechen, denn wenn auch Klyt. sagen könnte
*habe ich den Agamemnon mit Unrecht getödtet, so fiberlafset den
Göttern die Strafe', so würde sie doch nicht sagen, dafs sie eine harte
Strafe erwartet. Setzen wir ira vorhergehenden Verse mit Lobeck al~
vetv^ so könnte man die Stelle vielleicht so aurfarsen: Mhr aber, o
Greise, geht nach Hause, bevor ihr durch euren Widerstand euch
Leid zuzieht; füget euch in das, was geschehen ist, und sollte nun
genug des Leids erfolgt sein, dann wollen wir es tragen, wie schwer
wir auch vom Daemon heimgesucht sind.' So sagt Klyt. 1535 iyci ä'
ovv i&iX(o xccds (ilv (Sxiqynv övaxXijxa mg ovxa. — 1640 (1654)
TtgäöaSf nialvov, fiialufov xijv öUrjv^ htel ndgcc wird ngäöae auf das
folgende nialvov bezogen, womit uns der Sinn der Stelle nicht ge-
troffen zu sein scheint. Aegisthos halte gesagt oW iya q>evyovxag
avögag iXjtldag <Six(>v(iivovg ^ womit er meint, dafs, da der Chor sich
auf den Orestes verläfst, er für jetzt das Feld räumt. Dies bejaht der
300 G. Hermann: Acscliyli tragoediac. Tom. I et IL
Chor, indem er sehr treffend den Worten ihtlöag anovfiivovg das
niaCvov ^lalvtov ryv öIkj]v und den Worten q^evyovTag avÖQag das
TtQaaae entgeg^enstelll; er solle immerhin den Staat verwalten und
sich mästen , da er es ihm für jetzt nicht wehren könne.
Dem Commenlar zu den Hiketiden, den, wie bereits erwähnt,
Hermann selbst besorgt hat, ist ein kurzer Nachweis über die Hand-
schriften und Ausgaben des Stückes vorausgeschickt, worüber wir im
5n Bande des Rheinischen Museums für Philologie von dem leider zu
früh verstorbenen MarckschefTel eine trelTliche Abhandlung besitzen,
die auch H. mit Anerkennung erwähnt. Das Stück ist in 4 Hss. er-
hallen , im Mediceus , von dem wir bereits gesprochen , im Guelpbcr-
bytanus, einer Abschrift des 3Iediceus, die il. selbst genau verglichen
hat, ia dem von Askew und Faehse verglichenen Parisinus (L bei
Wellauer), der nach H. aus der alten Quelle stammt, aus welcher der
Mediceus abgeschrieben ist, und in dem Escorialensis, einer Abschrift
der Pariser Hs. , dessen Collation H. von Friedrich Dietz erhalten
hatte. Die Aldina hat Asulanus aus dem Guclpherbytanus besorgt,
Turnebus halte kein weiteres Hilfsmittel als die Aldina, Hobortellus
dagegen entweder den Mediceus oder eine ihm ganz ähnliche Hs. Es
folgten dann Victorius, Canter, Stanley, Msque deinceps vulgatus
textus habebatur. Eum magis magisquc pcrlurbarunt critici pro sua
quisque vel scientia vel ingenio vel libidine. Quorum eos conatus,
qui vel falsi vel vani vel inepti vcl iusani sunt, oblivioni relinquendos
duxi. Pariter ubi de codicum scriptura constat, vitia commemorare,
quae edilio Aldina vel errore typolhelae vel male intellecia codicis
scriptura praebet, inanis plane atque inutilis labor fuisset.^ Will man
das letzte auch gelten lafsen, wiewohl die Erwähnung der Lesarten
der editio princeps zur Geschichte der Texteskritik gehört, so wäre
es doch wünschenswerth, solche Lesarten, die eine weitere Verbrei-
tung gefunden haben, vermerkt zu finden. So, um ein Beispiel anzu-
führen, steht bei iL Vs. 997 cl>g av eldcog iwino} ohne eine Varianten-
angäbe; allein die Vulgata ist eidfjg^ die selbst noch in der ersten
Oxforder Ausgabe von Dindorf steht, und Wellauer bemerkt (908)
Ulöiig vulg. sensu inepto, recepcrunt tarnen editores omncs. HÖmg
lieg. L. Guelph. Aid. Hob.' Auch der Mediceus hat dödg und nur
Turnebus hat emendierl und die andern nach sich gezogen, allein eben
weil diese Eniendalion eine solche Verbreitung gefunden hat, wäre
eine kurze Bemerkung nülhig gewesen. Auch die Vermuthungen der
Editoren oder anderer Gelehrten sind nur selten angeführt, die eige-
nen Verbcfserungen gar nicht oder ganz kurz begründet, überhaupt
die Bemerkungen so kurz gefufst, dafs der Commenlar zu den Hike-
tiden, wiewohl hier H. die meisten Emendationen gemacht hat, nur
halb so umfangreich ist als die zu den anderen Stücken. Ueber den
Werth der llermannschen Becension der Hiketiden haben wir uns be-
reits ausgesprochen; man kann mit Hecht sagen, dufs erst durch diese
Bearbeitung das Stück lesbar geworden ist. Einen Theil der trcIT-
iichen Emendationen ILs werden wir Gelcg.:nheit haben anzuführen.
6. Hermann : Aeschyli (ragoediae. Tom. I et II. 391
wiewohl wir auch hier wie beim Agamemnon nns meist darauf be-
schränken, solche Stellen zur Besprechung herauszuheben, zu deren
Berichtigung wir etwas beitragen zu können glauben.
Im ersten Chorgesang ruTen die in Argos angelangten Danaiden
das Land ihrer Ahne au und dann Vs. 24 die Götter: wtorol te ^sol
xal ßa^ifioi x^ovLOt ^i^Tiag TtazixovxBg. H. schreibt ßa4>vxifiot. * He-
roibus hie locus erat sub terra conditis, non ultoribus scelerum diis
inferis/ Von den strafenden Göltern der Unterwelt kann hier aller-
dings nicht die Rede sein, allein ßaQvxifiot, braucht nicht in dieser
Bedeutung gefafst zu werden. Gleichwohl ist ßaQvxifioi unrichtig, da
^xag ohne Epitheton unerträglich ist, und ßuQvrlfiovg zu setzen,
das der Dichter voranstellt, um die richtige Auffafsnng von x^oviot
vorzubereiten. Die Aenderung ist leicht, in der alten Quelle stand
ßaQVTifiog^ was wegen des folgenden %&6viot in ßagviifioi übergieng.
— 33. iv&a de kalkuTZc xeifKüvorvnm , ßgovr^ axegony x\ 6(ißQoq)6^
QOKSiv X avifioig aygiag iXog avxi^aavxeg okoivxo sind die Kommata
mit Recht ausgelafsen, in welche nach Elmsleys Vorgange Wellauer
die Worte ayqiag ItXog avxrjaavxeg eingeschlofsen hatte, damit nicht
avifioig ayqlag aAo^ verbunden werde; die Dative enthalten vielmehr
eine Bestimmung zu ayglag. — 44 — 46 incowfiia d' inexgalvexo
fiOQCifiog atüiv svXoycDg^^Enaipov t' iyivvaaev werden erklärt: ^male
haec explicat scholiastes. Secundum nomen a contactu imposilum, in-
quit Chorus, exibal iustum tempus, ut consentaneum erat: h. e. a
contactu, quo gravida facta est lo, exactis iustis mensibus peperit
puerum , cui ab illo contactu nomen Epaphi indilum est.' H. fafst also
inoivvfiia in der Bedeutung von iTtcovvfKog ^ was uns richtig scheint,
denn L. Schillers Auffafsung ^ es erfüllte sich aber für die Benennung
die bestimmte Zeit' gibt den unrichtigen Gedanken, dafs lo der ijtcD-
vx^filcc wegen geboren habe. Dagegen verbinden wir ivXoyag mit
inG)vv(ila^ wie es z. B. 239 heifst ifiov 6' ävaxxog 6vk6y(og inciuvfiov
yivog IleXaayav xi^vös KOQnovxat ;jjöova, 300 "Eatucpog aXii&fog Qvatcav
i7t(ow(iogj und unter fiogacfiog alciv verstehen wir die vom Schicksal
bestimmte Zeit der Geburt, so dafs das folgende '^or^ov iyivvaosv
die nähere Erklärung dazu enthält: ^mit dem Namen dieser Berührung
ganz übereinstimmend erfüllte sich die vom Schicksal bestimmte
Zeit, denn sie gebar den Epaphos.' Demnach ist nicht 'Efftacpov x' zu
setzen, was eine blofse Aenderung Porsons ist, sondern die hand-
schriftliche Lesart "ETragsov d' beizubehalten. Weiterhin geben die
Bücher xa xe vvv iTtiÖH^oD Uiaxa xsxfi-tjgia^ xa x avonoicc, Olö ,
ÜBXnxd nsQ ovxa (pccvdxai. Sehr scharfsinnig und unzweirolhaft rich-
tig wird hergestellt itLCxct xexiirJQLa yaiovofiOLöi ö aeXnxa mq ovxa
q>uvnxm'y unwahrscheinlich aber ist die Aenderung von xa xb vvv in
70W0DV, wir vermuthen ^niXa vvv. Ebenso trefflich ist die Verbefse-
rung Vs. 61 Sr' ano ^(o^ov noxa^imv r' HQyofiiva Ilev&ei viov oU
xxov fiHoiVy wo gesetzt wird cfr' ano xXcogmv nsxdXcDv iygofiiva^
dagegen halten wir nicht für richtig die Ergänzung tmv^« vtoixTOv
o?roi;, es ist vielmehr fiiv ansgefallcn mv&et viov fiiv ohxovy wie
392 G. Hermanu; Aesoliyli tragoediae. Tom. I et IL
der folgende Gegensalz zeigt Jvvr/Oi/a« 61 naiöog (ioqov. — 67 sagt
der Chor yosdva d' ivd^sfil^ofiai Jeifiaivovaa (pikovg^ Täaöe tpvyag
aeglag aTtb yäg Eifrig iexi xi^dcftcav. Unter cpLXovg müste man die Söhne
des Aegyptos verstehen, welche die Danaiden nicht so genannt hahea
würden, auch passt der folgende Gedanke nicht, so dafs die Stelle
jedenfalls verdorben ist. H. verbefsert ÖH^ct^ fihovaa q>Uovg^ aber
das öetfia ist schwer zu erklaren und einen richtigen Gedanken erhal-
ten wir auch so nicht. Es ist (pilog zu setzen , was bei der Beschaf-
fenheit unserer IIss. so gut wie keine Aendcrung ist, d. h. öei(icuuovaa
(plXog elrig ißrt xrjdsfimv Tcecfös cpvyag. Dem Spondeus entspricht in
der Gegenstrophe ein Dactylus I(5xi de xax noUfiov und man könnte
leicht vcrbefsern iariv xax nokifiov: allein es fragt sich, ob dies
durchaus nothwendig sei. Der unterzeichnete hat auf das von Aeschy-
los beobachtete Gesetz der strengen Responsion der Antistrophica za
einer Zeit aufmerksam gemacht, als H. noch eine gröfsere Freiheit
hierin annehmen zu müfsen glaubte, und seitdem hat die weitere Kri-
tik unsere Ansicht immer mehr bestätigt. Allein ich habe auch zu-
gleich darauf aufmerksam gemacht, dafs hierbei einmal die Rhythmen
und zweitens die Stücke selbst zu unterscheiden sind. Ich glaube,
dafs Acschylos in seinen späteren Stücken eine gröfsere Sorgfalt auf
die Ausarbeitung der Chorgesängo verwandt hat, und die WahrneU-
mung, dafs in den Iliketiden öfter die Genauigkeit der Responsion
vcrmifst wird, stimmt mit der Annahme H.s übcrein, dafs dieses Stück
das älteste von den uns erhaltenen sei. Wir wollen hier die Stellen
anführen, in denen die Entsprechung nicht genau ist. Für die soge-
nannte Basis haben wir schon früher das Gesetz aufgestellt, dafs
dem Trochacus wohl der Spondeus, aber niemals der lambus entspre-
chen könne. Von der Vertausch ung des Trochaeus und Spondeus fin-
den sich in unserem Stücke 9 Beispiele, 641 (552) =r=: 550 (561), 561
(572) = 569 (580), 563 (574) = 571 (582), 619 (630) — 628 (639),
620 ^= 629, 622 = 631, 640 (651) = 650 (661), 641 = 651, 658 (669)
= 666 (677). Im iambischen Rhythmus ist die Vertauschung des
lambus mit einem Spondeus auffallend in einem Verse wie 415 (426)
tnmiÖQV afiTCVTiOiv -= 419 (431) bfioitav ^ifiiv^ nicht häufig im iam-
bisch-trochaeischen Rhythmus , wie 545 (556) vöcoq xo Neüov voaotg
aOixxov:z- 554 (565) xav d' av yvvaixog' xi^g d' i^cifißovv^ wo II.
xdv in xd verwandelt, was uns nicht wahrscheinlich scheint, denn
ebenso heifst es 524 (535) keifiava ßovxdov ii'{>ev 'Ico und in der
Gegenstrophe 533 nega de TtvOQavxog äöiv Mvaav; unbedenklich
kaiaxxav
xaxcjt;, zugleich ciu Beispiel der V^ertauschung des Trochacus und
Spondeus im trochaeischen üimeter, 781 (793) ßiaia fiij q>£loig OQiav
= 789 (>*0l) ßlaia öC^^jvxai kaßeiv, wo H. mit Unrecht statt (plloig
oder fpdoig^ was allerdings nicht stehen kann, oxiQ^rjg gesetzt hat,
117 (128) = 127 (137); endlich im Trimotcr, wie 762 (774) = 770
6. Hermann : Aeschyli (ragoediae. Tom. I et IL 393
(78i), 564 (575) = 572 (583). Dem strophischen Trimeter 748 (768)
xl 7t€tö6(iea^a; not gyvytofiEv A%iag entspricht in der Gegenstrophe 755
(766) itBlavoxQGig di nakkeral fiov rMQÖUc^ wo statt fAskavoxQcog Lach-
mann nekaLvoxQtog verbefsert, vielleicht aber fielayxQOog zu schreiben
isL Hier nimmt H. an dem Rhythmus Anstors: ^sed nov etiam Irime^
trum facit tam turpem, ut eiusmodi versus non possit ab Aeschylo
profectus putari.' Es wird nun im vorhergehenden Verse ägyvKxov in
aXvurovy ferner niag in voaq geändert: ^videtnr ab vostv dictum esse
voaQ de eo quod quis animo teneret vel sibi fingeret, de simulacro,
spectro, quo nomine hie signillcatur praeco, qui abstractum ab aris
virgines venit', aufserdem noch zwei Aenderungen in unserem Verse
vorgenommen, so daTs die beiden Verse so lauten: ikvxTov ö^ ovsc
fr' Sv nikoc voag^ KekuivoxQtov de nakksrai ngo xagölag. Wir glau-
ben nicht, dafs diese Aenderungen bei vielen Zustimmung finden wer-
den; sie sind zu gewaltsam und dann moste voag in doppelter Bedeu-
tung gefafst werden, einmal zu akvxxov concret als der Herold, dann
zu Ttakkexat als der Gedanke. Das Wort voag setzt H. noch einmal
Vs. 853 in den Text, wo es gleichfalls unpassend ist, wie wir zu die-
ser Stelle sehen werden. Ware akvTixov richtig aus aq>v%xov herge-
stellt, so müste Y,iaQ in xt^p geändert werden, allein %ictQ ist wohl
richtig und afpv%xov in a(pqi%x6v zu andern. Der nächste Vers ist
schwerlich verdorben, ein Uurpis trimeter' wäre der Vers nur dann,
wenn er zum Recitiercn im Dialog bestimmt wäre; den Gesetzen die-
ses Trimeters nnterliegt aber nicht der für den Gesang bestimmte
lyrische Trimeter, ja es hindert nns nichts, den Vers in zwei Verse
zu theilcn, in der Strophe xinBLc6^iz(S^tt\ \ not <pvy(Ofitv ^Aniag und
hier (iskäyxQOog ds \ nakkexal fiov nccgöla^ wie im folgenden nglv
ävÖQ^ ansvxxov | xmöe xQ^t^^V^^^ XQ^^t die freilich H. in ^inen Vers
zusammengezogen hat. Endlich ist noch ein Trimeter zu besprechen^
der wegen ungenauer Responsion Bedenken erregen könnte, 543 (554)
X£t(JLc5vcc x^ovoßoaKOVy ovx' iniQxexai = 552 (563) ßorov iaogcavxsg
övax€Qeg fii^o^ßgoxov. Dazu bemerkt Hermann : * talem versum non
scripsit Aeschylus. Gcnuinum vocabulum, quod nescio an assecutus
sim quum non inventum alibi xaxoxccQt posui , ab interpretatione ex-
pulsum esse, quoniam non intellectum erat accusativos pendere ex
&vfiov nakkovxo ^ ostendit a scholiasta ad o^fftv arf&rj adscriptum otpiv
arid't} oQavxeg, quod metri causa in ioogavxBg esse mutatum prodit
scriptura codicum M. et G. ia o^covvs-* Das letzte Argument beweist
nichts, da, wie aus dem von Dindorf in seiner Scholienausgabe mit-
getheilten Facsimile hervorgeht, auf Wortabtheilungen , Zeichen und
Accente im Mediceus nichts zu geben ist. Auch aus der Randglosse
otf;tv ai^&rj oQcivxsg läfst sich nichts folgern, da der Glossator nur
angeben will, dafs das folgende iaoQcivxeg nicht blofs auf j^orov son«
dern auch auf das vorhergehende o^tj^cv arj^ zu beziehen sei; hätte
er iaogmvxfg nicht vorgefunden, würde er es schwerlich ergänzt ha-
ben. Dafs Aeschylos einen solchen Vers nicht gemacht hätte, können
wir auch nicht zugeben, da der Ictus auf der kurzen Endsilbe eines
iV. Jahrb. f, PkU. n. Paed. Bd. LXX, Bfl. 4. a. 5. ^^
394 G. Hermann: Acschyli tragocdiae. Tom. I et II.
zweisilbigen Wortes gestattet ist. Was endlich die Ungenaaigkeit
der Rcsponsion betrifft, so pftegt Aeschylos allerdings Auflösungen
der Arsis auch im Trimeter in Strophe und Gegenstropho auszuglci*
chen, da diese den Charakter des Rhythmus modilicieren; allein bei
einer einzelnen Auflösung ist es ausreichend, wenn zwar nicht die-
selbe , aber doch die Arsis desselben Metrums in der Gegenstrophe
aufgelöst wird. Man kann dies um so mehr annehmen , als auch sonst
die aufgelöste Arsis einer nicht aufgelösten entspricht, so im kreti-
schen Rhythmus, Vs. 403 (414) q^^ovriaov xai yevov navdUog =^
408 (419) ^irjö^ tdyg fi' i^ eÖQccu nokv&i(ov. Auch im dochmischen
Rhythmus lindet dies statt, so ^b (d4b) (pvyaöa nef^iö^^iov z=z ^^
(3j(i) fiä\>6 ytqmotpqiov und 379 (389) ft^JJ«^ bgl^Ofiai yafiov övag)QO-
vog = 389 (399)'of<J*3tof filv naxotg oöia d' ivvofioig^ wo zugleich im
ersten Dochmius der langen ersten Thesis eine kurze entspricht, was
übrigens nur dann gestaltet ist, wenn die erste Arsis aufgelöst ist;
aufsurdem ist dies in unserem Stücke der Fall 378 (388) KQotaaiv
ctQaivcav --^^ 388(398) Zeig beQOQQenrjg, ferner nach der Hermann-
sehen Recension 720 (731) 6oX6(pQoveg d' ayav Kai öoXo^i^iösg= 727
(738) TCEQifpQovsg d' äyccv avUqio ^ivei^ doch ist im strophischen
Verse iiyav von II. zugesetzt und andere lesen öoXotpQOVSg 6i Kai do-
ho^tjTidsg^ auch könnte man mit Kayser in der Strophe naviiga (livH
lesen ; endlich 707 (71h) noXvÖQOfiov qivydg oipekog et xl [loi = 714
(725) vijag Inkevaau od' iitLxvxel xorw, allein wir halten den stro-
phischen Vers für verdorben. An nokvÖQOiiov q)vyäg hat niemand
Anslofs genommen und doch -sehen wir nicht ein, was dies hier zu
bedeuten habe, wo von einer wirren Flucht und einem Entrinnen gar
nicht die Rede ist. Es wird ßcoiiodgaiiov cpvyäg zu setzen sein. Da-
naos hatte seine Töchter aufgefordert sich an die Allüre der Götter zu
flüchten, damit sie für alle Fälle gesichert seien, worauf diese dio
Resorgnis aussprechen, ob denn auch in der Thiit diese Zuflucht einen
Schutz gewähren werde: ite^Cq>oß6v fi^ exec xaQßog eX xi /tioi ixijrviusg
o(peXog ßoi^oÖQOfiov g;vyag. Man könnte aber uuch an die Flucht ans
Aogyplen denken, worauf die Entgei^nung des Danaos führt, und dann
wäre aXaÖQOfiov zu verbefsern. Trotz dieser von uns eben aufgeführ-
ten nicht unbedeulenden Anzahl von ungenauen Responsionen würden
wir gleichwohl Redenken tragen, in jener Stelle, die uns zu dieser
Belrachtuug veranlafst hat, dio Entsprechung eines Spondeus and
Dactylus zu statuieren, wenn sich nicht in unserem Stücke aufserdem
noch zwei andere Stellen mit gleicher Rcsponsion fänden, 527(638)
TtoXXa ßoxav 6iafieißo^e%'a = 536 (547) Ua^q)vX{ov xe diOQvvfiiva.
Hier, meint IL, sei der Spondeus durch das Nomen proprium entschul-
digt, allein dieses kann wohl bei einem festen Rhythmus, wie im He-
xameter oder Trimeter, die Dichter zu einzelnen Licenzen veranlafscn,
aber nicht in einem Chorgesange, der den Dichter in der Wahl der
Rhythmen durchaus nicht beschränkt, und dann hinderte ja nichts, in
der Strophe gleichfalls einen Spondeus zu setzen. Es kommt aber
noch ein drittes Beispiel dazu: 811 (824) aX(iiiEvxa Jt6(fov = 822
G. Hermann : Aeschyli tragoediae. Tom. I et II. 395
(835) aXfpBClßotov vömg^ wo H. alfn^ivta in alfiwsvra verändert,
ohne sich darüber auszusprechen, woher dies gebildet sein soll, da
man von aXfirj regelrecht doch nur akfirjeig bilden kRun. Durch diese
beiden Stellen scheint uns der Spondcus Vs. 68 öst^alvovace (plkog
hinreichend geschützt zu sein.
73. 74 wird ediert vßQtv d' ixvficog axiyovvsg^ ev niXoix^ Sv
ivÖMOi vofioig^ indem vofwig statt yafiotg^ statt atvyovxsg aber axi-
yovxeg sv gesetzt ist. ^Heposui quod scholiastes legit ivdiKOt voiioig.
lustos erga leges deos esse vult. Legcs antem intelligi eas, quibus
tnti sunt qui ad deorum aras confugerunt, docent quae statim sequun-
tur.' Die Aendcrung vofioig ist richtig, auch axiyovxsg ist viel pas-
sender, dann wöre aber noch eine andere Aenderung nöthig, nemlich
vßgiv de y iixov (Sxiyovxeg. Die Züge Ö6y£[A0^ auf die ein a folgt,
sind für 6 ixvfiiog gelesen worden, da dies zu axvyovvxeg passt, wie
es 523 heifst vßgiv ev axvyrfiag, — 78 (80) wird statt ü ^elj] Jiog
verbefsert l^dr^ *recta voluntate lovis. Hesychius ü^da, ötxaioavvi].'
Abgesehen von dem Worte selbst erscheint das Hinüberziehen des
Gedankens in die nächste Strophe unstatthaft, um so mehr als der
Gedankengang mit diesem Verse ganz abgebrochen wird. Das wahr-
scheinlichste ist el d-dtj ^£og ev navaXi^d'ag, Ein Object könnte man
leicht hineinbringen , doch steht d'rjöofiev KaXag am Ende des Aga-
memnon auch ohne Object. Der Gedanke, Gott möge alles in Wahr-
heit zum guten wenden, schliefst sich ungezwungen an den vorherge-
gangenen Wunsch an, dafs die Danaidcn den Schutz finden mögen,
der ihnen als schutzflehenden gebührt, so wie ebenso angemefsen das
folgende daran geknüpft wird, dafs die Wege des Zeus unerfursch-
lich und seine Macht grofs sei, so dafs die jetzt mächtigen unvermu-
thet von ihrer Höhe herabgestürzt und der Sieg den schwachen Wei-
bern verliehen werden kann. — 88 (92) wird ediert ßlav ö ovvig
i^aXv^ei xav aitovov datftov/cov, während die Bücher haben ßlav 6
wxiv i^onXC^ei^ was einen angemefseneren Gedanken gibt als die
Hermannsche Emendation, da es hier nicht darauf ankommt, dafs
niemand der Macht des Zeus entrinnen kann, sondern dafs Zeus die
mächtigen unvermuthet von ihrer Höhe herabstürzt, mühelos, wie
alles was von der Gottheit ausgeht, die oben thronend gleich von
ihrem heiligen Sitz aus alles nach ihrer Weisheit ausführt. Der Ein-
wand, dafs es i^OTtXC^cDv heifsen müste, ist unbegründet, da es Ae-
schylos liebt, des gröfsern Nachdrucks wegen in coordinierten Sätzen
das auszudrücken, was sich in eine Periode zusammenfafsen liefse;
hier wäre i^OTcXlimv auch unpassend, da dieser Gedanke selbständig
auftritt und in dem folgenden weiter ausgeführt wird. Es ist also nach
ßQOXOvg ein Kolon zu setzen und dann näv d' anovov zu schreiben,
das ö' ist, wie so sehr häufig vor «, ausgefallen. Auch im folgenden
ist es durchaus nicht zu billigen, dafs statt ^^uvov civ<o (pQOvrifia nag
geändert wird (ivij(iov ava tp. %, H. bemerkt : *quod sequitur in libris
^/ifvov avoo etiam si non repugnaret metro, languidum esset i^^frov,
quum sequatur iögavav atp^ iiyvfav. ' Wir können hier nichts über-
26*
396 G. Hermann : Acschyli Iragocdiae. Tom. 1 et II.
flarsiges finden, es wird gesagt, dafs die Gottheit hoch oben aber den
Menschen thront und ohne erst auf die Erde herabzukommen, gleich
von ihrem Throne alles ausführt. Der metrische Fehler aber liegt
nicht in tnisvov ai/o, was einen iambischen Monomeler gibt^ wie oben
ci(p^ v\j)i7tvQyG}u , und w\e ihn auch die Strophe bietet xal dicevoiavj
indem ot wie in vielen andern ähnlichen Worten kurz gebraucht ist;
auf den iambischen Monometer a(p v^lftnvQytov folgen Cretici, so auch
in der (jegenstrophe iiccivoXiv^ und dieser Crelicus ist in der Strophe
leicht durch Umstellung von g^QOvrjfia nag hergestellt tj,ufi/oi/ äv(o
n(og q)Qovti^i\ was Melriker umgestellt haben, um einen iambischen
Dimeler zu erhalten. In der Gegenstrophe schreibt II. löia^o} d* ii^
vßgt^v ß(}6xH0v^ oTa vedtsc^ Tcv&fii^v — , allein wenn itv^^tiv blofs
Apposition ist, so kann nicht füglich xi&akag (pQEtslv^ h^^i ^^^^
fiszayvovg darauf bezogen werden; man wird also wohl unter Ttv^fifjv
den Sprofs des Aegyptos verstehen und otci schreiben müfseu. Zum
folgenden bemerkt der Scholiast: 01; <pvkkoigy akXary avoia tcji/ itai^
d(ov iavTOv xal didvoiav (imvokiv Ij^wi/, Öksq iavl %iircQov ag>vxTOv.
II. meint, es sei i} didvoiav zu schreiben und der Scholiast habe ge-
schwankt, ob Öidvoiav oder öi" dvoiav das richtige sei. Wir glauben
das nicht. Der Scholiast sagt, der TCvOfiifi; sei tt&ak(6g nicht gwkkoig,
wie man erwarten konnte, sondern t?} dvoia; nun heifst es bei Ae-
schylos ze^akfag övanaQaßovkoiai tpQsaiVy folglich gibt der Scholiast
diese Worte durch dvolcc wieder, da er doch sonst wenigstens övaica-
Qaftiwkotg (pgeotv xat avoicc gesagt hatte; das folgende aal verbindet
TE^akiog^ das vor ov fpvkkoig zu denken ist, und ?x^u. — 98: arav
d^ andzcc iiszayvovg wird erklart: ^culpam suam sero cognoscuni,
fuga nostra decepti.' Das ist unverständlich; wahrscheinlich ist J' zu
streichen und der Sinn dahin zu fafsen, dafs die Söhne des Aegyptos
jetzt wüthen, nachdem sie ihr Unglück durch die Täuschung zu spät
erkannt haben. — 100(104). Härtung bemerkt: * für Af'ywr schrieb
Enger d^ iyco^ und Hermann machte das nach. Weder hätte diese
weile Zurückschiehung der Partikel hier eine Entschuldigung, noch
hat das Pronomen einen Sinn.' Das iyco hat den Sinn, dafs es die
Person der Danaiden hervorhebt, nachdem vorher von dem die Rede
gewesen, was die Sühne des Aegyptos thun; was aber die Stellung^
der Partikel di anlangt, so wäre erst der Grund anzugeben, waroin
sie gerade hier keine Entschuldigung hat. Gerade hier hat diese
Stellung nach dem vierten Worte eine Entschuldigung, weil xotavta
TidOea (likea ^geoiiivct den einfachen Sinn hat so sehr klagend,
und weil, was zu beachten, sich das öi an Ogsoftiva anschliefst, denn
die Stellung nach dem vierten Worte wäre falsch, wenn die Worte
so folgten : zoiavza O^sofceV» Ttd&ece (Atkia d' iyoi. — In der Rede
des Danaos setzt II. 104 (175) statt kaßnv mit Wordsworth und Geel
kaßdv. Dieselbe Emendation halte auch der unterz. gemacht, allein
er ist auf anderem Wege dazu gelangt. Was Danaos sagt, ist oiTen-
har folgendes: ^so wie ihr unter meiner verstundigen Leitung zur See
die Reise glücklich zurückgelegt habt, so habe ich auch jetzt auf dem
G. Hermanu: Aeschyli tragoediae. Tom. I et II. 397
Lande Vorsorge gelragen und ihr mürst, wie damals, so auch jelzt
meinen Rath wohl beherzigen. ' Folglich sind die Worte ^vv 97^0-
vovvTi i}%8TS vavKXrJQG) naxql in Beziehung gesetzt zu den Worten
%(a tarn liqcov vvv ngofi^i&iav Xaßdv^ wie dies auch der Scholiast
bemerkt: xal xanl liqoov: cS^ xa iv ^aXdaarj, Also ist das Punctum
nach nccxgl in ein Komma zu verwandeln und ^vv q>QOvovvxl O' rjaexs
zusetzen. W^eiter sagt Danaos: oq(ü xoviv ^ avavdov ayyeXov axQa-
T0V5 Zvqiyyeg ov (Siymiv aSfivriXaxoi ^ "OjrAoj/ ^' VTtaaTCiaxijga xal
doQv0aaov AevaiSG), liier ist das Asyndeton im zweiten Verse Fehler-
haft, da in den drei Gliedern glcichmafsig das immer nähere Heran-
rücken des Königs bezeichnet wird, indem zuerst sich Staubwolken
erheben, alsdann das Knarren der Rader dem Ohre vernehmlich, end-
lich der Zug selbst dem Auge sichtbar wird. Es ist also zu schreiben
ovQiyysg ov öiyaCt 6^ a^ovrjXaxoi^ das d' vor einem a ist hier um so
leichler vcrnachlafsigt worden, als man an der Stellung der Partikel
Dach dem dritfen Worte Anstofs nahm, die indessen ganz in der Ord-
nung ist, wie wir zu Vs. 100 bemerkt haben. — Den Vs. 213 (223)
oQvi&og OQvig Tcäg av iyvevoi g)ay(iv; hat H. unangetastet gelafsen,
Härtung dagegen fragt, seit wann denn tpayeiv den Genetiv regiere,
und er verbefsert oqviv yccg oQVLg. Diese Willkür ist doch gar zu
grofs, und leider finden sich solche Aenderungen auf jeder Seite.
Statt OQvtdog wäre doch wenigstens OQvi&ag zu setzen, wenn der
Genetiv nicht zu erklar(!n wäre ; von jeder Aenderung aber mufs die
Erwägung abhalten, dafs die Abschreiber an dem Accusaliv sicher
keinen Anstofs genommen hatten und dafs der Vers schon bei Plutarch
so angefahrt ist, wie ihn unsere Bücher haben. — 218 (228) schei-
nen die Worte iv xafiovöiv überflüfsig, da xaxei vorhergeht, und
aufserdcm an unpassender Stelle, vielleicht ist also Zevg äXXog ovv
Tiafiovaiv zu setzen. — 272 (282): Mibri elvai, Quum libri veleres
in praecedente versu axovaDv habeant, scripsi olfiat^ quod etiam Bur-
gcsius coniccit. Alioqui aliquid intercidisse putandum esset.' Dafs
olfiai hier stehen könne, glauben wir nicht, axovco konnte, da ein v
folgt, leicht in axovcov übergehen, und dieses axovco scheint hier in
der Bedeutung von beistimmen gebraucht zu sein. Anch 274 kann
xaixciv für xal xag ^revocat se et quasi interpellat rex' wohl kaum
gerechtfertigt erscheinen. — 402 (412): *vulgo inde a Tnrnebo in-
eptissime legebatur , repetita v. 392 sententia, ftcji/ 01; öoxet öeiv (pQOv-
ridog acoxtiQlov; Contrarium dici debebat, fioi)i/ aot. doxei^ ut dicta sua
rex confirmaret: h. e. inlelligisne nunCj opus esse accuraia deltbe-
ratiotie?' Einfacher wäre ficov ovv öoxetg^ allein dies, so wie das
von H. gesetzte (lav aoi ^oxer würde bedeuten ^glaubst du etwa?' Es
ist nichts zu änderu , höchstens wäre doxetg zu setzen. — 426 (438).
TrefBich ist die Emendatiou xal ddfiacfiv (ilv iQyniaxmv noQ&ovfiivoDv^
wofür früher xal igrifiaaiv ^ilv ix iofimv gelesen wurde , so wie die
Umstellung der beiden folgenden Verse ; nur scheint uns die Emen-
dalion artig ye fisl^o) xaivbv i(i7tX^at yofiov für xal ftiy' iiinXriaag
yofiov nicht nöthig, da xal \Liy ifiTtX^aai yofiov einen guten Siuu
808 G. Ilerinann: AescbyU tragoediae. Tom. 1 et 11.
gibt: dem Hause entsteht neuer Reichtlium, noch gröfser als der ver-
lorene, so dafs er das Haus wie ein SchilT mit Ladung füllt. Der Ue-
bergang zu der Metapher ist ganz ebenso wie in der ähnlichen Stelle
Agam. 973. Ebenso IrelTlich ist 431 vcrbefserl ^ij akystu S d^fiov
TiccQia KLvricijQi'Ct slalt alyeiva Ovfiov x. x. ; doch wird es statt xtvif-
TtiQia wohl heifsen niüfsen MutjTyQt' riv. Nicht so glücklieh war H.
mit der Verbefserung von Vs. 434 (447) r] ^uqxcc veUovg rot>d' iyoi
TCctQoi'KpyLxn, Dieser Vers ist olTenbar fehlerhaft, denn TCagolxofiai
kann nicht mit dem Genetiv verbunden werden, ebenso fällt das t;
xa^ra auf und auch der Sinn der Worte verstöfst gegen die Gedaii-
kenfolge. Darum hat H. den Vers nach 436 (449) gestellt und dem
Chor zugetheilt, indem er verbefsert tj xdgz^ ccvotKiog rovö^ iyta na-
Qolxo^ai^ so dafs die Chorführerin sich mit diesen Worten au ihre
Schwestern wende und mit den folgenden noXiciu axrovaou vi^fiax*
aldoLiüv koyav an den König. Dus ist ganz unwahrscheinlich; aucb
wäre in der Hede des Königs das folgende OfAco 6^ älÖQig (idXkov ij
Oo<pbg xaxav elvat ohne alle Verniilllung an den vorhergehenden Ge-
danken angeknüpft. Diese Worte erklärt der Scholiast unrichtig durch
(jidvrig anoßaltiv (pavkog. Der König ist äiÖQig xaxüov insofern, als
er nicht weifs, ob die Abweisung der Schutzllehenden Unglück im
Gefolge haben wird, ao(p6g yMK<av dagegen, als der Krieg sicher be-
vorsteht, wenn er sie schützt. Erwägt man dies und den vorherge-
henden Gedankeu, wie den Schlufs yivoito (5' ev nctQu yvd^iijv ifiilivj
so kann es nicht zweifelhaft sein, dafs ein Gedanke erforderlich ist,
wie ihn folgende Emendation gibt: i] yaQ xi vsUovg zovd' iya ov Tta-
QOLXOfiat, Statt 7j ydq zi zu lesen i) KUQza lag um so näher, als der
zweitvorhergehende Vers mit öet vMQxa anfängt. Der König hatte
gesagt, man müfse Opferthiere schlachten Ttt^^ovi}; axtj ^ und knöpft
daran die Besorgnis, es werde wohl in keinem Falle ohne Unglück
abgehen, allein er wolle lieber dem oITenbaren Unglück ausweicheo
und ein mögliches abwarten; angcmefsen ergibt sich der Schlufs, es
m(>ge die Sache ein befseres Ende nehmen, als er erwarte. — 482
(493) qyvka^ai. fii] {>Q<iaog zixri (poßov. ^Scholiastes jiti) {^ago^aag
^lovog UTteX'&uv (poßii&(o vno zivog. Qui si hacc reclius explicassct,
uon venissel quibusdam in menlem (povov scribere, quod acriter tuetur
Marckscheffelius p. 213. Nam ista scriptura Argivi ut proni ad cae-
dem notarentur. Hoc dicit Danaus: tidc »e, si so/us per urbem eam^
hominis pereyrini ipsoque cutis cohre stitporem facientis avdacia
nieium civibus inculiat^ concursusque /tat et puhatio^ in qua facife
accidere polest^ ut qnis eum qui minime hostis est occidat.* Die
Vermulhung tpovov ist unrichtig, weil Danaos zunächst nur Mishand-
hingen fürchtet, die allerdings möglicherweise bis zum Morde führen
können, wie ja schon mancher einen Freund aus Unkunde getödtet
hat. Aber die Hermannsche Erklärung von tpoßov genügt auch nicht,
da die Argiver als furchtsam bezeichnet würden, wenn die Erschei-
nung des Danaos sie in die Flucht jagen soll, und dann ist von der
l'iircht der Argiver bis zu einem Auflauf und daraus folgenden Morde
G. Hermann: Aeschyli tragoediae. Tom. I et IL 809
uoch ein so grofser Sprung, dafs man dies unmöglich aus dem Kopfe
ergänzen kann. &Q€eaog und q>6ßog sind Gegensätze und die Worte firf
&Qd(Sog ziny (poßov enthalten wahrscheinlich einen auf einem Sprich-
worte beruhendeu Gedanken. Danaos will sagen, seine zu grofse
Kühnheit könne sich leicht in Furcht verwandeln, und Furcht kann er
nur haben, wenn ihm die Argiver etwas zu Leide thun wollen, wie
man sagt nXavCei ^du wirst Schlage bekommen.' Folglich ist der
Sinn der Worte: ^dafs ich meine Kühnheit nicht bereue.' — 511
(522) wird Lobecks Emendalion nel&ov xi xal yivet> am älevöov av-
dQmf vßQiv geistreich genannt und doch ze xal yeviad'co beibehalten,
was sich in keiner Weise rechtfertigen läfst. — Zu 515 hcifst es :
* libri TO TtQog yvvaiTicov. Patet hoc non solum propter yivog yvvaixog
ferri non posse, sed eliam propterca quod luppiter, qui pariter ut lo
generis earum auclor est, excluderetur. Quare in ro nqog yevciq%äv
mulavi.' Allein diese Bestimmung ist hier ganz nutzlos. Dafs yvvai-
xcov richtig ist, scheint uns unzweifelhaft, denn dieses bildet den hier
erforderlichen Gegensatz zu avÖQoav vßQiv. Die Söhne des Aegyptos
stammen ebenso gut von der lo ab wie die Töchter des Danaos;
allein wegen ihrer vßQtg soll er jene vernichten und sich den verfolg-
ten Weibern geneigt erweisen, wie er früher die gleichfalls verfolgte
lo geschützt habe. OiTeiibar stehen auch yvvcciKtav und q>iXiag TtQO-
yovov yvvaixog in Beziehung zueinander. Woraus die Worte to ngog
verderbt sind, wifscn wir nicht zu sagen; passend wäre to ö av yv-
vatKciv. — Zu 520 heifst es: *quod libri habent, ölag to*, non erat
mulandum. Sensus est, evxofie^a yivog slvai. ano crjaöe diag y%, avoi-
xot avzrjg.^ Die Aenderung dt ag ist nothwendig, um einen Gedanken-
sprung zu vermeiden, und weil der Satz in Bezug auf die lo gesagt
ist, deren Irren daran geknüpft werden. — 579 (590) wird V7t ccqx^S
6^ ov rivog d^oa^cov ediert und die von mehreren angenommene Be-
deutung von ^oa^stv sitzen verworfen; Zeus werde ^ad nullius
Imperium properans' genannt, ^properare enim debet, qui imperia
potentioris exsequitur.' Im folgenden werden die früheren Verbefse-
rungen zu Soph. Oed. T. p. 12 zurückgenommen und nur XQavvvsiv
statt xQaxvvsi beibehalten, ohne indessen zu bemerken, dafs die Les-
art TiQaxvvHv blofse Conjectur ist. Zur Erklärung wird bemerkt:
* quoniam autem ipse talis est Inppiter, gaudct etiam facere ut debi-
lior potcnliorem vincat, neque alio superiorem locnm tenente infra sil
positus. Ut ipsa verba reddam, hoc dicil, sub nullius imperio pro-
per ans j probat dehüiorem fortioris compotiri infra ^ nullo superius
sedenleJ* Dagegen ist zu erinnern , dafs es kein folgerichtiger , über-
haupt kein richtiger Gedanke ist, dafs Zeus, wie er selbst niemanden
über sich hat, es auch liebe, dafs der schwächere den mächtigen be-
siege und niemanden über sich habe; dann ist die Wortstellung ver-
worren und besonders das xarco an dieser Stelle ganz unverstandlich.
Dieses clßu xaTco so wie die Worte ov xivog ccvod^ev rniivov sind
der Art, dafs man sie nur von Zeus verstehen kann. Es scheint, dafs
ich Aeschylos hier wie einigemal Wiederholungen desselben Gedan-
400 G. Hermann : Aeschyli tragoediae. Tom. I et 11.
kons erlaubt habe, und dafs zu verbinden sei in ciQxa^ d^ ovuvog
^od^wv ovTLvog av(a\^ev yfiivov aißei xaro), der da^wischenstehcnde
Vers aber x6 7iQaxvv£i.v fieiov KQBtöCovov als Erklärung zum vorher-
gehenden hinzugefügt sei. — 007 (618) >vird tJKovaev in k'Xvaev und
im folgenden Verse Zsvg ö^ ininQavev tikog in Zevg de xgcivetiv xiXog
geändert. Das sind verunglückte Eniendationen, denn die Erwäh-
nung, dafs die Versammlung aufgelöst wurde, ist hier ungehörig, da
OS dem Danaos nur darauf ankommt, den Beschlufs der Argiver seinen
Töchtern mitzutheilen. TrelTlich dagegen wird 026. 27 (636. 37) ver-
Lefsert övCnoXifitpiov öaztg du öofiog axrj atp* in 6q6<p(ov iccvouva für
övaTtokiiiijvov 6v ovvig dv öofiog ijpi in oQogxov fiiccivomoij wenig-
stens was das iavovia betrilft, denn die Einschiebuug von ag>^ iai
nicht wahrscheinlich, und auch sonst ist Wellauers Vorschlag ao-
uehnibarer övOTtoXifiijxov ^ '6p xlg dv do^og exot, nur dafs slalt t%oi mit
Uarlung eXotx^ zu setzen ist. Im vorhergehenden Verse ediert H. diov
ditidofisvoi nQaKiOQa ndvCnoKOv^ allein da die Bücher Tr^crxropa xe
axonov haben, so ist n^d^xo^ dxe ononov zu schreiben, wodurch
das folgende in o^ogxov iavoirca vermittelt wird, indem die Vergel-
tung gleichsam der Wächter ist, der auf dem Hause seine Nachtwache
hält. Aus dem Scholiaslen: diog öxonov^ xov Jiog 0(p&aXfi6v toi/
ndvxct a7ionovin:a folgt nichts für ndvanonov y im (jcgcntheil hat die-
ser axonov gelesen, indem er öiov axonov erklärt ^Log axoTtov und
darunter das Auge des Zeus versteht, das dvanoXifirixou genannt wird,
weil ndvxa axonovvxcc. Mit Unrecht hat daher auch Härtung aus dem
Scholiaslen ^log aufgenommen; diog heifst nicht blofs von Zeus ge-
zeugt, wie die kurz vorher genannten {^eol Jioysveig zeigen, die
Härtung hier hat stehen lafsen, während er sie aus den Septem aus-
gewiesen hat. Dann hätte es auch Zi]v6g hcifsen müfsen, denn wenn
auch Härtung an die (jenauigkeit der liesponsion nicht glaubt, so hal
doch hier der Dichter eine iieihe von Versen gesetzt, die in der Form
ganz übereinstimmen, so dafs es überhaupt fraglich ist, ob diese
Verse nicht choriambisch zu mefsen sind. — 042 — 44 (653 55)
war die Vulgata xai yioctqoiaL nQeoßvxodoxot yefiovxiou &v}iiXuij yjl«-
yoinav y>\ ag noXig ev vifioixo. Das ^' dtg ist eine Emendation von
Turnebus, die Bücher haben tcöj; oder twj, welches letztere U. auf-
nimmt. Aufserdem halt er (pXiyovxtov für einen Schreibfehler statt
q)Xe6vxcov^ wovon ytfiovxcov eine blofse Erklärung sei, die ein anderes
Wort verdrängt habe, das wahrscheinlich ngoßovXoig gewesen sei, da
yeQaQoröi ein Substantivum erfordere. Zu 646 wird bemerkt: *Scho-
liastes, stulte quidem ac/ioiiov participium esse ratus, adscripsit tcov
yB^vxav aeßovxcav xov /ila xov ^iviov vnsgxdxtag, * Dieses Urthoil
ist zu vorsohnell. Die Worte des Dichters Zt)va tiiyav ac/S^üi/rov schei-
nen so klar, dafs jene Erklärung des Scholiasten uns vielmehr lu
näherer Prüfung auffordern mufs, was den Scholiasten zu derselben
veranlafste. Nun sagt er x<av yeQOvxav atßovxav, während doch ye*
ifüvx(ov nirgends steht. Wir werden also, da der Sclioliast doch nichl
ganz sinnlos erklären kann, annehmen müfsen, dafs er y€{f6vx(ov vor-»
G. Hermann: Aeschyli tragoediae. Tom. I et II. 401
gefandcn and eben deshalb, yveW yBQovrtov da stand, aeßovrmv dar-
auf bezogen habe. Diese Annahme verbreitet Licht über die ganze
Stelle. Denn ysQOvrmv hat er jedenfalls statt ysfiovrcov gelesen, wo-
durch wir dieses los werden und zugleich den nöthigen Genetiv zu.
g)ke6vz€ov erhalten; so dafs nun auch ysQagoiai nicht richtig sein kann,
was ohnedies fehlerhaft sein mufs, weil der Dativ unstatthaft ist und
ein Substantiv dazu fehlt. Das richtige Verständnis dieser Stelle
verdanken wir Härtung, welcher erkannt hat, dafs ^v^iXai die für
Volksvertreter bestimmten Heiligthümer sind, und der die Stelle so
ediert: xal yeQagol dh nQECßvxodoKOt yeQovtoav ^vfiiXai. (pksovravj
10$ nohg ev vi^oito. Es wird wohl zu schreiben sein ai ysQaqal di
xtA., und dann ist aeßoirccov mit dem Scholiaslen für das Particip zu
nehmen, da ein selbständiger Satz hier den Zusammenhang stören
>vurde und der Chor nicht nur sagen will, dafs es den Versammlun-
gen nicht an Greisen fehle, sondern dafs solche Männer darin sitzen
wie die jetzigen, welche, damit es der Stadt wohl gehe, vor dem
gastlichen Zeus Ehrfurcht haben. Den folgenden Vers gibt H. nach
der Vulgala rov ^iviov <J' {migrarov, colanl lovem^ praecipue autem
Iof>emhospitalem^ und vertheidigt die Kürze am Ende damit, dafs ein
anderer Rhythmus folge. Härtung schreibt tov ^iviov r' VTtiqxaxov x*
(aus Versehen statt O ), was wegen des vorhergehenden Zriva fiiyav
nicht angeht. — 648 ediert H. xlxxead^at de g)6Q0vg yag akkovg evxo-
fie^^ ael^ was ^nc inutile sit älXovg^ sie est inlclligendum, ut neque
agros steriles fieri , neque arbores exarescere oplet.' Wie käme man
zu einer solchen Auffafsung? Das richtige ist d' itpoqovgy die alle Les-
art, die auch der Scholiast anerkennt, indem er ßaadetg erklart. Der
Chor wünscht, dafs so weise Berather, wie die jetzigen, auch künftig
dem Staate geboren werden, und dafs Artemis die Geburten beschütze.
— Wie seltsame Fehler noch im Aeschylos stehen geblieben sind,
zeigt auch Vs. 632 (643), wo der Chor, zum Dank für den Schutz
den er gefunden, Segenswünsche für die Stadt aussprechen will: xot-
yag VTioaxCav i% axondxcov Ttoxdad^co g)tk6xtiiog tv%ci. Das auffallende
vTtoaxlGiv erklärt Stanley: ^eo quod ori suo praetendebant olivae
ramos. lla supra v. 359 xkdöoiat veoÖQOTtoig yMxdaxiov — o^ikov,*
In der angezogenen Stelle werden die Götter, zu deren Allären sich
die Danaiden geflüchtet hatten, xkdöoig xaxdaKiog o^dog genannt,
weil sie mit den Zweigen der Schutzflehenden bedeckt waren, aber
ihren eigenen Mund werden sich die Danaiden doch mit diesen Zwei-
gen nicht bedeckt haben, da sie ja sonst nicht singen könnten, und
selbst wenn dies möglich wäre, wozu sollte hier diese Erwähnung?
Gleichwohl hat man sich bei dieser Erklärung beruhigt und nur Här-
tung, wie wir sehen, hat daran Anstofs genommen, der aber, wie
gewöhnlich, sehr gewaltsame Aenderungen vornimmt: xotyag in
ivasßmv vvv axofidxwv — . Es war zu verbefsern £xov<sl(ov ix axofid-
x(Qv. — Ein gleichfalls sehr arger Fehler ist bisher unbemerkt ge-
blieben 742 (752), wo Danaos seine Töchter über die Ankunft der
Söhne des Aegyptos zu trösten sucht : das Landen an einer hafenlosen
402 G. Hermann: Acschyli tragoediae. Tom. I et 11.
Küste sei nicht leicht, das Schiff müfse mit Tauen befestigt, es mufseri
Anker aiiss^eworfcn werden, und ehe das nicht geschehen, sei an ein
AusschiiTen der xMannschaft nicht zu denken: ovzco yivoiv' av ovö^ au
.ixßaaig axQazov KaXi^^ TtQiv oq^g) vavv ^QaavvO^vat, Das doppelle
av licrsc sich entschuldigen, ganz falsch ist aber der Gedanke. Denn
der Sinn wäre, daTs auch nicht einmal au das Aussteigen der Nann>
Schaft gedacht werden könne, bevor das Schiff befestigt sei. Aber
an was sollte denn noch weniger zu denken sein? Das Landen der
Mannschaft ist es ja eben, worauf es hier ankommt. Es ist zu ver-
befsern ovico yivoiv' av ovöcifi^ Sjißaöig öxQavov xakilj.
Der folgende Chorgesang ist uns in sehr schlechtem Zustande
erhalten. Die Handschrift, aus welcher unser Mediceus geflofsen ist,
war Iheils an anderen Stellen des Stückes, theils vorzüglich hier
sehr stark beschädigt, so dafs einzelne Buchstaben gar nicht mehr zu
erkennen , andere so unleserlich waren , dafs der Abschreiber man-
ches erratlien muste, wodurch denn natürlich vieles falsche sich ein-
geschlichen hat. Zum Unglück helfen uns auch die Schollen nicht aus,
von denen die meisten erst nach der geschehenen Verderbnis des
Textes abgcfafst sind. Die neuere Kritik hat hier wenig geleistet:
erst Hermann ist es gelungen, einiges Licht über diese Stelle zu ver-
breiten, der besonders dadurch, dafs er die antistrophische Respon-
sion entdeckt hat^ woraus wieder die Verlheilung der einzelnen Verse
unter den fhor und den Herold sich ergab, die Kritik zuerst in eine
sichere Bahn geleitet hat. Alles herzustellen ist H. freilich nicht ge-
lungen, einige Nachträge wollen wir hier liefern, das andere wird
sich, eine Stelle ausgenommen, wo die Lücke zu grofs ist, sicher
noch befriedigend ermitteln lafsen. — Nachdem sich Danaos entfernt,
wünscht der allein zurückbleibende, von der höchsten Angst erfüllte
Chor, er könnte irgend wie entrinnen. Von T.'iO (760) ab hoifst es,
ziemlich nach den Hss. : fiilag ysvoifiav xaiivog Nicpeaai ysttovmv
^log^ To Tcäv d' aq)avxog^A}i7teTriaaig öoaag Kovig aveg&e 7tv6(fvyap
okolfiav. Diese Stelle hat 11. in folgender Weise hergestellt:
fiilag ysvoi^av xaitvog
vi(peaai yeirovav /Icog^
TO Ttav 0 aq)dvz(og a^TCSTfjg slg aog^ tag
xov^g, axegOs TtxsQvyav okat^av.
Wenn auch die angebrachten Vcrbefserungen richtig wären, so
könnte damit die Stelle noch nicht als hergestellt gelten. Denn erst-
lich ist das äxeg&e nxEQvytov sehr auffallend , da von einem flügello-
sen Staube Aeschylos sicher nicht gesprochen, darum auch H. nach
aovig interpungiert hat; allein der Stellung nach kann es nur zu xovtg
oder zu oloL^iav gehören, und flügellos unterzugehen wünscht der
Chor hier wohl nicht. Zweitens hat der Dichter hier einen fehler-
haften Vergleich gewählt, da der Staub nicht untergeht, sondern nur
den Ort wechselt, und endlich können die Danaiden hier überhaupt
nicht wünschen unterzugehen, sondern zu entrinnen. Daher scheint
uns so viel sicher, dafs okalfiav in alaiiav abzuändern ist, wodurch
G. Hermann : Aeschyli tragoediae. Tom. I et IL 403
die angegebenen Bedenken beseitigt werden. Die Aenderung H.s sig^
aog mg schliefst sich zwar sehr genau an die handschriftliche Lesart
an, doch erregt das Wort aog Bedenken. H. sagt: MIesychius äog^
Tcvevfia rj tafia. Videtur rj ccTjficc scripsisse. Grammatici quidem,
Etym. N. p. 248, 3 regulae prosodicae a me editae p. 443. Draco p.
34, 22 ä in neutris bisyllabis breve esse diclitant, sed, ut dictum sit
aog, non dubitandum puto quin fucrit ctiam aog usurpalum, pariter ut
iioQ et aoQ dixerunt poctae. ' Mit aoQ läfst sich das Wort nicht ver-
gleichen, da man sich hier durch die dreisilbigen Formen an die Länge
des a gewöhnt hatte und sie dann auch bei der zweisilbigen anwandle.
Man könnte daher xorr' at&eQ^ ag vermuthen, wenn dies nicht zu sehr
von der handschrifllichen Lesart abwiche und aufserdem es wahr-
scheinlich wäre, dafs ein Epitheton zu xovig herzustellen sei. Wir
schlagen vor a^iteTijg äekXag (og xovig. Bei Homer F 13 heifst es tcoi;
xfjto 710(561 Y,ovl6(SaXog cö^vvt' aEXkr^g, Dies wird zwar jetzt nicht,
wie früher, mit dem Schol. A durch aBllcodtig erklärt, doch sagt
Döderlein in seinem Glossarium II S. 32: ^wollte man der Glosse
aeXkimf axQifpcDv Ues. trauen, so könnte asXXi^g auch den aufwirbeln-
den (axQS^Ofisvov) Staub darstellen.' Dies würde hier sehr treffend
sein. Der Chor wünscht wie Rauch sich zu den Wolken zu erheben,
oder wie aufwirbelnder Staub ausgebreitet zu schweben. Doch wäre
asXXag auch in der bekannten Bedeutung ^ sich schnell bewegend' hier
ganz passend. Demnach würde unsere Stelle etwa so lauten: fiiXag
ysvolfxai* ytaitvog Ni<peaai yeirovmv Jiog Tb nav acpavxog' ^"H dfiTts-
Tt^g aeXXag dg Kovtg axBQd'B nxsQvycov aXci^av. — 761. 62 (773.
74) sagt der Chor: noOev öi fioi yivoix^ av ai^iqog d-QOvog^ Ugog ov
viq>rj d' vÖQi}Xa ylyvsxai xioiv^ wo das d' vor vÖQijXd otTenbar von
einem Metriker zur Vermeidung des Hiatus eingeschoben ist. Hier
wird H. etwas ausführlicher: ^illud vicpi] d' vÖQTjXd quum Porsonus
in praefatione Hecubao p. IX probasset, in ßne supplementi, ne se
errasse confiteretur, in alios graviores errores incidit, ut fit, quum
quis sibi polius consulcndum existimat. ' Porson hatte nemlich eine
Umstellung der Worte vorgeschlagen nQog ov jimv vÖQYjXa ylyvexai
vi(pr\^ was IL mit Recht tadelt wegen des ^ rhtttoricum vitium, si xkov
eo loco poneretur, ubi collocatum opponi nives imbri aut ncscio
cui alii rei signiiicareL' H. selbst hat Dindorfs Emcndation ^vcptXX^
vöqi]Xa aufgenommen: ^recipiendum duxi %vq>iXXa^ licet, quod sciam,
ex Alcxandrinis tantum poetis Callimacho et Lycophronc allatum.'
Eben dies muste von der Aufnahme dieses W^ortes abhalten. Es wird
wohl vefpcav vÖQtjXd zu verbefsern sein. So hat H. Vs. 735 richtig
hergestellt netCfidxcav öcoxi^Qca ig yfjv ivByKBtv^ was auch der Scho-
liast gelesen hat, wenn er erklärt dvxl xov nBiO^axa aaytriqia^ und H.
vergleicht passend Eur. Tro. 810 vavdnr' avrJi/;aro nqv^ivav, — Sehr
schön sind in der zweiten Gegenstraphe besonders die beiden letzten
Verse hergestellt : ^* xLif a^qyvydv ix rj Tto - qov tixfim yd(iov Xv-
xrJQa; wofür in den Büchern steht xlv* d(i(p^ avxag hi noQOv xifivci)
ydfjiov Kai Xvxtiqta^ dagegen ist die Conslituierung des dritten 3tro-
404 G. Hermann: Aeschyli tragoediae. Tom. I et II.
phenpaares noch nicht hcfriedigend. Das vierte Strophenpaar singen
die Danaiden, als der Herold erscheint. In der Strophe sind von ein-
zelnen Versen nur einz^clne Buchstaben übrig geblieben, wie tog), ofi
uvOt KaKKag vo ömav ßoau aiig^aivco. Viele haben dies auf das Wort
des Scholiasten für griechische Wörter gehalten. II. hat sehr inge-
niös Strophe und Gegeustrophe hergestellt:
»/ w
aro. S^. ccvz. f.
o 0^ cc a^ ooft), OQCO'
o Öe ^ttOTtng o i^aLog ydiog. rdde q>Qoifu ifiav ßiaiuiv novtov.
z(ov 7TQ0 av^ uuQTtTL. xfttiroiff. ßutvB (fvya TtQug akrMV.
0(St.6(pQ0vc( kvatv Tiaßßccalag olco- ßkoövQOcpQO^'t xU8ä dv(Sg)OQa vut
Tay-
Xvlci ßoa^a (palvo), ycc'i\ Sva^, nQOxdaaov,
Die beiden ersten Verse sind wohl nicht richtig emendiert. Die Bü-
cher haben oöe ^d^Ttig vdirvg ycttog, so dafs der dochmische Dinieter,
der hier passend und auch in den folgenden Versen gebraucht ist,
offen daliegt 6 ^donrig öde vdcog ycaog^ wenn man es nicht etwa für
nölhig hüll zu setzen ö ficiQTtrcg oö" b vdiog yacog^ denn der Sinn ist:
der Häscher, da ist er, von der See auf dem Lande. Das wird auch
durch die Gegenstrophe bestätigt, in der H. eine Umstellung der
Worte hat vornehmen müfsen. In den Büchern steht o^co tdös q'Qolfiia
nQci^av novcov ßcmcov i^iov. H. wirft TTQcc^av heraus, er bemerkt:
^non est credibile in tanto metu et terrore Aeschyhim illud Ttgd^av
posuisse, sed videtur interpres anQa^av adscripsisse.' Das ist sehr
richtig: da das Verbum fohlte, hat es ein Abschreiber ergänzt, wahr-
schrinlich derselbe, von welchem das Scholion stammt ovxivma^cc
Tou TTaxQog ayiotaadct , aXk «uraTT/^g yevn^jiivij ßo(a ^ welches zu 6q(o
Td(h gesetzt ist, im Mediceus aber zu ßodv ctiicpctlvai. Er hat also
gelesen ßoitv d^cpalvo) oqojv ictde und geglaubt, oqiov könne auch im
Biugular wie im Plural von Frauen gesagt werden. Nun fehlte zu
g}ooL^iLct TTouow cin Verbum, das er durch tTTQcc^av ergänzte. Die Les-
art OQ(ov rdde ist aber die ältere, wir dürfen das v nur an die rechte
Stelle setzen, so erhalten wir einen passenden Sinn und eine genaue
Entsprechung des Rhythmus, nemlich 6^c3 xdö^ ijv Tcc (pQoifiia Ttovav
ßiaitüv ifim». — Die folgenden Worte des Herolds aova&e^ aovad'*
im ßagiv orccog Jtoöav bilden die fünfte Strophe, das folgende deo
usacpöog, hierauf die Gegenslrophe, die H. so schreibt: aovtfO-f, aovad^
oloai fiiy* ht duaXa^ denn so ist statt dfidöa oder d^iöa zu schrei-
ben nach Hesychius: duaka^ z!iv vavv^ dno rov dfiav t})v ceka, AI-
Cxvkog IlgtOTH aarvQiKfp. Uns scheinen die Worte nokvalfKov q>6viog
dnoKond agaiog im Munde des Chors nicht passend, vielleicht ist
also das Ganze von 816 — 822 (VV.) als fieatpöog dem Herold zuznthei-
len, und so hat auch der Scholiast die Stelle gefafsl, der zu ovxovv
bemerkt: iöltag tovto, dvzl zov ei de (it]. Die sechste Strophe bcginni
mit den Worten des Chors, die bisher dem Herold zugetheilt waren
823 — 828 (W.). Die beiden letzten Zeilen lauten ttJftovsg ag iitifuda
G. Hermann : Aeschyli tragoediae. Tom. I et IL 405
riövdovnia ramra, was, wie H. erkannt hat, bedeutet atfiov* ftsciyg ai
y* 1% a^aXa ijöei öovniav tanl ya, wo statt ai y' vielleicht di C^
vorzuziehen ist und öovniav nicht befriedigt. Dafs die beiden folgen^
den Verse der Herold spricht, geht ganz bestimmt aus der Gegen-
strophe hervor, in welcher die beiden letzten Verse des Chors, die
deu eben angeführten entsprechen, so lauten: ayeiog iya ßu^vxatog
Ba&Qelag ßce^Qelag, yiqov^ wofür H. ediert ynog ixca ßa^vxaiog Ba-
^Qelag ßa&Qelag^ yiqov. Er nimmt ßcc^qdag in der Bedeutung von
ßd&Qa. die Stufen, auf denen die Götterbilder standen und wo sich
die Danaiden zum Schutz niedergelafsen hatten, und bemerkt über
yeiog: ^Stephanus Byzantius yij ano rov yicc KQa&iw itp* ov to yi-
yeiog Kzijtixov nXeovaCfitp rov ys. Antiquum xri/nxoi/ necesse est
yetog fuorit, possessorem terrae et in ea natum significans, diversumque
a yaiog^ quod opposilum est marino, ut supra v. 794 6 vdiog yd'tog,
Debent autem hae virgines causam memorare, cur iure suo istos
gradus teneant: itaque dicunt y££b^ ßa&v%cciog ixco ßcc^gelag^ ut in-
digenae ab antiquissima nobilitate generis hunc locum sibi vindican-
tes.^ Die Folgerung von yiyeiog auf yeiog ist doch zu schnell, und
dann wäre weder yBiog noch yiysiog in dem angegebenen Sinne hier
verständlich. Die I.esart dyBiog ist weiter nichts als äyiog und das
hat auch der Scholiast gelesen, iya rj ßa^x^''^9 ccva^ioc zavvtig v^g
ßa^Qelag^ a> yiqov^ indem er unter ßa^qda das Hinabgehen zum
Schiffe verstand. Es ist also zu lesen ayvci ix<^ ßa&vxdtog. Sehr gut
bemerkt H. , dafs in den folgenden Worten av öh vor, vat ßdarj rdxcc
^ikeog ä&ikeog das Wort vat mit höhnischer Beziehung auf das dop-
pelte ßad-Qelag wiederholt sei, und das ist ein ganz sicherer Finger-
zeig, dafs hier der Herold spricht. Es sind offenbar drei Dochmien,
daher H. av 6" iv raf richtig verbefsert hat. Die diesen entsprechen-
den Verse der Strophe sind also auch dem Herold zuzutheilen: xeXevoi
ßia fie&i(S&ai T^a^, (pqivl x^ arav, wofür H. setzt xelevfo ßla fie&i-
ad'al c tx'^q^ q>QSvbg afpQOvd x ayav. Er verbreitet sich in einer
längeren Anmerkung über tx^Qj aber wir irren sicher nicht, wenn wir
dieses Wort den vielen anderen monstris beizahlen, die uns die Hi-
ketiden bieten. Der Scholiast hat es freilich gelesen und erklart es
durch int&viilavj allein der Scholiast hält auch l6(p für ein griechi-
sches Wort, und unmittelbar vorher erklärt er amra für eine Syn-
kope statt aniovxa; man sieht, er ist um eine Erklärung nicht ver-
legen. Schon dafs fie&ia&ai mit dem Accusativ verbunden ist, muste
Bedenken erregen; da nun aber ferner vor und nach diesem ixaQ
Buchstaben ausgefallen sind, wie die Gegenstrophe zeigt, so liegt
nichts naher als die Annahme, dafs i von t£ oder einem andern Worte
übrig geblieben und x^9 ^^r Anfang eines andern Wortes ist, oder
dafs es hiefs xskevco ßlag fis^iad^ac tpvynv d' a%a^t (pQ6<slv ayav, wie-
wohl wir nicht glauben, dafs dies das richtige sei. Es bleiben nun
noch drei Verse in diesem Strophenpaare übrig, die H. dem Chore
Eutheilt und so schreibt:
406 G. Hermann: Aeschyli tragoodiae. Tom. I et II.
lov^ lovj ^ ßlccj ßla.
Xeig>* eÖQava^ x/* ig öoqVj q>Qovöa noXia ßui>£ ^oij
auszog ava nohv a(S6ß(av. ngonaKa nad- olofisvs Jtakafiatg,
Dafs dies unrichtig sei, läfst sich überzeugend darlhun. Es würde
nenilich bei dieser Yertbeilung der Strophe unter den Chor, den Herold,
den Chor, in der Gegenstropho wieder der Chor beginnen und somit
die Symmetrie, die sonst streng beobachtet ist, gestört werden, und
aufserdem wäre es doch sehr auffallend, dafs der Chor sich an dea
Herold wendet, ohne von diesem dazu veranlafst zu sein. Dazu kommt
ein ganz entscheidender Grund, der in den Worten des Dichters selbst
liegt. Die nächste Strophe nemlich beginnt der Chor mit den Worten
€l yciQ övöTcakdficog okoio^ was nicht nur voraussetzen läfst, dafs
unmittelbar vorher der Herold gesprochen hat, sondern auch in dem
6v(S7taXdii(og eine ganz bestimmte Beziehung auf das vorausgegangene
oXofievat naXdiiaig enthält, wofür auch die handschriftliche Lesart
okofievai spricht, die H. in oko^ieve geändert hat. Dies spricht also
ofTcnbar der Herold, folglich auch die entsprechenden strophischen
Verse, wogegen freilich das evaeßiav zu streiten scheint, das H. in
aaeßciv ändert, wofür aber evasßicov zu setzen ist, wodurch eine
genaue Entsprechung des Rhythmus oXoiis- vai naXdfiatg erreicht
wird. Es ergibt sich also folgende Verthcilung der Personen in die-
sem Slrophenpaare. 823 — 828 singt der Chor als Antwort auf die Auf-
forderung des Herolds, sich auf das SohitT zu begeben; hierauf wieder
der Herold 829. 30, der zugleich nach den Mädchen hascht, die sich mit
dem Schrei tov, lov nach dem Altar zurückziehen, worauf der Herold
von der Verfolgung abläfst und sie zu überzeugen sucht, indem er
sagt Xsiip eÖQccva^ xl ig öoqvj uxUxog ava noXiv evosßtavj sie sol-
len die Sitze verlafsen und ins SchilT kommen, da sie der frommen'
Bräuche in der Stadt untheilhaflig sind. Darauf antwortet der Chor
in der Gegenstrophe 834^—839, er werde nicht zurückkehren und er
sei keineswegs dvlerog sva^ßnav^ denn ayvd i'jrw ßa^v^ciLog ßa^Qelag.
Der Herold erneuert nun 840 — 843 seinen Angriff, und der Chor ruft
aus ßUt noXXd^ wofür man auch, da in den Büchern steht ßLa ßLa te
TtoXXa^ ßia zweimal setzen und in der Strophe lov hinzufügen könnte,
was indessen nicht wahrscheinlich ist. Das folgende, was der Herold
sprechen mufs, lautet nach den Büchern q)Qovöa ßduai ßa^fil xgo-
Kuxct TtaOtav oXo^ievai naXduaig^ was vielleicht bedeuten soll (pQovöa
ßaxia ßaOuLÖdiv, Trpoxax« ndd-si^ oXoaevai, TtaXdfiaig^ was den stro-
phischen Versen genau entsprechen würde. — Die nächste Strophe
hat H. hergestellt, indem er noXvxjfdfinov statt noXvilfdfifia(h)v und
degCaiaiv avQcag statt evQelaig eiv avgatg schreibt und 8j3 ganz trelT-
licli xiovöa xal nixQouQov oi^vog vofiov emeudiert. Die Gegeostrophe
lautet bei ihm :
oioi^ oloi.
Xv^av^dg av ntjo yag vXdöKOig
Iltgi'KOVLTCa ßQvd^CDV.
o di ßmag^ 6 (liyag JNh-
G. Hermann : Aeschyli fragoediae. Tom. I et II. 407
log ißgl^ovra ö' anoxqi-
'tjjsuv aoiaxov vßgiv, oi
Der Mediceus bietet im zweiten Verse Xvficc<Stg VTCQoyaövXdaTiei, Der
Scholiast sagt: dg vntQ zmv AiyvTtrlmv nqB(Sßevoty folglich las er kv^
ficeg elgvnsQ yäg vkaöKOi, also ziemlich dasselbe. Diese Züge können
aber auch bedeuten Ivfiag jj av ttqo yag vXciöxoi^ und da die Bücher
ß^a^etg haben, käme vkccöKcov ßQvd^sig der handschriftlichen Lesart
näher. TtSQUofina ist aus negi^afimd verbefsert, vielleicht TtsQ^iawa,
was der Aussprache nach näher liegt. 6 öe ßcizag ist statt og igtoräg
und aoKSxov statt diCxov gesetzt. Vielleicht wäre also zu schreiben:
ilvfiag, a av nqo yäg vkaantov TKqixctvva ßQvd^stg^ inaqayyog 6 fiiyag
INetkog vßqi^ovxd <y' aTtoxqi'ifJHev äoiöxov vßqiv. Es heifst iiqo yag,
weil die Altäre vor der Stadt waren, so dafs der Herold gleichsam
die Stadt anbellt.
Der Anfang der folgenden Strophe 850 — 853 (862— ;-865) lautet
im Mediceus ot ol ndxeq ßqoxioca qocaxcci fiakdadyeu ccQa%vog dig
ßddrjv ovaq ovaq (likav. H. ediert:
oloi ndxsQ,
ßgixsog agog axa.
afiakao ayet fi
aqaxvog iig ßdöipf voctq, voaq (likav.
dqog ^die Hilfe' halte man schon früher aus Eustathius und dem Scho-
Hasten hergestellt, lieber i/da^ wird bemerkt: Mn sententia nihil vitu-
perari polest, si (le^ quod non habent libri, sie inseritur, dfiakdö^ ayBt
dqaxvog äg ßdörjv ovaq (i\ ovaq fiikav, At non aptus est ille locus
pronomini , praeserlim quum etiam ayei dqaxvog hiatum faciat. Quare
post ayei pronomen inserui. *'Ovaq de praecone, qui spectri instar
est, tam bene dictum, ut per se minime suspectum sit. Schoiiastes
quod scribit, xovxiaxL firjöiv ^s ovöav, ineptum esse patet, scd con-
venit ea interpretatio etiam voci quam supra v. 754 posui. Quae quum
hie eodem significatu parem vim atque ovccq habeat praetereaque
metro commcndetur, reponendam iudicavi.' Die Herstellung dieser
Verse ist H. durchaus misglückt. Die Rhythmen sind nicht gut, die
antistrophischc Responsion ungenau, es mufs in der Gegenstrophe eine
Lücke angenommen werden, die sehr unwahrscheinlich ist, und end-
lich ist der Gedanke ein ganz unerträglicher. Der Gedanke , dafs der
Schutz der Götterbilder Verderben ist, kann nicht für richtig gehalten
werden nnd er ist aufserdem sonderbar ausgedrückt. Vollends räth>
selhaft ist das folgende, warum der Herold hier ein Gespenst genannt,
in welcher Beziehung er mit einer Spinne verglichen wird und was
das unerklärliche ßdötiv hier soll. Die Ansicht, dafs sich Aeschylos
ungewöhnlich und seltsam ausdrücke, hat der Kritik sehr geschadet.
Pathos und einen gewissen Schwung wird man ihm nicht absprechen,
im ganzen aber ist die Diction des Aeschylos klar und versländlich,
und einfacher als die d^s Sophokles. So glauben wir ist auch unsere
Stelle ganz einfach und verständlich, wenn man sie richtig behandelt.
An der Richtigkeit von aqog kann man wohl nicht zweifeln, wohl aber
408 G. Hermann: Aescbyli tragoediae. Tom. I et II.
an der von ara. Eustatliius p. 1422, 18 sagt zwar: airo dl tov igm
xai oQog to o(peXog naq* AlßxvkG) iv Ixerlaij ßgoisog aQog Sxa^ ijxoi
TO ev r^v BQoxav xal ro oq)elog axri icxlv^ allein er hat die falsche
Lesart ßQoxeog und seine Erklärung^ ist ganz sinnlos. Der Scholiasl
erklärt ij xav ßQ£xi(av imxovQla ßkanxei ^€, der vielleicht äxa^ viel-
leicht auch etwas anderes gelesen hat. Das folgende, was die Bücher
haben ^aköadyei soll ofTenbar bedeuten /Li' aluö^ ^V^'? >^ie Schütz
gesehen hat, allein von Aeschylos rührt das nicht her, sondern von
einem Glossator, der in dem Satze kein Yerbum fand, und ebenso
wie er Vs. 800 zu xa tpQoi^icc nopcov hinzufügte inga^av^ so hier
ayBiy indem er ara als Apposition zu ß^ixeog agog fafste, ßqixBog a(fog
axct II äkad' äyei, »'ir glauben , dafs Aeschylos folgendes geschrie-
ben habe:
oloinaxEQ^
ßofxovg ägog uaxä uaAa,
aga^vog (og xao i^r, ovag x ovag [U?mv,
Hier haben wir einen einfachen und klaren Gedanken, gute Rhythmen
und eine Responsiou, die sich bis auf den Umfang der Worte er-
streckt; auch eine Lücke in der Gegenstrophe anzunehmen ist nicht
nöthig, sondern nur den Ausfall der Interjcction, wozu das (laifi^
Veranlafsung gab. Die Gegenstrophe lautet nemlich nach Hermanns
Verbcfserung im dritten Verse:
aiar aiai^
fia^ia TCsXag diTtovg o(pig^
Ixiöva d' !og fii xig noö iv6aK0v(S l%€i.
Wegen der Aenderung von ßaörjv in xaötjv machen wir auf das früher
erwähnte aufmerksam, dafs nemlich einzelne Buchstaben unleserlich
geworden waren, der Abschreiber also das x für ein ß ansehen konnte.
Zu 946 (855) xdaösaOs^ (piXai öficotdsg wird bemerkt: ^nec famulas
alloqui regem dccebat ncque eas q)Uag appellarc neque iubero eas üiiv
evKXsicc xal afiiymu ßd^u Xaav hcras suas sequi. Scribendum erat
öiiaUag, Activa potestate dictum xdaasa^ai , ut in Euripidis IleracL
664. Androm. 1099.' Diese Bemerkung mufs um so mehr befremden,
als bereits Droyscn erkannt hat, dafs hier nicht der König, sondern
der Chor spricht. Der König hatte sich mit 9.^2 (943) zum Abgang
angeschickt, und der Chor ruft ihm nur noch ein Wort dos Dankes
zu und die Bitte, den Vater zu senden; darauf, als unterdessen der
König abgetreten war, wendet sich der Chor an seine Dienerinnen und
fordert sie auf, eine jede möge sich zu ihrer Gebieterin stellen, und
nachdem sich der Chor zugleich mit den Dienerinnen auf der Orchestra
aufgestellt, tritt Danaos auf. Jene Aufforderung aber geschieht des-
halb, weil der Chor sich nicht auf der Orchestra, sondern auf der
Bühne beiindet. Auf dem Logeion nemlich beßuden sich die Altäre der
dydnot r>£ol^ die Orchestra stellt einen freien, zum Ileiligtham ge-
hörigen Platz vor. Auf dieser tritt zu Anfang der Chor auf, begibt
sich aber bei der Ankunft des Königs auf den Rath des Danaos zu den
Göttersitzeu, also auf die Sceno, wo er bis zum Abgang des Königs
6. Hermann : Aeschyli trag'oediae. Tom. I et II. 409
bleibt. Dieser sagt 492 (503) kiVQOv nm aXaog vvv imaT^iqfov rode^
damit der Chor sich wieder auf die Orchestra begebe, wo er das fol-
gende Stasimon zu singen hat. Diese Aufforderung des Königs ist
sonst durch den Inhalt des Stückes durchaus nicht begründet; im Ge-
genlheil hatte die Vorsicht es den allein zurückbleibenden Danaidea
gebieten müfsen, bei den Götterbildern zu bleiben. Es wird hierdurch
unsere sonst ausgesprochene Ansicht bestätigt, dafs viele Stellen in
den Tragoedien und Komoedien der Griechen in hohem Grade be-
fremdlich und nur aus der Rücksicht zu erklären sind , die der Dichter
auf die scenische Darstellung zu nehmen genöthigt war. Uebrigens
haben wir einen ganz ähnlichen Fall im Frieden des Aristophanes,
worüber wir im Rhein. Mus. N. F. IX S. 573 gesprochen haben. Zum
zweitenmal begeben sich die Danaiden auf das Proskenion, als der
Herold erscheint, und bleiben wieder bis zum Abgange des Königs
daselbst. Jetzt stellen sie sich auf der Orchestra zugleich mit ihren
Dienerinnen auf, auf die schon der König 92J (932) hingewiesen hatte.
Da nun diese Dienerinnen noch zum drittenmal 992 (1001) vnodi-
^aa&s ö OTtadol {nikog erwähnt werden, so entsteht die Frage, in
welcher Weise eine Betheiligung derselben an dem Gesänge anzuneh-
men ist. H. bemerkt zu dem angeführten Verse : ^ falsi sunt interpre-
tes, qui haec ita distinxerunt, ut oTCaöol vocativus esset, ancillas
vocari a Danaidibus putantes, quod et per se indecorum fuisset et
refutatur toto carmine, in quo ubique ipsas Danaides verba facere
apertuni est. Immo quae hie dicunt vnoöi^aad'e d' OTcaöol fiikogj sese
compellant hortanturque ut sociae in eandcm sententiam canant, quam
prioris hemichorii virgines praeierant, Argivorum iam deos colendos
esse.' Diese Erklärung läfst der Ausdruck ojtcedol hier nicht zu, zu-
mal die Dienerinnen kurz vorher oncloveg genannt und zur Aufstei-
lung unter die Chorpersonen aufgefordert wurden. Darin aber hat H.
Recht, dafs an eine Verlheilung des Chorgesanges unter den Chor
und die Dienerinnen nicht zu denken sei. Die dramatischen Dichter,
die Tragiker wie die Komiker lieben es, am Ende des Stückes* das
abziehende Personal zu vermehren , wie hier durch die Leibwache des
Danaos und die Sklavinnen der Danaiden. Da nun die letzteren nicht
besonders aufgestellt sind, sondern ovtcog ojg ig> ixdarrj öimXTiQcoasv
/Icivaog &eQa7tovzlda (pSQvriv^ so folgt daraus, dafs sie zwar nicht
gesungen, wohl aber an dem Tanze sich beiheiligt haben. Indecorum
ist das nicht, wenn die fpCkai öiiüotösg millanzen, und der Fall, dafs
der Chor singt und andere tanzen, kommt bei Aristophanes in den
Wespen und Ekklesiazusen vor. Eine Bestätigung dieser Ansicht liegt
aber auch in der Einrichtung des Chorgesanges selbst, dessen beide
erste Strophenpaare aus je zwei besonderen Theilen bestehen, und
da die oftcedol im zweiten Thoile der ersten Strophe aufgefordert wer-
den Theil zu nehmen, so haben wir einen vierfach getheilten Chor in
der Weise, dafs in Strophe und Gegenstrophe im ersten Theil der
Halbchor singt und tanzt, im zweiten die dem Halbchor zugesellten
Dienerinnen tanzen und der Halbchor singt. Eine Vereinigung iji nur
^. Jahrb. f. PhO, «. Pmd, Bd, LXX. Hfl. 4 n. 5. 27
410 G. Hermann: Acschyli Iragocdiae. Tom. I et IT.
zwei llalbchöre findet in der letzten, der vierten, Strophe statt, die
in trochaeischem llliytlimus ^ediclitcl ist; den Ucborgang bildet das
dritte Strophenpaar, das nur von den beiden Führerinnen der Halb-
chöre gesungen Mird. Dieses aus je 5 Versen bestehende Slrophen-
paar hat H. so verlheilt: 2. 1. i. 1 >= 2. 1. 1. J , was jedenralls an-
richtig ist. In der vorigen Strophe hatte der zweite Halbchor gesagt
(leia nokkav öh yafitov ade rskevra nqorsQciv nikoi ^'vvcrtxcov. So viel
wir sehen, fehlt hier cfi/, oder es ist, da sich dies nicht einfügen lafst,
^rikei zu setzen. Dieser Halbchor fügt sich resignierend in die Noth-
wendigkeit und tröstet sich damit, dafs einen solchen Ausgang viele
Ehen früherer Frauen hatten. Der erste Halbchor dagegen wUnschl,
dafs es nicht zu der Ehe komme. Folglich mufs 1027 Cv öi ^ikyoig
Sv ad'ekKrov dem zweiten nnd 1028 cv öi y^ ovx olad'a ro (likkov dem
ersten Halbchor zugetheilt werden, so dafs wir folgende VertheiluDg
erhalten: «3. /?' 1. «' 1 = j3 3. a 1. ß 1.
958 (967) sagt Danaos totavöe Tvyxavovrag fv:tQV(ivij ipQBpog
'/Ijttqiv oißeaOai u^uoixiqav i^ov. Das evngvfivtj hat den Herausge-
hern viel zu schatfen gemacht und H. bemerkt: Mil)ri iimQVfiv^. Id
mntavi in iv TtQv^ivrj^ quod video etiam Paleium suspicatum esse, sed
male interpretatum in restra menle ^ comparalu TrgaQa xaQÖiug in
rhoeph. 386. Ibi quod ante animum versatur, hie quod in intime
«nimo fieri debeat intelligcndum est. Ut in navi potissimus locus est
puppis, in qua et gubernaculum est et gubernator, sie TTQvuvav (pQs-
vog dictam esse patet.' Aufscrdem ist II. genötliigl ifiov in (^ifug su
vorwandeln. Der Ausdruck 7rQb}Q(x xccQÖiag ist aus einem Chorge-
sangc, hier mufs iv nQVfivrj q>Qiv6g jedenfalls sehr bedenklich er-
scheinen ; dann ist TvyxavoiTag hier gar nicht zu erklären und endlich
ist die Aenderung von ifiov in ^ifiig doch eine gar zu gewaltsame.
Wir glauben, dafs ewTQVfiinj verschrieben oder falsch gelesen ist statt
ev TcgiitBi^ und Danaos, der vorher nur davon gesprochen, was ihm
gutes widerfahren ist, fordert nun die Töchter auf, um so dankbarer
gegen die Argivor zu sein, rotcoi/df xvyxavomog bv nqiiKi tpQevog
xdgiv cißsaOai njui (otf^crv i^ov. Das i^ov ist von Tvyxavovvog ge-
trennt, doch findet sich eine solche Wortstellung unmittelbar vorher
TtaC fioi, ra jtifv TtQax^^ivra TtQog rovg ixysvng tplkov niKQCjg i^xoviSav
ttviavtilfiovg , wo gleichfalls ixy evstg \on aviavitjflovg getrennt ist.
Hier hat man das <plkov in (plkovg verwandelt. II. erkannte, dafs in
dem tpikav ein ov steckt, und er ediert (idk^ ov niXQtjg, aber (ial* ov
sagt man nichts es ist vielmehr <plk ov nlnQ* ilctjjiovaav zu sotsen.
Um unsere Anzeige nicht ungebührlich in die Länge zu ziehen,
müfsen wir es uns versagen auch auf Stellen aus anderen Stücken ein-
zugehen, und wir schliefsen daher unser Referat, indem wir nnr noch
ein kurzes Wort über die Fragmente hinzufügen, die in der Hermann-
scheu Ausgabe auf den Text in 100 Seiten folgen. Fast gleichzeitig
mit H.s Ausgabe ist auch von der Wagnerschen Fragmentensammlang
der griechischen Tragiker der le Band erschienen :
F. W. Wagner: Aeschyli cl Sophoclis Tragmenta. 411
Aeschyli et Sophoclis perdUarum fabtdamm fragmenia edidit
Fridericui GuiUlmut Wagner. VratisIaTiae, impensis Trewendti
et Granieri. MDCCCLII. XII u. 507 8. gr. 8.
In dieser Sammlung, die auf den ersten 170 Seiten die Frag-
mente des Aeschylos enthält , fehlen nachstehende Fragmente, die Her-
mann aufgenümmen hat: 357. 361. 381. 396. 397. 453. 457. 458. 460.
462. 463. Das Fr. -357 aus Stephanus Byzantius: "SlXevog^ Alc^log
yqavCiov Tt^v ainetvriv ^ad'iav "Sllevovj wo Meineke yqavutov in
KaQolv verbefsert, ist wohl nur aus Versehen weggefallen, da das
aus derselben Stelle entnommene Fragment des Sophokles unter 287
aufgenommen ist. 457. 458. 460 sind aus Aristophanes Ran. 959. 968.
1478, die Hrn. Wagner nicht unbekannt sein konnten und also absicht-
Hch ausgelafsen sind; 463 aus Hcsych. fie^axdÖBg' dg olvonkijyeg
(xofl) fie&vözddeg yccficau wird vermulhungsweise dem Aeschylos bei-
gelegt, ebenso der von Plutarch Alcib. c. 4 und sonst angeführte Vers
invt]^ akiKTCOQ öovlov oig xkivag meQovj weil er ^ Aeschyleum colo-
rem habet', womit zu vergleichen Aristoph. Vesp. 1490 nzi^aöet^ Oqv-
vvxog &g xig alijctmQ, Es fehlen also bei Wagner aufser dem schon
angeführten 357 noch 361 aus Gramer Anecd. IV p. 315, 25 ; 381 aus
Libanius epist. 175 p. 84 ed. Wolf, und ep. 611 p. 294; 396 aus Schol.
Victor, und cod. Ven. B zu Hom. T 87; 397 aus Eustath. p. 48, 37
und 453 aus Bachm. Anecd. II p. 75, 13, welches Buch Hr. Wagner
sonst fleifsig benutzt hat. Bei Hermann sind ausgelafsen folgende
.Nummern der Wagnerschen Sammlung: 52. 112. 277. 303. 310. 317.
318. 322. 323. 327. 376. 383. 388. 391. 396. 399. 407. 414. 421. 436.
443. Von diesen hat Hermann absichtlich ausgelafsen und dies S. 411.
412 begründet, die Nummern 277. 303. 310. 327. 376. 396. 399. 414.
436. 443. Die beiden letzten hat auch W^agner richtig beurtheilt und
auch aufserdem einige von Dindorf angeführte Fragmente, zum Theil
übereinstimmend mit Hermann , weggelafsen , worüber er in der dem
Buche angehängten comparatio numerorum Rechenschaft gibt. Andere
Fragmente sind zweifelhaft, doch hätten 391. 407. 421 erwähnt wer-
den müfsen. Als Nachtrag vergleiche man Philologus VI S. 609 und
VII S. 400, ferner VI S. 48, VII S. 76. Endlich gehört hierher der
unter die Fragmente anonymer Tragiker aufgenommene Vers Arist.
Rhet. II, 10 p. 1388, 7. cf. schol. fol. 37 b, 21 ed. Brandis.
Auf den Inhalt der Fragmente können wir uns hier nicht oin-
lafsen, wir setzen zur Prüfung für den Leser diejenigen Nummern her,
die abweichend bei beiden verbefsert sind: 23 (35 H.), 66 (71 H.), 71
(76), 96 (104), 124 (131), 130 (137), 131 (141. 142), S. 80 fin. (174),
179 (181), 198 (218), 199 (219), 204 (226), 232 (255), 255 (284), 293
(319), 294 (320), 301 (380), 311 (311), 336 (333), 338 (386), 343 (332),
363 (352), 372 (355), 395 (441). Im allgemeinen findet sich, was der
Wagnerschen Sammlung nur zur Empfehlung gereichen kann, viel
fibereinstimmendes in beiden Ausgaben, auch bei Bestimmung der Ar-
gumente der Stücke ; die Hermannschen Abhandlungen sind sammtlich
27*
412 F. W. Wagner: Aescüyli et Sopliocli» fragmenl«.
sorgfältig benutzt, mit Ausnahme der beiden Abhandlungen über die
Jixtvovkxol in den Berichten über die Verhandlungen der k. sachs.
Ges. der Wifs. IS. 119 und ebend. S. 121 über die 6ccXa(iojtom ^ über
\vclche8 Stück Hermann die Vermulhung aufstellt, dufs es das Mittel-
stück zwischen den Hiketiden und den Danaiden gewesen sei. lieber-
all in dem Buche des Hrn. Wagner zeigt sich eine lleifsige und selb-
ständige Benutzung der Quellen und wir finden uns um so mehr ver-
anlafst, darauf aufmerksam zu machen, als es für die Fragmente des
Sophokles in Bezug auf Vollständigkeit (es hat einige 60 Fragmente
mehr als die Dindorfsche Sammlung) und Nachweisung und nähere
Bestimmung des Inhalts der einzelnen Stücke als die erste brauch-
bare Sammlung der Fragmente des Sophokles zu betrachten ist. Zum
Schlufs sprechen wir den Wunsch aus, Hr. Wagner möge eine kleine
Ausgabe der Fragmente der Tragiker besorgen, welche nur den Texl
der drei Bände in einem Bande vereinigte *),
Ostrowo. Robert Enger,
Pautamae descriptio Graeciae. Recognovit !oanne$ tUnrieun Chri-
siianus Schubart, Volumen primum. Lipsiae sumptibus et typis
B. G. Teubneri. MDCCCLUI. XXVI u. 486 S. Volumen secun-
dum. Ibidem MDCCCLIV. XXVI n. 454 S. 8.
Es ist bekannt, dafs über den Zustand des Textes von Pausanias
erst durch die Bearbeitung, welche 1838 und 1839 Schubart gemein-
schaftlich mit Walz herausgab, vollständige Einsicht ermöglicht wurde.
Ein schon früh begonnenes und viele Jahre hindurch fortgesetztes
Studium des Autors setzte unsern Freund in Stand sowohl die hand-
schriftlichen Mittel gehörig zu benutzen, als auch ohne deren Beistand
oftmals bestimmen zu können, was der Perieget geschrieben habe and
was seinem stilistischen Charakter nicht entspreche. Die llanigfaltig-
keit seiner Objecte und die Sonderbarkeit seines Ausdrucks ist aller-
dings so grofs, dafs häufig darüber divergierende Ansichten mög-
lich sind, die dann selbst auf die Beurtheilung der diplomatischen
Grundlage einwirken. Bef. gesteht gern ein, dafs er früher einige
Hss. überschätzte, glaubt jedoch auch jetzt noch, dafs den Worth
derselben Schubart zu niedrig anschlägt: indes hat diese Frage bei
dem in so arger Verderbnis überlieferten Werk keine vorhcrscbeude
Wichtigkeit; man ist an unzähligen Stellen auf genaue Vergleichang
des dem Pausanias eignen Sprachgebrauchs und natürlich auf die Er-
forschung und Prüfung der von ihm behandelten topographischen, hi-
*) Kine^neue Bearbeitung der Fragmente der griechischen Tra-
giker wird für die Bibliotheca Teubneriana von einem anderen Gelehr-
ten bereits vorbereitet. A, F.
J. H. C. Schubarl: Pausaniae descriplio Graeciae. Vol. I et IL 413
storischen, mythologischen und archaeologischeo Mittheil ohgeo ver-
wiesen. Wären nur die erstgenannten Gegenstand des Schriftstellers,
so könnte man E. Curtius beistimmen, wenn er eine Ortskenntnis, wie
sie aiifser ihm nur sehr wenige besitzen , zur Bedingung der Textes-
kritik von Pausanias macht (vgl. Peloponnesos I, 214 und Register II,
625 unter: Pausanias der Perieget); bei näherer Ansicht zeigt sich
aber, dafs die Falle, wo Autopsie den Ausschlag geben mufs und
zu geben im Stande ist, in mäfsiger Anzahl vorliegen; dafs übrigens
selbst unter den Touristen, welche sich lange Zeit in Griechenland
aufgehalten haben, noch viele Controversen obwalten, weifs jeder,
der z. B. mit attischer Topographie sich beschäftigt. Demungeachtet
scheint S. in der Angabe der von Curtius vorgeschlagenen Aenderun-
gen etwas zu sparsam verfahren zu sein; solche wie IlJieuci, statt
nalata IH, 22, 6 (vgl. Pel. II, 328), VIII, 21, 1 ferta xai dixa (Pel. I,
398), VIII, 23, 8 dyei, fihv öta tov i:6QG)vog ff im Waxptdog (Pd. a.
a. 0.), VIII, 27, 3 Ttaga de Afyvrav Alyvg (Pel. I, 336), VIII, 28, 7
Ttsölov ^ <staöi(ov naUaxa (Pel. I, 391), VIII, 30, 1 avadloig — %
fidtsiötv (Pel. I, 333 nach K. 0. Müller), VIII, 35, l'OaKVQog oder
'*0<SvQog (Pel. I, 336) sollten wenigstens in der Praefatio erwähnt sein ;
so evidenten Verbefserungen aber, wie rov iwra^iov statt tov ^AXq>€tov
in VI, 21, 5 gebührt ein Platz im Text. In den Wunsch S.s ^placeafi
aliquando viro in bis regionibus versato laborem suum bono scriptori
dicare' stimmen wohl alle Freunde des Autors ein. Freilich ist das
topographische nur 6ine Seite, die bei dem Kritiker und Erklärer des
Pausanias in Betracht kommt; er mufs auch als Historiker die in jedem
Buch vorangestellten Landes- und Stammgeschichten prüfen, als My-
tholog die Quellen der unzähligen Sagen und die Darstellungen der
Localcnlte untersuchen, als Archaeolog auf die Schilderung der Kunst-
werke und die Nachrichten über ihre Urheber näher eingehen, wie
das in neuster Zeit H. Brunn in seiner lehrreichen Geschichte der grie-
chischen Künstler gethan hat. Diese und andere Vorarbeiten sind bei
der Revision des P. nicht selten in Anwendung gekommen, aufserdem
hat gerade die gröfsere Ausgabe (SW) sowohl der auch manches
gute bietenden von W. Dindorf bedeutenden Vorschub geleistet, als
überhaupt die Aufmerksamkeit mehrerer Philologen auf den Schrift-
steller hingelenkt; wir nennen K. Fr. Hermann, welchem die recogni-
tio als Denkmal einer ''amicitia per plus quam sex lustra continuata'
gewidmet ist, Spengel, von welchem eine Reihe schlagender Verbefse-
rungen den neuen Text ziert. Westermann, Bergk, der besonders um
die poetischen Citate wesentliche Verdienste sich erworben hat, des-
gleichen Meineke: diesem und andern Kritikern verdankt der neue Pau-
sanias eine bedeutende Anzahl wesentlicher Berichtigungen.
Die neuen Verdienste Schubarts selbst um Pausanias sind sehr
manigfaltig; wir wollen zuerst von den Berichtigungen des Textes
sprechen, welche offenbare und doch noch nie bemerkte Verstöfse
gegen die Grammatik entfernen. So war bisher II, 32, 10 das Genus
verfehlt ; auf den noxtvog konnte nur mit tovtov zurückgewiesen wer-
414 J. H. C. Schabarl: Pausaniae descriptio Graeciae. Vol. I et IL
den, uicht mit xovvo; desgleichen folgt V, 14, 7 (ura rovro Dicbl
richtig nach der Einweihung eines ßooiiog von llephaeslos. VII, 11,
6 soll sich avra auf das vorhergehende aiidgrij^a beziehen können,
kein Herausgeber dachte daran avio ku schreiben; oder VII, 18, 1
dsiy^Uy worauf schon die Lesart ikdxKSTOv in La hinführte, statt 6ely~
licna, V, 14, 7 geht aus der Aussage des P. hervor, dafs jeder unter
den Brüdern des idacischen Herakles seinen eigenen Altar habe; er
wird also auch nBnoit]vxai und nicht nenoitftat gesetzt haben. I, 20,
3 wäre xocvza — yeyQUfifiiva üai gegen seinen Gebrauch für r. y. ictL
III, 9,6 ergibt sich das richtige ötdaaaiv aq%ovxa bIvüi cruroo, wo
die Hss. avrd)v, CSB olvxov haben, aus der Nothwendigkeit dem di-
öocKSiv sein persönliches Object beizufügen und erhellt auch aus der
Parallelstelle X, 34, 2. Dafs III, II, 6 aymvctg noli^ov geschrieben
werden müfse, erweist das sogleich folgende a/coi/ag ttoA^ov »iyrc
ivUrjOa (zugleich spricht dieser Ausdruck für unsern von S. jetzt ge-
billigten Vorschlag aöijg aymva statt fpörjg ¥^yop^ woraus Valckenaer
mdrjg iqiv machen wollte, IX, 34, 3). Ein unentbehrlicher Dativ fehlt
III, 14, 3 iyivovxo vixai für L ot v. Wenn I, 9, 7 Phoenix die Zer-
störung vun Kolophon zum Gegenstand seiner laniben machte, kam
doch nichts darauf an, dafs er selbst Kolophonicr war, aber dafs er
das traurige Loos seiner Landsleute beweinte; es kann mithin nicht
hüifscn (üg (Poivina idfißav noiriti]v Kokog)€iviov d'Qrjvrjaai t^v aXm-
oiVj sondern KoXotpcDvitov mufs gelesen werden, auch darum weil
xfiv dkaatv sonst auf beide entvölkerte Städte zugleich zu beziehen
wäre. Uebrigens scheint der Satz o>g — akciHStv erst dadurch seinen
vollen Sinn zu erhalten, dafs man Kai nach <og einschiebt: sogar ein
lambograph hat das Schicksal von Kolophon beklagt und den scherz-
haften Ton seiner Dichtgattung insoweit verlafsen. Andere Herstel-
lungen richtiger Casus sind VIII, 32, 2 iTrUXtjaig dh Ovgccvicc^ xj i*
iaxl n<iv6ri(iog für inlxXijaiv xrl. : VI, 3, 3 fisxa xo ixvxijfia Akiu^
öccifiovlmv statt fi. t. cc. Acmtda^iLOvioig ^ und VIII, 16 ^ 6 wo ein kla-
rer BUck in den Zusammenhang auf das allein verständliche ^uxa dh
xovg oQOvg xav naxsiXEyfiivav nolscDv gxigay^ vTtoKSixat geleitet hat;
VIII, 35, 3 axaölovg ^^eig für cxaöloig ^^eig ; auch nach Praepositio-
nen, wie IV, 26, 1 wo Naupaktos ein OQiitixriQiov gegen den Pclopon-
nes wird, iarJ xijv UeXonowifiov ^ minder angemefscn war inl rj
IhXoTtovvrjaü}; ferner IV, 31 , 4 iovatv ig dgiaxegd für *. iv aQUixiff^;
die fehlende wird VII , 6, 2 ergünzt : oi xo (liytaxov [iv\ xotg ^Axatoig
iXovxeg xgdxog. An vielen Stellen ist der Artikel bisher falsch ange-
bracht oder ausgelafson worden. Vlll. 52, 6 hat man den zweiten
nicht auf das Epigramm, sondern auf die Statue selbst zu beziehen,
also auch nicht rd, sondern reo zu schreiben; Vll, 20, 2 veMangt die
richtige Unterscheidung xovg für rui;, vgl. das folgende Cxigidvovg
— xi(S(Sov; I, 13, 5 handelt es sich nur davon, dafs die Spartaner bei
Leuktra zuerst eine Niederlage erlitten haben; also ist das ehemalige
A. ngo fiiv xqg iv Aivnxqoig ov^iv iysyovBi 7txat0fAa nicht exact für
:tQo fiiv xov sc. nxalöfAOxog. II, 31, 9 ist 6 vor ^^apUoigm'xi Recht jetftt
J. U. C. Schubart: PauMDiae deacripCio Graeciae. Vol. I ot II. 415
eiogeaohlorseD, da es in derselben Bexiehung nicht vorhergeht; dies
gilt auch von V, 3, 7. Viel häufiger aber fehlt der Artikel noch, wo
Sinn und Syntax ihn verlangen. Soll IX, 7, 3 nicht der ansinnige Ge-
danke hervorgebracht werden, dafs Antipater seine Mutter, welche
schon Philippos umgebracht hat, zum zweitenmal tödtet, sondern der
beabsichtigte, dafs Ant. Nachfolger seines Bruders Ph. war, so mufs
6 vor fABv^ iiutvov treten. Die Beziehung auf den schon besprochenen
Tuxig xad'evöav auf dem Kasten des Kypselos erfordert den Artikel
zw (Ka^svdovri) in V, 18, 1. Eine Reihe ähnlicher Fälle, wo bis jetst
die Phrase mangelhaft geblieben ist, lafst sich aufführen; I, 3, 3 '^eovg
[xoifg] öoiösxa »akovfiivovg^ I, 4, 6 y^v r^v T^mada, II, 15, 3 [xa] ig
xo Sgyov^ I, 24, 6 'A^iiiaöitoig [roig] vTchq 'laatidovavj III, 16, 9 [oC]
ix Msaoag^ IV, 26, 2 to nxatcfue — [x6] ^A^fjfvalfov iv Älyog Teora-
(toig, VII, 9, 5 avvxekslag — Aaxedaifioviovg [xijg] ig xb^Ä%aixav
ovx aq>iaaty VII, 15, 7 to — ^d^Yiyal(o\ ßovXevfjLa [xo] nQO xov Soyov
xov iv Magad'avty V, 3, 4 Je^oifiepov ^ycnigag [xov] iv ^SlXiv^
ßaatUvovxog, IV, 28, 1 foßm [xa] SrißaCiov, V, 4, 3 i| 'Eklxrig [x^]
^A%ai.ÄVy^ V, 14, 3 yrig [r^] Ä£Ara)v,,lX, 30, 1 irar^ JWovcTatg — ayaA-
fuyra [xic] ^Ivnf^mci iaxt Krig>iao66xQv xi%vri^ IX, 35, 2 iotnoxa 6k
mal [xa] naq^ ^A^rjvaiotg^ VIII, 50, 8 ro axQoxoTcedov — [xo] iv Fv
^Ito, X, 34, 8 xmv ^A^r^vr^av fUiitifia [xov] inl xfj aönlöi x^g — IIciQ'
^ivov. Zu diesen Stellen und manchen andern , derer wir uns im Au-
genblick nicht erinnern , mögen noch hinzukommen X, 2, 2 tor ^A^if-
valiov xal [tot] ix AaKiöai^LOvog innnÖBia^ VIII, 4, 1 xal [xa] akka
Tcc ig xakaaiav (la^dvj V, 11, 10 t^) ayäkfiaxC icti [xa] iv Okv^nCtf.
Cvfifpigov. Namentlich ist III, 12, 4 nicht leicht zu errnthen , weshalb
S. xovg vor TvvdaQea naidag wegliefs, da der Artikel in dieser Ver-
bindung sonst nirgends fehlt: hier hätte nicht nur natöag für natöa^
sondern auch der nur nicht ganz richtig geschriebene Artikel (xov
statt xovg) aus La aufgenommen werden sollen. Im entgegengesetzten
Falle befinden wir uns I, 38, 8: hier will ihn S. vor iq>^ rfimv wie II,
31, 9 einschieben, doch ist es denkbar, dafs erst zur Zeit des Paa-
sanias eine Copie des alten eleutherensischen Dionysos aufgestellt
wurde; dann müste der Artikel hier so gut wie III, 16, 8 wegbleiben.
Will man für Ix xa ^Qoiav III, 4, 6 nach dem Vorschlag des Heraus-
gebers Fx TS 'IqQoaog lesen , so wird weder xov entbehrt werden kön-
nen, da der vorher genannte Argos gemeint ist, noch rculv vor Oecoi/
fehlen dürfen, da eben von ApoUon und den elensinischen Göttinnen
die Rede war; vielleicht spricht aber P. absichtlich im allgemeinen,
was auch hier ausdrucksvoller ist. Der correlative Gebrauch des
Artikels war vordem durch Verwechslung von xtjg mit xov V, 13, 9
verdunkölt, wo xov dl iitl x^ ngo^vasi auf XQrjTudog (liv xijg nQcixtig
nicht zurückbezogen werden konnte, was doch der Sinn erfordert. V,
20, 3 spricht P. von dem Schlüfsel in der Hand des Pluton, dies kann
nicht indefinite geschehen, treffend stellt darum S. inl di xy xknöl
her, wo die Hss. inl dh mkitöa haben, der Dativ mufs dem sogleich
folgenden in avx^j entsprechen.
416 J. H. C. Schiibart: Pausaniae descriptio Graeciae. Vol. I et If.
Noch mehr Verwirrung als die eben aufgeführten Vertauschan-
gen richteten die falsch gesetzten Partikeln an. I, 10, 2 begegnen wir
der lacher liehen Distinction NBaxlmv xal Mcmedoviüv^ da die Nestier
nur ein einzelner Stamm der Makedoner sind; jetzt ist von S. mit Be-
rufung auf Slrabon VII, 323 c Gas. und Vll fr. 35 (II, 61, 84 Kr.) xa/
eingeklammert. Kaum verständiger war, was man sonst ill, 16,8
las: afAg>i0ßfiTOvat — KanTtdöoueg xai of xov Ev^eivov oixovweg:
mit der Tilgung von xaC blieb immer noch die unrichtige Namensform
KannaöoKeg stehen; dafs diese durch das übergeschriebene xai cor-
rigiert wurde und dies dann im Text einen ganz ungehörigen Plats
erhielt, ist eine sehr interessante Wahrnehmung des Heransgebers. In
ähnlicher Weise vermuthet S. , dafs VII, 18, II das xai vor ig i%%al-
ds%a nur aus der Correctur des Schreibfehlers iKniöexa entstanden sei.
I, 12, 9, wo die lateinische Ueberselzung schon richtig gibt: quod $i
aut elephaniem vidisset aut df eo quicquam audisset^ hat man bisher
das verkehrte d^eaaa(i6%'og de nal Ttenvafiivog beibehalten. Beide Par-
tikeln müfseu auch sonst ihre Stelle wechseln. So ist II, 29, 5 nkov-
Tov di rj öwafieaig nicht im Sinne des Schriftstellers, der dort Reich-
thum und Macht als verbunden betrachtet; VII, 8, 4 MaMÖoatv ij
azqaxiä x^ ZvQ(ov ein schiefer Ausdruck, da die Achaeer nicht ein
oder das andere Heer, sondern beide bekämpften; V, 27, 12 dagegen
ist T£r;^o^ iq noktg zu lesen , wo eine Festung von einer Stadt unter-
schieden werden soll. Aus demselben Grund möchten wir Vll, 14, 6
ßaadice ^ itohv^ wo xa/ noch nicht beanstandet worden ist, verlan-
gen. Wie mit i] konnte xcy/ auch mit 9/ und t^ verwechselt werden :
jenes ist VIII, 6, 4 der Fall, wo zur Unterscheidung der zwei andern
Wege, die aus Argolis nach Arkadien führen, nqog (ihv'Tsiav ^ vffip
10 OQOg xb üctq^iviov %xL gelesen werden mufs; dieses VI, 13,2.
Hier ist das sonderbare ctvu%Eixat öl xi] iv ^Okvimla xal axtilii daraus
zu erklären, dafs Corruptel und Correctur derselben verbunden sind;
vielleicht stand ursprünglich das xaC über xjj; die Ausgaben verdun-
keln die eigentliche Beschaffenheit der Stelle durch die scheinbar
leichte Aenderung «. de iv xy 'OA. xai axi/jlri; man erinnerte sich nicht
an III, 14, 3, wo ein ähnliches Denkmal des Chionis beschrieben
wird; auf dieses weist eben Pausanias hier zurück, mufs also sagen,
wie jetzt erst S. ihm zurückgegeben hat: avdxeixai. 6h xal iv 'O.
axfiXri. Das iv xfj Okv^ntla verslöfst gegen den Usus des Periegeten.
An der Richtigkeit der Veränderung von xai in o III, 2, 4 erlauben
wir uns noch zu zweifeln , es könnte ein freierer Gebrauch der Par-
tikel hier stattfinden ; nicht aber an derselben in IV, 34, 4, wo gegen
X^aqiov o Ivovg isgbv elvai vofAl^ovCiv statt %, xal '/. L €. v. nichts ein-
zuwenden ist; eine Verwechslung von i]v mit xai ist vielleicht mit mehr
Recht VIII, 9, 9 vor Mavxiveig anzunehmen als rathsam das xal^ wie
S. will, zu streichen. Einige andere Fälle, in welchen Ref. den Aen-
derungen oder Vorschlägen , welche S. auf diesem Feld gemacht hat,
nicht beistimmen kann, sind V, 23, 3: dort mufs man wohl eher r^
mit Bezug auf Nixonolecog als xov mit Bezug auf avvoixtCfiov ein-
J. H. C. Sohabart: Paasaniae deacriptio Graeciae. Vol. I et II. 417
schieben; IV, 8, 11 würden wir lieber afKjpotiifo^g stehen lafben, aber
fjymvlieto schreiben; VII, 16, 2 möchte avxciv für cevxotg zo schrei-
ben, das von S. getilgte xotg nach initld'evtat, wieder herzustellen
sein. V, 7, 1 soll für naQoc öh ravta mit Beziehung auf den Tempel
des Asklepios n. ö^ xovro gelesen werden, aber es ist natürlicher,
dafs P. von der ganzen Stadt Gortyna als von jenem einzelnen Heilig-
thom spricht, also erscheint n, öri xoevtriv richtiger. Die Bedenklich-
keit hinsichtlich des Gebrauchs von xcrra V, 7, 3, welches S. deshalb
mit dia zu vertauschen räth , fallt weg durch Vergleichung von X, 5,
10 iuxxa xovxo ovv yBvia^ai xal tc5 va^ xovvoficc im xov o^xodofiif-
actvxog. VII , 12, 1 wäre h x^g ßorj^eiag deutlicher als der blofse Ge-
netiv; das vorhergehende x^g ßorfielag ist nicht einzuklammern, eher
gienge aber xrj ßorfiela, II, 34, 4 durfte &v nicht fehlen, nur war es
nicht nöthig, mit Sri eine Aenderung zu treffen, da die Partikel leicht
nach nequk^Hv wegfiel, man vgl. III, M, 6 noi^ yctQ dri loyco naxi-
Xmev av. Weniger passt av IV, 11, 3 wo S. vorschlägt ^ci^ncc —
elxev av Sttaaxog zu lesen, die Art der Bewaffnung (also nichteine
öfters wiederkehrende Handlung, welche eine besondere Ursache hat)
wird beschrieben; man tilge lieber das aus axovxta öh Ixaarognokla
heraufgerathene ^Tucaxog und schreibe flxov. Sehr ansprechend ist
VII, 18, 10 der Vorschlag xB7ifjuxCQa(iai, für xexfiai^ovxai ^ odersollen
wir glauben, dafs sich die Patrenser mit Untersuchungen über das
Zeitalter der Bildhauer Menaechmos und Soidas beschäftigten ? Nicht
ebenso leicht wird man dem selbst in den Text gebrachten i^svQla»Biv
zustimmen , welches nach iTtoixlöctt wenigstens Aorist werden mäste ;
richtiger hat aber Ciavier i^svQtaüs (da iq>alvixo vorhergeht) ge-
schrieben, wo die Hss. i^sv^lcxei haben. Im Augenblick vermögen
wir nicht zu uniersuchen, ob P. sonst ohne weiteres von ^inem Mo-
dus zum andern überspringt, wie III, 13, 5 Jlga^iklrj fih öti nmoiti-
liiva iaxlvy G)g Eigmctig sitj b Kd^eiog xai aifxov ave^Qiil^axo^ATtok"
Xmv (vgl. dagegen I, 3, 2), oder durch ava^Qerjjaixo die übliche Con-
cinnität herzustellen ist. In der Behandlung der Verba composita sind
wir mit S. nicht überall so einverstanden wie VII, 9, 3, wo er iaeX-
^vrag für iiuX&ovxag setzt; oder VI, 4, 1 dasselbe tür iX&ovxag;
ebend. scheini aveX&ov^iv für a7reX'9'ov(T£v noch zweifelhaft; nach dem,
was S. selbst über P. Neigung zu den mit ngo zusammengesetzten
Verben bemerkt, befremdet es etwas IV, 10, 3 imccQx^^^ an ^^^ Stelle
von TCQoihtaQxovOa treten zu sehen. An der Aufnahme des so natür-
lichen inr^yiXXovxo IV, 28, 2, was freilich Vb allein bietet (vgl.
unter andern VII, 11, 6), scheint das zu grofse Mislrauen gegen diese
Us. gehindert zu haben. IV, 10, 1 hat S. ivtlqrfto dem von Porson
empfohlenen ngiosl^rfro vorgezogen, beides gieng leicht in cnulqrjixo
*über, aber letzteres ist dem Schriftsteller geläufiger. VII, 4, 3 wird
man gern dem für aveaciacevxo gesetzten avB%xri<savxo zustimmen , be-
sonders da La ivt&xriaccvxo bietet, und V,21, 1 l7re|£^xofi/vof^ für
i7te(^OfAivotg billigen, desgleichen I, 25, 5 iQya XafinQOxsQa anoÖH-
^dfuvog für ?. X, imdei^diJievog. Ueber xov jttii/ öri xr^v XaQvaoia xa-
418 J. H. C. Sclitibart: Pausaniae descriptio Graeciae. Vol. I et I!.
THQyaafihfOv billigt S. unsere Ansicht, er durfte daher die Praepoai-
tion einklammern. In BetreiT vou II, 4, wo man bei der Wiederholung
i(SnE0av statt nqwsmtSfov erwartet, liefs er sich vielleicht durch die
Analogie von il, 3, 11 und II, 32, 1 bestimmen; aber auch dort be-
stehen wir auf ytvofisvov (nach Vb) und aTCoxaiQttfiivt]^ glauben auch
dafs eine ahnliche Rücksicht IV, 3, 5 für avaiQeirai statt ai(f€itai ent-
scheide, und IV, 14, 3 aus nqoEiqvizo 6i abzunehmen sei, wie man ^eu
corrupten Satz oi öe tcjv ystoQyoviiivcov xQoq>^v Cfplatv initpeqov ig
JSTtaQXfiv navxtav xa rifilaea zu lesen habe, nemlich, wie wir schon
früher vorschlugen : ol 6i x, y, ngoeinov aq>iaiv inoq>iqHv ig £. %,
xa ij. Auch über nqotjyctyovy was in das entgegengesetzte xaxtjyayov
II, 19, 2 zu verwandeln ist, und über Tcqotjxovcav VI, 20, 16, wo fut-
qtjxovaav nicht zu passen scheint, ist anderswo schon die Rede gew^
sen; für iöayccyofiivoig V, 3, 3 möchte man das siniplex vorziehen;
in demselben Capitel durfte unbedenklich Bekkcrs ccnidaxe aufgenom-
men und iqtlrfiiv geschrieben werden, ebenso auch rcx t£ yiq aus La.
Nicht zu bezweifeln ist S.s Vorschlag icxlv aviitov X, 30, 3, wo die
IIss. inavixcDv haben; warum aber II, 29, 5 avilaßov befser sein soll
als aitiXaßoVj der eigentliche Ausdruck für die Wiedererlangung eines
lange entbehrten Besitzes, ist uns nicht klar geworden.
Allerdings darf man voraussetzen, dafs S. überall durch eine
genaue Kenntnis seines Autors geleitet wurde ; manche der oben ge-
machten Ausstellungen waren vielleicht unterblieben, wenn die Ein-
richtung der Teubnerschen Ausgaben eine ausführlichere Erörterung
erlaubt«. Selten hat S. sich auf die Sonderbarkeiten, die bei P. vor-
kommen, in der Praefatio näher eingelafsen, wie zu III, 21, 5 fuxa de
KQoasag inoxqcntHaiv ig öi^tccv — fj^eig Alyiag: hier glaubte Sie-
belis mit der Correctur anoxQcciteig das rechte zu treffeu : ^ se ipsa
olTert legenti correctio aytoxqccxulg ig di^idv' sagt er ; und ihm folgten
nicht nur Bekker und Dindorf, sondern S. selbst in der gemeinschaft*
liehen Bearbeitung mit Walz. Jetzt erhalten wir den Aufschlufs: ^fre-
quentissima apud Pausaniam sunt haec anacolutha, quum in eiusmodi
elocutionibus omnes casus absolute ponere videatur. Sic v. g. nQaiX-
^vxi . . . ovo^cL^Qvai 3, 20, 2; htctvBl^ovxiov . . . r^^Big 2, 25, 9;
nqoik^vxfov . . . iq>t^'\^ 8, 20, 1 ; öucßavxaw . . . iaxiv 3, 25, 1 ; iovxi. . •
ngosk&ovxi . . . ayu 8, 13, 4; oöevaavxi, . . . orlfH 5, 6, 4; iovxi . . . CS
ixdi^txm 8, 28, 1'; so dafs diese locales bezeichnenden Participiea
geradezu wie Adverbien behandelt werden. Zu VIII, 24, 7 macht S.
auf die Neigung des P. zu partitivcr Fafsung, wie ig xoöovxov v^ovg
aufmerksam, welche auch VII, 15, 3 (ig xoaovxo ösificcxog) und VII, 8,
4 (ig ^Xeioxov fOfioxtixog) berücksichtigt werden muste ; sonst las man
vtlfog ig xovxo und ig Ttkeiaxriv (Ofioxfjxa, Anderes ist kürzer ange-
deutet, wie z. B. dafs P. bei zusammengesetzten Zahlen immer die*
kürzere vorausschickt, weshalb IX, 30, 8 nivxB %al ißöofiriKOvxa cor-
rigiert werden muste; und überhaupt die ihm eigenthümliche Phra-
seologie, z. B. sagt P. immer inl navxi^ nicht wie Bekker III , 1,9
wollte inhtavj nie xaxa xi di/, sondern ncexic di} ri, vgl. I, 44, 1 und
J. H. C. Scbubart: Pousaniae descriptio Graeciao. Vol. I et II. 419
13; stets ivavzlcc tdoiSsa^cei und dgl. , wogegen III, 5, 4 r« ivavzla
verstörst; diese Redensart regiert überall den blofsen Genetiv, auch
VII, 9, 7, wo inl xa vor Oikinnov zu tilgen war. Das Weglafsen
von 6 ^ih in £inlheilungssatzen findet oft statt, z. B. VllI, !2I, 2, von
welcher Stelle S. xo Öi^A6%hjxiov für x6 xe'A.^ wie Ref. angab, ge-
schrieben hat, und I, 24, 7: hier mufs vor NUriv — m}X^v hinzuge-
dacht werden iv x^ ^iv oder iv xy (lev öe^ta. Was S. daselbst be-
merkt: ^eodem fere redit Kayseri restitutio xai Mjm^ o0ov xs xsaad-
(Hxw TVfixavj iv de xfi axiga xbiqI öoqv l%£i; eiusdem vero neque ratio-
nem neque interprelationem probo' ist uns räthselhaft, da nur eine
Interpretation möglich ist; Mxy/ statt Nl%riv ist blofser Schreibfehler,
der allerdings nicht aus M. G. A. 1847 S. 324 in Z. f. AW. 1848 S.
502 übergehen durfte; die ganze Auseinandersetzung S. 324 zeigt,
dafs wir keinen Grund hatten, den Casus zu «andern *). VII, 21, 10
hat man xo fiiv yoT^A^soag zu supplieren, beide daselbst besprochene
Statuen des Ares und Apollon sind von Erz, ihnen wird das theils
steinerne theils hölzerne Bild der Aphrodite entgegengesetzt, daher
mufs, um Ausdeutung zu verhüten, ^Atpgoölxy di mit Weglafsung von
xal folgen. Wollte man mit Curtius Pel. I, 464 nach "Agsiog interpun-
gieren und darauf xd öh ^AnoXltovog nal ''Aq>Qoölxi]g , ^g xtI. schrei-
ben, so würde die Undeutlichkeit der Beschreibung noch gröfser wen-
den. Dieselbe Ellipse glaubt Ref. in I, 28, 9 zu erkennen, wo der
Text jetzt so lautet: OTCoaa öe iitl xotg tpoviMv iaxiv, ükXa xal ijtl
IIockXaölG} xaXovat xai xoig aTtOKxelvccaiv aTiOvaloDg nqlctg Ka^i(Sxrj7i€.
K. Fr. Hermann im Philol. III, 518 vermuthet 6. öa L t. (p. iaxiVj
nQmov (liv xo inl 11, x. , ov x. ä. a. x. x. , Schubart 6. öi i. x, 90-
vsv<Siv, ioxiv ccXlct- xai ijcl II. nalovfiivG} x, a. ä, x. x. Dann hätte
das clXIcc den Sinn, der sich eigentlich von selbst ergibt, und der
auch bereits in der adversativen Wendung onoaa de liegt, dafs die
folgenden Gerichtshöfe als für Blutklagen bestimmt von den vorher-
gehenden zu unterscheiden seien. aXkcc geht aber darauf, dafs. der
Areopag schon oben als höchster peinlicher Gerichtshof erw ahnt worden
ist (<J^. 5); demnach wäre nur das erste xai zu streichen, das zweite in
ein localcs Adverbium (ov, Tva, IWcy) zu verwandeln; durch ein vor
inl Ilakkaöla} eingeschobenes xovxtov würde indes die Construction
fliefsender werden. Eigenthümlich ist dem P. der Wechsel der Casus
bei gleicher Rection : VII, 24, 2 möchte man darum , da hier alle llss.
KoQTj haben, auch in vorliegender Ausgabe um so eher den Dativ
(statt des Genetivs) erwarten, als noch'OfiayvQltp AU folgt, so dafs
dann den zwei vorausgehenden Genetiven zwei Dative gegenüber trä-
ten. I, 17, 2 könnte es scheinen als sei dasselbe beabsichtigt in der
Zusammenstellung n£noh]xai 6i G(piOiv o noksfiog ovxog xal T17 'Aktiva
l»i xjj ianCöt xai xov 'Okv(inlov Atog inl xa ßdd'Qfp, und xijg ^A^^}}-
♦) Aehnlich ist der Fall T, 33, 7, ^^o unsere Correctnr ot de vcxf-
Qov die Voraussetzung, dafs wir auch firjdi wollten, notliwcndig ein-
schliefst.
420 J. H. C. Schubart: Pausaniae descriptio Graeciae. Vol. I et II.
vag, was wir einst vorzogen, trägt wohl zur Deutlichkeit bei, ist
aber nicht absolut nothweudig. Gelegentlich bemerkt, hat es uns be-
fremdet, in der Praefatio p. VI zu lesen: ^quomodo in hac descriptione
Pausaniam erroris reum agere potuerint interpretes haud satis possum
mirari ; xov ^OXvfinCov Jiog referendum esse non ad templum qaod
Olympiae, sed ad id qnod Athcnis erat (v. c. 18, 6), manifesto demon>
strat additum aq>laiv in ittJtoLritai di a<pt0iv, ' Denn vom ßa&Qov des
erst von Hadrian aufgestellten Zeus Olympios zu Athen meldet P.
nichts, wohl aber von dem im Tempel zu Olympia, vgl. V, 11,7,
wenn auch hier eine kleine Verwechslung des vm^ti^a unter den
Füfsen des Gottes mit dem ßa^QOv (§. 8) unterläuft; atpla^v aber ist
mit nokaiiog, nicht mit 7tenoup:at zu verbinden. Uebrigens muste P.,
wenn er in seiner gewohnten Weise sich ausdrückte, xov iv^Okvfinie^
Jiog schreiben. Zweifelhaft wenigstens scheint die Richtigkeit der
Verbindung ta KccruXsyiiiva (iol (VI, 5, 7) von Citaten, vgl. VIII, 13,
6; VIII, 37, 2; in VII, 8, 2 ist es auffallend, k6q>oig dem iv Kvvog
naXov^ivaig so nachgeschickt zu linden, und die Nothwendigkeit,
dafs dem akka eine negative nähere Bezeichnung von rjtTOv tjviyKcno
vorausgehe, wie das beispielweise vorgeschlagene ovx aJijAcog, wird
man nicht bestreiten können; IX, 11, 6 glaubt S., dafs das corrupte
Ttokoaaov inl kl^ov tovtov (oder xvtcov) xov IlBvxikr^oiv aus dem
einfachen nokocaovg U&ov xov Tl. entstanden sei , doch erklärt sich
die Verderbnis eher aus dem sonst (I, 19; V, 6, 6; X, 33, 4) nach-
weislichen Ausdruck kt^oxo^ia ij IlBvxikriiSi. Das von religiösen Ge-
bräuchen oft angewandte xa^iax7}%ev bringt S. für naxa xavxd 11, 10,
4 in Vorschlag, es passl aber nur auf das TtQoOBvxea^ai ^ nicht ebenso
auf das ogäv cktco xrjg iaoöov xrjv ^bov; hier wird nichts zu ändern,
blofs ein S<Sxi,v einzuschieben sein, vgl. III, 20, 4. Für I, 9, 3 Bsge-
vUjjv Sd^rjKav statt ivi^iinav ist uns keine Parallele vorgekommen.
Ein Zeugma mfiste V, 6, 5 angenommen werden, wenn der Satz rifiC-
vog XB [xal] Ugov nccl vaov ^Agxi^tdi, ^xoöofiriacexo ^EcpBOla richtig
wäre; statt indes xa/ zu streichen, betrachten wir es lieber nebst dem
Ibqov als verdorben aus xa^ifpoxTf. IV, 33, 2 verdiente das schon in
SW angerathene roa oqBt xfj I&cofiri eine Aufnahme in den Text; in
V, 11, 2 hat S.s Vermuthung xa^i^^isvog iaxt xQ^^ov, ;u^<yot; dh xal
xa VTtoöiliuccca Brunns Beifall erhalleu (Gesch. der gr. Künstler 1, 169);
das so weggelafsene 6 ccBxog dürfte aber seine rechte Stelle nach 6 öi
OQvtg finden, wie man V, 22, 4 von einem andern Zeus liest asxov
lX(ov xou OQvt&a. Das XQ^^^ ^^ bezieht man passender auf den er-
sten Satz des Capitels xai^B^sxai, — ikifpavxog zurück: er selbst ist
von Gold und Elfenbein, von Gold sind auch die Schuhe und das
Gewand.
Ein wesentlicher Vorzug der neuen Bearbeitung liegt in der grö-
fsern Strenge, mit der S. auf die nicht seltenen Allotria geachtet hat,
die man ehedem entweder uicht gewahr wurde oder dem zu Digres-
sionen immer aufgelegten Schriftsteller glaubte zutrauen zu können.
Aber Zusätze wie II, 1, 8; IV, 35, 4j IV, 36, 6; V, 5, 3; V, 12, 2 u.
J. H. C. Schubart: Pansaniac descriplio Giaceiae. Vol. I et II. 421
3; V, 21, 9; VIII, 29, 2; X, 19, 2; X, 29, 2 sind zu störend, Iheils aacli
£u albern und abgeschmackt, als dars man zugeben dürfte, Pausanias
habe irgend einen Anlafs gehabt, damit seine Erzählung zu versehen.
Mit Recht urlheilt S. von der letzten Stelle (X, 29, 2): ' verba Ökvov
d' ovv — xol ot;rog adeo sunt inepla, ut ne ab insulsissimo quidem
Bcriptore sie potuerint iustae descriptioni obtrudi', und von V, 21, 9
* verba ^Ake^avÖQsiccg — usque 'Paamtv quam sint inepta dici non
potest.' Hier wird der Bericht über die Athleten , welche als Pankra-
tiasten und Ringer in Olympia gesiegt haben, durch die Bemerkung
unterbrochen, dafs Alexander Gründer von Alexandria sei, welches
indes schon früher als kleine Stadt mit Namen Rhakotis bestanden
habe, blofs weil einer dieser Athleten, Slraton, aus Alexandria ge-
bürtig war. Einer oben nicht angeführten Note gleichen Schlags über
die arkadischen Eichen VIII, 12, 1 will S. dadurch helfen, dafs er iht
einen Platz hinter ÖQvav in VIII, 11, 1 anweist, aber auch dort unter-
bricht sie in anslöfsiger Weise den Gang der Rcisebcschrcibung. Sehr
gut ist diese Operation V, 21, 8 gelungen, wo ottiveg — i^tjyijrag
durch §. 9 widerlegt wird, aber die Namen der Gegner des Kallippos
$. 5 waren dem P. unbekannt geblieben , also gehört der Satz nach
vTto ^HXeIiov ebend. Den Obelos scheint auch noch die Explication
Ober die Bedeutung von Augustus zu verdienen: ro 6s ovoiia slvcti
TOVTOo AvyovöTog, o xara ykmaaap dvvaTcci tj]v Elkrjvav aßaarog
(III, II, 4), wobei die Mühe der Construction eine leidlichere Form
zu geben nur verschwendet ist. Dagegen lufst sich vielleicht V, 6, 1
(mit Ausnahme von den Worten ry Zafiix^) halten; diese Ansicht
iheilt unter anderen Be inert in seiner dem Programm des Breslauer
Gymn. zu St. Maria Magdalena 1853 beigegebenen Dispulatio de locis
quibusdam ex Pausaniae Eliacis prioribus p. 8. Weniger ungehörige
Anmerkung als Häufung unnützer Worte finden wir V, 20, 3, worüber
S. sagt: ^ locus non medicina sed ferro sanandus; si ijv 6h xcckovöLv
usque ad Söti (liv et 6i post teOCa^sg includimus, recte procedit ora-
tio. Sed manum violentam abstineo.' Vielleicht bedarf es keiner so
starken Cur, wenn man xal und das zweite xalovaiv tilgt, dal schreibt
und 6i nach tsaaaQeg weglüfst.
Auch einige Glosseme hat S. nachgewiesen, wie III, 20, 4, wo
vo^ltovrag ungrammatisch durch ^vnv erklärt wird; VII, 4, 3, wo iv
ty üdfiGi neben 6L€tßctvxsg weder richtig construiert noch für den
Zusammenhang notliwendig ist; VII, 7, 5 hatte Clavier Recht ro (paQ-
ftaxa als unecht zu erkennen , und S. ist ihm wenigstens in der Prae-
fatio gefolgt, im Text sind die Klammern wohl durch ein Verschen
weggeblieben, wie VII, 8, 7 gleichfalls durch ein Versehen gesetzt
worden, wo wir ctvxog ovzog OiXimtog einst als störendes Einschieb-
sel verwarfen; S. will wenigstens uvxog in der Vorrede retten, *quod
cum vi quadam positum est; recte, nam dextrum cornu, cui praeeral
Philippus, bene rem gessil', aber diese Andeutung wäre zu kurz ge-
fafst und der Gedanke der Stelle verträgt die Erwähnung eines sol-
chen Nebenumstandes nicht. IV, 9, 5 ist iv tovtgi blofse Variation des
422 J. H. C. Schubart: Pausaniae descriptio Graeciae. Vol. I et II.
gleich folgenden iv Toawd«, vgl. Z. f. AW. 1848 S. 1081, wo auch
ovx oXa TS für ovtwvv ota tb vorgeschlagen wurde. Achnlich hat man
TO IhvxQOv VIII, 14, 3 als nähere Bestimmung des allgemeinen fo
iqyov anzusehen, und, wie Trüher Ref. bemerkte, VII, 11, 3 w? nUl-
(Sxag als unnütze Paraphrase neben onoaccg eatlv olog re. In der Be-
urtheilung von VlII, 20, 2 mag S. noch nicht zugeben, dafs xav koyov
6h xov ig Jccg)vi]v Dilogie ist neben nal xa aöo^evcc ig xr^v ^tdtpvrft*^
>^'elche Worte sich ungezwungen und ohne dafs man einen Ausfall
anzunehmen braucht mit xa fiiv Zfvqoig (für UvQlag) xolg olnovaiv
STtl ^Oqovxri verbindeu; er will lieber Ja(pvrjg re sivexa streichen,
aber nur xe ist ungehörig. Auch II, 27, 1 ist xov avxov vofiov neben
xaOa ganz überflüfsig und es bedarf der von S. proponierten Aende-
rung in xo avxo vofil^ovai schwerlich. V, 7, 2 will Beinert 1. c. p. 10
trus ig xt^v ÖQxvylav machen iaxiv ov^vyiäy uns scheint damit nur
TtQOg xriv Ttrjyriv erklärt zu werden, übrigens kommen wir unten auf
die Stelle zurück.
Von den Glossen hat man die absichtlichen Appositionen zu un-
terscheiden, dergleichen das schon früher berührte ivxav&a iv rfj
XcciQcovslcc IX, 41, 7; die Vermuthung VI, 3, 9 habe P. ivxav&cc iv
^OkvfinCcc geschrieben, macht wohl eine Versetzung nöthig; aber das
von S\V und Dindorf gebilligte Ttsvxdd^XG)^ wenn auch ^proxime ad
literas accedens', nöthigt die höchst auffallende Verbindung des quin-
quertium und pancratium anzunehmen, welche der Schriftsteller als
Merkwürdigkeit zu bezeichnen nicht unterlafscn konnte. Analog mit
dieser Epexegese des Adverbiums ist III, 21, 4 iitl ^dXaaadv xe ig
Fv^iov^ wo S. mit xal vor ig F, die Phrase richtig ergänzt. Unge-
achtet des Ausspruchs von demselben über IV, 4, 5 ig xavxtjv Fakd-
xag iXcevvovüiv dnb Oakdxxrjg: ^nondum restitutus est locus' wa-
gen wir doch noch einmal ivxev^ev zu empfehlen. Von der Rich-
tigkeit des o<Sci fiev ig igya kccI dvSQmv XQelag (für xetgag)^ auf wel-
ches auch Emperius gefallen war, ist S. ganz überzeugt, aber Sätze
wie VIII, 31, 6 ^Ag)QOÖlxtig ye i'vexa xctl Igyciiv tc5v ravxj]g ♦), VII, 18,
1 onoaoidi ig'HQaKkia xaJ xd l^ya avxov nenoi'qxaatVj welche zwar
nicht dieselbe Tautologie aber eine ahnliche enthalten, dürften um so
mehr für die Vulgata sprechen, als dvÖQoiv statt dv&Qcinoyv neben
XQslag sonderbar lautet und XQ^'^^'' selbst bei P. sonst nicht vorzu-
kommen scheint. V, 9, 2 können die Reiter der xdkTCi], welche mit
den dvaßdtai zu P. Zeit theilwcise Aehnlichkeit haben sollen, aber
auch in mancher Hinsicht von ihnen verschieden sind, nicht auch die-
sen Namen tragen, also ist das erste ot dvaßdxai zu streichen. X, I,
9 ist ovK iv ßißalo) neben aakivovCav überflüfsig, wohl auch VIII,
48, 3 avBv xcov dvÖQWV neben Idia und VIII, 52, 5 iv Üigaaigj wo
sich von selbst versteht, dafs die Söldner in persischem Dienst stan-
^) Am Schluffl dieser Periode hat Dindorfs ig 66Xovg mit Unrecht
Schubarts Beifall erhalten; die koyoi stehen den inizBxvijaeig = ^Qya
entgegen
J. H. C. Schubarl: Pausaniae dcscriptio Gracciae. Vol. I cl II. 423
den, Qberdies aus xara/Savrag 'genugsam hervorgeht; IV, 31, 5 wo S.
BattyiKov ro in£g)^sy^ia {votlesen will für B. t* i. f., scheint uns ri
ans €0tt verkürzt, und svdaavrog aus dnovxog verdorben, jenes Bctx-
IfjLKOv iartv inlq>^£yfici svot aber nur zur Erklärung von evaaavrog
beigefügt. In dem Satz I, 1, 4 ßtofiol 6i Oecoi/ te 6vo(Aa^oiiivcov ayvd-
axfov xorl ^90)0)1/ xa2 nalSiov rov SrjaeoDg xal ^aXrjQOv halt S. das
aal vor naiöoDV für eingeschoben; sollte nicht eher %ai tjQcioyv hus
einem unrichtigen Streben nach Deutlichkeit hervorgegangen sein, in-
dem man für die Söhne des Theseus die Berechtigung zur Ehre des
Altars hinzuzufügen nöthig fand, dadurch aber gerade die schiefe Be-
ziehung von ayvoiatav zu f]Qci<av möglich machte?
Bei weitem schlimmer und hänüger hat der Text des P. durch
Ausfalle gelitten. Durch das Fehlen eines \Vortes schon kann der
Sinn einer Stelle total alteriert werden oder die Construction sich
verwirren; wie I, 18, 6, wenn man yag nach ^Ad^iavog wegläfsl; V, 8,
6, wo t^v vor £7tl raig 'Okvfinidai treten mufs; V, 13, 4, wo avrotg
keine Beziehung hat, wenn nicht "ElX7]aiv vorhergeht; in demselben
$. leitet aal rj vavg auf die nothwendige Ergänzung und Correctur
ovTcoiv T£ anoXXvvraL nokXoi^ vulgo liest man blofs dnoXkvrai. Un>
entbehrlich ist VII, 5, 11 ymI vor Kkaloiietnoig ^ wie bereits Korai er-
kannte. Dafs I, 18, 9 P. crottl fxcrrdv HCl xiovcdv geschrieben habe,
scheint S. nicht glauben zu wollen, obwohl das gleich folgende rciig
Ctocctg zu dieser Vermuthung nölhigt. 1, 28, 2 schlägt S. für rrjv inl
%fjg danldogy was zu der Ergänzung (ni%7jv nothwendig führt, rd i.
T. d, vor; aber ro; Actniiymv ngog KsvxavQovg ist der Diction des
Schriftstellers fremd. S. hat übrigens (i(ixy]v iu Parenthese beigefügt.
Mehrmals haben wir bemerkt, dafs er lieber eine Corruption als eine
Lücke annimmt; so I, 13, 5, wo er der von andern verlangten Ein-
reihung des og nach Kksciwfjiog dadurch auszuweichen sucht, dafs er
7i€nB0ri] macht aus Ttareaz^aav; so hebt er die Relativität, welche
nothwendig ausgedrückt werden muste, auf, indem jetzt nur Arcus
als €g a(iq>iaßrjti]aiv Karccarag tvsqI rijg ccQ%fjg erscheint. Eine Verglei-
chung mit III, 6, 2 lg avttXoyiav €cq)Uovxo vnsQ xrig ßaaiXelag KXsd-
Wfiog rs 6 KXiOfisvovg xal'AQBvg o^AnQordxov konnte zeigen, dafs
auch hier beide verbunden werden musten, ferner dafs sowohl der
Zusatz 6 KXsoiiivovg als die Angabe von dem für Kleonymos ungün-
stigen Ausspruch der Gerusie hier nicht fehlen könne, mithin ein Satz
nebst 0 KXsofJiivovg ausgefallen sei, der etwa so lautete og vnb rcov
ysQOitoiv d7C£?M^elg tijg ßaOiXelag r,xi. 111, 12, 2 schliefst S. xa/ vor
0)^ yvvcduci xxs. ein; eher darf man die Partikel als Spur eines Ver-
lostes betrachten , denn mit xcri d)g pflegt P. eine näher eingehende
Erörterung zu beginnen, nachdem die allgemeine Andeutung voraus-
gegangen ist, welche hier mit den Worten fifra yciQ xo x6XfAfi(ta xov-
xdov xo lg xovg dvBfptovg gegeben werden konnte. VII, 14, 6 erwartet
man, dafs zu ßaaiXia oder mXiv ein Praedicat wie dvvctxov trete, da
sonst der HauptbegrifT in der Sentenz fehlt. Zu Vif, 26, 10 bemerkt
S. : * mendam latet in vcrbis ovdh del (OMito xal ^Imv&v Ixi ipiTcoi/
424 J. H. C. Schubart: Pausaniae descriptio Graeciae. Vol. I et II.
Ti^v yijv; scripscrim equidem o de ael oaxfiro.' Abermals sacht er
eine dem Buchslaben nach leichte Aenderung auf, welche jedoch eine
grofse Ilürte in der Construction verursacht, wo unseres Erachtens
nur das stärkere Mittel helfen kann: vor dem widersinnigen ovSi feh-
len drei Silben, und der Satz ist im reinen, wenn man in TtaXaiov 6i
schreibt, vgl. IX, 35, 2. Gelegendich sei bemerkt, dafs aus dieser
Stelle oben VII, 26, 2 zu berichtigen ist, wo man lieber ixt ixovtmv
xriv yijv als einfach mit S. ht olxovvrcov für eTCotxovviwv lesen wird.
Dieselbe Heilung verlangt wohl V, 7, 2 tavia filv koyov tov ig^Ak-
(psiov ig xfiv ^ÖQXvylav xo dl dtcc xrjg ^cckdaarig iovxa ivxav^a cJva-
Tioivova^ai xo vöcoQ nqog xriv Tttjyriv ovk laxiv 07t(Qg airtCxriöca %xb.
Wir haben schon oben erwöhnt, dafs Beinert für lg xriv^O. corrigiert
icxiv ov% vytä^ worauf auch Amasarus gefallen sein mag, wenn er
übersetzte: quae omnia fabulose diclo facile videri possunt. B. über-
sah dabei, dafs vor koyov der Artikel nicht fehlen darf; für den Aus-
druck ov% v%tä wünschte man einen Beleg aus P. , abgesehen davon
dafs dem ovx — otniax^]a(o genauer der Begriff der Uuwahrscheinlich-
keit entgegengesetzt wird als der der Unrichtigkeit. Jenen gewinnen
wir durch Annahme des Ausfalls von ovx axdra /not (pa/vexm dvai
xov vor koyovj und e^ xiiv^Oqxvyiav macht keine Schwierigkeit, wenn
man, wie oben geschehen ist, darin eine Glosse zu den Worten nqog
xriv Tttjyrjv sieht. Für das hauflg vorkommende sUog bei P. bedarf es
keines Nachweises. Dafs Porson VIII , 10, 9 xo slxog nach Mavxivev-
civ einzureihen gerathen hat, muste von S. wenigstens in der Praef.
angeführt werden, da kaum etwas anderes dort stehen kann und VIII,
12, 7 die vollkommenste Uebereinstimmung darbietet. Wenn 1 , 29, 7
S. nach IxcitpriiSav das di streicht und interpungiert, statt dafs man
sonst liest extiiprjtfav öi xal ot xekevxi^aavxsg xrf., so entstehen zwei
Abnormitäten : dafs der Plural ix€cq>t}accv zunächst mit Mskrjöavögog
verbunden wird, und die Wiederholung von xal ot^ wo man an der
ersten oder zweiten Stelle oi re oder sonst eine neue Wendung er-
wartete; diese fallen weg durch Einschiebung von neivxai nach doxi-
(icixcexoL 1,27, 4 befremdet die Adjectivform svrjgsg, worin Bekker
und Toup richtiger ein Nomen proprium erkannten, so dafs Avatfiaxti
ein anderes Bild war; diese als diccKovog zu bezeichnen, ohne die
Person zn nennen welcher sie dient, geht nicht an, man mufs wohl
xal xrjg deov vorausschicken. Merkwürdig ist es , dafs 1 , 27, I keine
einzige IIs. viceöi^ccvxo hat, sc. AaKedattiovioi y sondern alle in vtcs-
ds^aro übereinstimmen ; bedenkt man dazu die genaue Bekanntschaft
mit Herodot, welche P. überall zeigt, so wird es kaum denkbar er-
scheinen, dafs er hier nicht den Aeimnestos erwähnt haben sollte,
von welchem Herodot IX, 64 spricht: ano^vi^aKSi öh Magöoviog vno
^AiifAvrjüxov avÖQog iv JSndqxy koylfiov; und wenn er das that, muste
er zugleich auch den Umstand bestimmt hervorheben, dafs es dem A.
nicht gelungen war des Schildes von Nardonios habhaft zu werden;
er sagte etwa ovd^ avxog vneöi^axo aQxrjv (statt ovd* Sv VTKÖi^ctvxo
dqXi'jv) und fuhr dann erst hypothetisch fort : auch hätten die Spartaner
J. H. C. Schubart: Pausaniao descriplio Graeciac. Vol. I et II. 425
den Schild gewis nicht den Athenern überlafsen (naQ^nav av). Der
fiBme^Aeifivfiavov ^vird vor avÖQog seine Stelle gehabt haben, wie
bei Herodot.
Unter den von S. selbst angegebenen Ergänzungen ist V, 16, 1,
wo die Dimensionen des Hcralempcls in Olympia bestimmt waren, und
VIII, 1, 2, wo die Grenzen von Elis und Triphylien vulgo mangelhaft
bezeichnet sind, so sicher behandelt, dafs man nicht daran zweifeln
wird. IX, 19, 8 vermuthet er den Ausfall von Iv öe to5 vaw 'Anok-
lavog: vielleicht ist die Lücke hier hinter Ai^hov zu suchen, wo
[sQOv^AnokXfovog den Namen Ji^Xiov erklart, xal vor ^Agre^idog wird
dann darauf hinweisen, dafs auch Apollou wie natürlich seine Statue
hatte. V, 8, 7 ist die von Krause zuerst bemerkte Lücke wenigstens
anerkannt; was und wie viel fehlt, lüfst S. wie gewöhnlich dahinge-
stellt. Die Vergleichung mit den übrigen Angaben der ersten olym-
pischen Sieger jeder Gattung zeigt wenigstens die einzelnen Data,
die angeführt werden musten; es biefs also etwa ty öe i^fjg ['OXv^i-
niaöi TCQoaed^eCav öokt^ov xaJ ivlxtfiev in ovrco Aa^BÖcti^oviog]
lAxavüog. Dafs aber V, 9, 3 S. die vielbesprochene Darstellung des
olympischen Agon für vollständig hält und nur mit der Aenderung
Xommv statt titncavj wobei noch dazu [liv hinter nevrccd'kov stehen
bleibt, helfen zu können glaubt, wird vielleicht noch andern aufser
Ref. aufgefallen sein. Desgleichen ist bei II, 35, 4, wo der Gedauko
einen Zusatz wie öagov kaßeiv KUQnov 7]fi6QOv verlangt; VlIl, 24, 11,
wo für yiyovB di alxiag xo AhtoX^v Sd'vog nothwcndig y, d. «. tov A,
i^vovg ^ ccvaßiaaig gesetzt werden mufs, da sich das gleichfolgcnde
yByovaai 6h avzol re avaararot darauf zurückbezieht; IX, 2, 5, über
welche Stelle wir auf Rh. Mus. N. F. V, 356 verweisen , nicht einmal
der Ausfall angedeutet; VIII, 7, 5 muste Weiskes ävÖQu öe ayaO^ov
aufgenommen werden, aus avQctrrjyov würden wir, statt mit jenem
CxqaxiYyov ye aya&ov zu lesen, einfacher azQaxfjyovvza machen. VI,
20^ 8 kann xa^eaxtjxe zu iaiivat nicht fehlen; VI, 21, 1 wird etwas
wie Zva öe^uLXO zu xavetv vermifst; I, 39, 2 CxQaxevaavxcov nach xau
ig &^ßagy da diese Ellipse bei P. sonst nicht zu finden ist; VII, 17, 2
möchte S. lieber mit Sylburg und Dindorf iaivexo^ was in der Ver-
bindung mit AaKiöamovlovg ^EnafieLvcivöccg aal 6 A%atav nokeiiog
fremdartig sich ausnimmt, lesen und ist gegen das von uns zu eyivexo
vorgeschlagene Supplement cvyicpo^a oder oke^QOV atxiog : ^ utrum sit
facilius alii videant' liest man II p. VII *}, Bei der Lückenhaftigkeit
des Textes der Periegese und mit Berücksichtigung des dem P. cigcn-
thfimlichen Sprachgebrauchs wird man sich allerdings leicht entschei-
den können. VII, 23, 3 könnte eher darüber gestritten werden, ob
♦) In Beziehung auf das sonst dort gegen Ref. bemerkte ist nur
lu crwicdcrn, dafs die Uebertragung Achacorum impcrium surgcre
eonatur quasi e iruncata ei maiori ex parte arida arbore und die
Verbindung von xä nXeCova mit dvceßlaaxccvei nicht gut geheifscn wer-
den kann.
iV. Juhrb. f, Phd. «. Patd. FJ. LXX. Il(t. 4 u. 0. 2"^
426 J. H. C. Schabart: Paasaniae descriptio Graeciao. Vol. T et II.
yccQ nach XovofAivotg einzureihen, oder liq^ip/ iQtatog ylvsa^m zu til-
gen sei. Auf die Ergänzung von ig vor ikalag nXavag V, 11, 1 leitet
>vicder der Usus des Schriftstellers, welcher fieiiiiirj^ivog nur als
Passivum kennt. Gern wird man zustimmen, wenn S. VllI, 3, 7 ^ vor
i:il xifiy T^ K, anbringt, da so erst ein vernunftiger Gedanke ent-
steht; VIU, 32 ist es vielleicht rathsamer ig zu streichen vor v<SteQov
als ig TtXiov zu schreiben, da dieses schon in iiti^sKStv ausgedrückt ist.
VIII, 11, 3 hat ov Tcoggoa dh 0ol^(ovog^ was Curtius vorschlägt Pel. I,
270, gröfsere Wahrscheinlichkeit für sich als 6 6b 0ol^o)v.
Einigemal muston auch Versetzungen vorgenommen werden. Eine
sehr vorzügliche Emcndation dieser Art besprachen wir schon oben,
die wodurch V, 21, 8 OLttveg — i^rjyriTcig nach ^Hkslav §. 5 einge-
rückt wird. Ebenso einleuchtend ist die Transposilion der Worte
^valaig re ccTtOQQfiTOtg xal xa&aQiiotg VII, 18, 7, welche nach §. 8
hinter r^^ iiavlag verpflanzt werden müfsen; desgleichen die IX, 3, 14,
wo ig Katnov nedlov iXavvowa (für ikavvovzi) nach OiQaavÖQOv
die gehörige Stelle findet, da Kalnov TteSiov keine Localitat in der
Stadt Elaca gewesen sein kann; auch VII, 10, 5 niuste. dies Mittel an-
gewandt werden, wo sonst öi hinter %dl(ov statt hinter naget stand,
und IV, 31, wo bisher das xa vcrkehrlcrweise auf Tla^iCov folgte.
Ucberraschend ist K. Fr. Ileruianns Vorschlag, I, 24, 3 Ttsnottjvcii di
Ticcl ro (pvtov xijg ilalag Ad'}jvä xal xv/ncr avaq>atv(ov TloiSBiöfav in
die Beschreibung des westlichen Giebels am Parthenon (I, 24, 5) zu
übertragen; woraus hervorgeht, dafs Hermann von der Darstellung
Welckers (alte Denkmäler I, 67 IT.) hier nicht weniger abweicht als
Gerhard (drei Vorlesungen, zu Taf. U) und Panofka (Proben eines
archaeologischen Commcntars zu Pausanias S. 50) in Betreff des öst-
lichen. S. billigt die Idee seines Freundes und fügt die freilich sehr
allgemeine Motivierung hinzu: ^non uno loco verba, versus, sen«
tentiae per iucuriam omissae deinceps margini adscriptae in locum
ineptum se insinuarunt maximasque turbas procrearunt.' V, 7, 9 will
er xov TOXB umstellen, doch lafst sich dagegen einwenden, dafs die
olympischen Spiele zu verschiedenen Zeilen erneuert wurden, die er-
ste Periode aber hier gemeint ist, welche der idaeische Herakles ge-
gründet haben sollte, indem er zugleich die Penletcris festsetzte.
Eher dürfte II, 21, 1 xtav ot KaxeigyaCyiivmv statt oi tcoi/ x. gelesen
werden, und V, 4, 3 ist kaum daran zu zweifeln, dafs P. a(pUtxo dl
%al orvrco in J6kg>^v XQtfCfiog (mit Bezug auf V, 3, 5) schrieb, nicht
d. ÖS avxa xai ix J, %, In VIII, 7, 8 scheint xov Inovg vor tov lg
rXavKOv treten zu müfsen, so dafs dieser Genetiv von beiden Verben
inoirliSaxo Xoyov und aifsiil^v^jOKSv avxov abhängen kann; I, 22, 7
haben die Uss. die leichte Corruptel inl de xciv yQagxai^ — i<Sxl Mov-
oaiogj wofür SW ixi xrl. nach G. Hermanns Conjeclur schrieben;
jetzt ist xav öi yg, . — iaxl M. mit Weglafsung des ersten Wortes
vorgezogen worden; uns scheint jenes inl aus laxi entstanden, und
in Folge der Verwechslung iaxl nachgetragen worden zu sein. 1, 38, 7
scheinen Xoyav und yeveav ihre Plätze vertauscht zu haben.
J. II. C. Schubart: Pausaniao descriptio Gracciac. Vol. I et II. 427
Berichligungcn , die mehr den Inhalt als die Form betrelTen, könn-
ten wir viele auffahren, beschrfinken uns aber auf die bedeutendsten.
Darunter gehört I, 34, 5 anXdyxva tegelcov, II, 8, 5 avfißakovreg —
g>ifOVQioig, II, 26, l^^^y avriji/, III, 25, 4 vcfw elnaOfthov OTC^Xaiovj
IV, 21, 9 of avxol rj^ivvovvo' xqixti Jiöri fifiiQcc^ IV, 32, 2 ysvea d^,
V, 9, 4 Ttiiimy Kccl einoary öe 'Okvumddi^ V, 13, 8 Ticc^amQ ys xal
iv üe^afiG) tiipi^ag iarl ry'HqfCc x^ Ikiftla ßmfjiog, V, 18, 2 yvvatna
alöXQciv xoXaSovaa, VI, 5, 9 ^ t£ 0^091}, VI, 12, 2 x^ccxfjaavxi , VI,
23, 1 xelxovg, VII, 9, 7 xoße fiiv — inqax^^ VII, 24, 12 ivci%XivoV'
Cav, VIII, 44, 7 &eov ^Aq>vBiov^ VIII, 46, 5 xo fiixQov, IX, 19, 8 nav-
tBg di dciv^ IX, 29, 6 (iixgov 07Ci]kaloVj X, 9, 1 xhiirivxm ö\ öU^oöoij
X, 12, 1 ^Hqo(pl\riv inlxkTjaiVj £ißvkkav di rijv tcqoxsqov y£vo(iivriv
tavxfjg und vno tc5v JeXtpciv AlßvCiSav^ X, 17,12 ig ti^ cckXa %uqa^
X, 28, 1 yiQ(öv o noq^fjisvg^ X, 33, 12 Navßokov (Dwxov, X, 37, 2
Boi'klg iaxiv oiiOQog. Hierzu kommen noch mehrere evidente Ver-
befserungeu, welche zur richtigen Auffafsung der Localität dienen,
wie VIII, 8, 3 fpaivsxai olxrjaag ^ (^i*?) IlxoXtv ovofid^ovatv ^ worauf
die Vergleichung von VIII, 12,7 geleitet hat; wie naga Aamv III,
24, 7; wie ferner IV, 29, 2 ^aqalag statt ^Aqydcig^ welches letztere
undenkbar ist , da Demetrios sich noch vor Tagesanbruch nach seinem
Marsch von der Flotte her in Messenien befindet, und V, 5, 3 Niöag
neben (oder bcfscr für) ''HXstag, Denn die Voraussetzung, welche
Curlius Pel. II, 115 macht um 'HXelag zu halten: ^Fausanias kommt von
Mord-Elis, wie ich glaube zu Wafser, legt bei Samikon an, sieht ge-
gen Osten gewendet, Trifhyliens Berge zur Rechten, geht nach Le-
preos und beginnt von da seine Wanderung' ist zu künstlich und ver-
Btöfst gegen den Zusammenhang der Periegese; P. kommt nicht aus Elis,
sondern aus Messene ; er hätte auch in dem angenommenen Fall we-
nigstens mit einem Worte seine Seefahrt angedeutet. Dafs IX, 10, 2
derselbe nicht blofs einen ismenischen Hügel bei Theben, der dem Apol-
lon geweiht war, erwähnt haben kann, sondern zugleich einen Tem-
pel des Gottes , erhellt aus dem spätem Satz fiaxa öh 0 vaog cokoöo-
lir[xai', deshalb corrigiert S. mit Recht Kai Uqov (statt iSQog), wenn
nicht etwa P. aal vaog schrieb. Emendationen von Eigennamen sind
VIII, 35, 5 Zxidöig (wofür Aie'^AQxsfiig Zxtaötxig spricht), VIII, 10, 4
^Oöoyaa (statt 'Oywa) nach Slrabon XIV, 136 Kr. und Böckh C. I. II
p. 476; II, 5, 8 XQvaoQOij, wo sonst XgvaoQd^rj^ eine sinnlose Com-
position gelesen wurde; triftig ist ferner die Bemerkung, dafs der
Hafen von Pellcne, wenn er nach der Argo benannt wurde, !^(>yorav-
Tttt nicht '^(^itfTovavTCfihiefs, auch führt die Lesart dgyoaxovavzai im
La darauf. Hierüber ist übrigens schon Siebeiis gleichsam unbcwust
auf dem rechten Weg gewesen, vgl. die von Curtius Pel. I, 480 über-
sehene Note in SW. Eben so wenig Notiz hat Curtius von unserer
Correclur anrjXaiov Uqov ^AauXijrcLOv III, 24, 2 genommen (vgl. Ztschr.
f. AW. 1848 S. 1003), welcher S. in der Pracf. beipflichtet; C. nennt
noch das ^Stetheon' als Ileiligthum des Asklepios. VII, 5, 10 hält S.
lUovog fest, da Plinius N. H. V, 29, 31 und die Münzen von Ephesos
28*
428 J. 11. C. Schubart: Pausaniae descriptio Graeciae. Vol. I el II.
eine» Berg IllcDv (Ilslmv) kennen; und verlangt VII, 26, 1 für AlyEl-
ocov die schon vorher angewandte Form Alysiffarmv^ da bei P. nur
Aiyuqa im Singular vorkommt ; VIII, 24, 3 stellt er die richtige Ge-
netivform Zbiq^v her, wo sonst Usigalav stand. Auf die Unsicher-
heit mancher Namen macht die Note zu VII, 1, 10 aufmerksam, indem
denselben Mann Strabon KvÖQijXoQj P. KvdQrfvog nennt, ebenso jener
von KvcSjcog^ dieser von KkioTtog VII, 3, 7 redet, vgl. Strabon XIV,
93 Kr. In III, 20, 8 verschwindet die sonderbare ^A^tivä TlaQila^
wenn man S.s Vcrmulhung folgt, dafs diese Göttin von dem Spartaner
Ugd^ benannt sein konnte, welcher das nahe [egov des Achillens ge-
baut hatte, und IlQctTisia liest ; Gerhard gr. Myth. I, 234 denkt an ^Aqsla.
Weniger glücklich möchte die Behauptung zu V, 15, 4 und 10 sein, data
P. Aidnoivai nenne statt der 6inen oft so angerufenen Persephone;
an ersterer Stelle konnte AedTtolvg CTchösiv leicht in As<Sito£vaig an,
verschrieben und danach der Artikel abgeändert werden , und eben so
§. 10 AEöTtoltnjg in AscnoCvaig übergehen ; der Satz ta ig t^v d-iov
sichert gewis den Singular, obgleich S. erklart: ^ra ig r. &. obstare
non vidctur.^ Zu I, 33, 7 liest man die Bemerkung: ^inter liyovaiv
ci A^öav cxpnnxi "EkkTjvsg ^ idque reposui inter tavzd et Ala^ ubi
codd. edd. habent 'EXivtig. Illud^'£AA7/ve^ margiui adscriptum tanquam
corroclura ad 'EXivtjg in locum alienum irrcpsit totumque sensum tur-
bavit.' Wir finden hier keine Verwirrung; der von dem Dichter der
KvTiQtcc behandelte Mythus war unter den Griechen ohne Zweifel sehr
bekannt; dcn'^'Ekkriveg aber, zu welchen P. sich selbst nicht zfihU,
wird dann die ganze übrige Menschheit entgegengesetzt, welche all-
gemein annahm, Helena sei Tochter des Zeus und nicht des Tynda-
reus , so wenig als Herakles Sohn des Amphitryon. Unter dem Na-
men Kdqvstog werden drei verschiedene Personen III, 13, 3 ff. be-
sprochen; der letzte soU nach Praxilla (vgl. Schol. Tlieocr. V, 83)
Sohn der Europa und des Zeus gewesen sein und Apollon mit Leto
ihn aufgezogen haben. Der Text lautet Jlga^lkkrj fiev öri neTCOirifiiva
iauv, tag EvQdrcijg euj xal Kdgve^og xrl. ; das aal lafsen La Vb weg,
S. schreibt dafür 6 Kdgv€iog, doch passt der Artikel nicht, wo von
einem andern Karneios die Rede ist als von dem olnirag der Lakedae-
monicr und dem von seinem Mantis Karnos benannten Apollon Kar-
neios aller Dorier. VllI, 47, 6 verdiente Spengels Teysäzai wenig-
stens eine Erwähnung. IV, 11, 8 ist ^Aqydctg nicht zu ändern; die
Korinthier würden auf keinen Fall durch Arkadien gezogen sein, aber
wenn sie entweder den weiten Umweg über Elis machten, berührten
sie Sikyon, oder wollten sie durch Argolis sich durchschleichen, so
waren die Argivcr ihnen hinderlich, beides Verbündete der Messenier.
Sonderbar ist VllI, 16, 1 die VorsleHung, dafs die Anhöhe Tf^iTeiOv
auf der Strafse liegen solle , wenn auch die Vulgata ebenfalls nicht
richtig zu sein scheint. Hiefs es wohl xal Oevedraig ögot TCQogIkvfi*
(paktovg tijg yfjg xaric vovxo iici to reQOitsiovl IV, 6, 1 spricht P.
von der Benennung des messenischen Krieges : ovx ino xwv inusvqct-
nvadvrnv äaittQ ya o Mtidixog nal 6 üekoitovyi^Mg, Mtac^vtov di
J. H. C. Scbubart: Paiisaniao dcscriptio Gracciac. Vol. I el 11. 429
(sc. ovoiiatsMvTcc) ccno xav avfig)OQ(ov VM^a di) xcd xov inl ^IXin xA//-
^Kivai TgcoiKOv aal ovx ^EXlrivixov i^eviKtfiev. S. denkt sich, dulV*
vor avfiifOQWv ausgefallen sei rav MtGCrjyluiv ^ wodurch eine noeli
schwerfälligere Slructur hervorgebracht wird als wenn P. ccno z^v
av(AfpoQav xav M. geschrieben halte. Indes nuifs olTenbar den im-
ax(^evaavxeg die enlsprechende Anlilhese o[ afivvofiivoi folgen, so
stark auch die literale Verschiedenheit von avfifpo^tov und afivvofii-
vüüv sein mag. Man vergleiche, wenn es dessen bedarf, Parallelslel-
leo wie III, 12, 6; IV, 17, 10. Eine zu grofse Ungleichheit und Härte
des Aasdrucks muthet S. dem Schriftsteller auch IV, 12, 10 zu, wenn
er vorschlägt: ^XiymvS^a a cum anacoluthia in sequcutibus?' Der
Fehler liegt hier nicht in äkka xe a, welche Worte ganz gesund sind,
aber wohl in der Zusammenstellung von nagenv<>Btxo und i'axtide und
in der Beziehungslosigkeit von xe. Aristodemos konnte nicht zu glei-
cher Zeit die Messenier trösten und die hundert hölzernen Dreifüfsc
(vgl. §. 8) aufstellen, vielmehr muste letzteres unter andern ein Ge-
genstand seines Halbes und seiner tröstlichen Zuspräche sein; iaxtjoe
ist nemlich aus cx^aai verdorben. VIII, 36, 3 ist nicht nölhig [sgeiong
za setzen, wenn man die ugal yvvaiKsg der Hhca als llierodulen die-
ser Göttin betrachten darf; II, 2, 1 fragt es sich, ob mau ein advxov
als vaog zu betrachten habe, da S. xal akkogisc.vao^) vermuthct; lie-
ber würden wir lesen fort dl avxov aal aÖvxov Tiakov^ievov. IX, 27, 7
soll &£^ für ^eog eintreten, aber die Götter beslellen ja wie im ho-
merischen Apollonhymnos ihren Cullus selber. An der Form Kcdddiig
1, 8, 5 mufs man jedenfalls anslofsen und der bcreils von Pulmerius
gemachte Vorschlag Kakkiddrjg verdiente wenigstens erwähnt zu
werden.
