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Full text of "Neue Jahrbücher für Philologie und Paedogogik"

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I 


\- 


Neue 


JAHRBÜGHBR 


flir 


Philologie  niMi  Paedagogil(. 


Begründet 

Ton 

Mt  Jakun  Ghriftiui  JaluL 


Gegenwärtig  heransgegeben 


▼OD 


Reinhold  Klotz  Rudolph  Dietseh 

Professor  in  Leipsig  Professor  in  Grimma 

and 

Alfred  Fle«keisen 

Professor  in  Frankfurt  am  Main. 


Vierondsiebenxigster  Band. 


LdpdglSSft. 

Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner. 


•„t^'r.  ■ 


€ 


Zweite  Abtheilung 

kera«sgegebeii  tob  R«ddlpk  Dietsek 


Studien  zum  Gymnasialwesen  mit  besonderer  Berücksich- 
tigung der  sächsischen  Gelehrtenschulen. 


I. 

Jedem  der  einen  Beraf  ergreift,  ein  Gebiet  der  Wissenschaft 
oder  des  Lebens  zam  Mittelpunkte  seines  Strebens  macht,  schreiben 
wir  billig  nicht  bloss  eine  lebendige  Neigung  für  das  ergriffene,  son- 
dern anch  eine  innige  Ueberzeugung  von  der  Wichtigkeit  und  Er- 
sprieszlichkeit  desselben  zu.  Je  mehr  ein  solches  Gebiet  an  sich  eine 
geistige  und  sittliche  Natur  und  Bedeutung  hat,  desto  mehr  ist  auch 
das  Vorhandensein  jener  Ueberzeugung  neben  der  Neigung  anzuneh- 
men. Denn  leider  gilt  heute  mehr  als  jemals  bei  vielen  der  Grund- 
satz ,  dasz  die  ErtragsfShigkeit  des  Berufes  bei  der  Wahl  desselben 
den  Ausschlag  geben  mässe ,  so  dasz  es  sich  weniger  darum  handelt, 
ob  eine  starke  Neigung  fär  denselben,  als  vielmehr  darum,  ob  nicht 
eine  zu  mächtige  Abneigung  gegen  denselben  vorhanden  sei.  So  wird 
schon  durch  das  betonen  des  materiellen  Gewinnes  dem  Berufe  häufig 
sein  geistig- sittlicher  Zusammenhang  mit  dem  Menschen  entzogen, 
indem  der  Mensch  nur  materiell  in  demselben,  geistig  und  sittlich 
neben  demselben  steht. 

Weir  aber  in  dem  oben  ausgesprochenen  Sinne  sich  einem  Wir- 
kungskreise zuwendet,  erfallt  von  Begeisterung  für  denselben,  durch- 
drungen von  der  Ueberzeugung  seiner  Würde  und  Wichtigkeit,  wird 
nicht  lange  ungestört  in  dieser  Begeisterung  bleiben.  Entweder  wird 
er  überhaupt  die  Praxis  nicht  im  Einklänge  mit  seinem  Ideale  finden, 
—  und  das  ist  bis  zu  einem  gewissen  Grade  so  nothwendig  wie  nütz- 
lich ,  —  oder  er  wird  von  auszen  her  mit  Widersprüchen  manigfacher 
Art  zusammenstoszen.  Er  wird  erfahren ,  dasz  viele  das ,  was  ihm  so 
hoch  steht,  geringer  oder  gar  gering  schätzen,  dasz  das,  was  er  für 
nützlich  hält,  andern  unersprieszlich  oder  gar  verderblich  erscheint, 
ja  er  wird  vielleicht  sogar  wahrnehmen  müssen ,  dasz  sich  die  allge- 

N.  Jakri.  f.  PfUt,  u.  Paed.  Bd.  LXXIV.  Hß.  1.  1 


2  Studien  zum  Gymnasialwesen. 

meine  Stimme  im  Gegensalze  zu  seinen  Ueberzeugungen  befindet.  Al- 
les das  braucht  ihn  zwar  noch  keineswegs  um  diese  zu  bringen,  aber 
es  wird  ihn  doch  nachdenklich  stimmen  und  darauf  hinweisen,  die 
Lage  der  Sache  und  ihr  cigenllichslcs  Wesen  möglichst  genau  zu  pra- 
fen.  So  entsteht  das  Bedürfnis  die  eigene  Neigung,  die  Ueberzeuguog, 
welche  aus  jener  erwuchs  und  vielleicht  noch  nicht  gegen  die  An- 
grilTe  genügend  gerüstet  ist,  durch  ausreichende  Gründe  zu  unter- 
stützen. Denn  ist  es  auch  Ihöricht,  sich  durch  jeden  Widerspruch 
wankend  machen  zu  lassen,  so  ist  es  doch  auch  nicht  minder  ver- 
kehrt, an  entgegengesetzten  Meinungen  gleichgiltig  vorüberzugehen; 
nichts  ist  zwar  unangenehmer,  aber  auch  nichts  inslrucliver  als  der 
Widerspruch.  Nimmt  nun  die  Zahl  der  Gegner  so  zu,  dasz  sie  die 
Majorität  zu  bilden  scheinen,  so  steigert  sich  natürlich  das  Gewicht 
der  entgegenstehenden  Meinung,  weil  die  Mehrzahl,  so  wenig  in  ihr 
die  Nothwendigkeit  der  richtigeren  Ansicht  liegt,  wenigstens  für  den 
ersten  Augenblick  imponiert. 

Das  Berufsgebiet,  dem  wir  uns  zugewendet  haben,  gehört  xu 
denen,  in  welchen  der  Enthusiasmus  nur  zu  leicht  an  Widersprach 
und  Gegensatz  anprellt,  so  dasz  es  oft  wahrlich  nicht  so  leicht  ist, 
sich  die  dem  Schulmanne  unentbehrliche  Begeisterung  für  den  Beruf 
zu  erhalten.  Zum  Theil  ist  auch  nicht  in  Abrede  zu  stellen,  dasz,  so 
wenig  jemals  wol  die  materielle  Krwerbslust  zu  diesem  Stande  ge- 
trieben hat,  hier  der  auszerliche  Ertrag  oft  selbst  hinter  massigen 
Ansprüchen  zurückbleibt.  Aber  wäre  es  nur  das,  so  möchte  es  im- 
mer noch  leichter  sein,  sich  jenen  Enthusiasmus  zu  erhalten.  Auch 
nicht  die  praktische  Schwierigkeit  ist  es,  welche  Mismut  hervorruft, 
da  jede  wirklich  didaktisch  und  paedagogisch  befähigte  Natur  gerade 
von  der  Schwierigkeit  angezogen  wird.  Es  ist  weit  mehr  der  Mangel 
an  gerechter  Würdigung  der  Sache,  an  nachhaltiger  und  ausreichen- 
der Unterstützung,  der  bis  zur  Entmutigung  drücken  kann;  es  ist  die 
Stimme  der  öITentlichen  Meinung,  die  oft  namentlich  einzelne  Rich- 
tungen geringschätzt  oder  angreift. 

Bei  einer  andern  Gelegenheit  '^)  haben  wir  nachzuweisen  ver- 
sucht, was  für  eine  Macht  in  der  Schule  überhaupt  liegen  könne, 
wenn  man  sie  nur  in  ihr  suchen  wolle.  Wir  glaubten  und  glauben 
noch,  dasz  die  Schule  gerade  in  unserer  Zeit,  der  nur  durch  das  ge- 
winnen einer  festeren  Basis  gründlich  zu  helfen  ist,  eines  der  wich- 
tigsten der  diesem  Zwecke  dienenden  Mittel  sein  könne.  Diese  Uc- 
berzeugung  halten  wir  auch  heute  fest,  wenn  wir  auch  weit  davon 
entfernt  sind  die  Macht  der  Schule  zu  überschätzen,  und  auf  der  an- 
dern Seite  nicht  verkennen,  dasz  der  Staat  nicht  zu  allen  Schulge- 
bieten in  nächster  und  unmittelbarster  Beziehung  stehen  kann.  >A  ir 
wollen  uns  aber  heute  auf  ein  besonderes  Gebiet  beschränken,  auf 
dasjenige,  dem  wir  selbst  angehören,  das  Gebiet  der  Gymnasialslu- 
dien  und  bei  der  Betrachtung  desselben  eine  besondere  Rücksicht  auf 


♦)  Vgl.  deutsche  Vierteljahrschr.  1855.  1«  Heft. 


Studien  zum  GymnasialweBen.  3 

unser  eAgeres  Vaterland  nehmen.  Ffir  das,  was  wir  dabei  zn  sagen 
haben  werden,  um  eine  wolwollende  Anfnahme  bittend  versichern  wir 
zugleich,  dasz  die  beste  und  ernsteste  Absicht  diese  Auseinander- 
setzungen hervorrief,  und  dasz  wir  jeder  Belehrung  zugänglich  sind. 

Ist  das  Schulgebiet  überhaupt  in  den  letzten  Jahren  der  Tum- 
melplatz der  widerslrebendsten  Meinungen  gewesen,  hat  sich  die  po- 
litische Parteisteliung  wcisentlich  auch  ihm  gegenüber  in  bestimmten 
Standpunkten  und  Neuerungsversuchen  kundgegeben,  so  möchte  wol 
kein  einzelner  Theii  desselben  so  stark  von  der  Zeitstimmung  berührt 
worden  sein ,  als  das  Gymnasialwesen.  Man  hat  im  Jahre  1848  und 
1849  Theorien  aufgestellt,  welche  die  Basis  desselben  wenigstens  zu 
untergraben  drohten,  es  haben  damals  auch  die  wolmeinenden  nicht 
geringe  Concessionen  gemacht,  es  ist  vieles  verändert  worden ,  die 
allgemeine  Neigung  hat  sich  wenigstens  temporär  und  local  von  die- 
sen Schulanstalten  ab-  und  wenigstens  in  manchen  Theilen  Deutsch- 
lands den  emporblühenden  Realschulen  zugewendet.  Die  Frage  scheint 
noch  zu  schweben,  eine  Entscheidung  derselben  durch  die  Erfahrung 
aber  nicht  ohne  Bedenken,  weil  dergleichen  durch  die  Erfahrung  ge^ 
gebene  Antworten  sehr  oft  nicht  blosz  vorwärts,  sondern  auch  rück-* 
wärts  weisen.  Freilich  ist  der  Werth  der  Erfahrung  nicht  zu  leugnen,* 
aber  die  Frage  iäszt  sich  nicht  übersehen ,  was  man  für  Erfahrungen 
durch  eine  eingeschlagene  Richtung  machen  kann.  Das  ist  eine  je- 
denfalls aufzuwerfende,  freilich  nicht  leicht  zu  beantwortende  Frage, 
an  deren  Lösung  alle,  die  ein  Herz  für  die  Sache  haben,  nach  dem 
Masze  ihrer  Kraft  mitarbeiten  sollen ,  indem  ^iner  allein  schwerlich 
die  Wahrheit  nach  allen  Seiten  erfassen  wird ;  die  entgegengesetzte- 
sten Standpunkte  werden  hier  willkommene  Beiträge  liefern  können. 

Denn,  wie  die  Dinge  stehen,  wird  eine  Betrachtung  der  Lage 
der  Gymnasialstudien  kaum  möglich  sein,  wenn  man  nicht  von  altge- 
meinen Principfragen  ausgeht.  Es  ist  nothwendig  sich  über  die  Be- 
deutung dieser  Studien  überhaupt  zu  verständigen,  ihre  Stellung  zu 
den  Bedürfnissen  unserer  Zeit  zu  erörtern ,  das  Wesen  der  Realscha- 
len ins  Auge  zu  fassen  und  das  Verhältnis  beider  Richtungen  zu  ein- 
ander und  zu  den  Zeitfragen  zu  betrachten,  ehe  noch  von  der  spe- 
ciellen  Gestalt  der  ersteren,  die  sie  annehmen  sollen  und  wirklich 
annehmen ,  die  Rede  sein  kann.  Ueber  alle  diese  Capitel  ist  nicht  we- 
nig schon  geschrieben  worden,  darunter  manches  sehr  vortreffliche, 
so  dasz  kaum  daran  zu  denken  sein  dürfte,  der  neue  Versuch  werde 
darüber  hinausgehen.  Und  doch  gibt  es  Dinge,  die  gar  nicht  oft  ge- 
nug wiederaufgenommen  werden  können,  weil,  wenn  auch  die  Wahr- 
heit dieselbe  bleibt,  doch  die  äuszern  Verhältnisse,  die  zeitliche  Stel- 
lung sich  von  Jahr  zn  Jahr  ändert.  Insbesondere  aber  ist  es  die 
Pflicht  der  nicht  von  der  Stimmung  der  Zeit  begünstigten  Richtung, 
sich  nicht  schweigend  zu  verhalten,  nicht  die  Hände  in  den  Schose 
zu  legen  und  zu  erwarten,  dasz  die  Erfahrung  ihr  zu  Hülfe  kommen 
werde ,  sondern  trotz  jener  Abneigung  ihre  Ueberzengung  immer  wie- 
der freimütig  auszusprechen. 


4  Sluüicii  zum  (jyinnasiaUesen. 

Die  Gymiiasialsludien  rohen  auf  dem  classisclien  Principe,  auf 
dem  lluinanismiis,  der  eine  doppelle  Bedeutung  hat,  eine  fiussere  hi- 
»toriflch  gewordene,  und  eine  innere  in  seinem  Wesen  ruhende.  In 
Beziehung  auf  die  erstere  ist  es  gewis,  dats  die  classischen  Stadien 
ein  Grundbestandlheil  des  deutschen  Geisteslebens  seit  über  1000  Jah- 
ren sind.  Eine  deutsche  Litteraturgcschichte,  die  von  diesem  Ge- 
sichtspunkte nicht  mit  ausgehen  wollte,  würde  geswungen  zu  die- 
sem Uesultate  gelangen.  Es  ist  noch  gar  nicht  genug  Mühe  daraaf 
verwendet  worden,  diesen  Zusammenhang  nachzuweisen,  und  die 
neuerdingt»  in  richtigem  Gefühle,  worum  es  sich  jetzt  eigentlich  han- 
delt, versuchte  neue  Behandlung  von  Cholevius  (vgl.  diese  Jhb.  Bd. 
LXXII  S.  297  fr.)  verdient  schon  deshalb  grosze  Anerkennung.  Von 
vornherein  also  ist  ein  historisches  Recht  des  classischen  Principea 
nicht  in  Abrede  zu  stellen ,  und  wenn  .man  auch  nicht  geneigt  sein 
wird,  für  eine  Sache  nur  darum  zu  sprechen,  weil  sie  seit  so  und  so 
viel  Jahren  bestanden,  so  wird  man  auch  nicht  verkennen,  dasz  alles 
historisch  gewordene  nicht  blosz  eine  äusz  er  liehe  Berechtigung  hat, 
so  wie  da^z  es  nirgends  leicht  ist,  über  die  Tradition  ungestraft  hin- 
wegzukommen. Selbst  die  wärmsten  Anhänger  des  entgegenstehen- 
den Princips  werden  nicht  leugnen  können,  dasz  der  Humanismus  ftr 
uns  die  Quelle  inhaltvollstor  Sognungen  geworden  ist.  Die  geistig 
hervorragende  Stellung  der  deutschen  Nation  ruht  mit  auf  dieser  Ba- 
sis, unsere  Litteratur  zumal  verdankte  ihr  noch  jüngst  ihre  zweite 
dussische  Periode,  und  es  ist  sehr  zu  bezweifeln,  ob  dieselbe  ohne 
das  AUerlimm  je  zu  einer  dritten  gelangen  wird;  ein  gleiches  läszt 
sich  von  der  Kunst  sagen.  Ferner  ist  gewis,  dasz  sich  in  diesem  Zu- 
sammenhango mit  dem  classischen  Alterthnmo  eine  unserer  national- 
sten Eigenschaften  gross  gezogen  hat,  nemlich  die  Fähigkeit,  fremde 
Elemente  in  uns  aufzunehmen,  sa  verarbeiten  und  als  unser  geistiges 
Eigenthum  neu  zu  gestalten.  Für  den  Protestanten  kann  es  endlich 
nicht  gleichgiltig  sein,  in  welcher  innigen  Verbindung  der  Humanis- 
mus mit  den  Reformatoren  stand:  gieug  doch  unsere  Gymnasialwcsen 
mit  von  der  Kcformation  aus,  und  empfahl  doch  noch  sterbend  Me- 
lanchthon  nächst  der  Bibel  den  Homer! 

Die  Thatsache,  dass  der  Humanismus  historisch  die  Bildungs- 
grundlage der  deutschen  Nation  geworden  ist,  bedarf  nicht  des  Be- 
weises. Eine  andere  Frage  ist  es ,  ob  man  mit  diesem  historisch  ge- 
wordenen Verhältnis  zufrieden  zu  sein  Ursache  hat.  Denn  allerdings 
ist  es  auf  der  andern  Seite  auch  historisch  richtig,  dasz  sich  von 
frühester  Zeit  an  Gegensitze  gegen  den  Classicismus  geltend  gemacht 
haben;  ja  die  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  besteht  geradezu 
aus  der  Geschichte  dieser  Bewegungen  für  und  gegen  denselben,  wel- 
che letzteren  man  neuerdings  unter  dem  Namen  des  romantischen  zu- 
sammengefaszt  hat.  Wir  können  auch  dies  hier  nicht  weiter  verfol- 
gen, sondern  beschränken  uns  darauf  zu  sagen,  dasz  es  vorzüglich 
zwei  Elemente  waren ,  welche  zu  verschiedenen  Zeiten  sich  gegon  das 
classische  Priucip  erhoben,  das  christliche  und  das  nationale,  bis  erst 


Studien  zun  Gyanasialwesen.  5 

in  neaerer  Zeit  ein  drittes  hinzukam^  das  realistische.  Schon  sehr 
früh  begann  die  kirchliche  Opposition  gegen  die  dassisehe  Bil- 
dung, freilich  mehr  gegen  den  Inhalt,  als  gegen  die  Form;  so  schoii 
durch  Cassiodor,  welcher  den  Papst  Agapitus  ermunterte,  zu  Rom 
eine  Schule  zu  gründen,  in  welcher  man  mit  den  artes  elegantes  die 
christlichen  Studien  verbände,  unde  et  anima  susciperei  aeiernam 
salulem  ei  caslo  aique  purissimo  eloquio  ßdelium  lingua  camerelur. 
(Cholev.  I  9).  So  ermahnte  Gregor  der  grosze  den  Bischof  Desiderius 
V.  Vienne,  den  nugis  und  litieris  saecularibut  zu  entsagen,  und  nicht 
ferner  heidnische  Dichter  mit  jungen  Leuten  zu  lesen.  Bekannt  ist 
jedem,  wie  zu  verschiedenen  Zeiten  sich  diese  Angriffe  erneuerten, 
und  wie  sie  noch  in  unserm  Jahrhunderte,  ja  in  der  allerletzten  Zeit 
erneuert  worden  sind.  Die  nationale  Opposition  änszerte  sich  nyehr 
in  dem  Gebiete  des  Staates  und  in  der  Littoratur,  gleichfalls  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  und  bis  auf  unsere  Tage  herab.  Aber  nirgends  war 
die  Opposition  so  erfofgreich ,  dasz  das  angefeindete  seinen  Einflus» 
langer,  als  auf  eine  kurze  Zeit  eingebüszt  hatte.  Und  zwar  deshalb, 
weil  beide  dem  classischen  feindliche  Elemente  nicht  den  Kern  deft 
Uumanismus  treffen  konnten  und  wollten,  sondern  nur  seine  unlau- 
tere Erscheinung:  sie  wollten  nur  zu  ihrem  unzweifelhaften  Rechte 
gelangen.  Der  Classicismus  aber  schlieszt  nach  seinem  wahren  We- 
sen weder  das  christliche,  noch  das  nationale  aus,  und  verstehen  wir 
die  geschichtliche  Bewegung  recht,  so  handelt  es  sich  nicht  nm  das 
aufgeben  eines  dieser  Factoren ,  sondern  um  ihre  Vereinigung.  Die- 
sen Humanismus ,  der  die  christliche  Basis  nicht  verliert  and  der  na- 
tionalen Gesinnung  nicht  entratbet,  bezeichnen  wir  im  voraus  als  die 
eigentliche  Aufgabe  der  Gegenwart. 

Der  dritte  Gegner  des  Humanismus  aber  trat  mehr  als  die  ge- 
nannton in  Gegensatz  zu  dem  wahrhaften  Wesen  desselben.  Dieses 
ist,  um  die  Worte  eines  ausgezeichneten  Mannes  in  einem  gleich  aus- 
gezeichneten Werke  anzuführen  (Palmer  evangel.  Paedagogik  I  S. 
S9),  folgendes:  ^der  Humanismus  stellt  die  Lehre  auf,  dass  der  Zweck 
aller  Bildung  die  HumanitSt,  die  Entfaltang  und  Cultur  des  wahrhaft 
und  rein  menschlichen  sei,  und  zweitens,  dasz  dieser  Zweck  durch 
die  alten  Sprachen  am  sichersten,  ja  ausschlieszlich  erreicht  werde, 
indem  sowol  die  formelle  Cultur  des  Geistes,  welches  jenes  Studium 
mit  sich  bringe,  als  die  Kenntnis  des  classischen  Alterthums,  seiner 
Geschichte  und  Charaktere  das  geistige  und  ideale  im  Menschen  her- 
ausbilde und  ihn  über  die  Gemeinheit  des  äuszern  Lebens  erhebe.' 
Als  ein  solches  Frincip,  als  Humanismus,  trat  der  Classicismus  erst 
im  vorigen  Jahrhunderte  auf,  nachdem  er  auf  den  Schulen  fast  unan^ 
gefochten  geherscht  hatte.  Damals  war  es  der  sogenannte  Halle- 
sche Pietismus,  der  sich  gegen  da«  einseitig  und  unfruchtbar  ge- 
wordene Unterrichtswesen  erhob  und  die  Realien  (Geschichte, 
Deutsch  usw.)  nicht  un  die  Stelle  der  alten  Sprachen,  sondern  neben 
dieselben  stellte.  Ein  Schüler  Frankes,  Semler,  ging  einen  Schritt 
weiter  und  gründete  in  Jahre  1739  in  Hnlle  die  erste  specifiscbe  Real- 


6  Studien  zum  Gymnasialwesen. 

schule,  von  der  nun  das  Studium  der  alten  Sprachen  ausgeschlossen 
blieb.  Insofern  man  aber  den  classischen  Humanismus,  freilich  ueii 
gestaltet  durch  die  Aufnahme  realer  Elemente,  als  Grundlage  der  hö- 
hern Bildung  beizubehalten  gedachte,  war  die  Hallesche  Opposition 
ein  Fortschritt  des  Humanismus  selbst,  der  dadurch  erst  zu  einem 
Princip  entwickelt  und,  wenigstens  nach  ^iner  Seite  hin,  vor  Einsei- 
tigkeit bewahrt  wurde.  Eine  eigentliche  realistische  Reaction  trat 
erst  später  durch  die  Philanthropisten  ein,  welche  den  wirklichen 
Realismus  schufen  und  das  Utilitätsprincip  aufstellten,  nach  dem  aller 
Unterricht  einen  unmittelbaren  materiellen  Zweck  haben  sollte.  Die- 
ser Materialismus  ist  es  nun,  der,  nachdem  er  schon  früher  die  Welt 
mit  Streit  erfüllt,  neuerdings  sich  wieder  in  der  verschiedensten 
Weise  geltend  gemacht  hat,  wozu  freilich  noch  andere,  namentlich 
sociale  und  politische  Momente,  das  ihrige  beitrugen. 

Wenn  wir  sagten,  der  Humanismus  habe  sich  nächst  dem  histo- 
rischen Rechte  auf  seine  innere  Bedeutung  zu  stützen,  so  haben  wir 
damit  die  Verpflichtung  übernommen,  dieselbe  noch  weiter  zu  be- 
trachten. Er  ruht  auf  der  Ucberzcugung,  dasz  er  formell  und  mate- 
riell die  beste  Grundlage  wahrer  Rildung  darbiete.'  Unter  Bildung 
aber  versteht  man  nicht  den  Besitz  einer  verwendbaren,  allenfalls 
auch  geordneten  Masse  von  Kenntnissen  in  einem  gewissen  Gebiete, 
sondern  etwas  anderes  und  grüszcres.  Bilden  ist  soviel  als  gestalten: 
den  Geist  bilden  heiszt  also  demselben  eine  angemessene  Gestalt  ge- 
ben. Schon  daraus  geht  hervor,  dasz  alle  Bildung  ein  formelles 
Element  hat,  und  dasz  dieses  wenigstens  ebenso  wichtig.  Ja  wichtiger 
sei  als  das  stofTliche.  Die  geistige  Natur  des  zu  bildenden  soll  vor 
allem  in  eine  gewisse  Gestalt  gebracht,  seine  Fähigkeiten  sollen  ge- 
weckt und  geformt  werden;  es  bleibt  darum  der  zu  bildende  vermöge 
dos  in  ihm  vorhandenen  das  erste  Object  des  Humanismus.  Weil  aber 
dieser  formale  Zweck  eines  bestimmten  Mittels  bedarf,  wendet  der 
Humanismus  gewisse  wissenschaftliche  Gebiete  an,  um  durch  diesel- 
ben jenen  Zweck  zu  erreichen.  Da  ihm  die  allgemeine  Zurüstung  der 
menschlichen  Natnr  über  die  besondere  Erfüllung  mit  Material  für  das 
individuelle  Leben  geht,  fragt  er  zunächst  nach  der  Fähigkeit  der 
einzelnen  Bildungsmittel  in  dieser  Hinsicht.  Und  hier  stellt  sich  das 
classische  Sprachgebiet  als  das  ausgiebigste,  nachhaltigst  wirkende 
dar.  Zwar  kann  der  Humanismus  sich  nicht  der  Anforderung  entzie- 
hen ,  die  übrigen  in  den  Bildungsinhalt  der  Zeit  aufgenommenen  Ele- 
mente zu  berücksichtigen,  noch  verkennt  er  ihre  Bedeutung,  aber  er 
kann  sie  weder  den  alten  Sprachen  überordnen,  noch  gleichstellen  in 
extensiver  Behandlung.  Uebcrall  aber  auch  da,  wo  er  die  realen  Gebiete 
heranzieht,  darf  er  sein  eigentliches  Wesen  nicht  verlengnen,  wel- 
ches als  erstes  Object 'die  zu  bildende  geistige  und  sittliche  Natur  des 
Schülers  betrachtet,  nicht  den  Unterrichtsgegenstand,  der  stets  mehr 
Mittel ,  als  Zweck  ist.  Hier  liegt  nicht  nur  die  eigentliche  Unterschei- 
dung des  Princips,  das  sich  keineswegs  blosz  in  der  Gestaltung  des 
Leclionsplanes  aasdrQckt,  sondern  auch  zugleich  die  Gefahr. 


Studien  zum  Gymiiasialwesen.  7 

Denn  dieser  formale  Standpunkt  darf  nicht  zu  einem  inhaltlosen 
werden;  er  darf  nicht  vergessen,  dasz  nicht  blosz  der  Unterrichts- 
gegenstand durch  die  ihm  inwobnende  Kraft,  sondern  dasz  das* ler- 
nen desselben  wirkt,  und  dasz  jedes  lernen  neben  der  formalen  Kräf- 
tigung des  Geistes  einen  realen  und  idealen  Inhalt  gibt.  Auch  in  Be- 
zug auf  dieses  stoffliche  Element  lebt  der  Humanismus  des  festen 
Glaubens,  dasz  ^die  classischen  Studien  dem  Geiste  des  zu  bildenden 
den  angemessensten  Inhalt  geben,  dasz  zugleich  die  Pflege  derselben 
nicht  nur  den  Geist  forme,  sondern  auch  mit  dem  idealen  Sinne  er- 
fülle, der  über  das  Leben  erhebe.  Dies  führt  von  selbst  auf  die  sitt- 
liche Bedeutung  des  Humanismus.  Dasz  wir  in  der  Bildungsfrage 
aberall  Humanismus  gleich  Idealismus  setzen  können,  wird  nicht  zn 
bestreiten  sein;  in  analoger  Weise  tritt  in  unserer  Lilteratur-  und 
Kunstgeschichte  der  Classicismus  als  Idealismus  auf.  Das  humanisti- 
sche Unterrichtsprincip  wendet  sich  nicht  unmittelbar  dem  Zwecke 
des  zu  lernenden  zu,  erhebt  also  von  vornherein  über  den  Stoff,  die 
Materie.    Ist  das  nicht  eben  das  Wesen  des  idealen? 

Indes  möchten  wir  in  dem  Humanismus  noch  mehr  suchen:  in- 
dem er  nemlich  eben  der  unmittelbaren  Verwendung  und  Verwerthung 
nicht  zusteuert,  eröffnet  er  überhaupt  höhere  Gesichtspunkte,  ordnet 
das  Leben  der  Idee  unter,  ohne  es  auszer  Augen  zu  lassen.  Denn 
überall  haben  wir  den  rechten  Humanismus,  nicht  den  farblosen  un- 
tüchtigen lebensfeindlichen  Idealismus  im  Auge.  Er  gebiert  dadurch, 
dasz  er  nicht  dem  materiellen  Zwecke  dienstbar  wird,  die  sittliche 
Resignation ,  die  Unterordnung  unter  das  höhere  und  allgemeine ,  die 
Fähigkeit  nicht  blosz  nach  den  Bedürfnissen  des  Tages  zu  jagen;  er 
ist,  um  es  kurz  zu  sagen,  nächst  dem  Christenthum  der  gefährlichste 
Feind  des  Materialismus. 

Was  aber  seine  Stellung  zum  Christenlhumo  betrifft,  so  steht 
er  durchaus  nicht  im  Gegensatze  zu  demselben,  schon  darum,  weil 
er  sich  nie  als  letzten  Zweck ,  sondern  als  Mittel  setzt.  Er  dient  viel- 
mehr dem  Christenthume ,  theils ,  indem  er  den  idealen  Siun  weckt, 
die  Sittlichkeit  kräftigt,  über  die  Materie  erhebt,  theils  auch,  indem 
das  von  ihm  vorzugsweise  verwendete  sprachlich  -  historische  Bil- 
dungsmaterial in  einem  fortlaufenden  Zusammenhange  mit  der  gött- 
lichen Weltordnnng  steht,  überall  auf  Gott  hinweisend,  auf  Christum 
hinführend,  nirgends  über  das  grosze  ewige  Mysterium,  wie  es  des 
Glaubens  Eigenthum  sein  soll,  durch  analytische  Zersetzung  hinaus- 
gehend. 

Also  stellt  sich  uns  das  geleuterte  Wesen  des  Humanismus  dar. 
Manche  werden  entgegnen,  dasz  ein  solcher  Humanismus  nicht  die 
Grundlage  der  Gymnasien  sei.  Darauf  ist  zu  erwiedern ,  dasz  1)  doch 
wol  anzuerkennen  ist,  dasz  man  neuerdings  das  Princip  nicht  anders 
faszt,  und  dasz  2)  einzelne  Ausnahmen  und  besondere  Zustände  nichts 
gegen  das  Princip  beweisen,  sondern  nur  darthun,  wie  man  es  nicht 
genug  herausgebildet  hat.  Dasz  es  aber  sich  also  gestalten  läszt,  dar- 
über möchte  wol  nicht  zu  zweifeln  sein. 


8  Stadien  zum  Gymnasialwesea. 

Wie  verhält  sich  nun  die  Gegenwart  mit  ihren  Auforderangen 
und  ihren  Neigungen  zu  diesem  Humanismus?  So  befriedigend  die 
Antwort  ausfiel,  als  wir  nach  dem  Wesen  des  Humanismus  fragten, 
80  wenig  günstig  lautet  hier  im  ganzen  die  Antwort.  Denn  wie  im- 
mer  anzuerkennen  sei ,  dasz  einsichtsvolle  Stimmen  sich  für  die  Gym- 
nasien erklärt  haben,  wofür  wir  später  noch  Beweise  beibringen  wer- 
den, dasz  ferner  hie  und  da  eine  allgemeinere  Rückkehr  zu  den 
Gymnasialstudien  angestrebt  wird,  das  ist  nicht  zu  leugnen,  dasz  die 
Gymnasialbildung  in  der  Achtung  der  Zeit  gesunken  ist,  dasz  nament- 
lich in  einzelnen  Ländern  sich  die  Neigung  des  Publicums  überwie- 
gend der  andern  Richtung  zugewendet  hat.  Das  dürfte  in  nicht  ge- 
ringem Grade  für  Sachsen  gellen.  Denn  die  Zahl  der  Gymnasien  ist 
keine  grosze;  wollen  wir  auch  das  zum  Theil  von  Auslandern  be- 
suchte Vizlhumsche  Geschlechtsgyninasium  mit  einrechnen,  so  kommt 
durchschnittlich  1  Gymnasium  —  wir  haben  11  —  auf  170000  Men- 
schen, was  ein  ganz  besonders  geringes  Verhältnis  ist  und  in  den 
meisten  deutschen  Staaten  sich  günstiger  herausstellt,  z.  B.  im  Grosz- 
herz.  Hessen,  Braunschweig  usw.  Unter  diesen  11  Gymnasien  sind 
auszcrdem  mehrere  sehr  schwach  besuchte,  andere  in  sich  geschlos- 
sen und  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade  zugänglich,  wodurch  sich 
die  Theilnahme  für  die  Gymnasialstudien  in  Sachsen  als  noch  geringer 
darstellt.  Vielleicht  finden  wir  indes  spater  noch  besondere  Gründe, 
welche  hiebei  mitwirken  möchten.  Im  ganzen  wendet  sich  die  Nei- 
gung in  unserem  Lande  anderen  Richtungen  mehr  und  mehr  zu ;  das 
ist  wol  nicht  in  Zweifel  zu  ziehen,  da,  selbst  wenn  die  Frequenz  un- 
serer Gymnasien  nicht  abgenommen  hätte,  die  grosze  Zunahme  der 
Bevölkerung  doch  wol  ein  verlangen  nach  Vermehrung  der  Gymnasien 
hervorgerufen  haben  müstc. 

Fragen  wir,  wie  sich  diese  Schulen  zum  Bedürfnisse  unserer 
Zeit  verhalten,  so  müssen  wir  dieses  Bedürfnis  selbst  zu  ergründen 
suchen.  Unsere  Zeit  ist  aber  wol  durch  nichts  treffender  zu  bezeich- 
nen, als  durch  den  Namen  einer  materialistischen:  der  Materia- 
lismus, in  tausend  Gestalten,  ist  der  Regent  dieser  Tage.  Deshalb 
werden  sich  für  diejenigen,  welche  schärfer  hinsehen,  die  meisten 
Tages-  und  Zeitfragen  unter  den  Gesichtspunkt  zusammendräugen : 
Realismus  oder  Idealismus?  In  mancher  Beziehung  kann  man  dafür 
auch ,  und  nur  für  den  ersten  Augenblick  mit  einem  Anscheine  von 
SchrolTlieit,  sagen:  heidnisch  oder  christlich?  Denn  aller  Materialis- 
mus lehrt  die  Hingabe  an  die  Objecle,  und  das  Christenthum  entreiszt 
dieser  Sklaverei  der  Diesseitigkeit :  nur  ist  dieser  christliche  Idealis- 
mus nicht  farblos,  sondern  ruht  auf  der  Basis  des  echten  Glaubens. 

Dasz  unsere  Zeit  eine  materialistische  sei,  das  ist  so  oft  und 
von  so  ehrenwerthen  Mäpnern  ausgesprochen  worden,  dasz  es  kaum 
der  Wiederholung  bedarf.  Weniger  dagegen  hat  man  den  Innern  Zu- 
sammenhang der  einzelnen  äuszern  Erscheinungen  aufzudecken  sich 
bemüht:  man  hat  sich  meistens  mit  dem  einzelnen  Gebiete  begnügt. 
Und  doch  thut  vor  allem  gerade  dies  Noth,  dasz  man  einmal  das  ganze 


Studien  zum  Gymnasiulwesen.  9 

Gebiet  de«  Lebens  durchforsche  und  den  Beweis  liefere,  wie  alle  ein- 
zelne Verirrungen  zuletzt  auf  dieselbe  Quelle  zurückweisen.  Diese 
Quelle  scheint  uns  eben  keine  andere  zu  sein ,  als  der  Materialismus, 
oder  noch  schärfer  ausgedruckt,  dasPrincip  der  Diesseitigkeit.  In 
einigen  Beziehungen  sind  wol  alle  besser  denkende  einig,  wie  etwa 
in  Bezug  auf  das  sociale  Leben,  dessen  materielle  Richtung  wol  nur 
den  verblendetsten  erfreuen  kann;  nicht  minder  verdammt  man  in 
Kunst  uud  Litteratur  die  realistische  Richtung.  Aber  schon  hier  fehlt 
CS  nicht  an  heillosen  Inconsequenzen ,  welche  das,  was  sie  durch  die 
eine  Thüre  hinauswerfen ,  durch  die  andere  wieder  hereinlassen.  Wir 
wollen  gar  nicht  daran  erinnern,  dasz  sehr  viele  über  den  Luxus, 
über  die  Genuszsucht  des  Volkes,  über  Sonntagsentheiligung  usw.  kla- 
gen utfd  nicht  im  geringsten  darauf  bedacht  sind ,  sich  selbst  zu  ver- 
einfachen. Wir  wollen  nur  die  Litteratur  betrachten:  wird  nicht  der 
flachsten  Production  Vorschub  geleistet?  Wuchert  nicht  in  den  Leih- 
bibliotheken eine  Litteraturgattung  ungehindert  empor,  die  sehr  oft 
die  besten  Bestrebungen  des  Unterrichtes,  der  Erziehung,  der  Predigt 
zu  Schanden  macht?  Ein  recht  augenfälliges  Beispiel  liefert  da» 
Theater,  das  der  Zeitrichtung  am  meisten  verfallen  ist;  was  gehen 
jetzt  von  der  Bühne  für  Wirkungen  aus?  Es  bedarf  noch  nicht  einmal 
der  Keckheit  eines  der  modernen  Litteraturführer,  dem  sittlichen  Ge- 
fühle in  einer  Komoedie  der  Besserungen ,  in  welcher  die  Besserung 
nichts  als  Komoedie  und  die  Tugend  hohle  Phrase  ist,  in  das  Gesicht 
zu  schlagen,  es  genügt  zu  bemerken,  dasz  die  Mehrzahl  moderner 
Dramen,  etwa  wie  Pitt  und  Fox,  auf  einem  faulen  Grunde  ruht,  und 
dasz  die  Oper  zu  dem  materiellsten  Effectdienst  herabgesunken  ist. 
Worin  liegt  die  Consequenz,  wenn  man,  wie  anderwärts  geschieht, 
am  Sonntage  zwar  streng  auf  Heiligung  des  Feiertags  halten  möchte, 
aber  doch  Abends  ein  groszes  modernes  Ballet  aufführt?  Und  solcher 
Inconsequenzen  lassen  sich  in  den  verschiedensten  Gebieten  nicht  we- 
nige aufßnden. 

Wir  wurden  eiwßs  unternehmen ,  das  eine  ausgiebigere  Kraft  be- 
ansprucht, als  wir  besitzen,  und  würden,  wenn  wir  uns  auf  einen 
solchen  Versuch  einlassen  wollten,  unserm  Hauptthema  untreu  wer- 
den, wenn  wir  hier  nachweisen  wollten,  wie  der  Materialismus  das 
ganze  Leben  durchdrungen  hat,  und  welche  Wirkungen  wir  ihm  ver- 
danken. Das  aber  möchten  wir  noch  hinzusetzen ,  dasz  die  Ueberzen- 
gnng  von  der  Herschaft  und  der  Verderblichkeit  desselben  weder 
allgemein  genug  ist,  noch  mit  der  erforderlichen  Energie  gefaszt 
wird.  So  wie  aber  das  gute  zuletzt  nur  6ine  Quelle  hat,  so  ists  auch 
mit  dem  bösen :  wenn  die  anerkannte  Schadhaftigkeit  der  Verhältnisse 
gründlich  geheilt  werden  soll ,  so  ist  das  nur  durch  ein  consequentes 
Verfahren  möglich:  nicht  dadurch,  dasz  man  das  ^ine  tbut,  aber  das 
andere  nicht  läszt,  sondern  dadurch,  dasz  man  das  6ine  thut  und  das 
andere  läszt. 

Nun  wollen  wir  aber  auch  nicht  leugnen,  dasz  der  Realismus 
des  I9n  Jahrhunderts  auch  seine  Lichtseiten  hat,  wie  denn  überhaupt 


10  Studiea  zum  Gymnasialwesen. 

im  Leben  nicht  leicht  etwas  einen  ganz  ungemischten  Charakter  be- 
sitzt. Als  solche  Lichtseiten  Idszt  sich  in  wissenschaftlicher  Bezie- 
hung der  Forlschritt  der  Naturwissenschaft,  in  praktischer  Richtung 
der  gewaltige  Aufschwung  der  Industrie  bezeichnen.  Dasz  hier  stau- 
nenswerthes  geleistet  sei  und  geleistet  werde;,  könnte  nur  Beschränkt- 
heit verkennen  wollen.'  Es  gibt  zwar  Leute,  welche  beides  beklagen 
und  verwerfen,  aber  zu  diesen  rechnen  wir  uns  nicht,  doch  auch 
nicht  zu  denen,  welche  das  Heil  der  Zukunft  von  der  naturwissen- 
schaftlichen und  industriellen  Richtung  erwarten.  Man  braucht  nicht 
mit  jenen  die  Achseln  zu  zacken  und  diesen  Fortschritt  für  ein  Werk 
dos  Teufels  zu  halten,  und  doch  auch  nicht  mit  diesen  zu  triumphie- 
ren. Denn  allerdings  ist  diese  gesamte  Richtung  wol  geeignet,  neben 
freudiger  Anerkennung  der  Leistungen  ernste  Besorgnisse  hei^orzu- 
rnfcn.  Denn  ihren  Ursprung,  ihre  Neigung  zum  Materialismus  kann 
sie  nimmermehr  verleugnen;  diese  Richtung  hat  weit  mehr  Beziehung 
zu  den  endlichen  irdisch  begrenzten  Zielen  der  Menschheit,  als  zu 
dem,  was  darüber  hinausliegt,  zu  dem  Endziele.  Die  Naturwissen- 
scliafl  hat  mehr  Neigung  gezeigt  zu  lösen  als  zu  binden,  und  wo 
sie  praktisch  gewirkt,  Bestrebungen,  die  wir  verdammen  müssen, 
wenn  nicht  unmittelbar,  so  doch  mittelbar  unterstützt.  Wenn  auch  das 
noch  zu  viel  gesagt  ist,  so  wird  man  einräumen,  dasz  sie  das  gute 
im  politischen  und  religiösen  Leben  wenig  gefördert  hat.  Wendet 
man  ein,  dasz  auch  die  Naturwissenschaft  in  letzter  Instanz  und  zwar 
mit  eindringlicher  Stimme  auf  Gott  hinweise,  so  hat  man  gewis  Recht; 
aber  im  Lehen  wird  diese  wieder  vereinende  Höhe  der  Wissenschaft 
wenig  sichtbar,  desto  öfter  werden  es  die  niedern  Instanzen,  die 
keine  Neigung  zeigen,  die  Wegweiser  zum  Glauben  und  zur  Demut 
KU  sein.  Ebenso  gewis  aber  hat  der  Aufschwung  der  Industrie  die 
Einfachheit  der  Lebensverhältnisse  nicht  gefördert,  sondern  die  Ue 
bcrfeinerung  derselben  begünstigt.  Zudem  verlangt  das  Wachsthum 
dieser  Richtung  eine  fortwährende  Steigerung,  so  dasz  zuletzt  eine 
Spannung  eintreten  musz,  der  gegenüber  wir  rathlos  werden.  Die 
materiellen  Interessen  gewinnen  ein  so  unmäsziges  Uebergewicht, 
dasz  jede  Störung  der  Industrie  und  des  Verkehrs  das  ganze  Leben 
über  den  Haufen  zu  werfen  droht.  Sollten  diese  wenigen  Bemerkun- 
gen uns  nicht  rechtfertigen,  wenn  wir  mit  mehr  Bewunderung,  als 
Vertrauen  selbst  auf  diejenigen  Aeaszernngen  des  Realismus  hin 
blicken,  welche  seine  Lichtseite  darstellen? 

Man  wird  die  Frage  aafwerfeD:  wenn  dem  wirklich  so  wäre, 
wie  der  Sache  beikommen?  —  Der  Naturwissenschaft  decretieren, 
dasz  sie  umkehren,  halt  machen,  sich  beschränken  solle?  Wer  wollte 
das  verlangen? —  Die  Industrie  kurzweg  verdammen,  hindern,  be- 
schneiden? Wer  möchte  das  nicht  thöricht  nennen? —  Keines  von  bei- 
den! auch  nicht  wenn  man  im  Principe  mit  den  Erscheinungen  nicht 
einverstanden  wäre,  weil  alles  einmal  gewordene  und  nun  bestehende 
sich  nicht  ohne  weiteres  herausschneiden  lüszl.    Wie  nun  gar  zwei 


Studien  znm  Gymnasialwesen.  11 

Erscheinungen,  welche  unzweifelhaft  so  viel  groszes  und  erspriesz- 
liches  geleistet  haben! 

Aber  ^in  Auskunftmittel  scheint  denn  doch  übrig  zu  bleiben :  ein 
stärkeres  betonen  des  Idealismus,  indem  wir  unter  diesem  Namen 
die  einzelnen  Gegensätze  gegen  den  Materialismus  zusammenfas- 
sen. Das  scheint  uns  das  echte  und  erste  BedQrfnis  unsrer  Zeit  nach 
allen  einzelnen  Richtungen  hin  zu  sein.  Wir  verstehen,  um  vor  jedem 
Misverstandnis  geschützt  zu  sein,  unter  dem  Materialismus  allgemein 
die  Herschaft  des  Objects,  unter  dem  Idealismus  die  Erhebung  über 
dasselbe.  Wie  soll  aber  die  Befreiung  von  der  geistig -sittlichen  Be- 
drückung durch  die  Materie  anders  erreicht  werden,  als  dadurch  dasz 
man  auf  alles  dasjenige  das  gröste  Gewicht  legt,  was  über  jene  er- 
hebt r  In  diesem  Sinne  haben  wir  schon  oben  von  einem  christlichen 
Idealismus  gesprochen.  Aber  freilich  ist,  was  da  in  wenig  Worten 
ausgesprochen  ist,  in  vielen  Thaten  noch  nicht  gethan:  es  ist  eine 
grosze,  unendliche  Aufgabe,  der  nur  entgegen  zustreben  ist,  aber  der 
auch  entgegengestrebt  werden  kann. 

Kehren  wir  zum  Kernpunkte  nnsrer  Betrachtung  zurück,  zur 
Schulfrage,  so  ist  gewis  der  Unterricht  und  die  innerhalb  der  Schule 
ausgeübte  Erziehung  einer  der  Lebensfactoren ,  die  dem  Einflüsse  der 
Regierung  noch  am  zugänglichsten  sind.  Denn  leider  entzieht  sich  im 
Staate  so  vieles  der  Einwirkung  der  leitenden  und  mutet  diesen  oft 
nur  die  Mühe  zu ,  die  hervorgerufenen  Schaden  wieder  auszubessern. 
Auch  darf  nicht  die  Wichtigkeit  der  Schule  insofern  überschätzt  wer- 
den ,  als  sie  beim  besten  Willen  nicht  von  den  Einwirkungen  der  Fa- 
milie, des  gesamten  socialen  Leben  usw.  befreit  werden  kann;  ebenso 
darf  man  auszer  Acht  lassen,  dasz  nur  ein  Theil  der  Schulen  unmittel- 
bar unter  dem  Staate  steht,  sowie  dasz  in  allen  Schulen  immer  erst 
durch  das  Medium  des  Lehrerstandes  gewirkt  wird.  Aber  alles  das 
abgezogen,  bleibt  doch  immer  die  Wahrheit  übrig,  dasz  vermittelst 
der  Schule  verderbliche  Richtungen  geschwächt,  ersprieszliche  ge- 
kräftigt werden  können. 

Wie  verhfilt  sich  nun  der  Humanismus  in  seiner  von  uns  geschil- 
derten Gestalt  zu  dem  Bedürfnisse  unsrer  Zeit?  Wir  antworten:  der- 
selbe ist  befähigt  und  zwar  vorzugsweise  befähigt  demselben  in  die 
Hände  zu  arbeiten.  Wir  würden  um  die  positive  Seite  dieser  Behaup- 
tung zu  erörtern,  vieles  wiederholen  müssen  und  können  es  darum 
füglich  den  Lesern  überlassen,  das  Wiesen  des  Humanismus  mit  dem 
wirklichen  Zeitbedflrfnisse  zusammenzuhalten;  hier  gilt  es  eine  Wie- 
dergeburt des  echten  Idealismus,  dort  ist  die  das  ideale  weckende  und 
stärkende  Macht.    Fragen  wir  lieber,  was  vom  Humanismus  abzieht. 

Nach  den  bisherigen  Erörterungen  können  wir  nichts  anderes 
erwiedern,  als  dasz  die  Vernachlässigung  des  Humanismus  von  einem 
nicht  richtigen  Verständnisse  der  Zeitbedürfnisse,  von  der  Hingabe 
au  die  scheinbaren,  materiellen  Bedürfnisse  ansgeht.  Denn  wer  sind 
die  Gegner  des  Humanismus?  Sicherlich  können  es  die  Freunde  des 
Ghristenthums  nicht  sein,  da  der  ächte  Humanismus  keine  andre  Grund- 


12  Studien  zum  Gymiiasialwesen. 

läge  als  eine  voll  und  rein  christliche  begehrt  und  überdies  in  christ- 
lichem Sinne  wirkt,  indem  er  über  den  Objecten  steht,  im  Menschen 
idealen  Sinn  weckt  und  ihn  zu  der  sittlichen  Stärke  der  Resignation 
erzieht.  Die  nationalen  können  es  auch  nicht  sein,  denn  sie  müslen 
die  historische  Berechtigung  der  classischon  Studien  leugnen,  ver- 
möge deren  sie  zum  Bestandlheile  deutschen  Geisteslebens  geworden 
sind.  Die  conservativen  Politiker  können  es  endlich  noch  weniger 
sein,  da  ja  tausend  Erfahrungen  bestätigt  haben,  dasz  das  humanisti- 
sche Princip  nicht  anticonservative  Tendenzen  begünstigt,  sondern  die- 
selben bekämpft  und  ihnen  im  Wege  steht,  weshalb  es  auch  gerade  von 
dieser  Seite  die  heftigsten  Angriffe  erfahren  hat.  Es  sind  also,  abge> 
sehen  von  denen,  welche  einen  der  angeführten  Standpunkte  aus  Mis- 
Verständnis  vorschieben,  diejenigen,  welche  einen  unmittelbar A  Zu- 
sammenhang des  Lehrobjectes  mit  der  Praxis  verlangen,  die  Anhänger 
des  Utililälsprincipes,  die  Realisten. 

Wir  gehen  zu  den  Realschulen  über,  um  unscrn  Blick  und  das 
Material  zu  erweitern.  Fassen  wir  zunächst  das  Wort  in  allgemeine- 
rem Sinne,  indem  wir  alle  von  der  realen  Richtung  ausgehende  An- 
stalten darunter  bogreifen;  wir  könnten  vielleicht  lieber  reale  Schul- 
unstaltcn  sagen.  Alle  diese  Anstalten  müssen,  um  der  Natur  der  rea- 
len Richtung  willen,  mehr  oder  weniger  Fachschulen  sein.  Da  das 
Gymnasium  keine  Fachschule  sein  will,  auch  nicht  eine  gelehrte  Fach- 
schule, sondern  lediglich  eine  christliche  Bildungsanstalt  auf  der 
Grundlage  des  classischen  Frincips,  so  versteht  sich  von  selbst,  dasz 
besondre  Fachschulen  existieren  müssen.  So  weit  wird  auch  der  lei- 
denschaftlichste Humanist  nicht  gehen  wollen,  dasz  er  entweder  die 
Fachschulen  geradezu  verwirft,  oder  das  Gymnasium  als  die  vollkom- 
men auch  für  die  praktischen  Gebiete  ausreichende  Vorbildungsschule 
betrachtet :  gegen  das  Vorhandensein  von  Handels-,  Kriegs-,  polytech- 
nischen Schulen  wird  er  nichts  einwenden  können.  Denn  wer  könnte 
in  Abrede  stellen,  dasz  sich  die  praktischen  Lebensrichtungen  auszer- 
ordcntlich  herausgebildet  haben ,  dasz  hier  Forderungen  geltend  ge- 
macht werden,  welche  man  früher  nicht  kannte?  Aber  die  Frage  liesze 
sich  aufwerfen,  ob  wir  durch  das  ausgebildete  Fachschulsystem  flber> 
haupt  an  Bildung  gewonnen  haben?  Denn  der  natürliche  Entwick- 
lungsgang ist  doch  wol  der,  dasz  der  Knabe  durch  die  bildende  Kraft 
des  Unterrichts  sich  über  seinen  künftigen  Beruf  klar  wird,  nicht  der, 
dasz  der  Knabe  den  Unterricht  nm  des  künftigen  Berufes  willen  sucht. 
Leider  ist  das  letzte  jetst  nur  zu  oft  der  Fall :  anstatt  die  Natur  des 
Kindes  sich  ruhig  entwickeln  zu  lossen,  indem  man  die  allgemeinen 
Bildungsmitlei  an  sie  heranbringt,  drängt  man  sie  so  früh  als  möglich 
in  bestimmte  besondre  Bahnen  hinein:  die  besondre  Fachbildung  aber 
ohne  die  allgemeine  geistige  Zurüstun<i:  wird  selten  wirklich  befrie- 
digendes hervorbringen.  Darum  haben  auch  die  Fachschulen,  welche 
ihre  besondern  Bestrebungen  früh  anfangen,  gewis  nicht  zum  Wole 
unsrer  Zeit  mitgewirkt,  sondern  vielfach  Kenntnisse  und  Fertigkei- 
ten an  die  Stelle  der  Bildung  gesetzt,  den  idealen  Sinn  unentwickelt 


Studien  zum  Gymnasialwesen.  13 

gelassen,  zwar  für  den  Beruf  viel,  aber  für  das  geislig-sitlliclic  Leben 
wenig  gethan.  Ja,  dem  Verfasser  sind  selbst  aus  praktischen  Kreisen 
heraus  Aeuszerungen  zu  Ohren  gekommen,  welche  nichts  weniger 
zeigten ,  als  Zufriedenheit  mit  dieser  frühzeitigen  Sonderung  der  BiU 
dungswege. 

Aber  dennoch  werden  sich  die  Fachschulen  gewis  nicht  beseiti- 
gen lassen,  sondern  sind  gewis  nothwendig  nnd  nützlich,  wenn  sie 
nicht  zu  zeitig  ihre  Curse  beginnen,  sondern  eine  allgemeine  Yor«> 
bildung  zulassen  nnd  neben  den  speciellen  Fachgegenstanden  nicht 
ganz  nnd  gar  die  allgemeinen  Bildungsmittel  vernachlässigen,  nament- 
lich überall  den  religiösen  Sinn  nnd  den  historischen  zu  unterstutzen 
suchen. 

Alle  diese  Fachschulen  sind  es  aber  nicht,  welche  gemeiniglich 
mit  dem  Namen  Realschule  bezeichnet  werden:  vielmehr  hat  sich 
unter  diesem  Namen  eine  Zwischengattung  von  Unterrichtsanstalten 
gebildet,  welche  nicht  ganz  entschieden  theils  neben  dem  Gymnasium, 
theils  zwischen  der  Volksschule  und  Fachschule  stehen.  Sie  sind  es, 
welche  in  der  gegenwärtigen  Zeit  besonders  aufgeblüht  sind,  nnd 
deren  Bedeutung  und  Verhältnis  demnächst  erörtert  werden  musz. 

Die  Realschule  will  keine  Fachschule  sein,  sondern  nur  zum  Ein- 
tritte in  eine  solche  befähigen:  sie  verfolgt,  wie  das  Gymnasium, 
darum  ein  allgemeines  Bildungsziel  und  unterscheidet  sich  von  dem- 
selben dadurch,  dasz  sie  sich  anderer  Mittel  als  jenes  bedient  und  in 
der  Regel  einen  kürzeren  Zeitraum  durchlauft.  Es  leuchtet  also  von 
vorn  herein  ein ,  dasz  sie  sich  für  gewisse  Zwecke  an  die  Stelle  der 
Gymnasien  setzt,  indem  sie  eben  dasselbe  Ziel,  nur  in  anderer  und 
kürzerer  Weise,  verfolgt.  Hie  nnd  da  haben  diese  Anstalten  auch  den 
Namen  eines  Realgymnasiums  angenommen,  allgemein  aber,  indem  sie 
sieb  als  humanistisch  reale  oder  modernclassische  Bildungsanstalten 
bezeichneten,  ihre  Verwandtschaft  mit  dem  Gymnasium  ausgesprochen. 
Sie  sind  also  für  alle  diejenigen,  welche  nicht  für  besondre  FacultSts- 
stndien  das  Gymnasialzengnis  brauchen,  offenbar  Concurrenzanstalten 
der  Gymnasien :  diese  müssen  nothwendig  durch  jene  einen  Theil  ihrer 
Schüler  verlieren  und  sind  in  der  Gefahr  in  eine  exciusive  Stellung 
zu  gerathen ,  welche  ihnen  fast  den  Charakter  gelehrter  Fachschulen 
aufprägt. 

Wenn  nun  ein  Humanist,  und  zwar  ein  classischer  Humanist,  — 
denn  wir  sehen ,  dasz  es  auch  einen  modernclassischen  Humanismus 
gibt  oder  geben  soll  —  sich  über  Realschulen  ausspricht,  so  ist  frei- 
lich von  vorn  herein  nicht  zu  erwarten,  dasz  er  an  der  entstandenen 
Concurrenz  Freude  haben  wird.  Eins  kann  der  Mensch  nur  sein,  Hu- 
manist oder  Realist;  aus  der  Vermischung  kann  leicht  etwas  halbes 
entstehen.  Aber  bekennen  wir  auch  willig  und  freudig,  dasz  wir  dem 
classischen  Humanismus  mit  voller  Seele  zugethan  sind,  so  ist  es 
doch  nicht  blinde  Liebe,  die  uns  erfüllt,  die  anerkennungslos  gegen 
die  Leistnugen  anderer  Richtungen  ist ;  wir  möchten  mit  Einern  Worte 
nicht  einseitig  scheinen,  obwol  es  öfters  gilt,  nur  6ine  Seite  zu  haben. 


14  Studien  zum  Gymnasialwesen. 

Wenn  wir  im  Interesse  der  Gymnasialsludien  die  Frage  über  die 
llealschulen  aufnehmen,  so  vergesse  man  auch  nicht,  dasz  jene  die 
angegriffenen  und  benachlhciiiglen  sind,  und  dasz  diese  vermöge  der 
Sympalhien  der  Zeit  sich  kaum  zu  verlheidigen  brauchen. 

Schon  früher  sagten  wir,  dasz  wir  Pietät  vor  dem  historisch  ge- 
wordenen besitzen:  denn  alles  bestehende  hat  wenigstens  insofern 
eine  innere  Berechtigung,  als  es  nicht  zufällig,  sondern  durch  eine 
innere  Nothwendigkeit  entstand.  Sehr  viele  Erscheinungen,  die  man 
an  sich  nicht  loben  kann,  sind  nur  die  natürlichen  Consequenzen  von 
früheren  Mängeln,  welche  —  einerlei,  aus  welchem  Grunde  —  über- 
sehen wurden.  Die  historische  Betrachtung  kennt  nichts  zufallig  ent- 
standenes :  nur  lernen  wir  leider  meist  zu  spät  die  Ursachen  kennen, 
wenn  bereits  die  Wirkungen  vorhanden  sind  und  sich  vielleicht  schon 
festgesetzt  haben.  Das  entstandene  aber  ist,  einmal  vorhanden,  selbst 
wenn  man  nicht  damit  einverstanden  ist,  selten  durch  einen  Nacht- 
spruch zu  beseitigen :  wer  das  versucht,  handelt  radical,  und  wenn  er 
von  der  conservativsten  Grundlage  ausgienge,  weil  der  Radicalismus 
eben  die  historische  Entwicklung  nicht  anerkennt. 

Hieraus  folgt  nun  schon ,  dasz  wir  in  keinem  Falle  die  Berechti- 
gung des  Kealschulwesens  in  Abrede  stellen  können:  die  Realschulen 
sind  historisch  geworden,  und  das  ist  anzuerkennen.  Eine  andere 
Frage  ist,  ob  wir  über  diese  Anerkennung  der  historischen  Berechti- 
gung hinausgehen  wollen;  denn  darin  wird  sich  nun  der  Standpunkt 
des  einzelnen  zu  dem  historisch  gewordenen  unterscheiden,  dasz  der 
eine  das  Princip  des  neuen  selbst  adopliert  und  unterstützt,  während 
der  andere  vielmehr  die  Mängel  des  früher  vorhandenen  auszubessern 
sucht,  durch  die  jenes  neue  entstanden  ist.  Versuchen  wir  zu  einem 
Uesultate  zu  gelangen. 

Wir  haben  gesehen,  dasz  Realschulen  seit  etwa  115  Jahren  be- 
stehen. In  der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  traten  die  Be- 
strebungen Franckes  durchaus  nicht  gegen  das  classische  Princip, 
sondern  nur  gegen  den  einseitigen  Formalismus  auf,  der  allen  Inhalt 
verloren  hatte.  Es  war  dies  eine  Reaction  innerhalb  des  Princips, 
und  es  ist  nur  zu  bedauern,  dasz  die  Gymnasien  des  vorigen  Jahrhun- 
derts diese  Bewegung  nicht  zu  verstehen  und  zu  benutzen  wüsten. 
Aber  freilich  ists  mit  solchen  hypothetischen  Constructionen  hinterher 
nicht  gethan  I  Vor  allem  also  war  es  der  Zustand  der  gelehrten ,  der 
lateinischen  Schulen,  welcher  den  Umschwung  veranlaszte,  der  zu- 
nächst eine  Abstellung  der  Mangel  bezweckte.  Es  pflegt  aber  bei 
allen  historischen  Entwicklungen  sich  das  Reformprincip,  wenn  es 
nicht  von  der  angegriffenen  Partei  selbst  weise  genützt  wird,  bald 
dahin  auszudehnen,  dasz  es  sich  selbständig  auszerhalb  des  alten  hin- 
stellt: so  auch  hier,  indem  sich  bald  darauf  die  Realschule  bildete, 
welche  das  classische  Gebiet  aufgab.  Dazu  kam  der  Philanthropismus 
mit  seinem  materiellen  Untorrichtssystem,  der  sich  selbstverständlicher- 
weise auf  das  reale  werfen  und  die  Realschule  adoptieren  muste.  Die 
Negation  setzte  sich  als  Position  fest,  indem  sie  das  Bedürfnis  einer 


Studien  zum  Gymnasiaiwesen.  15 

besondern  Bildung  der  verschiedenen  Stände  aussprach:  es  trat  da- 
durch die  Bealschnle  in  den  Schulorganismus  zunächst  als  Hittelglied 
zwischen  der  Volksschule  und  dem  Gymnasium  ein. 

Indessen,  wenn  dies  auch  ihre  natürliche  Stellung  dem  Gange 
der  Entwicklung  nach  scheint,  so  ist  dies  doch  auch  zur  Zeit  noch 
nicht  entschieden,  wie  dies  auch  Palmer  ausspricht  (evang.  Paeda- 
gogik  II,  S.  23):  ^Zugegeben  musz  auch  werden,  dasz  die  Realschule 
um  so  mehr  allerlei  Verdacht  sich  ausgesetzt  sieht,  je  weniger  bis 
jetzt  noch  ein  ganz  klares  Bewustsein  über  ihre  Stelle  im  Organismus 
der  gesamten  Bildungsanstalten  eines  Volkes  hat  durchdringen  kön- 
nen'. Jedenfalls  ist  diese  Frage  erst  in  der  neusten  Zeit  wieder 
ihrer  Lösung  entgegengefahrt  worden ,  nachdem  gerade  in  dieser  das 
Realsohulwesen  einen  neuen  Aufschwung  genommen  hat.  Auch  dieses 
mal  war  es  das  Gymnasialwesen  selbst,  welches  das  entgegengesetzte 
Princip  unterstützte.  Denn  war  auch  im  vorigen  Jahrhundert  schon 
die  Aufnahme  der  Realien  gefordert  worden,  so  hatte  man  doch  theils 
nicht  genug  für  diese  Sache  gethan,  theils  war  man  nicht  bedacht  ge- 
wesen, eine  harmonische  Gesamtwirkang  zu  erzielen.  Dazu  kam  eine 
einseitige  Richtung  der  Philologie  selbst,  welche  gerade  das  nicht 
hervorhob,  was  sie  für  die  Schule  hätte  anwenden  sollen,  den  geisti- 
gen und  idealen  Inhalt  des.  Alterthums,  sondern  durch  eine  steife,  kri- 
tische, mit  gelehrtem  Apparate  beladene  Behandlungsweise  sich  die. 
Gemüter  entfremdete.  Wo  man  aber  ernstlich  darauf  Bedacht  nahm, 
neben  der  classischen  Grundlage  die  Realien  gründlicher  zu  betreiben, 
ergab  sich  ein  so  gesteigerter  Anspruch  an  den  Schüler ,  dasz  nicht 
blosz  die  Scheu  vor  der  Anstrengung,  sondern  auch  die  schwächere 
Kraft  zurückwich:  ein  Uebelsland,  der  um  so  mehr  sich  geltend 
machte,  als  gerade  den  Lehrern  der  Gelehrtenschule  oft  die  paedago- 
gische  Befähigung,  öfter  noch  und  zwar  in  Folge  der  bestehenden 
oder  nicht  bestehenden  Einrichtungen  die  paedagogische  Vorbildung 
(Palmer  II,  S.  87)  abgieng.  Es  wird  sich  ziemlich  genau  ein  Zusam- 
menhang des  aufblühens  der  Realschulen  mit  der  vermöge  ihrer  Orga- 
nisation oder  durch  die  wirkenden  Persönlichkeiten  benachlheiligton 
Lage  der  Gymnasien  nachweisen  lassen. 

Aber  vieles  kam  diesen  Umständen  noch  zu  Hülfe.  Zunächst  im 
Gebiete  der  Wissenschaft  das  überhandnehmen  der  naturwissenschaft- 
lichen Richtung,  welche  nicht  nur  die  gewalligsten  theoretischen  Fort- 
schritte machte ,  sondern  auch  mit  der  Theorie  ins  Leben  hineinzutre- 
ten wüste  und  zugleich  nach  Popularität  strebte ,  während  die  philo- 
logisch-historische Seite  der  Wissenschaft  den  groszen  Fehler  begieng, 
dasz  sie  sich  in  sich  zurückzog,  und,  war  es  nun  Unmut  oder  Schwäche 
oder  Mangel  an  eigentlich  productiven  Naturen,  was  dies  veranlaszte, 
das  Feld  fast  geradezu  räumte.  Dasz  der  Mathematik  und  Naturwis- 
senschaft im  allgemeinen  die  Antike  und  der  Humanismus  weniger 
behagt,  dasz  sie  sich  selbst  als  reales  Princip  setzten  und  die  Ent- 
stehung von  Unterrichtsanstalten  auf  realer  Basis  begünstigten,  war  na- 
tQrlich,  obgleich  nachzuweisen  wäre,  dasz  gerade  die  wiaseDSchafI«. 


16  Studien  zam  Gyninasialwesen. 

lieben  Spitzen  dieser  Richtung  nichts  weniger  wQnschen,  als  eine  vom 
classischen  losgelöste  Bildung.  Nicht  minderen  Einflusz  äuszerte  die 
Industrie  und  der  durch  diese  begflnstigte ,  zum  Thcil  durch  die  Stei- 
gerung der  LebensansprQche  und  durch  die  bei  wachsender  Bevölke- 
rung zunehmende  Concurrenz  hervorgerufene  Trieb  bald  möglichst 
die  Jugend  zur  Selbständigkeit  des  Erwerbes  gelangen  zu  lassen.  Aach 
die  Richtungen  in  der  poetischen  Litteratur  steuerten  demselben  zu, 
indem  sich  die  Romantik  gegen  den  classischen  Idealismus  der  wei- 
marschen  Dichter  erhob,  und  Poesie  und  Leben  worden  wollte.  Indem 
sie  selbst  dieses  Streben  nicht  zu  einer  Verwirklichung  zu  bringen 
wüste ,  setzte  sie  die  realistische  Richtung  gegen  sich  in  Bewegung, 
die  im  Grunde  noch  heute  herscht.  Zugleich  machten  sich  in  den  nie- 
dreren Ständen  höhere  Bildungsbedürfnisse  gellend,  für  welche  das 
Gymnasium  zu  viel  oder  nicht  passendes,  die  gewöhnliche  Volksschule 
zu  wenig  zu  bieten  schien.  Endlich  kamen  noch  politische  Stimmnn- 
gen  hinzu,  welche  die  realen  Studien  und  modernen  Sprachen,  — 
vielleicht  in  nicht  richtigem  Verständnis  (Palmer  II  22  23)  begQnstig- 
ten ,  weil  sie  in  denselben  radicalere  Elemente  zu  erkennen  glaubten. 
Vielleicht  ist  uns,  so  viel  einzelnes  aber  zusammenwirkendes  wir  auch 
erwähnt  haben,  doch  das  eine  oder  andere  noch  entgangen,  aber  ge- 
wis:  es  war  vieles,  was  zusammenkam,  um  thcils  negativ  gegen  die 
Gymnasien,  theils  positiv  für  die  Realschulen  zu  wirken. 

Gehen  wir  nun  auf  die  Realschulen  selbst  zurück,  so  handelt  es 
sich  zunächst  um  ihre  Stellung  im  Schulorgnnismus.  Es  wurde  aber 
schon  ein  Ausspruch  eines  anerkannt  ausgezeichneten  Mannes  ange- 
führt, nach  welchem  die  Frage  nach  dieser  Stellung  noch  nicht  end- 
giltig  gelöst  ist.  .1c  vorsichtiger  wir  unsern  langsam  erwachsenen 
Ansichten  gegenüber  verfahren  zu  müssen  meinten,  um  so  mehr  er-^ 
freute  es,  als  wir  bei  Palmer  weiter  lasen  (II  S.  23):  ^Die  Realsohale 
hat  darauf  Anspruch  gemacht,  der  gelehrten  Schule  parallel  zu  laufen, 
so  dasz  sie  denselben  Grad  der  Bildung,  nur  in  andern  Fächern,  her- 
zustellen sich  anheischig  macht.  Dies  wird  aber,  wie  von  Rümelin  in 
der  Schrift:  die  Anfgabe  der  Volks-,  Real-  und  Gelehrtenschule  (Heil- 
bronn 1S45),  überzeugend  dargethan  ist,  als  ein  Irthum  angeaehen  wer- 
den müssen'.  Das  ist  ein  um  ao  beachtenswertherea  Wort,  ala  aus 
Palmers  Werke  nicht  Einaeitigkeit,  überall  dagegen  eine  gründliche 
Kenntnis  des  Schulwesena  spricht.  Doch  so  gern  wir  ihn  auch  hören, 
es  gilt  hier  nicht  ein  iarare  in  verba  magistri,  was  bei  uns  am  so 
weniger  der  Fall  ist,  als  nnsre  Ansichten  bereits  —  soweit  nemlich 
Festigkeit  hier  nicht  Fortbildungsfähigkeit  ausschlieszt  —  fesstanden, 
als  wir  mit  dem  genannten  vortrefflichen  Buche  genauer  bekannt  wur- 
den. Wie  ist  nun  jener  angestrebte  Parallelismus  zu  verstehen?  Doch 
wol  nicht  anders,  als  dasz  die  Realschule  sich  darin  dem  Gymnasium 
zur  Seite  stellt,  dasz  sie  eine  allgemeine  Bildung  zu  geben,  nicht  an- 
mittelbar Vorbildung  zum  besondern  Berufe  zu  erstreben  sich  vor- 
setzt. Man  hat  in  diesem  Sinne  hie  und  da  den  Namen  Realgymnasium 
angenommen ,  hat  den  Realschulen  das  Recht  einer  Maturitätsprüfung 


Sladien  zum  Gymnasialwesen.  17 

eingeräumt  und  die  Berechtigung  für  einzelne  Studiengebiete  an  diese 
geknüpft:  ja  man  ist  sogar  einmal  so  weit  gegangen,  das  Recht  der 
Entlassung  zu  ganzen  Fakultatsstudien  von  den  Gymnasien  auf  die 
Realschulen  übertragen  zu  wollen.  Indem  nun  die  Realschulen  ein  sol- 
ches allgemeines  Ziel  verfolgen,  stehen  sie  offenbar  neben  den  Gym- 
nasien: indem  sie  andere  Mittel  wählen,  entfernen  sie  sich  von  den- 
selben. 

Hiebei  handelt  es  sich  zunächst  um  die  Stellung  der  Realschule 
zu  dem  sprachlichen  Unterrichte,  und  wir  sehen  auch  hier,  dasz  das 
Princip  sich  noch  nicht  consolidirt  hat.  Denn  die  Frage,  ob  und  in- 
wieweit der  Unterricht  in  den  alten  Sprachen  beizubehalten  ist,  dürfte 
noch  nicht  entschieden  sein :  das  zeigt  die  verschiedene  Praxis.  Dar- 
über ist  man  einig,  dasz  in  den  Realschulen  nicht  die  griechische,  son- 
dern nur  die  lateinische  Sprache  zu  benutzen  sei,  theils  wegen  ihrer 
historischen  Bedeutung,  theils  wegen  ihrer  Beziehung  zu  den  romani- 
schen Sprachen.  Nehmen  wir  nun  zunächst  Rücksicht  auf  die  ganz 
selbständig  von  unten  auf  gesondert  bestehenden  Realschulen,  so  sind 
diese  zum  Theil  geneigt,  so  unsre  sächsischen,  die  lateinische  Sprache 
als  Bildungselement  beizubehalten.  Hier  ist  nur  zweierlei  möglich: 
entweder  nehmen  die  untern  Klassen  der  Realschulen  das  Lateinische 
als  Hanptnnterrichtsgegenstand  auf,  oder  sie  behandeln  es  als  Neben- 
sache. Im  ersten  Falle  haben  wir  dasselbe,  was  die  untern  Gymnasial- 
klassen bieten,  ehe  das  Griechische  eintritt;  warum  also  schon  hier 
unten  die  Wege  auseinander  gehen  lassen?  Sucht  die  Realschule  hier 
eine  Verschiedenheit  durch  gröszern  Nachdruck  auf  deutsche  Sprache, 
Rechnen,  Naturgeschichte,  Französisch  herbeizuführen ,  so  ist  nicht 
abzusehen,  wie  dies  ohne  Ueberbürdung  der  Schüler  geschehen  soll; 
dann  verfällt  sie  in  den  Fehler,  den  die  Gelehrtenschule  leider  began- 
gen und  noch  nicht  abgelegt  hat,  freilich  mehr  durch  anpaedagogische 
Praxis ,  als  wegen  der  gesetzlichen  Bestimmungen.  Uebrigens  ist  die 
Einrichtung  des  sprachlichsn  Elementarunterrichts  in  den  untersten 
Klassen  der  Gymnasien,  die  freilich  mehr  Progymnasial-,  als  Vorbe- 
reitungsklassen  sind,  sehr  verschieden :  so  beginnt  z.  B  die  dresdener 
Kreuzschuie  in  Unterqninta  mit  4  latein.  Stunden  und  läszt  in  Ober- 
qninta  6  wöchentliche  Unterrichtsstunden  folgen,  während  die  Sexta 
am  Gymnasium  zu  Plauen  mit  8  Stunden  einsetzt  und  dieselben  in 
Quinta  beibehält.  Gegen  die  zuerst  erwähnte  Einrichtung  der  Kreuz- 
schule könnte  doch  wol  auch  die  Realschule,  welche  das  Latein  bei- 
behalten will,  nichts  einwenden.  Vielmehr  liesze  sich  auch  für  untere 
Gymnasialklassen  hier  bemerken,  dasz  die  untersten  Unterrichtsstafen 
ganz  besonders  eines  Schwerpunktes  bedürfen,  und  dasz  derselbe  nir- 
gends erfolgreicher,  als  in  einer  zweckmäszigen  Behandlung  der  Ele-v 
mente  der  lateinischen  Sprache  liegt,  nach  unserm  Dafürhalten  mil 
weit  gröszerem  Erfolge ,  als  in  der  deutschen  Sprache.  Ohne  solchen 
Schwerpunkt  überhaupt  aber  wird  für  den  jüngeren  Schüler  der  Un- 
terricht ein  zu  zersplitterter  und  durch  diese  Zersplitterung  in  seiner 
>Yirkung  geschwächt,  ja  sogar  nachtheilig  wirkend. 

/V.  Jakrb  f.  PhU.  u.  Paed,  B<L  LXXIV.  Hß.  l.  2 


l^  Sluilieu  Kuin  («yniiia»ittlwc8en. 

Ferner  h«l  eine  lange  firfalirung  es  besUtigl,  dasz  »ich  die  allen 
Spi'uclion   nicht   su  nebenbei  lernen  laaacu.     Ilaben  doch  scIiod  die 
(jymnaBieu  in  ihrer  jetzigen  Gestaltung  Mühe  genug,  um  £u  erspriesE- 
lichcn  liosultaten  zu  kommen !    Hat  man  doch  auf  die  latein.  Schreib- 
und  Sprechübungen  ernstlich  zurückgehen  müssen,  um  nicht  mehr  ein- 
zubüszcn ,  als  man  mit  Fug  und  Recht  hergeben  konnte.    Wird  nan 
schon  für  das  Gymnasium  die  Aufgabe  nicht  leicht,  bei  vermindertem 
Zeitaufwande  und  erweitertem  Gesichtskreise  den  Anforderungen  ku 
genügen,  wie  soll  nun  die  licalschule  verfahren?   Gibt  sie  in  den  un- 
tern Klassen  dem  Lateinischen  das  Uebergewicht,   so   hat  sie  keino 
selbslündigcn  untern  Klassen,  beschränkt  sie  den  lateinischen  Unter- 
richt noch  mehr,  so  fehlt  es  ihr  entweder  überhaupt  an  einem  Schwer- 
punkt im  Unierrichte  oder  doch  an  einem  ausreichendem:  vor  alleai 
aber  wird  sie  in  diesem  Falle  kein  Latein  haben,  denn  nebenbei  ge- 
triebenf;s  Latein  ist  in  der  Kegel  so  gut  wie  kein  l^ilein.    Was  die 
lelzle  Behauplung  betrilTt,  so  stöazt  sie  gewis  bei  manchem  auf  Wider- 
spruch;  wir  müssen  deshalb  an  eine  längere  Erfahrung  appellieren, 
weil  zunächst  wol  noch  vielfach  die  Wirkungen  des  Gymnasialunter« 
richls  den  liealschulen  zu  gute  kommen ,  und  weil  in  solchen  Sachen 
ein  gilliges  Kndurtheil  erat  nach  einer  längern  Erfahmng  möglich  ist. 
N>  ir  wollen  auch  nicht  auf  die  Litteralur  dieser  Frage  weiter  eingehen; 
so  hat  z.  H.   in  der  Mülzcllschen  Zeitschrift  1852  eine  Abhandlung 
(von  Langcnsiepcn)  den  Salz  für  das  Latein  der  Heulschulen  aufge- 
slcllt:    Ordentlich  oder  gar  nicht!  und  das  Programm  der  Roalschnle 
zu  Nouslaüt-Uresden  spricht  davon,  dusz  das  Latein  ^bis  zu  einer  ge- 
wissen Gründlichkeit  gelehrt  werden  solle '.    Du  aber  Hegt  eben  die 
Schwierigkeit;  wer  sagt,  bis  wie  weit  diese  *  gewisse  Gründlichkeit^ 
gehen  soll?    Denn  wenn  von  einem  Abiturienten  der  Healschale,  wie 
Seite  4ü  desselben  Programmea  zu  lesen  ist,  ein  Schriftsteller  mittlerer 
Schwierigkeit  wie  Sallustins,  Livius,  Vergilius  soll  geläufig  Qber- 
aetzt,  und  ein  nicht  allzu  schweres  Dictat  fehlerfrei  ins  Lateinische 
übertragen  werden,  so  ist  das  keine  geringe  Forderung.  Haben  einzelne 
Länder  wie  Hannover  und  Bäiern  im  Abitnrienlenexamen  der  Gymna- 
sien  den  freien  lateinischen  Aufsatz  aufgegeben    und  sich  auf  eine 
Uebersetzung  beschränkt,  lesen  wir  ferner,  dasz  die  wflrtem bergsehe 
Prflfungscommission  fdr  das  erste  allgemeine  Examen  —  man  hat  da- 
selbst die  Maturitätsprafungeu  von  den  Gymnasien  an  eine  eigne  Com- 
mission  verwiesen — den  Livius  vorgeschrieben  hat,  so  stehen  wir 
mit  jenen  Forderungen  dicht  neben  dem  Gymnasialexamen.    Wenn  die 
Uealschule  durch  eineJcnappere  Zeit  und  geringere  Mühe  diese  Resul- 
tate, ohne  dasz  ihr  die  mächtige  Hülfe  des  Griechischen  zu  Theil  wird, 
wirklich,  selbständig  von  unten  auf,  erreichen  kann,  das  wäre  das 
traurigste  Zeugnis,   welches  je    den  Gymnasien   ausgestellt  worden 
wäre.    Wir  dürfen  hier  aus  eigner,  wenigstens  mehrjähriger  Erfah- 
rung sprechen:  die  Blochmannsche  Anstalt,  an  welcher  wir  5  Jahre 
arbeiteten,  hat  früh  die  reale  Richtung  aufgenommen  und  sich  ehrlich 
bemüht,  diie  Reaiklassen  in  einen  gehürigeu  Orgauismus  zu  bringen. 


Stadien  cam  Gymaasialweseo.  19 

Dabei  handelte  es  sich  denn  immer  wieder  darum,  ob  und  in  wie  weit 
man  Latein  lehren  solle:  wir  haben  den  Unterricht  bis  anf  5  Stunden 
erhöht  und  bei  dem  besten  Willen  nicht  viel  erreicht,  so  dasz  er  im 
Augenblicke  nur  facultativ  ist,  was  wiederum  nicht  ohne  Bedenken 
sein  kann. 

Ohne  eine  bestimmte  Antwort  aber  kann  man  wol  nicht  durch- 
kommen: stellt  man  den  Salz  auf:  das  Latein  ist  ordentlich,  gründe 
lieh  zu  betreiben,  oder  gar  nicht,  so  musz  man  einer  so  wichtigen 
Sache  gegenüber  doch  wissen ,  ob  man  nun  die  gründliche  Betreibung 
oder  das  aufgeben  vorziehen  soll.  Indes  ist  die  Antwort  nicht  so 
leicht  zu  geben.  Denn  wenn  wir  der  Realschule  das  Latein  als  einen 
Uauptuntorrichtsgegenstand,  wenigstens  für  die  untern  Klassen,  über- 
weisen, so  riumen  wir  eigentlich  ein,  dasz  die  Realschule  erst  dann 
zu  entstehen  braucht,  wenn  das  Gymnasium  das  Griechische  hinzu- 
nimmt,  von  dem  allgemein  feststeht,  dasz  es  jene  nicht  bcaDspriicht. 
So  ^hätten  wir  eigentlich  schon  eine  Art  von  Realschule,  wenn  wir 
die  griechischen  Stunden  von  Quarta  ab  durch  andere  ersetzten,  und 
in  der  That  besteht  an  manchen  Gymnasien,  z.  B.  in  Preusien,  solche 
Einrichtung. 

Vielleicht  sagt  man  nun,  die  Behandlung  der  lateinischen  Sprache 
in  der  Realschule  sei  eine  andere;  aber  inwiefern?  Will  die  Real- 
schule eine  allgemeine  Bildungsstätte  sein,  so  hat  sie  in  der  Betrei- 
bung der  Sprachen  das  formale  Bildungselement  hervorzuheben.  Was 
hie  und  da  von  einer  weniger  die  Form  und  die  Grammatik  flberhanpt 
betonenden  Methode  geredet  worden  ist,  dürfte  in  Bezug  auf  die  alten 
Sprachen,  und  namentlich  auf  die  Behandlung  derselben  in  niederen 
Klassen,  ziemlich  unfruchtbar  sein.  Die  Art,  wie  man  in  diesen  Re- 
gionen die  Anfänge  der  alten  Sprachen  zu  betreiben  hat,  wird  überall 
dieselbe  sein,  wenn  sie  auch  bisweilen  selbst  in  den  Gymnasien  nicht 
die  richtige  sein  mag.  Aber  selbst  für  die  obern  Klassen  wird  ein  be- 
deutender Unterschied  schwerlich  zu  erzielen  sein,  wenn  man  an  der 
Forderung  der  Gründlichkeit  festhält;  denn  es  ist  doch  nicht  auszer 
acht  zu  lassen ,  dasz  die  Gymnasien  in  der  Interpretationsweise  der 
Klassiker  wesentlich  fortgeschritten  sind,  und  dasz  mancher  Vorwurf 
sie  jetzt  nicht  mehr  trifft  oder  wenigstens  in  geringerem  Grade  be- 
rechtigt ist  als  früher.  Die  Forderung  der  Gründlichkeit  aber  fallen 
zu  lassen  hat  seine  groszen,  selbst  sittlichen  Bedenken :  das  würde 
bei  dem  Schüler  nicht  nur  die  specielle  Hingebung  an  den  lateinischen 
Unterricht  schwächen ,  sondern  alle  andern  Gebiete  durch  die  Erzie- 
hung zur  Oberflächlichkeit  benachtheiligen.  Darum  möchte  man  sich 
fast  der  Ansicht  zuneigen,  dasz  die  Realschule  vom  Latein  abznsehen 
habe,  so  sehr  auch  ein  solcher  Gedanke  dem  Humanisten  widerstrebt 
Aber  halten  wir  ihn  einmal  vorläufig  fest:  denn  wenn  die  Realschule 
sich  als  eine  eigenthümliche  Bildungsanstalt  mit  dem  allgemeinen 
Zwecke  des  Gymnasiums  hinstellt,  so  musz  sie  auch  in  ihrem  specifi- 
schen  Materiale  Bildungsmittel  besitzen ,  welchen  genügende  Kraft  in- 

2* 


SiuiUeii  zunt  (iymiitts^iulwoscn. 

iliiit,  fi«'  ''>*'^^'  '"^''^  ^"^  Gyninusium  zu  Hülfe  nehmen  müBsen,  oiclil 
Hüllte  Gymiiosiuin  sein  wollen. 

l<'rii((en  wir  nun,  welche  (formale)  üiUlungsniiltel  der  ReiilsGbulc 
f,u  (jebule  stehen,  so  finden  wir,  dosz  sie  die  englische  Sprache  hia- 
Kiiiiimmt,  dem  frunzüsischen,  mulhcmatischcn,  nalurwissenschaftlicheD 
tinierrichl  eine  grüszere  Ausdehnung  gibt  und  das  zeichnen  mehr  be- 
rückbichligl.  Bleiben  wir  nun  bei  der  Voraussetzung,  dasz  wir  keiae 
Farliifchiile  vor  uns  haben ,  welches  von  den  genannten  Gebieten  soll 
nun  i\\a  formales  Bildungsmittel  dienen?  Man  hat  dafür  die  Sprachen 
und  l.incraliiren  der  Franzosen  und  Engländer  vorgeschlagen,  und  es 
hat  hich  sogar  eine  moderne  Gymnasiallheorie  gebildet,  die  mit  die- 
Sun  hüginnen  will.  Ks  ist  auch  dies  keine  leicht  zu  entsobeideode 
Frage:  aber  so  gewis  als  man  nicht  mit  einem  kurzweg  verwerfen- 
den nein!  bei  der  Hand  sein  darf,  so  gewis  ist  die  Sache  auch  danit 
nicht  abgetlian,  dasz  das  Programm  der  Dresdner  Realschule  (I8ö4) 
sagt:  S)b  die  Sprachen  und  Litleraturen  der  neueren  Culturvölker  ia 
der  hcalschule  mit  demselben  Erfolge,  wie  die  Sprachen  und  Litten- 
tnren  der  Griechen  und  Kömer  im  Gymnasium,  für  jene  Humanitäts- 
bildung den  jugendlichen  Geistern  und  Gemütern  als  Nahrungs-  und 
VoredlungsstofT  dargeboten  werden  sollen,  kann  nur  ohne  genaue  Be- 
kiinntschaft  mit  dem  Sprach-  und  Litteraturunterrichte,  besonders  mit 
der  wissenschaftlichen  und  paedagogischcn  Behandlung  desselben,  ia 
/weift:!  gezogen  werden'.  Das  heiszt  denn  doch  über  Ansiebten  hin- 
wegspringen,  die  wahrhaftig  nicht  ohne  solche  genaue  BekanntscbafI 
ausgesprochen  worden  sind,  ist  es  so  gewis,  dasz  der  Erfolg  der. 
selbe  ist,  so  könnten  wir  ja  ruhig  die  Gymnasien  aufgeben  und  una 
mit  Anstalten  für  künftige  Theologen  und  Philologen  begnügen.  Wir 
unsrerseits  können  weder  in  der  französischen  noch  in  der  engli^ 
sehen  Sprache  einen  nur  leidlichen  Ersatz  linden  für  das  Griechische 
und  Lateinische  Man  denke  nur  dort  an  die  völlige  Abstumpfung  der 
Dcciination,  hier  an  den  Keichthum  der  Formen!  Dazu  kommt,  dasr. 
jede  lebende  Sprache  ein  viel  zu  bewegliches  Object  ist,  um  ein  aus- 
giebiges Bildungsmittel  zu  sein:  die  französische  Sprache  aber  histo- 
risch und  sprachvergleiohend  behandeln  zu  wollen,  wird  woi  nieman- 
dem im  Ernste  einfaUen,  der  einigermascen  weiss,  was  dasu  gehört. 
Mun  halte  man  aber  erst  die  Litteraturen  aneinander:  wie  verhält  sich 
da  namentlich  die  französisohe  Litteratur  zur  classischcn?  Was  un^ 
sere  deutsche  Litteratur  ihr  zu  verdanken  hat,  wissen  wir  aus  der  Lit- 
teraturgeschichte:  wollen  wir  sie  nun  als  ein  Hauptbildungsmaterial 
in  die  Schulen  hineintragen?  Wenn  es  so  leicht  wäre,  die  modernen 
Sprachen  an  die  Stelle  der  alten  zu  setzen,  denn  freilich  wäre  es 
überflüssig,  noch  darüber  zu  reden  und  zu  schreiben.  Es  liegt  aber 
in  solchen  Behauptungen  auch  ein  nicht  geringer  Grad  von  Impielät 
gegen  die  Gymnasialstudien:  denn  zur  Zeit  haben  sich  die  realen  Ge- 
biete noch  nicht  ihre  kräfle  selbst  erzogen,  sondern  verdanken  die- 
selben wesentlich  dem  classischen  Humanismus.  Des  Dankes  werden 
sie  erst  ledig,  wenn  sie  einen  solchen  Unterstützung  nicht  bedürfen. 


Studien  znm  Gymnasialwesen.  21 

Den  Beweis  aber,  dasz  die  neueren  Sprachen  ein  ausreichendes  Bil- 
duiigsmittel  nicht  sind,  hat  der  clasaische  Humanismus  nicht  zu  füh- 
ren, indem  er  nicht  der  neuernde,  sondern  der  festhaltende  ist,  viel- 
mehr  hat  er  denselben  von  der  andern  Seite  zu  erwarten. 

Viel  eher  liesze  sich  davon  reden,  ob  nicht  die  deutsche  Sprache 
einen  solchen  formalen  BildungsstofT  hergeben  könne.  Das  würde 
aber  wol  nur  dann  möglich  sein,  wenn  man  sie  im  Unterrichte  histo- 
risch behandelte;  denn  die  noch  bis  vor  kurzem  gewöhnliche  Weise 
deutsche  Grammatik  zu  lehren  hat  jetzt  wol  nur  wenige  Freunde  und 
ist  überall  zu  beseitigen,  wo  sie  sich  noch  erhalten  hat.  Indes  würde 
es  uns  zu  weit  von  dem  Mittelpunkte  unserer  Aufgabe  entfernen,  wenn 
wir  uns  hier  ^uf  die  Methodik  des  deutschen  Unterrichts  einlassen 
wollten.  Für  den  Augenblick  genügt  es  zu  bemerken,  dasz  einer 
historischen  Behandlung  der  deutschen  Sprache  von  unten  auf  wol 
immer  gegründete  Bedenken  im  Wege  stehen  werden ,  and  dasz  ins- 
besondere jetzt  sich  nicht  daran  denken  Ifiszt,  weil  die  germanisti- 
schen Studien,  qbwol  in  voller  Blüte  stehend^  doch  noch  nicht  genü- 
gend verbreitet  sind,  was  zum  Theile  in  der  isolierten  Lage  der  histo- 
rischen Seite  der  Wissenschaft  überhaupt  seinen  Grund  hat. 

Es  bliebe  also  die  Mathematik  übrig,  und  die  bedeutende  Bil- 
dnngskraft  dieser  Wissenschaft  ist  nicht  in  Abrede  zu  stellen.  Diese 
sieht  mit  Fug  und  Recht  neben  den  alten  Sprachen ,  aber  es  wäre  wol 
zu  wünschen ,  dasz  sie  nirgends  ohne  ein  Gegengewicht  bliebe.  Denn 
sie  ermangelt  einer  unmittelbaren  Beziehung  zum  sittlichen  Men* 
sehen  und  neigt  zu  einer  einseitigen  Verstandesbildung  hin.  Aus  die- 
sem Grunde  möchten  wir  selbst  in  den  höhern  Fachschulen,  in  wel- 
chen die  Mathematik  in  erster  Linie  stehen  musz,  und  in  welchen  die 
alten  Sprachen  nicht  mehr  getrieben  werden  können,  das  historische 
und  religiöse  Gebiet  nicht  ganz  ausgeschlossen  sehen,  und  wäre  an 
eine  Forlsetzung  des  Religionsunterrichts  nicht  zu  denken,  so  sollte 
wol  die  Geschichte  nicht  fehlen,  welche  so  geeignet  ist,  einer  einsei- 
tigen Verstandesherschaft  entgegenzuwirken:  wird  doch  so  viel  und 
wol  mit  Recht  geklagt,  dasz  es  an  historischem  Sinne  fehle,  warnn 
ihn  auf  einem  jetzt  so  gesuchten  Bildungswege  gar  nicht  nühren? 

Fast  scheint  es  nach  dem,  was  wir  bisher  gesagt,  als  ob  die 
Realschule,  welche  sich  in  voller  Selbstindigkeit  neben  die  Gymnasien 
stellt,  ohne  hinzunehmen  der  6inen  Seite  des  gymnasialen  Gebietes 
kein  ausreichendes  Material  besitze,  als  ob  aber  auf  der  andern  Seite 
das  aufnehmen  des  Lateinischen  in  der  diesem  allein  förderlichen 
Weise  ihr  noch  gröszere  Unentschiedenheit  der  Stellung  gebe. 

Es  kommt  hinzu,  dasz  die  Gymnasien,  wie  sie  sind  oder  sein 
sollen,  sich  nicht  auf  die  dassischen  Studien  beschrinken,  sondern 
Mathematik,  Geschichte,  Geographie,  Naturgeschichte  in  ihre  liChr- 
pläne  aufnehmen ,  daneben  überall  das  Französische,  an  manchen  Schu- 
len noch  das  Englische.  Reichen  nun  die  Gymnasialleistungen  in  den 
realen  Fächern  nicht  aus?  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dasz  manche  der- 
selben arg  darnieder  lagen,  manche  noch  heute  hie  nnd  da  ungentt- 


82  Stadien  zum  Gymnasialwesen. 

gend  vertreten  sind;  das  liegt  aber  nieht  im  Wesen  der  Gymnasien, 
«sondern  meist  in  zufälligen  Erscheinungen,  namentlich  in  der  Behand- 
lung des  Unterrichts.  Ferner  wird  ziemlich  von  allen  Seiten  zuge* 
geben ,  dasz  das  Gymnasium  vermöge  der  in  ihm  liegenden  bildenden 
Kraft,  welche  vorzflglich  von  den  alten  Sprachen  ausgeht,  auch  den 
Healien  gegenüber  im  Vortheilo  ist.  Auch  bei  dieser  Gelegenheit  er« 
lauben  wir  uns  eine  Stelle  ans  Palmer  anzuführen:  *In  der  Scala 
der  Schulen  steht  die  Realschule  in  der  Mitte  zwischen  der  Volks- 
schule  und  der  gelehrten  Schule;  sie  ist  wesentlich  Bürgerschule, 
woraus  folgt,  dasz  die  gelehrte  Schule,  weil  sie  nicht  neben,  sondern 
über  der  Realschule  steht,  nothwondig  das,  was  letztere  zu  Stande 
bringt,  ebenfalls  zu  Stande  bringen  musz.  Man  darf  4iiegegen  nicht 
einwenden,  dasz  die  Realschule  durch  ihre  ausschlieszliche  Beschäfti- 
gung mit  Geschichte,  Geographie,  Französisch  nsw.  notbwendig  wei- 
ter kommen  müsse,  als  eine  parallele  Anstalt,  die  dies  alles  and  neben 
dem  Hauptfach,  der  Philologie,  treibe:  denn  die  Gelehrtenschale  be- 
sitzt an  der  Philologie  für  alles  andere  eine  sowol  formell  als  mate- 
riell so  ausgiebige  Hülfe  und  Vorarbeit,  dasz  wir,  wenn  nach  aller 
Erfahrung  bei  einem  tüchtigen  Lehrer  die  lateinischen  Schüler  auch  in 
den  Realien  dasselbe  leisten,  dies  nicht  der  einzelnen  Realschule  zur 
Schmach  anrechnen  dürfen,  es  liegt  in  der  Natur  der  Sache.' 

Können  wir  nun  wol  nicht  absehen,  welchem  wirklich  vorhan- 
denen Bedürfnisse  die  Realschule  als  selbständige  Schulanstalt 
neben  dem  Gymnasium  entspricht,  wie  dieselbe  dem  Zwecke  einer 
Humanitätsbildung  in  einer  mit  dem  Gymnasium  Schritt  haltenden 
Weise  dienen  kann,  so  ist  die  Sache  schon  nicht  mehr  dieselbe,  wenn 
die  Realschule  sich  erst  da  absondert,  wo  es  sich  im  Gymnasium  um 
den  Eintritt  des  Griechischen  handelt,  und  wir  würden  noch  zufrie- 
dener sein,  wenn  der  erste  Anfang  in  dieser  Sprache,  etwa  der  Car- 
sns  von  Quarta  noch  ganz  gemeinschaftlich  bliebe.  Auch  hier  sagt 
uns  eine,  wenn  auch  nur  kurze  Erfahrung,  dasz  unsere  Realisten  in- 
mer  besser  waren,  je  später  sie  in  die  Realclassen  flbergiengen;  ein 
aus  Tertia  übertretender,  sonst  nicht  gerade  unbegabter,  überholte 
schnell  die  ganze  Parallelclaase :  immer  waren  die  Realisten  die 
schlechtesten,  denen  alle  olessische  Vorbildung  fehlte.  Bei  dieser 
Gelegenheit  läszt  sieh  aach  erwähnen,  dasz  mehrere  preaszische  Gym- 
nasien von  Tertia  ab  Parallelclassen  haben.  Denn  dem  ersten  Anfange 
des  Griechischen  wohnt  eine  ganz  besondere  bildende  Kraft  bei,  und 
es  lieszc  sich  sogar  von  einer  praktischen  Bedeutung  der  Sache  reden. 

Wer  wollte  die  löbliche  Intention,  welche  den  Realschulen  sn 
Grunde  liegt,  verkennen?  Hat  doch  das  Gymnasium  selbst  gewünscht, 
von  den  ihm  nicht  gefügigen  Elementen  befreit  zn  werden.  Ferner 
ist  ja  nicht  zu  leugnen,  dasz  bei  der  Menge  von  Benifsgattnngen,  hei 
der  gespannten  Höhe  der  Einzelforderungen,  bei  der  gesteigerten 
Schwierigkeit  der  Erziehung,  zulelzt  dem  ganzen  Sinn  der  Zeit  ge- 
genüber das  Gymnasium  nicht  alles  umfassen  and  bewältigen  konnte. 
Ob  es  Recht  hatte,  einen  Theil  der  Erziehnngsaufgabe  abzulebnen 


Sludien  zun  Gymnasialwescn.  23 

ist  eise  andere  Frage.  Aber  gebea  wir  jenes  zu,  so  scheint  es  wol 
an  angemessensten,  Gymasiun  und  Realschule  so  zu  verbinden,  dasz 
unten  der  Unterricht  möglichst  gemeinsam,  oben  möglichst  getrennt 
sei.  So  gewinnt  das  eine  Gebiet  durch  das  andere,  die  Grundlage 
bleibt  dieselbe,  der  Parallelismus  erhfilt  ein  harmonisches  ganzes  und 
bewahrt  vor  einseitiger  Absonderung.  Zugleich  ist  mit  dieser  Ein- 
richtung die  beste  Gelegenheit  gegeben,  den  Spruch  der  ErFahrnng 
abzuwarten.  Fragte  man  aber  nach  der  eigentlichen  Noihwendigkeit 
der  Sache,  so  scheint  es  uns,  als  ob  in  vielen  Fallen  wenigstens  das 
Gymnasium  ausgereicht  haben  würde ,  wenn  hier  das  eine  oder  andere 
in  eine  andere  Stellung  gebracht  wäre.  Ja ,  wir  sind  sogar  der  Ue- 
berzeugung,  es  werde  sich  nach  und  nach  auch  aus  den  praktischen 
Kegionen  des  Lebens  der  Kflckweg  zum  Gymnasium  anbahnen.  Es 
i«ird  sich  die  ausgiebigere  Kraft  des  gymnasialen  Unterrichtes  früher 
oder  später  in  die  alte  Werthschätzung  bringen.  Einige  Beispiele 
liegen  uns  vor:  so  haben  unlängst  die  Professoren  der  Mathematik, 
Physik  und  Chemie  zu  Giessen  erklärt,  dasz  sie  den  auf  dem  Gymna» 
sium  gebildeten  Schülern  den  Vorzug  vor  denen  der  polytechnischen 
ond  Realschulen  einräumen  müsten.  Es  ist  uns  bekannt,  dasz  Fabrik- 
besitzer anfragenden  Eltern  ausdrücklich  die  Gymnasien  als  beste 
Vorbildungsschule  empfohlen  haben.  Aehnlich  sagt  Palmer  (II  2d): 
*  Geleugnet  kann  nicht  werden ,  so  weh  dies  oft  einem  wackern ,  sich 
aufopfernden  Reallehrer  thun  mag,  dasz  Männer  vom  Gewerbstande, 
die  ihre  Söhne  gleichfalls  dem  Gewerbstande  bestimmt  haben,  dock 
hiezu  häuUg  die  Gelehrtenschule  der  Realschule  vorziehen.' 

Sagt  aber  Palmer  ausdrücklich,  dasz  die  Gelehrtenschule  als 
über  der  Realschule  stehend  das  in  sich  enihallen  müsse,  was  jene 
erstrebe',  so  ist  damit  eigentlich  nichts  anderes  gesagt,  als  dasz  ein 
wirkliches  Bedürfnis  die  Realschulen  nicht  hervorrief,  und  dasz  das 
Gymnasium  wol  im  Stande  sein  müste,  die  Ansprüche,  welche  man  an 
Bildung  und  Vorbildung  macht,  zu  befriedigen.  Hören  wir  denn,  was 
Palmer  weiter  sagt:  ^Aber  würde  nicht  hieraus  geradezu  folgen,  dasz 
die  Realschale  überhaupt  ein  fiberflüssiges  Zwischending  zwischen 
Volksschule  und  Gymnasium  sei?  Man  könnte  auf  die  Geschichte  zu- 
rückgehend vielleicht  sagen:  wenn  su  Frankes  Zeiten  die  lateinischen 
Schulen  nicht  so  ganz  in  den  Formalismus  der  Grammatik  wären  un- 
tergegangen gewesen,  wenn  sie  den  Mahnungen  der  Vorboten  des 
Realismus  Folge  leistend,  durch  Aufnahme  realistischer  Bildnngstoffe 
sieh  belebt  und  verjüngt  hätten,  so  wäre  gar  keine  Realschule  ent- 
standen: es  wäre  dann  den  Philanthropisten  fiberlassen  geblieben, 
Front  gegen  den  llnmanismus  zu  machen.  Allein  der  geschichtlioke 
Gang  war  nun  eben  ein  anderer,  und  es  ist  gut  so;  die  Realschule  ist 
ein  nothwendiges  Mittelglied  geworden,  theils  um  für  die  Gelehrten- 
schule als  Sporn  zu  dienen,  dasz  sie  auch  an  Sachkenntnissen  ihre 
Zöglinge  nicht  zurückbleiben  läszt,  theils  aber  und  insbesondere  dar- 
um, weil  in  der  Gelehrtenschule  nur  die  talentvolleren  der  bedeutend 
höher  gestellten  Aufgabe  Genüge  leisten  können;  d^nn  so  sehr,  wie 


24  Studien  zum  Gymnasialwesen. 

wir  sahen ,  der  philologische  Unterricht  dem  realistischen  Vorschob 
leistet,  so  ist  beides  doch  eben  eine  doppelte  Arbeit,  eine  Anstren- 
gung, welcher  viele  nicht  gewachsen  sind,  die  dafür  durch  die  Real- 
schule zu  den  erforderlichen  Kenntnissen  und  Fertigkeiten  möglicher- 
weise gebracht  werden  können.'  lieber  diese  Worte  läszt  sich  man- 
ches sagen.  Es  scheint  aus  ihnen  mehr  hervorzugehen,  dasz  die  Real- 
schule vorhanden,  als  dasz  sie  nothwendigerweise  vorhanden  ist.  Denn 
damit  werden  die  Vertreter  des  Realismus  doch  schwerlich  zufrieden 
sein,  dasz  sie  das  Gymnasium  anspornen  sollen,  sich  seiner  Mittel 
gehörig  zu  bedienen,  während  sie  demselben  zuzugestehen  hätten, 
dasz  es  überall  über  sie  hinausreiche.  Noch  weniger  werden  sie  sich 
mit  dem  zweiten  Grunde  einverstehen,  dasz  ihnen  die  weniger  talent- 
vollen, für  welche  die  Gymnasialaufgabc  zu  hoch  und  zu  schwer  ist, 
zufallen  sollen,  zumal  bei  Palmcrs  Zusätze,  der  nur  davon  spricht, 
dasz  sie  ^möglicherweise'  noch  die  nöthigcn  Kenntnisse  und  Fertig- 
keiten erlangen  würden.  Dagegen  käme  das  Gymnasium  sehr  gut 
weg;  denn  einmal  würde  es  vor  der  Erschlaffung  bewahrt,  indem  es 
sich  gegen  die  Concurrenz  wehren  müste,  und  dann  hätte  es  sich  nicht 
mit  den  talentlosen  abzumühen.  In  ähnlichem  Sinne  haben  sich  auch 
Gymnasiallehrer  ausgesprochen,  indem  sie  froh  waren,  die  realisti- 
schen Fllcmente  aus  dem  Gymnasium  heraustreten  zu  sehen.  Wir  wer- 
den später  noch  darauf  kommen,  wie  jetzt  manche  das  Gymnasium 
wieder  ausschliesziich  um  das  classische  Gebiet  concentrieren  wollen; 
gelänge  es  ihnen,  die  Gymnasien  in  diesem  Sinne  zu  reformieren,  so 
würde  dies  die  vorhandenen  Schwierigkeiten  nicht  mindern,  sondern 
steigern. 

Unsere  Stellung  zu  der  Schulfrage  ist'eine  andere,  weniger  pas- 
sive und  zugleich  auf  allgemeinen  Principien  ruhende.  Wir  haben 
es  nicht  blosz  mit  den  einzelnen  Flrscheinungen,  sondern  mit  dem 
groszen  ganzen  zu  thun.  Wenn  wir  dem  Realismus  nicht  in  der  Litte- 
ratur,  in  der  Kunst,  im  Leben  das  Wort  reden  können,  vermögen  wir 
es  auch  nicht  in  der  Schule  zu  thun.  Wenn  wir  den  humanistischen 
Idealismus  als  eins  der  wolthätigsten  Gegengewichte  gegen  die  gesam- 
ten realistischen  und  materialistischen  Tendenzen  bezeichnen ,  können 
wir  unmöglich  denselben  seine  Bedeutung  als  allgemeine  Rildongs- 
grundlage  verlieren  lassen  wollen,  oder  auch  nur  mit  einer  Schwä- 
chung desselben  einverstanden  sein.  Das  reale  Unterrichtsprinofp 
müste  einen  idealen  Fortschritt  gegen  den  Humanismus  enthalten  oder 
wenigstens  in  seiner  Wirkung  nicht  zurückbleiben.  Dies  wird  aber 
wol  der  Fall  sein,  weil  es  weit  geringere  Mittel  besitzt  und  nicht  ein- 
mal in  seinem  unmittelbarsten  Gebiete,  dem  realen,  weit  über  da» 
Gymnasium  hinansreicht.  Denn  die  Realschule  entlehnt,  sobald  sie 
den  Zweck  allgemeiner  Bildung  verfolgt,  gerade  die  wichtigsten  Bil- 
dangsmittel,  deren  Wirksamkeit  überall  dem  Gymnasium  zu  gute 
kommt,  so  dasz  die  extensivere  Behandlung,  welche  die  Realschule 
einzelnen  Gebieten  angedeihen  laszt,  wenigstens  znm  Theile  wieder 
ausgeglichen  wird.  Insofern  aber  endlich  ein  Zusammenhang  der  Real- 


Studien  zum  Gymnasialwesen.  25 

schale  mit  dem  Realismas  überhaopl  und  mit  nach  vielen  Seifen  hin 
bedenitlichen  Richtungen  wenigstens  in  höherem  Grade  vorhanden  ist, 
als  bei  den  jene  Richtungen  vielmehr  bekämpfenden  Gymnasien,  wür- 
den wir  lieber  sogar  ein  hie  und  da  erreichtes  oder  zu  erreichendes 
Plus  anfgeben,  als  Coucessionen  an  die  Richtung  herbeiwünschen.  Es 
gehört  wirklich  Mut  dazu  es  auszusprechen,  aber  gewis  und  wahr- 
haftig ist  es  nur  das  ernsteste  Verlangen  nach  einer  im  innersten  Kerne 
Gesundheit  erstrebenden  Gestaltung  der  Dinge,  wenn  wir  den  classi- 
sehen  Humanismus  auf  einer  wahrhaft  christlichen  Basis  im  Sinne  PaU 
mers  (Th.  II  S.  8-^20)  als  den  eigentlichsten  Grundpfeiler  deutscher 
Bildung  bezeichnen.  Auch  fehlt  es  nicht  an  Symptomen,  dasz  diese 
Ueberzeugung  nach  und  nach  durchdringen  wird,  und  wir  möchten 
voraussagen,  dasz  die  realistische  Bewegung  gegen  den  Humanismus 
auch  in  diesem  Jahrhunderte  denselben  nur  lautern  und  festigen ,  nicht 
dauernd  beeinträchtigen  wird. 

Wird  dann  aber  —  so  fragt  man  —  das  Gymnasium  sicher  im 
Stande  sein,  den  Anforderungen  zu  genügen?  Darauf  antworten  wir 
ans  vollster  Ueberzeugung:  gewis,  wenn  es  seine  Aufgabe  nicht  ver- 
kennt. Freilich,  wenn  es  danach  strebt,  sich  zu  einer  specifisch  ge- 
lehrten Fachschule  zu  gestalten,  wenn  es  sich,  nachdem  seine  reali- 
Stichen  Bestandtheile  selbstfindig  herausgetreten  sind,  verleiten  laszt, 
ans  sich  diese  realen  Hilfsmittel,  deren  es  bedarf,  zu  entfernen,  dann 
wird  es  unfähig,  seine  grosze  allgemeine  Bestimmung  zu  erfüllen. 
Eines  ist  allerdings  nöthig,  und  das  gilt  für  die  gesamte  Schulord- 
nung, nemlich  dasz  die  Aufgabe  nicht  noch  mehr  gespannt,  das  Ma- 
terial nicht  noch  mehr  erweitert  wird:  das  gilt  von  unserm  Schul- 
wesen überhaupt,  und  zwar  weniger  von  der  Vorschrift,  als  von  der 
Ausübung.  Um  es  kurz  zu  sagen,  es  ist  mehr  innerhalb  der  Schule 
selbst  zu  leisten :  da  wir  aber  später  von  den  Gymnasien  insbesondere 
zu  reden  haben ,  ist  hier  nur  einzelnes  herauszuheben.  Zunächst  kön- 
nen wol  die  befähigteren  Schüler  durch  das  Gymnasium  ebensogut  für 
eine  Fachschule  vorgebildet  werden,  wie  durch  die  Realschule.  Man 
behandle  nur  den  Unterricht  in  vielen  Stücken  energischer,  indem 
man  die  Schulstunden  nicht  für  dazu  bestimmt  hält,  das  zu  Hause  ge- 
lernte und  geschriebene  einzusammeln ,  sondern  auf  eine  unmittelbare 
Wirkung  hinarbeitet.  Erfordert  dann  der  Eintritt  in  eine  Fachschule 
hie  nnd  da  einmal  das  nachholen  einer  Fertigkeit  oder  besondere  För-* 
derung  in  einem  Gebiete  des  Wissens,  so  wird  es  nicht  an  Zeit  und 
Kraft  fehlen,  und  überdies  ist  in  solchem  Falle  ja  wol  eine  Dispen- 
sation vom  Griechischen,  für  ein  halbes  Jahr  etwa,  zu  erlangen.  Denn 
sonst  läszt  sich  doch  wol  jetzt ,  da  in  den  Realschalen  Unterrichts- 
anstalten  bestehen ,  welche  nur  das  Griechische  ausscblieszen ,  kaum 
ein  Fall  denken ,  in  welchem  das  Griechische  erlassen  werden  kann, 
wenn  wir  nicht  noch  eine  dritte  Art  von  Schülern ,  Ualbgymnasiasten, 
erhalten  wollen.  Welche  Sohfller  aber  den  Fachschulen  lieber  sein 
werden,  die  Gymnasiasten  oder  Realisten,  darüber  musz  eine  längere 
BrfghroDg  entscheiden.   Was  ferner  die  schwächeren  Kräfte  betrifft. 


26  Aasgaben  d.  Pliaedrus  von  Siebeiis  u.  Raschig. 

welche  auf  den  Gymnasien  schwer  fortkommen,  so  kann  man  wol 
nicht  meinen,  für  dieselben  besonders  sorgen  zu  müssen:  oft  wendet 
sich  die  Scheu  vor  der  Anstrengung  dem  leichter  scheinenden  realen 
KU,  oft  der  Wunsch,  schneller  aus  der  Schule  herauszukommen:  bis- 
weilen aber  ist  auch  die  unpaedagogische  Behandlung  der  Schüler 
daran  Schuld,  indem  sie  die  einzelnen  Naturen  nicht  genug  beachtet 
und  auseinander  halt.  In  der  Erziehung  aber  ist  die  Individualität 
weder  zu  übersehen ,  noch  ist  derselben  zu  viel  zu  concedieren :  ist 
die  Mittellinie  schwer  zu  finden,  so  ist  es  eben  die  paedagogische 
Aufgabe  sie  zu  suchen.  Bei  vielen  gegen  den  Sprachunterricht  schwie- 
rigen Schülern  wird  man  endlich  linden,  dasz  sie  auch  dem  Unter- 
richio  in  den  modernen  Sprachen,  den  doch  die  Realschule,  und  zwar 
gleichfalls  nicht  ohne  formalen  Standpunkt,  darbietet,  abgeneigt 
sind:  solche  Naturen  werden  gemeiniglich  erst  recht  brauchbar,  wenn 
sie,  so  zu  sagen,  in  ihr  eigentliches  Fahrwasser,  Fachschule  oder 
Praxis,  hineinkommen.  Die  geistige  Gymnastik  des  Humanismus  wird, 
richtig  gehandhabt,  wol  keinem  schaden;  ist  aber  geradezu  Talent- 
losigkeit  vorhanden,  so  helfen  alle  Auskunftsmittel  Dichts;  glückli- 
cherweise kommt  diese  nur  selten  vor.  Für  uns  scheint  es  also  ge- 
wis ,  dasz  im  Gymnasium  reichlich  die  Bildungsmittel  vorhanden  sind, 
welche  auch  zum  Eintritt  in  Fachschulen  oder  das  Leben  selbst  befä- 
higen können,  und  wir  würden,  nach  unserer  Anschauung  vom  Wesen 
und  der  Bestimmung  des  Humanismus,  nur  zu  wünschen  haben,  dasz 
mun  sieh  mehr  und  mehr  demselben  wieder  zuwendete. 

Dresden.  F.  Paltiamm. 

(Fortsetzung  im  iiächsteu  Hefte.) 


2. 

1)  Phaedri  fahulae.    Für  Schüler  mit  erläuternden  und  eine 

richtige  UeberseUung  fördernden  Anmerkungen  versehen, 
van  Dr.  Johannes  Siebelis^  Lehrer  am  Gymn,  iu  lliid- 
burghausen.  Leipzig.   B.  G.  Teabner  1851.  XII  u.  75  S.  8. 

2)  AusgewäliUe  Fabeln  des  Phaedrus.   Erklärt  von  F.  E.  Ra- 

se hig.  Leipzig.  Weidmann'flche  Bachhandlung  1853.  YIII  u. 
87  S.  8. 

1)  Die  Ausgabe  der  Fabeln  des  Phaedrus  von  Siebeiis  ist  in  ih- 
ren Anmerkungen  so  recht  der  Altersstufe  der  Schüler  angepasst,  fttr 
welche  sie  bestimmt  ist.  Die  erifiuterden  wie  übersetzenden  Anmer- 
knngen  sind  kurz  und  bestimmt  und  einem  Quartaner,  also  einem 
Knaben  von  12 — 14  Jahren  überall  verständlich.  Ansichten  anderer 
Erklärer  werden  mit  Hecht  weder  zur  Widerlegung  noch  zur  Bestäti- 
gung in  den  Kreis  der  Noten  gezogen.  Hier  ond  da  wird  der  Schflier 
durch  eine  nicht  beantwortete  Frage  zum  nachdenken  ond  dadaroh 


Aufgaben  d.  ?haedra8  von  Siebeiis  a.  Raichig.  27 

sam  richtigen  Verständnisse  angeleitel,  an  anderen  Stellen  wieder  anf 
früher  erklärte,  oder  auf  ähnliche  Wendungen  und  Aosdracksweisen 
im  Corn.  Nep.  yerwiesen.  Bin  ich  sonach  im  allgemeinen  mit  dem 
Umfange  der  Noten  einverstanden,  so  wäre  doch  die  Anwendung  nicht 
beantworteter  Fragen  an  noch  weit  mehr  Stellen  zweckmäszig  gewe- 
sen; an  anderen  Stellen  hätte  der  Schiller,  wenn  er  sein  Lexikon  ge- 
brauchte, die  richtige  Uebersetzung  auch  ohne  Note  nicht  leicht  ver- 
fehlen können.  Gehen  sonach  hier  und  da  die  Noten  trotz  ihrer  Ge- 
drängtheit etwas  XU  weit,  so  fehlen  sie  an  anderen  gerade  da,  wo 
man  sie  hätte  erwarten  sollen,  besonders  aber  aberall  bei  den  Pro- 
nnd  Epimythien  auch  wo  diese  dem  Inhalte  der  Fabel  nur  wenig  oder 
gar  nicht  entsprechen.  Wol  wird  der  Lehrer  bei  der  Erklärung  dar- 
auf zurückkommen;  allein  dies  rechtfertigt  das  weglassen  nicht,  da 
ja  sonst  noch  viele,  wenn  nicht  alle  Noten  wegbleiben  könnten. 

Im  Texte  hat  sich  Siebeiis  vorzüglich  an  die  Recensionen  von 
Orelli  und  von  Dressler  angeschlossen;  erhebliche  Abweichungen 
werden  im  Vorworte  besprochen.  Das  in  der  Einleitung  enthaltene 
Leben  des  Phaedrus  verbreitet  sich  weiter  als  es  mir  gerechtfertigt 
erscheint;  es  werden  nemlich  darin  die  dahin  gehörigen  Stellen  ans 
den  Pro-  nnd  Epilogen  angeführt.  Da  nun  aber  gerade  diese  Stücke 
des  Phaedrus  mit  Recht  zum  grösten  Theil  von  dem  Herausgeber  aus- 
geschieden worden  *da  sie  theils  zu  schwierig,  theils  ihrem 
Inhalte  nach  für  Knaben  zu  wenig  anziehend  sind%  so  hat 
der  Schüler  keine  Gelegenheit  die  angeführten  Stellen  im  Zusammen* 
bang  zu  lesen.  Es  hätten  daher  in  dem  Leben  des  Dichters,  da  doch 
auch  dieses  für  die  Schüler  geschrieben  ist,  nur  diejenigen  Stellen 
namentlich  aufgeführt  sein  sollen,  welche  sich  auch  im  Buche  finden. 
Den  Schlusz  der  Einleitung  bildet  eine  kurze  Darstellung  des  Vers- 
maszes. 

Was  die  Ausscheidungen  betrifft,  so  erkläre  ich  mich  mit  den- 
selben im  ganzen  einverstanden,  nur  hätte  ich  auszer  einigem,  un- 
ten zu  erwähnendem,  auch  IV  7  (b.  S.  6)  weggelassen,  weil  es 
nach  meiner  Erfahrung  für  Schüler  der  IVa  *  theils  zu  schwierig, 
theils  seinem  Inhalte  nach  für  Knaben  zu  wenig  anziehend  ist',  fer- 
ner aber  III  1  onus  ad  amphorfm.  Dies  Gedichtchen  hätte  schon 
deshalb  ausgeschieden  sein  sollen,  da  die  Meinungen  der  Ausleger 
über  den  Schluss  hoc  quo  pertineai^  äicei  qui  me  noverit  zu  sehr 
auseinander  gehen  und  auch  Siebeiis  nioht  mit  Bestimmtheit  anzuge- 
ben weisz,  worauf  sich  derselbe  bezieht.  Er  sagt  nemlich:  *das  Ge- 
dichtchen ist,  wie  es  scheint,  eine  seherzha'fke  Anpreisung  der 
Fabeln  des  Dichters  und  insbesondere  .  .  .  der  beiden  ersten  Bücher 
. .  .  Indem  er  das  dritte  Buch  wahrscheinlich  geraume  Zeit  nach 
den  beiden  ersten  veröffentlichte,  galt  ihm  dasselbe  gleichsam  als  der 
Rest  seiner  Dichterspende.  .  .  .'  Ich  habe  niemals  diese  soheri- 
hafte  Anpreisung  inP.s  Worten  finden  können,  wüste  aber  aooh 
nicht  was  für  ein  Scherz  darin  läge,  wenn  der  Dichter  seine  Fabetn, 
seien  es  wie  andere  wollen  alle,  oder  wie  Sieb,  will  nor  die  des  dril- 


28  Ausgaben  d.  Phaedrus  von  Siebeiis  u.  Kascbig. 

ten  Biicbs  mit  dem  vom  gaten  Wein  dem  Krug  noch  anhaftenden  Duft 
vergleicht.  Und  was  soll  das  alte  trunksüchtige  Weib  dabei  thun? 
soll  es  scherzhaft  den  Leser  bezeichnen?  Warum  soll  sich  Phaedrus 
hier  so  versteckt  loben,  der  sich  doch  sonst  nicht  scheut  die  hohe 
Meinung  von  sich  höchst  unumwunden  auszusprech'en?  Unter  den  Mei- 
nungen Burmanns  über  dies  Gedichtschen  ist  auch  diese:  ebriosae 
onus  haec  verba  in  senilem  effetamque  Tiberii  Caesaris  Ubidinem 
eonveniuni  cet. ,  eine  Meinung  die  freilich  sehr  gesucht  ist,  mir 
aber  nicht  gesuchter  erscheint,  als  darin  eine  Anpreisung  der  Fabeln 
des  Phaedrus  zu  finden.  Ich  habe  dies  Gedichtchen  mit  meinen 
Schülern  noch  nie  gelesen  und  zwar  deshalb  weil  es  auch  mir,  wenn 
nicht  eine  Obscocnität  zu  enthalten,  doch  an  dieses  Gebiet  zu  streifen 
schien.  Ich  habe  es  nemlich  immer,  um  mich  der  Worte  Burm.s  zu 
bedienen  auch  auf  eine  senilem  effetamque  lihidinem^  aber  nicht  des 
Tiberius  sondern  ipsius  anus  bezogen  und  dabei  ist  denn  wol  die 
epota  amphora  der  anus  ziemlich  parallel.  Legt  man  die  Schlusz- 
Worte  hoc  quo  pertineat  cet.  noch  der  alten  in  den  Blund,  so  passt 
dann  auch  das  o  suavis  anima!  cet.  ganz  gut  dazu.  Doch  genug! 
mag  der  Sinn  des  vielbesprochenen  Gedichtchens  sein,  welcher  es 
immer  wolle,  in  eine  Schulausgabe  sollte  es  nicht  aufgenommen  sein; 
vermissen  würde  es  gewis  niemand. 

Dasz  Siebeiis  die  Phaedri  fabulae  noeae^  quas  tocantj  sice  Fa- 
bnlarum  Über  VI  aufgenommen  hat,  halte  ich  nicht  für  zweckmäszig, 
zumal  ihre  Echtheit  auch  dem  Herausgeber  *  noch  keineswegs  erwie- 
sen ist'  und  ^sie  ihrem  Inhalte  nach  unleugbar  tiefer  stehen'  als  die 
übrigen  Fabeln  des  Phaedrus.  Dazu  kömmt,  dasz  in  diesen  Fabeln  noch 
viele  Unsicherheiten  und  Zweifel  im  Text  übrig  bleiben ;  doch  hat  S. 
gerade  zu  dieser  Abtheilung  gar  keine  kritische  Note  zugefügt. 

2)  Was  nun  im  allgemeinen  die  Ausgabe  ausgewählter  Fabeln 
des  Phaedrus  von  Raschig  betrifft,  so  ist  auch  sie,  wie  es  im  Vor- 
worte heiszt,  zum  Schulgebrauche  bestimmt,  aber  nach  einem  ganz 
anderen  Plan  angelegt  als  die  von  Siebeiis.  Erstlich  gibt  sich  die 
Ausgabe  schon  nach  ihrem  Titel  nur  als  eine  Auswahl  zu  erkennen, 
und  es  sind  nicht  nur  alle  von  Sieb,  ausgeschiedenen  Stücke,  sondern 
noch  viele  andere  weggelassen.  ^Als  Grnnd  der  Ausscheidung  gibt 
Kasohig  an  ^theilt  Mangelhaftigkeit  des  Textes,  theils  Unpaszlichkeit 
des  Inhalts,  theils  sprachliche  und  sachliche  Schwierigkeiten ' ,  wel- 
cher Grundsatz  wenigstens  nicht  überall  festgehalten  ist,  denn  es  feh- 
len viele  Stücke,  bei  welchen  sich  nichts  von  dem  angegebenen  findet, 
die  aber  zu  den  schwächeren  Erzeugnissen  des  Phaedrus  gehören, 
also  deswegen  weggelassen  scheinen.  Die  aufgenommenen  Stücke 
ordnet  nun  aber  Rasohig  nicht  nach  Büchern ,  sondern  *  in  einer  Nach- 
einanderstellung ,  welche  den  wesentlichen  Vortheil  des  allmählichen 
fortschrei tens  vom  leichteren  zum  schwereren  gewährt.'  Ich  will 
über  diese  selbständige  Anordnung  nicht  rechten,  obwol  dadurch  — 
trotz  der  angefügten  Parallele  der  Fabelbezeichpungen  —  für  den  Ge- 
brauch in  Schulen  eine,   wenn  auch  nicht  grosze  Unbequemlichkeit 


Ausgaben  d.  Phaedrus  von  Siebeiis  u.  Rasoliig.  29 

entsteht,  da  doch  wo\  nicht  alle  Schüler  sich  gerade  dieser  Ausgabe 
bedienen  werden;  allein  ich  vermag  mich  bei  dieser  Anordnung  nicht 
davon  zu  nberzengen,  dasz  überall  ein  fortschreiten  vom  leichteren 
zum  schwereren  bemerklich  wäre.  So  stehen  z.  B.  die  sechs  grösten 
Fabeln  zuletzt,  die  zwei  kleinsten  zuerst,  ohne  dasz  es,  wenigstens 
für  mich,  sicher  wäre ,  dasz  jene  grösten  die  schwersten,  diese  kloio- 
sten  aber  die  leichtesten  wären.  Freilich  ist  die  Bestimmung  übet) 
leicht  und  schwer  zunächst  snbjectiv;  allein  Beobachtungen  an  den 
Schülern  gehen  doch  einigermaszen  einen  objectiven  Maszstab.  So 
haben  meine  Schüler,  um  nur  einiges  anzuführen,  noch  immer  Fab.  IX 
bei  K.  (Phaed.  V  8  Occasio)  sehr  schwer  gefunden,  während  sie  in 
der  von  H.  zuletzt  gestellten  LX  Scurra  el  Rusticus  (V  5)  und  in  der 
vorletzten  Ranae  regem  petentes  (1  2)  weit  weniger  Schwierigkeiten 
gefunden  haben.  —  Was  die  den  Fabeln  zugefügten  Anmerkungen 
betrifft,  so  hat  sich  darin  R.  nicht  mit  aufgestellten  Fragen,  mit  kurzen 
Andeatungen  und  Uebersetzungen  zufrieden  gegeben.  Er  sagt  dar- 
über selbst  S.  lll  u.  IV :  ^demnächst  konnte  ich  in  Betreff  der  sprach- 
lichen Erklärung  bei  einer  ersten  Anleitung  zum  Verständnisse  der 
dichterischen  Rede  und  Darstellung  blosz  Winke  und  Andentungen 
durchaus  nicht  für  ausreichend  erachten.  Vielmehr  hielt  ich  gerade 
zu  diesem  Behufe  eine  möglichst  genaue  und  vollständige  Vermittlung 
des  Verständnisses  alles  dessen,  was  innerhalb  des  FassungSr 
Vermögens  der  vorauszusetzenden  Bildungsstufe  liegt,  für  uner- 
läszlich.  .  .  .'  Dasz  Raschig  das  richtige  Masz  eingehalten  und  überall 
Schüler  von  12 — 14  Jahren  vor  Augen  gehabt  habe,  davon  kann  ich 
mich  nicht  überzeugen,  wenigstens  habe  ich  seit  einer  langen  Reihe 
von  Jahren,  während  welcher  ich  es  mit  Quarlanen  zu  thun  gehabt, 
unter  denselben  nur  sehr  wenige  gefunden,  welchen  nicht  sehr  viele 
Noten  R.s  auszerhalb  ihres  Fassungsvermögens  gelegen  hät-r 
ten  (einzelnes  werde  ich  unten  anführen) ;  andererseits  fehlt  es  aber 
auch  nicht  an  vielen  umfangreichen  Noten,  wo  wirklich  eine  kurze 
Andeutung,  ein  Wink,  eine  Frage  vollkommen  genügt  hätte.  Vor 
allem  aber  finde  ich  es  zu  tadeln ,  dasz  R.  bei  seinen  Erklärungen ,  so 
zu  sagen,  die  Gelegenheit  gesucht  hat,  Ansichten  anderer  Heraus- 
geber (wenngleich  ohne  sie  zu  nelinen),  besonders  die  von  Siebeiis, 
meistens  mit  wörtlicher  Anführung  zu  bekämpfen  und  zu  widerlegen. 
Einen  wesentlichen  Vorzug  vor  der  Siebelis^schen  Ausgabe  hat  die 
von  R.  dadurch,  dasz  sie  den  Schüler  mehr  auf  das  innere  Verständ- 
nis der  Fabeln  und  besonders  auf  das  Verhältnis  der  Pro-  und  Epi- 
mytbien  zum  Inhalte  der  Fabel  aufmerksam  macht,  und  von  dieser 
Seite  betrachtet  gibt  die  Ausgabe  von  Raschig  nicht  selten  manchen 
guten  Wink.  Aber  auch  in  diesen  Erörterungen  (bei  welchen  Jacobs^, 
Leasings  und  anderer  Arbeiten  gut  benützt  sind)  wäre  gröszere  Kürze 
oftmals  nicht  blosz  wünschenswerth,  sondern  auch  leicht  erreichbar 
gewesen.  Dasz  Raschig  an  vielen  Stellen  andere  Erklärungsversuche 
recht  glücklich  beseitigt  hat,  wird  sich  unten  zeigen. 

In  der  Einleitung  spricht  R.  über  die  Fabeldichtung  im  allgemein. 


94  Anifabea  de»  Phaedrus  vou  Siebeiis  und  RasGhi(f. 

der  König  morbo  confectut  gravi  auch  das  antidoium  geben,  doch  niciU 
etwa  um  an  dem  Gegengift  in  eigentlichster  Bedeutung  den  Schuster- 
Arzt  zu  versuchen,  sondern  er  verlangt,  weil  krank,  vom  Schuster  ein 
Mittel  gegen  seine  Krankheit  und  dieser  gibt  ihm,  was  er  allen  Kran- 
ken gibt,  sein  antidotum  (Universai-Medicin  appeliat  Santoroc- 
cus  linde  ich  bei  Schwabe).  Wir  sehen  also,  dasz  unter  aniidoium 
auch  ein  aus  giftigen  Bestandtheilen  zusammengesetztes  Mittel  verstan- 
den wird,  welches  bestimmt  ist,  den  durch  die  Krankheit  im  Körper 
entstandenen,  gleichsam  giftigen  Stoffen  ein  Gegengewicht  zu  halten, 
oder  vielmehr  sie  zu  verdrängen  und'  aufzuheben.  £inem  gesunden 
hätte  ein  solches  Mittel  geschadet;  darum  gibt  sich  der  König  den 
Anschein  als  mische  er  zu  dem  aniidoium  das  ioxicum,  V.  4  S. 
^siropha  (von  cxQiq>ü}  drehen)  eig.  Verdrehung  der  Wahrheit,  d.  i. 
Vorspiegelung';  t(.  richtiger:  ^ verboxig  sirophis  durch  wortreiche 
Redewendungen'  und  führt  als  Beleg  dazu  Schol.  Aristoph.  0tQog>al 
da  kiyovTai,  ticcI  ot  avfATtsjckByfiivot  xal  öokegol  koyoi  an,  was  in  einer 
grösseren,  nicht  zum  Schulgebrauch  bcbtimmten  Ausgabe,  wie  bei 
Schwabe,  ganz  an  seiner  Stelle  ist,  aber  für  einen  Quartaner  offenbar 
keinen  Zweck  hat.  V.  5  hie  cum  iacerei^  S.  unklar:  ^hic  Adverb.', 
h.  richtig:  *hic  nicht  vom  Orte,  sondern  den  eingetretenen  Sloment 
(da,  jetzt)  vergegenwärtigend'.  V.  14:  quaniae  püiaiis  e$se  tos  de- 
meniiae^  S.  macht  darauf  aufmerksam,  wie  der  gen.  oder  abl.  der 
Kigenschaft  mit  esse  oft  eine  etwas  freiere  Uebersctzung  erfordert: 
*Wie  thöricht,  meint  ihr,  dasz  ihr  seit!'  U.  spricht  von  der  Ueber- 
sctzung nicht,  erklärt  aber,  nachdem  er  die  in  puiaiis  liegende  Be* 
Ziehung  recht  gut  entwickelt  hat,  den  Genet.  durch:  ^.  .  .  .  der  Thor-r 
heil,  von  welcher  die  Leute  durch  den  Genet.  als  besessen 
dargestellt  werden',  welche  Erklärung  den  Schüler  gewis  nicht 
zum  Verständnis  dieses  Genet.  führt.  V.  17  hoc  peritnere  dixerim^ 
S.  recht  gut;  ^der  Conj.  Perf.  im  Hauptsatz,  um  ein  Urtheil  bescheiden 
auszudrückend ch  dürfte  wol  mit  Recht  sagen';  R.  macht  dies 
an  und  für  sich  leichte  Vrh.  dem  Schüler  durch  seine  Erklärung  xn 
einem  schweren,  wenn  nicht  gänzlich  unverständlichen;  ^ dixeritn  im 
Conj.  das  sagen  als  ein  durch  die  Ansicht  des  sagenden  bedingtes, 
sagbares,  im  Perf.  bezüglich  eines  bestimmten  Falles  darstellend.' 
(Aehnlich  sagt  R.  XXX  (V  3)  v.  10  optem  necare  *  opiem  stellt 
das  wünschen  nicht  als  ein  wirkliches,  sondern  als  ein  mögliches,  so 
zu  sagen  wünschbares,  im  vorliegenden  Falle  als  ein  solches  dar, 
welches  vorkommenden  Falls  eintreten  würde').  Derartige  Erklärun- 
gen sind  auf  keiner  Stufe  des  Gymnasiahinterrichts  von  Nutzen,  in 
einer  Quarta  aber  sind  sie  mehr  als  unnöthiger  Ballast,  —  sie  verwir- 
ren. —  1 15  (R.  XX)  v.  6  suadebai  fugere^  S.  ^ungewöhnliche  und  nicht 
nachzuahmende  Construction.  Wie  müste  es  der  Regel  nach  heiszen?' 
S.  hätte  noch  hinzufügen  sollen  ^  aber  dichterische  Constr.'  R.s  Be- 
merkung ist  geeignet  den  Schüler  zu  der  Ansicht  zu  verleiten,  als 
dürfe  er  diese  Constr.  nachahmen ,  wenn  er  sagt :  ^  suadebai  mit  dem 
einfachen  Inf.  fugere  um  so  weniger  (sollte  zugefügt  sein:  ^bei  einem 


Ao8galK)n  d.  Phaednis  too  Siebeiis  «.  Rasehigr  Sl 

quaniur  schlieszt  S.  mil  Kecht,  das«  Fabeln  des  Ph.  verloren  gegen* 
gen,  was  R.  nicht  als  *  unabweisbare  Nothweiidigkeit'  gelten  lassen 
will,  ^da  Ph.  vielleicht  nar  im  allgemeinen  die  Bigenthamlichkeit  der 
Pabeldichtung  rechlferligen  wollte';  allein  konnte  sich  dann  Ph.  so 
ausdrücken?  —  v.  7  erklSrl  R.  ^fahula  (von  fort)  ursprünglich  jede 
Erzählung,  vorzugsweise  aber  die  Erzählung,  welche 
eben  nur  eine  Erzählung  ist,  daher  namentlich  auch  die  Fabel'. 
Was  fängt  ein  Quartaner  mit  dieser  Erklärnng  an?!  —  Lib.  1  1  (R. 
XLII)  V.  6  laniger^  S.  ^beachte,  wie  der  Dichter  bei  Bezeichnung 
desselben  Gegenstandes  mit  dem  Ausdrucke  zu  wechseln  sucht';  R. 
*  dichterisch  statt  ofts,  indem  an  die  Stelle  3er  conventioneilen,  nur 
als  BegrifTszeichen  für  den  Verstand  dienenden  Benennungen  des  Ge- 
genstandes eine  der  Eigenthflmlichkeit  desselben  entnommene,  mehr 
veranschaulichende  Bezeichnung  tritt'.  Auch  diese  Bemerkung  R.s,  so 
richtig  sie  ist,  geht  über  das  Masz  dessen,  was  man  einem  Schüler 
von  12-— 14  Jahren  zuzumuten  berechtigt  ist,  hinaus. 

I,  2  (R.  LIX)  V.  7  schreibt  S.  sed  quoniam  grams  omnino  mswe- 
tis  sofitis,  was  freilich  an  die  Lesart  des  Cod.  Pith.  am  nächsten  her- 
antritt, was  aber  ohne  S.s  Note  kaum  irgend  ein  Leser  verstehen 
wird  *weil  sie  (die  seret/tfs)  überhaupt  für  ungewohnte  ein  schwerea 
Wort  ist'.  R.  behält,  was  auch  mir  die  beste  Auskunft  scheint,  die 
Correct.  des  Heinsius:  quoniam  graee  omne  insuetis  onus,  V.  1$ 
behält  S.  mit  Recht  die  Lesart  der  Hss.  hac  tnenum  limo  cum  iacerei 
dintius  bei,  da  sie  einen  guten  Sinn  gibt,  während  R.  ohne  NotK 
Bentleys  Correctur  mmersae  limo  cum  laiereni  aufnimmt,  v.  19  er- 
klärt S.  ^posito  iimore  so  viel  als  deposilo* ^  R.  sagt:  ^posito  nicht 
statt  deposUo  .  .  .' ;  allein  S.  zweifelt  ja  nicht  an  der  Richtigkeit  der 
Verbindung  iimorem  ponere^  sondern  will  nur  dem  Schüler  das  po- 
liere in  der  Bed.  a  b  legen  erklären.  V.  29  sagt  S.  ^bonum  und  matum 
fasse  als  Neutra';  R.  ^bonum  und  malum  üblioher  Weise  in  neutra- 
lem Sinne  zu  verstehen,  widerstreitet  der  Intention  des  Dichters...'; 
allein  die  v.  31  folgenden  Worte  führen  ganz  unzweideutig  daranf^ 
dasz  der  Dichter  auch  v.29  das  neutr.  verstanden  wissen  will,  denn  da 
heiszt  es :  hoc  sustineie^  maius  ne  veniat  malum.  —  I  3  (R.  XLIII) 
V.  10  erkl.  S.  gut  redire  coepit  ^  durch  coepil  wird  hier  das  zögern 
bez.,  womit  sie  es  that';  R.  begnügt  sich  mit  dieser  Erklärnng  nieht, 
sondern  sagt:  ^redire  nicht  im  Sinne  von  zurückkehren  als  zum  Ziele 
gelangte,  vollendete,  sondern  in  dem  Sinne  von  zurückgeben  als  dem 
Ziele  zugewendete,  verlaufende  und  daher  durch  coepil  üblicherweise 
in  ihrem  Beginn  bezeichnete  Handlung'.  Statt  dieser  vielen  Worte, 
welche  einen  Knaben,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  den  Wald  vor  den 
Bäumen  nicht  sehen  lassen,  hätte  vollkommen  ausgereicht:  ^redire 
coepil  <v>  sie  machte  sich  auf  den  Rückweg'. '  1  4  (R.  XII)  bemerkt 
R.  za  dem  Promylh.  Amittil  merilo  proprium  qui  alienum  appelil  ^das 
Ttft  alienum  appelil .  .  .  erweckt  die  falsche  Vorstellung,  als  verliere 
der  Hund  um  deswillen  das  seinige,  weil  er  .  .  .  nach  fremdem  Bigen- 
trachte,  während  er  vielmehr  um  seiner  Habgier  willen  dessen, 


AuigMbea  ac»  Phaedriu  von  Siebelii»  and  Rafohii;. 

.ü»r  Kbuig  morbo  confectut  graei  aach  dis  aniidotum  geben,  doch  nickt 
•iWtt  um  un  dum  Uegongirt  in  eigenllicbsler  Bedeutung  denSchusler- 
Ar»i  tu  vor»uoUon,  sondern  er  verlangl,  weil  krank,  vom  Schuster  ein 
MiHül  gegen  »eino  Krankheit  und  dieser  gibt  ihm,  was  er  allen  Kran- 
K«^n  gibU  »«in  auiidoium  (Universal- Medicin  appellai  Santoroc- 
cn«  llndo  ich  bei  Sohwabo).  Wir  sehen  also,  dass  unter  antidoium 
«Moh  nin  «ua  giftigen  Bostandlheilen  xusammengesetztes  Mittel  verslan> 
<lvn  wird,  >/^«lches  br.<(inimt  ist,  den  durch  die  Krankheit  im  Körper 
«nUUudrncn«  gleichsam  giftigen  Stoffen  ein  Gegengewicht  zn  halten, 
udf^r  >iclm«>hr  »io  au  verdringen  und'aufsuheben.  Einem  gesunden 
K*M«>  %^lu  »olvh«"»  Mitlei  geschadet;  darum  gibt  sich  der  König  den 
AH»vhvMu  ata  miache  er  au  dorn  amiidoium  das  ioxicum,  Y.  4  S. 
'M«Vf»/4a  (>iku  v^i^^^^ia  drehen)  eig.  Verdrehung  der  Wahrheil,  d.  i. 
NvM»|^ie|ieluw«\  tt,  rivhtiger:  ^  ttrbosis  siropkis  durch  wortreiche 
Medc\>v>uduutteu^  und  fahrt  aU  Beleg  daiu  Schol.  Aristoph.  ar^o^al 
i>i  iivy^k  k^^  KM  w  ^>rwi<^.f A^\«mM  xai  t^oif^oi  Ao';*Oi  an,  was  in  einer 
tlk^svaAev^u ,  u^%'hl  «um  Schutgebraueh  be^limmlen  Ausgabe,  wie  bei 
9^«'K\\at^^S  gaua  au  aeiuer  i^telle  i*t,  aber  für  einen  Quartaner  offenbar 
k^^ueu  Iweek  bat.  \.  i  A«c  ciwi  #«cmr#*  S.  unklar:  ^hic  Adverb.% 
H^  i'^ebti)^,  *4««'  uivbt  >\»iu  Orte,  »ondern  den  eingetretenen  Moment 
Ma,  jet«l)  >ergeg^u%%arti^eud\  \\  14:  ynoiilcr  pikialis  esse  ros  de^ 
••VMliM*,  S.  macht  darauf  aulbiertk^am«  >iiie  der  gen.  oder  abl.  der 
Ki)^vu»vhah  mit  «"$$«  ^f)  eine  et^^a«  freiere  tebersetiuag  erfordert: 
'  ^^  ke  tb\Huht,  meiul  ihr.  da^  ihr  seit!  *  R.  sprieht  von  der  Leber- 
««'tAuui;  nichts  erilart  aber.  Mebdem  er  die  in  pmiaüs  liegende  Be- 
«K^bau«  r^bl  g«l  ettlxi^ickelt  bat«  den  Genet  dureb:  *.  ...  der  Tb^r^ 
b^'it.  >ou\\elcberdieLeuledurcbdettt]ienet  als  besessen 
dargiMlclU  ^erden\  wetobe  KrkUrung  den  Schaler  gewis  ücbt 
aam  \  criitaudui:i  Uieaea  tieael.  tiUurL  V.  17  A<h*  peri^mire  dixerimy 
S.  levht  ^[at.  ^der  OvMij.  I^erf.  im  HauptMta.  um  ein  rrtbeil  bescbcidcn 
nusAudruckeu,  icb  durfte  w  ol  mit  Reebt  ;»agen':  R.  mncbl  dies 
n«i  und  für  »icb  leichte  Vrb.  dem  Scbuler  durch  »eine  KrUiranf  in 
eiueuk  !kch>%viett,  ^veau  aicbt  gäaiiicb  ua v er;» tänd lieben;  ^distrim  im 
Vs>uj.  da:i  ^«geu  «U  ein  dureh  die  AaiMcht  des  sagenden  bediaipte«, 
aa^^barea«  im  l^erf.  beaügücb  eines  bestimmten  Falles  darstellca^.* 
(AebaUcb  sagt  K.  \\\  (^Y  S)  v.  10  optem  mecare  ^  aptem  steUl 
Uas  wünschen  nicht  als  ein  wirklicbeSs  sondern  als  ein  mögliches,  sa 
tu  sageu  wUnscbbares,  im  vorliegenden  Falle  als  ein  solches  dar« 
wekhes  vorkommemlen  Falls  eiakreteu  wUrde^X  Derartig  Erklär«»* 
gen  sind  auf  keiner  Stufe  des  Gvmnasialunterriehts  von  > atzen,  ia 
einer  O^uiria  aber  sind  sie  mehr  als  unnötbiger  Baltast«  —  sie  verwtr- 
^u.  —  1  lö  (R.  \\)  V.  f> suiibdieöut  futfenf^  S.  'ungewöhnliche  und  nichl 
nach;&uabmettde  Constructioa.  Wie  müste  es  der  Regel  nach  beiszenV* 
S.  hatte  noch  hinzufügen  sollen  'über  dichterische  Constr/  üs  Be- 
merkung ist  geeignet  den  Schdler  zu  der  Ansicht;  zu  verleiten  ^  nis 
dltfüe  ec  diese  Constr.  nachahmen,  wenn  er  sagt:  ^suadebai  mit  dnns 
tMi£m»beai  Uf.  f^ere  um  so  weniiper  (^soUto  au^nlil^  9mm:  ^tm  «imk 


Aligaben  des  Phaednie  YoeSiebelis  undRaseiug.  SS 

ist,  vielmehr  ^was  da  so  schön,  so  fein,  so  vortrefflich  leagnest'  mit 
der  in  pulchre  so  oft  liegenden  ironischen  Beziehung.  R.  sagt:  ^jm^ 
ehre  wie  im  G.  %aX(og^  im  D.  schön,  ein  gesteigertes  gut,  ein  g  n  I 
in  bester  Form',  welches  ^gut  in  bester  Form'  ich  nicht  verstehe. 
—  1  11  (R.  XLIV).  S.  V.  1  unrichtig:  ^virluiis  expers  ohne  Ver^ 
dienst',  da  es,  was  R.  gut  bemerkt,  eine  ^umschreibende  Bezetehnung 
des  igfiavus  ist.'  V.  6  zu  fugientes  ipse  exciperet  macht  S.  die  rich- 
tige Bemerkung,  dasz  *se  ipsum  excepturum  zu  erwarten  gewesen 
wäre,  worauf  R.  nicht  aufmerksam  macht,  indem  er  in  der  Constrnction 
eine  Art  Zeugma  erkennt,  so  dasz  Mie  eigentliche  Bedeutung  von  ad- 
monere  bei  fugientes  ipse  acciperet  keine  weitere  Anwendung  findet.^ 
Richtig,  aber  für  einen  Schüler  der  IVa  nicht  ausreichend;  diesem 
mQste  gesagt  sein,  dasz  nach  den  gewöhnlichen  Regeln  der  Grammat. 
hier  der  acc.  c.  inf.  stehen  mäste,  dasz  aberPhaed. ,  wie  S.  sagt, 
^durch  den  vorhergehenden  Conj.  verleitet  worden,  auch  hier  den 
Conj.  zu  setzen.'  —  1  12  (R.  XLV)  v.  2  ist  S.s  Correctur  haec  asserii 
narräiio  für  das  lückenhafte  haec  f  eril  auch  von  R.  mit  Recht  aufgenom- 
men.—  1 13  (R.  XXYlll)  Y.  2  nimmt  S.  die  Correctur  von  Heinsiusauf: 
JSerae  dal  poenas  turpes  poenitentiae  ^erleidet  die  schimpfliche  Strafe  ' 
%VL  spater  Reue',  was  zum  Sinne  der  Fabel  durchaus  nicht  passt,  denn 
der  Rabe  wird  uieht  dafür  bestraft,  dasz  er  zu  spfite  Reue  zeigt,  son- 
dern dafür,  dasz  er  laudari  gaudet  verbis  subdolis,  R.  liest  mit  Orelli : 
Fere  dat  poenas  turpi  poeniientia^  allein  ^nicht  die  Reue  ist  schimpf- 
lich, sondern  die  Strafe'  (S.)-  Ich  ziehe  das  von  Schwabe  aufgenom- 
mene: Sera  dai  poenas  turpes  poenilentia  yor  ^  wo  das  sera  poeni- 
ttnüa  um  so  passender  als  begleitender  Umstand  genommen  werden 
kann,  als  für  den  Lateiner  das /»oenas  dare  kein  Passiv,  sondern  ein 
Activ  ist,  also:  *der  bezahlt  in  allzu  spater  Reue  seine  Strafe'  d.  h. 
er  erleidet  schimpfliche  Strafe  und  hat  dabei  Reue,  aber  diese  Reue 
kommt  zu  spät.  V.  6  S.  ^^tii  est  nitor  =  quantus  est  nitor* ;  R.  ^qui 
weder  statt  quantus  noch  statt  qualis^  sondern  qui  fragt  nach  der 
Beschaffenheit  des  dem  Raben  eigenthümlichen  Federglanzes  im  Vrh. 
zn  dem  Federglanze  anderer  Vögel  und  zwar  im  Tone  der  Bewunde- 
rung'. Freilich  ist  qui  für  das  lat.  Ohr  nicht  =  quantus^  aber  ihm 
doch  in  seiner  Bedeutung  sehr  nahe  kommend.  R.  wie  S.  hätten  bes- 
ser gethan  einfach  zu  sagen:  ^^titrodemD.  welch  ein'.  V.  7  quan^ 
tum  decoris  corpore  et  vuUu  gerisj  S.  ^geris  d.  i.  zeigst  du' ;  R.  *ger$s 
nicht  zeigst  du,  sondern  in  demselben  Sinne,  in  w.  gerere  (vestem 
etc.)  von  alle  dem  gesagt  wird ,  was  man  als  Zubehör  (!)  mit  sich 
führt,  an  sich  hat,  trägt,  womit  man,  wie  mit  einem  Kleide  angethan 
ist.'  Richtig;  allein  schon  die  vielen  Worte  R.s  beweisen,  wie  schwer 
es  ist,  einen  einigermaszen  entsprechenden  deutschen  Ausdruck  dem 
geris  an  die  Seite  zu  stellen.  Weiche  Uebersetznng  R.  dem  Schüler 
anr&th,  sagt  er  nicht. —  1 14  (R.  LV)  v.  3:  antidotum  hätte  bei  S.  u.  R. 
einer  genaueren  Erklärung  bedurft  als  *  Gegengift';  denn  darunter 
verstehen  wir  eben  doch  nur  ein  Gift,  welches  die  Wirkung  eines  (ge-* 
nossenen)  Giftes  aafhebt,  was  hier  nicht  passt.   Es  läszt  sich  nemüch 

Pf.  Jakrb.  f,  PhU,  K.  Paed,  Sd.  LXXIV.  Bß,  1.  ^ 


04  AüSf abei  des  Phaedriis  vou  Siebeiis  «ud  Rtscki^. 

.der  Koaig  morbo  confeclui  gravi  auch  das  antidotum  geben,  doch  niehl 
.e(wä  um  an  dein  Gegengift  in eigentlicbsler  Bedeutung  den  Schuster- 
Arzt  SU  versuchen,  sondern  er  verlangt,  weil  krank,  vom  Schuster  ein 
jAittel  gegen  seine  Krankheit  und  dieser  gibt  ihm,  was  er  allen  Kran- 
ken gibt,  sein  antidotum  (Universal-Medicin  appellat  Santoroe- 
-cus  finde  ich  bei  Schwabe).  Wir  sehen  also,  dasz  unter  aniidotum 
auch  ein  aus  giftigen  Bestandtheilen  zusammengesetztes  Mittel  verstan- 
den  wird,  welches  bestimmt  ist,  den  durch  die  Krankheil  im  Körper 
entstandenen,  gleichsam  giftigen  Stoffen  ein  Gegengewicht  zu  halten, 
oder  vielmehr  sie  zu  verdrängen  und' aufzuheben.  Einem  gesunden 
liätte  ein  solches  Mittel  geschadet;  darum  gibt  sich  der  König  den 
Anschein  als  mische  er  zu  dem  antidotum  das  toxicum.  V.  4  S. 
^stropha  (von  öxQigxa  drehen)  eig.  Verdrehung  der  Wahrheit,  d.  i* 
Vorspiegelung';  K.  richtiger:  ^verboiis  strophis  durch  wortreiche 
Redewendungen'  und  führt  als  Beleg  dazu  Schol.  Aristoph.  öxf^wptA 
de  kiyovxat  xai  oi  avfATtSTtkeyfiivoi  tcccI  öoksQol  koyoi  an,  was  in  einer 
gröszeren,  nicht  zum  Schulgebrauch  bestimmten  Ausgabe,  wie  bei 
Schwabe,  ganz  an  seiner  Stelle  ist,  aber  für  einen  Quartaner  offenbar 
keinen  Zweck  hat.  V.  5  kic  cum  iaceret^  S.  unklar:  ^hic  Adverb.', 
K.  richtig:  ^kic  nicht  vom  Orte,  sondern  den  eingetretenen  Moment 
(da,  jetzt)  vergegenwärtigend'.  V.  14:  quantae  piktatis  esse  t>o$  de* 
mentiae^  S.  macht  darauf  aufmerksam,  wie  der  gen.  oder  abl.  der 
Eigenschaft  mit  esse  oft  eine  etwas  freiere  Uebersetzung  erfordert; 
■*Wie  Ihöricht,  meint  ihr,  dasz  ihr  seit!'  U.  spricht  von  der  Ueberr 
Setzung  nicht,  erklärt  aber,  nachdem  er  die  in  putatis  liegende  Be* 
siehung  recht  gut  entwickelt  hat,  den  Genet.  durch:  ^  .  .  .  der  Thor-r 
heit,  von  welcher  die  Leute  durch  den  Genet.  als  besessen 
dargestellt  werden',  welche  Erklärung  den  Schüler  gewis  nicht 
zum  Verständnis  dieses  Genet.  führt.  V.  17  koc  pertinere  diwerim^ 
S.  recht  gut:  Mer  Conj.  Perf.  im  Hauptsatz,  um  ein  Urtheil  bescheiden 
auszudrücken, ich  dürfte  wol  mit  Recht  sagen';  R.  macht  dies 
an  und  für  sich  leichte  Vrh.  dem  Schüler  durch  seine  Erklärung  zu 
einem  schweren,  wenn  nicht  gänzlich  unverständlichen;  ^ dixerim  im 
Conj.  das  sagen  als  ein  durch  die  Ansicht  des  sagenden  bedingtes, 
sagbares,  im  Perf.  bezüglich  eines  bestimmten  Falles  darstellend.' 
(Aehnlicb  sagt  R.  XXX  (V  3)  v.  10  optem  necare  *  optem  stellt 
das  wünschen  nicht  als  ein  wirkliches,  sondern  als  ein  mögliches,  so 
zu  sagen  wünschbares,  im  vorliegenden  Falle  als  ein  solches  dar, 
weiches  vorkommenden  Falls  eintreten  würde').  Derartige  Erklärun- 
gen sind  auf  keiner  Stufe  des  Gymnasialnnterrichts  von  Nutzen,  in 
einer  Quarta  aber  sind  sie  mehr  als  unnöthiger  Ballast,  —  sie  verwir- 
ren.—  1 15  (R.  XX)  V.  6  suadebat  fugere^  S.  ^ungewöhnliche  und  nicht 
nachzuahmende  Construction.  Wie  mtiste  es  der  Regel  nach  heiszen?' 
S.  hätte  noch  hinzufügen  sollen  *aber  dichterische  Constr.'  R.s  Be-< 
merkung  ist  geeignet  den  Schüler  zu  der  Ansicht  zu  verleiten,  als 
dürfe  er  diese  Constr.  nachahmen ,  wenn  er  sagt :  ^  suadebat  mit  dem 
einfachen  Inf.  fuyere  um  so  weniger  (sollte  zugefügt  sein :  ^bei  ein 


Aasgaben  des  Pbaedrns  von  Siebeiis  and  Rasefaig.  35 

Dichter')  anstöszig,  da  der  dichterische  Gebrauch  sogar  einen  mit 
einem  Nomen  verbundenen  Inf.  von  suadere  abhingig  zn  machen  ge- 
stattet.' In  demselben  v.  vertheidigt  R.  die  Correctnr  Bentleys:  ne 
passet  capi  gegen  die  aach  von  S.  aufgenommene  Lesart  der  Hs.  ne 
possent  capi;  allein  mit  Unrecht.  Der  alte  fordert  den  Esel  auf  zu 
fliehen,  damit  sie  nicht  gefangen  werden  könnten,  einfach  des- 
wegen weil  er  ohne  seinen  Esel  nicht  fliehen  wird.  — . 
I  16  (R.  XIII).  Das  vielbesprochene  Promythium  zu  dieser  Fabel  ist 
eines  von  jenen,  bei  welchen  der  gerechte  Verdacht  entsieht,  ob 
sie  wirklich  von  Phaed.  herrühren.  R.  schreibt  mit  Schwabe  u.a.: 
Fraudator  hominem  cum  vocat  sponsum  improbum,  non  rem  expe^ 
dire,  sed  malum  dare  expetit^  mit  der  Bemerkung:  ^dasz  der  Betrfl- 
ger  bei  Stellung  eines  unredlichen  Bärgen  auf  Betrng  ausgehe,  be* 
durfte  keines  Nachweises.  Es  muste  vielmehr  heiszen :  wenn  jemand 
einen  homo  improbus  als  Bürgen  stellt ,  geht  er  darauf  ans  sieh  aU 
Betrflger  zu  erweisen'  (besser:  so  erweist  er  sich  dadurch  als  Be- 
trüger). S.,  ohne  sich  darüber  auszusprechen,  schreibt :  .  .  hominet 
.  .  .  improhos  ....  sed  mala  vitare  expedit^  worin  expedii  aus  Cod. 
Rem.  genommen  und  mala  eitare  ans  mala  cidere  des  Cod.  Pilh.  und 
Rem.  corrigiert  ist ;  allein  auch  so  enthalt  das  Promyth.  wenig  Sinn, 
da  mit  einem  Betrüger  niemand  zu  thun  haben  will,  mag  jener  Bürgen 
stellen  oder  nicht.  Hier  war  eine  Bemerkung  gegen  das  Prom.  durch- 
aus nothwendig,  was  S.  nicht  gethan.  —  I  17  (R.  XIV)  v.  3  quem 
contenderei  sollte  S.  den  Conj. ,  was  R.  thut,  erkürt  haben.  —  V.  8 
iacenlem  conspexit^  S. :  *im  D.  der  Inf.  Der  Lat.  setzt  häufig  nach 
Verb.  sent.  statt  des  Inf.  das  Part.,  wenn  das  Subj.  die  Sache  mit  sei'» 
Ben  eignen  Sinnen  wahrnimmt';  diese  Erklärung,  welche  einfach  die 
im  Lat.  übliche  Ausdrucksweise  mittheilt ,  ist  ausreichend  und  jeden« 
falls  für  den  Schüler  verstandlicher,  als  R.s  Worte:  ^iacentem  in  der 
Situation  des  liegens,  indem  das  Part,  das  liegen  (concret)  als  eine 
an  dem  Wolfe  haftende  Umstandsbestimmung  darstellt.'*  —  1 19  (S.  18; 
R.  XXXVI)  beseitigt  R.  dadurch ,  dasz  er  v.  9  statt  der  vulg.  cubüe 
coepit  screibt:  ^ut  illa  coepit:*  den  bei  der  vulg.  allerdings  höchst 
unangenehmen  Wechsel  des  Subj.  —  I  21  (S.  20;  R.  XLVI)  v.  5  ad 
cum  S.  ^ad  hier  in  feindlichem  Sinn,  auf  ihn  los',  R.  mit  Recht 
dagegen :  *  ad  nicht  statt  adcersum^  contra  .  .  .'  Der  feindliche  Sinn 
liegt  in  dem  Vrh.  der  ganzen  Handlung,  nicht  in  der  Praep.  ad  und 
so  auch  in  den  Stellen  des  Com.  und  Caes. ,  welche  man  gewöhnlich 
für  ein  feindliches  ad  anfährt.  —  V.  9.  S.  ^ exiundere  hier  auf- 
schlagen, zerstoszen'  nicht  gut,  da  es  hier  weder  mit  deoi 
einen ,  noch  mit  dem  andern  Worte  übersetzt  werden  kann ,  sondere 
einschlagen,  wie  R.  • —  V.  10  will  S.  in  fortes  indigne  tuli  mihi 
insultare  das  indigne  zn  insuliare  ziehen ,  was  sich  weder  durch  den 
Gedanken  noch  durch  die  Wortstellung  empfiehlt.  R.  hat  das  einzig 
richtige:  ^indigne  tuli  ich  habe  es  mit  Unmut  ertragen';  allein  dles# 
Bemerkung  hatte  vollkommen  genfigt  und  es,  hätte  R.  nicht  S.s  MeP 
nnng  wörtlich  anführen  sollen,  um  sie  zn  widerlegen.  —  I  71{fi*%%i 

3* 


36  Ausgaben  des  Phaedrus  von  Siebeiis  und  Raschig'. 

H.  XLVU)  V.  6  stimme  ich  S.  bei,  welcher  statt  reliquiis  das  viersil- 
bige relicuis  schreibt  und  dann  quae  unverändert  laszt,  wahrend  K. 
n.  a.  die  Correctur  des  Ritersh.  quas  aufnimmt  und  reliqunt  läszt. 
—  V.  4  macht  K.  zu  faceres  si  causa  tnea  eine,  wie  es  scheint,  durch 
Schwabe  hervorgerufene  Bemerkung:  ^  causa  tnea  in  meiner  Sache, 
Angelegenheit,  d.  i.  in  meinem  Interesse,  sn  meinen  Gunsten,  also 
nicht  statt  causa  mei  in  Sachen  meiner';  hier  war  überhaupt  keine 
Bemerkung  nöthig,  sollte  aber  doch  eine  stehen,  dann  doch  nur 
*causa  tnea  statt  des  gew.  mea  causa  meinetwegen'.  —  V.  5  bemerkt 
K.  richtig,  jedoch  zu  weilläutlg,  dasz  tenia  nicht  ^Verzeihung',  son- 
dern ^Begnadigung'  hcisze,  was  S.  übergeht.  Zugefügt  konnte  sein, 
wie  nahe  beide  Bgg.  aneinander  grenzen  rv;  ^eincm  pardon  geben.'  — 
I  28  (S.  26;  R.  XLVU!)  v.  7  conlemsU  ilia,  fragt  S.  •wen?',  viel- 
mehr: Svas?'  denn  es  sind  ^die  Vorstellungen  und  Bitten  der  Füchsin' 
(R)  gemeint.  —  V.  9  totamque  ßammis  arborem  circumdedü  erklärt 
S.  auf  eine  mir  unerklärliche  Weise  für  ^brachte  den  Baum  durch  An- 
zündung  der  umstehenden  Baume  und  Gesträuche  in  die  gröste  Ge- 
fahr', während  es  doch  dem  ganzen  Zusammenhange  der  Fabel  nach 
nur  heiszen  kann:  •legte  rings  um  den  ganzen  Bnum  Feuer'.  Wie  die 
Füchsin  dies  gemacht,  indem  sie  etwa  erst  Reisig  oder  dürre  Blätter 
u.  dgi.  um  den  Baum  gelegt ,  hat  der  Dichter  nicht  nöthig  zuzufügen. 
Gegen  S.s  Meinung  spricht  sich  R.  mit  Recht  aus;  nur  wären  auch 
hier,  wenn  überhaupt  die  fremde  Meinung  berücksichtigt  werden  sollte, 
statt  der  lange  abhandelnden  Note  einige  kurze  Fragen  recht  sehr  an 
ihrer  Stelle  gewesen.  —  V.  10  behält  S.  mit  Orelli  u.  a.  m.  die  vulg. 
bei:  hosti  dolorem  damno  miscens  sanguinis  und  erklärt  sie:  •indem 
sie  mit  dem  Verluste  ihres  Blutes  Schmerz  für  den  Feind  verband'; 
ich  ziehe  die  andere  Erklärung  vor:  •indem  sie  dem  Feinde  durch 
den  (nun  bevorstehenden)  Verlust  seiner  Jungen  Schmerz  bereitete  % 
wozu  mich  auch  der  folgende  V.  bestimmt.  R.  hat  Beutleys  Correctur 
aufgenommen  proprii  dolorem  damno  ulciscens  sanguinis,  —  Lib.  II 
3  (S.  2;  R.  VI)  V.  3  erklärt  S.  quod:  'Relat.  wovon  er  gehört  halte, 
dasz  es.  Das  Genus  ist  nach  dem  Praedicat  (remedium)  gewählt.' 
Unrichtig;  denn  das  quod  bezieht  sich  auf  den  gonzen  vorhergeheiiden 
Salz  linctum  cruore  panem  miiiere.  Nicht  das  Brod  ist  das  reme^ 
dium^  sondern  das  vorwerfen  des  in  Blut  getauchten  Brodes.  —  V.  4 
noli  facere  S. :  •fto/t  mit  dem  Inf.  ist  eine  gewöhnliche  Umschreibung 
des  Imperat.  mit  ne';  R.  sucht  dies  einfache  Vrh.  eingehend  also  zu 
erläutern  I  •eigentlich  das  nicbtznthuende  als  ein  nichtzuwollendes,  als 
etwas,  das  man  sich  nicht  beigehen  lassen  solle,  bezeichnend,  eine 
häufige  Umschreibung  .  .  .  .'  —  II  5  (S.  4;  fehlt  bei  R.  wol  deshalb, 
•weil  sie,  wie  Jacobs  sagt,  zu  den  plattesten  Einfallen  gehört,  die  Ph. 
einer  poetischen  Bearbeitung  gewürdigt  hat.')  sollte  v.  16  ^9^s  aestuans 
bei  humus  besprochen  sein  und  v.  21  das  enimvero  etwa  dem  D.  ^  da 
mein^  ich',  verglichen  werden;  denn  wie  Tzschucke  richtig  sagt:  ce/e- 
rüalem  et  fesiinaiionem^  adiutare  eidelur,  —  U  6  (S.  5 ;  R.  XLIX) 
Y.  13  qua  commmuia  facile  tescaiur  vibo  erinnert  in  seiner  Constr. 


AusgabeD  des  Phaedrus  von  Siebeiis  und  Rasohig. .  37 

an  das  oben  I  11  v.  6  besprochene  fugitntes  ipse  exciperet  und  ist 
auch  ähnlich  zu  erklären.  S.  erklär!  das  qua  cotnminuia  mit  ul  ea 
commmuta;  R.  dagegen:  Veder  durch  ui  ea  .  ,  .  noch  durch  el  ea  . . 
zu  erklären  . .  .  sondern :  sie  solle  das  thun  und  werde  so  ihren  Zweck 
erreichen  (commintie  corticem  et  f^esceris) ' ;  damit  hat  R.  allerdings 
das  logische  Vrh.  richtig  angegeben,  allein  es  war  für  den  Schüler  hin- 
zuzufügen, wodurch  der  Dichter  veranlaszt  wurde,  statt  des  dann  zu  er- 
wartenden Acc.  c.  Inf.  den  Conj.  zu  schreiben.  —  V.  14  behält  S.  mit 
den  Hss.  eerhis^  R.  nimmt  Gronovs  Correctur  eeris  auf,  was  nicht 
nöthig.  —  II  7  (S.  6;  R.  XL)  v.  2  fiscos  cum  pecunia^  R.:  ^Körbchen 
mit  Geld  d.  h.  nicht:  die  mit  Geld  gefüllt  sind,  sondern  denen  Geld 
beigegeben  ist,  die  Geld  mit  sich  führen,  bei  sich  haben,  enthalten.^ 
Grammalisch  ist  dies  richtig  und  ist  gewis  auch  die  ursprüngliche 
Auffassung  gewesen;  allein  ganz  wie  das  D.  *  Körbchen  mit  Geld' 
auch  eigentlich  nicht  *  mit  Geld  gefüllte  Körbchen '  bezeichnet,  doch 
aber  sehr  nahe  daran  streift,  ja  im  Gebrauch  in  dasselbe  übergeht,  so 
auch  das  lat.  fiscos  cum  pecunia^  das  dem  tumentes  saccos  hordeo 
gegenüber  gestellt  ist.  Ueberhaupt  verliert  sich  ja  in  vielen  Ver- 
bindungen mit  cum  der  Bg.  des  beigegebenen  z.  B.  iurres  cum  lerntM 
tabulatis  bei  Caes.  u.  a.  m.  —  ¥.4  behält  S.  die  Lesart  der  Hss.  emt- 
nens  und  iaclans  und  suppliert  dazu  aus  v.  i  ibat  (indem  er  hinter 
hordeo  v.  3  ein  ;  setzt) ,  was  wenn  auch  möglich ,  doch  hart  ist ;  die 
von  R.  und  a.  aufgenommene  Correctur  eminet  und  iactat  ist  an  und 
für  sich  gefälliger  und  concinner  mit  dem  folgenden  comes  sequitur. 
Wenn  auch  in  anderen  Stellen  des  Phaed.  eine  Härte  keineswegs  den 
Grund  zu  einer  Correctur  abgeben  mnsz,  so  hat  doch  in  dieser  sonst 
so  vollendeten  Fabel  das  eminens  und  iactans  in  der  Tliat  etwas  an- 
stösziges.  —  y.  9  S.  richtig:  ^durch  das  Asyndeton  gewinnt  die  Dar- 
stellung an  Lebendigkeit',  R. :  ^ diripiunt^  negligunt  als  nur  kürzlich 
und  flüchtig  zu  erwähnende  Momente  asyndetisch  beigefügt';  allein 
das  diripiunt  numoi  ist  gerade  ein  Hauplmoment,  Veshalb  es  auch 
gleich  V.  10  heiszt:  spoUatus  igitur  cet.  —  III  1  ist  oben  bespro« 
eben.  Fehlt  mit  Recht  bei  R.  —  111  2  (fehlt  bei  R.  wol  nur  weil  sie 
zu  den  unbedeutenderen  Erzeugnissen  des  Phaed.  gehört  und,  was 
z.  B.  Jacobs  nachweist,  die  Moral  sehr  wenig  zur  Fabel  passt)  v.  17 
schreibt  S.  qui  me  sano  petierint^  quis  panem  dederit  ^wcil  die 
ersteren  die  Mehrzahl  waren,  denn  v.  4  .  .  .  .' ;  allein  da  das  dederit 
doch  auch  nicht  einer  war  und  aus  den  Hss.  nichts  zu  entnehmen,  so 
ist  die  Haltung  durch  petierH  concinner.  —  III  5  (S.  4;  R.  XXXIII) 
v.  1  behält  S.  das  handschriftliche  mullot;  R.  nimmt  Bentleys  Btultos 
und  richtet  eine  lange  Bemerkung  gegen  jenes ;  allein  schon  Burm. 
hat  das  stuUos  gut  abgefertigt:  quasi  vero  tanlum  stulli  corrumpe- 
reniur  successibus^  non  etiam  alii,  —  III  7  (S.  6;  R.  LVIII)  v.  1 
erklärt  S.  proloquar  ^=  narrabo^  R. :  ^aussprechen,  kundgeben,  im 
Gegensatz  von  reticere* ;  beide  nach  meiner  Ansicht  nicht  richtig, 
vielmehr:  *wie  sUsz  die  Freiheit  sei,  will  ich  als  kurze  Einleitung 
des  Gedichtes  vorausschicken'.    Das  breviler  musz  zu  dieser  Erklä- 


38'  Atugaben  des  Phaedrus  von  Siebeiis  und  Rasohig.'. 

rung  bestimmen,  da  nur  dies  Vorwort,  nicbt  aber  die  Erzfihlang  knrs 
ist.  —  111  12  (S.  9;  R.  XXXI)  v.  6  liest  S.  statt  des  ego  qui  der  Hss. 
den  proceleusmalicus  ego  quia  und  belegt  die  Zulassung  dieses  Fasses 
statt  des  lambus  mit  zwei  Beispielen  aus  Phaed. ;  R.  schreibt  ego  quod. 
Zum  Epimythium  dieser  Fabel  hätte  ich  bei  R.  eine  weitere  Bemerkung 
crwarlct.  S.  erklärt  den  Inhalt  desselben:  ^weil  ihr  meine  Fabeln 
nicht  versteht  und  zu  schätzen  wiszt,  so  haltet  ihr  sie  für  unnütz; 
deshalb  behalten  sie  aber  doch  ihren  Werth';  allein  die  Henne  er- 
kennt die  Perle  als  werthvoU  an,  sie  kann  nur  nichts  damit  anfangen. 
Ucbrigcns  darf  auch  in  dieser  Fabel  die  Verglcichung  nicht  zu  haar- 
scharf genommen  werden.  —  III  13  (S.  10;  fehlt  bei  R.)  v.  13  ver- 
bessert  S.  das  ^verdorbene  talem  sustulü  senientiam  in  (alem  his  tulii 
s.'  und  nimmt  auch  hier  eine  Vernachlässigung  der  Elision  zwischen 
lalem  his  an.  —  V.  16  und  17  enthalten  keine  Moral,  sondern  scheinen 
eine  Beziehung  auf  den  Dichter  selbst  gehabt  zu  haben,  worauf  S. 
nach  Vorgang  anderer  hätte  aufmerksam  machen  sollen.  —  III  J4 
(8.  11;  R.  LH)  V.  13  behält  S.  mit  Recht  das  handschriftliche  sie  lusus 
.  .  .  debent  dari  bei  (R.  nimmt  die  Correclur  sie  ludus  ....  debei)\ 
dasz  aber  Phaed.  bei  lusus  Vorzüglich  scherzhafte  Gedichte  wie  seine 
Fabeln  im  Sinne  zu  haben  scheint'  ist  S.  nicht  zuzugeben.  Von  den 
beiden  Schluszversen  behauptet  R.  dasz  sie  ^misverständlich'  als  Epi- 
mythium gefaszt  würden,  während  sie  *einen  integrierenden  Theil  der 
dem  Aesop  in  den  Mund  gelegten  Deutung'  bildeten;  allein  die  Redo 
des  Aesop  verliert  an  Kraft,  ja  sie  wird  matt,  wenn  man  ihn  die  Aus- 
führung der  Deutung  selbst  zufügen  läszt.  In  demselben  v.  12  erklärt 
S.  aliquando  kurz  und  gut:  *hier  zuweilen';  R.  braucht  um  zu 
demselben  Ziel  zu  kommen  einen  langen  Umweg:  ^aliquando  irgend- 
wann, nicht  blosz  von  einem  einmaligen,  sondern  auch  von  einem 
wiedcrholentlich  eintretenden  wann,  so  jedoch,  dasz  der  Begriff  der 
Wiederholung  nicht  als  einer  häufigen,  sondern  nur  zu  Zeiten  statt- 
habenden zu  fassen  ist,  also:  jczuweilcn,  manchmal.'  —  III  16  (S.  13; 
R.  LVI)  v.  10  sollte  von  S.  bemerkt  sein ,  dasz  aggredi  hier  so  viel 
ist  als  ^einem  beizukommen  suchen';  R.  sagt:  ^aggredi  von  dem,  der 
sich  (in  irgend  einer  Intention,  zu  irgend  einem  Zwecke)  an  jemand 
macht',  worin  das  von  mir  eingeklammerte  unnöthig  ist,  da  es  sich 
von  selbst  versteht.  —  III  18  (S.  14;  R.  LI)  bemerkt  R.  zu  v.  ]o 
^mutam  specietn  in  üblicher  Weise  für  ein  schönes  fiaszere  ohne  schöne 
Stimme  zu  nehmen  ist  durohans  unstatthaft.'  Dies  sucht  er  weitläufig 
zu  begründen  und  kommt  zu  dem  Sohlusz:  ^ Nicht  seine  Schönheit, 
sondern  die  Schönheit  überhaupt  nennt  der  Pfau  herabsetzend 
stumm.'  Auf  das  einzelne  von  R.s  Beweisführung  einzugehen,  würde 
zu  weit  fuhren;  ich  bemerke  daher  nur:  wie  wir  von  einem  Menschen, 
der  keine  tum  singen  geeignete  Stimme  hat  (auch  wenn  er  sonst  ^eino 
sehr  ins  Gehör  fallende  Stimme'  haben  mag),  dennoch  schlechtweg 
sagen:  *er  hat  keine  Stimme^,  so  nennt  auch  der  Pfau,  wenn  er  gleich 
nach  V.  4  *eine  sehr  ins  Gehör  fallende  Stimme'  (R.)  hat,  seine  Schön- 
heit eine  stumme.  —  V.  12  vermisse  ich  bei  den  mir  bekannten  Erklä- 


A^iigaben  des  Piiaedros  von  Siebeiis  und  ftaschig;.  99 

r0rn  eine  ausreichende  Bemerkung  zu  laeta  comtci  omina^  da  dooh 
der  Kr«lie  nicht  bloss  ^günstige  Vorzeichen'  zugelheilfc  sind.  Mir 
scheint  der  ganze  V.  eingeschoben;  ist  er  aber  richtig,  so  verstehe 
ich  ihn  nicht.  —  111 19  (S.  14;  R.  Llll)  v.  3  erklärt  S.  luslrare  'hier 
dasselbe  was  nachher  circumire^;  K.  ^ lustrare  keineswegs  ganz  das- 
selbe, was  nachher  circumire^  da  .  .  .  .'  Diese  Bemerkung,  so  richtig 
sie  ist,  hat  abermals  die  Form  einer  Kritik,  nicht  einer  für  den  Schil- 
ler bestimmten  Erklärung.  —  V.  4  invenit  ubiy  S.  'im  D.  schalte  ein 
'eines'  nemlicb  domum',  wogegen  sich  R.  mit  Recht  erklärt  'er 
fand  wo  er  anzünden  konnte'.  —  Üb.  IV  1  (R.  XVI)  v.  4  nimmt  S. 
die  Correctur  von  Hcinsius  auf  circum  in  quaeslus  ducere  und  erklärt 
gfi  quaeslus  'zu  ihrem  Erwerbe'.  Wäre  auch  der  Ausfall  des  in  nach 
circum  leicht  zu  erklären,  so  bleibt  doch  das  durch  in  quaeslus  ge- 
trennte circum  ducere  (das  Schwabe  eine  elegans  tmesis  nennt)  eine 
ebenso  harte  Tmesis,  als  die  von  R.  aufgenommene  Correctur  Bcntleys 
circum  pagos  kühn  bleibt.  Auch  unter  den  übrigen  Versuchen  zur 
Herstellung  des  Textes  befriedigt  mich  keiner.  —  IV  2  v.  5  erklärt 
S.  naeniae  'hier  etwa  Vers  fabeln',  wie  doch  niemand  sagen  wird; 
eher  'Gedichtchen'  oder  auch  'Kleinigkeiten'.  —  IV  4  (R.  XU)  v.  1 
erklärt  R.  die  von  S.  angegebene  Construction  aper,  dum  se  voluial^ 
turbavil  vadum^  quo  equus  soliltts  fueral  sedare  silim  in  ausführlicher 
Erörterung  für  'logisch  mislich'  und  'grammatisch  unzulänglich'  statt 
dem  Schüler  kurz  zu  sagen :  construiere  dum  aper  sese  volutat  (in 
eo  vado)  quo  equus  .  .  .  turbavil  eadum  oder  deutsch:  'wo  das  Rosz 
zu  trinken  pflegte,  indem  sich  da  der  Eber  wälzte,  trübte  er  das  Was- 
ser.' —  IV  6  (S.  5;  R.  XXXIU)  erklärt  R.  v.  9  u.  10  quos  immolalos 
Victor  avidis  denlibus  capacis  alci  mersit  tarlareo  specu  so,  dasz 
avidis  denlibus  ein  Dativ  sei  (dies  thut  auch ,  wie  ich  bei  Schwabe 
finde:  'Desbillonius  post  Gerikium,  qui  vertit  'der  Sieger  opferte  sie 
seinen  gierigen  Zähnen'  quod  durum  videtur').  Den  Gedanken  führt 
R.  durch  einen  Vergleich  also  aus  :  'Wie  der  siegreiche  Held  den  Feind 
den  unterirdischen  Göttern  zum  Opfer  bringt  und  in  den  Orcus  sendet, 
so  opfert  hier  der  Sieger  die  Feinde  seinen  gierigen  Zähnen  und  läszt 
ihnen  den  Schlund  seines  geräumigen  Bauches,  in  den  er  sie  versenkt, 
zum  Tartarus  werden'.  Nun  haben  wir  uns  aber  doch  die  unterir- 
dischen Götter  in  oder  nahe  dem  Orcus  zu  denken,  die  Zähne 
aber  doch  wol  nicht  in  oder  nahe  dem  Bauch !  Ohne  Zweifel  gehört 
avidis  denlibus  als  Abi.  instr.  zu  immolatos  wie  I  13  avidis  denlibus  zu 
rapuit,  —  IV  11  (S.  10)  v.  14  bemerkt  S.:  'dasz  aus  einer  Fabel 
mehrere  Nutzanwendungen  gezogen  werden  ....  ist  gegen  die  Regeln 
der  Fabeldichtung.'  An  dieser  und  ähnlichen  Stellen  wäre  es  Pflicht 
des  Herausgebers  gewesen,  bestimmter  auf  die  Schwäche  des  Dichters 
(oder  des  Verfassers  der  Moralen ,  wenn  beide  nicht  doch  zusammen- 
fallen) aufmerksam  zu  machen.  Leasing  sagt  zu  dieser  Fabel:  'eine 
elende  Fabel,  wenn  niemand  anders  als  ihr  Erfinder  es  erklären  kann» 
wie  viele  nützliche  Dinge  sie  enthalte.'  Jacobs:  ^.  .  .  .  drei  Moraleu 
auf  einmal,  ein  sicherer  Beweis ,  dasz  keine  von  allen  dreien  recht 


40  Ansgaben  des  Phaednis  von  Siebeiis  and  Ruehig. 

passt.'  Bei  R.  fehlt  (in  einer  Auswabl)  mit  Recht  diese  wie  die  mei- 
sten der  von  Jacobs,  Lessingf  u.  a.  als  schwach  bezeichneten  Fabeln. 
—  IV  12  (S.  11;  R.  XVll)  V.  6.  S.  Spater  d.  i.  Jupiter';  R.  richtig: 
Spater  kann  nicht  ohne  alle  weitere  Bestimmung  den  Jup.  bezeichnen 
und  ist  daher  hier  in  Beziehung  zum  Hercules  zn  verstehen ,  dessen 
Vater  Jup.  war.'  —  V.  8  S.  ^  cuncta  wie  alles  oder  a  1 1  e  W  e  1 1  am 
alle  Menschen  zu  bezeichnen';  R.  richtig:  ^ cuncia  nicht  =  cunetos^ 
sondern  in  allgemeinerer  Bedeutung  alles,  sofern  der  verderbliche 
Einflusz  des  Plutns  sich  nicht  blosz  auf  alle  Menschen,  sondern  auch  aaf 
alle  menschlichen  Dinge  erstreckt.'  —  IV  19  (S.  15;  fehlt  bei  R.)  v.  20 
qui  tristis  audis  musicum  ct'lharae  sonum^  erklärt  S.  irisiis  *weil 
dafür  zu  bezahlen  ist';  allein  der  Geizhals  qui  (v.  19)  ture  superos^ 
ipsum  te  fraudas  cibo  gibt  doch  gewis  kein  Geld  für  Musik  aus!  Viel- 
mehr ^der  du  auch  bei  der  Musik  traurig  bist,  den  auch  die  Musik 
nicht  heiter  stimmt'.  —  IV  24  (S.  19:  fehlt  bei  R.)  behält  S.  an  meh- 
reren Stellen  die  Lesarten  der  Handschriften.  V.  6  Vicioris  laudem 
^ein  Siegeslied'  wie  IV  21  v.  5  laudem  victarum,  doch  ist  die  Härte 
des  eicioris  laudem  neben  cuidam  pyctae  nicht  zu  verkennen,  wo- 
durch die  Correctur  eictori  viel  Wahrscheinlichkeit  gewinnt.  V.  8 
uius  poeiae  moris  est  licentia  und  erklärt  ^licentia  moris  poetae  die 
Freiheit  der  Dichtersitte',  was  zwar  hart,  aber  doch  besser  als  die 
sonst  vorgeschlagenen  Correcturen.  V.  18  ne  male  dimitsam  gra-- 
tiam  corrumperel  ^um  sich  nicht  die  Gunst,  wenn  er  sie  schnöde  ab- 
wiese, zu  verscherzen',  wie  auch  Desbillon  gut  diese  Stelle  auffaszt. 
V.  14  ändert  S.  träte  in  iralum  ^da  der  Zorn  nicht  dem  entlassen- 
den, sondern  dem  entlassenen  zukommt.'  —  Lib.  V  1  konnte,  was 
auch  R.  thut,  bei  S.  wegbleiben  schon  wegen  des  cinaedus  v.  15;  er- 
klärt dies  auch  S.  mit  ^Weichling',  so  könnte  doch  ein  Schulet  da- 
dnrch  dasz  er  das  Wort  im  Lex.  aufsucht,  auf  Dinge  geführt  werden, 
von  denen  er  besser  nichts  erfährt  (dasselbe  gilt  von  VI  8  (S.  6)  v.  3 
wo  auch  cinaedus  vorkommt).  —  V  2  (R.  LIV)  v.  2  S.:  ^  restitit  lei- 
stete Widerstand';  R.  *an  sich  nicht  leistete  W.,  sondern  er  hiell 
Stand',  richtig.  —  V.  10  setzt  S.  mit  den  meisten  Auslegern  hinter 
futilem  ein  Komma,  nimmt  das  folgende  ut  als  ut  der  Absicht  und 
setzt  Punkt  hinter  faUere.  Raschig  nimmt  die  Interponction  und  Er- 
klärung Desbillons,  setzt  hinter  futilem  ein  Punkt  und  hinter /al/ere 
ein  Komma,  so  dasz  das  ut  possis  alias  (allere  den  Vordersatz  zu  dem 
folgenden  bildet:  *  magst  da  anoh  andre,  die  dich  nicht  kennen,  täu- 
schen können ,  ich  weisz '    Auch  ich  ziehe  die  Interpunction 

und  Erklärung  Desbillons  vor ,  dasz  aber  die  von  S.  angenommene, 
wie  R.  sagt,  Mogisch  unstatthaft'  sei,  ist  mir  aus  R.s  Erörterung  nicht 
klar  geworden.  Auch  wir  können  sagen:  ^Lasz  ruhn  dein  Schwer! 
und  deine  Zunge,  damit  da  beides  gegen  die  gebrauchen  kannst,  die 
dich  nicht  kennen',  worin  der  freilich  nicht  buchstäblich,  richtige  Ge- 
danke liegt:  ^  Vernutze  jetzt  nicht  deine  Waffen  und  Worte,  sondern 
spare  sie  auf  um  solche  zn  täuschen  .  .  .  .'  —  Lib.  V  5  (R.  LX)  v.  4 
behält  S.  difits  nohilis  ^ein  reicher  adliger',  R.  nimmt  mit  Schelfer 


Ansgaben  des  Phaedras  tod  Siebeiis  oidBudiig.  41 

«nd  Barm,  nobiles^  was  allerdings  besser.  —  V.  6  soll  oacb  R.  das 
ostenderei  sein:  ^vorseigen,  selbstverständlich  bei  dem  Preissteller 
zar  vorgängigen  Prüfung  und  Würdigung',  allein  dies  ist  weder  selbst- 
verständlich noch  auch  nothwendig.  Sie  sollten  ihre  neuen  Künste 
zeigen,  nemlich  vor  der  versammelten  Menge;  dasz  der  Preissteller 
sich  zuerst  von  der  Neuheit  überzeugt,  davon  sagt  der  Dichter  nichts. 
—  y.  19  nimmt  S.  eertim  nemlich  porcelium  auch  als  Subj.  zu  excuiij 
was  unrichtig;  sie  befahlen  ihn  zu  visitieren,  so  dasz  ^ hominem  oder 
paUium  hominis  als  Subj.  zu  denken  ist'  (R.).  —  V.  25  26  nimmt  S. 
die  Aenderung  Desbillons  auf:  iam  faeor  mentes  lenet  et  derisurog 
fion  speciaturos  ciet^  welches  ciet  dem  sit  et  der  Hs.  Pith.  nahe 
kommt  und  einen  passenden  Sinn  gibt;  R.  schreibt  mit  Schwabe  deri- 
suri  non  spectaturi  sedent.  —  V  6  (R.  XXIX)  v.  3  macht  1^.  zu  quod- 
cunque  est  lucri  die  einfache  Bemerkung,  dasz  bei  diesen  Pronomini- 
bus im  Lat.  in  der  Regel  der  Indicativ  steht.  Dies  reicht,  besonders 
für  einen  Quartaner,  vollkommen  aus,  wenn  es  überhaupt  nöthig  ist 
zu  bemerken.  Nach  dem  innereu  Grund  aber  zu  fragen ,  warum  die 
Lateiner  dies  thun,  ist  für  die  Altersstufe,  welcher  Phaedrus  als  erste 
po6t.  Leetüre  gegeben  zu  werden  pflegt,  jedenfalls  verfrüht.  Schüler 
der  oberen  Klassen  mag  man  auf  eine  solche  tiefere  Begründung  hin- 
führen; dasz  aber  auch  bei  diesen  etwas  dabei  herauskomme,  be- 
zweifle ich:  denn  wenn  sich  der  lat.  Sprachgebranch  für  den  Con- 
junctiv  entschieden  hätte,  würden  wir  sonder  Zweifel  eine  ebenso 
gute  Begründung  finden.  R.  versucht  aber  eine  Begründung  dieses 
Gebrauches  also:  *quodcunque  ettj  nicht  Sf/,  nach  lat.  Sprachgebrauch, 
demzufolge  bei  solcher  Ausdrucksweise  nur  die  BeschalTenheit  des 
seienden  durch  ein  unbestimmtes  Relativum  als  fraglich  hingestellt, 
das  sein  selbst  als  wirklich  gesetzt  wird.'  Was  gewinnt  der  Schüler 
durch  diese  Erklärung,  auch  wenn  er  sie  versieht?  Eine  tiefere  Ein- 
sicht in  die  Sprache  gewis  nicht.  —  V  8  (R.  IX)  v.  1  u.  2  soll  nach 
S.  ein  Bild  geschildert  sein,  ^welches  den  Genius  der  Zeit  dar- 
sHsllte',  vielmehr  *den  xat^o'g,  den  günstigen  Moment'  (R.).  —  V.  3 
soll  nach  S.  u.  R.  der  Relativsatz  quem  si  occuparis  teneas  die  Folge 
bezeichnen,  ^so  dasz  du  sie  halten  magst'  (S.),  oder  ^talis  ut  eum . . .' 
(R.).  Vielmehr  ist  v.  3  u.  4  quem  —  reprehendere  parenthetisch : 
*bist  du  ihm  zuvorgekommen,  so  halt'  ihn  fest;  (denn)  ist  er  einmal 
entwischt ,  so  möchte  selbst  Jup.  ihn  nicht  zurückholen  können.'  — 
Dasz  es  sich  übrigens  in  dem  Gedichtchen,  wie  R.  sagt,  *  nicht  um 
eine  Darstellung  der  Graphik  (ars  pingendi),  sondern  der  Plastik  (ara 
fingendi)'  handle,  kann  nicht  aus  v.  7  finxere  effigiem  geschlos- 
sen werden  und  musz  daher  unentschieden  bleiben.  Dies  scheint  R. 
selbst  gefühlt  zu  haben,  wenn  er  zu  v.  1  sagt:  ^Mag  man  sich  übri- 
gens eine  graphische  oder  plastische  Darstellung  vergegenwärti- 
gen .  .  .  .'  —  lieber  die  von  S.  aus  dem  sogenannten  6n  Buch  aufge- 
nommenen Fabeln  fasse  ich  mich  kürzer:  Lib.  VI  2  (S.  l)  v.  6  hätte 
bemerkt  werden  sollen ,  dasz  während  von  den  übrigen  Thieren  eine 
bestimmte  Eigenschaft  erwähnt  ist,  dies  bei  gloriam  tauri  Irueis  nicht 


42  Bericht  über  dfe  iäe  Versammlung  der  deutsclieo  Philologen  usw. 

geschickt.  —  VI  6  (S.  4)  hätte  in  einer  Schulausgabe  schon  wegea 
T.  14  lurpi  thalamos  qui  eiolani  stupro  wegbleiben  sollen.  Ueber- 
haiipt  sind  die  Noten  zu  den  Fabeln  des  6n  Buchs  bei  S.  weniger 
vollständig  und  ausreichend  für  den  Schäler,  ob  mit  Absicht,  damit 
der  Schüler  gerade  an  diesen  Fabeln  seine  eigne  Kraft  mehr  erprobe, 
oder  durch  Zufall,  weisz  ich  nicht  zu  entscheiden.  —  Gemeinschaft- 
lich haben  beide  im  vorhergehenden  besprochene  Ausgaben ,  dasz  sie 
nirgends  auf  §§  der  Grammatik  verweisen,  was  mir  kein  Mangel,  son> 
dern  eine  ganz  zweckmäszige  Raumersparnis  scheint.  —  Fragt  man 
nun  zum  Schlüsse,  welche  von  beiden  Ausgaben  ich  am  liebsten  in 
den  Hunden  meiner  Schüler  sehe ,  so  musz  ich  darauf  antworten :  i  n 
der  Schule  während  des  Unterrichts  keine  von  beiden,  aber  auch 
keine  andere  mit  deutschen  Noten.  Der  Ausgabe  von  Siebeiis  worden 
sich  die  Schüler  für  ihre  häusliche  Praeparation  mit  Nutzen 
bedienen,  in  der  Klasse  selbst  aber  ist  es  mir  am  liebsten,  wenn  sie 
nur  eine  einfache  Textesausgabe  in  den  Händen  haben.  Die  Gründe  mei- 
ner von  vielen  Schulmännern  getheilten  Ansicht  (vgl.  Kärcher  Fhilol. 
1\.  Jahrg.  Heft  1,  S.  74  Note)  näher  auseinander  zu  setzen,  würde 
mich  zu  weit  führen.  — 

Frankfurt  am  Main.  Anton  Eben. 


Bericht  über  die  15te  Versammlung  der  deutsehen  Philolo- 
gen, Schulmänner  und  Orientalisten  in  Hamburg  vom 
In  —  4n  October  1855. 


Die  Zahl  der  Mitglieder  war  270.  Auszer  den  in  Hamburg  ein- 
heimischen Philologen  und  zahlreichen  Theilnehinern  waren  erschienen 
ans  Altenburg  Foss,  aus  Altona  Bahnsen,  Brandis,  Feldmanri, 
Henrichsen,  Kleinpaul,  Lncht,  Sörensen,  Trede  und  Wer- 
nebur^,  aus  Berlin  Benary,  Brugsch,  K.  Curtias,  Hart- 
inann,  Kiesslins,  Petermann,  Piper,  Schultze  (Dr.  Kud.), 
Seyffert,  Steinhart,  Strack,  Trendelenburg  u.  Wiese,  aus 
BrauiiMchweig  Kruger  und  Petri,  aus  Bremen  Menke,  aus  Breslau 
Haase,  aus  Doberan  M.  Crain,  ans  Dresden  Albani,  Heibig  und 
Puckert,  aus  Ulberfeld  Petri,  aus  Erlangen  Doderlein,  aus  Er- 
furt VVeisxenborn,  aus  Eutin  Hausdorffer  und  Pansch,  aus 
Prankfurt  a.  d.  O.  Fi tt bogen  ond  Reinhardt,  aus  Frankfurt  a.  M. 
C  lassen,  aus  Glogau  Kl  ix,  aus  Glurkstadt  Bahnson,  Harries, 
Jessen,  Kramer,  Meins,  Petersen,  Vollbeh  r,  aus  Gottingen 
Benfey,  Duncker,  Schmidt,  Schneidewin,  Wustenfeld,  aus 
Gotha  Rost  und  Wustemann,  aus  Greifswald  Hertz,  aus  Grimma 
Pietsch  und  Schafer,  aus  Güstrow  Raspe,  aus  Halherstadt  Kal- 
mus und  Schmidt,  aus  Halle  Arnold  und  Eckstein,  aus  Hanno- 
ver Ahrens,  Lahmeyer,  Stisser  und  Schmalfusz,  aus  flerford 
Kölscher  und  Schone,  ans  Hildesheim  Gravenhorst,  aus  Holz- 
minden  Patz   und   Petri,   aus  Jena  Stoy,  aus  Jever  Burmeister, 


Bericht  Ober  die  15e  Versaaimlung  der  deutschen  Pfailologea  usw.  43 

aus  Itzehoe  And resen,  aus  Kassel  Preimey  aus  Klei  G.  Cortiusy 
Forchhammer,  Jessen,  Mullenhoff,  Malier  und  Wilda,  aus 
Köthen  Schmidt,  aus  Kottbus  Tzschirner,  ans  Leer  Huderaann, 
aus  Leipzig  Overbeck  und  B.  G.  Teubner,  ans  Liegnitz  Scheible, 
aus  Lübeck  Breier,  Dettmer,  Evers,  Mussard,  Prien,  aus 
Lüneburg  Becker,  Hansing,  Hoffmann,  Kohlrausrh,  Müller 
und  Schuster,  aus  Magdeburg  Grubitz,  aus  Marburg  Gilde- 
meister und  Schimmelpfeng,  aus  Maulbronn  Bäumlein,  aus 
Meldorf  Kallsen  und  Kolster,  aus  Neustrelitz  Scheibe,  aus  Nord- 
hausen Haake,  aus  Northeim  Gieren,  aus  Otterndorf  Bur  meist  er 
und  Heuer,  aus  Parchim  Lübker  und  Pfitzner,  aus  Plön  Keck, 
aus  Puttbus  Gottschick  und  Koch,  aus  Rendsburg  Frederichs, 
Frandsen,  Lucas  und  Lucht,  aus  Schenefeld  Volquardsen,  aus 
Schulpforta  Seiffer't  und  Steinhart,  aus  Scbweinfurt  von  Jan, 
aus  Schwerin  Elbeling  und  Wex,  aus  Stade  Bleske,  Kiene, 
Löber,  Plass  und  Schädel,  aus  Stendal  Heiland,  aus  Stettin 
P.eter,  aus  Torgau  Blitz,  aus  Wandsbeck  Strodtmann,  aus 
Weimar  Lieberkühn,  aus  Wertheim  in  Baden  Müller,  aus  Wien 
Linker,  aus  Wismar  Crain,  Nölting  und  Reuter,  aus  Zwickau 
Hertel. 

Erste  Sitzung  am  In  Oct.  Vormittags  10  Uhr. 
Der  Praesident,  Senator  und  Protoscholarch  Dr.  inr.  Hudt- 
walcker,  begrüszte  die  Versammlung  in  seiner  Vaterstadt  Namen  und 
dankte  für  die  auf  ihn  gefallene  Wahl  zum  Praesidenten.  In  längerer 
Rede  wies  er  auf  die  Wichtigkeit  einer  Untersuchung  über  den  all- 
mählichen Verfall  der  classischen  Litteratur  beim  Beginne  des  Mittelal- 
ters und  dessen  äuszere  und  innere  Ursachen  hin,  zu  welcher  er  durch 
Anführung  zahlreicher  charakteristischer  Stellen  aus  den  griechischen 
und  römischen  Dichtern  und  Schriftstellern  nach  Claudian,  besonders 
des  6n  und  6n  Jahrhunderts,  Andeutungen  gab.  Einstimmig  wurde  der 
Antrag  des  Praesidenten  angenommen,  den  am  Morgen  *)i6Uhr  in  Ham- 
burg angekommenen  berühmten  afrikanischen  Reisenden  Dr.,  Barth 
durch  eine  Deputation,  bestehend  aus  dem  Geh.  Reg.-Rath  Dr.  Wiese 
aus  Berlin,  Dr.  Rost  aus  Gotha,  Director  Dr.  Kraft  aus  Hamburg 
nnd  Prof.  Dr.  Redslob  aus  Hamburg,  begrüszen  und  ihm  die  Bitte 
aussprechen  zu  lassen,  er  möge  einmal  in  der  Versammlung  erscheinen 
und  sie  vielleicht  durch  einen  Vortrag  erfreuen.  Der  Vicepraesident 
Oberschulrath  Dr.  Rost  übernahm  hierauf  das  Praesidium  und  er- 
klärte, wie  er  wol  gewünscht  hätte,  dasz  die  Absicht  des  Praesidii, 
den  Ober-  und  Altmeister  der  Philologie  Böckh  zum  Vicepraesiden- 
ten  zu  gewinnen  gelungen  wäre,  allein  Böckh  habe  sich  leider 
verhindert  gesehen  bei  der  Versammlung  zu  erscheinen  und  führe 
selbst  zur  Entschuldigung  das  Simonideische  'Aväy%ct  usw.  an.  Zu  Se- 
cretären  wurden  (da  Prof.  Dr.  Weiszenborn  aus  Erfurt  durch  Fa- 
milienverhältnisse zur  schleunigen  Abreise  geuöthigt  worden  war)  be- 
stellt der  unterzeichnete  Berichterstatter,  Dr.  G.  Schmidt  aus  Göt- 
tingen, Stadtbibliotheksecretär  Dr.  Isler  aus  Hamburg  und  Dr.  Sle- 
fert  aus  Altona.  Die  statutenmäszig  aus  den  gegenwärtigen  und 
jgewesenen  Praesidenten  (diesmal  anwesend  Hofr.  Dr.  Döderlein  aus 
Erlangen,  Schulr.  Dr.  Foss  aus  Altenburg,  Dir.  Dr.  Eckstein  aus  Halle 
und  Prof.  Dr.  Schneidewin  aus  Göttingen)  bestehende  Commission  znr 
Beratbung  des  nächsten  Versammlungsortes  nnd  etwaiger  Veränderungen 
in  den  Statuten  wurde  d urch  Zuziehung  der  Hrn.  Geh.  Reg.-R.  Dr.  Wiese 
ans  Berlin,  Ephorus  Dr.  Bäumlein  aus  Maulbronn,  Dir.  Ahrens  aus 
Hannover,  Prof.  Dr.  Haase  aus  Breslau,  Hofrath  l>r,  Wüstemann 
aus  Gotha  nnd  Docent  Dr.  Linker  ans  Wien  verstärkt.  Der  Ver- 
sammlung waren  gewidmet  worden:  ])  eine  Begrnsznng  von  dem  durch 


44  Bericht  über  die  ]5e  Versammlung  der  deutschen  Philologen  usw. 

seine  Gesundheit  am  erscheinen  verhinderten  Prof.  Dr.  Fritzsche 
aus  Rostock :  de  fraffmeniU  verau  Eupolideo  conacriptia,  2)  von  eiifem 
ungenannten :  Remintacenzen,  Der  Versammlung  deutacher  Philologen 
von  einem  Nichtphilologen,  Als  Mannscript  gedruckt  [dieselbe^  ent- 
hält 37  zum  Theil  scherzhafte  Zusammenstellungen  von  Aussprüchen 
und  Sätzen  aus  alten  und  neueren  Schriftstellern].  3)  eine  lateinische 
Elegie  von  Dr.  J.  A.  Henning  im  hamburger  unparteiischen  Corre- 
spondenten  vom  29.  Sept.  4)  von  Prof.  Dr.  E.  Gerhard,  durch 
Prof.  Dr.  Petersen  überreicht,  der  *ie  Band  seiner  griechischen  My- 
thologie. Einstimmig  wurde  genehmigt,  dasz  das  Exemplar  dem  be- 
stehenden Gebrauche  gemäsz  der  hamburger  Stadtbibliothek  übergeben 
werde.  5)  eine  Begriiszung  im  Namen  der  Professoren  und  Lehrer  de« 
Johanneums  von  Dir.  Dr.  Kraft  {inest  brevis  hiatoria  Joannei  Harn- 
hurgcnaia)  (39  S.  8)  und  6)  von  Prof.  Dr.  Chr.  Petersen  aus  Ham- 
burg: die  Feste  der  Pallas  Athene  und  der  Fries  des  Parthenon.  Ein 
Vortrag  gehalten  am  Geburtstage  Winckelmanns  den  9n  Dec  1854 
(32  S.  4).  ♦)  Nach  Feststellung  der  Geschäftsordnung  für  die  folgen- 
den Tage  stellte  Prof.  Dr.  Petersen  aus  Hamburg  den  Antrag:  es 
möge  sich,  da  zahlreiche  sich  dafür  interessierende  Mitglieder  zugegen 
seien  und  den  Wunsch  darnach  ausgedrückt  hätten,  eine  besondere 
archaeologische  Section  (für  Mythologie  und  Archaeologie)  bilden,  die 
in  derselben  Zeit,  in  welcher  die  paedagogische  Section  sich  ver- 
sammle, in  dem  Vorzimmer  der  Stadtbibliothek,  wo  die  forderlichen 
Bilderwerke  vorhanden  seien,  zusammentreten  könne.  Eckstein  pro- 
testiert zunächst  gegen  die  Grausamkeit,  mit  welcher  man  alle  an  den 
Verhandlungen  der  paedagogischen  Section  theilnehmenden  Schulmän- 
ner an  der  ßetheiligung  bei  diesen  gewis  sie  alle  interessierenden  Ver- 
handlungen ausschlieszen  wolle,  worauf  Petersen  erwiedert:  es  könne 
ihn  nur  freuen,  dasz  die  Archaeologie  auch  bei  den  Schulmännern  so 
viel  Interesse  finde;  doch  müsse  er  dann  Theilung  der  Zeit  zwischen 
der  archaeologischcn  und  paedagogischen  Section  vorschlagen.  Der 
als  vorsKzender  fungierende  Vicepraesident  Dr.  Rost  schlägt  die  Ver- 
legung der  archaeologischen  Section  auf  die  Nachmittagsstunden,  wo 
die  paedagogische  Section  sich  nicht  versammle,  vor.  Prof  Dr.  Forch- 
h  a  m  m  e  r  aus  Kiel  empfiehlt  den  Antrag  aufs  angelegentlichste,  indem  er  auf 
die  Nothwendigkeit  gröszeren  Fleiszes  und  Verdoppelung,  ja  Verdreifa- 
chung der  den  Verhandlungen  gewidmeten  Zeit  hinwies.  Nachdem  der  Vor- 
sitzende die  Debatte  zusammenfassend  referiert  und  die  Frage  gestellt 
hatte:  'soll  eine  besondere  Section  für  Mythologie  und  Archaeologie 
gebildet  werden?'  bemerkt  Eckstein:  er  fürchte,  wenn  diese  Frage 
gestellt  werde,  sie  werde  bejaht  werden;  in  den  Statuten  sei  aber  eine 
archaeologische  Section  nicht  angenommen,  und  in  der  Versammlung 
zu  Berlin,  trotzdem  dasz  sich  Prof.  Dr.  E.  Gerhard  viele  Muhe 
darum  gegeben  habe,  der  Antrag  darauf  abgelehnt  worden  ^  deshalb 
sei  es  wol  am  gerathensten ,  wenn  Prof.  Petersen  einfach  erkläre, 
die  Herren,  welche  seinen  Antrag  billigten,  sollten  sich  Nachmit- 
tags an  dem  angegebenen  Orte  versammeln  und  sich  berathen,  wie  die 
Sache  einzurichten  sei.  Durch  Annahme  dieses  Vorschlags  wurde  die 
Debatte  beseitigt. 

Hierauf  hielt  Prof.  Dr.  Schafer  aus  Grimma  seinen  Vortrag: 
über  den  Charakter  des  Königs  Philipp  von  Maeedonien,  Derselbe 
wünschte  die  Ansichten  anderer  zu  vernehmen  über  das,  was  sich  ihm 


'*')  Nachtraglich  ist  zu  erwähnen,  dasz  auch  Hofrath  Dr.  Döder- 
lein  Kxemnlare  seiner  neuesten  im  Druck  erschienenen  Schriften  an 
das  Praefidinm  für  die  Versammlung  abgegeben  hatte. 


Bericht  Aber  die  15e  Versammlong  der  deutschen  Philologen  osw.  45 

bei  langjähriger  Beschäftignng  mit  Demotthenes  als  Urtheil  herausge- 
stellt, damit  er  dabei  nicht  von  einseitiger  Vorliebe  far  Demosthenes 
befangen  scheine.  Nachdem  er  alle  einzelnen  Charakterzage  des  Philipp, 
die  guten  wie  die  schlimmen,  zu  einem  Bilde  vereinigt  hatte,  glaubte 
er  die  Frage :  ob  Demosthenes  eine  andere  Politik  demselben  gegen- 
über habe  einhalten  können  und  dürfen,  als  welche  er  eingehalten, 
entschieden  verneinen  und  aussprechen  zu  müssen,  dasz  Griechenland 
durch  D.  im  Kampfe  gegen  Philipp  ehrenvoll  untergegangen  sei.  Da 
sich  eine  Debatte  an  diesen  Vortrag  nicht  anknüpfte,  so  wurde  die 
Sitzung  geschlossen. 

Der  zweite  Tag,  der  2e  Oct.,  ward  durch  eine  ^ahrt  nach  Cux- 
haven und  zurück,  welche  die  Versammlung  auf  dem  von  dem  Hrn. 
Senator  Godefroi  mit  ausgezeichneter  Liberalität  zur  Verfügung 
gestellten  Dampfboote  Helgoland  unternahm,  in  Anspruch  genommen. 
Gewährte  dabei  das  gesellige  Zusammensein  und  der  Austausch  wissen- 
schaftlicher Ansichten  und  Ideen  vielfachen  Nutzen  und  Anregung,  so 
wurde  die  Zeit  auch  nicht  ganz  unbenutzt  gelassen,  indem  Prof.  Gra- 
ven hörst  aus  Hildesheim  einige  Stucke  seiner  Uebersetzungen  aus 
den  griechischen  Tragikern,  Hofrath  Prof.  Dr.  D  öder  lein  aus  Erlan- 
gen die  Uebersetzung  zweier  horazischen  Episteln  vortrug,  an  welche 
letztere  Vorlesung  sich  nicht  uninteressante  Discussionen  anknüpften. 

Die  zweite  allgemeine  Sitzung  am  3n  Oct.  unter  dem  Vor- 
sitze des  Praesidenten  Senator  Dr.  Hudtwalcker  ward  durch  eine 
Mittheilung  des  Prof.  Dr.  Petersen  eröffnet,  dasz  sich  über  30  Her- 
ren zu  einer  archaeologischen  Abtheilung  vereinigt,  die  Zeit  von  3 — 5 
Uhr  zu  ihren  Berathungen  und  zum  Gegenstande  die  Schematologie 
auf  den  Denkmälern  der  alten  gewählt  habe.  Mitgetheilt  ward  ferner 
ein  Brief  des  Dr.  Barth,  worin  derselbe  für  die  Begraszung  dankte, 
sich  aber  durch  die  Rücksicht  auf  seine  Familie,  Gesundheit  und  Ord- 
nung seiner  Papiere  gerechtfertigt  hielt ,  wenn  er  das  erscheinen  in 
der  Versammlung  ablehne. 

Der  Vicepraesident  Oberschulrath  Dr.  Rost  erstattete  hierauf  den 
Bericht  im  Namen  der  zur  Berathung  des  nächstjährigen  Versamm- 
lungsortes niedergesetzten  Commission.  Der  Vorschlag  Stuttgart, 
wohin  man  die  freundlichsten  und  wolwollendsten  Einladungen  selbst 
von  höchster  Stelle  erhalten  habe,  zum  nächsten  Versammlungsorte  zu 
wählen,  wurde  mit  gröster  Majorität  angenommen;  ebenso  einstimmig 
die  Wahl  des  Oberstudienraths  und  Directors  Dr.  Roth  zum  Praesi- 
denten  und  des  Prof.  Dr.  Walz  ans  Tübingen  zum  Vicepraesidenten. 
Von  den  Orientalisten  war  Prof.  Dr.  Roth  aus  Tübingen  zum  Praesi- 
denten erwählt  worden.  Der  Berichterstatter  fuhr  darauf  fort:  die 
Commission  habe  sich  mit  manchen  Vorschlägen  wegen  Veränderungen 
in  den  Statuten,  namentlich  in  Betreff  wegen  etwaiger  Aussetzung  der 
Versammlung,  beschäftigt,  sei  aber  zu  dem  Resultate  gekommen,  alles 
beim  alten  zu  lassen;  nur  zu  ^inem  Vorschlage  habe  man  sich  gegen 
eine  Minorität  (Von  zwei  Stimmen  geeinigt.  Da  man  nemlich  bisher 
dem  Lande  oder  der  Stadt,  in  welcher  die  Versammlung  stattgefunden, 
mit  pecnniärem  Aufwände  zur  Last  gefallen  sei,  so  erscheine  es  zweck- 
maszig,  die  ökonomische  Lage  durch  Erhebung  eines  Beitrags  zu  ver- 
bessern und  man  schlage  deshalb  zu  §  7  der  Statuten  den  Zusatz  vor : 
'zur  Bestreitung  der  Bureaukosten  wird  von  den  jedesmaligen  Theil- 
nehmern  der  Versammlung  ein  angemessener  Geldbeitrag  erhoben'. 
Dieser  Vorschlag  fand  ohne  alle  Debatte  Annahme"^).     Prof.  Dr.  von 


*)  Der   unterz.  Berichterstatter  ist   von   mehreren   Seiten  ersucht 
worden 9  daran  einen  andern  Vorschlag  zu  knüpfen,  weicher  der  nach- 


46    Bericht  über  die  15o  Versammlung  der  deutschen  Philologen  nsw. 

Jan  aus  Schweinfurt  stellte  den  Antrag,  dasz  die  Versammlung  im 
September  gehalten  werden  mochte,  da  bei  dem  Beginn  des  8chiiljahrM 
mit  dem  in  Oct.  die  Gymnasiallehrer  aus  Bayern  und  Snddeutschland 
stets  am  erscheinen  gehindert  sein  würden.  Rost  erwiederte,  dasz 
man  die  Sache  im  Schosze  der  Commission  in  Berathung  gezogen  habe, 
allein  die  Verhältnisse  seien  in  Preuszen  gerade  die  entgegengesetzten. 
Die  Gymnasiallehrer  von  dort  wurden  durch  die  Verlegung  in  den 
September  ausgeschlossen  werden,  üebrigens  sei  der  29e  September 
urspriinglich  statutarisch ;  man  habe  deshalb  geglaubt  Ton  einem  An- 
trage absehen  zu  müssen,  zumal  da  man  vorausgesetzt  habe,  das  Prae- 
sidium  jedes  Jahres  werde  sich  bei  der  Ansetzung  der  Versammlnngs- 
tage  nach  den  in  seinem  Lande  obwaltenden  Verhältnissen  richten. 
Von  Jan  bemerkte  hierauf,  dasz  man  so  auf  einen  Versuch  bei  der 
Regierung  Bayerns  wegen  Verlegung  des  Beginnes  des  Schuljahres  ge- 
wiesen sei,  und  richtete  an  Döderiein  die  Bitte  darin  voranzugehen, 
was  von  demselben,  freilich  mit  der  Bemerkung,  dasz  für  einen  £rfolg 
nicht  viel  zu  hoffen  sei,  versprochen  wurde. 

Prof.  Dr.  Forchhammer  aus  Kiel  hielt  darauf  seinen  Vortrag 
über  den  Ursprung  der  Hauptbaustile,  zu  welchem  derselbe  mehrere 
sehr  deutliche  Abbildungen  im  Saale  aufgehangen  hatte.  Ks  wurden 
der  aegyptische,  der  griechische,  der  Rundbogen-  und  schlieszlich  der 
Spitzbogenstil  besprochen.  Ueberall  führte  der  Redner  durch,  wie  die 
klimatischen,  topischen  und  physischen  Verhältnisse  der  Länder  zu  der 
Form  der  Bauten  und  zu  deren  Ausprägung  die  Veranlassung  gegeben. 
Prof.  Dr.  Overbeck  aus  Leipzig  erkannte  in  dem  Vortrage  des  Vor- 
redners viel  beachtenswerthes  an,  erklärte  auch  die  von  ihm  aufge- 
stellte Etymologie  des  dsrog  von  arj^i  für  geistreich  und  ansprechend, 
trat  aber  auch  mit  der  entschiedenen  Behauptung  entgegen,  dasz  bei 
allen  Völkern  die  religiösen  Ideen  und  die  Bedurfnisse  des  religiö- 
sen Cultus  bei  den  Bauformen  wesentlich  maszgebend  gewesen  seien. 
Prof.  Dr.  Piper  aus  Berlin  bekämpfte  besonders  die  Behauptung,  dasi 
der  Spitzbogenstir  hauptsächlich  durch  die  Predigermönche  befördert 
worden  sei,  indem  er  darauf  hinwies,  wie  gerade  diese  Form  für  die 
Predigt  sehr  ungünstig  und  nachtheilig  sei.  Nach  einigen  Gegenbe- 
merkungen Forchhammers  wurde  die  Debatte  geschlossen. 

Aasgezeichnet  durch  Klarheit  und  Lebendigkeit  war  der  folgeirde 
Vortrag  des  Prof.  Dr.  G.  Curtius  aus  Kiel:  /Andeutungen  über  :iiaa 
Verhältnia  der  lateinischen  Sprache  zur  griechischen.  Nachdem  der 
früher  bestehende  Dilettantismus  in  Zusammenstellung  der  lateinischen 
und  griechischen  Sprache  charakterisiert  war,  wurde- darauf  hingewie- 
sen, dasz  O.  Müller  zuerst  auf  die  Reste  der  altitalischen  Sprachen 


sten  Versammlung  zu  geneigter  Berücksichtigung  empfohlen  wird.  Das 
erscheinen  der  Verhandlungen  im  Druck  bat  bis  jetzt  manche  Schwie* 
rigkeiten  gefunden  und  die  Aufforderung  zur  Subscription  in  den  Ver- 
sammlungen zu  manchen  Ungelegenheiten  geführt,  sowie  nicht  immer 
den  erwünschten  Erfolg  gehabt,  nicht  aus  Abneigung,  sondern  weil  die 
Aufmerksamkeit  meist  auf  andere  Dinge  gerichtet  war.  Wäre  es  nun 
nicht  möglich  nach  dem  Vorgange  anderer  Vereine  mit  dem  von  jedem 
Theilnehmer  za  erhebenden  Beitrage  den  Preis  eines  Exemplars  der 
Verhandlungen  zn  vereinigen  und  dann  dieselben  jedem  auf  buchhänd- 
lerischen Wege  zukommen  zu  lassen,  so  dasz  unmittelbar  bei  der  Na- 
menseinzeichnung die  Angabe  der  betr.  Buchhandlung  zu  erfolgen  hätte? 
Auch  könnte  wol  aus  den  Verhandlungen  der  jährlich  wiederkehrende 
Abdruck  der  Statuten,  der  Ankündigungen  u.  dgl.  minderes  Interesse 
bietenden  Bekanntmachungen  in  Wegfall  kommen. 


Berieht  aber  die  16e  Vorftammlang  der  deatocben  Philologen  dsw.   47 

aufmerksam   gemacht  habe.     Der  «iwichtigtte  Fortacbritt  gesunder   auf 
Sprachrergleichung  gestutzter  Ansichten  sei  von  Mommsen  in  seiner 
römischen    Geschichte   gemacht    worden ,    indem  er   in    überzeugender 
Klarheit  die  drei  Punkte  herausgestellt:  1)  die  lateinische  Sprache  ist 
keine  Mischsprache,  2)  sie  steht  weder  zum  griechischen  noch  zu  einem 
andern  Dialekte   in   secundarem  Verhältnis,  5)  die  lateinische  Sprache 
ist  eine  Mundart  der  italischen  Sprachenfaniilie.    Da  nun  aber  die  ita- 
lische Sprachenfamilie  näher  mit  der  griechischen,  als  mit  irgend  einer 
anderen   des  indogermanischen  Stammes  verwandt  sei,   so   müsse  maa 
nach  dem  Gmde  dieses   nächst  verwandt  fragen.     Mommsen  habe 
hier  eine  sm  zweckmäszige  Andeutung  gegeben,   indem  er  Griechisch 
und  Lateinisch    als  Bruder   und  als  Vettern  der  übrigen  indogermani<!> 
sehen   Sprachen  bezeichnet  habe.     Die  Bezeichnung  pelasgisch   für 
den   gemeinsamen  Ursprung  des  Griech.   und  Lat.    habe   man  für  alle 
Zeiten  aufzugehen  und  sei  derselben  italograecisch  entschieden  vorzu- 
ziehen.    Um  die   Untersuchung  über  das    Verhältnis  der  lateinischen 
zur  griechischen  Sprache   richtig  zu  führen    müsse  man  eine  doppelt« 
Limitation  vornehmen,  Ausscheidung  des  allgemein  indogermanischen, 
und  des   in   historischer  Zeit   von  den  Griechen   übergegangenen,   der 
griechischen  Lehn-  oder  Fremdwörter,  im  Lateinischen.     So  sei  fiemut 
zwar  im  griechischen  viiLOq  vorhanden,   finde  sich  aber  sonst  in  keiner 
der  andern  indogermanischen  Sprachen,    während  diesen    allen   ^ater 
und  ^oeta  angehören.     Für  die  Auffindung   der  letztern,   der  griechi- 
schen Lehnwörter  seien  zuerst  die  Lautgesetze,  nach  denen  die  Ueber- 
tragnng  erfolgt,   entscheidend.     So  werde  tp  p  {purpura)^  b  {Brugei)^ 
f  (forbea  bei  Paulus  Diaconns  (poQßTJ),  ph  später.   Sodann  habe  man  auf 
den  Weg  zu  achten,  auf  dem  die  Uebertragung  erfolgt  sei,  und  auf  die 
nähere  Heimath,  der  das  Wort  entnommen.     So  ergebe  sich  für  man« 
ches  Wort  der  dorische  Ursprung  und  Groszgriechenland  als  die  Hei- 
math,  cadueevs,    machina^   calx  (jaXi^;   den  Kalk   haben   die  Römer 
durch  die  Griechen  Unteritaliens  kennen  gelernt).     Endlich   habe  man 
Zwei  Hauptmassen   und  zwei  Perioden   zu  unterscheiden,   a)  die  volks- 
thümliche  Uebertragung   und    b)  die  gelehrte.     Zu  der  erstem  gehöre 
entschieden  theaaurus,   wie  besonders   auch  die  Form  ihensaurua   be- 
weise. Auf  der  Grenze  stehe  epiatula,  das  bei  den  Komikern  viel  öfter 
sich  finde  als  litterae^  und  auf  dessen  Form  die  lateinische  Diminutivform 
ula  eingewirkt  habe.     Ferner  seien   dahin  zu   rechnen  Ausdrücke  der 
Technik:   clathri,  euhutj  massa,  carbo,  op(b)8onium,  colaphus  u.  a. 
Claans  habe  schon  Dionysius  Halicarn.  auf  %Xäais  und  ulijaig  zurück- 
geführt;  dies  werde  durch  Ritschis  Bemerkung,   dasz  das  88  erst  seit 
Ennius  gebräuchlich  geworden,   bestätigt   und  die  Ableitung  sei,   wie 
bei  m€88%»  von  mef;    von    eala  mnste  das  Wort  calatio   oder  ealatia 
heiszen.     Nicht  überall  aber  reichten   die  Lautgesetze  aus.    In  Bezug 
auf  das  Seewesen  habe  Mommsen  bemerkt,  die  indogermanischen  Worte 
der  lat.  Sprache  bezögen  sich  nur  auf  Rnderbarken,  die  Bezeichnun- 
gen für  Segel  u.  dgl.  seien  späteren  Ursprungs,  italisches  Gut;   navi» 
und  vavgj  remu8  und  igitfiog  seien  schon  im  Sanskrit  vorhanden  (ndua 
und  aritram)y  aber  ve/um,  malu8,  anienna  italischen  Ursprungs.  Dies, 
behauptet  der  Redner,  sei  in  Bezug  auf  velum  (von  vehere)  zuzugeben, 
aber  malu8  hänge  offenbar  mit  dem  deutschen  Afost  (ma9lu8)  und  dem 
griech.  ftccad'aX^ß  bei  Hesychius   zusammen   und  sei   indogermanischen 
Ursprungs.     Anienna  =  ana-tenda^  komme  von  dvcttBivfo  (ein  solcher 
Rest  von  ava  sei  auch  im  umbrischen  antentu  =  dvcctsvdtm  und   im 
lat.  anhelare  vorhanden  und  übrigens  an  das  plantinische  diapenie  für 
dispendite  zu  erinnern) ;   da  nun  viele  auf  das  Segelwesen  bezügliche 
Worte  offenbar  erst  in  historischer  Zeit  übertragen  worden  seien,  gu- 
btrnaref  mn€ora,  apluMtre,  prora^  naiMc«,  pAosedis,  eambUf  eontu9y 


48  Bericht  über  die  15o  VersammlaDg  der  dealschen  Philologen  oiw. 

anguina  (=  äynoiva  bei  Hesychius^  das  Rack),   so  sei   antenna  nvol 
für  ein  griechisches  Lehnwort  zu  halten.     So  unterscheide  man   in  den 
auf   das   Seewesen  bezüglichen    lateinischen    Worten  drei   Klassen:    1) 
eine  sehr  beschränkte  Zahl  indogermanischer,   2)  eine  grosze  Zahl   in 
historischer  Zeit    aus  Griechenland    eingewanderter    (selbst  das   nau- 
aeare  hätten  die  Römer  erst  von  den  Griechen  gelernt),  3)  eine  kleine 
Zahl  erst  auf  Italiens  Boden  entstandener.    Da  die  graecoitalische  Pe- 
riode in  diesen  Worten  gänzlich  fehle,    so  entstehe  wol  die  Frage,  ob 
die  Graecoitaliker  vor  ihrer  Einwanderung  in  ihre  späteren  Wohnsitze 
in  einem  gar  nicht  an  die  See  grenzenden  Lande  gewohnt  haben.  Auch 
im  Bauwesen   erweise  sich  vieles  als  von  den  Griechen   entlehnt.^   So 
sei   in  fenestra  die  Endung  estra  nicht  römisch,    wol  aber  griechisch, 
wie  OQxriotga,  und  es  könne  deshalb  wol  tpavTJazga  als  Ursprung  ange- 
nommen werden,    obgleich  dies  im  Griechischen   sich  nicht  nachweisen 
lasse.    Auch  für  die  Prosodie  bei  Plautus  erkläre  sich  manches  daraas, 
so    sei    mina    einsilbig  gebraucht    wegen  des   griechischen  nvd  nicht 
auffällig.      Ferner  sei  die  Entwicklung  der  Vocale  zu  berücksichtigen. 
Da  nach  Ritschis  Bemerkung  immer  ein  e  früher  sei  als  t,  so  müsse  das 
auf  der  Inschrift  von  Alerinm   sich   findende   calecarc,   ankalken,   für 
älter  gelten ,   als  ealicare.     Endlich  erstrecke  sich  auch  die  Sache  auf 
das  geistige  Gebiet.    Man  müsse  einen  Verfall  der  lateinischen  Sprache 
in   der   ältesten   Zeit  annehmen;    dies   beweise,   dasz  mare  eine  unbe- 
stimmte,  alle   Casus   bedeuten    könnende  Form,   ocno  s^  tinus,    unum 
und  uno  sei.     Dieselbe  Unbestimmtheit   der  Endungen  finde  sich  auch 
im    Umbrischen ,    sei    aber    nicht    nach    einer   bedenklichen   Hypothese 
Mommsens   durch  den   tiiscischen   Einflusz  gehoben   worden,    vielmehr 
habe   der  Einflosz   der  Griechen  das  Latein   aus  jener  Stumpfheit  ge- 
rissen,  da  ja  die  ältesten  römischen  Schriftsteller  alle  griechisch  ge- 
bildet gewesen  seien;  durch  deren  Nachahmung   erwachte   die  verdun- 
kelte  Erinnerung   an   die   ursprünglichen   Endungen,    aber  es    wurden 
nur  diejenigen  Casus  wieder  hergestellt,   welche  im  Griechischen  vor- 
handen waren,   daher  der  Ablativ    «ein    ursprüngliches  d  nicht  wieder 
erhielt,  weil  dieser  Casus  im  Griechischen  ganz  fehlte.    Im  Verbum  sei 
die  Abstumpfung  mehr  durchgedrungen,  wie  der  häufige  Gebrauch  der 
Formen    utere,    dedere  beweise.      Für   die  zweite,    weit   schwierigere 
Untersuchung  der  Sonderung    des  graecoitalischen    von  dem  gemeinsa- 
men indogermanischen  Erbgute  (man  sei  am  weitesten  in  den  Flexions- 
silben gekommen;  so  ergebe  sirh  ein  Verfall  des  Augments,  welches  in 
der  graecoitalischen  Periode  noch    bestanden),  müs.-e  von   den  Lauten 
ausgegangen  werden.    Man  könne  beweisen,  das^z  sich  a  in  a,  c  und  o 
gespalten      w,e   schon  O.  Müller   im  Eingange   zu  seiner  Litteraturce- 
schichte  bemerkt.     So  ergeben   sich  denn   als  graecoitalisch  ego  (sonst 
in  den  indogerm.  Spr.  a),  fero,  cdo,  tremo,  lego,  me/,  gnosco,  oeto,  09 
fuUo,  ago,  ab  {uno).     Seit  Ritschi  bewiesen  habe,  dasz  für  u  und  e 
ein  älteres  o  und  t  sich  finde,   müsse  man   wegen  ulna   und  coXsvn  die 
Form  oina  für  die  ältere  halten,  ebenso  in  älter  als  en,  mdo,  iv    fvi' 
gmnque   für  älter  als   qucnque,   ntfinf-,  also   für  graecoitalisch.  '  Die 
dagegen   sich    findenden    Ausnahmen   beweisen   nur,    dasz   die  Spaltunir 
noch  nicht  vollendet  gewesen^dies  finde  .ich  in  dem  negativen  Praefii 
tn,  dae  im  Umbrischen    und  Oscischen  noch   an  laute;   oft   zeige    sich 
schwanken,   so  in  d.dovat     doM,   donum   neben  dare   und  Ä      Die 
von  Dietrich    begonnenen  Untersuchungen   (de  vocalium  quibusdamin 
hngua  latinaaffecUonibus.  Hirschbeig  J8:,ü)  würden  hierüber  zu  sicheren 
Resultaten  fuhren.      Graecoitalisch    sei    ferner    die  lUKMrrX.!l»        ^ 
Hauptaccents  auf  die  dritte  Endsilbe,  -ieÄel^^r  Yn  t7  Ä 
von  Bopps  Accentuationssystem    nachgewiesen    (diese  Jhrbb    Rd    1  Y i 
S.  337-353);  es  habe  im  LateinischeTi  kein  über  d?eS  Sit  h^„^ 


Bericht  Ober  die  15e  Versammlung  der  deutschen  Philologen  osw.   49 

ans  betontes  Wort  gegeben,  denn  Mu/ertf,  m^inerii  seien  unbezengt 
nnd  die  angenommene  Uebereinstimmun^  Ton  Vers-  und  Wortaccent 
erleide  yielfache  Ausnahmen.  Das  graecoitalische  Gemeingut  der  latei- 
nischen und  griechischen  Sprache  bestehe  überdies  wenieer  in  Worten, 
als  in  gemeinsamer  Durchführung  und  Ausprägung,  bei  einer  Sammlung 
Ton  öOO  Wortstämmen  ergeben  sich  nur  30  als  gemeinsam  graecoiia- 
lisch.  Die  feinere  Bildung  gehöre  der  späteren  Periode  an;  daher 
finde  sich  hier  wesentliche  Verschiedenheit  zwischen  der  lateinischen 
nnd  griechischen  Sprache.  Die  lateinische  Sprache  zeige  Vorliebe  für 
Tolle  £ndnneen  und  Häufung  mehrerer  Suffixe  (notionem);  specifisch 
lateinisch  sei  das  Accentuationsgesetz  über  die  pennltiroa ;  in  der  Syn- 
tax beschränke  sich  die  Aehnlichkeit  auf  die  Casus,  dagegen  sei  die 
Ausbildung  der  Modi  specifisch  griechisch ;  die  Satzverbindung  gehe  in 
Griechenland  und  Rom  Ton  ganz  verschiedenen  Anschauungen  aus;  dort 
seien  die  Partikeln  aus  dem  Demonstrativ ,  hier  aus  dem  Interrogativ 
entstanden,  dort  sei  Parataxis,  hier  Frage  und  Antwort  das  ursprüng- 
liche. Schlieszlich  erklärt  der  Redner,  dasz  er  nur  Andeutungen  habe 
geben  wollen;  zur  weiteren  Fortführun|;  der  Untersuchung  seien  zwei 
entgegengesetzte  Eigenschaften  zu  verbinden:  Kühnheit  und  Vorsicht. 
—  Eine  Debatte  knüpfte  sich  an  diesen  Vortrag  nicht  an. 

Zu  allgemeinem  Bedauern  zog  Prof.  Dr.  Overbeck  aus  Leipzig 
wegen  vorgeschrittener  Zeit  seinen  angekündigten  Vortrag  über  Chnre- 
Malerei  der  Griechen  zurück ,  erklärte  jedoch  auf  die  Bitte  des  Prae- 
sidii  sich  bereit,  denselben,  da  er  ihn  frei  habe  halten  wollen,  noch 
niederzuschreiben  und  zum  Druck  in  den  Verhandlungen  abzugeben. 

Es  folgte  der  Vortrag  des  Hof r.  Prof.  Dr.  Do  derlei  n  aus  Erlangen: 
£tne  Etymologie  {Siaitfizrig}^  eine  Emendaiion  (Tacit.  Agric.  1)  und 
etne  Interpretation  (Quinctil.  X  1,  101)  in  der  Form  von  Fragen  an 
die  Versammlung,  Der  Redner  erklärte  zuerst,  man  habe  gewöhnlich 
seine  Vorträge  fhr  humoristisch  gehalten;  das  sei  ein  zweideutiges 
Lob;  er  bitte  zu  bedenken,  dasz  es  ihm  mit  seinen  Ansichten  Ernst 
sei;  man  solle  ihn  die  drei  Gegenstände  hintereinander  besprechen  las- 
sen und  erst  dann  mit  Entgegnungen  auftreten.  Ueber  die  Diaeteten 
habe  der  verehrte  Praesident  1812  eine  Aufsehen  erregende  Schrift 
herausgegeben,  später  Meier:  die  Privatschiedsrichter  und  die  öffent- 
lichen Diaeteten;  beide  hätten  sich  mit  dem  Etymon  des  Wortes  nicht 
befaszt,  vielmehr  dasselbe  unentschieden  gelassen;  er  wolle  versuchen 
dasselbe  zu  geben.  Ein  homerisches  Wort  sei  utvvfii,  dies  aber  kein 
Stamm;  derselbe  sei  iuatgio  enthalten,  aus  dem  oder  vielmehr  aus  sei- 
ner Verlängerung  uCgvvfiai,  einerseits  ccQVVfuHy  andererseits  atw^uiiy 
beide  in  der  Bedeutung  ^nehmen'  kämen;  von  atvv\icti  stamme  das  Ver- 
bale i^aixog  =  eximiua  (von  ex  -  emo) ,  durch  Composition  öia£vvfiai 
:=  auseinandernehmen,  davon  wie  i^aitogj  d^attog:  auseinandergenom- 
men. Das  davon  sich  herleitende  Substantiv  Siaita  bezeichne  ursprüng- 
lich Auseinandernehmung  und  daher  a)  die  Tageseintheilung,  woraus 
sich  erst  das  ergebe,  was  wir  'Diaet'  nennen,  b)  die  Scheidung  und 
Entwirrung,  in  welcher  Bedeutung  das  Wort  bei  Aristophanes  vor- 
komme. Die  erste  Bedeutung  habe  diattda^ai  behalten,  die  zweite 
Bedeutung  sei  vorhanden  in  oucixrjxijgy  was  einen  diremptor  bedeute. 
Die  Herbeiziehung  von  diribitores  (von  dishibere)  müsse  er  verschmä- 
hen. —  Die  letzten  Worte  des  In  Capitels  in  Tacitus  Agricola  hätten 
wenigstens  20  Monographien  nnd  100  kürzere  Besprechungen,  aber 
jede  von  3 — 4  Seiten,  veranlasst.  Was  im  Tageblatte  abgedruckt 
stehe:  ni  cursaturua  sei  eine  blosze  Conjectur,  handschriftlich  sei  in- 
cusaturus.  Mit  Beibehaltung  dessen  glaube  er  schreiben  zu  müssen: 
quam  non  «peefautssem  (:=:  easgpectauisiem) ,  welche  ich  nicht  abge- 
wartet hätte.     Dies  scheine  der  Zusammenhang  zu  fordern;  uenia  sei 

iV.  Jahrb.  f.PULu,  Paed.  Bd.  LXXIV.  Hß.  i.  4 


50   Ucriclit  flbcr  die  15c  Versammlung  der  deulsclien  Philologen  asw. 

das,  was  wir  ' Prc8«frciheit '  nennen  worden.  Der  Gedankengang  sei, 
wurin  er  zum  Thcil  HoiTmeister  beistimme,  folgender:  Agricola  hatte 
bei  seinem  Begräbnisse  keine  laudatio  erhalten,  weil  Tacitos^  nicht  in 
Rom  war.  Jetzt  vier  Jahre  nach  seinem  Tode  war  es  zu  einer  Rede 
zu  spät;  dafür  wollte  der  Schriftsteller  dem  verstorbenen  die  vita 
weihen;   die  Einleitung  zu  dieser  habe  einen   dreifachen  Gecenstand: 

1)  die  Ankündigung  des   Tacitus  als   Historikers   vor  dem    Pablicnray 

2)  den  Gebrauch  der  Preszfreiheit  unter  Nervas  Regierung,  3)  Ent- 
schuldigung für  die  Verschiebung  des  dem  todten  zu  setzenden  Denk- 
mals auf  4  Jahre.  Diese  letzte  Entschuldigung  sei:  in  der  alten  Zeit 
konnte  jeder  in  einer  laudatio  gelobt  werden,  ich  aber  habe  auf  den 
Tod  des  Domitian  warten  müssen,  auf  die  ucnia ;  diese  aber  hätte  ich 
nicht  abgewartet,  indem  ich  in  Begriff  bin  über  die  Zeiten  zu  klagen. 
Nach  incnaaturus  sei  ein  Punctum  zu  setzen.  Frage  man  nun,  wo 
der  hypothetische  Vordersatz  zu  rion  spectauiaaem  sei,  so  werde  ein 
solcher  durch  ni  cursaturus  nicht  zweckmäszig  hergestellt.  Man  müsse 
vielmehr  denselben  ergänzen  und  zwar  aus  dem  folgenden  fit  capitale 
fuissct.  Man  habe  demnach  eine  Aposiopesis,  an  die  Stelle  des  hypo- 
thetischen Satzes  trete  der  Beweissatz.  Man  werde  überdies  wolthun 
nach  tempora  einen  Gedankenstrich  zu  setzen,  zugleich  aber  erkennen, 
wie  unberechtigt  es  sei  mit  Lcgimus  ein  neues  Capitel  zu  beginnen« 
—  Ueber  die  Bedeutung  von  clarisaimi  candoris  in  der  bezeichneten 
Stelle  des  Quinctiiian  seien  schon  längst  die  Meinungen  auseinander- 
gegangen, namentlich  die  von  Wyttenbach  und  Spalding;  er  (der  Red- 
ner) entscheide  sich  für  Wyttenbach,  der  erkläre  candorem  —  non  pcr- 
»picuitafem  orationis,  sed  animi  sinccriiatem  et  beneuolcniiam,  dage- 
gen theile  ein  gelehrter  philologischer  Freund,  auf  dessen  Urtheil  er 
viel  gebe,  Spaldings  Meinung,  und  sie  seien  darüber  in  lebhaften  Dis- 
put gerathen;  daher  wolle  er  die  Sache  vor  das  philologische  Publicum 
bringen.  Seine  Gründe  beruhten  auf  der  Bedeutung  von  eandidu», 
'Weisz'  habe  eine  doppelte  Bedeutung,  es  sei  einmal  eine  Farbe,  das 
andremal  die  Negation  der  Farbe;  eandor  nun  sei  eine  positive  Farbe, 
a!bua  die  Negation;  jene  Farbe  aber  sei  schön,  glänzend,  fleckenlos; 
die  Candida  cutit  komme  deshalb  der  schonen  Jungfrun  zu,  die  alba 
aber  dem  wassersuchtigen.  Der  Schnee  falle  als  Candida  nix,  durch 
längeres  liegen  werde  er  alba  Was  habe  nun  der  eandor  mit  der 
Durchsichtigkeit  gemein,  werde  man  weisz  angestrichene  Fenster  für 
durchsichtige  halten?  Sein  gelehrter  Freund  habe  ihm  nun  zwar  eine 
Stelle  aus  Plinius  gebracht,  in  welcher  ein  lapia  candidus  vorkomme 
ita  ut  pclluceai  ♦),  aber  diese  bringe  ihn  von  seiner  Meinung  nicht 
ab.  Denn  wäre  wol  das  vom  Livius  genug  gesagt,  dasz  er  durchsich- 
tig, verständlich  sei?  Es  müsse  darin  etwas  anderes  Hegen.  In  über- 
tragener Bedeutung  sei  candidus  derjenige,  der  keine  bösen  Gedanken 
habe,  kinderrein,  kindlich,  naiv,  so  dasz  den  Gegensatz  callidua  bilde; 
auch  liege  Aufrichtigkeit  darin.  Wenn  Horaz  den  Tibull  einen  Can- 
didas iudex  seiner  Sermonen  nenne,  so  meine  er  damit,  dessen  Urtheil 
sei  hart,  aber  aufrichtig,  offenherzig  gewesen.  Bei  der  Geschieht- 
Schreibung  könne  eine  dreifache  Absicht  vorwalten:  a)  die  Erhaltung 
der  Kunde  von  dem  gewesenen  und  geschehenen,  b)  pragmatische  Er- 
klärung, c)  moralische  Theilnahme  au  den  Ereignissen  und  handelnden 
Personen;  ein  gemütlicher  Historiker  sei  kein  groszer;  Livius  aber  der 
erste  römische  Historiker  gewesen,  der  die  Geschichtsrhreibung  als 
Gemütssache  betrachtet  habe,  aus  welchem  Grunde  er  eben,  wie  Nie- 


♦)  Ist  etwa  H.  N.  IX  15,  20  gemeint:  Kst  in  Euripn  Thracii  Ho- 
spori  —  saxum  miri  candoris  a  uudo  ad  summa  perlucvns? 


Bericht  über  die  16e  Versammlung  der  deutschen  rhilulogeo  usw.    51 

buhr  ihm  Schuld  gebe,  ein  schlechter  Politiker  gewesen  sei;  er  lose 
die  Räthsei  der  Geschichte  nicht,  nehme  aber  am  menschlichen  gemüt- 
lich Antheil;  aus  diesem  Grunde  werde  er  candidus  genannt  und  mit 
Herodot  zusammengestellt.  —  Eckstein  erklarte  swar,  dasz  ihm  in 
Bezug  auf  die  letzte  Stelle  ein  Bedenken  von  Seite  der  Logik  zugehe, 
er  ziehe  es  aber  wegen  der  Zeit  vor,  dasselbe  seinem  Freunde  priva- 
tim mitzutheilen.  Nachdem  Döderlein  bemerkt,  dasz  er  wol  sehe  wel- 
ches Bedenken  Eckstein  habe,  wurde  die  Sitzung  geschlossen. 

In  der  dritten  allgemeinen  und  Schluszsitzung  am  4.  Oct. 
sprach  der  Praesident,  Senator  Dr.  Hudtwalcker,  schriftlich  sein 
Bedauern  aus,  dasz  er  sich  durch  dringende  Amtsgeschäfte  verhindert 
sehe,  in  der  Versammlung  zu  erscheinen,  nochmds  aber  auch  seinen 
Dank  für  das  ihm  geschenkte  Vertrauen. 

Dr.  Brock  er   aus  Hamburg  hielt  einen  Vortrag:    über  Niebuhra 
An»icht  von  richtiger  Dargtellung  der  altromiachen  Verfassung  durch 
den  Annalisien  Fabius,    Derselbe  gieng  von  dem  Satze  aus:  die  Ent- 
wicklung der  Litteratur-  und  Culturgeschichte  bringe  es  nothwendig 
mit  sich,   dasz  die  späteren   ein  tieferes  und  allseitigeres  Verständnis 
der  Vergangenheit  gehabt  hätten,   als   die  früheren;  so  seien  unsere 
Zeitgenossen  Böhmer  und  Ranke  viel  tiefer  in  die  deutsche  Vor- 
zeit  eingedrungen,   als   der  jener  viel   näher  stehende  Masco.     Nie- 
buhr  aber,  gegen  den  er  bei  aller  Verehrung  doch  seikie  gegentheilige 
Ansicht  aussprechen  müsse,  habe  für  die  romische  Litteratur  geradezu 
das   umgekehrte  Verhältnis  angenommen;  die  Kenntnis    und    das   Ver- 
ständnis der  altrömischen  Geschichte  hätten   nach   ihm  seit  dem  Anna- 
listen Fabius   Pictor    abgenommen.     Die   Unwahrscheinlichkeit    dieser 
Ansicht  ergebe  sich   schon   von  vornherein  aus    dem  Gange,    den   alle 
menschliche  Erkenntnis  genommen,  aber  auszerdem  auch  aus  folgenden 
Gründen.     Die  annales   maximi   und  die   alten  Lieder  seien  nach  Nie- 
bahr selbst  keine  gute  Quelle  der  Geschichte  gewesen  und  doch  solle 
aus    ihnen   Fabius   geschöpft   haben.     Ferner   aber   hätten   gewis    die 
Zeitgenossen  des  Varro  an  allgemeiner  Bildung  über  die   des  2n  puni- 
schen  Kriegs  hervorgeragt;  sie  hätten   die  Studien  als  Lebensaufgabe 
betrieben,   während   bei   den  älteren  politische  Thätigkeit  der  Haupt- 
beruf,  Geschicht-achreibung    und  -forschung    nur   Nebenbeschäftigung 
gewesen  sei;  auszerdem  hätten  jene  besser  die  Hüifswissenschaften  ge- 
kannt   und   endlich   seien    auch   zu   ihrer  Zeit  mehr   alte  Quellen   ent- 
deckt and  aus  Licht  gezogen  gewesen;  die  Anregung,  welche  Polybius 
dazu   gegeben,   sei   nicht   ohne  Erfolg  geblieben.     Die  Ueberlegenheit 
der   varroniauischen  Zeitgenossen   über  die   früheren    und    namentlich 
über  Fabius   ergebe   sich   aber   auszer  dem   an   die   Spitze   gestellten 
Satze  daraus,   dasz  sie  I)  mit  wenigen  Ausnahmen   einig  waren  über 
die  Geltung  und   den  Werth  der  Fasten  bis  zum  Decemvirat;  2)  dasz 
die  von  ihnen   für  wahr  und  zuverlässig  gehaltenen  Consulaif asten  zu 
den  Gentilnamen  in  einem   solchen  Verbältnisse  stehen,   dasz   sie   den 
Charakter  der  Echtheit  an  sich  tragen.     3)  Dasz   die  einheitliche  Ue- 
bereinstimmung  über  die  Tradition,   welche  sich  selbst   über  die  Kö- 
nigszeit von  Tullus  an  und  bis  nach  dem  gallischen  Brande  erstreckte, 
früher  nicht  vorhanden  war,   wie  in  Varros  Zeit.     Wolle  man  einwen- 
den,   Fabius  habe  die   Grondzüge   der    Verfassung  noch   im  bestehen 
gekannt,   so  werde  das  blendende  einer  solchen  Annahme  bald  schwin- 
den; die  Verfassung  sei  damals  bereits  500  Jahre  alt  gewesen  und  habe 
Veränderungen  zum  Theü  sogar  durch  Revolutionen  erfahren  gehabt; 
von   den  Grundzügen   namentlich  sei  alles  verändert   und   umgestaltet 
gewesen;    hätte  man  also  zu  Fabius  Zeit  aus  der  Gegenwart  die  Ver- 
gangenheit erkennen  wollen,   so  hätte  wol  fehlgegriffen  werden  müs- 
sen; sei  wol  Fabius  ein  so  grosser  Genius  gewesen,   dasz   er  sich  vor 

4' 


52    Bericht  über  die  15ü  Versammlung  der  deiilschcn  Philologen  usw. 

einem  solchen  Irthum  habe  bewahren  können?  nehme  man  dies  an, 
dann  sei  in  der  That  zu  Terwundern,  dasz  seine  Erzählungen  so  ohne 
allen  Einflusz  geblieben  seien.  Frage  man  nun  worauf  gründe  sich 
Niebuhrs  Ansicht?  Auf  die  wenigen  Fragmente  —  die  noch  dazu  vie- 
les offenbar  falsche  enthielten,  könne  sie  sich  nicht  stutzen.  Diodor 
habe  nur  wenige  Angaben  aus  Fabins  und  darunter  nach  Niebuhr 
selbst  eine  unsinnige  und  eine  irrige;  ebenso  stunden  Dio  Cassius  und 
Zonaras  sehr  häufig  gegen  Niebuhrs  Ansicht  und  doch  solle  deren 
Darstellung  auf  der  richtigsten  Quelle,  auf  Fabius,  beruhen;  auszer- 
dem  hätten  aber  die  alten  'schon  sich  gegen  Fabius  erklärt;  Polybius 
und  Dionysius  tadelten  ihn  geradezu.  Uebrlgens  sei  die  Hypothese 
für  Niebuhr  selbst  notbwendig  gewesen,  weil  sich  daraufsein  Gebäude, 
seine  Ansicht  von  der  Unglaubwurdigkeit  der  römischen  Geschichte- 
Überlieferung,  wie  sie  zu  Varros  Zeit  bestanden,  stütze,  er  (der  Red- 
ner) müsse  aber  vielmehr  für  die  Glaubwürdigkeit  dieser  sich  erklä- 
ren. —  Dir.  Dr.  Classen  aus  Frankfurt  a.  M.  bemerkt,  die  Dar- 
stellung habe  auf  ihn  und  gewis  auf  viele  andere  in  der  Versammlung 
den  Bindruck  gemacht,  als  habe  Niebuhr  sich  seine  Ansichten  leicht- 
fertig und  willkürlich  gebildet.  Deshalb  trete  er,  obgleich  er  seit 
längerer  Zeit  sich  mit  diesem  Studienkreise  nicht  befaszt,  dagegen  auf. 
Die  Ansicht  beruhe  im  wesentlichen  auf  der  Geltung  des  Cassius  Dio. 
Die  von  der  deutschen  Geschichte  hergenommene  Erläuterung  sei  nicht 
anwendbar,  wie  sich  denn  überhaupt  die  romische  Geschichtschreibung 
mit  der  unserer  Gegenwart,  namentlich  der  eines  Ranke,  gar  nicht 
vergleichen  lasse;  es  sei  doch  gewis  nicht  zu  leugnen,  dasz  die  Zeit- 
genossen des  Varro  von  dem  Boden  realer  Erkenntnis  viel  ferner  ge- 
standen hätten,  als  Fabius;  auch  seien  Rückschritte  in  der  Ge- 
schichtskenntnis nicht  unerhört.  Masco  und  Moser  hätten  von  der 
alten  deutschen  Reichsverfassung  gewis  viel  lebendigere  Erkenntnis  ge- 
habt, als  die  Zeitgenossen  Goethes,  die  in  jener  Kenntnis  sehr  unsicher 
gewesen  seien,  und  dennoch  habe  20  Jahre  später  eine  gröszere  Er- 
leuchtung begonnen,  wie  sie  früher  nicht  dagewesen.  Eben  weil  er 
in  dem  Zeitalter  des  Varro  eine  falsche  Kenntnis  wahrgenommen,  habe 
Niebuhr  sich  nach  einer  Quelle  umsehen  müssen ,  die  ans  älteren  Dar- 
stellungen geflossen,  und  so  sei  er  auf  Cassius  Dio  gekommen.  Dir. 
Dr.  Peter  aus  Stettin  spricht  viele  Zustimmung  zu  den  Ansichten 
des  Redners  aus,  findet  aber  einiges  auf  die  Spitze  gestellt,  wie  na- 
mentlich den  immer  wiederkehrenden  Satz,  dasz  die  spätem  eine  tie- 
fere Geschichtserkenntnis  hätten  als  die  früheren.  Es  beruhe  dies  auf 
einer  Verwechselung  von  Geschichtschreibern  und  Geschichtsforschern. 
Wer  werde  dem  Diodorus  Siculus  eine  lebendigere  und  bessere  An- 
schauung der  Perserkriege  vindicieren  wollen,  als  dem  Herodot,  wer 
dem  Florus  und  sogar  Butropius  ein  tieferes  Verständnis  der  römischen 
Geschichte,  als  den  früheren?  Auch  damit  könne  er  nicht  einverstan- 
den sein,  dasz  Fabius  in  seiner  Zeit  gar  nichts  mehr  von  der  alten 
Verfassung  vor  sich  gehabt;  ^ins  habe  damals  bestanden,  aber  nur 
noch  kurze  Zeit  bis  zum  gänzlichen  Terschwinden ,  der  Gegensatz  zwi- 
schen Patriciern  und  Plebejern,  die  Anschauung  davon  sei  doch  gewia 
ein  wichtiges  Hülfsmittel  för  die  Erkenntnis  der  alten  Verfassung  ge- 
wesen. Nach  seinen  Untdkvuchungen  stimmten  Livius  und  Dionysius 
Halicarnassensis  viel  mehr  überein,  als  man  gewöhnlich  meine,  oft 
so,  dasz  man  versucht  sei  zu  glauben,^  der  eine  habe  aus  dem  andern 
übersetzt;  da  man  dies  letztere  aber  nicht  annehmen  könne,  so  müsse 
man  den  Grund  der  Uebereinstimmung  vielmehr  darin  suchen,  dasz 
beide  ans  den  alten  Annalisten  geschöpft,  beide  geben  die  Ueberlie- 
ferung  der  alten  Annalisten  ungefähr  getreu  und  vollständig  wieder. 
Sei  aber  auch  Niebuhrs  Annicht  über  Fabius  falsch,   so  habe  dieselbe 


Berieht  Aber  die  löe  YersammlaDg  der  deutschen  Philologen  ntw.  53 

doch  seinem  Geschichtawerke  nichts  geschadet;  denn  einmal  habe  er 
zuerst  die  Resultate  der  varroniscben  Zeit  ausgebeutet,  sodann  dürfe 
man  nur  an  die  Stelle  des  concreten  Namens  Pabins  bei  ihm  die  Idee 
der  Geschichte  und  die  Wahrheit  setzen.  Stadtbibliotheksecretär  Dr. 
Isler  will  nur  auf  zwei  Punkte  noch  aufmerksam  machen.  Fabius  sei 
kein  Gelehrter  gewesen  und  Niebnhr  habe  ihn  nie  als  einen  solchen 
angesehen«  Derselbe  habe  eine  Geschichte  seiner  Zeit  schreiben  wol- 
len und  nur  als  Einleitung  dazu  eine  Uebersicht  der  alten  Verfassung 
gegeben.  Zweitens  müsse  man  doch  vor  allen  Dingen  untersuchen,  ob 
überall,  wo  Fabius  erwähnt  werde,  Fabius  Pictor  gemeint  sei;  es 
habe  ja  drei  Fabii  gegeben.  Brocker  erwiedert,  er  habe  den  Ein- 
druck seines  Vortrages  nicht  beabsichtigt  und  nicht  gefürchtet,  viel- 
mehr denselben  durch  die  ausgesprochene  Verehrung  Yon  Niebuhr  Ter- 
mieden  geglaubt:  er  könne  diese  mit  Widerspruch  gegen  jenes  Ansich- 
ten recht  wol  vereinen.  Niebnhr  habe  in  seiner  Zeit  gestanden,  in 
welcher  man  noch  den  Cincios  für  einen  Zeitgenossen  des  Fabius  ge- 
halten habe.  Uebrigens  habe  er  die  Niebuhrschen  verschiedenen  Aus- 
gaben studiert;  1811  habe  derselbe  noch  nichts  über  die  Gelehrten- 
geschichte Roms  gesagt;  erst  spater  als  man  ihm  vorgeworfen,  er 
zerreisze  die  Quellen ,  habe  er  nach  einer  Stütze  für  seine  Behaugtun- 
een  gesucht  und  sei  so  zu  Fabius  gekommen;  es  handle  sich  über- 
haupt bei  der  Frage  nicht  um  Personen,  sondern  um  Zeiten.  Weitere 
Entgegnungen  verhinderte  die  vorgerückte  Zeit,  welche  den  Schlusz 
der  Debatte  nothwendig  machte. 

Prof.  Dr.  von  Jan  aus  Schweinfurt  sprach:  über  den  Palimptest 
des  Plinitit,  Da  sich  die  Philologenversammlung  immer  sehr  theilneh- 
mend  für  die  Herausgabe  des  Plinius  bewiesen  habe,  so  halte  er  es 
nicht  für  unangemessen,  hier  über  den  im  Kloster  St.  Paulus  in  Kärn- 
then  aufgefundenen  und  von  Mone  herausgegebenen  Palimpsest  Mit- 
theilungen zn  machen,  und  zwar  1)  über  die  Schicksale  der  Hand- 
schrift. Dieselbe  stammt  nach  der  Aufschrift  aus  dem  Kloster  Reiche- 
nau,  war  aber  bereits  1791  nicht  mehr  dort;  dagegen  findet  sich  in 
einem  alten  Kataloge  vom  J.  822  ein  Buch:  in  ecclesiaaticcn  liher^  und 
dies  scheint  der  fragliche  Codex  zu  sein,  da  über  den  Plinius  der  Com- 
mentar  des  Hieronymus  in  Ecclesiasticum  fibergeschrieben  ist.  Der 
Herausgeber  vermutet,  dasz  ein  Bischof  Echino  von  Verona,  der  sich 
nach  dem  Kloster  Reichenan  zurückgezogen,  den  Codex  dahin  ge- 
bracht habe.  Da  am  Ende  des  15n  B.  emenda  steht,  so  vermutet  der- 
selbe eine  Ueberarbeitung.  2)  über  den  Umfang  und  die  Form.  Die 
Handschrift  enthält  154  Blätter,  von  denen  126  rescribiert  sind.  Diese 
bilden  27  Quatemionen,  doch  sind  einige  ausgefallen.  Sie  enthalten 
Buch  XT — XV  und  da  vor  jedem  Buche  der  Index  aus  dem  ersten 
Buche  steht,  so  ist  die  Handschrift,  wie  auch  Sillig  noch  kurz  vor 
seinem  Tode  mit  Freuden  anerkannte,  auch  für  das  I  Buch  wichtig. 
Das  Format  ist  Groszoctav,  die  Seite  enthält  26  Zeilen,  die  Zeile 
^24  Buchstaben.  Die  Schrift  ist  nicht  grosz,  rund,  uncial.  Häufig 
finden  sich  Bachstaben  ineinander  geschlungen,  nicht  selten  Abkür- 
zungen, einzelne  Buchstaben  sind  Minuskeln.  Die  Schrift  des  Plinius 
gehört  nach  dem  Herausgeber  ins  4 — 5e  Jahrhundert.  Die  Zeit  der 
Üebcrschreibung  kann  nicht  später  als  ins  9e  Jahrhundert  gesetzt 
werden,  da  die  Schrift  die  longobardische  ist.  Wahrscheinlich  gab 
die  Veranlassung  dazu  das  Vorhandensein  eines  breiten  Randes.  Von 
anderen  Palimpsesten  findet  die  Verschiedenheit  statt,  dasz  hier  nur 
einige  Quatemionen  beim  rescribieren  umgekehrt  sind,  während  über- 
all sonst  die  Zeilen  beider  Schriften  ineinander  laufen.  Die  Entziffe- 
rung wurde  schon  früher  von  einem  Mönche  versucht,  indes  natür- 
lich mit  geringem  Erfolge,   auch  jetzt  bei  der  Anwendung  chemischer 


54   Bericht  über  die  15e  Versammlung  der  deutschen  Philologen  usw. 

Reagenticn  machte  sie  Muhe.  3)  über  den  Werth  der  Handschrift. 
Während  die  Bamberger  Handschrift  nur  die  letzten  Bücher  enthalt 
and  deshalb  für  den  Archaeologen  wichtig  ist,  gibt  der  Palimpsest 
die  eigentliche  Naturgeschichte,  und  ist  besonders  für  die  Namen, 
obgleich  diese  nicht  gleichmäszig  und  fest  geschrieben  sind,  bedeut- 
sam. Die  durch  die  Handschrift  gebotenen  Krgänzungen  sind  nicht 
bedeutend  und  an  Zahl  nur  drei.  £ine  vierte  ist  nicht  ganz  neo. 
Bekanntlich  findet  sich  XT  4.')  in  den  alten  Ausgaben  eine  Einschal- 
tung, die  an  jener  Stelle  unpassend,  aber  doch  echt  plinianisch  ist. 
Die  Ton  dem  Redner  früher  ausgesprochene  Vermutung,  dasz  sie  $  3H 
gehöre,  findet  durch  den  Palimpsest  Bestätignng.  Die  Bedeutung  der 
Handschrift  wird  dadurch  klar,  dasz  sie  den  Beweis  gibt,  die  alten 
Ausgaben  seien  nicht  blosz  von  Kiiiendatoren  gemacht,  und  dasz  sie 
einer  anderen  Familie  angehört,  als  der  bekannten.  Uebrigens  bestä- 
tigt sie  manche  Conjecturen  und  gibt  manche  gute  neue  Lesart.  Wenn 
der  Herausgeber  aus  der  Handschrift  dem  Werke  den  Titel  Naiurar 
historiarum  libri  vindiciert,  so  hat  er  dafür  zwei  nicht  bedeutende 
Stellen  des  Piinius  angeführt,  die  Hauptstelle  aber  in  des  jungem 
Plinius  Briefen  IH  5  übersehen.  Da  aber  diesem  Titel  die  Vorrede 
des  Plinius  selbst  und  zwei  Stellen  des  Gellius  und  Macrobius  entge- 
genstehen, so  musz  man  vielmehr  annehmen,  dasz  beide  Titel  schon 
im  Alterthnm  nebeneinander  bestanden.  Der  Text  ist  übrigens  nicht 
sehr  rein,  Buchstaben  finden  sich  oft  weggelassen,  oft  vertauscht.  Die 
Vermutung  des  Herausgebers  aus  besonderen  Eigenthümlichkeiten,  dasz 
ein  Gallier  der  Schreiber  gewesen,  läszt  sich  nicht  erweisen.  Im  all- 
gemeinen findet  sich  die  von  Sillig  angenommeno  Orthographie  darin. 
Der  Acc.  plur.  3  decl.  findet  sich  es,  aber  an  einigen  Stellen  auch  tir, 
dagegen  der  Genetiv  t  statt  ti  durchaus;  die  Kndung  umus  einigemal, 
durchweg  subus.  Die  Assimilation  ist  zwar  nicht  consequent,  doch 
meistentheHs  beobachtet,  auch  liest  man  roniuvrc.  Merkwürdig  ist, 
dasz  man  überall,  wo  die  vierte  Declination  ein  langes  u  hat,  vu  ge- 
schrieben findet,  wie  im  Bamberger  Codex,  freilich  zeige  sich  auch  ii 
für  langes  t.  An  diese  Mittheilungen  knüpft  der  Redner  eine  Bitte. 
In  der  archaeologischen  Section  habe  Hofr.  Dr.  Wüstemann  gezeigt, 
wie  wünsrhcnswerth  es  sei,  die  verschiedenen  kleinen  Schriften  und 
gelegentlichen  Erläuterungen  über  Plinius  in  ein  Werk  syUogac  Pli- 
nianar  zu  vereinigen,  auch  für  die  Unternehmung  bereits  einen  Ver- 
leger gewonnen;  CS  ergehe  demnach  an  die  Versammlung  die  Bitte, 
dasz  jeder,  was  er  habe  und  könne,  dazu  beitragen  möge. 

Prof.  Dr.  E.  Curtius  aus  Berlin  begann  seinen  Vortrag:  über 
die  dyoQu  in  Mhen,  mit  Hinweisung  auf  die  Wichtigkeit  der  Topo- 
graphie; wie  dieselbe  ebenso  Ausgangspunkt  und  Bedingung,  wie  Ab- 
Bchlusz  und  Probierstein  der  Alterthnmsstudien  sei.  Freilich  müsse 
sie  historische  Blicke  eröffnen,  die  Stadt  in  ihrem  werden  zeigen.  In 
Athen  sei  die  Akropolis  der  feste  Punkt,  um  welchen  sich  die  Stadt 
bewegt  habe;  denn  Thurydides  sage,  sie  habe  ursprünglich  südlich- 
gelegen, was  er  nicht  bemerkt  haben  würde,  wenn  es  zu  seiner  Zeit 
noch  ebenso  gewesen  wäre,  und  dasz  Herodot  ^(inQoaG'f  Ttgo  rrjg 
nyiQOTToXiog  [VHI  54 ?J  sage,  bestätige  dasselbe.  Zu  Hadrians  Zeit 
sei  die  Stadt  zur  alten  Lage  zurückgekehrt  gewesen.  Um  die  Akro- 
polis herum  liegen  im  Süden  der  Hügel  des  Museion,  dann  nach  We- 
sten zu  die  Pnyx,  der  Areopag  und  der  Nvuiphenhügel  Die  dyoifd 
müsse  auf  dieser  Südseite  gelegen  haben  und  zwar  da,  wo  sich  die 
zwischen  den  Hügeln  und  der  Akropolis  hindurchführenden  Wege  tra- 
fen. Wanderte  aber  die  Stadt,  so  muste  auch  die  ayoga  mit  wandern 
und  wenn  auch  bestimmt««  Unterscheidungen  zwischen  einer  TraXuid 
und  V*«  (iyoQK  nicht  vorkommen,  wenn  es  für  die  Nord-«yop«  (gegen 


Bericht  aber  die  15e  Versammlung  der  deuUichen  Philologen  usw.   55 

Leake)  keine  Beweise  gebe,  so  sei  doch  die  Sache  nicht  in  Abrede  zu 
stellen.  Eine  allinählicne  Verlegung  sei  wegen  des  Terrains  unmöglich, 
aber  einen  Zeitpunkt  finde  man  bestimmt  durch  die  Nachricht  dasz 
Kimon  eine  Halle  am  Markte  des  Kerameikos  weihte.  Hierher  war 
also  der  Markt  der  Stadt  verlegt  worden.  Dasz  dies  in  den  Zeiten 
der  Perserkriege  erfolgt  sei,  scheine  unwahrscheinlich,  weil  damals 
bei  dem  Wiederaufbau  alles  zu  tumultuarisch  zugegangen  sei,  Wol 
aber  finde  man  früher  eine  Zeit  gewaltigen  Umschwungs  in  der  Zeit 
der  Tyrannis  ond  in  ihr  eine  geeignete  Veranlassung.  Die  Eupatriden 
wohnten,  wie  in  Korkyra,  um  die  Burg  und  den  Markt  zusammen, 
sie  betrachteten  die  dyoQcc  als  ihre  Domäne,  als  aber  der  öjjiioß,  von 
dem  Tyrannen  geleitet,  den  Besitz  der  Stadt  in  Anspruch  nahm,  da 
fand  sich  das  Bedürfnis  eines  neuen  Mittelpunktes.  Man  wählte  aber 
naturlich  zur  ayogä  nicht  willkürlich  einen  neuen  Raum,  sondern  die 
vorhandene  ayoQot  Ksgafiiav.  Für  diese  Verlegung  spreche  der  Geist 
der  Pisistratiden ,  welche  die  Stadt  zu  einer  ganz  neuen  durch  Ge- 
bäude und  Anordnungen  zu  machen  strebten.  Der  Altar  der  12  Gotter 
machte  die  neue  dyoqd  zu  einem  festlich-religiösen  Mittelpunkt  und 
verhinderte  die  spätere  Wieder umstoszung  der  getroffenen  Afaszregel. 
Die  alte  Stadtquelle  KdkXLqQori  ward  von  Pisistratus  mit  Säulen  ge- 
schmückt nnd  so  den  Göttern  dediciert;  dagegen  worden  die  Wasser- 
leitungen in  den  nördlichen^  Theil  verlegt  und  dadurch  die  Anpflan- 
zung von  Bäumen  auf  der  ayoga  ermöglicht.  Auf  diese  Weise  könne 
die  Streitfrage  entschieden  werden.  —  Prof.  Dr.  Forchhammer  aus 
Kiel  bemerkte,  da  er  in  seiner  Topographie  von  Athen  bewiesen  habe, 
dasz  die  ganze  Sache  wegen  der  doppelten  ayogä  auf  einem  Misver- 
atändnis  des  Meursius  beruhe,  sei  für  ihn  eine  Disputation  unmöglich| 
worauf  Curtius  erwiedert,  dasz  er  nur  habe  zeigen  wollen,  wie  die 
Streitfrage  entschieden  werden  könne. 

Endlich  trog  noch  Prof.  Graven hörst  aus  Hildesheim  seine  Ue- 
setzung  von  des  Aeschylos  Choephoren  vor. 

Der  Vorsitzende  schlosz  darauf  mit  dem  lebhaftesten  Danke  gegen 
die  in  Hamburg  dem  Vereine  gewordene  alle  Erwartungen  übertref- 
fende Aufnahme,  Eckstein  sprach  dem  Praesidium  und  dem  Secre- 
tariat  den  Dank  für  die  Leitung  und  Mühwaltung  aus. 

Von  der  Section  der  Orientalisten  können  wir  nur  die  Titel  der 
Vorträge  angeben:  1)  Vortrag  einer  von  Hofr.  Stickel  in  Jena  ver- 
faszten  Erläuterung  über  eine  Anzahl  seltener  orientalischer  von  Vice- 
Kanzler  Dr.  Blau  in  Constantinopel  eingesandter  Münzen,  2)  Dr. 
Wollheim  da  Fonseca:  über  zwei  indische  Schriftstücke,  3)  Dr. 
Geffcken:  Mittheilungen  den  Dekalog  betreffend,  4)  über  die  Rc- 
cension  des  Päntschatantra ,  5)  Prof.  Petermann:  Reisemittheilungen 
ans  Asien,  6)  Dr.  Brugsch:   Reisemittheilungen  aus  Afrika.^ 

Ueber  die  Verhandlungen  der  archaeologischen  Section  müssen  wir 
den  Druck  derselben  abwarten;  der  Bericht  über  die  der  paedagogi- 
schen  folgt  im  nächsten  Heft.  R-  Dietuch. 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 


Zeitschrift  für  das  Gymnasialioesen.   Herausgegeben  toti  J.  Mü- 
tzelL    9r  Jahrgang  1855.  38— 8s  Heft.  (Mära  —  August). 

Märzheft.     Hinke:    der  mathematische  Elementarunterricht  ^S. 
223—232:  aus  einer  Betrachtung  über  das  Wesen  der  Mathematik  wird 


56  Auszüge  aus  Zeilschriften. 

die  Begrenzung  des  Stoffes,  die  Vertheilong  nach  Stufen  und  Behand» 
lungsweise  hergeleitet.  Der  Vf.  wünscht  den  eigentlichen  mathemati- 
schen Unterricht  auf  die  drei  oheren  Klassen  beschrankt).  —  Pro- 
gramme der  Provinz  Posen  von  1854.  Von  Schweminski  (S.  233 — 236 : 
Schuliiachrichten  und  kurze  Inhaltsanseigen  yon  folgenden  Abhandlun- 
gen: Hoffmann:  descriptio  Chalcidicae  Thraciae.  P.  I.  Bromberg. 
Matern:  de  ratione  ea  qua  Cic.  in  or.  pr.  Mur.  habita  cum  Stoicos 
tum  M.  Catonem  tractavit.  Lissa.  Enger:  observationes  in  locos 
(luosdam  Agamemnonis  Aeschyl.  Ostrowo.  Tiesler:  über  die  Reden 
des  Thakydides.  Posen  Frdr.  W.  G.^  W^slewski:  de  rebus  Epi- 
dauriurum.  Posen  Marien -G.  Jakowicki:  obss.  in  6  prima  Hör.  Od. 
JH  carmina  arto  inter  se  vinculo  connexa.  Trzemeszno.  Primer:  ober 
die  Kiiiführong  der  beschreibenden  Geometrie  als  Unterrichtsgegen- 
standes in  die  Realschulen  und  Berücksichtigung  derselben  im  Gymn. 
Krotoschin.  Low:  neue  Beitrage  zur  Kenntnis  der  Dipteren  und 
Hahnrieder:  Anleitung  zum  lösen  planimetrischer  Aufgaben.  Mose- 
ritz).  —  A.  ▼.  Colin:  Lehrbuch  der  Religionswissenschaft  für  die 
oberen  Klassen  gelehrter  Schulen.  I  1  n.  2.  Angez.  Ton  Lehmann 
(S.  236 — 246:  das  Buch  wird  wegen  seines  für  die  Schuljugend  nicht 
passenden  wissenschaftlich  -  kritischen  Charakters  und  des  Toraussicht- 
lichen  Umfanges  als  Lehrbuch  für  Gymnasien  unbrauchbar  gefunden, 
dagegen  studierenden  der  Theologie  und  Religionslehrern  zur  Orien- 
tierung über  einzelne  Fragen  empfohlen).  —  Merschmann:  Leitfa- 
den zum  Unterrichte  in  der  preusziscben  Geschichte  und  Becker: 
brandenburgisch-preuszische  Geschichte.  2e  Aufl.  Angez.  v.  Schmidt 
in  Schweidnitz  (S.  247—252:  an  Nr.  l  wird  die  Ungenauigkeit  und 
Unrichtigkeit  vieler  Angaben  und  die  häufig  zu  MisTerstandnissen  Ver- 
anlassung gebende  Darstellung,  sowie  Zusammenfiigung  nicht  zusam- 
menhangender Thatsachen  gerügt,  Nr.  2  namentlich  in  seinem  letzten 
Tbeile  ganz  ungeeignet  für  Schulen  befunden).  —  Müller:  mittel- 
hochdeutsches Wörterbuch.  Angez.  Ton  Vo  Ick  mar  (8.  253  flg.:  freu- 
dig lobende  Begrüszung).  —  Hang:  die  Quellen  Plutarchs  in  den 
Lebensbeschreibungen  der  Griechen.  Angez.  ▼.  Lucas  (S.  254 — 265: 
eingehende  und  über  einzelnes,  namentlich  Stesimbrotus,  sich  auaführ- 
lich  verbreitende  Beurtheiiung ,  deren  Resultat  ist,  dasz  die  Sache 
durch  eigene  Forschungen  nicht  gefordert  und  das  Material  nicht  hin- 
länglich benützt  und  gesichtet  sei).  —  Nauck  in  Königsberg  in  d.  N. : 
Miscellen  (S.  266  f.  :  1.  non  dubito  mit  folg.  Acc.  c.  inf.  bedeutet: 
'ich  bin  überzeugt'  und  ist  von  ouin  verschieden.  2.  es  gebe  keinen 
genetivus  obiecti.  3.  instabilis  bei  Ovid.  Met.  I  16  heisze  'nicht  fest')- 
—  Protokoll  über  die  Verhandlungen  der  paedagogicshen  Section  in 
Altenburg  (S.  268—285).  —  Aus  Westfalen  (S.  286  f.i  Berichtigungen 
und  Ergänzungen  zu  Jahrg.  1854  S.  947).  —  Personalnotizen  (S.  287). 
Aprilheft.  Schmidt  in  Schweidnitz:  über  die  Tendenz  des 
geographischen  Unterrichts  in  Gymnasien  (S.  289  —  304:  es  werden 
Wunsche  für  die  Vorbildung  der  Lehrer  aufgestellt  und  das  historiache 
Klement,  der  Einflusz  der  äuszeni  Natur  auf  die  geschichtliche  Ent- 
wicklung, als  für  den  Unterricht  das  wichtigste  hervorgehoben).  — 
Bonn:  Grundzüge  einer  allgemeinern  Methode  znm  sprechen  und 
schreiben  aller  todten  und  lebenden  Sprachen.  Angez.  von  Wagner 
i8.  405—308:  gute  Meinung  und  einiges  richtige  werden  anerkannt, 
im  allgemeinen  aber  verwerfendes  Urtheil).  —  Schultz:  lateinische 
Sprachlehre.  2e  Ausgabe.  Angez.  von  dems.  (S.  308—314:  «ehr  lobende, 
auf  einzelne  Punkte  der  Syntax  eingehende  Benrtheilung).  —  Jacob: 
Horai  und  seine  Freunde.  Ang.  von  Wolff  (S.  3U-3I6:  viele  An- 
erkennung, aber  nicht  als  für  Schuler  geeigneter  Lectfire).  --  Corni- 
fici  rhetor.  «d  Herenn.  Iibri  Uli  rcc.  Kay »j er.     Angez.  von  Schütz 


AaszQge  ans  Zeitsohriften.  57 

(8.  316—390:  Aasfuhrlich  erörtert  der  Rec.  seine  Ansicht,  dasz  Cicero 
entschieden  für  den  Verfasser  nicht  zu  halten  sei,  die  Schrift  aach  mit 
einiger  Wahrscheinlichkeit  dem  Comificins  beigelegt  werden  könne, 
doch  dies  für  gewis  anzunehmen  gewagt  sei;  sodann  werden  über  die 
Texteskritik  an  einzelnen  Stellen  abweichende  Meinungen  vorgetragen). 

—  Kehrein:  Entwürfe  zu  dentschen  Aufsätzen.  Von  Schirrmac  her 
(8.  330 — 332:  das  Buch  sei  verdienstlich,  die  Einleitung  überflüssig 
und  unzweckmaszig).  —  Keys  er:  paedagogische  Studien.  Von  dems. 
(S.  332  f.:  empfehlende  Anzeige).  —  Berthelt  usw.:  deutsches  Pa- 
milienbach.  2e  Aufl.  Ang.  von  deras.  (S.  333:  freundliche  Aufnahme 
befürwortet).  —  Oltrogge:  deutsches  Lesebuch.  Neue  Auswahl.  T. 
Von  dems.  (S.  334  f.:  das  Buch  sei  mit  Sorgfalt  und  sicherem  Tacte 
gearbeitet).  —  Braubach:  stilistisches  Lern-,  Lehr-  und  Lesebuch. 
Von  dems.  (S.  335  f.:  Referat).  Heckmann:  deutsches  Sprach- 
und  Lesebuch.  Von  dems.  (S.  336  f.:  empfehlender  Bericht).  — 
Schmidt:  Elementarbuch  der  lateinischen  Sprache.  2e  Abth.  2e  Aufl. 
Von  Gottschick  (S.  337 — 340:  unter  einzelnen  Bemerkungen  sehr 
günstige  Beurtbeilung).  —  Latein.  Lesebuch  aus  Herodot.  2e  Aufl. 
Hildburghausen  1854.  Von  Hartmann  in  Sondershau^en  (S.  341:  im 
ganzen  belobt:  ein  VITörterverzeichnis  vermitszt).  —  Vosen:  kurze 
Anleitung  zum  erlernen  der  hebraeischen  Sprache.  2e  Aufl.  Von  W. 
H.  in  B.  (S.  342 — 344:  es  werden  viele  UnrichtiglTeiten  und  Unge- 
nauigkeiten,  namentlich  aber  die  enorme  Zahl  von  Druckfehlern  geta* 
delt).  —  Eicheiberg:  methodischer  Leitfaden  zum  gründlichen  Un- 
terricht in  der  Naturgeschichte.  3e  Aufl.  Ir  ThI.  Von  Langkavel 
(S.  344—347:  lobende,  einige  Berichtigungen  bringende  Beurtbeilung). 

—  Radelli:  praktische  franzosische  Grammatik.  2eAufl.  Von  Schu- 
bert (S.  347—349:  viel  Tadel).  —  Corinne:  Auszug.  4e  Aufl.  Von 
dems.  (S.  349--351:   unter  einzelnen  Bemerkungen  billigende  Anzeige). 

—  Aus  der  Schulstube.  I  (S.  351— 255:  um  die  Klasse  als  ein  ganzes  zu 
fassen,  wird  vorgeschlagen  wo  es  der  Sache  angemessen  ist  im  Chore 
agieren  zu  lassen,  namentlich  bei  den  Sprachen).  —  Haus  er:  Ent- 
gegnung auf  Naucks  Anzeige  seiner  Elementa  in  diesen  Jhrbb.  LXXII 
2s  Heft  (S.  356 — 360)  ♦).  —  Mittheilungen  aus  Württemberg  über  den 
dermaligen  Stand  des  gelehrten  Schulwesens  daselbst  (S.  361 — 367 :  sehr 
interessant  und  erfreulich).  —  Personalnotizen  (S.  368). 

Maiheft.  Wendt:  zum  deutschen  Unterricht  (S.  369  —  382:  als 
Aufgabe  wird  bezeichnet:  den  Schüler  dahin  zu  fähren,  deutsche  Clas- 
siker,  deren  Leetüre  seinem  Bildungsstandpunkte  entspricht,  mit  Ver- 
ständnis kennen,  zu  lernen  und  die  deutsche  Sprache  mündlich  und 
schriftlich  nicht  nur  correct,  sondern  auch  mit  Geschmack  gebrauchen 
zu  können«  Indem  in  Folge  davon  das  wissenschaftliche  System  deut- 
scher Grammatik,  die  zusammenhangende  Litteraturgeschichtskenntnis, 
die  Einführung  in  die  Philosophie  und  die  Rücksicht  auf  das  prak- 
tische Leben  ausgeschlossen  werden,  erhalten  Lectnre  und  die  mündliche 
schriftliche  Uebung,  neben  denen  in  den  unteren  Klassen  nur  eine 
kurze  Elementarsyntax,  die  Hnuptlehren  vom  Satze,  für  nothwendig 
erklärt  werden,  das  Hauptgewicht.  Die  Leetüre  wird  auf  die  besten 
und  trefflichsten  Schriftsteller  beschränkt,  Leetüre  einiger  mittelhoch- 
deutscher Dichtungen  zugelassen  und  die  Interpretation  als  Einführung 
in  den  Zusammenhang  und  Verdeutlichung  der  Anschauung  gefordert, 
für   die  schriftlichen  Arbeiten  aber  die  Resultale  des  Unterrichts   anf 

***)  Um  nicht  den  Schein  zu  lassen,  als  hätten  wir  Parteilichkeit 
geübt,  bemerken  wir,  dasz  sich  Hr.  Hauser  an  uns  um  Aufnahme  der 
Entgegnung  gar  nicht  gewandt  hat. 


M  AiMSüge  aui  ZeiUchriflen. 

«len  •ioteIii«n  Stufen  als  Gebiet  aufgestellt).  —  Giesebrecht:  Ge- 
schichte der  deutschen  Kaiserzeit.  Ir  Bd.  le  Abth.  Von  Poss  in  Ber- 
lin (8.  3S2  —390:  sehr  bedeutendes  Lob;  nur  die  Darstellung  der  Rd- 
merkriege  und  der  Kampfe  Karls  des  Gr.  wird  schwächer  befunden 
und  gegen  die  Auffassung  Ludwigs  des  Frommen  einiges  Bedenken  er- 
hoben).—  Klopp:  deutsche  Geschichtsbibliothek.  Von  Hol  scher 
(S.  391  —  49i:  lobende  Anzeige,  doch  wird  Vorsicht  in  der  Auswahl 
des  Stoffes  empfohlen).  —  Kehrein:  onomatisches  Wörterbuch.  Von 
Z ei  sing  (S,  396 — 398:  im  ganzen  recht  lobend.  Unter  allgemeinen 
Bemerkungen  über  den  deutschen  Sprachunterricht  vertheidigt  Ref. 
seine  eigne  Grammatik).  —  Ovids  Metamurphoücn.  Erkl.  v.  Haupt. 
Ir  Bd.  Von  Kindscher  (S.  398 — 402:  höchst  anerkennend.  Kritisch 
behandelt  werden  VII  55,  III  474,  VI  197).  —  Ovidii  Metamorphoses. 
Auswahl  von  Siebeiis.  Von  dems.  (S.  402  —  407:  sehr  belobende 
Anzeige.     Am  Schlüsse  vertheidigt  Ref.  die  Schulausgaben  überhaupt 

fegen  verwerfende  Urtheile).  —  Seyffert:  scholae  latinae.  Ir  Theil. 
'on  Kuhnast  (S.  408  —  415:  dem  reichen  Lobe  des  Buches  werden 
doch  Bedenken  über  seine  praktische  Brauchbarkeit  in  der  Schule  bei- 
gefügt). —  Mushacke:  preuszischer  Schnlkalender.  4r  Jahrg.  Von 
Mützell  (S.  415:  Lob  und  zwei  Wünsche).  —  Hartmann:  Probe 
einer  beabsichtigten  neuen  Ausgabe  von  Arrians  Anabasis.  Von  dems. 
(S.  415  i»'-  anerkennend).  —  Schmidt  in  Oels:  Lesefruchte  (S.  417 
—  422:  kritische  Bemerkungen  zu  Lucret.  I  277,  Veliej.  I  18  3,  II  88 
2,  T  96,  Ov.  Met.  X  596,  VII  687,  741,  VIR  16  [Trist.  III  4  27],  800 
rClaudian.  Stilich.  III  41],  VII  809,  V  573,  Petron.  Sat.  p.  75  32, 
Claudian.  in  Eutrop.  I  366,  Stilich.  II  368  348,  Manil.  astron.  II  191, 
II  8).  —  Schmidt  in  Neisze:   über  den  lat.  Imperativ  (S.  422 — 425: 

Segen  Grysar  In  der  Ztschr.  f.  d.  ö.  G.  V  7  wird  dargelegt,  dasx 
ie  Form  to,  ei\tsprechend  den  Verbis  auf  itarc^  eine  fortgesetzte  und 
wiederholte  Handlung  bedeute).  —  Rührmund:  zu  Hör.  carm.  I  28 
(S.  425  —  427:  die  ganze  Ode  wird  dem  Schatten  eines  noch  unbegra- 
benen  in  den  Mund  gelegt). —  Vermischte  Nachrichten  (S.  427 — 431: 
aus  Bistritz,  Hessen,  Berlin,  Holstein,  Hannover,  der  Rheinprovinz  und 
Mühlhausen).  —  Personalnotizen  (S.  341  f.). 

Jnniheft.  Schmidt  in  Wittenberg:  aus  der  Schulpraxis  (8. 
433  —  440:  als  Muster  für  die  Interpretation  wird  der  Inhalt  von  Pia- 
tons Kriton  gegeben).  —  Lehmann:  Programme  der  pommerschen 
Gymnasien  von  1854  (S.  441 — 464:  Anzeigen  folgender  Abhandlungen: 
Schütz:  de  Patrocleae  compositione.  Anclam.  Riemann:  de  bellor. 
inter  Henricum  IV  et  Saxones  gestorum  causis  et  originc.  GreifTenberg. 
Hiecke:  Vorbemerkungen  zu  einer  Parallelsyntax  der  Casus  im  Deut- 
schen, Griechischen  und  Lateinischen.  Greifswald.  Schmidt:  ge- 
schichtliche Uebersicht  über  die  Schulanstalten  Stargards.  Stargard« 
Grub  er:  de  locis  quibusdam  ad  institutionem  gramm.  pertinentibus. 
Stralsund.  Dann  sehr  ausführliche,  namentlich  tabellarische  Schul- 
nachrichten). —  Roszbach  und  Westphal:  griechische  Metrik. 
Ir  Bd.  Von  Monk  (S.  465—474:  ausführliches,  die  Verdienste  des 
Verf.  um  die  Rhythmik  darlegendes,  den  Wunsch  nach  baldiger  VoUen- 
endung  begründendes  Referat).  —  Etienne:  Versuch  eines  Cursns  der 
Mathematik.  Von  Rühle  (S.  474:  auch  die  letzten  Curse  greifen  über 
das  Gymnasialgebiet  weit  hinaus).  —  Grosz:  neuer  geogr.  Schulat- 
las. 2e.  Aufl.  Von  Schmidt  In  Erlangen  (S.  475  —  477:  unter  Mit- 
theilung einiger  Berichtigungen  sehr  anerkennende  Anzeige).  —  Braun- 
hard:  Handbuch  der  französischen  Sprache  und  Litteratur.  3e  und 
4e  Lief.  Von  Schubert  (S.  478 — 480:  trotzdem  dasz  manche  Mängel 
gerügt  werden,  doch  im  ganzen  keineswegs  verwerfend).  —  Peucker: 
liistoire  de  la  litteralurc»  franvaise.     Von  dems.    (S.  480  f. :   im    oinzel- 


Attsxage  aus  Zeitoohhlleii.  50 

nen  seien  manche  Irthamer  und  Tnconseqnenzeii ,  das  Masz  im  ganzen 
nicht  richtig  bemessen,  Nutzen  für  die  oehnle  nicht  za  erwarten).  — 
Hansdörffer:  Aphorismen  über  Gymnasialbildang.  Von  Ti  scher 
(8.  483—484:   empfehlendes  Referat).  —   Verordnungen  (8.  486—491). 

—  Aus  der  Schulstube.  II  (8,  492—494:  das  Franzosische  ist  auf  dem 
Gymnasium  beizubehalten ,  Kann  in  zwei  .Stunden  ausreichend  gelehrt 
werden,  aber  Lecture  ist  die  Hauptsache  und  in  den  obersten  Klassen 
find  beim  Abiturientenexamen  das  Exercitium  zo  beseitigen).  — > 
Funicbänel:  zu  Demosthenes  Aristocratea  (S.  495  f.:  kritisch-exege- 
tische Behandlung  von  $  76,  142  und  173).  —  Aus  Hannover  (S.  497 
bis  500:  Abdruck  eines  Artikels  aus  der  hannoverschen  Zeitung,  den 
Nachtheil  des  Corpslebens   auf  der  Universität  Gottingen   betreifeud). 

—  Aus  Altenbnrg  (S.  500 — 507:  Commissionsbericht  des  Landtags  über 
einen  der  Universität  Jena  zu  gewährenden  Zuschusz).  —  Auszüge  aus 
den  Protokollen  des  Gymnasiallehrervereins  in  Berlin.  Von  Langka- 
vcl  (S.  507—511).  —  Personalnotizen  (S.  511  f.). 

Juli-  und  Augustheft.  Gobel:  das  Meer  in  den  homerischen 
Dichtungen  (8.  513 — 545:  ausfuhrliche  Nachweisungen  über  den  Ge- 
branch der  Namen  und  Epitheta).  —  Hoff  mann  in  Neisze:  Programme 
der  katholischen  Gymnasien  Schlesiens  von  1854  (S.  546—548:  die 
Abhandlungen  sind  Pohl:  comm.  de  digammate  Homericis  carminibus 
restituendo  p.  I.  Breslau.  Schober:  die  Welt  als  Erziehungsanstalt. 
Glatz.  Heimbrod:  de  Atheniensium  jsacerdotibus.  Gleiwitz.  Emm- 
rich:  de  nomine  et  origine  sectae  Pbarisaeorum.  Glogau.  Troska: 
fiber  den  Ausdruck  des  AfTects  in  den  metrischen  Rhythmen  der  Grie- 
chen nnd  Romer.  Leobschutz.  Schmidt:  de  pra^positionum  tmesi 
apnd  Homerum.  Neisze.  Bauer:  das  Alexanderlied  des  12n  Jahrhun- 
derts. Ebend.  Stinner:  de  eo  quo  Cicero  in  epistolis  usus  est  ser- 
mone  p.  If.  Oppeln.  Kays  er:  ae  versibus  aliquot  Hom.  Od.  diss. 
crit.  oagan).  --  Regeln  und  Wörterverzeichnis  für  deutsche  Recht- 
schreibung. Clausthal.  Von  Stier  (8.  549 — 564:  sehr  eingehende  und 
ansfnhrii<me  Benrtheilnng).  —  E.  W.  Heffter:  der  Christ  nnd  sein 
Konig.  Schulrede.  Von  A.  W.  H.  in  B.  (8.  564:  gelobt).  —  1)  Hora- 
tins  Satiren.  Von  Kirchner  IrThl.  2)  —  denuo  recogn.  et  prae- 
fatus  est  A.  Meineke.  3)  —  ed.  Stalibaum.  Von  Siipfle  (S. 
565  —  572:  Nr.  1  wird  unter  Mittheiinng  einiger  Punkte,  an  denen 
Anstosz  zu  nehmen,  sehr  gelobt.  Bei  2  und  3  wird  auch  Nanckt 
Ausgabe  der  Oden  beigezogen  und  als  ein  gut  angelegtes  Schulbuch 
anerkannt.  Einzelne  Stellen  werden  meist  zustimmend  besprochen,  für 
Stallbaums  Einleitung  gröszere  Kürze  nnd  Praecision  gewünscht).  — 
1)  Demosthenes  Reden.  Erkl.  von  Westermann.  3s  Bdch.  ^)  8c bo- 
nin g:  über  die  Olynthischen  Reden  des  Demostbenfs.  .3»  Vomel:  £ 
codicis  Demosthenis  conditio  describitnr.  Von  Ridiger  (H.hl't — 677: 
Zu  Nr.  1  werden  einige  Bemerkungen  in  kritischer  ond  ^%»i^*:U^U*gr 
Hinsicht  gemacht ;  bei  Nr.  2  der  Scharfsinn  und  G«4cbM«f.k  «»^rt^nNt^ 
aber  die  Auffassung  nicht  angenommen,  anf  Nr,  3  aU  «^r  ^UX\tti  *«f* 
merksam  gemacht).  —  Grotefend:  Mzim^Vi^n  znm  «Wf«^z^«  *t(» 
dem  Deutschen  ins  Latein,  für  mittlere  Kla«*^n.  'i^,  Kn*%.  ▼.  €i*^,ii*:f%. 
Von  Hartmann  (8.578:  empfohlen;.  —  Schultz-  kW^nßc  Ut^»i»<^ 
Sprachlehre,  2e  Ausg.  and  dess.  Uebang^bocb  xmr  W^Wtk^.in^m  Hpf*^M' 
lehre.  Von  Wagner  (8.  579— .V!l:  dvt  ertt^ar*  Bv.J.  mif^  ^nUet  B^ 
richtigung  einiger  S^ien  gelobt,  wm  «•-rhe»  ^:«;;r*  trv«»«^.*!*  I*'  ^' 
bohun«!  des  praktischen  Werth*  »•ff-j»-t>il'. .,  --  ^*titz  ^'^^^^^ 
elementaren  Stereometrie  «od  Ast  «**r«t^ >*/?*«  r;»^tM4rM:  V#*  H«  ^^ 
(8.  581  f.:  es  wird  mandief  z^U  »j«»*****'.  '''*'**ij">^  *.» 
I^hre  von  den  Linttm^M'^^sm  m  <^  Krt^**^.  ^**  **^'*#^ric**  ff»- 
die  Verkehrtheit    in  d*^r  V*fi-v^»^.^x^r   -W  m>  vt'*^ '*^*' 


60  AasiOge  aus  Zeitoohriflen. 

bübrend  gerügt).  —  Matauscheck:  Lehrbuch  der  Geometrie.  Is  Buch. 
Von  dems.  (8.  583  f.:  ^tbalte  Tiel  wunderbares  und  komisches).  — 
Stacke:  Erzählungen  aus  der  neuen  Geschichte  in  biographischer 
Form.  Von  Hölscher  (S.  585  f.:  bei  einigen  Ausstellungen  gelobt). — 
Geographische  Lehrbücher.  Voa  Campe  (8.  586—590:  nach  Aufstel- 
lung der  allgemeinen  Grundsätze  wird  die  Bearbeitung  des  Seydlitz- 
sehen  Leitfadens  Ton  Gleim  weniger  als  Leitfaden  fär  den  Unterricht, 
als  zum  eignen  Studium  der  Schüler  empfohlen,  an  der  zweiten  Aufl. 
von  Bade's  Leitfaden  die  Zerreiszung  und  Häufung  des  Stoffs,  sowie 
manches  nicht  wissenschaftliche  in  der  Behandlung  getadelt,  dagegen 
das  Lehrbuch  der  vergleichenden  Erdbeschreibung  von  Putz  als  in 
vieler  Hinsicht  meisterhaft  empfohlen).  —  Xenophons  Anabasis.  Erkl. 
von  He  rtlein.  2e  Aufl.  von  Hartmann  (S.  590  f.:  anerkennend). — 
Högg:  Satzlehre  der  lateinischen  Sprache  nebst  Metrik  von  Vogel- 
mann. Von  Wagner  (S.  591 — 594:  bei  Anerkennung  vieles  ver- 
dienstlichen wird  doch  aus  der  Methode  und  der  Anordnung  des  Stoffs 
die  Befürchtung  gezogen,  das  Buch  werde  nicht  weite  Verbreitung  fin- 
den« Einzelne  Bemerkangen).  —  Thiel:  Hulfsbuch  für  den  Unter- 
richt in  der  Naturgeschichte.  2e  Aufl.  Teil  kämpf:  physikalische 
Studien.  Wagner:  Pflanzenkunde  für  Schulen.  Von  Wunschmann 
(S.  594  f.:  ganz  kurze  Angaben  über  Inhalt  und  Tendenz).  —  Men- 
zel: Handbuch  der  neueren  französischen  Sprache  und  Litteratur.  4e 
Aufl.  Von  Schubert  (S.  595—597:  die  Veränderungen  werden  als 
Verbesserungen  anerkannt,  einige  Wünsche  ausgesprochen).  —  Schirm: 
Anleitung  zum  praktischen  erlernen  der  franzosischen  Sprache.  Von 
dems.  (S.  597  f.:  abgesehen  von  einigen  Mängeln  den  Freunden  der 
Seidenstnckerschen  Methode  empfohlen).  —  Verordnung  des  Oberschui- 
collegium  von  Hannover  in  Betreff  der  Orthographie  (S.  599 — 601).  — 
Rührmund:  zu  Horaz  (S.  602 — 609:  Erläuterung  des  Inhalts  und 
Zusammenhangs  von  Od.  I  1.  Vertheidigung  der  üblichen  Interpunction 
Sat.  I  9  26.  Ueber  die  Veranlassung  und  den  Gedankengang  von  Od. 
III  26  u.  27).  —  Schade:  über  botanischen  Unterricht  auf  Gymna- 
sien (S.  609—612:  der  Unterricht  sei  in  den  unteren  Klassen  der  Gym- 
nasien etwas  durchaus  nutz-  und  zweckloses,  dagegen  in  Obertertia 
in  12 — 16  Stunden  eine  Anleitung  zum  Selbststudium  zu  geben  und  in 
den  oberen  Klassen  denen,  die  sie  zum  künftigen  Berufe  gebrauchen, 
wie  im  Hebraeischen  den  Theologen,  facultativer  Unterricht  zu  erthei- 
len).  —  Teipel:  über  die  Ausdrucksweise,  nach  der  man  statt  eines 
neeativen  Ausdrucks  einen  positiven,  statt  eines  mehr  passiven  einen 
mehr  activen  setzt  (S.  613-  615:  zahlreiche  Stellen  werden  angeführt 
und  erläutert).  —  Ders.:  über  die  Allitteration  in  lateinischen  Sprüch- 
wörtern  (S.  616—621:  nach  zahlreichen  Anführtangen  aus  anderen 
Sprachen  werden  eine  Anzahl  lateinischer  Sprüchworter  und  dann  den- 
selben ähnlicher  Sprüche  vorgeführt).  —  Breitenbach:  noch  ein 
Wort  über  Nepos  -  Leetüre  (S.  622  —  625:  Vertheidigung  der  in  der 
Zeitschrift  1851  S.  651  —  659  gegebenen  Bemerkunffen  gegen  Siebeiis' 
Aeuszerungen  in  der  Vorrede  zur  2n  Ausgabe  des  Nepos).  —  Hoff- 
mann: zu  Epicharmus  und  Xenophons  Hellen.  (S.  625  f.:  Epicharm. 
bei  Cic.  Tusc.  I  8  und  Sext.  Emp.  adv.  math.  I  18  wird  vorgeschla- 
gen: dnod-avsCv  fihv  xsd-vdvcci  Ö*  ov  {loi  iiiXBi,  bei  Xen.  Hell.  I  26  21: 
Tcov  S*  i(poQfiovvt(ov  (»ff  snaazoi  rjvvov).  —  Steudener:  zu  Orph. 
Fragm.  XIX  5  ff.  (S.  626  f.:  die  drei  letzten  Verse  werden  auf  das 
Symbol  des  Rades  bezogen  und^  bei  Dionys.  Thräc.  [Clem.  V  p.  672] 
geschrieben  :    xcrl  xo  xoSv  ^ceXlmv  xdSv  Sidofiivatv  xoCg  7CQoa%vvovct ' 

qpijol  yaQ oaaa  ii^firjXsv  —  laov  tTiaaxog ,    oi  d^aXXol  d'  ^dij 

■xtA.).    —  Kühnast:  Misrelie  (S.  6*27  f.:  wegen    angegriffener  Beur- 
thcilungen  von  Abiturientenarbeltcn).  —  Schweminski:  statistische 


Beriehtc  aber  gelehrte  Anstalten,  YerordBungen,  Statist.  Notizen.    61 

Notizen  aber  das  Verhältnis  der  prenMEiscben  Gymnasien  cu  der  Ein- 
i/vobnerzahi  in  confessioneller  Hinsicht  (S.  629—635:  es  kamen  zu  we- 
nige Gymnasien  auf  die  Katholiken  und  werde  nicht  nach  der  Propor- 
tion von  5  :  2  auf  dieselben  Tom  Staate  verwendet,  da  far  die  evan- 
gelischen  184516,  für  die  katholischen  nar  47342  Thir.  aasgegeben 
würden).  —  Kaweraa:  in  Sachen  des  Schalturnens  (8.635  —  639: 
auf  die  neuen  Jahrbächer  für  Turnkunst  nnd  die  weibliche  Tarnkunst 
von  Klosz  wird  aufmerksam  gemacht).  —  Personalnotizen  (S.  640). 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten ,  Verordnungen ,  statistische 
Notizen,  Anzeigen  von  Programmen. 


Baden].     Ueber  die  Frequenz  der  höheren   Schulen  des  Grosher- 
zogthams  im  Schulj.  1854—55  geben  wir  folgende  Tabelle: 

A.  Lyceen.  Yorbereitungssch. 

jVi*fVP>fv*|v»»irv'[rv^j  in  iii|  i  frfrinj  i\  sa- 


SSSSSTT 

^5 

ir\ 

■20 

30 

4ti 

60 

70*) 

70  77 

Tai 

m 

75 

637 

ÜdBataas  . . . 

26 

m 

!fi 

14 

32 

3^ 

25 

29 

16 

™ 

— 

— 

222 

FreibuTg  , .  / 

43 

m 

34 

38 

40 

40 

41 

43 

46 

— 

— 

— 

351 

Heidelberg . , 

•23 

22 

15 

J8 

31 

31 

ä9 

50 

32 

• — 

— 

— 

281 

Mannheim. . . 

26 

28 

30 

23 

31 

23 

35 

39 

45 

. — 

— 

— 

28U 

Raatatt 

J7 

13 

n 

6 

14 

25 

34 

27 

m 

^ 

— 

— 

J88 

Wertheim  .  ,  - 

10 

7 

5 

5 

8 

J8 

24 

30 

27 

— ■ 

— ' 

■ 

134 

Gesamtsomme  2293 
B.  Gymnasien. 


Bruchsal 

Dunaoeschmgen  . . . . . 

Offetibufg^  >../...... 

Tauberbifichofsheim  * . 
Lahr:  Gymnaiium  .,. 

hob.  BurgersL-h. 


13 

10 

12 

25 

[5J 

46 

35 

10 

g 

12 

20 

18 

U 

16 

5 

15 

12 

31 

33 

39 

29 

31 

25 

28 

22 

20 

23 

27 

4 

11 

6 

16 

9 
15 

27 

18 

11 

Vorsch- 1 

U 

2      1 

197 

96 
164 

166 


m 


Gesamtsomme  752 


C.  Paedagogien  and  höhere  Burgerschalen. 


llurtach  . 

Lörrach  , 
Pforzheim 


IV* 


G.  I  B. 


Gesaratflomme  346 


*)  In  zwei  Parailel-Cotus  zu  36  und  34. 


62  Bericlilo  über  gelehrte  Anslalten,  Verordnungen,  staiisl.  Notisen. 


Jiaden 

Cuii8tane 

Emmendingeu . 
Kppingen  . . . . 
Kttenheim. . . . 
Kttlingen  . . . . 

Frei  bürg 

Heidelberg  . . . 
Mannheim  . . . . 

Mosbach 

Mollheim 

«Srhopfheim. . . 
Sinsheim  ..... 
Ueberlingen  . . 
Viliingen 


D.   HShere 

Bargerschalen. 

|VI 

V 

IV  1  111 

1  n 

t    I    1 



6 

10 

22 

30 

33 



— 

490 

42 

49 

— 



— 

8 

14 

19 

11 



— 

— 

22«) 

19 

17 



8 

14 

48 

55 

38 





2 

6 

15 

17 



21 

25 

40 

29 



6 

J9 

'66 

34 

56 

58 

9 

24 

49 

57 

64 

44 



5 

11 

15 

13 

19 



8 

7 

16 

23 

15 





3 

10 

9 

21 

— 

13 

6 

23 

23 

18 



— 

13 

10 

3 

4 

— 

— 

5 

6 

15 

21 

8a. 

lol 

140 

52 

58 

163 

40 

115 

225 

247 

63 

69 

43 

83 

30 

47 


Gesamtsumme  1456 


MainzJ.     Aus   dem   Lehrcrpersonal   des  dasigen  groszberzoglichen 
Gymnasiums    [s.   Bd.   LXX   S.    349]   schied    während    des   Schuljahrs 
1854 — 55  der  Gymnasiallehrer  J oh.  Fried r.  Schilling,  unter  ehren- 
voller Anerkennung  in  Ruhestand  versetzt.     Dasselbe  bestand  aus  dem 
Dir.  Dr.  Grieser,  den  Religionalehrern  Ruier,  Nonweiier  u.  Dr. 
Cabn,   den  ordentl.  Lehrern  Dr.  Alb  recht,   Dr.  Becker,  Gredy, 
Dr.  Hennes,  Dr.  Keller,  Dr.  Killian,   Klein,  Lindenschmit, 
Dr.  Munier,  Scholler,  Dr.  Vogel,  den  auszerordentlichen  Lehrern 
Kiefer,  Simon,  Dr.  Buch  ner,  Dr.  Noir^,  Dr.  Hattemer  [Lehr- 
amtscandidat,   als  Repetitor  neu  angestellt],    Hom,   Vey,   Werner, 
den  Accessisten  Dr.  Stigell    und  Reis,   dem  Conservator  des  physi- 
kalischen Cabinets  Urmetzer.    Die  Schulerzahl   betrug   am  Schlüsse 
des  Schuljahrs  305  [I:  19,    II:  22,  III:  29,    IV:  26,  V:  39,    VI:  36, 
VII*:  34,  Vllb:  33,  VIII«:  35,  VlII":  32],  Abiturienten  Mich.  1854  14, 
Ostern  1855  4.     Die  dem  Programme  vorausgestellte  Abhandlung   des 
Gymnasiallehrers  Frdr.  Scholler:    C.  Julii  Cacaaris   viia   et  Obser- 
vation es  criticac  in  aliquot  loea  libri   VII  comm.   d.   b.  O,  (16  S.  4) 
enthält  zuerst  eine  für  die  Schäler  in  eben  so  leichtem,  wie  gefalligem 
Latein  geschriebene  Biographie  des  Caesar,   die  sich  zweckmSszig  auf 
richtige  Darstellung  des    factischen   beschränkt,    tieferes  Urtheil   und 
pragmatische  Verbindung  bei  Seite  setzt.    Daran  schlieszt  sich  eine  zu 
gleichem   Zwecke  und  in  gleicher  Weise  gearbeitete   Uebersicht  über 
den  Inhalt  des  7n  Buchs  d.  b.  G.    Sollte  vielleicht  der  Kinwand  erhoben 
werden,   dasz    den  Schülern,   mit   welchen   gewöhnlich  Caesar  gelesen 
werde,  noch  keine  solche  Kenntnis  zugetraut  werden  könne,   dasz  man 
ihnen  derartiges  lateinisch  beschrieben  vorlegen  dürfe,  so  würden  wir 
in  Betreff  der  Biographie  leichter  beistimmen,  obgleich  sie  so  geschrie- 
ben  ist,    dasz   sie    ein  guter  Tertianer  ohne  Schwierigkeit  verstehen 
kann,  und  man  doch  aucn  die  Benützung  durch  Schüler  oberer  Klasaen 
voraussetzen  darf,  in  Betreff  des  zweiten  Theils  aber  halten  wir  gera- 
dezu es  für  höchst  zweckmäszig   und  sogar  nothwendig,  dasz  mit  den 
Schülern  der  Inhalt  eines  gelesenen  Buches  lateinisch  wiederholt  werde, 
weil  man  nur  so  zu  der  als  Ziel  jetzt  allseitig  anerkannten  Fertigkeit 
zeitig  hinarbeiten   kann.      Am   Schlüsse  theilt  der  Hr.  Verf.   kritische 
Bemerkungen  zu  drei  Stellen  des  VII.  B.  mit.     Wenn  er  c.  II  die  von 


1)  In  2  Abtheilungen.    2)  In  2  Abtheilungen. 


Personalnsehricirten.  M 

Oberlin  angenommene  Tnterpnnetion :  ut  quam  prhnum  Her  facerct  O^- 
nabum  Carnutum,  proßscitur  gegen  die  neueren  Herausgeber  in  Schutz 
nimmt,  so  vermögen  wir  nicht  beizustimmen.  Denn  lag  auch  Genabuni 
nicht  auf  dem  kürzesten  Wege,  ho  niuste  doch  Caesar  diesen  Punkt  be- 
setzen, um  sich  den  freien  Eintritt  auf  das  Kriegstheater  zu  erofiTneii 
(vgl.  Rustow  Heerwesen  und  Kriegführung  Caesars  S.  171),  demnach 
gehört  der  Aufbruch  nach  Genabum  zu  dem  am  £nde  des  vorhergehen- 
den Capitels  als  bezweckt  bezeichneten  Marsches,  während  man  sich 
wundern  müste,  mit  einem  male  von  einem  neuen  Marsche  als  inten 
diert  zu  lesen.  Eben  so  wenig  vermögen  wir  beizustimmen,  wenn  c.  55 
die  handschriftlichen  Worte:  aut  adduetos  inopia  ex -provineia  exclu- 
dere  für  ein  Glossem  erklärt  werden,  da  die  Worte  c.  59:  Galli  — 
eoactutn  in  proüineiam  contendisse  keinen  Zweifel  über  die  Absichten 
der  Haeduer  lassen  und  demnach  die  Echtheit  von  aut  adductos  in- 
opia, demnach  auch  die  Emendation  des  übrigen  evident  ist.  Warum 
man  nicht  expellere  in  provineiam  sagen  könne,  sehen  wir  nicht  ein. 
Dagegen  halten  wir  c.  74  die  Conjectur  equitatu$  diseessu  für  sehr 
beachtenswerth.  R.  D. 


Personaln  achrichten. 

Angestellt,  ernannt  oder  versetzt: 

Andrea,  Otto,  Schulamtsc,  als  ordentl.  Lehrer  am  Gymnasium  zu 
Gütersloh  angest. 

de  Bary,  Dr.  Ant.,  Privatdocent  in  Tübingen,  zum  ao.  Prof.  der 
Botanik  und  Dir.  des  botanischen  Gartens  an  der  Univ.  Freibnrg 
ernannt. 

Baudis,  Jos.,  Gymnasiall.  zn  Görz,  an  das  Gymn.  zu  Jicin  vers. 

Buchbinder,  Mathem.  am  Gymn.  zn  Merseburg,  zum  Prof.  an  der 
Landesschule  Pforta  ernannt. 

Dantz,  E.  H.  J.,  Collaborator  an  der  latein.  Hanptschule  zu  Halle, 
als  ord.  Lehrer  an  der  Realschule  zu  Siegen  angest. 

Dom  in  kusch,  Job.,  Supplent  am  Gymnasium  zu  Ofen,  zum  wirki. 
Lehrer  am  Gymn.  zu  Essegg  ernannt. 

Dvofäk,  Leop.,  Supplent,  zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Jicin  ern. 

Eiseie,  Karl,  Lehrer  zn  Freibnrg  im  Breisgau,  als  wirkl,  Lehrer 
an  das  Gymn.  zu  Ofen  berufen. 

Föringer,  H.,  Custos  an  der  k.  Hof-  und  Staatsbibliothek  zu  Mün- 
chen, zum  Bibliothekar  befördert. 

Hau I er,  Dr.  Job.,  Lehrer  zu  Freibnrg  im  Breisgan,  ala  wirkl.  Leh- 
rer an  das  Gymn.  zn  Ofen  berufen. 

Kanz,  Alois,  Supplent  am  Gymn.  zu  Capodistria,  als  wirkl.  Lehrer 
an  das  Gymn.  zu  Warasdin  versetzt.  ^^^ 

Krob,   Laur.,   Supplent  am  Gymn.  zn  Jicin,  desgl. 

Lazar,    Matth.,   Supplent  am  Gymn.  zu  Marburg,  desgl. 

Lcgischa,  Anton,  Suppl.  am  Gymn.  zu  Triest,  als  wirkl.  Lehrer 
an  das  Gymn.  zu  Finme  versetct. 

Lorenz,  Dr.  Jos.,  Gymnasiallehrer  zn  Salzbarg,  desgl. 

Ma tscheg,  Abb.  Ant.,  Suppl.  am  Staatsgymn.  zn  S.  Procolo  in  Ve- 
nedig, zum  wirkl.  Lehrer  am  Lycealgymn.  S.  Caterina  daselbst  ern. 

Meckbach,  Schulamtsc,  als  ord.  Lehrer  an  Gymn.  zu  Tilsit  angest. 

Palmarin,  Suppl.  am  Gymn.  zn  Sambor,  zum  wirkl.  Lehr,  befördert. 

Randi,  Dr.  Giac,  Suppl.  am  Lycealgymn.  eu  Padaa,  «um  wirkL 
Lehrer  befördert.  * 

Reichel,  Dr.  Karl,  Gymnasiallehr,  zu  Laibach,  an  das  kk.  akadem. 
Gymn.  zu  Wien  versetzt. 


64  Personaloachrichtcn. 

Reiff»  Dr.,  ao.  Prof.  in  der  philos.  Fac.  der  Univ.  zu  TiibingeD,  ZQm 
ord.  Prof.  ernannt. 

Schlegel,  Joh. ,  Gymnasiallehrer  in  Ofifenburg,  an  das  Gymn.  sa 
Preszburg  versetzt. 

Smolej,  Jacob,    Gymnasiallehrer  in  Troppau,  desgl. 

Spitaler,  Franz,  SuppL  am  Gymn.  zu  Agram,  zum  wirkl.  Lehrer 
am  Gymn.  zu  Fiume  ernannt. 

Terdina,   Joh.,  Snppl.  am  Gymn.  zu   Warasdin,  desgl. 

Vi  1  mar  Dr.  F.  Aug.,  Consistorialrath  zu  Kassel,  zum  ordentl.  Prof. 
der  Theologie  an  der  Universität  zu  Marburg  ernannt. 

Walz,  Mich.,  Lehrer  zu  Buchen,  als  wirkl.  Lehrer  an  das  Gymn. 
zu  Kaschau  berufen. 

Weisz,  Dr.,  Schulamtscand.,  als  Civilinsp.  an  der  Ritterakademie  zu 
Liegnitz  angestellt. 

Willkomm,  Dr.  Mor.,  ao.  Prof.  za  Leipzig,  als  Prof.  der  organi- 
schen Naturgeschichte  an  die  Forstakademie  und  landwirthschaftl. 
Lehranstalt  zu  Tharandt .  versetzt. 

Zepic,   Sebast. ,  Suppl.  am  Gymn.    zu  Warasdin,  als  wirkl.  Lehrer 
an  das  Gymnasium  zu  Essegg  versetzt. 
Praediciert: 

Schirrmacher,  Dr.,  Lehrer  an  der  Ritterakademie  zu  Liegnitz,  als 
Oberlehrer. 

Wendler,   Dr.    Chr«  Ad.,   ord.    Prof.   der  Medicin   zu  Leipzig,  bei 
seinem  50jähr.  Doctorjubilaeum  als  Medicinalrath. 
Pensioniert : 

Jordan,  Phil.,  Prof.  an  der  phiios.  Lehranstalt  zu  Gorz. 

▼  on  Lichtenthaler,  Geh.  Rath,  Director  der  k.  Hof-  and  Staats- 
bibliothek in  München. 

Szczurowski,  Joh.,  Gymnasiallehrer  zu  Czernowitz. 

Gestorben: 

Am  13.  Aug.  zu  Wien  Pat.  Ant.  Winter,  Prof.  am  kk.  Josephstadter 
Gymnasium,  im  51n  Lebensj. 

Am  17.  Aug.  zu  Wien  P.  Dr.  Ant.  Kowach,  Director  des  Gymna- 
siums zu  Rosenau,  40  J.  alt. 

Am  2.  Sept.  zu  Wien  P.  Franz  He issenb erger,  ehedem  Prof.  am 
kk.  akad.  Gymn.,  im  69n  Lebensj. 

Am  20.  Sept.  angeblich  der  siebenbürgische  Geschichtschreiber  Graf 
Jos.  Kemenyi. 

Ende  Sept.  der  bekannte  Geognost.,  Salinendirector  Charpentier  so 
Bex  im  Canton  Waadt,  geb.  1787  zu  Freiberg  in  S. 

Am  L  Oct.  in  Gieszen  Dr.  E.  Dieffenbach,  ao.  Prof.  und  Dir.  der 

feognost.  Sammlung. 
.  Oct.  zu  Königsberg  Reg.-  und  Pro vinzialschul rath  Dr.  Gi esa- 
brecht. 

Am  11.  Oct.  zu  Leipzig  der  ao.  Prof.  Dr.  Gtth.  W.  Schwartse. 

Am  12.  Oct.  zu  Geissen  in  der  Niederl.  Gymnasiallehrer  Carl  Diet- 
rich aus  Friedland. 

Am  14.  Oct.  in  Rom  Dr.  E.  Platner,  sächs.  Gesandter,  geb.  in 
Leipzig  1773,  bekannt  durch  seine  Theilnahme  an  Bunsena  Be» 
Schreibung  Roms. 

Dr.  Joh.  Fallati  war  Prof.  in  der  staatswirthschaftl.  Facoltat  und 
Oberbibliothekar  in  Tübingen  und  f  am  5n  Oct.  im  47n  LebeiuJ. 
zu  Amsterdam. 

Auszerdem  meldet  man  den  Tod  des  berühmten  Geognosten  Friedr. 
Volz,  der  auf  der  Rückreise  von  Surinam  in  holländ.  Gayana  er- 
krankt sein  soll. 


Zweite  Abtheiliing 

hendsgegebea  von  Ridolph  Dictich. 


(1). 

Studien  zum  Gymnasialwesen  mit  besonderer  Berücksich- 
tigung der  sächsischen  Gelehrlenschulen. 


(Fortsetzung  von  Heft  I  S.  26.) 
II. 

Unser  theures  Vaterland,  lange  Zeit  hochgefeiert  und  berühmt 
wegen  seiner  gelehrten  Schulen,  zeigt  in  der  Gegenwart  lebendige 
Sympathien  für  den  Realismus.  Nun  haben  wir  zwar  schon  im  allge- 
meinen dargethan ,  was  alles  zusammen  kam ,  um  diese  Richtung  zu 
begünstigen,  aber  es  geschah  dies  mehr  in  universalem  Umrisz,  als 
mit  besonderer  ßezugnahme  auf  Sachsen.  Denn  dasz  gerade  hier,  wo 
die  klassischen  Studien  vorzugsweise  blühten,  eine  so  starke  Gegen- 
bewegung stattfand,  ist  gewis  auffällig.  Es  müssen  gerade  hier  be- 
sondere Einflüsse  stattgehabt,  eigenthümliche  Verhältnisse  den  Um- 
schwung begünstigt  haben.  Dasz  man  sich  den  Realschulen  mit 
Vorliebe  zuwendet,  ist  wol  unverkennbar.  Blühen  doch  die  beiden 
Dresdener  Realschulen  empor,  andere  sind  ihnen  gefolgt  und  werden 
gewis  folgen ,  da  sich  in  den  Provincialstädten  nicht  geringe  Neigung 
ausspricht,  solche  Anstalten  ins  Leben  zu  rufen.  Dasz  "das  auf  die 
Gymnasien  zurückwirkt,  ist  wol  gleichfalls  unbestreitbar. 

Wo  aber  in  der  Geschichte  sich  Entfremdung  gegen  vorhandene 
Institute  zeigt,  ist  anzunehmen,  dasz  diese  es  irgendwo  und  irgend- 
wie an  sich  fehlen  lieszen.  Man  möchte  also  im  vorliegenden  Falle 
denken,  es  habe  in  dem  sächsischen  Gymnasialweseu  irgend  etwas 
gelegen,  das  gehindert,  gestört,  den  Aufschwung  des  Gegensatzes 
erleichtert  habe.  Denn  damit  wird  man  sich  wol  nicht  begnügen,  zu 
glauben ,  dasz  die  in  Sachsen  so  bedeutende  Industrie  und  die  Armut 
eines  Theiles  des  Landes  alleinige  Ursache  sei ,  so  viel  auch  beides 
bf  igetragen  haben  mag.  Man  könnte  in  Beziehung  auf  das  industrielle 
Element  etwa  auf  die  Rheinprovinz  des  Königreichs  Preuszen  hin- 
weisen, wo  im  Jahre  1851  auf  19  Gymnasien  4755  Schüler  (anter  ihnen 

iV.  Jaftrb.  f.  PhO,  u.  Paed,  Bd.  LXXIV.  Hfl.  2.  ^ 


66  Studien  Eum  Gymnasialwescn. 

nur  57  Realisten  in  Parallelklassen)  sich  befanden,  wahrend  die  7 
Healschulen  1534  Schüler  zählten. 

Wenn  wir  es  nun  unternehmen,  einen  Blick  auf  das  sfichsisclie 
Gymnasialwesen  zu  werfen,  so  sprechen  wir  von  vornherein  eine 
nachsichtige  Beurtheilung  unserer  Bemerkungen  an,  die,  sorgfältig 
geprüft  und  gewissenhaft  erwogen,  keinen  andern  Zweck  haben,  als 
dem  Wohle  einer  mit  Liebe  ergriffenen  und  mit  Ueberzeugung  fest- 
gehaltenen Sache  zu  dienen.  Solche  Liebe  und  Ueberzeugung  legt 
aber  die  schwierige  PAicht  auf,  nicht  zurückzuhalten,  wenn  man  sieb 
an  dem  Vorhandensein  und  von  der  Wirksamkeit  des  einen  oder  an- 
dern Misverhältnisses  überzeugt  zu  haben  glaubt:  es  kommt  dann  nnr 
auf  die  Art  an,  wie  sich  diese  Ansicht  zu  äuszern  sucht.  Keine  Ver- 
sicherung geben  wir  lieber  und  freudiger,  als  die,  dasz  wir  weit 
entfernt  sind  von  einer  Kritik  der  sächsichen  Unterrichtsgesetze:  wir 
würden ,  bekannt  mit  der  Mehrzahl  der  deutschen  Gymnasiallehrpline, 
unsern  sächsischen  gewis  nicht  mit  einem  andern  vertauschen  wollen. 
Ebenso  wenig  denken  wir  daran  zu  verkennen,  wie  unser  Ministerium 
unablässig  bemüht  ist,  die  Angelegenheiten  der  Schule  in  f&rderli- 
cher  Weise  zu  leiten,  den  Unterricht,  die  Zucht,  die  Religiosität  der 
Gymnasien  und  Schulanstalten  überhaupt  zu  heben  und  zu  überwa- 
chen. Dagegen  sind  es  einige  einzelne  Punkte,  in  denen  wir  mit  den 
bestehenden  Verhältnissen  nicht  übereinstimmen  zu  dürfen  meinen, 
und  von  denen  eine  nachlheilige  Wirkung  auf  die  sächsischen  Gym- 
nasialvcrhältnisse  ausgegangen  zu  sein  und  noch  auszugehen  scheint. 
Wenn  wir  dieselben  zunächst  kurz  ZDsammcnfassen ,  so  sind  es  fol- 
gende : 

1)  das  theils  städtische,  theiU  ministerielle  Patronat  der  Gelehr- 
tenschulen, 

2)  das  unzweckmäszige  Klassenlehrersystcm  der  städtischen  Gym- 
nasien in  seiner  mehr  traditionellen  als  gesetzlichen  Stabilität, 

3)  die  praktische  Lehrprobe  der  Candidaten  des  hdhern  Schul- 
amtüs  in  Verbindung  mit  der  wissenschaftlichen  Prüfung.  Einige  an- 
dere Bemerkungen,  die  wir  über  den  Gymnasialunterricht  anschlieszen 
wollen ,  sind  mehr  allgemeiner  Natur  und  erstreben  mehr  die  richtige 
Betreibung  der  Dinge  im  Sinne  der  Gesetze,  als  dasz- sie  irgend  einer 
bestehenden  Einrichtung  in  den  Weg  zu  treten  suchten.  Einer  eon- 
servativen  Natur  —  und  der  Verfasser  dieser  Blätter  ist  in  der  glück- 
lichen Lage  in  dieser  Beziehung  eines  Umschwunges  nicht  bedurft  zu 
haben  —  kostet  es  immer  einige  Mühe,  bestehendes  anzugreifen: 
dennoch  ist  es  gerade  jetzt,  wo  es  sich  darum  handelt,  alles  mög- 
lichst dauerhaft  zu  gestalten,  geradezu  Pflicht,  nach  Kräften  mitzu- 
wirken: findet  doch  auch  der  anbefähigto  bisweilen  irgendwo  ein 
Körnchen  Wahrheit ! 

W^as  nun  den  ersten  Punkt  betrifft,  so  haben  wir  11  Gymnasien 
im  Lande,  von  denen  eines,  das  Vitzthumsche  Geschlechtsgymnasiunf, 
in  einzelnen  Beziehungen  sich  durch  eine  eigenthümliche  Organisation 
ausscheidet.    Von  den  übrigen  10  Gymnasien  stehen  die  beiden  Lan- 


Stadien  zum  Gymiuuiialwesen.  67 

(lesschalen,  die  Gymnasien  saPlaaen,  Zwiekaa  aad  zum  Theile  das 
zu  Freiberg  anter  ministeriellem,  die  beiden  Gymnasien  zu  Leipzig, 
die  Kreazschnle  zu  Dresden,  die  Lansitzer  Schulen  zn  Bautzen  und 
Zittau  unter  städtischem  Patronate,  was  ein  Verhiltais  von  5:5  dar- 
stellt.  Natarlich  stehen  in  gewisser  Weise  alle  Gymnasien  unter  dem 
Ministerium,  wogegen  die  Administration ,  namentlich  die  Besetzung 
der  Lehrerstelien  bei  den  einen  unmittelbar  vom  Ministerium  ausgeht, 
bei  den  andern  nur  der  Oberaufsicht  und  Bestätigung  desselben  unterliegt. 
In  einem  Lande  von  Sachsens  GrÖsze  scheint  es  nun  ein  Bedürfnis  der 
Gymnasien  zu  sein,  unter  6iner  Oberbehörde  zu  stehen.  So  wenig 
von  einer  solchen  Centralisation  bei  der  Volksschule  die  Rede  sein 
kann,  die  viel  enger  mit  der  Gemeinde  und  Kirche  zusammenbangt, 
desto  mehr  bei  den  höhern  Unterrichtsanstalten.  Nicht  nur  dasz  der 
Geschäftsgang  ein  erleichterter  sein  wird,  der  selten  durch  Mittelin- 
stanzen gewinnt,  es  wird  der  Geist  dieser  Anstalten  an  nothwendiger 
Uebereinstimmung,  die  Zucht  an  Energie,  die  Wirksamkeit  der  Leh- 
rer an  Lebendigkeit  gewinnen;  nicht  als  ob  wir  den  Stadtrithen  den 
guten  Willen  und  das  bestreben  absprechen  wollten,  im  wahren  In- 
teresse ihrer  Schulen  zu  wirken :  aber  es  ist  doch  auch  nicht  sofort 
anzunehmen,  das  immer  in  einem  Ratbscollegium  eine  Persönlichkeit 
vorhanden  ist,  welche  die  Angelegenheiten  eines  Gymnasiums  zu  lei- 
ten versteht.  Administrative,  finanzielle  Gesichtspunkte  werden  um 
so  mehr  den  Ausschlag  geben,  als  es  dem  einzelnen  Magistrate  an 
andern  Paukten,  durch  welche  eine  Ausgleichung  herbeigefahrt  wer« 
den  könnte,  fehlt:  dazu  kommt  die  Schwierigkeit,  die  mit  der  Instanz 
der  Stadtverordneten  verbunden  ist.  Aber  doch  liegt  die  Wahl  der 
Lehrkräfte  in  der-  Hand  der  städtischen  Behörde.  Wie  leicht  treten 
da  partikuläre  Rücksichten  ein,  wo  es  erst  einer  ganzen  Reihe  von  zu- 
stimmenden bedarf,  und  wenn  im  andern  Falle  der  Stadtrath  nach  den 
Wünschen  des  Gymnasialdirectors  entscheidet,  so  ist  der  Ausschlag 
in  eine  unmittelbar  betheiligte  Hand  gegeben ,  was  unter  Umständen 
schaden  kann.  Dem  Ministerium  aber  bleibt  mit  dem  Bestätigungs- 
rechte ein  geringer  Spielraum ,  weil  es  ein  groszer  Unterschied  ist, 
ob  man  klares  positiv  wünscht,  oder  etwas  entschieden  nicht  zugeben 
kann.  Je  ängstlicher  aber  die  städtischen  Behörden  in  der  Regel  an 
ihren  Rechten  festhalten ,  um  so  weniger  kommen  sie  etwaigen  Wün- 
schen entgegen.  Dazu  kommt,  dasz  der  Standpunkt  beider  Behörden 
ein  durchaus  verschiedener  ist.  Während  die  Staatsbehörde  sich 
ausschlieszlich  mit  Kirchen-  und  Schulangelegenheiten  beschäftigt, 
bilden  diese  in  der  städtischen  Behörde  ein  einzelnes  Gebiet,  das  da- 
durch weit  mehr  von  zufälliger  Neigung  nnd  Befähigung  abhängig  wird. 
Während  die  Staatsbehörde  trotz  ihrer  Zusammensetzung  aus  indivi- 
duell verschiedenen  Elementen  immer  eine  Einheit  auf  derselben  Basis 
and  von  demselben  Principe  durchdrungen  bildet,  ist  eine  solche  gei- 
stige Einheit  der  Communalbehörde  gleichfalls  weniger  in  dem  We* 
sen  der  Sache  begründet,  als  eine  zufällige  Erscheinung,  und  wie 
wäre  nun  gar  anzunehmen,  dasz  vier  oder  fünf  Magistrate  Oberall 

5* 


68  Sliidicn  siim  Gymnasialwesen. 

priiicipiüll  oinvcrstandcn  seien !  Endlich  hat  das  Ministerium  vermöfre 
seiner  in  jeder  Beziehung  iiuhercn  Stellung  von  vornherein  ^eil  hö- 
here, allgemeinere  Gesichtspunkte,  während  die  Communalbehörde 
am  einzelnen  haftet. 

Zu  diesen  Momenten,  in  welchen  schon  nicht  wenig  liegt,  kommt 
nun  ganz  besonders  noch  die  aus  jenem  Verhältnis  hervorgehende 
Stellung  der  Gymnasiallehrer  hinzu.  Wer  wollte  aber  leugnen,  dasz 
im  Schulwesen  unendlich  viel  auf  die  lehrenden  ankömmt?  Viel- 
leicht sind  nirgends  die  woluieineudsten  Ansichten  dt^r  Kehörde  leich- 
ter gehindert,  die  IrefTlichsten  Gesetz  Vorschriften  leichter  paralysiert 
als  in  der  Schule.  Es  läszt  sich  in  vielen  Stücken  sagen:  was  die 
Lehrer  hindert,  hindert  die  Schule  überhaupt.  Insofern  nun  unsere 
Gymnasien  hinsichtlich  ihrer  Zugünglichkeit  für  die  dem  Lehramte 
sich  widmenden  in  zwei  Abibeilungen  zerfallen,  erschwert  sich  die 
Lage  der  Anstellung  suchenden  und  auch  der  angeslelllon  nicht  wenig. 
Die  llülfle  der  Gymnasialstellen  wird  von  den  städtischen  Schulbe- 
hördcn  besctzL  Nicht,  dasz  diese  sich  unfähige  oder  unwürdige  aus- 
suchton; entfernt  sei  solcher  Gedanke!  Aber  natürlicherweise  haben 
sie  bei  der  ßesetzungsfrage  einen  engern  Gesichtskreis,  indem  sie 
Stadt-  oder  Provinzkinder  bevorzugen  und  überhaupt  leichter  Son- 
derinteressen Raum  geben.  Das  natürlichste  wäre,  dasz  sich  der 
städtische  Schulvorstand  an  die  mit  den  Lehrkräften  des  Landes  ver- 
traute Oberbehörde  wendete  mit  dem  Gesuche,  die  geeignetsten  Per- 
sönlichkeiten zu  bezeichnen.  Oh  das  p-oschieht,  können  wir  freilich 
nicht  wissen,  aber  man  möchte  fast  zweifeln.  Nun  entscheidet  das 
Kathscollegium  oder  die  Gymnasiulcommission  nach  eignem  Ermes- 
sen oder  nach  dem  Gutachten  des  Directors:  dabei  nind  doch  allerlei 
Falte  möglich,  die  nicht  erfreulicher  Art  sind.  Mag  es  auch  selten 
vorkommen,  aber  denkbar  ist  doch,  dnsz  auf  diese  Weise  gelegent- 
lich einmal  der  Eintritt  von  Elementen  trehindert  wird,  die  einem  Col- 
legium  recht  wol  thun  würden.  Das  ist  wenigstens  gewif ,  dasz  es 
bei  den  städtischen  Gymnasien  kaum  möglich  ist,  die  Concurrenz  mit 
einem  speciell  einheimischen  auszuhalten.  Jedenfalls  erschwert  sich 
eine  gleichmaszigerc  Bertioksichlignng  der  aufstrebenden  Kräfte  und 
leicht  steht  der  ältere  Candidat  hinter  dem  jüngeren  durch  die  loca- 
len  Verhältnisse  begüngtigten  Bewerber  zurück. 

Es  müssen  nun  eine  Kcihe  von  Cuudidaten  Übrig  bleiben ,  welche 
ihre  Hoffnung  auf  die  vom  k.  Ministerium  aus  zu  besetzenden  Stellen 
setzen.  Zu  allen  Zeiten  werden  Candidaten  oder  Lehrer  an  nicht  öf- 
fentlichen Anstalten  übrig  bleiben ,  denen  eine  Bitte  um  Berücksich- 
tigung zusteht.  Da  nun  das  Ministerium  nicht  den  engen  Gesichts- 
kreis der  städtischen  Verwaltung  kennt,  wird  es  jedenfalls  bei  der 
Besetzung  seiner  Stollen  diese  Candidaten,  sofern  sie  sich  sonst  taug- 
lich erweisen,  berücksichtigen.  Daraus  folgt  unmittelbar,  dasz  die 
Aussichten  der  untern  Gymnasiallehrer  an  den  städtischen  Schulen 
sich  verringern;  denn  gesetzt,  dasz  die  Oberbehörde  den  Lehrer  an 
einer  nicht  ministeriellen  Anstalt  zu  befördern  gedenkt,  so  kann  dem 


Studien  zum  Gymnasialweaen.  69 

leicht  im  Wege  stehen,  dasz  sie  dabei  diie  Interessen  der  noch  nicht 
angestellten  benachtheiligen  mOste,  weil  die  neue  entstehende  Va- 
canz  ihr  nicht  zur  Verfagnng  steht.  Es  folgt  daraos  weiter,  dasz  in 
der  Regel  —  Ausnahmen  treten  natOrlich  überall  ein  —  bei  Erledi- 
digung  höherer  Schulstellen  innerhalb  ministeriellen  Patronates  die 
Lehrer  an  andern  Staatsanstalten  eher  bedacht  werden,  als  die  Lehrer 
an  den  städtischen  Gymnasien. 

Das  kann  nun  keine  andere  Folge  haben ,  als  dasz  das  Lehrer* 
collegium  der  stadtischen  Schule,  indem  an  anderweitige  Versetzung 
nicht  wol  zu  denken  ist,  sich  auf  das  ascendieren  beschränkt  sieht. 
Darum  wird  es  bei  jeder  eintretenden  Vacanz  alle  möglichen  Mittel 
in  Bewegung  setzen,  nm  zu  verhindern,  dasz  eine  neue  Kraft  in  die 
Mitte  geschoben  wird,  es  wird  nach  oben  herauf  drängen,  ja  es  wird 
sogar,  wenn  etwa  die  3.  Lehrerstelle  vacant  wird,  der  4.  Lehrer  um 
der  nachfolgenden  willen  sich  gezwungen  sehen ,  auf  eine  Ascension 
Anspruch  zu  machen,  damit  die  übrigen  folgen.  Bisweilen  wird  es 
freilich  unmöglich  sein,  einen  Posten  durch  Ascension  auszufallen: 
aber  was  wird  dazu  gehören,  um  diese  Ueberzeugung  zur  Geltung 
zu  bringen?  Wird  doch  der  einsichtsvollste  und  wolmeinendste  Di- 
rector  bis  an  die  üuszerste  Grenze  der  Möglichkeit  im  Interesse  sei- 
ner Collegen  gehen.  Wie  viel  bleibt  aber  zwischen  einem  Zustande, 
der  noch  allenfalls  erträglich,  und  einem  Zustande,  wie  man  ihn  wün- 
schen musz,  in  der  Mitte  liegen?  Dasz  also  die  städtischen  Gymna- 
sien das  Bestreben  haben,  so  lange  es  nur  irgend  thnnlich  ist,  sich 
unten  zu  ergänzen,  ist  begreiflich,  und  es  wäre  nnbillig,  sich  darüber 
EU  wundern. 

Wenn  aber  ja  die  Gcwisheit  eintreten  sollte,  dasz  mit  der  Ascen- 
sion nicht  oder  nur  bis  zu  einem  gewissen  Punkte  durchzudringen 
sei,  dann  entschlieszt  man  sich  gewis  am  schwersten  zur  Befürwor- 
tung eines  inländischen  Candidaten ;  dann  ist  eine  von  auswärts  her- 
geholte Persönlichkeit  viel  erwünschter,  weil  das  weniger  verletzend 
aussieht.  So  vortrefflich  es  nun  auch  ist,  fremde  Kräfte  heranzuzie- 
hen, wo  die  im  Lande  beflndlichen  entschieden  nicht  ausreichen,  wie 
stehen  sich  solchem  Eintritte  fremder  gegenüber  die  jüngeren,  denen 
mit  jeder  solchen  von  auszen  her  besetzten  Stelle  ein  Theil  ihrer  Le- 
bensaussichten schwindet?  Denn  in  das  Ausland  zu  gehen  ist  fQr 
jeden,  der  eine  wirkliche  Anhänglichkeit  an  den  Boden  besitzt,  dem 
er  durch  Geburt  und  Erziehung  angehört,  keine  so  ganz  leichte  Sache. 
Es  ist  auch  änszerlich  nicht  so  leicht.  Einem  Lehrercollegium  ist 
aber  vor  allem  zu  wünschen,  dasz  es  vor  jeder  Stagnation  be- 
wahrt werde.  Die  Erfahrung  hat  gezeigt,  dasz  davor  nichts  besser 
schützt,  als  die  bisweilen  eintretende  Durchdringung  mit  frischen 
kräftigen  Elementen.  Daza «dient  eine  Versetzung  der  Lehrer  von  dem 
einen  Gymnasium  an  das  andere,  die  freilich  nicht  zu  oft  eintreten, 
aber  auch  nicht  so  zur  Unmöglichkeit  werden  darf,  wie  an  unsern 
städtischen  Gymnasien.  Diese  rettet  zugleich  vor  dem  absolnten 
Ascensionsprincip,  fördert  die  besseren  Talente,  bewahrt  vob  Mismnt 


70  Studien  zum  Gymotsialwesen. 

und  Erschlaffung.  Bei  dem  Eintritte  neuer  Lehrkräfte  aber  ist  es  wia- 
scbenswertb,  dasc  dieselben  nicht  immer  an  der  anfersten  Stelle  sieh 
ansetzen;  denn  ist  schon  eine  Stagnation  vorhanden,  so  wirkt  diese 
leichter  auf  den  untersten  Lehrer,  als  dass  dieser  eine  Gegenwirkung 
ausüben  könnte. 

Vieles  von  dem,  was  wir  gesagt  haben,  liesze  sich  an  einaelaea 
Verhältnissen  nachweisen:  wir  dürfen  aber  unsere  Betrachtung  um 
so  weniger  dahin  ausdehnen ,  als  wir  weniger  den  ausübenden  Per- 
sönlichkeiten, als  der  Lage  der  Dinge  die  Schuld  beimessen  möchten. 
Aber  den  Unterschied  zwischen  der  gesamten  Lage  der  Fürstenschn- 
len  und  der  meisten  staatlichen  Gymnasien  überhaupt  und  der  städti- 
schen Schulen  kann  man  wol  nicht  verkennen.  Wenn  aber  die  un- 
vortheil haften  Zustände  der  letzteren  durch  den  zweckmäszigeren 
Zustand  jener  nicht  vollständig  ausgeglichen  wurden,  wenn  jene  nicht 
im  Stande  waren,  der  Abnahme  der  Sympathien  der  sächsischen  Be- 
völkerung für  das  Gelehrtenschulwesen  und  den  klassischen  Humanis- 
mus genügend  entgegenzuwirken,  so  darf  man  nicht  übersehen,  dass 
die  Landesschulen  geschlossene  Anstalten  mit  beschränkter  Schüler- 
zahl sind ,  und  dass  die  Gymnasien  zu  Zwickau  und  Plauen  erst  vor 
kürzerer  Zeit  an  den  Staat  übergiengen  und  das  eine  der  letzt- 
genannten sich  notorisch  in  einer  nicht  ganz  befriedigenden  Lage 
befand. 

Wir  gehen  gleich  zu  dem  zweiten  Punkte  über,  der  mit  dem  er- 
sten theils  zusammenhängt,  theils  gleichfalls  besonders  auf  die  städti- 
schen Gymnasien  Anwendung  leidet:  das  unzweckmäszige  Klassen- 
lehrersystem der  städtischen  Gymnasien  in  seiner  traditionellen,  nicht 
gesetzlichen  Stabilität.  Gegen  den  Grundsatz,  dasz  jede  Gymnasial- 
klasse ihren  Klassenlehrer,  Ordinarius,  habe,  wird  wol  niemand  et- 
was einwenden,  vielmehr  ist  es  eine  didaktisch  und  paedagogisch 
heilsame ,  ja  nothwendige  Einrichtung.  Denn  ebenso  wie  namentlich 
in  den  untern  Klassen  der  Lehrplan  einen  Schwerpunkt  in  einem  Lehr- 
object  verlangt,  bedarf  es  auch  einer  in  der  einzelnen  Klasse  vor- 
zugsweise wirkenden  Persönlichkeit:  je  niedriger  die  Klasse,  desto 
dringender  ist  diese  Forderung.  Freilich  musz  auf  dem  Gymnasium 
das  Fachlehrersystem  neben  dem  Klassenlehrersystem  hergehen;  es 
handelt  sich  nur  um  eine  angemessene  Verbindung  beider.  Nicht  die- 
sen Grundsatz  also,  dasz  jeder  Lehrer ^  namentlich  des  philologischen 
Gebietes,  eine  Klasse  besonders  führen  und  in  derselben  Vorzugs* 
weise  beschäftigt  sein  soll,  greifen  wir  an,  sondern  seine  falsche 
Behandlung.  Hier  stellt  sich  recht  deutlich  heraus,  dass  das  beste 
System  durch  falschen  Gebrauch  schädlich  wird,  und  dass  die  besten 
Vorschriften  unwirksam  werden. 

An  unsern  Gymnasien,  namentlich  städtischen,  ist  nemlich  Rang- 
ordnung, Ordinariatsstellung  und  Gehaltbezug  miteinander  eng  ver- 
bunden. Nun  besagt  zwar  unseres  Wissens  die  Lehrerinstructioa,  dass 
jeder  Lehrer  die  ihm  vom  Rector  übertragenen  Stunden  zu  geben  hat, 
was  darauf  sohliessen  läszt ,  dass  dem  leitenden  die  Verwendung  der 


Stadien  zui  SyMiniiialwesea.  71 

Lehrkräfte  in  einer  angemessenen  Weise  ttberlassen  werden  soll 
Aber  die  Praxis  weiss  von  diesem  schönen  Grandsatse,  der,  sich  in 
gehörigen  Schranken  bewegend,  vortreffliches  bewirken  würde,  sel- 
tene Anwendung.  Es  ist  nnvermeidlich,  dasz  der  letste  Lehrer  Ordi- 
narius der  letzten  Klasse  wird ,  und  höchstens  in  der  n&chst  voran- 
gehenden noch  unterrichtet,  und  so  rückt  er  nun  in  Gehalt,  Rang  und 
Ordinariat  sugieioh  vor.  Das  gibt ,  wenn  Veränderungen  im  Lehrer- 
collegium  lange  auf  sich  warten  lassen,  eine  Stabilität,  die  über  das 
rechte  Mass  hinausgeht.  Dabei  wird  der  individuellen  Befähigung 
gar  keine  Berücksichtigung  geschenkt;  wer  in  Tertia  war,  muss  dann, 
wenn  eine  Ascension  stattßndet,  nach  Secunda,  will  er  sich  nicht 
auch  in  Gehalt  und  Rang  überspringen  lassen.  Und  in  welcher  Weise 
ist  die  Befähigung  zu  lehren  und  zu  wirken  verschieden !  Während 
ferner  jeder  Unterricht  im  Grunde  gleich  viel  Worth  hat,  bildet  sich 
so  eine  ganz  falsche  Werthscbätzung,  indem  Jeder  nur  nach  den  obern 
Klassen  hinaufschielt,  weil  mit  dem  Unterricht  in  diesen,  wenig- 
stens in  den  alten  und  der  deutschen  Sprache,  auch  die  Gehaltverbea-^ 
sernag,  und  zwar  nur  durch  jenen,  kommt.  Wie  nachtheilig  wirkl 
das  auf  die  jungem  Lehrer,  welche  meist  voll  wissenschaftlichen  Ei«- 
fers,  oft  mit  reichem  wissenschaftlichen  Materiale  eintreten,  wenn 
sie  nun  so  gut  wie  keine  Aussicht  haben,  je  nach  Secunda  oder  Prima 
zu  gelangen!  Oben,  bei  den  älteren  Lehrern,  fehlt  der  Sporn,  unten^ 
bei  den  jüngeren,  ermattet  die  Lust,  zumal  wenn  der  Gehaltunterschied 
ein  gar  zu  unverhältnismäsziger  ist.  Dabei  aber  musz  man  noch  be- 
denken, dasz,  wenn  die  Gymnasien  einen  faulen  Fleck,  so  zu  sagen, 
haben,  dieser  darin  liegt,  dasz  sie  das  didaktische  Element  zu  sehr^ 
das  paedagogische  zu  wenig  betonen.  Fragt  man  aber,  was  einem 
jungen  Manne  leichter  wird,  den  Xenopbon  oder  Vergil  zu  erklären, 
oder  Knaben  von  10 — 11  Jahren  geistig  und  sittlich  zu  führen,  so 
ist  doch  wol  die  Antwort  nicht  schwer.  Für  den  Unterricht  thut  die 
unmittelbare  geistige  Frische  verbanden  mit  tüchtiger  Vorbereitung 
viel,  ja  oft  mehr  als  lange  Praxis,  vermöge  des  Eindrucks,  den  diese 
Frische  auf  den  Sinn  des  Jünglings  hervorbringt;  paedagogisch  aber 
kann  sich  niemand  vorbereiten,  indem  hier  neben  der  eigen thümlichen 
Begabung  die  allmählich  gesammelte  Erfahrung  wirkt.  Denn  dabei 
kommt  es  auf  die  gesamte  religiös-geistig-sittliche  Natur  an,  nicht 
blosz  auf  das  wissen.  Wer  aber  möchte  mehr  von  sich  sagen ,  als 
dasz  er  langsam,  in  allmählicher  Entwicklung,  vielleicht  selbst  durch 
heftige  Krisen  fortschreite  nnd  niemals  zn  einem  Abschlusz  voller 
Befriedigung  komme? 

Jenes  Klassenlehrersystem  nun,  indem  es  Rangstellung,  Gehalt- 
bezug und  Unterrichtskreis  zusammenwirft,  verhindert  die  Schule 
durchaus,  von  der  eigenthflmlichen  Begrabung  des  einzelnen  den  mög- 
lichsten Vortheil  zu  ziehen.  Der  Schule  kommt  auf  diese  Weise  we« 
der  der  besondere  Studienkreis  des  einzelnen  zu  gute,  noch  die  be- 
sondere didaktische  Begabung,  noch  die  paedagogische  Tüchtigkeit. 
Die  ersten  Lehrer  werden  ihre  gesammelte  reiche  Erfahrung  >  *-?  dasz 


72  Stadien  sum  Gymnasialwesen. 

sie  paedagogisch  lüchtig  sind ,  müssen  wir  hier  voraussetzen  *—  nie- 
mals in  den  untern  Klassen,  wo  es  sich  vor  allem  um  das  erziehen 
mit  handelt,  verwenden,  der  jüngste  Lehrer,  der  bis  vor  kurzer  Zeit 
nur  in  der  Wissenschaft  lebte ,  wird  stets  nur  da  arbeiten ,  wo  es 
vor  allem  einer  paedagogischen  Erfahrung,  einer  Bekanntschaft  mit 
Kind  und  Kindesnatur  bedarf.  Fügen  wir  nun  noch  hinzn,  was  wir 
später  noch  anseinander  zu  setzen  gedenken,  dasz  die  Gymnasien 
überhaupt  am  Mangel  der  paedagogischen  Behandlung  ihrer  Aufgabe 
leiden ,  so  wird  es  wol  erklärlich  sein ,  wenn  wir  die  feste  Ueberzeu- 
gung  hegen,  dasz  jenes  doch  gewis  nichts 'weniger  als  paedagogische 
Verfahren  in  der  Vertheilung  der  Lehrkräfte  verbunden  mit  dem 
Ascensionsprincip  und  der  Unbeweglichkcit  einzelner  Schulcollegien 
keinen  günstigen  Einflusz  auf  die  Lage  der  sfichsischen  Gymnasialsta- 
dien aasgeübt  hat. 

Anderwärts  steht  die  Sache  anders.  So  liegt  z.  B.  im  Groszher- 
xogthum  Hessen  den  Direotoren  die  Vorschrift  vor,  die  Lehrer  inner- 
halb der  durch  ihre  Qualification  gegebenen  Schranken  nach  bestem 
Wissen  und  Gewissen  zu  beschäftigen.  Auch  in  Preuszen  schliezt  das 
Klassenlehrersystem  durchaus  nicht  aus,  dasz  der  besondern  Befähigung 
Spielraum  gegönnt  wird.  In  Frankreich  aber  hat  das  starre  Klassen- 
lehrersystem (vgl.  Holzapfel  über  das  französ.  Unterrichtswesen)  zu 
einer  völligen  Stagnation  geführt.  Uebrigens  befinden  sich  auch  ein- 
zelne sächsische  Schulen  in  einer  entschieden  bessern  Lage,  so  na- 
mentlich die  Landesschulen. 

Noch  ^ines  Uebelstandes ,  der  aus  den  gemischten  Patronaten 
hervorgeht,  wollen  wir  Erwähnung  thun:  es  ist  dies  die  grosze  Un- 
gleichheit der  Besoldungen,  welche  bei  der  geringen  Zahl  der  Gym- 
nasien um  so  unvortheilhafter  ist.  Freilich  werden  Ungleichheiten  nie 
ganz  verschwinden ,  aber  wären  die  Gymnasien  in  öiner  Administra- 
tion vereinigt,  würde  doch  auch  hierin  sich  vieles  ausgleichen  lassen. 

Gewis  ist  diese  Lage  der  Dinge  dem  Scharfblick  der  Regierung 
nicht  entgangen  und  Gegenstand  ihrer  Erwägungen  geworden.  Darauf 
deutet  schon  die  in  den  letzten  Jahren  bewirkte  Uebernahme  einzelner 
Gymnasien  hin.  Freilich  wird,  wenn  eine  Vereinigung  aller  dieser 
Anstalten  unter  der  anmittelbaren  Leitung  der  Oberbehördo  bezweckt 
wird,  dies  weder  schnell,  noch  leicht  zu  bewirken  sein.  Aber  der 
Wunsch  wird  ausgesprochen  werden  dürfen,  dasz  es  mit  der  Zeit  da- 
hin kommen  möge ,  auf  dasz  Sachsen  seinen  alten  guten  Ruhm  in  die- 
sem Gebiete  nicht  erbleichen  sehe. 

Wir  gehen  zum  dritten  Punkte  über,  der  praktischen  Lehrprobe 
der  Schulamtscandidaten. 

Es  ist  gewis  im  Schulwesen  eine  der  schwierigsten  und  wich- 
tigsten Aufgaben,  für  das  heranwachsen  tüchtiger  Lehrkräfte  Sorge 
zu  tragen.  Hiebei  machen  sich  zwei  Forderungen  vorzugsweise  gel- 
tend: einmal  die  einer  tüchtigen  wissenschaftlichen  Bildung,  und 
zweitens  die  einer  speciellen  didaktischen  Vorbereitung. 

Die  erste  Anforderung  liegt  auszerhalb  der  Grenzen  unserer  Bo- 


Stadien  mm  GyMiuialwasen.  73 

trachtang:  sie  gehört  der  UniTerdtift,  besonderi  der  philosophischen 
Facalt&t  derselben  an.  Die  Tüchtigkeit  dieser  wird  fOr  die  Tüchtig- 
keit der  an  bildenden  Kräfte  eine  der  ersten  Bedingongen  sein,  da 
man  nicht  yon  der  Voranssetzang  ausgehen  kann ,  der  einaelne  stu- 
dierende bringe  den  gröszern  Tbeii  seiner  Studienzeit  auf  fremden 
Universitäten  zu.  Es  heiszt  zwar  die  Bedeutung  der  Vorlesungen  und 
der  Anleitung  aberschätzen,  wenn  man  meint,  von  ihnen  gehe  aller 
Gewinn  aus,  indem  es  auf  der  einen  Seite  gar  sehr  anf  die  Tüchtig, 
keit  der  Schulbildung  und  der  häuslichen  Erziehung,  auf  der  andern 
auf  den  Fleisz  und  die  Begabung  des  studierenden  ankommt,  und 
sicher  nicht  nur  die  Richtung  der  Zeit  in  religiöser,  wissenschaftli- 
cher, socialer  Beziehung,  sondern  auch  die  specielle  Gestalt  dieser 
Richtungen  in  der  einzelnen  Universitätsstadt  bedeutende  Einwirkung 
äuszert. 

Den  Abschlusz  der  wissenschaftlichen  Lernzeit  bildet  nnn  das 
Examen  für  das  Lehramt,  das  selbstverständlich  in  der  Universitätsstadt 
selbst  abgehalten  wird.  Auch  über  die  Einrichtung  dessen  erlauben 
wir  uns  nur  den  Wunsch  auszusprechen ,  dass  jede  Lehrerprüfung  in 
Verbindung  mit  einer  Religionsprüfung  geblieben  sein  möchte,  und 
daran  möchten  wir  noch  den  Zweifel  knüpfen,  ob  die  Oeffentlich- 
keit  des  mündlichen  Examens  eine  besondere  Nothwendigkeit  sei. 
Diese  Prüfung  steht  doch  erst  an  der  Schwelle  des  öffentlichen  Le- 
bens, nicht  in  demselben,  und  da  es  nichteine  gewöhnliche  Schul- 
Prüfung,  sondern  ein  Examen  ist,  von  dem  für  den  exaroinanden 
manches  abhängt,  liesze  sich  vielleicht  fragen,  ob  jeder  zu  prüfende 
für  eine  solche  Oeffcntlichkeit  gleich  befähigt  ist. 

Man  hat  bisher  mit  dieser  wissenschaftlichen  Prüfung  eine  prak- 
tische Lehrprobe  verbunden.  Es  ist  ganz  gewis ,  dasz  eine  Prüfung 
des  Lehrers  stattfinden  musz,  denn  wie  viele  tüchtige  Gelehrte  gibt 
es,  welche  sich  für  die  Schule  nicht  eignen!  Eine  solche  praktische 
Prüfung,  welche  ergibt,  welche  didaktische  und  paedagogische  Befä- 
higung der  Candidat  besitzt,  wird  also  jedenfalls  vorgenommen  wer- 
den müssen.  Es  ist  also  nicht  die  Sache,  welche  uns  vielmehr  sehr 
nothwendig  erscheint,  sondern  ihre  bisherige  Gestalt,  gegen  welche 
wir  einige  Bedenken  äuszern  möchten.  Denn  ist  es  wol  nach  dem  bis- 
herigen Bildungsgänge  des  examinanden  zu  erwarten,  dasz  er  über- 
haupt schon  unterichten  kann?  Er  hat  wissenschaftliche  Kenntnisse 
gesammelt,  auch  wol  paedagogische  Vorlesungen  gehört  und  im  Se- 
minar interpretiert,  vielleicht  auch  erfahren,  wie  in  dem  oder  jenem 
Fache  zu  unterrichten  ist, —  aber  dasz  er  schon  unterrichtet  hat, 
ist  wenigstens  nicht  vorauszusetzen.  Es  ist  das  ganz  sicher  ein  Man- 
gel in  dem  Bildungsgange  für  das  höhere  Lehramt,  dasz  es  an  prak- 
(ischcr  Uübung  fehlt.  Blan  hat  zu  diesem  Zwecke  vorgeschlagen,  das 
philologische  Seminar  mit  einem  Gymnasium  so  zu  verbinden,  dasz 
die  Seminaristen  einen  Theil  des  Unterrichts  besorgten.  Das  ist  nun 
zwar  sehr  freundlich  für  die  jungen  Philologen,  aber  desto  unfreund- 
licher gegen  die  Schüler  gedacht,  an  denen  herum  experimentiert 


74  Stadien  cam  GymiiMialwesen. 

werden  foll.  Wir  möchten  deshalb  sagen  ^  die  Universität  habe  auch 
dem  künftigen  Lehter  noch  keine  Praxis,  sondern  nur  die  wissen- 
schaftliche Ausbildung  su  geben.  Denn  gesetst,  man  gründete 
auch  einige  Seminarstellen,  welche  mit  einer  Anzahl  von  Unterrichts- 
stunden an  einer  der  Leipsiger  Schulen  verbunden  w8ren,  so  wird 
das  erstens  Kosten  verursachen,  und  zweitens  sich  immer  nur  auf 
einige  Seminaristen  erstrecken,  drittens  aber,  wenn  es  von  erheb- 
lichem Nutzen  sein  sollte,  sehr  viele  Schwierigkeiten  herbeiführen. 
Kann  nun  aber,  wie  die  Sachen  jetzt  stehen,  von  einer  vorangegan- 
genen Lehrpraxis  des  Candidaten  füglich  nicht  die  Rede  sein,  so 
scheint  die  Bedeutung  jener  Lehrprobe  sehr  zweifelhaft.  Es  kommt 
noch  dazu,  dasz  sie  im  Prüfungsiocale,  nicht  in  der  Schule  abgehal- 
ten wird.  Zwar  macht  die  Schulstube  nicht  den  Lehrer ,  aber  sie 
gehört  zu  ihm ;  da  erwacht  die  paedagogische  Natur  und  äuszert  sich 
unwillkürlich. 

So  wie  die  Universitätszeit  für  den  künftigen  Lehrer  die  Zeit 
der  wissenschaftlichen  Ausrüstung,  so  scheint  uns  das  Probejahr  die 
Zeit  des  praktischen  lernens,  theils  durch  das  eigene  unterrichten, 
theils  durch  das  zuhören  beim  Unterrichte  anderer.  So  wie  das  wis 
senschaflliche  Examen  am  Schlüsse  der  Universitälszeit  steht,  meinen 
wir,  müste  das  praktische  Examen  am  Schlüsse  des  Probejahres  ste- 
hen. So  wie  jenes  von  den  Professoren  abgehalten  wird,  welche  die 
Vertreter  der  wissenschaftlichen  Gebiete  sind,  müste  das  praktische 
Examen  vor  der  Behörde  stattfinden ,  welche  die  gesamte  Ausübung 
des  Berufes  leitet,  vor  dem  Ministerium  selbst.  Sollten  nicht  alle 
betheiliglcn  gewinnen?  Der  Candidat,  der  dadurch  an  das  Probejahr 
in  einer  noch  ganz  andern  Weise  gewiesen  wird,  der  zugleich  eine 
Gelegenheit  erhält,  sich  über  seine  Brauchbarkeit  vor  der  Behörde 
unmittelbar  auszuweisen,  von  der  er  seine  Verwendung  im  Leben  zu 
erwarten  hat?  Die  Behörde,  welche  dadurch  nicht  nur  alle  ihre  her- 
anwachsenden Kräfte,  sondern  auch  den  Grad  ihrer  Verwendbarkeit 
und  die  Art  ihrer  besonderen  Befähigung  genau  kennen  lernt?  Die 
Schule  überhaupt,  welche  ja  durch  das,  was  jene  gewinnen,  mit  ge- 
winnen musz?  Auch  scheint  eine  praktische  Schwierigkeit  nicht  vor- 
zuliegen; denn  würden  die  wissenschaftlichen  Prüfungen  in  Leipzig 
jedes  Semester  kurz  vor  dem  Schlüsse  gehalten,  so  würden  alle  Probe- 
jahre mit  einem  Semester  beginnen  und  also  auch  praktische  Prflfu- 
gen  nur  zweimal  im  Jahre  stattfinden.  Da  aber  Dresden  zwei  Gym- 
nasien und  zwei  Realschulen  hat,  ein  drittes  Gymnasinm  sich  in  der 
Nähe  befindet,  würde  es  wol  leicht  sein,  an  einer  dieser  Schulen  die 
praktische  Prüfung  vorzunehmen ,  die  dann  freilich  umfänglicher  sein 
müste,  als  die  bisherige. 

Es  sei  gestattet,  schlieszlich  noch  einmal  den  Inhalt  unserer  Be- 
trachtungen in  einigen  kurzen  Sätzen  zusammenzufassen: 

1)  Die  Realschule,  welche  der  mangelhaften  Erscheinung  und  nicht 
genügenden  Durchbildung  des  Humanismus  im  vorigen  und  in  diesem 
Jahrhunderte  früher  ihre  Entstehung,  jetzt  ihre  Ausbreitung  dankt, 


Skidien  sali  fiyHMiialwafeD.  7S 

niolistdea  aber  darek  den  gesunUn  RdalinMu  daa  modarnan  Labeoa 
in  sainar  wolthiligan  nnd  nnwoithitigaa  Riaktang  bagfinatigt  wird, 
bat  ala  aelbatindiga  neben  den  CrymDasiani  von  laten  auf  bestabenda 
Bildungsanstalft  nicbt  die  Fibigkait  ihre  Schaler  in  einer  jenem  ant- 
aprechenden  Weise  anssabilden.  Denn  sie  besitzl  innerhalb  das  ihr 
eigentbttmlichen  Lehrmaterials  kein  ausreichendes  formales  Bildongs* 
mitlel  and  tritt  darum  leicht  in  ihren  Leistungen  selbst  auf  dem  rea- 
len Gebiete  hinter  das  Gymnasium  aurack.  Durch  eine  gründliche  Be- 
treibung der  lateinischen  Sprache  aber  geht  sie  ans  dem  realen  in 
einen  halb -gymnasialen  Charakter  über  und  gerSth  dadurch  um  so 
stärker  in  die  Unsicherheit  ihres  Wesens,  a wischen  einer  allgemein 
bildenden  Anstalt  und  einer  Fachschule  hin  und  her  schwankend. 

2)  Das  Gymnasium  wird,  wenn  es  den  realen  Unterricht  in  ange- 
messener Weise  behandelt  und  zaglesch  durch  eine  energischere  För- 
derung der  Schüler  innerhalb  der  Schule  und  bei  geringerer  Ueber- 
bürdnng  derselben  mit  häuslicher  Arbeit  die  Selbstthätigkeit  und  den 
Bildungstrieb  der  lernenden  mehr  belebt  als  unterdrückt,  recht  wol 
sich  auch  für  solche  Schüler  eignen,  welche  nicht  die  Universität  be- 
suchen ,  sondern  früher  in  eine  Fachschule  oder  in  die  Praxis  über- 
gehen. Theils  aber,  weil  die  Realschulen  historisch  geworden  sind, 
theils  auch  weil  die  Zeitstimmung  nicht  unberücksichtigt  bleiben  kann, 
empfehlen  sich  unter  den  Realschulen  diejenigen,  welche  in  Gemein- 
schaft mit  dem  Gymnasium  bestehen ,  so  dasz  erst  nach  einem  gemein- 
schaftlichen Cursus  in  den  untern  Klassen  (wo  möglich  erst  naclr  dem 
vollen  Cursus  der  Quarta)  beide  Richtungen ,  von  da  an  sich  selb- 
ständig weiter  entwickelnd ,  auseinander  gehen. 

3)  Zu  dem  Aufschwünge  des  Realschulwesens  in  nnserm  Lande  hat 
neben  den  allgemeinen  Zeitverbältnissen  und  der  industriellen  Cultur 
Sachsens  die  eigenthümliche  Lage  der  Gymnasialstudien  mitgewirkt, 
indem  die  Verfassung  eines  Theiles  unserer  Gymnasien  dieselbe  in 
die  Gefahr  bringt  einer  gerade  .die  Schulen  leicht  ergreifenden  Stag- 
nation und  unpaedagogischer  Praxis  anheimaufallen.  Wenn  ferner  von 
vielen  Seiten  nnd  wol  mit  Recht  eine  stärkere  Betonung  des  paeda- 
gogisahen  Elementes  im  Stande  der  Gymnasiallehrer  gewünscht  wird, 
so  könnte  wol  einem  solchen  Wunsche  eine  Umgestaltung  des  prak- 
tischen Theiles  des  Lebramtsexamens  entgegenkommen,  indem  diese 
praktische  Prüfung  an  das  Ende  des  Probejahres  und  vor  eine  andere 
Behörde  verlegt  würde. 

4)  Vermöge  seiner  historischen  Bedeutung,  als  ein  Hauptfactor  im 
deutschen  Geistesleben,  sowie  wegen  seiner  Innern  idealistischen  Ober 
das  Leben  nnd  die  Materie  erhebenden,  au  Genügsamkeit  und  Resig- 
nation, zu  Pietät  und  Sittlichkeit  erziehenden  Kraft  hat  der  Humanis- 
mus, welcher  auf  der  Basis  ainaa  positiven  christlichen  Glaubens  und 
Bekenntnisses  ruht,  nicht  nur  vollgiltigen  Anspruch  auf  Unterstützung 
und  Förderung,  sondern  er  ist  auch  unzweifelhaft  eines  der  ausgie- 
bigsten und  kräftigsten  Mittel,  zur  Hebung  des  ganzen  Lebens  dar 
Gegenwart  und  zur  Paralysierung  der  materialistischen  Richtaagen  in 


76  Zu  Xeoopb.  Anab.  III  4,  19—23. 

allen  Gebieten  einen  echten  IdealismuB  in  christlichem  Sinne  hervor- 
zurufen und  zu  beleben.  In  diesem  Sinne  ist  er  befähigt  zu  wirken 
und  wird  als  ein  solcher  Factor  im  Bildnngsbewustsein  der  deutschen 
Nation  bleiben,  wenn  auch  seine  äuszere  Erscheinung  hie  und  da  hin- 
ter der  durch  sein  Wesen  bedingten  Aufgabe  zurückbleibt.  Um  so 
mehr  aber  bedarf  er  allseitiger  Anerkennung,  Aufmunterung,  Lfinte> 
rung,  als  schon  die  historische  Betrachtung  zeigt,  dasz  bisher  immer 
der  Kampf  gegen  das  klassische  Alterthum  dazu  diente,  den  Klassi- 
cismus  oder  Humanismus  aufs  neue  zur  Geltung,  wenn  auch  in  weiter 
entwickelter  Gestalt,  zu  bringen. 

Dresden.  F.  Paldamus, 


9. 

Zu  Xenoph.  Anab.  III  4  19 — 23. 


Ileraiisgeber  und  Militärpersonen  haben  die  bezeichnete  Stelle 
besprochen  und  zu  erläutern  gesucht;  bei  alle  dem  aber  sagt  noch 
Mallhiae  in  seiner  Ausgabe:  ^  Die  folgenden  §§  sind  sehr  dunkel. 
We<ler  die  Ursachen ,  warum  die  bisherige  Marschordnung  unsweck- 
mäszig  war,  noch  die  Art  und  Weise,  wie  sie  verbessert  ward,  ist 
deutlich  auseinander  gesetzt.  Vermutlich  ist  der  Text  hier  vielfach 
verdorben.'  Ich  kann  diesem  Urtheile  nicht  beistimmen,  was  Matthiao 
vermiszl  ist  wenn  auch  kurz  ausgesprochen.  Die  Hauptsache  fflr  das 
Verständnis  namentlich  der  §  J9  und  20  ist,  sich  vor  der  Ansicht  zu 
hüten,  als  sei  alles  nach  den  Regeln  der  Taktik  vorgenommen,  und 
danach  diese  §§  durch  bildliche  Darstellung  veranschanlichen  zu  wol- 
len. Köchly  und  Rüstow,  denen  man,  was  die  Stellung  der  einzelnen 
Truppenkörper  betrifft,  in  der  Anordnung  des  Vierecks  während  ei- 
nes Marsches  durch  die  Ebene  vollkommen  beistimmen  musz  (vgl.  §  26 
und  43),  haben  S.  186  in  der  Fig.  79  und  dann  in  $  45  Seite  187  den 
Durchmarsch  durch  ein  Defilee  so  erläutert,  dasz  dabei  durch  ReohCf- 
und  Linksabmarsch  die  schönste  Ordnung  bewahrt  wird  uud  ein  Nach- 
theil nur  in  der  OefTuung  der  T^te  und  der  Queue  bestehen  soll.  Aaf 
unsere  Stelle  kann  jedes  taktische  Manöver  nicht  angewandt  werden 
und  haben  die  genannten  Vf.  gewis  absichtlich  alles  eitleren  dersel- 
ben vermieden.  Bei  Xenophon  herscht  beim  defilieren  keine  Ordnung, 
sondern  Unordnung,  es  geht  aus  der  ganzen  Darstellung  hervor,  dasz 
Xoiiophon  und  seine  Milstrategen  das  defilieren  mitteist  eines  Links- 
und Rochlsabmarsches  der  T6te  nicht  kennen.  Bei  Xenophon  rückt 
vielmehr  das  Viereck  mit  der  ganzen  Breite  seiner  Front  vor  das 
Deiiloü ;  daselbst  beginnen  die  Seiten  sich  nach  der  Mitte  zu  zusam- 
men au  ziehen  (cvyTwntuv);  dabei  löst  sich,  weil  jeder  je  eher  je 


Zu  Xcnoph.  Aiiab.  Ilf  4  19—23.  77 

lieber  hindurch  zn  kommen  suchte  {lisnevdtv  fhutorog  ßovkofievog  ^a- 
aai  TtQmtog)  jede  Ordnung  und  feste  Geschlossenheit  des  Vierecks 
auf,  es  entsteht  ein  allgemeines  drängen  und  stossen  von  allen  Sei- 
ten, von  hinten  nach  vorn  und  in  diesem  Gedränge  werden  nament- 
lich die  Hopliten  von  ihren  Stellen  gedrangt  (in&Ußovxai)  und  das 
Viereck  kömmt  auf  der  andern  Seite  in  so  gründlicher  Verwirrung 
(xaQcmofiivovg)  an,  dasz  viele  der  herausgedrängten  weit  von  ihren 
Plätzen  zerstreut  waren  (Siaanaad-ai)  und  in  Folge  dessen  das  Vier- 
eck selbst  nicht  wieder  sofort  auf  allen  Seiten  geschlossen  war  und 
xevov  yiyvEXcci  xo  [liaov  xav  KSQcczfiov, 

Es  besteht  somit  die  Unzweckmäszigkeit  der  bisherigen  Marsch- 
ordnung einfach  darin,  dasz  nicht  bestimmt  war,  welcher  Theil  des 
Vierecks  bei  einem  Defil^e  zur  Verminderung  der  Front  abzubrechen 
und  zu  warten  habe. 

Sollte  Abhülfe  werden,  so  muste  das  unzeitige,  Verwirrung  her- 
vorbringende vordrängen  aller  auf  einmal  vermieden  und  durch  ein 
faktisches  Mittel  jene  Verkleinerung  der  Front  erzielt  werden. 

Zu  diesem  Zwecke  werden  6  Lochen  gebildet,  von  denen  nach 
§  43  drei  an  der  Tdte ,  drei  bei  der  Nachhut  stehen.  Ihre  Bestimmung 
ist  vor  einem  Defllee  zurückzubleiben  und  erst  nach  dem  geordneten 
Durchmarsche  des  übrigen  Heeres  sich  wieder  der  Queue  anzuschlie- 
szcn.  Allerdings  sagt  Xenophon  nicht,  wie  jenes  ^vTtiiievov  varsQOi* 
taktisch  ausgeführt  ist,  aber  deshalb  ist  die  Stelle  nicht  duukler  und 
ebenso  wenig  nicht  verdorben,  als  viele  andere,  an  denen  wir  eine 
ausführlichere  Beschreibung  der  taktischen  Einrichtung  vermissen  (z. 
ß.  über  oQd'ioi  Ao;(;of) :' Xenoph.  schreibt  nicht  eine  Taktik,  sondern 
für  der  Taktik  kundige  Griechen. 

Köchly  und  Rüstow  haben  S.  18d  ein  taktisches  Manöver  aus 
unserer  Stelle  (§  21  —  23)  entwickelt  und  durch  Fig.  80  veranschau- 
licht, aber  ihre  Darstellung:  ^Kam  man  an  ein  Defilee,  so  eilton  die  3 
Compagnicn  der  Tete  voran,  die  Flanken  zogen  sich  nebeneinander 
durch' usw.  ist  gegen  Xenophons  ausdrücklichen  Ausspruch;  ^dasz  sie 
zurückblieben '.  Ich  glaube  deshalb ,  dasz  auch  hier  nicht  an  ein  be- 
sonderes taktisches  Manöver,  durch  welches  die  3  Compagnicn  der 
Tdte  vorn  blieben,  zu  denken,  vielmehr  ganz  einfach  anzunehmen  ist, 
dasz  dieselben  vor  einem  Defilee  aus  der  Mitte  der  Front  heraus  zur 
Seite  treten  und  so  den  Seilen  {ciate  fi^  ivoxXeiv  rotg  ^iquat)  Raum  zum 
zusammenrücken  verschalTen.  Wahrend  sie  so  den  gedrängter  mar- 
schierenden Seiten  auch  zum  Schutze  gegen  die  nachrückenden  Feinde 
dienen  können ,  lassen  sie  die  Seiten  an  sich  vorüberziehen,  schlie- 
szen  sich  den  aus  der  Queue  zurückbleibenden  an  und  ziehen  mit  die- 
sem dem  Viereck  nach,  in  dessen  sich  öffiiende  Seiten  sie  nun  ver- 
einigt als  Queue  einrücken.  Will  man  aber  ein  abbrechen  der  Seiten 
mehr  nach  den  strengen  Regeln  der  Taktik  in  §  21 — 23  suchen,  so 
müssen  wir  uns  die  6  Lochen  während  des  Marsches  durch  eine  Ebene 
entweder  nach  Fig.  1  an  den  äuszern  oder  nach  Fig.  3  nach  den  Innern 
Seiten  des  Vierecks  aufgestellt  denken. 


78 


Zu  Xenoph.  Anab.  111  4  19—33. 
Fig.  i.  Fig.  2. 


a 

b 

a 

b 

c 

b 

b 

b 

a 

b 

a 

h 

e 

» 

In  diesen  und  den  folgenden  Figuren  bezeichnen  die  Buchstabeu  das- 
selbe nnd  zwar  a  die  Stellung  der  6  Lochen,  b  die  übrigen  Hopliten,  c 
Trosz  und  LeichtbewalTnete. 

Welche  von  beiden  Stellungen  die  richtige  sei ,  möchte  schwer  zu 
entscheiden  sein;  wegen  der  Worte  l^ooOcv  xmv  Kegavtav  könnte  die 
Stellung  Fig.  2  die  richtigere  sein,  aber  wegen  der  bequemeren  Aus- 
führung und  nach  Analogie  der  heutigen  Taktik  empflehlt  sich  die 
Stellung  nach  Figur  1.  Bei  Annahme  von  einer  der  beiden  Stellungen 
würde  ddr  fernere  Verlauf  des  durchdefilierens  im  ganzen  derselbe 
und  etwa  folgender  sein.  ' 

Kommt  ncmlich  das  Viereck  vor  ein  Defilee,  so  bleiben  die  6 
Lochen  auf  das  Commando  ihrer  Führer  stehen  (yninevov  varegoi)  und 
lassen  die  übrigen  Theile  des  Vierecks  an  sich  vorüber  hindurch  zie- 
hen. Bildlich  dargestellt  würde  Fig.  3  das  zur  Hälfte  etwa  im  Deft- 
leo,  zur  Hälfte  noch  vor  demselben  beflndliche  Viereck  nnd  die  Stel- 
lung der  6  Lochen  bei  Annahme  von  Stellung  Fig.  1  veranschaulichen ; 
Figur  4  dasselbe  bei  Stellung  nach  Figur  2. 


Fig.  3. 


Fig.  4 


Der  Vorbeimarsch  geschieht  in  der  besten  Ordnung,  denn,  sagt  Xe- 
nophon :  ovx  kaQatxowOj  alk^  iv  x^  (Ugit  ot  koxayol  6$ißatvov>  — 


F.  W.  Leuze:  Ldirgang  der  gr.  Spraeh«. 


7» 


Fig. 

— r 


Sind  die  Colonnea  des  Viereoks  vorüber,  to  sehlie- 
szen  sich  die  6  Lochen  aneinander  und  marschieren 
hinter  demselben  nebeneinander  auf  (tou  de  naQ^- 
yov  XTÜ.)?  ao  dasz  die  jetzige  Stellang  sich  durch 
Fig.  5  veranschaulichen  Ifiszt. 

Da  nun  aber  das  vorrfickende  Viereck  jeden- 
falls eine  beträchtliche  Tiefe  hatte,  so  war  es  nicht 
möglich,  dasz  die  6  Lochen  etwa  durch  schnelleren 
Schritt  ihre  alte  Stelle  im  Viereck  (sei  es  nun  auf 
den  beiden  finszern  Seiten  nach  Fig.  1  oder  au  den 
innern  nach  Fig.  2)  wieder  einnehmen  konnten. 
Um  ihnen  jedoch  einen  Platz  im  Viereck  zu  sichern, 
trennen  sich  nach   dem  Durchmärsche   die  Shiten 


desselben  an  der  Queue  und  die  6  Lochen  rücken  in  diesen  Zwischen- 


raum und  nehmen  so  die  Stellung  von  Fig.  6  Fig.  6. 

ein.  Diese  Stelle  behalten  sie  bis  das  eigent- 
liche Viereck  wieder  hergestellt  werden  soll 
(xai  iX  Ttov  dhi,  xi  xi^g  ipiXayyog).  Wahr- 
scheinlich machte  zu  diesem  Zwecke  das  Heer 
einen  kurzen  Halt,  denn  viel  Zeit  konnte  der 
Wechsel  der  Stellung  nicht  wegnehmen,  da 
sie  {htattti^ctv  ovxot)  in  der  Nähe,  bei  der 
Hand  waren. 

Auf  diese  Welse  habe  ich  mir  die  Stelle 
deutlich  zu  machen  gesncht,  doch  irren  ist  menschlich  und  deshalb 
würde  es  mir  lieb  sein ,  wenn  andere  meine  Darlegung  prüften  und 
ihre  abweichenden  Ansichten  recht  bald  in  diesen  Blättern  mittheilten, 

Clausthal.  F,  Vollbrecht. 


h 

b 

h 

e 

b 

a 

b 

F.  W.  Letae:  Lehrgang  der  griechischen  Syntax.  Für  Schulen 
und  mm  Privai-Oebrauch.  Tübingen  bei  Moser  1855.  VI 
n.  198  S.  8. 

Das  Buch,  welches  nach  der  auf  der  Rückseite  des  Umschlages 
abgedrnektea  Ansicht  des  Verlegers  ^abweichend  von  allen  seither 
angewendeten  Methoden  seinen  Gegenstand  behandelt'  und  *an  der 
Hand  eines  bestimmten  ans  einigen  griechischen  Klassikern  gewählten 
Stoffes  eine  slufenmäszige  Entwicklung  der  für  den  Schüler  gewöhn- 
lich so  schwierigen  Syntax  bietet',  besteht  aus  zwei  Abschnitten. 
Der  erste  enthält  nach  einer  Einleitung  über  die  nothwendigen  Be- 
griffe ans  der  Satzlehre  in  11  Leclionen  als  Grundlage  die  Lebensre- 
geln  des  Isokrates ,  denen  nach  der  Zusammenstellnng  der  Regeln  von 


80  F.- W.  Leuzo:  Lehrgang  der  gr.  Sprache. 

S.  55—69  in  8  Lectionen  Stoff  sur  Anwendung  dieser  Regeln  nebst 
einem  Wörterverzeichnis  folgt. 

Der  zweite  Abschnitt  enthalt  nach  einigen  nothwendigen  stilisti- 
schen VorbegrifTcn ,  die  einige  Hanptunterschiedo  des  deutschen  und 
griechischen  Periodenbaues,  Uangordnung  und  Stellung  der  Sätze  und 
Wörter  (Chiasmus  und  Anaphora)  und  ähnliches  behandeln,  in  14  Lec- 
tionen Stücke  aus  Plutarch,  Isokrates  und  Lukian,  denen  sodann  wie- 
derum 12  theils  lateinische  thcils  deutsche  Stücke  zum  übersetzen 
ins  Griechische  zur  Anwendung  der  gefundenen  Regeln  folgen. 

Die  Behandlung  der  griechischen  Stücke  ist  in  beiden  Abschnit- 
ten dieselbe.  Unter  jeder  Lection  finden  sich  nemlich  Anmerkungen, 
in  denen  nach  der  Auswahl  des  Verfassers  die  syntaktischen  Verhält- 
nisse kurz  erläutert  werden,  wobei  derselbe  mit  dem  einfacheren 
beginnt  und  von  Lection  zu  Lection  zu  schwererem  und  complicier- 
terem  aufsteigt.  —  Während  die  Bemerkungen  die  syntaktischen  Re- 
geln in  bunter  Reihe  aus  den  verschiedenen  Theilcn  der  Syntax  neh- 
men, folgt  ihnen  sofort  eine  Zusammenstellung,  in  der  die  vorge- 
kommenen Regeln  der  betreffenden  Lehre  untergeordnet  werden.  Am 
Ende  eines  jeden  Abschnitts  findet  sich  dann  noch  einmal  eine  Ueber- 
sicht  über  die  vorgekommenen  Regeln  nach  dem  syntaktischen  Sy- 
steme und  zwar  so,  dasz  der  erste  die  in  den  il  Zusammenfassungen 
vorgekommenen  Regeln  zu  einem  ganzen  vereinigt,  der  zweite  Ab- 
schnitt dagegen  mit  einer  Gesamtzusammenfassung  abschlieszt.  Bei 
dieser  Einrichtung  kommt,  abgesehn  von  den  Verweisungen  und 
Wiederholungen  in  den  Anmerkungen,  jede  grammatische  Bemer- 
kung des  erstens  Abschnitts  viermal  und  jede  des  zweiten  Abschnitts 
dreimal  zur  Besprochung  und  in  den  Uebungsbcispielen  mehrfach  zur 
Anwendung.  Das  ist  die  Einrichtung,  die  viel  empfehlendes  hat,  um 
so  mehr  da  die  Anmerkungen  sich  meist  durch  praecise  Form  aus-, 
zeichnen  und  für  jüngere  Lehrer  viel  anregendes  haben. 

Mit  dem  Zwecke  des  Buchs  können  wir  aber  principiell  nicht 
einverstanden  sein.  Der  Vf.  hat  es  zwar  nicht  ausgesprochen,  aber 
die  Anmerkungen  zur  1  Lection ,  welche  die  leichtesten  syntaktischen 
Regeln  trotz  des  vorhergegangenen  lateinischen  Unterrichts  wiederum 
vorführen  (Bedeutung  des  Indic. ,  Congruenzlehro  des  adjectivischen 
Praedicats  und  Acc.  als  transit.  Obj.  auf  die  Frage  wen?),  so  wie 
der  Schlusz  der  Vorrede  scheinen  anzudeuten,  dasz  der  Vf.  sofort 
nach  der  ersten  Einübung  der  Formenlehre  mit  seinem  Lehrgange  be- 
ginnen will.  Gegen  einen  so  frühen  bespndern  syntaktischen  Cursns 
und  zwar  in  solcher  Schematisierung  hat  sich  die  Paedagogik  schon 
längst  ausgesprochen.  Erst  musz  durch  eine  gut  geleitete  Leetüre  in 
der  Tertia,  bei  der  die  meisten  Anmerkungen  des  Vf.  schon  von 
selbst  vorkommen,  so  wie  durch  tüchtiges  retrovertieren  und  repe- 
tieren des  gelesenen  ein  tüchtiger  Grund  gelegt  werden,  che  von  ei- 
nem Unterrichte  in  der  Syntax  die  Rede  sein  kann.  Es  fällt  somit 
dieser  Unterricht  in  die  Secunda  und  am  besten  erst  in  die  Ober-Se- 
cunda;  für  diese  Classe  möchte  aber  dieser  Lehrgang  nicht  mehr  aus- 


F.  Närcker:  Lehrbuch  der  Geometrie.  81 

reichen,  weil  ein  grosser,  wenn  nicht  der  grösle  Theil  der  Regeln 
aas  der  Casuslehre,  Lehre  von  den  Praepositionen,  Tempnslehre  usw. 
den  Schülern  durch  die  früheren  Uebungen  so  bekanni  sind,  dasz  ein 
durchnehmen  derselben  an  der  Hand  eines  solchen  Lehrgangs  unnütz 
wäre. 

Clausthal.  F.  VoUbrechl, 


5. 

Lehrbuch  der  Geometrie  für  höhere  Lehranstalten,  Von  Fr. 
Mär  eher,  Prof.  am  Gymnasium  in  Meiningen.  Erster  Band, 
geometrische  Vorbegriffe  und  Planimetrie.  Hildburghausen, 
Kesselringsche  Hofbuchhandiung  1853. 

Das  vorliegende  Werkchen  bietet  insofern  eine  Eigenthümlichkeit, 
als  es  eine  mit  vielem  Fleisz  ausgeführte  Erörterung  der  geometri- 
schen Grundbegriffe  enthält ,  wie  sie  bisher  in  ähnlicher  Weise  wol 
noch  nicht  versucht  worden  ist.  Der  Vf.  geht  vom  Punkte  aus  und 
leit^T  durch  Bewegung  desselben  die  Linie  und  in  analoger  Weise  die 
Fläche  ab ,  ohne  jedoch  sogleich  den  Unterschied  zwischen  gerader 
und  krummer  Linie ,  sowie  zwischen  ebener  und  gekrümmter  Fläche 
zu  berühren.  Während  andere  Schriftsteller  mit  der  Aufstellung  die- 
ses Unterschiedes,  der  allerdings  für  die  Anschaaang  als  ein  primi- 
tiver gelten  kann,  sehr  rasch  bei  der  Hand  sind,  hat  es  dagegen  dem 
Vf.  erforderlich  geschienen  eine  Reihe  von  Zwischenbetrachtungen 
einzuflechten,  wodurch  jene  Distinction  näher  begründet  und  ihre 
Nothwendigkeit  fühlbarer  gemacht  werden  soll.  Zu  diesem  Zwecke 
geht  der  Vf.  genauer,  als  es  sonst  geschieht,  auf  die  Drehung  und 
Umlegung  der  geometrischen  Gebilde  ein  und  gelangt  dadurch  u.  a.  zu 
zw^i  Lehrsätzen,  welche  die  Möglichkeit  der  Geraden  und  der  Ebene 
darthun;  er  beweist  nemlich  einerseits,  dasz  es  unter  allen  zwischen 
zwei  festen  Punkten  denkbaren  Linien  wenigstens  eine  geben  musz, 
deren  Punkte  bei  der  Drehung  der  Linie  um  jene  Endpunkte  sämtlich 
ihre  Stelle  behalten,  sowie  andererseits,  dasz  es  eine  Fläche  gibt, 
die  nach  der  Umlegung  mit  sich  selbst  coincidiert.  Ref.  gesteht  gern, 
dasz  er  diesem  Gedankengange  mit  Interesse  gefolgt  ist,  wenn  er 
auch  hie  und  da  einigen  Anstosz  an  den  aufgestellten  Begriffen  ge- 
funden hat.  So  heiszt  es  z.  B.  S.  5:  *  jeder  Punkt  kann  nach  allen 
möglichen  Seiten  fortbewegt  werden ;  man  kann  also  auch  von  den 
Seiten  eines  Punktes  reden,  worunter  man  die  Hinwendungen 
nach  den  Wegen,  die  er  beschreiben  könnte,  versteht',  ebenso  wer- 
den später  an  der  Geraden  und  an  der  Fläche  eine  Vorder-  und  Hin- 
terseite unterschieden.  Hierin  scheint  dem  Ref.  ein  Misverstindnii 
zu  stecken;  wenn  der  Puirkf  nach  allen  Richtungen  hin  bewegt  wer- 

iV.  Jahrb,  f.  FhU,  u,  Ptud.  Hd.  LXXIV.  Hß.2.  6 


82  F*  M&rcker :  Lehrbach  der  Geometrie. 

den  kann 9  so  folgt  daraus  nicht,  dasz  er  verschiedene  Seiten  hst, 
sondern  nur,  dasz  um  ihn  herum  aberall  Platz  ist,  man  könnte  sogar 
sagen,  diese  verschiedenen  Seiten  gehören  nicht  dem  Punkte,  sondern 
vielmehr  dem  ihn  umgebenden  Räume.  Ueberhaupt  aber  will  dem 
Ref.  die  Vorstellung  der  verschiedenen  Seiten  eines  Punktes  nicht 
recht  zusagen ;  der  Punkt  wird  dadurch  gewissermaszen  za  einem  nn- 
endlich  kleinen  Polyeder  von  unendlich  vielen  Seiten  und  das  ist 
keine  Anschauung  mehr,  sondern  ein  Begriff,  in  welchem  der  noth- 
wendige  Widerspruch  des  unendlich  kleinen  enthalten  ist.  Bei  der 
Fläche  kann  man  allerdings  eher  von  zwei  Seiten  reden,  doch 
möchte  Ref.  auch  diese  nicht  der  Flache  selber  als  Besitzthum  ver- 
schrieben sondern  nur  darunter  verstanden  wissen,  dasz  die  Fläche 
den  Raum  in  zwei  Theile  trennt,  welche  entgegengesetzt  liegen.  Ue- 
brigens  ist  es  auffallend,  dasz  der  Vf.  beim  Körper  nichts  von  dessen 
Seiten  sagt,  obwol  dieser  ebenso  leicht  wie  der  Punkt  nach  allen 
Richtungen  hin  bewegt  werden  kann;  dem  Vf.  scheint  daher  an  die- 
ser Stelle  selber  ein  stiller  Zweifel  über  die  Zulässigkeit  des  vorigen 
Begriffes  der  Seite  beigegangen  zu  sein,  und  in  der  That  wftre  hier 
die  Verwechselung  zwischen  der  gewöhnlichen  endlichen  Anzahl  von 
Seilen  =3  Begrenzungsflächen  und  den  unendlich  vielen  Seiten  = 
^Hinwendungen  nach  den  verschiedenen  möglichen  Wegen'  unvermeid- 
lich gewesen ,  wenn  nicht  eine  neue  Bezeichnung  eingeführt  würde. 
—  Doch  das  sind  Kleinigkeiten  und  vielleicht  von  keinem  Einflüsse 
auf  den  Gedankengang  des  Vf.;  Misgriffe  der  Art  kommen  bei  jedem 
ersten  Versuche  vor,  ohne  das  Verdienst  des  Versuches  zu  schmälern. 

Was  die  Anordnung  des  übrigen  Stoffes  betrifft,  so  nnter- 
schcidet  sie  sich  nicht  bedeutend  von  der  Euclids;  sie  ist  folgende: 
Gap.  1:  Schneidende  Gerade  und  Winkel,  II:  Figuren  im  allgemeinen 
(Congruenzen)  und  die  einfachsten  Lehren  vom  Kreise,  III:  die  Drei- 
ecke, IV:  Parallelenlheorie,  V:  Vielecke,  VI:  Flächenlehre,  VII:  Ver- 
bindung des  Kreises  mit  Geraden,  VIII:  Ausmessung  geradliniger  Fi- 
guren, IX:  Aehnlichkeitslehrc,  X:  Kreismessung.  Wie  Ref.  über 
diese  Reihenfolge  denkt,  ist  wol  bekannt  genug,  indessen  hat  sie  eipe 
Art  historischen  Rechtes  und  wir  wollen  daher  mit  dem  Vf.  nicht  dar- 
über streiten. 

Von  sonstigen  Eigenthümlichkeiten  mögen  folgende  hervorge- 
hoben werden.  Der  Vf.  unterscheidet  *Knie'  und  *  Winkel';  ersterea 
besteht  aus  zusammentreffenden  endlichen  Geraden  ohne  dasz  bei  die- 
ser Verbindung  ein  Theil  der  Ebene  beider  Geraden  gedacht  wird, 
beim  Winkel  dagegen  sind  die  Geraden  unbegrenzt  und  der  zwischen- 
liegende  unendliche  Raum  gehört  nothwendig  zur  Vorstellung  (ebenso 
unterscheidet  der  Vf.  Trigramm  nnd  Dreieck  usw.).  Der  unendliche 
Winkelraum  dient  wie  bei  Grelle  und  Bretschn  eider  zur  Ver- 
gleichung  der  Winkel,  wobei  freilich  der  Uebelstand  nicht  zu  um- 
gehen ist,  dasz  man  lauter  unendlich  grosze  mit  einander  vergleicht 
und  den  Satz  vom  verschwinden  des  endliehen  gegen  das  unendliche 
anwenden  musz.     Beides  scheint  dem  Ref.  weder  wissenschaftlich 


F.  Mürcker :  Lehrbuch  der  Geometrie.  83 

noch  paedagogiscb  gerechtfertigt  und  er  gibt  daher  der  alten  ErkU- 
rung,  welche  den  Winkel  auf  den  Unterschied  der  Richtung  zurück- 
führt, den  Vorzug;  der  Vf.  tadelt  an  dieser,  dasz  hier  der  Unter- 
schied nicht  gleichartig  mit  den  beiden  verglichenen  Gröszen  sei^ 
doch  ist  dies  nur  dann  ein  Einwurf,  wenn  ^Unterschied'  im  streng 
a  ritbmetischen  Sinne  genommen  wird;  eingangs  einer  Geome- 
trie thut  dies  wol  niemand,  doch  kann  man  vielleicht  besser  *  Ab- 
weichung' statt  ^  Unterschied^  sagen,  wie  schon  Euclid.  Für  den  Pa- 
rallelismus benutzt  der  Vf.  das  Kennzeichen  des  nichtschneidens  und 
polemisiert  gegen  den  Satz,  dasz  sich  Parallelen  im  unendlichen 
schneiden;  hierin  scheint  aber  die  Bedeutung  des  unendlichen  nicht 
scharf  gefaszt  zu  sein.  Der  Charakter  des  mathematisch  unendlichen 
ist  die  Unvollendbarkeit,  daher  sind  alle  Sätze,  in  denen  vom  unend- 
lichen die  Rede  ist,  eigentlich  nur  abgekürzte  Ausdrücke  für  unvoll- 

cndbare  Processe; — -r— ^  heiszt:   je  kleiner   die  Aenderung  des  x, 

mithin  auch  die  von  x^  ist,  desto  genauer  wird  das  Verhältnis  bei- 
der Aenderungen  =  2x;  ebenso  bedeutet  jener  Satz  aus  der  Paral- 
lelentheorie nichts  weiter  als:  je  entfernter  der  Durchschnitt  zweier 
Geraden  liegt,  desto  weniger  difTerieren  sie  von  der  parallelen  Lage. 
Der  bestrittene  Satz  ist  in  diesem  Sinne  ohne  Zweifel  richtig  und 
nach  des  Ref.  Ueberzeugnng  nichts  weniger  als  fiberflüssig.  Ohne  ihn 
müste  man  (wie  Euclid)  fiberall,  wo  einmal  zwei  Gerade  in  einer 
Ebene  vorkommen,  die  beiden  Fälle' des  Schneidens  und  des  nichts 
Schneidens  gesondert  behandeln,  was  namentlich  bei  vielen  Unter- 
suchungen der  neueren  Geometrie  zn  widerwärtigen  Weitläufigkeiten 
führen  würde.  —  Zur  genaueren  Berechnung  der  Kreisperipherie  be- 
dient sich  der  Vf.  einer  unendlichen' Reihe;  sind  nemlich  u  und  U  die 
Umfange  eines  eingeschriebenen  und  eines  umschriebenen  regelmaszi- 

gen  Vielecks  von  gleicher  Seitenzahl ,  und  wird  ferner  ^-^ —  mit  q 

bezeichnet,  so  gilt  die  Formel 

2  «  _  u  (1  4-    j^    q  -   3Tö   ^'  +   öfr    *!•-••••). 
Die  Ableitung  derselben  zeugt  zwar  von  analytischer  Gewandtheit, 
dürfte  aber  insofern  ungenügend  sein,  als  sie  auf  der  unmotivierten 

Hypothese 

2  Ä  =  a  (1  +  Aq  +  Bq«  +  Cq»   +   .  .  .) 

beruht;  jedenfalls  hätte  der  Vf.  besser  gethan  einstweilen  das  ge< 
wohnliche  Verfahren  beizubehalten  und  erst  in  der  (noch  nicht  er- 
schienenen) Trigonometrie  die  obige  Gleichung  ans  der  Reihe  für 
Aretan  x  abzuleiten ,  welche  letztere  sich  elementar  und  streng  ent- 
wickeln laszt  (Archiv  d.  Math.  Bd.  XVI  S.  230). 

Wenn  Ref.  im  vorigen  manches  an  dem  Märckerschen  Buche  aus- 
zusetzen gefunden  hat,  so  wolle  man  daraus  noch  keinen  Schlasz  aaf 
das  ganze  ziehen.  Im  allgemeinen  betrachtet  zeugt  dasselbe  von  Je- 
ner Selbständigkeit  des  denkens ,  die  sich  ebenso  wol  am  die  Sicher- 

6* 


84    Die  Verliandlongen  der  pacdagogischeii  Seolion  in  Hamburg'. 

Stellung  der  Grundlagen  der  Wissenschaft  als  um  deren  eleganten 
Weiterbau  bemüht.  Namentlich  empfehlen  wir  es  allen,  denen  die 
genauere  Betrachtung  der  geometrischen  GrundbegrilTe  von  Interesse 
ist,  und  wünschen,  dasz  der  zweite  Theil  (die  Stereometrie)  baldigst 
erscheinen  möge,  worin  die  Eigenthümlichkeiten  der  Märckerschen 
Anschauungsweise  jedenfalls  noch  schärfer  hervortreten  werden. 
Dresden.  ScMömilch, 


Die  Verhandlungen    der   paedagogischen  Section   bei   der 
ir>n  Philologenversammlung  in  Hamburg  vom  In — 4n  Oct. 


Es  darf  wol  aU  «in  erfreuliches  Zeichen  angesehen  werden,  dasz 
an  der  paedago^^ischen  Section  eine  sehr  zahlreiche  Betheiligung  statt 
fand.  Bei  der  ümfäiif>lichkcit  und  Raschheit  der  Discussion  musz  der 
Berichterstatter  auf  Vollständigkeit  und  Genauigkeit  verzichten  und 
n\c\\  begnügen,  wenn  er  nur  ein  allgemeines  Bild  der  Debatte  und  die 
Resultate  richtig  herau.«stellen  kann.  Das  letztere  -ist  aber  um  so 
schwieriger,  als  über  die  einzelnen  Gegenstände  zu  einer  Abstimmung 
nicht  geschritten  ward,  ein  Umstand,  welcher  freilich  in  anderer  Hin- 
sicht wieder  viel  erfreuliches  hat. 

In  der  constituierenden  Sitzung  wurde  auf  Rosts  Vorschlag  Di- 
rector  Dr.  Kraft  ans  Hamburg  zum  versitzenden  erwählt,  erbat  sich 
aber  zum  Beistand  als  Vicepraesidenten  Dir.  Dr.  Eckstein  aus  Hajle. 
Zu  Secretären  wurden  Dr.  Lahiueyer  aus  Göttingen  und  Dr.  Mul- 
ler aus  Lüneburg  erkoren.  Bekanntlich  war  in  Altenburg  als  Gegen- 
stand ffir  die  nächste  Versammlung  die  Berathung  der  Yon  Prof.  Dr. 
IMiitzcll  aus  Berlin  gegebenen  Thesen  gewünscht  worden  und  der 
Antragsteller  hatte  sich  auch  eventuell  bereit  erklärt,  ähnliche  The- 
sen für  Hamburg  zu  stellen.  Indes  hatte  sich  Mütze II  durch  Krank- 
heit am  erscheinen  verhindert  gesehen  und  deshalb  erklärt,  dasz  er 
von  seinen  Thesen  abgesehen  wünsche,  auszer  wenn  sie  bei  jemandem 
so  in  Fleisch  und  Blut  übergegangen,  dasz  sie  in  Hamburg  wieder 
auftauchten.  Als  erster  Gegenstand  wurde  von  Prof.  Dr.  Hertz  aas 
Greifswald  folgendes  aufgestellt:  Mch  wünsche  nähere  Praeci- 
sicrung  der  viel  gehorten  Forderungen,  dasz  der  Unterricht  der 
Universität  in  den  Gymnasiallehrfächern  dem  Bedürfnisse  der  Schule 
mehr  entgegenkomme,  Mittheilung  von  Erfahrungen  der  Mit- 
glieder der  Unterrichtsbehorden  und  der  Schulmänner  über  die  Er- 
scheinungen, die  zur  Stellung  dieser  Forderung  veranlassen,  endlich 
Vorschläge,  in  welcher  Art  der^ielben  zu  entsprechen  sei.'  Femer 
brachten  die  Directoren  Ho  ff  mann  aus  Lüneburg  und  Lubker  fol- 
gende Thesen  ein  (welche  man  gewissermaszen  als  eine  Bmeuerung 
der  Mützellschen  betrachten  konnte):  ^a)  In  der  Gegenwart  wird  über 
die  durch  die  Gestaltung  aller  Lebensverhältnisse  und  durch  die  haus- 
liche Erziehung  beforderte  Verweichlichung  der  Jugend  und  den  zu- 
nehmenden Mangel  an  Arbeitsfähigkeit  mit  Recht  geklagt.  Die  Gym- 
nasien haben  durch  Gewöhnung  an  ausdauernde  und  eindringende  Ar- 
beit die  Neigung  sowol  zu  materiellem  Genusz,  als  zu  vorschnellem, 
ungründlichem  Urtheil   zu   beseitigen   und  auf  diesem  Wege  nicht  nnr 


Die  Verhandlungen  der  paedagogisclien  Sectioo  in  Hamburg.    85 

die  Kraft  des  Willens  za  starken,  sondern  auch  auf  gröszere  Tüch- 
tigkeit für  den  praktischen  I^bensberuf  hinzuwirken,  b)  Zur  Errei- 
chung dieses  Ziels  erscheint  auszer  der  Hebung  des  religiösen  Sinnes 
und  einer  kräftigen  Disciplin  der  Schule  als  zwei  besonders  sittlich 
einwirkenden  Mitteln  auch  eine  theilweise  Modification  des  gegenwär- 
tigen Unterrichtssystems  noth wendig  zu  sein,  c)  Von  wesentlichem 
Einflusz  wird  es  sein,  wenn  der  Unterricht  in  keinem  Lehrfache  blosz 
auf  umfangreiche  Uebersichtlichkeit  hinstrebt.  In  allen  systematischen 
Lehrfachern  sind  deshalb  vorzugsweise  wichtigere  Partien  detailliert 
zu  behandeln  (Religionsunterricht  —  Geschichte  der  deutschen  Litte- 
ratur).  d)  Für  die  oberen  Klassen  erscheint  eine  Beschränkung  der 
Vielheit  der  Unterrichtszweige  als  besonders  wünschenswerth;  beson- 
ders diejenigen  Zweige,  welche  wenig  Arbeit  von  den  Schulern  for- 
dern, sind  aufzugeben  oder  zu  beschränken  (Physik  —  Französisch). 
Als  Mittelpunkt  des  Gymnasialunterrichts  sind  die  beiden  classischen 
Sprachen  dagegen  in  weiterem  Umfange  zu  lehren,  f)  Der  lateinische 
Unterricht  hat  vorzugsweise  auf  eine  allseitige  Fertigkeit  und  gestei- 
gertes können  hinzuarbeiten;  —  rationelle  Grammatik  kann  dagegen 
etwas  zurücktreten,  g)  Der  griechische  Unterricht  hat  neben  gram- 
matischer, besonders  durch  Exercitien  zu  erstrebender  Sicherheit  für 
eine  Bereicherung  der  Lecture  Sorge  zu  tragen,  h)  Für  die  deut- 
schen Aufsätze  ist  der  Stoff  in  möglichst  enge  Beziehung  zu  den  Haupt- 
fächern des  Unterrichts  zu  setzen,  i)  Um  einer  frühzeitigen  Abnahme 
der  Spannkraft  und  Frische  der  Jugend  vorzubeugen,  musz  in  den 
untern  Klassen  das  Masz  des  zu  erlernenden  und  einzuübenden  ver- 
ringert, die  rationelle  Methode  beschränkt,  und  möglichst  viele  Un- 
terrichtsgegenstände müssen  in  die  Hand  ^ines  Lehrers  gelegt  werden'. 
—  Auszerdem  brachte  Conr.  Dr.  August  Kiene  aus  Stade  folgende 
Sätze  ein:  ^a)  Ein  philologisches  durch  das  Gothische  und  Althoch- 
deutsche vt^rmittelte  Verständnis  der  deutschen  Sprache  liegt  nicht  in 
der  Aufgabe  der  Gymnasien,  b)  Ein  philologisches  durch  das  Gothi- 
sche und  Althochdeutsche  vermitteltes  Verständnis  der  deutschen  Spra- 
che ist  für  den  Lehrer  des  Deutschen  auch  in  den  oberen  Gymnasial- 
klassen  weniger  wesentlich,  als  die  classlsch- philologische  Bitdung, 
weiche  ihn  zum  Oberlehrer  in  den  classischen  Sprachen  befähigt,  cj 
Die  deutsche  Leetüre  ist  in  allen  Klassen  ein  wesentlicher  Lehrgegen- 
stand, wogegen  die  nöthige  Kenntnis  der  Littcratur  ohne  einen  beson- 
deren Vortrag  der  Geschichte  derselben  erreicht  werden  kann.'  End- 
lich stellte  Geh.  Reg.-Rath  Dr.  Wiese  aus  Berlin  die  Frage:  'Pro- 
gramme sind  eine  allgemeine  deutsche  Angelegenheit  geworden :  wie 
kann  dieses  Institut  am  nützlichsten  gemacht  werden?'  Man  beschlosz 
diese  Anträge  sämtlich  auf  die  Tagesordnung  zu  setzen ,  sah  aber  von 
dem  Wunsche  des  Dir.  Lübker  eine  Commission  zur  Vorberathung 
niederzusetzen  ab,  da  die  Antragsteller  die  Sache  als  Referenten  hin- 
länglich vertreten  könnten.  Ein  Antrag  des  Prof.  Dr.  Benary  aus 
Berlin:  statt  Fragen  allgemeiner  Natur  lieber  einzelne  praktische  zu 
nehmen  und  deshalb  die  Nachtheile,  welche  die  Abschaffung  der  schrift- 
lichen Arbeit  im  Griechischen  seit  1854  gehabt,  zum  Gegenstande  zu 
nehmen,  weil  wenn  darüber  hier  eine  einstimmige  Meinung  ausgesprochen 
werde,  dies  nicht  ohne  Einflusz  auf  die  Regierung  bleiben  könne, 
welchen  Antrag  Ephorus  Dr.  Bäumlein  aus  Maulbronn  in  Hinsicht 
auf  Württemberg  unterstützte,  wurde  von  Eckstein  unter  Hinwei- 
sung darauf,  dasz  man  bereits  die  Sache  in  Erlangen  hinlänglich 
durchgesprochen,  und  dasz  man  sich  nicht  der  kühnen  Hoffnung^ hin- 
geben solle,  man  könne  auf  die  Regierungen  einen  Einflusz  ausüben, 
bekämpft  und  abgelehnt;  dagegen  wurde  ein  anderer  Antrag  dessel- 
ben:    'Die  Sommerferien  der  Gymnasien  sind  tio  anzuoFdiien,  dasz  sie 


S6    Die  yerhaodlau»cii  der  paedagugischen  Seclion  in  Hamburg. 

iillc  zusamineiigeiionimen  und  an  das  Ende  des  Semesters  in  die  Uni- 
versitätsferien verlegt  werden'  in  die  Tagesordnung  mit  aufgenommen. 
Krste  Sitzung.  3.  Oct.  8 — 10  Uhr.  Nach  einer  längeren  De- 
batte über  die  Ordnung,  in  welcher  die  auf  die  Tagesordnung  ge- 
stellten Thesen  besprochen  werden  sollten,  entschied  man  sich  dafür, 
die  einmal  im  Tageblatte  bekannt  gemachte  beizubehalten,  und  zuerst 
die  Hertzsche  Frage  zu  behandeln.  Prof.  Dr.  Hertz  erklärte,  dasz 
er  [eben  zu  einer  ordentl.  Professur  der  classischen  Philologie  an  ei- 
ner Universität  berufen]  das  bekannte  docendo  diacimua  umkehren 
müsse,  indem  er  lernen  wolle,  um  sodann  zu  docieren.  Die  auf  den 
Universitäten  gesuchte  Bildung  der  künftigen  Gymnasiallehrer  habe 
einen  doppelten  Zweck:  den  künfti(;en  praktischen  Beruf  und  das  wis- 
senschaftliche Studium.  Man  behaupte  nun  vielseitig,  dasz  das  vitae 
disccre  für  die  Gymnasinllehrerbildunc;  umgekehrt  sei:  auf  der  Uni- 
versität werde  für  den  praktischen  Beruf  viel  zu  wenig,  wo  nicht  gar 
nichts  gethan.  Er  bitte  daher  sich  offen  darüber  auszusprechen,  wei- 
che Krankheitserscheinungen  im  Lehrerstunde  sich  zeigten,  welche  die 
in  der  Universitätszeit  liegenden  Ursachen  derselben  seien,  und  Vor- 
schläge zu  thun,  wie  denselben  abgeholfen  werden  könne.  —  Dir.  Dr. 
Classen  aus  Prankfurt  a.  M.  bezeichnet  als  einen  Hauptfehler,  dasE 
die  Studien  von  vornherein  das  Ziel  nicht  scharf  ins  Auge  faszten  und 
das<  in  denselben  eine  gewisse  Einseitigkeit  auf  der  Universität  vor- 
hersehe. Als  Mittel  zur  Abhülfe  seien  zu  betrachten,  dasz  ])  den 
künftigen  Schulmännern  der  Gang  ihrer  Studien  von  vornherein  mög- 
lichst bestimmt  würde,  damit  sie  nicht  rathlos  sich  verirrten;  ein  sol- 
cher Rath  im  Anfange  der  Universitätszeit  könne  nur  heilsam  sein. 
2)  dasz  die  Erwerbung  der  Fertigkeit  in  der  Interpretation,  nament- 
lich auch  dadurch,  dasz  die  Vorlesungen  und  Uebungen  ein  Muster 
boten,  gefordert  werde  und  die  systematischen  Disciplinen  eine  an- 
dere Behandlung  erführen,  als  wol  jetzt  gewohnlich.  Er  habe  aller- 
dings, da  dreiszig  Jahre  seit  seiner  Universitätszeit  verfloszen  seien, 
keine  eigene  Anschauung  von  den  gegenwärtigen  Zuständen  der  Uni- 
versitäten, aber  so  viel  wisse  er  doch  aas  Erfahrung,  dasz  der  Vor- 
trag der  Litteraturgeschichte  zum  groszen  Theile  für  den  künftigen 
Lehrer  unfruchtbar  sei;  hier  sei  eine  Abkürzung  wünschenswerth  und 
nothwendig.  —  Eckstein  verkennt  die  Schwierigkeiten  nicht,  wel- 
che bei  der  Verschiedenheit  der  Universitäten  und  der  einzelnen  Leh- 
rer auf  denselben  die  Generalisiernne;  habe,  stellt  aber  allerdings  ent- 
schieden auf,  dasz  die  Uebung  in  der  Interpretation  namentlich  auch 
der  Schriftsteller,  welche  (Ke  Schule  brauche,  fehle.  Wie  selten  wür- 
den auf  den  Universitäten  Cicero  und  gar  Homer  erklärt?  Auszerdem 
mache  sich  eine  Vernachlässigung  der  lateinischen  und  griechischen 
Grammatik  bemerkbar.  Alle  Schüler  von  Reisig  würden  sich  wol  noch 
erinnern,  wie  viele  Anregung  und  wie  unendlichen  Gewinn  sie  ans 
dessen  grammatischen  Vorlesungen  gehabt  hätten.  —  Lübker  unter- 
stützt die  vorhersehenden  Sprecher  und  führt  den  die  Litteraturge- 
schichte hetrefTenden  Punkt  weiter  aus;  in  derselben  wurden  die  ent- 
legenen Partien  viel  zu  ausführlich  behandelt,  dagegen  die  Haupt- 
t heile  zu  wenig;  zur  Interpretation  werde  zwar  in  den  Seminarien 
Uebung  und  Anleitung  gegeben ,  aber  man  vermisse  umfassen  des  gan- 
zen Schriftstellers,  ein  hineinleben  in  ihn.  —  Hoffmann  erkennt 
das  entschiedene  dringen  auf  Grammatik  und  eine  schärfere  Betonnug* 
der  Interpretation  als  Bedürfnisse  an,  warnt  aber  davor,  nicht  zu  sehr 
auf  die  künftige  Praxis  zu  dringen;  das  wissenschaftliche  Studium  sei 
die  eigentliche  Lebensluft  der  Universitäten:  verkümmere  man  diese^ 
Ko  werde  mau  unersetzlichen  Schaden  stiften.  —  Dir.  Dr.  Ähre  na 
aus   Hannover  *macht   auf   den    groszen    Unterschied    zwischen    oberen 


Die  Verhandlungen  der  paedagogbcben  Seclion  in  Hamburg.    87 

und  unteren  Klassen  aufmerksam.     Für  die  ersteren  brachten  die  Leh- 
rer von  der  Universität  Lust  und^  Material  mit,  for  die  unteren  Klas- 
sen mangelten  diese  und   doch  müsse  jeder  meistentheils  erst  längere 
Zeit  in  den  unteren  Klassen  unterrichten,  was  er  nun  mit  vielen  Fehl- 
griffen  und  oft   mit  Unlust  thue.     Den   Wunsch,   die  Masse   zu   be- 
schränken, müsse  er  aus  seiner  eigenen  Erfahrung  vorbringen.    In  sei- 
ner Studienzeit  sei  die  Metrik  in  3  Stunden  gelesen  worden,  während 
man  jetzt  woi  6-6  Stunden  wöchentlich  darauf  verwende;  sie  hätten 
damals  weniger  Kenntnisse  erlangt,  aber  desto  mehr  Antrieb  zu  freier 
selbständiger  Aneignung;   so  solle  der  Universitätslehrer  nicht  auf  die 
Masse,  vielmehr  auf  die  Anleitung  zum  eignen  Studium  sehn.  —  Prof. 
Dr.    Haase   dankt  als  Universitätslehrer    für  die  gemachten   Bemer- 
kungen ;  ein  Theil   habe  ihn  getroffen  und  werde  benützt  werden,  ein 
Theil  aber  sei  nicht  anwendbar,  ein  Theil  nicht  wünschenswerth.    Br 
müsse  ganz  entschieden   warnen,   die  Studien  auf  die  Praxis  zu   be- 
schränken,   nur  das    auf  der  Universität   zu   docieren,    was   auf  der 
Schule  wieder  dociert  werde.    Eckstein   werde  sich  wol   selbst   erin- 
nern, wie   an  Reisig  nicht  sowol  die  Kenntnis  des  künftig  verwend- 
baren,  sondern  vielmehr  die  Anschauung  seiner   frischen  und   leben- 
digen Productionskraft  anregend  und  fördernd  gewirkt  habe.     Der  Uni- 
versitätslehrer habe  durch  seine  ganze  Persönlichkeit  auf  seine  Schüler 
einzuwirken.    Alle  compendiarische   Form  habe  etwas  unerquickliches. 
Man  werde  doch  nicht  von  den  Universitätslehrern  verlangen  wollen, 
die  Litteratnrgeschichte  compendiarisch  zu  lehren?   Wenn  man  bei  den 
Schriftstellern  auf  die  Betrachtung  in   ihrem   innern   und  äuszern  Zu» 
flammenhange   dringe,   so  müsse  man  dieselbe  Forderung  auch  für  die 
Antiquitäten  aufrecht  erhalten.     Uebrigens  werde  auf  der  Universität 
der  künftige  Lehrer  nie  vollständig  das  gewinnen ,   was  er  für  die  In- 
terpretation in  der  Schule  brauche;  es  würden  ihm  dann  immer  noch 
Schwierigkeiten   und   ungelöste  Räthsel  auftauchen;   zu   deren  Lösung 
sei  die  Ausbildung  der  Selbständigkeit  in  der  Kritik  und  Kxegese  vor 
allem  wünschenswerth.     Für  nöthig  habe  er« immer  für  die  Praxis  eine 
besondere  Vorlesung  gehalten,   welche  er  nach  dem  Vorgänge  F.  A. 
Wolfs   eonsilia  acholaaiica  genannt;   in  dieser   habe   er  erstens  Anlei- 
^^^  gegeben  wie  zu  studieren  sei,   zweitens  aber  auch,    welcher  Ge- 
brauch von  den  Studien  in  der  Praxis  zu   machen  sei,  gezeigt,   dabei 
nie  vernachlässigt  darzustellen,   welch  eine  Kunst  die  des  Elementar- 
unterrichts sei,   Achtung   vor  dieser  Kunst   einzuftöszen  und  ihre  An- 
eignung ans  Herz   zti    legen.     Er  wolle  schlieszlieh  zugestehen,   dasz 
die  Wahl  der  zu  interpretierenden  Autoren  an  seiner  Universität  eine 
andere  sein  könne,   indes  lasse  sich  bei  den  vorhandenen  Persönlich- 
keiten daran  nichts  ändern.  —    Dr.  Seh  leiden   ans  Hamburg   findet 
die   Vermittlung   zwischen    dem   wissenschaftlichen   Studium    und   der 
künftigen  Praxis  durch  die  paedagogischen  Seminare  gegeben. —  Eck- 
stein erklärt,   mit  Haase  würden  gewis  alle  einverstanden  sein  kön- 
nen;, der  volle  Einflnsz  der  Individualität  müsse  zur  Geltung  kommen 
und  ganz  gewis   habe  niemand  compendiarische  Behandlung  der  syste- 
matischen Disciplinen  gewünscht;  man  wolle  gewis  nicht  dasz  die  Pra- 
xis der  Schule  auf  der  Universität  allein  maszgebend  sei,   aber  dasz 
die  Gesichtspunkte  dafür   eröffnet  würden;  ^egen  Schieiden   müsse  er 
bemerken,   dasz  die  Vermittlung  vielmehr  die  Directoren  zu  überneh- 
men hätten;  ihnen   komme  es  zu  durch  Beispiel,  Anleitung  und  Hath 
den  Lehrer  in  die  Praxis  in  den  untern  Klassen  einzuführen.  —    Prof« 
Dr.  Stoy  aus  Jena;    er  sehe  von  dem  Antrage  keinen  Erfolg  voraus; 
die  Regierungen  würden  sich  dadurch  nicht  binden  lassen  wollen  und 
können,  ebenso   wenig   aber  die  Genien  der  Wissenschaften   nnd^  die 
Universitäten;    es   sei    gut,    dasz    gewisse   Krankheiten    nachgewiesen 


88    Die  VerhaDdiungen  der  paedagogischen  Sectiou  in  Hamburg. 

würden,  aber  eine  praktische  Vorbereitung  auf  der  Universität  »ei  ein 
unab weisliches  Bedürfnis;  diese  hätten  die  paedagogischen  Seminare 
so  geben  und  man  werde  ihnen  nicht  das  Zeugnis  versagen,  dass  sie 
in  dieser  Hinsicht  vielfach  gutes  gewirkt;  sollten  denn  die  armen  un- 
teren Klassen  immer  das  Lehrgeld  für  das  auf  der  Universität  ver- 
nachlässigte zahlen  und  könne  man  den  schon  ohnehin  mit  Geschäften 
überhäuften  Directoren  auch  noch  zumuten,  die  Lehrer  praktisch  aus- 
sobifden?  —  Eckstein  erwiedert,  dasz  der  Antrat  nur  auf  die  phi- 
Jologischen  Disciplinen  gehe;  die  Paedagogik  und  die  paedagogischen 
Seminare  seien  davon  nicht  berührt  und  gewis  allgemein  gewünscht; 
wenn  man  meine,  es  komme  bei  dem  Antrage  nichts  heraus,  so  müsse 
er  widersprechen,  da  ja  die  Universitätslehrer  ihren  Unterricht  den 
Bedürfnisifen  möglichst  entsprechend  zu  machen  wünschten.  —  Geh. 
Reg.-R.  Dr.  Wiese  aus  Berlin:  die  Universitäten  seien  Anstalten  der 
Wissenschaften  und  mästen  es  bleiben;  anders  wurde  es  ein  Unglück 
sein;  aber  die  praktische  Anleitung  sei  dennoch  als  ein  Bedürfnis  an- 
zuerkennen. Dasz  in  der  Litteraturgeschichte  eine  unselige  Vollstän- 
digkeit oft  hersche,  in  der  Interpretation  aber  Mikrologie  —  werde 
doch  in  einem  Semester  ein  Stück  des  Sophokles  kaum  zur  Hälfte  er- 
klärt -  könne  nicht  geleugnet  werden,  und  dies  brauche  Abhülfe. 
Mit  Recht  habe  Döderlein  den  Unterschied  zwischen  Universität  und 
Schule  dadurch  bezeichnet,  dasz  jene  das  Object,  diese  das  zu  be- 
lehrende Snbject  zum  Zwecke  habe,  und  dieser  Gesichtspunkt  müsse 
festgehalten  werden.  Beide  könnten  übrigens  zusammenwirken.  Das 
Lateinsprechen  sei  ein  Axiom,  ein  unabweisliches  Bedürfnis  für  die 
Schule  geworden;  die  Universitäten  könnten  leicht  eine  Gegenwirkung 
ausüben.  Lehre  die  Universität  und  fordere  Lateinsprechen,  so  werde 
von  dem  Schüler  darauf  gröszercr  Eifer  gewandt  werden.  —  Hertz 
dankt,  dasz  ihm  Belehrung  aus  reicher  Pjrfahrung  in  so  freundlicher 
Weise  zu  Theil  geworden. 

Man  gieng  zu  den  Hof f mann- Lübker sehen  Thesen  über. 
Hoffmann  als  Antragsteller  erläutert:  Der  verehrungswürdige  Ober- 
schulrath  Dr.  Kohlransch  in  Hannover  habe  mehrfach  ausgesprochen, 
dasz  die  Jugend  seit  1848  an  geistiger  Elasticität  verloren  habe.  Die 
Erfahrungen,  welche  man  im  Königreiche  Hannover  bei  den  juristi- 
schen Prüfungen  gemacht,  beweisen  dasselbe,  und  von  den  Universi- 
täten werde  geklagt,  wie  die  Studenten  immer  mehr  nur  Brotwissen- 
schaften trieben.  Die  Jugend  habe  an  Lust  und  Fähigkeit  sich  für 
einen  Gegenstand  zu  begeistern  und  sich  mit  Liebe  in  ihn  zu  vertiefen 
verloren.  Es  sei  falsch,  wolle  man  die  Schule  deswegen  allein  ankla- 
gen, aber  sie  müsse  sich  die  Frage  vorlegen:  ob  sie  und  welchen 
Antheil  sie  an  dieser  Erscheinnng  habe.  Man  müsse  auch  einen  Un- 
terschied zwischen  der  Jugend  der  grösseren  und  der  kleineren  Mit- 
telstädte und  den  in  beiden  obwaltenden  Verhältnissen  anerkennen, 
aber  manches  gemeinsame  sei  auch  hier  vorhanden.  Diese  Erfahrun- 
gen und  Betrachtungen  hätten  ihn  mit  Lübker  zur  Stellung  ihrer  The- 
sen veranlasst,  indes  hätten  sie  hier  aus  Privatgesp rächen  vielfach 
wahrgenommen ,  dasz  man  mit  a)  und  b)  viel  allgemeiner  einverstan- 
den sei  als  sie  geglaubt,  und  deshalb  schlügen  sie  vor  die  Debatte 
über  diese  beiden  Absätze  fallen  zu  lassen  und  sogleich  zu  c)  fiber- 
zugehen. Ausser  den  beiden  dort  genannten  Lehrfächern  gehöre  auch 
noch  die  Geschichte  dazu.  Ueber  den  Religionsunterricht  bemerke 
er  nur,  dasz  ihm  die  systematischen  Vorträge  z.  B.  über  Moral  tu 
beseitigen  und  alles  vielmehr  an  die  Exegese  der  heiligen  Schrift  an- 
zuknüpfen scheine ;  auszerdem  wünschten  sie  die  kurze  übersichtliche 
Darstellung  der  Kirchengeschichte  geändert;  doch  darüber  werde  Lüb- 
ker  sprechen.     Bei   der   deutschen  Litteraturgeschichte   frage  es  sich, 


Die  VerhandlüiigeD  der  paedagogisehen  Seetion  in  Hambarg.    89 

was  mit  einem   durchholen  des  ganzen   Gebiete  in   einer  Stande   wö- 
chentlich   erreicht    werde;    ein  todtes   Material   und  ein  vorschnelles 
und  ungrundltches  Urtheil  über  die  Schriftsteller.     Da  scheine  es  ih- 
nen nun  weit  räthlicher,  wenn  in  Prima  z.  B.  Goethes  Tasso  gelesen 
werde:  daraus  könne  sich  der  Schuler  ein  Urtheil  über  das  tragische 
überhaupt,   wie  über  Goethe  selbst  erwerben;  der  Lehrer  müsse  dar- 
auf sehen,   nicht  den  Schülern   fertige  Urtheile   zu  geben.     Um  seine 
Ansicht  über  die  Geschichte  zu    veranschaulichen,    wähle  er  die  Pe- 
riode von  1600 — 1648;  hier  wurde  er  nicht  darauf  dringen,  alle  Na- 
men  und  Zahlen  einzuprägen,   sondern  in  möglichster  Ausführlichkeit 
und  Lebendigkeit  die  Reformation  —  1555  behandeln,  dann  über  meh- 
reres  kurz  weggehen,  aber  1572  die  pariser  Blutbochzcit  und  1589  die 
Thronbesteigung  der  Bourbonen  in  Prankreich,   endlich  den  dreiszig- 
jährigen  Krieg,  aber  diesen  auch  nur  bis  1632,  ausführlich  darstellen* 
—  Bäum  lein  findet  eine  Scheidung  des  Princips  von  der  Anwendung 
nothwendig;    über  das   Princip   könne   man  einverstanden   sein,    ohne 
deshalb   die  Anwendung   und  Ausführung  desselben  gut  zu  heiszen.  — 
Lübker  spricht  ebenfalls  den  Wunsch  aus,  nur  c,  d  und  i  zu  bespre- 
chen;  weiter  erklärt  er  seine   Ansicht  über   den   Religinnsnnterricht; 
es  scheine   ihm   die  geschichtliche  Seite   desselben  einer  gröszeren  Be- 
rücksichtigung werth;  zuerst  handle  es  sich  um  die  Einführung  in  die 
heilige   Schrift  und   dies   müsse  immer   die   Hauptsache  bleiben,  aber 
der  Schüler  müsse  auch   in  das  Leben   der  Kirche  eingeführt  werden; 
dazu  diene  nicht  eine  mehr  oder  weniger  umfängliche  Uebersicht  über 
die  Kirchen-  und  Dogmengeschichte,   wol   aber  eine  gründlichere  Dar- 
stellung  der  ersten  Jahrhunderte  und  des   Reformationszeitalters.   — 
Kiene  findet  in  dem  gesagten   bereits  eine  Vereinigung  mit  den  von 
ihm   aufgestellten    Thesen.     Jeder  Unterricht   müsse   auf  das    können 
hinarbeiten;  Jeder  zusammenhängende  Vortrag  der  Litteratnrgeschichte 
müsse  aber  Material  eben  wegen  des  Zusammenhangs  aufnehmen,   das 
nicht  verarbeitet  werden  könne,   sondern  todtes  wissen  bleiben  müsse. 
Deshalb  solle  der  Unterricht  darin  nur  an  die  Leetüre  angeknüpft  und 
das  können   durch  mündliche  Vorträge  und   aufgegebene  Arbeiten   be- 
zweckt werden.  —    Dr.  Nölting  aus  Wismar  erklärt  sich  auch   für 
die    Forderung!     detaillierter   in   die   Sachen    und    lebendiger    in    die 
Schriftsteller  einzuführen,    ist  aber    nicht  damit   einverstanden,   dasz 
das  Urtheil  zurückzuhalten  sei.    Könne  und  solle  denn  der  fjehrer  bei 
einer  Leetüre  von  Goethes  Tasso  sein  Urtheil  über  das  Stück  im  gan- 
zen  und    über  einzelne  Stellen  zurückhalten?  —    Hoffmann  berich- 
tigt:   dies  habe   er  nicht  gemeint;  aber  der  Lehrer  solle  das  Urtheil 
des  Schülers  zurückhalten,  dasz  dieser  nicht  glaube,  wenn  er  über  den 
Tasso  urtheilen  gelernt,  so  könne  er  über  Goethe,  ja  über  die  ganze 
Litteratur  urtheilen.   • —    Classen    erbittet   sich    eine  Interpretation 
des  Ausdrucks  'umfangreiche  Uebersichtlichkeit',  er  könne  doch  nicht 
denken,    dasz    der  Zusammenhang  unterbrochen    werden   und   bleiben 
solle.  —    Hoff  mann  erwiedert,  dasz  der  Ausdruck  in  Rüchsicht  auf 
die   Forderungen  bei  der  Maturitätsprüfung  gewählt  worden  sei.   — 
Eckstein  erklärt  ebenfalls   nicht  zu   wissen,    was  er  mit  den  Aus- 
drücken 'umfangreiche  Uebersicht'    und   'detaillierte  Darstellung'  an- 
fangen solle.     Man   müsse  zwischen  den   Klassen  und  dem  Alter   der 
Schüler  unterscheiden.     Tn  den   unteren  Klassen  sei  doch  eine  Ueber- 
sicht über  die  Geschichte  den  Schülern  zu  geben  nothwendig,  wenn 
man  auch  natürlich  biographisch  verfahre  und  sich  auf  die  Hauptper- 
sonen beschränke.    In  der  deutschen  Litteratnrgeschichte  kenne  doch 
eine  Uebersicht  |mit   eingehender  Behandlung  der  Hauptsachen  vereint 
werden.'    Es  sei  wünschenswerth ,  Bestimmtheit  in  den  Ausifarficken  ma 
haben ;  ihm  scheine  hier  zu  wünschen  '  Concentration  ist  nothwend 


90    Die  Verhaidlungen  der  paedagogischeii  Seclion  in  Uanbarg. 

_   Lfibker  erwiedert  dagegen),  dasz  der  Aasdruck  'Conccntration' 
weiter  führe,  als  was  sie  gewollt ;  das  unter  c  gesagte  gehe  ganz  deut- 
lich nur  auf  obere  Klassen.  —  Als  Eckstein  verlangt,  dasz  doch  die 
unteren  Klassen  Berucksichtignng   finden  sollten,   setzt  Lübker   noch 
einmal  ihre  Absichten  auseinander,   Hoffmann  aber  erwiedert,   dasz 
hier  die  Schwierigkeit  in  der  Uebereinstimmung  liege ;   man  sei   in  der 
Sache  vollkommen  einverstanden  und  suche  nur  einen  alle  befriedigen- 
den Ausdruck.  —  Dr.  Strack  ans  Berlin  wünscht,  dasz  man  auf  den 
Punkt  d  eingehen  möge;  ihm  sei  das  dort  gesagte  unklar  und  er  müsse 
widersprechen.    Bei  der  Physik  sei   er  in  dem  glücklichen  Falle  keine 
oratio  pro  domo    halten  zu  müssen,    aber  dieselbe  fordere  gewis    ener- 
gische   Arbeit;     die    grosten    Geister    aller    Jahrhunderte    hätten    die 
gröste  Mühe  darauf  verwendet.     Sollte  sie    nnr  zur  Unterhaltung  und 
zum  Amüsement  dienen,   dann  sei  sie   zu  entfernen,   sei   sie   aber   eine 
Einführung  in  die  Geheimnisse  Gottes,   dann  müsten  es  sich  die  Schü- 
ler   darin    auch    sauer   werden    lassen.      Im    Franzosischen    habe    das 
Gymnasium   ein  anderes  Ziel,    als  das  parlieren,    das  den  Bonnen    und 
Gouvernanten  zu  überlassen  sei;  das  Gymnasium  wolle  in  die  Sprache 
und  in  die  Litteratur,  in  den  Geist  der  Masterschriftsteller  einführen  und 
dazu  müsse  es  energische  Anstrengung  fordern.     Das  Franzosische  sei 
nothwendig   auf  dem  Gymnasium  beizubehalten.    Eit   sei   nicht   Zufall 
oder    blosze    Courtoisie    gewesen,    dasz   die  französische   Sprache   zur 
diplomatischen,  für  die  Vertrage  der  Völker,  gewählt  worden  sei;  sie 
sei     in   vielen   Punkten    klarer    und    logischer    als    die    deutsche    ond 
manche  Zweideutigkeit  der  letzteren  müsse  klar  erkannt   und  beseitigt 
werden  beim  übersetzen  in  das  Französische.  —  Eckstein  erwiedert, 
dasz    es   doch    wol   ganz  andere  Gründe   gewesen    seien ,    welche   die 
französische  Sprache  zu  der  der  Verträge  erhoben  hätten.    Ihm  scheine 
die  Frage  sich  darum  zu  drehen,    welche  Lohrgegenstände  können  aus 
den  Gymnasien  entfernt  werden.     In  dieser  Beziehung   habe  man  jetzt 
allgemein    die    philosophische   Propaedeutik    und    die  Naturgeschichte 
genannt;  da  indes  die  Zeit   heute  verflossen  sei   und   die  für  den  fol- 
genden Tag  bestimmte  zur  Erledigung  der  so  wichtigen  Fragen  nicht 
ausreichen  werde,  so  schlage  er  vor,  Nachmittags  von  H  —  5  Uhr  sich 
wieder  zu  versammeln,  womit  man  sich  (allseitig  einverstanden  erklärte. 
Zweite  Sitzung  an  demselben  Tage  'A—6  Uhr.     Nachdem 
eine  längere  Debatte  über  den  Gang  der  Verhandlungen   sich   entspon- 
nen hatte,  bemerkte  Dir.  Dr.  Peter  aus  Stettin:   man  möge  doch  von 
denjenigen  Punkten,  über  welche  eine  kontroverse  nicht  stattfinde,  ab- 
schen  und  möglichst  das  praktische  Gebiet  betreten,    einzelne  Punkte 
daraus  herausnehmen  und  behandeln.     Prof.  Dr.  Seyffert  aus  Berlin, 
Pr.  Seh  leiden  aus  Hamburg,    und   Ahrens    bezeichnen   d   überein- 
stimmend als  einen  für  das  praktische  bedeutenden  Pankt.    Gymnasial- 
lehrer Albani  aus  Dresden  glaubt  aber  doch  das  nQvSxov  tffBvSog  in  a 
zu  finden ;  die  Jugend  habe  jetzt  mehr  Arbeitsfähigkeit  als  früher)  sie 
arbeite  aber  freilich  mehr  multa,  als  multam.     Eckstein  erklärt  sich 
mit  der  Behandlung  von  d  einverstanden  und  findet  seine   am  Morgen 
aufgestellte  Frage  darin:  können  Lehrgegenstände  aus  dem  Gyronasiaia 
entfernt  werden?   Die  Antragsteller  schienen  ihm  das  Französische  ond 
die  Physik  als  solche  zu  bezeichnen.  —    Ho  ff  mann:   er  sei  durch  die 
heute  gehörte  Lobrede  auf  das  Französische   von  seiner  Ansicht  nicht 
abgebracht  worden.     Welchen  Stoff  biete  denn   das  Französische  für 
Prima?    Moli^re  und  Corneille;   alles   andere,   namentlich    die  Prosa, 
stehe  hinter  dem  Afterthum  weit  zurück  oder  biete  wenige  Schwierig- 
keiten.    Welches  Resultat  man  mit  dem   für   das   Französische  gefor- 
derten erzielt  habe,  bewiesen  hinlänglich  die  bt'i  der  Maturitätsprüfung 
gelieferten  Arbeiten;  sie  «iMgten,  dnsz  den  Primanern  das  FVanzösische 


Die  Verhandlungen  der  pacdagogischen  Seelion  in  Hanbarfr.    91 

nicht  niunübar  sei.  Deshalb  habe  llr.  Hofr.  C.  Fr.  Herininn  «c: 
längit  die  Ansicht  ausgesprochen,  das  Französische  in  Prima  i>  ■»- 
ganz  aufzugeUen.  Wollte  man  auch  dasselbe  mit  einer  Smnde  Lect-lr- 
von  Moliöre  fortsetzen,  so  würde  doch  dabei  nicht  viel  heranflk'.mrc-^n : 
man  müsse  die  Individualität  ^\aUen  lassen.  In  Lünebar^  s<i  «in  gini 
tüchtiger  Lehrer  des  Franzosischen,  aber  die  Sache  wuL^te  sich  c^^- 
noch  nicht  machen;  die  franzoiiische  Litteratur  siehe  nun  einnal  der 
englischen  nicht  gleich.  —  Ahrens:  .«eine  Ansicht  sei  der.  welch*  -> 
Antragsteller  aufgestellt,  diametral  entgegenpe«etzt.  Gerade  diejenigen 
Fä<rher,  welche  energische  Arbeit  forderten,  nul*t«'n  beschränkt  wercen. 
Wie  viel  verlange  die  Maturitätsprüfung?  Wären  alle  Lehrer  lüchc'j 
in  ihren  Fächern  und  suchten  sie  die  ächüler  in  allen  möglichst  zu 
fordern,  so  werde  eine  Anstrengung  erfordert,  die  zu  I»*i.*ten  nirSt 
möglich  sei;  es  mfisten  daher  Fächer  so  gelehrt  wrnf^n.  «?,!«i  sie  keine 
Anstrengnng  zu  Hause  erforderten;  in  Prima  sei  nothwendi?  den  Schil- 
lern Freiheit  der  Beschäfliguni;  zu  gewahren.  —  Prof.  Graven- 
horst  aus  Hildesheim  bemerkt,  dasz  der  von  C.  Fr.  Hermann  geihane 
Vorschlag  bei  den  jetzt  bestehenden  Leben>einrichtung^n  unpraktisch 
sei;  er  miisse  sich  mit  Ahrens  einverstanden  eAlären.  in  den  oberen 
Klassen  konnten  manche  Gegenstände  so  gelehrt  wenden .  dasz  sie  zu 
Hause  nichts  mehr  erforderten;  so  auch  das  Französische.  Gegen  H-'ff- 
manns  Behauptung  rücksichtlicb  der  franzosischen  Litteratur  sei  vieles 
einzuwenden,  und  er  behaupte,  dasz  jedes  prosaische  Werk  im  Fran- 
zosischen schwerer  zu  verstehen  sei  als  ein  antike«:  bei  Mignet  sei 
die  Form  zwar  leicht,  aber  sehr  schwer  in  Rezng  anf  den  fdeengehnlt. 
Auf  diesen  aber  müsse  gerade  Gewicht  gelegt  werden,  da  man  nicht 
anders  die  Schüler  in  die  moderne  Bildung  einfuhren  könne.  WmH«; 
man  auszerdem  gänzlich  aufgeben,  die  Schüler  im  französischen  Seilt? 
zu  üben,  so  werde  man  bald  die  Erfahrung  machen,  däsz  die  meistt*i; 
Privatstunden  nähmen.  Aber  die  Energie  sei  immer  in  die  Stunde  zn 
legen,  nicht  auszerhalb  der  Stunde.  —  Seyffert:  er  sei  üher  Ahreni 
Forderung  erschrocken;  der  wunde  Fleck  sri  eben  der  Mangel  au 
Energie;  solle  diese  noch  beschränkt  werden?  —  Hoffmann  ^'laubt. 
dasz  die  Sache  mit  dem  Französischen  gehen  werde,  wo  ein  s"l<her 
Lehrer  wie  Gravenhorst  sei;  übrigens  erinnere  er  an  den  Vu^-pr-ir!» 
von  Fr.  Jacobs,  dasz  der  Lehrer  in  der  Schule  vi<«lmehr  die  Arbeit 
des  Schülers  zn  controlieren  habe.  —  I>ir.  Schmidt  au«  Halberstadt: 
die  Aufgabe  des  Gymnasiums  sei  die  geistige  G>mnastik,  dazu  aber 
Energie  des  arbeitens  vor  allem  anderen  erforderlich. —  Albani:  man 
müsse  nothwendig  das  Masz  der  Arbeiten  beschränken;  fordere  man 
von  den  Schülern,  wie  es  wol  oft  geschehe,  die  Ausarbeitung  dicker 
Hefte  über  die  physikalischen  Vorträge,  so  sei  man  gpwis  auf  ganz 
falschem  Wege.  —  Eckstein:  wie  es  sch*»ine,  wolle  man  dahin  zu- 
rückkehren, wo  man  sonst  gewesen,  als  jede  Klasse  nur  »-inen  Lehrer 
gehabt.  Da  sei  allerdings  da»  Masz  der  Arbeiten  leichter  und  richtiger 
zu  messen  gewesen  und  in  einzelnen  Genenstünden  weniger  Arbeit  im 
Hause  gefordert  worden ;  diese  Einrichtung  habe  allerdings  manche 
vortheilhafte  Seite  gehabt.  —  Haase:  oh  man  denn  zu  der  Unter« 
richtsmethode  der  Jesuiten  lurnckkehren  wolle,  hei  df-nen  doch  allps 
aus  einem  abfragen  des  auszer  den  Lectionen  g«!lernten  bestanden  habeV 
—  Eckstein:  um  zum  Französischen  zurückzukehren,  bemerke  er 
gegen  Gravenhorst,  dasi  ihm  allerdings  die  Litteratur  wenig  für  die 
Schule  geeignetes  darzubieten  scheine;  die  Lectnre  von  Mignet  halte 
er  für  bedenklich. —  Nachdem  Gravenhorst  noch  einmal  wiederholt,  dasz 
er  das  Gewicht  uuf  die  Kenntnis  der  modernen  Ideen  gelegt  wissen 
wolle,  schlieszt  «ich  Strack  seiner  Ansicht  an  und  bemerkt,  dasz  man 
in  Pascal,  Bossnet,  Larordairc.  Gnizut,  Villemain.  Ci  u-i«  sehr  vieles 


02    Die  Verhandlangen  der  paodagogischen  SecUon  in  Hamburg. 

finde,  was  als  geistige  Nahrung  ganz  trefflich  sei.  —  Ahrens:  duts 
Misrerstandnis ,  welches  sich  über  seine  Aeuszerang  erhebe,  scheine 
erledigt  zu  sein.  Wolle  man  bei  32  wöchentlichen  Unterrichtsstunden 
für  alle  Arbeit  zu  Hanse  fordern,  so  sei  dies  zu  viel;  es  niusten  den- 
nach  unter  jenen  derartige  sein,  welche  keine  Anstrengung  zu  Hause 
erforderten.  Betrachte  man  Lateinisch  und  Griechisch  als  die  Haupt- 
fächer, so  müsse  man  schon  hierbei  darnach  fragen,  wie  jedem  seine 
rechte  Stelle  anzuweisen  sei.  Finde  man,  dasz  im  ganzen  zu  ^iele 
Lehrfacher  seien,  aber  keins  ganz  zu  beseitigen,  so  könne  man  die 
Uebelstände  nur  dadurch  mindern,  dasz  man  mehrere  verbinde;  so 
könne  in  den  unteren  Klassen  Geographie  und  Geschichte  verbunden 
werden,  dasz  sie  nicht  neben  einander  zugleich  gelehrt  wurden;  so 
könne  die  Physik  als  Ergänzung  der  Mathematik  behandelt  werden, 
während  man  jetzt  4  Stunden  auf  Mathematik  und  2  auf  Physik  neben 
einander  verwende.  Man  habe  früher  in  den  Schulen  2  Stunden  anti- 
quarische Vorträge  gehabt,  diese  habe  man  wol  jetzt  überall  fallen 
lasf:en  und  mit  der  Lectiire  vereinigt.  Auf  Peters  Frage,  wo  man 
denn  sei,  erwiedert  Ahrens,  dasz  dies,  was  er  gesagt,  allerdings  mit 
Punkt  d  Zusammenhang  und  dazu  diene,  seine  Ansicht  über  denselben 
zu  erläutern  und  zu  bekräftigen. 

Da  man  die  Frage  über  das  Französische  hinlänglich  besprochen 
glaubte,  so  gieng  man  zur  Physik  über  und  Dr.  Kohlrausch  stellte 
zuerst  entschieden  den  Satz  auf:  Physik  sei  nicht  Sache  der  Gymna- 
sien. —  Hoffmann  erklärt,  dasz  er  Laie  in  der  Physik  sei,  dasz  aber 
sich  seine  Ansicht  auf  den  Erfahrungssatz  gründe,  je  jünger,  desto 
mehr  sei  Neigung  zur  Natur  vorhanden;  je  später  das  Alter,  um  so 
mehr  mindere  sich  diese.  Die  ExperiiuentaiphysiK  sei  entschieden  auf  die 
Universität  zu  versparen;  wol  aber  könnten  auf  dem  Gymnasium  die- 
jenigen Theile,  welche  mit  der  Mathematik  zusnmmonhiengen  und  ma- 
thematisch zu  behandeln  seien,  berücksichtigt  werden.  —  Prof.  Wic- 
bel  aus  Hamburg:  es  sei  hier  der  alte  Streit  zwischen  Humanismus 
und  Realismus;  da  man  Physik  und  Chemie  aus  den  Gymnasien  entfer- 
nen wolle,  so  könne  er  nicht  schweigen;  man  klage  über  die  Arbeits- 
scheu unserer  Tage,  aber  es  sei  keine  Zeit  arbeitskräftiger  und  ar- 
beitstüchtiger gewesen,  als  die  jetzige,  welche  geleistet  habe,  was 
Jahrtausende  nicht  vermocht.  Wolle  man  die  Physik  von  den  Gymna- 
sien entfernen,  so  müsse  man  auch  die  ganze  Naturwissenschaft  entfer- 
nen;  die  Physik  sei  nicht  ein  bloszes  Glied  derselben,  sondern  das 
Endziel.  Die  Naturwissenschaft  beginne  mit  den  äu.szeren  Erscheinun- 
gen. Mineralogie,  Zoologie  und  Botanik  seien  für  die  unteren  Klassen 
Sanz  geeignet;  aber  ein  tieferem  Verständnis  der  Natur  werde  erfor- 
ert,  und  dieses  gebe^  allein  die  Physik,  welche  die  Naturgesetzlehre 
und  von  der  Chemie  nicht  zu  trennen  sei.  Die  wissenschaftlichen  An- 
forderungen an  dieselbe  gestatte  nicht  eine  blosze  Anschlieszung  an 
die  Mathematik,  eine  blosze  übersichtliche  Darstellung;  wolle  man  sie 
auf  die  Universität  verweisen,  so  werde  man  dort  die  Auditorien  leer 
finden;  ein  solches  abwarten,  ein  überlassen  an  die  Jugend  bringe  kei- 
nen Segen,  bei  welcher  alles  auf  die  richtige  Behandlung  ankomme. 
Es  müsse  in  den  Gymnasien  geistige  Tüchtigkeit  erzielt  werden;  könne 
man  dies  ohne  die  Naturwissenschaften,  welche  die  Zeit  bewegten? 
Schneide  man  die  Physik  von  dem  naturwissenschaftlichen  Unterrichte 
ab,  so  nehme  man  dieser  ihr  Ziel;  ein  und  zwei  Jahre  auf  dem  Gym- 
nasium reichten  nicht  aus,  die  Physik  zum  geistigen  Bigenthnme  in 
machen.  Zu  einer  Bewegung  gehöre  Masse  und  Kraft ;  wolle  man  also 
die  Jugend  in  das  die  Zeit  bewegende  einführen,  so  müsse  man  ihr 
Kenntnis  der  Masse,  aber  auch  der  Kräfte  und  von  deren  Gesetzen 
mitgeben.    Wolle  man  da  von  Bildung  reden,  wenn  z.  B.  ein  Arzt,  der 


über  die  T«rr.»per:i:  irfT  V-r.'-Mii^  i- :•!.   i.trtiü  ^--im     •■-.:.-.       .    . 
iler  Meriianikc-r    *iie  Svi.J    in    T'i'^-r'i'nunr'.-^T    rctiji- '     ^•.-  "-•-•-.         - 
der  Naiur  ai$    enes    iirif    :i..-i   ».:  itj.i    .iif    ».■•-i    .1*  Je-i^.-:_-    .-1 
UiJduii;:  «rrkann!.  ein  Ä:'-:   .;  -•*.    -i   Li--:^?.  xs-   na  P'-iuua.      4a**   -.1- - 
{>e;*eii  die  Ndlur»I?seas::  i  ■;.;!: .    -et  isc   i-ir  .V-r  ::ir:iiuci':ii.    T*aw.-r  t    i..- 
kia<:en  erhoben:   ihn  .nr^  c-  N^-ir  »J-.-'r  i'i    ;»?»*  in':»-m    in<i    ;n     -••- 
ehren.     l>er   reii^v**   J»'-.T   *;;i-    iir.ii    jii*    >».i:iir^-.--f!i.-.;'jar.ra    »ar 
^elorderl    iveriien.      W   ..-   inia   u:'   i-sttirr-iiciiia^-ae    "^"-«-e     litr   .ac«^nu 
rüi'kuurt^i   fünren  *     Mj.i   Toi.-s    si«::!    -fr .inen,    laaz    -fin.-r    ;cni   Aümer 
DruMiji  an  der  Eibe  «ia  GtL^c  -»r-j.-aifn»»'!  sei    i;ni    iiin  -tu    ^urüct«      :a- 
^'eriiten   habe;  möge  ina:i   *.;.cat?  StiiniDen    lu.-Jt    i' «tmünMi      —    li«  i.- 
stein    verwahri    *xca    aau    i:;*»  V.fr^,iininiunii    ^-^tfü    lie    n   i^r     >  cKfr- 
{leliendfn  Rede  enthaltenen  V.»rw'ir?'»*.    W.c  v.^raL*ari*-f!i   nui     »»rKt-niK-si 
die   l*i>>sik    nicht,    aber   wir  rrj^..?!i .     lij    -vir    -le     eiirpii    ^.'iinirn.     — 
Dietsch    protestiert  ebentj.^   ::"::»»ii  rj,;ii  V,rwiiv:.    i.*    verkrnne    iian 
den  Werih    und  die  Bei:eti'.iiii>^  iirr   ^i.lL^^^viÄsen.*^•aaI:••n.    u.-      »-rr,i»:i- 
läszi<!e  man  die  Jugend  liaraut"  iiiizuwe^i^eu.     Wie  %oniur    naii    ifnii    :;i» 
neuere  Geschichte  lehren,   ohne  lier  viujen  ^roszartiijen    iin;:»»''iaiir!i«ien 
Krlindnngen   zu  gedenken    aii'i    *}    •liit    liitmerxsHmkeir    itrr   «ut^enu     tut 
die    Vaturwissen:tchatten    zu    -eiten  f     Die  G*iniiaai«n    •^rkenaifn    ^ew».«, 
die  Wrprtichtunfi   auch  tiir  da.-  Aradiuin  -ler  N.iturwt.*s,»-n.-i-aait*'n      "r- 
zubereiten.     Woran  ^«wliten  ^ie  iich  iher  <Uibei   laiten.    us    iii    la.^.    «iiM 
die  Kitrvphaeen  in  die:<en    »eib^ic   4i.s   die  ^werkinaäzi^rste  V.irber'^iruii*; 
dafür  anerkennten?    Liebij  iiane  :ii  -niniT -^rari'r    iher   ;,v    latanvi,- 
seuschaftlichen  An^taicen  \:\  Pr-iLszen    um   He."».-en    iu.«t:e>i[>r.  r::.-!i.     !.i.«z 
ihm  am   i^^ächenswert!ie5'.en   die  ^«.'hiiier   leien .     «•*!•  :ie     n    >!i    iiti-n 
Sprachen  ond   in  der  Mathematik   •iirie   ::ii!a>:'iP  dünunir   *rri':»  ur       ii.ii 
gleicher^'ei^e  hätten  sich  W.jhier.   Mii.M:;i»»r'li-a    luii    iinit-r"   iu.-.-— -i.r   - 
chen;   ihue  nidn  al*o    an  den  Natdr.v:^.-en.'»<*a.ir.i«n    ■*:»   (,'.ir"rnr.    .*t-im 
man,  nm   tüchtigere  Vwrblliians  durca  lire  .'5!jrica»»n    imi  •.Uf'.ii-.r.äi.^    :u 
geben,  die  Phväik  entfernen  woi.e  ^     Di^z  -la   "ietfr».-   '• -►r-rar.'Mi.'    >r 
Natur   aU  «ganzen  der  Ju^ea«:  Ji«5'^.!i:i  ■•«: .     i>?»    .i.t:je  *.'J.i    ^•'-..--r   •-:' 
Ari.stoteIeä    gedacht:    d.i.?z    a.:er    -».iie    L'i:-- i:-1...iai:     :  »r  •:;     :.i-    j^.inzc. 
Gebiet  der  Phvsik.   wi-t  s.'e  «iij  G;  na^L-i  :.n  ^- .»-a   *-'iiii#*     ..-.    >.i      lü- 
gen Leuten  den  Dünkel  erzeu;:-».  ii?  ■»  jj?':'»a  •:'^  ■•!ini  j-nuii.   i.i«:  >:iir.*»»".» 
dadurch  einem  tieferen  sj'.'jd:  j:ii  in  «^.ä-^r-srZe:*.  -a'i«-i-n«£'»:ir'i-;'^'  *-.-*•* 
lehre  die   Krfahrang.     Er    konn.^   *.':a    .lii-.a';    m.  i.-    U'-^r m:.;i--,       .■.-%: 
man  nur  die  Theile  der  Phj-ik  i-jir-*.    ■«••i  le  ri.i'..i»*m.t»..-i:a    '..i     -•..*--.- 
dein  seien;    Tielmehr   hatte   er  tlr  'ii-»  .S«:aa.e    *:i»f  :ii-in.ir. -««■:.••  2-:.i;»i!- 
luug  für  die  beste.     Wenn  man  oer  J-iz-^n«:  ze^^-.    ■*  •;  »«a    «...ri.     !-::i 
dazu  gekommen,  eine  Kraft  wahrzuaT-.ni'in    ii-:   la-»    :ea   ?>••:.'-..■-.  j -f. 
ein  Gesetz  zu   er.«r!i]ieszen.   wenie   müi  ai-r.i.-   I.i*'r/r-'*^   -r* -:  *-.»     .  ;': 
mehr  Nutzen  stiften,  al*  wenn  nun  mi:;;-»;!!  i:'-:.i  •;*..•.    -.-?-.•:    ...  :    :-- 
monstrierend  die  Gesetze  er.'ai::ere.  —  P*'.*r    -»r  aa  «^  -.■*a   i  -•:■:'-    -' 
dasz  die  Geologie  für  die  Geo::rapriie  v  _n  1  .i.-n^'er  ij-r-r-rüi  i :  i   :- 
dasz   man   Geographie    ohne  jene    wi**en-c:i.ir*'..>:i    i.tr   .i.-  i*    ■=■-'*     - 
könne,   aber  dasz  man  nun  Geo!o<:ie  im  Oviiindsium  .viirtr*  .1. '. -«^ 
ihm  nicht  in  den  Sinn  gekommen.     Zu  nichts  werde  cie  r-r.r  -    - 
reitang  ohne  Anstrengung  gewonnen;  für  die  Sprachen  ^ei  >:>    -.    - 
gung  fordernde  Grammatik  der  rechte  Elementarunterricht    1    :    "   - 
bilde  die  Mathematik  die  elementare  Vorübung  in  der  Phy.:'. 
ker:   es  handle  sich  hier  nur  darum,   was  möglich  und  wi.    . 
sei;  die  Liebe  zur  Natur  werde  in  dem  Jüngling  durrS   *  .■•»'' ■ 
angeregt,   als   durch    die  NatarwiNsen-Hchafi.     Gegen  .\-./«!:^<*    ^' 
wiederholen,  ilasz  Concentratiun  nicht  mit  Vereinfacbr«i 
und  dasz,    was    in   den   unteren  Klassen   zweckir="*4f; 
weise  für  die  oberen  Klassen    anwendbar  sei. 


94    Die  Verhandlungen  der  paedagogischen  Section  in  Hamburg. 

gegen  die  ihm  gemachten  Vorwurfe  zu  vertheidigen  und  namentlich 
geltend  zu  machen,  dasz  Liebig  nicht  auf  die  alten  Sprachen  allein 
Gewicht  gelegt  habe,  sondern  gleicherweise  auf  die  Mathematik;  die 
▼orgeruckte  Zeit  nöthigte  indes  zum  Schlüsse  der  Sitzung. 

Jn  der  dritten  Sitzung  am  4n  Oct.  (8—10  Uhr)  gieng  man  su 
den  Punkten  f  und  g   der  Hoffmann  -  Lübkerschen  Thesen    über   ond 
Ho  ff  mann  erörterte  zunächst  wegen  f,   dasz  man  keines  der  Mittel, 
welche  die  alten  Schulen  zur  Erreichung  der  Fertigkeit  gehabt,  unbe* 
achtet  lassen  dürfe;   er   habe  deshalb   seit  Ostern   wieder  angefancen 
Verse  machen  zu  lassen,  und  sich  gefreut,  dasz  Lfibker,   ohne  von  ihm 
etwas  zu  wissen,    dasselbe  gethan  habe;  weil   sie  früher  in  den  han- 
noverschen Gymnasien    gar   keine  Versübungen    gehabt    hätten,    habe 
er    freilich    seinen  Primanern   sagen  müssen,    dasz    er    es    selbst   mit 
ihnen  lernen  wolle.  —  Seyffert:  die  lateinischen  Versübungen  hätten 
allerdings  eine  höhere  Bedeutung;  als  man  ihnen  gewöhnlich  zugestehe; 
sie  trügen  zu  den  Schreib-  und  Sprechübungen  ungemein  viel  bei.   Bei 
dem  Aufsatze  hege  der  Schüler   immer  Mistrauen,   weil  ihm  die  Voca- 
bein   zum  kunstvollen  Ausdruck   der  Gedanken  nicht  zu  Gebote  stun- 
den; die  Verse  ersetzten  diesen  Mangel.  —  Krüger  fragt  an,  ob  man 
die  lateinische  Sprache  bei  der  Interpretation  angewandt  habe  und   ob 
das  raschere  lesen  dadurch  gefördert  worden  sei.  —  Hoffmann:   bei 
der  geringen  Zahl  von  Stunden  müsse  man  wol  das  Lateinsprechen  zur 
Interpretation  nehmen;  wohin  solle  man  es  auch   sonst  bringen?     Mit 
Seyffert  sei  er  in  Bezug  auf  die  Bedeutung  der  lateinischen  Versübun- 
geu  ganz  einverstanden  und  namentlicli  thcile  er  ganz,   was  er  ausge- 
sprochen  [Vorr.   zu   den  Lesestücken  S.  IX]:    ^man  habe   mit  groszem 
Unrechte  der  Jugend  den  gradus  ad  Parnassum  genommen^nd    ihnen 
die  Grammatik  gelassen.'  —    Benary:   der  Grundmangel  des   lateini- 
schen Unterrichts  scheine  ihm   die  Beschränkung  der  Lectüre,   wovon 
aber  die  Leitung   der   Lehrer  den   grösten    Theil    der    Schuld    trage; 
man  mache  beim   Latcinsprcclien  von   vornherein    zu  grosze   Anforde- 
rungen;  der  Lehrer  müsse  zuerst  allein  sprechen,    der  Schüler  boren; 
so  gewöhne  sich  dieser  an  den  Klang;   Antworten  dürfe  man  nicht  so- 
fort erwarten  und  fordern.     In  Secunda   könne  man  indes   schon  nach 
gehöriger  Vorbereitung  ein  Argument  frei  lateinisch  geben  lassen.    Kin 
fernerer  Fehler  sei,  dasz  man  mit  den  lateiiiischen  Aufsätzen  zu  zeitig 
beginne,    wogegen   sich    schon   Hermann  und   Reiszig  erklärt   hätten; 
man  solle   erst   die  Schüler   durch    Uebersetzungen    aus    Büchern,  wie 
von  Seyffert  und  Süpfle,  weiter  fördern ;  dabei  sei  er  ein  entschiedener 
Feind  der  deutsch-lateinischen  Lexika;  in  sein  Haus  dürfe  kein  solches 
kommen,  auch  bei    den  Schülern   solle  kein   solches  sein.  —   Dir.  Dr. 
Heiland   aus  Stendal:   die  Exercitien   und   Extemporalien   müsten  in 
den  oberen  Klassen  wieder  zu  Ehren  kommen;   desgleichen   aber  auch 
das  memorieren,   was  am  besten  durch  concreto  Anschauung  zum  spre- 
chen nnd  schreiben  führe.  —  Peter  erklärt,  dasz  er  seit  Ostern  wie- 
der  lateinisch  gesprochen ,   ohne  jedoch   den  Gebrauch   der  deutschen 
Sprache  auszuschlieszen.  —  Heiland  fügt  seiner  früheren  Bemerkung 
noch  bei,  dasz  man   um  das  abschreiben  zu  verhüten,  öfter  Exercitien 
in  der  Klasse  fertigen  lassen  und  die  eigne  Arbeit  zur  Ehrensache  ma- 
chen müsse.   —  Eckstein:   er  interpretiere  jetzt  deutsch    und   habe 
keine  Last  zum  Latein  zurückzukehren.    Zu  den  Sprechübungen  liefer- 
ten ihm  die   kürzeren  ciceronianischen  Reden  den  Stoff.     Von  diesen 
lasse  er  sich  die  Argumente  lateinisch  mündlich  geben  und  spreche  mit 
den  Schülern  lateinisch  darüber.     Von  den  lateinischen  Disputationen 
als  einem  ganz  unbewährten  Mittel   habe   er  schon  längst  ganz  abge- 
sehen. —  Benary  drängt  die  von  ihm  für  wichtig  erkannten  Bedurf- 
nisse in  folgende  4  Punkte  zusammen:  i)  Basis  reiche  Lectüre,  2)  viel- 


Die  Verhandlungen  der  paedagogiecben  Seclion  in  Hamburg.    65 

fache  Uebung  im  schreiben,  3)  Lateinsprechen ,  zuerst  durch  hören, 
4)  lateinische  Verse.  —  Dietsch:  er  freue  sich  an  einer  Anstalt  zu 
stehen,  welche  von  den  hier  bezeichneten  Mitteln  noch  keine  verloren 
habe;  um  so  mehr  könne  er  aus  eigner  Erfahrung  zu  deren  Anwendung 
rathen.  Man  solle  nicht  glauben,  dasz  die  Jugend  zum  Lateinsprechen 
keine  Lust  habe;  er  habe  vielmehr  an  seiner  Schule  schon  vielfach  be- 
obachtet, dasz  im  Unterrichte  der  oberen  mit  den  unteren  die  letzteren 
oft  von  selbst  gefragt,  wie  man  wol  das  oder  jenes  lateinisch  aus- 
drucke. Eine  Uebung  hätten  sie  noch,  die  vielfach  als  pedantisch  ge* 
tadelt  werde,  aber  gute  Fruchte  trage ;  sie  lieszen  ebenso  wie  deutsch  latei- 
nisch in  den  unteren  Klassen,  in  den  oberen  sogar  griechisch  deklamieren. 
—  Eckstein:  mit  SeylTerts  Uebersetzungsbuch  und  Palaestra  sei  man 
in  den  Schulen  längst  fertig;  er  habe  jetzt  zu  Nägelsbach  gegriffen; 
damit  werde  er  auch  bald  zu  Ende  sein;  dann  brauche  er  ein  anderes; 
mochte  doch  Seyfifert  bald  mit  einem  neuen  dem  Mangel  abhelfen.  — 
Seyffert  lehnt  diese  Aufforderung  ab,  da  er  zu  alt  sei,  Dietsch 
aber  theilt  mit:  in  Grimma  haben  die  Lehrer,  um  theils  die  Benutzung 
früherer  Arbeiten  zu  verhüten,  theils  die  Uebung  mit  dem  jedesmaligen 
Bedürfnisse  in  Zusammenhang  zu  bringen,  den  Grundsatz  angenommen, 
nie  ein  Pensum  aus  einem  Buche  zu  dictieren,  sondern  dieses  stet« 
selbst  zu  fertigen.  —  Beifary  erwiedert,  das  werde  nicht  jedem  Leh- 
rer möglich  sein  und  auszerdem  die  herliche  Seyffertsche  Phraseologie 
verloren  gehen,  worauf  Dietsch  entgegnet,  dasz  dem  Lehrer  unbe- 
nommen sei  bei  eigner  Ausarbeitung  des  Pensums  ein  Buch  der  Art  zu 
benutzen.  —  Heiland  erinnert  noch  an  das  Mittel  des  mündlichen 
übersetzen»  in  der  Klasse.  —  Peter:  ohne  die  Trefflichkeit  der  Seyf- 
fertschen  Phraseologie  zu  verkennen,  müsse  er  doch  sagen,  dasz  gar 
keine  Hülfe  für  den  Schüler  viel  wesentlicher  sei. 

Nachdem  man  nun  zu  g  übergegangen,  erörtert  Lnbker:  der  Ac- 
cent  werde  von  ihm  und  seinem  Mitantragstelier  auf  die  griechischen 
Exercitien  gelegt,  bei  der  Erweiterung  der  Leetüre  hätten  sie  beson* 
ders  an  die  späteren  griechischen  Historiker,  namentlich  an  Plutarch 
gedacht,  deren  Leetüre  namentlich  schon  wegen  der  Verbindung  mit 
der  Geschichte  zu  empfehlen  sei.  —  Heiland:  die  griechischen  Exer- 
citien seien  allerdings  hochzuhalten,  auch  die  Leetüre  im  Griechischen, 
namentlich  der  Dichter,  zu  erweitern.  Man  solle  ohne  die  Freiheit  der 
Individualität  zu  beschränken  einen  Kanon  aufstellen:  es  solle  kein 
Schüler  abgehen,  der  nicht  den  ganzen  Homer,  der  nicht  aus  Herodot 
die  Geschichte  der  Perserkriege,  der  nicht  die  Antigene  und  einige 
andere  Stücke  des  Sophokles  gelesen,  der  nicht  aus  der  Apologie,  dem 
Kriton  und  Anfang  und  Ende  des  Phaedrus  ein  Lebensbild  von  Sokra- 
tes  gewonnen,  dem  endlich  die  Leichenrede  des  Perikles  bei  Thucydides 
unbekannt  geblieben.  —  Krüger  erklärt  sich  mit  Aufstellung  eines 
solchen  Kanon  einverstanden.  Hoffmann  aber  bemerkt,  dasz  mit  die- 
sem Kanon  doch  wol  nur  das  minimum  der  Leetüre  gemeint  sei.  — 
Ahrens  drückt  seine  Freude  aus  über  das  von  Heiland  gesagte;  er 
wünsche  indes  das  Gewicht  auf  die  Dichter  gelegt.  Für  die  späteren 
griechischen  Historiker  könne  er  nicht  stimmen,  da  man  des  besseren 
und  trefflicheren  genug  habe.  Für  die  classischen  Studien  sei  der 
Dualismus  des  Lateinischen  und  Griechischen  nachtheilig,  da  er  eine 
Zersplitterung  hervorbringe,  man  müsse  deshalb  beides  in  eine  orga- 
nische Verbindung  zu  setzen  suchen  und  dies  könne  man  erreichen, 
wenn  man  von  den  Römern  die  Prosa,  von  den  Griechen  die  Dichter 
zur  Leetüre  wähle.  Die  griechische  Prosa  werde  durch  die  lateinische 
ersetzt,  die  Poesie  aber  sei  nicht  zu  ersetzen.  —  Krüger  erinnert  für 
den  Kanon  noch  an  Demosthenes.  —  Lubker:  selbstverständlich  sei 
auf  die  griechischen  Dichter  das  Hauptgewicht  zn  legen,  doch  halte 


96    Die  Verhandlungen  der  pacdagogischen  Seciion  in  Hamburg. 

er  auch  die  Lecture  des  Plutarch  far  sehr  forderlich  und  nützlich.  — 
Wiese:  die  Verbindung  des  Lateinischen  und  Griechischen  werde  ge- 
fördert durch  übersetzen  aas  dem  Griechischen  in  das  Lateinische. 
Einverstanden  sei  er  auch  damit  dasz  die  rationeile  Grammatik  snrock- 
treten  könne.  Da  der  Zweck  des  Vereins  die  Anfstellung  Ton  Thema- 
ten  für  die  nächste  Versammlung  und  von  Aufgaben  fnr  litterarische 
Thätigkeit  sei,  so  wolle  er  hier  aufmerksam  machen,  wie  interessant 
doch  eine  Geschichte  der  Schulbücher,  oder  in  specie  der  lateinischen 
8chulgrammatilten  sein  wurde.  Eine  ähnliche  Aufgabe  sei  auch  eine 
lateinische  Grammatik  blosz  in  Beispielen.  —  Benary  fordert  auf; 
die  Versammlung  möge  erklären,  wie  nothwendig  die  Wiederaufnahme 
des  griechischen  Exercitiums  in  das  Abitnrientenreglement  sei,  woge- 
gen Eckstein  erwiedert,  dasz  dasselbe  ja  car  nicht  verboten  sei.  — 
Da  nach  Hoffmanns  Bemerkung  man  über  i  ganz  einverstanden  war, 
h  aber  mit  den  Kieneschen  Thesen  in  Zusammenhang  stand,  so  gieng 
man  zu  den  letzteren  über. 

Aus  der  ziemlich  lebhaften  Debatte  heben  wir  nur  folgendes  aus, 
dasz  namentlich  Benary,  der  sich  viel  mit  sprachvergleichenden  Stu- 
dien beschäftigt,  gegen  die  Berücksichtigung  des  Gothischen  und  Alt- 
hochdeutschen in  der  Schule  sprach,  dasz  man  jedoch  in  a  die  Erwäh- 
nung des  Mittelhochdeutschen  vermiszte  und  namentlich  Nöltlng  der 
Lecture  des  Nibelungenliedf^s  das  Wort  redete,  dasz  Eckstein  den 
Satz  unter  b  geradezu  gefährlich  fand  und  Prof.  Dr.  Schäfer  aus 
Grimma  fragte,  ob  denn  zu  fürchten  sei,  dasz  Lehrer  für  das  Deut- 
sche angestellt  würden,  welche  nicht  die  antik' -philologische  Bildung 
sich  vollständig  angeeignet  hatten.  Jm  allgemeinen  entschied  man  sich 
dafür,  dasz  für  den  Lehrer  d(>s  Deutschen  das  philologische  Verständnis 
der  altdeutschen  Dialekte  ein  unabweisbares  Bedürfnis  sei.  In  Betreff 
des  Punktes  unter  c)  niarhtc  Heiland  auf  den  Segen  aufmerksam,  den 
die  Schülerlehrbibliothrkcn  haben  könnten,  wenn  sie  recht  geleitet 
wurden.  Er  theile  die  Bücher  in  kanonische,  d.  h.  solche,  welche  von 
allen  gelesen  werden  müsten,  und  in  solche,  welche  nur  nützlich  seien. 
Er  halte  einen  Kanon  fest.  In  Secunda  lasse  er  das  Nibelungenlied, 
Gudrun  und  Walther  von  der  Vogelweide  lesen,  aber  in  Simrncks 
Uebcrsetzung;  dann  mache  er  einen  starken  Sprung  bis  zur  Blüthcn- 
Periode  der  deutschen  Littoratur. 

Für  die  letzte  These,  gestellt  vom  Geh.  Reg.-Rath  Dr.  Wiese 
blieb  nur  sehr  kurze  Zeit  übrig.  Albani  weist  auf  die  Nothwendig- 
keit  eines  Kepertoriums  hin,  dergleichen  er  schon  früher  versucht; 
Wiese  ober  bemerkt,  dasz  er  dies  nicht  gemeint,  sondern  viel- 
mehr die  Frage,  ob  der  Nutzen  des  Instituts  den  darauf  verwandten 
Kosten  entspreche  und  welche  Einrichtung  dazu  dienen  könne,  diesen 
Nutzen  zu  erhöhen;  indes  werde  die  Sache  vielleicht  in  Zeitschriften 
besprochen  werden.  ♦)  Ä.  DieUch, 

Auszüge  aus  Zeitschriften. 

ZeitscJirifl  für  das  Gymnasialtßesen,  Herausgeg.  von  J.  Mützell. 
9r  Jahrgang  1855. 

Septemberheft.  Schmidt:  über  leitende  Ideen  zu  einem  neuen 
Regulative  für  den  geschichtlichen  und  geographischen  Unterricht  (S. 

*)  Der  unterzeichnete  hat  es  im  letzten  Hefle  des  LXXII  Bandes 
versucht. 


Auszüge  aus  Zeitschriften.  07 

641—661:  weitere  Auafuhrnng  der  schon  VITI  8.  593  ff.  anfgesteliten 
Grandsätze).  —  Merieker:  Nachrichten  aber  die  Gymnasien  und  Pro- 
gymnasien der  Provinz  Prenszen  (S.  661 — 668).  —  Giese:  die  christ- 
liche Lehre.  Von  W.  H.  in  B  (S.  668—670:  entschiedener  Protest 
gegen  das  Buch).  —  Kühne:  Lehrbuch  der  Mathematik.  Ir  Thi.  Von 
Rühle  (S.  670  f.:  ^hält  einen  ehrenvollen  Platz  unter  den  neueren 
Lehrbüchern  angewiesen).  —  Ruckgaber:  Handbuch  der  Universal- 
geschichte. Ir  ThI.  Von  Schirrmacher  (S.  672  —  674:  viel  Ballast 
und  überflüssiges  Material  wird  gefunden).  —  Dietsch:  Grnndrisz 
der  ailg.  Geschichte.  Von  dems.  (S.  674  f.  Ref.  dankt  für  die  mitge- 
tbeiiten  Berichtigungen*).  —  Benecke:  franzosische  Grammatik  für 
die  unteren  Klassen.  Von  Schubert  (S.  675  f.:  als  recht  zweck- 
mäszig  bezeichnet).  —  Rempel:  französisches  Uebnngsbuch.  2e  Abtb. 
Von  demselben  (S.  676  f.:  gelobt,  aber  zu  ausgedehnt  befunden).  — 
Kleine  Sammlung  lehrreicher  Uebersetzungsstücke  aus  dem  Deutschen 
in  Französische.  Straszburg  1862.  Von  dems.  (S.  678:  durch  und 
durch  praktisch).  —  Lucenay  und  Meyer:  Materialien  zum  über- 
setzen aus  dem  Deutschen  ins  Französische,  le  Abth,  2e  Aufl.  Von 
dems.  (S.  678  f.:  für  diejenigen,  welche  das  übersetzen  zeitig  begin- 
nen, recht  brauchbar  und  mit  groszer  Sorgfalt  gearbeitet).  —  Castros: 
französische  Anmerkungen  zu  Herrigs  Aufgaben.  Von  dems.  (S.  680: 
erfährt  manchen  Tadel).  —  Otto:  französische  Conversationsgramma- 
tik.  2e  Aufl.  Von  dems.  (S.  681  f.:  in  Vergleich  mit  der  ersten  Aufl. 
besser,  aber  doch  noch  manche  Mängel).  —  Le  verre  d'eau  und  Angelo, 
p.  p.  Louis.  Von  d#)s.  (S.  682:  empfohlen).  —  Brandes:  Geogra- 
phie von  Europa.  Von  Höischer  (S.  683 — 689:  ausführliches,  die 
Gelehrsamkeit,  Sorgfalt  und  Geschicklichkeit  in  der  Ausführung  dar- 
legendes Referat).  —  Friederichs:  Praxiteles  und  die  Niobegruppe. 
Von  Heffter  (S.  689  f.:  Referat  über .  die  interessante  Schrift).  — 
V.  Noroff:  die  Atlantis.  Von  RujHt  Schnitze  (S.  690  f.:  nicht  gut- 
geheiszen).  —  Vi^olff:  4  griechische  Briefe  Friedrichs  II.  Von  Fo ss 
(S.  691  f.:  Referat).  —  Pertz:  scriptores  rerum  Germanicaruro  in 
usum  scholarura.  Von  dems.  (S.  692:  nur  Anzeige  des  daseins).  — 
Kühner:  Anleitung  zum  übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Latei- 
nische. 3e  Abthl.  Vo|^  Hartmann  (S.  693  f.:  sehr  gelobt).  — 
Spiesz:  Uebungsbuch  zum  übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Latei- 
nische für  Tertia  3e  Aufl.,  für  Quarta  5e.  Von  dems.  (S.  696:  Ver- 
besserungen werden  anerkannt).  —  Beeskow:  Uebungsstücke  zum 
übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Lateinische.  Von  dems.  (S.  696: 
im  allgemeinen  gelobt).  —  Kambly:  Elementarmathematik,  2r  und 
3r  Thl.  3e  und  2e  Aufl.  Von  Rühle  (S.  697  —  699:  anter  bedeuten- 
dem Lobe  Aufstellung  einiger  Wünsche).  —  Ueber  den  Mangel  an 
Candiaaten  des  höheren  Schulamts  (S.  700  f. :  die  Ursache  wird  in  den 
geringen  Besoldungen  gefunden).  —  Ueber  die  Externen  (S.  701 :  Vor- 
schläge zur  Minderung).  —  Heffter:  der  Mythos  von  der  Niobe  (S. 
702  —  706:  Erklärung  des  Mythos  aus  dem  Steinbilde  einer  Göttin  in 
Cilicien).   —  Gotthold:  über  den  Tact  der  sapphischen  Strophe  bei 

1  2  8 

Horaz  (S.  706—712:  der  Tact  wird  so  gethcilt  -— | — ww|_s.-s.).  «. 