Sehr behutsam verfahrt S. auch in der Krilik der hie und da ein-
gestreuten Verse; z. B. das corrupte rixxuküiG 7]uov(Sovai Ttokiv X,
9, 11 (aus den XQV^i^^^ ^^^ Mnsaeos) ist beibehalten, obgleich Em-
perius^ Emendalion tjxxijg ov krjöovai nokiv (Zeilschr. f. AW. 183« S.
813) kaum einem Zweifel unterliegt; f(txi]g hat Bergk aus Rh. Gr. IV,
ö69 nachgewiesen. Der Vorzug, welcher V, 23, 10 der Lesart ^yov
ov Alylvr^ diiT von La AlyivtfCEfa toi/ eingeräumt wird, dürfte nicht
leicht zu begründen sein; der Gebrauch von ^liv V, 25, 13: vtog fiiv
(jLB MUiavog^ wenn auch Vlll, 42, 10 wiederkehrend, bleibt immer auf-
fallend und eine Aendernng wie idv scheint nötliig. Freilich möchte
S. ein solches absolut stehendes fiiv auch in den Vers des Pumphos
iTTTKOv xe öcoxiJQa veav r' i^vKQiidiiivcav hineincorrigicrcn, weil er
Lobecks Unnov r' i&vvxiJQa mit l{>vy,Qiiöiiii>(ov verbunden für eine
Kakophonie hält, welcher er selbst das von Ilccker verlangte TjCTtav
xe öfitixiiQUj wodurch ein bedenkliches Zeugma enisleht, vorzieht;
das heifsl in der That aus Scheu vor einem eingebildeten Fehler einen
wirklichen zulafsen; es ist noch die Frage, ob Poseidon sonst wo für
den Erfinder des Schiffbaus gilt, wie er die Uofse zähmen lehrte.
Und was will hier P. beweisen? nicht, dafs der Gott das Hofs den
llenscbeD schenkte, sondern dafs man die inKiM\ ihm verdankt. Der
430 J. H. C. Schubart: Pausaniao doscriptio Graeciae. Vol. I et II.
Einwand gegen unser &ea V, 10, 4 ^quidni &eotsf* war uns über-
raschend , da hier an keinen weitern Golt als den Zeus gedacht wer-
den kann. Beinert bemerkt deshalb l. c. p. 12: Wocabulo zotg quod
est in codicibus, &a^ a Kaysero propositum non admodum simile est,
^eotgj quod Schubarto probabilius videtur (so war es nicht gemeint!),
propius quidem ad ductus vocis rotg accedit et cum hac aliis iocis a
librariis confusum est, sed idcirco mihi displicet, quod donarium La-
cedaemoniorum, quum in templo lovis esset coilocalum, non in Univer-
sum diis , sed lovi soll dedicalum esse puto.' Was die Aehnlichkeit
von rotg und &e(p betrifft und die Möglichkeit einer Verwechslung, so
verweisen wir auf V, 22, 3, wo im vierten Vers des Epigramms alle
Hss. avv roig für avv &£otg haben, auf VIII, 44, 7, wo S. trelfend
^eov ^Aqyvziov cmendiert; unser Pal. 356 sacc. XIV zeigt epp. Phalar.
82 die Corruptel inl ^eovg aQXOvxag für iitl xovg &qiovxag\ andere
Belege werden leicht aufzufinden sein. Dafs aber Oecj oder ^U in der
Dcdication an den Gott nicht wegbleiben kann, beweisen die übrigen
Inschriften der Art, vgl. V,23, 7; V, 27, 12; VI,19,6; VIII, 42,9. Deu
Gebrauch des Artikels to/, welchen K. 0. Müller hier passend fand,
vertheidigt Beinert etwas spitzfindig: *nomen eorum, qui donum con-
secraverunt, non inepte elTeratur a poeta, qui forsitan articulo id quo-
que indicare voluit clipeum universi Lacedaemoniorum populi esse do-
narium.' Für ^£f^ verglich Ref. schon im Rh. Mus. N. F. V, 361 das
Epigramm V, 23,7. Auf die Vorschläge IV, 12, 1 und 7: all' ana-
zrig ' ccTtdtij (ihv ixet MBaarjvlöa Xaog und xal elXi a* ov il^mtaxrfiag
ist S. nicht eingegangen, wie Vlll,42, 6 /li]Gi fiiv a aitinccvae vofAtjg^
dtja d' afii^toiv ikKifiiarccxvoiv ymI ccxav^oq^dyov nali ^rjae einer
Prüfung noch entgegensieht. Dafs nicht alle Inschriften Distichen sein
müfsen, hat kürzlich Bergk erinnert, indem er auf V, 28, 2 hinwies
(hier macht der AnTang OoQfiig avid^rixev räihVich ^ den folgenden Pen-
tameter in zwei solbslandigc Enoplicn zu theilcn) und besonders X, 7,
6, wo der Schlufs ^iXecc aal iliyovg eine kalalcktische trochacische
Tripodie ist und der Eingang ^Exiiißgorog ^Agnag T^i^xe einen Wink
gibt, dafs dyccX^a vor ^Afiq)iKTv6v(ov nicht elidiert werden soll, mit-
hin lauter kürzere daktylische Glieder zusammengestellt sind: ^Exiti-
ßQOTOg ^Agxccg inline \ tw 'HgankBi \ vixtjaag rod' äyakfia \ ^AfAg>i-
xxvovtav iv ai^Xotg \ ^EXXffit d' aelömv j ^iXea tal iX{yovg. Vgl.
'Programm, wodurch zur Feier des Gehurtsfcstes S. K. H. unseres
durchlauchtigsten Regenten Friedrich — einladet der gegenwärtige
Prorector Dr. Th. Bergk. Frei bürg im Breisgau 1854' S. II.
So sehr S. geneigt ist conservativ zu verfahren, ist es ihm doch
einigemal begegnet, dafs er offenbar gesundes für verdorben hielt; so
V, 21, 15 glaubt er lesen zu müfsen: avÖQCcg ovx VTtFQ avxijg fiaxofii'
vovg xijg vUi]g IqxoQcc^av^ avv^e^iivovg 8\ inig Xijunaxog. Das wi-
derstreitet der Intention jenes Contractes ; die Summe war festgesetzt,
es hamielte sich darum, wer die Ehre haben sollte zu siegen und zu
bezahlen. Man vergleiche Philostr. n, yvfiv. 8, 9 nebst unserer Note.
Zu VIII, 38, 11 sagt S. : ^(liXog ino xfjg avQiyyog et genetivus TIavog
J. 11. C. Schubart: Pausaniae descripUo Graeciae. Vol. I et II. 43i
a valgari sermone abhorrent; fortasse to rrig avQiyyog (likog ivtavOa
imo riavog evgs^vai.* Die Constraclioa der Syrinx war ursprüng:-
lich mangelhaft und iiefs der Melodie keine freie Bewegung, wodurch
die auf ihr gespielten Weisen einen bestimmten Charakter erhielten,
den man mit dem Ausdruck Ilavog fiikog bezeichnete. III, 23, 2 ist
nicht zu verstehen , weshalb um den Hafen Nymphaeon in der iNälie
einer Quelle süfsen Wafsers nicht ebensogut viele als wenige Leute
wohnen konnten. Warum soll II, 26, 3 zrjg yiig gelesen werden für
xrjg nrjyilg'^! Die Stelle VIII, 41, 10 nöthigt zu keiner Aenderung.
Wenn P. IV, 9, 1 erzahlt, die Messenier hätten den Beschlufs gefafst,
die vielen Städte im Binnenlande sämmtlich zu verlafsen, so ist dies
nicht gerade ein unrichtiger Ausdruck, daher bedarf es nicht der Cor-
rectur Tcavtcog für Ttccvta, IV, II, 1 ist eher rijg ^AQiarodi^fiov fisl-
tovxwv mit Ergänzung von ßacikdag beizubehalten als xov A, (lilkov-
Tog zu schreiben, da der Bericht im Plural fortfährt. lu ähulicher
Weise möchten wir mittelst des Zusatzes yt]g IV, 26, 5 IVc te rijg äk-
Xtjg erhalten; S. setzt akrjg in den Text, aber so kann die Zerstreu-
ung der Messenier nach allen Wcltgegenden hin nicht bezeichuet wer-
den. V, 7, 8 ist offenbar davon die Rede, dafs Ölen zuerst, dann Me-
lanopos und Aristaeos von den Hyperboreern gesungen hätten , und
ngmog geht auf die voranstehenden, nicht die folgenden Worte; also
ist litBiTct di nicht zu ändern, S. will iitri dl MekavtOTtog und (ßö^v
streichen: ^ (pöt]v addidit librarius, quod necessarium videbalur, post-
quam Ftctj transierat in insl^ nisi fuit, quod magis est probabile, cor-
rectura ad praecedentia , ubi revera ad ^Slkiiv invenimus variututem
möijv; quare haec vox etiam ab iis notanda videtur, qui ETieiza öl
praeferunt.' Letzteres geben La Vb; iitU die übrigen Hss. ; auf jcQci-
tog fiiv erwartet man die Angabe des später gesehenen, also ist nur
jenes möglich, wöriv ist freilich lästig neben ydeuj man müslc denn
€1/ wd^ M. X. T^ corrigicren. Ein Ausfall, der nenilich von kiymv
oder ^öo}v nach rovrcav^ ist abermals an aller Verwirrung schuld. VI,
11, 7 hat Kaxayea^ai als Medium den Sprachgebrauch gegen sich, und
sowohl xaxaöexiO^cci als sogleich KaTaöexx^ivreg wird zu restituieren
sein; Vl,23,2mufs xovg xaO*' ^A^x/ai^ bleiben, dcrFehler liegt indtagpf-
Qovxag^ wofür der Sinn das GegentheilTcra <piQovxag fordert. VII,5,9 ist
mit Claviers xov svdov ccyakucexog nichts gewonnen, bcfser klammerten
SW Mov vor xov cty. ein, es versteht sich von selbst, dafs das Bild
der Athene Polias sich nicht vor dem Tempel befand. VIII, 22, 6 wür-
den wir das wenn auch seltsame nexoiiivjj noxe ano^oiga nicht gern
mit aTtoxsxfitjfiivri noxl ^lotga vertauschen. IX, 16, 7 passt (pccalv nicht,
S. muste aq>l(Siv beibehalten, indem olTenbar KcctyiavtjKS ausgefallen
ist. IX, 21, 6 ist die Wiederholung von nBi^o^cti und die damit ver-
bundene Aenderung «. öl oxi unnölhig; IX, 23, 2 durfte nicht ^iqovg
entfernt werden , da P. nirgends sonst nav^axog ciga sagt, sondern
Ik war vor xavfiaro^ einzuschieben. X, 1, 10 konnte ATtokkcavi^ was
SW wollten, nur durch Vorsetzung des Artikels seine Stelle behalleu,
sonst ist der Accusaliv nolhwendig, vgl. unsere Erörterung darüber
432 J. H. C. Scliabart: Faasaniao descriptio Graeciae. Vol. I et IL
in Zoilschr. f. AW. 1848 S. 10 ff., wo wir ans für '^Anokhava entschie-
den; noch heute können wir nicht begreifen, was sich dagegen ein-
wenden lafst.
Freilich gilt dies von vielen Vorschlägen des Ref., welche theils
schon oben berührt wurden, theils sogleich erwähnt werden sollen,
dafs sie bei S. wider Erwarten keine Berücksichtigung gefunden
haben. Für eine künftige Ausgabe mögen denn unter andern aufge-
spart bleiben: l, 5, 3 &%€ ^cA vGxtqog^ og dii 9ucl: I, 20, 1^ vaol Aio-
vvaov eialv ov fieyaXoi, Kai iStptCiv iq)saTi^xaai xqtnoÖBg^ ag>* cav »a*
Xovdi xo x(oq£ov: I, 39, 1 ywccixa aQyrjv: II, 1, 3 ivxav&a XQaq>fjvai
xiivvv g>aal xal xav Xsyofiivonv ßriai(ag 9uxl xo i^slsiv xavxriv ioxlv
iQycov: II, 18, 1 yLtylcxag dl iv Ze^ltpca^ laxi Sh xal nag^ ^A&ipfaloig:
II, 27, 4 iTtitovg Sl ^iTtJtolvxov iva^elvat to9 ^m q>tfiiv axea^iwa
(vgl. in dem vorhergehenden §. iyyBygaiiiiivoc — iaxlv ovofAcna axt-
a&ivx(ov wto xov ^AaxXrptiov) : II, 32, 6 TcUdavxog Ttolkovg (ihf %cA
allovg Tcov 'EAA^i/ooi/: III, 11, 5 xovxov xov ^AyCov (uevxsvöafiivov
q>aal Avaavögov xo ^A&rjvatav iketv vavxi%6v : III, 12, 6 Cvvil^tev
ßovXevaoiisvoi.: III, 19, 11 ^egccncclvag EqivviSi wxxa xcevxcc iansva*
a^ivag: III, 21 nqoiovxi Sh cog irtxtt axaölovg XaQaxa^ia ifSxivi IV, 6, 1
iQymv xe aal fiXiKlag Tciqi : IV, 8 Aaxeöaifiovioi, öh TtQOXQon^ fiiv lg
akki^kovg Kai öerjaBi ovk ixgavxo: IV, 12, 2 i]Qe<Se Xfxvxa xoig ßaailiv^
6t xal xotg itpoqoig* xixvag fihv ovv TtQO^vfioviAlvoig ovk iylvsxo
avevgetv xrl. : IV, 29, 7 öijXov de Kai iirj avvxelovaiv ^v avxolg xrl. :
IV, 34 Big KoQoivriv Kai xov 7toxa(i6v: V, 7, 1 noXv IöbIv:, V, 7, 6 i|
"lörjg xov KQtjxtKOv OQOvg: V, 11, 3 ov yaq ijCBtSxi xa ig xovg Ttatdag^
S ijtl riXiKlag ijdri xaOacFriJxet xijg Oeiölov: VI, 4, 11 ig 'luigav
acpiyinivog noXixslag xs ixvxB naq* SKslvoig Kai TtoXXa evQSXo aXXa ig
xt(jLijv: VI, 5, 7 o^iov xi<si IhqiSmv Kai Mi^Smv: VI, 5, 7 iQycDv dh t£v
KaxeiQyaafAivoov ot {KaxeiX€yfiiv<ov (loi^ wie S. will, dürfte dem
Sprachgebrauch des Schriftstellers entgegen sein, vgl. VIII, 13,6;
X, 9, 9) : VI, 7, 4 ig o xQirjqefSiv aXoifg ^AxxiKalg ivrix^r] : VI, 7, 7
i^iXetv fiot q>alvBxai AaKeSaifAOvlovg ig xo V(Sov alxiag A^tjvaloig xa-
xaaxflöat: VI, 17, 9 aXXa yag iKtlvov — ötöaCKaXtav xw ^A^rivrfiii
VI, 21, 4 Kai ovxog: VI, 24, 1 inl xa mvxd&Xo}: VI, 24, 3 iyvia di
Sulqyov(Sa xrl. : VII, 5, 6 19 di iiSxi xrig rjTtBlQov xotg Ik xov ^Eqv^qalnv
Xt^ivog ig vi](Sov xifv Xlav TtXiovtSi avxo xo fisöalxaxov: VII, 15, 1
aq>l^oixo: VII, 20, 3 6g Iloöeiömvi, mQii^tjKEv: VII, 24, 7 ort firi yv-
vaiKl: VII, 24, 8 viti^xV^^S löxvQa: VIII, 8, 5 tcsqI ÖiXoKxrjxov fihß
yag xrl.: VIII, 31, 8 Kai xovxo KoQtjg: VIII, 31, 9 igslma öh 'AOrjväg
lEQOv IloXidöog, ijtl Sl reo itiga: VIII, 32, 4 igslma Kai ovxog: VIII,
35, 4 TteQuöeiv av: VIII, 37, 3 iatovxcav dlxa dydXfiaxa: VIII, 37, 8
anoxifiVEiv xaO/<Jri?x£: VIII, 39, 2 füxiBaXi xe — xal cev^tg ivBiSm-
aaxo: VIII, 53, 1 inl naoav XiyovCi x^OQav iX^etv: IX, 1, 7: ig xovg
ayQOvg iX^ovxsg: IX, 2, 3 KaXovifi dl t^v filv 'AKxaltovog Kai inl
xavxy Kad-Bvöitv (padl xy nixqa xov ^AKxalcava: IX, 5, 9 xal ig xijv
rificoQlav xov ^Afiiplovog Snri 7toitja6(ag Mivvdöog ?%«: IX, 8, 4 vwriyv
r^i; ^ KaXovöiv: IX, 12, 4 /Tadftov de nXifilov iaxl Kai Atowaov
J. IL G. Schubart: Pausaniae descriptio Graeciae. Vol. I et II. 433
aytiXiicc »ai rovro (ih *Ova<Stfiridrig InolrjaBv hixcigiog dt oXov xaX-
«ov, TO Kadfiov de ot Ttaiöeg elqyaaavro ot TlqalLTiXovg (mit diesea
Vorschlugen erklärt Brunn sich einverstanden, Gesch. der gr. Künst-
ler I, 297. 392): IX, 15, 4 wg di ßoimzaqxdv %ctl öevtsqu riqrixo: IX,
29, 8 fiCT« xo Tttaiöfia rov ^B^h^viKOv ro iv Xaigcovela (vgl. VI, 3, 3
UEzcc xo o[zvxrji.ia Aaasöaifiovlcov xo iv AsvKxgoig) : X, 6, 7 (povov d'
OTto K^0ioi> avÖQeg xeigag ayog vl'ipovai : X, 13, 10 KaXkixikovg og f^v
ot cxjvtqyog (vgl. hierüber Brunn a. a. 0. 93, der lieber den Kaiamis
mm Mitarbeiter des Onatas machen möchte, was jedoch aus VI, 12, 1
noch nicht folgt, für Kalliteles spricht mit gröfserer Wahrscheinlich-
keit V, 27, 8) ; X, 29, 7 elxatseig xy hiqu xav %£f ^cov IkbIvov xov oq-
liov ttvxrjv ix^iv: X, 31, 11 17 juev via iaxlv, 1} di naQoc xov ngeaßvx'tiv
ftxL Ergänzungs versuche von gröfserer Ausdehnung sind in dieser
Aufzählung übergangen, da dergleichen Emendationen ihrer Natur
nach minder gewis sind. Einige neue Conjecturen aber mögen bei
dieser Gelegenheit noch erwähnt werden. I, 3, 1 erscheint %ciXov^uvy]v
ßactXBlccv als ganz unnützer Znsatz ; I, 22, 6 ist zu schreiben OTtoöaig
ie xttd'icxfixev — 6 di ^OSvaaevg trjv ^Ad^vav cctpaiQovfisvog %xi. P.
unterscheidet die ganz verblichenen Bilder, von welchen er aus altern
Beschreibungen Kunde haben konnte, von den noch erhaltenen ; um dies
auszudrücken, bedient er sich hier des i/v, weiterhin braucht er über-
all i(Sxl. Hit jenem steht jn^ Tia^iax^jxev, wie man sonst liest, im
Widerspruch. S. erklärt: ^intactum reliqui locum lacunosum; Kcd
^Odvaasvg ab interpolatore profectum est'; dies ist nicht zuzugeben,
jenes nur in Bezug auf das weggefallene OövadBvg nach 6 Si. II, 28, 1
lesen wir ÖQanovxsg dh ot neXiol; diese den Schriftzügcn nach nicht
fern liegende Aenderung wird insofern für wahrscheinlich gellen
können, als davon sogleich das ^eQOv yivog ig xo ^av^oxBqov
^biov xijg XQ^^S unterschieden, also offenbar eine Farbe bezeichnet
wird. Wenn S. bemerkt: ^ot Xomol et xovg fieyaXovg mcdclam adhuc
exspectanl ', so scheint uns dagegen nicht xovg ^eydXovg corrupt zu
sein, sondern ot ^Eitiöavqioi und q>aalv; der Autor gibt wohl hier
seine eigene Meinung ab, daher jenes zu tilgen, für dieses etwa nel-
^o^cii zu lesen ist. IV, 33, 3 wird P. schwerlich für nöthig erachtet
haben anzugeben, dafs Mcgalopolis in Arkadien liegt; anstatt nach
Curtius Pel. II, 190 lovxi öl t% ^Aqxaölag ig M. n. wird es genügen
iovxi de inl M, tc. zu schreiben, oder allenfalls l. de ag iitl M. tc.,
vgl. IV, 33, 6. In V, 9, 2 scheint die Construclion ccTtrjvtjg de r«
avevQt]fiaxi zu verlangen. Vorher V, 6, 5 ist der Sinn des Verbotes
für die Frauen, zur Zeit der olympischen Spiele den Alpheios zu pas-
sieren, uns aufrichtig gestanden noch nicht aufgegangen: die aus dem
Norden nach Olympia sich begebenden berührten ja den Flufs nicht
einmal: dagegen muste, wer dem Agon zusehen wollte, den Kladeos
überschreiten. Hat also P. wohl diaßaaai xov KXdöeov geschrieben?
VIII, 49, 3 könnte er gesagt haben ^Ena^eLVcivöa ydq xa xe aXXa ev
netpvKBi statt '£. yaQ xd xe 5. ^ "^XV- ^'^'^ ^^' ^ ^^'"'*® vielleicht ne-
434 J. H. C. Schubart: Pausaniae doscriptio Graeciae. Vol. 1 et II.
Qi^^HV xal Ig Odonolfiiva richtiger aud IX, 5, 4 i^eßrig ig oder ni^og
/luiwaov, vgl. II, 2, 7; I, 16, 2.
Mögen diese Bemerkungen und unser ganzer Bericht bei dem ver-
ehrten Herausgeber eine so freundliche Aurnahme linden, wie die frü-
hem Versuche , welche wir auf seinem Felde angestellt haben !
Heidelberg. Ludwig Kayser.
C. SaUusti Crispi de coniuratione Catilinae et de hello lugur-
thino libri^ ex hisioriarum libris quinque deperdiüs aralianes
et epistolae. Erklärt von Rudolf Jacobs. Leipzig, Weidmann-
sche Buchhandlung 1852. 260 S. 8.
Der ziemlich rasch sich mehrenden Anzahl von guten Schulaus-
gaben der lateinischen und griechischen Classikcr in der Haupt-Sauppe-
sehen Sammlung schliefst sich die vorliegende Bearbeitung in ent-
sprechender Weise an. Die au diesem Ort schon wiederholt be-
sprochenen Grundsalze des Programms sind auch von diesem Mitarbeiter
im ganzen mit Geschick und Pünktlichkeit in Anwendung gebracht.
Er hat mit gutem Takt das Mafs der Anmerkungen sowie deren Form
und Fafsung getroffen, so dafs im Grunde nur wenige Stellen, die ei-
ner Erläuterung für den Schüler noch bedürftig wären, uncrörlert ge-
blieben sind, andrerseits aber nicht leicht eine Bemerkung cingcflofsen
ist, die selbst für den gereiftercn Schuler entbehrlich oder zu flach
wäre. Er hat es verstanden durch seine Anmerkungen dem Lehrer
nicht vorzugreifen, wohl aber vorzuarbeiten, besonders in sachlicher
Beziehung und, was wohl noch mehr anzuerkennen ist, auch in gram-
malischcn Dingen. Dies vornehmlich dadurch, dafs in letzterer Hin-
sicht breitere Auseinandersetzungen vermieden, dagegen, manchmal in
recht anregender Weise, W^inko gegeben sind, die das Nachdenken des
Schülers wecken und ihn zu selbslthäliger Vorbcrüilung vernnlafscn
können. Ein Fall dieser Art ist die Anm. zu Jug. 62, 3 facturum —
tradere mit folgender Fafsung: Svarum zuerst der Inf. fut. und dann
derinf. praos. gesetzt ist, ergibt sich aus der natürlichen Folge der ange-
gebenen Dinge.' An diesem und ähnlichen Beispielen lüfst sich zugleich
wahrnehmen, wie der Hg. sich einer die eigene Anstrengung und das
Nachdenken des Schülers fördernden Kürze und Bündigkeit beOeifsigt.
Diesem löblichen Streben müfsen wir es auch zuguthallen, wenn die
Scheu gar zu deutlich und platt zu reden mitunter zu etwas dunkle-
rem, hartem, zu sehr abstractem Ausdruck geführt hat und technische
Fremdwörter sich häufiger eingeschlichen haben, als in einem Schul-
buch gerade wünschenswerth ist. Entschiedene Verstöfsc gegen die
Klarheit oder die deutsche Sprache sind uns wenigstens in den An-
merkungen niclit viele aufgestofsen ; wir machen als solche nur in
der 2n Anm. zu Jug. 1, 1 die Worte ^stutt deren', ferner das zu Cat.
R. Jacobs: C. Sallustius Crispus. 435
58, 15. 16. 20, 7 (über ieirarchae)^ iug, 41, 8 a. 9, sowie das zu orat.
Phil. §. 10 gesagte bemerklich.
Es läfst sich demnach mit Grund behaupten, dafs der Hg. durch
eine im ganzen saubere und zwcckmafsige Bearbeitung des allerdings
bei Sallust in reichem Mafse vorliegenden StolTes ein recht brauch-
bares Schulbuch geliefert hat. Eine andere Frage ist, ob er nicht
denn doch die früheren Arbeiten zu stark benutzt, zu wenig auf ei-
genen Füfsen zu stehen gewagt hat. Es versteht sich, dafs es vom
Uebel wäre, zumal bei einer Schulausgabe, wenn ein neuer Bearbeiter
da, wo die Auslegung bereits zu sicherem Abschlufs gelangt ist, an-
deres anstrebte als eine formell selbständige Fafsung der schon von
anderen richtig gefundenen Erklärung. Auch dafs der Hg. der Text-
kritik so gut wie keine Berücksichtigung hat widerfahren lafsen, dürfte
ihm nicht zum Fehler angerechnet werden, da ihn seiu Programm so-
wie sein Zweck davon gewissermafscn dispensierte, wiewohl zu wün-
schen gewesen wäre, dafs er sich wenigstens über seine Grundsätze
in der Wahl des Textes etwas eingehender ausgesprochen hätte, zumal
da er sich an keinen der neuesten Kritiker ausscbliefslich hält. Da-
gegen müfsen wir es tadelnswerth finden, dafs nicht selten selbst da
ein selbständiges Urtheil vermifst wird, wo zwischen zwei einander
liemlich die Wage haltenden Ansichten eine Endentscheidung zu geben
war. Es licfse sich eine Anzahl von Anmerkungen namhoft machen,
worin sich noch ein Schwanken des Ilg. kund gibt, sei es dafs er ver-
schiedene Auffafsungen zuläfst oder die in einem Schulbuch fatale
Kategorie der Möglichkeit ^es kann so und so gefafst werden' anwen-
det. Aufserdem aber hat denn doch auch der vielbesprochene Sallust
noch manche Stellen, die noch nicht bis zu völliger Klarheit aufge-
bellt sind und für neue befriedigendere Erklärung schwierigerer Wen-
dungen, für klarere Auseinandersetzung des Zusammenhangs, auch
wohl für feinere Erörterungen aus der Grammatik, Synonymik u. s. w.
Raum geben. Fingerzeige und Beiträge dieser Art sollen im folgen-
den der Beurtheilung der Leser, vielleicht auch zur Benützung von
Seiten des Hg. bei einer neuen Auflage, vorgelegt werden. Zuvor nur
noch eine allgemeinere Bemerkung in BotrelT der Einleitung der
vorliegenden Ausgabe.
Hier ist nemlich thcilweise die Form der Darstellung entschieden
eine minder glückliche. So wenig sich leugnen läfst, dafs die Aus-
wahl des horgehörigen StolTes gut getroffen ist und alle für die Schule
passenden Punkte in gedrängter Kürze ihre Erledigung finden, und so
sehr in der Ausführung ein guter paedagogischer Takt sich kund gibt,
der die kilzliche Frage über Sallusts Persönlichkeit so behandelt, dafs
einestheils weder das sittliche Gefühl noch die Pietät verletzt wird,
welche der Schüler seinem Schriftsteller gegenüber immer haben sollte,
andernlheils aber der Wahrheit nichts vergeben ist ; so ist doch das
Bestreben, in der Einleitung möglichst vieles zusammenzudrängen,
auf die Ausdrucksweise mitunter von nachtheiligem Einflufs gewesen.
Schon die Wendungen S. 4 ^angeblich konnte er nicht widerstehen'
436 R. Jacobs: C. Salluslius Crispus.
und ^wahrscheinlich wird die Sache bei seinem nachmals bedenteoden
Reichlhum' haben etwas hartes. Noch mehr miifs man Anstofs neh-
men an dem ^aurserlich betrachtet' und ^eino helfende Handhabe daran,
dafs ihm fühlbar gemacht wurde' S. 6. Auch der Ausdruck ^maa
kann die Ansicht haben' S. 8 nimmt sich etwas sonderbar atiß.
Schleppend und schwerfallig ist die Darstellung S. II u. 12; entbehr-
lich die S. 8 aufgeworfene Frage: Vas wohl die Leute gesagt haben
wArden, wenn sich S. selbst an den Pranger gestellt hätte'; wie auch
sonst, ist S. 2 u. 3 thatsachliches und geurtheiltes zu wenig ausein-
andergehalten. Auch dürfte S. 8 manches klarer gefafst und nament-
lich darauf hingewiesen sein, dafs neben der Unruhe und Gereiztheit
bei Sallust dennoch grofse geschichtliche Unparteilichkeit, Treue und
Vorsicht im Urtheil über die Persönlichkeiten, besonders im Jugurtha,
sich wahrnehmen lafsc. Bei einer Ueberarbeitung dieser Vorbemer-
kungen wird unserem Ilg. sicherlich eine einfachere, übersichtlichere
und leichter lesbare Darstellung des gut ausgewählten Stoffes gelin-
gen, in der Art, dafs auch in diesem Thcil seiner Arbeit noch mehr
cin/iig das Bedürfnis der Schule ins Auge gefafst und dem Schüler in
diesem Lebens- und Litteraturbild gleichfalls eine ebenso gennrsreiche
als anregende Leetüre geboten wird. Und nun zum einzelnen.
Dafs zu Ca tili na 1, 4 gesagt ist, überall sei hei habere im
Sallust die eigentliche Grundbedeutung im Auge zu behalten, geht
etwas zu weit, m. s. Jug. 103, 6, wo haheri im Parallelismus mit pw
tari steht. — Sed hat wenigstens 1, 6 seine gegensätzliche Bedeutung
nicht ganz abgelegt, s. Dietsch z. d. St. — Anima 2, 8 ist wohl nicht
anders zu fafsen denn als völlig gleichbedeutend mit animus^ wie
Jug. 2, 1. Unser Hg. legt zu viel hinein. Dagegen möchten 3, 3 die
einzelnen BegrilTo pudor — audacia etc. doch einander gegenüber-
stehen; denn was die Antithesen betrifft, gehen die Alten, vor allen
aber Sullust, sehr weit, m. vgl. z. B. Cat. 20, 8 u. ä. Stellen. — Da-
für, dafs 3, 4 tenebafur und cornipla zusammenzunehmen und su
übersetzen ist: Mnmitlcn so grofsen Sittenverderbens blieb doch meine
schwache Jugend in den Schlingen des Ehrgeizes,' spricht Jug. 24, 3
obsessus leueor und orat. Lep. 5 rapta lenel. — Ueber den Unter-
schied von animus und ingemum (5, l) sollte um so weniger still-
schweigend weggegangen sein, als, wie mir scheint, Sullust einerseits
hier die ßegriff'e sehr richtig auseinander hält, andrerseits aber die
bisherigen Herausgeber die Sache nicht scharf und erschöpfend genug
behandelt haben. Beide Wörter haben ganz deutlich in gleicherweise
eine allgemeine und eine besondere Bedeutung; animus ist i) der In-
begriff sämmtlicher Seelenkrurto, im Gegensatz gegen corpus^ so an
unserer Stelle; 2) eine besondere Seite des geistigen Wesens, das
ixii^v^irfTiKov. das begehrende und empfindende im Menschen, gegen-
über von mens im engeren Sinne, wie bekanntlich auch unsere altere
Psychologie von zwei Hanplkräften der menschlichen Seele sprach u.
z. B. Chr. Weifs gleichfalls Sinn und Trieb unterschieden hat. So
gebraucht Sallust animus gleich nachher <§. 4. Desgleichen ist inge-
R. Jacobs : C. Sallustias Crispus. 437
«iiMi 1) nach seiner allgemeinen Bedeutung der alles eiuselne beher-
Bchende und bedingende habitns, die eigenthümliche Sinnes-, Denk-
nnd Handlungsweise, die anhaftende Richtung des inneren Wesens und
der gesammten Seelenkräfte, wie dies Product der Natur und Geburt
oder anderer vom Menschen nicht sclbstlhutig herbeigeführter Umstände
ist, weswegen ingenium selbst vom Körper vorkommt = natürliche
Beschaifenheit, s. orat. Cott. §. 9; 2) in der speciellen Bedeutung aber
ist ingenium Talent für productive Geistesthäligkcit, Phantasie, Witz,
Scharfsinn u. s. w. In der fraglichen Stelle ist das letztere Wort
natürlich im allgemeinen Sinn zu fafsen, aber wie zu übersetzen?
Dietsch schlagt ^Charakter' vor, und allerdings läfst sich dieses Wort
in dem angegebenen Sinn gebrauchen , wie ja sowohl der Deutsche
selbst von einem Charakter einer Gegend als auch der Römer von
ingenium locorum sprechen kann. Doch ziehen wir ^Gesinnung^ vor,
weil offenbar nachher §. 4 animus am besten mit ^Charakter^ wieder-
gegeben wird. — Ueber periculum (6^ 4) ebenso über das verwandte
metus im objectiven Sinn (Jug. 114, 2) vermifse ich hier und an an-
dern Stellen bei unserem Hg. wie auch bei sonstigen Erklärern einen
Wink, dafs der Schüler sich gewöhnt, an den weiteren objectiven
Sinn dieses Wortes wie bei dem griechischen xlvdvvog za denken. —
Dafs intentus 6, 5 absolut = rührig gebraucht wird, beweist nicht,
wie theilweise angenommen wird, dafs es 2, 9 u. Jug. 89, 3 ebenso
gefafst werden darf. — Falsch ist die Anm. zu 6f 7: ^der Gen. gibt
an, wozu das reg. imp. gereicht hatte.^ Dietsch weist ganz richtig
auf die ähnlichen Redeweisen in moris^ iuris est hin. — Das nicht
leichte curahant 9, 3 fordert einen Fingerzeig. — Wie das einfache
quam (9, ö) den Sinn von tamguam haben könne, mufs erklärt wer-
den. Wohl nur deswegen, weil dem Schriftsteller bereits das nach-
folgende malebanl vorschwebt. — Der in der That trefTende aber dem
Schüler durch seine Wörterbücher wohl nicht zu völliger Klarheit
gebrachte Ausdruck ferocis militum animos (11, 5) fordert deshalb,
wie das obige curahant^ eine Bemerkung, weil der allgemeine Begriff
hier in einer eigenthümlichen Anwendung erscheint: es will den
Mangel an Sclbstbehcrschung bezeichnen, der gewöhnlich ein Haupt-
kennzeichen von sittlicher Unbildung ist. Es ist eine vox media, so-
fern ein solcher Mangel an Ueborlegung, Umsicht und Selbstbeher-
schung gar wohl z. B. an einem Soldaten auch etwas relativ gutes
mit sich führen kann, nemlich einen tollen, aller Gefahr trotzenden
Muth, ein Zufahren und Dreinschlagen, wobei man sich selber ver-
fifst und aufopfert. Dies ist es natürlich hier nicht, weswegen auch
die Bemerkung von Dietsch ^virium fiducia ad omnia paratus' weg-
bleiben sollte, sondern mufs übersetzt werden: die in ihren Leiden-
schaften ungebandiglen, ungebildeten Soldaten. — Promiseva 12, 2
fafst J. = gleichgültig, was schwer zu rechtfertigen sein möchte;
Daher liegt wohl die Uebersetzung: ^ über das Gefühl für Ehre und
Scham, über das Verhöltnis zu Göttern und Menschen, ohne Unter-
schied über alles setzte man sich rücksichts- und schrankenlos hin-
438 R. Jacobs: C. Sallastius Crispus.
weg/ Noch eine weitere Schwierigkeit ergibt sich far unsern Hg.,
sofern er wohl bei seiner Beziehung von promiscua zu habere die
Worte pensih. anders, als er 5, 6 selbst angenommen hat, oemlich als
Gen. prclii ansehen müsle. — lieber infestus sollte, wenn einmal (15,
4) darüber gesprochen wird , weiter gesagt sein, dafs und wie die ur-
sprünglich passive Bedeutung in die bei Sallnst allerdings gewöhn-
lichere active übergeht. Instructiv ist Jug. 89, 5. Dort heifst es von
der Umgegend von Capsa, sie sei infesta serpentibus^ d. h. zunächst
8. V. a. beunruhigt durch Schlangen; die Folge davon ist, dafs von
der Gegend sofort gesagt werden kann, sie beunruhige, bringe Ge-
fahr uud Anstofs für die Menschen. Ganz auf gleiche Weise fliefsen
bei offendere zweierlei Bedeutungen: Schaden nehmen und Schaden
bringen, ineinander. — Da commodare (16, l) keinen Dativ bei sich
hat, so scheint es näher zu liegen, es zunächst in der Bedeutung ^za-
rechtmachen, bilden' zu fafsen und sich als Ergänzung davon zu den-
ken : für sich und andere. Offenbar ist absichtlich ein verächtlicher
Ausdruck gewählt, wodurch die schmähliche Unselbständigkeit jener
Leute um so schärfer gezeichnet wird. — Das Plusquamperf. (20, 2)
ist nicht richtig gerechtfertigt. Dasselbe ist meines Erachlens viel-
mehr dadurch herbeigeführt, dafs der Schriftsteller oder vielmehr der
Redner die Besitznahme der Herschaft als längst abgeschlofsene That-
Sache betrachtet wifsen will. Somit ist es dieselbe Anschauung, wie
in der Rede llannibalsbei Livius XXI, 43. 44, wo vicimus steht von ei-
nem erst gehofften Sieg, weil der Redner denselben als schon gewis
den seinigen zugefallen darstellen will. Die hebraeische Sprache hat
als regclmäfsigen Sprachgebrauch ein perfectum propheticum. Man
vergleiche auch Cat. 38, 9 u. 10. — Wenn der Ausdruck ^nnbarmher-
zig mit dem Gelde umgehen' nicht blofs ein schwäbischer Provincia-
lismus ist, so möchte er die beste Ucbcrsetzung für die 20, 12 ge-
brauchten Ausdrücke trahere, vexare sein. Ich erlaube mir hier dar-
über an die norddeutschen Fachgenofsen eine Anfrage zu stellen.
Ebenso möchte ich, weil ich gerade am Fragen bin, mir sagen lafsen,
ob 25, 2 und 5 elegans nicht am besten durch ^ kokett', tnollis durch
^sentimental' zu geben wäre, oder ob unsere Sprache eigene Aus-
drücke für diese zwei offenbar hier gemeinten Begriffe besitze? —
Sed ei cariora semper omnia — fuit (25, 2) fordert, wenn nicht eine
Besprechung, doch jedenfalls eine Verweisung auf Jug. 50, 6 sifi op-
porluuior fngae colfis quam campi fuerat (al. fueranl)^ etwa mit bei-
gefügter Frage, worin beide Fälle verwandt und in wiefern sie ver-
schieden seien. M. vgl. auch Krügers lat. Gr. <$. 665. — Die Anm.
zu 32, 2 sollte einfacher gefafst sein und dem Schüler etwas be-
stimmteres an die Hand geben. Warum steht in Sätzen dieser
Art (Heischesätzen), selbst in Verbindung mit einem unterge-
ordneten Satz mit dem Imperf. Conj. posseni (s. 34, I teilentj Cio.
Off. I, 11, 11 palereiur), dennoch im Heischesatz selbst Praes. Conj.
(s. Ju>^^ 13, 6. 28, 1) und zwar nach den angeführten Beispie-
len mit ziemlicher Consequenz, was eben aus der ungewöhnlichen
R. Jacobs : C. Sallnstius Crispiis. 439
Zasammenstellang mit Impf. Conj. erhelU? Man kann wohl mit Krüger
§. 656 Anm. auf die lebhaftere Vergegenwärtigung als auf den Grund
dieses Sprachgebrauchs, der auch in Fragesätzen sich findet, s. Tac.
Ann. I, 19 vgl. I, 17, verweisen. Umfafsender und am Ende auch rich-
tiger wird aber vielleicht die Sache gefafst, wenn wir dieselbe Er-
scheinung eines auffallenden Praes. Conj. nach einem Perf. histor.
(nicht biofs logicum) in Aussagesätzen hinzunehmen, z. B. Sali.
Jng. 111, 1; vgl. Liv. XXIV, 8: quales eiros creare tos consules de-
ceai^ satis est dic/uin, und sagen: das Praes. Conj. kann im Nebensatz
stehen: l) wenn der Nebensatz etwas aussagt, was erst eintreten soll,
oder 2) etwas was zu jeder Zeit stattfindet oder gilt. Es mu fs aber
diese von der rpgelmäfsigen consecutio temporum abweichende Con-
struction eintreten, wenn der Schriftsteller deu Gedanken ganz abge-
sehen von der Vergangenheit darstellt und bis auf einen gewissen
Grad von der indirecten Rede in die directc überspringt, was bei
Heischesätzen besonders nahe liegt. Somit ist es dieselbe Sprach-
erscheinung, die bei den oft so auffallenden Indicaliven in Zwischen-
sätzen der oratio obliqua im Lat. (besonders bei*Sallust) wie noch
mehr im Griech. stattflndet. — Für die ziemlich allgemein angenom-
mene Bedeutung von aliena (37, l) = verirrt, falsch läfst sich zwar
ans Sallust selbst Jug. 1, 5 als Belegstelle anführen; doch liefse sich
fragen, ob nicht auch dieser Ausdruck wenigstens im vorliegenden
Zusammenhang enger und mehr im politischen als sittlichen Sinne auf-
sufafsen ist, so dafs nicht a vero sondern a re publica zu supplicren
wäre. Für den Römer haben manche derartige Begriffe (m. vgl. nur
modeslus) einen rein politischen Sinn erhalten, da ihm eben die Sitt-
lichkeit vielfach in der Politik aufgieng. — Das für den Schüler nicht
leichte egestas' facile habetur sine damno 37, 3 erhält vielleicht am
ehesten Licht durch die Bemerkung, dafs egestas habetur s. v. ist als :
man befindet sich im Zustand der Armut, und durch dieUebersetzung:
die Armut hat einen leichten Stand, sofern sie nichts zu verlieren hat.
— Dafs Sallust 37, 11 multos scheinbar ungenau gebraucht, hat wohl
einfach darin seinen Grund, dafs er eine Monographie schreibt; für
eine solche ist schon ein Zeitraum von elf Jahren keine kurze Frist. —
Bei der von unserm Hg. u. a. angenommenen Auffafsung von placidius
iraclarent 39, 2 erwartet man statt iractarent eher haberent; des-
wegen und weil die Grundbedeutung von placidus es jedenfalls sehr
gnt zuläfst, halte ich folgende Uebersetzung der Stelle für richtiger:
*sie schrecken die von der Gegenpartei durch gerichtliche Verfolgun-
gen, damit dieselben (die Tribunen) während ihrer Amtsführung das
Volk mehr im Geiste der Milde (nicht in aufrührerischem, aufwiegle-
rischen Geiste) behandeln (und bearbeiten) sollten.' Ist diese Auf-
fafsung die richtige, so wird wohl auch eorum §. 3 richtiger auf
ceteros bezogen, wiewohl es für den Zusammenhang und Sinn der
Stelle von wenig Belang ist, wenn man dabei lieber an plebem denkt.
— Zweierlei Sinn zugleich in einem und demselben Wort cingeschlo-
fsen zu finden, hat immer etwas misliches; daher wird wohl 40, 5 der
440 R* Jacobs: C. Sallustius Crispus.
Zusatz: aber znglcicb ist der Sinn *dcm Plane nicht fremd' mit darin
cingeschlofsen — gestrichen werden müfsen. — Zur Erläuterung der
Redensart in incerto habuere 41, 1 ist wohl am passendsten das griech.
eX^iv mit Adverbium beizubringen. — Zu repetundarum (49, 2) ist
die Bemerkung, dafs dieser Ausdruck gegen das Ende der Republik
einen weiteren Umfang bekam, nothwendig. — Die diplomatische Art,
wie Caesar seine philosophische Erörterung über das Dogma von der
Unsterblichkeit einleitet, bedarf einer kurzen Besprechung, die bei
den Auslegern überhaupt vermifsl wird. Caesar will mit den echt welt-
männisch gefafsten Einleilungsworlcn §. 20, wie mir scheint, sagen:
4ch (oder wir) können in dieser Versammlung gleichsam im Ver-
trauen wohl davon reden, wie es sich mit diesem Glaubenssatz eigent-
lich verhalt, wenn man gleich sonst und gegenüber dem Volke nicht
gern laut davon spricht, weil der alte Volksglaube anderes lehrt.' —
Auch den Gedankengang §. 20 ff. finde ich bei den Auslegern noch
nicht gehörig aufgehellt. Ich glaube denselben so fafsen zu müfsen:
philosophisch betrachtet, sagt Caesar, ist die Todesstrafe in den Au-
gen des aufgeklärten eine Wohlthat (§. 20); dieselbe ist aber ferner
nach römischen Gesetzen unzulüfsig: dieser Ilaupisatz der nachfolgen-
den Erörterung wird mit einer dialektischen Wendung §. 21 ff. einge-
leitet und gesagt, insofern Silanus durch 'seine Bestimmung, keine
Prügelstrafe eintreten zu lafscn, mit sich selbst in Widerspruch kommt,
das einemal die Gesetze heilig hält, das anderemal nicht, huldigt er
stillschweigend dem Grundsatz, dessen Verfechter ich bin: die Ge-
setze über alles, aber freilich in einer inconsequenten Weise. Der
directe und materielle Beweis, dufs der Vorschlag des Silanus ver-
fafsungs widrig sei, wird dann §. 25 — 36 durch einen Blick vorwärts,
§. 37 — 42 durch einen Blick rückwärts geführt. Merkwürdig ist, wie
Caesar, der sonst in der ganzen Rede so überaus klug die Gelcgenheiti
sich selbst in den Augen des Volks zu heben, benützt, mit seiner phi-
losophischen Aufklärung <J. 20 aus der Rolle füllt. Sonst schmeichelt
er den Volksvorstellungen auf alle Weise, hier trilt er ihnen ent-
schieden entgegen; dafs man aber durch Misachtung des Volksglau-
bens sich auch als Staatsmann eine Blöfse gibt, hat er in seinem auf-
klärerischen Pruritus nicht gemerkt. Tout comme chez nous. — Es
liefse sich fragen, ob 7?«i—</rr//ia//i fecissem (52, 8) ohne weiteres cau-
sal zu fafsen und nicht vielmehr zu übersetzen sei : *ich , der ich mir
und meinem Charakter (oder: Willen) niemals einen Fehltritt nachge-
sehen hätte, wollte auch nicht leicht fremder Leidenschaft Uebel-
thatcu verzeihen.' Wenigstens wird auf diese Weise auch die Zwei-
deutigkeit vermieden, welche bei der Uebersctzung von qiii mit: *da
ich— nachgesehen habe' zurückbleibt (s. Dietsch z. d. St.); zudem
spricht das Tempus bei fecissem für die erstere Auffafsung. — Za
vacuam rem pubiicam §. 23 sollte auf Jug. 85, 43 verwiesen und an
die mich sonst häufige Vorstellung des Römers vom Stuatsganzen als
einer Tir sich bestehenden zwischen die Parteien gestellten ^morali-
sche» Person' erinnert werden. M. s. auch 53, 5. Auch Livius und
R. Jacobs: C. Sallnstius Crispus. 441
Cicero bieten viele Beispiele von dieser Anschauungsweise. — Die
Anm. zu 52, ^ scheint mir die Sache nicht klarer sondern unklarer
%ü machen. — Von §. 24— 35 wird von Calo die Nothwendigkeit soi-
■es Antrags bewiesen und zwar (§. 24 — 34) argumentiert er 1) aus
der Persönlichkeit der Verschworenen, 2) aus der Dringlichkeit der
Sache (34. 35). Die Persönlichkeit derselben wird hauptsächlich von
Seite ihrer Vergangenheit (vila) ins Auge gefafst und gesagt: so
wenig ein Lentulus sich selbst, seinen guten Namen u. dgl. jemals
mit Schonung behandelt hat, so wenig seid ihr ihm Schonung schul-
dig. Von anderen wie Gabinius u. s. w. brauche ich gar nicht zu
reden. Es sind dies Leute, die bisher in allen Stücken gewifsenlos
gedacht und gehandelt haben , und die natürlich auch jetzt keine an-
deren als schlechte Wege im politischen Leben einschlagen; so wenig
als diese Leute bisher sich aus irgend etwas ein Gewifsen machten,
80 wenig auch diesmal. Es wird nicht, wie J. sagt, aus der That
rückwärts auf den Charakter geschlofsen, sondern aus der Vergangen-
heit auf die Gegenwart. Statt aber in schlichler Rede zu sagen:
Leute, deren Gewifsenlosigkeit nothwendig die jetzigen faulen Früchte
hervorbringen muste, drückt sich der Redner in negativer und zu-
gleich hypothetischer Form aus. — Bei aniecapere (55, l) sollte auf
13, 4 verwiesen sein, weil sonst der Schüler schwerlich auf die rechte
Uebersetzung kommt. — Zur Rechtfertigung, jedenfalls zur Verdeut-
lichung des auffallenden cuius (56, 5) liefse sich der griechische
Sprachgebrauch anführen, dafs beim Snbject im Plural, das ncutri
gencris ist, das Verbum im Singular steht. — Dafs palere (56, 2)
viel natürlicher mit ^sichtbar werden, sich herausstellen' zu über-
setzen ist, sagt unser Hg. so sehr mit Recht, dafs er füglich die an-
dere Uebersetzung unbeachtet lafscn durfte. — Dagegen spricht, was
in der Anm. zu quo in loco (58, 5) gesagt wird, gerade gegen die
von ihm aufgenommene Lesart. — Die Anm. zu pace bellum mutatit
(58, 15) ist unverständlich, und doch ist eine klare und ausführlichere
Erörterung des so eigenthümlichen Sprachgebrauchs (m. vgl. auch
eompensare) mit seiner auf zweifacher Anschauung beruhenden Doppel-
construction gar sehr am Platze. M. s. unten die Bern, zu erat. Phil.
^. 7. — Auch was die Worte zu 58, 16 ^ guis = guibus von hier an
öfter' besagen sollen, ist nicht verständlich. — Was das schwierige
rupe aspera (59, 2) betrifft, so ist mir keineswegs ausgemacht, dafs
die von Dietsch empfohlene und von unserem Hg. angenommene Er-
klärung die entschieden und allein richtige sei. Vielmehr mufs ich
aller Einwendungen ungeachtet die Auffafsung von rupe aspera als
Abi. quäl, zu planities (oder auch etwa aspera als Nom.) für natür-
licher halten. Es scheint, die Voraussetzung, zu inier werde noth-
wendig ein zweites Glied erfordert, habe die genannten Erklärer zu
der Annahme der olTenbar harten Construction (aspera als neutr. plur.
acc. zn nehmen) gebracht. Sieht man aber z. B. Jug. 89, 4 genau an,
so erhellt, dafs dies gar nicht nöthig ist, sondern inter überhaupt die
Umgebung bezeichnet. So ergibt sich eine einfache Uebersetzung:
/V. Jakrb. f. PkU. m. Paed. Bd. LXX. Hß. 4 ii. r,. 29
442 R. Jacobs: C. Salliistius Crispns.
^da die Ebene links ganz von Bergen begrenzt war und rechts einen
raahen steinigen Boden hatte.'
Im Jngurtha 1, 2 ist mit den meisten neueren Herausgebern
statt der in vielen Hss. vorliegenden Lesart invenies die gleichfalls
gut beglaubigte Form invenias aufgenommen. Ohne über die Richtig-
keit der einen oder andern Lesart endgiltig entscheiden zu wollen,
möchten wir doch für die crstcre die Futura in ähnlichen Stellen Jug.
17, 7. 42, 5. Cat. 19, 6 anführen und über die Bedeutung des Fut. in
solchen Wendungen auf das unten zu 17, 7 gesagte verweisen. — Dafs
J. die auf den ersten Anblick so sehr sich empfehlende Conjcctur von
Dietsch 1, 4 statt captus zu lesen raptus, nicht aufgenommen hat,
könnte auffallen, ist aber zu billigen. Denn captus passt ganz gut
in den Zusammenhang. Man übersetze : ^ wenn aber der Mensch als
Sklave verkehrter Neigungen dem Verderben der Trägheit und Sinn*
lichkeit anheimfällt, auch nach kurzem Genufse der verderblichen
Lust' u. s. w. ; man nehme in Betracht, dufs Trägheit und Sinnlichkeit
hier als Zustände, als partes corruptionis ^ nicht als Ursachen, son-
dern als einzelne Züge des aus den verkehrten Neigungen entstande-
nen Habitus des Verderbens anzusehen sind; man erwäge endlich, dafs
auf diese Weise die Concinnität mit ad gloriam grassalur noch befser
gewahrt ist als bei der von D. vorgeschlagenen Auffafsung; so wird
man sich bei der Texteslcsart vollständig beruhigen. — Auch ist wohl
die Uebcrselzung von incrtia mit Unthätigkeit (richligcr wohl Träg-
heit, Schlaßlieit) der von Dielsch empfohlenen ^ Pflichtvergefsenheii'
vorzuziehen. — Dagegen erregt es Befremden, dafs unser Hg. die
von D. so scharfsinnig verthcidiglc Lesart der besten Hss. actores
nicht zugelafsen, sondern das immerhin bedenkliche auctores vorge-
zogen hat. Wir finden mit D. in dem Satz einen in metrische Form
gebrachten Spruch, vielleicht ein einem poetischen Werk entnomme-
nes Sprüchwort, und übersetzen: ^man nennet die Geschäfte schuldig
statt sich selbst.' — Zu 4, 6 hat D. ofTenbar richtig bemerkt: apparel
hoc enuntiatum referri ad verbum, quod ex ^dicere solitos' audiatur:
scilicet, cum ila dicerenl, censebant, und zugleich uachgewiesen,
warum scilicet hier nicht als das regierende Verbum betrachtet werden
•£s fällt auf, dafs unser Hg. auf die letztere Erklärung zurück-
^^..ur en ist. M. vgl. 82, 3. 85, 2. 88, 6. — Die 4, 4 bezeichneten
Zeiten sind die Zeiten des Triumvirats von Caesar, Pompeius und
Crassus und des darauf folgenden Bürgerkriegs. Somit wird wohl am
ehesten das Merkmal des bedenklichen, die mit Staatsämtern ver-
bundene Unlust und Gefahr es sein, woran Sallust erinnern will. Seine
Absicht ist zu beweisen, dafs er sich nicht aus Trägheit und mit Hint*
ansetzung seiner Bürgerpflichten vom politischen Treiben zurückge-
zogen habe, und er erinnert daher daran, wie er in Zeiten, da es
wahrlich nichts angenehmes gewesen sei , Staatsämler zu übernehmen,
seine Quaestur, sein Volkstribunat bekleidet habe; ferner, wie es da-
zumal selbst für tüchtige Männer nicht möglich gewesen sei, die
ihnen gebührenden und von ihnen gesuchten Ehrenstellen zu erhalten,
R. Jacobs : C. Sallostius Crispas. 448
wie somit neben Nuth auch Klarheit erforderlich gewesen, nm in boU
chen aufgeregten Zeiten ein Amt zu bekommen und zu verwalten.
Demnach will er sagen: ^ durch meinen wirklichen Antheil an der
Staatsverwaltung in mislichcr Zeit kann ich mich positiv von jenem
Vorwurf der inertia freisprechen. Andrerseits aber, fahrt er fort,
konnte der Umstand, dafs nach jener Zeit der Senat von schlech-
ten Subjecten bevölkert wurde, einem Ehrenmann es wohl enlleiden,
mit solchen gemeinschaftlich zu amten, und man mufs es vollkommen
gerechtfertigt finden , wenn ich dann meine Grundsätze in Betreff po-
litischer Thätigkeit änderte; ein unbefangener mufs zugebeu, dafs ich
nunmehr meine guten Gründe hatte, mich von der Politik zurfickza-
ziehcn, nicht aber eine ignavia^ d. h. eine Gleichgiltigkeit und Scheu,
meine Bürgerpflichten zu erfüllen, bei meinem otium vorausgesetzt
werden darf. Vielmehr wird man mit mir überzeugt sein, dafs man
dermalen patriotischer handelt und dem allgemeinen Besten wesent-
lichere Dienste leistet durch eine wifsenschaftliche Beschäftigung als
durch praktische Theilnahme an der Staatsverwaltung (negotid). Meine
in Rom als Geschäftslosigkeit bezeichnete Thätigkeit bringt dem Staate
mehr Nutzen als die politische Geschäftigkeit anderer. Dies um so
mehr, da (§. 5. 6) meine Beschäftigung von der Art ist, dafs sie von
ferne nicht unpraktisch heifsen kann, sondern nach dem Geständnisse
der verdientesten Männer des Staats ein treiTliches Mittel ist, tüchtige
Bürger zu bilden.' Fafst man so den Zusammenhang von 4, 4 — 6, so
ist meines Erachteus alles klar und jedes Wort an seinem Platze, ins-
besondere das dreimalige et in §. 4 vollkommen gerechtfertigt, und
es liefse sich fragen, ob nicht hienach die Anm. unseres Buchs zu et
quifms zu ändern sein dürfte. — Dafs unser Hg. mit seiner Auffafsung
von sed imperi — pnis fuit 5, 5 das richtige getroffen hat, beweist
mir aufser der Natürlichkeit dieser Deutung besonders auch der offen-
bare Gegensatz des nachfolgenden regnum^ womit eben angedeutet
wird, dafs die Nachfolger des Masinissa kein so umfafsendes Reich
mehr hatten. — 6,1 mufs der Sing, leonem auffallen und erfordert
eine Bemerkung. Man könnte 85^ 33 hostem ferire vergleichen , doch
liegt hier vielleicht etwas anderes zu Grunde als dort. Ist es nicht,
möchte ich fragen, ein ähnlicher Sprachgebrauch, wie ihn die kindr
liehe und alterthümliche Sprache (m. vgl. Aesop und das Hebraeische :
il aldrcrj^ und '^'ll^'n ^j'T^tl) , desgleichen noch jetzt die Sprache des
gemeinen Lebens durchweg festhält, bei bekannten Thiergattungen
sich alsbald ein Concretum, ein Individuum vorzustellen? Die Erhe-
bung zu Gattungsbegriffen gehört einer vorgerückteren Culturstufe
an; auf der Stufe der Kindlichkeit spricht der Mensch von ^dem Lö-
wen, dem Bären' und dieser Sprachgebranch erhält sich in solchen
Redensarten wie leonem ferire^ oder im deutschen * der Fuchs bat
die Hühner geholt.' M. vgl. auch glande — taedam bl^ 4. 5. — 10, 3
ist per hanc dextram keineswegs nothwendig = per meam dextram.
"Wie §. 7 ante hos auf die vor ihm stehenden Söhne geht, so hier
haue dextram auf die von ihm in der Aufregung des Gefühls ergrif-
29*
444 R. Jacobs: C. Salliistias Crispns.
fene Hand Jugurthas. Per regni fidem aber scbeinl am iiatiirlidisleii
gefafst zu werden: ^bci der Treue, welche du dem Reiche schuldig
bist', sei es dafs regni als Geo. object. oder, was sprachlich wohl
bcTscr ist, als Gen. subject. genommen wird, also wörtlich *bei der
ZuverUrsigkeit, welche dem Königthum zugehört, d. h. welche ich
als König von dir erwarten und fordern kann.' Dafs bei der Deutung
unseres Hg. eine Härte zurückbleibt, hat derselbe, nach seiner Bemer-
kung z. d. St. zu urtheilen, selbst gefühlt. — 11? 4 hat meines WU
fscns noch kein Ausleger zur Erklärung des rix iraducttis e$t an den
griechischen Sprachgebrauch von ^It^ und ^oyig erinnert, der unsere
Stelle vollkommen aufklärt. Wie in Soph. El. 575 av^^ (ov ßiaa^dg
TTolXa navTißag (AoXtg l^vasv avri]v dieses Adverbium von Hermann
zu Vig. p. 788 richtig durch tandem übersetzt wird, so ist hier vix
:= tandem. Eigentlich aber ist es ein abgekürzter Adverbialsatz: *er
liefs sich bestimmen, die andere Seite einzunehmen, wiewohl er dies
ungern Ihat.' Man vgl. fruslra 92.8. — Bei 13, 1 ilium allervm
iriflft ganz die Bemerkung von Nägelsbach lat. Stil. 2e Ausg. S. 23 zu:
^wenn der Lateiner einen Artikel hätte, so würde dieser und nicht
das Pronomen stehen. ' Ille mufs häutig als Ersatz für den der Spra-
che fehlenden Artikel dienen. — In der Stelle exiorrem palria etc.
14, 11 ist denn doch wohl mit der Annahme, dafs Sulliist sich^s so
gedacht habe: elfecil^ ut extom's — inops — Ittlius essetn^ die natür-
lichste Auffafsung der Construction gegeben. Allerdings ist, wie
Dietsch bemerkt, nicht exlorris^ sondern ego als Subject zu denken,
und insofern der Fall cinigermafsen , aber doch nicht wesentlich ver-
schieden von ähnlichen Beispielen dieser Attraclion (wie namentlich
Liv. II, 57: distractam rem p. magis^ quorum in manu sil^ quam ui
incoltimis 5i7, quaerf); dieses ego oder vielmehr nie ist aber, als
nicht nothwendig, weggelafsen und blofs die dazu gehörigen Attri-
bute extorris — inops gesetzt, mit denen me in Gedanken gegeben
war. — 14, 23 ist die Beziehung von cuius auf Adherbal in alle
Wege sehr naheliegend, zumal da ipse vorangeht. Ich erlaube mir
aber noch eine andere Deutung der vielbesprochenen Stelle zur Prfi-
fung vorzulegen. Sollte nicht cuius auf regni sich bezieben lafsen?
Mch weifs nicht, was ich thun soll, soll ich das an dir verübte Un-
recht zu rächen suchen, obwohl ich selbst der Hilfe bedürflig bin,
oder soll ich das Interesse des Königtbnms wahren, des Königthumt,
das seine Machtbefugnis über Leben und Tod sich selbst genommen,
von fremder Macht abhängig sehen mufs?' Ob unter alicnae opes die
Römer oder Jugurtha zu verstehen seien, hat der Redner vielleicht
absichtlich unentschieden gelafsen. Der Gedanke wäre somit: ich
kann ja in meinem Reiche durchaus keine Schritte thun, um mich gel-
tend zu machen, da ich über die Hauptwaffe, das Recht über Leben
und Tod , nicht mehr verfügen kann. — Die Bemerkung zu 15, 1 isl
wohl ganz richtig; noch schärfer liefse sich aber die Sache fafsen,
Menn bellum infercntem auch nicht als Handlung sondern gewisser-
mafsen als Eigenschaft Adherbals gefafst und übersetzt würde: A. sei
U. Jacubti: C. Sttllubliii:» Oispus. 445
ein MeDscli, der ohno Veraiilafäung: Krieg anfange. — Ebend. %. 2
mdchto ich graiia depravaia auch lieber anbestimniter fafsen : ^ die
sich durch iiücksichten auf unrechte Wege hatten . leiten lafscn %
Rücksichten ncmlich auf Jugurtha wie auf dessen Anhang. — 17,
7: fides penes auciores eriL Das Futur ist hier und in den oben 1,
2 angeführten Stellen eine Art modus potentialis, die dem Griechi-
schen (vgl. Krüger gr. Sprachl. §. 53, 7, 3) und auch dem Latei-
nischen nicht fremd ist (s. Reisig Sprachwifs. S. 513 Anm. 459).
Eine weitere Analogie bietet der (iebrauch des Futur in der 2n Per-
son für den Imperativ; sowie das, was Krüger lat. Gr. §. 449 Anm.
5 bemerkt, dafs das Futur überhaupt wie im Deutschen auch zuwei-
len zum Ausdruck eines Wunsches und Befehls dient. — Die An-
nahme, dafs 19, 1 zu aliis avidis wiederum solUcUatis ergänzt wer-
den solle, ist und bleibt hart und gibt auch keine klare Vorstellung,
was mit den einzelnen Bestandthcilen des Satzes gesagt sein solle;
auch bei der Ansicht von Dietsch ist der einfache Sinn von imperi
cupidine verwischt, wiewohl derselbe ganz richtig gesehen hat, wenn
er avidis als coordiniert mit sollicitata betrachtet, m. vgl. 88, 4 und
viele ähnliche Stellen, wo SallustAdjectiva und Participia sichgegen-
fiberstellt. Mir scheint die Stelle folgendermafsen übersetzt und anf-
gefafst werden zu müfsen: ^später gründeten die Phoenicier (natür-
lich die hcrschende Partei im Staate), theils um die Uebervölkerung
in der Heimat zu beseitigen, theils ans Herschsncht (um nicht eine
andere Partei an die llerschaft kommen zu lafscn), wenn das Volk in
Aufregung war und andere nach einer Staatsumwälzung verlangten
(d. h. wenn sie in Folge demokratischer Bewegungen u. a. revolutio-
närer Umtriebe fürchten musten nicht mehr an der Spitze bleiben zu
können), Hippo u. s. w. — 25, 5 in invidia dürfte auch einer Bemer-
kung bedürfen ; es könnte an Wendungen wie in facili esse^ in incerlo
habere u. ä. besonders bei Tacitus erinnert werden. In zeigt den Zu-
stand an, in welchem sich etwas befindet. Noch ausgedehnter ist diese
Sprachanschauung im Hebraeischen; man erinnere sich an die Bedeu-
tung zur Bezeichnung des in dem und jenem hervortretenden Wesens
einer Sache, das Bei essentiale der alten hebr. Grammatik. — Ebenso
ist bei iram 26, 7 der Schüler darauf aufmerksam zu machen, dafs
der Hauptsatz zu einem Bedingungssatz oft in einem Substantiv ver-
steckt sein könne. — Die Erörterung der vielbesprochenen Stelle 31,
1 mulla me dehorlaniur — ni superel befriedigt nur zum Theil. Es
ist ncmlich allerdings der Indicativ des Hauptsatzes richtig und dem
Schüler verständlich gerechtfertigt, wenn der Hg. sagt: Mer Indic.
ist nothwendig, weil die Abmahnung wirklich stattfindet'; wiewohl
die feinere Fufsung des fraglichen Falls bei Madvig $. 348 b noch
vorzuziehen, und vielleicht auch, um die Sache von mehreren Seiten
her so zu beleuchten, dafs man sieht, der Schriftsteller mus te so
sprechen, zu sagen wäre: ^der Sinn ist eigentlich: ich sollte, genau
betrachtet, nicht für und mit euch verhandeln, oder: beinahe hätte ich
■uoh abhalten lafsen; bekanntlich aber steht bei oportet, debeOj des-
446 R. Jacobs : C. Sallustius Grispas.
gleichen bei paene in solchen Ffillen der Indicativ.' Aber was sofort
zum Verständnis des Nebensatzes ni — superet gesagt wird , klingt
bei Jacobs wie auch bei andern Auslegern mehr wie eine Entschuldi-
gung des Schriftstellers, als dafs es dem Schüler die Ueberseugung
aufdränge , dafs Sallust nicht anders habe reden können und die Wen-
dung ni superaret sogar ungehörig sein würde. Es ist als ob die
Gommcntatoren sagen wollten : wenn ich Sallust gewesen wäre , hätte
ich so oder so mich anders ausgedrückt. Diesen Eindruck sollte
jedenfalls aber der Schüler her einem so genauen Schriftsteller nicht
bekommen, und was die Hauptsache ist, die Rechtfertigung, wenn
gleich an das richtige anstreifend, befriedigt erst nicht völlig. Wir
fragen und der Schüler fragt: warum hat Sallust superet gesetzt? Un>
ser Hg. scheint zu antworten, um sich an das Praesens im Hauptsatz
anzuschliefsen. Aber wie? sind denn Fälle wie Liv. II, 1 neque am-
higitur^ — st — extorsissetj vgl. Cic. Tnsc. V, 7, 19, wo gleich-
falls im Hauptsatz Praesens, im Nebensatz Plusquamperf. Conj. steht,
grammalisch verwerflich? mufs nicht der gewöhnlichen Regel von
dem Verhältnis der Tempora scheinbar zuwider manchmal im Ne-
bensatz ein Imperf. oder Plusquamperf. Conj. stehen? Warum aber
muste hier, wenn wirklich der Sinn des redenden ganz richtig nnd
fein wiedergegeben werden sollte, also nicht um der steifen Regel
von der Consecutio temp. willen, sondern aus tieferliegenden Grün-
den, der Conj. praes. gesetzt werden? Das ist zuletzt die Hauptfrage.
Wir antworten: ni $uperel ist ein Bedingungssatz ganz derselben Art,
wie sie Kruger lat. Gr. §. 639 a II, 1 bestimmt: ^ wenn das als mög-
lich angenommene aufser aller Beziehung auf eine bestimmte Zeit oder
nur in Beziehung auf die Gegenwart des redenden gedacht wird, so
steht der Conj. praesentis oder absolutus. ' Der eine wie der andere
von den zwei von Krüger unterschiedenen Fällen konnte hier stattfin-
den. Da aber, was von den Erklärern nicht genug beachtet worden
zu sein scheint, in dem Satze ni — superet keine bestimmtere Perso-
nalbezeichnung beigefügt ist, so ist der erstere Fall anzunehmen und
dieser parenthetisch und elliptisch eingefügte Nebensatz so anzusehen,
als stände: facile quempiam^ nisi in quo Studium rei p, superet^ de-
hortentur causae illae^ quae me quidem non deterrent. Wir über-
setzen demgemäfs: ^vieles mahnt mich von euch ab, gesetzt man
hätte nicht einen alles überwiegenden Eifer für das Gemeinwesen (so
möchte man ganz abgeschreckt werden), ncmlich die Macht der Partei'
u. s. w. — Weil der Satz 31, !29 st iniuriae non sunt etc. die Rede
schliefst, sowie wegen des dabei stehenden ad hoc^ möchte ich ihn
nicht als Begründung für das vorangehende, sondern als allgemein
giltigen Satz ansehen: *je weniger Unrecht verübt wird, desto weni-
ger bedarf es der Abhilfe durch einzelne boni* ^ namentlich dnrob
Tribunen (von denen ja der Ausdruck auxilii latio der Terminus tech-
nicus war), desto weniger Reibungen finden im Staate statt. Das war
ja auch dem befseren Theil der Nobilität erwünscht, und es stimmt ganz
mit dem gesetzlichen nnd billigen Sinne des Memmius überein, dafs
R. Jacobs: C. Sollustiiis Crispus. 447
mf mit diesem versöhnliclien Gedanken schliefst. — Bei dem schwie-
rigen bono Vinci (42. 3) ist mit mehreren früheren Auslegern bono
als Dat. masc. gefafst, und es ist keine Frage, dafs der hienach sich
ergebende Sinn gut in den Zusammenhang passt. Und doch werden
wir zugestehen müfsen, es wäre uns lieber, wenn bono ebenso wie
malo als Ablaliv genommen werden könnte; dann erst ist es ein voll-
kommener Sinnspruch, sofern ein solcher auch eine durchaus befriedi-
gende Form haben mufs, was meines Erachtens nicht der Fall ist, wenn
ganz dieselbe Wortform (bono') eine andere Beziehung im Satz erhält,
als die ihr entsprechende (malo) im zweiten Glied. Wie nun, wenn
dies möglich wäre, ohne den Grundgedanken und Znsammenhang des
Spruches im wesenUichcn zu ändern, ja sogar so dafs alle darin lie-
genden Beziehungen noch schärfer hervorträten? Wir wollen einmal
Vinci in dem nicht selleneu Sinn fafsen: zu weit geführt werden, sich
fortreifsen lafsen, sich vergefsen, weil eine andere Leidenschaft stär-
ker ist (m. vgl. tra, precibus, iniuria vinci und viclus animi =
übermannt vom Gefühl bei Virg. Georg. lY, 490), und bono als Ab-
lativ gelten lafsen , dann werden wir auf folgende Uebersetzung ge-
führt: ^aber es ist (wenn einmal ein Extrem stattfinden soll) befser,
im Eifer fürs gute sich zu weit fortreifsen zu lafsen (dafs man wie
die Gracchen haud salis moderalus^ seiner nicht mehr Meister ist),
als durch ein schlechtes Verfahren sich zum Meister über das Unrecht
zu machen (etwaige das Recht verletzende UebergrilTe zu rächen, wie
es der Adel gegenüber der Volkspartei gethan hat).' Extreme haben
von beiden Seiten stattgefunden und somit sind die Gracchen §. 2
wie der Adel §. 3 zu tadeln, aber relativ befser sind doch die
Gracchen, sofern ihre Uebergriffe auf gutem Grunde beruhten, der
Adel aber schlechte Mittel zu seinen Zwecken benutzte und dadurch
den Sieg gewann. — Ob bono als Neutrum gefafst oder more sup-
pliert wird, macht wenig Unterschied. — Weil denn der gröfsere
Fehler auf Seilen des Adels war, waren auch die Folgen (igitur §. 4)
nicht nur überhaupt sondern für die Adelspartei selbst nur nachthei-
liger Art. Schüchtern nehme ich mir heraus, über eine Stelle, an der
sich der Scharfsinn erprobter Ausleger schon nach allen Seiten ver-
sucht hat, eine neue Ansicht aufzustellen, auch verberge ich mir
nicht, dafs auf diese Weise ein gleichfalls die Concinnität stören-
der Doppelsinn in das Verbum vincere gelegt wird; wollte aber doch
die Auslegung, die mir aus mehreren Gründen empfehlenswerth
scheint, gleichfalls der Prüfung unbefangener Leser vorlegen. Was
den Mangel an Concinnität betrifft, so ist nach meinem Gefühl der
Doppelsinn eines Wortes in einer aenigmalischen Sentenz, welche in
ein Wortspiel gefafst wird, weit eher am Platz, als die vorhin ge-
rügte Doppelbeziehung in grammatischer Hinsicht. — Dafs ne und ui
öfters von einem im vorangehenden eingeschlofsenen, nicht eigent-
lich ausgesprochenen Begriff abhängen, dürfte von den Auslegern zu
45, 2 und 46, 7 ut cum his — propulsareni ausdrücklich bemerkt wer-
den. Uvius bietet für diesen Sprachgebrauch besonders viele und auf-
448 R. Jacobs: C. Sallustius CrUpira.
fallende BeUpiele, m. s. über ul I, 18fin. 20fin. 22fiD. II, 12 ha. I, 43
8. f., über ne 1, 28 med. 1, 53 med. 11,29 in. — Die schwierigere Lesart
frequentiam negoUatorum et commealum tuvalurum exerciium etc.
(47, 2) hat unser Hg. mit ilecht aufgenommen; es liefse sich aber fra-
gen, ob die Auslegung der Worte nicht einfacher folgcndermafsen ge-
geben würde: frequentiam neg, und commeah*m bilden einen susam-
mcngehürigen Begriff (Hendiadyoin), wobei auf dem zweiten der Haapt-
nachdruck liegt : die zahlreich ab und zugehenden Handelsleute werden
theils überhaupt dem Heere zu stalten kommen durch leichte Herbeischaf-
fnng von Lebensmitteln, theils die bereits vorhandenenVorräthe schützen.
— Als Anm. zu 50,1 stände vielleicht richtiger: Metellus muste sich vor
allem (daher antecapere) der Verbindung mit dem Flufs vergewissern. —
Die durch ihre Kürze allerdings etwas dunkle Stelle 53, 7 ac primo
obscura nocte etc. hat unser Hg. unzweifelhaft richtig angesehen und
erklärt, er würde aber noch sicherer aufgetreten sein (ohne *wohl'
und * vielleicht', was in einer Schulausgabe immer etwas bedenkliche«
bat), wenn er strepitu geradezu als das Wort bezeichnete, von dem
velut hostet adventare abhänge , was unseres Erachtens ganz zu recht-
fertigen ist. Denn strepitu ist (wie tumultutn facere 72, 2) ein techni-
sches Wort, das uuserm^ Allarmierung' entspricht, und es kann umschrei-
bend gesagt werden: ^in Folge der Allarmierung, einer thatsaoblichen
Andeutung, dafs gleichsam Feinde kommen, d. h. dafs Feinde kommen,
was aber nur ein velut, etwas vermeintliches war, erschrak jeder Theil
vor dem andern.' Also in strepitu liegt der Grund zum Acc. c. inf. (nicht
in velut^ was eine zwar scharfsinnige aber doch zu kecke Vermuthung
von Dietsch war), indem strepitus einen BcgriiT wie indicium in sich
schliefst. Bei dieser Annahme ist der Ausdruck bei Sallust zwar kurz,
aber vollkommen klar, kein Wort zu viel, aber auch keins zu wenig;
alle andern Auffafsungen oder gar Aeuderungen der Stelle erscheinen
als unznläfsig und überflüfsig. — Auch bei der Stelle Vaccenses —
principes coniurant (66, 2) haben meines Erachtens die Ausleger sa
sehr den Ton der Entschuldigung des Schriftstellers angeschlagen,
oder vielmehr zu laut von einem Fehler, der einer Entschuldigung be-
dürfe, Anakolnthon u. dgl. gesprochen, statt sich auf Analogien sa
berufen, die uns beweisen, dafs im Griech. wie im Lat. und in andern
Sprachen nicht selten von der rcgelmäfsigcn Construction, also hier
von einem Genetiv des ganzen, abgegangen wird, und zwar mit Ab-
sicht, wenn das ganze, etwa des Gegensatzes wegen, zunächst mehr
hervorzuheben ist. Vaccenses ist wohl ahnlich wie 19, 1 Phoenices
oder wie Liv. 1, 51 zu Anf. zu erklären und Krüger gr. Gr. 47,28
Anm. 3 dabei zu vergleichen. — Bei dum — poenas caperent (68, 3)
vermifse ich bei den Commentatoren durchweg die für den Schüler in-
structive Bemerkung, dafs dum häutig ein lebendigerer Ausdruck für
einen Absichtssatz sei. Livius hat es oft so. — Dafs unser Hg. mit
andern das durch die meisten Hss. beglaubigte ex perfugis geradezu
wegläfst, ist nicht zu billigen. Sollte denn nicht doch dieser Zusatz
dadurch gerechtfertigt werden können , dafs man sagt , jedem Leser
U. Jacobs: C. Sallustius Crispus. 449
konnte als selbstverständlich zagemuthet werden, hei perfugae an die
Leibwache zu denken. Nur übersetze man nicht Won den Ueberläu-
fern' sondern Won (wachestehenden oder sonst in der Umgebung be-
findlichen) Ueberläuforn.' — Bei moderata (73, 4) wäre das gleich-
falls absolut zu gebrauchende deutsche Wort: ^ das marsgebende —
war' oder :^ das Urtheil kam nicht zum rechten Mafs' in der Anm.
am Platze, statt des vom Hg. gesetzten Menkte (das Volk).' — Ayi-
iabat (74, l) ist ganz und gar wie 55, 2 gebraucht. — Sollte einem
Sallüst nicht erlaubt sein, auch ohne anderweitigen Vorgang ein Wort
wie supervadere (75, 2) bildlich zu gebrauchen, um eine stärkere Be-
zeichnung für super are zu gewinnen? — Es wäre denn doch einer
wiederholten Erwägung werth, ob nicht bei mulio ante labore (76,
ö) ein Hyphen anzunehmen ist, wie Gerlach meint. Nicht blofs Vir-
gil in dem bekannten ignari sumus ante maiorum^ sondern auch Livius
hat nicht wenige Beispiele dieser Art. — Ebenso scheint mir alia
(78, 2) richtiger als Neutrum gefafst und die Stelle also übersetzt
werden zu müfsen: * zunächst am Lande ist es sehr tief, sonst je nach
zufälligen Umständen bald tief bald bei stürmischer Witterung
seicht.' Dagegen stimmen wir dem Hg. bei , wenn er 78, 4 imperio
regis But den König von Numidien bezieht, nicht aber &\s = quod
numjuam regium imperium hahehant fafst , insofern im letztern Falle
der Ausdruck ofTcnbar gesucht wäre. — Die Bemerkung zu 82, 3,
dafs ^ quam nach alii stehe, wegen der negativen Grundbedeutung des
ganzen Gedankens', mufs ich für unrichtig halten. Es mufs vielmehr
heifsen: quam steht, weil dem Schriftsteller in Gedanken potius vor-
schwebt. — Die scheinbare Uuregelmäfsigkeit in nam — admini-
$irari — debere (83, 2) ist durchaus nicht so grofs, dafs man von
einem Anakoluth reden darf, wie andere Ausleger; ja wenn man be-
denkt, wie oft ein Verbum dicendi aus einem vorangehenden Salz für
einen folgenden hineinzudenken ist (s. 82, 3), und wie dies ebenso
wohl von einem Verbum sentiendi gilt (m. vgl. das zu 4, 6 bemerkte);
so wird man keinen Anstand nehmen dürfen zu sagen: aus dem vor-
ausgehenden videtur mufs für den folgenden Satz puto suppliert wer-
den. — Die Bemerkung zu (85^ 6) capiamini ist nicht deutlich ge-
nug. Die richtige Auseinandersetzung der Stelle bei Dietsch sollte
mehr benützt und etwa gesagt sein ^in die Schlingen des Adels fal-
len.' Dagegen ist die für den Schüler schwierige Stelle 85, 12 ent-
schieden richtiger als von D. gedeutet; usus is^ praktische Uebung,
Handhabung dessen, was zum Amt gehört, diese vor allem mufs dem
förmlichen Antritt desselben vorangehen, und so mufs man genau be-
trachtet und thatsächlich [so fafsen wir rej dasselbe schon ver-
waltet haben , ehe man den Titel nnd die volle amtliche Stellung hat.
— Bei gigni — voluisse (85, 16) wäre etwa die Frage am Platze:
warum sind diese Tempora nothwendig? Antwort: weil vom Stand-
punkt der redenden aus gesprochen wird. — Es darf zu 85, 41 wohl
einfach gesagt werden : quin , als Partikel der Aufforderung aus qni
ne entstanden, kann wie mit dem Indicativ und Imperativ, so auch
450 R. Jacobs: C. Satlustius Crispas.
mit dem auffordernden Conjnuctiv in den verschiedenen Personen ver-
bunden werden. — Circumvenire (88, 4) hat schon wegen des nach-
folgenden/»raresidiVs rmcfa/fis meines Erachtens eine Bedeutung, wei-
che zwischen der von Dietsch vorgezogenen ^ab alia ad aliam venire'
und derjenigen, welche unser Hg. mit Kritz angibt, in der Mitte liegt:
angreifend herumkommen, der Reihe nach angreifen. Ebenso sind
proelia letia (87, l) nicht blofs = neque pericuh neque iabor»
magno ^ sondern neben diesem zugleich = levis momenti. — 91, 1 ist
ganz richtig bemerkt: cum = quo die; dafs dies aber eine Abwei-
chung von der gewöhnlichen Bedeutung dieser Redensart sei (Z. 478),
sollte wenigstens angedeutet werden. — Unser Hg. läfst es wie
Dietsch unentschieden, ob infidus (91, 7) allgemein zu vorstehen sei
oder auf bestimmte Thatsachen sich beziehe; der Zusatz von ante^
das wohl minder gut zum folgenden gezogen wird , sowie das einen
factischen Grund bezeichnende quia lufst es kaum zweifelhaft, dafs
das letztere das richtige ist. — Bei animum vortit (93, 3) denkt sich
Sallust wohl ganz das, was wir mit ^nahm ihn ganz in Ansprach'
ausdrücken. Es ist nur lebendiger gegeben statt invasit^ indem xa-
gleich der Gedanke darin liegt: statt an Gefahr oder sonst was za
denken, war er, wie es dem Menschen gerne geht, von der Lust ein
Abenteuer zu bestehen ganz hingenommen. Hicnach möchte die An-
merkung z. d. St. zu berichtigen sein. — Warum der unbestimmte
Ausdruck proelianlthus aderani (93, 4) gewählt ist, dürften die Aus-
leger wohl auch aufklären. Wohl deswegen , weil angedeutet werden
soll, dafs nicht alle Numider thötlichen Anlheil am Kampfe nah-
men, sondern bei der Natur der Oerllichkeit viele nur eben da sich
befanden, wo der Angriff stattfand; wir: ^am Kampfe Antheil nah-
men.' — Bei pergif (94, i) scheint doch die Annahme, Marias sei
Subject (Dietsch), ferner zu liegen, als was unser Hg. mit Kritz sagt:
das Subject ist Ligus, Auf Marius bezogen stände die Notiz za ib-
gerifsen da; auch erwartete man ein ipse, — Es ist mit ziemlicher
Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dafs de uxore (95, 3) collectiv zu ver-
stehen ist; aber sehr erwünscht wäre es, eine ganz schlagende Ana-
logie im Lateinischen nachzuweisen, am nächsten kommt noch eques
= Ritterstand und: villa ahuudat porco^ haedo, ijnUina. Im Schwi-
bischen ist der Sprachgebrauch jedenfalls constatiert: ^das Frauen-
zimmer hat ihn ins Unglück gebracht' statt: sein Verhältnis zum weib-
lichen Geschlecht u. s. w. Immerhin bleibt jedoch für unsere Stelle
die Beziehung auf einen uns eben nicht mehr ganz genau bekannten
einzelnen Fall im ehelichen Leben Sullas möglich. Wir fibersetzen
daher: ^nur hätte im Verhältnis zur Frau mehr Anstand beobachtet
werden können', um die offenbar zweideutig gehaltene Stelle lieber
auch zweideutig zu lafsen. — Ucber das schwierige amicilia facilis
(ebend.) ist in der betreffenden Anm. zu vage gesprochen. Wir müfsen
wohl, wie Dietsch richtig gesehen hat, von der passiven Bedeutung
des Adjectivs ausgehen, worauf auch die Wortform führt: leicht zu
behandelu als Freund, leicht befriedigt bei der Wahl wie im Verkehr
K. Jacobs: C. Salluslius Crispus. 451
mit Freunden, weder empfindlich noch anspruchsvoll. Mit diesem
passiven und negaliven Begriff niurs aber, zumal in diesem Zusammen-
hang und von einem Manne wie Sulla gesagt, das weitere verbunden
werden: willfährig, gefällig, umgänglich, gewandt im Hufsern Be-
seigen, worin Menschen die in der Freundschaft mehr den Verstand
als das Herz wallen lafsen, oftmals weit mehr Meister sind als solche
denen es nm Innigkeit und wirkliche Treue zu thun ist. Ich möchte
es daher übersetzen: Mn der Freundschaft ein Weltmann'; denn nur
in diesem allgemeinen Ausdruck finden sich alle genannten Merkmale,
welche offenbar Sallust hineingelegt hat; zugleich passt dies besonders
gat zu callidus. Wollte mau naher beim Worte bleiben, so giengo
wohl auch an: ^in der Freundschaft nahm ers leicht'; denn gerade
dieses Merkmal, das oberflächliche und rein äufserliche in seinen
Freundschaftsverbindungen , will der Schriftsteller vornehmlich her-
vorheben. — Wenn 95, 4 das Komma erst nach victortatn statt, wie
bei Dietsch, nach omntifm gesetzt wird, so übersieht man, dafs die
zwei Perioden im Leben Sullas nicht nach der /Wtctlas, sondern nach
seiner industria und inwieweit die letztere mit seinem Beinamen feli-
eissimus übereingestimmt habe, unterschieden werden. — Die Stelle
neque minus hostibus coniurbatis 98, 4 hat Jacobs richtig erklärt; nur
hat er neque unrichtig als =-• ne quidem gefafst, was nie der Fall ist
und nach der von Hand Turs. IV, 94, wie mir scheint, fein und rich-
tig angegebenen Bedeutung von neque und seinem Unterschied von
nee nie der Fall sein kann. Hätte man überhaupt unsere Stelle ge-
hörig nach dem ganzen Zusammenhang gelesen , versteht sich ohne die
80 häufig störenden Interpunctionen; hätte man sich erinnert, wie so
gerne neque minus ^ nee nnnus für ilemque steht (vgl. Corn. Alcib.
5, 6. Att. 12, 4. Ovid. Am. III, 9, 15); hatte man endlich den noch häu-
figem Sprachgebrauch bedacht, dafs neque und nee in derselben Art
wie das Relativpronomen die in ihnen liegende Kraft an zwei Satze
vertheilen kann , so dafs et zum übergeordneten, non zum unterge-
ordneten Satz gehört (vgl. Liv. VII, 9, 1 u. a. von Hand IV, 99 ff. an-
geführte Stellen): so hatte diese crux der Ausleger keinen Augenblick
Noth verursacht und entschuldigender Worte bedurft. Sallust konnte
gar nicht anders reden, wenn er nicht unnöthig breit werden wollte:
* Marina zog seine zersprengte Mannschaft auf einen Punkt zusammen
(was um so eher möglich war,) da auch die Feinde in Bestürzung
waren.' Wollte Sallust eine Parenthese vermeiden und zugleich nicht
unlateinisch reden, etwa: et id fecit^ quia et hostes conturbati erant;
so muste er das (nach Hand) relativ verbindende neque setzen , das
kurz und einfach in einer Anm. durch et {etenim) contrahit^ quia nun
minus (etiam) hostes conturbati erant zu erklären wäre. — In der
etwas zu kurz gehaltenen Beschreibung der Schlacht JOl, 4 ff. hat un-
ser Hg. in der Hauptsache, besonders bei Bestimmung, wer die pedi-
<es$. 6seien, sich ganz an die Auffafsung von Dietsch gehalten.
Gewis mit Recht; denn die Gründe gegen andere Deutungen sind über-
leagend. Nur darin weicht er ab , dafs er ceteri %, 4 nicht auf die
452 R. Jacobs: C. Sallaslius Crispus.
Abtlieiluiig Sulias, sondern auf die übrigen römischen Trappen über-
haupt bezieht. Dagegen spricht aber, dafs dann das vorangeheD^e
aUi als verwechscii mit reliqui genommen werden mufs, noch mehr
aber, dafs Sallust in diesem Fall einiger Unordnung in der DarsteU
lung besichtigt werden dürfte, was wegfällt, sobald angenommen
wird, dafs §. 4 nur von der Reiterei, §. 5 von dem HinterlreffeD, $. 6
vom VordertrcfTcn die Rede sei. — Dafs 103, 1 noch als möglich an-
genommen wird, hihernacula von den Winterquartieren in den ein-
zelnen Städten selbst zu verstehen, wobei der Unterschied zwischen
hibema und hibernacula^ der hier nothwendig vorauszusetzen ist,
aufscr Acht gelafscn wird, befremdet um so mehr, da Dietsch die
Sache bereits gehörig ins Licht gestellt und Jacobs im ersten Theil
seiner Anmerkung dieser richtigen Ansicht beigestimmt hat. Dafs
103, 4 wiederum der allgemeinere Ausdruck hiherna statt des beson-
dern steht, hat nichts auffallendes, da alle hibernactda auch hibtma
sind, aber nicht umgekehrt. — Ist nicht vielleicht ]04, 2 quibus lega-
tis — fii zu lesen und anzunehmen, dofs die vorangehende Silbe -i7
das sonderbare in in den Text gebracht hat? Die Conjectnr von Dietsch
in quis — ßeret ist zwar scharfsinnig, aber doch zu keck, sowohl in
Beziehung auf die Construction, als weil fii in ßeret verwandelt wer-
den mufs. — Zu 105, 3 efficiebant etc. wäre eine instructive Paral-
lelstelle Liv. I, 14 med.: fugne quoqve — equestris pugna causam
minus mirabilem dedii, der RcitcrangrilT halte zur Folge, dafs —
weniger auffallend war. Das kecke der Redeweise in unserer Stelle
mindert sich durch diese Vergleichung mit dem Ausdruck des Livins,
sowie dadurch, dafs der vermifsteBegrilTdes ^Scheinens' hierdurch
ampliorem vero angedeutet ist. — Ueber nt in tali negotio (l07, 6)
ist das richtige gesagt, auch ist das was Kritz, Dietsch, Krüger tat.
Gr. S. 796 u. a. über diese Construction bemerken , durchweg gut und
wohl begründet. Aber es will mich bedünken, dafs der einfachste
und kürzeste Ausdruck zur Erklärung dieses so häufigen Spraohge*
brauchs noch nicht gefunden sei. Ich möchte so sagen : ^ut wird hiuflf ,
sei es in einem vollständigen oder abgekürzten Nebensatze (für den
Sinn macht dies keinen Unterschied) beigefügt, um eine Vergleichnng
des im Hauptsatz ausgesagten mit etwas anderem, das dem Leser aoa '
dem Zusammenhang oder sonst woher bekannt ist, auszudrücken.
Dieses andere kann entweder a) etwas mit dem vorliegenden identi-
sches , ähnliches sein : Uli diligunt se uigerwani fratres, oder b) etwas
bedeutenderes, begrifflich oder realiter höheres und positives: Epi-
charmi^ acuti nee insulsi hominis^ ut Siculi (das Individuum wird
mit dem Genus vorglichen) ; oder c) etwas unbedeutenderes und ne-
gierendes, womit verglichen zu werden nicht sowohl löblich als her-
absetzeud ist: Graeci prudentes^ ut est captus hominum^ satis. Es
ist bei dieser Redensart derselbe Fall, wie z. B. bei non magis u. a.,
dafs einzig der Zusammenhang entscheidet., ob sie negativen oder po-
sitiven Sinn hat. — In der Bemerkung zu quo res communis liceniiui
gereretur ist die erste Erklärung jedenfalls befriedigender als die
K. Jacobs: C. Saliasliiis Crispns. 453
Eweile, aber eben deshalb das weiter beigefü^^le \^'ohl enlbehrlich. —
Uebrigens nmrs ich gestchen, dafs mich auch jene befsere von Dietsch
entlehnte Auffafsung dieser nicht leichten Stelle nnbcfricdigt lärst;
ef murs dabei zu viel ergauEt nnd Ucentius in einem Sinne genommen
werden, der wenigstens nicht zunächst im Worte liegt. Denn das-
selbe hat ja doch zuvörderst den Sinn: üauilicentia nimia $it^ nem-
lieh von Seiten des sprechenden: es enthält etwas, wasBochus eigent-
lich nicht Ihnn sollte, womit er sich zu viel herausnehme. Ich möchte
folgende Uebersctzung vorschlagen : ^ als ob er sich damit bei Ver-
handlung der gemeinsamen Angelegenheit zu viel Willkür erlaube.'
Das sonst bei quo in dieser Bedeutung stehende non ist in neu ent-
halten, wie es auch sonst in den Hauptsatz gezogen wird, z. B. Cic.
ad Att. in, 15, 4 neque haec eo scribo^ quo te affecium dolore
Mciam,
Nun noch einiges wenige über die ans dem Fragmenten auf-
genommenen Abschnitte. Es sind dies natürlich nur die gröfsern
Stücke, die Reden und Briefe, welche sich von den Geschichtsbüchern
Sallusts erhalten haben, und zwar mit Ausschlufs dessen, was die
Kritik als unecht erkannt hat. Auch hier zeigt sich der Fleifs unsers
Hg. neben seinem das Bedürfnis der Schule fest ins Auge fafsenden
Takt. Die Vorbemerkungen namentlich verbreiten sich auf gründliche
und für die Schüler förderliche Weise über die jedesmalige Zeitlage.
Für den praktischen Gebrauch wäre hier, wie auch in der allgemeinen
Einleitung, eine Eintheilung des Stoffes in einzelne Paragraphen zu
empfehlen; Halm in seiner Schulausgabo von Ciceros ausgewählten
Reden ist hiefür wie überhaupt für lichtvolle nnd übersichtliche Be-
handlung solcher Einleitungen ein Muster. In der oratio Lepidi §. 18
möchte doch die Interpunction mercatus sum^pretio soluto^ iure^ do-
minis etc. vorzuziehen sein, auch iure am besten = rechtlich, d. h.
*ohne dafs man mir rechtlich beikaun' gefafst und zu mercatus sum
bezogen werden. — In der schwierigen Stelle §. 20 ist die Lesart
fW (nicht ire) mit gutem Grunde beibehalten worden, da der Aus-
druck an Kraft gewinnt, wenn passivisch geredet wird, was auch
nicht nur grammatisch correct, sondern neben audeas nothwendigist;
dagegen möchten wir doch statt des harten raptum das bei Sallust für
die fragliche Bedeutung so beliebte caphim (s. orat. Lep. §. 1. 20.
Jug. 85, 6) aufgenommen sehen. — In der oratio Philippi §. 7 wird
zur Erklärung von quorum nemo diurna mercede vitam muiaverit auf
Jug. 38, 10 verwiesen. Nun ist aber diese Stelle selbst (s. oben) we-
der leicht zu verstehen , noch die Auffafsung unsers Hg. über allen
Zweifel erhaben. Ueberhaupt vermifst man hier oder dort eine ein-
gehende Behandlung der Construction von mutare, Hiebei sollte mei-
nes Erachtens von der jedenfalls deutlichsten Stelle bei Sallust Cat.
58, 15 ausgegangen werden. Hier nun ist offenbar mutare auf dieje-
nige Art verbunden , wie es auch unserm deutschen Sprachgefühl am
nächsten liegt, dafs nomlich im Accusativ steht was weggegeben, im
Ablativ das was gewonnen wird. Dies ist, wenigstens bei Prosaikern,
454 H. Jacobs: C. Sallustius Crispus.
auch im Lateinischen die gewöhnliche Anschaanng. Wenden wir das
gesagte auf die vorliegende Stelle an, so haben wir za flbersetsen:
von denen wohl keiner das Leben hergibt (modus potentialis) am sei-
nen Tageslohn, d. h. welche, um das einzige Interesse, das für sie
auf dem Spiele steht, ihren Taglobn, su gewinnen, ihr Leben nichl
aufs Spiel setzen mögen. Ihr Leben ist solchen Leuten lie-
berals ihr Taglohn; sie leisten , wie alle Miethlinge, keinen ernst-
lichen Widerstand, weil es sich für sie nur nm den schnöden Sold
handelt. Jetzt aber, fügt der Redner hinzu, ist ein ganz anderes durch
Verzweiflung zu allem fähiges Heer aufgeboten. — Auf diese Weise
ist in unserer Stelle, wie mich bedünkt, der Zusammenhang mit dem
folgenden ebenso wie der Ausdruck in sich selbst klar. Beides aber
scheint mir nicht in gleichem Mafse der Fall zu sein, wenn von an-
deren so commentiert wird: * keiner würde seinen Tageslohn für das
Leben hingegeben haben; ihr Tageslohn galt ihnen höher als
das Leben, indem sie, um einen Tageslohn zu erhalten, ihr Leben
aufs Spiel setzten.' Jedenfalls sieht man , dafs sehr verschiedene Auf-
fafsuugen der Stelle möglich sind, und dafs somit eine umständlichere
Besprechung davon in der Anm. erwartet wird. — Die Erörterung voo
propius est ab eo statu §. 10 ist unnöthig dunkel. Unser Hg. hätte
am besten gelhan, die einfache Bemerkung Fabris zu d. St. aufzuneh-
men. — In der oratio Cottae ist §. 4 cum illa simul genauer sn er-
klären. Honestius %, 7 und nequicquam §. 14 ist wie eix Jug. 11, 4
als zusammengezogener Nebensatz zu betrachten, wie das bekannte
dulcius ex ipso fönte bibuntur aquae und viele ähnliche Wendangen
bei Livius, z. B. 1, 13 melius peribimus u. a. — Die Anm. zu Statuts-
selis in der epistola Pompci §. 1 trägt mehr zur Verdunklung als zur
Aufhellung des Sinnes bei. Agitis ist eben der stärkere Ausdruck fdr
statuitis. Der Sinn ist: ihr hättet in euren Verfügungen gegen mich
in meiner Abwesenheit nicht weiter gehen können , als ihr bis jetzt
thatsachlich thut. — In der oratio Licini $.11 ist die vom Hg. zuletzt
angegebene Auffafsung der mislichen Stelle nach meiner Ansicht
entschieden die beste und jene Bedeutung von certare de — gar
wohl zulafsig; ein solcher Doppclsinn nimmt sich im Nunde des Lici-
nius sogar gut aus. §. 20 möchte ich gleichfalls der Conjectur ini«-
riae den Vorzug geben. §. 26 wird das Wort mutavistis durch den
ähnlichen Gedanken und Ausdruck §. 13 nomina rerum ad ignatiam
mutantes verdeutlicht, und hinwiederum sind diese beiden Stellen ein
Beleg, dafs die Auffafsung von Jug. 38, 10, welche oben der Erwä-
gung empfohlen wurde, die richtige sein dürfte. 3futo ist schon sei-
ner Etymologie nach s. v. a. ich bringe etwas in eine andere Lage,
sei es thatsachlich oder in meiner Ansicht und Meinung von der Sache.
Zum Schlufs noch einige allgemeine Bemerkungen und Wünsche.
Dafs der Versuch gemacht wurde, an die Stelle der oft so ungeschick-
ten Abtheilung nach Capiteln eine andere zu setzen, welche den In-
halt nach seiner sachlichen Znsammengehörigkeit abtheilt , ist wohl zu
loben, aber andrerseits nicht zu bestreiten, dafs hier noch eine Aen-
R. Jacobs : C. Sallnstius Cfispas. 455
deruBff und Nachbefserung am Platze wäre. Es ist mir nicht gelangen
durchaus ein festes Friucip zu entdecken , wonach die einzelnen Ab-
sätze abgelheilt sind, auch sind bis jetzt der Absätze zu viele, und
namentlich der Wunsch liegt nahe, es möchte bei einer neuen Bear-
beitung die Gruppierung in bestimmte gröfscre Abschnitte nicht
allein vom Hg. schärfer ins Auge gefafst, sondern auch die Einrich-
tung getroffen werden, dafs dem Schüler auf sinnlich wahrnehmbare
W'cise, etwa durch gröfsere Anfangsbuchstaben, oder noch befser
durch Ueberschriften , jedesmal bezeichnet werde , was zusammenge-
hört. Ohne mir herausnehmen zu wollen, eine völlig befriedigende
Abscheidung dieser Art geben zu können , möchte ich im nachfolgen-
den zusammenstellen, wie sich mir z. B. Jugurtha in bestimmte 25 Ab-
theilungen zerlegt hat: Einleitung: c. 1 — 4. Erzählung: l) c. 5 — 12.
2) 13—16. 3) 17—19. 4) 20—26. 5) 27—29. 6) 30— -35. 7) 36—
39. 8) 40—53. 9) 54—62. 10) 63—65. ll) 66—69. 12) 70—72. 13)
73. 14) 74—78. 15) 79. 16) m—&d. 17) 84—86. 18) 87—89,3.
19) 89, 4—94. 20) 95. 96. 21) 97—99. 22) 100. 101. 23) 102—111.
24) 112. 113. 25) 114. Sollte es nicht für den Schüler wesentlich
zum Verständnis förderlich sein, wenn etwa diese Abtheilungen in
seinem Buche je mit grofsen Anfangsbuchstaben, auch wo möglich mit
ganz kurzer Angabe des Hauptinhalts versehen, ihm vors Auge trä-
ten? Um demselben Zweck noch weiter zu dienen, könnten dann die
einzelnen Unterabiheilungen jedes Hauptabschnitts durch Beginnen
einer neuen Zeile markiert werden; so wäre z. B. die Einleitung zu
Jugurtha wiederum nach ihrem dreifachen Inhalt in drei Absätzen zu
geben: der philosophisch moralisierende c. 1. 2; der politische c. 3;
der persönlich apologetische Theil c. 4. — Gleichfalls im Interesse
des Schülers wäre ein doppeltes Register, ein sachliches und ein
grammatisch'lexicalisches, sehr zu wünschen, und es würde diese Zu-
gabe eine Zierde einer zweiton Ausgabe sein.
Schönthal. L. Me^er.
Titi Uvi ab urbe condila libri. Erklärt von ¥F. fFcit$enbom. Erster
Band: Buch I und U. IV n. 314 S. Zweiter Band: Buch 111—
V. 332 S. Leipzig, Weidmannsche Buchhandlung. 1853. 1854. 8.
Ref., hoch erfreut, dafs Livius in der Haupt-Sauppeschen Samm-
lung einen so tüchtigen Bearbeiter gefunden, wollte in einer ausführ-
lichen Recension in diesen Jahrbüchern dem Hrn. Herausgeber ein
* Glück auf zurufen, findet aber so eben, dafs ein anderer Recensent
(Bd. LXIX S. 649 — 672) ihm zuvorgekommen ist, der die Arbeit be-
reits nach Verdienst gewürdigt hat. Indem ich mich dem ehrenden
Urtheile jenes Rec. anschliefso, verzichte ich nun auf eine allgemeine
Beartheilung der gesammten Arbeit, wiederhole nicht das der vor-
456 W. Weirsenborn: Titi Livi ab urbe condila libri. ir a. 2r Bd.
trefflichen Einleitung von jenem Rec. gespendete Lob, übergebe die
bereits von jenem durchmusterten Abschnitte und gedenke blofs über
den zweiten Band einzelne Bemerkungen milzuthcilen , von denen der
Ur. llg. bei einer zu hofTenden neuen Auflage vielleicht Gebranch
machen kann. Wenigstens schreibt Rec. diese Bemerkungen nur dar-
um nieder, um sein Scherflein zur Vervollkommnung des Buches bei-
zutragen.
Da nach dem Plane der Sammlung die Erklärnng die Hauptsache
ist, wollen wir die Textkritik, so weit dies thunlich ist, um so lieber
umgehen, da die Kritik des Livius durch Aischefski in ein sehr uner-
quickliches Stadium getreten ist. Durch Vergleichung alter Hand-
schriften hat sich jener Gelehrte ein bleibendes Verdienst erworben,
aber zum Kritiker fehlen ihm durchaus die erforderlichen Eigenschaf-
ten, und vor allem eine genügende Kenntnis des Schriftstellers. —
Von Hrn. Weifsenborn können wir rühmen, dafs er durch Aischefskis
Superstition sich nicht hat beirren lafsen , und während er viele vor-
treffliche Lesarten aus jenen Hss. in ihre Rechte eingesetzt, zuweilen
auch ans den Spuren derselben das richtige durch Coujectur ermittelt
hat, manches andere, was blofs als Schmutz der Hss. anzusehn ist,
wieder bei Seite geworfen hat. Doch über die durchgehende Con-
stituierung des Textes steht blofs dem ein Urtheil zu, der dnrch de-
taillierte Untersuchung den Werth der Hss. ermittelt und festgestellt
hat. Darum wollen wir über einzelne Stellen , wo wir mit Hrn. W.
nicht übereinstimmen, hier nicht mit ihm rechten. Wir halten niu
blofs an die Erklärung und möchten in dieser Hinsicht im allgemeinen
den Wunsch gegen den Hrn. Hg. aussprechen, er möge sich seine Auf-
gabe nicht vervielfachen. Bei Erklärung eines Schriftstellers ist natür-
lich die sachliche Erläuterung ein wesentliches Erfordernis, aber die
bei einem eingehenden Studium des Livius sich darbietenden histori-
schen und antiquarischen Controversen können in einer solchen Aas-
gabe nicht ihre Erledigung finden. In solchen Fällen wird eine ein-
fache Verweisung auf Niebuhr, Becker, Peter, Mommsen genügen.
Dadurch wird Raum gewonnen werden für die grammatische Erkli-
rung, die wir in noch gröfserem Mafse und in der Weise berück-
sichtigt wünschten, dafs der Sprachgebrauch des Livius recht klar und
mit derjenigen Kürze vorgeführt würde, die auf Praecision beruht,
nicht auf flüchtiger Andeutung. Kurz , wir verlangen von dieser Aus-
gabe nicht eine Lösung Niebuhrscher Ratbsel, sondern eine durch-
gehende richtige Erklärung des von Ucbersetzcrn und Interpreten so
häufig verkannten Sinnes von Livius. Z. B. V, 12 sagt Livius: hoc
statu müttarium rerum seditio intestina mawre male coorta quam
hcUa tractnhantur. Hr. W. bemerkt hierzu: ^mo/« enthält zu coorta
(est) den Begriff des gefährlichen, zu tractabantur den des Eifers und
Nachdrucks: quam qnanta male tracf,' So freilich fafsen es die ge-
wöhnlichen Ueberselzer auf, aber Hr. W. muste diese eines befsern
belehren. Wenn zwei Grade einer Eigenschaft miteinander verglichen
werden, müfscn dies doch Grade einer und derselben Eigenschaft sein.
W. WeirsoDbora: Tili Livi ab urbe condiU libri. Ir a. 2r Bd. 457
Und so ist es auch. Sowohl die $ediiio als die beUa erzeugten eine
molesj aber die erstere moles war grörser. Deutsch: ^es brach ein
Aufruhr im ionern aus , der auf dem Staate noch drückender lastete
als die Kriege , in denen man begriffen war.' Dieselbe Kürze des la-
teinischen Ausdrucks findet sich häufig bei Taeitus, z. B. an der der
unsrigen ganz ähnlichen Stelle Ann. 1, 18: leviore ßagtiio legaium in-
terficietis , quam ab imperaiore descisciiis , und noch kühner bei Li-
vius selbst XXVU, 14: eo tnagis ruere in suosbeluae; tantoque maio-
rem üragem edere^ quam inier hostet ediderant^ quanto acrius
pator consternaiam agit^ quam insidentis magi$tri
imperio regitur. Vgl. auch Y, 49: haud maiore momenio fusi
Galli sunt^ quam ad Äliam eicerant, — Vor allem gilt es in einer sol-
chen Ausgabe durch richtige Interpunction den Leser auf das richtige
Verständnis hinzuleiten. So hätte sieh IV, 29 Hr. W. eine falsche An-
merkung ersparen können. Dort lesen wir in allen Ausgaben und auch
bei unserm Ilg.: nee Übet credere et licet in variti opinionibus, et
argumenta e$t quod etc. Hierzu macht unser Hg. die Anmerkung:
' == e/ libet non credere et licet sc. non credere.* Wie wäre dies
grammalisch möglich? Wenn der Lateiner nee — et sich entsprechen
lifst, so ist ja eben der erste Satz negativ, der andere positiv. Der
Sinn, den unser Hg. findet, konnte lateinisch blofs durch neque libet
credere neque licet ausgedrückt werden. Es muste interpungiert
werden : nee libet credere {et licet in variis opinionibus) e t argu-
menlo est^ quod etc. Dem nee entspricht also erst das zweite e/, und
das erstere et ist das bei Li vius so häufige el, welches Parenthesen
beginnt (XXIII, 44. XXIV, 7. XXV, 17. XXIX, 23. XXXV, 34. XXXVI,
43). In dieser Parenthese aber kann nun non credere füglich suppliert
werden. Die richtige Interpunction vermifst man namentlich bei pa-
rataktischen Sätzen, z. B. V, 21, 9: sed in rebus tarn antiquis si quae
wimilia veri sinl^ pro terisaccipianlur^ satis habeam, Haec ad osten-
tationem etc., mufs nach habeam blofs ein Komma oder ein anderes
Vordersatzzeichen gesetzt werden. Denn eng gehört zusammen sed
— haec. Die Anmerkung : ^ der Satz sed — habeam vertritt die
Stelle eines Nebensatzes' enthält zwar eine für den kundigen genü-
gende Andeutung, aber wer jenen Gebrauch parataktischer Satze nicht
kennt, wird dadurch wenig an Einsicht gewinnen, wohl aber durch
die richtige Interpunction aufmerksam gemacht werden. Solche Sätze
darf man ebenso wenig durch ein Punctum trennen, als man im Grie-
chischen einen Satz mit ^iv von seinem entsprechenden Satze mit öi
durch ein Punctum trennen wird. Wenn V, 23 nach censerent ein
Punkt steht, so ist dies hoffentlich blofs ein Druckfehler. 111,44 finde
ich schon bei Kreyfsig, der in dieser Hinsicht vortreffliches geleistet
hat, die allein richtige Interpunction: auctoribus qui aderanl^ ut se-
querelur^ ad tribunal Appi perventum est, Ueberhaupt scheint mir
der Ausgabe von Kreyfsig, die ich unter den in der Vorrede erwähn-
ten Vorarbeiten ungern vermifse, nicht die gehörige Aufmerksamkeit
geschenkt. Wenn z. B. IV, 3 unser Hg. noch immer schreibt: et per-
iV. Jakrb, f. PML u. Paed. Bd. LXX. Hft. 4 u. 5. 30
458 W. Weifsenborn: Tili Livi ab urbo condito libri. Ir a. 2r Bd.
ifide hoc valet ^pleheius ne consul fiai^^ iamquam serrum aut Über-
linnm aliquis consulem futurum dicat? und in der Anmerkung Ter-
lieblich sich abmüht, einen passenden Sinn herausKuGuden , hat
Kreyrsig durch eine kleine Aenderung, indem er mit alten Ausgaben
plebeiusne schrieb, der Stelle die gehörige Klarheit verschafft. Denn
offenbar mufs eine Aeurserung der Plebejer, nicht eine patricische
durch jene Worte eingeführt sein. Der Sinn ist: wenn man äufscrt:
^soll nicht ein Plebejer Consul werden können', ist das etwa
ebensoviel, als wenn man forderte, es solle ein Sklav Consul werden?
Und so wird noch manches von Kreyfsig gebotene später seine An-
erkennung finden. Beiläufig bemerke ich, die auch von unscrm Hg.
erwähnte Conjectur Kreyfsigs II, 50 propier impuherem aeialem findet
sich buchstäblich bei Aurelius Victor de viris ill. c. 14: unus ex ea
genle propter impuherem aeialem dornt reliclui genus propagatU
etc. [Vgl. Philologus VIII S. 384.]
Doch wir wollen nun das 5e Buch der Reihe nach durchgehen,
aber nur dasjenige anführen, worin wir dem Hg. nicht beistimmen
können. Cap. 2 lesen wir: iam ne hiemi quidem aut tempori anni
cedere ac domos ac res intisere suas. Der Hg. bringt für ac — «c,
aut-^ac Stellen bei, die mit jener wenig Aehnlichkeit haben; wir
hatten lieber die Fraise beantwortet gesehen , von welcher Jahreszeit
aufser dem Winter hier überhaupt die Kedo sein könne. Legt man
sich als Interpret diese Frage vor, so ergibt sich sogleich, dafs es
heifäcn müfse: iam ne hieme quidem aut tempori anni cedere^ aui
domos ac res intisere suas. Beide Momenie werden auch nachher in
demselben Capitcl geschieden. Wollte man das handschriftliche hiemi
festhallen, so könnte man vermuthen, dafs es wie vesperi^ luci^ navi
auch einen adverbialen Ablativ hiemi ^znr Winterszeit' gegeben
habe. Wenigstens wird mau hierauf in den Hss. der Schriftsteller %ü
achten haben. — Cap. 3 ist zu den Worten quid ilios aliud aut tum
timuisse creditis aut hodie turhare relie nisi voncordiam civiumf
bemerkt: ^dcr Gleichmäfsigkeit des Ausdrucks wegen statt aut quid
aliud velle nisi turbare concordiam.' Wozu hier diese Bemerkung?
Allerdings konnte der Redner dies auch sagen, aber jetzt sagt er ein-
facher concordiam Vitium et timent et turhare roiunf. Eben daselbst
ist tamquam artifices improbi opus quaerunt erklärt durch ^ ihren
Erwerb suchen'. Das kann man doch fürwahr keinem artifex verar-
gen, warum werden sie also improbi genannt? Es sind Leute ge-
meint, die einen Schaden erst anrichten, durch dessen Reparatur sie
Arbeit finden. — Cap. 7 pedestris ordinis se aiunt nunc esse ope^
ramque rei pubficae extra ordinem polliceri bemerkt der Hg.: *auch
das folgende ist nicht ganz deutlich, da sie immer dieser Classe an-
gehören.' Es wird ganz deutlich, wenn man den Begri(Tor//o urgiert.
Sie sagen: bisher gab es nur ein Ritt er cor ps, welches sich beru-
fen fühlte für das Vaterland immer bewaffnet einzutreten. Jetzt bil-
deten sie auch ein Corps und wollten als ein ordo pedestris ^ eben-
so wie der ordo equestris^ dem Waffendiensle fürs Vaterland sich
W. Weirsenbom : Titi Livi ab urbe condita libri. ir u. 2r Bd. 450
weihen. — €ap. 9 ne ego libenter experirer^ quam non plus in his
iuris quam in vohis animi esset wird erkifirt: ^ich möchte es auf einen
Versuch ankommen lafsen, enren Drohung^en ^egonQber mein Amt
%n behaupten. — his bezieht sich auf minas^ nicht auf die Consular-
Iribunen, da' u. s. w. Da his dem vobis geg^enübersteht, kann es
durchaus nur auf die Consulartribunen bezogen werden. Auch die
Erklärung: * euren Drohungen gegenüber mein Amt zu behaup-
ten' ist unzulfifsig, da Ahala zu den Tribunen gehört, die sich bereit
erkürt haben, ihr Amt niederzulegen. Ihn als stolzen Aristokraten
▼erdriefst blofs , dafs die Volkstribunen gegen die beiden dem Senate
widerspenstigen Consulartribunen einzuschreiten sich vermefsen. Darum
sagt er die Einmischung der Volkstribunen stolz zurückweisend: was
euch betrifft und eure Drohungen, so hfitte ich traun wohl Lust, den
Versuch zu machen , ob es nicht um euren Huth ebenso schlecht stehe
wie um die Berechtigung der beiden Consularlribnnen. Doch es ge-
ziemt sich nicht irgend wie aufzutreten, wo eine Entscheidung des
Senats vorliegt. Wogen sed verweist Hr. W. auf II, 39, 7. III, 25, 9;
doch an keiner der Stellen kann ich einen irgendwie eigenthümlichen
Gebrauch des sed finden. — Cap. 13 nee ^ multo posi iam palantet^
f>eluli forte oblati^ populatores Capenatis agri reliquias pugnae ab-
sumpsere, Hr. W. erklart: ^ wie durch ein gutes Geschick , das sie
[die Sieger] wider Erwarten den fliehenden entgegenführte.' Aber
offerri sagt man nur von der Beute, nicht von dem verfolgenden.
Aufserdem bemerkt Hr. W. selbst: ^doch bleibt veluti auffallend, da
es in der That nur ein günstiger Zufall war.' Wie konnte es Hrn. W.
entgehen, dafs es hcifsen mufs: iam palantes veluti forte ablati po-
pulatores, Marodeurs, die umherschweiften unter dem Scheine, als
wären sie zufällig vom Heer getrennt (versprengt), vernichteten den
Ueberrest der Feinde. Dergleichen kleine Verbcfsorungen würden oft
lange Anmerkungen erspart haben , z. B. IV, 20, wo statt qui si ea in
re Sit error offenbar zu lesen ist quis ea in re Sit error , oder V, 34,
wo statt quod eius ex populis abundabat vielmehr quod eis ex pop.
ahundabat zu lesen sein wird. — Cap. 18 ^i priusquam renuntia-
rentur iure vocatis tribubus^ permissu etc. macht der Hg. die An-
merkung: ^iure vocatis trib, würde nach dem gewöhnlichen Sprach-
gebrauch nur als Abi. zu nehmen sein und bedeuten können: nachdem
die Tribus in ihrer gesetzlichen Ordnung berufen waren, was jedoch'
u. s. w. Hier versperrt sich der Hg. gleich zu Anfang den Weg zu
einer möglichen Erklärung. Schwierigkeit macht allein das Wort
tribubus^ wofür man cenluriis erwarten sollte. Ob die Ungenauigkeit
dieses Ausdrucks irgendwie entschuldigt werden kann, etwa weil in
späterer Zeit die Centurien mit den Tribus manigfaclie Berührungen
hatte, eine solche Conlroverse würde sich kaum in einer solchen Aus-
gabe erledigen lafsen ; hier würde sich als der leichteste Ausweg dar-
bieten tribubus für ein Glossem zu halten , da wie praerogatita so
auch das daneben stehende iure vocatae den Römern ohne ein hinzu-
gesetztes Substantiv (so XXVII, 6 eodemque iure vocatae incUnas-
30*
460 >V. Weifsenborh : Tili Livi ab nrbe condita iibri. Ir a. 2r Bd.
scfit) YiTstundlich sein konnte. In keinem Falle aber können, wieder
Hg. w'iW, iure tocatis {centuriit) Ablativi absoluti sein, denn iure
rocafae ist wie capite censi und ähnliches ein feststehender attribu-
tiver Ausdruck, welcher einen Parlicipialgebrauch des vocatae aus-
schlierst. Mir scheint iure vocatis vielmehr der Dativ zu sein. Denn
da diu iure rocatae centuriae in der Regel der von der praerogaitpa
gelrofTenen Wahl sich anschlofsen, so galt die rcnuntiaiio des ersten
VVahlresultates doch vor allem den iure vocatis^ für die jenes eine
leitende Norm abgab. — Cap. 25 quando ea se qnisque privatim oh-
liijaverit^ fiberatus sil populus scheint der Hg. zu deuten: *da die ein-
zelnen — Schuld und den Zorn der Götter auf sich geladen bitten.'
Aber es heifst doch blofs: * da hinsichtlich dieser Abschätzung jeder
für sich selbst verantwortlich sei.' Gleich darauf wird enimeero er-
klärt: ^mit gutem Grunde; zugleich mit der Andeutung dafs es unan-
genehm sei.' Wem der Gebrauch des enimvero aus den bekannten
Formeln: ehimvero hoc non ferendum est; enimvero hoc indignum
est auditu u. ä. bekannt ist, wird an dieser Erklärung Anstofs neh-
men. Im folgenden §. 7 wird quod eins erklärt durch quantum eiu$,
was nun weitere Deulnngeff und Worte nöthig macht. Aber quod eiuM
ante rolum ist ja offenbar quod ante C am Uli susceptum eotum etc.
Auf das ganz im Stil der Scnatusconsulta vorausgehende quod bezieht
sich dann das später folgende eins partem etc. — Cap. 26 ridebatur^
que aeqne diuturnns futurus labor ac Veits fuisset^ ni fortuna im-
pcratori Romano simul ei cognilae rebus bellicis cirtutis specimen
et ynnturam rivforiam dedisset. Die Erklärer mühen sich hier ab, um
in diesen Worten die Scelengröfse des Camillus angedeutet in
linden, mit der er den verrätherischen Schulmeister den Faliskern aus-
liefert. Auch Hr. W. kann sich von dieser Voraussetzung nicht los-
sagen, darum klagt er, die Stelle sei ^nicht klar', und gibt statt einer
kurzen Entscheidung eine lange Anmerkung. Kein Wort bezeichnel
hier jene Seelengrüfse , sondern Livius erwähnt nur den Erfolg der-
selben, nemlich die matura victoria^ und erst im folgenden Capitel
erzählt er, wodurch dieser gewonnen wurde. Fragen wir weiter,
M'elches das specimen cognitae rebus bellicis tirtutis sei , so ist dies
kein anderes als die kurz vorher erzählte, den Faliskern beigebrachte
Niederlage. Nun ist ferner simul et — et nach dem so hänflgen
Sprachgebrauch der Lateiner so zu faPsen, dafs mit dem erstem et
etwas schon gegebenes und bekanntes beigesellt ist, was wir durch
einen Relativsatz auszudrücken pflegen, wie es Cap. 26 heifst: sed
eandem pirtufem et oderant et admirabantur statt quam oderant f>ir-
tutem^ eandem simul admirabantur. Der Sinn ist also: der Kampf
um Veji würde ein langwieriger geworden sein, Menn nicht das Glück,
welches dem römischen Feldherrn schon eine Gelegenheit geboteo
hatte , seine sonst erprobte Tapferkeit zu zeigen , ihm zugleich auch
einen schnellen Sieg verliehn hätte. Wenn er neben cictoriam dare
auch specimen tirtutis dare sagt statt occasionem specimimis edendi^
so ist dieses Zeugma durch die enge Verbindung jener beiden Ob-
W. Weirsenborn: Titi Li vi ab arbe eondiUi libri. Ir o. 3r Bd. 461
jecte binreichend gerechtfertigt. Matura tictoria scheint übrigens
nicht biofs ein schneller Sieg sa sein, sondern zugleich ein leich-
ler, der wie reifes Obst von selbst in die Hände fallt. — Cap. 28
iacite eins eerecundiam non tulii senaius^ quin sine tnora voii Hbe-
raretur. Gronovins schrieb lacUt eius etc. ; Hr. W. aber behält la-
cite bei, wovon ihn schon der bedenkliche Vorgang Aischefskis und
dessen nichtssagende Bemerkung hätte abhalten sollen. Was soll
jenes heifsen? lacitum fero (ab aUqud) I, 50. III, 45, sagt Hr. W.,
*ist etwas verschieden.' Ich sollte meinen, es habe nicht die ent-
fernteste Aehnlichkcit; tacitus fero aber, was zu Ende des Capitels
Hr. W. mit tacüe fero gleichstellt, ist ebenso wenig zu vergleichen,
Bomal wenn man tacüus fertignominiam XXXIV, 19 sich vorhält.
Sucht man in den Sinn der Worte einzudringen, so ergibt sich tacili
als nolhwendig und allein richtig. In manchen Lagen imponiert nichts
mehr als Schweigen und macht einen Eindruck, dem andere nicht
widerstehen (ferre) können. So machte die Bescheidenheit des schwei-
genden Camillus einen solchen Eindruck auf den Senat, dafs er, gleich-
sam entwaffnet, ohne Säumen den geheimen Wunsch des Camillus er-
füllte. Hr. W. bemerkt, quin stehe, weil in iacite ferre ein negali-
ver Begriff liege. Aber wir haben ja ein deutlich dastehendes twtf^
wozu also diese noch dazu unbegründete Bemerkung? — Cup. 39
Romanik cum pars maior ex acie Veios petisset quam Romam^ nemo
superesse quemquam praeter eos qui fiomam rcfugerant crederet^
complorati omnes pariter vifoi mortnique totam prope urbem lamentis
impleteruni. Hr. W. schreibt zu diesen Worten, welche dem unbe-
fangenen Leser keine Schwierigkeit bieten, eine sehr complicicrtc An-
merkung. Alles wird klar, wenn man bei den Romanik welclie an
der Spitze des Satzes stehen, nicht an die Kömer in Rom denkt, son-
dern an die römischen Streiter, welche an der Alia geschlagen wor-
den sind; diese impleteruni urbem lamentis i. e. fecerunt ut urbs la-
mentis impleretur nach der bei Tacitus und Livius so beliebten Bede-
weise. Die Worte quam Bomam^ bemerkt Hr. W., ^sind nicht nolh-
wendig, aber in der überhaupt wortreichen Schilderung nicht zu
verwerfen.' Wenn man pars maior schreibt, so ist quam Romam als
zweites Glied der Vergleichung nothwendig. Will man quam Romam
wegUrsen, so mufs es heifsen maior pars ^ die Mehrzahl. Und wirk-
lich haben so einige Hss. Wenn man ferner das obige Romani richtig
fafsl, so fällt auch der Grund weg die gewöhnliche Lesart crederet
mit crederent zu vertauschen, wie Hr. W. will: ^ crederent im Plural
steht nach nemo in Bezug auf Romani* — Cap. 47 anseres non fe-
fellere, quibus sacris funonis in summa inopia cihi tarnen abstineba-
tur. Hier wird wegen Un - tarnen' auf II, 23, 4 verwiesen. Soll
aber hier eine grammatische Bemerkung gemacht werden, so ist
sicherlich nicht das bemerkenswerlh , dafs in summa inopia = quam-
quam summa inopia erat, einen Concessivsatz enthält oder dafs an-
derwärts ein solcher Concessivsatz pleonastisch hinzugefügt scheint,
sondern dafs dem Hauptsatze ein iamen beigefügt ist, welches sich
462 W. Wcifsenborn: Titi Livi ab arbo condita libri. Ir a. 2r Bd.
auf einen blofs eingeschalteten Concessivsatz bezieht, ein Fall der
häufig auch bei Cicero vorkommt. Im folgenden Cap. 48, wo der-
selbe Fall wieder vorkommt (superalis tarnen omnibus tnaUs) wird es
zwar richtig erklärt, aber der Hg. setzt hinzu: ^doch enthält supe-
raiis Omnibus malis zugleich die Einräumung zu dem folgenden Ge-
danken , vor dem man eigentlich tarnen , wie vor superali eher cum
erwarten sollte.' Die zweite Erscheinung hat mit der erstem gar
nichts zu schaffen ; es wird also durch die Fafsung der Anmerkung der
Anfänger, für den sie doch bestimmt ist, irre gemacht. Deutlicher
wäre gewesen , wenn Hr. W. gesagt hätte : * nun aber trifft es sich
hier, dafs statt superavit tarnen omnia mala zu sagen, dieses Factum
wieder als Vordersatz dem folgenden untergeordnet wird, was hiaflg
bei Livius geschieht, z. B. c. 28 missi — devehuntur Upara$^
Dies alles weifs Hr. W. ebenso gut wie jeder andere; es galt hier
blofs auf die Fafsung der Anmerkung aufmerksam zu machen. So er-
klärt Hr. W. Cap. 49 haud maiore momento fusi Gaüi sunt quam ad
Aliam vicerant: ^ haud mai. momento mit nicht gröfserer Anstren-
gung, wie auch leve^ pareum momentum gebraucht wird.' Blufs da
nicht der junge Leser glauben, momentum solle ^die Anstrengnng'
bedeuten? Der Sinn ist vielmehr: sie flohen ohne dafs irgend ein ge-
wichtiges Ereignis dies vermittelte; ganz auf dieselbe Weise wie an
der Alia die Römer zur Flucht sich wandten, was c. 38 durch non
temptalo certamine, sed ne clamore quidem reddito etc. näher be-
zeichnet ist.
Aus dem vierten Buche will ich nur ^ine Stelle hervorheben,
wo Hr. W. sich nicht frei erhalten hat von dem beirrenden Einflufse
Aischefskis. IV, 24 liest man in den Ausgaben und Hss. : deposito suo
magistratu modo aliorum magistratui imposito pne altert^ cum gra-
tulatione ac favore ingenti populi domum est reductus. Dies über-
setzt Aischefski: ^nachdem er sein Amt niedergelegt und nach Mafs-
gabe der übrigen Staatsämter jener andern Würde eine kürzere Dauer
bestimmt.' Zwei starke Fehler in dieser Verdolmctschnng nimmt Hr.
W. ohne weiteres hin, ja, weil *nach dem Mafso der übrigen Nag.'
hcifsen müfse modo aliorum magistratuum^ wird dieses sogar von
Hrn. W. in den Text gesetzt ! Ferner weil finem imponere von Al-
schefski übersetzt wird ^eine kürzere Daner bestimmen', macht nan
auch Hr. W. die unglückliche Anmerkung: ^pne^ Beschränkung, s.
c. 54, 6, hier kürzere Dauer.' Sehen wir erst die citierto Stelle nach,
c. 64: pro ingenti itaque Victor ia id fuit plebi^ quaestnramque eam
non honoris ipsius pne aestimabot^ sed patef actus ad consufatum ac
triumphos locus noris hominihus videbatur. Hr. W. erklärt honoris
ipsius pne ^ nach dem beschränkten Nafse des Amtes.' Aber hier ist
honoris ipsius offenbar Genetivus explicalivus. Es heifst: den Werlh
der von ihnen erlangten Quaestur suchten sie nicht in dieser Errun-
genschaft selbst (in dem dadurch errungenen Ziele), dafs sie die-
ses Amt erlangten, sondern sie knüpften an dasselbe weitaussehende
Hoffnungen auf Consulat und Triumphe. An obiger Stelle nun heifst
W. Weifsenbom : Titi Livi ab arbe condita libri. Ir a. 3r Bd. 463
die Bescbränknng eines Amtes offenbar madum imponere^ wie XLIII,
16 ut modum poUstaU censoriae imponereni, und zwor ist es an un-
serer Stelle ein lemporis modum imponere^ wie es knrz vorher
heifst. Hing^egen finem magisiraiui imponere kann nichts anderes be-
deuten als : einem Amte ein Ende machen. Mögen nun auch die altern
Kritiker an diesem fine alleri Anstors genommen haben, man wird
darin nichts befremdliches finden, wenn man sich erinnert, dars statt
alii — alii oder aUer — alter bei Griechen und Lateinern oft für das
erstere oder zweite Wort eine nähere Bezeichnung desselben gesetzt
wird. Kurz, man übersetze: nachdem er seine Dictatur niedergelegt
hatte, wurde er unter grofscn Gunstbezeigungen des Volkes nach
Hause begleitet , weil er einem Amte (der Censur) Schranken gesetzt,
einem andern (seiner Dictatur) ein Ende gemacht hatte. Manchen
mochte, weil deposilo suo magtstralu vorangeht, das fine imposilo
diciaiurae tautolog erscheinen, aber da es hier gilt, den Jubel des
Volks zu motivieren , wird das andere als ein zweites Verdienst noch
besonders daneben gestellt.
Zum Schlufs will ich noch einiges über den Commentar zu der
praefalio Livi bemerken. Gleich die erste Bemerkung über den so-
genannten hexametrischen Anfang, wünschte ich, wäre weggeblieben.
Dergleichen gehört in die Rumpelkammer der Ausgaben in usum Del-
phini. Weder Livius noch Tacitus (in den Annalon) sind sich wohl
bewust gewesen , dafs sie einen rhythmischen Anfang geschrieben
haben; denn kein Lateiner sprach operai^ pretium^ principio^ reges.
Wenn also das römische Ohr hier nichts von Rhythmen hörte , warum
unsere Leser mit solchen Dingen behelligen? Für den Kritiker frei-
lich und für die Geschichte des Textes ist die bekannte Notiz bei
Quintilian höchst interessant. Die Bemerkung, dafs ausim bei €ic.
Brut 5, 18 unsicher sei, ist gleichfalls eine überflüfsige und nach
des Rec. Meinung auch eine unbegründete. Im §. 3 schreibt Hr. W.
mit Aischefski: si — mea fama in obscuro est. Von einem solchen
abnormen Modus statt des bisherigen gleichfalls handschriftlichen Sit
hätte man wohl eine Erklärung erwarten sollen. Rec. kann nur einen
Soloecismus darin finden. Und ebenso befremdlich ist ihm §. 5 effi-
cereposset^ mit dessen Rechtfertigung Rec. sich nicht befreunden
kann. Ueberhaupt hat den hier und da vorkommenden Ansichten des
Hrn. Hg. über die Modi Rec. selten beistimmen können. §. 4 wird zu
et quae — laboret sua bemerkt: * hierzu ist res als Bezeichnung des
römischen Staates selbst zu denken, während es im vorhergehen-
den Satze die Geschichtschreibung bedeutet.' Das ist unmög-
lich. Entweder bezeichnet res auch das zweitemal die Geschicht-
schreibung — mit dem Umfange des Staates wächst ja auch seine Ge-
schichte an — oder der ganze Satz mufs als Glossem gestrichen wer-
den, was aus vielerlei Gründen wahrscheinlich ist. Schon das un-
lateinische et quae statt et oder quae begründet Verdacht. §. 5 ego
contra hoc quoque laboris praemium petam , ut me etc. Hr. W. be-
merkt: ^es folgen die Gründe, die ihn bestimmen, ungeachtet der
464 W. Weirseoborn : Titi Livi ab urbe condita Ubri. Ir a. 2r Bd.
Schwierigkeiten doch das Werk eu beginnen.' Hier stimme ich mit
dem Hg. nicht überein hinsichtlich der Disposition der Vorrede , die
ofTenbar in zwei Ilanpttheile zerfällt. §. 1 — 5 spricht er von seinem
Auftreten als historischer Schriftsteller. Von $. 6 an gibt er den Plan
und die Tendenz seines Werkes an. $. 5 führt er also nur noch einen
zweiten Grund an, warum er mit der Geschichtschreibung sich be-
fafse. Weil dieser zweite Grund (hoc quoque) auf einer Ansicht be-
ruht, die mit der vorher erwähnten der Leser contrastiert, darum ist
es zugleich mit contra angeknüpft. §. 9 donec ad haec iempora^
quihus nee eitia nostra nee remedia pali possumus ist kaum richtig
erklärt durch: ^obgleich man die unangenehmen Folgen der Laster
fühlt, höngt man doch so fest an denselben, dafs man sich schent
wirksame Mittel dagegen anzuwenden.' Was remedia pati hcirst, er-
sieht man aus XXXiV, 49: inlermori rehemenlioribus quam
quae pati possei remediis civilaletn sinere. Die geeigneten Heil-
mitlei sind oft blofs bei noch kräftigen , nicht bei entnervten Körpern
anwendbar. Ebenso verlangen die titia eine starke Constitution. $.11
wird dem Worte ceterum eine ^beschränkende' Kraft beigelegt.
Lieber hätte ich gewünscht, der Hr. Hg. hätte seine Leser darauf auf-
merksam gemacht, dafs ceterum bei Livius und Tacitus alle Bedeu-
tungen von öi habe.
Schwerin. Carl Wex.
Zur Vorgeschichte des römischen Rechts. Etymologische Versnche.
Vom Canzler Dr. Ballhom-Rosen in Detmold. J. Als Jubeldisser-
tation heransgegeben. Jjemgo u. Detmold, in der Meyerschen Uof-
bnchhandlung. 1853. XIV n. 126 S.
Der Vf. der vorliegenden Schrift ist mit Recht überzeugt, dafs
zur * Aufklärung über einzelne Gegenstände der römischen Religions-
und Uechtsalterthümcr, des Staats- und Privatrechts' die etymologi-
sche Untersuchung der betrefTenden Worte von grofser Wichtigkeit
ist. Wenn er aber meint, dafs derartige Untersuchungen in neuerer
Zeit von Rechtsgelehrtcn und Philologen fast gar nicht gepflogen
worden seien, so müfscn wir ihn nur beispielsweise an Männer wie
Huschke, Mommsen, liubino, Oscnbrüggen und neuerdings besonders
an Jhering erinnern, die alle mit mehr oder weniger Glück sich be-
müht haben auch der Etymologie ihr Recht angedeihen zu lafsen. Der
Vf., der in der Vorrede offen gesteht, sich seit Jahren mit Studien
zur Vorgeschichte des R. R. in den Nebenstunden seines Geschäfts-
lebens zu seiner Unterhaltung beschäftigt zu haben, und mit einer
gewissen Resignation weder von Philologen noch von Juristen eine
besondere Beachtung seines Buches, das übrigens nur Proben eines
gröfsern Werkes, eines etymologischen Lexicons des R. R., wie man
BaUhorn-Rosen : zur Vorgeschichte des röm. Rechts. I. 465
es wohl ncDDenkann, bieten soll, erwartet, wünscht eine eingehende
Beurtheilung desselben. Ref. , der keine eingebenden Studien in der
röm. Recbtsgeschichte — soweit man dieselbe von der Philologie zu
trennen pflegt — gemacht hat, wird hauptsächlich die sprachliche
Seite in Betracht sieben , jedoch auch einige andere Erörterungen bei-
fOgen , wobei es ihm vergönnt war auch Mittheilungen eines juristi-
schen Freundes zu benutzen.
Sollen wir zuerst ein Wort über die Etymologien des Vf. im
allgemeinen sagen, so müfsen wir auf das entschiedenste vor der Me-
thode desselben warnen. Sein sprachwifsenschaftlicher Standpunkt
ist ein sehr veralteter, und er mufs den hie und da citierten treff-
lichen Werken von Bopp (Sanskritgramm.), Pott (etymol. Forschun-
gen) und Bcnary (röm. Lautlehre) — andere seitdem erschienene das
Latein betreffende sprachwifscnschaftliche Werke werden nicht er-
wähnt— kein eindringendes Studium geschenkt haben, da sie sonst
ganz anders auf ihn gewirkt haben würden. Von der Strenge, mit
der ein Etymolog sich den Regeln der Lautlehre zu unterwerfen hat,
und von der Gewifsenhaftigkeit, mit der er jeden Buchstaben und den
ihm in jeder Stellung cukommeuden Werth prüfen mufs, scheint der
Vf. keine Ahnung zu haben, weshalb seine Vergleichungen griechi-
scher und lateinischer Wörter grofsentheils auf rein äufserlicher un-
gefährer Aehnlichkeit beruhen, und seine Etymologien voll sind von
unorganischen Laulübergängen, Einschiebungen und Abwerfungen.
Das Mieduclionsalphabot^ (p. X), mit dem der Vf. orbeitet, bedarf
einer schonungslosen Sichtung auf die Gefahr hin, dafs nicht viel
übrig bleiben wird. Ist'^s glaublich, dafs, weil adsiduus durch Assi-
milation auch assiduus lauten kann, dies mit angeführt wird, um nach-
zuweisen, dafs s und d untereinander wechseln? Ebenso sullcn t und
a beliebig wechseln, weil unter andern neben capio doch incipio u.
a. vorkommt. Also kennt der Vf. die Regel nicht, wonach in incipio
das a des Simplex i werden mufs. Unter Berufung auf incipio: capio
wird denn igitur als identisch mit agitur erklärt! Lot. e und gricch.
at sollen sich oft entsprechen, so in feneslra verglichen mit (pceivco^
ebenso lat. g und gr. ^, z. B. in stigo und axi^ca; in beiden Beispie-
len hat der Vf. nicht bedacht, dafs er den Praesensstamm der gr.
Verba (jpcUvoa^^—fpavjcD^ aTl^(o=—<Sriyjci}) gar nicht vergleichen durfte.
Wenn zum Beweis, dafs im LaL g und s wechseln, mulgeo und mulsi
verglichen werden , so zeigt dies , dafs der Vf. seine ganz eignen An-
sichten über die latein. Tempusbildungen haben mufs. Ein Specimen
seiner Ansichten über griech. Tempusbildung geben die Erörterungen
über das Augmentum (p. 62).
Berühren müfsen wir auch die Ansicht des Vf. über das Verhält-
nis des Lateinischen und Griechischen. Beide Sprachen sind ihm nicht
blofs schwesterlich verwandt, sondern das Latein ist noch ungemein
dadurch vom Griechischen influiert, dafs ^griechische Auswanderer
nicht blofs in Süditalien, sondern fast überall an den Küsten der Halb-
insel , namentlich auch in der Gegend der untern Tiber sich ansiedel-
466 Ballhorn-Rosen : zar Vorgegchichte des röm. Rechts. I.
teo' — sebr bezeichnend für den Standpnnkt des Vf. in Bezog «nf
römische Geschichte. Wir werden ausdrücklich darauf aufmerksam
gemacht, dafs diese Einwanderer natürlich verschiedene Dialekte
sprachen, was bei der Etymologie wohl zn berücksichtigen sei; dalii
sie jedenfalls ein höchst wunderbares Griechisch sprachen, zeigt ans
das Buch an vielen Stellen: in dem^ Glossar jener Griechen kamen
Wörter wie iKadUQoa), Ttf^tfcivij, Ofioixag vor. Weiter zeigt sich
der von der neuern Sprachwifsenschaft weit entfernte Standpunkt des
Vf. darin, dafs er gemäfs der bezeichneten Anschauung von dem Ver-
hältnis des Gr. u. Lat. für jedes lat. Wort ein verwandtes griechisches
sucht und bei seiner Willkür auch findet, resp. sich selbst macht.
Dafs eine Menge lat. Wörter sich im Griechischen nicht ftnden, die
dann entweder überhaupt dunkel sind oder durch andere verwandte
Sprachen Licht empfangen, weifs der Vf. nicht und fragt nie danach,
ob die verwandten Sprachen gegen Erklärung jedes lat. Wortes aus
dem Griech. nicht gegründete Einsprüche zu erheben haben. So ist
precari dorn Vf. das griechische nBQii%BirV — was lautlich und der
Bedeutung nach unmöglich ist — und er weifs nichts von dem skr.
prac. Endlich begnügt Hr. B. sich nicht nur die Wurzel im Griech.
zu suchen, nein! das ganze lat. Wort mit Haut und Haar mufs in
einem griech. Vater oder Bruder finden, mag nun eine Deutung aus
dem Lat. selbst so nahe als möglich liegen. So soll amicus Buchstab
für Buchstab einem fingierten griech. oftotxog entsprechen. Abgese-
hen von der lautlichen Unmöglichkeit, wie denkt sich der Vf. nun
die Bildung von amo? Ist dies etwa von amicus abgeleitet, oder
hatten die Griechen irgend ein von o}icig abgeleitetes Verbum, woher
amo stammt?
Zu diesem etymologischen Verfahren kommt noch hinzu, dafs
llr. B. an die Untersuchung fast eines jeden Worts aus dem Gebiete
der Rechtsalterthümcr mit der Ueberzcugung geht, dafs die Urbedeu-
tung desselben irgendwie eine sacrale sein müfse.
Gehen wir nun kurz die Hauptparlien des Buches durch. Der
erste Abschnitt ist lus personarum überschrieben und enthält die Hy-
pothese des möglichen Zusammenhanges des ius personarum mit dem
alten ins imaginum. Persona in der ursprünglichen Bedeutung von
Maske wird von nsQi^cavvva} abgeleitet, jedoch wird uns nicht gesagt,
ob persona dem Griech. urverwandt oder entlehnt ist. Ersteres wäre
unmöglich, da das Lat. die Praep. neql nicht kennt (Pott II, 348) aod
dem ^ ein lat. t entsprechen müsle. Sollte aber persona ein Lehnwort
aus dem Gr. sein, so müste ein gr. Substantiv vom Verbum negi^dv
will nachgewiesen werden, was der Vf. natürlich nicht vermag.
— Persona ist nun dem Vf. das in einer völligen Bekleidung beste-
hende Ehren- und Andenkenkleid eines verstorbenen patricischen Haas-
herrn, eine Wollständige Charaktermaske desselben, als deren Theil die
Gesichtsmaskeim Atrium aufbewahrt wurde.' Das ist nicht genau. Denn
unter personae^ iarvae^ expressi cera rullus^ imayines sind nur die
Ballhoni-Rosen: zar Vorgeschichte des röm. Rechts. I. 467
Gesichtsmasken selbst ku verstehen. DieGcwSnder, welche den Tragern
der personae bei den feierlichen LeichenzQgen angethan wurden, ge-
hören nicht zu den personis — vgl. Eichstfidt diss. de imagg. Rom. u.
Beckers Gallus II , 286 (lo Ausg.) — wonach also die Ableitung von
ntQi^awvm auch nicht einmal durch den Sinn unterstützt wäre. Der
Vf. meint nun , das ius personarum — die Lehre von den Rechtssub-
Jecten — sei urspranglich nichts anderes als das ius imaginum ge-
wesen , dann die Lehre von den Personen , welche das ius imaginum
hatten, d. h. die alte reine Ingenuitfit, als die Bedingung der Möglich-
keit volle Rechte in Rom zu haben, auszuüben und zu übertragen.
Znnftchst steht es nun übel mit der Verbindung des ius imaginum mit
der Ingenuitat, da ingenuus bei Festus — worauf sich der Vf. beruft
— nichts anderes heifst als zur gens gehörig, mag man nun mit Gölt-
ling den engeren Geschlechtsvcrband oder mit Jhering den weitern,
den Staat, dabei im Auge haben. Ingenui im späteren Siuno, von
freien ElteVn geboren, waren auch die Plebejer, was ihnen Appius
Claudius bei Liv. VI, 40 willig zugesteht. Der Vf. denkt nun an die
Ingenuitat im letztem Sinne , schreibt sie ausschliefslich den Patri-
ciern zu und macht die vollkommene Rechtsfähigkeit von ihr abhän-
gig. Ha^nun diese Ingenuitat (derjenigen gut liberi nati sunt) nichts
mit dem Patriciale zu thun, so hat die letzterem ausschlicfslich zu-
kommende Theilhaftigkcit an den Gcntilitütsverbindungcn ihrerseits
gar keinen directen Bezug auf das Privatrecht, und nur in Bezug auf
letzteres reden die Juristen von ius personarum, — Andrerseits steht
auch das ius imaginum zu dem Patriciate in keiner besonderen Bezie-
hung, s. Beckers Handb. der röm. Alterth. II, 1 S. 225. Wie der Vf.
dazu kommt dafür, dafs die Patricier ein ausschlicfsliches ius imagi-
num beansprucht hätten, Liv. X, 7 zu citieren, in welcher Stelle der
plebejische Consul Decius ausdrücklich von dem ius imaginum der
Plebejer redet, erhellt nicht. Auch bei Plinius N. H. XXXV, 2 hat
der Ausdruck geniiiicia funera allgemeine Bedeutung. Sonach dürfte
zwischen ius personarum = ius imaginum und dem ius personarum
des Gaius = Lehre von den Rechtssubjecten nichts gemeinsames sein
als der Klang der Worte. — Zur Unterstützung der wohl beseitigten
Hypothese gibt der Vf. noch eine Etymologie von (cix), vicis^ wel-
ches dem gr. tlTidv entsprechen soll. Abgesehen von der Kürze in
rTcis, die neben siyicov sehr bedenklich ist, ist es unmöglich die Ur-
bedeutung des Wechsels abzuleugnen und die Bedeutung 'Bild, Cha-
raktermaske' hineinzutragen. Wie man sich S. 8 folgendes vorstellen
soll : * bei der (Leichen-) Feierlichkeil trug und verbrannte man an-
statt (vice, in dem Bilde) des verstorbenen dessen imago^ ist unklar.
Wörtlich heifst es doch: das Bild des verstorbenen wird in dem Bilde
des verstorbenen verbrannt. Was soll man sagen, wenn vicissiiudo
ursprünglich * BilderwechseP heifsen soll? Wo kommt denn auf ein-
mal der Begriff* Wechser da hinein? In der angeführten Stelle des
Plautus ist in vicem zu lesen , wie auch Ritschi in den Text aufge-
nommen hat. Wenn die Buttmannsche Etymologie von f>ix die neuste
468 Ballhorn-Rosen : zar Vorgeschichte des röm. Rechts. I.
genannt wird, so ignoriert Hr. B. die sehr beachtenswerthe von Potl
([, 234), die ihm doch bekannt sein muste.
Die zweite Partie der Schrift beschäftigt sich mit der Einthei-
lung in liberi und serrt, und speciell mit den Uberi, Liber bedeutet
nach B. ursprünglich ^ein iibierender' und gelangt erst später la der
Bedeutung ^cin freier', insofern diese nur an der Libation Theil neh-
men durften. Der Ableitung der liber von Hb (libare) steht zuvör-
derst die oskische Form loupr entgegen, die den schon früher ver-
mutheten Zusammenhang mit iktv^Bqoq (vgl. iqv^Qogi ruber ^ ov^af^i
über) bestätigt. Sachlich ist aber auch gegen die Ableitung einzu-
wenden, dafs danach dem Gebrauche des Libierens eine Bedeutung
beigelegt wird, welche man schwerlich wird nachweisen können. Die
spatere Freilafsung durch Zuziehung des Sklaven an den Tisch des
Herrn, welche B. als Rest der alten Anschauung hinstellt, beruhte
vielmehr einfach darauf, dafs die servi nicht am Tische des Herrn
afscn — vgl. jedoch Beckers Gallus 1 , 127 — und daher durch jene
Zuziehung der Wille des Herren den Sklaven als freien zu betrachten
sich kuud gibt. — ^yeiter meint Hr. B. , die Libution sei ein Act von
Sacragemeinschafl gewesen, welcher nicht an die einzelnen civüaie$
gebunden war, und will darin ein Institut des ältesten religiösen Völ-
kerrechts finden. Als Beleg dafür soll — Odysseus dienen, der dem
Polyphem , nachdem derselbe abermals zwei Genofseu des Odysseus
verspeist, einen Becher Weins reicht und dann beifügt aol d' av Im-
ßiiv (pigov^ Bi |Lt' iXeiiGaq oÜKade niiiil^etag^ welche 5 letzten Worte
B. nicht mit anfahrt. — Ferner wird angenommen, dufs die männ-
lichen Dcscendentcn eines puter deshalb liheri hiefsen, weil sie im
Gegensatz zu den servi an den Haussacra Theil nehmen und am Tische
des Hausvaters mit libieren durften. Dafs zwischen den liberi — den
Söhnen — und den sert>i trotz des ursprünglichen ius titae ei necit
des Vaters und anderer Uebcreinslimmungen ein viel tieferer Gegen-
satz von vorn herein staltiindet (man vgl. unter andern die eben
erschienene römische Geschichte von Th. Mommsen I, 50), bedenkt
der Vf. nicht. Auf seine Libationstheorie baut endlich der Vf. eine
dreifache //6er/a5, welche ganz mit dem dreifachen Status liberiaiis^
cicitatis^ famiiiae zusammenfällt, und führt auch die dreifache capitis
deminutio darauf zurück. Der Vers des Ausonius: triplex liberia»
capitisque minutio triplex dürfte ein schwaches Argument sein , und
den des Plautus (Gas. 11, 8, 68): tribusnon conduci possum liber-
tatibus wird ein unbefangener auch ohne jene Annahme begreifen.
Einige andere Erklärungen, wie liberalis d. i. einem liber anstandig,
also auch gern libierend, spendend [wer denkt nicht an spendabel?],
deliberare^ auf die Bcrathungcn gehend;, welche bei patriarchalischen
Gastmählern nach der Libation stattfanden, unter Beziehung auf die
Germanen bei Tacitus, könnten auch nicht eben böswilligen Lesern
etwas scherzhaft erscheinen.
Das eben über die Etymologie von liber gesagte entzieht auch
den Ableitungen vou Urnen und poslUmitnum ihre Stütze. Limen soll
Ballhoro-Rosen : znr Vorgeschichte des röm. Rechts. I. 469
für iihimen stehen und das *belibierte' bedeateo. Allerdings war die
Schwelle den Römern heilig; dafs aber gerade sie von den heiligen
Spenden, die ihr möglicherweise za Theil wurden, benannt worden
sei, ist schwer glaublich, und die einfache Benarysche Ableitung
des Wortes hat der Vf. nicht widerlegt. Während nun nach Hrn. B.
li{bi)men das bilibierte heifst, soll li{bt)minium eine Libation, ein
Opfer bedeuten und in postliminium uns erhalten sein als Nachopfer
d. h., wie ß. hineinträgt, das während einer Gefangeuschaft unterblie-
bene und nach Aufhebung derselben nachgeholte Opfer. Man sieht
nicht ein, was hier, wo von keinem bestimmten Opfer die Rede
ist, ein nachgeholtes Opfer soll. Man wird bei der Ableitung stehen
bleiben müfsen und postliminium für eine Bildung wie posiscenium^
pomoerium ansehen. Wir nehmen also die Göltlingsche Deutung an,
der auch Becker röm. Alterth. II, ] S. 109 beitritt und die Hase
(Postliminium S. 12) nicht widerlegt hat. Wenn letzterer in posllimi"
nium *den Act der Rückkehr hinter die Grenze' findet, so sieht man
nicht ein, wie dies möglich ist. Dafs übrigens Urnen ursprünglich
überhaupt ^Grenze' bedeutet hat, sieht man aus eliminare^ was Hr.
B. höchst seltsam deutet. Denn wäre wirklich ein Verbum lHbi^mi-
nare vorhanden und hiefso ^ opfern', so könnte eliminare nur ^ heraus-
opfern' u. dgl. bedeuten, nimmermehr aber ^vom Opfern entfernen'.
Der Hr. Vf. weise ein Compositum mit e nach , welches die Trennung
oder Entfernung von der im einfachen Verbum bezeichneten Thätig-
keit ausdrückt.
Ein Erzeugnis der baarsten Willkür ist endlich die Erklärung
des rSthselhaften coelebs = conlibs^ avanovSog, d. h. einer der noch
keinen Hansstand hat und daher mit einem andern libiert und speist"^).
Wenn bei dieser Gelegenheit über die kasla caelibaris gesprochen
wird , so verweisen wir jetzt auf die reiche Erörterung in A. Rofs-
bachs Untersuchungen über die römische Ehe S. 286 ff. **)
Der dritte Theil unseres Buches beschäftigt sich mit dem Cultus
des Hercules an der ara maxima und knüpft an ihn verschiedene pri-
vatrechtliche Institute. Es würde uns zu weit führen, hier diesen
Cnlt besprechen zu wollen; wir bemerken nur, dafs Hr. B. das Wesen
des H. verkennt, wenn er in ihm und dem Semo Sancus, den er nicht
im geringsten vom H. trennt, von vorn herein weiter nichts als den
Sohutzgott des ältesten Rom sieht, und wir müfsen bedauern, dafs er
auch hier die neuern den Gegenstand betreffenden Untersuchungen
nicht kennt. Nur noch einige Bemerkungen ! Semo Sancus ist Hrn.
B. buchstäblich öalfimv ayvog. Dafs Sancus mit sanctus und sancire
*) Kine auch verunglückte, aber doch noch eher denkbare Ety-
mologie von coeleba gibt Krahner in der Ztschr. f. d. AW. 18S2
S. 410.
**) Wollte der Vf. in demselben Buche S. 352 ff. lesen, so wurde
er vielletcht doch einige Bedenken über seine gelegentlich mitgetheilte
Etymologie von Oaiua und Gaia bekommen.
470 Ballhorn-Rosen : zur Vorgeschichte des röm. Rechts. I.
verwandt ist, ist allerdings möglich, Verwandtschaft mit ityvog oder
ayiog dadurch keineswegs sicher oder nolhwcndig. Semo aber and
daiiiav zusammenzubringen vermag nur gänzliche Verkennung der
gr. und iat. Lautgesetze. Von den S. 71 f. beigebrachten zum Theil
falschen Beispielen beweist kein einziges, was es soll. Unbegreifli-
cherweise wird zur Erklärung von Semo Sancus eine bei Plato er-
haltene hesiodcische Stelle angeführt, worin die daifioveg ayvoi^^
die Geister der im goldenen Zeitaller verstorbenen — vorkommen.
Hercules wird ohne weiteres mit Herakles für identisch gehalten —
die Bedenken von Mommsen: unterital. Dialekte S. 262 kennt ß. nicht
— u. ^der hochberühmlc' übersetzt, welche Etymologie von Pott (I,
223) herrührt, was Hr. ß. vergefsen zu haben scheint, wie er auch
nicht beachtet hat, dafs Pott selbst II, 224 eine andere Deutung vor-
schlägt. Wenn dann, um den hohen Ruhm der Fabier zu crklfiren,
ein besonderes Gewicht auf ihre Abstammung von Hercules gelegt
wird, so dürfte das sehr überflüfsig sein. DaTs ferner Silius I, 604 IT.
von Consanguinität Sagunts mit Rom redet, soll einzig ans der Schutz-
herschaft des einen Hercules über Rom jund eines andern über Sagnnt
sich erklaren. Allerdings steht Hercules mit Sagunts Gründung ia
Verbindung (Sil. 1, 273 n. 505), das consanguineae bezieht sich
jedoch nur darauf, dafs Sagunt auch von ardealischen Rutulern bevöl-
kert worden war, weshalb es auch das ausonische genannt wird (I,
291. 332. II, 604. Liv. XXI, 7).
Mit Recht wird die sponsio auf den Cult an der ara maxima
zurückgeführt, doch scheint der Vf. die neuere Litteratur hierüber,
z. B. Huschke Verf. des Servius S. 603 u. Recht des Nexum S. 100 ff.,
Girtanncr Bürgschaft I Cap. 3 §. 3, Jhering Geist des r. R. I, 264
nicht zu kennen. Dafs Nichtrömer unfähig waren, sich durch spotuio
zu verpflichten, kommt aber nicht, wie B. meint, daher dafs sie nicht
zur 'St. Scmo-Gcmeinde' gehörten — eine solche gab es nicht — ,
sondern daher, dafs der Gott an der ara max. eine specifisch römi-
sche Gestalt, die sponsio iuris cicilis war. Ob übrigens spondeo
wirklich zum gr. anivSsiv gehört, wie B. und andere annehmen, scheiot
uns, so nahe die Vergleichung zu liegen scheint, noch keineswegs
sicher. An die Erörterung über die sponsio schliefst der Vf. eine
über die pol'icitaiio , ursprünglich ' ein leckerer Beitrag zum gemein-
samen Mahle an der ara maxima^ dann ein heiliges Gelübde' u. s. w.
Indem wir das sachliche den Rechtsgclehrten überlafsen müfsen, be-
merken wir nur einiges über die etymologische Grundlage. Poliiceriy
pollicitari sind jedenfalls Composita von liceri^ licitari (wie auch G.
Curtius in Kuhns Zlschr. für vgl. Sprachf. 111,409 mit Recht einer
frühern fernliegcndeu Deutung gegenüber annimmt) und haben nichts
mit poflHC*fre zu thun. Sollte aber auch jemand mit B. Zusammenhang
zwischen poHiceri u. poUucere annehmen, keinesfalls würde man die
abenteuerliche Ableitung beider Verba von dem nur in der Odyssee
vorkommenden gr. Worte nokvdevKifjg billigen können. Letzlerem
»orte wird die allgemeine Bedeutung 'köstlich' untergelegt und eio
Ballhorn-Rosen : zur Vorgeschichte des röiu. Rechts. I. 471
Verbam itoXvdevxioa ^ etwas köstliches verrichten' angenommen; von
diesem Vcrbum ist im Griechischen keine Spur erhalten, >vohl aber
nach B. im lat. pollucere, freilich in entsetzlicher Verstümmlung und
mit höchst wunderlicher BegriiTsentwicklnng: aus der Bedeutung ^etwas
köstliches verrichten' wird, weil dies in Folge von Gelübden ge-
schehe — ^ geloben' ! Weil nemlich polliceri und pollucere eins sind,
nimmt der Vf. die Bedeutung ^ geloben' für pollucere als gewis an,
obwohl sie aus den wenigen Stellen, in denen das Wort vorkommt,
nicht hervorgeht. Den Uebergang von 7roAi;d£vx(ioi)) in polluc(pre)
SU begründen scheint der Vf. für unnöthig zu halten und denkt wahr-
scheinlich: wie aus UoXvösvTiiig Pollux^ Pollucis wurde, kann auch
aus TCokvÖevfiSLv pollucere werden, wobei er nur vergifst, dafs das
lat. Polluces od. Pollux zunächst aus dem tuskischcn Pultuke (Müller
Etr. 11, 279) u. dies erst aus dem Griechischen entnommen ward.
Komischer noch als die Ableitung von pollicUatio ist die in die-
sem Capitel gegebene von caslralus. Aus i^ceg wird nemlich ein Ver-
bum Ixaare^oco, nach Ursprung und Bedeutung nächster Verwandter
von separare^ constrniert, davon kam inaörBQonog, welches Wort
jedoch nur im lat. castrahis erhalten ist und seine Urbedeutung mit
der späterhin ausschliefslichen Bedeutung * verschnitten' vertauscht
hat, weil — Verschnittene, wie bei Moses V, 23, 1^ wahrscheinlich
von Opfern ausgeschlofsen waren. Gleiche Willkür in Annahme nicht
.vorhandener Worte, in Beachtung der Lautgesetze und in Entwick-
lung der Bedeutung!
-' Der letzte Abschnitt ^Rex und Dominus' von der nicht unbe-
rechtigten Idee des Zusammenhanges der Befehlshaberschaften mit
Opferverrichtungen ausgehend behandelt zuerst den römischen rex.
Ohne die seiner Ansicht theils gewissen Vorschub leistenden theils
diametral entgegenstehenden Untersuchungen über das römische Kö-
nigthum von Ambrosch, Rubino, Becker und Jhering irgend zu berück-
sichtigen, erklärt B. den rex als * Opferer' und leitet das Wort vom
gr. ^i^eiv ab , wobei nicht bedacht wird, dafs ^iluv nur facere heifst
und blofs in bestimmtem Zusammenhange mit ^opfern' übersetzt wer-
den kann, ferner dafs ^i^Biv eine Umformung von igÖBiv ist und end-
lich dafs regere und rex ganz andere Verwandte in den indogerma-
nischen Sprachen haben (Pott 1, 219. 271. Bopp Glossar s. v. räj.
Kuhn in Webers indischen Studien 1, 232 CT.). Wenn nach S. 84 in
rex sa er ificulus eiyf HS spöttisches liegen soll, so verweisen wir auf
die ähnlichen Worte bei Pott 11, 513 u. 604, der übrigens auch nicht
abgeneigt ist ein Deminutiv in sacrißculus zu erkennen, aber sich
nicht näher darüber ausspricht. Wie rex === Opferer, so sind nun
dem Vf. regia ==z Opferhaus, regio = Opferbezirk, Sacrasprengol,
leges regiae == Opfergesetze. Die sachlichen Erläuterungen hierzu
sind gegenüber den vollständigen Untersuchungen , die der Vf. igno-
riert, ohne Belang.
Weiter werden imperaior = indoperator d. i. inoperator^ Opfe-
rer, herus s= hqsvgy heres = eq6(j[ov\ tutor = ^vroo^, tnagister =
462 W. Weifsenborn: Titi Livi ab urbo condita libri. Ir a. 2r Bd.
auf einen blofs eingeschalteten Concessivsatz bezieht, ein Fall der
häufig auch bei Cicero vorkommt. Im folgenden Cap. 48, wo der-
selbe Fall wieder vorkommt (superalis tarnen omnibus malis) wird es
zwar richtig erklärt, aber der Hg. setzt hinzu: ^doch enthält sup^
ratis Omnibus malis zugleich die Einräumung zu dem folgenden Ge-
danken , vor dem man eigentlich tarnen , wie vor superati eher cum
erwarten sollte.' Die zweite Erscheinung hat mit der erstem gar
nichts zu schaffen ; es wird also durch die Fafsung der Anmerkung der
Anfänger, für den sie doch bestimmt ist, irre gemacht. Deutlicher
wäre gewesen , wenn Hr. W. gesagt hätte : * nun aber trifft es sich
hier, dafs statt superavit tarnen omnia mala zu sagen, dieses Factum
wieder als Vordersalz dem folgenden untergeordnet wird, was häufig
bei Livius geschieht, z. B. c. 28 missi — devehunlur Liparas.*
Dies alles weifs Hr. W. ebenso gut wie jeder andere; es galt hier
blofs auf die Fafsung der Anmerkung aufmerksam zu machen. So er-
klärt Hr. W. Cap. 49 haud maiore momento fusi Galli sunt quam ad
Aliam vicerant: ^ haud mai. momento mit nicht gröfscrer Anstren-
gung, wie auch leve^ parvum momentum gebraucht wird.' Mufs da
nicht der junge Leser glauben, momentum solle ^dio Anstrengung'
bedeuten? Der Sinn ist vielmehr: sie flohen ohne dafs irgend ein ge-
wichtiges Ereignis dies vermittelte; ganz auf dieselbe Weise wie an
der Alia die Römer zur Flucht sich wandten , was c. 38 durch non
temptato certamine, sed ne clamore quidem reddito etc. näher be-
zeichnet ist.