'*')  Wegen  '^Xtaia  verweise  ich  auf  Bergk  in  den  Verhandlungen 
der  Philologenversammlung  zu  Jena  1846  S.  38 — 46;  auch  weisz  ich 
recht  wol,  dasz  Friedrich  der  Streitbare  zwar  schon  am  6.  Jan.  1423 
einen  Lehnbrief  vom  Kaiser  erhielt,  aber  erst  am  1.  Aug.  1426  an 
Ofen  feierlich  belehnt  wurde,  demnach  erst  mit  diesem  Tage  in  recht- 
lichen Besitz  trat,  in  welchem  er  gegen  Erich  den  Lauenburger  durch 
eine  Erklärung  Sigismunds  vom  14.  Aug.  1426  geschützt  wurde. 

iV.  Jahrb.  f.  PhU.  u.  Paed.  Bd.  LXXIV.  HfL  2.  7 


98  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Schmidt  in  Wittenberg:  zur  Seh ulgrammatikf rage  (8.713—725:  ein- 
gehende Begründung  des  Urtheils,  dasz  die  lateinische  Schulgrammatik 
von  Frdr.  Berger  dem  Begrilfe  einer  solchen   unter  allen  dem  Verf. 
bekannten  am  nächsten  komme.     Als  mangelhaft  wird  sodann  noch  die 
Auswahl  und  die  Anordnung  des  Stoffes  bezeichnet).  —  Die  Einweihung 
des    in    Schweidnitz   neu   erbauten    Gymnasiums     (S.    725 — 735).    — 
Mut  Zell:  statistisches  (S.  735 — 742:  gegen  Schweminski  im  vorigen 
Hefte  wird  nachgewiesen,  dasz  für  die  katholischen  Gymnasien  86607 
Thlr.  26Sgr.  11  Pf.,  für  die  eTangelischen  169764  Thlr.  7  Sgr.  10  Pf., 
für  das  gemischte  in  Essen  1800  Thlr.  aus  Staatsmitteln  zuffeschossen 
werden :  der  Irthum  stamme  aus  Mushackes  Kalender,  der  nicht  Ursache 
gehabt  habe,    die   beiden   Arten    der  Zuschüsse   zu  sondern).  —  Aas 
Westphalcn  (S.  743:   eine  Berichtigung).   —  Personalnotizen  (S.  742). 
Octobcrheft.     Landfermann:    zur    Revision   des   Lehrplans 
höherer  Schulen  und  der  Abiturlentenprnfungsreglements  (S.  745 — 791: 
das  richtig  und  zeitgemäsz  organisierte  Gymnasium  sei  die  echte  hö- 
here Schule,  Bürger  sowol  für  den  Staatsdienst  und  die  Kirche,  als  für 
Gewerbe  und  Industrie  zu  bilden;   die  Concentration  sei  nicht  in  Ans- 
schlusz    eines   oder   des    andern  Faches,   sondern  in   der  Stellung  dea 
bildendsten  in  den  Mittelpunkt  und  der  rechten  Ordnung  der  übrigen 
zu  ihm  zu  suchen,  als  das  bildendste  die  alten  Sprachen  zu  betrachten, 
in  diesen  aber  eine  auf  Anschauung  hinführende,  Liebe  zu  den  Sprachen 
und   den  Klassikern  erweckende  Methode  befolgen.     Da  im  Deutschen 
jede  systematische  Grammatik  (bedingungsweise  bei  Vorhandensein    ei« 
ner  ausgezeichneten  Lehrkraft  in  den  obersten  blassen  elementare  Be- 
treibung der  historischen)   auszuschlieszen ,   viele   der  bisher  demselben 
zugewiesenen  Uebungcn  bei  den  alten  Sprachen  und  andern  Gegenstan- 
den vorzunehmen ,   die  viel   zu  weit  greifenden  freien  Aufsätze   zu  be- 
schränken sind,  der  Unterricht  in  unteren  und  oberen  Klassen  in  Lec- 
tfire  bestehen  und  deshalb    auch  der  umfangreiche   und  zusammenhan- 
gende Unterricht   in  der  Litteraturgeschichte   auf  eine  blosz   orientie- 
rende Uebersicht  beschränkt  werden  soll,  so  reichen  für  alle  Klassen 
zwei  Stunden  aus.     In  den  neueren  Sprachen   ist  richtige  Aussprache, 
ein  leichtes  Verständnis  von  geschriebenem  und  ein  Anfang  im  schrift- 
lichen correcten  Ausdruck  das  Ziel,  über  das  auch  die  Realschule  nicht 
hinausführen  kann ;  der  Unterricht  im  Franzosischen  hat  in  Quinta  mit 
3 — 4  Stunden  zu  beginnen,  dann  reichen  in  den  andern  Klassen  2  Stun- 
den  aus.      Für    den   Religionsunterricht  wird    in    den   beiden    oberen 
Klassen  1  Stunde  mehr   (also  3)   gefordert  zur  Leetüre  des  N.  T.   in 
der  Ursprache,   die  heilige  Schrift,  das  kirchliche  Bekenntnis  und  das 
Kirchenlied    bilden  den  Kern,     das  Uebermasz   kirchengeschichtlicher 
Details    und  speculativer  Erörterung  ist   zu  melden.     Vom  mathemati- 
schen Unterricht  wird  auf  die  Trigonometrie,   unter  Umstanden  seibat 
auf  die  Stereometrie  verzichtet  und  daher  auch  auf  1  der  4  St.    Dia 
Naturgeschichte  wird   in  der  Ausdehnung  des   preuszischen  Lehrplau 
beibehalten,    aber   die    Erreichung  von   Naturkenntnis,    nicht   Bach- 
wissens,  dringend  empfohlen;  die  Physik  soll  schon  in  Tertia  begin* 
nen,   aber    in  Prima  wegfallen,   philosophische  Propaedeutik  bei   Vor- 
handensein einer  tüchtigen  Lehrerkraft  für  die  begabteren  Schüler  ge- 
stattet werden.      Für  die  Geschichte  reichen   in  den  oberen   Klassen 
bei  5 — 6j.  Curaus  2  St.  aas.    Hebraeisch  für  Theologen  2  St.  in  I  n. 
ir.    Auszerdem  werden  die  technischen  Fertigkeiten  und  die  den  Scha- 
lern  der  oberen  Klassen  zum   selbstthätigen  Stadium  zu  gewahrende 
Musze  eingehend  erörtert.    Für  die  Abiturientenprüfung  wird  nach  ge- 
nauer Erörterung  der  bisher  sich    herausgestellt  habenden   Misstande 
gefordert,  dasz  sie  sich  lediglich  auf  die  Kenntnis  der  Reife  für  die  Uni- 
versitätastudien  beschranke,  nicht  zu  einer  Revision  der  Schule  diene, 


AasxQge  aas  Zeitsehriflen.  90 

•ondern  dasz  der  damit  beauftragte  CommiMar  sich  daran  halte^  ob  er 
da«  Urtheii  der  Lehrer  ober  die  Reife  eines  Scb&lers  bestätigt  finde). 
—  Scholia  in  Homeri  Odysseam  ed.  G.  Dindorfias.  Angez.  von 
Am  ei  8  (8,  792 — 94:  unter  einigen  Bemerkungen  vollste  Anerkennung 
der  Verdienstlichkeit).  —  flaiiustius.  Erklärt  t.  Jacobs.  2e  Aufl. 
Ang.  y.  Wagner  (S.  795 — 801:  lobende  Beurtheilung  mit  Bemerkun- 
gen zu  einzelnen  Stellen).  —  Trompheller:  ein  Beitrag  zur  Würdi- 
gung der  horaziscben  Dicbtifveise.  Ang.  v.  Egger t  (§.  801—804: 
ausführlicher  sehr  empfehlender  Bericht).  —  Miscelien  von  Schmidt 
in  Oeii  (S.  806  f. :  über  des  Apollonios  von  Perge  m%vt6iuov ,  über 
des  A,  Caecina  villa,  dasz  Klitarchus  kein  Aeoler  gewesen,  über  die 
Kritik  der  Texte  bei  den  Alten,  ein  Nachtrag  zu  Didymus).  —  Nach- 
richten aus  Westphalen  (S.  807  f.)  —  Personalnachrichten  S.  808. 

NoTemberheft.  Foss:  geographische  Repetitionen  in  den  obe- 
ren Klassen  des  Friedrichs— Wilhelms-Gymnasinms  zu  Berlin  (8. 809 — 831 : 
An  Frankreich  wird  dargestellt,  was  der  Vf.  von  den  Primanern  yer^ 
lanet  und  was  von  den  meisten  geleistet  wird.  Die  Darstellung  bietet 
auch  in  anderer  Hinsicht  für  den  Lehrer  interessantes).  —  Hopf  und 
Paulsiek:  deutsches  Lesebuch.  I  1.  Ang.  v.  Stern  (8.  832—834: 
lebhaft  empfohlen).  —  Pütz:  altdeutsches  Lesebuch.  Ang.  v.  Hdl- 
scher  (S.  835—837:  sehr  gelobt).  —  Phaedrus.  Erklart  von  C.  W. 
Nanck.  Ang.  t.  Hart  mann  (S.  837—839:  anerkennende  Charakte- 
ristik der  Ausgabe).  —  Theiss:'de  proverbio  Tavtdlov  xdXavta  cet. 
Ang.  T.  dems.  (S.  840  f.:  als  volle  Anerkennung  verdienend  bezeich- 
net). —  Heinichen:  einige  Worte  zur  Verständigung  über  den  Un- 
terricht im  lateinischen  Stil  mit  Rücksicht  auf  die  Abhandlung  von 
Kühnast  im  Januarhefte  (S.  842—845 :  Zurückweisung  der  Behauptun|;, 
es  sei  der  Vf.  in  seiner  Stilistik  zu  weit  gegangen,  indem  er  auch  die 
Schönheit  des  Stils  mit  hineingezogen).  —  Knhnast:  auch  ein  Wort 
zur  Verständigung  (S.  845 — S^:  Beleuchtung  der  im  vorhergehenden 
Aufsatz  enthaltenen  Bemerkungen  und  der  Haupttendenz  des  eigenen). 
Mützeil:  zu  Horatius:  (S.  850  —  877:  durch  eine  sehr  gelehrte  und 
sorgfältige  Erörterung  wird  nachgewiesen,  dasz  die  von  dem  neuesten 
Herausgeber  Pauly  benützte  Ausgabe  des  Cruquius  von  1611  durch- 
aus nicht  eine  echte  und  klassische  sei,  sodann  was  er  gewonnen  ha- 
ben wurde,  wenn  er  dies  nicht  verkannt.  Ferner  werden  manche  Un- 
genauigkeiten  in  den  Angaben  Paulys  dargelegt,  und  endlich  auch  sein 
Urtheii  über  die  Codices  zurückgewiesen).  —  Hör.  carro.  I  26  6 — 9. 
Von  —1—  in  G.  (8.  878—880:  Inhaltsangabe  der  Gratnlationsschrift 
von  Hanow  an  Kiessline  unter  einigen  eigenen  Bemerkungen).  — 
Häckermann:  zu  Vergil  (S.  880:  Aen.  II  533  f.  media  inmorie  te- 
neri  wird  erklärt).  —  Auszüge  aus  den  Protokollen  des  berliner  Gym- 
nasiallehrervereins von  Langkavel  (S.  881— 883:  ausführlicherer  Be- 
richt über  einen  Vortrag  von  Stech ow  über  den  deutschen  Unter- 
richt in  den  3  untersten  Klassen  und  2  kürzere).  —  Kühnast:  zur 
Gymnasialstatistik  der  Provinz  Preuszen  (S.  883  —  886:  sor^ltiger 
Nachweis  der  Unrichtigkeiten  in  Schweminskis  Aufstellungen  im  Juli- 
heft). —  Aus  Berlin  (S.  887 :  Zahl  der  Prüfungen  vor  den  wissenschaft- 
lichen Prüfungscommissionen)  —  Personalnotizen  (S.  887  f*)- 

Zeitschrift  für  die  ÖMterr.  Gymnasien.    6r  Jahrg.  1855.    (Vgl 
Bd.  LXXII  S.  416  ff.) 

68  Heft.  Büdinger:  Umrisse  der  österreichischen  Geschichte 
vom  Ende  des  8n  bis  gegen  Ende  des  lOn  Jahrhunderts  (8.  433—451. 
Schlusz  vom  vorigen  Hefte.  Recht  nützliche  auf  die  neuesten  Quellen- 
forschungen gestutzte  Darstellung).  —   Klosz:   über  Gesang  nnd  Ge- 

7* 


100  Auszüge  nOs  Zeitschriflefi. 

sangunterrichtsplan  an  Gymnasien  und  Realschulen  (8.  452  —  56:  Dar-* 
legung  der  Wirksamkeit,  welche  dieser  Unterricht  haben  kann,  und 
Vorschläge  von  Mitteln  zu  deren  Erreichung).  —  Sophokles  Trachinie- 
rinnen,  erklärt  von  Seh  neide  win  und  dess.  über  die  Trachinierinnen 
des  Sophokles.  Ang.  v.  Schenkl  (S.  457 — 163:  durchaus  anerkennende, 
»her  auch  einige  eingehende  Bemerkungen  bietende  Beurtheilung).  < — 
1.  Grammatica  greca  del  G.  Curtius,  tradotta  in  italiano.  Vienna 
1855.  2.  Esercizi  greci  del  C.  Schenkl,  tradotti  da  C.  Mason.  9. 
Grammatica  elementare  della  lingua  greca  conipilata  sopra  quelle  di 
Fr.  Spiess  e  G.  Curtius  da  Gius.  Müll  er.  4.  Grammatica  greca  di 
Foytzik.  Ang.  v.  P.  Hochegger  (S.  464 — 473:  l  u.  2  werden  canz 
entschieden  gelobt,  auch  3  brauchbar  befanden,  obgleich  die  Verschie- 
denheit der  Quellen  hier  und  da  störenden  Einflnsz  geübt  habe,  mehr 
Tadel  erfahrt  4).  —  Hauschild:  Elementarbuch  der  deutschen 
Sprache  nach  der  calculierenden  Methode.  Ang.  v.  K.  Tomaschek 
(S.  473 — 477:  ruhig  prüfende,  für  den  Lehrer  manches  anregende  darin 
findende,  aber  die  Methode  im  ganzen  verwerfende  Kritik).  —  Hab: 
die  deutsche  komische  und  humoristische  Dichtung.  Ang.  y.  Feifalik 
(S.  478  —  480:  durchaus  verwerfendes  Urtheil).  —  Ergänzungen  zu 
Stielers  Handatlas:  der  Öäterr.  Kaiserstaat.  I.  Ang.  von  Steinhäu- 
ser (S.  480-482:  recht  gelobt).  —  Molt:  Darstellungen  aus  der  phy- 
sischen Erdbeschreibung  in  groszen  Karten.  Ang.  v.  dems.  (S.  482  f.: 
die  Absicht  nicht  verkannt,  aber  die  Sache  für  die  Schulen  nicht  em- 
pfohlen, weil  das  selbstzeichnen  der  Lehrer  und  Schuler  besser  sei)* 
—  Harms:  die  erste  Stufe  des  mathematischen  Unterrichts.  Angez. 
V.  Gernerth  (S.  483 — 487:  mit  besonderer  Freude  begrüszt). —  Ter- 
ni^zettan  elemei  (Lehrb  der  Physik).  V.  Fuchs  Albert.  Ang.  ▼. 
Grailich  (S.  488—409).  —  Verordnungen.  Statistik  (S.  500—510).  — 
Ueber  die  Aenderungen  des  Gymnasial -LehrplauH  für  das  Lateinische 
nnd  die  philosophische  Propaedeutik  (S.  511  —  531:  A.  Capelimann 
schlägt  zur  Erweiterung  des  letzteren  Unterrichts  eine  Hodegetik  für 
die  akademischen  Studien  vor,  erklärt  sich  aber  gegen  eine  Ausdeh- 
nung auf  die  7e  Klasse  und  fordert  3  wöchentliche  Stunden  in  der  8n. 
Die  2  Stunden  in  der  7n  sollen  auf  Latein  und  Griechisch  verwendet 
werden.  Heller  in  Gratz  erklärt  sich  gegen  die  von  Bonitz  vorge- 
schlagene Einrichtung  des  naturgeschichtlichcn  Unterrichts  im  Ober- 
gymnasium. Bonitz  vertheidigt  seine  Ansichten,  namentlich  auch  gegen 
Capellmanns  Satz,  da.sz  der  Lehrer  der  deutschen  Litteratur  und  Ge- 
schichte zugleich  altklassischcr  Philolog  sein  soll).  —  Beiträge  cur 
Geschichte  des  Hexenglaubens  und  der  Hexonprocesse  in  Siebenbürgen. 
Ang.  von  Bü  ding  er  (S.  531  f.  sehr  gelobt).  — 

7  s  Heft.  R.  V.  Raum  er  :'die  Verbesserung  der  deutschen  Rechtr 
Schreibung  und  die  Feststellung  streitiger  Schreibweisen  (S.  533-580: 
dem  hannoverschen  Entwürfe  der  Regeln  für  deutsche  Rechtschreibung 
kann  der  Verf.  bei  weitem  in  den  meisten  Punkten  beipflichten.  Im 
In  Abschnitt  wird  ausführlich  der  Satz  begründet,  dasz  die  überlieferte 
Gestalt  der  deutschen  Rechtschreibung  die  Grundlage  aller  weiteren 
Verbesserungen  bildet,  wobei  namentlich  die  Unterscheidung  der  Aen- 
derungen in  solche,  die  den  Laut  der  bisherigen  Zeichen  nicht  andern, 
und  die  ihn  verändern,  festgehalten  und  ihre  Bedeutsamkeit  nachge- 
wiesen wird.  Der  Grammatiker  hat  sich  streng  an  die  Untersachnng 
nnd  Darstellung  der  gegebenen  Schriftsprache  zu  halten  und  deshalb 
auch  in  Bezug  auf  die  Orthographie  ah  den  überlieferten  Lauten  nichts 
zu  ändern,  während  ihm  zusteht,  die  überlieferten  Zeichen  für  diese 
durch  zwockmäszigere  zu  ersetzen.  Im  zweiten  Abschnitt  erörtert  dann 
der  Verf.  die  neuhochdeutschen  Laute.  Die  im  dritten  Abschnitte  ge- 
gebenen darauf  fuszenden  Regeln  lasnen  einen  Aufzug  nicht  wol  zu).  — 


AnszQge  aus  Zeitschriften.  101 

B o R e :  deutaches  Lesebach.  3r  Thl.  Ang.  von  Bratraiiek  (8,  681 — 
690:  als  Glanzpunkt  wird  der  streng  sittliche  und  religiöse  Ton  be- 
zeichnet und  auch  sonst  erklart  sich  der  Rec.  mit  den  Grundsätzen 
des  Verf.  einverstanden,  aber  es  werden  auch  viele  eingehende  Bemer- 
kungen gemacht).  —  Bumuller:  Lehrbuch  der  Geographie  und  Ge- 
schichte für  die  untern  Klassen  der  Gymnasien.  Ang.  v.  F  ick  er 
(S.  690 — 697:  der  Rec.  stimmt  ganz  mit  der  ihm  noch  unbekannten 
Beurtheilnng  in  diesen  NJbb.  LXXII  S.  229  ff.).  —  Schauenburg: 
Fluszkarten  von  Europa  (S.  697 — 698:  vielseitige  Verbreitung  wird 
dem  sehr  empfeblei|swerthen  Hülfsmittel  gewünscht).  —  Köhler:  lo- 
ffaritbmisch- trigonometrisches  Handbuch.  Ang.  v.  K.  v.  Littrow 
(S.  698  f.:  sehr  empfohlen,  nur  die  Beibehaltung  der  ursprünglich  ge- 
troffenen Anordnung  getadelt).  —  Witzschel:  die  Physik  faszHch 
dargestellt.  Ang.  v.  Pisco  (S.  699-  601:  trotz  mehrerer  Ausstellun- 
gen als  ein  recht  brauchbares  V^erk  empfohlen).  —  Mack:  Lehrbach 
der  Chemie.  Ir  Thl.  Ang.  v.  Hinterb erger  (S.  601  f.:  als  sehr 
brauchbares  Lehrbach  empfohlen).  —  Verordnungen  und  Statistik  (S. 
603—610).  —  Oesterreichische  Schulprogramme  1863 — 54.  Abhandlun- 
gen aus  dem  Gebiete  der  deutschen  Sprache  und  Litteratur.  Ang.  v. 
K.  Wein  hold  (S.  611 — 613.  Schier:  kurze  und  gedrängte  Verglei- 
chung  der  slavischen,  besonders  der  böhmischen  Sprache  mit  der  deut- 
schen hinsichtlich  der  Formen.  Jicin:  «der  Verf.  sei  dem  Stoffe  nicht 
gewachsen'.  —  Schöpf:  über  die  deutsche  Volksmundart  in  Tirol. 
Bozen:  ^unter  einzelnen  Aasstellungen  gelobt  und  zur  Nachahmung  em- 
pfohlen'. —  Schöpf:  die  Töne  Ulrichs  von  Liechtenstein.  Preszburg: 
«nicht  gelungen'.  —  V^erner:  Beiträge  zur  Culturgeschichte  von 
Iglau.  Iglau:  «manches  zu  tadeln'.  —  Scbuldramen  in  den  Piaristen - 
schulen  im  I7n  und  18n  Jahrb.  Krems:  «sehr  brauchbar'. —  Schröer: 
erstes  Heft  eines  deutschen  Lesebuchs  für  die  oberen  Klassen  an  Mit- 
telschulen. Preszburg:  Realschule:  «der  Gedanke  sei  zu  loben,  aber 
die  Ausführung  nicht  zu  billigen').  —  Ang.  v.  Feifalik  (S  614  f. 
Schlenkrich:  über  die  V^ichtigkeit  der  älteren  deutschen  Sprache 
und  Litteratur.  Prag,  Kleinseite:  «im  ganzen  nicht  ungünstig  beur- 
theilt\  —  Klemsch:  über  deutsche  Ortografie.  Samber:  «erfahrt 
viel  Tadel'.  —  Ost  feil  er:  der  Nibelungen  Klage.  Gratz,  Real- 
schule: «die  Absicht  sei  gut,  aber  weder  das  Gedicht  für  die  Schule 
geeignet,  noch  die  Uebersetzung  durchweg  zu  loben').  —  Abhandlun- 
gen aus  dem  geschichtlichen  Gebiete.  Angez.  v.  Lorenz  (8.  616. 
Pantke:  Versuch  einer  Parallele  zwischen  griechischem  und  römi- 
schem Volkscharakter.  Teschen:  «Belesenheit  zu  loben,  die  Methode 
entschieden  zu  verwerfen'.  —  Lepar:  historisch- geographische  Dar- 
stellung der  Westgrenze  des  deutschen  Volks  und  Reiches.  Znaim: 
«sei  ganz  ungenügend').  — 

8s  Heft.  L.  Just:  das  Gymnasium  als  Erziehungsanstalt  (S.  617 
—  637:  der  Verf.  geht  die  einzelnen  Unterrichtsgegenstande  durch, 
indem  er  ihren  erziehenden  Einflusz  und  die  zur  Erreichung  desselben 
zweckmäszige  Behandlung  zeigt.  Besonders  ist  dem  Ref.  die  Art,  wie 
das  Studium  der  Alten  besprochen  worden,  erfreulich  erschienen.  Tn 
einem  zweiten  Abschnitte  werden  die  Eigenschaften,  welche  der  Leh- 
rer entwickeln  musz,  unter  Berücksichtigung  namentlich  Quintilians, 
dargestellt).  -—  Stoll:  Anthologie  griechischer  Lyriker.  Ang.  v.  K. 
Schenkl  (S.  638 — 644:  das  Buch  wird  als  brauchbar  empfohlen,  zu- 
gleich aber  eine  sorgfaltige  Revision  und  theilweise  Umarbeitang  bei 
einer  zweiten  Auflage  als  nothwendig  bezeichnet).  —  Wipponis  pro- 
verbia  cet.  ed.  Pertz.  Ang.  v.  Lorenz  (S.  644  f.:  wird  den  Gym- 
nasiallehrern und  Bibliotheken  dringend  empfohlen).  —  Viicslav 
Merklas:  Atlas  Stareho  Svota  (Atlas  d.  alten  Welt).     Ang.  v.  Lin- 


104    Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  Statist.  Notizen. 

1  davon  dem  mathematischen,  die  andere  dem  Religionsunterrichte 
(^aii  katholischen  Gymnasien)  gewidmet  »ird. 

Anm.  1.  Die  zu  Gunsten  einiger  Gegenstande  festgesetzte  Ver- 
mehrung der  Stundenzahl  darf  in  keinem  Falle  zur  Ausdehnung  des 
LehrstolFes  über  den  bisher  begrenzten  Umfang  benätzt  werden,  sie 
aoW  vielmehr  dazu  dienen,  damit  zu  einer  eindringlicheren  Behandlung 
des  Lehrätoifes  und  zur  Vornahme  hauüger  Uebungen  In  der  Schnli 
selbst  Zeit  gewonnen  werde.  In  diesem  Falle  behebt  sich  nicht  nur  jedes 
Bedenken  wfgen  Ueberbürdung  der  Schüler,  die  aus  einer  übrigens 
unerheblichen  Vermehrung  der  Lehrstunden  entstehen  konnte,  sondern 
es  wird  die  Wirksamkeit  des  Schulunterrichts,  die  weniger  von  der 
Zahl  als  vua  der  gehörigen  Verwerthung  der  Lehrstunden  abhangt,  ge- 
fördert. —  Anm.  2.  P^ine  Aenderung  in  der  bisher  festgesetzten  An- 
ordnung der  griechischen  Leetüre  hat  nicht  einzutreten,  hingegen  ist  in 
der  V  und  Vi  Kl.  alle  8  statt  wie  bisher  alle  14  Tage  eine  Lehrstunde 
grammatischen  Uebun<;en  zu  widmen.  Auch  ist  die  an  vielen  Gymna- 
sien eingeführte  und  vom  Ministerium  gebilligte  Uebung  in  der  V  Kl. 
im  In  Sem.  Xenophon  vor  Homer  zu  lesen  nunmehr  durchgängig  ein- 
zuführen. —  An  m.  3.  Es  ist  thatsächlich  in  Uebung  gekommen  und 
in  jedem  vorkommenden  Falle  vom  Ministerium  gebilligt  worden,  dasz 
in  der  VIII  Kl.  1  St.  wöchentl.  zum  mathematischen  Unterrichte  ver- 
wendet werde.  Diese  von  einsichtigen  und  berufseifrigen  Lehrern  als 
zweckdienlich  anerkannte  Unterrichtszugabe  erhält  hiermit  allgemeine 
Geltung,  mit  der  Beschränkung  jedoch,  dasz  diese  Lehrstnnde  zur 
Uebung  in  der  Lösung  mathematischer  Probleme  in  der  Schule  selbst 
mit  Ausschlusz  von  Hausaufgaben  und  liierdurch  zu  einer  zusammenfas- 
senden Wiederholung,  keineswegs  aber  zur  Fortsetzung  oder  Erweite- 
rung des  mathematischen  Lehrpensums,  das  in  der  VII  Kl.  jedenfalls 
zum  Abschlüsse  kommen  musz,  zu  verwenden  ist.  Die  Leistungen  der 
Schüler  bei  diesen  Uebungen  sind  in  den  Semestralzeugnissen  ersicht- 
lich zu  machen.  —  An  m.  4.  In  Anbetracht  des  belangreichen  Lehr- 
stolfes der  Kirchengeschichte  stellt  es  sich  als  angemessen  heraus,  dass 
dem  Religiunsunterrichte  in  der  VIII  Kl.  I  St.  wöchentlich  unter  Kin- 
haltung  der  oben  (Anm.  1)  angedeuteten  Vorsicht  zugelegt  werde.  — 
Anm.  j.  In  Berücksichtigung  des  Umstandes,  dasz  die  Bedeutsamkeit, 
welche  die  Naturgeschichte  für  die  Gymnasialaufgabe  hat,  nicht  eine 
möglichst  grosze  Ausdehnung  des  Lehrstoffs  bedingt,  erscheint  es  unbe- 
denklich und  ist  bei  verschiedenen  Anlässen  sowol  in  der  Gynmasiai- 
Zeitschrift,  als  in  amtlichen  Berichten  von  einsichtsvollen  Vertretern 
des  Faches  auch  angerathen  worden,  dasz  mit  2  wöchentlichen  Lehr- 
stunden durch  2  Jahrescurse  für  dasjenige  Masz  des  naturgeschicht- 
lichen Wissens,  welches  zur  allgemeinen  Bildung  eines  Gymnasialabitu- 
rienten gehö|^,  das  auslangen  gefunden  werden  soll,  zumal  wenn  der 
Unterricht  im  Unter-  und  Obergymnasium  nicht  nur  in  Rücksicht  auf 
die  Form ,  sondern  auch  in  Rücksicht  auf  die  Materie  verschieden  be- 
handelt wird,  so  dasz  unnöthige  Wiederholungen  vermieden  werden. 

Zu  diesem  Behufe  werden  im  nachstehenden  einige  Bemerkungen 
initgctheilt,  die  geeignet  sind  den  hetreifenden  Lehrern  bei  Losung 
ihrer  Aufgabe  als  sichere  Anhaltspunkte  zu  dienen.  Zoologie.  Am 
Untergymnasium  ist  bei  der  Beschreibung  darauf  Rücksicht  zu  neh- 
men, dasz  nicht  nur  die  ohnehin  sogleich  in  die  Augen  fallenden  Ei- 
genschaften, >\ie  Farbe,  allgemeine  Gestaltung  usw.  erwähnt  werden, 
sondern  aiich  solche  minder  auffällige,  welche  für  die  Ciiarakteristik 
von  Wichtigkeit  sind,  insoweit  sie  nemlicli  den  Schülern  mit  den  eben 
zu  Gebote  stehenden  Hilfsmitteln  vor  Augen  gefilhrt  werden  können. 
Thiere,  welche  nicht  in  natura  oder  in  guten  Abbildungen  vorgezeigt 
werden  können,  .sind  dagegen  gar  nicht  zu  beschreiben.    Auf  die  Iiebena- 


Berichte  aber  gelehrte  Anstalten,  VerordnadgeD,  stetist.  Notisen.  105 

weise  der  Thiere  nnd  ihre  Beziehtuigen  snm  Menschen  ist  besondere 
Racksicht  zu  nehmen.  Naturgetreue,  lebhafte  nnd  gut  geschriebene 
Schiiderungen  aus  diesen  Gebieten  können  dem  Schüler  für  seine  Pri- 
Tatiectnre  empfohlen  werden.  Auf  Grundlage  der  erworbenen  Summe 
dieser  Kenntnisse  ist  am  Obereymn.  den  Schulern  eine  systematische 
Uebersicht  über  die  Wirbel-  und  Gliederthiere  und  ihre  geographische 
Verbreitung  zu  geben;  hierbei  liegt  dem  Lehrer  die  schwierige  Auf' 
gäbe  ob,  den  Schulern  eine  Vorstellung  von  dem  unendlichen  Reich- 
thume  der  übrigen  Thierwelt  zu  verschafifen,  welche  in  sich  viel  mehr 
Material  für  die  Erweiterung  der  Ideen  birgt,  als  Wirbelthierie  und  Glie- 
derthiere zusammengenommen.  Es  ist  klar,  dasz  diese  Vorstellung  nnr 
eine  Terhältnismäszig  beschränkte  sein  kann,  und  der  Lehrer  hat  sich 
in  der  Auswahl  der  näher  zu  beschreibenden  Objecte  an  dasjenige  za 
halten,  was  die  Fauna  der  nächsten  Umgegend  und  die  Sammlung  des 
Gymnasiums  bietet.  Es  wird  dringend  gewarnt,  da^z  die  Zeit  nicht 
verloren  werde  mit  Beschreibung  von  Organisationsverhältnissen,  wel- 
che man  dem  Schüler  nicht  zur  Anschauung  bringen  oder  durch  Abbil- 
,  düngen  vollständig  illustrieren  kann.  Dagegen  ist  auch  hier  auf  die 
Beziehungen  der  Thiere  zum  Menschen,  auf  die  mächtigen  Effecte, 
welche  oft  durch  das  zusammenwirken  vieler  Individuen  hervorgebracht 
werden ,  auf  ihren  Einflusz  auf  die  Gestaltung  der  Oberfläche  usw. 
die  gebührende  Rücksicht  zu  nehmen.  —  Botanik.  E^  ist  nothwendig 
schon  im  Untergymn.  mit  der  Organographie  und  Terminologie  za 
beginnen.  Ais  Ziel  des  Unterrichts  wird  bezeichnet,  dasz  der  Schüler 
an  einer  Anzahl  von  Gewächsen,  wenn  ihm  solche  in  natura  vorgelegt 
werden  die  emzelnen  Organe  zu  erkennen  und  in  den  richtigen  Aus- 
drücken zu  beschreiben  vermöge.  Bei  der  Auswahl  dieser  Pflanzen  ist 
vor  allem  zu  berücksichtigen,  dasz  sie  als  Paradigmata  dienen  sollen. 
Es  ist  ohne  Rücksicht  auf  das  System  vom  leichteren  zum  schwereren 
aufzusteigen  und  durch  Manigfaltigkeit  der  vorgelegten  Formen  eine 
möglichst  ausgedehnte  Kenntnis  der  Terminologie  zu  erzielen.  Im  Ober- 
gymnasium sollen  die  im  Untergymnasium  gesammelten  Kenntnisse  zur 
Anwendung  kommen  nnd  soll  auf  ihnen  fortgebaut  werden.  Hier  ist 
die  Kenntnis  der  einzelnen  Pflanzen,  ihrer  systematischen  Anordnung 
und  ihrer  geographischen  Verbreitung  zu  erwerben.  Bei  der  Auswahl 
der  Pflanzen  siiid  hier  vorzugsweise  diejenigen  am  Orte  wild  wachsen- 
den oder  cultivierten  zu  berücksichtigen,  welche  für  den  Menschen  eine 
besondere  Wichtigkeit  haben.  Die  genaue  Kenntnis  derselben,  ihrer 
Lebensbedingungen  und  der  Art  ihrer  Verwendung  ist  einer  mehr  ex- 
tensiven Pflanzenkenntnis  überall  voranzusetzen.  Mineralogie.  Es 
ist  dahin  zn  streben,  dasz  im  Obergymnasium  eine  Wiederholung  dessen 
vermieden  werde,  was  im  Untergymnasium  gelehrt  wurde.  Die  Pro- 
paedeutik  falle  mehr  dem  Untergymn.,  die  systematische  Mineralogie, 
sowie  die  Geognosie  mehr  dem  Obergymn.  zu  und  im  letzteren  werde 
nur  dasjenige  aus  der  Propaedeutik  ergänzt,  wofür  die  Fassungskraft 
der  Schüler  auf  dem  Untergymn.  nicht  ausreichte.  Bei  der  Kostbarkeit 
der  Zeit  ist  streng  darauf  zu  halten,  dasz  dieselbe  nie  mit  Beschrei- 
bung von  Mineralien  zugebracht  werde  welche  nicht  in  natura  vorge- 
zeigt werden,  und  dasz  man  sie  bei  der  nothwendig  werdenden  Aus- 
wahl vorzugsweise  denjenigen  zuwende,  welche  durch  ihre  Verbreitung 
und  ihren  Nutzen  besonders  wichtig  oder  in  naturwissenschaftlicher 
Hinsicht  mehr  als  andere  merkwürdig  sind. 

III.  Die  Naturgeschichte  bort  auf  Gegenstand  der  Maturitäts- 
prüfung zn  sein.  Es  ist  aber  das  aus  den  Calcüis  über  die  Semestral- 
teistungen  der  Schüler  in  der  V  und  VI  Kl.  resultierende  Urtheil  iu 
das  Maturitätszeugnis  aufzunehmen,  welches  dann  einen  integrierenden 
Factor  bei   Feststellung  des    Kndurthcils    in  diesem   Zeugnisee   bildet. 


104    Btrklile  Aber  gelehrte  Anslalteo,  Verordnungea,  Statist.  NoÜsea. 

l  ^ATon  dem  mathematischen,  die  andere  dem  Religionsunterrichte 
^an  katholischen  Gymnasien)  gewidmet  wird. 

Anm.  1.  Die  zu  Gunsten  einiger  Gegenstände  festgesetzte  Ver- 
mehrung der  Stundenzahl  darf  in  keinem  Falle  zur  Ausdehnung  des 
Lehrstoffes  über  den  bisher  begrenzten  Umfang  benützt  werden,  sie 
soll  vielmehr  dazu  dienen,  damit  zu  einer  eindringlicheren  Behandlung 
des  Lehrstoffes  und  zur  Vornahme  häuüger  Uebungen  in  der  Schule 
selbst  Zeit  gewonnen  werde.  In  diesem  Falle  behebt  sich  nicht  nur  jedes 
Bedenken  wegen  Ueberbürdung  der  Schüler,  die  aus  einer  übrigens 
unerheblichen  Vermehrung  der  Lehrstunden  entstehen  könnte,  sondern 
es  wird  die  Wirksamkeit  des  Schulunterrichts,  die  weniger  "von  der 
Zahl  als  von  der  gehörigen  Verwerthiing  der  Lehrstunden  abhängt,  ge- 
fördert. —  Anm.  "2.  Eine  Aenderung  in  der  bisher  festgesetzten  An- 
ordnung der  griechischen  Leetüre  hat  nicht  einzutreten,  hingegen  ist  in 
der  V  und  VI  Kl.  alle  8  statt  wie  bisher  alle  14  Tage  eine  Lehrstunde 
grammatischen  Uebungen  zu  widmen.  Auch  ist  die  an  vielen  Gymna- 
sien eingeführte  und  vom  Ministerium  gebilligte  Uebung  in  der  V  Kl. 
im  In  Sem.  Xenophon  vor  Homer  zu  lesen  nunmehr  durchgängig  ein- 
zuführen. —  An  m.  5.  Es  ist  thatsächlich  in  Uebung  gekommen  und 
in  jedem  vorkommenden  Falle  vom  Ministerium  gebilligt  worden,  dasz 
in  der  VIII  Kl.  I  St.  wöchentl.  zum  mathematischen  Unterrichte  ver- 
wendet werde.  Diese  von  einsichtigen  und  berufseifrigen  Lehrern  als 
zweckdienlich  anerkannte  Unterrichtszugabe  erhält  hiermit  allgemeine 
Geltung,  mit  der  Beschränkung  Jedoch,  dasz  diese  Lehrstnnde  zur 
Uebung  in  der  Lösung  mathematischer  Probleme  in  der  Schule  selbst 
mit  Ausschlusz  von  Hausaufgaben  und  hierdurch  zu  einer  zusammenfas- 
senden Wiederholung,  keineswegs  aber  zur  Fortsetzung  oder  Erweite- 
rung des  mathematischen  Lehrpensums,  das  in  der  VII  Kl.  jedenfalls 
zum  Abschlüsse  kommen  musz,  zu  verwenden  ist.  Die  Leistungen  der 
Schüler  bei  diesen  Uebungen  sind  in  den  Semestralzeugnissen  ersicht- 
lich zu  machen.  —  An  m.  4.  In  Anbetracht  des  belangreichen  Lehr- 
stoffes der  Kirchengeschichte  stellt  es  sich  als  angemessen  heraus,  dasz 
dem  ReligluUdUnterrichte  in  der  VIII  Kl.  1  St.  wöchentlich  unter  Ein- 
haltung der  oben  (Anm.  1)  angedeuteten  Vorsicht  zugelegt  werde.  — 
Anm.  5.  In  Berücksichtigung  des  Umstandes,  dasz  die  Bedeutsamkeit, 
welche  die  Naturgeschichte  für  die  Gymnasialaufgabe  hat,  nicht  eine 
möglichst  grosze  Ausdehnung  des  Lehrstoffs  bedingt,  erscheint  es  unbe- 
deiuelich  und  ist  bei  verschiedenen  Anlässen  sowol  in  der  Gymnasial- 
Zeitschrift,  als  in  amtlichen  Berichten  von  einsichtsvollen  Vertretern 
des  Faches  auch  angerathen  worden,  dasz  mit  2  wöchentlichen  Lehr- 
standen durch  2  Jahrescurse  für  dasjenige  Masz  des  naturgeschicht- 
lichen Wissens,  welches  zur  allgemeinen  Bildung  eines  Gymnasialabitu- 
rienten  gehö|^,  das  auslangen  gefunden  werden  soll,  zumal  wenn  der 
Unterricht  im  Unter-  und  Obergymnasium  nicht  nur  in  Rücksicht  auf 
die  Form,  sondern  auch  in  Rücksicht  auf  die  Materie  verschieden  be- 
handelt wird,  so  dasz  unnöthige  Wiederholungen  vermieden  werdeu. 

Zu  diesem  Behufe  werden  im  nachstehenden  einige  Bemerkungen 
mhnetheilt,  die  geeignet  sind  den  betreffenden  Lehrern  bei  Lösung 
kKrvr  Aufgabe  als  sichere  Anhaltspunkte  zu  dienen.  Zoologie.  Am 
V  niergy  mnasium  ist  bei  der  Beschreibung  darauf  Rücksicht  zu  neh- 
aMn,  dasB  nicht  nur  die  ohnehin  sogleich  in  die  Augen  fallenden  EÜ- 
f^^chaften,  wie  Farbe,  allgemeine  Gestaltung  usw.  erwähnt  werden, 
s^adern  auch  solche  minder  auffallige,  welche  für  die  Charakteristik 
\^ik  Wichtigkeit  sind,  insoweit  sie  nemlich  den  Schülern  mit  den  eben 
411  G«b«te  stehenden  Hilfsmitteln  vor  Augen  geführt  werden  können. 
'ChMC^>  welche  nicht  in  natura  oder  in  guten  Abbildungen  vorgezeigt 
%%urd«ii  können,  d>ind  dagegen  gar  nicht  zu  beschreiben.    Auf  die  I^ebens- 


Berichte  Aber  gelehrle  Anstalten,  Verordnaegen,  Statist.  Noüisen.  105 

weise   der  Thiere  nnd  ihre  Beziehungen  znm  Menschen  ist  besondere 
Rücksicht   zu   nehmen.    Naturgetreue,   lebhafte  und  gut   geschriebene 
Schilderungen   aus  diesen  Gebieten  können  dem  Schüler  für  seine  Pri- 
▼atlectüre  empfohlen   werden.    Auf  Grundlage   der  erworbenen  Summe 
dieser  Kenntnisse  ist  am  Obereymn.  den  Schülern  eine  systematische 
Uebersicht  über  die  Wirbel-  und  Gliederthiere  und  ihre  geographische 
Verbreitung  zu  geben;  hierbei   liegt  dem   Lehrer  die  schwierige  Auf' 
gäbe  ob,   den  Schulern  eine  Vorstellung  von  dem  unendlichen  Reich- 
thume  der  übrigen  Thierwelt  zu  verschaffen,  welche  in  sich  viel  mehr 
Material  für  die  Erweiterung  der  Ideen  birgt,  als  Wirbelthiere  und  Glie- 
derthiere zusammengenommen.     Es  ist  klar,  dasz  diese  Vorstellung  nnr 
eine  yerhältnismäszig  beschränkte   sein  kann,    und  der  Lehrer  hat  sich 
in  der  Auswahl  der  näher  zu  beschreibenden  Objecte   an  dasjenige  za 
halten,    was  die  Fauna  der  nächsten  Umgegend  und  die  Sammlung  des 
Gymnasiums  bietet.     Es   wird    dringend   gewarnt,   dasz  die  Zeit  nicht 
verloren  werde  mit  Beschreibung  von  Organisationsverhältnissen,  wel- 
che man  dem  Schüler  nicht  zur  Anschauung  bringen   oder  durch  Abbil- 
,  düngen  vollständig  illustrieren  kann.     Dagegen  ist   auch    hier  auf  die 
Beziehungen    der  Thiere    zum   Menschen,    auf  die   mächtigen  Effecte, 
welche  oft  durch  das  zusammenwirken  vieler  Individuen  hervorgebracht 
werden ,    auf  ihren  Einfiusz   auf  die   Gestaltung  der  Oberfläche  usw. 
die  gebührende  Rücksicht  zu  nehmen.  —  Botanik.  Es  ist  nothwendig 
schon  im  Untergymn.   mit   der  Organographie   und  Terminologie  za 
beginnen.    Als  Ziel  des  Unterrichts  wird  bezeichnet,  dasz  der  Schüler 
an  einer  Anzahl  von  Gewächsen,  wenn  ihm  solche  in  natura  vorgelegt 
werden  die  ernzelnen  Organe  zu  erkennen   und   in   den  richtigen  Aus- 
drücken zu  beschreiben  vermöge.     Bei  der  Auswahl  dieser  Pflanzen  ist 
vor  allem  zu  berücksichtigen,   dasz   sie  als  Paradigmata  dienen  sollen. 
Es  ist  ohne  Rücksicht  auf  das  System  vom  leichteren  zum  schwereren 
aufzusteigen    und    durch   Manigfaltigkeit   der  vorgelegten   Formen    eine 
möglichst  ausgedehnte  Kenntnis  der  Terminologie  zu  erzielen.  Im  Ober- 
gymnasium  sollen  die  im  Untergymnasium   gesammelten  Kenntnisse  zur 
Anwendung  kommen  und  soll    auf  ihnen  fortgebaut  werden.     Hier   ist 
die  Kenntnis   der   einzelnen  Pflanzen,    ihrer  systematischen  Anordnung 
und   ihrer  geographischen  Verbreitung  zu  erwerben.     Bei  der  Auswahl 
der  Pflanzen  siiid  hier  vorzugsweise  diejenigen  am  Orte  wild  wachsen- 
den oder  cultivierten  zu  berücksichtigen,  welche  für  den  Menschen  eine 
besondere  Wichtigkeit   haben.      Die   genaue  Kenntnis   derselben,   ihrer 
Lebensbedingungen  und  der  Art   ihrer  Verwendung   ist   einer  mehr  ex- 
tensiven Pflanzenkenntnis   überall  voranzusetzen.     Mineralogie.     Es 
ist  dahin  zu  streben,  dasz  im  Obergymnasium  eine  Wiederholung  dessen 
vermieden   werde,   was   im  Untergymnasium   gelehrt  wurde.     Die  Pro- 
paedeutik   falle  mehr  dem  Untergymn.,  die  systematische  Mineralogie, 
sowie  die  Geognosie  mehr  dem  Obergymn.  zu   und  im   letzteren  werde 
nur  dasjenige  aus  der  Propaedeutik   ergänzt,    wofür  die  Fassungskraft 
der  Schüler  auf  dem  Untergymn.  nicht  ausreichte.   Bei  der  Kostbarkeit 
der  Zeit  ist  streng  darauf  zu  halten,  dasz  dieselbe    nie   mit  Beschrei- 
bung von  Mineralien  zugebracht  werde  welche  nicht  in  natura  vorge- 
zeigt werden,   und  dasz  man   sie   bei  der  nothwendig  werdenden  Aus- 
wahl vorzugsweise  denjenigen  zuwende,  welche  durch  ihre  Verbreitung 
und    ihren  Nutzen   besonders  wichtig   oder   in   naturwissenschaftlicher 
Hinsicht  mehr  als  andere  merkwürdig  sind. 

III.  Die  Naturgeschichte  hÖrt  auf  Gegenstand  der  Maturitäts- 
prüfung zo  sein.  Es  ist  aber  das  aus  den  Calcüis  über  die  Semestral- 
teistungen  der  Schuler  in  der  V  und  VI  Kl.  resultierende  Urtheil  in 
das  Maturitätszeugnis  aufzunehmen,  welches  dann  einen  integrierenden 
Factor   bei    Feststellung   des    Endurtheils    in   diesem    Zeugnisse   bildet. 


ribflr  f  oMrle  Anstalten,  VerordniMgeii,  statisL  NotiiM. 

Privatsdmkr  jedoch,  welche  an  keinem  Gjmnaflium  eingeschrieben 
ifitff  nnd  in  der  V  und  VI  Kl.  kein  Zeugnis  über  Naturgeschichte 
«Tfrarben,  sind  auch  ans  diesem  Gegenstande  der  Prfifang  su  nnter- 
■ieJim.  Diese  Prüfung  kann  entweder  im  Zusammenhange  mit  der 
Mataritatsprufong  oder  auch  abgesondert  früher,  jedoch  nur  an  demsel> 
ben  Gymn.,  an  welchem  der  fibuuninand  die  Maturitätsprüfung  abzu- 
legen beabsichtigt,  vorgenommen  werden.  Ein  besonderes  Schulseugnis 
diurf  aber  diese  Prüfung  nicht  ausgestellt  werden,  sondern  es  ist  das 
ESrgebnis  derselben  lediglich  in  das  Maturitätsprüfungsseugnis  aufzu- 
nehmen. —  Anm.  Die  Naturgeschichte  hat  als  Prufungsgegenstand 
eine  zweifelhafte  Bedeutung  in  der  Beurtheilung  der  geistigen  Reife 
eines  Examinanden.  Hierbei  wird  nun  der  Umstand,  dasz  zwischen 
den  Schlnsz  dieses  Unterrichts  und  den  Beginn  der  Maturitätsprüfung 
für  die  betreffenden  Schüler  ein  Intervall  von  2  Jahren  fällt,  um  so 
bedenklicher,  als  eine  zureichende  Vorbereitung  für  diese  Prüfung  sich 
vorwiegend  auf  das  Gedächtnis  stützt  und  ein  treues  aufbewahren  und 
wiedergeben  positiver  Kenntnisse  in  diesem  Gegenstande  nach  2|jähr. 
Unterbrechung  den  Schülern  nicht  zugemutet  werden  kann. 

IV.  Die  philosophische  Propaedeutik  bildet  einen  Gregen- 
stand  der  Maturitätsprüfung.  —  Anm.  Welche  Anforderungen  bei  der 
Maturitätsprüfung  aus  diesem  Gegenstande  zu  stellen  und  in  welcher 
Form  diese  Prüfung  vorzunehmen  sei,  endlich  ob  dieser  Unterricht  in  der 
VII  Kl.  mit  der  Logik  oder  der  empirischen  Psychologie  zu  beginnen  habe, 
darüber  werden  die  Bestimmungen  später  bekannt  gemacht  werden. 

V.  In  Betreff  des  Vorgangs  beim  Unterrichte  in  der  Physik  am 
Obergymnasium  wird  folgende  Reihenfolge  der  Lehrpartien  festgesetzt: 
VII.  Allgemeine  Eigenschaften  der  Körper.  —  Chemische  Verbindung. 
—  Gleichgewicht  und  Bewegung.  —  Wellenlehre  und  Akustik.  VIIL 
Magnetismus.  —  Electricität.  —  Wärme.  —  Optik.  —  Anfangsgründe  der 
Astronomie  und  Meteorologie.  —  Anm.  Ein  Wechsel  zwischen  solchen 
Lehrpartien  im  ganzen,  von  denen  jede  einem  andern  Jahrescurse  zu- 
gewiesen ist,  kann  um  der  Gleichförmigkeit  des  Unterrichtsplanes  wil- 
len, welche  schon  von  der  Rücksicht  auf  die  Fälle  des  Uebertritts  der 
Schüler  von  einem  Gymnasium  zu  einem  andern  gefordert  wird,  nicht 
gestattet  werden.  Hingegen  wird  es  den  betreffenden  Lehrern  frei  ge- 
stellt, die  Lehrobjecte,  welche  ein  und  derselben  Klasa^  angehören,  in 
eine  solche  Reihenfolge  —  und  einzelne  Bestandtheile  auch  verschiede- 
ner Hauptlehren,  die  nicht  ein  und  derselben  Klasse  angehören,  in  eine 
solche  Verbindung  zu  bringen,  durch  welche  Wiederholungen  vermieden, 
das  wissenschaftliche  erkennen  erleichtert,  die  Rücksicht  auf  die  im 
mathematischen  Unterrichte  befolgte  Anordnung  gewahrt  und  daher  der 
Unterrichtserfolg  am  sichersten  erzielt  wird.  So  wird  z.  B.  angerathen, 
die  Meteorologie  nicht  in  ein  besonderes  Gebiet  zusammenzustellen  and 
pis  selbständige  Wissenschaft  zu  behandeln,  sondern  die  einzelnen  Er- 
scheinungen am  geeigneten  Orte  zu  erklären. 

(Der  rectificierte  Lehrplan  ist  der  Verordnung  in  einer  tabellari- 
schen Beilage  beigegeben.  Wir  geben  denselben  um  des  Raumes  wil- 
len in  anderer  Form:) 

Religion  I— VII  je  2,  VIII  3  St.  —  Latein:  I  8  St.  Formen- 
tehre der  wichtigsten  regeimäszigen  Flexionen,  eingeübt  in  beidersei- 
tigen Uebersetzungen  aus  der  Chrestomathie.  Memorieren,  spater 
liausliches  aufschreiben  von  Uebersetzungen.  II  8  St.  Formenlehre  der 
seltneren  und  unregelmäszigen  Flexionen,  eingeübt  wie  in  I.  Memo- 
rien,  spater  auch  häusliches  praeparieren.  Alle  14  Tage  ein  Pensum. 
m  6  St.  2  Grammatik,  Casuslehre,  4  Corn.  Nep.  Im  1.  Sem.  alle 
Wichen,  im  2.  alle  14  Tage  ein  Pensum.  Praeparation.  IV  6  St.  3 
— 3  8t.> Grammatik  Moduslehrc,  3—4  St.  Caes.  b.  G.    Alle  Wochen  ein 


Beriebte  Aber  galelirte  Anstalten,  Verordnangwi,  ftkliit.  Netisan.  107 

Peni.  V  6  fit.  5  Lir.  Orid.  Metam.  1  gramniatiseh  ftiliatiscbe  Ue- 
bnngen.  Alle  14  Tage  ein  Pens.  VI  6  fit.  5  fial.  Cio.  in  Cat.  I,  Caea. 
b.  €.  Verg.  Ecl.  Georg.  Aen.  1  grammatiscb  atilittifcbe  Uebangen. 
Alle  14  T.  ein  Pens.  YII  5  St.  4  Cic.  oratt.  Verg.  Aen.  1  gramma- 
tiscb stilistische  Uebnn^en.  Alle  14  T.  ein  Pens,  vm  5  fit.  4  Tao. 
Horat.  1  fit.  gramm.  itiiist.  Uebanffen.  Alle  14  Tage  ein  Pena.,  statt 
dessen  zuweilen  ein  lat.  Aufsatz  In  Beeiehnng  auf  die  Lectfire.  ^ 
Griechisch.  III  5  St.  Regelmaszige  Porraenlehre  mit  Ansschlnsz 
der  Verba  in  fii,   Uebersetznngen  ans  dem  Lesebncbe.     Memorieren, 

Sraeparieren ,  im  2.  fiem.  alle  14  T.  ein  Pens.  IV  4  St.  Verba  in  fM, 
as  wichtigste  der  nnregelmaszigen  Flexionen,  Uebersetznngen  a.  d. 
Leseb. ,  alle  14  T.  ein  Pens.  V  ö  St.  Xenoph.,  dann  Hom.  II.,  alle  8 
Tage  1  St.  gramm.  Uebungen,  alle  4  Wocnen  ein  Pens.  VI  5  St.  1 
Sem.  Hom.  IL  2.  Herod.  sonst  wie  in  V.  VIT  4  St.  Demosth.  kleine 
Staatsreden.  Sophokl.  (daneben  nach  Umstanden  auch  Hom.).  Alle 
14  Tage  1  St.  gramm.  Uebnngen,  zuweilen  ein  Pens,  in  Anscblusz  an 
das  gelesene.  ^VIII  5  St.  Plat.  Soph.,  sonst  wie  in  VII.  —  Mutter- 
sprache (beispielsweise  ist  die  deutsche  angenommen).  I  4  St.  1 
Gramm,  zusammengesetzter  Satz,  Formenlehre  des  Verbums^  J  orthogr. 
Uebungen,  1  Aufsätze,  1  lesen,  sprechen,  vortragen.  Im  2.  Sem.  ein 
Aufsatz  jede  Woche  oder  alle  2  W.  als  hausliche  Arbeit.  II  4  St.  1 
Gramm.  Satzverbindungen,  Verkürzungen  usw.,  Formenlehre  des  No- 
men, sonst  wie  in  I.  Wenigstens  alle  §  Wochen  ein  Aufsatz-  als  banal. 
Arbeit.  III  3  St.  2  lesen  und  Vortrag  von  memorierten  Gedichten  und 
prosaischen  Aufsätzen.  1  St.  Aufsätze  (alle  14  T.).  IV  3  St.  wie  III. 
V  2  St.  1  St.  Lecture  und  Erklärung  einer  Auswahl  von  Muster- 
stucken ans  der  neueren  Litteratur,  1  St.  Aufsätze  (alle  14  Tage 
einer).  VI  3  St.  2  Lectfire  und  Erklärung  einer  Auswahl  von  Muster- 
stucken seit  Opitz  mit  gedrängter  Uebersicht  des  litterärhistorischen, 
sonst  wie  V.  VII  3  St:  2  Portsetzung  und  Schlusz  von  VI  (nach  Um- 
ständen Lecture  einer  Auswahl  aus  dem  Mittelhochdeutschen),  sonst 
wie  VI.  VIII  3  8t,  2  Lecture  einer  nach  aesthetiHchen  Gesichtspunk- 
ten geordnete  Mustersammlung  in  Verbindung  mit  analytischer  Aestbe- 
tik.  1  St.  Aufsätze,  alle  14  T.  oder  3  W.  ein  Aufsatz  als  häusl. 
Arbeit.  —  Geschichte  und  Geogr.  I  3  St.  Topische  Geographie 
der  ganzen  Erde,  Hauptpunkte  der  politischen  Geogr.  als  Grundlage 
des  geschichtlichen  Unterrichts.  II  o  St.  Alte  Geschichte  —  476  v. 
Chr.  mit  ^soransgehender  Geographie  jedes  in  der  Gesch.  vorkommen- 
den Landes.  HI  3  St.  1  Sem.  mittlere,  2  neuere  Gesch.  mit  Hervor- 
hebung der  Hauptereignisse  aus  d.  dsterr.  Gesch.  IV.  8  St.  1  Sern. 
Schlusz  der  neueren  Gesch.  zusammenfassende  nud  ergänzende  Wie- 
derholung des  geogr.  Unterrichts.  2  Sem.  Populäre  Vaterlandsknnde 
nach  vorausgescnicll:ter  tabellarischer  Zusammenstellung  der  Hauptmo- 
mente der  österr.  Geschichte.  V  3  St.  alte  Geschichte  bis  zur  Unter- 
jochung Griechenlands  durch  die  Romer.  VI  3  St.  1  Sem.  rora.  Ge- 
«chichte  bis  zur  V51kerwanderung,  2  Sem.  mittlere  Geschichte  beiläu- 
fig bis  Gregor  VIL  VII  3  St.  1  Sem.  mittlere  Geschichte.*  2  Sem. 
neuere  Gesch.  bis  zum  Schlüsse  des  XVII  Jhrh.  —  VIII  3  St.  1  Sem. 
Schlusz  der  neueren  Gesch.  (selbstverständlich  überall  Rücksichtnahme 
auf  Oesterreich).  2  Sem.  Kunde  des  5sterreichischen  Staates,  d.  b. 
genauere  Kenntnis  der  wesentlichsten  erdkundlichen  und  statistischen 
Verhältnisse  dieses  Staats.  —  Mathematik.  I  3  St.  1  Sem.  3  St. 
Rechnen.  Ergänzung  zu  den  4  Species  und  den  Brüchen.  Decimal- 
brncbe.  2  Sem.  2  St.  Anschannngslehre.  Linie,  Winkel,  Parallellinien, 
Construction  von  Dreiecken  und  Parallelprogrammen  und  dadurch  Ver- 
anschau Hebung  ihrer  Eigenschaften.  1  Rechnen.  II  3  St.  1  Sem.  2 
Rechnen,  1  Anschanungslehre ,  2  Sem.  1  Rechnen  2  Anschannngslehre. 


M^  iMatMaikerfelehrleAnsUiUen,  VerordnuBgen,  aUtial.  Notiiei. 


ISofwMtlon,  Regeldetrie,  Maszkande  usw.  Gröszenbestiminang  und  Be- 
Wfdmang  der  drei-  und  mehrseitigen  Figuren,  Verwandlung  und  Thei- 
l«»g  derselben,  Bestimmung  der  Gestalt  der  Dreiecke.  111  8  St.,  Ter- 
tbeilt  wie  in  IL  4  Species  mit  Buchstaben,  Klammern,  potenzieren, 
Qaadrat-  und  Kubikwurzeln,  Permutationen,  Combinationen.  Der  Kreis 
mit  roanigfachen  Constructionen  in  ihm  und  um  ihn,  Inhalt  und  Um- 
fangsberechnnng.  IV  3  St.,  yertheilt  wie  in  II.  Zusammengesetzte 
Verhältnisse  mit  Anwendung.  Gleichungen  'des  1.  Grades  mit  1  unbe- 
kannten. Stereometrische  Anschaunngslehre,  Lage  von  Linien  nnd 
Ebenen  gegen  einander,  körperliche  Winkel,  Hauptarten  der  Korper, 
ihre  Gestalt  und  Groszenbestimmung.  V  4  8t.  2  Algebra.  Zahlen- 
system, Begriff  d.  Addition  usw.* nebst  Ableitung  der  negativen,  irra- 
tionalen, imaginären  Gröszen,  die  .4  Species  in  algebraischen  Aus- 
drücken, Eigenschaft  und  Theilbarkeit  der  Zahlen,  vollständige  Lehre 
der  Brüche.  2  Geometrie,  Longimetrie  und  Planimetrie.  VI  3  St., 
yertheilt   wie   in   II.     Potenz.   Wurzel,  Logarithmen,   Gleichungen  d. 

I.  Grades  mit  1  u.  mehreren  unbekannten,  Reduction  algebraischer 
Ausdrucke.     Trigonometrie,   Stereometrie.     VII  3  St.  vertheilt  wie  in 

II.  Unbestimmte  Gleichungen  des  1.  Grades.  Quadratische  Gleichungen 
mit  I  unbekannten,  Progression,  Combinationslehre  und  binomischer 
Lehrsatz.  Anwendung  der  Algebra  auf  Geometrie,  analytische  Geo- 
metrie in  der  Ebene  nebst  Kegelschnitten.  VIII  1  St.  s.  oben  II  Anm. 
3.—  Philosophische  Propaedeutik  VII  u.  Vill  je  2  St.  —  Na- 
turgeschichte und  Physik.  I  2  St.  Zoologie  1  Sem.  Säugethiere, 
2  Sem.  Krustazeen,  Insecten  usw.  II  2  St.  1  Sem.  Vögel,  Amphibien, 
Fische,  2  Botanik.     III  2  St.  1  S.  Mineralogie.    2  Sera.  Physik.     All- 

femeine  Eigenschaften,  Aggregalzustände ,  Grundstoffe,  Wärmelehre. 
V  3  St.  Gleichgewicht  und  Bewegung,  Akustik,  Optik,  Magnetismus, 
Electricität ,  Hauptpunkte  der  Astronomie  und  physischen  Geogr.  V  2 
St.  1  Sem.  Mineralogie  in  enger  Verbindung  mit  Geognosie.  2  Sem. 
Botanik  in  enger  Verbindung  mit  Palaeontologie  und  geogr.  Verbrei- 
tung der  Pflanzen.  VI  2  St.  Zoologie  in  enger  Verbindung  mit  Pa- 
laeontologie und  geographischer  Verbreitung  der  Thiere,  VII  u.  VIII 
Physik  je  3  St.  s.  oben  V. 

Uebergangsbestimmungen.  I.  Die  voranstehenden  Aende- 
rungen  l— V  treten  ihrem  vollen  Inhalte  nach  in  allen  Klassen  mit  dem 
Schuljahre  1856—57  in  Wirksamkeit.  2.  Im  Schuljahre  1855—56  ha- 
ben diese  Abänderungen  für  die  Klassen  I  — VI,  insoweit  «ie  sich  auf 
diese  beziehen,  ihre  volle  Geltung.  In  der  VII  Kl.  ist  behufs  der  Aas- 
gleichung die  Einrichtung  zu  treffen,  dasz  im  ersten  S.  6  Stunden 
wöchentlich  dem  Griechischen,  im  zweiten  Semester  aber  4  Standen 
dem  Griechischen  und  2  Stunden  der  philosophischen  Propaedeutik  ge- 
widmet werden.  Auch  ist  die  Aenderung  V  in  Betreff  der  Anordnunff 
des  physikalischen  Unterrichts  sogleich  durchzuführen.  In  der  Vlli 
Kl.  ist  die  Gesamtzahl  der  wöchentlichen  Lehrstunden  ebenfalls  an 
^ine  zu  vermehren,  welche  Stunde  zur  Wiederholung  des  Lehrpensams 
in  der  Mathematik  zu  verwenden  ist,  im  übrigen  tritt  in  dieser  Klasse 
keine  Aenderung  der  bisherigen  Vorschriften  ein.  Die  Maturitätsprfi- 
fang  aus  der  philosophischen  Propaedeutik  hat  in  diesem  Schuljahre 
noch  za  unterbleiben.  In  Betreff  der  Naturgeschichte  jedoch  haben 
die  Bestimmungen  III  sogleich  Anwendung  zu  finden. 

Ans  der  Verordnung  vom  16.  Sept.  1855  die  Systemisierang  des 
Lehrer-  und  Gebuhrenstandes  an  Gymnasien  betreffend,  heben  wir  fol- 
gende Bestimmungsn  hervor.  1.  An  jedem  Bklassigen  Gymnasium  be- 
stehen für  die  obligaten  Lehrfächer  I  Director-  und  10  Lehrerstellen, 
an  jedem  4  klass.  1  Directors-  und  4  Lehrerstellen  (die  Religionslehrer 
sind  nicht  einbegriffen).     2.  Der  Director  hat  an  Gymnasien  5 — 8,  an 


Berichte  über  gelehrle  Anstalten,  VerordniiftgeD,  Statist.  Notizen.  109 

Untergymnatien  10 — 14  >  die  Lehrer  der  alten  und  lebenden  Sprachen 
höchstens  17,  die  Lehrer  der  übrigen  Gegenstände  regeünäszig  20  Lehr- 
standen MTOchentlich  zu  geben.  3.  An  Bklassigen  Gymnasien  sind  für 
Mathematik,  Physik  und  Naturgeschichte  zusammen  2  Fachlehrer,  an 
4klassigen  nur  1  nothig.  4.  Alle  unobligaten  Fächer  werden  durch 
Nebenlehrer  ertheilt;  sie  beziehen,  wenn  sie  nicht  allein  auf  die  Ho- 
norare der  Schuler  gewiesen  sind,  eine  Remuneration,  welche  auch  be- 
steht, wenn  ordentliche 'Gymnasiallehrer  ein  solches  Fach  neben  ih- 
rer normalmäszigen  Verwendung  vertreten.  5.  Die  beiden  Gehalt- 
stufen (Gymn.  Ir  Kl.  900  u.  1000  fl.,  2r  Kl.  800  u.  900,  3r  Kl.  700 
u.  800,  am  theresianischen  und  akademischen  Gymnasium  in  Wien  1000 
und  1200  11.)  nebst  den  Decennalznlagen  bleiben  bestehen;  bei  gerader 
Zahl  der  Lehrer  wird  die  gleiche  Zahl,  bei  ungleicher  die  gröszere  Hälfte 
der  Lehrer  der  niederen  Stufe  zugewiesen.  7.  An  vierklassigen  Gymn. 
besteht  blosz  d.  Gehaltsgebuhr  von  700  fl.  nebst  den  Decennalzulaffen 
ftlr  alle  Lehrer.  8.  Sämtliche  Lehrer  sind  in  Titel  und  Rang  gleich 
und  stehen  in  der  9n  Diaetenklasse.  Die  Directoren  beziehen  an  8kl. 
Gymn.  auszer  der  In  Grehaltistufe  nebst  Decennalznlagen  300,  an  4kl. 
200  fl.  Zulage. 

OsTRowoj.  Im  LehrercoUeeium  des  das.  k.  kathol.  Gymnasiums 
(s.  Bd.  LXX  S.  569)  waren  wälirend  des  letzten  Schuljahrs  folgende 
Veränderungen  Tor  sich  gegangen.  Der  Religionslehrer  Probst  Polzin 
schied  am  1.  Jan.  1865  auf  eignes  nachsuchen  aus  dem  Staatsdienst 
und  ward  durch  den  vorherigen  Religionslehrer  an  der  Realschule  zu 
Posen  Gladysz  ersetzt.  Vom  1.  Jan.  an  wurden  4  neue  ordentliche 
Lehrstellen  etatsmäszig  fixiert,  und  dieselben  dem  an  das  Gymnasium 
Tersetzten  Hulfslehrer  C  y  w  i  n  s  k  i ,  sowie  den  interimistischen  Lehrern 
Dr.  Zwolski,  Kotlinski  und  Märten  Terliehen.  Ostern  1855 
ward  der  Hulfslehrer  Frdr.  Märten  als  ordentlicher  Lehrer  an  das 
Gymnasium  zu  Lissa  berufen.  Die  Schulerzahl  betrug  264  [It  27,  II: 
36,  II1-:  25,  IIP:  11,  IV:  39,  IV»»:  17,  V:  48,  V»»:  Jl,  VI«:  35, 
Vl^:  15J.  Abiturienten  im  März  3,  im  Sept.  11.  Den  Schulnachrich- 
ten vorausgeht  die  Abhandlung  des  Oberlehrers  Dr.  Piegsa:  ein  Bei- 
trag zur  Theorie  der  höheren  arithmetischen  Reihen  (18  S.  4). 

Schwerin].  Am  hiesigen  Gymnasium  sind  im  Laufe  dieses  Jahres 
im  Lehrerct)Ilegium  bedeutende  Veränderungen  eingetreten ,  indem  nicht 
nur  drei  vacantgewordene  Stellen  neu  besetzt,  sondern  auch  zu  glei- 
cher Zeit  drei  Lehrerstellen  neu  fundiert  wurden,  um  die  Zahl  der 
Klassen  vermehren  zu  können.  Zu  Anfang  des  Jahres  starb  der  Ober* 
lehrer  Dr.  Hey  er,  die  beiden  Religionslehrer,  Dr.  Hut  her  und  Hoyer 
wurden  ins  Pfarramt  befördert.  Die  sechs  ernannten  neuen  Lehrer 
sind:  Dr.  Ebeling,  bisher  Lehrer  am  Lyceum  zu  Hannover,  Dr. 
Overbach,  bisher  Oberlehrer  am  Gymnasium  zu  Riga,  der  Schui- 
amtscandidat  Dr.  Wigger,  Dr.  Hartwig,  bisher  Lehrer  an  der  Ni- 
colaischule zu  Leipzig,  Dr.  Meyer,  bisher  Lehrer  am  Gymnasium  zu 
Anrieh,  und  der  Candidat  der  Theologie  Dr,  Kollmann.  Das  Leh- 
rercoUegium  besteht  also  jetzt  aus  folgenden  Mitgliedern:  Director  Dr. 
Wex,  Prorector  Reitz,  Oberlehrer  Dr.  Buchner,  Oberlehrer  Dr. 
Dippe,  Oberlehrer  Dr.  Schiller  und  den  oben  genannten  sechs  Leh- 
rern, nebst  dem  Schreiblehrer  Foth  und  Turnlehrer  Lauffer.^ 

Wien].  An  der  das.  Universität  trat  mit  Beginn  des  Studienjah- 
res 1855 — 56  eine  Schule  für  Österreichische  Geschichtsforschung  ins 
Leben ,  deren  Aufgabe  ist  1)  junge  Leute  mit  dem  quellensichern  ,^  hi- 
storischen Stoffe  und  den  zum  Verständnis  desselben  nöthigen  Hiilfs- 
wissenschaften  bekannt  machen,  2)  im  weiteren  Verfolge  besonders 
befähigte  Zöglinge  mit  den  Grundsätzen  und  der  Methode  der  wlsaen- 
schaftlichen  Geschichtsforschung  vertraut  zu  machen  und  selbe  anxn* 


110  Personalnachrichten. 

leiten  diese  Bahn  mit  Sicherheit  and  Erfolg  darch  wissenschaftliehe 
Bearbeitung  des  aas  den  Quellen  geschöpften  Stoffes  zar  Gewinnung 
neuer  Ergebnisse  selbständig  zu  Tcrfolgen;  demnach  Vorbildnng  für 
Anstellungen  in  Archiven,  Bibliotheken,  archaeologischen  Museen  usw., 
aber  auch  für  Professuren  und  den  Beruf  zur  Bearbeitung  dmr  öster- 
reichischen Geschichte.  Die  Leitung  ist  dem  Prof.  Dr.  Albert  Ja- 
ger übertragen  und  für  das  Institut  6  ordentliche  Stipendien  mit  je 
jährl.  400  und  3  anszerordentliche  mit  je  jährlichen  300  fl.  gegründet 
worden.  — 


P  er  sonaln  achrichten. 

Ernannt,  befördert,  versetzt. 

Achtner.  Mich.,  Supplent  zu  Prag,  als  wirkl.  Lehrer  an  d.  kath. 
Gymnasium  zu  Hermannstadt  versetzt  (s.  Meister). 

Alzheimer,  Karl,  Priester,  zum  Studienlehrer  an  der  lat.  Seh.  zu 
Wurzburg  ernannt. 

Anschütz,  Dr.  Aug.,  Privatdoc.  in  Bonn,  zum  ao.  Prof.  in  der  ju- 
ristischen Facultät  daselbst  ernannt. 

Arany,  Job.,  als  Gymnasiallehrer  am  Gymn.  zu  Nagy-Körös  angest. 

Baur,  seitheriger  Verweser,  in  die  neuerrichtete  Stelle  eines  Haupt- 
lehrers an  der  obern  Abtheilung  des  zu  einem  Landesgymnasium 
erhobenen  Lyceums  zu  Tübingen  befördert  mit  Titel  und  Rang 
eines  Prof.  der  7n  Rangstufe. 

Beschmann,  Dr.  Fr.  W.,  Schulamtscand.,  als  ordentl.  Lehrer  an 
den  Mittelklassen  der  Friedrich -Wilhelmsstädtischen  Lehranstalt 
SU  Berlin  angest. 

Casselmann,  Ludw.,  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Cassel,  in  gl.  Ei- 
gensch.  nach  Hanau  versetzt. 

Chevalier,  Ludw.,  Gymnasialsupplent  in  Wien,  zum  wirkl.  Lehrer 
am  Gymn.  zu  Kaschau  ernannt. 

Christ',  Dr.  Wilh.,  geprüfter  Lehramtscand.  aus  dem  Herzogth.  Nas- 
sau, zum  Studienlehrer  in  der  2n  Kl.  am  Maximiliansgymnasium 
zu  München  ernannt. 

Cramer,  Dr.  Frz.  Heinr.,  Schulamtscand.,  als  4r  ordentl.  Lehrer 
am  Gymn.  zu  Emmerich  angestellt. 

Csikac,  Emmerich,)    als  Gymnasiallehrer  am  Gymn.  zu  Nagy-K6- 

De ak,  Joseph,  (   rös  angest. 

Dieckmann,  H.  W.,  cand.  th.,  Collab.  am  Schullehrerseminar,  als 
2r  Collab.  am  Gymn.  zu  Stade  angestellt. 

Dielitz,  Dr.  Eng.,  Schulamtscand.,  als  urd.  Lehrer  an  den  Mittel* 
klassen  der  Friedrich-Wilhelmsstädter  Lehranstalt  in  Berlin  angest. 

Dieterich,  Dr.»  Hülfslehrer  am  Gymn.  zu  Hersfeld,  zum  ord.  Lehrer 
an  dems.  ern. 

pirschedl,  Joh.  Bapt.,  Priester  und  Prof.  am  Lyceum  zu  Passau, 
zum  Regens  im  bischöfl.  Clericalseminar  zu  Regensburg  berufen. 

Dumas,  Dr.  W.  A.,  Schulamtscand.,  als  ord.  Lehrer  in  den  MittelkL 
der  Friedrich- Wilbelmsstädter  Lehranstalt  in  Berlin  angestellt. 

Dvorak,  Wenz.,  Suppl.,  zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Tarnopol 
befördert. 

Dworäk,  Leop.,  Suppl.  zu  Jioin        )   zu  wirkl.  Lehrern  am  Gymn. 

Dworäk,  Jos.,  Suppl.  zu  Leutschau  )   zu  Leutschau  befördert. 


BggtTj  Aiois^  Sappl.  zu  Ofen,  zum  wirkl.  Lehrer  an  Gymn.  za 

Laibach  ern. 
EnJer^  Dr.  K.  Phil.,   Schnlanitscand. ,  als  TumlehMr  «nd  Adjnnct 

an  der  Landesschule  za  Pforta  angest. 
Parinati,   Ciro,  Soppl. ,  zum  wirkl.  Lehrer  an  d.  Gymn.  in  Fiame 

befördert. 
Feldhügel,   Dr.,   Subrector  am  Gymn.  zu  Zeitz,    als  Oberlehrer  an 

das  Paedagogium  des  Klosters  U.  L.  Fr.  in  Magdeburg  versetzt. 
Fcsenraayer,  Joh.,    Stadienlehrer   zu  Amberg,    an   das  Wilhelms- 

gymn.  in  München  versetzt. 
Fleischmann,  Ant.,  Weltpr.,  Suppl.  in  Neuhans,  als  wirkl.  G.-Leh- 

ref  an  das  G.  zu  Pisek  befördert. 
Franta,  Andr.,  Suppl.  am  Gymn.  zu  Neusohl,  zum  wirkl.  Lehrer  an 

ders.  Anstalt  befördert. 
F^riedemann,  Lehrer,  als  Hülfslehrer  am  Paedagog.  des  Klosters  U. 

L.  Fr.  in  Magdeburg  angestellt. 
Frohscham m er,  Dr.  J. ,  ao.  Prof.,   zum  ord.  Prof.  der  Philosophie 

an  der  Univ.  München  befördert. 
Fürstenau,  E'd.,  Gymnasialpraktikant  zu  Rinteln,  zum  Hülfslehrer 

am  Gymn.  zu  IMLarburg  befördert, 
de  la  Garde,  Dr.  Paul,   als  ordentl.  Lehrer  am  Köln.  Realgymna- 
sium in  Berlin  angestellt. 
Glaser,  Dr.  J.  C,  Privatdocent  in  Berlin ,  zum  o.  Prof.  in  der  phi- 

los.  Facultät  der  Univ.  in  Königsberg  ernannt. 
Goluby  Alois,  Gymnasiall.,  als  provlsor.  Direotor  an  das  Gymn.  zu 

Essegg  versetzt. 
Greil,   Franz   Xav.,    Prof.   am  G.    zu  Passau    (Bd.   LXXTI   533), 

zum  Prof.  der  Philologie  und  Geschichte  am  Lyceum  daselbst  be- 
fordert. 
Grosz,  Dr.  F.  G.  K.,  Hülfslehrer  am  Gymn.  zu  Cassel,  zum  ordentl. 

Lehrer  an  ders.  Anstalt  befördert. 
Grün,   Dionys,  Suppl.  in   Wien,   als  wirkl.  Lehrer  an  das  Leut- 

schaner  Gymn.  befördert. 
Grünwald,  Karl,   Gymnasiall.  zu  Eger,  an  das  Laibacher  Gymn. 

versetzt. 
Ha  feie,  Karl,  Gymnasiall.  zu  Troppau,   als  wirkl.  Lehrer  an  d.  G. 

in  Görz  versetzt. 
Hanacik,  Jos.,  Suppl.  zu  Neuhaus,  als  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  zu 

Troppau  angest. 
Hannwacker,  Phil.,  Prof.  am  Gymn.  zu  Kempten,  zum  Rector  das, 

Anstalt  ern. 
Hayduk,  Job.,   Suppl.  zu  Stanlslawow,  zum  wirkl.  Gymn.-Lehrer 

das.  befördert. 
Henkel,  Dr.  Karl   Herrn.,    Schnlamtscand. ,    als    ord.  Lehrer  am 

Gymn.  zu  Salzwedel  angestellt. 
Hesse,  Dr.,   ao.  Prof.  in  Königsberg ,  zum  ord.  Prof.   in  der  philos. 

Facultät  der  Univ.  Halle  ernannt. 
Hofmann,    Georg,  Suppl.  zu  Teschen,  als  wirkl.  Lehrer  am  Lent- 

schauer  Gymn.  angest. 
Hofstetter,  Gotthardt,  Stifscapitular  zu  Kremsmünster,  als  wirkt. 

Gymnasiallehrer  am  dortigen  Gymn.  bestellt. 
HollyPhil.  Jos.,  Stndienlehrer  zu  Würsburg,  zum  Prof.  am  Gymn. 

das.  befördert. 
Hositts,  Dr.,  Hülfslehrer,  zum  ordentl.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Mun- 
ster ernannt. 


112  Personalnaclirichten. 

Jobannidefy  Steph.,  Priester,  als  Religionslehrer  am  Gymn.  xa 
Essegg  angest. 

Kandernal,  Frz.,  Snppl.  am  Gymn.  za  Olmutz,  zum  wirkl.  L.  an 
G.  zu  Leutschau  befördert. 

Kisz,  Ludw.,  am  Gymn.  zu  Nagy-Körös  als  Gymnasiallehrer  angest. 

Kofinek,  Jos.,  Suppl.  in  Neusohl,  zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn. 
das.  befordert. 

Kozenn,  Blas.,  Gymnasiallehrer  zu  Laibach,  als  wirkl.  Lehrer  an 
das  G.  zu  Görz  vers. 

Kriechenbauer,  Ant. ,  Lehrer  in  Verwendung  am  G.  zu  Olmatz, 
zum  wirkl.  G.  Lehrer  zu  Ofen  befördert. 

Krause,  CoIIaborat.  am  Gymn.  zu  Stade,  zum  Conrector  an  den. 
Anstalt  befördert. 

Lang,  Dr.  Ludw.,  Lehramtscand.,  zum  Studieniehrer  am  Gymn.  za 
Amberg  ernannt. 

Laukotsky,  Vincenz,  Gymnasiall.  in  Triest,  zum  Schulrathe  für 
Triest  und  das  Küstenland  ernannt. 

Lechner,  Gust.  Max.,  Lehramtscand.,  zum  Studienlehrer  am  Gymn. 
zu  Erlangen  ern. 

de  LeysLj  Dr.  Jos.,  Gymnasiallehrer  am  Staatslyceum  zu  Padua,  zum 
Prof.  der  Weltgesch.  an  der  Universität  daselbst  ernannt. 

Liszner,  Frz.,  Gymnasiallehrer  zu  Koniggrätz,  zum  wirkl.  Lehrer 
am  Gymn.  zu  Olmütz  ern. 

Lob  er,  Collabor.  zu  Stade,  in  die  5e  Lehrerstelle  am  das.  Gymn.  be- 
fördert. 

Losenczi,  Ladislaus,   als  Gymnasiall.  zu  Nagy-Körös  bestellt. 

Maaszen,  Dr.  Frdr.  Beruh.,  ao.  Prof.  des.  röm.  Rechts  an  der 
Univ.  zu  Pesth,  in  gleicher  Eigenschaft  an  der  Univ.  TnAsbrnck 
versetzt. 

Makar,  Greg.,  Suppl.  zu  Buczacz,  als  wirkl.  Lehrer  am  G.  zo 
Sambor  angest. 

Marini,  Barth.,  Suppl.,  zum  wirkl.  Lehrer  am  G.  zu  Triest  be- 
fördert. 

Matunci,  Mart.,  Gymnasiallehrer  in  Warasdin,  in  gleicher  Eigen- 
schaft nach  Agram  versetzt. 

Meister,  Jacob,  Lehrer  am  kath.  G.  zu  Hermannstadt,  an  d.  akad. 
Gymn.  zu  Wien  versetzt. 

Mentovich,  Frz.,  zum  Gymnasiallehrer  in  Nagy-KÖrös  bestellt. 

Merunowicz,  Clem.,  Nebenl.  am  G.  zu  Tarnopol,  als  wirkl.  Leh- 
rer an  dems.  angest. 

Mi  hie,  Joh.,  Priest.,  als  Religionsl.  am  Gymn.  zu  Fiume  angest. 

Michaljevic,  Joh.,  Priester,  als  Religionsl.  am  Gymn.  zu  Essegg 
angest. 

Moleschott,  Dr.  Jac. ,  gewesener  Prof.  an  der  Univ.  zu  Heidel- 
berg, an  die  Hochschule  zu  Zürich  als  ord.  Prof.  die  Physiologie 
berufen. 

Mommsen,  Dr.  Tycho,  Prof.  an  d.  Realschule  zu  Eisenach,  als 
Lector  und  ao.  Prof.  der  neueren  Sprachen  an  die  Univ.  Mar- 
burg berufen. 

Mahlberg,  Dr.  Jac,  Supplent  am  Lycealgymnasium  zu  Porta  nnovt 
in  Mailand,  zum  wirkl.  Lehrer  ebendas.  befördert. 

Müller,  Dr.,  Adjunct  in  Schulpforta,  zum  Subr.  am  Gymn.  zu  Zeit« 
ernannt. 

Nagy,  Ant.,  Gymnasialsupplent  am  Gymn.  zu  Ofen,  zum  wirkl.  Leh- 
rer an  ders.  Anstalt  befördert. 


PersomlDachrieiileii.     •  U^ 

Navriiily  Joseph,  LekramUcand. ,   als  Lehrer  am  Gymn,  zu  8aiz- 

barg  angest. 
Pas 80 w,  Dt.  Arn.,   Schnlanntscand. ,   zam  Adjimctiis  in  Schulpforta 
ernannt. 

Paaschitz,  Phil.,  Gymnasiallehrer  zu  Kger,  an  das  Gymn.  zn  Gori 
versetzt. 

Peters,  Dr.  Karl,  Privatdocent  in  Wien,  znm  ord.  Prof.  der  Mine- 
ralogie an  der  Pesther  Universität  ern. 
Pi^tkowski,    Joh.,   provisor.  Director   des  Gymn.  zu  Stanislanow, 

zum  wirk!.  Director  ders.  Anstalt  befördert. 
Pianer,  Dr.,  Adjanct  am  Joachimsthaler  Gymn.  in  Berlin,  zum  Oberl. 
an  ders.  Anstalt  befordert. 

Proller,  Dr.  Alw.  Fr.  Th.,    wissensch.   Hulfslehrer  am  Gymn.  zu 
Wesel,  zum  ord.  Lehrer  an  ders.  Anstalt  befordert. 

Raabe,  Gymnasiallehrer  in  Cotiitz,    an  das  Gymn.  in  Culm  versetzt. 

Rabe,  IViih.,   Schulamtscand.,   als   ord.  Lehrer   am  Gymn.  in  Salz- 
wedel angestellt. 

Rhode,  Alb.,  Schulamtscand.,   zum   Conr.  am  Gfymn.  zu  Branden- 
burg ern. 

Roudolf,  Wilh.,  Schulamtscand.,  als  4r  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu 
Neusz  angestellt. 

Sand,  Otto,  Studienl.  u.  Snbr.  an  der  isolierten  lat.  Schule  lu  Kirch- 
heimbolanden,  an  die  lat.  Schule  am  Gymn.  zu  Speier  versetzt. 

Scheele,  Prof.  Dr.  Aug.  Frdr.,   Prorector  am  Gymn.  zu  Stargard, 
zum  Rector  des  Domgymn.  in  Merseburg  ern. 

Schellbach,.  Lehrer  Rob.  Herrn.,  zum  ord.  Lehrer  an  den  Mittel- 
klaasen  der  Friedrichs- Wilhelmsstädter  Lehranstalt  in  Berlin  ernannt. 

Schenk,  Joh.,   Gymnasialsupplent  zu  Brunn,   als  wirk!.  Lehrer  am 
G.  zu  Olrontz  angestellt. 

Schier,   Frz.,  provisor.  Director  des  Gymn.  zu  Jicin,  zum  wlrkl. 
Director  ders.  Anst.  befördert. 

Schild  gen,  provisor.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Munster,  zum  ord.  Leh- 
rer an  ders.  Anst.  befördert. 

Schmidt,  Jos.,  Lehramtscand.,  zum  Prof.  der  Mathematik  in  Kemp- 
ten ernannt. 

Schmidt,  Dr.   Joh.   Ant.,   Privatdoc.   in  der   phiios.  FacnltSt  der 
Universität  Heidelberg,  zum  ao.  Prof.  ernannt. 

Schmidt,   Gyronasiall.   in  Paderborn,  zum  Dir.  des  kath.  Gymn.  zn 
Osnabrück  ern. 

Schmidt,   Dr.   Ambro  f.,   Gymnasialsupplent  zu  Wien,  zum  wirkt. 
Lehrer  am  Gymn.  zu  Kaschan  befördert. 

Schmidt,  Karl,    Gymnasiallehrer  in  Görz,  zum  wirkl.  Lehrer  am 
kath.  Gymn.  zu  Preszburg  befördert. 

Schön,  Jos.,   Lehrer,   vorher  am  Gymn.  zu  Olmütc  in  Verwendung, 
zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Kaschan  ernannt. 

Schreyer,  Heinr.,  Gymnasiallehrer  zn  Iglau,  als  wirkl.  I^hrer  am 
Gymn.  zu  Olmutz  angest. 

Schwab,  Dr.  Ed.,  ord.  Prof.  des  röm.  und  Kirchenrechts  in  Olmutz, 
in  gleicher  Eigenschaft  an  die  Pesther  Universität  versetzt. 

Slamnig,  Lndw.,  Priester,  als  Reiigionslehrer  am  Gymn.  in  Fiume 
angestellt. 

Spangenbergy  Fr.  Gymnasialpraktikant« zu  Hanau,  zum  Hfilfsliefarer 
am  Gymn.  zu  Cassel  ernannt. 

Spann,  Joh.  Bapt.,  Snbrector  an  der  isolierten  lat.  Schule  zo  Pir- 
roasem,  zum  Studienl.  am  Gymn.  zu  Bamberg  ernannt. 

/V.  Jahrb,  f.  FMK.  ».  Paed,  Bd.  LXXIV.  Bft,  3.  ^ 


114  Persoiialnaclirichteo. 

Stade,  VV.  A.  H. ,  Schulamtscand.,  zum  ord.  l^ehrer  am  Gymn.  cn 
Salzwedel  ernannt. 

Stulc,  Wenzel,  Religionslehrer  am  Aitstädter  Gymn.  zu  Prag,  sum 
wirkl.  Gymnasiallehrer  an  ders.  An^ttalt  befordert. 

Thomczek,  Isidor,  intertmist.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Tnmeszno, 
zum  ordentl.  Lehrer  befördert. 

Tieft r  unk,  Karl,  Snppl.  zu  Leitmeritz,  zum  wirkt.  Lehrer  das.  be- 
fördert. 

Timmermann,  provisor.  Lehrer  am  Gymn.  Carolinum  zu  Osna- 
brück, zum  wirkl.  Lehrer  beförd. 

Tuschar,  Dr.  Georg,  Gymnasiallehrer  zu  Preszburg,  als  wirkl. 
Lehrer  an  das  Gymn.  in  Agram  versetzt. 

Tyn,  Eman  ,  Gymnasial!,  fn  Kaschau,  als  wirkl.  Lehrer  an  das 
Gymn.  zu  Olmiitz  befördert. 

Urban,  Bman. ,  Gymnasiallehrer  in  Karschau,  als  wirkl.  Lehrer  an 
das.  Gymn.  zu  Ofen  bef. 

Vanicek,  Alois,  Gymnasiallehrer  in  Kaschau,  als  wirkl.  Lehrer  an 
das  Gymn.  zu  Olmütz  versetzt. 

Vi  er  heilig,  Mich.,  Rect.  u.  Prof.  in  Straubing,  als  Prof.  der  Ma- 
thematik nach  Wurzburg  versetzt. 

Vukasovic,  Natalis,  Gymnasiall.  zu  Vinkovce,  als  Lehrer  an  da« 
Gymnasium  zu  ESssegg  ernannt. 

Wallner,  Jos.,  Studienlehrer  am  Wilhelmsgymn.  zu  München,  luw 
Gymnasialprofessor  in  Landshut  ernannt. 

Watterioh,  Dr.  ph.  Joh.  Matthi.,  zu  Bonn,  zum  ao.  Prof.  der  Ge- 
schichte in  der  philos.  Pacultät  des  Lyceum  Hosianum  in  Brauns- 
berg ern. 

Wcichselmannn,  Ad.,  Gymnasiallehrer  zu  Eger,  als  wirkl.  Lehrer 
an  das  Laibacher  Gymn.  versetzt. 

Weisz,  Joh.,  als  Gymnasiallehrer  zu  Nagy-Koros  bestellt. 

Zentaxso,  Ernst,  Priester,  als  Religionslehrer  am  Gymn.  m  MiU 
trrbnrff  (Pisino)  bestellt. 

S^iotonarKl,  Dr.  Josaphat  von,  ordentl.  Prof.  des  römischen  Reclits 
an  di«r  Univ.  In  huisbrurk,  fn  gleicher  Eigenschaft  an  die  Uni- 
vomiiäi  In  Vn^  vor^Hat. 

K h I  rn Im R o n |i  u u g o n  u n <1  P r a od  i c i  o  r  u n g e n: 

♦•»•♦    ^  itk  ««I  «hofttr.  <t«ttf.,  Kroihorr  von,  pcnsion.  \ 

\pM*IUili»it«umlf*h(ii4rrrnlJir.  «um  wirkl.  Mitgl.       Jder  kais.  Akad. 
V**'..!*'V''   '**""  *"  yfU^w.  anm  rorrrspondie- (der   Wi»sensch. 

M»««  Ui.   Dl     \«j^.   (Ml    Hi^ul^riing^rath  u.  Prof.   in  I  wählt. 

n»*tMtt  »um  IChiiknmltHM«i«U  / 

M»^M.i     D«    Kmll,  In  llum.  «nm  r«ri^j»prtndont«^n  der  k.  Socieüt  der 

^1  U«#n«vUttM»»n  In  Mtilllnu^n  |||i^. 
M»nmml#».    \%Ws\    nm   ({>mn.    «n  J>l(i»inruH «   «»rhielt   den  Titel  Pro- 

'*"'"«u"l.\    'VT  J'"^'.":''    &•   ««  "«'•«Whcr«,  tum  aamärticea 


Personaloaehrichten.  .    115 

Fichte,  Dr.  Em.  Hern.y  Prof.  in  Tabingen,  iQm%.  i,  k  v  ..  At 
auswärtigen  Mitgliede  für  die  P^^nosopL-philo-iJ;  ^^*3^*JA.f^^ 
logische  Klasse  f  aemie  derjv  issen- 

F  ick  er,  Jul.,  Prof.  in  Innsbruck  zum  Coire8pon-(*^'"-..7^  München 
denten  für  die  histor.  Ki.  )  gewählt. 

Gottlieb,  Prof.  J.,  in  Gratz,  zain  corresp.  Mitgl.  der  natnrwis- 
sensch.-mathem.  Klasse  der  k.  Akademie  in  Wien  erwählt. 

Hart  mann,  Dr.  J.  Fr.  W.,  Oberlehrer  am  Gymn.  z.  graaen  Kloster 
in  Berlin,  als  Professor  praediciert. 

Hausmann,  Prof.  Joh.,  in  Gottingen,  zum  correspond.  Mitgl.  d. 
natnrw.-mathem.  Klasse  der  k.  Akademie  in  Wien  erwählt. 

Herberger,  Theodor,  Archivar  d.  Stadt  Augsburg,  zum 

Corresp.  für  die  histor.  Kl.  \ .     .      , 

Kittel,  Dr.  Martin,  Lycealprofessor  und  Rector  der/.'.  V  ^»yer. 
Gewerbschnle  in  Aschaflfenburg,  zum  Corresp.  für  d-l^*  • '"'iJf"  "^ 
mathemathisch-physikal.  Kl.  (^'    '"    ^2""- 

dcKoningh,  Prof.  zu  Lüttich,  zum  auswärt.  Mitglieder "®" ß®'^*^" 
für  die  mathematisch-physikalische  Kl.  / 

Leydolt,  Prof.  Frz.,  in  Wien,  zum  wirkl.  Mitgl.  der  k.  Akademie 
der  Wissensch.  in  Wien  erwählt. 

Meisner,  C.  F.  Unlversitätsprof.  in  Basel  zum  answ.vd.  k.  bayer. 
Mitgl.  für  d.  mathem.-physikal.  KI.  f  Akademie  der 

Michelsen,  Dr.,  Prof.  u.  Geh.  Justizrath  In  Jena,  zumjW.  in  Muii- 
Corresp.  für  die  histor.  Kl.  ^chen gewählt. 

Pahl,  Rector  des  Lyceums  zu  Tübingen,  bei  der  Erhebung  der  An- 
stalt zu  einem  Landesgymnasium,  zum  Titel  und  Rang  eines  Gym- 
nasialrectors  befördert. 

Schäffer,  Heinr.,  Prof.  an  der  Univ.  Gieszen ,  zum  Correspond. 
für  die  histor.  Kl.  der  bayer.  Akademie  der  W.  in  München  ge- 
wählt. 

Schafarik,  Paul  Jos.,  Bibliothekar  in  Prag  zum  Corresp.  für  die 
histor.  philolog.  Kl.   d.  k.  Societät  der  W.  in  Gottingen  gewählt. 

Schomann,  Dr.  G.  F.,  Prof.  n.  Geh.  R.  R.  in  Greifs-^ 

wald  zum  ausw.  Mitg.  der  philosoph.-philoloff.  KI. 
Schwerd,  F.  M.,  Prof.  in  Speier,   als  ausw.  Mitglied    d.    k.    bayer. 

für  d.  mathem.-physikal.  Kl.  !  Akad.   d,   W. 

Smyth,  Piazzi,  Prof.  in  Edinbnrg,  als  Correspondent^in     München 

für  dieselbe  Kl.  |  gewählt. 

Spring,  Dr.  Ant.,  Prof.  an  d.  Universität  Lüttich,  alsl 

ausw.  Mitgl.  f.  dieselbe  Kl.  j 

V.  Struve,  Dir.  der  Hanptsternwarte  zu  Pultawa,  zum  Ehrenmitgl. 
der  k.  Akademie  d.  Wissensch.  zu  Wien  erw. 

Tafel,  Dr.  G.  L.  Fr.,  Prof.  in  Ulm,  als  ausw.  Mitgl.  der  histor. 
Kl.  von  der  k*.  bayer.  Akademie  der  W.  in  München  gewählt. 

Wackernagel,  Dr.  Wilh.,  Prof.  in  Basel,  zum  Corresp.  für  d.  hi- 
stor.-philolog.  Kl.  d    k.  Societät  d.  W.  in  Gottingen  gewählt. 

Wattenbach,  Archivar  Wilh.,  in  Breslau  zum  corresp.  Mitgl.  der 
histor.-philos.  Kl.  d.  k.  Akademie  in  Wien  erwählt. 

Wildermnth,  Oberlehrer  am  Lyceam  zu  Tubingen  (s.  Pahl)  mit 
dem  Titel  und  Rang  eines  Prof.  der  7n  Rangstufe  praediciert. 

Wolf,  Ferdinand,  iu  Wien,  zum  auswärt.  Mitgl.  für  die  philos.- 
phllolog.  Kl.  d.  k.  bayer.  Akad.  d.  W.  in  München  gew. 


II  (I  Persoiialnachriclilen. 

7,ens^9  Kasp.)  Prof.  in  Bamberg,  zum  Corresp.  für  d.  hUtor.  philo- 
log.  Kl.  oer  k.  8ocietät  der  W.  in  Gottingen  gewählt. 

Pensioniert: 

Xttenft berger,   Frz   Xay. ,  Prof.   der  Mathematik   am  Gymn.  zu 

Wurzbiirg. 
Worli tscheck,   Prof.    am  Gymn.  za  Landshot  in  Niederbayern,  in 

zeitl.  Ruhestand  Tersetzt. 

Verstorben: 

Am  4.  Ort.  1855  zu  Rom  Dr.  Pietro  Matranga,  Scriptor  für 
(iriech.  Sprache  an  der  Tatican.  Biblioth.,  Herausgeber  der  Ana- 
creontea  (1850). 

Am  Jti.  Oct.  zu  Moskau  Timoth.  Granowski,  Prof.  an  der  Uniy., 
einer  der  groszten  Gelehrten  Ruszlands. 

Am  21.  Oct.  zu  Klausenburg  Sam.  Phil.  Deäky,  corresp.  MitgL  der 
Ungar.  Akademie,  Uebersetzer  des  Anacharsis. 

Am  4.  Nov.  zu  Moskau  Sim.  Raitsch,  Dichter  u.  Uebersetzer  meh- 
rerer klassischer  lateinischer  u.  Italien.  Werke. 

Am  8.  Nov.  zu  Wien  Georg  v.  Gaal,  geb.  zu  Preszburg  am  21.  Apr. 
1783,  als  Dichter  u.  durch  zahlreiche  Schriften  philologischen  und 
stilistischen  Inhalts  bekannt. 

Am  11.  Nov.  in  Warschau  d.  Prof.  am  das.  Gymn.  Dr.  E.  Gtth. 
Sam.  Kleinpaul. 

Am  17.  Nov.  zu  Wien  der  suppl.  Gymnasiallehrer  Jsidor  Piako  im 
28n  Lebensjahre. 

Am  19.  Nov.  in  Pesth,  der  gefeierte  ungar.  Dichter  Michael  Voros- 
,     marty,  geb.  am  1  Dec.  1800. 

An  dems.  zu  Preszburg  Joh.  von  Blaskowits,  als  Paedagog  und 
»Schulmann  geachtet. 

Am  2H.  Nov.  zu  Altenburg  der  Geh.  Conicffitor.  R.,  Landkirchen-  nnd 
Schuliiispector  Dr.  Grosze  im  78n  Lebennj. 

Am  2().  Nov.  zu  Constantinopel  der  poln.  Dichter  nnd  Gelehrte  Adam 
Mickiewicz,  geb.  1798. 

Am  28.  Nov.  Dr.  Ferd.  Brandis,  Lehrer  am  Christianeum  in  Alton«. 

Am  30.  Nov.  in  Kotschenbroda  bei  Dresden  der  emer.  Consistorial-y 
Kirchen-  und  Schnlrath  Dr.  Christ.  Abr.  Wahl,  bekannt  durch 
seine  Clavis  des  N.  T.,  im  83n  Lebensjahre. 

Am  5.  Debr.  in  Halle  <\fr  Prof.  d.  Philolog.  u.  Eloquenz  Dr.  Morfx 
Hermann  Meier,  geb.   zu  Glogau  in  Schlesien  1796. 

An  diesen  letzten  Verlust  der  Alterthumswissenschaft  reiht  sich  die 
tiefbelrGbende  Kunde  vom  Tode  des  Hofr.  Prof.  Dr.  K.  Fried r. 
Hermann  und  des  Prof.  Dr.  Fr.  W.  Schneiden  in  in  GSttin- 
(ren.  Der  erste  starb  am  31.  Decbr.  1855  im  52n  Lebensjahre,  der 
|pt7tere  (geb.  zu  Helmstadt  am  6.  Jnn.  1810)  am  10.  Jan.  lSö6b 
Wir  hoffen  über  diese  beiden  Zierden  der  Wissenschaft  und  der 
Göttinger  Universität  v^nrdige  Nekrologe  bringen  zu  können. 


Zweite  Abtheilung 

heraisgegebeii  tob  Ridolph  Dielsch. 


(1). 

Studien  zum  Gymnasialwesen  mit  besonderer  Berücksich- 
tigung der  sächsischen  Gelehrtenschulen. 

(Schlusz  von  Heft  I  u.  II.) 
III. 

Diese  Jahrbücher  bringen  Bd.  LXX  Heft  4 — 5  einen  aasführli- 
chen  Bericht  über  die  Verhandlangen  der  14n  Philologen  Versammlung 
zu  Altenburg  (25 — 28.  Sept.  1854),  in  welchem  für  den  Schulmann 
besonders  die  Verbandlungen  der  paedagog.  Section  von  hohem  In- 
teresse sind.  Fragen  von  gröszter  Wiclitigkeit  sind  daselbst  ange- 
regt und  zum  Theile  schon  besprochen  worden ,  über  welche  es  dem 
Schulmanno  nicht  blosz  zusteht,  sondern  sogar  zukommt,  sich  eine 
bestimmte,  wenn  auch  weiterer  Entwicklung  fähige  Ueberzengnng  zn 
bilden. 

Der  bekannte  Heransgeber  der  berl.  Zeitschrift  für  das  Gymna- 
sialwesen, Prof.  D.  Mützell,  hatte  beim  Beginne  der  Sitzungen  eine 
Reihe  von  Thesen  aufgestellt,  welche  das  gesamte  Gymnasialwesen 
betreffen.  Indessen  hat  gerade  der  Umfang  ihres  Inhaltes  veranlaszt, 
die  Besprechung  zu  versctiieben.  Vielleicht  ist  es  nicht  ungeeignet, 
auf  diese  Sätze  näher  einzugehen  nnd  ihren  Inhalt  zu  betrachten. 

Die  Thesen  gehen  von  dem  Grundgedanken  ans,  dasz  unsere 
Gymnasien  mit  Unterrichtsgegenständen  überladen  seien,  dasz  daraus 
eine  Ueberbürdung  der  Schüler  und  eine  Ermattung  der  eigentlichen 
Triebkraft  hervorgehe.  Schwerlich  möchte  zu  leugnen  sein,  dasz  man 
auf  den  ersten  Anblick  der  Stoffmasse,  welche  den  Inhalt  des  Gym- 
nasialcursus  bildet,  wol  erschrecken  kann.  Je  weniger  man  auf  diesen 
ersten  Eindruck  eine  sorgfältige  Prüfung  folgen  läszt,  desto  leichter 
ist  man  mit  der  Forderung  bei  der  HaOid,  es  müsse  manches  aus  dem 
Unterrichtspiano  herausgeworfen  werden.  Indes  schon  wenn  man 
sich  an  den  klagenden  mit  der  Bitte  wendet,  den  einzelnen  Punkt  an- 
zugeben ,  wo  gemindert  werden  soll ,  wird  man  selten  eine  bestimmte 

X  Jahrb.  f.PhtLu,  Paed,  Bd,  LXXIV.  Hß.  3.  9 


118  Stadien  zum  Gymnasialwesen. 

Antwort  erhalten.  Allerdings  fühlt  auch  der  mit  den  Schalverhalt- 
nissen vor  trautere,  dasz  die  Lage  der  Dinge  keine  günstige  ist,  dasz 
die  Forderungen  gestiegen,  die  Leistungen  dagegen  wenigstens  nach 
6iner  Seite  zurückgeblieben  sind,  dasz  nemlich  insbesondere  die 
Selbstthatigkeit,  der  Bildungslrieb  bedeutend  weniger  hervortritt, 
(vgl.  u.  a.  Wunder ,  Progr.  d.  Laudessch.  Grimma  1850.  S.  III)  dasz 
man  allerdings  auch  über  Ueberbürdung  der  Schüler  zu  klagen  hat. 
Aber  das  wie  der  Abhülfe  zu  finden,  ist  nicht  leicht,  da  ein  guter 
Theil  des  Uebels  nicht  in  den  Schulinstitntionen ,  sondern  auszerhalb 
derselben,  in  mangelhafter  häuslicher  Zucht,  in  der  Anticipierangs- 
sucht  unserer  Zeit  liegt,  die  keinem  Lebensalter  das  ihm  gebührende 
lassen,  sondern  alles  verfrühen  will. 

Unter  allen  Umstünden  ists  also  mit  solchen  Thesen  nicht  ge- 
than,  und  wenn  sie  auch  viel  wahres  enthalten,  und  man  in  ihrem 
Sinne  decretieren  wollte.  Mehr  noch  kommt  auf  die  unmittelbare 
schulmännische  Praxis,  alles  fast  aber  darauf  an,  dasz  man  nicht  bloss 
der  Schule  selbst,  sondern  überhaupt  dem  Leben  von  allen  Seiten  so 
Hülfe  kommt,  wodurch  die  Schule  nothwendig  mit  gewinnen  moas. 
Die  allgemeinen  Feinde  der  Zeit,  der  religiöse  Indifferentismaa  ond 
der  Lebensmaterialismus,  sind  auch  die  Feinde  der  Schule,  weit  mehr 
als  die  einzelnen  Stundenpläne  und  die  falsche  Stolflichkeit  des  Un- 
terrichts. Indessen  kann  man  auch  nicht  so  weit  gehen ,  der  Schale 
die  Mühe  ersparen  zu  wollen  zu  untersuchen ,  ob  sie  nicht  hie  and  da 
an  Mängeln  leidet,  denen  sie  selbst  abhelfen  kann.  In  diesem  Sinne 
wollen  wir  die  Thesen  in  ihrer  Aufeinanderfolge  betrachten. 

I.  ^Philosophie,  deutsche  Lltteraturgeschichte,  Naturgeschichte, 
Naturlehre  sind  beizabehalten,  aber  in  Ansehung  des  Lehrstoffes  za 
beschränken.' 

Hier  liesze  sich  wol  zunächst  bezweifeln ,  ob  der  Unterricht  iji 
der  sogenannten  philosophischen  Propaedeutik  in  Prima  be- 
sonderen Nutzen  bringt.  Liegt  diesem  Unterrichte  wol  der  Gedanke 
zu  Grunde,  dasz  man  dem  abgehenden  Schüler,  der  nun  erst  an  eis 
wissenschaftliches  System  herantritt,  eine  erste  Anleitung  daza  mit- 
geben will,  so  ist  das  ein  ansprechender  Gedanke.  Doch  wird  anch 
nicht  abzureden  sein,  dasz  die  Einführung  in  die  Philosophie  weit 
mehr  Sache  der  Universität  ist,  dasz  es  ferner  den  meisten  Primanern 
noch  an  der  rechten  Verständnisfähigkeit  fehlt,  und  dasz  ^ine  w5- 
chentliche  Unterrichtsstnnde  nicht  ausreicht,  um  den  Sinn  fflr  Abs- 
traction  hinreichend  zu  wecken  und  zu  beleben.  Daza  kommt  die 
Schwierigkeit  des  Materials,  denn  die  eigentliche  Logik  ist  ein  Wis- 
sensgebiet, das  noch  auf  der  Universität  nicht  wenig  Noth  mtcbl. 
Die  Geschichte  der  griechischen  Philosophie  aber  schlieszt  sich  wol 
besser  in  einer  kurzen  Uebersicht  an  die  Leetüre  des  Plato  in  Primt 
an,  der  ja  wol  in  keinem  Gymnasialcnrsus  ganz  übergangen  wird.  An 
der  Stelle  der  hie  und  da  benutzten  Psychologie  aber  möchten  wir 
der  von  Palmer  (II,  179)  empfohlenen  Anthropologie  das  Wort  reden 
und  geradezu  der  Ansicht  sein,  die  für  die  philosophische  Propaedeo- 


Studien  zom  GymMsialwefen.  119 

lik  ansgeselzte  Unterrichtsslonde  dem  Religionsanterriehle  in  Prima, 
wie  Palmer  ihn  (178)  angibt,  znzniegen.  Wir  würden  also  in  diesem 
Stücke  noch  Aber  den  Vf.  der  Thesen  hinansgehen  und  die  philoso- 
phische Propaedentik  aufgeben,  wobei  wir  noch  hinsnaetsen,  dasz  der 
Gewinn,  den  der  Religionsunterricht  in  den  obersten  Klassen  hieraus 
ziehen  könnte,  sich  noch  vermehren  würde,  wenn  nirgends  dieser 
Unterricht  in  Prima  und  Secunda  combiniert  wfire. 

Die  deutsche  Litteraturgeschichte  ist  gewis  nicht  auf- 
zugeben, sondern  vielmehr  recht  sorgfältig  zu  pflegen:  diese  Sorgfalt 
besteht  aber  in  der  weisen  Beschränkung.  Denn  in  diesem  Gebiete, 
wie  überhaupt  beim  Unterrichte  im  Deutschen,  wird  meist  durch  das 
zuvielwollen  gefehlt.  Es  werden  dabei  oft  an  den  Schüler  in  bester 
Absicht  Ansprüche  gemacht ,  die  er  durchaus  nicht  befriedigen  kann : 
man  läszt  zu  früh  prodncieren,  so  nachdrücklich  auch  Ph.  Wacker- 
nagel, R.  V.  Raumer,  Palmer  (II  189)  sich  dagegen  erklären,  man 
kennt  keine  passende  Auswahl  von  zu  lesenden  und  lernenden  Ge- 
dichten, so  dasz  gelegentlich  einmal  die  Glocke  von  Schiller  oder 
der  Spaziergang  nach  Tertia  gerätb,  oder  auch,  wie  das  in  einem 
sächsischen  Programme  zu  lesen  war,  Schillers  Nakbeth  mit  Tertia- 
nern gelesen  wird;  dann  laszt  man  auch  viel  zu  früh  die  eigentlichen 
Redefibungen  beginnen,  während  recht  gut  noch  in  Secunda  schwerere 
Gedichte  auswendig  gelernt  werden  könnten.  Was  aber  die  Littera- 
turgeschichte insbesondere  betrifft,  so  ist  auf  diese  zwar  vorzuberei- 
ten, sie  selbsf  aber  und  zwar  mit  ausführlicher  Betrachtung  der  beiden 
ciassischen  Perioden  sowol  wie  mit  Ausschlusz  der  nachclassisohen 
Zeit  von  der  Romantik  an,  wol  nur  in  Prima  vorzutragen. 

Wenn  ferner  Nützeil  den  Unterricht  in  Naturgeschichte  und 
Naturlehre  beschranken  will,  so  ist  nicht  recht  abzusehen,  wie 
das  geschehen  soll.  Denn  ist  es  nicht  als  ein  groszer  Fortschritt  zu 
betrachten ,  dasz  die  Gymnasien  diesen  Unterrichtsgegenstand  in  die 
Obern  Klassen  aufgenommen  haben?  An  der  Zahl  der  Unterrichts- 
stunden ist  aber  wol  ebenso  wenig  etwas  zu  kürzen.  Also  liesze  sich 
höchstens  sagen,  man  möge  dem  naturwissenschaftlichen  Unterricht 
keinen  zu  wissenschaftlichen  Charakter  geben,  der  näher  betrachtet 
doch  nur  ein  dilettantischer  ist.  Das  aber  heiszt  nichts  anderes  ver- 
langen, als  was  von  vornherein  von  dem  Lehrer  der  Naturwissenschaft 
gefordert  wurde. 

'   II.  ^Hebraeisch  und  Französisch  können  facnltativ  sein.' 

Dem  ersten  Theile  der  Thesis  kann  man  beitreten,  und  es  ist 
wol  auch  an  den  meisten  Gymnasien  dieser  Unterricht  nur  facnltativ. 
Um  so  weniger  stimmen  wir  in  Bezug  auf  die  französische  Sprache 
bei.  Dasz  das  dassische  Unterricbtsgebiel  beeinträchtigt  werde,  iat 
wol  nicht  zuzugeben;  am  wenigsten  können  wir  es  thnn,  da  wir  einen 
exclusiven  Classicismus  nicht  zurückrufen  wollen.  Daa  Französische 
ist  aber  —  es  kommt  dabei  nicht  darauf  an ,  ob  zn  unserem  Vortbeite 
oder  Nachtheile  —  so  vielfach  in  unsere  Sprache  und  unser  Leben 
gedrungen,  daaz  es  eine  Bildnngsanstall  ntchl  entbehrea  kann.   Vor 

9'^ 


120  Stadien  zum  Gymnasialwesen. 

UebergrilTen  scliOlzt  die  Stellung,  welche  die  alten  Sprachen  einneh- 
men. Aber  eins:  da  die  Gymnasien  das  Französische  als  formales 
Bildungsmittel  entbehren  können,  sollte  man  mehr  Fleiss  auf  das  lesen 
und  das  sprechen ,  als  auf  das  schreiben  verwenden.  Der  Versach 
diesen  Unterrichtsgegenstand  zu  einem  facultativen  zn  machen  wQrde 
einerseits  unberechtigt,  anderseits  vergeblich  sein,  denn  es  würdea 
doch  alle  Schüler  französisch  lernen  wollen.  Im  Gegentheile  gehen 
wir  auch  hier  einen  Schritt  über  den  Vf.  hinaus,  diesmal  in  anderer 
liichtung,  indem  wir  die  Einführung  des  englischen  Unterrichts  als 
festen  Lehrgegenstandes  befürworten  möchten.  Nicht  nur  die  Ver- 
wandtschaft der  deutschen  und  englischen  Sprache,  sondern  auch  der 
Reichthum  der  Litterntur  spricht  dafür.  Auf  den  Einwand,  dasz  [eine 
Ueberladung  eintrete,  antworten  wir  später;  dasz  es  im  Lehrplane 
bestehen  kann,  haben  viele  Gymnasien  bewiesen. 

III.  ^Mathematik  und  Geschichte  dürfen  hinsichtlich  des  Lehr-r 
Stoffes  beschränkt  werden.' 

Dem  ersten  Theile  dieses  Satzes  gegenüber  befindet  man  sich  in 
einer  eigenthümlichen  Lage,  weil  derselbe  aus  verschiedenen  Motiven 
hervorgegangen  sein  kann.    Man  könnte  eine  Aeuszerung  der  schon 
erwähnten  Richtung  darin  finden,  welche  den  Humanismus  purificie- 
ren  will.    Das  Gymnasium  soll  nach  dieser  Ansicht  wieder  eine  rein 
classische  Schule  werden  und  die  übrigen  Unterrichtsgebiete  anf  das 
knappeste  Masz  zurückführen.    Man  hält  also  die  neuere  Gestalt  des 
Humanismus,  indem  derselbe  die  Realien  aus  ihrer  Vernachlässigung 
herauszog,  für  nichts  als  eine  abgedrungene  Concession.    Da  sich  nun 
das  reale  Material  eigene  Anstalten  geschaffen  hat,  glaubt  man  das 
Gymnasium  jener  Verpflichtung  ledig.    Dieser  Anschauung  können  wir 
auf  keine  Weise  beitreten ;  sie  scheint  dem  Wesen  der  gymnasialen 
Aufgabe  und  dem  Gange  der  historischen  Entwicklung  zu  widerspre- 
chen.   Das  Wesen  des  humanistischen  Idealismus  verlangt  reale  Ob- 
jecto, und  die  historische  Entwicklung  zeigt  etwa,  wie  die  Vernach- 
lässigung derselben  den  Realismus  in  die  Schulfrage  hinein  brachte. 
Das  müssen  doch  die  Humanisten  aus  der  Geschichte  der  Schalen  ge- 
lernt haben ,  dasz  ihre  Einseitigkeit  im  vorigen  und  in  diesem  Jahr- 
hundert die  Gegenbewegung  wesentlich  unterstützte.     Nur  der  Mis- 
muth  über  die  hie  und  da  sich  gegen  sie  richtende,  zum  Theile  sieh 
schon  wieder  umsetzende  Stimmung  der  Zeit  kann  jetzt  den  Fortsohritt 
ignorieren  und  so  weit  zurückgreifen  wollen :   niemandem  wfirde  das 
lieber  sein,  als  den  Ultra -Realisten,  welche  nothwendig  gewinnen 
müsten.    Im  Gegentheile  wird  der  echte  Humanist  der  UebenEeogiing 
sein,  auch  die  diesmalige  Gegenbewegung  diene  nur  zu  einer  wei- 
tern Läuterung  und  durch  diese  zu  einer  stärkern  Kraftäuszerung  des 
Humanismus.    In  diesem  Sinne  aber  kann  er  unmöglich  das  gewon- 
nene wieder  hergeben,  und  die  bessere  Betreibung  der  realen  Ge- 
biete auf  dem  Grunde  des  classischen  und  mit  dessen  Hülfe  bleibt  ein 
Gewinn.    Schwerlich  ist  es  jedoch  jene  Anschauung,  welche  den  Vf. 
zu  dieser  Thesis  veranlaszt  hat:  sie  wurde  gewis  durch  seine  Ueber- 


Studien  suin  Gyflin«iuilw««eu.    •  121 

xeugung  von  der  zu  groszen  Spannung  in  den  Forderungen  der  Schule 
liervorgerufen.  Da  nun  an  irgend  einer  Stelle  diese  allgemeine  Frage 
zur  Bohandlnng  kommen  muaz,  so  mag  es  gleich  hier  geschehen. 

Die  Anklage,  weiche  oft  erhoben  wird,  klingt  sehr  hart  und 
lautet  etwa  so :  die  Schule  verlangt  zu  zeitig  eine  grosze  geistige  An- 
strengung des  Kindes  und  beginnt  dadurch  früh  schon  auf  die  kör* 
perliohe  Entwicklung,  sowie  auf  die  geistige  Productionskraft  des 
Kindes  nachtheilig  zu  wirken.  Sie  fährt  in  dieser  unmäszigen  An- 
spannung nicht  nur  fort,  sondern  steigert  dieselbe  noch  in  den  hö- 
hern ünterrichtsanstalten  und  tragt  damit  Schuld  nicht  nur  an  der 
innern  fühlbareren  körperlichen  üntüchtigkeit  der  Menschen,  sondern 
auch  an  dem  Hangel  geistiger  Frische  und  Kraft.  Das  wäre  gewis 
furchtbar,  wenn  es  wahr  sein  sollte.  Wir  werden  zwar  von  vorn- 
herein sagen  können,  dasz  solche  Anklagen  gemeiniglich  über  das 
Ziel  hinausschieszen ,  werden  aber  ebenso  wenig  in  Abrede  stellen 
dürfen ,  dasz  solchen  Vorwürfen  in  der  Regel  irgend  etwas  wahres 
und  wirkliches  zu  Grunde  liegt.  Kine  solche  Wahrheit  hat  jener 
Ausspruch  besonders  in  Beziehung  auf  die  vorhandene  körperliche 
Schwäche  der  Generation.  Geht  dieselbe  auch  nicht  so  weit,  dasz 
Gesundheit,  Körperkraft,  normale  BeschalTenheit  der  ganzen  Körper- 
lichkeit zur  absoluten  Seltenheit  wird ,  so  ist  doch  im  ganzen  wahr, 
dasz  wir  jetzt  mehr  von  Schwächlichkeit  und  Uutauglichkeit  sehen, 
als  früher.  Zeitiger  als  sonst  tritt  Schwäche  und  Hinfälligkeit  ein, 
früher  wird  des  Lebens  Höhepunkt  erreicht,  ja  man  kann  sagen,  dasz 
er  öfters  gar  nicht  mehr  erreicht  wird.  Wir  werden  zugeben  müssen, 
dasz  die  jetzt  in  der  Blüte  des  Lebens  stehende  Generation  nur  zu 
oft  und  in  zu  vielen  Stücken  von  der  vorhergehenden  übertroflTen  wird. 
Ebenso  werden  die  Aerzte  bestätigen,  wie  zahlreich  jetzt  Krankheits- 
erscheinungen schon  in  den  Jüngern  Jahren  auftreten,  die  man  frü- 
her wenigstens  nicht  in  ihrer  jetzigen  Ausdehnung  und  Verbreitung 
kannte.  Insbesondere  wird  bei  dem  männlichen  Geschlechte  das  Ver- 
hältnis der  zu  dem  Militärdienst  tüchtigen  und  untüchtigen  keinen 
erfreulichen  Anblick  gewähren.  Endlich  wird  die  allgemein  gewor- 
dene Klage  über  Schwäche  der  Sehkraft  sich  nicht  als  unbegründet 
erweisen.  Gilt  das  bisher  gesagte  zumeist  der  zunehmenden  Körper- 
schwäche ,  so  wird  ein  Blick  auf  das  geistige  Leben  der  Nation ,  so 
viel  auch  in  einzelnen  Gebieten  geleistet  wird,  doch  sicher  einen  Man- 
gel an  eigentlich  productiven  Kräften  wahrnehmen  lassen,  an  geistigen 
und  sittlichen  Charakteren  und  wirklich  ausgeprägten  Individualitäten. 

Aber  alles  das  —  und  vielleicht  noch  mehr,  als  das  —  zuge- 
geben, ist  damit  doch  noch  nicht  erwiesen,  dasz  an  diesen  Erschei- 
nungen die  Schule  aHein  oder  auch  nur  vorzugsweise  schuld  ist.  Es 
ist  das  überhaupt  das  Misgeschick  der  Schule,  dasz  sie  da  schuld 
sein  soll,  wo  sie  vielmehr  selbst  benachlheiligt  wird,  dasz  sie  büszen 
soll  für  das,  was  an  hundert  anderen  Funkten  versehen  wird,  aber 
doch  nicht  das  Recht  haben  soll ,  energisch  aus  sich  herauszuwirkea. 
Denn  diese  ganze  Lage  des  gegenwartigen  Geschlechts  nnd  der  nan 


122  *  Stadien  xum  GymnaBialwaten. 

heranwachsenden  Generation  hat  ihre  Ursache  xan  gröaiten  Theile  in 
ganz  andern  Dingen.  Wenn  wir  diese  knrz  zusammenfasaeB,  ao  nen- 
nen wir  die  zunehmende  Uebervölkerung  mit  der  gesteigerten  Schwie- 
rigkeit des  Erwerbes,  mit  der  namentlich  in  den  gröszern  Städten 
zusammengedrängten  Weise  des  wohnens,  mit  der  Theuerung  der 
Nahrungsmittel;  es  ist  die  materialistische  Lebensrichtung,  welehe 
mehr  auf  den  äuszern  Schein ,  den  sinnlichen  Genosz  und  Nervenreii 
als  auf  das  einfache,  gesunde,  naturgemasze  bedacht  ist;  es  ist  die 
Lässigkeit  und  Grundsatzlosigkeit  der  Erziehung;  es  ist  endlich  vor 
allem  die  Glaubensiosigkeit  und  die  mit  dieser  eng  verbnndeDe  Un- 
siltlichkcit.  Es  liegt  jenseits  unserer  Aufgabe,  hier  weiter  nachao- 
weisen ,  wie  diese  einzelnen  Punkte  wirken ,  aber  sie  wirken  alle,  and 
zwar  mehr  als  die  Schule. 

Auf  der  andern  Seite  aber  kann  mau  auch  nicht  behaupten,  dasi 
die  Schule  nichts  verschulde.  Vielmehr  ist  zuzugestehen,  dasB  sich 
Bedenken  genug  aufdrängen;  nur  ist  dabei  zu  wiederholen,  dasi  die 
Fehler  weit  weniger  in  den  gesetzlichen  Bestimmungen  liegen,  als  im 
ihrer  praktischen  Ausführung. 

Nach  unserem  bescheidenen  dafürhalten  nimmt  das  Schalgesetx 
die  Jugend  nicht  zu  früh  in  Anspruch ;  dasselbe  läszt  überdies  noch 
allen,  die  es  vermögen,  die  Freiheit,  nach  ihrer  besten  UeberzengODg 
für  den  Unterricht  ihrer  Kinder  zu  sorgen.  Viel  eher  liesze  sich  die 
grosze  Willkür  beklagen ,  mit  der  jeder  sich  sein  Unterrichtssysten 
zurechtlegt,  als  ob  gar  nichts  dazu  gehörte,  in  diesen  Dingenden 
richtigen  Weg  zu  Gnden,  und  als  ob  die  öfTentlichen  Schulen  ganz  and 
gar  auf  Laune  und  Unverstand  gegründet  wären.  Wenn  wir  aber  nna 
auch  ein  Urtheii  über  den  Lehrpian  der  Volksschule  nicht  anmaszen 
wollen ,  so  dürfen  wir  doch  wol  einige  Bemerkungen  von  allgemeiner 
paedagogischer  Natur  hier  aussprechen.  Denn  mag  es  auch  wahr  sein, 
dasz  man  nirgends  die  Lehrpläne  auf  eine  zu  grosze  Zahl  täglicher 
Unterrichtsstunden  ausdehnen  soll,  dasz  es  hier  certi  flnes  gibt,  ao 
darf  man  doch  auch  nicht  vergessen,  dasz  es  auszer  dem  nltra  ein  oitra 
gibt.  Ueberhaupt  aber  kommt  es  weniger  auf  eine  Vermindenuif 
der  Unterrichtsstunden,  als  auf  eine  richtige  Behandlung  des  Unler- 
richts  an. 

Für  das  ganze  Schulwesen  nun,  niedere  wie  hohe  SchulanstalteB, 
sei  es  gestattet,  anf  folgende  Pnnkte  aufmerksam  zu  machen:  l)  Man 
halte  innerhalb  der  Schale  zwar  streng  auf  eine  gerade  Haltaof  des 
Körpers ,  sei  aber  dubei  gegen  das  zartere  Kindesalter  and  die  BiU 
wicklungsperiodo  nicht  unbillig.  2)  Man  halte  anf  geräumige ,  helle, 
freundliche  Schuliocale,  welche,  wenn  es  irgend  möglich,  mit  einea 
Garten  oder  Spielplatz  verbunden  seien.  3)  Man  vernachllssige  \u  kei- 
ner Schule  die  Gymnastik  und  halte  auch  auf  Spielstanden  im  Garten 
oder  auf  dem  Spielplatze.  4)  Man  nnterbreche  da  wo  vier  Lehratnndan 
auf  einander  folgen,  dieee  in  der  Mitte  durch  eine  halbstündige  Faaae 
und  beschränke  dagegen  die  Obrigen  Zwischenpausen.   5)  Man  andia 


Stadien  sum  GyaisuMlweseo*  123 

«den  Schwerpunkt  nicht  in  den  häuslichen  Arbeiten  für  die  Schale, 
sondern  im  Unterricht  i  n  der  Schule. 

Diese  Bemerkungen  scheinen  nicht  unberechtigt.  Was  zunächst 
die  gerade  Haltung  der  Schüler  betrifft,  so  ist  gewis  fortwährend 
darauf  su  halten,  ohne  dasz  man  so  unbarmherzig  zu  sein  braucht, 
von  jeden  Alter  und  jeder  £ntwickiaogsstufe  dl^sselbe  zu  verlangen. 
Besonders  leicht  wird  hier  die  Forderung  übertrieben,  wenn  ver- 
schiedene Lehrer  naeh  einander  unterrichten;  jeder  ist  nur  bemüht, 
während  seioer  Stunde  auf  rechte  Ordnung  zu  halten,  und  da  denkt 
dann  der  von  11 — 12  Uhr  unterrichtende  Lehrer  vielleicht  gerade  je 
eifriger  er  ist,  um  so  weniger  daran,  dasz  die  Schüler  bereits  3  Stun- 
den gesessen  haben. 

Hierzu  gehört  auch,  dasz  man  doch  überhaupt  nicht  so  viel 
schreiben  lassen  möchte.  Möchte  man  namentlich  nicht  zu  früh  dem 
Schüler  gestatten  nachzuschreiben  oder  ihn  gar  auffordern,  nach- 
schreibend dem  Vortrage  des  Lehrers  zu  folgen !  Pas  taugt  selbst  in 
den  Obern  Klassen  höherer  Unterrichtsanstalten  wenig,  und  verlangt 
man  im  Gymnasium  eine  solche  Nachschreibfertigkeit,  so  ist  es  bes- 
ser, dasz  der  Lehrer  des  Deutschen  gelegentlich  darin  besondere 
beaufsichtigte  Uebungen  anstellt,  als  dasz  es  überall  aufsichtslos  be- 
trieben wird.  Denn  alles,  was  sich  der  wirklichen  Beaufsichtigung 
in  der  Schule  entzieht,  ist  im  Grunde  paedagogisch  unbrauchbar. 

Und  noch  6ins:  man  stelle  die  Bänke  nicht  so  aneinander,  dasz 
es  dem  Lehrer  schwer  wird,  schnell  an  den  einzelnen  Schüler  heran- 
zutreten. Den  Kathederdoceuten  ist  das  freilich  gleichgiltig,  aber 
diese  wissA  auch  selten,  was  alles  geschehen  kann,  während  sie  von 
ihrem  Katheder  herab  docieren;  Je  leichter  der  einzelne  zu  erreichen 
ist,  je  öfter  der  Lehrer  seinen  Platz  ändert,  den  oder  jenen  aufsu- 
chend, desto  weniger  wird  Unaufmerksamkeit,  Romanlectftre  oder 
noch  schlimmeres  möglich  sein.  Wenn  jemand  zweifeln  sollte ,  dasz 
überhaupt  unerlaubte  Dinge  leicht  in  der  Schule  getrieben  werden 
können ,  so  wollen  wir  beispielsweise  erzählen ,  dasz  in  einer  obern 
Klasse  eines  namhaften  Gymnasiums  eine  Zeit  lang  regelmäszig  Wal- 
ter Scott  während  der  lateinischen  Stunden  gelesen  wurde,  und  dasz 
in  der  Klasse  nur  zwei  Praeparationshefte  vorhanden  waren.  Ferner 
haben  sorgfältige  disciplinare  Erörterungen  in  Bezug  auf  unsittliche 
Angewöhnungen ,  welche  leider  nur  zu  sehr  verbreitet  sind  und  gewis 
die  Schwächlichkeit  der  Jugend  mit  veranlassen,  ergeben,  dasz  ge- 
rade Unterrichtsstunden  gern  zu  solchem  Zwecke  benutzt  werden. 
(Vgl.  den  Erlasz  des  würtemb.  Oberstudienrathes  v.  11.  Nov.  1864). 

Die  Uerstellung  freundlicher,  heller  Schullocale,  welche  reinlich 
gehalten  und  fleiszig  gelüftet  werden,  ist  wol  gewis  ein  dringendes 
Bedürfnis,  dem  man  auch  mehr  und  mehr  zn  begegnen  bemüht  ist; 
denn  gewis  ist  von  den  mangelhaften  Schulzimmern  manche  nachthei- 
lige Wirkung  auf  die  Gesundheit  und  namentlich  die  Sehkraft  der 
Jagesd  ansgegangen.  Aber  es  scheint ,  als  ob  noch  nicht  g«nug  in 
dieser  Besiehong  gCKhehe,  theihi  weil  nun  die  Anfgnbea  sebeot  ood 


124  Studien  zum  Gymnasialweseo. 

wol  auch  scheuen  musz ,  theils  weil  nicht  jeder  den  rechten  Sinn  für  . 
diese  Dinge  hat. 

lieber  die  Wichtigkeit  der  Gymnastik  ist  kein  Wort  zu  rerlie- 
ren :  um  nur  ein  Beispiel  anzufahren ,  wie  segensreich  hat  doch  die 
lebendige  Betreibung  derselben  in  der  hiesigen  Biochmannschea  Ab- 
stalt  gewirkt!  Indem  ^iese  das  körperliche  Wohl  der  ihr  anvertrau- 
ten nie  auszer  Augen  liesz,  geschah  es,  dasz  schw&chliche,  bleich 
aussehende  Knaben  nach  Jahresfrist  wie  umgewandelt  schienen.  Es 
fragt  sich  aber,  ob  man  sich  mit  städtischen  Turnplätzen  und  Turn- 
hallen begnügen  und  die  Korperübung  aus  der  Schule  selbst  aof  jene 
verweisen  soll :  nach  unserer  Meinung  sind  in  der  Schule  selbsl  ge- 
meinschaftliche Spiele  und  Turnübungen  vorzunehmen,  welche  TOii 
paedagogischer  Bedeutung  sind,  indem  sie  theils  einen  Gemeinsinn, 
ein  wirkliches  Schulleben  hervorrufen,  theils  auch  eine  angemes- 
senere Verwendung  der  Pausen  ermöglichen,  die  leider  gewöhnlich 
zu  unbeaufsichtigten  Tumultminuten  werden.  Man  würde,  wie  wir 
uns  die  Eintheilung  der  Lehrzeit  und  die  Benutzung  der  groszen  Pause 
denken,  eine  wirklich  förderliche,  dem  Geiste  Uuhe,  dem  Körper 
Stärkung  gebende  Unterbrechung  gewinnen. 

Die  wichtigste  unserer  Bemerkungen  aber  ist  die  letzte,  und, 
obwol  sie  eine  allgemeine  paedagogische  Wahrheit  ausdrückt,  wollen 
wir  uns  mit  derselben  specieller  auf  das  höhere  Unterrichtsgebiet 
stellen.  Die  Schule,  sagten  wir,  soll  ihren  Schwerpunkt  nicht  in 
den  häuslichen  Arbeiten,  sondern  in  dem  Unterrichte  selbst  suchen. 
Darin  liegt  die  Hauptnntwort  auf  alle  Anklagen  gegen  die  Schule, 
darin,  wenn  wir  die  Sache  richtig  auffassen,  die  Hauptaufgabe  aller 
Schulreform.  Denn  die  Ueberladung  der  Schüler,  über  die  man  so 
viel  klagt,  die  zu  grosze  Spannung  liegt  vor  allem  in  der  unpaedago- 
gischen  Ausführung  der  gesetzlichen  Vorschriften. 

Dasz  die  Schüler  oft  überbürdet  sind,  wird  wol  von  allen  Sei- 
ten zuzugeben  sein;  hat  doch  das  Vorhandensein  dieses  Uebelstandas 
noch  jüngst  der  preusz.  Geh.  Begicrungsrath  Dr.  Wiese  für  die  Gym- 
nasien zugegeben  (vgl.  Bd.  LXXII  S.  54l).  Wir  müssen  aber  die  Sache 
genauer  erörtern,  weil  auch  hier  nicht  Widerspruch  ausbleiben  wird. 
Manche  sagen  geradezu,  die  Schule  habe  den  Hauptzweck,  eine  An- 
leitung zum  arbeiten  zq  geben ;  indem  die  Erziehung  zur  Selbstthätif- 
keit  ihre  eigentliche  Aufgabe  sei ,  müsse  sie  vor  allem  auf  gutes  nnd 
vieles  arbeiten  sehen  und  dies  gewissenhaft  leiten. 

Dasz  das  Gymnasium  die  Absicht  hat,  seine  Schüler  zur  SelbsU 
thätigkeit  zu  erziehen,  dasz  es  ihnen  Arbeitskraft  und  Arbeitslast 
geben  und  mehren  soll,  ist  unzweifelhaft;  es  fragt  sich  nur,  wie  es 
diesen  Zweck  erreichen  will.  Folgte  wirklich  hieraus  weiter  der  Sats, 
dasz  die  auszer  der  Schule  arbeitende  Kraft  des  Schülers  das  Haupt- 
augenmerk der  Schule  sei,  dann  wäre  der  Unterrieht  aufs  äuszerste 
zu  beschränken,  beanspruchten  alle  unsere  liehrpläne  viel  zu  viel 
Zeit.  Dann  würden  wir  eben  ganz  nove  Schulen  gründen  müssen  and 
das  sei  ferne !   Das  Gymnasium  hat  den  Zweck  dem  Schüler  diejenige 


Stadien  sum  Crymnatialweseo.  125 

geistige  und  sittliche  Kraft  sa  geben,  rermöge  der  er  im  Stande  iat^ 
die  freiwillig  erwählte  Lebensaufgabe  mit  Erfolg  zn  erfassen  und  zu 
erfüllen.  Es  wirkt  darauf  hin  sowol  durch  die  Unterrichtsgebiete, 
als  durch  den  christlichen  Sinn,  auf  dem  es  ruht  und  von  dem  es 
durchdrungen  zu  sein  strebt,  und  durch  die  sittliche  Zucht,  die  es 
ausübt.  Diese  drei  Elemente  müssen  im  Gymnasium  mit  einander  und 
durch  einander  wirken.  Nun  ist  zwar  die  humanistische  Behandlung 
der  Lehrgegenstände  nicht  auf  den  unmittelbaren  Gebrauch  gerichtet, 
sondern  betrachtet  alle,  je  nach  der  Fähigkeit  des  einzelnen  Gebietes, 
mehr  als  Mittel,  denn  als  Zweck:  aber  es  ist  eine  gründliche  Be- 
nutzung der  Lehrmittel  nur  durch  die  geistige  Thätigkeit  des  Schülers 
möglich,  welche  wir  das  lernen  nennen.  Darum  ist,  vom  Schüler 
aus  betrachtet,  das  lernen  der  Mittelpunkt  der  Schule,  vom  Lehrer 
aus  gesehen,  das  lehren  in  seinem  echten  transitiven  Sinne,  lehren 
=  lernen  machen.  Dieses  lernen  aber  hat  seinen  Brennpunkt  in  dem 
Unterrichte,  als  dem  Punkte,  wo  die  wirkende  Kraft  des  Lern- 
objects  durch  das  Organ  des  Lehrers  auf  den  lernenden  am  unmittel- 
barsten wirkt,  nnd  wo  zugleich  die  beiden  andern  Factoren  des  christ- 
lichen Sinnes  und  der  sittlichen  Zucht  sich  mit  dem  Unterrichte  in 
der  Schuleinrichtung  überhaupt  und  in  dem  Medium  des  Lehrers  ins- 
besondere vereinen.  Denn  das  leuchtet  wol  ein,  dasz  nur  hier,  in  der 
Schule  selbst,  alles  zusammenkommt,  was  diese  an  wirkenden  Mitteln 
besitzt.  Je  mehr  aber  dies  festgehalten  wird,  desto  stärker  wird  nicht 
nur  die  Macht  der  Schule,  sondern  auch  die  Gegenwirkung  gegen  jene 
Uebelstande,  desto  geringer  wird  die  Abspannung  durch  ein  Ueber- 
masz  von  häuslicher  Arbeit,  desto  mehr  erhält  und  belebt  sich  der 
Trieb  der  Selbstthatigkeit  zugleich  neben  der  steigenden  Arbeitskraft. 
Dieser  Zusammenhang  scheint  nachweisbar. 

Die  Klagen  gegen  die  höhern  Schulen  sagen  aus,  dasz  unsere 
Jugend  zu  viel  sitzen  und  arbeiten  müsse,  dasz  sie  vieles  aber  nichts 
ordentliches  lerne,  dasz  sie  dabei  schwächlich  werde,  die  Lust  am 
arbeiten  verliere,  und  dasz  die  Selbstthatigkeit  und  der  Bildungstrieb 
eher  unterdrückt,  als  belebt  werde.  Es  fragt  sich  nun ,  ob  und  in- 
wieweit eine  richtige  und  tüchtige  Benutzung  des  Unterrichts  diesen 
Mängeln  abhelfen  könne. 

Der  Lehrer,  welcher  das  lernen  durch  den  Unterricht  selbst  zum 
Centrum  seiner  Thäligkeit  macht  und  dasselbe  nie  aus  den  Augen  zu 
verlieren  strebt,  ist  von  vornherein  dadurch  im  Vortheile,  dasz  er  in 
einem  viel  engern  Znsammenhange  mit  dem  Schüler  steht.  Denn  sein 
Verfahren  wird  ganz  von  selbst  einfacher,  knopper,  positiver.  Will 
er,  dasz  gelernt  wird,  —  wobei  man  unter  lernen  nicht  blosz  im 
Gedächtnisse  festhalten  verstehe,  —  so  wird  er  sich  leichter  aus  den 
verführerischen  subjectiven  Gedankenkreisen  herauswinden  und  die 
Klasse,  den  Schüler  fester  ins  Auge  fassen.  Auf  diese  Weise  musz 
er  das  unnütze  zu  vermeiden,  den  Stoff  zu  vereinfachen  suchen.  Da- 
mit begegnen  wir  schon  dem  Hauptinhalte  der  Mützellschen  Thesen, 
welche  überall  anf  Vereinfachung  des  Lehrstoffes  driugeo.   Eine  sol- 


120  Stadien  ebih  GymoaaialweteA. 

che  Vereinfachung  that  freilich  fiberall  Noth,  aber  dieselbe  ist  weil 
weniger  durch  Veränderung  der  Schnlregnlative,  als  durch  eine  mehr 
paedagogische  Praxis  zu  erreichen.  Denn  wenn  z.  B.  für  eine  Klasne 
vorschrifksmäszig  feststeht,  dasz  in  ihr  deutsche  Geschichte  gelehrt 
werden  soll,  so  kann  das  Regulativ  gewis  nicht  soweit  gehen,  |daM 
es  einzeln  aufführt,  was  zu  sagen  und  was  nicht  zu  sagen,  was.  in 
verlangen  und  was  nicht  zu  verlangen  ist.  Selbst  wenn  es  bestittmle 
Vorschriften  enthält  und  auf  Beschränkungen  hinweist,  wie  viel  Spiel- 
raum bleibt  noch  dem  Lehrer;  und  musz  ihm  bleiben,  da  wir  ja  reckt 
gut  wissen ,  dasz  die  Klasse  selbst  sich  nicht  gleich^bleibt !  Komnl 
nun  hinzu,  dasz  hie  und  da  die  gesetzliche  Klassenaufgabe  geradem 
willkürlich  und  nach  subjectiver  Interpretation  (behandelt  wird,  dass 
ferner  in  den  einfachsten  Dingen  es  grundverschiedene  Verfahrnngs- 
weisen  gibt,  (wie  denn  z.  B.  der  eine  Lehrer  das  können  nennt,  was 
dem  andern  nicht  können  scheint),  so  ist  es  wol  leicht  begreiflich, 
dasz  sich  in  der  Praxis  die  entsetzlichsten  Abstände  bilden.  Wenden 
wir  uns  zu  unserem  Beispiele :  der  unserer  Auffassung  folgende  Leh- 
rer wird  von  Anfang  an  auf  Ausscheidung  des  überflüssigen  Stoffes, 
dessen  es  gerade  in  der  Geschichte  so  viel  gibt,  bedacht  sein,  er 
wird  seinen  Vortrag  in  steter  Verbindung  mit  Repetitionen  und  me« 
morieren  der  wichtigsten  Daten  bringen ,  und  indem  er  so  die  Ge- 
schichtsstunde unmittelbar  als  ^paedagogische  Provinz'  behandelt,  ist 
er  in  der  Lage,  nicht  nur  etwas  tüchtiges  zu  erreichen,  sondern  auch 
wenig  Arbeit  anszerhalb  der  Stunden  zu  verlangen.  Dafür  wird 
der  geschichtliche  Sinn  in  dem  Schüler  erwachen ,  nnd  derselbe  wird 
ganz  von  selbst  bemüht  sein,  die  Lücken  zu  ergänzen  nnd  auf  der 
gewonnenen  positiven  Grundlage  weiter  zu  bauen.  Dagegen  deh- 
nen viele  Geschichtslehrer  ihre  Vorträge  wer  weisz  wie  sehr  ans, 
füttern  sie,  so  zu  sagen,  mit  culturhistorischen  Excursen  nnd  ver- 
lieren sich  in  das  pragmatisieren ;  ein  Verfahren,  bei  dem  die  Schüler 
allerlei ,  aber  nichts  ordentliches  lernen  und  überdies  die  Freude  an 
der  Geschichte  verlieren.  Während  jener  sich  des  paedagogischen 
Zweckes  bewuste  Lehrer  den  Schwerpunkt  in  dem  wichtigsten  des 
positiven  sucht,  wird  der  andere  leicht  zwischen  leitenden  Ideen  nnd 
unwichtigen  Specialitäten  hin  und  her  schwanken.  Die  unpaedago- 
gischen  Lehrer  legen  hiebei  gewöhnlich  viel  Gewicht  auf  das  nach- 
schreiben und  ausarbeiten  eines  Heftes,  was  denn  leicht  dazu  Ührl^ 
dasz  die  Schüler  in  der  Stunde  ungehörige  Dinge  schreiben  und  Mieb* 
aen  und  dann  das  Heft  aus  irgend  einem  Handbuche  lusaiimeMto^ 
peln.  Corrigiert  wird  das  Heft  ja  doch  nicht,  und  wenn  auch  aide 
flüchtige  Revision  stattfindet,  so  will  das  nicht  viel  sagen.  Man  solUa 
aber  in  der  Schule,  namentlich  in  den  untern  Klassen,  uiehta  aahraU 
ben  lassen ,  was  nicht  sorgfältig  angesehen  und  wo  möglich  eorrigiert 
würde.  Ergibt  sich  bei  den  geschichtlichen  Unterrichte  leicht,  wie 
eine  recht  paecTagogische  Behandlung  in  den  Standen  überall  auf  Ver- 
einfachung des  Stoffes  und  Beschränkung  unerspriesalicher  Arbeit 
hinstrebl,  so  ist  es  bei  dem  sprachliehen  Unterrichte 


Slidien  sin  Gyniiaf iaWresea.  127 

Je  Mehr  in  der  Stunde  telbsl  geleittet  wird^  je  mehr  der  Lehrer  seiMo 
Klafee,  so  sa  eagen,  in  Trab  setst,  deMo  leichter  fillt  der  «nntttKe 
uBpaedagogiaohe  gelehrte  Apparat  hinweg.  Wer  aberall  im  Aoge  hat, 
daaE  der  Sohftler  begreifen  soll,  waa  der  Lehrer  sagt,  wer  aeiae  Er- 
klärungen bei  der  Lectflre  der  Schriftatelier  veratanden^iasen,  seine 
grammatischen  Erlänterongen  bei  der  Zarückgabe  der  Arbeiten  lur 
Anwendang  gebracht  aehen  will,  mosz  Ton  selbst  darauf  kommen^ 
sich  zu  beschränken  und  den  Bildnngsstandpnnkt  der  Schüler  im  Aage 
zu  bebalten.  Ein  gleiches  läszt  sich  von  der  Mathematik  »ageu ,  in 
welcher  anch  häufig  genug  das  positive  lernen  hinter  groszartigen 
Vorträgen  «nd  dicken  Heften  verschwindet.  So  sweekmäszig  aber 
«nter  Umständen  ein  Schniheft  sein  kann,  so  gewis  dasz  das  über- 
handnehmen des  Heftsystems  weder  eine  Empfehlung  für  den  Unter- 
richt, noch  eine  Förderung  für  den  Schüler  ist,  der  bei  all  dem  Papier- 
kram nicht  bloss  zu  viel  aitzen  muaz,  sondern  anch  Zeit,  Kraft  und 
Lust  verliert.  Das  möchten  wir  also  als  die  Hauptaufgabe  der  Schule 
bezeichnen,  ihre  Mittel  namentlich  in  der  Schule  selbst,  während  der 
Unterrichtsstunden  mehr  za  nützen ,  indem  dies  von  selbst  zur  Ver- 
einfachung des  Stoffes  führt  und  der  Ueberbürdung  abhilft.  Wir  ha- 
ben nicht  die  Lehrziele  aufzugeben,  sondern  den  Weg  zu  ihnen  za 
vereinfachen,  waa  am  besten  dadurch  geschieht,  dasz  der  Lehrer 
nicht  blosz  gibt,  sondern  auch  darauf  hält,  dasz  der  Schüler  nimmt. 
Denn  allerdings  will  die  Schule  anregen,  um  einen  .Liebliagsaus- 
druck  neuerer  Zeit  zu  gebrauchen,  aber  sie  will  nicht  blosz  das« 
anregen,  dasz  der  Schüler  lernt,  sondern  vielmehr  dadurch  anregen, 
dasz  er  lernt. 

Das  alles  gilt  auch  von  den  schriftlichen  Arbeiten:  nicht  dasz 
gearbeitet  wird ,  sondern  dasz  gut  gearbeitet  wird ,  ist  Aufgabe  der 
Schule;  nicht  die  Masse  schafft  den  Erfolg,  sondern  die  Regelmäszig- 
keit  und  Sorgfalt  im  abfassen  und  abliefern  der  Arbeiten.  Auch  hier 
reden  wir  weniger  der  Bescliränkung  znnächst  das  Wort,  obgleiöli 
hier  unzweifelhaft  oft  anbillige  Forderungen  gestellt  werden,  son- 
dern tadeln  die  unpaedagogiscbe  Behandlung.  Freilich  musz  es  z.  B. 
schriftliche  Praeparationen  geben,  und  es  ist  nur  zu  beklagen,  dasz 
manche  Lehrer  in  dieser  Beziehung  so  tolerant  sind,  sich  mit  jedem 
nnsaubern  Papierstreifen  zu  begnügen:  wenn  aber  der  Lehrer  dea 
Homer  in  Tertia  von  einer  Stunde  auf  die  andere  40  Verse  vorbe- 
reitet wissen  will,  ohne  dasa  er  genau  oachsiebt,  wie  man  sich  vor- 
bereitet, so  ist  das  sehr  unrecht:  ea  ist  eine  Ueberbürdung  dea  flei- 
szigen  Schülers ,  bei  welcher  der  anieiazige  ganz  l^er  auageht  Hält  er 
dagegen  anf  eine  gute,  aaaber  geachriebene,  gründlich  gelernte  Prae- 
paration,  so  wird  er  gar  nioht  anf  den  Cledanken  kommen,  so  viel  zu 
verlangen :  das  sehr  förderliche  Verfahren ,  die  Vorbereitung  selbst 
zum-  Gegenstand  des  fragens  zu  machen,  noch  ehe  man  flbersetst, 
wird  das  Masz  beschränken  helfen.  War  aber  einmal  die  Aufgabe  aa 
knapp  logamessen,  so  ist  es  immer  noch  besser,  ei»  Stück  gani  oo- 
vorWrmtel  iberaetzea  zu  lassen,  ab  sich  daran  sa  gewOhaea,  vM 


128  Studien  zum  Gymnasialwesen. 

mit  halber  Praeparation  zu  lesen.  Ferner  musz  es  gewis  griechische, 
lateinische,  deutsche  Arbeiten  geben:  aber  die  Länge  thut  es  nicht, 
sondern  die  Sorgfalt,  Sauberkeit,  Regelmaszigkeit,  Pünktlichkeit  Faszt 
man  das  immer  ins  Auge  und  stellt  es  voran ,  so  wird  sich  ganz  von 
selbst  das  M#E  der  Arbeit  nur  für  den  faulen  Schüler,  wie  recht  and 
billig,  erhöhen,  während  es  für  den  fleiszigen  sich  mindert.  Wie  mau 
jetzt  sehr  oft  die  Dinge  betreibt,  ist  es  leicht  möglich,  dasz  der  eine 
Schüler  nie  fertig  wird,  während  der  andere  immer  fortig  ist. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dasz  eine  ersprieszliche  Nutzung 
des  Unterrichts  nicht  denkbar  ist  ohne  die  Handhabung  einer  tüch- 
tigen Zucht;  ja  man  kann  namentlich  in  den  untern  Klassen  sagen,  die 
gute  Disciplin  sei  der  halbe  Unterricht.  Aber  es  wird  auch  in  den 
obern  Klassen  noch  zu  viel  conniviert  und  nicht  genug  Strenge  geübt. 
Es  ist  geradezu  wunderbar,  wie  verschieden  die  Begriffe  von  Disci- 
plin sind,  wie  der  eine  da  schon  sehr  zufrieden  ist,  wo  der  andere 
noch  tadeln  oder  gar  strafen  würde,  und  wie  sich  die  Schulzuohl 
nicht  aus  den  Schulmauern  herauswagt,  und  sich  mehr  beschränkt,  aU 
hier  nolhwendig  ist.  So  hat  denn  fast  jede  Schule  ihren  Schatz  von 
Disciplinaranekdoten,  und  die  Sache  könnte  komisch  sein,  wenn  sich 
nicht  so  gar  ernste  Gedanken  dabei  aufdrängten. 

Versteht  also  Mützoll  die  Beschränkung  des  Lehrstoffes  so,  dasz 
er  zwar  die  Lehrziele  festhalten,  aber  die  Behandlung  durch  ein  mehr 
paedagogisches  Verfahren  einfacher  und  gowinnreicher  gestalten  will, 
so  stimmen  wir  ihm  von  ganzem  Herzen  bei.  Wir  wollen  die  von  den 
Regulativen  vorgeschriebenen  Ziele  auch  ferner  erreichen,  aber  wir 
wollen  keine  Umwege  machen  und  nicht  zu  viel  Last  auf  den  Weg 
mitnehmen,  damit  die  jugendlichen  Wanderer,  die  wir  fähren  sollen, 
nicht  matt,  sondern  frisch  am  Ziele  ankommen,  nicht  unlustig  zn  ferne- 
rer Arbeit,  sondern  freudig  und  kraftbewuszt  neue  Bahnen  betretend. 

Indem  wir  dieselbe  Anforderung  an  den  sprachlichen  Unterricht 
stellen,  erledigt  sich  auch  die  4.  Thesis:  ^n  Folge  der  gründlicheren 
Bearbeitung  der  einzelnen  Wissenschaften  ist  auch  der  Unterricht, 
sowol  der  sprachliche  als  der  in  den  meisten  andern  Ob'jecten,  dem 
Stoffe  nach  häullg  zu  reichlich  ausgestattet  worden.'  Hiebei  ist  aber  wol 
nicht  unerwähnt  zu  lassen,  wie  man  von  dem  einen  könne  absehen,  d.  h. 
von  der  unnöthigen  Spielerei  mit  der  specifisch  gelehrten  Zuthat,  und 
doch  das  andere  thun,  d.  h.  das  Lateinischsprechen  und  Lateinscbrei* 
ben  lebhafter  betreiben:  denn  dasz  wir  darin  Uückschritte  gemaoht 
haben,  ist  nur  allzu  gewis.  Nun  bestreiten  zwar  sogar  berOhmte 
Paedagogen  (so  z.  B.  K.  v.  Raumer  in  s.  Geschichte  d.  Paedagogik 
111,  1  45 — 66)  überhaupt  die  Ersprieszlichkeit  dieser  Uebungen  in 
einem  ausgedehnteren  Sinne  und  wollen  sie  nur  als  Unterstützung  der 
Grammatik  gelten  lassen:  wir  können  uns  aber  nicht  von  der  Rich- 
tigkeit dieser  Ansicht  überzeugen.  Gewis  wird  es  auch  hiebei  we- 
sentlich auf  das  paedagogische  Verfahren  ankommen  und  namentlich 
erforderlich  sein,  dasz  man  nicht  eigentliche  lateinische  Abhandlun- 
gen verlangt,  wie  wir  überhaupt  gegen  die  reflectierenden  Themala 


Stadi«n  soii^  Gymnasial vresen.  129 

schon  oben  die  ernstesf^n  Bedenken  äuszerlen.   \Yenn  z.  B.  ein  Se- 
condaner  noch  jüngst  über  das  Thema:    ^Prositne  bellum  magis  an 
noceat?'  oder  (iber  das  andere:    ^Ueber  den  Vortheil  oder  Nachtheil 
einer  allgemein  verbreiteten  Bildung'  schreiben  sollte,  so  konnte  denn 
doch  wirklich  nichts  gescheites  heraus  kommen,  wie  es  denn  auch 
geschah.    Bei  dieser  Gelegenheit  liesze  sich  aber  wol  far  die  alten 
Sprachen  der  Wunsch  aussprechen,  man  möge  sich  wieder  der  metri- 
sehen  Uebungen  ernstlicher  annehmen,  welche  die  Kenntnis  der  latei- 
nischen Sprache  sehr  gefördert  haben.  —    Noch  €\n  Wort  für  die- 
jenigen,  welche   den  Unterricht  nicht  in  unserem  Sinne  betreiben, 
dagegen  die  häusliche  Arbeit,  das  arbeitenlernen  in  den  Vordergrund 
stellen.    Sie  erreichen  in  der  That  nicht,  was  sie  wollen,  weil  die 
5 — 6  standige  tagliche  Schulzeit  dieselbe  bleibt,  sie  mögen  nun  fttr 
] — 2,  oder  für  4 — 5  Stunden  Arbeit  aufgeben.    Lassen  sie  nun  auch 
die  geistige  Anstrengung  bei  weniger  energischem  Verfahren  gerin- 
ger werden ,  so  können  sie  doch  nicht  die  körperliche  Wirkung  der 
6  Schulstunden  aufheben :  in  der  That  aber  wird  diese  bei  geringerer 
geistiger  Thitigkeit  der  Schüler  nur  noch  erschlaffender  und  jiach- 
theiliger  sein.    Endlich  lernen  aber  die  Schüler  sogar  nicht  einmal 
arbeiten,  weil  die  Stotfmasse  sich  der  Beaufsichtigung  entzieht.  Da- 
gegen wird  man  theils  schon  durch  die  Unterrichtsstunde  arbeiten  ler- 
nen, wenn  der  Unterricht  lebhafter,  einfacher,  kurz  zweckmäsziger 
ist:  theils  Uszt  sich  ja  auch  bisweilen  eine  besondere  Anleitung  zur 
Arbeit  in  der  Schule  ertheilen,   indem  man  Arbeiten  gleich  in  der 
Stunde  anfertigen  Ifiszt,  wobei  man  zugleich  der  sehr  gebräuchlichen 
Abschreiberei  besser  auf  den  Grund  sieht.   Der  letzteren  würde  viel- 
leicht auch  dadurch  gewehrt  werden,  wenn  man  die  ausgeschriebenen 
Hefte  nicht  zurückgäbe,  sondern  im  Schularchive  aufbewahrte  und 
jährlich  oder  auch  beim  Abgange  der  Schüler  den.£ltern  oder  Vor- 
mündern anshändigte.    Denn  Arbeitsfascikel  erben  von  Generation  auf 
Generation,  und  selbst  bei  der  Praeparation  kommen  solche  Unter- 
schleife vor. 

Gehen  wir  zur  5.  Thesis  über  (^die  ausführliche  systematische 
Behandlung  einzelner  Lehrfächer,  namentlich  der  Hermeneutik,  Stili- 
stik, Mathematik,  Geographie,  hat  der  Methode  häufig  eine  zu  grosze 
Breite  gegeben'),  so  ist  dieselbe  zum  Theile  schon  im  bisherigen  be- 
antwortet. Ist  aber  hier  von  einer  systematischen  Behandlung 
einzelner  Gebiete  die  Rede,  so  musz  doch  wol  bemerkt  werden,  dasz 
eine  solche  überhaupt  nicht  im  Kreise  der  Schule  liegt.  Das  wissen- 
schaftliche System  liegt  über  der  Schule,  ist  Sache  des  akademi- 
schen Studiums,  während  es  auf  der  Schule  nur  unmittelbar,  nicht 
als  System  selbst  auftritt.  Darum  hätte  man  eigentlich  überhaupt  nicht 
Stilistik,  Rhetorik,  Poötik  zu  lehren,  sondern  nur  aus  diesen  Gebieten 
das  geeignete  an  geeigneter  Stelle  herbeizuziehen. 

Auch  bei  Thesis  6  halten  wir  uns  nicht  auf,  indem  dieselbe  nur 
zusammenfaszt  und  die  .Folgen  der  Uebelstände  andeutet:  (^  Die  Last 
des  Stoffes  und  das  gedehnte  der  Methode  trilft  besonders  die  untern 


1«10  Stodicn  xam  GymnusialireBen. 

und  die  mililern  Klassen  und  hemmt  aneh  fOr  die  obern  den  WisteBs- 
trieb').  Dageg^en  ist  die  7.  Thesis  von  g^roszer  Wichtigkeit;  dieselbe 
lautet:  ^Zu  diesen  Uebelstanden  tritt  hinzu:  a)  dasz  einzelne  Gegeilt 
stönde  zu  lange  durch  die  Klassen  hindurch  gezogen  werden,  b)  dies 
ein  und  derselbe  Gegenstand  in  den  Gymnasien  anter  zu  viele  Lehrer 
verlheilt  wird,  c)  dasz  diejenige«  Bestimmungen  der  Schulordnnngeo, 
welche  auf  einheitliches  zusammenwirken  der  Lehrer  hinzielen ,  nicht 
immer  zu  lebendiger  Ansfahrnng  kommen.' 

Worauf  soll  sich  das  unter  a  bemerkte  beziehen?  Was  soll  spa- 
ter angefangen,  was  früher  aufgegeben  werden?  In  unserm  silcbsi- 
sehen  Regulative  müsten  wir  höchstens,  und  zwar  nur  höchstens,  die 
Geschichte  aufzußndcn,  die  vielleicht  um  eine  Stufe  spfiter  ange- 
fangen werden  könnte,  wogegen  wir  auch  hier,  wie  früher  in  Priaui 
beim  Wegfalle  der  philosoph.  Propaedeulik,  den  Religionsnnterricht 
verstfirken  würden.  Schon  im  Punkte  b  liegt  mehr  auch  für  ans  an- 
wendbares. Wir  würden  dies  namentlich  auf  den  Unterricht  im  Dent- 
schcn  beziehen,  der  z.  B.  nach  dem  Programme  vom  Jahre  1853  ia 
der  Kreuzschule  in  Dresden  in  9  Klassen  von  9  Lehrern  gegeben 
wurde.  Im  Gymnasium  zu  Plauen  (Progr.  v.  1854)  war  er  in  den  6 
Klassen  der  Schule  nicht  nur  in  den  Händen  von  6  verschiedenen  Leh- 
rern, sondern  sogar  in  den  drei  obern  Klassen  noch  so  getheilt,  dass 
die  Declamationsübungen  einem  besondern  Lehrer  übertragen  waren. 
In  der  Blochmannschen  Anstalt  waren  wenigstens  Prima  und  Secunda, 
und  dann  wieder  die  drei  Kealklassen  öinem  Lehrer  anvertraut.  Am 
glücklichsten  stellt  sich  die  Vertheilung  in  den  Landesschulen  her- 
aus ,  wo  der  deutsche  Unterricht  in  Prima  und  Secuuda  mit  dem  Re- 
ligionsunterrichte, in  Tertia  und  Quarta  mit  dem  geschichtlichen  ver- 
bunden war,  ein  Verhältnis,  das  sich  da,  wo  zwei  Religionslehrer 
angestellt  sind,  auch  wol  so  gestalten  laszt,  dasz  der  zweite  Reli- 
gionslehrer den  deutschen  Unterricht  in  den  untersten  Klassen  über- 
nimmt. Ganz  gewis  ist  die  principicllo  Verbindung  des  deutschen 
Unterrichtes  mit  dem  Ordinariate  nicht  zu  empfehlen.  Denn  einmal 
wird  dieses  Unterrichtsgebiet  dadurch  unendlich  zerstückelt,  dann 
wird  der  dazu  nöthigen  individuellen  Befähigung  keine  Rücksicht  ge- 
schen^'^,  endlich  wird  der  Lehrer  des  Griechischen  und  Lateinischen 
mit  einer  dritten  Correctur  überladen,  wodurch  leicht  bewirkt  wird, 
dasz  er  entweder  alles  halb  thut,  oder  das  Deutsche  vernachlässigt. 
Besonders  aber  wird  der  deutsche  Aufsatz  erst  recht  dadurch  frnchl' 
bar,  dasz  der  Lehrer  ihn  mit  andern  Hauptgebieten  in  Verbindung 
^etzt;  denn  dadurch  wird  nicht  nur  das  Deutsche  erst  recht  inhalts- 
voll ,  sondern  auch  die  Arbeitslast  zweckmäszig  beschränkt.  Beilflo- 
flg  empfehlen  wir  noch,  alle  deutschen  Aufsatzthemen  in  den  Schnl- 
annalen  zu  sammeln  und  in  den  Programmen  zu  veröffentlichen. 

Die  wichtigste  und  richtigste  aller  Bemerkungen  Mützells  ist  die 
nnter  c  enthaltene;  diese  trifft  so  recht  mitten  in  die  Praxis  hinein: 
in  Bezug  hierauf  ist  wol  kein  Lehrer  ohne  Erfahrungen.  Unter  die- 
sem einheitlichen  zusammenwirken  der  I^ehrer  verstehen  wir  wol, 


Stadien  zwm  GymMsiilwesen.  131 

dais  dieselben  nicht  nur  fiberall  die  aUg emeiien  der  Schale  za  Grande 
liegenden  Principien  in  Uebereinstimmnng,  je  nach  ihrer  besonderen 
Aufgabe  nnd  Befähignng  verfolgen,  sondern  aaeh^  and  swar  beson- 
ders ,  wenn  sie  in  derselben  Klasse  nnterriehten ,  in  didaktisGher  nnd 
paedagogischer  Beiiehang  sich  stützen  and  ergänzen.  Das  sieht  so 
selbstverständlich  aas,  dasz  man  meinen  sollte,  es  könne  gar  nicht 
anders  sein,  und  doch  ist  es  in  vielen  Stücken  darchaas  nieht  so. 
Sehen  wir  genauer  nach!  'Voraassetzung  musz  hier  vor  allem  die 
wesentliche  Uebereinstimmajig  der  Mitglieder  eines  Lehrercollegiums 
in  religiösen,  politischen,  sittlichen  Angelegenheiten  sein,  wenn  wir 
nicht  den  Menschen  und  den  Beruf  trennen  wollen,  was  doch  nimmer- 
mehr angeht.  Nach  einer  vielbeliebten,  aber  sehr  oberflächlichen 
Ansicht  ist  es  gleichgiltig*',  welche  Ansichten  der  einzelne  habe,  etwa, 
ob  er  positiv  gläubig  oder  diesem  Ziele  zustrebend  sei,  oder  ob  er 
dem  Rationalismus  huldige.  Viele  sagen,  dasz  das  ja  mit  dem  Berufe 
nichts  gemein  habe.  Das  ist  aber  eine  grundfalsche  Meinung,  welche 
die  nothwendige  Einheit  der  menschlichen  Natur,  welche  freilieh 
nur  anzustreben  ist,  von  vornherein  aufheben  will  nnd  den  religiösen 
oder  politischen  Standpunkt  des  Menschen  als  etwas  ansieht,  das  ne- 
ben ihm  steht,  nicht  in  ihm  ruht.  Ist  der  Glaube  ein  nach  Innerlich- 
keit ringender,  die  politische  Ueberzengung  eine  tiefe,  innige,  so  ist 
beides  mit  dem  Menschen  verwachsen ,  dasz  er  eben  fl  b  e  r  a  1 1  gläo^ 
big,  überall  conservativ  oder  überall  das  Gegentheil  ist.  Frei- 
lich bleibt  diese  Einheit  des  denkens,  fühlens  und  bandelns  nicht  frei 
von  Widersprüchen,  aber  der  Mensch  strebt  ihr  doch  entgegen.  Den 
Satz  hat  nur  die  grenzenlose  Leerheit  moderner  Phraseologie  ant- 
stellen  können,  es  könne  jemand  ein  schlechter  Christ  nnd  ein  guter 
Lehrer,  ein  Mann  des  Umsturzes  und  ein  guter  Erzieher  sein.  Im 
Gegentheile  ist  der  Mensch  immer  derselbe,  im  Hause^  in  der  Schale, 
in  dem  Staate,  in  der' Kirche.  Denn  wenn  auch  z.  B.  der  Lehrer  der 
Mathematik  nicht  Religion ,  sondern  Mathematik  lehren  soll  (Palmer 
II  213),  so  gibt  er  doch  darum  nicht  den  Kern  seines  Wesens,  den 
christlichen  Sinn  und  Glauben,  auf,  und  ist  dieser  in  ihm,  so  musz 
er  sich  auch,  wenn  nicht  unmittelbar  in  dem  Lehrstoffe,  so  doch  mit- 
telbar in  tausend  Stücken  zeigen.  Eine  solche  Voraussetzung  ist  also 
von  vornherein  nolhwendig,  und  wir  wollen  hier  von  derselben  aas- 
gehen. Nun  kann  man  zwar  bei  den  meisten  Mängeln  unsers  öffent- 
lichen und  häuslichen  Lebens  sagen,  dasz  in  letzter  Instanz  der 
Mangel  echt  christlichen  Sinnes  schuld  sei,  wir  haben  aber  hier  wol 
zu  berücksichtigen,  dasz  auch  bei  dem  tüchtigsten  streben  und  ern-< 
stesten  wollen  auf  Erden  noch  Mängel  und  Schwächen  übrig  bleiben. 
So  wird  denn  auch  ein  jene  wesentliche  Uebereinstimmnng  besitzen- 
des Collegium  immer  noch  genug  des  mangelhaften  behalten. 

Fragen  wir  nun  nach  jenem  von  Mützell  beklagten  Mangel  mi 
Uebereinstimmnng  im  wirken,  so  zeigt  sich  dieser  im  Unterrichte  ond 
in  der  Disciplin,  in  der  didaktischen  nnd  paedagogisohen  Behandlang 
der  Aufgabe.   Nicht  als  ob  wir  meinten,  der  eine  solle  dem  andeni 


132  Studien  zum  Gymnasial wcsen. 

völlig  gleichen;  das  liicsz.c  ja  die  Vcrscliiedenlieit  der  mensclilichen 
Naturen  verkennen,  verkennen  dasz  die  öfTenlliche  Schule  sich  gerade 
durch  dieses  zusammenwirken  verschiedener  Individualitäten  aasseich- 
net.  Aber  wie  verschieden  auch  die  lehrenden  durch  ihre  Begabung, 
wissenschaftliche  Richtung,  durch  die  von  ihrer  Natur  ihnen  gebotenen 
Miltel  seien,  die  Aeuszerung  der  verschiedensten  Naturen  und  die 
Anwendung  der  ungleichartigsten  Mittel  musz  doch  immer  in  dem- 
sell)en  didaktischen  und  paedagogischen  Zwecke  zusammentreffen. 
Nun  mag  im  allgemeinen  in  der  Schule  ein  Uebelstand  hier  seltener 
eintreten;  es  mag  selten  die  Feindschaft  realistischer  und  humanisti- 
scher Lehrer  sich  in  einer  unpaedagogischcn  Aeuszerung  Luft  machen, 
selten  auch  die  Neigung,  einen  Collegen  gelegentlich  zu  corrigieren, 
bei  der  Uebernahmo  eines  Unterrichtes  von  schlechtem  Stande  -der 
Klasse,  wie  nun  alles  anders  werden  müsse  usw.,  zu  reden,  Raum 
gewinnen:  schon  bei  der  ungleichen  Handhabung  der  Ordnung  im  Un- 
terrichte und  Correctur,  wodurch  der  Schüler  leicht  veranlasst  wird, 
Ordnung  für  Pedanterie  zu  halten,  und  bei  der  überaus  ungieicheo 
disciplinarischen  Wirksamkeit  der  Collegen  wird  die  Sache  bedenk- 
lich. Indes  mag  das  alles,  so  lange  diese  Verschiedenheiten  nicht  in 
derselben  Klasse  sich  berühren,  noch  allenfalls  angehen;  in  derselben 
Klasse  aber  haben  diese  Ungleichheilen  die  bedcnklishsten  Conso- 
quenzen.  In  disciplinarischer  Hinsicht  wäre  es  nun  zwar  verkehrt  zu 
verlangen,  dasz  der  eine  so  streng  wie  der  andere  oder  umgekehrt 
dieser  so  mild  wie  jener  sein  sollte:  denn  Strenge  und  Blilde  sind 
eben  verschiedene  Eigenschaften,  die  nicht  wol  verleugnet  vrerden 
können:  aber  es  wäre  doch  nicht  minder  verkehrt,  wenn  diese  Ei- 
genschaften mit  subjectivcr  Willkür  walten  sollten.  Vielmehr  haben 
beide  Lehrer,  der  strenge  und  der  milde,  dasselbe  Ziel  zu  errei- 
chen, und  dazM  ist  es  unumgänglich  nothwendig,  dasz  sich  die  Milde 
zur  Strenge,  die  Strenge  zur  Milde  selbst  erziehe.  In  bclrulT  der  allge- 
meineren Bestimmungen  der  Schule  aber,  der  Kegeln  über  die  Haltung 
in  der  Klasse,  über  das  Verfahren  beim  antworten,  über  die  Art,  wie 
der  Lehrer  seine  Klasse  beim  Eintritte  in  dieselbe  finden  will,  musz  in 
einer  Klasse  unter  den  in  derselben  unterrichtenden  Lehrern  wesent- 
liche Uebereinslinimung  herschcn.  Je  niedriger  die  Klasse  ist,  desto 
nothwondiger  ist  dieser  Einklang,  weil  das  Kind  noch  nicht  Ober 
die  durch  das  verschiedene  Vorfahren  entstehenden  Conllicto  hinant- 
kommt.  Das  ist,  weil  es  denn  doch  im  besten  Falle  ohne  Verschie- 
denheit nicht  abgeht,  allein  hinreichend,  um  den  Wunsch  zu  erklären, 
dasz  in  den  untern  Klassen  nur  wenig  Lehrer,  und  nicht  blosz  die 
jüngsten  und  unerfahrensten,  unterrichten  möchten.  Man  sagt  wol, 
dasz  im  Kinde  das  Gefühl  der  Pflicht  genug  wirke,  aber  das  ist  nur 
halb  wahr:  das  Kind  besitzt  auch  eine  wahrhaft  wunderbare  Bega- 
bung, die  Schwächen  des  Lehrers  zu  sehen  und  sich  der  ihm  durch 
dieselben  werdenden  Concessioncn  zu  bemächtigen.  Wenn  nun  der 
eine  Lehrer  streng  auf  Ruhe  in  der  Klasse,  praecise  Antworten  usw. 
hält,  der  andere  dagegen  es  gern  hat,  wenn  *es  recht  lebhaft  her- 


Stadien  zum  GymnasUilweien.  133 

geht',  10  eoll  man  nur  die  verschiedene  Phyiiognomie  der  Klasse 
sehen.  Nehmen  wir  ferner  an,  dass  der  eine  Lehrer  pünktlich  be- 
ginnt, der  andere  nicht,  der  eine  verlangt  dasz  die  Schaler  bei  sei- 
nem Eintritte  auf  den  Plätzen  sitzen,  der  andere  sich  begnügt,  wenn 
3ie  sich  dann  allmählich  verlaufen ,  so  ist  das  nicht  gut.  Noch  schlim- 
mer ist  es,  wenn  manche  Lehrer  so  gar  kein  Auge  für  das  in  ihren 
Stunden  vorgehende  haben,  wodurch  oft  die  redlichsten  Bemühnngen 
anderer  vereitelt  werden.  Ueberhaupt  bewirkt  solche  ungleichartige 
Disciplin  nicht  blosz,  dasz  sich  die  Wirkung  der  Schule  schwächt, 
wenn  wir  auch  noch  von  positiv  schlechten  Einflüssen  absehen  wol- 
len, sondern  auch  dasz  der  Schüler  zu  früh  aufgefordert  wird,  über 
seine  Lehrer  und  die  Unterschiede  zu  reflectieren.  Das  Auctoritäts- 
gefühl,  das  in  unserer  Zeit  so  dringend  der  Stütze  bedarf,  das  in 
der  Schule  geweckt  und  gestützt  werden  musz ,  bekommt  die  empflnd- 
liebsten  Stösze;  die  Sophisterei  und  Kunst  sich  selbst  etwas  vor- 
zulügen, die  im  Kinde  liegt  und  so  unendlich  viel  Gefahr  in  sich 
schlieszt,  wird  geradezu  herausgefordert.  Soll  also  in  der  Schule 
überhaupt  schon  6  i  n  disciplinarischer  Geist  herschen ,  der  durch  die- 
ses Streben  nach  Einheit  nicht  die  Verschiedenartigkeit  der  wirken- 
den Mittel  beeinträchtigen  will ,  so  musz  dies  noch  mehr  in  der  ein- 
zelnen Klasse,  je  tiefer  dieselbe  steht,  in  um  so  höherem  Grade  der 
Fall  sein. 

Aber  auch  der  Unterricht  in  einer  Klasse  verlangt  eine  Ueber- 
einstimmung.  Diese  äuszert  sich  zunächst  darin ,  dasz  alle  den  Klas- 
senstandpunkt und  das  Klassenziel  vor  Augen  haben,  und  dasz  jedes 
Fach  das  andere  respectiert.  Nächsldem  aber  gehört  dazu  eine  Gleich- 
mäszigkeit  in  der  Behandlung  der  Lern-  und  Schrei banfgaben ,  ein 
Gleicbmasz  in  der  Quantität  und  gleichmäszige  Beachtung  der  Qua- 
lität. Die  Lehrer  müssen  vom  lernen  und  arbeiten  möglichst 
gleich  denken,  d.  b.  der  eine  darf  nicht  zu  genau  und  der  andere 
zu  ungenau  verfahren,  der  eine  gut,  der  andere  schlecht  corrigieren, 
der  eine  saubere  Hefte  begehren,  der  andere  sich  mit  wahren  Fetzen 
begnügen ,  der  eine  auf  regelmäszige  Ablieferung  halten ,  der  andere 
in  beliebigen  Zeilräumen  fordern.  An  Beispielen  wäre  hier  wahrlich 
kein  Mangel.  Wenn  z.  B.  der  Lehrer  des  Deutschen  vorschriflsmäszig 
alle  3  Wochen  eine  Arbeit  einfordern  soll,  was  für  das  Halbjahr  8 
Arbeiten  ergäbe,  und  er  läszt  anfangs  4wöchentliche  Fristen  bestehen 
und  treibt  dann  zuletzt  die  fehlenden  Arbeiten  noch  schnell  zusam- 
men, wie  wird  da  eine  Arbeitseintheilung  möglich?  Wenn  der  Lehrer 
des  Griechischen  beim  lernen  der  Vokabeln  genau  auf  jede  Silbe 
hält,  der  Lehrer  des  Deutschen  beim  lernen  von  Gedichten  jede  Va- 
riante zuläszt,  was  soll  dabei  herauskommen?  Wenn  jemand  den  für 
das  lernen  selbst  aus  dieser  Ungleichheit  hervorgehenden  Nachtheil 
gering  anschlägt,  so  darf  er  doch  den  sittlichen  Nachtheil  nicht 
übersehen.  Wenn  dem  Quartaner  ein  Lehrer  sagt,  die  Aufgabe  sei 
nicht  erfüllt,  an  der  ein  Wort  fehle,  der  andere  ihm  alle  Ungenanig- 
keiten  dnrchläszt,  was  soll  der  Schüler  denken?  Je  länger  ihm  Pflicht 

iV.  Jahrb,  f,  PhU,  M.  PoBd.  Bd.  LXXIV.  Hß,  3.  ^0 


134  Studien  zum  Gymnasialwesen. 

und  Leliror  in  einem  Gedanken  verwachsen  bleiben,  je  spater  er 
ans  zweifeln  und  beurtheilen  kommt,  desto  besser  für  ihn.  Je  spater 
an  den  Knaben  die  Conflicte  herangebracht  werden,  desto  kriifliger 
steht  er  ihnen  spater,  wo  sie  leider  unvermeidlich  sind,  gegenüber. 
Aber  auch  die  quantitative  Behandlung  kommt  wesentlich  in  Frage. 
Die  wesentliche  Uebereinstimmung  in  diesem  Punkte  ist  eine  drin- 
gende Forderung,  deren  Vernachlässigung  wir  zum  Tbeil  die  Klagen 
wegen  der  Ueberladung  der  Schüler  verdanken.  Denn  nehmen  wir 
z.  B.  an,  dasz  in  Quarta  ein  Lehrer  in  Religion  und  deutscher  Sprache, 
ein  Lehrer  in  den  alten  Sprachen,  ein  dritter  in  Geschichte  und  Geo- 
graphie, ein  vierter  in  Alathcmatik  und  Naturwissenschaft,  ein  fünfler 
im  Französischen  unterrichte,  so  hätten  wir  5  Lehrkräfte,  was  woi 
nicht  zu  viel  heiszt.  Gehen  diese  5  Lehrer  gleich  tüchtig,  mil  gleich 
starker  Forderung  und  gleicher  Energie  im  dringen  auf  die  Erfttllong 
der  Aufgabe  zu  Werke,  so  ist  damit  schon  die  Ueberladung  gegeben. 
Wie  ist  dem  abzuhelfen,  da  doch  auf  der  andern  Seite  die  Energie 
im  festhalten  an  der  Forderung  so  nothwendig  ist,  dasz  wer  es  nicht 
genau  mit  der  Aufgabe  nimmt,  lieber  gar  nichts  aufgeben  sollte? 
Man  entgegnet  vielleicht,  auch  hier  sei  das  Masz  durch  Vorschriflett 
gegeben.  Aber  welcher  Spielraum  bleibt  innerhalb  der  Vorschrift 
übrig!  Kann  doch  die  Vorbereitung  auf  den  lat.  Schriftsteller  z.  B. 
ebenso  woi  eine  bcdeuttMuIe,  wie  eine  geringe  Arbeit  sein,  nnd  das- 
selbe Verhältnis  zeigt  sich  überall.  Man  wird  darauf  vorschlagen,  es 
solle  in  jeder  einzelnen  Kla.sso  festgestellt  werden,  was  anfgcgeben 
werden  solle.  Das  ist  allerdings  eine  vortreffliche  Maszregol,  die 
schon  mit  bestem  Erfolge  angewendet  worden  ist.  Aber  es  ist  nicht 
zu  übersehen,  dasz  man  nichts  erreicht,  wenn  man  dabei  nicht  sorg- 
fältig verfährt.  Denn  verlangt  etwa  der  Lehrer  der  Mathematik  far 
4  wöchentliche  Unterrichtsstunden  2  Stunden  Arbeitszeit  im  Laufe  der 
Woche,  so  ist  das  sehr  gut,  wenn  er  es  vom  richtigen  Standpunkte 
aus  sagt;  aber  wie  schwer  ist  es,  sich  in  dieser  Rechnung  nicht  zn 
irren,  da  die  geistige  Befähigung  und  das  Arbeitsgeschick  der  Schüler 
so  sehr  verschieden  ist.  Man  frage  nur  einmal  10  (verschiedene) 
Schüler,  wie  viel  Zeit  sie  für  ein  lateinisches  Specimen  braueben, 
und  man  erhält  violleicht  10  verschiedene  Antworten.  Darum  ist  beim 
Beginne  jedes  Cursus  eine  sehr  sorgfältige  Erörterung  durch  den  Di- 
roctor,  Ordinarius  und  die  andern  beschäftigten  Lehrer  nothwendig, 
welche  unter  Zugrundelegung  einer  gewissen  Stundenzahl  eine  zweek- 
mäszige ,  den  mittleren  Durchschnitt  zieheude  Zeiteinthcilung  und  Ar- 
bcitsfeststelluug  mit  Berücksichtigung  des  Lehrplanes  gebe.  Aach 
überzeuge  man  sich  im  Laufe  des  Semesters  oder  Cursus  von  der 
Brauchbarkeit  dieses  Planes,  an  dem  aber,  wenn  er  einmal  feststeht, 
unverbrüchlich  festzuhalten  ist,  und  der  nnr  durch  die  Lehrcrconfe- 
renz,  nicht  durch  den  einzelnen,  geändert  werden  darf.  Endlich  aber 
paralysiere  man  diese  wolthfitige  Einrichtung  nicht  durch  willkürliche 
und  unmuszigo  Anwendung  von  Strafponsen,  die  bisweilen  ins  aben- 
teuerliche gehen.     Denn  wenn  man  sich  gewöhnt  Strafarbeiten  als 


Stadien  zam  Gymnasialwesen  135 

Disciplinarmittel  anzuwenden,  so  wird  niehl  nnr  die  Zeit vertheiiang 
vGIIig  annütz  und  frachtlos,  sondern  es  verliert  anch  sehr  oft  die 
Strafe  alle  Wirkung,  weil  sie,  so  zu  sagen,  den  Tod  schon  in  sich 
trfigt.  Dies  wird  besonders  in  den  Schulen,  welche  den  obern  Schü- 
lern Strafrechte  einräumen,  zu  beachten  sein:  denn  wenn  man  auch 
feststellt,  dasz  die  Lehrer  diese  Strafen  überwachen  sollen,  so  ist 
doch  auch  zu  beherzigen ,  dasz  die  Berufung  an  die  obere  Instanz  des 
Lehrers  von  vornherein  für  den  nutern  Schaler  mit  Schwierigkeiten 
verbunden  ist.  Ist  aber  die  Strafe  als  paedagogisches  Mittel  eine  so 
schwierige  Sache,  dasz  auch  der  Lehrer  darin  niemals  auslernt,  so 
ist  schwerlich  dem  Primaner  schon  paedagogische  Umsicht  zuzu- 
trauen. 

Wir  gehen  zu  der  letzten  der  Mützellschen  Thesen  fiber,  welche 
von  den  Translocationsexamen  und  der  AbiturientenprQfung  bandelt: 
*8.  Endlich  sind  es  die  Translocationsexamina  und  das  Abiturienten- 
examen, durch  deren  Einrichtung  für  die  Schttler  theils  eine  tempo- 
räre Ueberladung,  theils  eine  fortwährende  Zerspitterung  eintritt.' 
Die  ersteren  bestehen  unseres  Wissens  in  Sachsen  nicht,  sondern  et 
finden  nur  jährliche  mündliche  und  schriftliche  Prüfungen  statt.  Die- 
selben werden  aus  vielen  Gründen  beibehalten  werden  müssen ,  obwol 
sich  bei  den  schriftlichen  Prüfungen  namentlich  unterer  Klassen  die 
möglichste  Vereinfachung  empfiehlt;  vielleicht  lieszen  sich  dieselben 
auf  mehrere  Wochen  vertheiien.  Dagegen  möchten  wir  mündlichen 
Prüfungen  einzelner  Klassen  während  des  Cursus  zur  bessern  Orien- 
tierung des  Directors  und  der  übrigen  Lehrer  über  den  Standpunkt 
der  einzelnen  Abtheilungen  das  Wort  reden.  Dadurch  wird  eine  ge- 
nauere Kenntnis  der  einzelnen  Lehrer  von  den  Leistungen  der  Schüler 
vermittelt,  es  entsteht  eine  lebendigere  Gemeinschaft  des  wirkens,  ja 
es  kann  auch  manchem  Versehen  vorgebeugt  werden.  Ist  es  doch 
nicht  wenig  wttnschenswerlh,  dasz  der  Lehrer  von  Quarta  genau  die 
nächst  höhere  Klasse,  auf  die  er  hinführt,  kenne,  und  bei  der  ofl 
parallelen  Lage  der  Stunden  ist  das  durch  hospitieren  schwer  zu  er- 
reichen. 

Wie  endlich  durch  das  Abiturientenexamen  eine  temporäre  Ue- 
berladung und  fortwährende  Zersplitterung  eintrete,  ist  uns  weder 
aus  den  preuszischen ,  noch  aus  den  sächsischen  Einrichtungen  er- 
sichtlich. Allerdings  hat  das  Abiturientenexamen  nicht  wenig  Gegner, 
aber  sie  werden  es  hoffentlich  nicht  beseitigen.  Es  ist  wahr,  der 
Gymnasiallehrer  lernt  seinen  Schüler  nicht  durch  diese  Prüfung  bes- 
ser kennen,  und  ebenso  wahr  ist  es,  dasz  ein  Spielraum  für  den  Zufall 
bleibt.  Aber  dem  Schüler  gienge  durch  den  Wegfall  dieses  Examens 
etwas  verloren,  das  nicht  zu  ersetzen  sein  möchte:  der  Hinblick  anf 
ein  zu  erreichendes  Ziel.  Zudem  ist  es  ein  inneres  Bedürfnis  der 
menschlichen  Natur,  gewisse  Lebensperioden  durch  einen  fiuszern  Act 
abzuschlieszen.  Diesem  Bedürfnisse  wird  durch  die  blosze  Erklärung 
des  Lehrercollegs,  dasz  der  Schüler  reif  sei,  nicht  genug  entspro- 
chen, obwol  diese  Einrichtung  z.  B.  in  Frankfurt  a.  M.  besteht.    Es 

10* 


136  Studien  zum  Gymnasialwesen. 

ist  übrigens  auch  iu  Betracht  zu  ziehen,  was  Geh.  R.-R.  Wiese  in 
jenen  Verhandlungen  bemerkte,  dasz  die  Oberbehörde  das  Examen 
nicht  aufgeben  kann,  um  auf  rerschiedenen  Schulanstalten  gleiche 
Forderungen  festzuhalten.  Neuerdings  hat  das  k.  württembergische 
Ministerium  (Verordnung  v.  9.  Febr.  1834)  die  Abiturientenprafnngen 
von  den  Gymnasien  an  eine  besondere  Prüfungscommission  verwiesen. 
Wir  zweifeln  nicht,  dasz  dies  eine  gröszere  Gleichmäszigkeit  her- 
beiführen wird,  aber  sollte  man  den  Gymnasien  diesen  Act  des  Ab- 
schlusses nicht  überlassen  können?  Ueberschreitet  man  nicht  dabei 
schon  die  Linie  der  Schule  und  zieht  den  Schlusz  des  Schullebens  anf 
ein  fremdes  Gebiet  hinüber?  Freilich  eine  gröszere  Conformitfit  in 
der  Abhaltung  der  Prüfungen  mag  wol  bisweilen  zu  wünschen  sein; 
denn  es  ist  gewis,  dasz  sich  Meinungen  über  die  verschiedene  Schwie- 
rigkeit der  Prüfungen  an  den  einzelnen  Schulen  des  Landes  fest- 
setzen, denen,  was  immer  irriges  an  ihnen  sei,  doch  wol  irgend 
etwas  wahres  zu  Grunde  liegt.  Vor  allem  zögen  wir,  auch  hier  we- 
sentlich mit  unsern  Landeseinricbtungen  einverstanden ,  das  arbeilen 
unter  Aufsicht  der  Clausurarbeit  vor,  wie  denn  alles,  was  Clan- 
sur  heiszt,  auf  der  Schule  mit  äuszerstcr  Vorsicht  anzuwenden  sein 
möchte.  Der  Vf.  dieser  Blätter  hat  die  Maturitätsprüfung  anszer  in 
Sachsen  auch  in  Preuszen  bestanden  und  erinnert  sich  wol,  wie  die 
schriftlichen  Arbeiten  unmittelbar  unter  dem  Auge  des  die  Arbeit  auf- 
gebenden Lehrers  gefertigt  wurden,  und  wie  streng  man  an  der  vor- 
geschriebenen Stundenzahl  festhielt:  auch  erinnert  er  sich  des  beson- 
ders eingehend  abgehaltenen  mündlichen  Ueligionsexamens,  wie  denn 
die  ganze  mündliche  Prüfung  —  ob  dem  Ausländer  gegenüber?  — 
sehr  eingehender  Art  war.  Nur  ^ins  gestatten  wir  uns  noch  hinzn- 
zufügen,  nemlich  die  Frage,  ob  die  Nummerabstufungen  unserer  Cen- 
suren  bei  den  Abgangsprüfungen  sich  wol  empfehlen:  wenn  wir  1% 
I,  1^  IIa,  II,  11^  111%  III  nnden  und  auch  noch  lil^  einen  Reifegrad 
ausdrückt,  so  wird  die  Nuancierung  des  einen  Begriffes:  reif  so 
fein,  dasz  man  in  die  gröszte  Verlegenheit  käme,  wenn  man  das  Zah- 
lenurtheil  in  Worte  umsetzen  sollte.  Sollte  es  nicht  besser  sein,  ent- 
weder die  Zahlen  mit  den  einfachen  Ausdrücken  ^reif,  bedingt 
reif,  unreif  zu  vertauschen,  oder  sie  auf  eine  geringere  Aniahl 
von  Abstufungen  zu  beschranken?  Auch  empfiehlt  sich  die  in  meh- 
reren Ländern  bestehende  Einrichtung,  dasz  dem  Gesamturtheile  eine 
genaue  Angabe  der  Leistungen  in  den  einzelnen  Gebieten  beigefügt 
wird,  insbesondere  auch  dadurch,  dasz  bei  dem  Zeugnis  einer  be- 
dingten Reife  es  dem  betreffenden  möglich  ist,  sich  das  Maturitits- 
zeugnis  in  dem  einen  Gegenstande,  in  dem  er  durchaus  znrOekb1ieb| 
sich  nachträglich  zu  verschaffen. 

Fassen  wir  nun  zuletzt  noch  zusammen,  was  sich  als  Hanptre- 
suUat  obiger  Betrachtungen  ergibt,  so  gelangen  wir  zu  folgenden 
Sätzen: 

l)  Es  handelt  sich  im  Gymnasium  weniger  um  eine  Verringemng 


Studien  sum  Gymatiialwesen.  137 

der  Anzahl  der  Lehrgegenatindc  oder  um  eine  AbSnderung  der  Lehr- 
ziele, sondern  um  eine  einfachere  paedagogische  Behandlung. 

2)  Der  Ueberbürdung  und  zu  groszen  Anspannung  der  Schfiler 
wird  am  besten  durch  eine  energischere,  mehr  unmittelbar  wirkende 
Benutzung  des  Unterrichtes  gesteuert. 

3)  Eine  solche  fahrt  von  selbst  eine  Verminderung  des  inner- 
halb der  gestellten  Aufgabe  liegenden  Stoffes  und  eine  Beschrfinknng 
der  häuslichen  Arbeiten  (namentlich  der  schriftlichen)  herbei.    • 

4)  Diesem  Ziele  strebt  besonders  das  einheitliche  zusammenwir- 
ken der  Lehrer  im  ganzen  und  rorzOglich  i  n  der  einzelnen  Klasse  zu, 
theils  durch  gleichmäszige  Zucht,  theils  durch  strenges  festhalten  an 
der  fiber  das  Masz  der  aufzugebenden  Arbeiten  getroffenen  lieber- 
einkunft.  I|ieranf  ist  nicht  nur  bei  der  Anwendung  des  Lehrplanes, 
sondern  auch  bei  der  Vcrtheilung  der  Lehrkräfte  in  der  Klasse  Rack- 
sicht  zu  nehmen. 

5)  Auch  die  Anwendung  der  Strafpensa  ist  auf  ein  vor  Ueber- 
bürdung und  unvortheilhafler  Wirkung  der  Strafe  schützendes  Masz  za 
beschränken. 

6)  Für  die  Erhöhung  der  erziehenden  Thäligkeit  empfehlen  sich 
nicht  nur  gelegentlich  anzustellende  Uebungen  im  arbeiten  während 
der  Schulzeit  selbst,  welche  in  den  untern  Klassen  die  Anweisung 
zum  richtigen  arbeilen  geben,  in  den  obern  die  Selbslthatigkeit  über- 
wachen, sondern  es  wird  auch  das  gesamte  Unterrichts-  und  Erzie- 
hnngsleyn  der  Schule  durch  von  Zeit  zu  Zeit  eintretende  Special- 
prüfungen der  Klassen  lebendiger  und  einheillicher. 

Ist  es  längst  und  oft  als  ein  Mangel  der  Gelehrten,  auch  der  Phi- 
lologen ,  beklagt  worden ,  dasz  sie  nicht  genug  paedagogischen  Sinn 
haben,  so  gelten  die  gemachten  Bemerkungen  zum  guten  Theile  dem 
gesamten  Gymnasialwesen.  Gern  sprechen  wir  nns  selbst  Mängel  zu, 
die  wir  an  andern  wahrnehmen:  lernt  man  doch  manchen  Fehler  an 
sich  selbst  erst  dadurch  kennen,  dasz  man  ihn  anderswo  auffindet, 
und  sieht  man  doch  auch  umgekehrl  schärfer,  wenn  man  der  eignen 
Mängel  sich  bewust  ward. 

Zugleich  wird  es  auch  unschwer  einleuchten,  wie  einzelne  der 
oben  geschilderten  speciell  in  uuserm  Lande  obwaltenden  Verhältnisse 
im  Gymnasialwesen  mit  den  späteren  Bemerkungen  im  Zusammen- 
hange stehen:  namentlich  wirkt  jenes  Klassenlehrersystem  einer  ech- 
ten paedagogischen  Behandlung  der  Aufgabe  entgegen,  und  läszt  sie 
bisweilen  gar  nicht  zu. 

Freilich  wird  eine  Abhülfe  nicht  leicht  sein ,  weil  alle  paedago- 
gische  Theorie  erst  durch  die  Erfahrung  fruchtbar  wird.  Erziehen 
kann  nur  der,  welcher  daran  gedacht  hat,  sich  selbst  zu  erziehen,  und 
wer  so  weit  gekommen  ist,  hat  damit  auch  die  Einsicht  gewonnen, 
wie  viel  ihm  selbst  noch  fehlt.  Aber  diese  Einsicht  wird  nicht  nur 
die  Liebe  zum  Grundgesetze  seiner  Faedagogik  machen ,  sondern  die- 
ser auch  die  Strenge,  ohne  diepebe  nicht  Liebe  ist,  verleihen. 


138  Studien  zum  Gymaasialwesea. 

Wir  Laben  absichtlicli  unsere  Besprechungen  um  einzelne  Haupt- 
punkte concentriert,  weil  der  Stoff  so  unendlich  reich  ist,  dasz  er 
nirgends  ein  Ende  zeigt.  Deshalb  müssen  einige  besondere  Punkte 
einer  späteren  Gelegenheit  überwiesen  werden. 

Wenden  wir  uns  nun  schlieszlich  noch  einmal  zurück,  so  leitete 
uns  der  Gedanke,  dasz  der  Aufschwung,  den  das  Realschnlwesen  in 
jüngster  Zeit  genommen,  zum  Theil  von  vorhandenen  Mangeln  des 
Gymoasialwesens  unterstützt  worden  sei.  Wir  glaubten  insbesondere 
in .  unserm  theuern  Vaterlande  eine  dem  Gymnasialweson  nicht  recht 
günstige  Lage  der  Dinge  zu  bemerken.  Denn  gerade  Sachsen  war 
lange  Zeit  berühmt  durch  seinen  Humanismus,  durch  seine  Philologie^ 
und  wenn  wir  auch  die  letztere  nicht  von  jedem  Vorwurfe  freispre- 
chen können,  so  war  es  doch  mehr  die  allgemeine  rationalistische 
Zeitstimmung,  welche  anzuklagen  ist,  als  die  Philologie  selbst  in 
ihrer  wissenschaftlichen  Tendenz.  Dasz  wir  von  jenem  Ruhme  ein- 
gebüszt  haben,  ist  ebenso  gewis,  wie  dasz  der  durch  Gottes  Gnade 
und  das  Streben  der  Regierung  eingetretene  Umschwung  im  religiö- 
sen Leben  eine  Blüte  des  Humanismus  nicht  ausschlieszt.  Aber  die 
Zahl  der  sächsischen  Philologen  hat  sich  gemindert,  ist  es  auch 
nicht  so  schlimm,  wie  es  jüngst  einem  Zeitungscorrespondenten  eines 
auswärtigen  Blattes  —  ein  ferner  Freund  Iheilte  die  Notiz  mit  — 
schien,  mit  dem  wir  sonst  nirgends  harmonieren.  Die  Zahl  un- 
serer Gymnasien  ist  im  Verhältnis  zur  Bevölkerung  nicht  grosz, 
wir  haben  11  auf  über  1800000  Einwohner,  während  Haiuiover  17 
Gymnasien,  das  Groszherzogthum  Hessen  6  Gymnasien  hat:  das  Kö- 
nigreich Prcuszen  halte  1854  nicht  weniger  als  121  Gymnasien  ohne 
die  Progymnasien  (39).  Dazu  kommt  die  verhältnismäsig  schwa- 
che Frequenz  der  sächs.  Gelehrtenschulen,  die  zusammen  wol 
nicht  auf  1600  Schüler  zählen.  Dagegen  waren  Ostern  1854  in  den  4 
Gymnasien  zu  Breslau,  wobei  allerdings  etwa  400  Schüler  auf  die 
Vorbereitungsklassen  zu  rechnen  sind,  2067  Schüler.  Unter  den  21 
Gymnasien  der  pr.  Provinz  Schlesien  hatte  nur  ^ins  (Lauban)  unter 
100(94)  Schüler,  drei  andere  (Hirschberg,  Görlitz,  Liegnitzer  Ril- 
terakad.)  unter  200,  (120,  180,  114),  die  andern  meist  weit  über  2ö0. 
In  der  pr.  Provinz  Pommern  kam  Ostern  1851  auf  625  Köpfe  der 
gesamten  Bevölkerung  1  Gymnasialschüler:  wir  hätten  in  Sachsen 
wenigstens  das  Verhältnis  1  :  IIDO.  Für  den  Zweck  dieser  Blätter 
genügen  diese  Notizen ,  die  wir  bei  einer  andern  Gelegenheit  vervoH- 
ständigen  werden. 

Aber  wenn  auch  die  Gymnasien  und  vielleicht  besonders  die 
sachsischen  Gymnasien  theils  durch  einzelne  Uebelslände  in  ihrer  Orga- 
nisation, theils  durch  die  von  diesen  mit  begünstigte  unpaedagogiscbe 
Wirksamkeit  manches  verschuldet  haben ,  so  glauben  wir  doch  mit 
liebe  und  Begeisterung  an  dem  humanistischen  Principe  festhalten  zu 
dirfen «  aber  auch  die  Pflicht  zu  haben ,  mitzuwirken ,  dasz  die  Abnei- 
<««£  der  Zeit  dasselbe  zur  Aufmerksamkeit  auf  sich  und  zur  Läute- 
"^'itt  seines  Wesens  veranlasse.    Denn  an  dem  Fortbestande  der  Gym- 


Sludien  zum  Gymnasial wesen.  189 

nasien  zweifeln  wol  auch  die  Realisten  nicHt:  möchten  nur  auch  die 
Humanisten  nicht  bloss  geduldig  zuwarten,  sondern  Hand  anlegen« 
dasz  sie  ihre  Aufgabe  mehr  und  mehr  erfüllen.  Den  Glauben  an  die 
gerade  für  die  Bedürfnisse  unserer  Zeit  vorzugsweise  befähigte  Kraft 
des  Humanismus  haben  wir  freimütig  ausgesprochen:  müstejadoeh 
selbst  der  Gegner  des  Frincipes  den  Humanisten  tadeln,  der  halb  bei 
seiner  Sache  steht.  Auch  haben  wir  nicht  verhehlt,  wie  wir  an  der 
bildenden  Kraft  des  realistischen  Frincipes  und.  an  der  Möglichkeil 
eines  modernen  Humanismus  zweifeln,  aber  wir  haben  das  historisch 
gewordene  Recht  der  Realschulen  nicht  bestritten.  Wie  die  Dinge 
stehen,  werden  beide  Principe  der  Entscheidung  der  Zeit  entgegen- 
sehen müssen ,  beide  aber  müssen  wol  gerüstet  das  Urtheil  erwarten. 
Denn  bei  aller  Liebe  und  Treue,  bei  aller  Begeisterung  für  unsere 
Lebensaufgabe,  sind  jene  andern  Gebiete  ausgiebiger,  förderlicher, 
den  Haupterfordernissen  unserer  Zeit  entsprechender,  gern  wollen 
wir  dann  die  Fahne  des  unsieghaft  gewordenen  Humanismus  verlas* 
sen.  Nicht  die  Sache  an  sich  gilt,  sondern  ihr  Wesen,  ihre  Bedeu* 
tung,  ihre  Wirksamkeit  für  das,  was  unerschütterlich  feststeht.  Nur 
wenn  die  Wirkungen  der  humi^iistischen  Sludien  in  das  Centrum  der 
Zeitanfgabc  hineintreffen,  wollen  wir  an  ihnen  festhalten:  sonst  auf 
keinen  Fall  und  um  keinen  Freis.  Einstweilen  ist  dies  noch  unsere 
Ueberzeugung,  und  darum  halten  wir  an  ihr  und  wollen  in  diesem 
Sinne  wirken,  wo  es  verstattet  sein  wird,  unmittelbar  zu  handeln. 
In  diesem.  Sinne  haben  wir  diese  Darstellung  versucht,  um  wenigstens, 
toto  animo  bei  der  Lebensaufgabe  zu  sein,  und  um  dieses  redlichen. 
Sinnes  willen,  der  nach  Belehrung  und  nach  Erfüllung  der  Aufgabe 
strebt,  sehen  wir  einer  wol  wollenden  Aufnahme  vertrauensvoll  ent- 
m. 

Dresden.  F,  Paldamus, 


6. 

Berg  er:  Lateinische  Grammatik  für  den  Unterricht  auf  Gymna- 
sien. Zweite  verbesserte  Auflage.  Celle,  Capaun  -  Kariowa 
1832.    VUI  0.  279  S.  8. 

Die  erste  Auflage  dieser  Grammatik  erschien  im  Jahre  1848  und 
bahnte  sich  rasch  einen  Weg  in  viele  Gymnasien,  ein  Beweis,  dasz 
sie  bei  der  groszen  Zahl  der  lateinischen  Grammatiken  doch  einem 
tief  gefühlten  Bedürfuisse  abhalf  und  sich  dadurch  Anerkennung  zu 
verschaffen  wüste.  —  Wenn  wir  nun  so  split  nach  dem  erscheinen  der 
zweiten  Auflage  dieses  Buch  einer  Besprechung  in  diesen  Jahrbüchern 
unterziehen,  so  kann  der  Zweck  nieht  sein,  auf  ein  bewährtes  Schul- 


140  Berger:  laloio.  Grammatik. 

buch  von  neuem  aufmerksam  zu  machen,  sondern  der  Zweck  ist  der, 
dem  Herrn  Verfasser  und  allen  denen,  die  sich  für  die  Weiter-  ood 
Ausbildung  des  grammatischen  Unterrichts  auf  Gymnasien  interessie- 
ren ,  die  Punkte  zur  Prüfung  darzulegen ,  die  uns  nach  mehrjährigem 
praktischem  Gebrauche  in  der  Schule  einer  Vereinfachung  oder  aach 
in  so  weit  einer  Verbesserung  bedürftig  erscheinen,  dass  der  Vf.  die 
feststehenden  Resultate  der  historischeu  Grammatik  mehr  für  die 
Schule  bearbeite  und  zu  klingender  Münze  für  die  Schüler  aosprige, 
wodurch,  wie  uns  scheint,  die  Grammatik  im  ganzen  eine  gleich- 
maszigere  Bearbeitung  erhalt.  Doch  werden  wir  unsere  Bemerkangen 
nicht  nach  diesen  beiden  Gesichtspunkten  ordnen,  sondern  einfach  den 
Paragraphen  der  Grammatik  folgen  und  diesen  unsere  Bemerkangen 
und  Vorschläge  beifügen.  Im  ersten  Abschnitte,  der  die  Lautlehre  be- 
handelt, vermissen  wir  nach  §  5  kurze  Sätze  über  die  Veränderungen 
der  Vocale  und  Consonanten,  die  in  die  lateinische  Grammatik  ebenso 
gut  gehören,  wie  in  die  griechische,  und  ohne  welche  eine  genane 
Kenntnis  der  Sprache  nicht  möglich  ist.  Wir  sind  nun  weit  entfernt 
zu  glauben,  dasz  durch  die  Aufnahme  solcher  Sätze  irgend  ein  Lehrer 
verleitet  werden  könnte,  dieselben  nun  auch  nach  der  Reihe  der  §$ 
durchzunehmen,  wir  glauben  vielmehr,  dasz  jeder  etwa  von  Quarla 
an,  wenn  er  bei  der  Repetition  der  Formenlehre  auf  solche  Buchstaben- 
veränderungen kommt,  diese  Stellen  aufschlagen  und  so  an  der  For- 
menlehre einprägen  und  erklären  wird,  damit  der  Schüler  begreife, 
dasz  solche  Veränderungen  nicht  willkürlich,  sondern  in  der  Natnr 
der  Sprachwerkzeuge  begründet  sind.  Daher  wünschten  wir  auch, 
dasz  der  geehrte  Vf.,  falls  er  unserm  Vorschlage  seinen  Beifall 
schenkte  und  in  einer  neuen  Auflage  hier  einige  §§  einschaltete,  in 
einer  Anmerkung  kurz  anführte,  wie  alle  diese  Veränderungen  darin 
ihren  Grund  haben,  dasz  die  Sprachwerkzeuge  sich  die  Aussprache 
von  eng  verbundenen  oder  in  verschiedenen  Silben  vorkommenden 
Buchstaben  zu  erleichtern  bemüht  sind ,  und  dasz  somit  alle  diese  Ge- 
setze, wie:  ^d  vor  s  fällt  aus',  ^cine  Media  hat  gern  eine  Media',  ferner 
der  Ablaut,  Umlaut  oder  die  Schwächung  der  Vocale  auf  rein  phone- 
tischen und  euphonischen  Gründen  beruhen. 

Zu  §  15,  der  von  der  Quantität  der  Consonantendungen  handelt, 
schlagen  wir  folgende  Fassung  vor,  die  sich  durch  Anwendung  in  der 
Schule  bewährt  hat:  M,  m,  n,  r,  d,  t  machen  den  vorhergehenden 
Vocal  kurz'. 

Im  §  16  fehlen  unter  4  zu  der  Regel,  dasz  drei-  und  mehrsilbige 
Wörter  den  Ton  auf  der  drittletzten  Silbe  haben,  wenn  die  vorletzte 
kurz  ist,  die  Ausnahmen,  welche  einige  Zusammensetzungen  von  facio 
und  do  mit  zweisilbigen  Wörtern  machen,  wie  calefacit,  venomdedit, 
pessumdedit.  Ferner  alioui,  aliquibns  —  Vergili  ist  Gen.  st.  Vergilii, 
V^rgili  ist  Vocativ. 

Daselbst  am  Schlusz  könnten  die  Beispiele  mit  wechselnder  Be- 
tonung wie  ut^rque  und  ütraque  noch  um  einige  vermehrt  werden,  die 


Berger:  latein.  Grammalik.  141 

bei  der  Lectfire  oft  in  Frage  kommen  s.  B.  edraqae  aber  euraqae ;  auch 
marfaqoe;  itaque  und  itaque;  utiqae  and  dttque. 

Im  2n  Abschnitt,  der  ron  der  Formenlehre  handelt,  mttaten  §  24 
die  Casasendungen  als  ans  denen  der  dritten  Declination.  entstanden 
nachgewiesen  ond  dieser  allgemeine  Nachweis  bei  den  einzelnen  De- 
clinationen  in  Anmerkungen  ansgefahrt'  werden.  Schon  Quartanern 
fällt  es  auf,  dasz  es  pater  familias  höiszt  und  doch  läszt  sich  dieses 
ihnen  nar  so  nnd  dabei  so  leicht  faszlioh  klar  nnd  deutlich  machen. 
Es  ist  dieses  um  so  wflnschenswerther,  weil  dadurch  allein  auch  ein 
klares  Verständnis  der  Regeln  über  den  Gebrauch  der  Stddtenamen 
möglich  wird. 

Sodann  vermissen  wir  bei  den  einzelnen  Declinationen  eine  ge- 
naue Scheidung  von  Stamm  und  Endung;  eine  Unterscheidung,  welche  die 
Einsicht  erleichtert  nnd  den  Schülern  mittlerer  Klassen  nicht  zu  schwer 
wird,  zumal  sie  in  denselben  durch  das  Griechische  eine  Unterstützung 
erhalten.  Nur  so  z.  B.  kann  bei  der  2n  Declination  begriffen  werden, 
warum  bei  einigen  Wörtern  wie  ager  usw.  das  e  ausfallt.  Die  Schüler 
finden  von  selbst,  dasz  bei  diesen  nach  Abfall  des  stammhaften  o  agro 
—  agr,  im  Nomin.  das  e  sich  als  euphonisches  von  selbst  einschleicht, 
dasz  es  aber  als  nicht  wurzelhaft  auch  von  selbst  in  den  übrigen  Ca- 
sus weichen  musz.  Was  nun  die  erste  Declination  noch  im  besondern 
betrifft ,  so  musz  die  Anm.  3  des  §  25  schörfer  so  gefaszt  werden, 
dasz  sich  der  Dativ  und  Abi.  auf  abu$  nur  von  dea  und  filia,  sowie  von 
ambo  und  duo  nachweisen  Ifiszt  bei  denjenigen  Schriftstellern,  deren 
Sprachgebrauch  allein  bei  dem  elementaren  erlernen  der  Sprache  in 
der  Schule  zu  berücksichtigen  ist. 

Schliesziich  möchten  wir  vorschlagen ,  dasz  bei  allen  Declinatio- 
nen, obwohl  schon  im  §  24  in  der  Tabelle  die  Bezeichnung  der  Länge 
und  Kürze  der  Endung  verzeichnet  ist,  diese  bei  allen  Paradigmen 
wiederholt  werde ,  weil  solche  Dinge  gerade  dadurch  sich  am  besten 
einprägen. 

Die  im  %  31  gegebene  Uebersicht  der  Wörter,  deren  Stamm  auf 
eine  liquida  ausgeht,  ermangelt  nach  unsrer  Erfahrung  der  Uebersicht, 
indem  sie  zusammengehöriges  trennt  (die  Wörter  mit  r  kommen  unter 
b,  c  und  f  vor),  und  enthält  unter  d  in  den  Worten:  ^  viele  (bes.  ein- 
silbige) Stämme  auf  r  erscheinen  im  Nominativ  mit  einem  s,  auch  mit 
Veränderung  des  Vocals '  geradezu  falsches ,  denn  nicht  das  im  Gen. 
erscheinende  r  ist  stammhaft,  sondern  das  s,  wie  die  historischen  Un- 
tersuchungen und  alte  Documente  hinreichend  bewiesen  haben.  Nach 
dem  Grundsatze :  der  Schüler  darf  in  den  untern  Klassen  nichts  lernen, 
was  er  in  den  obem  als  falsch  erkennt,  musz  hier  also  die  reine  volle 
Wahrheit  aufgenommen  werden.  Die  Regel:  im  Lat.  wird  $  zwischen 
zwei  Vocalen  in  der  Regel  zu  r,  die  in*den  obem  Klassen,  falls  mhd. 
und  ahd.  vorkommt,  auch  im  Deutschen  nachgewiesen  werden  kann, 
behalten  die  Schüler  um  so  leichter,  sobald  bei  der  Repetltion  der 
griechischen  Formenlehre  damit  stets  das  griechische  Gesetz:  *tf  zwi- 
schen zwei  Vocalen  fällt  aus'  in  Verbindung  gebracht  wird.     Der 


142  Bcrgcr:  lalein.  Grammatik. 

oben  bcmerklen  Uebersiclitlichkeil  wegen  würden  wir  nach  Kräger, 
Weiszcnborn  u.  a.  *)  folgende  Fassung  dieser  ganzen  Darstellung  vor- 
schlagen, von  der  wir  uns  durch  wiederholten  Gebrauch  überzeugt 
haben,  dasz  sie  Schülern  leicht  faszlich  ist.  *Die  Substantiv«  der 
dritten  Declination  haben  entweder  einen  Gonsonanten  oder  den 
Vocal  t  zum  Gharakter. 

I.  Wörter,  deren  Gharakter  ein  Gonsonant  ist. 
l)  Stämme  auf  eine  liquide. 

1.  Liquida  l.  Die  Subslantiva  mit  /  zeigen  im  Nominativ  den 
reinen  Wortstamm,  z.  B.  söl,  sölis,  sal,  consul.  —  Ausnahmen  sind 
mel  und  fei. 

Anm. :    Die  Neutra  auf  al  gehören  nicht  hieher ,  weil  bei  die- 
sen der  Nom.  aus  ali  verkürzt  ist. 

2.  m. '  Die  Liquida  m  erscheint  nur  bei  einem  Worte  als  Cha- 
rakter, welches  die  Eigenthümlichkeii  hat,  dasz  es  im  Nom.  $  an  den 
Stamm  setzt:  hiems. 

3.  Bei  den  Substantiven,  deren  Gharakter  die  liquide  n  ist,  sind 
zwei  Hauptfällc  zu  unterscheiden. 

A.  Die  liquida  n  bleibt  im  Nominativ  und  der  Stamm  erscheint 
im  Nominativ 

a)  rein  und  unverändert,  wenn  dem  n  ein  wurzelhaftes  e 
vorhergeht,  z.  B.  rcn,  licn,  spien. 

b)  verändert  und  unrein,  wenn  dem  n  ein  t  vorhergeht,  das  im 
Nom.  zu  e  geschwächt  wird,  aber  in  den  übrigen  Gasus 
wieder  hervortritt.  Dieses  geschieht  in  den  Neutris,  z.  B. 
nomin  —  nomen. 

B.  Die  liquida  n  fällt  im  Nominativ  ab,  tritt  aber  in  den  übrigen 
Gasus  mit  dem  reinen  Stamme  wieder  ein. 

a)  bei  vorhergehendem  o,  z.  B.  leo,  pavo  aus  leon,  pavon. 

b)  bei  vorhergehendem  t  in  den  masc.  und  fem.,  in  denen  dann 
f  in  0  übergeht,  z.  B.  liomin  —  liomo,  virgin  —  virgo. 

4.  Die  Subslantiva,  deren  Gharakter  die  liquida  r  ist,  seigeu 
im  Nom.  meistens  den  reinen  Worlstamm,  z.  B.  unser,  mulier,  für,  in- 
dem nur  bei  einigen  der  lange  Vocal  im  Nominativ  verkürzt  wird, 
z.  B.  orator  oratöris. 

Bei  einigen  auf  ur  verwandelt  sich  in  den  übrigen  Casus  das  « 
in  0  z.  B.  ebur,  eboris. 

Anm.:  Die  Wörter  auf  /er  und  her  stoszen  vom  Genetiv  an  das 
e  aus,  ein  Beweis,  dasz  es  im  Nominativ  nur  euphonisch  ist.  S.  3. 
Declinat. 

II  Substantiva,  deren  Gharakter  ein  s  ist.  Die  Wörter ,  deren 
Gharakter  ein  s  ist,  haben  nur  dann  im  Nominativ 

den  reinenStamm,  wenn  dem  s  ein  langer  Vocal :  a,  e,  ö^  n, 
vorhergeht,  z.  B.  väs,  (lös,  müs. 

^)  Vieles  in  der  folgenden  Darstellnng  ist  auch  ans  meines  Leh- 
rers K.  O.  Müllers  Vorlesungen  über  vergleicbende  Grammatik  ent- 
lehnt und  für  den  Schulgebrauch  vereinfacht. 


Berger:  Utein.  Grammatik.  143 

Sie  haben  dagegen 
einen  veränderten  Stamm,  wenn  dem  $  ein  kurzer  Yocal  S  oder 
^  vorhergeht ;  denn  in  diesem  geht  der  Stammvocai  vor  « in  u  über, 
tritt  aber  in  den  übrigen  Casus  wieder  hervor.  Z.  B.  corpos»  foedes 
=  corpus ,  foedus.  (Von  Tertia  an  kann  dann  bei  der  Repetition  der 
griechischen  Declination  bei  yivog  aus  ^  yeveg  recht  schön  und  für 
die  Schüler  anregend  an  diesen  Vorgang  im  Lateinischen  erinnert  werden.) 

Dieses  stammhafte  s  bleibt  nur  selten  vom  Genetiv  an  zwischen 
zwei  Vocalen  unverändert:  vas,  vasis,  sondern  geht  in  r  über  z.  B. 
mos,  möris;  corpus,  corporis.  —  Mit  dieser  Verwandlung  des  sin 
r  wandelt  sich  ein  vorhergehendes^  •  in  e  einis,  cineris.  Siehe  auch 
3.  Conjugation  legor,  legeris  aus  legisis.  Auf  S.  16  unter  *2  Stämme 
auf  eine  muta'  fehlt  vor  der  Vorführung  der  Einzelubeiten ,  also  zwi- 
schen 2  und  a,  das  allgemeine  Gesetz: 

*  Alle  Substantiva,  dgren  Charakter  eine  mnta  ist,  setzen  im  No- 
minativ ein  i  an,  wodurch  in  den  meisten  Fällen  eine  Veränderung 
des  Stammes  bewirkt  wird.' 

Ausnahmen  sind:  caput,  lac,  cor,  halee,  deren  Stamm  nach 
V^oUautsgesetzen  verändei[t  ist. 

In  der  dann  folgenden  Bemerkung  über  den  Uebergang  des  kur- 
zen t  in  6,  fehlt  der  Schluszsatz,  dasz  lang  t  unverändert  bleibt:  iis, 
litis,  —  vas,  vasis  gehört  aber  nicht  zu  den  Wörtern  mit  t-Lauten. 
Bei  capui  fehlt  eine  Bemerkung  über  die  damit  gebildeten  Compo- 
Sita ,  die  bekanntlich  aus  cipii  durch  Elision  und  Ablautung  zu  ceps 
werden.  — 

Bei  den  Stämmen  auf  die  Ar-Laute  ist  *  Veränderung  des  t  in  e' 
zu  allgemein:  besser  ist  die  schon  angegebene  Scheidung  nach  der 
Quantität.  — 

Seite  18  sollte  die  Vorbemerkung  über  die  Substantiva,  deren 
Charakter  der  Vocal  t  ist,  vollständiger  und  genauer  heiszen: 

1)  Die  Substantiva  masc.  und  femin.  generis  setzen  im  Nominativ 
8  au ,  wobei  t  oft  in  e  übergeht :  avis ,  nubes^ 

2)  Die  Substantiva  generis  neutri  nehmen  im  Nominativ  das  s 
nicht  an,  verwandeln  aber 

a)  entweder  das  t  in  e :  wie  mare ,  rete 

b)  oder  werfen  dasselbe  bei  vorhergehendem  /  und  r  ab :  ani- 
mal,  calcar  aus  animali,  calcari. 

Zu  der  §  32  in  2 — 5  gegebenenen  Znsammenstellung  über  i,  ia, 
ium  neben  e,  a,  um  im  Abi.  Sgl.  Nom.  und  Gen.  Plural,  empfehlen 
wir  dem  Vf.  die  Aufnahme  der  folgenden  Uebersicht,  die  wir  vom 
Director  Rothert  entlehnt  haben  nnd  die  sich  dadurch  empfiehlt,  dasz 
sie  wörtlich  dem  Gedichtnisse  eingeprägt  werden  kann. 

a)  Die  Neutr.  auf  e,  al  nnd  ar  haben  i?  i^i?  ium 

b)  Die  Adject.  6  in  er  Endung  -  i,  e,  ia,  ium 

c)  Die  Adj.  2  und  3  Endungen  -  i?  ia,  ium 

c)  Die  Participia  -  -  e,  i,  ia,  ium 

d)  Die  Comparativa        -  -  e,i,  a,  ium 


144  Berger:  latein.  Grainmalik. 


V 


f)  Die  Substautiva  auf  es,  t«,  er 
und  die  einsilbigen  auf  s  und  x 
mit  vorhergebendem  Consonant, 
sowie  die  mehrsilbigen  auf  8  und 

X  mit  vorhergehendem  r  und  n  e ,  iam 

g)  Die  Substantiva,  welche  im  Acc. 

im  haben ,  erhalten  im  Abi.  i. 

Im  §  33  fehlt  die  Bemerkung  über  den  Charakter  der  4.  Deoli- 
nation  und  in  der  daselbst  befindlichen  Anmerkung,  die  mit  Recht  auf 
die  Contraction  der  Casusendungen  aufmerksam  macht,  fehlt  der  Zu- 
satz, dasz  so  die  4.  Decl.  eigentlich  nur  eine  Nebenform  der  drit- 
ten sei. 

Desgleichen  muste  im  §  35  der  Charakter  der  3.  Declination  an- 
gegeben und  dann  bemerkt  werden,  dasz  sie  eine  Mischung  der  ersten 
und  dritten  Declination  sei. 

Für  den  §  48  schlagen  wir  dem  Vf.  eine  Verkürzung  der  ge- 
reimten (ienusregeln  vor,  da  für  einen  Schüler  eine  so  volUländige 
Kenntnis  aller  oft  sehr  selten  vorkommenden  Wörter  nicht  nothwea- 
dig  ist.  Neben  der  schon  von  Kühner  aufgenommenen  VerküriODg 
der  Ausnahmeregel  auf  do,  go,  io,  empfehlen  sich  für  die  3.  Decli- 
nation noch  folgende:       a)  zu  den  Masculinis. 

4)  Neutra  gibt  es  viel  auf  er 
Ver  nebst  piper  und  papäver 
Verber,  iter  und  cadaver. 

5)  Feminina  sind  auf  es 
compes,  quies,  seges 
merces,  mergea,  teges. 

b)  Zu  den  Ausnahmen  von  der  Ilauplregel  über  die  Feminina 
empfehlen  sich 

2)  Die  Substantiv  auf  mis  und  uts 
Sind  masculini  generis 
Ferner  axis  collis  ensis 
fascis  lapis  orbis  mensis 
piscis  pulvis  sanguiff  unguis. 

3)  Hasculina  sind  auf  x 
Fornix,  varix  und  calix 

Und  die  meisten  auch  auf  ex; 
Nur  lex,  snpellex,  nex  und  faex 
Verbleiben  weiblichen  Geschlechts. 

4)  Männlich  sind  auf  ons  und  ens 
Föns ,  mons ,  pons  und  dens. 

Für  die  Ausnahmen  von  den  Neutris  auf  n  und  ur  genügte: 
*  Vier  Wörter  auf  ein  n 

Pecten,  lien,  reu  und  apien. 
Dazu  merke  drei  auf  ur 
Fnrfur,  tnrtur  und  vultur. 


Berger:  lateio.  Grtmnatik.  145 

Ebenso  könnten  bei  der  4.  DeciinatioD  die  unter  die  Generalre- 
gel fallenden  nurus ,  socrus ,  anas  wegfallen. 

Im  §  49  ist  in  der  2  Auflage  passend  der  Znsatz  gemacht:  bei 
den  Adjectiven  ist  zweierlei  zu  merken;  doch  hätte  es  dreierlei 
heiszen  sollen,  da  die  Motion  nicht  mit  zur  Declination  gerechnet 
werden  kann.  Ebenso  möchten  wir  fflr  die  Adjectira  3  n.  2  u.  1 
Endung  für  die  schwachen  Schäfer,  die  mit  sehenden  Augen  blind 
sind  und  nichts  behalten  können,  wenn  es  nicht  in  bestimmte  Formeln 
gefaszt  ist,  einen  Zusatz  darüber,  dasz  diese  Adjectira  in  N.  u.«Acc. 
Plur.,  sowie  im  Acc.  Sgl.  stets  Adjectiva  zweier  Endungen  sind. 

Da  der  Vf.  im  §  &0  bei  der  Bildung  des  Comparativs  und  Super- 
lativs vom  reinen  Wortstamme  ausgeht,  so  hatte  er  die  Bildung  die- 
ser Formen  bei  den  Adj.  auf  er,  ilis  und  dieus,  ficus  und  volus  auch 
erklären  können.  Bei  diesen  letztern  ist  in  einer  Anerkennung  egenus, 
egentior,  egentissimus  zuzufügen,  auch  sub  nr.  5  bei  plus  in  einer 
Parenthese  der  Pluralis  zuzusetzen. 

Der§  61,  der  von  der  Comparation  der  Adverbia  handelt,  gehört 
nicht  hieher,  sondern  nach  %  100,  denn  erst  musz  der  Schaler  die 
Bildungsgesetze  der  Adverbia  kennen,  ehe  von  deren  Comparation 
die  Rede  sein  kann.  Ebenso  ist  die  Stellung  der  Anmerkungen  1  und 
2  zum  §  &3  eine  falsche ;  sie  gehören  sofort  nach  der  Declination  der 
Pron.  pers. ,  die  Anm.  3  bleibt  dann  an  der  passenden  Stelle. 

Nach  diesen  Bemerkungen  gehen  wir  sofort  zur  Conjugations- 
lehre  und  gestehen  offen,  dasz  wir  für  die  %  66^-75  eine  andere 
Anordnung  wünschten,  zugleich  auch,  dasz  so  manches,  was  sich  in 
den  griechischen  Grammatiken  findet  und  die  Einsicht  in  das  Wesen 
der  Conjngation  erleichtert,  z.  B.  das  Wesen  des  Bindelauts,  des 
Tempuscharakters  u.  dgl.,  hie^  aufgenommen  wäre.  Nach  unserem 
dafürhalten  hätte  nach  §  65  zunächst  die  Lehre  über  die  Personenen- 
dnngen  (§  75  bei  Berger) ,  dann  die  Lehre  vom  Tempuscharakter  und 
der  Formation  der  Tempora  nach  der  3.  Conjngation  allein  folgen  sol- 
len, in  welcher  die  %  73  und  74  ihren  Platz  fanden,  wobei  aber  das 
was  Berger  §  73  sub  Nr.  IV  hat,  dasz  vom  |)[nflnitiv.  Praes.  Activi 
Formen  abgeleitet  werden,  durchaus  falsch  ist.  Denn  Stammformen 
sind  nur  Praesens,  Perfectum  und  Supinum;  der  Infinitiv  wird  nur 
genannt,  weil  an  ihm  die  Conjugation  am  leichtesten  zu  erkennen  ist. 
Die  Lehre  von  der  Tempusbildung  wäre  dann  nach  den  genannten  3 
Stammformen  so  durchzuführen ,  dasz  der  Schüler  daran  eine  genaue 
Analyse  der  Formen  nach  Stamm,  Bindelaut,  Tempusendung  oder  Cha- 
rakter- und  Personenendnng  lernte.  So  gut  er  im  Griechischen  z.  B. 
i-ßovXeV'Ca-ro  in  seine  Theile  zerlegt ,  ebenso  gut  musz  er  das  auch 
im  Lateinischen  [leg-e<ba-t.  Bei  der  Lehre  von  den  Formen,  die  vom 
Perfectum  abgeleitet  werden,  wäre  die  §  71  gegebene  Eintheilung 
der  3  Bildungsweisen  festzuhalten,  aber  genauer  durchzuführen,  als 
es  von  Berger  im  §  72  geschehen.  Da  eine  richtige  Behandlung  die- 
ses §  auf  die  Anordnung  der  sogenannten  unregelmäszigen  Verben 
von  Einflusz  ist,  uns  die  von  Berger  im  §  78  gegebene  gleichfalls 


146  Borger:  latoin.  Grammatik. 

nicht  gefällt,  so  wollen  wir  diesen  §  gleich  hier  mit  ins  Augo  fassen, 
und  bemerken,  das£  der  78.  nach  unserem  dafürhalten  am  besten  sich 
ordnen  läszt,  wenn  man  folgendes  Schema  durch  die  dahin  gehuren- 
den Yerba  ausfüllt. 

Starke  Ferfectbildung  der  III  Conjugation. 

A.  DieEndungt  tritt  anmittelbar  an  den  Stamm. 

1)  Reduplication 

■     a)  Yerba  mit  stammhaftem  a  cado,  caedo,  cano. 

b)  Yerba  mit  stammhaftem  e ,  i,  o,  u,  wie  tendo ,  pendo. 

2)  die  Endung  t  tritt  unmittelbar  an  den  Stamm  and  die  Stamm- 
silbe wir(f  ausgedehnt. 

a)  die  Yerba  mit  stammhaftem  a  verwandeln  a  in  langes  e; 
ago,  capio,  facio  etc. 

b)  Yerba  mit  stammhaflem  e,  i,  o,  u. 

H)  Die  Endung  t  tritt  an  den  unveränderten  Fraesensstamm : 

a)  bei  allen  Yerbis  puris  der  3.  Conjug.  acuo,  argno  etc. 

b)  bei  Yerbis  impuris,  die  einen  entweder  von  Natur  oder 
durch  Position  langen  Yocal  haben:  cudo,  ico, 

c)  Yerba,  welche  im  Pcrfect  die  kurze  Stammsilbe  beibehtl« 
ten:  bibo,  Gndo,  scindo. 

B.  Ferfectbildung  mit  der  Endung  si. 

I)  Yerba  muta  mit  langer  Stammsilbe: 

a)  mit  den  Lippenlauten  b  und  p, 

b)  -      -     Gutturalen,  zu  j?  verschmolzen,  mit  den  veraclaie* 
denen  Unterarten, 

c)  mit  den  Zahnlauten,  die  vor  s  ausfallen. 

II)  Yerba  liquida:  como,  domo  etc. 

C.  Ferfectbildung  mit  ui  oder  vi, 

a)  m  i  t  ui 

1)  Alle  Yerba  liquida  der  3.  Conj. ,  insofern  sie  nicht  die  ein- 
fache Ferfectbildung  haben  alo,  colo,  fremo,  gemo, 

2)  Yerba  muta:   elicio,  rapio,  sapio,  strcpo. 

b)  die  E  n  d  u  n  g  rt 

1)  Yerba,  deren  Stamm  im  Praesens  durch  sc  verstärkt,  creseo^ 

2)  solche,  deren  Stamm  durch  n  verstärkt  ist,  wie  lino,  aino, 
cerno. 

3)  schwache  Perfectendung  ivi. 

Bei  der  Ausfüllung  dieses  Schema  wären  die  Yerba  alphabetiaoh  i« 
ordnen,  weil  dies  das  auswendiglernen  der  Reihen  erleichtert ^ia^n 
uns  die  Erfahrung  gelehrt  hat,  dasz  die  Schüler  die  nach  diesem 
Schema  gelernton  Yerba  leicht  reihenweise  behalten  und  aufsagen, 
was  bei  andern  Anordnungen  uns  wenigstens  noch  nicht  vorgekom- 
men ist.  Nachdem  so  die  Yerba  der  3.  Conj.  erläutert,  folgten  die 
der  übrigen  nach  demselben  Schema ,  wobei  natürlich  viele  Rubriken 
von  selbst  wegfallen ,  wie  denn  z.  B.  für  die  erste  Conjugation  nur 
die  Endung  t  mit  Reduplication  und  mit  Dehnung  des  Yocals  und  die 


Berger:  iatein.  Grammatik.  147 

Endung  ui  übrig  bleibt.  —  Kommeo  wir  nach  diesem  Vorschlage  zum 
§  71  und  78  noch  einmal  auf  den  §  70  zurück,  der  die  Yerba  der 
3.  Conjugation  auf  iö  behandelt,  so  wünschen  wir  im  Interesse  der 
Schüler,  die  an  sich  richtige  aber  für  sie  zu  knrze  Bemerkungen 
schwer  begreifen —  und  deren  gibt  es  in  vollen  Classen  oft  recht  viele, 
dasz  der  Bemerkung:  Mas  i  hält  sich  etc.'  folge:  d.  h.  es  bleibt  in  der 
3.  Perf.  Plur.  des  Praesens,  Ind.  des  Imperativ,  im  Particip,  im  gan- 
zen Futur,  Imperf.  Ind.  und  Praesens  Conjunctivi  und  verschwindet 
im  Impers.  Conjunct.,  Infinit.,  den  übrigen  Personen  des  Praesens  und 
Imperativs.  Desgleichen  müsten  sämtliche  bieher  gehörigen  Verba  in 
einer  alphabetischen  Reihe  aufgezählt  werden.  In  der  Anm.  dieses  § 
fehlt  die  Bemerkung ,  dasz  die  Composita  von  orior  vollständig  nach 
der  vierten  Conjugation  gehen. 

Die  Conjugation  sollte  der  Schüler  anfangs  nur  in  der  Schule 
lernen,  indem  der  Lehrer  mit  der  Kreide  in  der  Hand  die  Formen  vor 
den  Augen  der  Schüler  entstehen  läszt.  Danach  musz  aber  auch  das 
mechanische  memorieren  folgen,  damit  die  Formen  zum  bleibenden 
Eigenthum  werden.  Bei  diesem  memorieren  leben  sich  die  schwäche- 
ren Schüler  in  die  Reihenfolge  der  Personen  so  fest  hinein,  dasz  sie, 
wenn  der  Lehrer  sich  mit  dem  gewöhnlichen  hersagen  begnügt,  sehr 
gut  conjugieren;  sobald  sie  aber  Formen  auszer  der  Reihe  gebrau- 
chen sollen,  geht  es  langsamer  und  sie  beginnen  stets  für  sich  die 
Reihe  von  vorn  bis  zu  der  geforderten  Form  durchzumachen.  Solche 
Schüler  müssen  zum  freiem  Gebrauch  angeleitet  werden  und  das  ge- 
schieht am  besten,  wenn  sie  dasselbe  Tempus  auch  rückwärts,  so- 
daun  in  der  Weise  hersagen  lernen ,  dasz  sie  z.  B.  die  1  Pers.  Sing, 
u.  Plur.  usw.  vorwärts  und  rückwärts  zusammenstellen;  dasz  sie  fer- 
ner gewöhnt  werden,  erst  die  deutsche  Form  und  dann  die  lateini- 
sche; also:  ich  habe  geliebt,  amavi,  zu  sagen.  In  der  Regel  finden 
sich  die  schwächeren  Schüler,  selbst  wenn  es  ihnen  an  der  Schultafel 
deutlich  gemacht  wird,  in  diese  Reihenfolgen  nicht  leicht  und  deshalb 
könnte  diesen  eine  kleine  Unterstützung  durch  die  Grammatik  zu  Theil 
werden,  wenn  sich  der  Vf.  entschlösse,  vor  §  77  einen  §  einzuschalten 
und  darin  von  einem  Tempus  diese  verschiedenen  Weisen  in  einem 
Paradigma  gäbe.  Auch  nach  §  78  könnte  eine  Zusammenstellung  der« 
jenigen  Verba,  die  in  einzelnen  Formen  übereinstimmen,  eingeschaltet 
werden ,  wie  solche  Krüger  und  Kühner  gegeben  haben.  Mit  der  Be- 
merkung, dasz  auch  schon  §  90  3  eine  Aufzählung  der  Praepositio- 
nen  nicht  ganz  unzweckmäszig  sein  möchte,  sohlieszen  wir  unsere 
Bemerkungen  zur  Formenlehre  und  behalten  uns  die  Syntax  für  einen 
besondem  Artikel  vo£. 

Clausthal.  "  F.  Vollbrecht. 


148      K.  W.  Boulerwck:  über  den  Unterricht  in  der  Religionslehre. 

1. 

lieber  den  Unterricht  in  der  Religionslehre  auf  evangelischen 
Gymnasien.  Ein  Gutachten  von  Dr.  K.  W.  Bouterwek, 
Director  und  Rcügionslehrer  am  Gymnasium  in  Etberfeld. 
Gütersloh  1855.  66  S.  7%  Sgr.  ♦) 

Der  Religionsuntorricht  auf  den  Gymnasien,  namentlich  den  evaa- 
gelischen,  ist  in  den  letzten  Jahren  vielfach  Gegenstand  der  Behand- 
lung gewesen.  Man  hat  in  ZeitschriMen ,  Programmen  und  besonde- 
ren Abhandlungen  die  wichtigsten  Fragen ,  auf  deren  Beantworinng 
es  bei  der  Einrichtung  und  Ertheilung  des  Religionsunterrichtes  an- 
kommt, z.  B.  die  nach  dem  Stoff,  der  dem  Unterrichte  zu  Grande 
gelegt  werden  soll,  seiner  Ausdehnung,  Begranzung  nnd  Yertheiluog, 
nach  der  Methode,  nach  dem  Lehrer,  nach  dem  Verhältnis  zur  Kirche 
usw.,  auf  die  verschiedenste  Weise  behandelt  und  ist  dadurch,  wenn 
auch  nicht  zu  einem  Abschlusz,  doch  bei  aller  Verschiedenheit  der 
Ansichten,  die  sich  namentlich  auf  diesem  Gebiete  geltend  zu  machen 
pflegt,  zu  gewissen  Resultaten  gekommen,  die  mehr  oder  weniger 
einer  allgemeinen  Billigung  sich  zu  erfreuen  haben.  Dies  hat  seinen 
Grund  wol  zum  Theil  darin,  dasz,  was  für  den  aufmerksamen  Beob- 
achter der  neuen  Erscheinungen  auf  dem  paedagogischen  Gebiete  eine 
der  erfreulichsten  Wahrnehmungen  ist,  an  diesem  Kampfe  mehrere 
der  bedeutendsten  paedagogischen  Notabilitüten  sich  auf  die  eine 
oder  andere  Weise  betheiligt  haben.  Unter  den  Schriften,  die,  den 
Gegenstand  von  einem  allgemeinen  Standpunkte  aus  behandelnd,  in 
den  letzten  10  Jahren  erschienen  sind ,  ist  eine  der  bedeutendsten  nnd 
-wichtigsten  ^der  evangelischeReligionsunterrichtinden 
Gymnasien.  Ein  Gutachten  von  D.  W.  Landfermann  (Frank- 
furt 1846.  64  S.)',  die  sich  nicht  nur  durch  scharfe  und  bestimmte 
Auffassung,  durch  klare  und  einfache  Darstellung,  sondern  auch  durch 
überaus  praktische  Vorschläge  ganz  besonders  auszeichnet  und  von 
einem  Mann  herrührt ,  der  durch  seine  frühere  Stellung  als  Director 
eines  Gymnasiums  und  Religionslehrer  und  durch  seine  spätere  als 
Leiter  der  Gymnasien  einer  ganzen  Provinz  und  durch  seine  geistige 
Bedeutung  und  gediegene,  allgemein  wissenschaftliche  Bildung  vor 
vielen  geeignet  war,  ein  richtiges  Urtheil  in  dieser  wichtigen  Streit- 
frage zu  fallen. 

Seit  Abfassung  dieses  Gutachtens  sind  10  Jahre  verflossen,  in 
denen  die  in  demselben  enthaltenen  Vorschläge  mehr  oder  weniger 
zur  allgemeinen  Anerkennung  gelangt  sind,  oder  anderen  durch  die 
Erfahrung  bewährten  oder  neu  aufgestellten  Ansichten  und  Vorsohli- 
gen  den  Platz  geräumt  haben.  Es  kann  daher  nicht  auffallen,  dass 
jetzt  ein  neues  Gutachten  über  diesen  wichtigen  Gegenstand  erschie- 
nen ist.    ^^'ir  meinen  das  in  der  Ueberschrift  genannte,  das  vor  knr- 

*)  Bei  der  Wichtigkeit    des   Gegenstandes  werden   wir    über  die 
vorliegende  Schrift  auch  eine  zweite  Seurtheilung  bringen.        D.  R. 


K.  W.  Booterwek:  über  den  Unterriobt  io  der  Religloosfohra.      140 

zem  zum  besten  der  Lehrer-Pensions-  und  Wittwen-  und  Waisen-Stif- 
tung des  Gymnasiums  zu  Elberfeid  herausgegeben  worden  ist.  —  Der 
Hr.  Vr.  geht  in  der  Einleitung  von  der  Wichtigkeit  des  Religions- 
unterrichts auf  Gymnasien  aus,  spricht  sich  gegen  die  sich  speciell 
christlich   nennenden  Gymnasien  (alle  sollen  nicht  blosz  christlich, 
sondern  confessionelUevangelisch  oder  katholisch  sein)  aus,  gibt  den 
Grund  an,  auf  dem  der  Religionsunterricht  in  dem  Gymnasium  ruhen 
musz  (auf  dem  Glauben  an  Jesum  Christum,   den  Sohn  Gottes,   als 
einigen  Mittler  zwischen  Gott  und  den  Menschen,  als  einzigen  Selig- 
macher und  einigen  Lehrer  der  wahren  Gottesoffenbarung ,  nnd  so- 
dann auf  dem  unverbrachlichen  Ansehen  der  heiligen  Schrift,  als  des 
Wortes  Gottes ,  in  welchem  Jesus  Christus ,  von  Anfang  an  geoffen- 
baret,  durch  seinen  Geist  die  allein  zuverlässige,  allein  für  wahr 
zu  haltende  Urkunde  über  sein  Wesen,  Thnn  und  Leiden,  wie  über 
seine  Gottheit  nnd  ewige  Herlichkeit  bei  dem  Vater,  vor  Anfang  aller 
Dingo,  niedergelegt  hat;  endlich  auf  der  aus  dieser  in  ihrer  ZuUng- 
lichkeit  und  Göttlichkeit  von  Menschengeist  und  Menschenwit^  nicht 
anzutastenden  Urkunde  gewonnenen  Ueberzeugung ,  dasz  der  in  der 
Bibel  gelehrte,  durch  den  Geist  Gottes  dem  Menschen  persönlich  an- 
geeignete Glaube  allein,  ohne  Mithülfe  irgend  welcher  eigener  oder 
anderer  Werke,  das  ewige  Heil  des  Menschen  zur  Folge  haben  und 
Christus  nur  in  solchem  Glauben  von  jedem  einzelnen  persönlich  an- 
geeignet sein  Heiland   und  Erlöser   sein  könne),   handelt   von  dem 
Standpunkte,  den  der  Religionsunterricht  des  Gymnasiums  gegen  den 
der  Kirche   einnehmen,   von   der  Gewähr,  welche  die  Schule   der 
Kirche  in  Hinsicht  des  Religionsunterrichts  geben  musz,  von  der  Stel- 
lung des  Lehrers  (der  Director  oder  einer  der  ersten  Oberlehrer  soll 
den  Religionsunterricht  geben,  nicht  ein  Pfarrer  der  Gemeinde),  von 
der  Revision  des  Religionsunterrichts,  geht  dann  S.  12  zu  den  Stufen 
über,  in  welche  der  Religionsunterricht  zerfällt  (der  Vf.  nimmt  3  Sta- 
fen  an,  deren  erste  die  6.,  5.  und  4.  Classe  mit  dreijährigem,  die  2. 
die  Tertia  mit  zweijährigem,  und  die  3.  die  Secunda  und  Prima  mit 
vierjährigem  Cnrsus  umfaszt),  und  bestimmt  S.  16 — 63  speciell  das 
Pensum  der  einzelnen  Lehrstufen  und  Classen. 

Der  Vf.  geht  von  dem  Gedanken  aus,  dasz  bei  dem  ganzen  Reli- 
gionsunterricht auf  dem  Gymnasium  die  Bibel  durch  alle  Classen  hin- 
durch als  wol  gewürdigtes,  fleiszig  gebrauchtes  und  in  allen  Lehr- 
stufen, etwa  Prima  ausgenommen,  einziges,  ausschlieszliches  Lehr- 
buch der  Religion  benutzt  werden  soll,  und  bestimmt  darnach  die 
Lehrpensa  für  die  einzelnen  Classen  folgendermaszen :  1.  für  Sexta 
und  Quinta  im  ersten  Jahre:  eine  Auswahl  von  Historien  aus  dem 
alten  Testamente;  im  zweiten  Jahre:  eine  Auswahl  von  Historien  ans 
dem  neuen  Bunde.  Daneben  Aneignung  einer  Anzahl  von  Bibelsprü- 
chen und  Kirchenliedern  nacR  sorgfältig  getroffener  Auswahl.  2)  für 
Quarta:  das  Evangelium  Marci  nebst  der  Bergpredigt,  die  Apostel- 
geschichte und  eine  kurze  Geschichte  der  Mission  unter  den  Germa- 
nen, auswendiglernen  von  ßibelstellen  im  Zusammenhang  und  von 

/V.  Jahrb.  f.  PhU.  w.  Paed.  Bd.  LXXIV.  Hß.  3.  ^ 


150      K.  W.  Boulerwek:  über  den  Unterriclit  in  der  Religiooftivlire. 

Kirchenliedern.  3)  für  Tertia:  eine  Reihe  nach  dem  Gesichtspunkte 
der  Glaubens-  und  Sittenlehre  aasgewfihlter  Psalmen,  denen  sich  ent- 
sprechende Abschnitte  aus  anderen  Büchern  der  heiligen  Schrift,  z.  B. 
die  Lieder  Mosis,  anschliessen  können,  so  wie  aus  dem  ersten  Theile 
des  Propheten  Jesaias  auserlesene  Kapitel  für  das  erste  Schaljahr; 
für  das  zweite:  der  zweite  Theil  des  Propheten  Jesaias,  vom  40.  Ka- 
pitel an,  und  das  Evangelium  Johannis;  in  beiden  answendiglersen 
einzelner,  genau  erklärter  Kapitel  und  Einprfigung  von  einigen,  aiBr 
wenigen  Kirchenliedern ,  deren  Einlernung  mit  dieser  Lehrstufe  anF- 
hört.  4)  Für  Secunda :  im  ersten  Jahre  gelesen  und  erklart  das  alte 
Testament,  im  zweiten  das  neue  Testament  mit  besonderer  Berftek* 
sichtigung  eines  in  der  Grundsprache  zu  lesenden  Evangelioms  (Lneae 
oder  lohannis)  und  der  apostolischen  Briefe,  unter  denen  der  Röaier- 
brief  jedenfalls  genan  erklärt  werden  soll.  Ausgewihlte  Stellen  in 
Zusammenhange  sind  aus  dem  griechischen  (?)  neuen  Testamente  am- 
wendig  zu  lernen.  (*Hit  wenigen  Zeilen  beginnende  Uebnng  fdhrt 
allmfihlich  dahin,  dasz  ganze  Kapitel  fest  eingeprägt  werden.  Bs  ist 
wol  vorgekommen,  dasz  einzelne  Schüler,  als  freiwillige  Aufgabe, 
fast  den  ganzen  Römerbrief  auswendig  lernten.^)  Vierteljährig  ein 
Aufsatz.  5)  für  Prima:  Darstellung  durch  Auswahl  hervorgehobener 
Erscheinungen  aus  der  Kirchengeschichte  und  kirchlich -Systems  tische 
Behandlung  der  Glaubenslehre  und  Sittenlehre;  daneben  vierteljihrig 
ein  Aufsatz. 

Die  Gründe,  durch  welche  der  Vf.  diese  Eintheilung  begründet 
und  naher  entwickelt,  im  einzelnen  anzuführen,  würde  uns  za  weit 
führen  und  die  Grenzen  einer  Anzeige  überschreiten.  Ref.  beschränkt 
sich  deshalb  auf  die  Erklärung,  dasz  er  mit  dieser  Vertheilung  des 
Stoffes,  was  die  obern  Classen  betrifft,  nicht  ganz  einverstanden  ist; 
denn  einmal  scheint  ihm  in  Tertia,  Secunda  und  Prima  des  Stoffes 
viel  zu  viel  zu  sein,  als  dasz  er  in  der  dafür  bestimmten  Zeit  bei 
zwei  Stunden  wöchentlich  bewältigt  werden  könnte.  Ref.  ist  wenig- 
stens in  Prima  mit  der  Glaubens-  und  Sittenlehre  kaum  in  2  Jahren 
fertig  geworden ,  und  die  Kirchengcschichte  erfordert  in  der  Ausdeh- 
nung, wie  der  Vf.  sie  verlangt,  wenigstens  ein  halbes  Jahr.  Aneb 
das  für  Tertia  bestimmte  Pensum  wird  schwerlich  in  der  bestimmten 
Zeit  durchgenommen  werden  können,  wenn  man  nicht  den  Sohnlen 
allzuviel  zumutet.  Ueberhaupt  scheint  der  Vf.  dem  Ref.  die  in  der 
neusten  Zeit  von  so  vielen  Seiten  und  gewis  mit  vollem  Recht  erho- 
bene Forderung  der  Beschränkung  des  Unterrichtsstoffes  auf  unseren 
Gymnasien ,  damit  die  wahre  Gründlichkeit  auf  denselben  wieder  gini 
heimisch  werde,  in  Bezug  auf  den  Religionsunterricht  nicht  gehörig 
berücksichtigt  zu  haben.  Dann  kann  sich  Ref.  auch  mit  der  Ver- 
theilung des  Stoffes  auf  die  einzelnen  Classen  nicht  ganz  ein- 
verstanden erklören.  Der  Römerbrief  z.  \  ist  so  schwierig,  dasz  Ref. 
ihn  unbedingt  für  die  Prima  aufsparen  würde;  der  Jesaias  würde  sich 
besser  für  Secunda  als  Tertia  eignen. 

Im  einzelnen  will  Ref.  nnr  erwähnen,  dasz  der  Vf.  S.  7  den 


K.  W.  BoQtorwek:  über  den  Unlerrichl  in  der  Religionslehre.       151 

confessionellen  Keligionsnnterricht  dem  Geistlichen  znweist,  dagegen 
S.  62  fordert,  dasz  die  Behandlang  der  Glaubenslehre  in  Prima  auf- 
höre rein  biblisch  zu  sein  und  sich  an  die  Bekenntnisse  der  pro- 
testantischen Kirche  in  Freiheit  und  dennoch  mit  Bestimmtheit  an- 
schliesze.  Nach  S.  7  und  32  soll  der  Keligionslehrer  den  kirchlichen 
Katechismus  nicht  einüben.  S.  28  verlangt  der  Vf. ,  dasz  von  Quarta 
an  nicht  die  von  den  Bibelgesellschaften  verbreitete,  sondern  eine  ver- 
besserte Inthersche  (die  von  Meyer)  Bibelabersetzong  als  Handbuch  von 
den  Schfllern  benutzt  werde,  und  S.  45,  dasz  der  Lehrer  die  fortgehende 
Beschäftigung  mit  der  Urschrift  zn  verstindigen ,  sparsamen  Besse- 
rungen der  Uebersetzung  benutze.  S.  d5  bemerkt  der  Vf. :  *  Als  an- 
gemessen und  fördernd  hat  es  sich  erwiesen,  dasz  den  Schalem  der 
alteren  Abtheilung  (es  ist  von  Tertia  die  Rede)  empfohlen  wird ,  ne- 
ben der  deutschen  Bibel  neuen  Testamentes  den  griechischen  Text  (?) 
liegen  zu  haben ,  auf  den  dann  und  wann  Rfleksicht  genommen  werden 
kann.'  Dasz  der  Vf.  vierteljährliche  schriftliche  Arbeiten  über  Ge- 
genstände ans  der  Religionslehre  sowol  in  Secunda  als  in  Prima  for- 
dert, ist  schon  oben  erwähnt.  Ref.,  der  seit  einigen  Jahren  auch 
schriftliche  Arbeiten  der  Art  in  Prima,  nur  nicht  so  häufig,  machen 
läszt ,  stimmt  in  dieser  Forderung  mit  dem  Vf.  ganz  flberein.  S.  54 
spricht  der  Vf.  sich  dahin  aus,  dasz  die  von  manchen  Seiten  gefor- 
derte Vermehrung  der  Religionsstunden  nicht  nöthig  sei,  doch  ist 
eine  solche,  wenn  das  vom  Vf.  bestimmte  Pensum  grandlich  durch- 
gearbeitet werden  soll,  kaum  zu  vermeiden.  Auf  S.  dö  und  66  ver- 
theidigt  der  Vf.  mit  vollem  Rechte  aus  verschiedenen  Granden  die 
Anfertigung  eines  Religionsaufsatzes  im  Abiturientenexamen. 

Das  Schriftchen  enthält  viele  gute  Winke  und  Rathschläge  aber 
die  Methodik  des  Religionsunterrichts  aus  der  reichen  Erfahrung  des 
Vf. ;  doch  Vermiszt  man  ungern  eine  nähere  Angabe  in  Bezug  auf  die 
Art  der  Erklärung  und  eine  specielle  Antwort  auf  die  Frage:  Was 
soll  erklärt  werden?  Wie  viel?  Wie?  usw.  Was  den  SUndpnnkt 
des  Vf.  betrifft,  so  ist  derselbe  ein  durchaus  entschieden  biblischer, 
auf  den  reformatorischen  Bekenntnissen  ruhender,  wie  oben  schon 
angedeutet  ist;  die  Wärme,  welche  das  ganze  Schriftchen  durchziehf, 
ist  in  hohem  Grade  wolthuend.  Zur  Kirche  nimmt  der  Vf.  die  Stel- 
lung ein,  dasz  er  fordert:  der  Religionslehrer  hat  der  kirchliche! 
Behörde  nicht  blosz  den  Beweis  seiner  Befähigung  und  biblischen 
Rechtgläubigkeit  zu  geben ,  sondern  er  ist  anch  in  seinem  Unterrichte 
an  die  Lehre  seiner  Kirche  gebunden ,  and  mnsz  den  Katechumenenun- 
terricht  des  Pfarrers  nicht  als  aberflassig  ansehen  oder  ihm  entgegen- 
arbeiten, und  behauptet:  die  Kirche  hat  das  Recht  and  die  Pflicht,  det 
Religionsunterricht  zu  aberwachen  nnd  gelegentlich  eine  Revisiot 
desselben  zn  veranstalten. 

Möge  das  wackere  Schriftchen  recht  viel  gelesen  werden  und 
recht  viel  Nutzen  stiften ! 

Bndd^^erg. 

11* 


152  K.  Elze:  Standard  American  Aulhors. 

8. 

Standard  American  Aulhors.  PublUhed  under  ihe  superinten- 
dence  of  Dr.  Karl  EUe^  Hon.  M.  R.  S.  L.  Dessau:  Katz 
Brothers ,  gegenwärtig  unter  dem  Titel :  Dürres  CoUeclian  of 
Standard  American  Authors.  Published  etc.  Leipsig:  Al- 
phons  Dürr.  (Der  neue  Titel  beginnt  mit  dem  Xln  Bande.)  Bis 
jetzt  14  Bände  k  \  Thaler. 

Allen  Freunden  der  englischen  Litteratur  ist  wol  die  im  Verlage 
von  B.  Tauchnilz  erscheinende  Colleclion  of  British  Anthors  bekannl. 
Auch  für  den  sprachlichen  Unterricht  eignete  sich  besonders  früher 
mancher  Band  dieser  groszartig  angelegten  Sammlung;  jetzt  scheint 
dieselbe  etwas  zu  viel  Tageslitteratur,  namentlich  ans  den  Federn 
schreibseliger  Damen ,  zu  bringen  und  deshalb  dem  Kreise  der  Schale 
sich  mehr  und  mehr  zu  entziehen.  Ueberhaupt  erscheint  es  nns  als 
eine  durchaus  nicht  leichte  AuTgabe,  für  solche  Sammlungen  die  Hell- 
tige  Auswahl  zu  treffen,  alle  Seiten  und  Hichtungen  der  Litteratur  in 
wirklich  über  das  gewöhnliche  Niveau  hervorragenden  Werken  her- 
vortreten zu  lassen.  Diese  Aufgabe  wird  noch  bei  weitem  schwieri- 
ger, wenn  es  gilt,  meist  unbekannte  Schriftsteller  einzuführen.  Letz- 
tere Schwierigkeit  stand  der  vorliegenden  Sammlung  entgegen  nnd 
wurde  endlich  noch  dadurch  vermehrt,  dasz  die  Amerikaner  auf  dem 
litterarischen  Markte,  ebenso  wie  auf  dem  industriellen,  ihre  Wnaren 
mit  möglichst  hohen  Superlativen  des  Lobes  anzupreisen  pflegen.  An 
eine  auf  kritische  Principien  gegründete^  Geschichte  ihrer  Litteratur, 
welche  dem  Sammler  seine  Arbeit  sehr  erleichtern  würde,  dflrfle  hei 
ihnen  für  die  nächste  Zeit  noch  nicht  zu  denken  sein  nnd  Überdies 
würde  dieselbe  die  neueste  Zeit  noch  unbeachtet  lassen,  welche  aber 
gerade  von  dem  Herausgeber  einer  derartigen  Sammlung  besonders 
ins  Auge  gefaszt  werden  musz.  Herr  Dr.  Elze  scheint  uns  nun  die  er- 
wähnten manigfachen  Hindernisse  glücklich  überwunden  zu  haben;  er 
hat  sich  offenbar  mit  der  amerikanischen  Litteratur  schon  seit  längerer 
Zeit  gründlich  bekannl  gemacht  und  so  viel  sich  bis  jetzt  Übersehen 
töszt,  im  allgemeinen  eine  glückliche  Wahl  getroffen:  auch  ist  die  für 
ein  solches  Unternehmen  besonders  wichtige  Correctheit  des  Druckes 
nebst  der  geschmackvollen  Ausstattung  nur  zu  loben.  Wer  irgeud  die 
Eigenthümtichkeiten  des  englischen  Druckes  naher  kennen  gelernt  hat, 
der  weisz,  dasz  in  Deutschland  gedruckte  englische  Werke  gewöhn- 
lich vielfach  gegen  dieselben  zu  verstoszen  pflegen.  Die  in  dieser 
Beziehung  auf  die  Herstellung  eines,  selbst  in  allen  Aeuszerlichkeilen 
echt  englischen,  corrccten  Textes  verwendete  Sorgfall  ist  sehr  zu 
loben  und  empfiehlt  die  Sammhing  nicht  wenig,  auch  zu  Schulzweckcn. 
Indem  wir  nun  zu  einer  kurzen  Besprechung  der  einzelnen  Bande 
übergehen,  wollen  wir  noch  besonders  auf  diejenigen  hindeuten,  wel- 
che für  den  Unterricht  brauchbar  sein  dürften. 


K.  Eixe :  Standard  Anerican  Auibora.  153 

Der  ertle  Band  enthält  die  in  Deutschland  bisher  noch  unbekann- 
ten Gedichte  von  William  Cnllen  Bryant  (geb.  den  3.  Nov.  1794  zu 
Cummington  in  Massachusetts).  Unserer  Meinung  nach  zeigt  Bryant 
unter  allen  amerikanischen  Dichtern  die  meiste  Individualität,  deren 
Mangel  bei  vielen,  selbst  bei  Longfellow,  zu  beklagen  ist.  Bryant 
dichtete  schon  in  seinem  9n  Jahre;  die  ^ Thanatopsis %  vielleicht  das 
gelungenste  aller  seiner  Gedichte,  schrieb  er  in  seinem  18n  Jahre. 
Liebeslieder  und  jede  Art  künstelnder  Lyrik  wird  man  vergebens  bei 
ihm  suchen;  man  findet  statt  dessen  in  dem  kleinsteu  Gedicht  eine 
gewisse  Feier  und  Weihe,  eine  glühende  und  doch  nie  brennende 
Phantasie  und  namentlich  ein  echtes  Nationalgefühl.  Die  Zeitschrift 
*  Atlantis'  hat  einige,  in  der  Sammlung  nicht  enthaltene  Gedichte, 
ferner  auch  gelungene  Uebersetzungen  der  ^Thanatopsis'  und  des 
^Forest  hymn'  veröffentlichL  Der  vor  kurzem  erschienenen,  vielleicht 
durch  diese  Ausgabe  veranlaszten  Uebersetzung  von  Alex.  Neidhardt 
(Stuttgart,  Melzler)  scheint  ebenso  die  letzte  Ftile  zu  fehlen,  wie  frei- 
lich auch  einzelnen  Versen  des  Originals. 

Der  2e  Band  enthält  den  echten  Text  der  Franklinschen  Selbst- 
biographie, nicht  die  Rückübersetzung  aus  dem  Französischen,  welche 
lange  Zeit  unter  Franklins  Namen  verbreitet  worden  ist.  Wenn  irgend 
einer,  so  gehört  Franklin  zu  den  Klassikern  Amerikas  nnd  das  Buch 
kann  wol  in  jeder  Beziehung  zur  Leetüre  in  Schulen  empfohlen  wer- 
den. Als  interessante  Beilage  enthält  es  ein  Facsimile  des  Verfassers. 
Die  Fortsetzung  dieser  Autobiography  von  Jared  Sparks  füllt  den 
dn  Band.  Sparks  schreibt  objectiv,  ruhig  und  klar  und  erscheint  uns 
als  der  vorzüglichste  Biograph  der  Amerikaner. 

Die  Bände  IV  uqd  V  enthalten  die  poetischen,  VI  und  Vll  die 
prosaischen  Werke  Henry  W.  Longfellows,  des  bekanntesten  unter 
den  amerikanischen  Dichtern ,  der  sich  auf  sehr  verschiedenen  Gebie- 
ten mit  Glück  versucht  und  besonders  auch  einige  sehr  gelungene 
Uebersetzungen  geliefert  hat.  Seine  in  Hexametern  geschriebene  acu- 
dische  Erzählung  ^£vangeline'  ist  von  Belke,  sein  dramatisches  Ge- 
dicht ^der  spanische  Student'  von  dem  unterzeichneten,  der  auch  eine 
metrische  Uebersetzung  der  lyrischen  Gedichte  demnächst  erscheinen 
lassen  wird,  herausgegeben.  £s  ist  interessant  den  Studien-  und  Ent- 
wicklungsgang dieses  fleiszigen  Professors  der  neuern  Sprachen  in 
seinen  Gedichten,  von  denen  bekanntlich  F.  Freiligrath  schon  vor  län- 
gerer Zeit  einige  übersetzt  hat,  zu  verfolgen.  Fast  von  allen  Zwei- 
gen der  europaeischen  Litteratur  hat  er  Blüten  abgepflückt.  Diese 
Unruhe  der  Forschung  charakterisiert  ihn  als  Amerikaner,  läszt  ihn 
aber  zugleich  uicht  zu  einer  originellen  Entwicklung  seines  Wesens 
kommen ,  das  nur  aus  wenigen  seiner  lyrischen  Dichtungen  klar  her- 
vorleuchtet. Jedenfalls  ist  aber  Longfellow  eine  bedeutende  Erschei- 
nung, auf  welche  selbst  Spalding,  der  die  Amerikaner  in  seiner  engl. 
Litteraturgeschichte  sehr  kurz  abfertigt,  hindeutet  und  welcher  Prof. 
Dr.  Herrig  in  seiner  anglo- amerikanischen  Litteraturgeschichte  eine 
tiefer  eingehende  Kritik  widmet. 


154  K.  Elze:  Standard  AmeriotD  Aulhors. 

Die  im  9n  Bande  enthaltene  Biographie  George  Washingtons  von 
Jared  Sparks  ist  trefTlich  geschrieben  und  scheint  in  einzelnen  Partien 
wirklich  an  die  Darstellungsweise  eines  Julius  Caesar  zu  erinnern. 
Eben  deshalb  dürfte  sie  für  den  Unterricht  ganz  geeignet  sein.  Mit 
W.  Irvings  eben  begonnener  Biographie  W.s  wird  sie  freilich  schwer 
concurrieren  können. 

Die  Bände  VIII,  X,  XI  und  XII  enthalten  Romanlectilre  von  N. 
Uawthorne.  The  Blilhen  dale  Homance  schildert  recht  lebendig  einen 
socialistischen  Versuch  der  amerikanischen  Schriftsteller  weit  im  Ge- 
wände des  Romans.  Beachtenswerther  erschienen  uns  die  ^Twice- 
Told  Tales  %  in  denen  wir  bald  einen  düstern,  geisterhaften  Zug  An» 
den,  wie  namentlich  in  der  ^Legend  of  the  Proviiice  House%  *The 
Gentle  Boy',  oder  die  einen  echten  Humor  zeigen,  wie  ^Mr.  Higgin- 
botham^s  Catastrophe'.  Allen  Erzählungen  liegt  eine  gute  Moral  zu 
Grunde ;  dabei  sind  sie  bei  reichem  Inhalt  meist  kurz  und  eben  des* 
halb,  wenigstens  theilweise  für  den  Lehrer  brauchbar.  ^The  Honse  of 
the  Seven  Gables '  ist  ein  vortrefflicher,  höchst  origineller  Roman,  in 
dem  uns  vor  allem  die  durch  die  Dichtung  verklärte  und  idealisierte 
alte  Jungfer  ^Hepzibah%  ferner  die  Schilderung  des  todten  ^Jodge 
Pyncheon '  ansprach.  Das  wol  auch  schon  in  der  Uehersetznng  be- 
kannte Buch  beweist  eben,  dasz  die  Amerikaner  auch  gute  Romane  xa 
schreiben  verstehen. 

Vol.  XIII  und  XIV  bringen  eine  Auswahl  aus  den  Werken  Edgar 
Allan  Poe^s  —  wie  es  scheint  zuerst  ohne  Autorisation.  Ein  50  Seiten 
langes  Memoir  des  bekannten  Dr.  R.  W.  Griswold  leitet  diese  Aus* 
wähl  ein ,  vermag  aber  nnser  Interesse  für  Poe  durchaus  nicht  ania- 
regen.  Ein  Seiten  langes  Gedicht  ist  darin  S.  XXXVI  abgedruckt, 
und  wird  gleich  darauf  S.  8  nochmals  wiederholt,  S.  XLV  drängt  sieh 
plötzlich  der  present  editor  (Dr.  Elze??)  in  den  Text,  und  lesen  wir 
weiter ,  so  ßnden  wir  schon  in  den  Gedichten  die  durch  das  Memoir 
und  Griswolds  Notizen  in  den  ^  Peels'  und  ^Poetry  of  America  S.  387' 
veranlaszte  Vermutung  vollkommen  bestätigt,  dasz  wir  einen  hier  und 
da  genialen,  aber  gänzlich  halt-  und  charakterlosen  Autor  vor  om 
haben.  Wenn  man  aber  trotzdem  in  den  Gedichten  noch  einige  Licht- 
blicke des  Genies  anerkennen  muste,  so  sind  die  folgenden  prosai- 
schen ^Tales  of  Mystery'  wirklich  zum  Theil  so  unsinniges  Geschwits, 
und  das  im  folgenden  Bande  abgedruckte  ^  Eureka :  an  essay  on  Ihe 
material  and  spiritual  universe'  musz  jeden,  der  Humboldts  Koimot 
studiert  bat,  aus  vielen  Gründen  so  entschieden' anwidern,  dasf  wir 
nicht  begreifen  können,  wie  ein  solcher  Autor  in  einem  bisher  so  an-' 
sichtig  gewählten  Kreise  einen  Platz  finden  durfte.  Indem  wir  alio 
bedauern,  dasz  wir  uns  genöthigt  sahen,  gerade  die  letzten  Binde 
der  sonst  empfehlenswerthen  Sammlung  so  entschieden  zu  misbillifen, 
hoffen  wir,  dasz  für  die  nächstfolgenden  wieder  eine  recht  wol  Qber- 
legte  Wahl  getroffen  werden  wird,  und  werden  nns  in  diesem  Fall  er- 
lauben, nach  einiger  Zeit  die  Freunde  der  englischen  Litteratur,  welche 
gegenwärtig  Amerika  nicht  mehr  unbeaditot  lassen  dürfen,  wieder 


AofEOflre  aus  ZetUohrifteo.  155 

auf  diese  SaamlaDg,  welche  sich  daan  wöl  Moh  naDigralliger  eoU 
wickelt  haben  wird,  aafnerksam  tu  machea. 

Dessau,  Dec.  1856.  C.  Bötiger, 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Zeilschriß  ßr  d.  österr.  Oymn.    VI  Jhrg.  1855  (s.  d.  vor.  Heft.) 

98  H.  F.  ▼•  Honigsberg:  n.  d.  Semestralzeugnisae  nach  d.  der* 
maligen  Stndieneinricbtong  (8.  697 — 706).  Bonitz:  Anmerkung  daza 
(8.  706—12).  —  Cnrtins:  griech.  Schnigrammatik.  2.  A.  Ang.  v. 
La  nee  (8.  713—31:  aehr  lobende,  aber  viele  einzelne  Abweichnnge« 
auffuhriich  begründende  Benrtheilnng).  —  Thierseh:  Grammatik  d« 
griecb.  8pr.  4.  A.  Ang.  t.  dem«.  (8.  732:  dem  Stodtnm  der  Lehrer 
D.  Gelehrten  dringend  empfohlen).—  Schenk! :  Chrestomathie  a.  Xe~ 
nophon.  Ang.  ▼.  Hochegger  (8.  733—37:  lobende  Anz.)  -—  Ol- 
trogge:  denUches  Lesebach.  Nene  AnswahL  2.  Thl.  Ang.  v.  Seid! 
(8.  737  f.:  empfohlen).  —  8 tacke:  Erzählungen  a«  d.  alt.  mittl.  n. 
neuem  Geschichte  in  biogr.  Form.  Ang.  v.  Lorenz  (8.  738—40:  im 
ganzen  gelobt).—  8chwartz:  Handb.  für  d.  biogr.  Geschichtsunterr. 
I.  Th.  4.  A.  Ang.  ▼.  dems.  (8.  740 — 42:  ^egen  die  Methode  manche 
JBedenken).  —  8pieszi  Weltgesch.  in  Biographien.  1.  C.  Ang.  ▼. 
dems.  (8.  742  f.:  viel  Tadel).  —  8t  ein 's  kleine  Geogr.  hrsg.  v. 
Wagner  24.  A.  Ang.  ▼.  Steinhanser  (8.  743 — 48:  aehr  lobend» 
Viele  Bemerkangen  fiber  Oesterreich). —  Vogels  Netzatlas  anf  Wachs- 
papier. 3.  A.  Ang.  V.  dems.  (8.  748  f.:  die  weitere  Ausbildung  dea 
empfohlenen  Hulfsniittels  wird  bezeichnet).  —  Vogel:  8chulatlas.  8. 
A.  Ang.  V.  dems.  (8.  749t  nicht  genug  Verbesserungen  gefunden). — 
8chabas:  leichtfaszliche  Anfanasgrunde  der  Natnriehre.  2.  A.  o. 
Koppe:  Anfangsgrunde  d.  Physik.  6.  A.  Ang.  v.  Kolbe  (8.  749— 
52:  beide  Werke  empfohlen).  —  Friedr.  Jacob  y.  dessen.  Ang. 
V.  8  ei  dl  (8.  752 — 64).  —  Programme  paedagog.  u.  didakt.  Inhalts. 
Ang.  ▼.  Bonitz  (8.  763  —  68.  Besprochen  wenlen  ein  Beitrag  zur 
Gymnasialpaedagogik  [Olmütz].  Vogt:  einige  Bemerkangen ,  betref- 
fend das  Fachsystem  [Kronstadt].  Tachau:  fi.  d.  Ursacl^n  des  Ver- 
falls des  8tndinms  der  lateinischen  Sprache  [Lemberg^.  —  Wolf: 
metrische  Uebungen  in  den  altklassischen  Sprachen  ein  Forderungs- 
mittel  der  Gymnasialbildnng  [Brunn].  Ang.  ▼.  Linker  (8.  768;  nicht 
lobend).  —  Programme  philologischen  Innalts.  Ang.  v.  Bonitz  (8. 
769—73.  Besprochen  sind:  Krotkowski:  fi.  d.  Methode  bei  d.  Bil- 
dung der  sogenannten  Zeitformen  griech.  Zeitworter  [Braunau].  Mei- 
ster: Bemerkungen  za  Cnrtins  griech.  8chulgr.  JTroppau].  Frieb: 
d.  Fuhrwerk  bei  Homer  [Wien].  Hamerling:  n.  d.  Gmndideen  der 
griech.  Tragoedie  [Gratz^.  Kahl  ort:  Parallele  zw.  d.  platonischen 
u.  aristotelischen  Btaatsidee.  3.  Tbl.  [Czernowitz]).  —  Hartman«: 
Probe  e.  neuen  Bchnlansgabe  ▼.  Arrian's  Anabasis.  Ang.  v.  Ludwig 
(8.  773 — 75 :  nur  unerhebliche  Einwendungen).  —  Berdnachek: 
Graf  Albrecht  v.  Zollern -Hohenberc.  Ang.  v.  Budinger  (8.  775  f. 
empfohlen),  rr:  10s  H.  Bonitz:  d.  Verordnungen  y.  10.  8ept.  1865 
(8.  777 — ^97:  fiber  die  Bedingungen,  unter  welchen  die  Ab«ichten  im 
Unterrichte  in  den  alten  Sprachen  erreicht  werden  kennen,  naneniiich 


156  Auszüge  aus  Zeitsobrifleu. 

über  d.  Behandiong  der  Syntax,  die  achriftlichen  Uebongen  and  die 
Wahl  der  Leetüre  werden  treffliche  Aufklärungen  und  Rathachlage 
gegeben).  —  Pisko:  Beitrage  zur  Methodik  d.  Unterrichts  in  d.  Phy- 
sik. 1.  d.  Unterr.  in  d.  Chemie  am  Gymn.  (8.  798—804:  Vor»eich- 
nung  eines  Lehrgangs  u.  Winke  für  d.   Behandlung  in  d.  Lehrstunde). 

—  Demosthenes  ausgewählte  Reden.  V.  Westermann.  1.  Bdchen. 
2  A.  Ang.  V.  Bonitz  (S.  805 — 24:  eingehende  Erklärung  zahlreicher 
Stellen).  —  üebersetzungen  Homers  von  E  Wiedasch.  Ang.  v. 
Seidl  (S.  824—^26:  sehr  anerkennend).  —  Kutzen:  das  deutsche 
Land.  Ang.  v.  Steinhauser  (S.  827—29:  sehr  gelobt).  —  Aich- 
horn:  Anleitung  zur  Flächenzeichnung  einfacher  Krystallgest&Iten. 
Ang.  V.  Grailich  (S.  830  -33:  belobend).  —  Verordnungen  des  Mi- 
nisters für  Cultus  vom  10.  u.  16.  Sept.  1855  (S.  834—44).  —  Lin- 
ker: Bericht  über  d.  15  Philologenversammliing  (S.  857—72).  —  IIa 
H.  Lange:  über  Zahl  und  Amtsgewalt  der  Consulartribunen  (S.  875 
—908:  die  Abhandlung  ist  durch  die  von  Lorenz  im  4.  Hefte  her- 
vorgerufen. Widerlegt  wird  d.  Behauptung,  dasz  die  Anzahl  der  Cob- 
Bulartribunen  anfänglich  nur  auf  drei  festgesetzt  gewesen  sei,  viel- 
mehr die  Erhöhung  der  Legionstribunen  auf  die  Zahl  6  schon  auf  Ser- 
vius  Tullius  zurückgeführt,  und  die  Wahl  von  nur  3  ConsulartribnneD 
den  Machinationen  der  Patricier  zugeschrieben.  Unter  einigen  Berich- 
tigungen wird  d.  Lorenz^sche  Ansicht  über  die  8  Consulartribunen  und 
ihr  Verhältnis  zur  Censur  gebilligt.  Die  Gewalt  umfaszte  vom  An- 
fang an  sowol  die  conaularU  potcataa,  als  das  militärische  wie  rich- 
terliche {conaulare)  Imperium  und  es  ist  in  ihrer  Weiterentwicklung 
nicht  eine  Vergröhzerung  und  Ausdehnung  derselben  zu  Fehn,  dagegen 
aber  anzunehmen,  dasz  die  Amtsgewalt  der  plebeiischen  Consulartri- 
bunen eine  andere  und  zwar  weniger  umfangreiche ,  auf  das  militä- 
rische Imperium  beschränkte  gewesen  soi.  Vermutet  wird,  dasz  die 
auapicia  ex  tripudiia  die  von  den  plebeiischen  Consulartribunen  im 
Felde  geübten  gewesen  seien  und  so  in  (\en  Kriegsdienst  Eingang  ge* 
funden  hätten).  —  Taciti  Agricola.  Ed  Wex.  Ang.  v.  Grysar  (8. 
909 — 27 :  lobende  Darlegung  des  beobachteten  Verfahrens  und  Bespre- 
chung vieler  einzelner  Stellen.  Coniiciert  wird  19  ae  annuerc  pretio^ 
20  navibua  primo  tranagressusy  28  mox  ad  uquam  atque  alia  raptuii 
cum  cadendiaseni,  31  in  poenitentiam  proeliaturi,  34  sono  pelli  fan" 
tur). —  Lange:  Leitfaden  zur  allgemeinen  Geschichte,  l.u.2.  Unter- 
richtsst.  Ang.  v.  Lorenz  (S.  927  29:  mehrfacher  Tadel,».—  Vogel: 
Netzatlat.     Neue  Aufl.    Ang.  v.  Steinhauser  (S.  929  f.  empfohlen). 

—  Grosz:  geogr.  SchulatUs.  2.  A.  Ang.  v.  dems.  (S.  931—34:  er* 
fährt  mehrfachen  Tadel).  —  Kner:  einige  Worte  über  d.  neuerliche 
Ein.<ichränkung  des  naturhistor.  Unterrichts  a.  Gymn.  (8.  940 — 46: 
warme  Vertheidigung  des  Gegenstandes,  bei  der,  wie  die  Red.  be- 
merkt, d.  Standpunkt  des  Gymn.  nicht  festgehalten  ist).  =  12s  H.,  noch 
nicht  in  unseren  Händen,  wird  die  statistischen  Tabellen  enthalten*  =: 
7.  Jhrg.  1856.  1.  H.  Jäger:  Beiträge  zur  osterr.  Geschichte  JII  (8/ 
1—12:  es  wird  bewiesen,  dasz  die  bisher  angegebenen  Grunde  fnr  die 
Gefangennehmnng  Richards  v.  England  durch  Leopold  VI  von  Oester- 
reich  durchaus  unrichtig  sind).  —  Curtiua:  Zur  griechischen  Wort- 
bildungslehre u.  Syntax  (S.  13— 28i  für  einige  wesentliche  Punkte» 
die  von  Lange  im  9.  H.  d.  vor.  Jhrgs  bestritten  waren,  wird  vom  Vf. 
seine  Auffassung  erörtert  und  die  Gründe  dafür  angeführt).  —  Krfi  - 
ger:  poetisch-dialektische  Syntax.  Ang.  v.  Lange  (S.  29—46:  wird 
als  eine  äuszerst  zu  dankende  Vorarbeit  für  eine  wissensch.  Syntax  u, 
werthvolles  Hülfsmittel  für  Kenntnis  des  usns  anerkannt,  aber  gegen 
die  Anlage  manches  Bedenken  erhoben  und  die  Angaben  nicht  immer 
ausreichend  und  ganz  zuverlässig  befunden).  —  Heinze:  theoretisch- 


Berichte  Aber  gelehrle  Anslalten,  Verordnaogeo,  staust.  Notiien.  157 

praktische  Anleitnne  sum  diipoDiertn.  Ayg.  v.  Baungarten  (S.  46 
— 50:  dem  Lehrer  Notzen  e.  Gewinn  Tersprechend). —  Gienebrecht: 
Gesch.  d.  deateehen  Kaiserceit.  1.  Bd.  Ang.  ▼.  Bfidinger  (S.  50 
— 60:  anter  Bemerkungen  aber  einzelne  Angaben  sehr  lobende  An- 
zeige).—  1.  B*  ▼.  Sydow:  hydrotopischer  Atlas.  2.  dess.  Schalwand« 
karten.  3.  Pütz:  Leitfaden  beim  Unterriebt  in  d.  vergleichenden 
Erdkunde  ffir  d.  unteren  n.  mittleren  Klassen.  Ang.  v.  Steinhauser 
(8.  60--66:  Nr.  1  u.  2  werden  dringend  empfohlen,  Nr.  3  gelobt,  aber 
noch  nicht  praktisch  genug  ausgebildet  gefunden).  —  1.  Schmardas 
Grundzuge  der  Zoologie.  ].  Th.  *L  Kolenati:  Zoologie.  3*  Leunisi 
Schulnaturgesch.  1.  Th.  3.  A.  4.  Kichelberg:  genetischer  Grund- 
risz  der  Naturgeschichte.  1.  Tb.  Ang.  y.  O.  Schmidt  (S.  G6—T2i 
nachdem  In  einer  Einleitung  über  die  Methode  für  die  oberen  Gymna- 
sialklassen d.  eingehen  auf  charakteristische  Repraesentanten  grösze- 
rer  Klassen  empfohlen  ist,  wird  an  Nr.  1  die  systematische  Durch- 
führung gerügt).  —  Bericht  über  die  Versammlung  der  Realschiil- 
raänner  in  Hannover  1855.  Von  Wen  zig  (S.  79 — 82).  Litterarische 
Notizen  über  die  Weidmännische  Sammlung  v.  Lehrbüchern  und  Lü- 
deckings  Lesebuch  (S.  82—84).  _  ü.  D. 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  statistische 
Notizen,  Anzeigen  von  Programmen. 

pREUSZEif.  Wir  beeilen  uns  folgende  Verordnungen  des  h.  Mini- 
steriums zur  Kenntnis  unserer  Leser  zu  bringen:  I)  v.  7.  Jan.  1866. 
Der  in  der  Circolar- Verfügung  vom  24.  October  1837  aufgestellte 
Normalplan  für  den  Gymnasial-Unterricht  hat  sich  seitdem 
im  allgemeinen  als  zweckmaszig  bewährt«  Diejenigen  Modificationen 
desselben,  weiche  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  und  auf  Grund 
der  von  den  Provinzial-Schulcollegien  abgegebeneu  Gutachten  ange- 
messen erscheinen,  beschranken  sich  auf  foicendes: 

Die  philosophis  che  Propaedeu  tik  ist,  wie  es  bei  einer 
groszen  Zahl  der  G3unna8ien  bereits  geschieht,  ferner  nicht  {als  ein 
besonderes  Unterrichtsfach  anzusetzen.  Der  wesentliche  Inhalt  dersel- 
ben, namentlich  die  Grundlehren  der  Logik,  kann  mit  dem  deutschen 
Unterricht  verbunden  werden,  weshalb  in  dem  unten  beigefügten  Ue- 
bersichtsplan  statt  der  bisherigen  2  wöchentlichen  Stunden  für  das 
Deutsche  in  Prima  3  Stunden  bestimmt  worden  sind.  Ks  bleibt  indes 
den  königlichen  Provinzial-Schulcollegien  überlassen,  da,  wo  sie  es 
für  angemessener  erachten,  die  nothwendige  Berücksichtigung  des  In- 
halts der  philosuphischen  Propaedeutik  einem  philologischen  oder  dem 
mathematischen  Lehrer  zu  übertragen,  und  in  solchem  Fall  die  Stun- 
denzahl desselben  um  eine  zu  vermehren;  wobei  es  dann,  hinsichtlich 
des  deutschen  Unterrichts  in  Prima,  bei  2  wöchentlichen  Stunden  ver- 
bleibt. 

Die  Zahl  von  3  wöchentlichen  Religionsstunden  wird  in  Sexta 
und  Quinta  auf  3  erhöht,  um  für  das  I^sen  der  heil.  Schrift  und  die 
biblische  Geschichte,  oder  für  die  Verbindung  des  katechetischen  Unter- 
richts mit  der  letzteren,  ausreichende  Zeit  zu  gewinnen.  Nur  bei 
einer  sehr  geringen  Classenfrequenz  ist  es  gestattet,  die  bisherige 
Stundenzahl  beizubehalten. 

Da  der  lateinische  und   deutsche  Unterricht  in  Sezta  und 


158  Berichte  Aber  gelehrte  Anslalten,  VerordnuDgeD,  slalUt.  NoUsen. 

Quinta  6\nem  Lehrer  zu  übertragen  ist,  nnd  die  königlichen  Provin- 
^idi.gichulcolleglen  nur  in  Fällen  der  Nothwendigkeit  Ausnahmen  hier- 
von gestatten  werden,  ho  genügt  es,  für  beide  Sprachen  snsamnieo 
wöchentlich  12  Stunden  anzusetzen.  Wo  die  Vertneilung  dieses  Un< 
terrichts  unter  zwei  verschiedene  Lehrer  nicht  vermieden  werden  kann, 
und  bei  groszer  Classenfrequenz,  ist  es  jedoch  zulässig,  in  den  ge- 
nannten Classen  für  das  Deutsche  5  Stunden  wöchentlich  zu  bestimmen. 
Der  Unterricht  im  Franzosischen  beginnt  in  Quinta  mit  3  wö- 
chentlichen Stunden;  in  jeder  folgenden  Classe  sind  2  Stunden  auf 
denselben  zu  wenden. 

Für  die  Geschichte  und  Geographie  wird  in  Prima  nnd  in 
Quarta  die  wöchentliche  Stundenzahl  um  ^ine  erhöht,  so  dasz  diesen 
Gegenständen  in  den  vier  oberen  Classen  je  3  Stunden  wöchentlich 
gewidmet  werden.  Ju  Sexta  und  Quinta  hat  sich  der  historische  Un- 
terricht auf  die  in  den  Religionstunden  durchzunehmende  biblische 
Geschichte  und  diejenigen  Mittheilungen  zu  beschränken,  zu  denen 
die  zwei  wöchentlichen  Stunden  des  geographischen  Unterrichts  Ge- 
legen lieit  geben.  Die  Sagen  des  Alterthmus  werden  in  diesen  Clas- 
sen zwe<:kuiäszig  auch  bei  dem  deutschen  Unterricht  Berücksichtigung 
finden. 

Der  Unterricht  in  der  Naturgeschichte  ist  in  Sexta  und  Quinta 
nur  an  denjenigen  Gymnasien  beizubehalten,  welche  dafür   eine  völlig 
geeignete  Lehrkraft  besitzen.     Dazu  ist  nicht  allein  der  Nachweis  der 
durch  die  Prüfung  pro  facultate  docendi  erworbenen  Berechtigung  erfor- 
derlich, sondern  auch  die  Befähigung,  diesen  Unterricht,  der  Altersstufe 
der  bctreiTcnden  Chissen  gcmäsz,  in  anschaulicher  und  anregender  Weise 
und   ohne   das  Streben   nach   systematischer  Form    und  Vollständigkeit 
zu    erthcilen.     Wo    es    nach   dem   Urtheil   der   königlichen   Provinzial- 
Schulcollcgien  an  einem  solchen  Lehrer  fehlt,   fällt  dieser  Gegenstand 
in  Sexta   und  Quinta   aus,    und   ist   in   beiden  Classen   für  den  Unter- 
richt in  der  Geographie,    und   auszerdem    in  Quinta   für   das  Rechnen 
eine  Stunde  mehr  zu  verwenden.     Dem  Lehrer  der  Geographie  ist  als- 
dann   um   so    mehr  Gelegenheit    gegeben,   durch  Berücksichtigung  des 
naturgeschichtlichen    StolTes    den    Gegenstand    zu    beleben,    und    auch 
nach  dieser  Seite  hin  den  Vorstellungskreis  der  Schüler   zu  erweitern. 
In   Quarta   sind    bei   dem   gleichzeitigen  Eintritt  der  Mathematik   und 
des  Griechischen,   und    7ur  Vermeidung  einer  zu  groszen  Stundenzahl, 
dem  naturgeschichtlichen  Unterricht  besondere  Stunden   nicht  zu  wid- 
men.    Tn   den  zwei  für  <Iic  Naturkunde  bestimmten  Stunden  in  Tertia 
ist   eine   zusammenhangende  Uebersicht  der   beschreibenden  Naturwis- 
senschaften  zu   geben,   wofür   in   dieser  Classe  das  Fassungsvermögen 
hinreichend  entwickelt   zu   sein  pflegt.     Wo   eine  getrennte  Obei^  und 
Unter- Tertia   besteht,   reicht  dazu  eine  Stunde  wöchentlich   ans,   und 
die  andere  ist  dem  Geschichtsunterricht  zuzulegen,  umsomehr,  als  die 
brandenburgisch -preuszische   Geschichte   überall   in    das   Pensum    von 
Tertia  aufzunehmen  ist.     Fehlt  es   an  einem   geeigneteten  Lehrer  der 
Naturwishenschaften,    so    ist  von   den   zwei    angesetzten   Standen  die 
eine  auf  Geschichte,   die  andere  auf  das  Französische  zu  verwenden. 
—    Wo    unter   den    vorher    angegebenen    Bedingungen    in    Sexta    nnd 
Quinta  ein  naturgeschichtlicher  Unterricht   ertheilt   wird,   ist  die  Be- 
schreibung   des   menschlichen   Leibes    auf   das    nothwendigste  zu   be- 
schränken. 

in  Quarta  sind  in  den  für  den  mathematischen  Unterricht 
bestimmten  3  wöchentlichen  Stunden  ausgedehnter,  als  bisher  meist 
geschehen,  die  Uebungen  im  Rechnen  fortzusetzen,  und  der  Unterricht 
im  übrigen  auf  geometrische  Anschauungslehre  und  die  Anfangsgrunde 
der  Planimetrie  zu  beschränken. 


Beriehte  ülmr  gelehrte  AnBlaUeDy  Verordnaogeo,  sUtist  Notixen.   159 

Schreib  Unterricht  findet  wie  bisher  in  Sexta  und  Quinta  in 
3  wöchentlichen  Stunden  statt*  Da  von  Quarta  an  besondere  Schreib- 
stunden nicht  mehr  eintreten,  so  ist  desto  mehr  von  den  Lehrern  die- 
ser und  der  folgenden  Classen  auf  eine  gute  Handschrift  in  sämtlichen 
Schulerarbeiten  mit  Strenee  xu  halten.  Damit  dies  mit  sicherem  Er- 
folge geschehen  kann,  sind  die  schriftlichen  Arbeiten  auf  ihr  rechtes 
Mass  genau  einxuschranken. 

Hiernach  regelt  sich  der  allgemeine  Lehrplan  für  die  G^rmnasien 
nunmehr  in  folgender  Weise: 


2? 

? 

o 

c 

CA 

5 

i 

a 
5- 

ff. 

^ 

0 

i 

Religion,  wöchentlich  Stunden    . 

2 

2 

2 

2 

3 

3 

Deutsch 

3 

8 

2 
10 

2 

10 

2 
10 

2 

10 

2 
10 

Lateinisch 

Griechisch 

6 

6 

6 

6 

— 

— 

FranzÖsich 

2 

2 

2 

2 

3 

— 

Geschichte  und  Geographie    .     . 
Mathematik  und  Rechnen   .     .     . 

3 

3 

3 

3 

2 

3 

4 

4 

3 

3 

3 

4 

Physik 

2 

1 

— 

— 

— 

— 

Naturkunde 

— 

— 

2 

— 

(2) 

w 

Zeichnen 



.. 



2 

2 

2 

Schreiben 

— 

— 

— 

— 

3 

3 

30 

30 

30 

30 

30 

28(27) 

Da  der  Unterricht  im  Hebraeischen,  im  Gesang  und  im  Tur- 
nen ganz  oder  theilweise  auszer  der  gewöhnlichen  Schulzeit  ertheilt 
wird,  so  sind  die  in  dem  bisherigen  Umfange  dafür  zu  verwendenden 
Stunden  in  vorstehende  Uebersicht  nicht  mit  aufgenommen  worden. 

Wie  weit  nach  lokalen  und  individuellen  Verhältnissen  der  ein- 
zelnen Provinzen  und  Anstalten,  sowie  nach  stiftungsmäszigen  für 
einzelne  Gymnasien  bestehenden  Bestimmungen,  Abweichungen  von 
dem  aligemeinen  Lehrplan  gerechtfertigt  erscheinen,  haben  die  könig- 
lichen ProvinziaUSchulcollegien  genau  festzustellen  und  mir  darüber 
Bericht  zu  erstatten. 

Auszer  den  sodann  mit  meiner  Genehmigung  fiir  die  betreffenden 
Anstalten  zu  bestimmenden  Ausnahmen,  sind  weitere  Abänderungen 
des  für  sämtliche  Gymnasien  verbindlichen  Lehrplans  nicht  zu  dulden. 

Eine  Dispensation  vom  Unterricht  in  der  griechischen 
Sprache  darf  in  denjenigen  Städten,  wo  neben  dem  Gymnasium  noch 
eine  höhere  Bürger-  oder  Realschule  besteht,  vorausgesetzt,  dasz  in 
der  letzteren  Latein  gelehrt  wird,  nicht  mehr  statt  finden.  Wo  da- 
gegen in  kleineren  Städten  das  Gymnasium  auch  das  Bedürfnis  derer 
erfüllen  mnsz,  welche  sich  nicht  für  ein  wissenschaftliches  Studium 
oder  einen  Lebensberuf,  zu  welchem  eine  Gymnasialbildung  erfordert 
wird,  vorbereiten,  sondern  die  für  einen  bürgerlichen  Beruf  nÖthige 
allgemeine  Bildung  auf  einer  höheren  Lehranstalt  erwerben  wollen ,  bleibt, 
auch  wenn  mit  dem  Gymnasium  besondere  Realclassen  nicht  verbunden 
sind,  die  Dispensation  von  der  Theilnahme  an  dem  Unterrichte  im 
Griechischen,  mit  Genehmigung  der  königlichen  Provinzial-Schulcoi- 
legien,  zulässig.  Ob  in  solchen  Fällen  an  die  Stelle  des  Griechischen 
ein  anderer  Unterrichtsgegenstand  eintreten  kann,  wird  der  Erwägung 
und  besonderen  Anordnung  der  königlichen  Provinzial-Schulcoliegien 
anheimgegeben.    Bei  Gewährung  der  Dispensation  ist  den  betreffiMden 


160  Berichte  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  Statist.  NoUioB. 

Schalern  bemerklich  zu  machen,  dasx  Unkenntniii  des  Griechischen  von 
der  Tbeilnabme  am  Abiturienten-Examen  ausachliesxt. 


Die  Befolgung  des  allgemeinen  Lehrplans  kann  erst  dann  die  be- 
absichtigte Wirkung  an  der  den  Gymnasien  anvertrauten  Jugend  her- 
vorbringen, wenn  die  Lehrer  einer  Anstalt  davon  darchdrunsen  sind, 
dasz  ihr  Werk  ein  geroeinsames  ist,  bei  dem  die  Thätigkeit  des  einen 
an  der  Thätigkeit  des  anderen  Lehrers  ihre  nothwendige  Ergänzung 
findet,  und  deshalb  in  Zusammenhang  mit  derselben  stehen  musz.  Das 
den  Schüler  zerstreuende,  seine  Kraft  zersplitternde  und  sein  Inter- 
esse lähmende  ist  nicht  sowol  die  Vielheit  der  Gegenstände  an  sich, 
als  der  Mangel  an  Einheit  in  der  Manigfaltigkeit.  Eine  Verniinderun" 
der  in  dem  oben  aufgestellten  Lehrplan  angegebenen  Unterricbtsob- 
jecte  und  des  denselben  zu  widmenden  Zeitmaszes  hat  sich  als  unzu- 
lässig erwiesen.  *  Das  um  so  dringender  hervortretende.  Bedürfnis  gro- 
hzerer  Concentration  des  gesamten  Unterrichtsstoffs  ist  nur  durch  ein 
eiiuiiütiges  Zusammenwirken  jedes  Lehrercollegiums  zu  erreichen,  wo- 
bei der  einzelne  sich  willig  dem  Zweck  des  ganzen  unterordnet,  kein 
Lehrobjcct  sich  isoliert,  und  in  der  Lchrweise  sowie  in  der  Auffas- 
sung der  Gegenstände,  ohne  Beeinträchtigung  der  persönlichen  Ei- 
gentliümlichkeit  des  einzelnen  Lehrers,  eine  principielle  Uebereinstim- 
mung  herdcht.  An  dieser  fehlt  es,  wenn  z.  B.  die  verschiedenen  Lehrer 
der  verschiedenen  Sprachen,  welche  auf  den  Gymnasien  gelehrt  wer* 
den,  in  der  grammatischen  Theorie  und  den  Grundregeln  wesentlich 
von  einander  abweichen,  oder  wenn  z.  B.  die  Aeuszerungen  dea  Ge- 
schichtstehrers  über  die  Geschichte  des  A.  und  N.  T.  und  über  die 
Thatsachen  der  Kirchengeschichte  mit  demjenigen  in  Widerspruch 
stehen,  was  der  Religionslebrcr  oder  auch  der  Lehrer  des  Dentscheu 
bei  der  Besprechung  deutscher  Aufsätze  über  dieselben  Gegenstände 
▼erträgt. 

Zur  Verminderung  eines  derartigen  Zwiespalts,  welcher  den  Zweck 
des  Unterrichts  vereitelt,  und  in  der  Seele  des  Schülers  die  Grund- 
lage eines  festen  Wissens  und  sicherer  Ueberzeugungen  sich  nicht  bil- 
den läszt,  sowie  zur  Beförderung  der  Concentration  des  Unterrichts 
selbst,  ist  einerseits  mehr  und  mehr  darauf  Bedacht  zu  nehmen,  dasz 
die  innerlich  am  nächsten  verwandten  Lehrobjecte  möglichst  in  tiner 
Hand  liegen  und  dasz  die  verschiedenen  Thätigkeiten  des  3chfiler8  auf 
demselben  Gebiet,  z.  B.  die  lateinische  Leetüre  und  die  schriftlichen 
Arbeiten,  in  enge  Beziehung  zu  einander  gesetzt  werden;  sodann  aber 
ist  durch  Fuchconferenzen,  welche  sich  in  geeigneten  Zeiträumen  wie- 
derholen, dafür  zu  sorgen,  dasz  sowol  die  aufeinander  folgenden,  wie 
die  nebeneinander  in  derselben  Classe  unterrichtenden  Lehrer  alle  ein 
deutliches  Bewiistsein  über  die  Pensa  und  Classenziele  und  aber  ihr 
gegenseitiges  Verhältnis  zur  Erreichung  derselben  haben.  Es  geschieht 
häufig,  dasz  das  Unterrichtsmaterial,  abge&ehen  von  dem  durchana 
nicht  zu  gestattenden  Hinausgehen  über  das  Ziel  der  einzelnen  Clas- 
sen  in  den  verschiedenen  Unterrichtsfächern,  theils  durch  einielne 
nach  möglichster  Vollständigkeit  strebende  Lehrbücher,  theils  durch 
die  wissenschaftlichen  Neigungen  der  Lehrer  unverbältnisinäszig  ange- 
häuft winl,  und  der  Standpunkt  der  Classe  sowie  das  eigentliche  Be- 
dürfnis des  Schülers  unberücksichtigt  bleibt,  indem  das  Absehen  des 
Lehrers  mehr  auf  .systematische  Ausdehnung  des  Stoffs,  als  anf  Fer- 
tigkeit und  Sicherheit  im  nothwendigen  gerichtet  ist. 

ist  es  zunächst  Sache  des  Directors,  auch  in  diesen  Beiiehnngea 
die  erforderlichen  Anordnungen  zu  treffen  und  nicht  in  VergeMeiiheit 
gerathen  zu  lassen,  so  ist  andererseits  auch  von  den  Ordinarien  m 


Beriehta  übet  gelehrte  Anstalten,  Verordnangen,  Statist.  Notisen.  161 

verlangen,  dasz  sie  sich  mit  den  übrigen  Lehrern  der  ihrer  Anfmerk- 
samkeit  und  Fürsorge  Torzogsweise  anvertrauten  Classe  in  Einver- 
nehmen setzen  und  genau  davon  unterrichten,  wie  es  in  der  erwähnten 
Bexiehung  in  derselben  steht.  Die  über  die  Wirksamkeit  der  Ordi- 
narien in  der  Circularverfügung  vom  24.  October  1837  enthaltenen 
Bestimmungen  werden  hierbei  wiederholt  zur  Nachachtung  in  Erinne- 
rung gebracht. 

Wenn  die  Ordinarien  der  Classen  auch  durch  ein  bemerkbares  Ue- 
bergewicht  an  Lehrstunden  in  denselben  als  Hauptlehrer  sich  darstel- 
len, so  mnsz  der  Unterricht  dadurch  an  innerer  wie  an  auszerer  Ein- 
heit gewinnen,  und  übennäszige  Anforderungen  an  die  Schüler  werden 
ebenso  leicht  erkannt  als  vermieden  werden.  Die  Vielheit  der  Lehrer 
wirkt  besonders  nachtheilig  auf  die  jüngeren  Schüler,  die  zur  Verar- 
beitung dessen,  was  ihnen  von  verschiedenen  Lehrern  mitgetheilt  wird, 
noch  weniger  Geschick  und  Uebung  haben,  als  altere  Schüler.  Wo 
möglich  sind  deshalb  in  den  unteren  Classen  nicht  mehr  als  drei  Leh- 
rer neben  einander  zu  beschäftigen,  und  ihre  Zahl  auch'  in  den  oberen 
mehr  als  es  an  manchen  Gymnasien,  gegen  die  Bestimmungen  der  ge- 
dachten Circularverfügung  S.  II  fif.  S.  38,  geschieht,  zu  beschränken. 
—  In  solchen  Fällen,  wo  es  die  königlichen  Provinzial-Schulcollegien 
für  vortheilhaft  erachten,  ist  das  Aufsteigen  der  Ordinarien  und  übri- 
gen Lehrer  einer  Classe  mit  ihren  Schülern  in  einem  Turnus,  der  je- 
doch nur  die  Classen  von  Sexta  bis  Tertia,  oder  Sexta  und  Quinta, 
oder  Quarta  und  Tertia  umfaszt,  zulässig. 

Der  Director  und  die  Ordinarien  haben  ferner  gemeinschaftlich 
dafür  Sorge  zu  tragen,  dasz  hinsichtlich  der  häuslichen,  insbesondere 
der  schriftlichen,  Arbeiten  das  rechte  Masz  und  eine  angemessene  Ver- 
theilnng  statt  findet.  Ich  sehe  mich  veranlaszt,  die  königlichen  Pro- 
vinzial-Schulcollegien darauf  aufmerksam  zu  machen,  dasz  die  Circu- 
larverfügung vom  20.  Mai  1854  im  allgemeinen  noch  keineswegs  die- 
jenige Beachtung  gefunden  hat,  deren  es  bedarf,  um  mehr  als  bisher 
didaktische  Misgriffe  und  ein  mechanisches  Verfahren  zu  verhindern, 
irnd  bei  der  Jugend  die  Lust  am  Lernen  zu  erhalten.  Es  ist  den  Di- 
rectoren  wiederholt  zur  Pflicht  zu  machen,  namentlich  von  der  Be- 
schaffenheit der  Themata  zu  den  Aufsätzen,  sowie  von  den  schrift- 
lichen Aufgaben  überhaupt  häufiger  Kenntnis  zu  nehmen,  und  darin 
jeder  Ueberladung  und  Unangemessenheit  vorzubeugen.  Die  Schüler 
werden  an  mehreren  Anstalten  noch  immer  mit  Heftschreiben  unver- 
haltnismäszig  in  Anspruch  genommen;  die  Zahl  der  Hefte,  welche  sie, 
besonders  in  den  unteren  und  mittleren  Classen,  halten  müssen,  wird 
sich  in  vielen  Fällen  ohne  Nachtheii  noch  erheblich  vermindern  lassen. 
Wie  dies  ausgedehnte  Schreibwesen  den  Lehrstunden  selbst  einen 
groszen  Theil  der  Wirkung  entzieht,  welche  in  ihnen  geübt  werden 
soll,  so  ist  auch  auszerdem  die  Lehrweise  mancher  Lehrer  nicht  ge- 
eignet, den  Schülern  eine  Uebung  ihrer  geistigen  Kräfte  zu  gewähren 
vnd  deren  Regsamkeit  zu  fördern.  Dies  ist  der  Fall,  wenn  der  Un- 
terricht ausschlieszlich  in  einem  mechanischen  Abfragen  des  Aufgege- 
benen besteht,  die  Fragen  sich  immer  nur  an  das  Gedächtnis  richten 
und  keinerlei  Aufforderung  und  Anregung  zum  Nachdenken  und  zur 
Selbstthätigkeit  sowie  zur  Anwendung  des  Erlernten  in  sich  schlieszen, 
und  ebenso  wenig  den  Schülern  der  mittleren  und  oberen  Classen  Ge- 
legenheit geben,  sich  im  Zusammenhange  auszusprechen.  Dasz  die 
durchgenommenen  Pensa  und  das  auf  früheren  Stufen  erlernte  durch 
rechtzeitige  Repetitionen  in  lebendiger  Gegenwärtigkeit  erhalten  werde, 
kann  nicht  genug  empfohlen  werden:  aber  auch  hiebei  wird  Fertig- 
keit und  selbständige  Aneignung  nur  dann  zu  erzielen  sein,  wenn  die 
Schüler  durch  eine  manigfach   wechselnde    und   combinierende   Frag- 


162  Berichte  Aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  Statist.  Ifotlten. 

weise  genothigt  werden,  den  zn  repetierenden  Stoff  nicht  immer  von 
derselben  Seite,  sondern  von  verschiedenen  Gesichtsponkten  aus  xn 
betrachten. 

Ueber  die  Mangel  der  Lehrmethode,  -welche  in  den  oberen  Classen 
nicht  selten  wahrgenommen  werden,  enthält  die  Instruction  Tom  34. 
October  1827  Erinnerungen,  auf  welche  hinzuweisen  noch  immer  an 
der  Zeit  ist.  Nur  der  Unterricht  kann  anf  Erfolg  rechnen,  welcher 
das  wissenschaftliche  Material  mit  stetem  Hinblick  auf  seinen  paeda- 
gogischen  Zweck  behandelt |  dieser  wird  verfehlt,  wenn  s.  B.  die  In- 
terpretation eines  Autors  nicht  sowol  darauf  gerichtet  ist,  Termittelat 
einer  grammatisch  genauen  und  das  nothwendige  gründlich  erortemden 
Erkiarungsweise  in  die  Denk-  und  Anschauungsweise  desselben  leben- 
dig einzuführen  und  mit  dem  Inhalt  und  Zusammenhang  seines  Werks 
bekannt  zu  machen,  sondern  vielmehr  ihn  nur  als  einen  Stoff  benutzt, 
an  welchem  die  grammatischen  und  lexikalischen  Kenntnisse  der  Scha- 
ler zu  üben  und  zu  erweitern  sind,  ein  Verfahren,  durch  welchee  der 
Jugend  keine  Liebe  zu  den  klassischen  Schriftstellern  des  Alterthama, 
sondern  Abneigung  gegen  dieselben  in  dem  Masze  eingefloszt  wird^  daai 
die  Studierenden  nach  beendigtem  Gymnasiakursus  immer  seltener  la 
ihrer  Leetüre  und  tieferem  Studium  zurückkehren.  Es  ist  darauf  la 
halten,  dasz  die  Schüler  häufiger  als  es  geschieht,  angeleitet  werden, 
den  Inhalt  durchgenommener  gröszerer  oder  kleinerer  Abschnitte  mit 
Bestimmtheit  und  in  richtiger  Folge  anzugeben ;  bei  den  griechischeo 
und  römischen  Klassikern  empfiehlt  es  sich,  dabei  auch  von  der  latei- 
nischen Sprache  Gebrauch  zu  machen. 

Ebenso  wenig  wie  Excurse  der  angedeuteten  Art,  bei  weichen  der 
gerade  vorliegende  Gegenstand  aus  den  Augen  rerloren  wird,  der  Aof- 
gabe  des  Unterrichts  entsprechen,  kann  es  gebilligt  werden,  daaz  die 
Lelirer  nicht  selten  bei  ihrem  Vortrage  und  Unterrichtsplan  anf  das 
ein;;ernhrte  Lehrbuch,  Geschichtstabellen  usw.,  geringe  oder  keine 
Rücksicht  nehmen ,  sondern  sich  wesentliche  Ueberschreitungen  nnd 
Abweichungen  von  demselben  erlauben,  so  dasz  es  den  Schülern  den 
beabsichtigten  Nutzen,  welcher  besonders  auch  in  der  Vertrantbeit 
mit  einem  Stoff  von  bestimmt  umgrenztem  Umfang  besteht,  nicht  ge- 
währen kann.  Es  wird  dabei  zum  Nachtheil  der  Schüler  verkannt, 
dasz  auf  diesem  Gebiet  die  sicherste  Wirkung  in  weiser  Beschrankvng 
lind  fester  Gewohnung  liegt. 

Ich  veranlasse  die  königlichen  Provinzial- Schulcollegien,  die  be- 
treffenden Directoren  und  Lehrercollegien  mit  vorstehenden  Anordnun- 
gen und  Hinweisungen  in  geeigneter  Weise  bekannt  zu  machen,  ond 
vertraue,  dasz  dieselben  der  Beachtung  und  Ausführung  der  einzelnen 
Bestimmungen  ihre  unausgesetzte  Aufmerksamkeit  widmen  werden. 

IT.  Vom  ]2n  Januar.  Obwol  der  Zweck  des  Abiturienten- 
Prüfungsreglements  vom  4n  Juni  1834  durch  die  Circularverffi- 
gung  vom  24n  October  1837  S.  27 — 33  näher  erläutert  worden  ist,  so 
haben  doch  die  seitdem  über  die  Anwendung  des  Reglements  gemach- 
ten Erfahrungen  gezeigt,  dasz  nichts  desto  weniger  an  vielen  Gymna- 
sien bei  der  Abiturienten- Prüfung  ein  der  Bedeutung  derselben  ent- 
sprechendes Verfahren  nicht  beobachtet  wird.  Indem  ich  daher  die 
königlichen  Provinzial  -  Schulcollegien  veranlasse,  die  Instruction  vom 
24u  October  1837  den  Prüfungs  -  Commissionen  wiederholt  in  Erinne* 
rung  zu  bringen,  setze  ich  zugleich  in  Betreff  der  Ausführung  des 
Reglements  vom  4n  Juni  1834,  mit  Rücksicht  auf  die  von  den  könig- 
lichen Provinzial-Schulcollegien  und  den  königlichen  wissenschaftlichen 
Prüfungscommissionen  abgegebenen  Gutachten,  folgendes  hierdurch  fest: 

Bei  der  Wahl  der  Themata  für  den  deutschen  und  den  lateinischen 
Aufsatz  ist  strenger  als  bisher  die  in  $  14  des  Reglements  enthaltene 


Beriehte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnangen,  Statist.  Notisen.  163 

Bestimronng  festzuhalten,  dasz  nur  solche  Aufgaben  zu  wählen  sind, 
welche  in  dem  geistigen  Gesichtskreise  der  Schüler  liegen ,  und  über 
welche  eine  ausreichende  Belehrung  durch  den  yorcängigen  Unterricht 
vorausgesetzt  werden  kann,  alles^  aber  von  denselben  ausgeschlossen 
bleibe,  worüber  die  Abiturienten,  ihrer  Altersstufe  gemäsz,  mit  eigener 
Einsicht  oder  Erfahrung  zu  urtheilen  nicht  im  Stande  sind.  Es  ist 
ferner  darauf  zu  achten ,  dasz  die  Themata  nicht  zu  allgemein  gefaszt 
werden,  sondern  die  Aufmerksamkeit  auf  ein  bestimmt  begrenztes  Ge- 
biet lenken.  Durch  strenge  Festhaltung  dieser  Bestimmungen  wird 
nicht  allein  den  leider  so  häufigen  Versuchen  zu  Unterschleifen  am 
besten  vorgebeugt,  sondern  auch  der  Zweck  des  deutschen  Aufsatzes, 
nemlich  die  Ermittelung  der  Fähigkeit  des  Abiturienten,  einen  ihm 
bekannten  Gegenstand  mit  eigenem^  Urtheil  aufzufassen,  und  wolge- 
ordnet,  in  klarer,  richtiger  und  gebildeter  Sprache  darzustellen,  sowie 
der  Zweck  des  lateinischen^  Aufsatzes,  die  Ermittelung  der  grammati- 
schen Sicherheit  des  Abiturienten,  und  seiner  Fähigkeit  sich  lateinisch 
correct  und  mit  einiger  Gewandtheit  auszudrucken,  dabei  am  sicher- 
sten erreicht  werden. 

Bei  der  mathematischen  Arbeit  ist,  unter  Beobachtung  der 
im  S  16  5  enthaltenen  Bestimmung,  dahin  zu  sehen,  dasz  zur  Losung 
der  Aufgaben  nicht  sowol  ein  besonderes  mathematisches  Erfindungs- 
talent, als  eine  klare  Auffassung  der  einzelnen  Sätze  und  ihres  Znsam- 
menhangs vorausgesetzt  werde. 

Die  Fertigkeit  der  Abiturienten  im  Verständnisse  griechischer 
Schriftsteller  kann,  wie  bei  den  lateinischen,  in  der  mündlichen  Prü- 
fung genügend  erforscht  und^  daraetban  werden  ;^  dagegen  eignet  sich 
dieselbe  weniger  dazu,  die  Sicherheit  des  Abiturienten  in  der  griechi- 
schen Formenlehre  und  Syntax  zu  ermitteln.  Zu  diesem  Zwecke  soll 
vielmehr  an  die  Stelle  der  ausfallenden  Uebersetzung  ans  dem  Grie- 
chischen ein  kurzes  und  einfaches  griechisches  Scriptum  treten. 
Dasselbe  ist  nicht  zu  einer  Stilübung  bestimmt,  sondern  lediglich  dazu, 
die  richtige  Anwendung  der  erlernten  grammatischen  Regeln  zu  docu- 
mentieren,  in  welcher  Beziehung  der  Erlasz  vom  Iln  December  1838 
maszgebend  ist.  Die  königlichen  Provinzial-Srhulcollegien  sowie  die 
Directoren  der  Gymnasien  werden  ^enan  darüber  zu  wachen  haben, 
dasz  das  griechische  Scriptum  sich  innerhalb  der  diesem  Zwecke  ent- 
sprechenden Grenzen  halte. 

Zur  Anfertigung  des  griechischen  und  des  lateinischen  Scriptums 
sind,  nachdem  der  deutsche  Text  zu  denselben  vollständig  dictiert  wor- 
den, je  zwei  Stunden  zu  gewähren;  der  deutsche  Text  ist  den  Arbei- 
ten beizulegen.  Der  Gebrauch  von  Wörterbüchern  oder  Grammatiken 
ist  weder  bei  dem  lateinischen  noch  bei  dem  griechischen  Scriptum, 
und  ebensowenig  bei  der  franzosischen  Arbeit  gestattet« 

Für  den  lateinischen  und  den  deutschen  Aufsatz,  sowie  für  die 
mathematischen  Arbeiten,  sind  je  5  Vormittagsstunden  zu  bestimmen, 
die  jedoch  bei  den  beiden  Aufsätzen  nothigenfalls  um  eine  halbe  Stunde 
nberschritten  werden  können.  Die  übrigen  Arbeiten  sind  auf  andere 
Taffe  so  zu  vertheilen,  dasz,  einschliesziich  der  nicht  allgemein  ver- 
bindlichen Uebersetzung  aus  dem  Hebraeischen  ins  Deutsche  und  aus 
dem  Deutschen  ins  Polnische,  im  Ganzen  der  Zeitraum  einer  Woche 
bei  dem  schriftlichen  Examen  nicht  überschritten  wird.  —  Es  ist  bei 
demselben  darauf  zu  halten,  dasz  die  Abiturienten  erst  dann  die  Rein- 
schrift einer  Arbeit  beginnen,  wenn  sie  dieselbe  im  Entwurf  vollendet 
haben. 

])en  königlichen  Provinzial-Schulcollegien  ist  unbenommen,  von 
Zeit  zu  Zeit  sämtlichen  Gymnasien  der  betreffenden  Provinz  in  einem 
oder  in  allen  Gegenständen  dieselben  Aufgaben  zu  den  schriftlichen 


164  Berichte  fiber  gpelehrre  Ansraitcn,  Verordnungen,  staust.  Noticen. 

Prufun^ar^  eilen  zu  geben,  und  au  denselben  Tagen  bei  allen  Gymna- 
sien bearbt'iien  zu  lasi^cn;  ebenso  sind  die  Commissarien  der  königlichen 
Provinziai-8':hulcolIegicn  befugt,  »ich  nach  ihrem  Ermessen  vonsnbe- 
halten,  das  üictat  zu  dem  lateinihclien  und  griechischen  ScriptQm  erst 
bei  ihrer  Anwesenheit  zur  mündlichen  Prüfung  zu  bestimmen  and  die 
Uebersetzung  anfertigen  zu  lassen.  Geschieht  dies  nicht,  so  wird  das 
Dictat  von  dem  betreffenden  Lehrer  der  Prima  nach  eingeholter  Zu- 
stimmung des  Directors  bestimmt. 

Der  ausführlichen  Beurtheilung.  mit  welcher  nach  §  19  des  Pra- 
fungsreglements  die  schriftlichen  Arbeiten  zu  versehen  sind,  ist  lum 
Schlusz  ein  zusammenfassendes  Praedicat  über  den  Werth  derselben 
beizufügen.  Zu  dieser  Werthbezcichnung  sind  nur  die  Praedieate: 
«"nicht  befriedigend',  'befriedigend',  'gut',  'vorzüglich'  anzuwenden, 
alle  anderen  aber,  sowie  ctwanige  Modificationen  der  angegebenen, 
z.  B.  'ziemlich  befriedigend',  '  fast  genügend ',  'ziemlich  gat%  noth- 
reif  und  dgl.  zu  vermeiden.  Sollte  diese  Bestimmung  von  einem  der 
beurtheilenden  Lehrer  nicht  beachtet  sein,  so  sind  demselben  die  be- 
t  reffenden  Arbeiten  zur  Beifügung  des  angemessenen  Praedicats  wieder 
vorzulegen. 

Die  mündliche  Prüfung  der  Abiturienten  soll  künftig  aaf 
diejenigen  Unterrichtsfächer  beschränkt  werden,  welche  den  sichersteB 
Anlialt  darbieten,  die  Reife  derselben  zu  den  Universitätsstndien  sn 
beurtheilen,  nemlich  auf  das  Lateinische,  das  Griechische,  die  Mathe- 
matik, Geschichte  und  Religion,  wozu  für  die  zukünftigen  Theologen 
und  Philologen  das  Hebraeische  kommt.  Sie  hat  hauptsächlich  darauf 
zu  achten,  ob  die  erforderlichen  Kenntnisse  ein  sicherer,  mit  eigenem 
Urtheil  verbundener  Besitz  des  Examinanden  geworden,  nicht  eine  nnr 
zum  Zweck  der  Prüfung  in  das  Gedächtnis  aufgenommene  Sammlung 
vereinzelter  Notizen  sind. 

Im  Lateinischen  und  Griechischen  werden  bei  der  mündli- 
chen Prüfung  aus  den  Prosaikern  solche  Stellen  vorgelegt,  welche  noch 
nicht  übersetzt  und  erklärt  worden  sind,  aus  den  Dichtern  dagegen 
solche,  welche  früher,  jedoch  nicht  im  letzten  Semester,  in  den  oberen 
Classcn  gelesen  und  erklärt  sind.  Der  königliche  Commissarins  ist 
befugt,  die  Prüfung  auf  die  Uebersetzung  und  Erklärung  eines  prosai- 
schen Schriftstellers,  oder  wenn  zuerst  ein  Dichter  vorgelegt  worden 
ist,  einer  dichterischen  Stelle  zu  beschränken,  wenn  dadurch  schon  ein 
hinreichendes  Resultat  zur  Beurtheilung  der  Leistungen  des  Abitnrien> 
ten  gewonnen  worden  ist;  ebenso  kann  er  sich  die  Auswahl  der^teHen 
vorbehalten.  Bei  der  Erklärung  derselben  sind  geeigneten  Orts  ans 
<!er  Metrik,  Mythologie,  Altcrthumskunde  usw.  Kragen  anzuknüpfen; 
ebenso  ist  bei  diesem  Theil  der  Prüfung  den  Schülern  Gelegenheit  in 
geben,  ihre  Geübtheit  im  lateinisch  Sprechen  zu  zeigen. 

Bei  der  mündlichen  Prüfung  in  der  Religions  lehre  ist  hanpt- 
suchlich  zu  ermitteln,  ob  die  Abiturienten  vom  Inhalt  und  Zusammen- 
hang der  heil  Schrift,  sowie  von  den  Grundlehren  der  kirchlichen  Con- 
fe.vsion,  welcher  sie  angehören,  eine  sichere  Kenntnis  erlangt  haben« 

In  der  Mathematik  haben  sich  die  Anforderungen  genau  inner- 
halb der  Grenzen  zu  halten,  welche  der  für  die  Gymnasien  geltende 
Lchrplan  festsetzt. 

in  der  Geschichte  hat  jeder  Abiturient  eine  ihm  von  dem  be- 
treffenden Lehrer  oder  dem  königlichen  Commissarins  gestellte  Aufgabe, 
welche  entweder  aus  der  griechischen,  der  römischen,  oder  der  deut- 
schen Geschichte  zu  entnehmen  ist,  in  zusammenhangendem  Vortrage 
zu  lösen;  auszcrdem  sind  einzelne  Fragen  zu  stellen,  aus  deren  Qeant- 
wortnng  ersehen  werden  kann ,  ob  die  Schüler  die  wichtigsten  That- 
sarhen  und  Jahreszahlen  der  allgemeinen  Weltgeschichte  inne  haben. 


Berichte  über  gelehrte  Aoslalten,  Verordniiogen,  stallst.  Notizen.  165 

Die  brandeDbargisch-preosusche  Geschichte  tst  jedesmal  zum  Gegen - 
Stande  der  Prüfung  zn  machen.  Bei  der  geschichtlichen  Prüfung  ist 
stets  auch  die  Geographie  zu  berücksichtigen,  diese  aber  nicht  als  ein 
für  sich  bestehender  Prüfungsgegenstand  zu  behandeln. 

Eine  mündliche  Prüfung  in  der  deutschen  Spraehe  und  Lit- 
teratnr,  in  der  philosophischen  Propaedeutik,  im  Franzo- 
siachen,  in  der  Naturbeschreibung  und  Physik  findet  nicht 
statt.  Bei  den  fremden  Maturitätsaspiranten  sind  dagegen  auch  aus 
diesen  Fächern  Fragen  zu  stellen,  welche  sich  im  Deutschen  an  den 
^  gelieferten  Probeaufsatz,  oder  an  ein  vorzulegendes  Lesestnck  an- 
schlieszen  können. 

IViewol  darauf  zu  halten  ist,  dasz  in  den  Gegenständen,  in  wel- 
chen geprüft  wird,  jeder  Abiturient  seine  Reife  bewähre,  so  können 
doch,  um  auch  der  individuellen  Richtung  Kaum  zu  lassen,  für  gerin- 
gere Leistungen  in  einem  Hauptobject  desto  befriedigendere  in  einem 
anderen  als  Krsatz  angenommen  werden,  zu  welcher  Ermäszieung  der 
Gesamtansprüche  $  28  litt.  B.  des  Prüfungsreglements  ausdrücklich  er- 
mächtigt. Namentlich  soll  die  Compensation  schwächerer  Leistun- 
gen in  der  Mathematik  durch  vorzügliche  philologische,  und  umgekehrt, 
zulässig  sein. 

Eine  Dispensation  ^von  der  mündlichen  Prüfung  ist  nicht  für 
einzelne  Fächer,  sondern  für  die  ganze  mündliche  Prüfung,  Jedoch  nur 
in  dem  Falle  zulässig,  wenn  die  Mitglieder  der  Prüfungs-Commission 
nach  den  früheren  Leistungen  eines  Abiturienten  und  auf  Grund  seiner 
vorliegenden  schriftlichen  Arbeiten  ih*n  einstimmig  für  reif  erklären. 

Ein  Abiturient»  dessen  schriftliche  Arbeiten  sämtlich  oder  der 
Mehrzahl  nach  als  'nicht  befriedigend'  bezeichnet  worden  sind,  ist 
von  der  mündlichen  Prüfung  auszuschlieszen ,  wenn  die  Mitglieder  der 
Prüfungs-Commission  auch  nach  ihrer  Beurtheiiung  der  bisherigen  Lei- 
stungen desselben  an  seiner  Reife  zu  zweifeln  Ursache  haben. 

Ob  die  Abiturienten  ihrer  schriftlich  einzureichenden  Bitte  um  Zu- 
lassung zur  Prüfung  ferner  ein  cnrriculum  vitae  beizufügen  haben, 
kann  dem  dafürhalten  der  einzelnen  Directoren  überlassen  werden.  Ein 
sogenannter  'Leetürebericht'  ist  dabei  nicht  zu  erfordern. 

In  dem  tabellarischen  Verzeichnis  der  Abiturienten,  welche  dem 
königlichen  Commissarius  vorzulegen  ist,  und  den  Geburtstag  und  Ort 
der  einzelnen  Abiturienten,  ihre  Confession,  den  Stand  des  Vaters,  die 
Dauer  des  Aufenthalts  auf  der  Schule  und  in  Prima,  sowie  das  ge- 
wählte Facultätsstudium  oder  den  sonstigen  Lebensberuf  nachweisen 
mnsz,  haben  die  Directoren  in  einer  besonderen  Rubrik  auch  eine 
kurze  Charakteristik  des  einzelnen  Schülers  beizufügen,  aus  der  zu 
entnehmen  ist,  ob  derselbe  nach  seiner  ganzen  Entvnckinng,  so  weit 
sie  in  der  Schule  hat  beobachtet  werden  können,  die  erforderliche  gei7 
stige  und  sittliche  Reife  zu  Universitätsstudien  besitzt.  Ob  diese  vor- 
handen ist,  musz  unter  den  Lehrern  in  den  Vorberat hungen  so  weit 
festgestellt  sein,  dasz  es  nach  Beendigung  der  Prüfung  in  der  Regel 
darüber  unter  ihnen  keiner  Debatte  bedarf,  da  für  die  Lehrer  des  Gym- 
nasiums das  auf  längerer  Kenntnis  des  Schülers  beruhende  Urtheii  die 
wesentliche  Grundlage  ihrer  Entscheidung  über  Reife  oder  Nichtreife 
bildet,  die  Abiturienten > Prüf ung  aber  dieses  Urthetl  vor  dem  Reprae- 
sentanten  der  Aufsichtsbehörde  rechtfertigen  und  zur  Anerkennung 
bringen,  sowie  etwa  noch  obwaltende  Zweifel  lösen,  und  Lehrern  und 
Schülern  zugleich  zum  deutlichen  Bewustsein  bringen  soll,  in  welchem 
Masze  die  Aufgabe  des  Gymnasiums  an  denen,  welche  den  Cursus  des- 
selben absolviert  haben,  erfüllt  worden  ist. 

Je  mehr  die  Schuler  gewöhnt  werden,  nicht  in  den  Anforderongen, 
>^elche  am  Ende  der  Scbullaufbahn  ihrer  warten,  den  stärksten  Antrieb 

n.  Jahrb,  f,  PhU.  M.  Paed.  Bd,  LXXIV.  Bfi,  3.  12 


166  Beriohle  aber  gelehrte  AnslalteD,  YerordnungeD,  Statist.  Notisoa. 

za  Anstrengongen  zu  finden,  sondern  yielmehr  ihr  Interesse  am  Unter- 
richt, ihren  Fleisz  und  ihre  Leistungen  sowie  ihr  eittiiches  Verhalten 
wihrend  der  Schulzeit,  als  das  eigentlich  entscheidende  hei  dem  schliess- 
Jichen  Urtheil  üher  Reife  oder  Nichtreife  anzusehen,  desto  mehr  wird 
das  Abiturienten-Examen  auflioren,  ein  Gegenstand  der  Furcht  au  sein. 
Zu  den  sichersten  Mitteln  dies  zu  erreichen,  gehört  eine  angemeasene 
Strenge  bei  den  Versetzungen  in  den  oberen  Classen,  an  der  ea  oft- 
mals fehlt. 

Die  Zulassung  zur  Abiturienten -Prüfung  findet  in  der  Regel  erat 
nach  einem  zweijährigen  Aufenthalt  in  Prima  statt.  Wo  diese  Claaae 
in  eine  Ober-  und  Unter-Prima  getheilt  ist,  mö^en  diese  raumlich  yer- 
einigt  oder  getrennt  unterrichtet  werden ,  müssen  die  Abiturienten 
während  jenes  zweijährigen  Aufenthalts  mindestens  ein  halbes  Jahr  der 
Ober-Prima  angehört  haben. 

Auf  Grund  der  litt.  C  ^  28  des  Prnfungs - ReglemenU  ist  hinfort, 
nach  der  bereits  in  der  Verfügung  vom  29n  Novbr.  pr.  No.  31270  — 
getroffenen  Bestimmung,  nur  in  dem  Falle  ein  Zeugnis  der  Reife  in 
ertheiien,  wenn  die  Prüfungs-Commissionen  dazu  ausdrücklich  autori- 
siert worden  sind.  ■ 

Das  Abgangszeugnis  hat  sich  nicht  blosz  über  den  Ausfall  der 
Abiturienten -Prüfung  auszusprechen,  sondern  allgemein  über  die  auf 
der  Schule  erworbene  Bildung,  so  dasz  auch  der  Stand  der  Kenntniaae 
in  den  bei  der  Abiturienten  -  Prüfung  nicht  vorkommenden  Gegenstän- 
den darin,  je  nach  dem  Ausfall  der  Ctassenexaminu ,  kun  charakteri* 
siert  wird. 

Die  Rubriken  I  und  II  des  in  $  31  des  Prufungs-Reglementa  anf- 
gestellten  Schemas  der  Abgangszeugnisse  sind  in  (^ine  znsammenia* 
ziehen,  und  in  derselben  nicht  das  Talent,  sondern  nur  der  von  dem 
Abiturienten  bewiesene  Fleisz,  die  Art  seiner  Theilnahme  am  Unter- 
richt, seine  Sclbsthätigkeit  und  sein  sittliches  Verhalten  zu  benrtbei- 
leii.  —  Die  Unterscheidung  von  Sprachen  und  Wissenschaften  fallt 
weg ,  die  philosophische  Propaedcutik  wird  nicht  mehr  als  besonderea 
l'nt«>rrichtiifach  aufgeführt,  und  einer  Erwähnung  der  im  Zeichnen^ 
(«csniig  und  Turnen  erworbenen  Fertigkeit  bedarf  es  nicht. 

Die  ITrtbeile  über  die  Beschaffenheit  der  Kenntnisse  in  den  ein- 
zelnen Lehrobjecten  sind  bei  jedem  derselben  zuletit  in  ein  bestimm- 
tes Praedikat  ('nicht  befriedigend*,  'befriedigend',  'gut',  'vorzüglich*) 
xusnmmonzufnsscn,  so  dasz  in  einem  dieser  vier  Praedicate  das  Reaal- 
tnt  der  Prüfung  und  des  auf  Erfahrung  gegründeten  Urtheiis  der  Lah- 
rer mit  Leirhtigkeit  übersehen,  und  das  Gesamtergebnis  als  hinlanglicli 
motiviert  erkannt  werden  kann. 

Diejenigen  Abiturienten,  welche  ein  Zeugnis  der  Reife  nicht  haben 
erworben  können  und  die  Schule  verlassen,  ist  es,  sie  mögen 
die  Universität  bezogen  haben  oder  nicht,  nur  noch  einmal  gestattet 
die  Prüfling  zu  wiederholen;  ea  kann  dies  jedoch  nur  in  der  Provini 
geschehen,   in  welcher  sie  das  Zeugnis  der  Nichtreife  erhalten  haben. 

Fremden  Maturitätsasniranten  ist  es  hinfort  nicht  geatattet, 
s\c\\  das  G,vmnasium,  an  welchem  sie  die  Prüfung  zu  bestehen  wiin- 
schrn,  selbst  zu  wählen.  Dieselben  haben  sich  vielmehr  behufs  der 
/nlaifsiing  zur  Prüfung,  suätestens  im  Januar  oder  im  Juni  su  dem 
rcMii.  zu  Oüterii  oder  zu  Michaelis  stattfindenden  Prüfungstermin ,  je 
nach  dem  Wohnort  ihrer  Kltem,  oder  nach  demjenigen  Ort,  an  welchem 
Nie  xuirtxt  ihre  SehulMIduiig  erhalten  haben,  an  das  betreifende  Pro- 
vinzial-Schiilflollegium,  unter  Kinreichung  ihrer  Zeugnisse  und  eines 
deutsch  geschriebenen  'rurriculum  vitae',  zu  wenden,  und  werden  von 
demselben ,  unter  liorückNirhtignng  ihrer  Confession  und  ihrer  ander- 
weitigen VerhNltiii<tso,  der  Pi'üfunK<«-Commisaion  eines  Gymnasiums  der 


Bericbte  über  gelehrte  Anstalten,  Verontnufigen,  Statist.  Notizen.  167 

Provinc  sHigenvleaen.  Bestehen  sie  die  Pro  fang  nicht,  so  sind  die  Com- 
missionen  ermächtigt,  sie  auf  eine'  bestimmte  Zeit  so rackzu weisen.  Die 
in  S  41  des  Pröfungs- Reglements  empfohlene  billige  Rücksicht  darauf, 
dasz  solche  Externen  nicht  von  ihren  bisherigen  Lehrern  geprüft  wer- 
den ,  ist  häufig  als  eine  unzeitige  Milde  der  Beurtheilnng  auch  bei 
jungen  Leuten  geübt  worden,  die  ohne  dringende  Grunde,  und  gemei» 
nigHch  nur  deshalb  aus  den  oberen  oder  mittleren  Classen  eines  Gym* 
nasiums  ausgetreten  sind,  um  den  yermeintlich  Kürzeren  und  leichteren 
Weg  der  Privatvorbereitung,  statt  des  regelmäszigen  Schulcnrsus,  ein- 
znsctilagen.  Ks  ist  aber  festzuhalten,  dasz  die  erwähnte  Rucksicht, 
soweit  sie  bei  der  Bedeutung  der  Maturitätsprüfung  überhaupt  zulässig 
i>t,  nur  für  diej<*nigen  Examinanden  gelten  soll,  welche  vorher  kein 
Gymnasium  besucht  haben. 

Da  es ,  behufs  der  Ueberfnhrnng  zu  der  Freiheit  der  Studien, 
welche  auf  den  Abgang  von  der  Schule  folgen  soll,  von  der  grosten 
Wichtigkeit  ist,  die  Selbsthätigkeit  der  Schuler  auf  den  obersten  Stu- 
fen des  Gymnasialunterrichts  in  jeder  Weise  anzuregen  und  zu  begün- 
stigen, so  ist  es  zulässig,  zu  diesem  Ende,  bei  der  Wahrnehmung  ernst- 
lichen Privatfleiszes,  in  geeigneten  Fällen  einzelnen  Schülern  während 
des  letzten  Jahres  ihres  Aufenthalts  in  Prima  Dispensation  von  ein- 
zelnen Terminarbeiten  zu  ertheilen.  Es  wird  besondere  Anerkennung 
verdienen,  wenn  unter  den  bei  der  mundlichen  Prüfung  vorzulegenden 
schriftlichen  Arbeiten  aus  dem  Bienninm  von  Prima  sich  Proben  sol- 
cher eingebenden,  von  eigenem  wissenschaftlichem  Triebe  zeugenden 
Privatstudien  der  Abiturienten  finden. 

Hinsichtlich  der  nach  S  44  des  Prüfungs-Regiements  an  die  könig- 
lichen Provinzial-Scbulcollegien  und  demnächst  an  die  königlichen 
wissenschaftlichen  Prnfungs- Commissionen  einzusendenden  Prufungs- 
Verhandlungen,  kann  es  den  Directoren  überlassen  werden,  statt  einer 
Abschrift  des  über  die  mündliche  und  schriftliche  Prüfung  aufgenom- 
menen Protokolls  das  Original  vorzulegen ,  welches  schlieszMch ,  nach- 
dem die  beiden  genannten  Behörden  davon  Kenntnis  genommen,  den 
betreflfenden  Directoren  zur  Gymnasialregistratnr  zurückzugeben  ist. 

Alle  mit  den  vorstehenden  Anordnungen  nicht  in  Widerspruch  ste- 
henden Bestimmungen  des  Reglements  vom  5n^  Juni  1834  und  der  auf 
dasselbe  bezüglichen  späteren  Verfugungen  bleiben  ffir  die  Prüfung  der 
zur  Universität  übergehenden  Scbuler  und  der  Mataritätsaspiranten 
nach  wie  vor  roaszgebend.  Es  bedarf  keiner  Erinnerung,  dasz  die 
Ausführung  einiger  der  in  der  vorstehenden  Verfügung  enthaltenen 
neuen  Bestimmungen  eine  längere  Zeit  der  Vorbereitung  erfordert,  als 
dasz  schon  bei  den  nächsten  Matnritäts  -  Prüfungen  mit  aller  Strenge 
auf  ihre  Befolgung  gehalten  werden  konnte,  weshalb  den  königlichen 
Prüfungs-Commissarien  anheimgegeben  wird,  nach  ihrem  Ermessen  er- 
forderlichen Falls  eine  Rücksicht  der  Billigkeit  eintreten  zo  lassen. 
Aus  demselben  Grunde  ist  bei  der  zu  Ostern  d.  J.  stattfindenden  Ma- 
turitäts-Prufung ,  nach  Befinden  auch  bei  den  nächsten  späteren,  noch 
kein  griechisches  Scriptum,  sondern  wie  bisher  eine  Uebersetzung  aus 
dem  Griechischen  ins  Deutsche  aufzugeben. 


Personalnachrichten. 

Beförderungen. 

Gandtner,  Jo.  O.,  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Greifswald,  zum  Ober- 
lehrer ernannt. 

Giefers,  Dr.,  Schulamtscand.,  zum  ord.  Lehrer  am  Gymn.  sn  Pader- 
born ernannt. 


168  Pcrsonalnachricilten. 

Heppner',  Hilfslehrer,  zum  ord.  Lehrer  am  Gynin.  zu  Conitz  ernannt. 
Höfig,   Dr.  Herrn.,  ord    Lehrer  ani  Gymn.  zu  Krutoschin,   als  Coila- 

burator  an  das  Gymn.  St.  Elisabeth  in  Breslau  berufen. 
Hüriing,    Wilh.,   Schulamtscand.,    zum   ord.   Lehrer  am  Gymn.    zu 

Paderborn  ernannt. 
Karlinski,  Hilfslehrer,  zum  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Conitz  beförd. 
Kirchhoff,  Dietr.,  Schulamtscand.,  zum  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu 

Paderborn  ernannt. 
Krech,    Prof.  Ad.  ^erd.,  Dir.   der  Dorotheenstadt.  Realschule,    als 

Dir.   der  neuen   Friedrich -TViihelrastädtischen  höhern  Lehransialt 

in  Berlin  bestätigt. 
J^ehmann,  Dr.  O.  Gh.,  ord.  Prof.  d.  Med.  zu  Leipzig,  als  ord.  Prof. 

der  aligem.  Chemie  u.  Hofrath  nach  Jena  berufen. 
Lowinski,    ord.  Lehrer,  zum  Oberl.   am  Gymn.  zu  Conitz  befördert. 
Otto,  Dr.,  Hilfslehrer,  zum  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Paderborn  beford. 
Peters,  Dr.,  Oberl.,  zum  Dir.  des  Gymn.  zu  Deatsch-Crone  ernannt. 
Pohle,  Barth.,  Hilfsl.  am  Gymn.  zu  Trier,  als  Rector  des  Progymn. 

in  Prüm  angestellt. 
Reldemeister,  Frdr.  Ad.,  Schulamtsc,  als  ord.  Lehrer  am  Gymn. 

zu  Nordhausen  bestätigt. 
Reinhardt,  Dr.  Alb.  Theod.,  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Greifswald, 

zum  Oberl.  ernannt. 
RÖren,  Lehrer  am  Gymn.  zu  Paderborn,  zum  Oberl.  ebenda«,  beford. 
Schmidt,   Dr.  E.  E.,   Honorarprof.  in  der  philos.  Fac.  der  Univ.  su 

Jena,  zum  ord.  Prof.  f.  Naturgesch.,  nam.  Mineralogie  n.  Geogno- 

sie,  befördert. 
Zacher,  Dr.  lul.,   Privatdoc.  in  Halle,  zum  ao.  Prof.  in  der  philof. 

Facultät  ernannt. 

Praediciernngen: 
Aiidcrssen,  Dr.  K.  E.  A.,  Oberlehrer  am  Friedrich- WiJhelmagymii.  tu 

Berlin,  als  Prof.  praediciert. 
Böcking,    Dr.  Ed.,   ord.  Prof.  in  der  Jurist.  Fac.  zu  Bonn,   erhielt 

den  Charakter  als  Geh.  Justizrath. 
Buttmann,  Aug.  Prorect.  am  Gymn.  zu  Prenzlau,  als  Prof.  praedic. 
Ha  üb,  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Conitz,  erhielt  den  Titel  Oberlehrer. 
Kuhn,   Dr.   Ada  Ib.,  Oberlehrer   am  köln.  Realgymn.   in  Berlin,    aU 

Professor  praediciert. 
Michaelis,  Dr.  Em.  Rud.,  Conventual  und  Oberlehrer  am  Paedagog. 

zum  Closter  u.  L.  Fr.  in  Magdeburg ,  erhielt  den  Titel  Professor. 
Vi  er  ord  t,  Hofrath   und  Director  des  Lyceums  in  Carlsruhe,   erhielt 

den  Charakter  als  Geh.  Hofrath. 

Verstorben: 
Am  26.  Decbr.  1856  in  Bern  Dr.  Ad.  Ludw.  Folien,  Verf.  dee  Bil- 
dersaals deutscher  Dichtung,  geb.   zn  Gieszen  am  21.  Jan.  179#. 
Am   9.  Jan.  1856  in  Darrostadt  Geh,  Rath  nnd  Ober  -  Hofbibliotliekar 

Dr.  K.  Aug.  Ludw.  Feder,  geb.  1790  in  Gottingeo. 
Am  11.  Jan.  in  Berlin  K.  Frdr.  t.  Kl  öden,  emer.  Dir.  d.  stadtiicben 

Gewerbschule  und  des  köln.  Realg.,  geb.  den  28.  Mai  1786. 
Am  16.  Jan.  ebenda  Dr.  J  o.  Alb.  Frdr.  Eichhorn,  im  77.  Lebensj., 

Ton  J840— 1848  k.  preusz.  Minister  der  geistlichen,  Unterrichte- 

und  Medicinalangelegenheiten. 
Am  22.  Jan.   zu  Schleitz  Dr.  Joh.  Heinr.   Alberti,   Dir.   der  das. 

Gelehrtenschule. 
Am  31.  Jan.  zu  Basel  der  Prof.  der  Geschichte  Dr.  Frdr.  Brommel, 

vorher  1824  Privatdoc.  und  Lehrer  am  Paedagog.  zu  Halle. 


Zweite  Äbtheilung 

henmsgegeben  tm  Rifl«lpk  Dietsfk 


9. 

Die  Religiosität  und  der  Religionsunterricht  auf  den 
Gymnasien. 

Mit  Berücksichtigung  von  Niese:  das  christliche  Gymnasium.  1855. 


lieber  Religiosität,  Christlichkeit,  Kirchlichkeit  der  deutschen 
Gymnasien  ist,  zamal  in  den  letzten  Jahrep,  genug  und  mehr  denn 
genng  gesprochen  und  geschrieben  worden.  Wenn  es  nur  immer  von 
Leuten  geschehen  wäre ,  die  mehr  eigene  Beobachtungen  als  wohlge- 
meinte Wünsche  und  Rathschläge ,  mehr  begründete  Erfahrungen  als 
geistreiche  Ideen  hätten  darbieten  wollen,  vor  allem,  wenn  es  von 
Leuten  geschehen  wäre,  deren  Worte  von  ebenso  weit  umfassender 
wie  tief  eindringender  Kenntnis  unserer  Gelehrtenschulen,  ebenso  von 
warmer  und  herzlicher  Liebe  für  die  Schulen  wie  von  Eifer  für  das 
Reich  Gottes  gezeugt  hätten !  Leider  ist  dies  nicht  der  Fall  gewesen, 
und  die  natürliche  Folge  davon,  dasz  die  Gymnasien,  so  sehr  ver- 
kannt und  so  schwer  verletzt,  voll  Unmut  ihr  Ohr  gegen  diese  ewigen 
Verdächtigungen  verschlossen  haben ,  und  selbst  manch  gutes  Samen- 
korn nicht  das  rechte  Erdreich  gefanden  hat.  Denn  wer  kann  es  leug- 
nen, dasz  die  meisten  jener  Urtheile  so  schlecht  wie  möglich  be- 
gründet sind?  Sie  ruhen  auf  Erinnerungen  ans  einer  Zeit,  die  weit 
hinter  uns  liegt;  wie  viel  seitdem  besser  geworden,  wie  in  den  Reli- 
gionsunterricht auf  den  Gymnasien  ein  völlig  neuer  Geist,  neues  fri- 
sches Leben,  und  eine  durchaus  veränderte  Tendenz  gekommen  ist, 
davon  ist  den  urtheilenden  nichts  bekannt.  Und  wenn  die  Gymnasien 
selbst,  was  ihnen  niemand  verdenken  kann,  sich  gegen  neugierige 
Blicke  verschlieszen,  und  sich  mit  ihrer  Tbätigkeit  ins  verborgene 
zurückziehen,  reichte  nicht  ein  Blick  in  die  betreffende  Litteratur  hin, 
um  zu  sehen,  welche  l?ührer  wir  uns  gewählt  haben?  Und  wie  kommt 
man  von  Seiten  der  Kirche  dazu ,  Vorwürfe  über  Vorwürfe  auf  uns 
zu  häufen.  Es  hat  eine  Zeit  gegeben ,  wo  die  Kirche  noch  den  diree- 
testen  Einflusz  auf  die  Schulen  ausübte,  und  die  meisten  Lehrstellen 

/V.  Jakrb,  f.PüAu,  Paed.  Bd.  LXXIV.  Hft.  I.  13 


170  Die  Religiositfit  und  der  Religionsunterricht  auf  den  Gymnasien. 

mit  Theologen  von  Fach  besetzt  waren;  von  dieser  Seite  her  ist  der 
Same  des  Unglaubens  in  die  Schulen  gekommen,  nicht  aus  den  Hör- 
stfleu  der  Philologen  oder  durch  die  wachsende  Wissenschaft.  Die 
meisten  Schüler  Friedrich  August  Wolfs  haben,  wenn  auch  in 
dem  allgemeinen  Sinne  jener  Zeit,  rationalistisch,  doch  mit  sittlichem 
Ernste  und  tiefer  Ehrerbietung  den  U^ligionsunterricht  ertheilt  und  so 
auf  das  religiöse  Leben  der  Jugend  zu  wirken  gesucht.  Niese  spricht 
gleichfalls  von  schreckenerregenden  Yerirrungen,  die  auf  diesem  Ge- 
biete stattgefunden  haben,  warum  läszt  er  die  Quelle  unerwähnt,  aas 
der  dieselben  geflossen  sind? 

Doch  meine  Absicht  ist  nicht,  Scheltwort  mit  Scheltwort  zu  er- 
widern, noch  verdienten  Tadel,  der  uns  treffen  möchte,  oder  heilsamen 
Rath  zurückzuweisen.  Ich  möchte  vielmehr  in  die  Discussionen,  wel- 
che sich  auf  diese  hochwichtigen  Fragen  beziehen,  einen  andern  Geist 
und  eine  andere  Richtung  bringen  helfen,  den  Geist  eines  gegenseiti- 
gen Vertrauens  und  christlicher  helfender  Liebe,  in  welchem  allein 
gutes  geschaffen  und  gepflegt  werden  kann,  und  die  Richtung  von 
den  allgemeinen  Reden  und  Gegenreden  und  dem  Streite  um  Principien 
ins  praktische  Leben  hinein.  Auf  dem  Roden  der  Praxis  ist  die  Ver- 
ständigung zwischen  getrennten  gcwis  nicht  so  schwer.  Wie  oft  ist 
CS  mir  begegnet,  dasz  Leute,  die  sich  im  Principe  eins  glaubten,  bei 
den  ersten  Consequenzen  aus  jenem  Principe  auseinandergiengen !  wie 
oft  umgekehrt,  dasz  Leute,  die  sich  ,im  Principe  völlig  einander  ent- 
gegenzustehen meinten,  in  der  Praxis  mit  herzlicher  Einheit  handel- 
ten! Denn  die  Principien  scheiden,  das  Leben  aber  verbindet.  Wer 
gutes  schafTen  will,  im  Staat,  in  Kirche,  in  Schule,  musz  auf  dem 
Boden  der  Praxis  stehen.  Mit  Schriften,  die  so  nnsäglich  weit  ans- 
holcn,  wie  die  oben  angeführte  von  Niese,  und  so  tief  in  Abstractio- 
nen  stecken ,  ist  für  den  Dienst  des  Herrn  und  für  die  Förderung  des 
Goltesreiches  wenig  gewonnen. 

Fast  alle  Schriften ,  die  hier  in  Betracht  kommen ,  gröszere  und 
kleinere,  nehmen  diese  Richtung  auf  Principien,  und  suchen  von  der 
Tiefe  aus  zu  neuen  Conslructionen  nnd  zu  neuen  Systemen  zu  gelan- 
gen. Nur  einige  wenige,  wie  die  kleinen  Beiträge  von  Wiese,  grei- 
fen ins  praktische  hinein.  Auch  wenn  ihre  Vorschlage  unausführbar 
sind,  nützen  sie  doch,  da  sie  eben  praktisch  anregen.  Wieses  Schrill 
liber  die  englischen  Schulen  hat  mir  durch  die  klare  nnd  reine  Auf- 
fassung und  das  warme  Interesse  mehr  genützt  als  manches  System 
der  Pacdagogik  und  des  Unterrichts. 

Ich  will  natürlich  diesen  Systemen  nicht  in  den  Weg  treten;  iob 
verdenke  es  keinem  Systeme,  wenn  es  mit  seinen  Principien  nicht 
weit  genug  glaubt  ausholen  zu  können;  ja  es  mnsz  von  jedem  neuen 
System  der  Versuch  einer  neuen  principiellen  Grundlegung  gefordert 
werden.  Denn  seine  Absicht  ist  nicht  unmittelbar  auf  die  Praxis, 
sondern  auf  Befriedigung  eines  wissenschaftlichen  Bedürfnisses  ge- 
richtet. Es  ist  dagegen  ein  MisgrilT,  wenn  Schriften ,  die  zn  prakti- 
scher Wirksamkeit  bestimmt  sind,  bis  auf  ihre  besonderen  Principien 


Die  Religiotilftt  aad  der  Religioasattterrieht  auf  den  Gymnasien.    171 

hinabzudringen  streben.  Sie  verwechseln  and  vermischen  dabei  zwei 
verschiedene  Formen  der  Betrachtung  und  Discnssion  mit  einander; 
sie  fuhren  den  Leser,  der  ein  praktisches  Interesse  hat,  zu  Abstractio- 
nen,  denen  keine  wirklichen  Zustande  entsprechen;  sie  lenken  das 
Interesse  von  dem  %qa%xov  iya^ov  ab ,  auf  das  Aristoteles  so  sehr 
dringt.  Und  sie  schaden ,  indem  dadurch  gutes  ungethan  bleibt;  sie 
schaden ,  indem  sie  den  Schulmann  von  der  Mitte  des  Weges  immer 
und  immer  wieder  an  den  Anfang  zurQekrufen ,  und  ihn  dadurch  end- 
lich widerwillig  und  unsicher  machen;  sie  schaden,  indem  sie  die 
historischen  Gesichtspunkte  verdunkeln,  und  das  historische  Recht 
verkammern,  was  doch  die  Schulen  wie  jedes  andere  Institut  des 
Staats  und  der  Kirche  besitzen.  Sie  gleichen  den  Leuten ,  die ,  wenn 
an  einem  alten  guten  wohnlichen  Hause  irgend  ein  Schaden  sichtbar 
ist,  gleich  das  ganze  Haus  niederreiszen  möchten,  ohne  zu  versuchen, 
ob  dem  Schaden  nicht  ohne  Verlust  des  ganzen  abgeholfen  werden 
könnte,  ohne  zu  prüfen,  ob  das  neue  systematisch  oonstruierte  Ge- 
bäude nicht  auch  seine  Schaden ,  und  schlimmere  haben  werde.  Die 
Zahl  dieser  construierenden  Schriften  ist  durch  Niese  auf  eine  nicht 
erwünschte  Weise  vergröszert  worden. 

Ich  habe  von  jeher  ein  besonderes  Vertrauen  zu  der  geschicht- 
lichen Betrachtung  gehabt;  denn  ich  habe  immer  geglaubt,  dasz 
man ,  wie  schwach  man  auch  im.  Glauben  sei ,  doch  in  der  geschicht- 
lichen Gestaltung  eines  Institutes,  wie  unsere  Schulen  es  sind,  etwas 
von  einer  höheren  Ordnung  und  Leitung  erkennen  werde.  Unsere 
deutschen  Schulen  sind,  wie  jeder  weiss,  nicht  aus  begrilHicher  Re- 
flexion, etwa  über  die  Natur  der  menschlichen  Seele,  über  ihre  ver- 
schiedenen Kräfte,  über  die  verschiedenen  Gebiete  der  Wissenschaft 
usw. ,  sondern  unter  gewissen  Suszern  Einflüssen  und  im  Drange  der 
Zeit  entstanden;  sie  haben  einen  historischen  Ursprung  gehabt. 
Wer  wollte  es  in  Abrede  stellen,  dasz  unter  anderen  Umständen 
aus  ihnen  hätten  andere  Schulen  werden  mögen,  philosophische,  rhe- 
torische, dichterische,  eigentlich  gelehrte  alexandrinische,  Propheten- 
schulen !  Man  denke  sich  nur  den  Fall ,  dasz  die  Wiedererweckung 
des  Studiums  der  Alten  hundert  Jahre  später,  die  grosze  Bewegung 
in  der  Naturwissenschaft  hundert  Jahre  früher  gekommen  wäre,  wie 
völlig  anders  würden  sie  sich  gestaltet,  eine  wie  völlig  andere  Rich- 
tung würden  sie  genommen  haben!  So  wie  die  Sachen  standen,  lag 
in  der  Zeit  eine  Tendenz  auf  die  heilige  Schrift  in  ihrem  Urtext  und 
auf  die  ersten  Zeiten  der  Kirche,  eine  jugendlich  glühende  Liebe  für 
die  alten  Sprachen  und  für  die  Kunst  antiker  Rede,  eine  gründliche 
Abneigung  gegen  mittelalterliehe  Scholastik,  der  Mangel  eines  ander- 
weitigen groszen  nationalen  Bewustseins  undgroszer  politisch -histo- 
rischer Interessen  usw.  Das  Bedürfnis  drängte.  Schulen  zu  schaffen, 
und  zwar  in  kürzester  Frist;  die  Reformatoren  waren  Männer  der 
frischen  frohen  That.  So  sind  nun  unsere  Schulen  entstanden,  so  haben 
sie  ihren  Kreis  von  Lehrstoffen  zugewiesen  erhalten,  so  sind  sie  mit 
ihrer  Thitigkeit  in  eine  ganz  bestimmte  Bahn  eingewiesen  wordeui 

13* 


172    Die  Religiositfit  und  der  Religionsunlorricht  auf  den  GymnasieD. 

aus  <ler  sie  niclil  leicht  scilwürls  ausweichen  konnten.  Diese  Richtung 
i2»t  dann  eine  immer  mehr  anerkannte  geworden,  der  sich  auch  die 
katholischen  Schulen  angeschlossen  haben,  so  angeschlossen,  dasz 
diese  Schulen  bereits  ein  nationales  Band  geworden  sind.  Ursprung, 
Richtung,  Fortgang  und  Entwicklung  derselben  sind  also,  ich  wieder- 
hole es,  historisch,  und  man  verliert  das  Kriterium  über  diesu  Ent- 
wicklungen, so  wie  deu  Blick  in  die  Zukunft,  wenn  man  diesen  histo- 
rischen Standpunkt  aufgibt.  Selbst  ein  Mann  wie  Karl  v.  Raum  er, 
den  ich  und  jeder  zu  den  besten  Namen  zählt,  hat  diesen  Standpunkt 
nicht  gany.  ungestraft  aufgeben  können. 

Wie  grosz  Raumers  Verdienst  um  die  Geschichte  unserer  Pae- 
dagogik  sei,  weisz  jeder:  er  hat  ein  ungeheures  Material  überwältigt 
und  in  seinen  Besitz  gebracht;  er  hat  die  trockensten  und  unerquicklich- 
sten SlolTe  mit  idealer  Anschauung  und  tiefer  Empflndung  belebt;  er 
hat  einen  Mittelpunkt,  auf  den  er  die  verschiedenartigsten  Erscheinun- 
gen coneenlricrt:  —  und  doch  verliert  sich  sein  Werk,  wo  es  die 
(jic^^enwart  berührt,  wie  ein  Strom  im  Sande,  und  läszt  keine  grosze 
Ueherzcugung  zurück,  welche  in  die  Zukunft  hineindringen  möchte. 
Der  (irund  hievon  ist,  dasz  es  diesem  Werke  doch,  wie  lebendig, 
schön  lind  wahr  auch  einzelnes  erfaszt  ist,  doch  an  dem  groszen  histo- 
rischen Blicke  fehlt,  welcher  die  höhere  Ordnung,  die  Nothwendigkeit 
und  das  Gesetz  im  Wechsel  erkennt ^  das  viele  in  seiner  Einheit  und 
Ganzheit  anschaut,  inmitten  der  Abweichungen  die  dauernde  und 
gleiche  Richtung  festhält,  und  aus  der  Vergangenheit  die  Zukunft  er- 
wachsen sieht.  Hieraus  erklärt  sich,  j)  dasz  die  Abweichungen  bei 
ihm  mehr  Beachtung  finden,  als  die  grosze  Einheit  und  Consequens  in 
unseren  Schulen.  Es  ist  viel  weniger  Schwankung  in  denselben  ge- 
wesen, als  man  nach  Raumer  schlieszcn  müste.  Die  Oberfläche  hat 
zwar  oft  grosze  Wellen  geschlugen,  aber  der  tiefe  Strom  ist  doch 
seinen  ruhigen  Gang  gegangen.  Die  Notizen,  von  vielen  Schulen 
gcsummell,  Icuschon  leicht  das  Urtheil,  und  lassen  etwas  als  substan- 
tiell und  dauernd  erscheinen,  was  nur  accidenliell  und  vorübergehend 
ist.  Man  mnsz  vielmehr  den  Gang  einzelner  Schulen  verfolgeii, 
wozu  jelzt  immer  reicheres  Material  sich  darbietet.  2)  hat  v.  R.,  dem 
entsprechend,  grösseres  Interesse  für  Personen,  welche  in  einer  Fälle 
eigener  Individualität  ihren  eigenen  Weg  gegangen  sind,  als  für  die- 
jenigen, welche  mit  Beharrlichkeit  die  alte  Richtung  festgehalten  oder 
auch  neue  Lebensströmung  in  dieselbe  gebracht  haben.  Ich  habe  Nei- 
gung und  (Gelegenheit  gehabt,  mich  in  alten  Schriften  aus  Schulen  and 
über  Schulen  zu  ergehen,  von  Michael  Neander  bis  Geflike;  es  ist 
leicht  möglich,  dasz  ich  bei  diesen  Studien  eine  Vorliebe  für  die 
alten  Sclnilen  mit  hergebracht  habe;  aber  auch  so  bin  ich  überzeugt, 
dnsz  in  unsern  Schulen  eine  Consequenz  und  feste  Beharrlichkeit  xa 
erkennen  sei,  von  der  diejenigen,  welche  so  leicht  Systeme  aufbaaeu, 
nicht  die  entfernteste  Ahnung  zu  haben  scheinen. 

Als  Beleg,  wohin  dieses  abgehen  von  der  Geschichte  mir  xu  füh- 
ren scheine«   lege  ich  noch  den  Vortrag  des  Director  Krämer  in 


Die  Religiositit  and  der  Religionsonlerrlelit  auf  den  Gymnasien.    173 

Halle  vor,  welcher  sich  auf  Augnst  Hermann  Franc ke  bezieht.    Ich 
bin  weit  entfernt,  den  groszen  Verdiensten  Franekes,  sei  es  als 
Seelsorgers  nnd  Pflegers  der  armen ,  sei  es  als  Theologen ,  das  ge- 
ringste za  entziehen ;  ich  erkenne  auch  eben  so  gern  an,  dasz  in  ihm 
als  Schalmann  eine  Saite  klingt,  welche  bei  yielen  Zeitgenossen  ver- 
stummt war ;  aber  ich  bin  doch  nicht  der  Ansicht,  dasz  er  ohne  wei- 
teres als  das  Ideal  eines  Paedagogen  hatte  hingestellt  werden  sollen. 
Ein  sehr  christlicher  Mann  kann  offenbar  ein  sehr  schlechter  Staats- 
mann, ja  selbst  ein  sehr  schlechter  Geistlicher  sein:  die  Richtnng  auf 
eine  lebendige  Christlichkeit  macht  offenbar  allein  fflr  sich  noch  kei- 
nen Paedagogen  von  Distinction.   Und  in  der  That  mosz  man  doch  ein- 
sehen ,  dasz  Franekes  Thitigkeit  eine  durchaus  dem  snbjectiven  zuge- 
kehrte gewesen  ist.    Er  hat  in  Methode  des  Unterrichts  nichts  neues 
geleistet  und  steht  weit  hinter  der  energischen  nnd  schöpferischen 
Thätigkeit  des  Arnos  Comenius  in  dieser  Beziehung  zurück.   Er  hat 
auf  dem  Paedagogium  dem  Realismus  und  den  feinen  Kflnsten  des  Le- 
bens, den  Anforderungen  der  vornehmen  Gesellschaft  Raum  gegeben, 
mehr  als  billig  ist,  and  ist  dadaroh  der  Vater  der  Philaathropine  uad 
des  Kosmopolitismus  geworden,  während  er  mit  seiner  groszen  Aucto- 
rität  sich  mehr  als  ein  anderer  dem  modernen  Wesen  hStte  entgegen- 
stellen sollen.    In  seiner  Disciplin  liegt  gleichfalls  dies  subjective: 
mehr  die  Richtnng  auf  den  einzelnen,  als  die  Erzeugung  eines  starken 
objectiven  Geistes,  von  dem  der  einzelne  getragen  und  gehalten  würde. 
Dabei  ist  darin  etwas  befangenes  und  Sngslliches,  was  den  Trotz  und 
Hohn  der  Jugend  herausfordern  musz.    Offenbar  hat  er  es  auch  nicht 
auf  paedagogische  Auszeichnung  abgesehen  gehabt,  die  mit  der  Ein- 
richtung seines  Lehrerpersonals,  freilich  durch  die  Noth  geboten,  un- 
vereinbar gewesen  wäre.    Denn  diese  paedagogische  Richtung  würde 
ihn  getriebeu  haben,  auf  Bildung  eines  Lehrerstandes  zu  arbeiten,  wie 
Friedrich  August  Wolf  es  gethan  hat,  und  mit  welchem  Erfolge! 
Das  ^ine,  was  allen  Noth  thut,  hat  Francke  gehabt,  ein  von  lebendigem 
Glauben  erfülltes,  von  allen  christlichen  Tugenden  geschmücktes  Herz, 
and  die  Darstellung  dieses  ^inen  in  Wort  und  That  bleibt  immer  ein 
ansterbliches  Verdienst;  in  anderen  Beziehungen  aber  hat  sich  Francke 
weniger  ausgezeichnet.  Zu  einem  solchen  unbefangenen  Urtheil  würde 
Kramer  gelangt  sein,  wenn  er  Francke  im  historischen  Flnsz,  so 
zu  sagen,  betrachtet  hätte,  statt  dasz  er  ihn  aus  der  groszen  Strö- 
mung herausreiszt,  und  nun  in  dieser  Isoliertheit  zu  einem  paedagogi- 
schen  Ideale,  die  eine  Seite  an  ihm  zum  Kriterium  für  ein  ganzes 
macht. 

Halten  wir  für  jetzt  nun  dies  fest,  dasz  unsere  Schulen  eine 
wirkliche  Geschichte  haben,  dasz  in  dieser  Geschichte  ein  sehr  siche- 
rer Gang  zum  Vorschein  kommt,  der  in  sicherer  Richtung  auf  ein  be- 
stimmtes Ziel  gerichtet  ist,  dasz  von  diesem  Gange  gewisse  Abwei- 
chungen gemacht  werden,  aber  ohne  jene  Richtung  alterieren  zu  kön- 
nen, ja  dasz  man  nach  vorübergehenden  Versuchen,  andere  Wege 
einzuschlagen,  immer  wieder  auf  den  alten  zarfickgekehr»  ist,  dasz 


174    Die  Religiosität  and  der  Religionsnntemoht  aaf  den  Gnunsien. 

also,  wer  den  Schalen  helfen  will,  nicht  neae  Systeme  bringen ,  son- 
dern an  das  geschichtliche  anknüpfen,  dasz  die  Vergangenheit 
uns  eine  Zukunft  gründen  müsse.  Es  ist,  wenn  dies  nur  feststeht, 
schon  ein  bedeutendes  gewonnen.  In  der  Schrift  Nies  es  ist  von  die- 
ser geschichtlichen  Erörterung  und  Auffassung  keine  Spur  anzatreffan, 
obwol  die  alte  Pforte  mit  ihren  reichen  historischen  Erinnerongen 
gerade  ihm  die  edelsten  Stoffe  würde  dargeboten  haben. 

Das  Gymnasium,  hiermit  beginnt  Niese,  ist  eine  Schule  für  die 
Wissenschaft;  die  wissenschaftliche  Bildung  der  Jugend  ist 
seine  charakteristische  Aufgabe;  wer  für  die  Gymnasien  etwas  than 
will,  musz  für  die  Wissenschaft  Sinn  und  Interesse  haben.  Dem- 
nach ist  nothwendig  zu  fragen,  was  Wissenschaft  sei;  sodann,  wel- 
ches ihre  Objecte  seien.  Als  diese  stellen  sich  Gott,  die  geistige  und 
die  natürliche  Welt  dar.  Es  liegt  nicht  in  unserer  Willkür,  eines  die- 
ser Objecte  hinwegzuthun ,  so  lange  die  Gymnasien  Schulen  für  die 
Wissenschaft  bleiben  sollen.  Mit  diesen  drei  Objecten  nun  musz  der 
jugendliche  Geist  gleichzeitig  beschäftigt,  und  innerhalb  der  für  jedes 
Lebensalter  geeigneten  Grenzen  damit  vertraut  gemacht  und  seine 
Liebe  dafür  entzündet  werden,  so  dasz  der  Schüler  nun  mit  eigener  Kraft 
darin  weiter  zu  streben  Kraft  und  Lust  besitze.  Denn  das  Privat- 
studium ist  es,  was  die  Gymnasien  von  anderen  Schulen  unterschei- 
det, ohne  Privatstudium  würden  sie  aufhören  Gymnasien  zu  sein.  Dies 
der  Inhalt  des  ersten  Abschnitts  (der  2o  handelt  vom  Chriates- 
thum,  der  3e  von  dem  christlichen  Gymnasium),  bei  dem  wir 
ein  paar  Augenblicke  stehen  bleiben  müssen. 

Der  Name  Wissenschaft  hat  einen  sehr  guten  Klang,  zumal  in 
Singular,  und  der  Ausgang  des  Vf.  von  der  Wissenschaft  dürfte  ihm 
manchen  Leser  gewinnen.  Ich  glaube  gleichwol,  dasz  wir  ihm  für  die 
hohe  Ehre,  welche  er  uns  erweist,  zu  danken  haben.  Sie  kommt  uia 
nicht  zu;  sie  bringt  uns  aus  unsern  schlicht  bürgerlichen  Verhiltttia- 
sen  in  andere,  die  uns  viel  kosten  und  nichts  einbringen.  .Unsere  Vor- 
fahren in  Kirche  und  Schule  sind  viel  einfacher  gewesen.  .In  der  Ord- 
nung der  Schweriner  Fürstenschule  (1559)  heiszt  es:  ^Scholastiei 
uostri  in  ludo  tria  discunto,  pietalem^  mores  ei  lilteras.*  Und  hiaranf 
ist  in  der  That  die  Praxis  jener  Zeit  gerichtet  gewesen,  dasz  die  Soho* 
laren  in  christlicher  Zucht  und  Sitte  zu  Gehorsam  gegen  Gott  vnd 
Menschen  aufgezogen  würden,  demnächst  dasz  sie  etwas  lernten,  was 
sie  in  Kirche,  Stadt  und  Staat  brauchen  könnten,  oder  za  ihrem  eig^ 
neu  besten  und  Ehre,  endlich  dasz  Frische  und  tüchtige  Kraft  Leibes 
und  der  Seelen  in  ihnen  erweckt,  gefördert  und  gebildet  würde.  Lu- 
ther hat  von  Wissenschaft  und  dergleichen  nieht  viel  geaproehen ; 
dagegen  hat  er  gesorgt,  durch  die  Schulen  feine  und  geschickte 
Leute  zu  bekommen,  die  Land  und  Leute  wol  regieren  könnten,  nnd 
hierbei  auf  das  Beispiel  der  Römer  und  Griechen  hingewiesen ,  welche 
die  jungen  Knaben  und  Mädchen  lieszen  mit  solehem  Fleisz  und  Ernst 
erziehen ;  dessen  zu  geschweigen ,  dass  das  Evangelium  und  die  reine 
Lehre  nicht  könne  behalten  werden,  wenn  man  die  Sprachen  llahren 


Die  RaligiotiUil  sid  der  Religionsunterriolit  taf  den  Gymsuieo.    175 

liesze,  und  nicht  far  die  Schnlen  etwas  rechteg  thftte.  Wie  maszvoU 
sind  ansere  Vorfahren  in  ihrem  streben  gewesen,  wie  fest  haben  sie 
ihren  Blick  auf  das  praktische  gerichtet,  wie  sehr  haben  sie  sich  ge- 
mäht, im  kleinen  tüchtig  zu  sein,  und  wie  sehr  sind  sie  dadurch  die 
Werkzeuge  für  groszes  geworden :  welches  Geschlecht  ist  aus  ihren 
Schulen  hervorgegangen!  So  wie  hiergegen  ein  Einspruch  sich  er- 
hebt, wird  sofort  diese  Sphaere  des  praktischen  verlassen,  und  das 
Auge  höher  hinaufgerichtet,  sei  es  die  Wissenschaft,  wie  hier  Niese 
thut,  sei  es  die  Weiterbildung  des  menschlichen  Geschlechts,  sei  es 
die  Erfüllung  des  Menschenberufes  für  jeden  einzelnen  u.  dgl.  wie 
dessen  bei  Amos  Comenins  zu  lesen  ist.  Und  so  wie  wieder  in  die 
alte  Bahn  eingelenkt  wird,  kämpft  Friedrich  August  Wolf  wie- 
der dafür,  dasz  der  Unterricht  erst  auf  der  Universität  wissenschaft- 
lich sein  dürfe,  dasz  er  auf  Schulen  dagegen  vorbereitend,  allgemein 
bildend  und  elementarisch  sein  müsse,  und  bezeichnet  darnach  das 
Masz  der  Disciplinen ,  welches  für  die  Schule  gehöre.  Hierauf  Uuft 
auch  die  Ansicht  der  gebildeten  englischen  Schulmänner  hinaus.  *  Wenn 
man  Unmöglichkeiten  wünschen  dürfte,  sagte  einst  Arnold,  so 
möchte  ich  wünschen,  dasz  meine  Kinder  in  physischer  Wissenschaft 
wol  erfahren  sein  möchten,  aber  in  schuldiger  Unterordnung  unter  die 
Fülle  und  Lebendigkeit  ihrer  Erkenntnis  sittlicher  Dinge.  Allein  dies, 
glaube  ich,  kann  nicht  sein,  und  die  Physik,  wenn  sie  überhaupt  stu- 
diert wird,  scheint  zu  grosz,  nm  iv  nuQi^yip  studiert  zu  werden.  Ehe 
ich  sie  daher  in  meines  Sohnes  Seele  die  Hauptsache  sein  lasse,  wollte 
ich  lieber,  er  dächte  meinetwegen,  dasz  die  Sonne  um  die  Erde  läuft, 
und  die  Sterne  lauter  Goldflitterchen  sind,  in  das  helle  blaue  Firma- 
ment gesetzt.'  Gewis  ist  das  ^ine,  was  einem  Christen  und  Engländer 
Noth  thut,  christliche  nnd  moralische  und  politische  Philosophie.  Und 
in  diesem  Sinne  werden  wir  nicht  müde,  darauf  zu  dringen,  dasz  man 
sich  endlich  einmal  nicht  mehr  Kenntnisse,  sondern  Kraft,  nicht 
mehr  die  Wissenschaft,  sondern  ein  tüchtiges  können  zum 
Ziel  setze.  Wodurch  anders  als  durch  diese  vornehme  Richtung  auf 
die  Wissenschaft  ist  das  blasierte  Wesen  in  unsere  Schule  gekommen, 
und  ein  in  Gesinnung  so  elendes,  in  Glauben  so  verdorrtes,  jeder 
edlen  That  so  unfähiges  Geschlecht  daraus  hervorgegangen?  Es  ist 
keine  einzige  Disciplin,  die  nicht  darunter  gelitten  hätte.  Unsere  Schü- 
ler wissen  von  der  Idee  eines  sophokleischen  Stückes  zu  schwatzen, 
und  stoszen  bei  dem  kleinsten  Stein .  an ;  denn  dasz  sie  ein  kritisches 
Urtheil  in  den  trivialsten  Dingen  haben  sollten,  daran  ist  erst  recht 
nicht  zu  denken.  Sie  besitzen  ohne  Zweifel  schöne  grammatische, 
synonymische  Kenntnisse,  aber  sie  kauen  in  die  Federn,  wenn  sie 
rasch  ein  paar  Worte  über  Pyrrhus  and  Hannibal  schreiben  sollen ; 
denn  von  Versen  ist  ja  fast  nirgends  mehr  die  Rede.  Und  so  ist  es  in 
allen  Dingen.  Wir  Schulmänner  erfahren  es  alle  Tage,  wie  die  Jugend 
froh  und  frisch  mit  einstimmt,  wenn  wir  das  können  zu  vollen  nnd 
verdienten  Ehren  bringen.  Die  ganze  Schule  von  Sexta  an  bis  znr 
Primi  herauf  bekommt,  wie  mit  einem  Ruck,  ein  anderes  AnseheB« 


176    Die  Religiositfit  and  der  Relig^oiuaiiterricht  aar  den  Gymnasien. 

wenn  ihr  Angesicht  dahin  gekehrt  ist.  Dasz  ich  aus  dem  Leben  nnd 
aus  der  Praxis  spreche,  wird  man  jedem  meiner  Worte  ansehen,  in- 
gleichen, dasz  es  mir  am  das  Leben  und  um  die  Praxis  zu  thun  ist. 

Ist  nun  aber  das  Wort  Wissenschaft  ein  solches  Wort,  das 
nicht  in  unseren  Kreis  gehört,  so  gehört  es,  wo  es  sich  um  die  Reli- 
gion handelt,  erst  recht  nicht  hierher.  Ich  frage  auch  hier  wieder  bei 
nnsern  Vorfahren,  und  zwar  der  guten  Zeit,  an,  bei  denen,  die  des 
protestantischen  Glaubens  voll  waren,  nicht  bei  denen,  die  eine  eigene 
Frömmigkeit  nnd  subjectives  Wesen  an  die  Stelle  des  kirchlichen 
Glaubens  und  Lebens  setzen  wollten.  Wer  sollte  nun  nicht  erwarten, 
dasz  in  jenen  Zeiten  der  Religionsunterricht  einen  hervorragenden 
Platz  werde  eingenommen  haben?  Es  ist  durchaus  nicht  so  gesche- 
hen. Bei  weitem  das  überwiegende  ist,  dasz  in  den  untern  Klassen 
der  Katechismus  Lutheri  zuerst  deutsch,  dann  lateinisch  getrieben 
wird ;  hierauf  folgen  die  Evangelien  erst  lateinisch ,  dann  griechisch ; 
ingleichen  ein  oder  der  andere  panlinische  Brief,  an  die  Römer  oder 
an  Timotheus.  Dies  ist  das  wesentliche  und  allgemeine.  In  einigen 
Schulen  hat  man  dann  doch  noch  einen  Unterricht  in  den  symbolischen 
Büchern  oder  über  den  Lehrbegriff  der  protestantischen  Kirche  dazu 
gethan,  auch  wol  eine  Katechese  von  einem  der  namhaften  Theologen 
jener  Zeit:  Melanchthons  loci,  die  symbolischen  Bücher,  in  Prenszen, 
aber  auch  sonst  in  Norddeutschland  Wigandi  Corpusculum,  Kateche- 
sen von  Melanchthon,  Chytraeus,  Urbanus.  Von  einem  eigentlich 
dogmatischen  Religionsunterricht,  von  einer  Religionswissenschaft  isl 
gar  nicht  die  Rede.  Ja  es  gab  Schulen,  wo  des  Religionsunterrichtes 
in  der  obersten  Klasse  gar  nicht  gedacht  wird,  und  wo  derselbe  sicher 
ganz  weggefallen  ist,  so  in  Z  e  i  t  z  eine  Zeitlang,  so  in  der  G  fl  s  t  r  o  w  e  r 
Schulordnung  von  1602.  Es  fehlte  nicht  an  Stimmen ,  welche  diesen 
Unterricht  noch  mehr  beschränkt  wissen  wollten :  ^  Etliche  Schulmei- 
ster wollten  eitel  heilige  Schrift  lesen ,  etliche  ganz  keine.'  Hiermil 
ist  nun  zu  vergleichen  Niese  S.  84:  ^Die  evangelische  Lehre  ist  einer 
wissenschaftlichen  und  aus  einem  Punkte  ihren  ganzen  Inhalt  ableiten- 
den Entwicklung  fähig.  Unter  allen  Lehrgegenständen  des  Gymnasiums 
ist  keine  so  geeignet,  selbst  die  Mathematik  nicht,  dem  Schüler  ein 
klares  und  lebendiges  Bild  dessen,  was  im  deutschen  Sinne  Wissen- 
schaft zu  nennen  ist,  in  sein  akademisches  Studium  nnd  auf  seine 
ganze  künftige  Lebenslaufbahn  mitzugeben.  Wenn  dem  Schüler  gesagt 
wird,  dasz  das  Christenlhum  der  Wahrheit  nach  das  höchste  sei,  dann 
mnsz  ihm  anch  gezeigt  werden ,  dasz  es  der  wissenschaftlichen  Dar- 
stellung nach  das  vollkommenste  sei  asw.' . 

Jedermann  fragt,  wie  jene  Erscheinung  bei  unseren  Vorfahren 
zu  erklären  sei.  Ich  will  dazn  einige  Andeutungen  geben,  l)  Jene 
Schalen  standen  an  sich  mit  der  Kirche  in  allerengstem  Connex,  nnd 
empfiengen  von  der  Kirche  her  viel  mehr  religiöse  Stoffe,  als  die  ansri- 
gen  daher  beziehen.  Die  Schule  gehörte  in  die  Kirche ,  das  war  der 
Grundsatz  jener  Zeit,  der  gerade  so  fest  stand  wie  das  Einmaleins. 
Sie  war  beim  Gottesdienste  an  Sonn-  und  Wocheutagen,  sie  wohate 


Die  Relifiotitit  mid  der  ReligionsimteiTiobt  auf  den  Gymnasiea.    177 

den  LeicheDbegrSbnigsen  nsw.  bei.  Non  weiss  jeder,  wie  die  Predig- 
ten jener  Zeit  beschaffen  waren:  nicht  sowol  erbaalich  und  das  Gemüt 
bewegend,  als  dogmatisch-polemisch  und  voll  gelehrten  Inhaltes.  Von 
dem  Inhalt  dieser  Predigten  musten  die  Schaler  wol  schriftliche  Rela- 
tionen machen.  2)  Das  ganze  Leben  der  Schule  war  ein  Leben  ron  re- 
ligiöser Haltung.  Ein  Haupttheil  des  Unterrichts  war  der  Gesang,  and 
zwar  mit  kirchlicher  Tendenz.  Die  ersten  Nachmittagsstnnden  waren 
ihm  gewidmet,  und  zwar  zwei  praktisch,  zwei  theoretisch.  Der  Can- 
tor  stand  daher  dem  Rector  zunächst  zur  Seite.  Man  kann  an  man- 
chen Schulen,  z.  B.  in  Stralsund,  in  Schwerin,  rerfolgen,  wie  die  Gel- 
tung des  Cantors  sinkt,  bi^nan  ihn  endlich  zum  technischen  Hfllfs- 
lehrer  macht  oder  ganz  aus  der  Schule  entläszt.  Welche  ungeheure 
Ironie!  Dann  begann  der  Unterricht  alle  Morgen  mit  Andacht.  Die 
Schaler,  grosz  und  klein,  kamen  im  Saale  znsa|[yen:  man  sang  das 
*  Veni  sancte  Spiritus ',  man  betete  den  Morgensegen,  dann  wurde  ein 
Hauptstack  aus  dem  Katechismus  gelesen,  lateinisch  und  deutsch; 
hiermit  .verband  sich  auch  wol  ein  Theil  der  tabula  dome^ica^  der 
christlichen  Haustafel.  Weiter  sang  man  zum  Schlusz  der  Schnle 
etwa  das  deutsche  Benedicite,  Mittags  das  Gralias^  Abends  Da  pacem 
oder  Nunc  dimiuis.  Hierdurch  kam  gleichfalls  viel  Stoff  aus  der  Re- 
ligion ins  Leben.  3)  Vor  allem  ist  nun  einer  Einrichtung  zu  erwäh- 
nen, die  ich  zurackführen  möchte.  Der  Sonnabend  war  nemlich  eine 
Art  Vorfeier  für  den  Sonntag.  Es  wurden  etwa  wol  noch  die  schrift- 
lichen Arbeiten  der  Schüler,  eine  Epistola  oder  ein  Carmen,  durchge- 
sehen ;  übrigens  ruhten  die  gewöhnlichen  Lectionen :  er  war,  wie  wir 
sagen  würden,  dem  Religionsunterrichte  gewidmet.  Es  wurde  das 
Evangelium  des  nächsten  Sonntags  gelesen:  lateinisch,  griechisch, 
kurz  erklärt,  nicht  erbaulich,  nicht  dogmatisch,  sondern  nur  wörtlich; 
denn  die  tiefere  Behandlung  behielt  sich  die  Kirche  vor.  Wir  be- 
sitzen noch  Commentare  z.  B.  von  Bngenhagen,die  ganz  innerhalb 
jener  Schranken  sich  halten.  Dann  hatten  die  Klassen  zwei,  drei  Stran- 
den nach  einander  Religion.  Etwa  zuerst  den  Katechismus,  dann 
wurde  eines  der  Evangelien,  dann  eine  panlinische  Epistel  gelesen. 
Wenn  der  Lehrer  katechisierte ,  so  geschah  es  ganz  sprachlich.  Im 
Verlaufe  der  Zeit  hat  man  dann  die  Lesung  der  heiligen  Schrift  zu- 
rück- und  dogmatisch -polemische  Schriften  etwas  mehr  hervortreten 
lassen.  —  Um  einen  Beleg  zu  geben,  wie  die  Katechese  geschah,  so 
lautete  dieselbe  etwa:  quid  deuM?  quot  personae  divinitatis?  quot 
naturae  in  Christof  quid  lex?  quid  peccatum?  quid  evangelium? 
quid  iustißcatio?  quid  grgtia?  quid  flde$7  etc.  Weiter  wird  verord- 
net, dasz  die  Epistel  an  die  Römer  nur  schlecht  grammatice  exponiert 
werde  absque  commento,  allein  dasa  die  dispositio  rhetorice  ange- 
zeiget,  und  die  deflnitiones  theologicae  mit  etlichen  argumentis  con- 
Irariis  repetiert  werden,  so  weit  und  fern  es  der  gegenwartige  Text 
gibt.  Ueberall  wird  darauf  gehalten ,  die  Evangelien  und  die  Episteln 
kurz  and  deutlich  zu  lesen   sine  annotationibus.     Kirchner 


178    Die  Religiosität  und  der  Religionsunterricht  auf  den  Gymnasien. 

konnte  mit  Recht  sagen,  der  Religionsunterricht  in  den  beiden  oberen 
Klassen  sei  philologisch  gewesen. 

Ich  denke,  auch  dies  könne  als  ein  sicheres  Resultat  betrachtet 
werden,  dasz  unsere  Vorfahren  den  wissenschaftlichen  Unter- 
richt in  der  Religion  mit  vollem  Bewustsein  zurückgewiesen  haben, 
und  es  ist  wenigstens  nicht  gerechtfertigt,  jetzt  das  wissenschaftliche 
in  dieser  Disciplin  mit  solchem  Nachdrucke  hervorzuheben,  als  ob 
das  Gymnasium  erst  hiermit  in  Wahrheit  seine  Aufgabe  löse,  dem 
Christeuthum  seine  volle  Anerkennung  zu  zollen,  es  iu  seine  unge- 
schmälerten Rechte  einzusetzen ,  und  so  den  Begriff  eines  christlichen 
Gymnasiums  zu  erfüllen,  wie  Niese  ma^,  Schlieszen  wir  uns  viel- 
mehr mit  unseren  Wünschen  an  die  alten  Schulen  an,  und  zwar  xa- 
nächst  in  Bezug  auf  den  Unterricht,  so  ergibt  sich,  dasz  der  Kaie-. 
chismus  Luthers  .für  die  unteren  und  mittleren  Klassen  eine  stehende 
Lection  bleiben  müsse,  wobei  ich  ganz  und  gar  nichts  dagegen  haben 
würde,  wenn  man  dem  deutschen  Katechismus  den  lateinischen 
zur  Seite  treten  liesze ,  damit  die  kirchliche  Fassung  des  Ausdrucks 
nicht  ganz  unbekannt  bliebe.  Unsere  Vorfahren  haben  darauf  gehal- 
ten, offenbar  in  der  Meinung,  dasz  der  lateinische  Ausdruck  histori- 
schen Halt  und  begriffliebe  Schärfe  mit  kirchlicher  Dignität  verbinde. 
Doch  hierauf  lege  ich  nicht  so  viel  Gewicht,  um  schon  jetzt  hierauf 
die  Debatte  hinzulenken.  Mit  dem  Katechismus  aber  mnsz  anch  die 
Bibel  selbst  iu  die  Hand  genommen,  und  die  Bibel  gelesen  wer- 
den. Dies  Bib olles en  erscheint  mir  als  eines  der  wichtigsten  B&* 
dürfnisse  auf  unseren  Schulen,  und  als  ein  Bedürfnis,  welches  jetzt 
so  gut  wie  ganz  unbeachtet  gelassen  wird.  Die  Unkenntnis  der  Bibel 
ist  in  der  That  ganz  unglaublich.  Was  Lehmann  in  Greifswald  vor 
kurzem  in  der  Zeitschrift  für  das  Gymnasialwescn  (1855.  März.  S. 
236  ff.)  gesagt  hat,  ist  gar  nicht  übertrieben.  Wie  die  Sachen  jetit 
stehen,  wo  in  Sexta  und  Quinta  meist  ein  Buch  biblischer  Ge- 
schichten in  der  Hand  der  Schüler  ist,  hat  der  Schüler  während 
dieser  2 — '6  Jahre  keinen  Anlasz  die  Bibel  selbst  in  die  Hand  zu  neh- 
men, während  einer  Zeit,  wo  die  Bibel  noch  mit  voller  Macht  ihm 
ins  Herz  dringeu  könnte.  Denn  die  Gegenstände  des  Unterrichts  sind 
hier  noch  einfach;  ein  grosser  Theil  der  Lectionen  ist  mehr  mecha- 
nischer Natur ;  so  wie  der  Knabe  aus  den  biblischen  Geschichten  her- 
auskommt, was  bei  seinem  Eintritt  in  Quarta  zu  geschehen  pflegt,  so 
drängen  so  viel  neue,  so  schwierige,  und  so  unbedeutende  Discipli- 
nen  an  ihn  heran,  dasz  seine  Seele  hierdurch  sehr  occupiert  wird, 
und  für  das  eifrige  und  begeisterte  BHiellesen  fast  die  Zeit  vor- 
über ist.  Die  Folge  davon  ist:  die  Bibel  ynrd  ein  unbekanntes  Buch. 
Die  Jugend  erleidet  dadurch  einen  unheilbaren  Schaden.  Die  bibli- 
schen Geschichten  würden,  vielleicht  mit  weniger  Bequemlichkeit,  ann 
der  Bibel  selbst  genommen  werden  können,  wie  viele  von  uns  sie 
aus  der  Bibel  selbst  genommen  haben.  Was  etwa  hierbei  Schaden 
erlitten  würde,  könnte  ersetzt  werden;  jener  Schaden  ist  nicht  wie- 
der gut  zu  machen.    Ich  betrachte  es  als  einen  Segen  für  mein  ganxes 


Die  BeliiriosiUll  md  der  Religrionsnntenieht  tof  den  Crymnasieo.    179 

Leben,  dass  ich  in  meiner  Kindheit  anf  ftuszertl  wenige  Bücher,  unter 
andern  die  Bibel,  beschrankt  war,  und  so,  selbst  nm  der  Beschäftig 
gnng  willen,  dieselbe  wiederholentlich  durchgelesen  habe.  Dieser  Se- 
gen geht  unserer  Jugend  r ö II i g  verloren.  Die  biblischen  Geschich- 
ten haben  die  Bibel  verdrängt.  Ich  halte  es  für  höchste  Zeit,  dass 
die  Bibel  wieder  der  Jugend  in  die  Hand  gegeben  werde. 

Ich  habe  hierzu  noch  einen  anderen  Grund.  Otto  Schulz  hat 
zwar  seinen  biblischen  Geschichten  eine  Anweisung  zum  Gebrauche 
beigegeben;  ich  habe  indes  noch  nicht  viel  Lehrer  gesehen,  die  das 
Buch  wirklich  hätten  gebrauchen  können.  Die  einen  machen  daraus 
eine  Lection  im  deutschen  lesen;  die  andern  benutzen  es  zu  einer 
völlig  mechanischen  Gedächtnisübung,  die  man  mit  Unrecht  Religion 
nennt.  Geschickte  Lehrer  haben  es  in  der  Stunde  gar  nicht  brauchen 
lassen,  sondern  es  zur  Wiederholung  verwandt,  und  in  der  Stunde 
selbst  vorgezogen  frei  zu  erzählen.  Und  so  ist  es  auch  am  besten, 
wenn  man  nicht  lieber  zur  Bibel  selber  greift.  Die  Bibel  ruft  eine 
viel  gröszere  Ueberlegung,  ja  ein  Studium  des  Lehrers  auf,  gestattet 
ihm  aber  auch  andererseits  viel  freiere  Bewegung.  Meine  Ansicht 
freilich  ist,  dasz  das  Bibellesen  die  Hauptsache  sei,  in  welchem  die 
biblischen  Geschichten  dann  als  die  lieblichsten  Partien  von  selbst 
Ang  und  Herz  des  Knaben  fesseln  werden. 

Unsere  Vorfahren  hatten  dieses  Bibellesens  nicht  so  Bedürfnis. 
In  den  Kinderschnlen  wurde  fast  nichts  gethan  als  Bibel  gelesen,  was 
jetzt  dort  auch  durch  die  lieben  Kinderfreunde  u.  dgl.  mehr  verdrängt 
ist.  So  dann  kam 'das  häusliche  Bibellesen  dazu,  was  jetzt  auch 
bei  gläubigen  Familien  ganz  auszer  Brauch  gekommen  ist.  Daher 
kan^es,  dasz  in  den  Particularschulen  hierauf  weniger  gesehen 
wurde,  sondern  dasz  man  sich  hier  gleich  an  die  lateinische  nnd 
später  an  die  griechische  Bibel  machte,  etwa  so,  wie  Niese  räth, 
die  Lesnng  des  griechischen  Urtextes  schon  in  den  mittleren  Klassen 
eintreten  zn  lassen.  Hiergegen  musz  ich  mich  nun  durchaus  erklären, 
wenn  auch  gerade  hier  Niese  sich  mit  den  Reformatoren  in  Einklang 
befindet.  Denn  l)  ist  Oberhaupt  nieht  eher  zum  griechischen  Text 
überzugehen,  ehe  der  Schüler  die  deutsche  Bibel  kennt.  Die  fremde 
Sprache  leitet  das  Interesse  leicht  anderswohin  ab,  auf  sprachliche 
Dinge.  Das  spätere  Leben  aber  fordert  bei  jedem,  der  nicht  Theolog 
wird,  dasz  er  die  deutsche  Bibel  im  Herzen  trage.  An  sie  schlie- 
szen  sich  die  Controversen  des  Tages,  mit  ihren  Begriffen  und  Aus- 
drücken wird  polemisiert;  sie  hat  er  zu  vertreten,  ihren  Misbrauch 
abznweisen.  Ich  habe  daher  für  die  oberen  Klassen  mir  eine  solche 
Lesung  der  deutschen  Bibel  als  Pensum  gewählt,  mit  der  Apostelge- 
schichte begonnen ,  und  die  panliniscben  Briefe  da  eingeschoben ,  wo- 
hin sie  gehörten.  Ich  habe  mögliehst  gelehrte  Erörterungen  vermie- 
den, hauptsächlich  auf  das  praktische  hingearbeitet,  dasz  die  Schüler 
Im  groszen  und  ganzen  den  Inhalt  der  apostolischen  Geschichte  in 
sich  aufnehmen,  die  Verhältnisse  der  ersten  Kirchen  kennen  lernen, 
den  Krelf  panlinischer  Ideen  und  Begriffe  verstehen,  vor  nlleai  aber 


180    Die  Religiosität  and  der  Religionsonlerrioht  aaf  den  GymiMsien. 

das  Wort  Gottes  empfinden  möchten.  Diese  Lection  ist  mir  nicbt 
leicht  geworden,  aber  sie  hat  mir  tiefe  Freude  gebracht,  and  ist, 
denke  ich,  den  Schülern  segensreich  geworden.  Ger  lach  hat  mir 
dabei  treue  Dienste  gethan,  obwol  er  bald  mehr  bald  weniger  bot, 
als  ich  brauchte.  In  Summa  ist  dies  foslzuhalten ,  dasz  nicht  eher  an 
den  griechischen  Text  gegangen  werde,  ehe  die  Bibel  Lathers  dem 
Schaler  zum  Eigenthum  geworden  ist.  2)  ist  die  griechische  Sprache 
den  mittleren  Klassen  noch  nicht  bekannt  genug,  um  ein  Buch  des 
N.  T.  im  Urtext  zu  lesen.  Abgesehen  hiervon  ist  es  beim  Gebrauch 
des  griechischen  Textes  nicht  möglich  viel  zu  lesen.  Was  will  es  sa- 
gen, wenn  Niese  im  Laufe  eines  Jahres  in  Prima  den  Römerbrief,  in 
Obersecunda  den  1.  Brief  Petri  griechisch  liest,  während  die  ganze 
Bibel  dem  Schüler  zugeführt  werden  sollte !  In  der  Tertia  von  Pforte 
habe  ich  übrigens  keine  Lesung  des  griechischen  N.  T.  angetroffen. 
Die  Praxis  würde  übrigens  binnen  kurzem  die  Theorie  bald  za  Paaren 
getrieben  haben. 

lieber  die  Yertheilung  der  Bibellectüre  an  die  verschiedenen 
Klassen  bitte  ich  ein  andermal  meine  Erfahrungen  mitlheilen  zn  dür- 
fen. Im  allgemeinen  bemerke  ich  jedoch,  dasz  ich,  nachdem  in  Sexta 
und  Quinta  die  Bibel  in  denjenigen  Partien,  welche  das  betreffende 
Lebensalter  interessieren ,  gelesen  ist,  also  das  Alle  Testament  etwa 
bis  Davids  Tod,  in  Quarta  uud  Tertia  die  historischen  Bücher  des  A. 
und  N.  T.  den  Stoff  der  Leetüre  geben  werden,  für  Seeunda  und  Prima 
dagegen  die  didaktischen,  poötischcn  und  prophetischen  Schriften  la 
reservieren  sind.  Für  Psalmen  und  Propheten  ist  eine  Tertia  noch 
nicht  empfänglich;  der  Evangelist  Johannes  aber  ist  mit  wenigen  Aus- 
nahmen viel  leichter  zu  lesen,  als  irgend  einer  der  paulinischen  Briefe. 
Uebrigens  ist  hierfür  das  schöne  Buch  des  Schulrath  Landfermann 
noch  lange  nicht  genug  benutzt  worden. 

lieber  das  wie  des  lesens  musz  ich  noch  ein  Wort  hinzufügen. 
Es  ist  in  der  protestantischen  Kirche  von  jeher  eine  doppelte  Hieb- 
tung  gewesen,  die  eine  auf  die  Bildung  eines  objectiven  Bewustseins 
in  religiösen  Dingen,  eines  festen,  geschlossenen,  unantastbaren 
kirchlichen  Glaubens,  einer  hierdurch  unterstützten  objectiven  d.  h. 
auf  das  wirkliche  Verstfindnfs  des  göttlichen  Wortes  dringenden  In- 
terpretation,  eines  in  gleicher  Objectivitfit,  der  jeder  einzelne  anter- 
geordnet  ist,  geformten  kirchlichen  Gemeinde-  und  Familienlebens, 
—  die  andere  auf  die  subjective  Entscheidung  in  allen  diesen  Dingen. 
Offenbar  haben  diese  beiden  Richtungen  sich  gegenseitig  zu  dnreli- 
dringen  und  zu  beschranken,  damit  einerseits  das  Recht  der  Person, 
andererseits  die  Geltung  der  Kirche  gewahrt,  einerseits  die  religiöse 
Erstarrung,  andererseits  das  wilde  und  zuchtlose  auseinanderfahren 
der  Subjectivitäten  vermieden  werde.  Das  vollkommene  christliohe 
Leben  und  Glauben  ist  dasjenige ,  in  welchem  zwischen  diesen  beiden 
Tendenzen  das  Gleichgewicht  vorhanden  ist,  in  der  Praxis  aber  wird 
man  leicht  die  eine  oder  die  andere  vorwiegend  finden;  ja  es  ist  niolil 
zu  vermeiden ,  dasz  ein  sehr  frommer  und  glaubiger  Christ  oft  glaubt, 


Die  Religiositit  und  der  ReligioDsanterriolit  aaf  deo  Gymnasieo.    181 

die  eine  de^  beiden  mit  aller  Energie  festhalten  zn  mQssen,  wenn  er 
glaubt,  dass  die  gröszere  Zahl  seiner  Mitchristen  sich  in  die  entge- 
gengesetzte Kichtang  werfe.  Ich  will  offenherzig  genug  sein,  za  be- 
kennen, dasz  ich  mich  dem  objeclivon  in  der  Kirche  zuwende;  viel- 
leicht weil  mich  mein  Lehramt  und  meine  Lehrererfahrnng  dahin  ge- 
wiesen hat,  auf  die  Darstellung  des  christlichen  Glaubens  als  einea 
objecüven  zu  halten.  Ich  bin  daher  geneigt,  von  der  andern  Richtung 
grosze  Gefahren  für  die  Kirche  und  für  das  religiöse  Leben  des  ein- 
zelnen, wie  für  das  Reich  Gottes,  zu  besorgen,  und  die  Aeuszerungeo 
des  subjectiven  christlichen  Gemütes  für  menschliche  und  insofern, 
dem  gölllichen  gegenüber,  eben  nur  als  menschliche  zu  schätzende 
zu  halten.  Das  heiszt,  wenn  ich  unter  den  Lehrern  der  Kirche  mir 
Anctoritälen  suchen  sollte,  so  würde  ich  lieber  die  Hutter,  als  die 
Spener,  die  Hollatz  lieber  als  die  Francke  wöhlen.  Dies  Gest&ndnia 
ist,  glaube  ich,  ganz  offen  und  unverfänglich.  Hieraus  wird  man 
schlieszen,  dasz  ich  dem  subjectiven  verfahren  in  der  Erklärung  der 
heiligen  Schrift  durchaus  entgegen  bin.  Dieses  verfahren  hat  vor 
kurzem  durch  Kurtz  eine  grosze  Auctorität  erhalten,  um  so  mehr 
musz  man  diese  Methode  bekämpfen.  Die  Art  und  Weise,  wie  Kurts 
z.  B.  die  tiefere  Bedeutung  der  Wunder  zu  erfassen  sucht,  ist,  wenn 
sie  überhaupt  eine  Wahrheit  oder  selbst  auch  nur  einen  wissenschaft- 
lichen Schein  hat,  für  die  Schule  und  für  den  Unterricht  absolut  ver- 
werflich. Man  betrachte  z.  B.  in  seiner  heiligen  Geschichte  die 
Erklärung  des  brennenden  Busches,  oder  der  Wunder,  welche  mit 
der  Hand  Mose  geschehen ,  und  deuke  sich  dieser  symbolischen  Deu- 
tung der  Wunder  etwa  eine  Quarta  gegenüber.  Was  soll  diese  mit 
diesen  Feinheiten  machen?  wird  ihr  diese  Deutung  des  Wunders  nicht 
das  Wunder  selbst  aufheben?  wird  ihr  nicht,  indem  sie  Gottes  Wun- 
der sehen  soll,  dafür  Menschenwitz.  Hiergegen  gibt  es  nur  ^in  Mittel, 
welches  unsere  Vorfahren  so  entschieden  benutzt  haben:  objective 
einfache  Schriftauslegung,  und  Yerpönung  jeder  anderen.  Ger- 
lachs Erklärung  nimmt  hier  die  erste  Stelle  ein.  Schmieder  in  der 
Fortsetzung  des  Gerlachschen  Alten  Testaments  hat  bereits  den  Boden 
der  Objectivität  verlassen. 

Katechismus  und  Bibel  —  hierauf  beschränkte  sich  der  Reli- 
gionsunterricht unserer  Vorfahren:  was  etwa  noch  hinzukam,  war 
nicht  etwa  eine  wissenschaftliche  Dogmatik,  sondern  ein  an  die  Le- 
sung der  symbolischen  Bücher  oder  eines  daraus  geschöpften  syste- 
matischen Lehrbuchs  sich  anschlieszender  Unterricht  über  die  Grund-, 
lehren  der  protestantischen  Kirche ,  der  natürlich  voll  scharfer  Defi- 
nitionen war,  da  es  sich  darum  handelte  Sectierer  und  Irlehrer  von 
den  Räumen  der  Schule  fern  zu  halten:  es  war  die  Katechismus-Iec- 
tion  in  höherer  Instanz.  Der  Unterricht  war  ganz  confessionell, 
unsere  Zeilgenossen  haben  es  mehr  auf  ein  allgemein-christli- 
ches abgesehen.  So  auch  Niese,  bei  dem  nicht  die  Augnstana,  son- 
dern ein  System  der  Dogmatik  den  Schlusz  des  ganzen  bildet. 

Nach  den  obigen  Erörterungen  wird  man  von  mir  erwarten,  dasi 


182    Die  Religiositit  und  der  Religionsanterricht  aaf  den  Gymnasien. 

ich  mich  für  den  confessioneLleo  Unterricht  und  für  die  ijymbolischeD 
Bücher  erklären  werde.  Ich  thue  dies  l)  aus  inneren  Gründen :  denn 
jetzt  wo  die  einzelnen  Confessionen  so  weit  auseinander  getreten 
sind,  und  jede  ihr  eigenes  dogmatisches  Bewostsein  mit  solcher  Ge- 
nauigkeit und  Schärfe  ausgebildet  hat,  ist  ein  christlicher  Religions- 
unterricht ohne  confessionellen  Charakter  eigentlich  nicht  mehr  denk- 
bar; man  mQste  denn  etwa  von  dem  bestimmten  zum  gestaltlosen, 
von  dem  gereiften  denken  des  Mannes  zu  den  ersten  Anfängen  des- 
selben -zurückkehren  wollen ;  man  müste  die  wichtigsten  Gestaltungen, 
welche  geschichtlich  aus  der  Tiefe  des  christlichen  Lebens  hervor- 
getreten sind,  als  nicht  vorhanden  beträchten.  2)  aber  ist  es  in  anse- 
rer  Zeit,  wo  die  Kirche  dem  einzelnen  immer  mehr  aufhört  als  Macht 
gegenüberzustehen,  doppelt  nöthig,  dasz  der  Jugend  die  Lehre  der- 
selben in  ihrer  vollen  Objectivität  dargestellt  werde.  Der  einzelne 
Christ  wächst  in  einer  Familie  auf,  ohne  seine  Wahl  und  sein  Zathon, 
und  gehört  ebenso  ohne  sein  Zuthun  einer  Kirche  zu.  £s  ist  sehr 
wichtig,  dasz  die  Schule  im  Namen  der  Kirche  ihm  sage,  was  der 
Glaube  seiner  Väter  sei.  Es  kommt  nicht  darauf  an ,  dasz  er  sofort 
diesem  Glauben  aus  freier  Uebcrzeugung  seine  Zustimmung  gehe, 
aber  wol  dasz  er  ihn  hochachte  und  verehre.  Es  ist  vorausznsetaen, 
dasz  ihm  vieles  daran  werde  unbegreiflich  bleiben,  bis  ihm  die  tief- 
sten Bedürfnisse  und  Ahnungen  des  menschlichen  Herzen  werden  %um 
Bewustsein  gekommen  seiu ;  so  mag  ihm  denn  dieser  Glaube  gegeben 
werden,  als  ein  Glaube,  der  ihm,  wenn  er  nur  daran  glaubt,  seine 
Fülle  und  seinen  Segen  immer  mehr  zuströmen  lassen  werde.  Kurs 
diese  Lehre  soll  für  ihn  worden,  was  sie  im  Augenblick  noch  nicht 
sein  kann,  und  indem  diese  Lehre  ihm  gegenübertritt  mit  dem  An- 
spruch auf  eine  objcctive  Wahrheit,  die  Wahrheit  bleibt  ohne  die  Zu- 
stimmung des  einzelnen,  wird  die  Kirche  selber  ihm  als  mehr  er- 
scheinen, denn  ein  erbauliches  Institut:  als  die  sichtliche  Erscheinnng 
jener  unsichtbaren  Kirche,  in  der  Christus  das  Haupt  ist,  jener  Kirche, 
welche  aus  der  lebendigen  Kraft  des  heiligen  Geistes,  den  der  Herr 
den  seinen  gesandt  hat,  hervorgetrieben  ist  und  von  ihr  erfüllt,  be- 
lobt und  begeistet  lebt  und  leben  wird  bis  zur  Zukunft  des  Herrn.  3) 
endlich  halte  ich  auf  confessionellen  Unterricht,  weil  er  den  Schülern 
eine  grosze  geistige  Arbeit  zumutet,  auf  scharfe  Begriffe  dringt,  ein 
sicheres  Bewustsein  über  die  Differenzen  der  Confession  von  den 
übrigen  Confessionen  und  von  den  vielerlei  Secten  fordert,  und,  in- 
dem er  aus  der  Sphaere  der  religiösen  Gefühle  in  die  des  kernhaften 
Wissens  vom  Glauben  der  Väter  hineintreibt,  zugleich  eine  sacht-  und 
haltvolle  Gesinnung  bildet.  Ich  kann  mich  in  dieser  Besiehung  auf 
alte  Erfahrungen  berufen:  nie  ist  mir  ein  Unterricht  so  zur  inner- 
lichen Befriedigung  gelungen,  als  wenn  ich  mir  zum  Ziel  setzte,  mei- 
nen Zöglingen  den  Inhalt  des  protestantischen  Glaubens  mitzutheilen 
und  anzueignen,  nie  weniger,  als  wenn  ich  auf  dem  Wege  eines  dog- 
matischen Systems  ihnen  eine  Wissenschaft  vom  christlichen  Glauben 
zu  geben  versuchte.  Hierzu  fehlen  ihnen,  mag  man  dazu  sagen,  was 


Die^Religioflillt  and  der  Religionsonterricht  aaf  den  Gymnasien.    183 

man  wolle,  noch  gewisse  Bedingungen,  die  sie  nicht  mitbringen  kön- 
nen: das  überwältigende  Bewustsein  ^mal  von  dem  Fluch  der 
Sünde,  von  der  Gerechtigkeit  Gottes,  von  dem  versagen  der  eigenen 
Kraft,  von  der  einzigen  und  letzten  Rettung  in  der  Gnade  Gottes. 
Dagegen  sind  die  Schüler  wol  im  Stande,  das  Bekenntnis  und  die 
Lehre  der  Kirche  in  ihrer  Objectivität  zu  erfassen,  und  ein  positiv 
genaues  und  sorgffilliges  wissen  von  denselben  zu  gewinnen.  Dies 
wird  aber  dadurch  geschehen,  dasz  man  für  die  oberen  Klassen  eben- 
so die  Augustana,  wenn  es  möglich  wfire,  auch  die  übrigen  symbo- 
lischen Schriften,  nicht  blosz  zur  Grundlage,  sondern  anch  zum  Ziel- 
punkte des  Religionsunterrichtes  macht,  d.  h.  nicht  blosz  mit  seiner 
Lehre  in  Inhalt  und  Ausdruck  sich  an  dieselben  anschlieszt,  sondern 
auch  dahin  strebt,  dieses  ehrwürdige  Bekenntnis  unserer  Kirche  ihnen 
dauernd  zu  einem  Gesichtspunkte  zu  machen,  an  welchem  sie  sick 
später  in  den  Wogen  des  Lebens  und  in  dem  schwanken  der  Mei- 
nungen immer  wieder  orientieren  nnd  geistig  sammeln  können. 

An  diesen  Unterricht  wird  sich  dann  auch  anschlieszen ,  was  von 
der  Kirchengeschichte  in  die  Schule  gehört.  Ich  bin  nemliek 
der  Ansicht,  dasz  dieselbe  der  Schule  fem  bleiben  sollte,  wie  sie 
von  unsern  Vorfahren  derselben  fern  gehalten  ist.  Die  Ausbreitang 
der  Kirche  unter  die  Heiden  kann  im  groszen  und  ganzen  in  die  Prc- 
fangeschichte  aufgenommen  werden;  das  Leben  einzelner  Verbreiter 
des  Christenthnms,  selbst  das  eines  Bonifacins  und  eines  Ansgar,  Ittszt 
die  Jugend  kälter,  als  man  glaubt,  die  Kirchenväter  bleiben  ihr  todle 
Namen,  so  lange  sie  nicht  an  ihre  Schriften  geführt  wird;  die  Insti- 
tulionen  der  Kirche  und  die  Kämpfe  der  Kirche  mit  der  weltlichen 
Gewalt  sind  nicht  leicht  klar  zu  machen,  ohne  das  hinzutreten  der 
profanen  Geschichte;  die  Geschichte  der  Lehre  endlich,  ohne  eine 
Beziehung  auf  einen  Punkt,  wo  man  sie  gebraucht,  haftet  nicht  in  der 
Seele.  Ich  glaube  nicht  zu  viel  zu  behaupten ,  wenn  ich  sage :  alle 
Theorie  über  die  arianischen  Streitigkeiten  ist  wie  Nebel  und  Dnnst 
gegen  die  Lectttre  eines  einzigen  jener  wundervollen  Briefe  des  Atha-. 
nasius.  Die  grosze  Bedeutung  dieser  kirchlichen  Kämpfe  nnd  das 
Verdienst  des  Athanasius  ist  mir  erst  da  zur  Klarheit  gekommen,  als 
ich  dessen  Schriften  selbst  in  die  Hand  bekam,  und  das  gewaltige  nnd 
heilige  ringen  dieses  groszen  Geistes  nm  Fixierung  seines  Glaubens 
aus  eigener  Anschauung  kennen  lernte.  Kirchengeschichte  klingt  in 
den  Lectionsplänen  sehr  schön ,  und  ist  in  der  Wirklichkeit  eine  der 
unfruchtbarsten  Lectionen.  Auch  die  Reformationsgeschichte  mag  als 
Lection  hinwegfallen.  Es  ist  genug,  und  wird  bessere  Wirkung  thnn, 
wenn  alljährlich,  wann  die  Festlage  der  Reformation  kommen,  in  ei- 
nigen Stunden  den  Schülern,  je  nach  ihrem  Fassungsvermögen,  von 
Luther  erzählt  wird.  In  den  oberen  Klassen  müssen  die  Schüler  na- 
türlich erfahren,  wie  die  protestantische  Kirche  entstanden  ist,  nnd 
wie  ihre  symbolischen  Bücher  geschrieben  sind.  Ich  darf  nicht  hin- 
zusetzen, dasz,  seit  der  evangelische  Verein  für  eine  so  schöne  und 
so  billige  Aoagabe  der  letzteren  Sorge  getragen  hat,  gefordert  wer- 


184    Die  Religiosität  und  der  Keligionsuntorricht  auf  den  GymnasieD. 

den  darf,  dasz  jeder  Schüler  der  oberen  Klasse  die  Bekenntnisschrif- 
ten seiner  Kirche  zu  eigen  besitze. 

Meine  Leser  werden  erkennen:  was  ich  erstrebe:  Anschlasz  an 
die  Weise  der  Väter,  Beschränkung  des  Unterrichtes  seinem  Umfange 
nach,  Streben  nach  objectivem  positivem  wissen,  scharfen  bestimmten 
BogrifTen ,  treuem ,  festem  und  solidem  Glauben  an  die  Lehre  der  Kir- 
che, confessionollen  Charakter  des  ganzen  religiösen  Lebens,  festen 
Anschlusz  an  die  objective  Kirche,  mit  einem  Worte,  echt  prote- 
stantische Gymnasien,  au  denen  Luther  und  Melanchthon,  wenn  sie 
aufständen,  ihre  Freude  haben  möchten.  Das  Wort  ist  ausgesprochen, 
und  ich  mag  es  nicht  zurücknehmen:  protestantische  Gymnasien 
für  protestantische  Lande! 

Niese  will  die  Frucht  dieses  Unterrichtes  durch  Priratalu- 
dium  und  schriftliche  Arbeiten  erhöhen.  In  der  Pforte  stehen 
die  letzteren  im  Lectionsplane  bei  Prima,  Ober-Secunda  und  Ober- 
Tertia,  wo  Niese  selbst  diesen  Unterricht  ertheilt.  Privatstudinm  ist, 
nach  meiner  Beobachtung,  eine  Sache  von  problematischem  Werthe, 
in  der  Religion  aber  zumal  halte  ich  Privatsludien ,  wenn  man  dar- 
unter nicht  erbauliche  Schriften,  wie  die  Vitae  erweckter  Christen, 
versteht,  für  ganz  unzulässig.  Ebenso  würde  ich  schriftliche  Ar- 
beiten auf  diesem  Gebiete  nie  zulassen;  mich  dünkt,  sie  können  für 
die  sittliche  Reinheit  der  Seele  gefährlich  werden.  Dagegen  wire  es 
sehr  rulhsam,  die  Schüler  der  obersten  Klassen  concipierten,  gleich 
am  Sonntag,  die  gehörte  Predigt;  natürlich  müste  diese  selbst  Ear 
Conccption  geeignet  sein.  Dies  ist  alter  usus,  aus  dem  sich  immer 
wieder  etwas  machen  läszt. 

Der  Vf.  berührt  in  seiner  Schrift  auch  einen  Punkt,  der  in  der 
neueren  Zeit  ganz  besonders  ins  Auge  gefaszt  wird,  die  Schulaa- 
dachten;  er  hat  über  dieselben  maszvolle  Ansichten;  ich  wünschte 
nur,  er  hätte  sich  bei  seinen  Vorschlägen  die  Sitte  der  Alten  xoni 
Vorbilde  genommen ,  welche  tagtäglich  eins  der  Hauptstücke  und  ei- 
nen Abschnitt  der  Haustafel  recitieren  lieszen,  anstatt  der  sehr  ins 
weite  zerllieszendcn  Bibellection.  Für  den  Gesang  wird  auch  Niese 
Liedern  der  alten  Kirche  den  Vorzug  geben.  Das  Gebet  der  Andacht 
wird  am  besten  gleichfalls  jener  Zeit  entnommen,  aus  welcher  der 
evangelische  Verein  uns  ja  die  schöne  Sammlung  dargeboten  hat 
Eignes  freies  Gebet  ist  nicht  jedermanns  Sache;  dagegen  wirkt  die 
regelmüszige  Wiederkehr  der  alten  Gebete  auf  die  Jugend  sehr  tief. 
Arnold  hatte  ein  besonderes  Gebet,  mit  dem  er  seinen  eigenen  Un- 
terricht erölTnete,  und  zwar  jeden  Morgen.  Ich  habe  mich  dessel- 
ben gern  und  oft  bedient.  Die  gemeinsame  Andacht  Abends  am 
Schlüsse  der  Schule  hat  an  den  Anstalten,  welche  nicht  Alnmmeen 
sind,  ihre  gruszen  Bedenkon,  zumal  bei  groszer  Frequenz  der  Schule. 
Die  Jugend  ist  in  den  Lehrstunden  durch  so  viele  andere  Dinge,  die 
Disciplinen,  Lob,  Tadel,  Strafe,  alle  die  kleinen  Tageserlebnisse  der 
Schule,  zerstreut,  abgespannt,  und  kann  den  Augenblick  ihrer  Be- 
freiung nicht  mehr  erwarten;  sie  bringt  keine  empfänglichen,  offenen 


Die  ReligiosiUil  und  der  Religionsauterricht  aof  den  Gymnasien.    185 

Herzen  mit  sich.  Da  ziehe  ich  es  vor,  jede  Klasse  für  sich  ihre  Ar- 
beit beschlieszcn  za  lassen.  In  den  unteren  Klassen  hat  es  mich  stets 
tief  ergriffen ,  wenn  die  Knabenschaar  mit  leiser  Stimme  einen  Choral 
sang  oder  einen  Vers  betete;  in  oberen  Klassen  wflrd^  ich  einen 
Schüler  aas  einem  Gebetbache  einen  vorgeschriebenen ,  kurzen  Vera 
oder  ein  kurzes  Gebet  lesen  lassen.  Der  Lehrer  ist  nicht  immer  i« 
Stande  zu  beten,  wenn  ihm  im  Augenblicke  die  Seele  durch  seinen 
Beruf  noch  anderweitig  zu  tief  bewegt  ist.  Nur  daez  hierbei  eine 
stetige  Ordnung  statt  finde!  Gröszere  erbauliche  Betrachtungen,  wie 
Lübker  sie  vorschlägt,  am  Beginne  und  am  Schlüsse  der  Woche 
halte  ich  nicht  fflr  zweckdienlich.  Solche  Vorschlage  machen  sich 
in  der  Praxis  anders  als  im  Buche.  Eins  ist  auch  hier  im  Auge  zu 
behalten:  Objectivitfit,  wozu  uns  die  alten  Schulen  als  Vorbilder  die- 
nen können. 

Was  ich  besonders  anempfehlen  möchte,  um  eitvnatflrliches  Ele- 
ment der  Andacht  in  das  Schalleben  hineinzuziehen,  ist  dasz  der 
Sonnabend  dem  Religionsunterrichte  ausschlieszlich  oder  Qberwie« 
gend  gewidmet  würde;  in  den  oberen  Klassen  kann  zu  jenem  der 
Unterricht  im  Hebraeischen  kommen.  Dies  würde  einer  ganzen  Schule 
eine  Vorbereitung  auf  den  folgenden  Tag  des  Herrn  geben.  Am 
Sonnabend  wäre  dann  nichts  natürlicher,  als'dasz  in  jeder  Klasse 
das  Evangelium  und  die  Epistel  des  nächsten  Tages  in  alter  Weise 
gelesen  würde,  nicht  erbaulich,  sondern  sprachlich  und  in  Hinsicht 
auf  den  Gedanken  interpretiert.  Die  Theilnahme  am  kirchlichen  Got- 
tesdienste ist  eine  Sache,  die  sich  für  jung  und  alt  von  selbst  ver-« 
steht.  Die  Jugend  kommt  dieser  Forderung  seitens  der  Schule  mit 
williger  Zustimmung  entgegen,  und  findet  es  befremdlich,  wenn  eine 
Sehule  sich  hierin  lax  zeigt.  Man  würde  übrigens  zu  viel  erwarten, 
wenn  man  auf  andächtige  Stimmung  oder  Aufmerksamkeit  bei  allen 
rechnen  wollte.  Es  kommt  hierbei  nicht  auf  die  subjective  Disposi* 
tion  zur  Andacht  an,  sondern  dasz  die  Jagend  die  Kirche  achten  und 
anerkennen  lerne.  Anders  verhält  es  sich  mit  besonderen  Gottesdien- 
sten und  Erbauungstunden.  Die  Jngend  begreift  zum  groszen  Theile 
noch  nicht  das  Bedürfnis,  aus  dem  sie  hervorgehn,  während  sie  es 
recht  wol  fühlt,  dasz  sie  an  dem  sonntäglichen  Gottesdienste  in  die 
Kirche  gehört.  Besondere  Erbauungsstunden,  Kindergottesdienste  und 
welchen  Namen  sie  sonst  haben  mögen,  von  Seiten  der  Schule  ein« 
zurichten,  ist  gegen  den  Gebrauch  der  Alten,  ja  ich  glaube,  dasz  sie 
diese  Einrichtungen  als  ein  hineingreifen  in  die  Sphaere  der  Kirche 
würden  anfgefaszt  haben.  Der  Unterricht  in  der  Religion  und  die 
regelmäszigen  Schulandachten  nnd  der  kirchliche  Gottesdienst  bieten 
meines  Erachtens  völlig  dasjenige  erbauliche  Material  dar,  welches 
die  Jugend  bedarf.  Wenn  jene  Mittel  richtig  benutzt  werden,  so  wer- 
den sie  ausreichen,  die  Jagend  in  fester  Gläubigkeit  und  frommer 
Sitte  nnd  Zucht  zu  erziehen.  Mit  Freuden  wäre  es  freilich  zn  be- 
grüszen,  wenn  die  häusliche  Andacht  der  Schule  zu  Hilfe,  käme, 
und  den  jungen  Herzen  die  Nahrung  zuführte,  die  ihnen  dnrch  keine 

IV.  Jahrb.  f.  Phü.  m.  Patd,  Brf.  LXXIV.  aß.4.  14 


186    Die  Religiosität  und  der  Religionsanterricbt  auf  den  Gynnasien. 

besondere  und  gesuchte  Veranstaltungen  der  Schule  vermitteU  wer- 
den kann.  Hier  ist  der  Sitz  des  Uebels  zu  suchen,  an  dem  aasere 
Zeit  leidet,  dasz  der  Boden,  in  den  unsere  Jugend  durch  die  Na- 
tur gepQanzt  ist,  den  jungen  Pflänzlingen  nicht  mehr  die  Lebenssifle 
zuführt. 

Demnach  ergibt  sich,  dasz  das  erbauliche  Element  auf  der  Schale 
innerhalb  der  natürlichen  Grenzen  gepflegt,  dasz  es  nach  auszeo  hin 
in  engste  Verbindung  mit  der  Kirche  gesetzt  werden  müsse,  dasz 
aber  die  Zahl  der  natürlichen  Andachten  nicht  zu  vermehren,  die  Er- 
weckung künstlicher  frommer  Gefühle  zu  vermeiden,  überhaupt  aber 
vielmehr  auf  Objectivilät  auch  in  dieser  Sphaere  hinzustreben,  and 
hierfür  das  Beispiel  der  alten  Schulen  nachzuahmen  sei.  Wenn  ich 
die  im  Anbange  von  Niese  dargebotenen  Beispiele  von  Andachten  be- 
1  rächte,  so  vermisse  ich  in  ihnen  gerade  das  wesentliche:  jene  Ob- 
jectivilät. Auch  was  die  christliche  Poäsie  anbetrifl't,  die  Niese  auf 
den  Schulen  gepflegt  und  geübt  wissen  will,  so  mag  sich  der  einzelne 
an  ihr  erfreuen,  auch,  wenn  es  ihn  drängt,  sein  religiöses  Leben 
darin  aussprechen;  die  christliche  Poesie  aber,  welche  allen  wahr- 
hafte Speise  bietet  und  welche  objectiven  Werth  hat,  ist  und  bleibt 
das  alte  Kirchenlied,  das  lateinische  wie  das  deutsche,  und  hienn 
sollte  man  die  Jugend  wieder  heranziehen. 

Noch  ist  ein  Punkt,  über  den  wir  uns  ofl'en  aussprechen  mflssen. 
Das  Gymnasium  soll  all  seineu  Unterricht  mit  christlichem  Geiste 
durchdringen;  bei  jeder  Disciplin  wird  der  Lehrer  Gelegenheit  finden, 
seinen  Glauben  immer  und  immer  wieder  an  den  Tag  zu  legen.  Selbst 
auch  in  Disciplinen,  die  dem  religiösen  so  fern  liegen,  wie  Mathe- 
matik und  Grammatik,  kann  der  Lehrer  Beziehung  zum  Christen Ihoa 
nehmen.  So  Niese,  so  unzählige  andere,  denen  ohne  Zweifel  das 
Reich  Gottes  theuer  ist.  Ohne  Zweifel  läszt  sich  jeder  Gegensland 
so  benutzen.  Die  Natur ,  sagte  mir  ein  frommer  Geistlicher ,  isl  das 
zweite  Buch,  das  Gott  geschrieben  hat,  wenn  man  es  nur  so  lesen 
wollte.  Gewis,  und  Gottholds  zufällige  Andachten  sind  noch 
heut  ein  Buch,  das  man  gern  liest.  Es  ist  aber  ein  Unterschied,  ob 
beim  Unterricht,  dessen  Zweck  nicht  Andacht,  sondern  Belehruag 
und  P>kenntnis  der  Wahrheit  ist,  diese  Beziehung  gestattet  werden 
dürfe.  Ich  für  meine  Person  glaube  nun,  dasz  es  keine  Disdpltn 
gebe,  die  nicht  dadurch  ihrer  Würde,  ihrer  Wahrhaftigkeit  nnd  ihrer 
sittlichen  Wirkung  beraubt  werden  würde;  ja,  was  noch  mehr  ist, 
ich  glaube,  dasz  man  nicht  einen  Finger  breit  aus  dem  durch  die  Wis- 
senschaft selber  gegebenen  Wege  weichen  könne,  ohne  sofort  der 
Verirrung  Preis  gegeben  zu  sein.  Der  Dienst,  den  die  Wissenschaft 
der  Religion  leistet,  kann  nur  der  sein,  welchen  sie  durch  Uebnng 
geistiger  und  sittlicher  Seelenkräfte  und  durch  den  tiefen  Sinn  für 
Wahrheit  gewährt.  In  jedem  anderen  Falle  ist  es,  um  das  Bild  eines 
grossen  Alten  zu  gebrauchen,  als  ob  man  die  Elle  krumm  biegen 
wollte,  che  man  sie  zum  messen  gebraucht. 

Es  ist  nie  vergeblich,  bei  den  Vorfahren  in  die  Lehre  zu  gehen. 


Die  Religiositfit  und  der  Religionsanlerriohl  aaf  den  Gymnasien.    187 

Die  Reformatoren  haben  die  Griechen  und  Römer  mit  vollem  Ernste 
und  dem  tiefen  Vertrauen  getrieben,  dasz  aus  ihnen  zu  lernen  sei. 
Sie  haben  daher  keine  Vorkehrungen  getroffen,  den  Misbrauch  zu 
verbaten,  der  etwa  mit  ihnen  getrieben  werden  könnte.  Sie  bitten 
wol  Ursache  gehabt,  diese  Vorsicht  zu  Qben;  denn  sie  wüsten,  wel- 
che Vergötterung  man  mit  den  Alten  in  Italien  getrieben  hatte.  Sie 
glaubten  aber  die  Wirkung  der  Alten  zu  schwächen,  wenn  sie  die 
Vorsicht  gebrauchten,  zum  Gifte  gleich  das  Gegengift  zu  geben.  Na- 
tOrlich  hat  es  auch  zu  Luthers  Zeiten  nicht  an  Zweiflern  gefehlt.  An 
Luther  ist  einmal  die  Anfrage  ergangen,  ob  der  Terenz  auf  den  Schu- 
len zu  lesen  sei.  Er  hat  diese  Frage  mit  aller  Entschiedenheit  be- 
jaht, und  dieses  Wort  Luthers  hat,  abgesehen  von  der  wirklichen 
überaus  groszen  Nutzbarkeit  dieses  Dichters,  den  Terenz  zum  Haupt- 
autor aller  protestantischen  Schulen  gemacht.  Er  ist  gelesen,  Wort 
far  Wort  memoriert  und  agiert  worden ,  mit  und  ohne  habitus ,  und 
das  alles  in  einer  glaubensfesten  Zeit.  So  hat  Luther  überhaupt  von 
den  Alten  gedacht;  die  Jugend  sollte  an  ihnen  nicht  blosz  den  Geist 
üben,  sondern  sollte  auch  den  wesentlichen  Inhalt  aus  ihnen  schöpfen. 
Erst  als  Luthers  Geist  nicht  mehr  trieb,  fing  man  an  christliche 
Terenze  zu  dichten  und  Kirchenväter  statt  der  Klassiker  zu  lesen, 
gegen  die  heidnische  Mythologie  Verdacht  zu  hegen  und  Kabinetsbe- 
fehle  gegen  Hesiod  zu  erwirken,  dagegen  sich  dem  Realismus  und  dem 
modernen  Wesen  hinzugeben. 

Ich  hätte  noch  ein  und  das  andere  zu  sagen  gehabt;  es  ist  jedoch 
Zeit  zu  schlieszen.  Möge  Gott  dem  rechten  und  wahren,  was  in 
meinen  Worten  ist,  seinen  Segen  zum  Geleit  mitgeben,  dasz  es  dem 
Herrn  zur  Ehre  und  den  Schulen  zum  frommen  Nutzen  schaffe  und 
Frucht  bringe.  Und  möge  man  den  Schreiber  dieser  Zeilen  in  seiner 
Verborgenheit  verborgen  lassen  und  vergessen ! 

R.  G.  A.  P.  M. 


10. 

Wilhelm  Gesenius*  hebraeisches  Elementarbuch.  Erster  Theil. 
Hebraeische  Grammatik,  Neu  bearbeitet  und  herausgegeben 
von  B.  Rödiger.    Siebi&ehnte  Auflage.  Leipzig  1853. 

Kur:,e  Anleitung  zum  erlernen  der  hebraüschen  Sprache  für  Gym- 
nasien  und  für  das  Privatstudium  von  Dr.  C.  H,  Vosen. 
Zweite  Auflage.   Freibnrg  im  Breisgau.  1854.  110  S.  8. 

Eine  Recension  über  ein  Buch  zu  schreiben ,  das  bereits  in  der 
17.  Auflage  vorliegt,  scheint  nicht  mehr  nöthig  oder  nur  gerechtfer- 
tigt; indessen  ist  Jede  neue  Auflage  ein  neues  Werk,  an  dem  die  Vor- 

14^ 


188  Gcsenins  und  Vosen:  hebr.  Lolirbdcher. 

Züge  und  Müngcl  besprochen  werden  können ,  mögen  sie  nun  dieser 
neuen  AufInge  allein  oder  dem  Ruche  überhaupt  eigen  sein,  und  ge- 
rade die  weite  Verbreitung,  welche  die  Grammatik  von  Gesenius  ge- 
funden hat,  hat  mich  ku  einer  Beurtlieilung  bestimmt,  da  eine  Ansicht 
über  ihre  Brauchbarkeit  nach  zwei  Seiten  hin  doch  der  Erlernung  der 
Sprache  förderlich  sein  kann. 

Es  hat  das  Ilebraeische  eine  so  besondere  Stellung  an  den  Gym- 
nasien, dasz  über  seine  Betreibung  und  Berechtigung  mancherlei  Stim- 
men laut  geworden  sind;  ich  verweise  zunächst  auf  die  wider- 
sprechendsten Ansichten,  die  sich  1847  und  1848  in  der  berliner  Zeit- 
schrift für  Gymnasial wesen  kund  gaben.  Je  mehr  es  nun  als  ein  fremdes 
bchundt'lt  und  angesehen  wird,  um  so  wichtiger  sind  die  Ililfsbttcher, 
damit  für  das  Uebermasz  der  Arbeil  doch  nicht  noch  ein  Uebermass 
von  Kräften  in  Anspruch  genommen  werde.  Das  Ilebraeische  gerade 
niusz  sich  als  leicht  zu  erlernen  zeigen,  wenn  es  Duldung  beanspra- 
chen  soll;  denn  es  wird  von  vielen  nicht  gern  gesehen;  behaupteten 
doch  manche  in  jener  Zeitschrift,  es  müsse  ganz  aus  den  Gymnasien 
entfernt  werden.  Das  scheint  noch  nicht  zu  fürchten,  und  darum  wol- 
len \>ir  nuch  nicht  auf  die  (iründe  eingehen,  die  für  jene  Forderung 
vorgehruelit  \>urden.  Aber  die  Sonderstellung  ist  geblieben,  die  sei- 
nem betreihen  nicht  förderlich  ist.  \>  ol  jeder  Lehrer  des  Hebraei- 
schen  ^\ird  erlebt  haben,  dasz  während  des  lernens  manche  Schüler 
:ibsprinuoM:  die  l'>cmdarti«rKeit,  die  im  Anfange  anziehend  erschien, 
\\ird  später  abschreckend,  es  fehlt  un  Mut  die  Schwierigkeiten  zu 
uher\^illdon.  an  Ausdauer  in  der  Anstrengung;  strenger  Tadel,  der 
oft  nolln\endi«r  ist.  er/.eiigt  den  Wunsch  die  Sprache  aufzugeben. 
Da/.ii  Kominl,  das/,  bei  Versetzungen  aus  Secunda  nach  Prima  niohl 
leicht  aiil's  Ilebraeische  lUicksicht  genommen  wird,  es  musz  so  man- 
cher lahme  mit  nach  riinui  hinühergelassen  werden,  der  nun  viel 
^^eni;rer  forlKommt  als  in  Secunda.  Eine  Sonderversetzung  im  He- 
brnei>rlien  ist  mit  rnhcquenilichkeiten  verbunden,  die  man  zu  überwin- 
den nii'ltl  iiinner  l.nsl  hsit.  >un  nahet  das  .\biturientenexamen  und  es 
treten  \^  ieder  manche  /.urück.  erklären,  Mcdicin  studieren  zu  wollen 
und  Miirh  dem  Examen  besinnen  sie  sich  und  denken  noch  auf  der 
l  iii>erMl;il  die  IVüfung  im  llebraeisehcn  machen  zu  können.  Manche 
bteiheii  j-jur/.  weg  von  den  Studien,  die  das  llehraeischo  erfordern, 
blos7.  Ulis  Enrcht  vor  diesem.  Das  schlimmste  ist  eben,  dass  es  ein 
mehr  i.Nt,  das/,  \\nhrend  die  Hebraeer  in  der  Schule  sitzen  müssen, 
die  andern  ans/.er  derselben  sich  beno  thun.  Diese  Verlockung  ist  fast 
/ii  i^r^^sr.  und  sehr  tüchtige  Schüler  erliegen  derselben,  sie  treten  aus. 
Das  ist  d.-is  unangenehme  bei  diesem  rnterrichic,  das  angenehme  ist, 
«las/,  die  iihriirhleibenden  die  lleiszigsten  Schüler  überhaupt  zu  sein 
plleuen.  leli  für  mein  Theil  hätte  allerdings  die  Ansicht,  die  man  frei- 
lich uirhl  «ns/.ern  darf  ohne  von  vielen  Seilen  mit  Hohn  empfangen 
/u  \\ erden,  dasz  jeder  Gymnasiast,  jeder  an  dem  Hcbraeischen 
Theil  nehmen  sollte.  Mir  sehen  aber  von  der  Entwicklung  der  Gründe 
dafiir  :ih  und  halten  nur  so   viel  fest,   dasz  bei  den  Schwierigkei- 


Geseniiw  nnd  Vosen :  hebr.  Lehrbflcher.  189 

ten  des  Gegenstaudes  und  der  Karze  der  ihm  bestimmteD  Zeit   die 
Lehrbacher  doppelt  wichtig  sind. 

Die  Grammatik,  aas  der  die  meisten  Dentschen  ihr  Hebraeisch 
gelernt  haben,  ist  wol  die  von  Gesenins,  und  sie  hat  diese  weite 
Verbreitong  verdient.     Gesenius  zeichnete  sich  in  seinen  Schriften 
wie  in  seinen  Vorträgen  durch  Klarheit  und  Vorstindlichkeit  ans; 
seine  Grammatik  hatte  ferner  den  Vorzug  der  Uebersicbtlichkeit  und 
Kleinheit;  sie  hatte  auch  den,  dasz  sie  die  Erscheinungen  der  Sprache 
einfach  angab ,  und  so  war  ein  Lehrbuch  geliefert ,  das  ohne  gerade 
methodisch  angelegt  zu  sein  die  nothwendigen  Bedingangen  erfüllte 
und  noch  lange  erfüllt  hfitte.   Aber  da  kommt  eine  Noth  über  unsere 
Lehrbücher;  ein  allgemein  bekannter  nnd  anerkannter  Name  soll  fer- 
ner dem  Verleger  etwas  einbringen;  man  weisz  aber,  dasz  viele  Leute 
nur  Bücher  haben  wollen ,  die  auf  der  Höhe  der  Wissenschaft  stehn, 
die  mit  der  Zeit  fortschreiten  d.  h.  in  den  jüngsten  Meszkatalogen 
verzeichnet  sind;  also  Grammatiken  herausgeben  in  un verbesserten 
unvermehrten  Auflagen  das  wird  nicht  ziehen:   es  übernimmt  also  ein 
anderer  die  Fortsetzung  der  Verbesserung  und  Vermehrung,  nnd  nach 
und  nach  bleibt  von  der  alten  Arbeit  nur  noch  der  Name,  der  wol  oben 
antritt  im  Titelblatto,  aber  doch  schon  nicht  mehr  im  Mittelpunkte 
desselben  erscheint.    Da  hat  ein  anderer  Platz  gegrilfen;  es  ist  ein 
neuer  Handelsherr  eingetreten,  der  zur  Ueberleitung  des  Geschäfts 
oder  Anstands  halber  die  alte  Firma  noch  neben  der  seinen  fortfuhrt. 
Das  beste  wäre ,  man  druckte  die  Ausgaben  letzter  Hand  so  lange  als 
Absatz  wäre.   Fast  sollte  ich  meinen,  es  bitten  vor  30  Jahren  die 
Schaler  aus  Gesenius  7.  Auflage  auch  noch  so  viel  gelernt,  als  aus 
der  jetzigen  17.   Nach  Gesenius  Tode  hat  Prof.  Rödiger  die  neuern 
Ausgaben  besorgt,  ein  Mann,  dessen  Gelehrsamkeit  und  Vertrautheit 
mit  dem  Hebraeischen  längst  bekannt  ist.   Er  klagt  nun  in  seiner  Vor- 
rede selbst  über  das  Prokrustesbett,  in  das  er  gesteckt  sei;  dasz  er 
dies  nicht  gleich  zersprengt  und  nach  seiner  eignen  Einsicht  eine  neue 
Grammatik  geschaffen  hat ,  das  ist  ein  Fehler ,  an  dem  nun  alle  Aus- 
gaben nnd  auch  diese  17.  leidet.   Wer  eine  fremde  Arbeit  neu  her- 
ausgeben will,  musz  wenigstens  in  allem  irgend  wichtigen  ganz  mit 
seinem  Vorgänger  übereinstimmen ;  er  fibernimmt  ja  auch  für  das  von 
seinem  Vorgänger  gesagte  und  geordnete  die  Verantwortung.    All- 
mahlich hat  sich  das  Prokustesbett  in  einen  bloszen  Gummiüberzug 
verwandelt,  der  überall  nachgibt  und  sich  weitet.    Geweitel  ist  bereits 
viel,  hinzugekommen  in  dieser  Ausgabe  sehr  wenig.   In  der  Vorrede 
ist  so  unbedeutendes  als  neues  angeführt,  dasz  man  der  Mühe  über- 
hoben ist  im  Buche  selbst  danach  zu  suchen,  mehrere  angegebene 
Veränderungen  sind  nur  in  einzelnen  Worten  wie  §  87  3  ^  was  indes' 
für  ^wiewol  dieses',  dann  ^Solche  Unterscheidung  trifft  besonders 
mehrere  Wörter  für  Glieder  des  Körpers'  für  *  Besonders  ist  dies  der 
Fall  bei  mehreren  Wörtern  für  Glieder  des  Körpers',  so  §  93  6  Mm 
sUt.  abs.  des  Plural'  für  Mm  Plur.  absol.'  Erwähnenswerthe  Zusätze 
sind  besonders  zn  %  öl.  a.  1.  52.  a.  5.  75.  7  n.  9.  101  3.  d.  134  4  im 


190  Geieiioi  und  Vosen :  bebr.  Lahrbilclier. 

S  93  6  ist  am  meisten  geändert.  Man  findet  leicbt  in  «Uem  diesen 
den  Beweis,  dasz  der  Heraasgeber  fort  und  fort  %ü  bedsera  benilbl 
ist.  Eine  Anführung  des  neuen  wäre  eben  nur  eine  Anffibrang  des 
in  der  Vorrede  gesagten.  Nur  ^ins  finde  ich  zn  erinnern ,  nemlicb  das 
rfibmen  von  eingestreuten  methodischen  Winken ;  so  wird  ein  solcher 
als  ganz  neu  hervorgehoben  zu  §  59  1.  ^Der  Anfanger  mag  nnn  i«- 
v&rderst  die  Verbindung  der  Suffixa  mit  den  Hiphilformen  einübea 
und  dann  zur  Verknüpfung  mit  dem  Perfect  Kai  übergehen. '  Solche 
methodische  Winke  gehören  überall  nicht  in  eine  Grammatik;  in  eine 
Elementargrammatik  gehört  nichts ,  was  anmittelbar  nur  für  den  Leh- 
rer bestimmt  ist,  denn  für  den  sind  solche  Winke,  nicht  für  den  *Am- 
finger'.  Die  Grammatik  hat  eben  nur  die  Lehre  zu  geben  in  dent- 
liebem  Ansdruck  und  gesunder  nüchterner  Fassung,  methodische 
Winke  braucht  der  Lehrer  nicht  da  zn  suchen,  und  wenn  sie  nicht 
mehr  Werth  haben  als  dieser ,  verdienen  sie  vollends  den  Plats  nicht. 
Ich  meines  Theils  halte  es  gerade  für  unnütze  Quälerei  erst  Hipbil, 
dann  Kai  lernen  zu  lassen,  denn  am  Kai  lernt  man  Hiphil  mit,  nicht 
umgekehrt.  Der  Schüler  lernt  zweimalmit  Mühe,  weil  ohne  Zusam- 
menhang, ohne  gemeinsame  Regel,  was  auf  umgekehrtem  Wege  mit 
einemmale  erreicht  wird ;  am  Kai  lernt  er  die  Regel ,  die  überall  lar 
Anwendung  kommt,  am  Hiphil  nicht,  und  er  findet  bei  Kai  nnd  Fiel 
neue  Regeln,  also  neue  Schwierigkeiten.  Lassen  wir  also  den  Ver- 
gleich dieser  17.  Auflage  gegen  die  16.  fallen,  und  betrachten  erstere 
für  sich  allein,  so  müssen  wir  erklären,  dasz  wir  sie  immer  nodi  für 
die  beste  halten ,  die  wir  kennen ;  auch  die  Sorgfalt  im  Druck  ist  an- 
zuerkennen ,  die  neuen  Lettern  freilich ,  wie  die  ganze  Anordnung  des 
Drucks  sind  viel  unangenehmer  fürs  Auge  als  in  der  16.  Auf- 
lage. Diese  Form  der  Buchstaben,  die  in  manchen  neuen  Büchern 
beliebt  ist ,  scheint  eben  Mode  zn  sein ,  doch  ist  sie  wie  manehe  Mode 
verwerflich.  Der  schönste  Druck  ist  der,  welcher  die  Augen  aai  we- 
nigsten angreift. 

Haben  wir  unsere  Anerkennung  ausgesprochen ,  wollen  wir  non 
angeben ,  was  wir  noch  anszasetzen  haben.  Es  ist  dies  unter  3  Ge- 
sichtspunkte zu  bringen.  Es  ist  der  Grammatik  l)  schädlich  gewe- 
sen, dasz  der  Herausgeber  mehr  den  Lehrersland  als  den  lernenden 
vor  Augen  gehabt.  —  Der  Universitätsprofessor  hat  nur  seine  Wis- 
senschaft vorzutragen ,  der  Lehrer  muss  immer  prüfen ,  ob  das ,  was 
er  gesagt,  so  wie  er  es  gesagt,  verstanden  ist,  dem  nützt  also  nicht 
etwas  rein  wissenschaftlich  vorgetragen  zu  haben,  denn  da  werden 
ihm  die  Schüler  nicht  leicht  folgen,  sondern  er  musz  seine  Wissen- 
schaft eben  so  vortragen,  dasz  sie  von  den  Schülern  gefaszt  werden 
kann.  Der  Professor  musz  Gelehrsamkeit  zeigen ,  der  Lehrer  streng 
bei  der  Sache  bleiben ;  der  Professor  darf  und  soll  anregen ,  weitere 
Blicke  in  andere  Gebiete  eröffnen,  denen  der  Student  dann  nachgeben 
soll ,  der  Lehrer  hat  nur  klar  und  einfach  zu  lehren ,  alles  ausschwei- 
fen zu  unterlassen,  ebenso  Andeutungen  und  Anspielungen  zu  meiden, 
denn  ihr  Verständnis  kann  der  Schüler  sich  nicht  erwerben.    Dem 


GeieBiiu  und  Vosen:  hebr.  Lehrbttdier.  191 

Professor  stehts  za  nene  Ansichtea  nnd  Aaffiuiangoa  yorsabringen, 
Yon  den  verscbiedensten  Seiten  einen  Gegenstand  zu  beleuchten,  er 
kann  allenfalis  seinem  Zuhörer  überlassen  das  richtige  heranszusu- 
chen.  Der  Lehrer  musz  eine  bestimmte  nach  allen  Seiten  Ton  ihm 
durchdachte  feste  Ansicht  mit  vollster  Ueberzeugung  ohne  alle  Zwei* 
felsspuren  Tortragen;  was  nicht  so  ist,  darf  er  nicht  vorbringen;  er 
musz  selbst  ganz  klar  sein  nnd  in  den  einfachsten  Worten  sprechen, 
nicht  in  den  wissenschaftlichen  Formeln,  die  für  Schüler  Unverstand- 
lieh  sind,  wie  sie  ja  oft  von  erwachsenen,  die  sie  brauchen,  doch 
nur  angelernt,  nicht  verstanden  sind.  So  haben  wir  in  diesem  ersten 
Theile  des  *  Elementarbuches '  auszusetzen,  dasz  es  mitunter  in  zu 
gelehrten  Redensarten  abgefaszt  ist.  Zufällig  liegt  §  41  auf:  er  lau* 
tet:  ^die  allgemeine  Analogie  der  Verbalbilduog,  die  sich  in 
ganz  normaler  Weise  in  den  Stämmen  mit  starken  und  festen  €on- 
sonanten  darstellt,  gilt  eigentlich  für  alle  Verba,  nnd  die  vorkom» 
menden  Abweichungen  von  dieser  Form  des  starken  und  regelmässi- 
gen Verbi  sind  nur  Modificationen,  welche  durch  die  eigen- 
thfimliche  Natur  und  die  Schwäche  mancher  Consonanten  hervor- 
'  gebracht  werden.'  Hat  Hr.  Rödiger  versucht  in  solcher  Weise  einen 
Anfänger  die  hebraeische  Conjugation  zu  lehren  und  wie  weit  ist  er 
damit  gekommen?  Ich  weisz  wol,  dasz  dergleichen  Sprechweise  auch 
in  anderen  Grammatiken  vorkommt,  ja  dasz  in  manchen  nach  solchen 
gelehrt  kliiigenden  Redensarten  gehascht  wird,  aber  Schüler  verste- 
hen niehts  von  solchem  Gerede,  wenn  sie  es  auch  wörtlich  lernen 
sollten.  Und  ohne  Verständnis?  Wenn  nun  auch  dergleichen  Redens- 
arten zu  Gesenins  einfacher  Sprechweise  hinzugekommen  sind  und 
noch  nicht  alles  durchdrungen  haben,  so  hat  sich  auf  der  andern  Seite 
nirgend  aus  Gesenins  berichtendem  Tone  eine  einfache ,  klare ,  in 
kurser  gedrängter  Fassung  ausgesprochene,  dem  Gedächtnis  faszbare 
Regel  gebildet.  Ueberall  ein  sprechen  über  Erscheinungen  der  Spra- 
che, keine  Grammatik,  keine  Lehre.  Zum  Beleg  könnte  man  fast  die 
ganze  Grammatik  herschreiben.  Dasz  ein  so  gefasztes  Lehrbuch  auch 
brauchbar  sei,  ist  nicht  zu  bestreiten,  aber  ich  halte  eins  in  streng 
grammatischer  Form  für  nützlicher.  Es  gehört  ferner  nicht  in  solche 
Grammatik  ein  disputierea und  widerlegen  fremder  Ansichten,  am  al- 
lerwenigsten die  gelehrten  Citate,  die  im  Anfange  zu  bedeutend  auf- 
treten. So  wie  alles  dies  unpassend  ist,  so  auch  ist  alles  vom  Uebel, 
was  als  Sprachenvergleichung  mit  Arabischem,  Syrischem,  Koptischem, 
Amherischem,  Indischem,  Germanischem,  Zend,  Sanskrit  usw.  usw. 
angeführt  ist.  Damit  sind  nicht  solche  Vergleiche  gemeint,  die  dem 
Deutschen  das  Hebraeische  wirklich  näher  bringen  nnd  also  das  lernen 
erleichtern,  nicht  bloss  den  lernenden  mit  fremdem  beschweren  und 
stören ,  so  der  schöne  Vergleich  §  52  im  Fiel.  Ebenso  wenig  gehört 
in  diese  Grammatik  eine  solche  Geschichte  der  hebraeischen  Sprache 
und  gar  der  Grammatik,  die  allerdings  von  der  ersten  Auflage  an 
auch  sehon  Gesenins  gegeben  hat,  auch  seitdem  er  seine  Geschichte 
der  hebneiselien  Sprache  nnd  Schrift  (1815)  veröffentlieht  hatte. 


102  Gesenias  and  VoBon:  hebr.  LehrbAcher. 

•»  * 

Was  soll  aber  der  Anfanger  damit?  Wird  doch  gar  §  25  gesagt,  dasz 
zu  richtiger  Erkenntnis  der  Wandelbarkeit  der  Vocale  die  Verglei- 
ehung  des  Arabischen  nöthig  sei!  So  sieht  sich  der  Anfänger,  dem 
das  Uebraeische  noch  wie  ein  andringlicher  Urwald  erscheint,  za  sei- 
nem Schrecken  gar  ans  Arabische  gewiesen.  Aas  allem  den  bisher 
erwähnten  sieht  man,  dasz  der  Vf.  den  Schüler,  den  AnnUiger,  der 
doch  allein  die  Grammatik  benutzt,  aus  den  Augen  verloren  hal. 
Ganz  ungehörig  ist,  dasz  er  sich  gar  ungünstige  Urtheile  über  die  Spra- 
che erlaubt,  wie  §  106  ^  die  hebraeische  Sprache  hat  im  Verhältnis  zu 
den  SubstjBnliven  einen  Mangel  an  Adjectiven  usw.  Sie  ersetzt  diesen 
Mangel ',  §  117  ^  wenn  die  hebraeische  Sprache  den  lebendigen  Ge- 
brauch von  Casusendungen  eingebüszt  hat,  so  fragt  sich  usw.'  $  125 
*bei  der  Armut  der  hebraeischen  Sprache  an  bestimmten  Formen  für 
die  absoluten  und  relativen  Zeitverhältnisse  ist  es  nicht  anders  zu 
erwarten,  als  dasz  eine  gewisse  Vieldeutigkeit  derselben  entstehen 
moste.'  §  48  ^Vorzüglich  durch  diese  Conjugationen  oder  Verba  deri-. 
vativa  erhält  die  hebraeische  Verbalbildung  einen  gewissen  Reich- 
thum  und  Umfang.  Arm  ist  die  Sprache  dagegen  in  Bildung  der  Tem- 
pora und  Modi.'  §  48  *  Einen  kleinen  Ersatz  für  den  Mangel,  wel-' 
eben  die  hebraeische  Sprache  an  bestimmten  Formen  für  die  Tempora 
und  Modi  leidet.'  §  9  ^So  zahlreich  diese  Zeichen  scheinen,  so  reichen 
sie  doch  nicht  vollständig  hin ,  die  verschiedenen  Modiftcationen  der 
Vocallaute  namentlich  in  Beziehung  auf  Länge  und  Kürze,  Schärfe 
and  Dehnung  vollständig  auszudrücken:  wozu  noch  kommt,  dasz  die 
Bezeichnungen  des  Sprachlantes  durch  diese  Zeichen  nicht  immer  voll- 
kommen zweckmäszig  genannt  werden  können.'  Doch  genug !  Wel- 
chen Eifer  müssen  solche  Urtheile  bei  dem  Anfänger  erregen  eine  so 
arme,  mangelhafte,  zum  Theil  in  Trümmern  liegende  Sprache  la 
erlernen!  Nebenbei  sind  diese  Urtheile  ungerecht;  was  als  Mangel 
ausgegeben  wird,  ists  gar  nicht  in  der  Weise,  wie  die  Saehe  hier 
äufgefaszt  ist,  nnd  wäre  nicht  als  solches  bezeichnet,  wenn  der 
Grammatiker  sieh  seines  Berufes  bewust  geblieben  wäre,  dasi  er  die 
Eigenthümlichkeit  der  Sprache  darzulegen,  nicht  subjective  Urtheile 
über  sie  zu  geben  hat. 

2)  Ein  Uebelstand  ist  der,  dasz  Gesenius  und  Ewalds  Systeme  ge- 
mischt sind.  Ewald  hat  selbst  Schulgrammatiken  geschrieben;  wollte 
Hr.  R.  die  Grammatik  von  GesenSas  in  das  Ewaldsche  System  hin- 
überleiten, weil  dieses  das  richtige  schien,  woza  die  Umwege,  war- 
um soll  man  denn  nicht  gleich  Ewalds  Grammatik  selbst  nehmen?  Es 
tritt  bei  fortgesetztem  Studium  des  Vf.  der  Uebelstand  hervor,  dasz 
die  folgenden  Auflagen  gegen  die  früheren  zu  sehr  abweichen,  indem 
derselbe,  wie  sichs  gehört,  bessert,  wo  er  kann;  aber  wenn  der  neae 
Herausgeber  im  System  nicht  einig  ist  mit  der  za  Grande  liegenden 
Arbeit,  kommt  ein  unsicheres  schwanken  hinzu,  indem  er  darauf  aus- 
geht allmählich  das  ganze  zu  ändern,  und  es  vom  subjeotiven  Be- 
lieben abhangt,  wie  viel  diesmal  verändert  werden,  was  für  nächste 
male  aufgehoben  werden  soll.   So  stellt  denn  eine  solche  Auflage  nicht 


Get eniu  and  Vosen :  hebr.  Lehrbfleiier.  193 

den  jedesmaligeii  Stand  in  Erkenntnis  und  Ferti(^eit  des  Vf.  dar, 
was  doch  bei  jedem  Bache  sn  fordern  ist.  Ob  nnn  Gesenins  oder 
Ewalds  System  das  richtigere,  für  Schalen  bran<dibarere  ist,  geht 
uns  hier  nichts  an.  Es  ist  Ewald  von  vielen  anerkannt;  sagt  doch  Dr. 
Trumpp,  der  neulich  erst  Materialien  zum  übersetzen  ans  dem  Deut* 
sehen  ins  Hebraeische  herausgegeben,  eine  Mühe,  die  er  sich  hätte 
ersparen  können:  Won  den  Grammatiken  habe  ich  die  Ewaldsche  be- 
nutzt (!),  da  ich  Gesenins  System  für  überwunden  achte'.  Soll  Gese- 
nius  überwunden  sein,  sollte  dies  auch  Hrn  R.  Meinung  sein,  so 
musz  man  auch  nicht  mehr  seinen  Namen  einem  ßnche  vorsetzen,  das 
er  nicht  mehr  als  das  seine  ansehen  könnte,  und  mit  Gesenins  be- 
kannter Devise  dies  diem  docet  ist  dies  auch  nicht  zu  rechtfertigen, 
denn  damit  hat  er  offenbar  nicht  gemeint,  dasz  ein  ihm  bekanntes 
aber  nicht  gebilligtes  System  für  sein  eignes  eintreten  sollte.  Es  kann 
natürlich  Hrn  R.  nicht  zugemutet  werden ,  das  von  ihm  für  falsch  er- 
kannte deshalb 4  weil  es  Gesenins  gelehrt,  beizubehalten,  aber  wieder 
kommen  wir  auf  den  Vorwurf  zurück,  Hr  R:  hätte  selbständig  eine 
Grammatik  schreiben  sollen ,  wenn  ihm  Gesenius  nicht  genügte. 

3)  leidet  die  Grammatik  schon  seit  Gesenius  daran,  dasz  der  Sche- 
matismus der  klassischen  Sprachen  dem  ihrigen  zu  Grunde  liegt.  Da- 
her wird  der  Status  conslructus  als  Genetiv  behandelt,  da  er  doch  das 
gerade  Gegentheil  ist,  daher  wird  überhaupt  «von  Casus  gesprochen, 
die  nicht  vorhanden  sind,  darum  werden  noch  Trümmer  alter  Casus 
aufgeführt  und  dabei  bemerkt,  dasz  ^die  Casusbeziehung  im  Bewust- 
sein  der  Sprache  ganz  verloren  gegangen  ist'  %  90.  So  wird  die 
Endung  'i  als  Nominativ  bezeichnet  und  doch  dann  auch  an  Beispielen 
gezeigt,  dasz  sie  besonders  im  stat.  constr.  erscheine,  dasz  t  alte  Ge- 
netivendnng  sei  und  ebenfalls  zur  Bildung  des  stat.  constr.  verwandt 
werde.  Welcher  Schüler  soll  da  nicht  irre  werden,  wenn  er  wirklich 
über  diese  Sätze  nachdenkt:  Nominativ  nnd  Genetiv  mit  verschiede- 
nen Endungen  gehen  beide  in  den  stat.  constr.  über !  Dasz  das  He- 
braeische, wie  es  uns  vorliegt,  keine  Casus  hat,  ist  eine  Thatsache, 
die  niemand  bestreiten  kann ,  woza  soll  sich  eine  Elementargranmatik 
mit  nichtvorhandenem  herumquälen?  Ob  das  Hebraeische  je  Casus 
gehabt,  ist  eine  Frage,  die  anderswo  auszumachen  ist  als  in  einem 
Buche  für  Anfänger.  Nur  beiläufig  will  ich  gegen  Rödigers  Annahme 
erinnern  (Ewald  Lehrbuch  p.  394  geht  nicht  so  weit)^  dasz  die  uralte 
Anhängung  der  Suffixe,  man  vergleiche  rtD^D  mit  "iriD^D,  y^^fit  mit  "^^"IK, 
entschieden  gegen  sie  spricht.  Die  gewöhnliche  Grammatik  hat  ferner 
bewirkt,  dasz  von  Temporibus  und  Modis  in  einer  Weise  gesprochen 
wird,  wie  sie  dem  Hebraeischen  gar  nicht  zukommt;  eine  Menge  Re- 
geln werden  gehäuft,  dem  lateinischen  Gebrauche  entnommene  Namen 
werden  auf  ganz  andere  Verhältnisse  übertragen  und  machen  dirher 
den  lernenden  irre,  da  er  sich  unter  denselben  ganz  andere  Dinge 
vorstellen  soll,  als  er  gewohnt  ist.  Welche  unglücklichen  Bezeich- 
nungen sind  z.  B.  $  41  verbum  gutlurale,  contractum,  quiescens!  Wel- 
cher Mensch  wird  eoUabi  für  conlabi  ein  verhorn  oontraetnai  nennen, 


194  GeBenius  and  Vosen :  hebr.  Lehrbtteher. 

und  doch  haben  wir  in  ti^iD  nor  dieselbo  Erscheinang,  dasi  das  n  Tor 
folgendem  Consonanten  sich  assimiliert.  Das  heisst  nnn  ContractioB ! 
Auch  Ausdrücke  deutscher  Grammatik,  wie  starkes  und  schwaches 
Verbum,  sind  angewandt,  obgleich  auch  da  wesentliche  Verschieden- 
heit zwischen  dem  Deutschen  und  Hebraei sehen  stattfindet.  Die  Deet- 
sehen  haben  2  Fiexionsformen,  derHebraeer  nur  öine;  der  Unterschied 
in  den  verschiedenen  Paradigmen  ist  nur  der,  dasz  bestimmte  Bncbala- 
ben  in  den  Yerbalformen  ihre  Eigenthfimlichkeit  geltend  machen  und 
so  ist  die  einzig  richtige  Bezeichnung  für  die  sogenannten  anreget- 
maszigen  Verba  die  althergebrachte  MC,  "^3^,  n'b  usw.,  denn  durch 
sie  wird  die  Besonderheit  jeder  Klasse  am  trefflichsten  bezeiehnel 
und  sie  laszt  gar  kein  Misverst&ndnis  zu.  Wie  nun  die  Bezeiehnnng, 
die  auch  in  dieser  Grammatik  beibehalten  ist,  Kai,  Niphal  usw.  die 
beste  ist  und  bleiben  wird,  so  wäre  es  nnr  ersprieszlich ,  wenn  end- 
lich ein  Grammatiker  für  Praeteritum,  Perfectum,  Modus  priniae  ele. 
und  Futurum ,  Imperfectum  (glaubt  denn  wirklich  Hr.  R. ,  dass  er  Ge- 
senius^  Grammatik  verbessert  hat  damit,  dasz  er  für  Futur,  was  doeh 
noch  einigen  Sinn  hätte,  Imperfectum  gebraucht?)  Modus  secnndaf !! 
usw.,  die  echt  hebraeischen  einführen  wollte:  ^M  Abhar,  Exaotnm, 
n*^n:^  Athid,  Instans.  Mit  dem  neuen  Namen  würde  die  darch  fal- 
sches Latein  gestörte  Auffassung  der  Form  auch  leichter  und  viele 
Regeln  über  die  Tempora  unnütz  werden.  Jede  Sprache  will  aas  eich 
allein  heraus  erklärt  werden,  es  gibt  keine  für  alle  Sprachen  pas- 
sende Schablone.  Wol  wird  bei  dem  abweichenden  der  hebraeischen 
Syntax  von  den  klassischen  Sprachen  hin  und  her  eine  Vergleichnng 
von  Nutzen  sein,  aber  falsch  wird  die  Auffassung  und  ungerecht,  die 
in  der  Sprache  Mängel  findet,  wenu  sie  eben  anders  ist  als  das  Latein. 
Wir  haben  oben  gesehen,  dasz  unsre  Grammatik  wiederholt  Tadel 
über  das  Hebraeische  ausspricht,  er  hat  seinen  Grund  jedesmal  darin, 
dasz  andre  Sprachen  als  Regulativ  angenommen  sind.  Dasz  der  He- 
braeer  z.  B.  nicht  so  viel  Adjectiva  hat  als  der  Lateiner,  liegt  darin, 
dasz  er  sie  nicht  braucht,  dasz  er  gern  in  Abstraclionen  spricht.  Mnn 
vergleiche  gleich  den  Anfang  der  Psalmen  v^t^rt  '^nt^M ,  ist  du  ein 
Ausdruck,  den  die  bittre  Noth  erzeugt  hat?  Weshalb  ist  die  Sprache, 
die  yn  nv)M  spricht,  mangelhafter  als  diejenige,  welche  mulier  probe 
sagt?  Ist  im  Hebraeischen  nicht  die  Eigenschaft  mit  dem  Gegenatandn 
der  Eigenschaft  viel  inniger  verwachsen?  Oder  liegt  in  dem  Ann- 
sprnche:  der  Tag  sei  Finsternis  nicht  mehr  als  der  Tag  aoi 
finster? 

Gehen  wir  nun  auf  einzelnes  über,  an  diesem  einselnen  nnam 
Behauptungen  noch  mehr  zu  begründen. 

Schon  die  ganze  Haltung  des  §  1  passt  für  das  Lehrgebftnde, 
nicht  für  eine  Elementargrammatik;  eben  so  wenig  $  2,  nutzbar  inl 
nur  Anm.  3  von  eigenthümlichen  Formen  des  Pentateuch;  da  hitto 
sich  aber  Hr  H.  nicht  auf  das  wenige  beschrinken,  sondern  auch, 
was  er  wol  gekonnt,  vollständig  die  Eigenthümlichkeiten  in  Formen 
und  Syntax  von  den  einzelnen  Bttchera  aufzeichnen  sollen;  da  wflrde 


GeseBius  nnd  VoBen:  hebr.  Lehrbfieher.  105 

doch  endlich  dem  lernenden  ein  sicherer  Grond  nnd  Boden  gegeben, 
auf  dem  stehend  er  seine  Beobachtungen  fortsetzen  könnte,  und  end- 
lich ein  sichres  Ergebnis  über  die  einzelnen  Bücher  gewonnen.  Eben 
so  dürfte  sich  eine  Grammatik  nicht  darauf  beschränken,  nur  ein  paar 
Beispiele  prosaischer  und  poetischer  Formen  zu  geben  wie  Anm.  4^ 
sondern  es  muste  auch  da  nach  Vollständigkeit  gestrebt  werden.  Sie 
ist  nicht  gleich  beim  ersten  male  zu  erwarten,  aber  wenn  nur  erst  die 
Grammatik  dies  anbahnte,  würden  auch  andre  mithelfen.  Freilich  ge- 
hört dies  alles  nicht  in  §  2,  sondern  in  einen  Anhang,  nicht  vorne  hin, 
wo  der  lernende  noch  gar  nicht  einmal  die  ßnchstaben  kennt.  Das- 
selbe gilt  von  dem  Chaldaeischen  N.  5.  Auch  §  3  gehört  nicht  in  die 
Elementargrammatik,  ja  die  Geschichte  der  Grammatik  stört  sogar  die 
Anfänger;  er  kommt  zu  der  Meinung,  die  ganzen  Lehren  derselben 
seien  doch  unsicher.  Dafür  fehlt,  was  eine  Grammatik  der  bibli- 
schen Sprache  geben  mnste,  die  Erklärung  der  Zeichen  in 
der  Bibel.  Von  ihnen  wird  nur  §  17  Keri  und  Chethibh  angeführt. 
Ein  solches  Verzeichnis  gehörte  als  Anhang  nothwendig  zu  jeder  hebr« 
Grammatik.  In  §  5  ist  mehr  auf  griechisches  und  lateinisches  Alpha- 
bet Rücksicht  zu  nehmen;  durch  nebenstellen  der  griechischen  und 
lateinischen  Buchstaben  würde  sogleich  klar  werden,  dasz  die  kad- 
meischen  Buchstaben  aus  dem  Hebraeischen  stammen,  nnd  wie  die 
Griechen  das  fremde  Alphabet  für  ihre  Laute  benutzt  haben.  Eine 
solche  Berücksichtigung  der  klassischen  Sprachen  würde  hier  gerade 
von  vorn  herein  die  Theilnahme  für  das  Hebraeische  rege  machen. 
§  6  muste  der  Unterschied  der  Aussprache  nach  den  Zeiten  ausge- 
führt, nicht  mit  ^inem  Beispiel  abgethan  werden.  Die  ganze  Fassung 
dieses  §  ist  nicht  für  Schüler  berechnet.  Eben  so  wenig  die  folgen- 
den :  §  7  gehört  seinem  grösten  Theile  nach  in  eine  Geschichte  der 
hebraeischen  Schrift,  eben  so  ist  in  §  8  mancherlei  nicht  am  Orte, 
das  ganze  nicht  lehrhaft  genug;  §  9  ist  für  den,  der  die  ersten  ^§§ 
gelesen  hat,  noch  nioht  zu  verstehen,  nicht  der  Unterschied  von  Ka- 
mez  und  Kamezchatuf;  ist  ja  vom  Schwa  und  vom  Lene  überbaupl 
noch  gar  nicht  die  Rede  gewesen.  Was  §  10  über  Schwa  gesagt  ist, 
Bchlosz  sich  am  besten  an  §  7  an,  aber  der  Unterschied  von  Seh.  mo- 
bile und  quiescens  läszt  sich  hier  noch  nicht  verstehn.  Alles  liesz 
sich  übrigens  verständlicher  sagen,  das  triift  auch  die  folgenden 
§§  vom  Dagesch,  Neppik,  Metheg.  §  15  über  die  Accente  hat 
manche  Schwierigkeit,  doch  wenn  ich  auch  manches  da  anders 
wünschte,  möchte  ich  mir  hier  keinen  Tadel  erlauben.  Auch  das 
zweite  Kapitel  ist  nicht  so  geordnet,  dasz  es  für  einen  Anfänger 
recht  zu  verstehen  ist.  %  19  setzt  die  Regeln  von  den  Vocalen  und 
Silben  voraus ,  die  erst  später  kommen.  Die  Umwandlung  der  Conso- 
nanten  würde  in  einer  Grammatik  wol  volle  Ausführung  verdienen, 
wo  soll  denn  darüber  Belehrung  gegeben  werden  ?  §  20  gehört  der 
Unterschied  von  Dagesch  neccssarium,  compensativum ,  characleristi- 
cum  nicht  bieher,  ist  auch  für  Anfänger  nicht  zu  verstehen.  Beiläufig 
hätte  es  90  3  a  doph  lieber  beiszen  sollen:  Ausnahmen  sind  nur 


196  Gesenius  and  VoBen :  hebr.  Lehrbftchor. 

^scheinbar'  statt  ^selten'.  Die  ganze  Lehre  vom  Dagesch  forte  ist 
schwerfallig  and  mühselig.  Es  sieht  dieselbe  so  wichtig  nnd  schwie- 
rig aus,  und  war  doch  so  einfach  abzumachen.  Es  ist  ja  dies  Da^eseh 
nichts  weiter  als  eine  Abkürzung  der  Schrift,  anser  Strich  aber  li 
und  m.  Statt  2  Consonanten  zu  schreiben,  wird  durch  einen  Puokl  in 
dem  Buchstaben  die  Verdoppelung  bezeichnet;  es  versteht  sich,  dasz 
dieser  Consonant  durchaus  wie  ^in  Doppelconsonant  ausgesprochen 
wird,  nicht  die  2  Consonanten  einzeln  zum  Gehör  kommen.  In  leti- 
rem  Falle  müssen  beide  Buchstaben  geschrieben  werden.  Es  ist  fer- 
ner klar,  dasz  beide  gleiche  Consonanten  nur  dann  als  6in  Doppelcon- 
sonant gesprochen  werden  können,  wenn  sie  beide  zn  verschiedenen 
Silben  gehören;  gehören  sie  zu  derselben  Silbe,  musE  der  erste  mit 
Schwa  mobile  gesprochen  werden  und  es  kann  kein  Dagesch  stehen. 
In  §  21  wird  nun  zum  dritten  male  die  Ursprünglichkeit  des  nicht  ge- 
hauchten Lautes  behauptet;  dadurch,  dasz  dies  von  llr  R.  dreimal  ge- 
schieht, hier  und  §  6  und  13,  und  immer  dabei  von  einem  $  auf  den 
andern  verwiesen  wird,  ist  sie  noch  lange  nicht  bewiesen.  Schon 
das,  dasz  die  Punctatoren  die,  wie  llr  R.  meint,  ursprüngliche  Aus- 
sprache mit  einem  besondern  Zeichen  andeuten  zu  müssen  glaubten, 
scheint  den  Beweis  zu  geben,  dasz  ihnen  die  andere  für  die  nrsprQng- 
iiche  galt.  Als  solche  erscheint  sie  auch,  wenn  man  die  Lehre  vom 
Dagesch  lene  strenger  auf  die  Natur  dos  Sprachorgans  zurflckfaiirt. 
Der  Hauch  ist  bei  den  betreffenden  Buchstaben  den  llebraeern  nicht 
möglich  gewesen,  wenn  sie  dieselben  mit  geschlossenem  Munde  tu 
sprechen  halten.  Der  Mund  ist  aber  geschlossen,  J)  nach  einer  ge- 
schlossenen Silbe,  2)  nach  einer  gröszern  Interpunction,  wo  die  Stimme 
ausruht  und  niemand  den  Mund  offen  behält,  3)  im  Anfange  der  Rede. 
Diese  Fülle  ergeben  sich  von  selbst,  und  der  Schüler  kann  sie  allein  An- 
deig  welchen  Schrecken  musz  er  aber  vor  dem  öiuen  Punkt  bekommen, 
wenn  er  drei  Paragraphen  über  ihn  handeln  sieht?  Wenn  man  das, 
was  in  dieser  Auflage  über  das  Dagesch  gegeben  ist,  mit  den  $$  6 
und  7  in  der  ersten  Auflage  von  Gesenius  vergleicht,  mnss  man  an- 
geben, dasz  jetzt  die  Sache  viel  breiter,  auch  wol  gelehrter  behandelt 
ist,  besser  aber  nimmermehr.  So  sind  auch  die  Gutturalen  in  der 
ersten  Auflage  besser  behandelt  als  hier  §  22,  den  der  lernende  licher 
nur  mit  vieler  Anstrengung  bewältigt.  Man  lese  2a:*  daher  wird 
statt  jedes  andern  Yocals,  wenn  er  kurz  ist  wie  #,  ^  (ghirek  parvnm 
und  Segol)  oder  nur  prosodisch  langes  r,  27  (Ssere  and  Cholem),  vor 
einer  Gutturalis  gern  kurzes  ä  (Patach)  gewählt'.  Was  soll  mit  alle 
dem  der  Schüler  anfangen?  Wie  leicht,  wie  faszlich  hätten  sich  die 
Regeln  gestalten  lassen,  wenn  mehr  als  geschehen  die  Natar  der  Gut- 
turalen hervorgehoben  wäre.  Sie  sind  bei  ihrem  starken  llaache  und 
weil  sie  Hauche  sind,  die  aus  der  Kchl^  aufsteigen,  keiner  Verdoppe- 
lung fähig,  sie  können  eben  deshalb  auch  nicht  gesprochen  werden, 
wenn  nicht  ein  A-laut  vorhergeht  oder  ein  Vocal  folgt.  Daraus  ent- 
wickeln sich  die  Regeln  von  den  Gutturalen  in  den  Conjugationen  nnd 
Declinalioncn,  darum  läszt  sich  auch  am  Schlüsse  des  Wortes,  wo  sie 


Gesenios  nnd  Yosen :  hebr.  Lehrbftöher.  197 

4n  einen  langen  Vocal  antreten,  dieser  aber  fchon  aosgesprocben  ist, 
also  der  Guttaralis  nicbts  bilft,  ein  halbes  a  hören  (fartivum)  und  nicht 
unterdrücken.  Es  tritt  in  diesem  §  auch  eine,  wie  ich  wenigstens  meine, 
ganz  falsche  Ansicht  zu  Tage,  wenn  es  heiszt:  ^Weit  seltner  ist  es 
der  Fall  und  mehr  als  Ausnahme  denn  als  Regel  anzunehmen,  dasz  die 
Guttüralis  auf  den  folgenden  Vocal  wirkt,  z.  B.  '^T^  niclit  "nir^.'  Wir 
haben  hier  eine  seltsame  Auffassung  der  sogenannten  Segolat for- 
men, deren  Irrthum  auch  andere  Wörter  wie  n*)a,  '«'le  beweisen 
könnten.  In  diesem  Paragraph  hatten  auch  Fälle,  wo  "i  Dagesch  an- 
nimmt, angefahrt  werden  können  wie  &n*^2tirT  1.  Sam.  17,-25.  In 
§  23  und  24  über  K,  ^r,  l,  *f  waren  die  Vocalbuchstaben  zusammenzu- 
stellen ,  n  aber  zu  trennen ,  da  viel  gröszre  Uebereinstimmung  des  T 
und  *^  mit  K  ist,  als  zwischen  fi<  und  r».  In  §  25  wird  von  festen  un- 
verdrangbaren  Vocalen  gehandelt ,  ohne  dasz  die  Eigenthfimlicheit  des 
Ilebraeischen,  in  der  eine  so  grosze  Abweichung  von  andern  Sprachen 
sich  zeigt  nnd  eine  so  bedeutende  Schwierigkeit  fürs  lernen  liegt,  aber 
auch  eine  ganz  besondre  Schönheit  der  Sprache  sich  kund  gibt,  nar 
erwähnt  wäre,  dasz  nemlich  die  Tonsilbe  des  Wortes  alle  übrigen  be- 
herscht,  alle  nach  ihr  sich  richten  müssen.  Der  Schüler  mnsz  sich 
wundern  von  der  Verdrängbarkeit  der  Vocale  reden  zu  hören,  ohne 
zu  erfahren,  wodurch  sie  denn  verdrängt  werden  sollen.  §  26  3 
hätte  noch  der  Fall  der  Pause  angeführt  werden  sollen,  vgl.  Ewald 
Lehrb.  74  d;  der  ganze  %  liesz  sich  kürzer  darstellen,  wenn  die 
Grundregeln  an  die  Spitze  gestellt  wurden.  Dafür  zeigt  sich  das  Be- 
streben allerlei  Ansichten  nnd  Gelehrsamkeit  mitzutheilen,  wie  die 
Anmerkungen  '*  und  **,  Die  in  ihnen  enthaltenen  Behauptungen  sind 
noch  sehr  zu  bezweifeln,  dem  Anfanger  aber  nützen  sie  gar  nichts. 
Eben  so  wenig  wird  er  §  27  anzufangen  wissen  mit  folgender  Regel : 
Wo  der  Ton  um  2  Stellen  fortrückt,  können  (!)  sogar  beide  Vocale 
eines  zweisilbigen  Wortes  sich  so  weit  verkürzen,  dasz  der  erste  za 
«  und  der  zweite  zu  Schwa  wird.  *Aus  ^5*5  wird  D?i'»'nS'n.'  Schon 
§  9  war  die  falsche  Erklärung  zu  lesen,  dasz  Chirek  aus  Verkürzung 
des  a  entstanden  ist  in  ^^'j  zu  '«'l^'i.  Es  ist  wunderlich  hier  7  ans  ä 
antstanden  anzunehmen,  da  doch  das  erste  Kamez  im  Vorton  weg- 
fällt in  &'*^^'^,  weil  die  Silbe  n  nicht  mehr  Vorton  ist,  sondern  ^, 
in  '^'in*^  aber  ist  der  Ton  jenseit  des  "^"n,  diese  Silbe  ist  Vorton,  es 
geht  also  auch  das  ä  unter  ^  verloren,  und  nun  beginnt  die  erste  Silbe 
mit  2  Schwa  oder  3  Consononten  und  es  tritt  nach  den  Regeln  der 
Sprache  der  Hülfsvocal  Chirek  ein.  Hiermit  kommen  wir  zu  §  28, 
wo  sich  die  3  ersten  Nummern  in  ^ine  noch  dazu  einfachere  Regel  zu- 
sammenziehen lassen.  Wenn  nemlich  zu  einer  ^Vorschlagssilbe'  noch 
eine  zweite  zutritt,  also  zwei  Schwa  im  Anfang  einer  Silbe  zusammen- 
kommen oder  drei  Consonanten  eine  Silbe  anfangen,  so  konnten  auch 
die  Hebraeer  diese  nicht  ohne  Hülfsvocal  aussprechen.  Dieser  Vocal 
dient  eben  nur  dazu  die  Consonanten  hörbar  zu  machen ,  er  wird  also 
zwischen  den  zweiten  und  ersten  Consonanten  eintreten  und  zwar  der, 
welcher  sieh  mit  den  Consonanten  am  leichtesten  spricht.  Anek  das  ist 


19S  GeseniaB  and  Vosen :  hebr.  Lehrbfloher. 

eiozaseben,  dasz  hiebei  der  zweito  Consonant  wichtiger  ist  als  d<# 
erste;  so  erhält  man' die  Regel:  Wenn  zwei  Schwa  im  Anfange  einer 
Silbe  zusammenstoszen ,  erhält  der  erste  Consonant  mit  Schwa  den 
Vocal,  mit  dem  sich  der  zweite  Consonant  am  leichtesten  spricht:  "^i 
macht  '^1 ,  tfti  macht  fijtl  usw. ;  kann  er  mit  jedem  Vocal  gleich  leiclit 
gesprochen  werden,  so  hat  der  erste  auf  die  Wahl  Eiuflusz,  yy  macht 
:p\  ,  sn  macht  m ,  und  sind  beide  mit  jedem  Vocal  zu  sprectien ,  so 
tritt  der  spitzeste  und  kürzeste  ein,  Chirek  p^  macht  ]^3.  In  §  29  hät- 
ten die  Wörter ,  die  auf  der  vorletzten  Silbe  den  Tob  haben ,  genau 
«agegeben  werden  sollen,  damit  man  auch  zugleich  erfahre,  dasz  sie 
scheinbare  Ausnahmen  sind,  wi&  die  angeführten  "^(^12  von  *;[bb,  tllj^b' 
von  \rib\  0';^1?  ^^^  ^  ^^^  ^^!?*  ^^  ^^^  ^^^^  gerade  dieser  Abschnitt, 
der  die  wesentlichsten  Eigenthümlichkeiten  der  hebraeischen  Sprache 
enthält,  auf  denen  die  Erscheinungen  in  der  Formenlehre  beruhen,  der 
am  wenigsten  klare  und  lehrhafte. 