Aus dem vierten Buche will ich nur ^ine Stelle hervorheben^
wo Hr. W. sich nicht frei erhalten hat von dem beirrenden Einflufse
Alschcfskis. IV, 24 liest man in den Ausgaben und Hss. : deposifo suo
magistratu modo aliorum magistratui imposito pne altert^ cum gra-
iulatione ac favore ingenti populi domum est reductus. Dies über-
setzt Aischefski : ^ nachdem er sein Amt niedergelegt und nach Mafs-
gabe der übrigen Slaatsämter jener andern Würde eine kürzere Dauer
bestimmt.' Zwei starke Fehler in dieser Verdolmelschung nimmt Hr.
W. ohne weiteres hin, ja, weil *nach dem Mafse der übrigen Mag.'
heifsen müfse modo aliorum mngistratuum ^ wird dieses sogar von
Hrn. W. in den Text gesetzt ! Ferner weil finem imponere von Al-
schefski übersetzt wird ^eine kürzere Dauer bestimmen', macht nun
auch Hr. W. die unglückliche Anmerkung: ^fine^ Beschränkung, 8.
c. 54, 6, hier kürzere Dauer.' Sehen wir erst die citicrto Stelle nach,
c. fA: pro ingenti itaque victoria id fuit plebi^ quaesturamque eam
non honoris ipsius pne aestimabat^ sed patef actus ad consulatum ac
triumphos locus notis hominibus videbatur. Hr. W. erklärt honoris
ipsius Pne ^ nach dem beschränkten Nafse des Amtes.' Aber hier ist
honoris ipsius offenbar Genetivus explicativus. Es hcifst: den Werth
der von ihnen erlangten Quaestur suchten sie nicht in dieser Errun-
genschaft seihst (in dem dadurch errungenen Ziele), dafs sie die-
ses Amt erlangten, sondern sie knüpften an dasselbe weitaussehendo
Hoffnungen auf Consulat and Triumphe. An obiger Stelle nun heifst
W. Weifsenborn : Tili Livi ab arbe condita libri. Ir a. 2r Bd. 463
die BefcbrfinkuDg eines Amtes offenbar modum imponere^ wie XLlll,
16 ut modum poteslaU censoriae imponerenly und zwar ist es an un-
serer Stelle ein iemporis modum imponerCy wie es kurz vorher
heifst. Hingegen ßnem magisiratui imponere kann nichts anderes be-
deuten als: einem Amte ein Ende machen. Mögen nun auch die altern
Kritiker an diesem ßne altert Anstofs genommen haben, man wird
darin nichts befremdliches finden, wenn man sich erinnert, dars statt
aUi — alii oder alter — alter bei Griechen und Lateinern oft für das
erstere oder zweite Wort eine nähere Bezeichnung desselben gesetzt
wird. Kurz, man übersetze: nachdem er seine Dictatur niedergelegt
hatte, wurde er unter grofsen Gunstbezeigungen des Volkes nach
Hause begleitet , weil er einem Amte (der Censur) Schranken gesetzt,
einem andern (seiner Dictatur) ein Ende gemacht hatte. Manchen
mochte, weil deposito suo magistratu vorangeht, das fine imposito
dictaturae tautolog erscheinen, aber da es hier gilt, den Jubel dos
Volks zu motivieren , wird das andere als ein zweites Verdienst noch
besonders daneben gestellt.
Zum Schlufs will ich noch einiges über den Commentar zu der
praefatio Livi bemerken. Gleich die erste Bemerkung über den so-
genannten hexametrischen Anfang, wünschte ich, wäre weggeblieben.
Dergleichen gehört in die Rumpelkammer der Ausgaben in usum Del-
phini. Weder Livius noch Tacitus (in den Annaion) sind sich wohl
bewust gewesen , dafs sie einen rhythmischen Anfang geschrieben
haben; denn kein Lateiner sprach opera^^ pretinm^ principio^ reges.
Wenn also das römische Ohr hier nichts von Uhythmon hörte, warum
unsere Leser mit solchen Dingen behelligen? Für den Kritiker frei-
lich und für die Geschichte des Textes ist die bekannte Notiz bei
Quintilian höchst interessant. Die Bemerkung, dafs ausim bei Cic.
Brut. 5, 18 unsicher sei, ist gleichfalls eine überflüfsige und nach
des Kec. Meinung auch eine unbegründete. Im §. 3 schreibt Hr. W.
mit Aischefski: st — mea fama in obscuro est. Von einem solchen
abnormen Modus statt des bisherigen gleichfalls handschriftlichen sU
hätte man wohl eine Erklärung erwarten sollen. Rec. kann nur einen
Soloecismus darin finden. Und ebenso befremdlich ist ihm §. 5 effi-
cere passet^ mit dessen Rechtfertigung Rec. sich nicht befreunden
kann. Ueberhaupt hat den hier und da vorkommenden Ansichten des
Hrn. Hg. über die Modi Rec. selten beistimmen können. §. 4 wird zu
et quae — laboret sua bemerkt: ^hierzu ist res als Bezeichnung des
römischen Staates selbst zu denken, während es im vorhergehen-
den Satze die Geschichtschreibung bedeutet.' Das ist unmög-
Hch. Entweder bezeichnet res auch das zweitemal die Geschicht-
schreibung — mit dem Umfange des Staates wächst ja auch seine Ge-
schichte an — oder der ganze Satz mufs als Glosscm gestrichen wer-
den, was aus vielerlei Gründen wahrscheinlich ist. Schon das nn-
Inteinische et quae statt et oder quae begründet Verdacht. §. 5 ego
contra hoc quoqne laboris praemium petam^ ut me etc. Hr. W. be-
inerkt: *es folgen die Gründe, die ihn bestimmen, ungeachtet der
464 W. Weirsenborn : Tili Uvi ab urbe condiU libri. Ir o. 2r Bd.
Scbwierigkeiten doch das Werk zvl beginnen.' Hier stimme ich mit
dem Hg. nicht überein binsichtUch der Disposition der Vorrede, die
offenbar in zwei Haupttheile zerfällt. §. 1 — 5 spricht er von seinem
Auftreten als historischer Schriftsteller. Von %. 6 an gibt er den Plan
und die Tendenz seines Werkes an. §. 5 führt er also nur noch einen
zweiten Grand an, warum er mit der Geschichtschreibung sieh be-
fafse. Weil dieser zweite Grund {hoc quoque) auf einer Ansicht be-
ruht, die mit der vorher erwähnten der Leser contrastiert, darum ist
es zugleich mit contra angeknüpft. §. 9 donec ad haec tempora^
quibus nee vitia nostra nee remedia pati possumus ist kaum richtig
erklärt durch: * obgleich man die unangenehmen Folgen der Laster
fühlt, hängt man doch so fest an denselben, dafs man sich scheut
wirksame Mittel dagegen anzuwenden.' Was remedia pati hcifst, er-
sieht man aus XXXI V, 49: intermori rehementioribus quam
quae pati posset remediis civitalem sinere. Die geeigneten Heil-
mittel sind oft blofs bei noch kräftigen , nicht bei entnervten Körpern
anwendbar. Ebenso verlangen die citia eine starke Constitution. $.11
wird dem Worte ceterum eine ^beschränkende' Kraft beigelegt.
Lieber hätte ich gewünscht, der Hr. Hg. hätte seine Leser darauf auf-
merksam gemacht, dafs ceterum bei Livius und Tacitus alle Bedeu-
tungen von öi habe.
Schwerin. "' Carl Wex.
Zur Vorgeschichte des römischen Rechts, Etymologische Versuch«.
Vom Canzler Dr. Ballhom-Ro§en in Detmold. J. Als Jubeldisser-
tation herausgegeben. Lemgo n. Detmold , in der Meyerschen Hof-
buchhandlung. 1853. XIV u. 125 S.
Der Vf. der vorliegenden Schrift ist mit Recht überzeugt, dars
zur * Aufklärung über einzelne Gegenstände der römischen Ueligions-
und Rechtsallerthümer, des Staats- und Privatrechts' die etymologi-
sche Untersuchung der betreifenden Worte von grofscr Wichtigkeit
ist. Wenn er aber meint, dafs derartige Untersuchungen in neuerer
Zeit von Rechtsgelehrten und Philologen fast gar nicht gepflogen
worden seien, so müfsen wir ihn nur beispielsweise an Männer wie
Huschke, Mommsen, Rubino, Osenbrüggen und neuerdings besonders
an Jhering erinnern, die alle mit mehr oder weniger Glück sich be-
müht haben auch der Etymologie ihr Recht angedeihen zu lafsen. Der
Vf., der in der Vorrede offen gesteht, sich seit Jahren mit Studien
zur Vorgeschichte des R. R. in den Nebenstunden seines Gcschäfls-
lebens zu seiner Unterhaltung beschäftigt zu haben, und mit einer
gewissen Resignation weder von Philologen noch von Juristen eine
besondere Beachtung seines Buches, das übrigens nur Proben eines
grörsern Werkes, eines etymologischen Lexicons des R. R., wie man
Ballhorn-Roien : zvlt Vorgeschichte des röni. Rechts. I. 465
es wohl nennen kann, bieten soll, erwartet, wünscht eine eingehende
Beartheilung desselben. Ref. , der keine eingehenden Studien in der
röm. Rechtsgeschichte — soweit man dieselbe von der Philologie zu
trennen pflegt — gemacht hat, wird hauptsachlich die sprachliche
Seile in Betracht ziehen , jedoch auch einige andere Erörterungen hei-
fflgen, wobei es ihm vergönnt war auch Mittheilungen eines juristi-
schen Freundes zu benutzen.
Sollen wir zuerst ein Wort über die Etymologien des Vf. im
allgemeinen sagen , so müfsen wir auf das entschiedenste vor der Me-
thode desselben warnen. Sein sprach wirsenschaftlichcr Standpunkt
ist ein sehr veralteter, und er mufs den hie und da citierten trelT-
licben Werken von Bopp (Sanskritgramm.), Pott (etymol. Forschun-
gen) und Benary (röm. Lautlehre) — andere seitdem erschienene das
Latein betreffende sprachwifsenschaftliche Werke werden nicht er-
wähnt— kein eindringendes Studium geschenkt haben, da sie sonst
ganz anders auf ihn gewirkt haben würden. Von der Strenge, nüt
der ein Etymolog sich den Regeln der Lautlehre zu unterwerfen huU
und von der Gewifsenhaftigkeit, mit der er jeden Buchstaben und den
ihm in jeder Stellung zukommenden Werth prüfen mufs, scheint der
Vf. keine Ahnung zu haben, weshalb seine Vergleicliuugen gricciii-
scher und lateinischer Wörter grofsentheils auf rein äufserlichcr un-
gefährer Aehnlichkeil beruhen, und seine Etymologien voll sind von
unorganischen Lautübergüngen, Einschiebungen und Abwerfungen.
Das Mieduclionsalphabet^ (p. X), mit dem der Vf. arbeitet, bedarf
einer schonungslosen Sichtung auf die Gefahr hin, dufs nicht viel
übrig bleiben wird. Ist'^s glaublich, dafs, weil adsiduus durch Assi-
milation auch assiduus lauten kann, dies mit angeführt wird, um nach-
zuweisen, dafs 8 und d untereinander wechseln? Ebenso sollen t und
a beliebig wechseln, weil unter andern neben capio doch ina'pio u.
a. vorkommt. Also kennt der Vf. die Regel nicht, wonach in incipio
das a des Simplex i werden mufs. Unter Berufung auf incipio: capio
wird denn igitur als identisch mit agitur erklärt ! Lut. e und griech.
ai sollen sich oft entsprechen, so in fenestra verglichen mit tpuivto^
ebenso lat. g und gr. (;, z. B. in $Ugo und (Tt/^ci); in beiden Beispie-
len hat der Vf. nicht bedacht, dafs er den Praesen sstamm der gr.
Verba {(paCvm=~—q>avj(a^ azl^co^^^CTtyJto) gar nicht vergleichen durfte.
Wenn zum Beweis, dafs im Lat. g and s wechseln, mulgeo und mulsi
verglichen werden, so zeigt dies, dafs der Vf. seine ganz eignen An-
sichten über die latein. Tempusbildungen haben mufs. Ein Specimen
seiner Ansichten über griech. Tempusbildung geben die Erörterungen
über das Augmentum (p. 62).
Berühren müfsen wir auch die Ansicht des Vf. über das Verhält-
nis des Lateinischen und Griechischen. Beide Sprachen sind ihm nicht
blofs schwesterlich verwandt, sondern das Latein ist noch ungemein
dadurch vom Griechischen influiert, dafs * griechische Auswanderer
nicht blofs in Süditalien, sondern fast überall an den Küsten der Halb-
insel , namentlich auch in der Gegend der untern Tiber sich ansiedel-
466 Ballhorn-Rosen : zur Vorgeschichte des röm. Rechts. I.
ten' — sehr bezeichnend für den Standpnnkt des Vf. in Besag aaf
römische Geschichte. Wir werden ausdrücklich darauf aufmerksam
gemacht, dafs diese Einwanderer natürlich verschiedene Dialekte
sprachen, was bei der Etymologie wohl zu berücksichtigen sei; dafs
sie jedenfalls ein höchst wunderbares Griechisch sprachen , zeigt uns
das Buch an vielen Stellen: in dem Glossar jener Griechen kamen
Wörter wie iTiaaxeQOtOj TTf^^fcoi^, ofWiKog vor. Weiter zeigt sich
der von der neuern Sprachwifsenschaft weit entfernte Standpunkt des
Yf. darin, dafs er gemafs der bezeichneten Anschauung von dem Ver-
hältnis des Gr. u. Lat. für jedes lat. Wort ein verwandtes griechisches
sucht und bei seiner Willkür auch findet, resp. sich selbst macht.
Dafs eine Menge lat. Wörter sich im Griechischen nicht finden, die
dann entweder überhaupt dunkel sind oder durch andere verwandte
Sprachen Licht empfangen, weifs der Vf. nicht und fragt nie danach,
ob die verwandten Sprachen gegen Erklärung jedes lat. Wortes aus
dem Griech. nicht gegründete Einsprüche zu erheben haben. So ist
precari dem Vf. das griechische neg^xeiv — was lautlich und der
Bedeutung nach unmöglich ist — und er weifs nichts von dem skr.
prac. Endlich begnügt Hr. B. sich nicht nur die Wurzel im Griech.
zu suchen, nein! das ganze lat. Wort mit Haut und Haar mufs in
einem griech. Vater oder Bruder finden, mag nun eine Deutung aus
dem Lat. selbst so nahe als möglich liegen. So soll amiats Buchstab
für ßuchslab einem fingierten griech. SiiotTiog entsprechen. Abgese-
hen von der lautlichen Unmöglichkeit, wie denkt sich der Vf. nun
die Bildung von amo? Ist dies etwa von amicus abgeleitet, oder
hatten die Griechen irgeud ein von octco^ abgeleitetes Verbum, woher
amo stammt?
Zu diesem etymologischen Verfahren kommt noch hinzu, dafs
Hr. B. an die Untersuchung fast eines jeden Worts aus dem Gebiete
der Rechtsalterthümer mit der Ueberzeugung geht, dafs die Urbedeu-
tung desselben irgendwie eine sacrale sein müfse.
Gehen wir nun kurz die Hauptparlien des Buches durch. Der
erste Abschnitt ist lus personarum überschrieben und enthalt die Hy-
pothese des möglichen Zusammenhanges des ius personarum mit dem
alten ius imaginum. Persona in der ursprünglichen Bedeutung von
Maske wird von %tqii(Qvvvm abgeleitet, jedoch wird uns nicht gesagt,
ob persona dem Griech. urverwandt oder entlehnt ist. Ersteres wäre
unmöglich , da das Lat. die Praep. neqi nicht kennt (Pott II, 348) und
dem i ein lat. t entsprechen müsle. Sollte aber persona ein Lehnwort
aus dem Gr. sein, so müste ein gr. Substantiv vom Verbum TCtQiiciv'
wf/,1 nachgewiesen werden, was der Vf. natürlich nicht vermag.
— Persona ist nun dem Vf. das in einer völligen Bekleidung beste-
hende Ehren- und Andenkenkleid eines verstorbenen patricischen Hans-
herrn, eine Wollständige Charaktermaske desselben, als deren Theil die
Gesichtsmaskeim Atrium aufbewahrt wurde.' Das ist nicht genau. Denn
unter personae^ larvae^ expressi cera rullus^ imayines sind nur die
Ballhorn-Roscn : zar Vorgeschichte des rum. Rechts. I. 467
Gesichtsmasken selbst tu verstehen. DieGcivfindcr, welche den Trägern
der personae bei den feierlichen Leichenzügen angcthan wurden, ge-
hören nicht zu den personis — vgl. Eichstfidt diss. de imagg. Koni. u.
Beckers Gallus II, 286 (lo Ausg.) — wonach also die Ableitung von
ntf^iitovvvm auch nicht einmal durch den Sinn unterstützt wäre. Der
Vf. meint nun, das ius personarum — die Lehre von den Rechtssub-
jecten — sei ursprünglich nichts anderes als das ius imaginum ge-
wesen, dann die Lehre von den Personen, welche das ius imaginum
hatten, d. h. die alte reine Ingenuitat, als die Bedingung der Möglich-
keit volle Rechte in Rom zu haben, auszuüben und zu übertragen.
Zunächst steht es nun übel mit der Verbindung des ius imaginum mit
der Ingenuitat, da ingenuus bei Fcstus — worauf sich der Vf. beruft
— nichts anderes heifst als zur gens gehörig, mag man nun mit Gatt-
ung den engeren Geschlechtsvcrband oder mit «Iherlng den weitern,
den Staat, dabei im Auge haben. Ingenui im späteren Siuno, von
freien ElteVn geboren, waren auch die Plebejer, was ihnen Appiiis
Claudius bei Liv. VI, 40 willig zugesteht. Der Vf. denkt nun an die
Ingenuitat im letzlern Sinne, schreibt sie ausschliefjjlich den Patri-
eiern zu und macht die vollkommene Rechtsfähigkeit von ihr abhün-
gig. Ha» nun diese Ingenuitat (derjenigen qui Hheri nati sunt) nichls
mit dem Patriciate zu thun, so hat die letzterem uusschliefslich zu-
kommende Theilhafligkeit an den Genlililülsvcrbindungen ihrerseits
gar keinen directen Bezug auf das Privatrecht, und nur in Bezug auf
letzteres reden die Juristen von ins personarum. — Andrerseits sieht
auch das ius imaginum zu dem Patriciate in keiner besonderen Bezie-
hung, s. Beckers llandb. der röm. Allerth. II, 1 S. 225. Wie der Vf.
dazu kommt dafür, dafs die Patricier ein ausschliefsliches ius imagi-
num beansprucht hätten, Liv. X, 7 zu citieren, in welcher Stelle der
plebejische Consul Decius ausdrücklich von dem ius imaginum der
Plebejer redet, erhellt nicht. Auch bei Plinius N. IL XXXV, 2 hat
der Ausdruck gentiticia funera allgemeine Bedeutung. Sonach dürfte
xwischen ius personarum = ius imaginum nnd dem ius personarum
des Gaius = Lehre von den Rechtssubjecten nichls gemeinsames sein
als der Klang der Worte. — Zur Unlerslülzung der wohl beseiliglen
Hypothese gibt der Vf. noch eine Etymologie von (rix), vicis^ wel-
ches dem gr. e^xwv entsprechen soll. Abgesehen von der Kürze in
dTciä, die neben efxwv sehr bedenklich ist, ist es unmöglich die Ur-
bedeutung des Wechsels abzuleugnen und die Bedeutung *Bild, Cha-
raklermaske' hineinzutragen. Wie man sich S. 8 folgendes vorstellen
soll : * bei der (Leichen-) Feierlichkeit trug und verbrannte man an-
statt (r<c6, in dem Bilde) des verstorbenen dessen imago* ist unklar.
Wörtlich heifst es doch: das Bild des verstorbenen wird in dem Bilde
des verstorbenen verbrannt. Was soll man sagen, wenn vicissiiudo
ursprünglich * Bilderwechsel' heifsen soll? Wo kommt denn auf ein-
mal der Begriir* Wechsel' da hinein? In der angeführten Stelle des
Plautus ist fit Dicem zu lesen , wie auch Ritschi in den Text aufge-
nommen hat. Wenn die Buttmannsche Etymologie von tix die neuste
468 Ballhorn-Rosen: sar Vorgeschichte des röm. Rechls. I.
genannt wird, so ignoriert Hr. B. die sehr beachtenswerthe von Pott
(1, 234) , die ihm dock bekannt sein muste.
Die zweite Partie der Schrift beschäftigt sich mit der £inthei-
lung in Uberi und serpi, und speciell mit den Uberi. Liter bedeutet
nach B. ursprünglich ^ ein libierender ' und gelangt erst spater zu der
Bedeutung ^ ein freier', insofern diese nur an der Libation Theil neh-
men durften. Der Ableitung der Über vou Hb {libare) steht zuvör-
derst die oskische Form loufir entgegen, die den schon früher ver-
mutheten Zusammenhang mit ilBv^eqog (vgl. i(^q6gi ruber ^ ov^uq:
über) bestätigt. Sachlich ist aber auch gegen die Ableitung einzu-
wenden, dafs danach dem Gebrauche des Libierens eine Bedeutung
beigelegt wird , welche man schwerlich wird nachweisen können. Die
spätere Freilafsung durch Zuziehung des Sklaven an den Tisch des
Herrn, welche B. als Rest der alten Anschauung hinstellt, beruhte
vielmehr einfach darauf, dafs die servi nicht am Tische des Herrn
afsen — vgl. jedoch Beckers Gallus I, 127 — und daher durch jene
Zuziehung der Wille des Herren den Sklaven als freien zu betrachten
sich kund gibt. — Weiter meint Hr. B. , die Libation sei ein Act von
Sacragcmeinschaft gewesen, welcher nicht an die einzelnen civitates
gebunden war, und will darin ein Institut des ältesten religii^en Völ-
kerrechts finden. Als Beleg dafür soH — Odysseus dienen, der dem
Polyphem, nachdem derselbe abermals zwei Genofsen des Odysseus
verspeist, einen Becher \Veins reicht und dann beifügt aol 6* av koi-
ßiivfpiqov^ el jti' iXstjactg otnade nifi'tpetagj welche 6 letzten Worte
B. nicht mit anführt. — Ferner wird angenommen, dufs die männ-
lichen Descendenten eines püier deshalb Uberi hiefsen , weil sie im
Gegensalz zu den serei an den Haussacra Thcil nehmen und am Tische
des Hausvaters mit libieren durften. Dafs zwischen den Uberi — den
Söhnen — und den serci trotz des ursprünglichen ins ritae ei necia
des Vaters und anderer Uebereinstimmungen ein viel tieferer Gegen-
satz von vorn herein stattfindet (man vgl. unter andern die eben
erschienene römische Geschichte von Th. Mommsen I, &0), bedenkt
der Vf. nicht. Auf seine Libationstheorie baut endlich der Vf. eine
dreifache /<6er/as , welche ganz mit dem dreifachen Status tibertatis^
civitatis^ famiUae zusammenfallt, und führt auch die dreifache capiiii
deminutio darauf zurück. Der Vers des Ausonius: tripfex Ubertas
capitisque minutio triplex dürfte ein schwaches Argument sein, und
den des Plautus (Gas. II, 8, 68): tribusnon conduci possum Über-
tatibus wird ein unbefangener auch ohne jene Annahme begreifen.
Einige andere Erklärungen, wie liberalis d. i. einem Über anständig,
also auch gern libierend, spendend [wer denkt nicht an spendabel?],
deUberarCy auf die Bcralhungen gehend, welche bei patriarchalischen
Gastmählern nach der Libation stattfanden , unter Beziehung auf die
Germanen bei Tacitus, könnten auch nicht eben böswilligen Lesern
etwas scherzhaft erscheinen.
Das eben über die Etymologie von liber gesagte entzieht auch
den Ableitungen von iimeu und postUminiurn ihre Stütze. Limen soll
Ballhorn-Rosen : znr Vorgeschichte des röm. Rechts. I. 469
fDr libimen stehen und das ^belibierto' bedeuten. Allerdings war die
Schwelle den Kömern heilig; dafs aber gerade sie von den heiligen
Spenden , die ihr möglichcrw^eise zu Thcil wurden , benannt worden
sei, ist schwer glaublich, und die einfache Benarysche Ableitung
des Wortes hat der Vf. nicht widerlegt. Wahrend nun nach Hrn. B.
l9(bt)men das bilibierte heifsi, soll li{b%)minium eine Libation, ein
Opfer bedeuten und in posüiminium uns erhalten sein als Nachopfer
d. h., wie B. hineintragt, das während einer Gefangenschaft unterblie-
bene und nach Aufhebung derselben nachgeholte Opfer. Man sieht
nicht ein, was hier, wo von keinem bestimmten Opfer die Rede
ist, ein nachgeholtes Opfer soll. Man wird bei der Ableitung stehen
bleiben müfsen und posüiminium für eine Bildung wie postsceiiium^
pomoerium ansehen. Wir nehmen also die Göttlingsche Deutung an,
der auch Becker röm. Alterlh. II, 1 S. 109 beitritt und die Hase
(Postliminium S. 12) nicht widerlegt hat. Wenn letzterer in posliimi-
nium ^den Act der Rückkehr hinter die Grenze' findet, so sieht man
nicht ein, wie dies möglich ist. Dafs übrigens Urnen ursprünglich
Oberhaupt * Grenze' bedeutet hat, sieht man aus eliminare^ was Hr.
B. höchst seltsam deutet. Denn wäre wirklich ein Verbum li(bi)mi^
nare vorhanden und hicfse ^ opfern', so könnte eliminare nur ^ hcraus-
opfern' u. dgl. bedeuten, nimmermehr aber *vom Opfern entfernen'.
Der Hr. Vf. weise ein Compositum mit e nach , welches die Trennung
oder Entfernung von der im einfachen Verbum bezeichneten Thätig-
keit ausdrückt.
Ein Erzeugnis der baarsten Willkür ist endlich die Erklärung
des rfithselhaften coelebt = conlibs^ avanovöog^ d. h. einer der noch
keinen Hausstand hat und daher mit einem andern libiort und speist*).
Wenn bei dieser Gelegenheit über die hasia caelibaris gesprochen
wird, so verweisen wir jetzt auf die reiche Erörterung in A. Rofs-
bachs Untersuchungen über die römische Ehe S. 286 ff. **)
Der dritte Theil unseres Buches beschäftigt sich mit dem Cultus
des Hercules an der ara maxima und knüpft an ihn verschiedene pri-
vatrechtliche Institute. Es würde uns zu weit führen, hier diesen
Cult besprechen zu wollen; wir bemerken nur, dafs Hr. B. das Wesen
des H. verkennt, wenn er in ihm und dem Semo Sancus, den er nicht
im geringsten vom H. trennt, von vorn herein weiter nichts als den
Schnlzgott des ältesten Rom sieht, und wir müfsen bedauern, dafs er
auch hier die neuern den Gegenstand betreffenden Untersuchungen
nicht kennt. Nur noch einige Bemerkungen ! Semo Sancus ist Hrn.
B. buchstäblich dalfimv ayvog. Dafs Sancus mit sancius und sancire
*) Eine auch verunglückte, aber doch noch eher denkbare Ety-
mologie von coelebs gibt Krahner in der Ztschr. f. d. AW. 1852
8. 410.
*^) Wollte der Vf. in demselben Buche S. 352 ff. lesen, so wurde
er vielleicht doch einige Bedenken über seine gelegentlich mitgetheilte
Etymologie von Oaius und Gaia bekommen.
470 Ballhorn-RoseD : zur Vorgeschichte des röm. Rechts. I.
verwandt ist, ist allerdings möglich, Verwandtschaft mit ayvog oder
ayi,og dadurch keineswegs sicher oder nolhwendig. Serno aber nnd
dalfiGjv zusammenzubringen vermag nur gänzliche Verkennung der
gr. und lat. Lautgesetze. Von den S. 71 f. beigebrachten zum Theil
falschen Beispielen beweist kein einziges, was es soll. Unbegreifli-
cherweise wird zur Erklärung von Semo Sancus eine bei Plato er-
haltene hesiodcische Stelle angeführt, worin die öalfiovBg ayvoi —
die Geister der im goldenen Zeilalter verstorbenen — vorkommen.
Hercules wird ohne weiteres mit Herakles für identisch gehalten —
die Bedenken von Mommsen : unterital. Dialekte S. 262 kennt B. nicht
— u. *der hochbcrühnite' übersetzt, welche Etymologie von Pott (I,
223) herrührt, was Hr. B. vergefsen zu haben scheint, wie er auch
nicht beachtet hat, dafs Pott selbst H, 224 eine andere Deutung vor-
schlagt. Wenn dann, um den hohen Ruhm der Fabier zu crklfiren,
ein besonderes Gewicht auf ihre Abstammung von Hercules gelegt
wird, so dürfte das sehr überflüfsig sein. Dafs ferner Silius I, 604 ff.
von Consanguinitat Sagunts mit Rom redet, soll einzig ans der Schutz-
herschaft des einen Hercules über Rom [und eines andern über Sagunt
sich erklären. Allerdings steht Hercules mit Sagunts Gründung io
Verbindung (Sil. I, 273 u. 505), das consangutneae bezieht sich
jedoch nur darauf, dafs Sagunt auch von ardeatischen Rutulern bevöl-
kert worden war, weshalb es auch das ausonische genannt wird (I,
291. 332. 11, 604. Liv. XXI, 7).
Mit Recht wird die sponsio auf den Cult an der ara maxima
zurückgeführt, doch scheint der Vf. die neuere Litteratur hierüber,
z. B. Huschke Verf. des Scrvius S. 603 u. Recht des Nexum S. 100 ff.,
Girtanncr Bürgschaft I Cap. 3 §. 3, Jhering Geist des r. R. I, 264
nicht zu kennen. Dafs Nichtrömer unfähig waren, sich durch sponsio
zu verpflichten, kommt aber nicht, wie B. meint, daher dafs sie nicht
zur ^St. Semo-Gemeinde' gehörten — eine solche gab es nicht — ,
sondern daher, dafs der GoU an der ara max. eine specifisch römi-
sche Gestalt, die sponsio iuris citilis war. Ob übrigens spondeo
wirklich zum gr. önivöeiv gehört, wie B. und andere annehmen, scheint
uns, so nahe die Vergleichung zu liegen scheint, noch keineswegs
sicher. An die Erörterung über die sponsio schliefst der Vf. eine
über die poVicitatio , ursprünglich ^ ein leckerer Beilrag zum gemein-
samen Mahle an der ara maxima^ dann ein heiliges Gelübde' u. s. w.
Indem wir das sachliche den Rcchtsgelehrten überlafsen müfsen, be-
merken wir nur einiges über die etymologische Grundlage. PoUiceri^
poiiicilari sind jedenfalls Composita von liceri^ licitari (wie auch G.
Curtius in Kuhns Zlschr. für vgl. Sprachf. 111,409 mit Recht einer
frühern fernliegenden Deutung gegenüber annimmt) und haben nichts
mit polluc^re zu thun. Sollte aber auch jemand mit B. Zusammenhang
zwischen poUiceri u. pollucere annehmen , keinesfalls würde man die
abenteuerliche Ableitung beider Verba von dem nur in der Odyssee
vorkommenden gr. Worte nokvdevxijg billigen können. Letzlerem
Worte wird die allgemeine Bedeutung * köstlich' untergelegt und ein
Ballhoro-Rosen : zur Vorgeschichte des röm. Rechts. I. 471
Verbam nokvöevxia * etwas köstliches verrichten' angenommen; von
diesem Vcrbum ist im Griechischen keine Spur erhalten, wohl aber
nach B. im lat. pollucere^ freilich in entsetzlicher Verstümmlung und
mit höchst wunderlicher BegrifTsentwicklung: aus der Bedeutung ^etwas
köstliches verrichten' wird, weil dies in Folge von Gelübden ge-
schehe — * geloben' ! Weil nemlich polUceri und pollucere eins sind,
nimmt der Vr. die Bedeutung * geloben' für pollucere als gcwis an,
obwohl sie aus den wenigen Steilen, in denen das Wort vorkommt,
nicht hervorgeht. Den Uebcrgang von 7roAi;d£vx(ea)) in pollucQ^re)
£u begründen scheint der Vf. für unnöthig zu halten und denkt wahr-
scheinlich: wie aus IloXvösvKtig Pollux^ Pollucis wurde, kann auch
aus Ttokvdev^elv pollucere werden, wobei er nur vergifst, dafs das
lat. Polluces od. Pollux zunächst aus dem tuskischen Pultuke (Müller
Etr. II, 279) u. dies erst aus dem Griechischen entnommen ward.
Komischer noch als die Ableitung von polticitaiio ist die in die-
sem Capitel gegebene von caUralus, Aus ixag wird nemlich ein Ver-
bum inaöreffocuj nach Ursprung und Bedeutung nächster Verwandter
von separare^ construiert, davon kam iKaarsQonog, welches Wort
jedoch nur im lat. castrahts erhalten ist und seine Urbedeutung mit
der späterhin ausschliefslichen Bedeutung * verschnitten ' vertauscht
hat, weil — Verschnittene, wie bei Moses V, 23, 1^ wahrscheinlich
von Opfern ausgeschlofsen waren. Gleiche Willkür in Annahme nicht
.vorhandener Worte, in Beachtung der Lautgesetze und in Entwick-
lang der Bedeutung!
* Der letzte Abschnitt *Rex und Dominus' von der nicht unbe-
rechtigten Idee des Zusammenhanges der Befchlshabcrschaften mit
Opferverrichlungen ausgehend behandelt zuerst den römischen rex.
Ohne die seiner Ansicht theils gewissen Vorschub leistenden theils
diametral entgegenstehenden Untersuchungen über das römische Kö-
niglhum von Ambrosch, Rubino, Becker und Jhering irgend zu berück-
sichtigen, erklärt B. den rex als ^ Opferer' und leitet das Wort vom
gr. ^i^Hv ab , wobei nicht bedacht wird, dafs (fi^siv nur facere heifst
und blofs in bestimmtem Zusammenhange mit ^opfern' übersetzt wer-
den kann, ferner dafs Qt^eiv eine Umformung von iQÖeiv ist und end-
lich dafs regere und rex ganz andere Verwandte in den indogerma-
nischen Sprachen haben (Pott I, 219. 271. Bopp Glossar s. v. räj,
Kuhn in Webers indischen Studien I, 232 CT.). Wenn nach S. &I in
rex sacrifi culus eiwsis spöttisches liegen soll, so verweisen wir auf
die ähnlichen Worte bei Pott II, 513 u. 604, der übrigens auch nicht
abgeneigt ist ein Deminutiv in sacrificulus zu erkennen, aber sich
nicht näher darüber ausspricht. Wie rex ^±z Opferer, so sind nun
dem Vf. regia = Opferhaus, regio = Opferbezirk, Sacrasprengel,
leges regiae = Opfergesetze. Die sachlichen Erläuterungen hierzu
sind gegenüber den vollständigen Untersuchungen , die der Vf. igno-
riert, ohne Belang.
Weiler werden imperator = indoperator d. i. inoperaior. Opfe-
rer, herus == hqivg^ heres =.- ?^d(a)r), tutor = dvzcnQj tnagister --
472 Ballhorn-Rosen: zar Vorgeschichte des röm. Rechts. 1.
aylazi^g*) erklärt, welche Etymologicu zeigen was far Resultate einer
derartigen Methode möglich sind. Bald halte ich gar die Ableitung
von interrex vergcfsen. In diesem Worte ist inter nicht die bekannte
Praeposition, sondern vielmehr das alte indo^ indu in indoperator u.
ä. , aber mit einem zugegebenen r; wie nun dieses indo zu der Bedeu-
tung ^zu einem bestimmten Zwecke oder auf eine bestimmte Zeit'
kommt, mag man selbst nachlesen; ich versiehe es nicht. Es ist na-
türlich , dafs man bei der Methode des Vf. leicht von Einern Worte
gleich mehrere Etymologien aufstellen kann, von denen keine der
andern etwas vorzuwerfen hat. So kann sich der Vf. in einer Anmer-
kung nicht enthalten uns zu gestehen, dafs interrex vielleicht gar
avTt,QQiKtrjg ^ vice-rex^ Vice-opfcrer , sein könne, da die litereile Re-
duction jedenfalls möglich sei;
Die einzige Etymologie von den besprochenen, die lautlich nichts
gegen sich hat, ist die von dominus^ als von dare herrührend. Mit
der Deutung freilich können wir uns nicht befreunden. Dominus soll
nemlich *dcr opfernde' bedeuten, weil dare dies sehr oft heifseu
soll. Es ist hier wie oben mit $i^Hv: dare heifst immer nur ^ geben'
und kann wohl in gewissem Zusammenhange (braucht es aber nie)
mit ^opfern' übersetzt werden. Ansprechend ist die Deutung, die L.
Lange in diesen NJahrb. Bd. LWII S. 40 f. von dominus gibt und der
auch G. Curtius a. a. 0. S. 409 beistimmt. Wie nemlich herus voa
Wurzel hr den nehmenden d. i. erwerbenden Eigenthfimer bezeichnet,
so dominus den hingebenden d. i. verkaufenden (vgl. da in vendo)
Eigenlhümer; beide Worte bezeichnen das unumschränkte Verfüguugf-
recht, das ius emendi et vendendi.
Ein Index der erklärten lateinischen Worte — denn noch viele
werden gelegentlich besprochen — schliefst das Buch.
Zum Schlufs sei es uns nur noch gestattet, unsere Verwunde-*
rung auszusprechen, wie ein Rechtsgelehrter von Rudorffs Bedeo-
tung am Ende seiner günstigen Anzeige des Ballhornschen Bnches
(krit. Ztschr. f. die gesummte Rechtswifsenschaft 1854 S. 304 — 311)
in dem etwa erscheinenden juristischen Lexicon des Hrn. B. eine an-
regende Bereicherung der juristischen Litteratur erwarten kann; wir
von un*: crem philologischen Standpunkte fürchten, dafs, wofern der
Hr. Vf. nicht andere etymologische Wege einschlägt , das Buch ma-
nigfache Verwirrung anrichten wird.
Weimar. lleiuhold Kühler.
♦) Magister j mactarCj macte, magmentum wird alles unterein-
ander |;ewurfen und bei der Zuruckfuhrung dieser Worter auf griechi-
Hche Wörter mit einem prosthetischen m auf das wildeste operiert.
Fr. Koch : deutsche Grammatik. 2e Auflage. 473
Deutsche Grammatik für höhere Lehranstalten, Lyceen, Gymnasien
und Realschulen. Von Dr. Friedrich Kochy Professor am grofs-
herzogl. Realgymnasivm zu Eisenach. Zweite verbefserte Auflage.
Jena, Fnedrich Mauke. 1854. XXXU u. 264 S. 8. •
Nach einer gelungenen Charakteristik der einzelnen grammati-
schen Behandlungsweisen der deutschen Sprache verspricht der Vf. in
der Vorrede (S. IX), er wolle die Resultate der historischen Gram-
matik in Beziehung auf das neuhochdeutsche darlegen. Darauf be-
schränkt sich aber der Vf. nicht, gewis zum Nachteile des Buches:
er gibt hier und da noch Andeutungen aus dem Gebiete der philoso-
phischen Grammatik, und legt abstracto Satze der Darstellung der
einzelnen Erscheinungen zu Grunde. Was hilft es aber dem Schaler,
wenn er eine Definition von Sprache (S. J) zu geben weifs; was hilft
ihm der abstracte Satz (S. 8): Mn der Sprache unterscheiden wir
Gedanken und Beziehungen derselben, im Gedanken die einzelnen Bo-
griffe und ihre Beziehungen'? (ähnliches S. 29. 39. 44. 51. 140. 174.
200.) Wozu die Angaben über Bildung der Laute (g. II. 16), bei
denen Ref. unwillkürlich etwas an den Schulmeister Agesel erinnert
wurde, den der Vf., wol belesen in unserer Literatur, wie seine
sorgfältig gesammelte Beispielsammlung zur Syntax zeigt, gewis auch
kennt. Ref. wünschte diese Bemerkungen um so mehr weg, da trotz
der Warnung des Vf. vor dem einüben und einlernen es nur zu sehr
zu fürchten ist, dafs unberufene, in deren Hand der deutsche Sprach-
unterricht leider so häufig liegt, auch diese Satze einlernen, ja sie
villeicht als etwas ganz besonderes hervorheben. — Die orthographi-
schen Angaben S. 7 wünschte Ref. gleichfalls weggelafsen; der Vf.
tadelt selbst die Unterscheidungssucht als Grund unserer verwirrten
Rechtschreibung — warum aber soll Regellosigkeit in einer Gram-
matik einregistriert werden? Ist da nicht Gefahr, dafs das abzu-
schaffende sich doch wieder fest setzt? Auf S. 10 passen die Beispiele
kaniic und vatarjo nicht zu ^, da n in beiden Worten kurz, demnach
sein Umlaut nicht ae ist, sondern e; Ref. weifs auch kein Beispiel
wo i für ae stünde. Dafs §. 16 — 24 (die Consonanten) zwischen den
Capiteln über die Vocale und deren Veränderung eingeschoben ist
und ebenso wieder die beiden Abschnitte über die Consonanten aus-
einandergerifscn sind, hält Ref. nicht für zweckmäfsig: übersichtli-
cher würden gewis auf das über einen einzelnen Vocal gesagte gleich
die diesen betreffenden oder hervorrufenden Veränderungen folgen.
Der Satz auf S. 18 ^ da t im nhd. oft abgeworfen oder geschwächt ist,
so hat es Schwierigkeiten zu bestimmen, ob der Umlaut stchn mufs'
ist Ref. unklar geblieben, da ursprüngliches t im nhd. auch wenn es
geschwächt und selbst abgeworfen ist, fast ausnahmslos den Umlaut
bewirkt; richtiger hiefse es wol: da i im nhd. oft abgeworfen oder
geschwächt ist, so ist der Grund des Umlauts nicht mehr zu erkennen,
s. B. Hand^ Hände ^ wo ahd. i. — Weiler unten konnte für ursprüng-
liches e in Lötee die erweichte Form Leue angeführt werden. Ge-
H. Jakrb. f, PhiL u. Paed, Bd. LX.X. fiß. 4 u. 5. 31
474 Fr. Koch : doulsche Grammalik. 2e Anflage.
bürge schreibt wol niemand mehr und uuch in betriegen und Hilfe
wird die ursprüngliche Schreibart leicht herzustellen sein. IVf'rA'ffi
ist Kückumlaut aus werakon nach Wegfall des a. Die Angabe, dafs in
dcMU ahd. Umlaut e ein Vocal den Umlaut verdrangt habe, beruht auf
der Annahme, als sei ä der eigentliche Umlaut von a^ während dieses
r7, wie der Vf. selbst bemerkt, doch erst mhd. vorkommt und neben
dem einfachen e einen nur beschrankten Kaum einnimmt. Die Pedan-
terei, mit der man nhd. ä schreibt, wenn das ursprüngliche a erkenn-
bar ist, darf nicht Regel sein, sondern die Regel müste lauten: a
lautet um in e, für das ä geschrieben wird, wenn in stammver>
wandten Worten das a hinlänglich deutlich hervortritt. — Im §. 32
wäre villeicht der zweite Punkt vom ersten zu trennen, da die Ver-
wandlung des b vor ^ in ^ eigentlich keine Verhärtung im strengen
Sinne ist, wenn nicht schon der Abteilungen zu viel wären. Die Laut-
verschiebung würde Ref., als dem Zw^ecke des Buches nicht unmittel-
bar dienend ^ weggelafson oder in die Kinleitung gestellt haben. —
S. 23 würde Ref. den Ausdrücken stark und schwachbetont
hoch und tieftonig vorziehn, welche der Sache mehr entsprechen:
schwachbetont trilTl fast mit tonlos zusammen und im siukenlafsen der
Stimme, nicht im starker oder schwächer betonen ligt der eigent-
liche Unterschied der Silben, wie in blut-jung^ Jung-frau.
Die Wortbildungslehre scheint dem Ref. etwas zu ausgedehnt;
manches Icxicalische , wie die Aufzälung der dunkeln Composita ist
freilich immer noch notwendig, da wir kein genügendes neuhochdeut-
sches Wörterbuch besitzen und zur Vollendung des Grimmschen wol
noch ein Menschenalter gehört; auch ist gewis gerade diefs der inter-
essanteste Theil einer Grammatik. Aber dafs diefs Capitel noch eines
Bearbeiters wartet, der es versteht das Material übersichtlich dar-
zustellen, beweist §. 87: die blofse Anfzalung der verschiedenen
Bedeutungen des ersten Theils einer Composilion reicht nicht hin die
Lebendigkeit unserer Sprache nach dieser Beziehung vollständig dar-
zustellen; liefse sich nicht villeicht ein Compositum bilden, das unter
keinen der zehn Fälle passte? Die Schüler haben gewis an einer soU
eben Aufzälung nichts: sie lernen sie heute und vergefsen sie mor-
gen. — In §. 90 war als Ursache der nneigentlichen Composition
wol noch hinzuzufügen, dafs die alte Sprache den Genetiv vor das
Substantivum setzen konnte, was der unsrigen nicht mehr möglich ist.
— In dem Abschnitt über Bildung der Pronomina würde Ref. manches
was in das Gebiet der Sprachvergleichung gehört und dem Zwecke
des Buches nicht entspricht, weglafsen, so in §. 128.
In der Flexion^lehre ist Ref. mit dem Vf. in Bezug auf das her-
einziehn der goth. ahd. mhd. Formen nicht ganz einverstanden: in
einer Grammatik welche die voransgehenden Entwicklungsstufen der
Sprache mit in den Kreifs der Behandlung zieht, kann eine solche
Beziehung nicht fehlen. Bei der Verwirrung aber, welche in dieser
Beziehung im nhd. herscht, wäre es wol befser in einer Grammatik
die allein das nhd. behandelt zunächst ohne Rücksicht auf früheres
Pr. Koch: deutsche Grammatik. 2c Auflage. 475
einfach den facUschen Zustand hiniustellen , namentlich wenn nach
der Vorrede diefs Capitel von Knaben von 11 — 12 Jahren gelernt
werden soll. So würde Ref. z, B. die siebeii Classen hintereinander
aufgeführt und die Verba in §. 149 ohne weiteres unter ihre Classen
gestellt haben. Wer die Schwierigkeiten kennt, die gerade dieser
Abschnitt selbst Primanern macht, wird hier möglichste Einfachheit
fUr nötig halten. So können auch die Endungen (152) wegbleiben,
die im nhd. alle das tonlose e haben und in 154 doch noch einmal
vorkommen — oder soll etwa der Schuler e, es/, et auswendig ler-
nen?— In 149 ist es doch nicht ganz richtig, dafs beide Umlaute
von schwören weggefallen sind: scAtour ist doch immer noch ge-
brauchlicher als schwor. In 157 ist zu tilgen erlöschen , denn erlosch
ist intransitiv, erlöschle transitiv, folglich so unberechtigt als rufte^
welche Form in einer Grammptik gar nicht slehn dürfte. — Auch in
der Behandlung der Substantivflexion würde Ref. z. B. die «-Declina-
tion ganz weggelafsen haben : in eine blofs nhd. Grammatik gehört
sie nicht. — Die * rhythmischen Gründe' auf S. 96 liefsen sich näher
dahin bestimmen, dafs die tonlosen (auf eine Stammsilbe folgenden)
e bleiben, die stummen (auf eine tonlose Silbe folgenden) ausfallen.
Dafs bei Haus und Hof^ Mann und Mans die Endung wegfällt, ist
wol weniger der rhythmischen Bewegung dieser Sprüche als dem
sprichwortartigen Gebrauch derselben zuzuschreiben , da das Sprich-
wort geneigt ist die Wortformen möglichst abzukürzen. In 185 ist
wol Tropfen schon zu denen zu rechnen, welche entschieden das n
im Nominativ angenommen haben. In 190 wäre 2) schärfer zu fafsen:
diejenigen auf/, f und k^ welche in ihrer ursprünglichen Form auf
einen Vocal auslauten. In der zweiten Hälfte von 191 weifs Ref. nicht,
was ^Adjectiva, die nicht einen BegriflT enthalten' heifsen soll. Der
ganze Passus wäre befser weggeblieben. In 206 war wol zu erwäh-
nen, dafs das ahd. der da noch nhd. z. B. in Luthers Bibelüber-
setzung (Apoc. 1, 6) vorkommt.
In der Satzlehre schliefst sich der Vf. allzusehr an Becker an,
dessen Verdienste um diesen Theil der Grammatik er in der Vorrede
hervorhebt — nach der Ansicht des Ref. sehr wenig zum Vorteil einer
lebendigen Behandlung der Syntax. Das knöcherne Beckersche System
mag ^übersichtlich' und ^durchsichtig' sein — für den Unterricht aber
ist es gar nicht zu brauchen: es ist für Lehrer und Schüler langweilig
und ermüdend nnd zuletzt doch resultatlos, weil der Schematismus
sofort wieder vergefsen wird. Der Vf. hat durch sorgfältig gewählte
Beispiele und durch Beziehungen auf ahd. und mhd. (die nur leider
allzuspärlich sind) etwas dieser Unlebendigkeit abgeholfen , über im
ganzen ist der Fortschritt vor den Schülern Beckers, Wurst und Com-
pagnie , nicht sehr bedeutend. — Die Interpunctionslehre würde doch
wol auch noch zum ersten Cursus gehören.
Die Verslehre leidet an dem Fehler der meisten neuern Versleh-
ren: die deutsche Sprache wird nach classischem Mafse behandelt.
Es ist ein Irtum wenn es heifst: die nhd. Sprache mifst nach Quan-
31*
476 Fr. Koch : deutsche Grammatik. 2e Auflage,
t i ta t and Accentuation ; wenn das richtig wäre , wfire s. B. befser eio
Pyrrhichius, während es doch ein Trochaeus ist. Oder gibt es eine
doppelte Versmefsung? Was soll es heirsen, dars Quantität und Ac-
centuation in Widerstreit miteinander kommen? Auf diesem Irtum
heruht es wenn der Vf. ohne weiteres die persönlichen Pronomina
und die einsilbigen Formen des Hilfsverbs sein für tonlos erklärt —
als Stammwörter sind sie hochlonig, nach dem Gesetz der Accentua-
tion können sie aber sofort in die Senkung treten, wenn ein andere»
Wort starker betont ist. Auf diesem Irtum beruht es , wenn der Vf.
glaubt, wir könnten einen Versfufs wie den Proceleusmalicus bilden:
nieder zu dem Gehöfte können wir gar nicht so lesen , wir betonen
zu. Ebenso ist es mit königliche^ was der Vf. als Beispiel fflr den
ersten Paeon anführt: die ursprüngliche Composition läfst uns diefs
Wort immer noch mit zwei Hebungen, e^em Hocliton und einem Tief-
ton aussprechen. In das Gebirg^ was der Vf. als Beispiel ^um vierten
Pacon anführt, ist ebenso ein Choriambe. Zu 521 waren Beispiele von
Nachahmungen classischer Metra passender gewesen ; die vorliegenden
sind Beispiele klingenden und stumpfen Reims, nicht zunächst eines ka-
taleklischen und akalalcktischen Verses. Von 523 an zalt der Vf. die
einfachen Versmafse auf, d. h. die classischeu. Der Alexandriner bat
aufser dem Reim ein von dem Vf. übersehenes Kennzeichen , die Cae-
sur. Der siebenfüfsige lambus fehlt, den doch z. B. W. Müller ange-
wendet hat:
Wir fragen nichts nach unserm Ruhm , nach unsrer Namen Preii,
Justinus Kcrner:
Herr Bitter Ernst ^ der u>ar ergrimmt »w einer bösen Stttnd,
Dafs Anapaeste in iambische Metra gebracht werden, wie in Goethe»
König in Thule, mufs in einer deutschen Metrik als Nachlufsigkeit ge-
rügt werden, um so mehr da die Nachlufsigkeit des Versmafses in
neuester Zeit hierin besonders ihren Grund hat. Bei den trochaeischeb
und daclyiischen Versen thut es wol, nicht der knöchernen Aufzalung
ein- zwei- drei- vier- u. s. w. füfsiger Trochaeus zu begegnen , die
z. B. in der Metrik von F. W. Rückert einen so widerlichen Eindruck
macht. Von dem Dome ist aber nicht ein Anapaest, wie es der Vf.
bezeichnet hat, sondern zwei Trochaeen. — Die Anordnung des fol-
genden begreift Ref. nicht. Dafs der ^Knittelvers' erwähnt wird vor
dem Reim, da dieser Vers doch nichts ist als eine Vergröberung der
deutschen Reimpaare , dafs die Nibelungenstrophe (nicht Nibelungen-
vers) hier steht und nicht unter den Strophen, das ist eine Verwir-
rung , die eben nur aus jler Vermengung von deutschem und classi-
schem herkommt. — Der Abschnitt über den Reim unterbricht gleich-
falls seltsam die Aufzalung: einfache, zusammengesetzte Versmafse,
Strophen — das ist Verwirrung in der Anordnung; Verwirrung in
der Sache aber ist es, wenn der Vf. die Alliteration ohne weiteres
unter den Reim stellt, dessen gerades Gegenteil sie ist in jeder Be-
ziehung; hat den Vf. villeicht nur der Name Stabreim dazu bewogen?
Verwirrung in der Sache ist es , wenn die zufallige Allitcration und
Fr. Koch : dcnUche Grammalik. 2e Auflage. 477
9oUen ftir sagen u. s. w. hier als Beispiel für die feste Form der Al-
literation gebraucht wird : Verwirrung in der Sache ist es , wenn die
Assonanz, die etwa nach 557 gehört hatte, hier steht. — Für die
Doppelreime hätte der Vf. eine alte Formel (wie mitgegangen mitge-
hangen) anführen sollen, der Schüler könnte das Beispiel aus den
Makamen des Hariri für eine solche hallen. Dem Endreim gegenüber .
muste der Innen- und Anfangsreim nicht nur als seltner, sondern als
gar nicht gleichberechtigt gegenübergestellt werden. — Weshalb der
Vf. die üblichen Ausdrücke ^paarweise, kreuseode und umarmende
Reime' nicht beibehalten hat, ist nicht abzusehn: der Ausdruck Vech<
selnd' ist sehr misverständlich. — Die Strophen sind nach einem ganz
infserlichen Einteilungsgrund, der Zal der Zeilen, aufgezäll: das
Gesetz der deutschen dreiteiligen Strophe ist gar nicht erwähnt. Die
Nibelungenstrophe steht zwischen Riternell und der Ottave ohne Rück-
sicht auf den ganz verschiedenen Ursprung dieser Strophen.
Ref. hat über die Metrik ausführlicher gesprochen, als einem
blofsen Nachtrag zukommen dürfte — aber es ist wol hochnot, dafs
der einreifsenden Verwirrung in unserer Metrik einmal Einhalt ge-
than werde, sonst erhalten wir zuletzt eine Verwirrung, dafs keiner
den andern versteht. — Dem Uauptteil aber, der Grammatik, wünscht
Ref. eine dritte verminderte Auflage.
Hanau. Otto Yilmar,
Geschichte der deutschen NationcUtiteralur im neunzehnten Jahr-
hundert. Von Julian Schmidt, Zwei Bände. Leipzig, F. L. Her-
big. 1853. VlII u. 484, VIII u. 558 S. gr. 8.
In demselben Mafse wie nnsre Litteratur selbst von einer an
Schaffenslust und Schaffenskraft reichen Zeit zu einer Zeit der Armut
an wahrhaft bedeutenden Erscheinungen herabgesunken ist, ist eine
Wifsenschuft der Litteratur üppig emporgeblüht. Die Litteralurge-
schichtc ist das natürliche Kind einer an Froduction ärmeren Periode,
welche den Blick von den dürren Feldern der Gegenwart nach
den reicheren Gärten der Vergangenheit wendet und was diese
neben- und nacheinander in duftiger Fülle aufkeimen und erblühen
liefsen, betrachtend, scheidend, zusammenstellend, nach Ursprung
und Entwicklung forschend ordnet. Wie dort das Schaffen ein ver-
schiedenartiges war, bald von gleichem Grunde ausgehend und
im Verlauf der Entwicklung sich sondernd, bald von verschiedenem
Anfange beginnend und dann in den Höhen und Endpunkten sich eini-
gend, so ist hier die Art und Weise des Betrachtens eine verschie-
dene. VV. Wackernagel hat in den protestantischen Monatsblättern
eine anziehende Zusammenstellung der verschiedenen Richtungen ge-
geben, die sich in unsrer Zeit in der Behandlung der Litteraturge-
478 J. Schmidt: Geschichte d. deutschen Nalionallitteratar im 19n Jb.
schichte gezeigt haben. Gervinus, Koberstein, Vilmar erscheinen als
diejenigen, in welchen diese Verschiedenheit sich am deutlichsten
veranschaulicht. Von diesen hat Vilmar im lernenden und lesenden
Publicum die gröfste Zahl von Anhängern gefunden, und sowohl Ger-
vinus^ mehr auflösendes als construierendes Verfahren, als die wüste
Stofflichkeit des Kobersteinschen Werkes zieht sich mehr auf den
Arbeitstisch des Gelehrten zurück. — Alle gröfseren litterarhistori-
schen Werke haben der Litteratur des neunzehnten Jahrhunderts , der
Zeit der Epigonen, eine ausführlichere Darstellung noch nicht zuge-
wendet: die Bezeichnung der nennenswerthesten Erscheinungen, die
Andeutungen der wichtigsten Richtungen genügte. Und das um so
mehr, als unsre Litteraturgeschichten sich nur allzusehr gewöhnt
haben, den Kreis ihrer Betrachtung eng um die dichterische Schöpfung
zu ziehen. Mit um so gröfserem Interesse begrüfsten wir daher, und
gewis jeder der diesen Studien durch Beruf und Neigung sich zuwen-
det, das oben genannte Werk, dessen Vf. theils durch sein Werk über
die Romantik, theils durch die ^ Grenzboten' rühmlichst bekannt ist.
Und je mehr wir dieses W^erk von vorn herein als eine bedeutende,
höchst beachlenswerthe Erscheinung auf dem Gebiete der Litleratur-
geschichte bezeichnen müfsen und auf dasselbe alle Freunde deutscher
Litteratur, und alle welche dieselbe lehrend zu behandeln haben, auf-
merksam machen , um so weniger durfte diesen Blättern eine Bespre-
chung desselben vorenthalten werden , wenn gleich sich ein unmittel-
barer Gebrauch des Works im Unterrichte wohl schwerlich denken
lafst. Hier scheint es vielmehr dringend räthlich, sich der Bespre-
chung der nachclassischen Periode im ganzen zu enthalten und nur
einzelne hervorragende Erscheinungen in den Kreis des Unterrichts
zu ziehen , vor allem aber die Aufmerksamkeit und das Interesse der
Schüler auf die eigentlichen Classiker Lessing, Goethe, Schiller zu
concentrieren.
Eine Geschichte der Litteratur unsres Jahrhunderts, dessen zweite
Hälfte erst vor wenig Jahren begonnen hat, ist ein Unternehmen, das
man nicht ohne Befremden und Zweifel zu begrüfsen geneigt und be-
rechtigt ist. Denn mitten in einer Zeit stehend, Theil habend und
Thcil nehmend an ihren Bewegungen und Impulsen, an ihren Richtun-
gen und Abwegen, vermag der betrachtende nicht so leicht, wenn
überhaupt, sich in der Weise über dieselbe zu erheben, wie es der
historischen Darstellung geziemt. Ja es würde vergeblich und zu-
gleich schädlich sein, wollte der Gcschichtscbrciber der Gegenwart
sieh über die seine Zeit bewegenden Gegensätze ganz und gar zu steU
len suchen; er soll immerhin ein Kind seiner Zeit, aber nicht der
Sklave ihrer Irthümer sein. Aber freilich sehen wir nur allzu oft,
dafs entweder die Befangenheit der Leidenschaft das gesunde Urtheil
verkehrte, oder dafs der hochmülhige Wahn, sich über den Conflict
erhohen zu haben, zur hohlen Phrase führte.
Es ist kein geringes Verdienst des vorliegenden Werkes, dafs es
gleich im Eingange den richtigen und allein möglichen Standpunkt
J. Schmidt: Geschichte d. deutschen Nntionallilteratar im 19n Jh. 470
4er Darstellung bezeichnet: der Vf. gesteht, dafs an eine Darsfellung
in streng objectiver Form jetzt noch nicht gedacht werden könne, dafs
vielleicht eine Zeit, die sich von unsern Thorheilen frei gemacht, die
Leidenschaft nicht mehr verstehen werde, mit der er heute dieselben
bekämpfe. Ihm scheint vor allem eine strenge unerbittliche Kritik
Pflicht und Gebot, da die Sünden der Poesie auf die sittlichen Grund-
sätze, ja selbst auf die Geschichte von verderblichem Eiaflufs gewesen
seien. Einer Kritik, welche von Irrung und Abweg zu den wahren
Principien zurückführen will, welche hingebende Liebe mit sittlichem
Ernst vereinigt, stimmen wir gern zu. Und es ist, obwohl die einzel-
nen Theile des Werkes noch Gelegenheit genug zu solchem Lobe
geben werden, dem Vf. eine ernste sittliche, nicht blofs absprechend
Degierende Gesinnung eigen, welche die aufrichtigste Anerkennung
verdient. Diese Gewisheit läfst die oft beifsende Scharfe des Vrtheils,
welche sich namentlich gegen einige auf der Oberflüche unserer Lit>
teratur schwimmende Persönlichkeiten richtet, in milderem Lichte
erscheinen: denn wo es den Ernst einer sittlichen Uebcrzeugung
gilt, frommt es der Kritik nicht, um den Kern der Sache schüchtern
herumzagehen. Es gilt die Mangel völlig blofs zu legen, und ihnen
auch nicht einen noch so kleinen Theil des falschen Glanzes zu lafsen,
wenn der Einflufs solcher Richtungen und Erscheinungen paralysiert
werden soll. Wir haben dem vorliegenden Werke gegenüber nicht
Bu fragen, woher im einzelnen Falte die Herbheit desUrtheils stamme,
welche Motive ihr unterliegen, sondern nur, ob wir den Anschauun-
gen des Vf. uns anzuschliefsen vormögen.
Julian Schmidt beginnt mit einem kurzen Bückblick auf die das-
sische Periode, auf die Zeit vor Schillers Tod, für welche er im we<
«entliehen auf die Darstellung von Gervinus verweist. Dabei stellt er
sich zunächst die Aufgabe nachzuweisen, wie in unserer Litteratur
Continuitdt hersche, so dafs auch die Irthümer mit innerer Nolhwen-
digkeit sich aufeinander beziehen. Der trostlose Anblick, den unsre
Litteratur seit 1806 gewahrt, wird freilich durch das Aufiinden des
Znsammenhangs nicht in einen freundlichen verwandelt; doch mildert
flieh das befremdende der Erscheinung, wenn die Einsicht gewonnen
wird, dafs die classische Periode selbst beitrug die nachfolgende Dürf-
tigkeit der Litteratur herbeizufuhren. Denn ^ unsre Ideale haben sich
nicht, wie in der classischen Dichtungsperiode der andern Völker,
aus dem Instinct, den Sitten und Traditionen unsrer Nation cnlwickelf,
sondern sie sind im bewusten Gegensatz gegen dieselben künstlich er-
zeugt worden.' Ug^ diesen wichtigen Ausspruch zu begründen, geht
der Vf. auf die Quellen zurück, aus dcuen das classische Zeitaller
unsrer Litteratur im L8n u. 19n Jh. entsprang. Als solche erschei-
nen ihm die Sturm- und Drangpoesie und die philosophische Kritik.
Beide, einander entgegengesetzt, standen in noch schärferem Gegen-
satze zu dem Herkommen der überliererteii Bildung, indem in diesem
herabgekommenen Zeitalter die neu auflebende Poesie die Idee der in-
dividuellen Natur, die Philosophie die der absoluten Pflicht aufstellte.
480 J. Schmidt: Geschichte d. deutschen Nationallitteratar in 19d Jb.
Die Dichter sachten die Naturkraft der Individualität geltend machend
sich über die Oberflache des Herkommens zu erheben , die Philosophie
in Kant der leichtfertigen Toleranz den Ernst des Gesetzes entgegen-
zuhalten; es sollte die Pflicht um der Pflicht willen, ohne den Hin-
blick auf Verheifsung und Lohn, gethan werden. Diese beiden ge-
waltigen Bewegungen trafen zusammen, als Kant für die höchste Em-
pfindung des Geistes das interesselose Wohlgefallen am schönen fand
und die Kunst als die freie Schöpfung dieses vollkommnen bezeich-
nete; denn die Dichter zogen sich von ihren stürmenden Bestrcban-
gen in die Welt dieser Kunst, in das Ideal zurück. Das Griechen-
thum ward der ideale Mittelpunkt dieser Kunst; doch war dieses Hel-
lenenthum nur ein nachempfundenes, ein romantisiertes , weil jede re-
flectierte Wiederherstellung nicht das ursprüngliche zu erzeugen ver-
mag. Diese Betrachtungen führen den Vf. zu interessanten AuseiiH
andersetzungen über Goethes und Schillers Dichtungen. Und allerdings
wird man ihm darin unbedingt beistimmen müfsen , dafs die Entfrem-
dung der Dichtung vom Leben, der Mangel der Uebcreinstimmung des
Ideals mit der natürlichen Empfindung namentlich Schillers dramati-
schen Dichtungen Abbruch that, dafs für die Entwicklung unsrerLitte-
ratur bedenkliche Folgen daraus hervorgiengen. Bei Goethe tritt
diese Trennung von der Wirklichkeit weniger hervor; doch können
wir ihn weder von dem Vorwurfe zu grofser subjectiver Willkür, den
ihm J. Schmidt macht, freisprechen, noch vermögen wir seine Theii-
nahmlosigkeit den politischen Verhältnissen in den ersten Jahren die-
ses Jahrhunderts gegenüber zu rechtfertigen. Denn wollen wir auch
den Satz, den der Vf. ausspricht, dafs die öiTentlichen Angelegenheiten
der Prüfstein für den Werth des Menschen seien, nicht vollständig
unterschreiben, sondern ein gleiches Uecht auch für den engern Kreis
der Verhältnisse fordern , so könnten wir uns doch nimmer bei einem
Manne wie Goethe, so mitten in dem öiTentlichen Leben, wenn auch in
einem kleinen Staate stehend, nicht mit sporadischen Aeufserungen
der Theilnahme und mit verständigen Aeufserungen begnügen: wir
verlangen von ihm ein volles warmes hingebendes Herz für das ölTent-
liche, und das hatte Goethe nicht. Nach Schillers Tode, der ein wär-
meres Verhältnis zu den Zeitbewegungen gehabt halte, trat, da für
Goethe auch die Quelle der poetischen Anregung, zu der ihm der mit-
strebende Freund geworden war, versiegle, diese Isoliertheit, diese
Ablösung von dem Leben der Nation noch mehr heraus. Und so be-
reitete sich ein Rückschlag vor, der zunächst von den Romantikern
ausgieng, die ursprünglich eine Wiedervereinigjfng des Lebens und
der Dichtung anstrebend, dieses Ziel durchaus nicht erreichten, son-
dern nur die Entfremdung vergröfserten. Aber während sie die Dich-
tung zum Schattenspiele machten, riefen sie auf andern Gebieten mit-
telbar Bestrebungen hervor, gaben Anregungen, denen wir grofscn
Dank schulden: die Belebung der Geschichte, des Rechtswesens, die
deutsche Philologie und die Sprachvergleichung giengen aus der Ro-
mantik hervor.
J. Schmidt: Geschichte d. deutschen Nationallitteratiir im 19n Jb. 481
Dieses einleitende Capitel ist scharfsinnig und geistreich, wie
irgend eines des mit Geist und Scharfsinn reich ausgestatteten Werkes;
doch mögen wir nicht bergen, wie es uns scheint, als sei die Betrach-
tung nnsrer zweiten classischen Litteraturperiode eine zu enge, um es
kurz zu sagen, eine zu kritische. Wir können die Bedeutung der
Kritik nicht verkennen wollen, am wenigsten in einer Litteraturge-
schichte des neunzehnten Jahrhunderts, welche, wie der Vf. selbst
sehr richtig meint, wesentlich eine Kritik der litterarischen Richtun-
gen und Erscheinungen sein mufs. Aber wenn uns auch sonst in dem
trefflichen Werke hie und da die Kritik über sich hinauszugehen
scheint und, um ein Lieblingswort des Vf. anzuwenden, souverän
wird, so möchten wir dies insbesondere hier bemerken, wo der
Boden schon ein positiverer, mehr historischer ist. liier hat zwar
die Kritik auch noch ihr Recht, aber hier ist es mit dem Zersetzen
nicht gethan: in der eigentlichen historischen Betrachtung hat die
Kritik ihre Schranke, es bleibt bei aller ihrer Schärfe und der Kunst
ihrer Analyse etwas übrig, so dafs der Wiederaufbau des in seine
Theile zerlegten nicht vollständig gelingt.
Die folgenden Abschnitte sind der Romantik gewidmet, über
welche der Vf. schon früher sich umfänglich geäufsert hat. Die
Gründlichkeit seiner Studien tritt überall deutlich hervor und sticht
gar vortheilhaft gegen manche Werke ab, denen man es nur zu deut-
lich anmerkt, dafs viele Urtheile erborgt sind. Im Gegensätze zu
solchen Scribenten, die sich auch wohl Historiker nennen, hat J.
Schmidt eine umfafsende Kenntnis unsrer Litteratur; er hat alles ge-
lesen und hat es offenbar gründlich kennen gelernt, nicht blofs hie
und da in die Bücher hineingeblickt. Und je gröfser der Kreis der
Erscheinungen ist, die er bespricht, um so riesiger erscheint der auf
das Werk, wenn auch seit langer Zeit, verwendete Fleifs, um so
Staunenswerther die Belesenheit, die sich fast nichts entgehen liefs;
wo uns ein Name zu fehlen scheint, möchten wir deshalb eher glau-
ben, er habe ihn absichtlich verschwiegen , als dafs wir meinen könn-
ten, er sei aus Unkenntnis übergangen. Wir werden aber auch des*
halb gehindert, allen Theilen des Werkes gleich ausführliche Würdi-
gung zu gönnen , weil wir uns einer solchen Belescnheit ins einzelne
nicht rühmen können, und werden uns oft nur auf eine kurze Erwäh-
nung des Inhaltes beschränken müfsen.
Der Vf. entwickelt zunächst die Gründe des Auftretens der Ro-
mantik im Hinblick auf die gesummte politische und geistige Bewe-
gung des Revolutionszeilallcrs. Die Franzosenherschaft in der Litte-
ratur war schon durch Lessing gebrochen, noch ehe die Kämpfe der
Freiheilskriege das äufserc Joch brachen. Aber in der Emancipation
vom französischen war man nicht auf das nationale zurückgegangen,
man hatte sich zwar an das verwandte, das englische, angelehnt, vor
allem aber das griechische Alterthum wieder aufgenommen. Nun be-
ganu der geistige Kampf gegen die französische Revolution mit ihren
die Welt erschütternden Ideen , und gegen ihr letztes und gröfslcs
482 J. S<^imidl: Geschichte d. deutschen Nationallitteratar im 19u Jh.
Erzeug^nis, gegen Napoleon. In England fährt uns der Vf. su Edmund
Burke und Walter Scott, bei dessen Beurtheilung wir gern in des
Vf. Behauptung einstimmen , dafs er noch lange nicht genug gewür-
digt sei; in Frankreich werden wir auf Chateaubriand und die vom
Gewallherscher verfolgte Frau von Stael hingewiesen. Der Mittel-
punkt dieses von germanischen Elementen getragenen Kampfes wurde
Deutschland. Hier war es eben die Romantik, die den Kampf auf-
nahm, ohne ihn zu einer wirklich nationalen Bedeutung zu bringen:
das Resultat blieb hinler der Tendenz zurück. Das läfst sich eben
überhaupt von der Romantik sagen, dafs sie nicht einzugreifen, wenig-
stens nicht unmittelbar zu wirken verstand, sondern dafs sie, Leben
und Dichtung einigen wollend, beides noch mehr voneinander 10816,
als es die classische Periode gethan hatte. Nach einer Besprechung
der Philosophen , die gewöhnlich den Romantikern zugezählt werden,
Fichte und Schelling, wobei die Zusammenstellung von Fichte und
Kant anziehend gehalten ist, wendet sich der Vf. zu den bekannten
Hauptvertretern der Schule, zunächst den beiden Haupldoctrinürs der-
selben, den Brüdern Schlegel. Wie die romantische Schule über-
haupt von der classischen ausgicng und sich erst im Verlaufe abson-
derte, ja entgegenstellte, so ist dies besonders bei den Schlegels der
Fall. Im vorliegenden Werke wird A. W. Schlegel mit ziemlicher
Anerkennung behandelt, uamentlich seine Verdienste als Uebersetzer
hervorgehoben und seine Selbstbeschränkung auf Kritik und Repro-
duction gerühmt. Wir wollen nur eine Bemerkung des Vf. hier her-
vorheben, welche uns sehr richtig und eindringend zu sein scheint,
nemlich die, dafs Schlegels vortrefiliche Shakspeare-Uebersetzung
doch eigentlich nur für die Leclüre, nicht für die Aufführung passe:
wir haben das fremde Element in derselben selbst nur zu oft empfun-
den, als dafs wir nicht von Herzen einstimmen sollten. Härtere Be-
handlung trifft Friedrich Schlegel , den Schmidt als den schädlichsten
unter den Romantikern bezeichnet: und auch wir können ihn nicht für
eine der erfreulichen Erscheinungen in der Litteratur unsres Volkes
halten. Unsres Vf. strenges Wort, dem Apostaten gegenüber, mag
mancher modernen Auffafsung nicht anstehen : der protestantische Sinn
des Historikers , den J. Schmidt ernst und doch nicht einseitig kund-
gibt, läfst das Verwerfungsurtheil nicht blofs begreifen, sondern macht
es noth wendig. Auch wir haben gegen die Motive solcher Apostasie
von vorn herein entschieden Abneigung und sind noch selten von der
Erfahrung zu andrer Anschauung belehrt worden. Der Hauptpoet der
Romantiker aber, Tieck, wird ausführlich besprochen: bei strengem
Urtheile über seine litterarischen Producle, namentlich seine Dichtun-
gen und Novellen, die allerdings auch gar zu sehr an Inhaltslosigkeit,
an Gestaltenmangel leiden, widerfährt seiner Persönlichkeit, seiner
Natur alle Anerkennung: das bösartige, welches der Vf. in deu Ten-
denzen und Sympathien der übrigen Romantiker findet, ist in Ticcks
barmloser Natur , die wahre Freude am schönen hatte, neuen und alten
Talenten mit liebenswürdigem Eifer Bahn brach , nicht vorhanden. Er
J. Sohmidt: Geschichte d. deatschen NatioDallitteratnr im 19b Jh. 48S
ist das bedeutendste produclive Talent der Schule: in ihm laufen die
Ffiden der romantischen Dichtung zusammen. Auch dürfen seine Ver-
dienste nicht unterschätzt werden: seine Arbeiten überShakspeare und
das englische Theater, seine dramaturgischen und kritischen Schrif-
ten, die Belebung des Cervantes und die Einführung Heinrichs von
Kleist; und wenn der Werth seiner Mährchen, Schauspiele und No-
vellen weniger hoch angeschlagen wird, so wird darum weder der
in ihnen waltende poetische Sinn, noch die Sauberkeit der Form ver-
kannt. Es gab eine Zeit, in der Tiecks dichterische Bedeutung bei
weitem aberschätzt wurde, indem man ihn neben Goethe zu stellen
oder doch hart an ihn heranzurücken suchte. Gervinus im letzteu
Bande seiner Litteraturgeschichte hat, nachdem schon Goethe, obwohl
Tieck anerkennend, sich dagegen gesträubt hatte, andere Gesichts-
punkte aufgestellt und auf eine andere Auffafsung hingewirkt. J.
Schmidt geht in diesem Sinne noch weiter und erörtert in eingehen-
der Betrachtung der einzelnen Werke Tiecks, wie gerade in ihm sich
der die Dichtung vom wirklichen Leben absondernde und ihr den
realen Boden entziehende Process vollzog. Der greise Dichter, der
nun hinüborgegangen , der erste und letzte der Romantiker, war ei-
gentlich schon seit Jahren aus der Litteratur herausgetreten: seine
Dichtungen gehören eben um jeuer Eigenschaften willen zu denjeni-
gen, die sich von den Lesetischen in die Bücherschränke zurückge-
zogen haben. Desto mehr wird die Litteraturgeschichte noch mit ih-
nen zu verkehren haben und, wie es in unserm Werke schon geschieht,
ihrem Zusammenhange mit spätem Erscheinungen nachspüren. Frei-
lich werden es nicht wohl erfreuliche Resultate sein, wie z. B. ein
Zusammenhang der Tieckschen Novellen, namentlich der aus dem so-
cialen Leben genommenen, mit dem socialen Romane unsrer Zeit, mit
jungdeutschen und ausländischen Producten nicht in Abrede zu stellen
sein wird, obwohl Tieck selbst das sich am wenigsten gedacht haben
möchte.
Unser Werk wendet sich zu den EinOüfsen der Romantik auf das
Theater; hier entwickelte sich die Schicksalstragoedie, eine der ärg-
sten Verirrungen in unserer Litteratur, die leider zum Theil durch
Schillers sich in einzelnen Gedichten, wie in dem Gang nach dem
Eisenhammer, in der Jungfrau von Orleans, am meisten und zwar mit
einem geborgten antiken Aufputz in der Braut von Messina documen-
tierendo Hinneigung zu einer Mystik des Zufalls angeregt worden
war. Das traf mit' dem Behagen der Romantiker am wunderbaren, un-
begreiflichen zusammen; an die Stelle der sittlichen Nothwendigkeit
trat eine dunkle, nebelhafte Macht; das Publicum erfreute sich an dem
phantastischen der Sache und an seiner äufsern künstlichen Vcrmitt-
Inng und verlor das sittliche und poetische Gewifsen , ohne das unser
Drama nicht bestehen kann. Wir gehen hier auf die einzelnen be-
kannten Erscheinungen unter den Schicksalstragoeden, auf Werner,
MQllner, Houwald und Grillparzer nicht weiter ein; unser Werk läfst
ihnen das verdiente Urtheil zukommen; von der Bühne und aus der
484 J. Schmidt: Geschichle d. deutschen NationalliUeralar im 19d Jh.
LectQre sind sie längst verbannt. Nur auT die öine Bemerkung Schmidli
wollen wir noch hinweisen, wie nemlich diese fatalistischen Producte
dem Programme der Romantiker selbst widersprachen. Dieses sagte,
dafs ihre Dichtkunst sich auf Shakspeare stülze; dem widersprach die
That. Denn während Shakspeare von innen heraus dichtete , den sitt-
lichen Inhalt seines Zeitalters und sein eignes Gewifsen zu concreteo
Individualitäten gestaltete, die Sittlichkeit zum Principe des
Schicksals machte, giengen die Romantiker umgekehrt zu Werke, in-
dem sie für ihre ideale Kunstform nach passenden Charakteren und
sittlichen Vorstellungen suchten. So blieb denn die sittliche Ueber-
zcugung nebensächlich, sie verschmolz nicht inneres und äufseres sa
einem ganzen, es kam nicht die innere Wahrheit in ihre Dichtungen,
durch die Shakspeare so überaus grofs ist. Es gieng hier der Roman-
tik wie anderwärts auch: sie wandle sich dann selbst von dem ab,
was sie selbst hervorgerufen oder doch mit verschuldet hatte.
Der folgende fünfte Abschnitt des ersten Bandes ist ^Dichter ohne
Schule' überschrieben und behandelt Jean Paul, Arnim, Hölderlin, H.
V. Kleist, Brentano. Von ihnen sagt der Vf., dafs sie, ohne der ro-
mantischen Schule anzugehören, der bisherigen classischen Tradition
entgegengearbeitet; ^cin jeder suchte im Nebel seinen Weg', nm
Schmidts eigne kurz bezeichnenden Worte anzuführen. Wir sind ge-
wohnt, diese Dichter mit anderen, welche hier später zur Besprechung
kommen, kurzweg der romantischen Schule zugerechnet zu sehen,
und zwar besonders Arnim und Brentano , bei denen allerdings nicht
blofs gegensätzliche Beziehungen gegen das classische, sondern un-
mittelbar romantische Richtungen, wie in ^des Knaben Wunderhorn*
hervortreten. Hölderlin würden wir lieber im unmittelbaren Zusam-
menhange mit der classischen Periode betrachten ; er schliefst sich
eng an Schiller an und bleibt Hellenist, wenn schon mit romantischen
Beigeschmack. Ist nun auch das oben angeführte Wort Schmidts ein
wenig zu hart, namentlich einigen der belreircnden Persönlichkeiten
gegenüber, so werden ihm doch alle darin beistimmen, dafs sie alle
an einem Vorhersehen der Reflexion, an einer innern Unsicherheit,
an einem erfolglosen Streben nach Popularität leiden. Keiner der ge-
nannten ist Liebling der Nation geworden; Jean Paul wird wenig ge-
lesen, und es gilt von ihm das Wort von Gervinus, es werde nicht
leicht ein Gegner J. Pauls zu seinem Freunde, wohl aber ein Freund
zum Gegher werden können. Von einer Popularität Arnims und Höl-
derlins kann gleich gar nicht die Rede sein: bei Brentano hätten wir
höchstens an die Mährclien und an die Geschichte vom braven Kaspert
und vom schönen Annerl zu denken, bei Kleist an einige seiner dra-
matischen Werke. Am Schlufse dieses Abschnittes erklärt der Vf.,
einige andere Romanliker später zur Besprechung bringen zu wollen,
wie Fouque und Eichendorfr,^weil diese letzteren zwar auch mit phan-
tastischen irrationellen Stoffen auftraten, aber wenigstens im ganzen
in der guten Meinung, diese Stoffe seien vollkommen klar, verständ-
lich und der gesunden Natur des Menschen entsprechend, während die
J. Sehnidt: Geschichte d. deatochen Nationallilteratur im 19n Jh. 485
Dichter, die ^ir hier angeführt haben, bei ihrem grofsen analytischen
Taieni sich über die Irrationalität ihrer Figuren keine Täuschang
machen konnten'. Das Vorhandensein eines solchen Unterschiedes
unter den einzelnen Romantikern ist nicht in Abrede ku stellen, und
doch hätten wir hier eine andre Anordnung des Stoffes vorgezogen.
Noch finden wir am Schlufse dieses Capitels einen interessanten Hin-
blick auf Goethe, dessen Dichtungen der letzten Periode eine Hinnei-
gung zu den Eigenschaften der oben genannten Dichter zeigen: es gilt
dies ganz besonders von den ^Wandcrjahreu' und dem zweiten Theile
des Faust, denen alle Bemühungen der Commentatoren — und jüngst
hat man erst sich von neuem um die Wanderjahre bemüht und in die-
selben alle Fragen des Jahrhunderts hinein interpretiert — doch nicht
ihre Unverstandlichkeit und Unauflöslichkeit nehmen. Es wird zu-
gleich das sittliche Princip durch eine Art von Mystik verdrängt, für
welche unsre sittlichen Empfindungen und BegrilTe nicht ausreichen.
Auf diese höchst anziehenden Betrachtungen der Einwirkungen der
Romantik mit der sie begleitenden Alystik auf die Dichtung folgt der
Nachweis gleicher Resultate in Bezug auf die Wifsenschaflt. Das führt
auf die Naturphilosophie und mit dieser noch einmal auf Schelling zu-
rück, der vorher nur in seinem Verhältnis zur classischen und roman-
tischen Schule betrachlet worden war. Wir wollen gerade jetzt, da
die Trauerkunde von dem Tode des grofsen Philosophen erst vor wenig
Wochen durch die Welt gicng, nicht aburlhcilend verfahren, aber wir
werden doch wohl Schmidt beistimmen müfsen, wenn er den Einflufs
der Mystik auf die philosophische Prosa als gefährlich, die Schärfe
der Dialektik auflösend, Dilettantismus fördernd bezeichnet, und wenn
auch die Schüler weit über den Meister hinausgiengen, so ist doch auch
Schelling selbst nicht frei von solcher Mischung von Abstraction und
Phantaslik. G. II. Schubert in München erfährt keine besonders freund-
liche Behandlung vom Lillerarhistoriker, den wir dieser in so man-
cher Beziehung höchst tüchtigen Persönlichkeit gegenüber wohl gern
milder urtheilen hören möchten, dem wir aber in seiner Strenge gegen
die Mystik , gegen das Spiel mit dem wunderbaren und gespenstischen
in Betreff der Sache nicht widersprechen können. Es ist gerade dieser
unverbrüchliche Ernst des Vf., der nicht wie viele moderne Kritiker
auf der Oberfläche bleibt, sondern die litterarischen Erscheinungen in
ihrem tiefsten Wesen und in ihrem Zusammenhange erfafst, ein grofses
nicht genug anzuerkennendes Verdienst des vorliegenden Werkes; es
entschädigt derselbe für manches harte Wort, das den lesenden hie und
dort anfänglich befremdet, ja wohl verletzt. Freilich siegt häufig der
Kritiker über den Litterarhistoriker, aber man müste den Tadel höch-
stens gegen den Titel des Buches richten, denn der Vf. erklärt ja selbst
im Eingange, dafs eine strenge Kritik Aufgabe seiner Darstellung sei,
nnddafs von einer eigentlichen objectiven Geschichte nicht die Rede sein
könne. Nach Schubert stofsen wir auf StelTens, der bei aller Schwä-
che seiner wifsenschaftlichen Werke und seiner Romane doch eine im
inoersteu Kerne tüchtige Natur genannt wird. Der Vf. geht nun zu
486 J. Schmidt: Geschichte d. deutschen NationaliiUeratur im 19o Jh.
der AUerthumsuvirsenschaft über, um in dieser die Einflüfse der My-
stik nachzuweisen, besonders in Bezug auf die Behandlung der My-
thologie. Das führt auf die bekannte ^Symbolik' von Fr. Crenser,
welche dann durch Vofs (Antisymbolik), Lobeck (Aglaophamns) , G.
Hermann (Briefe über Homer und Hesiod) bekämpft wurde. Wenn tn
dieser Stelle der Vf. sagt, die Wifscnschaft habe diese Trugbilder
längst fiberwunden, so möchte das doch wohl zu viel Verwerfung der
symbolischen Deutung enthalten und zu wenig Rücksicht auf die
noch heute bestehenden und noch lange nicht zu einer Entscheidang
geführten Streitigkeiten über die Mythologie nehmen. Namenllieh
wird der Zusammenhang des griechischen und germanischen mit dem
Oriente ja immer deutlicher und wird sich schwerlich aus der Mytho-
logie herausbringen lafsen, und so wenig als eine Mythologie nur auf
Symbolik ruhen kann, so wenig besteht sie auch ohne solche symbo-
lische Elemente. Ausführlichere Besprechung erfahrt hierauf Joseph
Görres, der Mann seltsamer Wandlungen , der von dem Werk der fran-
zösischen Revolution ausgieng, dann für ein conslitutionellcs Deotscb-
land focht, endlich die Interessen der einzelnen Fürsten vertrat und
in gleicher Umgestaltung seiner religiösen Ansichten vom Pantheiimos
bis zum Ultramontanismus gelangte.
In dem siebenten Abschnitt fafst der Vf. den Einflufs der Frei-
heitskriege auf die Litteratur, welche bisher schon den Hintergrund
der gegebenen Darstellungen bildeten, im Zusammenhang ins Auge,
insofern diese Zeit, obschon an unmittelbar aus ihr hervorgehen-
den dichterischen Leistungen nicht eben reich , doch die wesentliche
Grundlage unserer poetischen und politischen Entwicklung bildete.
Unter den vielen Vorzügen des Buches ist die deutsche Gesinnung des
Vf. nicht der geringste; dieser Abschnitt gerade lafst sie in wohl-
thuendster Weise hervortreten. Dabei ermangelt aber diese nationale
Gesinnung nicht der von der historischen Entwicklung ausgehenden
Einsicht, die wir so oft bei politischen Betrachtungen vermifsen und
ohne welche nur Phantome hervorgebracht werden. Es erfreut die
warme Würdigung sowohl der politischen Charaktere, bei welcher
Gelegenheit wir auf das über den Freiherrn von Stein gesagte auf-
merksam machen (1 S. 262), nnd die den Freiheitsdichtern, namentlieh
^^'ItÖrner und Arndt gezollte Anerkennung. Denn allerdings werden
Körners patriotische Lieder meist durch die Unzulänglichkeit seiner
dramatischen Werke benachtheiligt, und leider ist auch Arndts kräf-
tiger Gesang über manchem schalen Erzeugnis moderner Lyrik ver-
gefsen worden. Endlich wollen wir auch noch den sittlichen Ernst
rühmend erwähnen, der uns hier, wie durchgängig in dem Werke,
entgegentritt, und es sei uns ausnahms\\cise gestattet, eine denselben
recht klar darlegende Stelle anzuführen. Bei Gelegenheit der Bespre-
chung der Demagogenverfolgungen, insbesondere der in Folge des
Sandschen Meuchelmordes orfolglen Absetzung de Wettes sagt Schmidt,
die Denunciation vcrnriheilcnd, aber doch auch die Gerechtigkeit des
Absehens vor sophistischer Beschönigung eines Verbrechens anor-
J. Sehnidl: Geschichle d. deatochen Nationallilteratar im 19a Jh. 487
kennend: ^das ist der FInoh unserer neuern Entwicklung, dafs wir
den natürlichen Mafsstab des Gewirsens verloren und uns daran ge-
wöhnt haben 9 die einfachsten Verhältnisse von sogenannten höheren
Standpunkten zu betrachten, um nach Belieben mit ihnen umspringen
xa können.' Ein wahres und beherzigenswerthes Wort!
Der Vf. fahrt uns demnächst zu der Betrachtung der Bewegungen
und Entwicklungen im Gebiete der Wifsenschaft. Wir sind gewohnt,
in unsern Litteraturgeschichten auf eine genauere Behandlung dieser
Gebiete zu verzichten und uns mit den nothwendigsten Andeutungen
sa begnügen. Auch darin können wir nur einen Vorzug des Schmidt-
schen Werkes erblicken, dafs es das ganze geistige Leben der deut-
schen Nation zu umfafsen sucht : es wird uns dieses Streben nicht zu
der nnmafsigen Forderung berechtigen, dafs der Vf. in allen Gebieten
des geistigen Wirkens und Schaffens gleich heimisch sei. Auch ver-
wahrt er sich selbst gegen die Annahme, als wolle er eine wifsen-
gchaftliche Kritik hier ausüben, oder in der Anführung gelehrter
Werke vollständig sein, er will nur die Denkweise und Gesinnung
des Zeitalters anschaulich machen und an einzelnen hervorragenden
Beispielen ein Bild von dem edeln, aufopfernden Wirken der deut-
schen Gelehrsamkeit geben. Und in der That ist hier mehr nicht zu
verlangen, um so weniger als die Geschichte der Wifsenschaft im 19n
Jh. einen vielseitigen, fast uncrmefslichen Apparat erfordert, wenn
es sich um ihre ausführliche Darlegung handelt. Der Gelehrte wird
freilich in diesen Abschnitten manches vermifsen, er wird vielleicht
die Ausführlichkeit in der Behandlung einzelner Persönlichkeiten, wie
sie namentlich der 2e Band darbietet, zu Gunsten der Betrachtung
der hervorragenden Persönlichkeiten und Leistungen dieses Gebietes
verkürzt wünschen: und doch werden wir auch bei jenen später auf
das genaueste entwickelten Erscheinungen auf anerkennenswerthe Mo-
tive des Vf. stofsen. Zunächst führt uns die bisherige Darstellung von
selbst auf die Einflüfse der Kantschen Philosophie auf die Wifsen-
schaft und ihre Methode. Sie erweckte die analytische Thätigkeit, die
Kritik, und warf sich in der Person F. A. Wolfs anf die Poesie; die
Bedeutung der Prolegomena wird vollständig gewürdigt. In Bezug
auf die Geschichte treten Niebuhr und Savigny vor uns, zwei nicht
minder grofse Träger des wifsenschaftlichen Fortschritts. Hierauf
kommen wir zu der eigentlichen Philologie, bei deren Betrachtung
der Vf. sich ziemlich kurz fafst, doch nicht ohne Bemerkungen zu
machen, deren Wahrheit sich uns nur gar zu sehr fast täglich vor
Augen stellt. Denn wer wollte leugnen, dafs sich die unmittelbare
Bedeutung der classischen Philologie für das Leben und die Kunst
gar sehr vermindert hat, dafs sie sich nur zu sehr vom Leben iso*
liert und in die Gelehrtenstuben zurückgezogen hat? Wir können
an dieser Stelle uns nicht auf eine weitere Betrachtung dieser Ver-
hältnisse, ihren Grund, die Möglichkeit ihrer Umgestaltung u. s. w.
einlafsen; es ist aber in der letzten Zeit manches sehr beherzigens-
werthe Wort gesprochen worden , und wir verweisen hiebei auf die
488 J. Schmidt: Geschickte d. deutschen Nationallitteratar in I9li A.
anerkannte Schrift von W. Herbst: das classischc Alterthnm in der
Gegenwart (Leipzig 1852). Besondere Bedeutung far die wifsoD-
schaftliche Entwicklung des 19n Jh. hat die vergleichende Sprachfor-
schung, die ja eine Schöpfung desselben ist, und die mit derselben
entstandene, in ihren Früchten sie noch überragende germanische Phi-
lologie. Diesen beiden Richtungen widmet Schmidt eine ausführli-
chere Behandlung, insbesondere der Thäligkeit W. v. Humboldti,
Bopps, der vcrchrungs würdigen Brüder Grimm und dem kritischen
Genius Lachmanns. Für die im folgenden Capilel vorliegende Betrach-
tung der Entwicklung der deutschen Gcschichtschreibung werden na-
mentlich Ranke und Schlosser, als die hervorstechendsten Gegensitie,
herangezogen und die trefflichen Leistungen des erstem ziemlich
eingehend gewürdigt, wie sie sich denn auch durch die Scharfe der
Kritik und die Kunst der Darstellung aus der Menge der historischen
Werke unserer Zeit herausheben. Wir treten hierauf in einen Ab-
schnitt, welcher über das Wesen der llegelschen Philosophie im all-
gemeinen handelt, welche der Vf. in Verbindung mit der historischen
Schule stellt, indem sie von denselben Motiven ausgegangen den
nemlichcn Läulerungsprocess darstelle. Hegel ist nach Schmidt der
Abschlufs unsrer classischen Richtung : in seinen Werken ftndet sich,
abgesehen von der Form, alles vereinigt, was grofses und schönes
in jener Periode gedacht und empfunden ist. Und diesen Reichthum
an Anschauungen, Empfindungen und Gedanken werden auch die Geg-
ner dem Philosophen gcwis nicht absprechen können, lieber das We-
sen und den Einflufs seines Systems werden auch unter den Lesern
unseres Werkes die Meinungen sicher getheilt sein: Schmidt wird
manchen nicht genug für, andern nicht genug gegen Hegel sagen.
Indes wenn wir uns auch zu denjenigen zählen, welche weder mit
den Grundlagen noch mit den Consequcnzen der Hegelianismus ein-
verstanden sind, so rechnen wir uns auch nicht zu denen, welche
zwar stets bereit ihn zu verurlheilen, aber seinen Werken so fremd
sind , dafs sie weder ihren Ideenreichthum , noch auch die ebenso wo-
nig abzuleugnenden wohlthätigen Folgen derselben für die Fortent-
wicklung der Wifsenschaft anerkennen können. Da der Vf. sich hier
ziemlich kurz fafst und wir mit ihm später auf jene Einflüfse zurück-
kommen werden, sehen wir uns nicht veranlafst, auf das einzelne
weiter einzugehen, weil wir zu weit ab führende Erörterungen ver-
meiden möchten. Im folgenden Abschnitt handelt der Vf. von dem
Einflufs der Gesellschaft und der Frauen auf die Litteratur: Fran von
Stael, Rahel, Bettina sind die besonders hervortretenden Namen. Sehr
interessant ist gleich der Anfang dieses Abschnittes, der den Katho-
licismus und Protestantismus in Bezug auf die Betheiligung des Indi-
viduums einander gegenüberstellt. Bereit zu solcher Anerkennung,
die sich überhaupt schwerlich irgend einem Theil des Buches versa-
gen läfst, verschweigen wir die Empfindung nicht, die uns da und
dort übermannt, als sei manches gar zu fein zugespitzt; so wur-
den w ir von der Entwicklung der Reaction der weiblichen Seite des
i. Sfthmidt: Geschichte d. deulsclieii Nationallitteratur im 19a Jb. 480
nenschlichen Geistes gegen die einseitig männliche Bildung berührt.
Es fahrt das zu der allgemeinen Bemerkung, dafs das jedenfalls nolh-
wendige Streben , das geistige Leben des Jahrhunderts zu durchdrin-
gen, auf die einzelnen Strömungen, aus denen es zusammenflofs , zu*
rückzufahren , ein Bestreben für welches unser Vf. in Schärfe des
Blickes und Urtheils und Reichthum an Kenntnissen besondere Befä-
higung mitbringt, doch auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, die
sich hie ond da bis zur Unbesiegbarkeit steigern. Denn der chemische
Anflösnngsprocess, schon bei körperlichen Zusammensetzungen oft
schwierig, erschwert sich, wenn das geistige Leben Object der Ana-
lyse wird. Die Auflösung gelingt nur scheinbar, und die Darstellung
wird mehr anziehend als überzeugend: es ist nichts gegen die ein-
zelnen aufgefundenen Bestandtheile zu sagen, und auch ihr Zusam-
menhang und ihre gegenseitige Beziehung nicht in Abrede zu stellen,
und doch ist das Ganze der künstlichen Reproduction nicht mehr das,
was es vor der Analyse war. Das ist ein Uebelstand , der an jeder
historischen Darstellung mehr oder minder haften wird und der mit
der Schwierigkeit des darzustellenden wächst: ein Werk, das wie das
ansrige das gesammte Geistesleben einer Nation während eines Jahr-
hnnderts zum Gegenstande hat, wird nicht in allen Stücken über ihn
hinwegkommen können, und deshalb auch unsere Bemerkung nicht
sam Vorwurf werden. Was nun den Inhalt des vorliegenden Capitcls
betrifft, so ist besonders das über Bettina gesagte höchst geistvoll
und anziehend und erfreut auch durch des Vf. ernste Beurtheilungs-
weise, die wir schon früher hervorgehoben haben. Standen die ge-
nannten Frauen in unverkennbarer Beziehung zur Romantik, so ist
dies nicht minder bei dem Nordsternbunde der Fall (Cap. 13), der sich
1803 in Berlin bildete und der die Verbreitung der romantischen
Ideen im Volke beabsichtigte ; ja es werden einige der hieher gehö-
renden Dichter in der Regel gleich den Romantikern beigezählt, be-
sonders Fouqu^ , der wohl auch die engste Beziehung zu der Roman-^
tik hatte. Während Chamisso ziemlich kurz behandelt wird, erfahren
Fonqu^ und Oehlenschläger, welcher in weniger enger Beziehung
zum Bunde stand, ausführlichere Besprechung; je mehr Oehlenschlä-
ger zu den vergefsencn unserer Tage gehört, um so mehr erfreut die
warme und doch nicht gegen Mängel blinde Würdigung von Seiten
anseres Litterarhistorikers. An diese Dichter schliefst sich der zwar
auch jetzt ferner gestellte, aber doch nicht ganz aus dem Gesichts-
kreise geschwundene Hoffmann, auch wohl Teufels-HofTmann genannt.
Auch diese seltsame, talentvolle und krankhafte Erscheinung wird
grfindlich besprochen, wie sich denn überhaupt Schmidt mit vollem
Recht ausführlich besonders Richtungen und Persönlichkeiten zuwen-
det, welche mittelbar oder unmittelbar einen schädlichen Einflufs
fibten, worauf wir später zurückkommen werden. Von Hoffmann ma-
chen wir in unserm Werke einen nach unserer Ansicht nicht genü-
gend vermittelten Sprung zu den Schwaben, zunächst zu Uhland, wo
wir wieder auf höchst anziehende Betrachtungen , verbunden mit Sei-
iV. Jahr. f. PftH. ». Paed. Ud. LXX. fiß. 4 u. 5. 32
490 J. Schmidt: Geschichte d. deutschen Nalionallilteralnr im 19n Jh.
tenblicken auf musikalische und malerische Composilion, stofsen; da-
bei stellen wir nicht in Abrede, dars wir nicht in allen Stücken mit
dem Vf. hinsichtlich der Uhlandschen Gedichte einverstanden sind.
Nach flüchtigerer Erwähnung der Nachahmer Uhlands, die allerdings
weit hinter ihm zurückstehen, kommen wir ku KichendorlT, dem letz-
ten der Romantiker, wie man ihn, nur zum Theil mit Recht, genannt
hat, die er aber an unmittelbarer poetischer Stimmung bei weitem
übertrifft. Wir stellen seine lyrischen Gedichte zu den besten Lei-
stungen neuerer Zeit, sehen uns aber EichcndorlTs neuern litterar-
historischen Schriften — den hier angeführten hat sich jüngst noch
eine dritte, das Drama betreffende hinzugeselU — gegenüber in ent-
schiedenem Gegensatze, namentlich was die AngrilTo gegen den Pro-
testantismus betrifft. Wir gelangen zum valerlöndischen Romane: dem
historischen Romane gestehen auch wir eine bedingte Berechtigung
zu. Auch Iheilen wir des Vf. Verehrung für den grofsen Erfinder des-
selben, für W. Scott, die er auch in einem kleinen Eiuleiliingsschrifl-
chen zu Bozs Werken dargelhan hat. Es verlohnte wahrlich der Hübe,
wenn man sich der Scottschen Richtung wieder zuwendete und von
den Tendenzromanen ablicfse, die jetzt tagtäglich entstehen. Unsere
bisherigen Leistungen im historischen Roman sind im Vergleich mit
dem englischen Vorbild allerdings gering, wenn auch W. Alexis,
Spindler, Rehfues einzelnes verdienstliche gegeben haben: leider wen-
det sich nur der Geschmack unserer Tage von der Scottschen Dar-
stellungsweise zu sehr ab und flach verwerfende Urtheilc schwimmen
oben auf. Das letzte Capitel des ersten Bandes ist Auflösung der
Romantik' überschrieben und behandelt Immermnnn, Platen, Rückert,
Schefer, Mörike. Wie die Romantik sirh erst auflösücnd gegen die
classisehen Traditionen verhielt, ehe sie eigne Principien entwickelte,
so war es in ähnlicher Weise mit der jungdeutschen Litteratur. Nach-
dem man unbefangen seine eignen Ideen gepriesen und mit derselben
Unbefangenheit die fremden ironisiert halte, bildete sich ein Wider-
streit der Empflndung, aus dem dann der sogenannte Weltschmerz
hervorgieng. Dieser Zwischenzustand brachte eine Reihe von schwan-
kenden Charakteren in die Litteratur, die trotz der Trefflichkeit ihrer
Bildung ui:d ihrer Intentionen in ein planloses Experimentieren ver-
llelen. Als Beispiele dieser Richtung führt der Vf. Immermann and
Platen an, indem er zunächst bei dem ersten nachweist, durch wie
manigfaltige Phasen er hindurchgegangen sei, selbst bis über die
jungdeutsche Richtung hinaus, ohne vollendetes zu leisten oder für
sich selbst Befriedigung zu finden. Die zweite Persönlichkeit der
genannten, Platen, ist eine der eigenthümlichslen in unserer neue-
ren Litteratur, eine von denen, welche die widersprechendsten Ur-
theile erfahren haben. Und allerdings ist des kranken mancherlei bei
ihm zu Anden; sein ruheloses anfseres Leben gieng Hand in Hand mit
einem rastlosen Suchen fremder Formen, mit einem steten Experi-
mentieren mit der Form, mit einer im Grunde doch mit Mangel an
dichterischer Schopfungskrafl zusammenhangenden Polemik, bei der
X Schonid : Geschichte d. deutschen Nationallitleratur im 19n Jh. 491
noch dazu der Kämprer in den Fehler verfiel, den er bekämpft. Denn
gewis hat Schmidt Recht, wenn er das Wesen jener Litteratur der
Restaurationszeit in der Trennung von Dichtung und Leben sucht, und
darauf ist man bei allen dichterischen Aeufserungen der Romantik
immer wieder zurückzukommen genöthigt. Und das ist sicher auch
bei Platen der Fall, so volles Lob wir auch seinen Intentionen zu zol-
len haben. Doch hätten wir gern im vorliegenden Werke eine wär-
mere Würdigung der Verdienste Platens um das formale gelesen, und
manche seiner Gedichte und Dichtungen haben doch auch einen über
das formale hinausreichenden Werth. Neben dieser Neigung zum
Experimentieren findet der Vf. in jenem Wendepunkt der Litteratur
noch die Neigung zu einer stillen Grübelei , die aber im Gegensatz zu
der Speculation der Romantik sich auf das materielle wendete. * Man
träumte sich ' sagt er S. 436 ^ eine pantheistische Naturreligion zu-
sammen, die nicht wie die romantische Kunstreligion den aestheli-
schen Bedürfnissen, sondern dem exacten Wifsen Recht geben sollte.'
Für diese Richtung treten uns bei Schmidt Rückert, L. Schefor und
E. Mörike entgegen. Die formale Seite wiegt allerdings in Rückert
vor, und je mehr er sich in die Nachahmungen orientalischer Poesie
verloren hat, um so mehr hat auch das formale das Uebergewicht
erlangt: doch möchten wir darein nicht ganz einstimmen, dafs
auch in den übrigen Gedichten der sinnliche Klang dem Dichter auf-
gegangen sei, ehe sich Gedanke und Empfindung allmählich in die-
selben einfügten. Ausführlicher wird der träumende Pantheist, der
Dichter des Laienbreviers, behandelt, dem es trotz seiner namentlich
im Gebiete der Novelle bedeutenden Fruchtbarkeit doch eigentlich an
dichterischer Schöpfungskraft mangelt. Aufser Stande dem Werke ins
einzelne zu folgen, machen wir auch bei diesem Abschnitte auf die
scharfe Auseinandersetzung und sittliche Betrachtungsweise des Vf.
aufmerksam. Nachdem noch als zweiter Hauptvertreter des dichteri-
schen Pantheismus Eduard Mörike, von dem einzelne trelTliche Ge-
dichte bekannter geworden sind als der Name des Dichters selbst , und
dessen Roman ^ Maler Nolten' vorgeführt worden, schliefst der erste
Band.
Indem wir nun auf den zweiten Theil des Werks übergehn, zwingt
ans ein Blick auf die uns schon vorliegenden Blätter zu gröfserer
Schnelligkeit in der Durchwanderung des Buchs, dessen so überaus
reichem Inhalte wir auch bisher nur sehr ungenügend begegnen konn-
ten. Indes wird, je näher die im 2n Bande besprochenen Persönlich-
keiten unserer Zeit stehen, es auch um so leichter werden, uns zu
concentrieren, da bei ihnen noch mehr die Nutzbarkeit des Werkes in
unmittelbarem Sinne für den Unterricht zurücktritt. Wir be-
schränken uns deshalb auf einige besonders anziehende Erörterungen,
Dichtungsgattungen und Persönlichkeiten, nachdem wir zuvor den
Inhalt des Bandes nach seinen Capiteln für diejenigen angeführt, wel-
ehe sich noch nicht mit dem Werke vertraut gemacht haben. Es han-
delt nemlich das erste Cap. von der Litteratur der Revolution , das 2e
32*
482 J. Schmidl: Geschieht« d. deutschen NationalUtleratur im 19ii Jfi,
von dem jangen Deutschland; im 3n werden die lyrischen, im 4n nnd
&n die dramatischen, im 6n und 7n die novellistischen Versuche be-
sprochen , das 8e Cap. betrachtet die litterarischen Tendenzen in der
deutschen Musik und bildenden Kunst, das 9e und lOo den theologi-
schen und politischen Radicaiismus, das lle entwickelt in der Sehlufs-
betrachtung die Neigungen zum Materialismus und zur Naturwifscn-
schafl. Schon dieses kurze Inhaltsverzeichnis spricht deutlich für den
Reichthum an interessanten Betrachtungen, und haben wir schon aus
dem In Bande die vielseitige Kenntnis der litterarischen Erscheinun-
gen und Erzeugnisse zu bewundern Gelegenheit gehabt, so steigert
sich dieses Gefühl nur noch, wenn wir den Vf. in diesem 2n Bande
auch das Gebiet der Musik und der bildenden Kunst gründlich und
sachkundig besprechen sehen , ein Urthcil zu dem uns Aeufsernngen
aus hier competeutem Munde berechtigen, da wir die Vielseitigkeit
des Vf. nicht für uns in Anspruch nehmen können.
Betrachten wir den Eingang des 2n Bandes, so finden wir zu-
nächst eine Entwicklung des Uebergangs zur jungdeutschen Lilt^ralar,
wie er schon am Schlufs des In in der Auflösung der Romantik sich
vorbereitete. An die Stelle des den bisherigen litterarischen Erschei-
nungen gemeinsamen Hintergrundes der Freiheitskriege treten die
von Zeit zu Zeit Europa erschütternden Revolutionen ; mit dem Zwie-
spalt der öfTcntlichen Meinung kommt auch in die Litteratur und Kunst
ein Geist unruhiger Bewegung. Die Rcaction gegen die von der Ro-
mantik ausgegangene Kunst der Restaurationszeit leitet der Vf. aas
der Inhaltlosigkeit, Principlosigkeit und Formlosigkeit dieser Kunst
ab. Ihre Mängel riefen die neue Litteraturpcriodc hervor , die der Ge-
gensatz der sie hervorbringenden wurde. Diese charakteristischen Ge-
gensätze der romantischen und jnngdeutschen Litteratur entwickelt der
Vf. dahin, dafs jene von einer wesentlich nationalen, diese von einer
weltbürgerlichen Richtung getragen war, dafs ferne jene sich auf
die historischen, diese auf die Naturwifsenschaften wendete, dafs
endlich die romantische Kunst in ihrem Grundcharakter optimistisch
war, die moderne Kunst pessimistisch ist. Nach diesen geistvolleD
Erörterungen gebt der Vf. auf die neufranzösische Romantik über, die
mit ihrer Verkehrung aller sittlichen Begriffe so unendlich viel Scha-
den angerichtet hat und leider noch immer anrichtet. Daran schliefst
sich die Vorführung einer grofson Erscheinung, in der, um des Vf.
Ausdruck wiederzugeben, sich das gesammte Zeitalter prophetiach
znsammenfafst, Byrons. Von diesem poetisch hochbegabten, genialen
Frevler gehen wir zu dem über, der, zwar weit hinter der Bedeutung
des Vorgängers zurückstehend , doch ihm am nächsten gekommen ist,
zu Heinrich Heine, der noch in den jüngst vergangenen Tagen wieder
von sich reden machte, und zu dem zwar ihm feindselig entgegentre-
tenden und feindseliger noch von ihm behandelten, aber in Natur,
Richtung und Wirkung verwandten Ludwig Börne. Beide werden
scharf und streng beurtheilt, und besonders bei Börne wird dt^anf
hingewiesen, dafs seine Stellung in unserer Litteratur über seinen
J. Schmidt: Geschichte d. deutschen Nationallittcratur im 19n Jh. 493
wirklichen Werth hinausgehe; bei Heine fehlt es neben der Verdamm*
nis seiner frivolen destructiven Richtung nicht an Anerkennung des
glänzenden Talents, das ihm bei anderem Sinn und befserem Glauben
eine hohe Stellung unter den Dichtern Deutschlands gesichert haben
würde. Diese beiden Dichter betrachtet der Vf. als die Vorboten der
neuen Bewegung; diese, nach seiner Meinung in ihrem Auftreten be-
rechtigt, brachte zugleich den Socialismus in die Bewegung hinein,
der sich nun der Litteratur bemächtigte und insbesondere auf die deut-
sche Litteratnr einwirkte. Gegen diese in der Litteratur des jungen
Deutschlands auftretende Richtung wandte sich der Kampf der Ge-
genpartei nach Wolfgang Menzels bekanntem Angriffe, und der Bun-
destag selbst gab eine jene Richtung verwerfende Erklärung. Nach
einer flüchtigeren Besprechung von Nundt und Laube wendet sich der
Vf. zu K. Gutzkow, über den volle 80 Seiten handeln. Wir haben
schon früher bemerkt, dafs in dem 2n Bande einige Persönlichkeiten
in zu ausführlicher Weise heraustreten, und wir bergen nicht, dafs
wir hinwiederum bei andern ein eingehendes, bei einigen sogar ein
erwähnendes Wort vermifsen , worüber uns des Vf. mehrfach gege-
bene Erklärung, dafs er Vollständigkeit nicht beabsichtige, denn doch
nicht beruhigt. Was nun die Kritik der letztgenannten Erscheinung
angeht, so ist sie eine der glänzendsten und schärfsten Analysen des
Werkes. Wenn Schmidt in Gutzkow ein Totalbild von den Verwir-
rungen der Zeit geben will, wenn er in ihm den schädlichsten Schrift-
steller erblickt, so berechtigt freilich Absicht und Ueberzeugung zu
einer besonders eingehenden Behandlung. In vielen Beziehungen wer-
den auch die Leser mit dem Vf. übereinstimmen, wenn sie vielleicht
auch nicht ganz das Verdammungsurtheil z. B. seiner dramatischen
Werke unterschreiben ; aber in der einen Beziehung wird man wohl
uns beitreten müfsen, dafs diese Partie des Werkes, durch und durch
verdienstlich in dem Grunde von dem sie ausgeht, doch nicht frei ist
von persönlicher Gereiztheit, welche im Verlauf des Streites hinzu-
kam. Nach dem vorhergegangenen Streite zwischen Gutzkow und
dem Redacteur der ^ Grenzboten' möchte man diese jedenfalls sieg-
reiche Kritik als den Schlufsstcin einer Reihe vorhergegangener An-
griffe betrachten. Uebrigens sind wir der Ansicht, dafs Gntzkow sich
schon geraume Zeit in der Production und auch in seiner Geltung ab-
wärts bewegt, und eben in diesem Sinne hätten wir uns mit einer ge<
drängtern Besprechung gern begnügt. Von da geht der Vf. auf die
neuere Zeit über, wobei A. Grün, N. Lenau, Beck, Ullrich, Sallel,
Gotischali, Herwegh, Freiligrath, Reinick, Kopisch, Redwitz, Dau-
mer zur Besprechung kommen. Wir können hier nicht wohl auf das
einzelne eingehen , verweisen besonders auf die gerechte Würdigung
von Redwitz, der aus seinem kurzen Glänze schon wieder in das Dun-
kel der Vergefsenheit zurücktritt, seitdem sich seine Unfähigkeit in
der Sieglinde so deutlich herausgestellt, und möchten für eine ja wohl
bald zu erwartende zweite Auflage sowohl um eine nicht zu knappe
Behandlung Geibels, der schon um seiner aufserordenllichen Verbrei-
494 J. Schmidl: Geschichte d. deulscheti Nalionalliltcratur im 19n Jh.
tung willen ein Wort verdient, als um die Berücksichtigung jüngerer
Talente (Roquette, Lingg u. s. \v.) bitten. Hierauf folgt die Betrach-
tung der neuern dramatischen Litteratur , und wenn wir den Vf. in die
lebhaftesten Klagen über den Verfall des Dramas und des Theaters
ausbrechen hören, werden wir wohl nur einstimmen können. Denn in
der That liegt unsere dramatische Poesie arg danieder: ihr ist weder
aus den Zeiten der Romantik, noch aus den Einflüfscn der jungdeul-
schen Poesie ein nachhaltiger Vorlheil erwachsen, und wollen wir
unsern Blick auf die Theaterzustände ausdehnen , so finden wir da den
gröbsten Realismus, der das Tlieater in seinem innersten Wesen be-
droht und zugleich sich feindselig gegen die dramatische Poesie wen>
det. In dem ersten der beiden Capitel, welche bei Schmidt der dra-
matischen Dichtung gewidmet sind, werden wir an einer nicht unbe-
deutenden Reihe von Persönlichkeiten^ wie Grabbe, Büchner, Mosen,
Halm, Mosenthal, Elise Schmidt, 0. Ludwig vorbeigeführt; dafs des
letztern bedeutendes Talent auch bei Schmidt warme Anerkennung
findet, gereicht uns zu nicht geringer Freude. Neben diesen selbstän-
digen Erscheinungen, bei denen doch noch von dramatischer Poesie
die Rede sein kann, und zu denen noch der in dem nächsten Cupitel
ausführlich behandeile talentrciche, aber sich immer (iofer in lrv\cgo
verstrickende Hebbel zu rechnen ist, hüben wir eigentlich heut zu
Tage noch einer theatralischen Litteratur zu gedenken, wie wir
denn überhaupt eine solche Trennung in theatralische und dramatische
Schriftsteller jelzt leider für möglich halten, wenn man nicht den kür-
zern Weg gehen will und die ersten gleich aus der Reihe der Schrift-
steller herausstreicht. Auch diesen Fabrikarbeitern, welche die Bühne
beherschen und von den meisten, selbst den gröfsten Bühnen gar zu-
vorkommend behandelt werden, wirft Schniiilt einen Seitenblick zu:
wir können sie hier nicht nennen und beschränken uns darauf, unser
Bedauern über den Verfall der Dichtung wie der Buhne, gegen den
nicht einmal ernstlich angestrebt wird, zu wiederholen. Die folgenden
Abschnitte sind den novellislischen Versuchen gewidmet, die sich in
Fluten, freilich meist sehr mittelmäfsigen Inhalts, über die Litteratur
ergofsen haben. Der Vf. beginnt mit dem Hinblick auf die gerade hier
besonders hervortretende Slärke der fremden EinHüfse und macht auf
das darin liegende Misverhältnis aufmerksam: als besonders einwir-
kende Persönlichkeiten werden Bulwer, George Sand und Eugen Sue
bezeichnet. Von deutschen Schriüstellern wird die criminalislischo
Belletristik, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, der Hitzig und Hü-
ring und ausführlicher noch die Gräfin Hahn-Hahn behandelt, bei
deren Besprechnnij wir zugleich auf geistvolle Erörterungen iiber re-
ligiöse Confessionen und Apostasien stofsen. Im folgenden behandelt
der Vf. die auf diesem Gebiete entstandene Keaclion, die sich aus die-
ser Zerfahrenheit und Zerflofsenheil wie<ler zu einer wirklichen Freude
an den Gegenständen zu erheben suchte. Wir begegnen hier Sheals-
field, Haekländer, dann Andersen, der uns zu gut wegzukommen
scheint, StilTier, Auerbach und dem leider jünjLjsl verstorbenen Jere-
J. Schmidt: Geschichte d. deutschen Nationallilterulur im 19n Jh. 495
mias Gotlhelf (Bilzius). Bei dem folgenden Cap. wird jeden die Ver-
trautheit des Vf. mit der Musik und iMalerei mit grüfster Anerkennung
«rfüllen: denn mag auch Schmidt vermöge seiuer Stellung zu einer
der besten Zeitschriften über ein reiches Material verfügt haben, so
geht doch aus dem vorliegenden Abschnitte dcnilich genug hervor,
dafs es sich nicht um angeeignete , sondern um eigne Anschauungen
handelt, und dafs wir es mit einem gründlichen Verständnis und nicht
mit einem oberflächlichen Dilettantismus zu thun haben; wir rechnen
diesen Abschnitt zu den interessantesten des ganzen Werkes. Das 9e
und lOe Cap. führt uns hierauf in die Gebiete des theologischen und
politischen Radicalismus; hier kommt der Vf. noch einmal auf Hegel
zurück, die Ginwirkungen seiner Philosophie auf Religion und Politik
beleuchtend, und geht dann auf Straufs, Fenerbach, Rüge, Bauer,
Daumer u. a. über. Der Vf. schliefst sein Werk mit der Bemerkung,
dafs der Gesammleindruck der Bilder zwar nicht erfreulich sei, dafs
er aber doch die gegenwärtigen Zustände höher als die von 1790 oder
1817 stelle, indem sich ein Fortschritt im Volke kund gethan habe.
Die Poesie sei von einer Krankheit in die andere gefallen, die Wifsen-
Schaft mit Riesenschritten vorwärts gedrungen, aber die historischen
Wifsenschaflen haben sich von dem Leben losgelöst und seien in die
Studierstubcu gewichen, die Nalurwifsenscliaft sei es, der sich dio
Zeit zuneige. Und so steht denn an der Schwelle des Werkes , von
dem wir nun scheiden, hier die grofse verehrungswürdige Figur
Alexanders von Humboldt.
Blicken wir nun noch kurz auf das ganze zurück, so müfscn wir
mit dem Ausdruck der höchsten Anerkennung schlicfsen. Dazu zwingt
uns die in dem Werke sich kundgebende Vielseitigkeit des Wifsens,
Gründlichkeit der Kenntnisse, Schärfe des Urtheils und der sittliche
Ernst, der diesem Urtbeile zu Grunde liegt. Freilich verhehlen wir
uns nicht, dafs diese Kritik der Litteratur des 19n Jh. nur eine Vor-
arbeit zu einer Geschichte derselben uns zu sein scheint, aber es
möchte kaum ein zweiter für eine solche in der Weise des Vf. be-
fähigt sein. Wir waren aufser Stande in den vorliegenden Blättern
auf eine speciclle Betrachtung einzelner Punkte einzugehn, wir wollten
vorzüglich diejenigen, welche diesem Werke fremd geblieben sind,
auf eine Betrachtung desselben durch eine Erörterung seines Inhaltes
aufmerksam machen. Und kein Lehrer der deutschen Litteralurge-
schichtc, ja kein Freund derselben wird es, wenn er auch nicht über-
all derselben Ansicht sein, wenn er selbst in andern Voraussetzungen an
das Werk gehen mag, wie wir das z. B. von uns seihst nicht in Abrede
stellen , ohne reiche Ernte aus der Hand legen. Und indem es Er-
scheinungen, mit denen wir auch in der Schule verkehren, scharf be-
leuchtet, Beziehungen und Zusammenhänge erörtert, die auf Littera-
turrichlungen und Persönlichkeiten helleres Licht werfen, wird es auch
dem Lehrer der deutschen Sprache und Litteratur, wenn derselbe auch
in seinem eigentlichen litterarhistorischen Unterrichte mit der classi-
schen Periode schliefst, nicht ohne Nutzen sein; denn jener Abschlufs
496 J. Schmidt: Geschichte d. dcuUchen Nationallittoratur im 19n Jh.
wird immerhin einzelne Bemerkungen und Andeutungen namentlich
über einige hervorragende Persönlichkeiten nicht ausschiiefsen kön-
nen. Wir schliefsen mit dem Wunsche^ der um die neuste Lilleratar
durch seine Kritik hochverdiente Vf. möge in der zweiten Auflage sich
eine Ausdehnung seiner Betrachtungen, namentlich auf dem eigent-
lich poetischen Gebiete, durch Aufnahme einzelner PersönliclikeilcSy
angelegen sein lafsen.
Dresden. F, P.
Kürzere Anzeigen.
Zur Litteratur des Demosthenes.
Erster Artikel.
Schriften über Demosthenes und Ausgaben seiner Reden, zumal der
philippischen, sind in den letzten Jahren schnell aufeinander gefolgt;
vielleicht auch darum, weil die politische Bewegung in unserer Zeit
überhaupt das Verständnis der classischen Redner und GeschichtAchrei-
ber nach der politischen Seite hin erst eröffnet und insbesondere das
Interesse für Dem. gehoben hat. Jetzt mag ihn mancher lieben und
verstehen , dem der Schmerz um das eigene Vaterland durch die Seele
gegangen ist. Aber musten wir« erleben, dafs im grofsen das Ziel
verfehlt ist, weil neue Bahnen ohne klare Einsicht eingeschlagen Mnd,
so mögen wir Schulmänner ohne Bitterkeit Irwege ansehen, welche auch
auf unserem kleinen Gebiet zu dem geahnten Schatz nicht gefuhrt, das
Verständnis des Redners nicht gefördert haben. Solchen Weg schlagt
eine im Frühjahr 1849, in einer Zeit voll politischer Aufregung er-
schienene Schrift ein: das Programm von Bautzen:
1) Duscrtatio a C. P. Jaehne, Gymnasii Suhr., conseripta, qua
dcmonsiratur , quanium adolcacenics nostratcs litterarum ttü-
diosi lectionc Demoathcnis iuvcntur in rebus ciuUibus rede ep-
gnoscendii.
Die Geschichte Griechenlands und sein Untergang liegen abge-
schlofsen vor uns; die Geschichte Deutschlands in ihrem bisherigen
Verlauf bietet nur zu viele Parallelen : wer fürchtet nicht bange ein ähn-
liches Ende V Die Mittel, welche der Vf. sieht, dem zu wehren, sollen
die Junglinge ans Dero. Reden lernen. Es werden summarisch Philipps
Thaten, Charakter, die Vortheile seiner Stellung — alles durch An-
einanderreihung von Stellen aus dem Redner geschildert ; ebenso die
Verderbnis der Führer in Athen und des Volkes Leichtsinn; sodann
wird beklagt, wie das Kriegswesen daselbst verfallen, das Klottenwe-
sen nicht geregelt, das Geldwesen zerrüttet sei. Daraus nun sollen
die Jünglinge lernen, Deutschlund vor Russen und Franzosen zu wah-
ren, die Beredsamkeit nicht als die beste Führerin im gutgeordneten
Staat anzusehen; ferner dafs wir ein Heer haben müfsen, dem Feinde
furchtbar und im Frieden so gut wie im Kriege gerüstet; sie werden
auch die Nothwendigkeit einer deutschen Flotte liegreifen und einsehen,
wie viel Unglück aus der Begierde nach Reichthum zu entstehen pflegt.
Und der künftige Diplomat, kann er nicht alle Pflichten eines gnteii
Gesandten hier lernen? und die befsercn Köpfe unter der Jugend wer-
C. P. Jaehne : de lectione Demosthenis. 497
den iiu klare kommen, welche Staatsform die beste ist: für Dentsch-
land das erbliche Kaiserthom (S. 95). Des Vf. ganz gewis loblicher
Wille nnd die Samroe seiner Gedanken, aber auch der ganze Mangel
dieser Schrift an logischer Beweisfahrung spricht sich in dem Schlufs-
satz ans (S. 26): 'Nam si verum est, quod Isocrates ait, reipublicae
formam mentem qnasi esse civitatis, abundabnnt (adolescentes) intel-
Jigentia propter magnam et oratoris auctoritatem et Atheniensinm , quo-
mm ille eos scientia augebit, hi exempiis.' Die Jünglinge werden,
sagt der Vf., die constitutionelle Monarchie über alles schätzen lernen.
— Es wird doch bisweilen dem Vf. bange, als mochte diese Anleitung
der Jugend hie nnd da misverstanden werden. Er halte die Jugend,
sagt er, keineswegs berufen, das Staatsruder zu ergreifen, aber das
Schiff selber in all seinen Theilen und Zwecken sollten sie kennen
lernen, um als Männer durch Kunde und Erfahrung im Seewesen aus-
gezeichnetes zu leisten. Aber wäre das Gleichnis treffend, so muste
man auf der Schule die einzelnen Bänder und Räder besprechen, welche
die Verwaltungsmaschine des Staates zusammenhalten und in Bewegung
setzen : dem künftigen Staatslenker zu ebensoviel Nutzen, wie der Schiffs-
capitain von den Kähnen aus Borke haben wird , welche er sich als
Kind auf dem Lande gemacht hat. Der künftige Matrose soll gesunde
Sinne und geschmeidige Glieder mitnehmen, wie der knnftige Staats-
barger festen Charakter und kräftiges Urtheil, damit er einst erkennen
lerne: erst die Verhältnisse des wirklichen Lebens, wie sie sind, dann
vielleicht mit Einsicht nnd mit reinem nnd festem Sinn auf eine Befse-
rnng denke. Wie sittliche Fehler auch politische Fehler sind und
ganze Staaten ins Verderben fuhren, hat nie ein Redner nachdrucklicher
und erschütternder als Dem. ausgesprochen : lehren wir den Schüler die
fewaltige Macht dieser Worte verstehen; ihren Sinn für das wirkliche
■eben fafst er schon selber zu seiner Zeit, den nachhaltigen Eindruck
können sie nie verfehlen, wo des Lehrers Herz warm für sein Vater-
land schlägt. Doch auch geschichtliche Parallelen will ich nicht ver-
werfen, wo sie aus abgeschlofsenen klar vorliegenden Zeiten genommen
sind; aber mit aller Kraft spreche ich mich dagegen aus, der unfer-
tigen Jugend die unfertige Gegenwart als Gegenbild jener Ereignisse
vorzuhalten, weil dies, ebenso wie der Redner selber die Geschichte
nur tendenzweise braucht, niemals anders als in Zwecken der Parteien
geschehen kann. Wir dürfen überhaupt — wenn anders der Mann noch
Freude an den Classikern behalten soll — nicht alles in den Alten für
die Jugend erklären ; ihrem Gesammtinhalt nach sind sie — und haben
selber sich niemals andere Leser gedacht — Lectnre für Männer. Nie-
bahr that recht, wenn er in den Zeiten napoleonischer Unterdrückung
die le Philippica von Dem. für Deutschlands Männer übersetzte, und
der grofse Friedrich verstand des Redners Lehren anzuwenden*); —
die Jugend braucht andere Führung.
2) Demosihenes als Staatsmann und Redner von Dr. Soltly
k. Prof. an d. Univ. zu München. Wien 1852. ♦♦)
Ich setze das Vorwort her, und darf über das Buch selber am so
kürzer sein. ' In den fieberhaften politischen Zerwürfnissen der Gegen
wart, da so viele das gemeinsame Heil nur in dem gänzlichen Üm-
atnrze des bestehenden und von der Gründung einer Republik erwar-
teten, da beinahe jeder Tag einen andern Staatsmann werden und ver*
gehen sah; in dieser Zeit einen gefeierten Staatsmann des Alterthums
*) S. Boeckhs Rede am 29. Jan. 1846 S. 11.
*♦) [Vgl. auch NJahrb. Bd. LXV S. 44 ff.]
498 Söltl: DciiiosUienes als Staatsmann und Redner.
betrachten, seine Ansichten, Pläne und Bestrebungen, sein vielbeweg-
tes Leben und endlich seinen Tod vornherführen und dabei die inneren
traurigen zerrifsenen Zustände der vielgepriesenen hellenischen Re-
publiken oiXen darlegen: dies könnte, schien mir, den einen zur ange-
nehmen Krhulung, den anderen zur Warnung und Belehrung dienen.
Schon früher, da ich meinen Schülern einzelne Reden des grol'sen Mei-
sters erklärte, suchte ich in den Geist desselben einzudringen und
sammelte vieles über ihn und seine Zeit. Jetzt ordnete ich die zer-
streuten Blätter, nachdem ich die neuesten Forschungen benutzt hatte,
und gestaltete daraus ein Ganzes. Mir war nicht darum zu thun,
die vielen langen und gelehrten Abhandlungen über einzelne Reden,
Personen und Zeit Verhältnisse zu vermehren; sondern ich wollte jene
längst vorübergegangeue Zeit in ihrem Gesammteindrucke schildern
und einrii Staatsmann zeigen, der trotz alier Verfolgung sein Vaterland
wahrhaft liebte und es aus den Greueln der Anarchie retten wollte,
und (leisen Leben un<l Tod eine glänzende Lobrede auf die Monarchie
sind.' — Das leBuch beginnt mit ganz kurzen Bemerkungen über den
Zustand der hellenischen Republiken nach dem peioponnesischen Kriege
und über Dem. Jugend, behandelt aber von S. 5 — Ö2, meint in ein-
zelnen Capiteln, die einzelnen Reden nach der Zeitfolge bis zu Olynths
Belagerung, und zwar so, dafs die allgemein bekannten Thatsachen
aus der Geschichte dieser Zeit wie aus dem Leben des Redners vor
jeder Rede kurz besprochen werden, sodann ausführlich die Hauptge-
danken derselben dem Redner Schritt für Schritt nachgeschrieben sind.
J)a8 lOe Cap. des '2i\ B. schliefst (S. I>S7) mit der Rede für den Kranz,
Wir betrachten zuerst die kurzen geschichtlichen Bemerkungen. Kur
den hohen Standpunkt, auf welchen der Vf. bich gestellt hat, sind Ci-
täte von Arbeiten anderer überllüfsig. Wir wollen dies nicht eben ta-
deln, können jedoch ebeuNowenig ein günstiges Urtheil über die Art
fällen, in welcher derselbe die neuesten Forschungen benutzt hat. Denn
nachgerade ist dieser Zeitraum der griechisclien Geschiclite so oft und
80 tüchtig behandelt, dafs wir aulWr der klaren Krkonntnis vieler ein-
zelner Facta auch überall wifseii, wo unser WifscMi seine Grenze hat.
Der Vf. hat diese Grenze bisweiten nicht erreicht, bisweilen überschrit-
ten. Kr macht beispielsweise fS. "24) Philipps Aufenthalt in Theben neun-
jährig, läfst (8. '27) den Bundesgcnofsenkrieg gegen die grofseren und
kleineren Inseln geführt sein und erklärt für den besten Feldherrn in
dieser Zeit Chares, durch welchen Krieg (S. ö\)) Rliodus im Friedens-
schlufs beinahe die volle Selbständigkeit errungen habe. Wir erfahren
(S. GÜ), dafs seit dem J. 432 alljährlich tausend Talente in den Scbati
zurückgelegt sind, mit der Bestimmung, ihn nur in dringenden Fallen
zu verwenden. Die Untersuchungen, welche über einzelne Reden neuer-
dings angestellt und noch keineswegs abgeschlofsen sind, haben —
doch wohl mit Absicht — keine Beachtung gefunden. Der Vf. läfst
(S. 42 n. 48) die Midiana von Dem. gesprochen sein, nimmt (S. 52)
die le Pliilippica als unbestritten eins an. hält (S. 143) Philipps Send-
schreiben und (S. 20.S) ein/eliic Briefe, die unter Dem. Namen hinter-
lafsen sind, für echt, kümmert sich (S. 11) nicht um die Frage, was
man von Dem. Reden für und wider Apollodor zu halten habe, wie er
denn überhaupt die Privat reden ganz aus dem Kreise seiner Betrach-
tung ausschliei'st. In der Darstellung von Dem. und Aeschines ZwiMt,
in9l>esondere wo von der Gesandt>chaft an Philipp gehandelt wird
(8. 97), folgt der Vf. unbedingt jenem Re<lner und sucht einzelne Wi-
dersprüche und oiVenbare Lügen in Aeschines Hede nachzuweisen. In
diesem Streite wird für jeden Leser die (Sesamnitansicht , welche er
sich Von jenen Männern gebildet hat, entscheiden uiüfsen, darum mögen
wir hier keinen Vorwurf erheben; aber wo der Vf. durch eigene Schlufsc
SöUl : Demosthenes als Staatsmann und Redner. 409
nackt überlieferte Thatsachen erklären will , also die Beweg^ünde der
handelnden Personen aufdecken and die nuthwendigen Folgen des ge-
schehenen darlegen, da vermirsen wir — verhältnismärsig oft genug
— klares und besonnenes Urtheil. Das reimt sich doch nicht, um von
dem kleinsten anzufangen, wenn es S. 41 heifst: 'Dem. wurde zum
Opfervorsteher für den Dienst der Rachegöttinnen erwählt und brachte
in dieser Wurde die Opfer für den Staat dar. Dies liefs Meidias ge-
schehen, denn er konnte keinen Schatten einer Schuld an demselben
auffinden; aber plötzlich verklagte er ihn, als denselben das Loos zum
Mitglied des Senates bestimmt hatte und als eben die Prüfung der
Würdigkeit stattfand.' Oder ist der Vorwurf gegründet, welchen der
Vf. ausspricht (S. 68): 'die (le) Rede gegen Philipp war vergeblich
gesprochen, und daran war der Redner und warc;n die Zuhörer Schuld:
^em., weil er die Macht des Feindes gering achtete und den Auf-
schwung (Vfaceduniens einzig dem Leichtsinn und der Sorglosigkeit der
Athener zuschrieb und glaubte, die Kraft der Beredsamkeit werde und
könne die alten Tugenden erwecken'? Oder heifst das den Kern der
Sache aufdecken, wenn (S. 90) der Untergang von Olynth 'eine F'rucht
der Pöbelherschaft' genannt wird, 'die in den Städten ihren wüsten
Thron aufgeschlagen hatte, auf den sich jeder wort- und listenmäch-
tige schwang und bald wieder von einem machtigeren verdrängt wurde;
das war die Folge der öffentlichen Verhandlungen und Beschlüfse, da
das gesammte Volk alles hören, beurtheilen und entscheiden wollte'
u. 8. w. Wir sprechen es geradezu aus: wer dem heutigen Staats-
mann ein Muster vor Augen stellen will, sollte nicht so wohlfeil rä-
sonniercn. Ich hoffe, dafs die Bürger unserer Monarchien ein besserer
Sinn als die Athener in Dem. Zeit beseelt, sonst möchten leicht in Zu-
kunft mit ebensoviel Recht oder Unrecht Schlüfse entgegengesetzter
Art gezogen werden. — Aber ich habe keinen Grund , an der Liebe zu
zweifeln, welche der Vf. für Dem. edlen Charakter an den Tag legt.
Im lln Cap. (S. 189 — 198) schaut er auf die Laufbahn des Redners zu-
rück und betrachtet im Ueberblick dessen ganzes Wirken und Wol-
len; im 12nCap. (bis S. 204) den Charakter. 'Worin besteht denn die
grofse Kraft und Kunst der Rede, die den Dem. seinen Zeitgenofsen
ehrwürdig und fruchtbar machte? In der Wahrheit.' — 'Er dachte nur
an die Gröfse und den Ruhm seines Vaterlandes.' — 'Was Dem. vor-
schlug, war überdacht, den Verhältnissen angemefsen nnd ausführbar,
für den gegenwärtigen Augenblick immer das beste, zugleich nützlich
und edel.' — 'Dann besteht die wunderbare Kraft seiner Rede, dafs
er für die Wahrheit auch immer den richtigen Ausdruck findet; dafs
er je nachdem es nothwendig ist jetzt den Verstand, jetzt das Gefühl
anregt und so auf den Willen einwirkt; dafs er für gewöhnliche Dinge
auch gewöhnlicher Worte, für erhabenes aber einer ungewöhnlichen
«icharfbezeichnenden and kühnen Ausdrucksweise sich bedient.' — Mau
kann in alle diese Behauptungen einstimmen und dennoch, wie ich, der
Ansicht sein, dafs daraus weder ein bildendes Moment für den Leser
demosthcnischer Reden gewonnen noch überhaupt das Verständnis auch
nur einer einzigen seiner i*erioden gefördert wird. Für jenen Zweck
fehlt das individuelle, nach dieser Seite hin hängt alles davon ab, duis
man in jedem cnncreten Fall die obigen Behauptungen erweisen kann.
Jede allgemeine Wahrheit hat unbestrittene Geltung, aber wirksam wird
sie, weil des Menschen Thun und Denken ein endliches ist, erst im
einzelnen Fall, wo Individuum, Zeit, Ort und Umstände ihr ein be-
stimmtes Gepräge als That oder Wort aufdrücken. Die Rede wirkt
durch Worte, aber wer die Rede und den Redner verstehen will, mufs
nachweisen, warum in jedem einzelnen Fall Herz und Geist des R(?d-
ncrs, durchdrungen von jenen allgemeinen Wahrheiten, sich gerade
500 A. Schäfür: Demoslh. a. die alhen. Staatsmänner seiner Zeit.
diese Form des Aiisdrocks geschafTen hat. Nar von einem durch be-
stimmte Begriire vermittelten und erklärbaren Ausdruck lafst «ich ein
bestimmter Eindruck erwarten. So ist denn auch von blofsen Inhaltf-
angaben der Reden, welche den grofsten Theil de« vorliegenden Boches
lullen, wenig Nutzen abzusehen. Mit richtigerem Takt, obwohl ohne
richtige Disposition und durum häufig unter Wiederholung de« schon
gesagten, sind im ISn Cap. einzelne Dem. eigenthilmliche Grundsatie
zusammengestellt. Der Vf. behandelt im 13n, dem letzten, Capitel
(S. 205 — *2r2) des Redners letzte Schicksale und Tod. — Soll ich
nach alle dem diesem Buche gegenüber den Schriften, welche über den-
selben Gegenstand schon geschrieben sind, einen Platz anweisen, so
würde ich keinen Fortschritt gegen das 1816 erschienene Werk von
Becker: ^Demostbenes als Staatsmann und Redner' erkennen, stelle
«'S aber weit unter das Buch von Theremin: ^Demosthenes und Massil-
lon' Berlin 1845.
Einen bedeutenden Fortschritt verspricht:
3) Detnost/ieties und die athenischen Staatsmänner seiner Zeit
von Arnold Schaefcr. Leipzig 1854.
Davon liegt bis jetzt ein Bruchstück und zugleich Probestuck vor,
aus dem In Buch das 2e u. 5e Capitel, gedruckt als G rat ulatio nasch rifl.
Das 2e Cap. bespricht ^die rednerische Ausbildung des Demosthenes'
in einer Weise, die ausreicht, um ex ungue leonem zu erkennen; denn
es findet sich darin was zu solchem Werke befähigt: umfafsende Ge-
lehrsamkeit, anhaltende und liebevolle Beschäftigung, ein scharfes nnd
durch gesunde historische Auffafsung mafsvoU gehaltenes Urtheil, das
Vermögen geschmackvoller Darstellung. Der geehrte Vf. halte sich
überzeugt, dafs unterz. mit Freuden seine wenigen Vorarbeiten la
einem ähnlichen Werke bei Seite legt, um mit Zuversicht entschieden
befseres zu erwarten. Nur eine Frage. Wird auch die rednerische
Vollkommenheit des Dem. auf<führlichi-r Besprechung unterzogen wer-
den? Das vorliegende Capitel behandelt seine 'rednerische Ausbil-
dung': ich gebe einen kurzen Auszug. Unter Gefahren und Mfihsali
aber nicht ohne nachhaltigen Gewinn hatte Dem. seine Lehrjahre be-
standen. Isaeos unterstützte ihn, deflsen Kinflufs auf den eifrigen Scha-
ler nachgewiesen wird, so wie die Wirkung, welchen der oropische
Process des Kallistratos auf Dem. gehabt hat (S. 1'2). An welchen rhe-
torischen Schriften hat sich Dem. ferner gebildet V sicherlich hat er
den unmittelbaren Unterricht des Isokrates nicht genofsen und war
ebensowenig Piatons Schüler, wenn schon beide so bedeutende Zeitge-
nofsen und Mitbürger nothwendig auf ihn nicht weniger wirken mosten
als das sattsam nachzuweisende und nachgewiesene*) Studium früherer
Autoren, besonders des Thukydides (S. 21). Denn Dem. hat, wie Dio-
nysios ausführlich erörtert, seine Redeweise an allem ausgezeichneten
gebildet, und wie ihn geistige Verwandtschaft vorzugsweise an Thn-
kydides fefselte, so hatte er mit Piaton gemeinsam die Richtung auf
das ideale, stellte sich aber, Piaton gerade entgegengesetzt, auf den
Grund der gegebenen Verhältnisse, welche er zu reformieren sucht **)|
Isokrates Schriften hat Dem. unzweifelhaft studiert, aber zwischen
beiden be?itand von vorn herein ein innerer Widerspruch in den Grund-
sätzen nicht minder wie in der künstlerischen Behandlung der Rede.
Persönlichen Verkehr scheint Dem. mit dem Dialektiker Eubulides ge-
♦) Trotz Bake in der Biblioth. crit. nova V. V P. I p. |76.
**) Darum hat ihn auch Cato zum Vorbild genommen: Plut. Cato
1 . 2 u. c. 4.
G. W. Nitssch: de Demosthene oratore. 501
habt za haben (S. 33). — Aber der Erfolg des Redners in Athen Meng
▼on seiner Action ab, der VoUkommenheU seines Vortrags. Diese rang
Dem. seiner kargen Natnr darch beharliche Uebang ab, unterrichtet
in der Action wahrscheinlich Ton dem Schauspieler Andronikos (S. 40).
Dieselbe Strenge und Gewifsenhaftigkeit im Arbeiten bewahrte Dem.
nach im Mannesaiter und zog sich dadurch manchen Spott zu; aber
damit vertragt sich kaum der Vorwurf wollustiger Weichlichkeit, wenn
man diesen in dem Namen BccTzaXog ausgesprochen findet (S. 45). —
Das 3e Cap.: Dem. als Rechtsanwalt.^ Der an sich keineswegs unehren-
haften Thätigkeit eines Xoyoygeifpog sich zuzuwenden wurde Dem. schon
durch die Einbufse seines vaterlichen Erbes gezwungen; seine Reden
sind eine Fundgrube für die Kenntnis der athenischen Gesetzgebung
(8. 48).
4) G.G.Nitzschii disputaiio de Demosthene oraiore taU qua-
lem Plato requisitit. Ind. schol. Kiliae 1860.
Die kurze Abhandlung ist im Hinblick auf die Lage des Vaterlands
geschrieben, mit schwerem Ernst. 'Die Weisheit bewahrt ihre Kraft
and ihren Inhalt zumeist darin, wie wir im staatlichen Leben han-
deln' (S. 4). Diesen Gedanken fuhrt der Vf., ohne eben einen streng
Jogiseben Gang zu verfolgen, in einer Vergleicbung durch, welche er
zwischen Phokion und Dem. anstellt; beide sind Schuler Piatons, Dem.
wenigstens dem Geiste nach. Er entscheidet (S^ 6) mit Niebnhr für
Dem., auf welchen Euripides Ausspruch passe: ovtog &* ovtjq agitnog^
Scxig ilnCat, ninot&av asC" x6 8' anoQiiv dvÖQog naxov. Doch überall
dringe der Redner darauf, dafs wir durch eigene Anstrengung uns gött-
lichen Beistandes werth machen. ^ Ita exprompsit illam , quam Socra-
ticam quandam dizi, corripiendi castigandique liberrime audaciam *
(S. 7).^
Hoffnungen erweckt der Titel eines Buches: 5) Les arateurs
Atliques et les Saints Pdres ou Etüde d^histoire Utteraire sur
tiloquence Grecque. Malines 1850, — Hoffnungen, welche die Lecturc
des Buches zerstört. Der Vf., Isid. van Overstraeten, membre
des Acad^mies des Arcades, du Pantheon et de Ste. C^cile, hat nach der
Vorrede (aus dem J. 1845) noch jung diese Zeilen für die Jugend ge-
schrieben, elles n'exig^rent ni Tinspiration et le g^nie qui cr^e, ni le
profond savoir, couronne de TAge mdr. Nun aber bespricht der Vf. ein-
mal die ganze Geschichte der griechischen Beredsamkeit und der Rheto-
rik und der Philosophie von ihrem Ursprung bis zum Tode des Deme-
trius Phalereus (S. 1—33); sodann die sogenannte alexandrinische Bil-
dungin ihrer ganzen Ausdehnung, den Einflufs einbegriffen, welchen sie
auf die römische Litteratur geübt hat (bis S. 44); auch werden nebenbei
die wichtigsten Historiker aus Griechenland und Rom verglichen; die
rhetorisch - grammatische Litteratur der Kaiserzeit schliefst den In Ab-
schnitt (bis S. 55). Ich mnfs gestehen, dafs wir in Deutschland nicht
absehen, wie eine genjSgende Behandlung eines so massenhaften Stoffes
ohne tiefe Gelehrsamkeit oder doch ohne Inspiration möglich ist. Aber
im 2n Abschnitt (S. 55 — 111) unternimmt Hr. v, O. eine Geschicht-
schreibung der ganzen griechischen Patristik bis in die Mitte des 5n
Jh. und kritisiert die sammtlichen noch vorhandenen Werke dieser Kir-
chenväter. Wenn der noch jugendliche Vf. alle diese Werke gelesen
hat, kann dies nur in einem Alter geschehen sein, dem naturgemäfs ein
selbständiges Urtheil noch abgeht. Der 3e Abschnitt (S. 112 — 141)
bietet Raisonnements über die Entwicklung des Christenthums gegen-
über dem Heidenthum und dem Sectenwesen und nimmt, wo nicht von
den lateinischen Kirchenvätern gehandelt wird, den Charakter einer Prc«
502 1. van Ov^crslraelen: les oraleurs Alliqutis.
<ligt an. Was nun hat dem Vf. den Muth zu diener Arbeit gegeben? J*y
consacrai, 8agt er, ce que j'avais, le sentiment et le zMe du beao, an
respect mel^ d^enthousiasme. Das ganze ist denn auch eine warme, im-
merhin ehrliche, aber mit der falschen Maske der Wifsenschaftlichkeit
bekleidete Apotheose des Katholicismus. Ich habe nur noch wenig aber
den In Abschnitt, der uns hier allein angeht, zu bemerken. Die Darstel-
lung leidet an allen Fehlern des franzöhischen Stils, bei Schriftstellern
nicht 'ersten Ranges unerträglich. Um in ihrer eigenen Manier zu reden,
es ruht auf diesem Stil der Fluch der Unruhe. Vollends die Sache bat
aber nichts gewonnen. Wie? Solon vint r^diger ses lois et les imposer
k Äthanes sous le double charme de la po^sie et de Teloquence (S. 6).
Und wolle das niemand für eine Art Gedanken-Zeugma erklären, so wenig
wie (8. 8): les tribnnanx d*Kgypte ^taient les modales et les sources de
ces moeura oratoires de rAr<^opage. Unter dem Griffel des Vf. gewinnt
alles historische Sicherheit. Von L^okrates sagt er (S. 19): ses r^la-
tions intimes avec Philippe de Macf^duine sauv(;rent sa patrie pendant
plusieurs annc^es. Obwohl er Lysias exil6 sein läfst par Lysandre et
les trente comme ennemi de Sparte, nennt er ihn gleichwohl (S. 17)
presque indifferent aux lüttes de la patrie. Für diesen In Abschnitt
seines Buches hat der Vf. selbständige Studien historischer Art sicher
nicht gemacht; das Resultat seiner aesthetischen Betrachtungen spricht
er im allgemeinen so aus (S. 11): il n\ a point dVIocjuence sans po^sie,
disait FentWon, la pocVsie est Tarne de IVIoquence. L histoire le prouve
aussi bien que TcsthfHique; im besonderen erklärt er (S. 19) höchst
bezeichnend für das beste von Lysias Werken die Leichenrede. —
Nichts destoweniger berührt wohlthuend, wie alles was vom Herzen
kommt, and söhnt uns einigermafsen mit dem Vf. aus die Wärme auf-
richtiger Begeisterung, welche sein ganzes Werk belebt. Diese theilt
auch der Abschnitt über Dem. (S. 22-27), theilt aber zugleich die
Fehler geschichtlicher Ungründlichkeit und allgemeinen Raisonnements.
Sa premi^re ^ducation fut nulle; mais IVnergie de son ame s%innonce
d*abord par des vires de caract^re, qui le fönt qualificr de serpent par
ses ^gaux. Für eine Bemerkung bin ich dem Vf. Dank schuldig (8.25):
a la tribune, dit M. Villemain, la premi^re vertu de Demosth^ne est
le mouvement. Villemain hat vollkommen Recht, aber es bleibt nach-
zuweisen, durch welche Mittel, vornehmlich rhetorischer Art, Dem.
diese Bewegung den Herzen der Hörer mitzutheilen erreicht hat, and
wir dürfen uns nicht bei Antithesen beruhigen, wie sie der Vf. hin-
stellt: c*est tont ensemble le g^nie de la logique et la logique du g^nie.
Ein beschränktes Thema haben sich die Schriften gestellt, welche
ich demnächst besprechen will :
6) Einleitende Bemerkungen zu Demoslhenes paragraphi"
sehen Reden, von Prof. Dr. Ilerrmann, Erfurt 1853. S. 3 f. wird
das nöthige über die Paragraphe kurz ausgesprochen, dann von 7 Re-
dengehandelt, welche wir unter Dem. Namen lesen. Es sind die Num-
mern 32 g. Zenothemis, 33 g. Apaturios, 34 g. Phormion, 35 g. La-
kritos, 36 f. Phormion, 37 g. Pantainetos, 38 g. Nausimachos und
Xenopeithes. Der Angabe des Inhalts, wobei der Vf. ein möglichst
klares Bild der Sachlage entwirft, folgen kurze Bemerkungen über die
Zeit und Echtheit der Reden. Der Vf. hat in der Chronologie die Re-
sultate von Clintons Untersuchungen hie und da ein wenig scharfer
begrenzt, etwas mehr begründet. Ich glaube auch, dafs man bei dem
Manntet an äufj«eren Argumenten zu genaueren Bestimmungen nicht kom-
men wird. 'Dürften wir den in $.27 (der 38n Rede) und [den] g. Ko-
nun S' 39 erwähnten Aristokrates für eine und dieselbe Person halten,
so niUKte sie früher als diese, also vor 343 gehalten sein' (S. 23). —
Herrmann: zu Demosllienes paragraphischen Reden. 503
Die 37e Rede 'erwähnt den Elaphebolion unter d. A. Tlieophilos 348/7,
einer darauf folgenden Iangv\ierigen Reise in den Pontiis, sowie einer
Verzögerung des Proce»ises, und kann also vor 3-M) nicht gehalten sein'
(S. 21). — Bei Nr. '66, der Rede für Phoroiion, hält Hr. Herrmann
mit Recht seine frühere Bestimmung, das Jahr '6i)0.-k9 fest. — Für Nr.
35 geht der Vf. zu weit, wenn er oiTenbar nur daraus dafn Lakritof*
ein Schuler des Isokrates war, folgert: 'die Rede seihst setzt sich in
die Zeit des Jsokrates, will also wohl vor dessen Todesjahr 338 gehal-
ten sein.' — 'Könnte man die in der 34n Rede {S* 30. 37j erwähnte
Theurung als eine durch den Getraidewucher des Kleomenes, des Sa-
trapen Alexanders in Alexandrien 331 - 328 veranlafste betrachten und
mit der in der Rede g. Dionysodoros ^'. 7. 8 erwähnten identificieren, so
wurde die Rede nicht vor 329 oder noch später gehalten sein.' — Die
Zeit von Nr. 33 hält der Vf., wie Clinton, unbestimmbar. — Die
Aeufserung am Schlufs der 32n Rede läfst Clinton nach 355, Herrmann
nach 354 — 51 fallen. Hätte nur der Vf. die Consequenzen dieser
Aeufserung gezogen, um die zweite Frage, die nach der Echtheit die-
ser Reden, der Entscheidung näher zu bringen! Der Sprecher Demon
sagt: "Eti toivvv txiqa tiV taxiv iknlg avroCg (den Gegnern) xov na-
QCt^QOvaea&ccL mal (psvanutv vfiäg' alxidapvrcti ^Jr/^oa^ivt/v^ nal lY,tiv<o
fiB niüxsvovxa tpiUsovaiv i^dynv xovxovi, vnoXafißävovxBg xtp orjxogu xal
yvoigifiov flvai ineivov Tri^ctvijv ^x^iv xijv alxiav. Euol d' laxl fitVt (S
u, *A,^ drjfioa&iv^g oinstog yivsiy xal ntivxag vfiiv ouLVVfii xovg &BOvg
^ ^i/y igfiv xdlrid'TJ, ngoaeXiyovxog 6' avrco (lov aal nuQhCvui xai ßorj-
^eiv d^iovvTogj tt xi ^;fOt, '-Ji^awi; ', t<pi?, *iy(o noijjaoi (ilv ag äv av
^BXsvyg (xofl yctg av d'fivüv eCrj), ön ftfVTOt xal x6 aavxov xal xovfiov
Xoyiaaa^at, ifioi avußtßrjiifVy u(p' ov tcbqI xcSv notvtov XiyBtv
rJQ^ctfirjv, ^LTjAl ngog fr ngay^' i'öiov TCQOGBXrjXvd'svaif aXXct
-xttl T/Jtf noXiTBtag ttvxrjg xd xoiaüx' i^taxTitia^ , hier bricht die
Kede ab. Hiemit fällt ohne weiteres die Echtheit der vorliegenden
Kede gegen Zcnothemis, wenn man nicht annehmen will, dafs Dcnion
und Dem. sich ohne allen Grund einer handgreiflichen Luge und Be-
trugerei «chuldig machen, auch mufs die Rede, weil Dem. Ansehen da-
mals fest stand, tiefer noch als nach 350 herabgcrückt werden; aber
wenn Dem. seinen Verwandten die Wahrheit gesagt hat, und dies
scheint psychologisch vollkommen begründet und ist überdies von Ae-
schines angedeutet (g. Ktes. <{. 173), dafs er mit Beginn seiner Staats-
iaufbahn aufgegeben hat in Privathändeln anderer Reden zu schrei-
ben, so fallt damit die Echtheit aller der Reden, welche nach der Zeit
der olynthischen Reden, d. i. nach 349/48 in Privatsachen anderer ge-
halten unter Dem. Namen aufbewahrt sind, es bleibt von den 7 oben
genannten — über Nr. 33 läfst sich nichts entscheiden — als unbe-
zweifclt echt einzig die Rede 36, fiir Phormion, stehen. Der Vf. spricht
(S. 5) mit Recht von dem trüben Geschick , welches die Schriften des
Dem. mit eben der Bitterkeit wie ihn selbst verfolgt hat, er bleibt
aber bei der Frage über die Echtheit jener Reden allein bei den in-
neren Gründen, lediglich aus der sprachlichen Composition und juri-
stischen Argumentation hergenommen, stehen. Danach ist er geneigt,
Nr. 32 und 35 als gar zu schwach dem Dem. ohne weiteres abzuspre-
chen, erklärt aber 37, 3S und 33, 34, letztere auch wegen 'ihrer Aehn-
Hcbkeit mit der Leptinea in einzelnen Theilen' für möglicherweise und
wahrscheinlicherweise für demosthenisch , 36 für unbezweifelt echt.
Dabei übersieht der Vf. nicht manche einzelne Schwierigkeiten, wie
in 34 den Wechsel der Personen, in 38 und 37 die wörtliche Ueber-
einstimmung an mehreren Stellen. Indessen die Untersuchungen über
Sprache und Composition dieser Reden sind noch keineswegs geschlofsen,
müfsen vielmehr Gegenstand einer umfafsenden nnd tiefgehenden Arbeit
504 W. Hornbostel : über Dem. Gerichtsred. in Sachen des ApoUodor.
werden, wobei z. B. das Werk von Benseier de hiatu, so einseitig das
Verfahren ist, gewis Beachtung verdient.
7) Ueber die von Demosihenes in Sachen des Apollodor ver-
fasslen Gerichtsreden, von W. Homboatel. Programm von
Ratzeburg 1851.
Die Bearbeitung dieses Themas, dessen Bedeutsamkeit ich vor bei-
nahe 10 Jahren aussprach (Vitae Iphicratis Chabriae Timothei p. 191),
Ist sn meiner Freude mit dem gewifsen haften Fleifs unternommen,
welcher erst die Resultate solcher Specialarbeiten auch für andere
nutzbar macht. Nach der Einleitung, worin Dem. grofsartige politische
Thätigkeit kurz charakterisiert und gerechtfertigt wird, vornehmlich
gegenüber dem unpraktischen Isokrates, bahnt sich Hr. H. den Weg
lu seinem Thema durch die interessante Behauptung (S. 10): «von der
politischen Stellung der dienten können wir aber zurfickschliefsen auf
die des Advocaten selbst; denn das ist das interessante Resultat der
Vergleichung der Gerichtsreden untereinander, dafs Dem. dieselbe feste
Consequenz, welche er in seiner politischen Thätigkeit beweist, auch
in seiner Praxis als Logograph bewährt; auf diese Weise dient ihm
seine Thätigkeit als Advocat nicht nur dazu , sein Rednertalent aus-
zubilden, sondern auch dazu, sich eine Partei zu bilden und einen festen
Standpunkt im Staate als Vertreter derselben zu sichern.' Er behan>
delt sodann 1 (S. 13 — 35) 'das Leben des Apollodur mit vorwiegender
Betrachtung seiner Privatverhältnisse', II (S. 35 — 42) 'die politische
Thätigkeit des Apollodor und sein Verhältnis zum Dem. und zu an-
deren Zeitgenofsen '. In dem In Cap. hat der Vf. 'eine zusammenhän-
gende Darstellung der Processe gegeben, welche sich auf die Person
des Apollodor beziehen — es sind die Reden f. Phormion (Nr. 36), g.
Stephanos 1 u. 2 (45 u. 46) , g. Timotheos (49), g. Polykles (50), über
den trierarchischen Krieg (51), g. Kalljppos (52), g. Nikostratos (&3)
— und bei denjenigen Punkten, welche ihm einer genaueren Erörterung
zu bedürfen schienen, seine Ansichten darüber dargelegt und motiviert'.
Er geht dabei, soweit es die Darlegung allgemeiner Rechtsverhältnisse,
wie besonders des Trapezitenwesens , anlangt, vornehmlich auf den
attischen Proress von Meier und Schomann, auf Bockhs Staatshaas-
haltnng (le Ausg.) und Hermanns Staatsalterthomer zurück, ohne Je*
doch irgendwie seine Selbständigkeit aufzugeben; bei geschichtlichen
und chronologischen Bestimmungen vergleicht er nicht selten das Werk
des unten. Um einzelnes wollen wir nicht hadern; in manchem geirrt
zu haben, gestehe ich gern dem Vf. zu, in anderem halte ich neine
Ansicht fest; aber ich bin seitdem auch zu folgender Ueberzengung
gekommen: das Material kann zwar vollständig gesammelt und im ein-
zelnen meist ausreichend erklärt werden, — beides ist in dieser Schrift
geschehen — , dagegen ist eine sichere Ordnung des Stoffes unmöglich,
ehe die Frage nach der Chronologie dieser Reden genügend beantwor-
tet ist, mit welcher die Frage über die Echtheit derselben eng zu-
sammenhängt. Es wäre die Lösung dieser Fragen auch darum zu wün-
schen, damit endlich einmal der Flecken getilgt werde, welcher einzig
noch dem reinen Charakter des Redners anhaftet. Es kann doch kein
edler Mann, der Jahre lang jemand beigestanden hat, gerade in dem
schwersten Kampf die Partei von dessen Todfeind ergreifen, und wie-
der sogleich in ebenderselben Sache, doppelt treulos, für jenen alten
wider den neuen Freund streiten. So hat aber Dem. gehandelt, wenn
die Reden für Apollodoros, für Phormion, gegen Stephanos von ihm
geschrieben sind. Wie nun antwortet dir Vf. auf diese Frage? Er
setzt mit Clinton die Rede gegen Kallippos 361/52 und Infst sie somit
von dem höchstens 16^y^ Jahre alten Dem. verfafst sein, dessen Gebnrt
W. Hornboslel : über Dero. Gerichtsred. in Sachen des Apollodor. 505
er mit Bohnecke 381/30 annimmt. Für die Entstehung der Rede g.
Timotheos hat er nach Vorgang des unters, den Zeitraum von 360 —
354 angenommen; aber ich kann diese Ansicht nicht Janger festhalten
ans Gründen, welche ich bei passender Gelegenheit entwickeln will.
Die Rede g. Nikostratos setzen aufser dem Vf. auch Bohnecke (For-
schungen S. 676) und Droysen (Ztschr. f. d. AW. 1839 S. 931) in Ol.
107, 'I d. i. 361, veranlafst durch die in §. 14 u. 9 yo% Apollodor er-
wähnten Streitigkeiten wider seine Verwandten, welche sie auf den
Process gegen Phormion beziehen. Aber damals war Apollodor 44 Jahr
alty also wahrhaftig nicht, wie er selber sich $. 12 u. 13 nennt, viog
wxl axBiQoe tiov Ttgayfiattov, Die Rede gebort wie die g. Kallippos
und g. Timotheos in die Zeit um 368;^ alle 3 sind deshalb nicht Ton
Dem. Die Zeitbestimmung der Rede über den trierarchischen Krieg
hat Hr. H., wie seine Vorganger, darum verfehlen müfsen, weil sie
das ^jjqfLafitty auf Grund dessen Apollodor den Kampf verlangt, for
identisch mit dem von Aristophon im Sept. 362 durchgesetzten halten.
Die Rede gebort wahrscheinlicher um 367. Was die Reden gegen Po-
lykies und für Phormion anlangt, so ist ihre Fchtheit, aber auch ihra
Abfafsungszeit, 369 für die Polyclea, für die Phormiana 360/49, nicht
zu bezweifeln; Hr. H. thut nicht gut daran, für diese das Jahr 362
anzunehmen. Endlich die Rede gegen Stephanos, hat Dem. sie ge-
schrieben? Der Vf. weigert sich mit Recht, solche Schmach dem edlen
Redner znzumuthen. Ich werde bei anderer Gelegenheit versuchen,
jene Ansicht, nach welcher Dem. der Vf. war, von ihrer Entstehung
an zu verfolgen und damit zu beseitigen. Aus der politischen Thatig-
keit Apollodors, welche Hr. H. S. 36 — 42 behandelt hat, wifsen wir
— einzelne Trierarchien und zahlreiche Anklagen von Feldherren ab-
gerechnet, darunter die des Autokies vermittelst Hyperides Rede —
nur 4\n bedeutendes Factum : seinen Vorschlag die O'scaQind in argattm^
zmd umzuwandeln. Hr. H. folgt in der Zeitrechnung den Forschungen
Böhneckes und setzt somit jenen Vorschlag, welcher in diesen Krieg
fallt, ins Frühjahr 349. Er ^zweifelt kaum daran, dafs Dem. Urheber
jenes Planes und Apollodor nur Organ für den Vorschlag gewesen sei'.
Darum niüfse nach dem letzten Process wider Phormion, wo Dem. ge-
gen Apollodor geschrieben hatte, eine Annäherung beider stattgefun-
den haben. Der Vf. hat dieses dornenreiche Feld nicht durchwandert,
ohne sich hie und da in Widerspruche verwickelt zu haben, aber die
ruhigen und ausdauernden Wanderer sind schätzbare Grefährten und ich
möchte von einem solchen nicht scheiden, ohne ihm Mufse zur Fortsetzung
dieser zwar mühsamen aber dankbaren Forschungen zu wünschen.
8) C Fr. H ermannt dispuiaiio de Midia Anagyrasio^ vor
dem Index scholarum der Georgia Augusta für das Wintersemester
1861 — 52. 18 S. 4.