Weit  weniger  ist,  was  die  Lehrhafligkeit  betrifft,  gegen  den  fol- 
genden Abschnitt,  die  Formenlehre,  vorzubringen,  nur  dasz  auch  da 
manche  Sprachvergleichung  für  den  Zweck  des  Buches  unnütz  ist. 
Ich  will  nur  einiges  anführen:  §  32  hätte  *fnM  als  wahrscheinliche 
erste  Person  angeführt  werden  können,  §  44  ist  Hr.  R.  doch  gezwun- 
gen auf  sie  hinzuweisen;  bei  N.  4  lag,  wenn  einmal  mit  dem  Arabi- 
schen verglichen  wurde,  der  Vergleich  mit  dem  Syrischen  wenig- 
stens ebenso  nahe.  Auch  in  diesem  Abschnitte  aber  muste  mehr  ge- 
lehrt, als  über  die  Erscheinungen  berichtet  werden,  so  §  44  Ferfectum 
Kai  konnte  einsichtiger  für  den  lernenden  die  Bildung  der  einzelnen 
Formen  dargestellt  werden.  §  45  lesen  wir:  Mie  zweite  Form  (Inf. 
abs.)  dagegen  hat  etwas  steifes  und  unbewegliches  und  drückt  mehr 
den  Verbalbegriff  in  abstracto  aus.'  Hat  nun  der  lernende  begriffen, 
was  Infinitivtts  absolutns  ist?  Ueber  den  Inf.  mit  h  hätten  wir  auf 
späteres  verwiesen.  Sehr  richtig  wird  §  46  behauptet,  wie  das,  dasz 
der  Inf.  abs.  auch  für  den  Imperativ  gebraucht  werde,  noch  kein 
Grund  sei,  den  Imperativ  geradehin  für  einen  Infinitiv  zu  halten,  wer 
thut  das  auch?  aber  dennoch  kann  sich  hier  wie  in  andern  Sprachen 
der  Imperativ  aus  dem  Infinitiv  gebildet  haben;  nicht  wahrscheinlich 
und  durch  keine  Gründe  bestärkt  ist  die  vertretene  Ansicht,  dasz 
er  Verkürzung  des  Futurs  sei.  Wie  verwirrend  ist  aber  der  ganze  § 
für  den  lernenden,  obgleich  das  gesagte  allenfalls  sich  fto  verstehen 
täszt,  dasz  kein  Fehler  darin  ist;  wie:  ^für  die  dritte  Person  gibt  es 
keine  besondre  Form^  klingt  fast  so,  als  wenn  für  die  dritte  die 
zweite  mit  eintrete,  *und  selbst  die  zweite  musz  durch  den  Jussiv 
vertreten  werden,  wenn  eine  Negation  hinzukommen  soll.'  Wozu 
wird  der  Gebrauch  der  Form  in  die  Bildung  der  Form  mit  hineingetra- 
gen? Und  wenn  das  nun  einmal  geschehen  soll,  warum  wird  nicht 
der  Gebrauch  aus  der  Natur  der  Sache  begründet,  dasz  der  Imperativ 
eben  nur  die  zweite  Person  hat,  wie  ja  das  Deutsche  deutlich  zeigt 
und  auch  das  Lateinische  deutlich  zeigen  könnte,  dasz  aber  im  He- 
braeischen der  Imperativ  nur  bezeichnet,  dasz  der  angeredete  sogleioi^ 


Gesenius  und  Vosen:  hebr.  LehrbAcber.  199 

und  einmal  etwas  thun  soll,  und  dasz  er  also  seiner  Natur  nach  weder 
eine  dritte  Person  haben,  noch  eine  Negation  sn  sich  nehmen,  noch 
ein  Passivam  bilden  kann.  $  47  steht  ^  das  n  in  den  Femininis  bbpn 
und  rrsbbpn,  mag  mit  der  Femininendung  n  zusammenhingen.'  Ge- 
gen solche  Vermutungen  laszt  sich  nicht  streiten,  aber  was  ist  eigent- 
lich gesagt?  Warum  nicht  gleich  hergeschrieben:  das  n  ist  bis  jetzt 
nicht  erklart.  In  §  48  ist  gegen  das,  was  über  Vav  consecutivnm  Per- 
Tecti  gesagt  ist,  zu  erinnern,  dasz  die  Fortrückung  des  Tones  wol  von 
den  Punctatoren  bezeichnet  ist,  dasz  die  Sprache  aber  selbst  sie  nicht 
anerkannt  hat,  denn  Formen  wie  '^nVüSjJI  sind  im  Hebraeischen  unmög- 
lich. Ebenso  hfttten  die  Fälle  angegeben  werden  sollen,  wenn  das  Vav 
consec.  Futuri  den  Ton  anzieht;  das  'oft'  reicht  nicht  aus.  §  51  hät- 
ten nach  dem  Umfange  der  Grammatik  auch  solche  Formen  erwähnt 
werden  können  wie  bp.jjb  vgl.  Exod.  10,  3.  34,  24,  andre  Beispiele  ja 
schon  Lehrgeb.  p.  312,  7.  §  53  konnte  auch  angeführt  werden,  dasz 
auch  Kophat  könne  .Suffixe  annehmen.  §  65  gehört  die  Bemerkung 
über  ^dr\0  und  ^D^p  unter  die  Verba  9  3^,  nicht  unter  die  seltenen 
Formen,  wenn  unter  diesen  auch  die  Grundform  erwähnt  wurde. 
VV^enn  §  66  einmal  die  Imperativform  *ti^  angeführt  wurde,  sogar  die 
Stelle  Gen.  19,  9,  wo  sie  sich  findet,  so  konnte  auch  rifi^b^,  das  darauf 
folgende  mit  Makkeph  verbundene  Wort,  angegeben  werden,  wodurch 
man  zugleich  eingesehen  hätte,  weshalb  hier  gerade  Segol  für  Patach 
geschrieben  ist.  Bei  den  Verbis  99  %  67  tritt  der  Mangel  an  lehrhaf- 
tem recht  hervor,  denn  diese  Verba  gerade  lassen  sich  für  den  ler- 
nenden so  anziehend  machen,  dasz  man  sie  gern  mit  Anfängern  durch- 
nimmt. Freilich  sind  auch  in  diesem  §  manche  Annahmen ,  die  unbe- 
gründet, ja  falsch,  nur  verwirren  können.  Wunderlich  ist  es,  wie 
nach  der  Erwähnung  der  Form  ^  nb^  aus  nbO"^ '  etc.  hinzugefügt  wer- 
den konnte:  ^Anch  bei  Verlängerung  dieser  Formen  erscheint  der 
Radical  gewöhnlich  einfach  und  ohne  Dagesch ,  wie  wenn  die  Schär- 
fnng  der  ersten  Silbe  dies  ersetzte '.  Ist  in  dieser  Form  einmal  chal- 
daeische  Assimilation,  d.  h.  hat  sich  einmal  der  folgende  Consontnt 
dem  vorhergehenden,  also  der  zweite  Slammbuchstabe  dem  ersten  as- 
similiert, wo  soll  dann  der  dritte  ein  Dagesch  her  haben?  Wir  geben 
ferner  hinsichtlich  der  zur  Erklärung  der  Verba  y'y  zu  Grunde  geleg- 
ten Formen  zu,  dasz  *der  mechanisch  leichtere  Weg  nicht  immer  der 
naturgemäsze  ist',  aber  wir  glauben  unsrerseits,  dasz  die  Leichtigkeit 
der  Erklärung  an  sich  kein  Vorwurf  sein  könne,  und  wir  halten  hier 
die  verworfenen  Formen  für  die  der  Natur  der  Sprache  gemäszen. 
So  legen  wir  dem  sb;  nicht  b^p2  sondern  nb^  dem  Niphal  ^p9  nicht 
eine  unerhörte  Form  :a^p3  zu  Grunde,  der  auch  ganz  und  gar  die  in 
§  51  gegebene  Erklärung  von  Niphal  widerstreitet.  Ists  nicht  natar- 
gemäszer,  von  einer  Grundform  auszugehen,  von  der  uns  sich* das 
Niphal  von  V£2p  ebenso  gut  erklärt  wie  das  von  nD,  als  verwandten 
Dialecten  zu  gefallen  immer  wieder  andre  Grundformen  anzunehmen, 
für  deren  Annahme  man  doch  wenigstens  nicht  mehr  Gewähr  hat? 
Durch  diesen  Wechsel  entgeht  dem  lernenden  alle  Analogie  und  also 


200  Gesenias  und  Vosen:  liebr.  Lehrbücher. 

alles  Verständnis.  Es  ist  nicht  die  Kunst,  zu  jeder  Regel  eine  Aas- 
nähme  zu  finden,  sondern  Kegeln,  die  jede  Auinahme  ausschlieszen. 
Solche  Einleitungen  wie  §  68:  ^Hier  betrachten  wir'  usw.  sind  durch- 
aus  übrig,  mehr'  als  übrig  folgende  Regel:  Mm  Imperfect  Kai  lassen 
5  Verba  ....  das  K  beständig  in  langes  ö  aufgehen  ....  Bei  einigen 
andern  besteht  die  stärkere  Form  daneben  ....  Jenes  6  ist  xunacfast 
durch  Trübung  aus  ä  entstanden  ....  Die  Schwäche  ergreift  auch 
die  letzte  Silbe  dieser  Formen,  sie  erhält  statt  des  stärkeren  Vocals  o 
ein  ?'  Gewöhnlich  glaubt  der  Mensch,  wenn  er  nur  Worte  hört  — 
glaubt  llr  R.,  dasz  wirklich  ein  Anfänger  nur  ahnet,  was  die  Worte 
heiszen  sollen?  Wie  soll  er  hier  Stärke  und  Schwäche  unterscheiden? 
Was  soll  er  sich  denken  bei  ^die  Schwäche  ergreift  usw.'?  Aufgabe 
der  Grammatik  bleibt  es  immer  die  Entstehungsart  der  Formen  nach- 
zuweisen, wo  das  aber  nicht  deutlich  und  einfach  geschehen  kann, 
läszt  man  besser  in  solchem  Buche  jede  Erklärung  derselben  weg.  In 
§  69  VeVba  '^Vi  ist  wol  das,  was  gesagt  ist,  richtig,  aber  es  fehlt 
wieder  die  feste  Regel,  die  doch  zu  finden  ist,  nach  der  Vav  in  Jod 
übergeht,  so  dasz  die  Bildung  der  einzelnen  Formen  von  selbst  dem 
lernenden  sich  aufdrängt.  §  72  ist  C'm^.  als  einziges  Fotur  mit 
Zere  angegeben.  Das  läszt  sich  bezweifeln,  da  von  n'ifi^  die  Formen 
n'iN?.  Gen.  34,  15  und  ^imN?.  Gen.  34,  22.  2.  K.  12,  9  vorkommen.  Gc- 
senius,  der  in  seinem  Lehrgebäude  p.  403  geneigt  ist,  sie  als  Niphal 
zu  erklären  und  darin  Winer  als  Nachfolger  hat,  schwankt  selbst  in 
seinem  Lcxicon;  andre  wie  Maurer  verwerfen  das  Niphal  ganz.  Da 
das  Wort  nur  in  diesen  Formen  vorkommt,  diese  sich  ebenso  gnt 
als  Kai  wie  als  Niphal  erklären  lassen ,  so  bleibt  nur  die  Bedeutong 
als  entscheidend  übrig,  und  auch  die  läszt  sich  für  beide  Conjugatio- 
nen  passend  auffassen.  Es  konnten  somit,  da  so  vielen  ins  kleinste 
Detail  eingehenden  Bemerkungen  ein  Platz  eingeräumt  ist,  auch  diese 
Formen  erwähnt  werden.  Doch  soll  das  subjective  Urtheil  nicht 
maszgebend  sein;  aber  nicht  auszulassen  waren  Formen  wie  *f^fi{ 
1.  K.  21,  29  "^n?:  1.  K.  21,  21.  2.  S.  5,  2  und  andre  von  K'i^.  Wenn 
einige  auch  §  76  vorkommen,  so  muste  wenigstens  auf  sie  hingewie- 
sen werden.  Ebenso  hätte  §  74  a  4  neben  '^pn,!!  aus  Jer.  32,  36  die 
Form  '^t^nri  2.  K.  13,  '6  schon  deshalb  einen  Platz  verdient,  da  sie  in 
einem  Geschichtsbuche  vorkommt,  und  auch  deshalb,  weil  schon  v.  Jl 
die  volle  Form  sich  wiederfindet,  so  dasz  beide  Formen  dem  Sehrei- 
her  des  Buchs  gleich  geläufig  sind.  §  75  ist  das  Zere  des  Imperativ 
wol  folsch  erklärt.  Formen  wie  rbr  für  nrtar  haben  schon  die 
Punctatoren  zu  entfernen  gesucht;  so  gibt  2.  K. V ,  37  das  Chethibh 
n;n  das  Keri  ^n')^.  Das  hätte  um  so  mehr  angeführt  werden  kön- 
nen, als  bemerkt  wird,  dasz  diese  altere  Form  aus  dem  Gebrauche  fast 
verdrängt  worden  sei.  §  77  wünschte  man  eine  Tabelle,  weiche  die 
Verwandtschaft  der  unregelmfiszigen  Verba  unter  einander  übersicht- 
lich gäbe.  Hierbei  sei  zugleich  bemerkt,  dasz  zum  Schaden  der  ler- 
nenden die  Nebeneinanderstellung  der  Paradigmen  aller  Verba ,  die  in 
frühern  Ausgaben  nach  der  Tabelle  im  Lehrgebäude  wenigstens  xam 


Gesenias  and  Vosen:  hebr.  Lehrbfieher.  201 

Theil  sich  fand,  schon  seit  einigen  Auflagen  ganz  weggelassen  ist. 
Von  S  79  ab  ist  die  Anordnung  schlecht.  Von  der  Geschlechts - 
form.  Abstammung  der  Nomina.  Nomina  primitiva,  de- 
rivata.  Vom  Plural.  Vom  Dual.  Der  Genetiv  und  der 
Status  constructus.  Suffixe.  Die  Form  &')n'i7a'Ti  Doppel- 
mauer  $  87  gehörte  unter  den  Dual.  §  89'wird  erst  gesagt,  dasz  die 
Casusformen  verloren  seien,  dann  vom  Genetiv,  einem  Casus,  gehan« 
delt,  wo  vom  Status  constructus  die  Rede  sein  sollte;  so  wird  auch 
§  92  von  ^  einem  folgenden  Genetiv '  gesprochen  und  somit  die  Ver- 
wirrung, die  im  Kopfe  des  lernenden  entstehen  musz,  erhalten.  In 
§  104  hat  die  neue  Auflage  einen  uni^atzen  Zusatz  bekommen,  denn 
nicht,  wenn  zwei  kurze  Wörter  paarweise  verbunden  sind,  steht  j, 
sondern  wenn  die  zwei  Worte  dem  Sinne  nach  zusammengehören, 
meist  Gegensfitze,  die  durch  Zusammenfassung  ein  ganzes  bilden,  da- 
her versteht  sichs  von  selbst,  dasz  vor  DK,  Mi^  ty  und  ähnlichen  i  nicht 
stehen  kann.  §  105  ist  die  schöne  Partikel  K^  sehr  stiefmütterlich 
behandelt.  Die  Partikeln  überhaupt  treten  in  dieser  Grammatik  nicht 
in  der  im  Uebraeischen  gerade  gebührenden  Wichtigkeit  hervor. 
§  106  2  hätte  wol  'niDä.  erstgeborner  und  was  in  diesem  Worte  für 
eine  Bedeutung  liegt,  erwähnt  werden  sollen ;  dabeLwar,  wie  schon 
oben  bemerkt,  die  Eigenthümlichkeit  des  Hebraeischen  nicht  als  Man- 
gel darzustellen.  §  107.  Der  Geschlechtsgebrauch  pflegt  nicht  in  der 
Syntax  behandelt  zu  werden ,  auch  ist  zweierlei  durch  einander  ge- 
stellt :  l)  die  Frage,  welche  Nomina  sind  Feminina  und  2)  welche  Be- 
deutung bringt  die  Femininendung  dem  Substantiv.  Dazwischen  läuft 
nun  noch  das  Adjectiv.  §  108  enthält  dreierlei:  l)  wie  drückt  der 
Hebräer  die  Mehrheit  aus,  2)  was  bezeichnet  alles  die  Pluralform,  3) 
wie  wird  bei  Status  constructus  mit  absolutus  oder  bei  zwei  oder 
mehreren  zu  einem  Begriife  zusammengewachsenen  Worten  der  Plu- 
ral ausgedrückt.  Doch  tritt  dieser  Unterschied  nicht  klar  hervor,  auch 
im  einzelnen,  besonders  unter  1  sind  die  Fälle  nicht  genau  geschieden 
und  &V  th'^  und  ähnliches  ist  nicht  der  Plural.  In  diesem  Paragraph 
hätte  auch  die  ganz  überflüssige  Erklärung  weggelassen  werden  sol- 
len von  D'^rrbK  ^sei  es,  dasz  das  Wort  von  polytheistischer  Vorstellung 
ausgegangen  und  auf  den  Gott  der  Götter  übertragen  ist.^  Nicht 
einmal  grammatisch  ist  so  eine  Annahme  zu  rechtfertigen,  wo  ist  denn 
ein  Plural  von  ähnlicher  Bildung?  Ebenso  flndet  sich  §  109  ein  sehr 
unnützer  Ausdruck ,  wenn  er  auch  recht  schön  klingt.  Der  bestimmte 
Artikel  steht  bekanntlich  bei  Vergleichnngen:  Vo  die  malende  Phan- 
tasie das  Bild  eines  Gegenstandes  zur  bestimmten  Anschauung  bringt.' 
Dafür  hätte  Hr.  R.  darauf  hinweisen  sollen ,  dasz  eine  Vergleichung 
etwas  klar  machen  soll,  dasz  daher  immer  etwas  bekanntes  verglichen 
werden  musz,  an  dem  das  unbekannte  sich  vorstellen  läszt,  dasz  also 
deshalb  der  Artikel  steht.  ^  Weisz  wie  der  Schnee.'  Einem,  der  den 
Schnee  nicht  kennt,  würde  dieser  Vergleich  nichts  nützen.  In  §  112 
ist  beim  Adjectiv  Stellung,  Geschlecht  und  Zahl  durch  einander  ge- 
mischt, was  durchaus  sa  trennen  war;  jetzt  ist  der  %  so  gefaszt,  als 

iV.  Jahrb,  f,  Pm.  n.  Pa^.  W.  LXXIV.  Bft.  4.  1'^ 


202  Gesenias  und  Vosen :  hebr.  LeUrbücber. 

wenn  Genus  und  Numerus  der  Stellung  untergeordnet  wAren.  %  113 
^Vorausgesetzt  wird  das  bestimmende  Nomen  nur  in  gewissen  Verbin- 
dungen, als  Ti^  l^.'^n  •  •  •  wie  unser  der  König  David,  wo  die 
Stellung  T^IZ'n  T)"!}  2.  Sam.  13,  39  wie  Cicero  consul  eine  Seltenbeit 
ist.'  Dasz  in  beiden  verschiedenen  Stellungen  ein  verschiedener  Sinn 
liegt,  dasz  eben  des  besond^rn  Sinnes  wegen  die  letstre  seltner  ist,  sollte 
das  wirklich  llrn  K.  entgangen  sein  7  Freilich  scheint  er  auch  ansu- 
nehmen,  dasz  eine  Stellung  wie  consul  Cicero  nicht  recht  lateinisch 
sei ,  dann  hätte  dieser  Consul  Cicero  oft  gegen  die  Grammatik  ver- 
sloszen.  In  diesem  Paragraph  wünschte  man  auch  angegeben,  ob  bei 
einem  Substantiv  mit  unlrcnnl^arer  Praeposition  die  Apposition  aach 
diese  annimmt,  wie  z.  B.  Gen.  40,  1 ;  ebenso  hätte  hier  zur  Anmerkong 
wol  am  besten  der  Gebrauch  bemerkt  werden  können,  wie  Gen.  15, 13 
^Schrecken  und  grosze  Finsternis'  =  ^schrecklich  grosse  Finsternis.' 
Für  die  Bücher  Mosis  könnte  man  wol  verlangen,  dasz  eine  Gramma- 
tik ausreiche.  In  <^  117  heiszt  es:  ^dasz  nM  auch  den  Nominativ  aus- 
drücke ,  ist  an  sich  nicht  undenkbar  und  scheint  einigemal  vorsukon- 
men.'  Solche  Unentschiedenheit  ziemt  sich  nicht  in  einer  Elemeatar- 
grammatik;  der  Grammatiker  soll  eben  bei  sich  im  reinen  sein,  er 
will  ja  lehren,  musz  also  wissen.  So  Ewald  Lchrb.  p.  571:  /den  No- 
minativ kann  dies  Wörtchen  nie  bezeichnen'  und  dann  behandelt  er 
die  für  den  Gebrauch  angeführten  Stellen.  Da  hat  man  doch  eino 
klare  und  verständliche  Lehre.  Dasz  andre  anders  lehren ,  ihut  dem 
keinen  Eintrag.  So  nimmt  Maurer  ad  Reg.  II  6  5  nd<  als  Nominativ- 
zeichcn  an  bei  den  späteren,  Gescn.  Lehrgeb.  p.  684  findet  diesea 
Gebrauch  in  den  altern  Büchern  häußger.  Zwischen  solchen  Ver- 
schicdonheiten  der  Ansichten  kommt  man  allerdings  mit  scheint  am 
ehesten  durch,  wird  aber  keiner  Partei  genügen,  wie  die  bei  der  Gele- 
genheit vorkommende  Redensart :  ^ein  frei  untergeordneter Ac- 
cusativ'  in  seinem  vollkommenen  Widerspruche  dem  Schüler  geheim- 
nisvoll bleiben  wird.  Wenn  es  nur  einige  Stellen  sind,  wo  DK  fttr 
den  Nominativ  vorzukommen  scheint ,  konnte  es  in  dieser  Grammatik 
ganz  unerwähnt  bleiben.  Die  Lehre  von  den  Zahlwörtern  §  120  wire 
wol  leichter  zu  lernen,  wenn  das  verschiedene  auch  änszerlioh  ge- 
schieden wäre.    Ich  würde  dies  etwa  so  ordnen: 

Ueber  die  Zusammenstellung  der  Zahlwörter  mit  SabslanÜTeii 
gelten  folgende  Kegeln: 

Die  Zahlen  von  2 — 10  stehen 

1)  im  stat.  const.  vor  dem  Subst.  im  Plur.  an^an  n«^l 

2)  —      abs.         —         ^^r^  5  fast  nie  im  Sing. 

^^     ~     —      "**'"        —       —     nobtt  ö'»?:'» 

Die  Zahlen  von  11 — 19  stehen 
1 )  im^al.  abs.  vor  dem  Subst.  im  Sing,  bei  Sii»  öi-.  etc. 

a{  _     „.7i^  "^    *"  ^'""'-  **"  ■"®"  ■■^«"»  Sahst. 

^^  »  ^,  "^         —      »eilen  und  bei  snitern 

Die  Zahlen  von  20—90  stehen  spiiern. 

1 )  im  stat.  abs.  vor  dorn  Sahst,  im  sing,  bei  allen. 


Gesenias  und  Vosen :  bebr.  Lehrbflcber.  SOS 

2)  im  stat.  abs.  vor  dem  Subst.  im  Plur.  mituter. 

3)  —       —    nacb  dem  —         — 
Die  Zabien  von  21 — 99  stebeo 

1)  im  atat.  abs.  vor  dem  Subst.  im  Sing,  ao  beaondera  vor  nsti  naw.  *) 

2)  —      —   nach  dem  —    im  PInr. 

3)  —      —   vor  dem  Subst.    Die  Zahl  wird  getheiit  und  nach  dem 

Einer  steht  der  Plaral,  nacb  den  Zehnern  der  Sing. 
Die  Zahlen  100 — 900  stehen 

1)  im  stat.  constr.  vor  dem  Sahst,  im  Plnr.  und  Sing. 

2)  —     abs.  _         _         _ 

3)  —      —       naeb  dem  —        — 

So  bat  man  immer  drei  Falle,  nnd  diese  haben  wir  aus  der  Grammatik 
gewonnen.  In  %  119  oder  §  131  wQnschte  man  eine  solche  Stelle  wie 
Gen.  27  1  n'iM'^p.  If^T  nimis  senex  quam  ut  videre  posset.  Eine  aller- 
dings sehr  schwache  Partie  der  Grammatik  ist  §  126  flgde. ;  da  ist  die 
Behandlung  noch  ganz  die  frühere  und  leidet  gans  besonders  an  dem 
Gebrechen,  dass  die  Vergleichung  des  Latein  bei  der  Abfassung  der 
Regeln  massgebend  ist.  Manche  der  angeführten  Stellen  sind  daher 
ganz  falsch  anfgefaszt,  wie  gleich  Psalm  1,  iHeil  demMenschen, 
der  nicht  wandelt,  nein,  Heil  wird  in  höchster  Fülle  0^V3m) 
dem  versprochen,  der  nie  und  nimmer  gewandelt.  Wenn  auch  Luther 
dem  Deatseben  sich  bequemend  mit  dem  Praesens  fibersetzt  hat,  sollte 
ein  Grammatiker  doch  nicht  diese  Freiheit  des  Übersetzens  zu  einer 
Regel  der  Sprache  machen.  Und  wie  ist  ja  überhaupt  hier  die  Ueber- 
setzang  abgeschwächt;  die  Psalmen  beginnen  nicht  damit,  jemandem 
ein  nicht  viel  sagendes  Glück  auf!  zuzurufen,  sondern  sie  beginnen 
damit  des  Segens  höchste  Fülle  über  den  auszusprechen,  der  sich  kei- 
ner Sünde  schuldig  gemacht  hat.  Es  entspricht  dies  dem  Ausspruche 
Christi :  Thne  das,  so  wirst  du  leben.  Wie  kann  man  erwarten,  dasz 
die  Psalmen  nicht  sollten  mit  einem  Satze  beginnen ,  in  dem  der  Kern 
aller  Lehre  enthalten  sei.  So  wird  Hb  21  16  übersetzt:  der  Rath 
der  Frevler  '>t*n  'nT>rv^  sei  fern  von  mir,  das  widerspricht  der 
Bedeutung  des  Perfect,  wie  es  einen  ganz  falschen  Gedanken  in  die 
Stelle  bringt.  Freilich  ist  zuzugeben,  dasz  bedeutende  Ausleger  diese 
Erklärung  angenommen  haben;  Hiob  aber  behauptet  vom  Rathe  der 
Frevler  fern  gewesen  zu  sein.  So  sind  die  Anm.  1  angeführten  Stellen 
meist  sehr  abgeschwächt  wie:  noch  eine  kurze  Zeit  und  sie  werden 
mich  steinigen.  Moses  klagt  seine  Noth ,  es  werde  nicht  mehr  lange 
dauern,  da  würden  sie  ihn  gesteinigt  haben.  Ebenso  sind  die  Bedin- 
gungssätze nicht  ausgeführt;  es  gibt  da  auch  vier  Uauptfalle  so  gut 
wie  in  Bnttmanns  Grammatik.  Viele  andre  Stellen  auch  in  dieser  An- 
merkung sind  falsch  aufgefasit.  Es  kann  nicht  fehlen ,  es  musz  dem 
Gefühle  und  dem  belieben  viel  eingeräumt  werden ,  wo  strenge  Folge- 
richtigkeit mangelt  und  die  Grundbedeutung  einer  Form  nicht  festge- 


'*')  In  iltem  Schriften  stehen  die  Einer  vor  (wie  im  Arab.).  —   In 
spatern  Schriften  stehen  die  Zehner  vor  (wie  im  Syr.). 

15* 


204  Geseniiis  und  Vosen :  hebr.  LehrbOcher. 

hallen  ist.  So  lange  die  Grammatik  lebrt,  dieselbe  Form  stehe  für 
Pcrfcct,  Flusquamperfect,  Praesens,  Futurum,  Imperfectum  Conjunctivi, 
IMusquamperfcctum  Conjunctivi,  Futurum  exactum.  Praesens  Conjnnctivi, 
Imperativ,  und  dasz  die  Bedeutung  des  Imperfect  'fast  noch  umfang- 
reicher '  sei ,  so  lange  ist  an  klare  Regeln  nicht  zu  denken  und  der 
lernende  ist  vollständig  in  dicken  Nebel  eingebaut,  aus  dem  er  nicht 
eher  erlöst  wird^  als  bis  er  durch  lesen  in  der  Bibel  und  eignes  nach- 
denken ihn  verscheucht  oder  glücklicherweise  von  seinem  Lehrer 
deutlich  zu  sehen  gewöhnt  ist.  Es  versieht  sich  von  selbst,  dass  das 
Particip  erst  recht  als  alle  Zeiten  umfassend  bezeichnet  wird. 

Wir  glauben  in  dem  bisherigen  hinreichend  unser  Urtheil  be- 
gründet zu  haben.  Was  die  Richtigkeit  des  sachlichen,  also  die  An- 
gabe der  Erscheinungen  der  Sprache  selbst  betrilTt,  ist,  wie  sich  er- 
warten liesz,  nur  wenig  zu  erinnern ;  was  wir  im  Vortheil  der  lernen- 
den noch  zugesetzt  wünschten ,  haben  wir  oben  angegeben.  Was  die 
Erklärung  und  Auffassung  betrilTt,  so  haben  wir  mancherlei  dagegen 
vorgebracht,  aber  vieles  beruht  auf  Ansichten,  über  deren  Riohtigkeit 
hio  und  da  noch  gestritten  werden  könnte.  In  der  Ausführung  nad 
Anordnung  der  Regeln  genügt  diese  Grammatik  noch  wenig  dem,  was 
man  davon  zu  verlangen  berechtigt  ist.  Was  aber  noch  fehlt,  lisst 
sich  leicht  in  einer  neuen  Auflage  nachbessern.  Schon  im  Druck  hat 
Hr.  R.  dreierlei  unterschieden,  man  könnte  fast  sagen  viererlei.  Wenn 
nun  Hr.  R.  in  das  groszgedruckte  nur  das  aufnehmen  wollte,  was  üDr  den 
Anfänger  nölhig  ist,  in  gröster  Einfachheit  und  Kürze  des  Ansdrueks, 
so  wäre  ein  erster  Cursus  gewonnen.  Das  kleiner  gedrackte  mit  den 
Anmerkungen  bietet  von  selbst  einen  zweiten  Cursus,  wie  er  in  Prima 
passt,  und  scheint  auch  dazu  bestimmt  zu  sein;  dann  ist  aber  der 
IMan  nicht  streng  festgehalten.  Manches  steht  darin ,  was  gleich  bein 
ersten  lernen  nicht  zu  entbehren  ist.  Doch  werden  hierin  im  eiasel- 
nen  die  Ansichten  immer  auseinander  gchn.  Die  Anmerkangen  sind 
meist  in  bündigerem  und  deutlicherem  Ausdruck  gehalten,  als  das  all- 
gemeinere. Alle  Ansichten  aber  und  Sprachvergleichungen,  die  nicht 
ganz  unbezweifelt  sind  und  nicht  durchaus  nöthig  für  das  Verstlndnis 
des  Ilebraeischen,  wären  unter  den  Text  zu  verweisen,  denn  alles  das 
ganz  wegzulassen,  dazu  möchte  sich  Hr.  R.  doch  wol  nicht  ent- 
schlieszen.  Und  so  nehmen  wir  von  dem  geehrten  Herrn  Verfasser 
Abschied  und  bitten  ihn  die  Bemerkungen,  die  wir  uns  erlanbt  and 
die  wir  nur  gemacht  haben,  um  dem  durch  langen  Gebraach  aas  lieb 
gewordenen  Buche  noch  gröszere  Brauchbarkeit  su  versohaffea,  in 
dem  Sinne  anzunehmen,  in  dem  sie  gegeben  sind. 

Gerade  für  den  Anfanger  ist  das  zweite  in  der  Ueberschrifl  ge- 
nannte Buch  bestimmt;  es  ist  bereits  in  der  zweiten  Auflage  erschie- 
nen, was  für  seine  Brauchbarkeit  zu  sprechen  scheint,  dagegen  ist 
eine  Recension  in  der  Mfltzellschen  Zeitschrift  sehr  scharf  in  ihrem 
Tadel  gewesen.  Wir  wollen  uns  durch  beides  nicht  hindern  lassen, 
tielbständig  unser  Urtheil  abzugeben  und  hoffen  dabei  jeden  Leser  in 
den  Stand  zu  setzen,  dasselbe  su  prüfen. 


Geseniua  und  Vosen :  hebr.  Lehrbüober.  205 

Weil  das  Buch  eben  fttr  Anfänger  und  nur  *fftr  Anfänger  and  zam 
Selbststudium'  bestimmt  ist,  musz  man  die  Anforderung ,  die  wir  an 
Ködigers  Grammaük  stellten,  mit  mehr  Nachdruck  wiederholen;  die 
Regeln  müssen  einfach  und  faszlich ,  dabei  in  kurzen  Worten  gegeben 
sein,  und  —  richtig,  das  enthalten,  was  Schüler  wissen  müssen,  das 
weglassen,  was  sie  nnr  verwirrt.   Gleich  %  1  findet  Hr.  V.  die  Weise, 
die  Vocale  durch  beigesetzte  Zeichen  zu  schreiben,  für  den  lernenden 
schwierig,  womit  unsre  Erfahrung  nicht  stimmt,  und  verliert  er  sieh 
in  eine  Geschichte  der  Punctation,  welche  die  Schwierigkeit  bedeutend 
steigert,  denn  sie  macht  den  Anfanger  auf  die  Unsicherheit  derselben 
aufmerksam.    Steht  im  ersten  %  zu  viel ,  so  enthält  der  zweite  §  zu 
wenig:  ^Der  Buchstabe  M  war  in  der  alten  Schrift  Vocalzeichen ,  da- 
her (?)  ist  er  jetzt  ohne  Aussprache.    Das  9  ist  ein  schwer  auszu- 
sprechender Kehllaut.  Es  wird  daher  jetzt  meist  nicht  ausgesprochen. 
Einige  sprechen  es  ungefähr  wie  Jod  oder  Cheth  ans.'    Das  sind  die 
ganzen  Regeln  über  die  Aussprache !    Im  Alphabet  selbst  steht  neben 
ti  und  D  cA,  neben  T,  D,  TD  ein  s.    Es  müssen  stumpfsinnige  Anfänger 
sein ,  die  sich  damit  begnügen.    §  3  werden  Segol  und  Kibbuz  nur 
als  kurze  Vocale  bezeichnet.    §  4.  *  Damit  kein  Zweifel  entstehe,  ob 
vielleicht  ein  Vocal  irthümlich  fehle,  so  hat  man  unter  die  wirklich 
vocallosen  Consonanten  einen  Doppelpunkt  (^)  gesetzt.'    §  6  wird 
von  den  Chatephs  gesagt:  *sie  werden  unter  den  vier  Gntturalbuch- 
Stäben  M,  In,  ti,  y  gebraucht.'  Bei  der  Gelegenheit  erfährt  man  zum  er- 
stenmal, dasz  es  Gutturalbuchstaben  gibt.  $  8  wird  über  Dagesch  lene 
verhandel4  und  so  geschlossen:  *es  steht  also  am  Anfange  der  Wör- 
ter und  nach  einem  Schwa  quiescens  im  innern.'    %  II.  rr^^  nicht 
Ziva,  sondern  ^ZilTa'.    §  18.  ^Drei  Consonanten  auf  einen  Vocal  dul- 
det der  Hebraeer  nicht.'   Man  vergleiche  VbjP.    §21.   *Nur  2  Zeit- 
formen sind  da,  Praeteritnm  und  Futurum.    Das  Praesens  fehlt,  dafür 
dient  meistens  das  Participium.'   §.  37.  *  Dieses  1  heiszt  Vav  conver- 
sivum,  weil   es  die  Bedeutung  der  Form  umkehrt.'     ^»h^  er  wird 
kommen,   fetrj^i  (sie)   er  kam.'      §  28.    Wo  der  Conjunctiv  nöthig 
wäre,  da  brauchen  die  Hebraeer  das  Futurum.   Ebenso  wird  in  den 
meisten  Fällen  statt  des  Imperativ  die  höflichere  (!)  Form  des  Futurs 
als  Jnssiv  gebraucht,  also  s^n  »b  ist  höflicher  Ausdruck;  das  ist 
neu.    %  32.  *  Wenn  einer  von  den  drei  Stammbnchstaben  (Radicalen) 
eines  Verbums  ein  Gutturalbuchstabe  M  n  tl  :^  (oder  ^)  ist,  so  'können 
nicht  mehr  Gutturalen  in  einem  Worte  sein'?   %  35.  'Nach  §  12  ver- 
langen die  beiden  Buchstaben  n  und  y  immer  den  Alaut  in  der  letzten 
Silbe,  so  lange  sie  am  Ende  stehen.     Daher  zeigt  sich  denn  im  Para- 
digma jeder  andere  Vocal  der  letzten  Silbe  in  a  verwandelt',  müste 
heiszen:  ^ andre  kurze'.   %  56  wird  der  Status  absolntus  pluralis  vom 
Status  constructus  singularis  abgeleitet,   was  weder  an  sich  einen 
Grund  hat  noch  äuszerlich  die  Ableitung  und  das  merken  der  Formen 
erleichtert.    §  78.   '  Die  Dichter  bedienen  sich  seiner  (des  Plural)  hie 
und  da,  um  kräftiger  zu  reden  oder  ein  voller  klingendes  Satzende  za 
gewinnen'.    Weiter  nichts?    §  79.    'Substantiv«  generis  communis 


206  Gesenius  und  Vosen :  hebr.  Lehrbücher. 

haben,  wenn  zwei  Adjectiva<bei  ihnen  sieben,  eines  in  dem  masenlinum, 
das  andere  im  Femininum '.  Man  könnte  noch  hie  und  da  etwas  ibn- 
iiches  vorbringen ,  aber  gröszer  zeigt  sich  der  Mangel  der  Grammatik 
darin,  dasz  so  oft  gerade  die  gerühmte  Klarheit  fehlt:  §  37  *  Verb« 
fi^'b  ohne  Paradigma  (auch  das  noch!).  Die  Verba,  deren  dritter 
Stammconsonant  fi<  ist,  haben  die  Eigenthfimlichkeit,  dasz  dieses  K 
quiesciert,  so  oft  sich  ein  A  oder  E  in  der  letzten  Silbe  befindet. 
Dadurch  wird  das  Patach  in  der  letzten  Silb»<aberall  in  Kames  rer- 
längert.  Vor  allen  Consonant-AfTormativen  quiesciert  das  M  im  praet. 
in  Zere  (auszer  in  Kai,  wo  Kamez  steht)  und  im  fut.  in  Segel. 
Auch  haben  sie  den  Inf.  (!?)  und  das  fut  Kai  mit  A.'  §  68.  Einsil- 
bige Nomina :  die  einsilbigen  Nomina  ohne  pleno  geschriebene  Vooale 
verkürzen  meistens  (!)  vor  den  Zusätzen  ihren  Vocal,  indem  sie 
Dagesch  erhalten.  Einige  (!)  verlieren  ihn.  Dieses  zeigt  das  Lexikon 
im  einzelnen  an.  Manche  (!)  sind  ganz  unregelmaszig'.  Wer  sich 
dies  Buch,  wozu  es  bestimmt  ist,  gewählt  hat,  um  privatim  hebraeisch 
zu  lernen,  den  kann  so  ein  Satz  zur  Verzweiflung  treiben.  Einem  8ol> 
chen  wird  freilich  sehr  viel  unklar  bleiben,  darauf  sehe  man  Dar 
§  53  —  58  an,  und  nun  gar  die  Lehre  über  die  Tempora.  Die  ganze 
Syntax  aber  musz  schon  deshalb  an  Unbeslimmtlieit  in  der  Fassung 
leiden,  die  gar  leicht  in  falsche  Auffassung  übergehen  mosz,  weil  alles 
nur  aufs  übersetzen  berechnet  ist.  ^Wir  behandeln  hier  nur  diejenigen 
Punkte  der  hebraeischen  Sprache ,  welche  für  das  übersetzen  aus  dem 
Hebraeischen  einer  nähern  Erklärung  bedürfen',  so  beginnt  die  Syntax. 
Dann  sind  solche  Sätze  auch  nicht  mehr  auffällig  wie  §  77.«  *Der  He- 
braeor  setzt  den  Artikel  oft  nicht,  wo  wir  ihn  in  der  UeberseUang 
anwenden  müssen.  Dieses  ist  der  Fall,  wenn  das  Nomen  ein  Saffixnm 
oder  einen  Genetiv  bei  sich  hat.  Im  letzten  Falle  musz  der  Zusammen- 
hang ( !  ebenso  §  89)  entscheiden,  ob  die  Uebersetzung  den  beatimnitea 
oder  den  unbestimmten  oder  gar  keinen  Artikel  verlangt.'  Somit  wird 
der  Beurtheilung  des  lernenden  das  Verständnis  überlassen,  ohne  dasB 
diesem  ein  Halt  gegeben  würde.  Wozu  hat  man  denn  eine  Gramma- 
tik? §78.  '  V^enn  man  die  Anwendung  des  Status  constructus  immer 
Genetiv  nennen  will',  also  von  dem  Belieben  des  Anfängers  soll  die 
Auffassung  der  grammatischen  Erscheinungen  abhängen?  In  demsel- 
ben §  ist  von  einem  bestimmten  Accusativ  die  Rede:  *  der  be- 
stimmte Accusativ  wird  durch  die  Partikel  nfit  bezeichnet.'  So  findet 
sich  bald  ein  ^könnte'  und  ein  ^bisweilen';  im  §  96  findet  sich  inner- 
halb etwa  zwanzig  Zeilen:  meist,  oft,  bisweilen,  regel- 
maszig,  auch  manchmal,  zuweilen.  Die  Unklarheit  liegt  fer- 
ner nicht  blosz  in  der  weniger  genauen  Fassung  und  dem  schwanken 
in  der  Sache  selbst,  auch  der  deutsche  Ausdruck  ist  mangelhafl: 
^Wcnn  ein  aus  einem  Substantiv  und  einem  Genetiv  zusammengesetz- 
ter Begriff  in  den  Plural  soll(!),  so  ist  dieses  meistens  durch  den 
Plural  des  Status  constructus  angedeutet.'  %  13.  Die  hebraeische 
Sprache  ist  in  ihrer  Formenbildung  überaus  regelmässig,  und  einige 
wenige  Regeln  erklären  die  meisten  Veränderungen  bei  der  Foimbil- 


Geseniuii  mid  Vosen :  hebr.  Lehrbüeber.  207 

düng,  wo  der  Weobsel  zwiscben  Formen  und  Form  den  Satz  noch 
nicht  schön  macht.  Manches  steht  am  unrechten  Orte,  so  das  Prono- 
men personale  hinter  dem  Verbnm,  unter  Nominati?  die  Lehre  von  der 
Wortstellung,  einzelne  Paragraphen  umfassen  zu  vielerlei,  wie  nament- 
lich §  78,  81;  öfters  sind  Bemerkungen  gemacht,  die  hier  unpassend 
sind,  weil  sie  auf  andre  Grammatiken  anspielen,  die  doch  nicht  be- 
nannt sind,  wie  §  41.  42  Anm.  ^  Vergleichungen  mit  den  andern  semi- 
tischen Sprachen  und  darauf  gegründete  Hypothesen  sind  für  unsem 
Zweck  unnütz;^  so  %  50.  Derlei  Bemerkungen  gehörten  in  die  Vor- 
rede, wenn  sie  überhaupt  nöthig  waren.  Aehnlich  ist  $  10.  *  Für  die 
erste  Leseflbung  genügt'.  §  13  *Die  bisher  vorgenommenen  ErklfiruiT- 
gen  genügen  für  den  Beginn  der  Leseübungen.'  Die  Verführung  war 
allerdings  grosz  in  Rücksicht  auf  die  vorhandenen  Grammatiken  die 
Kleinheit  dieser  zu  rechtfertigen.  Doch  die  rechtfertigt  sich  durch 
sich.  Aber  sollte  es'  einmal  ein  Lehrbuch  für  Anfänger  sein ,  so 
brauchte  auch  nicht  auf  Eigenthümlichkeiten  des  Jeremies  §  85  Rück- 
sicht genommen  zu  werden,  der  doch  auf  Schulen  so  leieht  nicht  gele- 
sen wird.  Auch  fehlt  nicht  das  tadeln  des  Hebraeischen :  $  76,  4 
p.  56.  Dasselbe  wiederholt  p.  58;  so  §  8f .  Durchweg  hat  diese  Gram- 
matik den  ErzähluDgs-,  nicht  den  Lehrton,  und. ist  sie  daher  schon, 
wenn  sie  auch  einzelne  recht  gute  Bemerkungen  hat,  wie  zu  §  5.  7. 
13.  14.  26,  doch  nicht  zu  empfehlen. 

Angehängt  sind  Lesestücke,  die,  wie  auch  die  Grammatik  selbst, 
viel  Druckfehler  enthalten ,  allerdings  keine  Empfehlung  für  ein  zum 
Gebrauch  der  Anfänger  bestimmtes  Buch,  Noch  müssen  wir  aber 
etwas  anderes  aussetzen,  wir  können  keinen  richtigen  Plan  darin  fin- 
den. Wir  haben  zwei  in  ihrer  Weise  vorlrefTliche  Lesebucher,  das 
erste,  was  wir  meinen,  ist  das  von  Gesenius:  es  enthält  sehr  pas- 
sende Lesestücke  mit  angemessenen  Erklärungen  und  einem  genauen 
Wörterbuche.  Auszusetzen  ist  nur  das ,  dasz  in  den  Einleitungen  der 
Lesestücke,  welche  die  Schüler  bekanntlich  nicht  eifrig  lesen ,  der 
Rationalismus  stark  durchscheint;  sie  könnten  ohne  Schaden  ganz 
wegbleiben.  Es  ist  allerdings  in  diesen  Stücken  nicht  durchweg  eben- 
mäsziger  Fortschritt  vom  leichteren  zum  schwereren,  der  ist  nicht 
möglich ,  wenn  zusammenhängende  Stücke  aufgenommen  werden ,  ist 
auch  gar  nicht  so  nöthig.  Diesen  Fortschritt  hat  nun  ein  andres  fest- 
gehalten, es  ist  mit  groszem  Fleisze  und  groszer  Umsicht  gearbeitet, 
mit  einem  Wörterbuche  nach  Stämmen,  was  selbst  auf  wissenschaft- 
liche Behandlung  und  Bereicherung  der  Wissenschaft  Anspruch  machen 
kann,  es  ist  dies  das  Lesebuch  von  Maurer.  Es  ist  also  für  beide 
llauptmethoden  aufs  beste  gesorgt.  Hier  sind  nun  gegeben  l)  einige 
Sätze  für  die  erste  Anleitung  zum  analysieren  und  übersetzen;  es  sind 
sehr  wenige  und  zum  Theil  eigne  Fabrik,  wenigstens  so  geändert,  dasz 
sie  als  eigen  anzusehen  sind.  Dieser  Misbrauch,  dasz  jemand  sich 
herausnimmt  eigenes  als  Muster  aufzustellen  oder  Klassiker  gar  um- 
zuarbeiten,  ist  namenllich  in  lateinischen  Lesebüchern  sefaf  im 
Schwünge  und  der  Mangel  an  Gefühl  für  gutes  Latein  in  oberen  Klas- 


20^       K.  Fr.  Süpne:  Aufgaben  zu  lateinkschen  Stilttbangen. 

sen  hat  seinen  Grund  mit  darin,  dasz  bei  Beginn  des  Unlerriclites 
schlechtes  Latein  geboten  worden  ist.  Wird  man  den  Sinn  für  Blalerei 
zu  bilden  meinen ,  wenn  man  greuliche  Sudeleien  dem  Schüler  Jahre 
lang  vorhält  und  nachbilden  l&szt?  Wir  hallen  es  für  unverantwort- 
lich ,  solche  Machwerke  in  die  Schulen  einzuführen.  So  ist  auch  hier 
der  Versuch  mislungen ,  es  kommen  grobe  Verstösze  gegen  die  Gram- 
matik vor,  die  man  nicht  dem  Setzer,  der  so  manches  über  sich  neh- 
men musz,  zuschreiben  kann,  so  der  wiederkehrende  Artikel  vor  dem 
Status  constructus,  die  volle  Form  hinter  dem  Vav  conversivum  usw. 
Dann  folgt  ein  Abschnitt :  die  Weisen  aus  dem  Morgenlande.  Diese 
Uebersetzung  aus  dem  Neuen  Testamente  ist  hier  aufgenommen,  *nm 
für  die  erste  zusammenhängende  Uebersetzung  einen  dem  Schüler 
wörtlich  bekannten  Inhalt  als  Erleichterung  zu  bieten.'  Es  sind  also 
solche  Schüler  vorausgesetzt,  denen  das  Alte  Testament  von  Anfang 
bis  Ende  ein  durchaus  unbekanntes  Buch  ist.-  Es  folgen  dann:  das 
Opfer  des  Abraham.  Der  brennende  Busch.  Wort  Gottes  an  Samuel. 
Elis  Strafe.  Joseph  gibt  sich  zu  erkennen.  Israel  zieht  nach  Aegyp- 
ten.  Weshalb  gerade  diese  der  Zahl  nach  unzureichenden  so  abgeris- 
senen Stücke  und  in  der  Ordnung  gegeben  sind,  diese  Fragen  haben 
wir  uns  nicht  beantwprten  können. 

Quedlinburg.  Gimsrau. 


\1. 

Aufgaben  zu  lateinischen  Stilübungen.  Mit  besonderer  Berück- 
sichlignng  von  Krebs  Anleitung  zum  Lateinschreiben  und 
von  Zumpts^  Schulzs  und  Feldbauschs  latein.  Grammatiken 
und  mit  Anmerkungen  versehen  von  K.  Fr.  Süpfle.  Zwei- 
ter Theil,  Aufgaben  für  obere  Klassen.  Siebente  verbesserte 
Auflage.    Karlsruhe,  Th.  Groos.  1855.  VllI  u.  392  S.  8. 

Obgleich  die  Anzahl  der  Aufgaben  zu  lateinischen  Stilübungen 
sich  täglich  mehrt,  so  haben  gleichwol  die  Arbeiten  des  Hrn.  Süpfle 
sich  fort  und  fort  eines  groszen  und  verdienten  Beifalls  von  Seiten 
der  Schule  zu  erfreuen  gehabt,  wie  dies  die  rasch  aufeinanderfol- 
genden Auflagen  beider  Tlieilo  hinlänglich  beweisen.  Der  von  ins 
anzuzeigende  zweite  Theil  hat  so  bedeutende,  die  Zwecke  der  Schule 
fördernde  Verbesserungen  und  Zusätze  erhalten,  dasz  man  in  Wahr- 
heit sagen  kann,  es  sei  kaum  eine  Seite  zu  Anden,  wo  die  verbes- 
sernde Hand  gefehlt  habe.  Hef.  hat  eine  genaue  Einsicht  in  das  Buch 
genommen  und  ist  an  der  Hand  der  vorhergehenden  Auflage  zu  obi- 
gem Urtheile  gekommen.  Die  Aenderungen  sind  am  meisten  in  den 
Anmerkungen  ersichtlich  in  einer  schärferen  Fassung,  umsichtigeren 
Begründung  und  genaueren  Hinzufügung  des  eben  erforderlichen  lalei- 


F.  M.  Troegel:  Causeries  sur  1«  ptycholo^e  des  animaax.    209 

Bischen  Ausdrackes.  Zar  Erhärtung  des  eben  gesagten  wollen  wir 
kürzlich  zur  Vergleichnng  rerweisen  auf  Seite  34,  37,  45,  47,  80, 135, 
140,  149.  Verbesserungen  im  Texte  treten  oft  hervor,  so  Seite  44, 
260.  Einer  sehr  genauen  Durchsicht  wurden  S.  265—294  unterworfen. 
Solche  Aenderungen  reden  laut  für  die  gewissenhafte  Sorgfalt,  mit 
welcher  der  Hr.  Vf.  gearbeitet  hat  und  für  welche  ihm  die  Schule 
gewis  dankbar  sein  wird.  Für*  diejenigen  Schulen,  denen  diese 
Uebungsbficher  bislang  unbekannt  waren,  erlauben  wir  uns  noch  be- 
sonders zu  bemerken,  dasz  das  eigenlhümliche  des  ersten  und  zweiten 
Theiles  dieser  Aufgaben  in  der  gleichmäszigen  Verbindung  streng 
grammatischer  Stücke  mit  freien  Uebungsstücken  besteht.  Gerade 
hierin  finden  wir  das  charakteristische  des  Buches  und  ein  methodi- 
sches Verfahren,  welches  den  Büchern  noch  weitere  Verbreitung  sicher 
verschaffen  wird.  Dazu  kommt  —  und  darauf  legen  wir  groszen 
Werth  —  dasz  der  Inhalt  der  Uebersetzungsaufgaben  ein  durchweg 
frischer ,  belebender  und  belehrender  ist.  Indem  Ref.  das  Buch  der 
Aufmerksamkeit  der  Herren  Collegen  empfiehlt,  die  es  bisher  noch 
nicht  kannten,  ist  er  gern  erbötig  dem  geehrten  Vf.  auf  einem  anderen 
Wege  einige  auf  Verbesserung  bezügliche  Wünsche  zukommen  zn 
lassen.  Die  äuszere  Ausstattung  des  Buches  ist  sehr  zu  loben. 
Sondershausen.  Hartmann. 


12. 

Causeries  sur  la  psychologie  des  animaux,  par  F.  M.  Troegel j 
docteur  en  phU.  Leipzig  (c),  librairie  de  M.  C.  Dürr,  1856. 

Durch  die  Kenntnisnahme  des  vorliegenden  Buches  wurde  mir 
zwar  eine  Täuschung,  jedoch  eine  höchst  angenehme,  bereitet.  Da 
ich  nemlich  im  Begriffe  stehe,  eine  Sammlung  von  französischen 
Unterhaltungen^)  zu  veröffentlichen,  welche  zwischen  der  zahl- 
losen Menge  von  Gesprächsbüchern  und  den  rühmlichst  bekannten 
Causeries  parisiennes  in  der  Mitte  stehen,  jedoch  einem  gröszern 
Publicum,  als  letztere,  bestimmt  werden  sollen,  und  ich  zu  diesem 
Zwecke  alles  zu  erreichen  suchte,  was  mit  meinem  zusammenhängen- 
den, vielseitigen  Plane  in  irgend  einer  Verwandtschaft  steht,  so  nahm 
ich  auch  von  diesem  Buche  Einsicht,  weil  ich  aus  dessen  Titel,  nach 
dem  Hauptbegriffe  des  Wortes  causerie,  auf  ein  Werk  in  Gesprächs- 
form zu  schlieszen  berechtigt  war.  Dem  ist  jedoch  nicht  so:  dieses 
Buch  bietet  in  historischer  Folge  zuerst  einen  Ueberblick  der  Ge- 
schichte der  Psychologie  der  Thiore:  durch  eine  Beihe  von 
Urtheilen  von  Anaximander  und  Pythagoras  bis  zu  Aristoteles  sind  die 


*)  Causeries  d^Ecoie.    Französ.  Gespräche  über  deutsche  Zustande, 
zur  UebuBg  in  der  Umgangssprache  der  gebildeten.    Bfains,  Kunxe. 


210    F.  M.  Troegel:  Causeries  sur  la  psyohologie  des  animaaz. 

Ansichten  der  Griechen  dargelegt;  ebenso  folgen  die  Römer  und  Ro- 
manen von  Flinius  bis  zu  den  neueren  Völkern :  Carlesius,  Gassendi, 
Lcibnilz,  Locke,  Linnä,  Condillac  und  seine  Nachfolger  bis  su  Oken, 
liefern  ihre  Urtheile.  Hierauf  folgt  als  Hauptkapitel:  Facultas  des 
animaux,  (intelligence ,  imagination,  memoire,  conscience);  ferner: 
sentimcnt  moral,  sentiment  du  Beau;  unter  Willens?ermögeD:  Ca- 
racl^re;  in  welchen  Kapiteln  durch  die  Aufzfihlang  vieler  anziehen- 
den Thalsachen  jedem  Thiere ,  selbst  dem  Würmchen  im  Staobe ,  sein 
Anlhcil  an  den  verschiedenen  Geislesvermögen  vindiciert  wird.  Dasi 
der  Elcphant,  der  Bieber  und  der  Hund,  andrerseits  die  Vögel,  onter 
den  Insectcn  die  Biene,  die  gröste  Rolle  spielen,  versteh!  sich  tob 
selbst. 

Zur  nähern  Charakterisierung  hebe  ich  einzelne  Hauptsfifze  aas, 
welche  als  Resultate  der  aufgestellten  historischen  Angaben  erseheinen. 

Co  qui  prouve  fintelligence  des  oiseaux,  c^est  qu^ils  calcuknt 
les  consequences  de  Icurs  aclions. 

Les  oiseaux  de  mSme  que  les  mammifires  choisissenl  de  deax 
maux  Ic  plus  petil,  de  deux  avantagcs  le  plus  grand. 

Les  oiseaux  manifestent  aussi  leur  intelligence  en  distingaaBt 
Papparence  de  la  rcalit^. 

Den  Schlusz  bildet  eine  lyrische  Nachahmung  des  Nachtigallen- 
gesangs von  Dupont  de  Nemours,  auf  welche,  gleichsam  als  Verwah- 
rung gegen  etwaige  Mis Verständnisse,  als  recapilulation  folgt: 

Quoiqu**!!  y  ait  de  Pinjuslice  a  rcfuser  a  Panimal  les  facultes  de 
connailre,  de  sentir,  de  vouloir,  il  serait  absurde  de  pretendre  qn'il 
en  a  aussi  toules  los  nuanccs,  (outcs  les  gradations.  Quelle  que  soit 
Tattention,  quel  que  soit  le  soin  que  Ton  metto  ä  observer  les  oiseaux 
et  les  mammiföres  les  plus  parfaits,  jamais  on  ne  leur  troovera  ni  la 
raison,  ni  le  libre  arbitre,  ni  la  lucidile  de  la  conscicnce,  tr^sors  prc- 
cieux  de  notro  ame  immortelle,  par  les  qnels  la  Frovidence,  dans  sa 
divinc  bonte,  a  bien  voulu  nous  distinguer  du  resle  des  cr^alores. 

In  Bezug  auf  die  Sprache  sind  mir  nur  zwei  Stellen  aufgestosceD: 
pag.  1.  Je  ne  suis  pas  de  Pavis  de  ceux  qui  prctendent  que  la  philo- 
sophie  soit  ixn  privil^ge  exclusif  de  quelques  61us  de  la  science.  — 
Pag.  61  steht  physiognomie  für  physionomie;  ersteres  heiszt  Ge- 
sichtskunde, letzteres,  welches  hier  gemeint  ist,  Gesiohtf- 
b  i  1  d  u  n  g. 

Wenn  mir  übrigens  diese  Meditations  sur  la  Psychologie  des 
Aniniaux  durch  ihren  reichen  Inhalt,  gleich  einer  grünenden  Oase  in- 
mitten einer  weiten  Einöde,  einige  angenehme  Stunden  gewihrleo,  so 
stelle  ich  noch  weit  höher,  weil  seltener,  die  reine  und  gewandle 
Sprache  dieses  französisch  gedachten  Büchleins,  welohes  in 
doppelter  Beziehung  für  Schule  und  Haus  zu  empfehlen  mir  sain  Ver- 
gnügen gereicht. 

Iladamar,  im  Februar  1856.  Barbieiix, 


Aasxflge  aas  ZeitsohriffleB.  211 

Auszüge  aus  Zeitschriften. 


Paedagagische  Revue.   16  Jhrg.  1855. 

Mai-  o.  Jonih.  Krejssigs  Leben,  beschr.  r.  Piiedrichy  her- 
aasgeg.  t.  Kreyssig.  Ang.  ▼.  Kohler  (8.  342-45).  —  1.  Zim- 
mermann: Scbalgramm.  d^  engl.  Spr.  2.  Aubrey:  Elementerb.  x. 
Erlernung  d.  engl.  Spr.  3.  Biering:  engl.  Lebrb.  f.  Gymn.  4.  Man- 
ne!: praKi.  engl.  Sprach!.  5.  Plate:  vollstand.  Lehrgang  s.  erlern, 
d.  engl.  Spr.  6.  Voigtmann:  Anleit.  x.  rieht.  Aasspr.  d.  Engl.  7. 
Ders.:  9  prakt»  Uebungen.  8.  Ders.  William  Maror^s  english  spelling 
boolc.  Ang.  T.  Robolsky  (S.  347—55:  An  1.  Mangel  an  Correctheit 
getadelt.  Nr.  5  u.  6  f.  erhalten  als  gediegene  Werke  Lob).  —  Wolf: 
deutsche  Götterlehre.  Ang.  r.  Schweizer  (8.  355 — 61:  lobende,  anf 
einzelnes  eingehende  Anzeige).  —  Vehse:  Gesch.  d.  dentscben  Höfe. 
21.  u.  22.  Bd.  Ang.  ▼.  M.  (8.  361—^64:  indignierte  Benrtheilang).  — 
Brann:  qnadrat.  Gleichangen.  Ang.  ▼.  Langbein  (8.  366:  nicht 
empfohlen).  —  Lauteschläger:  Beispiele  u.  Anfgaben  zur  Algebra. 
4.  A.  Ang.  T.  dems.  (8.  365  f.  reichhaltig).  —  Kühn  et  Lehrb.  d. 
Arithmetik  n.  Algebra.  Ans.  ▼•  dems.  (8.  366—69:  manches  nicht  ge- 
nügend gefunden).  —  Smith:  Karte  d.  V.  St.  t.  Nordamerika.  Ang. 
▼.  Gribel  (8.  370:  sehr  gelobt).—  Nieberding:  Leitfaden  d.  Erd- 
kunde. 4.  A.  Ang.  T.  dems.  (8.  370  f.:  gehört  zu  den  besseren).  — 
Waubke:  Leitfaden  d.  Geogr.  Ang.  v.  dems.  (8.  371  f.  mancher  Ta- 
del). —  Scheder:  Palaestina.  V.  dems.  (8.  372:  angelegentlich  em- 
pfohlen). —  Engel:  Elementaratlas  u.  ffeogr.  Perspectivatlas.  V. 
dems.  (8.  373 — 75:  ganz  Terworfen).  —  Volt  er:  Schnlatlas.  V.  dems. 
(8,  375  f.  im  allg.  gelobt).  =  Paedagog.  Zeitung.  =  Julih.  Arenz: 
d.  Gesetz  über  d.  mittleren  Unterricht  in  Belgien.  4.  Art.  (8.  1 — 25: 
d.  Mitwirkung  des  Clerus  in  d.  Staatsanstalten.  D.  Religionsunter- 
richt. Art.  8  d.  Gesetzentwurfs.  D.  Conrention  ▼.  Antwerpen).  — 
Weishaupt:*  d.  Tragoedie  (8.  26—46:  Geschichte  der  griech.  Tra- 
goedie  u.  Parallele  zwischen  ihr  u.  d.  modernen).  —  Ausgaben  des 
Phaedrns  von  Jordan  (Leipzig  1833),  Hoffmann  (Berlin  1836), 
Kone,  Seibt,  Siebeiis  n.  Raachig.  Ang.  t.  Meinsbausen 
(S.  50—64:  Besprechung  rom  praktisch  -  paedagogisehen  Standpunkt 
aus,  wobei  1.  2.  n.  4.  härteren  Tadel  erfahren.  Der  Vf.  entscheidet 
sich  für  Lectfire  des  Phaedrns  Tor  der  des  Nepos).  —  Historische 
Lehr-  u.  Lesebneher  1854.  V.  Campe  (8.  64 — 80.  Besprochen  werden 
unter  vielen  paedagogisehen  Winken  und  Bemerkungen  des  unterz. 
Grundrisz,  Grashof:  Leitfaden  d.  allg.  Weltgesch.  5.  A.,  Spiesz: 
Weltg.  in  Biographien,  Caner:  Geschichtstabellen,  Zeisz:  Lehrb. 
d.  Gesch.,  Beck:  Leitfaden  b.  ersten  Unterr.  in  d.  G.,  Kroger: 
norddeutsche  Freiheits-  u.  Heldenkämpfer,  Klopp:  deutsche  Ge- 
schichtxbibliothek.)  -~  Paedagog.  Zeitung  (enthält  8.  209 — 222  einen 
Abdruck  aus  d.  protest.  Monatsbl.  über  d.  Bibel  in^d.  evangel.  höh. 
Unterrichtsanstalten)  tn  August h.  Schweizer:  ü.  d.  Elementar- 
unterricht in  d.  alten  Spr.,  zunächst  im  Latein«  (8.  81 — 105:  Dar- 
legung, wie  schon  im  1.  Jahre  des  mit  12j.  Knaben  zu  beginnenden 
lat.  Unterrichts  die  Resultate  der  vergleichenden  Sprachforschung  zu 
benützen  seien).  —  Seffer:  Elementarb.  d.  hebr.  Spr.  2.  A.  u.  Vo- 
«en:  kurze  Anleitung  z.  Krlern.  d.  hebr.  Spr.  Ang.  v.  Mühlberg 
(9.  106—10:  lobende  Anzeige  mit  einzelnen  Bemerkungen).  —  Klein- 
schmidt: d.  Unterricht  im  Griech.  kann  bei  wöchentl.  8  Stundeji  in 
Untertertia  mit  Anabasis  u.  Odyssee  begonnen  werden.  Ang.  v.  Köhler 
(8.  112—15:   im  ganzen  beistimmend).  —  Franzos.  u.  engl.  Lehr-  und 


212  Auszüge  aus  Zeitochriftea. 

Hilfsbücher.    Ang.  v.  Robolsky  (S.  115 — 120:  herronuheben  ist  das 
Lob,   welches   Gräser:    Poesie«   des    V.    Hago   nsw.   n.   Beb  nach: 
Gesch.  d.  engl.  Spr.  u.  Litt,  gespendet  wird).  —    Hahn:  d.  Fand  v. 
Lengerich.    Ang.  v.  Cainpe  (S.  121  f.  Keferat).  —   Ebeling:  Sieben 
Bucher  französ.    Geschichte  1.  Bd.    Ang.    v.   dems.  (S.  123 — 29:    ein- 
gehende Charakteristik  des  bedeutenden  Werks).  —    Griechieche  My- 
thologien von  Lauer,  Gerhard,  Preller,  Braun  a.  Ring.     Ang. 
V.  dems.  (8.  129 — 46:    Erörterung  der  Principien  'für  die  Darstellang 
der  Mythologie  im  Systeme  und  des  Verhältnisses  der  einzelnen  Werke 
zu  ihnen).  —  Merschmann:   Leitfaden  z.  Unterr.  in  d.  preasi.  Ge- 
schichte u.  Hahn:  Gesch.  des  preusz.  Vaterlands.     Ang.  r.  Sierert 
(S.  146—51:    d.   erstere  Buch   entschieden  getadelt,   der  zweite  unter 
manchen  Berichtigungen  gelobt).  —  Mousson:  d.  Gletscher  d.  Jetst- 
zeit.    Ang.  v.  Straub  (S.  151 — 53:   d.  Lehrern  der  Geographie  drin- 
gend empfohlen)  —   Emsmann:    d.   richtige  Passattheorie  ist  Baent 
aufgestellt  von  Hadley   1735   und  nicht  Ton  Halley  1686  (S.  157— 
62).  —   Paedag.  Zeitung   abringt  S.   258—73   einen  aus  VogeFs  und 
Körners    höherer  Bürgerschule    abgedruckten   Aufsatz  t.  Robolsky: 
d.  französ.  Leetüre  in  d.  oberen  Kl.,  der  zwar  zunächst  für  die  Real- 
schule bestimmt,   doch  auch  für  d.  Gymn.  Beachtung  verdient).  *)  t=s 
Septemberh.    Arenz:    d.  Gesetz  usw.  (S.    163—200:    Forte,  rem 
Junih.).  —    K.  T.  Raumer:  d.  deutschen  Universitäten.    2.  A.    Ang. 
V.  Gramer  (201 — 8:   dankbare  Darlegung  des  belehrenden  Inhalts  nnt 
einigen  Bemerknngen).  —     Cobet:    commentationes  philologicae  tres 
und   Variae  lectiones.     An^.    v.   Campe   (S.   208  — 19:    au^hrliches 
Referat   über  die   in   der  Philologie   Epoche   machenden  Schriften)  — 
Lehrbücher  u.  Hilfsmittel  für  d.  lat.  u.  griech.  Sprachunterricht.  Ang. 
V.  Queck  (S.  219—27:    Nach   einigen  einleitenden  Bemerkungen  er- 
halten unbedingtes  Lob:     Schmidt:    Elementarb.   d.  1.   Spr.    S.  A.| 
Bonnel:    Uebungsstücke.    5.   A.,    Fritz  sc  he:    deutsch -lat.    lieber- 
setzungsb.,    Freese:    Aufgaben  z.  Uebersetzen   a.  d.  D«  ins  6riech.| 
mehr  oder  weniger  Tadel  Born:   method.  Lehrb.  d.  lat.  Spr.,  Fri ti- 
sche: erstes  Regel-  u.  Uebungsb.,   Lenz:    Aufgaben  z.  Einübung  d. 
lat.  Synt.,   Weise:    Wörterb.  zu  Arrians   Anab.,    Mühlmann:  Tat- 
deutsches  Handwörterb.).  —    Spiesz  u.   Berleti    deutsche  Schulgr. 
f.  höhere  Seh.    Ang.  v.  Bach  (S.  227—35:    versucht  d.  Notbwendig- 
keit  e.  systematischen  deutschen  Grammatik  für  Realschulen,  wo  nicnt 
für  d.  Gymn.,   zu  erweisen).  —    Kurze  Anzeigen  von  Langbein  (S. 
235  f.  Tadel    erfährt  Gaupp:    lat.  Anthologie  für  Anfänger).  —   M»« 
them.  u.  a.  Lehrb.     Ang.  v.  dems.  (S.  236—44:   an  Grub  er:    d.  Un- 
terr.  in  d.  Planimetrie  usw.   wird  d.  Methode   gelobt,   d.  Ausführung 
weniger  befriedigend  gefunden.  Gelobt  werden  Harms:   d.  erste  Stufe 
des  roathero.  Unterr.   u.  Ravier:    Lehrb.  d.  Differential-  u.  Integral- 
rechnung, bearb.   v.   Wittstein   2.  A.,  mit  Bemerkungen  begleitet 
Benz:  Elementarb.  d.  niederen  Analysis,  Steffenhacen  u.  Heutsi: 
Compendium  d.  allg.  Arithm.,  Sass:  elementar.  Einleitung  in  d.  nllg. 
Arithm.,  Berkhan:  200  neue  Lehrsätze,   für  d.  Unterr.  nicht  brancn- 
bar   gefunden   Königer:     Grundlehre   d.    niederen  Meszkunde,   ent- 
schieden verworfen  bis  auf  hübsche  Aufgaben  Etienne:  Versncll  eines 
Curs.  d.  Mathem.).—  Paedag.  Zeit.=  Oct.-  u.  Nov.-H.  Robolsky: 
d.  litterarische  Frankreich  (S.  245 — 46:    Besprechung  der  bedeuUam- 
sten  im  Gebiete  der  Philologie,   Historiographie^  Theologie   u.  Philo- 
sophie in  Frankreich  erschienenen  Werke).  —    Thiersch:  fi.  christl. 
Familienleben.    Ang.  v.  Lgb.  (S.  259—59:  viel  Beistimmung).—  Gie- 


*)  Mit  diesem  Heft  hört  Scheiberts  Thcilnahme  an  der  Redtet  auf. 


AasKflgre  ans  Zeitseliriftea.  213 

sebrecht:  3  Schnlreden  n.  ein  Fragment.  Ang.  r.  dems.  (S.  259). 
—  Hecht:  was  haben  diejenigen,  welche  Pfarrer  werden  wollen,  im 
voran«  zu  bedenken?  Ang.  v.  dems.  (S.  262).  —  Lentbecher:  D. 
Arnos  Conmenins  Lehrknnst.  Ang.  v.  dems.  (S.  26S:  wird  sehr  em- 
pfohlen). —  Rabbinowicz:  hehr.  Gr.  Ang.  t.  Mühlberg  (S.  267: 
neben  Anerkennung  auch  Tadel).  —  Putsche:  lat.  Gr.  11.  A.  Ang. 
T.  Kohl  er  (8.  2^  f.  empfehlend).  —  Kegeln  'o.  Worterverceichnia 
für  deutsche  Rechtschreibung.  Ang.  r.  Peldbausch  (8.  269^275 > 
bei  manchen  Ausstellungen  doch  das  ganze  freudig  begrnszt).  —  Phi- 
lippson:  d.  israelitische  Bibel.  3.  Th.  Ang.  t.  Mnhlberg  (8.  280f. 
empfohlen).  —  Bernhardy:  Grnndrisz  d.  rom.  Litt,  3.  A.  Ang.  v. 
8cnweizer  (8.  281 — 90:  mit  Bemerkungen,  nam.  aus  der  Sprachver- 
gleichung, begleitete,  das  8tudinm  dringend  anrathende  Anz.)  — 
8chnlze:  Leitf.  b.  Unterr.  in  d.  Gesch.  d.  deutsch.  Nat.-Litt.  Ang. 
V.  8chnbart  (8.  290  f.:  viel  Tadel).  —  Caes.  d.  b.  c.  v.  Bobe- 
renzy  Ovid.  Metam.  v.  Siebeiis,  Cic.  Tuscnl.  v.  Koch,  Cic.  Cat. 
m.  V.  Nanck,  Lat.  Leseb.  enth.  Brzählungen  a.  d.  Herodot,  u.  Nep. 
ed.  Reinhold.  Ang.  v.  Qu  eck  (8.  292-94:  kurz;  am  meisten  wer- 
den d.  3.  Q.  6.  Buch  getadelt).  —  Oltrogge:  deutsch.  Leseb.  Neue 
Ausw.  Ang.  V.  L.  (8. 295  f.)  —  Frankne:  Lehr.  d.  höh.  Mathem.  Ang. 
Y.  Zehfusz  (8.  297—300:  Lob  mit  einzelnen  Bemerk.).  —  Eichel- 
berg: method.  Leitf.  z.  Unterr.  in  d.  Naturgesch.  (8.  300-— 303: 
Selbstanz.).  —  Klosz:  neue  Jahrb.  d.  Turnkunst.  Ang.  t.  Lang- 
bein (8.  305  f.  kurze  Erörterung  d.  frühem  Streites  geg.  Spiesz).  — 
Schweizer:  philolog*  Miscellen  (8.  307 — 19:  Besprochen  werden: 
Ross*  alte  Inschriften,  Oekonomides  Inschr.  v.  Chaleion,  Ausgrabung 
am  Heraeum,  Homer  d.  Zusammenfuger ,  d.  alte  Cato  als  Dichter,  un- 
serer Philologenversammlungen  Licht-  und  Schatten).—-  Streit  zw.  W. 
Zimmermann  u.  Robolsky  über  d.  Anz.  v.  d.  erstem  engl.  Schulgr. 
(8.  320—22).  —  Paed.  Zeit.  ♦)  =  Decemberh.  Schweizer:  üb. 
unseren  Elementarunterr.  in  d.  alten  Spr. ,  zun.  im  Lat.  (8.  323-36: 
Forts,  v.  Augusth.  Hier  wird  das  zweite  Jahr  besprochen,  wobei  na- 
mentlich die  Wortbildung  Berücksichtigung  findet). —  Hausdorffer: 
Aphorismen  ü.  Gymnasialhildung.^  Ang.  v.  Am  eis  (337 — 43:  durchaus 
lobend  u.  beistimmend,  bis  auf  ^ine  vom  Vf.  begangene  Inconsequenz). 

—  8chmitthenner*s  kurzes  deutsch.  Wörterb.  umgearb.  v.  Weigand. 
3.  H.  Ang.  V.  Schweizer  (s.  343—45:  sehr  gelobt). —  Poetae  lyrici 
graeci.  Ed.  Bergk.  2.  A.  Ang.  y.  Am  eis  (8.  345 — 48:  ausgezeich- 
net anerkannt).  —  Horatius.  Ed.  Pauly.  (8.  348—50:  als  sehr  be- 
deutsam bezeichnet).  —  Ludecking:  franz.  Leseb.  2.  Th.  Ang.  v. 
Buchner  (s.  350 f.  empfohlen).  —  Nitzelnadel:  d.  wissenswur- 
digste  a.  d.  Welt-  u.  Cnlturgesch.  in  Biographien,  l.  Bd.  Ang.  v. 
Schubart  (8.  342 — 54:  sehr  gelobt). —  Montanus:  d.  deutsch. 
Volksfeste  usw.  Ang.  v.  dems.  (8.  355:  empfohlen).  —  Fritzsche: 
tabellar.  Uebers.  d.  allg.  Gesch.    Ang.  v.  dems.  (8.  358:  empfohlen). 

—  Stacke:  Erzählungen  a.  d.  mittl.  n.  neuem  Gesch.  2.  Thl.  Ang. 
V.  dems.  (8.  358:  gut,  aber  zu  viel  Beiwerk).  —  »Herz fei d:  Gesch. 
d.  Volks  Israel*  Ang.  v.  Muhlberg  (8.  359:,  dem  Studium  empfoh- 
len). —  Diesterwegs  populäre  Himmelskunde,  5.  A.,  Leypoldt: 
Himmelskunde  n.  v.  Buttlar;  d.  wesentlichste  d.  Sternenkunde.  Ang. 
V.  Langbein  (8.  359  —  61:  An  1  wird  die  Methode  gelobt,  aber  der 
religiöse  Standpunkt  bekämpft).  —  Grube:  Charakterbilder  a.  d. 
W\\.  Schrift  und  Günther:    Auslegurig  d.  bibl.  Gesch.   1.  Bd.    Ang. 


"*)  Von   hier  an  ist  auch  Kuhr  aus   d.  Redact.  getreten  n.  wird 
diese-/.  Langbein  allein  gefuhrt. 


214  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

V.  Schnbart  (S.  361—63:  d.  2.  Buch  empfohlen,  gegen  d.  8Und- 
puiikt  des  erateren  Einwendungen).  —  Hollenberg:  Hilfsb.  f.  d. 
evaiig.  Religionsunterr.  in  Gy'mn.  u.  Wippermann:  Grundr.  d.  Kir- 
cheiigescli.  Ang.  v.  dem».  (S.  365—68:  beide  Bücher  gelobt,  doch  d. 
erstere  mehr).  —  RoboUky:d.  litterar.  Frankr.  2.  Art.  (S.  368— 
Hl :  Fortsetzung  v.  Oct.  u.  Nov.,  die  geschichtl.  Litt,  umfassend).  — 
Paedagog.  Zeit.  (Bericht  über  d.  Versammlung  d.  ReaUchuImanner  in 
Hannover  27-29.  Sept.  1855  S.  367—73.  Beiträge  a.  Geach.  d.  Öster- 
reich. Unterrichtswesens  aus  d.  deutsch.  Vierteljahrschr.  n*  d.  alig. 
Zeitung  S.  373—87). 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  statistische 
Notizen,  Anzeigen  von  Programmen. 

Alto.na.  Zum  Schulactiis  des  Christianeums  am  29.  n.  30.  Min 
1855  erschien  als  wissenschaftliche  Abhandlung  vom  sechsten  Lehrer, 
Dr.  E.  n.  Chr.  Sorensen:  Versuch  einer  kritischen  Beleachtong  des 
von  Schleiermacher  gelegten  Fundamentes  der  philosophischen  Ethik, 
24  S.  4.  Aus  den  Schulnachrichten,  S.  25—28,  erfahren  wir,  dasz 
der  zweite  Lehrer,  Professor  Dr.  Frandsen  als  Dlrector  an  das 
neu  gegründete  Realgymnasium  in  Keiidshurg  Mich.  1854  getreten  und 
seine  Stelle  einstweilen  durch  den  als  Hiilfslehrer  constituierten  Schul- 
amtscandidaten  Volbehr  ersetzt  worden  ist.  Hr.  de  Castres  trat 
als  Lehrer  des  französischen  an  die  Stelle  des  ausgeschiedenen  Dr. 
'Wallace.  Der  Inspector  der  holsteinischen  Gelehrtenschulen,  JBtati- 
rath  Dr.  Trcde  (früher  Kector  der  Plöner  Gclehrtenschule)  unterxog 
das  Gymnasium  einer  amtlichen  Revision.  Auf  seiner  Rundreise  be- 
ehrte auch  der  König  das  Gymnasium  mit  seinem  Besuche.  Die  An- 
stalt hatte  im  Sommer  171  Schüler,  nemlich  13  in  T,  20  in  11,  16  in 
in,  22  in  IV,  41  in  V,  47  in  VI,  12  in  Vll ;  im  Winter  180,  ncmlich 
IG  in  I,  19  in  II,  23  in  III,  20  in  iV,  42  in  V,  45  in  VI,  15  in  VII. 
Michaelis   1854  hatte  sie  keinen,  Ostern  1855  7  Abiturienten. 

AiYs  dem  G roszh erzogthum  Baden.  Ueber  die  Universität 
Heidelberg  und  über  badische  Gelehrtenschulen  (Paedagogien,  Gym- 
nasien, Lyceen)  theilen  wir  theils  aus  ofliciellen  Berichten,  theils  ans 
badischen  Blättern  folgendes  mit: 

Das  Fest  der  Universität,  die  Preisvertheilung  am  Ge* 
burtstage  des  unvergesziichen  Groszherzogs  Karl  Frie- 
drich, in  welchem  die  Universität  ihren  Wiederhersteller  und  swei- 
ten  Gründer  verehrt,  gieng  am  22.  November  1855  in  üblicher  Weise 
vor  sich.  Die  Festrede  hielt  der  zeitige  Prorector,  geheime  Hofirath 
und  Oberbibliothekar  Dr.  Bahr.  Sie  ist,  wie  von  dem  berfibmten 
Philologen  nicht  anders  zu  erwarten  war,  in  classischer  Latinitit  ab- 
gcfaszt  und  so  eben,  auch  tynographisch  der  erhabenen  Feier  wfirdig 
ausgestattet,  im  Drucke  erschienen  und  liefert  einen  sehr  dankenswer- 
then  Beitrag  zur  Geschichte  des  wiederaufbluhens  wissenschaftlicher 
Bildung,  besonders  in  Deutschland  durch  die  Bemühungen  Kaiser  Karls 
des  Groszen  ♦). 


*)  Der  Titel  der  Rede  ist:  De  literarum  studiis  a  Carolo  ilfa<^0 
revocatis  .\c  schola  Palatina  instahrata.  Heidelbergae.  Typis  G^rgü 
M(»hr.    I8:)5.  33  S.  4. 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnangen,  Statist.  Notizeu.  215 

Der  Festredner  nahm  von  der  Wiederhentellung  der  Univerüitat 
durch  Karl  Friedrich  YeranlaASong  su  dem  Gegenstände  seiner 
Hede,  welche  über  die  Wiederherstellung  der  gelehrten  Studien  durch 
Karl  den  Grossen  sich  verbreitete  und  zu  dieaem  Zwecke  in  eine 
nähere  Darstellung  der  von  demselben  wenn  auch  nicht  gestifteten, 
SU  doch  zu  neuem  Leben  gerufenen  Hochschule  (Schola  Palatina)  ein- 
gieng.  Es  wird  gezeigt,  wie  Karl  derGrosze,  so  wie  er  an  die 
iSpitze  des  Reichs  getreten  war,  durch  Berufung  ausgezeichneter  Leh- 
rer, insbesondere  des  Alcoihus,  dieser  Schule,  an  welcher  die  um 
den  Hof  versammelten  Söhne  der  Groszen  des  Reichs  zunächst  gebil- 
det wurden,  neuen  Glanz  zu  verleihen  und  sie  zu  einem  Mittelpunkte 
gelehrter  Studien  unmittelbar  an  seinem  Hoflager  zu  machen  suchte, 
zu  einer  Art  von  Musterschule,  welche  den  übrigen  Schulen  des  Reichs, 
deren  Förderung  Karl  der  Grosze  sich  so  angelegen  sein  liesz,  vor- 
leuchten sollte,  indem  an  ihr  die  hohen  Würdeträger  des  Reichs,  wie 
die  zu  den  höheren  kirchlichen  Stellen  berufenen  ihre  Bildung  erhal- 
ten Rollten.  Die  ganze  Familie  des  Kaisers,  selbst  die  weibiicheR 
Glieder  derselben,  nahmen  an  diesen  wissenschaftlichen  Bestrebungen 
Antheil.  Es  wurden  aber  an  dieser  mit  dem  Hoflager  selbst  verknüpf- 
ten und  darum  selbst  an  keinen  bestimmten  Ort  gebundenen  Schule 
oder  Akademie,  neben  dem  Studium^der  klassischen  römischen  Schrift- 
steller, die  hier  einer  sorgfältigen  Pflege  sich  erfreuten,  insbesondere 
die  sieben  freien  Künste  gelehrt,  wie  dieses  im  einzelnen  trefflich 
nachgewiesen  wird.  Auch  fehlte  es  nicht  an  dem  dazu  nöthigen  ge- 
lehrten Material,  an  einer  Buchersammhing,  auf  deren  Anlage  die 
eifrige  Sorge  Karls  des  Groszen,  wie  des  von  ihm  aus  England 
berufenen  Alcuiuus  gerichtet  war.  So  liegt  in  diesen  Bemühungen 
Karls  des  Groszen  der  Grund  der  Erhaltung  der  klassischen  Studien 
des  Alterthums  und  damit  der  Wissenschaft  selbst,  welche  in  diesen 
Studien  ihre  dauernde  Grundlage  erhalten  hat.  Die  Belege  zu  der 
Darstellung,  wie  zu  den  einzelnen  Behauptungen  sind  hinter  der  Rede 
selbst,  welche  22  Quart-Seiten  umfaszt,  in  beigefügten  'Annotationes' 
S.  23—33)  gegeben  und  zeugen  nicht  weniger  von  der  ausgebreiteten 
Gelehrsamkeit  des  würdigen  und  verdienstvollen  Verfassers  auch  in 
diesem  Zweige  der  Litteratur,  als  auch  von  desken  ebenso  «mfassen- 
den,  als  gründlichen  und  oft  recht  mühsamen  Forschungen. 

Hierauf  jieng  der  Redner  zur  Erzählung  der  Jahresgeschichte  der 
Universität  über  und  verkündete  die  Beschlüsse  der  Facultäten  über 
die  eingegangenen  Preisschriften.  Die  juiidische  Facultät  hatte  eine 
Schrift  erhalten,  die  ihr  jedoch  nicht  genügend  schien.  Bei  der  medl- 
cinischen  waren  zwei  Abhandlungen  eingereicht  worden,  deren  eine, 
ganz  vorzügliche,  den  Preis  erhielt.  Bei  der  Erbrechung  des  Siegels 
ergab  sich  der  Name  des  Verfassers:  Moos  ans  Randegg.  DerseJbe 
hatte  der  Aufgabe  gemäsz  durch  sehr  mühsame  Versuche  der  Verschie- 
denheit der  flüssigen  Ezcremente  bei  dem  Typhus  ond  den  gastri- 
schen Leiden  dargethan.  In  dem  Bereich  der  philosophischen  Fa- 
cultät wnrde  dem  stud.  Braun  ans  Hofsteinbach  der  Preis  für  seine 
Znsammenstellung  der  Nachrichten  über  Geschichte  und  Alterthü- 
nier  der  Krim  (des  taurischen  Chersonesus)  von  den  ältesten  Zeiten 
bis  zum  Untergange  des  Bosporusreiches,  dem  stud.  Krummel  ans 
Heideisheim  für  seine  Untersuchung  über  Ertrag  und  Capital  gröszerer 
und  kleinerer  Bauerngüter  in  einer  einzelnen  Gegend,  wozu  der  Ver- 
fasser den  Kraichgau  gewählt  hatte,  zuerkannt.  Die  Facultät  fand 
besonders  die  vorausgeschickte  landwirthschaftlicbe  Beschreibung  Jener 
Gegend  lobenswerth.  Alle  drei  Preisträger  waren  demnach  Badener« 
Den  Schlusz  machte  die  Verkündigung  der  neuen  Preisanfgaben. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den   badischen  Gelehrtenschnlen, 


216  Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  Statist.  Notizen. 

so  zeigen  diese  für  das  Schuljahr  1854/55  folg^ende  Frequenz  *):  A.  Ly- 
ceen:  1.  Karls  ruhe,  ohne  Vorschule  422,  mit  derselben  638  (397  evang., 
197  kath.,  44  Israel.);  2.  Preiburg  351  (306  kath.,  45  eTangel.); 
3.  Heidelberg  281  (189  evaiig.,  88  kath.,  4  Israel);  4.  Mannheim 
280  (133  kath.,  129  evang.,  17  israel.,  I  deutschkath.);  5.  Konstani 
222  (199  kath.,  23  evang.);  6.  Rastatt  J88  (155  kath.,  31  evang., 
2  israel.);  7.  Wertheim  133  (99  evang.,  27  kath.,  7  israel.)-  ß. 
Gymnasien:    1.  Bruchsal  197  (151  kathol.,   28  evang.,  18  israel.); 

2.  Bischofsheim  a.T.  166  (157  kath.,  2  evang.,  7  Israel.);  3.  Offen- 
burg 164  (l-*7kath.,  17  evang);  4.  Lahr**)  mit  Vorschule  (12  Schul.) 
129  (100  evang.,  26  kath.,  3  Israel.);  5.  Donaueschingen  96  (88  kath., 
8  evang.).  C.  Paedagogien:  1.  Pforzheim*)  161  (150  erane., 
7  kath.,  4  Israel.);  2.  Lörrach**)  1J6  (100  evang.,  12  kath.,  4  isri); 

3.  Durlach**)  69  (67  evang.,  2  kath.).  Die  Gesamtschülersahl 
beträgt  3191,  darunter  1695  Katholiken,  1385  Protestanten,  110  Israe- 
liten und  1  Deutschkatholik.  Von  dieser  Gesamtschülerzahl  befinden 
sich  in  Prima  beiläufig  16  Procent,  in  Secunda  17,  in  Tertia  16,  in 
Unterquarta  13,  in  Oberquarta  9,  in  Unterquinta  6,  in  Oberqninta  6, 
in  Untersexta  4,  in  Obersexta  6  Procent***).  Die  Ab-  oder  Zu- 
nahme der  BVequenz  der  einzelnen  Anstalten  im  Vergleich  xu  der 
des  vorhergehenden  Jahres  ist  im  ganzen  unbedeutend;  die  Zunahme 
beträgt  z.  B.  in  Mannheim  6,  in  Lörrach  7,4,  in  Tanberbischofsheim 
8,5,  in  Rastatt  8,67,  in  Pforzheim  etwas  über  14  Procent;  die  Ab- 
nahme in  Bruchsal,  Karlsruhe  und  Konstanz  beiläufig  4,  in  Lahr  etwas 
über  7,  in  Durlach  beinahe  18  Procent.  Die  stärkste  Zunahme 
zeigt  also  Pforzheim,  die  gröste  Abnahme  Durlach.  Es  hängt  obri- 
gens  (wir  finden  diese  Bemerkung  für  nothweudig)  eine  solche  Ver- 
mehrung oder  Verminderung  oft  von  allerlei  zufälligen  Umständen  ab, 
und  Schwankungen  von  einigen  Prorenten  auf  oder  nieder  sind  bei 
schon  lange  bestehenden  Anstalten  etwas  gewöhnliches.  —  Vergleichen 
wir  die  Gesamtschülerzahl  der  Gelehrtenscliulen  vom  abgelaufenen  Schal- 
jähr  mit  der  des  vorhergegangenen,  nemlich  1853/54,  welche  3203  be- 
trug, so  stellt  sich  die  kaum  nennenswerthe  Verminderung  von  12  Scha- 
lem oder  0,37  Procent  heraus.  Von  1852/53  auf  1853/54  zeigte  sich 
eine  Vermehrung  von  4,2  Procent.  Eine  Vergleichung  der  erwähnten 
Gesamtschülerzahl  von  1854/55  mit  der  Bevölkerung  unseres  Landes 
(1,360,000  in  runder  Zahl)  gibt  ein  Verhältnis  von  1  zu  426.  Unter 
jener  (der  Schülerzahl)  sind  53,1  Proc.  katholisch,  43,4  Proc.  evange- 
lisch und  3,5  Proc.  israelitisch;  unter  der  Bevölkerung  Badens  jedoch 
66,3  Proc.  Katholiken,  31,9  Proc.  Protestanten  und  1,8  Proc.  Israeliten, 
so  dasz  also  der  Besuch  unserer  gelehrten  Mittelschulen  von  Seiten 
der  iHraeliten  relativ  der  stärkste,  von  Seiten  der  Katholiken  der 
schwächste  ist;  denn  es  kommt  1  israelitischer  Schüler  auf  218  israe- 
litische Einwohner,  1  evang.  Schuler  auf  313  evangelische  Einwohner 
und  1  katholischer  Schuler  auf  532  katholische  Einwohner.     Die  ka- 


Q  /^?  ^"  v'®  ^"  5^*«««»  Neuen  Jahrbüchern  B.  74,  H.  1,  Abtheil.  2, 
rl\jX^'\T  ^\^"i'"  ^^^^  ^'«  *^''^*1"«"»  der  h5he;en  SchX  d« 
mitÄSlT  ?l1""  ^?  Schuljahri  1854^)5  schliesat  sich  di?  hi^ 
maÄeU^^^^  crgan,      ,  und  vervollständigend  an,  was,  wenn 

^^icul^^^^^^^^  ^^^"  gegebene  Tabelle  mit  einander  ver- 

«.itgezähU^sinT'  '''^'"  BSrgerschule  verbunden,  deren  Schüler  hier 
KaXUe^unTLah^.''^"'^"    '  "^™^-^  '^— "    -^  <!-  Vorschulen   in 


Berichte  fiber  gelehrte  Anstalten,  Verordnmigen,  Statist.  Notizen.    217 

tholische  Confestion  ist  Torherschend  bei  den  Schulen  za  Frei- 
barg,  Konstanz,  Rastatt,  Tanberbiscbofslieim ,  Brachsal,  Donauexchin- 
gen,  Offenburg,  die  evangelische  bei  den  Schulen  zu  Heidelberg,  Karls- 
ruhe, Wertbeim,  Lahr.  Durlach,  Lörrach  und  Pforzheim.  In  Mannheim 
sind  beide  Confessionen  ungefähr  gleich  stark  vertreten.  Israelitische 
Schüler  haben  alle  Anstalten,  mit  Ausnahme  von  Freiburg,  Konstanz, 
Donaueichingen  y  Offenbnrg  und  Durlach.  Die  meisten  Israeliten  hat 
verhaltnismäszig  Bruchsal,  nemlich  9  Proc. ,  dann  folgt  Karlsruhe  mit 
7,  Mannheim  mit  6  und  Wertheim  mit  5  Proc.  —  Die  Zahl  der 
Lehrer  an  sämmtlichen  Gelehrtenschulen  (ausschlieszlich  der 
Nebenlehrer)  ist  145;  es  kommen  also  auf  1  Lehrer  durchschnittlich 
22  Schüler  *)  —  Wissenschaftliche  Beilagen  enthielten  dieses  Jahr  die 
Programme  folgender  Anstalten:  Freiburg:  Erläuterungen  zur  Ge- 
schichte der  römischen  Ritter  unter  den  Königen  von  K.  Kappes; 
Heidelberg:  Heidelberg,  die  erste  Gelehrtenschule  reformierten  Be- 
kenntnisses, oder  Geschichte  des  Paedagogiums  zu  Heidelberg  vom 
Jahr  1565—1577  von  Hautz;  Karlsruhe:  Ernst  Friedrich  Kärcher, 
ein  Lebensbild,  entv^rorfen  von  Gockel;  Konstanz:  Die  v.  Seifried- 
sche Sammlung  oninger  Versteinerungen  von  F.  N.  Lehmann;  Mann- 
heim: Drei  Schulreden  von  Behaghel;  Rastatt:  Ueber  das  Fehde- 
wesen im  deutschen  Mittelalter  von  Nikolai;  Wertheim:  Versuch 
einer  grundsätzlichen  Anordnung  des  deutschen  Sprachunterrichts  fSr 
die  badischen  Lyceen  von  K.  von  Langsdorff;  Bruchsal:  De  Pin- 
daro  Piatonico  von  Schlegel;  Donaueschi  ngen:  Ueber  die  fran- 
zosische Sprache  als  Lehrgegenstand  in  Gelehrtenschulen  von  Scha- 
ber; Lahr:  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Lahr  von  Mull  er; 


'^)  Es  dürfte  wol  nicht  ohne  alles  Interesse  sein  nachstehendes  ans 
einem  ausfuhrlicheren  Berichte  über  unsere  Mittelschulen  von  dem 
Schuljahre  1852^  mitzutheilen.  Diese  theilen  sich,  wie  oben  berich- 
tet, in  eigentliche  Gelehrtenschnlen  des  alten  Stils  in  ihren  drei  Ab- 
stufungen von  Paedagogien,  Gymnasien  und  Lyceen  und  ip  höhere  Bür- 
gerschulen. Von  jenen  sind  7  Lyceen  mit  9  Jahrescursen,  5  Gymna- 
sien mit  7  Jahrescursen  und  3  Paedagogien  mit  5  Jahrescursen.  Ihre 
Gesamtfrequenz  belief  sich  im  Schuljahr  1851—1852  auf  2983  Schüler, 
im  Schuljahr  1852—1853  auf  3074;  es  ist  sohin  eine  Zunahme  der 
Schüler  um  91  bemerklich.  Das  besuchteste  der  Lyceen  war  1853  Karls- 
ruhe mit  442  Schülern,  212  der  Vorschule  nicht  gerechnet,  das  mit  der 
geringsten  Schälerzahl  —  von  133  —  Wertheim.  Das  besuchteste 
Gymnasium  war  Bruchsal  mit  194  Schülern,  das  am  mindesten  besuchte 
Donaueschingen  mit  90.  Von  den  Paedagogien  hatte  Pforzheim  die 
gröste  Frequenz  mit  105,  die  geringste  Durlach  mit  84  Schülern.  Die 
25  höheren  Bürgerschulen  hatten  im  Schuljahr  1852  eine  Schülerzahl 
von  1587,  im  Schuljahr  1853  eine  solche  von  1872,  sie  wiesen  daher 
eine  Zunahme  von  285  Schülern  nach.  Von  ihnen  sind  die  besuchte- 
sten Heidelberg  mit  204,  Mannheim  mit  227  Schülern,  die  am  minde- 
sten besuchten  Gemsbach  mit  10,  Rheinbischofsbeim  mit  6  Schülern. 
Die  Mittelzahi  der  Frequenz  wäre  bei  den  höhern  Bürgerschulen  75, 
bei  den  Gelehrtenschnlen  überhaupt  205 .  bei  den  Lyceen  insbesondere 
270,  wobei  die  karlsruher  Vorschule  nicht  mit  in  Berechnung  gezogen 
ist,  bei  den  Gymnasien  134,  bei  den  Paedagogien  95  Schüler.  Zu  be- 
merken ist,  dasz  bei  den  höheren  Bürgerschulen  manche  auch  den  Lehr- 
kräften nach  nur  etwa  den  Namen  Gewerbschulen  verdienen.  Von  der 
Gelehrtenschule  ist  in  diesem  Jahre  die  höhere  Bürgerschule  in  Kon- 
stanz getrennt,  und  wol  zum  Vortheile  beider  Anstalten  unter  beson- 
dere Leitung  gestellt  worden.  , 

iV.  Jakrb.  f.  PML  u.  Paed.  Bd.  LXXIV.  Hft,  4.  lö 


218    Berichte  (iber  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  statisl.  Notiien. 

Offenbarg:  De  Pindaro  non  immodesto  sni  ipsius  landatore  Ton 
Seideuadei;  Lörrach:  Kurze  Geschichte  des  Paedagogiumt  bd 
Lörrach  von  Fecht;  Pforzheim:  Johann  Reachlin,  ein  Lebenabild 
Ton  Lamey;  Ettenheim:  Skizze  aus  der  Flora  von  Ettenbeioi  Ton 
Schildknecht;  Ettlingen:  die  deutsche  Rechtschreibung  and  Satz- 
zeichnung (Orthographie  und  Interpnnction)  ron  Knapp;  Schopf- 
heim: Kinleitende  Bemerkungen  zu  Johann  Peter  Hebers  allemanni- 
sehen  Dichtungen.  Zweites  Stück.  Von  S eisen  (Das  erste  Stück 
ist  als  wissenschaftliche  Beilage  des  Programms  vom  Jahre  1854  er- 
schienen). 

In  Beziehung  auf  die  den  Programmen  beigegebenen  wisaenachafl- 
lichcn  Beilagen  ist  noch  mit  höchst  dankenswerther  Anerkennung  bei- 
zufügen, dasz  einzelne  derselben,  weil  sie  das  gewöhnliche  Maas  dea 
Umfangcs  überschreiten  und  somit  die  Druckkosten  nicht  durch  die  ia 
den  Budgets  der  verschiedenen  Anstalten  ausgesetzten  Summen  be- 
stritten werden  können,  nicht  hatten  erscheinen  können,  wenn  nicht 
vom  groszhorzoglichen  Oberstudienrathe  und  groszherzoglichen  Mini- 
sterium des  Innern  mit  der  edlen  Munificenz,  mit  welcher  diese  beiden 
hohen  Behörden  die  wissenschaftlichen  Bestrebungen  der  Lehrer  za 
fördern  gewohnt  sind,  die  über  die  Budgets-Positionen  hinaasgehendea 
Summen  bewilligt  waren.  Namentlich  ist  dieses  bei  dem  Paediagogiaai 
in  Pforzheim  der  Fall,  wo  es  nur  durch  diese  Vergünstigung  möglich 
war,  dasz  sich  die  dortige  Gelehrtenschule  (das  mit  der  höheren  Biir- 
gerschule  vereinigte  Paedagogimn) ,  bei  den  Erweisungen  der  Pietät, 
mit  welcher  die  Bürgerschaft  Pforzheims  das  Andenken  an  ihren  be- 
rühmtesten Vorfahren,  Johann  Reuchlin,  Im  vierhundertsten  Jahre 
seiner  Geburt  feiert*),  lictheiligen  konnte  ♦♦).  Ks  geschah  dieaef 
durch  die  oben  erwäluüe  treiTliche  Schrift  des  Vorstandes  der  Schale, 
Professors  Dr.  Lamey  ♦*♦). 

Der  nachhaltige  Einflusz,  welchen  Reuchlin^s  gewiasermatiea 
universelle  Thätigkcit  auf  seine  und  die  spätere  Zeit  übte  und  die  be- 
vorstehende Saecularfeier  seiner  Geburt  möge  es  entschuldigen,  wenn 
wir  die  uns  gegebene  Gelegenheit  benutzen  und  etwas  ausführlicher 
auf  die  Schrift  selbst  eingehen.  Sie  gibt  die  Schilderung  eines  Man- 
nes, welcher  aus  kleinen  bürgerlichen  Verhältnissen  auf  dem  Tjebrstahle 
und  in  der  Stille  des  Studierzimmers  eine  so  reichhaltige  Wirktanikeit 
auf  seine  Zeit  ausgeübt  hat,  dasz  noch  heute,  nach  vierhundert  Jahren, 
die  Anfänge  und  Grundlagen  unserer  Bildung  vielfach  auf  ihn  inrnck- 
weisen.  Was  Reuchlin  als  Gesandter  bei  geistlichen  und  weltlichen 
Fürsten  ausgerichtet,  das  hat  der  Verfasser  kaum  mehr  beachtet,  alt 
den  Gegun.stand  der  Processe,  welche  derselbe  als  Anwalt  geführt  hat, 
denn  in  beiden  stand  er  im  Dienste  eines  fremden  Willens,  dem  er  nur 
den  rechten  Ausdruck  zu  geben  hatte.  Aber  schöjiferisch  und  aoa  eige- 
nem Geiste  handelnd  trat  er  auf  im  Gebiete  der  Wissenschaft  und  so 
stellte  sich  denn  auch  der  Verfasser  die  Aufgabe,  die  Znralligkelten 
der  dienstlichen  Verwendungen  Reuchlin's  nur  kurz  zn  regiatrieiett, 
dagegen  alles,  was  dessen  wissenschaftliche  Thatigkeit  betrifft,  ain- 
gehender  zu  erzählen  und  das  in  vielen  einzelnen  Notizen  lentrente 


*)  Johann  Reuchlin  wurde   am  28.  December  1465  in  Pfortbeim 

geboren. 

**)  Programm  des  eroszherzoglichen  Paedagogiums  und  der  hoheran 
Burgerschule  zu  Pforzheim  vom  Jahre  1855,  8.  3. 

♦♦♦)  Der  vollständige  Titel  ist:   Johann   Reuchlin.     Bine  knne 
Darstellung  seines   Lebens,    zur  vierten  Saecularfeier  seiner  Gebart. 

Pforzheim  1855.    95  S.  gr.  8. 


Berichte  Ober  gelehrte  Anstalten,  VerordnuogeB,  atatifit.  Notizen.  219 

Material  fmaaend  zn  gruppieren:  eine  Aufgabe,  welche  ihm  auch  voll- 
ständig gelungen  ist.  Trefflich  wird  die  Zeit  geschildert,  in  welche 
Reuchlin's  Geburt  fallt.  Es  war  die  Zeit,  in  der  die  Buchdrucker- 
kunst noch  in  den  Kinderjahren  war.  Eben  druckte  man  auf  ausge- 
schnittenen Holzplatten  die  ersten  ABC -Bucher,  mit  ihnen  war  die 
Möglichkeit  der  Volksschule  gegeben,  aber  sie  existierte  noch  nicht. 
Und  beim  hohem  Unterrichte,  welcher  ganz  in  den  Händen  der  Geist* 
lichkeit  lag,  war  dafür  f[esorgt,  dasz  sich  niemand  über  den  yorgeschrie- 
benen  Gedankenkreis  hinauswagte.  Geschah  es  dennoch,  so  war  die 
Kirche  noch  mächtig  genug,  die  misliebigen  Denker  unschädlich  zn 
machen.  Noch  lebten  Zeugen,  welche  den  Rauch  von  dem  Scheiter- 
haufen hatten  aufsteigen  sehen,  auf  welchem  die  zu  Konstanz  versam* 
melte  Geistlichkeit  der  abendländischen  Christenwelt  den  Professor  von 
Prag  verbrannte,  weil  er  anders  glaubte,  als  die  Kirche  befahl.  Die 
Gebtlichkeit  hatte  triumphiert  and  die  Weit  hielt  Husz  für  den  schul- 
digeri,  weil  er  der  bestrafte  war.  Nur  wenige  .pflanzten  im  stillen  und 
unter  mancher  Gefahr  Hu  szens  Vermächtnis  fort,  bis  die  fortgesetzten 
Verbrennungen  in  Waldshut,  Straszburg,  Bretten,  Heidelberg  diese 
Regungen  erstickten.  In  diese  Zeit  fallt  Renchlin^s  Geburt  und  er 
erhielt  in  der  Schule  seiner  Vaterstadt,  welche  in  gutem  Stand  war, 
Unterricht  in  Grammatik  und  Musik. 

Um  nicht  zu  weitläufig  zu  werden,  brechen  wir  hier  ab  und  ver- 
weisen, was  das  eigentliche  Leben  und  Wirken  Reuchlin's  angeht, 
auf  die  Schrift  selbst,  glauben  jedoch,  was  die  oben  schon  genannte 
Saecularfeier  selbst  angeht,  folgendes,  das  wir  aus  badischen  Blät- 
tern erfahren  haben,  anfuhren  zu  müssen.  Diese  Feier  war  nemlich 
auf  den  28.  Deceinber  1865,  als  den  Geburtstag  Renchlin's,  beab- 
sichtigt, sie  wurde  jedoch  auf  eine  günstigere  Jahreszeit  verschoben, 
zumal  als  dann  auch  mit  derselben  die  Errichtung  eines  von  der  Mei- 
sterhand des  berühmten  badischen  Bildhauers  Friedrich  gefertigten 
Denkmals  verbunden  werden  soll  und  es  läszt  sich  wol  annehmen,  dasz 
die  Bereitwilligkeit,  mit  welcher  in  Pforzheim  zu  diesem  Zwecke  be- 
reits namhafte  Beiträge  zugesichert  worden  sind ,  auch  in  weiteren 
Kreisen  Nachahmung  finden  und  die  Herstellung  eines  Monuments  er- 
möglichen werde,  welches  des  Mannes,  dem  es  gelten  soll,  auch  wür- 
dig ist. 

Vorstehenden  Mittheilongen  fugen  wir  Nachrichten  über  einige 
badische  Mittelschulen  bei,  indem  wir  uns  die  Berichte  über  andere 
vorbehalten. 

Bruchsal].  Nach  dem  vorliegenden  Programme  des  Gymnasium« 
zählte  die  Anstalt  in  dem  abgelaufenen  Schuljahre  mit  Einschlusz  der 
Lehrer  für  protestantischen  und  israelitischen  Religionsunterricht  IL 
Lehrer  und  197  Schüler,  gewis  eine  schone  Schülerzahl  für  eine  Schule, 
um  welche  rings  herum  in  der  Nähe  Mittel-  und  höhere  Bürgerschulen 
zum  Theil  auch  mit  sehr  bedeutender  Frequenz  bestehen.  Aus  dem 
Landesherlichen  katholisch- theologischen  Slipendienfond  wurden  1100  fl. 
für  15  Schüler,  die  sich  der  Theologie  widmeten,  zugewiesen,  und  8 
Schüler  erhielten  500  fl.  aus  der  hiesigen  Ortsstiftung.  Es  wäre  nicht 
uninteressant,  von  den  verschiedenen  Anstalten  zu  erfahren,  wie  viel 
an  Unterstützungen  für  talentvolle  und  sittliche  Schüler  geleistet  wird. 
Ganz  besonders  müste  ans  einer  Zusammenstellung  derselben  hervor- 
gehen, mit  welcher  Sorgfalt  der  gr.  katholische  Oberkirchenrath  dafür 
sorgt,  dem  zur  Zeit  noch  bestäienden  Mangel  an  Geistlichen  durch 
Erleichterung  des  Studiums  abzuhelfen.  Mit  dem  Programme  ist  zugleich 
eine  lateinisch  geschriebene  Abhandlung  über  den  griechischen -Dichter 
Pindar  von  Ldiramtspraktikant  Seidenadel  ausgegeben  worden.  (Siehe 
oben.) 

16* 


:220   Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungeii,  etatisl.  Notixeo. 

FiiKUiURG.  Das  hiesige  Lyceom  wurde  im  Yerflossenen  Schnljahre 
von  13  Lehrern,  zu  welchen  noch  4  ausserordentliche  Lehrer  für 
einzelne  Fächer  kommen,  besorgt  und  im  ganzen  von  351  Schalem 
besucht.  Wenn  wir  das  vorjährige  Programm  damit  vergleichen,  'ao 
ist  der  Bestand  der  gleiche  geblieben,  während  von  verschiedenen 
Orten  her  gemeldet  wird,  dasz  die  Zahl  der  studierenden  abnehme« 
Ks  ist  dies  hier  wenigstens  60  wenig  der  Fall,  dasx  in  der  Einlei- 
tung zu  genanntem  Programme'  eine  schon  18o2  erlassene  Verord- 
nung in  Erinnerung  gebracht  wird,  wornach,  um  der  Ueberfnilun^ 
der  vier  obersten  Jahrescurse  vorzubeugen,  einige  Beschränkung  bei 
der  Aufnahme  auswärtiger,  von  andern  Gymnasien  oder  Lyceen  kom- 
mender Schüler  in  der  Weise  angeordnet  ist,  dasz  vorerst  nar  solche 
aufzunehmen  seien,  deren  Eltern  oder  Verwandte  hier  ihren  Wohnsiti 
nehmen,  oder  welche  durch  ein  Stipendium  am  hiesigen  Platx  gebun- 
den sind,  und  nur  in  dem  Falle,  wenn  alsdann  die  Gesamtxahi  eines 
Curses  doch  unter  30  Schüler  beträgt,  bis  zu  dieser  Zahl  noch  aus- 
wärtige Schüler  zugelassen  werden  dürfen.  Zur  Unterstützung  von 
solchen,  welche  sich  dem  Studium  der  Theologie  widmen  wollen,  wurde 
vom  groszh.  katholischen  Oberkirchenrath  die  Summe  von  3350  fl.  in 
landesherrlichen  Stipendien  bewilligt.  Unter  den  41  Abiturienten  des 
vorigen  Jahres  giengen  20  zur  Theologie,  H  zur  Jurisprudenz  und  um 
Notariatsfacb,  IL  zur  Medicin  und  ^  zur  Kameralwissenschaft  über. 
In  diesem  Schuljahre  zählt  die  Obersexta  43  Schüler. 

Ueidklueiig.  Aus  dem  Jahresbericht  über  das  hiesige  Lycenm  ent- 
nehmen wir,  dasz  die  Anstalt  im  verflossenen  Schuljahre  im  gansen 
von  *281  Schülern  besucht  wurde.  In  dieser  Gesamtzahl  sind  185  Pro- 
testanten, 88  Katholiken,  4  Israeliten.  Die  Zahl  der  Gäste  betragt 
II,  die  der  Nichtbadener  18.  Auswärtige  Schüler,  deren  Eltern  nicht 
in  Heidelberg  wohnen,  sind  im  ganzen  ^:8  in  der  Anstalt.  Im  Laufo 
des  Schuljahres  verlor  das  Lyceum,  welches  längere  Zeit  so  gifidclich 
war,  keinen  seiner  Zöglinge  durch  den  Tod  sich  entrissen  an  sehen, 
drei  brave,  hoffnungsvolle  Schuler.  Auf  die  Universität  wurden  l4 
Schüler  entlassen,  und  zwar  13  im  Herbste  1854  und  1  an  Ostern 
Die  Bibliothek  und  der  Lehrapparat  der  Anstalt  wurden  durch  iweck- 
mäszige  Anschaffungen  theiis  aus  den  etatsmäszigen  und  theils  aus  von 
den  huhen  Behörden  auszcrordentlicher  Weise  bewilligten  Mitteln  er- 
weitert und  vermehrt.  Besondere  Erwähnung  verdienen  die  reichoi 
Geschenke,  welche  die  Lehrer-  und  Schülerbibliothek  erhielt.  Die 
Aufzählung  derselben  füllt  beinahe  zwei  Seiten  des  Berichtes.  Aasier- 
dem,  dasz  würdige  und  dabei  dürftige  Schüler  von  der  Bezahlung  des 
Schulgeldes  frei  waren  und  sich  viele  derselben,  ohne  Rücksicht  auf 
Glaubensbekenntnis,  noch  besonderer  Wohlthaten  von  Bewohnern  un- 
serer Stadt  erfreuten,  wurde  auch  gesitteten  und  fleiszigen  Schülern 
die  bc<ieutende  Summe  von  1810  fl.  aus  milden  Stiftungen  und  Staats- 
mitteln als  Stipendien  zuerkannt.  Die  zur  Aufmunterung  braver  and 
strebsamer  Schüler  gestifteten  Preise  werden  nicht  bei  dem  feierlichen 
Schluszacte  den  Preisträgern  überreicht,  sondern  in  einer  besondem 
Schul-  oder  vielmehr  Familienfeier.  Diese  fand,  wie  gewohnlich,  ge- 
^en  dus  Ende  des  Schuljahres  statt.  Die  Feier  wurde  durch  Choral- 
gesang  und  eine  Ansprache  des  Directors  des  Lyceums,  Hofrath  Uaots, 
eingeleitet.  Auszer  den  sämtlichen  Lehrern  und  Schülern  der  Anstalt 
wohnten  der  Epliorus  des  Lyceums  und  dcrmalige  Prorector  der  Uni- 
versitüi,  Geh.  Hofrath  Dr.  Bahr,  und  der  Praesident  des  Verwai- 
tungsrathes  der  Anstalt  und  groszh.  Oberamts  vorstand,  Stadtdirector 
Dr.  Wilfielini«  bei.  Die  Zahl  der  Preise  ist  drei:  der  Lauter'sche  und 
i&wci  Fauth'Hche.  Sic  werden  von  der  Lehrerconferenz  vergeben,  wel- 
« tie  bei  der  Wahl  derselben  auch  auf  die  Individualität  der  Preisträger 


Berichte  Ober  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  atatist.  Notizen.  221 

Kuckaicht  su  nehmea  hat  und  immer  Rfickaicht  ninmt.  Nach  einer 
Üesonders  getroffenen  Anordnang  bilden  jedes  Jahr  xwei  treffliche 
Schriften  schätzenswerthe  Beigaben  so  den  genannten  Preisen  und 
zwar  zn  dem  Lauter'schen  Preis  eine  Biographie  Lanters,  welche  den 
Titel  führt:  'Zur  Erinnerung  an  Gottfried  Christian  Lauter,  Dr.  der 
Theologie,  Professor  und  alternierenden  Director  des  vereinigten  Gym« 
nasiums  in  Heidelberg,  von  F.  8.  Feldbausch',  und  zu  den  beiden 
Fauth'schen  Preisen  je  ein  Exemplar  der  im  Namen  der  ehemaligen 
Schuler  gehaltenen  'Rede  bei  der  300jährigen  Jubelfeier  des  Lycenms 
zu  Heidelberg  von  C  Ullmann'.  Auszerdem  bekommt  jeder  Empfan- 
ger  des  Jubilaeumsstipendiuros  zur  bleibenden  Erinnerung  an  die  ihni 
gewordene  Auszeichnung  ein  Exemplar  der  Schrift:  'Jubelfeier  der 
öOOjährigen  Stiftung  des  groszh.  Lyceums  zu  Heidelberg  von  Hautz'. 

Mamiiheim.  Dem  Programme  des  hiesigen  Lyceums  ist  keine  wis- 
senschaftliche Abhandlung  beigegeben,  wol  aber  sind  anregende  und 
beachtenswerthe  Worte  damit  verbunden,  welche  der  gegenwartige 
Dirbctor  Behaghel  bei  den  Schluszacten  von  1850,  I8öl  und  1854  ge- 
sprochen hat.  Das  Vorwort  berichtet  über  die  vollendete  Laufbahn 
der  Von  der  Anstalt  in  den  Ruhestand  oder  zur  ewigen  Ruhe  ver- 
setzten Lehrer  Gräff,  Rappeneeger,  iHeckmann.  Wir  entnehnien  aua 
demselben,  dasz  die  Desbillon^scbe  öffentliche  Bibliothek  nnd  das  groszh« 
Antiquarium  den  Professoren  Baumann  und  Fickler  übertragen  wurde 
und  hoffen,  dasz  beide  von  den  Bewohnern  der  hiesigen  Stadt  und 
fremden  Gästen  allzu  wenig  gekannten  Anstalten  nach  dem  Maszstabe 
gröszerer  Zugänglichkeit  auch  eifriger  werden  benutzt  werden.  An 
der  Anstalt  waren  im  verflossenen  Jahre  15  Lehrer  beschäftigt;  die 
Zahl  der  Schüler  betrug  280,  am  Schlüsse  des  Schuljahres  noch  253. 
Von  jener  Zahl  viraren  80  auswärtige,  23  Ausländer  und  177  einhei- 
mische. Rechnen  wir  dazu  die  Anzahl  von  Zöglingen,  welche  die  hö- 
here Bürgerschule  zählte,  mit  235  Schülern,  so  wären  die  hohem  Bil- 
dungsschulen in  hiesiger  Stadt  von  515  Schülern  besucht,  wovon  etwa 
350  auf  die  hiesige  Stadt  allein  kämen.  Von  den  Schulern  der  ober" 
sten  Klasse  waren  im  Jahre  1854  vier  in  der  Klasse  zurückbehalten 
und  von  diesen  an  Ostern  drei  zur  Universität  entlassen  worden. 

Rastatt.  Nach  dem  Programme  des  hiesigen  Lyceums  wurde  die 
Anstalt  im  verflossenen  Schuljahre  von  188  Zöglingen  besucht.  Den 
Unterricht  leiteten  16  Lehrer.  Anszer  der  englischen  Sprache,  welche 
in  der  neuesten  Zeit  immer  mehr  als  ein  Bedürfnis  für  den  gebildeteü 
sich  herausstellt  und  deshalb  auch  an  den  meisten  Lyceen,  wie  es 
scheint,  vorerst  noch  für  freiwillige  Theilnehmer,  Eingang  gefunden 
hat,  wird  an  hiesiger  Anstalt  ferner  für  freiwillige  Theilnehmer,  wie 
dies  in  früheren  Jahren  schon  einmal  der  Fall  war,  auch  wieder  Un- 
terricht in  der  Instrumentalmusik,  in  Ciavier,  Violine  und  Flöte,  in 
]0  wöchentlichen  Stunden  ertheilt.  Es  verdient  diese  Einrichtung  alle 
Anerkennung,  und  wenn  man  dagegen  einwenden  wollte,  dasz  durch 
zu  viele  Gegenstände,  namentlich  durch  die  Musik,  der  Zerstreuung 
oder  der  Zersplitterung  der  Aufmerksamkeit  der  Zöglinge  ein  Vorschub 
geleistet  nnd  die  strenge  Concentration  der  geistigen  Thätigkeit  für 
die  obligaten  Fächer  gehindert  werde,  so  hätte  dieser  Vorwurf  kein 
sonderliches  Gewicht.  Abgesehen  von  dem  unmittelbaren  Einflusz  der 
Musik  auf  das  menschliche,  besonders  jugendliche  Gemüt,  vor  wie  vie- 
len nutzlosen,  oft  gefahrlichen  Zerstreuungen,  zu  welchen  der  Jugend 
die  Gelegenheit  allerwärts  so  leicht  gegeben  ist,  schützt  die  ediere 
Unterhaltung  der  Musik  in  den  Muszestunden !  Und  so  viel  Vertrauen 
wird  man  doch  dem  Lehrer  schenken,  dasz  er  nicht  über  dem  angeneh- 
men das  nöthige  vernachlässigt.  Auszer  den  8  altbadiscben  Stipendien 
und  dem  in  zwei  Portionen   zur  Vertheilung  gekommenen  Stipendium 


222  Berichte  über  gelehrte  Austalten,  Yerordoungen,  staust.  NoUiea. 

Loreyanum  hat  noch  eine  namhafte  Anzahl  Schüler  ao5  den  Fonds  für 
landeslieriiche  theologische  Stipendien  Unterstützung  erhalten.  Mit  dem 
Programme  ist  eine  klar  geschriebene  Abhandlung  über  das  Fehdewesen 
im  deutschen  Mittelalter  von  Professor  Nicolai  ausgegeben  worden, 
worin  der  Verfasser  darthut,  'dasz  das  verschrieene  Faustrecht  aoch 
das  seinige  beitragen  muste,  um  dem  schlummernden  Keime  der  gesell- 
schaftlichen Entwicklung  Leben  und  Fortgang  zu  verschaffen.^      [^J 

FiiiEDLANPJ.  Zur  Herbstprüfung  1855  erschien  als  Wissenschaft^ 
liehe  Abhandlung:    Quaestio   de   Tanuaio   Gemino  /innalium  scrtpfore, 

36  S.  4,  vom  Director  Dr.  Robert  Unger.  Angehängt  sind  Schul- 
nacbrichten,  16  S.  Die  Schule  umfaszt  5  Klassen,  die  'de  und  4e  for 
Gymnasiasten  und  Realisten  bis  auf  einige  parallele  Lectionen  (Grie- 
chisch für  die  erstere  und  finglisch  für  die  letztere)  gemeinschaftlich. 
Am  I8n  April  verlor  die  Schule  einen  ihrer  Scholarchen  an  dem  Prse- 
poaitus  Heinrichs,  an  dessen  Stelle  der  Pastor  Hörn  trat.  Mich.  1854 
hatte  die  Schule  105  Schüler,  4L  auswärtige,  1  Abiturienten;  im  Win- 
ter 1854  —  55  waren  115  da,  43  auswärtige,  im  Sommer  J8ö5  118,' 43 
auswärtige,  nemlich  10  in  1,  10  in  II,  11   in  lil,  38  in  IV,  38  in  V. 

KiklJ.  Zu  Ostern  1824  erschien  als  Abhandlung  im  Programm 
vom  Subrector  Dr.  IM  ü  1 1  e  r :  Bemerkungen  zu  Caesars  Gallischem  Kriege. 
Buch  I— IV,  14  S.  und  ebenso  Ostern  1855  von  demselben:  Bemerkaa- 
gen  zu  Caesars  Gallischem  Kriege,  Buch  V — Vill,  29  S.  4.  Am  4.Ang. 
18 J3  war  der  bisherige Rector,  Professor  Dr.  J.  F.  Lucbt,  als  Direc- 
tor des  Gymnasiums  nach  Altona  und  der  Rector  der  Glücks tadter  Ge- 
lehrtenschule, Prof.  Dr.  J.  F.  Hörn,  wiederum  als  Rector  hieher  Ter- 
sctzt,  dagegen  der  4e  Lehrer  in  Kiel,  Collaborator  Dr.  P.  H.  Jessen, 
zum  Rector  der  Glückstädter  Gelehrtenschule  und  der  bisherige  06 
Lehrer  in  Kiel,  Dr.  Stru  ve,  für  die  nächst  höhere  Stelle  ernannt  wor- 
den. Der  hochverdiente  vieljährige  Conrector  und  2e  Lehrer  Dr.  Witt- 
rock erhielt  den  Professortitel.  Die  Anstalt  wurde  durch  eine  Ele- 
mentarklasse erweitert  und  zum  Lehrer  derselben  der  Knabenlehrer  ao 
der  Gluckstädter  Bürgerschule,  F'ack,  ernannt.  Das  Lehrercollegiaia 
bestand  also  aus  folgenden  Mitgliedern :  Rector  Prof.  Dr.  Hörn,  Ord. 
in  f;  Conr.  Prof.  Dr.  Witt  rock,  Ord.  in  II;  Subr.  Dr.  L.  Müller, 
Ord.  in  lil;  Collab.  Dr.  K.  A.  Struve,  Ord.  in  IV;  Wilh.  Jong- 
cl aussen,  Ord.  in  V;  J.  H.  Srharenberg,  Lehrer  der  Natornis- 
senschaften;  D.  W.  Boyens,  Ord.  in  VI;  J.  H.  Brfinning;  M.  W. 
Fack,  Ord.  in  VII;  Lehrer  des  Franz.  Schwob-DoIU,  des  Zeich- 
nens Wo  I  per  ding.  Im  Sept.  1854  wurde  Jungcia  ussen  sun  Sab- 
rector  und  3n  Lehrer  in  Meldorf  und  wiederum  der  6e  Lehrer  in  Mel- 
dorf Jansen  zum  5n  Lehrer  in  Kiel  ernannt.  Die  Schülersahl  betrog 
im  Sommer  1853  im  ganzen   163,    nemlich  7  in  1,   13  in  11,   36  in  111, 

37  in  IV,  36  in  V,  34  in  VI;  im  Winter  1853  —  54  im  ganzen  J69, 
nemlich  7  in  I,  21  in  II,  40  in  III,  85  in  IV,  31  in  V,  30  in  VI,  V  in 
VII;  im  Sommer  1854  im  ganzen  180,  nemlich  11  in  1,  20  in  II,  30  in 
HI,  39  in  IV,  28  in  V,  41  in  VI,  jl  in  VII;  im  Winter  1854— ää  in 
ganzen  189,  nemlich  9  in  I,  22  in  II,  36  in  III,  42  in  IV,  21  in  V,  39 
in  VI,  12  in  VII.  Zur  Universität  giengen  Mich.  1853  1,  Ostern  1854 
2,  Mich.  1854  2,  Ostern  1855  keiner,  dagegen  zu  anderweitigem  Lebens- 
bernfe  im  letztgenannten  Termine  10.  Die  Schule  erhielt  einen  Tom- 
platz ;  für  Bildung  von  Parallelklassen  neben  III  und  II  o.  für  bessere 
Localitäten  sprechen  die  Schulnachrichten  zum  Schlüsse  die  lebhafte- 
sten Wunsche  aus. 

Lühkck].  Das  dortige  Katharineum  hat  im  Laufe  der  leisten  Jahre 
zwei  sehr  bedeutende  Verluste  erlitten,  die  bereits  früher  in  diesen 
Jahrbb.  gemeldet  worden  sind,  durch  die  Berufung  des  Prof.  Dr.  C las- 
sen  als  Dir.  des  Gymnasiums  zu  Frankfurt  a.  M.  und  durch  den  Tod 


Berichte  O&ef  gelehrte  Anstaltea,  Verorflirakigen,  ttotifit.  Notisen.  22S 

def  KoehTerdienten  Directors  Prof.  Jacob.  An  Mine  Stelle  ist  nDii- 
mehr  seit  Michaelis  1864  der  frühere  Rector  der  hcHieren  Burgerschale 
und  Vorschnle  zo  Oldenburg,  Job.  Fr.  Breier,  getreten,  derselbe  ist 
am  12n  Oct.  durch  den  Syndicus  Dr.  Curtius  Namens  der  Schulde- 
p^itation  in  sein  Amt  eingeführt  worden.  An  die  Steile  des^of.  Claa- 
«en  trat  schon  Mich.  1863  der  bisherige  Conrector  an  der  Gelehrten- 
scbule  SU  Meldorf,  Dr.  C.  Prien,  und  gleichzeitig  wurde  der  seit  1847 
angestellte  CoUaborator  F.  W.  Mantels  zum  -vierten  Professor  er* 
nannt.  Schon  früher  war,  Mich.  1862,  an  die  Stelle  des  an  das  fran- 
zösische Gymnasium  nach  Berlin  berufenen  Dr.  Plotz  der  Dr.  J.  G. 
A.  Holm  aus  Lübeck  wieder  erwählt  worden.  Ausserdem  sind  im 
Sommer  1864  die  beiden  Lehrer  Peacock  und  Mussard  resp.  für  das 
Englische  und  Französische  angestellt  worden.  Die  Schulerzahl  betrug 
Ton  Ostern  bis  Michaelis  1864  in  1  21,  II  29,  lila  29,  Selecta  und 
in  b  38,  IVb  36,  V  a  44,  Vb  23,  VI  1  32,  VI  2  23,  VII  13,  zusammen 
324,  Tön  Mich.  1864  bis  Ostern  1866  in  I  18,  II  28,  III  a  28,  III  b  38, 

IV  a  36,  IVb  37,  V  n  44,  Vb  24,  VI  1  33,  VI  2  28,  VII  22,  zusammen 
336  Schuler;  unter  diesen  waren  93  auswärtige,  49  in  den  Gymnasial-, 
36  in  den  Realklassen  (mit  b  bezeichnet)  und  9  in  den  Vorbereitungs- 
klassen (VI  1  u.  2  u.  VII).  Aufgenommen  wurden  im  ganzen  letzten 
Schuljahre  61  Schuler,  nemlich   16  in  VII,  6  in  VI  2,  4  in  VII,  2  in 

V  b,  4  in  V  a,  6  in  IV  b,  8  in  IV  a,  6  in  III  b,  2  in  III  a,  1  in  IL  Zu 
Ostern  1866  giengen  36  Schufer  ab,  nemlich  26  ins  bürgerliche  Leben 
(worunter  17  aus  III  b,  und  1  ans  Selecta),  2  auf  andere  Bildungsan- 
stalten und  8  zur  UniTersität.  Ueber  alle  aufgenommenen  und  abge- 
gangenen Schüler  ist  eine  Tollständige  statistische  Uebersicht  mit  An- 
gabe der  Namen  im  letzten  Programme  mitgetheilt  worden.  Die  Pro- 
gramme der  letzten  Jahre  enthalten  folgendes:  1862:  Romische  Studien 
(C.  Asinius  Pollio,  ein  Stuck  aus  Jacobs  'Horaz  und  seine  Freunde'; 
Anmerkungen  zu  einzelnen  Stellen  im  Tacitus:  Agr.  1  extr.,  auch  Ton 
Doderlein  auf  der  hamburger  Philologen-Versammlung  behandelt;  Ueber- 
Setzungen  ans  dem  Martial;  eine  etymologische  Kleinigkeit:  minister 
und  magister;  über  die  Bildung  des  Nominatiys  der  3n  Declination  im 
Lateinischen,  mit  angehängter  Tabelle,  vom  Collab.  G.  ETers).  1863: 
1)  Ad  Caroli  Lachmanni  exemplar  de  aliquot  Illadis  carminum  compo- 
sitione  quaeritur,  scr.  Ad.  Holm;  2)  J^tude  sur  Andrö  Ch^nier,  par 
Ad.  Holm.  1864:  1)  Ueber  die  beiden  ältesten  Inbeckischen  Burger- 
matrikeln,  Ton  Prof.  W.  Mantels;  2)  Simpliiications  de  m^thode  re- 
iatiTes  k  la  syntaxe  fran9aise,  par  J.  Mussard;  3)  Schulnachrichten 
Ton  Prof.  Mo  sehe.  1866:  De  Vergilio  epico  poeta  recte  aestimando 
disputationes  tres  TS.  6— -16),  Tom  Dir.  Brei  er;  sie  handeln  im  einzel- 
nen :  De  Turni  regis  oratione,  Aen.  9  128 — 68 ;  de  naTibus  couTersis  in 
Nymphas;  de  comesis  mensis  (Aen.  3  260—67.  7  107—17).  Der  Verf. 
wünscht  diese  Aufsatze  nicht  ad  doctorum  philologorum  regulam  ge- 
messen und  benrtheilt  zu  sehen ,  weil  sie  Tielmehr  absichtlich  Ton  ihm 
so  behandelt  sind,  ut  gymnasiorum  finibus  circumscripta  a  primomm 
ordinum  discipulis  quum  iudicio  tum  imitatione  possint  aequari.  Der 
Vf.  ist  dazu  Tornemlich  durch  die  auf  der  altenburger  Philologen -Ver- 
sammlung gepflogenen  Verhandlungen    über   die  lateinischen  Aufsätze 

§efuhrt  worden.  Er  spricht  sich  im  allgemeinen  fSr  dieselben  aus,  ]e- 
och  mit  der  Beschrankung,  dasz  ihm  die  Bxercitien  die  stärkere  und 
strengere  Geisteszucht  (maiorera  seTerioremque  inesse  mentis  discipli- 
nam)  zu  enthalten  scheinen.  Alles  komme  freilich  darau/  an,  dasz 
den  Schulern  dazu  ein  Stoff  geboten  werde,  dem  ihre  Kräfte  gewach- 
sen seien,  woran  es  bei  der  Lectnre  der  Alten  selbst  niemals  fehlen 
könne.  —  In  den  Schulnachrichten  (S.  16 — 36)  wird  zunächst  ein  De- 
cret  des  hohen  Senats  mitgetheilt,  womach  das  Lehrercollegium  aus  6 


224  Bericblc  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  statint.  Notisen. 

Professoren  und  aus  5  Oberlehrern,  jeder  zu  18 — 22,  femer  aus  3  Leh- 
rern, die  zu  je  24  —  28,  und  2  Fachlehrern  ffir  daa  Französische  und 
Englische,  die  resp.  zu  12—16  und  16—20  wöchentlichen  .Unterrichu- 
stunden  verpflichtet  sind.  Dem  Director,  der  die  erste  Professur  be- 
kleidet, sind  12—16  Stunden  zugewiesen.  Zugleich  ist  für  alle  Lehrer- 
steilen ein  fester  Besoldnngsetat  gesetzlich  aufgestellt  worden.  !■ 
übrigen  wird  aber  nachgewiesen,  dasz  sowol  für  die  Vorbereitungs-  all 
auch  für  die  Realklassen  Lehrerkrafte  fehlen,  so  dasz  gegenwärtig  xom 
Tlieil  auf  ungenügende  Weise  durch  anderweitige  Aushülfen  für  den 
nothigen  Unterricht  gesorgt  werden  musz.  Das  Katharinenm  hat  drei 
Vorbereitungsklassen,  in  welchen  jedoch  das  Latein  schon  in  2  Klassen 
mit  resp.  2  und  4  St.,  sowie  Franzosisch  in  der  obersten  mit  2  Stun- 
den bedacht  ist;  fünf  Gymnasial-  und    drei  Realklassen,  welche   der 

V  —  III.  des  Gymnasiums  parallel  laufen.  —  Ein  Verzeichnis  sämtlicher 
Lehrer  nach  ihrer  Reihenfolge  ist  nirgend  gegeben. 

Plön].  Zur  Osterprüfung  1854  erschien  als  Ahhandlung  Totn  Reo- 
tor  Prof.  Dr.  J.  Bendixen:  Commcntatio  de  Etkicorutn  Nicomackeo- 
rum  intcgritatc,  dO  S.  4.  Die  Anstalt  wurde  um  eine  Klasse  rermehrt 
und  ein  neues  Klassenzimmer  dem  Schulhause  angebaut.  Das  Lehrer- 
collcgium  bestand  aus  dem  Rector  Prof.  Dr.  Bendixen,  dem  Conrec- 
tor  Dr.  Kl  an  der,  dem  Subrector  Sorensen,  dem  CoUaborator  Dr. 
Vollbeh  r,  dem  5n  Lehrer  Clausen,  dem  6n  Lehrer  Bahnsen,  dem 
7n  Lehrer  Kuphaldt  und  dem  8n  Lehrer  Ehlers.  Dr.  VoUbehr 
wurde  als  Subrector  nach  Glückstadt  versetzt;  in  seine  Stelle  trat 
Clausen,  und  an  dessen  Stelle  wiederum  der  5e  Lehrer  in  Gluclutadt, 
Dr.  Keck.     Die  Schülerzahl  betrug  1853  in  I  4,   II  7,  III  12,  IV  12, 

V  23,  zusammen  58,  Michaelis  1853  in  I  7,  II  7,  III  14,  IV  17,  V  14, 
VI  10,  zusammen  69. 

Rostock].  Zur  oiTentlichen  Prüfung  und  Redeübung  der  SchSler 
des  hiesigen  Gymnasiums  und  der  damit  unter  einer  Leitung  Terbnn- 
denen  Realschule  am  29n  und  30n  März  1855  ist  als  Programm  er- 
schienen: die  Bedeutung  des  Wortes  ZAPSl  im  Neuen  Testament.  Die 
Bedeutung  des  Wortes  EAPS  im"  LehrbegrifTe  des  Paulus.  Von  Dr. 
C.  Holfen.  44  S.  4.  Schulnarhrichten  22  S.  4.  Im  Sommerhalbjahr 
1854  waren  im  Gymnasium  in  I  15,   II  24,  HI  36,    IV  a  26,   IVb  25, 

V  40,  VI  46,  zusammen  212,  in  der  Realschule  in  der  In  Kl.  20,  2n  31, 
3n  42,  4n  60,  5n  43,  zusammen  196,  in  beiden  Anstalten  zusammen  408 
Schuler,  worunter  316  einheimische,  92  auswärtige;  im  Winter  1854 
—  55  in  I  14,  II  31,  111  32,  IV  a  25,  IV  b  28,  V  48,  VI  52,  sosaanien 
230;  in  der  In  Reaikl.  18,  in  der  2n  36,  3n  60,  4n  55,  5n  41,  BOsam- 
men  210,  in  beiden  Anstalten  also  zusammen  440  Schüler,  woronter 
332  einheimische  und  108  auswärtige.  Zur  Universität  wurden  Ostern 
1854  4,  Michaelis  2  entlassen.  Zwei  Lehrer  der  Ans^lt,  Dr.  Brum- 
me rst  ad  t  und  C  lasen  feierten  ihr  25jähriges  DienstJubilaeQm ,  wel- 
ches mit  einer  befflückwanschenden  Festschrift  des  Lehrercollcfiau 
und  einem  gemeinschaftlichen  heiteren  Mahle  im  Kreise  der  c-—^*--^ — 
Amtsgenossen  herzlich  begangen  ward. 


Zweite  Abtheilung 


18. 

1.  lieber  deutsche  Rechtschreibung  eon  Karl  Weinhold  {Be- 

sonders abgedrukt  aus*  der  ^^  Zeitschrift  für  die  Österr. 
Gymnasien.'^  1852.  Beß  IL)  Wien.  Verlag  ron  Carl  Ge- 
rold und  Sohn.     1852.    36  S.  8. 

2.  Regeln  und  Wörterverzeichnis  fiir  deutsche  Rechtschreibung. 

Gedruchi  auf  Veranstaltung  des  Königlichen  Ober-Schulcol' 
legiums  zu  Hannover.  Claosllial.  Schweigenche  Bnchhand- 
long.    1855.    51  S.  8. 

3.  lieber  deutsche  Orthographie  von  Dr.  K.O.Andresen.  Mainz. 

Verlag  ron  C.  G.  Kanze.     1855.    VI  n.  186  S.  8. 

4.  Über  Deutsche  Rechtschreibung  von  Rudolf  von  Raumer 

(Besonders  abgedruckt  aus  der  Zeilschriß  f.  d.  österr.  Gym- 
nasien 1852.  Heft  I:  8.  1—37/  Heft  VII:  fif.  533-^580. 
Nebst  einigem  Zugaben.)  Wien.  Verlag  n.  Draek  ron  Carl 
Gerold's  Sohn.    1855.    IV  n.  108  S.  8. 

Wie  grosz  das  Bedarfnia  aei  zu  einer  endlichen  Featatellong  nn- 
aerer  deutschen  Orthographie  zn  gelangen ,  geht  schon  aaa  der  Menge 
von  Schriften  und  Ahhandiaagen  hervor,  die  jetzt  flher  diesen  Gegen« 
atand  erscheinen.  Glaubte  man  rielfach  ror  dem  Auftreten  der  histo- 
rischen Schule  in  der  deutschen  Grammatik  durch  die  Bemühungen  der 
Gramnuitiker  dea  16 — 19  Jahrh.  zu  einer  gemeinsamen,  allgemein  an- 
erkannten Rechtachreibung  des  hochdeutschen  gelangt  zn  sein,  so  ftber- 
aah  man ,  dasz  auch  damals  noch  in  gar  rielen  Punkten  eine  zwiespäl- 
tige Schreibung  herschte,  teilweise  in  Folge  der  Terschiedenen  Aus- 
sprache, wie  bei  gieng  Meng  ßeng  neben  ging  hing  fing,  teils  in  andern 
Funkten,  aufweiche  die  Aussprache  keinen  Einflnsz  übt,  wie  in  der 
Bezeichnung  der  langen  Vokale  durch  Verdoppelung  oder  Anwendung 
des  h,  in  der  Schreibung  des  Umlauts  ä  äu  oder  e  au,  in  der  Terschie- 
denen Bezeichnung  der  Doppelkonsonanz  ck  kk  und  tt  «»  n.  a.    Noch 

iV.  Jahrb.  f.  PkB. ».  AmI.  Bd.  LULIV.  Hfi.  6.  17 


226  Scbriften  über  deutscbe  Ortbographie. 

gröszer  war  die  Verschiedenheit  in  der  Anwendung  der  BochsUben  $ 
sz  und  55.  Abgesehen  von  denjenigen ,  die  sz  fiberhanpt  gans  verban* 
nen  wollten,  unterschieden  sich  z.  B.  die  Aufstellungen  tob  Heyie 
wieder  bedeutend  von  den  Reg:eln  Gottscheds,  die  den  meisten  Eingang 
gefunden  halten.  Diese  nur  sehr  unvollständige  Anfzablnng  von  Ver- 
schiedenheiten zeigt  schon,  wie  wenig  man  von  einer  in  allen  Stacüfta 
feststehenden  deutschen  Rechtschreibung  reden  konnte;  die  Verachie- 
denheiten  waren  jedesfalls  auch  damals  bedeutender  als  sie  i.  B.  ia 
der  Schreibung  des  französischen  and  englischen  sich  finden.  Noch 
viel  weiter  gicng  man  auseinander,  seit  durch  die  Forschungen  Jakob 
Grimms  und  seiner  Schule  die  arge  Willkür  und  Regellosigkeit  nnserer 
Orthographie  aufgedeckt  ward  und  der  Meister  deutscher  Grammatik 
in  seinen  Schriften  eine  der  historischen  Entwickelung  angemesznere 
anbahnte.  Ihm  folgten  z.  T.  mit  noch  konsequenterer  DurohfahniDg 
zunächst  die  meisten  der  in  seinem  Geiste  forschenden  Gelebrien.  Dock 
hat  bereits  seine  Schreibweise  begonnen  sich  auch  in  weitere  Kreisze 
zu  verbreiten  und  die  hergebrachte  vielfach  zu  beschrfinken.  Ist  nna 
allerdings  nicht  zu  leugnen,  dasz  die  Verwirrung  dadurch  noch  gröszer 
geworden  ist  als  sie  früher  schon  war,  so  darf  man  diesz  doeb  nicht 
für  einen  Schaden  ansehen;  es  ist  dadurch  die  ganze  ortbograpbiiciM 
Frage  wieder  in  FInsz  gekommen,  und  sie  harret  nun  einer  Entschei- 
dung, die  jetzt  auf  festeren  und  beszoren  Grundlagen  zu  Stande  konmea 
musz,  als  es  in  den  letzten  zwei  Jahrhunderten  möglich  war. 

In  den  oben  aufgeführten  Schriften  treten  uns  nnn  die  Terachie- 
denen  Principien  entgegen,  die  bei  einer  Regelung  der  deotechen  Or- 
thogruphie  in  Betracht  kommen  können,  einerseits  das  histOfiiohe  be- 
sonders vertreten  durch  Weinhold  und  Andreson,  andereraeili  du 
phonotisclie  mit  Geschick  verteidigt  von  Raumer.  So  sehr  nun  anch 
ein  solches  Auseinanderffehn  schon  in  den  Principien  zu  beklagen  ist 
und  uns  eine  Regelung  der  ganzen  Sache  in  weitere  Ferne  in  rflckea 
droht,  so  erscheint  doch  diese  Gefahr  auf  den  ersten  Anschein  gröszer 
als  sie  wirklich  ist.  Denn  einmal  berühren  die  meisten  Punkte ,  die 
hier  in  Betracht  kommen,  gar  nicht  die  Aussprache,  so  z.  B.  die  Be- 
zeiohnungsweiso  der  langen  Vokale,  die  Verdoppelung  der  Konsonan- 
ten, dio  Vertauschung  von  ai  und  ei,  von  au  und  eu,  selbst  die  Schwan- 
kung zwischen  g  und  ch  am  Endo  der  Worte.  Diesz  ist  also  ein  Ge- 
biet, wo  beide  Teile  Iland  in  Iland  gehen  können.  Dann  wird  bei  dem 
vorhersehend  phonetischen  Charakter,  den  unsere  Reehtsehreibng 
überhaupt  seit  den  ältesten  Zeiten  sich  zn  bewahren  gesneht  hat,  es 
nicht  hIIru  schwor  sein  auch  in  den  anderen  Punkten  vielleieht  noch 
eine  Verständigung  herbeizuführen. 

ISo.  I  steht  auf  dem  Boden  der  historischen  Sprachforscliiag  »d 
stellt  demgomnsz  als  Grundsatz  fOr  die  Orthographie  auf:  Schreib  wie 
OH  die  geschichtliche  Fortentwickelnng  des  neuhochdeutschen  verlangt. 
In  seinen  Vorschlagen  geht  der  Vf.  ziemlich  bis  an  die  Grenze  des 
überhaupt  von  der  historischen  Schule  erstrebten,  nur  in  nuichen 
Tunkten  macht  er  der  bestehenden  Schreibweise  kleine  provisoriseke 


Sehrifleo  über  deatteke  Oräiograpkie.  227 

Zagestäodaisse,  wie  in  der  Beibehaltung  des  debnenden  h  im  pron.  ihm 
ihr,  Zngleich  fabrt  er  selbst  die  von  ihm  empfohlene  Schreibweise 
in  der  Abhandlung  konsequent  durch.  Besonders  dankenswert  und 
interessant  sind  die  reichen  Notizen  über  die  historische  Entwickelung 
der  hd.  Orthographie,  von  der  Zeit  des  althochdeutschen  an  bis  anf 
unsere  Tage ,  die  der  Vf.  bei  den  einzelnen  in  Frage  kommenden  Punk- 
ten gibt.  In  dieser  Beziehung  wird  man  bei  ihm  wol  staets  den  besten 
und  umfaszendsten  Aufschlusz  finden. —  In  Bezug  auf  Bezeichnung  der 
langen  Vokale  verwirft  der  Vf.  sowol  die  Verdoppelung  des  Vokals 
als  das  dehnende  A,  mag  letzteres  unmittelbar  hinter  dem  langen  Vo- 
kale stehen  oder  sich  einem  t  angeschloszen  haben.  In  der  Bezeich- 
nung te  unterscheidet  der  Vf.  —  nach  Ausscheidung  der  Fälle,  wo  es 
organischer  Diphthonge  ist  —  die  Fälle,  in  denen  te  für  langes  t  stehen 
soll,  von  denjenigen,  wo  es  ein  kurzes  t  vertritt.  Im  erster^n  Falle 
sieht  er  es  als  Dehnungszeichen  an  und  ersetzt  es  durch  i,  im  letzteren 
dagegen  faszt  er  es  mit  J.  Grimm  als  Brechung  von  t,  ähnlich  dem  ags. 
eo  altn.  ia,  und  läszt  es  fortbestehen.  Einem  älteren  langen  i  schein! 
indessen  te  nirgend  zu  entsprechen;  das  Wort  Flieder j  welches  der 
Vf.  hierher  zieht,  möchte  doch  wol  den  organischen  Diphthongen  ie 
haben  (s.  Weigand  kurzes  deutsches  V\>^örterbuch  n.  d.  W.),  und  von 
den  übrigen  vom  Vf. angezogenen  Wörtern  weist  Andr  esen  S.34  mit 
Glück  nach ,  wie  sie  anders  zu  faszen  sind  teils  ans  kurzem  t  zu  erklä- 
ren teils  durch  Anlehnung  an  andere  Worte  entstanden,  lieber  ie  statt 
älterem  et  im  praeterit.  blieb  schrieb  n.  ä.  vgl.  Andres en  S.  37,  te 
ist  hier  aus  dem  Pluralis  blieben  (mhd.  bliben")  in  den  Singnlaris  ein- 
gedrungen und  steht  demnach  für  kurzes  t.  Es  wäre  also  auch  in  die- 
sen Fällen  das  herkömmliche  ie  beizubehalten.  —  Als  Umlaut  von  a 
läszt  Hr.  W.  e  und  ä  bestehen ,  verbannt  aber  ä  aus  allen  denjenigen 
Wörtern ,  in  denen  es  im  nhd.  an  die  Stelle  des  aus  t  entstandenen  ge- 
brochenen ä  getreten  ist ,  wie  in  Bär  gebären  Käfer  u.  a.  —  Den  bis- 
weilen durch  t  verdrängten  Diphth.  te  stellt  der  Vf.  in  Liechi  Dieme 
Zieche  wieder  her,  sowie  er  auf  Durchführung  desselben  in  gieng 
Dienstag  u.  ä.  dringt.  Das  ursprüngliche  hd.  t  führt  er  ein  in  Gebirge 
gütig  Hilfe  Wirde  Sprichwort^  ü  dagegen  in  /ifössefi  (pulvinar).  —  Wo 
durch  den  Einflusz  oberdeutscher  Mundarten  ö  für  e  in  die  hd.  Schrift- 
sprache eingedrungen  ist,  ersetzt  es  der  Vf.  durch  das  alt^e,  so  in 
dörren  ergöti^en  Hölle  Löwe  Löffel  Schöffe  schöpfen  schwören  zwölf. 
—  Den  Buchstaben  y  verbannt  er  völlig  aus  deutschen  Wörtern.  —  Ai 
möchte  der  Vf.  ganz  vermeiden,  ferner  verwirft  er  eti  in  Reuter  und  ge- 
scheut und  will  eräugnen  st.  ereignen  einführen.  In  Bezog  anf  letzteres 
musz  Ref.  indes  Andresen  beistimmen,  der  S.  63  eine  Anlehnung  an 
eigen  annimmt.  —  Statt  liederlich  und  Mieder  will  Hr.  W.  lüderlich  und 
Minder  geschrieben  haben.  *-^  Was  nun  die  Konsonanten  anlaugt,  so 
verwirft  der  Vf.  durchgängig  cfl,  er  schreibt  tot  Stat  sante  wante  be- 
ret  gescheit.  Warum  er  diesem  letzteren  die  tennis  gibt,  sieht  Bf.  nicht 
ein;  daas  es  von  mhd.  geschide  komme  und  daher  mit  der  media  z« 
schreiben  ist,  kann  doch  keinem  Zweifel  nnlerliegea«  —  Die  Verdop* 

17' 


228  Schrinen  Ober  deaUohe  Orthographie. 

pelung  der  Konsonanten  will  der  Vf.  vor  einem  anderen  KoDSODMlea 
vermieden  wiszen,  er  schreibt  daher  konie  nimt  hofi  iieii.  Bei  der 
Aufzählung  der  verschiedenen  Schreibweisen  für  die  Verdoppelong  des 
härteren  A-lautes  vermist  Rf.  die  Schreibart  ii%:  aus  einem  Bmchttaeke 
eines  Gütcrverzeichnisses  aus  der  Wetteran  v.  1482  fahre  ich  fQr  die- 
selbe an  Kaitzen  schuinen;  desgleichen  könnte  als  Verdoppelang  toi  f 
noch  das  bisweilen  vorkommende  $s%  aufgeführt  werden,  so  findet  sick 
z.  B.  in  einer  nngedruckten  Urkunde  v.  1377  den  Büdinger  ReichawaM 
betrefTcnd  wasszer  nesszeln  lasszen.  —  Die  Buchstaben  «s  and  $  Ter- 
teilt  der  Vf.  nach  dem  historisch  begründeten  Unterschiede,  wonaek 
8z  sich  aus  dem  mhd.  weichen  z  und  zz  (engl,  niederdeatsch  I)  ent- 
wickelt hat,  5  dagegen  einem  früheren  s  entspricht;  demnach  elelll  er 
8z  wieder  her  in  au^  bi^  Aretß  Kreb^  Lo^  Ameise  emfig  n.  a.,  noler 
denen  indes  Rf.  einige  dahin  gehörige  Worte  wie  Bin^e  Erbfe  Anaf- 
iag  Worm^  Bimsstein  Gem^e  Schöpf  (mhd.  binez  erweiM  srnrntaiae 
Wormez  bimz  gatnz  schopez)  vermist.  Unter  den  Wörtern ,  welchea 
SS  zusteht,  findet  sich  fälschlicher  Weise  Nisse  (lendes),  es  heiest  ahd. 
hniz  ags.  hnit  engl,  nii  und  dasz  dem  Worte  der  Dentallaut  gebflhre 
zeigt  auch  das  stammverwandte  gr.  novig  novcöog.  —  Zuletit  behan- 
delt der  Vf.  die  Vertauschung  von  g  und  ch  am  Ende  der  Worte.  Wie 
er  hierbei  zu  der  Aeuszerung  kommt  (S.  26) :  ^  Geringea  nnchdenkea 
musz  zeigen  dasz  adelig  und  nicht  adel-lich,  dasz  eilig  untadelig  nntiiig 
zu  schreiben  ist',  ist  dem  Rf.  unerklärlich;  denn  dasz  mhd.  mdMth 
ahd.  adaUih  sich  durch  den  Ausfall  des  einen  /  in  adeliek  nicht  aber 
in  adelig  verändern  müste,  ist  doch  unzweifelhaft.  Derselbe  Fall  tritt 
ein  bei  den  Adj.  unzählieh  unztteifelich  eklich^  ahnlich  ista  bei  h&Uth 
und  töUich.  Will  man  diesen  auch  das  ch  nicht  wieder  geben,  iO 
musz  man  doch  anerkennen,  dasz  es  ihnen  vom  Standpunkte  der  hi- 
storischen Grammatik  aus  gebührt.  —  Am  Schlusze  fügt  der  Vf.  noch 
ein  Kapitel  über  Silbentrennung  u.  a.  hinzn.  Die  Majuskel  iat  nach 
seiner  Meinung  verwerflich,  einstweilen  möglichst  zu  beachrinken. 

Von  den  Bemühungen  des  k.  hannoverischen  OberschulkollegiMU 
durch  Zusammenberufung  einer  Konferenz  von  Sachverständigen  eine 
Gleichmöscigkeit  in  der  Orthographie  in  den  Schulen  des  Landes  H 
erzielen,  ist  schon  mehrfach  in  dieser  Zeitschrift  die  Rede  gewoian. 
Die  Krgobnisse  der  Konferenz  liegen  jetzt  in  dem  Schriftehen  No.  1 
vor,  zusammengestellt  und  redigiert  von  Hrn.  Dir.  Hoffnann  in  Line- 
burg, der  schon  durch  seine  neuhochdeutsche  Grammatik  sieh  auf  dem 
Fehle  der  deutschen  Sprachforschung  rühmlich  bekannt  geaMcbt  hat. 
Gehen  wir  nfiher  auf  den  Inhalt  des  gedachten  Schriftobena  ein,  ao 
schlicsxen  sich  die  Beschlüsse  der  Konferenz  ziemlich  enge  an  die  ge- 
wölinlioho  herkömmliche  Orthographie  an.  Ist  dieai  nun  auch  bei  dem 
Zwecke,  den  die  Konferenz  vor  Augen  haben  mnate,  natürlieb,  indem 
ihre  Ausarbeitungen  zugleich  in  den  Volksachulen  Anwendung  finden 
aollton  so  glaubt  Rf.  doch,  dasz  auch  ao  in  manchen  Funkten  du 
Ansrhiioszrn  an  eine  vernünftigere  Orthographie  bitte  weiter  geben 
können.     Namentlich  bitte  man  i.  B.  das  so  flberflttazige  Debnnngi-b 


Sdiriften  fiber  deatgclie  Orthographie.  229 

koDseqaenler  entfernen  sollen.    Wozu  behlU  man  s.  B.  noch  den  Un- 
terschied zwischen  mahlen  (molere)  nnd  malen  (pingere)  bei,  da  doch 
im  Wortverzeichnis  selbst  angegeben  wird,  dasz  ersteres  anch  ohne 
h  geschrieben  werde  ?  Jede  derartige  Unterscheidung  erschwert  nur 
den  orthographischen  Unterricht  ohne  auch  nur  den  geringsten  Nutzen 
zu  gewahren.     Ebenso  -hätte  man  viel  mehr  gegen  das  ih  einschreiten 
sollen.   Man  konnte  sich  recht  gut  dazu  entschlieszen  z.  B.  Mut  Demut 
Not  u.  fi.  einzufahren,  Schreibungen  die  auch  auszerhalb  des  Kreiszes 
der  historischen  Schule  durchaus  nicht  mehr  zn  den  Seltenheiten  ge- 
hören.    Ueberhaupt  ist  in  dem  laufenden  Jahrhunderte  in  der  Entfer- 
nung dieses  überflaszigen  Zeichens  ein  staetiger  Fortschritt  zu  bemer- 
ken. Schrieb  man  noch  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  ganz  gewöhn- 
lich gehöhten  gebähten  Gehährde  Mahler  Huth  Monath  n.  a.,  Schrei- 
bungen die  nun  als  veraltet  gelten ,  so  kann  man  jetzt  Blüte  Flut  Hei- 
mat Armut  Glut,  die  auch  von  der  Konferenz  empfohlen  werden,  schon 
als  nicht  ungewöhnliche  Schreibweisen  betrachten.     Die  Konferenz 
selbst  entfernt  das  h  auch  aus  gewaren  toamehmen  hewaren  Turm 
Wirt  n.  a.    Hätte  sie  auch  vorgeschrieben  Mut  Not  malen  (molere)  u. 
dgl.  zu  schreiben,  so  wfirde  sie  dafür  in  dem  herschenden  orthogra- 
phischen Gebrauche  viel  mehr  Vorgänger  gefunden  haben  als  z.  B.  für 
bewaren.     Der  Gebrauch  des  dehnenden  h  ist  offenbar  im  Schwinden 
begriffen,  nnd  nach  der  Meinung  des  Rf.  wird  und  kann  die  Bewegung 
kein  Ende  erreichen,  bis  das  aberflilszige  und  störende  Zeichen  ganz 
verschwunden  ist  oder  sich  höchstens  noch  in  zwei  oder  drei  Wört- 
chen gerettet  hat,  wo  es  dann  das  Andenken  an  die  Zeit  der  Pedante- 
rie in  der  deutschen  Grammatik  erbalten  mag.  —  Auch  in  der  Anwen- 
dung der  groszen  Anfangsbuchstaben  hätte  die  Konferenz  viele  Verein- 
fachungen können  eintreten  laszen.     Wozu  z.  B.  läszt  man  nicht  alle 
Pronomina  possessive  klein  schreiben?   Auch  die  Regel  über  die  gro- 
szen und  kleinen  Anfangsbuchstaben  der  von  Eigennamen  hergeleiteten 
Adjectiva  wird  sich  nur  schwer  in  der  Schule  durchfahren  laszen.  Wa^ 
rum  z.  B.  Unterschiede  einführen  wie  der  zwischen  baiersches  Bier 
(nach  baierscher  Art  gebraut)  und  Baiersches  Bier  (in  Baiern  gebraut)? 
Will  man  bei  den  fraglichen  Adjektiven  überhaupt  den  groszen  An- 
fangsbuchstaben nicht  ganz  verwerfen,  so  möchten  für  die  Schulen  fol- 
gende Regeln  am  einfachsten  sein:   Adj.,  die  von  Länder-  und  Städte- 
namen herkommen,  schreibe  man  klein,  solche  die  von  Personennamen 
kommen,  grosz.  —  In  Bezug  auf  den  Unterschied  von  f,  ff  und  fz  hat 
die  Konferenz  sich  nicht  einigen  können ,  sie  hat  jedoch  die  Unter- 
scheidung derselben  nach  dem  Principe  der  historischen  Grammatik 
für  die  höheren  Schulen  empfohlen  nnd  danach  die  Orthographie  des 
Textes  sowie  die  Einrichtung  des  Wörterbuchs  bemeszen.     Daneben 
hat  sie  aber  auch  die  älteren  Regeln  gegeben  (S.  19)  und  im  Wörter- 
verzeichnisse jedesmal  die  herkömmliche  Schreibweise  in  Klammern 
beigefügt,  damit  so  das  Schriftchen  auch  für  die  Schulen  brauchbar 
sei,  die  sich  der  andern  Orthographie  nicht  bedienen  wollen.     Die 
Wörter,  denen  nach  dem  altern  Stande  der  Sprache  />  zusteht,  sind 


230  Schriften  über  deutsche  Orthographie. 

S.  50  f.  zusamroengestellt.  Indes  möchte  \rol  kaum  mit  der  Konferenz 
das  Wort  Hessen  unter  dieselben  gezählt  werden  können;  denn 
wenn  auch  die  Identität  des  Namens  mit  dem  der  Chaili  nicht  sn  be- 
zweifeln ist  und  danach  an  der  Stelle  von  t  die  Dentalaspirata  s  (/s) 
zu  erwarten  wäre,  so  reicht  doch  der  Uebergang  derselben  in  s  so- 
weit vor  die  Zeit  unserer  nhd.  Sprachperiode*,  dasE  an  eine  Wieder- 
herstellung des  fz  nicht  gedacht  werden  darf.  In  ^metse  äsen  äsen 
aus  Binse  bis  das  emsig  Erbse  feist  Gemse  Krebs  Kreis  Lot  Schleuse 
vericeisen  soll  das  filtere  ft  nicht  wiederhergestellt  werden.  Anszer 
den  genannten  halte  noch  Bimsstein  Gesims  Schöps  und  das  in  Nord- 
dcutschiand  allerdings  nicht  gebräuchliche  Samstag  angeführt  werdeo 
sollen.  Unrichtig  ist  die  Angabe,  dafz  auch  in  Schleufe  das  s  ansfi 
erweicht  sei;  das  Wort  hat  mit  schliefzen  nichts  zu  schaffen,  sondera 
stammt  von  mlat.  exclusa.  Dafz  in  äszen  aszen  Lofz  das  f*,  weiches 
sich  in  diesen  Wörtern  doch  nicht  selten  geschrieben  findet,  nicht 
hergestellt  ist,  hat  wo!  seinen  Grund  in  dem  besondern  Umstand,  dui 
gerade  im  nördlichen  Deutschland  in  der  Mitte  des  Wortes  nach  lan- 
gem Vokale  der  Unterschied  zwischen  dem  schärferen  f»  und  dem  wei- 
cheren 5  noch  hurbar  ist  und  jene  Worte  gerade  mit  dem  weichen 
Laute  gesprochen  werden.  Im  übrigen  Deutschland,  in  welchem  in  der 
Aussprache  jener  Unterschied  ganz  oder  fast  ganz  verschwunden  ist, 
würde  von  Seiten  der  Aussprache  der  Wiedereinführung  des  /sin  die- 
sen u.  a.  Wörtern  nichts  im  Wege  stehen.  —  Unrichtig  ist  S.  51  die 
Angabe,  dafz  fz  in  Obft  und  Herbft  in  ft  übergehe,  vielmehr  hsit  Herbst 
von  jeher  st  gehabt  (vgl.  ahd.  herbist^  nihd.  herbest^  engl.  Aaroesi),  in 
Obst  aber  hat  t  sich  dem  fz  angesetzt,  wie  auch  dem  s  z.  B.  in  Fabü 
(mhd.  bäbes)  Axt  (mhd.  ackes)^  und  es  ist  alsdann  die  ungewöbnli^ 
Schreibweise  fzt  in  die  gewöhnliche  ft  verwandelt  worden.  Daher  kaaa 
auch  nicht  aus  brasteln  hristen  prörost  ein  prafzcln  kreiften  Profofz 
gerechtfertigt  werden ;  durch  Assimilation  des  /  würde  vielmehr  pras- 
seln kreissen  entstchn  und  in  Profos  wird  man  am  besten  einen  Abfall 
des  t  annehmen.  Zur  Hechtfertigung  von  prafzeln  kann  man  auch  das 
verlegene  bräzeln  nicht  beiziehen,  da  das  Wort  offenbar  ans  dem  so 
hüuügen  brasteln  sich  entwickelt  hat;  ebensowenig  ist  kreissen  auf 
hrizen  zurückzuführen  sondern  stammt  erwiesenermafzen  von  kriUem, 
Ferner  ist  vom  Standpunkt  der  historischen  Entwickelung  aus  allein 
die  Schreibweise  gröster^  nicht  wie  S.  32  vorgeschrieben  wird,^r^^ 
fer  zu  rechtfertigen,  aus  der  vollständigen  Form  groezister  ist  dnrch 
Ausfall  der  Silbe  zi  groestcr  entstanden,  wie  aus  bezzisi  best;  dann 
hätte  nach  mhd.  muoste  und  toeste  tresse  eutschiedener  anf  musie  nnd 
icuste  gedrungen  werden  sollen. 

Es  ist  jedesfalls  dankenswert,  dafz  die  hannoverische  Oberbe- 
hördo  die  Regelung  der  Sache  in  die  Hand  genommen  hat.  Das  Werk 
der  Konferenz  ist  als  Anfang  zum  bessern  zu  begrüszen  und  nur  zu 
wünschen,  einesteils  dasz  man  auf  dem  betretenen  Wege  fortfahre  und 
durch  allmähliches  Vorgehen  sich  einer  möglichst  konsequenten  Recht- 


Schrillen  über  deutsche  Orthographie.  2S1 

scbreibang  nähere,  anderesteils  dasE  man  auch  in  den  andern  Landern 
Dentschlands  anf  gleiche  Weise  vorgehe. 

No.  3  stellt  den  gesamten  Stoff,  der  bei  der  orthographischen 
Frage  in  Betracht  kommt^  am  vollständigsten  zusammen  und  ist  in  die- 
ser Beziehung  denjenigen,  die  sich  über  den  Gegenstand  genauer  un- 
ierrichten wollen,  vor  allen  anderen  Werken  zu  empfehlen.  Wesentlich 
wird  der  Gebrauch  des  Buches  noch  erleichtert  durch  ein  umfangrei- 
ches Wortverzeichnis ,  das  dem.  Buche  angehängt  ist  und  jedesmal  auf 
die  Stellen  des  Buches  hinweist,  an  denen  von  dem  betreffenden  Worte 
die  Rede  ist.  Der  Vf.  steht  auf  dem  Boden  des  historischen  Princips, 
das  er  S.  2  in  folgenden  Worten  ausspricht:  ^die  Schreibung  richte 
sich  nach  der  geschichtlich  wahrnehmbaren  entwickelung  des  neuhoch- 
deutschen lautsystems.'  Indes  bandelt  es  sich  bei  ihm  weniger  um 
Vorschläge  für  Einführung  einer  auf  das  gedachte  Princip  gegründeten, 
beszeren  Orthographie,  sondern  sein  Bemühen  ist  das  Material,  wie  es 
auf  geschichtlichem  Wege  sich  offenbart,  den  eigentlichen  Tatbestand, 
um  den  es  sich  handelt,  zu  geben  und  zwar  in  einer  Weise,  die  vorbe- 
reitend und  in  deutlichem  Zusammenhange  mit  dem  zu  erstrebenden 
Ziele  steht  (S.  7).  Es  fehlt  darum  nicht  an  Hinweisungen,  wie  man 
sich  einer  beszeren  Orthographie  nätiern  könne ,  allein  dieselben  sind 
immer  mehr  gelegentliehe.  Der  eigentlich  nächste  Zweck  des  Buches 
nun,  die  Zusammenstellung  des  gesamten  Stoffes,  ist  in  einer  Weise  er- 
reicht, dasz  in  dieser  Hinsicht  das  Buch  wenig  zu  wünschen  übrig 
laszt.  Der  Vf.  zeigt  eine  nmfaszende  Kenntnis  nicht  nur  der  neuern 
sondern  auch  der  altem  Sprache,  und  so  entgeht  ihm  nicht  leicht  et- 
was, was  zur  Aufhellung  des  behandelten  Stoffes  dienen  könnte.  Dasz 
dabei  im  einzelnen  immer  noch  hier  und  da  etwas  nachzutragen  ist, 
dasz  hin  und  wieder  in  Ableitung  von  Worten  u.  dgl.  fehl  gegriffen 
ist,  kann  bei  der  Natur  des  Gegenstandes  nicht  befremden.  —  S.  14. 
Den  Wörtern,  welchen  einfaches  a  zu  geben  ist,  könnte  noch  Schale 
hinzugefügt  werden,  welches  hin  und  wieder  noch  immer  mit  doppel- 
tem Vokale  geschrieben  wird.  In  der  Anm.  führt  der  Vf.  aus  Luther 
die  Schreibweise  feer  an;  diesz  feer  erscheint  in  jener  Zeit  sehr  häu- 
fig, so  findet  sich  z.  B.  in  den  loci  communes  des  Melauchthon  *ver- 
deudscht  durch  Justum  Jonam'  (Wittemberg  1539)  »  soweit  Rf.  hat  se- 
hen können,  nur  in  dem  einen  Worte  feer  die  Verdoppelung  eines  Vo- 
kals. —  S.  26  hatte  die  Deutung  von  Kiefer  aus  Kienföhre,  die  sich 
auch  im  Wortverzeichnisse  von  No.  2  findet,  entschieden  abgewiesen 
werden  sollen.  Das  erst  im  nhd.  erscheinende  Wort  ist  seinem  Ur- 
sprünge nach  nicht  recht  klar.  Am  wahrscheinlichsten  ist  die  Ablei- 
tung Weigands,  der  es  auf  lat.  cyprus  zurückführt.  —  S.  29.  Die 
Schreibweise  echt  ist  festzuhalten.  Aber  die  Ableitung  von  einem  aus 
ihafl  zusammengezogenen  eft^  das  plattdeutsch  zu  echt  wurde,  ist  zu 
verwerfen.  Altfris.  erscheint  das  Adj.  oft  {eft  oft)  ehelich  rechtmäszig 
und  das  Subst.  afle  Ehe,  welche  von  Weigand  passend  mit  lat.  aptu$ 
verglichen  werden.  —  S.  33.  Das  Wort  Augenlider  wird  auch  von 
solchen,  die  sich  der  herkömmlichen  Orthographie  bedienen,  nicht  sei- 


232  Schriften  über  deutsche  Orthographie. 

ten  mit  blosiem  •  geschrieben,  vgl.  z.  B.  Fellows  Lycien  überietst  von 
Zenker  (Leipzig  1853)  S.  11.  —  S.  34.  Flieder  scheint  den  organischen 
Diphtb.  le  zu  haben,  vgl.  Weigands  Wörterbuch  u.  d.  W.  —  S.  48. 
Zu  den  Wörtern,  in  denen  ä  ffir  das  ans  •  durch  Brechung  entstandene 
^  steht,  gehört  auch  wägen  (abwägen)  mhd.  wägen.  —  S.  51  o  ist  far 
a  eingetreten  auch  in  focht  schmoU  klomm  erschoU  für  mhd.  9aki 
srnah  klam  erschal.  —  S.  77  bemerkt  der  Vf.  *das  mhd.  bietet  dütem^ 
aber  dutzen  folgt  der  ausspräche.'  Hierbei  kann  der  Vf.  nur  die  Aus- 
sprache vom  nördlichen  Deutschland  vor  Augen  haben.  Denn  in  Mit* 
teldeutschland  wenigstens  spricht  man  duzen.  —  S.  88  ^U  statt  gii 
findet  sich  schon  in  der  Deutschordenschronik  von  Jeroschin  (gizic  : 
drizic).  —  S.  93.  Alkofen  hängt  doch  wol  kaum  mit  mhd.  Kobe  zu- 
sammen ,  sondern  stammt  mit  span.  alcoba  aus  dem  arabischen.  —  S. 
98  billig  für  billich  entspringt*  nicht  aus  mhd.  bildelichj  sondern  stammt 
aus  einem  einfachen  bil  oder  bili  (lenitas ,  placiditas) ,  welches  noch 
in  Eigennamen  erscheint,  vgl.  Grimm  Mytholog.  S.  347  u.  443,  wo  auch 
ein  celtisches  bil  (gut,  mild)  verglichen  wird.  —  S.  98.  eöilig  erscheint 
schon  frühe  mit  g.  In  Jeroschins  Deutschordenschronik,  in  der  sich 
z.  B.  unzellich  noch  findet ,  steht  schon  mit  eolligir  tucht  und  di  i  röi 
eollic  schinen.  —  S.  98.  Hier  hatten  auch  noch.  Adj.  wie  buekeiig 
schwindelig  zappelig  winklig  u.  ä.  erwähnt  werden  sollen,  von  denen 
es  zweifelhaft  sein  kann ,  ob  sie  mit  g  oder  ch  zu  schreiben  sind.  — 
8.  109.  Neben  bofzen  (Kegel  schieben)  auch  das  gleichbedeatendo, 
bofzeln.  —  S.  111.  Nachzutragen  ist  noch  Bofze  (Gebund  Stroh  u.  dgl.) 
:;=  mhd.  6dse,  welches  mundartlich  noch  vielfach  erscheint.  —  S.  111. 
Schlambeiszker,  Der  Name  Schlambeiszker  erscheint  schon  früher  mit 
fz  vgl.  beiszger  Hohberg  bei  Grimm  D.  W.  s.  v.  Beifzker.  Das  Wort  soll 
aus  dem  slav.  entlehnt  sein  (poln.  pyskorzj  Zcitschr.  f.  vgl.  SpraehL 
I S.  424),  Grimm  nimmt  aber,  wie  es  scheint,  mit  Recht  an,  dasz  es  erst 
aus  dem  deutschen  in  die  slavischen  Sprachen  eingedrungen  sei.  — 
S.  113.  Eine  Vertauschung  von  mhd.  glizen  und  glichesen  wird  ange- 
bahnt durch  Stellen  wie  die  folgenden  aus  Jeroschin  mit  andäkt  dne 
glizen  oder  brüdir  Albrecht  von  Mizin  sundir  alliz  glizin  vor  gote 
was  ein  hell  eil  tuir,  -^  S.  127.  Blas  ist  jedesfalls  mit  s  zu  schreiben. 
Im  MüUer-Beneckeschen  Wb.  ist  eine  Stelle  ans  Nithart  angefahrt; 
häufig  erscheint  das  Wort  in  Jeroschins  Deutschordenschronik  und 
Staats  mit  s,  vgl.  Reime  wie  blas:  Judas  j.blas:  laSj  blas:  was  o.  a.  — « 
Die  Schrift  No.  4  hat  vornehmlich  den  Zweck  gegenfiber  den  Be- 
strebungen Weinholds  und  der  historischen  Schule  als  Grundlage  der 
Rechtschreibung  das  phonetische  Princip  als  das  einzig  richtige  in  be- 
gründen und  zu  zeigen,  wie  etwa  unter  Zngrnndelegen  desselben  die 
einzelnen  streitigen  Punkte  in  der  Orthographie  zur  Entscheidung  in 
bringen  wären.  Sie  verlangt  Uebereinstimmung  des  geschriebenen 
Wortes  mit  dem  gesprochenen,  wie  es  im  Munde  des  gebildeten  Deut- 
schen lautet.  Darum  bdiandelt  denn  der  Vf.  S.  10  ff.  zunächst  die 
Frage,  ob  es  überhaupt  eine  gemeinsame  von  den  Volksmundarten  nn* 
(erscbiedene  Aussprache  des  deutschen  gebet  und  entscheidet  sich  da- 


Sekriften  Aber  deaUdie  Orthograplue.  233 

ffir,  dasi  eine  solche  allerdingg  vorhanden  sei,  und  swar  aei  ea  — 
nach  dem  Auaaprnche  Klopalocka  —  die  Auaaprache  dea  guten  Vorle- 
aera,  Rednera  und  Schanapielera ,  wenn  der  Inhalt  eniathaft  iat.  Ein- 
xelne  atreitige  Punkte  gibt  der  Vf.  dabei  freilich  au.  Im  gansen  kann 
man  dem  Vf.  in  dieaer  seiner  Behauptung  von  einer  allgemein  giltigea 
Mnen  und  gebildeten  Aussprache  Recht  geben ;  nur  wäre  au  wünschen, 
daax  derselbe  gerade  auf  die  übrig  bleibenden  Verschiedenheiten  in- 
nerhalb der  Aussprache  auch  der  gebildeten  und  auf  daa  Verhalten  der 
Orthographie  dazu  etwaa  näher  eingegangen  wfire.  Ea  kommt  Rf.  ao 
vor,  ala  ob  er  diese  Verschiedenheiten  doch  etwas  zu  gering  an- 
achlüge.  Er  erwähnt  nur  das  Auseinandergehen  von  dem  südlichen 
und  mittleren  Deutachlande  und  von  einem  Teile  des  nördlichen  *)  in 
der  Aussprache  dea  st  und  sp  am  Anfange  der  Worte,  ferner  daaz 
man  im  Norden  Ferd  Farrer  u.  ä.  hört  atatt  Pferd  Pfarrer.  Ea  könn- 
ten aber  noch  gar  manche  andere  Verschiedenheiten  der  Art  angefflhrl 
werden.  So  haben  z.  B.  in  Norddentschland  noch  viele  einsilbige 
Worte  die  ursprüngliche  Kürze  bewart,  während  im  Süden  dieae 
Kürze  dem  allgemeinen  Zuge  nach  Verlängerung  der  Vokale  vor  ein- 
facher Konaonanz  hat  weichen  müazen ;  dort  hört  man  auch  im  Munde 
der  gebildeten  Glas  Gras  üöf  an  u.  dgl.,  hier  Glos  Gras  Hof  an.  Um- 
gekehrt apricht  man  im  aüdlichen  Deutschland  müsMn  mit  langem  ü 
aus,  während  daa  mittlere  und  nördliche  diesen  Vokal  verkürzt.  Alles 
diesz  sind  aber  Unterschiede,  die  nicht  allein  den  Volkamundarten  an- 
gehören, sondern  sich  auch  im  Kreiaze  der  gebildeten  geltend  machen. 
Weiter  bestehen  sehr  bedeutende  Verschiedenheiten  in  der  Aussprache 
des  g,  Mnsz  man  auch  annehmen,  dasz  die  gebildeten  dea  geaamtea 
Deutschlands  aich  der  richtigen  Aussprache  dieses  Buchstabens  im  An- 
laute zu  nähern  bemüht  sind,  dasz  also  der  Westfaie  sein  chud^  der 
Märker  sein  jud  für  gut  ala  falsch  anerkennt  —  ao  ist  doch  in  dem 
Inlaute  und  vor  allem  im  Auslaute  die  Aussprache  eine  völlig  verschie- 
dene; der  Süden  spricht  im  Auslaute  deutlich  die  tennis,  der  Norden 
die  aspirata ;  dort  heiszt  es  Tak  hier  Tack,  dort  freudih  hier  freudich* 
Femer  bat  daa  aüdliche  und  mittlere  Dentachland  den  Unterachied  zwi- 
schen SS  und  s  völlig  aufgegeben ,  man  spricht  fast  durchgängig  die 
harte  apirans,  während  im  Norden  nach  einem  langen  Vokale  im  In- 
laute, wenn  ein  Vokal  folgt,  der  Unterschied  zwischen  dem  härteren 
sa  und  dem  weicheren  s  noch  deutlich  gehört  wird  —  ein  gebildeter 
niederdeutscher  Mund  unterscheidet  genau  zwischen  weisien  und  loet- 
seii,  zwischen  Schosse  asten  und  Rose  Hasen,  Dieser  Unterschied  ial 
dem  Süddentaehea  ao  völlig  geschwunden,  sein  Mund  und  Ohr  ist  ao 
wenig  mehr  daran  gewöhnt,  dasz  gar  mancher  kaum  mehr  im  Stande 
ist  denselben  auch  nur  zu  vernehmen,  wenn  ein  anderer  die  Laute 
richtig  ausspricht.    Alle  die  eben  aufgezählten  Fälle,  die  noch  durch 


*)  unter  dem  südlichen  Deatscblande  versteht  Rf.  Schwaben  Baiem 
und  Oestreich,  das  mittlere  bilden  Franken  Hessen  Thüringen  oad 
Meiszen,  daa  nordUche  umfaszt  das  alte  Sachsen. 


234  Schriflen  über  deulsche  Orthographie. 

andere  vermehrt  werden  könnten,  beschränken  die  Behauptnng  dasz 
es  eine  allgemein  angenommene  Aussprache  des  hochdeatschen  ge- 
be, und  zwar  in  nicht  eben  geringem  Umfange.  Wie  soll  sich 
nun  die  Schrift  diesem  gegenüber  verhalten,  wenn  das  Princip  des 
Vfs:  ^  Bring  die  Schrift  und  Aussprache  in  Ueberstimmung  mit 
einander'  durchgeführt  werden  sollte?  Soll  Verschiedenheit  der  Or* 
Ihographie  nach  den  verschiedenen  Teilen  Deutschlands  gestattet 
sein?*)  Das  ist  doch  wol  kaum  der  Wunsch  irgend  eines.  Es  würde 
das  notwendig  mit  der  Zeil  den  Verfall  der  einen  deutschen  Schrift- 
sprache und  die  Auflösung  derselben  in  verschiedene,  mehr  den  ein- 
zelnen Dialekten  verwandte  Schriftsprachen  herbeiführen.  Der  Vf.  will 
in  solchen  Fällen  das  historische  Recht,  den  jedesmaligen  orthographi- 
schen Besitzstand  schützen.  Der  Süddeulscho  soll  stehen  sprechen 
schreiben,  nicht  Schlehen  schprechen^  solange  ein  groszer  Teil  der 
gebildeten  Norddeutschen  an  der  ursprünglichen  Aussprache  festhält; 
diese  sollen  trotz  ihrer  Auspracho  nicht  Ferd  Farrer  schreiben,  so- 
lange die  Süddeutschen  Pferd  Pfarrer  sprechen  **),  Man  masz  aber 
weiter  gehen ,  man  musz  überhaupt  anerkennen,  dasz  in  der  deutschen 
Rechtschreibung  neben  dem  phonetischen  Principe,  welches  anerkann- 
termaszen  die  Grundlage  bildet  und  von  jeher  gebildet  hat,  noch  ein 
anderes  —  wir  wollen  es  das  etyrnolorfische  nennen  —  mitwirkt,  and 
zwar  im  nhd.  mehr  als  im  mhd.  Diesz  hat  der  Vf.  nicht  hinlänglich 
berücksichtigt,  obgleich  es  bei  Beurteilung  der  ganzen  orthographi- 
schen Frage  wesentlich  in  Betracht  kommt.  Obgleich  z.  B.  kaum  Je- 
mand in  Deutschland  am  Schlusze  des  Wortes  die  media  g  spricht,  so 
wird  sie  doch  überall  geschrieben,  wo  die  Etymologie  des  Wortes  sie 
verlangt;  wollte  man  sich  nach  der  Aussprache  richten,  so  mOste  der 
Süddeutsche  z.  B.  freudik  Tak  mak  schreiben,  wie  im  mhd.  wirklich 
geschieht,  der  Norddeutsche  freudich  Tach  mach.  Die  Schreibnng 
richtet  sich  also  in  diesem  Falle  rein  nach  der  Etymologie,  nicht  nach 
der  Aussprache  der  Worte.  Mhd.  schrieb  man  im  Auslaute  slaels  die 
ttiuuis  z.  B.  Up  irip  eil  leit  u.  dgl.,  weil  hier  in  der  Auspracho  jede 
niodin  in  ihre  entsprechende  tenuis  übergieng;  jetzt  schreibt  man  Leib 
WetU  Kid  Lvid^  obschon  man  im  Süden  und  Norden  im  Auslaute  bei 
don  l.iibiMliMi  und  Dontalon  nie  die  media,  sondern  dafür  staets  die  te- 
iiiim  Miirirht.  Im  mittloron  Deutschland  wird  zum  Teil  wol  eine  media 
Nil  di>i  Sliilln  a«*"pi'(»i«hou,  aber  eigentlich  doch  meist  ein  Laut,  der 
MihiiUi-liiHiliMi  »uim^liiMi  lonuis*  und  media  schwankt,  bald  der  einen 
Imlit  ilfi  Miiili>iii  Mioli  iiiolii'  nuhornd,  ein  Laut  wie  er  überhaupt  in  MiU 
ii  iili  tii^i  l«lrtii,|  Hill  |v||i||i  do«  »orlos  vernommen  wird,  mag  das  Wort 
•  iM<  I  lliiliiniii  iiMrli  lull  modln  mlor  tenuis  schlieszen.  Sollte  also  das 

>    t  »tt    I «  -  tu  ilvt    Vu«|M<«vlii»  %W\\  \\\  diesen  Fällen  der  eine  Teil 
*'   .  '     '  '      ♦     ^  \\\  \y\^\w\\\w  di>«  mtdiMii  «iibrqunncn  werde,   ist  doch 

s     M      m   iitinil.««««*  ui   «     II.    «uvh   fpicng^  kieng  fiemg 
*     ^*.)(     il>  l«ttt  i'i«  «^dhvh«»  IViiinchland   noch  an  der 

\       ,       «     1-    (lull 


Schriften  Ober  devtoclie  Orlliographie.  2S5 

phonetische  Princip  die  deutsche  Orthographie  nnsedilieesll^  Eefeht« 
so  mOste  der  Norden  von  den  Lippen-  und  Tiay^idinten  im  Auslanle 
nnr  die  tenais  schreiben;  das  mittlere  Deatschland  könnte  in  Verle- 
genheit geraten,  wena  es  hier  deii  Auslaut  genau  in  der  Schrift  aui- 
drücken  sollte,  es  mfisie  deun  zu  der  Schreibweise  Leibp  Eidt  greifen 
wollen.  Weiter  verlangt  ein  allgemeines  Gesetz  nicht  allein  des  deut- 
schen sondern  sämtlicher  indogermanischen  Sprachen,  dasz  eine  media 
vor  tenuis  nicht  steht,  sondern  in  die  tenuis  ihres  Organs  übergeht: 
im  sscr.  wird  von  W.  jug^  gebildet  ydAr-/tim ,  im  griech.  wird  aus  ti* 
xQißxai  nach  demselben  Gesetze  rixQtnraij  im  lat.  scriptum  ans 
scribtutn.  So  spricht  man  auch  im  deutschen  nicht  liebte  gehabt^  son- 
dern liepte  gehapt*).  Man  schreibt  aber  jenes,  indem  man  der  Etymo- 
logie zu  Liebe  das  phonetische  Princip  verläszt,  gerade  wie  man  auch 
im  lat.  der  filtern,  der  Aussprache  entsprechenden  Schreibweise  optu^ 
leruni  später  obtulerunt  vorzog;  cf.  Quint.  1  7  7:  ^quaeri  solet,  in 
scribendo  praepositiones  sonum  quem  iunctae  efftciunt,  an  quem  sepa- 
ralae,  observare  conveniat,  ut  cum  dico  obtinuit ;  socundam  enim  k  lit- 
teram  ratio  poscit,  eures  magis  andiuntp.'  Schon  hier  derselbe  Wi- 
derstreit zwischen  dem  etymologischen  und  phonetischen  Principe  in 
der  Orthographie.  Der  Etymologie  zu  Liebe  sind  ferner  Schreibungen 
wie  sandte  wandte  in  Gebrauch  gekommen:  man  behielt  den  Endbuch- 
staben des  Verbalstammes  in  der  Schrift  bei,  obgleich  er  in  der  Aus- 
sprache wich.  Es  ist  diesz  dasselbe ,  als  wenn  man  im  griech.  z.  B. 
jteC^CG}  schreiben  wollte ,  während  man  doch  nEÜsm  spricht  Ebenso 
schreibt  man  das  h  an  vielen  Stellen,  wo  es  durch  die  Synkope  eines 
folgenden  Vokals  unmittelbar  vor  einen  Konsonanten  zu  stehen  kommt 
und  in  Folge  dessen  nicht  mehr  gesprochen  wird.  Man  schreibt  z.  B. 
»eAn,  seAit,  gehn^  flehn^  weil  diese  Worte  aus  zehen  sehen  gehe» 
flehen  geworden  sind;  auch  hier  waltet  wol  hauptsächlich  ein  etymo- 
logischer Grund :  man  will  durch  Erhaltung  des  h  (das  freilich  auch 
als  Dehnungszeichen  angesehen  werden  könnte)  den  Ursprung  der 
Worte  in  der  Schrift  klar  vor  Augen  führen.  Auch  hier  findet  sich  im 
mhd.  häufig  die  phonetische  Schreibung  wie  mdlen  für  mahelen^  ge- 
mdle  für  gemahele. 

Alle  die  angeführten  Fälle  zeigen  uns ,  wie  neben  dem  phoneti- 
schen Principe  noch  ein  anderes ,  ein  etymologisches ,  nebenher  geht 
und  jenes  in  nicht  geringem  Grade  beschränkt,  so  dasz  es  wol  dem 
Zwecke  der  Schrift  des  Hrn.  R.  entsprochen  hätte ,  wenn  er  genauer 
darauf  eingegangen  wäre  und  angegeben  hätte ,  inwieweit  solche  der 
Aussprache  nicht  gemisze  Schreibungen  Berechtigung  haben  sollen. 


^)  wenn  man  in  diesen  und  ähnlichen  Fällen  die  media  zu  boren 
glaubt,  so  ist  es  entweder  Teuschung,  da  das  deutsche  Ohr  überhaupt 
an  eine  scharfe  Unterscheid ang  von  weichem  und  hartem  Laute  niclit 
gewohnt  ist,  oder  es  wird  vermöge  der  eben  angeführten  Nachläszic- 
keit  die  folgende  tenuis  als  media  gesprochen:  liebde  gehabd.  Media 
vor  tenuis  kann  nicht  gesprochen  werden.  Mhd.  sind  Schreibungen 
wie  roupte  geloupte  nichts  seltenes. 


236  Schriften  über  deatsche  Orthographie. 

Wollte  der  Vf.  das  phonetische  Princip  in  seiner  Konseqaens  darch- 
führen,  so  würde  er  meistenteils  gerade  von  denen,  welche  er  in 
seinem  Schriftchen  bekimpft,  am  wenigsten  Widerspruch  xn  erfahren 
haben.  Die  tenuis  z.  B.  im  Auslaute  wieder  statt  der  media  einzufah- 
ren, ist  Weinhoid  nicht  gerade  abgeneigt,  sante,  wanU  u.  fi.  schiigt 
er  selbst  vor,  und  zu  liepte  und  gehapt  würde  er  sich  wol  auch  ver- 
stehen. 

Gehen  wir  nun  näher  auf  das  ein ,  was  der  Vf.  hauptsachlich  den 
orthographischen  Neuerungen  Weinholds  vorwirft.  Aus  einer  mehr 
gelegentlichen  Aeuszerung  Weinholds  über  die  geschichtliche  Schrei- 
bung der  Engländer  glaubt  der  Vf.  schlieszen  zu  muszen,  dass  jener 
für  das  deutsche  eine  ähnliche  einführen  wolle.  Das  englische  ist  seit 
langem  in  der  Orthographie  stehen  geblieben,  es  hat  die  Schreibung 
einer  Zeil  beibehalten,  in  der  die  Sprache  auf  einem  ganz  andern 
Standpunkte  der  Entwickelung  stand  als  jetzt,  und  so  differieren  nun 
Aussprache  und  Schrift  so  sehr,  oder  eigentlich  noch  weit  mehr,  als 
im  nhd.  beide  auseinandergehen  würden,  wenn  wir  dasselbe  in  der 
Sprache  des  Nibelungenliedes  schreiben  wollten.  Wenn  Weinhold 
wirklich  eine  solche  Orthographie  empfehlen  wollte,  so  müste  er,  wenn 
er  nur  auf  das  mhd.  zurückgienge,  z.  B.  die  Anfangsstrophe  von  des 
Sängers  Fluch  von  Uhland  folgendermaszen  schreiben: 
Ez  stuont  in  alten  zitcn  ein  slöz  so  hoch  unt  h^r, 
wit  glenzet  ez  über  diu  lande  biz  an  daz  bUwe  mer, 
unt  rings  von  tuftcgen  garten  ein  blüetericher  kränz, 
darinnc  sprungen  vrische  brunnen  in  regenbogen  glänz« 
Das  wäre  eine  geschichtliche  Schreibung  nach  Art  der  englischen,  wie 
sie  indes  weder  Weinhold  noch  irgend  einem  andern  in  den  Sinn 
kommt  zu  empfehlen.  Derselbe  will  vielmehr  eine  Orthographie,  wie 
die  geschichtliche  Fortcntwickelung  des  nhd.  sie  verlangt.  Wie  diese 
aber  zu  verstehen  sei,  kann  man  z.  B.  gleich  au  dem  ersten  Worte 
obiger  Strophe  ersehen.  Der  letzte  Buchstabe  von  e:3,  das  weiche  i, 
ist  im  nhd.  in  einen  Laut  fz,  übergegangen,  der  in  der  Aussprache,  na- 
mentlich im  Auslaute,  dem  8  völlig  gleich  geworden  ist  und  darnn 
auch  in  der  Schrift  öfters  mit  diesem  vertauscht  wird,  wie  es  z.  B 
gerade  bei  dem  Wörtlein  es  der  Fall  ist.  Wollte  nun  Weinhold  eine 
Orthographie  wie  die  englische,  so  müste  er  verlangen,  dass  das  alte 
s  wieder  geschrieben  werde;  aber  er  will  nur  überall  da  im  nhd  f% 
herstollon ,  wo  jenes  z  im  mhd.  gestanden  hat  und  so  das  Gebiet  des 
ülloreu  »  in  seiner  Integrität  waren,  immer  aber  mit  Beobachtung  der 
Furlentwickeliing  unserer  Sprache,  welche  den  alten  Laut  verlaszen 
und  eiiion  andern,  dem  *  ähnlicheu  oder  gleichen  an  dessen  Stelle  ge- 
üolAl  hui:  nr  aehreiht  danach  fji.  Es  musz  daraus  jedermann  klar 
«ohi  \iio  \er»ehioden  eine  soKlie  auf  der  historischen  Grundlage  der 
S|.m.lio  .iiLomle  ahor  deren  Fortcntwickelung  immer  berficksichÜ- 
Moiidu    iilhuMraplii«  von  der  orslarrlen  historischen  Orthographie  des 

««•"»  dm  lm.i|.UaeliliehMoM  Tunkte,  auf  welche  die  Angriffe  des 


Schrifleii  Aber  deottehe  Ortbogniphie  287 

VfB  grericbtet  sind,  Ui  die  Verieilanflr  tob  t ,  $$  nad  fk,  wie  sie  ron 
Weinhold  und  der  historiseheo  Schale  YorgrenoaneB  wird.  Da  diese 
Oberhaapt  zu  den  sireitigsten  Punkten  im  Gebiete  der  deatseben  Ortho- 
graphie gehört,  fo  sei  es  ans  erlaabt  hier  naher  darauf  einsogehott. 
Zwei  mhd.  Laate,  die  aspirata  der  Zangenlaute  in  ihrer  weidiereD 
Aassprache  s  (»»)*)  and  die  spirans  s  (ss),  sind  im  ohd.  in  der  Aas- 
spräche  f a  s  t  völlig  zosammengefalien  and  darom  in  der  Schrift  aseh 
vielfach  vertauscht  worden,  so  dasz  bei  der  herkömmlicbeo  Vertei- 
lung von  s  und  dem  an  die  Stelle  von  »  getretenen  /s  das  Gebiet,  das 
ursprünglich  jedem  der  beiden  Lante  sakam,  nicht  mehr  genau  ge- 
schieden ist. 

1.  ImAnlaute  kommt  /s  nicht  vor,  sondern  nur  s.  Der  Laot,  der 
dieser  letzteren  spirans  zukommt,  ist  der  weiche  Laut,  den  die  Hollin- 
der durch  ihr  s  bezeichnen ;  diesen  spricht  man  im  nördlichen  Deutsch- 
land auch  noch  regelmiszig  im  Anlaute,  wfihrend  er  im  mittleren  and 
sQdlichen  Deutschland  unbekannt  ist  und  an  seiner  Stelle  der  birtere 
gesprochen  wird.  In  der  Schreibung  besteht  hier  keine  Differenz; 
jedermann  schreibt  sagen  so  n.  fi. ,  obgleich  die  birtere  Aussprache 
Saddeutschlands  f^gen  /so  verlangen  würde. 

2.  Im  Inlaute  nach  langem  Vokale  und  bei  folgendem 
Vokale  hat  Norddeutschland  den  ursprQnglichen  Unterschied  zwischen 
dem  härteren  f»  und  dem  weicheren  s  in  der  Aussprache  bewart:  /s 
in  safzen  af%en  weißen  Schofze  süf»e  (mhd.  sAzen  Azen  wtzen  schöze 
süeze)  lautet  ganz  anders  als  s  in  ^oseii  weise  Rose  lose  (mhd.  hasen 
wtse  rose  löse).  Nur  in  wenigen  einzelnen  Wörtern  wie  AmeU%e 
Lofze  Kreiße  verweif%en  n.  a.  hat  es  sich  zu  s  abgeschwicht,  woge- 
gen in  einigen  andern  wie  Geisel  (flagellum)  umgekehrt  ß  an  die 
Stelle  von  s  getreten  ist.  Das  Qbrige  Deutschland  hat  auch  in  diesem 
Falle  den  Unterschied  in  der  Aassprache  aufgegeben  und  spricht  meist 
den  hirteren  Zischlaut.  Die  Schrift  drückt  den  ursprünglichen  Unter- 
schied noch  ziemlich  richtig  aus  in  der  Art  und  Weise ,  wie  sie  hier 
die  Buchstaben  ß  und  s  verteilt;  nur  die  wenigen  Wörter,  tob  denoB 
oben  gesprochen  ist,  bilden  eine  Ausnahme. 

3.  Im  Auslaute  nach  langem  Vokale  hört  man,  wie  über- 
haupt im  Auslaute ,  nur  den  härteren  Zischlaut.  Man  müste  demnach, 
wollte  man  nach  der  Aussprache  schreiben,  sich  an  dieser  Stelle  stits 
des  ß  bedienen.  In  Wirklichkeit  behält  man  aber  auch  hier  ß  und  f 
bei,  je  nachdem  mhd.  z  oder  s  stand,  so  dasz  z.  B.  groß  und  los  noch 
genaa  so  unterschieden  werden  wie  mhd.  grd»  und  löSj  obgleich  die 
Aussprache  sie  zasammengeworfen  hat.  Nur  einige  Wörter  wie  aus 
Kreis  Verweis  Los  haben  s  für  ß  angenommen. 

4.  Nach  kurzem  Vokale,  wo  nach  nhd.  Schreibgebranche 
die  Verdoppelung  eintreten  sollte,  sind  nhd.  beide  Buchstaben  in  der 
Aussprache  zusammengefallen,  es  wird  überall  gleicherweise  der  harte 


*)  wo  mhd.  die  härtere  Anssprache  von  s  galt,  da  steht  nhd.  noeh 
immer  •  oder  in  der  Verdoppelang  U* 


238  Schriften  über  deutsche  Orthographie. 

Zischlaut  gesprochen,  mag  früher  %  oder  8  gestanden  haben:  mhd. 
hazzen  gegozzen  und  küssen  rossen  lauten  im  nhd  gleich,  und  ein  wei- 
ches SS  wird  hier  nirgend  mehr  gesprochen*).  Nach  dem  phoneti- 
schen Principe  sollte  also  in  diesem  Falle  überall  doppeltes  fs  ge- 
schrieben werden,  eine  Verdoppelung,  die  indes  niemals  angewendet 
wurde,  wol  wegen  des  unbequemen,  ftusammengesetsten  Zeichens. 
Der  Vf.  will  deshalb  mit  Heyse  dafür  ss  brauchen  und  diesE  als  Ver- 
doppelung von  [m  ansehen ,  da  doppeltes  $  im  nhd.  nirgend  mehr  vor- 
komme: er  schreibt  fassen  fasste  fass  faffen  f äffte  fafd.  Die  herkömm- 
liche Orthographie  setzt  wenn  Vokal  folgt  ss,  vor  Konsonanten  und 
im  Auslaute  fz  z.  B.  faffen  fafte  fa§. 

5.  Vor  Konsonanten  ist  der  Zischlaut  staets  der  harte ;  es 
sollte  demnach  hier  nach  der  Aussprache  überall  fz  geschrieben  wer- 
den, allein  die  allen  Konsonantenverbindungen  st  und  sp  sind  nhd. 
unverändert  geblieben. 

6.  Hinter  Konsonanten  wird  in  der  herkömmlichen  Ortho- 
graphie nirgend  mehr  f*  geschrieben,  obgleich  wenigstens  in  swei 
Wörtern  Erbse  und  Krebse  auch  in  Norddeuschland  noch  der  scharfe 
Laut  gesprochen  wird  und  demgemasz  Erbfze  Krebfze  geschrieben 
werden  sollte,  wie  die  Entstehung  der  Worte  aus'mhd.  erweiz  krebe* 
es  verlangt.  In  Gemse  Gesimse  Binse  emsig  wird  in  Norddeutschland 
der  weiche  Laut  gesprochen,  während  nihd.  gamz  simeze  bincM  emeuc 
den  harten  Laut  und  das  fz  verlangen  würden. 

Ueberscbauen  wir  diese  verschiedenen  Fälle,  so  finden  wir,  wie 
die  seither  übliche  Orthographie  völlig  principlos  ist.  Von  einer  Un- 
terscheidung beider  Buchstaben  nach  der  Aussprache  kann,  wie  oben 
bemerkt,  für  den  grösten  Teil  Deutschlands  überhaupt  gar  nicht  die 
Kede  sein.  Für  diese  Gegenden  würde  also  ein  Zeichen  $  (is)  völlig 
genügen.  Wollen  wir  aber  nach  der  Aussprache  des  nördlichen 
unsere  Schreibung  regeln,  so  müszen  wir  ganz  anders  verfahren  als 
in  der  üblichen  Orthographie  oder  in  der  von  Heyse  empfohlenen  ge- 
schieht; denn  auch  die  letztere,  die  der  Vf.  adoptiert,  kann  keines- 
wegs den  Anbruch  machen ,  dasz  sie  die  Aussprache  getreu  wieder- 
gebe. Sollte  sie  das  wirklich  tun,  so  müste  sie  ja  im  Auslaute  nur  n 
anwenden,  sie  müste  denselben  Buchstaben  staets  vor  Konsonanten 
brauchen  (z.  B.  ifzi  =  est  für  ist,  hafzl  =s  habes  für  hast,  J^si^e  fftr 
Espe),  sie  müste  endlich  statt  ss  eine  Verdoppelung  von  /«  (etwa  fpt) 
einführen.  Das  wäre  eine  Orthographie,  die  in  der  That  auf  phoneti- 
schem Grunde  ruhte.  So  lange  man  aber  nach  der  gewöhnliche  Weise 
schreibt  oder  auch  nach  der  von  dem  Vf.  angenommenen,  kann  mut 
nicht  behaupten,  dasz  man  nach  dem  Grnndsatxe  verfahre:  Schreibe 
wie  du  sprichst. 

*)  nur  mundartlich  wird  in  Niederdeutochland  noch  hin  und  wie- 
der weiches  $$  gebort,  so  s.  B.  im  pommerschen  Dialekte  in  Wörtern 
wie  aussein  (träumerisch,  im  halben  Schlafe  dahingehen,  dahinsitien), 
pusseln  (sich  mit  Kleinigkeiten  sn  tun  machen),  fassein  (sich  ausfa- 
deln),  quasseln  (vieles  unvernünftiges  schwatsen). 


Sehriften  Aber  denfaielie  Orthofraphia.  2S9 

Wer  sich  so  die  Saeblage  klar  (gemacht  ImI,  wird  einsehen,  das» 
es  nnr  zwei  W'egre  gibt,  um  zu  einer  TernfinfÜgoi  Sehreibnng  in  dem 
betreffenden  Pnnkte  zo  gelangen :  entweder  man  wirft  das  eine  Zei- 
chen ganz  weg  —  dann  laszt  man  aber  einen  alten  wolbegrfindeten 
Unterschied  zweier  Buchstaben  ganz  anszer  Acht,  der  in  einem  Teile 
Dentschlands  wenigstens  noch  teilweise  in  der  Anssprache  sieh  gel« 
tend  macht  —  oder  man  unterscheidet  beide  Bnchstaben  so  wie  es 
ihre  historische  Entstehung  verlangt,  indem  man  /s  für  mhd.  «,  s  für 
mhd.  s  setzt.  Dann  wird  in  dem  6inen  Falle,  wo  beide  wenigstens  in 
Norddentscbland  noch  verschieden  gesprochen  werden ,  das  verschie- 
dene Zeichen  die  Verschiedenheit  der  Aussprache  ausdrücken  —  sonst 
aber  wird  diese  Schreibweise  den  Zusammenhang  zwischen  unserer 
Sprache  und  der  ilteren  klarer  vermitteln  und  in  vielen  Ffillen  deut- 
licher zeigen,  welche  Worte  alle  zu  ^inem  Stamme  gehören^;  ffir 
die  Aussprache  aber  genügt  alsdann  die  einfache  Regel:  Sprich  den 
harten  Zischlaut  im  Auslaute,  nach  kurzen  Vokalen  im  Inlaute  und  vor 
Konsonanten,  den  weichen  im  Anlaute  vor  Vokalen. 

Der  Vf.  wirft  der  historischen  Schreibweise  vor,  dasz  sie  Ge^ 
nofzen  und  Rossen  bei  gleicher  Aussprache  durch  die  Schrift  trenne, 
dagegen  Genofzen  mit  großen  zusammenwerfe,  obgleich  die  Aus- 
sprache eine  verschiedene  ist.  Trennt  aber  der  Vf.  z.  B.  grofz  und 
los^  Schoß  und  Moos  nicht  auch  in  der  Schrift,  da  sie  doch  ganz 
gleich  lauten?  Und  ferner,  worin  beruht  denn  der  Untersehied  in 
der  Aussprache  von  Genofzen  und  grofze?  Doch  nur  in  der  Quantitfit 
des  Vokals,  dessen  Kürze  im  nhd.  durch  Verdoppelung  des  folgenden 
Konsonanten  bezeichnet  zu  werden  pflegt.  Allein  eine  solche  Verdop- 
pelung pflegt  auch  sonst,  wo  ein  Laut  durch  ein  zusammengesetztes 
Zeichen  ausgedrückt  wird,  nicht  in  Anwendung  zu  kommen  (bei  ch 
und  scA),  Genofzen  und  gröfzen  verhalten  sich  zu  einander  gerade 
wie  lachen  und  sprächen^  hufchen  und  wüfchen^  an  deren  glei- 
cher Schreibung  doch  niemand  Anstosz  nimmt.  Die  angeführten 
Gründe  laszen  sich  also  vom  Standpunkte  des  Vfs  **)  ans  gegen  die 
Schreibung  der  historischen  Schule  nicht  anführen.  Dagegen  meidet 
man  bei  Annahme  dieser  Orthographie  Doppelformen  wie  lafzen  und 
lassen,  müfzen  und  müssen  (la^rn  laffen^  mA^cn  müffrn),  die  der  Vf. 
gestatten  musz,  weil  in  diesen  Worten  der  Stammvokal  teils  kurz  teils 
lang  gesprochen  wird. 

Bei  Berücksichtigung  aller  in  Betracht  kommenden  Fragen  ist  die 
von  der  historischen  Schule  ausgehende  Unterscheidung  von  fz  und  s 
gewis  die  am  meisten  zu  empfehlende ;  auch  scheint  sich  dieselbe  all- 


*)  80  zeigt  das  fz  in  Klofzy  dasz  diAz  Wort  ^ines  Stammes  ist 
mit  Klotz;  hafzen  und  hetzen  treten  als  zu  Einern  Stamme  gehörige 
Worte  nur  in  der  historischen  Orthographie  hervor. 

*^)  wenn  jemand  wegen  der  härteren  Anssprache  im  Auslaute  hier 
durchganp;ig  fz  setzte,  so  konnte  ein  solcher  im  Namen  des  Dhoueti- 
schen  Pnncipes  in  der  Orthographie  mit  mehr  Recht  gegen  eine  Un- 
terscheidung wie  von  Genofzen  und  Ronen  anftreten. 


240  Schriften  Aber  deutsche  Orthogrcphie. 

mählich  immer  weiter  Bahn  brechen  tu  wollen,  so  hat  s.  B.  die  hannd- 
verischß  Konferenz  sie  wenigstens  fttr  die  höheren  Schalen  empfohlen. 
Ucber  einzelne  Punkte  mag  man  noch  rechten ,  so  werden  sieh  Tiel- 
leicht  wenige  daza  verstehen  wollen,  auch  im  nentmm  des  A4j.  and 
Fron,  (guiezf^  efi)  oder  in  auß  n.  ä.  Wörtern  das  längst  aufgegebene 
fz  wieder  herzustellen,  wie  es  Ja  in  diesem  Falle  s.  B.  auch  von  J. 
Grimm  nicht  angewendet  wird. 

Wir  sind  auf  diese  ganze  Frage  über  /s  und  s  so  ausf&hrlieh 
eingegangen ,  weil  es  einer  der  am  meisten  streitigen  Punkte  ist  nnd 
es  uns  also  darauf  ankam  durch  vollständige  Darlegung  der  Sachlage 
alle  Momente,  die  bei  Beurteilung  der  verschiedenen  Schreibweisen 
in  Betracht  kommen ,  vorzuführen.  Auch  der  Vf.  legt  auf  den  frag- 
lichen Punkt  viel  Gewicht,  er  kommt  mehrmals  in  seinem  Schriltchen 
darauf  zurück  und  führt  ihn  vorzugsweise  überall  da  an,  wo  er  nei- 
gen will ,  wie  die  von  der  historischen  Schule  ausgehende  Orthogn- 
phie  aus  Vorliebe  für  alte,  längst  verschwundene  Unterschiede  in  voll- 
sten Gegensatz  gegen  unsere  neuere  Sprache  und  Aussprache  trete. 
Wir  glauben  gezeigt  zu  haben,  dafz  auch  der  Vf.  keineswegs  auf  den 
Boden  unserer  Aussprache  bei  der  von  ihm  empfohlenen  Orthographie 
stehe,  dasz  er  also  nicht  das  Recht  hat  im  Namen  des  phonetischen 
Principes  gegen  Weinhold  und  die  historische  Schule  aufzutreten. 

Mit  mehr  Grund  erhebt  der  Vf.  S.  23  ff.  gegen  Weinhold  den 
Vorwurf,  dasz  er  einzelne  längst  verlaszne  Schreibungen  zurflckfahre 
und  diesen  gemäsz  auch  eine  Aenderung  der  Aussprache  wünsche,  die 
eine  fundamentale  Umgestaltung  unserer  seit  mehr  als  hundert 
Jahren  giltigen  Schriftsprache  herbeiführe.  Die  auffallendsten 
dieser  Fälle  stellt  der  Vf.  S.  24  zusammen.  Indes  musz  von  den  da- 
selbst aufgeführten  Wörtern  wieder  eine  Anzahl  ausgeschieden  wer- 
den als  solche,  die  nicht  in  die  angegebene  Kategorie  fallen.  Denn 
durch  Zurückfübrung  der  früheren  Orthographie  Ber  geberei 
Kefer  eerschemt  getoeren  weren  für  Bär  gebären  gähren  Käfer  \ 
schämt  gewähren  währen  würde  an  der  Aussprache  der  Worte  niehls 
geändert  werden;  unser  e  hat  ja  gerade,  wo  es  aus  •  entstanden  ist, 
den  breiteu  und  tiefen  Laut,  der  obigen  Wörtern  zusteht:  ä  in  Bär 
lautot  wie  e  in  er  der  wer,  d  in  Käfer  gebären  wie  e  in  Feder  werfem. 
Ferner  fallen  Dieme  nnd  Liecht  statt  Dirne  und  Lickt  in  dieselbe  Ka« 
tegorie  wie  gieng  ßeng  hieng:  in  allen  diesen  Wörtern  sprieht  man 
im  mittleren  nnd  nördlichen  Deutschlande  ein  kurzes  t,  weshalb  aueh, 
selbst  bei  den  letzteren  Formen,  hier  meist  ein  •  geschrieben  wird ; 
allein  da  in  einzelnen  Teilen  von  Sfiddentschland  in  den  genannten 
Wörtern  noch  ein  langes  •  oder  selbst  der  Diphthong  ie  gesproohen 
wird,  so  hat  sich,  wenigstens  bei  den  drei  Praeteriten,  das  ie  noeh 
vielfach  erhalten  —  der  Vf.  wendet  selbst  diese  Schreibung  an,  auch 
Zn!Lt!^^r^V  •;>««««"»•»  Zeit»«?  wird  sie,  soviel  Bef.  weiss, 
irZ«?l  ""^^S.^"^*-  ^»  '*^"*  "«^  •«•<>  ^«»  Seiten  der  Aufl 
irKti^J!^^""  ^T'  V"^  ^''^'  "^«»"*'  einwenden.  Von  dem  fk 
in  hreifze  und  perwetfren  ist  oben  gesprochen,  es  verstösit  diese 


Schriften  über  deatsche  Orthographie.  241 

Schreibung  nur  gegen  die  Aussprache  von  Norddeutschland.  Sonach 
blieben  von  den  S.  24  vom  Vf.  zusammengestellten  Wörtern  haupt- 
sächlich nur  diejenigen  übrig,  in  denen  ein  ö  statt  des  filteren  e  ein- 
getreten ist:  derren  HeHe  Letce  Leffel  Scheffe  ichepfen  Geschepf 
schweren  ztoelf.  Hier  würde  allerdings  eine  Zurückführung  des  filteren 
gegen  die  herschende  Aussprache  verstoszen  undwol  kaum  durchzudrin- 
gen vermögen  (allenfalls  mit  Ausnahme  des  Wortes  Schelfe).  Auch  in 
einem  anderen  Falle,  den  der  Vf.  S  .26  berühr.t,  musz  Ref.  ihm  Recht 
geben.  Ein  Unterschied  im  Vokale  zwischen  dem  Singular  und  Plural 
des  Praeteritum  von  bleiben  u.  fi.  Verben,  wie  ihn  Weinhold  vor- 
schreibt (ich  blibj  wir  blieben)  ^  widerstreitet  dem  allgemein  im  nbd. 
durchgedrungenen  Gesetze,  dafz  diese  beiden  Zahlen  gleichen  Vokal 
haben  sollen,  wie  Ref.  schon  oben  bei  der  Anzeige  des  Weinholdschen 
Schriftchens  bemerkt  hat. 

Faszen  wir  nun  unser  Urteil  über  die  Schrift  des  Hrn.  v.  R.  noch 
einmal  kurz  zusammen,  so  ist  die  Ansicht  desselben,  dasz  unserer 
deutschen  Orthographie  das  phonetische  Princip  zu  Grunde  liege  und 
von  jeher  zu  Grunde  gelegen  habe,  vollkommen  richtig,  ferner  ist  von 
demselben  treffend  nachgewiesen,  wie  überhaupt  eine  Orthographie 
der  Ariden  Vorzug  vor  jeder  andern  verdiene,  es  verdient  in  dieser 
Hinsicht  besonders  dasjenige  nachgelesen  zu  werden,  was  der  Vf.  über 
die  Orthographie  in  den  romanischen  Sprachen  sagt  (namentlich  S.  40 
—  45).  Dagegen  sind  vom  Vf.  die  besonderen  FfiUe,  die  eine  Abwei- 
chung von  dem  Grundprincipe  der  deutschen  Orthographie  nicht  allzu 
selten  notwendig  machen ,  Umstände  welche  hauptsächlich  in  der  ver- 
schiedenen Aussprache  der  verschiedenen  Gegenden  Deutschlands  ihren 
Grund  haben,  nicht  mit  der  nötigen  Ausführlichkeit  in  das  gehörige 
Licht  gestellt  worden.  Vor  allem  aber  ist  der  Gegensatz,  in  den  der 
Vf.  die  von  ihm  empfohlene  Orthographie  mit  derjenigen  der  histori- 
schen Schule  in  der  deutschen  Grammatik  bringt,  völlig  abzuweisen. 
Wie  wenig  ein  solcher  Gegensatz  wirklich  stattfindet,  das  können  z.  B. 
folgende  Worte  Ph.  Wackernagels  zeigen,  der  doch  gewis  entschieden 
auf  der  Seile  der  letzteren  steht  (der  Unterricht  in  der  Muttersprache 
Stuttg.  1843  S.  60):  ^Jede  von  diesen  beiden  —  Orthographien,  die 
französische  und  englische  —  weist  auf  eine  frühe  Zeit  zurück,  wo 
man  ganz  anders  gesprochen  als  jetzt;  die  damalige  Schriftsprache  ist 
stehen  geblieben,  vielleicht  hätte  sie,  aus  Gründen,  die  in  der  Natur 
beider  Sprachen  liegen ,  es  auch  nicht  vermocht,  den  Veränderungen 
der  Aussprache  zu  folgen.  Die  Orthographie  unserer  heutigen  hoch- 
deutschen Sprache  dagegen  fällt  ihrer  Grundlage  nach  durchaus  mit 
den  Gesetzen  der  grammatischen  Lautlehre  zusammen;  wo  sie  von 
denselben  abweicht,  sind  es  «selten  Ueberbleibsel  früherer  Lautver- 
hältnisse, sondern  im  Gegenteil  Neuerungen,  welche,  aus  Unkenntnis 
der  Sprache  hervorgegangen,  im  besten  Falle  zu  nichts  dienen,  oft 
aber  dem  richtigen  Lesen  geradezu  hinderlich  sind.'  Auf  den  Haupt- 
punkt, worin  der  Vf.  der  historischen  Schule  ein  Abgehen  von  dem 
phonetischen  Principe  vorwirft,  auf  die  Verteilung  von  $  nnd  /*  ist 

Pf.  Jahrb.  f.  Phil.  M.  Paed.  Bd.  LXXIV.  Hft  5.  18 


242  G.  H.  Hartwig:  loBtini  historiae  Philippicae. 

Ref.  oben  der  Wichtigkeit  der  Sacbe  gem&si  aasfQbrlich  eingegangen 
und  hat  zu  Koigen  gesucht,  wie  dieser  Vorwurf  ein  ungegrQndeter  ist. 
—  Als  besonders  interessant  hebt  Ref.  ans  dorn  Schriflchen  noch  die 
Kapitel  über  die  Entstehung  unserer  nhd.lSchriflsprache  hervor,  na- 
mentlich die  Abhandlang  Anhang  I  S.  85 — 100  (ursprünglich  eine  Re- 
cension  in  den  MOnohener  gelehrten  AnEeigen).  Ueberhaupt  tat  das- 
selbe jedem,  der  sich  far  die  orthographische  Frage  interesaiert ,  als 
anregende  und  lichtvolle  Darstellung  der  Sache  sehr  za  empfehlen. 
Dresden,  Febr.  1856.  Dr.  W.  CreceUus. 


14. 

bisiini  histariae  Philippicae  zum  Gebrauch  ßr  die  Schüler  der 
nUiÜeren  Gytnnasialklasseti^  bearbeitet  von  Dr.  G.*H.  Hart- 
wig^ Director  des  Progymnasiums  zu  Braunschweig.  Erste 
Abtheilung  Üb.  I — XII.  Braunschweig  1852. 

Eine  neue  Bearbeitung  des  lustinus  ist  ohne  Frage  gani  an  der 
Zeit,  da  einmal  seit  der  in  vielen  Dingen  ausgezeichneten  Ausgabe 
von  Dübner  1831  für  den  Text  nichts  wieder  gethan  ist,  andererseits 
für  die  reale  Erklärung  des  Schriftstellers  durch  die  Herausgabe  der 
Niebuhrschen  Vorträge  über  alte  Geschichte  ein  bedeutendes  Hilfsnüt- 
tel  für  einen  Herausgeber  hinzugekommen  ist.  Niebuhr  schloas  sich 
in  seinen  Vorträgen  an  die  Geschichte  des  Trogus  Pompeins  in  der 
Weise  an,  dasz  er  namentlich  in  den  ersten  Partien  des  Werkes,  die 
sich  auf  die  babylonischen,  assyrischen,  aegyptischen  Reiche  beliehen 
und  die  von  dem  Geschichtschreiber  wunderbar  zusammengelogen 
sind,  sich  in  seinen  Vorträgen  ausführlicher  über  diesen  Theil  der  Ge- 
schichte aussprach,  dagegen  wieder  zusammenzog,  wo  Trogus  anaführ- 
licher  gewesen  war.  Jeder  der  diese  Vorträge  N's  kennt,  wird  wissen 
wie  wichtig  sie  für  alte  Geschichte  überhaupt  und  insbesondere  fiir 
die  Erklärung  des  lustin  sind.  Am  luslin,  meint  N.,  kann  ein  Philolog, 
der  die  Geschichte  zum  Beruf  nimmt  und  mit  philologischem  Sinne  an 
die  Sache  geht,  noch  viele  Ehre  einlegen.  Eine  gute  Ausgabe  Ist  noeh 
immer  frommer  Wunsch;  der  Text  ist  schlecht;  seit' 300  Jahren  wie- 
derholen sich  die  Ausgaben  und  fast  vor  allen  bedarf  er  einer  kriti- 
schen Bearbeitung.  Von  allen  Schriftstellern  die  sich  mit  ihm  beaohif- 
tigt  haben,  ist  fast  nur  Jacob  Bongarsius,  ein  französischer  Protestant, 
dessen  Bibliothek  in  Bern  ist,  rühmlich  zu  nennen:  ein  geacbenter 
Mann  und  ein  ausgezeichneter  Ausleger.  Wesentliche  Verdienste  bat 
sich  wie  schon  oben  bemerkt  Fr.  Dübner  durch  seine  Ausgabe  1831 
erworben.  Eine  neuere  Ausgabe,  die  speciell  die  Schule  im  Auge 
hat,  ist  die  von  Fittbogen,  Halle  1835.  In  der  Vorrede  spricht  sich 
Herr  Hartwig  so  aus:  *die  Bearbeitung  und  Heraasgabe  des  vorlie- 


C.  H.  HaHwig:  lostlni  hUtoriae  Philippicae.  843 

genden  Baches  möge  darin  ihre  Rechtfertlging  finden,  dasz  fdr  die 
mittleren  Klassen  unserer  Gymnasien  die  Wahl  der  mit  den  Schalem 
derselben  xn  lesenden  lateinischen  Klassiker  sehr  beschrfinkl  ist,  wah- 
rend den  obem  Klassen  eine  grössere  Auswahl  zu  Gebote  steht.  Dass 
die  Weltgeschichte  des  lastin  auf  vielen  Gymnasien  von  der  Lectftre 
ansgeschlossen,  mag  einestheilf  darin  seinen  Grund  haben,  dasz  dieser 
Schriftsteller  mancherlei  Sporen  der  sinkenden  Latinitfit  an  sich  trSgi, 
anderntheils  aber  darin,  dasz  manche  Stellen  desselben  in  paedagogi- 
scher  Rücksicht  einiges  Bedenken  haben/  Rficksichtlich  des  ersten 
Punktes  meint  Herr  H.  würde  den  Schülern  in  den  höhern  Klassen  ge- 
nugsam Gelegenheit  geboten  aus  den  Klassikern  der  aurea  aetas  die 
reine  Latinitftt  zu  schöpfen;  der  Inhalt,  fügt  er  hinzu,  verleiht  dem 
lustinus  vor  vielen  andern  Schriftstellern  den  Vorzug.  Wir  hätten 
nun  sehr  einige  Nachweise  gewünscht,  aus  denen  der  Charakter  dieser 
vermisten  klassischen  Latinitat  erkenntlich  würde,  weil  die  Begriffe 
über  gute  und  schlechte  Latinitat  schwankend  sind.  So  z.  B.  sagt 
Bernhardy  in  seiner  röm.  Litteraturgcschichte  Ile  Aufl.  S.  546  über 
den  Instin:  ^ Kürze  war  sein  Augenmerk,  weshalb  er  unbekümmert 
um  Chronologie  und  Geographie  noch  die  frühern  Beiwerke  strich; 
diese  lesbare  Kürze  gewann  ihm  den  Beifall. des  Mittelalters  (Saxo 
Gramm.),  woher  auch  die  Menge  der  Hss.,  seine  gute  Latinitat 
zeugt  für  den  stilistischen  Werth  des  Trogus.'  Möge  die  Latinitat  auf 
sich  beruhen,  an  einem  andern  Orte  wird  sich  Ref.  weitläufiger  dar- 
über auslassen  —  so  viel  ist  gewis,  dasz  diese  Latinitftt  den  Schülern, 
die  künftig  lateinisch  schreiben  und  sprechen,  nicht  viel  schaden  wird. 
In  dem  Alter,  in  welchem  man  mit  Schülern  den  lustin  liest,  bildet 
der. Inhalt  bei  weitem  das  vorhersehende,  man  hat  da  noch  so  unend- 
lich viel  zu  thun  mit  Einübung  der*  grammatischen  Regeln  gewöhn- 
licher Art,  dasz  man  an  die  Regeln  über  die  Latinitat  nicht  zu  den- 
ken braucht.  Aus  eigner  mehrjähriger  Erfahrung  weisz  ich,  dasz  die 
Leetüre  des  Instin  wegen  der  Geschichte,  die  da  behandelt  wird,  den 
Schülern  eine  ganz  angenehme  ist.  In  Beziehung  auf  das  paedago- 
gische  Bedenken  wegen  der  in  sittlicher  Beziehung  anstössigen  Stel- 
len, hat  der  Herr  Heransgeber  sich  erlaubt  diejenigen  Stellen,  durch 
die  ein  solches  hervorgerufen  werden  kann,  wegzulassen,  doch  so, 
dasz  der  Zusammenhang  der  Erzählung  nicht  darunter  leidet.  Mit  die- 
sem paedagogischen  Griffe  kann  ich  mich  durchaus  nicht  verständi- 
gen, so  sehr  er  jetzt  auch  namentlich  von  Herrn  G  r  y  s  a  r  geübt  wird. 
Mir  scheint ,  als  ob  keine  Gefahr  in  sittlicher  Beziehung  sich  zeige, 
wenn  man  über  anstöszige  Stellen  leicht  hinweggeht;  wollte  man  bei 
solchen  Gelegenheiten  sich  in  weitläufige  Erklärungen  einlassen,  so 
würde  dies  gewis  ganz  verwerflich  sein.  Solche  anstöszige  Stel- 
len aber  sind  schon  wegen  der  Dinge  selbst,  die  da  erzählt  werden, 
dem  Verständnisse  von  Tertianern  an  und  für  sich  entzogen.  Auszer- 
dem  ist  es  doch  wirklich  ungerechtfertigt  jemandem ,  der  nun  in  sei- 
nem spätem  Leben  die  Schriftsteller ,  die  er  auf  der  Schule  gelesen 
hat,  wieder  vornehmen  will,  zuzumuten  dasz  er  entweder  die  in  usum 

18* 


244  0,  U.  Hartwig:  luslini  liisloriae  Piiilippicoo. 

Dclplii'ii  vcrslümmcllcri  Ausgaben  gcbrauclicn  oder  sich  v oll s län- 
dige Exemplare  kaufen  soll.  AVenn  man  irgend  einen  Naclithoil  in 
sittlicher  Rücksicht  von  solchen  Stellen  fürchtet,  so  übergehe  man  sie 
einfach  nnd  man  kann,  glaube  ich,  daraufrechnen,  dasz  ein  Torlia- 
II er  sich  nicht  r.u  Hause  abquält  um  die  verbotene  Frucht  zu  naschen. 
Ist  nur  sonst  alles  auf  einer  Anstalt  ^n  Ordnung,  so  wird  man  von 
siolchcn  Stellen  nie  Gefahr  verspüren.  Wo  ist  denn  auch,  wenn  man 
oiumal  das  Censormesscr  ansetzt,  die  Grenze?  Man  müste  da  alle 
Stellen  z.  B.  in  welchen  es  sich  von  einem  ^erzeugen'  und  dergleichen 
handelte,  wegstreichen  um  consequent  zu  verfahren,  oder,  was  der 
Herr  Herausgeber  auch  hie  und  da  gethan  hat,  durch  die  Wahl  eines 
andern  Wortes  die  Sache  in  einem  milderen  Lichte  erscheinen  lassen. 
So  heiszt  es  z.  B.  im  4n  Kap.  des  In  B.  vom  Astyages:  Hie  per 
somnum  vidit  ex  naiuralibus  fiUae^  quam  unicam  habebat ^  titem  ena- 
tarn  etc.,  slatt  dessen  schreibt  Herr  H.  e  grcmio.  Ich  habe  meine 
Schüler  ex  naturalibus  auch  ^aus  dem  Schosze'  übersetzen  lassen,  ohne 
irgend  eine  Bemerkung  über  die  Bedeutung  der  naturalia  bineusa- 
fügen.  Eine  andere  Stelle  aus  dem  7n'  Kap.  des  In  Buches  die  ich, 
damit  die  Leser  über  das  Verfahren  des  Herrn  Herausgebers  sich  ein 
vollständiges  Urtheil  bilden  können,  abschreiben  will,  hat  Herr  Hart- 
wig ganz  weggelassen :  Fucre  Lydis  multi  ante  Croesum  rege»  9ariis 
casibus  memorabiles ^  nullus  tarnen  foriunac  Candauli  comparandui. 
Hie  nxorem^  quam  proplcr  formac  pulchrüudinem  deperibat^  praedi- 
vare  omnibus  solebat  nun  contentus  roluptalwn  suarum  tacita  con- 
scientia  nisi  etiam  matrimonii  reticenda  publicaret:  prorsus  quaii 
Silentium  damnum  pulchritudinis  esset.  Ad  postremum  ut  afpr 
tioni  suae  fidem  faceret  nudam  sodali  Gygi  osfendit.  Quo  facto  ei  t 
cum  in  adulterium  uxoris  sollicitatum  hostem  sibi  fecit  et  uxorem 
relud  tradito  alii  amore  a  se  alienatit.  Namque  breti  post  tempore 
caedes  Candauli  nuptiarum  praemium  fuit  et  uxor  mariti  sangume 
dolata  reijnum  tiri  et  se  pariter  adultero  tradidit.  Wir  meinen  anch 
dasz  diese  Stelle  manches  darbietet,  was  man  wegwünschen  möchte, 
luul  würden  sie  entweder  übergehen,  wenn  namentlich  einzelne  Schfl- 
lur  auf  solche  Dinge  eine  besondere  Aufmerksamkeit  richteten,  oder 
wie  wir  es  vor  kurzem  gethan  haben,  die  Stelle  allerdings  übersetsea, 
aber  eine  bis  ins  einzelne  gehende  Erklärung  ganz  bei  Seite  lassen. 
Eben  so  hat  der  Herr  Herausgeber  das  Vllle  Buch  mit  dem  5n  Kapitel 
geschlossen,  während  es  in  den  uuvorstümmelten  Ausgaben  6  anfsa- 
weisen  hat.  Es  heiszt  von  dem  Philipp:  Alexandrum  uxoris  Olgmpia- 
ais  fratrem  puerum  honestae  pulchritudinis  in  Macedoniam  nomine 
sororis  arcessit  omnique  studio  sollicitatum  spe  regni  simulato  amore 
ad  stupri  consuetudinem  perpulit  etc.  Wir  hätten  wenigstens  erwar- 
tet dasz  die  vor  dem  mitgetheilten  fraglichen  Satze  vorhergehenden 
SülAe,  die  ganz  nnsohadlich  sind,  mitgetheilt  worden  wären.  In  glei- 
cher Weise  ist  im  6n  Kapitel  des  IXn  Buchs  von  dem  Herausgeber  der 
stehende  Text:  nam  perductum  in  con9irium  solutumque  mero  Atta- 
lus  non  suaetantum  verum  et  convivarum  Ubidini  reiut  scortum 


6.  n.  Hartwig:  lustioi  bistoriae  PhÜippicae.  245 

viie  suhiecerat  ludihriumque  omnium  inier  aequales  reddiderat 
80  umgestaltet  worden,  dasz  anstatt  der  allerdings  anstöszigen  Worte 
gesetzt  ist  et  coneiearum  lasciviae  mit  Hin  weglassang  des  f>elut  scor- 
tum  vUe. 

In  der  Einleitung  hat  der  Herr  Vf.  von  dem  Urheber  des  Werkes 
Trogas  Pompeins,  'der  zur  Zeit  des  Angnstus  lebte  nnd  eine  Geschichte 
schrieb,  in  der  die  macedonische  Geschichte  den  Mittelpunkt  bildete, 
und  von  lustin,  der  im  2n  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  lebte, 
kurze  Kunde  gegeben.  Wir  hätten  gewünscht,  dasz  derselbe  etwas 
eingehender  über  das  Verhältnis  des  Auszugs,  den  lustin  gemacht, 
zum  Werke  des  Trogns  sich  ausgesprochen  hätte,  indessen  dabei  sind 
die  paedagogischen  Ansichten  des  jedesmaligen  Herausgebers  bestim- 
mend, so  dasz  schwerlich  in  dieser  Beziehung  eine  allgemeine  Gc* 
wohnheit  sich  bilden  wird.  Wir  unsererseits  sind  der  Ansicht, 
dasz  es  von  groszem  Vortheil  ist  auch  in  einer  für  die  Schüler  be- 
stimmten Ausgabe  feste  Anhallepunkte  für  das  Leben  und  für  die  ganze 
Art  des  Schriftstellers  aufzustellen,  wie  das  ja  auch  in  vielen  Ausga- 
ben neuerdings  üblich  ist.  Was  nun  die  Erklärung  selbst  anlangt ,  so 
musz  Ref.  gestehen,  dasz  hier  ein  Fortschritt  ihm  nicht  gemacht  wor- 
den zu  sein  scheint.  Gleich  im  In  Satze  heiszt  es :  spectata  inter  bonos 
moderatio  provehebai.  Hier  macht  der  Herr  Hg.  die  Note :  ^honi  nicht 
m  weitern  Sinne  die  guten,  tugendhaften  überhaupt,  sondern  die  es 
mit  dem  Staate  wol  meinen,  der  edlere  Theil  der  Nation'.  Wenn  über- 
haupt eine  Bemerkung  für  nöthig  gehalten  wurde,  so  konnte  sio  kür- 
zer durch  einfache  Uebersetzung  des  Wortes  ^Patrioten'  gegeben  wer- 
den. Nahe  lag  auf  den  Gegensatz  non  ambilio  popularis  sed  spectata 
tnier  bonos  moderatio  mit  ^inem  Worte  hinzudeuten.  Vielleicht  hätto 
auch  eine  Erwähnung  der  Construclion  ßnes  imperii  tueri  magis  quam 
proferre  mos  gemacht  werden  können ;  lib.  XXXV 1  § 3  heiszt  es  peU  ere 
ipsum  regno  a  quo  restituebalur  consiHum  cepit;  lib.  XII 7  §  13  cap- 
tus  itaque  cupidine  Her  cutis  acta-  super  are.  Auf  solche  grammat. 
Dinge,  glaubt  Ref.,  musz  bei  der  Leetüre  eine  besondere  Aufmerksam- 
keit gerichtet  werden,  damit  die  Regeln  recht  fest  eingeprägt  werden. 
Von  dem  Zoroaster  heiszt  es :  qui  primus  dicitur  aries  magicas  int>e' 
nisse  et  mundi  principia  siderumque  motus  diligenfissime  specfasse ; 
hierzu  macht  der  Vf.  die  Bemerkung:  * Uebernatfirliche ,  mansche 
Künste  legte  man  dem  Z.  bei,  da  er  wie  schon  aus  dem  folgenden  Zu- 
sätze erhellt,  tiefer  in  die  Naturkunde  eingedrungen  war  als  seine 
Zeitgenossen*.  Hier  ist  doch  in  der  That  zu  dem,  was  im  Texte  steht, 
gar  nichts  neues  hinzugekommen.  Fittbogen  sagt:  *als  Stifter  der 
Lichtreligion  wird  bei  den  Hedern  und  Persern  Z.  angesehn.  Die 
Priester  dieser  Religion  hioszen  magi  und  die  Religionsurkunde,  die 
in  neuerer  Zeit  wieder  aufgefunden  worden  ist,  Zend-Avesta\  Durch 
diese  Bemerkung  lernt  doch  der  Schüler  etwas  neues.  Im  2n  Kap. 
heiszt  es:  igitur  brachia  ac  crura  eelamentis^  caput  tiara  tegit; 
dazu  wird  bemerkt:  ^mit  weiten  Gewändern';  gleich  darauf 
heiszt  es  im  Text:  quem  morem  vestis  exinde  gens  universa  tenety 


246  Cr-  U«  Hartwig:  lastini  historiae  Plülippioae. 

dazu  sagt  der  Herr  H.:  *  diese  Bemerkung  des  Geschichtschreiberf 
gilt  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag,  wie  denn  überhaupt  der  Cnltursa- 
stand  der  jetzigen  asiatischen  Völker  im  allgemeinen  das  Gepräge  des 
hohen  Altcrthums  trägt.'  Zu  regno  potita  wird  bemerkt:  regno  poiiri 
im  Besitz  der  Herschaft  sein.  Ganz  gnt  ist  im  3n  Kap.  die  Erklärung 
magna  ambiiione  aegre  obUnuisset:  t.  q.  studio  eonieniioney  ebenso 
die  Uobersetzung  von  oculorum  lascieia  Lüsternheit  des  Blickes;  die 
Ueppigkeit,  die  dem  Sardanapal  aus  den  Augen  angesehn  wird,  wird 
hiermit  ganz  gut  bezeichnet.  Ebenso  ist  gut  wieder  gegeben  vir  me- 
diocris  ein  Mann  aus  dem  Mittelstände,  wogegen  Fittb.  nicht  gani  sa-> 
'  treffend  vilioris  sortis  hotnini  paraphrasiert.  Eine  für  die  ErUämDg 
schwierige  Stelle  ist  Hb  I  4  ti/  pastorem  uxor  nitro  rogaret  quo  $mmm 
partum  pro  illo  exponeret  permitteretque  sibi  Site  fortunae  ipsiius 
Site  spei  suae  puerum  nutrire.  Die  alten  Ausgaben ,  die  in  meinen 
Besitze  sind,  die  pariser  von  1517,  die  basler  von  1526)  die  von  Geor- 
gius  mit  einem  Vorworte  von  Melanchthon  versehene  1523  erschieneoe, 
alle  haben  sie  nach  der  Angabe  der  meisten  Codd.  das  doch  etwas  an« 
stoszige  quo.  Schefferus  macht  dazu  die  Bemerkung:  Sdo  «mr- 
pari  aliquando  quo  pro  ut^  at  hoc  loco  nescio  an  Sit  conteniems. 
Suspicor  scripsisse  lustinum:  ut  pastorem  uxor  nitro  rogarei  quoque^ 
suum  partum.  Oratio  profecto  longe  efßcacior  et  contenientior.  Von 
manchen  Herausgebern  werden  die  Worte  quo  —  exponerei  in  Paren- 
these gesetzt.  Es  fragt  sich  nun  nach  diesen  Vorlagen  was  man  mit 
dem  quo  anzufangen  habe.  Fittbogen  nimmt  es  für  nt  eo,  dasi  dadorek 
d.  h.  vermöge  ihrer  Bitten  (F.  hat  übrigens  auch  das  von  Bongars  sn 
blandientis  hinzugefügte  infantis  in  den  Text  aufgenommen,  was  sieh 
schwerlich  rechtfertigen  lassen  wird).  Die  Erklärungsweile  Fs  hat 
etwas  sehr  schleppendes.  Nach  meiner  Meinung  kann  quo  nicht  so 
unbedingt  gestrichen  werden  (vielleicht  dasz  es  aus  den  folgenden  fto 
illo  auf  irgend  eine  Weise  entstanden  ist),  ich  würde  denen  beitreten 
die  quoque  empfehlen ,  da  man  durch  diese  Aenderung  über  das  ui  eo 
hinwegkommt.  Der  Herr  Hg.  hält  das  vorgeschlagene  quoque  freilich 
für  schleppend.  Wir  glauben  dasz  selbst  in  einer  Schulansgabe  eine 
etwas  eingehendere  Bemerkung  als  von  dem  Hg.  geschehen  gegeben 
werden  muste.  Die  darauf  folgende  Bemerkung:  *sive  fortunae  ipaias 
sive  spei  suae  (puerum  nutrire)  musz  hier  als  Dativus  genommen  wer- 
den' war  unserer  Meinung  nach  überflüssig.  In  den  folgenden  6  Ka- 
piteln hätte  manches  sprachliche  für  die  Schüler  bemerkt  werden  kön- 
nen. Der  Herr  Vf.  hat  aber  erst  zum  6u  Kapitel  bei  den  Worten: 
pulsa  itaque  quum  Persarum  acies  pauUatim  cederet^  matres  ei  uxo- 
res  eorum  obtiam  occurrunl,  bemerkt:  *  ebenso  begleiteten  die  Wei- 
ber der  Germanen  ihre  Männer  und  Söhne  in  den  Kampf  und  ernntig- 
ten  sie  durch  Lob  und  Tadel '.  Solche  Bemerkungen  würden  wir  lieber 
bei  der  Erklärung  selbst  in  der  Schule  geben.  Die  Ausgabe  soll  doch 
den  Zweck  haben  das  Verständnis  bei  der  Praeparation  dem  Schüler 
zu  erleichtern  und  zn  diesem  Zwecke  muss  vor  allen  Dingen  alles, 
was  sich  auf  die  Sprache  besieht,  die  wie  ich  aus  Erfahrung  woifSy 


6.  H.  Hartwig:  loflini  hisloriae  Pkilippioae.  247 

den  Schülern  viele  Schwierigkeiten  in  den  Weg  legt,  beigebracht  und 
erklärt  werden.  In  dieser  Beziehung  scheint  uns  der  Herr.  Hg.  vieles 
versäumt  zu  haben.  Was  lernt  2.  B.  der  Schüler  aus  der  Bemerkung 
lib.  V  2 :  ^formae  venera tione,  eine  auffallende  Znsammenstellung,  steht 
für  forma  venerabilis?'  Im  lustin  kommen  viele  dergleichen  Zusam* 
menstellungen  vor,  die  in  der  Kaiserzeit  nichts  auffallendes  haben. 
Ebenso  ist  die  Angabe  der  Bedeutung  des  Wortes  parriciäium  I  c.  9 
*Mord  an  Verwandten  überhaupt,  hier  Brudermord'  so  ganz  gewöhn- 
licher Art,  dasz  wir  sie  auch  für  Qberflüssig  gehalten  hätten.  In  dem 
7n  Kap.  lib.  I  hätte  wenigstens  neben  der  in  den  Text  aufgenommenen 
Lesart  victusque  tarn  ac  desolatus  in  regnum  refugit^  zu  der  die  Er- 
klärung Fr.  Gronovs  hinzugefügt  ist  (deserius^  nudatus,  exutus  es- 
ercitu  et  casiris) ,  auch  noch  die  in  den  altern  und  neuern  Ausgaben 
wiedergegebene  Lesart:  tictisque  tarn  de  $e  soUicitus  in  regnum  re- 
fugit  angeführt  werden  müssen.  Vielleicht  hätten  auch  einige  Con- 
jecturen,  die  Nipperdey  im  Schneidewinschen  Philologus  aufgestellt 
hat,  Berücksichtigung  verdient.  Er  vermutet  z.  B.  lib.  l^  et  repetüo 
alacrius  certamine  pugnantibus  ems  partem  exercitus  de  tergo 
ponit  et  tergiversantes  ferro  agi  in  hostes  iubet^  anstatt  alacritU 
acrius^  was  gewis  empfehlend  ist. 

Auffallend  ist  dasz  der  Hr.  Hg.  die  praefatio  lustini  weggelassen 
hat.  Gerade  bei  dieser  hätten  sich  einige  Bemerkungen  über  die  Natur 
und  Beschaffenheit  der  ganzen  Arbeit  lustins  machen  lassen :  cogni- 
tione  quaeque  dignissima  excerpsi  —  breee  9eluti  florum  cor.^ 
puBCulum  feci  ut  haberent  et  qui  didicissent  quo  admonerentur  et 
qui  non  didicissent  quo  instruerentur.  Dadurch  charakterisiert  sich 
der  Vf.  ganz  gut  selbst.  Ebenso  würden  wir  es  für  ersprieszlich  ge* 
halten  haben  die  sog.  Prologe  aufzunehmen.  Nicht  übel  ist  die  deut- 
sche Inhaltsangabe  über  jedem  Kapitel.  Dergleichen  Einrichtungen 
sind  im  Interesse  der  Schüler  gewis  recht  zweckmäszig.  Wir  schlieszen 
diese  Anzeige  mit  dem  Wunsche  dem  Herrn  Herausgeber  vielleicht  hie 
und  da  genützt  zu  haben. 

Wir  freuen  uns  auf  die  in  dem  Teubuerschen  Verlage  demnächst 
erscheinende  Ausgabe  von  Jeep  in  Wolfenbfittel  und  sprechen  den 
Wunsch  aus  dasz  dieser  verdiente  Mann  uns  bald  mit  seiner  Arbeit 
beschenken  wolle. 

Am  Schlusze  dieser  Anzeige  erlaubt  sich  Ref.  die  Freunde  des 
lustinus  auf  ein  Programm  aufmerksam  zu  machen,  das  Herr  Subcon- 
rector  Recke  in  Mühlhausen  1854  über  die  Spracheigenthürolichkei- 
ten  lustins  geschrieben  hat.  Es  enthält  dieses  Programm  ganz  gute 
Beiträge  zur  Kenntnis  der  Latinität  des  lustin. 

Weimar,  Dec.  1855.  Prof.  D,  G.  Lotkhoh. 


24S        Uober  einen  besonderen  gebrauch  dea  pariicips  nsw. 

15. 

lieber  einen  besonderen  gebrauch  des  parlizips  in  attributiver 

beziehung. 


Es  ist  bekannt,  dasz  die  lateinische  spräche  sich  sehr  häufig  eines 
partizips  bedient,  wo  dem  deutschen  idiom  ein  abstraktes  substanÜT, 
bisweilen  auch  Umschreibung  durch  einen  satz  angemeszner  erscheint» 
z.  B.  tu  voluptate  spernenda  virtus  cernUur  (in  der  Terachmfi- 
hung  sinnlicher  lust);  liberandarum  Thebarum  proprio  laus  e$i 
Pelopidae;  patres  pudor  non  lati  auxilii  cepit  (dasz  sie  keine 
hilfo  geleistet  hatten);  Prusiam  suspectum  Romanis  ei  recepims 
post  fugam  Antiochi  Hannibal  ei  bellum  adeer sus  Eumemem  mo- 
tum  faciebai  (dasz  er  den  Hannibal  aufgenommen  und  Krieg  angefan- 
gen hatte);  sogar:  quum  occisus  dictator  Caesar  aUis  pessi- 
mum ,  aliis  pulcherrimum  facinus  videretur  (s.  Ilaase  zu  Reisigs  Tor- 
los, anm.  521). 

Man  sieht ,  dasz  überall  in  dem  partizip  der  hauptbegriff  steckt, 
von  dem  derjenige,  welcher  durch  das  grammatisch  abergeordneta 
Substantiv  bezeichnet  ist,  sich  in  logischer  abhängigkeit  belndet 
Nicht  Hannibal,  sondern  dessen  aufnähme  machte  den  Praaias  Yer- 
düchtig;  und  dasz  der  ^occisus  dictator  Caesar'  ein  ^facinus'  genannt 
werden  kann ,  mag  freilich  auf  rechnung  der-  eigcnthamliohkeit  des 
Tacitus  gebracht  werden,  ist  aber  dennoch  als  eine  nicht  sehr  weaeat- 
licho  Steigerung  des  ganzen  Verfahrens  zu  betrachten;  vgl.  Cic.  de 
diviuat.  II  66:  De  nostris  somniis  quid  habemus  dicere?  iu  de  merso 
me  et  equo  ad  ripam?  ego  de  Mario  cum  fascibus  laureatis  me  •» 
suu7n  deduci  iubente  monumentum. 

Fragt  es  sich,  ob  der  deutschen  spräche  auch  wörtliche  Ober- 
Setzungen  erlaubt  sind,  oder  ganz  abgesehen  von  dem  lateinischen 
vorgange,  ob  sich  für  sie  überhaupt  der  gebrauch  eines  partizips  ia 
attributiver  Verbindung  mit  einem  Substantiv  eignet,  dessen  begriff 
dein  des  attributs  dergestalt  untergeordnet  ist,  dasz  es  nur  mit  dieaen 
vorsehen  geltung  bat,  so  mag  man  verlegen  sein  zwischen  dem,  was 
sich  dem  gewöhnlichen  sprachbewustsein  aufdrängt,  nach  doreh  die 
grammatik  in  erinnerung  gebracht  wird,  und  vielen  gerade  eDtgegea- 
gesetzten  boispielon  vortrefflicher  Schriftsteller. 

Nicht  leicht  darf  ein  knabe  *ab  urbe  condita,  poat  Chriatiun  na- 
tum'  übersetzen:  ^von  der  erbanten  Stadt,  nach  dem  gebornoB  Chri- 
stus'; sondern  er  musz  sich  der  entsprechenden  verbalsubstaDtiven 
bedienen,  wofern  ihm  nicht  auslaszung  des  partizips  d.  h.  anwendnng 
einer  jedermann  verständlichen  formelhaften  karze  (nach  Chr.)  gestat- 
tet wird.  Dagegen  ist  der  ausdruck  *nach  gcthaner  arbeit'  aberall 
gelaufig  und  sogar  durch  ein  Sprichwort  gezeichnet.  Aber  <das  drttckt 
uns  nicht  viel  mehr  aus  als  das  blosze:  nach  der  arbeit',  benerkt 


lieber  einen  besonderen  gebraneh  des  [utrlizips  asw.        249 

Grimm  gramm.  IV  918  nnd  lehrl  ferner :  *  die  beifdguug  des  part.  ist 
daher  nur  zuläszig,  wenn  die  formel  auch  ohne  es  bestehn  kann,  da- 
her 2.  B.  nicht  gesagt  werden  dürfte:  nach  besiegtem  feind  herschte 
rnhe  im  land.'  Also  gründet  sich  der  unterschied  auf  die  Verschie- 
denheit des  verbalbegriffs ,  insofern  dieser  dort  unwesentlich  ist  und 
sich  ohne  weiteres  versteht ,  hier  den  sinn  des  ausdruckes  selbst  ent- 
scheidet. Damit  steht  im  Zusammenhang,  dasz  auf  den  ersten  fall  im 
lateinischen  auch  die  praepos.  posi  angewendet  werden  kann,  das 
zweite  Verhältnis  dagegen  darch  den  ablat.  absol.  (ticto  hoste)  aus- 
gedrückt zu  werden  pflegt;  vgl.  Weber  übungsschule  I  133  nr.  71. 
Französische  beispiele  wie  die  in  Herrigs  archiv  f.  d.  stud.  d.  n.  spr. 
XIV  178  erwähnten:  *apr^  Passombl^e  dissoute  a  main  arm^e,  apr^s 
les  repr^sentants  inviolables  arrdtes  et  traqu^s,  apr^s  la  r^publiqne 
confisqu^e'  stehn  wol  kaum  in  menge  zu  geböte. 

Soll  nun  festgehalten  werden  was  als  regel  zu  gelten  scheint, 
dasz  im  deutschen  das  part  unstatthaft  sei ,  wenn  ihm  der  eigentlich 
verbale  zeitbegrilf  und  somit  ein  Übergewicht  innewohnt,  so  befinden 
sich  die  folgenden  beispiele  in  geradem  Widerspruch:  Und  nach 
anfgerisznen  todesriegeln  Gottes  Sturmwind  diese  leichen  in 
bewegung  schwingt  (Schiller) ;  nach  aufgegebnem  basz  (Grimm 
wörterb.  I  1646)  d.  i.  nachdem  *basz'  ungebräuchlich  geworden; 
nach  dem  abgeschüttelten  joch  der  Römer  (gesch.  d.  d.  spr. 
s.  IV);  nach  fehlgeschlagnen  edlen  hoffnungen  (gesch.  d.  d. 
spr.  2.  aufl.  vorrede) ;  nach  aqsgestoszenemn  (gramm.  I*  210) ; 
nach  abgefallenem  anlant  (gr.  II  66);  nach  abgelöstem 
vokal  (II  395);  nach  erloschnem  vokal  (II  626).  Kaum  anders 
ist  zu  beurtheilen:  nach  ausgerauchter  pfeife  (Goethe),  so  ge- 
läufig der  ausdruck  ^nach  der  pfeife'  ist;  vgl.  nach  beschafftem 
programmentausch  nnd  verlesenen  Protokollen  (F.  L. 
in  den  neuen  jahrb.  XXVI  1  109). 

Liegt  ein  solcher  gebrauch  der  praepos.  nach  mit  folgendem 
part.  praet.  der  konstruktion  des  lat.  ablat.  absol.  nahe,  so  befindet 
sich  die  praepos.  mit  in  gleicher  läge,  wenn  es  heiszt:  mit  abge- 
legter feuerkrone  steht  sie  als  Schönheit  vor  uns  da  (Schill.)* 
mit  getilgtem  komma  (Grimm  wörterb.  I  888;  vgl.  s.  161,  gramm.  . 
P  717.  776.  1196.218);  mit  weggelaszner  Überschrift  unge- 
nau abgedruckt  (weisthüm.  III  729);  mit  angerührtem  Stab  des 
richters  (rechtsalterth.  1.  ausg.  s.  899) ;mit  verlaszner  Schrei- 
bung des  herrn  Seh.  (Gott.  gel.  anz.  1825,  II  1116);  mit  verwor- 
fener erganznng  was  icht  (das.  1828,  II  844). 

An  lateinische  weise  erinnern  ferner  stellen  wie:  wegen  der 
ausgestorbenen  dnalform  (Grimm  gr.  I*  784);  in  unter- 
laszenerbezeichnung  der  langen  vokale  verfahren  die  herausge- 
ber  wiederum  befugt  (Gott.  gel.  aoz.  1836  s.  1790);  deren  mir  entgan  - 
gene  einsieht  ich  bedanre  (das.  1835,  III  1671)  d.  i.  deren  einsieht 
mir  leider  entgangen  ist.  Auffallender  steht  gramm.  Ill  18:  folgt  aus 
dem  gebrauchten  bloszen  dßr.   Beispiele  wie:  *  widerstrebte  nicht 


250  Za  Xenoi^oii^B  Anabasii . 

die  abgehende  Uatverschiebung'  (vorrede  sa  Sclmlies  gotk. 
gloss.  0.  VIII);  Mer  aasbleibende  fünfte  theil  der  grinunichen 
grammatik  hat  schon  vielen  manch  kreas  bereitet'  (K.  Weinhold  leit- 
sehr.  f.  d.  österr.  gymn.  1854  s.  39)  verhalten  sieh  beinahe  wie:  *Ar- 
minium  rapta  ozor,  snbjectns  servitio  nzoris  ntems  veeordea  agehant' 
(Tacit.);  ^LacedaemoniisnoUares  tanto  erat  damno  quam  diseiplina 
Lycurgi  sablata '  (Liv.)- 

Itzehoe  in  Holstein.  K.  0.  Andresem. 


Zu  Xenophon's  Anabasis. 


Bis  aaf  die  neueste  Zeit  ist  es  Ansicht  der  Erklärer  von  Xeno- 
phon^s  Anabasis  gewesen,  dass  im  loxog  oQ^iog  der  Lochos  Mann  hin- 
ter Blann  in  100  Mann  Tiefe  aufgestellt  sei,  eine  Ansicht,  die  wie  es 
scheint  Köchly  und  Rüstow  (Griech.  Kriegswesen  S.  155.  Anm.  14) 
mit  etwas  Ironie  beseitigen,  die  aber  aus  der  Aufstellung  der  Enomo- 
tie,  welche  wir  bei  Xen.  de  republ.  XI  4  lesen,  sich  ergibt,  wenn 
gleich  nicht  geleugnet  werden  kann,  dasz  dieselbe  Stelle  auch  für  eine 
Stellung  von  3  oder  6  Mann  in  Front  spricht.  Für  letzte  Stellung  ent- 
scheiden sich  Köchly  und  Rttstow  im  Texte  ihrer  Schrift. 

In  der  Anabasis  finden  sich  nun  nach  unsrer  Ansicht  zwei  Stel- 
len, aus  denen  mit  fast  evidenter  Gewisheit,  wenigstens  mit  grosser 
Wahrscheiulichkeit  auf  die  eine  oder  andre  Art  der  Aufstellung  ge- 
schlossen werden  kann. 

Die  eine  Stelle  ist  Anab.  IV  8  15  sq.,  wo  Xenophon  vorschlfigt, 
die  FhalaDxlinie,  weil  sie  von  der  feindlichen  Linie  fiberflagelt  werde, 
in  Colonnen  aufzulösen,  diese  mit  Intervallen  aufzustellen  und  so  grie- 
chischer Seits  die  Linie  des  Feindes  zu  überflOgeln.  Wir  erfahren  w« 
gleich,  dasz  das  Griechenheer  noch  ans  80  Hoplitenlochen  und  18  Lo- 
chen leichtbewaffneter  besteht  nnd  eine  leichte  Berechnung  ergibt 
nun,  dasz  diese  80  Lochen,  wenn  wir  die  Hopliten  8  Mann  tief  stellen, 
960  Mann  Front  haben  und  somit  in  der  gewöhnlichen  Gefechtsstel- 
lung von  2  Ellen  auf  den  Mann  einen  Raum  von  1920  Ellen  oder  von 
4^  Stadien  einnehmen.  Dazu  kommen  nun  noch  die  18  Lochen  Pelta- 
sten,  von  denen  je  6  auf  den  beiden  Flügeln  aufgestellt  sind,  die  6 
übrigen  Lochen  scheinen  nicht  in  der  Mitte,  sondern  vor  der  Mitte  auf- 
gestellt zu  sein  nnd  können  somit  nicht  mitgerechnet  werden.  Diese 
in  der  gewöhnlichen  Gefechtsstellnng  von  4  Mann  Tiefe  und  24  Mann 
far  den  Lochos  Front  geordnet  bilden  somit  eine  Front  von  288  Mann, 


Zu  XeBophoii^s  AiabaBb.  251 

die  schon  in  der  Gefechtsutellong  der  Hopliten  eitteii  Raum  von  1  Sta- 
diom  and  196  Ellen  einnehmen,  in  ihrer  eigentlichen  Stellang  als 
Schatzenlinie  aber  noch  mehr  Raum  bedürfen;  so  das«  also  das  ge- 
samte Griechenheer  einen  Raum  von  mehr  als  6  Stadien  einnimmt,  and 
das  Heer  der  Kolchier  sich  mindestens  auf  7  Stadien  aasgedehnt  hat. 
Brwftgt  man  dieses,  so  ist  wohl  einleuchtend,  dasz  die  ilo%o^  oq^iotj 
'ständen  sie  100  Mann  tief,  zu  dem  Zwecke  das  feindliche  Heer  za 
überflageln  in  so  grossen  Zwischenrfiumen  aufgestellt  werden  mOsten, 
dasz  sie  die  Vortheile,  welche  sich  Xonopbon  von  solcher  Aufstelluog 
verspricht,  nicht  gew&hren  können.  Diese  Vortheile  können  nur  ein- 
treten, wenn  die  Griechen  trotz  ihrer  Ausdehnung  auch  eine  ziemlich 
starke  Front  mit  kleinern  Zwischenräumen  bilden  und  somit  scheint 
uns  diese  Stelle  für  Köchly  and  Rüstow  zu  sprechen. 

Die  zweite  Stelle  lesen  wir  Anab.  IV  3  17,  wo  die  Griechen  in 
loxoig  oq^loig  den  Kentrites  passieren.  Wir  wissen  zwar  nicht,  wie 
viel  Mann  damals  das  Griechenheer  zählte,  und  Xenophon  hat  an  kei- 
ner Stelle  genau  erwähnt,  ob  der  Uebergaog  aber  das  Karduchenge- 
birge  oder  die  Winterleiden  in  Armenien  mehr  Menschen  weggerafft 
haben.  Alle  Vermutungen  in  dieser  Hinsicht  fruchten  nichts ;  da  aber 
bei  unsrer  Berechnung  eine  gröszere  Zahl  von  Lochen  immer  nach- 
drücklicher  fOr  unsere  zu  entwickelnde  Ansicht  spricht,  so  wollen  wir, 
am  nicht  zu  grosse  Zahlen  zu  erhalten,  auf  gut  Glück  annehmen,  dasz 
das  Griechenheer  bis  zur  Ankunft  am  Kentrites  den  grösten  Verlust  ^ 
erlitten  habe  und  vor  dem  Uebergange  nur  noch  82  Lochen  Hopliten 
stark  gewesen  sei.  Vor  dem  Uebergange  theilen  Cheirisophos  und 
Xenophon  die  Hopliten  und  somit  hat  jeder  41  Lochen,  die  in  Co- 
lonnen  durch  den  Flusz  gehen  sollen.  Bei  6  Mann  Front  musz  also  die 
Furt,  da  die  Soldaten  doch  mindestens  in  der  geschlossenen  Stellung 
von  2  Ellen  für  den  Mann  durchgezogen  sind,  4d2  Ellen  oder  1  Sta- 
dium und  92  Ellen  breit  gewesen  sein,  und  so  gross  kann  sie  gewesen 
sein,  so  dasz  also  auch  diese  Stelle  für  Köchly  nod  Rüstows  Ansicht 
gedeutet  werden  könnte. 

Nun  ist  aber  folgendes  zu  bedenken.  Xenophon  läszt  in  §  26 
seine  ilo^o^  oq^io^  nach  Enomotien  in  die  Phalanx  einrücken,  und  wir 
wollen  annehmen,  obwohl  Xenophon  nichls  davon  sagt,  dasz  die  Xi%oi 
off^ioi  bei  der  Fhalanxbildung  sich  zugleich  eindoppeln  und  somit  in 
der  Gefechtsstellung  von  8  Mann  Tiefe  den  Karduchen  entgegenrücken. 
Die  41  Lochen  nehmen  dann  einen  Raum  von  984  Ellen  oder  2  Stadien 
nnd  184  Ellen  ein.  Aus  §  29  geht  aber  klar  hervor,  dasz  Xenophon  in 
dieser  Breitstellung  nach  einem  Rechtsumkehrt  durch  den  Flusz  geht 


*)  Der  Verlast  der  Griechen  betragt  bis  cur  Ankunft  bei  den  Kol- 
chiem  2400  Hopliten  und  700  Peltasten,  wie  sich  ausi  7  10  verglichen 
mit  IV  8  15  f.  ergibt,  nach  untrer  durch  nichts  gestutzten  Annahme 
hätten  aie  also  bis  zum  Kentrites  mit  Einschlusz  der  Ueberlaafer  2200 
Hopliten  verloren.  Wollten  wir  f&r  unsre  Ansicht  grosse  Zahlen,  so 
kdnnten  wir  90  und  noch  mehr  Lochen  unsrer  Berechnang  za  Grunde 
legen. 


252  Zu  Xenophon^s  Anabasis. 

und  da  nun  ferner  nach  §  34  die  leichtbewaffneten  vom  andern  Ufer 
her  auf  beiden  Seiten  der  Lochen  des  Xenophon  den  Kardnchen  entge- 
gen wiederum  durch  den  Flnsz  gehen,  so  mfiste  die  Furt  mindestens 
3  Stadien  breit  gewesen  sein.  Diese  Breite  erscheint  uns  zu  gross. 
Wir  glauben  daher,  dasz  die  Xoxoi  oQ^ioi  des  Cheirisophes  bei  die- 
sem Uebergange  nur  i  Mann  Front  und  100  Mann  Tiefe  gehabt  haben; 
wir  nehmen  ferner  an,  dasz  Xenophons  Lochen  bei  der  Phaianxbil- 
dung,  indem  die  4  Enomotien  in  die  Front  rückten,  auch  nur  je  4  Mann 
Front  und  24  Mann  Tiefe  gehabt  haben;  sodasz  sie  also  bei  ihrem 
Durchgange  für  sich  selbst  bei  einer  Front  von  164  Mann  nur  328  El- 
len Raum  nöthig  hatteu  und  die  Furt  mithin  wegen  des  Seitmarsches 
der  leichtbewaffneten  nur  1  —  1^^  Stadium  breit  zu  sein  brauchte. 
Nachschrift. 

Vorliegende  Berechnung  war  schon  niedergeschrieben  und  schon 
waren  wir  mit  der  folgenden  behandelten  Stelle  beschäftigt,- da  erhiel- 
ten wir  am  letzten  Tage  des  Jahres  1855  Köchly^s  und  Rüstow^s 
Griechische  Kriegsschriftsteller  Bd.  II  1.  u.  2.  Abtheilung  und  fanden 
daselbst  II  2  p.  271,  dasz  jetzt  auch  Köchly  und  Rustow  sich  dahin 
erklären,  dasz  der  Gänsemarsch  gleichfalls  dem  strengen  Begriffe  nach 
in  dem  koxog  OQ^iog  enthalten  ist.  Da  aber  die  genannten  Herrn  anch 
unsre  zulezt  behandelte  Stelle,  wenigstens  IV  3  17,  für  ihre  Ansicht 
von  6  Mann  Front  anzuführen  scheinen,  aber  auf  Xenophons  Durch- 
marsch d.  h.  auf  die  §§  26 — 34  keine  Rücksicht  nehmen,  so  haben  wir 
unsre  Ansicht  nicht  zurückhalten  wollen. 

Anab.  I  10  9  und  10. 

Bei  der  gewöhnlichen  Erklärung  dieser  Stelle  entstehen,  sobald  man 
sich  mit  der  Feder  die  Stellung  beider  Heere  beim  zweiten  zusammen- 
treffen aufzeichnen  will,  die  grösten  Schwierigkeiten,  weil  man  nicht 
gut  herauszubringen  weisz,  in  welcher  Stellung  der  Perserkönig  den 
Griechen  gegenüber  sein  Heer  in  Schlachtordnung  gestellt  hat  (xorltfn^ 
66V  avxlav  t^v  (pakayya).  Diese  Ungenauigkeit  musz  bei  Xenophon 
auffallen.  Deuten  wir  die  Schwierigkeilen  kurz  an.  Die  Griechen 
rückeu  gegen  Abend  am  Euphrat  hinauf  ihrem  Lager  zu,  von  dort  kömmt 
der  König,  der  am  linken  (jetzt  rechten)  Flügel  abzieht  (anrjyayiv). 
Die  Griechen  fürchten  aber  einen  Angriff  in  die  Flanke  und  damit  eise 
Umzingelung  und  beschlieszen  deshalb  diesen  bedrohten  Flügel  la- 
rückzunehmen  und  sich  so  aufzustellen,  dasz  sie  im  Rücken  durch  den 
Euphrat  gedeckt  sind.  '£v  m  dh  xavxa  ißovXivovro^  fährt  nun  Xenoph. 
fort,  Tucl  df]  ßaaiXevg  naQafieftljdfUvog  elg  xo  ceixo  tfx^fux  xarltfn^ey 
avxlav  xr]v  qtaXayya  und  alle  Erklärer  deuten  das  itagafui'tlj,  auf  die- 
selbe Wejse,  dasz  der  König  am  rechten  (früher  linken  Flügel  der 
Griechen)  vorübergezogen  sei  uud  seine  Schlachtreihe  dieselbe  Stel- 
lung gegenüber  habe  einnehmen  lassen,  die  er  bei  der  ersten  Schlacht 
gehabt,  wozu  Zeune  noch  den  Zusatz  macht:  ^h.  e.  ut  acies  spectaret 
scptentrionos.'  Nun  ist  aber  doch  klar ,  dasz  wenn  sich  die  Griechen, 
als  die  Perser  ihrem  linken  Flügel  parallel  standen  (iTtal  d^  ijtfttv 
Ticna  ro  evciwiMv  xwv  EXkfjvoav  Ki^ag) , 


Zu  XenopbOQ^s  Anabasis. 


253 


Perser 


Griechen 


\ 


pf    aus  ihrer  Stellung  a  b  in  die  von  a  c  wenden,  die 
y      Perser  aber  vorüberziehen,  diese  auf  keine  Weise 
^,,.'''''  den  Griechen  gegenüber  sich  zur  Schlacht  ordnen 

können,  vielmehr  ihrerseits  einen  Flankenangriff 
ihres  rechten  Flügels  von  den  Griechen  zu  fürchten  haben.  — 

Krüger,  der  diese  Unmöglichkeiten  gesehen  zu  haben  scheint, 
sagt  nun  in  der  groszen  Ausgabe,  dasz  die  Griechen  das  ivwvtvisauv 
To  xi^a^  nicht  ausgeführt.  Aber  auch  bei  dieser  Annahme,  der  übri- 
gens der  Sprachgebrauch  des  ^oxbiv  c.  Inf.,  ferner  das  Imperf.  wi- 
derspricht, sind  grosze  Uugenauigkeiten.  Denn  wenn  die  Griechen  in 
ihrer  Stellung  a  b  verharren,  die  Perser  aber  vorbeiziehen,  so  müssen 
die  letzteren,  um  das  Ttariavrjaev  avtCav  xijfif  fpiXctyya  auszuführen, 
nach  ihrem  Vorbeimarsche  rechtsum  machen  und  im  Rücken  der  Grie- 
chen nach  dem  Enpbrat  zu  marschieren.  Dort  angekommen  müssen  sie 
wiederum  rechtsum  machen  oder  wenn  sie  ihre  Taxiarchen  in  die 
Front  bringen  wollen,  sogar  einen  Contremarsch  ausführen.  Desglei- 
chen müssen  die  Griechen,  um  nicht  im  Rücken  angegriffen  zu  werden, 
einen  Contremarsch  ausführen  oder  wenn  sie  für  dieses  Mal  ihre  Ura- 
gen  in  der  Front  lassen  wollen,  mindestens  ein  Rechtsumkehrt  ma- 
chon. Von  allen  diesen  Bewegungen  und  Wendungen  sagt  Xenophon 
kein  Wort,  bei  ihm  ist  mit  dem  nagaiABiipcifiepog  auch  ohne  weitre 
Wendungen  und  Marsche  die  Aufstellung  der  Schlachtlinie  gegeben. . 
Wir  versuchen  daher  eine  andre  Deutung.  Wir  verbinden  naqa^i^ 
ipafisvog  Big  ro  avro  (SXW^  ^=  ^^^^  ^^  dieselbe  Stellung  wenden ,  sc. 
wie  die  Griechen,  so  dasz  also  die  Stelle  lautet:  *  Während  die  Grie- 
chen sich  noch  beriethen,  stellte  schon  der  König,  indem  er  sich  in 
dieselbe  Stellung  (sc.  wie  die  Griechen)  wandte,  d.  h.  indem  er 
gleichfalls  das  avantvaastv  to  xiQag  ausführte  und  somit,  während 


Perser 

T 


/ 


die  Griechen  aus  a  b 
f     in   die    Stellung  a  c 
übergiengen,  seiner- 
seits aus  d  e  in   die 
Stellung  von  d  f  ein- 
schwenkte ^),  seine  Pha- 
lanx den  Griechen  gegen- 
über auf  und  rückte  wie 
das  erstemal  zum  Kampfe 


c 

vor.'  Wir  beziehen  dabei  das  Mnsq  to  nqmov  auf  den  c.  'S  §  14  und 
17  erzählten  Umstand,  dasz  so  wie  die  Perser  beim  ersten  zusammen- 
treffen zum  Kampfe  heranrückten  nnd  die  Griechen  ihnen  erst  dann 


♦)  Dasz  avantvaasiv  die  Schwenkung  des  Flügels  nach  der  Front- 
seite bezeichnet,  zeigt  Plut.  Pelop.  23. 


iS4  liUberf :  TaMka  4m  kebr.  Verba. 

e3tpx^s>f !«.  2I5  Ke  »)(k  3  bis  4  Stadien  ealferat  waren,  sie  auch 
b^L3t.  ivti^f«  iL^imm««lref<B  de«  Heranaarsch  beginnen,  wibrend 
Cii  Gr.^riis  s:^  er»l  dana  in  Bevefvnf  setzten,  als  die  Perser  ihnen 
Zli3L..CX  ia]^  si»i 

ClaisiiaL  VoUbreehi. 


17. 

rv<üi;^t»ii!S^'>if  riicfioi  tfer  AeftraasrAen  Tetba  mit  steter  Bin' 
mAMTi./  mxf  ^  keiratiscke  GrawumcAik  tan  Gesenius  (her- 
iauHfr;€6em  nn  ibkAycr)  vom  Dr.  Müklberg.  HäUhinsen 
1^55.    19  S. 

ISit  V£^  dsTch  s«ine  neljibri^  Beschifli^ng  mit  der  hebmei- 
sc^en  Sfnc^  in  weiterem  Ereisen  bekannt,  bat  unter  dem  vorstehen* 
öen  Txiei  eine  tabelians«be  Uebersicht  der  hebraeischen  Verba  heraos- 
cvu:«^^.  D»  in  Noteaformat  fedmckte  Heflchen  nmfasxl  auf  19  Sei- 
liv. ,  >Le  sac^  B«dnrlais  in  4 — 13  Colamnen  ^(heilt  sind ,  Tollstindige 
Ta'>eUea  &^r  das  nefelmasxift^  and  anregelBäszige  Verbnm  nnd  das 
Verbxs  mit  Saf&xen.  Bei  dem  Versache  eine  gewisse  Vollständigkeit 
dxxv^  die  bebraei$cben  Paradigmen  der  Zeit-  und  Nennwörter  zu  be- 
wiriea«  lag  es  dem  Verfasser  besonders  daran,  die  Infinitivi  und  Par- 
ticzpu  xKsrjJkriicher  anzugeben  und  auf  diese  Weise  Conjngationen 
x^i  De^Luü.^nea  miteinaaier  in  stete  Verbindung  zu  setzen. 

P;e  Tibeiie  des  regelmisxigen  Verbi  enthält  auf  2  Seiten  samml- 
Uc^e  Formen  ron  rr?  nnd  Kai  \iphal  von  rs  und  Trd,  ausserdem 
Nfi  Kii  im  Praeteritnm«  Infinitiv.  Imperativ,  Futurum  und  Participinm 
die  Formen  von  mediae  E  and  mediae  Q«  voces  memorialcs  der  affor- 
mjiU^i  ttsi  *|«neformatira,  den  In&niliv  mit  2  (Gerundium),  mit  einem 
SuClie.  dl»  Participinm  im  Singular  und  Plural  in  der  männlichen  nnd 
weiblichen  Form«  das  Futurum  paragogicum,  das  Praeteritum  cum  Vav 
et  SuäT.  Die  Normalfv^rmen  sind  mit  einem  Sternchen  bezeichnet:  dnrch 
r\>wi:hche  Zahlen  wird  anf  die  entsprechenden  Formen  in  der  Gramma- 
tik von  Ge;»enin$-R6diger  verw  iesen.  Bei  Hithpa^l  findet  sich  noch  die 
durch  Metathesis  and  Assimilation  entstehende  Aenderung.  Die  conjn- 
gatio  UothpaeU  die  sich  bei  Gesenius  in  der  Tabelle  nicht  findet,  ist 
in  den  Hauptformen  angegeben.  Unter  der  Tabelle  finden  sich  anf  den 
meisten  Seiten  noeh  Anmerkungen ,  in  denen  sich  theils  ErUntemngen 
SU  den  Paradigmen ,  theils  seltene  Formen  angef&hrt  finden. 

S.  4  euthält  die  Tabelle  der  Verba  Tc,  ^.  5  der  mediae  radiea- 
lis  geminatao,  S.  6—13  die  Verba  qniescentia,  S.  12  13  u.  14  Beispiele 
von  doppelt  nnregelmäszigen  Verbis,  namentlich  TB  und  «b,  TD  nnd  nV, 
KC  und  nb,  -c  und  nb,  ^c  nnd  «b,  iy  und  «b,  S.  15, 16  und  17  die 
Verba  gutturalia,  S.  18  und  19  das  vollständige  Schema  der  Snffixa 
Verbi.  Bei  allen  verbis  sind  die  in  der  Grammatik  von  Gesenius  ge- 
brauchten Paradigmata  beibehalten. 


Mahlberg:  Tabellen  der  hebr.  Verb«.  255 

Wie  schon  aas  dem  angefahrten  herrorgebt,  sind  die  Tabellen 
viel  vollständiger  als  bei  Gesenius,  namentlich  S.  12  —  14  finden  sich 
dort  nur  kurz  angedeutet.  Der  Vf.  hat  nicht  nur  die  wirklich  vorkom- 
menden Formen  angefahrt,  sondern,  wie  dies  auch  bei  Aufstellung  der 
Verbal-paradigmen  in  anderen  Sprachen  %n  geschehen  pflegt,  alle  Poro- 
men, die  sich  nur  den  Regeln  analog  bilden  lassen. 

Bei  dem  Streben  des  Vfs,  recht  viel  auf  eine  Seite  zusammen  za 
drängen,  hat  natttrlich  die  Uebersichtlichkeit  verloren;  aus  diesem 
Grunde  werden  sich  die  Tabellen  des  Hrn.  Dr.  Mahlberg  mehr  far  den 
Lehrer  als  für  den  Schaler  eignen ;  fttr  den  letzeren  wenigstens  wer^ 
den  sie  erst  dann  recht  von  Nutzen  sein,  wenn  er  das  Verbum  in  allen 
seinen  Theilen  sorgfältig  dem  Gedächtnisse  eingeprägt  hat,  oder  wenn 
dem  Unterrichte  eine  Grammatik  zu  Grunde  gelegt  wird,  die  nicht  in 
der  Ausfahrlichkeit  und  Uebersichtlichkeit  die  Paradigmata  der  Verba 
enthält,  wie  die  von  Gesenius. 

Der  Druck  ist  im  Ganzen  deutlich  und  scharf,  doch  treten  ein- 
zelne Vocale  oder  Punkte  nicht  genug  hervor,  z.  B.  S.  2  Z.  9  von  oben 
^^Vts];,  n\>bp,  S.  3  Z.  4  von  unten  btoprjr;,  S.  6  Z.  16  von  oben  bdfi};*. 
S.  7  Z.  8  Von  oben  Qnb:;'?,  S.  7  Z.  4  von  unten  D*^!^^^  etc. 

Das  Metheg  zur  Unterscheidung  des  Kamez  und  Kamez-chatnph 
findet  sich  nur  auf  Seite  2  und  3;  bei  den  folgenden  Verben  ist  es, 
was  far  den  Schaler  nicht  zweckmäszig  ist,  ausgelassen.  S.  6  Z.  3 
von  unten  ist  der  Ausdruck  in  dem  Satze :  *  Im  Futurum  sind  die  mei- 
sten Verba  mit  Patach  oder  Segol',  nnterschrieben  den  Buchstaben  Tn*^W, 
undeutlich.    S.  7  Z.  7  von  oben  findet  sich  Drai^a  statt  Dn^i^id. 

Mögen  die  Tabellen  zur  Erreichung  dea  Zweckes,  am  dessentwil- 
len  der  Verfasser  sie  herausgegeben  hat,  recht  viel  beitragen! 

Buddeberg. 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 


Rheinisches  Museum  für  Philologie.   Nene  Folge.  X  Jahrg. 

3.  H.  Leop.  Schmidt:  u.  Calderons  Behandlung  antiker  Mythen 
(S.  313 — 57:  der  Aufsatz  gibt  nicht  allein  über  des  spanischen  Dich- 
ters Geist  Anfschlnsz,  sondern  verbreitet  auch  über  die  Gestalt  und 
den  Gehalt  einzelner  Mythen,  Prometheus,  Eros  und  Anteros,  die  Ver- 
wand lungsmythen,  Licht).  —  Lowinski:  u.  d.  Parodos  in  Aischylos 
filieben  gegen  Theben  (8.  358—68:  Vs.  104—110  werden  als  Strophe 
und  Antistrophe  und  Vs.  120-^25  als  liectodos  gefaszt,  anszerdem  zu 
9  Stellen  neue  Verbesserongen  vorgeschlagen).  — -  Seh  wen  ck:  drei 
griech.  Mythen  (8.  369-92:  DCliloris  (=  Elegeis)  wird  mit  der  Le- 
bensmutter identificiert,  die  zugleich  Todesgöttin  ist,  und  dasselbe 
von  der  romischen  Flora  behauptet,  beiläufig  die  Elegie  als  ursprüng- 
lich bacchisch  dargestellt.    2)  Ans   der  Strafe  in  der  Unterweit  und 


236  Auszüge  aus  Zcitschriflen. 

Jer  Weihung  von  vier  Brunnen  in  Argo.*  wird  unter  Herbeixiehnng 
ae>:\|itiMlK-r  Gchräudie  gefolgert .  <lasz  die  jO  Danaiden  die  Monate 
der  4).  Perii'Je  darstellen;  wefhalb.  \%eil  49  die  wahre,  50  die  runde 
Zahl  .•>ei.  eine  ihren  iirauti<:ain  (^d.  vorhergegangene  Zcitperiodc)  scho- 
net. Die  Beziehung  des  Danaos  auf  das  Licht  wird  ans  seinem  Ver- 
hältnis zum  hkischen  Apollo  geschlossen,  'd)  Die  verschiedenen  Bur>- 
p>lui  der  .Mvihen  werden  in  Verhältnis  xa  Thessalien  und  zu  dem 
dortigen  Weidegott  Apollon  gesetzt  u.  so  auch  hier  die  Umbildung 
einer  ursprünglichen  Gottemiythe  in  eine  Heroenm^the  angenommen;. 
Viiicher:  eine  kretische  Inschrift  (S.  392  —  404:  Abdruck  und  ErlSn- 
teriing  d.  zuerst  von  Velonakis  in  der  Zeitung  Athina  bekannt  ge- 
machten Inschrift.!.  —  Weicker:  Alcmanis  aliiiuot  fragmenta  (S.  4U6 

—  \^:  kritische  u.  evoceiische  Erläuterungen  zu  den  Fragmenten  He- 
rodian.  de  tig.  p.  öl.    Dind.,  Athen.  IX  373e.  IV  l40c,  416,  III  110  f.j 

—  Zur  Kritik  und  Erklärung  des  Acschvlus.  Von  ••  (^S.  4l4— 3*J:  d.  sich 
nicht  als  einen  eigentlichen  Philologen  bezeichnende  Vf.  gibt  geistrei- 
che Emendationen  u.  Erklärungen  üb.  Ag.  132S.  1331.  1563,  Choeph. 
842,  699.  1033,  I0:i3,  10:.9,  lOJl,  Ag.  1657.  1664,  I66Ö,  Choepb.  öl. 
Ag.  1447.  Choeph.  995,  Ag.  1421,  Choeph.  664,  671,  Prom.  924,  Sept. 
225\  —  E.  Gerhard:  Demeter  u.  Themis  (S.  440—42:  bei  Schol. 
Pind.  Ol.  I  37  wird  d.  Lesart  d.  Breslaner  cod.  A.  Biuiv  für  GhTida 
durch  d.is  \erhältnis  der  Themis  und  Demeter  als  d.  richtige  begriia- 
det\  -  Brandis:  z.  8.  Buch  d.  Thucydides  (^S.  443—45:  Dionys. 
iudic.  de  Thuc.  p.  846  c.  16  habe  das  Unheil  des  kratippos,  das  sich 
nur  auf  d.  8.  B.  bezogen  und  den  richtigen  Tact  des  Schriftstellers 
anerkannt  habe,    gefälscht  als  auf  d.  ganze  Werk  gehend  dargestellt). 

—  KiiHchl:  Plaut«  Lipart;»s  (S.  44J — 47:  Freunds  Vermotung,  dafz 
bei  Priscian.  \  p.  893  Plaut us  in  Sillitergo  zu  lesen  sei,  wird  als 
eine  verständige  Möglichkeit   mitgetheilt   und  die  Fragm.  besprochen). 

—  Dcrs.:  Plautinische  Excurse  (^S  446-55:  cucinus  und  lucinui  {Iw 
chinus,  lychinus)  werden  als  lat.  Furmcn  für  cycnus  u.  lyehnui  uach- 
gcwiesen  (auch  Himinis  für  Fttyi^  auf  einem  Gefäsz)  und  die  Dichter- 
stellen, wo  sie  vorkommen,  erörtert.  Ferner  wird  d.  t.  Charlfint 
angeiTihrto  Form  mvrccs  für  iiicrx  durch  Plaut.  P.seudul.  954 ^  Me- 
naechm.  75S  Truc.  11  4  55  bestätigt  gefunden,  dem  Plaut,  aber  mercif 
viiuliciert,  endlich  auch  die  in  d.  Hdschr.  vorkommende  Form  Mfff 
erörtert).  —  Welcker:  Ae>ch\lu>  (S.  4J6 — 59:  Emendationen  in 
Sept.  207.  Ag.  97-103.  Choöph.*95— 100).  -  V.  dsgl.  (8.  459-62: 
Emendatiou  v.  Agam.  311  —  14  u.  Choeph.  302).  —  £gli:  Eudoxus 
bei  Athenaeus  (^S.  462—65:  Jablonskys  Conjectur,  dasz  IX  392  0{fvya$ 
zu  lesen  sei.^wird  gerechtfertigt).  —  Lrlichs:  Strabo  i,S.  465  f.  XI 
p.  396  wird  o  rirf^  ulv  ^Pftdi'or  urroi*  q-aati-  conjicicrt'.  —  Ders.  Va- 
seninschrift (^S.  466  f.:  Erklärung  d.  Inschr.  bei  E.  Gerhard  Trink- 
^chalen  usw.  Taf.  XVII  XVIll).  —  Hitzig:  Sali,  fragm.  IV  19  Kriti 
(S.  467—72:  die  Worte  nisi  —  tccicstiisumi  werden  zwischen  «fiercai 
und  atquv  c«  guac^  die  Worte  c^rcgia  fama  ti  Romanog  opprei$eri9 
futitrii  est  am  Ende  5»*  2]  zwischen  ocriHent  und  guod  haud  difßeile 
e$t  eingesetzt ).=  -  4.  11.  Bnrsinn:  Tacropolc  d\Athfnes  par  E.  BeuU 
(S.  473  522:  den  Inhalt  des  Boches  genau  referierende,  die  vielen 
Irlhumer  widerlegende  und  viele  eigene  Beobachtungen  und  Ansichten 
bietende  Besprechung).  —  Zur  Kritik  und  Erklärung  dos  Aeschylns. 
Von  •♦  (S.  523  -4;^,  Fortsetzung  vom  3.  II.  Ans  von  Aeschylus  ver- 
mutlich gelesenen  Dichtern  werden  Emcndatinnen  vorgeschlagen  Agam. 
824,  »Sup|)l.  7S4,  ilioenh.  969  und  die  entsprechende  Strophe,  Suppl. 
827  u.  8;^t,  dann  unabhängig  Eum.  ^öH  u.  370.  Am  Schlüsse  werden 
die  Ir fahrten  der  lo  aus  dem  Prometheus  behandelt  und  viele  geist- 
reidie  Nermutungrn  darüber  aufgestellt).  —     Fried  I  ander:    u.  GU- 


Aoisage  aus  Zeittchriflen.  257 

diatorenspiele  u.  Thierhetzen  in  d.  rom.  Kaiieraeit  (8.  644 — 90:  sehr 
inhaltsreiche,  gelehrte  Arbeit,  Vorlänferin  einer  grosseren,  welche  die 
sämtlichen  Schauspiele  der  ersten  3  Jahrhunderte  t.  Chr.  umfassen 
goll).  —  Welcker:  ü.  C.  Bursians  'athenische  Pnyx'  im  Philol.  JX  \ 
631  ff.  (8.  591—610:  durch  ausführliche  Erörterung  der  Gegengründe 
wird  die  Behauptung  gegeben,  dasz  keine  der  drei  nach  Rosz  Ton 
neuem  aufgestellten  Thesen  erwiesen,  vielmehr  nur  auffallender  ge- 
macht worden  sei,  wie  irrig,  den  Lpcalitaten  und  Zeugnissen  wider* 
sprechend  alle  drei  seien).  —  Welcker:  andere  uralte  Tempel  auf 
dem  Othageblrge  (S.  611 — 17:  marfche  Zweifel  anregende  Mittheilnn- 
gen  über  Girards  memoire  sur  Tisle  d*£nb^e  u.  de  Megarensium  inge- 
nio).  —  O.  Jahn:  gnostische  Inschrift  in  Arolsen  (S.  617 — 19:  Nach- 
weis, dasz  d.  y.  Huschke:  die  oskischen  u.  sabellischen  Sprachdenk- 
mäler behandelte  Inschrift  schon  Ton  Kopp  palaeogr.  crit.  IV  $  754 
p.  215  als  gnostisch  betrachtet  worden  sei:  die  Deutung  t.  Kopp  wird 
mitgetheilt  n.  ergänzt). —  Vis  eher  theilt  S.  619 f.  einige  Berichtigungen 
zu  der  X  286  f.  von  ihm  herausgegebenen  eleusinischen  Inschrift  mit. 
—  Regis:  Uebersetzungsproben  (S.  620—40:  Fragmente  aus  griechi- 
schen Komikern). 

Zeitschrift  f.  d.  Allerihutnsw.   13.  Jhrg.  1855.    / 

3.  H.  Bu ebner:  d.  aurelische  Thor  an  der  aelischen  Brücke  und 
d.  belisarische  Thor  in  Rom  (8.  193—206:  durch  Prüfung  der  Erzäh- 
lung Ton  Procop  wird  dargelegt,  dasz  das  erstere  auf  dem  rechten 
Ufer  der  Tiber,  den  pons  Aelios  schlieszend,  gestanden  habe,  das  zweite 
mit  d.  portü  salaria  identisch  sei.  Beigegeben  ist  eine  Zeichnung).  -— 
Latendorf:  lexilogische  Bemerkungen  (8.  206 — 10:  monstrum,  deli- 
ruiy  nigevy'  explicii  u.  bidetiM).  —  G.  A.  Hirschig:  observv.  et 
emendd.  in  Alciphrone  (8.  210---16).  —  Anz.  t.  Jeep  de  emend.  Ju- 
stini Histor,  (8.  216).  —  Lentz:  de  gradunm  intentione  (8.  217 — 
24:  Erläuterung  d.  Gebrauchs).  —  Anz.  V.  Münscher:  ü.  d.  Zeitbe- 
stimmungen in  Plato's  Gorgias  (8.  224).  —  D.  neuste  Litt,  der  My- 
thologie u.  Religion  der  Griechen.  3.  Art.  V.  Petersen  (8.  225 — 
35:  mit  Prellers  Behandlung  und  Auffassung  erklärt  sich  Ref.  in  den 
allermeisten  Punkten  einverstanden).  —  Didymi  Chalcenteri  gramm. 
Alex,  fragm.  Ed.  M.  Schmidt.  Ang.  y.  O.  Schneider  (8.  235— 
52:  sehr  gelobt,  obgleich  gegen  viele  Behauptungen  u.  Vermutungen 
Einspruch  begründet  wird).  —  Jahresbericht  üb^  d.  griech.  Natio- 
nalgrammatiker  und  Lexikographen.  Von  M.  Schmidt  (8.  252-71: 
wie  früher  Schneider  im  Philologus,  bespricht  d.  Vf.  die  Leistungen  auf 
dem  genannten  Gebiete  Ton  1848 — 54,  manche  eigene  Nachträge  und 
Bemerkungen  beifugend).  —  A.  Nauck:  kritische  Miscellen.  Forts. 
(8.  272—78:  Stellen  aus  Stobaens,  Schol.  Veron.  ad  Verg.  Aen.  VIT 
341  p.  97,  25  ed.  Keil,  Stellen  ans  Hom.,  Pollux  367,  Stellen  aus  He- 
rodian.  epit.  nad'olMTJg  nQoatpdiaSf  Theognost  Cram.  Anecd.  2  p.  97 
30,  aus  den  Vitis  ed.  Westerm..  dem  Roman  des  Nicetas  Eugenianns, 
Georg.  Pachym.  Rhetor.  Walz  1  p.  576  12,  Xen.  Memor.  115,  Plut. 
Moral,  p.  720  £).  —  Schonborn:  ü.  d.  Wesen  ApoUons  u.  d.  Ver- 
breitung seines  Dienstes.  Ang.  t.  Heffter  (8.  278—80:  d.  Zweck  d. 
Schrift  verfehlt  gefanden).  —  Verhandigen  gel.  Gesellschaften  u.  Aus- 
züge a.  Zeitschritten.  e=3  4.  H.  Bergk:  Beiträge  zur  Kritik  des  Plan tns 
(8.  289—300:  auszer  vielen  Verbessern ngsvorschlägen  sind  hervorzu- 
heben die  Herstellung  von  hoeedie  für  hodie  an  mehreren  Stellen  d.  - 
älteren  Dichter,  eine  neue  Ansicht  über  opportet,  die  Behandlung  an« 
dem  Griech.  entnommener  Eigennamen,  d.  Archaismen,  über  et  für  t 
und  die  Form  permtftes,   für   welche  pemustes  gefordert  wird).  — 

iV.  Jaktb.  f.  PUi.  «.  Paed.  Bd.  LXXI V.  Bfl,  5.  19 


23^  Auszüge  aus  Zeitschriflen. 

Stander:  zur  Kritik  u.  Erklärung  einiger  Stellen  aus  Tac.  Ann.  I  u. 
II  (S.  JVOO-7:  behandelt  werden  I  50,  51,  55,  58,  65,  H  7,  8,  22,  24). 
-  Osann:  philolog.  Miscellen  (S.  307—21:  die  Lesart  bei  Uieronym. 
|)rncf.  in  Job.  ^Ird  gegen  d.  Mnemo:(yn.  1854  III  S.  225  in  Schnti 
(lenonimen  und  littcrae  uncialea  überh.  für  auszergewohnlich  grosxc 
Bnriistaben  erklärt.  Dasz  Kogivd^og  feniininum  sei,  wird  von  neuem 
behauptet,  ^gn  ra  xttka  Xen.  Hell.  I  1  23  gegen  Bergk  in  Schoti 
genommen,  lumina  reatituere  in  d.  Bedeutung,  '  Wiederherstellong  de» 
Augenlichts'  rindiciert,  die  Reinigung  d.  Seewassers  bei  d.  Alten  be- 
logt, Arsen.  Viol.  p.  495  das  Teriloquiuin  d.  Pseudo-Phok\lidea  zuge- 
hörig anerkannt,  avanfTcraudvoig  ocaotg  bei  Athen.  XIII  564  c  ge- 
schützt, dsgl.  cquo  amit80  bei  Hyg.  fab.  243.  Agacivtus  bei  Arneth 
Beschreibung  d.  Statuen  usw.  Nr.  \i<b  wird  als  Freigelassener  des 
C.  Verres  betrachtet;  für  pracsio  nimmt  d.  Vf.  pracstu  alf  eig.  Fona 
an  u.  erklärt  es^  als  Dativ  =  practtui,  conjiciert  bei  Aristot.  Polit. 
init.  r^r  xfArcx^v  fiaxatgav,  erklärt  es  aber  für  spanisch,  emendiert 
endl.  eine  Stelle  Charis.  I  p.  42  Lind.).  —  Jahn:  Beschreibung  d. 
Vasensamml.  Konig  Ludwigs  v.  Baiern.  Ang.  v.  H.  A.  Maller  in 
Bremen  (S.  323 — 38:  eingehende  die  Bedeutsamkeit  d.  Leistung  ans 
Licht  stellende  Anzeige).  —  Grotemeycr:  Homers  Grundansicht 
V.  d.  Seele  u.  Kratz:  quaestiones  Homericae.  Ang.  y.  Ameia  (S. 
338 — -fH:  lobende,  aber  viele  Bemerkungen  enthaltende  Anzeigen).  — 
Xenoph.  Hellen.  T  et  IT.  Kd.  Breitenbach.  Ang.  y.  Hanadorfer 
(S.  3-4>S— 56;  lobend;  Ref.  bespricht  indes  nur  die  Einleitung  and  bebt 
d.  übrige  auf  einen  2.  Artikel  auf).  —  Aeschylus  Krinnyen.  V.  Har- 
tung.  Ang.  V.  Lentz  (S.  356-/4:  durch  Besprechung  Yieler  Stellen 
wird  d.  Urth.  begründet,  dasz  d.  Vf.  zwar  manche  Stelle  glücklich 
gebessert,  aber  auch  manche  Resultate  anderer,  nam.  Hermanns,  gmnd- 
lo.s  in  Frage  gestellt  habe).  —  Rheinprcuszische  Programme  1853 
(Von  S.  359  sich  durch  dies  u.  d.  folgende  Heft  durchziehend;  anaier 
den  Programmen  von  Ritschi  wird  am  ausführlichsten  über  Grashof: 
Zur  Kritik  des  Homer.  Textes  referiert).  —  Auszüge  a.  Zeitschriften 
n.  bibliogr.  Ucbersicht.  =  5.  H.  Ruhl  und  Schubart:  Gloaaen  nur 
Beschreibung  d.  polygnotischen  Gemäldes  in  d.  Lcsche  zu  Delphi  bei 
Paus.  X  25  ir.  1.  Art.  (S.  385-413:  die  Form  d.  Lesche  wird  so  be- 
stimmt, dasz  d.  Thüre  in  der  Hinterwand  und  die  beiden  Gemälde  an 
ders.  zu  beiden  Seiten  gewesen,  auszerdem  aber  für  die  Gruppieron- 
gen  des  einen,  der  Iliupersis,  eine  neue  Anordnung  auf  Grund  def 
Paus,  vorgenommen).  - —  Klein:  lateinische  Inschriften  (S.  413 — 19: 
Mitthcilnng  u.  Besprechung  von  22  noch  nicht  allgemein  bekannten 
Inschriften).  —  Faesi:  zur  Kritik  u.  Erklärung  Homers,  zugl.  i. 
Charakteristik  meiner  Schulausgabe  (S.  419 — 55:  eingehende  Bespre- 
chung der  Y.  Ameis  in  diesen  Jhrbb.  Bd.  LXX  S.  233—71  gegen  die 
Ausgabe  gemachten  Bemerkungen). —  Apollonii  Argonautica  ed.  Mer- 
kel et  H.  Keil.  Ang.  v.  M.  Schmidt  (S.  455  —  74:  bedentendea 
Lob.  In  Bezug  auf  den  Text  einzelne  kritische  Bemerkungen). —  Ver- 
sammlung d.  deutsch. «Philolog.  usw.  zn  Hamburg  (8,  477—79). 


IJericlitc  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  statistische 
Notizen,  Anzeigen  von  Programmen. 


Grimma].    Am  18.  Febr.  dieses  Jahres  feierte  der  zweite  Lehrer 
der  königlichen  Landesschule  Prof.  M.   Joh.  Christ.   Lorenz  anter 


Berichte  über  gelehrte  AoBtalten,  Verordnnngeii,  Statist.  Notizen.  259 

allseitiger  Anerkennung  seiner  groszen  Verdienste  am  die  Anstalt,  wel- 
cher er  einst  selbst  als  Schaler  angehört  hatte,  sein  25j.  Jabilaeum. 
Als  litterarische  Ehrengabe  worde  demselben  aberreicht  im  Namen 
des  Lehrercollegiums  von  dem  Rector  Prof.  Dr.  Ed.  Wunder:  sche- 
dae  eriticae  de  locia  nonnullia  Sophoclis  tragoediarum  et  M.  Tullii 
Ciceronis  orationis  Murenianae  (VI  und  20  8.  4,  auch  im  Buchhandel : 
Grimma  bei  Gebhardt  zu  haben).  In  diesem  von  dem  hinlänglich  be- 
kannten Scharfsinn  des  Verf.  rühmliches  Zeugnis  ablegenden  Schrift- 
chen werden  folgende  Stellen  behandelt :  Soph.  O.  C.  503  f.  tritt  ders. 
Ähren 8  de  crasi  et  aphaer.  p.  5  gegen  Dindorf  (ed.  Oxon.  1836  p. 
93  sq.)  bei,  indem  er  XQV  für  ein  Substantiv  anerkennt,  erklärt  es  aber 
für  den  Plural,  aus  XQ^^  contrahiert  und  findet  den  Grund  der  Constr. 
mit  dem  Accnsativ  in  der  dem  iat^  zu  Grunde  liegenden  Bedeutung 
[yucvsi  oder  tndvBxm  (beiläufig  wird  Soph.  Antig.  736  alltp^  yag  jj  'fiol 
XüTiaxi,  tiQod'  aQx^''^  x^ovog  und  Aristoph.  Eq.  1230  tpQoit^  v^p  ov  XQV' 
azal  fis  vmuad'ai,  [lovov  conjiciert).  Nachdem  so  XQ'^^'^^^  erklärt  ist, 
findet  der  Verf.  in  der  Stelle  des  Soph.  die  Emendation  xtov  noxfav  d" 
Zva  XQV^i:^^  f''  iffSVQsCv  nothwendig.  Unter  ausführlicher  Begründang 
werden  dann  in  demselben  Stücke  des  Soph.  die  Verse  1364 — 61,  1377 
—  79  und  1384—92  für  Interpolationen  erklärt  und  Soph.  Ai.  1004: 
(0  SvqQ'iaxov  ofi^cCf  toXy^riaiv  jn^gaCg  oaag  avCaq  fiot  %ataansiQag  tpO-C- 
vsig  zu  lesen  vorgeschlagen.  In  der  Mureniana  c.  1  wird  zuerst  die 
Nothwendigkeit  der  Weglassung  von  et  vor  ut  vesirae  mentes  gezeigt, 
dann  in  den  Worten  precatio  ^  poBtulat  die  Absicht  die  Richter  zu 
teuschen  gefunden,  endlich  idem  consul  consulem  vestrae  fldei  com- 
mendat  emendiert.  3  6  fordert  der  Verf.  at  negat  esie  eiusdem  seve- 
ritatiBy  6  13:  »altaiorem  appellat  L.  Murenam  Cato:  maledictum  «i 
vere  obiicitur  — ,  11  24:  quaeritur  eomul  resittat:  non  mirum,  end- 
lich 22  46 :  tu  cum  te  —  transtulisses,  n  exiitimasti  te  utrique  —  posse, 
vehementer  erranti.  Bei  derselben  Gelegenheit  hat  der  unterzeichnete 
die  kleine  Schrift:  Versueh  über  ThukydideB  (Leipzig ,  Teubner)  ver- 
öffentlicht. D. 

Halle].  Die  Feier  der  25jährigen  Amtsthätigkeit ,  welche  der 
Condirector  der  Francke^schen  Stiftungen  und  Rector  der  lateinischen 
Hauptschule  im  Waisenhause  Dr.  Fr.  A.  Eckstein  am  1.  Januar 
dieses  Jahres  begieng,  hat  eine  ziemliche  Anzahl  von  Gratulationsge- 
dichten und  Festlichkeiten,  die  dem  hochverdienten  Manne  die  ihm  ge- 
bührende Anerkennung  zollen,  hervorgerufen.  Unter  den  Festschriften 
heben  wir  als  eine  auch  in  weiteren  Kreisen  interessante  die  von  Dr. 
H.  A.  Daniel  im  Namen  der  Lehrer  des  Paedagogiums  verfaszte  her- 
vor: Ramler^8  erste  Ode  auf  Friedrich  den  Groszen,  Nach  einer  Ein- 
leitung, in  welcher  nachgewiesen  wird,  dasz  Ramler  schon  1738,  spä- 
testens 1739  auf  die  lateinische  Hauptschule  in  Halle  gekommen  ist, 
auch  die  von  einigen  Biographen  behauptete  Unterdrückung  und  Been- 

£nng  des  dichterischen  Triebe«  auf  das  rechte  Masz ,  den  Versuch  der 
leitung  desselben  in  dem  auf  den  Franckeschen  Stiftungen  damals  vor- 
hersehenden Geisty  zurückgeführt  ist,  wird  das  beim  öffentlichen  Actus 
am  8.  Juli  1740  vorgetragene  Gedicht  dem  in  dem  Archive  vorbefind- 
lichen Original  selbst  in  der  Orthographie  treu  entsprechend  mitge- 
theilt.  ^  Ob  manche  Fehler  auf  Rechnung  des  noch  nicht  vollständig 
ausgebildeten  Talents  zu  setzen  oder  als  Schreibfehler  zu  betrachten 
sind,  lassen  wir  dahingestellt,  bezeichnen  aber  dtt  Gabe  als  eine  höchst 
interessante,  weil  sie  die  Jngendentwicklung  eines  auf  die  deutsche 
Litteratur  einfluszreichen  Diehters  charakterisiert  und  die  Richtung 
desselben  auf  den  groszen  Mann,  dessen  Verherrlichung  er  später  seine 
besten  Kräfte  widmete,  unmittelbar  bei  der  Thronbesteigung  zeigt. 

19* 


260  Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  Statist  NoHsen. 

Heidelberg].  Das  Programm  des  hiesigen  Lycenms  enthalt  Ton 
dem  Dir.  Hofr.  J.  F.  Hautz:  Die  erste  Gelehrtenschnle  re- 
formierten Glaubensbekenntnisses  in  Deutschland  oder 
Geschichte  des  Paedagogiums  zu  Heidelberg  unter  Knrf. 
Friedrich  HI  von  der  Pfalz  1565  —  1577  (VIII  n.  65  S.  gr.  8J. 
Diese  Schrift  des  durch  mehrere  historische  Monographien  rnhmlichft 
bekannten  Hrn.  Verf.  ist,  ^vas  soivol  den  Reichthum  der  benntsten  sel- 
tenen Quellen,  als  die  anziehende  Ausfuhrung  des  Gegenstandes  be- 
trifft, ein  wichtiger  und  bedeutender  Beitrag  zur  GescTiichte  der  Ge- 
lehrtenschulcn  Deutschlands  im  sechzehnten  Jahrhunderte.  In  keinen 
Jahrhunderte  erregt  die  Geschichte  einer  Gelehrtenschnle  eine  grossere 
Theilnahme,  als  in  demjenigen,  in  ^velchem  die  Humanisten  als  Freunde 
der  klassii»chen  Studien  dem  mönchischen  Obscurantismus,  einer  tns- 
rigen  Errungenschaft  des  Mittelalters,  an  der  Grenzscheide  einer  neocn 
Zeit  gegenüberstehen.  Der  Charakter  der  Gelehrtenschnle  wird  ent- 
schiedener, bestimmter,  ausgeprägter.  Sie  fühlt  durch  den  Gegensati 
der  mönchischen  Bekämpfung  in  der  Zeit  der  Reformation  recht  lebhaft 
die  ihr  vorgesetzte  Aufgabe,  Erkenntnis  des  klassischen  Alterthns» 
und  der  klassischen  Sprachen.  Denn  nur,  wo  das  Stndiora  deraelben 
mit  Erfolg  betrieben  wird,  kann  von  wahrer  Wissenschaftlichkeit  ge- 
sprochen werden.  Eine  Schrift,  welche,  wie  die  vorliegende,  ans  (fie- 
ser für  die  Entwicklung  der  Gelehrtenschnle  so  überaus  wichtigen  Zeit, 
die  Geschichte  einer  solchen  Anstalt  und  zwar  der  ersten  reformierten 
Glaubensbekenntnisses  in  Deutschland  aus  bisher  ganz  unbekannten 
Quellen  in  historisch  treuer  und  allseitig  unbefangener  Weise  darstellt, 
verdient  die  Aufmerksamkeit  des  gelehrten  Paedagogen.  Schon  In 
Jahre  1846  hat  der  gelehrte  Hr.  Vf.  die  ersten  Anfänge  der  Geschichte 
der  Gelehrtenschule  zu  Heidelberg  durch  den  Druck'  bekannt  ge^ 
macht.  Die  beifällige  Aufnahme,  welche  jene  unter  dem  Titel:  'Lycci 
Heidelbergensis  örigines  et  progressus*  erschienene  Schrift  in  der  ge- 
lehrten Welt  fand,  veranlaszte  ihn  zur  Fortsetzung  derselbeo,  als 
welche  vorliegende  Monographie  angesehen  werden  kann.  Sie  seHalH 
in  eine  Einleitung  (S.  1—3)  und  in  drei  Abschnitte,  Ton  denen 
der  erste  die  Geschichte  des  heidelberger  Lyceums  oder,  Mrie  es  daiiali 
hiesz,  Paedagogiums  unter  Bocks  Rectorat  (1865  —  1571).  der  iweite 
unter  Schi  1  ling  (1571— 1575),  der  dritte  unter  Pi sc ator  (1575— W77) 
darstellt  (S.  3  —  50).  Angefügt  sind  zehn  urkundliche  Beilagen  (S.  50 
—  64)  und  ein  alphabetisches  Register  (S.  64  n.  65).  Zn  den  hand- 
schriftlichen Quellen,  welche  das  Material  der  historUchen  Darstellnng 
der  vorliegenden  Abhandlung  bilden,  geboren  vorzüglich  die  Acten 
der  Artis  tenfacultät  zu  Heidelberg,  wie  man  nach  einem  nit- 
telalterlichen  Kunstausdrucke  die  philosophische  Facultat  damals  be- 
nannte, die  Annalen  der  Universität  Heidelberg  nnd  die  Pro- 
tokolle des  knrpfalzischen  reformierten  Kirchenrathes« 

Der  groszeren  Verbreitung  wegen^war  ffir  einen  rein  Taterlindi- 
sehen  Gegenstand  die  deutsche  Sprache  nothwendig,  nngeachtet  die 
örigines  et  progressus  in  lateinischer  Sprache  abgefasst  sind.  Bs  kann 
diese  Abänderung  im  Interesse  der  Schrift  selbst  nur  gebilligt  werden. 

Die  Protokolle  des  reformierten  Kirchenrathes,  wdche  sich  in  kei- 
nem Archive  nnd  in  keiner  Bibliothek  vereinigt  vorfinden ,  mnsten  von 
dem  Herrn  Vf.  mühsam  in  den  Händen  von  Privaten,  welche  seinen 
historischen  Zwecken  freundlich  entgegengekommen,  znsammengesncht 
wcrdon.  Gerade  um  so  dankenswerther  ist  eine  unter  solchen  Hinder- 
nissen, welche  von  dem  Hrn.  Vf.  mit  so  glücklichem  Erfolge  beseitigt 
wurden,  entstandene  Arbeit  Die  Gelehrtenschnle  in  Heidelberg 
hiesz  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zum  Jahre  1622  nach  den  vorliegen- 
den Arten  Paedagogium.     Sie  wurde  von  Kurfürst  Friedrich  11.  von 


Berichte  Aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnangeii,  Statist.  Notizeii.  261 

der  Pfalz  im  Jahre  1546  gegründet  and  Ton  Friedrich  III.  1560  and 
1565  neu  ins  Leben  gerafen  and  erweitert.  Von  der  Mitte  des  acht- 
zehnten Jahrhunderts  an  wurde  das  Paeda^ogium  Gymnasium  genannt, 
ein  Name,  welcher  ihm  bis  in  die  neue  Zeit  blieb,  wo  es  endlich  anter 
dem  Groszherzog  Leopold  von  Baden  (1837)  zum  Lyceum  erhoben 
wurde.  Die  Paedagogien  oder  nachherigen  Gymnasien  in  Heidelberg, 
Mannheim,  Kreuznach  und  Neustadt  an  der  Haardt  waren 
Gelehrtenschulen  höheren  Ranges.  Das  Lehrercollegium  an  diesen  An- 
stalten war  mit  Ausnahme  Heidelbergs,  wo  es  starker  war,  aus  einem 
Rertor,  Conrector  und  einem  Praeceptor  zusammengesetzt.  Die 
Schuler  wurden  yon  ihnen  unmittelbar  zur  Universität  entlassen.  Durch 
die  sogenannten  Trivial-  oder  lateinischen  Schulen  wurde  man 
zum  Eintritte  in  das  Paedagogium  oder  Gymiiasium  vorbereitet.  In 
den  Trivialschulen  war  gewohnlich  nur  ein  Lehrer,  welcher  Rector 
hiesz.  Die  Vorbereitung  gieng  im  höchsten  Falle  nur  bis  zur  zweiten 
Klasse  des  Gymnasiums.  Die  Prima  war  nemlich ,  wie  dieses  noch  an 
vielen  Anstalten  ist,  die  oberste  Klasse.  In  der  Pfalz  waren  solche 
Trivialschulen  zu  Alzei,  Bretten,  Eppingen,  Frankenthal, 
Kaiserslautern,  Mosbach,  Oppenheim,  Simmern,  Sobern- 
heim  und  Weinheim.  Aus  den  S.  2  und  3  mitgetheilten  urkund- 
lichen Stellen  des  Testamentes  Friedrichs  UI.,  des  neuen  Begründers 
dieser  Gelehrtenschule,  ist  die  Dotierung  und  innere  Verfassung  der- 
selben ersichtlich.  Die  Schule  hatte  6  ordentliche  Lehrer  und  einen 
Cantor.  Der  letztere  hatte  täglich  2  Stunden  Unterricht  zu  ceben, 
lehrte  an  bestimmten  Tagen  Musik  und  leitete  in  der  h.  Geistkirche 
den  Gesanff.  Bei  wachsender  Frequenz  jsollte  die  Zahl  der  Lehrer  ver- 
mehrt werden.  Die  Schuler  waren  von  jeder  Art  von  Schulgeld  frei. 
Zum  Paedago^um  wurde  das  BaarfQszer-  oder  Franziskanerkloster  be- 
stimmt. In  diesem  hatten  die  Lehrer  freie.  Wohnung,  Unterhalt,  Klei- 
dung, und,  wenn  sie  erkrankten,  unentgeltlich  Arzt  und  Arznei.  Jeder 
Schüler  erhielt  jährlich  2  Gulden.  Der  Zweck  der  Schule  wurde  in 
der  Erneuerungsurkunde  des  Kurfürsten  dahin  ausgesprochen:  'Jungen 
Leuten  ihre  erste  wissenschaftliche  Bildung  zu  geben  und  besonders 
um  dem  groszen  Mangel  an  brauchbaren  Lehrern  und  Prediffern  abzu- 
helfen, tüchtige  Zöglinge  für  das  Sapienzcollegium  vorzubereiten.'  Eine 
Darstellung  von  der  Geschichte  der  zu  diesem  Zwecke  gegründeten 
Anstalt  ist  gewis  um  so  anziehender,  als  gerade  auch  damab  die  kirch- 
lichen Bewegungen  in  der  Pfalz  am  stärksten  waren.  Unter  Fried- 
rich III.  hatte  das  Paedagogium  zu  Heidelberg  drei  Rectoren, 
Bock  (1565  —  1571),  Schilling  (1571—1575)  und  Piscator  (1575 
— 1577).  Nach  diesen  drei  Rectoren  hat  der  Hr.  Vf.  sehr  zweckmäszig 
seine  Geschichte  in  drei  Abschnitte  getheilt.  Friedrich  III.  mit  dem 
Zunamen  des  Frommen  war  44  Jahre  alt,  als  er  Kurfürst  wurde.  Sein 
Wahlspruch  war:  'Herr!  Nach  Deinem  Willen.'  Der  reformierte  Lehr- 
begrifif  erschien  dem  frommen  Kurfürsten  zur  Seligkeit  so  nothwendig, 
dasz  er  unablässig  bemüht  war,  an  der  Stelle  des  von  seinem  Vorfah- 
ren Otto  Heinrich  in  der  Pfalz  eingeführten  lutherischen  Lehrbe- 
griffes das  reformierte  Glaubensbekenntnis  einzuführen  und  zu  diesem 
Zwecke  die  in  Frankreich,  Italien  und  den  Niederlanden  be- 
drängten Anhänger  Calvins  in  seinem  Lande  aufzunehmen.  Die  Lehr- 
stellen an  der  Universität  und  an  den  Schulen,  sowie  auch  die  Pfar- 
reien wurden  durch  die  in  andern  Ländern  verfolgten  Reformierten  be« 
setzt.  8o  machte  Friedrich  das  Paedagogium,  indem  er  reformierte 
Lehrer  an  demselben  anstellte  und  es  nach  den  Grundsätzen  und  An- 
sichten der  Reformierten  leiten  liesz,  zur  ersten  Gelehrtenschule 
reformierten  Glaubensbekenntnisses  in  Deutschland  (S. 5). 
Die  Einkünfte  und  die  innere  Einrichtung  der  Schule  waren  nach  den 


262  Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnangen,  Statist.  Notiiea. 

Befehlen  desselben  am  3n  December  1566  geordnet.  Der  erste  Vorstand 
der  neu  organisierten  Anstalt  war  OÜTerins  Bock,  auch  Holofe- 
riiis  genannt,  aus  Alost  oder  AI  st  in  Flandern.  Ana  den  bisher 
unbekannten  hsl.  Acten  der  Universität  (Artisten-  oder  phil.  Fac.)  wird 
8.6  mitgetheilt:  die  Hochschule  beschwerte  sich  darüber,  dasa  ^Bock 
das  Gymnasium  ganz  nach  seinen  Ansichten  einrichte  ^  den  Schulplan 
andere,  neue  Schriftsteller  einführe,  auf  die  Universität  keine  Ruck- 
sicht nehme  und  junge  Leute  in  seiner  Schule  zurückhalte,  welche  be- 
fähigt wären,  aus  derselben  zu. höhern  Studien  entlassen  so  werden.' 
Bock  dagegen  beklagte  sich,  dasz  die  Universität  'jedem  aus  der 
Schule  entlaufenen  Jungen  das  Baccalaureat  ertheile  und  dadurch  gründ- 
liche Bildung  unmöglich  mache.'  Die  Aufsicht  über  die  Anstalt  war 
von  dem  Kurfürsten  der  Universität  und  dem  reformierten  Kirchenratke 
gemeinschaftlich  übertragen  worden.  Dies  gab  zu  Streitigkeiten  Ver- 
anlassung. Der  Kirchenrath  erhielt  bald  einen  groszern  Einflusa  snf 
die  Anstalt  als  die  Universität,  ungeachtet  diese  aus  ihrer  eigenes 
Kasse  derselben  einen  jährlichen  Beitrag  von  150  Gulden  Terabfolgen 
licsz.  Er  berief  sich  bei  seinen  Maszregeln  auf  die  kurpfalsische  Kir- 
chcnrathsordnung  von  1564,  in  welcher  es  Cap.  III  $  }•  3  heisit: 
^Zweierlei  Macht  soll  unserm  Kirchenrath  bestimmt  sein:  Die  Ministeria 
und  Schulen  mit  guten,  tauglichen  Personen,  die  reiner  Lehr  und 
unsträflichen  Lebens  sind,  zu  bestellen  und  auf  derselben  Lehr  snd 
Lehen  Acht  zuhaben,  die  untauglichen  aber  abzuschaffen;  soa 
andern  der  Disciplin  und  Kirchenzucht  halber  nothwendiges  Einsehen 
haben.'  Es  gab  dieser  Paragraph  dem  Kirchenrathe  auch  dann  die 
Gelegenheit  zum  einschreiten  gegen  einen  Lehrer  an  die  Hand,  wenn 
sich  gegen  seine  wissenschaftliche  Befähi<;ung,  seine  Lehrtüchtigkeit 
und  selbst  gegen  sein  sittliches  Betragen  nichts  einwenden  Uean,  weil 
die  Anstalt  durch  den  Kurfürsten  eine  speciiisch  reformierte,  d.  h.  run 
kalvinische  Färbung  erhielt,  und  dem  Kirchenrathe  die  Ueberwachosg 
der  genauen  Handhabung  des  reformierten  Glaubensbekenntnisses  in- 
stand. Die  Universität  konnte  sich  natürlich  nur  insofern  um  die  An- 
stalt kümmern,  als  sie  eine  wissenschaftliche  Vorbereitungsanstalt  für 
den  höhern  Unterricht  war.  Auch  wechselte  sie  nicht- nur  denRector, 
welcher  die  Aufsicht  über  das  Gymnasium  hatte,  sondern  es  wnrdea 
auch  jährlich  von  der  Universität  zwei  Inspectoren  gewählt,  welche 
nebst  dem  Rector   den  Oster-    und  Herbstprüfungen   des  Gymnasf 

Jahr  w 


beiwohnen  sollten.  Wie  konnten  Inspectoren,  weiche  jedes 
selten,  der  Anstalt  gegenüber  die  nöthige  Kraft  entwickeln?  Solche 
Einrichtungen  schwächten  den  Einflusz  der  Universität.  Es  ist  aber 
gcwis  nie  zum  Vortheile  einer  wissenschaftlichen  Anstalt,  wenn  die 
specifisch  und  ausschlieszend  kirchliche  Aufsichtsbehörde  ein  jede  Mass- 
regel der  wissenschaftlichen  Ueberwachung  lähmendes  Uebereewieht  bat» 
Der  Hr  Vf.  behandelt  von  8.  8 — H  mit  einem  sehr  dankenswerthen 
eingehen  in  das  Detail  das  Lehrercollegium  unter  Bocks  Rectorat. 
Schon  1565  zog  sich  unter  den  Lehrern  zuerst  Nathanael  das  Bfis- 
f allen  des  Kirchenrat hes  zu.  Man  hob  unter  den  gegen  ihn  geltend 
gemachten  Beschwerden  besonders  auch  die  heraus,  «dass  erdieRvtbe 
nicht  brauchen  wolle  gegen  die  Jungen '  (S.  9).  Sehr  vernünftig  ant- 
wortete Nathanael,  'er  wisse  wol,  dasz  man  Zucht  halten  misse; 
er  habe  aber  bei  der  Behandlung  seiner  Schüler  auf  das  Alter  dersel- 
ben Rücksicht  genommen ;  es  befänden  sich  unter  ihnen  I^ente  von 
19  Jahren.  Diese  zu  schlagen  sei  unvernünftig  und  zwecklos;  man 
könne  auch  mit  Worten  strafen'  (S.  9).  Umsonst  verwendete 
sich  die  Universität  für  ihn.  Die  allgewaltige  religiöse  Aufsichtsbe- 
hörde setzte  dessen  Absetzung  am  iöu  September  1567  durch*  Sein 
Nachfolger  war  Josua  Lagns  aus  Stolpe  in  Pommern   (als  zwei- 


Bcriofate  Aber  gelehrte  Aulalten,  Verordnniifeii,  statisl.  Notisen.   263 

ter  Lehrer  aach  zugleich  Conrector).  Ungeachtet  man  schon  am  2da 
Augnst  1570  damit  amgieag,  dem  kranklichen  Lagni  die  SaperinteO" 
dentar  zu  Neustadt  an  der  Haardt  zu  übergeben,  wnrde  doch 
Jnngwitz  aus  Bret»lan  erst  am  27.  November  1571  in  seine  Stelle, 
eingewiesen.  Nichts  ist  aber  für  eine  Anstalt  nachtheiliger,  als  der 
häufige  Lehrerwechsel  und  die  Nichtbesetzung  der  Lehrstellen. 

Bock  starb  am  17n  Februar  1571  und  an  dessen  Stelle  wurde  M. 
Christoph  Schilling  ernannt.  Die  Universität  fühlte  das  Ueber- 
gewicht  des  Kirchenrathes  und  suchte  diesem  1572  vorzubeagen.  Hieza. 
gab  ihr  eine  im  März  dieses  Jahres  vorgenommene  Visitation  des  Fae  - 
dagogiums  durch  den  Uni versitätsrector  Peter  von  Alst  und  die  bei- 
den als Inspectoren  ernannten Universitatsprofessoren  Pithopous  und 
Lancius  die  passende  Veranlassung.  Man  nahm  zunächst  Verände- 
rungen in  der  Ordnung  der  Lectionen  vor  und  stellte  mehrere  Artikel 
auf,  so:  ^weder  der  Kirchenrath  noch  die  Lehrer  (des  Paedagoginms) 
sollten  ohne  Zustimmung  des  academischen  Senates  sich  irgend  eine 
Aenderung  in  dem,  was  das  Paedagogium  beträfe,  erlauben' 
und  einen  andern  'der  Kirchenrath  sollte  in  der  Ordnung  beim 
schreiben  nicht  immer  obenhin  gesetzt  werden,  sondern  es  sollte  bald 
dieser,  bald  die  Universität  obenan  stehen.'  Die  Hochschule  verlor 
sich  also  in  anszere  Rangstreitigkeiten,  die  nur  dann  einen  WertU 
haben  könnten,  wenn  man  das  Wesen  der  Sache  angrjfip,  was  nicht  ge- 
schah. Der  berühmte  Xyl ander,  damaliges  Mitglied  des  Artistense- 
nats hatte  daher  gewis  ganz  Recht,  wenn  er  sich  der  Theilnahme  aa, 
den  Verhandlangen  über  die  Reorganisation  der  Anstalt  entschlng- 
Denn  die  Heftigkeit  (vgl.  die  in  der  Beil.  IV  S.  54  —  56  mitgetheilten^ 
beiden  Schreiben),  mit  welcher  er  sich  gegen  die  Theilnahme  des  Kir-, 
chenrathes  an  den  Angelegenheiten  des  Paedagogiums  aussprach,  be- 
weist deutlich,  dasz  er  den  wunden  Fleck  der  Schule  erkannte  und 
mit  ihm  die  Unmöglichkeit  einer  Besserung  ohne  eine  für  die  Univer-^ 
sität  allein  unmögliche  Aufhebung  der  kircbenräthlichen  Obergewalt.  — 
Bald  benutzten  £e  Lehrer  die  Stellung  der  Anstalt  zum  Kirchenrathe, 
dazu*,  wechselseitig  Beschwerden  gegen  einander  bei  dieser  ihnen  vor^ 
gesetzten  Stelle  zu  erheben.  Am  nachtheiligsten  mnste  dieses  danä 
sein,  wenn  die  beiden  der  Schule  vorgesetzten  Lehrer,  der  Rector  un4. 
Conrector  in  solches  Zerwürfnis  kamen.  Der  1572  ernannte  Rector. 
Schilling  beschuldigte  seinen  Conrector  Jungnitz,  'er  versäume. 
Lectionen,  führe  die  Schüler  nicht  in  die  Kirche  und  wieder  ans  der- 
selben ,  wie  es  doch  nach  den  Gesetzen  •  des  Paedagogiums  geschehen 
solle.'  Jungnitz  dagegen  gab  bei  derselben  Stelle  gegen  seinen  Rec» 
tor  an,  'die  in  das  Paedagogium  aufgenommenen  Stipendiaten  würdea«. 
dem  Rector  vorgestellt,  da  sie  doch  seiner  Aufsicht  übergeben  wären'.. 
Man  lernt  aus  diesen  Streitigkeiten  die  Wahrheit  des  Satzes  kennen, 
dasz  auch  bei  einer  gelehrten  Schnle  zur  Handhabung  der  Ordnung 
und  Disciplin  die  Einherschaft  eine  Nothwendigkeit  sei.  —  Uf^ter-, 
Schilling's  Rectorat  (1571  —  1575)  fallen  die  arianiscfaen  Strei-.' 
tiekeiten  in  der  Pfalz.  Sie  rissen  auch  einzelne  Lehrer  an  den  ger 
lehrten  Schulen  mit  sich  fort.  Schon  im  JuH  1567  entdeckte  ein  Lä- 
rer  am  Paedagogium  zu  Heidelberg,  Martin  Seidel,  dem  damaligen 
Rector  Bock,  'es  sei  ein  Punkt  in  der  Lehre,  den  er  nicht  fassen 
könnte^  (S.  23).  Zugleich  bat  er  ihn,  diese  Eröffnung  dem  Kirchen-, 
rathe  nicht  anzuzeigen,  ja  er  erklärte  selbst  den  Ta^  darauf,  seinem. 
Irthum  entsagt  zu  haben.  Es  läszt  sich  wol  schwerlich  rechtfertigen, 
daez  Bock  dennoch  die  Anzeiee  davon  der  geistlichen  Oberbehörde 
machte.  .  Wie  begierig  der  Kirchenrath  die  Gelegenheit  zur  religiösen 
loqnieitien  ergriff,  g^t  daraus  hervor,  dasz  derselbe  schon  im  October 
1668  den  dmalifen  Rector  der  Universität  Bert  hold  Redlich  aqg 


264   Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  Statist.  Notiien. 

Westphalen  ersnchte,  den  Martin  Seidel  abzusetzen,  da  man  höre, 
'er  sei  so  sehr  yon  dem  Gifte  des  Arianismns  angesteckt,  dasz  er  an 
dem  Ansehen  des  ganzen  neuen  Testamentes  zweifle'^  (S.  23).  Wenn 
der  academiscbe  Senat  der  etwaigen  Absetzung  Seidels  eine  Prü- 
fung desselben  Torausgehen  lassen  wollte,  wenn  er  eine  Untersuchung 
beantragte  und  dazu  die  Professoren  der  Theologie  beauftragte,  so 
handelte  er  in  seinem  Rechte,  und  Referent  stimmt  dem  Hrn.  Vf.  toU- 
kommen  bei,  wenn  dieser  in  der  Darstellung  jener  Händel  Ton  'der  lo- 
benswerthen  Billigkeit  und  Mäszigung'  des  academischen  Senates  (8.  23) 
spricht.  Seidel  blieb  noch  Tier  Jahre  nach  dieser  beantragten  Unter- 
Kuchung  in  seinem  Amte.  Sie  kann  also  unmöglich  zu  seinem  Nach- 
theiie  ausgefallen  sein.  Inzwischen  hatte  aber  Friedrich  HI.  der 
Fromme,  der  schon  im  Anfange  seiner  Re<>ierung  alle  lutherischen  Leh- 
rer von  den  gelehrten  Anstalten  entfernte  und  ihre  Stelle  mit  refor- 
mierten Flüchtlingen  besetzte,  auf  die  arianischen  Lehren  in  der  Pfalz 
ein  wachsames  Augenmerk.  Eine  Reihe  Ton  Geistlichen  wurde  wegen 
angeblicher  arianischer  Lehren  und  Grundsätze  gefänglich  eingezogen 
und  der  Superintendent  von  Ladenburg,  Johann  SylTan,  am  23n 
December  1572  zu  Heidelberg  auf  dem  Marktplatze  öffentlich  ent- 
hauptet. Man  konnte  es  unter  solchen  Umständen  Martin  Seidel, 
dem  Lehrer  am  Paedagogium,  nicht  Terargen,  wenn  er  sich  am  6n  April 
1573  aus  Heidelberg  entfernte,  freiwillig,  wie  gegen  Vierordt:  Gesch. 
der  Ref.  in  Baden  S.  477  aus  den  handschriftlichen  Nachrichten  8.  24 
und  25  dargethan  wird.  Der  Streit  zwischen  dem  Rector  Schilling 
und  dem  Conrector  Jungnitz  gab  den  riTalisierenden  Aufsichtsbehör- 
den, der  UniTersität  und  dem  pfölzischen  Kirchenrathe,  zur  Eroeuemng 
erbitterter  Händel  eine  willkommene  Veranlassung  (S.  27).  Gewu 
sieht  jedermann  der  Ton  dem  Hrn  Verf.  Tersprochenen  (S.  27)  beson- 
deren Behandlung  dieser  in  das  damalige  Schul-  und  UniTersitatswesen 
tiefe  Blicke  erÖifnenden  Streitigkeiten  entgegen.  Jede  Kleinigkeit  wurde 
von  dem  einen  der  streitenden  Theile  gegen  den  andern  bei  dem  Kir- 
chenrathe referiert.  Unter  and erm  hatte  sich  Jungnitz  gegen  8chil* 
ling  einmal  derjenigen  Ausdrücke  bedient,  mit  welchen  Goethe's 
Götz  Ton  Berlichingen  seine  Erklärung  an  den  kaiserlichen  Feld- 
hauptmann auf  die  Aufforderung  zur  Uebergabe  schlieszt.  Der  Kirchen- 
rat h  beschlosz  im  Jahre  1574  die  Absetzung  der  beiden  in  Hader  leben- 
den Lehrer,  ohne  die  UniTersität  auch  nur  zu  befragen.  Nun  nahm 
sich  diese  beider  an,  bewirkte  ihre  Versöhnung  und  widersetzte  sich 
ihrrr  Absetzung.  Der  Kirchenrath  bestand  auf  ihrer  Entlassung  auch 
ohne  Zustimmung  der  UniTersität.  Schilling  bat  in  einer  besondem 
Schrift  um  Schutz  bei  dem  Kurfürsten  (24n  NoTbr.  1574):  Die  Uni- 
Tersität Terlangte  Ton  beiden  Theilen  einen  Eid,  ihre  Stelle  nicht  ohne 
Einwilligung  derselben  niederzulegen.  Der  Kirchenrath  untersagte 
ihnen  Kost  und  Tisch  im  Paedagogium.  Die  UniTersität  wendete  sich  1575 
an  den  Kurfürsten,  welchem  der  Gegenstand  des  Streites  zur  Ent- 
scheidung vorgelegt  wurde.  Aus  dem  S.  31  mitgetheilten  Erlasse  des 
Kurfürsten  ist  deutlich  zu  ersehen,  dasz  sich  dieser  mehr  auf  die  Seite 
des  Kirchenraths  stellte.  Es  war  daher  nicht  zu  Terwundern,  dasz  die 
UniTersität  in  einer  Bittschrift  an  den  Kurfürsten  Tom  30n  Mai  1575 
ihren  Wunsch  äuszerte,  «er  mochte  die  Verwaltung  des  Paedagogiums 
und  die  Aufsicht  darüber  dem  Kirchenrathe  allein  übertragen:  nur  da- 
durch konnte  den  bisherigen  Streitigkeiten  und  Händeln  ein  Ziel  ge- 
setzt werden.»  In  seiner  Antwort  (S.  32)  neigt  sich  der  Kurfürst,  was 
bei  seiner  frommen  Gesinnung  nicht  zu  Terwundern  war,  abermals  mehr 
zum  Kirchenrathe  hin.  Die  UniTersität  wiederholte  am  29n  Juli  1575 
ihre  Bitte  um  Befreiung  Ton  jeder  Mitaufsicht  Sber  das  Paedagogium. 
Sie  hatte  von  da  an  kein  Aufsichtsrecht   über  das  Paedagogium  mehr. 


Berichte  Aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  Statist.  Notizen.  265 

Natürlich  sollten  auch  die  150  fl. ,  welche  sie  Termoge  ihres  Verbandes 
mit  dem  Paedagogiam  diesem  jährlich  zu  bezahlen  hatte,  hinwegfailen. 
Man  konnte  dieses  um  so  eher  erwarten,  als  der  Kirchenrath  in  seinem 
Streite  mit  der  Universität  erklärt  hatte,  dasz  er  sich  nichts  ans  dem 
Gelde  derselben  mache,  worüber  der  Hr  Verf.  manch  ergötzliches  Hi- 
störchen beibringt.  Dennoch  verlangte  der  Verwalter  der  geistlichen 
Guter,  M.  Stephan  Becheln,  auf  Befehl  und  im  Namen  des  Kurfür- 
sten diese  von  dem  Kirchenrathe  so  gering  geschätzte  Summe.  Die 
Universität  remonstrierte  und  die  Zahlung  unterblieb.  Es  war  gewis 
für  die  Anstalt  nicht  gut,  dasz  sich  die  Universität  von  aller  Theii- 
nahme  an  derselben  zurückzog  und  die  Aufsicht  lediglich  einem  geist- 
lichen Rathe,  welcher  am  meisten  die  kirchlichen  Interessen  bedachte, 
ausschlieszend  überlassen  wurde. 

Uro  neuen  Zwistigkeiten  vorzubeugen,  muste  der  jeweilige  Rector 
des  Paedagogiums  'Bestellungspunkte'  und  «einen  Revers'  unterschrei- 
ben, welche  in  Beilage  VII  (S.  58—61)  mitgetheilt  sind.  Die  Instruc- 
tion, welche  der  Rector  hinsichtlich  seines  Geschäftskreises  erhielt,  ist 
nicht  mehr  vorhanden  (S.  36). 

Der  dritte  Abschnitt  befasit  sich  mit  dem  Rectorate  des  M. 
Johannes  Piscator  (1576—1577).  Er  war  in  Straszbnrg  den  27n 
März  1546  geboren,  hatte  daselbst  anshülfsweise  gepredigt  und  als  Pro- 
fessor der  Theologie  gelehrt  und  wurde  wegen  zu  groszer  Hinneigung 
zum  reformierten  Lehrbegriffe  daselbst  seiner  Stelle  entsetzt.  Er  wurde 
gegen  den  Willen  des  Senats  vom  Kurfürsten  zum  Professor  an  der 
Universität  und  endlich  am  30n  Mai  1575  auf  dessen  Befehl  vom  Kir- 
chenrathe zum  Rector  des  Paedagoginmff  an  Schillings  Stelle  er- 
nannt (S.  40).  Der  vom  Paedagogium  entfernte  Jungnitz  wurde  an 
seiner  Statt  Professor  der  Physik  an  der  Universität.  Unter  Pisca- 
tors  Rectorat  wurde  ^grosze  Aufmerksamkeit  auf  das  answendiglernen 
und  erklären  des  reformierten  Katechismus'  verwendet,  welches  man 
als  'eine  der  Hauptaufgaben'  der  Schule  betrachtete  (S.  41).  Fried- 
rich Iir.  war  es  vor  allem  durch  Anstellung  reformierter  Lehrer,  durch 
die  Hebung  des  Unterrichtes  im  reformierten  Glaubensbekenntnisse  und 
durch  neue  Dotation,  die  damals  so  bedeutende  Summe  von  24000  fl. 
(S.  44),  um  Hebung  der  Interessen  der  specifisch  calvinischen  Kirche 
gegenüber  denen  der  lutherischen  zu  thun.  Diese  Maszregeln  erreich- 
ten mit  dem  Tode  des  Kurfürsten  (26n  Octbr.  1576)  ihr  Ende.^  Sem 
Sohn  und  Nachfolger,  Ludwig  VI.,  mit  dem  Beinamen  des  Mildthä- 
tigen,  wirkte  mit  demselben  Eifer,  mit  welchem  sich  sein  Vater  der 
reformierten  Religionspartei  angenommen  hatte,  für  das  Lutherthum. 
Der  lutherische  Cultus  wurde  eingeführt  und  nach  Erlasz  vom.  1  In  Sep- 
tember 1577  die  Mitglieder  des  reformierten  Kirchenrathes  und  die  re- 
formierten Pfarrer  der  Stadt  Heidelberg  von  ihren  Stellen  entfernt; 
ebenso  wurden  die  reformierten  Lehrer  am  Paedagogium  und  der  Neckar- 
schule abgesetzt  und  an  ihrer  Statt  lutherische  angestellt,  auch  die 
reformierten  Schüler  und  Alumnen  aus  diesen  Anstalten  gewiesen.  Auch 
die  Stipendiaten  des  SapienzcoUegiums,  welche  den  reformierten  Glau- 
ben nicht  abschwuren,  verloren  ihre  Stiftungsgenüsse.  Im  Jahre  1580 
mutete  man  der  Universität  die  Unterschrift  der  magdeburger  Concor- 
dienformel  zu,  der  nächste  Schritt  ihre  Mitglieder  lutherisch  zu  ma- 
chen. Nur  ein  einziger,  Ludwig  Graff,  Professor  der  Medicin,  ver- 
stand sich  dazu.  Sechs  Professoren  wurden  sogleich  ihres  Dienstes 
entlassen,'  zwei  hatten  schon  vor  dieser  Zumutung  .ihren  Stellen  ent- 
sagt, einer  (Donellus)  einen  Ruf  nach  Leiden  angenommen.  Der 
Bruder  des  KurfSrsten,  Pfalzgraf  Johann  Casimir,  demCalvinis- 
rons  treu,  gieng  nach  Kaiserslautern,  wo  bei  ihm  die  verfolgten 
reformierten    Rätbe   Friedrichs  Zuflucht  fanden.     Er    gründete   in 


266    Berichte  Aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  atatisl.  Notiien. 

Neustadt  an  der  Haar  dt  das  Colleginm  Casimirianaro,  eine  Art  tob 
reformierter  Hochschale  (8.  47).  Die  Lehrstellen  am  heidelb«rger  Paa- 
dagogium  wurden  mit  Lutheranern  besetzt.  Die  lutherische  Reforma- 
tion dauerte  nicht  lange  (1576—1583).  Johann  Kasimir  wurde  Io8d 
Vormund  des  noch  unmündigen  Kurerben,  des  nachmaligen  Kurfiiraten 
Friedrichs  IV.,  und  Administrator  der  Pfalz.  Alle  Ton  seinem  Bm* 
der  entlassenen  Geistlichen  und  Lehrer  wurden  zurucksernfen  und  da- 
rum auch  an  unserm  Paedagogium  wieder  nur  reformierte  Lehrer  an 
der  Stelle  der  entfernten  lutherischen  eingesetzt.  Das  Paedagogium 
war  nun  wieder  reformierte  Anstalt  und  blieb  eine  solche  auch  von 
1622  an,  wo  es  Gymnasium  genannt  wurde,  bis  es  sich  mit  dem  1706 
Yun  den  Jesuiten  gegründeten  katholischen  Gymnasium  unter  der  Re« 
gierung  des  unsterblichen  Groszherzogs  von  Baden,  Carl  Fried- 
rich, am  21n  November  1808  vereinigte.  In  dieser  Vereinigung  blieb 
die  paritätische  Anstalt  bis  auf  unsere  Zeit,  und  ward  durch  Groar* 
herzog  Leopold,  den  edeln  Sohn  Carl  Friedrichs,  zum  Lycenn 
am  21n  December  1837  erhoben  (S.  49). 

Der  geschichtlichen  Darstellung  sind  zehn  urkundliche  Beüagea 
angefugt,  von  denen  wir  oben  einige  bereits  namhaft  gemacht  haben. 
Niemand  wird  dieselben  ohne  reiche  Belehrung  lesen.  (Die  ersten  aechi, 
die  achte  und  neunte  sind  ungedruckt,  die  siebente  ist  'der  neueaiea 
ReligionsverfasKung  der  Reformierten  in  der  Unterpfalz'  entnommen. 
Die  Beilage  X  enthält  eine  Stelle  aus  der  gedruckten,  selten  geworde- 
nen Trauerrede  Rodings:  Oratio  funcbris  in  Inudcm  Frideriei  Pii 
etc.  habita  a  Guilielmo  Roding.  Ileidelbergae  idib,  Novemhr. 
1577.  y4pud  loannem  Mareschallum  Lugdunenscm,  4.)  Sehr  danlcena- 
werth  ist  die  Mittheilung  der  vielen  biographischen  Notizen,  welche 
sich  auf  die  in  die  Zeit  von  1565 — 1577  fallenden  Lehrer  des  Paedago- 
giums  und  der  Universität  in  Heidelberg  beziehen  und  groaientbdlt 
zum  erstenmalc  aus  vielen  seltenen  Druckschriften  und  hancUchrifUichca 
Urkunden  zusammengetragen  sind.  Die  ganze  Darstellung  gibt  uns 
ein  aus  groszenthcils  neuen  Quellen  entstandenes  treues  und  lebeuTolIei 
Bild  einer  gelehrten  Schule  der  für  die  Littcrär-  und  Cuhurgeachichte 
so  überaus  wichtigen  Reformationszeit.  Der  Freund  der  Schule  mnti 
dieäe  bis  auf  die  ersten  Anfänge  ihres  cntstehens  kennen,  sich  mit  der 
Entwicklung  ihres  innern  Lebens  und  wirkens  und  ihrer  äusseren  Bin- 
rirhtung  vertraut  machen,  die  Vorzüge  und  Mängel  derselben  in  Jeder 
Zeit  richtig  erfassen,  und  aus  diesen  sich  zum  klaren  Bewostaein  brin- 
gen, wie  die  Gegenwart  das  gute  der  Vergangenheit  benutzen,  das 
schadhafte  entfernen  soll.  Der  gelehrte  Schulmann  wird  auf  dem  Be- 
den der  Geschichte  der  gelehrten  Schule  wirken.  Sie  wird  dem  Pae- 
dagogen  den  Leitfaden  geben,  der  ihn  zum  sichern  Ziele  fuhrt.     Mono- 

§raphien,  die  sich  auf  die  Geschichte  gelehrter  Anstalten  beziehen,  aind 
aber  besonders  dem  Paedagogen  dankenswerth.  Sie  sind  ea  aber  in 
einem  noch  hohem  Grade  dann,  wenn  sie,  wie  im  vorliegenden  Falle, 
ganz  neue  Forschungen  geben  und  sich  auf  Anstalten  beziehen,  welche, 
wie  das  heidelberger  Lyceum,  so  lange  in  der  unmittelbarsten  Verbin- 
dung mit  der  Universität  standen,  wenn  sie  als  historische  Vorarbeiten 
zu  umfassenderen  Geschichtswerken  dienen.  Eine  solche  Vorarbeit  zn 
der  Geschichte  der  Universität  Heidelberg  ist  die  vorliegende  Schrift. 
Möge  zur  Freude  aller  Freunde  der  Cultur-  und  Litterärgeschichte  un- 
seres Vaterlandes  das  in  Aussicht  stehende  Werk  recht  bald  erschei- 
nen!    Et  pius  C8t  patriae  facta  referre  laborl 

V,  Rciehlin  Meldegg, 
Lissa].    Am  13.  Nov.  1855  begieng  das  dasige  königliche  Gymna- 
sium seine  300jährige  Jubelfeier.    Zu  derselben  ward  von  dem  Direotor 
und  Lehrercollegium  in  einer  umfänglichen,  von  dem  wissenschaftüchen 


Berichte  über  gelelirte  Anstalten,  ^Ordnungen,  statist.  Notizen.  267 

Geiste  der  Anstalt  ein  ehrendes  Zeugnis  ablegenden  Festschrift  einge> 
laden,  welche  aus  folgenden  Partien  besteht:  1)  einem  lateinischen 
Carmen  taeculare  Ton  dem  Prof.  A.  Matern;  2)  Ton  dem  Dir.  Dr. 
Ziegler  verfaszt:  Beiträge  zur  älteren  Geschichte  des  königlichen 
Gymnasiums  zu  Lissa  (42  S.  4).  Der  Herr  Verf.  hat  gründlich  in  den 
Quellen  geforscht,  mit  sicherem  Täcte  das  wichtige  von  dem  unwesent- 
licheren gesondert  und  bei  aller  Schlichtheit  und  Einfachheit  der  Dar- 
stellung doch  ein  anziehendes  und  fesselndes  Bild  geliefert.  Verleiht 
schon  das  Land  als  eine  in  Deutschland  rücksichtlich  der  Schnlge« 
schichte  für  sehr  Tiele  terra  incognita  der  Geschichte  der  Schulanstalt 
ein  erhöhtes  Interesse^  so  wächst  dies  noch,  indem  sie  zugleich  in  die 
Schicksale  der  nach  Polen  geflüchteten  böhmischen  (mahrischen)  Brü- 
der, sowie  der  Evangelischen  überhaupt  verflochten  ist.  Mit  erheben- 
dem Gefühle  sieht  man  den  edlen  Eifer,  mit  welchem  das  daus  Lesz- 
cynski  die  Schule  1&55  als  Stadtschule  gründete,  1624  zu  einem  Gym- 
nasium erweiterte  und  fort  und  fort  schützte,  aber  auch  die  aufopfernde 
Thätigkeit  der  für  die  Anstalt  wirkenden  Lehrer  und  Gemeindeglieder, 
welche  durch  wiederholte  Einäscherungen,  Pest  und  Krankheiten,  Ver- 
folgung durch  die  Jesuiten  sich  nicht  einschüchtern  lieazen,  sondern 
bei  aller  Dürftigkeit  der  Mittel  doch  an  dem  groszen  Werke  der  Jugend- 
bildung fortarbeiteten  und  dasselbe  immer  hoher  und  tüchtiger  zu  he- 
ben trachteten.  Welche  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Paedagogik 
die  lissner  Schule  hatte,  erkennt  man  sofort,  wenn  man  sich  erinnert, 
dasz  unter  den  Rectoren  ein  Jo.  Arnos  Commenius  und  Dan.  Ernst 
Jablonski  sich  Anden.  Es  ist  besonders  zu  rühmen,  dasz  der  Hr  Veif. 
die  wissenschaftliche  Wirksamkeit  und  Bedeutung  dieser  Männer,  wie 
auch  der  übrigen  Rectoren  und  Lehrer  in  klaren  und  bestimmten  Um- 
rissen geschildert  hat.  Die  Beilagen  bieten  ebenfalls  interessantes,  ins- 
besondere auch  einige  nicht  unwichtige  Urkunden.  Wir  heben  hervor 
Beilage  II*  über  das  Geschlecht  der  Leszcyhski,  Beilage  IV  die  latei- 
nisch abgefaszten  Schulgesetze,  welche  durch  ihre  Uebereinstimmang 
mit  den  für  die  Schule  zu  Patak  gegebenen  die  Vermutung,  dasz  sie 
ein  Werk  des  Comenius  seien ,' rechtfertigen.  Beilage  VI  die  Unter- 
suchungen über  die  Verwandtschaftsverhältnisse  zwischen  Comenias 
und  Jablonski,  Beilage  VII  die  Auseinandersetzung  [der  Verhältnisse, 
in  welchen  die  Kurfürsten  von  Brandenburg  und  Könige  von  Preoszen 
zn  den  böhmischen  Brüdern,  namentlich  in  Lissa  gestanden.  Auch  die 
Ankündigung  des  Redeactus  1705  in  Beilage  VIII  bietet  ein  interes- 
santes Bild  von  dem  damaligen  Stande  der  Studien.  Wir  glauben  hier- 
durch hinlänglich  unsere  für  die  Geschichte  der  Gymnasialpaedagogik 
sich  interessierenden  Leser  auf  die  Schrift  aufmerksam  gemacht  zn 
haben.  3)  über  die  vom  Prof.  Ed.  Olawski  verfaszte  Abhandlung: 
die  neuhochdeutsche  Partikel  nicht  mit  Rücksieht  auf  die  urver- 
wandten N'partikeln  einiger  Schwestersprachen  (48  S.  4)  gedenken 
wir  eine  besondere  Anzeige  zu  bringen.  4)  den  Schlu^z  bildet  eine 
griechische  Ode  des  Dr.  J.  Methner.  D, 

NeubiwlKDEHBürg].  Das  Programm  zur  Herbstprüfung  1854  ent- 
hält: Kritische  und  exegetische  Bemerkungen  über  einige  Stellen  des 
Sophokles y  vom  Prof.  Arndt,  20  S.  4.  Die  Anstalt  besteht  aus  einer 
Prima,  Secunda,  Tertia,  Quarta,  einer  Real -Tertia  und  Real -Quarta, 
einer  Quinta,  in  welcher  der  lateinische  Unterricht  in  6  St.  w.  be- 
ginnt,^ Sexta  und  Septima;  die  drei  letzteren  Klassen  bilden  zugleich 
die  Bürgerschule.  Zu  diesen  ist  Michaelis  1853  noch  eine  höhere  Real- ' 
k lasse  hinzugetreten,  nachdem  die  erforderlichen  Lehrkräfte  gewonnen 
Mind.  In  Folge  dessen  werden  die  bisherigen  Combinationen  aufgeho- 
ben, dem  Französischen  und  Englischen  groszere  Aufmerksamkeit  ge- 
widmet und  dafür  auch  Fertigkeit  im  sprechen  erzielt,  das  Latein  unter 


268  Berichte  über  gelehrte  AnsüMen,  Verordnungen,  staust.  Notiien. 

die  Lehrgegenstände  aufgenommen,  jedoch  mit  Zulässigkeit  der  Diapen- 
sation bei  mangelhaften  Vorkenntnissen,  endlich  alle  Lehrgegenitande 
in  einem  dem  Zwecke  der  Realschule  entsprechenden  Umfange  gelehrt. 
Die  Vertheilung  der  Lectionen  über  die  3  Realclassen  ist  darnach  fol- 
gende : 

II.        III.        IV. 

Religion 2  2  2 

Deutsch 3  3  4 

Französisch 3  3  4 

Englisch 3  3  — 

Latein 2  2  2     . 

Mathematik 4  4  5 

Rechnen 1  1  3 

Physik 2  2  — 

Chemie 2  2  — 

Naturgeschichte  ....       2  1  2 

Geschichte 2  2  2 

Geographie 2  2  2 

Kalligraphie —  1  2 

Gesang 1  1  1 

Freihandzeichnen  ...       2  2  2 

Technisches  zeichnen  111 
Zu  der  Herbgtprüfung  1855  ist  keine  wissenschaftliche  Abhandlnig  aus- 
gegeben worden.  Der  Schulamtscandidat  Paul  hatte  im  letzten ochiü* 
jähre  sein  Probejahr  in  12  St.  w.  abgehalten  und  ist  zu  Mich.  1836 
deiinitiy  als  Lehrer  eingetreten.  —  Im  Winter  1853— -54  lahlte  du 
Gymnasium  120  Schuler,  im  Sommer  1854  124,  wovon  jedoch  im  Lanfe 
desselben  4  abgiengen:  I  12,  II  15,  III  32,  RIII  10,  IV  32,  RIV  19; 
2  wurden  zur  Universität  entlassen.  Die  Burgerschale  hatte  169  Schi- 
ler, 69  in  V,  59  in  VI,  41  in  VII ;  Gesamtzahl  beider  verbundenen  An- 
stalten 289.  Im  Winter  1854  —  55  waren  im  Gymnasium  132  Schüler, 
welcher  Bestand  auch  im  Sommer  in  folgender  Vertheilung  blieb:  I  IS, 
II  15,  III  28,  RIII  IJ,  IV  36,  RIV  24.  Auch  diesmal  wurden  la  Mich. 
1855  2  zur  Universität  entlassen.  Die  Bürgerschule  hatte  in  dieier 
Zeit  152  Schuler,  62  in  V,  56  in  VI,  34  in  VII;  Gesamtzahl  284. 

Schweinfurt].  Aus  dem  über  das  Studienjahr  1854 — 65  augege- 
benen  Programme  des  dasigen  königl.  Gymnasium  Ludovicianom  uad 
der  konigl.  lateinischen  Schule  entnehmen  wir,  dasz  an  der  Stelle  dflf 
in  ein  anderes  Amt  übergegangenen  Lehrer  Christophs  der  Sdinl- 
lehrer  Koch  den  Schreib-  und  der  Stadtcantor  Schneider  den  G«- 
Sangunterricht  übernahmen.  Der  katholische  Religionsunterricht,  bis- 
her in  der  lateinischen  Schule  in  ^iner  Abtheilung  ertheilt,  wurde  i> 
2  Cnrse  getheilt,  den  Schülern,  welche  bereits  in  der  dritten  KUiW 
der  lateinischen  Schule  den  franzosischen  Unterricht  begonnen,  die 
Fortsetzung  in  der  vierten  gestattet,  dagegen  der  Unterricht  in  der 
Physik  in  der  vierten  Gymnasialklasse  ausgesetzt  und  die  dafKr  be- 
stimmten Stunden  der  Mathematik  zugetheilt.  Die  Schulerzahl  war  im 
Gymnasium  42  (IV  6,  III  9,  II  16,  I  11),  in  der  lateinischen  Schule  73 
(IV  12,  III  p,  II  24,  I  15),  im  ganzen  115.  Die  wissenachafUiche 
Beilage  enthält:  Chrundzüge  einet  Lchrbucht  der  franMOwisehen  Spraekt 
nach  Massf^abc  der  revidierten  Ordnung  der  lateinischen  Schulen  und 
der  Gymnatien  im  Königreiche  Bayern  vom  Prof.  Dr.  Ludw.  von 
Jan  (20  S.  4).  Der  Hr.  Verf.  ist  als  grundlicher  Kenner  der  alten 
Sprachen  und  einsichtiger  Kritiker,  sowie  als  tüchtiger  Schulmann  hin- 
länglich bekannt,  so  dasz  man  gewis  von  vorn  herein  in  der  Abhand- 
lung viel  cutea  und  anregendes  erwarten  kann ,  und  in  der  That  wer- 
den diese  Erwartungen  nicht  nur  erfüllt;  sondern  übertroffen.   Bei  dem 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  stallst.  Notizen.  260 

jetzt  80  allgemein  sich  kund  gebenden  erfreulichen  streben  nach  Con- 
centration  im  Gymnasialunterrichta  nimmt  die  Frage  nach  der  Methode 
in  der  Kriernung  der  neueren  Sprachen  eine  sehr  wichtige  Stelle  ein. 
Mögen  auch  manche  den  Knoten  durchhauen  und  in  der  gänclichen  Aus- 
schlieszung  das  geeignetste  Mittel,  dem  Gymnasialunterrichte  grossere 
Einheit  zu  Terschaffen,  finden,  die  Beibehaltung  ^iner  lebenden  frem- 
den Sprache  wird  als  nothwendig  ebenso  Ton  der  Paedagogik,  wie  Ton 
den  das  praktische  Bedärfpis  des  Lebens  ins  Auge  fassenden  Behörden 
anerkannt  bleiben,  wie  denn  auch  in  der  revidierten  Ordnung  Bayerns 
das  franzosische  aus  einem  facultatiren  zu  einem  obligaten  Lehrgegen- 
stand erhoben  worden  ist.  Um  so  ernster  ist  aber  nun  auch  einerseits 
das  zu  erreichende  Ziel,  andererseits  die  beim  Unterrichte  zu  befol- 
gende Methode  ins  Auge  zu  fassen,  damit  ebenso  eine  zu  grosze  An- 
spannung der  Arbeitskraft  des  Schülers,  wie,  was  in  sittlicher  Hinsicht 
noch  weit  schlimmer,  die  nachlässige,  halbe,  oberflächliche  Betreibung 
verhütet  werde.  Ueber  das  Ziel  scheint  man  insoweit  einig,  als  man 
diejenige  Sprachfertigkeit,  welche  zam  Verständnis  bedeutender  Litte- 
raturwerke  erforderlich  ist,  als  solches  allgemein  anerkennt.  Auch  die 
bayerische  Regierung  hat  dies  Ziel,  wenn  auch  mit  einigen  Modifica- 
tionen,  aufgestellt.  Ueber  die  Methode  gehen  aber  die  Ansichten  viel 
weiter  auseinander,  ja  selbst  über  die  Zeit  für  den  Beginn  des  Unter- 
richts herscht  grosze  Verschiedenheit,  welche  um  so  weniger  bald  be- 
seitigt werden  wird,  als  die  in  den  meisten  Familien  der  höheren  Stande 
vorwaltende  Ansicht  —  leider  zum  groszen  Nachtheile  der  Jugend,  den 
Beginn  des  lernens  in  das  frühste  Alter  verlegt.  Die,  wenn  wir  nicht 
irren,  in  allen  öffentlichen  Gymnasien  Deutschlands  eingeführte  Praxis 
ist  die,  dasz  das  Franzosische  erst  nach  Erwerbung  der  Elemente  in 
den  alten  Sprachen  begonnen  wird,  in  den  meisten  noch  vor  Eintritt 
des  Griechischen.  So  viel  aber  steht  fest,  dasz  das  Gymnasium  den 
Unterricht  in  einer  seinem  Wesen  entsprechenden  Methode  zu  ertheilen 
hat,  wenn  nicht  Nachtheile  nach  irgend  einer  Seite  hin  hervortreten 
sollen,  und  dies  hat  der  Hr  Verf.  klar  und  bestimmt  erkani^t,  wenn  er 
S.  5  sagt:  'an  einem  Gymnasium  ist  gewis  der  Unterricht  in  einer 
neuem  Sprache  der  beste,  der  bei  möglichst  rascher  Forderung  am 
wenigsten  fühlen  läszt ,  dasz  etwas  mit  den  übrigen  Lehrgegenständen 
nicht  in  Einklang  stehendes  getrieben  werde,  und  dieses  Gefühl  wird 
dann  am  sichersten  ferne  gehalten  werden,  wenn  die  neuere  Sprache 
in  möglichstem  Zusammenhange  mit  den  altklassischen  behandelt  wird.' 
In  Bayern  erscheint  dies  um  so  nothwendiger,  als  dort  der  Unterricht 
erst  im  Gymnasium  beginnt  und  zwar  so  eine  groszere  geistige  Reife 
vom  Schüler  hinzugebracht,  dagegen  aber  auch  die  Zeit  sehr  kurz  ge- 
stellt wird.  Der  Hr  Verf.  bespricht  nun  zuerst  die  ihm  bekannten, 
namentlich  die  in  Bayern  gebilligten  Lehr-  und  Hülfsbücher  —  ein  für 
diejenigen,  welche  sich  orientieren  wollen,  recht  brauchbarer  Abschnitt, 
zumal  da  man  überall  die  besonnene  Klarheit  und  Schärfe  in  ihrer 
Verbindung  mit  echter  Humanität  und  Milde  anzuerkennen  haben  wird. 
Für  das  von  ihm  selbst  zu  bearbeitende  Lehrbuch  stellt  er  (S.  10)  fol- 

§ende  Grundsätze  auf:  *  I)  dasselbe  musz  die  in  der  lateinischen  Schule 
urch  den  Unterricht  im  Lateinischen  und  Griechischen  erworbenen 
allgemeinen  grammatischen  Kenntnisse  voraussetzen  und  zur  Verein- 
fachung der  Methode  benutzen;  2)  es  musz  die  franzosische  Sprache 
in  ihrem  Verhältnisse  zur  lateinischen  und  deutschen  darstellen;  3)  es 
musz  alle  Sprachformen  und  Regeln  kurz  und  praecis,  aber  doch  voll- 
ständig und  möglichst  übersichtlich  geben;  4)  es  musz  Gelegenheit 
bieten  die  Formen  und  Regeln  so  einzuüben,  dasz  die  ThStigkeit  des 
Verstandes  eben  so  wie  bei  der  Erlernung  der  alten  Sprachen  in  An- 
spruch genommen  und  dabei  namentlich  durch  Binpragnng  vialer  Wor- 


270  Personalnachrichten. 

ter  und  Redensarten,  sowie  darch  mündliches  und  schriftliches  über- 
«etxen  eine  möglichst  grosze  Gewandtheit  im  Gebrauche  der  Sprache 
ersielt  wird.'  Dasz  nun  derselbe  eben  so  weit  von  einer  ausf&hrlichen 
sprachvergleichenden  Deduction  der  französischen  Sprache  aus  ihren 
Elementen  durch  die  Terschiedenen  Entwicklungsstufen,  wie  Ton  einem 
einzwängen  derselben  in  einen  ihrem  Genius  nicht  entsprechenden  Sche- 
matismus entfernt  ist,  beweist  die  folgende  Auseinandersetzung,  welche 
im  Umrisz  die  Anwendnng  der  Grundsätze  auf  die  einzelnen  Lehren 
zeigt.  Ref.  hat  mit  Toller  Befriedigung  z.  B.  die  Behandlung  des  Thei- 
lungsartikels  und  der  äbrigen  Casus  (8.  13  f.),  die  Bemerkungen  über 
das  particip  pr^ent  und  gerondif  (S.  15  f.),  sowie  über  den  Infinitiv 
(S.  17)  gelesen  und  glaubt  vollen  Grund  zur  Aussprache  der  Erwartung 
zu  haben,  dasz,  wenn  der  Hr  Verf.  mit  der  an  ihm  gewohnten  Klar- 
heit, Besonnenheit  und  Gründlichkeit  seinen  Plan  ausfuhrt,  maff  dann 
auch  im  einzelnen  manches  einem  Streite  der  Ansichten  unterliegen, 
ein  wesentlicher  Dienst  dem  Gymnasialunterrichte  geleistet  werde. 

D. 


P  er  sonaln  achrichten. 

Ernennungen,  Anstellungen,  Versetzungen. 

Anger,   Dr.,   ao.  Prof.    in  der  theol.  Facultät  der  Univ.    in  Leipzig, 

zum  ord.  Prof.  ebendas.  ernannt. 
Blattner,  Jos.,  Lehramtsc,  zum  Studicnlehrer  an  der  2n  Klasse  der 

lateinischen  Schule  zu  Münncrstadt  ernannt. 
Brückner,   Dr.,  Prof.  der  Theologie  und  2r  Universitätsprediger  lu 

Leipzig,  zum  In  Universitätsprediger  das.  ernannt. 
Cicigoi,  Jac,  Supplent  am  kk.  Gymn.  zu  Gratz,  zum  wirkl.  Lehrer 

ebenda  befördert. 
Curtius,  Dr.  Ernst,   ao.  Prof.  an  der  Universität  zu  Berlin,  an  C 

Fr.  Hennanns  Steile  als  ord.  Prof.   an  die  Univers,  zu  Göttingen 

berufen. 
Favaretti,  Dominik,  Priester,  Suppl.  am  kk.  Lycealgymn.  zu Padua, 

zum  wirkl.  Lehrer  für  die  venetianischen  Staatsgymnasien  ernannt. 
Ficbig,  Jul.,  Suppl.  am  kk.  Gymn.  zu  Troppau,  zum  wirkl.  Lehrer 

das.  befördert. 
Floto,   Dr.  Uartw.,  aus  Preuszen,  zuletzt  zu  Stuttgart,  als  ord. 

Prof.  der  Geschichte  an  die  Univ.  zu  Basel  berufen. 
Folprecht,  Franz,  Suppl.  am  Gymnasium  zu  Warasdin,  zum  wirkl. 

Lehrer  das.  befördert. 
Gamba,  Alois,  Priester,  Suppl.  am  kk.  Lycealgymn.  su  Padua,  inn 

wirkl.  Lehrer  für  die  venetianischen  Staatsgymnasien  ernannt. 
George,  Prof.  Dr.  Leop.,  Privatdocent  an  der  Univ.  zu  Berlin,  znm 

ao.  Prof.  in  der  philos.  Fac.  das.  ernannt. 
Habenicht,  Schulamtscand.,    Adjunct  am  k.  Schullehrerseminar ' n 

Grimma,  als  Lehrer  an  das  Gymn;  zu  Zittau  versetzt. 
Hasse,  Geh.  Hofr.  und  Prof.  zu  Heidelberg,  an  Fuchs*  Stelle  als  ord. 

Prof.  der  Anatomie  nach  Gottincen  berufen. 
Hirsch,  Dr.  Ed.,  Hilfslehrer  am  Friedrichs-Gymn.  zu  Breslau,   als 

ord.  Lehrer  an  ders.  Anstalt  angestellt. 
Hof  mann,  Jos.,  provisor.  Director,  zum  wirkl.  Dir.  des  kk.  Gymn. 

zu  Eger  ernannt. 
Inder mauer,  Dr.  Karl   von,  Staatsanwaltsubstitnt,  zum  Ministe- 

rialconcipistcn  im  Ministerium  für  Cultus  und  Unterricht  in  Wien 

ernannt. 


Personalnaebrichten.  $71 

Kink,  Rad.,  Minigterialsekretär  im  Ministeriain  for  Caltns  n.  Unter- 
richt za  Wien,  zum  Statthaltereirathe  in  Triebt  mit  der  Bestimmung 
für  Referat  in  Cultus-  und  Unterrichtssacben  ernannt. 

KÖpke,  Prof.  Dr.  Rad.,  Privatdoc.  an  der  Univ.  zu  Bwlin,  zam  ao. 
Prof.  in  der  philos.  Fac.  ebenda«,  befördert. 

Korinek,  Franz,  Suppl.  am  Gymn.  za  Warasdin,  zam  wirkl.  Lehrer 
an  ders.  Anstalt  befördert. 

Kosina,  Job.,  SuppL,  zam  wirkl.  Lehrer  am  Koniggrätzer  Gymn. 
ernannt. 

Lcpar,  Franz,  Suppl.,  zum  wirk!.  Lehrer  am  kk.  Gymn.  za  Jicin 
befördert. 

Luthardt,  Dr.,  ao.  Prof.  der  Theologie  an  der  Univ.  za  Marburg, 
als  ord.  Prof.  der  Theologie  an  die  Univ.  zu  Leipzig  berufen. 

Mazzi,  Franz,  proris.  Lehrer  am  kk.  Staatsgymn.  S.  Procolo  in 
Venedig,  zum  wirkl.  Lehrer  ebenda  ernannt. 

Meier,  Dr.  Ernst,  ao.  Prof.  in  der  philos.  Fac.  der  Univ. Tubingen, 
zum  ord.  Prof.  das.  ernannt. 

Müller,  Dr.  Wilh.,  ao.  Prof.,  zum  ord.  Prof.  in  der  philos.  Fac.  der 
Univ.  zu  Göttingen  ernannt. 

Muller,  Dr.,  Lehrer  am  Jobanneum  zu  Lüneburg,  als  Lehrer  [an  das 
k.  Lyceum  in  Hannover  berufen.  * 

Nasse,  Dr.  Erw.,  Privatdoc.  in  Bonn,  als  Prof.  der  Staatsökonomie 
und  Statistik  an  die  Univ.  zu  Basel  berufen. 

Olczewski,  Stanisl.,  Nebenlehrer  am  kk.  Gymn.  za  Rzeszow,  zum 
wirkl.  Lehrer  befördert. 

Roth,  Dr.  Rud.,  ao.  Prof.  in  der  philos.  Fac.  der  Univ.  Tübingen, 
zum  ord.  Prof.  und  Oberbibliothekar  ebendas.  ernannt. 

Rümelin,  Dr.,  Oberstudienrath  zu  Stuttgart,  zum  wirkl.  Staatsrath 
und  Chef  des  Departements  der  Kirchen-  and  Schalsachen  ernannt. 

Rümelin,  Praeceptoratsverweser ,  erhielt  die  erledigte  Praeceptor- 
stelle  in  Tuttlingen. 

Stange,  Fried r.  Gust. ,  Hilfslehrer,  am  k.  Gymn.  zu  Lissa,  als 
ord.  Lehrer  an  ders.  Anstalt  angestellt. 

Tesar,  Jos.,  Suppl.,  zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  zu  KÖniggratz 
ernannt. 

Ulmann,  Dr.  C. ,  früher  Rector  and  Prof.  theol.  zu  Dorpat,  zam  Bi- 
schof und  Vicepraesidenten  des  evang.  Consistoriums  in  St.  Peters- 
burg ernannt. 

Valjavec,  Matth.,  Suppl.,  zam  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  zn  Waras- 
din befördert. 

Weber,  Dr.  Alb.,  Privatdoc.  an  der  Univ.  zn  Berlin,  zum  ao.  Prof. 

in  der  philos.  Fac.  ebendas.  ernannt. 
Witte,  Dr.  A.  Ferd.,  College  an  der  Realschule  in  den  Franckeschen 
Stiftungen  zu  Halle,  als  ord.  Lehrer  am  Gymnasium  zu  Merseburg 
bestätigt. 
Wybiral,   K.,  provisor.  Dir.   am  kk.  Gymn.  zn  Olmütz,   zum  wirkl. 
Director  ders.  Anstalt  ernannt. 

Zech,  Dr.,  ao.  Prof.,  zum  ord.  Prof.  in  der  philoi.  Fac.  der  Univers. 
Tübingen  ernannt. 

Zeschwitz,  von,  Lic.  theoh  and  Dr.  phil.,  Pfarrsubstitat  zaGrosz- 
schocher-,  zam  2a  Universitatsprediger  in  Leipzig  ernannt 

Praediciernngen  and  Ehrenbezeagangen: 
Döhner,  Dr.  Theod.,.  Oberlehrer  an  der  k.  Landesschale  za  Meiszen, 

als  Professor  praediciert. 
O'Donovan,  John,  in  Dublin  zum  corresp.  Mitgliede  der  phil.-hist. 

Klasse  der  k.  preusz.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin  erw. 


Q-^  Personalnachrichten. 

n-ringer,  Dr.  L.  G.  A.,  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zn  Tilsit, |  aU  Ober- 
Fo»«»  Dr.  Herrn,  Aiex.,   ord.  Lehrer  am  Friedr.-Wilh.->      lehrer 

Gymn.  zu  Berlin,  )    praedic. 

Milhergy   Dr.,  Oberlehrer   an   der  k.  Landesachule   zu  Meiszen,    als 

Professor  praediciert. 
.,.,,  w        .     D       ,     .     n s-      ]  *u  corr.  Mitgliedern  der  bist.- 

Zeu«8,  Dr.  Ka»p.,  Prof.  .nBamberg.|  Akademie  d.  W.  inBerifn  erw. 

Pensioniert: 
Arnold,    Valent.,  Prof.  am  Gymn.  zu  Miinnerstadt. 

Gestorben: 

Am  10.  Jan.  zu  Prag  P.  Wenzel,  Religionslehrer  am  k.  k.  Gymn.  der 
Kleinseite. 

Am  21.  Jan.  zu  Freiburg  im  Breisgau  der  Geh.  Rath,  Domcapitniar 
und  Professor  Dr.  Franz  Ant.  Staudenmeier,  Verf.  dei  Bu- 
ches:  ^  Geist  des  Christenthums  \ 

Am  27.  Jan.  zu  Lübeck  der  Prof.  am  das.  Catharineum  Kari  Mosche, 
geb.  am  28.  Jul.  1796  zu  Frankfurt  a.  M. 

Am  11.  Febr.  zu  Stuttgart  Ernst  Friedrich  Kauffmann,  Prof. 
am  das.  k.  Gymn.,  53  Jahre  alt. 

Am  13.  Febr.  zu  Gachnang  in  der  Schweiz  der  das.  Pfarrer  Dr.  Rad. 
Hanhart,  geb.  1780  zu  Diesscnhofen,  von  1817—1831  Rector  des 
Gymn.  in  Basel. 

Am  17.  Febr.  zu  Paris  der  bekannte  Heinrich  Heine. 

Am  4.  März  zu  Lüneburg  unser  lieber  Freund,  der  Lehrer  am  dortigen 
Johanneum,  Dr.  Theod.  Hansing. 

Am  19.  März  in  Gottingen  Hofr.  und  Prof.  der  Botanik  Dr.  Ge.  Frdr. 
Wilh.  Meyer,  bekannt  auszer  durch  andere  Schriften,  besonders 
durch  seine  Flora  Hannoverana. 

Am  zweiten  Ostertage  Montag  den  24.  März  1856  Morgens  nach  4  Uhr 
zu  Hanau  der  ordentl.  Lehrer  am  Gymnasium  daselbst  Dr.  Theo- 
dor Gies,  Sohn  des  verstorb.  Lehrers  der  französischen  SpraclM 
an  der  Realschule  zu  Hanau  Dr.  D.  Gies,  im  Beginn  seines  46n 
Lebensjahres.  Von  einer  Brustfellentzündung ,  an  der  er  vor  drei 
Jahren  erkrankt  war,  hatte  er  sich  zwar  im  Sommer  1853  wieder 
sichtlich  erholt,  s|)äterhin  aber  traten  die  Folgen  dieser  Krankheit 
in  immer  bedenklicherer  Weise  hervor,  bis  zuletzt  eine  Luneen- 
lähmuug  seinem  Leben  nach  längerem  Leiden  ein  Ende  macht«. 
So  ist  er  seinem  von  ihm  hochverehrten  Lehrer  K.  P.  Hermami 
car  bald  nachgefolgt.  Das  Gymnasium  aber  verliert  an  ihm  eiaaii 
Mann,  der  seinem  Berufe  von  ganzer  Seele  ergeben,  während  dar 
siebenzehnjährigen  Führung  des  ihm  anvertrauten  Gymnasiallehr- 
amts an  den  verschiedenen  Gymnasien  zn  Fulda,  Kassel  nnd  Ha- 
nau sich  durch  Ernst  der  Gesinnung  und  strenge  Grerechtifkdit 
ohne  Ansehn  der  Person,  wie  durch  die  gröste  GewissenhafUfkaH 
und  Diensttreue  auszeichnete. 

Am  29.  März  lu  Breslau  der  ausgexeichnete  Altarthumsforschery  Prof.* 
Dr.  Ambroschy  geb.  1806  zu  Berlin. 

Am  4.  April  in  Wien  Dr.  Karl  Jos.  Grysar,  ord.  Prof.  der  klassi- 
schen Philologie  nnd  Mitdirector  des  philologischen  Seminars  im 
55.  Lebensjahre. 

Am  6.  April  zu  Dresden  der  Geh.  Kirchen-  nnd  Schnlrath  a.  D.  Dr. 
theol.  und  phil.  Gottlob  Leberecht  Schulze. 


Zweite  Abtheilimg 

henuugegebeB  tob  Rtd«Iph  DieUch. 


18- 

Joseph  Jtuius  Scäliger  von  Jacob  Bernays^  mit  einem  Por- 
trait ScaUgers^  ausgewählten  Stücken  aus  seinen  seltenen 
Schriften  und  einigen  bisher  noch  nicht  gedruckten  Briefen, 
Berlin  1855  (Bessenche  Bachhandlung). 

Es  ist  noch  ein  wesentlicher  Mangel  der  Alter thumswissenschaft 
dasz  wir  noch  keine  Geschichte  der  Philologie  besitzen,  die  uns  aber 
den  Gang  der  Stadien  des  AUerthums  und  die  Geschichte  der  Vertre-« 
ter  dieser  Stadien  zasammenhängenden  Aafschlusz  gäbe.  Die  Aufgabe 
ist  um  so  interessanter  als  von  der  Geschichte  der  Philologie  ans  sieh 
namentlich  auch  Licht  verbreiten  würde  auf  den  Gang  der  juristischen 
und  theologischen  Studien.  Nun  ist  freilich  nicht  zu  leugnen,  dasz  man 
über  die  Entwickelung  der  Alterthumsstudien  in  den  verschiedensten 
Werken  der  Geschichtsschreiber  immer  auch  mit  unterrichtet  wird, 
nichtsdestoweniger  bleibt  der  Wunsch  eine  besondere,  eingehendere 
Geschichte  dieser  Studien  zu  besitzen.  In  der  neueren  Zeit  vorzflglich 
sind  Biographien  von  Philologen  erschienen,  die  zu  einer  solchen  Ge- 
schichte die  kostbarsten  Bausteine  liefern  würden.  Wir  nennen  die 
schöne  Biographie  Lach manns  von  dem  Professor  Herz,  die  aller- 
dings noch  mehr  den  Paedagogen  interessirende  Lebensdarstellung  des 
Director  Jacob  von  Classen,  die  Charakteristik  Gottfried  Herr- 
manns  von  Ameis,  den  Lebensabrisz  von  Joh.  Caspar  Orelli  *). 
Aus  früherer  Zeit  machen  wir  diejenigen ,  die  sich  dafür  interessieren 
auf  D.  Johann  Jacob  Reiskens  von  ihm  selbst  aufgesetzte  Le- 
bensbeschreibung, Leipzig  1783,  aufmerksam,  die  mit  einer  liebenswür- 
digen Naivet&t  geschrieben  und  namentlich  über  die  holländische  Phi- 
lologie guten  Aufscblusz  gibt,  da  R.  bekanntlich  mehrere  Jahre  in 
Leyden  lebte  und  mit  Valkenaer,  Hemsterhuysz,  Rhunken,  Uavercamp, 
Gronovins,  Barmann,  d^Orville  n.  A.  verkehrte.  Besonders  wichtig 
für  die  Kenntnis  der  philologischen  Zustände  im  Zeitalter  der  Königin 
Christine  ist  die  sorgsame  Biographie  dieser  Königin  von  Grauert 


*)  Hand«  Leben  von  Queck.    Die  Red. 
iV.  JaM.  f.  im.  w.  Patd.  B4.  LXXIV.  Bft.  6.  20 


274  Bernays:  Scaliger 

2  B.  Bonn  1837, 1842.  Daniel  Heinse,  Nicolaas  Heinse,  Eze- 
chielSpanheim,  Hugo  Grotius,  Johann  Fr.  Gronov,  Lucas 
Holsten,  Gerhard  Johann  Voss,  IsaakVoss  standen  ja  alle 
in  mehr  oder  weniger  intimer  Beziehung  zu  dieser  für  die  Wissenschaft 
so  bedeutungsvollen  Königin.  Aber  immer  noch  bleibt  ein  sehr  fflbU 
barer  Mangel ,  dasz  wir  keine  aus  einem  Gusse  gearbeitete  Biographic 
von  Fr.  A.  W o  l f  besitzen ,  der  doch  an  die  Spitze  der  Entwickelong 
der  neuern  Philologie  zu  stellen  ist,  denn  das  Buch  von  seinem  Schwie- 
gersohno  Körte  gibt  mehr  Stoff  zu  einem  Lebensabrisz  wie  wir  ihn 
wünschen,  als  dasz  er  selbst  einer  ist;  natürlich  würden  auch  die  Er- 
innerungen an  F.  A.Wolf  von  Hanhart  hierzu  gute  Beiträge  liefern. — 
Zu  der  Abfassung  einer  solchen  Geschichte  der  Philologie  würden  wir 
nun  keinen  für  geeigneter  hallen  als  Herrn  Bernays,  der  durch  die 
feine  und  geschmackvolle  Art,  mit  der  er  das  Bild  des  groszen  Joseph 
Scaliger  entworfen,  und  durch  die  tiefe  Gelehrsamkeit,  die  er  in  fast 
allen  Gebieten  der  Litteratur  besitzt,  am  allerbesten  seine  Befähigoag 
zu  diesem  schwierigen  Werke  documentiert  hat.  Herr  B.  ist  aus  der 
Schule  F.  Kitschis  in  Bonn  hervorgegangen;  dem  vortrefflichen  Leh- 
rer ist  das  Buch  auch  in  all  der  Dankbarkeit,  die  dieser  unermüdliche 
geistvolle  Forscher  verdient,  dargebracht.  —  Bernhardy  sagt  in 
seiner  röm.  Litteraturgesch.  Aufl.  II.  S.  108:  ^  unter  die  merklichstea 
drücken  der  neuern  Gelehrlengeschichte  gehört  der  Mangel  an  einer 
vielseitigen  und  unbefangenen  Charakteristik  dieses  eigenthümlichea 
Geistes.  Ein  anschauliches  Bild  von  Scaliger  dem  Menschen,  dem  Po- 
lyhistor und  dem  Lehrer  fehlt  gänzlich  und  laszt  sich  bald  um  so  we- 
niger erwarten  als  nur  eine  kleine  Zahl  seiner  Schriften  gekannt  tat, 
geschweige  dasz  man  die  vielen  ihn  betreffenden  Aeuszerungen  der 
Zeitgenossen  aus  zerstreuten  znm  theil  selten  gewordenen  Bttchem  su- 
sammensuchcn  oder  seinen  Nachlasz  auf  der  Bibliothek  zu  Leyden  in 
ähnlicher  Absicht  prüfen  sollte.^  Diese  Lücke  ist  nun  durch  die  aas- 
gezeichnete Arbeit  von  Bernays  glücklich  ausgefüllt  und  wir  sind 
überzeugt  dasz  der  berühmte  Kenner  der  griech.  u.  lat.  Litteratur  and 
ihrer  Geschichte  mit  der  Art  der  Charakteristik  zufrieden  sein  wird. 
Jn  es  verdiente  auch  dieser  J.  Scaliger  diese  Hingebung  und  dieaea 
Fleisz.  Durch  umfassende  Kenntnisse  in  allen  Theilen  der  AUertbuMa- 
wissensohaft,  durch  Scharfsinn  und  Combinationsgabe  wird  ihm  selten 
es  jemand  gleich  thun.  Er  hat  für  die  Ausgestaltung  der  philologischen 
Wissenschaft  den  Grundstein  gelegt.  Es  ist  nicht  ohne  Interesse  die 
Urtheile  groszer  Philologen  aber  Joseph  Scaliger  zu  vernehmen,  da 
aus  ihnen  hervorgeht,  eines  wie  groszen  Ansehns  sich  dieser  Mann  er- 
freut hat.  Huhnken,  der  wie  aus  D.  Wyttenbacbi  opnsc.  yoI.  Lp. 
279  und  andern  Stellen  hervorgeht,  sogar  Scaligers  Leben  beschreiben 
wollte,  sagt  in  seinem  Elog.  Hemsterhusii  op.  I.  p.  269 :  mow  enim  iam- 
quam  coefo  mtssiis  Josephus  Scaliger  cui  Baiati  prope  omnem 
rectum  ingetiii  cuUum  $i  grati  es$€  velini  accephtm  referre  debmU* 
In  der  oratio  inauguralis  de  doctore  umbratico  spricht  er:  esi  haec 
proprio  et  perennis  huius  academiae  gloria  illustrari  magnis  in  omni 


Bemays:  Sealiger  275 

doctrinarumgenere^virii^  in  hoc  autem  humanittUii  dücipUna  sine 
exemplo  maximis.  Liieratarum  princeps^  Joseph.  Sealiger ^  Baia- 
vom  gentem  incorruplo  teriiaiis  et  eleganiiae^  quae  priscis  Grae* 
corum  Latinorumque  monimeniis  continetur^  gustu  imbuii^  huius  Äca- 
demiae  fasii^  quot  humaniorum  liiterarum  professores^  toiidem  prope 
heroas  osienduni,  Wytteubach  selbst  *pra«fat.  ad  Plat.  Moralia'  utt 
theiit :  unvs  forte  Josephus  Scalig  er  ^  quem  ex  omnibus  qui  posi 
renatas  Utleras  fuerunt  omni  antiquitatis  scientia  consummaiissimum 
fuisse  constat ,  non  multum  ab  hac  perfectione  abfuii.  N  i  e  b  a  h  r  der 
Damentlich  in  seinen  Vorlesungen  aber  römische  Geschichte  und  über 
alte  Geschichte  in  der  liebenswürdigsten  Weise  die  verschiedenen  Phi- 
lologen charakterisiert,  sagt  von  ihm  in  der  röm.  Geschichte :  ^Scaliger 
stand  aaf  dem  Gipfel  universaler,  lebendiger  philologischer  Gelehrsam- 
keit, wie  keiner  nach  ihm,  und  so  hoch  in  Wissenschaft  jeder  Art,  dass 
er  mit  eignem  Urtheil  was  ihm  auch  vorkommen  mochte  fassen,  nutzen 
und  richten  konnte.  Was  ist  gegen  ihn  der  buchgelehrte  Salmasius? 
Und  warum  nennt  Frankreich  nicht  Scaliger  gegen  Leibnilz?'  Ja  aus 
einer  Anmerkung  zu  der  Abhandlung:  historischer  Gewinn  aus  der  ar- 
menischen Uebersetzung  der  Chronik  des  Ensebius  bist.  phil.  Schriften 
S.  18^  geht  hervor ,  wie  sehr  ihm  die  Angriffe  die  Sc.  von  Deutschen 
erfuhr  ans  Herz  gehen  und  wie  das  Urtheil  über  Sc.  ganz  anders  sich 
stellt,  er  sagt:  *Sc.  äuszert  sich  unmutvoll  über  feindselige  Angriffe 
deutscher  Gelehrten,  welche  seinem  chronographischen  Werke  Unvoll- 
ständigkeit  vorwarfen,  weil  sich  dazu  noch  Zusätze  sammeln  lieszen.' 
Diese  Stelle  die  aus  der  Feder  eines  auszerordentlichen  Mannes,  der 
im  Alter  in  Grämlichkeit  und  Trübsinn  versunken  war,  Wehmut  erregt, 
ist  in  eine  Anmerkung  der  Mailänder  Vorrede  eingerückt.  Es  ist  mir 
nicht  klar,  welche  deutsche  Zeitgenossen  sich  gegen  den  groszen  Sca- 
liger vergiengen,  ich  bin  aber  fest  aberzeugt,  dasz  die  deutschen  Phi- 
lologen unserer  Tage  einem  so  hervorragenden  ausländischen  Mitbru- 
der freudig  huldigen  würden  und  zwar  wie  die  keiner  andern  Nation. 
Wir  können  uns  allerdings  rühmen  die  Verdienste  der  Männer,  die 
sich  um  die  Wissenschaft  Verdienste  erworben  haben ,  im  vollem  Ma- 
sze  anzuerkennen,  sie  können  einem  Volke  angehören  welchem  sie  nur 
immer  wollen.  —  Das  Buch  des  Herrn  B.  besteht  aus  einem  einleiten- 
den Ueberblick  S..1  — 17,  dazu  Anmerkungen  S.  18 — 27,  Scaligers 
Leben  S.  31 — 104,  Belege  107  —  237,  zwei  Pseudonyme  Schriften  Sca- 
ligers S.  238—266  (Epistola  Vincentii  S.  239  —251,  Yvo  Villiomarus 
S.  261 — 266) ,  Verzeichnis  der  Schriften  Scaligers  269 — 316  (postume 
Schriften,  Briefe  Scaligers  an  Daleoampins  und  Heraldus).  Das  Portrait 
Scaligers  ist  nach  dem  im  Senatssaale  zu  Leyden  befindlichen  Gemälde 
copiert  und  das  Facsimile  der  Unterschrift  aus  einem  jetzt  auf  der  kö- 
niglichen Bibliothek  zu  Berlin  befindliehen  Exemplar  der  Appendix  ad 
Cydometrica  (s.  §  192)  entnommen,  welches  Sc.  dem  Mathematiker 
Snellius  geschenkt  hatte.  In  diesem  Bildnis  spricht  sich  das  vornehme, 
geniale  Wesen  des  Mannes  auf  das  prächtigste  aus.  Man  erinnert  fleh 
bei  dem  Bilde  anwillkarlich  der  Worte:   ^£s  gibt  auszer  Italien  und 

20* 


276  ßernays:  Scaliger 

Griechenland  für  den  Philologen  keinen  heiligern  Ort  als  den  Saal  der 
Universität  zu  Leyden,  wo  die  Lehrer  der  Universität  von  Scaliger  im 
purpurneu  FArstenmantel  bis  auf  Ruhnkenius  aufgestellt  sind  um  das 
Bild  des  groszen  Wilhelm  von  Oranien,  des  Vaters  der  Universität,  de- 
ren Errichtung  Leyden  sich  als  die  schönste  Belohnung  für  übermensch- 
liches dulden  und  ausharren  erbat.    Auch  der  General  der  republika- 
nischen Stadt,  der  Herr  vonNordwyk,  war  selbst  ein  groszer  Philolog. 
.  In  der  That  es  musz  ein  herlicher  Anblick  sein!'   In  dem  einleitenden 
Ueberblick  erörtert  Hr.  B.  das  Wesen  der  italienischen  Philologie  im 
Verhältnis  zu  Jos.  Scaliger  und  zeigt  gerade  hier  eine  Belesenheit  und 
Gelehrsamkeit  wie  sie  an  dem  nur  wünschenswerth  sein  musz,  der  uns 
in  so  geschmackvoller  Weise  eine  Geschichte  der  Philologie  entwerfen 
will.    Es  waren  die  Italiener  vielfach  blos  an  den  äuszerlichen  Dingen 
hangen  geblieben,  zusammenhangende  Bearbeitungen  und  allseitiges 
durchdringen  der  Schriftsteller  war  nicht  ihre  Stärke  gewesen;  es  galt 
in  der  Behandlung  der  Texte,  wie  H.  B.  S.*7  sagt,  die  italienische  Zo- 
stutzungsmanier  zu  verdrängen  und  eine  möglichst  unverfälschte  Ue- 
berlieferung  herzustellen.  Schon  vor  Sc.  hatten  einen  der  italienischen 
Manier  entgegengesetzten  Weg  eingeschlagen:  Adrianus  Turnebus  and 
Dionysius  Lambinus.  .In  Italien  lag  die  Gefahr  nahe,  der  die  classischen 
Studien  ja  immer  ausgesetzt  sind,  dasz  diese  Studien,  die  freilich  auch 
der  Aesthetik  ein  reiches  Feld  gewähren,  eine  ausscblieszliche 
Richtung  auf  den  aesthetischen  Genusz  nahmen.  Und  in  dieser  Beziehung 
bemerkt  H.  B.  mit  vollem  Recht  S.  6:  Es  war  hohe  Zeit  auch  die  Seite 
der  Erkenntnis  hervorzuheben,  damit  die  Wahrheit  neben  und  ge- 
genüber der  Schönheit  zu  ihrem  Rechte  gelange  und  unter  der  erzie^ 
hendcn  Arbeit  einer  analytischen  Forschung  der  Charakter  der  For« 
scher  selbst  sich  stähle.  Mit  einem  Worte:  die  Kritik  muste  als  Werk- 
zeug der  Wahrheit  gehandhabt  werden.     Dies  hat   in  dem  vollsten 
Umfange  J.  Sc.  gethan,  er  hat  die  kritische  und  reale  Seite  der  Philo- 
logie in  einem  Grade  in  sich  vereinigt  wie  selten  jemand.    Lachmann 
pflegte  uns  in  seinen  Vorlesungen  über  Catullus  u.  Tibullus  zu  sagen: 
J.  Scaligers  Ausgaben  gehören  zu  den  schön  stenArbeiten,  die 
Emendationen  Sc^s  sind  gewöhnlich  nicht  geschmackvoll,  zu  gelehrt,  es 
wird  etwas  hineingetragen,  was  nicht  für  den  Dichter  paszt.  Alles  was 
J.  Sc.  angegriffen  hat,  zeigt  seine  Meisterschaft  in  der  Art  der  Behand- 
lung !   Ja  es  ist  ein  Trost  mit  Scaliger  geirrt  zu  haben  ^).   Es  war  na- 
türlich dasz  einer  Persönlichkeit  wie  Sc.  auf  der  einen  Seite  eine  man 
möchte  sagen  ausschweifende  Bewundrung  zu  theil  wurde  and  auf  der 
andern  Seite  ein  maaszloser  Hasz,  es  tritt  uns  eben,  wie  H.  B.  S.  3  be- 
merkt, in  Sc.  nicht  eine  in  ihrem  friedlichen  Aether  schwebende  Gelehr- 
samkeit entgegen,  sondern  ein  Mann,  der  lieben  aber  auch  hassen  kaiii. 
Seine  Bewunderer  nennen  ihn  *  einen  Abgrund  der  Eradition,  OoeM 
der  Wissenschaften,  Wunderwerk  der  Natur'  and  erschöpfen  fioli  hl 
Aus^drücken  ihres  Staunens,  dem  entgegen  findet  sich  auch  eine  reidHI 


*)  A.  Bockh.  Manetho  und  die  Hundstemperiode  8,  9* 


^^ 


Beraays:  Sealiger  S77 

Auswahl  von  Scbimpfereien,  die  ihm  zu  tbeil  worden.  Die  Grösse  Sc^'s 
war  DameDtlicb  denen  nnleidlicb ,  die  es  abel  nahmen,  dasz  ein  Galvi- 
nist  einen  so  grossen  Ruhm  einernten  konnte !  Er  seibat  war  nicht  frei 
von  Confessionshasz  und  schente  sich  nicht  die  derbsten  Ausdrücke  zu 
gebrauchen,  so  s.  B.  steht  in  den  Scaligeranis  ^Lutherani  ils  sont  bar- 
bares* ^  doch  erkennt  er  andrer  Verdienste  gern  und  willig  an,  wie  na* 
mentlich  der  freundschaftliche  Verkehr  beweist,  in  dem  er  zu  Isaak 
Casaubonns  steht:  Tut  erit^  sagt  Sc,  media  hieme  venire ^  quam  lu- 
culento  foco  expugnabimus ,  qui  nunquam  deficiai  in  cubicuio  guod 
tibi  adornabo:  quod  tarnen  nuUum  praeter  te  ornamentum  habebiL 
Aus  den  Briefen  des  Casaubonns  geht  hervor  wie  hoch  dieser  liebens- 
wQrdige  gelehrte  Mann  Scaliger  geschätzt,  wie  sehr  er  ihn  bewundert 
hat.  In  der  Briefsammlnng  des  Cas.  Braunschweig  1656  S.  9  beiszt  es: 
nihil  enim  quod  in  te  sit  obtcurum  esse  potest^  quem  unum  quotquoi 
in  orbe  paene  dixerim  universo  Movöamv  sumus  ^eqaitovrsg  unice 
observamus,  unice  colimus.  Nam  quod  pauci  reperti  sunt^  qui 
summis  tuis  obstreperent  laudibus^  certum  est  non  iu^ 
dicio  eoSy  sed  morbo  agi  rapique.  Ut  qui  oculis  parum  vo- 
lenti solis  radios  ferre  non  sustinent:  sie  fulgore  lafirCQOTatov  xal 
(pctsivoTOTOv  nominis  tui  offendi  eos  mirum  non  est^  qui  et  otp^aXfiov 
TCOVfiQov  et  animum  aerugine  tinctum  habent,  Ät  tu,  decus  unicum 
litterarum  etc.  Wie  freut  sich  der  bescheidene  Mann  als  ihm  die  Thtt- 
ren  der  Freundschaft  des  grossen  Scaliger  er&ffnet  sind :  gaudio,  mihi 
crede^  triumphabam  .  .  .  Nam  quid  aliud  esse  dicam^  cur  tu  me  iis 
oneres  laudibus^  quarum  partem  vel  minimam  sim  impudens  si  agno- 
scam?  0  pectus  cere  aureum!  o  animum  vere  magnum^  vere  divinum! 
voluisti  nimirum  vir  illustris  animos  facere  dubitanti  et  specie  lau- 
.  dationis  hortari  ad  maiora.  Und  so  strömen  fast  alle  Briefe  des  Ca« 
saubonus  von  Lob  und  Bewunderung  Scaligers  über. 

Der  äussere  Lebonsgang  dieses  groszen  Joseph  Scaliger  war  kurz 
folgender:  Er  war  der  Sohn  dos  Julius  Caesar  Scaliger,  der  1484  za 
Ripa ,  einem  Schlosse  im  Veronesisohen ,  geboren  und  1558  zu  Agen  in 
Guyenne  gestorben  war.  Der  Vater  des  Julius  So.  war  der  Maler  Be* 
nedetlo  Bordoni*),  doch  leiteten  Jul.  und  Job.  Scaliger  ihre  Abkunft 
von  dem  Veronesischen  FQrstenhause  der  Scaligeri  her,  und  wie  man 
aus  S.  107  ersehen  kann,  wohl  nicht  mit  Unrecht.  Jul.  Sc.  hatte  sich 
der  militärischen  Laufbahn  bestimmt  und  wohnte  1612  der  Schlacht 
von  Ravenna  bei,  in  der  Vater  und  Bruder  getödtet  wurden.  Dadurch 
in  eine  firmliche  sage  gebracht,  wendet  er  sich  in  Bologna  dem  Stu- 
dium der  Philosophie  und  Theologie  zu,  doch  bald  ändert  er  seinen 
Entschlnsz  und  wird  von  neuem  Soldat  unter  König  Franz  1.  Im  Quar- 
tier zu  Turin  wurde  er  durch  einen  Arzt  für  das  Studium  der  Medicin 
gewonnen,  und  fängt  an  sich  damit  zu  beschfiftigen ,  lernt  zu  diesem 
Zwecke  erst  jetzt  Griechisch ,  nimmt  bewogen  durch  Kränklichkeit  im 
40.  Jahre  seinen  Abschied,  und  wurde  Leibarzt  des  Bischofs  von  Agen, 


*)  Creozer  z.  Gesch.  der  class.  Philol.  S.  45. 


278  Bernays:  Scaliger 

Im  Jahre  1529  beirathete  er  als  45jabriger  ein  IGjihriges  Mädchen  ana 
gntem  Haase,  Andiette  de  Roqnes  Lobieca,  die  ihm  15  Kinder  gebar, 
10  Töchter  and  5  Söhne.    In  der  Nacht  vom  4.  auf  den  5.  Ang.  1540 
erblickte  Joseph  Jastus  Scaliger  das  Licht  der  Welt.    1551  wnrde  So. 
mit  seinen  jungem  Brüdern  Leonard  und  Jean  Constant  auf  eine  lat. 
Schule  nach  Bordeaux  geschickt,  wo  damals  Muret  und  BuchanaD, 
beide  mit  Jal.  Seal,  innig  befreundet  (S.  32),  als  Lehrer  am  aquitani- 
sehen  Gymnasium  wirkten.    Nach  3  Jahren,  als  die  Pest  in  Bordeaux 
ausbrach,  kehrte  Scaliger  zum  Vater  zurück,  der  bis  zu  seinem  Tode 
(1558)  seinen  Sohn  in  der  Weise  unterrichtete,  dasz  er  ihn  tfiglich  ei- 
nen kleinen  lat.  Aufsasz  liefern  liesz  und  Abends  ihn,  da  er  dichtangt- 
lustig  war,  auf  ein  paar  hundert  sich  belaufende  lat.  Verse  in  die  Fe- 
der dictierte.    Diese  letzte  Uebung  hatte  die  Belebung  und  Befestignng 
des  metrischen  Sinnes,  der  ihn  vor  andern  so  auszeichnet,  zur  Folge 
so  wie  die  Uebungsaufsatze  eine  ungewöhnliche  Ausbildung  im  lat. 
Stile  bewirkten.    Besonders  hatte  der  Vater  (S.  33),  der  den  Ruf  eines 
der  ersten  Naturforscher  behauptete ,  wofür  auch  seine  kritischen  und 
real-philologischen  Commentare  über  Aristoteles  liber  de  plantiu  und 
dessen  historiae  animalium^  so  wie  über  Theophrastus  de  causis  pUm- 
tarum  u.  historia  planlarum  Zeugnis  ablegen ,  auf  die  naturgeschichfc- 
liehen  Neigungen  und  Studien  seines  Sohnes  eingewirkt.    Diese  Rich- 
tung seiner  Studien  hat,  wie  Hr.  B.  sehr  richtig  bemerkt,  den  in  sei- 
nen Arbeiten  stets  hervortretenden  Sinn  für  das  reale,  die  völlige  Un- 
fähigkeit über  etwas  zu  reden,  ohne  es  sich  wesenhaft  vorzustellen, 
den  energischen  Ton,  der  sich  da  einfindet,  wo  eine  solche  Kraft  daa 
wirkliche  anzuschauen  einmal  vorhanden  ist,  erzeugt.    Von  frAher  Ja- 
gend war  der  Wahrheitssinn  dadurch  gestärkt  worden,  dasz  der  greise 
Vater  seine  vor  ihm  gebrachten  Kinder  stets  mit  dem  Zuruf  empfing: 
^  Nicht  lügen !' *)   Kurz  nach  dem  Tode  des  Vaters  gieng  Seal,  nach 
Paris,  um  hier  unter  der  Leitung  des  berühmten  Adrianus  Turne- 
bus das,  was  er  im  Griech.  versäumt  hatte,  nachzuholen.  In  dem'Hör- 
saale  des  T.  sah  aber  Sc. ,  der  noch  kaum  die  griech.  Conjugationen 
inne  hatte,  gar  bald  ein,  dasz  er  hier  nichts  lernen  könne,  und  fatzte 
den  Entschlusz  sein  eigner  Lehrer  zu  werden,  griff  (S.  35)  zu  einem 
Homer  mit  lat.  Uebersetzung,  den  er  in  3  Wochen  durcharbeitete,  au 
der  Beobachtung  der  Analogie  sich  selbst  eine  Grammatik  znsamneii- 
setzend,  die  einzige,  die  er  nach  seiner  Aussage  je  benatzt  hatte.  Dar- 
auf verschlang  er  in  4  Monaten  was  damals  von  griech.  Diohtore 
jeder  Gattung  veröffentlicht  war,  ohne  die  poötiscffe  Leotfire  doreli 
Prosaiker  zu  unterbrechen,  von  dem  richtigen  Gefühle  geleitet,  dasi 
der  Unterschied  der  zwei  Idiome  im  Griech.  in  grosz  sei,  am  eine 
gleichzeitige  gründliche  Aneignung  beider  zu  gestatten.   Zwei  volle 
Jahre  verwendete  er  auf  dieses  eifrige  selbsterlernen  des  Griechi- 
schen; und  eine  grosze  linguistische  Anlage  einmal  vorausgesetzt,  er- 

*)  Charakteristisch  für  Sc.  ist  die  in  seinem  54.  Jahre  gemachte 
Sclbstscliildcrung,  die  8.  115  u.  116  nutgetheilt  wird. 


Bernays:  SdOiger  279 

klärt  die  aDgewöbniicbe  Methode  auoh  genngsam  die  raschen  and  sel< 
tenen  Erfolge ,  welche  er  erreichte.  Sie  äaszerte  sieh  sanächst  in  der 
Leichtigkeit,  mit  welcher  er  die  Dichtungen  der  einen  klassischen  Spra- 
che in  der  andern  nachbildet.  In  derselben  Weise  wie  er  das  Griech. 
erlernt  hatte  wollte  er  sich  auch  der  orientalischen  Sprachen  bemäch- 
tigen, er  begann  auf  anrathen  des  berahmten  Orientalisten  Guilelmus 
Postellas  mit  dem  Hebraeischen.  Doch  hat  er  in  den  orientalischen 
bei  weitem  nicht  die  Fertigkeit  erlangt  wie  in  den  klass.  Sprachen. 
Sein  Aufenthalt  in  Paris  wurde  noch  nach  einer  andern  Seite  hin  von 
der  grösten  Wichtigkeit  für  ihn,  er  trat  nämlich  1662  in  seinem  22. 
Jahre  zur  reformierten  Kirche  Ober  and  nahm  Theil  an  den  Freuden 
und  Leiden  der  französischen  Reformierten  (S.  37).  Insbesondere  lud 
er  nun  den  Uasz  der  Katholiken  auf  sich,  man  war  so  befangen,  dasz 
man  in  Sc.  den  Philologen  von  dem  Calvinisten  nicht  trennen  mochte. 
Er  selbst  ergriff  mit  geflissentlichem  Eifer  jede  Gelegenheit,  um  die 
Berührungspunkte  kirchlicher  und  philologisch  historischer  Forschung 
aufzuzeigen ;  ohne  Scheu  durchbricht  er  in  seinen  Schriften  jene  Schei- 
dewand zwischen  biblischem  und  klassischem,  zu  deren  Errichtung  sich 
in  Italien  während  des  16n  Jahrhunderts  die  verschiedenen  Parteien  in 
stillem  Einverständnis,  wenngleich  aus  entgegengesetzten  Absiebten, 
verbunden  hatten.  Bei  Seal,  greifen  Theologie  und  Philologie  aufs  le- 
bendigste ineinander.  Je  allgemeiner  man  (S.  38)  bei  dem  jetzigen 
Gange  der  philologischen  und  gesehichtliehen  Studien  Scaligers  wis- 
senschaftliche Grösze  darin  erkennen  wird,  dasz  er  zuerst  eine  uni- 
versale and  vergleichende  Kunde  des  östlichen  und  westlichen  Alter- 
thums  besessen  hat  und  zu  verbreiten  suchte,  um  so  deutlicher  wird 
es  auch  zu  Tage  treten ,  dasz  er  die  Anregung  zur  Wahl  eines  so  ho- 
hen Zieles  und  den  ausharrenden  Mut  zur  Erreichung  desselben  vor- 
nemlich  geschöpft  hat  aus  einer  gleich  sehr  innigen  wie  freiheitlichen 
religiösen  Gesinnung.  Gekräftigt  wurde  seine  religiöse  Richtung  durch 
Einblick  in  die  Welt  und  ihre  Gegensätze  auf  Reisen  in  Italien,  die  er 
in  Gesellschaft  des  französischen  Edelmannes  Louis  Chastaigner  de  la 
Rochepozai  (nachmals  Bischof  von  Poiliers)  seit  1563  bis  zu  seiner 
Berufung  nach  Leyden  1593  machte.  Charakteristisch  für  jene  Zeit  ist, 
was  Hr.  B.  S.  130  mittheilt:  ^ Unter  den  gebildeteren  französischen 
Groszen  bestand  damals  die  bei  den  englischen  adeligen  noch  bis  iu 
das  vorige  Jahrhundert  fortdauernde  Sitte  bedeutende  Gelehrte  zu 
freier  Haus-  und  Reisegenossenschaft  an  sich  zu  ziehen.  Der  Diplomat 
Paul  de  Foix  z.  B.  hatte  sich  zum  Gesellsehafter  einen  Schüler  des  Cu- 
jacins,  den  später  so  berühmten  Cardinal  d^Ossat,  gewählt,  der  dem  ho- 
hen Herrn  inter  e^titlaiidtfm  auf  musterhafte  Weise  den  Plato  erklärte. 
Seal,  interpretirte  seinem  militärischen  Gönner  den  Polybius.  Intev 
equüandum  de  loci»  Polybianis  ego  et  Lud,  Castänaeus  terba  aliquan- 
do  fecimus^  quae  ipse  in  hospiUo  ad  lihri  sui  annotabal  marginem. 
Um  das  Jahr  1565  begab  sich  Seal,  mit  dem  altern  de  la  Rochepozai, 
der  den  Gesandtschaftsposten  in  Rom  antrat,  in  die  Hauptstadt  der 
christlichen  Welt;  Sc.  hatte  so  die  beste  Gelegenheit  die  Stadt  kennen 


2go  Beruays:  Scaliger 

zu  lernen,  da  der  von  ihm  verehrte  Maretns  immer  den  Führer  des 
franz.  Gesandten  in  der  ewigen  Stadt  abgab.  Seitdem  Maretas  Mit- 
glied des  Jesnitenordens  geworden  war,  vermeidet  es  Sc.  ihn  öffentlicli 
zu  loben ,  weil  die  Jesuiten  mit  dem  Eintritte  dieses  modernen  Cicero 
in  ihren  Orden  so  sehr  prunkten  (S.  132).  Unter  andern  machte  Seal. 
hier  die  Bekanntschaft  mit  dem  berühmten  nm  die  klassischen  Stodieii 
verdienten  Augustinermönch  Onuphrius  Panvinius.  Als  wichtigste  wia- 
senschafllicbe  Ausbeute  brachte  Sc.  aus  Italien  eine  grosse  Zahl  In- 
schriften heim,  den  Kern  der  später  so  ansehnlich  vermehrten  and 
endlich  Grutern  zur  Veröffentlichung  üborgebenen  Sammlung.  Ueber 
Groszbritannien,  wo  ihn,  wie  er  sagt,  ^die  Sitten  der  Insulaner  mehr  an- 
zogen als  die  damals  geringen  litterürischen  Erscheinungen'  kehrte  er 
nach  Frankreich  zurück.  Hier  nahm  er  an  den  Religionskriegen  (1667 
— 68  und  1569 — 70)  in  den  Reihen  der  Hugenotten  thatigen  Antheil  *), 
und  verlor  was  er  von  dem  väterlichen  Erbtheil  noch  hatte.  Von  Le- 
bens- und  fast  auch  von  Wissensüberdrusz  ergriffen,  gieng  er  1570  nach 
Valenco  zu  Jacobus  Cujacius,  dieser  wie  Sc.  ihn  nennt  margarita  •«- 
risconsultorum.  Hier  wurde  er  von  dem  hochberühmten  Juristen  in 
die  Rechtswissenschaft  eingeführt.  Er  schätzte  Sc.  bald  so  hoch,  dasi 
er  sagte:  dociissimus  J,  Sc,  a  quo  pudel  dissentire  (S.  41).  In  Va- 
lonce  machte  er  auch  die  Bekanntschaft  mit  de  Thou ,  dem  spätem  G&- 
schichtschreiber  und  Pariamentspraesidentcn,  der  wegen  der  Freand- 
Schaft  mit  Sc.  (S.  145)  von  den  Jesuiten  viel  zu  leiden  hatte.  Nach  der 
durch  die  Pariser  Biuthochzcit  fehlgeschlagenen  diplomatischen  Sen- 
dung, die  er  in  Begleitung  des  Bischofs  von  Valence  Jean  Monluc  in 
Polen  ausfahren  sollte  (S.  41) ,  begab  sich  Seal,  von  Straszburg  nach 
Genf,  wo  er  nach  langem  sträuben  eine  Professur  der  Philosophie  an- 
nahm und  über  Aristotelis  organon  und  Cicero  de  finibus  Vorlesnngen 
hielt  (S.  43).  Die  Studenten  urtheillen:  SMonsieur  Sc.  rede  nicht  hin 
und  her,  sondern  interpretiere  seinen  Autor  gut';  im  ganzen  sagt  Hr. 
B.,  scheint  Sc.  Gabe  und  Lust  zum  öffentlichen  Vortrag  immer  gefehlt 
zu  haben.  Die  Früchte  seiner  Studien  in  Genf  waren  die  leciiones  Au- 
sonianae^  auch  die  Arbeit  über  Festus  wurde  in  der  Schweiz  abge- 
schlossen. Nach  einem  ll^jährigen  Aufenthalt  in  der  Schweiz  kehrte 
er  nach  Frankreich  zurück  und  lebte  als  unumschränkter  Gebieter  über 
seine  Zeit  entweder  auf  den  Schlössern  seines  Freundes  de  la  Roche- 
pozai  oder  auf  Reisen  meistens  in  dem  südlichen  Frankreich.  Durch  die 
Ucberbleibsel  des  mütterlichen  Nachlasses  und  die  Freigebigkeit  seiner 
Freunde  war  er,  der  an  Heirathsgedanken  niemals  ernstlich  gedacht 
zu  haben  scheint,  vor  jeglichem  Mangel  geschützt;  eine  Pension  von 
2000  Fr.,  die  Heinrich  111.  auf  Anlasz  der  Widmung  des  Maniliua  ihn 
verwilligt  hatte,  war  1594,  als  Sc.  schon  in  Leyden  war,  noch  nicht 
ausgezahlt  (S.  45,  161).    In  einer  so  unabhängigen  Lage,  von  keinen 


♦)  Sc.  schreibt,  wie  Hr.  B.  S.  140  mittheilt,  1571  von  Valence  aus 
an  Pithoeus  über  die  Calalecta  (epp.  140):  in  mco  cxitio  aut  in  militia 
quam  diu  fui  putavi  penitua  intcrctdiffe  iUa  (Catalccta). 


Bennys:  Sealifdr  281 

Bernfspllichteii  in  Ansprach  genommen,  war  es  dem  begabten  Manne 
wahrend  zweier  Jahrzehnde  verstauet  einer  rein  wissenschaftlichen 
Thätigkeit  sich  hinzugeben  and  so  hat  dieser  Geist  Werke  ins  Leben 
gerafen,  die  von  einer  seltenen  Frische  and  Lebendigkeit  getragen  ein- 
zig in  ihrer  Art  sind.  Znnächst  wandte  er  seine  Thätigkeit  dem  Ca- 
tuUus ,  Tibullas  nnd  Propertias  zu.  Durch  die  Commentare  zu  Varh>, 
Ausonius,  Festus  und  zn  den  Erotikern  hatte  Sc.  gezeigt  wie  man  auf 
diplomatischer  Grandlage  weiterbauen  sollte ,  hatte  zugleich  der  His- 
ceUenmanier  gegenflber  die  Autoren  in  einheitlichem  Zusammenhange 
behandeln  gelehrt,  hatte  endlich  in  den  Catalecta  durch  Begründung 
einer  lat.  Anthologie  noch  jener  Brockenschriftstellerei  den  Weg  ge- 
wiesen wie  sie  der  Wissenschaft  nützlich  werden  könne ,  indem  sie 
versprengtes  auflesend  und  Trümmer  zusammenfügend  die  Lücken 
ausfülle,  welche  die  Barbarei  des  Mittelalters  in  die  Litteraturgeschichte 
gerissen  (S.  46).  Im  Jahre  1579  erschien  die  le  Ausg.  des  Manilius. 
Diesen  Schriftsteller  benutzte  er  vorzugsweise  zu  einem  Leitfaden  der 
alten  Astronomie.  Einige  Jahre  später  (1583)  gab  er  das  berühmte 
Werk  de  emendatione  iemporum  heraus,  zu  einer  Zeit,  wo  bekanntlich 
die  Ordnung  der  Zeitrechnung  eine  brennende  Frage  war  (S.  47  flg. 
u.  S.  167  Hg.)  und  wurde  dadurch  Entdecker  und  Bildner  der  Chrono* 
logie.  Von  jetzt  an  verdunkelte  er  auch  den  Justus  Lipsius,  der 
für  die  gröszte  Zierde  der  berühmten  Hochschule  in  Leyden  gegolten 
hatte.  Justus  Lipsius  hatte  sich  zur  Wiederherstellung  seiner  Gesund- 
heit Urlaub  zu  einer  Badereise  nach  Spaa  ansgebeten;  in  Mainz  hatte 
er  sich  mit  den  Jesuiten,  den  Lehrern  seiner  Jugend,  in  Verbindung  ge^ 
setzt  und  den  Rücktritt  in  die  katholische  Kirche  bewerkstelligt  (S. 
53).  Mit  diesem  Schritte  hatte  J.  L.  seine  Stelle  in  Holland  aufgege- 
ben und  nun  fing  man  an  mit  Sc.  über  die  Nachfolge  im  Amte  des  L» 
zn  verhandeln  (S.  53 — 59).  Es  wurde  ihm  in  Leyden  eine  völlig  un- 
abhängige Stellung,  die  es  ihm  möglich  machte  ganz  nach  seinen  Nei- 
gungen zu  leben,  zugesichert  und  so  schiffte  er  sich  im  Hochsommer 
1593  zu  Dieppe  nach  Holland  ein.  Er  genosz  die  höchste  Auszeich* 
nung,  der  Prinz  Moritz  von  Nassau  behandelte  ihn  mit  Auszeichnung, 
gab  ihm  bei  Tafel  den  Vorsitz  vor  fürstlichen  Vettern  und  verlangte 
dabei  keine  zeitraubenden  und  regelmäszigen  Aufwartungen.  Die 
höchste  Freude  empfand  Sc.  im  Umgange  mit  den  vielen  aufstrebenden 
Jünglingen ,  die  sich  um  ihn  gesammelt :  Janus  Douza ,  Hugo  Grotius, 
Janas  Rutgersius,  Meursius  Cunaeus,  vor  allen  Daniel  Heinsins.  Sca- 
ligers  Wirksamkeit  war  indessen  nicht  blos  in  Holland  bemerkbar, 
sondern  für  Deutschland  und  England  wurde  er  ein  philologischer 
Wegweiser  (S.  62).  Leitende  Beihilfe  gewihKe  So.  dem  David  Hoe- 
schel  in  Augsburg,  dem  Laurentius  Rhodomannns,  Tanbmann  (S.  183) 
and  andern.  Mit  der  Pfalz,  «dem  Hauptsitze  des  deutschen  Calvinismus, 
stand  Sc.  besonders  im  lebhaften  Verkehr,  Lingelsheim,  Priedr.  Syl- 
bnrg,  Janus  Grnterus  waren  hier  seine  Freunde;  Anregung  und  Plan 
zu  der  berühmten  Inschriftensammlung  Gruters  giengen  ja  von  Scali- 
ger ans  (S.  67  a.  flg.).   Ebenso  stand  er  mit  Kath  und  That  den  Ge- 


282  Bernays:  Scaliger 

bradern  Lindenbrog,  Wouvern  and  ElmeDhorst  lar  Seite.  Ueberhanpl 
batten  Julias  und  Joseph  Scaliger  immer  eine  besondere  liebe  sa 
Deutschland,  deshalb  schmerzte  es  Sc.  um  so  mehr,  als  er  gerade  yod 
Deutschen  die  rohsten  Angriffe  erfahr  (S.  72) ;  denn  der  untergescho- 
bene (Scaliger  hypobolimaeus)  war  ja  von  dem  deutschen  Gaspar 
Schoppe  {Scioppius)  verfaszt.  Die  Angriffe  auf  Sc.  giengen  vornem- 
lieh  von  den  Jesuiten  aus.  Sehr  anziehend  und  lehrreich  hat  Hr.  B. 
{S.73 — 89)  den  Kampf  Scs.  gegen  die  societas  näher  betrachtel.  Mit- 
ten unter  den  Anfechtungen,  die  ihm  so  reichlich  zu  Theil  wurden, 
schritt  er  in  der  Ausführung  seines  Hauptwerkes  Thesaurus  Tempormm 
fort;  an  seinem  65n Geburtstage  am  5.  Aug.  1604  beendigle  er  das  Ma- 
nuscript  der  Canones,  des  Schlusztheiles  des  ganzen  Thesaurus,  im 
Sommer  1606  erschien  endlich  das  grosze  Werk  {Thesaurus  Tempo* 
rum  complectens  Eusehii  Pamphüi  Chronicon  et  auciores  omnes  de- 
relicia  ab  Eusebio  continuantes  Lugd.  Bat,  1606).  S.  90 — 100  betrach- 
tet Hr.  B.  das  Werk  in  dem  stufenweisen  Gange  seines  entstehens. 
Kaum  waren  die  errata  der  In  Ausg.  des  Thesaurus  Temporum  aus 
der  Prosse  hervorgegangen ,  so  legte  er  schon  Hand  an  eine  neue  Be* 
arbeitung,  doch  er  selbst  hatte  nie  gehofft  der  Herausgabe  der  iwei- 
ten  Bearbeitung  vorstehen  zu  können ;  er  fühlte  vielmehr  dasz  sein  Le- 
bensende nahe  sei.  Gegen  Ausgang  des  Jahres  1607  entwarf  er  im 
Gefühl  seines  nahen  Todes  ein  Testament:  sein  mütterliches  Erbgul 
erhielt  seine  Schwester,  seinen  iitterarischen  Nachlasz  überwies  er 
seinen  Freunden  zur  Herausgabe,  alle  unvollendeten  Aufsatze  und  Pa- 
piere sollten  in  der  Leydner  Bibliothek  aufbewahrt  und  nichts  veröf- 
fentlicht werden.  Gegen  Ende  des  Jahres  1608  hatte  sich  eine  Hydrop* 
sie  entwickelt  und  am  21.  Jan.  1609  früh  4  Uhr  starb  der  grosze  Mann 
in  den  Armen  seines  Lieblingsschülers  Daniel  Heinsius. 

Wir  wünschen  nun  am  Schlüsse  unserer  Anzeige  nichts  lebhafter 
als  dasz  Herr  Bernays  uns  recht  bald  mit  einer  Geschichte  der  klas- 
sischen Philologie  beschenke.  Gelehrsamkeit,  Scharfsinn,  geschmack- 
volle Darstellung  vereinigen  sich  bei  ihm  in  einem  so  hohen  Grade, 
dasz  man  mit  Spannung  seinen  fernem  Arbeiten  entgegensehn  muai. 
Hat  er  doch  seit  dem  erscheinen  dieser  vortrefflichen  Biographie  die 
philol.  Litteratur  schon  wieder  durch  eine  feine  Abhandlung  über  das 
Phocylideische  Gedicht  (Berlin  Hertz  1856)  bereichert.  — 

•  Für  die  Geschichte  der  Philologie  hat  auch  der  berühmte  kritische 
Theologe  David  Strauiz  durch  die  Darstellung  des  Lebens  seiies 
Landsmannes  des  Nicodemns  Frischlinas  einen  schönen  Beitrag 
gegeben.  Das  unruhige  vielbewegte  Leben  und  die  etwas  wüste,  hal- 
tungslose Art  dieses  Würtembergers  bilden,  wie  schon  der  Blick  laf 
die  Bildnisse  beider  überzeugen  kann ,  in  gewisser  Weise  den  stricte- 
sten  Gegensatz  zu  dem  feinen,  aristokratischen  würdevollen  Wesen 
Joseph  Scaligers.  Ebenso  flnden  sich  in  der  theologischen  Zeitschrift 
von  Thomasius  gerade  jetzt  Abhandlungen  über  die  Humanisten  and 
das  Evangelium.  Auch  das  Buch  von  Friedr.  Creuzer :  Zur  Geschichte 
der  klassischen  Philologie  Frankfurt  a.  M.   1864  hat  seine  Verdienste. 


Nasck:  Pluiedri  Augusti  liberii  fabalarHi  Aesopiaram  libri  V.  88S 

Nusterhafl  sind  mir  inmer  Fr.  Faasows  Biograpbieft  von  Hier.  Wolf 
and  H.  Stephanas  (in  den  gesammelten  Schriften)  eraehieBen. 

Weimar  Febr.  Dr.  O.  Loihholi. 


19. 

Phaedri  Augusli  liberti  fabularum  Aesopiarum  Ubri  V.  Acce- 
dü  fabularum  nocarum  cUque  restüutarum  delecius.  ErkL 
V.  D.  C.  W.  Nauck.     Berlin,  L.  Steinthal.  1855.  XII  n.  132 

S.  8. 

Nauck  beginnt  sein  Vorwort  mit  der  Bemerkung:  ^Dor  Phaedros 
hat  mir  noch  nie  versagt:  weder  in  Qnarta,  wo  ich  denselben  eine 
Reihe  von  Jahren  mit  dem  erwünschtesten  Erfolge  benutzt  habe ,  noch 
in  Secunda  und  Prima ,  wo  ich  ihn  regelmässig  zur  PrivatlectQre  em- 
pfehle, nicht  selten  auch  zu  Aufgaben  für  freie  Ausarbeitungen  ver- 
wende.' Obgleich  ich  mich  nicht  zu  den  Bewunderern  und  Anpreisern 
des  Phaedrus  rechnen  kann  und  mag,  da  ich  in  demselben  bei  einzel- 
nen gut  durchgeführten  recht  schönen  Fabeln  im  allgemeinen  nur  die 
von  ihm  selbst  beanspruchte  brerüas^  nicht  das  ingenium  finde,  so 
habe  ich  durchaus  keinen  Grund  Nauck^s  Aeuszerung  zu  bezweifeln. 
Wie  nemlich  ein  tüchtiger  Musiker  auch  auf  einem  dürftigen  Instru^ 
mente  die  Hörer  zur  Bewunderung  hinreiszt:  so  erreicht  auch  ein  Leh- 
rer mit  den  unzureichendsten  Hfllfsmitteln  nicht  selten  glanzende  Re- 
sultate. Wer  hier  den  Grund  des  Erfolges  in  den  Mitteln  und  nicht  in 
den  die  Mittel  anwendenden  Personen  suchen  wollte,  wäre  im  Irthum. 
In  einen  solchen  ist  Nauck  verfallen,  wenn  er  dem  Phaedrus  nachrühmt, 
was  sein  Ruhm  ist.  Es  gibt  nemlich  keinen  noch  so  unbedeutenden 
Schriftsteller,  dem  der  gewandte  Lehrer  nicht  irgend  eine  Seite  des 
Interesses  auch  für  seine  Schüler  abzugewinnen  vermdchte ;  trotzdem 
aber  ist  es  nicht  zu  verantworten ,  dasz  man  Secundanern  und  Prima- 
nern zur  Privatlectüre  das  minder  gute  aniräth,  wo  weit  besseres  za 
Gebote  steht.  Was  wir  den  Gymnasiasten  bei  ihrem  Abgange  zur  Uni- 
versität von  dem  klass.  Alterthum  überliefert  haben ,  ist  der  Regel 
nach  nicht  so  viel,  dasz  wir  uns  erlauben  dürften  ihnen  das  unvoU- 
koBunene  statt  des  vollendeten  zu  bieten.  Wären  die  Fabeln  des  Phae- 
drus das  Erzeugnis  eines  neueren,  es  fiele  wahrlich  keinem  Gymnasial- 
lehrer ein ,  sie  den  Schülern  der  oberen  Classen  zur  Privatlectüre  zu 
empfehlen.  Selbst  dasz  man  ihn  in  Quarta  liest  —  einige  nicht  an 
zahbreiche  Fabeln,  die  von  Lessing ,  Jacobs  n.  a.  m.,  auch  von  Raschig 
angemerkt  sind ,  abgerechnet  —  halte  ich  mehr  für  einen  Nothbehelf 
in  Ermangelung  von  besserem.  Wer  in  Quarta  nicht  eine  Chrestomathie 
einzelner  Dichterstellen ,  sondern  einen  Dichter  zur  ersten  poetischen 
Leetüre  anwenden  will ,  hat  kaum  eine  andre  Wahl.   Wenn  non  Nauck 


284  Nanek:  Phaedri  Angusti  liberti  fabularom  Aesopiaram  libri  V. 

in  seioem  Vorwort  fortfahrt:  ^Daram  habe  ich  gern  die  Ergebnisse 
meiner  Beschäfligung  mit  diesem  Schriftsteller  in  der  nachstehendea 
Erklärung  niedergelegt,'  so  fehlt  es  diesem  ^  Darum'  an  richtiger  Be- 
gründung: denn  selbst  mit  der  Nauck^schen  Ausgabe  wird  nicht  jedem 
glücken,  was  Nauck  geglückt  ist,  ja  wir  hoffen  sogar  gegen  N^s  Er- 
wartung, dasz  Lehrer  von  Secunda  und  Prima  zu  Nischen  Versuchen 
die  Hand  nicht  bieten,  vielmehr  mit  mir  überzeugt  sein  werden,  dass 
es  für  einen  abgehenden  Primaner  nicht  als  ein  Verlust  zu  beklagen  ist, 
wenn  er  selbst  keine  einzige  der  Fabeln  des  Phaedrus  gelesen  hat.  Ja 
gelingt  es  auch  N.,  was  wir  ihm  gerne  glauben  wollen,  seine  Secnn- 
duner  und  Primaner  durch  die  Beschäftigung  mit  Phaedrns  in  rege  gei- 
stige Thütigkeit  zu  versetzen  und  in  derselben  zu  erhalten,  so  werden 
dieselben,  wenn  sie  einmal  zu  besserer  Einsicht  kommen,  iwar  die 
darauf  verwendete' Zeit  nicht  als  eine  verlorne  beklagen,  aber  doch 
bedauern,  dasz  Zeit  und  Kraft  nicht  auf  besseres  verwendet  wurde. 
—  Fragt  man  nun  aber,  wie  es  Nauck  gelungen  sei,  in  seiner  für 
Schüler  bestimmten^)  Ausgabe  zu  gleicher  Zeit  den  Bedürrnisaen 
von  Secundanern,  Primanern  und  von  Quartanern  Rechnung  zu  tragen, 
so  wird  jeder  Pacdagog,  auch  wenn  er  die  Ausgabe  noch  nicht  gesehen 
hat,  lächeln  und  sagen ,  dasz  man  zwei  Herren  nicht  zugleich  dienen 
könne,  dasz  man  also  auch  so  verschiedene  Bedürfnisse  nicht  xu  glei- 
cher Zeit  berücksichtigen  könne.  Diese  Antwort  ist  mir  an  dieser 
Stelle  um  so  mehr  ausreichend  als  ich  es  wie  gesagt  für  eine  paedago- 
gische  Ungereimtheit  halte  de»  Phaedrus  für  höhere  Klassen  zu  bestim- 
men. Ich  werde  daher  nur  die  Frage  zu  erörtern  haben,  in  wiefern  in 
vorliegender  Ausgabe  die  Bedürfnisse  der  Quartaner  berücksichtigt  sind. 
Von  Erklärungen  und  Bemerkungen,  die  für  einen  Quartaner  zu  schwer 
und  unverständlich  wären,  habe  ich  nicht  leicht  welche  gefunden, 
mau  müsto  denn  dahin  die  allerdings  für  diese  Altersstufe  unzweck- 
mäszigen  Anführungen  aus  Homer,  lluraz,  Vergil,  Quinlilian,  Liviui, 
Ovid,  Vaier.  Max  u.  a.  m.  rechnen  wollen,  die  wohl  von  dem  Verfasser 
für  Secundaner  und  Primaner  bestimmt  sind;  allein  Bemerkungen,  die 
für  die  Altersstufe  der  Quartaner  zu  leicht  sind,  finden  sich  so  zu 
sagen  auf  jeder  Seite.  Dahin  rechne  ich  vor  allem  die  der  Erklärung 
jeder  Fabel  vorausgeschickte  Angabe  entweder  des  Inhalts  und  Gedan- 
kens oder  des  letzteren  allein.  Diese  Angabo  ist  zwar  überall  recht 
klar,  bestimm  tu  ndpraecis  (dadurch  zeichnet  sich  überhaupt  die 
Nauck^sche  Ausgabe  vortheilhaft  aus),  allein  die  Prologo  und  Epiloge 
ausgenommen,  die,  wenn  sie  überhaupt  in  Quarta  gelesen  werden  sol- 
len, etwa  einer  Inhaltsangabe  bedürfen,  kann  ein  gut  vorbereiteter 
Quartaner  Inhalt  und  Gedanken  der  Fabel  recht  gut  selbst  finden. 
Spricht  er  diesen  dann  auch  nicht  so  klar,  bestimmt  und  praecis  aus 
als  es  Nauck  gothan,  nun  —  so  ist  der  Lehrer  da  ihn  zu  verbessern. 
Was  der  Schüler  durch  eigenes  nachdenken  findet,  was  er  durch  Fra- 


*)  Kr  sagt,  er  habe    'im  Interesse   der  Schüler   ungeeignetes 
ausgemerzt.' 


Nanek:  PImedri  Angusti  .llberli  fabnlaron^  Aesopiamm  hbri  V.  285 

gen  seines  Lehrers  nnterstatit  Andet,  ist  mehr  werth,  als  was  ihm  ia 
abgerundetster  Form  so  geboten  wird ,  dass  sein  nachdenken  nicht  in 
Ansprach  genommen  wird.    In  früherer  Zeit  würde  man  eine  solche 
Aasgabe  in  den  Händen  der  Schüler  nicht  geduldet  haben,  weil  sie  ge- 
rade da  den  Schüler  des  denkens  überhebt,  wo  das  denken  und  die 
durch  dasselbe  bewirkte  Geistesgymnastik  so  recht  eigentlich  an  ihrer 
Stelle  ist;  unsere  neuere  Zeit  hat  sich  zu  einem  ganz  anderen  Urtheil 
bequemt,  —  man  macht  es  den  Schülern  leicht.     Ich  bleibe  bei  der 
alten  Schule  und  halte  dafür,  dasz  es  ein  paedagogischer  Blisgriff  sei, 
wenn  man  den  Schüler,  was  er  selbst  herausbringen  kann,  auch  in  der 
klarsten  Sprache  Torsagt.    Aber  nicht  allein  die  Angabe  des  Inhalts 
und  Gedankenganges  halte  ich  für  methodisch  vergriffen,  sondern  auch 
sehr  vieles,  was  die  Noten  sonst  bieten.    So  ist,  um  Beispiels  halber 
nur  einiges  aus  dem  Prolog,  zu  lib.  I  anzuführen  auch  für  einen  Quar- 
taner unnöthig  anzumerken:  *v.  1.  auctor  reperit^  als  Urheber  aufge- 
funden hat.'    ^v.  2.  polMversibui  durch  Verse  geglättet,  zierlich  in 
Verse  gebracht ;  polire  materiam  laszt  an  einen  faber  denken.'   *  v.  3^ 
dos  Mitgift:  das  Büchlein  ist  mit  einem  doppelten  Vorzuge  ausge- 
stattet' u.  a.  m.    War  hier  eine  Bemerkung  nöthig,  so  muste  sie 
methodisch  in  Form  einer  zum  Nachdenken  anregeuden  Frage  gegeben 
werden.   Allein  Nauck  hat  nicht  blosz  die  Absicht  gehabt  eine  Schul- 
ausgabe des  Phaedrus  zu  liefern,  sondern  (so  sagt  er):  *es  war  mir 
gewissermaaszen  eine  Pflicht  der  Dankbarkeit,  denselben  gegen  die 
ebenso  scharfsinnige  als  subjective  Kritik  von  F.  E.  Raschig  in  Schutz 
zu  nehmen.'  Wie  eine  solche  ^Ehrenrettung' in  eine  Schalausgabe 
gehöre,  begreife  ich  nicht;  ich  halte  auch  dies  für  einen  paedagogisch- 
mothodischen  Fehlgriff.     Was  soll  ein  Schüler,  um  nur  einiges  von 
dem  gegen  Raschig  gerichteten  anzuführen,  mit  Bemerkungen  anfangen 
wie  Lib.  I  fab.  I  v.  11 :  ^  equidem  ist  weder  ein  betontes  noch  ein  un- 
betontes Ich  und  hat  mit  ego  gar  nichts  gemein'  oder  mit  Apostrophen 
wie  zu  lib.  I  10:     ^So  scheinen  denn  die  Ausleger,  welche  meinen, 
dasz  sich  der  Affe  als  Richter   seiner  miszlichen  Aufgabe  entziehe 
durch  eine  nichtsentscheidende  Entscheidung,  im  Irthum  za  sein  und 
nur  das  zu  beweisen,  dasz  sie  von  dem  Scharfsinn  *%  den  Phaed.  hier 
dem  Richter  beilegt,  nichts  haben.   Auch  an  dem  bescheidenen  videris 
dieses  Richters  würden  die  Richter  oder  Calumniatoren  des  Ph. 
wohlthun  sich  ein  Beispiel  zu  nehmen.'   Eine  ^Ehrenrettung'  wie  sie 
Nauck  durch  diese  and  zahlreiche  Ausfälle  gegen  Raschig  zu  liefern 
bemüht  gewesen  ist,  zieht  die  Polemik  in  den  Kreis  der  Schule,  wohin 
sie  gar  nicht  gehört.    Warum  schrieb  N.  nicht  eine  von  seiner  Aus- 
gabe gesonderte  *  Ehrenretlang  des  Phaedrns,'  wobei  er  dann  zu  glei- 
cher Zeit  auch  hätte  bekämpfen  können,  was  Lessing,  Jacobs  n.  andere 
auszer  Raschig  gegen  Phaedrus  vorgebracht?  Dann  hatte  er  hinlängliche 


**)  Wie  reimt  «ich  diese  Bemerkung  zu  der  von  Nauck  (doch 
wohl  nicht  ironisch?)  im  Vorworte  genannten  scharfsinnigen  Kri- 
tik Raschig'a? 


286  Naaak:  Phtedri  Aagysti  Hberti  fabalarum  Aesopiaram  libri  V 

Gelegenheit  zu  Exclamationen  wie:  *  armer  Phaedrus !'  (S.  20)  a.  a.  m. 
Wohl  kann  in  einer  Schulaasgabe  auch  auf  die  Ansicht  anderer  Ana- 
leger  Rücksicht  genommen  werden ,  nicht  aber  in  der  Weise  und  dem 
Tone  wie  es  N.  gethan.  Es  hat  sich  darin,  was  N.  gethan,  in  mehr  als 
reichem  Maasze  gerächt,  wie  Raschig  in  seiner  Ausgabe  gegen  Siebe- 
lis  aurgetreten  ist;  aber  —  ich  hätte  an  N^s  Stelle  nicht  das  Werkieag 
solcher  Rache  sein,  nicht  eine  Schulausgabe  zum  Tummelplati  der 
Polemik  machen  mögen.  Was  nun  aber  die  ^eben  so  scharfsinnige  als 
subjectivo  Kritik  von  R.'  betrifift,  so  ist  nicht  zu  leugnen,  dasi  R.  in 
seinen  Zweifeln  und  Bedenken  an  manchen  Stellen  zu  weit  geht,  dasi 
er  nicht  selten  zu  scharf  und  zu  spitz  ist,  was  dann,  wie  man  sa  sa- 
gen pflegt,  nicht  schneidet  und  nicht  sticht.  Auch  ist  nicht  za  leug- 
nen, dasz  N.  an  vielen  Stellen  R.  mit  bestem  Erfolg  bekämpft  hat; 
aber  hier  und  da  ist  seine  Vertheidigung  ebenso  subjectiv  als  R^a  Kri- 
tik. Davon  nur  einige  Beispiele.  Zuerst  das  schlagendste!  Za  IV.  10 
sagt  N.  *Man  hat'  (nemlich  Raschig '^)  ^dem  Ph.  aufgebflrdet,  duz 
seine  Allegorie  von  den  beiden  Ranzen  eine  unabänderlicheNa- 
turnoth wendigkeit  zeige,  während  sie  doch  nur  einen  natürii- 
chen  Hang,  eine  in  der  menschlichen  Natur  begründete  fehlerhafte 
Neigung  vor  Augen  stellt,  welche  sehr  wohl  bekämpft  und  besiegt 
werden  kann;  denn  man  kann  auch  zurückschauen  nach  dem 
wasaufdemRücken  hangt  {Moral.  Sai.  Respicere  ignoio  d%$ctt 
pendeniia  lergo!) . . . .'  Das  gesperrt  gedruckte  ist  eine  EhrenretliiBg 
des  Ph.  so  subjectiv  als  nur  irgend  ein  Tadel  R^s,  denn  Ph.  sagt  in 
derselben  Fabel  v.  4:  IJac  re  videre  noslra  mcUa  non  poitumus. 
Es  waren  also  die  horazischen  Worte  dem  Ph.,  nicht  R.  zuzurufen.  — 
So  ist  R's  Bemerkung  zu  IV  12  (b.  R.  XVII),  zu  IV  19  (bei  R.  X) 
wohl  begründet  für  jeden,  der  nicht  alle  Fabeln  des  Ph.  für  gleich  gut 
hält.  —  R's  wohlbegründete  Bemerkung  zu  I  9.  (b.  R.  XXVI)  Passer 
et  lepus:  ^consilium  dare  entspricht  dem  Inhalt  der  Fabel  nicht,  da 
sich  der  Sperling  zum  Hasen  nicht  als  consilialor^  sondern  als  obiur- 
gator  (4)  und  irrisor  (9)  verhalt'  wird  von  N.  abgefertigt  mit  den 
Worten:  ^Der  Rath  liegt  in  der  auffordernden  Frage  Ubi-esl?  =  So 
mache  dich  doch  los  und  lauf  davon !  Der  Tadel ,  dasz  das  consilium 
dare  des  Eingangs  nicht  dem  Inhalte  der  Fabel  entspreche,  fällt  also 
(Nauck  wird  die  Folgerung  verstehen,  ich  nicht)  auf  den  Tadler  zu- 
rück.' Auf  diese  Weise  kann  man  jede  Bemerkung  eines  Gegners  in 
Schanden  machen.  Aehnliches  liesze  sich  noch  von  der  Ehrenrettoog 
N's  an  anderen  Stellen  bemerken.  Wie  weit  dessen  Eifer  seiaen 
Schützling  zu  verlheidigen  geht,  sieht  man  am  klarsten  aus  seiner  Be- 
merkung zu  IV  11  (wo  er  gegen  R.  nicht  zu  Felde  ziehen  konnte,  weil 
R.  diese  Fabel  nicht  aufgenommen  hat).  Aus  dieser  Fabel  zieht  Ph. 
nicht  weniger  als  drei  nützliche  Lehren  und  thut  sich  was  zu  gute 
darauf,  indem  er  sagt:  Quot  res  conlineat  hoc  argumentum  utUeSy 
Non  expHcabit  alius  quam  qui  repperit,  Nauck  bemerkt  dazu:  *Phae- 

*)  Auch  Lessing  vgl.  Bd.  V  S.  417.  Au5g.  v.  Lachmann. 


Nanok:  Pbaedri  Augasti  liberti  fabdarm  Aesopiamm  tibri  V  3B7 

dros  zeigt  seineo  BokarfsiDo,  indem  er  aoa  einer  einfachen 
Erzählung  nicht  weniger  als  drei  nützliche  Lehren  zieht*  Lessing  be- 
gleitet diese  Fabel  mit  einer  ganz  anderen  Bemerkung  als  mit  einem 
Lobe  des  Scharfsinns  ihres  Verfassers;  er  sagt:  *£ine  elende  Fabel, 
wenn  niemand  als  ihr  Erfinder  es  erklären  kann,  wie  Tiel  nfttzliche 
Dinge  sie  enthalte!  Wir  hatten  an  einem  genug!  —  Kaum  sollte  man 
es  glauben ,  dasz  einer  TOn  den  alten ,  einer  Yon  diesen  groszen  Mei- 
stern in  der  Einfalt  ihrer  Plane ,  uns  dieses  Histörchen  für  eine  Fabel 
verkaufen  können.'  —  Doch  genug  und  übergenug  von  dieser,  um  es 
nochmals  zu  wiederholen ,  in  eine  Schulausgabe  nicht  gehörenden  po- 
lemisierenden Ehrenrettung.  Nauck  konnte  auch  in  seiner  Ausgabe  eine 
solche  niederlegen,  aber  sie  mfiste  sich  für  den  Leser  lediglich  als  das 
Resultat  seiner  Erklärung  ergeben.  —  Bei  der  Feststellung  des  Textes 
folgt  N.  der  Dressler^schen  Ausgabe,  doch  so  dasz  er  (und  darin  sagt 
er  nicht  zu  viel)  eine  *  durchgreifende  Verschiedenheit  der  Interpunk- 
tion' bietet  und  an  vielen  Stellen  mit  gutem  Glück  die  handschriftli- 
chen Lesarten  gegen  fast  eingebürgerte  Correcturen  in  Schutz  genom- 
men hat.  Dies  isteinwesentlicherVorzug  der  Nischen  Ausgabe, 
ein  anderer  die  durchgehende  Klarheit  und  Bestimmtheit 
seiner  Bemerkungen.  Und  wenn  ich  auch  aus  den  mit  aller  Of- 
fenheit ausgesprochenen  Bedenken  die  Nische  Ausgabe  einem  Schüler 
nicht  empfehlen  würde,  so  bietet  sie  doch  dem  Lehrer  an  zahlreichen 
Stellen  viel  gutes  und  gibt  manche  nicht  unbeachtet  zu  lassende 
Winke.  —  Wenn  N.  zum  Schlüsse  seines  Vorwortes  sagt:  *Für  die 
Erklärung  hat  mir  das  meiste  unter  den  Aelteren  Peter  Burmann,  unter 
den  Neueren  F.  E.  Raschig*)  gewährt;  Hr.  J.  Siebeiis  scheint  grund- 
sätzlich nur  für  Quartaner  gearbeitet  zu  haben,'  so  weisz  ich  nicht,  ob 
N.  damit  einen  Tadel  gegen  Siebeiis  hat  aussprechen  wollen ;  hat  er 
es,  so  hat  er  sehr  Unrecht:  denn  Siebeiis  ist  nicht  in  den  Fehler  ver- 
fallen, in  welchen  vor  Nauck  schon  Raschig  gerathen  war.  Raschig, 
der  die  von  ihm  aufgenommenen  Fabeln  so  zu  ordnen  bemüht  gewesen 
ist,  dasz  ein  *  fortschreiten  vom  leichteren  zum  sehwereren'  damit 
gegeben,  also  gewisz  ein  Schulbuch  für  die  ersten  Anfänger 
geliefert  sein  sollte. 

Im  einzelnen  werde  ich  mich  auf  wenige  Bemerkungen  zu  den 
5  Büchern  des  Ph.  beschränken. 

I  2  V.  22 :  AUum  rogantes  regem  misere  ad  loeem.  Hier  soll  ro- 
gante»  von  denen  gesagt  sein,  ^welche  bitten  sollten',  also  statt  roga- 
turos  stehen.  Warum?  sehe  ich  nicht  ein.  Die  auch  von  Raschig  an- 
geführte Stelle  ist  unserer  nicht  parallel  zu  setzen.  Rogare  ist  hier 
für  ^bitten  lassen'  gesetzt  oder  auch  schlechtweg  ^bitten'.  Sie  schick- 
ten an  den  Jup.  und  erbaten  sich  einen  andern  K. ,  lieszen  um  e.  a.  K. 
bitten.  —  ibid.  v.  31  ist  nicht  einzusehen,  warum  maiue  mit  malum 


*)  Hatte  dann  N.  nicht  auch  gegen  R.  *  gewissermaszen  eine  Pflicht 
der  Dankbarkeit'  und  muste  er  nicht  selbst  da,  wo  er  ihm  im  Irtham 
befangen  schien,  glimpflicher  mit  ihm  verÜBihren?! 


288  Nauok:  Phaedri  Augasti  liberti  fabularom  Aesopiaran  libri  V. 

zu  verbinden  ^unslatthafl'  sein  sollte.  Die  von  N.  angegebene  Paralle- 
lität wird  docb  wol  durch  diese  Verbindung  nicht  gestört?  —  I  4  v.  2 
soll  natans  das  sog.  Part,  de  conatu  sein ,  ^  sonst  wäre  nicht  nur  der 
Conj.  regelwidrig,  sondern  es  hatte  auch  nothwendig  der  Hund  das 
Wasser  um  sich  her  so  getrübt,  dasz  er  darin  anmöglich  sein  Bild 
sehen  konnte.'^)  Aber  wer  darf  das  letztere  bei  Phaed.  so  genaa 
nehmen  ?  an  wie  viel  anderem  müste  man  dann  noch  Anstand  nehmen  ? 
(vgl.  Lessing  Bd.  V  416).  Und  stand  nach  N^s  Meinung  der  Hund  am 
Ufer,  so  war  das  Fleisch,  das  er  fallen  liesz,  doch  nicht  für  ihn  Yer- 
loren^^).  —  I  6  v.  4  ^das  Geschrei  der  Frösche  gilt  theils  der  Ty- 
rannei des  Sonnengottes,  theils  dem  eignen  Unglück  der  Frösche; 
in  der  ersten  Beziehung  heiszt  es  v.  5  das  schimpfen,  in  der  andern 
V.  6  das  Leidwesen';  allein  das  Geschrei  gilt  doch  nur  der  Tyrannei 
des  Sonnengottes  als  der  Ursache  ihres  Unglücks.  —  I  21  v.  8  (b.  R. 
XXXVI)  sucht  N.  die  handschr.  Lesart  flagiiare  vcJidius  cuhile  coepü 
gegen  R^s  Aeuderung  ut  illa  coepü  zu  vertreten.  Beide  R.  und  N. 
verfechten  ihre  Ansicht  mit  gleich  entschiedenen  Worten;  R.  in  dem 
Vorw.  p.  VI,  N.  in  seiner  Note.  Ich  kann  mich  mit  N^s  Erklärung  nicht 
einverstanden  erklären,  dasz  zu  flagüare  validius  cubile  coepü  der 
eindringliche  Hund  das  Subject  bleibe.  Die  Stufenfolge  ist  ebenso 
»ugenfällig,  wenn  das  Subject  wechselt,  und  diesen  Wechsel  des  Sab- 
jects  hat  U.  durch  seine  Aenderung  anzudeuten  gesucht.  Nach  N's  An- 
sicht müste  doch  wol  auch  nach  Ablauf  der  Frist  von  Seiten  der  Be- 
sitzerin der  Hütte  eine  Aufforderung  zur  Räumung  derselben  erfolgen. 
Diese  Aufforderung  wäre  dann  vom  Dichter  mit  Stillschweigen  über- 
gangen, was  nicht  zulässig  erscheint.  Oder  ^besteht'  die  eindrin- 
gende Hündin  nach  Ablauf  der  bewilligten  Frist  ^ganz  nachdrück- 
lich darauf  zu  bleiben  (ßagitare  validius) '  auch  ohne  alle  Auf- 
forderung znr  Räumung  der  Hütte?  Dann  hat  der  Eindringling  doch 
noch  ein  anzuerkennendes  Rechtsgefühl,  dasz  er  wenigstens  die  anbe- 
raumte Frist  nicht  verstreichen  läszt!  —  In  Bez.  auf  den  Gedanken 
hat  R.  und  die  übrigen  Ausleger,  wie  ich  glaube,  vollkommen  Recht; 
ob  aber  R^s  Correctur  oder  eine  ähnliche  aufzunehmen,  oder  was  Sie- 
bülis  und  anderer  Meinung  ist  Pliaed.  sich  hier  einen  so  harten  Wech- 
sel des  Subjcctes  erlaubt  hat,  ist  eine  andere  Frage.  —  11  4  v.  1  be- 
hauptet N.  in  snblimi  quercu  könne  nicht  (wie  Sieb. ,  Ruschig  u.  a.  ■. 
sagen)  für  in  summa  quercu  ^auf  dem  Gipfel  einer  Eiche'  stehen. 
Dasz  im  allgemeinen  suhlimis  nicht  so  gebraucht  werde,  weiss  jeder, 
dasz  ober  hier  durch  das  in  media  v.  2  und  ad  imam  v.  3  auch  fAr 
das  lateinische  Ohr  eine  dem  summus  ähnliche  Auffassung  entstand, 
halte  ich  für  nicht  zweifelhaft.    Nur  ist  es  dem  summus  nicht  gani 


*)  Nauck  nimmt  es  hier  mit  der  Natur  des  Wassers  sehr  genau; 
wo  R.  daMsollx»  in  Hezichung  auf  die  Natur  der  Thicre  thut  —  fehlt 
CS  nicht  an  scharfer  Bemerkung,  vgl.  z.  B.  N.  zu  lib.  II  33  u.  a.  m. 

**)  Freilich  bleibt  nach  der  gewöhnlichen  und  einzig  richtigen 
Auffassung  der  Fabel  das  'dum  mit  dem  Conj.  regelwidrig';  aber  wers 
nicht   dem  Ph.  zu  gute  halten  will,   möge  sich  zu  dem  cum  bekehren. 


Nauck :  Phaedri  Augusli  Liberii  Fabalaram  Aesopiarnm  Ubri  V.    289 

gleich,  sondern  bezeichnet  'hoch  oben  anf  einer  Eiche.'  —  11  6  Cae- 
tar  ad  Atriensem  'gehört  zu  den  plattesten  Einfällen,  die  Pb.  einer 
poetischen  Bearbeitung  gewürdigt  hat'  (Jacobs);  nach  N.  liegt  die 
Pointe  'in  dem  überraschenden  Doppelsinn  des  letzten  Verses',  indem 
das  'Du  hast  noch  lange  keine  Manischelle  verdient'  auch  den  Sinn 
hatte  '  So  wolfeil  ist  bei  mir  die  Freiheit  nicht  zu  haben.'  Richtig, 
nnr  dasz  der  Doppelsinn  nichts  überraschendes  hat.  Ys  10.  Prospectat 
Siculum  et  respicit  Tuscum  mare,  soll  nach  N.  prospectat  'die  haupt- 
sächlichste', respicit  'die  mit  dieser  zugleich  nach  der  anderen  Seite 
hin  gegebene  Aussicht '  nennen.  Warum  das  prospectat  '  die  haupt- 
sächlichste Aussicht'  nennt,  hätte  N.  erklären  sollen.  Die  Sache  kann 
nicht  einfacher  sein  'Vorwärts  hat  man  den  Blick  auf  das  sicil.,  rück- 
wärts auf  das  tuscische  Meer ',  was  auszer  anderen  Sieb,  ganz  richtig 
erklärt.  Wenn  nun  aber  N.  hinzufügt  '  Hiernach  scheint  es  dasz  das 
Landhaus  dem  Meere  keine  geebnete  (?)  Fronte  zukehrte.  Vielleicht 
war  dieselbe  gerundet  und  nach  Art  eines  Erkers  hervorgebant',  so 
ist  dies  eine  ganz  nnnöthige  Fiction.  Noch  jetzt  besteigt  man  in  dor- 
tiger Gegend  um  die  reizende  Aussicht  zu  genieszen  das  flache  Dach 
eines  oder  des  andern  Hauses  und  erfreut  sich  an  dem  Blicke«  '  vor- 
wärts' und  'rückwärts'  aber  wahrlich  nicht  'zugleich.' —  11  7  v.  17 
wäre  das  impar  duabus  'den  beiden,  wenig  verschieden  von  tttris- 
que  allen  beiden'  besser  dem  amhabus  beiden  zusammen  vergli- 
chen worden.  —  II  Epilog,  v.  15  wird  das  doctus  lahor  erklärt: 
etwa  'meiner  Muse';  aber  nicht  angegeben,  inwiefern  das  doctus  die- 
sen Bg.  enthalte,  was  selbst  für  einen  Secundaner  und  Primaner  noch 
hinzugefügt,  oder  wenigstens  durch  eine  Frage  angedeutet  werden 
konnte.  —  111  i  anus  ad  amph,  soll  (wie  auch  bei  Sieb.)  eine  durch 
das  Selbstgefühl  des  Dichters  dictierte  Fabel  sein,  wovon  ich  mich 
nicht  zu  überzeugen  vermag.  —  III  2  v.  5  soll  periturae  zu  misere 
gehören,  während  es  besser  mit  Sieb.  n.  a.  zu  miseriti  gezogen  wird. 
Selbst  die  von  N.  gesetzte  Parenthese  spricht  gegen  die  von  ihm  an- 
genommene Beziehung.  —  III  7  v.  1  soll  proloqui  heiszen  'kund  thun, 
nicht  unausgesprochen  lassen';  ich  kann  es  nur  nehmen  für:  als  Vor- 
wort, als  Einleitung  sagen.  Vs  16  detritum  collum  'abgescheuert' 
warum  nicht '  abgerieben  '7  —  Dasz  III 13  v.  13  das  handschr.  sustu- 
lit  sententiam  durch  sublata  voce  protulit  könne  umschrieben  werden, 
bleibt  mir  mehr  als  zweifelhaft.  —  III  18  v.  12  laeva  cornici  omina 
ist  weder  erklart  wie  das  laeva  zu  der  Bed.  gunstig  kömmt,  noch 
beantwortet,  warum  der  Krähe  hier  nur  günstige  Zeichen  sngeachrie- 
ben  werden,  da  ihre  Zeichen  doch  auch  ungünstig  sein  könnoD.  r 
ist  letzteres,  um  es  hier  nochmals  zu  wiederholen,  oieht  klar.  — 
IV  1  V.  4  circum  quaettut-ducere  heiszen  könne  '  h  1 
umher '  bleibt  mir  sehr  zweifelhaft.  — -  IV  9  v.  4  alüore  e 
margine  ist  nicht  'von  dem  ziemlich  hohen'  sondern  von  di 
zu  hohen  Rand  gesagt.  —  IV  17  v.  3.  Vexata  saevis 
tibus  soll  ein  für  sich  abgeschlossener  Satz  sein  und  vem 
est  stehen,  was  schwer  zu  glauben,  da  man  dann  testik^ 

N.Jakrb,f.PULu,Poed.BtLLXXiy.Bft5,  81 


290  Fort  and  Schlömilch:  Lehrbach  der  analytischen  Geometrie. 

len  hätte  gegenüber  dem  unterbrechenden  subito  muiatur  dies.  Frei- 
lich schieben  die  Ausleger  v.  5  ein  ut  ein,  was  ich  far  keine  ^Veran- 
staltung' ansehen  kann.  Mit  N^s  Ansicht  wäre  eher  verträglich,  wenn 
wir  V.  3  halten  vexaiur.  —  Wie  IV  21  v.  7  u.  8  sive  hoc  inepium^ 
sice  laudandum  opvs ;  invenit  ille^  nostra  perfecit  manus 
passe  zu  IV  Po6la  ad  Pari.  v.  12  ego  plures  fero .  .  .  rebus  novis  and 
zu  II  Prolog.  V.  9  sed  si  libuerit  aliquid  interponere^  hätte  N.  angeben 
oder  doch  nicht  verschweigen  sollen,  wenn  sich  die  verschiedenen 
Aeuszerungen  R'^s  nicht  vereinigen  lassen.  Bezieht  doch  N.  selbst  das 
inierponere^  wie  nicht  anders  zu  erwarten,  auf  ganze  Erzählungen, 
vgl.  z.  B.  zu  II  6.  —  IV  22  V.  10  ^dissolvere  leck  machen'  zu  schwach, 
es  ist:  *  scheitern'  oder  wie  Sieb,  ^zerbersten  lassen'.  —  Diese  Aus- 
stellungen mögen  genügen.  Im  allgemeinen  sind,  um  dies  nochmals 
zu  wiederholen,  die  Erklärungen  treffend  und  klar. 

Fraukfurl  a.  M.  Anton  Eberz. 


20. 

Lehrbuch  der  analytischen  Geometrie  bearbeitet  ron  O.Fort  und 
0,  Schlömilch,  Professoren  an  der  polytechnischen  Schule 
zu  Dresden,  Erster  Theil.  Analyt.  Geom.  der  Ebene  ron  0. 
Fort.  F///W.237S.  Zweiter  Theil.  Analyt.  Geom.  des  Rau- 
mes von  0.  Schlömilch.  VIII  u.  258  S.  Leipzig,  Verlag 
von  B.  G.  Teubner.    1855. 

Dieses  Lehrbuch  soll  zunächst  eine  Grundlage  tu  den  Vorträgen 
bilden,  welche  die  Verfasser  an  der  dresdner  polytechnischen  Schule 
halten.  Sowie  sie  sich  dort  in  den  UnterrichtsstofT  gctheilt  haben,  so 
hat  auch  jeder  bei  der  Herausgabe  des  vorliegenden  Werkes  sein  ihm 
zugewiesenes  Gebiet  bearbeitet.  Eine  solche  Theilung  der  Arbeit  ist 
einigermaszen  bedenklich  und  wäre  dies  besonders  dann ,  wenn  vor 
allem  möglichste  Originalität  und  Neuheit  des  SlolTcs  erzielt  würde, 
wobei  wir  unter  StofT  nicht  blosz  die  entwickelten  Theoreme,  sondern 
auch  zum  Thcit  die  Form  ihrer  Darstellung  verstehen.  Das  Gebiet  der 
analytischen  Geometrie  ist  ungemein  grosz  nnd  wer  hier  ernstlich  nacli 
neuen  Wegen  sucht,  kann  viele  einschlagen  und  noch  dazu  ohne  grosie 
Gefahr  sich  zu  verirren,  da  ihn  der  Calcül  als  treuer  Führer  begleitet. 
Solche  EntdeckungszOge,  welche  in  ein  Schulbuch  schlecht  gepasst 
hätten,  haben  aber  beide  Herren  ProfT.  nicht  beabsichtigt;  sie  sind  in 
Gegenthcil  fast  immer  auf  der  alten  bekannten  Strasze  geblieben;  da- 
bei ist  es  ihnen  aber  gelangen,  die  wichtigern  Partien  der  analytischen 
Geometrie  nicht  allein  in  brauchbarer  und  fertiger  Darstellung  fflr 
Anfanger  und  geübtere  zu  bearbeiten,  sondern  dieselben  auch  bis  in 
kleinere  Details  so  abzurunden,  dasz  man  als  anbefangener  Beurtheiler 
dem  Werke  die  verschiedenen  Verfasser  weniger  anmerkt,  als  etwa 


Fort  and  Scblömilch :  Lehrbuch  der  analytischen  Geometrie.  291 

Euklids  Elementen.  Beide  Bände  sind  natflHich  in  der  fiuszern  Aus- 
stattung vollkommen  congruent ;  diese  selbst  ist  aber  so  elegant,  dass 
sie  den  geschmackvollsten  pariser  Drucken  nicht  nachsteht. 

In  Bezug  auf  die  Auswahl  des  Stoffes  bemerkt  Prof.  F.,  dass  er, 
um  wenigstens  innerhalb  bestimmter  Grenzen  eine  gewisse  Vollstin- 
digkeit  zu  erzielen,  aus  dem  reichen  Materiale  besonders  solche  Sitze 
ausgewählt  habe,  welche  sich  zu  Constructionen  umprägen  lassen.  So 
ist  es  ihm  möglich  geworden,  einzelnes ,  z.  B.  die  Theorie  der  Krüm- 
mungskreise  aufzunehmen,  was  in  andern  Lehrbüchern  von  gleichem 
elementarem  Standpunkte  gewöhnlich  ausgeschlossen  bleibt.  Die  mehr 
praktische  Richtung  seiner  nähern  Schüler  war  ihm  bei  dieser  Aus- 
wahl maszgebend.  In  Beziehung  auf  die  Darstellung  ist  sein  streben 
besonders  auf  Vereinfachung  des  Calcflis  mittelst  geometrischer  Deu- 
tung der  Gleichungen,  auf  Hervorhebung  der  Beziehungen  des  analy- 
tischen und  geometrischen  Elements  und  zugleich  auf  eine  möglichst 
natürliche  Verknüpfung  der  einzelnen  Untersuchungen  gerich- 
tet. Den  letztern  Vorzug  haben  wir  übrigens  an  Prof.  Schlömilchs 
Arbeiten  schon  früher  nachgewiesen.  Dasz  die  Discussion  der  allge- 
meinen Gleichung  des  2ten  Grades  von  F.  (wie  u.  a.  auch  von  Fran- 
coeur)  erst  nach  der  Betrachtung  der  einzelnen  Kegelschnitte  gegeben 
wird,  mag  vom  streng  systematischen  Standpunkte  aus  zu  tadeln  sein, 
findet  aber  in  dem  mathematischen  Standpunkte  der  Schüler  eine  ge- 
nügende Erklärung  und  Entschuldigung ;  denn  jeder  praktische  Lehrer 
weisz,  dasz  nur  längere  Uebung  in  speciellen  Discussionen  den  An- 
fänger zu  allgemeinen  Untersuchungen  befähigt,  welche  dann  mit  um 
so  gröszerer  Strenge  angestellt  werden  können.  Dasz  endlich  Herr  F. 
in  einem  Schulbuche  alle  Citate  (einige  fragmentarisch  -  histo- 
rische Notizen  in  der  Einleitung  abgerechnet)  wegläszt,  ist  gewis  nur 
zu  billigen.  In  dieser  Einleitung  wird  zunächst  auf  Descartes  und  auf 
dessen  1637  erschienene  Geometrie  hingewiesen.  Eine  Abhandlung 
über  die  Algebra  von  Wallis  gibt  in  den  Act.  Erud.  Lips.  A.  1686 
p.  284  seq.  mehrere  interessante  Notizen  über  Descartes  Verhältnis 
zu  Thomas  Harriot  (^  1561,  f  1621),  der  neben  Franz  Vieta  und  Wil- 
liam Oughtred  (^  1573 ,  f  1660  zu  London)  als  Begründer  der  neuen 
Analyse  zu  nennen  ist.  Er  sagt  unter  anderem:  ^ Gerte  Dominus  de 
Cavendish  Kobervallio  miranti,  unde  Cartesius  notionem  hausisset 
Aequationes  nihilo  aequales  ponendi,  ostenso  Harrioti  libro,  nullam 
amplius  dubitationem  reliqnit,  exclamante  Kobervallio:  vidit,  vidit.'  — 
Sehr  richtig  macht  Prof.  F.  danach  auf  Parent  aufmerksam ,  von  dem 
Malebranche  sagte:  Monsieur  Parent  abeauconp  d^esprit,  mais  il  n^en  a 
pas  la  clef.  Neben  ihm  konnten  noch  Manfredi  nnd  Hermann  genannt 
werden.  Auch  des  eleganten  Clairant  wird  gedacht,  der  zuerst  in  seinen 
recherches  sur  les  courbes  ä  double  courbnre  Aufsehen  erregte  und 
die  Theorie  des  integrales  particuli^res  begründete  (M^m.  de  Pacad. 
des  Sciences  de  Paris  1734). 

Beide  Bände  sind  in  je  10  Kapitel  getheilt,  die  sich  entsprechen 
und  ergänzen.     Prof.  F.  behandelt  in  denselben  die  Punkte  in  der 

21* 


292  Fori  ond  Scblömilch :  Lehrbuch  der  analytischen  Geomelrie. 

Ebene,  die  gerade  Linie,  den  Kreis,  die  Kegelschnitte  und  zwar  l)  die 
Parabel,  2)  die  Ellipse,  3)  die  Hyperbel,  danach  allgemein  die  Linien 
Sten  Grades,  Linien  höherer  Grade  und  trauscendente  Linien.  Das  erste 
Kap.  beginnt  mit  einer  klaren  Darstellung  der  ersten  Elemente,  welche 
gleich  für  das,  Buch  einnimmt;  hier  ist  ein  paedagogisch  richtiges  Ver- 
fahren bekanntlich  schwieriger,  als  bei  manchem  scheinbar  verwickel- 
ten Theorem.  Auch  ein  solches  *—  Entwicklung  des  Punktes  der  mitt- 
lem Entfernung  für  ein  System  von  12  Punkten  (vgl.  diese  Jhrbb.  Band 
LIV.  Heft  1.  S.  76,  wo  wir  ein  verwandtes  Problem  besprochen  haben), 
—  wird  sehr  gelungen  dargestelU.  An  den  Schlusz  des  2n  Kap.  ist  die 
allgemeine  Gleichung  des  ersten  Grades  gestellt  und  nachgewiesen, 
dasz  die  Gerade  die  einzige  Linie  ersten  Grades  ist.  Einige  Aufgaben 
behandelu  namentlich  die  harmonische  Theilung.  Das  in  der  einfachen 
Krcisgleichung  (Kap.  3)  ausgesprochene  Gesetz  wird  durch  zwei  pas- 
send gewählte  Aufgaben  erläutert  und  eingeübt:  l)  Man  soll  den  Ort 
der  Scheitel  aller  derjenigen  Dreiecke  suchen,  welche  auf  einer  gege- 
beuen  Grundlinie  stehen  und  in  welchen  die  beiden  anderen  Seiten  ein 
constantcs  Verhältnis  besitzen,  und  2)  zu  12  festen  Punkten  soll  der 
geometrische  Ort  eines  beweglichen  Punktes  gesucht  werden,  welcher 
die  Eigenschaft  besitzt,  dasz  die  Summe  der  Quadrate  seiner  Entfer- 
nungen von  allen  gegebenen  Punkten  einem  conslanten  Quadrate  9* 
gleich  ist,  welche  letztere  zu  dem  bemcrkcnswerthcn  Lehrsatze  fahrt: 
Wenn  man  den  Punkt  der  mittleren  Entfernung  in  einem  System  fester 
Punkte  zum  Centrum  eines  Systems  concenlrischer  Kreise  wählt,  so 
besitzen  diese  Kreise  die  Eigenschaft,  dasz  die  Quadrate  der  Entfer- 
nungen jedes  ihrer  Punkte  von  allen  gegebenen  Punkten  eine  für  jeden 
einzelnen  Kreis  unveränderliche  Summe  geben.  Die  bekannten  Sfitse, 
dasz  die  Potenzlinie  zweier  Kreise  auf  der  Centrale  senkrecht  steht  und 
dasz  sich  die  Polenzlinien  dreier  Kreise  in  einem  Punkte  schneiden,  sind 
uriginell  und  recht  praktisch  dargestellt.  Es  konnte  hier  etwa  noch  auf 
die  sich  in  4  Punkten  schneidenden  Potenzlinien  von  4  Kreisen  and  auf 
die  Eigeuschaflen  des  so  entstehenden  Vierecks  Rücksicht  genommen 
werden  und  zwar  um  so  eher,  als  der  Vf.  am  Ende  des  Kap.  auf  die 
harmonische  Theilung  am  Kreise  zurückkommt.  Wenn  zu  Anfang  das 
4n  Kapitels  gesagt  wird,  dasz  der  geometrische  Ort  eines  Punktes  in 
der  Ebene ,  dessen  Entfernungen  von  einer  festen  Geraden  und  einem 
festen  Punkte  derselben  Ebene  in  einem  unveränderlichen  Verhiltiisse 
zu  einander  stehen,  den  Namen  Kegelschnitt  führe,  weil  er  auf  eiier 
Kegeloberfläche  mittelst  des  Durchschnitts  einer  Ebene  räumlich  dar- 
gestellt werden  könne,  so  war  wol  auf  den  Zusammenhang  dieser  hier 
dem  Anfänger  noch  unverständlichen  Behauptungen  mit  dem  2n  Bande 
(namentlich  Kap.  6)  etwas  näher  hinzudeuten.  Sonst  ist  die  Darstel- 
lung der  Kegelschnitte  —  wenn  schon  sie  durchweg  nur  bekanntes 
gibt  —  in  der  Form  so  meisterhaft,  dasz  wir  auf  dieselbe  ganz  beson- 
ders aufmerksam  machen.  Der  ebenfalls  sehr  gründlichen  Discussion 
der  allgemeinen  Gleichung  der  Linien  zweiten  Grades  (Kap.  6)  sind 
Aufgaben  beigegeben,  welche  die  Kegelschnitte  als  geometrische  Oer- 


Port  nmd  Schldnilch:  Lehrbuch  der  analytiscbeii  Geometrie.  208 

(er  behandeln.  So  erscheint  die  Hyperbel  als  Ort  der  Scheitel  aller 
derjenigen  Dreiecke,  welche  auf  einer  gegebenen  Grandlinie  stehen 
und  in  welchen  die  an  derselben  liegenden  Dreieckswinkel  eine  con- 
stante  Differenz  besitzen ;  die  Ellipse  als  Ort  des  Eckpunkts  eines  ge- 
gebenen Dreiecks,  während  jeder  der  beiden  andern  Eckpunkte  sich 
auf  je  einem  Schenkel  eines  festen  Winkels  bewegt;  die  Parabel  als 
Ort  eines  auf  einer  Geraden  MN  liegenden  Punktes  P ,  wenn  diese  die 
Seiten  CA  und  CB  eines  gegebenen  Dreiecks  so  schneidet,  dasz  PM  : 
PN  =  AM  :  CM  =  CN  :  BN.  Darauf  folgt  die  Bestimmung  einer  Linie 
zweilen  Grades  durch  gegebene  Peripheriepunkte  (im  allgemeinen  5), 
danach  die  Abhängigkeit  des  Pols  und  der  Polaren  nebst  der  Polar- 
gleichung  der  Linien  zweiten  Grades ,  die  besonders  fär  den  in  der 
Theorie  der  Planetenbewegung  wichtigen  Fall,  dasz  ein  Brennpunkt 
und  drei  Peripheriepunkte  gegeben  sind,  entwickelt  wird.  Den  Linien 
höherer  Grade  ist  nur  ein  kurzes  Kapitel  gewidmet.  In  einem  Werke 
wie  das  vorliegende  wird  niemand  hierüber  erschöpfende  Untersuchun- 
gen finden  wollen.  Gibt  doch  Euler  för  die  Linien  vierten  Grades  schon 
146  Geschlechter  mit  einer  noch  beträchtlich  gröszern  Menge  von  Ar- 
ten an !  Ueberdies  findet  jeder,  der  sich  hierüber  weiter  belehren  will, 
vor  allem  in  J.  PlQckers  bekanntem  System  der  analytischen  Geome- 
trie das  wichtigste  zusammengestellt  und  überzeugt  sich  zugleich, 
dasz  dergleichen  Untersuchungen  nicht  allzu  schwierig,  aber  ungemein 
weitschweifig  und  ermüdend  sind.  Dennoch  enthält  auch  dieses  Kapi- 
tel manches  interessante  in  guter  Anordnung,  z.  B.  parabolische  Cur- 
ven  nebst  der  Interpolationsformel  von  Lagrange ,  die  Parabelevolute, 
die  semicubische  Parabel  von  William  Neil  (eine  besondere  Art  der 
sogenannten  Glockenlinie),  ferner  Fuszpunktcurven  für  die  Kegel- 
schnitte, die  Lemniscate  oder  Schleifeulinie,  die  cassinische  Linie,  die 
Cissoide  nebst  ihren  Tangenten.  Das  letzte  Kapitel  betrachtet  endlich 
transcendente  Linien,  wobei  auch  die  Leibnitzischen  iuterscendenten 
Curven  erwähnt  werden. 

Die  Bearbeitung  der  analytischen  Geometrie  des  Baumes  für  Schul- 
zwecke bietet  in  mancher  Hinsicht  noch  gröszere  Schwierigkeiten,  als 
die  der  Ebene.  Prof.  S.  hat  dieselben  glücklich  überwunden.  Um  die 
dem  Calcül  eigenthümlichen  Abstractionen  möglichst  anschaulich  zu 
machen,  hebt  er  häufig  die  Verwandtschaft  der  analytischen  und  de- 
scriptiven  Geometrie  hervor.  Er  sagt  selbst  in  der  Vorrede,  dasz  er 
hierin  gern  noch  weiter  ins  Detail  vorgedrungen  wäre  und  den  Paral- 
lelismus des  analytischen  und  descriptiven  Verfahrens  an  einer  Beihe 
von  Aufgaben  nachgewiesen  hätte,  wenn  nicht  hierdurch  sowol  grosze 
Weitläuftigkeiten,  als  namentlich  auch  übermäszig  viele  Figuren  her- 
beigeführt worden  wären.  Bei  der  Entwicklung  der  Fnndamentalfor- 
meln  sind  sehr  passend  Projeetionen  angewandt  worden,  eine  Methode, 
welche  auch  überaus  leicht  zu  den  Formeln  für  die  Coordinatenver- 
Wandlung  führt.  *  Zweitens,  sagt  Prof.  S.  in  der  Vorrede,  habe  ich  in 
dem,  was  ich  gebe,  nach  einer  gewissen  Vollständigkeit  gestrebt.  So 
sind  die  lehrreichen,  auf  gerade  Linien  und  Ebenen  beiAglichen  Auf- 


204  Fort  und  Schlömilch:  Lehrbuch  der  analytischen  Geometrie. 

gaben,  welche  die  descriptive  Geometrie  sorgfältig  zu  behandeln 
pflegt,  mit  möglichster  Ausführlichkeit  und  allgemein  in  Beziehung  auf 
ein  schiefwinkliges  Coordinatensystem  bearbeitet,  wobei  sich  hie  und 
da  auch  einige  wissenschaftliche  Ausbeute  fand,  wie  z.  B.  in  %  11  die 
Construclion  der  Transversalen  zu  vier  gegebenen  Geraden'  (von  de- 
nen kein  Paar  in  derselben  Ebene  liegt).  Für  die  Flächen  zweiten  Gra- 
des gibt  er  die  Canchysche  und  Plückersche  Discussion;  die  letztere 
erscheint  ihm  als  die  nothwendige  wissenschaftliche  Ergänzung  der 
ersteren.  In  der  That  gestaltet  sich  die  Cauchysche  Betrachtung,  wenn 
man  Gleichungen  für  Flächen  zweiten  Grades  in  Bezug  auf  schiefwink- 
lige Coordinaten  hingestellt  hat,  zu  umständlich  und  verliert  die  sonst 
gerade  für  sie  charakteristische  Eleganz.  Hier  führt  die  Plückersche 
Discussion  durch  Entwicklung  leicht  anwendbarer  Kriterien,  eine 
schnelle  Entscheidung  her'bei  (vgl.  §  42).  Bei  dieser  Stellung  ist  zu- 
gleich die  Plückersche  Untersuchung,  da  die  besondern  Flächen  zwei- 
ten Grades  schon  vorher  behandelt  wurden,  wesentlich  vereinfacht 
worden. 

Von  den  10  Kapiteln  des  zweiten  Bandes  betrachtet  das  erste  die 
Punkte  im  Kuume;  im  zweiten  folgen  die  Gleichungen  und  verschiede- 
nen Bestimmungsweisen  der  Geraden,  Combinalionen  von  Geraden  mit 
Punkten,  Transversalen  usw.  Das  dritte  behandelt  die  Ebene,  das 
vierte  die  Transformalion  der  Coordinaten.  Alle  vier  Kapitel  haben, 
obgleich  sie  nichts  wesentlich  neues  geben,  das  Verdienst  einer  sehr 
lichtvollen  und  faszlichen  Darstellung,  besonders  in  den  Transforma- 
tionen. Auf  die  Cylinder-  und  Kegelflächen  folgen  dann  die  Umdrehungs- 
flächen und  zwar  zunächst  ihre  Entstehung  und  Gleichung  mit  speciel- 
Icr  Angabe  der  Gleichungen  des  abgeplatteten  und  gestreckten  Rota- 
tionsellipsoids, des  einfachen  und  getheilten  Kotationshyperboloids  und 
des  Paraboloids.  Das  einfache  Kotationshyperboloid  wird  auch  aus 
der  Umdrehung  einer  Geraden  um  eine  nicht  in  derselben  Ebene  mit 
ihr  liegende  Achse  hergeleitet,  woraus  natürlich  folgt,  dasz  sich  auf 
der  Fläche  desselben  unendlich  viele  Gerade  senkrecht  auf  irgend 
einen  Halbmesser  des  kleinsten  Parallelkreiscs,  mit  dessen  Ebene  sie 
einen  constanten  Winkel  bilden,  ziehen  lassen.  Schnitte,  Berührungs- 
cbenon  und  Normalen  der  Rotationsflächen  werden  vorläufig  betrach- 
tet, denn  allgemeinere  und  erschöpfendere  Entwicklungen  enthält  das 
8o  Kapitel,  welches  für  die  Flächen  des  2n  Grades  die  allgemeine 
Gleichung  aufstellt  und  dem  8n  des  ersten  Bandes  vollkommen  ent- 
spricht. Nachdem  gezeigt  ist,  dasz  eine  Gerade  mit  einer  Fläche  3n 
Grades  nur  zwei  Punkte  gemein  haben  kann,  wird  der  Begriff  der  Dia- 
metra lebene  solcher  Flächen  entwickelt  und  gezeigt,  dasz  sich  hier 
im  allgemeinen  jedesmal  drei  Richtungen  angeben  lassen,  bei  welchen 
die  parallelen  Sehnen  von  den  zugehörigen  Diametralebenen  (Haupt- 
ebenen) normal  halbiert  werden.  Auf  die  vortrefiTliche  Entwicklung 
des  Satzes,  dasz  die  drei  Hauptebenen  einer  Fläche  2n  Grades  auf  ein- 
ander senkrecht  stehen,  machen  wir  ganz  besonders  aufmerksam.  Von 
diesen  Ebenen«werden  dann  wenigstens  zwei  sehr  passend  zu  Coordi- 


Fort  und  Sehlömilch:  Lekrbuch  der  aMiylisohen  Geometrie.  205 

natenebenen  gewählt  and  alle  Flächen  2n  Grades  in  zwei  Hauptarten 
getheilt,  je  nachdem  sich  ihre  Gleichung  auf  die  Form:  Ax*  +  By^  + 
Cz*  =  K,  oder  Ax*  +  By*  =  2Jz  bringen  laszt,  oder  je  nachdem 
sie  central  (Ellipsoid,  einfaches  oder  getheiUes  Hyperboloid)  oder 
nicht  central  (elliptisches  und  hyperbolisches  Paraböloid)  sind.  Einer 
nähern  Erörternng  der  Unterscheidangsseichen  für  die  Flächen  2n  Gra- 
des folgen  dann  (dem  ersten  Bande  analog)  einige  (7)  sehr  bemerkens- 
werthe  Aufgaben ,  in  denen  sich  Flächen  als  geomelriacffae  Oerter  dar« 
stellen  und  endlich  die  Cnbatur  der  Flächen  zweiten  Grades  oder  viel- 
mehr der  von  ihnen  umschlossenen  Körper.  Das  von  der  Erzeugung 
der  Flächen  durch  Cnrven  handelnde  9e  Kapitel  bietet  lugleich  einige 
wenige  Flächen  höherer  Grade  und  zwar  solche,  die  gewöhnlich  in 
den  analytischen  Geometrien  beachtet  werden.  Das  letzte,  die  analy- 
tische Projectionslehre  betrachtende  Kapitel  bildet  gewissermaszen  nur 
einen  Anhang,  welcher  aber  jedem,  der  räumliche  Gegenstände  in  einer 
Ebene  und  überhaupt  die  Ergebnisse  des  Calcflls  einfach  graphisch 
darstellen  will,  höchst  willkommen  sein  wird.  Wir  finden  hier  die 
axonometrische  und  perspeotivische  Projection,  sowie  Projeotionen 
verschiedener  Flächen  kurz  und  klar  behandelt. 

Wir  knöpfen  an  diese  Uebersicht  des  Inhalts  die  Versicherung, 
dasz  wir  dem  Fort-Schlömilchschen  Buche  aus  voller  Ueberzeugung 
vor  vielen  ähnlichen  Erscheinungen  auf  diesem  etwas  eng  umgrenzten 
Gebiete  den  Vorrang  einräumen.  Zu  den  bereits  angedeuteten  Vorzü- 
gen tritt  auch  noch  der  groszer  Correctheit,  so  dasz  wir  im  ersten 
Bände  nur  auf  S.  2  (Z.  10  v.  u.),  S.  15  (Z.  2  v.  o.),  S.  64  (Z.  16  v.  u.) 
usw. ,  im  2n  auf  S.  132  (Z.  9  v.  u.)  auf  einige  leicht  zu  corrigierende 
Versehen  (z.  B.  auchParallelopiped?),  sowie  auf  die  uns  nicht  ganz  genü- 
genden Figuren  29,  32  und  42  des  ersten  Bandes  aufmerksam  machen.  Die 
besonders  schwierigen  Figuren  des  zweiten  Bandes,  sowie  auch  die  mei- 
sten des  ersten  sind  ganz  trefflich  gezeichnet  und  in  den  Text  gedruckt. 
Dessau.  C.  Böttger. 


31. 

/.  Der  Unterricht  in  der  Planimetrie^  Stereometrie  und  ebenen 
Trigmiometrie  y  zum  Gebrauche  anGymnasieti  und  höheren 
Bürgerschulen.  Für  den  Schüler  bearbeitet.  Von  Karl 
G ruber y  Vorstand  der  höheren  Bürgerschule  zu  Etlen- 
heim.  Karlsruhe,  Druck  und  Verlag  der  6.  Braunschen  Hof- 
bochhandlong.    1854.   X  u.  209  S.  8.   (Preis  1  fl.  24  kr.). 

//.  Der  Unterricht  in  der  Planimetrie,  Stereometrie  und  ebenen 
Trigonometrie,  zum  Gebrauche  an  Gymnasien  und  höheren 
Bürgerschulen.  Von  Karl  Grub  er  ^  Vorstand  der  höhe- 
ren Bürgerschule  zu  Ettenheim.  Karlsrahe,  Dmck  and  Verlag 


296  K.  Gruber:  der  Unterricht  iu  der  Planimetrie,  Stereometrie  usw. 

der  G.  Braunschen  Hofbachhandlang.    1854.   X  u.  406  S.  8. 
(Preis  2  fl.  42  kr.). 

1^8  fi^iht  beim  mathematischen  Unterficbto  swei  wesentlich  von 
üinuiider  abweichende  Methoden:  die  eine  gibt  dem  Schüler  die  Lehr- 
sülzü  und  Beweise  zum  einüben  hin,  und  begnügt  sich  damit,  weni  der 
Schüler  dieselben  seinem  Gedächtnisse  fest  eingeprägt  bat;  die  andere 
will  dem  Schüler  die  Befähigung  verschaffen,  die  Beweise  zu  den  ge- 
((ebenen  Lehrsätzen  seihst  aufzufinden.  Wem  nicht  die  einem  Schol- 
maiine  unenlbchrlichen  paedugogischcu  und  psychologischen  Kennt- 
nisse fohlen,  der  weisz,  dasz  die  erste  Art  und  Weise  geradein  ver- 
werHich  ist,  und  es  entsteht  daher  nur  die  Frage,  auf  welche  Weise 
hei  dem  zweiten  Unterrichtsgango  verfahren  wird. 