Dem. nennt sich in dem Augenblick wo er die Rede gegen Mei-
dias schreibt, 32 Jahr alt. Die Ueberlieferung ans dem Alterthum
nennt als sein Geburtsjahr Ol. 99, 4 und auch Ol. 98, 4. Man setzte
danach die Entstehnngszeit der Midiana in Ol. 107,^ 4 oder 106, 4 und
bestimmte demgemäfs das Zeitverhältnis der in dieser Rede bespro-
chenen Facta. Hr. H. schlägt den entffeffengesetzten Weg ein und
geht — nach kurzer Besprechung von Mei£as bürgerlicher und poli-
tischer Stellung — von dem geschichtlich beglaubigten Zuge aus, wel-
chen die Athener Ol. 106, 3 nach Euboea ausgeführt haben. Von die-
sem unterscheidet er (p. 9), natürlich mit Recht, den in unserer Rede
mehrfach erwähnten Feldzug, welcher zu Gunsten des Eretriers Plu-
tarchos unter Phokions Leitung unternommen und durch die Schlacht
bei Tamynae ausgezeichnet ist. Das Ergebnis der scharfsinnigen und
TV. Jahrb. f. PMI. u. Paed, TftL LXX. Hft. 4 u. 5. ^3
506 C. Fr. Hermann: de Midia Anagyrasio.
mit amfafsender Kenntnis aller einschlagenden Schriften durchgeführten
Untersuchung ist folgendes. Den Feldziig zu Gunsten des Plutarchoi»
machte Meidias als Reiter, nicht aber als Hipparch*), und Dem. als
Hoplit mit. Dieser kehrt, um die vorher übernommene Choregie zu
leisten, nach Athen zurück; um dieselbe Zeit auch Meidias. Hier be-
ginnen die Versuche, welche Meidias macht, um Dem. Festvorberei-
tungen zu stU'en; nach der persönlichen Beleidigung an den Dionysien
legt sofort Dem. die Probole gegen Meidias ein. Die Kunde, dafs Pbo-
kion die Reiter holen läfst, bewegt Meidias, als Trierarch einer frei-
willig gestellten Triere Athen zu Terlafsen, nachdem er durch Eukte-
mon eine Klage ksinota^^ov gegen Dem. Yersucht hat. Kr bleibt einige
Monate abwesend. Nach seiner Ruckkehr beschuldigt er Dem. der
Theilnahme an Nikodcmos Ermordung, schiebt ihm auch die Verluste
in Euboea zu und sucht dadurch, aber umsonst. Dem. Eintritt in den
Rath zu verhindern. Dieser tritt das Amt und zwar in dem Jahre nach
der Beleidigung an, fuhrt die h. Gesandtschaft nach Nemea und wird
zum tBQonoiog gewählt. Darauf fafst er die Rede gegen Meidias ab
fp. 13). Kann diese nun, wie Bockh will, Ol. 106, 4 abgefafst sein?
Nein**). Es fiele dann Meidias inidoaig, welche zu den rgitai, ixt-
Soasig gehört, in Ol. 106, 3, und weil die d fvtf qccl inidoffBtg slg
"OXvv&ov (§. 161) vorangehen, miisten wir eine Hilfälei.stung der Athe-
ner nach Olynth schon um Ol. 106, 2 d. i. 355/J4 annehmen, wogegen
directe und indirecte Zeugnisse sprechen. So entscheidet sich Hr. H.
mit Dionysios für Ol. 107, 4, setzt die Züge nach Euboea und Olynth,
die beide eng zusammenhängen (R. g. Neaera !¥. 4) Ende Ol. 107, 2,
d. i. in die erste Hälfte von 350***;, und stimmt sonst mit Böhneckc
überein. Dieser legt die Beleidigung an den Dionysien auf den 15. März
349 (Ol. 107, 3), läfst im Juli 349 (Ol. 107, 4) Dem. in den Rath losen
und als Architheoros nach Nemea abgehen; die Rede sei dann etwa An-
fang 348 (Ol. 107, 4) geschrieben. — Während die Reihenfolge derBege^
benheiten unter sich richtig geordnet ♦♦♦♦) scheint, bleibt mir hinsicht-
lich der Zeitbestimmung öin Bedenken: Böhnecke und Hermann sagen,
die Rede wurde Anf. 348 (Ol. 107, 4 Arch. Kalliinachos) abgefafst; sie
erklären auch die Worte des Redners ov nad'faTri-KOtog xoQTjyov rij Iltxv-
diovCdt qtvXp xqIxov irog xovxl richtig so, dafs sie sagend Dem.
übernahm die Choregie im 3n Jahre vor der Rede. Wann also? Min<
destens doch vor Anfang 350, denn von Anfang 348 bis Anfang 350 sind
erst 2 Jahre. Die Choregie leistete aber Dem., wie sie sagen , im März
349, es fiele also zwischen Uebemahme und Leistung mindestens mehr
^*) Gegen Böhnecke Forschungen S. 14. Der Beweis ist nicht ganz
befriedigend.
**) Man könnte gegen Böckhs Ansicht auch folgendes Argument an-
fuhren. Dem. sagt ($. 157), er sei zehn Jahre lang ^yfficoy ovfifiog^ag
gewesen, Caov ^OQfiicavi %ai To£g nXovaKotdtoig. Unter dem reichen
Phormion fst kaum ein anderer zu verstehen als der bekannte Gegner
ApoUodors, Pasions Freigelafsener. Dieser Phormion wurde atheni-
scher Bürger unter Archen Nikophemos, d. i. Ol. 104, 4, 361/60, und
kann, wenn anders nur ein Bürger 'qysijuov avfiyLOQiag sein durfte, die
Hegemonie erst damals übernommen haben, welche mindestens also bis
Ol. 107, 2, 351y50 gedauert hat. Folglich schrieb Dem. nach 351/50.
♦♦♦) Böhnecke setzt sie in Ol. 107, 3, also Anfangs 349, wodurch
aber der Zeitraum, wie Hr. H. sagt, für die Menge der Dinge, welche
dieser Beleidigung vorangiengen, zu sehr beschränkt wird.
♦♦♦♦) Jedenfalls mit Recht ist die Zeitordnung verworfen, welche
Bake aufgestellt hat.
C. Fr. Hermann: de Midia Anagyrasio. 507
«U 1 Jahr Zwischenraum. Das ist aber undenkbar, wenn man folgen-
der Ueberlegung zustimmt: Archonten sind Thessalos für Ol. 107, %
d. i. d. Jahr 351 zweite Hälfte und für 350 erste Hälfte; ApoUodoros für
Ol. 107, 3, d. i. für d. J. 350 zweite Hälfte und 349 erste Hälfte; Kalli-
machos für Ol. 107, 4, d. i. für das J. 349 zweite Hälfte und 348 erste
Hälfte. Archen Thessalos leitet die Dionysien im März des Jahres 350,
Kann ebenderselbe noch vor dem März 350 schon die Choragen bestimmen,
welche die Dionysien im März 349 feiern sollen? Gewis nicht. Höch-
stens konnte er nach Vollendung seiner Dionysien, also nach März 350,
c. B. im Mai für Ernennung der Choragen zu den folgenden Dionysien
gesorgt haben. Ende Juni horte sein Amt auf. Dann wären aber zwi-
schen Mai 350 und Anfang 348 keine zwei Jahre verflofsen. Aber es
ist überhaupt naturlich, zumal bei so geordneten Verhältnissen, wie
es die FesUiturgien waren (D. g. Phil. I $. 36), dafs der Archon des
vorigen Jahres uber^iff in das Recht des folgenden Archon, unter
dessen Leitung die Dionysien gefeiert wurden. Und weil die Dionysien
in den 9n Munat des Archontenjahres fielen, blieb dem zeitweiligen
Archon Zeit genug, die nothigen Anordnungen zu treffen. Ich glaube,
dafs jeder Archon, wahrscheinlich bald nach Antritt seines Amtes, die
Choragen zu den Dionysien seines Jahres ernannte. Das wäre dann,
wenn die Beleidigung wirklich am 15. März 349 vorfiel, Archon Apol-
lodoros im Juli 350 gewesen. Dann fiele aber die Rede selbst in das
3e Jahr nachher, also frühestens in die 2e Hälfte von 348, wo Dem.,
dessen Geburtstag spätestens in der 2n Hälfte von 381 liegen kann,
schon 33 Jahr alt war. Aber was hindert uns, die Beleidigung in die
Dionysien, d. i. in den März 350 zu setzen? Mir hat sich folgendes
Resultat ergeben t Dem. übernimmt die Choregie im Juli 351, im ersten
Monat des A. Thessalos 107, 2. Der Feldzng nach Euboea, wel-
chen er und Meidias mitmachen, fallt in den Herbst 351. Die Reiter
gehen nach Olynth ab. Dem. und Meidias nach Athen zurück. Pho-
kion setzt im Febr. 350 nach Euboea über, wird in Tamynae einge-
schlofsen. Meidias beleidigt Dem. an den Dionysien im März 350. Pho-
kion läfst die Reiter holen , siegt bei Tamynae und kehrt etwa im Mai
350 über Styra nach Athen zurück. Zwei Tage darauf auch Meidias,
welcher im April und Mai freiwillige Trierarchie geleistet. Er setzt
seine Beschuldigungen gegen Dem. fort und besonders auch, als dieser
im Juli 350, Ol. J07, 3, A. ApoUodoros, durch das Loos in den Rath
kommt. Dem. geht als Architheoros im Sommer 349 (Ol. 107, 3) nach
Nemea, schreibt im Herbst 349 (Ol. 107, 4, A. Kallimachos) , gerade
32 Jahr alt, wenn man von 381 an rechnet, die Rede gegen Meidias.
9) Demosthenische Studien^ von 0. Haupt. Erstes Heft. Coes-
lin 1852. 8. *
Das vorliegende Heft enthält Untersuchungen, im ]n bis 7n Cap.
(S. 1 — 44) über die erste philippische, in Cap. 8~12 (S. 45—72) über
die 3 olynthischen Reden. Den Zeitpunkt der In Philippica setzt der
Vf. (S. 15) in Ol. 107, % d. 4. 350 v. Chr. Ich kann seinen Beweis,
gegenüber den vielen und gewichtigen Gründen, durch welche bewogen
Böhnecke diese Rede nach den olynthischen setzt, nicht für genügend
anerkennen. Hr. Haupt operiert mit 2 Argumenten. ^JeneT Zustand
völliger Ruhe, wo alle Feldherren zu Hause waren und die Athener
nicht einmal wüsten, wohin sie ihre Flotte schicken sollten, um Philipp
anzugreifen (Phil, d $. 44), kann nicht stattgefunden haben während der
Feldzuge, welche vom Anthesterion Ol. ]07, 3 d. i. Febr. 349 an bis
Ol. 108, 1 d. i. 348/7 die Athener auf Euboea und für Olynth gefuhrt
haben.' Aber der Vf. hat zuviel in den Worten gesucht, mit welchen
der Redner nichts weiter als die Lässigkeit der Burger geifselt. Viel-
33*
508 0. Haupt: domoslhenisclic Studien. Is Heflt.
mehr vraren diese muthloa (§. 2) bei der gegenwärtigen Lage, das heifst
doch darch erlittene Unglücksfälle und vergebliche Anstrengungen ge-
worden; im Kriege aber waren sie mit Philipp, wie der Redner wie-
derholt versichert. — Zweitens: Philipp, sagt Hr. H., belagerte Heraion
3 oder (befser ^bis') 4 Jahre vor der 3n olynthischen Rede {^, 4), welche
Ol. 107, 4, im October 349 gehalten ist. Die Athener erfuhren es im
Maimakterion , d. i. November 352. Erst im October 351 gieng Chari-
demos und zwar mit 10 Schiffen ab, weil inzwischen die Kunde von
Philipps Krankheit nach Athen gekommen war (§. 5). Von dieser Krank-
heit genesen griff Philipp Olynth an (Ol. a §. 12), etwa im Winter
351/50 und dieser Angriff auf Olynth hat die Athener veranlafst zu den
inidoaeig dg *'OXvv^ov ^ deren Dem. in der Midiana {%. 161) Erwäh-
nung thut. — Bis hieher ist die Anordnung der Facta richtig, übrigens
auch ebenso schon von Uöhnecke (S. 730) aufgestellt. Aber wie schliefst
Hr. H. weiter? Das Geschwätz der Burger, sagt er, welche Dem. in
Phil, a %, 11 von einer gegenwärtigen Krankheit Philipps klatschen
läfst, betreffe eben jene Krankheit aus dem J. 351, und der in Phil, d
<$. 17 erwähnte Zug Philipps sei der nach dieser Krankheit unternom-
mene. Das ist aber ein Widerspruch. Denn Philipp hat, genesen von
seiner Krankheit, diesen Zug unternommen, welcher Athen so allar-
miert hat; es können also die Burger nicht mehr sagen, Philipp sei todt
oder doch krank, wenn er sie eben erst zu ^nidooBig gezwungen hat.
Hier sind folgende 3 Möglichkeiten : entweder Philipp ist in dem Aa-
genblick der Rede wirklich krank; dann ist eine andere Krankheit ge-
meint als die oben erwähnte; oder Dem. hat die vergangene Krankheit
im Sinn und das damals in Athen cursierende Geschwätz; er erinnert
daran, um an einem Factum den Leichtsinn der Athener zu malen, was
natürlich eben so gut 2 Jahre als 1 Jahr nach der Sache selbst ge-
schehen konnte; oder endlich Dem. will ohne Rücksicht auf ein be-
stimmtes F^actum überhaupt die Art der Athener charakterisieren, welche
an grundlosen Gerfichten viel mehr als an energischem Handeln Gefallen
finden. Keineswegs dürfen wir auf diese Kthopoiie so genaue Bestim-
mungen, wie Hr. H. thut, bauen. — Der Vf. wendet sich hierauf zu
dem Kernpunkt seiner Schrift: er will die 'noch nicht bewiesene' Ein-
heit der ersten Philippica erhärten. Bekanntlich ist darüber viel hin
und her gestritten, und die verschiedenen Ansichten sind mit ebensoviel
Scharfsinn wie Unparteilichkeit besprochen von Seebeck in der Ztschr.
f. d. AW. 1838 S. 737—787. Er hat dargelegt, wie alle bis dahin
aufgestellten Gründe und Gegengründe unhaltbar sind, so dafs man un-
zweifelhaft der historischen und handschriftlichen Autorität zu Folge
sich für die Einheit erklären müstc, zwänge uns nicht ein Widerspruch,
und das ein unauflöslicher, in dem li^ u. 2n Thcil, die Zusammenge-
hörigkeit beider Theile zu Einern Ganzen unbedingt zu verwerfen. In
dem In Theile (ich bezeichne ihn mit I) fordert der Redner a), dafs man
50 Trieren und ein Bürgerheer in steter Bereitschaft halte {$. 16—18),
um etwaige Angriffe des Königs zu verhüten oder unschädlich zu ma-
chen; b) die sofortige Absendung einer kleineren und zum Theii aus
Bürgern zusammengesetzten Flotte und Kriegsmacht, nicht zu offenem
Kampfe, sondern um beständig Philipp zu schädigen ($. 19 — 23). Da-
gegen wird in dem 2n Theil (II) der Rede stets nur von 4inem Heere
gesprochen und man mag sich nun für la oder Ib entscheiden, im-
mer vorwickelt man sich in mehr als ^ine bedeutende Schwierigkeit.
Der Kriegsplan, welchen der Redner in I vorschlägt, ist also wesent-
lich verschieden, zum Theil entgegengesetzt dem in II besprochenen;
mithin können die beiden Theile nicht zusammengehören. Vielmehr ist
der Theil II von $. 30 an eine selbständige — und zwar, wie See-
beck in Folge von mancherlei Combinationen schliefst, eine Ol. 107, 2
0. Haupt: dcmoslhciiisclic Siudicu. is lieft. 500
von Dem. als Mitglied des Senats in Kolgo eines besonderen Auftrags
dieser Behörde vor dein Volke gehaltene Rede. — Jenen Bedenken
Seebecks schliefst sich Hr. H. an und fiigt folgende hinzn : Während
Ib genügend erörtert ist, scheint dos wichtigere Ta ganz Tergefien.
Kerner: das Versprechen des Redners (§. 15), die Mittel nachzuweisen,
durch welche Flotte und Heer bis zur Beendigung des Krieges erhaU
ten wurde, ist nicht gelöst. Endlich: die Besorgnis des Redners (§, 51)
für seine Person in Folge der gemachten Vorschläge ist bei dem jetzigen
Inhalt der Rede unbegreiflich. Allen diesen Schwierigkeiten, sagt Hr.
IL, begegnet der Inhalt des verloren gegangenen Actenstäcks, der nogov
dxoÖHitSy welches den In und 2n Theil trennt. Wie gewinnt Hr. H.
seine Ansicht über den Inhalt dieses Actenstäcks? Dem. mufs doch
irgendwo die Kosten für das la geforderte Heer berechnen, wenn seine
Forderung nicht mufsig bleiben soll , und er legt ein so grofses Ge-
wicht auf die Bedingung ($, 33) ecv xavxa, cd ä.'ji,, noqlcrixB xä
XQii(tctxa icQfüxov a Isyoa und deren Consequenzen , dafs er offenbar mehr
als die Bewilligung von 92 Talenten begehrt. Br macht in der Rede
«. avyxaffcoff, von welcher Hr. H. $. 1 — 18 und 32—36 für echt an-
erkennt und sie Ol. 107, 3 bald nach der In Phil, gehalten oder ge-
schrieben denkt, den Vorschlag, alle Einkünfte der Stadt unter die
Burger zu Tertheiien, unter xovq fi^v iv iqltx^qi als axQciximxiTioVy
tovs d* vxIq xov %axoiXoyov als iisxaaxiyiav , oder wie man es nen-
nen wolle; fordert aber dagegen von den Athenern, axQaxeveo^ai
avxovg und x^v ^vvaiitv xi^s nolemg oUsiav slvai %al naxsanivaüfiLivmf
d^a xovxoov, also eine Verwendung der Staatsgelder zu einem geord-
neten Kriegsdienst, an welchem jeder Athener nach Kräften theilnehme
(». cvvxä^. J. 4). Kr sagt aber (ebend. §. 9) : qpi?ftl 9etv vf/Mg avvxB-
tdx^^cciy xal xTJv aikjjv xov xs laßsiv %al xov sroiCiv a 7tQoaij%Bi avv-
xafiv alvai, disXix'^riv d' vfittv ne^l xovxtov xal n^oxeifovy %al dis^iqX-
%ov dig av avvxax^'sijixe ^ ot &* onlixmi %ai ot tmiBtg^ xal oaoi xovtcdv
i%x6g iaxSf xal BvnoQ^a xig av anaoi yivoixo hoivt]. Er wiederholt
in der Ol. 107, 4 (349) j^ehaltenen 3n olynth.^R^ede ($. 35):/ ich for-
dere sofort xi}y avxiqv avvta^iv dndvxtov, oa ä, S#., tva x<Sv notvcSv
snaaxog x6 aigog Xafißdviov ^ oxov dioixo 17 nolig y xovd"' v^ra^roi, und
sagt: xr)v axa^^av aysZc^y slg xd^iv rjyayov xr^v noXiv^ zi^v avxriv xov
XaßBiv, X06 axQcexBVBO&aiy xov dmdisiv, xov noteCv xovb^' o xi xa^'
iJZ&xiav Buctaxog l^j^oi %al oxov naiQOg strj , xa|tv nonjaag. — Wo nun,
fragt Hr. H., hat Dem. diese avvxa^ig vorgeschlagen? Nirgends an-
ders als in dem genannten Actenstnck, «ogov dnoosi^tgy der In phil.
Rede. Dieses enthielt, meint er, nicht blofs eine Berechnung der Ko-
sten, welche das grofse in Ja geforderte Heer nöthig machte, sondern
auch ^die Anordnung aller Athener, sowohl derer, deren Alter für den
Kriegsdienst tauglich war, als auch derer, welche nach vollendetem
60n Lebensjahre nicht länger verbunden waren ins Feld auszurücken;
jedem Athener, wie sein Name in den Listen verzeichnet war, waren
bestimmte Pflichten auferlegt, wie es seinem Alter gemafs oder den
Umständen nach erforderlich war. Aber jeder Dienst wurde belohnt,
und zu diesem Zwecke alle vorhandenen Gelder verwandt. Sonach be-
ruhte diese Syntaxis auf dem grofsen Gedanken: xal ft/av aifvxct^iv
Bivai xr)v avx^v xov xs Xaiißdvnv xal xov novBiv xä diovxa (S. 41).
Diese avvxa^tg y sagt Hr. H. , ist der politische Grundsatz, welcher
der ersten phil. Rede zu Grunde liegt und nur durch diesen Gedanken
gewinnen wir die Ueberzeugung von ihrer Einheit und ihr völliges Ver-
ständnis (S. 35). So löst der Redner seine vnoaxBaiv ovxco fitydXriv
($. 15), hat nachgewiesen die BeschalTcnheit und Grofse der Streit-
macht, aber auch die Mittel zu ihrer Erhaltung bis zur Beendigung
des Krieges. So löst sich, meint Hr. H. , auch das oben hingestellte
510 0. Haupt: demoslhcnischc Studien. Is Heft.
Hauptbedenken, weil nunmehr II nicht die Rüstungen Ton la oder Ib
speciell im Auge hat, sondern yielmehr den Zweck verfolgt, mit den
kräftigsten Worten die Nothwendigkeit einer so durchgreifenden Mafs-
regel zu beweisen (8. 43). Wir verstehen jetzt auch die ivxslrj nä-
cav fqv dvva^iv $. 33 (S. 38). Und sollen wir noch die persönliche
Besorgnis des Redners erklären? Nun er hatte die Verwendung aller
öffentlichen Gelder für Kriegszwecke beantragt und somit auch die
Theatergelder angetastet (S. •&). «Diese Gelder hatte er in dem Acten-
stücke ohne weiteres yerrechnet, denn in bestimmten Worten ihre Ver-
wendung für Kriegszwecke zu beantragen, wäre zu gefährlich gewe-
sen, und bald darauf zeigte das Unglück des Apollodoros, wie noth-
wendig eine Vorsicht war, welche den heilsamsten Antrag verborgen
und versteckt unter den Linien einer Rechnnng vor das Volk brachte,
das durch den seltsamen Kunstgriff überrascht und in Erstaunen ge-
setzt, dem Redner seinen kühnen Antrag verzieh' (S. 36). Seltsam
allerdings und, so sehr ich den Scharfsinn und die Freudigkeit aner-
kenne, mit welcher Hr. H. combiniert hat, doch unglaublich. Ich lege
wenig Gewicht auf den Widerspruch, in welchen Hr. H. sich ver-
wickelt hat; Dem., welcher in der Rede n, awru^Bcng offen die Mög-
lichkeit einer Verwendung der d'SonQi.'itd zum Kriege bespricht und dies
ohne Scheu thun durfte, weil Kubulos Gesetz noch nicht gegeben war
(vgl. H. S. 50), hatte doch also in der kurz zuvor gehaltenen ersten
Philippica nicht nöthig, so ungemein versteckt sich auszudrücken. Ich
greife lieber den Hauptpunkt an und sage erstens: ein solches Ver-
fahren, wie von Dem. hier behauptet wird, war dem Volke und mäch-
tigen Widersachern gegenaber, überhaupt bei der Verfafsung und Ver-
waltung Athens undenkbar. Zweitens, wenn Dem. einen solchen in der
TCOQOv dnoffei^ig enthaltenen Vorschlag empfehlen wollte, einen Vor-
schlag von ungeheurer Tragweite und total reformierendem Charakter,
so muste der 2e Theil der Rede, worin er dies*nach H.s Meinung thut,
ganz anders lauten. Man sehe nur ohne Befangenheit den Uebergang
an. Demosthenes berechnet §. 28 die Kosten der kleineren Rüstung
auf 92 Talente, freilich nur als airrighiov^ aber was noch am vollen
Sold fehle, werde sich das Heer durch den Krieg verschaffen: no^fv
ovv, fährt er fort, 6 nogog tcov xc^^f^arcov, ä nag' vficSv [im Gegen-
satz zu dem, was sich die Soldaten selber durch den Krieg verschaf-
fen] %fXfV(o yspiad-tti^ zovx' rjdrj Is^to, Man kann einzig und allein
die 92 Talente verstehen. ^Es folgt nogotJ^ dnodfi^iq; worauf der Red-
ner wieder anfangt mit a (ihv rj^tsig, d ä, 'A.^ dedvvrjfiF^a fVQSi^Vj
xctvt' hxivi ^ diese Quellen sind es, welche wir haben ausfindig ma-
chen können.' Ich bitte, wer kann hier den innigsten Zusammenhang
mit dem unmittelbar vorangegangenen Versprechen verkennen? Wer
wird aber diesen Zusammenhang zerreifsen wollen, um in diesen höchst
einfachen Worten die Einleitung zu sehen zur Rechtfertigung eines
ganz unen/^artet von dem Redner hinein escamotierten Vorschlags einer
Totalreform des Staates? Und diese Rechtfertigung, was hat sie mit
T^emnos und Skiathos zu thun, welche Dem. geeignete Winterquartiere
fiir das kleine beständig unterhaltene Heer nennt? Uebcrhaupt dient
der 2e Theil einzig und allein dazu, die Unterhaltung des kleineren
stehenden Heeres zu empfehlen; aber man hat fälschlicherweise dieser
Beorderung des Redners zu wenig Gewicht beigelegt, verleitet, wie
ich denke, durch moderne Anschauungen. Ein stehendes Heer, dar-
unter Vi Bürger , immerfort im Felde, alljährlich 92 Talente bis zur
Beendigung des vielleicht noch langwierigen Krieges — das sind For-
derongen, welche den Athenern sicherlich ganz neu waren und gewis
hart ankamen, mochte die Zahl der Burger auch nur 500, des ganzen
Heeres 2000 Mann betragen. Dem. durfte nicht mehr fordern und wollte,
0. Haupt: demo&thcnische Sludiea. Is Heft. 511
^ie ich überzeagt bin, die Athener überhaupt erst an diese Art der
Kriegführung gewöhnen, von welcher allein Heil zu hoffen war. Damit
erledigen sich auch alle Schwierigkeiten in der Rede, die einzige aus-
genommen, dafs der Redner tou den la vorgeschlagenen M) Trieren
ganz schweigt. Das aber, meine ich, erklart sich so am natürlichsten:
wie im peloponnesischen Kriege bestand ig 100 Trieren zum Schutze
Attikas in Bereitschaft liegen mnsten, so war höchst wahrscheinlich
in dem Kriege gegen Philipp der Beschlufs längst gefafst worden oder
zur Sprache gekommen , 50 Trieren segelfertig zu halten , welche im
Nothfall von den Bürgern bemannt werden sollten. Dem. , dem jede
Art Rüstung, wenn sie nur Philipp gilt, recht ist, nimmt diese Sache
als seinen Vorschlag wieder auf; er kann aus früheren Erfahrungen
überzeugt sein, dafs die Athener ihn ohne weiteres annehmen — hatte
doch der Staat Trieren genug und brauchten sie selber nicht sogleich
auszuziehen, wozu immer noch ein neuer Beschlufs nöthig war — ,
er ist ebenso aber auch überzeugt, dafs dieser Beschlufs nicht wesent-
lich helfen kann; darum fügt er einen 2n Vorschlag, den einer xaiv^
naQaoKSvij hinzu, welchen er mit der ganzen Kraft seiner Beredsamkeit
anempfiehlt. Mit diesem zugleich wurde sicherlich auch der erste Vor-
schlag angenommen, welcher sich eigentlich so von selbst versteht,
wie die Mobilmachung unseres Heeres da wo Krieg droht. Darum
zweifle ich auch keinen Augenblick an der Kinheit der ersten philip-
pischen Rede; die Aeufsernngen in der Rede n, üwra^eatg und in der
3n olynthischen erklare ich so , dafs allerdings einmal Dem. eine ovv-
''€c^iSf d. i. Ordnung des Kriegswesens beantragt hat, aber wir wifsen
nicht wann und in welcher Weise; dafs auch eine solche Notiz für
irgend wen Anlafs gewesen ist, die Rede n, avvrce^smg abzufafsen,
und wieder für andere, sie unter die demosthenischen aufzunehmen.
Von dem Zuge Philipps gegen Olynth, welcher in Phil. « u. Ol. «
erwähnt wird, unterscheidet Hr. H. mit Recht den zweiten olynthischen
oder chalkidischen Krieg, welcher mit der Zerstörung Olynths endete.
Diesem 2n Kriege gehören die 3 olynthischen Reden an: denn Apollo-
doros, sagt H., schlug die Verwandlung der &e(OQi%d in aTgorrKorind
vor im Beginn des euboeischen und zweiten olynthischen Krieges^ (R.
g. Neacra ^. 41), d. i. im Febr. 349. Apollodoros wurde naQav6(iajv
angeklagt, aber sein Process schwebte noch, als Dem. die Rede n»
avvxd^ecDg hielt. Er wurde verurtheilt und gleichzeitig Eubulos Gesetz,
welches durch eben jenen Vorschlag veranlafst war, angenommen. Auf
dieses Gesetz deuten die Worte (wo H. mit Recht die Worte xal xavr'
Eivat, azQaTKoztTid y welche Franke ausstöfst, in Schutz genommen hat)
in Ol. d ^. 19. 20 und in Ol. y' §. 10 und 12. Die Reden gehören also
dem 2n Kriege an; die le und 2e bald nacheinander gehalten, als die
OlyntÄier nach längerem Widerstand gegen Philipp (Ol. d ^. 4. 21)
Athen im Sommer 349 um Hilfe angiengen; die 3e, nachdem bereits die
Athener Hilfe abgeschickt und einige Vortheile über Philipp gewonnen
hatten Die besondere Betonung der ßoridgoiiicc (§. 31 im Vergleich
mit d(>m 53n nQOo:'fitov) weist auf den ^Tonat Boedromion Ol. 107, 4
(d. i. October 349) hin (S. 58). In dem letzten Capitel bespricht der
Vf. die Stelle aus Ol. ß §. 29 und nimmt an, dafs ot tQiayioaiot rav
fiatpBQOVTODV mit den zQia%oaiotg toSv x girjQaQXO wrcav streiten. Er ver-
folgt endlich die Tendenz der olynthischen Reden aus dem Gesichts-
punkt der ovvxa^tg des Kriegswesens, welche Dem., sagt er, bcharlich
angestrebt hat. — Möge es dem Hrn. Vf., durch dessen Schrift eine
wohlthuende Frische von reger Forsrhun^slust weht, möglich sein und
gefallen, uns bald mit einem 2n Heft demosthenischer Studien zu be-
schenken.
512 J. E. Heinrichs: qaaestiones Demosthcnicae,
10) Quaestiones DemostherUcae. Von Dr. J. E. HeinriehB. Pro-
gramm der Konigstädtischen Realschale in Berlin. J853. 8.
Die Frage nach Dem. Geburtsjahr, seit Jahren schon ein Stecken
pferd der Gelehrten, ist immer noch nicht befriedigend gelost worden.
Sie lautete früher: Ol. 98, 4 oder 99, 4? jenes bekanntlich die Angabe
von Ps.-Plutarchos, diese Yon Dionysios von Halikarnass. Seit aber
Bockh, obwohl noch nicht von der Unrichtigkeit seiner Behauptung
überzeugt, dafs Dem. Ol. 98, 4 geboren sei (Staatsh. 1 S. 733 n. A.},
doch zugibt, es sei eines der (zwischen Ol. 98, 4 und 99, 4) mittle-
ren Jahre das richtige, wahrscheinlich näher dem ersten als dem
letzten Zeitpunkt (ebend. T S. 668): seitdem mufs die Ansicht durch-
gedrungen sein, dafs weder Ps.-Plutarchos nach Dionysios ihre Be-
hauptungen auf authentische Angaben gestutzt, sondern auf Grund
eigner oder früherer Berechnung aufgestellt haben. Der Vf., überzeugt,
dafs wir dieselben Materialien zu einer Berechnung vor uns haben,
welche Dionysios hatte, macht den Versuch, durch Combination von
Dem. eignen Angaben, wie sie in den Vormundschaftsreden g. Aphobos
und Onetor vorliegen, ein Resultat zu gewinnen, mit welchem dann
auch die in der Midiana sowie über die Androtiana , Leptinea u. a. Re-
den überlieferten Zeitangaben und sonstigen Zeugnisse über Dem. I^e-
bensalter in Einklang zu bringen sind. Diesen Weg, welcher sich
durch Logik empfiehlt, hat vor dem Vf. schon Seebeck eingeschlagen;
aber dessen scharfsinnige und mit strenger Consequenz durchgeführte
Untersuchung (Ztschr. f. d. AW. 1838 S. 321—346) ist leider Hrn.
Heinrichs, wie vorher Hrn. Böhnecke unbekannt geblieben: sie würde
jenem den positiven Theil seiner. Arbeit so ziemlich erspart haben*).
Kr würde auch durch folgende Worte, die Seebeck gegen Ranke braucht
(S. 326), sich getroffen fühlen: 'weiterhin aber zieht R. die, wie er
selbst sagt, noch nicht definitiv entschiedene Frage, ob der Eintritt
in die Ephebie immer nur mit dem Schlafs des bürgerlichen Jahres
stattfand, in den Kreis seiner Betrachtung, und macht damit seine
Untersuchung unsicher und unklar.' Freilich Hr. H. entscheidet de-
finitiv: die Dokimasie fand in den Archacresien, d. i. in der ersten
Hälfte des Thargelion statt, bald darauf die Uebergabe des Vermögens
(S. 14). Nun fiel aber, sagt er. Dem. Dokimasie mit Aphobos Hoch
zeit ziemlich zusammen; die Hochzeit war im Skirophurion des A. Po-
lyzelos, Ol. 103, 2 d. i. Juli 366 (D. g. Onetor ä 15)^ also geschah die
Dokimasie in dem Thargelion desselben A. Polyzclos, d. i. Juni 366.
Somit fiele Dem. Dokimasie vor Aphobos Hochzeit, eine Ansicht welche
freilich bis jetzt niemand aus den Worten des Redners (g. Onetor d
§, 17): iv^vg fisrarovg ycifiovg Sonifiaa&slg ivtudXovv sc. 'j4(p6ßfp gewon-
nen hat. Hr. H. übersetzt, mit Zustimmung Vomels, wie er sagtik etwa
folgendermafsen : 'sofort nach der Hochzeit begann ich — mundig wie
ich war — meine Beschwerde wider Aphobos.' Es stimme damit, sagt
Hr. H. , f. 17 fieTu zoCvvv xovtov tov üqxovtcc (Polyzelos) Kr^tpiaödmgog
XCav. inl zovxtov ivsiidXovv Somaaad'SLgy wo ebenfalls doyiifuxad'Bfg
abgelost und nimmermehr mit inl tovxcov verbunden werden dürfe.
Richtig, es kann nichts anderes heilsen als: unter diesen Archonten
führte ich als mündiger wiederholt und beharlich (doch erfolglos) Be-
schwerde wider Aphobos. Soll nun aber das Imperfectum in der erst-
genannten Stelle eine andere Bedeutung haben als hier, als überhaupt
im Griechischen? Das wird Hr. H. nicht behaupten wollen; aber un-
willkürlich hat er es angenommen, wenn er (vxfvg fistd rovg yäfiovgy
♦) Zu seinem §. 2 vgl. Seebeck S. 341, zu .^. 3 S. 331 Nr. 48,
und wegen der Beispiele S. 344, über die Fabrik Verwaltung S. 343.
J. E. Heinrichs: qnaeslioncs Dcmosthenicac. 513
was den sofortigen Eintritt einer Handlung nach einem hcKtimmten
Zeitraum, nothvrendig also den Aorist (oder das hitftorische Praesens)
fordert, mit dem Tmperfectum verbindet, durch weiches Dem. die Wie-
derholung und Beharlichkeit seiner vergeblichen Versuche bezeichnen
will. Aber die nach ivdvg eintretende Handlung ist eben in doytifut-
ad^eig enthalten: 'sofort nach der Hochzeit mundig erklärt*. Schon
die Stellung von 8o%i{i,aü^B£g erlaubte hier Icein anderes Verständnis.
Wenn also die Dokimasie nach des Vf. Ansicht immer im Thargelion
erfolgte, so wurde Dem. nicht im Juni 366 unter A. Polyzelos, son-
dern erst im Juni 366 unter A. Kephisodoros mündig geworden sein:
damit fallt die Berechnung aller anderen Pacta bei Hrn. H. zusammen.
Denn gleich zuTersichtlich, wie den Zeitpunkt der Dokimasie, be-
stimmt Hr. H. als das Alter der dazu befähigten Bpheben das vollen-
dete I7e Jahr, dergestalt, dafs im Thargelion jedes Jahres diejenigen,
welche ihr 17s Lebensjahr überschritten hatten, für mündig erklärt
wurden. Dem. war also, schliefst er, im Juni 366 (Ol. 103, 2) sicher
alter als 17 Jahre, mnfs also Ol. 99, 1 , wahrscheinlich im Herbst (des
Jahres 384) geboren sein. F^ür den Herbst 384 entscheidet sich Hr.
H. , wie es scheint, jenem alten Horoskop zu Liebe, sonst folgt au.H
seiner Berechnung natürlicher noch das i^^uhjahr 383. — Der Vf. sucht
nun mit dem gewonnenen Resultat die sonstigen Zeitangaben in Ein-
klang zu bringen und die Widersprüche, welche besonders Bohnecke
erhoben bat, sn beseitigen. Mit vollem Recht thnt er dies mit der
Ansicht, welche Bohnecke über die 10 jährige Berechnung der Zinsen
aufgestellt hat. Danach wären 10 Jahre seit dem Tode des Vaters
nicht bis zu Dem. Dokimasie, sondern bis zu dem Augenblick der Klage
▼erflofsen. Denn die Vormunder, sagt Bohnecke, waren doch auch nach
seiner Dokimasie während der Zeit, wo er noch mit der Klage zögerte,
im Genufs des Vermögens. Aber abgesehen davon, dafs an 13 Stellen
die Vormundschaft selber von Dem. eine zehnjährige genannt wird, so
kann doch dieser die Klage, welche längere Zeit hindurch anfangs vor
einem gewählten, dann vor dem vom Staat ernannten Diaeteten schwebte,
in dem Augenblicke nicht geändert haben , wo sie vor Gericht kam ;
vielmehr ist die ganze Rede gegen Aphobos Rechenschaftsablage ge-
richtet, welche doch unmittelbar nach der Dokimasie eintrat; auch
würden, weil doch Dem. einen Theil seines Erbes erhalten hatte, die
Zinsen der 2 Jahre nach der Dokimasie anders als die der 8 vorange-
gangenen Jahre berechnet sein. Was der Vf. über Aphobos Trierarchie
nach Kerkyra beibringt ($. 6 S. 17), sodann über die Bezeichnung durch
IJkHQanvXXiov (Jf. 7 S. 18) sowie über den oropischen Process (S. 19),
darf ich als zu wenig schlagend übergehen. Er hat Recht, wenn er
im Ifn Abschnitt (S. 21 — 23) nachweist, dafs die Zeitangaben der Al-
ten über die Androtiana und Leptinea zu keinem sicheren Resultat füh-
ren. Er stimmt in 111 (S. 24 — 25) Bockh bei, welcher aus Hyperei-
des Worten \vv ü% — of vioi, xoCq vuIq c|)fxovTa h-q amtpQovitovaiv
ein wenigstens 60jähriges Alter des Dem. in Ol. 114, 1 folgert, als
Hypereides obige Worte im harpalischen Process gegen Dem. aus-
sprach, wonach freilich seine Geburt nicht unter Ol. ^K), I herabzu-
setzen wäre. Ungenügend scheint mir der Abschnitt IV (S. 26 — 41)
hinsichtlich der Zeitbestimmung des (2n) euboeischen und des damit
verbundenen olynthischen Keldzugs. Der Vf. ist gezwungen, diese Züge,
also auih die Schlacht bei Tamynae in Ol. 106, 4 (353/2), die Belei-
digung des Dem. in den März 352, die Midiann gegen Ende d. J. 352
(Ol. 107, 1) zu setzen. Ich verweise darüber auf das oben zu Nr. 8
gesagte. — Also auch diese fleifsige Abhandlung hat die schwierige
Untersuchung über Dem. Geburtsjahr nicht zum Abschlufs gebracht,
doch ist der Vf. so ernstlich und anhaltend mit seinem Thema hcschäf-
514 L. Ruprcchl: die deutsche Rechlschrcibung.
tigt gewesen und hat aach die Nebenfragen : ober die Zeit der Ephebie
in Athen (Berl. IHöl) wie fiber die Zeit der neincischen Spiele in selb-
ständigen Schriften behandelt, dafs wir im Interewse der Sache den
Wunsch aussprechen dürfen, Hr. H. wolle und könne auch fernerhin
diesen Studien zugewandt bleiben *),
Halberstadt. C. Rchdantz.
Die deutsche Rechtschreibung vorn Standpunkte der historischen
Grammatik beleuchtet von Ludwig Ruprecht y Collaborator am
Gymnasium Andreanum zu Hildesheim. Gottingen bei Vanden-
hoeck und Ruprecht. 1864. 65 S. 8.
Ref. kann dies Buchlein jedem empfehlen, der Belehrung über die
geschichtliche Rechtschreibung sucht, auch solchen, welche keine
Kenntnis der frühern Entwicklungsstufen der deutschen Sprache ha-
ben; da es populär gehalten ist, so eignet es sich auch für Voikt-
schullehrer, die sich doch endlich der neuen Rechtschreibung nicht
werden entziehen können. Das Material ist sehr fleifsig zusammenge-
tragen und im ganzen übersichtlich geordnet. Auf eine historische
Einleitung folgt die Sache selbst nach drei Theilen: Bezeichnung der
Lange, der Kürze, Verwechslung der Buchstaben. (Ref. hat einst bei
Behandlung desselben Gegenstandes für einen kleinen Kreifs noch ein-
facher eingetheilt: 1) Consonanten: az, h (tft), di\ Verdoppelung und
Verwechslung. 2) Vocale: ie, Verdopplung und Verwechslung. Bei
der Kintheilung des Vf. kommt das ursprüngliche h mit in den Kreifs
der Untersuchung über die Bezeichnung der Länge, was verwirren
kann.) Die Vorschläge zur Verbefserung und die ganze Haltung des
Buchs sind so gemäfäigt und mild, dafs Ref. gesteht, nicht so säuber-
lich', fahren zu können. Aber villeicht ist gerade diese Milde der
Sache nützer als ein, wenn auch hier berechtigtes, dreinschlagen.
Wenn der Vf. sagt: die Klagen über die Neuerungen in der Orthogra-
phie hätten gewis ihr Recht — so scheint das doch der behaglichen
Philisterei, die eine süfse Gewohnheit des Unverstandes nicht aufge-
ben will, viel zu viel nachgegeben; wenn der Vf. die Berechtigung der
Wifsenschaft in Zweifel zieht zu Aenderungen auf einem Gebiete des
Volkslebens, so passt das nicht auf die moderne Unrechtschreibung,
die so wenig etwas nationales ist, als der Zopf des vorigen Jahrhun-
derts die deutsche Nationaltracht. Es ist kein Kampf zwischen Wifsen-
.schaft und Volksleben — es ist ein Kampf zwischen wahrer und fal-
scher Wifsenschaft, falscher WifHenschaft , die das Volk in ihr Gan-
gelband genommen hat. Der Vf. weifs sich aber so auf den Standpunkt
seiner Gegner zu versetzen, dafs man nicht weifs, ob es sein Ernst
oder Scherz ist, wenn er sagt (S. 7), dafs die strenge Aufrechterhal-
tung der alten Schreibart ^wirklich leider' eine Unmöglichkeit gewor-
den ist. — Ref. kann es nicht tadeln, wie der Vf., wenn Weinhold eine
Reihe neuer Aenderungen in Aussicht stellt, wenn sich das Auge an
die ersten gewöhnt habe: das Pesthalten an der alten Rechtschreibung
beruht fast lediglich auf Gewöhnung der Augen, und einer spätem Ge-
neration wird villeicht Tat, im, in für That, ihm, ihn nicht mehr
*) Ich empfehle ihm, was die Bedeutung des in Dem. Berechnung
nicht sehen gebrauchten Wortes oXog anlangt, das Programm von
Vömel, falls es ihm nicht zu Händen gekommen ist, 'über den Ge-
brauch von iidliata bei Zahlen.' Krankf. a/M. 1862.
L. Ruprecht: die deutsche Rechtschreibung. 513
Auffallen, \ieil ihre Augen an Worte ohne den Zierrat des k gewohn-
ter «ein werden. — Auch bei den einzelnen Vorschlagen des Vf. wurde
Ref. hier und da weiter gehn. Warum sollen wir die Verdopplungen der
Vocale a und e nicht verbannen, da sie streng genommen, nach des
Vf. eignen Worten, nie einen Laut ausdrucken, ungrammatisch sind
und inconsequent (wie Heer und Herberge) angewendet werden? Auf
die praktische Bedeutung des Unterschiedes von die Waage und der
Wagen gibt Ref. nichts, denn bei yorlesen und hören geht der Unter-
schied doch gänzlich verloren, der lebende aber wird hoffentlich Ver-
stand genug haben, aus dem Zusammenhang zu ersehn, ob von einem
Wagen oder einer Wage die Rede ist; hat er nicht so viel Verstand,
80 hilft ihm auch das aa nichts. — Bei den Worten, welche te ver-
loren haben und denen es der Vf. nicht wiedergeben will , mochte Ref.
fnr eins ein gut Wort einlegen, für Liecht. Das tu ist uns noch in
leuchten lebendig und in manchen Gegenden Deutschlands wird das
Wort noch lang gesprochen. In den übrigen Worten zu befsern, hält
Ref. gleichfalls für verfrüht, aber er glaubt, dafs die Rechtschreibung
dereinst, wenn die Hauptsachen vollkommen festliegen, auch den Be-
ruf hat, die verirrte und abgeschliffene Sprache in einzelnen Dingen
wieder auf den rechten Weg zu leiten; da wir nun einmal ein Schreib-
lesevolk sind, so wird das auch möglich sein und wer weifs, ob un-
sere Nachkommen nicht wieder Flechte sprechen lernen — sprechen
wir doch nur la9$en wegen der Orthographie statt /^sarcit. — Auf S. 23
wird das e in Stuel als Verlängerung angesehn; es ist aber wol ein
Rest des alten iio. Ebendaselbst ist Stier zu tilgen (s. S. 20), oder
wenn es etwa der ahd. Pflanzenname sein soll, näher zu bezeichnen.
Bei te läfst uns der Vf. ganz ratlos, wie denn nun zu befsern ist. An-
zufangen ist hier mit den Worten, wo i mit e wechselt, also mit dem
Imperativ und der 2n und 3n Person der nenn vom Vf. aufgezälten
Verba. Dahin gebort auch Gefider von Feder, Gir (begeren), tigen
(legen), »chwirig (schwer), langwierig {währen) und sicmcti (^zähmen).
Hier ist das dnrch die Etymologie gebotene % zunächst herzustellen.
Denn werden einige Worte noch immer hier und da trotz des te kurz
gesprochen: dieser, Fiedel (welches Wort ohnehin oft Fidel geschrie-
ben wird), kriegen, liegen, nieder, Riegel y Schirling (auch bei die-
sem Wort ist ie nicht immer geschrieben worden), sie, sieben, Siegel,
Stiefel (freilich meist verderbt), viel in villeicht, wider — warum
sollte man in diesen Worten nicht die Aussprache zu ihrem Recht kom-
men lafsen? Es bleiben freilich noch immer einige Worte übrig und
am schwersten wird die Wiederherstellung in den Praeteritis sein, weil
unserm Auge das einfache lange t zu* ungewohnt ist. Und doch sind
wir es in mir, dir, wir gewohnt und müfsen und sollen es auch sonst
gewohnt werden. Die Menge der Worte darf uns hier so wenig ab-
schrecken wie bei dem h. Hier kann man als Regel der Befserung
aufstellen: man lafse das unberechtigte h zuerst einmal in der Com-
position, namentlich in unbetonten Silben weg: wem Teil auffällt, der
liest über Nachteil weg u. a. Es wird aber auch hier letztes Ziel
sein müfsen, das h, wo es unberechtigt ist, zu verbannen und warum
sollten wir nicht Han schreiben, da wir doch in Henne ein abgelei-
tetes Wort haben, das die ursprüngliche Kürze festhält? Wir werden
auch noch aol und kan schreiben , sobald nur die Hauptsachen der Re-
form Gemeingut geworden sind. — S. 41 mochte Ref. für Erbsze gel-
tend machen, da^ die Aussprache hier zu Land den scharfen Zisch-
laut sehr deutlich wahrnehmen läfst. Bis wir einmal e$s und wasz
schreiben , das kann lange dauern ; die$z aber wird hin und wieder
schon geschrieben, und bisz erinnert sich Ref. in sämmtlichen Schrif-
ten eines theologischen Vielschreibers der Neuzeit gelesen zu haben.
516 L. Ruprecht: dio deutsche Rcchlschreibang.
— Warnm nicht groate geschrieben werden soll, da ohne Ausnahme
beste geschrieben wird, sieht Ref. nicht ein. Stat fär Stadt werden
wir woi erst schreiben, wenn wir einmal soweit sind, dafs wir die
grofsen Buchstaben und die sogenannte dentsche Schrift entbehren kön-
nen, wozu es endlich doch einmal kommen wird. Einen Wunsch will
Ref. noch aufsern: der Vf. möge, um sein Buch noch nutsbarer su
machen, bei einer etwaigen neuen Auflage ein alphabetisches Wort-
verzeichnis anhängen, für die welche nicht grammatisch gebildet ge-
nug sind, um überall bei jedem Worte gleich der Kegel sich zu enn-
nern, und doch immer wieder fragen, wie dies oder jenes Wort ge-
schrieben werde.
Hanau. Otto Filmar.
Handbuch der englischen Sprache. Nach einem neuen Plane bear^
beitet von Dr. F. E, Feller , Director der öffentlichen Handels-
schule in Gotha. Zweite verbefserte und vermehrte Auflage. Leip-
zig, Druck und Veriag von B. 6. Teubner. 1854. VI u. 280 S. 8.
Das Buch ist namentlich für Schulclassen berechnet, die aus Scha-
lern verschiedenartiger Vorbildung bestehen, und soll den Unterricht
auf eine Weise regeln , dafs er für die wenig oder gar nicht wifaen-
schaftlich vorbereiteten Schüler erfolgreich und zugleich für die befser
ausgestatteten anregend und befriedigend sei.
Die nicht unbedeutenden Erfolge, welche in Bürger-, Real- und
Gelehrtenschulen die sogenannte 'calculierende Methode' (in den Be-
arbeitungen von Seidenstücker, Ahn, Hauschild, Munde, Kilippi u.a.)
errungen hat, so dafs» eine grofse Anzahl neuerer Lehrer die Krage,
wie der Unterricht in den neueren Sprachen bei jedweder, auch
der heterogensten Zusammensetzung der Classen zu ertheilen sei, für
längst abgethan halten, scheinen den Vf. bewogen zu haben, im An-
lehnen an diese Methode den einleitenden Theil des vorliegenden Bu-
ches, die ' Uebungen im Uebersetzen, als Vorbereitung' S. "lo R» zu
bearbeiten, allerdings mit manigfachen, dem Schüler nachhelfenden In-
terpolationen, die nicht mit dem Geiste der Methode stimmen, da diese
den Schüler aus dem gelernten selbständig ein neues und ganses
entwickeln lafsen soll. Die Bahn dieser Methode ist jedoch auch von
S. 43 an ganzlich veriafsen und der grammatische Weg an ihre Stelle
getreten. Den Vorzug der Unterrichtsmethoden hier des weiteren ge-
geneinander abzuwägen ist nicht Sache der gegenwärtigen Bcurtheilung;
wir nehmen daher das Buch wie es ist, als eine Grammatik, bestehend
aus sehr gedrängter Formenlehre und ziemlich ausführlicher Syntax.
Die Syntax ist theils in kurzen (nur zu sparsam auftretenden) Regeln,
denen auch zuweilen etwas schärfere Kafsung zu wünschen wäre, theils
in Andeutungen oder Fingerzeigen auf praktische Beispiele aufgestellt.
Der Hauptwerth des Buchs liegt unstreitig in der ungemeinen Reich-
haltigkeit und guten Auswahl interessanter Beispiele, welche neben
dem grammatischen immer auch besondere Rücksicht darauf nehmen,
das eigenthümliche des Idioms darzustellen (m. vgl. beispielsweise die
gute Sammlung von Beispielen über die Anwendung der Zahlworter
S. ICH) u. V. a.) — und in dieser gleichzeitigen Erstrebung zweier
Zwecke besteht eben das eigenthümliche des neuen Planes. — Ref.
Mtimmt allerdings nicht immer mit den Behauptungen des Vf. überein;
wenn z. B. der Vf. S. 47 über die Steigerung der Adjcctive sagt:
'man findet in den Grammatiken zwar auch die Endung atif , cntj ivc.
F. E. Fclior: Handbucb der englischen Sprache. 2o Aufl. 517
edj ain n. m. a. als solche bezeichnet, welche nicht gern er und eH
annehmen; die Erfahrung zeigt aber das unhaltbare dieser Bestimmung',
80 ist CS zu weit gegangen die gewohnliche Regel 'unhaltbar' zu nen-
nen, vielmehr steht fest, dafs die ursprüngliche deutsche Steigerung
auf -er, -est bei einem verhältnismafsig nur geringen Theile der eng-
lischen Adjective beibehalten worden ist. Als allgemeine Regel gilt,
dafs die sogenannte regelmäfsige Steigerung (auf -er und -e$t) nur bei
einsilbigen Adjectiven, bei den zweisilbigen auf -10 und -y und bei
denen stattfindet, welche den Accent auf der letzten Silbe haben. An-
dere zweisilbige, besonders die yom Vf. in Zweifel gezogenen auf -an#,
-en<, -iv€, -eS, -ain u. s. w., haben nur ausnahmsweise die Steigerung
auf -er, -est; allerdings hat sich z. B. pleasanter, plea$ante$t seit lan-
ger Zeit bei guten Schriftstellern (so bei Goldsmith, W. Scott, den
Quarterly Reviews, Bulwer, Mrs. Gore, Ainsworth, James, Captain
Beilew, Capt. Marryat u. s. w.) festgesetzt; aber andere Formen, wie
tke arrante$t Tartuffe in tcience (Sterne), one of the emtnentesl
among the Jewiah Doctort (Disraeli), properer (Lord Falkland) , heau-
tifuller (Carlyle), faiihfullest (Burns), delightfalleBt (Dickens), won-
derfullett (Westm. Rev.), vulgarest (Bulwer, Westm. Rev.), forwar-
dcr (IVlrs. Gore), dismallest (Dickenj^ rottcncst (id.), abrupter (id.),
honvster (Lord Byron), honc8te$t (d^h^er, James), modeateat (Gold-
smith), forlorncr (Dickens), acuter (Kemble), miserable$t (Westm.
Rev.), induhitahlcst (ib.), incrcdihilest (Carlyle), a score or $0 of the
raggedeat (Dickens), proJifickvst (Bulwer), //c'« the devotedcat and
innocentcut crcetur (Dickens) sind entweder, wie die letzten, wirklich
nur der Volkssprache angehörig, zum Theil der komischen eigenthum-
lichen Wirkung halber angebracht, von ähnliclien Formen bei frühe-
ren Schriftstellern (so principalleat [aus dem Jahre 1486], fooliaheat
(Sir Thomas Brown etc.) gar nicht zu reden. — Naturlich ist bei dic-
Ren Formen der Wohllaut von grofsem Gewicht, wie dies von Ref. in
Bezug auf solclie Formen, wie quieter, quictcst, tcndcrcr, tendere$t
etc. im 2n Bande seiner Ausg. von Dickens^ A Child's Hist. of Eng-
land S. 70 erörtert worden ist. — Jedenfalls ist hier vorsichtige Schei-
dung nothig, damit nicht Unsicherheit in den Regeln und in Folge
dessen Schwanken beim Schüler eintrete. — Es wiirde jedoch zu weit
fuhren, auf solche Einzelheiten cinzugehn; wir schliefsen daher unsere
Beurtheilung mit der Bemerkung, dafs, wenn ein tüchtiger Lehrer das
Buch in seine Hand nimmt und es nicht gerade den allerersten Anfän-
gern vorlegt, dasselbe sicher recht fruchtbringend sein wird. Uebri-
gens sind jedem einzelnen Capitel deutsche Uebungen zum Uebcr-
setzen ins Englische angehängt. — Druck und Papier sind untadelhaft.
Leipzig. Felix Flügel,
Neues vom Turnen und von der Gesundheitspflege in den
Schulen.
(Schlufs von S. 325—338.)
5) Paedagogisches Jahrbuch für 1854. Von Adolph Diesterweg.
Vierter Jahrgang. Mit dem Bildnis Jahns. Berlin, im Selbstver-
lag des Verfafsers. XXXI u. 308 S. gr. 8.
6) Das Turnen j sein Ein fluss und seine Verbreitung. Eine vom Ber-
nischen Kantonalturnverein gekrönte Preisschrift. Von Joh, Nig-
geler, Turnlehrer am Seminar zu Munchenbuchsee. Bern, J. Dalp.
1852. IV u. 100 S. gr. 8.
518 A. Dicslerwog: pacdagogisclics Jahrbuch für 1854.
7) Wie kann sich die Schule an der Sorge für die nöthige Lei-
besbeweyung unserer Kinder ^ sowie für deren körperliche Ue-
bnng und Ausbildung belheiUgen? Eine Schulfrage, in dem
Leipziger Lehrerverein am 2. F^ebr. 1853 behandelt und bei Gele-
genheit des 5. Berichts über das moderne Gesaramtgymnasiam in
Leipzig yeröffentlicht von Dr. Ernst J. Hauschild , Director. Leip-
zig, in Comm. von Colditz. 1853. 34 S. gr. 8.
8) Ueber den Zusammenhang des Turnplatzes mit der Schule
von j4. Vieth, Coilaborator und Turnlehrer. Programm des Gym-
nasiums zu Ratzeburg. 1852. 42 8. 4.
Nr. 5. Das Die st er wegsehe Jahrbuch gehört nur nach
Theile seines Inhalts in dieses Referat , insofern es das Andenken einet
deutschen Mannes feiert, dessen Wirken und Schaffen darauf hinans-
gieng, die Jugend als ein Ganzes nach Leib und Seele zu erziehn, den
man deshalb als den Grunder des deutschen Turnwesens anzusehii pflegt.
Friedrich Ludwig Jahn (gest. den 15. October 1852) ver-
dient gewis in vollem Mafse sQ^e Würdigung, wie ihm hier von Hrn.
Diestenveg zu Theil wird. E^mufs besonders den Lehrern unver-
gefsen bleiben, wie Jahn mit seineA Genofsen vor 40 Jahren so rüstig
nnd glücklich für die klare und leicht verständliche fdee des Turnens
auftrat und ihm einen Boden schuf, auf dem es geblüht und Fruchte
getragen hat und hoffentlich noch tragen wird hundertfältig. Indem
Jahn als das hohe Ziel des Turnens jene männliche Rüstigkeit erkannte
und hinstellte, welche sowohl in Bezug auf die leibliche Gresundheit,
Kraft und Ausdauer des einzelnen, wie namentlich auch auf mann-
hafte Gesinnung und volksthümliche Wehrhaftigkeit des ganzen von
Bedeutung war, füllte er mit dem Turnen eine wesentliche Lücke in
der öffentlichen Erziehung aus und verschaffte dieser wichtigen Ange-
legenheit mit dem ganzen Einflufse seiner personlichen und geistigen
Gaben Ansehn und Bedeutung. Sein Streben gieng darauf hinaus, mit
einer gesunden , schnellkräftigen Leibesbildung der Jugend sie zugleich
zu Lauterkeit und Offenheit des Wesens, zu Tüchtigkeit der Gesin-
nung und R(>inheit der Sitte anzuleiten und Ehrfurcht, Liebe und
Glauben in die Herzen der heranreifenden Jünglinge zu pflanzen, auf
denen die Hoffnungen des Vaterlands ruhen. Das Verdienst, dieses
hohe Lebenswerk durch Schrift und That nach bestem Wifsen und
Gewifsen gefordert zu haben, wird ihm die Geschichte der Kr-
ziehung und des Turnwesens stets hoch anzuschlagen haben. Der
Denkstein, welchen Hr. D. hier dem verdienten Manne setzt, besteht
aus einzelnen Charakterbildern, welche die Persönlichkeit, den Lebens-
gang und die Wirksamkeit des hingeschiedenen in treffender Zeichnung
und lebendiger Schilderung zur Anschauung bringen. Die Biographie
zerfällt in die einzelnen Abschnitte: die Begegnung — das Schicksal
— der Schriftsteller — der Turnvater — der Gefangene — der Mensch
(8. 1—97 des Jahrb.).
Die Schilderung Jahns nach seinem Charakter, seinen Thaten, sei-
nen Bestrebungen und Ansichten ist vom Vf. mit grofser Wärme durch-
geführt und gewinnt an Interesse durch die frische und pikante Form
der Darstellung, wie durch die Mittheilung von vielen bis dahin nicht
bekannten Briefen und Aktenstücken. So \^eit ist das alles ganz schon
und man folgt Hrn. D. gern, so lange es ihm darum zu thun ist, einen
Act der Pietät zu erfüllen. Nur wo er s»>ine personliche Anschauungs-
weise hinsichtlich der gegenwärtigen politischen Cultnrzustände aus-
A. Dicstcrwcg : paedagogischcs Jahrbuch für 1854. 519
drfickt, zeigt er seine Schwachen, besonders wenn er die Geschichte
der Jahre 1848 und 1849 berührt, wie 8. 93. Dann zeigt sich der
kleinliche Parteiniann mit leeren Raisonnemcnts in einseitigster Rich-
tung und bitterster Stimmung. ^ Mit leidenschaftlicher Hast saust er
dann hinweg über die gewichtigsten Gegenstande, über Kirche und
Nationaierziehung , und robertbiumt über diese Dinge in den abge<
standenaten Phrasen, die hoffentlich von dem gesünderen Theile der
Lehrerwelt belächelt werden.
Da kommt der grofse Paedagog auch auf die Gestaltung des heu-
tigen Turnens, das ihm gar nicht gefallen will, weil hier nicht an eine
'Hervorhebung der socialen Richtung und gesellschaftlichen Bildung
durch gemeinsames Leben der Jugend aus allen Standen ' gedacht wird.
Hr. D. will ein Turnen 'unter freiem Himmel, in Mischung verschie-
dener Stände, für nationale Zwecke' und man miifs sich billig wun-
dem, dafs er noch bei dieser phantastischen Auffafsung des Turnens
stehen geblieben ist, die auf eine leere Phrasenmacherei hinauslief,
während der eigentliche Kern der Sache meist verloren gieng. Er gibt
selbst zu, dafs die alte Jahnsche Turnkunst unter ihren 10 — 12 Haupt-
zwecken die gesunde und kräftige Bildung des Leibes nur als ^inen
derselben angesehn habe, und doch schwärmt er für ein nationales Tur
nen, über dessen Charakter, Bedeutung und Stellung zur Schule wir
jedoch vollständig im unklaren golafsen werden. Es scheint fast als
kenne Hr. D. seit seinem Austritt ans der Schule die Bedürfnisse der-
selben nicht mehr, wenn er hier ins blaue hinein von freier Bewegung,
von volksthümlicher Bildung, von Ideen auf dem Turnplatze, von Gk-
meiiü»amkeit und Kameradschaft u. dgl. m. schwatzt. Oder er denkt
sich vielleicht die Schule nach dem Zuschnitt jener Volksversammlun-
gen und die Thätigkeit des Turnlehrers als die eines volksbeglückenden
Redners, der etwa auf dem Tie des Turnplatzes die umstehende Turn-
Jugend haranguiert.
Wir wollen nicht vergefsen , was wir den wackern deutschen Män-
nern verdanken , welche ehemals in dem Turnen den Volksgeist hoben
und die Volkskraft stärkten. Unmöglich aber können wir heute noch
die Schale füv den Kern der Sache selbst halten. In der ersten Ent-
wicklungsperiode des Turnens war die Gestaltung desselben durch be-
sondere hochwichtige Interessen bestimmt. Die Verbindung des poli-
tischen mit dein Turnen war zu jener Zeit vielleicht ganz nothwendig,
and man kann recht wohl sagen, dafs Jahn das Turnen für seine Zeit
im allgemeinen richtig behandelte, während es unnatürlich und abge-
schmackt wäre, wenn man heutzutage noch so fortfahren wollte. Das
würde eine schone Erziehung geben und viel Ueberdrufs erregen, wenn
man beim Turnen der Jugend stets nur das Ziel der Wehrhaftigkeit
hinstellte; jede andere Verrückung des einfachen Zieles, wie es sich
aus der Sache selbst ergibt, mnste ein gleiches Geschick haben. Was
hat denn das Turnen der Jugend mit Politik zu thun? Oder ist es
dem Blicke des Hrn. D. entgangen, wie nach der Mittheilung unbe-
fangener Zeitgenofsen die Jugend damals sich aufspreizen lernte
und sich durch wenige hohle Vorstellungen in das Selbstgefühl
hoher Gesinnung einwiegte, die sich gar nicht selten in exaltiertem
Wesen und confusem Patriotismus kundgab? Die Geschichte des deut-
schen Turnwesens lehrt uns nur zu deutlich, dafs solche politisch-
nationale Beisätze den eig^tlichen Geist der Sache 'Vergiftet haben.
Der Freund des Turnens mufs sich deshalb nur freuen, wenn es jetzt
anfängt sich davon los zu machen und im Sinne einer vernünftigen
Paedagogik durch ein genaueres Anschliefsen an die individuellen Bil-
dongsbedürfnisse in dem Ganzen des Schul- und Erziehungswesens als
ein branchbares und wesentliches Glied die rechte Gestalt und die
520 J. Niggeler: das Turnen, sein Einflurs und seine Verbreitung.
rechte Stelle zu finden. Auch von Spiefs redet Hr. D.: Mch Terkenne
seine Verdienste nicht. Er discipliniert durch Gymnastik , er fordert
die aesthetjsche Bildung, seine Ordnungsübungen sind vortrefflich. Blit
Recht hat Brückner die Bedeutsamkeit seiner Methode für individuell-
menschliche Bildung anerkannt. Aber . . .' Wir wifsen bereits, was
dieses Aber zu bedeuten habe, und werden deshalb nicht in Verlegen-
heit sein, wenn es sich um die Frage handelt: wie gegenwartig die
Organisation des Schulturnens zu trefTen sei.
Nr. 6. Die Schrift von Niggeler gewährt uns einen Einblick
in die Zustände des schweizerischen Turnwesens. In der Schweiz regt
sich bekanntlich ein frischer Sinn und eine allgemeinere Bethätigang
für diese Angelegenheit fast in allen Schichten der Gesellschaft. Nach
den Mittheilungen über das Turnen bei den Schulen zu schliefsen, so
scheint man dasselbe mit gröfserer Entschiedenheit in den Schulplan
aufgenommen zu haben , als es bei uns in Deutschland der Fall zu sein
pflegt. Wenn die Schweizer einmal etwas für gut und nützlich er-
kannt haben, so scheuen sie auch die Opfer nicht, um ihm Geltung sa
verschaffen. So stimmen z. B. die Mittheilungen darin überein, dafs
die schweizerischen Schnl-Turnanstalten viel splendider eingerichtet
sind als anderwärts. Wenn man die Thätigkeit A. Spiefs* zu Barg-
dorf, Münchenbuchsee und Basel aus seinen Schriften kennen lernt,
so mufs man daraus ersehen, wie die schweizerischen Schulbehorden
kräftig und sorgfältig sich auch der leiblichen Erziehung der Jugend
annehmen. Ref. erinnert sich selbst von Spiefs gehört zu haben, mit
welchen Opfern die Stadt Burgdorf Turnhaus und Turnplatz für die
sämmtlichen Schulen einrichtete und der turnerischen Ausbildung im
engern Anschlufs an die Schulen allen Vorschub leistete. Als nun
alles zu Stande und in Gang gebracht war, bemerkte Spiefs, dafs der
wohleingerichteten Turnanstalt nur noch eine Gelegenheit zum Baden
und Schwimmen für den Sommer fehle, womit die turnerischen Er-
ziehungsmittel zu completieren wären. Da das beim Fehlen eines cro-
fseren Gewäfsers nur durch die Anlegung eines Bassins zu ermöglichen
war, so wurde Spiefs vom Gemeinderath aufgegeben, die Kosten einer
solchen Einrichtung zu ermitteln. Nachdem das gesch^hn, erhielt er
schon nach der folgenden Sitzung des Gemeinderaths die Mittheilong,
er könne mit dem Bau des Schwimmbassins beginnen lafsen, da die
(nicht unbedeutenden) Kosten einstimmig bewilligt seien. Wie sieht
das da manchmal bei uns aus, wenn ein Magistrat oder eine Stadt^
verordnetenvcrsammlung nur 50 oder 100 Thlr. zur Herstellung der
allerdringlichsten Einrichtungen für die gymnastische Ausbildung der
Jugend bewilligen soll! Der bernische Kantonalturnverein hatte die
Preisfrage gestellt: 'ist das Turnen blofs für die Stadtbewohner oder
ist es auch für die Landbewohner nothwendig und wünsclibar? Wenn
ja, auf welche Weise kann demselben auch bei diesen am besten Ein-
gang verschafft werden?' und die vorstehende Schrift versucht zur
Lösung dieser Frage das Turnen als eine Nothwendigkeit für alle
Stände vom historischen, physiologischen, psychologischen und prak-
tischen Standpunkte aus zu begründen. Diesem Zwecke entspricht die
Schrift durch eine klare übersichtliche Darstellung der hier einschla-
genden Verhältnisse. Der Hauptabschnitt: 'Vorschläge zur Verbrei-
tung des Turnens' (S. 72 — 100) enthält viel praktisches und allge-
mein giltiges, während die Besprechung des 'Turnens als Staatsan-
gelegenheit' mehr auf schweizerische Einrichtungen Bezug nimmt.
Nr. 7. Das Programm des modernen Gesammtgymnasiums in
Leipzig bezeichnet Eingangs der erwähnten 'Schulfrage' als die zwei
Klippen, an denen Erziehung und Unterricht so leicht scheitern: die
Störung des Gleichgewichts und der Eintracht der Seelenkrafte und
E. J. Hauschild: Sorge d. Schule F. d. Leibesbewegung d. Kinder. 521
ebenso des Verhältnisses zwischen Leib und Seele. Hr. Dir. Hau-
Schild ist der Meinung, dafs man es in den Bestrebungen 'denKor-
per als das Werkzeug des Geistes und die Hülle einer unsterblichen
Seele, diesen Tempel Gottes und seines heiligen Geistes wieder auf-
bauen zu helfen' nicht weit gebracht habe. 'Man zähle doch nur
in Sachsen' sagt er 'die Knaben und Junglinee, welche eine gleich-
mäfsige und ununterbrochene, etwa vom 8n bis zum ]8n Jahre fort-
gesetzte körperliche Uebnng und Ausbildung erhalten, und man wird
mir die obige Behauptung nicht übel nehmen.' Der Vf. geht sofort
auf die Ursachen dieser Erscheinung ein und findet einen Fehler da-
rin, dafs man fälschlicherweise unter körperlicher Ausbildung immer
nur das Turnen, und zwar das Turnen am Turngeräth verstehe, wäh-
rend die Schuler eine nicht zu anstrengende und angreifende Bewe-
gung nothig hätten.
Hr. H. berührt hier einen Punkt, der allerdings sehr der Beach-
tung werth ist. Man kann nicht genug dagegen ankämpfen, dafs die
Turnlehrer ihren Schülern eine zu heftige und übermäfsige Korper-
bewegung beim Turnen zumuthen. Man läfst da häufig sonst noch
gar nicht ausgebildete und schwächliche Knaben dieselben Uebungen
treiben, welche für Erwachsene bestimmt sind, so dafs ein völliger
Verbrauch der Kräfte erfolgt und die Schuler sich nach jeder Turn-
stunde wie gerädert und zerschlagen fühlen. Es hatte dieses seinen
Grund darin, dafs die Turnlehrer aus der alten Schule beim Mangel
nn physiologischer Bildung ihren Unterricht nicht nach Mafsgabe
äufserer Fertigkeitsstufen einrichteten und die Turnkunst nicht als
Mittel, sondern als Zweck ansahen. Die Turnkunst mufs aber nicht
als eine selbständige, bis an die änfsersten Grenzen des physisch
möglichen zu treibende Kunst, sondern nur in ihrer Beziehung zum
menschlichen Organismus und zur Gesammtentwicklung der Jugend
aufgefafst werden. Die Nachtheile eines übertriebenen Turnens liegen
auf der Hand, und Hr. H. hat vollkommen Recht, wenn er sie zu den
Ursachen der Abneigung rechnet, welche von Seiten der Schüler und
mehr noch von den Eltern und dem Publicum überhaupt gegen das
Turnen an den Tag gelegt wird. Ein Turnunterricht, der trotz tüch-
tiger Körperbewegung nicht das Gefühl des Wohlbefindens in dem
Schüler hervorbringt, sondern die Kräfte desselben so in Anspruch
nimmt, dafs sie völlig absorbiert werden, ist ein verkehrter, da die
Turnübungen die bildende Natur im jugendlichen Korper nur sorgsam
fordern, nicht aber durch ungebührliche Kraftanstrengnngen hemmen
tollen. Die neuere rationelle Turnschule hat das auch recht wohl durch
eine einfachere Gestaltung ihrer Mittel und durch eine heilsamere Ord-
nung ihres Unterrichts zu berücksichtigen gewust; die Spiefssche
Schule z. B. verwendet den grofsten Theil der Turnstunde auf Frei-
übungen. Hr. H. hat nun als Aushilfsmittel militärische Exer-
citien im Progymnasium eingeführt und dazu einen Exercier-
meister angenommen, wahrend die Schüler des Gymnasiums einen
Tanzmeister erhalten. Damit kann man sich kaum einverstanden
erklären. Nicht ohne Grund sagt K. v. Raumer in seiner Gesch. der
Paedagogik: 'Soldaten turnen zu lafsen ist entschieden zu rathen, aber
höchst bedenklich ist es, wenn Turner Soldaten spielen.'^ Man hat
schon an yerschiedenen Schulen die Erfahrung machen müfsen , dafs
die militärischen Exercitien nur einen höchst geringen gymnastischen
Werth haben und auf Schulturnplätzen nur zu häufig zur gefährlichen
Spielerei wurden, die von der Hauptsache ablenkt. Alle die Vor-
zuge, welche Hr. H. S. 16 f. seiner Abhandlung an den militärischen
Exercitien entdecken will, finden sich in viel eröfserm Mafse und in
ganz anderer und befserer Form in den Spiefsschen Ordnungs- und
N. Jakr^ f. PkU, «. Patd. 'Bd, LXX. Bfl. 4 a.5. 34
522 E. J.llauschild: Sorge d. Schule f. d. Leibesbewegung d. Kinder.
Gemeinubungen. Wenn Hr. H. das 9e Programm der höhern Barger-
schale zu Oldenburg 1852 einzusehen Gelegenheit hätte, so wurde er
gewis die Exercierübungen fallen lafsen und lieber zum modernen Tur-
nen greifen, das in der That einem modernen Gymnasium mehr ent-
spräche. In den Werken von Spiefn würde ihm jedenfalls befsere« ge-
boten, und vielleicht überzeugte er sich von dem, was Spiefs selbst
über den fraglichen Punkt äufsert: 'auch das Turnen hat den grofsen
Krieg aller Erziehung gegen das träge und unfreie zu führen; und ein
rechter Turnlehrer ist da bei seinen Schülern der Kriegsführer, der
vor allem seine Schaar zu einem einigen Kriegsh&ufen zu ordnen und
zu bilden hat , dafs in dem Gefühle der Gemeinkraft der einzelne ge-
schickt und beherzt werden könne, die kleine Schaar neben der an-
dern wetteifernd die Gemeinübungen aller unterstützt. Solche Ge-
meinübungen ersetzen in vollkommenem Grade das, was man sonst in
der Einführung des Exercierens suchte. Das steife Exercieren
bleibt dem Geiste einer Jugend, und insbesondere einer
Gymnasialjugend, stets etwas fremdes, insofern dasselbe eine
auf einen bestimmten Gebrauch gemünzte Bewegung ist, welcher nicht
in den Kreis der nächsten Beziehungen gehört; abgesehen davon, dafs
in dem Exercieren ganz das Gesetz der (Veiheit nnd der Kunst fehlt.*
Wa& in dem modernen Gesammtgymnasium ein Tanzmeister leisten
soll, würde sich aus einem rationellen Turnunterrichte fast von selbst
ergeben. Schon Spiefs hat die richtige Bemerkung gemacht, dafs aus
Gründen, die der Zweck der Turnkbnst von selbst fordert, die Tanz-
fertigkeit mit dem Geiste der Gymnastik durchdrungen und im Verein
mit andern Leibeskünsten getrieben werden müfse. Tänze, wie jene
kriegerische Pyrriche, welche zu Sparta und Kreta von Knaben nnd
Jünglingen geübt wurde, sind ganz geeignet, für den Turnzweck mit-
zuwirken, indem sie ebenso sehr die schnelle Beweglichkeit wie die
sichere Beherschung und das anstandsvolle Tragen des Leibes ent-
wickeln. Spiefs hat sich das grofse Verdienst um die Sache erworben,
durch eine kunstgeniäfse Durchbildung des Turnens auch die Reigen
in den sogenannten Gemeinübungen so schön behandelt zu haben. In
dem 2n Theile seines Turnbnchs für Schulen ist für diesen Zweck ein
reichhaltiger Unterrichtsstoff geboten. Damit verglichen haben *die
I^ibesübungen der Schüler des modernen Gesammtgymnasiums*, wie
sie hier S. 19 — 31 gegeben werden, eine sehr untergeordnete Bedeu-
tung. Man kann zugeben, dafs Hr. H. an der Ordnung der militäri-
schen Exercitien vielleicht mehr Freude hatte als an einem ungeregel-
ten und unsystematischen Turnunterricht nach der alten hergebrachten
Weise. Wenn er aber Gelegenheit erhielte, dem Schulturnen in der
neueren Spiefsschen Weise nahe zu treten, so würde er sich gewis
sofort davon überzeugen, dafs hier ein Turnunterricht geboten wird,
mit dem Schule und Haus in gleichem Mafse zufrieden sein können. —
Abgesehn von den erwähnten Ausstellungen macht das Programm des
Hrn. H. einen recht^ guten Eindruck durch die Wärme und Entschie-
denheit, womit er sich der körperlichen Bildung und Stärkung seiner
Zöglinge angenommen hat.
Nr. 8. Einer recht tüchtigen Arbeit begegnen wir in der Ab-
handlung des Hrn. Vieth. Wenn wir nicht irren, so haben wir es
hier mit einem Sohne des durch seine 'Encyclopaedie der Leibesuban-
gen' rühmlichst bekannt gewordenen dessauischen Schuldirector Vieth
zu thun, und es bewahrheitete sich dann das Sprichwort: ^der Apfel
fällt nicht weit vom Stamme', insofern wir in der Monographie oen-
selben Fleifs und denselben sittlichen Ernst antreffen, wie in jenem
gröfsern Werke.
Der Vf. nimmt in seiner Stellung als Lehrer und Turnlehrer am
A. Vielh: Zusammenhang des Turnplatzes mit der Schule. 523
Gymnasium zu Ratzeburg Gelegenheit, für die Schule die Noth^vendig-
keit einer einheitlichen Bildung der leiblichen wie geistigen Fähigkeiten
namentlich vom ethischen Standpunkte aus nachzuweisen, um sodann
der körperlichen Ausbildung der Gymnasialjugend im Zusammenhange
mit der ^vifsenschaftlichen und sittlichen das Wort zu reden. Zu die-
sem Zwecke behandelt er die 3 Fragen: 1) welchen Nutzen gewahren
die Leibesübungen im allgemeinen und besonders der Schuljugend?
2) gewähren die gewöhnlichen Turnübungen diesen Nutzen? 3) woran
liegt es , dafs der Nutzen des Turnens noch keineswegs auf den Schu-
len so zur Anerkennung gekommen ist, wie er es verdient? Die Je
Frage beantwortet Hr. V. mit einer umfafsenden Darlegung des Nutzens
der Leibesübungen in Bezug auf geistige und leibliche Frische, wie
auf Hebung der Geselligkeit durch Anstrebung eines gemeinsamen Zie-
les auf dem Wege der Arbeit, der Ausdauer und £hrliebe. Nach die*
ser allgemeinen Begründung folgt der specielle Nachweis von der
Brauchbarkeit der deutschen Turnkunst, wie sie litterarisch in den
Werken von Jahn und Spiefs vorliegt und danach bei den meisten
deutschen Schulen in Gebrauch gekommen ist. Dabei nimmt der Vf.
fortwährend Bezug auf die schwedische Gymnastik und ventiliert zu-
gleich die Frage, ob dieselbe nicht passlicher für die Körperausbil-
dung wäre als das deutsche Turnen. Das gibt ihm Gelegenheit, nach
dem bekannten Werke von Rothstein: 'die Gymnastik des schw. G.
Ling' eine Parallele zwischen deutscher und schwedischer Turnschule
zu ziehen, wobei er der ersteren den Vorzug einräumt und dieses durch
eine Kritik der Cardinalpnnkte aus gedachtem Werke näher motiviert.
Ref. kann sich nicht mit allem einverstanden erklären, z. B. mit der
Behauptung (S. 22): 'dafs bei den Turnschülern an Stelle des Com-
mandowortes der gute Wille eintreten' und 'die Freiheit des Turnens
einen Ersatz für den Lernzwang der Schule' bieten müfse u. dgl. m.;
allein es mufs Hrn. V. zugestanden werden, dafs er die von Rothstein
erhobenen Anklagen gegen das deutsche Turnen einer recht gediegenen
und gründlichen Besprechung unterwirft und mit der Unhaltbarkeit
derselben besonders nachweist, wie Ankläger die in der That erfolgte
rationelle Ausbildung des deutschen Turnens absichtlich oder aus Un-
kenntnis ignoriert habe. Indem der Vf. auf die Fallstricke aufmerk-
sam macht, welche denen gelegt sind zum Hemmnis, die sich auf die
schwedische Turnerei bei Gestaltung des Schulturnens ein-
iafsen, sagt er unter anderm S. 29: 'möge immerhin eine Gymnastik
im Sinne der von Rothstein empfohlenen begründet werden, die sich
vermifst, von der Wirkung jeder einzelnen Bewegung rücksichtlich
ihres Einflufses auf den menschlichen Organismus Rechenschaft geben
zu können , die ihre Uebungen nach dem Recepte vorschreibt und mit
der Goldwace austheilt, sie ist und bleibt unausführbar auf die Länge
unter einer Schaar froher, gesunder Knaben und Jünglinge, die in kur-
zem gelangweilt durch solchen gelehrten Zwang alle Lust und^ Liebe
zur Sache bei einer gymnastischen Methode verlieren wurden , die nach
der Apotheke riecht und ihre Uebungen mit dem Theelöffel austheilt.
Wir wollen die Grewisheit haben, dafs die Uebungen die Muskulatur
starken, den Körper strecken und abhärten, den Geist erfrischen, in-
dem sie ihn zum Herrn eines starken und willigen Dieners machen und
80 einer Vergeistigung entgegenarbeiten, die von einer christlichen
Paedagogik nur als ein Rückschritt kann betrachtet werden, weil sie
dem Leibe nicht sein Recht widerfahren läfst.' Hr. V. unternimmt es,
nach dem Vorgange von Mafsmann , Lion , Bauer u. a. nun weiter die
Vorwürfe zu entkräften, welche in dem Rothsteinschen Werke der Jahn-
sehen Tumschule hinsichtlich ihres Princips und ihrer Praktik in oft
sehr künstlicher und unlogischer Weise gemacht worden sind.
34*
524 A. Vieth: Zusammenhang des Turnplatzes mit der Schule.
Der 3e Abschnitt des Programms verbreitet sich über die Hinder-
iiisf^e, die sich einem erfreulichen Portgang des Turnens bei den Schn-
Jen hemmend entgegenstellen, zu welchem Zweck der Vf. untersucht,
ob die Gleichgiltigkeit gegen das Turnen an der Sache selbst, oder
an den dazu nothigen Einrichtungen, oder an den Turnlehrern
liege? Oder ob wir in das allgemeine, immer mehr überhand neh-
mende Klagelied der Paedagogen über zunehmende Verweichlichung
und geistige wie körperliche Erschlaffung der Jugend mit einstimmen
Mollen? Der Vf. gibt seine Erfahrungen und Ansichten über diese
Punkte, die allerdings dahin gehen, dafs ohne stetige Thellnahme aller
Schaler am Turnunterrichte, ohne geeignete Locale, in denen der Un-
terricht bei schlechtem Wetter und im Winter ununterbrochen fort-
dauern könne, ohne einen gebildeten Turnlehrer, ohne eine geistig und
leiblich bildende Turnunterrichtsmethode, bei den Gymnasien mit die-
ser Erziehungssachc wenig ausgerichtet werde. Ohne diese Praemis-
sen wird man umsonst Resultate vom Turnen erwarten, und es mag
richtig sein, wenn Hr. V. sagt, dafs ein matt und lahm betriebenes
Turnen schlimmer sei als gar keins. Mancherlei Unordnungen und Un-
regelmäfsigkeiten knüpfen sich an solche mangelhafte Einrichtungen,
die nur zu leicht nacntheilig auf die Jugend einwirken. Es lohnte
sich doch wohl der Mühe, für die unsern Schulen anvertraute Jugend
anstandige und wohlein^erichtete Ans alten zu schaffen, durch deren
wohlthäticen Einflufs dieselbe gegen so viele Plagen und Uebel, die
aus dem Mangel an zweckmäfsiger Erholung und Auftriebt und aus dem
Müfsiggange hervorgehen, physisch und moralisch geschützt werden
konnte.
Wir schliefsen mit dem Wunsche, dafs auch die hier besprochenen
Schriften dazu beitragen mögen, die Turnfrage ihrer Losung nahe zu
bringen und dieser Erziehungssache bei den Schulen die rechte Gel-
tung und richtige Einordnung verschaffen helfen. An der Hand der
S rufenden Forschung und Erfahrung wird sich die begonnene heilsame
^eform auf dem Gebiete der Gymnastik zu Nutz und Frommen unse-
rer Jugend mit Gottes Hilfe als eine recht segensreiche erweisen.
Dresden. M. Kloss.
Bericht über die vom 25. — 28. September 1S54 in Alten-
burg abgehaltene vierzehnte Versammlung deutscher
Philologen und Schulmänner.
Obgleich die in manchen Gegenden herschenden Nothstande und
die in vielen Gymnasien stattfindenden Examina viele am Erscheinen
verhindert hatten, war dennoch die Versammlung eine zahlreich be-
suchte zu nennen. Die Mitgliederliste wies 294 aus, zu denen aller-
dings Altenbnrg selbst ein beträchtliches Contingent gestellt hatte.
Von auswärts waren erschienen aus Bairenth Heerwagen und Lech-
ner, aus Basel Gerlach, Vischer, Merlan und Stähelin, ans
Berlin Wiese, Gerhard, Mutzeil, Hertz und Weber, aus C6-
then Cramer und Bosse, aus Dessau Ritter und Jahn, aus Dres-
den Käuffer, Heibig und Krehl, aus Eisenach Weifsenborn
und Rein, ans Erlangen Doderlein und Delitzsch, aus Erfurt
Weifsenborn, aus Eutin Hausdörffer, aus Frankfurt a. d. O.
Reinhardt, aus Gera Herzoff, Mayer und Saupe, ans Gottingen
Hermann, Schneidewin und Wnstenfeld, ans Gotha Wuifte-
Die 14e Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner. 525
mann, autt Grimma Dietsch und Schäfer, aus Güstrow Raspe,
aus Haiberstadt Schmid, ans Halle Bernhardy, Kramer, Eck-
stein, Keil, Oehler, Geier, Voigt, Hertzberg, Weiske
und Arnold, aus Hamburg Petersen und Redslob, ans Hanau
Den seh le, aus Hannover Kühner und Grotefend, aus Heidelberg
Holtzmann, aus Herford Knoche, aus Hildesheim Gravenhorst,
aus Hof Gebhardt und Riedel, aus Jena Göttling, Nipper
dey, Stark, Stickel und Hoffmann, aus Kassel Heraus, ans
Kiel Forchhammer, aus Leipzig Nitzsch, Westermann, Over-
beck, Wachsmuth, Wuttke, Gersdorf, Mobins, Dietzel,
Nobbe, Korbiger, Kreufsler, Tittmann, Brockhaus, Flei-
scher, Anger, Tuch, Graul, ans Liegnitz Sanppe, aus Magde
bürg Schwalbe, aus Marburg Caesar, aus Meifsen Kraner,
Graf, Döhner und Flügel, aus Mühlhausen Ameis, aus Nenstre-
litz Lad ewig und Scheibe, aus Nürnberg Herold, aus Oxford
Max Müller, aus Pforta Keil, Purmann, Corfsen und Müller,
aus Plauen Palm, Meutzner, Vogel, aus Quedlinburg Matt hiae,
aus Rostock Fritzsche, aus Rudolstadt Müller und Her eher,
aus Torgau Rothmann, Arndt, Kleinschmidt, Giesel, Mi-
chael, F^rancke, Handrick und Puls, aus Weimar Prell er,
Sauppe, Weber, Lieberkühn, Scharff, Lothholz, aus Wien
Tomaschek, aas Wittenberg St ier, aus Zeitz Wehrmann, Feld-
hügei und Langgoth, aus Zerbst Sintenis, Hammer und
Schulze, aus Zwickau Rieck, Hertel, Heinichen, Rüdijrer
und Döhner. Dafs die Versammlung durch den Ernst und die Wurde
der Verhandlungen und die Gemüthlichkeit des Zusammenlebens einen
nachhaltigen wohlthätigen Einflufs ausgeübt habe, wurde von allen
Theilnehmern anerkannt, und ebenso für die geschickte Leitung des
Praesidiums, wie für die freundliche und wohlwollende Theilnahme Sr.
Hoheit des Herzogs, des ganzen hohen Hauses und der Behörden des
Landes und der Stadt, und für die Gastfreundlichkeit der Bewohner
die lebhafteste Dankbarkeit empfunden.
Die Versammlung ward am 25. Septbr. ^y^ll Uhr durch den Prae-
sidenten Schulrath und Director Dr. Fofs eröffnet. Nachdem derselbe
die Aussetzung der Versammlung im vorhergehenden Jahre auf eine Weise
gerechtfertigt, dafs sich auch nicht öine Stimme dagegen erhob, hielt
er einen Vortrag über das Verhältnis der classischen Studien
zur gegenwärtigen Zeit, welcher eines tiefen Eindrucks nicht
verfehlte und in weitesten Kreisen Beachtung verdient. Zuerst wur-
den die Gründe, worauf man gewöhnlich die Behauptung stützt, dafs
die gegenwärtige Zeit dem Studium der Alten ungünstig sei, abge-
wiesen. Die heftigen Angriffe bewiesen nichts , weil sie gar nicht der
Wifsenschaft, sondern nur dem Schulunterrichte gelten, der Kampf
heilsam und erbitterte Gegner nicht zu fürchten seien. Die Gleich-
giltigkeit bei der Jugend sei in Wahrheit nicht vorhanden und auf die
Abnahme der Philologie Studierenden dürfte man sich nicht berufen,
weil sie ebenso wenig Abnahme des Interesses für die Wifsenschaft
beweise, wie die Abnahme der Theologie Studierenden Mangel an kirch-
lichem Leben, auf^serdem aber das den Studierenden von der Schule
her bekannte mühevolle Leben des Lehrers viele abhalte. Endlich
dürfe man sich auch nicht auf den buchhändlerischen Absatz philolo-
gischer Werke berufen, da in neuerer Zeit gerade eine erhöhte Thä-
tigkeit auf diesem Felde hervorgetreten sei. Gleichwohl sei die Sache
ans dem Leben nicht hinwegzuleugnen, wenn schon sie nicht so schlimm
stehe, wie es von mehreren Seiten dargestellt werde. Den^ Lehrern
die Schuld aufzubürden sei ungerecht; auf die Streitigkeiten über Me-
thode sei kein Gewicht zu legen, da solche zu allen Zeiten vorhnn<'pn
526 Die 14e VerBammiuug deutscher Philologen und Schulmänner.
gewesen seien, in Bezug worauf sich der Redner auf Comcnius' und
Ratichs Zeiten beruft. Wo seien jetzt die Lehrer , welche nicht nach
einer befsern Methode unterrichteten? Die Ursachen der Erscheinung
seien vielmehr 1) die grofse Ausdehnung und ^Selbständigkeit, welche
die einzelnen Wifsenscliaften, namentlich die Naturwifrienscbaften, ge-
wonnen. Wahrend nach dem Wiederaufleben der Humanitätsstudien
alle Wifsenschaften sich an das Alterthum angelehnt hatten, sei seit
Baco Ton Verulam allmählich eine Emancipation aller eingetreten;
jede einzelne habe an Umfang und an gesteigerten Ansprächen für die
Praxis eine solche Umgestaltung erfahren, dal's für sie ein ganzes lie-
ben allein gefordert werde. 2) aber stehen die Naturwifsenschaftcn
in einem principiellen Gegensatz gegen die Humanitätsstudien. Wie
Baco Ton Verulam ein Verächter der Alten gewesen sei, so blickten
auch jetzt die Anhänger der Naturwifsen^chaften mit Verachtung anf
sie, weil sie von der Natur nichts verstanden. Während früher nur
^ine Bildung, die classische, vorhanden gewesen, habe sich eine neue,
die reale, geltend gemacht; der lange vierzigjährige Friede sei dieser
Richtung auf das materielle günstig gewesen und sie habe sich bereits
ihre Anstalten und ihre Schulen gegründet. Während in den classic
sehen Studien der Weg ein mühevoller sei, ehe man zum Gennfs und
zur Freude gelange, werfe die Beschäftigung mit den realen Wifsen-
schaften schon von vorn herein manche Befriedigung ab; während in
jenen der Erfolg für den Nichtkenner verborgen bleibe, trete in die-
sen die Nutzbarkeit für das Leben auch dem blödesten Auge sichtbar
hervor, und der materielle Sinn, sowie die herschende Verfeinerung
des Lebensgenufses lege nun ihr Gewicht hinzu. 3) habe aufserdem
noch der erwachte nationale Sinn manchen Unterrichtsgegenstand , wie
das Altdeutsche, in das Gymnasium gebracht, der wie die realen Fä-
cher auf Gleichberechtigung Anspruch mache. Von dieser Menge von
Fächern sei eine Erschöpfung der Schüler die nothwendige Folge nnd
diese bewirke nicht allein während der Schulzeit eine Erschlaffung für
die Studien der Alten, son^lern auch eine Abschwächnng des Interesses
daran für die Folgezeit. Rechne man die kritische Richtung unser«
Zeitalters und das so viele Aufmerksamkeit und Kraft in Anspruch
nehmende politische Leben hinzu, so könne man darin, dafs sich jene
Studien behauptet haben, trotz der Ungunst der Zeit, einen Beweis
für ihren hohen Werth finden. Frage man nun was zu thun sei, so
müfse man zuerst mit aller Kraft zu erhalten und dem einseitigen Ma-
terialismus unserer Tage entgegenzuwirken suchen. Die Wifsenschaft
der Philologie habe nicht« zu besorgen; sie werde fortbestehen, auch
wenn die alten Sprachen aus den Gymnasien verbannt würden; des-
halb sei die FVage die wichtigste, was für die letzteren zu geschehen
habe. Die Lehrer hätten vor allen Dingen das Ziel fest im Auge lU
behalten und durch nichts sich darin irre machen, deshalb sich auch
nicht zu weiteren Concessionen verleiten zu lafsen, sie müsten aber
anch den Unterschied zwischen philologischer Wifsenschaft und Unter-
richt streng festhalten, sich stets dessen bewust bleiben, dafs Uebung
der geistigen Kräfte Und Erweckung des wifsenschaftlichen Sinnes die
Hauptaufgabe der Schule bleibe, dafs damit zwar nicht eine edle Po-
ßularisierung der Ausbeute aus der Wifsenschaft ausgeschlofsen, aber
eschränkang anf Sprache und Leetüre nothweudig geboten sei. Man
müfse ebenao streng die massenhafte Leetüre meiden, weil sie in ge-
fahrlicher Ungründlichkeit führe, wie an der ernsten Methode festhal-
ten; denn in der Ueberwindung der Schwierigkeiten bestehe eben der
Se^en des Unterrichts, es liege darin auch ein ethisches Moment.
Zeigten sich nun schon jetzt Symptome einer befsern Schätzung der
AlterthamsstudieUy so wurden die eigne begeisterte Liebe der Lehrer,
Die 14e Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner. 527
der Muth der Ueberzeiiguiigiind rahige und würdige Geltendmachung der
Berechtigung das beste dazu thon; halbe Freunde taugten btets weniger
als entschiedene Feinde. Mochte auch die gegenwärtige Versammlung
dazu beitragen eine richtigere und würdigere Schätzung zu vermitteln.
Nach dieser EröfTnungsrede wurden zu Schriftführern der allge-
meinen Versammlung gewählt Prof. Dr. Caesar aus Marburg, Prof.
Dr. H. Weifsenborn aus Erfurt, Prof. Zetzsche und Dr. Sehr-
wald aus Altenburg. Nach Erledigung einiger anderer äufserlicher
Angelegenheiten wurde diese vorbereitende Sitzung geschlofsen.
In der zweiten allgemeinen Sitzung am 26. Septbr. referierte zu-
erst der Vorsitzende Vicepraesident Director Dr. Eckstein über die
Aosfuhrung des Beschlufses ein Denkmal für Fr. A. Wolf zu errich-
ten. Das dazu ernannte Comit^ habe, weil die Grabstätte zu Mar-
seille trotz aller Nachforschungen nicht mit Sicherheit zu ermitteln ge-
wesen sei, beschlofsen, die Büste Wolfs in der Aula der Universität
Halle, als des Ortes wo seine Wirksamkeit die bedeutendste gewesen
sei, aufzustellen; die Büste sei von Hey de I trefflich ausgeführt, be-
reits aufgestellt und bilde eine Zierde der Aula; die Beiträge von c.
330 Thlm. hätten die Kosten nicht nur hinlänglich gedeckt, sondern
noch einen Ueberschnfs von c. 35 Thirn. gelafsen. Der Vorschlag die-
sen Ueberschufs zur Unterstützung eines armen und würdigen Philo-
logie Studierenden za verwenden und die Verleihung den Professoren
der Philologie zu Halle zu überlafsen, fand allgemeine Annahme.
Hofrath K. Fr. Hermann aus Gottingen hielt darauf einen Vor-
trag über die Geschichte der dorischen Könige von Argos.
Nachdem er K. O. Müllers und H. Weifsenborns Forschungen als die-
jenigen, auf welchen fnfsend er weiter gegangen, dagegen Grotes
vielfach überschätztes Werk als in diesem Punkte buchst leichtfertig
bezeichnet und auf die neuerdings im Escurial entdeckten Fragmente
als neue Quellen hingewiesen hatte, stellte er zuerst die Vermuthung
auf, dafs die Nachricht von dem dnrch Temenos zu Gunsten des Kres-
phontes bei der Theilung verübten Betrug aus den genealogischen Ge-
dichten des Kinaethon stamme. Nachdem er hierauf die hohe Wahr-
scheinlichkeit, dafs die Dorier bei der Eroberung von Ureinwohnern,
welche die Achaeer nicht lange erst unterjocht gehabt (dabei Erinne-
rung an die gleichen Verhältnisse in Mexico), unterstützt worden seien,
erläutert und dabei Lewis Ansicht, dass die Heloten Lakonikas Lele-
ger gewesen seien, berücksichtigt, wurde daraus, dafs Dei'phontes
kein dorischer Name sei und dafs der Name seiner Gemahlin, Temenos
Tochter, Hyrnetho, auf die Hyrnethier, welche Bockh als Theil der
argivischen Urbevölkerung nachgewiesen (die Aegialea von Sikyon), hin-
deute, gefolgert, dafs die von Deiphontes dem Temenos bei der Er-
oberung geleisteten Dienste von der vorachaeischen Bevölkerung ge-
leistete Unterstützungen seien. Die den Deiphontes mit Herakles in Ver-
bindung setzende Genealogie sei natiirlicn eine spätere Erfindung.
Wenn ferner überliefert werde, dafs Temenos den DeTphontes im Ge-
gensatz gegen die eignen Sohne begünstigt habe, so sei damit der
Aus diesem Grunde würden Charilaos und alle altern lakonischen Ko-
nige als Tyrannen geschildert, und die Familien führten nicht die
Namen der ersten Stammväter, sondern die der zweiten (Enryponti-
den und Agiaden). Wie Kresphontes Messenien in fünf Theile ge-
theilt und davon nur ^inen den Doriem angewiesen, wie In Lakonien
sich die Eintheilung in sechs Districte finde mit einer Art von Vice-
konigen, von denen Philonomos, ein Nichtdorier, den Bezirk von Amy-
528 Die 14e Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner.
kiae ofTenbar nur zur Belohnung für bei der Einnahme durch Ver-
ratb geleistete Dienste erhalten habe, so habe auch Deiphontes Epi-
dauros aus gleichem Grunde empfangen. Die Sache habe indes in den
drei Ländern einen verschiedenen Ausgang genommen; in 8parta sei
nach langem Kampfe die dorische Herschaft erstarkt und die Sechs-
theilung verschwunden, in Messenien sei Kresphontes erschlagen wor-
den und seine Nachkommen, die nun ahnlich wie in Lakonien die Ko-
nige , von dem Sohne Aepytiden genannt wurden , hätten sich Bedingun-
gen von den Doriern gefallen lafsen müfsen; in Argolis aber habe sich
die Theilung fortgepflanzt und eine Schwächung des dorischen Konig-
thums herbeigeführt; Epidanros, Sikyon, Korinth seien selbständig
gewordene Theile, Temenos Sohn habe nur Argos behalten. Was
man auch von der Uneinigkeit der Sohne des Temenos halte, Haupt-
sache bleibe die Begünstigung des Deiphontes und die Hinwegräumung
des Temenos. Der Redner vergafs das Temenion, von wo ans Argos
erobert sein sollte, nicht, auch nicht, dafs die nach Polyaen dabei
angewandte Kriegslist dasselbe Verfahren sei, welches die Dorier als oifx
iTCKfTäfiBvoi tsixofiaxeeiv (Her. IX 70) immer angewendet, wie bei Am-
phea, Korinth (Solygioshüg|el), Oenoe; selbst Dekeleia sei im peloponnesi-
schen Kriege ein solches oQ(n^TTiQi.ov gewesen. Nachdem er noch dar-
auf hingewiesen , wie die spätem Kämpfe gegen Mykenae nicht be-
wiesen , dafs auch dieser Ort unabhängig geblieben sei, gieng er zu den
Kriegen der Argiver mit den Lakedaemoniern über, welche mit den
übrigen Begebenheiten im Peloponnes im engsten Zusammenhang stün-
den. Der erste Krieg, als Prytanis in Sparta König war, gab Gele-
genheit, die dabei von den Lakoniern angewandte Politik als das Vor-
bild der später stets von ihnen befolgten zu bezeichnen. Bei dem
zweiten Kriege unter König Charilaos in Sparta um 860 v. Chr. wurde
des bei Herodot I, 66 erwähnten , von den Spartanern gegen die Te-
geaten erlittenen Unglücks Erwähnung getban nnd damit ein neues
Fragment des Diodorus Siculus, welches der den Arkadern von einem
Könige von Argos geleisteten Hilfe erwähne, combiniert. Tn diesem
glaubte Hr. Hermann einen König Pheidon finden zu dürfen, freilich
nicht den, welcher das Erbe des Temenos wieder vereint .und die
olympischen Spiele gefeiert, den Weifsenborn mit Recht in Ol. 28 her-
abgerückt habe. Denn in Ol. 8 sei für ihn kein Platz; er niüste'dann
zwischen Eratos, der Asine Ol. 5 zerstört, und Damokratidas, wel-
cher vor dem zweiten messenischen Kriege Nauplia eingenommen, fal-
len, die Kraft aber, welche das argivische Königthum unter dem letz-
tem Könige bewiesen, passe nicht zu der Nachricht, dafs nach de«
grofsen Pheidon Untergang eine gänzliche Schwächung eingetreten.
Die Niederlage, welche die Argiver im J. 669 bei Hysiae den Lakedae-
moniern beigebracht, sei (gegen Clinton) Pheidons That, und in die-
selbe Zeit müfse die von Herodot I, 82 erwähnte Herschaft der Argi-
ver über die ganze Ostküste vx)n Lakonika fallen; ja man könne an-
nehmen, dafs der zweite messenische Krieg, den schon Müller nnd
Krebs (Lectt. Diodor.) richtig 20 Jahre unter die gewöhnliche Annah-
me (685— 68) herabgerückt , eine Folge davon gewesen sei; weniffstens
stimmten dafür die in demselben erwähnten beiderseitigen Bundesge-
nofsen , namentlich, dafs die Eleer, die als ein heiliges Volk sich der
WalTenführung früher enthalten und erst durch Pheidons AngriiT dazu
Setrieben worden seien, als Bündner Spartas im Kriege erwähnt wär-
en. Daraus ercebe sich denn nun, dafs der König, welcher nach
dem Fragmente des Diodor aus Argos vertrieben, in Tegea eine Zu-
flacht gesucht habe, unmöglich der Pheidon sein könne, welcher die
Olympien gefeiert und der sicher in Ol. 28 gehöre, dafs man vielmehr
noch einen altern König Pheidon annehmen müfse. Mit jener Nachricht
Die 14e Versammlung dcaUcher Philologen und Schulmänner. 529
stimme aber die Schwächung des Konigthuins, welche Pausanias (IT,
19, 2) als unter Medon, dem Sohne des Keisos, dem zweiten Nach-
kommen des Temenos, vorhanden melde. Man komme auf den Namen
Pheidon durch die Genealogie des Karanos. Man dürfe über die Mög-
lichkeit, dafs die makedonischen Könige aus Argos gestammt, nicht so
leicht hin absprechen; hätten sich später die Mykenaeer an Alexander
Philhellen gewendet, so sei gar nicht abzusehn, warum nicht auch in
älterer Zeit Karanos den Weg durch Griechenland nach Makedonien
habe finden können, zumal da ja Auswanderungen in weite B^erne we-
gen Zurücksetzung bei Thronwechseln (Neleus, Dorieus) in altern Zei-
ten nichts unerhörtes seien. Karanos werde durch Thestios, Merops
(^Akoos) und Aristodamidas mit Medon in Verbindung gesetzt und heilse
der siebente Nachkomme des Temenos, sowie der Sohn oder Bruder
des Pheidon. Dieser Pheidon könne aber nicht der berühmte dieses
Namens sein, der übereinstimmend der eilfte Nachkomme des Temenos
genannt werde, und man müfse demnach einen altern dieses Namens
annehmen, welcher der nach Tegea geflohene König gewesen sei. Da-
mit combinierte nun der Redner die bei PIntarch vorkommende ver-
einzelte Nachricht von dem Erloschen des Königshauses und von dem
Orakel, dafs ein Adler sich auf dem Hause des bestimmten neuen Kö-
nigs niederlafsen werde, was dann auf dem Hause des Aegon gesche-
hen sei. Wenn Müller diese auf die Absetzung des Meltas um 550
beziehe, so widerspreche dem, dafs Pausanias nach diesem republika-
nische Verfafsnng eingetreten melde, während bei Plutarch vom Em-
porkommen einer neuen Dynastie die Rede sei. Man komme auf fol-
gende wahrscheinliche Corobination: Pheidon I wurde vertrieben und
floh nach Tegea; über die Nachfolge entstand Streit; Aegon erhielt
sie, nicht Karanos, und dieser wanderte aus. Uebrigens brauche man
auf die Genealogie, die ohnehin verschieden überliefert worden, nicht
zu viel zu geben; sie sei nur gemacht um Ansprüche zu begründen; es
genüge, den Karanos für einen entfernteren Verwandten zu halten, der
dem nähern Aegon habe weichen müfsen. Die Reihe der argivischen
Könige nach Pheidon I setze sich nun so fort: Aegon, Eratos, Damo-
kratidas, Pheidon II. In Betreff des Todes des letzten wurde auf
ein Fragment des Nicol. Damasc. hingewiesen, wonach er in Korinth
wegen Einmischung in die innern Angelegenheiten getödtet worden,
ond Weifsenborns Vermuthnng, dafs dies mit dem Sturze der Bakchia-
den in Verbindung stehe, bestätigt. Ueberhaupt habe, fuhr der Red-
ner fort, dieses Pheidon Herschaft das Aufkommen der Tyrannendyna-
stien begünstigt, was sich nicht als möglich erklären lafse, wenn
nicht Sparta in dieser Zeit ernstlich bedroht gewesen sei ; dies erhalte
man durch die oben angegebene Zeitannahme für den zweiten messe-
nischen Krieg, nach dessen siegreicher Beendigung erst die Spartaner
an die Einmischung zu Gunsten der dorischen Aristokratien denken
konnten. Mit Pheidons II Sohne Leokedes, der unter den Freiern in
Sikyon erwähnt werde (Her. Vf, 127), und dessen Sohn Meltas schlief&e
die argivische Königsreihe, die durch die Annahme eines altern Phei-
don und die vorgenommene Ordnung eine in die Entwicklung organisch
eingreifende Gestalt erhalte. Schliefslich bemerkte der Redner noch,
wenn man aus Herodot (VII, 149) eine Fortdauer des argivii^chen KÖ-
nigthums während der Perserkriege angenommen habe, so scheine ihm
vielmehr ein Misverständnis von Seiten Herodots vorzuliegen ; dic^ Spar-
taner würden sich nicht auf ihre zwei Könige, sondern auf die dvo
lioCgagy die sie vom Peloponnes inne gehabt, berufen haben. — Prof.
Weifsenborn ans Erturt dankte dem Redner für die Humanität,
mit welcher er seine Forschungen beurtheilt, und für das Licht, wel-
ches er über den wichtigen Gegenstand verbreitet habe.
530 Die 14c Versammlung: deatscber Philologen und Schalmänncr.
Hierauf las Prof. Ger lach ans Basel über Mommsens ro mi-
sche Gertchichte. Von dem Praesidium zu einem Vortrag aufge-
fordert, habe er die neuste Erscheinung in der Litteratnr der römi-
schen Geschichte einer Beurtheilung unterzogen. Anzuerkennen sei in
derselben die Praecision und Bündigkeit der Darstellung, welche aber
nicht selten in St-hroffheit verfalle; aber zu rügen sei, dafs man die
Stützen für die aufgestellten oft sehr kühnen Meinungen vermifse, in-
dem alle Quellenangaben unterlafsen seien. Unter den vielen Punkten,
welche getadelt wurden, hebt Ref. hervor: die Unterlafsung der Nen-
nung der Könige, welche Hr. G. als eine Aposiopese deuten zu mufsen
glaubte; die grofse Incoitöequenz, dafs das Königthum aus dem Fami-
lien verband hervorgegangen und doch als göttlich betrachtet angesehn
uerdc, wobei der Redner sich nicht enthielt auf den Wohnortswechsel
Mommsens hinzuweisen; die Construction der Geschichte rückwärts;
die Deutung der Namen Siculi , Opici, Hercules, Flamen; die Deu-
tung des Verhältnisses der Plebejer und Clienten; die Annahme, dafs
die servianische Verfafsung ursprünglich nur eine militärische gewesen.
Ausführlicher wurde gekämpft 1) gegen die Hypothese, Rom sei als
eine Handelsstadt, als ein latinisches £mporium, eine maritime Grenz-
festung gegründet worden, unter Hinweisung auf die Entfernung vom
Meere und die Verachtung, in welcher stets der Handel gestanden;
!2) gegen die Annahme eines iapygischen Urstammes unter Hinweisung
auf die offene Lage Apuliens, auf die später dort geborenen römischen
Schriftsteller, aus deren Sprache das Vorhandensein einer gleichen
Bevölkerung geschlofsen werden müfse, auf den weitverbreiteten Die-
medescult, %velcher Einwanderung aus dem Osten voraussetze. Der
Redner erklärte, dafs er gegen die der Sophistik verwandt scheinende
Ges< hichtschrelbung der Neuzeit Widerspruch erheben müfse. — Nach-
dem der Vorsitzende Eckstein um die Beobachtung des suaviterin modo
gebeten hatte, erhob sich Hofrath Dr. Preller aus Weimar: es sei
durch den Vortrag ein Zug hindurchgegangen, der ihn und viele an-
dere in der Versammlung verletzt habe; es habe vieles eine Verdäch-
tigung von Mommsens Charakter enthalten , gegen die er als ein lang-
jähriger Freund des abwesenden seine Stimme erheben müfse; Momm-
scn sei es um die Wahrheit allein stets zu thun und er werde sein
scharfes Schwert zu schwingen wifsen gegen Angriffe; gleichwohlwolle
er einige Punkte besprechen, ohne alles, was M. gesagt, als wahr hin-
zustellen. Wenn M. Rom eine Handelsstadt genannt habe, so müfse
er erwähnen, wie er schon vor mehreren Jahren in einem besondem
Aufsatz dargelegt, dafs, wenn man vom Albanergebirge herabschaue,
sich allerdings die Frage aufdränge, was denn zur Anlage der Stadt
in dieser Gegend veranlafst habe, und dafs man nichts so abge-
schmacktes finden dürfe in dem , worauf er selbst schon früher hinge-
wiesen und was M. an^nommen, zumal da ja auch die Alten etwas
davon erkannt, und Cicero selbst sage, Rom sei situ urbia zu dem
geworden, was es sei; was die Auffafsung des Königthums betreffe^
so sei zwischen der juristischen und religiösen ein wesentlicher Unter-
schied, die Auffafsung eines römischen Juristen könne nicht durch
eine Stelle aus Kallimachus widerlegt werden ; die Ueberreste der Spra-
che und Inschriften bildeten für die Geschichte gewis eine sichrere
Quelle als die mythischen Genealogien, welche in den Noatot. ihren
Ursprung hätten; Diomedes sei für ihn eine mythische Person, keine
historische. Wenn man daraus dafs Rnnius, im Osten Italiens gebo-
ren, lateinisch geschrieben habe, folgern wolle, dafs einst dort die
gleiche Sprache geherscht, so müfse man auch daraus, dafs jetzt in
Bordeaux französisch gesprochen werde, schliefsen, Ausonius habe
französisch geschrieben. — Ger lach protestierte gegen das Ansin-
Die ]4e Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner. 531
neu, aU habe er Terdachtigen wollen, und suchte nuch einmal seine
Einwände gegen Mommsen zu begränden. Der Vorsitzende Keks t ein
schnitt mit grofser Geschicklichkeit , indem er auf Preller das amieum
qui non defendit alio culpante — anwandte und Gerlachs Erklärung,
er habe nicht persönlich verdächtigen wollen, wiederholte, zugleich
aber äufserte, die heutige Besprechung werde gewis viele zum Studium
Hes bedeutsamen Buchs von Mommsen anregen und daraus ein grofser
Gewinn entstehen, die Debatte ab, welche leicht eine heftige hätte
werden können.
In der dritten allgemeinen Sitzung am 27. Septbr., welche Se.
Hoheit der regierende Herzog von Sachsen-Altenburg nebst seinem Bru-
der dem Prinzen Moritz und seinem Oheim dem Herzog Joseph mit
ihrer Gegenwart beehrten, trug zunächst Director Eckstein im Na-
men der dazu gewählten Commission die wegen des nächsten Versamm-
lungsortes zu machenden Vorschläge vor. Ohne Debatte und Wider-
spruch ward Hamburg erwählt, Senator Dr. Hudtwalcker, der
sich durch seine Schrift über die attischen Diaeteten als Philologen
hinlänglich documentiert und als langjähriger Protoschularch um das
Schulwesen Hamburgs sich die anerkennenswerthesten Verdienste er-
worben, zum Praesidenten ernannt und diesem die Wahl der Viceprae
sidenten, sowie der Vorsitzenden in den Abtheilnngen uberlafsen.
Hierauf hielt Prof. Dr. Vis eher aus Basel einen längern Vortrag über
den Parnass und seine Umgebungen, die auf seiner Reise Ende
Mai 1853 an Ort und Stelle gemachten Beobachtungen wiedergebend.
Der Vortrag enthielt nicht nur die interessantesten Schilderungen, son-
dern war auch reich an Bemerkungen , welche Aber die Besrhaifenheit
des Landes und die daraus folgende geschichtliche Entwicklung auf-
klärten, so z. B. über die VerKchiedenheit der Gebirgsgestaltung in
der Peloponnesos und in Mittelgriechcnland, über den Mangel der gc-
flchlofsenen Landschaften um den Parnafs, dafs Doris nur ein durch
nichts gesonderter Thcil von Phokis sei , wie sich auf der Höhe des
Purnafs die Ueberzeugung aufdränge, dafs das Land bis zu dem Olym-
pos und Akrokeraunion ein nationales und geschichtliches Ganzes bilde.
Es fehlte nicht an Erklärungen über Ausdrücke der Alten , so z. B. über
S£lo€pogf an Aufschlüfsen über das Vorhandensein oder Verschwinden
▼on Denkmälern und über das Alter vorhandener Bauwerke (so z. B.
der Mauern von Tithoreia, welche V. wegen des Vorkommens ähnli-
cher Schiefsscharte» bei Messene gegen Urlichs in eine frühere Zeit
setzte), sowie an Hinblicken auf die gegenwärtigen Zustände des
Landes und die geistige und sittliche Bildung des Jetzigen Volks. Auch
für seine gegenwärtige politische Lage wurde das Mitgefühl in Anspruch
genommen. Gewis wird niemand den Vortrag in den Verhandlungen
ohne Freude und Belehrung lesen.
In der Aula des Josephinums las darauf Prof. Dr. Gravenhorst
aus Hildesheim in Gegenwart Ihrer Hoheit der regierenden Herzogin
und der Prinzessin Therese, aufser den oben genannten hohen Her-
schaften und vielen andern Damen, einen grofs^n Theil seiner Ueber-
setzung von Aeschylos Agamemnon vor. Der gegenwärtige Bericht ist
nicht ein Ort um über die Uebersetzung , welche vielmehr eine ge-
wifsenhaft an das Original sich anschliefsende Nachdichtung genannt
werden mufs, ein Urtheil abzugeben, daher werde nur soviel erwähnt,
dafs die Vorlesung bei den meisten Zuhörern eines erfreulichen Ein-
drucks nicht verfehlt hat.
Die vierte allgemeine Sitzung am 28. Septbr. begann mit einem
Vortrag des Prof. Dr. Petersen aus Hamburg: über das Verhält-
nis der altern attischen Vasenbilder zum troischen Sa-
genkreise und Homer. Nach einer die Classification der Vasen
532 Die 14e Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner.
darlegenden Einleitung erklärte der Redner, dafs die von ihm in der
Recension über Overbecks Gallerie heroischer Bildwerke (NJahrb. Bd.
LXIX S. 385 — 403) geaufserten Bedenken ihm nun zu Gegeiigränden
geworden seien. Darauf bemerkte er, dafs, obgleich eine Töilige Chro-
nologie der Vasen noch zu geben sei, dennoch, wie Brunn aas dem
inoLtL für das Alter der Monumente einen Entjicheidungngrund aufge-
funden, 80 auch bei jenen dasselbe gelte und dafH er cinertteits keinen
Unterschied zwischen epischen Darstellungen auf den archaisierenden
und archaistischen Vasen anerkenne, indem die archaisierenden trene
Nachbilder älterer seien , andrerseits die Nachahmung nicht über die
Zerstörung Korinths hinaufreiche. Was nun das Verhältnis der altern
attischen Vasen zu den Epen anbetreife, so sei, wenn dieselben nach
Kpen oefertigt wären, auffallig, dafs die Bildner manche Gedichte
lind Dichter fast gar nicht benutzt zu haben schienen; aus Homer, ann
den K^'prien und andern Gedichten fanden sich nur wenig Darsteilun-
{Ten und es sei schon deshalb unzuläfsig, die Telegonie aus dem Grunde
als wenig verbreitet anzunehmen, weil sich aus ihr wenig Darstel-
lungen vorfänden. Das Hauptargument für ihn bilde nun, dafs sich
auf den attischen Vasen nur attische Formen finden, nicht epische,
woraus zu schliefsen sei, dafs sie nicht nach Epen gearbeitet seien.
Daraus und aus den sonst vorkommenden Merkmalen folgerte nun der
Redner, dafs die Vasenbildner aus der lebendigen Sage, nicht aus den
Epen geschöpft hätten, und machte darauf aufmerksam, wie wichtig
dies für die homerische Frage sei. -- Director Dr. Kramer aus Halle
dankte für die Beziehung des Achilleus auf Attika, äufserte aber leb-
hafte Bedenken gegen das Herabrücken bis auf die Zerstörung Ko-
rinths bei den einen, wie gegen das Hinaufrücken über die Entstehung
der Epen bei den andern. Der Vorsitzende Vicepraesident Eckstein
sprach den Wunsch aus, dafs die Besprechung im nächsten Jahre in
Hamburg wieder -aufgenommen werden möchte.
Prof. Dr. Do der lein aus Erlangen richtete sodann in seiner be-
kannten humoristischen Manier eine Anfrage über Horatius A.
P. Vs. 366—407 an die Versammlung. Nachdem er zuerst auseinander-
gesetzt, dafs ihm das Gedicht in zwei Theile za zerfallen scheine, von
welchen der erste, didaktischen Inhalts, bis Vs. 366 gehe und die ara
poeticay der zweite von da an, paraenetischen Inhalts, die eigentliche
epiatola ad Pisonea sei, warf er die Frage auf, wie die Stelle von
ailücatrea hominca — cantor ytpotlo in den Zusammenhang passe. Kr
erklärte, dafs sie kein Ueberblick über die Geschichte der griechi-
schen Poesie sei, vielmehr ein Loblied anf die Lyrik enthalte, und las
aus seinem letzten Programme die über poat hoa von ihm aufgestellte
Ansicht vor. Das Räthsel schien ihm nnr dadurch losbar, dafs man
darin eine Motivierung für das unbescheidene Anerbieten der Censur
sehe, da er doch nur ein kleiner Lyriker sei, welche Gattung von
Dichtern in Rom nicht eben im besten Rufe gestanden habe ; dazu pas^e
die Verherlichung der lyrischen Poesie. — Hofrath Hermann ans
Gottingen sprach seine Freude über die vorgebrachte Ansicht aus und
erklärte dem Redner secundieren zu wollen. Die Erklärung von poat
hoa sei der schwächste Punkt der Argumentation; er schlage vor das
Komma nach Homerua zu streichen; nichts hindere, Homer wie Tyr-
taeus hier als Subject von cxacuit den Dichtern kriegerischer Be-
geisterung beizuzählen. Nachdem Eckstein bemerkt, Doderlein sei an
dem Komma gar nicht schuld, secundiertc Prof. Schneidewin aus
Göttingen Hermann, indem er darauf hinwies, wie schon die alten
Scholiasten die elegische Poesie des Tyrtaeus als aus den Reden der
homerischen Helden hervorgegangen bezeichnet hätten, wofür der ge-
wöhnliche AuBÜruck nccQO^vvft sei. Prof. Ger lach erklärte sich ge-
Die 14e Versamminng deutscher Philologen und Schulmanner. 533
gen Doderleins Ansicht; mit poit hoa falle der ganze Beweis weg; wo
liege der Beweis j'dafs die Lyrik gelobt werden solle, da doch Homer
erwähnt werde? Da Doderlein seine Meinung weiter erläuterte, ohne
jedoch das von Hermann gesagte anzunehmen, bat ihn dieser, doch
nicht seine Secundanten zu Opponenten zu machen, sondern das von
ihm aufgestellte einfach zu adoptieren. Weil dabei Doderlein longo-
rum operum finiM auf die Tragoedie deutete, so wurde von Hermann
und Schneidewin bemerkt, dafs auch dies lyrische, bei ländlichen Fe-
sten gesungene Lieder, Dithyramben, bezeichne. Eckstein richtete
zwei Fragen an den Antragsteller. Gegen die erste: warum denn Ho-
raz, der ja doch Ton den Pisonen geachtet und geschätzt gewesen sei,
es für nothig erachte sein Anerbieten einer Censur zu entschuldigen,
erwiederte Doderlein: auperflua non noecnt; auf die zweite: warum
denn die Motivierung so spät, nach drei eingeschobenen Sätzen komme,
bemerkte derselbe, es seien die drei Sätze nur ^iner; Horaz mache
eine Pause und trage nun nach, %\(>durch er sich wegen seines Aner>
bietens entschuldige. Director Raspe ans Güstrow konnte sich
nicht überzeugen, dafs die Stelle eine Verherlichung der Lyrik ent-
halte, da in den Worten das specißsche Epos bezeichnet sei. Dr.
Hertz aus Berlin weist auf eine Theilung auch des paraenetischen
Theils hin und findet den Zusammenhang des zweiten mit dem ersten
darin, dafs, nachdem der Dichter dem Piso gute Regeln gegeben, er
ihm nun zeigen wolle, was dann, wenn er diese befolge, aus ihm wer-
den werde. Nachdem noch Hermann und Gerlach bemerkt hatten, daf»
auf /uit haec sapientia und auf soUers das gröfste Gewicht zu legen
sei, ward mit Ecksteins Erklärung, dafs sein zweiter Einwurf ihm
nicht widerlegt scheine, die Debatte geschlofsen. Schade war es, dafs
Doderlein auf seine zweite im Programm angekündigte Anfrage über
Salust. Catil. 51, 37 — 42 wegen der vorgerückten Zeit verzichten muste.
Noch hielt Prof. Dr. Porehhammer aus Kiel einen Vortrag
über die Lage von Theben mit besonderer Berücksichti-
gung der Tragiker, wobei er einen Plan zu Grunde legte; indes
läfst dieser Vortrag kaum einen Auszug zu *),
Nachdem der versitzende Vicepraesident Eckstein die Schlufs-
rede, in der er den Dank gegen das Herscherhaus, die Behörden und
Bewohner Altenburgs und die Befriedigung durch die Resultate aus-
sprach, gehalten, erwiederte Hofrath Hermann, den gleichen Dank
auch auf das Praesidium ausdehnend and offen aussprechend, dafs die
gegenwärtige Versamminng einen freudigen Blick in die Zukunft des
Vereins eröffne. Nachdem er Altenburg und Hamburg, Hamburg
nnd Altenbnrg leben gelafsen, trennte sich die Versammlung. War
auch diesmal die Zahl der Vorträge eine sehr geringe zu nennen, so
waren sie doch alle anregend und die Würde und der Ernst der De-
batte fanden allgemeine Anerkennung. Von den nicht an die Reihe
gekommenen angekündigten Vorträgen: des Prof. Dr. Stark aus Jena:
über die ursprüngliche Bedeutung des Niobe-Myth us, des
Prof. Dr. Lothholz aus Weimar: F. A.Wolf, W. v. Goethe und
W. von Humboldt, nnd des Dr. Hertzberg aus Halle: über die
Hebung des Königthnms unter Agesilaos ist wenigstens theil-
weise die Aussicht vorhanden, dafs sie in den Verhandlungen erschei-
nen werden. Allgemein war die Stimmung eine freundlich heitere und
von niemand hat Ref. gehört, dafs er ohne lebendige Befriedigung nnd
dauernde Anregung, namentlich durch den geselligen Verkehr , geschie-
den sei.
*) Hr. Prof. F. hat den Inhalt seines Vortrags nebst der daza g>ehörig«n Karle nnler
dem Titel: Tapogranhia Theharum heptapylarum in dem EinladoDgtprog^ranini der Kieler
Universität com 6. Oclbr. veröffentlicht.
534 Die 14e Versammhing deutscher Philologen und Schnlmftnner.
Verhandinngen der paedagogischon Section nach den
amtlichen Niederschriften.
Die paedagogische Section constituierte sich nach Beendigung der
ersten allgemeinen Sitzung in der Aula des Josephinums. Die Mitglie-
derliste wies die Zahl 50 aus, wobei manche Theilnehmcr sich nicht
eingezeichnet hatten. Auf allseitige Aufforderung erklärten sich die
beiden Vorsitzenden der allgemeinen Sitzung, Schulrath Dir. Dr. Fof«
und Dir. Dr. Eck st ein, bereit auch in dieser Section alternierend
den Vorsitz zu führen. Zu Secretären wurden auf P'ofs' Vorschlag der
unterzeichnete Berichterstatter und Dr. Gustav Schmidt, Lehrer
an der Matthiaeschen Erziehungj^anstnlt in Altenburg, erwählt. Der
Vorsitzende Fofs legte darauffolgende von Prof. Dr. Mützeil aas
Berlin gestellte Sätze vor:
Die Ueberladung der Gymnasien mit Unterrichtsgegenstanden.
1) Philosophie, deutsche Litteratargeschichte, Naturgeschichte,
Naturlehre sind beizubehalten, aber in Ansehung des Lehrstoffes zu
beschränken.
2) Hebraeisch und Franzosisch können facultativ sein.
3) Mathematik und Geschichte dürfen hinsichtlich des Lehrstoffes
beschränkt werden.
4) In Folge der grundlicheren Bearbeitung der einzelnen Wifsen-
schafteu ist auch der Unterricht, sowohl der sprachliche als der in
den meisten andern Objecten, dem Stoffe nach häufig zu reichlich aub-
gestattet worden.
5) Die ausführliche systematische Behandlung einzelner Lehrfacher,
namentlich der Hermeneutik, Stilistik, Mathematik, Geographie, hat
der Methode häufig eine zu grofse Breite gegeben.
6) Die Last des Stoffes und das gedehnte der Methode trifft be-
sonders die unteren und mittleren Classen und hemmt auch für die
oberen den Wifsenstrieb.
7) Zu diesen Uebelständen tritt hinzu: a) dafs einzelne Gecen-
stände zu lange durch die Classen hindurchgezogen werden; b) daf»
ein und derselbe Gegenstand in den Gymnasien unter zu viele Lehrer
vertheilt wird ; c) dafs diejenigen Bestimmungen der Schulordnun^eo,
welche auf einheitliches Zusammenwirken der Lehrer hinzielen, nicht
immer zu lebendiger Ausführung kommen.
8) Endlich sind es die Translocationsexamina und das Abitnrienten-
examen, durch deren Einrichtung für die Schuler theils eine tempo-
räre Ueberladunc, theils eine fortwährende Zer^splitterung eintritt.
Mützeil erklärt, dafs er diese Sätze nicht aufgestellt, damit sie
vollständig berathen würden, sondern nur damit man einzelne Punkte
herausnehme.
Auf die Aufforderung des Vorsitzenden schlägt Eckstein Tor:
1) die Berechtigung des freien lateinischen Aufsatzes in dem Unter-
richte und in der Maturitätsprüfung, 2) den Wirthshausbesuch der
Gymnasiasten.
Geheimer Rath Dr. Wiese aus Berlin bezeichnet die Benützung
lateinischer Vocabularien zum selbständigen Vocabellernen als einen
geeigneten Gegenstand.
Der unterz. bemerkte, es dürfe wohl nicht gerathen sein, über
Mathematik und andere Realien zu berathen, weil bei der Abwesen-
heit von Vertretern dieser Fächer leicht der Vorwurf gemacht werden
könne, man habe jene nicht gehört; er schlage vor, die auf den la-
teinischen Unterricht bezüglichen Anträge, namentlich den von Eck-
stein, dann den von Wiese und die auf denselben Gegenstand bezüg-
lichen Punkte ans Mützells Sätzen zur Berathung zu ziehen; stelle
Die 14e VersamiDliing deutscher Philologen und Schulmänner. 533
sich heraus, welche Forderungen rticksichtlich der alten Sprachen un-
umgänglich festgehalten werden mufsen, so folge daraus auch, wozu
mehr Zeit zu verschaiTen sei, und es werde auch auf diesem Wege der
Ueberladung entgegengewirkt.
Kck stein erklärt, dafs er seinen zweiten Antrag gern fallen
lafse; er habe ohnehin nur gewünscht, dafs man sich über den Gegen-
stand gegenseitig vertrauliche Mittheilung machen möchte, und dies
könne im geselligen Zusammensein am besten geschehn.
Der Vorsitzende, schlägt demnach folgende Tagesordnung ror:
1) Ecksteins Antrag, 2) Wieses Antrag, 3) die Mutzellschen Thesen,
und fand dieselbe allgemeine Beistimmung.
Auf Mutz eil 8 Wunsch, dafs doch bestimmt formulierte Satze
▼orgelegt werden mochten, stellt Eckstein folgenden anf: ^die la-
teinischen freien Aufsätze haben ihre volle Berechtigung im Unter-
richte und der Maturitätsprüfung', Geh. R. Wiese aber erklärt, dafs
er den Gegenstand nur zur Mittheilung von Erfahrungen und zum Aus-
tausch von Ansichten gestellt habe, eine bestimmt gefafste These nicht
geben könne.
In der zweiten Sitzung am 26. Septbr., in welcher gleichfalls
Schulrath Dr. Fofs den Vorsitz führte, erhielt nach der am vorher-
gehenden Tage festgestellten Tagesordnung zunächst Rekstein das
Wort zar Motivierung seines Antrags. Derselbe erinnerte zuerst
an den auf der Philolugenversamnilung zu Jena cefafsten ßeschlufs:
dafs die Frage eine Frage der Zeit sei; damals habe Kochly seinen
Feldzug gegen das Lateinschreiben und Lateinsprechen eröffnet ge-
habt; seitdem sei man älter und verständiger geworden und könne
eine nochmalige Erörterung jener vornehmen mit gewifserer Aussiebt,
sie der Lösung näher zu bringen. Sein Satz zerfalle in zwei zu tren-
nende Theile: die Berechtigung in der Schule und in der Maturitätsprü-
fung. Die Gegner des lateinischen Aufsatzes pflegten einzuwenden,
derselbe sei nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich, weil er den
Stil verderbe; indes wie man Exercitien zur Befestigung in der Gram-
matik und praktischen Anwendung derselben habe, so müfse man auch
dem Schüler Gelegenheit bieten das was er bei der Leetüre gewonnen
habe praktisch anzn wenden und dabei sich frei zn bewegen, was bei
dem Exercitium fehle. Das Bewustsein: er könne mit dem, was er
mit Aufmerksamkeit gelesen, auch selbst etwas machen, und das da-
bei gewonnene Gefühl der Selbständigkeit und Sicherheit des erwor-
benen erwecke Theilnahme bei der Leetüre, weil der Schüler nun auf
das zu gewinnende achte. Deshalb müfse der freie lateinische Auf-
satz auf der obersten Stufe des Gymnasialunterrichts beibehalten
vrerden.
Prorector Heini che n aus Zwickau: die Pensa sollten den Schü-
lern mit den Darstellungsmitteln der lateinischen Sprache bekannt
machen -j- er erinnere in Bezug darauf an Nägelsbachs Vorrede zu
seiner Stilistik — , aber die freien Arbeiten müsten hinzutreten,
damit sich der Schüler in der Anwendung dessen, was er bei derLec-
tfire gewonnen habe, freier bewegen lerne; dadurch entstehe Freudig-
keit des Schaffens. Aber freilich eine andere Frage sei, wie bei der
jetzt herschenden Polymathie Zeit zu gewinnen sei, um diese Uebun-
gen wahrhaft nutzbar zu machen; es verhalte sich damit ebenso wie
mit dem Privatstudium, wenn dieses in der Weise, wie Seyffert es
dargestellt, betrieben werden solle. Damit stünden die von Mntzell
gestellten Sätze in Zusammenhang, wie der Ueberladung mit Unter-
richtsgegenständen im Gymnasium vorzubeugen sei.
Prof. Ameis aus Mühlhausen : die Frage sei eine Cardinalfrage
unserer Gymnasien. Man wende gegen die Aufsätze ein, sie seien
536 Die I4e Versammlung deutscher Philologen und Schalminner.
nutzlos, ja schädlich; das könne wohl der Fall sein, wenn die Sache
beiriehen werde wie sie eben betrieben werde: solcher Tadel treffe
nicht die Sache, sondern nur die Methode. Die lateinischen Aafsätie
musten sich auf tüchtige Lectiire gründen. Systematische Grammatik
und freier Aufsatz seien scharfe Opposita; eins von beiden müfse fallen.
Der wesentliche Unterschied zwiscfien Exercitium und Aufsatz bestehe
darin, dafs das Exercitium etwas vages sei, dafs man dabei keinen
rechten Mafsstab für Beurtheilung des ganzen habe. Ob sich der
Schüler einen color Laiinua angeeignet habe, zeige der Aufsatz viel
befaer als das Exercitium. Ohne Grammatik und ohne Lexikun solle
der Schüler seinen Gedanken lateinische Form geben; er solle Rasch-
heit des Uebertragens in die lateinische Form erlangen.
Eckstein gegen Ameis: das Exercitium gebe allerdings einen
Mafsstab ab, es sei schwerer als der Aufsatz, und der Schüler mufse
auch im Uebertragen von gegebenem Deutsch geübt werden. Die Leh-
rer musten doch wllsen, was schwerer und was leichter sei. Sei etwa
gemeint, dafs man einen verschiedenen Mafsstab habe, auf locale nnd
individuelle Verhältnisse sei doch hier keine Rücksicht zu nehmen; es
bleibe doch das allgemeine: man erkenne die Fertigkeit des SchiUers
aus der Art und Weise, wie er den deutschen Text übertrage. Er
knüpft daran die Bitte sich doch ja frei und unverholen auszusprechen.
Ameis: er habe nicht sagen wollen, dafs das Exercitium keinen
Mafsstab abgebe, sondern dafs es ein vager, kein so sicherer Mafs-
stab sei objcctiv; subjectiv könne der Lehrer ihn wohl heraus-
finden.
Mutz eil: die Schwierigkeit liege nicht in der Theorie -— denn
darin seien wohl alle einig — , sondern in der Praxis. Es würden den
Lehrern Vorwurfe gemacht, dafs die Schüler durch die Arbeiten in
sehr überlastet wurden. Man wende ferner ein, dafs die Schüler bei
der Arbeit einö falsche Methode anwendeten. Es gebe Anstalten, in
welchen viele kleine Arbeiten, andere, in welchen eine oder doch nur
wenige gröfsere verlangt würden, die mehr Privatstudium forderten.
Durch die gröfsere Zahl, sage man, werde die Zeit und Kraft des
Schülers zu sehr in Anspruch genommen; er werde erschöpft und er-
schlalTe. Auch sei die Frage aufzuwerfen, ob nicht die Art der Be-
nützung des deutsch-lateinischen Lexikons Schaden bringe. Ueber diese
Punkte wünsche er Erfahrungen zu hören.
Dir. Raspe aus Güstrow: bei den lat. Aufsätzen werde ein ge-
wisses Mafs von Gewandtheit im Lateinisch-denken vorausgesetzt. Sei
es nun bei unserer jetzigen Einrichtung der Gymnasien, wenn man
nicht ganze Unterrichtsgegenstände entfernen wolle, möglich, dafs
sich der Schüler dies erwerben könne? Gebe er einen wirklichen Auf-
satz oder eine Uebertragung aus einem schlechten Deutsch, das er
sich für das Latein zurecht gemacht? Seine Erfahrung spreche da-
gegen, er glaube nicht, dafs die Schuler sich so in den Geist der lat.
Sprache versenken könnten. Da nun lat. Stilübungen vorgenommen
werden musten, so werde die Frage sein: welches die beste Weise
derselben sei, Uebertragungen aus dem Deutschen, wie etwa aus Les-
sings Laokoon, oder freie Aufsätze; er sei für das erstere.
Eckstein: die Schüler hätten vit^l zu wenig zu thun. Mit 3^
3stündiger Arbeit des Tages wurden die Primaner fertig, gute Köpfe
brauchten nicht einmal so viel. Man solle nur beachten, wie viel Zeit
sie zu unnützer Lectüre und andern Dingen, wie Wirthshausbesnch,
übrig hätten. Wenn man auch 3-^ Wochen zn einem Anfsats Zeit
gebe, so würden ihn dennoch viele erst in den letzten Tagen machen
und dann wohl in die Nacht hineinarbeiten und erschöpft werden,
weil sie Zeit und Arbeit nicht gehörig vertheilten. Eine Erschöpfung
Die 14e Versanmlnng deutscher Philologen und Schulninner. 537
der Schüler rnnfse er sowohl im allgemeinen als auch in diesem Pankte
leugnen. Anlangend die Methode, mit welcher die Schuler arbeiteten,
so wolle sich unsere Jugend immer mehr vom Selbstarbeiten dispen-
sieren; die Schuler lafsen sich Arbeiten fertigen, je nach der Güte
und Wichtigkeit za 10 Sgr. — 1 Thlr., und nicht blofs in Universi«
tatsstadten, sondern auch anderwärts finden sich bereitwillige Helfer.
Aus den Annalen, d. h. gesammelten Arbeiten alterer Schüler, werde
zusammengelesen und gestoppelt, was nur irgend gehe. Das seien Mis-
brauche, denen entgegengetreten werden mufse. Das deutsch-lateini-
sche Lexikon dürfe ear nicht gebraucht werden. Die Primaner mach-
ten den Aufsatz wohl nicht erst deutsch und Raspe gehe in dieser
Hinsicht zu weit. Wie die deutschen Arbeiten auch erst nach und
nach gediehen, so musten auch die lateinischen anfangs stümperhaft
sein, aber sie führten zum Lateinisch-denken. In den Geist der Spra-
che sich zu versenken sei den Lehrern noch schwer, von Schülern gar
nicht zu verlangen.
Mut Zell bittet von Ecksteins Erfahrung, dafs die Schüler nicht
BU sehr in Anspruch genommen seien, Acht zu nehmen; der Vorwurf
werde dadurch von Einern Orte her widerlegt; ihm selbst sei er oft
gemacht worden. Die Schüler konnten wohl mit 2 — Sstündiger Arbeit
fertig werden, aber nicht so, wie die Lehrer wünschen mästen. Er
wünsche darüber Erfahrungen -von andern Seiten zu boren. Unberührt
lafse er die unerlaubten Hilfsmittel; dergleichen würden immer Tor-
handen sein und benützt werden , aber wichtig sei die Art wie die
Schüler arbeiten, namentlich die Zusammenstoppelung von Phrasen
aus dem Lexikon. Wie sei diesem Misbrauch zu begegnen? Gegen
Raspe bemerkt er: beides, Exercitia und freie Aufsätze, seien Stil-
nbungen, jene gebundene, diese freie.
Prof. Gravenhorst aus Hildesheim: man müfse den Begriff
* Aufsatz' feststellen. Verstehe man dasselbe darunter, was im Deut-
schen, so müfse man Raspe beistimmen; ein solches Prodoct, wie im
Deutschen, könne man von dem Schüler im Lateinischen nicht ver-
langen. Im Gegensatz gegen die ängstliche Schreibweise beim Exer-
citium seien die latein. Aufsätze freie Stilübungen zu nennen, aber es
dürften nicht eigentliche Aufsätze im strengen Sinne verlangt werden,
in welchen Ideenkreise, die der Gegenwart angehören, darzustellen
seien.
Fofs erinnert an den in Jena gefafsten, wenigstens für einen
Majoritatsbeschlufs geltenden Bescblufs auf Ecksteins Antrag, dafs der
lateinische Aufsatz nur Reprodaction sein solle; es sei interessant zu
hören, welche Erfahrung man seitdem gemacht habe, und die Frage
anfznwerfen, ob eine bestimmte Art von freien Aufsätzen berechtigt sei.
Dir. Palm aus Plauen: eine Bemerkung habe ihm Gravenhorst vor-
weggenommen. Nach seiner Erfahrung sei es mit dem Deutschdenken
der Schüler anfangs auch nur so so bestellt. Der Ideenkreis und der
WortTorrath, welchen sie aus der Familie mitbrächten und dort er-
langen konnten, seien sehr beschränkt; aber nach einiger Zeit zeigen
de weit mehr davon; da sie es nicht im Hause gewinnen könnten, so
nüsten sie es aus der Schule und der Leetüre sich angeeignet haben. Das
gleiche finde auch in Bezog auf die lateinischen Aufsätze statt. Er
aal für Reproductionen , aber auch dieser Begriff sei noch zu weit-
achichtig. Das praktische sei, sich nach den Kräften der Schüler zn
richteo.
Prof. Lieberkübn aus Weimar: die lateinischen Aufsitze seien
ihm gerade als das bildendste erschienen, was sie in Prima unter Gern-
hards und Webers Leitung gehabt hätten: die Freiheit des Denkens
habe sich dadurch mehr und mehr entwickelt. Die Schüler des Wei-
iV. Jahrb. A Pkii, «. Paed. Bd. LXX. Hß. 4 o. 5. 35
538 Die 14e Versammlung dculscher FhilologeD unl SclmlminMOr.
inarschen Gymnasiums hätten sich auch, wie die des Altenburger, im
phiiologischoa Seminar zu Jena immer ausgezeichnet. Exerciuen nit
allen Finessen zu fertigen, sei sehr schwer und beenge den Kreis; man
werde immer auf die Aufsätze zurückkommen müfsen. Unsere Zeit
wolle alles philosophisch bestimmen; aber Eckstein habe schon Bit
Recht bemerkt: wenn man schwimmen lernen wolle, mlfse man Ins
Wafscr gehn.
Raspe: er habe sich^elnen Arbeits^tat vorlegen lafeen und dar-
aus ersehen, dafs die Schüler 'viel zu thun hätten und ein Versenken
in die Gegenstände des Unterrichts nicht so möglich wie wnnscheos-
werth sei. Wenn wirklich ein Schüler im Deutschdenken so wenig lei-
ste, wie vorher angeführt worden sei, so könne dies nur ein Arguaent
gegen den lat. Aufsatz sein. Der lat. Aufsatz solle nicht durch das
Medium des Deutschdenkens htndnrchgehn ; wie aber sei das möglich?
Der Nutzen könne nicht bestritten werden, wohl aber die Möglichkeit.
£r komme auf die Frage zurück : ist der lat. Aufsatz bei unserer jetzi-
gen Gymnasialeinrichtung noglich? Ist Uebersetzen oder freies Com-
ponioren befser, oder beides zu verbinden? Die Ueborselzung halte
er für fruchtbarer, doch habe er auch freie Aufsätze fertigen iafsen
zur Erholung für die Schüler.
Schulrath Cr am er aus Cothen: Zweck des lateinischen Aufsatzes
sei hauptsächlich Ausbildung der Form, nicht Erweiterunfr des Ideen-
kreises, das letztere Aufgabe des Deutschen. Habe der Schüler noch
mit dem Gedanken zu ringen, so werde die Form nicht entsprechend
sein. Er habe gefunden, dafs mancher Schüler die Sache erst deutsch
mache, und dies geradezu verboten. Andere dächten sich einen deut-
schen Satz aus, suchten die fehlenden Vocabeln und Wendungen auf
und schrieben dann nieder; dadurch würden oft Wendungen, die in
Lexikon ganz richtig stunden, ganz verkehrt angebracht und es komme
kein Latein heraus. Er pflege aus der Geschichte oder sonst aus dem
Unterrichte ein Thema zu nehmen, das rücksichtlich der Gedanken
nicht besonders zu schaiTen mache. Mit befsern Schülern sei er auch
weiter gegangen und habe gute Erfahrungen gemacht. Romische und
griechische Geschichte, Alterthümer, Tragiker mästen die Gegenstäade
zur Bearbeitung hergeben. Der Lehrer habe da einen vollständigen
Mafsstab zur Beurthoilung des Schülers, hauptsächlich aber sei die
Form zu beachten.
Prof. Kran er aus Meifsen: wäre es nicht möglich den Betrug der
Schüler und den Misbrauch des Lexikons zu beseitigen und dem Vor^
würfe, die Zeit reiche nicht ans, zu begegnen, zugleich aber auch den Schukr
zu fordern, wenn auf den freien Gymnasien alle Monate Aufsätze unter
Aufsicht der Lehrer in der Schule gemacht würden? Freilich darften
diese nicht lang sein, sondern so wie die Abiturientenarbeiten.
Prof. Lothholz ans Weimar bestätigt, was sein Colleee Lieber-
kühn gesagt, auch von den spätem Schülern des Weimarscnen Gym-
nasiums. Aber freilich wären die Vorbedingungen damals andere gewcten
wie jetzt: die Schüler seien mit Mathematik, Geschichte, Naturwifsen-
schaften noch nicht so viel beschäftigt gewesen, hätten mehr Zeit ßr
das Privatstudium gehabt und seien in den untern Classen für die lat.
Aufsätze befser eingeschult worden. Man müfse, wie in andern Din-
gen , so auch in dieser Rücksicht wieder reactionär werden und für die
Aufsätze mehr Zeit cewiunen. In den Stunden müfse man durch La-
teinsprechen die Schüler in das Idiom einführen. Mathematik, €Se-
schichte, Naturgeschichte seien zu beschränken und der Unterricht auf
das Lateinische und Griechische zu concentrieren. Wie es jetxt sei,
könne man keinen guten lat. Aufsatz verlangen.
Oberlehrer Rüdiger aus Zwickau: der Satz hatte nicht getrennt
Die 14e Versammlung dentseher Philologen und Schnlmfinner. 539
werden f ollen. Werde der Aaffatz Sn der Schale beibehalten, so mfirse
er auch in der Mataritataprnfung bleiben, und amgekchrt. Die Berech-
Uffung sei eine ToUkommene , die Leetüre gewinne dadurch. Exercitien
seien nur Alittei um zu dem Aufsätze zu gelangen. Er wünsche die
Frage auch auf das Lateinsprecheii ausgedehnt. Er sehe auch diea als
berechtigt an, wdl es zur Fertigkeit im Verstehen des Lateinischen
führe.
Am eis: die Ueberburdung, von der man so viel spreche, aei nur
ein Popanz. Die Jugend sei blasiert, wie daa ganze Geschlecht. Sie
könne aber etwas leisten , wenn man sie nur recht fafse. Das deutsch-
lateinische Lexikon und die Annalen wurden wegfallen, wenn der Leh-
rer den Schüler dahin bringe, dafs er könne; dadurch wefde erreicht,
dafs er auch ^ern arbeite. Darnach richte sich auch die Anforderung;
der Schüler mufse eben arbeiten, soweit er es könne. Neue Gedan-
ken könne die Jugend nicht schaffen ; daher müfse der Aufsatz Repro-
duction sein. Mit Kraners Vorschlag sei er Yollkommen einverstanden
und wolle ein Beispiel dazu geben: ein Lehrer habe das le Buch des
Thukydides vollendet; vorausgesetzt werde, dafs er zwei Stunden hin-
tereinander habe; nun könne er die Aufgabe stellen über die Ursachen
des peloponnesischen Kriegs nach Thukydides zu schreiben und die Ar-
beit sogleich machen lafsen. Form und Inhalt liefsen sich nicht tren-
nen; die Gedankenbildung gehe mit der Formgebung Hand in Hand.
Oberlehrer He Ib Ig aus Dresden: nach seiner Erfahrung seien die
Schüler nicht überbürdet. Die deshalb gehorten Klagen kamen von dem
Mangel collegialischer Besprechungen unter den Lehrern, hauptsächlich
aber von der schiechten häuslichen Zucht, ^as die Beschränkungen
betreffe, welche Lothholz verlange, so begnüge sich gewis jeder
Geschichtslehrer mit einer Stunde häuslicher Arbeit in der Woche.
Dir. Schmid aus Halberstadt: das vielerlei könne zwar nicht ent-
fernt werden , aber viel zur Erleichterung der Schüler eeschehen. Der
Satz variatio deleetai sei ganz schädlich. Die Lectionen seien zu
zerstreut; an manchen Gymnasien würden sechs verschiedene Gegen-
stände an Einern Tage getrieben. In der ersten Hälfte der Woche solle
man nur Latein, in der zweiten nur Griechisch treiben, in jedem Vier-
teljahre nur ^inen Schriftsteller lesen. So könne sich der Schüler mehr
in den Stoff versenken. Die Einrichtung bestehe an seiner Anstalt.
Eckstein fordert die CoUegen aus Bayern, namentlich Prof«
Heerwagen aus Baireuth auf, ihre Erfahrungen mitzutheilen. Er
habe früher in der 3n Ci. des dortigen Gymnasiums Aufisätze gefunden,
die ihm komisch vorgekommen, womit er dem verdienten, nun ge-
schiedenen Lehrer nicht zu nahe treten wolle. Er frage, ob Heerwa-
gen, jenes Nachfolger, es noch ebenso mache. Die bayerschen Lehrer
seien freilich insofern slficklicher, als die Zahl der Gegenstände und
Unterrichtsstunden (18) beschränkter sei.
Heerwagen: die Verhältnisse der bayerschen Gymnasien seien
andere als die der norddeutschen. Durch das Reglement werde ein
lat. Aufsatz bei der Maturitätsprüfung nicht gefordert und auch in der
Schule würden Stilfibungen nur an Uebersetzungsbüchern vorgenommen.
Seine und seiner Collegen Ansicht sei ea aber allerdings, dafs ein Gym-
nasium, welches seine Schüler dahin bringe lesbare lat. Aufsätze zu
liefern, sehr glücklich zu schätzen sei, und wenn sie in den Schul-
nachrichten der lat. Hauptschule zu Halle die Themata der gefertigten
Aufsätze gelesen, so habe dies sie oft errothen gemacht. Was die spe-
cielle Frage Eckateins anlange, so seien die persönlichen Verhältnisse
geändert. Der frühere Lehrer habe Aufsätze über philosophische Ge-
genstände verlangt und sie hätten manches gute getragen; aber die
menschliche Natur lafse sich nicht vernichten und er wifse recht wohl,
35*
540 Die 14e Versammlung deiilsclier riiilologcn und SchulniSnuer.
^ie nie sich ih diesem Falle gezeigt. Er mochte wifMen, ob die Col-
legen die Erfahrungen gemacht hätten, dafs die Hälfte der Arbeiten
regelmäfsig befriedige oder nur 3 — i. In Bayern habe man traurige
Erfahrungen gemacht, aber die bayersche Jugend habe freilich mit
dem Ausdruck, selbst im Deutschen, aufserordentlich zu ringen.
Eckstein: nach seiner Erfahrung sei die Mehrzahl der Schüler
im Stande etwas befriedigendes zu leisten, über 3 — 5 habe man stets
seine rechte Freude. Er lafse freilich in stufenweisem Fortschritte in
fünf Classen hintereinander Aufsätze machen, welche allemal auf die
Lecture basiert, also Reproductionen seien.
Ameis erkennt nochmals die Aufsätze als vollkommen berechtigt
an, bittet aber, weil auf die Grunde und die Methode viel ankomme,
Eckstein möge einen bestimmt formulierten Antrag stellen: 'die latei-
nischen freien Aufsätze sind berechtigt: 1) weil — 2) wenn sie — .**
Dabei solle namentlich Doderlein, obgleich er tacitu» zu s^in Hebe,
mit helfen.
Eckstein fordert, da ^r seine Grunde angegeben, Ameis auf es
selbst zu thun, und nachdem Mütze II den Antrag unter Hinweisnng
auf seine schon gestern gethane Aeufserung unterstützt, erklärt Amei«,
dafs die Methode erst noch zu besprechen sei.
Dritte Sitzung am 27. Septbr. Vorsitzender: Eckstein.
Eckst ein fordert den unterz. Berichterstatter auf, da er über
die Frage motivierte Sätze gestellt habe, diese vorzulesen.
D i e 1 8 c h : ' Die lateinischen Aufsätze haben ihre volle Berechtigung :
1) weil sie zur Erlangung derjenigen Fertigkeit, ohne welche die
Beschäftigung mit dem römischen Alterthnm nicht als zu einem gena-
genden Resultate gelangt angesehn werden kann, erforderlich sind, und
die Lust zum Studium wecken ;
2) weil sie eine so vielseitige Uebung der Geisteskraft bieten, dafs
sie durch kein anderes Mittel ersetzt werden können ;
3) weil sie die beste Gelegenheit bieten zu demjenigen selbständi-
gen Arbeiten, zu welchem der Schüler fähig und anzuhalten ist.
Sie müfsen aber
1) durch die sprachlichen Uebungen vom Anfang des Unterrichts
an vorbereitet werden;
2) der Stoff darf nur Kreisen angehören, mit welchen der Schaler
durch oiTentliche oder Privatlectnre eine gewisse Vertrautheit gewon-
nen hat;
3) die erforderlichen Darstellungsmittel müfsen dem Schüler durrh
die Lectüre in ausreichender Weise zum Eigenthum geworden sein.'
Eckstein erklärt die allgemeine Debatte für geschlofsen and
bittet auf die einzelnen Punkte einzugehn. Für die Worte im In Mo-
tiv 'mit dem romischen Alterthum' schlägt er 'mit der lateinischen
Litteratur' vor, was von Dietsch adoptiert wird.
Auf die Anfrage Mütze Us, was unter 'Fertigkeit' zu verstehen
sei, erläutert der letztere: die lateinischen Aufsätze setzten eine Fer-
tigkeit voraus, führten aber auch zu grofserer Fertigkeit die lateini-
scnen Schriftsteller zu verstehen. Je mehr der Schuler geübt werde
lateinisch zu denken , desto rascher und sicherer werde er jeden latei-
nischen Text verstehen lernen; die Sprache werde ihm dadurch mehr
zum unmittelbaren geistigen Besitz. Dies sei aber das Ziel des Unter-
richts im Gymnasium, durch dessen Erreichung man auch das erlan-
gen werde, über dessen Mangel man jetzt so klage: Liebe und Be-
schäftigung mit den romischen Classikern auch über die Schule hinaus.
Die Motive werden hierauf ohne Widerspruch angenommen.
In Betreff des zweiten Theils erläutert Dietsch: wenn der Un-
terricht in der Ist. Sprache ein solcher sei, dafs er Sicherheit in der
Die 14e Versammluag deutscher Philologen und Schulmänner. 541
raschen Anwendung der Formen und Regeln der Syntax Terleihe, so
werde die Klage i^erscbwinden, dafs der Aufsatz in den obern Classen
an schwer sei und nicht gehörig Tom Schüler gearbeitet werden könne.
Zu dem vom Yorsitsenden bemerkten: unter sprachlichen Uebnngen
seien Memoriernbungen u. dgl., welche ein reiches phraseologisches
Material gewahren, zu verstehen, fagt er namentlich Uebungen im
Lateinsprechen hinzu. Auf den Vorschlag desselben 2) und 3) umzu-
stellen geht er bereitwillig ein und mit dieser Abänderung werden
auch diese Sätze ohne Widerspruch angenommen.
Nachdem der Vorsitzende die Besprechang auf den zweiten Tfaeil,
die Berechtigung in der Maturitätsprüfung, gelenkt, erinnert Rüdi-
ger an das, was er schon gestern gesagt, wenn man den Aufsatz in
der Schule beibehalte, so müfse man ihn auch in der Maturitätsprü-
fung stehen lafsen, worauf Eckstein erwiedert: die Sache habe ooch
eine andere Seite. Man gründe Bedenken gegen die Beibehaltung in
der Maturitätsprüfung auf die Betrügereien, die dabei nicht immer
verhütet werden konnten, und meine, man könne ja ohne Prüfungsar-
beit die im Laufe des Halbjahrs gefertigten Aufsätze vorlegen. Wenn
aber diese als Mafsstab für die Beurtheilung gelten sollten, werde
man erst recht betrogen werden.
Kram er aus Halle: der Sinn der Schüler sei zu berücksichtigen.
Betrug könne bei allen Clausurarbeiten stattfinden. Die Frage ronfse
aligemein gefafst werden: wie könne auf die Gesinnung der Schüler
eingewirkt werden , wie könne man es dahin bringen, dafs der Schüler
nicht mehr betrügen wolle?
Mut Zell: nachdem der erste Theil mit den ihn motivierenden
Sätzen angenommen sei , sollte doch selbstverständlich der zweite auch
angenommen werden. Denn falle beim Examen der Aufsatz weg, so
würden auch die Aufsätze in der Schule darunter leiden. Die Auf-
hebung des griechischen Exercitiums bei der Maturitätsprüfung habe
dem Fleifse und den Leistungen im Griechischen sehr geschadet.
Geh. R. Wiese aus Berlin: es seien manche Gebiete berührt
worden, welche einer eingehenden Erörterung bedürften, namentlich
die Ueberbürdnng der Schüler. Man solle aus persönlicher Erfahrung
nicht generalisieren, das geschehe aber, wenn ^iner die Ueberbürdung
überhaupt leugnen wolle. Nehme man drei Schüler oder drei Lehrer
vor, so werde man über das Quantum und das Wie dpr Arbeit eine
verschiedene Aussage erhalten. Die Individualitäten böten in Bezug
auf das Arbeitenlernen eine so grofse Verschiedenheit, dafs kein all-
gemeines Urtheil gefallt werden und die Sache fördern könne. Wenn
6 — 7 Lehrer in einer Classe unterrichteten und jeder sein Fach recht
fördern wolle, so gehe es oft mit Unbarmherzigkeit her. Er könne
aus ziemlich grorser Erfahrung sagen, dafs die Schüler vielfach überbür-
det würden. Den Gegenstand der Debatte anlangend sei, so der Werth
des lat. Aufsatzes für die GymnasiaUtndien unschätzbar. Man habe
vom Lateinsprechen und -schreiben und Versificieren viel zu viel fallen
lafsen und müfse mehr und mehr dazu zurückkehren, wobei freilich
zu beklagen sei, dafs die Schulen von den Universitäten nicht genug
unterstützt würden. Aber eine davon ganz verschiedene Frage sei
die über Beibehaltung des Aufsatzes in der Matnritätsprüfnng. Die
Reglements der meisten deutschen Staaten setzten für denselben 6 Vor-
mittagsstunden fest. Von diesen branchten die Schüler zwei zum Ab-
schreiben; denn der Aufsatz solle gut geschrieben eingereicht werden.
Also hätten die Schüler in 3 Stunden einen Stoif , der ihnen erst im
günstigsten Falle bekannt sei, in eine entsprechende lateinische Form
zu bringen. Der beste Stoff sei geschichtlicher, aber der Lehrer der
Geschichte und der lat. Sprache sei gewöhnlich nicht derselbe und
542 Die lie VersammluDg deutocher Philologen und Sohulainner.
daraoB entstunden für die Schuler i^iele Schwierigkeiten. Die Anfgabe
scheine im Verhältnis zn der Kurze der Zeit and der Kraft an Tiel
zu Terlangen. Es gebe allerdings Anstalten mit besonderer Verfafsungy
z. B.geschiofsene, in denen eine alte Tradition hersche, oder mit einem
besonders gestalteten Lehrercoilegiom , in denen die Aufgabe za leisten
noch möglich sei, aber was hier und da möglich sei, könne man nicht
zum allgemeinen Gesetze machen und dürfe auch gar nicht leugnen,
wie der Geist der Zeit auf die Schule in einer Weise Binflufs übe,
dafs die Folgen daTon nicht ignoriert werden konnten. Die Resultate
lägen nun Tor Augen. Aus seiner Erfahrung — -• und er habe eine ziem-
lich ausgedehnte — mufse er sagen, dafs die Aufsätze der Mehrzahl
nach sehr unbedeutend, meist Centonen ron Phrasen und historischen
Notizen seien. Von den mafslosen Betrugereien, die dabei Torkom-
men, habe man gar keinen Begriff. Der conatus zu betrugen sei bei
keiner Arbeit so grofs wie bei dem lat. Aufsatz. Die Schuler brachten
zu demselben ganze Taschen toU mit. Sie schrieben einzelne Sätie,
die nur irgend passten, ad vocem ab. Man lafse sich die Prufungsanf-
sätze Yon anderen fertigen und bezahle nicht selten 1 Louisd'or dafür.
Und dies thäten oft Schüler, die es ganz und gar nicht nothig hatten.
Manche wurden ihre Sache befser haben machen können , wenn sie das
böse Gewifsen, unerlaubtes bei sich zu haben, ruhig hätte arbeiten
lafsen. Die Jugend wolle nicht von Haus aus betrugen; das FactQM
sei daher nur aus dem MisTerhältnis der Kraft und der Zeit zn den
Korderungen zu erklären. Wozu man in der Schule 3 — !• Wochen Zeit,
Hilfsmittel, Invention durch Lectnre u. s. w. gewähre, das sollten
die Schuler jetzt, in Zeit und Raum eingeschränkt, ohne Hilfsmittel
leisten. In Bayern, HannoTer und Meklenburs sei der Aufsatz bei der
Maturitätsprüfung abgeschalTt worden und die dortigen Erfahrungen
sprächen pegen Mützells Befürchtung, dafs die Weglafsnng nachthei-
lig auf die Schule zurückwirken werde. Er selbst habe Jünglinge,
welche ohne Aufsatz bei der Maturitätsprüfung zur Universität abge«
gangen seien, ungefähr drei Wochen darnach lat. Aufsätze anfertigen
iafsen und jene hätten die volle Fertigkeit bewiesen. Kohlrausch and
Ahrens in Hannover hätten ihm die Erfahrung mitgetheilt, dafs die
Entfernung des Prüfungsanfsatzes nicht schädlich eingewirkt habe. Das
Unterbleiben des griechischen Exercitiums habe allerdings geschadet,
aber mit dem lat. Aufsatz sei es anders, da ja noch das Specimen als
Prüfungsarbeit bestehen bleibe. Seine Ansicht sei, dafs der Aufisati
in der Schule beibehalten und noch viel eifriger betrieben werden solle,
doch in Bezug auf die Prüfung wünsche er denselben mehr diesseits
gelegt. Das Examen diene für die Lehrer höchstens zu nochma-
liger Orientierung, meist hätten sie über die Reife des Schalen
schon vorher ein ganz sicheres Urtheil. Für die Schüler sei es nothig
zn einem sollennen Abschlufs ihrer SchuUaufbahn. Die Hauptsache
aber sei seine Nothwendigkeit für die Behörde, welche namentlich in
grofsen Staaten nur eine gleiche Forderung an alle Anstalten stellen
könne. Man solle nun den Aufsatz während des letzten Vierteljahrs
fertigen Iafsen, da könne der Lehrer sich hinlänglich überzeugen, ob
der Schüler die nöthige Fertigkeit im lateinischen Gedankenansdracke
habe. Für diesen werde dadurch auch der sollenne Abschlufs in die-
sem Fache behalten und er erinnere in dieser Hinsicht an die in Schal-
pforte üblich gewesenen sogenannten Valedictioncn . welche ganz er-
freuliche Resultate gebracht hätten. Uebrigens müsten ja auch die
während des biennium in Prima gefertigten Aufsätze bei der Prüfung
vorgelegt^ werden. So fürchte er nicht, dafs der Fertigkeit im La-
teinschreiben Abbrach geschehen werde.
Eckstein schlägt yor, die Berechtigung der Maturitätsprüfang
Die I4e Versammlung deutscher Pliilologeu uod ScbulmsDuer. 543
ttberhanpt and die Ueberbärdnng der Schaler ganz aas der Debatta
in lafsen, da diese Fragen hier keinen Gewinn brächten.
Mütsell: man muffle höchst dankbar sein för die Mittheiiongen des
Hrn. G. R. Wiese. Die aaseinandergesetsten Grunde indes deckten nnr
Misbraache auf, die zum Theil in den Institutionen und Instructionen
ihren Grund hätten, sprachen aber nicht gegen den Aufsatz selbst.
Der Lehrer sei oft in mislicher Lage, weil er an Instructionen gebun-
den sei, während das Publicum von ihm freie Bewegung verlange.