Die  heuristische  Methode  darf  den  Schüler  nicht  auf  ein 
blindes  suchen  verweisen,  sondern  sie  musz  ihn  anweisen  nach  be- 
stimmten festen  Kegeln  und  klar  erkannten  Gründen  zu  verfahren.  Von 
diesen  Grundsätzen  geleitet,  hat  der  als  Lehrer  und  Schriftsteller 
rühmlich  bekannte  Herr  Verfasser  das  ^Lehrbuch'  (Nr.  1)  abgefosst. 
Ks  enthält  die  Lehrsätze,  Zusätze  und  Aufgtiben  nebst  den  nöthigen 
Andeutungen  zu  den  Beweisen  der  Lehrsätze  und  den  Auflösungen  der 
Aufgaben,- und  es  werden,  nach  der  Ueberzeugung  des  Referenten, 
sicher  die  gegebenen  Andeutungen  den  Schüler  zur  klaren  AufEiBSung 
des  Zieles  und  der  zur  Erreichung  des  Zieles  anzuwendenden  MilieK 
führen,  und  die  Einsicht  in  den  Zusammenhang  vermitteln,  in  dem  das 
zu  erlernende  mit  dem  schon  erlernten  steht.  Die  Gnindsitxe,  die  bei 
Ausarbeitung  des  ^Lehrbuches'  maszgebend  waren,  können  nicht  mekr 
in  Frage  stehen ;  sie  gehören  als  unbestreitbare  Wahrheilen  der  Wis- 
senschuft an.  Die  Ausarbeitung  jedoch  ist  neu ,  und  es  wird  gewisi 
die  Erfahrung  beweisen,  dasz  der  hier  angegebene  Weg  die  Schüler 
zur  selbstthätigen  Auflindung  der  Beweise  und  Auflösungen,  sowie 
zur  vollen  Klarheit  in  dem  Verständnisse  und  zur  Sicherkeil  in  der 
Boherschung  des  Inhaltes  führen  wird.  Wem  es  um  die  Selbstthätig- 
keit  und  Selbständigkeit  seiner  Schüler  zu  thun  ist,  der  mache  einen 
Vor^uch  mit  diesem  Lehrbuche,  und  er  wird  sich  nicht  getauscht  ftn- 
don.  Jedenfalls  wird  das  Buch  Lehrer  und  Schuler  zu  fruchtbarem 
nachdenken  anregen. 

In  einem  Punkte  könnte  einer  oder  der  andere  von  der  des  Herrn 
Vorfasisers  abdeichender  Ansicht  sein:  oh  nemlich  die  Lehrsitse 
an  die  Spitfo  gestellt,  oder  von  den  Schülern  in  Folge  darauf  besüg- 
lieber  Fragen  selbst  gefunden  werden  sollen.  Wie  nemlich  der  paeda- 
):oi:i!iche  Sale :  Soni  einfachen  zum  lusamniengeselzlen'  in  der  Weise 
mis\  erstanden  ^^urde,  dasf  manche  Mathematiker  beim  ersten  geome- 
trischen l'nter richte  ^  om  Tunkte,  statt  vom  K  o  r  p  e  r  ausgehen ,  so 
kann  auch  die  Ue^el :  Som  besonderen  r.um  allgemeinen  aufzusteigen' 
manchen  irre  fahren,  so  dasi  er  der  Ansicht  wird,  es  müsse  der  Schü- 
ler aus  der  Betrachtung  eins  einer  Falle  tum  selbstfinden  der  ellgemei- 
nen  Sat£e  (lehrsat:e1  angeleitet  werden.    Sicher  wird  aber  nicht  der- 


K.  Grober:  der  Unterricht  in  der  Planimelrie,  Stereometrie  asw.  297 

jenige  za  diesem  Trugschlüsse  kommen ,  der  einmal  die  heuristische 
Methode  bei  dem  geometrischen  Unterrichte  angewendet  hat;  denn  es 
mflssen  die  Schüler  doch  das  Ziel  kennen,  nm  den  richtigen  Weg 
Eum  Ziele  einschlagen  zu  können.  Kann  man  von  einem  Wanderer 
verlangen,  dass  er  zu  marschieren  anfange,  ohne  zn  wissen,  wohin  er 
gehen,  wo  er  ankommen  will?  Wo  dies  der  Fall  ist,  z.  B.  beim  Mar- 
sche von  Soldaten  oder  von  gefangenen,  da  kann  von  SelbstSndigkeit 
keine  Rede  sein.  Mag  dem  Schaler  das  einzelne  noch  so  klar  sein,  so 
fehlt  ihm  doch,  sobald  er  das  Ziel  nicht  kennt,  die  Kraft,  die  einzel- 
nen Glieder  als  ein  ganzes  anzusehen,  und  so  geht  ihm  die  Einheit 
des  Beweises,  nach  welcher  die  Folgerung  in  der  Voraussetzung,  als 
untrennbar  davon,  erblickt  werden  musz,  und  damit  die  eigentliche 
Evidenz  verloren,  wodurch  die  Geometrie  gerade  anziehend  und  bil- 
dend wird.  Deswegen  müssen  auch  bei  der  heuristischen  Methode,  wie 
CS  im  ^ Lehrbuche'  geschehen  ist,  die  Lehrsätze  an  die  Spitze  gestellt 
werden. 

Das  ^Handbuch'  (Nr.  II),  welches  dem  Lehrer  zur  Benutzung 
dienen  soll  und  mit  dem  für  die  Hand  des  Schülers  bestimmten  *  Lehr- 
buche' (Nr.  I)  in  Anlage  und  Durchführung  und  daher  auch  in  Para- 
graphen und  Nummern  in  genauester  Uebereinstimmung  steht,  gibt 
nebst  den  Lehrsätzen  auch  die  vollständigen  Beweise  und  die  Auflö- 
sungen der  Aufgaben,  und  wird  auch  den  Anfänger  in  Sland  setzen, 
das  *  Lehrbuch'  auf  sachdienliche  und  zweckmäszige  Weise  zu  ge- 
brauchen. 

Indem  wir  die  beiden  Schriften,  welche  in  ihrer  ganzen  Haltung 
und  Fassung  den  Herrn  Verfasser  als  einen  paedagogisch  gebildeten 
Schulmann  erkennen  lassen,  in  diesen  Blättern  zur  Anzeige  bringen, 
glauben  wir  uns  nicht  zu  teuschen,  wenn  wir  behaupten,  dasz  sie  (wie 
auch  schon  anderwärts  in  öffentlichen  Blättern  ausgesprochen  worden) 
eine  wesentliche  Lücke  in  unserer  SchuUitteratur  auf  erfreuliche  Weise 
ausfüllen  und  in  unsern  Schulanstalten  dem  mathematischen  Unterrichte 
einen  guten  Erfolg  sichern  werden,  und  ihre  Empfehlung  dürfte  um  so 
mehr  gerechtfertigt  erscheinen,  als  sie  auch,  bei  einem  sehr  niedrig- 
gestellten  Preise,  durch  äuszere  Ausstajltung,  schönes  Papier  und  cor- 
recten  Druck  allen  billigen  Anforderungen  vollständig  entsprechen. 

[#1 


22. 

Zu  Xenoph.  Anab.  IV  3  29. 

ort  oi^ro^  agiarog  iaotxo^  6g  av  ngmog  iv  xm  niqctv  yivr(tat. 

So  oft  wir  diese  Stellen  gelesen  und  erklärt,  so  oft  haben  wir 
dieselbe  für  verderbt  gehalten,  weil  der  Gedanke,  so  schön  und  an- 
sprechend er  unter  andern  Umstanden  erscheint,  an  vnsrer  Stelle  nicht 


296  Zu  Xenoph.  Anab.  IV  3  29  and  1  10  13. 

zum  vorhergehenden  passt.  Die  Griechen  befinden  sich  am  Kentrikes; 
Cheirisopholb  hat  den  FIusz  in  der  glücklich  aufgefundenen  Fort  darch- 
schritten,  der  Tross  watet  hindurch,  da  erscheinen  an  den  Gebirgaab- 
häugen  die  Karduchen.  Rasch  entschlieszt  sich  der  noch  am  linken 
Ufer  stehende  Xenophon  dieselben  mit  einem  Theile  seiner  Soldaten 
anzugreifen  und  wo  möglich  zurückzutreiben.  In  §  29  ertheilt  er  sei- 
nen Kriegern  die  für  den  spätem  Uebergang  nötbigen  Befehle  dahin, 
dasz  sie  bei  dei'  Flucht  der  Feinde  rechtsumkehrt  machen  und  die 
Uragen  voran  möglichst  rasch  durch  den  Flusz  waten  sollen.  Dabei 
macht  er  aber  ausdrücklich  den  Zusatz,  ^dasz  jeder,  damit  sie  sich 
nicht  hindern,  an  seinem  Platz  d.  i.  in  Heih^  und  Glied  bleiben  solle,' 
so  dasz  also  sich  von  selbst  ergibt,  dasz  die  Uragen  zuerst,  die  Locha« 
gen  zuletzt  ans  andre  Ufer  gelangen. 

Der  ausgeschriebene  Satz  hebt  aber  den  Befehl  des  Xenophon,  in 
Reih''  und  Glied  zu  bleiben  geradezu  auf,  er  schlieszt  ja  die  Aufforde- 
rung in  sich,  dasz  alle  Soldaten,  mithin  auch  die  Lochagen  durch  einen 
Wettlauf  im  Flusse  sich  bemühen  sollen,  die  ersten  zu  werden.  Wenn 
nun  schon  bei  einem  Wettlauf  in  der  Ebene  alle  Marsch-  und  Glieder- 
ordnung aufgelöst  wird,  wie  wir  das  aus  III  4  20 — 23  wissen,  vm  wie 
viel  mehr  musz  das  im  Flusze  geschehen,  wo  ein  solcher  Wetllaaf 
noch  durch  die  Strömung  und  die  gröszere  oder  geringere  Schlüpfrig- 
keit des  Fluszbcttes  erschwert  wird ^)?  Kurz,  Xenophon  kann  sich 
nicht  in  einen  solchen  Widerspruch  verwickeln,  dasz  er  seine  Solda- 
ten in  einem  Satze  vom  Weltlauf  abmahnt,  im  andern  dazu  anspornt; 
der  letzte  Salz  musz  vielmehr  den  Befehl  des  ersten :  ^  xai  öiußaivBiv 
ort  x(i%iCxa  y  SnaaTog  ri}v  zci^iv  dx^v^  ag  jü^  i(i7todliHv  akXfjXovg* 
kräftig  unterstützen. 

Wie  wahrscheinlich  zu  emendieren,  darauf  leitete  die  Variante, 
welche  nach  der  neusten  Collation  der  von  Dindorf  mit  C  bezeichnete 
pariser  Codex  ursprünglich  gehabt  hat,  indem  er  statt  ovro^  ov  zig 
bietet.  —  Da  bekanntlich  der  Spiritus  in  den  Handschriften  oft  ver- 
tauscht ist,  so  kann  man  dafür  ovTig  vermuten.  Dieses  möchte  aber  in 
die  Verbindung  nicht  passen,  wol  aber  das  adverbielle  ovri.  Wie  dar- 
aus ovtog  werden  konnte,  erklart  sich  aus  der  in  den  Handschriften 
oft  vorkommenden  Vertauschung  mit  ovrot,  welches  letztere  bei  der 
leichten  Verwechslung  des  I  (i)  und  C  (<t)  in  unleserlichen  Stellen  in 
ovxog  übergieng.  —  Lesen  wir  also :  oxi  ovzi  SgiCtog  laono  %.  x.  it.. 
so  haben  wir  den  zum  Zusammenhange  passenden  Gedanken. 

Anab.  I  10  12. 
xal  zo  ßualkeiov  (Stjfietov  oquv  Stpacccv  äezov  xiva  %qv6(A}v  inl  lUXxy 
inl  ^Xov  avateta(iivov. 
Die  Handschriften  bieten  inl  gvAov,  nur  einige  der  zweiten  Fami- 

*)  Layardy  der  die  Kurt  desKentriteA  aufgefunden  zo  haben  glaubt, 
sagt  in  Ninive  und  Babvlon  dentsch  von  Zenker  p.  39:  'der  Flusz  war 
breit  und  reiszend  und  stiinte  über  lockere  und  schlüpfrige  Steine 
dahin,  so  dasz  der  Boden  sehr  unsicher  ist.* 


Za  Phaedras  Fabeln  lU  1.  200 

lie  haben  iitl  ^Aov;  aber  dieaer  Zasatz  hat  atela  Anatoss  erregt  and 
Hutchinsons  Conjectur  hat  swar  einige  Billigung,  aber  keine  Aufnabme 
in  den  Text  gefunden.  Wir  machen  einen  andern  Vorschlag.  Curtius 
berichtet  llf  d  7  ausdrficklich,  dasz^der  goldene  Adler  aaf  dem  Wagen 
des  Königs  zwischen  den  goldenen  Figuren  des  Ninos  und  Beloa  aaf 
dem  Joche  gestanden  habe  und  Layard  bemerkt  ^Niniye  nnd  Babylon 
deutsch  von  Zenker'  S.  336  flg.  bei  der  Beschreibung  der  zu  Kujund- 
shik,  dem  Mespila  des  Xenophon,  gefundenen  Basreliefs,  dasz  der  Wa- 
gen des  assyrischen  Herschers  genau  der  von  Curtius  gegebenen  Be- 
schreibung entspreche.  Lesen  wir  nun  inl  niXzy  htl  tvyovy  so  stimmt 
auch  unsere  Stelle  mit  Curtius  und  den  Basreliefs  nnd  der  Zusatz  ist 
gerechtfertigt.  —  Die  Stelle  aus  Cyrop.  VII  1  4  spricht  nicht  gegen 
diesen  Vorschlag,  denn  auch  dort  kann  der  Schaft  mit  dem  Adler  sich 
auf  einem  Wagen  befunden  haben.  Wenigstens  bemerkt  Layard  ^Ni- 
nive  und  seine  Ueberreste,  deutsch  von  Meiszner'  S.  367  (vgl.  aaeh 
Ninive  und  Babylon  p.  117):  *Die  SUndarten  scheinen  durch  einen 
vorn  am  Wagen  befindlichen  Schuh  oder  eine  Gabel  gehalten  worden 
zu  sein  und  eine  lange  Ruthe  oder  Seil  verband  sie  mit  dem  Ende  der 
Deichsel.' 

Clausthal.  YoübrechL 


23. 

Zu  Phaedrus  Fabeln  III  1 . 


Anut  ad  amphoram. 

Anus  iacere  vidit  epotam  amphoram^ 

Adhuc  Falerna  faece  e  leskt  nobili 

Odorem  quae  iucundum  lote  spargeret, 

Hunc  poslquam  totis  avida  traxit  naribus: 

^0  suavü  anitna!  quäle  in  te  dicam  bonum 

Aniehac  fuisse,  tales  cum  sinl  reliquiael' 

Hoc  quo  periineatj  dicel^  qui  me  noeerit. 
Der  sechste  Vers  der  vorstehenden  Fabel  hat  wegen  seiner  Kürze, 
wodurch  die  Beziehung  auf  den  Sinn  der  i'abel  dunkel  wurde ,  von 
den  Gelehrten  manigfache  Deutungen  erlitten ,  deren  die  eine  unpas- 
send, die  andere  matt,  alle,  manchmal  für  ihre  Urheber  selbst,  unbe- 
friedigend sind.  Die  vorzaglichsten  derselben  sind  folgende:  Burmann 
gibt  die  Erklärung:  Quia  eero  Phaedri  fabulis  saepe  obliqui  in  Tibe- 
rium  et  tempora  eius  sensus  »ubsunl^  nescio  an  non  hie  tangat  impe- 
raiorem ,  qui  defectus  annis  et  effetus  tarnen  libidinis  infamis  erat^ 
et  quum  ipsi  tnres  deessent ,  omnibus  modis  et  adspectu  obscoenissi- 
marum  Ubiditium  deficienles  vires  excitabatj  et  cum  patrare  ipse  non 
posset^  ligurriret  adhuc  ^  ut  hircus  t>etulus^  naturam.    Vid.  Sueton. 


300  Zu  Phaedrus  Fabeln  III  I 

c.  44  45.  lla  quod  anus  de  odore  ex  amphora  epoia  Tiberium  po- 
tuisse  de  natura  Ugurrüa  dicere ,  intelligent^  qui  Phaedri  mores  et 
ingeniutn  noverint,  Sed  quia  Phaedrus  noluit  aperte  se  expHcare^ 
et  nos  a  quaerendo  desistamus.  Gesetzt  auch,  der  freigelassene  Phae- 
drus bötte  es  gewagt,  in  seinen  Versen  auf  den  Tiberius  sn  zielen,  so 
wäre  es  unbesonnen  gewesen,  wegen  eines  so  matten  Epigrammes 
sich  der  Gefahr  auszusetzen,  Gut  und  Leben  zu  verlieren.  Das  acheint 
Burmann  auch  selbst  gefühlt  zu  haben,  deshalb  versucht  er  noch  eine 
andere  Deutung:  Posset  et  fabula  simpliciter  de  vita  humana  et  se- 
nectute^  quae  faex  eitae  est^  ut  ait  Seneca  epist.  57,  intelligi^  cuiuSy 
etsi  optima  pars  exhausla  sit^  reliquiae  sunt  gratissimae.  Durch  diese 
Erklärung  verliert  die  Fabel  alle  individuelle  Beziehung. 

Andere  Erklärer,  wie  Ritterh.,  Kigalt.,  Danet.,  Hoogstrat.,  Freinah., 
Santoroc. ,  SchefTer,  Brotier  nehmen  die  Beziehung  auf  das  Alter  des 
Phaedrus  selbst.  Guyetus  erklärt  also :  qui  me  norerity  dicat^  mirum 
me  iucenem  fuisse^  qui  talis  sum  senex.  Ebenso  unpassend  ist,  was 
SchefTer  vorbringt:  vult  ex  hoc  ultimo  senectutis^  quae  est  quasi  eitae 
faex^  opusculo  fabularum  posse  colligi,  qualis  fuerit  integra  adkuc 
aetate,^  Gegen  beide  Erklärungen  bemerkt  schon  Schirach  treffend 
(v.  cl.  iu  Clav.  V.  anima):  Totam  hanc  fabulam  miror  Svhefferum  re- 
tulisse  ad  senectutem  Phaedri^  inductum  vers.  ult,  Num  credibile^ 
poetam  tarn  elegantem  se  tarn  immaniter  laudasse?  IS'am  quid  aliud^ 
nisi  summa  sui  ipsius  laus^  si  innuit^  senectutem  suam^  s.  faecem  eitae 
suae^  adhuc  tambene  olere  in  fabularum  suarum  elegantia^  ut  iuten- 
tiitis  indicet  praestantiam  eximiam.  Er  fährt  dann  fort:  Ego  refero 
ad  Aesopi  fabulas^  conversas  in  linguam  latinam  a  Phaedro;  has 
quasi  reliquias  et  faecem  amphora e  öptimi  tini  vult  haberi,  et  si  cm 
ipse  placeat^  debeat  is  colligere^  quanta  ipsius  Aesopi  excellentia; 
quod  consueta  sua  breviloquentia  sie  extulit:  Hoc  quo  pertineat^ 
dicet^  qui  me  nocerit^  A.  e.  me  cognoverit  imitatorem  Aesopi* 
Mit  dieser  Erklärung  würde  dem  Phaedrus  selbst  schlecht  gedient 
sein,  der  sich  selbst  so  oft  neben  und  nicht  bis  zu  dem  Grade  anter 
den  Aesopus  stellt,  dasz  er  sich  selbst  einen  imitätor  Aesopi ^  den 
Aesopus  merum  Falernum,  sich  selbst  faex  epotae  amphorae  nennen 
sollte.  Heinsius  bezieht  wol  am  passendsten  die  Fabel  auf  die  Knecht- 
schaft des  Phaedrns  und  die  Erinnerung  seiner  ehemaligen  Freiheit. 
Zeune  meint ,  der  Dichter  hätte  sich  auf  sein  herannahendes  Alter  und 
sein  Unglück  bezogen,  durch  welches  beides  sein  Geist  gesohwäeht 
werde.  Vid.  P.  II  Phaedri  p.  29  edit.  Hai.  Auf  das  Alter  beziehen  aoeh 
die  Stelle  Funcc.  Apol.  pro  Phaedro  p.  36  und  Jakobs  in  den  Beiträ- 
gen zu  Sulzers  Theorie  d.  s.  K.  T.  VI  P.  1  p.  33  und  schlieszcn ,  der 
Dichter  habe  durch  diese  Epimythie  bezeichnen  wollen,  *man  dürfe 
sein  Verdienst  und  seine  Kenntnisse  nicht  nach  den  wenigen  Bruch- 
stücken beurtbeilen,  die  man  davon  in  seinen  Fabeln  linde.'  Schwabe 
sagt  am  Endo  folgendes:  In  tanta  sententiarum  discrepantia y  cum 
certiora  nesciamus^  obsequamur  Burmanno ^  hanc  in  rem  scribenii: 


Zu  Phaedros  Fabeln  Ul  1.  SOI 

{ßuia   Phaedrus   noluit   se   aperie  explieare^  et  nos  a 
quaerendo  desislamus. 

Gleich  beim  ersten  lesen  der  Fabel ,  noch  ehe  mir  irgend  eine 
Erklärung  derselben  bekannt  war,  flel  mir  die  Beziehung  auf  die  ver- 
lorene Freiheit  Roms  ein.  Dieser  Gedanke  ist  mir  durch  keine  der 
verschiedenen  Interpretationen  geschwächt  worden.  Alles  passt  dann 
trefTlicb,  und  das  sonst  so  matte  Epigramm  wird  gedankenvoll,  indem 
beinahe  jedes  Wörtchen  Bedeutung  erhält.  Das  Zeitalter  des  Phaedrus 
fiel  in  die  lelzte  Periode  des  Augustus  und  in  die  erste  des  Tiberius, 
wo  also  die  Sonne  der  Freiheit  längst  untergegangen  war.  Das  altge- 
wordene Uom  —  anus^  wie  es  auch  schon  bei  Sallust.  Cat.  53  5  effeta 
parens  heiszt  —  erinnert  sich  bei  den  noch  bestehenden  Formen  — 
epotam  amphoram^  tesla  nohili  — ,  bei  dem  ihm  noch  gelassenen 
Scheine  von  Freiheit  —  faex  talerna  (Tacit.  ann.  I  3:  eadem  magi- 
stratuutn  vocabuld)  —  seiner  ehemaligen  Jugendkraft  im  Genüsse  der 
wahren  Freiheit  —  merum  Falernum  — ,  deren  Ueberreste  —  reli- 
quiae  —  und  leere,  bedeutungslose  Würden  —  testa  nobilis  — 
noch  einen  so  wunderbaren  Eindruck  auf  das  Gemüt  machten  —  odo- 
retn  quae  iucundum  late  spargerei  — ,  dasz  jeder  edle  Römer  noch 
den  letzten  Tropfen  des  einst  so  herlichen  Falernerweins  zu  schlürfen 
suchte  —  hunc  posiquam  totis  avida  traxit  naribus  — .  Aber  je  kla- 
rer das  Bewustsein  des  kernlosen,  je  lebhafter  die  Erinnerung  an  das 
entschwundene,  desto  tiefer  die  Wehmnth ,  desto  gröszer  die  Trauer 
um  das-  verlorene,  und  ergreifend  sind  jetzt  die  Verse : 
0  suavis  anima!  quäle  in  te  dicam  bonum 
Äntehac  fuisse^  tales  cum  sint  reliquiae! 

Einfach  und  klar  schlieszt  sich  jetzt  der  6e  Vers  in  seiner  gewis 
von  Phaedrus  selbst  gesuchten  Kürze,  Dunkelheit  und  Vieldeutigkeit 
an;  ^Wer  mich  kennt,  wird  die  Deutung  verstehen,'  nem- 
lieh  mich,  der  ich  der  Republik  anhange. 

Die  Sehnsucht  der  besten  Römer  in  den  Kaiserzeiten  nach  der 
verlorenen  Republik  ist  bekannt  genug.  Man  vergleiche  darüber  Tacit. 
ann.  I  74:  manebani  etiam  tum  eestigia  morientis  libertatis ,  rom  J. 
15  nach  Chr.  im  zweiten  des  Regierungsantrittes  des  Tiberius.  —  I  81 
quantoque  etc.  Wie  tief  diese  Sehnsucht  im  Herzen  des  Volkes  sasz, 
zeigte  sich  bei  der  Todtenfeier  des  Germanicns  deutlich  genug,  ibid. 
111.  —  Vgl.  1.  111  c.  44;  111  60;  III  28;  III  76;  XI  20;  XV  49.  —  Dasz 
den  Fabeln  des  Phaedrus  überhaupt  politische  Anspielungen  nicht  fremd 
waren,  hat  ebenfalls  Burmiunn  in  seiner  Erklärung  zu  1 7  angenommen, 
lieber  die  Gesinnungen  unsers  Dichters  in  dieser  Hinsicht  vgl.  I  31 
Mihus  et  columba.  —  Prolog,  ad  III  v.  33  sq.  —  III  7  canis  et  lupus. 

Coesfeld.  0.  Löbher. 


302  Auszüge  aus  Zeitscliriflen. 

Auszuge  aus  Zeilschrilten. 


i'orrespofidenzblatt  f.  d.  Gelehrten-u,  ReaUtchulen  Württembergs. 
1855.  Monatlich  je  l<^  Bogen;  Preis  f.  d.  Jahrgang  3  Gulden; 
Herausgeber  Prof.  Kl ai her,  Frisch,  Holzer;  zu  beziehen 
durch  F.  Steinkopf  in  Stuttgart. 

No.  I.  1)  Der  ältere  an  den  jüngeren  Schulmann:  Eine 
der  tadelnawerthen  Seiten  des  Herkommens  unserer  lat.  Schulen  ist  dai 
eilfertige,  stotternde  und  gedankenlose  lesen  des  KxpositionstofTes  und 
das  allzurasche,  ohne  genügende  Sammlung  und  Besinnung  gefertigte 
übersetzen,  wobei  der  Lehrer  den  Schüler  durch  beständige  Berichti- 
gungen, Fragen,  Ausrufungen  unterbricht.  Fälschlichervreise  werden 
die  grammatikalischen  Mittheilungen  für  die  Hauptsache,  die  Expo- 
sition nur  als  Mittel  für  die  Composition  angesehen.  Umgekehrt 
musz  bei  der  jetzigen  Aufgabe  des  Gymnasialunterrichts  die  Exposition 
wenigstens  für  die  älteren  Schüler  als  das  wichtigere  betrachtet  wer- 
den, die  Composition  soll  sich  dazu  wie  das  Mittel  zum  Zweck  Ter- 
halten.  Bei  jenem  herkömmlichen  betreiben  der  Exposition  liest  man, 
in  Betracht  dasz  das  Gymnasium  dermalen  an  der  Jugend  das  vollen- 
den musz,  was  dieser  die  Philologie  leisten  soll,  —  zu  weniges  von 
den  Klassikern ;  zudem  lernt  dabei  der  Schüler  nicht  lesen,  sondern  nur 
stottern  und  schnattern,  lernt  namentlich  nicht  deutsch,  aber  auch 
nicht  einmal  lateinisch,  j^ondern  nur  ein  Aggregat  von  Regeln.  Diese 
gehören  aber  vorhersehend  in  die  Lehrstunden,  welche  der  Composition 
—  und  allerdings  bei  den  jüngeren  Schülern  in  gleichem  Zeitumfanc  — 
zu  widmen  sind.  In  den  für  Exposition  bestimmten  musz  diese  selbst 
die  Hauptsache  bleiben  und  es  kommt  der  Composition  zu  gut,  wenn 
man  den  Zweck,  welcher  dem  exponieren  zunächst  vorliegt,  festen 
Blicks  und  mit  Anwendung  der  rechten  Mittel  verfolgt.  Zu  den  lata- 
ten  gehört  vor  allen  Dingen  gute  Vorbereitung,  ebenso  von  Seiten  des 
Lehrers,  wie  von  den  Schülern;  und  zwar  müssen  diese  das  rechte 
praeparieren  gelehrt  werden,  vornemlich  durch  die  rechte  Behandlung 
der  Exposition  in  der  Schule.  Diese  aber  besteht  unter  anderem  darin, 
dasz  man  die  nothigen  Fragen  dem  übersetzen  des  Schulers  voran- 
gehen lasse,  statt  dabz  nach  dem  alten  herkommen  diese,  und  dasn 
noch  eine  Menge  von  Excursen  nachzufolgen  pflegen.  Syntaktische 
Regeln  ziehe  man  doch  ja  nur  so  weit  herbei,  als  dieselben  zur  Erklä- 
rung des  vorliegenden  dienen.  Der  letzte  Zweck  auch  bei  dem  expo- 
nieren musz  fort  und  fort  kein  anderer  sein,  als  dasz  die  Schaler 
durch  den  Unterricht  verstehend  aufmerken  und  aufmerkend  verstehen 
lernen.  Dadurch  übt  der  Lehrer  vornemlich  seinen  sittlichen  EinflnfS 
aus.  Das  gleiche  gilt  aber  auch  von  der  Composition,  die  in  einer 
beständigen  Uebung  der  UrtheiUkraft  gemacht  werden  musz,  was  ehen- 
falls  das  alte  herkommen  mit  seiner  Behandlung  der  Regeln  als  reiner 
Gedächtnissache  vielfach  versäumt  hat.  —  2)  Erheiternde  nnd  zugleich 
belehrende  Anekdoten  aus  Tagebüchern  und  andern  Aufzeich- 
nungen eines  Schulmannes  ( wol  des.*!elben,  der  in  No.  1  spricht). 
Fortgesetzt  in  No.  2  3  5;  Beilage.  —  3)  Ueber  den  Unterricht 
im  geometrischen  zeichnen  von  Prof.  Ritter:  eine  theoretisch 
praktische  Methode  wird  empfohlen.  —  4)  Prufungsaufgaben  fnr 
die  Maturitätsprüfung  der  Canijidaten  gelehrter  Studien  und  der  Poly- 
techniker v.  J.  1854,  vollständig  mitgctheilt.   Diese  Rubrik  'Prufungs- 


Ansiüge  aas  Zeitsohriften.      "^  303 

aufgaben '  für  die  verschiedensten  Altersstufen  findet  sich  ebenso  fast 
in  allen  Nummern  des  Blattes,  zum  Theil  (wie  i.  B.  No.  IX)  mit 
Uebersetznngsproben. 

No.  JI  und  III.  1)  Die  Schulaufgaben  über  den  Sonntag 
von  V.  St.  (Director  Strebel?):  Auch  die  kleinste  eigentliche  Aufgabe 
in  den  Sprach-  und  Realfachern  über  den  Sonntag  ist  zu  viel :  dadurch 
werden  die  künftigen  Beamten  methodisch  zur  Sonntagsentheilignng 
angehalten.  Memorieren  von  Spruchen,  Liedern,  aufschreiben  von  Pre- 
digtgedanken u.  dgl.  zur  Sonntagsbeschäftigung  sich  schickende  Aufga- 
ben «ind  das  einzige,  was  man  zulassen  sollte.  Denn  Sonntagsaufgaben 
sind  für  die  Lemzwecke  der  Schule  nicht  unentbehrlich  (Beispiel:  Phil. 
Jak.  Spener),  für  das  sittliche  Leben  einerseits  nicht  bewahrend,  ande- 
rerseits sogar  hinderlich  und  störend,  ihre  Beseitigung  aber  auch  um 
des  Leibes  willen  wünschenswerth.  Die  allein  richtige  Anwendung  des 
Sonntags  besteht  theils  in  geistlicher  Anregung  durch  den  häuslichen 
wie  öffentlichen  Grottesdienst,  theils  in  harmloser  Beschäftigung  mit 
guter  Leetüre,  Kunstnbung,  Naturgenusz,  personlichem  Umgang  mit 
Familiengliedern  usw.  —  Die  Entgegnung  auf  diese  Anklage  (von  P. 
in  H.  No.  V)  sagt:  in  unsern  Anstalten  werde  der  Sonntag  nirgends 
als  Arbeitstag  behandelt  und  auch  der  von  S.  angegriffene  Erlasz  des 
k.  Studienraths  habe  diesen  Sinn  gar  nicht;  was  an  den  Vorschlägen 
des  Verf.  gutes  sei,  finde  sich  bereits  in  Wirklichkeit  vor;  derselbe 
übertreibe  in  seiner  Schilderung  des  'Treibsteckens  der  Arbeit  am 
Sonntag',  nehme  einige  misbräuchliche  Ausnahmen  für  das  gewohn- 
liche, lasse  aber  die  Begründung  seines  Satzes,  dasz  auch  ein  minimum 
von  Sonntaesaufgaben  zu  viel  sei,  vermissen,  und  trage  der  geistigen 
Stufe,  auf  der  sich  der  Knabe  befinde,  in  Betreff  der  Andachtsübungen 
nicht  genug  Rechnung.  —  1)  Nachträge  zur  lat.  Uebersetzung  einer 
Prüfungsaufgabe  von  Mezger  in  Seh.  und  3)  von  Jäger  in  N.  eine 
Erwiederung  auf  einen  früheren  Aufsatz,  der  das  Latein  in  der 
Realschule  in  Schutz  genommen  hatte.  —  4)  (Beilage)  33  Thesen  über 
den  Lehrplan  für  Realschulen,  besonders  die  oberen  Klassen  von  £b- 
ner  in  E.  —  5)  Die  griechische  Syntax  von  J.  Paulus  1864, 
Preis  18  kr.  wegen  ihrer  strengen  und  übersichtlichen  Eintheilung  des 
Stoffes,  Einfachheit  und  Faszlichkeit  gelobt  und  empfohlen. 

No.  III.  I)  Schmid  in  U.  macht  auf  die  neueste  Schulansgabe 
der  Metamorphosen  Ovids  von  Dr.  Siebeiis  1863  und  1864  in 
sehr  anerkennender  Weise  aufmerksam;  2)  ein  ungenannter  hebt  mit 
eingehender  Begründung  die  Vorzüge  des  in  zweiter  Aufl.  vorliegenden 
Sc  nu  lat  las  von  Grosz  auch  vor  seinen  würdigen  Concurrenten 
(Kiepert  und  Sydow),  noch  mehr  vor  dem  Atlaf  von  Lange  hervor: 
Die  schonen  Kartenbilder,  noch  weiter  ausgezeichnet  durch  zahlreiche 
Kartone  und  Profile,  den  gewählten  Farbendruck,  die  zierliche  Ter- 
rainzeichnung,  das  richtige  Maszhalten  in  Aufnahme  von  geographischen 
Eigennamen,  Sonderung  des  wichtigen  von  dem  minder  wichtigen.  — 
3)  Dr.  R.  Horat.  Sat.  II  4  83,  ebenso  Martial  XIV  82  sei  palma  nicht 
als  'Besen  aus  Talmblättern',  sondern  als  'Hand'  zu  nehmen;  varii  la- 
pidea  aber  seien  'farbige  Edelsteine'.  —  4)  (Beil.)  Die  neuen  Sta- 
tuten des  Stuttgarter  Gymnasiums.  —  &)  Rec.  von  'Varia 
Variorum  carmina  lat.  mod.  aptata  —  offert  H.  Stadelmann':  re** 
eher,  mannigfaltiger  und  gut  gewählter  Inhalt,  grosze  Leichtigkeit  in 
Handhabung  der  romischen.  Versformen  werden  gebührend  anerkannt, 
ebenso  entschieden  aber  der  Mangel  an  Treue  und  Pünktlichkeit  im 
wiedergeben  der  Originale  getadelt. 

No.  IV.  1)  Mittheilung  eines  Mitglieds  des  k.  Studien- 
raths warnt  vor  dem  Zudrang  zum  Beruf  der  Reallehrer;  es  seien 
40  geprüfte  Candidaten  vorhanden  und  dadurch  das  Bedürfnis  aaf  vehr 


304  Auszüg^e  nus  Zcitscliriflcn. 

uls  12  Juhrc  gedeckt.  —  2)  Zu  der  Fra{;e  uher  die  geeignetste 
Zeit  der  Soliul  fer  ieii.  K»  wäre  für  die  Schule,  die  aU  das  ver- 
bindcnde  Mittelglied  zwischen  der  Familie  und  der  wirklichen  Welt 
für  das  Leben  somit  auch  für  das  kirchliche  Leben  vorzubilden  hat, 
sehr  wünschenswcrth,  wenn  ihr  durch  die  (vom  k.  Studienrath  beab- 
sichtigte) Kcrienordnung  die  Festzeit  der  Charwoche  in  der  Art  zur 
Verfügung  gestellt  würde,  dasz  dieselbe  von  Lehrern  und  Schülern  in 
gemeinschaftlicher  Feier  begangen  werden  könnte:  von  Mexger  in 
Seh.  —  3)  Liv.  V  26  ^ceterum  1.  captivum^  und  statt  indicem  zu  leüeu 
indidem:  Conjectur  von  Kern  in  Su  —  4)  Eine  Uebersetzungsprobe 
aus  dem  Lateinischen  (einer  Schrift  des  Aeneas  Silvius)  ins  Deutsche 
von  dem  württemb.  Kanzler  Niklas  von  Weil  aus  dem  15.  Jahrb. 
mitgetheilt  von  Scholl  in  St.  aus  seiner  deutschen  Litteraturgeschichte 
3.  Aull.  1H55. 

No.  V.  1)  Dr.  H.  sucht  das  räthselhafte  yclg  Joh.  30  17  auf  phi- 
lologischem Wege  ins  klare  zu  setzen.  —  2)  Lcuze  in  K.  zeigt  sei- 
nen Lehrgang  der  griech.  Syntax,  Tübingen  1855,  an,  der  nach 
Art  ähnlicher  Arbeiten  im  sprachl.  Gebiet  die  Sprache  an  der  Hand 
guter  Abschnitte  stufenmaszig  zu  entwickeln  suche,  so  dasz  sie  der 
Schüler  gleichsam  mit  erlebe,  findet  aber  mit  seinen  Ansichten  und 
seiner  Arbeit  wenigstens  bei  Keller  in  ü.  (s.  No.  IX)  wenig  Aner- 
kennung. 3)  Scholl  in  St.  gibt  eine  anerkennende  Anzeige  Ton: 
Altdeutsche  He  Id  cndicht  ungen ,  bearbeitet  in  Prosa  fär  das 
deutsche  Volk  und  für  die  reifere  Jugend  von  J.  Krais  (auch  durch 
eigene  dichterische  Productioncn  bekannt)  i.üd.:  der  Nibelungen  Notb. 
Gudrun,  2.  Dd.:  Parcival,  Pr.  je  1  tl.  Gerade  bei  altdeutschen  Ge- 
dichten sei  eine  Bearbeitung  in  Prosa  weit  räthlicher,  als  z.  B.  bei 
Homer,  und  in  manchem  Betracht  einer  metrischen  Uebersetzung  sogar 
vorzuziehen,  da  bei  dieser  gar  zu  leicht  neue  Lappen  auf  ein  altes 
Kleid  geflickt  erscheinen.  —  4)  Themata  zur  lat.  Coniposition: 
leichterer  Art  mit  wenigen  unterlegten  lat.  Redensarten,  fortgesetzt  in 
folgenden  xNummern.  —  5)  Kin  lat.  Original  rät  hsel,  desgieicben 
in  No.  VI.  VIII.  —  6)  (Beil.)  Das  Kgr.  Württemberg«  eine  sU- 
tistische  Skizze  von  A.  Seubert,  k.  w.  Hauptmann,  als  fleiszige  und 
auch  für  die  Schule  wnikommenc  Arbeit  gerühmt;  ebenso  7)  Grund- 
risz  der  Weltgeschichte  von  Chr.  Hoff  mann  1Ö56.  Pr.  46  kr., 
besonders  als  zu  einem  Repetitionscurse  in  der  Geschichte  trefflich  ge- 
eignet empfohlen. 

No.  VI.  1)  Heber  die  Lage  der  Stadt  Placentia  von  Kl. 
in  St.:  sie  ist  nicht,  wie  die  Karten  es  angeben,  ostlich  von  der  Hon- 
dung der  Trebia,  sondern  auf  der  Westseite  derselben  zu  setzen;  we- 
nigstens führen  die  Berichte  des  Polybios  und  Livius  auf  dieses  Ergeb- 
nis. —  *i)  Der  allere  an  den  jüngeren  Schulmann  U.  verUiei- 
digt  das  Laiidrxumen  cegen  neuere  AngrilTe,  hauptsächlich  gegen  den 
Vorwurf  der  lleberireibung  der  für  dasselbe  bestimmten  Schüler  und 
hebt  die  Vort heile  dieser  Prüfung  für  das  württemb.  Schulwesen  her- 
vor, »ofern  sie  ein  gemeiuMnieii  Xiel  der  tat.  Schulen  stecke  und  einen 
gemein>.imen  Masz^tiib  für  die  Behörde  wie  für  die  Lehrer  selbst  ab- 
gebe *^.        ,n  11.  in  H.  gibt  den  ScIiIum  zu  No.  VI,  18ji:   über  die 

•^  .Ho  rirhiig  diej»e  Bemerkungen  über  die  Vort  heile  der  genannten 
wiiittrmborglM'hon  roncur>|trüfung  jüngerer  il4jiihriger^  Schüler  die 
oino  Sriio  der  Sä  che  gegenüber  von  unbefugten  Angriffen  ins  Licht 
niellon.  «o  uonig  durdi*  in  Abrede  gerogen  werden,  dasi  andererseits 
dio  KU^o  nbei  gt^siindheiis^ehüdliehe  l'eberlreibung  in  einzelnen  Schu- 
len.    i^rliho  dA«  l.aiidrxAmen  mit  »ich  fuhrr.    eine  gans   nngegriindcte 


Aussage  aus  Zeitfchrifteo.  305 

lateinischen  Casus  in  ihrer  Grundbedeutung:  Versuch,  die 
verschiedenen  Anwendungen  der  lat.  Casus  aus  ihrer  jedesmaligen 
Grundbedeutung  zn  entwickeln,  z.  B.  'pudet  me  huius  rei  :=:  das  Ge- 
fühl der  Scham  hat  mich;  was  für  ein  Gefühl  der  Scham?  —  Das 
Schamgefühl,  welches  dieser  Sache  zugehört.'  —  4)  Ein  Wort  über 
den  Schreibunterricht  von  Diez  in  B.:  Die  letzte  Stufe  des 
Schreib  Unterrichts  ist  die  Charakterhaftigkeit  der  Handschrift,  die  sich 
allerdings  nicht  erzwingen  läszt,  wie  die  Regelmäszigkeit ,  der  Zug, 
die  Eleganz,  die  man  aber  doch  einigermaszen  schon  in  der  Schule  an- 
bahnen kann  dadurch,  dasz  die  durch  die  schulgerechte  Form  eebannte 
Phantasie  einigermaszen  wieder  in  Freiheit  gesetzt  wird.  —  6j  (Beil.) 
Statuten  des  philologischen  Seminars  zu  Tubingen.  —  6) 
Prüfungsaufgaben  bei  der  Dienstprüfung  der  Reallehramts- 
candidaten  und  eines  Fachlehramtscandidaten  (für  Mathema- 
tik) 1854. 

No.  VIT.  1)  Aus  dem  Bericht  von  Prof.  Adam  in  H.  und 
Rector  Schmid  in  U.  über  die  Spieszsche  Turnmethode 
(9chlu8Z  No.  VIII):  Die  Persönlichkeit  von  Spiesz,  die  Geschichte 
seiner  Methode  und  ihrer  Einführung  in  Darmstadt  und  das  eigenthfim- 
liehe  derselben  geschildert,  letzteres  zuerst  mit  Rücksicht  auf  den 
Stoff  der  Uebungen  und  sodann  hinsichtlich  der  Betriebsweise.  Unter- 
scheidend und  lobenswerth  an  dem  Spieszschen  System  ist  die  Beschrän- 
kung d^r  Reck-  und  Barrenübungen  und  die  Werthschatzung  und  Aus- 
bildung der  Frei-  und  Ordnungsübungen  (ohne  Gerathe  und  von  ge- 
ordneten Mengen  ausgeführt).  Unter  die  ersteren  gehört  insbesondere 
Sicherheit  und  Anstand  des  Gangs;  es  ist  eine  Aufgabe  des  Turnun- 
terrichts, auch  das  tanzen  als  Zweig  der  Leibesübungen  erzieherisch 
zu  handhaben  und  rein  zu  halten,  damit  es  nicht  ungeweihteren  Hän- 
den anvertraut  bleibe;  sehr  ansprechend  ist  auch  die  Verbindung,  in 
welche  Sp.  einige  Uebungen  dieser  Art  mit  Rhythmus  und  Gesang  ge- 
setzt hat.  Dem  Grundsatz  nach  sind  diese  Seiten  des  Systems  gewis 
zu  billigen  y  wenn  es  gleich  in  der  Ausübung  an  Auswüchsen  nicht 
fehlt.  Ganz  besonders  aber  sind  die  Ordnungsübungen  anzuerkennen 
als  treffliche  Mittel,  um  sowol  aufmerken  als  auch  sich  unterordnen  zu 
lernen,  zumal  da  sie  sich  vorzuglich  dazu  eignen,  die  Aufmerksamkeit 
aus  dem  Reich  des  denkens  zu  den  realen  Dingen  zurückzurufen,  was 
ein  beachtenswerthes  Gegengewicht  gegen  die  Gewöhnungen  des  Bü- 
cherlebens ist«  Die  Betriebsweise  betreffend,  ist  das  unterscheidende, 
dasz  Sp.  ans  dem  turnen  der  Schüler  wirklich  ein  Schulturnen  ge- 
macht, es  schulmäszig  behandeln  gelehrt  hat.  Er  verlangt  mit  Recht, 
dasz  die  Uebungen  während  des  ganzen  Schuljahres  fortgesetzt,  auch 
nicht  in  den  freien  Abendstunden,  sondern  zwischen  die  Unterrichts- 
stunden oder  wenigstens  unmittelbar  ans  Ende  derselben,  Vormittags 
oder  Nachmittags,  verlegt  werden ;  auch  sind  auf  dem  Raum  zum  tur- 
nen nicht  zu  gleicher  Zeit  Schüler  verschiedenen  Alters  versammelt; 
es  hat  je  nur  ^ine  Klasse  Turnstunde;  der  Lehrer  soll  den  Unterricht 
geben,  nicht  Schüler  (Vorturner),  dieser  aber  musz  ein  paedagogisch 
gebildeter  Mann  sein.  So  richtig  das  letztere  ist,  so  ist  das  Vortur- 
nersystem denn  doch  nicht  nur  bei  den  meisten  Geräthübungen  etwas 
unbedenkliches,  scypdern  weil  so  leichter  viele  Schüler  in  Thätigkeit 


ist.  Nicht  die  Einrichtung  dieser  Prüfung,  noch  weniger  die  Aufsichts- 
behörde der  Schule,  sondern  das  Ungeschick  einzelner  Lehrer,  am  aller- 
meisten aber  die  Eltern,  welche  tbeilweise  aus  Mittellosigkeit,  aber 
auch  oft  im  Unverstand,  nicht  selten  unbefahigte  Sohne  k  tont  prix  in 
die  Semlnarien  bringen  wollen,  sind  hieran  Schuld. 

Pf.  Jahrb,  f.  PkU. ».  Paed,  Bd.  LXXI V.  Bfl.  G.  22 


306  AnszQge  ans  Zeitschriften. 

erbalten  werden,  für  zweckmaszig  zn  halten.  Ein  einlgermasieB  nodi- 
üciertes  System  ist  werth,  in  unsere  Schalen  verpflanit  so  werden.  — 
2)  Die  heilbronner  LehrerTersammlung.  —  3)  Einige  Cir- 
culare  von  Oberstodionrath  Roth  an  die  Lehrer  dea  nntern 
und  mittleren  Gymnasiums  zu  Stuttgart:  man  aolle  beim  lat.  declinie- 
ren  den  Ablativ  mit  einer  Praeposition  cum,  de  usw.  verbinden,  aof 
richtige  Fragestellung  achten  z.  B.  wenn  der  Satz  heiazt:  Die  Wilder 
sind  im  Sommer  grün,  nicht  fragen:  wie  sind  die  Wälder?  aondern 
wie  beschaffen  und  zwar  der  Farbe  nach?  oder  noch  allgemeiner:  was 
für  einer?  beim  Plnr.  was  für?  das  deutsche  Liesebach  benfitien  zum 
richtigen  lesen,  zum  freien  wiedergeben  des  gelesenen,  zur  VernnackM- 
licbung  der  allgemeinen  Sprachlehre,  so  weit  sie  dem  Alter  der  Scha- 
ler passt.  —  4)  Die  neue  Geometrie  als  Unterrichtsgegen- 
stand empftehlt  die  Grundlinien  der  neueren  ebenen  Geometrie  tob 
Chr.  Paulus  als  vortrefflich,  was  Klarheit  der  Darstellung,  Anord- 
nung und  Auswahl  des  Stoffes  betrifft.  Uebrigens  spielt  die  nenere 
Geometrie  im  Gebiet  der  Mathematik  eine  ähnliche  Rolle,  wie  die  ape- 
culative  Philosophie  auf  dem  ihrigen.  Bs  ist  allerdings  ein  BedSrnii 
vorhanden,  von  derselben  so  viel  als  möglich  für  die  Schule  branchbar 
zn  machen;  aber  ganz  hereinziehen  läszt  sie  sich  nicht.  —  5)  Rith- 
selhafte  Aufschrift  eines  Grabes?  aus  Engtand  (No.IX8. 144 
übersetzt).  —  6)  (Beil.)  Thema  für  die  von  den  Profesaorats- 
Candidaten  des  Jahrs  1856  auszuarbeitende  lat.  Abhandlnngi  ^  7) 
Bericht  über  eine  Lehrerversammlung  in  Eszlingen« 

No.  VIII.  1)  Der  Realschule  Klage,  Wunsch  und  Bitte, 
Vortrag  von  Tröster  in  E.  bei  einer  Lehrerversammlung:  ZanSchst 
wird  geklagt  über  Vorurtheile  und  unbillige  Zumutungen  dea  Pnbli- 
cums  an  die  RS.,  als  ob  die  Unzulänglichkeit  derselben  bereite  ent- 
schieden wäre,  dasz  das  Latein  in  den  Lehrplan  aufgenommen  werde^ 
dasz  man  unmögliches  von  ihr  erwarte;  es  wird  gewünscht,  die  Be- 
hörde möge  die  RS.  völlig  unabhängig  von  ihrer  lat.  Schweetemn- 
atalt  stellen,  auch  für  die  Maturitätsprüfungen  ein  Masz  beatimmei^ 
mit  dem  sich  auch  Zöglinge  der  RS.  zu  messen  wagten,  d.  h.  ea  aidfe 
der  Zugang  zn  Universitätsstudien,  mit  Ausnahme  der  theologiBGlM 
und  juridischen,  und  somit  zur  Anstellung  in  einer  gröszeren  Zanl  tob 
Staatsämtern  auch  Realschülern  möglich  gemacht  werden;  tob  den 
Lehrern  wird  verlangt,  dasz  sie  Vertrauen  zu  ihrer  eigenen  Sache  Im- 
bon,  und  wer  dies  nicht  besitze,  lieber  vom  I^ehrstuhl  abtrete,  dum  rie 
die  Religion  und  den  Religionsunterricht  in  der  gebührenden  Bedeatnnf 
für  die  RS.  erfassen  und  behandeln,  in  freundlichem  Verhältnb  ndt 
der  Lateinschule  stehen;  in  Betreff  der  Schuler  wird  die  Armntb  Tie- 
Icr  derselben  bedauert,  desgleichen  der  Mangel  an  begabteren  Zöglin- 
gen, auch  groszere  Gleichförmigkeit  in  den  Lehrbüchern  gewünscht..^ 
!K)  Ucbcr  einige  Sätze  aus  dem  Anfang  zu  Nacels  Geoaie- 
trie:  Die  Auflösung  der  Aufgaben  zum  VI.  Buch  16  nnd  %  wird  ■!(- 
gethcilt.  —  3)  (Beil.)  Auszer  Prufangsaufgaben  Blnma  Voiksna- 
tnrlchre  sehr  anerkennend  beurtheilt,  die  Popularität  nnd  Klubrft, 
der  Reichthum  an  Figuren ,  die  Berücksichtigung  neuerer  Bntdeckns- 
gen,  der  wolfeile  Preis  lobend  hervorgehoben.  —  4)  An  der  Lieder- 
sammlung von  Weber  und  Kraus  wird  von'Diei  in  B.  anage- 
setzt «^  dasz  herrliche  Melodien  fehlen,  bei  manchen  zumal  anch  bekann- 
ten Liedern  neue  selbstgemachte  Texte  untergelegt,  auch  einzelne  nnge- 
eignete  aufgenommen  seien. 

No  IX.  1)  I>er  altere  an  den  jüngeren  Schulmann  III: 
Wns  ist  im  Unterrichte  dem  Stoffe  nach  das  naturliche?  Peata- 
lozzi  hat,  so  warm  und  lauter  seine  Empfindung,  so  edel  aein 
wollen,   so  wol  begründet  sein  Widerwille  gegen  das  widemmtnriiche 


AasEflge  atis  Zeittehrifteo.  807 

des  damaligen  Anfangmmterricht«  war,  denaocli  seinerseits  einen 
Stoff  fnr  den  ersten  Unterricht  geschaffen,  der  —  mit  Ausnahme 
des  arithmetischen  nnd  geometrischen  —  ein  noch  Tiel  kunstlicherer 
und  widernatürlicherer  wurde,  als  derjenige,  den  er  ans  der  Schule 
hinausschaffen  wollte.  An  seinem  Beispiele  sieht  man,  das«  die  Natür- 
lichkeit des  Unterrichtsstoffes  nicht  liege  in  der  räumlichen  Nahe  der 
Sache,  auch  nicht  in  deren  natürlichem  Reize  und  eben  so  wenig  darin, 
dasz  die  Sache  dwäfiei  schon  im  Kinde  vorhanden  ist,  auch  dasz  der 
scheinbar  natürlichste  Stoff,  zum  Unterricht  verwendet,  ein  künstlicher 
Stoff  werde.  Und  doch  haben  sich  ganz  dieselben  Misgriffe  in  der 
neueren  Erscheinung  wiederholt,  dasz  man  an  der  Hand  C.  F.  Beckers 
ond  seiner  Nachfolger  es  zur  Aufgabe  der  Volksschule  machte,  jeder 
im  Volke  müsse  die  hochdeutsche  Sprache  vollkommen  verstehen  lernen. 
Das  richtige  in  diesem  Betracht  ist  vielmehr:  in  der  Volksschule  solle 
die  Schriftsprache  eelehrt  werden,  in  welcher  auch  der  geringste 
Mensch  sein  Kirchenlied  singt,  predigen  hört  und  seine  Bibel  samt  sei- 
nen Gebeten  liest.  Das  natürliche  Substrat,  um  das  deutsche  am  deut- 
schen zu  lehren,  ist  also  hier  nicht  ein  Lesebuch  mit  diesem  und  jenem 
fremdartigen  Stoffe,  und  wenn  es  der  beste  wäre,  sondern  —  die  lu- 
therische Bibelübersetzung.  Diese  verdient  nicht  blosz  ihrem  Inhalt, 
sondern  auch  ihrer  Sprache  nach  neben  der  Fibel  das  einzige  Lese- 
buch in  der  Volksschule  zu  sein;  jedes  andere  auszer  derselben  theilt 
nnd  stört  die  Freiheit  des  Bildungsganges.  —  2)Minimacnrat  prae- 
ceptor:  Man  solle  im  arithmetischen  Unterricht  nicht  sagen  x  1  Elle 
kostet  8  kr. ;  6  Ellen  kosten  6mal  mehr,  sondern  —  kosten  das  6fache. 
—  3)  (Beil.)  Ueber  den  arithmetischen  Unterricht,  bes.  in 
den  untern  Klassen  eines  Gymnasiums,  ans  einem  Vortrag 
von  Scharpf  in  U. :  über  einige  Eigenthümllchkeiten  der  Methode  (In 
folg.  Nummern  fortges.). 

No.  X.  I)  Ueber  die  höhere  Geometrie:  Zech  inT.  nimmt 
das  Wort  für  dieselbe  gegen  das  VII  4  ausgesprochene  Urtheil.  —  2) 
Sophokles  Antigene  nach  neuen  Grundsätzen  der  Prosodie  bear- 
beitet von  Dr.  E.  Eyth  1854.  Von  dem  Rec.  B.  mit  Freuden  be^ 
grüszt,  die  neuen  Grundsätze  der  Prosodie  (groszere  Berücksichtigung 
der  Accentquantität)  gebilligt,  doch  nicht  ohne  mehrfache  Ausstellun- 
gen im  einzelnen  nebst  beigefügten  Verbesserungen.  —  3)  Losung 
geometrischer  Aufgaben.  Billigender  nnd  ergänzender  Nachtrag 
zu  VIII 2.  —  4)  (Beil.)  Ueber  den  arithmetischen  Unterricht. 
Forts,  von  IX  3.  —  6)  Anzeiget  Plan  nnd  Inhaltsverzeichnis  einer 
kleineren  Sammlung  von  deutschen  Gedichten,  wie  eine  solche  als  Me- 
morierstoff für  eine  lat.  Landschule  nach  Inhalt  nnd  Preis  geeignet  wäre, 
da  die  vorhandenen  Anthologien  (auch  die  von  Märklin?)  theils  za 
thener  seien,  theils  nicht  durchaus  würdigen  und  verständlichen  Inhalt 
haben.  Vgl.  XI,  Beil.  S.88,  wo  Kap  ff  in  U.  den  Vorschlag  gut  heiszt 
nnd  weiter  verfolgt. 

No.  XI.  1)  El  wert  in  S.  berichtet,  tiefer  eingettend  in  die  Er- 
6rtemn^  über  das  Verhältnis  der  Lectionen  zn  der  Privatthätigkeit 
der  Schüler,  über  vier  verschiedene  Versuche  im  Seminar  S.,  die  Pri- 
vatthätigkeit in  zweckmäsziger  Weise  zn  ordnen.  —  2)  Xenophon- 
tis  bist,  graeca  ei  rec.  et  com  asnot.  L.  Dindorfii,  Ozon.  1853 
von  R.  inH. :  entschieden  reicher  und  sicherer  in  der  kritischen  Grund- 
lage, auch  besser  in  der  Erklärung,  aU  die  Schneidersche  und  auch 
als  die  er^te  Dindorfsche  Ausgabe  18M)  (wortlich  wieder  abgedruckt 
1852).  —  3)  (Beil.)  Statistische  ^otizen  über  den  Stand  des 
gelehrten  Schulwesens  in  Württemberg  im  Schuljahr  1853/^9 
von  Oberstndienrath  Hirzel. 

No.  XIL     1)  Bänmlein  in  M.:   über  das  Verhältnis  der 

9^* 


308    Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  stttiil.  Notisen. 

grammatischen  Stndien  sn  dem  Studinm  der  Phitolofie: 
•chou  nach  der  Natur  und  dem  Zweck  des  philologischen  Stadions 
selbst  ist  das  Studium  der  Sprache  entschieden  das  erste  und  nothwen- 
digste,  für  den  Lehrer  an  obern  und  niedern  Gymnasialklassen  aber  ist 
vertraute  Bekanntschaft  mit  den  Sprachen  des  Alterthoms  weitaus  das 
unentbehrlichste.  —  2)  Zur  deutschen  Orthographie.  Dr.  Roth 
theilt  eine  Reihe  von  Bestimmungen  über  die  Orthographie  einxelner 
Worter  mit,  worüber  seiner  Zeit  die  Lehrer  am  Seminar  in  Seh.  ein« 
Uebereinkunft  getrolTen  haben.  —  *2)  Schwäbisch  und  deutsch, 
Mundart  und  Haupt  spräche.  Dringender  Aufruf  an  die  Lehrer, 
in  der  Schule  der  herschenden  Schriftsprache,  nicht  der  schwäbischen 
Mundart  sich  zu  bedienen  und  den  Schuler  gut  geläufig  und  rein  deutsch 
sprechen  zu  lehren.  —  3)  (Beil.)  Die  im  Herbst  1853  in  Würt- 
temberg erschienenen  Programme  werden  ihrem  Inhatt  nach 
mitgethcilt,  besonders  eingehend  die  Abhandlung  von  Adam  in  H. 
über  den  rednerischen  und  staatsmännischen  Werth  der  ersten  catilina- 
rischen  Rede  Ciccros  (gegen  Hagens  und  Drumanns  Angriffe)  und  von 
Z leg  1er  in  St.  über  die  Antigene  des  Sophokles.  M. 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten ,  Verordnungen ,  statistische 
Notizen,  Anzeigen  von  Programmen. 


Amclam].  Am  dasigen  Gymnasium  ist  mit  dem  Beginn  des 
Schuljahrs  Ostern  1856  der  Uebergang  zu  dem  neuen  Lehrplan  vorbe- 
reitet worden.  Dr.  Klütz,  welcher  eine  Zeit  lang  freiwillig  Aos^ 
hülfe  geleistet  hatte,  hatte  die  Anstalt  verlassen.  Das  Lehrercollegiaia 
bestand  im  vorhergegangenen  Schuljahre  aus  dem  Dir.  Prof.  Dr.  Som- 
nicrbrodt,  den  Oberlehrern  Dr.  Schade,  Dr.  Wagner  (Prorector), 
Conr.  Peters,  Schütz,  Dr.  Spörer,  den  ordentl.  i^hrern  Glasel, 
Dr.  C.Kock,  Schobert,  Müller,  Schneemelc  her,  dem  Hülfsl. 
von  Boguslawski  (am  15.  April  1855  in  eine  neu  errichtete  sweite 
Lehrerstelle  für  Naturgeschichte  eingetreten),  Gesanglchrer  Cantor 
Harzer,  Maler  B.  Peters,  Turnlehrer  Wittenhagen.  ■  Die  8cb5- 
lerzahl  war  am  Schlüsse  des  Schuljahrs  316  (I  26,  II  22,  III«  24^  IIP 
33,  IV  65,  V  59,  VI  58,  VII  29),  Abiturienten  Mich.  55  2,  Ostern  66 
8.  ---  Den  Schulnachrichten  vorausgestellt  ist  die  Abhandlang  des  GjB- 
nasiallehrers  Dr.  C.Kock:  de  parabaat^  antiquac  eojnocdiae  interludk 
(19  S.  4).  Der  gelehrte  Hr  Verf.  hat  die  von  Ko Ister  {de  parahmd 
vetcrtB  cotnoediac  parte.  Altena  1829)  und  Köster  (jde graeeae  co— e 
diac  parabaaif  Stralsund  1835)  behandelten  Fragen  über  Urapraog, 
Zweck,  spätere  Beseitigung,  Art  und  Weise  der  Aoffährung  yon  neuem 
einer  eben  so  scharfsinnigen  wie  sorgfältigen  Untersuchung  nntenogen, 
und  durch  eingehende  Prüfung  der  Parabasen  selbst,  wie  der  ober  sie 
bei  den  Alten  vorbefindlichen  Berichte  sehr  viele  Punkte  bia  so  den 
erreichbaren  Grenzen  der  Evidenz  gebracht,  dadurch  aber  einen  «ehr 
verdienstlichen  Beitrag  zur  richtigen  Auffassung  und  Wardigunc  der 
alten  Komoedie,  dieser  ganz  eigen thüm liehen  Schdpfnng  des  attischen 
Geistes,  geliefert«  />. 

Aunstai>tJ.     In  dem  Lehrercollegium  des  dasigen  forstlichen  Gym 
nasiums  [s.  Bd.  LXXII  S.  372]  trat  im  Schulj.  1855— 66  keine  weitere 
Veränderung   ein,  als  dasz  der  Organist  Bernh.  Stade    zum  Cantor 
und  Mnsiklehrer  ernannt  wurde.    Die  Schulerzahl  war  Mich.  1855  78 


Benohte  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnnngen,  Statist.  Notiien.    309 

(1  10,  U  9,  III  12,  IV  20,  V  27),  Abiturienten  Mich.  65  und  Ostern 
56  je  4iner.  Die  Schalnachrichten  enthalten  eine  Ansprache  des  Dir. 
Dr.  Pabflt  an  einen  Abiturienten,  der  sich  den  Naturwissenschaften 
zu  widmen  gedachte,  worin  Tor  dem  namentlich  durch  die  falsche  Be- 
treibung jener  Wissenschaften  unter  glänzendem  Scheine  ▼erbreiteten 
antichristlichen,  materialistischen  Weltanschauung  gewarnt  wird.  In 
Verbindung  damit  steht  ein  Rescript  Tom  20.  Januar,  wornach  die  An- 
schaffung der  sämtlichen  Werke  Franz  von  Baaders  für  die  Gymna- 
sialbibliothek empfohlen  wird,  weil  dieselben  als  eine  Gegenwirkung 
gegen  jene  Weltanschauung  von  Bedeutung  seien.  Uebrigens  wird  an 
diesem  Gymnasium  das  Privatstudiom  eifrig  betrieben.  Als  wissen- 
schaftliche Abhandlung  ist  dem  Programoie  beigegeben  vom  Collab. 
Walther:  Dr.  Joachim  Morlin,  ein  Leben  aus  der  Heformatiangseit 
(24  S.  4).  Bei  so  gewaltigen  Ereignissen,  wie  die  Reformation  ist, 
pflegen  neben  den  erhabensten  Helden  derselben,  Luther  und  Melanch- 
thon,  die  ihnen  zur  Seite  gestandenen  treuen  Mitkämpfer  in  den  Hin- 
tergrund zu  treten,  und  über  der  Betrachtung  des  Ganges,  welchen  das 
grosze  Ereignis  im  ganzen  genommen ,  die  zu  ihm  gehörigen  kleineren 
Vorgänge  zu  verschwinden;  aber  gerade  durch  die  genaue  Kenntnis 
dieser  ist  das  vollständige  wahre  Bild  jener  za  gewinnen  und  deshalb 
jede  dazu  dienende  Schrift  willkommen  zu  heiszen.  Morlins  Leben  hat 
zwar  für  Arnstadt  ein  specielles  Interesse,  allein  dasselbe  ist  im  allge- 
meinen sehr  wichtig,  weil  es  eine  sonst  weniger  hervortretende  oder 
beachtete  Erscheinung  deutlich  aufzeigt,  den  Widerstand,  welchen 
die  Reformation  nicht  wegen  der  Anhänglichkeit  an  das  Papstthum, 
sondern  wegen  des  Ernstes  und  ECifers,  mit  dem  sie  auf  Heiligung  des 
Herzens  niä  Lebens  dringt,  fand.  Zugleich  macht  dasselbe  ersicht- 
lich, wie  grosze  Kämpfe  die  evangelische  Kirche  für  Wahrung  ihrer 
Wurde  und  Freiheit  durchmachen  muste,  ehe  sie  zu  einer  festen  Or- 
ganisation Gelangte.  Schon  an  und  für  sich  aber  ist  Morlin  ein  ech- 
ter evangelischer  Glaobensmann,  an  dessen  Beispiel  sich  jeder  empfäng- 
liche erbauen  mnsz.  Der  Hr.  Verf.  hat  das  Verdienst,  bisher  unbe- 
nutzte Quellen  ans  Licht  gezogen  (wir  machen  namentlich  auf  das 
kostliche  Trostschreiben  an  den  gefangenen  Kurfürsten  Johann  Fried- 
rich, Königsberg  7.  Oct.  1551,  aufmerksam)  und  durch  zweckmäszige 
Zusammenstellung  aus  denselben  ein  recht  objectiv  klares  Bild  gelie^ 
fort  zu  haben.  Der  Fortsetzung  (die  gegenwärtige  Abhandlung  geht 
bis  zum  Beginn  der  Streitigkeiten  mit  Oslander  in  Königsberg)  sehen 
wir  mit  Freuden  entgegen.  D. 

Bayreuth].  Etwas  spät  berichten  wir  über  das  Programm  der 
konigl.  Studienanstalt  v.  J.  1855  [s.  Bd.  LXXII  8.  150].  An  derselben 
waren  der  Zeichen-  und  Schreiblehrer  Ranz  nach  mehr  als  50jähriger 
und  der  Lehrer  des  Franzosischen  Mosch  nach  beinahe  25jähri£er 
Wirksamkeit  in  den  verdienten  Ruhestand  getreten.  Die  Stelle  des 
Zeichenlehrers  erhielt  der  Privatlehrer  Pflaum,  Aushülfe  leistete  der 
Gymnasiallehramtscandldat  Bauer.  Die  Frequenz  betrug  im  Gymna- 
sium 83  (IV  20,  111  22,  II  17,  I  24),  in  der  lat.  Schule  186  (IV  34, 
III  28,  II  38,  IB  48,  lA  38),  im  ganzen  also  269.  In  dem  Programme 
hat  der  Stndienrector  Dr.  J.  C.  Held  veröffentlicht  die  zweite  Mit- 
theilung  von  BmchMeken  aus  dem  Briefweeh§el  mwi$ehen  dem  Vater 
eines  SchületM  und  dem  Reeior  eine«  Gymnatiumt  (20  S.  4).  Ref.  ge- 
steht offen,  dasz  er  die  hier  gewählte  Form  für  die  Aussprache  von  Be- 
lehrungen und  Erörterungen  nicht  liebe.  Sie  gewährt  zwar  scheinbar 
den  Vortheil,  Rede  und  Gegenrede  sich  gegenüberzustellen,  beruht  aber 
doch  auf  Fiction  und  erregt  deshalb,  wie  wir  fürchten,  ein  gewisses 
der  Wirkung  schadendes  Mistrauen.  Viel  besser  scheint  es  uns,  wenn 
man  die  Einwendungen  der  Gegner  an«  den  erschienenen  Schriften  und 


310  Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  siniiil.  NoUmb. 

Localblättern  vorführt  in  der  wirklichen  Gestalt,  wie  sie  yoripbracht 
sind,  und  sie  nun  mit  möglichster  Schärfe  widerlegt;  dann  trifft  man 
wirkliche,  nicht  fingierte  Gegner,  mögen  diese  auch  den  yorhandenen 
noch  so  genau  entsprechen.  Doch  es  ist  dies  vielleicht  nur  eine  Grille; 
sie  hindert  uns  wenigstens  nicht,  das  gute,  wa«  in  dieser  Form  sich 
bietet,  dankbar  anzuerkennen  und  zu  benätzen.  Der  als  tüchtiger  Ge- 
lehrter wie  Paedagog  allgemein  bekannte  Hr.  Verf.  hat  znm  Gecen- 
Stande  seiner  Erörterungen  den  In  Bayern  neu  gestalteten  franzosiachen 
Unterricht  an  den  Gymnasien  genommen,  und  das  demselben  zn  steckende 
Ziel,  die  dabei  zu  befolgende  Methode  und  die  nothwendigen  Bedingun- 
gen ,  welche  der  Lehrer  hinzubringen  musz ,  in  eingehender  klarer  nnd 
überzeugender  Weise  erörtert.  Ks  ist  sehr  erfreulich  die  grosse  Ueber- 
cinstimmung  wahrzunehmen,  welche  zwischen  dem  Hrn.  Verf.  und  dem 
wackern  von  Jan,  der  unabhängig  gleichzeitig,  wenn  schon  in  ande- 
rer Weise  denselben  Gegenstand  behandelte  (s.  oben  8.  268  ff.)»  wahr- 
zunehmen. D» 

BKiiNiiUiiG].  Das  herz.  CarUgymnasium  hatte  im  Schuljahre  i8&6 
—  56  folgende  Lehrer:  den  Dir.  Prof.  Dr.  C.  L.  W.  Franke,  die 
Professoren  Dr.  Günther  und  Felgentreu,  die  Oberlehrer  Nico- 
lai, Dr.  von  Heinemann,  Moller  (durch  Rescript  vom  5.  Decbr. 
1855  zum  Oberlehrer  ernannt),  den  Inspertor  Korner  (welcher,  nach- 
dem ihm  am  7.  Decbr.  1855  die  provisorische  Verwaltung  des  Pfarr- 
amts Waldau-Altenburg  übertragen  war,  doch  noch  das  Ordinariat  der 
Quarta  und  10  Lehrstunden  beibehielt),  den  Lehrer  Wiele,  die  Col- 
laboratoren  Kilian  und  Freund  (gieng  Weihnachten  in  das  Rectorai 
zu  Coswig  über,  die  Hulfslehrer  Cand.  Winds child  (nach  des  Coli. 
Freund  Abgang  dem  Gymnasium  zugewiesen)  und  Korner,  die  Pa- 
storen Schlick  und  Valentiner,  den  Musikdirector  Kanxier  nnd 
den  Zeichenlehrer  Döring.    Die  Schulerzahl  war 

I     11    HI    IV     V    VI    Sa.  Abit. 
Sommersem.     17    23    29    33    34    26    161      3 
Wintersem.      16    25    32    38    29    31     171      2. 
Der  Lehrplan  des  Gymnasiums  war  folgender: 

I         11      in      IV      V      VI 

Religion  ....        2  2  2  2  2  3 

Latein 9  10  10  10  9  9 

Griechisch  . .         7  7  7  5  2  — 

Deutsch 2  2  2  3  4  6 

Franzosisch  .2  2  2  2  —  — 

Knglisch 2  I  1  —  —  -— 

Hebraeisch . .         2  1  —  —  —  — 

Geschichte.  .2  2  2  2  2  — 

Geographie  .        —  l  3  12  2 

Mathematik  .4  4  4  5  4  4 

Naturkunde.     (1—2)  1  —        2  2 

Philosophie  . 
Kalligraphie 


A 

—              — 

— 

2          2 

3 

2 

3 

2 

3         3 

Gesang . . . 

Zeichnen  . 

Turnen H 

Der  Untorrichi  in  der  philosophischen  Propaedeutik  bestand  im  Som- 
mcrsemeMor  aus  Lo^ik,  im  Winter  aus  einer  Analyse  des  platonischen 
Gorgias,  so  dass  wir  also  hier  einen  von  uns  oft  vertretenen  nnd  em- 
pfohlenen Gedanken  verwirklicht  finden.    Ueber  die  beigegebene  Ab- 


Beriehto  aber  gelehrte  Anslalton,  VerordBiingei,  elatif t.  Notizen.  311 

haadlung  des  Oberl.  Mol  ler:  JStfd»  ncr  Joeehfity  po^e  Mque  p.  M- 
pAofite  de  Lamartine  (18  8.  4)  werden  wir  einen  besondern  Bericht 
bringen. 

Bonn].  Im  Programm  des  dasigen  konigl.  63rmnasinms  ist  im  J. 
1865  die  Abhandlung  ausgegeben  worden  H.  J.  Remacly:  Oftservst- 
tionum  in  Lueiani  Hermotimum  partieula  altera  <,  prole^omena  conti- 
nen»  (20  S.  4.  Die  erste  Abtheilnng  ist  Bd.  LKV.  8.  317  von  uns  an- 
gezeigt), eine  neue  Probe  von  dem  Scharfsinne  des  Hrn.  Verf.  und  sei- 
nem eingehenden  Studium,  wie  des  Lucian,  so  des  verwandten  Krei- 
ses der  griechischen  Litteratur.  Das  le  Kap.  handelt  über  den  dop- 
pelten Titel  des  Dialogs.  Indem  der  Hr.  Verf.  erweist,  dasz  schon 
vor  Lucian  die  Sitte,  die  Bacher  mit  einer  doppelten  Ueberschrift  zu 
bezeichnen,  aufgekommen  und  von  dessen  Zeitgenossen  geübt  worden 
sei ,  findet  er  die  Anwendung  derselben  von  jenem  um  so  naturlicher 
und  nothwendiger ,  als  ihm  keine  so  den  Inhalt  sofort  bezeichnenden 
einfachen  Namen  zu  Gebote  standen,  wie  z.  B.  Plato.  Er  bemerkt 
ferner,  dasz  die  doppelten  Titel  dem  Inhalte  der  Schriften  entsprechen. 
Freilich  musz  er  dabei,  um  im  Titel  xatanlovg  ij  Tv^avvog  das  f 
gegen  %a£  festzuhalten,  dazu  seine  Zuflucht  nehmen,  dasz  er  die  Ge- 
wohnheit für  mächtiger  halt,  als  das  Gebot  der  Logik,  worin  wir  ihm 
nur  ungern  beistimmen  würden.  Recht  evident  aber  erscheinen,  wenn 
man  die  Voraussetzung,  die  allerdings  die  groste  Wahrscheinlichkeit 
hat,  zugibty  die  Emendationen  der  Titel:  *Evvnviov  lizoi  ߣog  Aov- 
%iavov,  MUvXXog  ij 'AXsxtgvoiv ,  ZCfuov  ij  ott  tixvri  nagaüizi'H'q  (den 
Dialog  scheint  der  Hr.  Verf.  gegen  Bekker  für  echt  zu  halten).  Indem 
er  sodann  erweist,  dasz  atg^üig  bei  Lucian  in  der  Bedeutung:  'Philo- 
sophenschule' vorkomme,  obgleich  die  früher  übliche  häufiger  sei,  und 
durch  Darlegung  des  Inhalts  darthut,  dasz  der  Titel  nicht  unpassend 
sei,  obgleich  er  vollständiger  nB^l  atgsastog  alffiaeoap  lauten  sollte, 
bringt  ihm  der  Vorgang  des  Epikur,  der  ein  gleich  betiteltes  Buch  ge- 
schrieben, und  die  Vermutung,  dasz  Lucian  wol  absichtlich  einen  sol- 
chen Titel  gewählt,  um  nicht  von  vornherein  die  Philosophen  heraus- 
zufordern, neue  Stützen  für  die  Echtheit  des  Zusatzes.  Im  zweiten 
Kap.  stellt  der  Hr.  Verf.  fest,  dasz  man  unter  der  einen  redenden  Per- 
son, dem  Lykinos,  unbedenklich  Lucian  selbst  verstehen  musz,  da  er 
sich  dieses  Namens  in  11  Dialogen  (einiger  Unechtheit  gibt  er  hier 
Bekker  zu)  bedient,  und  stellt  die  ganz  wahrscheinliche  Vermutung 
auf,  dasz  der  Schriftsteller,  in  dessen  Zeitalter  überhaupt  eine  Umge- 
staltung der  Namen  sehr  üblich  gewesen,  diese  Umgestaltung  seines 
römischen  Freigelassenennamens  unter  den  Griechen  sich  selbst  beigele^ 
oder  erhalten  habe.  Den  Hermotimus  dagegen  erklärt  er  für  eine  rem 
fingierte  Person,  glaubt  aber,  dasz  Lucian  sich  selbst  dabei  im  Sinne 
gehabt,  indem  er  in  seinem  40n  Lebensjahre  sich  von  der  Rhetorik  zum 
Studium  der  Weltweisheit  gewandt.  Im  du  Kap.  wird  dargethafi,  dasz 
man  aus  der  c.  2,  IB,  25  vorkommenden  Angabe  der  Lebensjahre  des 
Lycinus  keineswegs  berechtigt  sei  zu  schlieszen,  Lucian  habe  den  Her- 
motimus in  seinem  40n  Lebensjahre,  wie  den  Bis  accusatus  geschrie- 
ben, vielmehr  als  wahrscheinlich  bespründet,  dasz  er  jenen  Dialog  erst 
verfaszt,  nachdem  ar  schon  über  das  Studium  der  Philosophie  ent- 
teuscht  worden  war.  Das'4e  Kap.  endlich  begründet  die  Ansicht,  dasz 
Athen  für  den  Ort  zu  halten  sei,  an  welchen  Lucian  den  Dialog  ver- 
legt. D. 

Budissin].  Das  Lehrercollegium  des  dasigen  Gymnasiums  hatte  im 
vergangenen  Schuljahre  keine  Veränderung  erfahren.  Die  Schülersahl 
betrug  150  (I  19,  II  19,  III  19,  IV  29,  V  30,  VI  24).  Zur  Universität 
wurden  Mich.  1S55  6,  Ost.  1856  9  entlassen.  Den  Schulnachrichten  voraus 
steht  die  Abhandlung  des  6n  Collegen  Dr.  Gast.  Mor.  Klosz:  einige 


312  Berichte  über  gelehrte  ÄDstalten,  Verordnangen,  gtatiil.  NoCiien. 

^nufcndungcn  de«  florentiner  Problcm§  (27  8.  4  and  eine  Figaren- 
lafel), 

Clausthal].  Im  Lehrercollegiom  des  dasigen  Gymnasiams  (a.  Bd. 
LXXII  8.  259)  war  im  letztTerflossenen  8rhaljahre  keine  Veränderung 
eingetreten.  Die  Schüleraahi  betrag  195,  darunter  39  Realisten  (I  Ib^ 
II  19  (7  R.),  III  30  (8  R.),  IV  44  (24  R.),  V  44,  VI  43).  Abitarien- 
ten  waren  Mich.  1855  2,  Ostern  1856  9.  Die  Abhandinng  far  da«  Pro- 
gramm schrieb  Collab.  Dr.  Bachhoiz  unter  dem  Titel:  emeMifafiOfliiMi 
Sophoclcarum  specim,  II  (22  8.  4).  Der  Hr.  Verf.  entschuldigt  sich 
selbst  in  der  Vorrede  wegen  des  gewählten  Titels,  da  die  Schrift  nicht 
allein  Kmendationen,  sondern  auch  Erklärungen  enthalte.  Zugleich  be- 
zeichnet er  dieselbe  als  einer  groszercn  demnächst  unter  dem  Titel 
schedae  criticae  erscheinenden  entnommen.  Man  wird,  wenn  man  mach 
über  die  meisten  Stellen  abweichende  Ansichten  hegt,  dem  Hrn.  Verf.  die 
Anerkennung  des  Fleiszes,  des  Scharfsinns  und  der  Gelehrsamkeit  nicht 
versagen  können.  Die  behandelten  Stellen  sind  Ai  14  IT.,  wo  dg  durch 
ein  im  folgenden  vor  xal  vvv  indyvmg  cu  ergänzendes  ovrm  erklart 
wird ,  wogegen  dem  Ref.  hauptsächlich  das  Bedenken  beigeht ,  dasB  lo 
eine  logisch  unrichtijge  Vergleichung  herauskommt.  Ai  494  conjiciert 
der  Hr.  Verf.  tflsvzrjaag  tafp'jg  oder  rtttpfisy  Philoct.  1393  ei  ol  ft^  'v 
Xoyotg  nsCa^iv  dvvriaofisad'a^  (iridhv  ovv  Xiyto;  sodann  1443  6vt^  yno 
svaißsiUy  avv^vjjayisi  ßgoTOig,  Antig.  23  avv  SC%ri  xQria%6g  6d«rog(T)M» 
vatim,  464  xal  qt^iyfia  xal  ovx  avofiov  fpgovrjfia^  718  aXJl^  tC  y  i6v^0Vf 
xal  fiBtdatccaiv  Sldov,  Trach.  81  ^,  xovzov  agccg  ad^lov  etg  wv*  «ort^ov, 
415  f.  nach  Brunck  und  Kayser  Ayy,  ttJv  ctixuMlarov^  yp  fntpLtffag  ig 
d6(iovgj  ndvoiad'a  6rJT  ;  Aix»  ^^  VW^'  ^Qog  ti  A'  laroQeCg.  Ayv,  ov- 
Ttovv  av  tavtriv;  rjv  vn  ayvoiag'JoXrjv  tqxxanBg  Evffvxov  dtoffap  SyH9^ 
526  ^yvoa  dh  fidrrjg  filv  ola  tpQÜim.  1>. 

Dktmold].  Nachdem  vom  dasigen  Gymnasium  Lieopoldinnm  Osten 
1855  der  Gymnasiallehrer  Rohdewald  (s.  Bd.  LXXII  S.  54)  ansge- 
schieden  war,  wurde  das  Ordinariat  der  Quarta  dem  Gymnadallehrer 
Dr.Dornheim  übertragen,  an  dessen  Stelle  der  Gymnasiallehrer  Gast. 
Kentsch  von  Lemgo  hierher  versetzt  und  mit  AoNfüllung  der  Lacke 
während  des  Sommersemesters  der  Schulamtscandidat  Bunte  beauf- 
tragt. Da  die  Regulatire  für  die  Anstalt  durch  deren  Krwoiterang 
einer  Veränderung  bedurften,  so  wurden  sie  von  der  Schulbehorde  re- 
vidiert und  es  gelten  demnach  jetzt  folgende  Bestimmungen  wegen  der 
Klassenziele  und  des  Abiturientenexamens :  Von  einem  Schuler,  welcher 
aus  einer  niedern  Klasse  in  die  nächstfolgende  höhere  versetst  la  wer- 
den wünscht,  wird  verlangt,  dasz  er  sich  in  Sprachen  und  Wissen- 
schaften diejenigen  Kenntnisse  angeeignet  habe,  ohne  welche  er  an 
dem  Unterrichte  in  der  hohem  Klasse  nicht  mit  Nutzen  Theil  nehmen 
könnte.  Das  Mass  der  dazu  erforderlichen  Kenntnisse  und  Fertigkei- 
ten oder  das  Ziel,  bis  zu  welchem  jede  Klasse  des  hiesigen  Gymna- 
siums in  den  bei  der  Versetzung  besonders  zu  berücksichtigenden  Lehi^ 
fächern  innerhalb  der  für  jede  Klasse  verordneten  Zeit  (Cursns)  ge- 
bracht werden  soll,  wird  hiermit  bestimmt  und  festgesetzt,  wie  folgt  t 
I.  Der  Sextaner  soll  1)  im  Lateinischen  die  regelmäszigen  Pormen 
des  N(»men  und  Verbum  mit  Einschlusz  der  Deponentia  fest  eingeübt 
haben  und  dieselben  mit  Sicherheit  anwenden  können,  mit  den  Cardi- 
nal- und  Ordnungszahlen,  den  Praepositionen,  den  gewöhnlichsten  Ad- 
verbien und  Conjunctioncn  bekannt  sein  und  Fertigkeit  im  übersetzen 
kleiner  Sätze  aus  dem  Lateinischen  ins  Deutsche  und  umgekehrt  be- 
sitzen. 2)  Tm  Deutschen  wird  Fertigkeit  im  mechanischen  lesen  and 
bei  leicht  übersehbaren  Sätzen  auch  Sicherheit  in  der  Betonung  gefor- 
dert; auch  soll  der  Sextaner  mit  den  Redetheiten,  dem  einfachen  and 
erweiterten  Satze  gehörig  bekannt  sein.    3)  In  der  Religion  soll  er 


Berichte  Ober  gelehrte  Anstalten,  Verordnanfee,  statii t.  Notiien.  313 

die  Hauptbegebenheiten  ans  der  biblischen  Geschichte  A.  T.  nach  dem 
eingefnhrten  Lehrbache  za  erzählen,  anch  die  damit  in  Verbindang  ge- 
brachten BibeUpruche  und  Liedenrerse  anzugeben  bissen.  4)  In  der 
Geographie  wird  eine  summarische  Kenntnis  der  ganzen  Erdoberfläche, 
namentlich  der  Hanptumrisse  der  Erdtheile  verlangt.  6)  Im  rechnen 
soll  er  mit  den  4  Grundrechnungen  mit  ganzen,  unbenannten  nnd  ein- 
sortigen  Zahlen,  so  wie  mit  den  beiden  ersten  Grundrechnungen  in 
raehrsortigen  Zahlen  bekannt  und  darin  geübt  sein.  Der  Cursas  der 
Sexta  ist  einjährig.  II.  Der  Quintaner  soll  1)  im  Lateinischen 
Sicherheit  in  Anwendung  der  regelmäszigen  und  unregelmäszigen  No* 
minal-  und  Verbalformen  erlangt  haben,  das  wichtigste  nnd  einfachste 
aus  der  Casuslehre,  die  Hauptregein  Ober  den  Gebrauch  des  InfinitiTa, 
des  Accus,  c.  Inf.,  der  Participia,  des  Gerundiums  und  Supinums  wis- 
sen und  anwenden  können;  dazu  soll  er  sich  die  Fertigkeit  erworben 
haben,  zusammenhangende  leichte  Erzählungen  aus  dem  Lateinischen  ins 
Deutsche  nnd  umgekehrt  zu  übersetzen.  1)  Im  Franzosischen  soll  er 
mit  dem  bestimmten  und  onbestimmten  Artikel,  anch  mit  dem  Thei- 
lungsartikel,  mit  der  Declination  der  SubstantiTe  und  AdjectiTe,  der 
Comparation  der  letztern,  mit  den  Zahlwortern  ond  der  Conjugation 
der  Hnifszeit worter  vertraut  sein  nnd  die  vorgekommenen  französischen 
und  deutschen  Uebnngsstncke  abersetzen  können.  3)  Im  Deutschen 
soll  er  ein  seiner  Bildungsstufe  angemessenes  Stuck  geläufig  lesen  und 
die  Grunde  für  seine  Betonung  angeben  können ;  die  Hauptregein  der 
Orthographie  soll  er  nicht  nur  kennen,  sondern  sie  auch  in  seinen  Auf- 
sätzen anwenden;  endlich  wird  Kenntnis  des  einfachen,  erweiterten, 
zusammengezogenen  und  zasamm engesetzten  Satzes  nebst  genauer  Be- 
kanntschaft mit  den  Praepositionen  und  Coajunctionen  von  ihm  erwar- 
tet. 4)  In  der  Religion  soll  er  die  Hanptbegebenheiten  der  biblischen 
Geschichte  N.  T.  nach  dem  Lehrbache  erzählen  nnd  die  eingenbteo 
Spruche  und  Lxederverse,  in  ihren  Beziehungen  zu  den  Geschichten, 
hersagen  können.  5)  In  der  Geschichte  soll  er  mit  den  wichtigsten 
Ereignissen  aus  dem  Leben  der  groszen  Männer  des  Alterthums,  be- 
sonders der  Griechen  und  Römer,  bekannt  sein  und  für  die  Hauptbe- 
gebenheiten auch  die  Zahlen  anzugeben  wissen.  6)  In  der  Geographie 
wird  eine  genauere  Bekanntschaft  mit  den  allgemeinen  geographischen 
Begriffen,  den  5  Welttheilen  nnd  den  Hauptmeeren  verlangt.  7)  Im 
rechnen  soll  er  die  Grundrechnungen  mit  mehrsortigen  Zahlen  beendigt 
haben  und  in  der  Rechnung  mit  Brüchen  so  weit  fortgeschritten  sein, 
dasz  er  die  Brnchrechnnngsexeropel  nicht  nur  mit  Sicherheit  und  Leich- 
tigkeit, sondern  auch  mit  Angabe  der  Gründe  für  sein  Verfahren  lösen 
kann.  Der  Cnrsus  der  Quinta  ist  einjährig.  III.  Der  Quar- 
taner soll  I)  im  Lateinischen  hinlängliche  Sicherheit  und  Raschheit  in 
der  Anwendung  der  Formen  besitzen  und  aus  der  Syntax  die  Regeln 
der  Casuslehre,  die  wichtigem  aus  der  Moduslehre,  besonders  die  über 
den  Gebrauch  des  Conjunctivs  nach  den  Conjunctionen  ut,  ne,  quo, 
quin,  qnominus,  die  über  den  Gebrauch  des  Acc.  c.  Inf.,  der  Abi.  absol., 
des  Gerundiums  nnd  Supinums  mit  dem  Gedächtnis  aufgefaszt  haben 
nnd  anzuwenden  wissen,  die  von  ihm  gelesenen  lateinischen  Abschnitte 
endlich  mit  .Fertigkeit  ins  Deutsche  übertragen^  können.  2)  Im  Fran- 
zösischen soll  er  mit  der  Declination  des  Artikels,  des  Hauptworts, 
des^'Adjectivs,  mit  den  Zahlwörtern  avoir  und  ^tre,  der  regelmäszigen 
Conjugation  und  den  gebräuchlichsten  der  unregelmäszigen  Zeitwörter 
vertraut  sein  und  die  gelesenen  Abschnitte  vertieren  und  retrovertieren 
können.  3)  Im  Deutschen  soll  er  sich  eine  ausreichende  Kenntnis  vom 
einfachen  Satze  in  seinen  wesentlichen  Bestandtheilen,  wie  auch  vom 
zusammengezogenen  nnd  zusammengesetzten  erworben  haben,  ein  pas- 
sendes Lesestack   ohne  Anstosz  vorlesen  können  nnd  im  abfassen  von 


314  Berichte  über  gelehrte  AiMtalten,  Verordnungen,  statiet.  Notisen. 
Aafsäuen  fo  weit  geübt  sein,  dasi  er  nach  gegebenen  Mustern  dem 


een, 


8undpnnkte  der  Klasse  angemessene  Aufgaben,  als  Beschreibnnee 
Krxählungen,  Briefe,  in  verständlicher,  insaminenhangender  Weise  ohne 
grobe  Verstösze  ge^en  Grammatik  und  Orthographie  za  liefern  ver- 
mag. 4)  In  der  Religion  soll  er  mit  den  wichtigsten  Lehren  der  Glan- 
bens-  und  Ptlichtenlehre  und  den  nothigsten  Belegstellen  ans  der  Bibel 
bekannt  sein.  6)  In  der  Geschichte  soll  er  die  Hanptfacta  von  den 
ihm  vorgeführten  Biographien  ans  der  mittlem  und  neuern  Geschichte 
kennen  und  zu  den  Hauptbegebenheiten  auch  die  Zahlen  anzugeben 
wissen.  6)  In  der  Geographie  wird  neben  der  allgemeinen  Uebersicht 
genauere  Kenntnis  der  Geographie  von  Deutschland  ond  seinen  Staaten 
verlangt.  7)  In  der  Geometrie  soll  er  die  Definitionen  der  in  der  Pla- 
nimetrie vorkommenden  Begriffe  kennen  und  die  Uauptlehrsatse  über 
l^inien  und  Winkeln,  von  den  Winkeln  und  Seiten  geschlossener  Figa- 
ren,  wie  über  den  Flächenraum  derselben  beweisen  können.  8)  im  • 
rechnen  soll  er  Gewandtheit  in  der  Berechnung  solcher  Aufgaben,  wel- 
che durch  Proportionen  oder  den  Kettensatz  gelöst  werden  können, 
wie  auch  im  rechnen  mit  Zeiträumen  beflitzen.  Der  Cursns  der 
Quarta  ist  einjährig.  IV.  Der  Tertianer  soll  1)  das  Griechi- 
sche nach  dem  Accent  nicht  nur  fertig  lesen,  sondern  auch  deatlich 
schreiben,  die  gewöhnliche  Formenlehre  ganz,  von  den  nnregelmäsxi- 
gen  Verbalformen  die  wichtigsten,  auch  von  dem  episch-ionischen  Dia- 
lekte das  hauptsächlichste  inne  haben,  die  von  ihm  früher  überseUten 
Uebungisstücke  endlich  mit  Sicherheit  übertragen,  auch  einige  Ab- 
schnitte aus  der  Odyssee  lesen  und  verstehen  können.  2)  Im  Lateini- 
schen soll  er  die  Formenlehre  ganz,  so  wie  auch  alle  Regeln  der  Syn- 
tax mit  einem  oder  anderm  Beispiele  zu  denselben  ins  Gedächtnis  ge- 
faszt  haben ,  aus  dem  gelesenen  lateinischen  Prosaiker  und  Dichter  die 
vorgekommenen  Stucke  mit  Praecision  übersetzen  und  einen  seiner 
Bildungsstufe  angemessenen  Abschnitt  ohne  grobe  Fehler  gegen  die 
Grammatik  ins  Lateinische  übertragen  können.  '6)  Im  Französischen 
wird  vollständige  Kenntnis  der  Formenlehre,  insonderheit  der  unregel- 
mäszigen  Zeitwörter,  Bekanntschaft  mit  den  Hauptregeln  der  Syntax 
und  Fertigkeit  im  übersetzen  der  gelesenen  Stücke  verlangt.  4)  Im 
Deutschen  soll  der  Aspirant  mit  Ausdruck  lesen,  vorher  gelesenes  oder 
vorgelesenes  frei  wiedererzählen  und  ein  dem  Standpunkte  seiner  allge- 
meinen Bildung  entsprechendes  Thema  ohne  orthographische  und  gram- 
matisirti«  Fehler  mit  gehöriger  Disposition  des  Stoffs  bearbeiten  kön- 
nen. 5)  In  der  Religion  soll  er  sich  eine  genauere  Bekanntschaft  mit 
den  behandelten  Theilen  der  Heiligen  Schrift  erworben  haben.  6)  In 
der  Naturgeschichte  soll  er  mit  der  Classification  der  Naturproducte, 
wie  mit  ihrer  Anwendung  zu  den  Bedürfnissen  des  Ijebens  bekannt 
sein.  7)  In  der  Geschichte  wird  eine  sichere  Kenntnis  der  alten  Ge- 
schichte mit  genauer  Angabe  der  Jahreszahlen,  sowie  eine  übersicht- 
liche Kenntnis  des  Schauplatzes  der  alten  Geschichte,  besonders  von 
Griechenland  und  Italien  verlangt.  8)  In  der  Geographie  soll  er  eine 
Ueberäicht  der  mathematischen  und  physikalischen  Geographie,  eine 
specielle  Kenntnis  der  europaeischen  Staaten  und  sichere  Kenntnis  der 
topischen  Verhältnisse  Deutschlands  besitzen.  9)  In  der  Mathematik 
soll  er  mit  der  Lehre  von  den  entgegengesetzten  Gröszen,  den  Bin- 
schlicszungszeichen,  der  Buchstabenrechnung,  der  Ausziehune  der  Wur- 
zeln und  den  Verhältnissen,  endlich  mit  der  Planimetrie  hinreichend 
bekannt  sein.  10)  Im  praktischen  rechnen  soll  er  die  ihm  vorgelegten 
Kxempel  aus  der  Decimalbruch- Rechnung,  ans  dem  rechnen  mit  Ursa- 
chen, Zeiten  und  Wirkongen,  aus  der  Berechnung  der  Zinsen,  des 
Rabatts  und  verwandter  Gegenstände,  aus  der  Gcsellschafts-  und  Ver- 
mischungsrechnang,    sowie    einfache   geometrische  Rechnungen    löten 


Bmchte  Ober  gelekrte  Anstalten,  Verordnuagen,  statijt.  Notiiee.  315 

konneo«  Der  Carsu«  der  Tertia  ist  zweijährig.  V.  Der  Scha- 
ler der  zweiten  Realklasse  soll  1)  im  Lateinischen  (feine  frnhern 
Kenntnisse  in  der  Formenlehre  befestigt ,  seine  Kenntnis  der  Casns- 
und  Modnsregeln  erweitert  haben  und  die  gelesenen  lateinischen  Ab- 
schnitte mit  Geläufigkeit  übersetzen  können«  2)  Im  Französischen  soll 
er  das  den  Tertianern  gesetzte  Ziel  gleichfalls  erreicht  haben.  3)  Im 
Bnglischen  soll  er  die  durchgenommenen  Lesestucke  richtig  lesen  und 
fertig  übersetzen  können,  anszerdem  aber  die  Formenlehre  inne  haben. 
4)  Im  Deutschen  soll  er  den  an  die  Tertianer  gestellten  Anforderungen 
ebenfalls  genügen.  5)  In  der  Religion  und  6)  in  der  Naturgeschichte 
sind  die  für  Tertia  bestimmten  Anforderungen  auch  für  ihn  maszge- 
bend.  7)  In  der  Physik  wird  von  ihm  Bekanntschaft  mit  den  allge- 
meinen Phaenomenen  der  unorganischen  Natur,  den  Gesetzen,  nach 
welchen  dieselben  erfolgen,  und  deren  Anwendung  zur  Construction 
▼on  Maschinen  verlangt.  8)  In  der  Geschichte  gilt  das  für  die  Ter- 
tianer bestimmte  Ziel  auch  für  ihn.  9)  In  der  Geographie  soll  er  die- 
jenigen Abschnitte  der  Wissenschaft,  welche  während  seines  Aufenthalts 
in  der  Klasse  behandelt  worden  sind,  wol  inne  haben.  10)  In  der 
Mathematik  und  11)  im  praktischen  rechnen  gelten  die  für  Tertia  fest- 
gesetzten Bestimmungen  auch  für  die  zweite  Klasse  der  Realschule. 
Anszerdem  wird  von  dem  Realschuler  verlangt,  dasz  er  im  schonschrei- 
ben und  im  zeichnen  gute  Fortschritte  gemacht  habe.  Der  Cursus 
der  zweiten  Realklasse  ist  einjährig.  VI.  Der  Secundaner 
soll  1)  im  Griechischen  die  gewöhnliche  Formenlehre  des  attischen  und 
homerischen  Dialekts,  mit  Einschlusz  der  unregelmaszigen  Verbalfor- 
men,  aus  der  Syntax  aber  die  Rections-  und  Zusammenstimmungslehre, 
sowie  die  Lehre  ubtr  den  Gebrauch  der  Tempora  und  Modi  inne  haben. 
Ferner  musz  derselbe  die  während  seines  Aufenthalts  in  der  Klasse  aus 
den  Prosaikern  und  Dichtern  gelesenen  Stücke  mit  Fertigkeit  in  das 
Deutsche  fibertragen  können.  2)  Im  Lateinischen  wird  Vertrautheit 
mit  dem  ganzen  »{»rachcebäude ,  in  der  Grammatik  Festifikeit  in  der 
Formenlehre  und  Sicberheit  in  Anwendung  sämtlicher  Regeln  der  Syn- 
tax, sowie  Gewandtheit  im  fibersetzen  und  erklaren  der  gelesenen  Pro- 
saiker und  Dichter  verlangt.  3)  Im  Franzosischen  soll  der  Secundaner 
das  früher  aus  der  Grammatik  gelernte  so  befestigt,  ergänzt  und  er- 
weitert haben,  dass  seine  Kenntnis  des  etymologischen  Theils  der 
Grammatik  und  seine  Bekanntschaft  mit  den  Hauptregeln  der  Syntax 
sich  bei  seinen  Uebersetzuncen  in  das  Franzosische  herausstellt;  dazu 
soll  er  das  Franzosische  fertig  lesen  und  die  vorgekommenen  Lesestücke 

{geläufig  übersetzen  können.  4)  Im  Englischen  soU  er  mit  der  Formen- 
dire Muinnt  sein  und  die  durchgenommenen  Abschnitte  richtig  lesen 
und  fibersetzen  können.  5)  Im  Deutschen  soll  er  vom  Wesen  der  Be- 
schreibung, Schilderung,  Erzählung,  Betrachtung  und  Abhandlung  nach 
Auffindung  des  Stoffes,  Anordnung  und  Darstellung  ein  deutliches  Ver- 
ständnis haben  und  darnach  Aufsätze  dieser  Art  mit  logischer  und 
Sammatischer  Richtigkeit  und  Klarheit  anzufertigen  im  Stande  sein; 
rner  soU  er  mit  den  im  eingeführten  Lesebuche  enthaltenen  prosai- 
schen AnfiMtsen  und  Gedichten  und  dadurch  und  dabei  mit  deren  Ver- 
fassern, sowie  auch  mit  dem  Wesen  der  deutschen  Versbildung  und 
den  wichtigsten  Vers-  uiid  Strophenarten  bekannt  sein;  endlich  soll  er 
über  einen  im  Bereiche  seines  vnasens  liegenden  Gegenstand  nach  häus- 
licher Vorbereitung  mit  Benutzung  einer  schriftlichen,  ihm  vorliegen- 
den Disposition  einen  freien  Vortrag  halten  können.  6)  In  der  Religion 
soll  er  mit  denjenigen  Abschnitten  der  Religionswissenschaft,  die  wäh- 
rend seines  Aufenthalts  in  der  Klasse  zam  Vortrag  gekommen  sind, 
überall  vertraut  sein.  7)  In  der  Geschichte  soll  er  diejenigen  Theiie 
derselben  y  welche  während  seines  Aufenthalta  in  der  Klasse  vorgetra- 


316  Berichte  über  gelehrte  AnstalteD,  Verordnungen,  Statist.  Notasen. 

gen  sind,  nach  ihren  Hauptbegebenheiten  mit  genauer  Bezeichnane  de« 
topographischen  und  Sicherheit  im  chronologischen  inne  haben,  o)  In 
der  Mathematik  soll  er  mit  der  Lehre  von  den  Potenzen,  dem  dekadi- 
schen Zahlensysteme,  den  Progressionen,  Logarithmen,  mit  der  Lehre 
yon  den  zusammengesetzten  Interessen,  sowie  mit  den  Gleichungen  des 
ersten  Grades,  ferner  mit  der  Stereometrie  und  endlich  mit  den  An» 
fangsgrundeu  der  Trigonometrie  bekannt  sein.  Der  Cnrsus  der 
Secunda  ist  zweijährig.  Das  Ziel  der  Prima,  deren  Cursns  zwei 
Jahre  dauert,  ist  in  der  gleichfalls  von  fürstlicher  Scholarchats  -  Com- 
mission  revidierten  Verordnung  über  die  Maturitats- Prüfung  Tor  dem 
Abgänge  zur  Universität  bezeichnet:  $  1.  Jeder  Schüler,  der  sich 
einem  Berufe  widmen  will ,  für  welchen  ein  3  l)is  4jährigefl  Uniyersi- 
tatsstudium  erforderlich  ist,  niusz  sich  vor  seinem  Abgange  zur  Univer- 
sität einer  Maturitätsprüfung  unterwerfen.  Der  Zweck  derselben  ifty 
auszumitteln ,  ob  der  Abiturient  einen  solchen  Grad  der  Scbulbfldong 
erreicht  habe,  dasz  er  sich  mit  Nutzen  und  Erfolg  dem  Studium  eines 
besondern  wissenschaftlichen  Faches  widmen  könne.  $  2.  Die  Prüfung 
findet  innerhalb  der  beiden  letzten  Monate  jedes  Semesters  statt,  und 
wird  von  dem  Director,  mit  Zuziehung  derjenigen  Lehrer,  welche  den 
Unterricht  in  Prima  besorgen,  veranstaltet.  $  3.  Die  Abiturienten 
haben  dem  Director  6  Monate  vor  dem  beabsichtigten  Abgange  su  der 
Universität  ein  schriftliches  Gesuch  um  Zulassung  zu  der  Prüfung  ein- 
zureichen und  einen  Aufsatz  über  ihren  bisherigen  Bildungsgang,  so- 
wie über  ihre  fernem  wissenschaftlichen  Bestrebungen  beiinfigen. 
Diese  Meldung  ist  nicht  eher  zulässig,  als  bis  die  Abiturienten  1^  Jahre 
an  dem  Unterrichte  in  Prima  Theil  genommen  haben,  indem  ein  swei- 
jähriger  Besuch  dieser  Klasse  als  Minimum  anzusehen  ist.  Sollten  sich 
Schüler  melden,  bei  welchen  dessen  ungeachtet  der  Director  im  Ein- 
verständnisse mit  den  betreffenden  Lehrern  noch  nicht  die  erforderliche 
Reife  hinsichtlich  ihrer  wissenschaftlichen  und  sittlichen  Bildung  vor- 
aussetzen darf,  so  hat  er  sie,  mit  Vorhaltung  der  Nachtheile  eines  M 
frühen  hincilens  zur  Universität,  ernstlich  von  der  Ausführung  ihres 
Vorsatzes  abzumahnen,  auch  ihren  Kitern  oder  Vormündern  die  nothi- 
gen  Vorstellungen  zu  machen.  Indes  soll  demjenigen,  welcher  schon 
4  Semester  hindurch  Mitglied  der  Prima  gewesen  ist,  die  Zulassung 
zur  Prüfung  nicht  verweigert  werden.  ^  4.  Der  Director  hat  von  der 
geschehenen  Meldung  der  Abiturienten  der  Scholarchats -Commisston 
und  den  betreffenden  Ijehrern,  unter  Mittlieilung  der  im  vorigen  %  ge- 
dachten Scripta,  Anzeige  zu  machen,  um  das  nothige  für  die  Prüfung 
einzuleiten.  ^*  o.  Die  Abiturienten  werden  geprüft  in  der  deutschen, 
lateinischen,  griechischen,  französischen  und  englischen  Sprache  (an- 
gehende Theologen  oder  Philologen  auch  in  der  hebraeischen),  ausser- 
dem in  der  Religionskenntnis,  in  der  Weltgeschichte  verbunden  mit 
Geographie,  in  der  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  und  in  der 
Mathematik.  <$  6.  Der  Maszstab  für  die  Prüfung  soll  derselbe  sein, 
welcher  dem  Unterrichte  in  der  ersten  Klasse  und  dem  Urtheile  der 
iichrcr  über  die  wissenschaftlichen  Anforderungen  an  die  Schüler  der- 
selben zum  Grunde  liegt.  Das  Masz  von  Kenntnissen  aber,  welche 
sich  ein  Abiturient,  der  auf  das  Zeugnis  der  Reife  Anspruch  macht, 
angeeignet  haben  musz,  ist  folgend ermaszen  festgesetzt:  a.  Im  Deut- 
schen soll  er  fähig  sein,  über  ein  ihm  gegebenes  Thema  einen  logisch 
g(>ordm>ton  Aufsatz  in  einer  fehlerfreien,  deutlichen  und  angemessenen 
Schreibart  abzufassen.  Auch  wird  eine  genauere  Bekanntschaft  mit 
der  Geschichte  der  vaterländischen  Litteratur  erfordert,  b.  Fm  Latei- 
nischen soll  er  mit  der  Grammatik  überall  vertraut  sein ,  die  während 
seines  Uesuchs  der  Prima  gelesenen  Prosaiker  und  Dichter,  von  letztem 
namentlich  den  Horaz,  in  das  Deutsche  fibersetsen,  grammatisch  und 


Beriehte  Aber  gelebrle  AosUlteD,  VerordamgeB^  gUtifl.  Notiie«.  S17 

antiquarisch  interpreiiereB  nnd  schriftliche  lateinische  Arbeiten  ohne 
Fehler  gegen  die  Grammatik  nnd  ohne  grobe  Germanismen  abfassen 
können,  c.  Im  Griechischen  soll  er  mit  dem  allgemeingültigen  in  der 
Grammatik  bekannt  sein,  die  von  ihm  in  Prima  gelesenen  Prosaiker 
nnd  Dichter,  von  diesen  insbesondere  den  Homer  in  das  Deotsche  über- 
tragen und  in  Bezog  auf  Grammatik ,  Geschichte  and  Mytliologie  er- 
klären, anch  einen  angemessenen  lateinischen  oder  deutschen  Abschnitt 
in  das  Griechische  übersetzen  können,  d.  Im  Französischen  nnd  e.  ia 
Englischen  sollen  seine  grammatikalischen  Kenntnisse  fest  nnd  sicher» 
seine  Uebersetzungen  in  das  fremde  Idiom  im  ganzen  fehlerfrei  sein| 
dazu  soll  er  eine  ihm  vorgelegte,  in  Rücksicht  auf  Inhalt  und  Sprache 
nicht  zn  schwierige  Stelle  ans  einem  klassischen  Dichter  oder  Prosaiker 
richtig  lesen,  angemessen  übersetzen  und  bei  der  Erklärung  derselben 
darthun  können,  dasz  er  sich  anch  einige  Fertigkeit  im  mündlichen 
Gebrauche  beider  Sprachen  erworben  habe.  f.  In  der  Religion  vrird 
von  ihm  eine  deutliche  und  begründete  Kenntnis  der  christlichen  Glau- 
bens- und  Sittenlehre,  Bekanntschaft  mit  den  Urkunden  der  christli- 
chen Religion  nnd  mit  der  Religionsgeschichte  erwartet,  g.  In  der 
Mathematik  soll  er  mit  den  verscniedenen ,  in  den  Kreis  des  Schulun- 
terrichts fallenden  Theilen  der  Mathematik  vertraut  sein.  Es  genügt 
jedoch  die  Kenntnis  einzelner  Sätze  an  und  für  sich  nicht,  vielmehr 
wird  verlangt,  dasz  er  dieselben  anch  beweisen  könne  und  sich  eine 
klare  Einsicht  des  Zusammenhangs  sämtlicher  Sätze  der  WissenschafL 
so  weit  dieselbe  gelehrt  ist,  erworben  habe.  h.  In  der  Geschichte  und 
Geographie  wird  eine  Uebersicht  des  ganzen  Feldes  der  Geschichte, 
genauere  Kenntnis  der  griechischen  und  römischen,  so  wie  der  deut- 
schen Geschichte,  die  Elemente  der  mathematischen  und  physischen 
Geographie  und  Kenntnis  des  gegenwärtigen  politischen  Zustandes  der 
Hanptvölker  Buropas  insbesondere  gefordert,  i.  Diejenigen  endlich, 
welche  sich  dem  Studium  der  Theologie  oder  Philologie  widmen  wol- 
len, müssen  das  hebraeische  geläufig  lesen  können^  mit  der  Elementar- 
und  Formenlehre  vertraut  and  im  Stande  sein,  eine  leichte  Stelle  aus 
einem  historischen  Buche  des  Alten  Testaments  oder  einen  Psalm  zn 
übersetzen.  §  7.  Die  Prüfung  geschieht  theils  schriftlich,  theils  münd- 
lich. Die  schriftlichen  Aufgaben  dürfen  nicht  schon  früher  in  der 
Schule  bearbeitet  sein,  ebensowenig  jedoch  über  den  Gesichtskreis  der 
Schüler  hinausgehen,  oder  das  Masz  derjenigen  Kenntnisse  übersteigen, 
welche  dorch  den  vorgangigen  Gymnasial-Unterricht  vorausgesetzt  wer- 
den können.  $  8.  Die  schriftlichen  Arbeiten,  zu  welchen  die  prüfenden 
Lehrer  mehrere  der  Scholarchats  -  Commission  durch  den  Director  zdr 
Auswahl  vorzulegenden  Aufgaben  vorschlagen,  bestehen:  a.  in  einem 
deutschen  und  b.  in  einem  lateinischen  Aufsatze ;  c.  in  einem  deutschen, 
d.  lateinischen  und  e.  einem  französischen  Extemporale;  f.  in  der 
Uebersetznng  eines  Stückes  aus  einem  im  Bereiche  der  ersten  Klasse 
liegenden  und  in  der  Schule  nicht  gelesenen  griechischen  Dichters  oder 
Prosaikers  ins  Deutsche;  und  g.  in  der  Lösung  einer  planimetrischen, 
einer  algebraischen,  einer  stereometrischen  und  einer  trigonometrischen 
Aufgabe.  Die  beiden  grössern  Aufsätze  sub  a.  und  b.  sind  als  letzte 
Schularbeiten,  ohne  Beeinträchtigung  des  Schulbesuchs,  sämtliche  übri- 
gen aber  unter  Clansur  nnd  Autsicht  der  betreffenden  Lehrer,  so  viel 
es  sein  kann,  ausser  den  Schulstunden,  in  einer  angemessenen  Zeit 
von  2  bis  4  Stunden,  je  an  verschiedenen  Tagen  gegen  Ende  des  Se- 
mesters anzufertigen.  Die  Arbeiten  werden,  von  oem  Urtheile  der  be- 
treffenden Lehrer  begleitet,  an  den  Director  abgegeben  und  von  die- 
sem der  Scholarchats-Commission  zugesandt.  $  9.  Zur  mündlichen  Prü- 
fung wird  ein  ganzer  Vormittag,  wenigstens  8  Tage  vor  dem  alljgemei- 
pen  Examen,  bestimmt.    Sie  geschieht  in  Gegenwart  der  Commissiott 


g|g   Deriebte  Aber  gelehrte  Anstalten,  Vorordnnngen,  statiit.  Notiien. 

,  ggnitlicb«r  Lehrer.  Sofern  letztere  den  Unterricht  in  den  betref- 
f  nden  Gegenständen  in  Prima  ertheilt  haben,  liegt  ihnen  die  Prufnng 
ob.  Dleae  besteht  in  Tolgendcn  Gegenstanden:  1)  im  Lateinischen, 
Uebcrsetziing  und  Erklärung  passender  Stellen  aus  einem  Dichter  oder 
einem  Prosaiker;  2)  im  Griechischen,  3)  im  Franzosischen,  4)  im  Eng- 
iiflchen  ebenso;  5)  in  der  Religionskenntnis;  6)  in  der  Mathematik; 
7)  in  der  Weltgeschichte;  8)  in  der  Geschichte  der  deutschen  Littera- 
tur;  9)  im  Hebraeischen  für  die  künftigen  Theologen  und  Philologen. 
§  10.  Wenn  dann  auch  das  allgemeine  Schulexamen  beendigt  ist,  so 
wird  mit  Rücksicht  auf  die  rorliegenden  schriftlichen  Arbeiten,  anf 
den  Krfolg  samtlicher  Prüfungen  und  auf  die  durch  längere  Beobach- 
tung begründete  Kenntnis  der  Lehrer  von  dem  ganzen  wiMenschaft- 
liehen  und  sittlichen  Standpunkte  der  geprüften,  über  das  ihnen  lo 
ertheilende  Zeugnis  berathen,  und  werden  die  Grade  der  wiasenachaft- 
liehen  Reife,  welche  sich  durch  die  Praedicate  'Torzuglich,  gut, 
zureichend  und  nothdürftig  vorbereitet'  abstufen,  beatimmt. 
Die  Commission  hat  dabei  die  letzte,  entscheidende  Stimme.  Denen. 
welche  für  reif  erklärt  sind,  wird  durch  den  Director  angekiindigt, 
dasz  sie  die  Schule  mit  dem  Schlüsse  des  Semesters  verlassen  and  znr 
Universität  abgehen  können.  Der  Director  fertigt  demnächst  für  aie 
das  Zeugnis  der  Reife,  in  deutscher  Sprache,  zuerst  im  Concepte  ana, 
legt  es  den  Lehrern,  welche  die  Prüfung  vollzogen  haben,  zur  Unter- 
zeichnung und  dann  der  Commission  zur  Beförderung  einer  Reinschrift 
davon  vor,  welche  von  ihm  unterschrieben  und  mit  dem  G3rmnasialaie- 
gcl  versehen  und  auch  von  der  Commission  durch  Unterschrift  nnd 
durch  das  Scholarchatsicgel  beglaubigt  wird.  Die  abgehenden  werden 
am  Schlüsse  des  allgemeinen  Kxamens  von  dem  Director  entlasaen^  die 
Zeugnisse  denselben  jedoch  erst  kurz  vor  ihrer  Abreise  zur  Universi- 
tät durch  den  Director  eingehändigt.  Den  nicht  reif  erfundenen  wird 
der  Ruth  ertheilt,  die  Schule  noch  eine  Zeit  lang  zu  besuchen,  falls 
Hoffnung  da  ist,  dasz  sie  das  fehlende  dadurch  werden  einbringen 
können.  Bleiben  solche  für  nicht  reif  erklärte  bei  ihrer  Absicht  die 
Universität  zu  beziehen,  so  ist  ihnen  auf  ihr  Verlangen  ein  Zeugnis 
über  das  Krgebnis  ihrer  Prüfung  auszufertigen. 

Die  Schülerzahl  betrug  im  Sommersemester  153  (I  6,  II  8,  IR  4, 
Iir  16,  HR  27,  IV  34,  V  31,  VI  27).  Zur  Universität  wurde  Mich. 
JK5ü  ein  Schüler  entlassen.  Die  in  Form  und  Inhalt  gleich  ansprechende 
Abhandlung  schrieb  der  Gymnasiallehrer  Dr.  Kestncr  unter  dem  Ti- 
tel: der  See  Vadimo  (Plin.  Kp.  VHI  20)  [II  S.  4].  Um  zu  beweisen, 
dasz  des  Jüngern  Plinins  Kpisteln  bei  allen  ihnen  anklebenden  Mangeln 
doch  in  Naturschilderungen  sich  auszeichnen,  trägt  der  Hr.  Verf.  alles 
zusammen,  was  bei  den  Alten  und  Neuem  über  den  See  berichtet  wird 
und  erleutert  dies  durch  Vergleich ungen  mit  anderen  Natnrvorkomm- 
nisseii.  Interessant  sind  besonders  die  Zusammenstellungen  über  schwim- 
mende Inseln  auf  dem  Meere  und  in  Landseen.  Da  der  Hr.  Verf.  vor- 
hat, die  gesamten  Naturschilderungen  des  Jüngern  Plinius  zn  rommen- 
tieren,  so  glauben  wir  nach  der  vorliegenden  Probe  an  ihn  die  Auffor- 
derung aussprechen  zu  dürfen,  diese  seine  Arbeiten  nicht  bloss  Frenii- 
desk reisen  vorzulegen,  sondern  auch  dem  weiteren  Publicum  zugänglich 
zu  machen.  X>. 

Kaiskustaat  oEftTKnuKicii.]  Die  von  der  Zeitschrift  für  die  oeter- 
reichischen  Gymnasien  im  VI.  Jhrg.  12.  Heft  gegebenen  Tabellen  über 
das  Schulj.  1854  —  55  (über  d.  J.  1853—54  s.  Bd.  LXXII  S.  322  ff.) 
enthalten  statistische  Nachrichten  von  262  Gymnasien.  Es  fehlen  solche 
noch  von  den  Gymnasialanstalten  zu  Castagnanizza  (Küstenland), 
Sign  (Dalmatien),  den  evangelischen  zn  Kremnitz,  Komorn,  Los- 
sonz  (H.  B.),  Pudlein,  Güns,  Kovago-Kors,  Sziksö,  Nagy- 


Beriobte  Aber  gelehrte  AistalteD,  Verordhinfmi,  «tolbt.  NoUseD.  819 

Källo  (ia  Un^rn  ond  8iebenb3rgen)|  in  der  Lcmbardei  Ton  den  Com- 
manalgymnanen  sn  Salö,  Casalnaggiore,  Asola,  Ganneto,  den 
biichöfl.  zn  Brescia,  Cremona,  Como,  dem  ConTictg«  sa  Galla- 
rate,  dem  parif«  za  Milano  (Abb.  Micn.  Sorre),  den  Pri?atgymn.  za 
Varese  nnd  Castello  sopra  Lecco,  endlich  in  Venetien  Ton  den 
biscböfl.  zn  Verona  undCnioggia,  dem  Jesnitencolleg  zn  Pado-va, 
nnd  den  parif.  zn  Verona  nnd  Cologna.  Das  kathoiiacbe  Unter- 
gymn.  zu  Föleeyhäza  war  in  eine  Elementarschule  umgewandelt, 
eingegangen  sind  die  evangelischen  Untergyronasien  zn  Raab  und 
8k HZ  Väros  (Bros  in  Siebenburgen).  Das  Oeffentlicbkeitsrecht  ha- 
ben in  Ungarn  bis  jetzt  yon  den  erangelischen  Gymnasien  nur  O eden- 
barg, Oberschntzen,  Nagy-Körös,  Hold-Mezö-VäsArhely, 
Eperies,  Marmaros-Szigeth  und  Debreczin  erlangt.  Ein  Er- 
iasz  des  Ministeriums  yom  31.  Oct.  1866  veranlaszi  die  übrigen  zur 
Beschleunigung  ihrer  Organisation.  Tn  Siebenbürgen  haben  sämmtliche 
Gymnasien  das  Oeffentlicbkeitsrecht,  dessen  in  der  Woiwodschaft  usw. 
noch  das  zn  Neu-WerbAsz  ermangelt.  Auch  in  Lombarde- Venetien 
haben  mehrere  katholische  Gymnasien  dasselbe  noch  nicht,  oder  doch 
nicht  unbedingt.  Das  Recht  der  Matnritätsprnfunc  besitzen  in  diesen 
beiden  Landern  nur  die  Staatsgymnasien.  Die  Tabellen  zahlen  in  den 
übrigen  Ländern  ausser  Italien  45  Gymnasien  auf,  welche  aus  dem  Aerar 
oder  dotierten  Fonds  (einige  unter  Communalbeisteuer),  39,  die  Ton  gebt- 
lichen  Körperschaften  erhalten  werden,  9,  bei  denen  die  Feststellung 
der  Dotation  und  Regelung  der  Fonds  noch  beyorsteht  (darunter  7  in 
Galizien).  Ueber  die  statistischen  Verhältnisse  geben  wir  folgende  Ta- 
belle, wobei  wir  unter  den  ordentlichen  Lehrern  die  Katecheten,  unter 
der  Schulerzahl  die  Privatisten  mit  begreifen;  bei  den  Maturitätsprü- 
fungen die  Externen  weglassen. 


320  BeriohCe  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  sUtiit  Notiiea. 


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2  09 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordoongen,  statist.  Notizen.  321 

In  der  Frequenz  stellt  sich  im  ganzen  eine  Vermehrnng  nm  797  her- 
aus; Abnahme  der  Schüierzabl  findet  sich  nur  in  Oberosterreich  (2), 
Tirol  und  Voralberg  (49),  Dalmatien  (2),  Schlesien  (36),  Militargrenze 
(1),  Lombardei  (377)  und  Venetien  (418).  Von  den  Schalern  waren 
36871  römischkatholisch,  2379  griech.-kath.,  1399  griech.  nicht  uniert, 
2687  Augsb.  und  3095  Heivet.  Bekenntnisses,  1987  Juden,  auszerdem 
fanden  sich  34  Armenier,  294  Unitarier  und  1  Mohamedaner.  Daa 
Schulgeld  betrug  in  den  deutschsiavischen  Landern,  für  weiche  das 
Scbulgeldgesetz  bis  dahin  allein  in  Wirksamkeit  getreten  war,  1214*57 
fl.  47  kr.,  die  Anfnahmetaxen  1154611.  16  kr.  Vom  Schulgelde  war  mehr 
als  ein  Drittel  der  Schüler  befreit.  Interessant  sind  folgende  Mittheilun- 
gen :  Die  deutsche  Sprache  hatten  als  auschliesziiche  Unterrichtssprache 
86  Gymnasien,  die  italienische  desgl.  66,  gemischt  deutsch  und  italie- 
nisch 2,  deutsch  und  cechiscb  7,  deutsch  und  polnisch  (ruthen.)  6, 
deutsch  und  magyarisch  oder  slavisch  17,  deutsch  und  serbisch  3,  deutsch 
und  iilyrisch  3,  deutsch  und  romanisch  1.  Als  auschliesziiche  Unterrichts- 
sprache, die  aber  nach  dem  Gesetze  solche  nicht  bleiben  kann,  hatten 
magyarisch  66,  sIsTisch  2,  romanisch  2,  croatisch-slavonisch  1.  Die 
deutsche  Sprache  ist  als  Unterrichtsgegenstand  gar  nicht  erwähnt  an 
20  Gymnasien  Lombardo-Venetiens  und  2  in  den  anderen  Kronlandern. 
Von  denen,  welche  die  Maturitätsprüfung  bestanden,  erwählten  Theo- 
logie 276,  Jurisprudenz  383,  Medicin  1*28,  historisch-philologische  Wis- 
senschaften 41,  mathematisch- physikalische  30,  einen  anderen  Beruf  20, 
unentschieden  waren  11;  ohne  Maturitätsprüfung  traten  in  das  theolo- 
gische Studium  ein  233.  —  Eine  Verordnung  des  Ministeriums  vom  5. 
Febr.  1856  ordnet  für  den  Unterricht  in  der  philosophischen  Propaedeu- 
tik  an,  dasz  in  der  VII  Kl.  allgemeine  Logik,  in  der  VIII  empirische 
Psychologie  in  2  wöchentlichen  Stunden  zu  lehren  ist. 

Preuszen.  Folgende  Verordnung  des  Ministeriums  der  geistlichen, 
Unterrichts-  und  Medicinalangele^enheiten  vom  10.  April  1856  gibt  den 
erfreulichsten  Beweis  von  der  eifrigen  und  einsichtsvollen  Fürsorge 
für  das  Gedeihen  der  Gymnasien:  Ea  ist  in  den  auf  die  Circular- Ver- 
fügung vom  28.  November  1854  erstatteten  gutachtlichen  Berichten  all- 
gemein als  Thatsache  anerkannt  worden,  dasz  es  auf  den  Gymnasien 
den  Schülern  auch  der  mittleren  und  oberen  Klassen  häufig  an  derjeni- 
gen ^copia  vocabulornm'  im  Lateinischen  fehlt,  deren  es  besonders  zu 
einem  leichten  und  sichern  Verständnis  der  Autoren  bedarf.  In  Folge 
dessen  wird  die  Neigung  zum  Gebrauch  ungehöriger  Hilfsmittel,  na- 
mentlich zur  Benutzung  gedruckter  Uebersetzungen  und  zum  Ueber- 
schreiben  der  Vocabeln,  howie  die  Abhängigkeit  von  dem  auch  in  den 
obersten  Klassen  noch  neben  Sem  Antor  liegenden  Vocabelbuch  nicht 
selten  angetroffen,  und  die  eigene  Befriedigung  der  lernenden  beim 
Lesen  der  Klassiker  vermiszt.  Es  soll  nicht  verkannt  werden,  dasz 
hiezn  auch  andere,  nicht  im  Bereich  der  Schule  liegende  Uebelstände 
mitwirken:  um  »o  mehr  ist  es  aber  ihre  Pflicht  von  den  ihr  zu  Gebote 
stehenden  Mitteln  der  Gegenwirknng  den  sorgfältigsten  Gebranch  zu 
machen.  Die^  Schuler  der  unteren  Klassen  bedürfen  einer  bestimmten 
Anleitung,  wie  sie  beim  praeparieren  zu  Werke  zn  gehen  haben;  und  die 
einmal  erlernten  Vocabeln  müssen  ebenso,  wie  die  Regeln,  Gegenstand 
wiederholter  Repetition  sein,  bei  der  dorch  mannigfach  wechselnde 
Fragweise  einem  mechanischen  answendiglernen  vorgebeugt  wird;  bei 
den  Versetzungen  ist  auf  sichere  Vocabelkenntnis  ein  gröszeres  Ge- 
wicht zu  legen,  als  gemeiniglich  geschieht.  Wenn  auf  diese  Weise 
durch  feste  Einprägung  der  in  der  Grammatik  und  den  Lesestücken 
vorkommenden  Vocabeln  dem  Bedürfnis  der  untersten  Klassen  im  all- 
l^emeinen  genügt  werden  kann,  bo  ist  doch  auszerdem,  in  Betracht  der 
Nothwendigkeit  empirischer  Grundlagen  beim  ersten  Unterricht,  und 

iV.  Jakrb.  f.  PhU,  ».  tHud,  Bd.  LXXIV.  Hß,  0.  23 


322  Berichte  über  gelehrte  Anstalten ,  Verordnungen ,  Statist.  Notisen. 

lar  die  Zeit  der  grosten  Willigkeit  des  Gedächtnisses  ein  methodisches 
Vocabellernen  sehr  zn  empfehlen.  Ks  ist  nicht  die  Ahsicht,  in  dieser 
Beziehang  eine  bestimmte  Anordnung  oder  die  Einfahrnng  eine«  der 
irorhandenen  Vocabularien  yorznschreiben ;  aber  die  Directoren  sind  da, 
wo  es  noch  nicht  geschehen  ist,  zu  veranlassen,  den  Gegenstand  mit 
den  betreffenden  Lehrern  in  Berathnng  zn  nehmen,  und  mit  denselben 
ein  gemeinsames  Verfahren  zu  yerabreden.  Am  wenigsten  empfiehlt  es 
sich,  Vocabeln  nur  nach  der  zafailjgen  Ordnung  des  Alphabets  lernen 
zu  lassen;  bildend  für  das  Sprachgefühl  auch  im  ersten  Knabenalter 
wird  es  nur  geschehen,  wenn  das  zusammengehörige  gruppenweise  und 
nach  Analogien  gelernt  wird,  wobei  sowol  der  reale  wie  der  logische 
Gesichtspunkt,  nach  welchem  z.  B.  auch  die  opposita  eingeprägt  wer- 
den ,  Berücksichtigung  verdienen.  Geht  ein  streng  etymologisches  Ver- 
fahren über  die  Kräfte  der  Schüler  in  den  untersten  Klassen  hinaus, 
und  eignet  sich  überhaupt  für  die  Schule  nur  das  in  dieser  Besiebnng 
unzweifelhaft  feststehende  zur  Benutzung,  so  ist  doch  das  wesent- 
lichste der  Wortbildungslehre,  worin  jetzt  nicht  selten  eine  grosie  Un- 
wissenheit angetroffen  wird,  nach  Maszgabe  des  Schulbedürfnisses,  bei 
welchem  es  auf  eine  systematische  Vollständigkeit  nicht  ankommen  kann, 
gehörigen  Orts  mitzutheilen  und  einzuüben.  Der  beabsichtigte  Nntxen 
eines  irgendwie  geordneten  Vocabellernens  wird  indes  nor  dann  mit 
Sicherheit  erwartet  werden  können,  wenn  es  keine  isolierte  Gedächtnis- 
übung bleibt,  sondern  wenn,  je  nach  den  einzelnen  Klassenstufen,  der 
erlernte  Wortvorrath  in  mündlicher  und  schriftlicher  Uebnng  fortwah- 
rend zur  Verwendung  kommt,  und  möglichst  in  lebendiger  Gegenwar- 
tigkeit  erhalten  wird. 

Hinsichtlich  der  griechischen  Sprache  findet  ein  ahnliches  Bedürf- 
nis statt;  weshalb  auf  dieselbe  die  obigen  Bestimmungen  mit  der  nö- 
thigen  Beschränkung  entsprechende  Anwendung  finden. 

Ich  veranlasse  sämtliche  königliche  Provinzial-Schul-Collegien,  den 
Gymnasial- Directoren  ihres  Ressorts  vorstehendes  zur  Nachachtnng 
mitzutheilen,  und  vertraue,  dasz  dieselben  der  zweckmässigen  Behand- 
lung des  wichtigen  Gegenstandes  fortdauernd  ihre  Aufmerksamktft 
widmen  werden. 

Wkrnigerodr].  Am  5.  Februar  dieses  Jahres  feierte  der  Oberleh- 
rer am  hiesigen  Lyceum  Christian  Friedrich  Kesslin  sein  50jah- 
riges  Amtsjubilaeum.  Bei  dieser  Gelegenheit  wurde  demselben  im  Na- 
men des  Lehrercollegiums  am  Domgymnasium  zu  Halberstadt  von  dem 
Director  Dr.  Theod.  Schmid  eine  Gratulationsschrift  überreicht, 
welche  wir  eben  so  sehr  wegen  ihres  gemütlichen  Humors,  wie  ihres 
höchst  beachtenswerthen  Inhalts  einer  Besprechung  unterziehen.  Der 
Umstand,  dasz  dem  Jnbilar  der  rot  he  Adlerorden  zu  Theil  wurde,  ver- 
onlaKzt  den  mit  Horatins  so  vertrauten  Verf.  über  den  bekannten  vor 
der  lOn  Satire  des  ersten  Bnchs  erscheinenden,  viel  bezweifelten 
frrammaticorutn  equitum  docÜBaimum  eine  gründliche  Untersuchung  mit- 
zutheilen. Spricht  derselbe  auch  nicht  bestimmt  und  entschieden  diese 
Ansicht  aus,  so  scheint  doch  das  Ergebnis  zusein,  dasi  er  die  8  Vene 
für  ein  Erzeugnis  der  horatianischen  Muse  ansieht.  Kirchner*s  Ver- 
mutung, dasz  sie  dem  Furins  Bibaculus  zniuschreiben  seien,  wird  dnrch 
den  Nachweis  widerlegt,  dasz  Valerius  Cato,  weil  er  pupillut  genannt 
werde,  nach  dem  juristischen  Sprachgebrauche  in  Snlla^s  Zeit  noch 
nicht  1 4  Jahre  alt  gewesen,  demnach  in  der  Zeit  der  Abfassung  der 
Satire  (720  d.  St.)  höchstens  das  72e  Jahr  erreicht  haben  müsse.  Für 
den  fframmaticorum  cquitum  doctinimum  erklärt  nun  aber  der  Verf. 
keinen  anderen,  als  den  bekannten  strengen  Schulmeister  Orbilins 
Pupillus,  aber  unter  Annahme  von  Rcisig*s  Conjertur  cxhortatu» 
und  pucrum^  welche  ganz  leicht  sei,  da  pucrum  durch  Weglassnng  des 


PersonalDtdirielitei.  9S8 

Zeichens  in  puer  sich  verwandelt  and  so  das  edraraftit  nach  sich  geso- 
gen habe.  Aehnlich  sei  Plin.  H.  N.  XI  41  in  dem  von  Mone  bekannt 
gemachten  Palimpsest  Herum  gravegeant  far  iter  grai>€»€ani  in  lesen. 
Freilich  scheinen  die  lora  und  fune»  udi^  selbst  im  Falle  daas  man 
eine  Uebertreibnng  dem  Dichter  gestatten  will,  nicht  zu  passen ,  wenn 
man  an  einen  freigeborenen  puer  denken  muste,  allein  der  Verf.  hat 
nach  hier  einen  wirklichen  puer  zur  Hand,  den  von  Suet.  de  ill.  granuu. 
c.  20  erwähnten  Orhilii  servui  atque  dUeipuluB  Scribonias  Aphrodi- 
sius.  Fragt  man  endlich,  wie  denn  Orbilios  nnter  die  Ritter  gdcom- 
men,  so  antwortet  der  Verf. :  auf  den  14  Banken  hat  er  nicht  gesessen, 
aber  Saeton.  a.  a.  O.  c.  9  bezeugt  von  ihm,  dasz  er  in  Macedonia 
eomiculOy  wiox  equo  meruii  and  der  Dichter  wird  dadurch  nm  eine 
witzige  Anspielung  reicher.  Es  fehlt  nicht  der  Nachweis,  dass  wirk- 
lich die  Grammatiker  sich  mit  der  Eroendation  der  Dichter  beschäftigt 
haben,  wie  denn  zuletzt  die  Erwähnung,  dasz  sack  hei  den  Römern 
der  Uebergang  der  Schaldisciplin  aus  der  rigorosen  Progelaacht  dos 
Orbilius  zu  cruttulit  (Horat.  Sat«  I  1  25  wird  ui  veUni  abersetst: 
'dasz  sie  doch  die  Gute  haben  mochten  das  A  B  C  zn  lernen')  und  sa 
den  elfenbeinernen  Bachstaben  (bei  Qnintil.  I  1  20),  die  freilich  noch 
entfernt  gewesen  von  Basedows  und  Campes  Znckerbnchstaben ,  statt- 
gefunden, Gelegenheit  gibt,  den  Jnbilar  zu  beglnck wünschen,  weil  er 
die  goldene  Mittelstrasze  zwischen  der  finstern  Strenge  und  der  über- 
schwenglichen Liebe  stets  eingehalten  and  sich  dadurch  aller  seiner 
Schäler  Herzen  gewonnen  habe.  D. 


Personaln  achrichten. 

Ernennungen: 

Czizek,  Anacl.,  Piaristenordenspr.,  provisor.  Dir.  aa  kk.  Gymn.  zu 

Jungbunzlan,  als  wirkl.  Dir.  bestät. 
Fiatscher,  Georg,  Welt^riester,  zum  wirkl.v 

Religionslehrer  (•«.  a  i  u-         ^ 

Go bei,  Dr.  Ed.,  Gymnasiallehrer  zu  Bonn,  znm(™  »alzbnrger  Gymn. 

wirkl.  Lehrer  ^ 

Hammer,  Plac,  Piaristenordenspr.,  proTisor.\ 
Dir.  zum  wirkl.  Dir.         / 
Hang,     Oltok.,    Cisterzienserordenspr. ,    zum)  am  Gymn.  zn  Bndweis. 

wirkl.  Lehrer  1 

Kroner,  Jul.,  desgl.  ^ 

Langer,  Alois,   Lehramtscand.,  zum  Lehrer  am  Gymn.  zn  Eger. 
Lopäta,  Rudb.,  provis.  Dir.,  zum  wirkl.  Dir.  am  kk.  Gymnasium  zu 

Nicolsburg. 
Mittler,  Regiemngsrath ,  zum  Referenten  für  Kirchen-    und  Schul- 

^  Sachen  im  knrf.  Ministerium  des  Innern  zu  Kassel. 
M  ü  c  h  e  1 ,  O  s  w.,  Praemonstratenserpr.  als  wirkl.  Dir.  des  Gymn.  zu  Saaz 

bestätigt. 
M  u  t  z ,  R  i  c  h.,  Cisterzienserpr.y  znm  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Bud- 

weisern. 
Ozlberger,  Ant. ;  Augustinerpr.,  znm  wirk.   Lehrer  am  Gymn.  zn 

Linz. 
Pazel,  Vinc,  Snppl.  zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  in  Fiume. 
Pauly,  Dr.  Frz.,  Gymnasiallehrer  zu  Aachen,  zum  wirkl.  Lehrer  am 

Preszbnrger  Gymn. 


924  Personalnachrichten. 

Reizner,  Schnlamtscand.,  zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Calm. 
Respet,  Andr.,  Weltpr.,  zum  Religionfllehrer  am  Gymn.  zu  Gon. 
Schedl,  Bened.,  Benedictinerpr.,  zum  wirkl.  Lehrer  am  Salzbnrger 

Gymn. 
Schell,  Joh.  Nicol.,  Gymnasiallehrer,  zum  wirkl.  Lehrer  am  Trie- 

ster  Gymn. 
Wiener,  Em.,  Suppl.  am  cv.  Gymn.  zu  Teschen,  zum  wirU.  Lehrer. 
Zonkada,  Ant.,  Suppl.  an  der  philos.  Fakult.  zu  Pavia,    zam   wirkl. 

Lehrer  des  das.  Lycealgymn. 

Praedicierungen: 

Schwartz,   Dr.  Frdr.  Wilh.,   ordentl.  Lehrer  am  Friedrichs  -  Wer- 
der^schen  Gymn.  zu  Berlin  als  Oberlehrer. 

Gestorben: 

Am  30.  Nov.  1856  zu  Bagdad   der   franzos.  Consul  Fresnel,   Leiter 

der  artistisch-wissenschaftl.  Mission  nach  Mesopotamien. 
Im  Nov.  1855  zu  Toscanella  im  Kirchenstaate  Marchese  Secondiano 

Av.  Campanari,  archaeolog.  Schriftsteller. 
Am  21.  Jan.  1856  zu   Marienburg  in  Siebenbürgen  Pastor  Fink,   nm 

das  Studium  der  Naturgeschichte  verdient. 
Am  23.  Jan.  zu  Petersburg  der  Staatsr.  Nikol.  Nadeschdin,  froher 

Prof.  an  der  Univ.  zu  Moskau. 
Im  Jan.  zu  Löwen  J.  P.  Meynaerts,   einer  der  gelehrtesten  Numia- 

matiker  Belgiens. 
Desgl.  auf  der  Fahrt  von  Constantinopol  nach  Galacz  der  Tourist  ond 

Alterthumsforscher  Prof.  Nager  aus  Luzern. 
Am  8.  Febr.  zu  Lodi  der  Naturforscher  Caval.  Dr.  Agostino  Baaai. 
Am  18.  Febr.  zu  Venedig  der  bekannte  Astronom  Maior  Wilh.  Frei- 
herr von  Biela. 
Am  19.  Febr.  zu  Köln  Pastor  Ph.  Schmitt,  Verf.  der  Schriaen  »der 

Kreis  Saarlouis  unter  den  Romern  und  Kelten'  und  ^der  Kreis  Trier 

unter  den  Romern.' 
Am  28.  Febr.  zu  Mailand  der  Historiker  Prof.  Ag.  de  Magri. 
Am  5.  März  zu  München  der  Prof.  der  Mineralogie  Geheimrath  Dr.  J. 

N.  von  Fuchs,  im  82.  J. 
Am   19.   März  zu  Mitau  der  ehemalige  Minister  der  VolkaanfVl&ning 

Fürst  Andr.  Otto  von  Lieven. 


Zweite  Abtheilung 

hcrtisgegfben  tob  Baildlph  Dfetsch. 


24. 

Die  verba  composita  in  der  lateinischen  Schulgrammatik. 

Je  erfreulicher  es  ist^  dasz  das  Ifingst  bewfibrte  Recht  and  die 
tief  eingreifende  Bedentung  einer  klassischen  Sehulbildang  von  neuem 
immer  klarer  und  sichrer  anerkannt  wird,  und  je  erfreulicher  es  ist, 
dasz,  trotz  der  sichtlichen  Abnahme  der  Zahl  derjenigen,  welche  eine 
klassische  Schulbildung  wünschen  und  suchen,  tfichtige  Krifte  sieh 
dennoch  der  Ausarbeitung  von  Schulgrammaliken  der  klassischen 
Sprachen  immer  zahlreicher  zuwenden :  um  so  zeitgemäszer  dOrfte  es 
sein,  einer  Frage  zu  gedenken,  welche  den  innersten  Kern  der  Sache 
nach  beiden  Seiten  hin  betrifft,  und  die  dennoch  dem  Anschein  nach 
von  den  Bearbeitern,  namentlich  der  lateinischen  Schulgrammatik, 
meistens  gar  nicht  oder  nur  oberflächlich  beachtet  wird :  es  ist  —  ich 
möchte  es  so  nennen  —  die  paedagogische  Aufgabe  der  Grammatik. 

Die  Geschichte  des  Studiums  der  Grammatik,  namentlich  der  U-* 
teinischen  Sprache,  ist  dem  Ref.  eine  längere  Reihe  von  Jahren  hin- 
durch eine  Lieblingsaufgabe  gewesep,  wovon  er  schon  im  Jahre  1837 
ein  öffentliches  Zeugnis  ablegte  durch  seine  *  historische  Uebersichl 
des  Studiums  der  lat.  Grammatik  usw.  Hamburg  bei  Perthes  > Besser 
und  Maucke' — und  er  hatte  die  Freude,  die  volle  Bedeutung  eines  sol- 
chen Strebens  durch  Männer,  wie  Heeren  in  Göttingen,  Fr.  Haase  in 
Breslau,  Petersen  in  Hamburg  u.  a.  vollstöndig  anerkannt  zu  sehen. 
Ref.  hat  dieses  sein  Studium  seitdem  nie  gänzlich  bei  Seite  gelegt, 
wenn  auch  seine  spätere  amtliche  Aufgabe  einem  weiteren  paedagogi- 
schen  Kreise  angehörte:  —  aber  Ref.  hat  sich  in  der  Betrachtung  der 
historischen  Entwicklung  der  lat.  Schulgrammatik,*  namentlich  in  der 
Geschichte  des  Sanctius  und  desseD  Nachfolger,  sowie  in  der  Ge- 
schichte der  neueren  und  neuesten  Zeit,  immer  vollständiger  davon 
überzeugen  zu  müssen  geglaubt,  das«  eine  lebendige  Wiedererweckang 
der  klassischen  Studien,  eine  gröszere  Theilnahme  an  denselben,  sowie 
eine  Rückkehr,  die  in  Wahrheit  den  Namen  eines  *  Vorwärts !  *  ver- 
dient, zu  denselben  so  lange  nicht  mit  Recht  erwartet  wird,  so  lange 

A'.  Jahrb.  f.  Pka/u.  Paed,  Bd.  LXXIV.  Uft,  7,  24 


S26     Die  verba  composita  in  der  lateinischen  Scliulgrammalik. 

die  Scilulgrommolik  in  ihrer  unpaedogogischen  Weise  damit  forlfährl. 
die  grammatischen  Lehren  und  Kegeln  nur  als  eine  Kurüllige  Sammlung 
äusserer  Erscheinungen  zu  geben,  und  dieselben  nicht  als  QOth wen- 
dige liesultate  und  Gesetze  organischer  Entwicklungen  erkennt 
und  vorträgt. 

Es  dürfte  diese  Behauptung  und  paedagogische  Forderung  ansern 
Schulen  gegenüber,  wie  sie  geworden  sind  und  bei  der  heilsamaten 
Umkehr  bleiben  müssen,  zwiefach  wahr  sein.  Einst  wnrde,  der  nocli 
enge  Kreis  der  nolhwendigen  Unterrichtsfächer  gestattete  es,  durch 
ein  tägliches,  vielstündiges  lesen,  durch  die  grosze  Menge  des  gele- 
senen, sowie  durch  die  frühe  Gewöhnung  daran,  in  lateinischen  Wor- 
ten und  Hedensarten  sich  zu  bewegen,  die  laleinischc  Sprache  den 
Schülern,  obschon  auch  damals  die  Mehrzahl  der  latein.  Grammatiker 
(G.  J.  Vossius,  Sanctius,  Scioppius  u.  a.  waren  Ausnahmen)  ein  sol- 
ches Ziel  nicht  festhielten,  dennoch  durch  die  Praxis  selbst  schliesi- 
lieh  als  ein  lebendiger  Organismus  milgetheilt.  Die  tägliche,  anhal- 
tende Uebung  lehrte  die  Schüler  allmählich  in  lateinischer  Sprache 
denken,  mochte  auch  unter  ilinen  die  Zahl  derjenigen  nicht  gross  sein, 
welche  durch  ihres  Lehrers  oder  durch  ihre  eigene  personliche  Bega- 
bung zu  dem  Bewustsein  des  mitgelheilten  sprachlichen  Organismns 
gelangten.  Jetzt  aber,  wo  der  Kreis  der  unerläszlich  nothwendigeo 
Unterrichtsfächersich  so  sehr  erweitert  hat,  wo  nur  von  wüclaenlli- 
chen  Stunden  die  Uede  sein  kann,  wo  die  Menge  dessen,  was  ausser- 
dem noch  zu  lernen  ist,  auch  bei  der  gewissenhaftesten  Aussonderoag 
stets  doch  grüszer  bleibt,  als  dasz  eine  mehrstündige  tagliche  klassi- 
sche Leetüre  auf  längere  Zeit  möglich  wird,  jetzt  mnsz  der  gramna- 
tische  Unterricht  selbst.  Wofern  der  alte  Eifer  wieder  erweckt  nad 
der  alte  Erfolg  wieder  erreicht  werden  soll,  direcl  auf  das  Ziel  los- 
gehen, das  Bewustsein  des  organischen  Wesens  derklas- 
sischen  Sprachen  in  den  Schülern  zu  erwecken.  —  Di» 
überschwängliche  Belobung  des  Inhaltes  der  alten  Klassiker  von  Sei- 
ten vieler,  in  anerkennenswerther  Weise  für  ihr  Amt  begeiaterler, 
Lehrer  kann  —  die  Erfahrung  hat  es  bewiesen  und  beweist  es  noch 
täglich,  —  demjenigen  gegenüber,  was  die  Klassiker  der  lebendigen 
Sprachen ,  der  eignen  u.  a.  dargereicht  haben  und  täglich  darreichen, 
einen  für  den  vorliegenden  Zweck  ausreichenden  Eifer  der  SchQler 
nicht  erwecken.  Die  steten  Klagen  über  den  Leichtsinn ,  die  Gennss- 
sucht,  die  materialistische  liichtung  unsrer  Zeit  sind  wahr,  wurden 
auch  zu  andern  Zeiten  gehört,  haben  aber  nie  geholfen  und  werden 
allein  nicht  helfen. 

So  erfreulich  und  reichen  Segen  versprechend  es  dem  Ref.  si 
sein  scheint,  dasz  die  feste  und  klare  Einsicht,  dasz  auch  das  Gymna- 
sium seinen  historischen  und  wesentlichen  Charakter  einer  evangeli- 
schen Schule  behalten  oder  neu  annehmen  solle,  immer  mehr  sn  er- 
wachen und  hindurchzudringen  scheint,  und  dasz  daneben  auch  das 
volle  Recht  der  klassischen  Vorbildung,  dem  wünschen  und  wollen 
unsers  Luthers  geniäsz,  erkannt  und  gewahrt  werden  dürfte,  so  wird 


Die  verba  composila  in  der  lateioischeo  Schalgrammatik.     327 

dennoch,  fiircbte  ich,  auch  wenn  die  alte,  bewahrte  Grundlage  frigch 
und  fest  gelegt  ist,  die  Tast  allgemeine  Klage,  dasz  dem  Eifer  der 
Lehrer  in  unsern  Tagen  die  Lust  der  Schüler  nicht  nachrolge  noch 
entspreche,  dasz  an  vielen  Stellen  die  Zahl  der  Schaler  in  einer  be- 
drohlichen Weise  abnehme  usw.,  nicht  aufliören,  wenn  man  sich 
nicht  dazu  enlschlieszt,  die  Schulgrammatik  und  den  grammatischen 
Unterricht  den  Forderungen  anzupassen,  welche  die  Jugend  nach  dem- 
jenigen, was  ihr  jetzt  in  andern  Unterrichtsfachern  geboten  wird,  zu 
machen  sich  berechtigt  glaubt  und  wirklich  berechtigt  ist. 

Allerdings  wurden  mit  vollem  Rechte  manche  der  Forderungen 
zurückgewiesen,  welche  einzelne  Schüler  und  Nachfolger  Wilhelm  v. 
Humboldts  und  auch  Beckers  an  die  lat.  und  griech.  Schulgrammatik 
stellten;  —  und  Kef.  würde  jetzt  selbst  in  einem  Buche,  welches  er 
1843  schrieb  (Kasuslehre  der  lat.  Sprache.  Berlin  bei  Trautwein), 
mehrerem  eine  andere  Fassung  geben,  wenn  auch  das  allgemeine 
bliebe.  Allein  die  Geschichte  der  lat.  und  griech.  Schulgrammatik 
dürfte  hinlängliche  Belege  dafür  geben,  dasz,  um  einzelnes  heraus- 
zuheben, die  Leistungen  von  Sanctius,  Ruddimann,  W.  v.  Humboldt, 
Bopp,  Bernhardy,  Reisig  und  Haase,  A.  Grotefend,  Billrolh  n.  a.  der 
neuesten  Schulgrammatik  an  Form  und  Inhalt  ein  mehreres  hätten  ge- 
währen müssen ,  als  zu  Tage  liegt. 

Ref.  nennt  zur  Begründung  seiner  Klage  nicht  einen  bestimmten 
Namen,  damit  die  allgemeine  Klage  nicht  als  eine  persönliche  Anklage 
erscheine:  —  wen  es  interessiert,  der  findet  leicht  den  und  die  Na- 
men, und  der  kann  mit  geringer  Blühe  die  gegebenenen  Beispiele  mit 
noch  stärkeren  belegen.  Es  wird  z.  B.  in  einer  vielgebrauchten  Schnl- 
grammatik  die  Syntax  des  Dativs  auf  11  Seiten  abgehandelt,  und  auf 
denselben  begegnen  wir  mehr  als  funfzigmal  (!)  Ausdrücken  als: 
^besonders%  ^auch',  ^zuweilen%  ^öfter',  ^gewöhnlich'  u.  drgl.  m.  ohne 
alle  nähere  Bestimmung;  —  auf  einer  Seite  lesen  wir:  ^Mit  folgenden 
Verben  wird  bald  ^der  Dativ,  bald  der  Accusaliv  ohne  (!!)  ver- 
änderte Bedeutung  verbunden';  —  und  kurz  darauf  ohne  weiteren 
Zusatz:  ^Mit  folgenden  Verben  wird  der  Dativ  oder  der  Accusativ, 
aber  mit  veränderter  Bedeutung  —  verbunden',  —  als  wäre  der  letzte 
Zusatz  eine  nur  auf  diesen  Fall  geltende  Bemerkung!  Wozu  soll  dem 
Schüler  ein  solches  Chaos  dienen?!  Welchen  Eindruck  musz  es  auf 
ihn  machen,  wenn  er  daneben  seine  Lehrbücher  in  den  Naturwissen- 
schaften, in  der  Geschichte,  in  der  Mathematik  vergleicht?!  —  Ist  es 
eine,  für  einen  einsichtsvollen  und  erfahrenen  Paedagogen  zu  rechifer- 
iigende  Annahme,  dasz  es,  um  von  der  intellektuellen  Fortbildung  zu 
schweigen,  auf  die  sittliche  Charakterentwickelung  der  Jugend  ohne 
Einflusz  ist,  wenn  ihnen  lange  Jahre  hindurch  ein  solcher  der  Angabe 
nach  durch  den  blinden  Zufall  zusammengewürfelter  Gegenstand  als 
Hauptaufgabe  ihres  Lebens  und  Strebens  dargeboten  und  laut  ange^ 
priesen  wird?!  —  Kann  man  mit  Grund  sich  darüber  wundern,  dasz 
die  grosze  Mehrzahl  der  Schüler  der  Gymnasien,  nachdem  sie  auf  die 
Akademie  hingelangt  ist,  ihre  klassischen  Schulstudien  kaum  wieder 

24* 


328     Uiti  verba  composita  in  der  laleinischen  Schul gnaimatik. 

xur  Hund  nimmt,  etwa  mit  Ausnahme  derjenif^n  Schrinen,  die  ihoen 
durch  einen  hcsonder:!  begabten  Lehrer  lieb  und  werlh  gemacht  wur- 
den?! —  Die  (ieschichle  der  Grammatik,  die  Geschichte  der  besUg- 
lichen  Pacda^ogik,  für  welche  Gramer  tüchtig  vorarbeitete  and  die 
mit  von  Kaumer  eine  neue  Periode  begann,  gibt,  wenn  auch  swiichen 
den  Keihen,  auf  diese  und  noch  andere  Fragen  höchst  bedenkliche 
Antworten.  Wenn  wir  aber  in  der  Geschichte  der  Schulgrammttik 
sehen ,  welche  Bächer  einander  in  den  Schulen  abgelöst  und  verdringl 
hüben,  welche  lut.  Schiilgrammatiken  z.  B.  vor  'Bröder'  wichen,  nnd 
welche  Mittel  oft  durch  die  Verleger  u.  s.  f.  dazu  mitgewirkt  haben, 
hu  wird  man  wahrlieh,  bei  aller  Anerkennung  und  Achtung  dea  San- 
mellleiszes  der  neueren  Zeit,  sich  der  llolTnung  nicht  hingeben  kön- 
nen, dosz  allein  durch  allgemeine  gesetzliche  Anordnungen,  so  erfreu- 
lich dieselben  ouch  un  sich  sind,  den  erkannten  Uebeln  Einhalt  ge- 
schehen wird.  —  Wenn  Tulmer  in  seiner  Paedagogik,  die  in  keines 
Lehrers  Bibliothek  fehlen  sollte,  es  uls  eine  unerlüszliche  Forderung 
hinstellt  nnd  vollständig  begründet,  dasz  das  Uecht  der  Geistlichen 
auf  die  Inspection  der  Schulen  ihre  Pflicht  eigner  pacdagogischen  Durch- 
bildung unerlüszlich  voraussetzt,  und  wenn  man  daneben  sieht,  wie 
stiefmütterlich  die  pacdagogische  Bildung  der  jungen  Theologen  and 
sogar  auch  Philologen  auf  manchen  Universitäten  noch  immer  behan- 
delt wird,  wie  in  manchem  pacdagogischen  (?)  Seminar  alles  erreicht 
scheint,  wenn  ohne  eingehende  Erklärung  zu  schwierigen  Stellen  in 
einem  Klassiker  recht  viele  ParaUelstellen  hinzugefügt  sind;  —  so 
wird  man  sich  kaum  dnrüher  wundern,  dasz  mancher  gewissenhafte 
(lymnasial hehrer  die  bekannten  Klagen  über  Mangel  an  Eifer  und  Lnal 
seiner  Schüler  u.  s.  f.  oft  wiederholt,  ohne  sich  obige  und  ähnliche 
poedagogischo  Fragen  je  vorgelegt  zu  haben,  obschon  es  ihm  aelbal 
in  seiner  täglichen  Praxis,  selbst  in  den  untern  Klassen  des  Gymna- 
siums, entgegentreten  muste,  wie  die  Schulgrammotiken  seine  Scha- 
ler bald  hier,  bald  dort  im  Stiche  lassen. 

lief,  wiederholt  seine  Frage :  ^  Wozu  soll  ein  solches  grammali- 
sches  Chaos  dem  Schüler  dienen?'  —  Es  gilt  vielleicht  des  Schülers 
Praepuralion  und  das  herausbringen  eines  schwierigen  Satzes ;  —  es 
gilt,  dasz  er  die  Erfahrung  mache,  wie  eignes  herausbringen  eines 
schwierigen  Salzes  mehr  fi^rdert,  als  zehn  vom  Lehrer  ihm  gesagte 
Sätze;  —  es  gilt  die  Erprobung  des  pacdagogischen  Lehrsatzes,  dasi 
eignes  arbeiten  ond  das  Bewusisein  des  künnons  die  nothwendigea 
Voraussetzungen  aller  wahren  Lust  sind: es  handelt  sich  viel- 
leicht um  das  rechte  Verständnis  der  seltnen  Constraclion  eines  Verbs, 

etwa  um  einen  Dativ,  wo  sonst  ab  mit  dem  Ablativ  sich  Qndet; 

und  nun  sagt  ihm  die  zu  Rathe  gesogene  Schulgrammatik:  *Mit  die- 
sem Verb  wird  bisweilen  (!)  statt  (??)  ab  mit  dem  Ablativ  der  Dativ 
verbunden'  —  und  weiter  nichts!  —  fügt  vielleicht  noch  allenfalls 
die  fragliche  Stelle  hinzu. Kann  man  es  dem  Schüler  in  Wahr- 
heit verargen,  wenn  er  in  seiner  jugendlichen  Uaschheit  und  in  seinem 
Eifer  für  seine  Aufgabe  Grammatik  und  Klassiker  bei  Seite  wirft?  — 


DiiB  Terba  eomposiU  ia  der  laleiniselieii  Sehalgraimnatik.     329 

Unat  ein  Lehrer  sich  oichl  darüber  freoen ,  wean  seia  Schaler  iu  sol- 
cher Lage  ärgerlich  spricht:  ^Waa  soll  mir  das?  Weiai  ich  doch  aas 
meiner  eigenen  MoUersprache,  dasz  ich,  wenn  ich  statt  eiaer  gewöhn- 
lichen Constructioa  eine  andere  wähle,  auch  etwas  anderes  sagen  will. 
Wenn  Cicero  hier  (z.  B.  Legg.  1  2)  nicht  etwas  besonderes  aasdraeken 
wollte,  warum  construierte  er  abett  mit  dem  Dativ  anstatt  des  gewöhn- 
lichen ab  mit  dem  Ablativ?  —  bt  dergleichen  sufillig,  dann  nag  er 

mir  gehen  mit  seiner  gerahmten  Sprache!'  usw. Oder  es  gilt 

vielleicht  das  eigne  Lateinschreiben,  —  es  gilt  die  Frage,  mit  wel- 
chem Casus  ein  Verb  in  einem  bestimmten  Satze  zu  verbinden  ist,  nnd 
das  Wörterbuch  gibt  eine  grosze  Auswahl  (Dativ,  Ablativ  mit  und  ohne 
a6,  Genetiv  usw.)  mit  ^statt',  ^bisweilen'  u.  dgl.,  und  mit  unbestimm- 
ten deutschen  Ueb ersetz nngen ,  und  die  Schulgrammatik  desgleichen : 
Wer  hilft  nun  wählen?  —  Ein  solcher  Schaler,  dem  es  zu- 
nächst nur  um  Abliererung  seines  Pensums  zu  thun  ist,  hat  bald  ge- 
wählt, wenn  er  so  glücklich  ist,  bei  dieser  oder  jener  Construction 
in  Wörterbuch  oder  Grammatik  etwa  ^meistens',  oder  ^gewöhnlich'  zu 
finden :  —  aber  wie  nun,  wenn  trotz  dieses  ^gewöhnlich'  in  der  Schul* 
grammalik  der  corrigierende  Lehrer  eine  andere  Construction,  uad 
vielleicht  abermals  ohne  eingehende  Erklärung,  hineinschreibt?  — 
— Wer  das  raesonnieren  der  Schüler  unsrer  Tage  über  Pedanterie  und 
Willkür  ihrer  Lehrer  gehört  hat,  der  hat  vollkommen  Recht  mit  sei- 
ner Klage  aber  Mangel  an  Pietät  in  unsrer  Jugend,  aber  er  vergesse 
nur  nicht,  dasz  es  in  der  angeregten  Sache  eine  zweite  gleichfalls  ge- 
rechte Klage  gibt. Ein  tüchtiger  junger  Mann,  der  bereits  das 

Gymnasium  verliesz,  antwortete  dem  Ref.  auf  dessen  dringende  Er- 
mahnung, er  möge  doch  seine  so  gut  begonnenen  klassischen  Schul- 
studien  jetzt  auf  der  Universität  nicht  ganz  liegen  lassen,  im  Verlaufe 
seiner  Entgegnung:  ^Wenn  ich  früher  in  unsrer  Schulgrammatik  die 
Regel  fand,  man  könne  mit  einem  Verb  bald  diesen,  bald  jenen  Casus 
verbinden,  so  dachte  ich  etwa,  man  könne  vielleicht  den  einen  Casus 
im  Frühling,  den  andern  im  Herbst  gebrauchen,  denn  einen  Unterschied 

müsse  es  zwischen  beiden  Constructionen  doch  geben!' Aber 

freilich  ist  die  Sache  von  zu  groszer  paedagogischer  Bedeutung,  als 
dasz  sie  dem  Scherze  preisgegeben  werden  dürfte. 

Allerdings  war  es  für  das  grammatische  Studium  eine  traurige 
Zeit,  als  jedes  schärfere  nachdenken  über  schwierigere  Construction 
dadurch  beseitigt  wurde,  dasz  man  sofort  zu  einer  beliebigen  Ellipse 
griff.  Wenn  man  aber  auch  z.  B.  zugeben  muss,  dasz  Perizonius  mit 
der  Mehrzahl  seiner  Erklärungen  schwieriger  Constructionen  völlig  zu 
Ende  gewesen  wäre,  weihn  man  es  ihm  untersagt  hätte,  zu  seinem  be- 
liebten eWipilsoheünsgoUum  zugreifen:  so  dflrfte  es  dagegen  einer 
nicht  kleinen  Zahl  der  jetzigen  Schnlgrammatiken  nicht  besser  erge- 
hen, wenn  es  ihnen  aus  Rücksicht  auf  eine  gesunde  und  bewnste  Pae- 
dagogik  verboten  würde ,  ohne  bestimmte  Erklärung  und  Begrenzung 
Ausdräcke  als:  ^oft',  ^bisweilen'  a.  drgl.  ra.  in  ihren  sogenannten  Re- 
geln zu  gebrauchen. 


330     Die  verba  composila  in  der  lateinigchon  Soliulgrimmatik. 

Es  wird  aber  einer  so  allgemeinen  Anklage  gegenflber  nothwen- 
digscin,  dieselbe  an  einem  einzelnen  bestimmten  Falle  speciell  ond 
praktisch  durchzuführen.  Und  da  sich  in  unseren  ScIiulgramRiatiken 
nicht  leicht  ein  Abschnitt  findet ,  in  welcher  unsre  Anklage  sichtlicher 
hervortritt,  als  in  der  meistens  ringsumher  gestreuten  Syntax  der  verba 
composita ,  und  sich  finden  mnsz,  so  lange  man  von  den  Casns  aas  das 
Verb  sucht,  anstatt  vom  Verb  zu  den  Casus  zu  kommen:  —  so  wählt 
lief,  zur  Begründung  seiner  Anklage  aus  diesem  Abschnitte  den  ersten 
Thcil,  ncmlich  die  mit  ab  gcbildelen  terha  composita^  und  erlaubt  sich 
daran  zu  zeigen,  was  er  von  der  Schulgrammalik  verlangt. 

Zu  der  Schulgrammalik  musz  die  mündliche  Besprechung  von 
Seiten  des  Lehrers  hinzukommen,  und  hat  lief,  den  nachfolgenden  $ 
aus  den  von  ihm  diclierten  grammat.  Kegeln  kurz  zusammeDgelaszt, 
etwa  in  folgender  Weise  besprochen ;  ^Bevor  wir  heule  tibergelien  lu 
der  Construclion  der  verba  composila  (in  unsrer  Schulgraminatik  $?), 
welche  sich  gebildet  haben  durch  das  Adverb  oder  Praelix  a6-,  mOs- 
sen  wir  uns  an  einige  allgemeine  Sätze  wieder  erinnern,  die  wir  schon 
früher,  namentlich  bei  der  Betrachtung  des  Adjectivs  und  des  Genetivs, 
aufschrieben  und  näher  helrachleten,  weil  sie  uns  schon  damals  zur 
Begründung  und  Kegelung  des  Verständnisses  nolhwendig  waren.  Der 
erste  dieser  ungemeinen  Lehrsätze  ist  aus  der  Logik  oder  Denklehro 
entlehnt  und  heiszt:  durch  jedes  zu  einem  Begrilfe  hinzugefügte  Merk- 
mal wird  sein  Inhalt,  d.  h.  die  Zuhl  seiner  Merkmale,  grösser,  aber 
sein  Umfang,  d.  h.  der  Kreis  oder  die  Zahl  derjenigen  Dingo,  welche 
unter  den  ßegrilT  zu  fassen  sind,  wird  enger  oder  kleiner.  Es  gilt  dies 
von  jedem  Begriffe,  folglich  ebenso  gut  von  dem  BegriiTo  des  seins, 
also  auch  von  dem  Nomen,  wie  von  dem  BegrifTe  der  Lebcnsauszerang, 
also  auch  von  dem  Verb.  Daher  wird  der  allgemeine  Begriff  der  Ver- 
ben: esse^  soMre^  trahi're  usw.  durch  das  hinzugefügte  PraeUx  ab  in 
seinem  Inhalte  erweitert,  aber  in  seinem  rmfungo  beschränkt  (Bei- 
spiele.) —  Der  zweite  allgemeine  Lehrsulz  ist  gleichfalls  früher,  bei 
der  Kinleitung  in  die  Cususlehre,  besprochen,  gehört  der  comparati- 
ven  Grammatik  an,  und  heiszt:  Wie  die  Casus  ursprünglich  oder 
wesentlich  cuusale  Bedeutung  haben,  aber  in  die  locale  Bedeutung 
übergehen  können,  so  haben  die  Praopositionen  ursprünglich  oder 
wesentlich  locale  Bedeutung,  können  aber  in  die  causale  Bedeutung 
übergehen.  Wir  sahen  (  —  es  versteht  sieh  von  selbst,  dasz  dieses 
und  anderes ,  was  schon  vorkam ,  repetierend ,  also  die  Schüler  fra- 
gend, behandelt  wurde  — ),  wie  ^ursprünglich'  oder  Wesentlich'  nur 
sagen  wolle,  dasz  die  comparative  Sprachbetrachtung  uns  zwar  erken- 
nen lasse,  welche  wesentliche  Bedeutung  in  den  einzelnen  Sprachfor- 
men  liege,  wie  aber  die  organische,  d.  h.  die  von  Gott  selbst  in  die 
Sprache  hineingelegte  Entwickelungskraft  sich  frei,  d.  h.  dem  Men- 
schen gegenüber  aus  eigner  Kraft,  bewege,  wie  es  mithin  keineswegs 
nothwendig  sei,  dasz  wir  die  wesentliche  Bedenlung  auch  stets  zuerst, 
mithin  als  die  ursprüngliche  Bedeutung  erkennelen,  und  wie  wir  dies 
schon  deshalb  um  so  weniger  erwarten  dürften,  weil  die  erste  oder 


Die  verbi  composita  in  der  laleinlscben  Schuigraniiiiatik.     331 

ursprangliche  EBlwickloogsperiode  jeder  Sprache,  wie  jedes  spre- 
chenden Volkes,  gleich  unsrer  eignen  ersten  Kindheil  sich  unsrer  hi- 
ülorischen  Betrachtung  entziehe.  Wenn  wir  daher  anch  davon  aasge- 
hen müssen,  dasz  der  allgemeine  ßegriflT  der  Lebensiiisseningen,  wel- 
che in  den  Verben  este^  solv^re^  trah^re  usw.  liege,  durch  das  Praefix 
ab-  im  wesenliichen  localiter  in  seinem  Umfange,  folglich  aaöh  in  sei- 
ner Anwendung  and  Construction  beschränkt  worden  sei,  so  läge  doch 
die  Möglichkeit  vor,  dasz  namenilich  in  der  lat.  Sprache,  wie  wir  die- 
selbe kennen,  in  einzelnen  der  also  entstandenen  verba  composita 
die  entsprechende  causale  Bestimmung  ganzlich  oder  theilwelse  die 
locale  verdrängt  habe.  Wir  sahen  z.  B.  am  uns  heute  an  eine  andere 
nahe  liegende  Stunde  zu  erinnern ,  dasz  unter  den  32  althochdeutschen 
Praepositionen,  die  wir  kennen,  die  wesentliche  locale  Grundbedeu- 
tung zwar  nur  bei  29  als  die  ursprüngliche  sich  uns,  d.  h.  in  den  ans 
erhaltenen  Schriftstücken  zeige,  dasz  aber  auch  die  drei  übrigen, 
nemlich  äno^  ir  nnd  sid  in  die  locale  (Raum  und  Zeit  zusammenfas- 
sende) Bedeutung  bald  hinübergiengen ,  und  dasz  wir  um  so  weniger 
ihre  causale  Bedeutung  als  ihre  nrsprüngliche  Bedeutung  ansehen 
könnten.  Wir  werden  auszerdem  später,  wenn  wir  nach  unsrer  Schul- 
grammatik die  einzelnen  Beispiele  besprechen,  sehen,  dasz  die  in  den 
einzelnen  der  hieher  gehörenden  terba  composUa  hervortretende  cau- 
sale Bedeutung  jedesmal  ihren  ersten  Grund  hat  in  dem  allgemeinen 
Begriff  des  begreiflichen  Verbs,  und  verweisen  wir  namentlich  auf 
abrogare,  abjicere^  abHrudere  usw.  —  An  einen  dritten,  gleichfalls 
der  comparativen,  oder  richtiger,  der  allgemeinen  Grammatik  aage- 
hörcnden  Satz,  wollen  wir  uns  nur  kurz  erinnern,  weil  er  uns  ia  Je- 
der zweiten  grammatischen  Stunde  wieder  begegnet,  nemlich  an  den: 
Wo  ein  anderes  Wort,  oder  eine  andere  sprachliche  Form  oder  Con- 
struction uns  entgegentritt,  da  ist  noth wendig  anch  eiae  andere 
Bedeutung  gegeben,  denn  es  gibt  in  der  Sprache  an  sich  ebenso  we- 
nig Pleonasmen,  als  Ellipsen,  wenn  anch  der  einzelne  Schriftsteller 
beides  anwenden  kann.  —  Finden  wir  in  einzelnen  Fällen  die  verschie- 
dene sprachliche  Bedeutung  nicht,  so  ist  hier  so  wenig,  wie  überhaupt 
unser  wissen  oder  nichtwissen  ein  Beweis  des  seins  oder  nichtseins;  — 
aber  eine  solche  Erfahrung  ist  dagegen  für  uns  jedesmal  eine  dringende 
Aufforderung  zum  forlgesetzten  vergleichen  und  nachdenken'. 

^Zu  diesen  dreien  uns  schon  bekannten  allgemeinen  Lehrsätzen 
fügen  wir  heule  noch  folgendes  speciell  hinzu:  Die  Praepositionen 
dienen  also  zur  näheren  Bezeichnung  localer  Beziehungen.  Wenn  sie 
daher  mit  einem  Verb  sich  verbinden,  so  geben  sie  zuvörderst  die  lo- 
cale Richtung  an,  in  welcher  die  im  Verb  ausgesprochene  Lebensäasze- 
rung  sich  bewegt,  also:  ab  von  etwas  her,  ex  aus  etwas  heraus, 
de  von  oben  herab,  ad  zu  etwas  hin,  in  in  etwas  hinein,  cum  mit  et- 
was zusammen.  So  wird  z.  B.  die  allgemeine  Lebensäuszerang  jacere 
werfen,  durch  abjicere^  ejicere^  dejicere^  adjicere^  injicere^  conji- 
cere  auf  die  angegebenen  localen  Richtungen  beschränkt ;  aber  jedes 
dieser  verba  composUa  kann  zugleich  die  cansalen  Bedeutungen  an- 


332     Die  rerba  oonposUa  in  der  laloinischen  Sohulgrammalik. 

nehmen ,  wolcho  der  angpegpebenen  localen  Bedeutung  entsprechen.  — 
Die  Praeposilion  ah-  bezeichnet  also  Won  etwas  her'  d.  h.  den  Aas- 
^angspiinkt  einer  Bewegung  im  Kanme  oder  in  der  Zeit,  denn  die  Be- 
Keichnungcn  des  liaumes  und  der  Zeit  gehen  sprachlich,  wie  oft  be- 
merkt, unter  dem  torminus  ^local'  in  der  Grammatik  zusammenge* 
faszt,  nebeneinander  her,  obschon  die  eine  Praeposition  zu  der  einen, 
die  andere  zu  der  andern  Bezeichnung  sich  vorzugsweise  hinneigt,  so 
ab'  zu  der  örtlichen  Bedeutung.  —  Es  haben  sich  aber  zur  localen 
Bezeichnung  des  Ausgangspunktes  der  Bewegung  in  den  Sprachen  des 
Sanskrilstammcs,  also  für  uns  zunächst  im  griechischen  und  laleini- 
sehen,  wie  auch  im  deutschen,  allerdings  verschiedene  Wörter  und 
Wortformen  allmählich  entwickelt,  deren  Zusammengehörigkeit  aber 
klar  zu  Tage  liegt.  Das  lateinische  ah  ist  griechisch  a;ro,  hochdeutsch 
flr/>-,  fifothisch,  nordisch,  schwedisch,  danisch,  holländisch  afy  englisch 
ri/*,  und  im  allhochdeutschen  hiesz  es  aha.  Neben  diesem  aha  Raden 
wir  aber  im  allhochdeutscheu  vona  und  rram^  wie  im  neuhochdeot- 
schcn  neben  ah-  die  Praeposilion  Won%  neben  af\\m\  of  im  gothisohen, 
altsächsischen,  nordischen,  schwedischen,  dänischen,  englischen  fram^ 
fra ^  frän^  from.  Ferner  ist  zu  bemerken,  dasz  das  aha  auch  schon 
im  allhochdeutschen  nur  einzeln  als  wirkliche  oder  getrennte  Praepo- 
silion sich  llndet,  und  dasz  frUher  meistens  schon  ebenso  wie  jetzt 
ausschlicszlich,  das  ah-  im  hochdeutschen  nur  als  eigentliches  *Ad* 
vcrb'  vorkommt;  dasz  dagegen  das  althochdeutsche  vona  sich  im 
jetzi^rcii  hochdeutschen  in  der  Form  Won',  als  reine  Praeposition  ge- 
sin! tele  und  zugleich  die  Bedeutung  des  vram  zum  Theil  in  sich  auf- 
nahm, während  ah  im  lateinischen  sowol  die  Function  der  Praeposition 
wie  die  des  Adverb  übernahm.  Wenn  man  also  im  deutschen  sagt 
*  abirren  von  dem  Wege',  so  ist  solches  nach  Form  und  Inhalt  ganz 
übereinstimmend  mit  dem  lateinischen  aherrare  a  via*, 

^Sehr  interessant  ist  es  aber  diese  comparative  SprachbotrachluDg 
in  einigen  allgemeinen  Blicken  weiter  zu  verfolgen,  und  umsomehr, 
da  dieselben  uns  Gelcirenlieit  geben,  uns  über  den  Kntwicklungsreich- 
thum  unsrer  deutschen  Sprache  zu  freuen.  Während  sich,  wenn  alles 
mitirerechnet  wird,  durch  das  ^Vdverb'  ah  in  der  lateinischen  Sprache 
reichlich  80  (84)  eerba  composüa  bildeten,  oder  doch  zu  unsrer  Kunde 
gekommen  sind,  da  es  allerdings  nicht  an  Anzeichen  fehlt,  dasz  sich 
noch  mehr  solcher  Verben  in  der  vulgären  lut.  Umgangssprache  fan- 
den, —  so  entwickelten  sich  durch  dasselbe  ^Adverb'  in  unsrer  deal- 
schen  Spruche  etwa  500  solcher  zusamment^esctzler  Verben,  also  eine 
sechsfach  stärkere  Anzahl,  wobei  wir  die  nur  der  vulgären  Sprache 
angehörenden  ausscheiden.  Will  man  aber  aus  unsorn  000  Vorben  eine 
noch  gröszere  Anzahl  uns  dem  angegebenen  (irunde  ausscheiden,  so 
ist  zu  bemerken,  dasz  auch  von  den  etwa  80  (84)  lateinischen  Verben 
etwa  40  (42)  nur  mit  groszer  Vorsicht  von  nns  zu  gebrauchen  sind, 
daher  auch  in  der  Schulgrammatik  meistens  nicht  weiter  beachtet  wer- 
den, indem  sie  entweder  kritisch  völlig  verdachtig  sind,  oder  nur  hui 
späteren  vorkommen,  namentlich  bei  Kirchenvätern,  wie  wir  z.  B.  ab- 


Die  verb«  eonposiU  in  der  liteiniscben  Sehvlgmnatib.    S83 

aesiuare  =  ae$tuarej  abioleicere^  afOruere^  lor  bei  dem  Kirchen« 
vater  Tertullianas  Anden,  and  abambulare^  abarcfrej  abemi're,  abgre- 
gare  sich  erst  im  6n  Jahrhunderte  bei  dem  Grammatiker  Festas  finden, 
oder  indem  sie  endlich  uns  zwar  an  einzelnen  Stellen  bei  den  Klassi- 
kern begegnen,  aber  in  solchem  Zosammenhange,  dasi  sie  sichtlich 
dem  klassischen  Sprachschätze  nicht  zuzuzählen  sind.  So  finde  ich  s. 
B.  11  solcher  Verben  bei  Cicero  nur  ein  einzigmal,  indem  es  entwe- 
der in  den  Briefen  an  den  Aiiicus  die  absichtlich  Yertraaliche ,  der 
Umgangssprache  nahestehende  Redeweise  ist;  —  oder  indem  Cicero  in 
der  Schilderung  des  Verres,  des  Catilina,  des  Antonius  durch  ein  ab- 
sichtlich aus  der  niederen  Sphaere  gewihltes  Wort  das  gegebeae  Bild 
verstfirken  will;  —  oder  auch,  indem  Cicero  aus  andern  citiert. 

*  Unsere  Behauptung,  dasz  in  den  beziehlichen  zusammengesetzten 
Verben  sich  ein  hervortretender  groszer  Entwickinngsreichthum  uns- 
rer  deutschen  Sprache  zeige ,  könnte  vielleicht  auch  noch  dadurch  be- 
stritten werden,  dasz  darauf  hingewiesen  wflrde,  dasz  manches  der 
mit  ab-  gebildeten  deutschen  Verben  im  lateinischen  durch  ein  mit  de- 
gebildetes terbum  composiium  wiedergegebtfb  werde.  Allein  es  fahrt 
dieser  Einwurf  schliesziich  zu  dem  entgegengesetzten  Resultate,  denn 
bei.  solchem  Verfahren  sind  umgekehrt  zu  den  deutschen  Verben  mit 
^ab-',  binzuzuaebmen  die  Verben  mit  *weg-',  deren  es  fiber  160  gibt, 
sowie  die  Verben  mit  *  ver-',  deren  es  sogar  über  600  gibt,  von  wel- 
chen etwa  Jedes  vierte  sich  durch  ein  terbum  compottlum  mit  ab- 
wiedergeben  l&szt,  so  dasz,  wenn  die  Zahl  der  beziehlichen  lateini- 
schen Verben  von  80  etwa  auf  100  erhöht  wflrde,  die  Zahl  der  ent- 
sprechenden deutschen  Verben  von  500  auf  800— -1000  stiege.  Dasz 
aber  der  vorliegende  Fleiionsreichtbum  unsrer  deutschen  Sprache  we- 
sentlich angehört,  ergibt  sich  aus  einem  naheliegenden  Beispiele  un- 
serer nächsten  comparativen  Grammatik,  indem  wir  sehen,  dasz  die 
genannte  FleiionsHibigkeit  der  deutschen  Sprache  selbst  dann  von  ei- 
nem eingreifenden  Einflüsse  war ,  wenn  sie  auf  eine  nahe  verwandte 
Sprache  flbertragen  wurde.  Der  golhische  Sprachstamm  trennte  sich 
nemlich  wie  wir  wissen  in  den  germanischen  und  soandinavischen,  und 
der  überwältigende  Einflusz  der  deutschen  Sprache  auf  die  dänische 
Sprache  ist  es  z.  B.  gewesen,  welcher  letztere  von  dem  scandinavi- 
schcn  Sprachstamme,  dem  sie  ursprünglich  angehörte,  zu  dem  germa- 
nischen Sprachstamme  hinüberzog.  Fragen  wir  aber  nach  den  einzel- 
nen sprachlichen  Erscheinungen  in  der  dänischen  Sprache,  in  welchen 
sich  der  genannte  Einflusz  als  umbildend,  mithin  als  wesentlich  ge- 
zeigt habe,  denn  die  Aufnahme  einzelner  Wörter  aus  einer  Sprache  in 
die  andere,  z.  B.  ans  der  französischen  Sprache  in  die  deutsche  Spra- 
che, ist  ein  bloss  änszerliches  Moment  und  beweist  in  nnsrer  Frage 
nichts,  —  so  bestand  der  genannte  Einflusz  namentlich  darin,  dasz 
die  deutsche  Sprache  der  dänischen  die  Fähigkeit  durch  dergleichen 
*  Adverbien'  zusammengesetzte  Verben  zu  bilden  zum  Theil  erweiterte, 
zum  Theil  ganz  neu  mittheilte.' 

*Bevor  wir  nun  schliesziich  zu  der  CoMtruetion  der  mit  ab*  ge- 


334     Die  verlM  oomposita  in  der  lalüiniscbeo  Scliultj^rammalik. 

bildeten  verba  composita  nach  Anleitung  unsrcr  SchiilgrammaUk  im 
oinzcliicD  übergehen,  müssen  wir  noch  einiges  über  das  allgemeine 
Wesen  dieser  Construclion  besprechen.' 

^Wenn  durch  die  Ilinzufügung  eines  Adverbs  der  allgemeioe  Um- 
fang eines  Verbs  beschränkt  worden  ist,  so  ist  dadurch  um  dessen 
Anwendung  und  Construclion  ein  bestimmter  Kreis  gezogen,  innerhalb 
dessen  sich  dieselbe  bewegen  musz.  Duraus  folgt,  dasz  die  Anwen- 
dung, folglich  auch  die  Construclion,  d.  h.  die  Form  der  Anwendung, 
der  also  beschränkten  Verben  dem  Wesen  dieser  Beschränkung  ent- 
sprechend sich  gestalten  musz,  denn  Inhalt  und  Form  bedingen  sich 
gegenseitig  mit  Nothwendigkeit.  So  bildet  sich  für  die  Consiruction 
der  verba  composita  folgende  allgemeine  Ilauptrcgol,  die  wir  bereits 
in  uiisrem  Dictat  §?  fanden: 

^ein  verbum  compositum  wird  wesentlich  construiert  mit  Wieder- 
holung der  beziehiichen  Fraeposition,  also  abesse  mit  ab,  deji- 
cere  mit  rfe,  ejicere  mit  ex  usw.' 
Allein  eine  wesentliche  Construclion  ist  keineswegs  immer  die'  regel- 
niäszige,  denn  die  Entwicklung  einer  Sprache  ist  eine  organische, 
folgt  mithin  zwar  allgemeinen  in  sie  selbst  hineingelegten  Gesetien, 
steht  aber  zugleich  mit  allem  übrigen  in  der  Schöpfung  in  stetiger 
Wechselwirkung,  und  iaszl  sich  daher  von  der  beschränkten  Anschau- 
ung des  Menschen  nie  gonz  überblicken.  So  sahen  wir  namentlich 
schon,  dasz  die  wesentlich  localen  Fraepositionen  in  die  entsprechen- 
den causalcn  Bedeutungen  übergehen  können,  z.  B.  ab^  Won  —  her' 
in  die  causule  Bedeutung  der  activen  Ursüchlichkuit,  de  ^von  ohen 
herab'  in  die  der  passiven  usw.;  —  und  so  müssen  wir  hier,  selbst 
für  unsere  allgemeine  noch  nicht  begründete  Bclruchtung  den./Fall  als 
möglich  setzen,  dasz  in  einzelnen  Füllen  in  der  wirklichcn'Spraclie 
eine  Bedeutung  und  daraus  folgende  Construclion,  die  wir  in  der  all- 
gemeinen Betrachtung  als  Svesentlich'  erkannten,  sich  nicht  nur  nicht 
uls  die  ^regelmüszige'  entwickelte,  sondern  im  einzelnen  Falle  gar 
nicht  vorliegt:  wir  linden  so  auch  rerha  composita  mit  a6,  welche  mit 
wiederholtem  ab  construiert  in  unsern  Klassikern  gar  nicht  vorkom- 
men. Es  ist  solches  hier  um  so  leichter  möglich,  da  wir  es  nicht  nur 
mit  Fraepositionen,  folglich  nicht  nur  mit  einer  wesentlich  rein  loca- 
len Beziehung,  sondern  mit  sprachlichen  Formen  zu  thnn  haben,  die  aus 
Verben  und  Fraepositionen  zusammengesetzt  sind,  folglich  mit  cansal- 
localen  Beziehungen,  in  welchen  nm  so  leichter  die  erstcre  Seite  ganz 
überwiegt,  wo  sie  an  sich  in  ihrer  allgemeinen  Bedeutung  die  slirkere 
ist.  Es  tritt  daher  nicht  selten,  wie  unsere  Schulgrammatik  zeigt,  der 
Fall  ein,  dasz  rerba  composita  mit  ab  nur  mit  dem  Objecto  ihrer  cau- 
salen  Beziehung,  also  absolut  mit  dem  Accusativ  verbunden  werden; 
—  oder  auch  der  Fall,  dasz  der  localo  Ausgangspunkt  zwar  bezeich- 
net wird,  aber  nicht  als  solcher,  sondern  als  das  Werkzeug  der  cau- 
sulen  ße/.iehung,  so  dasz  nach  unserer  Casuslehre  ($?)  an  die  Stelle 
des  Ablativ  mit  ab  der  bloszo  Ablativ  tritt.  Oder  es  kann  der  Fall 
eintreten,  dasz  zwar  durch  die  Form  dos  Verbs  auf  den  localen  Aus- 


Die  verba  composita  in  der  lateinische«  Sehalgrammatik.    835 

gangspunkt  der  LebensausEerung  hingewiesen  wird,  dass  aber  ihr  cau- 
saler  Inhalt  (rapere^  trahere  usw.)  so  stark  herTortritI,  dasz  ihre 
Wirkung,  mithin  auch  ihr  localer  Endpunkt  erstere  Bexiehong  gänzlich 
surflckdrfingt,  folglich  auch  an  die  Stelle  des  ab  mit  dem  Ablativ  m 
oder  ad  i^it  dem  Aocasativ  tritt.  —  Endlich  mflssen  wir  uns  auch  noch 
an  einen  Hauptabschnitt  in  unserer  Casuserklärnng  heute  speoieü  er^ 
innern,  nemlich  an  unsere  Erklärung  des  Dativs.  Wir  sahen,  dass 
sich  in  diesem  Casus  die  subjective  und  die  objeotive  Besiehung  der  im 
Verb  ausgesprochenen  causalen  Bedeutung  vereinigen,  während  die 
rein  objective  Beziehung  im  Accusativ ,  sowie  die  rein  subjective  Be- 
ziehung im  Nominativ  ihre  Darstellung  Qnde.  Ich  erinnere  nur  an  frü- 
her besprochene  Fragen,  wie:  warum  construiert  der  deutsche  ^folgen' 
mit  dem  Dativ,  während  der  Lateiner  sequi  mit  dem  Accusativ  verbin- 
det? usw.  —  Nun  tritt  auch  hier,  wie  der  beziehliche  %  unsrer  Schul- 
grammatik zeigt,  nicht  selten  der  Fall  ein,  dass  anstatt  der  wesentli- 
chen Gonstruction  des  wiederholten  ab  mit  dem  Ablativ  bei  einem  mit 
ab  gebildeten  verbum  compositum  der  Dativ  sich  findet,  wenn  nemlich 
nicht  der  locale  Ausgangspunkt  der  Lebensäuszerung  an  sich  darge- 
stellt werden  soll,  sondern  die  snbjectiv- objective  Beziehung  ihres 
causalen  Inhalts.  —  Damit  es  nun  Ihnen  selbst  zum  Bewustsein  kom- 
me, ob  Sie  die  betreffenden  Fragen  völlig  verstanden  haben,  so  gebe 
ich  Ihnen  fdr  die  nächste  grammatische  Stunde  zur  eignen  Beantwor- 
tung eine  schon  angedeutete  Frage  auf,  nemlich :  wie  erklärt  es  sich, 
dasz  Cicero  Legg.  I  2  abest  hitioria  liieris  notiris  sagt  anstatt  des 
gewöhnlichen  a  liieris  noslris^  und  weshalb  konnte  er  in  dem  vorlie- 
genden. Zusammenhange  nicht  ab  mit  dem  Ablativ  nehmen,  sondern 
muszte  ^um  Dativ  greifen?'  —  Gehen  wir  jetzt  za  unsrer  Schulgram- 
matik Ober. 

Ref.  erlaubt  sich,  bevor  er  den  betreffenden  §  der  Schulgramma- 
tik, so  wie  er  selbigen  wOnscht  folgen  läszt,  hinzuzufOgen ,  dasz  die 
vorhergehende,  wie  die  nachfolgende!  Darstellung  eine  Reminiscenz  ist 
aus  früherem  wirklichem  Unterrichte ,  dasz  die  Schüler  entweder  Pri- 
maner eines  Gymnasiums  waren,  oder  später  aus  dem  Privatunter- 
richte des  Ref.  in  die  Prima  eines  Gymnasiums  fibergiengen.  Sollte  für 
beides  ein  Buch  dasein,  so  mflste  sich  der  zum  mündlichen  besprechen 
nöthige  Stoff  in  einem  ^Lehrgebäude  der  lat.  Sprache'  finden. 

Schnlgrammati  k. 
$  (?).     CoBslraction  der  verba  composila  mit  ab. 

Die  Wörterbücher  führen  reichlich  80  mit  ab  gebildete  verba 
composila  an,  von  welchen  aber  nur  folgende  42  als  der  klassischen 
Sprache  sicher  angehörend  anzusehen  sind.  Die  wesentliche  Constru- 
ction  dieser  Verben  ist,  siehe  den  vorhergehenden  §,  Wiederholung 
des  ab.  An  die  Stelle  dieser  wesentlichen  Constrnction  können  fol- 
gende Constructionen  treten : 

I.  Wenn  zwar  der  in  dem  Verb  angedeutete  locale  Ausgangspunkt 
der  Bewegung  ausgesprochen  wird,  aber  nicht  als  ein  reines  ^  von  — 


336    Die  TerbB  composita  in  der  laleioischen  Sehulgrammalik. 

wegV'  a)  de  mit  dem  Ablativ,  wenn  die  localo  Boziohung  *von  oben 
herab'  aasgodrQckt  werden  soll;  —  z.  B.  de  capite  abjicere.  b)  ex 
mit  dem  Ablativ,  wenn  der  den  Ausgangspunkt  der  Bewegung  bezeich- 
nende Gegenstand  einen  gröszeren  Umkreis  umschlicszt,  aus  dessen 
Mitte  heraus  die  Bewegung  als  anhebend  erscheint.  Dahin  gehören 
Constructionen,  als:  e  conspectu,  e  foro^  e  sinu,  e  portu^  ex  ocuNs^ 
e  preelio^  ex  aeie^  e  tita^  e  complexu^  e  loco;  —  auch  cinielee 
Sätze,  als:  ahjicere  iela  e  ralio^  abjicere  $e  e  muro  in  ifiare,  nemlich 
aus  den  OofTnungcn  in  Wall  und  Mauer  heraus ,  avellere  poma  ex  ar- 
borilmt^  weil  die  Früchte  aur  dorn  Baum  ringsumher  inmitten  des  von 
Baume  gebildeten  Umkreises  sitzen. 

II.  Wenn  der  in  dem  Verb  angedeutete  locale  Ausgangspunkt  der 
Bewegung  neben  der  causalen  Bedeutung  desselben  so  sehr  larflck- 
tritt,  dasz  an  die  Stelle  der  localen  Construction,  mit  wiederholten 
ah^  oder  auch  neben  dieselbe  eine  andere  der  hervortretenden  causa- 
len Bedeutung  entsprechende  Construction  eintritt,  als:  a)  der  abso- 
lute Accnsativ,  wo  die  causale  Bedeutung  des  Verbs  so  entschiedea 
hervortritt,  dasz  neben  ihrer  objectivcn  Beziehung  keine  zweite  Beiie- 
hung  Baum  findet,  z.  B.  abalienare  aliqnem;  abdivare  plium,  pairem ; 
abjicere  res  suas;  abjiirare  pecunium^  creditum;  ablucre  pedetj  cor- 
pus; abripere  aln/vem;  nbrngare  letjem;  abrumperc  rincula^  ordines^ 
semwnem,  vifatii ;  absorbrre  aquam;  aversari  aliquem,  b)  Der  Abla- 
tiv ohne  ab^  wenn  der  locale  Ausgangspunkt  der  Bewegung  einer  Le- 
bensüuszerung  wegen  der  hervortretenden  causalen  Bedeutung  dersel- 
ben als  ihr  Werkzeug  erscheint;  z.  B.  ahdivare  sc  consulaiu^  dicia- 
liira^  praefura;  absoleere  se  jndivio^  popuhim  bcUo^  aliquem  cura 
f amiliar  i  oder  siispicione  retftit;  abstiurre  se  iivfario  sc  eiere  ^  ostreis 
i't  fnaretiis^  oder  nbstinere  injuria:  —  oder  >m»  der  Ablativ  eine  ad- 
verbitile  Form  ist.  c)  Der  Dativ,  wenn  durch  dus  liervorlroten  der 
caustilen  Bedeutung  eines  bezieblichcn  Verbs  der  Ausgangspunkt  der 
localen  Bewegung  als  dasjenige  hervorgehoben  >>ird,  aur  welches  so 
ciniTowirkt  wird,  dasz  es  zugleich  ols  etwas  verlierend,  oder  herge- 
bend, oder  bewirkend  u.  s.  f.  erscheint,  mitbin  zu  der  ausgesprochenen 
Lebensüuszerung  causalitcr  in  objektiv- subjektiver  Beziehung  steht, 
z.  B.  abalienare  homines  rebus  suis;  abesse  alivui;  abjudicare  alicui 
libertatem;  abroffure  alicui  impcrium^  maijistralum^  pvteslatem;  ab- 
acindere  alicui  livijuam^  humeris  vesiem;  abslrahere  Oennanicum 
suelis  legionibus;  auferre  alicui  dolorem^  speniy  spirilum.  d)  In  oder 
ad  c.  Accus, y  wenn  die  causale  Wirknng  des  bezieblichcn  Verbs  so 
stark  hervortritt,  dasz  die  Auffassung  von  ihrem  Ausgangspunkte  weg 
auf  ihren  Endpunkt  hingvieitet  wird  oder  auch,  dasz  letztere  neben 
orstere  tritt:  —  z.  B.  abire  iw,  abjict're  in  (/irf),  abrip^'re  in  rincula^ 
ad  quaestiones;  abscond^re  in  lalebras^  in  terram ;  areh^re  in  (ad)\ 
arertt'rc  rcfjem  in  cotjitulionem  belli  y  classem  in  futjaw^  causam  in 
aliquem. 

Damicb  sind  die  nachfolgenden  Constructioncn  in  den  Klassikern 
zu  verstehen  und  bei  dem  Lateinschreiben  zu  wfihlcn;  denn  ^  wo  eine 


Die  verbt  conposita  in  der  lateioiscke«  SckalgrAmmatik*    8S7 

« 
andere  Constroetion  sick  findet,  dt  moss  nolhwendig 
auch  eine  andere  Bedealung  angenoniBien  werden. 

Es  wird  noch  bemerkt,  dass  die  nachfolgenden  Conitrnctionen 
nach  ihrem  minder  häaGgen  Gebrauche  aufeinander  folgen ,  und  daas, 
wo  seltene  Constrnctionen  genannt  werden,  bestimmte  Stellen  lum  Be- 
lege angefahrt  sind. 

abalienare^  entfremden  von;  —  wird  construiert  mit  dem  absol. 
Accus.,  mit  wiederholtem  ab^  und  einzeln  mit  dem  Dativ,  l)  Der  Ao» 
cusativ,  wegschaflfen,  verkaufen,  so:  agros,  tectigalia^  pecui,  2)  ^6 
aliquo^  abwendig  machen,  trennen  von,  so:  aiiquem  ab  aliquo^  9olumr 
tatem  ab  aUquo.  3)  Der  Dativ:  cfr.  Nep.  Agesil.  3  $  5:  homine$  rebu$ 
suis^  d.  h.  seine  Angelegenheiten  verloren  die  Gunst  der  Menschen; — 
parallel  daneben  steht:  Deos  tibi  iralos  reddere,  d.  h.  er  zog  den  Zorn 
der  Götter  auf  sich. 

abdicare^  absagen  von;  — -  wird  constraiert  mit  se  und  dem  Ab* 
lativ,  mit  dem  absoluten  Accusativ,  und  einzeln  ganz  absolut  als  «^r* 
bum  miransitivum.  Mit  wiederholtem  ab  kommt  es  nicht  vor,  da  das 
locale  Won — weg*  neben  der  causalen  Bedeutung  ganz  zurückgetreten 
ist.  1)  Be  und  der  Ablativ ,  sich  lossagen  von  einem  Amte  (magislra- 
tUj  munere  aliquo),  so:  dictatura^  comulatu,  iuletä.  2)  Der  Accusa- 
tiv, absagen  von  sich,  d.  h.  verwerfen,  so :  ßlium,  liberos,  patret.  In- 
des ist  diesei  Constrncttou  nachklassisch ,  und  findet  sich  namentlich 
bei  Quintilianns,  Pliuius  u.  s.  f.  Abdicare  magistratum  ist  unlateiniaoh. 
3)  Absolut,  als  f>erb.  intransiL  cfr.  Cic  de  Nat.  Deor.  II.  4.  §  11  «I 
abdicareni  consulesj  eine  elliptische  Redeweise  Ciceros,  zu  welcher 
er  sich  durch  seinen  gedrängten  Bericht  veranlasst  sah,  nnd  die  einem 
Misverständnisse  nicht  ausgesetzt  war,  da  se  contulaiu  sich  ans  dem 
Zusammenhange  ergab,  und  da  ein  weiterer  Gebrauch  von  abdicare 
nicht  vorlag. 

abdüfre^  vom  Platze  rflcken.  (Es  kann  dies  Verb  auch  als  verb. 
pritnitivum  angesehen  werden,  nemiich  als  das  zum  Verb  entwickelte 
Etymon  ab,  wie  ire  sich  aus  dem  Etymon  •  gebildet  hat,  nnd  wie 
^äuszern'  und  ^innern'  (erinnern)  im  deutschen  sich  aus:  ^aus'  nnd  Sn' 
bildeten.)  Wird  construiert  mit  in  und  dem  Accusativ  (Ablativ),  ein- 
zeln mit  dem  absol.  Accnsativ,  und  mit  dem  Dativ,  l)  In  c,  accus. 
(c.  ablai.)  Aus  dem  Gesichtskreiso  der  Menschen  —  weshalb  ex  con- 
speciu  oder  a  conspeclu  zur  hervortretenden  Veranschaulichung  hinzu- 
gefügt werden  kann  —  entrücken,  also  wohin?  (wo?)  verbergen;  so: 
abdtre  $e  (aiiquem)  in  interiorem  pariem  aedium^  in  Silvas,  in  bi- 
bliolhecam ,  in  liieras.  In  loco  aliquo  ist  poetisch ;  indes  construiert 
Cicero  das  partic,  abditus,  verborgen,  wo?  in  tecUssilvestribus^  auch 
inira  veslem,  sub  vesie.  2)  Der  absol.  Accusativ,  bei  Seite  schaffen; 
cfr.  Cic.  in  L  Pis.  17  $39:  nihä  mea  referiy  utrum — ,  an  amici 
tui  tabulas  abdiderint.  3)  Der  Dativ,  cfr.  Cic.  pro  Archia.  6  §  12:  si 
qui  iia  se  literis  abdideruni ,  welches  parallel  steht  neben  studiis  de- 
dilum  esse;  und  Cic.  will  schildern,  welchen  Einflusz  die  liierae  auf 
den  Geist  haben,  also  ist  der  Dativ  ganz  an  seinem  Platze. 


S38     Die  yerba  oomposita  in  der  lateinischeo  Schulgrammtiik. 

abduc<*re^  abführen  von;  wird  construiert mit  a6,  mit  ex  oder  de, 
mit  in  (ad)  c.  accusalivo.  1)  Ah,  —  wegriihrcii  von,  und  Kwar  local 
und  li^ürlicli;  —  so:  aforo,  ab  urbe  usw.;  animum  a  soUicüudine; 
aliquem  a  studio^  a  cura;  aciem  menlis  a  consueludine  oculorum.  3) 
ex  oder  de:  z.  B.  ex  acie^  e  foro.  Liv.  XXIII  23  exlr.  ne  deduceudi 
sni  caussa  populum  de  foro  abduceret^  wo  das  deducere  se  neben  dem 
ahducere  populum  die  Praeposition  de  um  so  mehr  xu  foro  hinxafügen 
hiesz,  da  sie  hier  oft  vorkommt,  indem  im  Bewustscin  des  Römers  das 
üfTenlliche  Leben  neben  dem  häuslichen  als  der  höhere  Zustand  hervor- 
trat. 3)  in  (ad)  c,  accusalivo^  z.  B.  in  curiam^  in  laniumias^  in  ser* 
fiilulem;  a  relitjionis  auctoritale  ad  mercedem  alque  quaestum;  a 
quaestione  ad  reipublicae  mvnus, 

ahire^  abgehen  von,  d.  h.  forlgchen;  —  wird  construiert  mit 
wiederholtem  ab^  indes  nur  in  einzelnen,  figürlichen  Redensarten,  da 
die  allgemeine  Bedeutung  des  Tortgehens  vom  Ausgangspunkte  abseben 
läszl;  ferner  mit  in  c,  accus,  local  und  figürlich;  endlich  mit  dem  Ab- 
lativ, l)  ab^  so:  res  abit  ab  aliquo^  die  Sache  entgeht  jemandem  bei 
einem  Verkaufe;  res  abit  a  nie,  ich  verstehe  die  Sache  nicht;  abire  a 
sensibus^  aufliören  zu  reden  von;  abire  a  jvre^  das  Recht  verletzen« 
!2)  in  c.  accusalivo,  sich  entfernen,  wohin?  z.  B.  in  Asiam,  in  pro* 
Tinciam:  —  auch  figürlich,  so:  in  ora  hominum,  in  ßaminatj  m  siiai- 
tus.  (Das  häufige  in  malam  pestem,  in  malam  crucem  abire ^  cum 
Geier,  zum  Henker  gehen,  gehört  der  vulgären  Sprache  an.  Wenn 
Cicero  sagt  Phil.  XIII  21  §  48:  quin  tu  abis  in  malam  pesiem  ma- 
lumque  crucialum^  so  zeigt  schon  die  Häufung  der  Ausdrücke,  dasx 
er  einen  starken  und  auffallenden,  daher  aus  der  vulgaren  Sprache 
entlehnten  Ausdruck  gebrauchen  will.)  3)  Der  Ablativ,  nemlioh  nit 
domo^  urbe,  magistratu,  welche  Ablative  als  adverbiale  Zuailxe 
zum  Verb  (s.  Casuslehre  §?)  anzusehen  sind,  gleich  unserm  *su  Han- 
se, nach  Hause,  heim,  daheim'  usw.  —  abire  a  matjislratu  würde 
nicht  ein  amtliches  abgehen,  d.  h.  ein  niederlegen  des  Amtes,  sondern 
nur  ein  momentanes  fortgehen  von,  ein  momentanes  ruhenlassen  des 
Amtes  bezeichnen. 

aberrare,  abirren  von  etwas  weg,  (nicht  zu  verwechseln  mit  er- 
rare  in  aliqua  re,  sich  in  etwas  irren).  Wird  construiert  mit  ab,  — 
in  einzelnen  Fällen  mit  ad  oder  in  c.  accus,  und  mit  einem  Ablativ,  l) 
ab;  -  -~  und  zwar  local  und  figürlich,  so:  a  via,  ab  aliquo  usw.;  -^  a 
regula,  a  proposito,  a  miseria,  a  dolore  usw.  2)  ad  oder  in  c.  ac- 
cusativo;  cfr.  Cic.  de  Offic.  I  37  §  135:  si  (oratio)  aberrare  adaiia 
coeperit,  wo  ad  alia,  irgendwohin'  ein  allgemeiner,  adverbialer  Zn- 
satz ist.  Ebenso  steht  in  melius  Plinii  Kpist.  iV  28.  3)  ein  Ablativ, (?) 
iiemlich:  conjecturü.  cfr.  Cic.  de  Nat.  Deor.  1  36  §  100:  si  aberrant 
vonjcctura,  wo  die  Kritik  aber  jetzt  das  fehlende  ab  ergänzt  hat.  Cic. 
ad  Attic.  IV  22:  vereor^  ne  nihil  conjectura  aberrem,  wo  aber  der 
Sinn  ist:  ^ durch  mutmaszen,  durch  erratlien\  —  Dagegen  steht  z.  R. 
Cic.  Phil.  \I1  9  ausdrücklich:  a  conjectura,  weshalb  aberrare  con- 
jecttira  besser  vermieden  wird. 


Die  yerbfl  composila  in  der  lateinischen  Sohalgrimntlik.    SSO 

abesse^  absein  von;  wird  construiert  mit  wiederboitem  ab;  — 
ferner  mit  einigen  adTerbiaien  Ablativen,  und  einxeln  mit  dem  Dativ. 
1)  a6,  —  nnd,zwar  in  localer,  wie  in  figpürlicber  Bedeutang;  so:  a  no- 
bis^  ab  urbe^  a  caslris^  a  medio,  a  morie^  a  spe  consulaius^  aliquis  a 
culpa  und  culpa  ab  aliquo.  Auch  in  einzelnen ,  bestimmten  Redensar- 
ten, so:  ab  eo  plurimum  absum^  ich  bin  weit  davon  entfernt;  mulhun 
ab  iis  aberat,  er  kam  ihnen  gar  nicht  gleich  usw.  2)  Der  Ablativ, 
nemlich  mit  domo^  forOy  urbe  (siehe :  der  Abi.  bei  abire);  r—  wenn  es 
nicht  eine  allgemeine  oder  adverbiale  Coustrnction  ist,  so  heiszt  es  a 
domOj  a  foro^  ab  urbe.  3)  Der  Dativ,  jemandem  fehlen;  cfr.  Cic.  de 
Legg.  I  2§  6:  abesi  hisioria  liieris  nosiris,  unsere  Wissenschaften 
vermissen  unter  sich  die  Geschichte;  —  abesi  hisioria  a  liieris  nosiris 
hiesze:  ^die  Geschichte  ist  entfernt  von  unsern  Wissenschaf ken',  d.  h. 
gehört  nicht  unter  sie.  Freilich  sollte  man  nach  Cic.  Brutus  80  %  276: 
st  nihil  uiilitaiit  habeai^  abfuii^  si  opus  erai^  defuii —  deesi  und  nicht 
abesi  erwarten :  —  aber  abesse  ist  das  locale  nichtdasein ,  deeste  das 
causale  (siehe  f>erba  composila  mit  de  §?),  und  von  ersterem  ist  hier 
die  Rede.  —  Ferner  cfr.  Cic.  de  Orat.  1 11  §  48:  quid  huic  abesse 
poterii  de  maximarum  rerum  scientia^  welches  ebenso  zu  verstehen  ist. 
Not.  Endlich  wird  abesse  völlig  absolut,  also  intransitiv -impersonal 
gebraucht,  so:  iantum  abesi^  ui ; —^ paulum^  haud  mullum^  non  mul- 
ium  abesl^  quin  nsw.  (s.  Feriodenlehre  §?) 

abhorr^re^  sich  schaudernd  abwenden  von :  wird  mit  ab  verbnn^ 
den,  —  in  einzelnen  Fällen  mit  dem  Dativ,  und  als  verb.  transit.  mit 
dem  Accusativ.  1)  ab-  und  zwar  sowol  local  als  ftgarlich,  als :  a  nup- 
Ittf,  a  ducenda  uxore^  a  suspicione^  ab  insania^  a  scelere^  a  fide^  a 
consiliis,  a  praecepiis  usw.  2)  Der  Dativ,  cfr.  Cic.  de  feto  4  §  8:  alii 
ialibus  viliis  abhorreni^  solche  Laster  schrecken  andere  zurück,  so 
dasz  sie  sich  von  ihnen  wenden.  Ebenso  abhorrens  Liv.  II 14  init.  3) 
Als  verb.  transit.  mit  dem  Accusativ,  verabscheuen;  —  so  indes  nur 
einzeln  bei  Livius,  Suetonius  usw.,  nie  bei  Cicero. 

abigere^  wegtreiben  von;  wird  nm  seiner  hervortretenden  causa- 
len  Bedeutung  willen  meistens  nur  mit  dem  Accusativ  verbunden,  so: 
muscas^  volucres  ei  feras,  pecus,  gregem^  febres^  pesiem;  —  doch 
kommt  auch  ab  (de)  vor,  so:  uxorem  a  fanua^  aliquem  a  cibo,  anse- 
res  de  frumento,  lassitudinem  absje, 

abjicere^  von  sich  werfen;  wird  wegen  seiner  gleichfalls  stark 
hervortretenden  causalen  Bedeutung  zuvörderst  construiert  mit  dem 
absol.  Accusativ,  so:  scutusn,  arma^  viiam^  curam^  cogiialionem ^  ob- 
edienliam,  dolorem^  iimorem^  cupidilaiem^  memoriam  usw.;  sodann 
mit  in  oder  ad  c.  Accusai.,  so:  se  ad  pedes  alicujus^  se  in  herbam; 
auch  in  einem  Beispiele  mit  dem  Dativ,  nemlich  supplicem  se  abjicere 
alicui^  wo  die  subjectiv-objective  Beziehung  des  aliquis  nahe  liegt. 
Ueber  abjicere  tela  e  eallo^  se  e  muro  in  mare  siehe  die  Einleitung 
dieses  §  I  b.  —  Die  Wiederholung  des  ab  kommt  nicht  vor. 

abjudicare^  aburtheilen  von,  d.  h.  durch  Urtheil  absprechen  von; 
wird  regelmäszig  mit  aby  einzeln  mit  dem  Dativ  verbonden.   l)  ab^  — 


340    Die  verlM  composiU  in  der  lateinischen  Schnlgrajnaatik. 

und  zwar  rem  ab  aliquo^  z.  B.  a  populoy  a  viro^  ab  hoc  ordine»  Bei 
riaut.  Asin.  III  3  17 :  me  a  f>ita  abjudicaho  anstatt  des  regelmiiKigea 
f)itam  a  nie,  —  eine  poetische,  die  Veranschanlichung  hervorhebende 
FersoniTication  des  Lebens,  vita,  2)  Der  Dativ,  cfr.  Cic.  pro  A.  Cae- 
vi  na  34  §99:  ipsum  sibi  UbertaUm  abjudicasse,  ^d.  h.  also,  dass  er  die 
Freiheit  verlöre';  es  geht  parallel  vorher:  non  adimii  ei  Uberiaiem, 
abjungere^  abspannen  von  dem  Joche,  ein  der  vnigfiren  Sprache 
zunächst  angehörendes  Wort,  welches  aber  die  Dichter  anch  in  Schil- 
derungen des  Landbaues  gebrauchten.  Bei  Cic.  flndet  es  sich  ad  Attie. 
II  I  init.  quod  se  ab  hoc  refractariolo  judiciali  dicendi  gener e  ab- 
junxeral^  welches  aber  um  so  weniger  nachzuahmen  ist,  da  aach  re* 
fractariolus  nur  hier  vorkommt,  und  neben  einer  groszen  Zahl  vod 
Deminutiven  nur  der  vulgaren  Umgangssprache  angehörte. 

abjurare^  abschwören  von;  —  seiner  starken  oausalen  Bedea- 
tung  wegen  mit  dem  absoluten  Accusativ  construiert,  so:  pecuniam^ 
creditum.  Es  ßndet  sich  bei  Vergilius,  Sallustius,  Plautua:  — bei 
Cicero  ad  Attic.  I  8  extr.  mihi  abjurare  certius  esl^  quam  dependere: 
—  wo  Cicero  absichtlich  im  vortraulichen  Briefe  ein  Wort  der  Un- 
gangssprache  gebrauchen  wollte.  Die  Construclion  mit  ab  kommt 
nicht  vor. 

ablegare^  wegschicken,  entfernen  von;  —  ein  nicht  hfioflfl^  yor- 
kommendes  Wort,  welches  mit  dem  absol.  Accusativ,  und  mit  wieder- 
holtem ab  construiert  wird.  1)  Der  absol.  Accusativ,  so:  hominei^ 
votisiiium  t.  e.  judices  —  beides  bei  Cicero  in  den  Heden  gegen  Ver- 
res,  in  welchen  überhaupt  stark  schildernde  Ausdrücke  der  vulgären 
Sprache  am  häufigsten  vorkommen.  2)  a6,  —  so:  aliquemase  (Plan- 
tus),  ;>6cii5  ac  homines  a  prato  (Varro);  —  doch  auch  Cicero  ad  AU 
tic.  II  18  extr.  haec  (legatio)  a  frairis  advenlu  me  ableyai, 

abluerc^  abwaschen  von;  —  seiner  cuusalen  Bedeutung  wegei 
nur  construiert  mit  dem  absoluten  Accusativ,  so:  pedes^  corpus;  aoeh 
ligürlich,  so  perfida  verba^  maculam^  perjuria  kommt  auch  bei  Ci- 
cero wiederholt  vor;  —  wird  auch  mit  de  construiert,  so:  anhela  si- 
iis  de  corpore  nostro  ablnitur  (Lucrelius);  auch  mit  e,  so  maculas  a 
rcsle  (IMinius);  —  die  Construclion  mit  ab  finden  wir  nicht. 

abnucre^  abschlagen  etwas  (durch  eine  Geberde),  wird  seiner 
causalcn  Bedeutung  wegen  mit  dem  absol.  Accusativ  und  mit  den  Da- 
tiv verbunden,  indem  derjenige,  dem  etwas  abgeschlagen  wird,  da- 
durch die  Sache  nicht  erhält  oder  verliert.  1)  Der  absol.  Accusafir, 
so:  colloquinm,  spem^  imperium^  dilecium,  curam,  2)  Der  Dativ,  so: 
f/Zicifi,  studio  aiicuius. 

abomittari^  etwas  als  böse  Vorbedeutung  von  sich  abwenden, 
daher  nur  mit  dem  absol.  Accusativ  construiert,  so:  sepulcrum^  iueen' 
diu  ititvr  epulas  nominata^  menUonem  foedi  facinoris.  Die  HinzurO- 
^ung  dos  a  se,  ab  aliquo  ist  als  im  Begriffe  des  Wortes  liegend  Qhcr- 
lliissi^.  Ks  kommt  dieses  Wort  bei  Cicero  noch  nicht  vor,  indes  häu- 
tiger bei  l.i\ius  u.  a.,  und  ist  auch  von  uns,  aber  nur  in  religiösem 
Sinuc  /.u  gohrauühen. 


Die  verba  composit«  in  der  lateinigebeii  Schnfgramnatik.     341 

abradere^  abkratzen  von;  —  wird  seiner  starken  causalen  Be- 
deutang  wegen  zuvörderst  mit  dem  absol.  Accusativ  construiert,  indes 
auch  mit  ab^  obschon  der  Dativ  oabe  lag,  indem  derjenige,  auf  den 
das  abkratzen  (abzwacken)  losgeht,  etwas  herzugeben  gezwungen 
wird.  Dasz  das  Wort  zunächst  der  vnlgSren  Sprache  angehörte,  liegt 
auf  der  Hand.  1.  Der  absolute  Accusativ,  so :  supercüia^  barbam^  radi- 
ces^  festucas;  auch  bildlich,  so:  pecuniam,  2.  Ab  — ;  cf.  Cic.  pro  A. 
Caecina  7  §  19  nihil  se  ab  A  Caecina  posse  litium  ierrore  abradere; 

—  wo  Cicero  des  Aebntins  niedriges  verfahren  im  starken  Bilde,  da- 
her die  locale  Veranschaulichung  beibehaltend,  schildern  will. 

abripere^  wegreiszen  von;  —  wird  mit  wiederholtem  a6,  dane- 
ben ex  und  de,  und  mit  in  (ad)  und  dem  Accusativ  verbunden.  (Der 
ebsol.  Accusativ  liegt  auf  der  Hand.)    1.  Ab^  —  z.  B.  a  Urra^  a  ie; 

—  auch  figürlich  a  similitudine  aHcuius,  Daneben  ex  und  de  z.  B. 
e  complexuy  eirginem  ex  eo  loco;  —  doch  auch  a  complexu.  2.  In 
oder  ad  c.  AccusaticOj  so:  de  convivio  in  vincula^  ad  quaestionem, 
in  cruciatum^  in  servitutem, 

abrogare^  abschaffen  durch  einen  Antrag  an  das  Volk,  daher  mit 
dem  absoluten  Accusativ,  indem  die  Hinzufugung  des  a  populo^  als  im 
Worte  liegend,  überflüssig  ist:  so  bei  den  Klassikern,  also  mit  legem 
verbunden.  —  Daneben  gebrauchten  die  Klassiker  die  Constrnction : 
alicui  aliquid  ^  wo  der  an  das  Volk  gestellte  Antrag  einen  staatlichen 
Besitz,  oder  ein  gesetzliches  Recht,  das  jemand  abgeben  sollte,  betraf. 
Dasz  auch  in  letzterer  Beziehung  die  Constrnction  ab  aliquo  sich  nicht 
entwickelte,  erklärt  sich  daraus,  dasz  die  causale  Bedeutung  *  der  be- 
ziehliche  Beschlusz  traf  jemanden  so,  dasz  er  hergeben  muste'  am 
nächsten  lag.  —  Später ,  wie  überhaupt  die  ursprünglich  juristischen 
Ausdrücke  sich  verallgemeinerten,  wurde  auch  abrogare  alicui  ali- 
quid  im  allgemeinen  Sinne  gebraucht.  1.  Der  absolute  Accusativ,  so: 
legem^  poenas^  imperium^  fidem,  2.  Der  Dativ,  so:  magistratum  ali- 
cui j  itnperium  alicui^  poteitatem  iniercedendi  oder  pdem  iurisiu- 
randi  alicui,  Nota.  Aus  den  Pandecten  wird  üb.  16  102  abrogaiur 
legi^  also  der  absol.  Dativ  angeführt,  und  z.  B.  auf  Liv.  IX  34  hinge- 
wiesen; —  allein  es  ist  diese  Constrnction  kritisch  verdächtig  und 
nicht  nachzuahmen. 

abrumpere^  abreiszen  von,  —  also  zerreiszen;  —  mit  dem  ab- 
soluten Accusativ,  als :  vincula^  cutem^  nubes^  ordines  exercilus^  ve- 
nas;  auch  figürlich,  so:  /as,  fidem^  voluptates^  patientiam.  Dann:  se 
abrumpere^  sich  losreiszen  von,  womit  Cicero  einmal  den  Ablativ  ohne 
ab  verbindet,  nemlich:  Phil.  XIV  12  $  31:  Haec  se  prima  latrocinio 
abrupit  Antonii,  sc.  /e^to,  wo  aber  latrocinio  nicht  so  sehr  den  loca- 
len  Ausgangspunkt,  als  vielmehr  das  causale  Instrument  des  losreiszens 
bezeichnet;  d.  h.  Cicero  lobt  die  Legion  deswegen,  weil  sie  durch  das 
latrocinium  des  Antonius  sich  habe  veranlaszt  gesehen  sich  loszu- 
reiszen,  d.  h.  ^von  dem  Antonius',  welches  als  im  Sinne  liegend  nicht 
hinzugefügt  wird;  ab  latrocinio  würde  statt  eines  Lobes  ein  Tadel  ge- 
wesen sein,  indem  darin  die  frühere  Theilnahme  der  Legion  am  latro- 

N.  Jahrb,  f.  Phü. «.  Paed.  Bd,  LXXIV.  Hfi-  7.  25 


342     Die  verba  composita  in  der  lateiniachjen  Schnlgrammalik. 

cinium  zugleich  mit  ansgesproclien ,  wenigstens  angedeolel  wiro.  — 
ücbrigcns  haben  sich  von  diesem  Verbura  die  Parlicipiairornien  vor- 
züglich entwickelt  und  bei  denselben  Tehlt  die  ConstrNCiion  Hiil  mh 
nicht,  z.  B.  Liv.  XL  2:  Fastigia  templonim  a  culminibus  abrupia,  — 
Wenn  endlich  noch  aus  Plinius  die  Gonstruction  mit  dem  blossen  Dativ 
citiert  wird ,  nemlich  Jlist.  Nat.  V  32  init. :  donec  (mare)  Asiam  ab- 
rumpat  Europa e  ^  so  dürfte  darin  nur  eine  nachklassische  unbewnste 
Uoborlragung  von  andern  mit  ah  gebildeten  vcrbb.  composs.  eu  sehen 
sein,  was  jedenfalls  nicht  nachzuahmen  ist.  Nota.  Das  neuere  abso- 
lute abrumpere^  ^abbrechen'  in  der  Rede,  d.  h.  eu  reden  aufhö- 
ren, ist  keine  lateinische  Uedeweise.  Selbst  ahnimpere  sermonemj 
orationem  kommt  bei  Cicero  niclit  vor,  so  oft  auch  Veranlasinng  ge- 
wesen wäre,  solches  zu  sagen.  Vergil.  Aeneid.  IV  388  sagt:  medmm 
sermonem  abrumpere^  ebenso  Suelonius;  und  Tacil.  Anutl.  IV  60 
schreibt:  inceptwn  sermonem  abnnnpere;  —  eine  dieser  Redenaarlee 
ist  zu  gebrauchen,  wenn  man  obiges  sagen  will. 

abscedere^  weggehen  von.  Die  regelmüszigo  Constraction  isl 
Wiederholung  des  ab ;  daneben  findet  sich  an  beziehlichen  Stellen  es 
und  in  c.  Accus.;  oder  auch  absolut,  ohne  Angabo  des  Ausgangs- 
oder Endpunktes.  Das  zur  Unterscheidung  des  ab  und  ex  interessante 
Ueispiel  Liv.  XXVII  ÖO:  Senalus  a  curia  abscessit^  aui  popuhu  • 
foro  ist  zu  beachten  (vgl.  Einleitung  1  b  und  abducere  No.  2). 

abscindcre^  abschneiden,  gewaltsam  trennen  von; —  wird  con- 
struiert  mit  a6,  mit  dem  absol.  Accusativ,  und  mit  dem  Dativ,  —  da 
die  Person  oder  Sache,  auf  welche  wie  auf  seinen  Ausgangspunkt  das 
gewaltsame  trennen  einwirkt,  das  abgetrennte  nicht  mehr  hat  oder 
hält.  L  Ab,  —  so:  capul  a  cervicibus^  htnicam  a  peciore,  3.  Der 
absolute  Accusativ,  so:  respectum  omnium  rerum,  rediius  duieet, 
3.  Der  Dativ,  so:  alicui  scelestam  linguam^  humeris  vesiem^  rofUs- 
nentf  Athon,  alicui  spem, 

abscondere,  verbergen  (von  —  weg);  wird  absolut  mit  dem  Ao- 
cnsotiv  construiert,  da  die  locale  Beziehung  des  Son  —  weg'  neben 
der  cuusalcn  Bedeutung  zurücktritt,  weshalb  die  Constniction  mit  dk 
nicht  vorkommt,  so:  fumus  coelum,  locum  aliquem  (d.  Ii.  *aus  dem 
Gesichte  verlieren'  z.  B.  arces^  Vergil.  Aeneid.  III  291).  Ferner  mit 
in  c.  Accus.,  so :  m  laiebras^  in  icrram  (d.  h.  ^eingraben'  Colnm.  de 
Arb.  VII  3).  Nota.  Ein  selten  vorkommendes  Wort;  bei  Cicero  An- 
den wir  OS  nur  einmal.  Kose.  Amer.  41  extr.  quod  opprimitur  $i  «&s« 
couditur;  —  bei  Caesar  findet  es  sich  gar  nicht.  Indes  kommt  dss 
Particip  absvonditus  häufiger  bei  Cicero  vor.  Statt  abtcondBre  sind 
zu  gebrauchen  abdere  und  occuliare.  Die  Redensart:  hoc  ocuiis  mei$ 
oder  ab  ocuUs  meis  est  absconditum  ist  unlateinisch,  dafür  setse  man 
hocme  futfit,  faUil,  praeter if. 

absisfere,  sich  entfernen,  abstehen  von,  —  kömmt  bei  Cicero  nie, 
nur  einmal  bei  Caesar,  und  zwar  mit  ab  construiert,  bfiufiger  bei  Li- 
vius,  Vergilius  u.  a.  vor.  Cicero  und  Caesar  gebrauchen  desistere.  — 
Es  wird  das  Wort  sehr  verschieden  construiert,  nemlich  mit:  1.  A& 


Die  verba  compositii  in  der  lateinischen  Sehalgrtmniatik.     343 

— ,  das  rein  locale  *von  —  weg',  so :  ab  signis  absistere^  a  sole  nun- 
quam  absistens  (nemiich  der  Planet  Venas).  2.  Der  Ablativ,  —  wenn 
das  locale  Won  —  weg'  übergeht  in  das  causale  womit  oder  wovon? 
indem  a65f5/ere  heiszt:  ^aufhören'  oder  ^ablassen';  so:  luco^  limine^ 
inceplOj  spe^  obsidione,  3.  Gänzlich  absolut,  als:  ne  absiste  (lasK 
nicht  ab!),  nee  prius  absistit^  quam  — ;  usw.  4.  Als  verb.  trans.  mit 
dem  Acc. ,  so:  Plant.  Truc.  II  6  32:  qüae  me  reUquii  atque  abs^itit 
(wobei  indes  me  richtiger  nur  zu  reliquit  als  Object  gezogen  wird.) 
5.  Der  Dativ;  Silius  (ein  Dichter  im  In  Jahrb.  n.  Chr.}  XV  190:  labori 
absislere  (vgl.  den  Dativ  bei  abrumpere).  Nota.  Nur  die Coustructio- 
nen  1  2  und  3  sind  nachzuahmen. 

absolvere^  ablösen  von;  wird  gleichfalls,  je  nach  seinem  ver- 
schiedenen causalen  Gehalte,  sehr  verschieden  construiert,  als  mit: 
l.  Ab  —^  wo  es  das  rein  locale  *von  —  weg'  ist;  so:  linguam  a 
gutture  (cf.  Plin.  Hist.  Nat.  XI  37  med.)  se  ab  aliquo  (cf.  Cic.  pro 
Q.  Roscio  Com.  12  §  36).  2.  Der  Ablativ,  wo  es  losmachen,  befreien' 
ist,  so  dasz  das  causale  wovon?  wodurch?  an  die  Stelle  des  localcn 
*von  —  weg'  tritt;  so:  se  iudicio^  populum  bello^  aliquem  cura  fa- 
miliaris  aliquem  suspicione  regni,  3.  Der  Genetiv,  wenn  absohere  die 
Bedeutung:  lossprechen,  freisprechen'  hat;  so:  /tir/i,  aduUerii^  im- 
probüaliSy  iniuriarum  usw.  Der. Genetiv  fügt  ein  Attribut  an  das  in 
absohere  liegende  Yerbalobject  (vgl.  Casuslehre,  der  Genetiv  §?  und 
verba  composita  mit  ad  §?  s.  «.  accusare).  Ebendahin  gehört  Cic. 
ad  Quint.  Fratr.  11  16:  de  praevaricaiione  absohere  aliquem.  —  Cic. 
Verr.  II  II  8  §  22:  hunchominem  Veneri  absohit^  d.  h.  er  sprach  die- 
sen Menschen  frei  in  Bezug  auf  die  Xßnus,  nemiich  dasz  dieselbe  an 
ihn  keine  Forderung  habe,  mithin  steht  der  Dativ  auch  hier  in  subjec- 
tiv-objectiver  Beziehung.  4.  Der  absolute  Accusativ,  und  zwar:  a. 
rem,  eine  Sache  vollenden,  so:  dialogos^  pensum,  beneßcium,  rem 
uno  eerbo.  Hicher  gehört  Sallust.  Cat.  4:  de  coniuraiione  paucis  ab- 
soham,   b.  aliquem^  jemanden  abfertigen. 

absorbere^  verschlucken ;  —  nach  seiner  causalen  Bedeutung  nur 
c.  Accus.,  so :  aquam^  placentas^  Oceanus  tot  res;  —  auch  figürlich, 
so:  Cic.  Brut.  81  extr.:  hunc  absorbuit  aestus  —  gloriae;  Cic.  Sext. 
6  init. :  tribunatus  absorbet  meam  orationem,  —  Cic.  legg.  II  4. 

abslergere^  abwischen ;  —  ebenso  nur  c.  Accus.,  localiter  und  figür- 
lich, so:  vulnera,  cruorem,  lacrimas^  fletum^  fuliginem^  oculos;  — 
ferner;  molesliaSy  dolorem,  metus,  aegritudinem^  fastidium.  Wird 
die  Person  hinzugefügt,  so  steht  dieselbe  regelmäszig  im  Dativ. 

absterrere^  abschrecken  von;  •—  wird  construiert  regelmäszig, 
so  nur  bei  Cicero  mit  ab,  -^  Bei  Livins,  Horatius,  Plinins,  Plautns 
auch  mit  dem  Ablativ,  indem  der  Gegenstand,  von  welchem  weg  loca- 
liter abgeschreckt  wird,  als  das  causale  Werkzeug  des  abschreckens 
erscheint,  i.  Ab  — ,  so:  a  pecuniis  capiundis^  a  congressu  meo,  2. 
Der  Ablativ,  so:  animos  viliis,  lenonem  aedibus^  aliquem  noxa  ali- 
qua,  aliquem  bello^  solitudine.  Nota.  Lucretius  hat  daneben  noch 
wiederholt  die  Construclion  mit  dem  iTativ,  indem  der  Dichter  dasje- 

25* 


344     Die  verba  composita  in  der  laieiDisclien  Sehnlgrammatik. 

iiige,  welches  als  causaics  Werkzeug,  folglicli^unpers&nlich  (vgl.  Ab- 
laliv.  §?)  sich  anschlicszt,  durch  Pcrsonificalion  im  subjectiv-objeeli- 
ven  Verhältnis  stehend  darstellen  kann.  Indes  sind  dio  bcziehlichea 
Stellen  kritisch  verdächtig. 

ahsUncre^  abhalten  von ;  —  wird  construiert  mit  ab  nnd  mit  dem 
Ablativ  im  oft  angegebenen  Verhältnis.  Daneben  findet  sich  auch  der 
absolute  Accnsativ ;  indes  nicht  bei  Cicero.  Wenn  zur  Unterscbeidnng 
der  zwei  Constructionen  dieses  Verbums  gesagt  wird,  Personen  wür- 
den meistens  mit  ab^  Sachen  meistens  im  Ablativ  hinzugefügt,  so  gilt 
diese  Unterscheidung  im  allgemeinen  (vgl.  §?),  indem  der  Lateiner 
nuch  seinem  concreten  Ausdrucke  die  Person  nicht  als  Werkzeug  dar- 
zustellen liebt  (vgl.  Ablativ  §?).  Es  findet  sich  dieses  Wort  beson- 
ders bei  Cicero  und  bei  Livius:  bei  Cicero  vorzugsweise  mit  dem  Ab- 
lativ (7mal  mit  dem  Ablativ,  3mal  mit  r//;),  bei  Livius  vorzugsweiso 
mit  ab  (timal  mit  ab^  3mal  mit  dem  Ablativ,  3mal  absolut).  1.  Ah^  — 
so:  ab  aUenis menles^  oculos^  manvs ;  manus  a  se ;  a  quibus  te  (Cic): 
—  igtiem  ab  aede^  belium  a  populo^  iram  belli  ab  obsidibus^  tniuriam 
ab  sociiSy  militem  a  praeda,  ferrum  igncmque  ab  agro  (Liv.).  2.  Der 
Ablativ,  —  so:  se  nefario  srelere^  se  oslreis  ei  rnurenis^  se  rf'/itf,  u 
nuUo  dedecore;  —  und  ohne  se:  maledicto^  iniuria^  faba  absiinere 
(Cic).  —  Vitn  pnibus  populonim^  ius  belli  duobus^  forhina  aliqnem 
Romano  bello  (Liv.).  Mola.  In  der  causalen  Bedeutung:  'Enthaltsam- 
keit beweisen'  musz  die  Construction  mit  dem  Ablativ  gewühlt  wer- 
den, abstiuere^  fasten,  absolut  und  ohne  cibo^  findet  sich  nur  bei 
Celsus  (ein  Arzt  im  jn  Juhrh.  nach  Chr.).  --•  Zu  der  Bedeutung  nod 
Construction  des  absiinere^  Enlllaltsamkeit  beweisen,  gehört  auch  die 
Construction  mit  dem  Genetiv  Ilor.  Od.  III  27  69  u.  IV  9  37:  iramwtj 
peciwiae  (vgl.  verba  composita  mit  «d§?  s.  v.  accusarc). 

absfraht^re^  abziehen  von;  —  wird  stets  mit  ab  construiert.  Da- 
neben in  beziehlichen  Verbindungen  mit  ex  und  de;  sowie  mit  m  (ad) 
r.  Accusatiro^  wo  der  Endpunkt  der  Bewegung  hervorgehoben  wer- 
den soll,  z.  R.  a  solicitudittCj  a  sensu  mentis^  ab  exerciiaiiane,  a 
eonsuetudine  usw.;  —  e  sinu^  ex  oculis  hominaw^  nares  e  poriu^  de 
matris  eotnplexu  usw.;  —  a  bona  honesloque  in  prarvm ^  in  malam 
vrueem,  ad  bellicas  landes.  Nota.  Tacit.  Annal.  11  5:  ui  Germani- 
nun  sueHs  legionibus  abstraherei^  d.  h.  so  dasz  die  Legionen  ihn 
nicht  bei  sich  hätten.  —  Figfirlich  wird  absirahere  nar  gebmelit, 
wo  von  einer  gewaltsamen  Thatigkeit  die  Rode  ist,  sonst  atocare, 

abstrudere,  wegstoszen  (von),  verbergen;  —  seiner  hervorlre- 
lenden  causalen  Bedeutung  wegen  ohne  ab^  mit  dem  absoluten  Accu- 
sativ,  sowie  mit  i«  r.  Acc,  —  oder  r.  Abi.  (vgl.  verba  composita  mit 
cum  §  ?  s.  v.  collocare). 

absumcre^  wegnehmen  (von); —  in  derselben  Weise  ohne  «5, 
mit  dem  absoluten  Accusativ.  Bei  Cicero  nur  ^'inmal  pro  P.  Quintio 
10  §  34:  ne  dicendo  iempns  absumam  (hinbringen);  hfiuflger  bei 
Livius. 

abuti^   verbrauchen,   misbrauchen;  wird  nach  Analogie  seines 


Dm  yerbt  conpo»ila  in  der  Itteioischen  SchttIgrtBimaUk.     345 

StmnBverbunis  uU  (siehe  daselbst  §?)  cooflirniert.    Indes  fehlt  es  bei 
Tercnliiis,  Planlus,  Lncrelius  nicht  an  Beispielen  des  Accusativs. 

avehere^  wegführen,  also:  wohin?  wird  xunichst  mit  in  oder 
ad  c.  Acc.  construiert;  —  indes  kommt  die  Constrnction  mit  ab  oder 
ex  auch  vor.  Uebrigens  nach  den  uns  vorliegenden  Schriften  nach- 
klassisches Wort. 

avellere^  abreiszen  von;  —  wird  regelmässig,  local  und  figür- 
lich, mit  ab  construiert,  und  in  beziehlichen  Verbindungen  mitejr  oder 
(fe,  z.  B.  $e  ab  aliquo^  a€ul$u$  a  tneiSy  rus  ab  aliquo;  —  poma  ex 
arboribuSy  simulacrum  e  signo  Cereris,  ex  insula,  de  matri$  com- 
plexu.  —  Bei  den  Dichtem  and  bei  spateren  findet  sich  auch  der 
Dativ,  wo  aber  die  causale  Bedentang:  ^entreiszen'  gänzlich  an  die 
Stelle  der  local -causalen  Bedeutung:  ^abreiazen'  getreten  ist,  z.  B. 
fundus  emtori  atelli  non  polest  (Plinius),  hutneris  capui  aveliere 
(Vergil.).  Die  Verbindung  mit  dem  Ablativ  ist  gleichfalls  nur  poe- 
tisch und  nachklassisch. 

aeersari^  sich  wegwenden  von,  daher:  ^verabschenen',  und  die- 
ser Bedeutung  gemäsz  entweder  ganz  absolut,  oder  der  absolute  Ac- 
cusativ,  z.  B.  filium,  amicum^  preces.  Indes  kommt  aversari  mit  dem 
Accus,  bei  Cicero  nicht  vor ,  und  er  gebraucht  statt  desselben  fugere^ 
abominarifi,  dgl. 

aeeriere^  wegwenden  oder  sich  wegwenden  von;  —  wird,  wo 
die  locale  Beziehung  augegeben  wird,  mit  ab  construiert,  sonst  mit 
dem  absoluten  Accusativ,  z.  B.  hosUm^  causam  doloris^  homines  iner- 
mes  artnis ;  ferner  in  der  Bedeutung  ^entwenden' :  pecuniam^  Aeredi- 
iatem^  rem  frumenlariam.  Ferner :  a  saxo^  ab  itinere^  a  spe^  ani- 
mum  a  re,  cogiiationem  a  nu$eriiSy  a  tocietate  alicuius  usw. 

aterruncare ^  abwehren,  ist  nur  in  Beziehung  auf  das  göttliche 
wirken  zu  gebrauchen ;  z.  B.  Cic.  ad  Attic.  IX  2  init. :  DU  averrun- 
Cent!:  —  sonst  gebrauche  man:  avertere^  removere,  defendere.  Es 
findet  sich  ganz  absolut  oder  mit  dem  absoluten  Accusativ  construiert, 
z.  B.  iram  Deorum^  prodigia^  calamüates, 

auferre^  wegtragen  von;  —  wird,  wo  es  nicht  nur  den  absolu- 
ten Accusativ  hat,  mit  ab  und  mit  dem  Dativ  construiert;  letzteres,  wo 
die  beziehliche  Person  als  diejenige  bezeichnet  werden  soll ,  welche 
etwas  verliert  oder  hergeben  musz,  z.  B.  $tercus  ab  ianua^  paucos 
dies  ab  aliquo  (als  Frist),  tantum  ab  aratore  quantum  poposciij 
ab  aliquo  vasa  omnia.  Ferner :  alicui  spem^  spirilum^  dolorem.  End* 
lieh  absolut:  gloriam^  pecuniam^  responsum  usw.  —  Uebrigens  ist 
die  Wiederholung  des  ab  als  die  klassische,  und  der  Dativ  als  die 
nachklassische  and  poetische  Conatraction  anzoaeben. 

aufugere^  entfliehen,  kommt  klassisch  nur  absolut  vor.  Bei  Li- 
vius  I  23  findet  sich  ex  loco. 

avocare^  abrufen,  wegrufen  von ;  —  wird  durchaus  regelmäszig 
mit  wiederholtem  a6  construiert,  z.  B.  a  rebus  gerundis^  a  rebus  oc- 
Cfi/fts,  a  proeliis^  a  peccalis^  a  delicto^  a  philosophia;  —  also  in 
figürlichen,  wie  in  rein  localen  Verbindungen. 