Was das Misverhältnis der Zeit anlange, so seien 5 Stunden allerdings
wenig und man könne dabei nicht Jange Aufsätze fordern, wie wäre
es aber, wenn die Zeit um eine Stunde Terlängert würde? Die Kennt-
nis des Stoffes anlangend, sei es allerdings schlimm, wenn der philo-
logische Lehrer tou dem Standpunkte der historischen Kenntnisse des
Schulers nicht unterrichtet sei oder die übrigen Fachlehrer gar nicht
berücksichtige, das sei dann aber Schuld des Directors. Rncksichtlicli
der Kraft konnten die Arbeiten bei der Prüfung natürlich nicht so
ausfallen, wie die in der Schulzeit gefertigten, aber 1) yerlange man
beim Examen auch jiicht so riel nnd 2) könne man ja in der Classe
selbst Öfters unter Aufsicht Aufsätze machen lafsen, damit die promp-
tere Weise des Arbeitens ausgebildet und 8o der Prüfungsaufsatz Tor-
bereitet werde. Die Ansicht, dafs dieser Theii des Examens in den
Cursns hineingelegt werden solle, sei für ihn sehr erfreulich zu boren
gewesen, da er früher schon einen ähnlichen Vorschlag gethan habe
nnd es jedenfalls wünschenswert h sei, dafs eine grofsere Leistung der
Schuler bei der Prüfung vorliege.
Palm: seit vor 7—8 Jahren in Sachsen die Zeit aaf 6 Stun-
den beschrankt worden sei (im Winter nnr 6), habe man allerdings
schwache Arbeiten erhalten, schwach besonders im Inhalt; das habe
aber sehr an der Wahl der Themata gelegen. Man müfse sich dabei
an die I^ectüre der letzten Zeit anschliefsen, die Arbeiten würden
dann zwar auch noch nicht ausreichend gut ausfallen, aber doch von
der gewonnenen Fertigkeit zeugen. Man würde dem Schüler etwas
ent2iehen, wenn man ihn nicht auch im lat. Aufsatze abschliefsen
liefse, und man werde deshalb immer auf die Forderung kleinerer
Aufsätze zurückkommen. Gebe man Exercitia ohne Lexikon, so ver-
lange man, was nicht jeder leisten könne. Sie bewiesen sonst aber
nur Sicherheit in der Grammatik, während die freien Aufsätze doch
etwas mehr documentierten, wie weit der Schüler darin gediehen sei
sich lateinisch auszudrücken. Die Zeit für die letzteren sei freilich
zu kurz gemefsen und die schwachen bewiesen meist nnr, wie sie
schrieben, nicht wie sie lateinisch schrieben. Den Gebrauch des Lexi>
kons müfse man beim Aufsatze doch wohl gestatten, da ja das Ge-
dächtnis dem Schüler leicht untren werde. Darüber, ob nicht anfser-
dem noch ein Pensum zu fertigen sei, habe er oft nachgedacht und
auch mit den Männern, in deren Händen die I^eitung der sächsischen
Gymnasien liege, verkehrt, aber es seien ihm noch Bedenken geblie-
ben und er über ein non liquet nicht hinausgekommen.
Lieberkühn: früher seien in Weimar die Arbeiten von den Schü>
lern einige Wochen vor dem Abitnrientenexamen zu Hause gefertigt
worden nnd die Sache sei da recht gut gegangen. Dann hätte man
sich nach dem schonen Institute der Clansur gesehnt. Diese habe ihn
stets geärgert, obgleich sie nicht gerade über Betrügereien zu klagen
hätten; dergleichen seien jedoch auch früher nicht vorgekommen.
Conrector Kühner ans Hannover: die Aufhebung des Prüfungs-
anfsatzes habe in Hannover durchaus nachtheilig anf die Schulen zu-
rückgewirkt. Die» habe er erfahren , und dies habe ihm Hr. Hofrath
Hermann aus Göttingen, dem die Arbeiten aller Gymnasien vorgelegen
544 Die 14e Versammlung deutscher Philologen und SchulmfinDer.
haben, mitgetheilt *). Auf Wies es Frage, ob die Klage eine allge-
meine sei, oder nur rucksichtlich des lat. Aufsatzes gelle, erwiedert
Kuhner: er könne für sich nur so Tiel sagen, dafs er früher die lat.
Aufsätze mit wahrer Lust geleitet habe; seit der Aufbebung des Pru-
fungsaufsatxes seien an die Stelle erfreulicher Leistungen nur die ndt-
telmäfsigsten und trivialsten getreten und jene Lectionen ihm sn einer
wahren Last geworden.
Prof. D öder lein aus Erlangen beginnt in Bezug auf die gestern
au ihn gerichtete Aufforderung mit den bekannten Versen: was ihr
auch thut, lafst mich aus eurem Rath u. s. w. Palm habe einen Ge-
danken ihm ganz aus der Seele gesprochen. Man solle sich nicht in
Extremen bewegen. Zwischen der Stellung von Thematen, welche
Buchertiteln gleich lauteten, wie z. B. 'welchen. Werth hatten die
griechischen Colonien?' und dem ganzlichen Wegfall des Aufsatzes
liege viel und er wolle darüber einen ausfuhrlichen Aphorismus ma-
chen. Der Aufsatz solle einen Beweis liefern Ton der Fertigkeit im
Lateinschreiben. Werde nun ein Thema gegeben, über das der Scha-
ler ein Recht habe zu schwatzen, bei welchem er Worte machen könne
ohne Gedanken, so werde der Zweck erreicht. Heifse man den Schü-
ler über Alexander den Grofsen zu schreiben, oder über Sejanus. Von
diesen Männern musten die Schüler doch etwas wifsen und nieder-
schreiben können. Wenn sie nun auch Ton Sejanus nicht viele specielie
Thatsacben wüsten, so konnten sie Digressionen machen über höfisches
Wesen, über Schmeichelei und dgl. Der Aufsatz dürfe nicht so lang
gefordert werden. Zwei Seiten, sechs bis acht Perioden reichten für
den Zweck hin. Auf diese Weise glaube er eine Vermittlung zu geben,
Schmid: richtig sei bemerkt worden, dafs die Zeit von 5 Stun-
den zu kurz sei, da man sonst in der Schule 3—4 Wochen gebe. Allein
lim das Mißverhältnis zu der vorausgegan(>enen Praxis aufzuheben, gebe
es eine Vermittlung. An seiner Anstalt und an vielen anderen seien
monatliche Studiertage eingeführt, in den untern Classen um die Scha-
ler zu lehren, wie sie arbeiten sollen, in den oberen um Aufsätze in
der Schule '(gewöhnlich -1 Vormittagsstunden) machen zu lafsen. Die
in der Schule gefertigten Aufsätze würden in Hefte eingeschrieben
und bei dem Examen mit Torgeicgt. Die Schüler würden so daran
gewöhnt, in kurzer Zeit einen Aufsatz zu machen.
Kramer: er stimme Palm bei, dafs der Aufsatz einen Mafsstab
über etwas gebe, den man am Pensum nicht habe. Wo ein tüchtiger
Unterricht gegeben werde, habe das Examen keinen Einflufs anf die
Betreibung durch die Schüler und es würde schlimm stehen , wenn
Ijateinisch und Griechisch nur durch Zwang noch aufrecht erhalten
werden könnten. Er furchte jedoch die menschliche Natur auch, eine
Vcrnachläfsigung der Uebung von Seiten der Schüler, wenn der Prö-
fungsaufsatz wegfalle. Was man am griechischen Scriptum erfahren
habe, das könne auch beim lat. Aufsatz eintreten. An den Betrüge-
reien, welche vorkämen, sei die allgemeine Zucht der Gymnasien schuld.
Man mufsc dagegen mit allen Kräften streben, den sittlichen Geist
der Jugend zu heben, t]ei\ Schüler dahin zu bringen, dafs er derglei-
chen Betrügereien vun Herzensgrund verachte.
Eckstein: als er auf der Schule gewesen, hätten sie jede Woche
einen lateinischen Aufsatz zu machen gehabt. Sie hatten freilich oft
in der letzten Nacht 6—8 Stunden darauf verwendet, gewöhnlich aber
H— 9 Seiten gebracht. Bei der Examenarbeit habe zwar Clausnr statt-
*) Hr. Hofrath Hermann hat dies als seine Erfahrung auch meh-
reren anderen in Altenburg wiederholt.
Die 146 Versammlung deatocher Philologea and Schnlmfinner. 545
gefnnden. Jedoch so, dafs die Schuler wahrend der Tiachseit tod 13
— ä heransgeben konnten. Da aei denn Betrog sehr leicht möglich
gewesen, gleichwohl aber hatten selbst die schlechtesten Schuler es (Hr
eine Ehrensache gehalten, ihren Aufsatz selbst zu machen. Der Grund
daron sei gewesen: weil sie die Sache gekonnt hatten.
GraYenhorst: seine Erfahrung sei nicht die gleicne, wie die
yon Kuhner aufgestellte. So lange der Prüfungsaufsatz in Hannover
bestanden, hatten die Lehrer die Pflicht gehabt, den Schuler durch
jede sachliche Nachweisnng zu seiner Anfertigung in den Stand zu
setzen. Wenn man über Sejan zu achreiben aufgegeben habe, so habe
man vorher formlich Geschichtsstonde halten inüTsen. Die gleiche Ver-
pflichtung bestehe noch jetzt in Bezug auf den deutschen Aufsatz.
Am eis: es sei für ihn stets ein eigenthumliches Gefilhl, wenn
man in die Luft des Gesetzes komme. Er wolle jetzt einen Hanpt-
generalismus bringen. Der Gegenstand, den man durch das Abiturien-
tenexamen aufrecht erhalten wolle, sei schon gerichtet. Hoher als das
Gesetz stehe die Liebe. Was das Gesetz nicht verlange, konnten die
Lehrer als ein Product freier Liebe erlangen. Kein Prufungsreglement
verlange lateinische oder wohl gar griechische Verse, und doch zeige
die Erfahrung, dafs ohne sie ein wahres Dichterverständnis nicht mög-
lich sei; die Schuler aber machten dieselben, wo sie nur recht gefallt
wurden, doch mit Lust und Liebe. Mit kalten Gesetzen komme man
nicht aus.
Raspe: Doderlein habe vorgeschlagen, aus den Aufsätzen Dimi-
nativa zu machen. Man solle doch gleirh einen Schritt weiter gehen
nnd doch auch diese noch weglafsen. Dafs alle das Bewustsein hätten,
der Aufsatz stehe nicht mehr im rechten Verhältnis zu den Einrich-
tungen des Gymnasiums, zu der Zeit und der Kraft der Schuler,
gehe daraus hervor, dafs man sich so viele Muhe gebe, die Sache so
leicht wie möglich zu machen und Hindernisse hinwegzuräumen. Man
scheine ihm aus Liebe zur Philologie unverhältnismäfsigen Werth auf
den lat. Aufsatz zu legen. Es könne ein Schüler mündlich recht gut,
z. B. in der Grammatik, sich zeigen und doch schriftlich schiecht
arbeiten. Was sei denn das paedagogische Ziel der Aufsätze y Sie
hätten praktischen Werth nur für den künftigen Philologen. — Vom
Vorsitzenden unterbrochen mit der Bemerkung, die Frage von der
Berechtigung des Aufsatzes in der Schule sei schon, als er noch nicht
zugegen gewesen, abgemacht, jetzt handle es sich nur um die Berech-
tiffong bei der Maturitätsprüfung, fährt er fort: auch da sei er abzu-
sciiaff'en und das Urtheil der Reife nur von den Ueberaetzungen aus
dem Deutschen ins Lateinische abhängig zu machen.
Heinichen: seiner Erfahrung nach sei allerdings in Sachsen die
Zeit etwas zu kurz zugemefsen, von Betrug aber habe er wenig oder
nichts erfahren.
Indem Eckstein, weil niemand mehr das Wort begehrt, zum
Resnm^ schreitet, erklärt Wiese noch; er habe zu dem, was er vor-
her gesagt, hinzufugen wollen, dafs er es jedem Praeses einer Schul-
behorde, jedem Prufungscommissar unbenommen wifsen wolle, auf der
Stelle die Abiturienten einen solchen kurzern Aufsatz, wie z. B. 'der
Tod des Archimedes' fertigen zu lafsen.
Eckstein: für die Beibehaltung des lat. Aufsatzes bei der Abi-
turientenprofung seien die nachtheiligen Wirkungen, welche man nach
bereits gemachten Erfahrungen zu erwarten habe, das Verlieren eines
Mafses, das man am Pensum nicht habe, und das Entziehen einer Lei-
stung, die der Schüler zu geben wünschen inufse, geltend gemacht
worden. Dagegen habe man sittliche Bedenken erhoben nnd diese
546 Die I4e Versammlang deutscher Philologen und Schulaftnner.
könnten ihn allerdings zum Pailenlafiten bestimmen, wenn sie nicht
dnrch die Lehrer nnd die Zucht beseitigt werden könnten. Die eben-
falls dagegen geltend gemachte Mittelmäfsigkeit werde durch stufen-
niäfsige Uebungen in Aufsätzen -von Tertia an verschwinden.
Auf die Krage: ist der freie Aufsatz bei der Matnritatsprofung
als Clausurarbeit beizubehalten ? ergibt die dnrch Gegenprobe consta-
tierte Abstimmung: 37 bejahende nnd 13 verneinende Stimmen.
Eckstein fügt noch hinzu, dafs er die Uebersetznngen deut-
scher Pensa als das schwierigere auch in den obersten Classen bei-
behalten wifsen wolle. Kr sei ein grofser Freund dieser Uebungen,
welche nicht viele Zeit forderten und sehr wohithätige Wirknngen
hätten.
Raspe erklärt noch einmal: er bleibe dabei, das Resultat aus
den Kxercitien sei viel sicherer als das aus den Arbeiten.
Vierte Sitzung am 28. Sept. Vorsitzender Fofs.
Wiese motiviert seine auf die Tagesordnung gestellte Anfrage«
Von Vocabularion seien ihm drei bekannt geworden, das von Wiggert,
das eben in 3r Auflage erschienene von Döderlein und ein neues von
Haufser in Karlsruhe. Ihr Dasein scheine zu beweisen, dafs man die
Methode bei der Leetüre sichere Vocabelkenntnis zu erzielen nicht für
ausreichend halte. Gegen den selbständigen Gebrauch von Vocabn-
larien liegen aber allerdings manche Bedenken vor, die sich namentlich
auf die sofortige Verwendbarkeit des so gewonnenen Materials grün-
deten. Er habe deshalb hier den Gegenstand zur Sprache gebracht,
um Erfahrungen darüber zn hören.
Döderlein: er habe bei der Abfafsung seines Buches zwei Ab-
sichten gehabt, einmal ein ausreichendes Material zum Lernen zn ge-
ben und zweitens dies fiir Benutzung zu Denkübungen brauchbar an
machen. Das letztere sei ohne etymologische Anordnung, welche die
Sprachbildung zur Anschauung bringe, nicht möglich. Er habe die
Vocabeln in Gruppen gebracht, welche sich an ein einfaches Wort an-
schliefsen. Bei denen, wo der Srhuler die Bedeutung selbst finden
könne, compositis sowohl wie dcri^'atis, habe er keine Uebersetivng
beigefügt, wohl aber überall, wo jenes nicht der Fall sei. Natürlich
solle die Bedeutung der Endungen, wie bili», osus, nicht gleich in der
ersten Zeit vollständig gegeben werden, aber einiges biete der Unter-
richt doch dar. Zum Beispiel wählt er die Gruppe lux, Lueidut nnd
lucifugus seien unübersetzt gelafsen, weil ihre Bedeutung der Schaler
errathen könne und müfsc, dagegen habe er zu luculcntus (was von
liiccm olcns komme) die Uebersetznng gefügt. So geht er die ganae
Gruppe durch.
Wiese: lucesccrc sei nicht übersetzt, wahrscheinlich weil der
Schüler die Tnchoativa kennen solle. Dies könne man aber von Sex-
tanern nicht verlangen, und doch müfse das Vocabellcrnen wohl gans
früh beginnen.
Döderlein: sein Buch sei zum Gebrauch sogleich im Anfange
der fTauptclassen bestimmt. P^s gebe gewisse Worte, die wegen eines
gleichsam instinctartigen Interesses ganz früh gelernt werden musten,
wie z. B bo9, bonus. Natürlich aber sollten nicht sogleich ganze Fa-
milien gelernt werden. Für das erste Jahr habe er daher nur die ge-
sperrt gedruckten Worte bestimmt, die übrigen seien «lann nachzuholen.
Er habe sich absichtlich bemüht, dem Schüler die Sache nicht an leicht
zu machen, und aus diesem Grunde die Genetive nnd Perfecta nicht
beigefügt. Wenn ein Knabe wifsc, was ira und (cmpics heifso, so
freue er sich; wenn er aber höre iempu», temporisj so freue er sich
nicht. Dies bewahre ihn nur vor einem Fehler; niemand freue sich
aber, wenn er vor einem Fehler bewahrt werde.
Die 14e Verflammlung deutscher Philologen und Schulmänner. 547
Eckstein: das Wiggertsclie Voeabulariuni sei in Minor AnaUlt
seit !20 Jahren in den swei nntenten Classen gebraucht worden, aber
es habe nicht viel Nutzen gebracht. Obgleich drei Stufen darin untei^
schieden seien, so fehle doch das, was Doderlein getban habe. Kr habe
dessen Buch mit den Bemerkungen durchstudiert und mäfse sagen, dafs
mit den ietiteren etwas anzufangen sei. Es sei eine wesentliche Ver-
befserung, dafs in der 3n Auflage nun auch das Genus hinzugefugt sei.
Der Hanptnutzen bestehe in der Hinweisung auf die Etymologie und
man mnfse ganz besonders die grofse Resignation anerkennen, mit wel-
cher Döderiein anf seine Lieblingsetymologien in diesem Buche ver-
zichtet und nur positives und gewisses gegeben habe. Er habe daher
mit seinen Coliegen bereits den Beschinfs gefafst, die Einfühnmg des
Doderleinschen Buches in ihrer Anstalt zu veranlafsen. Neben der
Grammatik sei ein solches Vocabellernen in einem 2jährigen Cursos ein
besonders reiches und forderndes Unterrichtsmittel. Auch habe er be-
reits bei der neusten Ausgabe der Schulzschen Grammatik mehreres von
Doderlein angenommen.
Wiese: Haufsers Buch stimme im wesentlichen mit dem von Do-
derlein uberein, gebe aber auch kurze Phraseologie, wie z. B. bei-
ium, bellum gerere. Dies, scheine ihm ein Vortheil, da das Material
leichter sofort zur Verwendung gebracht werden könne. Indes komme
freilich dabei alles auf den Lehrer an.
Doderlein: er habe dies untcrlafsen, eingedenk des Ausspruchs
von Montesquieu: die grofsten Unternehmen scheitern oft dadurch,
dafs man im Vorbeigehn noch ein kleineres mit abmachen will.
Kramer: er furchte die Gefahr, dafs die auf solche Weise er-
lernten Vocabeln todtes Gut bleiben; Anwendung sei die Hauptsache.
Vocabeln mnsten eelemt, aber auch tüchtig verwendet werden. Er er-
innere an den Orbis pictus von Commenins. Die Ordnung nach Gegen-
standen und Kategorien biete mehr Gelegenheit zur Verwendung. In
den neuem Sprachen habe sich diese Methode bewährt und das treff-
liche Vocabulaire von Plötz biete so geordnete Vocabeln, dafs sie nicht
blofs abgefragt, sondern durch sofortige Verwendung eingeprägt wur-
den. Das werde auch für das Lateinische nutzlich sein. Pur die ety-
mologische Anordnung hätten die Sextaner keinen Sinn und es sei nicht
gut ihn zu wecken. Denn sie gehöre wesentlich zu dem Gebiete der
Reflexion, welches durchaus, namentlich beim Erlernen des Lateinischen
und Griechischen, gemieden werden mnfse. Nach Gegenständen geord-
net wurden die Vocabeln leichter in das Gefühl übergehen.
Ameis: auch er habe an den Orbis pictns erinnern wollen. Es
fehle bei der etymologischen Anordnung der reale Boden. Sexta und
Quinta wurden ermüdet werden, wenn sie sich so in den Worten be-
wegten. Neben dem formalen mufse auch der reale Boden geschaffen
werden. Er richtet an Wiese die Bitte, mitzutheilen , wie die Englän-
der bei ihrem Unterrichte verfuhren.
Wiese: es sei hier kein Raum zu ausführlicher Mittheilung dar-
über. Nur so viel könne er bemerken, dafs die Engländer Vocabeln
aus besondern Bächern lernten nnd mit Phraseologie. Lexica, nach
Gegenständen geordnet, würden ihm sehr willkommen sein.
Doderlein: die volle Berechtigung von Kramers Gedanken habe
er in den Bemerkungen anerkannt, allein er sehe nicht ein, wie das
Vocabellernen dadurch erleichtert werden solle. Der Schüler mufse Ja
dann bei jedem Worte von vom anfangen. Z. B. corpus, dazu gehö-
ren memfrra, cajtui u. s. w. Wie verschieden seien diese Worte, und
das allgemeine sei immer etwas abstractes. Die etymologische Ord-
nung gewähre entschieden Erleichterung. Auch dafs die Vocabeln in
das Gefühl übergehen müsten, wie Kramer bemerkt, habe er anor-
548 Die 146 Versammlung deutscher Philologen und SohulainDer.
kannt, allein es sei befser in Einern Benken relativer Meister sa
sein, als Ton Tielem etwas zn verstehen. Die Realisten fragten oft, ob
wir denn den Schäler zu einer Herschaft über die iat. Sprache brach-
ten, and allerdings sollten 8 Jahre denselben dahin fuhren, dafs es ihm
einerlei sei , ob er lateinisch oder deutsch rede. Dazu sei ein cordia-
les Verhältnis zur Iat. Sprache yon Torn herein nöthig, wir mustea
aber einen andern Weg einschlagen als die Spracbmeister. Man könne
schon im ersten Vierteljahre das Lateinsprecnen anfangen, aber in ha-
moristischer Weise. Ein Schuler komme in die Clause und sage: 'gu-
ten Morgen'; der Lehrer: 'hier sind wir Lateiner, mein Sohn; da
mufsen wir salve sagen'. Ebenso beim Weggehen vale» Ein Schüler
komme: 'Herr Doctor, ich bitte mich einmal hinausgehen zu lafsea'.
Der Lehrer: 'ganz schon, wenn wir hier nur nicht Lateiner waren ; da
heifst es peto veniam exeundi\ Einen andern lafse man cxire me tinaty
einen dritten permitle ut exeam sagen , und so abwechseln. Durch der-
gleichen werde das I^tein dem Gefühle der Schuler naher gebracht,
wie Kramer wolle.
Kram er: jedenfalls werde dies aber durch eine reale Anordnung
noch erleichtert. Der jüngere Schuler reflectiere nicht, sondern lerne
mit dem Gedächtnis.
Dö der lein: in seinem Buche stunden: c^iius, eques, equiiare.
Wie leicht seien diese drei Worte zu merken!
Kr am er: das geschehe nach der Anordnung, welche er verlsngei
auch, worauf Wiese einwirft: aber da kommen auch die Sporen dazu.
Kram er: man dürfe ein Princip nicht zu Tode reiten; es lafso sich
beides vereinen.
Von Eckstein aufgefordert, die über diese Frage von ihm wohl
zusammengestellten Sätze vorzulegen, erwiedert Dietsch: er halte
dies nicht für nothig. Ueber das allgemeine, die Nothwendigkeit von
vorn herein eine sichere und umfangreiche Wortkenntnis zu erzielen,
sei man ja wohl einig und rucksichtlich der Methode habe man den
Zweck erreicht: Austausch der Ansichten und Erfahrungen. Indes
wolle er doch einige Bemerkungen machen. Er lerne selbst Jetzt noch
viel aus Döderleins Buch und glaube, dafs auch jeder Schuler davon
nur profitieren könne. Bei den Worten nach der Ableitung zu fragen,
frehe dadurch ins Gefühl, gleichsam ins Blut über Eine schädliche
Reflexion könne er darin nicht sehen, wenn der Schüler an 6 — 8 Bei-
spielen endlich inne werde, welches die Bedeutung einer bestimmten
Endung sei. Er habe folgende Erfahrung gemacht: oft habe er sich
gewundert, wie die Schüler der obern Classen im Homer, aber aach
im Lateinischen, »o sehr das Lexikon wälzen müsten und Worte auf-
schlügen, deren Bedeutung sie doch selbst finden sollten, z. B. com-
posita, deren simplicia ihnen bekannt seien. Er glaube, diesem für
die Leetüre ungemein schädlichen Uebelstande könne wenigstens theil-
weise vorgebengt werden, wenn die Schüler von unten herauf die Ab-
leitung zu beachten gewöhnt und darin geübt würden. In allen Gram-
matiken stehe ein Capitel 'Wortbildungslehre' ein Bewein, dafs man
doch diese für die Erlernung der Sprache not h wendig oder doch for-
derlich halte. Er habe aber mit diesem Capitel nie etwas anzufangen
gewust und es ganz überschlagen. Durch Uebungen nach Döderleins
Buch, scheine ihm, erhalte man eine praktische Wortbildungslehre.
Schliefslich wolle er seine Herren Collegen auf das Programm über den
Iat. Sprachunterricht vom Dir. Dr. Hermann Schmidt in Witten-
berg und auf dessen eben in 2r Auflage erschienenes Elementarbnch
( Neustrelitz 1864) aufmerksam machen. Derselbe beginne auch mit
Vocabellernen y schlage aber dabei weder den etymologischen noch den
Die 14e Versammlang deutscher Philologen and Sehulmfioner. 549
realen Weg ein, aondern den grammatischen. Gewis werde mancher
mit Nutzen auch Yon diesem Buche Gebrauch machen können.
Kram er führt, um die Erleichterong durch etymologische Anord-
nung zu bestreiten, faeilis an. Dessen B^eutung liege nach faeio dem
Schuler zu fern.
Doderlein: aber der Schüler freue sich gewis, wenn er auf
'machbar' komme. Frage man ihn nach seinen Erfahrungen, so könne
er nur so yiel anführen , dafs die Lehrer an seiner lat. Schule mit dem
Erfolge der Benützung zufrieden seien und dafs ihm ein Freund ge-
schrieben habe, er treibe alle Abende das Buch mit seinem Sohne und
sehe grofsen Nutzen.
Eckstein: Doderlein möge sein Buch noch etwas Terkürzen; er
habe Worte darin gefunden, die er selbst noch nicht gekannt, z. B.
^a«f7/iim.
Doderlein: das sei die yoUe Form von qualum, Uebrigens
müfse er an Montaignes Spruch erinnern: es gibt einen einzigen Feh-
ler, der bei allen Menschen consequent sich findet, die Inconseqnenz.
Der Vorsitzende: Abstimmung sei nicht nothig, da der Zweck
der Verhandlungen nur Mittheilung Ton Erfahrangen gewesen sei, der
folgende Gegenstand aber zu umfaffiend, um ihn noch besprechen zu
können. Er umfafse die ganze Organisation der Gymnasien. Er be-
daure sehr, dafs dieser wichtige Gegenstand nicht berathen werden
könne, und spreche Mütze II seinen und der Versammlung Dank für
die Stellung der Thesen aus.
Dietsch: da Vorbereitung auf die Verhandlungen der paedago-
fischen Section von grofsem Nutzen sei, so frage er, ob man nicht die
Mützellschen Thesen schon jetzt als Gegenstand für die nächste
Versammlung wählen könne.
Mutz eil: die Thesen habe er unter schwierigen und trüben Ver-
haltnissen aufgesetzt, weil sie eine Zeitfrage enthielten. Eine Ueber-
tragung auf die nächste Versammlung erscheine ihm unthunlich ; doch
gedenke er, so Gott wolle, in Hamburg einen ahnlichen Antrag zu
stellen.
Fofs: der Vorschlag Ton Dietsch sei ebenso zweckmafsig an sich,
als nach §. 3 der Statuten zuläfsig. Ein Tdlliger Beschlufs darüber
könne jetzt zwar nicht gefafst werden, da die gegenwärtige Versamm-
lung der künftigen keine bindende Vorschrift machen könne. Die Mü-
tzellschen Thesen würden übrigens in den Verhandlungen mit abge-
druckt. Dadurch kämen sie zur allgemeinen Kenntnis und sei für die
folgende Versammlung die Füglichkeit gegeben, sie ihren Verhandinn-
gen zu Grunde zu legen.
Darauf schliefst er die Sitzung mit folgenden Worten, deren voll-
ständige Mittheilung hier durch ihren Inhalt hinlänglich gerechtfertigt
erscheinen wird: 'Blicken wir auf unsere Verhandlungen zurück, so kann
dies nicht anders als mit dem Gefühl einer gewissen Befriedigung ge-
achehn. Die Verhandlungen sind durch keinen Misklang gestört, son-
dern mit derjenigen Ruhe und Würde, mit derjenigen Achtung entge-
?|enstehender Ansichten geführt worden, die sich für Männer der Wi-
senschaft, die sich für Jugendbildner geziemt. Sie haben einen Ver-
lauf genommen und ein Ergebnis geliefert, welches ein für die festere
Begründung der classischen Studien in den Gymnasien erfreuliches ge-
nannt werden darf. Allerdings werden sie nicht augenblicklich einen
directen Erfolg haben — wir sind keine beschliefsende Versammlung
mit gesetzgebender Gewalt — , allein darauf kommt es auch nicht allein
an. Die moralische Wirkung, die unsere Besprechungen und Abstim-
mungen haben werden, wird jedenfalls sowohl nach oben als nach unten
hin eine bedeutende und dauernde sein, und ich bezeichne in dieser
550 Die 14e VersammlaDg deutscher Philologen und Schulminner.
Hinsicht es als besonders erfrealich, dafs Hr. Geh. Rath Wiese sich mit
Entschiedenheit für die Berechtigung und Beibehaltung des freien la>
teinischen Aufsatzes in dem Lectionsplane des Gymnasiums ausgespro-
chen hat. £s wird diese moralische Wirkung um so grofser and nach-
haltiger sein, je grofser die Zahl ausgezeichneter Schulmänner ist, die
sich zu diesen Berathungen zu meiner Freude hier in Aitenburg einge-
funden haben. Das meiste Gewicht jedoch lege ich, wie bei allen ahn-
lichen Versammlungen, so auch bei der unsrigen, auf die Anregungen,
die wir theils aus dem Verkehr mit einzelnen, theils aus den öffentlichen
Verhandlungen mit uns nach Hause nehmen. Es wird keiner unter ans
sein, der nicht über das, was er hier vernommen, weiter nachdenken,
der nicht Versuche machen, Erfahrungen sammeln und dann dasjenige
wählen und sich aneignen wird, was er als zweckmäfsig erkennt und
was seiner Individualität entsprechend ist. Denn darüber werden wir
alle einverstanden sein, dafs in den Schulmann nichts blofs äufserlich
hineingetragen , dafs ihm nichts aufgezwungen werden darf. Das beste,
was der Schulmann , wie jeder der auf geistigem Gebiete tbätig ist , lei-
stet, kommt aus dem Innern heraus, geht aus der freien Ueberzengung
hervor. Daher erklärt es sich auch, dafs jeder wahre Schulmann auf
seinem Gebiete Selbständigkeit und Freiheit wünscht und verlangt, na-
türlich eine vernünftige Freiheit. Denn da er nach unten hin, seinen
Schülern gegenüber, eine ungezügelte und schrankenlose Freiheit nicht
gestatten wird, so wird er auch für sich selbst eine solche nicht in An-
spruch nehmen. Wird ihm diese Freiheit und Selbständigkeit entzogen,
soll er zur Maschine gemacht werden, so kann der Erfolg seiner Wirk-
samkeit niemals ein bedeutender sein. Mit dem Wunsche, dafs die hier
empfangenen Anregungen recht reiche Früchte bringen mögen, schliefse
ich die heutige Sitzung und unsere diesmaligen Verhandlungen.'
Nachdem Geh. R. Wiese dem Praesidium gedankt und die Ver-
sammlung durch Erhebung von den Sitzen ihre Anerkennung beseagi
hatte, giengen die anwesenden auseinander.
Grimma. R. Dietsek*
Auszüge aus Zeitschriften.
Mlgemeinc MonaUBchrifi für WUsenuchaft und Litteralur (•• Bd.
LXI\ S. 219 — 224). Jahrgang 1854.
Januarheft. O. Jahn: Goethe in Leipzig (S. 1 — 8: Mitthei-
lung zweier noch ungedruckten Briefe von Hörn und eines von Goethe
an Karl Ludwig Moors aus dem Jahre 1766, auf das Verhältnis zu
Käthchen Schonkopf bezuglich. Sodann Bestätigung, dafs Riese
Goethes Briefe an ihn vollständig verbrannt habe, und Mittheilun^ eines
Briefes von Goethe, worin dieser für die Uebersendung der Briefe an
Hörn aus jenes Nachlafs dankt Notizen über den Theologen, der G.
in Leipzig gepflegt, Limp recht, und zwei Briefe: an Oeser von 1783
und an dessen Tochter v. 1778 schliefsen sich an). — Theod. Benfey:
Skizze des Organismus der indogermanischen Sprachen. Erster Artikel
(S. 0 — 42: unter Darlegung der Methode an zahlreichen Beispielen
werden als Resultate der sprachvergleichenden Analyse dargestellt: Ab-
scheidung der flexivischen Lautcomplexe , dann der bekannteren gram-
matischen Derivationselemente, Nachweis, dafs viele underivierte und
einfache Derivationsthemen scheinende I^autcomplexe theils Derivationen
— denominatische, desiderative, causale, intensive, inchoative und nicht
Auszage ans Zeitschriften. 551
nfther su beatimmende — ^ theik aus nnpranglichen Praesens- und weiter
entwickelten generellen Verbalthemen entstanden, tbeila ursprünglich
Compoflita waren, Erkenntnis, dafs die Mehrzahl der Stamme aus Ver-
ben besteht, daneben eine kleine Anzahl Prouominalstämme, ganz ge-
trennt aber davon die Interjectionen stehen. Eine feststehende und
durchgreifende lautliche Gestalt lafse sich ebenso wenic noch bestimmen,
wie die Frage bejahen, ob die Stämme noch rücksichtlich der einzelnen
Laute zu analysieren möglich sei). — Guhrauer: Gabriel Wagner in
seinem Verhältnisse zu Thomasius und zu der deutschen Wifsenschaft
seiner Zeit. Zum Theil mit Rücksicht auf Tholuck: das akademische
Leben des 1 7n Jahrhunderts, le Abthlg. (S. 43 — 60: nachdem unter
den weniger bekannten Männern , welche für die Einführung der deut-
schen Sprache auf den Universitäten und in die Wifsenschaft gewirkt,
der Herborner Prof. Chr. Gli. Grau 1092 erwähnt ist, wird das Leben
des fast in gänzliche Vergefsenheit gerathenen, unter dem Schriftsteller-
namen Realis de Vienna aufgetretenen, nach 1712 verschollenen Gabriel
Wagner, so weit möglich, erzählt und aus seinen Schriften seine An-
sichten über Deutschheit und die Idee der Wifsenschaft, in denen er
theils mit Thomasius und Leibniz übereintraf, theils aber weit seinem
Zeitalter vorangeeilt war, während er durch zu stürmisches Auftreten
vieles verdarb, dargestellt). — K. W. Nitzsch: Q. Fabius Pictor über
die ersten Jahre des Uannibalischen Kriegs. Unter Beziehung auf Su-
semihl : kritische Skizzen zur Vorgeschichte des zweiten punischen Kriegs
(8, 07 — 84: es wird zuerst nachgewiesen, dafs Polybius und Livius in
der Darstellung der Hauptereignisse vollkommen übereinstimmen, in
allem zwischen dieselben fallenden, namentlich dem motivierenden für
jene weit auseinander gehen, und daraus gefolgert, dafs beide eine und
dieselbe, aber verschieden bearbeitete und ergänzte Quelle vor sich
hatten. Die Abweichungen bei Zonaras, dem Excerptor des Dlo, und
Appian führen zu der Vermuthung, dafs deren Nachrichten auf einer
anderen Darstellung und zwar der eines niederen, in der Reihe des
Heeres dienenden Sfannes beruhten, während die Quelle des Polybius
und Livius die Erzählung eines Senators sein müfse. Indem nun aus
Liv. XXI, 7 hervorgehe, dafs er Q. Fabius Pictor gefolgt sei, so ergebe
•ich, dafs dieser nur die für die Romer unglücklichsten zur vollständi-
gen Rechtfertigung des von Q. Fabius Cunctator entworfenen Kriegs-
planes dienenden Ereignisse dargestellt habe, was mit dem von der
ältesten römischen Geschichtschreibung überlieferten übereinstimme,
und da Polybius den Fabius tadle, gleichwohl aber in jenen Partien
von ihm nicht abweichen gekonnt habe, so folge daraus unleugbar der
hohe Werth von jenen Erzählungen. Fafse man nun aber ins Auge,
was Polybius am Fabius tadle, so zeige sich, dafs er die eine romi-
sche Gresandtschaft vor Sagunts Eroberung, die Verhandlungen mit den
Gelten, die Existenz einer kleinen antibarcinischen Partei im carthagi-
schen Senate nicht gekannt, vielmehr das ganze Sanedrine dem Hannibai
feindselig gewufst habe, weil dieser, wie gleichzeitig in Griechenland
Kleomenes, eine Militärmonarchie habe gründen woUen. Nehme man
nun hinzu, dafs wahrscheinlich zwbchen Rom und Carthago eine engere
Verbindung bestanden, so erkläre sich, wie der .römische Senat die
Auslieferung des Hannibai hoffen gekonnt, wie dagegen das carthagische
Sanedrine, die Schwäche des Senats dem von Flamin ins siegreich ge-
führten Volke gegenüber wohl kennend und die Nothwendigkeit die
Sache an das eigene Volk zu bringen vermeidend, eine unents€:hi«dene
Antwort gegeben habe, ebenso aber, wie Hannibai ohne alle Unter-
stützung gelafsen wurde).
Februarheft. Max Enger: Ueber den Ursprung und die Be-
deutung des Khalifats ( S. 85 — 09 : Nachweisung der politischen und
552 Auszüge aus Zeitschriften.
rechtlichen Zustande vor Mohammed, die Natur des von diesem auf
nationale Einheit gegründeten Staates und dessen engste Vereinigiuig
mit der Kirche; die aus der von ihm selbst eingenommenen Stellung
hervorgehende Nothwendigkeit, keinen Nachfolger zu ernennen, sowie
die Entwicklung des über die Besetzung des Khalifats aufkommenden
Rechts; dessen Attribute und die rasche Desorganisation, welche in der
anfanglich die gröfste Kraft erzeugenden Vereinigung des Staats and
der Kirche gegründet ist). — G. Waitz: zur deutschen Verfafsangs-
geschichte (S. 100 — 110: nach einer die Verdienste ebenso warm und
gerecht würdigenden , wie die abweichenden Ansichten scharf beseich>
nenden Charakteristik der Werke: v. Bethmann-Hollweg: über die
Germanen vor der Volkerwanderung, P. Roth: Geschichte des Bene-
ficialwesens, F. Walter: deutsche Rechtsgeschichte, G. Landau: die
Territorien in Bezug auf ihre Bildung und ihre Entwicklung, G. L. ▼.
Maurer: Einleitung zur Geschichte der Mark-, Hof-, Dorf- und Stadt-
verfafsung, werden einzelne in der deutschen ' Verfafsungsgeschichte'
geaufserten Ansichten einer neuen Prüfung unterzogen und zwar zaerst
unter Berücksichtigung von Langethal: Geschichte der deutschen
Landwirthschaft und v. Wietersheim: über das Sondercigenthum
der Germanen an Grund und Boden, die Nachrichten der Alten über
den Grundbesitz der Germanen. Die bekannte Stelle des Caesar lafse
keine andere Auslegung zu, als: die gröfseren, aber auf natürlicher
Verwandtschaft beruhenden Verbände des Volkes hatten alljährlich nach
Anweisung der Fürsten an anderer Stelle Land erhalten und es sei, wie
ausdrücklich hinzugesetzt werde, von einem wahren Sondereigen ger
nicht die Rede; diese Nachricht beruhe aber gewis nur auf Misver^
standnis und finde weder bei Strabo noch bei Horat carm. III, 24, 11,
wo unter cultura annua eine Zweifelderwirthschaft zu verstehen sei, eine
Stütze. Die Stelle des Tacitus dagegen wird auf die Theilung bei der
ersten Ansiedlung (der Verf. entscheidet sich dafür, in in vice» eine
Corruption aus einer Redensart mit vici zu sehen), nicht auf eine jahr-
lich oder periodisch wiederkehrende bezogen , dann die in spaterer Zeit
allgemein übliche Hufe mit ihrer Dreifelderwirthschaft gefunden und als
Resultat hingestellt, dafs die Deutschen zu des Tacitus Zeit ein Volk
freier Bauern waren, was durch die Beschreibungen ihrer Wanderungen
bestätigt werde). — v. Quandt: über den Entwicklungsgang und die
Gliederung der christlichen Kunstgeschichte (S. 117 — 124: an Canrieres
Aufsatz im histor. Taschenbuch von 1853 wird nachgewiesen, dafs nur
wenn eine Idee das Centrum der Gedanken ist, eine Geschichte der
Kunstentwicklung möglich erscheint). — Joh. Brandis: über den ge-
genwärtigen Stand assyrischer Forschung (S. 125 — 137: durch eine ein-
gehende Vergleichung und Kritik der von Herodot und Ktesias nach
dem Verf. aus Archiven geschöpften Nachrichten mit Berosus und den
israelitischen, phoenicischen und aegyptischen Annalen werden als fest-
stehende Thatsachen gewonnen: die Herschaft Babylons ist die älteste
und diejenige, gegen welche die Hyksos ihre Grenzen vertheidigten.
Dann erhob sich Assyrien unter Semiramis, der ein historischer Grund
nicht fehlt, und 1273 fiel Babylon unter dessen Herschaft 520 Jahre
dauerte diese Herschaft über Asien. 753 machten sich die Meder und
747 Babylon frei, aber Ninive blieb noch mächtig, ja 713 ward Babylon
von Sanherib wieder erobert. Aber um 705) befestigte Dejoces die Selb-
ständigkeit der Meder. Ninive unter seinem letzten König Sardanapal
widersteht den AngrifTen der Meder, mufs sich aber den Scythen erge-
ben und unterliegt nach deren Vertreibung 000 den vereinigten Königen
Nabopalassar von Babylon und Cyaxares von Medien. Von den aufge-
fundenen Werken der Kunstthätigkeit scheint die Hoffnung auf Auvful-
lung zu leuchten), — Anzeigen. Frdr. Diez: Etymologisches Wörter-
Auszüge aus Zeitschriften. 55S
buch der romanischen Sprachen. Von Blanc (S. 138 — 142: unter Mit^
iheilung einiger abweichenden Ansichten wird die hohe Bedeutsamkeit
des Werkes henrorgehoben). — E. Ruth: Studien über Dante Allighieri.
Von dems. (S. 143 — 148: Kenntnisse und manche gute Ansichten wer*
den anerkannt y aber das Resultat und die Anwendung desselben auf
die Dichtung entschieden gemisbiliigt). — Frz. Loeher: General Spork.
Von Theod. Benfey (S. 149 — 151: dies epische Gedicht wird sehr
gelobt). — Michelsen: die Hausmarke. Von K. M(nellenhoff) (S.
151 f.: wenn auch gegen einzelnes Bedenken geäufsert werden , so wird
doch die Abhandlung als wichtig und höchst anregend empfohlen).
Märzheft C. Hegel: kritische Beitrage zur Geschichte der deut-
schen Stadteyerfalsung. Ir Artikel (S. 154 — 185. Arnold: Verfa-
fsungsgeschichte der deutschen Freistadte im Anschlufs an . die Verfa-
fsungsgeschichte der Stadt Worms. Ir Bd. wird zwar rücksichtlich des
wifsenschaftlichen Strebens und vielfach gebotener Anregung anerkannt,
aber die Resultate werden nicht als solche bezeichnet, auf welchen die
Wifsenschaft sicher weiter bauen konnte. Eingehende Erörterungen
über den BegriiT der Freistädte, über die bischöfliche Gewalt und das
Burggrafenamt, über die Standesverhältnisse und das Hervorgehen eines
Bürgerstandes aus ihnen, endlich über die Errichtung eines Stadtraths,
welche auch für Worms nicht vor Ende des 12n Jahrhunderts bestimmt
wird). — K. Müllenhof f: über den Bau der Elegien des Properz
(S. 180 — 201: nach einer höchst anerkennenden Würdigung der von
M. Haupt (Lpz. bei Hirzel) besorgten Ausgabe theilt der Verf. die Ent-
deckung mit^ dafs jede Elegie ein besonderes System strophischer Sätze
enthalte, deren Schema und Verhältnis jedesmal die unbefangene Be-
trachtung der Abschnitte des Sinnes ergebe, und geht, dies nachzuwei-
sen , die 20 ersten Elegien des ersten Buches durciL Gelegentlich werden
einige kritische Bemerkungen gemacht, namentlich in der 8n Elegie die
auch von Haupt angenommene Umstellung der Verse 13/14 und 15/10 zu-
rückgewiesen). — A. V. Reumont: Magliabecchi , Muratori und Leibnitz
(S. 202 — 230: sehr interessante, auch für die Geschichte Toscanas,
Modenas und des Hauses Hannover nicht unwichtige Darstellung der
Beziehungen, in welche der grofse Leibnitz bei seinen Forschungen
über die Genealogie der Häuser Este und Weif zu Italien, namentlich
den Gelehrten , deren Lebensverhältnisse und Verdienste recht anschaulich
gemacht werden, f^etreten sei. Im Anhange werden vier noch ungedruckte
Briefe von Leibnitz an Guido Grandi (f 1742) mit^etheilt, welche für
die Geschichte der Mathematik manches Material bieten. Ganz unbe-
deutend ist der an den Canonicus Palmieri). — E. Pflüger: über
den Sitz der Seele (S. 203 — 231).
Aprilheft O. Jahn: Goethe in Strafsburg und Wetzlar (S. 247
— 54: Mittheilung eines noch ungedruckten in Strafsburg geschriebenen
Aufsatzes ' zum Shakespeares Tag ', eines Urtheils über Goethe während
seines Aufenthalts in Wetzlar und eines allerdings in einem Verse cor-
rnpten Gedichtes). — G. Waitz: zur deutschen Verfafsungsgeschichte
jS^ 255 — 75. P'ortsetzung vom Februarheft S. 100 — II ß. 2. Die Dörfer
und Marken unter Berücksichtigung von C. Stüve: Wesen und Ver-
fafsung der Landgemeinden und des ländlichen Grundbesitzes in Nieder-
sachsen und Westphalen: die bei der Mark stattfindende Feldgemein-
schaft habe nicht eine so weite Bedeutung gehabt, wie Maurer ihr vio-
didere, namentlich sei die immunitat nicht die Freiheit von ihr; sie habe
auch bestanden, wo es keine eigentlichen Dörfer gegeben, aber dafs
es gar keine Einzelnhöfe ohne genofsenschaftliches Band gegeben,
lafse sich durch keine Beispiele belegen; die Mark habe nur einen rein
örtlichen Besitz, Gau eine auf Gliederung des Volkes in Völkerschaften
beruhende, also politische Abtheilung bezeichnet; es sei oft eine Mark
ff. Jakrb.f, PkU, u. Paed. Bd, LXX. Hß. 4 u. 5. 36
554 Auszöge aus Zeitschriften.
in mehrere selbständige Markp;rineinden getheilt worden, aber Landaus
Behauptung, dafs spater die Dorfgemeinde Cent, der Cent Gau gewor-
den und der Gau sich in mehrere Gaue geschieden habe, sei unbegrün-
det; Tun einem eigentlichen Gerichte eines Dorfvorsteliers ünde sich
keine Spur, nur eine Art schiedsrichterlicher Befugnis, womit >Tohl
polizeiliche und Strafgewalt in Marksachen yerbunden gewesen sein
werde ; die Gesammtbürgschaft habe nicht stattgefunden ; dafs später
zahlreiche Dörfer von Yomherein auf herschaftlichem Grunde und Boden
für Hörige angelegt worden seien, unterliege Bedenken; die Verbin-
dungen der alten Deutschen, welche mit den Römern Kriege geführt,
die eivitatea des Tacitus mit ihren conciUis, haben mit den wahren Dorf-
marken nichts gemein. 3. Adel, Fürsten und Könige unter Rücksicht
auf Watterich: de veterum Germanorum nobüitate: Vertheidigung der
schon früher aufgestellten Ansicht, dafs bei den alten Deutschen ein Adel
als erblicher Stand vorhanden, seine Bedeutung aber allerdings nur eine
historische gewesen sei; Begründung dafür, dafs der Unterschied zwi*
sehen der Stellung eines Königs und der eines Princeps in der Ausdehnung
der Gewalt über eine ganze Völkerschaft zu finden und dafs nur der
König, wo es einen solchen gab, berechtigt gewesen sei, ein Gefolge
zu halten. Es wird dabei vielfach Tacitns Germania berücksichtigt und
die Auslegung, welche Watterich den einschlägigen Stellen derselben
gibt, entschieden gemisbilligt). — Fichte: Traum, Ahnung, Vision
und die damit zusammenhängenden Naturerscheinungen (S. 21i) — 290).
— Frenze 1: zur Kritik mittelalterlicher Geschichlsch reiber. Ramon
Muntaner ( S. 291 — 30S: eingehende Lebensbeschreibung und Cha-
rakteristik. Darstellung seines innigen Glaubens und seiner Frömmig-
keit, seiner treuen Ergebenheit gegen das aragone-sische Fürstenhaus,
welche ihn zu verschweigen veranlafste, was ein übles Licht auf das-
selbe geworfen liätt^?, seines überaus rechtlichen Sinnes, seiner Gerech-
tigkeit liebenden Anerkennung selbst von Feinden. Dabei auch Schil-
derung der Almugnvaren, zu denen er selbst gehört. Rücksichtlicli
der Glaub\%ür<Iigkeit werden die grofsen Mängel in dem Zeiträume von
1207 — l'M)\ zugegeben (dabei die Chronologie der Feldzfige der Cata-
lonen im byz. Reiche festgestellt), obgleich die Benutzung schriftlicher
Quellen nachgewiesen und in der sicilischen Vesper seine Uebereinstim-
mung mit der ghiubnürdigsten Ueberliefening, wonach wohl eine Rü-
stung Pwlros, nicht aber eine vorbereitete Verschwörung und erst ein
allmähliches Obsiegen der aragonesischen Partei bei grofser Bedrängnis
stattgefunden ., anerkannt wird. Dagegen erhellt in dem übrigen l'heile
seine Glaubwürdigkeit durch eine Zusaiumenstelliing mit anderen Schrift-
stellern, wobei auf einen noch ungedruckten Originalbericht Berengara
il'Enten^e im Archiv von Barcellona aufmerksam gemacht wird, ein
treffliches Zeugnis. Seinen Geist charakterisiert der \erf. im allgemeinen
als die Mitte haltend zwischen den in den Ideen des Adels lebenden
französischen Geschichtschreibem und den in dem Kreise des Bürger-
thums sich bewegenden italienischen; er erkenne, dafs eine wahre Ge-
schichte die des ganzen Volkes sei, und stehe zwar rücksichtlich der
Tiefe der Weltanschauung und reiner Form unter Dino Compagni, aber
sonst noch über Froissart, indem er seinen Stoff mit Bc\>ustsein xnr
Verklarung allgemeiner Gedanken gemacht habe). — Knies: über die
Wirkungen der Eisenbahnen auf die Pflege der Wlfsenschaft in unserer
Zeit (S. 309 — 323: indem als allgemeingiltige und zugleich speciflsche
Charakterzüge für die Betreibung der Wirsenschaflten in unserer Zeit das
entscheidende Gewicht, welches auf die gegen jeden Zweifel sicher so
stellenden Thatsachen gelegt wird, und die Einführung einer weit vor-
geschrittenen l^heilung der Arbeit aufgezeigt werden, erhalt der Natien,
welchen die Verkehrserleichterung für beides bietet, Darstellung).
Auszüge aus Zeitochrifkeii. 555
Maiheft. Briefe toii Leonhard Enler und von Jo. Alb. Ea-
Icr an Wenz. Jo. Gust. Karsten aua den Jahren 1758 — 17Ö6, mit-
Sctheilt iron G. Karsten in Kiel (S. 325 --349). — K. W. Nitzsch:
er holsteinische Adel im 12n Jalurhundert (S. 350 — 381: nach einer
wahren Würdigang der Verdienste Falcks und Waitzs um die holstei-
nische Geschichte und Abweisung der yon Zimnermann: das wahn
Rechtsrerhaltnis der Herzogthumer Schleswig und Holstein , aufgestell-
ten Ansichten, erörtert der Verf.^ hauptsächlich mit einer Interpretation
Helmolds beschäfti«^, dafs in Holstein und Dithmarschen vor 1148, bis
wohin die alte Zeit reicht, die Grenzdistricte von einem kriegerischen
Adel bewohnt waren, dafs das Volk mit dem Grafen in Holstein in
gemeiner Versammlung über gewisse Grenzdistricte, *^ Gemeine Marschen %
verfugt hat und die Landesrichter in corpore zu einem dieser Beschlufse
ihre Zustimmung ertheilt haben; dafs also hier die Landesrichter und
der kriegerische Adel identisch erscheinen, wahrend in Dithmarschen
neben den Ethelingen und dem Volke noch eine besonder«, mit dem
Adel nicht zusammenfallende Behörde ' bestand. Unter Konig Lothar
entstanden in der gemeinen Marsch zwischen Dithmarschens und Hol-
steins Grenze klosterliche Colonien, in Slarien dagegen kamen die
Tribute den Fürsten nur zu gute und wurden die Streifereien gehemmt.
Ein Umsturz ward durch <lie Vehde des Weifischen und Staufischen
Hauses herbeigeführt. Die Stellung des Grafen und des zugleich rich-
terlichen und kriegerischen Hauptes des Gaus wird auf die angelsäch-
sische Verfafsung, wo ebenso ein gerefa und ein ealdonnan neben-
einander stehen, zurückgeführt; aber yor dem Auftreten der Schauen-
burger ist die Grafengewalt in Holstein nicht erkenntlich. Ausführlich
weHen sodann die Colonisationen durch Adolf II. und die Uebersiede-
lung des Adels nach Bomhövede unter Marcrad, die Störungen durch
Niklots Zug, die Verhältnisse nach dem Kreuzzuge y. 1148 f. , die Wieder-
ordnung der Verfafsung, die Thinge und der Unterschied zwischen
Holstenrecht und Hülsten landrecht erörtert, in der Kürze die Weiter-
entwicklung bis zur Schlacht bei Bornhoyede angedeutet). — Herzog:
zur Geschichte des Christenthums in der alten Welt in Anschlufs an
Schmidt: essai historic|Ue sur la soci^t^ ciyile dans le monde romain
et sur sa transformation par le christianisme ( S. 382 — 302 : eingehende
Würdigung des yom Institut zu Paris mit dem Preise gekrönten, auf
tiefen Studien beruhenden und über yiete Litteratur- und Lebenserschei-
nungen der romischen Kaiserzeit ein neues Licht y erbreitenden, oder
doch zu den wichtigsten Fragen anregenden Buches). — Fick: die
physikalische Schule in der Botanik. Beurtheilung yon K. Naegelit
systematische Uebersicht der Erscheinungen im Pflanzenreich (S. 393»—
308). — Schleicher: über böhmische Personennamen (S. 390 — 404:
Mittheilung einer Reihe yon Personennamen der jetzigen Generation,
um darzuuinn, dafs auch hierin der eigenthümliche Sug der slawi-
schen Sprachen, die klare etymologische Verständlichkeit, sich finde,
zugleich Ankündigung einer später zu yollendenden ausführlichen Arbeit
darüber.)
Juniheft. Droysen: zur Geschichte der deutschen Partei in Deutsch-
land, in Beziehung auf L. Häufser: deutsche Geschichte yom Tode
Friedrichs des Grofsen bis zur Gründung des deutschen Bundes. Ir TU.
(S. 405 — 27 : zum Theil auf bisher unbenutzte Actenstucke gegründete
Darstellung des Fürstenbundes, der dem Abschlufs yorangegangenen
Vorbereitungen und der Ursachen zum Scheitern der dabei heryorgetre-
tenen Ideen. Gegen Häufser werden namentlich die Rollen, welche
Kari August yon Weimar, Ernst yon Gotha, Franz yon Deesau, Karl
1<Viedrich yon Baden , der Herzog yon Braunschweig, der Freiherr yon
Hardenberg und Karl Theodor yon Dalberg dabei spielten, heryorgeho-
36*
556 Aaszage aus Zeitschriften.
ben um nachzuweisen, dafs die sich dabei geltend machenden Forde-
rungen für eine weitere Ausbildung des Bandes nicht blofs patriotische
Phantasien einzelner waren, Tielmehr Job. v. Mueller als Organ der
weiterstrebenden Partei gelten niüfse). — O. Jahn: die Bildnisse Win-
ckelmanns (S. 428 — 37: Nachweis, dafs das Oelgemälde von Maron
nicht geringere Beachtung verdiene, als die von Mengs und Angelika
Kauffmann, dafs aber, wenn man in keinem den Charakter vollkonunen
ausgedruckt finde, dies nach dem, was wir von Winckelmanns körper-
licher Persönlichkeit wifsen, nicht auffallen dürfe). — Ulrici: Ueber-
sicht der neueren Shakspeare - Litteratur (S. 438 — 59: Darstellung des
über Shakespeares Text ausgebrochenen Streits unter Beurtheilung fol-
gender Schriften: J. Payne Collier: Notes and Emendations to the
text of Shakespeare's Plays. Singer: the text of Shakespeare from the
Interpolations and Corruptions advocated by J. P. Collier. H all i Tel:
Observations on some of the manuscript Emendations of the text of
Shakespeare. Grimaldi: the Grimaldi Shakespeare. Dyce: a few
notes on Shakespeare. Trese: Ergänzungsband zu allen englischen
Ausgaben und der Schlegel -Tieckschen Uebersetzung von Shakespeares
dramatischen Werken. F. A. Leo: Beiträge und Verbefserungen zu
Shakespeares Dramen. The complete works of W. Shakespeare. Lpz.
Baumgärtner 1853. Herrig: Sammlung englischer Schriftsteller, li^
3s u. 4s Bdchen. Delius: J. Payne Colliers alte handschriftlichen
Emendationen zum Shakspere. Desselben Shakspere-Lexicon , der My-
thus Yon W. Shakspere und über das englische Theaterwesen zu Shak-
speres Zeit. Kugler: Shakespeares Bühne und Kunstform). — Kr«.
Pfeiffer: Deutsche Lexicographie. MittelhochdeuUches Wörterbuch
mit Benutzung des Nachlafses von Benecke ausgearbeitet von W.
Müller (S. 400 — 71: unter grÖfster Anerkennung, namentlich auch
von Müllers Arbeit, werden die etymologische Ordnung und die Auf-
führung der Verben nach dem Praesens als Mängel bezeichnet, an einigen
Beispielen die Möglichkeit einer Vervollständigung gezeigt und zu eini-
gen Worten Bemerkungen mitgetheilt, das Buch selbst aber für ein
ganz bedeutendes und unentbehrliches Werk für die deutsche Sprach-
forschung mit Freuden begrüfst). — V. Quandt: Anzeige von Ott«:
Handbuch der kirchlichen Kunstarchaeologie des deutschen Mittelalters
( S. 472 — 70).
Juliheft. Lobe 11: zur Geschichte der französischen Revolution,
ihrer Geschichtschreibung und Beurtheilung. Ir Artikel (S. 477 — 508:
nach einer Einleitung, worin die Ursachen, warum die französische
Revolution so verschiedenartige Darstellung gefunden, durch Beantwor-
tung der Fra<i(en: wie weit kann historische Gewisheit erreicht wer-
den und wie verhält sich die Objectivität zur moralischen subjectiven
Ueberzeugung, erörtert werden, und nachdem an den vor 1830 erschie-
nenen Werken von Mignet und Thiers, an dem sehr gerühmten von
Joseph Droz, hauptsächlich aber an Lamartines Geschiente der Giron-
disten, deren schlimme Seiten mit schonungsloser, aber gerechter Kritik
dargelegt werden — Buchez und Roux, Blanc, Michelet werden als
weniger einflufsreich kürzer berührt — gezeigt ist, wie die politischen
Absichten auf die Darstellung bei den Franzosen eingewirkt haben, be-
spricht der Verf. die Histoire de la Convention nationale von Barante,
welche unter Anführung von Vitets Urtheil als in jeder Hinsicht Epoche
machend anerkannt wird, Les Constituantes von Lamartine, an wel-
chem Werke dieselben üblen Seiten wie an der Geschichte «er Giron-
disten wieder erkannt werden, endlich H. v. Sybels Geschichte der
Revolutionszeit von 1789 — 95. IrBd. , dem die gründlichste und ge-
schickteste kritische Quellenforschang und tiefste und allseitigste Auf-
fafsttng des thatsachlichen nachgerühmt werden). — M. Unger: aber
Auszüge aus ZeitscIiriflcD. 557
Guhls Kuiifiilerbriefe (S. 500 — 520: Dariegung des yon Guhl ans
Handschriften gewonnenen, unter Anknüpfung einiger knnstgeschicht-
llchen Betrachtungen). — Pro hie: über die Sage und das Märchen
und ihre Benutzung in deutschen Dichtungen, insbesondere 6. A. Bür-
gers (S. 521 — 547: I. der Unterschied zwischen Sage und Märchen
erhält Bestimmung, indem dem letzteren eine kunstvollere Gestaltung,
die der Sage mangele, beigelegt wird. Sodann wird die Verbreitung,
welche die Märchen durch die Handelsreisen gefunden, und namentlich
der Einflufs, den italienische und orientalische in Deutschland geübt,
und die Umgestaltung, welche sie hier erhalten, durch Beispiele nach-,
gewiesen. li. Es werden die Quellen, welche Bürger bei seiner Leonore
benutzt, das Anschliefsen der Idee an den Volksglauben, dafs übermä>
fsiges Klagen die Ruhe der Todten störe, welchen übrigens Bürger
durch einen ethischen Grund verändert, und die Anklänge an Sagen
und Volkslieder, die sich bei ihm finden, zusammengestellt. Von dem
Liede, welches den Dichter zur Abfafsung vcranlafst, werden nur einige
wenige Bruchstücke nacligewiesen. HJ. Wie an der Leonore wird am
wilden Jäger, des Pfarrers Tochter von Taubenhain (freilich hier nicht
Sagen), dem Raubgrafen nachgewiesen, dafs Bürger nicht eine ein-
zelne Quelle benutzte, sondern aus mehreren zu gestalten pflegte. Auch
für andere Gedichte, namentlich den Abt von St. Gallen und ähnliche
Dichtungen, erscheinen die Quellen zusammengestellt unter steter Be-
rücksichtigung der Stellen, wo er das poetisch schöne minder erreicht.
IV. Bürger sei bei allen seinen Schwächen, unter denen namentlich
das die Form sehr ben achtheiligende Haschen nach Popularität hervor-
gehoben wird, dem Wesen der Balla<le*, das nach Echtermeyer bestimmt
wird, viel tiefer auf den Grund gekommen als Goethe). — Rofs: Mit-
theilung eines Artikels aus dem Spectateur de TOrient von P. (Papari-
gopulos) über v. Hahns Albanesische Studien (S. 548 — 550: der Ar-
tikel zeigt von grofser Vertrautheit mit der byzantinischen Geschichte
und enthält viel interessantes, indes ist er zu sehr von einseitigem
griechisch -nationalem Standpunkte aus geschrieben).
Augustheft. Pauli: die ältesten Beziehungen des Hauses Habs-
burg zu England ( S. 501 — 572: zum Theil aus bisher noch unzugäng-
lichen englipchen Quellen geschöpfte, manches in den bisherigen Ge-
schichtswerken berichtigende Darstellung des Verkehrs, in welchen Ru-
dolf I. von Habsburg, trotz der Verbindung mit Castilien, mit Eduard I.
wegen der Vermählung seines Sohnes Hartmann mit der Prinzessin
Johanna trat, sowie auch anderer Verbindungen, namentlich rücksicht-
lich der Hanse; am Schlufse Erwälinung des engem Verkehrs, welchen
in derselben Zeit England mit den deutschen Rittern in Preufsen an-
knüpfte). — Frenze!: zur Kritik mittelalterlicher Geschichtschreiber.
Bartoiomeo de Neocastro und Nicolaus Speciale (S. 573 —
580. Vgl. Aprilheft S. 201 —308. Eingehende Charakteristik der beiden
der epischen Dichtung sich nähernden Chronisten und Darlegung der
Ausbeute, welche die historische Erforschung des thatsächlichen aus
ihnen gewinnt). — Planck: über die Bedeutung Hesiods (S. 500 —
628: die hesiodische Poesie bezeichne den ersten und entscheidenden
Anbruch der bürgerlich historischen Zeit des hellenischen Geistes im
Gegensatz gegen die heroisch mythische; dieser Anbruch empfinde, ob-
gleich bestimmt und bewust er sich der friedlich bürgerlichen Aufgabe
zuwende, doch neu an dieselbe herantretend, in scharf nüchterner,
mit ihr entzweiter (^orm die unfrei bindende Naturseite an ihr, die in
ihr liegende Bedürftigkeit und Mühsal des menschlichen Daseins, sowie
die ganze UnvoUkommenheit dieses Anfangs des bürgerlichen Lebens.
Die einzelnen daraus fliefsenden Züge: die Weltalter, namentlich die
Aaffafsung des letzten , der Prometheusmythus, die Stellung de« Weibes,
558 Auszüge aus Zeitschriften.
die Beziehung zur OedipuBsage, die Daemonologie u. s. w. finden ans*
fiihrliche Ejrorterung. Bernhardys Ansicht von dem Dorischen in Hesiod
wird mehrmals bekämpft und die Stelle "Eqy. 503 — 535 als dem hesiodi-
sehen Geist entsprechend in Schutz genommen). — Brugsch: über
die aegyptischen Benennungen für Sindon und Byssus (S. G29 — 036:
gegen U. Ritter: über die geographische Verbreitung der Baumwolle,
wird nachgewiesen dafs die Wurzeln der Namen in den altaegyptischen
Worten sehint und pech zu suchen seien. Am Schlufse wird noch an
einigen anderen Beispielen gezeigt, dafs das alte Aegypten als ein
Brennpunkt der Caltur mit dieser selbst auch sprachliche Bezeichnungen
verbreitete).
Septemberheft. Glaser: wer ist der eigentliche Begründer der
modernen Wirthschaftslehre ? (S. 037 — 644).— Ferd. Gregorovius:
die Grabmäier der Päpste (S. 645 — 684 : indem die Grabmonumente der
Päpste in Rom nachgewiesen und geschildert werden, erhält die Geschichte
derselben, namentlich des Yon ihnen geübten persönlichen Einflufse«,
neben der Kunstgesctiichte Beleuchtung.) — B lanc: zur Dante-Litterator
(S. 685 — 695: derbe und entschiedene Abfertigung von E. Aroux:
Dante h^r^tique, r^volutionnaire et socialiste). — K. Hegel: kritische
Beitrage zur Geschichte der deutschen Städteverfafsung. 2r Artikel
(S. 696—711, s. Märzheft S. 154 — 185. 1. Die Stelle des OdUo bei
Pertz Mon. Germ. IV p. 641, auf welche man den Zusammenhang der
deutschen Städteverfafsung mit der altromischen gegründet hat, erhalt
unter Berücksichtigung der die Geschichte constatierenden Urkunden und
des in jener Zeit herschenden Sprachgebrauchs die Deutung, dafs urh9
nur einen befestigten Platz, liberlat Romana aber das Schutzverhältnie
unter dem romischen Stuhle bezeichne. — 2. Nachdem nachgewiesen ist,
dafs der Titel con$ul für die Stadtobrigkeiten erst in der Mitte des
12n Jahrhunderts in Italien sich findet und von dort nach Deutschland
übertragen wurde, daher er auch gerade bei den jüngsten Städten am früh-
sten vorkomme (Soest, Medebach, Lübeck), wird durch ausführliche Er-
läuterung der Stiftungsurkunde, welche als Beweis dafür angeführt wird,
gezeigt, dafs es im Jahre 1120 zu Freiburg im Breisgan noch keine
Stadtconsuln gegeben habe). R, Dietseh,
Schul- und Personalnachrichten, statistische Mittheilungen,
litterarische und antiquarische Miscellen.
Altenburg. Zum Lehrer am dortigen Friedrichs-Gymnasinm ist
Dr. Chr. Fr. Sehrwald aus Jena ernannt worden.
Aschaffenburg. Auf die erledigte Lehrstelle der 2n Classe der
dortigen Lateinschule wurde der bisherige Studienlehrer zu Miltenberg
Priester Job. Andr. Vatter versetzt.
KÖNIGREICH Batern. Als Ergänzung zu der revidierten Studienord-
nung ($. 25) ist jetzt das Verzeichnis der zum Gebrauch erlaubten Lehr-
bücher erschienen. 1) Lehrbücher für den Religionsunterricht: die
bisher von beiden Confessionen gebrauchten. 2) für den Unterricht in der
lateinischen Sprache: a) Grammatiken: die von Feldbausch, Mad-
vig, Mutzl, Pntscne, Siberti-Meiring^ Zumpt (Auszug und groisere);
b) Lesebücher und sonstige Hilfsmittel für den Anfangs-
unterricht: die Lesebücher von Döring und Jacobs, Eliendt, SchSo-
born; das Vocabolarinm von Doderlein, Herolds Vademecum für La-
Schul- und Personal iiaclirichlen, sUlistiäclie Mittiieiluiigeu u. s. w. 359
teinlernende, Hillers Uebersichtstobellen der deuUclien und lateinisclien
Spruche; c) Uebersetzuiigsbiicher: die von Bombard, Düunebier,
Engliiiuiui, Feldbausch, Gröbel, Haug, J. L. Hofmann, Holzer, Krebs
(Anleitung zuni Lateinschreiben), Nägelsbach, Se^fTert (Uebungsbuch
für Secunda), Siiüfle, Teipel; d) Anthologien und Chrestoma-
thien: die von li eidbausch (Ovids Metamorphosen nach Vofs* Auswahl),
Fr. Franke, Ferd. Ranke. 3) für den Unterricht in der griechi-
schen Sprache: a) Grammatiken: Buttmanns mittlere und Rosts
Schulgrammutik; b) Lesebücher: die von Halm und Jacobs; c) Ue-
bersetzungsbücher: die von Halm und Rost-Wüstemann. 4) für
den Unterricht in der deutschen Sprache: a) Grammatiken: die
von Becker (Leitfaden und Schulgrammatik), Gotzinger (Anfangsgründe
und Sprachlehre für Schulen), Heyse (Leitfaden und Schulgrammatik),
Kehrein (Ueberblick der deutschen Grammatik), Weyh; b) Lesebu-
cher: die von Bach, Kehrein, Phil. Wackernagel und die deutsche Mu-
stersammlung (von Döderlein, 2 Thle, München im Schulbücherverlag);
c) Lehrbücher für Poetik und Rhetorik: Eschenburgs Theorie, Gofs-
manns Verslehre nach Emmerig le Abth., Richters und Schmeifsers Lehrb.
der Rhetorik, Uscholds Lehrb. der Poetik. 3) Lehrbücher der Litte-
rat Urgeschichte: die von Hamberger, Hüppe, Pischon, Pütz, Schä-
fer (Grundrifs). 5) für den Unterricht in der Arithmetik, Mathe-
matik und Physik: Endlers Sammlung mathematischer Beispiele, Kop-
ges Leitfaden für den Unterricht im Rechnen, Neubigs Anleitung lar
.echenkunst, Lehrbuch der Arithmetik von Weigl und Wandner, Schwerds
Rechenbuch (für die Studienanstalten der Pfalz), Brettners Lehrbuch
der Geometrie, Koppes Anfangsgründe der reinen Mathematik, Phil.
Kramers Rlementurmuthematik für Gymnasien, Meyers Leitfaden der
elementaren Mathematik, M. Ohms Jahrbuch für den mathem. Elemen-
tarunterricht, Koppes Physik, Raumers Lehrbuch der allgemeinen Geo-
graphie. 0) Geschichte: a) allgemeine und dentsche Ge-
schichte: a) für die Katholiken in den lateinischen Schulen:
Uscholds Grundrifs der allgem. Geschichte, Lehrbuch der deutschen Ge-
schichte von Milbiller-Uschold , Welters Lehrbuch der Weltgesch. für
Schulen ; an den Gymnasien : die Lehrbücher der allgemeinen Geschichte
von Beitelrock, Pütz, Uschold, Weiter; ß) für die Protestanten in
den latein. Schulen: Becks Leitfaden und Lehrbuch der allgemeinen Ge-
schichte, Lehrbuch der deutschen Geschichte von Dittmar und Kuhl-
rausch; an den Gymnasien: die Lehrbücher der alldem. Geschichte von
Dielitz, Dietsch, Dittmar; b) bayrische Geschichte: die Lehrbü-
cher von Bader, Böttiger, Heilmann, Heinisch, Snruner. 7) Geogra-
phie: Arendts Geographie von Bayern, Burgers allgem. Abrifs der Erd-
beschreibung; die L^tfoden und Lehrbücher von Daniel, Kleinstauber,
Pütz, Schacht, Stein, Völter, Volger. 8) Unterricht in der he-
braeischen Sprache a) für Katholiken: die Grammatik von
Gläser und Leseübniigen von Rauch, b) für Protestanten: die
Grammatik von Tbiersch.
Berlin. Dem Index lectioniim der dortigen Universität für das Win-
tersemester 1854 — 55 sind vorausgeschickt: Emendationea Propertianae
vom Prof. Dr. Moriz Haupt (14 S. 4). — Der Privatdocent der Ge-
schichte Dr. Wilhelm Wattenbacb ist zum Archivar des k. Provin-
cialarchivs zu Breslau, der Privatdocent an der Universität in Breslau
Lic. th. Dr. Adolph Wuttke zum aufserordentlichen Professor in der
theologischen Facultät der Berliner Universität ernannt worden.
Born. Dem Index schoiarum für das Wintersemester ist voransge-
schicki eine Abhandlung von Prof. Dr. Fr. Ritschi (p. IIT— XIL 4^,
enth. Beiträge zur lateinischen Sprachforschung (über die Et^rmologie
von nugae naugac nogae und über iurigare und purigare mit Com-
560 Schul- und Personalnachrichten ., statistische Hittheilangen,
positis, die nnpranglichen und in der alten Latinitat noch nachweis-
baren Formen von iurgare und purgare). Zur Feier des 15. October
von Seiten der Universität lud derselbe ein durch folgendes Programm:
Poesis Satumiae spicilegium I fecit Fr. Ritseheliu» (15 S. 4).
Breslau. Dem Index lectionum der Universität für das Winterse-
mester 1854 — 55 ist vorausgeschickt: C. JB. Chr, Schneidert de Ro-
mana historiaf quam scrip$it Theodorus MommMen^ admonitio (p. 3 —
8. 4).
Bruchsal. Prof. Dr. Hirt am dortigen Gymnasium ist in den
Ruhestand versetzt.
CiLLi. Zu wirklichen Lehrern am dortigen Gymnasium sind ernannt
der Supplent am Gorzer Gymnasium Anton Tomas che k und der
gewesene Supplent am Laibacher Gymn. Priester Johann Solar.
CÜSTRiN. Zum On ordentlichen Lehrer an der combinierten Raths-
und Friedrichsschule ist der Candidat des hohem Schulamts Dr. K. G.
W. S t e n z e 1 berufen und bestätigt.
Detmold [s. Bd. LXIX S. 459]. Im Schuljahre 1853—54 trat in
dem Lehrercoitegium des Gymnasium Leopoidinum weiter keine Ver-
änderune ein, als dafs Dr. Adolph Dornheim als ordentlicher Leh-
rer definitiv angestellt wurde. Die Schulerzahl betrug im Winter 1853
—A4 107, im Sommer d. J. 1Ö3 (I: 3, II: 8, III: 48, IV: 37, V: 30,
VI: 28), darunter 36 Realschuler (II: 3, III: 33). Abiturienten im
Herbst d. J. 2. Programmabhandlung: Ueber die Komoedie dc8 Ari-
gtophaneg: der Frieden, von Gymn.lärer W. Rohdewald (27 S. 4),
Dresden. Nachdem der bisherige Conrector an der dortigen Kreuz-
schule Dr. Georg Philipp Eberhard Wagner auf sein Ansuchen
pensioniert worden, ist dem Coli. IV an derselben Dr. Julius Siliig
das erledigte Conrectorat übertragen worden; der Coli. III Dr. Bött-
cher ist an seiner Stelle geblieben , die übrigen CoUegen sind aufge-
rückt und die erledigte unterste Stelle hatderCand. theol. Petsch er-
halten. Auf Veranlafsung der Niederlegung seines Amtes hat Dr. Wag-
ner die am 18. Mai 1853 zur Feier des königlichen Geburtsfestes von
ihm gehaltene Rede if6er konigtichen Sinn in Druck gegeben (Dresden,
in Comm. bei F. C. Janfsen, 16 S. 8), um sie 'seinen lieben Schülern
zu freundlicher Erinnerung' zu widmen.
DÜSSELDORF. Als ordentlicher Lehrer am dortigen Gymnasium ist
der Schulamtscandidat Dr. Johannes Vahlen m Bonn angestellt
worden.
Duisburg [s. Bd. LXVni S. 652]. Im Bestand des LehrercoUe-
giums des dortigen k. Gymnasiums und der Realschule sind im Schul-
jahr 1853 — 54 folgende Veränderungen eingetreten: im Herbst v. J.
schied der 2e ord. Lehrer der Realschule Kottgen, um eine ordent-
liche Lehrerstelle an dem Gymn. zu Saarbrücken zu übernehmen, und
an seine Stelle trat Dr. Karl Vogel aus Bonn. Ostern d. J. trat der
Hilfslehrer der Realschule H. Schwarz aus (s. oben S. 226 unter
Halle) und an dessen Stelle kam Dr. J. Fr. D. Cramer ans Wesel.
Die Schülerzahl betrug im Winter 1853^54 im Gymnasium 107, in der
Realschule 34, im Sommer d. J. dort 186, hier 31 (I: 23, II: 46, III:
32, IV: 27, V: 32, VI: 26, Real U*: 14, II«»: 17); zur Universität wur-
den Ostern d. J. 3, Mich. 11 entlafsen. Programmabhandlung: Logiea
trium dialogorum Piatonieorum [Menonis, Critonis, Phaedonis] expli-
catio, vom Director Dr. Karl Eichhoff (18 S. 4). — Neuerdings
wurde zum ordentlichen Lehrer am dortigen Gymn. der Lehrer an der
Realschule in Siecen Dr. Traugott Schulz berufen und bestätigt;
dem ordentlichen Lehrer Dr. Otto Nitzsch das Praedicat Oberiehrer
beigelegt.
litterarische und antiquarische Miacellen. 561
Kger. Zum wirklichen Lehrer am dortigen Gymnanum ist der 8ap-
plent am Gymn. zu Budweis Johann Lifsner ernannt worden.
EiCHSTÄTT. Die erledigte Lehrstelle an der untersten Classe der
dortigen Lateinschule erhielt der geprüfte Lehramtscandidat J o h. B a p t.
Jungkuni.
Elbkrfeld. Der erste ordentliche Lehrer am dortigen Gymnosium
Dr. Liebau folgte einem Rufe als Rector an die höhere Schule in Glad-
bach, und in seine Stelle wurde der 2e ord. Lehrer Dr. Volker ge-
wählt. Ueber die Wiederbesetzung von dessen Stelle ist oben S. 22Ö
berichtet worden. Das Lehrercollegium hat demnach gegenwärtig fol-
genden Bestand: Director Dr. Bouterwek, die Oberlehrer Prof. Dr.
Clausen, Dr. Fischer (IVtathematicus) , Dr. Beltz (vertreten durch
Dr. W. Herbst), die ordentlichen Lehrer Dr. Volker, Dr. Rib-
beck, Dr. Petri, Dr. Petry, dazu der proy. Gymn.lehrer Dr. Bo-
gekamp, Gesang- und Schreiblehrer Kegel, Kaplan Zi et z, Zeichen-
lehrer Luthmer, Cand. th. Rein hold und Lehrer des Franzos. Ka-
li scher. Die Schülerzahl betrug im Winter 1853—54 100, im Sommer
d. J. 188 (I: 20, II: 40, III: 41, IV; 29, V: 25, VI: 33), dazu die
Vorschule mit 10 Schülern. Zur Universität wurde Ostrm d. J. I,
Mich. 0 entlafsen. Programmabhandlung: Theoloffumena Pindari ly-
rici. Pars prior, vom Prof. Dr. J. C. H. Clausen (13 S. 4).
Ellwaugeh. Dem Professor Piscalar am dortigen obem Gym-
nasium ist die nachgesuchte Enthebung von seinem Dienste bewilligt
worden.
Erlangen [s. Bd. LXVIII S. 458 f.]. Die in dem Lehrercollegium
der dortigen k. Studienanstalt vorgekommenen Veränderungen sind Bd.
LXIX S. 117 (unter Augsburg) und 110 berichtet. Die Schülerzahl be-
trug während des Schuljahres 1853—54 im Gymnasium 54 (IV: 10, III:
10, II: 12,1: 13), in der Lateinschule 77 (IV: 18, III: IH, II: 19, I:
22). Programmabhandlung: Bemerkungen stim Unterricht in der Geo-
metrie^ vom Prof. Dr. Heinrich G lasser (13 S. 4).
Feldkirch. Der Supplent am dortigen Gymnasium Johann Mai-
fa tti ist zum wirklichen Lehrer an derselben Lehranstalt ernannt worden.
Frankfurt am Main. An die Stelle des verstorbenen Professor
Dr. Steingafs ist Dr. Johann Jan fsen, vorher Privatdocent an
der k. Akademie zu Munster, zum Lehrer der Geschichte für die katho-
lischen Schuler des Gymnasiums erwählt. — Folgende von dem Direc-
tor und dem Lehrercollegium entworfenen ^allgemeinen Vorschrif-
ten für die Schüler des Gymnasiums' sind nach erfolgter Ge-
nehmigung durch die vorgesetzte Behörde seit dem Herbst d. J. in
Wirksamkeit getreten, deren vollständige Mittheilung manchem unserer
Leser nicht unwillkommen sein dürfte. ^Das Wohl und Gedeihen der
Schule hängt wie das der Familie davon ab, dafs Liebe, Achtung und
Vertrauen ihre Glieder untereinander verbinde und alle Aeufserungen
ihrer Thätigkeit durchdringe. Diese Gesinnungen lafsen sich so wenig
wie die Frömmigkeit und Gottesfurcht, welche die innerste Quelle alier
unsrer Handlungen sein mufs, durch Gesetze hervorrufen und gebieten ;
aber wie es die erfreulichste Aufgabe des Lehrers ist, sein Verhältnis zn
den Schülern auf dieser Grundlage auszubilden , so wird auch der Schü-
ler an sich selbst erfahren, dafs er das Ziel seines Strebens nur dann
sicher erreicht, wenn er sich von Achtung und Vertrauen gegen seine
Lehrer leiten läfst. Otf^nheit und Wahrhaftigkeit, Folgsamkeit und
williges Eingehen in die Wünsche der Lehrer, Freundlichkeit und Ver-
trägliohkeit gegen die MiUchüler fliefsen aus dieser Quelle; rege Tbeil-
nahme am Unterricht und beharrlicher Fleifs sind die lohnenden Früchte
solches Sinnes. Mufs es daher das unausgesetzte Streben aller sein,
diesen guten Geist in sich selbst und in andern zu wecken und leben-
562 Schul- und Personalaachrichten , slatislische MiUheilungen,
dig zu erhalten, damit er immer mehr das ganze behersche; so verlangt
die Aufrechtbaltung der äursern Ordnung eine Reihe von finzelnen Be-
stimmungen, für \«'elche die Schule strengen Gehorsam von allen Schu-
lern fordert. Damit sie keinem unbekannt bleiben , sind sie in folgen-
dem zusammengestellt, und werden jedem Schuler bei seinem Eintritt
ins Gymnasium in zwei Exemplaren übergeben, von denen er das eine
für sich selbst zu bewahren, das andere seinen Eltern oder Pflegeeltern
einzuhandigen hat. {. 1. Jeder Schüler ist gegen alle Lehrer des Gym-
nasiums zu ('gleichem Gehorsam gegen alle ihre Anordnungen verpflichtet,
und hat denselben sofort willige Kolge zu leisten. §. 2. in allen An-
gelegenheiten, wo er Rath und Belehrung bedarf, hat er sich zunächst
an den Uauptlehrer seiner Classe, den Classenlehrer, zu wenden,
welchem die nähere Fürsorge für die Bedürfnisse derselben obliegt.
$• 3. Die von der Lehrerconferenz ernannten Decurionen (Claasen-
aufseher) jeder Classe haben die Verpflichtung zur Erhaltung der guten
Ordnung und eines guttru Tones unter ihren Mitschülern mitzuwirken.
Insbesondere haben sie in Abwesenheit des Lehrers auf Stille und Ord-
nung in der Classe zu achten, und sind wegen vorkommender Ruhe-
störungen selbst verantwortlich, wenn sie die verlangte Auskunft nicht
geben. Diejenigen Schüler, welche sich durch die Mahnung der Decu-
rionen nicht warnen lafsen, machen sich zwiefacher Verantwortung
schuldig. §. 4* Anfserdem hat jeder Schüler auch den Erinnerungen
des Pedellen, welcher auf die änfsere Ordnung im Gymnasialgcbäude
zu achten hat, Folge zu leisten. §. 5. Die Aufnahme der Schüler
ins Gymnasium erfolgt regelmäfsig zu Ostern jedes Jahres. Die Be-
dingungen zur Aufnahme in die unterste Classe (Septima) sind das voll-
endete achte Jahr, Sicherheit und Fertigkeit im Lesen und Schreiben,
so dafs das dicticKe in beiderlei Schrift ohne erhebliche Fehler nachge-
schrieben werden kann, und die Kenntnis der vier Species und einige
Uebung in diesen RechnungHarten. Die Bestimmung der Classe für
weiter vorgerückte Schüler geschieht nach einer am ersten Tage des
Schulcursus von den betreffenden Lehrern gehaltenen Prüfung durch
die Lehrerconferenz. Jeder aufzunehmende Schüler mufs zu einer von
dem Director bekannt gemachten Zeit zuvor bei diesem angemeldet und
die Stufe seiner Vorbereitung angegeben werden. Wenn er voriier eine
andere Lehranstalt besucht hat, so hat er beiseiner Anmeldung ein Zeug-
nis derselben einzureichen. Ziuu Herbst kann die Aufnahme eines
Schülers ausnahmsweise unter der Bedingung erfolgen, dafs er für den
in dem ersten Semester erreichten Standpunkt einer ClaMe genügend
vorbereitet ist. Im Lauf eines Semesters kann die Aufnahme eines
Schülers nur dann geschehen, wenn dringende Griinde den rechtzeiti-
gen Eintritt verhindert haben und wenn die Lehrerconferenz ilire Zu-
stimmung ertheilt. Für diejenigen Schüler, welche von auswärts dem
Gymnasium übergeben werden, ist dem Director die Familie namhaft
zu machen , welcher sie zur Aufnahme und Aufsicht anvertraut sind, und
weiche in allen Beziehungen zur Schule die Stelle der Eltern zu ver-
treten hat. Von jeder Wohnungsveranderung eines auswärtigen Schü-
lers ist sofort Anzeige zu machen. {. 0. Die Theilnahmc an denjenigen
Unterrichtsgegenständen, welche nach Ausweis der Lectionsveneich-
nisses von dem erklärten WUlen der Eltern oder Pflegeeitern abhängt,
mufs on dem ersten Tage des neuen Cursus dem Classenlehrer ange-
zeigt werden. Sie gilt für das ganze Semester und kann nicht vor dem
ScMufs desselben abgebrochen werden. Soll sie nach dem Ablauf des
Semesters aufboren, so ist davon dem Classenlehrer durch eine schriü-
liche Anzeige der Eltern Nachricht zu geben. Von allen übrigen Lehr-
ge;>en8tänden ist keine Dispensation zuläfsig. mit der einzigen Aos-
nthme: dafs solchen Schülern, welche nicht die Universität besuchen
litterarische und antiquarische Miacellen. 563
•olleii, das letzte Jahr vor ihrem Auatritt aua der Schule die Theil*
nähme am j^riechlsehen Unterricht erlafsen werden kann, wenn der
Wunsch dazu von Seiten der Eltern drm Director schriftlich ausge-
sprochen wird. C. 7. Das Schulgeld beträgt für die drei obem Classen
33 Gulden, für die vier untern Classen 25 Gulden im halben Jahre.
Dasselbe mufs an dem auf dem Schulzettel bezeichneten Tage in einem
versie-gelten Päckchen mit der Namensaufschrift eingeliefert werden.
Die neu aufgenommenen Schüler haben zu derselben Zeit einen Kronen-
thaler als Eintrittsgeld in einem besondern Päckchen zu entrichten.
J. 8. Während der Unterrichtszeit darf kein Schuler die Räumlichkeiten
es Gymnasiums ohne ausdrückliche Erlaubnis eines Lehiers verlafsen.
$. 9. Jeder Schüler mufs sich zu rechter Zeit, weder zu früh noch zu
spät, im Gymnasium einfinden. Wer früher als eine Viertelstunde vor
dem Beginn des Unterrichts kommt, wird vom Pedellen zurückgewie-
sen. Verspätungen werden im Classenbuche aufgezeichnet und im Zeug-
nisse bemerkt; wiederholte Verspätungen ohne triftigen Grund unter-
liegen einer Strafe. €. 10. Sobald durch die Glocke das Zeichen zum
Beginne des Unterrichts ce<;eben ist, welches jedesmal fünf Minuten
nach dem Vollschlage geschieht, mufs jeder Schüler sich sofort an sei-
nen Platz begeben und alles nothige für die Lection vorbereiten. ^. 11*
Zweimai täglich, um 10 Uhr Vormittags and um 3 Uhr Nachmittags,
tritt für alle Schüler eine Erholungspause von 10 Minuten ein, die zur
Hälfte auf die vorhergehende, zur Hälfte auf die folgende Stande fal-
len. In dieser Zeit ist der Spiel- und Turnplatz für alle Schüler ee-
offnet und bietet hinlänglichen Raum zu freier Bewegung im Spielen
und Laufen dar, was weder in den Classen noch in den Gängen er-
laubt ist. Lärmende Spiele, rohes Geschrei und wilde Raufereien sind
auch auf dem Turnplatze untersagt. Das Aus- und Eingehen^ mufs in
anständiger Ruhe und Ordnung geschehen. ||. 12. Jeder Schüler mufs
für jede Lehrstunde aufser mit den Lehrbüchern mit dem nothinen
Schreibmaterial versehen sein. Jede Störung während des Unterrichts
durch Plauderei oder andere Unruhe ist antersagt. Jede Antwort auf
die Frage des Lehrers mufs laut und deutlich und immer nur von dem
gefragten gegeben werden. Die Classe während des Unterrichts zu ver-
lafsen ist möglichst zu vermeiden; in dringenden Fällen ist es nur mit
Erlaubnis des L:>hrer8 gestattet. §. 13. Alle aufgegebenen häuslichen
Arbeiten müfsen sorgfaltig ausgeführt und pünktlich abgeliefert werden.
Reinlichkeit und Sauberkeit in der Haltung der Bücher und Hefte ist
eine Zierde des Schülers. Jede dem Lehrer unbekannte Benutzung Ton
Hilfsmitteln und von Nachhilfe für die Aufgaben der Schule ist unter-
sagt. Bücher und Hefte dürfen nicht ohne Erlaubnis des Lehren in
der Schule zurückeelafsen werden, f. 14* Bücher und Gegenstände
anderer Art, welche nicht zum Gebrauch in der Schule erforderlich
sind, dürfen nicht von Schülern mitgebracht werden. Kauf und Ver^
kauf, sowie Tausch , Borgen und Verieihen von Büchern oder andern
Gegenständen in der Schule ist untersagt. Verabredungen und^ Samm-
lungen zu allgemeinen oder besondem Zwecken aller oder einzelner
Classen ohne Vorwifsen des Classen lehrers and Directors sind nicht ge-
stattet. C. 15* Alles Eigenthum der Schule an Geräth und Lelirmit-
teln sowM an den aus der Gymnasialbibliothek entliehenen Büchern
mufs von den Schülern sorgfältig geschont werden. Jede Beschädi^ag
durch Verunreinigung, Zerbrechen, Einschneiden in Tische und Bänke
und dergleichen wird von dem Thäter ersetzt und aufserdenk der Math-
wille bestraft. Wenn der Thäter sich nicht selbst nennt oder nicht
entdeckt wird, so hat die ganze Classe den Ersatz des Schadens in
tragen. Zufällige Beschädigungen hat jeder Schüler^, der sie wahr-
nimmt, unaufgefordert anzaseigen. $. 16. Ist ein Schaler dnrch Krank»
564 Schul- und Personalnachrichten, statistische Nittheilungen,
heit irerfaindert, die Schule zu besuchen, so mufs die Anzeige daron
an dem ersten Tage dem Director gemacht werden. Ueber ein kürze-
res Unwohlsein, welches das Versäumen einzelner Stunden yeranlafst,
mufs der schriftliche Nachweis der Kitern oder Angehörigen auf Ver-
langen gebracht werden. Nach einer überstandenen ansteckenden Krank -
heit darf der Schuler erst dann die Schule wieder besuchen, wenn der
Arzt jede Gefahr einer Ansteckung für beseitigt erklärt hat. Zur Ver-
säumnis der Schule aus andern Gründen als wegen Krankheit bedarf
es eines vorhergehenden Gesuches um Rrljubnis des Classenlehrers und
Directors. §. 17. Beim Gehen zur Schule wie beim Nachhausegehen
hat jeder Schüler auf der Strafse ein anständiges Betragen zu beobach-
ten und jede Störung von Ordnung und Sitte zu vermeiden. Verstofse
hiergegen, welche zur Kunde der Lehrer komm<'n, werden von der
Schule bestraft. §. 18* Zweimal im Jahre vor dem Schlufs jedes Halb-
jahrs finden öffentliche Prüfungen statt: vor Ostern in aufserordent-
lich angesetzten und bekannt gemachten Stunden und LJnterrichtsgegen-
ständen ; zum Herbst im Fortgang des regelmäfsigen Unterrichts m den
einzelnen Classen. Zu derselben Zeit werden allen Schülern die regel-
mäfsigen Zeugnisse ertheilt, welche über Betrafen, Aufmerksamkeit,
Fleifs und Fortschritte die Urtheile aller betreffenden Lehrer ausspre-
chen und aufserdem die Zahl der versäumten Stunden und der Verspä-
tungen angeben. Diese Zeugnisse müfsen an einem von dem Classenlehrer
vorher bestimmten Tage mit der Unterschrift der Eltern oder Pflegeelteru
zurückgegeben werden. Andere Schulzeugnisse zu besondern Zwecken mü-
fsen von dem Director erbeten werden, der für ihre Ausfertigung Sorge tra-
gen wird. $.19. Die Classen Versetzung, welche nur einmal im Jahre
zu Ostern stattfindet, wird von dem Director bei der öffentlichen Progres-
sionsfeierlichkeit v. rkündet. Bei dieser für alle Schüler wichtij;en Feier ha-
ben sie sich nach den ihnen vorher bekannt gemachten Anordnungen zu rich-
ten und überhaupt den Anstand und die Ruhe zu beobachten, welche der
Veranlafsung angeniefsen ist. Am Schlufs des Sommersemesters wird
die Locierung der Schüler innerhalb der Clas senordnungen be-
stimmt und bei der Uebergabe der Zeugnisse bekannt gemacht, j. 20.
Diejenigen Schüler der ersten Classe, welche nach Beendigung des
zweijährigen Cursus derselben mit dem Zeugnis der Reife zur Uni-
versität abzugehen wünschen, haben beim Beginn des letzten Semesters
ihr Gesuch dem Director mitzuthoilen , worauf ihnen die Bedingungen,
welche sie zur Erlangung des Maturitätszeugnisses zu erfüllen haben,
bekannt gemacht werden. Die abgehenden Schüler, welche das Zeug-
nis der Reife erlangt haben, werden bei der öffentlichen Progressions-
feierlichkeit von dem Director im Namen ihrer sämmtlichen Lehrer ent-
lafsen. — Jeder verständige Schüler erkennt leicht, dafs die obigen
Anordnungen nur denjenigen Theil seiner Pflichten umfafsen, welche
auf ein bestimmtes Mafs zu bringen sind und in sichtbaren Aeufserun-
gen und Leistungen hervortreten. Ihre Erfüllung wird nur dann für
ihn selbst und für die Anstalt segensreich sein, wenn sie aus der sitt-
lichen Quelle hervorgeht, welche oben als <ler rechte Grund des Lebens
und Wirkens der Schule bezeichnet ist. Die Sdiule erkennt die Pflege
dieses Sinnes, welcher sich nicht auf einzelne Gebote zurückführen
läfst, als ihre höchste Aufgabe an; aber sie ist sich auch bewust, diese
nicht anders als im Einklang und Zusammenwirken mit der häuslichen
BIrziehung lösen zu können. Diese innere Uebereinstimmung der bei-
den Grundlagen aller Jugendbildung, des Hauses und der Schule, wird
immer wichtiger und einflufsreicher, je mehr der Knabe zu reiferem
Nachdenken und selbständigem Bewustsein heranwächst. Auf dieser
Altersstufe hat vor allem die Sitte und Zucht des Hauses in dem ja-
gendlichen Gemüth den Sinn der Einfachheit und Bescheidenheit KU
liUerarische und antiquarische Miscellen. 565
wahren und zu pflegen, der die Frische und Empfänglichkeit für die
Forderungen und Leistungen der Schule erhält. JLiegt es in der Art
der Jugend, gern nach solchen Genüfsen und Zerstreuungen zu streben,
die, wenn auch an sich und im einzelnen Falle nicht yerderblich, doch
immer die Gefahr des Uebermafses und weiterer Verlockung in sich
tragen und fär die jugendliche Unerfahrenheit oft ihren Hauptreiz in
der Ueberschreitung der naturlichen Altersgrenze haben (wohin nament-
lich der Besuch von Wirthshäusern , das Spiel um Geld, der Genufs
geistiger Getränke, das vorzeitige Tabakrauchen, die Journal- und
Roman - Lecture und dergleichen mehr gehört), so darf die Schule von
der häuslichen Zucht erwarten, dafs sie auf diesem Gebiete, auf wel-
chem blofse Verbote nie ihr Ziel erreichen, dem Verhalten der Schuler
die heilsamen Schranken anweisen werde. Wenn die Schule es hier
vergeblich versuchen würde, einzelne Vergehungen mit ihren Strafen
zu verfolgen, so wird sie sich doch das Recht vorbehalten, solche Schu-
ler, welche trotz ernster Ermahnungen und Warnungen sich einer mit
ihren Forderungen unverträglichen Lebensweise hingeben, nicht in ihrer
Mitte zu dulden. Es ergeht daher an alle Eltern und Pflegeeltern der
unsrer Leitung anvertrauten Schüler die ebenso freundliche wie drin-
gende Bitte, sich besonders in allem demjenigen, was die dem jugend-
lichen Alter zustehende Ordnung und Sitte erhalten und veredeln kann,
mit der Schule zu gemeinsamer Einwirkung zu verbinden. — Haben wir
bei dieser Bitte vornehmlich das sittliche Wohl unsrer Schüler im Auge,
so ist uns ein anderer Wunsch für dicf zweckmäfsigste Förderung ihrer
geistigen Ausbildung von Wichtigkeit. Wir werden es stets mit be-
sonderm Danke erkennen, wenn vor der Anordnung von Privatstunden
zur Nachhilfe oder Ergänzung des Schulunterrichts, sowie vor der Be-
willigung der Theilnahme von Schülern an öffentlichen Vorlesungen eine
Verständigung zwischen Eltern und Lehrern stattfindet. Zu jeder Be-
sprechung und Berathung in dieser wie in jeder andern Hinsiclit wird
der Director wie jeder andere Lehrer des Gymnasiums immer gern
bereit sein.'
Friedlakd [s. Bd. LXIX S. 347]. Aus dem Lehrercollegium dcs
dortigen Gymnasiums schied Ostern d. J. Dr. Michaelis, wogegen der
erste Lehrer der Bürgerschule Hegenbarth zum Hilfslehrer ernannt
wurde. Die Schülerzahl betrug im Winter 1853 — 54 101, im Sommer
d. J. 100 (I: 8, H: 8, HI: 24, IV: 31, V: 35). Zur Universität wur-
den 2 entlafsen. Programmabhandlnng : Subneivorum capiia tria, vom
Director Dr. Robert Unger (12 S. 4).
GIESSEN. Zur Feier des Ludwigstages (25. August) lud die Uni-
versität im J. 1853 ein durch die Part. III, in diesem J. durch Part. IV
von F. O sannt Quaesiiones llomericae (20 u. 24 S. 4), enth. eine Un-
tersuchung de Hcraclide Homcri carminum diorthota.
Glogau. Dem Lehrer am dortigen evangelischen Gymnasium Dr.
Rühle ist das Praedicat als Oberlehrer verliehen worden.
GÖTTINGEN. Dem Index scholarum der Georgia Augusta 'für das
Wintersemester 1854 — 55 geht voraus eine disputatio de Soeratis aecw
$atoribus, vom Hofrath Prof. Dr. K. (>. Hermann (17 S. 4).
Greifswald. Dem Index scholarum der Universität für das Win-
tersemester 1854 — 55 sind vorausgeschickt: G, F, Schoemanni emen^
dationea AgamemnonU Aeschyleae (liS S. 4). — An dem dortigen städti-
schen Gymnasium [s. Bd. LXVII S. 595] hielten die Schulaintscandi-
daten Dr. A hl war dt und Tägert ihr Probejahr ab, letzterer nur bis
Mich. 1853, wo er zur interimistischen Verwaltung einer Lehrerstelle an
das k. Paedagogium zu Putbus abgieng. Andere Veränderungen im
Lehrercollegium sind Bd. LXIX S. 230 u. 581 (unter Stargard) be-
richtet worden. Die Frequenz betrug am Schlufs des Winterhalbjahres
566 Schul - and Personalnachricbten, statistische Mi tthei langen,
1853 — 54 259 (I: 20, II: 18, III: 31, IV: 18, Real I: 12, R. II: 0,
R. 111: 30, R. IV: 28, V: 47, VI: 40). Znr Universität wurden Mich.
1853 4, Ostern d. J. 11 entlafsen. Prog^mmabhandlnng Ostern 1854:
Vorbemerkungen su einer Parallel- Syntax der Comus im Deutschen,
Griechischen und Lateinischen , vom Director Prof. Hiecke (20 8, 4).
Griechenland [vorläufige Aasgrabungsnachricht]. Nach einem Briefe
ans Athen vom 1. d. M. war Hr. Prof. Rangab^ so eben aus dem
Peloponnes zurückgekehrt, wo er für die kleine in Deutschland gesam-
melte Summe bei dem argivischen Heraeon eine Ausgrabnng unter-
nommen hatte , die zu einigen glücklichen Ergebnissen führte. Die Heftig-
keit, mit welcher die Cholera in jenen Tagen in Athen auftrat, nothigte
ihn, seine Familie in Sicherheit zu bringen. Er verspricht aber dem-
nächst genauere Mittheilnngen. Halle, 14. Nov. 1854. Prof. L. Ross.
Halle. Dem Index scholarum der Friedrichs- Universität für das
Wintersemester 1854 — 55 ist vorausgeschickt: M. H, E, Meieri com-
mentationis epigraphicae secundae pariieula altera (17 S. 4 mit einer
Steindrucktafel).
Hamburg. Das dortige akademische Gymnasium ist seit dem Be-
ginn dieses Winterhalbjahres zu einem akademischen und Real -Gymna-
sium erweitert worden. Nähere Mittheilungen über diese neue Einridi-
tung nebst Actenstücken enthält das Vorwort zu dem Voriesungsver-
zeichnis für das Halbjahr von Michaelis 1854 bis Ostern 1855 vom
derzeitigen Rector Prof. C. F. Wurm (XVI S. 4). Aufserdem enthält
die« Verzeichnis den Abdruck des vom Prof. Dr. Chr. Petersen zur
Feier von Winckelmanns Geburtstag am 0. Decbr. 1853 gehaltenen offen t-
liehen Vortrags: Ueber die Bedeutung mythologischer Darstellungen
an Geschenken bei den Griechen (28 S. 4).
Hamm. Als Programmabhandlnng des dortigen Gymnasiums erschien:
De cmendatione Manilii, scr. C. T. Breiter (24 S. 4).
Heidelberg. Zum ordentlichen Professor der Physik und der damit
verbundenen Fächer an der dortigen Hochschule ist der a. o. Prof. Dr.
Gustav Kirch hoff aus Breslau berufen worden.
Hermannstadt. Aufser den oben S. 349 erwähnten Ernennungen
für das dortige katholische Gymnasium sind noch folgende erfolgt: der
}>rov. Director des Crymn. zu Troppau Johann Sobola ist zum prov.
Hrector, die Gymnasiallehrer Jacob Meister zu Troppau, Wilhelm
Schmidt zu Bochnia, Eduard Scholz zu Neuhaus und der Supplent
P. Johann Paulitsch zu Marburg sind zu wirklichen Lehrern an dem-
selben ernannt.
Jena. Der Privatdocent bei der philosophischen Facultät der dor^
tigen Universität Dr. Hermann Ludwig ist zum aufserordentlichen
Professor ernannt worden. — Zur Ankündigung des Prorectoratswech-
sels am 5. August d. J. erschien: C Goettlingii commentatio de
morte fabulosa Aeschyli (7 S. 4); dem Index scholarum für das Win-
tersemester 1854 — 1855 ist von demselben Verf. vorausgeschickt: Sv^
eiUgium nrimum fragmentorum Hesiodi (p. 3 — 5. 4). Aufserdem sind
neulich vier im Lauf des vorigen Jahres von demselben als Professor
der Eloquenz im Namen der Universität gehaltene Reden im Druck
erschienen: 1) am 3. März 1853 in sacris parentalibus quartis Divi
lohannis Friderici Magnaninä conditoris universitatis litterarum ie-
ncnsis (12 S. 4); 2) am 15. Juni 1853, quo die lustra quinque re^-
minis et reetoratus Caroli Friderici magni ducis Saxoniae serenisstmi
felicissime peracta publice eelebrabantur (U S. 4); 3) am 14. August
1853 in parentalibus sacris Divi Caroli Friderici magni ducis Saxü-
niac reetoris aeademiae lenensis magnifieentissimi (15 8. 4); 4) am 26.
November IK53 in soUemni renuntiatione ereati novi reetoris magni-
fieentissimi Caroli Alexandri magni ducis Saxoniae serenissimi (12 8.
litterariscbe and aniiqnarische Miscellen. 567
'}) , die letzte mit historischen Notizen aber die Entstehung und weitere
Ausbildung der Wurde eines Rectors der Universität.
JiziN.iZum wirlclicfaen Lehrer am dortigen Gymnasium ist der Sup-
plent am Gymn. zu Neuhaus Franz Kott ernannt worden.
Karlsruhe. Hofrath Platz vom Generallandesarchiye ist an das
dortige Lyceum versetzt worden.
Kiel. Dem Index scholarum der Christiana Albertina für das Win-
tersemester 1854 — 55 ist vorausgeschickt: P. W, Forchhammeri
quaestionum eriticarum eaput II de Sophoelig Aiaeit w. 2 et 978 ( p:
111— VIII. 4).
KÖNiGGRATZ. Der Supplent am dortigen Gymnasium Franz
Lifsner ist zum wirklichen Gymnasiallehrer ernannt.
KüNiGSBKRG. Der Privatdocent an der Universität und Gymnasial-
lehrer Dr. £. G. Zaddach ist zum aufserordentlicfaen Professor in der
Bhilosophischen Facultät der gedachten Universität ernannt worden. —
^as Prooemium zu dem Index lectionum der Albertina für das Winter-
semester 1854 — 55 enthält eine Abhandlung über i^ und /x, oi$ und
ovx vom Geh. Reg. Rath Prof. Dr. C. A. Lobeck (p. 3 sq. 4).
KuEMSMÜMSTER. Die Bestsllung des Stiftscapitulars Gabriel Stra-
fser als wirklichen Lehrers am dortigen Gymnasium ist genehmigt
worden.
Laibach. Eine erledigte Lehrerstelle am dortigen k. k. G3rmnasiDm
ist dem Gymnasiallehrer Valentin Konschegg in Marburg übertragen
worden.
Lyck [s. Bd. LXVIII 8. 6551. Aufscr der Bd. LXIX 8. 231 be-
richteten Ernennung kam in dem Lehrercolleginm des dortigen k. Gym-
nasiums keine Veränderung vor. Die 8chülerzahl betrug am 8chlufs
des Schuljahrs 1853 — 54 244(1: 26, IIa: 20, IIb: 21, III: 54, IV: 42,
V: 43, VI: 38). Zur Universität wurden Ostern d. J, 4 entlafsen.
Programmabhandlung Mich. 1854: De praeverbio vno in eompositis
abundaniCj vom Gymnasiallehrer Kissner (44 8. 4).
Mannheim. Am dortigen Lyceum sind Hofrath Gräff und geist-
licher Rath Rappen egg er unter Anerkennung ihrer langjährigen treuen
Dienstleistungen in den Ruhestand versetzt; dagegen sind dorthin ver-
setzt worden der Prof. Waag vom Kadettenhaus und der Lehrer Au-
gust Schmidt vom Lyceum in Karlsruhe.
Marburg. Zur Feier des kurfürstlichen Gebnrtsfestes am 20. Au-
gust d. J. lud im Namen der Universität Prof. Dr. Karl Fr. Weber
durch folgendes Programm ein: Vita Jletnilii Porti (48 8. 4). Den In»
dices lectionum für das Wintersemester 1854 — 55 sind vorauf geschickt:
Angloaaxonicay quae primus edidit Francitcu» Dietrich (16 8. 4).
Mühlhausen. Nachdem der Subrector des dortigen Gymnasiums
Albert Hartrodt (geb. zu Nordhausen 23. März 1808) am 21. August
1853 gestorben,^ der Lehrer der franz. Sprache Dr. Gustav Weigand
als Lehrer an die Realschule zu Bromberg abgegangen und der Conrector
Dr. Mühlberg in Ruhestand getreten war, bestand das Lehrercolle-
^nm zu Ostern d. J. aus folgenden Mitgliedern: Director Dr. Haun,
Prorector Prof. Dr. Am eis, Conrector vacat [s. Bd. LXIX 8. 579],
Subrector vacat, Subconrector I Recke, Subconr. II Dr. Dilling,
Lehrer der franz. Sprache vacat, CoIIaborator Meinshausen, Pastor
Barlosius und Diaconus Fuhr (Religionslehrer), Musikdir. Thier-
f e I d e r, Zeichen lehrer Dreiheller und Schreiblehrer Walter. Aufser-
dem war der Cand. philol. Rudolf Haun mit beschäftigt. Scfaulerzahl
Ostern 1853 118, Mich. 115, Ostern 1854 101 (I: 14, U: 21, III: 17,
IV: 26, V: 23); Abiturienten Ostern 1853: 2. Seit Anfang d. J. ist
eine neue und höhere Dotation säromtlicher Lehrerstellen und Vermeh-
rung des Etats für Lehrmittel eingeführt, wonach die Besoldung des
568 Schal- und Personalnachricbten , statistische Mittheiliingen,
Directors auf 1000, das Prorectorat auf 800, das Conrectorat auf 650,
das Subrectorat auf 600, das erste und zweite Subconrectorat auf je
500, die Coiiaboratur auf 300, die franz. Lehrstelle auf 220, die Tum-
lehrerstelle auf 50 Thlr. festgesetzt, der Etat für den mathematisch*
ßhysikalischen Apparat auf 50 Thlr. erhöht und zur Unterhaltung und
[ebung des philolog. Leseyereius des Lehrercollegiunis 20 Thlr. ange-
wiesen worden sind. Das Schulgeld beträgt in I und II 20, in III 10,
in IV und V 12 Thlr. jährlich. Programmabhandlung Ostern 1854:
lieber die SpraeheigenthünUichkeiien Juatiniy Tom Subconrector Joh.
Fr. Recke (25 S. 4).
Mü.NCHKN. Zu Mitgliedern des k. Maximiliansordens, Abth. für
Wifsenschaft, sind ernannt worden: Geh. Reg. Rath Prof. B ran die
in Bonn, Geh. Rath Prof. Mitscherlich, Prof. Homeyer und Dr.
Sc hack in Berlin, Prof. und Vorstand der Sternwarte Lamont in
München. — Für die philosophisch-philologische Classe der k. Akademie
der Wifsenschaften wurden als auswärtige Mitglieder gewählt: Moris
Haupt in Berlin, Friedrich Diez in Bonn und Max Guchin de
Slane in Algier, als correspondierendes Mitglied: Rector Johann
Christoph Held in Bayreuth; aU correspondierende Mitglieder der
historischen Classe: F. Freiherr von und zu Aufsefs, Vorstand des
germanischen Museums zu Nürnberg, und Michael Fertig, Prof. am
Gymn. zu Passau. — An der Universität wurde der Professor der Bo-
tanik Dr. Karl Friedrich Philipp von Martins aufsein Ansu-
chen in Ruhestand versetzt. — Am k. Ludwigs-Gymnasium kamen
folgende Veränderungen vor: zum Professor der untersten Gyinnasial-
clasBe wurde der Studienlehrer an derselben Anstalt Priester Johann
Baptist Zrenner befördert und auf die dadurch in Erledigung ge-
kommene Lehrstelle der Studien lehrer zu Kempten Wolfgang Bauer
versetzt: der Studienlehrer Karl Ludwig Graul wurde wegen phy-
sischer Gebrechlichkeit in zeitigen Ruhestand versetzt und an seine
Stelle der Studienlehrer zu Kichstätt Joseph Seitz berufen. — Dem
letzten Jahr. 'sbe rieht des k. Maximilians-Gymnasiums ist als wi-
fsenschaftliche Abimndlung beigegeben: Emendationei Falerianacy scr.
Carolus Halm (32 S. 4).
Mü NM ERSTADT. Die erledigte Lehrstelle der 2n Classe der dortigen
Lateinschule erhielt der geprüfte Lehramtscandidat und bisherige Assistent
am Gymnasium zu Würzburg Stephan Wehner.
MÜNSTER. Dem Index lectionum der dortigen Akademie für das
Wintersemester 1854 — 55 sind vorausgeschickt: Fragmenta veterU
glouarii Latini e cod, fFerthinenai saec. XI, edidit Ferdinandus
Deycks (10 S. 4).
MÜNsTEREiKEL. DerDirector des dortigen Gymnasiums J. Katzfey
wurde zum erzbischöflichen geistlichen Rathe, Dr. Thisquen zum Ober-
lehrer ernannt. Das LehrercoJlegium besteht aufser dem genannten
Director aus den Oberlehrern Dr. Hoch, Dr. Hagel üken, Mohr,
Dr. Thisquen, den Gymnasiallehrern Cramer, Dr. Frieten, Sydow
und dem Religionslehrer Roth. Die Schülerzalil betrug Mich. 1853
128, Ostern d. J. 13(», Mich. i:W ( I: 18, II: 44, III: 24, IV: 23, V: lö,
VI: 14); zur Universität wurden Mich. 1853 4, Mich. 1854 0 cntlafsen.
Programmabhandlung: Die wichtigeren GcwdchMe auM der Pkaneroga»
men- Flora von Müntttereifcl , ausführlichst beschrieben von Dr. This-
quen. Ir Tbl. (32 S. 4).
Nel'uurg an der Donau [s. Bd. LXVIII S. 05((]. An der doi^igen
k. Studien- und Erziehungsanstalt hatte der Studienlehrer Priester W.
Linsma^cr für das Schuljahr 1853 — 54 Urlaub erhalten und wurde
durch den Cand. J. Blatner vertreten. An die Stelle des Seminar-
praefecten Strafsmayr trat als Religionslehrer an der Lateinschule
litterarische and antiquarische Miscellen. 569
der Seminarpraefect Joh. Adam Waldrogel. Die SchSlenahl betrtig
am Schlafs des genannten Schuljahrs 219, 103 im Gymnasiam, 110 in
der Lateinschule. Programmabhandlung: Dob ente Buch der ytriitote-
lUchen Tapik erläutert vom Prof. Anton Mang (16 S. 4).
Ofen. Der proyisorische Director des dortigen Gymnasiums, der
Benedictinerordenspriester Theodor Gafsner, ist zum wirklichen Di-
rector desselben Gymn. ernannt.
Olmutz. Der Religionslehrer am dortigen Gymnasium Joseph
Partsch ist zum wirklichen Gymnasiallehrer an derselben Lehranstalt
ernannt worden.
OsTROWo [s. Bd. LXIX S. 122]. ^ Die im Schuljahre 1853 — 54 im
LehrercoUegium des dortigen k. katholischen Gymnasiums Torgegangenen
Veränderungen sind Bd. LXIX S. 466 und oben S. 118 berichtet wor^
den. Die Schfilerzahl betrug am Schlufs des genannten Schuljahrs 304
(I: 40, 11: 45, III*: 18, III»»: 15, IV«: 39, IV«»: 15, V*: 41, V»»:
21, VI*: 53, VI»»: 17), darunter 216 kath., 56 evang., 32 jfid. Schuler.
Zur Universität wurden Ostern d. J. 4, Mich. 13 enUafsen. Programm-
abhandlung: Ob»ervatione9 in loco$ ^OBdam jigamcmnonU jie$chylcaCf
vom Director Dr. Robert Enger (10 S. 4).
Parchim [s. Bd. LXVIII S. 566]. Am grofsh. Friedrich -Franz-
Gymnasium wurde im Lauf des Schuljahrs 1853 — 54 eine neue Lehrer-
stelle errichtet und in dieselbe Dr. August Mommsen, zuletzt Lehrer
an der Realschule und Lector des Englischen an der Gelehrtenschule
des Johanneums in Hamburg, mit demPraedicat eines Oberlehrers berufen.
Die bisher städtische Vorschule, aus drei Classen bestehend, ist jetzt,
seit der Grofsherzog das Patronat derselben übernommen hat, mit dem
Gymnasium vereinigt. Die ganze Anstalt besteht demnach jetzt aus
einem eigentlichen Gymnasium, einer Realschule, höheren Burgerschule
und Vorschule und zählt folgende 15 Lehrer: Director Dr. Lübker,
Conrector Gesellius, die Oberlehrer Steffenhagen, Dr. Heussi,
Dr. Giese, Schmidt, Dr. Timm, Girschner, Dr. Mommsen,
die Coilaboratoren Dr. Huther, Hast und Peters, Dr. Pfitzner,
Werner, Timm. Die Schulerzahl betrug im Winter 1853 — 54 incl.
der Vorschule 269, im Sommer d. J. 264 (I: 24, R I: 1, II: 22, R II:
1, HI: 28, RIH: 12, IV: 25, R IV: 18, V: 18, R V: 13, VI«: 18,
VI»» und R VI: 25, Vorsch. I: 36, II: 9, III: 14). Zur Universität
wurden entlafsen Ostern d. J. 1, Mich. 3. Den Schul nachrichten im
Michaelisprogramm d. J. gehen voraus: 1) Mlgemeine GeBchiehte der
ronuBchen KaiBerlegionen hU Hadrian, von Dr. W. H. Pfitzner (S.
] — 25), 2) Helfe bei der Einweihung deB neuen HorBaaU vom Director
Dr. Fr. Lübker (S. 26 — 32. 4).
Pavia. Zum Lehrer der deutschen Sprache und Litteratur am
dortigen k. k. Lycealgymnasium ist der am Obergymnasium zu Laibach
verwendete Professor der italiänischen Sprache des daselbst bestandenen
Lyceums, Anton Pertout, ernannt worden.
Pforzheim. Die erste Lehrstelle am dortigen Paedagogium und an
der höheren Burgerschule ist dem Professor Lamey zu Mannheim fiber-
tragen worden; dem Lehrer Provence ist der Charakter als Professor
veniehen.
R ATIBOR. Als 7r ordentlicher Lehrer am dortigen Gymnasium ist
der Candidat des höheren Schulamts M. K. J. Kunzel angestellt
worden.
Rostock. Dem Index lectionum der dortigen Universität für das
Wintersemester 1854 — 55 ist vorausgeschickt: Alexandri Lueianei Bpe-
eimen Beeundunty vom Professor Dr. F. V. Fritz sehe (p. 3 — 9. 4),
berichtigter Text von Cap. 11 — 20 mit kritischem Commentar, an
dessen Schlufs der Verf. die demnächstige Herausgabe seiner sämmt-
iV. Jahrb. f. PML u. Pütd. Bd. LXX. Hft. 4 o. 5. 37
570 Schul- und Pergonalnaehrichten, statistische Mittheilungeny
liehen in Rostock geschriebenen akademischen Gelegenheitsschriften, in
eine Sammlung vereinigt, in Aussicht stellt.
RovEREDO. Der Supplent am dortigen Gymnasium Johann Gen-
tilini ist zum wirklichen Gymnasialleh^r an derselben Lehranstalt er-
nannt worden.
Schulpforte [s. Bd. LXVIII S. 4dO]. Der Austritt des Profeaeor
A. Dietrich aus dem LehrercoUegium der dortigen k. Landesschale ist
Bd. LXIX S. 460 unter Hirschberg bereits berichtet worden. Die
Schulerzahl betrug nach Mich. 1853 192, nach Ostern 1854 194 (I: 50,
II*: 28, IP: 35, III«: 36, Ul^i 45). Zur Universität wurden Mich.
1853 12, Ostern d. J. 9 entUrsen. Programmabhandlung zum 22. Mai
1854: Die äusiem Entfemungiorter geradliniger Dreiecke, eine geo-
metrische Abhandlung vom Prof. Dr. C. Fr. A. Jacobi (73 S. 4 mit
2 Figurentafeln).
ScHWEiDNiTZ. Dem zweiten .CoUegen am dortigen Gymnasium 6.
Ed. W. Eugen Rosinger ist das Praedicat Oberlehrer yeriiehen
worden.
Stendal. Zum Director des dortigen G3rmnasinms ist der bisherige
Director des Gymnasiums in Oels Dr. Heiland gewählt und bestätigt
worden.
Trier. Der evangelische Religionslehrer des dortigen GymnasiniB%
DiviBionsprediger Höpfner schied aus dem LehrercoUegium und an
seine Stelle trat Prediger Beyschlag. Ferner s. Bd. LXIX S. 408.
Die Lehrer des Gymn. während des Schuljahres 1853 — 54 waren: Di-
rector Prof. Dr. Loers, Prof. Stein Inge r, Prof. Dr. Hamacher,
die Oberlehrer Dr. Könighoff, Houben, Fles.ch, die Gymnasial-
lehrer Simon, Dr. Hilgers, Schmidt, Blum, Dr. Gobel, die Re-
ligionslehrer Korzilius, Fisch (kath.) und Beyschlag (evang.), der
commissarische Lehrer Pohld, Gesanglehrer Hamm, Zeichenlehrer
Kraus, Schreiblehrer Paltzer. Die Schülerzahl betrug im Sonuner
1853 397, im Winter 1853 — 54 442, im Sommer d. J. 413 (!•: 1»,
I»»: 31, II«: 27, 11": 34, III: 64, IV: 77, V: 84, VI: 77), darunter
375 kath., 31 evanff., 7 jüd. Schüler. Zur Unirersität wurden Mich,
d. J. 19 entlafsen. Programmabhandlung Mich. 1854: Critica et exe^e-
üca altera, scr. Dr. J. Koenighoff (32 S. 4). Die priara sind Mich.
1850 als Programm des Gymn. zu Munstereifel erschienen.
Triebt. An das dortige Gymnasium ist der Director des Gymn.
zu Gorz Anton Stimpel in gleicher Eigenschaft versetzt worden.
Troppau. Zum proyisorischen Director des dortigen Gymnasiune
wurde der Lehrer am katholischen Gymn. zu Teschen, Johann Blaha,
za wirklichen Lehrern an derselben Anstalt die Supplenten Dr. Joseph
Marek und Carl Häfele ernannt.
Trzemeszno.^ Der interimlBtische Gymnasiallehrer Hieronymns
von Krzesinski ist als ordentlicher Lehrer am dortigen Gymnasima
angestellt.
TÜBINGEN^ Der Privatdocent Dr. Otto Jäger übersiedelt an die
Universität Zürich und übernimmt an der dortigen Kantonschule die
Stelle eines Turnlehrers.
Urach. Die erledigte Professur am dortigen evangelischen Seminar
ist dem Diaconus und Praeceptor Bocks ha mmer in Ravensburg aber-
tragen worden.
Wkrtheim [s. Bd. LXVIII S. 574]. Im Herbst 1853 schied aus
dem LehrercoUegium des dortigen Lyceums der Lehramtspraktikant Ro-
bert Salz er, statt dessen Ostern d. J. der Lehramtspraktikant Karl
von Langsdorff eintrat. An die Stelle des kath. Religionslehrers
Bischoff trat Pfarrverweeer Gerber, d^r jedoch während des Som-
merhalbjahrs keinen Unterricht ertheilte. Noch zwei andere Verande-
liUerarische ond anliqoarigcbe Miscellen. 571
rangen sind oben S. 231 berichtet. Die Direction ist gegenwärtig dem
Prof. He rtlein übertragen. Die Schulercahi betrug im ochnHahr 1853
— 54 133 (1: 31, U: 20, III: 20, IV: 22, V: 8, VI: 20). Im Herbst
1853 worden 15 Schaler zar Universität entlafsen. Programmabhand-
lung IVIich. 1854: Beiträge zur Kritik des PolifaenuB, vom Professor
Fr. K. Hertlein (23 8. 8).
Wesel. Als wifsenschafUicher HilOslehrer am dortigen Gymnasium
ist der Schaiamtscandidat Alwin Fr. Th. Pro 11er angestellt worden.
Wetzlar. Das LehrercoUegiam des dortigen k. Gymnasioms be-
stand im Schaljahr 1853 — 54 aos dem Director Prof. Dr. Hantschke,
den Professoren Dr. Kleine und Dr. Schirlitz, den Oberlehrern
Graff und Dr. Fritsch, dem Mathem. Eisermann, den ord. Leh-
rern Herr and Ruttger, dem commiss. Lehrer Dr. Theobald, Ca-
plan Rademacher (kath. Rel.) and Cantor Franke (Gesang). Die
Schulerzahl betrag im Sommer 1853 111, im Winter 1853 — 54 121, im
Sommer d. J. 111 (I: 12, U: 8, III: 10, IV: 20, V«: 28, V»>: 24). Pro-
grammabhandlung Mich. 1854: Die olympischen Spiele ^ ihre Gründung^
Entatehung und Zeitrechnung, vom Oberlehrer Georg Graff (10 S. 4).
Wien. Der Lehrkörper des k. k. akademischen Gymnasiums
bestand im Schuljahr 1853 — 54 aufser dem Director Dr. J. A. Cap eil-
mann (der diese Stelle seit dem 15. Octbr. 1853 bekleidet) aus folgen-
den Mitgliedern: Dr. J. Auer, C. Berlin ger, Dr. C. Bernd, C.
Böhm, J. Frank, A. Gernerth, G. Hlnterlechner, Dr. H. Pick,
A. Pokorny, J. Windisch, Th. A. Wolf (vorher Director des k. k.
kathol. Gymn. in Prefsburg) und den Supplenten J. von Herbig,
A. Hluscik, S. Zepic, A.Peter. Die Schülerzahl betrug im Anfang
des genannten Schuljahrs 388, am Schlafs 350 (I: 84, II: 57, III: 30^
IV: 44, V: 34, VI: 41, VII: 27, VIII: 27). Zur Universität wurden
Mich. 1853 7, Ostern d. J. 1 , Mich. d. J. 22 entlafsen. Programm-
abhandlnng: Einzelne Züge aue dem Leben und Wirken der habi-
burgiichen und hababurg-lothringiechen Herrecher^ vom Prof. Joh.
Frank (14 S. 4).
Wien. Neuerdings sind die Statuten des philologisch-histo-
rischen Seminars an der dortigen k. k. Universität revidiert wor-
den und lauten jetzt wie folgt:
§. 1. Zweck und Eintheilang des philologisch -historischen Semi-
nars. 1. Das phil.-hi9t. Seminar in Wien ist eine mit der philosophi-
schen Studienabtheilung der Universität verbundene Anstalt, welche
Studierenden der Philologie und Geschichte narh Erlangung der erfor-
derlichen Vorbildung Gelegenheit darbietet, durch eigne gemeinsame
Uebunsen anf dem Gebiete ihrer Studien unter Anleitung von Univer-
sitätslehrern Forderung für ein grundliches Eindringen in diese Wifsen-
schaften, und namentlich Vorbereitung zu ihrem künftigen Beruf als
Lehrer an höheren Schulanstalten zu finden. — 2. Das Seminar hat
zwei Abtheilungen: eine philologische und eine historische; die
Leitung derselben ist Universitätslehrern abertragen, welche in colle-
gialischer Vereinigung die Direction des Seminars bilden^).
$. 2. Uebungen in der philologischen Abtheilung des Seminars.
Dieselben bestehen: 1) in schriftlichen Aufsätzen aus dem Gebiete der
classischen Philologie. Die Gegenstände hierzu sind so zu wählen, dafs
sich in ihrer Behandlung nicht nur Fleifs, sondern auch eigenes Nach-
*) Gegenwärtig in der philol. Abth. Prof. Bonitz für die griech.
und Prof. Grysar für die latein. Uebungen; in der historischen Abth.
Prof. Aschbach für allgemeine und Prof. Jäger far österreichische
Geschichte.
37*
572 Schal- und Personalnachrichlen , statistische Mittheilangen,
denken zeigen kann; ihre Wahl steht den Theiinehmern frei; wo es
gewünscht wird, haben die Vorsteher des Seminars angemefsene Vor-
schläge zu machen. Jeder eingelieferte Aufsatz wird sauuntlichen Mit-
gliedern des Seminars zur Durchsicht gegeben, zwei von den Mitglie-
dern übernehmen die Aufgabe, ihn genauer zu prüfen und dann in einer
dazu bestimmten Stunde zu kritisieren, beror der Vorsteher des Semi-
nars sein Urtheil abgibt. £s versteht sich, dafs in all diesen Urtheüen
der würdige Ton bewahrt werden mufs, der allein wifsenschaftlicher
Förderung und Belehrung dienen kann. Die Discussion über die latei-
nisch geschriebenen Aufsätze findet in der Regel in lateinischer Sprache
statt. 2) In mündlicher Uebersetzung und Erklärung lateinischer und
{rriechischer Schriftsteller durch die Mitglieder des Seminars. Die xa
übersetzenden Schriftsteller bestimmen die Vorsteher des Seminars; für
jede folgende Stunde übernimmt nach einer vorher bestimmten Reüien-
folge eines der Mitglieder die Aufgabe des Uebersetzens und Erklärens;
die übrigen Mitglieder werden in ihrem eigenen Interesse auf die mr
Erklärung kommende Stelle sich so vorbereiten , dafs sie im Stande sind,
an der Erklärung und an Discussionen darüber thätigen Antheil so
nehmen ; mit der Erklärung des grieclüschen Schriftstellers können von
Zeit zu Zeit Uebungen im Griechischschreiben verbunden werden. Für
die Uebungen in der philologischen Abtheilung des Seminars sind wö-
chentlich vier Stunden bestimmt, zwei für die Erklärung eines lateini-
schen, zwei für die eines griechischen Schriftstellers; die Disputa-
tionen über eingelieferte schriftliche Aufsätze finden in einer sonst für
die Interpretation bestimmten Stunde statt, und zwar nach ihrem In-
halte in einer der für den lateinischen oder der für den griechischen
Schriftsteller bestimmten Stunden.
§. 3. Uebungen in der historischen Abtheilung des Seminars, i. Die
historische Abtheilung des Seminars hat zwei nebeneinander bestehende
Sectionen, eine für die Uebungen in der allgemeinen, die andere für
die in der österreichischen Geschichte. Die Uebungen über
allgemeine Geschichte finden in jedem Semester zwei Stunden wöchent-
lich statt, so dafs in sachgemäfser Abfolge innerhalb einer bestimmten
Reihe von Semestern das gesammte Gebiet der Geschichte zur Bearbei-
tung kommt. Die Uebungen über österreichische Geschichte finden
wälurend jedes Wintersemesters zwei Stunden wöchentlich statt und
zwar so, dafs jedesmal innerlialb eines Semesters Hauptfragen aus dem
gesammten Gebiet der österreichischen Geschichte zur Bearbeitung kon-
men. — 2. Aus dem historischen Stoffe werden insbesondere diejenigen
Partien hervorgehoben, über welche gründliche Kenntnisse oder richtige
Auffafsung gewonnen zu haben dem Gymnasiallehrer vorzugsweise noth-
wendig ist. ^ Die Wahl der einzelnen Themata bleibt den Mitgliedern
überlafsen, jedoch unter Genehmigung des Vorstandes, welcher zu An-
fang jedes Semesters eine Anzahl besonders geeigneter Aufgaben inr
beliebigen Auswahl mittheilt. — 3. Sämmtliche Uebungen sowohl in der
Section für allgemeine als in der für österreichische Geschichte werden
in deutscher Sprache gehalten. — 4. Die historischen Uebungen bestehen :
a) in Vorträgen der Mitglieder über einzelne historische Themata
(vgl. 2). Diese Vorträge sind vorher schriftlich abzufafsen, sodann aber
mojp;lichst mit freiem Vortrage zu halten; nach Beendigung des Vortrage
knüpft sich daran eine Disputation der Mitglieder mit dem Verfafeer
und die Beurtheiliing von Seite des Vorstandes. Hierauf werden die
Vorträge entweder in ihrer ursprünglichen schriftlichen Abfafsung oder
in einer durch die gemachten Bemericungen bestimmten Umarbeitung an
den Vorstand abgegeben, b) In Disputationen über historische The-
ses, entweder nach der Wahl des Vorstandes oder nach der Wahl der
Mitglieder, jedoch mit Genehmigung des Vorstandes, zwischen iwei
liUerarische iiod antiquarische Miscellen. 573
Ton demselben hiena ernannten Mitgliedern, c) In CoUoauien des
Vorstandes mit den Mitgliedern fiber Haoptpartien der Geschichte und
besondere wichtige oder schwierige Punkte, meist aus demjenigen Ge-
biete, auf welches sich die Arbeiten des Seminars in demselben Seme-
ster beziehen.
$. 4. Theiinahme an den Uebungen des Seminare. Aufnahme als
wirkliches Mitglied in das Seminar. 1. die Uebungen des philologisch-
historischen Seminare finden unentgeltlich statt, und es steht jedem Stu-
dierenden frei, in denselben zuzuhören und auch sich thätig zu bethei-
ligen durch Interpretation, Vorträge, Disputationen, schriftliche Auf-
sätze, insoweit dies ohne Beeinträchtigung der zunächst hierzu berech-
tigten und TerpfUchteten wirklichen Mitglieder geschehen kann, und
insofern die Voreteher die Ueberzeugung gewonnen haben , dafs die Lei-
stungen des Bewerbers nicht unter den nothwendigsten Anforderuncen
des Seminare stehen werden. — 2. Von der blofsen Theiinahme an den
Uebungen ist die Aufnahme zum wirklichen IVIitglied unterechieden. In
dieser Aufnahme liegt die Anerkennung, dafs der aufgenommene nach
bereits früher erworbener Sicherheit in den dem Gymnasium angehori-
gen Gegenständen das wifsenschaftliche Studium des von ihm erwähl-
ten Gebietes selbstthätig mit gutem Erfolge begonnen hat. Durch diese
Aufnahme übernimmt das wirkliche Mitglied bestimmte Verpflichtungen
(S. 5) und erhält, soweit die Anzahl es erlaubt, das Anrecht auf ein
Stipendium ($. 6). — 3. Ueber die Aufnahme wirklicher Mitglieder in
jede einzelne und in beide Abtheilungen des Seminare entscheiden die
Vorsteher. Wenn diese einereeits darüber zu wachen haben, dafs das
Seminar den der Univeraität angemefsenen wifsenschaftlichen Charakter
behaupte, so werden sie andrerseits die erforderliche Voraicht anwen-
den, um nicht schwächere, aber eifrig regsame Kräfte zurückzuschrecken.
— 4. Es gibt wirkliche Mitglieder der philologischen Abtheilung, wirk-
liche Mitglieder der historischen Abtheilung und wirkliche Mitglieder
beider Abtheilungen; aber es kann niemand blofs für die lateinischen
oder blofs für die griechischen Uebungen , blofs für die der allgemeinen
oder die der österreichischen Geschichte gewidmeten Uebungen wirk-
liches Mitfilied des Seminare sein. — 5. Die Bedingungen der Aufnahme
zum wirklichen Mitgliede sind: a) der aufzunehmende mufs die Maturi-
tätsprüfung an einem Gymnasium bestanden, oder nach der früheren
Einrichtung die philosophischen Obligatcuree absolviert und bereits ein
Jahr lang auf der Univereität wifsenschaftliche Studien seines Gebiets
betrieben haben, b) Der aufzunehmende mufs während der Theiinahme
an' den Uebungen wenigstens eines Semestera durch seine schriftlichen
und mündlichen Leistungen die für das Seminar erforderliche wifsen-
schaftliche Reife bewiesen haben. Speciell für die philologische Abthei-
lung ist erforderlich, dafs der aufzunehmende eine schriftliche Arbeit
aus dem Gebiete der lateinischen und eine aus dem der griechischen
Philologie zur einstimmigen Billigung der Voreteher eingereicht habe ;
die Arbeit aus dem Gebiete der lateinischen Philologie ist stets in latei-
nischer Sprache abzufafsen. Für die historische Abtheilnng ist jeden-
falls ein schriftlicher Aufsatz aus dem Gebiete der allgemeinen Ge-
schichte erforderlich. — 6. Das philolo^ch-historische Seminar ist zwar
zunächst für Studierende der Philologie und Geschichte während des
letztern Theils ihrer Studien und insbesondere zur Heranbildung tou
Gymnasiallehrern dieser Wifsenschaften bestimmt; doch ist es durchaus
zuläfsig, dafs auch junge Männer, welche ihre Studienzeit bereits be-
endigt haben, oder welche, ohne das Studium der Philologie oder Ge-
schichte zu ihrem Berufe zu machen, diesen Gegenständen ein reges
Interesse widmen , unter den vorher bezeichneten Bedingungen als wirk-
liche Mitglieder in das Seminar aufgenommen werden.
574 Schul- und Personalnachrichten, statistische Mitlheiiangen,
S. 5. Verpflichtungen der wirklichen Mit^ieder des Seminars.
1. Alle wirklichen Mitglieder sind Terpflichtet, die Uebungen der Ab-
theilnng, welcher sie angehören, regelmäfsig zu besuchen, und sich auf
die in denselben zu behandelnden Gegenstande in dem MaTse Torznbe-
reiten, dafs sie an den Uebungen sich thätig betheiligen können. —
2. In der philologischen Abtheilung ist jedes Mitglied, wo die Rei-
henfolge es trifft, yerpflichtet, die mündliche Interpretation und die Kri-
tik eines eingereichten schriftlichen Aufsatzes nach Bestimmung des Vor-
standes zu übernehmen, und in jedem Semester einen schriftlichen Auf-
satz entweder aus dem Gebiete der lateinischen, oder aus dem der
griechischen Philologie einzuliefern. Ueberdies sind die wirklichen
Mitglieder der philologischen Abtheilung yerpflichtet, sich an den Ue-
bungen über allgemeine Geschichte wallend des oder der Semester, in
welchen dort die alte Geschichte behandelt wird, thatig zu betheiligen,
jedoch ohne Verpflichtung zur Einreichung eines schriftlichen Anfsatsea,
aber auch ohne schon dadurch allein die Mitgliedschaft in der histori-
schen Abtheilung ($. 4, 5) zu erwerben. — 3. In der historischen
Abtheilung ist jedes Mitglied verpflichtet, Disputationen, Kritiken u. a.
m. nach Bestimmung des Vorstandes zu übernehmen, und in jedem Seme-
ster einen historischen Vortrag mündlich zu halten und schriftlich aus-
gearbeitet einzureichen, ferner während der Dauer der Mitgliedschaft
in Einern. Semester sich an der Section über österreichische Geschichte
thätig zu betheiligen und einen in dieses Gebiet gehörigen schriftlichen
Aufsatz zu liefern. Für das Semester der BetheUigung an der Section
für österreichische Geschichte entfallt die Verpflichtung, in der Section
für allgemeine Geschichte einen schriftlichen Aufsatz zu bearbeiten, aber
nicht die zu der übrigen thätigen Betheiligung. Ueberdies hat jedes
wirkliche Mitglied der historischen Abtheilung während ^ines Jahres
seiner IVIitgliedschaft sich an den lateinischen oder den griechischen Ue-
bungen der philologischen Abtheilung thätig zu betheiligen , jedoch ohne
Verpflichtung zur Einreichung eines schriftlichen Aufsatzes, aber auch
ohne schon dadurch allein die Mitgliedschaft in der philologischen Ab-
theilung (J. 4, 5) zu erwerben. — 4. Die Dauer der wirklichen Mit-
gliedschaft (mit Anrecht auf ein Stipendium) kann in der Regel nicht
über zwei Jahre ausgedehnt werden.
$. 6. Stipendien. 1. Zur Förderung des philologisch -historischen
Seminars in Wien werden vierundzwanzig Stipendien zu je 30 fl. für
jedes Semester bestimmt. — 2. Anrecht auf Empfang eines solchen SU-
f»endiums hat, so weit die Zahl der Stipendien es gestattet, jedes wirk-
iche Mitglied der philologischen oder der lustoriscnen Abtheilung. Die
Auszahlung der Stipendien an die wirklichen Mitglieder, nach Mafs-
gabe des relativen Erfolgs ilirer Betheiligung, gescheht am Schlafs das
Semesters nach yollständiger Erfüllung der Verpflichtungen in demsel-
ben, über Antrag der Seminardirection mit Grenehmigung des k. k. Cul-
tus- und Unterrichtsministeriums. Die am Schlufs eines Semesters aof
Grund ihrer Leistungen als wirkliche Mitglieder aufgenommenen erhal-
ten das Anrecht auf das Stipendium schon für das eben abgelaufene
Semester. — 3. Für wirkliche Mitglieder beider Abtheilungen kann
bei entsprechendem Erfolge ihrer Leistungen der Betrag von zwei Sti-
{>endien, also 00 fl. für jedes Semester, tSs Stipendium für die Bethei-
igung an beiden Abtheilungen beantragt werden. Wirkliche Mitglieder
beider Abtheilungen haben mit ihren höheren Stipendien den Vonog
vor den Mitgh'edem nur ^iner Abtheilung.
S. 7. Benutzung der Universitäts-Bibliothek. Da zu einem erfolg-
reichen Betriebe der philologischen und der historischen Uebungen die
Benützung einer flröfsem Bibliothek ein nothwendiges Erfordernis ist,
so haben die wirklichen Mitglieder des philologisch- historischen Semi-
litlerarisehe und «Btiquahgclie Miscelleo. Todesfttlle. 575
uan das Recht, ohne Erleffdne einer Caation, aber mit Beobachtung
der übrigen allgemeinen Bibliothek-Stataten, aiu der Universitats- Biblio-
thek Bücher zum häuslichen Gebrauch su entlehnen. Sie haben zu die-
sem Behuf ihren Empfangsschein mit der Unterschriit eines Vorstehers
des Seminars versehen zu lafsen, durch welche dieser bestätigt, dafs
der Empfanger wirkliches Mitglied des philologisch - tdstorischen Semi-
nars ist, und das bezeichnete Buch zu seinen ^beiten in dieser Anstalt
benöthigt.
$. 8. Leitung des Seminars. Die Vorsteher des Seminars sind nicht
nur yerpflichtet, die Uebungen des Seminars zuzeiten, sondern auch
durch ihren Rath den Mitgliedern des Seminars bei ihren philologisch-
historischen Studien in aller Weise hilfreich zu sein. Dieselben haben
am Schiuls jedes Studienjahres dem k. k. Ministerium des Cultus und
Unterrichts über den Fortgang und Erfole des Seminars Bericht zu er-
statten und die eingelieferten Aufsätze demselben vorzulegen, welche
dann, nach erfolgter Erledigung durch das Ministerium, im Archi? des
Seminars aufbewahrt werden.
Zara. Der Weltpriester und Snpplent am dortigen Gymnasium
Johann Danilo ist zum wirklichen Gymnasiallehrer daselbst ernannt.
Zittau. Zum Director des dortigen Gymnasiums ist der bisherige
Conrector K ä m m e 1* gewählt und bestätigt , der Tertius Lachmann
in das Conrectorat angeruckt.
Todesfälle.
Am 27. August starb zu München der geistliche Rath und vormalige
Studiendirector und Professor der Philosophie zu Amberg, Max im i
lian Furtmair.
Im September zu Karlsbad auf der Rückreise von Marienbad der Ober-
consistorial*Vicepraesident Comthur Johann August Nebe aus
Bisenach, bekannt als paedagogischer Schriftsteller.
Am 19. September zu Egern am Tegernsee Dr. Joseph Ennemoser,
praktischer Arzt, bekannt durch seine Untersuchungen über den
Magnetismus, geb. 15. Novbr. 1787 zu Hintersee im tirolischen
Landgericht Passeyer.
Am 2. October zu Frankfurt an der Oder der Professor am dortigen
Gymnasium Karl Stange, im 63n Lebensjahre.
Am 4. October zu Düren, seiner Vaterstadt, Dr. Wilhelm Esser,
ordentlicher Professor der Philosophie an der k. Akademie lu Mun-
ster, 50 J. alt.
Am 8. October zu Leipzig der ordentliche Professor der Theologie au
der dortigen Universität Dr. Karl Gottfried Wilhelm Theile,
geb. 25. Febr. 1799 zu Grofskorbetha bei Merseburg.
An demselben Tage zu Potsdam der pensionierte k. preuss. Geh. Re-
gierungsrath Dr. Friedrich Heinrich Wilhelm Lange, früher
Provincialschulrath in Berlin, im 69n Lebensjahre.
Am 9. October auf der Rückreise yom Frankfurter Kirchentage Wil-
helm Friedrich Rinck, Pfarrer in dem badischen Dorfe Grea-
zach, Verf. der Prolegomena ad Aemilium Probum (vor K. L. Roths
Ausgabe) und des noch unvollendeten Werks : die Religion der Hel-
lend (Zürich 1853. 54), £eb. 9. Octbr. 1793, seit 1835 in GrenMch.
Am 16. October zu GreifowaB der Prorector am dorti^n Gymnasium,
Prof. Dr. Hermann Paldamus, im 52n Lebensjahre.
Am 22. October zu Lütielflnh Im Emmenthal in der Schweiz Pfarrer
576 VorlesungeD für das Wintersemester 1854 — 55.
Albert Bitzius, der anter dem Namen Jeremias Gotthelf
bekannte and beliebte Volksschiiftsteiler, geb. 1797 im Pfarrfaaiue
zu Murten, seit 1832 in Lutzelflüli.
Am 28. October za Leonberg in Württemberg Dr. Heinrich Fried-
rich Otto Abel, Priyatdocent der Geschichte an der Universität
Bonn, im 30n Lebensjahre.
Am 2. November zu Frankfurt am Main Dr. phil. Joseph Ritter von
Xvlander, k. bayrischer Generalmajor, Verf. mehrerer sprach-
wifsenschaftlicher Werke, geb. 4. Februar 1794 in Manchen.
Am 11. November zu Tübingen der emeritierte Ephorus des evangeli-
schen Seminars in Urach von Kostlin, Ö9 J. alt.
Am 18. November zu Edinburg Eduard Forbes, Professor der Na-
turgeschichte an der dortigen Hochschule, bekannt durch seine
Reise nach Kleinasien, 39 J. alt.
In der Nacht vom 24. zum 25. November zu Crottdorf bei Magdeburg
Dr. Anton Wilhelm Ferdinand Briisse, Oberlehrer am Col-
nischen Realgymnasium zu Berlin, im 45n Lebensjahre.
Verzeichnis der auf den Universitäten Deutschlands und
der Nachbarländer für das Winterhalbjahr 1854 — 1855
angekündigten Vorlesungen, so weit sie in die classische
Philologie und die übrigen zur Gymnasialpaedagogik
gehörenden Wissenschaften einschlagen.
Zusammengestellt von A. Fleckeisen.
(Die mit * bezeichneten Vorlesungen werden unentgeltlich gehalten.
Die in Parenthese hinzugefugte Zahl bezeichnet, in wie viel Stun-
den wöchentlich die betreffende Vorlesung gehalten werden solL)
Basel* Bernoulli: Mechanik (4). Brömmel: Geschichte der
Romer (3). Allgemeine Geschichte seit 1815 (3). Principien der Staats-
lehre (1). Burckhardt: Einleitung in das Studium der Geschichte (2).
Alte Geschichte bis auf die Diadochen (4). E c ke rt : Integralrechnung'r 2).
System der neuern Geometrie und Algebra (3). Analytische Geometrie (2).
Gerlach: romische Litteraturgeschichte (3). Tacitus Agricola (2).
Lateinische Interpretier- und Disputierubungen (2). Girard: fran-
zösische Litteraturgeschichte des 17n Jahrh. (3). FranzosiBche Stil-
übungen (l). Grimm: deutsche Staats- und Rechtsgeschichte (3).
Mähly: Euripides Medea (2), Griechische Geschichte vom Tod Alex-
anders bis zum Fall Korinths (2). MeiTsner: Zoologie (4). P. Me-
rian: Geologie (3). R. Merlan: höhere Mathematik. J. J. Merian:
griechische Lyriker (2). Römische Staatsalterthümer (3). A. Mfiller:
Mineralogie (3). Picchioni: italiänische Grammatik (2). Ital. Stil-
übungen (2). Dantes Holle (2). Preis werk: hebraeische Grammatik
(3) mit schriftlichen Uebungen (1). Hiob (3). Reber: Schweizerge-
schichte des 18n Jh. (2). Entwicklung der schweizerischen Aristokra-
tien (2). Roth: Horatius Episteln (3). Demosthenes vom Kranz (2).
Schönbein: unorganische Chemie (0). Elektrochemie (3). J. J. Stä-
hclin: cursorische Erklärung leichter Stellen des A. T. (2). Erkl. der
auf Archaeologie sich beziehenden Stellen des A. T. (1). Geschichte der
Israeliten bis zur Zerstörung des 2n Tempels (3). Chr. Stähelin:
Vorlesungen fttr das Wintersemester 1864 — ^55. 577
iBathematitche Physik (2). Steffensen (wird seine Vorlesungen nber
Philosophie später anzeigen). Streuber: Plinias Briefe (2). Latei-
nische und griechische Interpretier- und Stilübungen (2). Vis eher:
Piatons Symposion (3). Griechische Litteraturgeschichte bis auf Alexan-
der (3). Wackernagel: deutsche Litteraturgeschichte bis zum Schlufs
des Mittelalters (4). Deutsche Metrik (2). Widemann: Experimen-
talphysik (4).
Berlin. Althaus: * Darstellung und Kritik der Grundlehren der
Hegeischen Philosophie (1). Logik und Encydopaedie der philosophi-
schen Wifsenschaften (4). Allgemeine Geschichte der Philosophie (4).
Arndt: analytische Geometrie und deren Anwendung auf die Linien
und Flachen der 2n Ordnung (3). Analytische Mechanik (4). Die Gau-
fsische Kreistheilung mit verschiedenen Anwendungen (3). Beetz:
über GalvaniBmus und Magnetismus (3). Bekker: "^Isokrates (2).
F. Benary: * Daniel (2). Genesis (5). A. Benary: Tacitns Histo-
rien (4). Berner: Rechtsphilosophie (4). Beyrich: Versteineruncs-
kunde (4). Bockh: * Sophokles Oedipus auf Kolonos und Leitung der
übrigen Uebungen im philologischen Seminar (2). Griechische Littera-
turgeschichte (5). Piatons Republik mit einer Einleitung in Piatons
Schriften und Philosophie (4). Botticher: '^die Tempel der alten Volker
in architektonischer und archaeologischer Hinsicht (2). Bopp: '^Hitd-
pad^s'a (1). Vergleichende Grammatik des Griech., Latein, und Deut-
schen (3). Sanskritgrammatik (3). Borchardt: Algebra (4). C a s p a r y :
allgemeine Botanik (4). Clausius: Akustik, Optik und die Lehre
des Magnetismus und der Electricität (4). Curtius: ^^ectüsche Epi-
graphik (1). Alte Länder- und Volkerkunde mit bes. Rucksicht auf die
Topo^phie von Kleinasien, Griechenland und Italien (5). Cybulski:
* die ältesten Denkmäler der slawischen Sprache (2). Slawische Alter-
thümer (3). von Daniels: deutsche Staats- und Rechtsgeschichte (4).
C. F. G. Dieterici: Statistik des preussiM^hen StaaU (4). F. Die-
terici: * Culturgeschichte der semitischen Völker (2). '^Josua (1).
Lejeune-Dirichlet: * einige Anwendungen der Integralrechnung (I).
Lehre von den Kräften, welche im umgekehrten Verhältnis des Quadrats
der Entfernung wirken, und die Anwendung dieser Lehre auf physi-
kalische Probleme (3). Dirksen: * Pandektentitel de origine turit (2).
Institutionen und Rechtsalterthümer (6). Geschichte des rom. Rechts (4).
Dove: * Meteorologie (2). Experimentalphysik (8). Encke: theorische
Astronomie (4). Erman: *die elektrischen und magnetischen Erschei-
nungen nach ihrem theoretischen Zusammenhaue (1). Physik der Erde
oder theoretische Zusammenstellung der geograpnischen Thatsachen (2).
F a b b r u c c i : * Geschichte der italiänischen Litteratur (3). Tassos be-
freites Jerusalem, nebst einigen Nachrichten über die epische Dichtkunst
der Italiäner bes. vor Tasso. Franceson: * über die französische
Tragoedie (1). George: *Principien der Naturphilosophie mit bes.
Rücksicht auf Humboldts Kosmos (2). Logik und Metaphysik (4). Ps;^-
chologie und Anthropologie (4). Geppert: *Terenz Andria (2).^ Romi-
sche Litteraturgeschichte (4). Gernard: '^auserlesene Abschnitte des
Pausanias (1). Archaeologie der griechischen Kunst (4). Archaeologische
Uebungen (2). Gosche: * spanisch - arabische Culturgeschichte (2).
Allgemeine Litteraturgeschichte (4). Gruppe: * Geschichte der Logik (1).
Logik und Encyclopi^ie der Plulosophie ^3). Guhl: * Geschichte der
neuern Kunst (1). Allgemeine Kunstgeschichte (4). Encydopaedie der
Kunstvrifsenschaften (4). von der Haeen: * deutsche und nordische
Mythologie (2). *Der Nibelungen Lied (2). Litteraturgeschichte des
Mittelalters und der neuem Zeit (3). Haupt: * Lucretius im philoloff.
Seminar (2). *Tibullus Eleeien (2). Lieder von den Nibelungen ^4).
Uias (4). Hei ff er ich: * Methode des akademischen Studiums (1).
578 Vorlesuogeo für dag Wintersemester 1854 — 55.
Geschichte der neuem Philosophie (4). Anthropologie and Psychologie
(4). Hengstenberg: Jesaias (5). von Henning: Hecbtspliiloso-
phie (4). Hertz: * römische Priyatalterthümer (2). Römische Littera-
turgeschichte (5). Ciceros Reden für Sestios and gegen Vatinios (4).
Heydemann: Rechtsphilosophie (4). Hirsch: Geschichte der neusten
Zeit bes. seit 1814 (4). Homeyor: deatsche Staats- und Rechtsge-
schichte (4). Hoppe: Integralrechnung (4j. Analytische Geometrie (3).
Theorie der elliptischen Functionen (4). Hotho: * Geschichte der flan-
drischen Malerschulen im 15 n Jh. (2). Aesthetik (4). von KeHer:
* berühmte Civil- und Criminalrechtsfölle bei den Römern (1). Kirch-
ner: über Shakspeares Dramen (1). Allgemeine Geschichte der Poesie
(4 ). Klug:* Entomologie (2). Koch:* Pflanzengeographie (2). K ö p k e :
* Geschichte der deutschen Litteratur seit dem Ende des i8n Jh. (2).
Neuere Geschichte (4). von Lancizoll«*: * allgemeine Geschichte der
deutschen Landstände (1). Lepsius: *aegyptische Geschichte (1).
Aegyptische Grammatik (3). Aegyptische Denkmäler nach publiciertea
und unpublicierten Zeichnungen (1). Lichtenstein: allgemeine Zoo-
logie (0). Mä reker: *Lucretius (1). * Rhetorik mit Uebungen (2).
Geschichte der alten Philosophie (4). Magnus: Experimentalphysik (5).
Mafsmann: * Geschichte der Paedagogik des l(5n und 17n Jh., bes. des
Wolfgang Ratichius (2). Aeltere deutsche Litteraturgeschlchte (4).
Aeltere deutsche Sprachdenkmäler vom Grothischen an (4). Handschrif-
tenkunde. Michelet: Logik und Encyclopaedie der philosophischen
Wifsenschaften (4). Rechtsplulosophie (4). Mitscherlich: Experi-
mentalchemie (6). Pflanzen- und Thierchemie (3). F. H. Müller:
* allgemeine Geschichte der Geographie und der Entdeckungsreisen (2\
Geographie und Ethnographie von Europa (4). Mallach: *Erotokritos
des Vikentios Kornaros (2). Neugriechische Grammatik mit Geschichte
der griech. Sprache (4). Ohm: * höhere Gleichungen (2). Höhere Al-
gebra und Analogie des endlichen (4). Panofka: * Nutzen der Denk-
mälerkenntnis zum Verständnis der griechischen Dichter (1). Mythologie
der Griechen und Römer (4). Poggendorff: * allgemeine Geschichte
der Phvsik seit Galilei2(2). Pringsheim: Anatomie, Entwicklungs-
geschichte und Physiologie der Pflanzen (4). Ranke: deutsche Ge-
schichte (4). von Raumer: alte Geschichte (4). Ritter: allgemeine
Erdkunde (4). G. Rose: * Krystallographie (1). MineraJoeie (5). H.
Rose: Experimentalchemie (6). Rudorff: * römischer CiviTprocessr2).
Institutionen und Rechtsalterthümer (0). Geschichte des röm. Rechts (4).
F. G. Schultz: *Exodus (2). Psalmen (5). SoUy: *Geschichte der
englischen Litteratur seit dem 17nJh., Forts. (1). Cursus der engl
Sprache (2). Sonnenschein: analytische Chemie mit Versuchen (9).
Steiner: * ausgewählte Capitel der Geometrie (1). Erläuterung der
neusten Methoden der synthetischen Geometrie (4). Straufs: * biblische
Geographie (1). * Kirchliche Archaeoiogie (2). Tölken: *die Prin-
cipien archaeologischcr Kritik über die I^htheit der Kunstdenkmäler (1).
Aesthetik (4). Trendelenburg: * Aristoteles über die Theiie der
Thiere Is Buch (2). Psychologie (4). Allgemeine Geschichte der Phi-
losophie (4). Uhlemann: Grenesis (4). Vatke: * Geschichte der Re-
ligion des A. T. (1). Jesaias (6). Waagen: * allgemeine Kanstffe-
schichte seit 1780 (1). Allgemeine Kunstgeschichte (4). Watte nbach:
*fiber Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter (2). Geschidite
des Mittelalters (4). Weber: * indische Litteraturgt>schichte (2). Suis-
kritgrammatik (3). Zend- o 'er Päligrammatik (2). Stücke aus. dem
Veda (3). Ein indisches noch zu bestimmendes Drama (3). Weifs:
Mineralogie ((>)• Werder: Logik und Metaphysik mit kritischer Rück-
sicht auf die bedeutendsten altern und neuem philosophischen Systeme
(4). Psychologie und Anthropologie (4). Wollheiro da Fonseca:
VorlMongen fttr das Wintergemester 1864 — 55. 579
* Diplomatie der alten Volker des Orients. Indische Mythologie (3).
Krijäjogasära, ein Sanskritwerk (2).
Bern. B r u n n e r (o. P.) : allgemeine Chemie Ir Th. i C). Chemische
Analyse (0). Brunner (a. P.): Experimentalphysik IrThL (5). Repe-
titonom der Chemie (3). Eckard t: deatsche Litteraturgeschichte des
18n Jh. (3). Theoretisch -praktische Anleitung zur Redekunst (3). Sti-
listische Uebungen ( 1). Grandzuge der Aesthetik (i). Fischer: Grund-
sage der Anatomie und Physiologie der Pflanzen (2). Anleitung zur
Kenntnis' der Kryptogamen (2). Hahn: Anfangsgrande der englischen
Sprache (2). Engl. Sprache and Litteratar (2). Shakespeare Macbeth (2).
Henne: Ethnographie (3). Vorgeschichte und hellenische Geschichte (^4)»
Allgemeine Geschichte seit 1840 (4). Jahn (a. P.): Eoripides Hecuba
(3). Thukydides ausgewählte Reden (3). ^Ciceros ausgewählte Briefe
i3). * Ausgewählte Abschnitte aus Tacitus Annalen und Historien (3).
)ante Tinfemo (3). Shakespeare Othello (3). Jahn (Docent): Cicero
de re publica (2). Perty: allgemeine Naturgeschichte (3). Zoologie (6).
Pfotenhauer: Institationen (0). Rettig: Piatons Symposion (3).
Exegetische Uebungen (1). Ries: Logik (5). Religionsphilosophie (ö).
Creschichte der Philosophie seit Kant (5). Schläfli: Elemente der
Mathematik (2 — 3). Analytische Geometrie (3). Differential- und
Integralrechnung (4). Darstellende Geometrie und Perspective (2).
Analytische Mechanik (4). G. Studer: Hieb 1 — 31 ^5). Hebraeische
Interpretationsübang (3). B. Studer: Mineralogie (6>. Physikalische
Geographie (4). Repetitorium der Physik (2). Wolf: ebene und sphae-
rische Trigonometrie (2). Populäre Astronomie (2). Wyfs: Paeda-
gogik (4).
Boiiii. Argelander: '^uber Reduction der scheinbaren Fixstem-
orter (2). Elemente der Astronomie (4). Arndt (a venerabili senec-
tute excusatus otiabitnr). Beckhaus: y ergleichende Interpretation der
Institutionen des Justinian und des Gaius (5). Beer: * ausgewählte
Capitel der mathematischen Physik (1). Analytische Geometrie des Ran-
mes (4). Bergemann: * organische Chemie (2). Experimentalchemie (6).
Bischof; '^ausgewählte Capitel der Geologie (2). Analytische Experi-
mentalchemie (0). Bleek: Jesaia r5). Bluhme: * Gaius Institationen
(1). Institutionen und Qnellenkunde des römischen Rechts (0). C. A.
Brand is: Geschichte der alten Philosophie (4). Psychologie (4% D.
Brandis: * Erziehung der Pflanzen (2), Brunn: ^Plinius N. H. B.
34 — 36 in Beziehang auf Kanstgeschidite (2). Systematische Archaeo-
logie zugleich als archaeologische Encyclopaedie (3). van C alker:
'^Encyclopaedie der Philosophie (2). Logik (4). Psychologie (4).
Aesthetik. Clemens: Rechtsphilosophie (4> Logik (4). D a^ilm a n n :
* Abschnitte der skandinarischen Geschichte (1). Politik (4X Deatsche
Geschichte seit Karl V (4). Deiters: deatsche Staats- und Rechts-
geschichte (6). Delius: ^Shaksperes Heinrich V (2). Englische Litr
teraturgeschichte (5). * Sanskrit. Diestel: * hebraeische Uebungen.
Diez: ^Cervantes Numancia ^2). Elemente der althochdeutschen Sprache
(2 — 3). Gothische Grammatik (2). Italiänische Sprache (3). Engen
^Elemente des Chaldaeischen (2). Erklärung des hohen Liedes (2).
Fischer: Geschichte der neuem Philosophie seit Cartesius (4). Frey-
taff: hebraeische Grammatik mit Uebungen (4). Hälschner: Rechto-
phiiosophie (5). Deutsche Rechtsgescluchte (5). Hasse: * Geschichte
des Heidenthnms (4). Heim so th: '^Aristoteles Poetik (2). Piatons
Protagoras (4). Heine: * ausgewählte Capitel der Mathematik (1).
Differential- und Integralrechnung (6). Knoodt: * die Hegelsche und
Herbartsche Philosophie (2). Logik (5). Paeda^ogik (3). Lange:
* Entwicklung der aJttestamentlichen Theokratie, fnr Zohorer aus afien
Facoltäten (2). Lassen: * Elemente des Sanskrit (2). ^Benfeys Sans-
580 Vorlesmigen für das Wintersemester 1864 — 65.
krit- Chrestomathie (2). Alterthumer der vorderafliatischen Volker, bes.
der Iranier (5). Lobell: Einleitung in das Studium der alten Ge-
schichte (4). Monnard: * neuere französische Litteraturgeschichte (2).
Moll^res ausgewählte Lustspiele (3). Theoretisches und geschichtlicnes
Studium der franzosischen Sprache mit praktischen Uebungen und An-
wendungen auf die Lehrmethode. Nadaud: * Voltaires Mahomet (2).
Franzosisches Conversatorium mit Stilubungen (3). Franz. Grammatik
mit Sprechfibungen (3). Noggerath: Geologie (4). Ot erbeck; Da-
niel (2). PI u CK er: * ausgewälilte Capitel der mathematischen Physik
(2). Experimentalphysik (0). Analytische Mechanik. Radike: ^Me-
teorologie (2). Elementarmathematik (4). Analysis des endlichen und
höhere Algebra (4). Reu seh: Isaias (3). von Riese: *äber Erd-
magnetismus (1 — 2). Wahrscheinlichkeitsrechnung nebst Anwendun-
gen (4). Ebene und sphaerische Trigonometrie (2). F. Ritschi: * ge-
schichtliche Entwicklung der metrischen Kunst bei den Alten (1). * Ci-
ceros Brutus im philologischen Seminar (2). Plautus Trinummus (4).
Ritter: ^Tacitus über die Redner (2). Romische Alterthumer (4).
Römer: '^Geognosie des nördlichen Deutschlands (1). Geognosie (5).
Schmidt: *über das metrische in den Chorgesängen der griechischen
Tragoedie (2). Demosthenes Rede vom Kranz nebst Geschichte der
griech. Beredsamkeit (4). Schopen: ^Horatius Episteln (2). Seil:
* Justinians Institutionen verglichen mit den Commentarien des Gaius (2).
Institutionen und Quellenkunde des römischen Rechts (0). Simrock:
* Grundzuge der deutschen Metrik (2). Geschichte der deutschen Sprache
und Litteratur (5). Springer: Geschichte der Architectur mit prakti-
schen Uebungen ^2). Archaeologie und Geschichte der christlichen
Kunst (4). Treviranus: * allgemeine Geschichte der kry ptogamischen
Gewächse (2). Anatomie und Physiologie der Gewächse (3). T rose hei:
* Naturgeschichte der Mollusken (2). Populäre allgemeine Naturge-
schichte (4). Ueberweg: *die Philosophie Uerbarts (1 — 2). Logik (4).
Walter: '^ Rechtsalterthümer im Gedicht 'Reineke Vos' (1). Römische
Rechtsgeschichte (5). Welcker: * homerische Hymnen im philolog.
Seminar (2). Die lyrischen Fragmente der Griechen mit Einleitung
über die gesäumte Geschichte der lyrischen und die Anfänge der dra-
matischen Poesie (5). Wessel: * Klimatologie und Meteorologie (2).
Vergleichende Geographie von Europa (4).
Braunsberg (Lyceum Hosianum). Beckmann: Sophokles Aias (2).
Cicero de re publica (3). Justinus M. Apologien (2). Geschichte Ton
Wermeland (2). Fei dt: Einleitung in die Analysis des unendlichen
und geometrische Uebungen (2). Experimentalphysik (2). Elemente
der Astronomie (2). Junkmann: allgemeine Geschichte von Christi
Geb. an (3). Alte Geschichte von Alexander M. an (1). Geschichte
der Colonien, sowohl weltlicher als geistlicher (i). Geschichte der
Poesie bei den christlichen Völkern (1). Krüger: Genesis (3). Sacra!-
alterthumer der Hebraeer (2). Trütschel: Metaphysik (5). Logik (5).
Aristoteles Bücher über die Seele.
Breslau. Ab egg: Rechtsphilosophie (5). Ambrosch: *philolo-
gisch- antiquarische Uebungen geknüpft an Ovids Frästen (2). ^ Ueber
cn Tempelbau der classischen Völker (1). Erklärung des homerischen
Hymnus an Demeter nach Betrachtung der Mysterien von Eleusis (2).
Ciceros Miloniana nach Darstellung des altrömischen Criniinalprocesses (3).
Beb n seh: * Shakespeares Hamlet (2). Grammatische Einleitung in das
Studium der englischen Sprache (3). Angelsächsische Grammatik (1).
Bernays: * Entwicklungsgeschichte der griechischen Beredsamkeit und
Aristoteles Rhetorik (2). '^Philologische Unterhaltungen. Böckel:
* Bossuets oraisons fun^bres (2). Uebungen im Französischsprechen
und -schreiben (2). Branifs: Psychologie und Logik (5). Geschichte
Vorlesungen f&r das Wintersemester 1854 — 55. 581
der Philosophie (5). * PhiloMphisches Dispntatoriiim (2). Caner: Ge-
schichte der Römer (4). Cohn: "^ Entwicklangsgeschichte der Pflanzen
(2). Die natürlichen Pflanzen familien der europaeischen Flora (4).
Cornelius: * Dante und sein Zeitalter (1). Deutsche Geschichte (4).
D u f 1 o s : * Elemente der analytischen Chemie (2). Elvenich; Ge-
schichte der neuem Philosophie seit Cartesius (4 — 5). * Philosophisches
Diipntatorittm (2). Franlcenheim: * Meteorologie (1). Optik (3).
^Physikalische Uebnngen (i), Galle: * über mechiuiische Quadratur (2).
Theorische Astronomie (4> Glocker: *die vnlcanischen Erscheinun
gen (1). Geologie und Geognosie (3). GÖppert: * kryptoganusche
Uewächse (2). Anatomie und Physiologie der Gewächse (3). Grog er:
'^ Geist des classischen Alterthums. '^Charakteristik des 19n Jh. in Be-
zug auf Religion, Philosophie, Staat, Kunst Haase: ^Üebungen des
phuologischen Seminars (4). Thukydides 3s Buch nebst Einleitung über
Leben und Charakter desselben (4). Römische ^tteraturgeschichte (6).
Husch ke: "^Geschichte des romischen Civilyerfahrens (2). Geschichte
und Institutionen des rom. Rechts (12). Kahlert: *uber Schiller und
Goethe (1). Aesthetik (3). Körber: allgemeine Naturgeschichte im
Grundrifs (4). Kummer: * über bestimmte Integrale und unendliche
Reihen (2). Analytische Geometrie (5). Differentialrechnung (4). LÖ-
wig: * qualitative anal3rtische Chemie (1). Unorganische Experimentai-
chemie(6). Magnus: *chaldaeische Grammatik mit Uebnngen im Ueber-
setzen (2). Hebraeische Grammatik mit mündlichen Uebungen (3).
Marochetti: *Cesare Cantü Universalgeschichte (2). Anfangsgrunde
der italianischen Sprache (2). Middeldorpf: Jesaias 2r Thl. (5 — 6).
Movers: »biblische Archaeologie IrThl. (3). Psalmen (3). W. Neu
mann: Psalmen (5). Biblische Alterthümer (3). C. H. Neumann:
"* Bücher Samuelis (3). Hebraeische Grammatik (3). Oginski: * Ge-
nius des Sokrates (1). Ethik (3). Pe ucker: * neugriechische Gram-
matik (2). * Biographie des Adamantios Korai (2). R ä b iger: *Hoseas (2)«
Reuter: * christliche Religionslehre für die evangelischen Commilitonen,
vornehmlich für die Studierenden der Philologie (2). Röpell: »Uebnn-
gen des historischen Seminars. Geschichte der alten Welt (5). Rückert:
* Nibelungenlied (2). Deutsche Grammatik (4). Angelsächsisch. Rum-
pelt: »neuere deutsche Litteraturgeschichte (2). Gothische Grammatik
und UlfUas (2). Scharenberg: * Krystallographie (2). Mineralogie (4).
Palaeontologie (3). Seh mölders: »Sanskrit- Schriftsteller (2). Schnei-
der: »Uebnngen im philolog. Seminar (4). Schwierigere Stellen in
Caesars Commentarien (2). Sil nzel: »Geschichte der Botanik mit
biographischen Umrifsen der bedeutendsten Botaniker (1). Allgemeine
Terminologie der Botanik (2). Stenzler: »Sanskritsprache 2r Cnrsns
(2). » Vergleichende Darstellung der lateinischen und Sanskrit-Formen-
lehre (2). Suckow: Grundzüge der Erziehung und des Unterrichts in
wifsenschaftlichem Zusammenhange (3). Tellkampf: Statistik der
wichtigsten Staaten (4). Wagner: »Uebungen im Lateinsprechen
und -schreiben (2). Griechische Litteraturgeschichte (0). Wuttke:
» christliche Religionsphilosophie (2).
DoRPAT (Semester vom 30, Juli — 19. Decbr. 1854). Asmufs:
kritische Revision der Reptilien (6). Bunge: systematische Botanik (3).
Buraschi: italianische Sprache (2). Clemenz: lettische Formenlehre
(2). de Corval: französische Syntax und Boileau (2). De de: Sta-
tistik Ru fslands (.')). Englische Sprache und Litteratur (2). G r e w i n g k :
Geognosie (5). Grube: allgemeine Zoologie (6). Helmling: Elemen-
tanuathematik (5). Differential- und Integralrechnung Ir Thl. (4).
Kamtz: Physik 2r Thl. (3). Galvanismus (3). Keil: messianische
Weissagungen des A. T. (5). Madler: sphaerische Astronomie (3).
Theorische Astronomie (3). Merck lin: Geschichte der alten Kunst (M.
582 Vorlesangen für dag Wintersemegter 1854'-ö&.
Demotthenes Rede toid Kranz (3). Apollodon Bibliothek mit Uebnngeii
im Lateinschreiben und DLipntieren im paedagogisch-philoloeischen
Seminar (2). Mickwitz: esthnische Syntax (2). Mindiag: Theorie
der höheren Gleichungen (3). Theorie der Zahlen (3). Gesetze der
Warroeieitung (2). Neue: griechische Litteratnrgeschichte (4). Aristo-
phanes Frösche (3). Virgilius Georgica (3). Ovidius Ibis mit Uebangeo
im Lateinschreiben und Disputieren im paedagoffisch - philologischen
Seminar (2), Otto: deutsche Rechstgeschichte (5). Pawlowskyj
russische Sprache (6). Rathlef: Geschichte des Alterthums (5). Römi-
sche Geschichte (3). Riemenschneider: Geschichte der neuem den^>
sehen LiUerator von 1720 — 1794 (2). Gothische und althochdeutsche
Sprachdenkmäler (1). Rosberg: Erläuterung russischer Dichter (5).
Russische Litteraturgeschichte (1). Uebungen in der russ. Sprache im
paed. - philol. Seminar (1). Schmidt: allgemeine Chemie Ir Thl. (5).
Geschichte der Chemie Jl). Strümpell: Psychologie (4). Metaphysik
(4). Geschichte der Paedagogik im paed. - philol. Seminar (i).
Erlangen. Böttiger: * Statistik, allgemeiner Thl. ^2). Geschichte
der neuern und neusten Zeit 1500 — 1850 (4). Geschichte Deutsch-
lands und der Deutschen (4 ). Brinz: Institutionen und innere Rechts-
geschichte (8). Delitzsch: ausgewählte Psalmen mit bes. Rucksicht
auf hebraeische Grammatik (4). * Kleine Propheten im exegetischen
Seminar (2). Döderlein: * Uebungen des philologischen Seminan«
Ausgewählte Satiren und Episteln des Horatius. Römische Litteratur-
geschichte. Fischer: * Entwicklungsgeschichte des deutschen Greistes
von der Reformation bis auf die Gegenwart. * Methodologie des aka-
demischen Studiums. Speculative Ethik und Religionsphilosophie. Hey-
der: Logik und Metaphysik (4). Geschichte der neuern Philosophie
von Cartesius bis Hef;el (4). Kastner: * Gesammtnaturwifsenschalt.
^Greschichte der Physik und Chemie. Allgemeine Experimentalchemie
(5). Nägelsbach: ^Yirgils Aeneide und lateinische Stilubungen im
philologischen Seminar. Aeschylps Choephoren und Eumeniden (4^.
Geschichte der griechischen Theologie (4). Pf äff: * Krystallographie
(2). Creognosie und Greologie (4). K. von Raumer: allgemeine Na-
turgeschichte. Ueber Bacos Novum Organum. R. von Raumer: Ge-
schichte Europas und seiner Colonien seit 177(5. Mittelhochdeutsche
Sprachproben. Rosenhaner: * Ornithologie (1). Repetitoriam aber
Zoologie (2 — 3). Spiegel: vergleichende Grammatik der indogerma-
nischen Sprachen (3). Altpersisdie Grammatik, Erklärung der Keil-
inschriften und des Vendidad. von Stiudt: analytische Geometrie (4).
Algebraische Analysis. Will: Anthropologie und Psychologie (4). All-
gemeine Naturgeschichte (4). Winterling: Shakspeares Macbeth.
Freiburg im Breisgau. von Babo: unorganische Chemie ^6).
Baumstark: erlesene Reden des Thnkydides und Leitung der philo-
logischen Uebungen im philol. Seminar (2). Greschichte der griechischen
Prosa (3). Cicero de legibus (3). Bergk: Virgils Aeneide and Lei-
tung der philolog. Uebungen im Seminar (2). Mythologie der Griechen
und Römer (4). Aeschylos Prometheus (2). Ecker: Zoologie (4).
Eisengrein: aligemeine Botanik (4). Fischer: Mineralogie (4).
Fritschi: über Humboldts Kosmos (4). GfrÖrer: alte Greschichte (4).
Geschichte von 1650 — 1740 (4). Geschichte der neuem Zeit seit 1740
(4). König: hebraeische Sprache, Anfangsgrunde mit mundlichen und
schriftlichen Uebungen (2). Buch Job (4). Muller: Experimental-
physik Ir Thl. (4). Meteorologie (2 — 3). Nägel i: allgemeine BoU-
nik (')). Ueber Kryptogamen (4). Oettinger: Arithmetik und Alge-
bra (r>). Mechanik (4). Analytische Geometrie (2). Schmidt: Insti-
tutionen und äufsere Rechtsgeschichte (0). Sengler: Einleitung in
die Philosophie und Encyclopaedie der philosophischen Wifsenschaften
VorlesoDgen far daf Winters^nesler 1854—55. 583
(4). Geschichte der Philosophie des Alterthnms und des Mittelalters (4).
Singer: neuere Sprachen. Stolz: Paedagogik (3). Ton Woringen:
Rechtsphilosophie (5).
GiESSEM. Adrian: italianische Litteratur (4). Dante diyina com-
media (2). Shakespeare Hamlet (2). Boileau art po^tiqne (2). BaQr:
Genesis (5). Paedagogik (3). Birnbaum: Naturrecht (5). Brau-
bach: über das Princip der Paedagogik (1). Aesthetik und Organismus
der Sprache (2). Buff : Mechanik (6). Mechanischer Theil der Physik
(2). De urer: Institutionen und Rechtsgeschichte (74). Dieffenbach:
Geognosie und Petrefactenkunde (5). von Heimelt: Institutionen (6).
Römische Rechtsgeschichte (5). ^RomiBcher Civilprocess (2). Hoff-
mann: allgemeine Botanik und Pflanxenphysiologie (4). von Klip-
stein: Geologie (5). Knobel: *Jona (1). Die kleinen Propheten (5).
Kopp: * Meteorologie (2). Theoretische Chemie und chemische Berech-
nungen (4). Leuckart: allgemeine Naturgeschichte der Thiere und
Pflanzen (4). Lutterbeck: griechische Mythologie (4). Metrik (2).
"^ Piatons Kritias (2). Neuner: Institutionen und Rechtsgeschichte (74)*
Geschichte des romischen Privatrechts und Ciyilprocesses (5). Osann:
* Vellejus Paterculus im philolog. Seminar (2). Philologische Bncyclo-
paedie (4). Otto: ^Apoilonius Rhodius im philologischen Seminar (2).
Historisch- kritisch -philosophische Einleitung in die Schriften des Ci-
cero (3). Römische Litteraturgeschichte (6). Auseewahlte Proben der
rom. Poesie (2)« Rieger: ^Tacitus Nachrichten iiber deutsches Alter-
thum (2). NibelungenUed (3). von Ritgen (Sohn): * Kunstarchaeo-
loffie des Mittelalters (2). Geschichte der Baukunst (4). Rofsmann:
* Morphologie der Pflanzen (1-^2). Angewandte Botanik (4). Schäfer:
Geschichte der neuem Zeit (4). Culturgeschichte des Mittelalters (2).
Geschichte der romischen Staatsverfafsung in der Kaiserzeit (2). Schil-
ling: * Einleitung in die Philosophie (2). Psychologie (4). Geschichte
der neuern Philosophie (3). Schmid: Logik (2). Geschichte der alten
Philosophie (3). Philosophie des Mitteldters (2). Umpfenbach:
reine Mathematik (4). Algebra (3). Trigonometrie und Polygonometrie
(3). Differential- und Integralrechnung (5). Populäre Astronomie (2).
Vullers: hebraeische Grammatik mit schriftlichen Uebungen und Er-
klärung ausgewählter Stücke ans dem Pentateuch (5). Sanskritgram-
matik (3). KigYeda (2). Wasserschieben: deutsche Staats- und
Rechtsffeschichte (5). Weigand: '^Karl der Grofse und seine Zeit (1).
Deutsche Litteraturgeschichte (3). Reineke Yoa (2). Will: Expen-
mentalchemie (74). Z a m m i n er : analytische Geometrie (3). * Politische
Arithmetik (2). Experimentelle Akustik (1). Polarisation und Doppel-
brechung des Lichts (1).
GÖTTIN G£N. Aeeidi: * Verfafsungsgeschichte des deutschen Reichs
(1). Benfey: * Sanskritgrammatik (3). Sanskritchrestomathie (2). Ver-
gleichende Grammatik der indogermanischen Sprachen (4). Berthean:
Genesis und ausgewählte Capitel ans den übrigen Büchern des Penta-
teuch (5). Geschichte und Theologie der Propheten des A. T. (3).
Bialloblotsky: bibliiche Geographie und Reisen (4). Psalmen nebst
Yergleichnng der ältesten und neusten (der hebraeischen und englischen)
Sprache. Shakespeares historische Tragoedien. Bodemeyer: ^Gains
4s Buch (2). Institutionen (5). Ronusche Rechtsgeschichte (5). B o h t z :
Aesthetik (4). DeuUche Litteraturgeschichte seit Lessing (4). C^sar:
französische Litteraturgeschichte (4). Franxos. Sprache (5). Dede-
kind: * Grundsätze der Probabilitätstheorie. Analytische Geometrie (4).
Die ck hoff: *Platonismns und Christenthum (1). Elster: ^Spru-
che Salomonis (2). Ewald: Psalmen und die übrigen Oden des A. T.
(5). Finck: * Staatsalterthumer Deutschlands und der einzelnen dent-
584 Vorlesungen ffir das Wintersemester 1854 — 55.
sehen Volkenchaften. Gaufs: Methode der kleinsten Quadrate und
deren Anwendang in der Astronomie, höheren Geodaesie und Natur-
wifsenschaft (5). Grisebach: allgemeine Naturgeschichte (4). Ana-
tomie und Physiologie der Pflanzen (4). Hartmanni * Geschichte des
römischen Civilprocesses (2). Hausmann: * Geschichte und Theorie
der Vuicane (1). Mineralogie (5). Ha^emann: Geschichte der Tor-
EUglichsten europaeischen Reiche seit dem 16n Jh. (4). Braunschweig-
Ifineburgische Geschichte (4). jH ermann: * Disputierübungen im phi-
lologischen Seminar (1). Lateinische Litteratnrgeschichte (Ö). Platona
Gorgias und Menon (5). * Erklärung der alten Kunstdenkmäler im ar-
chaeologisch-numismatischen Institut (1). * Grundsätze des Schulunter^
richts im paedagogischen Seminar (2). Ho eck: romische Alterthnmer
(5). Holzhausen: hebraeische Grammatik mit Auslegung auserlesener
Stellen aus dem' Isaia (5). Lange: * Elemente der Sanskritgrammatik
(2). Vergleichende Grammatik der griechischen und lateinischen Sprache
Ir Thl., Formenlehre (5). Romische Antiquitäten (5). Lantsius-
Beninga: Naturgeschichte der kryptogamischen Pflanzen (2). Ton
Leutsch: ^Sallusts Reden und Briefe im philolog. Seminar (2). Me-
trik (5). Thuk^dides (5). Liyius Reden (5). Linipricht: organische
Chemie (5). Lion: Plutarchs Lebensbeschreibungen. Cicero de offi-
ciis. Listing: Optik (4). Krystallographie (3). Loh er: deutsche
Staats- und Rechtsgeschichte (5). Lotze: Logik und Encyclopaedie
der Philosophie (1). Psychologie und Geistesstörungen (4). Mel-
ford: englische, franzosische, italiänische und spanische Sprache. Th.
Muller: englische Grammatik mit praktischen Uebungen (4). Elemente
der angelsächsischen Sprache (2). W. Mfiller: Palaeographie und Di-
plomatik mit praktischen Uebungen (3). Auswahl aus ahd. und mhd.
Gedichten (3). Redepenning: *Joel, Micha und Habakuk (2). Rib-
b e n t r o p : Institutionen und röm. Rechtsgeschichte. R i e m a n n : Theorie
der Integration der partiellen Differentialgleichungen nebst Anwendung.
Ritter: Geschichte und Kritik der neusten deutschen Philosophie (5). Ge-
schichte der neuern Philosophie (5). R ö fs 1 e r : deutsche Staats- und Rechta-
geschichtc (4). Sartorius ▼. Waltershausen: Geologie (5). Schnei-
de w i n : *die homerischen Hymnen im philolog. Seminar (2). Homers Ilias
mit Geschichte der homerischen Poesie (5). Tacitus Annalen (3). Lateini-
sche Schreibübungen (2). Schweiger: Uebersicht der Litteratnrge-
schichte des Alterthums (4). von Siebold: ♦vergleichende Psycholo-
gie des weiblichen Geschlechts der altern und neuern Zeit mit Zugrunde-
legung von Juvenals 6r Satire (1). Stern: Analysis und Anfang*-
gründe der analytischen Geometrie (5). Tittmann: *die deutsche
Heldensage (2). Geschichte der deutschen Dichtung seit Opitz (4).
U b 1 e m an n : ♦ koptische Grammatik (2). ♦ Geschichte der verschiedenen
Hieroglyphensysteme (2). Aegyptisdie Alterthümer (4). U hl hörn:
♦Geschichte des Kirchenlieds (2). Jesaja (5). Ulrich: Differential-
und Integralrechnung nebst deren Anwendung auf Geometrie (5). Statik
und Mechanik fester Korper (5). Wagner: Elemente der vergleichen-
den Anatomie und allgemeinen Zoologie (4). Waitz: deutsche Alter-
thümer und Tacitus Germania (4). Deutsche Geschichte (5). Wap-
paeus: ♦allgemeine Bevölkerungsstatistik (1). Statistik des K. Han-
nover (2). Geographie und Statistik von Nordamerika (4). Weber:
Experimentalphysik 2r Thl. (6). Wicke: analytische Chemie (3). Wie-
se 1er: ♦auserlesene Denkmäler der alten Kunst im archaeologisch- nu-
mismatischen Institut (1). Theaterwesen der Griechen mit Analyse der
erhaltenen Dramen (3). Aristophanes Vögel (3). Wo hl er: Chemie (0).
Wolff: Gaius Is und 2s Buch (3). Th. Wustenfeld: Staats- und
Ijitteraturgeschichte Italiens von Anfang des Mittelalten (4).
Vorlesangen Tür das Wintersemester 1854 — 55. 585
Gratz. Ahrens: Einleitung in die Philosophie und psychische
Anthropologie (4). Rechtsphilosophie (5). Altherr: englische Spra-
che und Litterator (6>. Fr ah mann: hebraeische Sprache mit Ericla-
rung von Naham und Habakuk (3). Genesis (2). Biblische Archaeolo-
gie (4). Gabriel: Metaphysik (3). Geschichte der neuern Philosophie
seit Cartesios (3). Erziehongskunde and zwar aber die Entwickmng
der psychischen und intellectuellen Anlagen (2). Hoffmann: römi-
sche Antinuitäten (4). * Philologische Uebuncen: Homers Jlias, lateini-
sche Stilübungen und Besprechung schriftlicher Elaborate (3). Hru-
Bchauer: ^theoretische Cnemie (3). Methode der chemischen Analyse
(2). Hummel: demonstrative Experimentalphysik (4). Knar: Ein-
leitung in das Studium der hohem Mathematik (4). Theorie der hohem
Gleichungen (3). Kopezky: Mineralogie (5). Peche: Anwendung
der analytischen Mechanik auf Imponderabilien (6). Perez: Inferno
di Dante (2). Storia della letteratura italiana dal 1300 al 1500 (2).
Pohl: Geschichte des österreichischen Kaiserstaates bis 1510 (4). Die
steiermärkischen Ottokare (2). Quafs: slo venische Formenlehre (4).
Quenot: franzosische Sprache und Litteratur (4). Schreiner: Theo-
rie der Statistik und Staatenkunde der europaeischen Staaten aufser
Gestenreich (5). Skedl: Theorie der Statistik als Wifsenschaft und
Statistik der europaeischen Staaten (5). Tan gl: Piatons Phaedon (3).
Juvenal (3). ^Uebungen im Uebersetzen ins Griechische (2). von
Valesius: italiänische Sprache in verschiedenen Cursen (3). Wein-
hold: Tacitus Germania (2). Hartmanns Erek (3). Weifs: Univer-
salgeschichte des Altexthums (4). Geschichte des 17n und 18n Jh. (4).
Historisch-praktische Uebungen (2).
Greifswald. Bai er: * Verhältnis der neuem Philosophie seit Kant
zur Theologie (2). Barkow: Quellengeschichte , Antiquitäten und In-
stitutionen des römischen Rechts (12). Barthold: ^Geschichte der
deutschen Hansa (2). * Allgemeine Geschichte des Mittelalters, Ir Thl.
— 1250 (4). Geschichte des preussischen Staats (3). Joraandis resGe-
ticae (2). Erichson: *ilber das erhabene, die Grazie und das idea-
lisch-schöne (3). *Dle didaktische und epigrammatische Dichtkunst (2).
Logik (3). von Feilitzsch: '^Meteorologie und physikalische Geo-
graphie (2). Allgemeine Experimentalphysik (6). Grunert: * elemen-
tare Mechanik (4). Integralrechnung nebst deren Anwendung auf die
Geometrie (4). Häberlin: * Geschichte des deutschen Bundes (l).
Deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte (4). Hahn: * Theologie des
A. T. (4). Genesis (4). Hasert: ♦über Religionsunterricht (2). Er-
ziehnngswifsenschaft (3). Hof er: ^Elemente des Sanskrit (2). ♦Ge-
schichte und Orthographie der Muttersprache (2). Lateinische Compo-
sitions- und Flexionslehre (3). Hünefeld: organische Chemie (2).
Mineralogie (2). Kosegarten: ♦hebraeische Archaeolugie (4). Jesaias c i
— 39(4). M atthies : ♦Anthropologie (l — 2). Allgemeine Propaedeutik und
Encyclopaedie der gesammten rhilosophie (4). Psychologie (4). M n n ter ::
allgemeine und specielle Zoologie (6). Pyl: ♦Kunstgeschichte des Mit-
telalters und der neuern Zeit (4). Archaeologische Encyclopaedie (2).
Schildener: Geschichte der neuern Philosophie seit Cartesius (3).
Schmitz: ♦Moli^re's misanthrope mit einer Einleitung über die fran-
zösische Litteratur des 17n Jh. (2). ♦Macaulay*s history of England
(2). Siiakespeare^s tempest (2). Scbömann: ♦Horatius Satiren im phi-
lologischen Seminar (2). Aristophanes Achamer (2). Griechische Syn-
tax (4). Stiedenroth: Lo^ik (4). Naturrecht (3). Susemihl: ♦hi-
storisch-philosophische Einleitung in das Studium des Piaton (2—3).
♦Geschichte der griechischen Litteratur seit Alexander M. (2 — 3). Till-
berg: ♦Algebra (4). ♦Experimentalphysik, bes. von den Ponderabi-
iV. Jahrb. f. PhU. m. Patd, Bd. LXX. Hß. 4 o. 5. 38
586 VorlesuDgeD fflr dts Wintersemester 1854 — 55.
lien (2). Populäre Astronomie nebst Astrognosie (2). Urlichs: "^Ari-
stoteleB Poetik im philolog. Seminar (2). '^Encyclopaedie derArdiaeo-
logie (2). Romische Litteratargeschichte (4).
Halle. Ailihn: Logik (3). Psychologie (3). Arnold: *JoSl
und Amos (1). Bekker: *das römische GerichtsYerfahren (1). IntÜ-
tntionen (4) . Geschichte des romischen Rechts (4). Bernhardy: *Ho-
ratius Carmina IsB. im plulologischen Seminar (2). Griechische Litte-
raturgeschichte (5). Blanc: ^einige Stücke Moli^res (2). Dantes di-
Tina commedia p). Bruns: Institutionen (5). Buhle: Zoologie (5).
Burmeister: über urweltliche Amohibien (2). Cornelius: ^Blectri-
cität und IVIagnetismus (2). Statik und Mechanik (4). Dnncker:
♦ Geschichte der letzten 40 Jahre (2). Neuere Geschichte von 1517 —
1815 (4). Eiselen: Statistik des preussischen Staats (4). Eisen-
hart: allgemeine Statistik (4). Erdmann: "^akademisches Leben und
Studium (2). Lo^k (5). Geschichte der Philosophie (6). Gartz: *An-
Wendungen der Differentialrechnung auf analytisciie Geometrie (2). Diffe-
rentialrechnunfi; (5). Stereometrischer Theil der analytischen Geometrie
(4). Gerlach: *die wichtigsten Probleme der Metaphysik (2). Bflft-
pirische Psychologie (4). Giebel: * Schopf ungsgescnichte (2). Gi-
rard: Geologie des nördlichen Deutschlands (1). Allgemeine Mineralo-
gie und Geologie (5). Göschen: deutsche Staats- und Rechtsge-
Bchichte (4). Haym: *über Heeel und dessen System (1). Geschime
der Philosophie (5). Heintz: Experimentalchemie (6). Hertsberg:
"** Geschichte der illyrischen Halbinsel, d. i. der Griechen, Byzantiner
und Türken yon Theodosins bis 1840 (2). Geschichte der Griechen Ton
den ältesten Zeiten bis auf Theodosios (3). Hinrichs: "^ Encyclopae-
die und Methodologie der Philosophie (2). Logik (4). Natur- und Völ-
kerrecht (4). Hollmann: spanische und * englische Sprache. Hup-
feld: "^ über den Prophetismns der Hebraeer (1). Jesaias (5). Hebraei-
sche Grammatik (4). Joachimsthal: analytische Geometrie (4). In-
tegralrechnung (3). Keil: Plantus Miles gforiosns (4). Knoblauch:
allgemeine Experimentalphysik (5). Kramer: * Didaktik (2). Kranse:
"^Tacitus Germania (3). Kunstarchaeologie (4). Aeschylos Prometheus
(3). Leo: * angelsachsische Grammatik (2). Geschichte der neusten
Zeit yon 1804 — 1830 (4). Louis: * französische Litteraturgeschichte.
Meier: * Aristophanes Ritter im philolog. Seminar (2). RÖmisehe
Staatsalterthümer (5). Pernice: deutsche Staats- und Rechtsgeachichte
(6). Pott: * Nalas (2). ^Elemente der aegyptischen Hieroglvphen-
schrift (2). Vergleichende Grammatik der lat. und griech. Sprache (3).
Prutz: *über Schillers Leben und Werke (1). Geschichte der drama-
tischen Poesie und Kunst in Deutschland seit den ältesten Zeiten (4).
Rödiger: Genesis (5). Rosenberg er: sphaerische und theorische
Astronomie (4). Höhere Algebra (4). Rofs: * griechische Inschriften
(2). Sc hall er: * Wesen der Religion (2). Psychologie (4). Natin^
recht (3). yon SchlechtendaT: * kryptogamische Gewächse (2).
Pflanzenphysiologie (3). Ulrici: '^ Shakespeares Leben und Dichton-
gen (1). Reiigionsphilosophie (4). Geschichte der christlichen Kunst
(3). Wichelhaus: *über den mosaischen Cultus (1). Genesis (5).
Witte: Geschichte des römischen Rechts (4). .
Heidelberg, yon Babo: Zoologie (6). Ueber den landschaftli-
chen Charakter der Zonen (1). Bahr: philologisches Seminar (2). Ci-
cero de natura deorum mit Anleitung zum lat. Stil (2). Römische Litte-
raturgeschichte (3). Blum: Oryktognosie oder specielle Mineralogie (4).
Gesteinkunde (2). Bornträger: organische Chemie (5). Brenn:
Homers Ilias und Odyssee (3). Bronn: Geschichte der Natur (3).
Bnnsen: Experimentalchemie (6). Cantor: Elementarmathematik (3).
Yorlesnngen Tür das Wintersemester 1854 — 55. 587
Analytische Geometrie (3). Differential- and Integralrechnung (3). Cor-
nill: Geschichte der Philosophie (4). Delffs: allgemeine und anorga-
nische Chemie (6). Gaspey: englische Litteratur bis ,zum J. 1688(2).
Gerstlacher: Institutionen (4). H aufs er: neuere Geschichte der
europaeischen Staaten Ton 1517—1789 (4). Deutsche Geschichte seit
1048 mit einleitender Uebersicht über die ältere Geschichte (4). Hanno:
hebraeische Sprache (2). Auswahl von Psalmen (4). Hof mann: all-
gemeine Grammatik. Holtzmann: Sanskrit (3). Tacitus Germania (2).
Geschichte der deutschen Litteratur bis auf Lessing (5). Jolly: deut-
sche Staats- und Rechtsgeschichte (6). Kayser: Antiphon, Lysias und
Isaeus mit Auswahl im philolojr. Seminar (2). Sophokles Aias und Tra-
chin. (2). Griechische Antiquitäten (3). Kleinschrod: Institutionen
(4). Knapp: Rechtsphilosophie (3). Kortnm: romische Geschichte
(4). Geschichte des Mittelalters Ton 800-1453 (4). Leger: Heraldik
(4). Archaeologie und Geschichte der Architectur (4). Geometrische
Zeichnungslehre und ihre Anwendung (4). Ton Leonhard: Naturge-
schichte des Steinreichs (3). Neil: Reduction der scheinbaren Fixstern-
orter (2). Berechnung der Planetenbahnen (2). Theorie der astrono-
mischen Instrumente (2). Pagenstecher: * Geschichte der Quellen
des rom. Rechts (2). Institutionen (4). von Reichlin-Meldegg:
Logik nebst Kinleitune; zur Philosophie (4). Geschichte und Kritik der
Philosophie des Alterthums, des Mittelalters und der Neuzeit (4). Ueber
Goethes Faust In und 2n Thl. mit einer Kinleitune über die Faustsage
(2). Roder: Rechtsphilosophie (4). Roth: Pmhologie (4). Rofs-
hirt: Institutionen und Rechtsgeschichte (5). Ruth: Dantes Inferno
(3). Italiänische Sprache. Sachsse: Naturrecht (2). Schmidt: Ana-
tomie und Physiologie der Pflanzen ^4). Kryptogamenkunde (2). Scho-
berlein: Paedagogik (4). Schweins: reine Mathematik (2). Diffe-
rential- und Integralrechnung (2). Umbreit: Jesaja Cap. 40—60 (3).
Weil: Geschichte des Islams bis zum Untergang desChalifats von Bag-
dad (2). Zell: Minucius Felix Dialog Octavius im philolog. Seminar
2). Aristoteles de mundo (2). Archaeologie der christlichen Kunst (2).
opfl: Naturrecht (4). Deutsche Staats- und Recht^igeschichte (6).
Innsbruck. Baumgarten: Differentialrechnung (5). Analytische
Geometrie ohne Anwendung der Infinitesimalrechnung (3). Billau-
det: franzosische Grammatik (4). F ick er: * historische Chronologie
(1). * Anleitung zur quellenmäfsieen Bearbeitung der Geschichte för
Lehramtscandidaten. Greschichte des Mittelalters seit Gregor VII (4).
Glax: * praktische Uebungen in der Behandlung und Bearbeitung der
osterreicmschen Geschichte für Lehramtscandidaten (1). Oesterreichi-
sche Geschichte von den ältesten Zeiten bis 1527 (4). Hlasiwetz:
* physiologische Chemie des Pflanzen- und Thieneichs (1). Allgemeine
Chemie der unorganischen Verbindungen (4). Kerer: Theorie der Sta-
tistik und Statistik der europaeischen Staaten (4). Kohler: Minera-
logie mit Geognosie und Palaeontologie (5). Kopetzky: Aesthetik
(3). Aristophanes Wolken (2). Griecmsche Mythologie (1). Malecki:
romische Staatsalterthnmer, Forts. (3). Piatons S^posion (2). ^Prak-
tische philologische Uebungen (Tacitus Hist. I) für Lehramtscandidaten
(2). Novotny: Uebungen im Uebenetzen aus dem Deutschen ins Ita-
liänische (2) und umgekehrt (2). Deutsche Grammatik (2). Italiäni-
sche Grammatik (2). Böhmische Grammatik (2). Occioni: spiegazione
deU* intero Purgatorio dl Dante (4). Schenach: * über Hegels Rechts-
philosophie (1). Metaphysik (4). Schuler: Rechtsphilosophie (8). The-
ser: Justinians Institutionen eriäutert (2). von Waltenhofer: phy-
sikalischer Unterricht für Lehramtscandidaten (3).
Jena. Apelt: Geschichte der Philosophie (4). Artus: allgemeine
^
588 Vorlesungen für das Wintersemester 1854 — 55.
Kxperimentalchemie (G). Bachmann: Psychologie und Logik. Meta-
physik (3). Religionsphilosophie (2). Danz: * römischer Ciyilprocess
(2). Droysen: neuere Geschichte vom Ende des 15n bis zur Mitte
des 18n Jh. (5). Fischer: allgemeine Statistik (4). Fort läge: *die
philosophischen Systeme seit Kant (2). Psychologie und Logik (4).
Göttling: * philologisches Seminar. Griechische Grammatik (5). Grie-
chische Staatsalterthümer mit Topog^phie Ton Athen und Sparta (4).
Herrmann: * Politik Rufslands (2). Allgemeine Geschichte von 1703
bis 1815 (1). Hettner: Geschichte der deutschen Litteratur und Poe-
sie seit Chr. Wolif und Gottsched (4). Hoffmann: '^ Bharrtriharis (2).
Genesis (5). Koppen: Institutionen (6). Römische Rechugeschichte
(5). von Liliencron: * Nibelungenlieder (3). Elemente des Gothi-
ächen (2). Althochdeutsch (2). Ludwig: * Geschichte der Chemie (2).
Stoechiometrie (2). Nipperdey: ^Thukydides im philoloe. Seminar
(1). Lateinische Syntax (4). Horatius Satiren (3). Rein hold: Ge-
schichte der Philosoi>hie (5). Rofsler: * formale Logik (2). Ge-
schichte der Philosophie (4). Schaff er: ^uber die ElectricitSt (1). Al-
gebraische Analysis (4). Stereometrie und ebene und sphaerische Tri-
gonometrie (4). Scheid 1er: ^Hodegetik (2). Natnrrecht (3). Phi-
losophische und constitutionelle Politik (3). Volks- und Staatspaedago-
gik (3). Schieiden: * Anthropologie (3). £. Schmid: ^Geologie
(3). Organische Chemie (4). E. O. Schmidt: * Entomologie. Ver-
gleichende Anatomie (4). Schron: Elemente der reinen Mathematik
{ü). Goniometrie und ebene u. sphaerische Trigonometrie (4). Scha-
ler: Geologie (2). Mineralogie und Geognosie (5). Snell: Experi-
mentalphysUc (6). Infinitesimalcalcul angewendet auf die Geometrie (2).
Elektrodynamik (3). Stark: ♦Aristophanes Vogel (3). Der Kunst-
archaeologie 2r oder historischer Theil (4). Pausanias Is Buch (2).
Sti ekel: lob. Stoy: * paedagogisches Seminar. Allgemeine und spe-
cielle Paedagogik (4). Suckow: * Encyclopacdie und Methodologie der
Physik. Allgemeine Mineralogie mit Geognosie und Geologie (6). We-
gele: ^Tacitus Germania (2). Deutsche Geschichte des 14n und 15n
Jh. (3). Diplomatik (2).
Kiel. Chalybaeus: Logik und Metaphysik (4). Geschichte der
alten Philosophie (4). Curtius: ^Homers Ilias im philologischen Se-
minar (2). Griechische Grammatik (5). Sophokles Antigene (3). Dill-
mann: lob (4). Forchhammer: ^Thukydides und Horatius Cannina
im phUolug. Seminar (2). Aeschylos Sieben g. Th. (4). Archaeologische
Uebungen (2). Fricke: messianische Stellen des A. T. (3). Handel-
mann: * Abfall der americanischen Colonlen von 1703 bis 1826 (2).
Neuere Geschichte Europas von 1740 — 1815 (4). Harms: ♦die Philo-
sophie seit Kant (2). Anthropologie (2). Philosophische Physik (2).
Himly: theoretische Chemie (G). Karsten: ♦ Krystallographie (2).
♦Physikalische Geographie (1). Experimentalphysik (0). Lubbren:
♦englische Sprache (2). Meyn: ♦über Humboldts Kosmos (1). Geogra-
phie von Deutschland (4). Molbech: ♦Geschichte der dänischen Poesie
seit 1700 (2). ♦ Dan ische Grammatik. ♦ Isländische Sprache. Mnllen-
hoff: Tacitus Germania (2). Geschichte der deutschten Poesie bis xam
14n Jh. (2). ♦Deutsche Uebungen (2). Neuner: Institutionen and
Rechugeschichte (8). Nitzsch: alte Geschichte (5). Geschichte der
Hohenstaufen (2). Nolte: Kryptogamen (2). Ratjen: ♦juristisdie
Litterargeschichte (2). Sc1iwob-Doll<^: ♦ franzosische Litteratur-
geschichte des 17n Jh. Thaulow: ♦ paedagogische Uebungen. Philo-
sophie der Geschichte (4). Gymnasialpaedagogik (2). Weyer: ♦phy-
sische Astronomie (2). Trigonometrie und Stereometrie (3). Differen-
tial- und Integralrechnung (3).
Vorlesungen für das Wintersemester I8ji — 55. 589
Köx«iüSBERG. Castell: * paedagogUche Unterhaltungen. Dru-
mann: ♦Geschichte der Griechen (4). Neuere Geschichte von 1500 —
I78ti (4). Fischer: ♦Platon de legibus mit Einleitung in die platonische
Philosophie (3). Tacitus Germania (2). Friedländer: ♦Einleitung
in die Archaeologie der Kunst (Ij. ♦Ausgewählte Abschnitte aus den
römischen FriTatalterthuniern (1). ♦Ueber den gegenwärtigen Stand der
homerischen Frage (2j. E. A. Hagen: ♦GruncUätze der alten Archi-
tectur (2). ♦Ueber spanische, franzosische und englische Maler (2j.
♦Die Gemälde der Dresdener Gallerie (2). von Hasen k am p: ♦Ge-
scliichte der vereinigten Staaten von Nordamerica im 19 n Jh. (1). ♦Ge-
schichte des 30 jährigen Kriegs (2). Geschichte Frankreichs bis 1780 (3).
Herbst: ♦franzosische Sprech- und Schreibübungen (2). ♦Ariosts
Orlando fnrioso (2). ♦Byrons Childe Harold (2). ♦Der Janregui Pa-
storaldrama Aminta (2). Hesse: * Mechanik Ir Tlil. (2). Einleitang
in die höhere Analysis (2j. Jacobson: deutsche Reichs- und Rechts-
geschichte (0). Lehrs: ♦ 2e Abtheil, des philologischen Seminars (2).
♦Philologische Encyclopaedie (4). ♦ Ciceros verrinische Rede über die
Kunstwerke (2). Lobeck: ♦Plautus Amphitrno und schriftliche und
mündliche Uebungen im philolog. Seminar (3). ♦ Einleitung in die grie-
chische Grammatik (4). Luther: ♦Geodaesie (2). Differentialrech-
nungen (4). Merle'ker: ♦Geschichte der Päpste und des Kirchen-
staats. Meyer: ♦ kryptogamische Pflanzen (2). Generelle Botanik (4).
Michaelis: ♦englische Litteratnrgeschichte (2). ♦Oden von Victor
Hugo (2). Französische Grammatik (2). Moser: ♦Physik der Sinnes-
werkzeuge (2). Experimentalphysik (4). Nessel mann: ♦Sanskrit (2).
♦Buch der Richter (3). Neumann: ♦ausgewählte Capitel der mathe-
matischen Physik (2). Mineralogie (4). ♦ Physikaliscties Seminar.
Olshausen: grammatische Erklärung der Psalmen (4). Rathke:
♦Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere (4). Richelot: ♦auserlesene
Capitel der Mathematik im mathemat. Seminar (2). Höhere Arithmetik
una Zahlentheorie (4). Rosenkranz: ♦Logik (4). Ethik (1). Saal-
schütz: ♦Erfindung der Schreibkunst und aegyptische Hieruglyphik
(2). Psalmen (2). Sanio: Institutionen (6). Römische Rechtsgc-
schichte (5). Schubert: ♦Litteratur der Geschichte im historischen
Seminar (2). ♦Geschichte der neusten Zeit, Forts, seit 1807 (1). Ge-
schichte des Mittelalters (4). Politik und Encyclopaedie der Staats-
wifsenschaften (5). C. A. Simson: ♦einige der kleinen Propheten (3).
Sommer: ♦Einleitung in die Hagiographen des A. T. (3). Psalmen
(4). Taute: ♦Logik und Einleitung in die Philosophie (4). ♦Psycho-
logie (4). Voigt: ♦Diplomatik (2). ♦Diplomatische Uebungen (l).
♦Geschichte der Kreuzznge (1). Geschichte des Mittelalters. Wer-
ther: ♦analytische Chemie (2). Experimentalchemie (5). Z ad dach:
♦allgemeine Naturgeschichte (3). Zander: ♦Euripides Helena (2).
♦Nibelungenlied (2).
Krakau. Bratranek: ♦Geschichte der altern deutschen Litte-
ratur (2). Historische Grammatik der deutschen Sprache verb. mit Le-
sung des Nibelungenliedes (2). Aesthetik der deutschen Poesie (3).
Czerwiakowski: ♦Pflanzencharakteristik (1). Allgemeine Pflanzen-
kunde (5). Czyrniahski: allgemeine unorganische Chemie (5). Ana-
lytische Chemie H). Dunajewski: Theorie der Statistik und allge-
meine Statistik der europaeischen Staaten (4). Jülg: * im philologi-
schen Seminar Homers Ilias (2) und Ciceros Rede pro Milone^ (2).
Griechische Litteraturgcschichte (3). Tacitus ab exe. divi Augosti (2).
Kremer: Einleitung m die philosophischen Wifsenschaften (p). Hode-
gctik des akademischen Studiums (2). Kuczynski: ♦über die Wellen-
bewegung (2). Ueber die Wärme (3). ♦ Praktische Uebungen im Ex-
590 Vorlesungen fflr das Wintersemester 1854 — 55.
perimentieren für Lehrarotscandidateii (5). Mecherxynski: nisritche
Sprache (4). Muczkowski: Diplomatik (3). Otremba: über Tiedfes
Urania mit sprachlichen and sachlichen Erklärungen (2). Deutscher
Stil (I). Sosnowski: biblische Archaeologie (3). Hebraeische Gram-
matik (3). Steczkowski: allgemeine Theorie der Gleichungen und
Auflösung der numerischen Gleichungen (4). Ebene und sphaerische
Trigonometrie (*i). von Walewski: Geschichte des Erzhauses wäb-
rend der 2n Hälfte der Regierung Leopolds I mit Rucksicht auf die
abendländische Revolution und die veränderte Lage der orientalischen
Monarchien in dichter Periode (ö). Waniorek: Rechtsphilosophie (4).
Weifse: analytische Mechanik (3). Bestimmung der Elemente der
Planeten und Kometen (2). ^Anleituns zum Gebrauch der astronomi-
schen Instrumente. Zenschner: allgemeine und specielle Minera-
logie (5).
Leipzig. Alb recht: deutsche Rechtsgeschichte (5). Anger: Joel,
Amosy Micha und Habakuk (3j. d* Arrest: ^sphaerische Astronomie (4).
Geschichte der neuern Entdeckungen im Sonnensystem (2). Afsmann:
vergleichende Anatomie der Wirbäthiere (4). Brandes: ^Staatsalter-
thumer der römischen Republik (2). Sächsische Geschichte (2). *Die
mittelalterlichen Staatsverhältnisse der meissnisch-sächsischen Länder
im historischen Seminar. Brockhaus: ^Erklärung von Benfeys Sans-
kritchrestoniathie 2r Curs. (2). ^Einleitung in das grammatische System
des Panini (2j. Das indische Schauspiel Mrichakati (4). Carus: *Cha-
rakteristik der Hauptgruppen des Thierreichs (2). Vergleichende Ana-
tomie der Wirbelthiere (2). D robisch: ^Differentialrechnung, Be-
schlufs (2). Integralrechnung (6). Psychologie (4). Erdmann: orga-
nische Chemie (4). Fechner: ^Naturphilosophie (2). Fiathe: ^Aesthe-
tik (4). Fritzsche: »Pindar lat. erkl. (2). ♦Tibull lat. erkl. (2).
Hänel: ^Quellenkunde , Schlufs (2). Institutionen und Rechtsge-
schichte (10). Hankel: ^Anordnung der Electricität auf Leitern (2).
Physik 2r Thl. (6). ^Uebungen des physikalischen Seminars. Harten-
stein: "^historisch-kritische Einleitung in die Ethik und die Rechts-
philosophie (2). Logik (2). Hermann: ^philosophische Grammatik!^).
Psychologie (4). Hölemann: Jesaias Cap. 40—66 (4). Klotz: ^a-
citus ab exe. divi Aug. im philologischen Seminar f2). ^Hesiods Werke
und Tage (2). ^Plautus Mifes glor., Schlufs (2). Lateinische Sprach*
wifsenschaft (4). Knop: ^analytische Chemie (2). Kühn: anorganische
Chemie (6). F. W, Lindner: «'Anthropologie (2). Christliche Paede-
gogik verb. mit Didaktik, Methodik und Schulkunde (2). W. B. Lind-
uer: * Geschichte der alten griechischen Philosophie hinsichtlich ihres
Einflufses auf das Christenthum (2). Marbach: Elemente der Geo-
metrie und Arithmetik (6). Marezoll: Institutionen und Rechtsge-
schichte (9). Mettenius: ^kryptogamische Gewächse (2). Anatomie
und Physiologie der Gewächse (4). A. F. Möbius: ^Elemente der
Dioptrik (2). Grundlehren der neuern Geometrie (2). Naumann:
^physische Geographie (2). ^KrysUlIographie (2). Mineralogie (4).
Nitzsch: ^Disputierübungen im philolog. Seminar (2). ^Hermenentik
der grlech. und latein. Schriftsteller in Beispielen (1). ^Sophokles An-
tigene und Trachinierinnen (4). Geschichte und specielle Charakte-
ristik der drei Tragiker der Griechen (2). Nobbe: *iateiu. Dispatler-
übungen (2). »Horaz Oden 2s B. (2). Tacitus Annalen 148 B.h).
O verbeck: ^auserlesene heroische Bildwerke mit litterarischer An-
leitung (2). Griechische PrivaUlterthuroer (4). Popp ig: specielle
Zoologie, IrThl. Wirbelthiere (4). Scheibner: analytische Mecha-
nik, Forts. (2). Die elliptischen Functionen (4). F. A. Schilling:
»philosophisches Staats- und Völkerrecht (2). Naturrecht (4). Inter-
Vorlesungen für das Wintersemester 1864 — 55. 591
pretaiion aatgewahlter Stellen des rom. Rechts (2). Stall bäum:
^Satiren von Borax (Forts.) und Jurenal (2). Tuch: ^Beschreibung
von Palaestina (4). Buch Hieb (4). Hebraeische Syntax (2). Voigt:
^Geschichte des römischen Staatsrechts (4). Wachsmut h: ^Geschichte
des Zeitalters der Reformation (2). Geschichte der deutschen Natio-
nallitteratur seit Grottsched (2). Sachsische Geschichte (2). Weifse:
Logik und Metaphysik (4). Geschichte der Philosophie seit Baco (4).
Wenck: sachsische Geschichte (2). Westermann: ^Sophokles Phi-
loktetes im phiiolog. Seminar (2). '^'Andokides Rede von den Myste-
rien (2). Attische Staats- und Rechtsalterthümer (4). Willkomm:
^Morpholone und Systematik der Kryptogamen (2). Specielle Bota-
nik (4). Win er: neutestamentliche Sprachwifsenschaft (2). Wnttke:
'^allgemeine Volkerkunde (3). lieber die alte morgenlandische Geschichte
und Erklärung eines mittelalterlichen Schriftstellers im historischen
Seminar. Zarncke: ^Lehre von der Wortbildung, Ableitung und Zu-
sammensetzung sowie vom Genus (3). "^Metrik (1). ^Nibelungenlied (4).
Erkl. ahd. und mhd. Sprachdenkmale (2). Ziller: Naturrecht (2).
Lemberg. Glowacki: ruthenische Sprache (2). ^Riithenische
Litteratur (3). Hammer: Theorie der Statistik und Statistik der
Grofsmachte Europas (5). Herbst: Einleitung in die Rechtsphiloso-
phie und natürliches Privatrecht (4). Hl och: systematische Aesthe-
tik (3). Mittelhochdeutsche Grammatik (2). Aeltere Litteraturgeschichte
der Deutschen (2). Kergel: "^Demosthenes erste philipp. Rede (3) und
Ovids Metamoroh. (2) im philologisch-historischen Seminar. Sophokles
Antigene (2). Romische Litteraturgeschichte (3). von Kucharski:
biblische Archaeologie (6). Hebraeische Sprache und Exegese (6).
Lemoch: Theorie und Auflosung höherer numerischer Gleichungen (3).
Kennseichen der Convergenz und Divergenz unendlicher Reihen und
Entwicklung der Functionen in denselben (3). Lipiiiski: Grundle-
gung der theoretischen Philosophie (3). Geschichte der Philosophie des
Alterthums (3). Psychische Anthropologie (3). {.obarzewski: spe-
cielle Oryktognosie mit Uebnngen im Bestimmen der Mineralien fiii:
Lehramtscandidaten (1). Maiinowski: *hohere Erz]ehungskunde(2).
Pierre: allgemeine Physik vom experimentellen Standpunkte (5).
Praktische Uebungen für Lehramtscandidaten (3). Grundzuge der Wel-
lenlehre vom analytischen Standpunkte (l). Schmidt: Geschichte der
Thiere (3). Urbaiiski: nber elektrische , magnetische und magneto-
elektrische Actionen durch höhere Rechnung (3). Wacholz: "^Uebun-
gen aus der neuern Geschichte im historischen Seminar (2j. Europaei-
sehe Staatengeschichte im 6n und 7n Jh. (3). Geschichte der oster-
reichischen Monarchie seit der Thronbesteigung Carls VI (3). Wolf:
allgemeine und specielle unorganische Chemie (5).
Marburg. Amelnng: Cicero de amicitia lat. erkl. ^2). Ueber
deutschen Stil. Brom eis: ^chemische Geoloeie (I). ^Verorennungs-
process und dessen Anwendung (1). Analytische Chemie (2). Caesar:
*Plutarchs Perikles im philologischen Seminar (2). ^Persius Satiren (2).
Griechische Litteraturgeschichte (4). Dietrich: ^altnordische Sprache
und Litteratur (2). ^Anfange der Helden^^age (1). Genesis (5). He-
braeische Archaeologie und Geschichte (4). Dunker: Mineralogie (6).
Bbert: spanische (3) und englische Sprache (3). Eichelberg:
^Hippokrates ausgewählte Aphorismen (1). Gerling: ^einzelne Ab-
schnitte aus der praktischen Geometrie (I). Ebene und sphaeriFche
Trigonometrie (5). Experimentalphysik (6). Giidemeister: *Sans-
kritgrammatik, Forts. (2). Vergleichende Grammatik der indogermani-
schen Sprachen (4). Jesaias (6). Herold: Zoologie 2r Thl., die nie-
d«rn Thiere (6). Hessel: ^Krystallographie (2). Reine Mathematik (4).
592 Vorlesangen für das Wintersemester 1854 — 65.
Koch: Geschichte der Paedagogik. Kohl rausch: "^Meteorologie (1).
Lehre rom Magnetismus und der Electricität (4). Kolbe: Hheoreti-
sehe organische Chemie (1). Experimentalchemie (6). Lange: '^'dar-
stellende Geometrie (2). Geschichte der christlichen Kunst seit Con-
stantin M. (4). Lob eil: Institutionen (5). K. R. Muller: ^niedere
Algebra (2). Reine Mathematik (4). Lehre von den Reihen (4). B.
Platner: ^Ulpians Fragmente (1). Justinians Institutionen (5). Ge-
schichte des römischen Privatrechts (6). Rechtsphilosophie (4). V.
Platner: deutsche Rechtsgeschichte (4). Rubino: '^einige Abschnitte
der romischen Alterthumer (I — 2). Geschichte der alten Volker des
Orients (4). Geschichte der romischen Kaiserzeit (4). Schell: neuere
Geometrie mit besonderer Rucksicht auf die Kegelschnitte (5). Analy-
tische Geometrie der Ebene (3). Schmidt: Institutionen (6). Steg-
mann: descriptive Geometrie (4). Analysis 2r Thl. , die Anwendung
der Differentialrechnung und die Integralrechnung (6). von Sybel:
Geschichte des Mittelalters (4). Neuere Geschichte seit 1490 (4).
Vollgraff: ethnologische Einleitung zur genetischen und comparati-
Ten Staats- und Rechtslehre (5). Vorländer: Logik (4). Allgemeine
Geschichte der Philosophie (6). Waitz: Psychologie (4). Paedago-
gik (2). Weber: ^CatuUs Gedichte im philolog. Seminar (3). Ari-
stophanes Frieden (2). Weifsenborn: ^Darstellung und Kritik des
Schleiermacherschen Systems (1). Geschichte der Philosophie 2r Thl. (5).
Aesthetik (4). Wenderoth: Botanik der kryptogamischen Gewächse
(4). Pflanzeilphysiologie (2). Wigand: ^Geographie und Geschichte
des Pflanzenreichs (1). Pflanzenphysiologie (2). Naturgeschichte der
kryptogamischen Gewächse (3). Wolff: ^einige Pandektentitel (2).
Institutionen (6). Zeller: ^Einleitung in Piatons Schriften (2). Reli-
gionsphilosophie (4). Geschichte der philosophischen Theorien yon Staat
und Gesellschaft (2). Zwenger: organische Chemie (4).
MÜNCHEN. Arndts: ^römisches Actionenrecht (2). -Geschichte des
romischen Rechts (5). Beckers: Einleitung in die Philosophie mit
Encyclopaedie und Methodologie des akademischen Studiums. Psych!-
che Anthropologie, Logik und Metaphysik (5). Beraz: Anthropologie
und Psychologie (6). Buchner: Logik und Metaphysik (4). Geschichte
von Bayern (4). Carri^re: *uber Shakspeare (I). Aesthetik und Cha-
rakteristik der ausgezeichnetsten Kunstwerke und ihrer Meister (5).
Geschichte der deutschen Nationallitteratur (4). Dollmann: Institu-
tionen (G). Eil 1 es: analytische Mechanik. Analytische Greometrie.
Frohschammer: Paedagogik (4). Geibel: die poetischen Formen
der abendländischen Litteraturen (2). Geraeiner: deutsche Staats-
und Rechts^eschichte (5). Haneberg: hebraeische Sprache. Genesis.
Einleitung ins A. T. Hierl: Elementarmathematik (4). Höhere Ver-
mefsungskunde (3). Differential- und Integralcalcnl (6). Situations-
zeichnen (4). Hofmann: ältere deutsche Sprache (4). Provenzaliscli
und altfranzosisch (3). Sanskrit (3). Einleitung in die germanische und
romanische Litteratur des Mittelalters (2). Jolly: Experimentalphy-
sik (6). Kaiser: allgemeine Chemie (6). Lamont: populäre Astro-
nomie (4). von Lasanlz: Encyclopaedie und Methodologie der aka-
demischen Wifsenschaften (5). Geschichte der alten Philosophie (3).
Hippokrates de aere (2). von Lieb ig: allgemeine Experimentalchemie
(6). Mair: Einleitung in das philosophische Studium. Logik d. Meta-
Rhysik (6). Psychologie. Maurer: deutsche Rechtsgeschichte (5).
linnet: franzosische Grammatik. Racines Athalie. Obern dorfer:
Rechtsphilosophie (4). Prantl: philologisches Seminar. Aristophanes.
Recht: Physik (6). Mathematik (6). Analytische Geometrie und höhere
Analysb, Forts. (6). Riehl: allgemeine Culturgeschichte des Mittel-
Vorlesungen für das Wintersemester 1864 — 55. 503
alters (4). Roth: Repetitorium der Zoologie (2). Rudhart: allge-
meine Geschichte (6). .Schafhäutl: Geognosie und Petrefactenkunde
(6). Ton Schlichtegroll: Diplomatik und Archivwifgenschaft mit
Practicum im Lesen alter Urkunden (3). Segarra: spanische Sprache.
Seidel: Elemente der Lehre yon den Reihen als Einleitung in die Ana-
lyiis (6). Sendtner: allgemeine Botanik (6). Kryptogamenkunde.
Sepp: Universalgeschichte (6). Neuere Geschichte seit 1492. Mytho-
logie und 0£Fenbarung. von Sieboid: Zoologie (6). Söltl: allge-
meine Länder- und Völkerkunde. Neuste allgemeine Geschichte. Deut-
sche Litteraturgeschichte und Beredsamkeit. Spengel: philologisches
Seminar. Griechische Litteraturgeschichte (6). Piatons Phaedros (4).
Streber: alte Kunstgeschichte (5). von Thierse h: philologisches
Seminar (2). Pindar mit Auswahl und Archaeologie (4). Wert heim:
Macaulays Hist. of England. Uebersetzung von Schillers Wilhelm Teil
ins Englische. Wittwer: Experimentalphysik (6). Zenger: Insti-
tutionen (6). Geschichte des rom. Rechts (6).
MÜNSTER (theologische und philosophische Akademie). Berlage:
"^Philosophie der Religion und Offenbarung (4). Deycks: '*'Proper-
tius im philologischen Seminar. ^Horatius Dichtkunst und Epistel an
Augustus (3). Romische Litteraturgeschichte (4). Heis: ^populäre
Astronomie (2). Mathematische Uebungen (2). Analysis der algebrai-
chen Functionen (3). Theoretische Astronomie (3). Uittorf: *Elec-
tricitat und Magnetismus (2). Experimentalchemie (6). Kar seh: *sM'
gemeine Naturgeschichte (2). Naturhistorische Uebungen (2). Anthro-
Sologie (3). Aristoteles 4 Bucher über die Thiere (3). Reinke:
Einleitung ins A. T. (4). ^Jesaia (4). Hebraeische Grammatik mit
Erklärung einiger Capitel der Genesis und ausgewählter Psalmen.
Rospatt: ^Greschichte des Mittelalters bis zu den Kreuzzügen (4).
Alte Geschichte des Orients (3). ^Historische Uebungen und Disputa-
tionen (2). Schippen ^Shakespeares Hamlet oder praktische Uebun-
gen in der englischen oder franz. Sprache. Schlüter: *über die Un-
sterblichkeit der menschlichen Seele. Greschichte der neuern Philosophie
seit Cartesius und Baco. Winiewski: ^Thukydides 6s B. im phi-
lologischen Seminar. '''Sophokles Antigene (4). Griechische Alter-
thümer (5).
Pest. Ferenc: wifsenschaftliche Vergleichung der slawischen
Dialekte mit praktischen Uebungen (4). Gärtner: ♦über Schillers
Dramen (1). Geschichte der deutschen Dichtkunst von der Reforma-
tionszeit bis Klopstock (3). Deutscher Stil (1). Grynaeus: höhere
Paedagogik (4). Halder: Horatius Episteln Is Buch (3). Griechi-
sche und lateinische Metrik (6). ^Philologische Uebungen für Lehr-
amtscandidaten (2). Henfner: ♦über die Zwölftafelfragmente (!)•
Römischer Civilprocess (2). Institutionen und Rechtsgeschichte (8).
Horvdt: Diplomatik (4^/^). Jediik: Lehre von den Eigenschaften
der Körper im allgemeinen und Gesetze des Gleichgewichts und der
Bewegung fester Körper (3). Praktische Experimentiermethode für Lehr-
amts candidaten (3). Kifs: griechische und römische Archaeologie (2).
Langer: Zoologie (6). Lewis: englische Grammatik mit praktischen
Uebungen (2). Englische Litteraturgeschichte CI). Machik: unga-
rische Litteraturgeschichte bis zur Rdbrmation (2). Ungarischer Stil
(2). Mayer: tluKoretische Astronomie (6). Mutschenbacher: fran-
zösische Etymologie und Syntax (2). Französ. Litteraturgeschichte des
I9n Jh. (2). N^kdm: algebraische Analysis (4). Logarithmen und
Gleichungen (2). Petzval: Differentialcaicul mit Anwendung auf die
Geometrie und Theorie der höheren Gleichungen (5). Reisinger:
alte Geschichte (3). Oesterreichische Geschichte des Mittelalters bis
504 VorletOBfen für dti Winlersemester 1854 — 55.
aaf Ferdinand I ^3). '*'Prakti8che Uebon^en ans der alten Geachichte
ffir Lduramtscandidaten (2). Repicky: Sanskrit (3). Stanke: *Ge-
•chichte der yorsokratischen Phiiosoplue (2). Metaphysik (4). Prak-
tische Philosophie (4). Joh. Szabö: biblische Archaeoiogie (4J.
Hebraeische Sprache (4). Jos. Szabö: propaedeutischer Theii der
Mineralogie (3).^ Sztanojoyich: Theorie and Geschichte der gal-
yanischen Electricität (3). Teffenberg: italiäniache Grammatik (2).
T^lfy: Uebersetzang yon Homers liias II in attische Prosa (2), von
Caesar B. G. I ins Griech. (2). Pintarchs Apophthegmata (2). Toldy :
Geschichte der angarischen Poesie im 19n Jh. (I). Wenzel: deutsche
Rechtsgeschichte bis auf Maximilians I Zeitalter (2). Wertheim:
Bxperimentalchemie (5). Wolf: neuere österreichische Geschichte
seit Leopold I (3). Geschichte des Mittelalters (2). *Praktisdie
Uebungen aus der griechischen Geschichte für Lehranitscandidaten (2).
Prag. Bippart: griechische Antiquitäten. Pindars Oden. La-
teinische Seminarübungen. Böhm: iivifsenschaftliche Astronomie. Po-
puläre Astronomie. Buhl: Rechtsphilosophie. C h a m b o n : Institutio-
nen. Chnpp: Statistik. Francesconi: italiänische Grammatik.
Franzosische Grammatik, yon Uirzenfeld: Numismatik. Archaeo-
iogie der Kunst. Hofier: Weltgeschichte des Mittelalters. Geschichte
Europas. Geschichte der deutschen Litteratur. Jan der a: Algebra
und Combinationen. Jondk: Statistik. Kämpf: hebraeische Littera*
tur. Kosteletzky: wifsenschaftliche Botanik. Ueber die kryptoga-
mischen Gewächse. Koubek: böhmische Grammatik. Polnische Gram-
matik. Kulik: über hyperbolische Functionen. Sphaerische u. sphaero-
idische Trigonometrie, von Leonhardi: analytische Psychologie.
Encyclopaedie der Krauseschen Philosophie. Praktische Uebungen über
die Gewisheic der Gotteserkenntnis. Lowe: Ethik. Erörterung der
wichtigsten Fragen der Rechtsphilosophie. Matzka: Integralrechnung.
Elementare analytische Geometrie in der Ebene. Nickerl: Zoologie
der Wirbelthiere. Praktische Uebungen in der Zoologie. Padlesäk:
Erziehungskunde. Petr: hebraeische Grammatik mit exegetischen
Uebuneen. Biblische Archaeoiogie. Petiina: Experimentalphysik.
Unterricht im Experimentieren. Akustik. Purkyne: Physiologie des
yegetativen Lebens. Reufs; Kennzeichenlehre der Mineralien. Prak-
tische Uebungen. Rochleder: Chemie der unorganischen Verbin-
dungen. Ausgewählte Capitel der Mineralcheroie. Schleicher: ter-
gleichende Formlehre des Gothischen und Hochdeutschen. Sanskrit«
Sprachengeschichte. Schnabel: Rechtsphilosophie. Schwelle:
englische Sprache. Vietz: Vorgeschichte der österreichischen Mo-
narchie. Einleitung in das Studium der Weltgeschichte. Physische
Geographie. Volkmann: Grundbegriffe der Aesthetik. Psychologie.
Wessely: Buch Hiob. Wocel: Sunstarchaeologie des christlichen
Mittelalters. Zimmermann: Encyclopaedie der philosophischen Wi-
fsenschaften. Geschichte der alten Philosophie. Geschichte der Leib-
nitzischen Philosophie.
Rostock. Baehmann: Enrijpides Hiketiden (2). Horatius Epi-
steln (3). Topographie yon Altgnechenland mit Vergleichung dfs heu-
tigen (4). Baomgarten: ^Elemente des Sanskrit mit Erklärung des
Nalus Y2). Daniel und Zacharja (5). Busch: romische Alterthnmer
(4). Tacitus Annalen (4). Die griechischen Partikeln (2). Francke:
^System und Kritik der Kantschen und Friesschen Philosophie (4).
Philosophie der Geschichte (4). Religionsphilosophie (rO. Ethik (5).
Fritzsche: ^Euripides Medea und Terentius Andria im philologi-
schen Seminar. Horatius Oden (4). Homers Utas Is— 5s B. (2). Die
Religionen der alten Griechen (2). Hegel: Geschichte yon Grofs-
Vorlesnngeii fflr daf Wintereemester 1854^--55. 505
britannten (6). Neuere Geschichte (5). Karsten: ^populäre Attro-
nomie (2). Analytische Geometrie (4). Mineralogie (4). Meier:
dentsche Reichs- nnd Rechtsgeschichte (5). Robert: französische
Sprache r4). Franxos. Litteraturgeschichte (2). Fransos. Litterator
des 19n Jh. [[2). Roper: ^Klemente der Kryptogamoiogie (2). Pflan-
xenphysiolbgie (2). Allgemeine Zoologie (5). Schmidt: *philosophi-
sche Einleitane in die Moral (2). Psychologie (4). Philosophie der
Geschichte (5;. Schalze: organische Chemie (6). Schwane rt:
Institutionen (6). Romische Rechtsgeschichte (5). Weinholti; Logik.
Ursprung und Bedeutung des Worts.
TÜBiMGEif. de Bary: Kryptogamen (3— -4). Pallati: allgemeine
SUtistik (5). Fehr: Universalgeschichte Ir ThI. (5). Geschichte des
christlichen Monchthums (3). Geschichte Europas seit 1848 (2). Fichte:
Encyclopaedie der philosophischen Wifsenschaften und Logik (4). Prak-
tische Philosophie mit kritischer Geschichte der Rechtsphilosophie und
Moral (4-5). Ton Gerber: deutsche Staats- und Rechtsgeschichte (5).
Gmelin: allgemeine unorganische Chemie (5). Haffner: philosophi-
sche Propaedeutik (2). Haug: Geschichte des Mittelalters bis so den
Kreuzzugen (5—6). Hohl: niedere Analysis mit Trigonometrie (5).
Combinatorische Analysis (1). Einleitung in die Stereometrie (1). Va-
riationsrechnung (3). Holland: Gudrun (2). Ulfilas (I). Gramma-
tik der romanischen Sprachen ^2). Dantes divina commedia nebst Ein-
leitung über den Dichter und seine Werke (2). Kaichreuter: englische
Sprache (2—3). Keller: deutsche Grammatik (3). Shaksperische
Dramen (2). Palaeographische Uebungen (1). Kober: Paedagogik
und Didaktik (3). E. Meier: messianische Weissagungen (2). Alt-
testamenttiche Interpretationsnbungen (2). Ton Mo hl: Anatomie und
Physiologie der Pflanzen (5). Oehler: die kleinen Propheten (4 — 5).
Peschier: französische Grammatik (2). Franz. Rede- und Stilnbnn-
§en (3). Geschichte der neuesten franz. Litterat ur (2). Englische
Sprache (5). P f e i f f e r : Institutionen (5). Quenstedt: Mineralogie
(5). Krystallographie (2). M. Rapp: vergleichende Grammatik, Cal-
derons Mägico una Camoens Lusiade. Reiff: Psychologie (4). Prak-
tische Philosophie (6). Geschichte der griechischen Philosophie (2—3).
Reuse h: höhere Mechanik (5). Darstellende Geometrie (2--3j. Rofa-
bacht Aeschylos Agamemnon (2 — 3). Plautus Trinummns oder Catulls
aasgewählte Gedichte (2). Römische Staats- und Sacralverfafsnng (4).
Praktische Uebungen in der griechischen Metrik (1). Roth: Sanskrit-
grammatik (3). Weda und Avesta, Forts. (2). Sanskrit Sr Cursus (2).
Ruckgaber: Psychologie (4). Sc hlofs berger: anorganische Che-
mie nebst Einleitung in die Chemie überhaupt (5). Organische Chemie
(2—3). vonSchrader: exegetisches Collegium über römisches Recht
(6). Seh wegler: Horatius Satiren und lat. Stilubungen im philolo-
gischen Seminar. Geschichte der griechischen Philosophie (3). Rö-
mische Privatalterthnmer (3). Aristoteles Politik (2—3). Sigwart:
allgemeine Chemie (3). Teuf fei: Quintilians lOs Bach im philolog.
Seminar. Geschichte der griechischen Komoedie (2). Aristophanes
Wolken (2—3). Juvenals Satiren (3). Yischer: Geschichte der
neuem deutschen Poesie (4). Geschichte der Malerei (2). von Vols:
Geschichte der Erfindungen und ihres Einflafses auf Cultur und PoK-
tik (3^. von Walz: Isokrates Panegyrikos nnd griech. Stilabnngen
im philolog. Seminar. Archaeologie der Kunst (2). Aeschylos Prome-
theus mit Geschichte der dramatischen Poesie der Griechen (3). Warn-
konig: Rechtsphilosophie (4). Weite: Einleitung ins A. T. (4). Psal-
men ^). Westphal: griechische Alterthümer (4). Tibnlls Elegien
oder TacitoB Germania (2). Piatons Timaeos (3 — I). Zech: höhere
596 Vorlesungen für das Wintersemester 1854 — 55.
Mathematik ir ThI. (5). Populäre Astronomie (2). Zukrigl: Meta-
physik (4). Apologetik (5).
Wien. Arneth: '^'griechische und römische geschnittene Steine und
Gefafse (2). Aschbach: ^ historische Uebungen im philologisch-histo-
rischen Seminar (2). Allgemeine Geschichte der nenem Zeit (5"). ♦Ge-
schichte Aegyptens und der vorderasiatischen Reiche im Alterthum (2).
B oller: Sanskritgrammatik (3). Ausgewählte Stücke aus Kdüddsa (3).
Vergleichende Grammatik der finnischen Sprachen (2). Bonitz: ^De-
mosthenes philippische Reden (2). und platonische Dialoge (2) im philo-
logisch-histor. Seminar. Griechische Litteraturgeschichte (4). Thuky^
dides ausgewählte Reden (2). Dworzak: Institutionen (6). Bitl-
berger vonEdelberg: Archaeologie der Kunst des Alterthums (3).
Geschichte der Malerei in Italien (2). Gruudzüge der Aesthetik der
bildenden Künste (1). von Ettingshausen: demonstrativer Unter-
richt in physicalischen Experimenten (10). Von Fornasari-Verce:
italiäniscne Sprache (3) und Litteratur (3). Friese: allgemeine Na-
turgeschichte, Zoologie (4). *Die Lebensmittel des Menschen in nator-
historischer und geschichtlicher Beziehung (1). Goldenthal: Jere-
mias (2). Grysar: '''Quintillans 10s Bach im philologisch -histor. Se-
minar (2). Horaz mit Auswahl (4). Geschichte des römischen Staats
(2). Hahn: Gottfrieds von Strafsburg Tristan mit Auswahl und mhd.
Buchstaben- und Flexionslehre (4). Schriftliche Uebnngen aus der
mhd. Litteratur (Ij. Hochegger: Ilias (2). Hornig: römisches
Recht (6). Exegese der rÖm. Rechtsquellen (6). Hornstein: Gleich-
gewicht und Bewegung flüfsiger Körper (4). Jäger: ^Uebungen über
österreichische Geschichte im histor. Seminar (2j. Oesterreichische Ge-
schichte bis 1527 (4). ^ Desgl. vom westphäl lachen Frieden bis zum
Tode Carls VI (2). Kaerle: ♦ kleine Propheten (2). Kaiser: ♦Di-
plomatik (2). Allgemeine Geschichte des Mittelalters (5). Vaterlän-
dische Geschichte bis 1619 (3). Kawecki: polnische Formenlehre (5).
Kunzek: über Akustik, Magnetismus, Electricität und Wärme (5).
Experimentalphysik (5). Labat de Lambert: englische Sprache (3)
und Litteraturgeschichte (2). Legat: französische Grammatik (3).
von Lichtenfels: ^Logik (I). Theoretische Philosophie (4). All-
gemeine Geschichte der Philosophie (5). Linker: römische G^eschichte
mit bes. Rücksicht auf die Verfafsung (3). Praktische Uebungen im
lateinischen Stil (2). von Littrow: theoretische Astronomie (4).
Lott: allgemeine Ethik mit bes. Hervorhebung der Rechtsphilosophie
(5). '''Allgemeine Paedagogik (2). Miklosich: altslovenische Gram-
matik (3). Neuere Denkmäler der slavischen Litteratur (I). ♦Nestor
(1). Moth: ^Principien des Infinltesimalcalculs (1). Analytische Geo-
metrie (4). E. Maller: Erziehungskunde (2). Neumann: ^statistl-
sehe Uebersicht des Donaugebiets (I). Theorie der Statistik und Sta-
tistik von Gestenreich (4). P achmann: römisches Recht (6). Petz-
val: ^analytische Geometrie (4). Dioptrik (2j. Phillips: deutsche
Reichs- nnd Rechtsgeschichte (6). Ponisio: italiunische Sprache (3)
und Litteratur (3). Remele: ungarische Sprache (3) und Syntax (3).
Rosenhain: Einleitung in die Analysis des unendlichen und Differen-
tialrechnung (4). Scheiner: hebraeische Sprache und Is Buch Sa-
muelis (4). Biblische Archaeoloj^ie und Geographie (4). äembera:
böhmische Grammatik (3) und Litteratur (3). Simony: '^praktiscber
Uebungscnrs der Geographie für Lehramtscandidaten (3). ^Uebnngen
in graphischen Darstellungen für das gesammte Gebiet der vergleichen-
den Erdkunde (3). ^Populäre Vorträge aus demselben Gebiet (1). Ele-
mente der vergleichenden ph>bikali.schen Geographie (3). Springer:
Theorie der Statistik und allgemeine Statistik (4). Unger: Aiiato-
Vorlesungen fdr das Wintersemester 1864 — 65. 597
nie nnd Physiologie der Pflanzen (4^). Ton Zalesky: mssiscke
Sprache (5). Zekeli: allgemeine Palaeontologie (2). Uebersicht der
foologisch-palaeontologischen Verhältnisse des österreichischen Kaiser-
Staats (3).
WÜRZBURG. Contien: bayrische Geschichte (5). "^Statistik
Bayerns (2). Aligemeine Litteraturgeschichte (5). Geschichte der
deutschen Nationallitteratur seit Lessing (4). Denzinger: ^Theorie
der Statistik (2). Allgemeine Geschichte (5). Statistik der europaeischen
Staaten (4). Eggensberger: englische Sprache und ^Litteratur (2).
Fröhlich: Encyclopaedie und Methodologie der Gymnasialstudien (3).
Gegenbanr: Zoologie (6). Entwicklungsgeschichte der wirbellosen
Thiere (3). Hildenbrand: Rechtsphilosophie (4). Hoffmana:
Loeik und Metaphysik (5). Psychologie (4).^ Lang: Institutionen
und Rechtsgeschichte (12). Leib lein: Zoologie (5). Allgemeine Bo-
tanik (2). Ludwig: allgemeine Geschichte (5). Deutsche Geschichte.
Mayr: Elemente der gesammten Mathematik (5). Differentialrechnung
und ihre Anwendung auf Geometrie und Mechanik (6). Logik und
Metaphysik (5). Osann: Physik mit dem In ThI. der allgemeinen
Chemie (5). Experimentierkunst. Reifs mann: hebraeische Sprache
mit Uebungen (2). Jesaja. Reufs: ^deutsche Litteraturgeschichte
mit deutscher Alterthumskunde (2). Reuter: Ciceros Orator mit lat.
Stilübungen im philologischen Seminar (5). Aristophanes Frosche (2).
Romische Alterthümer (5). Rumpf: Mineralogie (6). Schenk:
Kryptogamenknnde. Anatomie und Physiologie der Pflanzen. Sche-
rer: allgemeine Experimentalchemie (4).
Zürich. Behn-Eschenburg: Shakspeares King Lear und Merry
Wives of Windsor (2). Englische Grammatik (2) und Litteraturge-
schichte (3). Bobrik: Psychologie (3). Geschichte der Philosophie
des Mittelalters und der neuern Zeit (3). Beschreibung und Physik
des Meeres (2). Darstellung und Vergieichung des Hegeischen und
Herbartschen Systems (4). Egli: hebraeische Syntax (3). Alttesta-
mentliche Interpretieriibungen (2). Geist der hebraeischen Propheten
('!), Eschen von der Linth: Geologie (2). Mineralogie (2). Fehr:
Psychologie (3). Geschichte der Architectur des Mittelalters (2). Ge-
schichte der griechischen Sculptur (2). Deutsche Litteraturgeschichte
(2). Fick: Institutionen (6). Frei: Aristophanes Wolken mit Ge-
schichte der griechischen Komoedie (3). Ciceros Rede für Caecina (3).
Philologische Uebungen (2). Frey: Zoologie 2te Abth., Wirbelthiere
(3). Heer: allgemeine Botanik (5). Pflanzen der Vorwelt (3). Ento-
niolithen (2). Heufser: Mineralogie und Krystallographie (4). Me-
teorologie und physikalische Creographie (2). Hildebrand: Statistik
(5). Hitzig: Einleitung ins A. T. , specieller Tbl. (4). Buch Hieb
(4). Buch Esther (1). Hottinger: Schweizergeschichte von dem
Burgunderkrieg bis 1789 (3). Quellenkunde zur Schweizergeschichte (2).
Hug: algebraische Analysis und Einleitung in die Differential- und In-
tegralrechnung (2). Anwendung der Diff.- und Int. -rerhnung auf die
Mechanik (2). Decriptive Geometrie (3). Mathematische Methodologie
für Lehrer (2). Köchly: * Sophokles K. Oedipus und kritische Uebun-
gen in der philologischen Gesellschaft (3). Kritisch - aesthetische Ana-
lyse der Ilias und Odyssee (4). Demosthenes Staatsreden (3). Plaiitus
Menaechmi (3). Kym: Logik und Metaphysik (3). Religionsphiloso-
phie (3). Aristotelische Uebungen (I). Mousson: Experimentalphy-
sik (6). A.Müller: reine Mathematik (4). Höhere Geometrie, insbes.
die Curven und Flachen der 3n Ordnung (4). Populäre Astronomie (IL).
Mathematische Physik (4). Raabe: Coordinateneeometrie dreier Di-
mensionen (2). Convergenz und Divergenz der Reinen (1). Uebungen
596 Vorlesmigen für dai Wintert enetter 1864—65.
am der DiffSerential - nnd Integralrechnung (2). Rucke rt: deuUche
Staats- nnd Rechtagetchichte (5). Rustow: Geschichte der Kriege in
Ungarn und Siebenburgen 184iB — 49 (2). Schmidt: allgemeine Ge-
schichte der neusten Zeit seit der Mitte des vorigen Jh. in Verb, mit
Cultnr- nnd Litteraturgeschichte (5). Rufslands innere und aufsere
Entwicklung im 19n Jh. (2). Utterargeschichte des Mittelalters (6^.
H. Schweiier: Forts, des Sanscritcurses (2). Nibelungenlied (B).
Stadel er: organische Chemie (5). Usteri: christliche Archaeolojsie
(2). Venedey: deutsche Geschichte bis lum Beginn der Reformation
(3). Vogeli: Geschichte des 16n und 17n Jh. bis lum Zeitalter
Lonis XIV (4). Yo gelin: Aeschylos Sieben oder Perser r2). Pla-
tons Gorgias oder Sym[>osion (2). Plndar (3). Terentius Ennuchns
(2). Volger: allgemeine Naturgeschichte (6). KrystaUologie oder
Naturgeschichte der stoffeinigen Naturkorper (6). Krystallographie
oder Formenlehre der st. N. (4). Geologie Ir Thl. (4). Wipper-
mann: Institutionen (6). Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte (5).
von Wyfs: Schweiiergeschickte bis in den Burgunderluriegen (2).
BmUOTHBGA SCBIPTORDM 6RAHC0RÜM BT ROMANORin
TEDBNBRIANA.
So eben Tersandte ich folgende neuen Bande :
Apollodori bibliotheca. Ex reeensione Immannelis Bekkeri.
& 9 ^gr. ord.
Velinpapier & 15 Ngr. ord.
Catidll, €• TalertI» Veronensis über. Recognovit Augustna
RoBsbach. t ^^^ Ngr. ord.
Velinpapier i 7^ Ngr. ord.
CieeroniSy HI. Tollii» scripta quae manseront omuia. Recogno-
vit Reinh Klotz. Partia IV. Vol. I. continens academicorum adM.
Varronem librom primom , academicorum priorom libmm secundum,
qai inscribitur Lacullos, de flnibas bonornm et malorom libros quin-
que, Tuscalanarnm dispotationnm libros quinque.
ä 18 Ngr. ord.
Velinpapier & 27 Ngr. ord.
Daraus einieln:
— — opera No. 29. Academicorum libri duo.
k 4% Ngr. ord.
— — ^ No. 30. De finibus bonorum et malorüm libri quinque.
& 7% Ngr. ord.
— — „ No. 31. Tuaculanarum disputationum libri quinque.
h 6 Ngr. ord.
luvenalU satirarnm libri quinque. Accedit Sulpiciae satira. Ex
recognitione Caroli Priderici Hermanni. ll4^^Ngr. ord.
Velinpapier k 7% Ngr. ord.
Persily A., Flaeel aatirarum liber. Ex recensione Caroli Pri-
derici Hermanni. i 3 Ngr. ord.
Velinpapier ä 5 Ngr. ord.
Pllni» €., Seeanill naturalis historiae libri XXXVII. Recognovit at-
que indicibus instruxit LudoYicus Jan. Vol I. Üb. I— VI.
i 18 Ngr. ord.
Velinpapier k 1 Thlr. ord."*;:
Statlas » Poblios Papinins. Recognovit Gnstavus Queck.
2 Voll. Zusammen & 1 Thlr. ord.
Velinpapier h l Thlr. 20 Ngr. ord.
(Einzeln Vol. I. 12 Ngr., Velinp. 20 Ngr. — Vol. II. 18 Ngr., Velinp.
1 Thlr.)
Leipxig, 8. NoTcmber 1864.
B. O. Teabner.
In meinein Verlage ist ▼•lUtttadlir erschienen and in allen Boch-
handlungen zn haben:
I^elirbiich
der analyüsclien Mechanik
von
Duhamel,
Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris.
Deutsch von Dr. H. Eggers.
Revidirt, mit Zusätzen und Vorwort begleitet
Ton
Dr. Oskar Sehldmlleh ,
Professor der höheren Mathematik und analytischen Mechanik an der
polytechnischen Schule in Dresden.
Zwei Bände,
gr. 8. eleg. geheftet. Preis 2 Thlr. 12 Ngr.
Nach dem Urtheile der gewichtigsten Aatoritäten ist Duhamel'«
Cours de m^canique de l'öcole politechnique in seiner Art
das YoUständigste und zugleich in seiner Behandlungsweise das elegan-
teste Lehrbuch der analytischen Mechanik, welches die Litteratur über-
haupt besitzt, so dass dasselbe schon seit Jahren den Vorlesungen und
dem Unterrichte auf deutschen Universitäten und höheren technischen
Bildungsanstalten im Original zu Grunde gelegt wird.
Die unterzeichnete Verlagshandlnng glaubt deshalb einem ent-
schiedenen Bedurfnisse zu begegnen, wenn sie eine deutsche Ausgabe
veranstaltet hat und zwar in einer Bearbeitung, weiche sowohl eine
sorgfaltige und elegante Uebersetzung bietet, als auch das Original,
wo es nothig ist, ergänzt und berichtigt. In dieser Beziehung wird
der Name des Herrn Professor Schi o'm i 1 c h , welcher dem Unter-
nehmen seine thätige Mitwirkung auf das Bereitwilligste zn Theii
werden liess, die vollständigsten Garantien bieten. Ich bitte deshalb,
um Verwechselungen mit einer anderen Uebersetzung zu vermeiden,
bei Bestellungen den Heraasgeber oder Verleger besonders namhaft zu
machen.
Leipzig, im October 1854.
B. O. Teobner.
Kritische Beurtheilnngen.
Alciphronis rhetoris epistolae cum adnotatione critica editae ab
Jugutto Meinekio. Lipsiae sumtibus et typis B. G. Teubneri.
ÄIDCCCLIII. IV IL 179 S. gr. 8.
Alciphron, unter den griechischen Epistolographen der beste, wenn
auch an und für sich vielleicht überschätzt oder mindestens in den vor-
handcnen Briefen und Bruchstücken sich selber nicht durchweg gleich,
hat seit der Mittheilung des handschriftlichen Apparats in der Aus-
gäbe von Seiler (Lpz. 1853, vgl. NJahrb. Bd. LXVllI S. 38—71) durch
die ihm alsbald zugewendete Thatigkeit namentlich zweier ausgezeich*
neter Kritiker und Gelehrten sehr rasch aufserordentlich gewonnen.
Kaum ein halbes Jahr nachdem Hrn. Dr. Seilers verdienstliche Arbeit
erschienen war, erhielten wir von Hrn. Meineke, der bekanntlich
schon vor geraumer Zeit die Briefe 3 und 4 des 2u B. mit seinem Me-
nander herausgegeben hatte, eine neue iiecension, welche im folgen-
den näher besprochen werden soll. An sie schlofsen sich dann in der
Mnemosyne 1854 Heft 1 u. 2 S. 113 — 146 die variae lectiones des Hrn.
Cobet, welcher heutzutage unstreitig die genauste Kenntnis des atti-
schen Sprachgebrauchs besitzt. Aufserdem mufs einer schätzbaren
Beurtheilung der M.schen Ausgabe von Hrn. Kayser in den Münch-
ner gel. Anzeigen 1854 Nr. 52 — 54 gedacht werden. Durch diese drei-
fachen Bemühungen also liegt der Text Alciphrons, abgesehen von
einer Anzahl schwerlich je mit voller Sicherheit zu entfernender Cor-
ruptelen, gegenwärtig in einer Reinheit vor, wie man sie nur immer
wünschen kann. Hr. Meineke zunächst, dessen Ausgabe nach der
Pracfatio p. Hl f. den Text p. 3 — 82, die adnotatio critica p. 85 — 172
mit einem supplcmentum p. 172 — 176 und einen index ad adnotatiouem
p. 177 — 79 enthält, hat mit seiner berühmten genialen Leichtigkeit
zu dieser neuen Durchbefserung einen vortrefDichen Grund gelegt. Ein-
mal nemlich sind durch seinen Scharfsinn eine grofse Menge zum Theil
früher gar nicht einmal wahrgenommener Verderbnisse auf das glück-
lichste geheilt worden. Hieher gehören nach des unterz. Dafürhalten
Stellen wie I, 2, 4: ccg>£lg t6 q)6Qvlov avxotg Ix&vai statt <poQTlov. 1,
5, 1 ; Gol fisv yccQ 6 ßoXog i^vsyne %Q(arjv jj^tfovg Ko^^arog JaQsixov
st. XQvaov xofifiaTa JaQSixov, 1, 6, 3: TQCyXag ovze ü<5(piQBig ovxe
^Ikeig öiöovai st. (pigsig. I, 7 : evöriXog mg anavta aoiva nQog rovg
q>lXovg %ul xa zav q>lka)v ?%etv i]yoviievog st. Tunva xa ngog x. g>. I,
8, 2: xQig>ei yicQ ovöivu i} &aXa6aa st. ovöiv. I, 9, 3: inl tw aq>e"
^'. Jalirb. f, PiiU. u. Paed, BtL LXX. l/ft. C. 39
600 A. Meineke : Aiciphronis rhetoris epistolae.
tiQGD xsQSalvovxi st. xigösi (da die Hss. xsQÖalvsiv oder xigdet xeg-
öaivBcv haben). I, 10, 3: fort dh ovösvog xomtov 6 Kaqyrjgsvg htui-
TiiötEQog st. ovdiv. Ebend. 5: rinnet ös ovöiv ijTTOvrovg ai^^Q(07tovg
xo övveiSog sl. XQiq>Ei. I, 11, 3: xov (livsiv ^[(piai^v ofiov xal ^ukaxxrj
naQocdiöovai xo 6(oiicc (was übrigens schon der Pariser Codex D bie-
tet) sl. ftfiUftv. 1, 12, 5: f^v ^diKOv xb niXayog nal Ttaarjg d'v^tjöiag
(iBOTüv st. näv. I, 17', 1 : (pQ^xy axisQccv KaxaKOQCog ti^v &cckaxTav st.
xara fiigog^ und 2: anoqxtvEiv inayyeXXofiSvov p. 99 st. cLTtotpaCveiv.
1, 21, 2: litel kqlvov aurw 6 yevvri<Sag iyivsxo sl. KqCvodv — i^eyivsxo,
p. 98 f., eine prachlvoUe Emendation. I, 23 in der Ueberschrift: ^E^-
ßLv^oUitovxi, sl. ^E^Bßivd^okiovxi, 1, 27, 1: oXov fie ctvxij [<Soue(p^] xaza
xriv Ttaqoi^ilccv uvcixqi'^aCa st. ovrij, wenn auch nicht völlig* sicher
doch sehr anmuthend , p. 101. I, 29, 3 : iqaGxov iöxsQtjö^ai st. vdxe-
Qriaai, I, 39, 4: xct nttqa noqfpvQuv noqtpvqä x6v laxlmv xuvxC st.
xa naqccTtoqtpvqct tcSv i(S%its)v p. 107. Ebend. 5: xriv inl xovg iifiqaig
iyyiXKSiv st. fyxqiaiv, 7 : iqa yaq avxov Satg öiaKaoig st. xorxcog p.
108. 11, 2, 6 : d xccl oXr/ yifiot 17 ^Ad'rivalcDV TtoXtg 'EjTtLKovqcDv st. yi-
voixo p. 111. 11, 3, 2 : t/ yaq ifiol %(oqtg (Sov yivoix' av riöv st. iqöiov
p. 112. Ebend. xLvi <J' iitctq^rivat fiel^oi't Swaifiriv xrjg ötjg ipiXiag
st. xL d' in, p. 1J3. 17: fvrvjrf/Tö} xal xafia dya^a [ix^'^oy] yivofuvog
iv AlyvTtxco p. 116. 11, 4, 1: ijcTtXctyfjg imo ^öovrjg yivofiivtj st. ix-
TCaX'qg^ in naXt^g^ inna^rig. Ebend. Evq>q6viov st. Evg>6qiov p. 116^
3: ovd^ el Sqvg fioi xo dri Xeyo^evov (p^fy^aixo st. ßovg und xo Xsyi-
(levov p. 116 f. 111, 1, 3: xo öi oXov Ttqoacxtov avxatg ivoq%et0d'ai xatg
naqeiccig Btnoig Sv xag Xciqixag xov uq%Oii.tvov ctnoXiTCovaag xctl xijg
^AqycKpiag xqrivrig aTCOviij^afiivccg st. xo ös oXov 7cq6<Somov avxag ivoq-
Xeta&cci xatg TtaqBiaig xxL p. 121. III, 2, 1: aiti^vaai xriv aidü xov
ytqoödjtov st. ani^söag, 111, 12,2: Cxsvov xo nvEV(Aa fiBxa^if xmvxf^Xiiav
iTtLövqoDV st. fiBxa p. 129. III, 18, 3 : ioqxaöOfiBv d' afia fiaX^ ^dio»? st. öi
(laX* ridicog nach dem Vat. aXX afi(jL aXX fjdicog p. 131. III, 20, 1 : xavxag
TtoxB itlv xaxa ^ilav iöXBTtB xjj %aqot\>i6i st. xavxd tcoxb fihv jcara (Uav
iöxBTCB naqo^löa^ vgl. das suppl. p. 175, wo ebend. noxe 6' ovx oU'
OTttag [ndaag] imo xfj uia iÖBUw treffend ergänzt wird. III, 23, 2:
Big vBODxa dh öi%OLO [dv oder iKÖixoio, p. 133] naq^ '^fidiv xovxnvi
fisl^ova xal r^dtova st. Big vitova öl öixoto n, ^. ftf/fw xovxmv ij xal
^ö. III, 26: d>g ofiov fi;/*/a xal xov vtco xcjv ofioöovXmv nqoaog>X^(Sai
yiXoDxa 8l. 0(iov irifilav, da zwei Bücher tVf^ia geben, p. 134. III,
50, 3: xaXr^v xaXcjg a7toXdrlK>iiBv xr^v TcXrjafiovrjv st. xaX(og — xaXfäc
anoXavöo^Bv xijg nX, p. 145. III, 55, 4: xo cxofia iTCixBiXijg, d)g dito
xov TtBTtqiö&ai xal Xlav ^B^vxivai x^v ixE^iv^lav V7coat](ialv<ov st.
nsmtad'ai p. 149. III, 56, 2: ^Aqrjvdörjg st. 'AqTcdötjg p. 151. Nicht
etwa aus Mangel an weiterem StolT, sondern um nicht ein Uebermafs
des Raumes zu beanspruchen, geht Ref., nachdem er noch erwähnt
hat, dafs von vorstehenden Befserungen manche nnver^enterweise
blofs in der adn. crit. stehen, zu einem zweiten Verdienst der* vor-
liegenden Ausgabe über. Dieses besteht darin , dafs Hr. M. nicht we-
nige von Seiler verscbm&hte gute Lesarten der Hss. wieder in ihr
A. Mcineke : Alciphronis rbetoris epistolae. 601
Recht eingesetzt oder mindestens zur Anrnahme empfohlen hat, z. B.
1, 1, 1: T« Si (xvfAOTa) iQQf^yvvro st. iQQTjywvro p. 86. I, 2: ralrj-
vaiög st. Fakrivog. Ebend. a. E. ino^tjcsafisv st. iitEvOi^aocfisv. I, 4: '
Kv^io^og St. KviioD&og^ s. Anal, epigr. et onomat. p. 171 N. 1. 1, 9:
MccvSQoßoXov si, MavÖQoßovXov, IH, 29, 2: iQuaiay aoL %Q(Oii€cij
TOVTO dri t6 tov Xoyov st. xorra Tovro, ro öri r, l. IIF, 42: Zr£fig)V'
loöaliiovi st. 2rccq)vXodaCiiovi, III, 51, 1; ov ^e yuQ twv w T^vgp??-
jiiarwi/ Tcov iv rovrotg ^^eaev st. ov yaq fie ttSv rQvq>ri^ciT(av rmv iv
Tovxoig ovölv rfQSösv. Ebend. 2 : tj rov nccga vovtoig iqvgIov anoSqi-
nsc&cci st. 71 dicc To Ttaqcc xovxotg xQvalov dnoÖQvmea&cct, III, 55, 7:
vmv XQVöav in^v xivct fiovfSiKrjv aQfioviav ixegin^ev st. xorrcJ xiva
fiovßcxriv a^^, III, 56, 1 : xal xvg>ov TtXrJQrjg sl %al ßaöl^Btg tca xovxo
öri x6 xov Xoyov Uv^onXei sl. xat ßaöC^eig taa Sri xcfi xvq>ov nXrjQrjg
fl, TOVTO öi} xo xov Xoyov ^ üv^OTiXei, lU, 58, 1 : öiaßoXag ayevrixovg
sl. ayevvHg, Ebend. 3: xgifie daxcoi; t6 xeiXog^ cSj V tov 2lyr(Xov
riQ(ü naQiovxsg , firi xi kukov TtQogXdßrjg st. ov xgeiico [ivöccK^iv xb xst-
Aog, oSg of TOV HiyriXov JJ^od nctqiovxBg ^ (iri naxov xi jtQogXccßafiat].
lll, 69, 1 : ßccöavlaai dt iQSvvtjg xo nqäy^a st. ßa0avl<Sai öuQevvav
xs xo TtQ. Zum dritten sind von Hrn. M. eine Anzahl Glosseme aus
dem Text unten an den Rand verwiesen, wovon allerdings einige
schon früher erkannt waren, die aber in der Mehrzahl erst durch den
Scharfsinn des letzten Hg. aufgespürt worden sind. Man sehe I, 5, 1.
I, 20, 1. I, 21, 1. I, 29, 2. I, 31, 1. 11, 1, 6. II, 3, 15. 111, 4, 2. 4. III,
5, 3. III, 7, 2. 3. III, 12, 1. III, 30, 2. III, 38, 1. 2. HI, 40, 2. III, 52, 1.
III, 57, 1. III, 63, 2. III, 72, 5. Hier sind auch die Stellen anzu-
schliefsen, wo entweder ganz unzweifelhaft oder doch mit grofser
Wahrscheinlichkeit eine Lücke in den Worten Alciphrons durch Punkte
bezeichnet wird: I, 12, 4. I, 20, 2. I, 27, 1. I, 28, 2. I, 34, 8. I, 36, 4.
I, 39, 6. n, 1, 3. II, 2, 5. 14. HI, 3, 1. III, 46, 3. III, 71, 2. Bruchst. 3.
VI, 19. Beachtet man endlich die Sorgfalt, welche auf Reinheit des
Atticismus wenn auch nicht ganz consequent doch hier und da ver-
wendet ist (eUi] I, 2, 1. ft/;a)v I, 18, 2. a6i}q>ayovvxa I, 21, 1. rivci%Xsi
I, 23, 3. öiQfjv I, 28, 2. ayovuwfuci I, 39, 5 u. s. w.), und würdigt
mau die gelegentlichen Bemerkungen über griechischen Sprachge-
brauch im allgemeinen und die Verbefserungen anderer Schriftsteller
in der adn. crit. (Archestratns p. 169. Cinnamus p. 130. Eupolisp. 150.
Euripides p. 102. Hesychius p. 168. 173. Menander p. 123. Theogno-
stus p. 181. Xenophon p. 132), so dürfte Hrn. M.s Leistung im we-
senllichen charakterisiert sein.
Ehe sich nun Ref. erlaubt, über mehrere Stellen seine abwei-
chenden Ansichten auseinanderzusetzen, meint er noch sein Urtbeil
über Hrn. C o b e t s variao lectiones und Hrn. K a y s e r s Recension aas-
sprechen zu müfsen. Dafs zuerst in den var. lect. kein Wort ausdrück-
licher. Anerkennung der Verdienste Hrn. M.s um den Epistolographen
gesagt ist , wird niemanden grofs befremden , der die Art des hollän-
dischen Gelehrten, mit deutschen Philologen umzuspringen, aus der
Rede de arte iuterpretandi oder aus den Bemerkungen zum Hyperides
39*
602 A. Meineke: Alcipbronis rhetoris epistolae.
kennt. Hr. M. aber, welcher den scbmahliclien Aasfall anf den seligen
Laclimann so glimpflich abgewehrt hat, Vind. Slrab. p. 137, wird sich
' in seiner liebenswürdigen Bescheidenheit (s. zu III, 8, 2 p. 128) dar-
über selbst am wenigsten verwundern. Nur zu Fragm. VI, 18 a. E.
losen wir in der Mnem. S. 146: ^sl ^liv ouxas i'axriTiag fiaXaxag (st.
ovxcog) Video hoc Meinekium praecepisse, qui permultas incertas et
TtaQccKButvövveviiivag correcliones recepit, complusculas certas et
manifcstas in annotatione delitescere maluit, de qua re alias dicam.'
Der letztere Vorwurf, wenn man so sagen darf, ist nicht ganz unge-
gründet und darauf schon oben hingewiesen ; Schuld mag zum Theil
die Schnelligkeit tragen, mit welcher die Ausgabe gearbeitet ist. Den
vollen Beweis des ersteren ziemlich scharfen Tadels mufs man abwar-
ten. Hr. Cobet selber hat, wie bereitwilligst anerkannt wird, an sehr
vielen Stellen theils durch Kleinbefserungen , indem z. B. echt atti-
sche Formen ttnd Formeln gleichmäfsig hergestellt werden, theils
durch Ausmerzen von Glossen (111, 56, 2 : yvfivbv ^qa^B iv aKagei
XQOvov ixTiaaaiv S. 138 st. xtjg oiiUag yviAvov ^vQa^B iv uKccQBt XQOvcii
iKßkfi&ivva iii7tB0Biv . /, wo Hr. M. eine Lücke annahm p. 67), durch
kleine Zusätze, wie den Artikel, durch Aufnahme verschmähter Les-
arten oder Conjecturen anderer Gelehrten, namentlich Hrn. M.s sel-
ber (111, 62, 1 fivazi^QWv iv avxatg xqiq>Hai S. 141, vgl. suppl. p.
176), endlich durch eigene schöne Emendationen die Reinigung des
Textes wesentlich gefördert, man vgl. I, 17: BvihtiÖBg ovv st. iXitlÖBg
S. 116. 11, 2, 1: imaxoXag dtalvyCovg fioi yQagxov st. adiaXvxovg
(adiccXslTtxovg) S. 121. II, 4, 21 : Kvßaqväv (lad'rfaofiai st. (ivtj&i^ao-
fjuxt S. 124. 111, 2, 16: ig)BQBg av xal [avxog] xoig ^soig xixxov S. 130.
III, 22, 1: xocg gdyag InaTCzov st. iaoTtxov S. 131. III, 51, 3: tuctvovQ-
yalv St. vBovQyBLV S. 137 (vgl. NJahrb. a. a. 0. S. 46). III, 44,3: xvxri
yoiQ i(Sxi ndvxa xa tcj»/ avd'QcirCfav rCQciyfiaxa st. JtaQa Ttdvxa S. 134.
III, 57, 1: OBidcovalo) xa fiixQO) XQrjxai st. g)Biöa>k^ S. 138, eine vor-
treffliche Befserung. III, 59, 5: ov qbtcbi xo ovuq st. g>iQBi S. 140 a. a.
Uebrigens unterliegt von den Conjecturen des Hrn. C. doch eine und
die andere einem Bedenken, was weiter unten darzuthun versucht
werden soll. Aufserdem aber ist es unzweifelhaft, dafs wo so tüchtig
vorgearbeitet war, wie es durch Hrn. N. geschehen, nachzurfiumen
und bis ins kleinste auszubefsern , leichter fallen muste. — Hr. Kayser
endlich hat zwar nach des uuterz. Dafürhalten gar nicht überall die
Hand Alciphrons wiederhergestellt, wo er einen Vorschlag macht;
seine Conjecturen tragen häußg den Stempel allzugrofser Kühnheit und
gestalten den handschriftlich überlieferten Text zu frei nm. Allein
aufser mehreren gewis glücklichen Vertheidigungen der Lesarten der
Uss. (I, 4, 1: örj(ioxi7ia öiunqaxxovxctL S. 421 gegen M.s örjfAtovQytxa,
I, 6, 2: ^aSiog xat 6q>^ak(i(6 S. 421, wo M. kdyvog wollte. 1, 15: ddl-
%ovg x^^Wag S. 422) und neben etlichen sicheren Emendationen (1, 35,
3: (UXQU d' It' i<sxi (lot naQatjwxii S. 422, was neben mgUcxi, auch
Cobet vorschlägt S. 119. 11, 4, 5: %av xolg TcagaCKtjvlotg iavrjxa vovg
öccxxvkovg ifUKvx^g nti^ovoa^ Btog av xQOxalion vi hiaxQov^ xal xqi^
A. Heineke : AIcipbronis rhetoris epistolae. . 603
fiovca' toTS dh vi} rfiv''AQXsniv avcnlwxm xtA., wo sonst nach &kctQov
stark interpungiert wird und di nach xoxs fehlt, S. 430. III, 69 2: ^
fiiv yag [iel] airetS. 434. III, 11: Xiovlrn st. X^ovifp^ woran schon
Reiske {Kqovl(ji) anstiefs, s. M. p. 129) ist vielfach das scharfe und
geistvolle Eindringen in den Sinn des Schriftstellers hervorzuheben.
Deshalb wird im naphstehenden auch auf diese Rec. mehrmals Rück-
sicht zu nehmen sein. Dagegen enthält sich Ref. im allgemeinen wie-
derholten Eingehens auf diejenigen Stellen, wo er in der Beurtheilung
der Seilerschen Ausgabe entweder dieselben Schreibweisen der Bü-
. eher empfohlen oder, was ein paarmal geschehen, dieselben Befse-
rangen vorgeschlagen hat, wie kurz darauf Hr. M. Nur da, wo ihm
eine derartige doppelt vorgetragene Muthmafsung mit Unrecht ange-
griffen zu sein scheint, wie I, 18, 2 riyaad^g^ sei ein nochmaliges Be-
rühren verstattet.
I, 1, 4: Bv%vQ ovv oipcSvai nhjalov^ xal rocg a<slkXag Inofilovg
aveko^evoi Kai rag ixaxigcad'sv CTtvQiSag i^aQxrjdavxeg nal inlg ccv-
xcov xaxaßakovxeg agyvQiov aaxvS* ix ^ali^QODV i^itelyovxo. Da vtcIq
aixmv nur auf anvQCöag bezogen werden kann , was inept sei , so will
Hr. M. p. 86 diese Worte entweder tilgen oder schreiben : ro:^ iMcxi-
Qcod'ev anvQldag i^aqxriiSavxsg an avxciv (x<av aadXmv) xai naxaßa-
XovxEg xaqyvQLOv xrÄ. ; K. dagegen vermuthet S. 420, in vnEq avxav
stecke ein Adjcctivum im Sinne von vitegalaiov ^ TteQiovaiov oder ns-
oiöCov, Dafs aus dem ursprünglichen aTC* avxciv Kai fälschlich Kai
v7i£Q avxciv geworden wäre , ist wenig wahrscheinlich ; auch bedurfte
CS, streng genommen, des Zusatzes an^ avxoSv gar nicht. Streicht
man dagegen vneq avxcSv^ so fehlt ein Umstand gänzlich, der doch
mindestens anzudeuten war. Das ist das Füllen der Körbe mit Fi-
schen. Möglich also, dafs einige Worte dieses Sinnes ausgefallen
sind. Inzwischen bedarf es wohl auch dieser mislichen Auskunft nicht.
Denn warum sollte man nicht verstehen können: vitSQ avxäv (rcov
anvQiöoiv) KccxaßaXovxsg xagyvQiov ^sie bezahlten für die Körbe, na-
türlich die nun mit Fischen gefüllten, welche die Händler eben beim
Weggehen an die Tragbretter hängen'? Vielleicht ist selbst die
Folge der Handlungen nicht rein zufällig, indem die Käufer erst be-
zahlen, nachdem sie die Körbe aufgenommen haben, und nun nach
dem Gewicht Gebote machen und das Geld geben. Vgl. auch Lucian vit.
auct. 25 : tcoöov vtiIq avxäv y.axaßaXco; Mväg dciÖBKa, — l, 2, 1: ftcf-
xrjv Tj^ip ndvxa novHxai , w Kvqxcov , öi* ri^iqag ^iv vno xi]g eYX-qg
q)Xsyoiiivoig f vvkxcoq ob vito Xa^indai xov ßv{>ov onto^vovat. Die Deu-
tungen von ano^vovct durch perscrvtari (Seiler) und profundum ma-
us verrere (Bcrgler) werden verworfen und aus der Lesart des Par.
und eines Vat. vnolvovdt gemuthmafst vnodvovGt^ profundum maris
subeuntibus sc. verriculo m mare immisso p. 87. Gegen diese Aen-
dcrung hat sich schon K. S.420 erklärt: ^an xov ßv^bv aTCo^. ist wohl
nichts auszusetzen, da die Geschäfte des Landmanns häufig metapho-
risch dem Fischer beigelegt werden; man vgl. die von Seiler I, 4, 1
gesammelten Stellen, nam. Anth. Pal. IX, 242 novxov aQOVQSvxfiQy und
604 ■ A. Meineke : Alciphronis rheioris epistolae.
Callim. fr. 436 aQoxag KVfjuxxog ^Aovlov.* Iliemit möchte nicht viel
bewiesen sein. Ref. ist zunächst bedenklich , dars es heifsen würde:
^die Fischer tauchen auf den Grund des Meeres', während diese
doch nur ihre Netze in die Tiefe lafsen. Wenn sodann weder ajro-
^vetv noch iito^vHv (yrtis vom Meere vorkommt, das Berge und Ge-
stade unten bespült, Dion. Perieg. 61. 385) hier zi^läfsig ist, so wird
sich das einfache ^ovCi behaupten: ^ über den Abgrund hin streifend',
indem die Fischer auf das hohe Meer hinausfahren. Aehnlich heifst es
bei Babrius VI, 1 vom Fischer, der, die Angelruthe in der Hand, am
ganzen Gestade entlang hingeht: 'A^uvg ^akdaarfg näaav '{i6va^v<av
Amx^ xe xaXa|Lta} xov yXvxvv ßlov öfp^av, Dafs in gleicher Weise
rädere und subradere gebraucht wurden, lehren die Lexika. Die Les-
art into^, aber und aTCo^. konnte unschwer durch das vorangehende
intb kcnüTidai veranlafst werden. — Ebend. 3: xa ix r^g &aXda<rfig
iqia a qjvexai. iTCieixäg iv evQvv6(ifjg Xijfivov, Hrn. M.s ingeniöser
Vorschlag iv ^B^ni^ovrig Xifiivt p. 88 hat allerdings auch das von K.
S. 420 angeführte Bedenken gegen sich , dafs die Leute erst eine gar
weite Fahrt von Munychia nach Hermione gehabt haben würden, um
dem Befehle ihres Herrn nachzukommen. Aber ebensowenig befrie-
digt Kaysers iv EvQvv6iit}g ÖBfivlipj mit Berufung auf Find. Nem. 1,3:
'O^vyla^ öifiviov ^A^xiiitöog. Das wäre im Munde des Fischers zu
hochpoetisch. Sichere Hilfe — iv BAf^vofirig OTtrikala} wird auch
nicht zusagen — weifs ich nicht. Dafs vor iTCisiKag ein Adjectivum
wie dvöevQSxa (Kayser) verloren gegangen sei, ist nicht unwahr-
scheinlich. — 1, 2, 4 : rjfisrg avvsQyov ayad-ov inevO'Tfjccefisv. Cobet
verlangt S. 114 das auch von M. empfohlene iTtod'rjöafisv , weil jenes
nur von der Trauer um die todlen gesagt werde. K. bringt nun zwar
Lysias XXXIl, 11 bei, wo niv&og \on der Trauer um ein Unglück über-
haupt steht; allein dieser Gebrauch ist doch sehr selten und IttoO^-
(Sa^iev hat zudem die Autorität einer guten Hs. für sich. — 1, 3, 2:
axi,xldiov xriv uTtovoiav rcai/ nleovrav iitiaxvfpov, so corrigiert mei-
nes Erachtens sehr schön Hr. M. p. 89 die Lesart der Bücher ini,-
aivcpotfxog. Wenn aber Cobet S. 114 notiert, Ale. habe selber nichl
gewust, was htKSzvcpeiv xrjv aTroi/otai/ bedeuten solle, so bekenne ich
dies nicht zu verstehen. Für mich hat Bergler iitiGxvtpuv im Sinne
von adslringo^ coerceo durch zwei Stellen des Clemens Alex, hin«
länglich nachgewiesen. Musten sich freilich die grofsen Tragiker von
Hrn. Cobet ineptias vorwerfen lafsen (vgl. Bernhardy Faralip. syntax.
Gr. p. 8 N. 5), und wüste Sophokles nicht immer was er sagte (Co-
bet de orationc arliüciali Graeca a populari dislinguenda p. 9), wie
hätte es der Spätling Alciphron bcfser machen sollen! — 1,5: Navd-
xrjg^ so Hr. M. nach dem Vcn. und C, p. 90. Allein bei Xenophon Hell.
III, 2, 5 (6) hat das echte Navßdxrjg L. Dindorf endlich in der neu-
sten Ausgabe (Oxon. 1853) p. 145 aus einer Hs. hergestellt und auf
den Artikel im Pariser Stcphanus verwiesen, wo C. I. G. n. 538, 7
NAYBATHN steht. Navdxrig ist ebenso aus falscher Aussprache
entstanden, wie Evoue für Evßota^ was ehemals Dindorf zum Xenoph.
A. Meineke: Aleiphronis rhetoris epislolae. 606
(Stereotypansg. von 1847) verglich. — I, 6^2: i^ag tijg'EiffUaviciios
fUtUxoVj rjy iitl ^axa tcov if^mrtoiv o IIet(faievs iöi^aro' TMUfid^ovai
yag tlg (TCQog Cobet S. 115) avr^v i} ngog ^akavtav vBolaict xal ük-
kog akko dtoQov aitotpiqu (7CQoa<piQSt Cob.)* ^ dh Bicdi%svat, kuX ava^
Xoi XaQvßdea>g ölxriv. Da einige Bücher igcitav nnd i^uvTcav haben,
80 liege die Yermuthung igai/xtav nicht fern; doch wünscht Hr. M.
p. 91 lieber OQtovzmv. Irre ich nicht, so hat K. S. 421 richtig erkannt,
dafs der Gedankengang einen Begriff wie %^iiax(ov erheischt: *die
Einwohner des Peiraeeus haben jene Hetaere zum grofsen Nachtheil
ihres Vermögens aufgenommen, vgl. I, 18, 3: |iii/ ob avxl xijg J^akax-
xf^ ^ 7^ vavayov a7Cog)i^vy ^ikcicctOa xwv XQfjfittxcDV,' Denselben
Sinn werden wir durch nähern Anschlufs an die Hss. erhalten: xmv
t%6vx(ov, — I, 8, 2: %6qovg i% noQCDv ivfisyid'eig wvtaxvovfAevon statt
"^ einer zuerst, p. 92, angenommenen Lücke [xai fiiad^ovg] svfuyi^eig
zieht Hr. M. im suppl. p. 193 vor, BVfuyi&eig als Glossem zu tilgen.
Ich war früher derselben Ansicht, bin aber davon zurückgekommen,
weil Ale. auch sonst Synonymen häuft, vgl. III, 10, 1: xaTtog Tiaxmg
aTtokoixo 0 Kccxioxog akeüx^cav und Hrn. M. zu III, 3, 1 .* sio^la mul
nkrfiog Ix^mv p. 174. — I, 9, 1 : xo (liv yaq ini kmxav x€(^axmv
intoölöocbai %al mvHdd'ai xit iifixi^deia kvntiQccv q>i^it x^v na^aftv-
d-lav: so Hr. M. nach dem Yen. und nach C, wo kvfi^Qav steht: Co^
bet, der auch an inl kiitxmv 9UQ(i. anstöfst, verlangt S. 116 kyngav,
vielleicht mit Recht. Wie aber die Vulgate kifitiqav als kräftigere Be-
zeichnung (K. S. 421) gerechtfertigt werden könne , ist mir nicht recht
klar. — Ebd. 3: Ttavxmg yaq nqog x^ Tioxaßokjj xi^vglov iaxai Tva^'
avxoig (avTCöv Cobet S. 116) xtg Sta aov naqctiiv&ict JtowisUov ^
^ATtaxovQicDV xekovfiivoav. Das dreimalige TCagccfivd'la in diesem kur-
zen Briefchen ist gar zu auffällig, und selbst wenn §. 2 xtjv naq^ fjfimv
i^ mv av ij &akcczxa nogC^rj naQa[iv&lav ixöixsö&ai das Wort mit K.
S. 422 zu streichen sein sollte, möchte ich oben ein Wort wie ^a^-
fila im guten Sinne: * Erholung, Zerstreuung», Polyb. X, 9, 15. Isoer.
p. 197 B. 198 A. — I, 10, 4: nsQtvoöx'qaofiev üxqi nal cpvxov xov Kot-
fpriqiiog xctg axxag: mir ist xal avxov auffällig. Erwägt man, dafs
die Küste zwischen dem Vorgebirge Kaphareus und Geraistos, die
sogenannten Koika Evßoiag^ gerade die gefährlichste Strecke war, s.
Leake: die Demen von Attika S. 185 N. 431 W., so gewinnt die Yer-
muthung axQt' r€Qat.<Sxov ^ wir werden bis nach Geraistos hin die Kü-
sten des Kaphareus umwandeln' wohl einige Wahrscheinlichkeit. Fe-
ga^axog wird auch im nächsten Briefe I, 11, 2 erwähnt. — Ebd. €tnov
XI TCOV ix vcevayCag aTtonxvö^sv ivged^eCtj amficc: der Artikel xmv ist p. 94
mit vollem Grunde verdächtigt. — 1, 11, 2: (lixQ'' ^wv ccvxm rsgat-
(Tro» 7CQO<5oCxo)v ;(C9p/ci>i/: die Bücher geben sämmtlich ogicav^ was doch
in späterer Graecität die Bedeutung * Gebiet, Gegend' wie ßnes zu
haben scheint; vgl. Aelian. var. bist. VI, 14: xovg [liv inl xa x^g 'iv-
diXT^g oqia aTtiTtB^iiffB , xovg dh iitl xa Hxv^ixcc, Evaug. Matth. 2, 16 :
avetks Tcavxag xovg nalöug xovg Iv Brfikek^L xal iv TCaCi xotg oqCoig
avxrig. 8, 34. Marc. 5, 17. 10, 1. Act. apost. 13, 50. — 1, 12, 3: iv
600 A. Meineke: AleiphroDiB rheloris epiBtoUe.
t0(ü yag KQVfiovg not &dXavTixv g>l^fiev .... ov dl S(i4}c (ov (Mvog
ovöi ftrra fi6v(ov tav halgtov o Tlo^ttpiXog ^ iXXcc xal yvvatcov crvioo
neQtxxäv xi\v ägav nXtjd'os cweCiteto^ (lovöovgyol Ttadm' 17 ftlv yiiQ
ixaXeho K^ovnaxiov %ai ^v avkr(tqiq * aXXri 6i Evinrjg , avxti di xvfi-
ßccka hcsTiQOtBi^ iyivSTO ovv fiOL (JuyvüMrjg rj anazog nXia, Hier ist
HQVfibg ncel ^aXavxa, q>eQOfiiv(ov 6h Sfia Yulgate ; K^ftovg xcrl ^dXcct-
tav, wsQOfiivoav 6h S^ia hat der Flor. ; xqvfiovg xal wXaaöav g>iQO'
fuv afia. (pegofiivcDV 6h afia Yen. und D Tcod. Palat. 155) nach K. S.
422 ; iiQVfioxfg xal ^dXaxtap g>iQ0(i6v 6h cifia JTI; y,^(iOvg xal ^dX-
Tcog g)iQO[iev. q>SQOfiiv(ov 6i Par. ; x^fiovg xal ^dXnog * q)€QO(iiv(ov 6h
Sfia C. Hr. M. nun vermntbet: [jtXciH^o(iiv]aiv 6h dfia and dann mit
Reiske: ov [yccQ] fiovog^ p. 95. K. aber verschmfiht S. 422 jene Er-
gänzung, billigt d'dXjtog^ wofür ich mich früher erklärt halt« , streicht
das erste tpiqo^nBv ci^a des Yen. und der Hs. D und setzt dann Tqi
6h afia. Nach den vorgängigen Worten ijfitv 6h ov fwvov totg tovti/v
notovfiivoig rriv i^cKSiav^ iXXa xal näciv uTta^anXcig odoig fiti na*
Qiovaia %Xovvov Tcgoaeart, önov6d^exat iaxtv ov 6vvafiivoig x^ siX^
hiqeö&at scheint mir ^dXTCog fortwährend notbwendig: iv Taco yciQ
XQV^ovg xal ^aXitog (pigofiBv, Darauf aber möchte ich mit Beseiti-
gung der schwerfälligen Parenthese fortfahren : 'qv 6h dfuc ov (lovog
ov6h fisxd iiovcav rc5v ixalgav 6 ndfiq>dog xxX, — Ebend. 5 — 6:
nXiiv ifii ye xavxa ovx ixs^sv ov6h ydg ovx oXlyoi tcöv ofioßltov xal
(idXtaxa 0 ytiXQog FXavxlag TsX%i^vog rju fioi ßaaxalvcov ßagvxsQog.
Die in ov6i liegende Schwierigkeit hat Cobet S. 116 erkannt; aber
sein Yorschlag el6ov reimt sich nicht recht zu dem folgenden fidXiöxa,
Man wünscht ein Zeitwort wie icp&ovovv. Auch ßaCxaLvmv ßagvxe-
Qog scheint verdorben ; entweder war ßaöxalvav ßagfvxBQOv oder ßa-
axavog ßaqvxeqog zu schreiben, s. 1,15. 111,62,3. Eine Form ßd<sxai-
vog wird auf die Stelle C. I. G. n. 2059, 31 nicht zu wagen sein (vgl.
n. 3715, I). — I, 13, 3: ifiavxov 6h 6sl^ag olog elfxi &aXaxxovqy6g ^ sl
fifl (lali'oixo 0 xavxrig naxi^Q^ ölfiai Ttagi^eiv iTtiXTJösiOv vv^ktplov, Hr.
M. nennt p. 96 Piersons avaivoixo * speciosum*. Mahoixo passt wohl
befser zu jenem Burschen, den man so selbstgefällig zu denken hat
wie den Freier auf dem bekannten Genrebild : der Heiratsantrag auf
Helgoland. — I, 14, 1 : 6ixxvov — vno %q6vov itaXaioxrixog 6uQQiJi}-
yog: Cobet streicht S. 116 naXaioxrjxog, Gesagt brauchte sicherlich
nur ^ines zu werden, vno TCaXauixijxog (Plato Cratyl. p. 421 D) oder
V7c6 XQOvov (ders. legg. VII p. 797 E. Rofs inscr. Gr. ined. 11 n. 88,
4: ix noXXdov ndvxa xaxt]QeLfiiiiva xal t^Qi^fico^iva %q6vg)v [xal] vno
TcaXaioxtjxog xQrj^ovza i7iavoQ^(6c£(og). Vielleicht ist aber bei der
schon berührten Fülle Alciphrons eher xai einzuschieben. — I, 17, 3:
xiXog fi6y(p 7toXl(p 6eCXr]g oipiag xd^iyjXov ilsiXxvöafisv : Cobet corri-
giert S. 116 ndch Aesch. Pers. 509 (loyig noXXfp noxw, Ist eine solche
Reminisccnz sehr glaublich? Natürlicher war wohl, wenn i^^oyai un-
haltbar ist, novm itoXX^ oder <5vv tcovo) itoXX^ wie bei Xen. memor.
II, 2,25. — I, J8, 2: Ofiov yctQ x^ äffcc xijg naMaxt^g iiyda%>fig xoi
xocg x(fovfta<Siv, Diese Conjectur (Vulg. t^^do^rig) Hrn. M.s p. 97 be-
A. Meineke : Alcipbronis rbetoris epistolae. 607
kämpft Cobet S. 116 wesentlich aus dem Gronde, weil ayaa^at in re
amatoria nicht passe. Er liest deshalb jiQi&rig, Da ich schon vorher
anf dasselbe iT/aadijg g^erathen hatte, nur dafs ich den ganzen Satz
als Frage auffafste, so ist es mir um so erwünschter, den apodikti-
schen Ausspruch des holländischen Kritikers durch ein Citat, wie ich
glanbe, fallen zu können. Denn bei Philostratos vit. Apoll. VI, 11
p. 244, p. 112 Kays, heifst es: (isiQccxio} %ak^ ivcvxav ayaa&slg avro
xi\q iigag. Die Verschiedenheit der Structur kann nicht hindern, hier
"^aa^tj, was auch K. S. 419 billigt, im Texte zu belafsen. Und doch
werden vielleicht andere vorziehn: o^ov yag ry &Qa xijg nociölaxrig
fJQuC^g xal rcSi/ XQOVfiaTVDv. — 1,23, 2: aH' ovöh iKSiae awaxd-
qovv ot tmv ofiOTixvoüv tvsqI ravta (ravtd'!) ahvöoviitvoi' xal yccQ
avzavg ri TragctTtkrjala ^sog rivcix^Bi. Ilsvlct, Hier mit Cobet S. 117
IlBvla als Randbemerkung auszustreichen, widersteht mir darum, weil
ohne nähere Erklärung die ^eog etwas dunkel bleibt. — Ebend. 3:
mg övv rjö^o^rjv ovx elval fiot elg ravra fttftri^roV, ögccfitav inl to
Sqcc0vXov ßakavHOv Idicunix'^g oMag^ evQov xovto kbvov: vorausge-
setzt die Echtheil der Worte inl rb Sq, ßak, scheint lönoviarjg ohiag
ein ziemlich mufsiger Zusatz. Nun bieten aber statt jener Yulgata
mehrere Codices etwas anderes: litl &qciiSvko C, und xo im Bqaövkov
JIlFlor. Zwar kann die sonst mit inl Ggaövkkov oder Ggaavkkoi
bezeichnete Oertlichkeit im Flecken Maroncia (s. Bückh C. I. G. I p.
288 b. 290 a) hier nicht füglich verstanden werden, da an ein Bad in
der Stadt selber, gedacht werden mufs. Allein wer wcifs, ob jene
selbe Benennung nicht auch für eine Localität in oder ganz nahe bei
Athen üblich war? Demnach könnte man lesen: dQa(ia>v [elg] oder
[€la]dQafi(ov xo inl OQaavk(X)ov ßakavetov idicyxcxijg ohlag^ wo
jetzt auch Wtoor. otx. nicht mehr unnützerweise zugefügt ist. — I, 26,
1: iitl xctg MccQ'tjjiov dvgag: so Hr. M. p. 100, wie auch bei Enpolis
ein Parasit Marpsias gehcifsen habe. Doch die handschriftlichen Les-
arten BvQxlag ^, Ven., Par., MvqxIov Flor., cod. Dorv. ad Charit,
p. 472, halten überwiegend am Ypsilon fest, und darum darf meine
frühere Mulhmafsung HißvQxiov (Aristoph. Ach. 118: Kkeiai^iv^jg 6
ZißvQxlov. C. I. G. n. 1001, 1 ZißvQxig, d. i. üißv^iog in Athen,
Anal, epigr. et onom. p. 137, l) wohl nochmals erwähnt werden. —
I, 28, 1: cig xig Hqti ved^siv ceQx6(i£vog: kein Zweifel, dafs ditf mir
brieflich mitgetheille Conjectur meines Freundes A. Nauck agxi ye-
vsid^eiv Aufnahme verdient, vgl. C. I. G. n. 3175, 1: Squ yevsid^ovxa
fte ßdaaavog ijQTtaae öcclfioDv. Stat. Flaccus epigr. I, 1 (Brunck Anal.
II, 262): dgri y£V£idSa}v o Kcckog nal öxsQQog igacxaig naiöog iqa
Addcov. Xenoph. Cyrop. IV, 6, 5: nttida aqxu ysveidaMvxa. Theoer.
XI, 9 : nokvq)afiog dgxt yeveidaöcov negl xo oxoficc xcog y.QOxdgxog re.
C. I. G. n. 6314, 3 t. III p. 941: ccqxi] ysvHrjCavxi, — I, 30, 1: £^ yccQ
ahovßai Ttaga x(av igaOxav dgyvQiov ov xvyxdvo^Ev ij xotg didovcip
ctt xvy%dvovaai dösßslag Kgivo^ed^cci K. tilgt S. 422 ctt und xoig StSov-
6iv^ was die Construction unnöthigerweise schwerfällig mache; nccga
xmv IqctGx^v gehe ja vorher ond die- Beziehung auf dasselbe verstehe
608 A. Meineke : Alciphronis rhetoris epistolae.
sich vou selbst. Allein gerade der Umstand, dafs eben ot dtSovteg
nochmals anklagen, wie Euthias der Phryne that, muste nachdrück-
lich hervorgehoben werden. Wenn also totg öi6avaiv nicht faglich
ZQ entbehren ist, so wird sich wegen roig öi8ov6iv auch ai 'xvy%a~
vovöcci. rechtfertigen. — I, 35, 3: ^ikqci ö' iitearl (Ir' itfiA juoi na^
(»ai/;v%^ Ttal fiaQaiv6(i£VOV tjÖt} naQafivd'iov , ö fioi vtco ri]v XrmQav
[iv] T« avfiTtoalG) (lifi^ij^LV %QoaiQQi'il;ag iit avrav neqiön^aaccaa rc5v
TcAoxafiooi/ , cog (ii] näfSixolg vcp^ rjfKov TVifupd'HCiv ax^Ofiivt}' ei Sq
601 xavza riöovriv (pigei, anoXavs rrjg ruisrigag fiSQlfivrig. ^^o ''sc-
haben insgcsammt dg drj näai — ax'^ofiivrj; (ii^ rührt von Bergler her,
welchem auch schon Wagner (J^ firf) und Seiler gefolgt waren, wo-
bei sie vcrmuthlich auf TCaQailJvx'q xorl naQUfiv^iov den Nachdruck
legten. Inzwischen hat Cobet S. J19 doch Recht, wenn er dtj herge-
stellt wifsen will. Die Worte d Sri ßoi zavra rjdovfiv (pigsi sprechen
dafür. Dafs die Petalc dem Simalion die Rose nicht ans Liebe znge-
worfen hat , lehrt der Zusammenhang : kvTCQoi iv r<p ayfinoaCm /liCfitf;^.
Der unglücklich schmachtende aber nennt in seiner Liebesglut sogar
dieses Zuwerfen, was sonst allerdings ein Zeichen der Gunst ist, eine
TtaQatl^vxti und^ein TcaQa^ivd'tov^ wenn er gleich sich nicht verhehlen
kann, die naQailwxt] sei (iikqcc und das Tcccgafiv^iov schon fiaQaivo-
fievov, Uebrigens fehlt vielleicht noch eine genauere Angabe des zu-
geworfenen Gegenstandes und nach nceQanvd't.ov konnte ro ^odov un-
schwer ausfallen. Ueber die Rosenkränze bei Gastmahlern hat jüngst
Wüslemaun in den anmulhigen * Unterhaltungen aus. der alten Welt
für Garten- und Blumenfreunde' (Gotha 1864) S. 50 gesprochen. —
1, 36, 3: slra ohi ^li <Soi rcaoanad'tjfiivtjv noOev fijtfftv; Hr. M. erklart
no&ev p. 104 für corrupt, K. S. 423 setzt ro Xotnov^ jedenfalls etwas
kühn. Der Liebhaber ist ein armer Schlucker, der keine Geschenke
machen kann; ist daher etwa avro^ev Wom blofsen Beidirsitzen ' za
lesen? — I, 37, 5: aX-l' afiqiißdkXeiv eTcd^s ra (plXxQci %al ««otfxij-
ilfeiv eig oXsd'Qov ßgccxv tioi ^iXei' östyccg avxov ij ifiol t^ijv ti xi^i^
vai ^BxxaXri. Statt der Vulg. «TrocTxt/Trrftv geben der Flor, und C D
cc'itoaK^\\jHv. Weil nun cLnoG%'t]fitxEiv mit dem unmittelbar vorherge-
henden sich nicht vereinen lüfst, so will Hr. M. p. 105 xal [öii xal]
aitoan'iinxEiv oder wegen jener Hss. noch lieber %civ aTToax^^iCv
befsern. Auch Cobet setzt S. 119 nicht übel, ja vielleicht annehmbar:
xai aTtoiSuriTtxHv [IvioxB oder E(Sd^ oxe] dg oXs&gov, Gleichwohl ist
am Ende noch leichter nal aitoanflipsi eig oX, ; ^ aber , wendet man ein,
Zaubcrmittcl, die du anwenden willst, pflegen einen zweifelhaften Er-
folg zu haben, ja (gleich den schlimmsten Fall als wirklich voraus-
gesetzt, um von ihnen abzuschrecken) sie werden zum Verderben
ausschlagen.' — I, 38, 1 : noXXd xe ftoi xaxaXmovaa daxQvcc xal Iq»-
xog öaov tidiaxov xoxe^ xoaovxov tcixqov vvv (iv^fiipf' ov yccg ixkrjöa-
ficci noie J5ax%/Jo$, ovy ovxog ioxat, xQovog. So Hr. M. p. 105 mit
Abresch und Jacobs : xoxe, xoa(nrtov juxqov v. fiv,j wahrend aus den
Hss. x6 xiXog ov tcovtjqov angemerkt ist. ütXQovj was den Ausdruck
des vorwurfsvollen und widrigen enthalten wttrde, misbilligt K. S. 433,
A. Meineke: Alciphronis rhetoris epistolae. 609
sobreibt für ov novtjQov: no^tftovy iveil sich sonst die folgende Be-
Ibeuerung ov yaQ ixÄtjaofia/ Tcoxe Ba7i%Cöog^ ov% ovrog lavcit xqovog
Hiebt ungezwungen anschlierse , und schützt rjdiavov xo tilog durch
Anführung von I, 34, wo Thais dem Euthydemos zuruft: imösi^dfK&a
alkfikoig TO xakov tiXog t% rjöovrjg^ rikog sei nemlich der Reiz , den
der Moment des Liebesgennfses gewährt. Ob jedoch iqag fjötatog xo .
xiXog in diesem Sinne ohne weitern Zusatz füglich zu verstehen ist?
Ausreichen würde i^ötöxag oder eher ein Wort wie ccTtokavaig zuge*
setzt sein. Dagegen gefallt Ttod'i^ou sehr, und so möchte ich jetzt
schreiben: ocov iiöLaxov tore, xoaovxov Tto&rjrov vvv ^vf}fit]v. —
Ebend. 4: olad'a xov M'qösiov iKslvnv xov ano xrjg Uvglag devgl xa-
TUQavrcc (i6&^ oörig ^aqctmlag xal ytaQaöxexfijg iöoßei^ svvovxovg im,-
a%voviievog xal ^eganaivag xal Koa^iov xivct ßaqßctQiniv: weil es son-
derbar sei, dafs die athenische Hetaere durch einen barbarischen
Schmuck gewonnen werden solle, schlägt K. S.423 vor: Koa^iov navv
ßaOikiKOVy wie 11, 3, 5: ÖHxal (lov nacag deriisstg Kai TTQOXQmerai (?)
ßccaihxag vniöxvovfuvog. Wo freilich zu beachten ist, dafs vom
König Ptolemaeos gesprochen wird. Zudem scheint ein barbari-
scher Schmuck als Geschenk eines eben aus Syrien gekommenen
durchaus angemefsen : unter den Gaben König Seleukos des 2n von
Syrien in das Heiliglhum des Apollon zu Didyma befindet sich nach
dessen eigener Angabe : ^tjwfixriQ ßaQßaQixog Xi&oxoXkog iniysyQafifjii'
vog ^onelQag slg^ kxoiv ajioTCSTtxcoKOTcc Tiagva htxd ^ C. I. G. n. 2854,
27. — Ebend. folgt: xal ofitog xXaovxa avxov ov ngoalexo^ aXX^ vno
xov^ov fiyciTta KOificDfiivrj %Xctvlöiov xo Xixov xovxo nxX, In den llss.
steht durchweg iixoyxcc; xXdovxcc ist Emendation Hrn. M.s p. 105 (Ma-
crimantes amatores, qualis Medius ille, saepe repraesentavit comoedia
nova', ebenso Lucian und Aristaenct), welche für den ersten Anblick
sehr viel bestechendes hat. Gleichwohl möchte das leidige ukovxu so
nicht beseitigt werden können. Denn xXaovxa ist, wie schon K. S.
423 eingewendet hat, hier zu stark; ^wo solche Ausbrüche erotischer
Desperation vorkommen , ist der liebende in der Regel (vgl. I, 36)
wirklich auf Thränen beschränkt und vermag durch nichts anderes
seine Leidenschaft zu bezeugen.' Ein Medeios, der mit solcher Pracht
mid Hoffart auftritt, wird sich nicht zum Weinen vor einer Hetaere
herablafsen. Aber ebenso wenig passt für diesen Pocher und Pracher
was K. vorschlägt: iTiexevovxa (1, 31, 4: xccg Ev&lov laealag). Eher
dürfte, wenigstens dem Sinne nach, xoXciKevovxa zu ertragen sein (s.
Menander fr. ine. XXXll, com. Gr. II p. 978 ed. min., 6 öi fi^ tjxoXov^
^6£v fiixQt Tov TtQog xiju &VQav • kmixa g>oi,xiav xal xoXccxsvav [ifii
xe xal] xi\v iii^xeg^ kyv(o ft' — ), wenn nur die palaeographische Wahr-
scheinlichkeit ersichtlicher wäre. In diesem Betrachte spricht Seilers
fjxovxa an, vgl. auch Lucian dial. meretr. 15, 2: ixstvov fihv anixXsi-'
aev iixovxa Tcqoöaga^aaa ye avx(p xag &vQag, Stände nicht ov TCQOöle^
to^ sondern ein Verbum wie anixXsiae oder aninefi^e^ so käme auch
wohl ccTtQaxxov in Betracht. Yermifsen aber würde schwerlich jemand
etwas , wenn die Hss. blofs aAi' oficDg avzov ov ngoaUxo hätten. -^
610 A. Meineke: Alciphronis rhetoris epistolae.
Ebond. 5: w? XQV^''^^^ rfd-og ovk slg evdatfiova ßlov TCQoalQeatv ialfimv
V7t^vsyy,sv : Cobet verlangt S. 120 slg ovx evöxw^^^ ß^^'^ ^Q- Diese
nicht eben schmeichelhafte Bezeichnung des Standes der Bakchis würde
sehr übel gegen die Zärtlichkeit des AfTects contraslieren , welche on-
verkennbar in diesem ganzen Bricre herscht. Sein Bedauern, dafs die
Geliebte eine Hetaere geworden , druckt Menekleides gewis weit ge<
fühlvoller und feiner durch ovk evdccliiav ßlov nqoaiqsiSiq aus. Für
vTtrivtyyiBv muthmafst Ilr. M. p. 106 a7r?Ji/fyx£v ; jenes ist mir nicht an-
stöfsig, s. Appian B. civ. U, 2 Kccxdlvag elg neviciv VTtsvvjveyfiivog.
Wirft man ein, Catilina sei vordem reich gewesen, so kann auch
Bakchis erst durch die Nolh zur Buhlerin herabgesunken sein. — -
Ebend. 6: r^ de ovairi fie (pcciÖQotg totg OfifiacSiv oi^frori (nQ0(Sßliiff6*
xcti Cobet S. 120) itBiöi^Oa ovöi Tkstog Tial sviAeiffig öicct^KTeQSvaei roig
i]dt(Sxoig ixeli'Oig anoXavauccatv i^rloog fiiv oiov itp^iyyBvOj otov
ißXenEv, Die hier aufgenommene Muthmafsung ccTtoXavöfiaaiv misbil-
ligt K. S. 424, weil den q>at8Q0ig o^uiiaßiv ein anderer Gegenstand an
der Geliebten, etwas coiicretes also, entsprechen müfse. Das seien
die ayvceXatj und da in aQXLcog fiit^^ wie schon Hr. M. conjiciert, ein
Partieipium verborgen liege, so sei etwa in dieser Art zu schreiben:
TOT«; y\ÖL6xag iaelvag ccyxoiXag ifiol (Svvtjg^oafiivti. Ehrlich gestanden,
mir kommt das mehr wie ein lusus ingenii als wie ein Bemühen vor,
den Text diplomatisch festzustellen. Die Nolhwendigkeit, dafs an die
(faiÖQu o^fiaxa ein zweites concreles gereiht werden müfse, wird
kaum zu erweisen sein. ^ATtoXccvö^iaaiv aber, was auch ich in der
liec. der Seilerschen Ausg. vorgeschlagen hatte, geht aus der Ueber-
liefcrung KoXavfiaai^ %oXd(S(ia(Si so ungezwungen hervor und der Da-
tiv ist durch die früher beigebrachte Stelle (^ÖtavvKxeQSveiv xrj Xtiß]]^
Phalar. epist. 13) so ausreichend, dünkt mich, geschützt, dafs, um
ihn abhängig zu machen, die Worte agxlcog fiiv nicht angetastet za
werden brauchen. Es enthalten vielmehr auch diese einen gewissen
Atrect, die Wehmulh spricht sich in ihnen nicht undeutlich aus: noch
neulich, wie sprach, wie blickte sie so h>ld! Fortfahren wollte der
schreibende: vvv ös xctrat, wofür nach dem langen Zwischensätze
dann blofs gesagt ist: Kshai öi 7] naöaig iiiXovaa Xagiai xanpii Mog
xal anoSia, — I, 39, 2: TiXrj&eiaa vito FXvKigag ijtl&valav xoaovxov
XQOvov [roflrovTOv %q6vov Cobet S. 120] {ano tc5i/ Ji,ovvala}if yciQ {fftiv
iTtrjyyeiXev) ovx rjxeig, ei fiij <Jt' ixelvtiv ovöi xag (plXag Cöeiv ywal-
xag ava0xof^ivi]. Nach Hrn. M. p. 106 erfordert der Zusammenhang
etwa dies: üv% i^xe^g, ov firjv öi ixelvrjv [fiovov^ aXX ] ovöi xag tpL"
Xag iö. yvv. av, K. glaubt S. 424 ohne starke Aenderungen den Ge-
danken ungezwungen ausgesprochen, welchen hier Megara sagen sa
müfsen sich gedrungen fühlte: ovx tjxftg, ov fia AC ex^lv\\v %xX.
Warum aber dieses so nachdrückliche ov (la Jla'l Aufserdem wird
so die Glykera {ixeCvY^v^ nemlich iöelv) von den übrigen (piXai yv-
vatxeg in auffallender Weise unterschieden. Eher ist vielleicht zu
lesen: ovx ^xet;, ei /üy/ [iöei] öi i%eLvriv^ oitöi xag tplXag iöeiv yvvai-
xag avaaxoiUvti: ^du kommst nicht, indem, wenn es nicht wegen jencf
A. Meineke: Alciphronis rhetoris epistolae. 611
(Si iKelvfiv verst. ^alav) aötbig war (nemlich nach deiner Ansicht),
«ach die befreundeten Frauen zu sehen du nicht über dich gewannst.'
Ei (lij k'öei öt^ ixelvriv wäre demnach gleichbedeutend mit el firi äov
• ietv (ri%£Lv) öt ixelvfjv (^alav).
Buch II, 1, 7 : ravta de TtQog fiev xovg ixiQOvg xi'/tt Sv idwonnriv^
ßaCdevj nXaTxea^ai, xotl re^vtifvctv TtQog de ai -— ovx av vTCo^ei-
vacfii nkarrea^M. Statt des erstem von Bergler gefundenen nkazze-
a&at haben die Bücher gyvlatxead'ai,- Meine ehemalige Mutbmafsung
^(fvmead'ai lafse ich jetzt willig fahren, möchte dann aber auch das
zweite nkaxread'at als erklärenden Zusatz der Abschreiber Preis ge-
ben. — 11, 2, 2: iTtiatoXag ctöialeLnxovg iioc yqaqxüv: dafs statt des
handschriftlichen iöialvxovg (jenes ist Conjectur d^Arnauds) mit Co-
bet 6iü:ilvyLovg zu bei'sern ist, habe ich oben erwähnt. Nun bedarf
es auch , und darum gedenke ich eben der schönen £mendation noch-
mals, §. 3 Tag imarekag avxov xccg aöiaTtavaxovg (was der Flor, hat)
der Veränderung in ötaaTcdaiovg mit K. nicht mehr (S. 426 ^ vom
weitläufigen Stile des Philosophen'), indem die gerügte Tautologie,
§. 1 imaxolal ^ötaXeiTCroiy wegfällt. — Ebd. 2: ifie aq)ixG)xriv qyv-
aixfog xv^lav i(jittvxflg avxofiäxtfxov %al ivvßqiCxov: so Hr. M. p. 110
statt des durch alle Hss. bestätigten aaxoiidxtixov: ^verbum avxofia-
%eiv proprie dicitur de iis qui suas ipsi causas defendunt, quod vidcs
quam facile in eam sententiam deflccti possit, qua quis pro se ipse
pugnare vel sui iuris esse dicilur.' Diese etwas künstliche Erklärung
jener Conjectur hat schon K. S. 426 berührt. Er selbst wäre geneigt,
cccxot%elo3itov zu empfehlen, ein Praedicat das den Widerwillen der
Leontion gegen die philosophische Unterhaltung ausdrücke, mit der
sie Epikur langweilte, wenn nicht Ref. das überlieferte otfrofia^i^oi/
durch entlegene Quellen einigermafsen gesichert hätte. Ich glaube
noch immer dieses aaxoiidxrixov verthcidigcn zu müJsen und kann
heute zu den früher beigebrachten daxo^axC und astomachetus einen
griechischen Beleg aus einem römischen Grabtitel fügen, C. I. G. n.
6647 t. in p. 1003: KakrjfiiQcc xfj aefiv^ tv^dari hti ^ß dfiifiTtxcDg
TtQog xov ävÖQa^ iaxoiiaxrjx[o)]g ßKoadaly] 6 dvi^Q Ueqctnug^ wo der
unwifsende Steinmetz aöxofiaxrjftog ßKoaaaa eingegraben hat, s. Franz
p. 1003 b. Dieses daxofidxrixog^ aCxo^otxi^ astomachetus entspricht
dem lat. sine bile^ sine stomacho^ Franz p. 1004 b, und ist sonst
ein Lob der verstorbenen. Wenn also Leontion sagt: ^er lafse mich
in dem Zustande, dafs ich ohne Galle, ohne Aerger bin', so wird
dies soviel wie ungeärgert sein, was ich vordem setzte. — Auch
§. 3: oircoog iTCinoliOQxrfxrjv ix^ xotovxov, ovx olov av jldjita Jr^-
fi'qxQiov möchte ich bei meinem Vorschlag xovxov verharren, welchen
jetzt K. S. 425 billigt, in iTti — aber nicht mehr ^EjiUovqov suchen,
sondern dafür mit demselben Gelehrten etwa iya schreiben. Hr. M.
scheint zu viele Umstände zu machen, wenn er nach ovxoag eine Lücke
statuiert und dann liest: inel 7CohoQ%r(triv £x^ xoiovxov^ ovx ^^<^ ^v
jidfua Jrjfii^xQiov^ p. 110. — Ebd. 4; xai t^v nqmtiv ^AtpQOÖixtiv
Ifut^ov Ttttq avxov ax^^ov ovxog ydq fie öima(fd'ivevaev in yeixovcav
612 A. Mcioeke: Alciphronis rhetoris epistolae.
ohovtsccv: dars man dem Ale. in yenovav nicht ändern dfirfe, da er
durch Stellen wie Lysias 1 , 14 (rov kvxvov i% tc5v ysirovcov avccfffa^
öd-at) getäuscht sein könne, hat Cobet S. 121 erinnert. Mir ist aber
axeöop anstöfsig: wem sie ihre Jungfrauschaft Preis gegeben, wüste
die Hetaere gewis ganz genau. Darum vermuthe ich , dieses 6%i£d6v sei
als Glosse zu ^x ysitovcDv vom Rande an eine falsche Stelle in den Text
gerathen und zu tilgen. — Ebd. 5 : akloc ra fiiKQorctxa nQokaiißdvsi
zag &Qceg^ "vct (iijdslg q>^darj [le yevadfievog, Hr. M. p. 111 erachtet
das erste Satzglied für verdorben, ohne jedoch eine Hilfe beizubrin-
gen. Sollte man aber nicht erklären dürfen: ^er nimmt die gröfsteo
Kleinigkeiten (Blumen, Früchte) den Jahreszeiten vorweg (ehe diese
dergleichen als etwas häuHgcs und gewöhnliches, für jedermann sa-
gängliches bringen), damit mir niemand im Gcnufse derselben zuvor-
komme'? TlQokafißdveiv mit doppeltem Accusativ, nach der Analogie
von aq)aiQSiad'al Tivcc u, ist schon im neuen Passow belegt: Polyaen.
VII, 29, 2 OTtcDg Sv Ttgoldßot ag Ttlelaxtiv oöov tovgdtcinovtag jro-
keitlovg (wo Casaubonus (p&daag vor xovg ökok. noL einschieben
wollte). Plut. mor. p. 117 E diovt ßQoixvv %q6vov 7tQO£iki^(pa0iv rffuig
ot öoKovvrsg dcoQOi rov f?]v iareQiia&ca. — Ebd. 7: dkkd öt* ifii
Ttdvra rivdyyMarat b ^sccvlaKog naiakmdv^ x6 Avnetov xai r^v
eavrov vsoTfjta nul xovg avveg>i!jßovg xal tjJv hai^Elctv ^ux* avxov
^rjv: die Worte xal xfjv iavxov vsoxijxa erklärt Cobet S. 121 nicht zu
verstehen. Etwas ungewöhnlich ist der Ausdruck: *er läfst seine
Jugend im Stich d. h. er gibt alles auf, wozu ihn seine Jugend be*
rechtigt, er wird mit dem Epikur gleichsam zum alten Manne.' Allein
von einem Abschreiber rühren die Worte schwerlich her and mttfsen
ertragen werden. Aehnlich singt Justinus Kerner: ^Wird dir Erd nnd
Himmel trübe. Beugt dich Gram und Alter nieder, Lafs nicht Ja-
gend, lafs nicht Liebe, Lafs nicht den Gesang der Lieder!' — Ebd.
9: di^cii fie Ttgog 6€civxijv ij^igag oklyag^ xal noi^ritSio xovrov ala&dvi-
ad'ai nrjklTiav aTtrjkavsv dyat^^v k'xov ivxrjolxla fie' xal ovxhiifdQii^
xovxoQOv^ SV olöa' Ttgeaßevxccg evd^g ngog rj^dg öiccnifitffexai: ^xo^av
suspectum; requiro xogia^ov vel simile quid' Hr. M. S. 112. K. hat S.
419 dieses dem Sinne nach treffliche x^iQ^f^H'^v gebilligt. Inzwischen
schmiegt sich an xogov ein anderes wohl noch enger an: no^ov
{KOPON : noeON). So: ut tolerabiUus feramus igniculum de-
siderii tui^ Cicero ad famil. XYl, 20, und: nunc emergit amor^ nunc
desiderium ferre non possum , ders. ad Att. IX, 10, 2. Auch bei Art-
staenet ep. 20 a. E. p. 189 Boiss. mufs mit Pauw und Abresch ^v/ica
dh (lixQ^ xogov xov iavxov aTtOTckiigdaexs no^ov für xogov gelesen
werden. — II, 3, 5 : xai avxbg ös 6 0iki!jfia)v ijtiaxsdi fioi xa t6ut
drikoSv (^ÖYikov 6x1 oder diilcc di^ mit M. p. 113) ikawgoxsga xal Ag ov
Mevdvögo) ysygafifiiva ijxxov kafingd, 6. dkk^ oxlfsxat xal ßovksv-
aexcci xd Idia ovxog' iyd) 6h [ccvxovy II. mit Seiler] ov nsgi^vn ßov»
kdg' dkka av fiot, iFkvxiga^ Kai yvcifiri KaVAgeOTtaytttg ßovkfj xal
Hklctia [xa/, mit Cobet S. 122) dnctvxa vfj xi^v ^A^väv dal yiyovag
Kai vvv iay, Aaf die nicht graziöse Wiederholung des xa Iota bat
A. Neineke : Alciphronis rhetoris epistolae. 613
saerst K. S. 428 aufmerksam gemacht; er setzt dafür an zweiter Stelle
ldl€^. Mir scheint das ursprüngliche blofs akk^ o^era^ xal ßovksvae-
rat ovTog gewesen zu sein: ^doch er wird zusehen und überlegen
(wie er mir nemlich schreibt)', vgl. was Hr. M. anführt, Aesch. Prom.
1001: OTCvai Ttakai örj Kcti ßsßovkevtuL zaÖ£, Ueber das unmittelbar
folgende kommt K. deshalb nicht weg, weil Menander der Glycera
damit, dafs er keine Kathschläge abwartet, ein schlechtes Compiiment
machen würde, und weil die Worte iyat de Kti. keine Antithese zu
dem euthalten, was Philemon thun wird. Er schreibt deshalb, wie-
der ziemlich frei gestaltend: ßovkevCetai idia ovroq* iy(a 61 ov TCQog
ifunnbv (lovov ßovktvaoiiai. Aber das ganze Kaisonnement ist nicht
recht triftig. Ueberliefert ist iyo) öh ov iteQifisvm ßovkdg. Nun
schreibt Glycera in ihrer Antwort 11, 4, 14: ciazs diofial aov, Mi-
vavÖQSj inlax^S firiöino) rc3 ßaöUet firjöev ccvzsTtiazelkyg' hi ßovksvoai,
TCSQi^sivov mg y.oiv^ yevdfia&a zal iastcc t(üv q>ikcov %al Seotpqi-
atov ftaVEjTiKOVQOv. Danach hat es doch die gröfste Wahrscheinlich-
keit, dafs die Worte iyto da ov TCSQi^eva echt sind; ßovkdg dagegen
wird Ergänzung eines Abschreibers sein. Der Gegensatz ferner zu
dem, was Philemon thut, ist vorhanden: dieser will erst überlegen
ob er gehe oder nicht; ich, schreibt Menander, werde nicht warten,
ich schreibe dem Ptolemaeos gleich ab. Ein schlechtes Compiiment
aber macht er seiner Geliebten hiemit deshalb nicht, weil, wie er
sofort weiter erklärt, sein Entschlufs darauf gegründet ist, dafs er
sich von der Glykera nicht trennen will. Ueberdies, so entschlofsen
er schon für sich ist, er fügt hinzu: akkd av fwij rkvxiQa xtA., ^doch
du wirst mir auch jetzt deinen mafsgebenden Rath ertheilen. ' Des-
halb weil er nicht allein ohne der Glykera Zustimmung handeln mag,
schickt er ihr auch seine Antwort an den König mit. W^orauf jene
angemefsen erwiedert (11, 4, 14): ^ war te, bis wir die Sache gemein-
schaftlich überlegt haben.' — Ebd. 7: rag filv ovv iittatokag tov
ßctGikmg aot 6i€nsfitlf(Xfi7jv j Tvcc (iri hotcto ae öig Kai roig ifiotg nal TOig
ixelvov y^dfifiaötv ivrvyxdvovöav : gegen Hrn. M.s Correctur p. 113,
ivcc dij xoJKo ae öig mit ironischer Färbung, mufs ich mich dem Wi-
derspruch Kaysers S. 427 anschliefsen, welcher, wie es scheint, mei-
ner Voraussetzung zustimmt, dafs nach öieTte^ilfdfitiv ein Sätzchen des
Inhalts ausgefallen: deshalb will ich den Inhalt des königlichen
Schreibens nicht genauer und bis auf das einzelne hier in meinem
Briefe angeben.' — Ebd. 10: iyo 6h Tial rag StiQMkeCovg %al xa
xaQxqaia %al Ttdvta xa iv tccig cevkatg intq>&ova , TtaQcc Tovroig aya^d
xakovfieva , rdou xav hog Xomv nal tav iv toig d'edzQOig ArivaUüv
xai zik ^'9'*?'^? ofiokoyCag Kai zav zov AvkbIov yv^vaaCav Kai rrjg
t€Qdg Axaöfjfielag ovk dkkdzzo^ai. Statt xakoviieva haben sämmtli-
che Bücher (pvofisva^ was Mnepte dictum' sei, 31. S. 114, der zugleich
viAvovfieva vorschlägt. K. meint S. 428, eher werde dya&d zu strei-
chen sein, doch s. 11, 4, 3: ßovki^ezai Mivav6qog fiovog iv Alyvnzta
ßaaiUvBiv fiizd ndvzmv t6v dya^cov. Cobet endlich vermuthet
a<p&ova für htUp^ova S. 123. Dieses intfp^ova^ insofern es nicht so-
614 A. Heineke : Alciphronis rhetoris epistolae.
wohl das beneidete, von der grofsen Menge ersehnte, als das ge-
hafsige, widerwärtige ausdrückt , erregt hier allerdings eine fremd-
artige Vorstellung. Allein das substituierte aq>^ovoc verträgt sich
wieder nicht recht mit naQcc tovxoig aya&a g)v6(i6va. Nach den Ein-
zelangaben &tjQlxXeuCj xaQxriaia, %qv(sLdtq erwartet man einen zusam-
menfafsenden allgemeinen BegriiT. Ob etwa SniTcka'! ^und all das
Geräthe an den Höfen, Güter wie sie bei diesen Leuten erwachsen',
indem aya&a g>v6fiBva eine Anspielung sein könnte auf Menander
nXoKLOv fr. VIII com. Gr. II p. 948: w Uagfiivaiv, ovk Saxiv «ya-
d-ov To5 ßico Ovo^vov äo7t£Q öivÖQOv ix Ql^r^g (itccgy AkV iyvvg aya^
J^ov TtaqccTcicpVKe Kai xofxov Ek tov tuhkov x fjvsynev ayadvv 1} ^-
üig, — Ebd. wandelt Hr. M. p. 114 das vielbetastete xrjg x^i^HS ^^o-
koylag (v. 1. avoloylag , ccfiakoylag) in xrjg XQvafjg ßiafioloxlixg am«
XQvöijg hatte ich mir vordem auch notiert {XSIZH2 : XPrilHl!)^
doch ßcofioXoxlcc verschmilzt, wie auch K. S. 428 entgegnet hat, nicht
gut mit XQvarj. Ja es möchte fraglich sein, ob Menander die Komoe-
die auch nur mit ßcofiolox^cc allein bezeichnet hat, da dieses Work
doch immer das gemeine und verächtliche ausdrückt. K. selbst muth-
mafst xilg — asfivoloyiag als Bezeichnung der damals noch beste-
henden Tragoedieudichtung, welche Menander unter den VorzQgea
Athens kaum habe übergehen können. Nur fand er kein passendes
Adjectivum für xO'tfiJg, da x^Q^^tj^j xgccyiKtjg^ ^viieXixtjgj aymvioti'
xijg summtlich einen Anstofs geben. Indem ich davon ausgehe, dafs
dem Menander vor allen Dingen eine Hervorhebung der Komoedie an-
gemefsen ist, schlage ich vor xijg XQ^^V9 yvafiokoylag. ^ Das Reden
in Sentenzen ' scheint der Verfafser so zahlreicher yvafiai (ßovocxt'
Xoi.') nicht uneben zu erwähnen , wobei sich auch X9^^^ — ^^^ denke
an die dem Ale. (III, 55, 7) wohlbekannten ^^vtfa IVri/ der Pythago-
reer — ganz gut rechtfertigt. — Ebd. 11: tcov 6e d'eOfiod'ixag (ötjH)-
liai) iu xalg isgatg %6^atg HeKi0(S(Ofiivovg; Wider Hrn. M.s nofiaigj
was im Flor, steht und was er p. 114 durch iv nokia xfj nofiy Luciau.
de salt. 5 und ij^lyviivog iv XQiß(övi(ii Ale. III, 40, 5 schützt, wendet
K. S. 429 ein, dafs das Epitheton tiqalg dieser Interpretation entgegen
zu sein scheine. Angenommen daher, dafs die Thesmolheten bei den
dramatischen Aufführungen pracsidierten, werde ayonvlctig (vgl. Plato
de legg. VI p. 765 C : XQ^^^ aycovlag aOko&ixccg a^Qeidbai x^g nsfjl
xic yvfivdaia iTtncov xe xccl av^Qcoitcov — ) am Platze sein. Hatte aber
der Epistolograph dann nicht eher iv xolg legoig ccycoct, gesetzt? Aach
ist palaeographisch eben nicht wahrscheinlich , dafs aycovlaig in »oh
liaig oder KOfiaig (was die beiden einzigen Lesarten sind) verderbt
sein sollte. Cobet fragt S. 122: d'sanod'ixai, ne^tGOia^ivotl und for-
dert Myrtenkränze. Der Epheu dculet wohl auf Feste des Dionysos
hin; die Haare aber sind isqaCj insofern die Thesmotheten , d. i. die
neun Archonten , eine uns freilich nicht bekannte Rolle dabei spielton,
wie dasselbe Epitheton bekanntlich dem Haar der Priester und Prophe-
ten beigelegt wird , z. B. bei Heliodor II, 21: ^ noi^ri TtQog xo Uq(0'
xsQOV »a&iixo und VII, 6: xi}v teqav %6fif}v aöivov ovCav na&iiiu. —
A. Heineke : Alcipbronis rhetoris epistolae. 615
Ebd.: Ttotöv 7t€Qiö%olvt6(ia ] Tcotav atosaiv; notovg xvxQOvg; KsQafist-
Jjov, ctyoQuVj di,%a(S%riQUii y x^v xaXiiv axQonoXiv^ rag asfivag ^eag^ t«
(iviSr'q^icc — ; Gewöhnlich wird Xvxgovg geschrieben; da jedoch vou
den Festen schon vorher gesprochen und aigeaiv unerklärbar ist, so
emendiert Hr. M. p. 115: nolav tdQvdiv; noCovg rvxQOvg-, mit Anfah-
rung von Aristoph. Plut. 1197: xag xvxqagj alg xov ^bov [ögvcofis^ay
IcißoviS* htl xrig newalrig tpiqB asiivag^ nnd vom Scboliasten zu dieser
Stelle: ?^og yag r^v iv xaig tÖQvaeai xäv ayalficixcnv oanglav rirjfri-
fihmv %vxQag neQutOfiTUvea^ai vno ywaMov Ttomikiog \7toiKlloig')
'^fiq>ie6fiiv(ov. Denselben Brauch (Schneider zuTheophr. char. p. 174 ff.)
ersieht man aus dem Frieden des Komikers Vs. 922: xi d' akko y rj
xavxr(v %vxQaig tÖQVxiov; und aus dem Bruchstück seiner Danaides
beim Scboliasten zu diesem Vers: fiaQxvQOfjiai öi Zrjvog iqKÜov %V'
xqctg^ fisd'* äv o ßta^ix^g [d^&rj Ttoxi (Bergk in Meinekes com. Gr. II
p« 1048). Nun lehren aber diese Stellen, dafs jene Töpfe %vxqaiy nicht
XVXQOty genannt wurden. Ferner, einmal zugegeben, LÖQvaiv habe
unschwer in aÜQBtSiv corrumpiert werden können, so ermangelt doch
dieses nackte Td^cig des Anstofses nicht: kqoiv tdoyCEig heifst es bei
Plato republ. IV p. 427 B, THNIAP — IINIEPßN xifv tÖQvaiv
xmv UqöSv bei Curtius Inscr. Att. duod. n. II, 17 (^Eg>ri(i. ccQxawk, n.
379), xfiv^AqxBfiLV JtQog nad'lÖQvaiv iavxijg %al xifiag alavlovg ixil«-
kixd^ai xov svaeßiaxaxov anavxtov xciv ßccdtkitov bei Diod. Sic. IV, 51.
Kurz , die obige Conjectur befriedigt nicht und für xovg Xvxgovg wird
das Topffest (K. F. Hermanns goUesd. Alterth. §. 24, 18) vorlaufig
festzuhalten sein. Jetzt würde sich, besonders nach notov nsgtaxol"
vusfia; Seilers aQ%cttqialciv empfehlen, wenn nicht alsdann xovg Xv-
xgovg zwischen diesem Begriff und dem folgenden Ksgufieixov u. s. w.
gar zu vereinzelt wie ein verlorener Posten stände. So bin ich, da
auch Cobet S. 123 mit aigsaiv nichts anzufangei^weifs, um doch etwas
vorzuschlagen, auf die Muthmafsung slgsdiaivriv gefallen, über welche
des unvergefslichen alten Ilgen Abhandlung jedermann kennt. Es ent~
geht mir dabei nicht, dafs selbst so die slgsaidvifj und die Xvxgoi
nicht gerade den besten Platz haben. Beide werden aber in der übri-
gen Umgebung mindestens ebenso gut zu dulden sein, ala es Hrn. M.s
LÖQvaig und xvxqoi wären. Auch ist gleich nachher ein ziemlicher
Sprung von der xal^ aKQOTtokig auf die CSfivcil d'eal und die ^vaxriQia,
— Ebd. 14: kSv ßagv^fv^ag SxV^ dsddicgvKu' xal ngog xavx ovxi^
inoiislvaaec xag ifiieg kwtag deixat. koiTtov ovxs argaximag
ixovöa oOxe Ö0Qvg>6Q0vg ovxe (pvkaxag' iym yaq avx^ bI^i Tcavxa,
Für kvTticg SsLxai setzt K. S. 429 das bei M. p. 115 gar nicht erwähnte
hxag alÖBirai (Fr. Jacobs) und verwirft die von dem Hg. bezeich-
nete, in den Hss. durch nichts angedeutete Lücke: ^Glycera sei keine
mächtige Herscherin und darum habe Menander mit ihr leichteres Spiel
als mit Ptolemaeos und solchen grofson Herren, die einmal abwendig
gemacht durch nichts mehr zu gewinnen seien.' Ich will nicht ver-
leugnen , dafs auch mir trotz Hrn. M.s ^ ineptissime verba ovxb axga-
xLmag — q^ka%ag iunguntur superioribus : non dubiom est plura
19, Jahrb. f. P^. «, Pbed. lUL LXX. BfL 6. 40
616 A. Meineke: Alciphronis rhetoris epistolae.
cxcidisse' ein leidlicher Zusammenhang vorhanden zu sein scheinL
' Wenn ich zuletzt Thränen vergiefse , so wird Glycera erweicht,
die übrigens weder Soldaten wie Ptolemacos noch Trabanten noch
Wächter hat (die mir den Zugang zu ijir verweigerten oder erschwer-
ten). ' Doch Xirccg aiöehai ist ein etwas pretiöser Ausdruck. Ob rag
ifiag kvTtag coishai (Aristaen. I, 27 S. 121 Boiss. Tv^ txsrevijg iiih x6
(Sov ctyJdacQ'ai TtdO'og, Xen. mem. 11, 7, 1 rag aTCOQiag rtav <plk(ov
yraift]/ UKHG^ai) oder ^tcoO-cfroft? s. Ale. I, 35, 2: cö^ <Jt) rag naqa
rt]v vvyaa q)QOVTCdag ÖLCnao^evog. — Ebd. 16: rov in ia^i^d^ag vfii/^-
cai x«t' erog Jiovvaov, Dafs Ilrn. M.s rov in iöxariaig jdiovv^
dov p. 115 nicht wohl so viel wie rov nar ayqov A. sein könne, ist
meines Erachtens mit Fug von K. S. 429 geltend gemacht worden.
Leider kommt mir nur auch dessen ßerserung roi/ ^'EäXzv%tqia A, (Fang.
I, 29, 2. Philostr. vit. soph. II, 235, 31 p. 549 Ol.) etwas gar zu ge-
waltsam vor. Früher dachte ich an'lxor^/a; für meine jetzige Muth-
mafsung rov in oq-fi\iSrqag A, führe ich den Dio Chrys. XXXI, 121
(I p. 630 Rsk., p. 401 Emp.) an: ^A^r\vaioi 6h iv tc5 &edrQ<p d'edovra^
ri}v xaX7]v rauTt;»/ &iav vn'' avrtiu rriv axoonoXLV^ ov rov Atowaov
inl ri]v oQxijdrQav riOiaacv. — II, 4, 3: ovöevl rQona — neiad'elriv
dvj OTi /SovAtJafrof/ ui noxa ri öwriderai MivavÖQog anohndv iv
^A^]vaig rkvyjgav rrjv iavrov fiovog iv Aiyvnrto ßaaikeveiv, 4: akl«
Tcal rovro ye örikog in rmv intarqkav ov äviyvoDV örjkog rjv 6 ßaci-
Afvg, ra^a nenvG^ivog wg Ib^xe nEQl aov — das zweite örjkog vor
^v 6 ß* crmangelt rechter Autorität, namentlich hat es der Flor, nicht.
Hr. M. hat seine einstige Conjectur akka xal rovro ys eiöojg ix rmv
iniörokav (ov dviyvcav drjkog rjv 6 ß. jetzt verworfen, ohne etwas
anderes dafür zu bieten. Dem Sinne entsprechend würde wohl sein:
akkd nal roxko ye öeöiGig ix rmv intarokcav (ov aviyvcnv örikog ijv o
ßaairkevg rafia nenvCfi^vog tag ^otKE. Die nächsten Worte negl aov lei-
den offenbar au Verderbnis. Ich vermulhe: [xal] nsiqav aov xal
argi^ia (rjQi^ia Meineke) öi* vnovoLciv Alyvnrloig ^ikoov arriKia^otg
(darsCafiotg Cobet S. 123) ae öiarcod'd^ov. Nach k'otKe fiel xal leicht
aus; für nsigöSv aber ist auch nziqd^orv statthaft, wie unten §. 17
steht. — Ebd. 5: xal nsQißdkkovad ae rijv isgdv rtov ögafiaxcov ixzl-
vrjv xeq)akriv ivayxaki^oiiac. Hrn. M.s rrjv Uqccv r<av Xagirtav ixBivrjy
xetp. ^ iuum illud Gratiis sacralum capul'^ p. 116 behagt K. S. 430
nicht, weil man damit auch nicht viel weiter komme. Er proponiert
nach der von Bergler beigebrachten Stelle des Phalaris ep. 19 a. E.
S. 112 Schaef. xal aov rrjv iegav xal vfivonokov xscpakrjv 17 Movamv
avyyivua xoafn^aeuv^ was vom Stesichoros gesagt ist, für nav öga-
liarav: ögafiaroyovov oder ÖQa[iccron6kov ^ zwei sonst freilich nicht
nachweisbare Wörter im Sinne von ögafiaronoiov. Die öga^xara zu
entfernen, ist mir ebenfalls bedenklich. Vielleicht dafs nach riSv öga-
liartav ein Adjectivum wie yovifiov ausgefallen ist; narrjg^ narrig ^^-
y(n) u. dgl. von Schriftstellern ist allbekannt und jLti/Ttj^ hat ähnlichen
Gebrauch bei Dichtern und selbst in Prosa. — Ebd. 9: akkd nagalaa
T^v firixiga xal rag aÖ€kq)dg avv^g iaofiat avfutkiovad aoi. Dies Hrn.
M.s Schreibweise p. 118, da die Bacher avty and avtrig ('scribe
A. Meinßke: Alciphronis rbelorls epistolae. 617
avT'^g £=3 iftavrrjg^) geben. Indes erscheint dieses cnnijg als ziemlich
mfifsiger Zasalz. Mit Vcrglcichung von C. I. G. n. 496, 5: ot cw-
nXiovxEg vavzai^ATtolXaivi Ta^cC^ xaQiOTtiQiov habe ich vermuthet
vavtlg iaofiai av(inliovaa cot^ wie schon Bernard vavrrjg wollte.
Dem Einwände, auch dieses vccvrig sei neben iSvfinXiovca überflursig,
läfst sich, denke ich, begegnen. Denn Glycera hebt es füglich darch
Fülle des Ausdrucks hervor^ dafs sie dem llenander zu Liebe eine
Schifferin werden will. FwaiKeg vavvlösg wird ans Theopompos an-
geführt bei Pollnx Yll, 190 (Mcineke com. Gr. II p. 823), und avraig
and vcevxaig sind auch sonst verwechselt , Greg. Cor. p. 403. Endlich
mit Cobet S. 123 CvfAitXovg cot zu schreiben ist nicht nöthig. — Ebd.
9: oflco ^i CB SzeQ iilvcav (juixov Cobet S. 123) *Aqia8vri tlg Äiyv-
. TCtov, ov /iiowcov iXla z^^ovvaoi; ^eganovra xal nf^oqyffcrpf. Hiezu
bemerkt Hr. M. p. 118: ^permirum videri debet Alciphronem, homi-
Dem in veteram poetaram leclione probe versatum , ad Dionysnm ret>
tulisse quae de Theseo dicenda erant. Vereor ne hie quoque descri-
benlinm socordia pluscula exciderint. Coniectandi si copia datur,
crediderim haec in hunc ferme modnm a scriptore prodita esse : of|ai
6i ae Steg lUxmv ^jiqiadvri [ovk tlg xov iv K(^xn laßvQtv^ovy all^] elg
AiyvTtxov^ [küI S8^toiao(iat] ov /iiowcovj iXka Jiovvcov ^eQarcovxa
%alnqofpr)fü7iv,^ Diese auch von K. S. 431 bezweifelte Lückenhaftig-
keit vermag ich nicht wahrzunehmen. Glycera fafst aus jenem Mythus
nur das erfreuliche und gute auf; daher vergleicht sie sich mit der
Ariadne blofs in so weit, als sie den Menander glücklich zum Ziele
geleiten will. Sie nennt sich eine Ariadne ohne Faden und jenen einen
Propheten nnd Diener des Dionysos, nicht ihren Theseus; die Erin-
nerung an diesen treulosen , welcher durch den Faden gerettet wurde,
weist sie gleich im folgenden zurück: %atgix(aaccv ot S}](5Elg ixeivoi
9ud xa aniaxa xcSv fCQsaßvxigoiv a^Ttlaurmccxa. — Ebd. 10: ovSiv
%foqiov rifiüv xovg iQooxag ovxl di^exat nXijgsig, Cobet verlangt S. 123
statt nXrJQSig: evfisvig. Was ist aber an dem Gedanken zu tadeln:
^ jeder Ort wird unsere Liebe so aufnehmen, dafs sie vollständig ist,
ihr nichts abgeht'? Aehnlich, wenn auch etwas anders gewendet,
sagt Goethe: ^Raum ist in der kleinsten Hütte Für ein glücklich lie-
bend Paar.' — Ebd. 11: aXX^ ot avyysvttg ^ aXX" ti naxQlg^ aXX^ ot
fplXoi^ axidov ola&a ndvxr} Tcüvxeg TtoXXcäv ölovxaiy nXovxdv i^iXovai
juxl xQfjfuxxl^ea&ai, Der Anstofs Hrn. M.s an ij naxQig p. 119 (zwei
Hss. haben ot ncaqlg) scheint gegründet, nur ist sein ot naxiqig^ die
Eltern, bedenklich, weil Glycera §. 9 einzig der Mutter and Schwe-
stern gedenkt. Ich hatte deshalb tpQccxsQeg vermuthet und sehe jetzt,
dafs K. S. 431 anf derselben Spur ist: tpqixoQeg, Jenes gilt als alti-
sche Form, s. L. Dindorf zu Xen. HelL I, 7, 8 p. 57 b. — Ebd. 14:
^ffco/itcO^a %al eldiafiev xi Xiyst xa teQa, So Hr. M. p. 119 ffiis dem
Flor. , in den andern Hss. steht sVöcofiev. Gleichwohl wird die auch
von Cobet S, 124 kurz hingestellte Yulgate Uui^tv nicht zu verdrän-
gen sein. Vgl. Xen. Anab. 11, 1, 9: i%aXB(SB yiq ttg avxov x(6v vTir^-
i^mp^ onag töoi xa tsQa i^r^qri^iva' lxv%e ya(f ^vofisvog ^ und VIL
40*
616 A. Meineke : Alciphronis rhctoris epistolae.
cxcidisse' ein leidlicher Zusnmmenhang vorhanden zu sein scheinh
'Wenn ich zulelxl Thräncn vergiefse, so wird Glycera erweicht,
die übrigens weder Soldaten wie Ptolemaeos noch Trabanten noch
Wächler hat (die mir den Zugang zu ihr verweigerten oder erschwer-
ten). ' Doch kiTccg ctiöehcu iäl ein etwas pretiöscr Ausdruck. Ob rag
i^ag Xvnug ayishat (Arislaen. I, 27 S. 121 Doiss. tu^ [Ktcsvijg ifih to
<Sov c(yJ(ictad'at. TtdOog. Xen. inem. II, 7, 1 tag onto^iag rciv <pU(ov
yvco^ij ciKStöd'ai) oder öico^etrat'? s. Ale. 1, 35, 2: G)g di] rag naQa
xi]v vv'ATa g)QOVTCöag di^GHSoiisvog. — Ebd. 16: xov in iaxaQucg vjiiv^-
cai, x«t' i'rog Jiovvöov. Dafs Ilrn. M.s tov in iiSictriaig jäiow-
60V p. 115 nicht wohl so viel wie xov xar' iyqov J. sein könne, ist
meines Erachtens mit Fug von K. S. 429 geltend gemacht worden.
Leider kommt mir nur auch dessen ßefserung xov ^EXsv&BQia A. (Paaf .
1, 29, 2. Philostr. vil. soph. 11, 235, 31 p. 549 Ol.) etwas gar zu ge-
waltsam vor. Früher dachte ich an'lxor^/a; für meine jetzige Muth^
mafsung xov iit o^X'^\6xqag A, führe ich den Dio Chrys. XXXI, 121
0 p. 630 Rsk., p. 401 Emp.) an: 'A^nvaioi öh iv reS ^eaToco ^mvttu
xtjv Oiukyjv xavxijv &eccv vk avxrjv xiiv dY.qoTCOhiv ^ ov xov AtowCov
inl xiiv OQpiiSxQav xiOiocßiv. -^ II, 4, 3: ovösvl xqotco} — TreufO'c/i^y
av^ oxi ßovk7i(S£ta£ ui tcoxs rj dvvi!j0Exai MivavÖQog anoXiTcdv iv
^Ad'^tivai.g rkvyjQuv xtjv iavxov ^ovog iv AlyvTtxo) ßccaiXevsiv. 4: iXlis
xal xovxo ye örilog in xav imavqXcov av avsyvav drjkog rfv 6 ßa<St-
ksvg^ Tfiffta nsTtvG^ivog cSg Ibtxf tvsqI Cov — das zweite SijXog vor
^jv 6 ß. ermangelt rechter Autorität, namentlich hat es der Flor, nicht.
Hr. M. hat seine einstige Conjectur aXkcc xal xovxo yi e 16 mg in xmv
iTtiövoXäv (OV aviyvcov diflog 7jv 6 ß, jetzt verworfen, ohne etwas
anderes dafür zu bieten. Dem Sinne entsprechend würde wohl sein:
itkla nal rovTo ye ösöioig ix xtav imazokcjv (ov aviyvcav ö^kog i]v o
ßaadevg raftor 7t67Cva(iivog (og lotKS, Die nächsten Worte neql aov lei-
den offenbar au Verderbnis. Ich vermuthe: [xal] nsiQav aov ical
axQBiia (i]Qi^cc Meineke) öi VTtovotciv Alyimxloig ^ikoov ccmxiCiiotg
(ctaxs'Ca^iovg Cobet S. 123) (Se diaxad'cc^oyv. Nach lbtx€ fiel xccl leicht
aus; für neiQciv aber ist auch neiga^ayv statthaft, wie unten §. 17
steht. — Ebd. 5: xcrl 7tSQi,ßakkov<S<i ös xijv [egav x(üv Sgafiaxcav i-atl-
vriv K6(pakrjv ivayncckl^oiiac. Hrn. M.s xijv UQav xcSv Xaglrav ixBCvriv
ascp, ^ iuum illud Graiiis sacratum capul'^ p. 116 behagt K. S. 430
nicht, weil man damit auch nicht viel weiter komme. Er proponiert
nach der von Bergler beigebrachten Stelle des Phalaris ep. 19 a. E.
S. 112 Schaef. %ai aov xijv lequv xal vfivoTtokov xfqpaAiJi/ ij Movamv
avyyivua xoafn^asievj was vom Stesichoros gesagt ist, für xav ÖQa^
^ccxG)v: ögafiaxoyovov oder ö(fa[iccxo7t6kov , zwei sonst freilich nicht
nachweisbare Wörter im Sinne von ögccfiocxoTtoiov. Die Sgafiaxa zn
entfernen, ist mir ebenfalls bedenklich. Vielleicht dafs nach rcüli' ^^-
fiax(ov ein Adjeclivum wie yovi^ov ausgefallen ist; nccxrJQ^ TcaxrfQ Äo-
yov u. dgl. von Schriftstellern ist allbekannt und /ii/ti;^ hat ähnlicheo
Gebrauch bei Dichtern und selbst in Prosa. — Ebd. 9: akkcc naqnaa
xr^v fiririga xccl xag a6€kg>ag avx^g laofiat övfMnXiavad aoi. Dies Um.
M.s Schreibweise p. 118, da die Bücher avr^ and etvzrjg ('scribe
A. Meinßke: Alciphronis rbetoris epistolae. 617
etvt^g £=3 ifutvzrjg^) geben. Indes erscheint dieses ctvrijg als ziemlich
mäfsiger Zusatz. Mit Vcrglcichang von C. I. G. n. 496, 5: o[ aw--
jtXiovreg vamcct^A'JtokkfavL TciqgIg) xaQtari^Qiov habe ich vermuthet
vccvrlg eaofiai avfinliovaa aot^ wie schon Bernard vavxtig wollte.
Dem Einwände, auch dieses vavrlg sei neben övfinkiovaa überflufsig,
läfst sich, denke ich, begegnen. Denn Giycera hebt es füglich durch
Fülle des Ausdrucks hervor^ dafs sie dem Menander zu Liebe eine
Schifferin werden will. FwatTieg vavtlöeg wird ans Theopompos an-
geführt bei PoUux VII, 190 (Meineke com. Gr. II p. 8*23), und avxatg
and vtevtaig sind auch sonst verwechselt , Greg. Cor. p. 403. Endlich
mit Cobet S. 123 <sv(jLnXovg aoi zu schreiben ist nicht nöthig. — Ebd.
9: a|Go di ce cheQ lUxmv ((lirov Cobet S. 123) 'jigiaöin] ilg Aiyv-
. 7CX0V, ov JtowGov iXlct J^ovvaov d'egdTCOvra Kai nQogyrfVfiv. Hiezu
bemerkt Hr. M. p. 118: ^perroirum videri debet Alciphronem, homi-
Dem in veterum poetarum lectione probe versatum , ad Dionysnm ret-
tulisse quae de Theseo dicenda erant. Vereor ne hie quoque descri-
bentium socordia pinscula exciderint. Coniectandi si copia datur,
crediderim haec in hunc ferme modum a scriptore prodita esse: a^a
di ae Steg (Uvcav ^A^iciövri [oi% tig xov iv Kgi^tr] laßvQiv^ov^ ak£] stg
AtyvTtTOv^ [xal ös^ioicofiai] ov Atowaovj dkka Jiovvaov ^eqinovxu
ncilnqocprftriv,^ Diese auch von K. S. 431 bezweifelte Lückenhaftig-
keit vermag ich nicht wahrzunehmen. Giycera fafst aus jenem Mythus
nur das erfreuliche and gute auf; daher vergleicht sie sich mit der
Ariadne blofs in so weit, als sie den Menander glücklich zum Ziele
geleiten will. Sie nennt sich eine Ariadne ohne Faden und jenen einen
Propheten nnd Diener des Dionysos, nicht ihren Theseus; die Erin-
nerung an diesen treulosen , welcher durch den Faden gerettet wnrde,
weist sie gleich im folgenden zurück: xaighcDCav ot Grjaetg ixetvoi
%al tot aniara rciv ngsößvreQcov ifATtkaxrificcra, — Ebd. 10: ovSiv
%odqIov '^fidiv roifg Iqtotag ovxl öi^ttai nkrJQStg, Cobet verlangt S. 123
statt nkfJQeig: svfisvig. Was ist aber an dem Gedanken zu tadeln:
^ jeder Ort wird unsere Liebe so aufnehmen, dafs sie vollständig ist,
ihr nichts abgeht'? Aehnlich, wenn auch etwas anders gewendet,
sagt Goethe: ^Raum ist in der kleinsten Hütte Für ein glücklich lie-
bend Paar.' — Ebd. 11: dkk^ otavyytvug^ aU' ^ nctxqlg^ «fU' ot
fplkoi^ CxBÖov ola^a Tedvcrj ndvzeg nokk^v öiovrat^ nkovrelv i&ikovCt
Tuxl x^riiiLctxllBC^ai. Der Anstofs Hrn. M.s an ^ mnqlg p. 119 (zwei
Hss. haben ot TCaxQig} scheint gegründet, nur ist sein ot naxi^eg^ die
Eltern, bedenklich, weil Giycera §. 9 einzig der Mutter und Schwe-
stern gedenkt. Ich hatte deshalb q)Qdx€QBg vermuthet und sehe jetzt,
dafs K. S. 431 anf derselben Spur ist: g)gdxoQ€g. Jenes gilt als alti-
sche Form, s. L. Dindorf zu Xen. Hell. I, 7, 8 p. 57 b. — Ebd. 14:
^aco^is^a xal slö^iisv xi kiyei xct te^d. So Hr. M. p. 119 aas dem
Flor. , in den andern Hss. steht etöcofiev. Gleichwohl wird die auch
von Cobet S. 124 kurz hingestellte Yulgate löcDfisv nicht zu verdrän-
gen sein. Vgl. Xen. Anab. II, 1, 9: ixdkeas ydq xig aixov xmv vTCtj-
ifnmvj oTtcog Wot xa teQCc i^jiQfjfiiva' Sxv%e ya(f 0v6fi€vog^ und VII,
40*
618 A. Meinekc: Alciphronis rhekoris epjstolae.
8, 3: ida)v ta Uqcc EjinXeldrig slnBv %xX, — Ebd. 19: Menaoder soll
für den Ptolemaeos bereit halten bXxb Satda eits Micsovfjievov stte £i-
7iv(ov[iov bI&^ 6ri]ovv akXo, Diese M.sche Ergänzung p. 120 berahi
auf einem leeren Räume für sieben oder neun Buchstaben nach Zixvoiv
(ciKvd) in den Hss. und sie sieht sich nach der übrigen Ueberliefe-
r.ung allerdings so an, als ob sie die ursprüngliche Lesart zurQckge*
führt habe. Aber doch bemerkt K. S. 433 nicht übel, dafs nicht jedes
beliebige andere Stück dem König gefallen haben würde, und dämm
sucht er in ovv äkko den Namen eines andern Lustspiels, etwa: S'evo-
Xoyov. Auch ich glaube, das gleich folgende zl di; iyo) d'Qaaeia xal
toXfitlQcc ziq elfii ta MsvavÖQOv dianQlveiv idiciug ovöa; mit einem
unbestimmten el^' or^ovv aXXo schwerlich vereinen zu können. Weil
jedoch die Worte el^^ oxiovv SXXo han])schriftlich so gut wie fest
stehen, so scheint nach Ztxvdviov in einem ganz alten Codex der
Titel eines Stückes wegen Unleserlichkeit ausgelafsen und dafür vom
Schreiber fl^' ouovv SXXo gesetzt zu sein , um anzudeuten , was hier
ursprünglich vorhanden gewesen war. — Ebd. 20: Oixpov l%(0 aov
tov igoarcc xal rarr' Bidivoct övvaad^ai. av yaq fie idlSa^ag ivg)^ä
yvvatTioc xaxicog TtaQ* iQcivxcav fiocv^dveiv * aXX^ olaovofAOViStv IqanBg
OTtevöovxsg ' aldoviud'a [la xr^v I^QXEfitv avd^toi vfiäv ilvai (iij ^av-
xov fAciv&dvovaon. An TtaQ* igoivxcov zweifelt Hr. M. p. 121, da in
den Hss. Tti^l igciv xw gelesen wird ; auch versteht er olxovo(iov6t,v
nicht vollkommen. Schärfer tritt K. S. 433 f. wider den Gedanken-
gang auf: ^wie kommt Glycera zu der Urtheilsfähigkeit %u Mevav^
dqov dtaagtvsiv, das hat sie die Liebe gelehrt: aötfov S%m 0ov tpv
^Qcoxa xal xavx^ siSivai dvvaa^ai. Ohne diese Triebfeder würde sie
es nicht so weit gebracht haben, denn alöoviie^aj (lij xi^v'JiQx^uvJ
ctva^ioi fificov slvat, (jlti ^axxov fiai»&<ivovacci, Nit diesen Aussprfloben
steht der dazwischen liegende av ydq (is idCda^ag iv^ü yvvaTx«
xaxioog naq* igcivxtov fiav^dvHv, aXX^ olxovofiovaiv l^crng ifmviov-
xeg wenigstens theilweise nicht in Harmonie, denn mit den letzten
Worten wird dem Drängen der Eroten eine Wirkung -zugeschrieben,
die sonst ausbleiben würde. Glycera ist bescheiden und gesteht, nur
durch die Scheu, von ihrem Freund für beschränkt gehalten za wer-
den, zu grofser geistiger Anstrengung getrieben worden zu sein. Jenes
aXXd enthält nun einen Wink, dafs der vorhergehende Satz das Ge-
gentheil aussprechen mufs und dafs igdtrccov verschrieben ist, etwa
aus hiqmv. Glycera wird also gesagt haben: av ydg fie iöCda^ag ov%
tvtpvä ywcLi%u naq ixigav fiocv&dvsiVj äXX^ oiaxovofiovatv Igansg
<mevdovxsg — . Dasselbe Bild , wenn auch nicht in Bezug zu den Ero-
ten, hat Ale. I, 10 v;t' dfirixavCag xjj xiixtf xovg otaitag irckqt^^uv*
Weder, dafs sich Glycera eine ov% svfpvtfg yvvri nennt, scheint mir
erforderlich, noch dürfte na(f^ txlQtov und olaKOvofiovaiv (was an I,
10 gar keine Stütze hat) zu schreiben sein. In negl igiav ta verbirg!
sich etwas entlegeneres. Die Igtoxsg oder iQmvxig sind aber in den
Zusammenhang nothwendig. Ist also tisqI i^cixav oder TtaQ* iqwnta^
nicht haltbar, so schlage ich vor nsQutetetixg iqmwv, Mch habe an
A. Meineke : Alciphronis rhetoris epistolae. 619
deiner Liebe einen klugen Lehrmeister , so dars ich auch deine Stücke
za beurtheiien vermag. Denn du hast mich, ein talentvolles Weib, ge-
lehrt schnell Verwicklungen von Licbeshändeln zu begreifen. Aber
( — kann man mir oder mafs ich mir selber einwerfen — du traust
dir viel zo , Glycera) die Liebeshöndel wirthschaften schnell (sich in
ihre Intriguen zu finden, ist nicht leicht). Ei nun, bei der Artemis,
ich müste mich ja schämen, deiner unwerth zu sein, wenn ich nicht
rascher begreifen wollte/ So hat man zwei Paare von Sätzen: v£ di;
iym — idimtg ovCa; hierauf ist die Antwort: akka ao<p6v — ficcvd'tt'
viiv. Sodann: akk^ oixovofiovaiv Igoaxeg anevöovxig; dieser Einwand
wird beseitigt durch aiöovfie^a — (lavd'dvowscci. OiKOvoiistvy was
von der Disposition des Dichters ganz gewöhnlich ist, hat von den
iqoixsg gebraucht gewis nichts anstöfsiges. — Ebd. : nccvtag Sio(iai,
MivavÖQe^ fcaticlvo nuQaaKevddaa&ai xo dgäna, iv ai (i€ yiyQatpccg,
Iva xav ^^ 7ta(fayiv(0fiai, avv coij dia Cov TtkevCa TtQog nxoke(Aaiov.
jdicc aov verdanken wir dem unvergefslichen Fr. Jacobs, die Uss. bie>
teu sämmtlich dr' akkov. Ob vielleicht akka Sice aovl Mindestens ist
die Verderbnis von öta aov in di^ akkov recht auffällig.
Buch III, 2, 1 : ikkeßoi^ öblCoi^ tut ig öiov alfS%vvta%ai, %oqi%^
aiei^voai xipf aldm xov nQoatoTtov, /Siov hat Valckenaer aus dem
handschriftlichen 6i gebildet, iniiviSai aber Hr. M. p. 122 mit Bezug
auf III, 40, 4 : t^v alö^ xav TCQoadTtoav aTci^vaxat statt ctTti^aaag her-
gestellt. Doch K. beruhigt sich bei der ersteren dieser Befserungen
nicht. Die Pfälzer Hs. hat xtoQvxag für 9iOQi7i6og, und so schreibt er
S. 434: i^xig Sri alaxovrig ^kiyfQqri%ag %al aTci^vCat %xk,: ein Weg
auf dem ich nicht nachfolgen kann. — Ebd. 2: l%e axqifia aal naxa
davxi^v [yivo^Livri\ ^djtile x6 xaxov i^tod-ovaa xrjg diavolag. Davon
ist ^aTTi^e, was des trelTlichen Reiske Scharfsinn hingeworfen hatte,
jetzt aus dem Flor, zu Tage gekommen ; die übrigen Hss. haben ^Int^e.
Jenes erklärt Hr. M. p. 122 von der Liebe, die wie ein piaculare ma-
lum durch Schläge ausgetrieben werden müfse, s. Hipponax chol. V,
2 : ßdkkovxeg iv ketficavi xal ^anl^ovxeg Kgddyai xal axikkrjaiv iiansQ
g>aQiiax6v^ und VlI, 7: tpa^fiaKog ax^elg eTtxdaig ^ama^slri. Von
Lesart und Deutung offenbar unbefriedigt schreibt Cobet S. 125: xal
%axa Cavxrjv XQinov, xo xaKOv i^co&ovöa xrjg övavolag. Sähe ^man
zunächst nur ab, wie es gut möglich gewesen, dafs xQlnov in sämmt-
liehen Büchern dem ^dm^s oder ^Ini^s Platz machen muste. Von die-
sem §dm^s darf man sicherlich nicht abgehen , es wird aber aufser-«
dem die volle, wohl sprüchwörtliche Redensart herzustellen sein:
(dni^a xov q>aQiianov i^cD^ovaa xr^g öiavolag^ etwa wie unser: ^schlag
dir den Bösen aus dem Sinn. ' Die vorstehenden Worte aber können
ohne aeavxtiv gelesen werden : ^xe ax(fi(ia xd %axd aavxriv xal ^dnü^B
— (Ven. dtgiiiaxd) oder ixe dxgifia aavxriv nal ^dit. , wie beim He-
liodor V, 2: akka av fisv axqifia f%£ aavxov. — III, 3, 3 Euagros hat
dem Chremes sein Fahrzeug als Unterpfand für ein Darlehen von vier
Goldstücken versetzt und kann am bestimmten Tage nicht zahlen:
iniyvtav — xov ix^Q^ ^^^^ g>QOvovvxa Xqifitita xov 0kvia' xal yaQ
620 A. Heineke: Alciphronis rheloris epistolae.
StoifAOg ^ i7Ci,ki^^ea&ai rov önatpovg. Das letzte Satzchen notiert
Gobet S. 125 mit ^aperte corrupta'. An der Graecitat sehe ich keinen
Fehler, da der Infinitiv Fulari wie manchmal sonst nach den Zeitwör-
tern des Vorhabens, Wollens und Wünschens gesetzt ist, s. Krager
gr. Gr. §. 53, 7, II ; und aus der Ueberlieferung Worte zu gestalten,
die das gierige Verlangen des hartherzigen und nnerbittlichen Wu-
cherers nach dem aKC((pog scharfer ausdrückten, will mir auch nicht
gelingen. Doch könnte etwas ausgefallen sein: Kai yaq [Xxxi^ßÖBfQQ
öLkii]v] eroifiog tjv imkrixlfec^at rov axd(povg. Dafs ein Mann mit der
Charybdis verglichen wird — schon Aristophanes nennt den Kleon
eine XccQvßöig ctQTtayijg, Cic. Verr. V, 56, 145 non enim Charybdim
tarn infestam neque Scyllam nautis quam istum (ßionysium) in eo-
dem freto fuisse arbilror — wSre um so natfirlicher, weil es sich
von der Besitznahme eines Nachens handelt. Vgl. auch v. Lentsch Pa-
roem. Gr. II p. 672. — Ebd. 4: I6u)v ovv elg oaov diirnavlag ihiXa-
%BiVj oiYMÖE cc7CotQi%(a xal to x^aovv alvaiovj otuq Tcoii evnoQmv
rfj yafiszy xoafiov etvai TCEQiavxiviov ineTtoQlxetv ^ dnoöTeacag tov
TQax'qkov^ <og IlaaioDva vov TQaTtetlxriv ik^mv omijfijcokifitt. Hier ist
'imnoQUuv für inBTtoi.riiiUv Befaerung llrn. M.s p. 123, welche er
durch folgende, dem Ale. vielleicht vorschwebende Stelle Menanders
bei Pollux X, 187, com. Gr. IV p. 181: dkiaiov Xqvöovv htoQtcctg'
il^B ki^onokkrixov fiv Kockov riv av ovxtog für bestätigt erachtet. Es
ist nur schlimm , daf» gerade akvciov beim Pollux nicht steht, sob-
dern erst aus dem Epistolographen in jenes Bruchstack abertragen
wird. Sollte zudem Ale. geschrieben haben bvtioq^v — htejtoglnHvt
Und gesetzt auch, dies wäre ein unnöthiger Scrupcl, so hat doch
ijtSTtoi^rjfiriv ^ da insjcotqaetv freilich verdächtig ist, mindestens ebenso
viel für sich als inuioQinEiv. Weiter ist das von Hrn. BI. zuräckge-
rufene und auch schon von Lobeck pathol. prol. p. 495, 15 beachtete
Tlaaecava zwar die Lesart der Hss.; allein ich bezweifle, dafs man
neben Ilaalcav auch Ilaaiav wie Kcckkiag und KakUag^ Ilaciag und
üccalag (Lobeck a. a. 0.) gesagt habe. Unten 111, 38 und 66, 4 wie
beim Demosthenes und sonst finde ich nur Iltxalcüv. Auf üü Beispiel,
welches beweisend sein würde und das ich selber gegen mich anfah-
ren will, c. I. G. n. 115, II, 32 APIZTEflNnOAYKPATOY
AQKSxifov Ilokvxqdxovj darf man, obwohl Böckh p. 159 b nicht än-
dert, darum gar kein Gewicht legen, weil jener Titel nur aus einer
.vielfach fehlerhaften Copie Pocockes bekannt ist. Bei andern Namen
aber, wie Jaf^icDv^ steht dahin, ob sie hierher gehören. — 111,4,
1: sUvj ä^a fioi ßovkev(iccxog^ AonaöiTi^afißs ^ fiäkkov öe (loxkov xal
xcikipdiov' sl yciQ xai okriv Kaxaßakovfiev xqv nlova ti^v xo ntxoov
xovxo ci^okoytov avixovaaVf 7} xov yvdiiova xgeij^Ofieu ixBiös vsveiv
ov xaxiov dvvriöexat xag ÜQCtg a7to6t]yLCtiviiv^ xal iaxai xo ßovXsvfia
nakafitjösiov. Ilr. M. möchte, um einen wunigdtcns erträglichen Fort
gang der Gedanken zu erzielen, statt i] xov yi/co^ova lesen sl dl %ov
yv(Ofiovcc: ^si enim loiam everiemus coiumnam^ bene res habet nee
amplius nobis laborandum (quod notissimo diceudi genere cogitatione
A. Meineke : Alciphrouis rlietoris epislolae. 621
supplendum est) : sin indicis converiendi copia erit, ul cttius horas
indicare possit^ nae Palatnedeum hoc erii consUium*, Noch lieber
jedoch wäre ihm p. 125 einfach: div^ ä^a fnoi ßovXwfunog' el vitQ
«av yvcifiova xqi'^inv ixetde vevetv ov xixtov dvvrjaeTai ritg iu^ag
aTtoaijfialveiv y VQii Satai ro ßovXeviicc naXafiridetov, Das heifst wohl
den Schriftsteller verbefsern. Müfsen wir nns einmal an die vollstän-
digere Ueberlieferung der Hss. halten, so bewerkstelligen wir den
richtigen Fortschritt der Gedanken vielleicht mit geringeren Aende-
rungen, wenn geschrieben wird: ij yaq %al olriv KarocßcckovfAev t^v
nlava ntX. (and dazu gehört poxlog xal xakmöiov) ^ xov yud^ova —
i7C0iSfi(icilvsiv f xal tovto Satai to ß, 77. Jenes kccI vor ikr^v hat gegen
Seilers Anfechtung Hrn. M.s Gelehrsamkeit sicher gestellt. — Ebd.
3. Theochares speist nicht, bevor ihm der Sclav die sechste Stunde
am Gnomon ansagt: ösi ovv i^uv xotovxov axififiocxog o xoexccöoiplaa'
tf^tfi T^j; xov QsoxccQovg evxa^iccv öwridexa^ Nach xaxaOotplöaad'ai
haben die Hss. noch »ai naQccXoylöaa&ai ^ welche Worte Hr. M. p. 125
ausgeworfen hat. Ist nun haqaXoyUfaa&ai evxcc^iotv, decipere ordi-
nem kein statthafter Ausdruck , so zeigt der Yen. einen Ausweg, in
welchem naQaXoyüfaC&ai Kai Kaxaaog>laa(S&€ei xr^v eix, steht. Ich
möchte aber dieses netqaXoyitSctC^cti darum nicht mifsen, weil die Tau-
schung durch falsche Rechnung hier ganz an ihrem Platze und die
Häufung von Synonymen bei Ale. (s. M. zu III, 3, I p. 174) nicht seU
ten ist. ^— Ebd. 4: XQCiq>Blg yaq vtco naLÖayayyip ßaqel Y,al mq^Qvta-
fiivo) ov6hv q>QOV£t vsioxeQOv. Das ungewöhnliche von q)QOveti^ vacivs-
Qov im Sinne von iuveniliter lascivire hat Hrn. M.s feiner Tact p. 125
zuerst treffend hervorgehoben. ^EvemEqov (Aesch. Pcrs. 783 nach 3I«s
Befserung: Siq^tig 6"" ifiog naig ivsog mv ivscc cpQOvü) fällt jedem
unschwer ein , ist aber doch wohl nicht das rechte. Ob veai/ixoire-
^ov?*Vgl. Lucian conv. 3: vecivi,ii(oxBqctr\{n,äg^ o) OlXoov^ ci'^totg iK(pi-
qeiv xavxoe Tcqog xovg TCoXXovg xal ins^Uvat öu^yovfiivovg Tcgayfjuxxa
iv olvm Kai fii^i[i ysvoiieva, — III , 5, 1 : Foqyiag o ^Exsoßovxäötjg
övfißaXdv fAOt xcora xvxr^v XQV^'^ö^ iiCnadaxo Koi Kaxs^i^(paxo oxi (ir}
^aiU^omi naq* avxov. Mit ßer|;ler zu übersetzen comiter salu-
lavit^ ist unstatthaft, s. Hrn. M. p. 125. Dieser vermulhel: 6 2^17-
Cxog oder o ^^utfovff. Dadurch würde jedoch eine Ironie (6 ^^(yovg
III, 69, 1) gleich vom Anfang herein in die Erzählung gebracht, wel-
che kaum passend wäre. Der Parasit mufs zuerst ganz ruhig berich-
ten, um seinen Freund in Spannung zu halten, welch schöne Hoff-
nungen und Aussichten Gorgias ihm selber erregt habe. Erst weiter
iinten §. 3 folgt dann, wie schmählich ihn dieser zum besten gehabt.
Da nun riCnaaaxo ohne weitere Bestimmung ausreicht, wie es oft al-
lein steht, so streiche ich XQ^'^^^^ und muthmafse, es sei dies eine
nachlicr in den Text geschmuggelte Randbemerkung zu ri(5'xa(5axo^
welche den Abschreibern Alciphrons ebenso gut zugetraut werden
darf wie ähnliche Gefühlsergüfse, z. B, gegen die Hetaereu II, 1,6:
nqog v^iag öi ovöi vTteqxld'ea^ai. i^saxtv äaxs q>6ßov slvat xoqov^ und
111, 7, 2: 7caü%€t xä dUaia. — III, 8, 2: üqa ovv y.al ßla xavxfiv^ ei
622 A. Meineke : Alciphronis rhetoris epistolae.
(fvvri^mg ivcnstvotto fifitv , iitocitäv, ovo di ovre koI igf^piiha ta-
%iCxa avxiiv ncil axovdav ccTcd^ai övvrfiOfiB&a. So Hr. M. p. 128 nach
glücklicher, durch den Yen. bestätigter Muthmafsung , während ia
den andern Hss. nur ana^ut, oder and^ai ohne das Schlafs verbam
steht. Cobet S. 129, vermuthlich aus Verdrufs über den Aoristus i^gor,
schreibt a^(i^oci(iiv. Dann befremdet nur der Pleonasmus %ai ajwvcav
iti^d^ctifiev, der über die bekannte Fülle von axovta avayKa^Hv oder
ßtd^ea^ai^ invitum cogere weit hinauszugehen scheint. Eine eben-
falls entführte Frau sagt III, 73, 3 : elg yccQ ^e ro 0vvtiQeq)lg dyaydv,
^Hi<t aber mufs wie Sao (NJahrb. Bd. LXVIII S. 70) im Ale. ertragen
werden. — III, 9, 1. Es ist ein Hase aufgescheucht: xa 61 (Snvlinw
ov^iol vtuq in xmv [^avxttov anilv6av. %al xic fiiv id'O^ßsi nccl iy
yvg fiv iXetv xo ^qlov. Cobet verlangt S. 129 ?^» ^^]7« Bo(n)ßsi^v
ist technischer Ausdruck von anschlagenden Hunden, s. Xen. cyneg.
14, 7: d'Qctaetai d' crT ovx icS^i xav Cvvi^w xag aofpag elg xo itQO-
ad'ev nqoUvai iU.* avelQyovCt d'OQvßovaai, (Hermogen. TtSQl Idsw II,
4, 328. II p. 361, 24 Sp.). Aber es fehlt die Erwähnung des Nach-
Setzens der Hunde, weshalb einer vielleicht wünscht : i^OQvßei[iud
l&Qcaajis] xal iyyvg t/v %xl. Schwerlich nöthig. Die vorliegende Stelle
und III, 46, 3: ro xsiQOfiaKXQOv vno ^dXrjg kaßmv i^riklofiriv , ig ip
xy (pvyjj xoiv ötaßdd'Qoiv %uxBqov aTtoßctXstv, wo Hr. M. p. 142 nach
i|iyÄAofi)/v die Worte xul xoaovxov '^TteiyofAriv einschiebt, achatse»
einander gegenseitig. — III, 11, 3: ov acDg>Q0V6tgj d>g loiTtsv^ <o yvvau
ovöe vyiig xi öiavofj' iXkd aiidXai iv xaig aaxtxccig xavxat(fl xatg vno
x(fvq)fjg ötaQQeovaatg, Für das verdorbene ccfiiXXa iv gibt eine Hs.
ifidXaiScci xatg, eine andere SfiiXXai iv xcctg. Hr. M. schlägt p. 129
vor: ivdfuXXog sl oder üfidXog elj K. S. 435: aiidXaa&air^ von 6uc-
vo'^ abhängig. Dies würde hier zu matt sein; Dryantidas mufs seiner
Frau einen bestimmter formulierten Vorwurf machen. Diese istoZi}rov
aWo^,§. 3, daher denkt sie nicht erst auf Wetteifer, sondern ist schoa
darin begriffen. Stand etwa ursprünglich: äXX^ ifiiXXä iv fnaXcaUa xal^
daxtxaig^^'i Vgl. Flato rep. VIII p. 563 A: diaiiiXXaa^ai tv Xoyoig
YMi iv igyoig, und derselbe verbindet XQvtpri xal fiaXd'axla rep. IX
p. 590 B. — III , 12, 1 : (pLXfjvsfiov xiva i7iXs^d(xsvog nlxvv v«o ravrf
ro xofvfia iönia^ov. Hr. M. p. 129 nennt es ^mirum dicendi genas,
quo quis aestum obumbrare pro aestum in umbra vitare dicitur. Ne«
^cio igitur an iiSKsna^ov scribendum sit.' Und doch scheint jenes er-
klärbar; 8. Xen. oecon. 19, 18: {auneXog) TteQiTCSxavvvovCcc xa oTvcr^
oxav hl avxy anaXal ot ßoxQveg oaai , didd<fitsi, axtd^siv xa iiXiovfiBva
xavxriv xriv cigav^ wenn dies auch minder kühn ist. — Ebd. 2: iv
xovxo) dh ovK oW oTtcag vito xijg riövtfxoviag &€Xy6(ievat itäcaC (io$
Tcavxa^od'sv ai cclyeg nequ^vQ^rfiav xal iq>BiGai vifiB<S&at xovg %0(ia"
Qovg %al xov iv&iQiKOv ZXai xov fiiXovg iylvovxo* iym dl iv [liöatg
xatg vofiatg ifiifiovfiriv xov Ttatöa xilg KaXXLOJttjg, Die Hss. stimmep
sämmtlich in i^dovatg^ wofür Reiskes mehr blendende als angeme-
fsene Aenderung iv (liaoig xoig 'Höcovoig von Wagner und Seiler nicht
halle sollen aufgenommen werden. Hr. M., welcher die Ungehörig-
A. Meineke : AIcipbronis rhetoris epistolae. 023
keil der Edonen nachweist, setzt das obige p. 129 f. Allein auch dv
mit ist der Stalle nicht geholfen. ^Denn' entgegnet K. S. 435 ^soll
das die Ziegenheerde bedeuten oder |die Wiese, auf welcher
Pratinas sich hören lafst? Beides würde dem schon erzahlten keine
neue Wendung geben, und die Aehnlichkeit mit Orpheus wäre so
nich( genugsam motiviert. Das Publicum des thracischen Sängers wa-
ren alle möglichen Thiere, und hier müfsen die Ziegen instar omnium
sein; diese Auffafsung ergibt sich, wenn wir ^v fiiaotg xolg xvcdöu-
loig schreiben. In ähnlicher Allgemeinheit braucht Aristoph. Lys. 476
das Wwt. ' Ohne gegen dieses Kviodakoig zu polemisieren, will ich
angeben was ich für das echte halte : iv fiiöMg zctig ifSoiiivaig. Vgl.
Conon 45: ovroo dh ^iXyeiv nal KaxaKtikBip avzov (OQg>ia) ^öatg
filvai, <So<p6vy iig nul &riQia xal olmvovg xal dri xccl ^vXa ymI U&ovg
avuatEQivocxHv iq>* rjdovijg, und Aesch. Agam. 1630: 6 (ilv yag riye
9ravr' arco g>9(yyyrjg xciQa. Uebrigens erscheint gerade die Ziege beim
Orpheus auch auf Denkmälern der Kunst, s. F. Piper: über einige
Denkmaler der kön. Museen zu Berlin (Berlin 1845) S. 13. — III, 20,
1 : olß&a ^e intaa^avta r^i; ovov naXa^ta xataywyovra ovv,
eoog av tcciha aTtedoiiriv tmv uvt yviogifiav Syn fii xig Xaßdv dg xo
^iaxQOv. Die Lückenhaftigkeit dieses Anfangs hat Hr. M. p. 132 satt-
sam aufgedeckt. Derselbe verlangt dann etwa: xaxccyccyovxcc ovvj tog
Tortfra a7cedofiT}v, xfov xtg yv(OQlfiODv Syst (is X, sig r. ^, Vielleicht hat
der vorhergehende Satz mit xcxt' ayoQoiv (statt Ticcxceyayovxa) ge-
schlofseu und, es weiter geheifsen: äg ovv xavxa anedofirjv xöiv xivt
yvoüQlfKOVy Syei fie Xaßciv, nemlich der bekannte, so dafs xtg als
Glosse wegfällt. — Ebd. 2 : ?v di Wwv axavrjg iyd aot fiai fiixgov
öetv avavöog: die Vollständigkeit dieses Sätzchens vertrete ich nicht.
— III, 22, 3 : nXayyanf dl x6 MeXtxaiov KvvCötoVj o xqitpo^Bv a^vq^u
T^ ÖEdnolvri nqocrivig^ imo xr^g ccyav Xi^vstag Inl xo Ttqiccg OQfiilßuv
xeixccl aoi xqlxtiv xavxrjv rjfiiQctv inxaör^y vekqov tidr] fivötjaav. Co-
bets Fragzeichen zu Ttgoöijvig S. 131 legt die wunde Stelle blofs. Ist
etwa nach dsanolvri zu intcrpungiercn und TtQtivig — oQfiijiSav^ s. v.
wie nqonsxigy zu schreiben? Aufserdem tilgen ve%q6v Cobet und
Kayser S. 435. — III, 23: IlixvUxtp, Drei Hss. haben TixvUxw^
wonach Hr. M. p. 133 T^vglana) vermuthet, d. i. IknvQlöJia}, Ref.
darf versichern, denselben Vorschlag in seinen Papieren zu haben. —
III, 24,2: xccg ^iv (celyag) anodofievog^ xag öh Kaxa&voiv' Tcal tc5 fiiv t/
yaöxriQ xijg xQccmakrig iiiTtlnXccxai, Kai xa >lot;ra t^ xevd'sioc SccTtaväxcci.
Dafs KQociTtdXri nicht vom Fleischgennfse , der hier zu erwähnen war,
verstanden werden kann, hat zuerst K. S. 435 erinnert, wie er auch
Ttt XoiTta mit Grund anßcht. Näherte sich nur seine Conjectur xat
xa fikv 71 yaaxfiif xijg xgscofpaylag ifinlnXccxat xcrl xaTC xijg fCG)Xijg xev-
%Bla öanotvaxcct de'r Ueberlieferung etwas mehr! Mich dünkt eher
möglich, es seien zwischen ij yaax'j^Q und xijg xQaiTtdXi^g einige Worte
weggelafsen. Statt xa Xomd stand vielleicht xo: Xiqfificcxa, — III, 29,
1 : ÖHvog el qi^xodq inig xovg iv Mdialco x^v aXXoxglmv ?v£X€v adi-
KO(iaxovvxag. Das letzte Wort befsert Cobet S. 131 schön in ötKOfMc-
624 A. Meineke: Alciphrouis rhetoris epistolae.
%ovvtag um. Für MtXicdm weifs er aber so wenig Uiifo \vio Hr. M.
p. 135 einen Vorschlag macht. Die Ilss. haben: Mdialo) tcov ß,
MriUa» xara rc5i/ V u. F, MHUta %axa rav Vat., firiXUp Kavct tc5v
Ven., firjXL xofia t^v W. Bisher ist Mt/rt^e/w rav^ Mrixlxov xalUa,
'HXiala Tcov, alles ohne überzeugende Kraft, versucht worden. Mögli-
cherweise hat hier ein sonst nicht vorkommender attischer Gerichtshof
gestanden. Unter den bekannten gibt es aber noch einen, der wenig-
stens in Betracht gezogen werden dürfte: iv^Sliödo) {MlAlAISll:
SIIJEJSII), s. Meier u. Schömaun att. Process S. 145. — »III, 34,
2: Tiatakccßcav yccQ (Tliiav) rriv i6%azutv zaig ßcikoig xovg naQiovxag
ßdXlH^ TtQOfirJQ'oviuvog firiöivcc avrm Tia^oTta^ ivd'Qtoncav ivrvyxa-
veiv. Dafür schreibt Cobet p. 132: ^rjdsvl Kad-ana^ av&Qdjtav iv-
tvyxaveiv. Die Lesart sämmllicher Bücher besagt: ^wenn Timon, der
auf seinem Grundstücke zurückgezogen lebt, jemanden vorbcigehea
sieht, wirft er diesen mit Erdklöfscn, damit derselbe sich ihm nicht
nähere.' Beim Lucian Tim. 35 sind seine eignen Worte: ta d' aXXa
evöat^oviaxatog elfit ^tjdevog ^iol TtkrjCLd^ovxog ^ und zu Plutos und
Hermes ebd. 34: xlvsg iaxij cj aaxctQaxot; ij xL ßovXoiievci devQO t/xcrs
avÖQu iQydxriv nal ^icd'oqiOQOv ivoxXi^cainsg) aXX ov %(x(Q0vx£g ajure
(liaQol Tcccvxeg ovxeg ' iya yuq v(Accg avxlxa fidXa ßdXXmv xatg jScailoi^
Kccl xotg Xl&ot^ avvxQlijfco: eine Stelle welche Ale. gewis hier vor
Augen gehabt hat. Dagegen würde die von Cobet geforderte Schreib-
weise ein Herumgehen des Timon auf Wegen und Räumen voraus-
setzen, wo er Menschen zu treffen befürchten müstc.' Das ist aber
nicht richtig: der Misanthrop lebt einsam auf seiner Hufe nud stöfst
mit Leuten nur zusammen, weun diese zu ihm oder in die Nahe seiner
Besitzung kommen. — 111, 35, J : (idxma rnii.iv ag ioiKe xai ovi^xoa
xix^vxcci xm vexlfp. Hrn. M.s avt/xoco p. 137 ist sehr elegant, wie denn
umgekehrt die Götter oft hiri%ooi genannt werden ; aber doch maCs
wohl avri%oci in passiver Bedeutung, wie bisweilen inri%oog^ ertragen
sein. Vgl. auch I, 2, 1: ccTtQaxxa xal aviqvvxa öia^ioxOov^iBv. — III,
37, 1 : BlQZ<Smvi]v ig at/Ocov nXit^aca ffStv ig 'EQiiag)QOÖlxov ttp ^Alm-
Ttexi^d^ev xctvxtiv ctvcix^riGovGcc. Mit Bezugnahme auf eine inschriftlich
beglaubigte Aphrodite in demselben Demos von Attika, C. I. G. n.
395, habe ich vordem (NJahrb. Bd. LXVIII S. 70) den Hermaphroditos
hier zu retten gesucht. Dies voraus7.uschicken ist nölhig, um Kaysere
Bemerkung S. 436 zu verstehen: ^angenommen, dafs Uermaphrodi-
tus einen Cultus in Alopeke neben der Aphrodite halte, könnte die
Schwierigkeit hier mit einer ganz kleinen Aenderung xov ^AXum. statt
TW *AX. gehoben werden.' Grofser Gewinn will sich mir davon nicht
offenbaren. Eher sind vielleicht nach ' EQiiaq>Qo6lxov ein paar Worte
verloren gegangen. Hrn. M.s ig eQ^a OatÖQiov' xov ^AXfOTteKfj^ev p.
137 hat nicht blofs das wider sich, dafs e^fia ein nur dichterischer
Ausdruck ist (C. I. G. n. 4599, 5. III p. 259: Bdacog xv^ßov hev^BV
igia^eveg €QpL[a {>ccvovatv. Eur. Hei. 854), sondern auch die zwei-
malige Anführung des verstorbenen mit seinem Namen Oatd^Utg im
A. Meineke: Alciphronis rhetoris epistolae. 025
oAehBteD Paragraph. — « Ebd. 2: iXav&avov di vßqiCxr^ vfiivaiov
avafilvovdcc Tial ÖaAorfiOv vamp/ svQlaxovaa, Hrn. M. ist p. 137 avcc-
lUvoviSa verdächtig, ^com de muliere sermo sit a veneris usa qaam
maxime aliena.' Am Ende sei vTtofiivovaa das ursprüngliche, ^ quam-
qoam video quid obverti possit.' Nach K. S. 436 würde Ttaax^iv fiik-
iov(Sa jedenfalls riclitig^er sein, ^ wenn nicht jenes Verbum selbst eine
solche Bedeutung haben kann, was aber nicht wahrscheinlich ist.'
Kurz vorher schreibt Epiphyllis, sie habe den Bewerbungen des Mo-
achioD kein Gehör geschenkt : iya^ 61 avrivaiiriv S^tc filv ra veoyvä
naidla xaxoiKvelQOvdcc, ä(ia de xbv riga) Ooci^qlav iv Ofp&akuotg ti&s-
lUvri, Nun fährt sie fort: *ich wüste aber selber nicht, dafs ich auf
einen gewaltsamen Hymenaeos wartete und zum Brautgemach ein
Waldthai finden sollte', d. h. ohne dafs ich es merkte und ahnte , war
der Zweck meiner Weigerung, mich in ordentlicher Weise wieder zu
vermählen, nur dieser dafs ich den Zeitpunkt abwarten sollte, wo ich
mit Gewalt nochmals geheiratet würde. Auf diese Weise wird das,
was der Epiphyllis widerfuhr, dem Schicksal zugeschoben, in dessen
Hand sie ein willenloses Werkzeug war. — III, 43, 1: iyw xal l^r^ov-
^l(ov ymI KvvctL^og ot Ttagaaixot: der Yen. hat iJxQOvhlag^ was Hr.
M., s. p. 139 , in den Text aufzunehmen vergefsen hat. Dann muth-
mafst derselbe statt des allerdings verdächtigen ot Ttagaairoi ^ weil
der Yen. nagacczoi og gibt: ot nagcc Tiaiöog *sive servi a Tiside
manumissi sivo homincs qui in clicutela Tisidis essent' p. 140. Wer
möchte das feine und ansprechende dieser Conjectur verkennen? Aber
doch scheint eher of nctQoKStxoi gestrichen werden zu müfsen. — III,
50,2: Oavo(SxqaxYi. So die Yulg. und der Yen., in drei Hss. steht:
OavvoaxqaxYi^ ^ quod non reiciam' M. p. 145. OavoiSxqixi] und (2>a-
vooxqaxog sind gerade auch in Attika so häufig, dafs jene seltenere
Bildung schwerlich den Yorzug verdient. — III, 51, 3: olct y^Q xa2
veovQyeiv iTttxeiQovöiv: Hrn. M.s Yorschlag ola yctq KuivovQysiv p. 146
will Cobet S. 137 aufgenommen wifsen; ich darf wohl erinnern, dafs
ich ebenso (ola yag ola Tiatv,) geändert hatte, NJahrb. Bd. LXYIII
S. 46. — Ebd. Kai vdQi>rjKag iniQQrjyvvvxsg xai öKvxeaL xaJ xotg akXoig
[iiäatv avxl naiötäg nXr^xxovxeg, Das unpassend erscheinende alXog
wandelt Hr. M. p. 146 in xoig noXloig tfiaatv^ multisque Ulis ßagriSj wie
III, 52, 3: ftera tcv^ xal alörjgov aal xag TtoXXag ßa<Savovg. Falls jenes
aXioi in der seit Homer üblichen, nur zu oft verkannten Weise in der
That nicht statthaft ist, so wünschte ich wenigstens ein ausdrucksvolleres
Adjectivum als TtokkoL Man dürfte dann wohl an xoig aaxgayakoDxoig
t^Laaiv denken. Ygl. Posidon. bei Athen. lY p. 152 F: anoGJtao^äg
xov ;^afiat7r£rov5 öeltwov Qccßöo^g Kai [iiä<Siv aöXQayaXcaxolg iiaöxiyov-
xaL, Hier ist zwar von einer parthischen Sitte die Rede; dafs aber
jenes Prügelinstrument auch sonst bekannt war , erhellt aus Plut. mor.
p. 1127 C: ovöi fiddxiyog iXsvd'iQug öso^svog dXXa xijg aGxgayaXcaxijg
iKclvi]^^ ri tovg FaXXovg nlrjtnieXovvxag iv xoTg MtjTQcpoig noXa^ov-
iSiv^ und der Parasit hat hier die ihm wider fahreno Mishandlung als
eine recht arge darzustellen. Gleichwohl scheue ich mich, im Texlc
626 A. Heineke: Alciphronis rhetoris epistolae.
zu ändern. — Ebend. 4: i^ol yivoito^ nQO^iom ^A%rjyci xal nokun)%a
xov a0xtoq^^A^rivrfii %ai ^mai nai xov ßiov uTColinBiv Sfistvov ya^
7CQ0 xfig Jiofiritöog nvXrjg rj nQO xcSv ^iTtTtaScav i^xdi-qv KBia^ai ve-
x^ov xv(ißov [ov] %BQi%vQ'ivxog ^ ^ xrig IlekoTtovvrialciw evdai(tovlag
civixe6d'aL Gegen die alte Lesart ncaelö&ai vskqov und für Aufnahme
des Berglerschen neta^ai (vsia^at hat der Yen.) habe ich mich früher
ebenfalls weitläufig ausgesprochen a. a. 0. S. 61 ff. Nun ist aber von
Hrn. M. p. 147 das überlieferte xvfißov 7t£Qi%v^ivxog mit Nachdruck
bestritten worden: ^ qnibus verbis cum rei atrocitas non parum minua-
tur, sie ut nunc scripta sunt parasitum uti non potuisse apertum est.
Quo accedit quod non sepultorum, sed insepultorum hominum corpora
recte ixradi^v KELC&ai dicuntur. Non igitnr dubitandum videtar , quin
scribendum sit xvfißov [ov] neQi%v\>ivxog sive malis [ovdi] xv^ßav n»-
QiXv&ivxog. Idque verum esse etiam hoc documento est, quod ante
Hippades portas, quae ex Piraeeo venientes in urbem ducebant, 8ce>
leratorum et qui ipsi sibi manus intulissent cadavera insepulta proi-
ciebantur. Vid. Plato rep. IV p. 439 £ : Asovxiog 6 ^Aykatfovog vtog
avimv i% üeiQaicig vtco xo ßoquov xel%og inxog ala^avoiisvog vBK^fOvg
TttxQcc xä öti^Ig) Tcet^ivovg a^a fiev lötiv ini^vfioi Sfia ö av dvC%B'
galvot.^ Nicht aus Widerspruchsgeist, sondern weil ich mich von der
Richtigkeit dieser Beweisführung nicht habe überzeugen können, er-
hebe ich im nachstehenden meine Bedenken. K., um dies vorweg ab-
zuthun , möchte S. 436 die Worte xv^ißov [ov] %BQt%v^ivxog für on-
echt halten: vermissen würde man sie schwerlich, aber ebenso wenig
ist glaublich, dafs sie als Glosse, etwa zu ixxccöiiv TUia&ai vfx^,
in dieser Form zugeschrieben und nachmals in den Text selbst gera-
then seien. Mufs demnach zwischen xvfißov neQixvd-ivrog und xv^ßinj
[ov] TteQixvOivxog (ovöh xv^ißov neQixv^ivxog) eine Entscheidung ge-
troffen werden , so mag zunächst ungefragt bleiben , warum doch Ale.
statt xvfißov ov TtBQixvd'ivxog nicht das natürlichere (^axaipovj oTtSQ-
Qtl^fiivov oder so etwas vorgezogen habe. Aber auf Hrn. N.s ersten
Grund, r. oi; n, mindere die atrocitas rei, läfst sich erwiedern, dafa
es dem Parasiten, welcher sicherlich das Leben und dessen Genufsals
der Güter höchstes betrachtet, schwerlich etwas verschlägt, keinen
Grabhügel über sich zu haben, d. h. unbeerdigt hingeworfen zu wer-
den. Das fürchterlichste für einen solchen Vergnügung ist der Ge-
danke, todt zu sein und daher nicht mehr geniefsen zu können. Eine
Versicherung : ^ ich will in Athen lieber todt sein als im Peloponnes
schwelgen' ist in seinem Munde die denkbar kräftigste, um seinen
Abscheu gegen die Pcloponnesier auszudrücken. Und wie sollte der
Parasit nur auf den Gedanken kommen , er werde nach seinem Ableben
ohne Begräbnis bleiben, da dies blofs vernrtheilten widerfuhr, mit
welchen sich gleichzustellen jener keine Veranlafsung hatte. Hrn. M.s
zweiter Satz über die Bedeutung von ixia^i/v xiia^ai trifft zu , inso-
fern dieser Ausdruck von schlafenden (Ale. HI, 55, 7) oder von todten
steht, die erst noch zu bestatten sind, wie III, 22, 3 (wo Cobet S.
131 peTii^ov tilgt), III, 72, 4, Lucian dial. mort. VII, 2. Warum sollte
A. Meineke tJAlciphronis^rhetoris epistolae. 627
man jedoch nicht aach voa einem beerdigten sagen können: iura-
ihpf KBirai^ er liegt ausgestreckt, d. h. ohne Regang und Empfindung
in seinem Grabe? Der Begriff der Bestattung tritt hier eben durch
tviißov TCBQixv^ivtog hinzu. Die steigernde Ausführlichkeit aber:
inraStiv nsia^ai — vbkqop — ; tv^ßov neQixv^ivrog: ausgestreckt
dazuliegen — als todter — den Grabhügel über sich — scheint im
Munde des Parasiten recht feierlich zu bekräftigen, dafs er im Vater-
lande , in heimischer Erde , lieber mausetodt und begraben seiu wolle
(wie umgekehrt Scipio der Heimat nicht einmal seine Gebeine gönnte),
als in Korinth Wohlleben (angenommen die Worte tijg IIskoTCovvriclcDv
eidai^ovlag avix^a^ai. seien echt, wovon nachher). Endlich ist es
zum dritten mit dem aus der Localitat'entnommenen Argumente schwach
bestellt. Denn das tvfißov [ov] 7t£Qi%v^ivrog würde höchstens auf die
Gegend vor dem Reiterthore passen (vgl. Rofs.: das Theseion S. XIV.
S. 47 Note 138 und Forchhammer: Topographie von Athen, Kiel 1841
S. 85). Dagegen ist mir wenigstens nicht bekannt und auch von Hrn.
M. nicht beigebracht, dafs gleic^rweise vor dem diomeischen Thore
die Leichname von Verbrechern auf den Anger geworfen wurden. Die
Erwähnung dieses Thores würde daher sehr auffällig und unange-
mefsen sein. Ueberdies aber , und das ist wesentlich , wäre es irrig
zu glauben, vor dem Reiterthore hätten nicht auch andere ehr-
liche Leute ihre Ruhestätte gefunden. Denn der sog. Plutarch
schreibt im Leben des Hyperides §. 14 p. 849 C: of d' iv Kl6(ovatg
iato^avHv axnhv XiyovCiv — xovg o olneCovg xa 6<ncc Xaßovrceg ^a-
TlKct xe äfia xoig yaveva^v nqo xwv ^Imtadtov ttvAcov, &g qniCiv ^Hkio-
dooQog (JtQÖm^og) iv xip xqLxfp %bqI iivri(iccx(ov, inn/l dh xccT^i^Qeinxai
x6 fiv^fia Tuici iiSxiv aÖi^kov, So gelange ich zu dem Schlufse, dafs
die Worte xvfißov 7tSQi%v^ivxog beizubehalten sind , wenn gleich ihre
Entbehrlichkeit an und für sich zugegeben werden soll. Am Ende hat
Cobet evöaifioviag avixeo&cet S. 137 als *corruptum' bezeichnet. Ver-
langte er etwa einen Ausdruck wie vTtBqrfpavlccgl Aber Bvdai^ovki
scheint mit Bezug auf die x^q>tifi(na §. 1 und die schnöde Behand-
lung, welche Laimokyklops §. 3 erfahren hat, ironisch aufgefafst wer-
den zu können. — lll, 53, 3: evxofisvog xot^ anoxQOitaloig. Cobet
fügt S. 137 &sotg hinzu. Das ist indes nicht nothwendig, s. Flut. mor.
p. 159 F: ovx AaxXrptifp dvoo^sv^ ovx aitoxQonctloig, Und so sagt
Ale. selber lll, 35, 1 kurzweg: xixhvxaL x(p vexla (Zsvg vinog^ Rofs
inscr. Gr. ined. 11 n. 175, 3 p. 61). — Ebend. 4: btiunrig xig xal de-
^ibg ix xav dcaf^rj^axav (pccvslg. An den dcDQiqficcxa stofse ich mit Hrn.
M. p. 148 und K. S. 436 an, weil die Bezeichnung eines unrecht-
mäfsigen Erwerbes des vom Parasiten verschenkten Gutes fehlt. Da
nun des Hrn. Hg. qxaQccfiaxonv kein sonst erweisliches Wort ist und
dessen an und für sich treffliches idioifffiaxcmf von dcogruiaxcov zu weit
abliege, so schiebt K. xoiovxtov ein. Vielleicht läfst sich auch ix rcov
^ttdiovi^rHiaxav hören. Vgl. Polyb. IV, 29, 4: xo rwv §aiiovQymv
xal xkmxcSv <pvkov^ und hier heifsen unmittelbar vorher die ver-
schenkten Gegenstände (^ XV^^ci xcrt to loitadt^) xa lil^vce xmv
628 A. Meineke: Alciphronis rhetoris epistolae.
%Xefificct(Ov. Sollte aber der Piuralis Bedenken hervorrufen, wie denn
K. deshalb mit an adiKruiarmv ansliefs, so ist es ja ein zwiefacher
Frevel, erst zu stehlen, dann das gestohlene zu verschenken, am sich
dadurch einen Freund zu machen. — III, 54, 3: i](ifiv old tig Zmaf^
tiitrig avfiQ inl tov ßoDfiov tilg ^ÖQ^lag rvTCroiuvog, Die Ausleger,
welche das handschriftliche Ilv&lag mit Recht geändert, Haben hier
unbemerkt gelafscn , dafs avrjq den sonstigen Nachrichten Ober die
diccficicxfyoDöig nicht entspricht. So weit ich nachzukommen im Stande
bin, werden dabei aberall nur naideg, Sg)rißoi, pueri^ aduiescentes
erwähnt, s. Uaase zu Xenoph. de rep. Laced. p. 63. Den Text zu be-
zweifeln , kommt mir jedoch nicht in den Sinn. — III, 57, 1 : K(H}vIuv
iviSxcLvt(ov ^Iq>iXQaTldag (tot veov^stg iTtifiipB ta jdq6(i(Ovi öovq xofi^
gfiv 6 öi hd xavtaig iß^tvdvsro xal fiiö^ovg xrjg ÖMXOviag untijtu.
So oft ich diese Worte lese, ist mir das blofse veov^itg anstöfsig.
Stand etwa urspranglich ovdh vsavgyeigt — lil, 60, I: ug yicQ iXov-
iSavxo ol TtoXXoi xorl (isdovaa viv rffAigcc: wenn TtoXkol wirklich cor*
rupt ist (s. M. p. 154), so ist freilich ^icht mit Schwarz TtXovaiot dafOr
zu lesen, da gleich vorher steht: xfjv ßdtXvqLav rcSv ixBiCt nXovcUav
r,c(l xriv Tcov nsviljxGiv aOA«OT?^a, sondern eher nsQiovOUii (M. za III,
73, 2 p. 163) oder ewtogoi^ und man hat dann anzunehmen, dafa die
ärmeren gar nicht badeten, sondern blofs die reichen vor Tische, nm
sich Appetit zumachen, s. Becker Charikles II S. 135. Inz^iseheo
dulde ich jenes TtoXXal. — III, 61, 1 : otccl ovx ovxcd fAB idanviv ^ vß(f§g
oaov x6 nocQ* ava^lov vTCOfiivetv. Auf diese Emeudation Hrn. K.s p.
155 statt der Vulg. o<sov x6 nciQ* a^lccv imofiiveiv führt der Zasammeo-
hang unwiderleglich. ' Nun hat aber der Yen. oaov x6 Ö'i aqnv xov
vßqliovxog^ worin wiederum der glückliche Scharfsinn des Hrn. Hg.
xo dta^o^ov entdeckt, ^quamdiversa eius qui me contumelia affecit
condicio.' Allein für die Hand Alciphrons, wozu Hr. H. geneigt
scheint, dürfte dies nicht zu halten sein. Tausche ich mich nicht, ao
bemerkte ein librarins zu dem echten o<sov xo naq' ava^iov vTCOfilvuif
erklärnngsweise: 6ia xb diacpOQOv xov vßql^ovxog^ wovon im Yen.
nur jenes xo ö'i aq>ov xov vßg, sich in den Text verirrte. IlaQ^ aya-
^Lov bedurfte allenfalls i^iner Erläuterung, weshalb es auch Cobei, der
es für echt ansieht, S. 141 tadelt unter Yergleich von Cic. Fbil. 111,9.
Dagegen konnte xo öidtpoQOv xov vßqt^ovxog kaum zu einer Gkiaae
060V xo Ttaq ava^iov VTio^iivHv Yeraulafsung geben. — III, 62, 4: o
(loi^og dnoXBlxai ^tpccvoig X7]v edgav ßsßvöfiivog^ ff (iiaQot di ywfi
xiösi xrjv a^lav xfjg a%oXaaiag öUrjv^ ü ft^ üoXidyQOV xov Kvqrav
fiaXaHcixsQog iöxi xd xoiccvra AvaLxXyjg- ix£ivog ydg XvxQa ycoQa tüv
(loixav inl xy ya^iexy nQaxxofievog d^movg xijg xifimglag rig>Ui. SItU
der noch von Seiler unbeanstandet durchgelafsenen Yulgata xaKtoxei^
hat Hr. M. p. 156 aus dem Yen. das auch von mir empfohlene fcoAa-
Ticixeqog hergestellt. Mir unerwartet will aber Cobet S. 143 ßXaxtnfi-
XBQog. Von Dummheit und Einfalt ist hier schwerlich zu sprechen.
Foliagros trieb die Nachsicht nur so weit, dafs er Geld von den Bnh-
lern seiner Frau naffln (eine auch sonst bezeugte Schäudiiohkeit, •.
A. Meincke: Aiciphronis rhetoris epistolae. 620
Meier u. Schömann aU. Proc. S. 328 Anm. 10). Dabei war er so wenig
ßka%i7i6g^ dafs er nach gemeiner Ansicht eher schlau heifsen konnte,
weil er durch die iiccargonela (PIul. mor. p. 27 C) viel Geld gewann.
Lysikrates aber wOrde noch glimpflicher verfahren, wenn er den Galan
und die Ehebrecherin gar nicht bestrafte. Weiter verdächtigt K. S. 436
den ganzen Satz i%Btvog yccQ — riq)Ui als ein Einschiebsel, ich würde
ihn ungern mifsen; Stellen wie HI, 66, 1: ßceöi^dg Xca rovro dr} to
Tov koyov üd^okXbi sind doch anders beschaffen. Endlich streicht Co-
bet S. 143 rijg xiinioqiag. Dann wäre ein gleiches wohl auch 111, 40, 4
za thun: xovg öe ctvöqanodiiovTCig ctito tov fpqovxlluv rovg viovg
a^ipovg elvai xrjg xificoQLag aniUnov^ wo Gebet S. 133 nur dvai ein-
klammert [ebenfalls ohne Noth, s. III, 3, 4: öneq (Jukiciov) Ttora ei;-
TTO^cov T^ yc^itAfTj} ^ioCiiov elvui nsQiavxivtov iTtercogUeiv (?)]. ^A&aog
^rifilccg wird im Pariser Stephanus auch aus Porphyr, de abstin. 1, 9
beigebracht. — 111, 63, 1 : ola ßovXivovxcci %al öiavoovvxat cct &BOig
iyfiqal kcaaxQvyoveg avxai: die für Acr^ar^ti^oreg vorgeschlagenen Aen-
derungen akaaxoQBgj kaianvyovsg ^ kaiKciaxQiai, s. M. p. 156 f., ge-
nügen sänimtlich nicht recht; ebenso wenig sagt Bergks von Seiler
p. 377 gebilligte Deutung des Wortes (Aa/, kalg^ XQvyciv)tn, An fAcc- '
CXQVsg zu denken , verbietet die Fraglichkeit der Form bei Photius
lex. p. 249, 13, vgl. Zonaras p. 1335 (^ficcxigsg). Am Ende ist aber
XcttCxgvyoveg doch echt. In den Glossarien des Labbaeus p. 326 der
Lond. Ausg. steht: Slriya kioöXQvyav ^ xal yvvrj fpccQfiaxlg^ x^ficoA/cr,
yivog OQviov. Wenn man dafür richtig kaKfx^yciv gebefsert hat, so
wird beim Ale. das Schimpfwort (Nachteule oder Hexe) hinzu-
nehmen sein. — III, 65: Jlt^layoovog ^Ryoftajfco : den erstem Namen las
Bergler IIrj^ccyri(pvog; in F steht Ilrj^dyKGifiog ^ im Veh. Ilrj^ccyüavog
^ atque hoc haud dubie verum est. Ilri^ceyKmfiog est qui in certamine
obrigescii^ respondetque alteri nomini 'Piyotiaxog^ M. p. 158. Ich
hatte üxri^aycovog ^ Duckekampf' versucht, gebe aber dem Cobet-
schen Tlri^ayTiODvog (Lucian conv. 14: 9Uicxaßcck(av iavxov iTietxo fffil-
yvfivog^ äcTtSQ rJTtHkrJKei. nri^ag xov ayKäva ogd^ov^ Ixtav a[ia xov
CHvq>ov iv xrj ös^iä) gern den Vorzug , dellA es kommt der handschrift-
lichen Ueherlieferung am nächsten. — III, 69. Mnesilochos hat erfah-
ren, dafs seine Gattin Ehebruch treibt, nnd ihr deshalb einen Eid zu-
geschoben: ciyayovacc ovv ccvxbv ri yvvrj elg x6 KakklxPQOv xo iv Ekev-
elvi (pqiciQ aitüifioaaxo xal aTtskvaccxo xriv alxlccv, xal 6 fihv cc(Aoyrftl
ninsiaxai xal xrjv vno'^l^iav inißakev, Cobet streicht S. 144 die Worte
xal anekvaaxo. Der einzige Grund, welchen ich für dieses Verfahren'
sehe, ist dafs sie nicht nöthig sind. Ale. häuft aber, wie mehrmals
ermahnt, Synonymen nicht ganz selten. Dann verlangt jener Kritiker
statt afioyrp:l (Veu.) die Vulgata afiriyinri zurück. Weil nicht zu sa-
gen war: der Ehemann hat sich einigormafsen von der Treue
seiner Frau überzeugen lafsen, sondern leicht, ohne Mühe, so
war auch mir vordem afiayrixl befser erschienen. Hr. M. bemerkt p.
161, das Wort sei poetisch, doch habe es auch Cinnamus hist. 1,4 ge-
braucht. War dies für Cobet dttr Hauptanstofs , so ist ihm zu begeg-
630 A. Meineke: Alciphronis rhetoris epistolae.
nen. Beide Gelehrte erinnerten sich nicht, dafs sie bei Lacian navig.
21 g^elesen hatten: fj aif öi^rj tvccq^ avrov afioyrp:l ov <Sxvq>ov alü
ZtCvcpBiov u ßccQog dvadtdovTog; — Hier breche ich ab und erwähne
biofs noch , dafs Hr. Meineke den Alciphron für die Teubuersche Biblio-
thek übernommen hat. Von dieser neuen Ausgabe erwarte ich in ge-
ziemender Bescheidenheit belehrende Auskunft über vieles, was im
vorstehenden besprochen worden ist. Der ehrenwerthe Verleger aber
hat auch das vorliegende Buch in einer dem innern Gehalt entsprechen-
den Weise ausgestattet.
Pforte. Karl Keil.
Neuhochdeutsche Schulgrammaiik, Mit Rücksicht auf Sprachver-
gleichung bearbeitet von Karl August Julius Hoffmann j Director
des Johanneums zu Lüneburg. Zweite, grofstenteils umgearbei-
tete Auflage. Clausthal, Druck und Verlag der Schweigerschen
Buchhandlung. 1853. XX u. 279 S. 8.
•
Diese Grammatik unterscheidet sich von der vom Ref. oben S.
473 if. angezeigten von Koch ihrem Zwecke nach dadurch , dafs sie
nur für Gymnasien und zwar nach der Ansicht des Ref. nur für die
o\)erste Classe derselben bestimt ist. BTanches zwar scheint dem xa
widersprechen, so die ausfürliche Behandlung der Interpunctionslehre,
die Ref. einer frühern Stufe vindicieren würde, die abstracten Defini-
tionen im Anfang, die hernach immer wiederkehren: was in diesen
für den Schüler brauchbar ist, das weifs ein Primaner schon (wai
Diphthong u. s. w. ist); Definitionen von Laut, Wort, Satz, Rede,
Sprache aber passen so wenig in die Schule wie die anatomische Aus-
einandersetzung über Kehlkopf und Stimmbänder (S. 5) in eine Gram-
matik. — In 2 b sind unter Schwächung auch die Brechungen o und e
begriffen; Ref. würde den Ausdruck Schwächung eben nur auf die En-
dungen bezogen und die Brechungen o und e getrennt haben. — Die
Aufzälung der Worte , in denen h ursprünglich ist (S. 9), gehört doch
wol eher in die Orthographie als Schranke für das Abschaffen des
Dehnungszeichens: in der Lautlehre ist keine Veranlafsung, alle Worte
in denen ein bestimter Buchstabe vorkommt aufzuzeichnen. — Die Be-
merkung auf S. 10, weiche Consonanten können sich zuweilen verhirten,
wäf e schärfer zu fafsen : die Media wird vor Tennis zur Aspirata und
die Aspirata der Aledia zur Aspirata der Tennis, h zu cA, welches
letztere freilich nur die Schweizer mit dem ihm zukommenden Laote
aussprechen. Bei der Lautverschiebung bemerkt der Vf. : das Neuhoch-
deutsche geht in mehreren Fällen wieder auf das Gothische zurück,
am meisten in den Auslauten : diese Aehnlichkeit zweier sich so fern
liegender Sprachstufen reduciert sich aber darauf, dafs das nhd. das
Gesetz des mhd., wonach die Tennis im Aaslaut steht, aufgibt, und
K. A. J. Hoffmann: neuhochdenUche Schulgrammatik. 2e Aafl. 631
im Inlaat einige ConsoDanten abschwächt, villeicht unter niderdent-
schen Einflüfsen, da ja unsere Schriftsprache aus einem zwischen
ober- und niderdeutsch schwankenden Dialekte hervorgegangen ist.
Die Bemerkung hätte aber um so eher wegbleiben können , weil sie
das Misverständnis veranlafsen könnte, als sei dieses Zusammentreffen
etwa ein ebenso regelmäfsiger Process, wie die Lautverschiebung
selbst. — In 15 rechnet der Vf. die tieftonigen Silben zu den unbe-
tonten, gewis mit Unrecht, denn ein Wort wie Hausknecht kann recht
gut als Spoudeus gelesen werden, wie das der Vf. auch selbst sagt;
auf eine tonlose Silbe aber eine Hebung zu bringen , gilt als Fehler.
Wenn der Vf. (S. 12) sagt: es war eine Versmefsung nach Kürze und
Länge nicht mehr möglich , so hätte diefs schärfer ausgedrückt werden
müfsen , um dem Misverständnis vorzubeugen , als sei überhaupt je
eine solche Versmefsung bei uns gewesen und als habe erst Opitz die
Mefsung nach Hebung und Senkung eingeführt. — Gehört der ^ Rede-
ton' in die Grammatik? — Im 4n Cap. handelt der Vf. von der Or-
thographie, und dafs er Beruf dazu hat, beweist die angemefsene, ge-
inäfsigte Weise , in der er die geschichtliche Orthographie selbst an-
gewendet hat. (In einer neuen Auflage kann er villeicht hier und da
weiter gehu.) Aber ein wifsenschaftlicher deutscher Orthograph darf
nicht mit den grofsen Anfangbuchstaben anfangen oder gar noch neue,
nicht allgemein übliche, vorschreiben: Ref. hat sich immer hessischer
Lehrer geschrieben, nie Hessischer, wie es der Vf. will. Regeln über
die grofsen Buchstaben zu geben, müfsen wir denen überlafsen, wel-
che von Jacob Grimm nichts wifsen oder nichts wifsen wollen. • — Die
Verdopplung der Consonanten nach kurzen Vocalen hält der Vf. nur
für eine Schreibweise; das ist sie aber nicht allein. Das nhd. hat das
Bestreben sämtliche einfache Stammvocale zu verlängern (S. 247); wo
diefs nicht geschieht, verdoppelt sich nhd. der Consonant. Es ist also
nicht blofs eine Art, sondern wirkliche Position und die Mediae blei-
ben auslautend nur deshalb einfach, weil alle Worte, welche mit einer
Media schliefsen, lang sind. — Warum will der Vf., dafs alles, was
vom Verbum herkömmt, mit denselben Buchstaben geschrieben wer-
den soll? Dem Ref. scheint das beinahe pedantisch, denn dafs Hoff-
nung von hoffen kommt, das weifs man auch, wenn Hofnung geschrie-
ben wird. Eine Erweichung des sz in s ist nicht anzunehmen : in
Schleuse ist sie nicht verbanden, denn die ahd. Form sclüsa zeigt,
dafs diefs Wort nicht von sliozan kommen kann : langes u hat sliozan
in keiner Form des Ablauts und dafs « schon ahd. in s fibergegangen
sei, wird niemand annehmen wollen. Das c zeigt uns vielmehr, dafs es
aus dem lat. exclusa entstanden ist. In Kreis% und Loosz ist das s der
'Aussprache nur die Abstumpfung, die überhaupt die Verwechslung
zwischen si und ss herbeifürte und die in Ober- und Mitteldeutschland
so weit geht, dafs Jacob Grimm für diese Theile Deutschlands mit Recht
sagen konnte, dafs s« inlautend als ss ausgesprochen werde (der Vf.
arteilt S. 266 nur von seiner nächsten Umgebung aus). In den Neutris
ist das s statt s« zunächst Willkür der Schreiber, 'wie der Unterschied
iv. 3akrb, f. Pha, u. Paed. Bd. LXX. Hft. 6. 41
632 K. A. J. Hoffmann: neuhochdeutsche Schulgrammatik. Se Anfl.
von das und dasa zeigt , dem sich die Sprache anbequemte. Der Vf.
will Preussen mit ss schreiben: der jetzt gewönliche lat. Name Bo-
russia scheint dafür zu sprechen , aber rm Jahre 1567 verfafsten Möriin
und Chemnitz nicht ein Corpus Borussicum^ sondern ein Corpus Pru-
thenicum und aus dem / in dieser Form ist wol das sz zu rechtferti-
gen. Zu den Verben, welche s haben, könnte noch kreisen parlurire
gehören. In Bezug auf Rusze ist der Vf. von seiner in der ersten Auf-
lage ausgesprochenen Meinung abgegangen, ohne einen Grund anzu-
geben. Ob Russe so ganz sicher zu schreiben ist, könnte bezweifelt
werden, da schon nihd. neben Eiuze die Nebenforn[\y?t/«e vorkommt, ob
freilich handschriftlich hinlänglich beglaubigt und sicher, mufa Ref.
dahingestellt sein lafsen , da der Name nihd. sehr selten vorkommt. —
Die Schreibung der Eigennamen konnte wegbleiben, die Schreibniif
der Fremdwörter geht eine deutsche Grammatik nichts an, die
Silbentrennung gehört nur in die Elcmentargrammatik. — Was die
Declinalion betrifft, so ist 30 und 31 wieder, falls das Buch für die
obcrn Classen bestirnt ist, ohne Zweck, ebenso beim Adjectivnm 48,
bei den Pronominibus 52,*bei den Zalwörtern 69. 70. — In 33konBte
doch die erste Declination naher bestirnt werden als die Wörter um- '
fafsend, welche im Pluralis nicht umlauten, und villeicht war die
zweite Declination, die ja nur eine bestimte Wortclasse umfafst,
mit dieser zu verbinden. Der Unterscbied zwischen Orie und Oerter^
Worte und Wörter ist ein so willkürlich angenommener, zu Gunstea
einer später eingedrungenen Form gemachter, dafs er in eine Gram-
matik höchstens in der Weise zu passen scheint, dafs er eben als un-
berechtigt bezeichnet wird ; ebenso ist es mit der angeblich verschie-
denen Bedeutung von Sporne und Sporen. — In 36, 1 konnte nock
Schade^ Balke und als ein ursprünglich schwaches Wort Besen er-
wähnt werden, wie denn die Ueberschrifl mit Rücksicht auf das nhd.
heifsen konnte: Nominativ auf e und fn, denn der letztere ist nhd. der
bei weitem üblichere, wenn auch unberechtigt. — Ob dies zu achrei-
ben ist, wie der Vf. 58 glaubt, möchte ich wegen der mhd. Form dU%e
(noch mundartlich ditz) bezweifeln. — 67, 6 war villeicht zu crwü-
nen, dafs dieses da (ahd. dar) das Demonstrativum der zum Relati-
Yum macht. — Auch in der Conjugalion kann viel entbert werden, ao
77 — 81 die Auseinandersetzung über die Genera und Tempora, welche
Schüler, mit denen diese Grammatik getrieben werden kann, längst
schon am Lateinischen gelernt haben müfsen; ebenso grenzt die Voll-
ständigkeit des Paradigtna in 89, die seihst die reflexive und fragende
Form (nach Art der französischen Grammatiken) umfafst, andasflber-
flüfsige. — Die Formen halst ^ fliehst^ fichst^ die nur der nachlftfsigen,
Aussprache ihre Entstehung verdanken, dürften in einer Granunt-
tik höchstens gerügt werden; ebenso ist es wol mit du vergisU^ das
villeicht unregelmifsig nach Analogie von weist und must so ausge*
sprochett und abgekürzt wird. — Warum der Vf. in 91 nur drei Stufen
des AblauU aufgefflrt hat, ist nicht abznsehn, da werden doch nooli
alle vier vollständig zeigt (der Vf. hat diefs Verbum, das regelmifsig-
K. A. J. Hoffmann: nenhochdentsche Scbalgraromatik. 2e Aufl. 633
flie Ton tUen nenhocbdevUchan , nnter die onregelmSrsigen Verba ge-
stellt, nur wegen der Form wurde) und in 92, 4 des Ablautes im Prae-
leritHm Plur. Erwinung gescbiebt. — In 98, 3 ist wol pflegen zu til-
gen, da pflog nur selten vorkommen dfirfle und die scbwache Form
die bei weitem gewöbnlicbste ist. Dagegen Ist die schwache Form
bei rufen und hauen (99, 5) glücklicherweise noch so selten gebraucht,
dafsjie nicht verseichnet zu Werden brauchte; dars der Umlaut im
Praesens fehlt, daran ist wol eben nicht diese schwache Form schuld,
sondern der «- und oii-Laut, der dem Umlaut unzugänglicher war als
«. Ebenso zweifelhaft wie die Form pflog scheint die in 102, 1 vor-
kommende dang von dingen und die in 104,2 erwfinte hebte von heben.
Auch in der Wortbildungsiehre konnte manches , als dem Zweck
einer Schulgrammatik nicht unmittelbar entsprechend, wegbleiben, so
185, 14 (fehlte auch in der In Aufl.), ferner das Hereinziehn altnordi-
scher Wörter, die Aufzdlung nur vermuteter Verbalformen in 143, die
Form ul 149, welche wie die von ur wol nur eine Abschwichung von
al ist und den Uebergangin e/, er vorbereitet. — Das lat. Wort pogi
hat mit der deutschen Ableitungssilbe aih 161 nichts zu thun, ebenso
wenig das blofs ahd. vorkommende lat. tunica mit der Ableitungssilbe
ik 166. — Holunder gehört gewis nicht zu den Ableitungen auf nd in
171, denn es ist wie Wachholder (das demnach auch nicht unter Id
zu stellen wftre) eine Zusammensetzung von hol und driu (griech.
d^g) *der Baum.' — Die Zusammensetzung hat der Vf. durch Prae-
positionen klar zu machen gesucht; doch lafsen sich nicht alle Ver-
hältnisse darauf zurflckfaren und bei einigen Beispielen wäre der Ge-
netiv einfacher zur Erklärung anzuwenden , so in Hausandacht^ Kirch-
hofe Bettdecke e Angstschrei^ Notrufe wo wir Ruf der Angst ^ der Not
ebenso gut sagen ; theils sind die Erklärungen auch kQnstlich , wie bei
Fusutapfe^ Wagengleise^ wo niemand leicht die Praeposition hinter
vermuten wird, theils lafsen sich andere Praepositionen ebenso gut
anwenden, wie bei Geldnot ^ Geldmangel ^ Landterlust ^ wo an näher
liegt als durch. — Die Wörter Jfut'/flrnd vind ArtnbruU 184, 3 sind
doch gewis eben nur scheinbare Composita. — 192, 3 konnte fehlen,
ebenso 200, 5 , wie denn die ganze Wortbildungsiehre den Ref. für
eine Schnlgrammatik zu ausfUrlich erscheint und schwerlich in diesem
Umfang in*der Schule durchgenommen werden kann. — Der Unterschied
in der Betonung, der in 207 aufgestellt wird in Besug auf das Wort
Abendsonnenstral^ scheint um so mehr kflnstlich und der Erfarung
nicht entsprechend, da die deutsche Sprache die Neigung hat bei
Compositis immer die erste Silbe zu betonen , sobald diese nur irgend
wie selbständige Bedeutung hat. -~ Ebenso künstlich scheinen dem
Ref. die vier Abteilungen der Composita mit ein: läfst sich nicht £tft-
bein und Einfusz auch auf den * schlichen Begriff der Einheit' su-
rflekfahren , ebenso einsam und eingeboren ? In wiefern ligt in letx-
term Wort die Auszeichnung? Eingebomer Sohn heifst nÜht mehr
als einziger. Und kann der Begriff des Hangels nicht auch in eintönig
und einseitig gefanden werden? — Ob es so ganx sieher ist, in mit
41*
634 K. A. J. HofTmanii: nealiochdeutsohe Scholgrammatik. 2e Aufl.
dem Pronominalstamme is zusammenzostellen, so sicher dafa mto dies«
Zusammenstellung in eine Schulgsammatik aufnehmen könnte, ktiu
bei den BerQrungen zwischen in und an zweifelhaft sein. Nötig iat
dieser vierte Punkt keinenfalls. — In 216 würde Ref. alle die Sob-
stantiva weggelafsen haben, zu welchen man Adjectiva setzen kann:
sie sind noch als Substantiva lebendig und noch nicht mit der Prae-
position zu 6inem adverbialen BegrifT erstarrt, z. B. von Hente^ we-
gen der Redeweise von gametn Herzen ^ in Eile — in groszer EiUj
mit Mühe — mit groszer Mühe^ zu Zeiten — zu gewissen Zeiten^
wahrend wir zu von Kind auf^ hei der Hand kein Adjectivum mehr
setzen können. Dasselbe gilt wol von den Verben: zu halt setzen wir
einmal^ zu Gott loeisz einen Nebensatz (nicht so bei weisz Gott); sieh
einmal oder sieh einmal an kennzeichnen das sieh noch als Verban,
da es zusammengesetzt und mit einem Adverbium verbunden werden
kann. — Dafs die Interjeclion 0 jemine aas 0 Jesu domine und nicht
aus dem Sla vischen kommt (227); bestätigen die Ausrufe: Herr Je(aiia},
O Jf(stis), neben denen Herr Jesses vorkommt, das den Namen noch
deutlicher zeigt. Die Verbindung pfui dich an ist wol ans pfui ich
speie dich an abgekürzt. — Liebchen (229, 7) ist gewis aus dem
Substantivum entstanden, der ursprünglichen Bedeutung* von Liehe^
nach ganz gleich dem ciceronischen deliciolae^ da, wie der Vf.
selbst bemerkt, es keine verminderte Adjectiva im Deutschen gibt. —
Das ganze Capitel über das Genus der Substantiva liest sich recht
schön , aber bietet keinen concreten Stoff zum Lernen für den Schüler.
Was die Syntax im allgemeinen betrifft, so tritt hier der fast
allen neuern Schulgrammatiken anhängende Feier hervor: der Stoff
ist nicht mit bestirnter Hinsicht auf eine Lehrstufe gesichlet. Der
Bemerkungen über die Bedeutung der Ausdrücke Subject, Object o. 8.
w. bedarf ein Schüler der obern Classen nicht, sie sind also, soll die
Syntax in den obern Classen getrieben werden, unnützer Ballast, der
den Schüler glauben macht, er wifse das alles schon und die dentaehe
Grammatik könne ihn nichts neues lehren. In den untern Claaaen
werden diese abstracten Dinge gleichfalls befser an fremden Spra-
chen gelernt: sie an der deutschen Sprache lehren ist nicht allein un-
nütz, sondern geradezu schädlich. Die liebe deutsche Gründlichkeit
meint aber, es sei nicht recht, wenn nicht das Systemchen von dem
Grundstein bis auf die Wetterfahne aufgebaut sei. — Eine denlacha
Syntax für die untern Classen hält also Ref. für unnötig, eine Syntax
für die obern mäste das eigentlich deutsche in der Syntax hervor-
heben (mit Voraussetzung der allgemeinen syntaktischen Begriffe),
natürlich auf historischem Weg, und sich demnach von Becker gani
frei machen, nach dessen Grammatik man ebensogut kamtschadaliach
oder hotlentotisch in unsern Schulen treiben könnte wie deutsch. Die
deutsche Syntax ist freilich noch lange nicht zu so bestirnten Reanl-
taten ;^ngt wie die Formenlehre, so dafs für eine Schnlsyntax der
deutschen Sprache die Zeit noch nicht gekommen scheint. — In der
vorliegenden Grammatik fehlt zwar das historische nicht ganz: Besie-
J. Frei: Schulgrammftlik der nenhochdentschen Sprache. 635
hangen auf mfad. und ahd. Constructionen sind mehrfach angebracht;
aber Princip ist es nicht: im Princip vilmehr unterscheidet sich die
Syntax nicht von der Beckerschen, und da Ref. diefs mit einer eigent-
lich deutschen Syntax nicht vereinbar halt, deipnach im Princip ab-
weicht , so hält er es für flberflafisig , um einzelnes 2u rechten , na-
mentlich da er befärchten mufs, schon bei der Betrachtung der For-
menlehre zuviel auf Einzelheiten eingegangen zu sein. *
SchutgrammaUk der neuhochdeutschen Sprache. Zum Gebrauche
beim Unterricht an Gymnasien, Lehrerseminarien u. s. w. bear-
beitet von Dr. J. fVel, Oberlehrer am Gymnasiara und aufseror-
dentlichem Professor an der Universität Zürich. Zürich, bei S.
Hohr. 1853. XII u. 228 S. 8.
Diese Grammatik unterscheidet sich wesentlich von der eben
betrachteten dadurch , dafs sie ganz ^d gar für das Neuhochdeutsche
allein berechnet ist und die früheren Stufen der Sprache nur selten
berücksichtigt. Es ist nicht zu verkennen, dafs damit für die Einfach-
heit der Darstellung und die Verständlichkeit viel gewonnen wird,
und so ist das Buch auch der Form nach klar und bestimt , ohne un-
nützen Stoff beizutragen, gerade auf den Zweck losgehend. Auf der
andern Seite kann es nicht fehlen, dafs die abstracto Grammatik in
dem Buche einen bei weitem gröfsern Raum einnimmt als in dem oben
betrachteten, obgleich auch hierbei wieder anzuerkennen ist, dafs
der Vf. sich von allgemeinen Reflexionen im ganzen frei gehallen hat.
(Einzelnes philosophische hätte doch wegbleiben können, so gleich
der §. 1, namentlich wegen des ausgesprochenen Zweckes: nicht nur
nm die Denkkraft zu scharfen , soll sich der Schüler mit der Sprache
bekannt machen, sonder-n damit er lerne, sein eigen Volk zu verstehn
und in der Sprache sein Volk wieder zu finden, wie er es in Ge-
schichte und Litteratur kennen lernt. Dasselbe gilt von der Einleitung
in die Syntax §.53, 1. 2.) Die Regeln sind alle leicht verständlich
und fafslich ausgesprochen, für den unmittelbar praktischen Zweck
des Erlernens und zwar des Erlernens durch Anfänger. Es sollen nem-
lich die grammatischen Grundbegriffe an der deutsche^ Sprache ge-
lernt werden, ist des Vf. Absicht, deshalb hat er jedem lateinischen
Namen das lateinische Wort zugefügt, das diesem Namen zu Grunde
liegt. Ref. steht zwar in dieser Beziehung auf anderem Standpunkt
und hält es fast für eine Mishandlung der edlen Muttersprache, sie
dazu zu verwenden, kann aber nicht umhin, die kurze praecise Form
der Erklärungen dieser Namen als gelungen zu bezeichnen. Ebenso
mufs Ref. es von dem Standpunkle, den die Grammatik einnimmt, bil-
ligen, dafs die eigentlich unberechtigte Form des Pluralis auf er
(Männer) der alten a- und i> Declinalion gleichgestellt wird (und
ähnliches): wird nur das Neuhochdeutsche behandelt, so ist eine sol-
che Aufzälung der verschiedenen Classen der Substantive durch die
Sache selbst geboten ; selbst der unberechtigte Unterschied von Wori€
636 J. Frei: Schulgrammatik der neubochdeatsohen Spraehe.
und Wörter Urst sich in dieser Grammatik eker lesen als in einar, die
uns erst über das unberechtigte dieses Unterschiedes belehrt und ihn
dann doch aufstellt. — Dem abstracten Standpunkt der Grannatik
entspricht es vollkommen, dafs die Flexionstabellen einen groCseD
Raum einnehmen und die Tabellen nicht als Wiederholung der Regeln,
sondern die Regeln als Erklärung der Tabellen auftreten ; die Gefahr
des Einpaukens und Abhaspeins auch dieser Paradigmata durch un-
kundige liegt aber um so näher, da sonst in dem Buche nichts über-
gangen werden kadn, nirgends Stoff zur Auswahl für den Lehrer gege-
ben wird, sondern stets nur das notwendige; unkundige könnten auch
diese Tabellen für nötig hallen. So werden alle Fronomina durch-
flectiert, selbst ein solcher^ eine solche^ ein solches. — Schleppende
Bezeichnungen wie ^ beiwörtliches und hauptwörtliches Mittelwort'
hatten sich anders ausdrücken lafsen, namentlich da hernach doch im-
mer dafür die Namen Participium und Inflnitir vorkommen. — Haben
und werden sind in ganz absta|pter Weise als Hilfsverbe betrachtet
und zu sein gestellt. Diefs Verbum kommt nicht etwa erst bei den
unregelmäfsigen Verbis vor, sondern gleich vorn — weshalb, kann
Ref. nicht recht einsehn, da das vollständige Paradigma erst spftter
kommt als die unregelmäfsigen Zeitwörter. Wie übrigens werden und
haben mit sein in Bezug auf die Unregelmafsigkeit auf £ine Stufe ge-
stellt werden können, begreift Ref. nicht, da diefs mehrere Stimme
vereinigt , haben und werden nur wenige Formen contrahieren , sonst
aber ganz regelm&fsig gehn. Der Vf. hat dieft selbst gefühlt, denn
er nennt sein das einzige eigentlich unregelmäfsige Hilfsverbnn. ' —
Weshalb der Vf. die Erklärung des Praesens als Imperfectnm Prae-
sens in §. 24 zu einem Namen des Tempus macht statt des einfachen
Praesens, wie es alle Welt nennt, dazu weifs Ref. keinen Grund;
dafs eine gegenwärtige Handlung noch nicht vergangen ist, liegt in
sehr auf der Hand, als dafs es noch einmal gesagt zu werden brauchte.
Der Ausdruck Imperfectum Futurum aber ist eigentlich noch auffal-
lender: was zukünftig ist, ist oft noch nicht angefangen, also kann
OS auch nicht als unvollendet bezeichnet werden. Ref. fürchtet, dafs
die übergrofse Klarheit des Unterordnens unter die zwei Begriffe Im-
perfectum un^ Perfectum in Unklarheit umschlügt und die Erklärung
mehr Erklärung nötig macht als die Sache selbst. — Die Regel wel-
che am Schlufse des Verzeichnisses der ablautenden Verbt gegeben
wird: man wähle die starke Form als die ältere, ist in Bezug auf ^in
Wort bedenklich: frug von fragen kann man jetzt schon in Romanen
u. dgl. Büchern gedruckt lesen und man wird es oft sagen hören. -—
Die Lautlehre kommt etwas seltsam hinter der Fle;cion her, da wir
schon von Umlaut in der Declination und von Ablaut in der Conjuga-
tion gehört haben. — Der Vf. erklärt in der Vorrede, die Wortbil-
dmigslchre solle cur im Anschlufs an die Lehre vom Ablaut verglichen
werden ; aber das ist doch nur ein Stück der Wortbildungslehre. Die
ganze Vocallehre passt nicht recht zu dem Standpunkt der Gramma-
tik: es bleibt abstract und todt, wenn z. B. gesagt wird, au ist ent-
J. Frei : Schitlgr«iiiiMtik der neuhochdeotsohen Sprtcbe. 637
•linden nos ti, ou(?) and aWj ohne dafs auf die frühere Entwicklung
des Vocala zurückgegangen wird, and hier ist ein Punkt, der ans das
ÜBlernehmen , eine wifsenschaftiiclie deutsche Grammatik nur auf das
neuhochdeutsche zu stellen, als ein vergebliches zeigt: man kann sich
der frühern Stufen derSprachentwicklung nicht cntschlagen, und doch,
greift man bei Anfängern stets bber deren Standpunkt hinaus mit sol-
oben Zurückweisungen: Ref. glaubt, dafs hieraus die Unmöglichkeit
deutsche Grammatik mit Anfängern zu treiben hervorgeht, namentlich
da selbst der Vf. bei aller Beherschung des^ Stoffes und Bewustsein
des Zieles diese Aufgabe nicht hat lösen können. Einen wolthuenden
Eindruck macht die Kürze der Wortbiidungslehre, das Weglafscn un-
nötiger Definitionen und Einteilungen und das Verzeichnis der von
ablautenden Verbis abgeleiteten Wörter.
Die Syntax ist der ilauptteil der vorliegenden Grammatik: sie
nmfafst vieles, was sonst zur Formenlehre gerechnet wird, und die
Einteilung wird dadurch, so scharf sie ist, doch durch die Masse
des Stoffes dem Schüler aus den Augen gerückt. — Alle Redeweisen,
denen einSubject feit, selbst /a und net», werden, etwas zu ausfürlich,
durchgenommen (§. 55), nur um den Satz zu halten: diese beiden
Glieder dürfen in keinem Satze fehlen (54, 3), und ebenso abstract
und eben nur auf eine Grammatik passend ist §. 56 d. — Das Ver-
zeichnis zufällig gleichlautender Worte gehört wol eben wegen der
Zufälligkeit nicht in eine Grammatik und ebenso wenig ist das fol-
gende von gleichlautenden Wörtern gleicher Abstammung und ver-
wandter Bedeutung nötig. — Die Trockenheit der Syntax hat der Vf.
nicht ohne Glück mit allerlei dem wirklichen Leben entlehnten Notizen
und Bemerkungen zu unterbrechen gesucht, so in dem §. 68 über das
persönliche Pronomen in der Anrede. Wenn der Vf. aber von der
Anrede mit er annimmt, sie sei in der Absicht entstanden, dafs man
zeigen wollte, man nehme von der Anwesenheit des angeredeten keine
Notiz, so ist diefs entschieden falsch: die Anrede er entstand aus der
Gewohnheit, den Titel bei der Anrede zu nennen und zwar mit dem
bestimmten Artikel: Wenn der Herr Doctor mii mir gekn «>o//fe, ick
wollte ihn an einen Ort fuhren, da er das Wasser besehn könnte —
heifst es in einer Anekdote aus dem 16n Jh. — §. 74 hätte wol befser
oben bei der Declination seinen Platz gehabt, ebenso §. 77. 79. Durch
diefs Hereinziehn von Stücken der Formenlehre kommt es dafs erst
§. 80 eigentlich den §. 54 wieder aufnimmt. — In §. 81 d würde
Ref. anderer Ansicht sein: in dem Satze: dies sind die Berner Alpen
beweist der Plnralis sind deutlich, dafs das letzte Wort Subjcct ist
und nur eben das Demonstrativum die Umstellung bewirkt hat. War-
um sollen wir eine Unregelmafsigkeit annehmen, wo keine ist? —
Ob 85, 2 und 3 verschieden sind, möchte Ref. bezweifeln: der Unter-
schied ist der, dafs auch zwei Adjectiva nachgestellt werden können
und das nachgestellte Adjectivum (so gut wie das vorgestellte) ein
Adverbium bei sich nehmen kann. §. 90 gehörte wol in die Wortbil-
dungslehre. — Der Lebendigkeit, womit das ganze Bach geschrieben
638 J. Frei: Schulgrammatik der neahochdentschen Spraelie.'
ist, entspricht es, dars manches syntaktische fest nur durch Beispiele,
welche ansern Dichtern entnommen sind , nicht durch Regeln gelehrt
wird, so die Constructionen der Verba ^und die Adverbia. In %, 117
— 119 und 145 ist der Vf. davon abgewichen nnd gibt ErkUrnngen so
den einzelnen Conjuuctioncn ; Ref. würde die erste Behandlungsweise
Yorziehn : der Lehrer mag mit den Schülern an dem einzelnen Beispiel
den Sinn des Wortes entwickeln. Die künstlichen Einteilungen der
Nebensätze aber zeigen uns wieder den abstracten Standpunkt, von
dem der Vf. die Syntax aufgefafst hat und der bei allen Vorzagen
doch den Unterricht auch nach diesem Buche unlcbendig machen mufs.
So könnte Ref. sein Urteil über die Grammatik fast mit den Worten
der Dichterin geben:
Kurz , wenig wüfst ich zu tadeln an dir.
Wärst du nur völlig ein andrer.
Hanan. Otto Viltnar.
Elementarbuch der hebraeischen Sprache von Dr. G. H. Seffer.
Leipzig 1845. Steinacker.
(Schlufs von Bd. LXVIII S. 620 ff.)*)
Es mögen jetzt auch noch über die Syntax und das Lesebuch
nebst dem Wortregister des genannten Schulbuchs einige Bemerkungen
nachfolgen, welche dem geehrten Hrn. Vf. bei einer neuen Bearbeitung
vielleicht von Nutzen sind, zugleich aber theilweise über einzelne
Punkte der hebr. Sprachwifsenschaft allgemeinere Winke oder Muth-
mafsungen geben sollen. — Unser Buch handelt den syntaktischen
Stoff in drei Capiteln ab : 1) die'Bestandtheile des Satzes, 2) die diese
Satztheile bildenden Wörter (Syntax der Wortarten), 3) die Stellung
der Wörter im Satze. Dafs unter diese Rubriken alle wesentlichen
Punkte der Syntax gebracht und in einer nicht gerade ganz ungehöri-
gen Ordnung abgehandelt werden können , kann man zugeben. Aber
eine andere Frage ist: welches Princip und welcher Eintheilungsgrnnd
liegt dieser Anordnung zu Grunde und ist jeder Theil mit einer ge-
wissen Nothwendigkeit eben dahin gestellt, wohin er gehört? Diese
Nothwendigkeit kann bekanntlich bedingt sein, entweder durch allge-
meine sprachphilosophische oder durch rein praktische Gründe oder
endlich durch den eigenthümlichen Charakter der besonderen Sprache,
um die es sich handelt. Während die meisten Sprachlehren früherer
Zeit das praktische Bedürfnis vorhersehend ins Auge fafsten. und so
z. B. Gesenius in den von ihm selbst noch verfafsten grammatischen
*) Obgleich oben genanntes Buch im Lauf dieses Jahres eine 2e
'verbefserte und vermehrte' Auflage erlebt hat (Leipzig 1Ö54 bei Fr.
Branddtettcr. XVl und 347 S. 8), so geben wir doch noch um der
Vollständigkeit willen den dritten Artikel der früher begonnenen Re-
cension der ersten Auflage. jinm. der Red.
6. H. Seffer: ElemenUrbach der hebraeischen Sprache. 6S9
Lelurbfichem den gyniaktigchen Stoff nach den Haoptworlarten abhan-
delle, freilich mit Einschiebung eines Capitels von der Verbindung
det Sabjects mit dem Praedicate, was sohon ein modernes Ueberbein
ist ; findet sich in Grammatiken neusten Datums vielfach die Erscbei-r
nung, dafs ein Stttck Spracbphihiaophie den allgemeinsten Rahmen ab-
geben mufs , im einzelnen aber bald mehr der Bequemlichkeit des
Kaobschlagens, also dem praktischen Zwecke, bald mehr der Eigen-
thflmlichkeit der betreffenden Sprache Rechnung getragen, oder auch
beides nebeneinander berücksichtigt wird. So schwer es nun ist,
gerade hierin allen es recht zu machen, und so wenig ich mir herans-
nehmen möchte zu sagen, nur so und nicht anders darf eine Syntax
angeordnet sein ; so ist mir doch von der ersten Bekanntschaft mit den
Ewaldscben Sprachwerken an gewis gewesen, dafs sie unter allen
mir bekannten Grammatiken auch anderer Sprachen dem Ziel einer
befriedigenden Anordnung des Stoffes am nächsten gekommen seien.
So natürlich und notbwendig entwickelt sich hier ja eines aus dem
anderen, so einfach gruppiert sich das einzelne um die leitenden
Grundgedanken, oder vielmehr so naturgemifs entfalten sich die
Zweige und Blatter aus den in 'der Sprache vorhandenen, nicht will-
kürlich von aufsen hineingelegten Keimen. Es ist, was wohl nicht
oft von der Leetüre einer Grammatik gesagt werden kann, ein Genufs,
die genannten Sprachwerke durchzulesen ; es sei denn, dafs man durch
fremdartige Einflüfse sich darum bringen lafst. Damit ist nicht ge-
sagt, dafs nicht da und dort im ^zelnen noch Aenderungen möglich
und dafs die Bezeichnungen Ewalds überall ganz zutreffend seien, wie
z.B. die Ueberschrift * Zusammenhang der Wörter im Satz' § 296
offenbar befser mit * Ordnung und Stellung d. W. i. S.' gegeben
würde. Auch liefse sich in 4em letzten Abschnitt ^von den gegen-
seitigen Sätzen' der treffende Gedanke, die Wechselsälze als beson-
dere Spracherscheinung zu behandeln, noch weiter verfolgen als bis
jetzt geschehen ist. Eine an Redefügungen so arme^ Sprache, wie die
hebr. isl, muste zu dieser Art von Sätzen vielfach ihre Zuflucht neh-
men, und es läfst sich eine Menge von Satzverhältnissen, wofür aus-
gebildetere Sprachen andere Wendungen erzeugt haben , nachweisen,
welche im Hebraeischen insgesammt durch die schon im Gesetz des
Parallelismus begründeten Wechselsätze gegeben werden. Doch da-
von an einem andern Orte.
Um so befremdlicher ist es, dafs Hr. S., welcher, wie schon be-
merkt, sonst mit Glück nach Ewaldschem Vorgang gearbeitet hat, hier-
in einen selbsterwahlten Weg geht, der doch gleich beim ersten Ab-
schnitt *die Bestandtheile des Satzes' sich als ein verfehlter heraus-
stellt. Denn unter dieser Aufschrift erwartet doch jeder Leser , dafs
alle wesentlichen Theile des, einfachen Satzes zur Sprache kommen
werden, findet aber nichts als Subject und Fraedicat abgehandelt, in
Betreff der au(i(prn wird man auf das zweite Capilel verwiesen. Die-
ses nun aber ist nach einem andern Eintheilungsgrunde, nach den
Wortarten, angeordnet und dieses wie lückenhaft! oder gibt es nicht
640 0. H. Seffer: BlemenUrbach der hebraeisehen Spraohe.
aneb eine Syntax des Pronomens, somal im Hebraeisehenf dem manobe
Aasdmcksweisen^z.B. far*einige/ ^jeder,' ganz fehlen, das sein Heia-
tivum 80 eigenthflmlich behandelt? während das dritte hinwiedernm
vom Verhältnis des Wortes im Satze aosgeht. DaTs doeh in des
meisten Schnigrammatiken diese zwe^ so nothwendig auseinander in
haltenden Kategorien immer durchcinanderlaufen! Es liegt doch nichts
näher als zuerst die Wortarten nach ihrer Form, Bedeutung und
Anwendbarkeit zu erörtern, wobei das Wort zunächst als einzelnes
zu betrachten ist, und dann nachzuweisen, wie nunmehr im Znsam-
menhang eines Satzes einfacher oder zusammengesetzter Art dieser
Baustoff verwendet werde, um ein ganzes darzustellen, mit andern
Worten um als Satztheile zu gelten, die die Glieder eines Organis-
mus bilden. Das erste gehört der Formenlehre, das zweite der Syntax
an. Allerdings liegt noch etwas in der Mitte, das Ewald als 3n
Abschnitt der Bildungslehre abhandelt: *das Verhältnis des Wortes im
Satze^ (Casus, Modi, Tempora). Es ist dies vielmehr, wie es Krüger in
seiner griech. Grammatik treffend bezeichnet, der analytische Theil
der Syntax, gehört aber, sofern es sich vorläufig noch um das einselna
Wort handelt, nicht zur Constnictionslehre im engern Sinne, was ja'
Syntax dem Worte und altern Gebrauch nach bedeutet. Am xweck-
mäfsigsten wäre somit vielleicht, auch in einer Schulgrammatik, wenn
sie einmal vom alten Gang abweichen will, den Stoff so zu ordnen, dafs
1. die reine — das Wort l) nach seinem Stamm, 2) nach seiner For-
mation zu Bezeichnung von Geschledht, Zahl, Person betrachtende —
Formenlehre für sich abgehandelt wird, dann II. der analytische Theil,
als Vorläufer der Syntax, welcher es mit der Bedeutung und Anwend-
barkeit der Wortarten nach ihrem Verhältnis im Satz zu tbun hat, aber
weil es sich noch um die einzelnen Wörter handelt, den Stoff noch
nach den Wortarten abhandelt, und zuletzt III. die eigentliche synthe-
tische Syntax folgt, in welchem Theile streng nur, wie es in der Syn-
tax von Ewald der Fall ist, der Begriff des Satzes als Eintheilungs-
grund gelten darf. Der Hr. Vf. hat gefühlt, dafs an der Ewaldschen
Anordnung etwas zu ändern sei, natürlich die Aufnahme von II in die
Bildungslehrc, ist aber, wie mir scheint, in der Art der Aenderung
selbst nicht glücklich gewesen. Allerdings ist zumal far den, der
sich in die genannten Sprachwerke nicht gründlich einstudiert hat, das
Aufsuchen der Kegeln über einzelne Fälle oft schwierig, und es ist
deswegen sehr erwünscht, dafs Ewald seinem gröfsern Lehrbuch zwei
Register beigegeben hat. Wenn aber Hr. S. meint, bei seiner Anord-
nung sei dies überflüfsig, so können wir ihm nicht beistimmen , son-
dern müfsen dringend den Wunsch aussprechen, dafs eine neue Ant-
gabe diese nothwendige Zugabe einer Schulgrammatik nicht mehr
vcrmifsen lafse, mag nun die Anordnung der Syntax die bisherige
bleiben oder nicht. Praktisch brauchbarer für die Mehrzahl der Leser
ist freilich die Behandlung der Syntax nach alter Weise, und das hat
unsern Vf. zu seiner Anordnung veraniafst. Aber wie wenig dies
unserer Zeit in anderer Beziehung zusagt , dessen sind die Inconse-
G. U. Seffer: EleMentarbMch der ^bcteifdien Sprache. 641
^iMien Zeugnis, in welobe man mit solchem neuen Most in alten
Bchliuchen immer rerfallL
Was §. 102 — 106 aber Snbjecf und Praedicat und deren Harmo-
nie (?) gesagt ist, enthält fast alles wesentliche und in klarer Farsnng;
doch sollte erwähnt sein, dafs auch Adverbien, wie na*^»i (s. 2 Sam.
1, 4} Sobjecte sein können, ferner dafs auch der adrerbiale Accnsatir
eines Nomens die Stelle des Praedicats vertritt 1 Mos. 43,27, dafs das
Praedicat in der Regel keinen Artikel hat, sonderti nur in solchen
Fällen, wie bei einem Particip, das für * derjenige, welcher' steht
1 Mos. 2, 13. 14. 46, 12. 1 Sam. 4, 8. Auch die eigenthttmliche Con-
itruction von Vnn u. ä. 1 Mos. 9, 20. 1 Sam. 3, 2 verdient Erwähnung.
Zu $.106, 3 add. S^D», ^t^s» , Q*tps 2 Sam. 10, 9. — In der Lehre vom
Ferfeetum sind die Fälle von äer Praesensbedeutung dieses Tempus nicht
vollständig genug anfgesählt, da besonders die Verba, welche ein
Sehen, Empfinden, Wifsen u. ä. bezeichnen, vom Hebraeer, wie auch
von den Griechen und Römern, gern so gefafst werden, dab ihnen
nicht sowohl die damit verbundene Thatigkeit als der daraus entste-
hende Seelenzustand als Hauptsache gilt, und die daher (wie itoei
olda ebenso l^i'^ "nDt) gewöhnlich den gegenwärtigen Znstand be-
zeichnen. Es sollten also derartige Verba $. 111^ genannt und im
Lesebueh IX Vs. 24 bei Cn'^K'iM darauf verwiesen sein. Aufserdem
ist noch anderes aus Ew. §. 133 aufzunehmen, was als herschender
Sprachgebrauch feststeht. Ebenso verhält es sich mit der Lehre vom
Imperfectum — eine Bezeichnung' dieses Tempus, die uuser Vf. auch
in Ermangelung einer befsern, minder zweideutigen von Ewald ange-
nommen hat; vielleicht wäre Relativum vorzuziehen, was hiemit vor-
geschlagen sein mag — ; der Gebrauch dieses Tempus in Absichts-
sätzen ist nicht erwähnt und zu wenig bestimmt ausgesprochen, dafs
es gar nicht selten als Praesens historicum vorkommt, s. z. B. 1 Kön.
7, 8. Spruch. 7, 12 f. — Bei dem n consecutivum sollte der Fall nicht
abergangen sein , wo nach i ein Wörtchen wie iXb oder ähnliche ste-
hen; es mufs dem Schüler gesagt werden, dafs dann das schlichte
Tempus eintrete; ein Beispiel bietet Leseb. X Vs. 35. — Es wäre
wünschenswertb, dafs der Unterschied zwischen Participium mit und
ohne Artikel besprochen, nicht aber verwischt würde, wie §. 114
Anm. geschieht. — Bei der Erörterung über den Infin. abs. ist der
Ausdruck §. 120, 2, 1 ^Verstärkung' zu unbestimmt; es sollte beige-
fügt sein, dafs insbesondere ^das nuzweifelbare Dasein der Handlung'
damit ausgedrückt werde und dafs in diesem Fall der InOn. auch dem
Verb.' fin. voranstehen dürfer, auch gäben hier wieder Analogien , wie
das lat. Gerundium ini Abi. oder auch Redensarten wie occidione oc-
cidere dem Schüler ein erwünschtes Licht. — Die Constrnction von
'^\'^ %' 120, 3 ist vollständiger anzugeben, dafs nemlich dreierlei
Verbindungsarten vorkommen: a) Verb. fin. und zwei Infinitive,
b) Verb, fin., Infin. und Partie, c) Verb. fin. und 2 Partie. — Bei §.121
fehlt die Uinweisung auf die so überaus häufige Spracherscheinung,
dafs ein Infin. coustr. mit V zur näheren Bestimmung und erweitern-
642 G. Hk Seffer: Elemenlarbach der hebraeisohen Spraehe.
•
den AusrahruDg eines vorangehenden Verboms steht, entspreehend
der deutschen Wendung mit Mndem, so dafs'; m. s. s. B. 2 San. 3,
10. Auch die Erörterung von ^bfi^b fällt unter diese Bemerkung. —
Ebenso vermifst man hier oder §. 134 sehr die Erwähnung des im
llebr. gar nicht seltenen Acc. c. Infin., der sogar noch weitere An-
wendung duldet als im Lat. und Grieoh., m. vgl. 4 Mos. 31, 23. Rieht.
11, 20. — Dafs der Abschnitt über Setzung und Nichtsetzung des Ar-
tikels §. 123 unvollständig ist, zeigen schon mehrere Fälle im Lese-
buch, z. B. VI Vs. 2. XI, 24. 25; besonders ist zu beachten, dafo
nnK u. ä. Wörter des Artikels entbehren können , überhaupt aber sind
die tiefeingehenden, aber schon dem Eiemintarschüler nothwendigen
Bemerkungen Ewalds §. 299 in ihren Hauptpunkten aufzunehmen.
Ebenso ist bei der Lehre von der Apposition §. 126 vollständiger von
der Verbindung des gezählten Nomens mit dem Zahlwort zu handeln.
Desgleichen ist §. 127 mehreres aus Ewald nachzutragen, besonders
die zu 1 Mos. 16, 12 und sonst oft nothwendige Bemerkung Ew. §.
287 g. — Hinsichtlich der nicht eben seltenen Beispiele, wo der stat
constr. den Artikel hat oder der stat. abs. statt des constr. steht, %.
127, möchte die Frage Erwähnung verdienen , ob diese auffallende Er-
scheinung nicht einestheils durch adverbiale Beiordnung des folgen-
den Nomens, anderntheils in. anderen Fällen zu erklären sei durch Aus-
lafsung, z. B. 1 Sam. 4, 1 = bei dem Stein nemlich dem der Hilfe.
— Wird der Accusaliv als der Casus adverbialis der Hebr. erklärt,
so hat der Schüler eine kurzgefafste Bezeichnung für die meisten %.
128 aufgeführten Fälle. — Dafs das Öbjecl *es' oft fehle, mufs aus-
drücklich bemerkt werden. — In der Regel S. 197, 1 b sollte der so
häutige Gebrauch des Accusativs zu Bezeichnung eines Gliedes oder
Theiles ausdrücklich hervorgehoben sein; auch sind mehrere Arteo
der mit Accus, verbundenen Verba, z. B. la"!! rra:? Sl^at bm 13n oVt?
u. a. noch nachzutragen. — Läfst sich so unbedingt sagen ($. 132)
* Kb komme nie vor Participien und Infinitiven vor ', und meint nicht
nach der vorliegenden Fafsnng der Schüler, es müfse dann bi! stehn?
Es solllo viel eingehender über diese zwei Negationen gesprochen
sein. Dafs ri interrogativum auch = fi^bn sein könne, findet sich
auch bei Ewald nicht bemerkt, und doch kann es Hiob 20, 4. 1 Sam.
2, 27 (vielleicht auch 1 Mos. 50, 19) nicht anders gefafst werden. Be-
merkcnswcrth ist auch der von Hitzig Psalmen II Vorr. S. IX beleuch-
tete Gebrauch des Ferfects statt Imperf. und des Impcrf. statt Ferfects
in Fragesätzen, m. s. z. B. 2 Kön. 20, 9. 2 Sam. 3, 33.' — Bei der Be-
merkung S. 20öß ist auf §. 127, 2 zu verweisen; auch ausdrücklich
zu bemerken, dafs bei Sb ^CK und ähnlichen Wendungen gewöhnlich
6in oder mehrere Wörter dazwischen stehen. — Wenn Bezeichnnngen
der neuern Grammatik z. B. zur Eintheilung der Nebensätze $. 134
aufgenommen werden sollen, so ist wohl die Eintheilung der Neben-
sätze nach den wesentlichen Bestandlheilen des Hauptsatzes, also in
Suhjccts-, Praedtcats-, Objects-, Attributiv- und Adverbialnebensätse
die passendste. Wie gewisse Arten der sogenannten Sabstantivsitae
6. H. Seffer : ElemenUrbach der hebriieischen Sprache. 643
von andern , s. B. FinalsfiUen innerlich yersehieden sein golien, konnte
ieh nie verstehen. Sätze wie: *der Herr hat mich belohnt, (dafQr)
dar« ich — gegeben habe' und: ^Ehre Vater und üntter, (auf) dafa
dirs wohl gehe' gehören doch wohl unter ^ine Kategorie; der eine
wie der andere ist Adverbialsatz ; daher auch der Ausdruck fflr beide
in vielen Sprachen der gleiche ist, so namentlich im Hebraeischen. —
Die Bezeichnung ^Vordersatz — Nachsatz' §. 136 sollte nachgerade
ans unsern Grammatiken verschwinden ; sie richtet viele Verwirrung
an , besonders im Verständnis der im Deutschen und Lateinischen so
hiofigen umgestellten Sätze, z. B. ^es war Nacht als er ankam.' Was
ist hier Vorder- was Nachsatz? Auch bei Bedingungssätzen wird da-
mit nichts gewonnen. Man rede nur von Haupt- und Nebensätzen. —
In der Regel von den Znstandssätzen S. 212 sollte schon hier die Haupt-
bestimmung genannt sein, dafs in denselben das Nomen dem Verbum
Toraussteht. — Bei Erörterung des V S. 213 vermifst man den soge-
nannten Dat. commodi , der z. B. Leseb. VII Vs. 45 und sonst so oft
vorkommt und wohl auch bei dem Dat. ethicns zu Ornnde liegt; des-
gleichen ist bei 173 S. 216 nicht, wie es nöthig wäre, ausdrücklich
bemerkt, dafs es in Verbindung mit Infin. (s. Leseb. VII Vs. 13. IX
Vs. 7) ^dafs nicht ^ bedeute. Auch sollte nicht vergedien sein, den
elliptischen Gebrauch von in zu Bezeichnung fflr * einige' mit Erinne-
rung an den griechischen Genetiv mit ausgelafsenem xig deutlich in
machen. Endlich möge aus Veranlafsnng der Lehre von den Praepo-
sitionen daran erinnert werden , wie der Hebraeer so gerne unser *was
betrifft' durch b bezeichnet, m. vgl. 1 Mos. 9, 10. 23, 10. 2 Mos. 20,
6 f. — Dars die dem Hebraeisehen so aurserordentlioh geläufige Con-
atructio praegnans nur gelegentlich erwähnt wird, ist auch nicht zu
billigen. Sie erfordert in einer Anm. zu §. 138 ausführliche Bespre-
chung. Ebenso fände der für das Hehr, wichtige Punkt der Wieder-
holung desselben Wortes im 3n Cap. eine Stelle. "
Schon aus dem bisherigen läfst sich abnehmen, dafs bei allem
Fleifs, mit dem unser Lehrbuch auch in manchen Theilen der Syntax
behandelt ist, und neben dem, dafs auch die Fafsnng der Regeln nioht
selten eine gelungene heifsen kann , dennoch in wesentlichen Punkten
noch Lücken und Ungenanigkeiten stattfinden. Die bedeutendsten der-
selben sind im obigen angedeutet , auf andere wird wohl Hr. S. selbst
aufmerksam werden, wenn er seine Arbeit gründlich revidiert, einige
weitere sollen im folgenden kurz besprochen werden aus Veranlafsnng
der angehängten Lesestttcke, die neben dem zugehörigen Wortregi-
ster noch einige beurtheilende Worte verlangen.
Was die Auswahl der Lesestttcke betrifft, so kann ich es nioht
billigen, dafs der Hr. Vf. geglaubt hat ans allen Schriftgattungen
Proben geben zu müfsen. Ein Lesebuch soll doch wohl nur vorherei*
ten auf die Leetüre der Bibel im Zusammenhang und zwar natOrlich
vorläufig auf die rein prosaischen Bücher derselben. liest aber der
so vorbereitete Schüler die wichtigsten historischen Bücher, so ist
er in den Stand gesetzt, die Proverbien, Psalmen, Propheten vorzs-
644 G. H. Seffer: Elementarbuch der Iiebraeischen Sprache.
nehmen, und thut dies nun nicht mehr an der Hand eines Lesebnehs,
sondern greift stracks nach dem ganzen Psalmbuch. Bevor derselbe
an die Genesis kommt, ihm einige Proben von lyrischer, didaktischer,
prophetischer Litteratur zu geben, Urst sich so wenig rechtfertigeD,
als wenn in ein lateinisches Lesebuch, das dem Schüler noch vor
Cornelius in die Hand gegeben wird, Stücke ans Horaz, Juvenal, Se-
neca aufgenommen würden. Allerdings wird die vorliegende Einrich-
tung des Lesebuchs manchem Schüler die befriedigende Meinung bei-
bringen, er sei nunmehr völlig ausgerüstet, um Vorlesungen Ober
Psalmen , über Hiob und Jesaja zu hören ; bei einzelnen besonders be-
gabten und fleifsigen mag dies zur Noth der Fall sein , aber bei der
Mehrzahl gewis nicht. Vielmehr befänden sich diese in solchem Falle
in einer gefährlichen Selbsttäuschung, die ja nicht genährt werden
darf, der die Schule im Gegenlheil auf alle Weise entgegenarbeiten
mufs , indem sie den Schüler noch viel länger bei leichterem Lesestoff
zurückhält und die so nothwendige Ueberzeugung nahe legt, die hi-
storischen Bücher der Bibel seien es, die er vor allem zuerst grflnd-
lieh verstehen lernen und vollständig lesen müfse. Würde daher der
Lesestoff in unserm Buche von S. 260 — ^280 bei einer neuen Bearbei-
tung durch lauter leichte historische Stücke- ersetzt, so könnte die
Sache des Unterrichts dabei nur gewinnen, zumal da unser Vf.
guten Takt beweist, passende Stücke aus der hebraeischen Prosa i
zuwählen. Denn mit Ausnahme des VII Abschnitts (Levit. 26), der
wenigstens an dieser Stelle dem Schüler noch zu viele Schwierig-
keiten bietet, möchten wir keines der ausgehobenen Stücke mifsen.
In ähnlicher Weise findet meines Erachtens hinsichtlich der An-
merkungen einestlieils ein gewisser Luxus statt, anderntheils aber
ein Mangel an dem, was ich als das nothwendigere ansehen nnfs».
Was über die Entwicklung des Reiches Gottes im alten Bunde beige^
geben ist, kann an und für sich gröfstenthcils recht und gut heifsen,
ja in einem Lesebuch, das neben dem sprachlichen Zwecke die Auf-
gabe hätte, die Hauptthatsachen dieses altlestamentlichen göttlichen
Reiches zusammenzustellen, dürften diese Anmerkungen nicht einmal
fehlen, wenn gleich auch dann noch thcilweise eine kürzere Faftnng
wünschenswerth wäre. Da nun aber dieser letztere Zweck ein Lesebnch
von viermal gröfsercm Umfang erforderte und unser Vf. ausdrücklich
nur * Lesestücke' geben wollte, und da hier der Natur der Sache nach
das sprachliche weitaus die erste Rücksicht in Anspruch nehmen muste ;
so sollten die sachlichen Bemerkungen sich um ein gutes weniger
breit machen. Ganz fehlen dürfen sie natürlich nicht, aber noch we-
niger grammatikalischen Erläuterungen den Platz versperren. Dies ist
aber der Fall , wenigstens fehlen die letztern manchmal da, wo sie der
Schüler ganz nothwendig braucht. Auf solche Fälle im einzelnen hin-
zuweisen und eben damit auch noch auf weitere Lücken in der Gram-
matik aufmerksam zu machen, ist der Zweck der noch folgenden Zeilen.
S. 226 Vs. 2 war auf %. 142 zu verweisen und zu bemerken, dafa
der Superlativ auch von A4jectiven und Adverbien häuAg dnreh Wie-^
6. H. Seffer: Elementarbach der hebraeischen Sprache. 645
derhokng desselben Wortes ausgedrückt werde. Ebd. Va. 5 war bei
1 auf S. 212 b [es wäre überhaupt eine Verweisung auf die Seitenzahl
stau auf die Paragraphen bequemer] zu verweisen; auch das Perf.
propheticum muste hier erläutert, an S. I7ö c erinnert, ^ort aber beige-
fügt werden, dafs bei Wiliensaufserungen Gottes ein feines Sprach*
gefüht des Uebraeers das Perfect setze, wo man das Futurum erwar-
tet. — S. 227 Vs. 7 und 8, wie auch S. 231 Vs. 3 war passende Ge-
legenheit, den Schüler an den verschiedenen Gebrauch des stat. constr.
%u erinnern, vgl. S. 192. Ebenso erfordert r\^i Vs. 10 und riM Vs. 11
eine Anmerkung *). — Im zweiten Lesestück macht die Form b72f*!l
eine Lücke in der Grammatik S. 45 bemerklich und durfte um so we-
niger unbesprochen bleiben. Bekanntlich bietet • ';|b^i hier eine Ana-
logie. — Die Construction S. 228 Vs. 9 ^sie sah den Sohn einen Spöt-
ter ' sollte besprochen sein. — Dafs ^*^^} nicht von T!^*^ , sondern von
yy^ herkomme, sagt selbst die neuste Bearbeitung von*Gesenius Le-
xicon manuale und nimmt die Ableitung Ewalds an. — lieber n^n S.
229 Vs. 14 sollte weitläufiger gesprochen sein, dafs es ein Nomen Ti'b
desselben Stammes, wie riTSin, r\12n (Veste) = das nmschliefsende,
und von derselben Bildung wie nb*? ist, während der stat. constr. der
Analogie von nn^'in, DtVilH folgt ^ wobei nur das unwandelbare Zere
auffällt, das sich jedoch, wie manche andere Fälle, z. B. dL"^^, daraus
erklärt, dafs die Form n»n zweideutig gewesen wäre. Die Annahme,
dafs der Form des stat. constr. eine Form mit der Femininaiendung
rr^ zu Grunde liegt, ist zu billigen und eine passende Ergänzung un-
sers Vf. zu Ew. §. 211 f. Dagegen ist D^ ib. S. 229 Vs. 14 wohl
richtiger als Perf. zu fafsen und nach Ew. §. 336 a 2 zn erklären.
Ueber den feinern Gebrauch von bM war bei Vs. 1,6 zu sprechen und
diesem gemäfs auch in der Grammatik eine Regel aufzunehmen. Des-
gleichen bei n;f:73 auf die Analogie des lat. a dextra^ des griech.
noQqta&sv hinzuweisen, und bei '^b'^TS an S. 8 zu erinnern; so wie
auch Lesest. XI Vs. 18. 22. 23. XII, 21 die Fälle bemerklich zu ma-
chen sind , in denen das Dagesch conjunct.. selbst nach einem »-Laut
steht. — Die Erklärung von txdS II, 20 hat zu viel von einem Lati-
nismus, als dafs man nicht gern die neuere, auch nach LXX wahr-
scheinliche Auffafsung: *und er ward ein Schütze (n:}*j == a*n l) zu-
sammenraffen, viel sein, -2) fortraffen, werfen 1 Mos. 49, 23. Ps. 18,
15), nemlich ein Bogenschütze' vorziehen möchte. So fafst es auch
Schwarz in seinem hebr. Lesebuch, das ich sowohl hinsichtlich der Aus-
wahl des Lesestoffs , als wegen seiner Gründlichkeit der Anmerkungen
anserm Vf. auch für eine neue Bearbeitung seines Lesebuchs zur Be-
nutzung dringend empfehlen möchte. — Bei "^^^b HI, 2 ist, wie
auch sonst oft, z. B. Vs. 5, statt der Verweiaung auf die Grammatik
die Angabe der Parallelstelle II, 17 befser am Platz. Ein deutliches
*) Die Anmerkung zn Vs. 1 1 ist mehr als zweifelhaft; mir scheint
68 wahrscheinlicher, dafs hier eine etwas abweichende Nifalfonn von
b^fi aninnehmen ist; eine Analogie bietet 1 Mos. II, 6.
646 6. H. Seffer : Elementarbach der hebraeischen Sprache.
Beispiel von Wechselsätzen bietet III, 4. IX, 17. — Die Anmerkong
zu in, 3 ist falsch, es war auf S. 205 a 2 zu verweisen; ebenso Vs. 6
und 7 bei n*jn: auf S. 157, bei {rP»N auf S. 156, bei b?rrVÄ Vs. 12
auf S. 200, bei b, V?7£?a auf S. 219. — Ueber »in« Ilf Vs. 13 und noch
mehr 2 Mos. 3, i (Lesest. VI, 1) gibt vielleicht die Bemerkung er-
wfinschtes Licht , dafs die Volkssprache auch heutiges Tags noch das
weiter abliegende mit * hintere Gegend' bezeichnet. Wenigstens wird
im Schwäbischen von dem, was von der bekannten Gegend oder
Strafse abliegt, immer so gesprochen. — In der schwierigen Stelle
III, 14 ist wohl folgende Auffafsung vorzuziehen: *nnd es nannte
Abraham den Namen jenes Ortes: Jehova ersieht, von welchem (Orte)
man (noch) heute sagt: auf dem Berge, wo (vgl. S. 205) Jehova er-
scheint.' — Die Form ^D^änti erinnert daran, dafs §. 6 ein Zusats
über zusammengesetztes Sctiva unter Nichtgutturalen nothwendig ist.
Was die Bedeutung hetrifft, so möchte beizufügen sein: '^'n^nSl ==
sich für gesegnet erkennen, sich glücklich preisen. -^ Der Anfang der
Bemerkungen zu IV, 1 ist doch sicherlich zu entbehren ; und IV, 5
auf II, 13 zu verweisen. Bei IV, 6 von einem Zustandssatz zu sprechen,
möchte ich nicht wagen. — Ueber Vb; b?r sollte V, 3, vgl. VIII, 35,
oder in der Gramm, die nöthige Bemerkung nicht fehlen, dafs das
rogelmäfsige Impf, nicht vorkomme, sondern statt dessen ein Impf.
Hofal , ähnlich wie im Lat. gaudeoy audeo passive Perfecta bilden. —
Die Bemerkung über ri^J*?, , wieder anschliefsend an die Vorstellang,
der Infin. sei vom Impf, abzuleiten, würde viel einfacher an die in
der Grammatik fehlende Angabe einer Infinitivform mit Femininalen-
dung sich anreihen ; wie ^KSb ^^iiK ^!^73p gesagt wird , so auch
nrj'^. Hierauf wäre dann zu verweisen bei der auch gar nicht er-
klarten schwierigen Form von n2<'npb VIII, 31, wo aufser der Erwäh-
nung der genannten Infinitivform noch weiter zusagen wäre, dafshie-
bei der Vocal dem M zulieb vorrückt, ähnlich wie bei tl^M^n statt
ÜDN^W, vgl. Ew. §. 238. — Bei V, 6 fnar?! add. s. S. 135. — Ebd.
Vs. 9 und Anm. Vs. 7 sind Druckfehler zu verbefsern, ebenso VI, 1,
VI, 13. VllI, 31. XI, 35 (leg. nb). XI, 28. XII, 43, in der Anm. VI Vs.
5 ist statt 141 Anm. 2 zu lesen 142, 2. V, 10 leg. ^%3bini. — Etwa
V, 11 wäre die Bemerkung am Platz, die in der Grammatik fehlt, dafs
criri, wohl aber K^nri gesagt werde; V, 14 add. n interrog., s. S.
160/ — Aus Veranlafsung von n.:S|^i Vs. 2, vgl. XI, 19. 20. 24, nnfs
über die Genauigkeit in Setzung des Artikels etwas gesagt werden,
wie XI, 25 nnKb in der Gramm, die Anmerkung nothwendig macht,
dafs der Artikel' bei Pronomen, Zahlwörtern aus ähnlichem gnten
Grunde fehlt wie bei Eigennamen. — Die allegorisierende Bemerkung
zu VI, 1 bleibt wohl befser weg; instructiver für den Schüler wäre
eine etymologische Erläuterung des dunklen Wortes 2^^*7)3, das wohl
von rn^ abzuleiten ist und wobei das gricch. tt (uc&dv eine willkom-
mene Analogie darbietet. — Bei '^ni2:Mi VI, 13 wie auch sonst, s. B.
VII, 4, Perf. consecut. vorkommt, straft es sich von selbst, dafs das
Buch die kleinern Distinctiven wegläfst; der Schüler gewöhnt'sich gar
G. H. Seffer : Eiementarbach der hebraeischen JSpraclie. 647
Dicht daran, dafs in solchem Falle der Ton auf der letzten Silbe liegt.
— Formen wie v^t VII, 4, riDab V». 5, m''737anp Vs. 13 fordern ge-
nauere grammat. Erörterung und Verweisungen auf die Grammatik. —
Kann gesagt werden, das Gesetz sei ein Bundeszeichen, wie S. 242
in der ohnedies viel zu umständlichen Anmerkung geschieht? Viel
befser, wenn das etwas dunkle Nomen n:^. grammatisch erläutert
warde ; dies erwartet der Leser eines Lesebuchs , nicht eine d^mati-
sehe Erörterung über den Zweck des Gesetzes; auch würde er, wenn
derlei weggelafsen wird, weniger verlieren, als wenn er bei m'^rin
VII, 13 und bei dem schwierigen DrM VII, 39 rathlos gelafsen wird.
Die letztgenannte Stelle scheint mir Licht zu bekommen durch die auch
sonst nachweisbare Annahme , dafs der Hebraeer für die ihm fehlende
Wendung ^ nicht nur, sondern auch' sich durch ü^ n» helfe, vgl.
1 Kon. 3, 17. — Zii VII, 15 add. in der Anm. DD'icri statt DD'^cri. Das
tib» ly Vs. 18 fordert eine Erklärung. — Die Auslafsung im ^exte
Vs. 40 f. wäre befser unterblieben, da die ohnedies dunkle Stelle da-
durch noch schwieriger wird. Bei n^l und y)^ VII, 41 ist wohl zu
erwägen , ob nicht die Auslegung von Maurer und Gesenius (im Wör-
terbuch) vorzuziehen ist. Doch ist der Sprache so geläufig Oxymora
zu bilden, dafs ich fast glaube, unser Vf. hat Recht, wenn er ^^'n==s
sich gefallen lafsen fafst, falls es sonst sich nachweisen läfst; jeden-
falls aber mufs bei p7 im Register gesagt werden , dafs es auch ^Strafe
der Sünde' bedeute. — Der Dat. VII, 45 ist offenbarer Dat. commodi.
— Bei VIII, 4 fehlt die* Verweisung auf S. 216. — inr VIII, 9 mufs
erläutert werden , sonst übersetzt der Schüler ^ und wenn geben wird',
was in den Zusammenhang nicht passen würde. Es ist = so dafs. —
Die Erklärung von ni^h VIII, 35 = zu ändern ist nicht nothwendig.
Es heifst: ich kann nicht mehr zurück. Ebd. ist bei '^^'3^:2 auf S. 170
zu verweisen. Die Form ^^^^n fehlt im Wortregister, die Erläuterung
des Flur, bei Altersstufen (Vs. 37) in der Grammatik. — Die ängst-
liche Bemerkung über das Opfer der Tochter J. macht die Sache nicht
befser ; es bleibt bei dem Wort Lnthers : ^ der Text steht zu gewaltig
da', d. h. als dafs man an der mittelalterlichen Beschönigung der
Sache Geschmack finden könnte. Glaube man doch ja nicht, durch
solche Mittel die Ehre der biblischen Geschichte retten zu müfsen. —
Bei IX, 1 add. s. S. 144, 2; bei ^'nu S. 251 Vs. 2 s. V, 2; ebd. bei
nV3^731 s. S. 161 c; ebd. 6 ist wieder y^'^i falsch abgeleitet; bg;». Impf.
Kai vom intrans. bbp konnte ja schon auf das richtige führen ; ebd.
ist bei pk^n und S. 252 Vs. 25 (wiewohl bei nrn eine andere Erklä-
rung möglich ist als bei p^"") auf die Berichtigungen zu verweisen. —
b M'ip X, 32 gäbe zn der wichtigen Bemerkung Veranlafsung, wie der
Hebraeer die Verba composita anderer Sprachen ausdrücke; vgl. XI,
21 ^als ich ihn genau (Hithpael) ansah.' — Der Flur, majestat.
X, 33 fordert das Citat S. 126. — Darf noch ohne weiteres die Bedeu-
tung von '^n'id = Scharfrichter festgehalten werden? m. s. Ew.
Gesch. Isr., Bertheau, Winer im Realwörterb. — In XI Vs. 9 ist die
Verweisung auf §. 128 falsch, es mufs vielmehr $. 96, 1.2 citiert
/y. JqM. U PM, ff. Poii, Bd. LXX. Bft, 6. 42
648 6. H. Sefft^r: Elemontarbuch der bebraoischca Sprache.
werdea. Ebenso bei Vs. 16 die Uegel S. 176 c; auch ist die Form *^n!j!)t
vgl. ^nV^ Vs. 18 zu erläutern oder noch lieber iu die Gramm. S. 123
Anm. 1 aufzunehmen. Bei Vä. 36 ist auf S. 206 hinzuweisen und über
die Construction von Ti^y Vs. 27 hier oder XII, 6 zu sprechen; ebenso
XII, 18 bei nb^ über dieselbe Verkürzung. — Das zweite DDP
XII, 1 ist ein Beleg für S. 222, 2 und darauf hinzuweisen. In Vs.'s
scheii^, nach dem dabeistehenden Citatzu scbliefsen, ^IDM mit * da'
übersetzt werden zu sollen ; es ist aber natürlicher und durch 1 Mos.
35, 13 ganz gerechtfertigt zu übersetzen: Svohin er geflohen war.' In
Vs. 8 sollte von t^^y genauer gesagt sein; es ist eine Form, die dem
Nom. n"V r77)n ähnlich ist und ebenso flectiert wird, aber eigentlich
ein Nom. *> & lieifsen mufs, so dafs es für n^^'^ steht, lieber die
Form D'fbr^'K sollte Vs. 16 oder befser Gramm. S. 130 das nöthige be-
merkt sein. Qie neue Erklärung des Schlufses von Vs. 16 ist wohl
keine glückliche Aenderung der herkömmlichen, auch durch LXX be-
stätigten Auffafsung. Ebenso ist die mir unverständliche zweite An-
merkung zu Vs. 21 nach der natürlichen Uebersetzung der LXX vca-
vmv noiovvTtüv 7t6Xe(iov zu verbefsern. — XII, 7 kann der Singular
keineswegs ohne weiteres als unrichtig bezeichnet werden; im Ge-
genthcil ist derselbe hier, wie in ähnlichen Stellen, genauer, insofern
nur ^iner den Sprecher zu machen pflegt. — Die weitern Stücke des
Lesebuchs übergehen wir, da es zu wünschen ist, dafs sie, wie schon
bemerkt, durch andern Stoff ersetzt werden ; höchstens wären einige
leichtere Psalmen als Nachtisch suläfsig.
Dagegen mögen noch einzelne Bemerkungen über den einen und
andern Artikel des Wortregisters Platz finden. Dafs die Angabe der
Wurzeln und Grundbedeutungen sorgfältiger und ausführlicher sein
sollte, wurde schon bemerkt; neben Gesenius ist hiefür besonders die
fleifsige Arbeit von Franz Maurer (kurzgcfafstes hehr. u. chald. Hand-
wörterbuch über das A. T. mit einem deutschen Index. Stuttgart, Metx-
1er. 1851), wenngleich mit einiger Vorsicht, zu benutzen. — Bei Eigen-
namen wie D'^UID b^M u. a. ist es dem Schüler erwünscht, wo mdg-
iich die Bedeutung der Wörter zu erfahren. — Die Formen der Ano-
mala wie bei n)2M, vielleicht auch bei riK u. ä. dürften vielleicht im
Wortregister vollständig angegeben werden, wenn nicht anders in die
Grammatik ein Verzeichnis der unregelmäfsigen Nomina und anch, was
man gewöhnlich ganz unterläfst, der Verba aufgenommen wird, eine
Zugabe die willkommen wäre. — Bei rrjöj add. von •)« == •)•»« mit
n- locale. — J^ni^ ^^^ ^*^*"® hcbraeische Form für ^Weg*; denn
nn'ifil bezeichnet Karawane und ist eigentlich das Femin. des Part.
von'n'iK. — Warum b» fehlt, p aber aufgenommen ist, läfst sich
nicht rechtfertigen. Am besten wäre wohl, die Praepositionen nur
einmal entweder in der Grammatik oder im Wortregister , dann aber
gründlich abzuhandeln. Dasselbe gilt von den Pronominen und Zahl-
wörtern. — Bei iVtN wäre beizufügen , dafs die gewöhnliche Form
n^M und fib«» sei: ebenso bei yz» die transitive nnd intransitive Form
und Bedeutung anzugeben; bei "'ipM add. ^"^"nPi!! ^veil es eine unge-
G. H. Seffer: Elementarbach der hebraeischen Sprache. 640
wöknUohe Formation ist. — n» leg. n«. — tf-^niti sollte gar nicht
unter \b'ia stehen. — in!} SiT!a. Waram ist hier ausdrücklich bemerkt,
daTs Nif. pass. sei, was der Schüler längst weifs? — Unter den Er-
klärungen von "^si , von denen wenigstens eine angegeben sein sollte,
ist die von Ewald jedenfalls der von Gesenius und wohl auch der von
Maurer, dafs 97ap ergänzt werden müfse, vorzuziehen. — Der Schü-
ler könnte auf die Meinung kommen, ^nb^ bedeute vorhersehend ^uicht',
wenn die gewöhnliche Bedeutung davon ^aufser' ganz weggelafsen
ist. — Wo ein Verbum wie t?p:3 im Kai nicht gebräuchlich ist, wird
es befser unpunktiert gelafsen. — Bei Wörtern wie ^tj*!^, wo der
Usus ein so eigenthümliches Spiel treibt und im stat. conslr. eine ge-
schlofsene, bei Sufßxis eine halb offene Silbe bildet, was auch noch
der sonst so pünktliche Schwarz übersehen hat (vgl. Ps. 3, 9), sollten
die Hauptformen angegeben werden, also hier: n3^2- aber *in!}na. —
Auch bei ^yn sollte beigefügt sein l) abweiden, durch Feuer verzeh-
ren, 2) intrans. verzehrt werden, verbrennen. — Bei lib^ u. ä. Wör-
tern , welche ganz auseinander gehende Bedeutungen haben , niufs dem
Schüler ein Wink gegeben werden , wie denn doch ein Zusammenhang
unter den Bedeutungen stattfinde. Bei dem fraglichen Wort geben
Maurer und Gesenius weit auseinander. — Warum ist bei n*^*it^ und
nn^n die Aussprache angegeben? — ''rib'i hat so wenig als '^:d^12
Dag. leue. — So gut wie bei ri sollte bei na "i ti^tl u. ä. Wörleru
auf die betreffenden §§. der Gramm, verwiesen werden. Es ist von
gröfstem Werth, wenn ein Schulbuch in allen seinen Theilen als zu-
sammengehörig erscheint und es an fortlaufender Bezugnahme auf die
zerstreuten Bemerkungen und Regeln nicht fehlen läfst. — ^rr add. ntitn
n*irj mit r; loc. aber 'n^'nii t:""irj s-^nnr:. — rriT add. fi-rhr n'iyhT
T»riV"lT, da der Schüler Wörter dieser' Art nicht nach einer Kegel zu
formieren weifs. — «nn add. Nif. NSnj:. — "H add. A) adj. lebend,
bei Schwüren 'niTt^ ^r\ ^^i« '^n. B) subst. Leben sing, und plur., bei
Schwären: ?ii?*ns "ti. — Bei S^n fehlt die zu S. 251, 1 Sam. 9, 1, er-
forderliche Bedeutung * Vermögen.' Ebenso sollte bei VVtl als erste
Wortbedeutung aufgeführt sein: durchbohren, ein Loch machen, daher
(vom Nomadenleben hergenommen) den Anfang eines Geschäfts ma-
chen. — Bei ii:n fehlt das Dagesch f., ebenso bei Jia'nn Dag. lene.
Zu y^in add. * von y*in l) schneiden, schärfen , 2) ausgraben.' Zu
nnn l) Gott als unlösbares Eigenthum weihen, bauen, 2) vertilgen.
— Die Deutung yon inh 2 Mos. 3, 1 als * Schwager* ist unter den
verschiedenen Auffafsungen jener Stelle wohl die unwahrscheinlichste ;
viel einfacher ist der Ausweg, den Abenesra und Kosenmüller ein-
schlagen, 2 Mos. 2, 18 nfij von Reguel gebraucht als ^Grofsvater' zu
fafsen , so dafs nicht Reguel sondern Jelhro der Sclnviegervaler Moses
^äre. — Ueber lat:*^ 3) und dafs die Deutung von TtTi^»^ welche das
Wörterbuch angibt, aufzugeben sein möchte, ist früher gesprochen.
— imn*» fehlt; ebenso y\ll2, — Bei ©nV sollte das auffallende Impf.
t:5abl bemerkt sein und gesagt werden, die transit. Bedeutung des
Wortes gehe in die halbpassive über: bekleidet sein. — n^;?a ist kein
42*
650 M.Speck: Würdigung d. plat. Lehre v. d. Unsterblichkeit d. Seele.
abstractum. — Dars bei ütz an der Ableitung von OD72, gegenflber
der gesuchten Deutung des SVorts von Gcsenius, festzuhalten sei, hat
Maurer richtig gezeigt. Es sollte etwas darüber bemerkt sein. —
niDb73 ist ohne Dag. Icne, i:::^?:: mit Schva zu schreiben; n:£3 ist sel-
ten, weitaus gewöhnlicher n^:: , bei m^:?, 1^3^, O^C, D^^tiVd, Ü'^r^t
sind Druckfehler zu verbefsern. — Bei nbo ist mehreres, was aos-
einanderzuhalten ist , zusammengeworfen ; es mufs gründlicher erör-
tert werden; bei üy add. D7ri. — Statt r'ic leg. yit undadd. l) rei-
fsen, einreifsen, 2) sich zerstreuen, ausbreiten, wachsen, 3) ein-
brechen. — riD ist Fem. — y^^ I) ist zn tilgen ; dagegen * fin^©
grofser Sabbath' aufzunehmen.
Iliemit glaube ich das, was diesem gut angelegten Schalbnch sn
seiner Vervollkommnung noch zu fehlen scheint, genügend angedeutet
zu haben und wünsche nur, dafs eine neue Bearbeitung, welche wohl
nicht lange mehr auf sich wird warten lafsen dürfte, den Beweis lie-
fere , es sei das hier in guter Absicht gebotene auch gut aufgenommen
worden, ohne damit sagen zu wollen, dafs ich in den vorgeschlage-
nen Verbefserungen immer das beste und der Aufnahme unbedingt
würdige gegeben.
Schönthal. L. Mezger.
Kürzere Anzeigen.
1) Würdigung der platanischen Lehre ron der Unsterblichkeii
der Seele, Von Dr. Moritz Speck. Vor dem Programm de« Eli-
sabeth-Gymnasiums zu Breslau 1853.
2) Materia qualem apud Platanetn habcat rim alqtte naturam.
Scripsit G, Bode, phii. Dr. Vor dem Programm des Gymnasiums
zu Neu-Ruppin 1863. 12 S. 4.
3) Platotiica Aristotelis opuscula. Vom Adjuncten Dr. Boumot.
Vor dem Programm des Paedagogiums zti Putbus 1853. 17 8. 4.
Ref. bedauert, dafs Nr. 1 ihm nur zu dem dringenden Wunsche
Veranlafsung gibt, es möge diese kleine Abhandlung die letzte in jener
leider ziemlich langen Reihe von Schriften sein, in welchen die plato-
nischen Unsterblichkeitsbeweijte im Phaedon frischweg beurtheilt und
verurtheilt werden, ohne dafs man sich erst zuvor die Muhe gegeben
hat zu fragen, wie viel oder wie wenig denn Piaton selbst mit einem
jeden im Gesammtzusammenhange des Dialogs beweisen will. Dafür
treffen wir bei Hrn. Speck höchstens einige fluchtige, unzureichende
Andeutungen. Die Grundfrage ist vielmehr die, da die Beweise des
Dialogs nur verschiedene Stufengrade desselben Beweises sind, ob nicht
eben so auch das durch sie bewiesene erst in stufenweiser Erhebung
»ein eigentliches Ziel erreicht; diese Frage legt der Hr. Vf. sich aber
gar nicht vor. Jede Kritik nun kann selbstverständlich nur dann Werth
haben, wenn ein vollkommenes Verständnis des lu beurtheilenden vor-
aufgeht. Wie sehr aber der Hr. Vf. noch von einem solchen entfernt
%
0. Bode : materia qaalem apud Platonem habeat vim atque naturam. 651
ist, xeigt er auch dadurch, dafs er die bekannte (scheinbare) Differenz
iwiachen Phaedros und Phaedon, dafs dort die Seele selbst Princip der
Bewegung, hier dagegen nur Trägerin der Idee des Lebens heifst, da-
durch beseitigen zn können glaubt (8. 14), dars dort nur von der Idee
der Seele die Rede sei, und nicht merkt, dafs dann die dortige Form
des Beweises auch als solche schon durchaus mufsig wäre , da jede
Idee an sich ewig und unsterblich ist. Die Behauptung (8. 16), dafs
Piaton durch die Einmischung der Mythen in seine Unsterblichkeits-
lehre dieselbe auf den Volksglauben stützen und durch ihn stärken
wolle, haben wir bereits im vorliegenden Bande dieser NJahrb. S. 24
f. 126 widerlegt.
Nr. 2 nimmt keinen höheren Rang ein und enthält nichts als schon
bekannte Dinge, die noch dazu mit Irthümern und Unklarheiten ver-
mischt sind, z. B. die Ideen hätten keine Bewegung (S. 6), obwohl Hr.
Bode nachher selbst eine Idee der Bewegung anerkennt und es also
;anz räthselhaft läfst, was er sich denn eigentlich unter derselben
lenkt, ferner Ideen von Einzelwesen annimmt (S. 6). Die platonische
Materie sei das fi-q ov, aber doch nicht schlechterdings nicht seiend,
da sie dann auch nicht einmal gedacht werden könne. Dafs Piaton so
schnell mit dieser Frage nicht fertig war, hätte der Hr. Vf. aus Soph.
p. 258 E ersehen können, auch fuhrt er ja selber die Stelle aus dem
Timaeos an, nach welcher die Materie auch nur sehr beziehungsweise
gedacht werden kann. Sie ist allerdings nicht schlechthin nicht seiend,
nemlich sofern dieses ihr Nichtsein durch die absolute Uebergewalt
der Ideen in einem beständigen Aufgehobenwerden begriffen ist, wie
aus dem Gesammtzusammenhange des Parmenides ersichtlich. Neu ist
dem Ref. die Angabe (S. 11) erschienen, dafs einige die platonische
Materie für die Relation erklärt hätten, welche zwischen den Ideen
und den Dingen stattfinde; doch hätte der Hr. Vf. befser gethan, diese
Leute auch zu nennen, und mit seiner Widerlegung vermögen wir nicht
einverstanden zu sein. Man habe, sagt Hr. B., zu dieser Erklärung
gegriffen, um den Piaton von dem Vorwurfe des Dualismus zu befreien,
ein solcher sei indessen nur da Vorhanden, wo es zwei gleich selbstän-
dige Principien gebe, nicht wo die Materie schlechthin passiv sei wie
bei Piaton. Darnach wäre, erwidern wir, Anaxagoras auch kein Dua-
list, denn bei ihm ist dasselbe der Fall, und selbst das vom Hrn. Vf.
angeführte Beispiel von Ormuzd und Ahriman möchte nicht ganz vor«
halten, da der letztere wenigstens schliefslich yom ersteren besiegt
wird, und so mochte denn nach dieser Theorie der Begriff des Dualis-
mus wohl überhaupt aus nnsern philosophischen Wörterbüchern gestri-
chen werden müfsen. ~
Nr. 3 dagegen ist eine mit Geschick und Kenntnis abgefafste Ar-
beit. Zunächst fnhrt Hr. Bournot kurz die Auszuge auf, welche
Aristoteles aus Schriften seines Lehrers vermuthlich nur zum eignen
Gebrauch gemacht hat, 3 Bucher aus den Gesetzen, 2 aus der Politik
und 1 aus dem Timaeos, welches letztere der Hr. Vf. gegen die Ver-
dächtigung des aristotelischen Ursprungs durch Gruppe vertheidigt (S.
1—3). Das von Olympiodoros angeführte iyncifuoy Jlldrcavog hält er
für die übliche Leichenrede, welche hiernach. Aristoteles dem Piaton
gehalten hätte (S. 3). Ref. freut sich aufrichtig über diese Vermuthung,
welche ein wichtiges Moment gegen die bekannten Anekdoten über das
Misverhältnis zwischen beiden in die Wagschale legen durfte. Dann
behandelt Hr. B. kurz, indem er für da» ausführlichere auf Brandis ver-
weist, die Schrift überdieldeen. Er gibt hinsichtlich der abweichen-
den Ansichten über die Bücherzahl mit Recht der des Alexander von
Aphrodisias den Vorzug, der das 4e Buch citiert, so dafs die Schrift minde-
stens 4 Bücher hatte. Alexander führt nun aus derselben Dinge an, die
652 Bournot: Platonica Arislotelis opusciila.
sich 80 aasdrücklich in Piatons Werken nicht finden; Trendelanburg
hatte daher vermuthet, dafs Aristoteles dabei iedigli ch, Brandis, dau
er wenigstens nebenbei dessen mundliche Lehrvorträge benatit habe;
Hr. B. bemerkt dagegen, dafs nicht einmal das letztere, obwohl an
.sich wahrscheinlich, »ich wirklich beweisen lafse, sofern in jenen Fal-
len Piaton nicht aasd rucklich genannt wird und Aristoteles erweislich auck
die Meinungen anderer Philosophen in dieser Schrift kritisiert hat. Auch
halt der Hr. \T. noch eine kleine Nachlese von Anfuhrungen aus derselben
(Asklepios in der Scholicnsammlung zu Aristot. Met. p. 563 a 41 and
schon 23 vgl. mit Bekker Anccd. 11 p. 660, 32) und findet eine Ver-
weisung auf dies Werk bei Aristoteles selbst Met. XH, 6 p. 1080 a 9
(8. 3—6). — Den wichtigsten Theii der Untersuchung bilden hierauf
(8. 6—9 u. 12~17) die Bücher negl (pUoao(picis. Hr. B. geht dabei
von den ayQccq)a dayfiara, d. h. ohne Zweifel den Aiündlichen Vortra-
gen des Piaton aus und bemerkt, dafs die Art, wie Aristoteles Phya.
IV, 2 p. 209 b 11 if. dieselben anfährt (iv roCg ItyoiiivoiQ «. d.),
fast zu dem Glauben verleiten konnte, dafs sie in einer scbriftlicheii
Sammlung von irgend einem Platoniker existierten; wahrscheinlich liege
indessen, wie öfter beim Aristoteles, nur eine aus seiner Kürze hervor-
gehende Ungenauigkeit des Ausdruckes vor (£= 'anders äufserte iich
Piaton hierüber im Timaeos, anders in seinen Vortragen, weshalb man
dies letztere zu seinen sogenannten ungeschriebenen Lehrmeinangen
rechnet'). An dieser Stelle (vgl. Z. 33 f.) heifst es nemKch, Piaton
habe die Materie in seinen mündlichen Vortragen als 'das erofse und
kleine* bezeichnet. Aus den Commentatoren aber ergibt sich genauer,
dafs dies in dem Vortrage nsgl rov dya^ov geschah, und dafs Aristo-
teles so wie andere Platoniker denselben nachgeschrieben hatten. Bben-
so verweist Aristoteles selbst de an. I, 2 p. 404 b 18 auf gewisse
Lehren Piatons iv roi^ mgl (piXoootpiag XFyofiivoig , was Hr. B. im
Widerspruch gegen die gewöhnliche Meinung, welche dies Citat aaf
die aristotelische Schrift bezieht, vielmehr wiederum auf einen münd-
lichen Vortrag des Piaton deutet, dabei aber unentschieden lüfst, ob
diei«er mit dem Trf^l tayad'ov derselbe sei. Allerdings aber existierte
vom Aristoteles eine Schrift negl (ptloaorpi'ag , auf welche er selbst
Phys. IT, 2 p. 194a 32 f. verweist, wie Hr. B. gegen die griechischen
Ausleger, welche unter diesem Namen hier vielmehr die nikomachische
Kthik verstehen, erhärtet; auch spielt Aristoteles Met. XI, 7 p. 1072b
1 auf ganz dieselbe iiia^QSCig an , welche er auch dort im Sinne hat»
und hiezn bemerkt Alexander, dafs dieselbe in den Büchern mpi raya-
0-0 1? ausgeführt werde, nach dessen Worten zu schliefsen sie nberdem
dieselbe ist, auf welche Aristoteles auch an andern Stellen der Meta-
physik hinweist. Dafs die Schrift nfo) tpiXoaofpCag und die n%q\ raya-
d'oii dieselbe ist, obgleich beide in den Bncherverzetchnisaen getrennt
werden, und dafs sie jedenfalls nicht die blofse Nachschrift jenes pla-
tonischen Vortrags, sondern anch Erörterung der eignen Lehren des
Aristoteles enthält, scheint hiernach erwiesen zu sein, ja es konnte
sich fragen, ob dief«e Nachschrift überhaupt in ihr enthalten war. Um
dies indessen wahrscheinlich zu machen, benatzt der Hr. Vf. die ans
dieser aristotelischen Schrift angeführten, schon nach der Bemerknng
der Alten ganz platonisch lautenden Stellen: Cic. ^, l^. 1, 13 (wo
Krische vielmehr an das I2e Buch der Metaphysik dachte) und II, 37
und Simplic. z. Aristot. de caelo fol. 67 b. lieber die wahrscheinlich
eben daher entnommene Stelle über den Orpheus (Cic. N. D. I, 38)
hatte Hr. B. sich übrigens nicht bei Trendelenburgs Krirlämng (in
Aristot. dp an. 1, 5) beruhigen sollen, s. Schümann z. d. St.
Zweimal, de gen. et corr. II, 3 p. 330b 7 und de part. anim. I,
2 p. fy42b 10 citiert Aristoteles die ^fof^^ifa^t; des Piaton, wie et scheint
K.fiichhoff: logica triam cUalogorain PlatojuGorain explicatio. 65S
aach Met. VF, 12 p. 1037 b 27. Hr. B. entscheidet sich hier für die
achon von Alexander aufgeatellte Meinnng, dafa Sophist and 8taata-
mann nnter dieser Bezeichming vereinigt wurden (Sopb. p. 94% C.
219fr. samnit Polit. 263f., endlich Poiit. 266E). Top. YJ, 10 p. 148,
15 bezieht er auf Tim. p. 41 B (S. 9—12).
Greifswald. Fr. Su9mnihL
Logica Irium diahgomm Platonicorum expUcatio. Abhandlung
des Director Dr. K. Eiehkoff im Herbstprogramm 1854 des k. Gym-
nasiums nnd der Realschule zu Duisburg. 18 8. 4.
Mit dieser kleinen Abhandlung hat der Hr. Vf. einen nach der
Ansicht des Ref. sehr fruchtbaren Versuch gemacht, die logische Glie-
derung platonischer Gedankenentwicklung darzulegen. Seine Methode
verspricht für die Schule, wie Hr. E. hofft, aber mehr noch für die
Wifsenschaft , wie ich glaube, zu erwünschten Resultaten zu fahren.
Hr. £. geht von der Ansicht aus, dafs aller Unterricht in der Philo-
sophie auf Gymnasien, insbesondere der Unterricht in der Logik anzu-
scbliefsen sei an die Lecture. Wie dies praktisch mogUch sei, sucht
er beispielsweise durch die logische Zergliederung S^b platonischen
Menon, Kriton Und Phaedon nachzuweisen. Zu dem Ende nimmt er
einzelne Gedanken oder Gedankenreihen aus jenen Dialogen vor und
zeigt, welche Art lo^scher Thatigkeit darin zur Anwendung komme,
in welchen Formen sie sich bewege, welchen Gesetzen sie folge. Auf
diese Weise bringt er den Inhält der Logik, natürlich nicht den gan-
zen, sondern wie es der Gegenstand der Untersuchung mit sieh bringt,
an concreten Beispielen zur Sprache. Diese Methode soll indes nicht
blofs an platonischen Dialogen, vielmehr auch an jeder dazu geeigne-
ten Lecture der Prima, als namentlich der Leetüre ciceronischer Schrif-
ten geübt werden. Geeignet sind natürlich nur solche Schriften, die
eine gewisse Manigfalttgkeit logischer Thatigkeit darbieten. Diese
Art die Logik praktisch zu lehren scheint mir den Forderungen der
Paedagogik ganz entsprechend. Allerdings mufs man Mafs halten um
nicht in formalen Schematismus zu gerathen, über die Form den Inhalt
zu vergefsen und den Geist zu ertödten. Aber daan gibt auch die
vorliegende Abhandlung keine Anleitung. Sie lehrt vieliMebr nur den
Inhalt aach der Innern Form nach scharf ins Aoge zu fafsen und da-
durch die Einsicht in den Gedankenzusammenhang fest zu gründen.
Doch ich sagte, auch der Wifsenschaft leiste der Versuch des Hrn. E.
einen Dienst, ohne es ausdrücklich zu versprechen. An einem andern
Orte bezeichnete ich es als Aufgabe der Wifsenschaft, die innere Denk-
form Piatons zu reconstruieren. Diese logische Gestaltung seines Denkens
ist die Grundlage zu einer vollen Einsicht in jene; doch freilich nur
die Grundlage. Die Aufgabe nmfafst mehr; aber mit der Grund-
lage d. i. der Reprodnctton der logischen Form der einzelnen Dialoge
mufs man eben den Anfang machen, um vorerst zu einer Uebersicht
über dieses Material zu gelangen. In dieser Beziehung hatte ich ge-
wünscht, der Hr. Vf. hatte auch die einzelnen Begriffe, in denen sich
die Entwicklung der Gedanken vorwärts bewegt, mit in den Bereich
seiner Untersuchung gezogen. Doch liegt das freilich den Bedürf-
nissen der Schale ferner; deshalb will ich darüber nicht mit ihm
rechten.
Nur in 6inem Punkte kann ich dem Verfahren das Hrn. £. nicht
immer beistimmen: wenn er nemlich in der Exposition Platoiu logische
654 K. Eichhoff: logica triam dialogorum Platonicornm explicatio.
Fehler nachzuweisen sucht. Sie scheinen wohl da zu sein, sind es
aber meist bei genauerer Betrachtung nicht. Ich will gleich zn ein-
zelnen Beispielen übergehen. P. 8 nndet Hr. E. in dem Beweis des
Sokrates im Menon, dafs die Tugend auf der Rinaicht beruhe, in dem
Satz: alles was nutzlich sei, sei es nur mit Hilfe der Einsicht, einen
Fehler, weil auch etwas ohne Hilfe der Einsicht nutzlich werden könne.
Allerdings; aber jener ^atz beruht auf einer Unterstellung, die man
hinzu ergänzen mufs, um ihn gerechtfertigt zu finden. Diese Unter-
stellung liegt darin, dafs unter dem nutzlichen hier nur zu verstehen sei,
was wie die Tugend als ein inixB^grifia oder nagtiQTjfta t^g 'ilfVxrJQ (88
C) zu fafsen sei. Damit wird der Kreis desselben durch die Angabe
der Quelle, aus welcher es — unmittelbar oder yermittelt — entstehe,
Ton Torn herein beschränkt. Unter dieser Voraussetzung ist aber
der Satz vollkommen richtig: denn das Agens, was ein Ding zn einem
nfitzlichen oder schädlichen macht, ist alsdann in der Seele gelegen,
Vernunft oder Unvernunft. Daher wiederholt Piaton diese beschran«
kende Bedingung ausdrücklich: bI a^a agsttj tmv iv xij ipv%fl xl icti *al
arayuaiov <xvt<ß (o(psX^fi(p flvai ml. Uebrigens gebort gerade der
Menon zu den Dialogen, in welchen alle Beweise durch ihre Stellang
zum Zwecke des ganzen nur einen relativen Werth erhalten. Sie
sollen alle nnr dazu dienen, von verschiedenen Seiten Probleme hervor-
zuheben, die ihre Entscheidung ans der Lösung der Hauptfrage 'waa
ist Tugend?' zu erwarten haben. Hier darf man das einzelne, wie
es unmittelbar vorliegt, nicht allznstark nrgieren, sondern mnfs es sich
ergänzen lafsen durch die Ueberzeugung , welche der Dialog als gan-
zes erwecken soll. Man mufs also den Zweck, den Piaton vor Aogen
hatte, zum Verständnis hinzu nehmen. 8o wenn Piaton darin schein-
bar einen Beweis von der Nichtlehrbarkeit der Tugend findet, dafs et
keine Lehrer derselben gebe, so will er nicht, wie Hr. B. annimmt,
eine Contraposition des vorausgehenden Urtheils. Dann bitte Hr.
E. Recht, dafs seine Form also lauten mufse: ^ea res, cuius magistros
esse non oportet, doceri non pote8t\ Piaton will vielmehr nur einen
indirecten Beweis aus der Erfahrung gegen die eigene Annahme, and
dieser Beweis hat nur die Geltung eines möglichen Einwurfs,
und sein freilich nicht ausgesprochener Schlofs wäre: die wahre (philo-
sophische) Tugend ist von der Gewohnheitstogend des Lebens zn nnter-
scneiden. Dies gibt Hr. E. auch in der Amn. 5 S. 8 zu ; er hatte es
nur auch auf die Sache anwenden sollen. Piaton sagt daher auch
ausdrücklich 89 E: yiaXtog av avto Blndiovtfg el%dioifit9 ntl.
Noch leichter beseitigt sich meiner Ansicht nach ein anderer Vor-
wurf gegen die Entwicklung im Kriton p. 49. Sokrates behauptet:
ovdevl tQonat (pceiikv tnovtag dStnritiov slvai. Das ddiMtp unterschei-
det er wieder als naniovQYsiv und als dvTiyia'KOVQyfiv. Hr. B. meint
nun p. 10, es liefse sich in dieser Subsnmption ein Fehler finden, 'qnod
fieri potest, ut necessitate coacti noceamus vel malum raalo rependa-
mus, nee tamen male s. iniuste agamns'. Aber einmal schlient das
fnövTug in der propositio schon die Noth wendigkeit aus; dann aber
ist auch das dSiyttiv nur in dem Sinne zu fafsen, dafs durch Noth-
wendigkeit gerechtfertigte Handlungen nicht können als dSmicu ange-
sehen werden. — In dem ersten Beweise des Sokrates im Phaedon
wurde gewis auch für Hrn. E. die 'fallacia falsi medii' weggefallen
sein, wenn er sich strenger an Piatons Worte angeschlofsen bitte.
Er urgiert nemlich, wie auch Tiedemann thnt, auf den er sich mit be-
ruft, allzusehr den Begriff Tod; Piaton t6 avt^v x«^ avxfjv Tijr
^vxiqv ^inv, also die Selbständigkeit der Seele. Sie ist das Zial^
nach dem der Philosoph in seinem Sinne im Leben strebt, und das
Ziel das der Tod gewahrt. Dieser MittelbegriiT ist also beiden ga»
K. Eichhoif: iogica triam dialogornm Platonicorum explicatio. 655
nelnschafUich — aU das positive Ergebnis der Trennong der Secrie
▼om Leibe. Der Schlafs ist demnach aach nar: da der Philosoph
nach dem strebt was der Tod gewahrt, so mafs er ihm erwünscht sein
nm des Ziels willen, das er nan za erreichen hoffen darf, reine Erkennt-
nis, 68 A. In diesem Beweis also kam es nar auf schärferes Auffafsen
der Begriffe an, durch die er sich hindarchbewegt. Die 'fallacia' liegt
nicht auf Piatons Seite. Etwas anders steht es mit der Heterozeteie,
die in dem p. 70 C beginnenden Beweise soll enthalten sein. Er
leidet allerdings an einem Mangel, aber an dem Mangel den alle Ana-
logteschlufse miteinander theilen. Nicht aber darin liegt der Fehler,
qnod 'ad singulas animas id referatur, qnod nonnisi de universo earum
complexu Taiet' (p. 12), denn gerade dieser Beweis soll, wie Piaton
ausdrücklich 103 B bemerkt, nar von dem Werden der Einzeldinge
handeln. Und dieser Gesichtspunkt ist auch in der That während des
ganzen Beweises eingebalten. Nur ist der Schlufs, wie gesagt, ein
chlafs ans der Analogie. Die Fehler, die in den nächstfolgenden Be-
weisen gefunden werden, liegen mehr in dem Inhalt als in der logischen
Form. Ich kann sie darum übergehen und nur darauf aufmerksam
machen, dafs man zur Entscheidung der Sache, so weit das formelle
allerdings auch durch den Inhalt mit berührt wird, zurück gehen mufs
auf die ganze Anschauungsweise Piatons, die im Hintergrunde steht.
Die Kritik derselben geht über die Logik hinaus* Nur zu der Widerle-
gung des Satzes des Simmias, dafs die Seele Harmonie sei, habe ich
hinzuzufügen, dafs der Beweise nicht fünf sind, wie Hr. E. annimmt,
sondern nur zwei. Die beiden mittleren hat er selbst durch Ergänzung
der Schlufssätze gebildet — nicht mit Recht. Doch habe ich über den
Gang dieses Sorites meine Ansicht bereits in diesen NJahrb. oben S.
160 f. ausgesprochen und begnüge mich darauf zu verweisen.
Schliefslich kann ich nur wünschen, dafs die Anwendung der Me-
thode des Hrn. Vf. nicht blofs auf diese wenigen Proben beschränkt
bleibe. Nicht allein für die Schule verspricht sie fruchtbar zu werden,
auch dem Verständnis und der Kritik der Alten schafft sie sichere
Grundlagen, und die Logik wird durch sie mit einer Sammlung gediege-
ner mustergiltiger Beispiele bereichert werden. Ref. erkennt dankbar
an, ans der kleinen Schrift viel gelernt zu haben.
Hanau. Julius Deuaehle,
Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Sechstes Heft. Mit
5 Tafeln Abbildungen. Frankfurt a. M. , Verlag von Heinrich
Keller. 1854. 233 S. gr. 8.
Unter der grofsen Menge deutscher Vereinsschriften nimmt das
oben genannte Archiv seit einer Reihe von Jahren eine dem Gegen-
stande der in ihm niedergelegten Forschungen sowohl als der Stadt,
deren Namen es trägt, entsprechende Stelle ein. Liegt es auch in der
Natur der Sache, dafs das Archiv hauptsächlich der localen Geschichte
und Alterthumskunde sich zuzuwenden hat, so bleibt dabei doch der
grofse Gewinn nicht ausgeschlofsen , der auch der allgemeinen Cr«-
schichte und Kunde deutscher Vorzeit um so mehr aus demselben er^
wachsen mufs, je bedeutungsvoller gerade Frankfurt vor allen Städten
Deutschlands als dereinstige Wahl- und Krönungsstadt der deutschen
Kaiser, sowie als eine der ersten freien Städte mit so vielen ruhmrei-
chen Erinnerungen und an die schönsten Zeiten deutscher Herlichkeit
mahnenden Reliquien in die Gegenwart hereinragt. So kann es denn
656 Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. 6s Heft.
nicht fehlen, dafs die Betrachtan^; seiner Denkmäler, Geschichte, Cnl-
tur, seines Rechts-, kirchlichen und privaten Lebens vielfach im engsten
Besuge lu der allgemeinen deutschen Entwicklung und dem Verlauf
der angedeuteten L^benssphaeren steht und oft aus dem KinEelbilde ein
Schlufs auf die allgemeine Anschauung der Zeit gewonnen werden kann.
Die Untersuchungen des In Heftes über die ältesten Bauwerke, nament-
lich die Kapelle, im Saalhof fuhren zu ebenso interessanten und für
die allgemeine Geschichte erspriefslichen Betrachtungen über die letzten
Carolinger in Deutschland, wie andrerseits die Versuche über Hart-
mann Beyer im 5n Hefte und im vorliegenden ^iiber den Antoniterhof
in die ereignisschwere Zeit des 16n Jh. und der danach entbrannten
religiösen Kämpfe Blicke eröffnen, welche die so wunschenswerthe all-
seitige Beleuchtung jener für Deutschland so verhängnisvoll gewordenen
Zeiten ermöglichen helfen, um endlich Recht und Unrecht, Schuld nnd
Unschuld mit gereckter Wage abwägen und zugleich auch die Partei-
cntstellungen jeder Art würdigen zu können. Einen auch anderweitig
interessanten Beitrag zur Geschichte des Reformationszeitalters gibt
auch die in demselben Hefte mitgetheilte ^Ablal'sbulle Alberts von Bran-
denburg, Erzbischofes von Mainz und Magdeburg, Bischofs von Halber-
stadt, nebst Beiträgen zu einer Geschichte der Ablafsertheilung in
Kr. a. M.' Mit strenger Un^iarteilichkeit und Wahrheitsliebe wird von
dem gelehrten Vf., Dr. Römer-Büchner, zuerst die Lehre vom AblaTs
entwickelt, das Verhältnis Alberts als Obercommissärs des von Leo X
im Jahre 1516 ausgeschriebenen Jubelablafses erörtert, obige 1519 er-
theilte Ablafsbnlle nach dem Originaltext mitgetheilt und daran mit
Bezug auf das an der Urkunde hängende trefflich componierte Siegel
eine Besprechung der (etwa 12) verschiedenen Siegel Alberts geknöpft.
Die Compositionen derselben durch die namhaftesten Künstler des 16n
Jh., Albrecht Dürer, Peter Vischer, Lucas Cranach u. a. fuhrt von
selbst auf den Einflufs, welchen der prachtliebende und kunstsinnige
Albert auch auf die Kunst seiner Zeit ausgeübt hat: eine Seite im
Leben dieses Kirckenfürsten, welche bei einer urkundlichen Monographie
über sein politisches und religiöses Leben nicht wird ausgeschlofsen
bleiben können: \%ie denn überhaupt Albert eine derjenigen Persönlich-
keiten ist, die vor allem bei einer urkundlichen Behandlung der Re-
formationsgeschichte im Auge bebalten werden müfsen. — Nicht minder
werthvoU und von mehr als localer Bedeutung sind auch die vom Dr.
Böhmer im 1i\ Hefte bei Besprechung der ^rothen Thure zu Frank-
furt ' über die Bedeutung der rothen Farbe als Symbol der Hoheit
(daher auch wohl die rothc Einfafsung um das guldne Feld mit dem
schwarzen Adler), insbesondere der Jurisdiction (rothe Brde), der Ja-
ristenfacultäten u. s. w. zusammengestellten lehrreichen Notizen.
Was nun <Ue aus dem Archiv zu gewinnende Ausbeute zur Urzeit
des Frankfurt berührenden Bereiches römischer Ansied hing betriflft,
so kommen vor allem die Untersuchungen über den Novus Ficu» bei
Heddernheim und über das vallum ilomanum^ den limcs imperii oder
s. g. Pfablgraben in Betracht. Der Novus Ficmt. wegen seiner reichen
Fundstätte das nordische Pompeji genannt, vielleicht identisch mit der
rivitas Tauncn»ium, xoichnet sich besonders durch seine mythologi-
schen Denkmäler wie wenige Städte der nördlichen römischen Grenz-
lande aus. ^Einheimisch keltischer wie römischer und asiatisch -grie-
chischer Götterdienst mischten sich hier mitten in dem Gewoge eines
regen bürgerlich-militärischen Grenzverkeh rs. Der Novua Ticifs war,
wie andeTwärts gezeigt wurde, einer der Hauptsitze der Verehmng
des luppitcr Dotichcnus: wenigstens finden sich hier die zahlreichsten
Denkmäler desselben. In dem vorliegenden 6n Hefte des Archivs ist
die«e mythologische und sociale Bedeutung des Novut Vieu9 besonders
Archiv für Frankfurts Gesohichte and Kunst. 6s Heft. 657
hervorgehoben durch die ZusaoimensteUung und Erläuterung der jetit
im Frankfurter Gebiete, besonders in dem Antiquarium des Dr. Römer-
Bachner befindlichen inschrifUichen Funde (8. 1 — 30), welche durch
mehrere Inedita, wie den bis jetzt nur durch das ^ine Heddernheimer
Denkmal bekannt gewordenen luffnter Olbiui'y bemerkenswerth, über-
haupt für alle Seiten des religiösen, bürgerlichen und militärischen
Lebens am Taunus zur Römerzeit reiche Beiträge zur keltisch > römi-
schen Urzeit dieses Grenzstriches bieten. Geschützt zunächst durch
die starken Mauern und Thnrme des nahen Jrtaunon^ der Saalburg
bei Homburg, entwickelte sich hier wie längs des Taunus ein reges
Leben zu der Zeit, als der wohlgebaute und vert^eidigte lime» das Anf-
blühen römischer Cultur und Herschaft sicherte. Bekanntlich hat die
Verfolgung der Spuren dieSler nördlichen Vertheidignngslinie des Reichs
die Forschung seit langem beschäftigt und ist gerade in der neusten Zeit
als ein so wichtiger Gegenstand erkannt worden, dafs man mjlt Spannung
den Arbeiten entgegensieht, welche die zur Untersuchung der ganzen
Linie des vallum Romanum in Deutschland niedergesetzte gelehrte
Commission veröffentlichen wird. Schon im 4n Hefte des Archivs war
'die römische Grenzbefestigung des Taunus' von Dr. Römer - Büchner
unter Vorausschickung der hauptsächlichsten älteren Litteratnr bespro-
chen worden. Während indes die Forschung sich immer mehr in den
Boden wühlt und an den halbverwehten Resten den Linien und Anla-
gen des zerstörten Werkes nachgeht, ohne je ein lebendiges Bild des
ursprünglichen Standes uns vor Augen führen zu können; geben uns
inzwischen einige Scenen von der Seule Trajans, wie uns scheint,
einen Begriff von der Anlage und dem vollendeten Bau eines solchen
Valium. Offenbar beziehen sich freilich die gleich näher zu bespre-
chenden Scenen der Trajan-Seule auf den Bau des jetzt wieder viel-
fach vom Kriegsschauplatze her erwähnten Trajanswalles ; sie geben
jedoch ohne Zweifel ein entsprechendes Bild für den ehemaligen Be-
stand unseres Pfahlgrabens. Gleich in den beiden ersten Scenen er-
blicken wir römische Soldaten mitten in der Arbeit. Im Vordergrund
vor einem nnregelmäfsig .aufgethürmten Walle sind auf dem ersten
Bilde 6 leichtgeschürzte Römer mit dem Umhauen einer Anzahl hoch
emporstrebender Bäume beschäftigt, die, obgleich fast bis zum Wipfel
vom Laub entblöfst, dennoch an demselben sich als Eichen hinlänglich
erkennen lafsen. Schon liegen Hölzer am Boden, während an einigen
Bäumen gerüttelt, an andern gehauen wird. Dasselbe Schauspiel er-
weitert sich in der zweiten Scene. Die arbeitenden Soldaten scheinen
blofs Helm nnd Waffen abgelegt zu haben, während alle im Panzer
stecken, um schnell jedem Ueberfall entgegen treten zu können: auch
die caligae sind an ihnen erkennbar. Der Wall im Hintergrunde
scheint schon oben mehr geebnet: die gefällten Hölzer werden theils
von einzelnen aufgenommen, theils von je zweien in der Weise fortge-
schafft, dafs an dem über den Schultern Hegenden Baum ein Seil herab-
geht, an dem ein anderes Holz hängt. Dabei sind andere noch mit
Fällen der Eichen beschäftigt, während einer mehr im Hintergrunde
andern zuzurufen und Anweisungen zu geben scheint. Die dritte Scene
gewährt uns einen Blick oben auf das Plateau des Walles. Der obere
Rand scheint mit Holz und Flechtwerk nach Art moderner Schanz-
körbe die Erde zusammen zu halten. Auf dem Plateau stehen in Di-
stanzen 5 au» Quadern, wie es scheint, erbaute Wallthnrme, Wach-
posten, jeder oben mit einer ringsherum laufenden Gallerie als Warte
versehen, aus deren Zugang eine brennende Fackel hervorragt:
offenbar ein all armierendes Feuersignal bei Annäherung des Feindes.
Die 3 Thürme umgibt unten eine dichte, durch mittlere Querhölzer
gefestigte Einfriedigung von (zugespitzten) Pallisaden, welche vorn
65S Archiv für Frankfurts Geschichte and Kunst. 6s Heft.
durch eine Oeffnnng unterhrochen ist, durch welche man in die schmale
Thurmthür geht. Die 3 aus ihren Thnrmen getretenen wachehaltenden
Soldaten haben den Schild kampfbereit an der Linken. Während der
eine den rechten Arm erhebt, als wolle er auf ein von dieser Seite
herkommendes Geräusch lauschen und aufmerksam machen , sieht der
zweite y auf einer kleinen Erderhöhung neben seinem Thurm stehende
nach derselben rechten Seite bin, indes der dritte mehr gerade Tor
sich in die Tiefe zu sehen scheint; es scheint in dem Bildchen der
Moment vergegenwärtigt, in welchem die Thurmwachen eine Spur ▼cm
Feinde bemerkt und ihre Feuersignale ausgesteckt haben. Die Wir-
kung davon bleibt niqjit aus. Haben wir eben ein besonderes Plateau
gesehen, welches vorzugsweise eine Warte zur Ausspähung des Feindes
abgab, so erblicken wir auf dem vierten Bildchen ein Stock Wall oder
vielmehr Wallmauer oder Brustwehr, unregelmäfsig anfgethunnt, nnd
dahinter 4 Thürme derselben Art halbhervorragend mit denselben fla-
chen spitz zusammenlaufenden Dächern ; auch einzelne Eichen scheint
man in der aufgehäuften Erde stehen gelafsen zu haben. Schon hat
sich eine Reihe Soldaten vor dem Walle aufgestellt, während hinter
demselben zwischen den Thurmen gleichfalls bewaffnete Krieger er-
scheinen, von denen ein Theil nach der linken Seite hingewendet ist
und schaut, wie wenn von dorther ein Feind erwartet würde. Andere
wenden sich ebenso lebhaft in Anspruch genommen nach der rechten
Seite. Vielleicht läfst sich auch noch eine andere Darstellung hierher
beziehen , in welcher der Kaiser mit Gefolge eine kleine von einem
Thurme auf dem Walle ausgehende Bracke herabreitet, während rar
Linken und hinter dem Walle unter dem Feldzeichen eines Capricomus
versammelte Krieger den Wall besetzt halten.
Frankfurt am Main. J. Beci:er.
1) Die Allsgrabungen von Salona im Jahre 185Q bewirkt, be-
schrieben und illustrirt von Dr. F. Carraroy Professor nnd Direc-
tor des Museums zu Spalato. Aus dem Italienischen ubereetst Yon
jidele Gräfin v, Haalingen - Schiekfuss , herausgegeben von J, F*
Neigebaur, Leipzig, Dyksche Buchhandlung. 1864. VIII u. 26
S. mit 5 Tafeln, gr. 8.
2) Der Fund von Lengerich im Königreiche Hannover, Gofd-
schmuck und romische Münzen. Beschrieben von Fr. Hmhn. Mit
2 Tafeln in Steindruck. Hannover, Hahnsche HofbncMiandlanff.
J854. III u. 68 S. gr. 8.
Den bekannten verdienstvollen Bemühungen des Hrn. Neigebaur
um Dacien, die Geschichte der Sudslaven, sowie die Alterthumer Ton
Sardinien reiht sich nun auch die durch ihn vermittelte Veröffentlichung
des vorstehenden Berichtes über die Ausgrabungen an, welche in den
seit 1200 Jahren unter dem Schutte der Zerstörung liegenden Trüm-
mern der Colonid Salonitanorum gemacht worden sind. Durch Stein-
buche! schon 1821 veranlafst liefs die österreichische Regierung zuerst
durch Lonza, dann durch den zu Anfang 1834 verstorbenen DirectorCarrara
Ausgrabungen veranstalten, deren Resultate bereits früher in dem
Werke Neigebaurs über die. Südslaven theilweise niitgetheilt sind; die
neuesten vom Jahre 1850 enthält der vorliegende Bericht, dessen Vor-
wort zugleich eine kurze Skizze der Geschichte und der Schicksale
Salonas einverleibt ist. Die Resultate früherer Nachgrabungen hatte
übrigens Carrara auch in der Topografia e Seavi di Salona (Triest
Fr. Carrara : die AusgrabuDgen von Salona. 659
1850) mitgetheilt. Von den neusten Fanden sind vor allem bemerkens-
werth die cippi funerarü des C. Aeniilias Ingenuas {8, 1 f.)i welche
in sprachlicher Hinsicht, woraaf schon Farlanetto aufmerksam gemacht
hatte, durch das Wort öathrumy ßd^QOv 'Postament' ganz besonderes
Interesse haben. Es reihen sich dann weitere Grabsteine des M. Utte-
dius Sallubianus und der Tertulla, denn' so ist statt des TERYILIAB
S. 3 n.3 ZQ lesen. Auch heifat ihre Mutter Primigenia, nicht Primigenita.
Ueberhaupt fallt es auf, dafs die mitgetheilten Inschriften vielfach an
so leicht zu verbeOsernden Copierfehlern leiden, dafs man sich wundem
mufs, sie nicht von dem Hg. rectificiert zu sehen. So stellt sich zu
dem DASSIVS 8. 4 ein Soldat DASSIVS DAETORIS filiua aus der
5n Cohorte der Delmater, und S. 5 ist in der 3n Inschrift statt
SALVATARIS MARTIVS offenbar SALVTARIS MARITVS zu lesen.
Von grofstem Interesse ist die daran sich reihende Ausbeute eines mit
Mosaik gepflasterten Todtensaales und dazu gehöriger Colnmharien* bei
Salona am Abhänge des Berges Caprario (S. 6 — 8), woraus besonders
die Spuren christlicher Todten, sowie die griechische Inschrift S. 8
hervorzuheben sind, welche letztere aber so ungenau copiert scheint,
dafs ohne eine neue Vergleicbung des Originals eine Herstellung kaum
möglich sein durfte. Die Spuren christlicher Begräbnisse zeigten sich
auch auf einem andern Todtenfelde, dessen Ausbeute von Cippi, Aschen-
krugen, Sarkophagen, Urnen, Bleikästchen mit den christlichen Symbolen
S. 10 — 12 zusammengestellt ist. Die nächste Ausgrabung wandte sich
der Untersuchung eines Privatbades und darauf des Amphitheaters zu,
dessen einer Abschnitt auf Taf. III dargestellt und S. 16 ff. in seinen
einzelnen Theilen, so weit sich darüber etwas bestimmen läfst, bespro-
chen. Aus der grofsen Masse von Asche und Kohlen wird dabei mit
Recht wohl geschlofsen, dafs die Stufen und Treppen von Holz ge-
wesen sein müsten. In gleicher Weise wurden darnach auch die Aus-
grabungen des schon früher in Angriff genommenen Theaters wieder auf-
genommen und finden sich die betreffenden Ermittelungen über die
Cavea, das Proscenium, die Orchestra S. 19 ff. in der Hoffnung mitge-
theilt, durch spätere totale Aufdeckung den Grundrifs zu vervollstän-
digen, welchen Taf. V gibt. Sehr interessant ist dabei die an der
Vorderseite des Theaters gefundene dem Hercules geweihte Ära eines
Sextus Aquillius Severus, welcher Z. 3 als OCCH-V bezeichnet
wird, offenbar also centurio COHortia V Delmaiarum war, die oben
erwähnt wurde; später war der Veteran decurio seiner Vaterstadt,
denn also ist Z. 5 DEC. SALON- •lANO zu erklären, da letzteres
Wort offenbar SALONITANORVM zu lesen und zu ergänzen ist. —
So sehr man aufser dem Tode Carraras die Hindernisse, welche sich
seinen an die Befehle von Wien, die nicht immer rechtzeitig einge-
troffen zu sein scheinen, gebundenen Ausgrabungen schon durch den
Widerstand der Ackerbesitzer und Privateigenthümer entgegenstellten,
bedauern mufs, indem durch diese Umstände eine grofsere Planmäfsig-
keit und ein erfolgreicherer Gewinn der Ausgrabungen vielfach nicht
ermöglicht wurde ; so ist immerhin die S. 22 f. gegebene Zusammen-
stellung der Ausbeute so reich, dafs man vorerst, wenn auch jener
classische Boden noch viele unberührte Sehätze enthalten mag, mit
.den vorliegenden Resultaten der gemachten Ausgrabungen sich befrie-
digt sieht. Von Monumenten mit Inschriften zählt man an 20 — 25;
an Münzen 79 silberne und 230 von Kupfer. Unter den erstem
einige consularische, sonst von M. Antonius, Galba, Vespasian, Julia,
Nerva, Trajan, Hadrian, Sabina, Faustina, M. Aurelius, Commodns,
Septimius Severus, Pertinax, Geta, Tacitus u. a. Die kupfernen sind
09868 bis zu den Zeiten der Valentiniane und des Theodosius; darunter
•ine Aelia Flacilla. Aufserdem eine Gemme ^ Scnlpturwerke (ein Ter>
660 Fr. Carrart: die Ausgrabungen von Salona.
minus von Marmor, ein kleiner Lowe u. a.), Bronaen, Gegenstlnde
von Kupfer und Messing (Pendel zu einer Wasserwage, Ring nebst
Schlufsel, Ring mit einem darauf eingegrabenen Kreuie, Kettchen,
Schnallen usw.); Werkzeuge von Eisen (Pflug, Sichel, Karst, Keile,
Nägel), ferner Vasen von Krystall und buntfarbige Halsbandperlen,
zwei Fragmente eines KIfenbeinreliefs, Spindel, Griffel, Nadein von
demselben Stoffe : endlich 8 Lampen von gebrannter Erde.'
Den Schlufs des interessanten Berichtes bilden S. 23 — 26 18 ans
der Fundstätte von Epetium stammende Inschriftdenkmaie. Diese Co-
lonie grenzte mit ihrem Gebiete an das salonitaniscke. Auch in diesen
Inschriften drängen sich einige Verbelserungen von selbst auf. Gleich
in der ersten ist Z. 2 (wenii nicht Druckfehler!) VIPSANIO statt
VIRSANIO zu lesen. Ebenso II Z. 7 FR4TRI statt ERATRf. In
V ist Z. 3 zu trennen und in die Z. 4 fortzulescn SILVINAE. Inter-
essant ist dabei, dafs der verstorbene schliefslich mit EX QVA HABEO
NATOS selbstredend eingeführt ist. VII Z. 4. 6 ist nur «in I in
dem Namen DRACONILLA zu lesen; ebendaselbst Z. 2 statt IVPE
jedenfalls mit bekannter Verwechselung des 1 und L: LVPE statt
LVPAE. VHl lautet:
D. M.
P. FLOR
CRISPINO
DE AMII
MIIIPELOR
SEVERVSFI
LIOHVFELICI
hier ist Z. 2 und 5 zu lesen und zu emendieren P. FLOREIVS. Z. 4
zu deuten DE funeto annos fre«, woran sich Z. 5 auch die «eiise« free
reihen. Z. 7 ist statt HVFELICI zu lesen INFKLICL IX durfte
ohne eine neue Vergleichung des Originals nicht herzustellen sein. XI
Z. 3 liegt in DIT • ONI (DIDONIY) ein weiterer Name des oder
der verstorbenen; dabei ist auch Z. 6 das BKNTIPOS seltsam, das
doch wohl kaum als Abbreviatur von benemcrcnti poiuit angesehen
werden kann.
Fern von der glanzvollen Residenz Diocletians aus den Grenzen
des weiten Römerrcichs fuhrt uns der unter Nr. 2 angeführte Bericht
eines Fundes, welcher durch das Land, die Art der Auffindung, den
realen, künstlerischen und geschichtlichen Werth der gefundenen Ge-
genstände ein so vieiseitiges uud allgemeines Interesse darbietet, dafs
eine eingehende Besprechung gewis allen Forschern auf dem Gebiete
römischer und vaterländischer Geschichte und Alterthuntskunde ebenso
erwünscht als an und für sich gerechtfertigt erscheinen wird. — Wie-
wohl Hannover nicht zu den Ländern des römischen Reiches geb5rte,
so wurde dennoch neben den vorhersehend keltischen und germani-
schen Funden auch eine Reihe römischer Fundstucke zu Tage geför-
dert, die sich, wie theilwei.se erklärlich ist , gerade uns insbesondere
durch den Werth des Metalls und dazu auch zum Theil den der Kunst
auszeichnen. Von bekannten Funden sind folgende zu bemerken: t)
ein goldner Halsschmuck und 5 Goldmünzen der Kaiser Valentiniaa
und Anasta-sius, gefunden 1823 im Mulsumer Moor. 2) Eine grofse
Menge Silbermünzen im Amt Neuhaus a. d. Oste: '644 Denare davon
aus der Zeit der Kaiaer Nero bis M. Aurelius werden von C. L. Grote-
fend in einem Nachtrage der vorliegenden Schrift S. 06 f. kurz das-
sificiert. und besprochen; es befindet ^ich darunter auch die einzige
griechische Münze, welche bis jetzt als in Hannover gefunden be-
kannt wurde: es ist ein unter Trajan in Lycien geprägter griechischer
Fr. Hahn: der Fund von Lengerich. 661
Deaar. 3) Eine Aniahl Goldmünzen aus der Zeit Conaiantins, gefun-
den im Osnabruckischen. 4) Aus der frühern Zeit des Drusus und
Germanicufi sind nur einzelne Munzfunde bekannt geworden, worüber
fit. 57 f. näheres beigebracht ist. 5) Wurde bei Börry ein romischer
Feldkessel gefunden mit Verzierungen im archaistischen Stile, wie Hr.
Hahn S. 5 sagt. 6) Eine bei Salzhausen gefundene römische patella
trägt den Stempel P. CIPI. POLTBI. ohne dafs jedoch die filtere, im
gemeinen Leben wohl länger im Gebrauch gebliebene Form des Gene-
tivs für eine frühere Zeit, wie S. 5 gemeint wird, zeugen durfte^ Der
bei weitem bedeutendste Fund aber von allen betraf 7) im J. 1847 eine
grofse Menge Silber- nnd Goldmünzen, so wie Goldschmuck manig-
facher Art, der jedoch leider um einen kostbaren Halsschmuck ver-
ringert war, als der Erhalter und Bewahrer dieses herlichen Fundes
denselben vor weiterer Verschleppung und Vernichtung retten konnte.
Alle Freunde der Alterthumsstudien werden dieses hohe Verdienst des
Hm. Pastor Lodtmann in Froren stets mit grofstem Danke anerkennen.
— Als man im Frühjahr 1849 auf einer Anhöhe bei Süderweh im Kirch-
spiel Lengerich, Amts Froren, einige grofse Felssteine zu anderweitiger
Benutzung entfernen «vollte, fand sich unter dem ersten eine gröfsere
Quantität römischer Silbermünzen liegend im reinen Sande, von einer
kleinen Bronzeschale bedeckt. Von den beiden nächsten gröfsern, ge-
gen Osten liegenden barg der . erste Schmucksachen von Gold und
einigen Goldmünzen, unter künstlich zusammengehänften kleinen Stei-
nen niedergelegt; der zweite mehrere mit den Bruchstücken einer flachen
silbernen Schale (patera) bedeckte Silbermünzen. Die erste Abtheilung
des Fundes bestand aus 1100 Stück Kaiser -Denaren, welche aus der
Zeit der Antonine stammen, da der älteste unter Trajan, der jüngste
unter Septimius Severus fällt; es finden sieh darunter nach Grotefends
Zusammenstellung S. 10 — 32 von folgenden Kaisern und Kaiserinnen
nachstehende Varietäten der Reverse: von Trajan 1^ Matidia 1, Ha-
drian 25, Sabina 2, Aelius Caesar 2, Antoninus Pius 94, Faustina se-
nior 35, M. Aurelius 108, Faustina innior 39, Lucius Verus 20, Lucilla
11, Commodus 57, Orispina 7, Pertinax 2, Septimius Severus 1. Die
Goldmünzen des zweiton Steines sind von Constantin und dessen Söh-
nen, gehen daher bis 361 nach Chr., in welche demnach auch die einige
und 70 Silberdenare des Usurpators Magoentius fallen, welche nebst
einem Silbermedaillon des Conatantius die Fundstucke des dritten Stei-
nes bildeten. In dieselbe Zeit fallen unzweifelhaft auch (S. 8) die
Goldsachen des zweiten Steines. Wiewohl weitere Untersnohnngen der
Fundstätte weder weitere Funde noch auch Spuren eines Begrabnis-
platzes oder Scherben oder Kohlen zu Tage forderten, so bleibt es doch
ein merkwürdiger Umstand, dafs die Tradition von einem grofsen an jener
Stelle vergrabenen Schatze sich im Munde des Volkes erhalten hat:
vielleicht also läfst sich auf ein dort gestandenes Heiligthum schliefsen
(S. 9), in welchem die der Zeit nach streng gesehiedenen Abtheilungen
des Gesammtfundes in der Weise niedergelegt worden sein konnten,
dafs zuerst die Antoninenmünzen (vielleicht um 200 n. Chr.) und dann
bedeutend später der Goldschmuck und die Münzen aus der Zeit des
Constantius und Magnentius und zwar gleichzeitig verborgen wurden
(S. 33 f.). Die goldnen Schmucksachen des zweiten Fundes sind nun
folgende: 1) eine grofse ^2 6 u(a in Kreuzesform (?): es ist aber wohl
nur die bekannte Form, ohne dafs dabei an ein Kreuzzeichen gedacht
werden kann. Auf der Rückseite des Querbalkens befindet sich in
punctierter Schrift ROMAN V, letztere beide Buchstaben ligiert und
durch einige andere fortgesetzt, unter denen sich ein R, M, weiter L
und P Hglert finden, ohne dafs die übrigen zur Rrmittlung eines Sin-
nes führten: doch scheint es der Name des Besitzers, nicht, wie es
662 Fr. Hahn : der Fund von Lengerich.
S. 35 heifst, des Fabrikanten zu sein, da das Monogramni des letitem
sich an der untern Fläche des längern Kreuzbalkens in verschlungenen
Buchstaben bezeichnet findet. 2) Zwei goldne Fingerringe von ge-
schmackvoller, eleganter Arbeit. 3) Ein goidner Doppelring von guter
und zierlicher Arbeit : die zusaminenstorscnden Knopfchen gleichen ent-
fernt Schlangenkopfen. 4) Vier Stucke kleine glockenförmige goldne
Knöpfchen mit einer Oeifnung zum Durchziehen eines Fadens versehen,
80 dafs sie entweder als Knöpfchen oder als Ohrenschmuck gedient
haben mögen. Können alle diese Schmucksachen nur aus den Händen
geschickter römischer Künstler hervorgegangen sein, so scheint dieses
minder bei den übrigen Fundstucken der Fall zu sein. Es sind dieses
5) ein spiralförmig aufgerollter starker Golddraht, ein sogenannter
Trauring, wie sie in germanischen Gräbern vorkommen ; 6) zwei goldne,
nicht geschlofsene , in ihren Ausläufen sechseckig facettierte Armringe,
wie sie sonst in keltischen Gräbern Frankreichs und Englands vor-
kommen. Alle diese Sachen sind zwar gut erhalten, waren aber bereits
längere Zeit getragen und betragen etwa 173 Thaler Werth , da alles
feines Gold ist. Leider ist die Krone des ganzen, wie oben bemerkt,
ein grofser, reicher Halsschmuck mit herabhängenden Pendeloqnen,
bereits vor Rettung des übrigen für immer verloren in den Schmeli-
tigel gewandert. VortrefTlich erhalten sind die Goldmünzen» die eben-
so wie die Silberdenare des Magnentius noch nicht cursiert zu haben
scheinen, wiewohl sich das Silber derselben gröfstentheils in Chlor-
silber verwandelt bat, wie auch bei der silbernen, in Fragmente zer-
fallenen patera , von der nur ein grÖfseres Stück erhalten ist^ auf dem
sich der leider (S. 41) nicht näher angegebene Stempel des Verferti-
gers befindet. Die Denare des Magnentius zeigen im Averse den Kopf
des Kaisers mit der Legende IM. GAE. MAGNENTIVS. AVG, im Re-
verse eine stehende geharnischte Figur, in der rechten einen mit der
Spitze abwärts gekehrten Speer, in der linken einen Schild mit der
Umschrift VfRTVS EXERCITf. In dem Abschnitte unter der Figur
stehen die Buchstaben TR, wonach die Denare in Trier geschlagen
sind. Bemerkenswerth sind die acht kleinen Varietäten der Stempel
dieser Münzen: nach den drei hauptsächlichsten ist die VIRTVS bald
mit einem Panzerhemde bald mit offner Brust dargestellt. — Diese im
Verhältnis seltenen Münzen des Magnentius sind in mehrfacher Hinsicht
beachtenswerth und auch für die vaterländische Geschichte von Bedeutung.
Die kurze Regierungszeit des Magnentius von 350 — 351 läfst. znmal bei
der Erwägung, dafs diese Denare offenbar gar nicht cursiert haben,
vor allem mit ziemlicher Bestimmtheit die Zeit errathen, in der die-
ser Fund verborgen wurde. Sehr wahrscheinlich ist daher die Ver-
muthung, welche Hr. Hahn in der kurzen Skizze der Usurpationen des
Magnentius und Vetranio S. 43 — 50 ausspricht, dafs der Schatz viel-
leicht einem jener Vornehmen oder Häuptlinge der Sachsen gehört
habe, welche Magnentius zugleich auch mit Franken, nach dem
Zeugnisse des Zosimus, bei seinem Zuge gegen Constantius aufgeboten
und als Hilfstruppen in »einem Heere gehabt habe. Denn die Fund-
stätte gehört dem Lande der alten Sachsen an. Vielleicht wurde die
erhaltene Belohnung vor dem Zuge gegen Constantius von dem vor-
nehmen Sachsen vergraben, der dann mit den seinen bei Mursa umge-
kommen sein mag; vielleicht war es auch auf einem Raubzuge gemachte
und an beiliger Stätte geborgene Beute. IVichtig ist daher dieser
Fund auch für die älteste Geschichte unseres Vaterlandes, insbesondere
der damals zuerst genannten Sachsen und Franken. — Richtic scheint
auch die Münzstätte Trier in dem TR erkannt zu sein, welche Buch-
staben Eckhel auf den bekannten Münzen des Magnentius nicht deuten
zu können erklärt. Eine besondere Betrachtung verdient auch die
Fr. Hahn : der Fund von Lengrericli. 663
VIRTVS EXERCITI einestbeils rucksichtlich der in so spater Zeit
•rscheiiienden älteren Form des Genetivs, andemtheiis wegen der Dar-
•ieltang der VIRTVS. JLdTias XXVII, 25 und Piatarch civ. Rom. 5
•rwihnen Dedicationen von. Tempeln der VIRTVS und des am häufig-
•ten mit ihr verbundenen HONOS. Für die spätere Verehrung und
Slaatische Darsteiiiing beider sind vor allem die Steinschriften und
linien in berücksichtigen. Die Häupter beider Genii erscheinen ver-
einigt auf den Münzen der gentes Fufia und Mucia (Bckhel V, 256).
HONOS allein, dargestellt durch einen Mann in der Toga, der in der
nfthten einen Zweig, in der linken Füllhorner (comueopiae, E. VII,
44) trägt, erscheint anf Münzen des M. Aurelius; HONOS mit VIRTVS
Tereint anf einer Inschrift von Esseck (Grut. 100, 4. Or. 1812), auf
M&nien des Gaiba und Vitellins (E. VI, 295. 310), so dafs HONOS
als halbbekleideter Mann, in der rechten eine Lanze, in der linken
Füllhörner, dargestellt ist, daneben VIRTVS mit Helm, in der rech-
ten das parazonium (worüber E. VI, 310 ff.), in der linken eine Lanze,
mit dem rechten Fufse anf einen Helm tretend erscheint. Mit HONOS
und zugleich mit VENVS VICTRIX und FELICITAS verbunden wird
VIRTVS auch bei Mommsen LR. N. L. 5750 erwähnt, mit letzterer
allein auch auf Münzen des Trajan (E. VI, 436), so wie andrerseits
mit SPES und VICTORIA auf einer Siebenbürger Inschrift aus der
*Zeit dieses Kaisers bei Gruter 102, 4. Zu gleicher Zeit geht daneben
die Individualisierung als VIRTVS VISENT (zn Bisenti in Etrurien
Grut. 100, 5) so wie in der spätem Zeit bei einzelnen Kaisern (E.
VII, 46. 416. VIII, 23. 30. 36. 416) und Ländern (E. VII, 484. VIII,
12. 23. 30). Dabei bleibt indessen ihre allgemeinere Bedeutung als
VIRTVS MILITV]M(E. VHI, 26) und EXERCITVVM (E. VIII, 91. 112.
134. 164) fortwährend in Anwendung. Neben die oben angeführte
plastische Darstellung derselben auf den Münzen des Galba und Vitel-
lins stellen sich nun aber zwei davon abweichende, unter sich wesent-
lich übereinstimmende weitere bildliche Verkörperungen dieses ursprüng-
lich abstracten Gotterwesens, zunächst nemlich auf den schon erwähnten
Denaren des Magnentius, dann anf demjenigen Steindenkmale, welches
allein ein Bild desselben darbietet. Auf jenen Denaren erscheint
VIRTVS als behelmte Kriegerin mit caligae, Wappenrock mit darüber-
.iiegendem Brustpanzer und über die linke Schulter liegendem kurzem
Kriegsmantel, mit der emporgehobenen rechten auf die mit der Spitze
zur Erde gewendete Lanze, wie es scheint, sich stützend, mit der lin-
ken den vor dem linken Bein am Boden stehenden Schild haltend, das
Haupt zur linken gekehrt. Die -beiden andern Hauptvarietäten des
Stempels zeigen die Gottin in derselben Stellung und Kleidung, nur
dafs bei dem einen der Brustpanzer fehlt und der Wappenrock am
Halse schliefst, bei dem andern die rechte der beiden Brüste entblofst
ist, indem der Wappenrock, die linke Brost bedeckend, sich über die
linke Schulter hinaufwindet. In ähnlicher Weise erscheint VIRTVS
in einem trefflich gearbeiteten Bilde einer ihr geweihten Votiv-Ara des
Darmstädter Museums. Die Feinheit der Gesichtszüge, die vollendete
Technik der Gewandung und der WafTenstücke zeichnen dieses bis
jetzt noch wenig gewürdigte und als Unicum der Art merkwürdige
Bild aus. VIRTVS, zur rechten gewendet, ist wie auf der Münze des
Magnentius mit dem Wappenrocke bekleidet, dessen schöner Falten-
Wurf von geübter Kfinstlerhand zeugt und welcher die rechte Brust
blofs läfst. Ihr Haupt schmückt ein zierlicher Helm, mit der rechten
stützt sie sich auf die Lanze, in der linken hat sie eine Art von Füll-
horn, welches aber in zwei Oeffnungen ausläuft, wahrscheinlich
ganz in der Weise» wie Eckhel es bei den Bildern des HONOS an-
fthrt, denen er comiicoptae, also mehrere Füllhörner beilegt. Ba
li. JaktL f. PUi, «. Pmd. Bd. LXX. Bß. 6. 43
664 Fr. Hahn: der Fand von Lengericli.
scheint aiso das Bild der Darmstädier Ära die Attrihute der VIRTV8
und des HONOS zu vereinigen. Die Randeinfafsun^ der Nische, in
welcher das Bild steht, besteht in einem Blumengewinde: ohne Zwei-
fel die Kränze andeutend, womit die siegreiche VIRTV8 MILITVM
belohnt wird: daher auch die oben^ beigebrachte Zasammenstellaiif
mit VICTORIA. Andrerseits aber kann auch beim ersten Anblicke
des Bildes nicht entgehen, dafs die DBA VIRTV9, wie sie die Dam-
städter Inschrift nennt, dem Wesen und Bild der BEIjLONA zo nahe
steht, um nicht mit ihr idcntiiiciert zu werden, und so ist denn wirk-
lieh die merkwürdige, von der Stadtwehr der civitaa Mattiaeorum ge-
weihte Votiv-Ara zu Mainz (Or. 4983) der DEA VIRTVS BBLLONA
zu Ehren errichtet, wobei zu bedauern ist, dafs die Widmung des von
jener Stadtwehr wiederhergestellten Mons Vaticanus an die genannte
Gottin ihre Verewigung in einem Bilde oder einer Statue, wie es
scheint, verhindert hat.
Frankfurt a. M. J. Becker.
Leitfaden der allgemeinen Idteraturgesckichie. Zum Gebrauche f&r
höhere Bürger- und Realschulen herausgegeben von Dr. J. G. Tft«
Grösse, k. säcbs. Hofrath, Biblioth. Sr. Maj. d. Königs von Sach-
sen , Director der k. sächs. Porzellan- u. Gefärsesammlnng^ etc.
Leipzig, Verlag von Wilhelm Baensch. 1864. VIT u. 306 S. gr. 8«
Als wir das eben genannte Werk in die Hand nahmen, rief schon
der Titel Fragen in uns wieder lebendig, mit denen wir uns ebenso oft wie
gern beschäftigt, über die Behandlung der Litteraturgeschichte auf
Schulen, über die Art und die Grenzen derselben. Und es mochte
eine Beurtheilune des Buchs ohne ein Eingehn auf diese Fragen nicht
wohl möglich sein, da ja der Titel offenbar dazu auffordert. Denn
wenn der Vf. einen Leitfaden der * allgemeinen Litteraturgeschichte für
höhere Bürger- und Realschulen' yeroffentlicht , so müfsen wir anneh-
men, dafs in diesen Unterrichtsanstalten allgemeine Litteraturge-
schichte gelehrt wird. Wir sind nicht im Stande die Programme afler
Bürger- und Realschulen durchzusehn, ob sich in ihnen ein solcher
Unterricht erwähnt findet, noch kennen wir alle einzelnen Regulative,
um bestimmt zu sagen , dafs in ihnen derselbe gefordert oder nicht ge-
fordert werde: ^ie Schulschriften der hier bestehenden zwei Reaispnn-
len erwähnen davon nichts, und dafs das sächsische Regulativ für
Realschulen eine derartige Forderung ausspreche, ist uns nicht bdcannt.
Falls nun, wie wir annehmen und auch hoffen möchten, ein solcher
Brauch nicht allerwärts, vielleicht nur an weniff Orten bestände, so
blieben wir wohl auf die Voraussetzung beschränkt, dafs der Vf. einen
solchen Unterricht für erspriefslich oder gar nothwendig hafte, und
darüber liefse sich an dieser Stelle denn wohl ein Wort sagen. Denn
je klarer die Noth wendigkeit vor den Augen liegt, die Gespanntheit
der Forderungen an die lernende Jugend zu mafsigen, um so nothiger
ist es , allen Versuchen , das schon überreiche Material noch zu ver-
mehren, wo sie immer sich zeigen, entgegenzutreten. Ein solcher
Fall liegt hier vor : denn das Buch macht durch seinen Titel das Be-
stehen oder Eintreten eines solchen Unterrichts zu seiner Bedin^unc.
Wir haben also zunächst zu fragen: soll ein Unterricht m der
allgemeinen Litteraturgeschichte ertheilt werden, das heifst
Geschichte der Entwicklung des Schriftenthums aller Volker? Diese
Frage glauben wir bestimmt mit nein beantworten in dürfen. Eine
J. 6. Th. GrSrse: Leitfaden der allgremeinen Literaturgeschichte. 665
solche aUgemeine Litteraturgeachichte ifit in keiner Schalanstalt vor-
satragen, weil sie ganz nnd gar über die Zwecke und die Fähigkeit
der Schule hinansgreift. Hat diese mit eigeutiicher Wifsenschaft^
mit dem Systeme , noch nicht zu thun , sondern auf dasselbe' vorzube-
reiten, oder den Bildungsinhalt zu geben, den das Leben fordert, so
kann sie noch weniger mit einer Geschichte der Entwicklung der Wifsen-
schaften bei den einzelnen Volkern zu thun haben. Man kann dem
allenfalls entgegnen, dafs man die Schuler doch mit den bedeutend-
sten Erscheinungen im Gebiete der Wifsenschaften bekannt zu machen
habe, und daraiSf wurden wir erwidern, dafs in den Gelehrtenschuien
und den hohem Realanstalten das wohl gelegentlich im historischen
Unterrichte nnd in den einzelnen Lehrfachern geschehen könne, dafs
aber ja nur andeutend zu yerfahren sei , weil man sich gewöhnen mufse,
auch der Selbstthatigkeit des Schülers etwas znzumutben, und dafs
bei den Bürger- und niedern Realschulen die Aufgabe an eine solche
Verpflichtung ins einzelne hinein gar nicht hinanreiche. Ja wir moch-
ten noch auf der Universität eine Behandlung der allgemeinen Litte-
raturgeschichte in dem Umfange des Leitfadens, welcher vorliegt,
für bedenklich halten, weil eine fast unerschöpfliche Stoffmasse gege-
ben ist. Jedenfalls aber;— denn auf die Frage wegen der Universität
ist hier nicht weiter einzugehn — hat die Schule mit einer solchen
allgemeinen Litteraturgeschichte nichts zu thun. Haben wir so zu-
nächst die Behandlung der prosaischen oder lieber wifsenschaftlichen
Litteratur aus dem Schulkreise entfernt, so fragte es sich weiter, Ob
die schone Litteratur all er Volker zur Behandlung kommen solle.
Diese liegt schon näher , bei einigen Völkern alter und neuer Zeit, den
Griechen, Romern, Engländern , Franzosen , ziemlich nah, die vater-
ländische Litteratur noch gar nicht zu erwähnen. Sollte also zum
Nutzen dieser im Sprachunterrichte auf G3rmnasien und Realschulen
bekannt werdenden Litteratnren allgemeine Litteraturgeschichte ge-
lehrt werden, von den Indern bis zu den Böhmen? Wir können auch
hier nicht bejahen, sondern haben uns wiederum mit dem zu begnü-
gen, was gelegentlich im Geschichtsunterrichte und in den einzelnen
einschlagenden Unterrichtszweigen geschehen kann. Es bleibt also,
was Litteratureeschicbte im eigentlichen Sinne betrifft, nur die deut-
sche Litteratur übrig. Für die Behandlung dieser in den obern Clas-
sen räumen wir willig eine Unterrichtsstunde ein, und auch hier nicht
ohne einschränkende Bemerkung. Nacli unserer Meinung nemlich wird
oft zu früh mit solchem Unterrichte begonnen und derselbe in unge-
eigneter Weise ertheilt. Zwar hat aller deutsche Unterricht vornehm-
lich zum Zwecke, auf eine Bekanntschaft mit den Schätzen unserer
Litteratur hinzuarbeiten, Lust und Liebe an der Dichtung im Herzen
der Jugend zu entzünden und zu nähren; dies aber ist vor allem auf
dem Wege der Leetüre in einer sinnigen und aufsteigenden Auswahl,
mit Hinzuziehung der Gedächtnisübungen und der reprodncierenden
schriftlichen Arbeiten zu erstreben. Biographische Notizen, gegeben
in Hinweisung auf die gleichzeitigen bekanntesten politischen Ereig-
nisse, um so für die Erscheinung einen festen Rahmen zu finden, kön-
nen allmählich dazu gethan werden. Bei weiterm Aufsteigen kann man
sich geradezu mit einzelnen besonders wichtigen Dichtern so beschäf-
tigen , dafs man ihre Lebensgeschichte vorführt und gröfsere Abschnitte
aus ihren Werken liest; dies Ist ein Verfahren, das selbst noch in
Prima (etwa an Lessing und Goethe) beobachtet werden kann. ^ Die
Litteraturgeschichte aber kann unsers Erachtens nicht wohl in einem
systematischen Vortrae gegeben werden, sondern man mag, nachdem
man eine genügende Bekanntschaft mit dem Stoffe nnd eine warme
Freude an demselben erzielt hat, die wichtigsten Perioden, Gruppen
48*
666 J. 0. Th. Grufso: Leitraden der allgemeinen Literalar^scliichte.
und Erscheinaugen kurz und verstandlich dem Schüler vorführen, das
weniger unmittelbar nahliegciide aber lieber ganz übergehen oder nar
zur Verbindung andeuten.
Nach dem j was wir bisher gefragt , ist es sehr überflafsig noch tu
bemerken, dafs also eine solche allgemeine Li tteraturgeschichte sich aaf
hohem Burger- und Realschulen nicht vortragen iäfst. Kein einsich-
tiger Schulmann wird, davon sind wir überzeugt, daran denken es sa
thun; er müste ja der Aufgabe untreu werden , die das Schulwesen in
unserer Zeit allen andern voranzusetzen hat, ncmlichder, dem Ueber-
bieten in den Forderungen und dem Vermehren des Materials Einhalt
zu thun. Mit einer solchen allgemeinen Litteraturgeschichte schleppen
wir eine solche ungeheure Last in die Schule hinein, dafs jede Mög-
lichkeit sie zu bewältigen verschwindet. Einfachheit, Knappheit thnt
noth, verbunden mit Gewifsenhaftigkeit und Sauberkeit der Aosfuh-
rung: wir bedürfen einer gesünderen Jugend, damit wir wieder so In-
dividualitäten und damit zu grofsen Erscheinungen kommen. Einer
solchen Entwicklung der kommenden Generation zu reicherer Kraft
und gröfserer Eigenthümlichkeit steht gerade die Schule mit ihren
übermäfsigen Anforderungen zwar nirht allein hindernd, aber doch
neben andern Hindernissen ein nicht zu übersehendes, im Wege. Voll
vielen Seiten ist auf Vereinfachung, Mäfsigung, auf Concentriemng
u. dgl. gedrungen: der einsichtigen Mahnung wird mehr und mehr
nachgegeben werden müfsen: bewahre uns darum der Himmel, dafs
wir da, wo wir gern mindern mochten, noch mehren sollten.
Aus dem Vorworte des Vf. ersehen wir ferner, dafs das Buch
auch dem Selbstunterrichte Gebildeter dienen soll. Unter Gebildeten
mochten wir nun gern solche Leute verstehen, die eine wenn schon
nicht gründliche doch allgemeine Kenntnis der wichtigsten litterari-
schen Erscheinungen haben. Wie denkt sich nun der Vf. diesen Selbst-
unterricht? Zum Nachlesen ist das Buch viel zu kurz und trocken;
wie könnte es auch bei seinem geringen Umfange und der Unermefs-
lichkeit der Aufgabe im einzelnen über dürftige Andeutung und kars
zusammenfafsendes Urtheilcn hinausgehen? Will aber ein sogenannter
Gebildeter sich in der Litteraturgeschichte belehren, so braucht er
mehr als das, wenn es ihm nicht blofs um ein paar Namen and Zahlen
zu thun ist. Oder er will nachschlagen; das geht darum nicht gut,
weil weder ein Inhaltsverzeichnis noch ein Register da ist. Also mit
der Benutzung von Seiten der Gebildeten sieht es nicht sonderlich ans.
Der Vf. sagt in seiner Vorrede, dafs er von allem and Jedem lit-
terarischen Apparat habe absehen müfsen und sich deshalb nur anfein
Resum6 des in seinen gröfsern Werken gegebenen Materials habe ein-
lafsen können. Das ist nun freilich leicht gesagt, dafs sich so etwas
von selbst versteht; wenn es sich nur wirklich von selbst verstände.
Uns will es nicht so scheinen, und wenn wir uns unter den Grund-
rifsen und LeitHiden, beispielsweise der deutschen Litteratnr, nmsehn,
so finden wir selbst in den kürzesten, wie etwa dem vielgebrancbten
von Schafer und dem kürzern und nicht minder brauchbaren von Heibig,
nicht allen litterarischen Nachweis ausgeschlofsen. Dafs Gräfse weder
bei den einzelnen Perioden und Völkern die wichtigsten Hilfsmittel,
noch bei den bedeutendsten Erscheinungen die Hauptwerke and Hanpt-
ausgaben nennt,- das versteht sich doch wohl kaum von selbst. Nun
fragt es sich aber auch noch, ob nichts anderes zu geben war als ein
Resuni^ aus den gröfsern Werken: dafs es wesentlich auf einen solchen
kurzen Auszug hinausläuft, davon haben wir uns selbst durch Ver-
gleichungcn mit des Vf. zweiter Litteraturgeschichte (4 Bde. Leipzig
und Dresden 1845—50) überzcagt. Uns scheint aus einem Extract
eines grofseren historischen Werkes noch keinesn^'ags das hervorgehen
J. 6. Th. Grftfse: Leitfaden der allgemeinen Literaturgeschichte. 667
zu mufsen, was man einen Leitfaden nennt und als solchen brauchen
kann : es ist vielmehr nur eine Verdannung des ersten Weirkes und als
Leitfaden dann brauchbar, wenn man Nr. 1 hinzuzieht. Eine solche
Voraussetzung kann nun wohl bisweilen gemacht werden, etwa bei
akademischen Vortragen, aber doch wohl nicht hier. Ist der vorlie-
gende Leitfaden für Schulen geschrieben , so mothet er durch seine Ent-
stehungsart und Beschaffenheit also den lehrenden die Benutzung der
grofsern Gräfseschen Werke zu, und so w^nig wir ihr stofflich -ge-
lehrtes Verdienst verkennen wollen, so kann doch gewis die Schule,
selbst wenn alle oben geänfserten Bedenken wegfielen , nichts damit an-
fangen. Der sich selbst belehren wollende Gebildete aber ist auch auf
Nr. 1 und 2 zurückgewiesen und wird also entweder Nr. 3 gar nicht
erst brauchen, oder mit Nr. 3 überhaupt nichts erreichen. -So drän-
gen sich uns von allen Seiten, wir mögen hintreten wohin wir wollen.
Bedenken gegen die Anwendbarkeit des Buches auf.
Was nun den Inhalt betrifft, so läfst sich weder von einer neuen
Anordnung des Materials, noch von einem besondern Verdienste der
Darstellung reden. Das erste geht aus des Vf. eigenen Worten her-
vor: das zweite liegt darin, dafs der Mangel einer praeciisen Darstel-
lung überhaupt die Schattenseite der Gräfseschen Litteraturgeschichten
ist. Ihr Verdienst, die gelehrte Stoffmasse, fallt hier weg, und wir
haben es darum vorzugsweise mit dem Mangel zu thnn. Aber wer
mochte das auch von ^inem Menschen verlangen? wer ihm zumuthen,
dafs er das ungeheure Gebiet der litterarischen Erscheinung mit Kennt-
nis und Urtheil bis ins einzelne hinein beherschen solle, dafs es ihm
dann auch noch gegeben sei, auf knappem Räume überall die scharfe
Essenz dieses Urtheils zu geben? Das muthen wir keinem zu, ver-
langen von ihm aber auch nicht, dafs er die Aufgabe zu lösen ver-
suche. ^ Wir könnten nun gar leicht bei einer Wanderung durch das
Buch über einzelne Darstellungen und Urtheile unsere Bemerkungen
machen, und gleich das griechische Epos und die griechische Tragoe-
die böte Veranlafsung dar , und so wurde in der Wanderung bis za
dem ^lieblichsten Dichter der Neuzeit' Oskar von Redwitz, sich
manches zeigen, was anzuführen wäre. Nachdem wir aber einmal
das Buch als nicht anwendbar für die vorgezeichneten Zwecke be-
trachten zu müfsen gemeint und uns zum Theil gegen jene Zwecke
selbst erklären musten, scheint es uns nicht mehr angemefsen zu sein,
bis in das Detail der Darstellung hinabzusteigen. Eins aber wollen
wir zum Schlufs noch bemerken: dafs uns $. 34 sehr unangenehm be-
rührt hat. Mitten unter dieser im ganzen dürren Nomenclatur den
Namen 'Christus' als Grunder eines 'Systems' zu lesen, das ist, um
es kurz zu sagen, widerwärtig: es ist die Person Christi so aller Gött-
lichkeit entkleidet, seine Religion zu einem vernünftigen System her-
abgedrückt, dafs der ^ine Paragraph schon hinreicht, um, wenn immer
noch eine Benutzung auf Schulen möglich wäre, dieselbe gänzlich ab-
zulehnen.
Alles was im Verlauf dieser Blätter gegen das Werk gesagt wor-
den ist, soll keineswegs dem Vf. die Anerkennung grofser Gelehrsam-
keit und verdienstvollen Strebens entziehen: wir hatten es mit der von
ihm selbst angegebenen Tendenz seines Buchs zu thun; sonst gestehen
wir ihm willigst eine ganz au fserordent liehe Kenntnis des Materials zu,
wenn wir dieses sein Verhältnis auch nicht ganz durch des Vf. eigne
Worte in der Vorrede »jeder sachverständige mag mit sich, ehe er ein
Urtheil fallt, zu Rathe gehen und sich fragen, ob wohl irgend ein an-
derer, der mit dem Gegenstande ebenso vertraut ist als ich —-und
ich schmeichle mir dies zu sein — ' u. s. w. bezeichnen möchten.
D. " ¥. P.
668 Antikritik.
Zur Recension meiner 'Studien über die Alt- und Neu-
griechen.'
Hr. 6. Stier hat. in diesen geschätzten Jahrb. Bd. LliK 8,
434—443 meine ^Stadien* so ungerecht besprochen , daTt ich es f6r
meine Pflicht erachte, mit einigen Gegenbemerkungen in gedrängter
Kurze zu antworten.
Wenn Hr. St. behauptet, dafs im Neugriechischen keine Infinitire,
Participialconstructionen usw. nachweisbar seien, so Terrath dies, daCi
er in das Wesen dieser Sprache nicht eingedrungen ist. Echte Parti-
cipialconstructionen wird jedermann, der die Zeitungen und Bucher der
heutigen Griechen liest, in HuUe und Fülle finden. Anch Infinitire
sind in grofser Zahl nachweisbar. In beiderlei Hinsicht empfehlen wir
Hrn. St., um sich eines befsern zu überzeugen, die grammatiichett
Werke der griechischen Gelehrten Bambas, Gennadios, Asopios. Die Cy-
firioten gebrauchen sogar in der taglichen Rede den altgriechiachen
nfinitiT (Leake: Researches in Greece p. 65). Dafs ubrigena die Um-
schreibung des Infinitivs kein neuer Zuwachs ist, sondern schon in
der Volkssprache der Altgriechen stattgefunden hat, hatte Hr. 8t. aoi
Winers Grammatik des neutestam. Spracbidioms (Leipzig 1844, 8. 388) '
und aus Minois Mynas* Calliope (Paris 1825, p. IX) lernen können.
Beim erstern kann er auch finden (S. 334), dals der Optativ ebenfalli
eine seltene Erscheinung in der Volkssprache war.
Hr. St. sagt: 'S. 72 sind für den einfachen Laut des Zeta — wie
CS auch nicht anders möglich war (?!) — nur Worter mit fifft als Be-
weise beigebracht worden,' obschon auf derselben Seite meiner 'Sta-
dien' auch Sßiüccir trr aßeaat zu lesen ist.
Kr tadelt es, dafs ich in den sprachvergleichenden Beispielen nir-
gend zwischen Stamm- und Ableitungssilben zu unterscheiden wifae. —
Ich habe jene Beispiele nur als Retorsionsargumente ans dem
Gesichtspunkte der Erasmianer angewendet, wie dies in meh-
reren Paragraphen meiner Schrift ausdrücklich bemerkt wird. Wenn
nun die Erasmianer zur Begründung ihrer stereotypen Regel, dafs das
7} immer durch das lateinische e ausgedrückt wira, eine Menge Ter-
wandter Wörter anführen; so war es mir unbenommen, nach ihren
Verfahren entgegengesetzte Wörter herbeizuziehen.
Hr. St. will mir ferner eine mangelhafte Bekanntschaft mit der
einfachen griech. Grammatik aufdisputieren, und zwar aus folffenden
Gründen: a) 'S. 74 heifst es: der allgemeine Gebrauch der Gneehen
war, die mit Vocalen anfangenden Wörter mittelst eines / anlauten sn
lafsen.' Wie falsch ! In meinem Buche steht nicht /, sondern F, wel-
ches jedermann, so er von keiner Verdrehungslust behaftet ist, fnr das
Zeichen des Digamma halten wird, worüber ich die Worte des Dionys
von Halicamass in meiner Schrift citiert habe. — b) 'Nach 8. 108
haben die Griechen ihre Schrift von den Indern mitgebracht.' Unbe-
greiflich ! Die Inder werden dort mit keiner Silbe erwähnt. — c) 'Ver-
gleicht man S. 110, so ergibt sich die völlige Unbekanntschaft des Vf.
mit dem Gesetze, dafs scbliefsender langer Vocal vor anlautendem
Vocale kurz wird,' obgleich ich gerade auf dieses Gesetz eines meiner
Argumente S. 110 gründete. Schöne Wahrheitsliebe eines Kritikers ! —
d) Er tadelt, dafs ich darJQ als lambus betrachte. Möge er doch
Thierschs gr. Gramm. (3e Aufl. §, 147, 2) aufmerksam studieren.
Sehr drollig ist auch seine Beweisführung, um meine mangelhafte
Bekanntschaft mit dem Deutschen darzuthun, welche sich darauf grün-
det, weil ich behauptete, dafs im DeuUchen sechs Diphthongen : ai, ay,
äa, ei, eu, ey einen und denselben Laut haben. Hierdurch beweist er
Antikritik. Antwort. 060
BOTy dafs ihm K. Weinholds Abhandlang fiber deutsche Rechtschreibung
(Zeitscbr. f. d. osterr. Gymn. 3r Jahrg. S. 105) und die Forschungen
deutscher Linguisten fremd sind.
Noch anmafsender ist aber seine Behauptung, dafs ich sogar mit
meiner ungarischen Muttersprache eine mangelhafte Bekanntschaft
Terrathe, Er will mich belehren, dafs gute Dichter das magyarische
a und e stets als lange Silben brauchen. Das ist aber grundfalsch.
David Szabo', Garay, Vajda, Carl Kisfaludy, die alle gute Dichter sind,
nehmen das d und e für kurz und lang. — Dann stofst er sich an dem
%o{Qavogy weiches ich mit dem ungar. kiraly (Konig) verglichen habe,
und halt es für das slavische kral, poln. kro*l, litth. koralue. Komisch
ist es aber, wenn Hr. St. über denselben Gegenstand im N. ung. Mn-
seum (Augustheft 1854 8, 175) sagt: ^eine solche Rtymologie kann der
Ungar. Sprache keine grofse Ehre bringen, weil so ihr Wortschatz un-
nutz Vermindert ivird.' Schon! ivenn also kiraly mit einem griech.
Worte verglichen wird, das bringt keine Ehre der ung. Sprache; wenn
es aber von dem Slavischen abgeleitet wird , das soll ihr Ehre bringen !
Man sieht, Hr. St. hat vorräthig zwei etymologische Principien, eines
für Deutschland, das andere für Ungarn.
Fälschlich behauptet auch Hr. St., dafs der Urtext zu der Ge-
schichte der Griechen seit Alexander in meinen ^Studien' bei Henrichsen
sich finde, indem er die dort citierten Hilfsquellen gänzlich ignoriert.
Wenn er aus meinen 'Studien' aufseü der Vergleichuhg des
i/Tcr mit dem ung. e nichts gelernt hat, so kann ich hierauf nur er-
wiedern, dafs auch die Bourbonen nie was lernen wollten. Dies wird
man mir aber ebensowenig zur Last legen, als dafs in Wittenberg die
Bierbrauerei Kuckuck hei Pst.
Wie ist es moelich, dafs der griech. Unterricht in der itacistischen
Aussprache Nachtheile und Hindernisse finden soll, wenn dies seit
Alexander bi» zu den Zeiten des Erasmus nicht der Fall war? Nur
unkundige können es behaupten , dafs die itacistische Aussprache das
Scandieren der Verse unmöglich mache. — Hier ist es am rechten Platze
Hrn. St. zu erinnern, dafs er sich den Ausfall über den gerügten
Dactylus fiiv oUi — um so mehr hätte ersparen können , als in §, 97
meiner 'Studien' (S. 105) derselbe Yerstheil als ein Beispiel der Syni-
zese angefahrt ist.
Auf die Schlufsworte des Hrn. St.. habe ich noch folgendes zu
bemerken: da in ganz Griechenland und unter allen Griechen eine
gleiche Aussprache herscht, und da im College de France wie auch in
der Facult^ des lettres zu Paris, dann in Rom und im Yenetianischen
die itacistische Aussprache eingeführt ist, so haben die Griechen,
Franzosen und Italiener aufgehört die Wahrheit zu suchen ! ! Eine
schone Satire auf die deutsche Wifsenschaft, die nicht einmal in Schul-
angelegenheiten eine Einigkeit zulafsen soll. Ist es dann ein Wunder,
wenn die Theoretiker durch ihre deutsche Wifsenschaft auch die poli-
tische Einigkeit Deutschlands stets hintertreiben?
Pest 1854. J. T^lfy.
Antwort.
Obige Entgegnung, deren Mittheilung vor dem Druck ich der Gute
der Redaction verdanke, hat mich mit lebhaftem Bedauern über die
UnVollständigkeit meiner Recension erfüllt. Ich hatte nemlich schon
dort hinzufügen können und sollen, dafs ich nach Hm. T^lfys Art
Bucher zu schreiben mit Sicherheit vorauswifse, wie er Repliken schrei-
ben wurde. Diese meine Duplik wäre dann unnothig, und ich könnte
670 Antwort.
mich hochfltenfl in stillen wandern, dafs Hr. T. gerade nur amf diese
Punkte meiner Rec. etwas zu entgegnen gefunden hat. Nan aber be-
nutze ich die Gelegenheit, noch nachträglich zu bemerken, dafs ich
sicher bin: wenn ein dentscher d. h. gründlicher Gelehrter (aad auf
deren Beifall allein kommt es mir an) wirklich der ganzen Angelegen-
heit noch einige Aufmerksamkeit schenken sollte, so wird ihm einfache
Lesung meiner Rccension augenblicklich zeigen, anf welcher Seite das
Rocht liegt.
In einem einzigen Punkte fühle ich mich im Gewifsen gedrungen
Hrn. T. um Entschuldigung zu bitten. Derselbe sagt S. 107 f.: in
Sanskrit habe sich ai zu c gebildet; die Mehrheit der Griechen habe
also das «t wahrscheinlich so geerbt, dafs es nur für das Aoge, nicht
aber fürs Ohr Diphthong war. Ich in meiner Unschuld glanbte, 'Sans-
krit' und 'Sprache der alten Inder' seien Synonyma; and daher mag
die Ungenanigkeit meines Citats rühren — denn Hr. T. hat gani Recht:
das Wort 'Inder' wird S. ^ 108 mit keiner Silbe erwähnt.
Die Stelle meines im Uj Magyar Museum abgedruckten Artikel-
chens werde ich wo möglich in einer ungarischen Zeitschrift fnr Hm.
T. zu erläutern suchen, wiewohl wer den Zusammenhang beachtet,
dies um so weniger bedürfen wird, da auf S. 174 jener Zeitschrift
kiräly ebenso abgeleitet ist wie in meiner Recension S. 438.
Wittenberg. G. SHer.
Register zu Bd. LXIX n LXX.
I. Register der benrthefllen und angezeigten Schriften nnd der
vermischten Aufsätze und Notiz en."^)
A«8chylas: ed. G. Hermann, 70, 361.
— • Aeschyli et Sophoclis fragmenta
y ed. Wagner. 70, 411.
Alciphronis rhetoris epistolae: ed.
Meineke. 70, 599.
Archiv für Frankfurts Geschichte und
Kunst. 68 Hft. 70, 655.
Aristophanes: ausgewählte Komoedien
erkl. von Th. Kock. 2s. Bdch. 69,
353. — S. auch Enger,
Aristoteles : s. Kersten , Prantl,
Boumot.
Ausgrabung von Olympia: 69, 352.
Auszüge avs Zeitschriften: Gel. An-
zeigen herausg. von Mitgliedern
der k. bayer. Akad. 69, 340 u. 70,
342. — Göttinger gel. Anze^q.
69, 345. — Allgem. Monatsscimft
für Wissensch. u. Litteratur. 69,
219 u. 70, 550. — Paedagog. Re-
vue. 69, 224 u. 70, 103. — Rhein.
Museum. 69, 108. — Zeitschrift
für die Alterthumswissenschaft. 69,
105 u. 70, 338. -- Zeitschrift für
das Gymnasialwesen. 69, 443. ■ —
Ber. über die zur Bekanntmachung
geeigneten Verhandlungen der k.
preuss. Akademie. 69, 450. —
Zeitschrift für die österreichischen
Gymnasien. 69, 695. — S. auch
Kiehl u. The Journal
ß.
Ballhom-Rosen: zyr Vorgeschichte des
röm. Rechts. 70, 464.
Bericht über die 14e Versammlung
deutscher Philologen und Schul-
männer zu Altenbnrg. 70, 524. —
über die Verhandlungen der paeda-
gogisehen Section bei ders. Ver-
sammlung. 70, 534.
Bernhardt : Begriff und Grundform der
griech. Periode. 70, 271.
Bielowski: Pompeii Trogi fragmenta.
70, 54.
Bode: materia qualem apnd Platonem
habeat vim atque natnram. 70, 651.
Boumot: Platonica Aristotelis opu-
scula. 70, 651.
Brunn: Gesch. der griech. Künstler.
Ir Theil. 69, 273. 372.
C.
Gadenbach: conimentationum Sopho-
clearnm specimen. 69, 203.
Garrara: die Ausgrabungen von Sa-
lona. 70, 658.
Cicero: Rede für P. Sestiiis erkl. v.
Halm. 69, 38.
Classen : Beobachtungen über den ho-
merischen Sprachgebrauch. 70, 69..
D.
Demosthenes: s. Jaehne, Solil, Schä-
fer j Nitzsch, Overstraeten , Herr-
mann, Hombastely Hermann^ Haupt,
Heinrichs.
Deuschle: die platonischen Mythen.
70, 143.
Deutsche Sprache, Unterricht, Littera-
tur: 8. ü. Raumery Günther, Fuchs,
Hottzmann, Koch^ Schmidt , Hoff-
mann. Frei,
Diesterweg: paedagog. Jahrbuch für
1854. 70, 518.
Döderlein : homerisches Glossarium.
*) Diejenigen Programme, welche in den stalislischen Nachricliten nur genannt sind,
haben in diesem Register keine Aufnahme gefunden; ilie Nainen 9er Verfasser aber
sind in das HI. Register eingetragen«
vji
Regster.
69» 481. 597. -— Scherflein fun Griechische Grammatik und Unteihrlöht:
Ventändnis des Horatins. 70, 83. s. Feldbausch, dassen, Bernhardt.
Dancker: Geschiohte des Alterthums. Günther: Schiller's Lied von der Glocke.
Ir und 2r Band. 69, 3dO. 69, 79.
E.
Egger: ApoUonius Dyscole*. 70, 166.
Richhoff: logica trium .dialogorum
Platonicorum explicatio. 70, 653.
Enger: über die Parabase der Wol-
ken des Aristophanes. 69, 549.
Englische Sprache, Litteratur u. Un-
terricht: B. Kemmer,Spaldingy Feiler.
Epigraphik (griecl^che) und Palaeo-
graphie. 69, 511.
Euripides: Medea ed. Kirchhoff. 69,
618. — Troades ed. Kirchhoff. 70, 3.
Eyth: Uebersicht der Weltgeschichte
vom christlichen Standpunkte. 70,
189.
F.
Feier v. Ritschl's 25jähr. Doctorjnbi-
laeum. 70, 111. — Jnbelfeier der
Klosterschule zu Rossleben. 70, 350.
Feldbausch: griech, Grammatik znm
Schulgebrauch. 69, 327.
Feller: Handbuch der engl. Sprache.
70, 516.
Flathe : der phokische Krieg. 69, 674.
Florus : epitomae de T. Livio bellorum
omnium annorum DCC libri II ed.
Jahn 69, 172.
Frans: corpns inscriptionum Graeca-
rum. Vol. m fasc. U. 69, 511.
Frei: Schul grammatik der neuhoch-
dentschen Sprache« 70, 635.
Fuchs: Lehrbuch der deutschen Me-
trik. 70, 95.
G.
Geschichte : s. Folpert, Duncker^ Eyth,
ThUle,
Giseke: die allmähliche Entstehung
der Gesäuge der Ilias. 69, 241.
Göttling: de loco Antigouae Sophociis
vv. 866—879. 69, 199.
Grässe : Leitfaden der allgemeinen
Literaturgeschichte. 70, 004.
Graf: religiöse Vorträge. 69, 101.
Grautoff: Turpiliananim comoediarum
reliquiae. 69, 31 ff.
Gregorius Turonensis: s. Uaase»
Griechische Altcrthumer, (beschichte,
Kunst und Litteratur: s. Nitzsch,
Ooerbeck, Giseke, Brunn, T4lfy,
RangM, Flathe^ SöUl, Schäfer.
H.
Haase: Gregorii Turonensis episcopi
über de cursu stellarum. 69, 319.
Hagen: Catilina, eine historbche Un-
tersuchung. 70, 296.
Hahn: der Fund von Lengerich in
Hannover. 70, 660.
Halm: s. Cicero,
Haupt: demosthenische Studien. 70,
507.
Hauschild: wie kann sich die Schule
an der Sorge für die nöthige Lei-
besbewegung unserer Kinder — be-
theiligen? 70, 520.
Hebraeische Sprache: s. Meier und
Seffer.
Heinrichs : quaestiones Demosthenieae.
70, 512.
Hermann, G.: s. Aeschylut.
Hermann, K. F.: die Hadeskappe. 69,
Q75. _ disputatio de Midia Ana-
gyrasio. 70, 505.
Herodot: s. Herold,
Herold : emendationes Herodoteae.
Pars I. 69, 329.
Herrmann: einl. Bemerkungen zu De-
mosthenes paragraphisohen Reden.
TD, 502.
[omna
Homnann : neuhochdeutsche Sehul-
grammatik. 70, 630.
Holtzmann : Untersuchungen über das
Nibelungenlied. 70, 204.
Homer: Odyssee erkl. von faesi. 2e
Aufl. Ir und 2r Bd. 70, 283. —
S. auch Güeke, Clanen, Döder-
lein,
Horatins: Oden und Epoden erkl. von
Nauck. 70, 40. — S. auch Kär^
eher u. Böderlein.
Hornbostel : über die von Demosthenes
in Sachen des Apollodor verfasaten
• Gerichtsreden. 70 , 504.
Hudemann: s. Klotz,
Huth: vier Erbauungsreden. 69, 101.
J.
Jacobs: s. Sallustius»
Jaehne : diss. qua demonstratur,
quantum adolescentes — lectione
Demosthenis Inventur io rebus ei-
vilibus recte cognoscendis. 70, 496.
Jahn:s. Florus.
Keckster.
67S
JahibüeherdesVereiasvonAlterthoms-^Niggeler: das Turnen. 70, 520.
freunden im Rheinlande. XIX. 69, Nipperdey: b. TaeUus,
Ingenlev: lateinisch- deutsches Schul-
wörterbuch. 69, 403.
Inschriften : s. Franz ,
Mommsen, Kirchhoff, Lange,
K.
K&roher: Horaz. 3e Lieferung. 70, 80.
Kemmer: Andeutungen su einer engl.
Wort- und SaUlehre. 69, 694.
Kersten: quo iure Kantius Aristotelis
categorias reiecerit. 70, 78.
Kiehl, Mehler, Naber : Mnemosyne.
70, 90.
Kirchhoff: das Stadtrecht v. Bantia.
69, 90. — S. auch Euripides.
Klotz, Liibker, Hudemann: Handwör-
terbuch der latein. Sprache. 69, 403.
Koch, F.: deutsche Grammatik für
- höhere Lehranstalten. 70, 473.
Koch, G. A. : lateinisch - deutsches
Handwörterbuch. 69, 403.
Kock: 8. Arisiophanes.
L.
Ladewig: über einige Stellen des Ver-
gil. 69, 558.
Lange : die oskische Inschrift der Ta-
bula Bantina. 69, 90.
Lateinische Sprache und Unterricht:
8. Klotz, Ingerslev, Koch, Scholz,
Livlus: erkl, von Weissenborn. Is und
Ä Bdch. 69, 649 u. 70, 455.
Lübker: s« Klotz,
M.
Mathematik: s. Runge, Meyer,
Mehler: s. KieM,
Meier: die Form der hebraeischen Poe-
sie. 69, 690.
Meineke: vindicianim Strabonianarum
über. 69, 258. — S. auch Strabo
und Alciphron,
Meroklin : quaestt. Varronianae. 69, 96.
Meyer : die windschiefe Präche. 69, 104.
Mommsen : Inscriptiones regni Nea-
poUtani Latinae. 69, 112.
Mythologie : s. //ermann , K, F.
N.
Naber: s. KieM,
Naturgeschichte: s. Schilling,
Nekrolog von Chr. W. Mitscherlich.
69, 235.
Neumann: s. Rothitdn,
Nitzsch: die Sagenpoesie der Grie-
chen. 69, 8. 129. — disputatio de
Demosthene oratore tali qualem
Plato requisivit. 70, 501.
0.
0 verbeck: Gallerie heroischer Bild-
werke der alten Kunst. 69, 141.
385. — Knnstarchaeologische Vor-
lesungen. 70, 176.
Overstraeten , van : les oratenrs At-
tiques et les Saints P^res. *70, 501.
Ox^: de Sophoclis trachiniis. 69, 209.
P.
Paedagogik: s. Raumer, Hauschild,
Pausanias: ed. Schubart. 70, 412.
Physik: s. Trappe.
Piaton: sämmtl. Werke nbers. von
H. Mailer, mit Einl. von Steinhart.
4r Bd. 70, 19. 121. — Phaedon
für den Schulzweck sachlich erklärt
von Schmidt. 70, 312. — S. auch
Steinhart, Deuschie, Sdmädt, Speck,
Bode, Boumotj Eichhoff,
PompejUs Trogus, s. Bielowski.
Prantl: über die Entwicklung der ari-
stotelischen Logik aus der piaton.
Philosophie. 69, 672.
R.
Rangabe: Antiquit^s Hell^niques. 69,
511.
V. Raumer: der Unterricht im Deut-
schen. 69, 73.
Rhetores Graeci: s. Spengel.
Richter: Blutarmuth und Bleichsucht.
70, 334.
Römische Litteraturgeschlchte: s. (rrau-
toff, Mercklin, Thilo,
Rothstein: die Gymnastik nach dem
Systeme P. H. Ling's. 70, 330. —
Anleitung zu den Uebungen am
Voltigirbock. 70, 333. — und Neu-
mann: Athenaeum für rationelle
Gymnastik. 70, 328.
Runge: zwei Abhandlungen über die
Cycloide von Pascal. 69, 104.
Ruprecht: die deutsche Rechtschrei-
bung. 70, 514.
S.
Sallustius : erkl. von Jacobs. 70, 434.
Schaedel : de Sophoclis Oedipi in Co- *
lono locisnonnuUisepistoIa. 69,205.
674
Rd^Uter.
Schaefer: Demosthenes und die alhen«^
Staatsmänner seiner Zeit. 70, 500.
Schenkl: krit. und erklärende Anmer-
kungep zu den Trachi nierin uen des
Sophokles. 69, 210.
Schiller: s. Günther.
Schilling: Grundriss der Naturge-
schichte. 69, 564.
Schirlitz: neue Schulreden im Gymna-
sium zu Nordhausen gehalten. 69,
336.
Schmidt, H. : krit. Com meutar zu Piatos
Phaedou. le und 2e Hälfte. 70, 151.
Schmidt, J.: Gesch. der deutschen
Nationallitteratur im neunzehnten
Jahrh. 70, 477.
Schueidcwin: s, Sophokles,
Scholz: exempla sermonis Latiui ex
Corderii Erasmique coUoquiis et Te-
reniii comoediis deprompta. 69, 212.
Schubart: s. Pausanias.
Schul reden: s. ffuihf Graf, Schtrlilz,
Seffer : Elementarbuch der hebraeischen
Sprache. 70, 638.
Sohl : Demosthenes als Staatsmann und
Redner. 70,497.
Sophokles: erkl. von Schneidewin. 4s
und 5s Bdch. 69, 492. — S. 4iuch
Ullrich^ GöuUng, Winckelmann, Ca-
denbach, Schaedel, Oxe^ Schenkl,
Spaiding: Geschichte der englischen
Liiteratur. 70, 306.
Speck: Wärdiguug der platonischen
Lehre von der Unsterblichkeit. 70,
650.
Spengel: Rhetores Graeci. Vol. I. 69,
630 u. 70, 271.
Steinhart: prolegomena ad Platonls
Philebum. 70, 141. #
Straho: geographica recogn. Meineke.
69, 258. — 8. auch Meineke,
Ttilfy: Studien über die Alu u. Neu-
griechen und über die Lautgeschichte
der griech. Buchstaben. 69, 434.
vgl. auch 70, 668.
The Journal of classical and sacred
philülogy. 70, 94.
Thiele: zur Charakteristik des Teut-
schen Fürstenstaats von V. L. von
Seckendorff. 70, 323.
Thilo : de Varrone Plutarohi quaestio-
num Roman, auctore praecipuo. 69,
96.
Trappe: Leitfaden für den Uuterricbt
in der Physik. 69, 567.
Turnen: s. Rothatein, Richter j Nigge^
lery Hauachüd, Vieth,
U.
Ullrich: über die relig. u. sittl. Be-
deutung der Antigone des Sopho-
kles. 69, 197.
Tacitus: erkl. v. Nipperdey. Ir u. 2r
Band. 69, 52. 154. 300.
Varro: s. MercJcUn, Thüo.
Vergilius: s. Ladenfg,
Verordnungen: s. Reg, IV, Sieben-
bürgen, Preuasen, Bayern, Oeeter-
reich , Württemberg , Tübingen,
Frankfurt am Main, Wien.
Verzeichniss der Vorlesungen. 69, 469.
586; u. 70, 576.
Vieth: über den Zusammeahang des
Tui^platzes mit der Schale. 70, &22.
Voipert: de regno Pontico. 69, A.
W.
Wagner: s. AescJiyltts.
Weissenborn: s. Livius,
Wex: spicilegtum in Sophoclis Oedipo
Coloneo. 69, 207.
Winckelmaim : Beiträge zur Kritik und
zur Erklärung der Autigone des
Sophokles. 69, 200.
II. Register der Hitarbeiter.
A. B.
A. in L. : Anz. v. Hemmers Andeu- Bartsch in Berlin: Ana. v. Holts-
tungen zu einer engl. Wort- u. Satz- mann's Unters, über d. Nibelungen-
lehre 69, 694. lied 70, 204.
,Ameis in Mühlhauscn: Anz. v. Faesi's Becker in Frankfurt a. M.: Anz. v.:
Odyssee 70, 233. Archiv f. Frankfurts Gesch. u. Kunst
Register.
075
70, 656, V. Carrara'g Ausgrabun-
gen V. Saloua 70, 658, v. Hahn's
Fund V. Leiigerich 70, 660.
Böttger in Dessau : Aoz. v. Spaldiug's
Gesch. d. engl. Litteratur 70, 906.
Brandes in Leipzig: Ans. von Kiel's
u. A. Mnemosyne 70, 90, v. Jour-
nal of class. and sacred philology
70, 94.
Braun in Rom: Anz. v. ßninn's
Gesch. der griech. Künstler 69,
273.
Curtius in Prag: Anz. v. KirohhoCT*»
Stadtreclit v. Bantia u. Lange d» osk.
Inschrift der Tab. Bantiua 69, 90.
Deuschle in Hanau: Anz. v.Prantl über
die Entwicklung der aristotei. Lo-
gik 69, 672, V. Kersten quo iure
Kantius Aristotelis categorias reie-
cerit 70, 78, v. Schmidt's krit.
Commentar zu Plato's Phaedon 70,
151, V. Schmidt's Plato's Phaedon
sachl. erklärt 70, 312, v. Eich-
hofiTs diaiogonim Platonicorum ex-
plicatio 70, 653.
Üietsch in Grimma: Anz. v. Scholz's
exempla sermonis Latini 69, 212,
V. Herold*s emendatt. Herodoteae
69, 329, Y. Schirlitz's neuen Schul-
reden 69, 336, Antw. an R. Geier
69, 453, Anz. ▼. Ladewig über
einige Stellen dea Vcrgil 69, 558, v.
Eyth's Ueberbl. der Weltgeschichte
70, 189, Bericht über die Philolo-
genversamrolung in Aitenburg 70,
524.
Düntzer in Köln: Anz. v. Duderiein's
homer. Glossarium 69, 481. 597.
EirgerinOstrowo: Anz. v. Aristopha-
nes ausgew. Koraoedien erkl. v. Kock
69, 353, V. Aeschylus ed. G. Her-
mann 70, 361, V. Aeschyli et So-
psoclis fragm. ed. Wagner 79, 411.
Fahle iu Attendorn: Anz. v. Scliil-
Ung's Grundr. d. Naturgeschichte
09, 564, V. Trappe's Leitfaden für
den Uuterr. in d. Physik 69, 567.
Finckh in Heilbroun : Anz. v. Rlietores
Graeci ed. Spengel. Vol. I. 69, 630.
Flügel in Leipzig: Ana. v. Feller's
Handb. der engl. Sprache 70, 516.
GoBsrau in Quedlinburg: Anz. v. Ha-
gen's Catilina 70, 296.
Gutschmidt, v. , in Dresden: Anz. y.
Volperl de regno Pontlco 69, 84.
H.
H. io D.: Anz. von Schiller's Glocke
erkl. T. Günther 69, 79.
H. in Elberfeld: Anz. v. .Thiele zur
Charakteristik des Teutschen Für-
stenstaats von Seckendorff 70, 323.
Halm in München: Anz. v. Florus ed.
0. Jahn 69, 172.
Heerwagen in Bayreuth: Anz. v. Li-
vius erkl. v. Weissen bom 69, 649.
Heffteriu Brandenburg: Anz. v. Fuchs'
deutscher Metrik 70, 95.
Heibig in Dresden: Anz. v. Duncker's
Gesch. des Altertliums 69, 330.
K.
K...1 in D. : Anz. v. Huth's Erbauungs-
reden u. Grafs relig. Vortr. 69, 101.
Kayser in Heidelberg: Anz. v. Meine-
ke's vindiciae Strabon. u. Strabo ed.
Meineke 69, 258, v. Schneidewiu's
Sophokles 69, 492, von Rhetores
Graeci ed. Spengel u.Bernhardt's Be-
griff der griech. Periode 70, 271, v.
Pausanias ed. Schubart 70 , 412.
Keil, K. , in Schulpforte: Anz. v. Al-
ciphron ed. Meineke 70, 599.
Keil, H., in Halle: Anz. v. Mercklin's
cfuaestt. Varronianae u. Thilo de
Yarrone 69, 96.
Klein in Mainz: Anz. der Jahrbb.
des Vereins rheinlfind. Alterthums-
fireunde 69, 682.
KlosB in Dresden: Aoz. v. Sciuriften
vom Turnen u. der Gesundheits-
pflege in Schulen 70 , 325 u. 517.
Köhler in Weimar: Anz. v. BallNbrn-
Ro8en*s Vorgesch. des röm. Rechts
70, 464.
KolBter in Meldorf: Anz. v. Horatius
Oden von Nauok 70, 40.
Ladewig in Neustreiitz : Anz. v. KioU*
Lübker-Hudemaun lal. Handwörter-
buch, V. Ingerslev's lat.-deut8ch.
Schulwörterbueh u. v. Koch's lat.-
deulsch. Handwörterbudi 69, 403.
676
Register.
Ley in Dresden: Ans. ▼. Meier^s Form,
d. hebraeischen Poesie 69» 690.
M.
Maehly in Basel: Ans. von Cic. or.
pro Sestio ed. Halm 69, 38.
Mezger in Schönthal: Ans. y. Sallust
erkl. V. Jacobs 70, 434, v. Sef-
fer's hebr. Elementarbuch 70, 638.
N.
Nauck in Berlin: Ans. v. Euripldis
Medea ed. Kirchhoff 69, 618, v.
Enrip. Troades ed. Kirchhoff 70, 3.
0..
Osann in Giessen: Ans. von Gregorias
Turonensis de cnrsa stellamm ed.
Haase 69, 319, v. Trogl Pompeii
fragmenta ed. Bielowski 70, 54.
P. in Dresden: Ans. v. Schmidts
Gesch. der deutschen Nationalli-
teratur im 19. Jahrb. 70 < 477,
V, Gr&sse's Leitfaden der all gem.
Literaturgeschichte 70, 664.
Petersen in Hamburg: Ans. v. Over-
beck*s Gallerie heroischer Bildwerke
69, 141. 385.
Piderit in Hanau: Ans. v. Classen*s
Beobachtungen über d. homer.
Sprachgebrauch 70, 69.
R-
Raumer, v., in Erlangen: Selbstanz.
von V. Raumer*8 Unterricht im Deut-
schen 69, 73.
Rehdauts in Halberstadt: Anz. v. Jaehne
lect. Demosth. 70, 496, v.' SöUrs
Demosthenes 70, 497, v. Schäfer's
Dem. u. die Staatsmänner s. Zeit
70, 500, T. Nitzsoh's disp. de De-
mosthene 70, 501, v. van Over-
straeten's orateurs AtUques 70, 501,
v.*Herrmann's Bemeikungen su Dem.
Paragraph. Reden 70, 502, v. Hom-
borstel über Dem. Gerichtsreden 70,
504, T. Hermann'» disp. de Midia
70, 505, V. Haupt's demosthen.
Studien 70, 507, v. Heinrichs
quaestt. Demosthenicae 70, 512.
Ribbeck iu Elberfeld: Ans. von Grautoff
TurpU. comoed. reliqulae 69, 31.
Ross in Halle: Anz. v. Frauz*s corpus
inscriptt. Graec. u. v. Rangab^s
Antiquit^ Hell^niques 69, 511. 647.
S.
Seh. m Gr.: Anz. v. Flathe's phok.
Krieg 69, 674.
Schlömilch in Dresden: Ans. ▼. Run-
ge's Abhandl. über die Cycloide v.
Pascal u. Meyer's d. windschiefe
Fläche 69, 104.
Schneidewin in Göttingen: Anz. v.
Ullrich über Sophokles Antigone,
Göttling de loco iaitigonae, WinckeU
mann zur Krit. u. zur Erklärung der
Antigone , Cadenbadi's oomment.
Sophocieae, Schaedel de Sophociis
Oed. Col. loois, Wex spieil. in
Sqphoclis Oedipo Gol., 0x6 de
Soph. Trachiniis, Scheakl's Anmer-
kungen zu Soph. Traohinlerinnen
69, 197, Nekrolog von Mltscherlich
69, 235.
Schömann in Greifswald: Ans. von
Nitzsch's Sageapoesie der Griechen
69, 3. 129.
Schwenck in Frankf. a. M.: Ans. ▼.
K. F. Hermann*s Uadeskappe 69,
675 , V. Kärcher*s Horas. 3e Lief.
70, 80, V. Döderlein's Scherflein
s. Horaz 70, 83.
Sengebusch in Berlin: Anz. v. Gie-
seke's d. allmähl. Entstehung der
lliasOO, 241.
Stier in Wittenberg: Ans. v. T6lfy*s
Studien über die Alt- u. Neugriechen
69, 434, Antwort an Ti\t^ 70, 669.
Susemihl in Greifswald: Ans. y. Pinto
v. Müller u. Steinhart 70, 19. 121,
V. Steinhart*s prolegomena ad Pia-
tonis Philebum 70, 141, v. Deuschle
d. piaton. Mythen 70, 143, t. Speckes
d. piaton. Lehre von der Unsterb-
lichkeit 70, 650, V. Rode's materia
ap. Platonem 70, 651, v. Bour-
not's Platonica Aristotelis opuscula
70, 651.
feuffel in Töblogen: Anz. v. Enger
über die Parabase von Aristoph.
Wolken 69, 549.
U.
Urlichs in Greifswald: Ans. von Ntp-
perdey*s Tacitus 69, 52. 154. 300,
V. Brunn's Gesch. der grieeh. Künst-
ler 69, 372, V. 0verbeck*8 kunst-
archaeol. Voriess. 70, 176.
Register. (|77
W.
Vilmar in Hanau : Anz. V. Koch'g deut- Weil in Be8an9on: Anz. v. £gger'd
scher Grammatik 70, 473» v. ftu- Apollonius Dyscole 70, 106.
preeht's deutscher Rechtschreibung Wex in Schwerin : Ans. v. Livius erkl.
70, 514, V. Hoffmann's u. Frei*s v. Weissenbom 70, 455.
neuhochd. Grammatiken 70, 630.
m. Register der in den statistischen und Personalnotizen
Yorkommenden Namen.
Abel t 70, 576. Ackermann 70, 118. Adam in München 69, 122. — v.
Brackenheim n. Heilbronn 69, 348. Adler 70, 119. Agassis 69, 121.
Ahlwardt 70, 565. Ahn 69, 461. Ahrens in Hannover 69, 702. 70,
347. — in Coburg 70, 225. Aken 69, 701. Albrecht 69, 126. AU v.
Troppau n. Pressbnrg 69, 467. Altenburg 69, 706. Altendorf 70, 346.
Ameis 70, 567. Anderssen 69, 459. Andrä 69, 118. Anton ▼. Berlin
n. Lübben 69, 574. — in Rossieben 70, 351. Apel f 69, 351. Arndt
in Halle 69, 119. — in Lissa 69, 461. — in Bonn 69, 574. — in
Magdeburg 70, 118. Arneth f 69, 707. Arnold f 69, 119. Aschbach
69, 707. 70, 571. Aftchenbach 69, 702. Aub von Bayreuth n. Mainz
69, 117. Auer 70, 571. Anerbach 69, 575. Auersperg, v. 69, 122.
Aufsess, von und zu 70, 568. August 69, 574.
Babanck 69, 704. Babo, v. 69, 701. Bahnsen 70, 118. Balsam 69, 703.
Banse 70, 118. Barke 69, 234. Bariösius 70, 567. Bartels 70, 225.
Barth f 69, 127. Bartholdy 70, 231. Bartsch 69, 234. Baudis v.
Budweis n. Görz 69, 119. Bauer v. Eichstädt n. Kempten 69, 120. —
in Augsburg 70, 345. — v. Kempten n. München 70, 568. Baumert v.
Breslau n. Bonn 70, 346. Baumgardt v. Cöslin n. Potsdam 69, 574.
Baumgartner, v. 69, 121. Baur 69, 675. Beccard 69, 229. Bech v.
Magdeburg n. Zeitz 69, 234. Bechtold 69, 574. Becker v. Hadamar n.
Frankf. a. M. 69, 230. 701. — in Zwickau 69, 351. — in Darmstadt
69. 575. — in Wittenberg 69, 707. — in Donaueschingen 70, 346.
Beckers 69, 121. Beer 69, 580. Behlau 69, 348. Behrle 70, 346.
Beinert 69, 459. 70, 116. Beinling 70, 116. Bekker 69, 230. Beley
69, 575. Bellermann 69, 574. Beltz 70*, 226. 561. Bender 69, 575.
Bendixen v. Altona n. Plön 69, 228. 70, 118. Benecke 69, 702. Be-
neke + 69, 585.^Bentfeld 69, 702. Benvenuti 70, 230. Berger in Celle
69, 702. 70, 347. — in Lemgo 70, 228. Bergmann 70, 225. Berlin-
ger 70, 571. Bernd in Bonn + 70, 232. — in Wien 70, 571. Bern-
hardt in Wiesbaden 69, 579. — in Wittenberg 69, 707. Bemhardy 69,
121. Bernays 70, 113. Berthold in Stendal 69, 234. — in Detmold
69, 459. Bertram 69, 229. Berwinski v. Posen n. Trsemeszno 69, 467.
Beschmaun 69, 573. Beschorner v. Liegniti n. Glats 70, 226. Besser
70, 352. Beuld 70, 350. Beyrich 70, 109. Beyschlag 70, 570. Bie-
dermann 70, 118. Biehl 69, 580. Bielke, ▼. 60, 700. Bierwirth 69,
706. BiU 69, 580. Biltz 70, 119. Binsfeld 70, 225. Bippart 69,
580. Bischoff in Augsburg 70, 345. — in Heidelberg f 70, 859. —
in Wertheim 70, 570. — in Giessen 69, 573. Bissinger v. Zweibraeken
n. Hof 69, 120. Bitiius f 70, 576. Blaas 69, 458. Blahav. Teschenn.
Troppau 70, 570. Blatner 70, 568. Blau 69, 230. Bleske v. Emden n.
Güttingen 69, 701. 70, 347. Bleyer 69, 122. Bündow 69, 467. BLum
70, 570. Bluntsohli 69, 121. Bockshammer 70, 570. Bode in Neu.
078 Personenregister.
Ruppin 69, 231. — in Hannover 70, 347. Bodenstedt 70, 229. Bo-
denslein 09, 577. Böckh 69, 109. 121. Bödeker v. Bonn n. Göllingen
69, 576. ßögekamp 70, 561. Böhm in Prag 69, 122. 580. — in Co-
burg 70, 225. — in Donaneschingon 70, 346. — in Wien 70, 571.
Böhner 70, 345. Böttcher 70, 560. Bohnenberger 69 , 229. BolsBer^
+ ß9, 686. Bojnnga 69, 704. Boll 69, 120. Bonitz 70, 231. 571.
Bormann 70, 355. Bossler 69, 574. Bonterwek 70, 591. Boid^ch
69, 126. Brandes 70, 228. Brandis in Altona 69, 228. 699. — in
Berlin 69, 228. — in Bonn 70, 568. Brandscheid 69, 580. Brandt
69, 702. 70, 349. Braun 70, 230. Brauns I. und II. 70, 349. Bra-
vais 69, 121. Breda 69, 118. Breier v. Oldenburg n. Lübeck 70, 229.
Breitenbadi 69, 234. 707. Breiter 70, 56«. Breithaupt + 69, 586.
Bremiker 69, 574. Breysig 69, 699. Brigl 70, 226. Brix v. Hirsch-
berg n. Liegnitz 69, 348. 703. Brock 70, 226. Bromig v. Düsseldorf
n. Burgsteinfurt 69, 118. Bronikowski, v. 70, 118. Brooke 69, 121.
Brücke 69, 573. Brüel 70, 347. Brünning 69, 231. Brunn 70, 224.
Bubendey 69, 701. Buchen f 69, 347. 70, 345. Bnchholz v. Claus-
thal n. Hildesheim 70. 349. Buchner 69, 121. ßudalowsky 69, 351.
Büchner in Mainz 69, 401. — in HiUlburghauscn 69, 577. -— in Schwe-
rin 70, 357. Bünz 69, 704. Büttner 69, 119. Bunseu in Heidelberg
60, 121. — in London 69, 348. Burmeister 69, 702. Busse in Lemgo
70, 228. — in Berlin + 70, 576. Butller + 69, 702.
Canal v. Venedig u. Padua 09, 231. Capelle +-69. 702. Capellmanu 69.
126. 70, 571. Carrara f 69, 585. Cauer 70, 116. Clialybaeus in
Dresden 69, 575. — in Kiel 09, 578. Christ 69, 123. Christiansen f
69, 468. Cicogna 70. 231. Cielecki 69, 231. Classen 69, 575. 576.
70, 347. Clausen in Elberfeld 69, 459. 70, 500. -- in Plön 70, 118.
Clanss69,351. Clemen 70, 228. Colin, v. 69, 459. Coerber f 70, 232.
Conrad 69, 228. Conrads 70, 22.'). Contzen 69, 121. Cousin 69, 458.
Cordier69, 121. Cornelius 69, 229. — v. 69, 122. Cossiuna v. Marienwer-
der n. Tilsit 69, 121. Cramer v. Wesel n. Duisburg 70, 560. Gramer
70, 568. Creuzer 69, 121. Crivelli 69, 466. Cron v. Erlangen n. Augs-
burg 69, 117. 121. 70, 345. Cunze 69, 577. . Curtius in Prag 69, 580.
— V. Prag n. Kiel 69, 704. — in Berlin 70, 224.
Daniel 69« 230. 460. Danilo 70, 575. Danneil 69, 231. 70, 118. Dantz
69, 119. Dauber 69, 577. Daurailler69, 120. Daxeuberger, v. 69, 122.
Debellak 69, 350. Deck 69, 348. Dedina 09, 126. Deichmann 69, 702.
Deinhardt 69, 118. Delff 09, 704. Dellmann 70, 349. Demel 69, 126.
Depping 69, 126. Dernburg v. Heidelberg n. Zürich 70, 231. Deusohle 69,
567. Dewischeit 70, 347. Deycks 69, 579. 70, 568. Dicknetler 69,
458. Dieckmann 70, 347. Diestel 70, 346. Dieteifch 69, 702. Diet-
rich V. Schulpforte n. IJfirschberg 69, 460. — in Marburg 70, 567.
Dietsch 69, 117. Diez 70, 568. Dilling 70, 567. Dillmann v. Tübin-
gen n. Kiel 70, 227. Dilthey 09, 575. Dingelstedt 69, 122. Dinter v.
Dresden n. Meissen 70, 229. Dippe 70, 357. Ditges v. Emmerich n.
Münster 69, 122. Doberenz 69, 577. Doblika v. Ofen n. (lör« 70, 847.
Döderiein 69, 119. Döhner 70, 229. Dullinger 69, 121. Dönniges 69,
121. Döring 70, 111. Dominicus 69, 118. Dommerich 69, 577. Dorf-
müller 70, 345. Dorn 69, 459. Dornheim 70, 560. Dreiheller 70, 567.
Dresel 69, 459. Dressel 70, 225. Dronke 69, 229. 70, 346. Dryander
69, 230. Dub 69, 347. Dnbelman 70, 346. Dnbied 69, 467. Dubsky
69, 122. Dütdclike 69, 573. DnfTner 70, 340. Dulinskl 69, ^61. Du-
vemoy 69. 573.
Ebenau 69, 579. Eben 69, 575. Ebhardt v. Hadamar n. Wiesbaden 70,
Personenregister. 570
220. Eckstein 69, 119. 70, 352. 355. Ehlei-s 70, 118. Ebrenberg 69,
121. 70, 110. 111. Ehrenberger 69, 458. Ehrlich in Marienwerder 69,
121. — In Magdeburg 70, 118. Eicli 70, 119. Eichcndorff, v. 69, 122.
'Eiohhoff 70, 560. Eichhorn 69, 121. + 70, 120. Eichleiter 70, 345.
Eiselen 70, 118. Eitner 70, 116. Eisermann 70, 571. Elster in Helm-
stedt 69, 577. t 70, 120. — in Blaukenburg 70, 111. Elten 69, 701.
Emmrich 69, 577. Enders 70, 346. Enger in Ostrowo 69, 122. 70,
569. — in Bonn 70, 114. Eng^lmann v. Kempten n. Dilingen 70, 225.
Enke 69, 121. Ennemoser 70, 575. Erfurt 70, 349. Erk v. Amberg
n. Straubing 70, 231. Erler v. Berlin n. Züllichau 70, 231. Ernst 69,
576. Ertl 69, 458. Esser f ^0, 575. Euler 70, 349. Ewald 70, 110.
Ezner 60, 460. Eyth 69, 348.
Faber in Lauban 69, 231. — in Breslau 69, 458. — in Posen 69, 467.
Fabrucci 69, 228. Fahl 69, 703. Fahland v, Stolp n. Luckau 70,
229. Falkenstein 70, 353. Faust 70, 349. Feanx 70, 223. Fechuer
09, 118. Fehler v. Clausthal n. Ilefeld 69, 702. Feldmann 69, 228.
609. Felgentreu 70, 111. Fertig 70, 568. Feussner v. Hanau n. Rin-
teln 69, 120. Finckh 70, 348. Firnhaber 70, 229. Fisch 70, 570.
Fischer in Halle 69, 119. 120. — in Basel f 69, 127. — in Dresden
69, 575. — in Freiburg im Breisgau 69, 701. — in Hamburg 69, 701.
— in St. Petersburg f Ö9, 707. — in Hildesheim 70,- 349. — in El-
berfeld 70, 561. Fischer v. Waldheim f 69, 127. Flathe 69, 580.
Fleckeisen v. Dresden n. Frankf. a. M. 69, 230. 575. 70, 347. Fleischer
69, 230. Flesch 70, 570. Flügel 69, 126. Föhlisch 70, 231. Förste-
mann 69, 233. Forstes 69, 707. Forberg 70, 225. Forbes 70, 576.
Forchhammer 69, 460. 70, 507. Foth 70, 357. Foyztik 69, 231.
Francke in Weilburg 69, 579. — in Bemburg 70, 111. Frandsen 69,
228. 690. Frank 70, 571. Fi-anke v. Ratzebnrg n. Altenburg 69, 233.
— in Meissen 70, 229. — In Wetzlar 70, 571. Franz 69, 703. Fran-
zelin 69, 458. Freeden, v, 69, 702. Flresenius v. Frankf. a. M. n. Ei-
senach 69, 700. Freudenberg 70, 346. Freund 70, 111. Friedleiu 69,
119. Fries 70, 345. Frieten 70, 568. Fritsch 70, 571. Fritzsche 69,
467. 70, 569. Fromherz 69, 351. Frommberger 69, 461. Fuchs in Ha-
nau 69, 577. — In Landshul 69, 702. Fuchs, v. 69, 121. Führ 70,
567. Fülle 69, 705. Fündeling 70, 349. Fussel 69, 348. Funk 69,
347. Funkhänel 69, 459. 699. 700. 70, 117. Furtmair f 70, 575.
Gabrigel 70, 228. Gagg 70, 346. Gagern, ▼. 70, 229. Gallois 60, 701.
Gands 69, 575. Garcke 69, 230. 231. Gascard 70, 231. Gass v.
Bamberg n. Würzburg 69, 347. Gassner 70, 569. Gattl 69, 120.
Gauss 69, 121. Gebhardt 69, 120. Gebser 70, 354. Geffers 70, 347.
Geibel, v. 69, 122. Geier 69, 119. 70, 355. Gensler 69, 701. Genss-
1er 70, 225. Gent 69, 461. Gentium 70, 570. George 70, 225. Ger-
ber 70, 570. Gergens 69, 461. Gerhard 69, 119. Gerhardt v. Salzwe-
del n. Berlin 69, 229. Gerlach 69, 573. Gcmerth 70, 571. Gesellius
70, 569. Gesenius 70, 231. Gies 69, 577. Giese in Gotha 69, 576.
— in Parchim 70, 569. Giesebreoht 69, 228. Gieseler f 70, 120. Giesen
70, 346. Girard ▼. Marburg n. Halle 69, 230. Girschner 70, 569. Giseke 70,
350. 355. Gläser 69, 459. Glasser 70, 561. Göbel in Liegnitz 69, 703.
— in Sondershausen 69, 706. — v. Trier n. Düren 70. 225. Göller f
69, 468. Görlitz v. Ostrowo n. Leobschütz 69, 122. GöiUing 69, 348.
70, 566. Götze 70, 118. Gollnm 69, 119. Gossmann f 70, 232.
Griff 70, 567. Grtocr 69, 121. Graf 70, 229. Graff 70, 571. Graham
60, 121. Gramcko 00, 600. Granso 69, 230. Graser v. Guben n. Tor-
gau 69, 467. Graul 70, 568. Grautoff 70, 225. Gravenhorst 70, 340.
Grebe v. Cassel n. Marburg 60, 120. Gredler, 60, 458. Gredy 70, 840.
I9.JakrLf,PldUu,PimLBd.hKX.e.ffß. 44
090 Personenregister.
Greger 69, 120. Gregor 69, 461. Greiff 70, 345. Greiss 69, 579.
GrilliMirier 69, 122. Grimm 69, 121. Gröbel f 70, 120. Gröniog 69,
675. Gross in Fulda 69, 120. — v. Fulda u. Cassel 69, 702. — in
Marienwerder 69, 121. — in Berlin 69, 288. Grosser 69, 458. Grossi
t 69, 127. Grossmann in ßavreiuh 69, 117. — in Leipzig 69, 231.
Grote 69, 121. Grotefend + 69, 127. Gründer 69, 117. Grunhagen
69. 229. 458. Gruter 69, 704. Grütsmacher 69, 118. Gruscha 69,
126. Grusscsyiiski 69, 704. Gr^-saf 70, 571. GAnder v. Bamberg
n. Landshut 69, 460. Günsclie 70, 231. Günther 70, 111. GOrsdiing
70, 345. Gassregen ▼. Freising n. Bamberg 69, 117. Gützlaff 09, 121.
Guhrauer f 69, 234. Guignard 69, 575. Gntermann 69, 575. Gott-
mann in Ratibor 69, 705. — v. Ratibor n. Schweidnils 70, 356.
Haacke 69, 460. 702. Haage 69, 702. Haas 69, 574. Haase 60, 1X8.
Babel 70, 226. Häckermann 60, 233. Häfele 70, 570. Haegde ▼.
Breslau n. Brauns1>erg 70, 346. Händler v. Magdeburg n. Franstadt 70,
118. Haenel 70, 352. Hfirtel 70, 355. Haftier 69, 574. Hagelttken
70, 568. Hahmann 69, 702. Hahn 70, 356. HaUer, y. f 69, 586.
Halm 70, 568. Hamacher 69, 468. 70, 570. Hamann 69, 699. Ha-
meriing 69, 126. Hamm 70, 570. Hammer. Purgstall, v. 69, 121.
Hanel v. Troppau n. Olmütz 70, 119. Hanke 69, 703. Hannwacker ▼.
Bamberg n. Dilingen 70, 225. Hansen in Seeberg 69, 121. — in Mel-
dorf 69, 703. Hansing 69, 578. Hantschke 70, 571. Hanwacker ▼.
Pirmasens n. Kempten 69, 120. Harless 70, 225. Harnecker 69, 703.
Harpe, de la 69, 229. Harries 69, 230. Hartmann 69, 706. Hartrodt
f 70, 567. Härtung 60, 706. Hasper t. Wittenberg n. Mühlhauaen 69,
579. Hasae 70, 118. Hasselbach 69, 577. Hast 70, 569. Hattala v.
Gran n. Prag 70, 350. Hang 69, 348. Haun, Dir. u. Cand. 70, 567.
Haupt 69, 458. 70, 109. 559. 568. Hausdorffer 70, 111. Haut 70^ 225.
Haym 60, 461. Hebenstreit f 70, 120. Hechtel 69, 575. Heermann
69, 702. Heerwagen 69, 117. Hemer in Bromberg 69, 118. 099. —
in Berlin 69, 228. Hefher, v. 69, 121. Hegenbarth 70, 565. Hegmann
V. Würsburg n. Bamberg 69, 347. Heiland v. Oels n. Stendal 70, 570.
Heine 69, 230. Heinemann 69, 699. 70, 346. — v. 70, 111. Heinichen
69, 351. Heinrich 70, 119. Heinrichs 69, 229. 574. Heinie 69, 231.
Held in Schweidnits 70, 3r)6. — in Bayreuth 70, 568. Helforieh 69,
577. Heller 69, 119. Henkel 69, 706. Hcnn 70, 228. Hennige 70, 118.
Hensel 69, 458. Henske 69, 121. Henzen 70, 224. 230. Heppner 69, 459.
Herbig, ▼. 70,571. Herbst y. Bonn n. Elberfeld 70, 226. 560. —in Htm-
bürg 69, 701. Hercher 70, 231. 355. Hermann in Göttingen 69, 119.
121. 230. 460. 576. 70, 117. 565. — In Beriiu 69, 574. — v.
69, 121. Hermes 69, 573. 574. Herold 70, 350. Herr 70, 671. Heirig
69, 229. Henchel 69, 349. Hertel 69, 351. Hertlein 70, 571. Hertz
70, 113. Hertaberg 69, 230. Heseklel 70, 350. Hess in Belmetedt 69,
577. — in Sehleusingen 69, 706. — in München 69, 122. — v.
60, 122. Hetsch 70, 119. Henbner, E. u. L. 69, 580. Henerroann y.
Minden n. Borgsteinfürt 69, 118. Heuser 69, 702. Henssi 70, 060.
Hey t ^» 586. Hcyd 60, 348. Heyer y. Glogau n. Königsberg in d.
Neomark 70, 118. — in Schwerin 70, 357. Hiecke 70, 566. HUde-
brand 70, 346. Hllgers 70, 570. Hincke 69, 460. Hinricha 69, 701.
Hiateriechner 70, 571. Hintz 69, 121. Hirsch 69, 458. Hirsehfelder
in Beriin 60, 574. — in Gleiwits 70, 117. Hirt 70, 560. HluscUt 70,
571. Hnidy y. Lemberg n. Czemowitz 70, 117. Hech 70, 568. Höohel
60, 348. Böflg y. Breslau n. Oels 69, 704. Höfler 69, 580. Höitdier
69, 701. Hönigsberg, v. 69, 704. Höpfner 70, 570. Höreher 70, 231.
Hösaler 60, 280. Hötsl 70, 350. Hofbauer 70, 231. Hoff 69, 575.
Hoffknann in Bromberg 69, 118. — in LOnebnrg 69, 702. 70, 847.
Personenregister. Qg|
Hof mann in Manchen 00 , 121. — in London 69, 121. — in Prag 00,
122. — in Berlin 00, 347. — in Meissen 70, 220. HofslÄtter 70,
345. Hollenwärter y. Iglan n. Kaschau 70, 117. Hohlfeld f 60, 468.
Holans t. Bozen n. Hall 60, 458. Hoilenberg 60, 228. 220. Homeyer
70, 568. flooker 70, 345. Hopffgarien, v. 70, 118. Hoppe 60, 578.
Hörn V. Giackstadt n. Kiel 60, 231. Horrmann 60^450. Horst 60, 117.
Hosebke 60, 600. Houbeu 70, 570. Hoyer 70, 357. Hradll 60, 126.
Bftbner in Dresden 70, 115. — in Bonn 70, 225. Höffell 60, 575.
Hmnboldt, v. 60, 121. Hummel 70, 347. Humpen 60, 600. 70, 346.
Hannaens 70, 22a Huther in SchweHn 70, 357. — in Parohim 70, 560.
Jaeob t 60, 468. Jacobi in Hersfeld 60, 702. -- in Scbnlpforte 70, 352.
570. Jacobs 60, 228. Jäger v. Tübingen n. Zürich 70, 570. — in
Wien 70, 571. Jänicke ▼. Graudens n. Potsdam 60, 580. Jahn 60,
121. Jahns 00, 467. Jandaurek 60, 122. Jansen in Jever 60, 702.
. ^ in Meldorf 60, 704. Janssen v. Munster n. Frankf. a. M. 70, 561.
JannskOTiski 60, 118. Jatho 70, 340. Jeep 60, 581. Jehllcka 70, 118.
Jessen v. Kiel n. Glückstadt 60, 230. Ilgen 60, 580. Imhof 60, 110.
John 70, 116. Jolly v. Heidelberg n. München 60, 704. Irmiseh 60,
706. Jung in Hanau 60, 577. — in Breslau 70, 116. Jungclaussen 60,
231. Jungkunz 70, 561. Jungmann v. Münster n. Braunsberg 60, 461.
Kämmel 70, 575. Kahl 70, 116. Kalischer 70, 561. Kflkow 70, 118.
Kambly 60, 600. Kanzler 70, 111. Kapff in Heilbronn 60, 347. v. HeU-
bronn n. Urach 70, 348. Kapfinger 70, 355. Katsfey 70, 568. Kauba
60, 122. Kauble 60, 122. Kanffmann 00, 348. Kaulbach, v. 60, 122.
Kayser 60, 575. Keck 60, 230. 70, 118. Kegel 70, 561. Kelch 60, 705.
Keil in Halle 60, 110. — in Breslau f 60, 458. Keller in Tübingen 60, 234.
— in Breslau 60, 458. ~- in Mainz 60, 461. ^ in Ratibor 69, 705.
Kempf 60, 574. Kentner 70, 350. Kern 70, 225. Kerst 60, 455. Kessels
70, 346. Kessler in Hildburghausen 69, 577. — in Rossleben 70, 355.
Kestner 70, 450. Kiechl 60, 458. Kiefer 60, 461. Kiepert 70, 100. Kieser
60, 706. Kilian 70, 111. Kink 70, 231. Kinzel 60, 467. 705. Kirch-
hoff in Berlin 60, 228. — v. Breslau n. Heidelberg 70, 566. Kissüer
70, 567. Klander 70, 118. Klappenbach 70, 225. Klapproth 60, 701.
Klein, A. und K. , in Mainz 60, 461. — v. Düren n. Bonn 70, 225.
RIenze, v. 60, 122. Kliepera 60, 232. Klingender v. Rinteln n. Cassel
60, 120. Klinkmüller 70, 110. Klix v. Zülliehau n. Glogau 60, 576.
70, 120. Kloppe 70, 118. Klossowski 69. 468. Klnssmann 70, 231.
Kneisel 70, 346. Knodi 60, 581. Knorr 70, 226. Kobell, v. 60, 122.
Koch V. Berlin n. Pntbus 60, 220. Kock v. Rlbing n. Gnben 60, 577.
Köck 70, 356. Kohler in Posen 69, 467. — iu Breslau 70, 116. Kö-
nig in Freiburg im Breisgau 60, 701. — iu Jever 69, 702. — in Ra-
tibor 60, 705. Konighoff 70, 570. KSnigk 70, 116. Köpke 69, 228.
Kömer 70, 111. Körte v. Berlin n. Spandau 69, 573. Köstlin , t. 70,
231. t 70, 576. Köttgen v. Duisburg ji. Saarbrücken 69, 233. Kohl-
rausch in Marburg 69, 120. — in Hannover 70, 347. Kolster 60, 703.
Konsohegg v. Marburg n. Laibaoh 70, 567. Korsilius 70, 570. Kose-
garten V. Wien n. Gras 70, 347. Kott ▼. Neuhans n. Jizin 70, 567.
Kozenn 70, 118. Krämer in Heilbronn 60, 348. — in Darmstadt 60,
565. Kram 70, 346. Kraft 60, 701. Kral 00, 122. Kramer in GHIok-
Stadt 69, 230. — in Halle 69, 230. 70, 352. Kramerius 60, 122.
Kraner 70, 220. KraUky v. Hermannstadt n. Brunn 70, 340. Kratoch-
wile 60, 122. 70, 350. Kraus 70, 570. Krause 70, 118. Krauss 00,
118. Kraut 60, 348. Kretschmar 69, 118. Kreyssig f 69, 351. Krie-
geskotte v. Lennep n. Soest 70, 357. Krlegk 60, 545. Kriainger 70,
226. Krischek t. Hermannstadt n. Graz 70, 340. Krosohel v. BerWn a.
44*
0g2 Personenregister.
Rossleben 60, 574. 70, 353. Kroger v. Bromberg n. FrausUdt 6d, 118.
» in Braunschweig 70, 116. Kniszynsky 69, 231. Knesinski, y. 70,
570. Kuder 69, 348. Kühn 69, 706. Könzel 70, 569. Küraohner 09,
703. Küster 70, 230. Kuhlmey 70, 255. Kampa v. Darmstadt n.
Dresden 69, 575. I^upfer 69, 229. Knphaldt 70, 118. Kars 70, 109.
Lahns f 69, 127. Lachmann 70, 575. Lachner 69, 122. Ladurner 09,
458. Lahmeyer 70, 226. Laichinger 69, 348. Lamennaia, de 1 09, 406.
Lamey v. Mannheim n. Pforzheim 70, 569. Lamont 70, 568. Lange
V. Zürich n. Bonn 69, 458. — in Altona 69, 699. — in PoUdam f
70, 575. Langer v. Edenkobeu n. Speyer 69, 123. Langethal 69, 700.
Langlois 70, 232. Langsdorff 70, 570. La Pierre f 69, 468. Lappen-
berg 69, 121. Lattmaun 70, 347. Laurent 69, 701. Laateschliger 69,
575. Lawicki 69, 122. Leber 69, 577. Leder 69, 121. Lehmann in
Marienwerder 69, 121. — in Jever 69, 702. Lejenne-Diriofalet 69, 573.
Leithgeb v, Pressburg n. Oedenburg 69, 461. Leitzmann 69, 231. 70,
118. Lennius 69, 233. 70, 119. Lenz 70, 231. Lerch 69, 575.
Lerohenfeld, v. v. Ansbadi n. München 69, 704. Lessing 09, 122.
Leva, de 70, 118. Lewinski 70, 350. Leyde f 09, 574. Lhardy 09,
699. Lichtenberg 69, 702. Liebaldt v. Naumburg n. Hamm 09, 231.
Liebau v. Elberfeid n. Gladbach 70, 561. Lieberkühn 69, 234. Liebig,
V. 69, 121. Liebmann 69, 119. Liepert 69, 704. Lilie 70, 116.
TAndemann f 70, 120. Liudenblatt 69, 459. Linder y. Binningen n.
Donauesohingen 70, 346. Linsmayer 70, 568. Lion 70, 340. Lipp
70, 349. Lippelt 69, 705. Lissner y. Budweis n. Eger 70, 501. —
in Königgratz 70, 567. Listov y. Schleswig n. Seeland 69, 238. Lob«ck
69, 460. 70, 567. Lobpreis 69, 126. Löbnitz 70, 349. Loers 70, 670.
Lösener 69, 574. Lommatzsch 69, 573. Lomnitzer 69, 118. Lorberg
70, 349. Lorenz 69, 230. Lorinser f 69, 126. Lotz 69, 577. Louis
69, 230. Lucan 69. 577. Lucht v. Kiel n. Altona 69, 228. 699. ~
in Glückstadt 69, 230. Lucius 69, 574. Ludwig 70, 566. Labbert
69, 230. Lubker 70, 509. LüUgert 69, 574. Luthmer 70, 501.
Lutze 69, 706. Lykowski 60, 122.
Mänüer 69, 703. Magdeburg 70, 119. Maggi f 69, 707. Mahr f 09,
700. Mai 70, 345. f 70, 359. Malecki 69, 460. Malfatti 70, 501.
Maltby f 69, 234. Malypetr 69, 122. Mang 70, 569. Mantels 00,
578. Marcowitz 70, 346. Marek 70, 570. Marschner 69, 122. Märten
V. Posen n. Trzemeszno 69, 467. Martins, y. 69, 122. 70, 568. Marg
69, 118. Mathia 69, 126. Matthaei 69, 703. Matthias y. Hanau n.
Cassel 69, 120. Matunci 69, 707. Mayer in Bamberg 69, 117. y. Barn-
berg n. Augsburg 70, 245. — in Gera 69, 347. — in Frankf. a. M.
69, 575. Maurer, y. 70, 345. Mebold f 70, 359. Meggenhofen 09,
576. Meier in Halle 69, 460. 70, 566. — in Helmstedt 69, 577. Mei-
nardus 69, 702. Meineke 69, 228. Meine 69, 230. Meinshaosen 70,
567. Meissner in Basel 69, 573. — in Gottingen 70, 347. Meister y.
Troppau n. Hermannstadt 70, 566. Melloni f 70, 232. Menges 09,
579. Menke 69, 458. Menzel 69, 231. Mercklin 69, 229. Merkel 09,
706. Merschmann y. Berlin n. Fraustadt 69, 574. Meuthner 09, 281.
Meyer, y. 60, 121. Meyer I. u. U. in Hamburg 69, 701. — in Sen-
dershausen 69, 706. — in Gottingen 70, 347. Meyerbeer 69, 122.
Meyner + 70, 232. Meyring y. Bamberg n. Amberg 70, 209. Metsger,
M. 69, 117. — G. K. und M. 70, 345. Michaelis in Magdeburg 70,
118. — in Friedland 70, 565. — in Guben 69, 577. MIkala v. Trop-
pau n. OlmüU 69, 234. Milberg 70, 229. Mill f 69, 851. Mitseher-
lich in Göltingen f 69, 234. — in Berlin 70, 568. Möblus in Leiptig
69, 231. — in Hamburg 69, 701. Moller in Hamburg 69, 701. — In
Personenregister. 0gS
Bernburg 70, 111. MSnnidi v. Urach n. Heilbronn 70, 348. MobI, v.
dO, 121. 122. Mohr v. Mönnerstadt n. Kempten 70, 227. — in Mäuster-
dfel 70, 56a. Molinski 69, 234. 468. Molty 69, 467. Mommsen ▼.
Hamburg n. Parchim 69, 701. 70, 569. — v. Zürich n. Breslau 70,
225. Mone 69, 578. Morawits 69, 126. Mordtmann 69, 120. Mosehe
69, 578. Mosen 69, 351. Moser 70, 119. Mrhff 70, 119. Mncke 69,
459. Mühlberg 70, 567. Mfihlhofer 69, .459. Mühlvenzl 69, 122.
Mühlmann f 69, 119. Müller in Berlin 69 ,«121. — in London 69,
348. — in LiegnitE 69, 461. 703. — in Darmstadt 69, 575. — in
HUdbnrghansen 69, 577.. — in Lüneburg 69, 578. ^ in Emden 69,
701. — in Hamburg 69, 701. — in Jever 69, 702. — in Lahr 69,
702. — in Magdeburg 70, 118. — v. Mailand n. Pavia 70, 229. —
in Rndolstadt 70, 230. — in Wertheim 70, 231. — in Götlingen 70,
347. — in Wernigerode 70, 352. Manch 69, 459. Munscher 69, 702.
Mutzen 69, 228. Mohlert 70, 347. Mallach 69, 229. Mundiug 69,
233. Murhard f 69, 234. Mussard 69, 578. Muther 70, 225. Mutz-
baner 69, 702. Muys 69, 461. Münster f 69, 351.
Nagel 69, 230. Natani 69, 573. Nauck in Berlin 69, 228. — in Schleu-
singen 69, 706. Nebe f 70, 575. Negges 70, 345. Neinhaus 69, 704.
Nepomucky v. Hermannstadt n. Prag 70, 349. Nesic 70, 109. Netuka
69, 122. Neuner v. Giessen n. Kiel 70, 227. Neydecker 69, 467.
Nickerl v. Graz n. Prag 69, 576. Nieolai 70, 111. Niemeyer, Fr. und
K., in Halle 69, 230. — v. Halle n. Greifswald 70, 117. Ninger 69,
7Ö4. Nilzsch 70, 560. Nobbe 70, 352. Noire 70, 349. Nonne f 70,
232. Noth 69, 576. Nowicki 69, 705.
Obbarius 70, 230. Gehler 69, 119. 706. Oertel 70, 229. Oestreich
69, 233. Orterdinger 69, 234. Ohm 69, 122. f 70, 120. Oppel 69,
575. Oppenrieder 69, 117. 573. 70, 345. Orchler 69, 458. Orelli, v.
f 70, 120. Osann 70, 565. Ostermann t. Gassei n. Folda 69, 120.
702. — Osthelder 69, 125. Overbeck 69, 122. Owen 69, 348.
Pabst V. Göttingen n. Hannover 70, 347. Padera v. Koniggrätz n. Prag
69, 232. Paldamus f 70, 575. Palm 70, 116. Palmer 69, 575.
Paltzer 70, 570. Panofka 69, 228. Pansch 70, 226. Pantke v. Her-
mannstadt n. Teschen 70, 349. Pape f 69, 468. Parthe 69, 231.
Partoch 70, 569. Paschke 70, 119. Passow in Berlin 69, 228. — in
Meiningen 69, 579. — in Bonn 70, 346. -^ v. Meiningen n. Ratibor
70, 350. Panl 69, 458. Paulitsoh v. Marburg n. Hermaunstadt 70, 566.
Pauschitz v. Laibaoh n. Eger 69, 119. Pazaut 69, 704. Pecjirka v.
Prag n. Neuhaus 69, 122. Pelissier 69, 577. Pellico f 69, 351. Perez
V. Padua n. Graz 69, 460. Pertout v. Laibach n. Pavia 70, 569. Pertz
in Berlin 69, 348. — in Gottingen 70, 347. Peter v. Metzioffen n. Heil-
bronn 69, 348. — V. Anclam n. Stettin 69, 455. — v. Greiffenberg
n. Saarbrück 69, 581. — in Wien 70, 571. Peters 69, 121. v. Kö-
nigsberg n. Ahona 70, 109. — in Meissen 70, 229. — in Parchim
70, 569. Petersen in Grimma 69, 230. — Prof. in Altena f 69, 351.
— Cant. in Altena 69, 699. — in Hamburg 70, 566. Petri in Detmold
69. 459. — in Elberfeld 70, 561. Pctrlna 69, 580. Petry 70, 561.
Petseh 70, 560. Pelter f 69, 120. ~ Petzold 69, 461. Pfaff 70, 119.
Pfefferkorn f 70, 232. Pfttzner 70, 569. Philipp 69, 228. Philippart
70, 346. Pick 70, 571. Piderit v. Cassel n. Haoau 69, 120. 577.
Piegsa V. Trzemeszno n. Ostrowo 69, 122. Pierre 69, 231. Piro ▼.
Coblenz n. Malmedy 69, 118. Piscalar 69, 230. 70, 561. Pistor 69,
574. Plainer t 70, 355? Planer 69, 228. Plank 69, 348. Platz 70,
567. Pohlmann 70, 119. Pohl v. Lissa n. Posen 69, 461. PohU 70,
0g4 Penonenregister.
570. Pohler 69, 458. Pokorny 70, 571. Pda 70, 346. PoUck 69,
579. Politeo 69» 125. Pomptow 69, 228. Prangner 69, 126. Preis»
69, 119. Probst 60, 409. Pröller 70, 571. Proschko ▼. Uni n. Prag
70, 118. Pro?eno6 70, 569. Pnyborowski 69, 468. Ptascbnik 69, 126.
Puia 69, 230. — ?. HaUc n. Torgau 69, 577. Purkync 69, 580,
Quatreroere 69, 121. Qaeck 69, 706.
Raab 69, 117. Raabe 69, 704. Rabus f 69, 127. Rademacher 70, 671.
Radowits, v. f 69, 127. Rangabö 70, 566. Ranke 69, 122. Rapp in
Heiibronn 69, 348. — in Mannheim 69, 703. Rappenegger 70, 567.
Rauch in Berlin 69, 122. — in Darmstadt 69, 575. ^ in Rastatt 69,
580. Räumer, v. 69, 122. Rauscher 70, 225. Rauterberg 70, 349.
Rawlioson 69, 121. Raymann 69, 121. Reber 70, 109. Recke 70, 667.
Reddig 69, 121. Redlich 69, 705. Regel 69, 576. Regeniborger 70,
231. 355. Regentke 69, 466. Regia f 70, 859. Regnanlt 69, 121.
Rehberg 69, 121. Reichardt 69. 467. 705. Reiche! v. Grats n. Laibach
69, 121. Reichenbach 69, 699. Rein in Crefeld 69, 118. — in Eise^
nach 69, 700. Reinhardt v. Cannstadt n. Heiibronn 69, 348. — in
Hildbairghausen 69, 577. Reinhold 70, 561. Reisacker v. Goblens n.
GolD 69, 118. Reitz 70, 357. Reitze 69, 459. Remaoly 70, 346.
Remling 69, 121. Rentsch 70, 228. Resl 70, 116. Realer 69, 231.
Reiiroont 70, 345. — v. 69, 121. Reusch v. Gumbinnen n. Elbing 70,
346. Reuschle 09, 234. Reiiss 69, 580. Ribbeck, W. , in Berlin 69,
229. — 0. V. Berlin n. Elberfeld 70, 226. 560. Ribbentrop 69, 576.
Richter, F. H. u. Fl., in Wien 69, 126. — in Zwickau 69, 851. — in
Bernburg 70, 111. — in Bonn 70, 225. Rieck 69, 351. Rieckher,
Prof. 69, 231. Repetent 69, 348. Riedel 69, 702. Riedl v. Leutachau
n. Prag 70, 228. Riehl 69, 461. Rietschel 69, 122. Rinck f W, 575.
Riss 70, 225. Ritschi 60, 117. 458. 574. 70, 111. 224. 559. 560.
Ritter 69, 122. Rittweger 69, 577. Rizri 60, 458. Robolsky v, Perie-
berg n. Stettin 70, 231. Rocliette f 70, 120. Roeber 69, 574. B6di-
ger 69, 230. Rosinger 70, 570. Rötteken 70, 228. Rogg 69, 229.
Rohdewald 69, 459. 70, 560. Rommel, v. 60, 578. Rooschötx 69,
348. Ross 70, 231. Rossi, de 70, 224. Rost 69, 233. Roth in Basel 70,
109. — in Münstereifel 70, 568. Rothe v. Bonn n. Heidelberg 60^ 347.
Rothmaler 70, 352. Roulez 69, 121. Roiissel 70, 345. Roiek v. Her-
manusudt n. Neusohl 70, 340. Rubino 69, 579. Rudorff 69, 228.
Riickert 69, 122. Rüdiger in Zwickau 69, 351. — in Breslau 70, 116.
Röhle V. Zülliihau n. Glogaii 70, 117. 565. Rüttger 70, 571. Rund-
nagel 69, 702. Runge 69, 702. Ruprecht v. Northeim n. Uildeeheim
69, 702. 70, 349. 347. Rymarkiewicz 69, 350.
Sadebcck 70, 116. Sadowsky f 69, 118. Salier 70, 570. Sammter 69, 703.
Sandberger 69, 579. Sartorius 69, 120. Savelsberg 70, 345. Savigny,
V. 69, 122. 70, 223. Schaarschmidt 69. 229. Schaber 70, 346. Schadit
69,229. Schack 70, 508. Sdiädel 69; 702. 70, 347. Schäfer 69, 231.
Schäffer69, 705: Schalkhauser v. Bayreuth n. Augsbnrg 70, 346. Sohal-
denhrand 69, 702. Sclianibach 70, 347. Schaper 70, 357. Scharenberg
69, 231. Schaub in Licgnitz 69, 703. — in Berlin 70, 351. Scb«u-
bach 69, 577. Scheele 69, 230. v. (ireifswald n. Stargard 69, 581. —
in Göttingen 70, 317. Schcffer 69, 578. Scheller 69, 702. Sehelle-
wald t 00, 468. Schellinjj, v. 69, 122. f 70, 232. Schenkl 69, 122.
Scherk 60, 575. SchtMierloln 69, 119. Schieferer 69, 458. Schiefer
70, 346. Schiller 70, .357. Scliimmelpf'eng v. Hersfeld n. Marburg 60,
579. Schirlitz 70, 571. Schiwttz v. Göra n. «Triest 69, 126. Schleicher
69, 580. Schlenkrich 69, 122. Schlesicke 69, 703. Schlick 70, 111.
Personenregister. ^5
Schlosser 69, 122^ Schlottmann v. Konstaniinopel n. Zürich 70, 231.
Sohmalfnss 70, 347. Scbmeokebier ▼. Berlin «. Bielefeld 69, 574.
Schmid, v. f 70, 359. Schmidek 69, 351. Schmidt in Augsburg 69,
117. — In Görs 69, 119. — in Berlin 69, 228. — v. Memmingen
n. Schweiofurt 69, 233. — in Münster 69, 461. — in Fraukf. a. M.
69, 575. — in Wittenberg 69, 707. — in Magdeburg 70, 118. —
in Goltingen 70, 347. — in Schweidnits 70, 357. — v. Bochnia u.
Hermannstadt 70, 566. — v. Karlsnihe n. Mannheim 70, 567. — in
Parchim 70, 569. — in Trier 70, 570. Schmidtborn f Öö» Ö80.
Schmiedt 70, 352. Schmitt v. Wiesbaden n. Hadamar 70, 229. Schmitc,
W. und J., in Darmstadt 69, 575. — in Bonn 70, 225. Schneck 69,
467. 705. Schneemeldier 69, 699. Schneider v. Breslau n. Gleiwits 69,
459. ^ in Breslau 69, 459. 70, 560. — in Hildburghausen 69, 577.
— in Coburg 70, 225. — in Trsemescno f 70, 232. Schneiderwirth
70, 346. Schnelle 70, 225. Schnitger 70, 228. Schnorr v. Carolsfeld
69, 122. Schöbl 69, 704. Schömann 69, 119. 460. 70, 565. Sohdn.
back 69, 118. Schönbein 69, 573. Schönborn 70, 116. Schönemanu
60, 229. Schöning 70, 347. Sohöpff 69, 458. Scholl 69, 575.
Scholu 69, 230. Scholz v. Breslau n. Hirschberg 69, 450. 460. — v.
Neuhaus n. Hermannstadt 70, 566. Schopen 70, 346. Schopf 69, 123.
Schottin 69, 699. Sohrantz 69, 458. Schraudotph 69, 122. Schrecken-
berger 69, 707. Schrepfer 69, 117. 70, 209. Schrickel f 69, 707.
Schröder in Marienwerder 69, 121. — in Hildesheim 70, 849. — v.
Clausthal n. Hildesheim 70, 349. Schrötter 09, 121. Sdinbart t.
Meissen u. Plauen 70, 229. Schubert, v. 69, 122. Schuch 70, 346.
Schuck 70, 116. Schüler v. Alzey n. Worms 70, 119. Schürmann 69,
573. Schutt y. Plön n. Görlitz 69, 230. 232. Schütte v. Coblens n.
Neuwied 69, 118. >- in Helmstedt 69, 577. Schulte 69, 118. Schnitzen
70, S49. Schulz In Breslau t 69, 351. — r. Siegen n. Duisburg 70,
560. Schulze 70, 345. Schumann in Salswedel 69, 233. — in Hildesheim
70,349. Schwab y. Gratz n. Kaschau 69, 120. Schwalbe 70, 118. Schwa-
nitz 69, 700. Schwann 69, 573. Schwarz in Bayreuth 69, 117. — in
Halle 69, 119. 70, 226. Schwarze 69, 577. Schweiger 69, 576.
Scopperver 70, 119. Seffer 70, 347. Sehrwald 70, 558. Scitz in
Eichstädt 69, 119. — in Zweibröcken 69, 126. — v. Eichstädt n.
München 70, 568. Selig v. Preiburg n. Giessen 70, 227. Seltzsam 70,
116. Sendtner 69, 579. Sön^chaute 70, 346. Sengebusch 70, 345.
Seyffert 69, 228. Sickel 70, 352. Siebinger 69, 348. Siebold, v. 61»,
122. Siefert 69, 228. 699. Sievert 70, 231. Sigismund 70, 281. 855.
Sikorski V. Ostrowo n. Trzemeszno 69, 122. 234. 468. Silber f 69, 58^
Sillig 70, 560. Simon 70, 570. Simonides 69, 120. Simrock 69, 122.
Slane, de 70, 568. Smolej v. Laibach n. Troppau 69, 126. Snelhlage
69, 228. Sobieski 69, 705. Sobola v. Troppau n. Hermannstadt 70,
566. Sörensen in Altona 69, 228. 699. — in Plön 70, 118. Solar
V. Laibach n. Cilli 70, 560. Soldan 69, 579. Sommerbrodt y. Ratibor
n. Anclam 69, 573. Sonne 70, 349. Sonnekes 69, 702. Sonnenburg
70, 346. Sorof 69, 458. 699. 70, 116. Sosnowski y. Posen n. Brom-
berg 69, 467. SpangenberR 69, 577. Speck 69, 458. 459. Spiekcr v.
Beniburg n. Potsdam 70, 111. Spless 69, 575. Spörer 69, 228. Spör-
lein 69, 117. Spohr 69, 122. Spruncr, y. 69, 121. Stallbaum 69,
231. StanSk 69, 126. Stange In Ltssa 69, 461. — - in Potsdam f 70,
575. Stanke 69, 466. Staudenmayer f 69, 348. Steffenhagen 70, 569.
Stegmayer 69, 122. Stein 69, 707. Steinbmnn 69, 118. Steiner 69,
120. Steinhagen 69, 459. Steinheil 69, 122. Steinhoff in Hehnstedt
69, 577. — in Jeyer 69, 702. Steingass 69, 575. f 70, 120. Stein-
hart 70, 225. Steininger 70, 57a Steinmeyer y. Breslau n. Bonn 69,
847. Stenzel in Breslau 69, 121. t 69, 234. --In Cüftfin 70, 560.
QgQ Personenregister,
Stern 69, 703. Steudeuer I. und 11. 70, 351. 355. Stiehl 00, 702.
Stier 69, 707. SUlIfried-Rattonitz. v. 70, 345. Stimpel 69, 230. v.
Götz n. Triest 70, 570. Slöter 69, 577. Stordi 69, 705. Strackojau
69, 702. Sträts 70, 345. Strasser 70, 567. Straubel 09, 576. Strecke
69, 230. Stnitli 69, 575. Struve in Kiel 69, 231. — in Görlitz 70,
117. Studniarski 69, 467. Siüler 69, 122. Stürenborg 69, 577. Sifive
70, 347. Sturm 70, 116. Suchier in Hanau 69, 577. — In Herafeld
69, 702. Suvem 69, 110. Suttner 69, 126. Szafarkiewicz 69, 467.
Szostakowaki v. Ostrowo u. Trzemeszno 69, 122. Szymanski 69» 468.
Tägert in Cöslin 69, 699. — v. Greifswald n. Putbus 70, 565. TSnber
69, 228. Tappeiner V. Innsbruck n. Kaschau 69, 120. Tausch 70, 117.
Tellkampf 70, 347. Tepel 69, 701. Theiie t 70, 575. Thiel 69, 458.
Thiele v. Duisburg n. Barmen 70, 225. Thierfelder 70, 567. Thicr-
mann 70, 347. Thiersch, v. 69, 122. 70, 352. Thilo 70, 225. Tlio-
mas 69, 118. Thomaschek in Wien 69, 126. — v. Görz n. Cilil 70,
560. Thoms in Greifswald 69, 230. — in Mainz 70, 349. Tiedemann
70, 345. Tietz in Conitz 69, 459. — in Hiidesheim 70, 349. Tillier,
V. f 69, 468. Timm, Oberl. u. CoUab. 70, 569. Toeppen v. Posen
n. Hohenstein 70, 349. Tomek 69, 580. Triesi 69, 118. TrompheUer
70, 225. Trübe 69, 699. Tschackert v. Trzemeszno n. Ostrowo 69,
122. Tschenet 70, 229. Tschepke 69, 461. Tschofen v. Hermannitadt
n. Görz 70, 349. Tufnell | 70, 232. Tunst v. Pressburg n. GMmowiU
70, 346. Turkowski 69, 118. Tyn 69, 231. Tzschimer 69, 460. 609.
70, 116.
Uhiand 69, 122. ÜUrich in Prag 69, 122. — in Hamburg 60, 701. Ul-
rici 70, 345. Unger in Bayreuth 69, 117. — in Venedig 60, 126.
— in Friedland 70, 565. UrUchs 69, 460. Urtel 70, 352. üstymo-
wicz V. Posen n. Ostrowo 69, 122. v. Ostrowo n. Posen 69, 467. 70, 118.
üvarov 69, 229.
Vahlen 70, 113. 346. v. Bonn n. Düsseldorf 70, 560. Valentiner 70,
111. ValeU 70, 347. Vatter v. Miltenberg n. Aschaffenburg 70, 558.
Vechtmann 69, 703. Venu 69, 34a Vilmar v. Homberg n. Hanau 00;
577. Vischer 69, 573. Völker 70, 561. Vömel 69, 576. Vogel 70,
560. Voigt in Halle 69, 120. 230. ^ in Königsberg 69, 121. 70, 231.
— in Zwickau 69, 351. --< in Berlin 69, 574. Voigtland 60, 706.
Voigtmann 70, 225. Voit 69, 122. Volckmar 69, 702. Volger 60,
578. Volkmann 69, 119. Volkmar 70, 111. Vollbehr v. Plön n.
Glückstadt 69, 230. Volpert 69, 461.
Waag V. Karlsruhe n. Mannheim 70, 567. Wackenroder f 70, 850.
Wächter 70, 231. Wagner in Dannstadt, K. 69, 574 und H. 69, 575.
— in Bamberg 70, 345. — in Dresden 70, 560. Wähle 60, 706.
Wahlenberg v. Coblenz n. Hedingen 69, 118. Waldvogel 70, 568. Wal-
lace 69, 699. Walter 70, 547. Wallher 70, 111. Walz 69, 284. Wa-
nicek v. Jicin n. Kaschau 69, 120. Waniorek v. Wien n. Krakau 70,
349. Wattenbach v. Berlin n. Breslau 70, 559. Weber in Halle 60,
119. — in Marburg 69, 579. -— in Donaueschingen 70, 346. — in
Berlin 70, 350. — Lehrer in Marburg 69, 579. — Prof. in Marburg
70, 567. Wevlewski 70, 118. Wedell, v. 70, 352. Wedewer 60, 701.
Weerth 69, 459. Wehner v. Wörzburg n. Münnerstadt 70, 668, Wei-
deniann v. Saalfeld n. Meiningen 69, 579. Weidlich 69, 122. Weler
strass 70, 116. Weigand v. Mnhlhausen n. Bromberg 70, 567. Wein-
hold 70, 231. Weippert v. Kitsingen n. Bamberg 69, 347. Weiske 60,
119. Weiimanu 69, 575. Weiss 69, 458. Weissbrodt 70, 840.
PeraoneDregister. Qg7
Weistenboni Ö9, 459. 700. Weicker 69, 574. Wendt v. Sleltin n.
Greiffenberg 69, 577. Wensih 69, 707. Wentnip 69, 707. Wenteke
69, 229. Werner v. OeU n. Liegnitz 69, 704. — in Iglau 70, 117.
— 'in Bonn 70, 346. — in Parchim 70, 569. Weriheim 69, 466.
Wetxel 70, 355. — WeUer t 69, 234. Wex 70, 357. Weyrauch
09, 467. Wiehert 69, 459. Wiedasch 69, 702. Wiegand In Hersfeld
69, 702. — In Worms 70, 119. Wiel 70, 225. Wiele 70, lli.
Wiese In Altona 69, 699. -- in Berlin 70, 351. Wieseler in GöUiRgen
69, 576. — in HUdesheim 70, 349. Wigand 70, 355. Wilda v. Bres-
lau n. Kid 70, 227. WUde f 69, 706. Wilke 60, 118. Wilienborg
09, 461. Wmenbficher 70, 119. Willmann v. Berlin n. Halbersladt 69,
674. Wilson f 69, 586. Windisch 70, 571. Winter 69, 126. Wiske-
maiin 69, 702. Wittich 69, 699. 700. Wittmann 69, 459. Witzleben,
T..70, 350. -^ ans Schwerin 70, 354. — aus Gotha 70, 354. Witz-
sehel 69, 700. Wöhler 69, 122. Wolf, F. 69, 122. — Th. A. 70,
571. Wolff in Breslau 69, 458. -^ in Berlin 69, 574. ^ in Ratibor
69, 705. Wolinski 69, 467. Wolter 70, 349. Woltersdorf v. Halle n.
Halberstadt 69, 119. Wucherer 70, 345. Wüstenfeld 69, 576. Wurm
70, 566. Wutke v. Breslau n. Berlin 70, 558,
Xylander, v. f 70, 576.
Zaborowoski v. Posen n. Bromberg 69, 467. Zaddach 70, 567. Zahourek
69, 121. Zange 69, 706. Zantedeschi 70, 230. Zamcke 70, 118.
Zanner 70, 226. Zawadzki 69, 231. Zedlitz, v. 69, 122. Zelle 69,
577. Zeller 70, 359. Zepic 70, 571. Zaune f 69, 127. Zeyss 69,
121. Ziebiand 69, 122. Zielonacki 69, 460. Ziemssen v. Greifswald u.
Stargard 69, 706. Zietz 70, 561. Zimmermann in Hanau 69, 577. —
in Prag 69, 580. Zindorf 69, 576. Zirkel 70, 346. Zrenner 70, 568.
Zumpt 69, 229. 70, 224.
IV. Regifler der OrUnamen.
Aachen 69, 455. 70, 345. Aarau 70, 109. Agram 70, 109. Altenburg
70, 558. Ahona 69, 228. 699. 70, 109. Amberg 70, 209. Anclam
69, 228. 455. 578. 699. Arnsberg 69, 573. Arnstadt 69, 699. Aschaf-
fenburg 70, 558. Augsburg 69, 117. 573. 70, 345.
Baden, 69, 455. Bamberg 69, 117. 347. 70, 209. 345. Basel 69, 573.
70, 109. Bayern 70, 209. 558. Bayreuth 69, 117. Bedburg 70, 223.
Berlin 69, 228. 347. 458. 578. 699. 70, 109. 223. 225. 845. 559.
Bemburg 70, 111. Blankenburg am Harz 70, 111. Blanbeuren 69,
229. Boan 69, 117. 229. 347. 458. 574. 699. 70, 111. 225. 346. 559.
Bozen 69, 458. Brandenburg 69, 229. Braunsberg 70, 116. 346. Braun-
schweig 70, 116. 346. Breslau 69, 117. 229. 458. 699. 70, 116. 225.
346. 560. Bromberg 69, 118. 699. Bruchsal 70, 560. Budissin 69, 699.
CUli 69, 574. 70, 560. Coblenz 69, 118. Coburg 70, 225. Coslin 60,
229. 574. 699. Conitz 69, 459. Crefeld 69, 118. Ottstrin 70, 560.
Culm 69, 229. 70, 346. Czernowitz 70, 116. 346.
Darmstadt 69, 574. Detmold 69, 459. 70, 560. DUingen 70, 225. Do-
naueschingen 69, 699. 70, 346. Dorpat 69, 229. Dortmund 69, 575.
44«»
Qgg Ortsregister.
Dresden 69, 575. 70, 560. Düren 70, 225. Düsseldorf 69, 459. 70,
346. 560. Duisburg 70, 225. 560.
Eger 60, 119. 70, 501. Ehingen 69, 229. Eichstädl 69, 119. 70« 226.
561. Eisenacli 69, 459. 699. 70, 117. Elberfcld 69, 459. 70, 226.
561. Elbing 70, 346. Eiiwangen 69, 229. 70, 561. Emden 69, 701.
Erlangen 69, 119. 70, 561. Essen 69, 459. Eutin 70, 220.
Feldkirch 70, 561. Frankfurt a. M. 69, 230. 575. 701. 70, 347. 661.
Freiberg 69, 576. 70, 117. Freiburg i. Br. 69, 701. Friedland 69,
347. 70, 565.
Gera 69, 347. Giessen 70, 565. Glatz 69, 230. 70, 226. Gleiwitc 70,
117. Glückstadt 69, 230. Gorliu 69, 230. 460. 70, 117. Gör« 60,
119. 230. 70, 347. GoUingen 69, 119. 230. 460. 576. 70, 117.- 347.
565. Gotha 69, 576. Graz 69, 119. 460. 576. 70, 347. GreiiTenbcrg
69, 577. Greifswald 69, 119. 230. 460. 70, 117. 565. Griechenland
70, 566. Grimma 69, 230. Gross-Glogau 69, 230. 576. 70, 117. 565.
Guben 69, 577. Güslrow 69, 701. Gumbinnen 70, 347.
Halberstadt 69, 460. Halle 69, 119. 230. 460. 577. 70, 226. 566. Ham-
burg 69, 701. 70, 566. Hamm 69, 231. 70, 566. Hanau 69, 577.
Hannover, Königreich 69, 701. — Stadt 70, 226. 347. Heidelberg 69,
577. 70, 506, Hellbronn 69, 231. 347. 70, 348. Heiligenstadt 69, 348.
Helmstedt 69, 577. Hermannstadt 70, 349. 566. Hersfeld 69, 702.
Hüdburghausen 69, 577. Hildesheim 70, 349. Hirschberg 09, 460. 702.
Hof 69, 120. Hohenstein 70, 349. Homburg vor der Höhe 70, 226.
Jena 69, .348. 70, 566. Jever 69, 702. Iglau 69, 120. 70, 117. Jiiin
70, 567. Hfeld 69, 702. Innsbrnok 69, 348. 460.
Karisruhe 69, 578. 70, 567. Kaschau 69, 120. 231. 70, 117. Kassel
69, 578. Kempten 69, 120. 70, 227. Kiel 69, 231. 460. 578. 70,
227. 567^ Köln 69, 460. 702. Königgrätz 70, 567. Königsberg in
Preussen 69, 460. 70, 567. — in der Neumavk 70, 118. Konstantino-
pel 69, 120. Krakau 70, 349. Kremsmünster 70, 567. Kreuinach 69,
120. 70, 349. Kurhessen 69, 120. 702. 70, 227.
Lahr 69, 702. 70, 228. Laibach 69, 121. 70, 118. 567. Landshat 69,^
702. — in Bayern 69, 460. Lauban 69, 231. 460. Leipilg 69, 231.
70, 118. Leitmeritz 69, 231. Lemberg 69, 231. 70, 228. Lemgo 70,
228. Leutschau 69, 121. 70, 118. 228. Liegnitz 69, 348. 461. 702.
Lissa 69, 231. 461. London 69, 348. Lnckau 69, 703. Lübeck 69,
578. 703. 70, 229. Lüneburg 69, 578. Lyck 69, 231. 70, 667.
Magdeburg 69, 231. 70, 118. Mailand 69, 350. 70, 229. Main* 69, 461.
70, 349. Mannheim 69, 703. 70, 567. Marburg 69, 578. 70, 667.
Marienwerder 69, 121. Meiningen 69, 579. Meissen 70, 229. Meldorf
69, 703. Meran 70, 229. Mühlhausen 69, 579. 70, 567. Mündien
69, 121. 461. 579. 704. 70, 229. 568. Münnerstadt 70, 568. Münster
69, 122. 461. 579. 704. 70, 568. Münstereifel 70, 118. 568.
Nassau 69, 679. 70, 229. Nenburg an der Donau 70, 568. Nenhaus 69,
122. 704. Neu-Roppin 69, 231. Norden 69, 704.
Oedenburg 69, 461. Oels 69, 704. Ocsterreich 69, 462. 704. Ofen 70,
350. 569. ülmüti 69, 704. 70, 569. Oppeln 69, 281. Ostrowo 69,
122. 466. 70, 118. 669.
V
OrtstegiBter. 0gO
Padua 60, 231. 70, 118. 230. Parchim 70, 569. Paris 70, 350. Paria
69, 466. 70, 569. Peslh 69, 466. St. Petersburg 69, 231. Pforsheim
70, 569. PUek 69, 704. Plauen 69, 580. Plön 69, 232. 70, 118.
Posen 69, 350. 467. 704. 70, 118. Potsdam 69, 580. Prag 69, 122.
232. 580. 704. 70, 118. 350. Prenxlau 69, 704. 70, 230. Pressburg
69, 122. 467. Preusseu 69, 232. 467. 70, 230. Przomysl 70, 350.
Putbus 69, 233.
Rastatt 69, 580. Ratibor 69, 467. 705. 70, 350. 569. Ratcebnrg 69, 233.
Ravenna 69, 705. Rössel 69, 233. Rom 69, 123. 705. 70, 230. Ross-
leben 70, 350. Rostock 69, 467. 70, 569. Rottweil 69, 233. Rove-
redo 70, 230. 570. Rudolstadt 70, 230. 355. ^
Saarbrücken 69, 233. 581. Salzburg 70,355. Salawedel 69, 233. 70, /
356. Sambor 69, 705. Sandec 69, 705. Schleswig 69, 233. Schleu-
singen 69, 706. Schulpforte 70, 570. Schweidniu 69, 467. 70, 356.
570. Schweinfurt 69, 233. Schwerin 70, 357. Siebenburgen 69, 125.
706. Soest 70, 357. Solothurn 70, 119. Sondershausen 69, 706.
Sorau 69, 233. 70, 119. Spalato 69, 125. Speyer 69, 125. Stargard
69, 581. 706. Stendal 69, 234. 70, 570. Stettin 70, 231. Straubing
•70, 231. Stuttgart 69, 234.
Teschen 70, 119. Tilsit 70, 119. 357. Torgau 69, 467. 70, 119.
Trzemeszno 69, 234. 468. 70, 570. Trier 69, 468. 70, 570. Triest
69, 126. 70, 570. Troppau 69, 126. 234. 70, 119. 570. Tübingen 69,
234. 70, 357. 570.
Ulm 69, 234. 70, 119. Urach 70, 231. 570.
Venedig 69, 126. Vioenza 69, 126.
Warasdin 69, 707. Weimar 69, 234. Wertheim 70, 231. 570. Wesel
70,571. Wetzlar 70, 571. Wien 69, 126. 707. 70, 23.1. 571. Wit-
tenberg 69, 234. 707. Wolfenbüttel 69, 581. Worms 70, 119. Würt-
temberg 69, 350. 581.
Zara 70, 119. 575. ZeiU 69, 234. Zittau 70, 575. Znaim 69, 351.
ZüUichau 70, 119. 231. Zürich 70, 231. Zweibrücken 69, 126.
Zwickau 69, 351.