346    Die  verba  compositt  in  der  itleinischen  SohalgraMaialik. 

avolare ^  davonfliegen,  und  dieser  Bedentang  enUprechend ,  ail 
liinc  u.  dgi.  KU  verbinden,  sonst  absolut. 

Rar.  musz,  da  ihm  manches,  namentlich  Forcellini  augeoblioklich 
nicht  zur  Hand  war,  wegen  Mangel  in  der  Ausführung  am«Entoehnldi- 
gung  bitten.  Sein  Wunsch  war  für  jetzt,  die  Frage  auszuiprechen  ud 
zu  motivieren,  ob  eine  entsprechende  Regelung  der  Schulgrammatik 
auch  andern  wttnschenswerth  erscheine  oder  nicht. 

Noch  eins.  Von  einem  Freunde,  einem  tüchtigen  praktischei 
Gymnasiallehrer,  ist  dem  Ref.  entschiedene  ßeistimmung  ausgesprochea 
worden,  aber  das  Bedenken  geäuszert,  ob  nicht  die  nach  solchen  Pria- 
cipien  bearbeitete  Schulgrammatik  zu  umfangreich  werde.  Wen 
nicht,  wie  Ref.  sich  bereits  vollständig  überzeugte,  ein  dieaem  Beden- 
ken entgegengesetztes  Resultat  herauskfime,  so  würde  Ref.  aeinea 
Wunsch  selbst  sofort  aufgeben.  Allerdings  wird  die  Schulgrtmmalik 
an  positivem  Stoff  reicher,  aber  daneben  befreit  von  einer  giniea 
Menge  sogenannter  ^Ausnahmen'  und  ^Ausnahmen  zu  den  Aaanthmea.' 
So  lange  die  Schulgrammatik  ihre  Syntax  nicht  nach  den  Verben,  soa- 
dcrn  nach  den  Casus  ordnet,  so  sucht  sie  in  der  Darlegung  den  Sprteb- 
baumcs  nicht  von  dem  Stamme  und  den  Aestcn  ans  die  Zweige  aid 
Blätter,  sondern  von  den  Blättern  aus  die  Zweige  und  Aeste,  and  da 
kann  es  nicht  fohlen ,  dasz  man  10-  und  20mal  immer  wieder  taf  dea- 
sclbcn  Zweig  und  Ast  zurückkommt,  also,  wie  es  sich  zeigt,  xa  ermü- 
denden Wiederholungen  und  verwirrender  Weitschweiflgkeit  geiwni- 
gen  wird.  Nur  wo  systematische  Ordnung  ist,  da  ist  Ueberaichtliek- 
keit  möglich,  und  daraufkommt  es  für  Lehrer  und  Schüler  gani  be- 
sonders an. 

Ilildesheim.  Dr.  Conrad  MicIMseH. 


33. 

Von  Scluilatidiiclileii  und  ihren  wesentlichen  Eigenschaflen. 

Wenn  es  einem  Zweifel  unterliegt,  dasz  neben  dem  öffentliobea 
Gottesdienste  die  hänsliche  Andacht  ihre  vollste  Berechtignng  habe, 
dtTgestalt  dasz  der  erstere  an  seiner  tiefen  Wirksamkeit  für  dieohriflC- 
lichc  Gemeinde  verlieren  musz,  sowie  die  letztere  aus  dem  Leben  der 
Familien  verschwindet,  so  kann  es  dagegen  sehr  wol  zweifelhall  lein, 
ob  auch  für  Kreise,  welche  zwischen  der  Kirche  und  Familie  liegen, 
solche  erbauliche  Versammlungen  eben  sowol  berechtigt  und  nolh- 
wendig  scie».  Es  würde  von  äuszerster  Kurzsichtigkeit  zeugen,  wenn 
man  diese  Andachten,  blosz  weil  sie  Andachten  sind,  und  eine  religiöse 
Tendenz  haben,  als  über  alle  Bedenken  erhaben  betrachten  wollte,  wie 
das  heutzutage  allerdings  die  verbreitete  Meinung  ist.  Die  alle  pro- 
teslunlischc  Kirche  hat  hierüber  anders  gedacht,  als  jetzt  selbst  dieje- 


Von  SehalaBdaclitcn  und  ihren  wesentlicheB  EigeMchafleu.   347 

nigen  meinen,  denen  man  ein  wabres  Inleregae  an  der  Sache  des  HErm 
nicht  absprechen  kann.  Sie  hal  die  Haosandacht  gefordert,  and  dage- 
gen jenen  mitten  inne  liegenden  erbaulichen  Versaramlnngen  zu  weh- 
ren gesucht. 

Die  Schulandachten,  bei  denen  ich  natürlich  an  mehr  als 
ein  einfaches  schlichtes  Gebet  nebst  einem  kurzen  Gesänge  denke, 
nehmen  gleichfalls  eine  solche  mittlere  Stellung  ein.  Es  gibt  Schulen, 
bei  denen  Lehrer,  Schüler  und  übrige  Hausgenossen  gleichsam  eine 
einzige  grosze  Familie  bilden,  wie  dies  z.  6.  bei  den  Alumnaten  der 
Fall  ist.  Hier  ist  die  Schulandacht  Zugleich  eine  Hausandacht,  und  hat 
als  solche  nicht  blosz  beim  Beginne  und  beim  Schlüsse  der  Woche, 
sondern  tagtäglich  ihre  volle  natürliche  Berechtigung:  wie  sich  von 
selbst  versteht,  auch  innerhalb  der  Grenzen  und  in  dem  eigenthümli- 
eben  Charakter  der  hauslichen  Erbauung.  Bei  der  Mehrzahl  der  Schu- 
len aber  bilden  Lehrer  und  Schüler  eben  keinen  sDichen  Familienver- 
foand,  und  es  ist  demnach  das  Bedürfnis  ein  schwächeres.  In  der  That 
finden  wir,  dasz  die  bei  weitem  meisten  dieser  Schulen  derartiger  re- 
gelmasziger  und  cyklisch  geordneter  Andachten  bis  jetzt  entbehrt 
haben.  Denn  Andachten ,  welche  bei  besonderen  Veranlassungen  ver- 
anstaltet werden  y  können  bei  unserer  Erörterung  nicht  berücksichtigt 
werden. 

Man  würde  nun  auf  das  allergröblichsle  irren,  wenn  man  da,  wo 
solche  Schulandachten  nicht  stattfinden,  einen  Mangel  religiösen  Le- 
bens voraussetzen,  und  umgekehrt  da,  wo  sie  stattfinden,  ein  intensi- 
veres religiöses  Leben  annehmen  wollte.  Denn  hierbei  wirken  Ursa- 
eben  der  verschiedensten  Art  mit.  In  England  z.  B.  ist  das  ganze 
Leben  in  den  Schulen,  wie  von  einem  religiösen  und  kirchlichen  Dufte 
Übergossen,  und  der  Rector  einer  der  alten  Schulen  zugleich  der  Seel- 
sorger seiner  Zöglinge.  Wir  wissen  von  den  ausgezeichnetsten  eng- 
lischen Schulmannern,  dasz  sie  diese  ihre  geistliche  Wirksamkeit  als 
den  Haupttheil  ihrer  Functionen  betrachtet  haben ,  nnd  doch  hat  man 
dort  keine  besonderen  Schulandachten.  Man  wird  den  Holländern 
nicht  eine  ernste  und  strenge  Frömmigkeit  absprechen  wollen ;  aber 
in  ihre  Schulen  haben  sie  die  religiöse  Wirkung  nicht  mit  aufgenom- 
men, und  selbst  zu  der  Zeit,  wo  ich  diese  Schulen  kennen  gelernt 
habe,  den  Religionsunterricht  davon  ausgeschlossen  gehabt. 
Dieses  Volk  vertraute  genugsam  der  Kirche  und  der  Familie,  was  Er- 
ziehung und  Frömmigkeit  anbetraf,  und  setzte  den  Schulen  eine  ganz 
bestimmte  und  sehr  beschränkte  Aufgabe,  die  des  Unterrichts.  Und  es 
ist  in  meinen  Augen  kein  Zweifel,  dasz  selbst  die  Familie,  in  der  eine 
ganz  bestimmte  Richtung  des  Glaubens  herscht,  und  die  mit  groszer 
Energie  diesem  Glauben  in  ihrer  eigenen  Mitte  vertritt,  und  ihm  einen 
starken  und  tiefen  Ausdruck  gibt,  jede  andere  Art  religiöser  Einwir- 
kung, die  der  Kirche  ausgenommen,  mit  Bedenken  betrachten,  und  für 
sich  selbst  nicht  geringe  Gefahren  daher  besorgen  musz.  In  unserer 
lutherischen  Kirche  hat  es  gleichfalls  Zeiten  gegeben,  welche, 
wahrlich  nicht  aus  Maugel  an  Frömmigkeit,  diese  Andachten  verwor* 


848  y(»u  SehuUiiiki^Utcii  ußd  ihren  wosenUUben  EigoDsabo 


»ektil 


fen  hebon.    E$  ist  bckumU^  ck«t  sogar  die  coliegm  pielati*  Spea 
von  der  Kirche  mit  graszem  Nachdruck  verfolgt  v^urdeii.    Denn  vf«; 
^nerseili  die  Kirche  eine  pasti^q  Lehcii^krufi,  Energie  und  Auclari' 
äasflbt,  andererseits  »Uür  in  der  Stillü  di^H  Uanäci»  ein  crui^ektis»  r 
giöses  Leben  stalirmdet,   v^ird  ntan  dta  Schulen  imfner  guru  ayt  ifi 
eigdDthümUclie  Wirksnmküil  beschrüiikt  ^oht^n;  unter  jener   Vors 
fetsuog  sind,  mcinens  crDchtcn^^  £>chuli)i)doc)iten  nichl  UIq^z  für  ah 
flüssig,  sondern  auch  für  hc^disnktick  7.11  hulliiii,  weil  ^icti  leiühl  a 
rerischc  Neigungen  daran  anj^ehlies^cn,  die  ntem^ind  tm  hcwitehcn 
Stande  ist.    Haben  do gegen  jene  beiden  nitttlr liehen  Kreide  roiigid) 
Erbaaaug  diese  religiöse  Lfbendigkeit  niclit,  »0  mag  nllerdingi 
Schale  sicli  ein  Ihrt  fassen,  und  im  Di  engl»  des  HErrn  in   di« 
Jenen  geta^isenti  Lücke  eintreten,  und  in  ihrem  Kreise  für  das  fi 
lende  einen  Er$ni%  %\i  sehafTin  suchen.   Ich  für  meinü  Feriiiiii  bin  all 
dings  der  Ansicht,  da^x  jcl^t  ^>cntgstcns  dio  Famitie  niuhl  bjel 
was  sie   bieten   sollte:   die  hausliehe  Andaclit   itii  im  gancen   xt 
schwunden:  ich  betrachte  daher  jt^ne  Sehntandachtcn  als  <^ioü  K«ki 
wendigkeiti  und  die  Auurdnyng  derselben  als  einu  l^flicht  der  Sehuh 
Nor  m(yehte  ich  nicht,  dasr.  man  denen,   die  anders  hieri|l>er  donki 
hieraas  einen  Vorwurf  herleite,  vorau^gescUt  da»£  nicht  (»rwteai 
eine  religiöse  Indt(Teren7«  dat^ei  zmn  (j runde  liegt. 

Die  Frage  nach  dem  Ob  istcht  die  Frage  nach  dem  \Vi«  n 
lieh.  Wie  werden  diese  Schulandachten  eiugeriivlitct  werden  miiifxi 
am  aaf  das  sicherste  ehristlit:hes  Lehen  in  den  Schulen  i;o  fOrdi 
ond  doch  engl  eich  sich  jedea  stürenden  hiniibergrcifeas  ntdi  der  Sei 
der  Kirche  wie  nach  der  Seite  des  Hauses  hin  m  enthalten.  \\ 
mich  dünkt,  ist  man  hierüber  «ehr  leichtrcrlig  hin  weggegangen,  nad 
noch  iaimer  geneigt  so  zu  Yerfahreo.  Es  ist  denen ^  welehu  Schttl 
dachten  em|ifehlen  und  welche  sie  halten^  wie  es  scheint«  sehr  lin 
sentlicU^  ob  die  darin  gegebene  Erbau nng  einen  UircUUch  positi' 
Charakter  bähe,  oh  sie  der  Natur  des  Jugendlieben  Alters  mnga 
sei,  ob  sie  die  Sphacre  der  Si'hule  vi>llig  dureUdringo  und  i^io  in 
des  religiösen  Lebens  emporhebe:  es  ist  genug,  dasi^  überhaupt 
Erbauung  stattfinde.  Es  hat  leiten  gegeben,  wo  das  blasse  glanhen 
als  ein  ^lerkmal  des  gtünbigen  Christen  angefSi^hcn,  und  nach  dem  i 
oiellen  In  h a  1 1 e  dieses  Glaubens  nicht  gefragt  wurdo  —  es  tat 
allgemeinen  die  (itüubigkeit  der  Kranen:  es  Keheinl^  als  ob 
völlig  durun  genug  liibOf  dasK  oine  Erbauung  vurhanden  n&i,  nwA 
glaube  fast,  dass  man  es  für  eine  unbequeme  Xudriog  lioblc 
halten  wird,  wenn  man  mehr  als  dm&  blo^ie  Erbauung  fordert 
sicher  gestellt  sehen  wilL 

Es  liegt  mir  eine  Sammlung  van  Suhnlandichten  vor*  wulcbe  im 
Kloster  Unserer  Lieben  Frauen  zu  Magdeburg  gehaUen  «ind').     leb 


lad  j^l 
<blc«B 
jrt  n^^ 


•)  Dui  JriraAaat/«! 
nctL  l8  Haft:  ZmW 
deburg  1856  (löO  8.  Q). 


Von  SchalaDdachten  uod  ihren  weseDtlicheo  Eigenschaften.  349 

musx  voraussetzen ,  dasz  diese  Form  von  Scbulandachlen  dort  Aner- 
kennung gefunden  habe.  Sodann  hat  der  General- Superintendent  der 
Kurmark  Dr.  11  offmann  diesen  Andachten  ein  empfehlendes  Vorwort 
voraufgeschickt.  Ich  musz  daher  weiter  voraussetzen,  dasz  dieser 
hochgestellte  Kirchenbeamte  gleichfalls  diese  Form  billige.  Mir  für 
meine  Person  scheinen  sie  nicht  das  zu  sein,  was  mir  Scbulandacbten 
sein  sollen.  Die  Ansicht,  welche  ich  von  der  Sache  habe,  will  ich 
nicht  als  maszgebend  hinstellen ;  aber  man  wird  es  natürlich  finden, 
dasz  ein  Schulmann ,  der  selbst  lange  Jahre  hierüber  nachgedacht  hat, 
dem  es  endlich  gelungen,  hierüber  mit  sich  einig  zu  werden,  und  der 
nun  sich  in  seiner  Ueberzeugung  erschüttert  und  —  gefährdet  sieht, 
mit  seiner  Ansicht  hervortritt,  um  zur  Prüfung  des  Gegenstandes  anzu- 
regen. Es  handelt  sich  um  hochwichtige  Dinge :  ein  sich  bildendes 
Institut  kann  durch  ein  falsches  Beispiel  leicht  auf  eine  falsche  Bahn 
gelenkt  werden :  und  die  schöne  und  glänzende  Blüte  abfallen,  ohne 
dasz  aus  ihr  eine  Frucht  erwächst.  Man  wird,  denke  ich,  sehen,  dasz 
es  mir  um  die  Sache  zu  thun  ist,  die  ich  zu  fördern  wünschte. 

Ich  habe  kurz  vorher  angedeutet,  dasz  die  alten  protestantischen 
Schulen  keine  eigentlichen  Schulandachten  besaszen.  Der  Grund  hier- 
von lag  in  der  allerinnigsten  und  trautesten  Verbindung  zwischen 
Kirche  und  Schule.  Ich  habe  eine  ziemlich  genaue  Kenntnis  von  der 
Einrichtung  jener  Schulen ;  aber  ich  wüste  wirklich  nicht  zu  sagen, 
was  solche  Erbauungsstunden  in  denselben  hätten  sein ,  und  welchen 
Platz  sie  in  denselben  hätten  einnehmen  sollen.  Die  Schule  war  in 
dieser  Beziehung  nichts  für  sich  bestehendes:  sie  bereitete  für  die 
Kirche  vor,  sie  diente  der  Kirche  mit  ihren  besten  Kräften,  sie  em- 
pfieng  von  der  Kirche,  was  sie  brauchte,  die  reine  Lehre  im  Sinne  der 
protestantischen  Kirche,  die  einfache  und  tiefe  Pietät  des  Herzens  und 
die  zuchtvolle  Gesinnung,  welche  das  Kleinod  jener  Zeit  waren.  Wenn 
dies  Verhältnis  zwischen  Schule  und  Kirche  wiederhergestellt  werden 
könnte,  so  würden  die  Schulandachten  von  selbst  wieder  hin  wegfallen, 
wie  der  Mond  erbleicht^  wenn  die  Sonne  kommt. 

Es  wäre  nun,  da  jenes  Band  gelöst  ist,  wenigstens  historisch  zu 
erwarten,  dasz  die  erbauliche  Einwirkung  der  Schule  sich  hewust 
bliebe,  wessen  Stelle  sie  zu  vertreten  habe,  und  in  wessen  Functio- 
nen sie  eingetreten  sei,  und  also  in  wirklichem  Sinne  und  Geiste  sich 
halte,  ja  was  mehr  ist,  für  die  Kirche,  für  die  Geltung  der  Kirche  im 
Kreise  der  Schule  bestrebt  sei;  sodann  dasz.  sie  auch  in  der  Form 
geschehe,  in  welcher  die  Kirche  eingewirkt  hat.  Die  Schulandacht 
sei  also  vor  allen  Dingen  kirchlich  nach  Form  und  Inhalt:  sie 
setze  sich  also  kirchliche  Objectivität  als  Aufgabe. 

Kirchliche  Objectivität  —  ein  inhaltscfaweres  Wort!  Wie 
sollen  wir  diese  erreichen  und  darstellen?  Denn  die  kirchliche  Ob- 
jectivität kann  eben  sowol  ein  äuszerliches  bleiben,  wie  es  eine  Sache 
der  tiefsten  und  innerlichsten  Subjectivität  werden  kann :  sie  läszt  sich 
in  gewissen  Formeln  aussprechen  und  überliefern,  ohne  dasz  der  Grund 
der  Seele  davon  bewegt  wird  —  ohne  dasz  die  ganze  Sorge  des  leb- 


350  Von  Schulandacliten  und  ihren  wesentlichen  BigeniohaltaL 

rcndeo  und  erziehenden  daranf  gerichtet  ist,  sich  in  treaesfer  Liole 
an  die  Kirche  anzuschlieszen,  zu  der  man  sich  bekennt,  die  Aaetorilit, 
die  Geltung  und  die  Wirksamkeit  der  Kirche  mit  der  eigenen  TUttif- 
koit  zu  fördern,  mit  dem  ganzen  geistigen  Vermögen  sieh  in  die  Lehre 
und  den  Glauben  der  Kirche  hineinzuarbeiten,  und  mit  derselben  die 
ganze  eigene  Snbjectivität  zu  durchdringen.  Ich  weisz  nicht,  wie  Tiel 
Gcisilicho  und  Laien  da  sind,  die  diesen  Sinn  für  kirchliche  Objeetiri- 
tät  haben :  ich  weisz  aber  aus  Erfahrung,  dasz,  wo  er  vorhanden  ist, 
grosze  Freudigkeit  des  Glaubens,  Energie  des  sittlichen  Willena  ni 
Festigkeit  des  ganzen  Menschen  davon  die  Folge  ist. 

Diese  kirchliche  Objectivitut  fordere  ich  also  zaefüt  in  jeder 
Schulandacht.  Sie  wird  sich  darin  offenbaren,  dasz  diese  Andaehlea 
sich  auch  auszerlich  an  die  Ordnung  des  kirchliohen  Lebens  n- 
schlicszen,  in  kirchlicher  Sprache  gehalten  werden,  demnichsl  dan 
die  Schriftauslegung  in  kirchlichem  Sinne  geschehe,  der  kirehlifte 
LehrbcgrifT  die  ganze  Gedankoncntwicklung  bcherscho,  sodsnn  dasi 
mun  sein  Verhältnis  zur  Kirche  ofTeu  bekenne,  sich  selbst  mit  Hersesi- 
freudigkeit  ihrem  Dienste  widme,  vor  den  Schülern  es  kein  Hehl  habe, 
dasz  man  sie  für  die  Kirche  und  zu  lebendigen  Gliedern  der  Eircbe 
erziehen  wolle.  Es  ist  nicht  genug,  dasz  man  kirchlich  sei,  msn  bmmi 
es  auch  bekennen,  zumal  der  Jugend  gegenüber,  zumal  in  einer  Keil, 
wo  die  allerheftigsten  AngrifTo  gegen  diese  Objectivilfit  nntemoBpen 
werden,  zumal  in  einer  Zeit,  wo  die  Subjeclivität  in  hohen  and  niede- 
ren Kreisen  sich  für  religiöse  Dinge  als  maszgebend  geltend  mscht. 

Ich  kann  mich  natürlich  hier  nicht  auf  das  Gebiet  der  Theologie 
wagen,  sondern  mnsz  mich  auf  dem  paedagogischen  halten :  hier  aber 
kann  man,  was  in  der  Sphaere  der  Kirche  zweifelhaft  erscheinen  Mag, 
als  unzweifelhaft  gewis  hinstellen,  dasz  für  die  Erziehung  and  des 
Unterricht  der  Jugend  die  möglichst  buhe  Objectivität  ein  antbweii* 
liches  Bedürfnis  sei.  Es  kann  auf  dem  religiösen  Gebiete  kaum  anders 
als  auf  den  übrigen  stehen.  Wir  geben  in  allen  wissenachaniiebea 
und  sprachlichen  Disciplinen  nicht  unsere  Meinung,  sondern  eine  Vor- 
stellung und  Theorie,  welche  sich  allmählich  mit  objectivem  Charakter 
gebildet  hat,  und  halten  unsere  subjective  Ansicht  zurück,  selbst  da, 
wo  sie  sich  leicht  hervordrängen  könnte,  wie  in  der  Geschichte.  Wir 
haben  die  Ueberaeugung,  dasz  erst  auf  Grund  und  Boden  dieser  Ob- 
jectivität sich  die  eigene  und  freie  TliAligkeit  werde  gründen  lassea: 
wir  schaffen  der  Jugend  zunächst  einen  festen  Haltpnnkt,  von  des  sie 
bei  eigener  Forschung  werde  ausgehen,  und  an  dem  sie  sich  immer  wie- 
der werde  orientieren  können.  Wir  verfahren  paedagogisch-ersiebend 
nach  demselben  Grundsatze.  Wir  stellen  der  Jugend  unsere  sittliehea 
Forderungen  zunächst  in  positivster  Objectivität  gegenüber,  and  lind 
OS  zufrieden,  wenn  sie  spat  erst  diese  unsere  Forderungen  als  einge- 
borene Gesetze  ihrer  ethischen  Natur  wiederrindet.  Wir  haben  die 
lleherzcui(ung,  dasz  Gehorsam  die  Basis  der  sittlichen  und  bQrgerli- 
chcn  Freiheit  sei.  Warum  nicht  im  religiösen  Gebiete  ebenso?  warum 
hier  der  Subjectivitat  der  Jugend  gegenüber  so  viel  gewähren?  wa- 


Von  Schalandachten  und  ibren  wesentlichen  Eigeniehaflen.  S51 

nim  hier  das  nächste  Ziel  anbeachtet  lassen ,  nnd  in  eine  weite  Ferne 
hinausstreben,  welche  dem  Aufe  der  Jugend  unerFeichbar  ist?  Kirch- 
liche Objectivitftt  wirkt  auf  die  Schale,  wie  ich  aus  sehr  gater  eigener 
Erfahrung  weisz ,  aufs  kräftigste.  Eins  unserer  alten  Kirchengebete, 
wie  ich  sie  am  liebsten  verwandt  sehen  würde,  ergreift  die  Herzen 
allgewaltig:  ein  Abschnitt  aus  Scriver  hat  mir  nie  seine  Wirkung 
versagt.  Die  Jugend  bedarf,  verlangt  und  erwartet  mit  Recht  Objecti- 
vität,  und  fühlt  es  sehr  wol  heraus,  ob  es  eine  solche  vor  sich  hat. 
Die  alten  ernsten  Töne  der  früheren  Jahrhunderte  haben  für  sie  einen 
guten  Klang. 

Das  zweite,  was  ich  von  Schnlandaehten  fordere,  ist,  dasz  sie 
davon  ausgehen,  für  die  Schule  bestimmt  zu  sein.  Es  ist  natürlich 
nicht  genug  dabei,  dasz  man  gelegentlich  einmal  der  Zöglinge  er- 
wähnt, hier  nnd  da  eine  Beziehung  auf  Verhältnisse  der  Schule  ein- 
flieszen  lasse,  auch  wol  sonst  individualisiere:  meine  Forderung  geht 
weiter,  dasz  sie  ganz  und  gar  durch  die  Beziehung  zur  Schale  be- 
stimmt seien,  dasz  sie  so,  wie  sie  da  sind,  eben  nur  in  dem  Boden  der 
Schule  erwachsen  konnten.  Dasz  biedurch  die  oben  geforderte  Objeo- 
tivitat  nicht  alteriert  werde,  versteht  sich  von  seihst.  Das  Wort  Got- 
tes und  die  Lehre  der  Schrift  ist  für  den  Greis  ein  anderes  als  für 
den  Knaben,  nnd  dennoch  objectiv  das  sich  selbst  gleiche  und  unwan- 
delbare. Die  Lebendigkeit  des  objecliven  manifestiert  sich  darin,  dasz 
es  für  jede  Snbjeclivität  ein  faszbares  und  anzueignendes  ist,  und 
nicht  für  die  eine  ist,  für  die  andere  aber  verschwindet,  dasz  aus  der 
unendlichen  Falle  für  jeden  dasjenige,  dessen  er  nach  seinem  Stand 
und  Vermögen  bedarf,  hervorquillt.  Der  öffentliche  Gottesdienst  hat 
nur  die  allgemeine  christliche  Persönlichkeit  sich  gegenüber,  und 
wird  dadurch  bestimmt:  jede  besondere  Andacht  hat  einen  besonderen 
Lebenskreis ,  den  sie  im  Lichte  des  Evangeliums  betrachten  und  für 
Christus  bilden  und  erziehen  wilL  Hieraus  ergibt  sich  also,  dasz  die 
Schulandacht  eben  sich  die  Aufgabe  setze,  das  ganze  Leben  in 
der  Schule  in  die  religiöse Sphaere  emporzuheben,  es  den  Blicken 
der  Jugend  von  diesem  Standpunkte  vorzuführen,  und  ebenso  den 
Geist  wahrhafter  Frömmigkeit  in  dieses  Leben  hineinflieszen  zu  lassen. 
Der  Geist,  im  Sinne  der  Heiligen  Schrift,  richtet  alles,  und  ergreift 
alles.  Es  wird  dem  Lehrer,  der  den  HErrn  lieb  hat,  und  seine  Schüler 
dem  HErrn  zuführen  möchte,  nicht  schwer  werden,  hier  das  rechte  zu 
treffen:  jede  Pflicht,  die  den  Schülern  auferlegt  wird,  jede  Tugend 
des  Fleiszes,  des  Gehorsams,  der  Wahrheit,  der  Treue,  auf  die  rechte 
Quelle  hinzuweisen,  durch  welche  sie  zu  einer  christlichen  Tugend 
wird,  von  der  Verschuldong  der  Jugend  den  tiefsten  und  letzten  Grund 
ahnen  zu  lassen ,  für  die  Sünde  den  Quell  des  Heils  und  die  Gnaden- 
mittel,  welche  der  HErr  darbietet,  aufzuzeigen,  und  die  Liebe  des 
HErrn,  welche  nicht  müde  wird  den  Sünder  zu  suchen,  als  das  Vorbild 
und  Urbild  des  christlichen  Lehrers  darzustellen.  Die  Evangelien  nnd 
Episteln  des  Kirchenjahres  bieten  die  reichsten  Anknüpfungen  hierfür 
dar,  und  es  bedarf  nicht  groszer  Kunst  noch  Künstlichkeit  hier  Herz 


S52  VoB  Schttlandachten  und  ihrea  wesenllichen  EigensobaflA«. 

Eum  Herzen,  aus  dem  Leben  ins  toben  zu  sprechen.  Man  hat  eben  nur 
hineinzugreifen  hier  ins  Leben  der  Scliule,  dort  in  die  Fülle  der  gölt- 
liehen  Wahrheit,  so  stehet  es  da.  Die  Möglichkeit  ist  nicht  zu  be- 
zweifeln, die  Nolhwendigkeit,  denke  ich,  noch  viel  weniger. 

Wir  können  jedoch  noch  einige  weitere  Schritte  thon.  Die  Ju- 
gend, für  welche  diese  Schulandachten  gehalten  werden,  hat  von  den- 
jenigen Lebenserfahrungen,  an  welche  das  Christenthum  anknüpft,  noch 
wenige.  Hieraus  ergibt  sich,  dasz  die  Schulandacht  auf  viele  An- 
knüpfungspunkte Verzicht  leisten  musz ,  die  der  geistliche  im  öffeot- 
lichen  Gottesdienste  hat.  Dagegen  hat  sie  die  Möglichkeit,  an  die  an- 
derweitige geistige  Beschäftigung  der  Schule  sich  anzuschlieszen,  ond 
von  dieser  Seite  her  in  die  Herzen  der  Jugend  einzudringen.  Ich  will 
kurz  sagen,  wie  ich  dies  verstehe: 

1)  beschäftigt  sich  die  Schule  mit  den  alten  Sprachen,  ond  zwar 
so,  dasz  schon  frühzeitig  der  Schüler  angeregt  wird,  mit  eigener  Kraft 
die  Worte  der  fremden  Sprache  zu  verstehen:  diese  geistige  Beacbif- 
Ugung  steigert  sich  nach  oben  hinauf  immer  mehr.  Die  Schulandacht 
findet  demnach  eine  Empfäuglichkeit  bei  den  Schülern  für  eine  Inter- 
pretation der  heiligen  Schrift,  welche  tiefer  eingeht,  als  die  öffentliche 
Predigt  darin  eingehen  kann.  Es  sind,  namentlich  bei  den  Episteln, 
schwierige  Begriffe  festzustellen,  die  verschiedenen  Bedeutungen  eines 
Begriffes  klar  nebeneinander  aufzufuhren,  den  Zusammenhang  der  Ge- 
danken darzulegen,  falsche  Interpretationen  zurückzuweisen  usw.  Mir 
stellen  derartige  Predigten  von  Richard  Bentley,  die  freilich  für  die 
Schule  modificiert  werden  müsten,  maszgebend  vor  der  Seele.  Meine 
Leserwerden  mir  glauben,  dasz  ich  mich  versucht  habe,  und  zwar 
nicht  ohne  Erfolg. 

2)  die  Schule  hat  vielseitige  Beschäftigung  mit  historischen  Din- 
gen: sowol  solchen,  die  in  den  Kreis  des  religiösen  fallen,  ala  mit 
profanen.  Ich  halte  es  für  naturgemfisz,  dasz  eine  Andacht,  wenn  der 
Stoffsich  dazu  eignet,  an  diese  Seite  anknüpfe.  Der  religiöse  Stoff 
wird  dadurch  für  sie  ein  unerwartet  belebter  und  bedeutungsvoller: 
der  profane  erscheint  in  einem  ungeahnten  Lichte.  Unsere  Vorfahren 
sind  in  dieser  Hinsicht,  selbst  auf  der  Kanzel  weiter  gegangen,  als 
wir  es  zu  thun  wagen  würden,  und  haben  sich  nicht  mit  allgemeinen 
Redensarten  begnügt.  Ich  verweise  auch  hier,  um  nicht  von  Luther 
zu  sprechen,  auf  meinen  Scriver,  der  mich  selten  ohne  Belebrong 
läszt. 

3)  dogmatische  Entwicklungen  sind  noch  nicht  eben  angebracht ; 
denn  für  eine  dogmatische  Auffassung  sind  bei  den  Schülern  durch- 
schnittlich die  Bedingnngen  noch  nicht  da:  statt  ihrer  kann  dagegen 
eine  Beziehung  auf  die  Lehre  der  Kirche,  auf  die  symbolischen  Schrif- 
ten eintreten,  welche  die  Glaubenslehre  vor  die  Seele  der  Jugend  mit 
einer  Objectivität  hinstellen,  in  welche  der  Schüler  sich  allmählich 
durch  die  Arbeit  seines  Gedankens  hineinzudringen  bemühen  soll.  Es 
ist  gut,  dasz  die  Andacht  einen  posi  tiven  Inhalt  bekomme,  wodurch 


Von  Sehnlandachten  and  ihren  wesentlidieB  Eigensdiafleo.  858 

ein  groszer  Tbeil  der  Schaler  vor  der  Ermadnng  bewahrt  wird,  wel« 
che  allgemeine  Erbaiinngen  nur  tu  leicht  erzeugen. 

Unsere  erste  Forderung  war:  dasz  die  Schulandacht  wirkliche 
Objectivität  habe. 

Unsere  zweite:  dasz  sie  eben  eine  Seh  ulandacht  sei. 

Ich  will  drittens  noch  einige  Worte  über  die  Form  derselben 
hinzufflgen:  es  sind  Andachten  und  keine  Predigten:  damit  ist 
wesentlich  alles  gesagt.  Es  ist  bei  ihnen  demnach  nicht  auf  die  Dar- 
stellung eines  künstlerischen  ganzen  abgesehen:  alles  was  demnach 
nur  im  entferntesten  wie  kanstlerischer  Redeschmuck  aussehen  könnte, 
musz  davon  fern  gehalten  werden.  Es  ist  daher  auch  nicht  der  Too 
von  einer  begeisterten,  ja  selbst  nur  gehobenen  Rede  der  zweck- 
mäszige,  vielmehr  der  einer  ernsten  Belehrung  und  einer  ruhigen  und 
gehaltenen  Faraenese.  Der  Lehrer  spricht  hier  wie  ein  Vater  zu  sei- 
nen Kindern,  und  spricht  auch  mit  der  Auctoritfit  eines  Vaters,  die 
keines  Redeschmuckes  bedarf.  Wo  ich  mit  ernster  väterlicher  Mah- 
nung meine  Schuler  von  der  Eitelkeit  und  Thorheit  der  Welt  auf  die 
Quellen  der  göttlichen  Weisheit  und  eines  heiligen  Lebens  hinweise, 
gehe -ich  davon  aus:  deine  Schaler  vertrauen  dir  sonst,  sie  werden 
dir  auch  vertrauen,  wenn  du  dich  mit  ihnen  beugst  vor  dem  UErrn, 
werden  dir  auch  nn  den  Stamm  des  Kreuzes  folgen,  von  dem  die 
Ströme  des  Lebens  flieszen:  Ich  weisz,  sie  werden  das  Wunder  aller 
Wunder  noch  nicht  fassen,  aber  anbeten  können  und  werden  sie  es 
mit  nrir.  Ich  weisz,  die  Zeit  wird  auch  far  sie  kommen,  wo  der  HErr 
an  die  Thar  ihres  Herzens  klopfen  wird,  und  sie  sollen  dann  die 
Stimme  dieses  klopfens  verstehen.  Bis  dahin  musz  ich  mit  der  Stimme 
eines  Vaters  ernst,  eindringlich,  sorgend,  suchend,  klagend  zu  ihnen 
sprechen :  diese  Stimme  hören  und  verstehen  sie,  hören  sie  auch  dann 
noch,  wenn  sie  mir  fern  sind. 

P.  M. 

Dem  obigen  anonymen  Aufsatze  habe  ich  die  Aufnahme  nicht 
versagt,  weil  er  mir  sehr  viel  richtiges  und  beherzigungswerthes  zu 
enthalten  schien,  und  ich  bin  äberzeugt,  dasz  der  Hr.  Verf.  des  darin 
erwähnten  Buches  vieles  davon  anerkennen  werde.  Da  aber  eine  ein- 
gehende Beurtheilung  desselben  nicht  gegeben  ist  und  zu  fürchten 
steht,  dasz  mancher  sich  daraus  ein  falsches  oder  doch  unbegründetes 
Urtheil  bilden  könne,  so  sehe  ich  mich  gegen  die  Gewohnheit  zu  einem 
Nachworte  veranlaszt.  Es  darf  zuerst  nicht  übersehen  werden ,  dasz 
das  Kloster  in  Magdeburg  ein  bedeutendes  Pensionat  enthält,  weshalb 
die  dort  gehaltenen  Schalandachten  viel  mehr  den  Charakter  von  Haus- 
andachten annehmen.  Ich  musz  nnn  zngeben,  dasz  die  im  genannten 
Buche  gebotenen  Schulandachten  mehr  Predigten  sind,  dasz  die  mei- 
sten sofort ,  die  übrigen  mit  geringen  Veränderungen  auf  der  Kanzel 
gehalten  werden  können,  allein  ich  kann  darin  nicht  so  viel  nachthei- 
liges sehen,  als  der  Ref.  zu  finden  scheint.  Findet  man  ja  doch  es 
nicht  nur  unbedenklich,  sondern  sogar  nützlich  und  empfehlenswertb, 


354  Von  Soholandachten  nnd  ihren  wesentUchon  BigwuehaRflB. 

wenn  bei  der  Ilausandaclit  eine  gute  Predigt  gelesen  wird;  aollto  an 
dasselbe  nicht  auch  auf  die  Schulandachten  anwenden  dürfen?  In  der 
Schule  hut  man,  wenn  schon  einen  individuellen  abgegrenxlen  Kreis, 
doch  eine  allgemeine  Person  vor  sich.  Die  Nolhwendigkeit  dem  ans 
Schülern  sehr  verschiedenen  Alters-  und  Bildungsstufen  bestehenden 
Coetus  KU  bieten,  woraus  jeder  für  sich  etwas  habe,  scheint  mir  gaii 
ülinlich  vorhanden,  wie  bei  dem  Prediger  der  Gemeinde,  ja  man  möehte 
wol  hier  in  Bezug  auf  das  individuelle,  der  specicilen  Seelnorge  Tor- 
zubehallende  noch  engere  und  feinere  Rucksichten  auferlegende  Grei- 
zen  ziehen  müssen.  Ich  kann  mir  daher  recht  gut  die  Schnlnndacht 
als  eine  Schulprcdigl,  ühnlich  allgemein  gehalten,  wie  die  Gemeinde- 
predigt, und  daher  auch  im  Tone  derselben  ähnlich,  als  wirksam  den- 
ken ,  und  die  Erfahrung  hat  mir  davon  nicht  ganz  gefehlt.  Freilich 
theilo  ich  mit  dem  Ref.  das  Bedenken  dagegen ,  freilich  wanschte  ich 
recht  ernstlich  die  Frage  erwogen,  ob  man  nicht  durch  die  hinlige 
Veranstaltung  solcher  Schulandachten  —  auszer  bei  besonderen  Ver- 
anlassungen —  leicht  ein  zu  viel  thun  könne,  vielleicht  die  Jugend 
dem  Leben  in  der  Gemeinde  entfremde,  davon,  in  der  Kirche  die 
höchste  Erbauung  zu  suchen,  entwöhne,  hütt  man  sie  aber  ISr  noih- 
wendig,  so  kann  ich  darin  nicht  einen  Tadel  linden,  wenn  sie  den  Ton 
und  Charakter  von  Predigten  annehmen. 

Wenn  ferner  der  Verf.  dos  Aufsatzes  auf  Anknüpfung  an  hiito- 
rischcs  dringt,  so  hat  er  damit  allerdings  etwos  bezeichnet,  wogegen 
man  weniger  scheu  sein  sollte,  wie  das  von  ihm  richtig  gebrauchte 
Beispiel  der  alten  Kirche  beweist,  allein  gegen  die  Aufstellung  alt 
allgemeiner  Norm  lassen  sich  doch  Bedenken  erheben,  einmal  die  Ver- 
schiedenheit der  Kenntnisse  bei  den  Schülern,  sodann  die  Befdrchtnng 
dasz  gerade  dadurch  der  Glaube  erzeugt  werden  kann,  als  aei  flBr  die 
Schüler,  für  die  wissenschaftlich  gebildeten,  eine  andere  Art  Erbanang 
nothwcndig,  als  für  die  übrige  Gemeinde,  abgesehen  davon,  daai  doeh 
leicht  den  Hörern,  namentlich  den  zur  Zerstreuung  geneigteren,  Vor- 
stellungen geboten  werden,  welche  sie  von  dem  Worte  GoUea  ab- 
ziehen. 

Am  meisten  wird  man  wol  einzuwenden  finden  gegen  das  lehr- 
hafte, was  der  Verf.  des  Aufsatzes,  von  derartigen  Schulandaehtaa 
verlangt,  gegen  das,  was  er  mit  der  ObjectivitAt  bezeichnet.  Man  wird 
das  erstere  dem  Unterrichte  als  Aufgabe  vindicieren  und  gerade  den 
Zweck  der  Erbauung  in  der  Erwärmung  des  Herzens,  nicht  im  lahran» 
sondern  in  dem  hinanbringen  des  gelernten  an  das  Heri  aelsen.  loh 
glaube,  es  ist  beides  nöthig.  Sind  besondere  Schulandaohten  wtln- 
schenswerth,  so  müssen  sie  ebenso  benutzt  werden  um  in  die  uner- 
schöpfliche Tiefe  des  Inhalts,  welchen  das  Wort  Goltes  hat,  einaufah- 
ren ,  wie  das  Uerz  dadurch  und  dafür  zu  erheben  und  an  erbauen. 
Ganz  falsch  aber  würde  man  den  Verf.  verstehen,  wenn  man  glaubte, 
er  mache,  indem  er  die  kirchliche  Objectivitit  vermisst,  Hrn.  Dr. 
Danncil  den  Vorwurf  der  Nichtübereinstimmmung  mit  der  poaitiven 
Bibellchre  oder  mit  dem  Bekenntnisse  der  Kirche.   Es  ist  vielmehr  die 


Von  SehalancUichten  ood  ihren  weMsUioliea  Eigesf chafle«.  855 

Predigtweise,  an  welcher  er  Anslosz  nimnl,  die  mehr  durch  poetische 
Intuition,  durch  hincinschauenlassen  in  die  Hersen  and  in  die  Seelen- 
zustande  der  in  der  heiligen  Schrift  erwähnten  Personen,  als  durch 
einfache  Darlegung  der  Lehre  die  Bibel  den  Hörern  werth  und  theuor 
zu  machen  sucht.  Da  begegnet  man  nun  freilich  öfter  einem  *ich 
meine',  ^ich  fürchte'  u.  dgl.  —  welche  Ausdracke  man  übrigens  nicht 
nothwendig  als  Bezeichnung  blosz  subjectiven  ermessens  fassen  musi, 
vielmehr  sie  angebracht  ansehen  kann,  um  das  eigene  innere  zu  offen« 
baren,  den  Hörer  in  den  Gang  der  eignen  Gedanken  gleichsam  hinein* 
zuversetzen  —  und  öfter  taucht  dem  Leser  die  Frage  auf,  ob  nichl 
manches  in  die  biblische  Erzählung  hineingelegt  werde,  was  doch 
nicht  nothwendig  darin  liege.  Auch  flndet  man  wol  manches,  was  aus 
dem  streben  zu  individualisieren  hervorgegangen,  Anstosz  erregt,  wie 
wenn  in  der  ersten  Andacht  in  Israel  der  Pastor  erwähnt  wird,  oder 
wenn  an  einer  anderen  Stelle  dem  evangelischen  Bewustsein  und  Glau- 
ben zuwider  sich  jeder  Stand  seinen  Schulzheiligen  aus  der  Schrift 
zu  wählen  angewiesen' wird  (S.  29)*  Allein  solche  Einzelheiten  sollen 
uns  nicht  den  Kern  des  ganzen  übersehen  lassen.  Wir  finden  in  Hrn. 
Danneil  einen  lebendigen  Glauben  und  den  durch  denselben  erzeugten 
liebevollen  Ernst  und  Eifer,  den  Has«  gegen  das  widergöttliche  und 
die  freudige  in  Demuth  starke  Hoffnung.  Die  Fülle  der  Anschauungen, 
welche  in  seinen  Andachten  geboten  wird,  ist  wol  geeignet,  die  hei- 
lige Schrift  den  Herzen  theuer  und  werth  zu  machen.  Aber  dasz  man 
auch  anders  zu  den  Schülern  reden  kann,  dasz  man  auch  öfters  anders 
zu  ihnen  reden  musz,  dies  wird  er  gewis  selbst  nicht  verkennen,  ja 
wir  sind  bei  dem  ihn  beseelenden  redlichen  Eifer  überzeugt,  dasz  er 
von  den  ihm  verliehenen  herrlichen  Gaben  auch  nach  anderer  Seite  hin 
Gebrauch  machen  wird.  Wir  glauben,  die  Lesung  seiner  Schulandach- 
ten vermag  vielen  Segen  zu  stiften;  als  einziges  Master  wird  er  sie 
selbst  nicht  betrachten,  und  wir  hätten  deshalb  gewünscht,  dasz  der 
gewählte  Titel  nicht  den  Schein  erweckt  hätte. 

R.  Dieisch. 


26. 

Karl  Feldmann  oder  der  angehende  GymnariasL  Winke  für  El- 
tern und  Schüler  tnm  Dr.  August  Gräfenhan.  Eisleben 
1856.   VIII.  S.  165. 

Unter  diesem  Titel  ist  so  eben  ein  Schriftchen  erschienen,  das 
die  vollste  Aufmerksamkeit  aller  Eltern  verdient,  die  nicht  mit  lieber- 
gäbe  ihrer  Söhne  an  höhere  Lehranstalten  sich  jeder  weiteren  Sorge 
um  deren  fernere  Erziehung  überhoben  glauben.  Leider  nur  zu  wahr 
ist  die  Bemerkung  des  Verfassers,  dasz  in  demselben  Masze,  in  wel- 
chem die  Regierangen  für  die  Vermehrang  and  Verbesserung  der  Er- 


356  A.  GräFenhaD :  Karl  Feldmann  oder  der  angrehende  GymiUMMst. 

zicliiings-  und  Bildungsanslalten  tlifitig  sind,  die  Theilnahme  des  Has- 
ses an  der  heiligen  Pflicht  der  Kindererxiehung  abnimmt.  *Die  Eltern, 
sa^t  Herr  Gräfenhan  S.  V,  erkennen  von  ganzem  Hersen  an,  welche 
WuKhat  die  heuligen  Schulen  für  ihre  Kinder  sind,  und  in  beliaglicber 
Sicherheit  die  Pflicht  der  Erziehung  von  sich  abschüttelnd  sehen  sie 
auF  die  Schule  hin  wie  auf  einen  Sorgenbrecher,  der  sie  der  Mflbe 
aberhebt,  sich  um  leibliche  und  geistige  Veredlung  und  VervollkoaiB- 
nung  der  Kinder  zu  bekammern.'  Diese  an  sich  auffallende  Erschei- 
nung ist  indes  keine  vereinzelte :  sie  gehört  mit  zu  den  Zeichen  der 
Zeit.  Nachdem  in  unserem  modernen  gesellschaftlichen  Leben  die  Fa- 
niilio  fast  durchgehcnds  ihren  eigentlichen  Schwerpunkt  verloren  und 
das  Bewuslsein  eines  lebensvollen,  in  sich  bedingten  und  selbst  wie- 
derum bedingenden  Organismus  aufgegeben  hat;  dürfen  wir  uns  kei- 
neswegs wundern,  wenn  auch  nach  auszen  die  Wirkungen  der  in 
Schosze  der  Familie  selbst  vor  sich  gegangenen  und  tagtfiglich  weiter 
greifenden  Zersetzung  sich  fühlbar  machen.  Seit  es  elnrasl,  nieht 
blosz  in  den  höheren  Ständen ,  sondern  im  eigentlichen  Bürgerthnne 
dahin  gekommen  ist,  das  die  Mütter  das  Kind,  dem  sie  das  Leben  ge- 
geben, nicht  mehr  selbst  stillen  mögen,  wie  sollte  man  da  noch  er- 
warten dürfen ,  dasz  die  Ellern  um  die  geistige  Entwicklang  ihrer 
Kinder  sich  mehr  bekümmerten,  als  um  die  körperliche?  Scheint  ja 
doch  nuch  der  Ansicht  solcher  Leute  der  Staat  die  Lehranstalten  nur 
darum  gegründet  zu  haben,  dasz  dem  nach  anderen  Palmen  ringenden 
Vater,  der  von  wichtigeren  Pflichten  beschwerlen  Muller  die  listige 
Sorge  um  Erziehung  abgenommen  werde !  Als  man  nach  den  Siarnen 
einer  verhängnisvollen  Zeit  den  Ursachen  der  Erschütterung  nach- 
spürte, war  man  deshalb,  statt  in  die  eigene  Brust  zu  greifen,  sogleich 
bereit,  die  Lehranstalten  von  der  Volksschule  bis  hinauf  znr  Universi- 
tät für  die  Sünden  Moller  Jahre'  verantwortlich  zu  machen.  Danals 
sprach  ein  hochstehender  prcusz.  Schulmann  die  bedenlnngsvollen 
Worte:  ^  Wer  sich  rein  fühlt,  hebe  den  ersten  Stein  auf!'  Die  Aus- 
saat der  Schule  kann  nur  dünn  ersprieszliche  Früchte  bringen,  wenn 
letztere  in  steler  organischen  Verbindung  mit  der  Familie  steht;  diese 
organische  Verbindung  ist  aber  nur  dann  möglich  und  heilsam,  wenn 
die  Familie  das  ist,  was  sie  sein  soll.  Goldene  Regeln  hierüber  finden 
sich  in  RiehPs  trefflichen  Schriften:  ^die  bürgerliche  Geselischan' 
und  'die  Familie',  die  wir  jedem  Schulmanne  empfehlen  möchten.  Lei- 
der ist  auch  in  unserem  Vaterlande  es  dahin  gekommen,  dass  das  Hans 
nicht  mehr  der  heilige  Herd  der  Familie,  diese  nicht  mehr  in  echtem 
Sinne  des  Wortes  die  Hüterin  frommer  Sitte  und  Tugend  ist  Die 
nothwendige  Folge  davon  ist  die  traurige  Erscheinung,  dasx  nach 
zwischen  Schule  und  Hause  nur  noch  eine  fiuszcrc,  nicht  selten  blosz 
durch  leichtsinnige  Unterschriften  und  Bescheinigungen  vermittelte 
Verbindung  stattflndet.  Wol  gibt  es  Ausnahmen  und  gäbe  es  deren 
nicht,  wer  möchte  noch  Lehrer  sein?  Aber  dnss  es  nur  Ausnahmen 
sind,  dus  eben  ist  bcklagcnswcrth.    Oder  beweist  die  grosse  Zahl  der 


G.  Löbker:  Gedachtnistareln  für  d.  UnterriebtiD  d.  Gescbichfe  usw.  357 

alljährlich  erscheinenden  Pro^rramme,  die  diesen  Uebelstand  Eom  Vor- 
wurf haben,  nicht  die  Existenz  der  traurigen  Thatsache? 

Von  diesem  Standpunkte  aas  begröszen  wir  mit  Frenden  die  vor- 
liegende Schrift,  die  in  populärer  Sprache,  in  Form  eines  paedago- 
gisch- didaktischen  Romans  zunächst  fiber  Gymnasialbildung  die  treff- 
lichsten Winke  gewährt  und  von  Directoren  und  Lehrern  den  Eltern 
empfohlen  zu  werden  verdient,  die  mit  Gewissenhaftigkeit  ihren 
Pflichttheil  der  Erziehung  tragen  wollen.  In  8  Kapiteln  führt  uns  der 
Verfasser  das  Leben  in  den  unteren  Klassen  eines  Gymnasiums  nicht 
schattenriszartig,  sondern  mit  Fleisch  und  Blut  nach  seiner  paedago- 
gischen  und  didaktischen  Seile  vor  Augen.  Zweck  der  höheren  Un- 
terrichtsanstalten und  der  Gymnasien  insbesondere,  Verhältnis  der 
Lehrer  und  Schüler,  Thätigkeit  der  letzteren,  Disciplin,  Pension,  Ferien, 
Censuren,  Versetzungen,  Unannehmlichkeiten  für  Directoren  und  Leh- 
rer unverständigen  Eltern  gegenüber:  kurz  das  ganze  untere  Gymna- 
sium in  steter  Beziehung  zur  Familie  wird  uns  in  der  Darstellung,  der 
der  Sohn  eines  Gutsbesitzers  als  Schüler  einer  solchen  Anstalt  zur 
Folie  dient,  kurz  und  treffend  in  einzelnen  Bildern  vorgeführt.  Das 
christliche  Princip,  als  Eckstein  des  Baues,  tritt  allenthalben  in  Vor- 
dergrund. —  Die  Sprache  ist  rein,  der  Dialog  leicht  und  flieszend. 
Möchte  das  schätzbare  Büchlein  die  verdiente  Verbreitung  unter  Eltern 
und  Schülern  finden ;  möchte  der  bescheidene  Wunsch  des  Verfassers, 
auch  nur  ^inen  Vater  oder  ^inen  Schüler  zur  Befolgung  der  weisen 
Lehren  geneigt  zu  machen,  weit  übertroffen  werden  und  ihn  zur  Fort- 
setzung des  rühmlich  begonnenen  ermuntern! 

Dresden.  Dr.  Stauder. 


27. 

Gedächinistafeln  für  den  Unterricht  in  der  Geschichte  und  Geo- 
graphie von  Gerhard  Löbker.  Münster,  Dmck  und  Ver- 
lag von  Friedr.  Regensberg.   1856.   57  S.  kl.  4. 

Mit  dem  vorliegenden  Werkchen  beabsichtigte  der  Vf.  nicht,  Er- 
gebnisse und  Forschungen  auf  dem  Felde  der  Chronologie  mitzutheilen 
und  die  Summe  des  bekannten  zu  bestätigen,  oder  zu  berichtigen,  son- 
dern er  wollte,  wie  schon  der  Titel  andeutet,  ein  den  Ueberblick  und  die 
Sicherheit  des  Wissens  bei  den  Schülern  förderndes  Lehrmittel  schaffen. 
Bei  einer  solchen ,  praktischen  Zwecken  dienenden ,  Arbeit  kommt  es 
denn  vor  allem  auf  eine  sorgfältige  Auswahl  des  Stoffes  und  auf  dessen 
Anordnung  an.  Ueberdies  musz  dieses  Material  zu  solcher  Bestimmt- 
heit, Klarheit  und  Abrundung  verarbeitet  werden ,  dasz  nicht  allein 
der  Lehrer  seine  Erläuterungen  oder  darstellenden  Vorträge  ohne 
Furcht  vor  Unbestimmtheit  oder  Undeotlichkeit  anzuknüpfen  im  Stande 

Pf.  Jahrb.  f.  PUl.  u.  Paed.  Bd.  LXXI V.  Hfl.  7.  26 


358  6.  L5bker:  GedachlDisUfeln  für  d.  Unlerriclil  in  d.GescIiicIite  asw, 

sei>  sondern  sich  auch  durcl^  das  Werk  selbst  ein  verbindender  und 
zusammenhaltender  Faden  hindurchziehe,  der  dnrch  den  Gedanken  dem 
Gedächtnisse  beim  auffassen  der  geschichtlichen  Data  zn  Hülfe  komme. 

Der  Vf.  hat  sich  redlich  bemüht,  diesem  Ziele  möglichst  nahe  zu 
kommen.  Die  wesentlichsten  Punkte  der  Geschichte,  welche  schon 
beim  ersten  Unterrichte  in  diesem  Fache  vorkommen  und  als  die 
Grundlagen  des  Gebäudes  fest  eingeprägt  werden  müssen,  sind  — 
auch  für  das  Auge  —  hervorgehoben,  und  hieran  die  weitern  Notizen 
angeknüpft,  durch  welche  das  vom  Schüler  schon  gelernte  allmählich 
zu  einem  ganzen  vervollständigt  wird.  Die  Anordnung  ist,  wie  sich 
versteht,  synchronistisch-ethnographisch,  so  dasz  das  Hauptvolk  immer 
den  ersten  Platz  einnimmt,  in  jeder  der  parallel  laufenden  Rubriken 
aber  die  Geschichte  eines  einzelnen  Volkes  zum  Abschlusi  gebracht 
wird.  —  Die  Geschichlstabellen  gehen  bis  zum  9n  September  1856 
und  sind  in  Beziehung  auf  die  neuesten  Ereignisse  ausführlich.  —  An 
diese  schlieszt  sich  eine  geographische  Uebersicht,  welche  in  parallel 
laufenden  Rubriken  die  Grösze,  Inwohnerzahl,  Gebirge,  Gewässer,  die 
Eintheilung  und  die  bedeutendsten  Städte  der  wichtigsten  Länder  der 
Erde  bietet;  den  Schlusz  macht  ein  kurzer  Ueberblick  über  die 
preuszische  Geschichte.  —  Das  ganze  ist  mit  Umsicht  und  Sorgfalt 
gearbeitet,  und  wir  glauben,  dasz  dem  Lehrer  der  Geschichte  und  Geo- 
graphie dadurch  ein  brauchbares  Hülfsmittel  beim  Unterricht  geschaf- 
fen Worden.  —  Druck  und  äuszere  Ausstattung  sind  ansprechend  und 
dem  Zwecke  des  Buches  angemessen. 

Cösfeld.  BacJioven  von  Eckt, 


28. 

Bitte  an  die  resp.  Herausgeber  des  griechischen  Wörterbuchs 
von  Passow  und  Rost. 


Am  Ende  des  Artikels  q>(^v  in  Th.  IV  S.  2342  b  liest  maa: 
^Döderlein  hom.  Gloss.  S.  (vielmehr  §)  952  denkt  an  aq>aisip^ 
atpulvuv^  finderCy  G(prp^  =  fpQcivg,  (pQav^  fpqiqv.^ 

Wer  dies  liest  und  es  ohne  Einsicht  des  citierten  Buches  glaubt, 
der  musz  dessen  Verfasser  noch  für  etwas  mehr  als  für  einen  Quer- 
kopf, er  musz  ihn  für  eineu  förmlichen  Tollhäusler  halten.  Im 
citierten  Glossar  steht  jedoch  wörtlich  Th.  II  S.  315  also: 

^Eine  Nebenform  von  (pQCc^Hv  ist  9)^a/v6tv  [gesperrt  als  Zeichen 
einer  bloszen  Heischeform],  wie  ovofia/vetv,  havfialveiv^  avalal- 
vuv  von  ovofiafcAi',  -^auftafftv,  nvHld^etv.  Davon  qi^ctvl^uv,  tfca- 
fpi^ovLißw  Hes.  wo  keine  Verbesserung  in  (pQivl^BLV  nölhig  ist,  und 
—  nach  Analogie  von  %ccCv6iv^  xrjv  und  von  cqxH^suv,  ctpmveivj  fin- 


ßitte  an  die  resp.  Herausgeber  von  Passow^s  Lexikon.       350 

dere,  a(prjv  —  das  Nomen  ipQavg^  dor.  tpQaVj  ionisch  q>Q^  der 
Sinn,  das  Vorslellungsvermögcn,  im  Ggs.  Ton  ^^og,  der 
Willenskraft.' 

Ich  bin  weit  entfernt,  hierin  etwas  anderes  als  ein  *  Versehn'  zu 
erkennen,  aber  freilich  —  nicht  eben  ein  Meicht  verzeihliches',  da  t» 
nicht  blosz  eine  historische  Unwahrheit  enthält  sondern  auch  eine 
fremde  Ehre  gefährdet.  Die  Heraasgeber  eines  griechischen  Wörter- 
buches, welches  nach  seinem  Umfang  und  den  Namen  seiner  Verfasser 
nicht  blosz  auf  das  nächste  Decennium  berechnet  ist,  müssen  sich 
selbst  ein  gröszeres  Masz  von  Akribie  znmaten,  als  ein  gewöhnliches 
Schulbuch.  Wenn  nun  obige  Stelle  nicht  etwa  durch  unklare  Fassung 
—  ich  glaube  nicht!  —  einen  Misverstand  selbst  verschuldet  hat,  so 
stelle  ich  an  die  ehrenwerthen  Herausgeber  das  nicht  unbillige  Ansin- 
nen, das  die  irrige  Angabe  enthaltende  Blatt  durch  einen  Ca r ton  zu 
ersetzen,  welcher  meine  Ansicht  entweder  ignoriere  oder  etwa  in  fol- 
gender Form  wiedergebe: 

'Nach  Döderlein  hom.  Gloss.  §  952  von  OPAIN  EIN  ^  q>qitstv^ 
wie  %1/v  von  %aivHv  und  aqyi^v  von  £OAINEIN^  CfpiiBtvJ* 
Erlangen  am  1.  Juni  1856.  ^  B,  Döderlein. 


Auszüge  aus  ZeHschriflen. 


Zeilschriß  für  vergleichende  Sprachkunde  auf  dem  Gebiete  des 
Deutschen^  Griechischen  und  Lateinischen.  Herausgegehen 
von  A.  Kuhn.    5r  Bd.  1855. 

l8  Heft.  Bugge:  Oskisches  (S.  1  — 11 :  In  Betre£f  des  cippas 
Abellanus  wird  unter  anderem  der  Ableitung  deketanoi  yon  einem  dem 
lat.  dieiare  entsprechenden  Verbam  widersprochen,  wlaagid  auf  skr. 
räji-a  (Wnra.  arj)  curfickgeföhrt,  op  (lat.  op)  auf  skr.  opt,  gr.  ^/, 
die  von  Kahn  angenommene  Ergänzung  der  nmbr.  Pronom.  t  und  ero 
durch  das  gleiche  Verhältnis  von  i  und  eito,  vermutungsweise  eko  und 
ek80  bestätigt,  tangineit,  ianginody  ianginom  als  gen.  abl.  acc.  sg, 
von  einem  weiblichen  Stamme  tangidn  von  tangi  (=:  tongere)  erklärt, 
feihosB  s=:  gr.  to^xo  r.  Würz,  xsx  tv%  skr.  tax  tvax  vermutet,  pottin 
als  richtige  Lesart  conjiciert,  patenHna  aof  ein  von  pat  abgeleitetes 
sahst,  pot-nos,  verkürzt  patns,  patens  (die  Oeffnnng)  snrückgefnhrt, 
Btait  anbedenklich  als  3e  pert.  sg. ,  aiaitt  als  de  pem.  pl.  praes.  ind. 
gefaszt  und  die  früher  (111433)  gegebene  Conjogationsregel  berichtigt. 
Die  Tafel  von  Agnone  setzt  der  Verf.  ins  6e  Ja£rh.  der  8tadt,  erklärt 
vez-kei  =  seni,  vermutet  OenSto  =  (}e7uta  (daher  bei  Plutarch  Tsvitri 
für  Fsvshv)  und  stellt  in  saahtom  1=  tanetum  den  langen  Vocal  als 
die  Nasalierung  vertretend  dar).  —  Max  Malier:  über  deutsche 
Schattierung  romanischer  Worte  (S.  11 — ^24:  die  romanischen  Sprachen 
sind  das  Lateinische,  wie  es  fremde  und  entschieden  deatscba  Natoren 
erlernten  und  sich  inrechtlegten ;  dies  zeigt  sich  1)  in  lantlicher  An* 

26' 


860  Auszüge  ans  Zeiischriflcn. 

iiähcriing:  haut  iHt  aus  aliuB  durch  KinfliiAZ  von  hochy  kaoeron  •-  — 
avcron  aus  avcna  durch  ahd.  habaro,  hcingre  auH  acger  durch  kun- 
frar^  hurlvr  aus  ulularc  durch  heulen,  huppe  aus  upupa  durch  Wiede- 
hopf, scrffvant  —  servicnt  —  scarjo,  gridare  —  quititare  —  ffretan 
( vr<Miigstcii8  Kiuflusz  der  im  Deutschen  mit  gr  anlautenden  Worte  ahn- 
licher Bedeutung),  gdter,  guaiare  —  vasiare  —  vasijanj  prune  — 
pru7ia  —  bruno,  2)  durch  Wortwechsel,  wie  focut,  fcu^  an  die  Stelle 
von  ignis  durch  Einflusz  von  Feuer  tritt,  an  vielen  Beispielen  erläu- 
tert. H)  durch  Wortdehnung  a)  nach  deutschem  Vorgang  in  ausge- 
dehnterer Bedeutung  gebrauchte  Worte,  parole  und  parier ^  weil  das 
deutKclic  Wort  in  <^inem  Sinne  =  parabola  war  u.  a.  b)  plump  von 
den  Deutschen  aus  ihrer  Sprache  in  das  Lateinische  übersetzt,  avenir 
--.  zuorhunftj  contre  =  ge^endi  u.  a.).  —  Pictet:  etymologische 
Forschungen  über  die  älteste  Arzneikunst  bei  den  Indogermanen  (S. 
24  —  r)0:  J)  skr.  bhitthaj,  wird  von  dem  Praef.  bhi:^-.  abhi  u.  W.  «an; 
abgeleitet  und  demnach  der  Arzt  als  ein  Binder  der  Krankheit,  Be- 
schwörer bezeichnet.  Nachdem  die  Wurzel  in  dem  ganzen  Sprach- 
stamme nachgewiesen  ist,  wird  auf  die  in  ähnlicher  Bedeutung  erhelle- 
neu  BildunfTon  hingewiesen,  d.  boeot.  Gu-urcui,  lat.  saganay  »aga^  ir. 
sighc,  sighid,  tigheog  (Hexe,  Kobold),  den  sabinischen  Gott  SanguM 
als  Kidbinder,  lit.  sigii  (schwören).  2)  scr.  yitga,  Vereinigung,  2Uo- 
berci  und  Heilmittel,  wird  als  uralt  durch  das  vorkommen  der  Wurzel 
i/iij,  lungere  im  fernsten  Westen  erwiesen.  3)  jäli,  Heilmittel,  nnd 
jrf/ff,  Zauberei  und  Beschwörung,  kommen  v.  W.  jal,  tegere^  operire, 
cireumdarcn  die  sich  ebenfalls  im  Westen  findet,  z.  B.  das  lat.  gaiea, 
4)  goth.  hikcis,  Ivkds  Arzt,  leikindn  heilen,  Icikinassua  Heilung  und 
mittelhd.  larhcndrc  Zaubrer  führen  auf  Wurzel  lag  oder  lig  (scr.  iag* 
a<lhaer('re  und  littg  amplecti)  zurück  und  bei  den  (lermanen  und  Gelten 
ist  denuinch  der  Name  des  Arztes  aus  dem  Begriffe  des  bindens  der 
Krankheit  durch  Zauber  und  Sprüche  hervorgegangen.  5)  Anwendnn- 
{Jen  d.  skr.  W.  cur,  ambularrj  vrrarv,  aber  auch  agvre,  »kr.  abhiedra 
Zauberei,  in  den  verwandten  Sprachen  führen  auf  dasselbe.  6)  Goth. 
lubja  h'isvi  (panua-nFi'«^  ags.  lyb,  fasrinum,  gehört  wahrscheinlich  zur 
skr.  Wz.  htb/t  perturbarc.  7)  Ari7ciihat  im  nord.  heilla,  ags.  Aae/,  kmH- 
siatt,  ahd.  hriUson  die  Bedeutung  wahrsagen  und  zaubern.  Als  Wurzel 
wird  scr.  kal  vermutet.  H)  lat.  sanus  hat  n  nicht  wurzelhaft  (aao'oi) 
und  ist  =  snvnus,  zurüikzuführcn  auf  .skr.  Wz.  au,  welche  eine  Wor- 
tergruppo  bildet,  in  der  die  Bedeutungen  opfern,  reinigen,  sühnen, 
segnen,  zaubern  und  heilen  sich  nebeneinander  finden.  9)  Ilaitiv  (/7ai- 
t}(ov)  führt  auf  die  skr.  Wurzel  pü  reinigen ,  Maxccmv  auf  makka^ 
Opfer,  zurück.  10)  ficcyYccvov  gehört  zu.  skr.  Wz  manj  purifieare  und 
geht  also  von  dem  BegrilTe  reinigen  aus,  (layog  desgl.,  da  im  pers.  «i- 
jidan  noch  dieselbe  Bedeutung  reinigen  hat.  ]  1 )  Zu  scr.  jfäpama  lin- 
dern der  Krankheit,  von  Wurzel  yd  ire,  causal  ydp  facere  ui  mkemif 
gehört  griech.  idntto,  iJ7cui<o,  -^niog,  *Aö*Aijniog  (dantiv  nnd  igfarcof. 
wobei  aber  das  1  unerklärt  bleibt),  Tf^ridvi?;  auch  ^ao,ttai  scheint  dorch 
Ausfall  des  causalen  p  entstanden  iaCoftai^  IdnouctiS,  also:  der  Arxt 
Austreiber  der  Krankheit.  12)  skr.  jayn  Heilmittel  kommt  von  Wur- 
zel Ji  vincere^  also:  Be.s]egttng  der  Krankheit,  und  die  gleiche  Bedeu- 
tung findet  sich  bei  Bildungen  in  verwandten  Sprachen.  13)  aus  skr. 
dravya,  Arznei,  auch  Pflanzensaft  (altsl.  s*drav\  sanus),  laszt  auf  ur- 
alten (rebrauch  der  PHanzensäfte  zur  Heilung  schlieszen.  14)  skr. 
vaidya^  Arzt,  von  Wurzel  vid  nosccrf,  vcda  Wissenschaft,  läszt«  da 
sich  die  Wurzel  auch  im  Westen  findet,  auf  uralte  Fassung  der  Heil- 
kunst als  Wissenschaft  schlieszen.  Auch  cikitaaka,  Arzt,  geht  auf  Wi. 
kit  in  der  Bedeutung  wissen  zurück.  J5)  lat.  mederi,  medieua  weist 
auf  die  Zeudwurzel  madh  metiri  (skr.  madk   inteltegere,   wovon  (lav- 


Aussöge  aus  Zeitoehriflei.  861 

^dv(o  and  die  verw.).  Vielleicht  der  von  Grimm  (d.  Myth.  1116)  er- 
örterte Gebrauch  die  Krankheit  lo  messen?  16)  den  Griechen  und 
Slawen  acheint  die  Anwendung  der  Musik  cur  Heilung  eigen,  bei  den 
Römern,  Germanen  und  Gelten  nur  in  Zauberei  üblich.  Ahd.  arzäi^ 
arzenäri  gehört  zu  igSeiv  facere^  behexen,  ^ägfucnov  ist  su  tpiQSiv 
zu  stellen,  also  eig.  sustentans).  —  A.  Kuhn:  Nachtrag  (S.  50 — 52: 
die  Identität  Ton  Idoitai  mit  skr.  yävayäm%<f  avortere^  areerCf  wird 
durch  Belege  bestätigt,  mederi  von  Wurzel  mtl/k,  meth,  d.  i.  zusam- 
menstoszen,  schlagen,  schmähen,  hergeleitet,  also  mederi  morbo  =  der 
Krankheit  fluchen,  den  Krankheitsdaemon  durch  beschwören  austrei- 
ben). —  Ebel:  Gothisch  und  althochdeutsch  (S.  62  —  59:  In  Bezug 
auf  Schleicher  IV  266  f.  wird  bemerkt:  das  ahd.  bewahrt  reines  a  in 
2  pl.  praes. ,  wo  goth.  L  In  der  Lautverschiebung  zeigt  das  Ahd.  öf- 
ters 3e  Stufe,  wo  das  Goth.  auf  der  In  stehen  geblieben.  Ahd.  g  ist 
nicht  älter  als  goth.  h  u.  die  Vergleichung  des  Böhmischen  abzuwei- 
sen. Die  urdeutsche  Form  der  Suffixe  ra,  la,  na  wird  mit  Pott  aner- 
kannt. Bemerkungen  über  die  Conjugation  im  Althd.  und  Goth.  Zu 
II  IHi  f.  die  Conjugationsendung  au  erklärt  sich  durch  ein  goth.  Laut- 
gesetz: ai  verwandelt  sich  vor  a  in  o;,  zunächst  fällt  das  J,  dann 
auch  das  a  aus,  also  ata«,  a(j)auy  {a)au.  Im  alth.  Conj.  der  i-  und 
d-Conjugation  sind  6i  und  ii  ursprunglich  und  J  ward  nur  zur  Besei- 
tigung des  Hiatus  eingeführt.  Es  wird  ferner  am  Imperativ  nachge- 
wiesen, dasz  die  Assimilation  des  a  durch  und  zu  i  im  Deutschen  alt 
sei,  sodann  dasz  im  Althd.  die  Assimilation  des  t  und  o  durch  t  im 
Deutschen  alt  sei,  sodann  dasz  im  Althd.  die  Assimilation  des  t  und  o 
durch  a  in  e  und  o  früher  durchgedrungen  sei,  als  die  Anfänge  des 
Umlauts  eintraten).  —  Bagge:  Althdentsch  und  gothisch  (S.  59  —  61: 
Bemerkungen  zu  demselben  Aufsatz  Schleichers). —  Ebel:  zur  griechi- 
schen Lautlehre  (S.  61  —  68:  I.  Das  ursprungliche  kurze  a  tritt  bald 
als  a,  bald  als  e  und  o  auf.  Zu  beachten  seien  dabei  Fälle  der  Assimila- 
tion, der  ursprunglichen  Nasale,  die  Schwächung  bei  Belastung  der 
Wurzel  durch  hinzutretende  Endungen  und  die  Erscheinung,  dasz  zwi- 
schen a  und  B  bisweilen  ein  ähnlicher  Unterschied,  wie  im  Attischen 
zwischen  der  Endung  ä  und  17  zu  walten  scheint.  2.  Versetzung  des 
spir.  asper  ans  der  Mitte  an  den  Anfang  erscheint  beim  Augment  und 
in  anderen  bereits  erwiesenen  Worten.  So  sei  rip>BQOs  t=i  rjciieQog  (sesz- 
haft,  civilisiert) ,  fjavxos  gehöre  zur  Wurzel  as,  alyM  sei  aus  äaifia 
entstanden  und  in  ^vvvfii  und  abgel.  vertrete  der  Spiritus  nicht  das 
Digamma,  sondern  ».  Der  Hauch  vertrete  j  in  trjfit  —  0'^^^«  sve%a  — 
ivjsxa.  Daraus  erklären  sich  aber  auch  die  Doppelformen  atuxi^t-  ne- 
ben a(ißq-j  rjuBig  und  vfisCg  neben  afifiLsg  und  vnfieg;  auch  ftvco,  bv(o, 
?<og  neben  a^oo,  fvoo,  lyo'g  (Curtius:  i^liog  blus  a'öaeliog),  endlich  iieszen 
sich  vielleicht  ^^£a,  dfiaXog.  dfiaXdvvo)  auf  ähnliche  Art  deuten).  — 
Ascosi:  studj  orientali  e  linguistica.  Mailand  1854.  Angez.  v.  Ebel 
(S.  68  f.:  der  Zeitschrift  wird  ein  gedeihlicher  Fortgang  versprochen). 
—  Ebel:  Griechisches  (S.  69—71:  1.  itog  erklärt  sich  aus  dem  skr. 
BvatoB  «von  selbst,  aus  sieh  selbst'.  Davon  stammt  hmaiog^  das  noch 
Spuren  vom  Digamma  zeigt.  2.  Wegen  i{^  ist  17  ursprünglich  £=  bJ-b 
und  entspricht  entweder  deoi  skr.  iva  oder  gehört  d^m  Pro  nominal  stamm 
ava  an  (wovon  lat.  aui).  3.  iviot.  sei  richtig  als  ivi.  ot  gedeutet).  — 
Kuhn:  vacca  (S.  71  f.:  Potts  Znrfickfnhrnng  auf  Wurzel  vah  (ziehen) 
wird  gegen  Ebel  vertheidigt).  —  Erwiederung  von  Key  auf  Ebola 
Rec.  und  kurze  Entgegnung  von  Kuhn  (S.  72—80). 

2b  u.  3s  Heft.  Corssen:  oskische  Beiträge  (S.  81— 1S4:  1.  Auf 
der  Insehr.  von  Bantia  wird  pruter  pan  als  priuaquam  und  dahinter 
pertemuBi  aasgefallen  erwiesen.  3.  Durch  eingehende  Erörterung  der 
Stellen  auf  der  Üb.  Bant.  und   d.  cipp.  Abel!    vfird  dargethan,  daaz 


362  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

amnod  (ud)  von  amfi  (am6t,  dfi(pf)  mitteUt  der  Endung  no  gebildet, 
nrgpr.  ^  ringsum  %  dann  aucti  'wegen'  bedeute.     3.  Indem  nachgewiesen 
wird,  wie  sich  die  italische  Grundform  der  Geschlechtsnamen  aijo,  ock. 
aij  mit  Erhaltung  des  j  in  aejo  (lat.  Annaejua)^  eijo  (lat.  Sabin-eiju-a^ 
osk.  Ver-eija-f),  ejo  (lat.  Ann-ejo-s,  osk.  Ver-ejo^s,  umbr.  Mus-e/^-ate), 
iijo   (osk.  kerr^ijo-i)y  ijo  (osk.  Staat-iV-a^  umbr.  Feh-ije-a)^  und  mit 
ausgestoszenem  j  in  aio  (lat.  An-aiay  osk.  £otf-at*-anoil,  umbr.  puatn'- 
aia-f),  aio  (osk.  Fe«uHi-ai*-ir),  aeo  (lat.  J[nnaetia)y  eo  (lat.  ^nn-eu-s), 
lo   (osk.  TestinA^i-io-O,   to  und  Vo  (lat.  ^nn-to-s   und  ^iin-¥a-«,  osk. 
Pak-V^a,  umbr.  ifots-t'-s)  geschwächt  habe,  wird  valaemom  als  Super- 
iat.  eines  Adj.  valaeo  =  valentiaaimua  erklärt.    4.  Die  Verbalform  ta- 
daii  daselbst  wird  1=3  tendat  dargestellt,  indem  der  Verf.   ausführlich 
erweist,   dasz  das  osk.  Verben  der  a-Conjugation  mittelst  eines  Sub- 
stantiTs  aus  ursprünglichen  Verben  zo  bilden  liebt.    Die  Tafel  erhält 
durch  diese  Erklärungen    zwei  wichtige   Aufschlüsse:    dasz   der  Ein- 
spruch   gegen    das    Volksgericht   erhebende    Beamte    schwören   muste, 
dasz  er  es  nur  im  Staatsinteresse  thue,  und  dasz  der  geschworene  ver- 
eidet ward,  zu  sprechen  quod  e  re  publica  ducat  eaae.    5.  perti  wird 
als  abgestumpfter  Abi.  sing,  per-ti^d   [beiläufig  gegen  Ritschi,   dasz 
anted,  poated  als  ursprüngliche  Formen  anzusehen  seien]   Yom  Subst. 
per-ti  (skr.  Wz.  pr)  ^Durchdringung',   mit  der  Bedeutung  'durcbdrin- 
gungsweise',  woraus  sich  'hindurch,  jenseits  (diese  Bedeutung  auf  den 
igUTlnischen  Tafeln  und  dem  cipp.  Abell.  gefordert)  abseits,  theilweise' 
Entwickeln.     Pertumum  entspricht  also  dem  lat.  perimercy  das  sich  für 
'abbrechen,  unterbrechen'  in  der  Gerichtssprache  findet,  petiro-pert  ist 
' viertheilweise ' ,    am-pert  (von  an  =  tn),  'hineindringend,  innerhalb'. 
6.  pomtis  ist  das  Adverb  (die  Endung  ia  sei  nach  dem  Lat.   nicht  zu 
leugnen,   für  die  gleiche  Wortklasse   beweise  sie  apprime^  eumprime) 
Ton  der  Ordinalzahl  pom-to  =  quiniua  also  'zum  ön  mal').     7.  Medi- 
catinom  sei  ein  Wort,   und  als  von  dem  causale  mcdicaum  =  iudicare 
durch  Vermittlung  des  Particips  medicaio  gebildet,  -also  =  Urtheils- 
Spruch.     8.  üruat  wird  von  Wurzel  vr,  aussuchen,  wählen,   weil  dies 
'scheiden,  abgrenzen'  voraussetzt,  =  diaceptare  genommen.     9.  Nach- 
dem die  Lesart  tacuaiim  auf  der  tab.  Baut,  in  Schutz  genommen,   wird 
nerum  als  Adjectiv  aus  der  Wurzel  ner  (umbr.  acc.  pl.  «er-/,  dat.  pl. 
nerusy  sabin.   ner-to  =  virtus,  ner-o  =  strenuus,  die  Göttin  Neria) 
also  =  fortea ,   als  Ehrenname  der  Vollbürger  von  Bantia  genommen. 
10.    Tacuaiim  führt  zu  einer  sehr  gelehrten  Auseinandersetzung  über 
die  Locative,   welche  von  skr.  bhjam,  gr.  (ptv,  ital.  fiem^  umbr.  fem 
abgeleitet  werden,  so  dasz  eine  doppelte  Gruppe  entsteht  1)  mit  Abfall 
des  Anlauts  -im,  -in,  -in,  -m,  -n.  2)  mit  Abfall  des  Anlauts  61,  fe,  he  At,  /. 
Der  Stamm  des  Worts  wird  im  griech.  rccy  gefunden  und  so  erklärt   tn 
ordine).  —  Aufrecht:   Anhns   (S.  135  — 137:   Bopp's  Ableitung  des 
goth.  ohn  (auhn)  v.  skr.  agni  t=s  ignia  wird  wegen  aer  Bildungsgesetze 
verworfen  (es  mäste  dann  akna,  okna  heiszen ;  uhtvo  leitet  der  Vf.  auch 
nicht  von  skr.  uahaa  her,  weil   es    sonst  uatvo  lauten  müste,  sondern 
von  vakany   also  erwachen,   Frühzeit)  und  die  Urform  cifAfio«,   iiknaa 
mit  dem   vedischen  a^a-a.  Stein ,   zusammengestellt.     Stein  für  Ofen 
kommt   auch   in  Saitskrit  vor).   —   Derselbe:  ludere  (S.  137  —  139: 
ludere,   loidere  weist  auf  eine  ältere  Form  cloidere ,    croidere  zurück 
und  ist  von  skr.  Wurzel  kri4  (krida,  kritlana,  Scherz,  Spiel)  herzulei- 
ten). —  Ders.:   Nachtrag  zu  111*194  (S.  139:   die  zu  haruapex  ange- 
nommene Wurzel   gam  =   Eingeweide  wird  jetzt  auch  in  einer   ags. 
GMosse  mid^erum-fat  nachgewiesen).  —  M.  Müllert    ist  Bellerophon 
Vritrakdn?  (S.  140—152:  Gegen  Pott  wird  bemerkt:  ßtlXfffO  sei  nicht 
-eine  Assimilation  von  ßeXtego,  sondern  ßiXks^o  zeige  durch  die  Neben- 
form iXlBQO  eine  durch  Digamaa  ersetzte  labiale  Liquida  als  Anlaut 


Aussäge  aus  Zeitsehrifleii. .  ^63 

und  XI  sei  Ersatz  för  l  mit  folgendem  Sibilant,  aLio  mucwe  ßelleffo  im 
Skr.  varvara  zottig  lauten  [beiläufig,  da  dies  im  Ind.  die  krauabaari- 
gen  Neger  bedeute,  wird  die  Urbedeutung  von  ßof^o^og  gewonn^o]. 
Indem  nun  die  Bedeutungen  der  aus  der  Wurzel  gebildeten  Sanskrit- 
Wörter  nachgewiesen  werden,  ergibt  sich  als  Resultat,  dasz  die  Ent- 
stehung des  Namens  nicht  nach  der  arischen  Trennung  zu  setzen,  wol 
aber  darin  eine  alte  Form  der  arischen  Naturvorstellung  zu  finden  «ei, 
Besiegung  eines  Ungeheuers  durch  einen  solarischen  Helden.  Wie  KiQ- 
ßsQog  der  skr.  gabala  sei,  so  der  andere  Ton  Hercules  getodtete  Hwid 
ÖQ^Qog  genau  der  Abdruck  Tom  skr.  Frtra,  und  demnach  sei  Herca^ 
les  der  wirkliche  'OQ^qotpoiv  ^  was  auf  BsXXiqoqxov  als  Tödter  der  sot- 
tigen Ziege  Cfainiaera  Licht  werfe.  Der  Beiname  des  B.  XsmKpovtv^q 
könne  aber,  wie  Pott  richtig  bemerkt,  nicht  einen  Löwentödter  bedeu- 
ten, es  sei  aber  daayuhän  mit  vrirahdn  synonymer  Name  des  Jndn; 
daayu  und  ddsa  seien  feindliche  Völker  und  Geister,  im  Zend  dagmu, 
dainghu  ProTinz,  Darius  heisze-auf  Inschriften  König  dahyünam^  be- 
siegter Völker.  Von  diesem  däsa  komme  isa-notrig  und  von  dem  ent- 
sprechenden däogj  dikiogy  drjiog;  Xaog,  Xrjog,  Xsoig  sei  eine  dialektisdbe 
Form  für  däos,  also  sei  Xsattpowrjg  der  Tödter  bÖser  Geister).  — 
Lettner:  der  Name  der  Goten  (S.  153  f :  die  Donaugoten  müssen 
sich  selbst  Ouiana  genannt  haben,  die  nordischeu  heiszen  gautar.  Vom 
nord.  Gotar  könne  ein  plur.  Gotnar  lauten,  gotnar  heiszen  viri  slre- 
Ti?it;  der  nicht  Torkommende  Singular  mässe  goti  heiszen  und  dies  sei 
in  der  Bedeutung  Hengst  nachweisbar  (Wz.  gut,  der  Bespringer),  aino 
diese  Bezeichnung  auf  streitbare  Manner  übertragen).  —  Ders. :  sd/iis, 
solidua,  got.  saljcm,  aela  (S.  164  f.:  sdlus  =  »oUu$  sei  ebenso  Ton 
Skr.  aarva  wie  aalvua^  und  bezeichne  integer  ^  ganz  so  dasz  nichts 
hinzukommt,  fest;  das  got.  aela  sei  eigentlich  ebenso  integer,  wegen 
aaljan  entscheidet  sich  der  Vf.  noch  nicht,  weil  der  Uebergang  von 
der  Bedeutung  *an  einem  fest  machen'  zu  aacrificare  usw.  noch  nicht 
erwiesen).  —  Leo  Meyer:  Graf  (S.  155—161:  die  althd.  Form  setze 
das  goth.  grefan  (nom.  grefa)  oder  grefjan  (nom.  grefja)  Torans. 
Ulf.  Luc.  2  1  sei  gagrefta  =  Beschlusz ,  öoyfia ,  und  2  Kor.  8  12  in 
gogrefti  1=  im  Beschlusz,  demnach  bezeichne  Graf  ursprünglich  Herr, 
Gebieter,  Beschlieszer.  Als  skr.  Wz.  erkennt  der  Vf.  ktp^  richtiger 
und  älter  karp,  von  dem  das  causale  in  der  Bedeutung  anordnen  Torr 
komme). —  Ders.:  elg  fi^a  %v  (8. 161— 166:  ffs  ist  Bvg,  iv  aus  eii  ent- 
standen [%tQ)v  hyamdj  hiema^  %%iöv  kahamä'  humua  xafji,af\,  vorausstt- 
setzen  ist  Sfio  [dasz  dies  o  eingebüszt  wurde,  zeigen^  xtovoßXTixog,  Z^O" 
voTQSfpTJg  ähnl.],  dies  aber  gleich  skr.  aama^  (lia,  eiila  :=  samt  (gew. 
aamä)y  daher  auch  fiovog  entwickelt.  Den  Uebergang  der  Bedeutong 
Ton  aama  'all,  ganz,  gleich'  zu  ^ein'  beweist  das  Griechische  a  =s  sa 
(ccnXoog,  ancc^)  aus  dem  aama,  aber  noch  mehr  lat.  aemel,  stm^itt», 
ain-guli  [d.  suff.  =  aakft  einmal].  Aber  auch  hioi  wird  =  **»mmifm 
gesetzt.  Kuhn  weist  in  einer  Anm.  zur  Bestätigung  auf  goth.  ntwu 
hin).  —  Mannbar  dt:  über  eine  gothische  Mundart  (S.  166— *130:  in 
dem  bekannicn  von  Bnsbeck  mitgetheilten  Liede  der  tanrischen  (te- 
traxitischen)  Gothen  wird  versucht  die  moesogothischen  Worte  värei 
vdrei  tggaddllu  acuta  j^re  gdlaiei^  hduhmika  hlaifa  thdurhimm  äim 
in  dialectischer  Verschiedenheit  nachzuweisen).  —  Ebel:  zur  lateini^ 
sehen  Lautlehre  (S.  181 — 193:  Entwicklang  der  Gesetze,  womach  a  zu 
e  oder  i  wird  und  e  in  t  übergeht).  —  Kuhn:  Etymologieen  (S.  193 — 
!220:  1.  tdXXstv  wird  auf  Bildungen  aus  der  skr.  Wz.  r  (or)  zurückge- 
führt ;  iyarmi  bedeutet  '  sich  erheben,  aufstreben ',  dann^  transitiv  '  be- 
wegen, aufregen,  auftreiben,  erheben  (auch  von  der  Stimme)*;  damit 
ist  ganz  gleich  gebraucht  die  Bildung  Ton  dem  bis  jetzt  als  eine  be- 
sondere Wz    angesehene^  ir,  iyar;  hayämi  führt  auf  ursprünglicheres 


364  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

ijfarayämi  zurück;  laX  entspricht  aber  genau  dem  vedischen  iyar^  weil 
einmal  iys^QO}  zu  jägaraydmij  naCgm  —  färayänti^  cpd^e^Qto  —  xdray- 
ämiy  ds^Qoo  —  ddrayämi,  nalXco  —  sphdrayäjni,  otpaXXo}  —  skhälaydmiy 
TiilXa}  —  calaydmi  beweisen,  dasz  die  Griechen  das  erste  a  in  aydmi 
aufgaben  und  y  dann  in  die  Wurzel  zogen,  sodann  die  Bedeutungen  von 
idXXa}  (intransitiv  Hesiod.  Theog.  269)  ganz  mit  dem  skr.  Verb,  stimmen, 
auch  das  Attische  £ccXX(o  (nach  Arcad.,  daher  icpidXXco)  den  Ersatz  für 
das  nach  t  ausgefallene  y  zeigt.  Ahd.  itan,  Ulan,  eilen  schlieszt  sich 
denselben  Wörtern  an.  —  aXto  passt  zu  aXXofiai  weder  ii^egen  des 
Spiritus,  noch  wegen  der  Stellen  II.  I  ^2,  IV  125,  XX  3279  am  wenig- 
sten hymn.  Apoll.  448.  In  den  letzteren  ist  der  Aor.  2  von  idXXa»^ 
oder  vielmehr,  da  die  Wz.  ar  in  6q  und  dX  umgebildet  ist,  skr.  arta 
gab  ebenso  togzo  wie  dXto ;  dazu  passen  auszer  den  angefahrten  Stei- 
len fietccxQOviai  yäg  CaXXoVf  oiaröv  dito  vBvgiQtpiv  CaXXsv  mit  äXto  ot- 
GTog,  aXt  InC  Ol  fisfiacig  (vgl.  adorior),  aXro  ^yga^s  Od.  XXI  388, 
XXII  2,  IL  XXIV  572  (rennen  von  derselben  Wz).  Die  Grammatiker 
fanden  aber  dXrjtai  schon  vor  und  dies  ist  das  richtige,  wo  springen 
nicht  passt,  II.  XXI  536,  XIII  679.  —  3.  ^cd  fuhrt  nicht  auf  aidanU, 
wie  früher  behauptet,  sondern  wie  bei  den  in  1  behandelten  Verben 
auf  das  reduplicierte  sisadaydmi  oder  sUadydmi  zurück.  Skr.  Wurzel 
Jan  bildet  3  sg.  pr.  Jajänti  (erzeugen)  =  gigno,  davon  ist  yiyvofim 
Passiv;  ysivo^iai  setzt  yBCvta^  dies  schlieszt  sich  an  janaydmiy  wie 
rs^va  an  tanaydmi;  das  Passiv  lautete  regelmäszig  janjfe  z=:jdye; 
also  ysLV  ist  aus  ysvj,  ysvfj  entstanden,  daher  in  den  Tempp.  ysvTJaoficu, 
—  4.  sts  ist  aus  ^i^tff  (argivisch- kretisch  ivg)  zusammengezogen  und 
fuhrt  auf  skr.  ni«,  Urf.  ania  zurück,  ist  also  mit  .^v  ebenso  verwandt 
wie  skr.  ni  mit  nia,  doch  haben  die  skr.  und  die  griechische  Praeposi- 
tion  jede  nur  ^ine  Seite  der  ursprunglichen  Bedeutung  gerettet,  wäh> 
rend  auch  andere  Praepositionen  die  gleichen  Uebergänge  beweisen. 
Aus  demselben  ani  werden  nun  auch  die  goth.  und  althd.  Praefixe  us, 
iir,  ar,  er,  ir  abgeleitet.  —  5.  IV  372  ist  aalhya  als  Beiwort  des  Agni 
nachgewiesen.  Die.  Göttin  .$1/  des  Nordens,  Thors  Gem.,  Izeigt  die- 
selbe Begriffsstellung  des  Feuergotts  zur  ehelichen  Liebe.  Pictets 
Erklärung  '^Hfpaiarog  =  aabhcahfha  der  im  Hause  oder  der  Familie 
stehende,  wird  nicht  angenommen,  vielmehr  =  dem  Superl.  adblkeyiah" 
fha  gesetzt  ^der  häuslichste'.  —  6.  Ebels  Bedenken  gegen  die  Ablei- 
tung von  piua  ans  priya  werden  durch  Entwicklung  der  Lautgesetze, 
die  den  Ausfall  des  r  begünstigen,  und  die  Bedeutung  piua  der  liebende 
(die  Götter),  priya  'der  geliebte%  wie  liber  der  seiner  Neigung  (Liebe) 
frei  folgende,  liberi  die  geliebten,  die  Kinder,  beseitigt.  In  (piXog  sind 
beide  Bedeutungen  vereint,  und  Bopp  hat  dies  richtig  auch  auf  priya 
zurückgeführt).  —  Weber:  der  Name  'laovsg  Yavana  (S.  221  —  223: 
der  Name  bezeichnet  nur  Griechen  und  ist  den  Indern  durch  die  Se- 
miten oder  Perser  zugekommen.  Die  öine  von  Lassen  angeführte 
Stelle  des  MBhdrata  beweist  nichts,  da  sie  jüngeren  Ursprungs  «ein 
kann;  der  in  der  zweiten  genannte  Yavanakönig  Dattdmtira  ist  der 
baktrische  Demetrius  (180 — 165),  bestätigt  durch  Inschriften  aus  den 
2n  Jahrh.  Die  älteste  nachweisbare  Erwähnung  ist  der  Antiyoka  yo- 
nardja  (Antiochus)  in  dem  Edict  des  Priyadarcin  aus  dem  3n  Jahrh* 
Die  pers.  Dolmetscher  mögen  diesen  Namen  auch  in  Alexanders  d*  Gr* 
Zeit  stets  gebraucht  haben).  —  Grandgagnage:  memoire  sor  ies 
anciens  noms  de  lieux  dans  la  Belgique  Orientale.  Angez.  v.  Diefen* 
bach  (8.  '223~2*i5:  als  sehr  verdienstvoll  und  beachtenswerth  bezeieli- 
net).  —  Pyl:  mythologische  Beiträge.  Angez.  von  Mannhardt  (8. 
226 — 231:  sehr  scharf  getadelt). —  Miscellen.  Grohmann:  migi^  airim 
(S.  230  f.:  diese  Formen  sind  für  archaistisch  zu  erklären).  —  Spi«r 
gel:  bhfi'forarcy  poran  uad  vadk  (S.  23 J  f.:  die  altbaktr.  Wi.,i|^ 


Auszüge  aus  Zeitochiifleo.  365 

hat  die  Bedeotang  schneiden  und  diese  findet  sich  auch  im  Skr.  Dazu 
geboren  forare  und  poran^  Da  das  von  bere  abgeleitete  bHn  in  den 
neniranischen  Dialecten  die  Bedeutung  des  absolut  machtigen  hat,  so 
liesze  sich  vielleicht  auch  (pdQzatog  so  deuten.  Von  der  zweiten  Wur- 
zel werden  einige  Bedeutungen  nachgewiesen).  —  Weber:  die  Wur- 
zeln kruj  ma9  und  pu9  (puah)  und  avasji  Schwester  (S.  232  —  935: 
die  Bedeutung  der  drei  Wurzeln  werden  erläutert  und  daraus  Ablei- 
tungen versucht.  Svasfi  wird  aus  svasavy  »vastar  =  suagtar  die  gut- 
seiende, freundliche  erklärt).  —  Ebel:  Gothisches  (S.  235  —  237:  von 
guthj  Gott,  wird  als  urdeutsch  guda  erkannt  und  dies  auf  skr.  gudh 
^verbergen'  zurückgeführt;  also  guihSj  der  verborgene,  unsichtbare,  vgl. 
Tac.  Germ.  9.  Warum  hiri  nicht  ai  angenommen,  davon  wird  der 
Grund  gefunden,  dasz  es  ursprünglich  kiäar  gewesen;  die  Wz.  sei  die- 
selbe wie  imLat.  ce  (Ät-c  usw.),  Gr.  Ixsi).  —  Derselbe:  Oxytonierung 
im  Lat.  (S.  238:  Gegen  Dietrich:  punio  neben  poena,  munio  neben 
moenia  zeigeh  dasz  nur  ein  Accent  punio  oe  in  u  wandeln  konnte; 
publicu»  ist  aus  populicÜ8  und  ebenso  punieua  aus  Poenua ,  unu$  aus 
oenus  zu  erklären).  —  Ders.  Lateinisches  (S.  238 — 240:  Fitricug  wird 
als  2r  Vater 9  privignua  als  Sohn  früherer  Ehe  etymologisch  gedeutet, 
aino  aus  skr.  aan8  'geben^  abgeleitet,  aimitur  =  aimicitur  (tur  aus  tua 
geschwächt),  wie  skr.  aamyac  =  aamic),  —  Lettner  (S.  240:  mit 
dhvan,  aonare  stimmt  altn.  dyrij  ja  noch  besser  als  goth.  drunjua, 
Goth.  faatatij  obaervare^  geht  auf  faata  zurück  und  dessen  Wz.  ist  lat. 
poa;  faata  =  poaitua.  Die  Wurzel  von  riysCa^ai  ist  von  ayto  ganz  zu  tren- 
nen und  im  Lat.  aagua,  aagax,  aagio  zu  finden).  —  Mannhardt(S.  240) 
weist  zu  beitriae  aus  danziger  Urkunden  des  ]6n  Jhrh.  bettreiaig  nach. 
4s  Heft:  Pott:  etymologische  Spähne  (S!  241—300:  1.  Die  von 
Schümann  Gr.  Alterth.  I  272  gegebene  Deutung  von  qndCxia  wird 
zwar  im  ganzen  gebilligt,  aber  in  %iiai  sei  kein  Digamma  anzunehmen 
und  das  Wort  vielmehr  eine  Ableitung  von  (piSirriSf  also  'Mahlzeit  der 
Beisitzer'.  Durch  eingehende  Erörterung  und  Nachweisung  von  Sprach- 
gesetzen wird  dargethan,  dasz  (p  ein  Rest  der  Praeposition  iniy  wie 
in  (pBidoilLOv  die  Bedeutung  'Schemel'  erfordere,  f  und  st  aber  für 
eine  Contraction  aus  te  am  liebsten  zu  halten  sei.  2.  ZnaQzri  komme 
von  ansiQtOy  cnaQtrj  noXtg,  mit  Veränderung  des  Accents  wegen  des 
Uebergangs  zum  Eigennamen;  die  Beschaffenheit  der  Stadt  stimme 
dazu.  3.  XdgvßSig  erklärt  sich  passend  aus  ahd.  hwerbo  (vortex) 
hwerbariy  hwerbil  (Wirbel),  zu  denen  (op^ßog,  (vfißog,  orbia  nasale  Pa- 
rallelen seien,  deren  vermiszter  Guttural  sich  in  %  wiederfinde;  cc  sei 
zur  Milderung  eingeschoben,  S  aber  wahrscheinlich  aus  einem  Suffix 
t^  entstanden,  foCßäog  aus  (oßiS  durch  Versetzung  des  Vocals;  die 
Wurzel  wird  in  ru  (skr.  rava)  erkannt.  Auch  Qcißdog  sei  aus  (anCd 
entstanden,  daher  XQvaoQf^anig,  4.  Bei  der  Bedeutung  you^PadoLyMv- 
d'vg  musz  von  der  Form  Bgadtifiavd'vg  ausgegangen  werden.  Ange- 
schlossen wird  nun  der  Name  an  iiavd'dvto  (aus  skr.  man  =  cogitare) 
und  ßgada  ein  Adverbium  von  ß(fa9vg.  Also  wäre  Bg.  der  die  Men- 
schen zu  später  Erkenntnis  bringende,  was  in  dem  Wesen  begründet 
und  durch  die  Beinamen  vatsgonovg  der  Nemesis  und  vatsgonoivog 
der  Erinys  bestätigt  wird.  5.  Ueber  die  Namen  der  Erinyen  wird 
wegen  Miycaqa  die  Deutung  von  Preller  Myth.  I  524  wahrscheinlich 
gefunden,  Ttai(pövri  etymologisch  (Subst.  xictg)  als  die  personificierte 
'Blutrache'  gedeutet,  'Alii%t(6  CAXI-)  nach  II.  IX  632  als  die  impla- 
cataj  implacabilia.  Unter  ausführlicher  Behandlung  sowol  vieler, ande- 
rer mythologischer  Namen,  namentlich  "ASgactogy  ravvii>ijdrjg  a.  a.,  als 
auch  der  Substantiv-  und  Adjectivbilduugen  auf  siog^  siof,  wird  für 
^AdgaatBiM  die  Deutung  'Unvermeidlichkeit'  wahrscheinlich  gemacht.  — 
6.    üoVQog  (wofür   nogog    ursprünglicher)   wird   nach  dem   Kurdischen 


%6  Berichte  über  gelehrte  Anslallen,  VerordDODgen,  sUtisL  Koliui 

kurv  als  'Sohne,  Kinder»  gedeutet  ond  lor  Begrtindon^  der  Nanc  ^ 
(,<jy.ovQOt  angeführt.  J/oZrdfrx^^  wird  auf  Äfrxö;  zarocfc^efokrt  •* 
IffUchtenHe  btern',  zo  KdariOQ  wird  ein  griechische«  VerlHiB  ohac  Ni 
>al  v..n  <ler  Bedeotong  candert  Toraa^gesetzt.  —  7.  ^oißo^  wM  M 
>kr.  hhänu  (Sonne)  von  hkä,  hhä»  (leuchten)  zoräckgefahrt,  lieber  ik 
W\\\  ei  der  Vf.  als  eine  Zu«aniinen«etzüng  ans  701-  ond  ^,  d.  i.  paLn 
'«irr  im  Lichte  daherwandelnde\  als  ans  70^-10;  erklären.  AU  ciw 
\:i-!. triebt  erträglichen  Einfall  bezeichnet  der  Vf..  dasz  in  dea  BcienN 
i!.r  Leto  Koioyivfict,  /ToicmV,  Kotr/i ,  Tochter  des  KoCog^  dnaell 
Kr\:nnn.  \%ie  in  caelum.  caeug  enthalten  ^ei).  —  Ebel:  ^tbisd 
Six.llen  S.  :W0  — 312:  I.  Kör  die  früher  vorgetragene  Meinva^,  im 
de  Praf>«?n^  formen  der  ai-Conjogalion  au#  aj  entstanden,  wird  jeCit  i 
vajamfijnm  un«l  den  Formen  des  Passivs  eine  Bes^täci^n^  gcf— 4n 
:!.  H^-hiiHllun«;  der  AbMraci>uflixe  -ni  and  -ani.  3.  IHe  Fomen  A 
>t-.rk.:n  At^jVctivflexi'in  werden  zo^amme^ge«te!!t  ond  die  Ceaetie  da 
selVr-:!  trrläbt*-rT.  -f.  Behandlung  der  Cuniparaiivfi  rinen  isa^  -wf«,  •■ 
-nifa.  -ij  i.H'l  'tara\  —  Benarv:  üuer  den  Accent  im  LateMiche 
Mi:  R{itk>;<  r.T  aiif  Weil  nnd  Benloew:  fheorie  ^en^raie  de  Fmeen 
tuuiion  latinc  'S.  'M'2  —  M9'.  durch  ein*  Kr.«neron':  der  nllgeaeiM 
Ai  centge^trize  werden  vorläufig  für  die  Be^andlun;:  des  roaiachcB  Ai 
rent*  folg-nde  Fnsen  fe>! gestellt :  1  welche  .Mittel  hat  die  8pr»cl 
7:.:ii  Ao^rtrurk  de*  Accent*,  2;  welche  SteÜun*:  im  Worte  aiMat  er  rfi 
:*)  welche*  Verbältni«  hat  er  zu  der  Furmbi.dcn*;.  4>  weiche»  n  A 
rKMhmi?chen  Verbälini^«en  der  }««-^t;*chen  M4>ze?»  —  Spiegel:  MI 
I  rilcn    S.  d'20    Behan«ili;ng  von  eacti  —  rir/j  i.r.i!  &eiida).  Ä.  D. 


■ciite  üst^r  irelehrle  Anstalten,  Verurinungen ,  statisttsch 
Notizen.  Anzei:;en  vuii  PrL»v:ra:iiaieii. 


\  >.    A   '      V^r\   zum    14    \vr'\    1-:^   j- *i;ei:er--nen  ProgteMBe  4« 

Kr.r   n-:  :..r    ^.  Bi.   lAMI  S*  Cl»;   e:i:r.*r:n^n  i»ir.  da»z  Ptaff.  Dr.  P 

i{     ..e\   ti'v.rr.  R.t  an  eis  P- l^terbricun  in  Zürich  aageoeaacB  kaiti 

I   ;   C  :'rrct   r-.!  öer  Kar.-.n-    tfn-:  R^c?   ra!  «S^r  Gewerb>ch«le    matHMl 

:   :.    fr  f.  I»iv.  R\iz    J-J*  Prig::.   :;:.    I.ebrimte  «ier  Chemie  prmaa 

ri-rh    «f«-r   *    rr.er   im  O^rsni^lLr.    za    S  ...'.hcra  angestellte  Pjref.  Jal 

S     ..  :::er.     \n  c:e  Sieilr  ce>  al-grrmgir?  :■.     tr.i  ba!«^  «faranf  vemer 

:;..r.     Pr  f.    ,:er  frar.z.   Spra  he   De  >  .»  <•  l  1  **  1    trat    J.  G.  kiti  an 

l      :':-r      IVr  Schc:*rrih:    betrag:    A.  G^ir.n.  .A     IV  7,    i||   l^    |I  || 

1    :^      B.  G'A^erbschule  51     IV  4.   III  ^.    V   T.    I  ^>.     Die  IHhini 

.^^    «chrieh   Prx^f.  I..  Mo>zbrog$er:    l  ntfrtmrhmmz    mkrr   trmmm 

i'^.  '^lich*,.  deren  JTrr*  i;ru»*r  c*»  ^ffreh:h-%   Ptcrkcm  In  Gmdci  nl 

.    i  >  i>f.     l?i  S.  =:.d  r  K=£«ffn!a:t'  .  Jt.  D, 

r»    •;  ^<v:iWi.-^     Ant  tV4rtjr:.n4>:;n:    IV    WMi  c^Ti]  cVMtSM  dl 

S:r.  t   ^'e>  f.\<  G<r.cr»l^!:;'<t^'n:(.«l'ent  nacn  lic-.i:.>:i^t  veffyetatea  FMU 

Ks.S:-  c.cr  Pa*;^r  Steinne^er.   d:e  ^e*  Prof  Dr,  Banherger  de 

0!N::rSr»-r  at^  Pr.-gx Ana»iün  I>r.  Pärre.     Da  der  Cand.  Sckener 

.  .  =.  rv  :■  ic  ■   R!>cr.  ^»•m  Itn  iVi.  I^:ö  >-e:n  Pn>^-*ja*ir  antrat.  ••  w«rd 

.  ;:  t  .  .  ir .  ravr  Sack  tVns  Pr.i^ mii.  z«röck<reie^ea.    Die  Sclinkfffrc 

.  ..  r>   -  T   -   O-ern  l«^,^  7:^    iV  i<,  III  V4.  II  1^,  I  <  V.     Abicarien 

c.i   M  c:     1"^  J»  4.    0*tem  .-rf*  *      Die    ^SSam-i  «n^    *>>  PragniBMa  fca 

•    0*^'r.«^-tr   i*=v*SoTr»    izm   \  ert'a»**^      Za-    F'm*mkrmmff  rn    äi 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  VerordnangeD,  Statist.  Notizen.  367 

Unterrichts  (30  8.  4).  Za  dem  am  25.  April  g«feiierten  26jähr.  Jubi- 
laeum  des  Herzog«  warde  Yon  aämtiichen  Gymnasien  des  Landes  eine 
vom  Dir.  Prof.  Dr.  Krüger  verfaszte  Votivtafei  überreicht,  weiche 
wir  ihrer  trefflichen  Form  wegen  hier  abdrucken  lassen: 

Q.  F.  F.  F.  S.  Principi  augustissimo  et  potentissimo  domino  de- 
luentissimo  Guilielmo  serenisaimo  dnci  Bronsvico-lunebargensi  ex  nobi- 
iissima  et  fortissima  Guelphornm  prosapia  oriundo  qui  cum  ante  hos 
vlginti  quinqae  annos  ardeniissimis  omnium  bouoram  civium  votis  ex- 
petitus  advenisset  ipso  adventu  sno  patriae  pacem  et  tranquiiiitatem 
reddidit  qui  postquam  rerum  moderamen  suscepit  suprema  gubernan- 
dae  reipubiicae  lege  instaurata  additis  aliis  legibus  saluberrimis  com- 
munem  omninm  incolarum  saintem  firmissimis  praesidiis  munivit  obli- 
terata  diu  oppidanoram  iura  redlntegravit  colonos  quibus  raulta  per 
secula  obruti  fuerant  oneribus  levayit  eornmqae  libertati  aequis  legi- 
bus prospexit  qui  dum  alii  cuntantur  morae  impatiens  viis  ferro  stra- 
tis  effecit  primum  ut  Hercynia  propius  Brunsvigam  admota  Tideretur 
mox  ceteris  utilissimum  exemplum  secntis  ut  Brunsvicensibus  ad  remo- 
tlssimas  terras  faciliimus  pateret  aditus  et  foedere  inito  cum  iis  Ger- 
maniae  civitatibus  quae  vectigalium  communitate  utuntur  eorundem 
coromoda  et  commercia  mirifice  augerent.ur  quo  reipubiicae  gubernacula 
tenente  etiam  gravis^imis  temporibus  sapienter  provisum  est  ne  quid 
detrimenti  caperet  respublica  sed  ut  illaesa  staret  tam  nostrae  civitatis 
quam  universae  Germanlae  incolumitas  patri  patriae  optimo  bouarum 
litterarum  schoiarumque  patrono  et  fautori  die  meosis  Äprilis  XXV.  anni 
MDCCCLVI  qui  dies  propter  sacra  eius  nataiicia  iure  habetur  festissi- 
mus  conditum  quintum  iroperii  iustissime  et  clementissime  gesti  lustrum 
debita  pietate  et  reverentia  gratnlantur  et  ardentissima  nuncupaut  vota 
ut  restituta  tandem  per  orbem  terrarum  pace  diu  adhuc  laetos  intersit 
populo  suo  et  favente  summo  numine  usque  ad  extremam  senectutem 
iiideiibata  felicitate  fruatnr  gymnasiorum  Br&nsvicensium  directores  et 
coilegae. 

Auch  gedenken  wir  der  bei  derselben  Gelegenheit  vom  Geh.  Hofr. 
Prof.  Dr.  Petri  im  Namen  des  Carolinum  Terfaszten  lateinischen  Ode, 
weil  sie  das  erfreulichste  Zeugnis  von  der  noch  zu  poetischem  Fluge 
sich  erhebenden  Rüstigkeit  des  liebenswürdigen  Greises  gibt.    H.  D. 

Eisen  ach].  Am  Karl  -  Friedrichsgymnasium  wurde  an  die  Stelle 
des  freiwillig  ausgeschiedenen  Lehrers  der  Mathematik  und  Naturwissen- 
schaften Prof.  Dr.  Fresenius  der  Cand.  Alfr.  Kunze,  an  die  Stelle 
des  entlassenen  Schreiblehrers  Bang  der  Lehrer  am  Realgymn.  Gas- 
cari  zugleich  auch  als  Turnlehrer  angestellt.  In  den  Schulnachrich- 
ten  findet  sich  eine  vom  Dir.  Hofr.  Dr.  Funkhänel  an  die  Abitu- 
rienten (Ostern  1S56  5)  gehaltene  Ansprache.  Die  höchste  Schulerzahl 
betrug  97  (I  9,  II  J9,  III  14,  IV  20,  V  16,  Vorbereitungski.  19).  In- 
teressant ist  die  am  Schlüsse  gegebene  Notiz,  dasz  während  der  20j. 
Amtsführung  des  Dir.  seit  1836  477  Schüler  in  das  Gymn.  aufgenommen 
wurden.  Von  diesen  sind  5  durch  den  Tod,  589  aber  abgegangen,  darun- 
ter nur  lid  zur  Universität,  mehr  als  200  zu  andern  Berufsarleu.  Den 
Schulnachrichten  geht  voraus  vom  Prof.  Dr.  W.  Weiszenborn:  ad 
Carolum  Wexium  de  locis  aliquot  Livii  episiola  (14  S.  4),  eine  ebenso 
liebenswürdige,  wie  grändlicbe  Erwiederung  auf  die  Einwürfe,  welche 
der  genannte  Gelehrte  in  diesen  Jbrbb.  Bd.  LXX  S.  455  gegen  die 
Erklärung  und  Behandlung  einiger  Stellen  gemacht  hat,  nemlich  V  12  7 
(praef.  4),  39  4,  2  4,  IV  3  7,  V  13  13,  18  2,  25  7,  7  7,  9  5,  26  10, 
28  1.  Es  bedarf  unserer  Versicherung  nicht,  wie  viel  nicht  nur  dieje- 
nigen, welche  ein  tieferes  Verständnis  des  Livins  erstreben,  sondern 
auch  die  überhaupt  Belehrung  über  wichtige  Puncte  der  lateinischen 
Sprachgeaetse  suchen,  daraus  gewinnen  werden.  B.  D. 


368    Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  slutist.  Nolixen. 

PJutik].  An  der  d;isigen  vereinigten  Gelehrten-  Qnd  Bürgerschule 
wurde  Knde  J.  1855  die  provisoriflcbe  Anstellung  des  Lehrers  Cand. 
theol.  Kürschner  in  eine  definitive  verwandelt.  Die  Schüleraahl  war 
162  (11  4,  II  20,  III  24,  IV  18,  1V»>  27,  V*  11,  V"  17,  I  Oberkl.  31).  Zu 
Mich.  1855  wurde  1,  Ostern  darauf  2  zur  Universität  entlassen.  Als  Ab- 
handlung beigegeben  ist  vom  Coliab.  Rottok:  die  Kegelschnitte  y  eine 
analytische  Abhandlung  (41  S.  8  und  1  Kigurentafel).  R,  II. 

Frankfurt  a.  m.].  Am  dasigen  Gymnasium  [Bd.  LXXH  S.  262  u. 
471]  ist  während  des  Schuljahrs  eine  weitere  Veränderung  im  Lehrer- 
roi Icgium  nicht  vorgekommen,  auszer  die  Anstellung  des  vorherigen 
Privatdocenten  in  Münster  Dr.  Ph.  J.  Haussen  als  Prof.  d.  Gesrhichte 
für  die  katholischen  Schuler,  der  Erhebung  des  Kaplan  Nicolay  xom 
Professor  und  der  interimistischen  Vertretung  des  durch  einen  Schien- 
beinbruch behinderten  Lehrers  Dr.  Schmidt  durch  die  Vicare  Steitz 
und  Dr.  C.  Fresenius.  Der  geographische  Unterricht  wurde  auch  in 
die  drei  oberen  Klassen  eingeführt  und  der  Beginn  der  französischen  eine 
Stufe  früher,  in  die  Sexta  verlegt.  Durch  neue  Statuten  wurde  die 
Wittwon-  und  Waisenkasse  allen  ordentlichen  Lehrern  des  Gymnasinms 
zu<;änglich  gemacht  und  derselben  die  Inscriptionsgelder  der  neu  aofge- 
nomnuMien  Schüler  zugewiesen.  Die  Schülerzahl  betrug  im  leisten  Win- 
terhalbjahr 177  (127,  IUI,  III  21,  IV  5H,  V22,  VI  23,  VII  20),  Abito- 
rienten 13.  Den  Schulnachrichten  hat  der  Dir.  Prof.  Dr.  J.  Classen 
vorausgeschickt  den  3n  Theil  seiner  Beobachtungen  über  den  Aoaieri* 
sehen  Sprachgebrauch  (39  S.  4),  in  welchem  das  Participium  in  seinen 
praedicativen  Verbindun{;en  behandelt  wird.  Die  überaus  feine  und 
scharfe  Beobachtungsgabe,  das  sichere  aesthetische  Urtheil  nnd  die 
umfassende  Kenntnis  des  Hrn.  Verf.  sind  hinlänglich  bekannt,  als  dass 
wir  ein  Wort  hinzuzufügen  brauchten,  um  auch  diesen  Theil  cn  dem  ei- 
frigsten Studium  allen  zu  empfehlen.  A.  />. 


Personalnacliri  eil  teil. 

Anstellungen,   Beförderungen,   Versetzungen. 

Arnold,  Georg,  Lehramtspraktikant  am  Paedagoginm  und  der  hohem 

Bürgerschule  zu  Pforzheim,  zum  Lehrer  an  derselben  Anstalt  mit 

Staatsdienereigenschaft  ernannt. 
Haier,   Dr.  A.,    ao.  Prof.  der  Theologie  an  der  Univ.  zu  Greifswald, 

zum  ord.  Prof.  in  der  philos.  Fac.  ebendas.  ernannt, 
liehringer,  Kdm.,  Studienlehrer  zu  Bamberg,  in  gleicher  Eigenschaft 

nach  Würsburg  (an  die  Stelle  des  zum  Pfarrer  ernannten  Stodienl. 

Joh.  Gass)  versetzt. 
Heitelrock,  Joh.  Mich.,  zeitl.  pens.  Gvmnasialrector  nnd  Prof.,  »um 

Prof.  der  Geschichte  am  Lyceum  in  Äsrhalfenburg  ernannt. 
Biasi,  Dr.  Val.  de,  Prof.  an  der  trienter  Dioecesenlehranstalt,  in  glei- 
cher Eigenschaft  an  die  theol.  Fac.  zu  Olmutz  versetst. 
Biasutti,  Joh.,   geprüfter  Lehramtscandidat  und  seith.  Assistent  an 

der  kk.   Staatsbuchhaltung  in  Venedig,  zum   wirkl.  Lehrer  an  den 

veuetianischen  Staatsgymnasien  ernannt. 
C-orneliun,  Dr.,  Prof.  der  Geschichte  an  der  Univ.  zu  Bonn,  an  die 

Hochschule  in  München  berufen. 
Czcrmak,  Dr.  Joh.,  Prof.  der  Zoologie  an  der  Univ.  zu  Grats,  zum 

ord.  Prof.  der  Physiologie  an  der  Univ.  zu  Krakau  ernannt. 


Personalnachriobien.  309 

Doberenz,  Dr.  Alb.,  Prof.,  zam  Direcior  des  henc.  meiningenscben 
Gymn.  za  Hildbarghausen  ernannt. 

Donaggio,  O.,  priest.  SuppL  an  der  kk.  Oberrealschnle  zu  Venedig, 
zum  wirkl.  Lehrer  am  Obergymn.  in  Verona  ernannt. 

Droysen,  Dr.,  Prof.  an  der  Univ.  za  Jena,  hat  den  Rnf  anDrnmanns 
Stelle  an  der  Univ.  Königsberg  erhalten. 

Dachek,  Dr.,  ansLemberg,  als  Prof.  q.  Dir.  der  medieinischen  Klinik 
nach  Heidelberg  berufen. 

Dunajewski,  Dr.  Julian,  ao.  Prof.  an  der  Rechtsakad.  zu  Presz- 
bnrg,  zum  ord.  Prof.  ebendas.  ernannt. 

Eisenmann,  Franz,  Prof.  am  Gymn.  zu  Straubing,  in  gleicher  Ki- 
genschaft  an  das  k.  Wilhelmsgym.  in  München  versetzt. 

firdmann,  Lic.  theol.  Dr.,  Privatdoc.  in  Berlin,  zum  ord.  Prof.  in 
der  theol.  Fac.  der  Univ.  Königsberg  ernannt. 

Fisch,  Jos.,  Priester  und  Lehramtscand. ,  zum  Stadienlehrer  an  der 
lat.  Schule  zu  Passau  ernannt. 

Frohnmeyer,  pro  vis.  angest.  Lehrer,  erhielt  def.  die  Praeceptorstelle 
zu  Guglingen  übertragen. 

Fürstenao,  Bd.,  Hilfslehrer  am  Gymn.  zu  Marburg,  zam  ord.  Lehrer 
an  ders.  Anstalt  ernannt. 

Gegenbaur,  Jac,  Hilfslehrer  am  Gymn.  zu  Fulda ,  zum  ord.  Lehrer 
an  ders.  Anstalt  ernannt. 

Giseke,  Lehrer  am  Gymn.  zu  Meiningen,  zum  ord.  Lehrer  an  der  Klo- 
sterschale zu  Roszieben  berufen. 

Häckermann,  Dr.  K.  H.  L.,  Adjunct  am  Paedagoginm  za  Patbus,  als 
ord.  Lehrer  an  das  Gymn.  zu  Cöslin  versetzt. 

Heermann,  Ad.,  beauftragter  Lehrer  am  Gymn.  zu  Hersfeld,  zum  Hilfs- 
lehrer an  ders.  Anstalt  bestellt. 

Hegel,  Dr.  K.,  Prof.  zu  Rostock,  als  ord.  Prof.  der  Geschichte  an 
die  Univ.  za  Erlangen  berufen. 

Heller,  Dr.  Proc,  Privatdoc.  zu  Olmütz,  zom  ord.  Prof.  an  der 
Rechtsakad.  za  Preszburg  ernannt. 

Herbek,  Em.,  prov.  Dir.  am  kk.  Gymn.  zu  Marburg,  zum  wirkl. 
Dir.  ders.  Anstalt  ernannt. 

Hesse,  Dr.,  ans  Halle,  als  Prof.  der  Mathematik  an  die  Univers,  zu 
Heidelberg  berufen. 

Heydemann,  Dr.  A.  G.,  Prof.  u.  Dir.  des  Friedr.-Wilh.-Gymn.  zu 
Posen,  zum  Dir.  des  Gymn.  in  Stettin  ernannt. 

Hoppe,  vorher  als  Lehrer  bei  der  Ritterakad.  zu  Bedburg  beschäf- 
tigt, als  ord.  Lehrer  an  das  Gymn.  za  Coblenz  versetzt. 

Hornig,  Prof.  Dr.  Christ.  Aug.,  Dir.  der  Realschule  in  Treptow 
a.  R.,  zum  Dir.  des  Gymn. .  zu  Stargard  ernannt. 

John,  Dr.,  Privatdoc.  in  der  Jurist.  Fac.  der  Univ.  Königsberg,  zum 
ao.  Prof.  ebendas.  ernannt. 

Jurkovic,  Joh.,  Supplent  am  kk.  Gymnas.  zu  Essegg,  zum  wirkl. 
Lehrer  an  ders.  Lehranstalt  bef. 

Kr 0 sehe  1,  Dr.  Joh.  S&m.,  Hilfslehrer  an  d.  Klosterschnle  za  Rosz- 
ieben, zum  ord.  Lehrer  ebendas.  befordert. 

Lamey,  Dr.,  Hofgerichtsadvocat  za  Freibarg  in  Br.,  zum  ord.  Prof. 
in  der  jur.  Fac  der  das.  Uidv.  em. 

Langkavel,  B.  A.,  Schnlamtscand.,  zum  ord.  Lehrer  am  Friedrich- 
werderschen  Gymn.  za  Berlin  em. 

Langsdorf,  K.  von,  Lehramtsprakt  am  groszh.  Lyceam  za  Wert- 
hein,  als  Lehrer  mit  Staatsdienereigenschaft  an  ders.  Anstalt  an- 
gestellt. 

Lechner,  Franz  Xav.,  Stadienlebrer  za  Pasaaa,  zam  Gymnasial- 
prof.  ebenda  bef. 


970  FlMsaHinAriMn* 

Mcrtefl««  Fr4r.,  Ijjjfjy  ^^^E*-  '''^*',—  rj«w,  ■■  Mw^W» 

WrfaiigM.  _  --- 

Osieroiti»»,  IN*.  Christa, 
Mfli  «rd*  Lehrer  aa  4h7Il 

Gy».  n  KlbcrIcM  ««mC 
Pediiaek,  !••.,  Sivrl.  «■  IdL 

aa  dert.  Aast.  em. 
Peter,  CoMutOTHilr.  Hr.  K.  L^  Mr.  ^oiGjbb. 

tor  der  Laadcscdud«  Plevto  «n. 
RcBf  eher«  Dr«  Ära.,  Tarfcar  ■■  4mr  Ea 

ord«  Lthrtr  «a  das  Gjan.  as  Pacadaai 
Ribback,  0r.  O.,  «nL  Lckrer  aa  Cjaw, 

die  UaiT.  aad  KaataaacbaJe  sa  Bm  bi 
Rica,  Jaa.,  Mpfl*  «■  Ut  GjnML  aa  JiSa,  aaai 

befordert. 
Römer,  Dr.,  PriTatdac  la  4m'  Jar.  Pac  4ar  UaiT. 

ao.  Prof.  der  Racbte  abaada  ara 
Salaaioa,  0r.  Jo«.,  Diraetar  daa 

•eobarct  nai  Scbolratbe  ia  8M 
9aoppa,  Hafr.  Prof.  J>r.  Harai«,  Dir.  deacrmb.  Gyaab  ■■«^UhMk^ 

xoai  ord.  Prof.  ia  dar  philo«.  Fac  der  Uaiv.  xa  GÜtlH^MaHU 
Scbell,  Dr.  Wilh.,  PriTaft4ac.  sa  Marbar«,  aas  avL  Ptaift4i«lP 


philo«.  Pac.  der  da«.  UaiT.  em. 
J9cbaeidawind,  Dr.  Fr  aas,  Prof.  dar  Gesdrichta  aa 
AscbaiTenborf ,  in  gleicher  Eigeaschalt  aa  daa  Ljcaa 

berg  Terfetxt^  -'»r. 

8chrader,  Dr.  Wilh.,  Dir.  daa  Chrain.  sa  Soraa,  aaai  MHÜ' 

ncholr.  der  Prorias  Praaiaca  ia- Kteigsberi^  em.  '   ^dM 

Schnitz,  Lic  th.  Dr.  F.  W.,  PrlTatdoe.  ia  Berlin,  saai  «i^lM 

der  thool.  Fac  dar  UaiT«  sa  Breslaa  am.  ^ü  .«f« 

filcha«ter,  Dr.  Ferd..  ao.  Prof.  inr.  an  der  Uair« 

ord.  Prof,  abeada«.  bef. 
filchwacb,   Dr.  Mor.,   Privatdoe.  aa  dar  Uair.  sa 

Prof.  daa  r5m.  Rechu  aa  dar  Uair.  so  LaaU^if  € 
Simon,  Dr.  O.  R.  M.,  Scbalaaitacaad.,  ala  Adj.  aai  Ja 

Gyainaaiaai  sa  Bariin  angast. 
Spannfehlnar,  Ja«.,  AasbCaat  aai  Gyam.  sa  Bchatidty  wßtmMtK^ . 

diaalahrsr  ua  Cyaui.  sa  Bäaibat«.  .        .        .    t^mtui 

Steodanar  I,  Dr.  Jiarai*  Rieb.  B.,.ard*  Lahrar  tat  AwKmüü*. 

aahoia  sa  JUadabaa,.aaai  PvoC  ha  dara.  Aaalalt  baC-       i  'ui'ia.l 
Steudenar  II,  Dr.  Ara.  8iaai.B.,  HHIaiahf^  aadar  KlaiMMiidhala 

so  Roaslaban,  sa«  ord.  Lalanar  aa  dan.  Aaalalt  baf^:  .   -Jrtf  i>^  d. 
Stobbe,  Dr.,  Priratdoc.  la  KSalfibai]|f  «hi  m.  PrsL;Jaidl«):Jw. 

Fae.  dar  daa.  UbIt.  ara.  ■      .  r  •  ^ .  •.  «n  /  • 

StrzalackI,  Dr.  Fol.  Rlitar  ▼.,  Lahrsr  aai  hk.  Qtim.  m  limkm^ 

sam  Prof.  dar  Phraik  aa  d.  LaMberaar  taehaiachatf  Akadbaila  «m.; 
SToboda,  Dr.  Adalb.,  Bappl.  aa  kk. GyM.  sa aiarbarf^  aaMwirkL 

Lehrer  an  den.  Aaatalt  hat  .  « 

Tauoehock,  Wolfg^^  Paaf.  aai  Gysa.  aa  Fiasaa»  aaa  Raator  md 

Prof.  am  Gymn.  so  Btraabinf  ara. 
Tophoff,  Dr.,  Obsriohrar  aai  Gyaia.  flft  Emw»  aa»  Dir. 

statt  ernannt. 


Persona  Inacbriclileo.  S7t 

Wehrenpfennig,  Dr.  Joh.  Fr.  W.,  SchalamUc. ,  als  Adjunct  am 
Joachlmsthalschen  Gymn.  in  Berlin  angest. 

Wehrmann,  Dr.,  Rector  def  Stiftsgymnasinm  zu  Zeitz,  zum  Proviii- 
zialschulrath  für  Pommern  in  Stettin  ern. 

Wen  dt,  Dr.,  Provinzialscholr.  in  Stettin,  in  gleicher  Eigenschaft  für 
die  Provinz  Sachsen  nach  Magdeburg  versetzt 

Winkler,  Dr.,  Gymnasiallehrer  in  Oppeln,  als  Oberlehrer  an  das 
Gymn.  zu  Leobschütz  versetzt. 

Wolf,  Max.,  Lehramtspraktikant  am  Gymn.  zu  Bruchsal,  als  ord. 
Lehrer  mit  Staatsdienereigenichaft  an  ders.  Anstalt  angest. 

Zinzow,  Dr.  Ad.  J.  Fr.,  ord.  Lehrer  am  Fried  rieh  werderschen  Gym- 
nasium zu  Berlin,  zum  Prorector  am  Gymn.  zu  Stargard  ern. 

Praedicierungen   und  Ehrenbezeugungen. 

Bergk,  Dr.  Theod.,  Prof.  der  alten  Litt,  an  der  Univ.  zu  Freiburg 

in  Br.,  erhielt  den  Charakter  als  Hofrath. 
C  an  pari,  Lehrer  am  groszh.  Lyceum  zu  Wertheim)    i    n    r  j* 

Deimling,     ,,         „         „  „         „    Mannheim)  *^ 

Diez,  Dr.  Friedr.,  Prof.  in  Bonn  )  zu  Rittern  d.  Maximiliansor- 

Dirichiet,  Lejeune,  Prof.  in  Göttingenf  densf.Wiss.n.  Kunst  ern. 
Rebling,    Gnst. ,   Gesanglehrer   am  Domgymnasinm  und  Dorochordl- 

rigent,  erhielt  das  Praedicat  Musikdirector. 
Ritschi,  Dr.  Fried.,  Prof.  und  Oberbibllothekar  in  Bonn,  als  Geh. 

Regiernngsrath  praediciert. 
Rudhardt,  Dr.  ph.  Ernst,  in  Breslau,  als  Prof.  praediciert. 
Seh  äffe  r.  Ed.  Wilh.  Lor.,   ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Stendal,  als 

Oberlehrer  praediciert. 
Schmidt,  Lehrer  am  groszh.  Lyceum  zu  Mannheim,  erhielt  den  Titel 

Professor. 
Schotensack,  Heinr.  Aug.,  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Stendal,  er- 
hielt den  Titel  Oberlehrer. 
Schwartz,  Dr.  Friedr.  Wilh.,   ord.  Lehrer  am  Friedrich-Werder- 

schen  Gymn.  in  Berlin,  als  Oberlehrer  praediciert. 
Seng  1er,  Dr.,   Prof.   an  der  Univ.   zu  Freiburg  in  Br.,   erhielt  den 

Charakter  als  Hofrath. 
Theiss,  Dr.  Fr.  K.,  Conr.  am  Gymn.  zn  Nordbaasen,   als  Professor 

praediciert. 
Wolff,  Dr.  Oust.,  ord.  Lehreram  Friedrich- Werderschen  Gymn.  in 

Berlin,  als  Oberlehrer  praediciert. 

Pensioniert: 

Fuldner,  Dr.,  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zn  Marburg. 
Zeuss,  Dr.  Casp.,  Prof.  der  Geschichte  am  Lyceum  in  Bamberg,  in 
zeitlichen  Ruhestand  versetzt. 

Gestorben: 

Am  5.  März  zu  Labeck  der  2e  Oberlehrer  am  Catharineum  Dr.  Joh. 
Joach.  Christ.  Zerrenn  er,  seit  36  Jahren  an  der  Schule  tha- 
tig,  seit  30  als  ord.  Lehrer. 

Am  6.  März  zu  J^inz  Dr.  Dionys  Prigihnber,  Capitnlar,  Consisto- 
rialrath  und  Prof.  der  Moraltheologie  an  der  bischofl.  Lehranstalt. 

Am  9.  März  zu  Prag  Dr.  J.  Rachinger,  ord.  Prof.  der  Medicin  an 
der  das.  Hochschule. 

Am  11.  März  zu  Berlin  Geh.  Ober-Regierangsrath  Ge.  Wilh.  v.  Rau- 
mer, geb.  1790,  wie  sein  Br.  Frdr.  v.  Raumer,  auf  dem  Gebiete 
der  Geschichtsforschung  nicht  ohne  Verdienst. 


j|;2  fcflllMlMMfciillUM 

A«  t±  Iffm  *■  MisckcB  81«.  Bmrgk^räm  Pirat  Mi 
CTl^  s«  Tteia  Prot  6«ffr.  CmaH«,  1T«M^y*- 

4a  d.  April  n  MudM  StMCnath  MiiHiwilly  frfc /^  ti<ia- 

A»  ll^Aprü  a  DineMorf  CU.  jMÜmtk  l>r.  H«faaaa,W-l.  al^ 

UeteneCser  def  flhilrwpwira,  dar  PmIbm»  «aiVC  miMr  IVtrisi. 

Am  15.  April  M  Rm  Pirst  l>r.  PUitr«  Od«s«al«kip  Tümm  te 

arcbaeol«gisch«i  AlradiU  km  tti  Ukfli^* 

Ab  deaselbea  Tap  te  OffeabMli  a.  IL  l>r.  J«h.  6aw  MmlmmMrUw, 
gross.  Iiew«  fiofrath  «ad  UiapHAffir  aa  der  1— kafcafcb 

Im  April  so  Loaacs  der  Piadiger  Bd.  HileaiaaafJMkiiBail 
seine  Schrift  'Skakeepeare,  aeia  Gtut  aad  aeSae  WeriDa«. 

Am  10.  Mai  ia  Rom  P.  Giaaipetro  Seccki,  P^roi:  (~ 
nad  Litteratar  im  eollefio  Eoamao. 

Am  13.  Mai  ia  Warabaif  dmr  IKr.  dea  Jaliatlma^tala  aad  Kim£ 
Modicin  Dr.  Hora. 

Am  14.  Mai  in  Brniaa  der  Prof.  der  altdaaa.  litteratar 
aamkeit  Dr.  K.  K.  Ckriatopk  Sekaeider,  «äk.  fli 
Tkiringen  1786,  aeii  1818  Prof.  ia  Breelaa. 

Am  24.  Mai  ia  Pari«  dar  berikmta  GeacUcktacki^kmr  m 
Angnstia  Tkierry,  fek.  aii  2^J.  M^i  ]7.^, 

Am  28.  Mai  ia  Salsbara  Dr.  Ig a«  Tbanner,  Ebr^ndoinbcn-  nad  Bin 
der  philoeophifcken  Stadion^  geb.  dea  9.  Febr.  1790  ift  Mcustadt  m 
der  RoU. 

Am  29*  Mai  in  Paderborn  der  Prof.  und  Praefcct  aa  der  pbikfopblicli- 
tkeologiecben  Lehranstalt  Dr.  Job.  Fallenb^rg,  bekannt  dsrck 
mehrere,  namentlich  philoaophUeh«  Lehrbücher. 

Im  Mai  xa  Paris  der  Akademiker  Btoet^  berühmtem  Mailti;iß«lÜer  uad 
Astronom. 

Am  1.  Joni  zu  Gotha  der  hers.  Hofrath  ua4  Prot  ^ia  da«.  Gjameftbrn 
Dr.  E.  F.  Wfiatemanny  im  5ba  Leb«ii«jabre.  W&s  der  Verstor- 
bene den  Wissenschaftea  goMstetf  ktnut  jeder  in  der  phibiogt- 
schen  Litterator  aar  eiaigermaszen  bewandert«,  aber  der  Hermit«* 
geber  dieser  Zeitschrift  hat  dem  ibiu  steu  '»o  freundlich  cntgcf «zu- 
gekommenen ans  kenlickatar  Liebe  em  tiefbewegtem  Kat^e  ndcb- 
zomfen. 

Am  2.  Joni  za  Heidelberg  der  GA.  Rofr«  Prof*  der  Med.  Dr.  F.  A.  B. 
Pachelt,  im  72.  Lebensjahre. 

An  demselben  Ta^e  in  Königsberg  «Icr  PruL  Dr.  A.  v,  ßnchhol». 

Am  6.  Juni  der  Bischof  Ton  Gloce«t«r  und  BHi^Uil  Dr.  JaiueM  Helirj 
Monky  bekanntlich  Persona  NarbfMlgcr  lu  Cambridge  und  aui  bö* 
kanntesten  darek  adn  IttO  enchieiieui*«  L@bpti  Ut^tiüeya, 

Am  8.  Jaai  nach  laagaa  Leiden  der  Dir.  de«  f^ymna^iimiÄ  In  Hihtburg* 
haasen  Dr.  Rad.  Stiraabarg.  Eef.  bat  du  Jahr  aU  Cc»llrire 
desselbea  gaarbeitat  aad  kaaa  dpj«lj.itb  die  tiefen  und  vi.'  ^  r  i^ 
Kenntnisse  and  dla BraTbalt  des  ClmrakurA  als  Au^>^iri<-u^'  i 

Am  11.  Jani  la  Mfiachea  der  ala  |iuliii«cber  8ebrlfut4*lkr  iu...iii.^u^i 
bekannte  Prdr.  Rehmer. 

An  demselben  Taae  sa  Berlla  der  Prof.  ond  MilgEiod  der  AkademiiL^ 
Dr.  Prd.  Hainr.  r.  d.  Hagen,  geb.  d.  19.  F«br.  178)  ta  SchiDt^^ 
deberg  in  der  Uekermerk.  ^ 

Am  15.  Jiuii  ia  Kopeakagea  dmr  Prof.  der  Matkam«tik  aa'  dar  ddä. 
Unlr.  Dr.  Ramaa.  '    ^^ 


Zweite  Abtheilung 

hemugegebei  ?•■  Riiltlph  Dietsck 


29. 

lieber  die  platonische  Apologie  des  Sokrales. 


Das  Ziel  des  Gymnasialonterrichls  ist  die  Leetüre  der  ror- 
sQglichsten  altklassischen  litterarischen  Werke,  darch 
welche  und  bei  welchen  die  jangen  Leute  nicht  blosz  die  aaszere, 
sprachliche,  grammatische  und  rhetorische  BeschafTenheit  samt  dem 
Inhalte  nach  seiner  logischen,  aesthetischen  und  moralischen  Seite 
von  diesen  Schriften  kennen  nnd  würdigen ,  sondern  aach  den  darin 
harschenden  Geist  in  sich  aufnehmen  und  theils  ähnliche  Werke  schaf- 
fen, theils  Schriften  überhaupt  darnach  beurtheilen  lernen  sollen. 
Hierzu  ist  *das  betreffende  Sprachstudium  zwar  die  Thür ,  das  unum- 
gänglich nothwendige  Mittel  —  aber  nur  ein  Mittel  Wir  verkennen 
dabei  nicht  etwa ,  dasz  das  Sprachstudium  auch  an  und  für  sich  eines 
hohen  Interesses  werth  ist,  als  solches  auch  den  jungen  Leuten  hin- 
gestellt und  empfohlen  werden  mag;  es  hat  ja  zum  Gegenstande  die 
Wirkung  eines  inneren  menschlichen  treibens  nach  auszen  hin  und 
in  Folge  dessen  gewisse  äuszere  Erscheinungen  oder  menschliche  Her- 
vorbringungen, bewuste  oder  unbewaste,  die  sich  nach  gewissen  Ur- 
gesetzen  im  menschlichen  Wesen  ergeben;  aus  denen  daher  auf  den 
innern  durch  die  Sinne  nicht  wahrnehmbaren  Organismus  des  mensch- 
lichen Geistes  geschlossen  werden  kann.  Welche  tiefe  Blicke  läszt  es 
also  in  das  geistige  leben  und  weben  des  Menschen  thun,  abgesehen 
von  dem  Nutzen  fürs  praktische  Leben.  Allein  für  gewöhnlich  und 
namentlich  auch  im  Gymnasialunterrichte  ist  die  Sprachkunde  eigent- 
lich nur  ein  Mittel  zu  etwas  anderem,  eine  niedere  Staffel  zu  etwas 
höherem,  und  darum  vornehmlich  den  untern  Klassen  zum  erler- 
nen zuzuweisen  oder  bereits  zugewiesen,  ohne  dasz  sie  deshalb  in  den 
obern  aufhören  soll;  hier  soll  sie  vielmehr  zum  Schlusz  gedeihen,  und 
so  die  Möglichkeit  gewähren  zum  Verständnis  jener  Schriften.  Ich 
erkläre  mich  demnach  entschieden  gegen  die  Ansicht,  welche  das  er- 
lernen der  Sprachen   als  die  Tendenz  des  Gymuasialunterrichts  hin- 

iV.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed,  Bd  LXXIV.  Hft.  S.  27 


374  Ueber  Plato'*s  Apologie  des  Sokrates. 

stellt,  —  diese  ist  und  kann  nur  sein  eine  untergeordnete,  eine  Hfllfs- 
teodenz  so  zu  sagen  —  und  ich  habe  hierin  die  Beistimmung  des  Rec- 
tors  Schmid  in  Ulm,  der  für  unsere  Gymnasien  ebenfalls  nicht  *von 
bloszen  betreiben  der  Sprachstudien  das  Heil  erwartet'  (s.  dessen 
Progr.  V.  Jahre  1854  S.  17). 

Allein  jenes  Verständnis  der  altclassischen  Schriften  soll- auch 
nicht  ein  bloszes  oberflächliches  sprachliches  Verständnis,  ein  bloszes 
gewöhnliches  mit  Fertigkeit  geschehendes  übersetzen  und  erklaren 
der  Wörter  und  Realien  sein  und  bleiben,  sondern  einmal  ein  mög- 
lichst vollständiges  reproducieren  des  betreffenden  Werkes ,  d.  h.  ein 
genaues  eindringen  und  erfassen  des  Themas,  der  Architektonik  oder 
Anlage,  der  Ausfuhrung,  des  Zweckes,  der  Veranlassung  desselben, 
und  sodann  —  weil  auch  dieses  nur  einem  passiven,  quietistischen 
genieszen  ähnlich  sein  würde,  der  junge  Mensch  aber  die  Kräfte  sei- 
nes Geistes  nach  Möglichkeit  in  kräftigende  Bewegung  setzen  soll  — 
eine  wahre  palaestra  mentis  werden,  d.  h.  der  Gymnasiast  in  den 
höchsten  Klassen  soll  Anleitung  bekommen  sein  Urtheil  zu  schärfen, 
das  moralische  Gefühl  zu  läutern,  den  Geschmack  zu  verfeinern,  die 
Phantasie  zu  nähren,  überhaupt  den  Geist  so  zu  befruchten,  dasz  er 
nicht  blosz  in  den  Stand  gesetzt  wird  jedes  litterarische  Erzeugnis 
mit  Vortheil  zu  lesen  und  allseitig  zu  erfassen  und  zu  würdigen,  son- 
dern auch  überhaupt  eine  allgemeine  Bildung  nach  möglichst  vielen 
Seiten  hin  erhält. 

Was  insonderheit  die  Geschmacksbildung  anlangt,  so  hat  man 
merkwürdiger  Weise  in  neuster  Zeit  zwar  mehrfach  vor  einer  sol- 
chen Methode  gewarnt,  als  welche  nur  Anlasz  gäbe  zn  schöngeistigen 
Salbadereien  und  in  den  jungen  Leuten  Dünkel  hervorriefe.  Als  ob 
der  verständige  Lehrer  nicht  auch  hier  vorsichtig  sein  and  das  rechte 
Masz  einhalten  könne!  Und  als  ob  er  nicht  gerade  diese  Gelegenheit, 
gewöhnlich  die  einzige  sich  bietende,  benutzen  solle,  den  aesthelischen 
Sinn  der  Schüler  zu  bilden!  Warum  hat  in  unserem  Vaterlande  im 
I7n  und  18n  Jahrhundert  die  grosze  Geschmacklosigkeit  in  der  Litte- 
ratur  geherscht  trotz  der  häufigen  oder  alleinigen  Leetüre  der  alten 
Glassiker?  Weil  man  sie  nur  um  ihres  sprachlichen  äuszern,  um  der 
Wörter  und  Redensarten  willen  las,  das  aeslhetische  ganz  unberück- 
sichtigt blieb.  Erst  seitdem  ein  Gesner,  ein  Lessing,  ein  Herder  lernte 
und  lehrte  auch  an  jene  mustervollen  Schriften  die  Scala  des  schö- 
nen legen ,  erst  seitdem  ist  unter  den  Deutschen  die  rechte  Bahn  ge- 
fanden worden  und  ein  neues  klassisches  Zeitalter  in  unserer  Littera- 
tur  wieder  eingekehrt.  Wahrlich  doch  eine  recht  sprechende  Lehre 
der  Geschichte !  Wollen  wir  sie  unbenutzt  lassen? 

Nein!  wir  wollen  vielmehr  dieselbe  festhalten  zu  Nutz  und  From- 
men des  neuen,  emporsprossenden  Geschlechtes,  wir  wollen  die  alten 
Klassiker  nach  Möglichkeit  nach  allen  Seiten  hin  auszubeaten  suchen 
schon  auf  den  Gymnasien :  sie  tragen  ja  die  edelsten  Keime  in  sich 
zur  Befruchtung  des  jugendlichen  Geistes  fast  in  jeglicher  Hinsicht 
Mit  mir  stimmt  in  solcher  Beziehung  überein  der  Direotor  Sohmidl.ili 


lieber  Plato^s  Apologie  des  Sokrates.  375 

Wittenberg '^) ;  Mch  gehen  bekanntlich  die  Aasgaben  der  alten  Klas- 
siker, in  der  Haapt-Sanppe^schen  Sammlang,  auf  den  Zweck  aus,  indem 
sie  in  den  Einleitungen  za  den  einzelnen  Schriften  alle  die  Punkte  be- 
sprechen, welche  zar  vollständigen  Einsicht  und  Beurtheiking  dersel- 
ben nothwendig  sind.  Um  so  kürzer  kann  sich  der  Lehrer  fassen.^ 
Aber  vorbereitet  können  und  mögen  die  Schüler  auf  eine  solche  Be- 
handlung der  altklassischen  Schriften  werden  durch  die  in  den  nie- 
dern  Klassen  vorauf-  nnd  in  den  obern  Klassen  nebenhergehende  Lec- 
türe  moderner,  namentlich  vaterländischer  Werke;  sie  müssen  nur  auf 
dieselbe  Weise  gehandhabt  werden,  nnd  dazu  gibt  eine  ziemliche  An- 
zahl von  Lehrbüchern,  z.  B.  von  Götzinger,  Viehoff  u.  a.,  die  treff- 
lichste Anleitung. 

Eine  Schrift  aus  dem  AKerthume,  die  es  vor  allen  andern  ver- 
dient von  der  Jugend  in  der  höchsten  Klasse  der  Gymnasien  gelesen, 
die  aber  aus  mehr  als  einem  Grunde  es  erheischt  so  behandelt  zu  wer- 
den, damit  sie  durch  und  durch  verstanden  und  richtig  erfaszt  sei  und 
dem  jugendlichen  Geiste  die  rechte,  allseitige  Ausbeute  gewähre,  ist 
die  platonische  Apologie  des  Sokrates.  Mit  ihr  wollen  wir  uns  jetzt 
des  weitern  beschäftigen;  denn  trotz  dem  dasz  sie  so  oft  herausgege- 
ben, so  vielfach  übersetzt  und  mit  Einleitungen  und  Erläuterungen 
ausgestattet  worden  ist,  sind  doch  manche  Punkte  näher  zu  beleuchten 
und  schärfer  zu  bestimmen.  Und  sie  gerade  gibt  zu  manchen  Be- 
trachtungen und  Erörterungen  Anlasz,  zu  denen  man  sonst  nicht  oft 
herausgefordert  wird. 

Die  Schrift  gehört  der  oratorischen  Litteratur,  indem  sie  die  Form 
einer  Rede  hat,  und  zwar  die  einer  apologetisch-gerichtlichen  {Xoyov 

Sie  ist  ihrem  Inhalte  nach  das  klare  Spiegelbild  eines  edlen 
Greises,  eines  weisen,  der  ohne  alle  Rücksichten  auf  irdische  Güter  in 
dem  Streben  nach  Weisheit  und  nach  Verbreitung  derselben  unter 
seinen  Mitmenschen  und  in  dem,  wenn  auch  vermeintlichen,  Dienste 
eines  Gottes  ergraut,  angeklagt  ist  von  einigen  hochmütigen,  dün- 
kelhaften Männern  wegen  Vergehungen,  deren  er  sich  gar  nicht  schul- 
dig gemacht,  auf  eine  Weise,  dasz  er  sich  in  ihren  Reden  und  Darstel- 
lungen seiner  Person  gar  nicht  wieder  erkennt  (c.  1  p.  17  A)  und  nun 
im  Bewustsein  dieser  Schuldlosigkeit  und  im  edelsten  Selbstgefühle 
gegenüber  seinen  Richtern,  die  in  Athen  —  zur  damaligen  Zeit  we- 
nigstens —  kaum  den  Namen  von  Richtern  verdienten  (vgl.  Xenoph. 
Apoi.  %  4.  Memor.  IV  8  ö) ,  sich  mit  gröster  Seelenruhe  vertheidigt, 
so  vertheidigt,  dasz  er  nur  die  reine  Wahrheit  spricht  (c.  1  p.  17  B. 


*)  Vgl.  dessen  Bemerkungen  in  d.  Zeitschr.  f.  d.  Gymnasialwesen. 
IX.  Jahrg.  Junibeft  8.  433.  Es  wäre  nur  zu  wünschen  gewesen ,  der- 
selbe hätte  bei  jener  Gelegenheit  nicht  blosz  eine  genaue  Skizze  des 
Inhaltes  und  des  Ideenganges  des  platonischen  Dialogs  Kriton  gegeben, 
sondern  nun  eben  auch  sein  Urtheil  darüber  in  sprachlicher,  logischer, 
aesthetischer ,  moralischer  Hinsicht,  damit  andere  seinem  Beispiele 
nachgehen  lernten. 

27  ♦ 


j*g  l'thtT  Pia!*/«  AfKrWwK  iks  Sokraici. 

i.'a«w  ^  «V^  ^'^'^  rc<:C'c  rrJresr  t^j  cit/^a«v:  ^fWc.  5  p.  9D  D.  cl 
10  p.  24  '^'  c-  -i  fr'  -^^  ß  »  ^^-  (-  ^  P-  ^  A.).  H^  »  keiMS  CBlek- 
reihien  Mj^zrezda  oie  hicät«r  la  rubres  kcrablii^it  (c.  S  p.  5#  C 
«qql.  i>  *y*-i^tn  UD:e?.  >:cb  über  sie  Moral^seb  erkabea  fiklead,  nck 
Dicht  «Leai  Belehrcs^rS  zo  reben,  sie  »  ikre  nickt  tm  mwmtn 
(c.  1  p.  1?  A.  c.  tr  f.'ykE.^  B.  c.  34  p  ^3  C).  aar  die  Gefahr  kii, 
>e:b«t  mit  dem  Tode  bt«traft  z«  werden,  des  er  iadeMCB  gar  aiclrt 
f  jri.h(rt.  ]:erio2cr  acbte:  al«  ein  oii«itltiche5.  eitebreades  haadela  md 
«o?ar  «e:ritrr«cit9  für  ein  ijlick  hält,  da  er  bereits  eia  aller  Vaa«  «ei 
üL«:  li-Lrtii  «icD  Tvi  nuiit  bl<.*«z  «on  den  Mübseli^keiten  dieses  Lebeas 
ttfrrit.  s'jD>iern  auch  ciclit  oD^^ahrscheiDiub  za  hOherea  Freadca  ga- 
IdHiT-n  wrr.ie  ■  c.  J6  ^q.  p.  2?  B  sqq.  c.  i»  sq.  p  32  A  s^q.  c.  S  p. 
)M  k.  c.  29  >qqj.  der.  als  er  sieb  selbst  scioe  eigene  Strafe  diciiercB 
^i^lL  äiese  bücbsteos  auf  trine  gerinc^e  Geld<amine  festselit,  eigcaüidl 
aber  eher  eiue  Auszei^hnunf.  eine  BelohnuDs  beanspracbl  (c.  20 sqq.), 
und  der  sm  überhaupt  eine  seltene  Geistesstirke  ond  Seeleagrdsu 
kund  ^ibt  (Asl.  Xenoph.  apolo?.  $  33.  Memor.  IV  $  1  sqq.).  Die 
Ailfs,  verbunden  mit  dem  Gedanken  an  das  tragische  Ende  des  ] 
macht  den  Inhalt  der  Kede  im  hoben  Grade  anziehend,  erfälll  die  Le- 
ser eines  Theiles  mit  irrOster  llocbachtunär  pesen  den  weisea  aad  Mit 
Wehmut  über  sein  unverdientes  Schicksal,  andern  Theile  aül  Verack- 
tunsr  und  UnHÜleu  gegen  die  elenden  Richter  und  musi  dergestalt  aaf 
ei»  unverdorbenes  jugendliches  Gemüt  einen  äusserst  tiefea  aad  wol- 
thatigen.  unversiegburcn  munilischen  Kindruck  machen.  Sekr  waiv 
und  treiTend  sagt  daher  k.  Fr.  Hermann  im  Summarium  der  Teabaer'*- 
sehen  Ausg.:  ^  Divina  profccto  haec  oratio  est,  qna  Plalo  Soerateai 
se  corani  iiidicibus  defendcntem  fecit;  spirat  enim  per  ean  adaürabi- 
lis  quacdam  animi  magnitudo,  e  recti  honestique  conscienlia  profecia; 
regnat  in  ea  generosa  et  magnifica  superbia ,  quae  humana  onaia  coa- 
temnit  ac  despicit;  dominatur  hie  prorsus  pius  qnidam  alqoa  religio- 
SMS  sensus,  quo  is,  qui  vcrba  facit,  adeo  pcrfasas  est,  at  aoo  taataai 
exislimet  sed  plane  credat  ac  propcmodum  sential,  sibi  ab  ipso  deo 
id  nuineris  dalum  fuisse.  nt  virlutis  ac  sapientiae  causam  inier  cives 
suüs  sustentarel  alque  promoverct.  Hanc  igilur  orationem  iteraai  ite> 
runiquo  legant,  qui  imaginem  viri  vere  sapienlis  mentis  quasi  oealis 
intueri  et  admirari  velint.' 

Und  dieser  Eindruck  wird  nicht  geschmälert,  im  Gegentkeil  er- 
höhet durch  die  Architektonik  des  inncrn  und  durch  die  iassere 
sprachliche  Form  der  Schrifl.  Beide  sind  im  ganzen  höchst  eiafaeh 
und  kunstlos,  und  geben  in  solcher  Beziehung  ein  sprecbeades  Zeagnis 
ab  für  den  Charakter  eines  die  Schlichtheit  im  Ausdrucke  und  im  Le- 
ben liebenden  Mannes.  Derselbe  will  hier  einfach  die  einfache  Wahr- 
heit darstellen:  dieses  Ziel  wird  auch  gleich  im  Anfange  der  Rode  an- 
gekündigt (c.  1  p.  17  B  sqq.).  Die  Anordnung  des  StoflTes  ist  nicht 
ohne  Logik  —  der  Einf^ang  sich  leicht  anschmiegend  an  die  Re- 
den der  Anklager,  die  llauptpartition  in  der  eigentlichen  Rede  saoh- 
gemiisz  —  der  Gedankengang  jedoch  auch  nicht  so  streng  logiseb^ 


lieber  Plato^s  Apologie  des  Sokrates.  377 

dasi  man  in  dieser  Hinsicht  aberall  vollendete  Kunst  erblickte,  die 
man  auch  nicht  erwarten  soll  und  darf.  So  fehlt  es  z.  B.  nicht  an 
Wiederholungen  (c.  10  p.  33  C;  c.  4  p.  19  E,  c.  18  p.  31  C,  c.  21  p. 
33  AB) ;  die  zwei  Puncto  der  eigentlichen  Anklage  (vgl.  Phavorin.  6. 
Diog.  LaSrt.  II  5  §  19  40.  Xenoph.  Memor.  I  1  1.  Apolog.  §  10)  sind 
umgekehrt  (c.  21  sqq.  p.  24  B  sqq.),  also  nicht  diplomatisch  treu  ge- 
geben und  abgehandelt.  Ebenso  wird  man  nicht  selten  einer  gewissen 
redseligen  Breite  begegnen,  die  aber  gerade  ^em  Greise,  dem  die 
Rede  in  den  Mund  gelegt  ist,  wol  ansteht;  oder  einer  niederen  Be- 
weisführung, einer  Beweisführung  ad  hominem,  die  einem  selbst  ein 
Lächeln  abnöthigt  (vgl.  c.  4  p.  20  A  sqq.  c.  15  p.  27  B  E.  c.  18  p.  20E  *). 

Was  das  sprachliche  im  eigentlichen  Sinne  anlangt,  so  ist  der 
Stil,  der  in  der  Schrift  herscht,  meistens  gleichermaszcn  angemessen 
dem  biederen,  einfachen,  schlichten  Charakter  und  dem  Greisenalter 
des  Sokrates,  also  ebenfalls  einfach,  schlicht,  ungekünstelt  im  allge- 
meinen, wie  er  denn  auch  gleich  im  Anfange  (c.  1  p.  17  B  ov  —  xaA- 
Xie7ti]fAivovg  ya  koyovg  —  ^fiaaC  xb  nctl  ovoiiaatv  aide  KeKoaiirjiiivovg 
aXk^  afwvasa^e  slTijj  Xeyofuva  xolg  htvtv%ov6iv  ovofiaac)  sich  so  an- 
kündigt. Nur  einige  male  ist  der  Verfasser  von  dieser  Bahn  abgeirrt, 
indem  er  zu  lange  und  zu  verwickelte  Perioden ,  seihst  mit  Hintan- 
setzung der  grammatischen  Correclheit  construiert  hat  (c.  1  p.  17  D  sq. 
c.  4  p.  19  D  sq.  c.  16  p.  28  C  sq.  c.  17  p.  28  E.  p.  29  C  sqq.  c.  23  p. 
35  A).  Auch  finden  sich  Wörter  kurz  hintereinander  zu  oft  wieder- 
holt (c.  1  p.  17  B  Xiystv  —  Xiyovxa  —  Xiyovaiv;  c.  5  p.  20  D  sq. ; 
c.  6  p.  21  D.  c.  16  p.  28  A  sq.;  c.  17  p.  29  A  sq.  c.  18  p.  30  C  sq.  c. 
16  p.  2S  A.  c.  32  p.  40  D  sq.)  und  ^ine  Art  Uebergange  viermal  in  der 
Hede  (c.  5  p.  20  C.  c.  16  p.  28  B.  c.  19  p.  31  C.  c.  23  p.  34  C). 

Trotz  der  oben  erwähnten  Einfachheit  des  Stiles  fehlt  es  doch 
auch  nicht  an  mancherlei  Schmuck  im  Ausdrucke,  an  sogenannten 
rhetorischen  Figuren,  als  an  Gegensätzen  und  Wortspielen  (c.  1  p.  17  B 

TO  firj  alö%vvd'ijvat tovto  ^oi  edo'^ev  avtav  avaiöxvvto- 

taxov  elvai;  ebendas.  ÖBtvov  —  Xiyeiv  zov  xaXri^rj  Xiyovxa  vgl. 
c.  18  p.  31  B.  c.  1  p.  17  D.  ^ivmg  und  l^ivog;  D.  avmei^ov  —  ns- 
TtsKSfiivot  äXXovg  ftsl^ovxsg;  c.  9  p.  23  A  sq.  aotpog  und  ao(pla  in 
mehrfacher  Bedeutung;  BC.  ccöxoXlag  —  axoXri\  c.  11  sqq.  p.  24 
C  sq.  p.  25  C.  (liXsiv  und  MiXrixog;  c.  13  p.  25  C.  ot  fihu  novi]- 

Qo\  KUKOv  xt o£  d* ccya^ol  ayu%6v  xi.    D.  ot  ^hv  xa%ol 

Kaxov  xt  —  ot  d* aya^ol  aya^ov^  c.  17  p.  30  B  xal  iöla  xal 
dri(ioalcc  n.  a.  mehrere  Wörter;  c.  19  p.  32  A.  iötoDXSvetv  — 
aXXa  [iri  druioötevBiv;  c.  22  p.  34  B.  MeXrjto)  fieu  i\jBv8oiihGi^ 
ifiol  dh  aXrfiavavxt,    c.  23  p.  33  B.    ot  öiatpiqovxBg  ^A^ipfaicau 


♦)  Das  Wort  fivco^  in  dieser  Stelle  ist  weder  bestimmt  mit  den 
meisten  Aaslegern  für  Sporen  zu  nehmen,  noch  mit  Stallbaura,  König- 
hülF  (Programm  v.  Münster  1850  p.  XXff)  u.  a.  für  ^Bremse',  sondern 
zweideutig:  es  kann  für  beides  genommen  werden,  und  darin  be- 
steht eben  das  witzige,  das  lächerliche  daselbst. 


j^-j^  Deber  Plato's  Apologie  des  Sokrates. 

lie  ope^^ ovTOi  yvvaixav  ovdiv  6iafpi^ovö$i  c.  24  p.  S6  C. 

i»lt^iv  —  i^iteo&aii  c.  1  p.  lä  A.  id^y  —  ßuHmP'^  c  1-p.  19 
A.  iv  ^olla  igova  —  iv  ovra^g  oliya  z^ovo,  vgl-  c  10  p.  1#  A. 
tavtfiv  Tf/v  6iaßolijv  i^fliödai  iv  ovT&g  ouytß  Jfiovm  4mm  sol- 
l^v  yeyowuiv,  c.  27  p.  37  B.  iv  igova  oliy&  iitymlag  dtafialms 
ä:zo).v£G9ui,i  c.  29  p.  39  A.  laleriov —  ^avatov  impvyuv  illi 
^olv  xakt:ior£gov  :tovrfgiav  und  gleich  daraef:  ß^a6vg  — 
ßoadvriQOv  und  oitig-^  t.  27  p.  37  D.  arrcÄcrvi*«  —  i^tkm^i; 
c.  2^  p.  3!)  A.  6  ävi^iraaiag  ßiog  ov  ßiaioc  ar^poxfi»;  e.  19  p.  38  C. 
:t6f)o(a  Tor  ßiov.  ^uvarov  de  iyyvg-^  c.  31  p.  40  A.  vitag  —  SiMoauig 
xakav  GQ&ag  av  xaÄoiTjv;  c.  33  p.  41  C.  ivd^l  aya^  nuMOP 
ovdlv  ovTt  ifovTi  ovxB  xelevTiiöavTi:  p.  42  A.  iiM  ftiv  anm^a* 
vovaivfp^  vfLiv  61  ßuMSouivotg).  Eine  dreifache  AlliteralioB  €.29 
p.  39  A.  (.Toi'};p/a;  Oarrov  9avaiov  9ei\  Häafangen  von  SyMMyBM: 
c.  1  p.  17  B.  ov  —  nBKalkurtrifiivovg  vc  Äoyovg  —  ^iqiiaai  t9  Muowo- 
fiaöiv  ovdi  y,iy.oaurfUirovg:  C.  xovzo  vuwv  öiouai  xoi  xaffkiuu.  p.  18 

A.  xovTO  GY-ndv  y.ul  xovxta  xov  i'ovv  ^iQOciisn'.  c.  4  p.  20  C.  iM/Blifh 
vour^v  x£  ymI  vßovv6ai\v  av\  c.  5  p.  20  D.  x6  xi  ovOfM  xw  n|v  du- 
ßoli^v;  c.  9  p.  26  A.  xakeTcdiuTai  xal  ßagiiuiat:  B.  ^i^ci  xccl  i^ernm; 
c.  10  p.  24  A.  a:tOKQvi;,'du£vog  —  vrtoGxauMuavog;  c.  11  p.  34C.  d»NH 
duluv  xal  xifdsaJai:  c.  14  p.  26  E.  ißgiaxi^g  xal  axoltMTOg^  —  ^^§9^ 
xivl  xal  uxülaaUt  y.al  isoxrixi;  c.  17  p.  29  D.  uarta^otiai  xai  ^li«;  B. 
ovx  irTiusur  ovdi  ^ooitx'JcIJ  —  a(pi]a(o  error  ovo  arccffu^  —  ^9V^ 
(lat  avzbv  xal  i^txdöG)  xal  ikiy^(o\  c.  l!>  p.  30  E.  vudg  iydffnv  meI 
mlOcüv  xal  uv£i6i^(ov  und  schon  vorher;  c.  23  p.  34  C.  edci^Oi}  xi  meI 
ty.ixivae;  E.  «r  orr  aiij^f^^  m  ovv  riftiöog;  c.  27  p.  37  D.  ro^  i^M£ 
diaroißag  y,al  xovg  koyovg ;  c.  29  p.  39  B.  deitvl  xal  o^eig  n.  fftOX^hy- 
glav  y.al  ddixiav  u.  a. ;  Anwendung  des  Polysyndctoo  (c.  4  p.  19  E. 
c.  J.J  p.  20  E,  c.  17  p.  29  E,  c.  20  p.  32  B,  c.  22  p.  33  C.  E  sq.,  o.  S3 
p.  24  E,  c.  2^)  p.  36  ß,  c.  29  p.  38  D,  c.  32  p.  41  A  u.  B  n.  C),  der 
Frage  und  des  Selbsleinwurfs  (c.  5  p.  20  C,  c.  6  p.  21  B,  c.  16  p.  98 

B,  c.  17  p.  2i»  B  u.  C,  c.  22  p.  33  i\  p.  34  B,  c.  23  p.  34  D,  o.  36  p.36 
B,  D,  c.  27  p.  37  B  u.  C,  c.  28  p.  37  E,  c.  32  p.  40  E,  p.  41  B  sq.)  ■.  a. 

Zu  bemerken  ist  noch,  dasz  einzelne  Puncto  theils  zu  kari  aa- 
gedeutet  und  nicht  ausgeführt,  theils  ganz  übergangen  sind,  wie  wir 
aus  den  Meniorabiiien  und  der  Apologie  des  Xenophon  abnehsei. 
Dahin  gehurt:  1)  dasz  Sokrates  in  seiner  wirklich  gehaltene«  Ver- 
tlieidigungsredo  zum  Beweise,  dasz  er  wol  an  Götter  glaube ,  darauf 
hiii^^ewies^en  habe,  wie  er  geopfert  (Xenoph.  apolog.  §  ll),  fener 
darauf,  wie  er  stets  etwas  auf  die  Mantik  gegeben  (Xenoph.  ebendas. 
<^  12  19,  vgl.  Memor.  I  1  3  sqq.);  2)  dasz  er  sich  naher  aaf  den  Vor- 
wurf, er  verderbe  die  Jugend  in  der  Art,  dasz  er  die  Söhne  gegen  ihre 
Vüler  und  Verwandten  aufwiegle,  die  bestehenden  staatlichen  Einrich- 
tungen den  jungen  Leuten  lächerlich  mache,  und  diese  daher  lu  schäd- 
liclien  oder  gefährlichen  Bärgern  verbilde,  wie  das  Beispiel  eines  Kri- 
tons  und  AIcibiades  zeige  (Xenoph.  apolog.  §  19  sqq.  Blemor.  13  9 
£»(](]. ).  cin;;,a'lasseu ,  3)  dasz  er  sich  auf  seineu  moralisch  reinen  Cba- 


lieber  Plato^s  Apologie  des  Sokrttes.  379 

rakter  und  Lebenswandel  berufen  (Xenoph.  apolog.  §  16  sqq. ,  vgl. 
Memor.  I  3  sqq.).  4)  dasx  er  sich  des  Lykurgs  als  Beispiels  bedient 
habe,  wie  der  delphische  Gott  auch  früher  schon  Menschen  geehrt 
(Xenoph.  apolog.  §  15),  ö)  dasz  Plato  nicht  erwähnt,  inwiefern  S.  die 
liedner  beleidigt  habe,  in  deren  Namen  Lyko  wider  ihn  aufgetreten 
war  (c.  10  p.  24  A),  während  er  doch  die  Sache  mit  den  Dichtern, 
den  Handwerkern  und  den  Staatsminnern  ausfährlich  durchgeht.  End- 
lich ist  auffallend,  wenn  es  hier  in  der  vorliegenden  Schrift  heisit 
(c.  28  p.  38  B),  Sokrates  habe  den  gerichtlichen  Handel  selbst  abge- 
schätzt auf  die  Geldsumme  von  einer  Mine  oder  höchstens  von  30  Mi- 
nen Silbers  unter  Bürgschaft  mehrerer  seiner  Schüler,  während  doch 
Eubulides  (bei  Diog.  Laärt.  a.  a.  0.  §  21  41)  100  Drachmen,  Diogenes 
von  Laärtes  (a.  a.  0.,  nach  welcher  Quelle,  ist  ungewis)  nur  25  Drach- 
men angibt  and  Xenophon  (apolog.  §  23  nach  Hermogenes  Aussage) 
gar  sagt,  Sokrates  habe  weder  selbst  seinen  Process  abgeschätzt  noch 
denselben  durch  seine  befreundeten  abschätzen  lassen. 

So  viel  über  die  Rede,  an  und  für  sich  betrachtet;  wir  gehen 
jetzt  über  zu  den  Verhältnissen,  in  welchen  sie  zu  dem  Schriftsteller, 
und  sodann  zu  dem,  der  da  redend  eingeführt  ist,  zu  Sokrates  selbst 
steht. 

Die  Abfassung  derselben  wird  im  Alterthume  allgemein,  ohne 
Widerrede,  dem  Plato  zugeschrieben,  und  wir  haben  keine  Gründe, 
sie  ihm  abzusprechen.  Die,  welche  Ast  in  neuerer  Zeit  aufgestellt, 
sind  längst  als  stumpf  und  ungenügend  erkannt  worden  und  können 
für  immer  als  beseitigt  betrachtet  werden.  Dt  ist  denn  aber  nun  zu- 
vörderst die  Frage  die:  was  hat  den  Plato  veranlaszt  die  Schrift  ab- 
zufassen? Die  Antwort  ist  nicht  so  leicht,  da  der  Verfasser,  wie  fast 
alle  Schriftsteller  des  Alterthums  gethan,  sich  nirgends  über  diesen 
Pnnct  ausgesprochen  hat.  Zum  Glück  haben  wir  in  einigen  andern 
Schriften  einige  Andeutungen.  Zuerst  begegnet  uns  ein  sonst  ziemlich 
obscurer  und  auszerdem  seiner  Glaubwürdigkeit  halber  eben  nicht  im 
besten  Rufe  stehender  Historiker,  Namens  Justus,  gebürtig  aus  Tibe- 
rias  in  Galilaea ,  welcher  nach  Diog.  Laert.  (vit.  Socr.  II  6  20)  er- 
zählte'^): ^als  der  Process  des  Sokrates  in  Athen  verhandelt  wurde, 
bestieg  Plato  die  Rednerbfihne  und  begann  also :   ^^  Obschon  ich  der 

jüngste  bin  unter  denen,  die  auf  die  Rednerbühne  heraufgestiegen ^'. 

Da  riefen  die  Richter:  ^^herabgestiegen''!  —  Und  so  hat  Plato  denn 
natürlicher  Weise  nicht  weiter  sprechen  dürfen.  Man  hat  den  Bericht 
in  neuerer  Zeit  angefochten ;  indessen  er  findet  jetzt  seine  volle  Be- 
stätigung in  den  vor  kurzem  bekannt  gemachten  Schollen  des  01ympio< 
dor  zum  Gorgias  des  Plato**),  wo  dieselbe  Geschichte  erzählt  wird, 
und  zwar  mit  einigen  Verindernngen,  aus  denen  hervorleuchtet,  dasz 


*)  Vgl.  Creuzer  in  den  theolog.  Studien  und  Kritiken.  Jahrg.  1853 
I.Hft.  S.56ff. 

**)  In  diesen  Jahrbb.  Supplementb.  XIV.  3.  Hft.  8. 392  f. 


380  lieber  Plato's  Apologie  des  Sokratei. 

der  Verfasser  eine  andere  Quelle  als  Justus  vor  Augen  gehabt  haben 
müsse.  Hier  heiszt  es :  ^  dasz  Plato  noch  jang  war  [damals ,  als  sein 
Lehrer  Sokrates  zum  Tode  verurtheilt  ward],  geht  hervor  aus  dem, 
dasz  er  deu  Sokrates  vertheidigen  wollte.  Er  stieg  also  auf  die  Red- 
nerbüline  und  hub  an,  er  wäre  der  jüngste  zu  reden.  Da  ward  ihm 
abtr  nicht  gestattet,  etwas  des  weiteren  zu  sagen,  sondern  kaum  hatte 
er  jene  Worte  gesprochen,  so  schrieen  sofort  alle  insgesamt:  ** her- 
unter! herunter!"  —  Dasz  Plato  bei  der  Verhandlung  des  Frocesses 
wirklich  zugegen  gewesen  ist,  erhellt  auch  ausdrücklich  aus  swei 
Stellen  der  platonischen  Apologie  selbst  (c.  22  p.  34  A  u.  c.  28  p. 
38  B),  wo  er  als  anwesend  aufgeführt  wird.  Um  aber  öffentlich  als 
Redner  auftreten  zu  können,  dazu  gehörte  das  volle  dreisxigste  Le- 
bensjahr. 

Es  blieb  mithin  dem  jungen  Manne,  den  ein  inneres  Gefühl  ge- 
trieben hatte,  für  den  geliebten  älteren  Freund  aufzutreten  und  sa 
sprechen,  die  Rede  gleichsam  im  Munde  stecken;  unbefriedigl  wird 
er  die  Gerichtsversammlung  verlassen  haben ,  und  zugleich  im  höeh- 
sten  Grade  empört  über  die  Richter ,  die  den  schuldlosen  verdammt 
hatten,  verdummt  hauptsächlich  deshalb  (vgl.  Diog.  La£rt.  a.  a.  0. 
§  4*2.  Xenoph.  apolog.  §  1  u.  32) ,  weil  er  im  Selbstbewustsein  seiner 
Unschuld  und  seiner  sittlichen  Ueberlcgenheit  ungescheut  ihnen  die 
Wahrheit  gesagt  und,  statt  sich  vor  ihnen  zu  demüthigen,  ehrenhaft 
von  sich  selber  gesprochen  hatte  {ueyuXvveiv  iavxov^  (Acyalifyoffla), 
Sehr  wahrscheinlich  werden  die  Richter  diesen  letzten  Punct  beson- 
ders auch  nachmals  geltend  zu  machen  gesucht  haben  im  Publiouai, 
um  sich  und  ihr  Verdammungsurtheil  zu  rechtfertigen. 

Voll  von  diesen  Gedanken  und  Gefühlen  w  ird  Plato  sich  gedrun- 
gen gefühlt  hüben,  seinen  Lehrer  anderweitig  zu  vertheidigen  auf  eine 
Weise,  die  ihm  nicht  konnte  gehindert  werden,  vor  dem  ganxen 
Publicum,  auf  litterarische ni  Wege,  die  ihm  schuldgegebene  Me- 
guleij^orie  ins  wahre  Licht  zu  setzen  und  zu  zeigen,  wie  dieselbe  kei- 
neswegs übertrieben  und  an^löszig,  sondern  ganz  wol  begründet  ge- 
wesen sei.  Retten  freilich  konnte  er  denselben  nicht  mehr:  wol  aber 
vermochte  er  dem  gröszern  Publicum  eine  bessere  Ueberzeuguag  bei- 
7jibringen,  dasz  er  unschuldig  den  Tod  erleide  oder  kürzlich  erlitten 
hübe  (s.  im  folgenden).  Man  darf  annehmen ,  dasz  den  Plato  bei  sei- 
nem noch  jugendlich  frischen  und  unverdorbenen  Sinne  für  Recht  und 
Gerechtigkeit  das  unvcrnünfligo,  wenn  schon  auszerlich-  oder  bnch- 
stublich- gesetzliche  oder  das  dem  alten  herkommen  im  attischen  Ge- 
richtswesen gemäsze  der  Verurtheilung  *)  des  schuldlosen  wird  be- 


*)  Daher  eben  ui  früherer  wie  in  neuster  Zeit  mehrere  Bnchatahen- 
iii(;ii>clien  oder  geistig  abgesteifte  Rcchteigelehrte  diese  Verurtheilung 
^anz  in  der  Ordnung  befunden,  verthcidigt  haben.    Aber  'hanc  [oratio- 

iioin] ii  studiuse  Icgant,  ciui  nuper  Socratcm  tani(]nam  civem  impro- 

f>iiiii  et  a  patriae  rnritate  umnino  alienum  nierito  capitis  suppliciu  aAec- 
uiiii  esäc  vociferuti  sunt,  uc  tandoin  reaipiscant.  Ita  enim  intelligent,  hoc 
i|>.>um  l'uisi^e  saepenumero  scelu»  gentium  atque  piaculum,  quod  meliora. 


Ueber  Plato^s  Apologie  des  Sokrates.  881 

fremdet  und  aufs  tiefste  ergriffen  haben,  gerade  wie  den  Xeoophon,' 
der  ja  aus  gleichem  Grunde  seine  Memorabilien  geschrieben  (Memor. 
111  TtokluKig  i^avfiaca  %xX,  2  1  ^avftaiTrov  di  fpulvtvuL  fioi, 
xtA.).  Also  ein  schwer  verletztes  gesundes  und  lauteres  Rechtsge- 
fühl,  verbunden  mit  dem  innigsten  Gefühle  der  Hochachtung  und  Dank- 
barkeit gegen  seinen  Lelirer  wird  ihn  getrieben  haben  das  vorliegende 
Wort  anzufertigen.  Wahrlich  ein  edler  Zweck,  auf  den  unsere  Jugend 
bei  der  Leetüre  desselben  hinzuweisen  wol  der  Mühe  verlohnen  dürfte! 

Sicherlich  hat  Plato  die  Rede  unverzüglich  oder  gar  wenige  Zeit 
nach  des  Sokrates  Verurtheilung  niedergeschrieben,  da,  wo  noch  die 
Eindrücke  des  Vorgangs  recht  frisch  bei  ihm  waren.  Daher  eben  die 
Frische,  die  aus  der  ganzen  Schrift  entgegen  weht!  Diese  Annahme 
ist  auch  darum  wahrscheinlich,  weil  Plato  kurz  nachher  Athen  verlas- 
sen  und  lange  Jahre  in  der  Fremde  zugebracht  hat  (Laärt.  Diog.  III  7 
§  8  6).  Wie  hätte  er  alles  sich  so  gut  merken  und  so  lebendig  dar- 
stellen können,  wenn  er  nachmals  erst  die  Schrift  verfaszt?  Und 
welche  Veranlassung  dazu  könnte  man  dann  annehmen?  Ferner  wel- 
chen matten  Erfolg,  welche  Gleichgiltigkeit  hatte  der  Autor  da  zu  er- 
warten gehabt,  nachdem  das  eigentliche  Factum  schon  so  lange  vorbei 
war !  So  aber  können  wir  wol  des  Glaubens  sein ,  dasz  die  Schrift 
auf  die  Athenienser  keinen  geringen  Eindruck  wird  gemacht  haben, 
und  vielleicht,  oder  gar  sehr  wahrscheinlich,  hat  sie  dazu  beigetra- 
gen, in  der  Stadt  ein  umschlagen  der  öffentlichen  Meinung  in  der  Art 
herbeizuführen,  dasz  sehr  bald,  was  in  der  That  geschehen  sein  soll, 
seine  Anklager  bestraft,  er  selbst  durch  eine  eherne  Bildsäule  von 
Lysippus  Hand  geehrt  wurde  (Diogen.  a.  a.  0.  §  23  43). 

Ist  diese  Voraussetzung  gegründet,  so  hat  Plato  die  Rede  als 
ein  junger  Mann  von  29 — 30  Jahren  geschrieben,  woraus  sich  wieder 
theils  noch  mehr  jene  wahrhaft  jugendliche  Frische,  die  das  ganze 
durchweht,  theils  aber  auch  die  oben  bemerkten  Mängel  erklären  las- 
sen :  sie  zeugen  von  noch  nicht  völliger  rhetorischer  Durchbildung. 

Nun  knüpft  sich  indes  wol  bei  jedem  an  das  obige  die  Frage : 
warum  hat  der  Schriftsteller  nicht  seine  eigene  Rede  gegeben ,  die  er 
doch  hat  halten  wollen?  Warum  legt  er  das  ganze  dem  Sokrates  in 
den  Mund?  Offenbar  um  dem  Werke  mehr  Kraft,  mehr  Gewicht  zu 
verleihen.  Als  ein  zu  junger  Mann  war  er  im  Gerichte  mit  seiner  Ver- 
theidigung  nicht  angekommen;  das  gröszere  Publicum  hatte  vielleicht 
die  Sache  von  demselben  Gesichtspuncte  angesehen.  Darum  also  diese 
Einkleidung ! 

Allein  das  nöthigt  uns  einen  ganz  andern  Standpnnct  bei  Beur- 
theilung  der  Schrift  einzunehmen,  als  wenn  Plato  sie  aus  sich  gespro- 
chen hätte:  wir  fühlen  uns  dadurch  berechtigt,  einen  durchaus  ver- 


quac  ipsis  offerrentnr,  utpote  cum  morum  et  institutorain  snoruni  rationi- 
bus  pugnantia,  non  tantum  temcre  repudiarunt,  sed  indignis  modis  ob- 
fascarnnt  pessimeoue  habuerunt.'  So  K.  Fr.  Hermann  a.  a.  O.  Dem  Leh- 
rer unserer  Jugend  sei  hier  eine  Nutzanwendung-  empfohlen. 


382  lieber  Plato^s  Apologie  des  Sokrttei. 

schiedenen  NaszsUb  aniulegen.  Die  Frage  ist  nenlioh  nno  die:  bei 
Plato  den  Sokratcs,  den  er  redend  eingeführt,  in  Besag  anf  dan  Gehalt 
wie  auf  die  äuszere  Form  so  sprechen  lassen,  dasz  wir  glaabeo  kön- 
nen oder  glauben  dürfen ,  der  weise  habe  in  der  Thal  so  gesprochen 
oder  der  Idee  nach  so  sprechen  müssen?  Hit  andern  Worte:  hnt  der 
Schriftsleller  genau  die  gerichtliche  Rede  seines  Meisters  copiert^  oder 
hat  er  nur  einzelnes  benutzt,  oder  hat  er  vollstflndig  seine  eigene  ge- 
geben? Denn  im  ersten  Falle  würde  die  Ehre  der  ÄHCorsciuifl  dem 
Sokrates  allein,  im  zweiten  dem  Sokrates  und  dem  Pinto,  im  drittes 
dem  Plalo  allein  gebühren.  Und  gesetzt ,  der  zweite  oder  dritte  Fall 
finde  statt ,  dann  fragte  es  sich  wieder :  hat  der  Autor  die  Denk-  ud 
Ausdrucksweise,  den  Charakter  des  Sokrates  so  eingebalten  and  eo- 
piert,  dasz  wir  denselben  in  der  Rede  gleichsam  leibhaftig  erkennen? 

Der  erste  unter  den  aufgezöhlten  Fallen  ist  nicht  wol  nftglieh, 
selbst  wenn  wir  annehmen,  dasz  der  Verfasser  ein  höchsl  Irenes  Ge- 
dächtnis und  während  des  haltens  der  Hede  vor  Geriebt  die  gespann- 
teste Acht  gehabt  hätte;  wir  wissen  ferner  bestimmt,  dasi  Sokrates 
behufs  seiner  Verlheidigung  nichts  vorher  aufgeschrieben,  niehft  ein- 
mal  sich  vorbereitet  hat  (Plat.  apolog.  o.  1  p.  17  C  elxy  leyoiupa); 
denn  das  daemonium  habe  ihn  davon  abgerathen  (Hermog.  b.  Xenoph. 
apolog.  §  4).  Plato  hat  also  nichts  derart  benutzen  können.  Aveh  der 
letzte  Fall  ist  nicht  wol  denkbar:  denn  selbst  wenn  der  Autor  nnr  im 
allgemeinen  die  Absicht  verfolgt  hätte  von  seiner  Person  am  den  So- 
krates zu  vertheidigen ,  so  hätte  er  doch  nicht  ganz  unterlassea  kön- 
nen zu  berücksichtigen ,  wie  und  wodurch  derselbe  sich  vor  Geriehl 
zu  rechtfertigen  gesucht;  ja,  es  würde  der  Wirkung  der  Schrifl  nnf 
dus  Publicum  Abbruch  gethan  haben,  wenn  Plato  den  weisea  bloss 
platonische  Gedanken  in  platonischer  Sprechweise  hätte  darlegte  las- 
sen. Was  würden  namentlich  die  Richter,  durch  welche  Sokrates  Ter- 
urthoilt  worden  war,  gesagt  haben,  wenn  sie  die  Rede  als  eine  eokm- 
tischo  gelesen  und  nichts  darin  gefunden  hätten ,  was  sie  vorher  hei 
der  gerichtlichen  Verhandlung  gehört?  Es  bleibt  uns  denwaeh  nur 
übrig  den  zweiten  Fall  anzunehmen,  dasz  Plato  zum  wenigsten,  man- 
ehcs  benutzt,  was  sein  Lehrer  vor  Gericht  gesprochen. 

Und  diese  Annahme  .wird  unterstützt  durch  mehrere  Einielheilen, 
die  sich  mit  Bestimmtheit  oder  wenigstens  mit  Wahrscheinliobkeil  eis 
entliehen  der  wirklich  von  Sokrates  vor  Gericht  gehaltenen  Redenneh- 
weiscn  lassen.  Bei  dieser-  Erörterung  tragen  wir  kein  Bedenken  MS 
namentlich  auch  auf  die  xenophonteische  Apologie  zu  berufen,  welehe 
man  unserer  Ansicht  nach  nicht  mit  Recht  dem  Xenophon  abgesproehen 
hat,  die  aber  in  jedem  Falle  einen  authentischen  Bericht  enthält.  Worin 
Plato  und  Xenophon  hinsichtlich  dessen,  was  Sokrates  vor  Geriehl  ge- 
sagt haben  soll,  übereinstimmen,  das  werden  wir  unbedenklich  für 
echt  sokratisch  halten  können;  in  anderen  Fällen  wird  nur  die  Wahr- 
scheinlichkeit den  Ausschlag  zu  geben  im  Stande  sein.  Von  vornher- 
ein werden  wir  aber  als  bestimmt  anzunehmen  haben,  dasz  Plato  bei 
der  Ausführung  des  ganzen  das  sokratisohe  so  wird  verarbeitet  haben. 


lieber  Piato^e  Apologie  des  Sokratoe«  88S 

dasz  es  schwer  ist,  in  maDcben  Fälleo  ganz  anaiöglich^  selbiges  vom 
platonischen  zu  scheiden.  Das  isl  namentlich  der  Fall  beim  sprach- 
lichen, bei  den  Redensarten,  Satzverbindnngen ,  Uebergingen  usw. 
Wie  hätte  denn  aach  der  Schriftsteller  alles  von  der  mOndlichea  Rede 
von  Wort  za  Wort  behalten  sollen? 

Der  Eingang  gehört  sicherlich  zameist  dem  Sokrates  an:  so  ganz 
natur-  und  sachgemasz  erscheint  er;  aach  war  hier  zuverlässig  das 
Gedächtnis  des  Plato,  als  noch  frisch,  vermögend  selbst  einzelne  Am- 
drücke  und  Wendungen  sich  zu  merken.  Ebenso  dürfte  die  Hauptpar- 
tition der  eigentlichen  Vertheidigungsrede,  die  Scheidung  der  Anklär 
ger  und  Anklagen  in  frühere  und  spätere,  das  Produci  des  ersteren 
sein.  Sie  erscheint  so  natfirlieh  und  durch  die  Sache  selbst  geboten, 
so  dasz  sie  dem  Sokrates,  selbst  wenn  er  extemporisiert  hat,  beifallen 
muste.  Etwas  zu  gesucht  und  zu  künstlich  möchte  (c.  3  p.  19  B)  die 
Formulierung  der  Anklage  sein  und  daher  dem  Sehriflsteller  zur  Last 
fallen.  Dagegen  ist  die  Erzählung  von  Kallias  (c.  4  p.  20A  sqq.)  und 
von  Cbaerephon  (c.  5  p.  21  A),  selbst  in  Bezug  anf  die  sprachliche  Ein- 
kleidung, nicht  sokratisch.  Obendrein  bezeugt  Xenophon  (apolog. 
§  14)  ausdrücklich,  dasz  Sokrates  der  letzteren  Geschichte  vor  Gericht 
Erwähnung  gethan.  Die  hierauf  bei  Plato  folgende  Deduction  von  dem 
Eindrucke,  welchen  auf  den  weisen  der  Ausspruch  des  delphischen 
Gottes  gemacht,  und  von  dem  Einflüsse,  den  solcher  gebäht  habe,  ist 
damit  so  eng  verknüpft,  dasz  wir  nothwendig  im  allgemeinen  auch 
diesen  Theil  der  Rede  für  sokratisch  halten  müsse ,  ohne  darum  jedes 
Wort  und  jeden  Gedanken  ihm  vindicieren  *za  wollen. 

Die  Verkehrnng  der  beiden  Anklagepunkte  in  der  eigentlichen 
Anklageschrift  und  in  Folge  dessen  durch  die  umgekehrte  Behandlung 
und  Ausführung  derselben  gereicht  sicher  dem  Plato  zum  Vorwurf, 
den  hier  wahrscheinlich  das  Gedächtnis  getäuscht,  und  dem  —  wie 
meist  allen  alten  Schriftstellern  —  diplomatische  Genauigkeit  in  der 
Beziehung  nicht  am  Herzen  gelegen  hat.  Dagegen  hat  das  Zwiege- 
spräch vor  Gericht  zwischen  Sokrates  und  Meletus  (c.  12 — 15),  wenn 
schon  nicht  ganz  in  der  Weise,  wie  die  Schrift  es  gibt,  ohne  Zweifel 
stattgefunden;  denn  auch  Xenophon  thut  desselben  Erwähnung  (apolog. 
S  19  sqq.).  Und  mehreres  einzelne,  was  dabei  und  wie  es  zur 
Sprache  kommt,  musz  als  echt  sokratisch  gelten,  z.  B.  c.  12  p.  24  D 
sqq.,  p.  25  B,  c.  15  p.  27  B  sqq.  Im  folgenden  (c.  16  p.  28  B  sqq.) 
treten  uns  Gedanken  entgegen,  welche  unbedenklich  dem  Sokrates  zu- 
gesprochen werden  können,  wenn  schon  die  Einkleidung,  der  Stil  als 
zu  gekünstelt  und  verworren  dem  Plato  angehört,  z.  B.  die  Hintan- 
setzung des  Todes,  wo  es  gilt  sittliche  Thatkraft  zu  beweisen  (c.  16 
sq.,  p.  28  A  sqq.),  die  Empfehlung  des  Strebens  nach  Veredlung  und 
Ausbildung  der  Seele  als  der  vorzüglichsten  Pflicht  des  Menschen  (c. 
17  p.  29  E  sqq.).  Weiterhin  sieht  der  Selbstvergleich  des  weisen  mit 
einem  Sporen  oder  einer  Bremse  (c.  18  p.  30  E)  dem  Ironien  oder 
Vergleiche  ad  hominem  liebenden  Manne  ganz  ähnlich.  Hiergegen  fällt 
die  einseitige  Auffassung  des  daemoniums  (jiü  oTtovQixsA, 7"  ^^~ 


3B4  Ueber  Plato^'s  Apolo^e  det  SokratM. 

Tifirru  de  WTtoze  c.  19  p.  dl  D)  dem  Plato  Eor  Last*  sie  ist  diesMi 
durchaus  eigen  (s.  die  betrelTeDdeD  Stellen  bei  SUllbaon),  wikread 
\eiiü]>hün  (Meonur.  114  ond  sonst )  es  richtig  als  innerlicbslas ,  der 
Gründe  Tür  etwas  unbewasles  Gerühl  Qberbanpl,  das  ebeaso  ^t  de« 
Mei.seu  £u  et\tas  angetrieben  wie  von  etwas  abgenahnt,  hingesleüt  hat 
So  k  ratisch  ist  wiederum  die  gedoppelte  Ersah  lang  von  dem  benehmco 
de»  weisen  als  Staatsbürger  (c.  20  p.  32  B  sqq.),  ingleichea  die  Bera- 
Tuiig  auf  das  Zeagnis  von  vertrauten,  die  bei  der  gerichtlicheB  Ver- 
handlung zugegen  gewesen  (c.  22  p.  33  D  sqq.).  Nichts  nnwahrsehein- 
lichei»  hat  c5  auch,  dasz  der  Verfasser  unserer  Schrift  denjenigea  Pas- 
bu».  in  welchem  sich  der  weise  zu  rechtfertigen  sucht,  warum  er  sich 
zu  keinem  der  in  Athen  gewöhnlichen  schimpflichen  Mittel,  lici  den 
hichtern  Mitleiden  zu  erregen,  verstehen  künnle  (c.  23  p.  54  B  aqq.)) 
der  mündlichen  Rede  des  Sukrates  entnommen  habe:  es  sieht  nealieh 
dem  schuldlosen  Manne,  der  auf  seine  Unschuld  pochen  konnte,  darch- 
uus  ahnlich,  dasz  er  diesen  Funct  gerade  zur  Sprache  gebracht  «ad 
sich  über  das  in  Athen  herschende  Unwesen  ohne  Uückhalt  geiaszert. 

Der  zweite  Abschnitt  oder  derjenige  Theil  der  Schritt,  der  die 
itede  nach  dem  Ausspruche  der  Richter  auf  ^schuldig*  repraeseatiert, 
ist  hinsichtlich  der  Gedanken  im  allgemeinen  so  gehalten,  daas  wir 
ihn  zumeist  erachten  kOnueu  für  den  Gusz  und  Abdruck  des  wirklieh 
f^esprocheneu  in  der  Stunde,  wo  der  weise  sich  selbst  eine  Strafe 
zuerkennen  sollte  für  Vergehen ,  die  er  nie  begangen  sa  habea  aich 
bewust  war,  und  namentlich  kami  man  ihm  die  Ironie  zatraaen,  da» 
er  in  der  That  darauf  angetragen,  im  Prytaneum  der  kostenfreien  Spei- 
Kiin^  zu  genieszcn  (c.  26  p.  37  A).  Es  ist  anderwärtsber  bekaoaty 
duhz  die  Richter  über  diese  unverholen  geäuszerte  Keckheit  ao  erbit- 
tert gewurden  sind,  dasz  sie  den  weisen  eben  darum  zum  Giftbecher 
vcrurtheill  haben  ^Uiogen.  a.  a.  0.  §  21  42.  Vgl.  \enoph.  apolof. 
$  1  u.  32).  Die  Stilisierung  indes,  die  nicht  ohne  Mängel  iat,  wie 
wir  oben  ifezeigt  haben,  mnsz  dem  Plato  zur  Last  gelegt  werde*. 

Kndlich  iindet  sich  auch  im  letzten  Abschnitte  eine  dentliche 
S|)ur.  dasz  IMato*s  Schrift  nicht  unabhängig  von  des  Sokrates  Rede 
\ur  Gericht  gev^eseu  sei.  Es  geschieht  nemlich  da  des  Palamedes 
Frnuhnung  als  eines  vormaligen  Heroen,  der  gleichfalls  in  Folge  eiaea 
ungerechten  Rirhtcrspruches  den  Tod  gebüszt  habe,  und  den  ia  der 
Unterwelt  anzutreffen  nebst  dem  Aias,  dem  Sohne  des  Telamoa,  lir 
den  weisen  nur  eine  Freude  sein  dürft«  (c. 32  p.  41  B),  und  Xenophon 
(niiulok^.  $  2!i>  berichtet  nach  seiner  Quelle  ebenfalls.  Sokralefl  habe 
nach  seiner  Verdammung  zum  Tode  sich  mit  jenem  Palamedes  feird- 
htcl,  dorn  e»  auf  ähnliche  Wc^i^e  ergangen.  Wemm  dieser  gerade  tob 
dem  \\oi»ou  geiiMuul  wurden  ist?  SVeil  des  Enripides  Tragoedie  die- 
ses Namciüi  dduiaU  he^oiidors  bekannt  war  und  aufgeführt  worden  ist 
(Dio^ou.  rt  M.  0.  $  *j^^  4^V  Im  übrigen  läsil  Plato  den  Sokrates  ruh- 
Mion,  w«»Uhi»i  Kki^wms  dwr  Tod  far  ihn  war*,  wofern  derselbe  für  ein 
Gluck  guUi>u  K^iuulii  itii«!  Miu»||k  (o  cU)  p.  4(k  U  sqi)  >«  und  deaselbea 
(icdauKiui  lUuU^i  Wh  ^vt(Ma«vi'l  b\»i  \viiuphuH  ^ap^log.  §  9). 


Ueber  Plato^s  Apologie  des  Sokrates.  S65 

Za  gnter  letzt  ist  noch  zum  Beweise,  dasz  Plato  die  Rede  des 
Sokrates  zam  Maszslab  nad  zum  Abbild  genommen,  zu  bemerken  ein- 
mal, dasz  die  Schrift  in  drei  Abschnitte  getheilt  ist,  gerade  wie  auch 
Sokrates  in  drei  Absatzen  gesprochen  haben  wird  gemäsz  der  Einrich- 
tung des  attischen  Gerichtswesens,  und  sodann  dasz  darin  mehrere 
male  dessen  Erwähnung  geschieht:  die  Richter  hStten  zuweilen  bei 
diesem  oder  jenem  Puncle  ihren  Unwillen  laut  werden  lassen,  nach 
Gewohnheit  durch  murren  (^&OQvßelv)  (c.  1  jp,  17  D.  c.  5  p.  20  E.  p. 
21  A.  c.  15  p.  27  B.  c.  18  p.  30  C),  und  das  wird  historisch  bestätigt 
durch  Xenophon  (apolog.  §  14  n.  15)  ^nd  durch  Diogenes  von  Laerte 
(a.  a.  0.  §  21.  42).  Also  selbst  diesen  auszeren  Umstand  hat  Plato 
herbeigezogen,  um  seiner  Schrift  den  Anstrich  zu  geben  der  wirklich 
von  Sokrates  gehaltenen  Rede. 

Aus  dem  obstehenden  geht  denn  hervor:  l)  dasz  Plato  bei  Ab- 
fassung  der  besagten  Schrift  nicht  durchaus  frei  und  selbststöndig  und 
unabhängig  zu  Werke  gegangen  ist,  sondern  in  der  That  nicht  wenige 
Einzelheiten  aus  der  mündlichen  sokratischen  Rede  herQbergenommen 
und  benutzt  hat;  zu  viel  gesagt  ist  aber,  wenn  K.  Fr.  Hermann  a.  a.  0. 
p.  34  sagt:  ^Verisimile  est  totam  hanc  orationem  a  Piatone  quam  fide- 
lissime  ad  exemplum  eins  compositam  esse,  quae  re  vera  in  iudicio  ab 
illo  habita  est';  2)  dasz  mitbin  ihm  nicht  allein  die  Ehre  gebührt 
der  Production ,  3)  dasz  dagegen  die  Ausführung  im  allgemeinen  ihm 
angehört,  und  man  daher,  bei  der  Leetüre  immer  denken  und  den  Schü- 
lern sagen  musz,  nicht:  *  Sokrates  spricht',  sondern:  ^ Plato  läszt 
den  Sokrates  so  sprechen;  wie  denn  schon  die  Alten  gethan,  ein  Ci- 
cero (Tusculan.  quaest.  I  40,  §  97  ^oratio,  qua  facit  eum  [Socratem] 
Plato  usum  apud  iudices),  ein  Appian  (de  rebus  Syr.  c.  41:  HcokqcC' 
tovg  siitovrog  [nemlich  vor  Gericht],  a  doxet  nkavcovi) ^  ein  Diogenes 

(II  5  §  24.  45 :  nkarmv  iv  tfj  anoXoyla neQi  xovx(ov  [yvatxwv] 

avxog  Xiysij  xaliteQ  dvari^sig  navxa  ZaxQccrei), 

Brandenburg  a.  H.  Dr.  M.  W.  Heffter. 


30. 

Deutsch 'lateinisches  Handwörterbuch  von  Dr.  Albert  F  orbi- 
ger ^  Conrector  am  Gymnasium  zu  St,  Nicolai  in  Leipzig  usw. 
Zweite^  völlig  umgearbeileie  Auflage  des  deutsch-lateinischen 
Handwörterbuchs  von  J.  K.  Kraft  u.  A.  Forbiger.  Stutt- 
gart, Verlag  der  J.  B.  Metzlerschen  BuchhandliiDg.  1856.  XII 
u.  2716  Sp.  gr.  8. 

Von  allen  in  der  neusten  Zeit  erschienenen  deutsch -lateinischen 
Wörterbüchern  erscheint  dem  Ref.  bei  einem  hohen  Grade  von  Voll- 
ständigkeit das  vorliegende  bei  weitem  das  handlichste  zu  sein;  und 


386         A.  Forhiger:  deutsch  -  lateinisches  Handwörterbnch. 

wenn  es  sich  schon  dadurch  vorzugsweise  sum  Gebrauche  fQr  Gymna- 
sialschiiler  und  alle  die  Zöglinge  eignet,  welche  bei  Abfassung  schrift- 
licher Arbeiten  eines  solchen  Unterstützungsmittels  sich  bedienen  sol- 
len, so  ist  es  auch  seiner  ganzen  inneren  Einrichtung  halber  und  end- 
lich auch  wegen  des  stofflich  in  ihm  gebotenen  nach  unsorm  dafürhalten 
aller  Empfehlung  werth.    Denn  da  sich  der  Verf.  bemüht  hat  vorzugs- 
weise bei  längeren  Artikeln  die  Wörter  in  ihren  einzelnen  Beziehungen 
begrilTlich  zu  zerlegen  und  darnach  die  verschiedenen  Bedeutungen 
auf/ II führen,  so  wird  bei  Benutzung  dieses  Wörterbuches  der  Schüler 
stets  auf  jene  die  Begriffe   sclrarf  trennende  Gedankenoperation  hin- 
gewiesen, welche  allein  oder  wenigstens  hauptsächlich  das  Übersetzen 
aus  der  Muttersprache  in  eine  fremde  und  besonders,  wie  es  hier  der 
Fall  ist,  in  eine  nicht  mehr  lebende  und  von  der  unsrigen  so  sehr  ab- 
weichende Sprache  so  fruchtbar  macht.    Es  würde  Ref.  leicht  werden 
vielfache  Belege  für  dieses  sein  Urtheil  aus  dem  Werke  selbst  heraus- 
zuheben.   Doch  ist  er  der  Ansicht  dasz  es  dem  Verf.  sowol  wie  viel- 
leicht auch  dem  geneigten  Leser  dieser  Jahrbb  angenehmer  sein  werde, 
einige  berichtigende  Beiträge  hier  zu  finden,  als  Belege  eines  allge- 
meincn  Lobes.    Bei  der  Schwierigkeit  und  Miszlichkeit  der  Aufgabe 
selbst  bietet  sich  denn  auch  die  Veranlassung  zu  Ausstellnngen   gar 
nicht  selten.     Wir   wollen  gar  nicht   einzeln    darnach  suchen,   soo- 
dern  das  Werk  nur  ruhig  zu  diesem  Behufe  durchblättern.    Sp.  2  faeiszt 
es:  ^abbekommen,   l)  abbringen:  z.  B.  ich  kann  den  Ring  nicht 
a.,  ^ainnilum  de  dit/ito  delraht^re  non  queo.  —  2)  etwas  oder  eins  a., 
rapulari  (Schläge  bekommen);  —  castitjari  (Verweise  bekommen).' 
liier  würde    auch   ohne  *  die   erste  Redensart:    annulum  de  digiio 
detrahere    non    queo^    für    den    feiner    fühlenden   Lateiner   sich   als 
eine  gemachte  erweisen.    Es  muste  heiszen:  anulum  de  digiio  detra- 
here non  possutn;  und  einer  solchen  Wendung  war  ein  '  nicht  vor- 
zuslcllen,  da  anulum   de  digiio  ddralterc  klassisch  ist.    Schlimmer 
noch  steht  es  mit  dem  zweiten  Thcile  des  Artikels.    Denn  das  nonens 
rapulari  statt  vapulare  hätte  doch  der  Verf.  keineswegs  zulassen  sol- 
len.   Ja  man  würde  geneigt  sein,  da  der  Irthum  so  auffällig  ist,  das 
Versehen  für  einen  Druckfehler  zu  erklären,  wenn  es  nicht  auf  der 
ersten  Seite  wäre  und  nicht  das  Verzeichnis  der  Verbesserungen  hier- 
über schwiege.    Im  nächstfolgenden  Artikel  Sp.  2  u.  Sp.  3  ist  retfo- 
vare  afqm  c  munere  und  retocare  afqm  e  legatione  grundfalsch.    Es 
muste  in  beiden  Fallen  die  Praeposition  a  gesetzt  werden,  wenn  im 
letzteren  Falle  die  Redensart  durchaus  angewendet  werden  soll.   Auch 
war  überhaupt  bei  der  Wendung  *  einen  Gesandten  abberufen'  wol 
eher  zu  empfehlen  legaium  redire  iuhere^  als  legatum  reverli  iuhere^ 
was  der  Verf.  vorschlagt.    Letzteres  wäre  nur  dann  zulässig,  wenn 
die  Gesandtschaft  noch  gar  nicht  an  den  Ort  ihrer  Bestimmung  gelangt 
wäre.    Denn  legatum  rccerti  inhere  ist  nicht  ^  einen  Gesandten  abbe- 
rufen', sondern  ^umkehren  heiszen  ehe  er  an  den  Ort  seiner  Bestim- 
mung gelangt  ist.'     Doch  wir  wollen  nicht  an  der  Schwelle  stehen 
bleiben  und  schlagen  weiter  hinein.    Sp.  69  ßnden  wir  folgenden  Ar- 


A.  Forbiger:  deutsch  >  lateinisches  Hudw6rterbach.         S87 

tikel :  ^AckersnianB,  der,  agricöla ;  agriculior;  —  colvnus  (Land-^ 
baaer,  Landwirth);  —  arator  (der  Pfluger  nur  bei  Dicht.).  Ackers- 
leate,  agrorum  cullores.'  Dieser  Artikel,  so  leicht  er  auch  ist,  ist 
ganz  falsch  abgefaszt.  Er  muste  ohngefähr  so  lanten:  ^Ackersmann, 
der,  arator^  Ackersleate,  araiores  *  —  denn  wer  in  aller  Welt  hat  je 
gelehrt,  dasz  arator  nur  bei  Dichtern  vorkomme?  Es  ist  vielmehr  je- 
derzeit der  rein  officielle  Ausdruck  gewesen  von  den  Ackerslenten 
oder  Pflügern,  welche  im  Gegensatz  zu  den  pecuarii  Ländereien  mit 
dem  Pflug  bearbeiteten,  während  jene  nur  die  Triften  durch  Weidevieh 
ausbeuteten.  Dieser  arator  oder  Pflüger  nun  vertritt  bei  Dichtern  bis- 
weilen den  Landwirth  im  allgemeinen.  Dies  hatte  eher,  angegeben 
werden  können.  Sodann  konnte  hinzugefügt  werden :  ^Ist  es  Landwirth 
im  allgemeinen,  colonus^  agri  cultor,  agricola'.  So  aber  ist  offenbar 
der  erste  Begriff  nicht  gehörig  festgehalten.  Unter  Pflüger  konnte 
dann  auf  Ackersmann  zurückgewiesen  werden.  Im  folgenden  hatte 
der  Artikel  Ackerzins  nicht  einfach  durch  agraticunty  was  nur  Cod, 
Theod.  7  20  1  steht,  wieder  gegeben  werden  sollen;  redüus  ex  agro 
*(agris)^  vectigal  ex  aratione  (aralionibus)  würde,  je  nach  den  Um- 
ständen, den  Ausdruck  besser  wieder  geben.  Sp.  70  würde  ich  Ac- 
tenstück  lieber  einfach  durch  scriptum^  als  durch  litterarum  monu- 
mentum^  was  weit  mehr  involviert,  wieder  gegeben  haben.  In  Betreff 
des  Artikels  ^Actie'  bemerken  wir,  dasz  der  Verf.  sich  so  gut  als 
möglich  geholfen  hat.  Allein  wahrhaft  komisch  ist  es  doch  bei  ihm 
die  Redensart  ^aufActien  etwas  bauen'  also  wieder  gegeben  zu  finden: 
de  constitulis  symholis  exstruere  alqd^  da  das  Wort  symbolae  nur 
dann  im  Lateinischen  erscheint,  wenn  von  einem  gemeinsamen  Mahle 
die  Rede  ist,  und  zwar  auch  nur  als  vornehmer  Ausdruck  iu  dem  Sinne, 
wie  wir  jetzt  im  Deutschen  französische  Wendungen  der  Art  haben. 
Der  Ausdruck  konnte  also  ebenso  wenig  hier  angewendet  werden,  wie 
für  Actienschein  /essera,  was  stets  nur  eine  Marke  bezeichnet,  und 
höchstens  für  unsere  Theaterbillets  oder  Paszkarten,  die  man  nöthigen- 
falls  in  der  Westentasche  bergen  kann,  anwendbar  sein  würde,  nicht 
für  das  gröszere  Actiendocument.  Im  vorübergehen  sei  bemerkt  dasz 
Allernährer  und  Allernährerin  nicht  ganz  richtig  durch  omntun} 
rerum  educa/or  (educatrix)  et  altor  (altrix)  nach  Cic.  de  n.  d.  II 
34  76  wiedergegeben  worden  ist.  Denn  educator  liegt  nicht  mit  in 
Allernährer.  Es  war  einfach  wieder  zu  geben  omnium  rerum  altor 
(altrix\  wol  aber  konnte  auf  jene  Stelle  Ciceros  dabei  verwiesen  werden, 
wo  der  Begriff  in  vollerer  Fassung  steht.  Auch  Sp.  273  ist  der  Artikel 
Augenpulver  uns  mangelhaft  erschienen.  Zunächst  warum  sagt  der 
Verf.  statt  puleis  ophthalmicus  nicht  lieber  puleis  ocularius^  oder  ^t 
ocuUs  medeatur?  Ferner  sagt  er:  Won  allzu  kleiner  Schrift  litterarum 
formae  legentibus  molestae;  auch  blosz  Utterae  minutae^  minutulae^. 
All  die  Ausdrücke  sind  nicht  bezeichnend  genug.  Wollte  der  Verf. 
den  WortbegrifT  genauer  ausdrücken,  so  muste  er  etwa  Utterae  oder 
litterarum  formae  oculis  legentium  perniciosae  oder  auch  pestiferae 
et  nocenies  vorschlagen:  wollte  er  ihn  allgemeiner  wieder  geben,  so 


A«.  FoffMfor* 


mofle  er  weirisfsteiu  Mgra:  UUeröB  mknis  (niminm)  minuitte.  ütm 
bei  mimUaß  /Mleroe  km  ma  «pdi  mdit  qh  sogenanntes  Angespulv« 
denken.  Aai^enBetf  e  6p.  S74  wir  Tit>Ileichl  durch  tesüw^  qui  0c 
U$  suis  alqd  se^idiim  4ieit^  wieder  tu  geben.  Wir  ifvollen  viele 
was  ans  lufgeMles,  ttberseiihlgea  nd  «senden  ans  zu  einigen  crgt 
der  neuesten  Zeil  5flers  gelnraoehleB  Wörtern  and  Hedetistrietu  8^ 
594  wird  eonetitniioneil  wiedergegeben  durch  iegiftuit  etriiai 
eanpeniens^  congrumu^  t.  kandeln  a^ere  ea:  letjihm  reipuhHcni 
Dies  wäre  nnr  den  Landesgesetsen  enlsp rechend  oder  g< 
m  &  s  K.  Ebenso  feblt  der  Verf.  bei  dem  Auadru  cke  cansiitutici»a| 
widrig,  legibus  civiiaHs  rejmgnanSj  c.  handeln,  adpersari  d 
quae  legibus  ei»iiaii9  mmdia  mmi.  Dafi  würo  nur  d  eo  L  a  n  d  <; :i  |r e^ 
setzen  entgegen  oder  »wider  handeln.  Es  kämmt  atles  di 
her,  weil  der  Verf.  die  Constitntioii  im  engeren  Sinne  nichfc  h« 
grifflich  richtig  gefasst  hat.  Die  Constitution,  d.  h.  das  8taati 
grundgesets ,  welches  der  Gewalt  des  Fürsten  geg^endlier  dem  Voll 
bestimmte  BesohrftnknngeB  annegt,  ist  loteiniieh  gm%  einfacli  ItJ; 
imperio  prmcipis  oder  I0«,  fuae  est  (fttae  esi  iata)  de  imperia  prin 
cipis^  nicht  regis.  Denn  nioht  jeder  eonstitationelle  Staut  ist  zuglek 
ein  Königreich.  Ist  dies  derFalli  so  kann  naiürtich  auch  rct/a  stutt/ffn 
eipis  gesagt  werden.  Unter  D a n k  Sp.  61 0  un d  D  a  n  k  <§  0  g  u  n  ^  Sp.  c^U 
fehlt  der  Ausdruck  Gott  (den  Göttern)  Dank  sagen^  und  Pflnkj 
ssgung  gegen  Gott  (die  Götter).  Es  ist  grattitari  und  gnjtulut 
dafür  ansuwenden,  wie  jedes  gute  lateinische  Lexikon  iekri.  Aue 
den  neueren  Ausdruck  Eisenbahn  hat  der  Verl,  elienso  wie  de 
von  Constitution,  nioht  richtig  geOisst,  wenn  er  Sp,  77^^  Eis tnbahj 
wiedergegeben  wissen  will:  9ia  ferro  straUs,  odt^r  bloss  tia  ferreü 
Denn  beide  Ausdraoke  sind  Hilsek^  Die  F-isenhohn  ist  weder  ein 
Eisen  gepflasterter  Weg,  was  ai«  ferro  xtraia  bcdent^n  wilrtle,  emi 
nach  Art  unserer  Holspflasterungen,  noct»  auch  ein  cisernfTt  Wog,  f^M 
ferren^  sondern  nur  ein  Weg  mit  einer  eisernen  iiuhn.  Es  kann  als 
blosi  rill  ferrmim  heissen,  wie  die  Italiener  dicken  Ansdruek  mit  vol< 
lern  Hechte  angewendet  haben.  Darnaoh  m  fluten  nun  luoh  die  iihriis;« 
hierher  gehörigen  Anadrieke  laigeatallet  werden.  Eine£i««}iihahi 
anlegen  kann  natirlieh  aaeh  niehl  heiDi^ceii  fiVmi  ferro  smmerm.  Im 
vorbeigehen  aal  bamarkl,  dau  8p.  774 hei  Mm  Ariikti  E  i «gang  an 
ditn  FIttaaen«  waMmn  dar  Vert  aiamUA  «chwt-rralHf  umschfifibt,  ai 
Vt»rtrilii  Oeorgteal  810  ffacdM  CMI  ßumun  irwämnf  m  erinnern  wsff 
Di^nn  in  lolehon  Pinta  Ia4ea  wir  bei  dem  lehrdiehior  «IltmDl  4t 
«l<^h««den  Aaadniok«  Ba  iai  Biagan^*  'n\  daFath  wiedenugah 
(hmi^ff  fllisHem  imAifM««  •«■!«  Aaeh  tot  dm  jnriMibcbcn  AnadHic 
«etgt  »t«h  der  Vart  atehl  Ibarall  gW^H  aU  ^cIsHt.  Ich  ^ill 
«^In^n  Arliki^l  Mar  keapraaiiaa«  8p*  4f  i^it  et:  'RUgar,  dari 
«f ff^*itl«»r  c  pi4  «rciiaat  (Im  aHgam»^  b  >r  in  CrimlüUaiibeajC 
pHit^n  fwi>  f»^t^  (ter  RaaMaanapfiahi  '»dm  marhi,  in  €MU§ 
^h^aV  lU^^r  iMl  dar  Yarr,  dai  aUgam  -  ^i  An-^artirk  rar  Rii 
«nv^'T  gaaa  iMil<mkM  gtteaaaa;  ar  wm  mtni  au  der  aiigemtiniia 


A.Forbig«r:  dentocb-liteiniscbes  Handwörterbach.        880 

aufznffihreD,  sodann  war  accusaior  der  Criminalanklage  fast  allein 
zozaweisen  nnd  der  peiiior  als  Kläger  in  Civilsachen  aafzuführen,  qui 
agil  in  rem.  Ancb  unter  dem  Artikel  Anklag  er  ist  die  Sache  nicht 
ganz  in  Ordnung.  Bei  den  kirchlichen  Ausdrücken  hätte  der  Vf.  flei- 
sziger  Teipels  Abhandlung  im  Archiv  f.  Philol.  u.  Paedag.  Bd.  XVIII 
S.  410  ff.  zu  Rathe  ziehen  sollen ,  um  auch  den  katholischen  Schnlan- 
staiten  gerecht  zu  werden.  So  z.  ß.  bei  den  Ausdrücken  Reforma- 
tion nnd  Reformator  Sp.  1859.  Denn  keinem  Katholiken  kann  zuge- 
mutet werden  Reformation  zu  übersetzen  sacrorum  oder  disciplinae 
ChrisUanae  correcHo  et  emendatio^  ja  ich  möchte  sagen ,  der  letztere 
Ausdruck  auch  keinem  Protestanten.  Denn  nicht  die  disciplina  Chri- 
stiana  selbst  ward  verbessert,  höchstens  von  falschen  Deutungen  und 
Zusätzen  befreit.  Richtig  hat  hierüber  gesprochen  Teipel  a.a.  O.S.  417. 
Ueberhaupt  mag  man  doch  in  solchen  Fällen  die  recipierten  Ausdrücke 
einfach  beibehalten.  Denn  nicht  vom  einzelnen  Worte  hän^t  der  la- 
teinische Ausdruck  allein  ab.  Anders  freilich,  wenn  die  Sache  von 
den  Alten  selbst  schon  besser  bezeichnet  ist.  Denn  für  Steinreich 
vorzuschlagen  regnutn  minerale^  wie  von  dem  Verf.  Sp.  2116  ge- 
schieht, ist  doch  etwas  zu  arg.  Plinius  wenigstens  sagt  bist.  oat. 
XXXIII  pr.  1  §  1  einfach  metalla  und  noch  bezeichnender  im  Sinne 
unseres  Stein-  oder  Mineralreiches  lib.  I  im  Index  lib.  XXXIII  p.  85 
meiaUorutn  natura.  Ein  solcher  Ausdruck  war  zu  empfehlen ,  nicht 
jener  aller  Auctorität  entbehrende.  Fossilia^  was  unter  dem  Artikel 
Mineralreich  Sp.  1637  empfohlen  wird,  ist  in  absolutem  Gebrauche 
nicht  klassisch.  Der  Verf.  wird  bei  einer  neuen  Auflage,  welche  dem 
im  ganzen  so  zweckmäszig  augelegten  Buche  hoffentlich  bald  zu  Theil 
werden  wird ,  besonders  auf  die  neueren  technischen  Ausdrücke  zu 
achten  und  dieselben  einer  sorgfältigen  Revision  zu  unterwerfen  haben, 
wenn  er  nicht  in  einzelnen  Fällen  incorrect  übersetzen  lassen  will.  Der 
Rf.  will  nun  nur  noch  einige  Stellen,  welche  ihm  beiläufig  aufgefallen 
sind,  per  saturam  besprechen.  Sp.  754  wird  unter  einsam  für  die 
Wendung  ^ein  einsames  Leben  führen*  vor  allem  vorgeschlagen:  eitam 
solilarius  ago.  Diese  Wendung  ist  so,  wie  sie  hier  steht,  geradezu 
falsch,  wenn  sie  sich  auch  auf  eine  Stelle  Ciceros  de  officiis  II  11,  39 
stützt.  Denn  dort  hat  das  Adjectiv  solilarius  seinen  besonderen  Stütz- 
punkt und  an  sich  nichts  mit  eitam  agere  gemein,  wenn  es  heiszt: 
Ergo  eliam  solitario  homini  atque  in  agro  vilam  agenii  opinio  iusti- 
tiae  necessaria  est.  Hier  konnte  nur  eitam  solitariam  agere  vorge- 
schlagen werden ,  eine  Verbindung,  wie  sie  Quinctilian  ausdrücklich 
hat.  Sp.  995  ist  höchst  unvorsichtig  für  ^fürwahr'  ohne  Beschrän- 
kung vorgeschlagen:  profeeto;  nae;  sane.  Dem  Verf.  kann  nicht  un- 
bekannt sein,  dasz  nae  oder  ne  in  solchem  Sinne  nur  vor  Pronomini- 
bus von  den  Lateinern  gebraucht  worden  ist.  S.  mein  Handwörterbuch 
der  lat.  Sprache  u.  d.  Artikel.  Es  war  also  nae  an  der  letzten  Stelle 
und  zwar  mit  der  Parenthese  (nnr  vor  Pronom.)  zu  setzen.  Sp.  1020 
wird  ^Geburtstagsscbmaus'  durch  natalicia  (n.  pl.)  wiederge- 
geben und  dazu  später  noch  die  Wendung  natalicia  dare  aus  Ciceros 

iV.  Jahrb.  f.  PhU.  u.  Paed.  Bd.  LXXIV.  llß.  3.  28  ' 


390         A.  Forbigcr:  dciitscli- lateinisches  Handwörterbach. 

riiilipp.  11  6,  15  angegeben.  Da  aber  der  Ausdruck  eben  nur  auf  jener 
SIellc  des  Cicero  beruht  und  dort  Cod.  Valic.  nataficiam,  verstanden 
cvnam^  liest,  so  war  natalicia^  af,  f,  verst.  cena^  in  beiden  Fällen  anr- 
/.uCuhicu.  Ebendas.  war  bei  ^Gcburtsstadt'  neben  tir6s  palria  lu 
bemerken,  dasz  in  solchem  Falle  auch  hfiußg /la/ria  allein  gebraochl 
wird,  z.  B.  Cicero  Disp.  Tusc.  I  43,  104:  quaerentibns  amicis  reiletne 
(lazomcnas  in  patriam^  si  quid  accidisset^  auferri,  u.  Ö.  a.  Sp.  1336 
unler  dem  Arl.  höflich  fehlt  beim  Adv.  humaniter^  was  Kugleicli 
«lern  jungen  Leser  gegenüber  von  humane  zu  scheiden  war :  Vgl.  Ci- 
ceros  Accus.  1  5*2,  13G:  Respondit  illa^  ut  meretrix,  non  inhumaniler. 
Denn  so  ist  nach  der  besten  Auclorität  zu  lesen.  Vgl.  noch  Cicero  ad 
i).  fratr.  11  1,  1:  Sed  fecit  humaniter  Licinius  etc.  Derselbe  bei 
Nun.  p.  j09,  17  u.  ö.  a.  ofliciose  ist  zuvorkommend  und  war  hier 
wul  gar  nicht  aufzuführen.  Bisweilen  ist  der  deutsche  Ausdruck  im 
Luleinischen  zu  sehr  verOacht,  z.  B.  Sp.  1357  Mdealisch,  oplimns; 
summus;  perfectisaimus;  pulchcrrimus.'  Alle  diese  Superlativen 
drücken  an  sich  keineswegs  das  aus,  was  wir  ^idealisch'  nennen,  kön- 
nen höchstens  in  einzelnen  Füllen  jenen  Ausdruck,  wenn  er  nicht  streng 
genommen  wird,  nothdürftig  wiedergeben.  Zunächst  muste  ein  Zusatz, 
wie  (jni  fhiffi  ciHjUalione  polest  zu  jenen  Superlativen  hinzutreten. 
Vgl.  Cicero  Disput.  Tusc.  V  24,  6H:  sumalur  nubis  qnidam  praestans 
r/r  optimis  artihns  isqitc  animo  parumper  et  vogHatione  pngatur^ 
und  denselben  de  senect.  XII  41 :  quod  quo  mafjis  inlellegi  passet^  fin- 
ff  vre  animo  iuhehat  taula  iucilatum  aliquem  roiuptatc  corporis  quanti 
pvrvipi  passet  viaximn.  u.  ö.  a.  S.  1474  gibt  der  Verf.  ^  unter  aller 
Kritik  sein'  wieder  durch:  non  dignum  esse  de  quo  iudicium  feralur. 
iudicium  ferre  an  sich  ist  unluleinisch,  statt  facere ,  divere  iudicium 
oder  sententiam  ferre.  Sp.  1500  fehlt  unter  Ma  ndes  fluch t ig' 
merkwürdiger  Weise  exsul^  was  neben  profut/us  und  pairia  exiorris 
iuifzuführen  war.  Sp.  1585  wird  unter  M  u  ni  p  c  n  *  anfgeführl: 
'sich  nicht  lumpen  lassen,  liberalem  se  pracbere.'  Hier  ist 
das  Colorit  jener  volksthümlichcn  Wendung  verwischt.  Besser  wfire 
gewesen  non  avarum  agere  oder  etwas  ähnliches.  Sp.  1735  warnt 
der  Verf.  sehr  richtig  vor  der  Form  neminis  unter  dem  Artikel  *Bie- 
mand'.  Kr  hätte  auch  vor  der  Form  nemine  warnen  sollen.  Zu 
^Slcckbrief'  Sp.  2I0Ö  war  noch  Cicero  pro  Flancio  XII  31  mit  den 
Ausll.  zu  eitleren.  Denn  Cicero  hat  dort  den  Ausdruck  praemandaiis 
requircre  auch  selbst  gebraucht.  Zu  ^steinreich'  Sp.  2116  gibt 
der  Verf.  das  sprichwörtliche  superare  Crassum  dieiliis  nach  Cic.  cp. 
ad  Att.  1  4  cxtr.  an.  Doch  passt  der  Ausdruck  für  gewöhnliche  bür- 
gerliche Verhältnisse  nicht:  ich  hätte  es  lieber  gesehen,  der  Verf. 
hätte  an  das  horazische  dices  ulmetiretur  nummos  (Sot.  1  1,  96)  erin- 
innert.  Fbendas.  wird  'Steinplatte'  durch  saxum  qundralum 
wiedergegeben.  Dies  würde  aber  eher  einen  groszen  Quaderstein  be- 
zeichnen; auch  ist  nicht  jede  Platte  quadrata,  sie  kann  z.  B.  auch  ob- 
longa  sein.  Die  Platte  ist  nicht  saxum ^  sondern  lamina  marmoris^ 
>7/.r/ etc.     Auch  crusta  marmoris^  was  Sp.  1606  für  ^'tIarnlorplal(o ' 


W.  Giesebreoht:  Geschichte  der  deutschen  Kaisenett.       S01 

vorgeschlagen  wird ,  passt  nicht.  Es  ist  nur  ein  Uebersug.  Sonder- 
barer Weise  wird  Sp.  2119  ^Stentorstimme'  durch  magna  tox  wieder- 
gegeben. Das  ist  komiseh  verflacht.  Wer  den  bildlichen  Ausdruck 
^Stentorstimme'  brauchen  will,  mag  immerhin  sagen  vom  Sieniarea, 
wie  ein  vagitus  Stentoreua  bei  Aruobius  II  p.  97  steht.  Mit  magna 
t>ox  ist  hier  nichts  gethau.  Höchstens  wäre  ein  Adjectiv^  wie  intjent 
u.  dgl.  anwendbar.  Noch  sei  bemerkt,  dasz  auch  noch  in  diesem 
Wörterbuche  Sp.  2532  ^Weinbeerkern'  mit  acinu$  vmaceus^ 
auch  blos  acinus^  wiedergegeben  wird,  alles  aus  der  früher  falsch 
gelesenen  Stelle  Ciceros  de  senect.  XV  52.  Was  Weinbeere  be- 
deutet, kann  natürlich  nicht  auch  Weinbeerkern  bedeuten;  S.  mein 
Handwörterb.  der  lat.  Spr.  S.  85,  woher  der  Verf.  auch  entnehmen 
konnte,  dasz  der  Kern  sonst  auch  lignum  und  granum  genannt  wird. 
Doch  Ref.  glaubt  genugsam  gezeigt  zu  haben,  dasz  er  die  vorliegende 
gediegene  Arbeit  nicht  blos  oberflfichlich  eingesehen  hat,  und  bricht 
hier  seine  Bemerkangen  ab ,  indem  er  noch  einmal  mit  inniger  Ueher« 
Zeugung  es  ausspricht,  dasz  der  Verf.  im  ganzen  seine  Aufgabe  sehr 
befriedigend  gelöst  hat  und  dasz  dies  deutsch-lateinische  Handwörter- 
buch jeder  Empfehlung  vollkommen  werth  ist. 

Leipzig.  Reinhold  Klotz. 


31. 

Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit  von  Wilhelm  Giese- 
brecht.  Erster  Band,  Geschichte  des  zehnten  Jahrhunderts. 
Braunschweig,  C.  A.  Schwetschke  u.  Sohn  (M.  Bruhn).  1855. 
XXXVI  u.  826  S.  8. 

Die  erste  Hälfte  des  vorliegenden  Werkes  hat  der  unterzeichnete 
bereits  im  Bd.  LXXII  dieser  Bl.  S.  397  ff.  besprochen;  jetzt  ist  nun 
mit  der  zweiten  Hälfte  auch  die  Vorrede  des  ganzen  Werkes  ausge- 
geben worden,  und  in  dieser  ist  auch  meiner  freundschaftlich  gedacht, 
ja  ein  Antheil  an  dem  Buche  mir  zugeschrieben,  so  dasz  leicht  jemand 
bezweifeln  könnte,  ob  auch  von  mir  eine  unbefangene  Würdigung  des- 
selben zu  erwarten  sei.  Es  ist  wahr,  dasz  wir  vieles  von  dem,  was  in 
diesem  Bande  enthalten  ist,  gemeinschaftlich  überlegt  und  durchge- 
sprochen haben:  manche  Urkunde  und  manches  dunkele  Wort  der 
Quellen  haben  wir  zusammen  nachgeschlagen  und  ihren  Sinn  erörtert ; 
ich  weisz,  wie  das  Buch  entstanden  und  geworden  ist,  aber  in  seiner 
Vollendung  ist  es  doch  auch  mir,  wie  den  Übrigen  Lesern,  als  ein 
neues  und  fremdes  gegenüber  getreten,  und  wenn  auch  ich  selbst  noch 
meinem  Urtheil  mistrauen  möchte,  so  ermutigen  mich  doch  die  viel- 
fachen Stimmen,  welche  von  verschiedenen  Seiten  darüber  laut  ge- 
worden sind,  nnd  sich  in  bereitwilligster  Anerkennung  des  geleisteten 
vereinigen. 

28  ♦ 


392      W.  Giesebrecht:  Geschichte  der  doatscheo  KiiMnail» 

Die  leileude  Idee  des  Werkes  kommt  erst  in  dieser  iweilea 
llälflo  recht  £ur  Erscheinung.  War  in  der  ersten  nachgewietan  wor- 
den, wie  die  germanischen  Völker  in  den  Kreis  der  rOmiich-ehriil- 
lichen  Bildung  gezogen  wurden,  wie  durch  Karl  den  Grosxea  die  i 
Idee  des  Kaiserthums  ins  Leben  trat  und  die  westliche  Welt  xd  < 
gen  versuchte,  wie  dann  aus  tiefem  Verfall  unter  schweren  Klapfei 
(las  deutsche  Volk  unter  der  Hegemonie  der  Sachsen  ein  staatliches 
Dusein  gewann,. so  finden  wir  nun  hier  entwickelt,  wie  erst  daroh  du 
wiederum  neue  Kaiserlhum  der  deutschen  Nation  das  eiDheitlieha 
Volksbewuslsein  fester  begründet  und  gehoben  wurde.  Jetst  erst  ge- 
wöhnt man  sich  auch  in  Deutschland  die  Vielheit  der  Siftmme  ia  dem 
einen  Volksnamcn  zusammenzufassen,  und  während  ein  höheres  Ziel 
des  Strebens  vorgesteckt  ist,  verschwindet  jeder  Gedanke  an  die  MAf- 
lichkeit  eines  Rückfalls  in  die  alte  Sonderung  der  Ilerxogthamer,  anch 
in  den  Zeiten  der  grösten  Gefahren,  wo  keine  kräftige  Hand  die  Zigei 
hält,  wird  doch  an  der  Reichseinheit  nicht  mehr  gerüttelt,  uad  der 
Gedanke  bleibt  bestehen,  dasz  der  Herr  des  deutschen  Reiches  lagleich 
%uni  Herrn  der  Christenheit  berufen  sei,  dasz  er  Hauen  zu  behersekea 
und  die  Kirche  zu  schirmen  habe.  Bleibt  dann  auch  die  Verwirkli- 
chung dieses  Gedankens  weit  hinter  der  Idee  zurück,  so  ist  doch  seine 
Rückwirkung  auf  die  Heimat  darum  nicht  minder  bedeutend;  wena 
wir  uns  des  alten  Haders  der  Stämme,  und  der  späteren  Zerrissenheit 
erinnern,  so  können  wir  wol  nicht  verkennen,  dasz  eben  diese  hohe 
Stellung  der  Herschcr  und  das  Bcwustsein  derselben  im  Volke  vor- 
zugsweise bewirkte,  dasz  in  diesen  Jahrhunderlen  Deutschlaad  vor 
der  Zerfahrenheit  bewahrt  blieb,  aus  der  die  Nachbarstaaten  nnr  vor- 
übergehend sich  ermannten.  Die  Blicke  der  leitenden  Männer  ia  Staat 
und  Kirche  waren  auf  ein  höheres  Ziel  gerichtet ;  das  Hess  sie  nicht 
untergehen  in  dem  selbstsüchtigen  ringen  nach  Macht  und  Einllass, 
und  gab  auch  nach  schwerer  Verirrung  die  Möglichkeit  überraschend 
schneller  Erhebung.  Wie  aber  das  geistige  Leben,  die  wisseaschsft* 
liehen  Bestrebungen  durch  diese  Ideen  befruchtet  wurden,  das  neigt 
jedem  ein  Blick  auf  die  Lilteratur  dieser  Zeiten  und  auf  ihren  tiefca 
Verfall  nach  dem  Sturze  des  Kaiserthums. 

So  ist  es  denn  vollkommen  gerechtfertigt,  wenn  Giesebrecht  ge- 
rade die  Kaiserzeit  zu  seiner  Aufgabe  gewählt  hat,  und  weaa  du 
Kaiserthum,  sowie  es  in  der  That  bestimmend  auf  die  Geschichte  der 
Zeit  einwirkt,  so  auch  bei  ihm  im  Vordergrunde  der  Darstellung  stehL 
Es  ist  dadurch  die  lebendige  Einheit  gewonnen,  deren  ein  Geicbichls« 
werk  bedarf,  wenn  es  nicht  in  einzelnen  Untersuchungen  oder  Schil- 
derungen zerfallen  soll.  Die  Idee  des  Kaiserthums  und  ihre  gewaltige 
Einwirkung  auf  die  Zeiten,  in  denen  sie  wirklich  lebendig  war,  mais 
in  einer  jeden  Geschichte  des  deutschen  Volkes  entschieden  hervor- 
treten, aber  doch  nicht  in  dem  Masze,  wie  es  hier  der  FaH  ist  nad 
durch  die  besondere  Aufgabe,  die  der  Verfasser  sich  gestellt  hat,  be- 
dingt wird.  Wer  eine  umfassende  und  vollständige  deutsche  Geschichte 
schreiben  will,  der  musz  die  Entwicklung  des  Volkes  schärfer  las 


W.  Giesebrecht :  Geschichle  der  deutgcheo  Kaiserseit.       893 

Auge  fassen,  and  auf  die  Ausbildung  seiner  Verfassang  und  Einricli- 
lungen  genauer  eingehen,  weil  er  diese  eben  auch  noch  fiber  die  Kai- 
serzeit  hinaus  zu  verfolgen  hat.  Bei  der  vorliegenden  Aufgabe  tritt 
diese  Seite  der  Geschichte  mehr  zurück,  und  es  ist  gerechtfertigt, 
dasz  sie  keinen  grösseren  Raum  einnimmt,  wie  ja  anch  in  der  Wirk- 
lichkeit der  deutsche  König  nur  zu  sehr  in  dem  römischen  Kaiser  sich 
verlor.  Ganz  möchten  wir  freilich  nicht  in  Abrede  stellen,  dasz  doch 
auch  die  Geschichte  der  Kaiserzeit  durch  eine  klare,  wenn  auch  kurze, 
Darlegung  der  Zustände  im  Reich,  in  Bezug  auf  Recht,  Verfassung, 
Kriegswesen,  Verkehr  und  Handel  gewonnen  haben  würde,  allein  es 
darf  zugleich  nicht  übersehen  werden,  dasz  diese  Aufgabe  zu  den 
allerschwierigsten  gehört,  und  dasz  andererseits  auch  über  diese  Ver- 
hältnisse manches  beachtenswerthe  in  diesem  Buche  niedergelegt  ist, 
namentlich  in  Bezug  auf  die  Art  der  Reichsregierung.  Vortrefflich 
sind  die  Zustände  Italiens  geschildert,  der  tiefe  rettungslose  Verfall 
des  Landes  in  der  herrenlosen  Zeit,  die  Unmöglichkeit  einer  von  By- 
zanz  kommenden  Erneuung,  die  Nothwendigkeit  für  den  deutschen 
König  in  diese  ihn  so  nahe  berührenden  Verhältnisse  einzugreifen. 
Mit  vollem  Recht  wird  auch  S.  361  im  Gegensatz  gegen  die  in  Italien 
herschende  Auffassung  hervorgehoben ,  dasz  Otto  und  seine  Nachfol- 
ger Italien  von  der  ersten  Besitznahme  an  stets  als  unzertrennliches 
Nebeniand  ihres  ostfränkischen  Reichs  betrachteten,  und  von  keiner 
Wahl,  keinem  besonderen  Vertrage  ihr  Recht  ableiteten. 

Die  Vermählung  mit  Adelheid  zerstörte  die  Einigkeit  des  ottoni- 
schen  Hauses ;  in  den  schwersten  und  härtesten  Kämpfen  muste  Otto 
seine  Herscherkraft  erproben.  Mit  warmer  Theilnahme  geleitet  ihn 
der  Vf.  auch  durch  diese  zweite  Prüfungszeit,  er  zeigt  ihn  uns  als 
Held  und  Sieger,  aber  er  entwickelt  dann  auch  genau  und  sorgsam 
die  grosze  Veränderung,  welche  durch  diese  Vorfälle  in  der  ganzen 
Organisation  des  Reiches  vor  sich  gieng:  wie  Otto  es  aufgab,  das 
Reich  durch  Familienbande  beherschen  zu  wollen,  und  indem  er  nach 
festeren  Stützen  der  königlichen  Gewalt  suchte ,  das  neue  System  be- 
gann, welches  sich  lange  als  heilsam  erwies,  nnd  für  die  ganze  Folge- 
zeit entscheidend  war.  Die  weltlichen  Fürsten  durch  stärkere  Bande 
als  die  Gewalt  der  Persönlichkeit  des  Herschers  zu  fesseln,  fand  er 
kein  Mittel,  und  er  gründete  deshalb  nun  die  Macht  des  deutschen  Kö- 
nigs zum  groszen  Theile  auf  die  geistlichen  Fürsten ,  deren  Einfluss 
und  staatsrechtliche  Stellung  zun^Gegengewicht  gegen  die  Laienfür- 
sten gehoben  wurden.  Die  Bischöfe  wurden  frei  vom  König  einge- 
setzt; sie  hatten  nach  dem  aussterben  der  alten,  verwilderten  Genera« 
tion  groszcntheils  ihre  Bildung  in  der  Kanzlei  des  Königs,  dieser 
groszen  Pflanzsohule  tüchtiger  Staatsmänner,  erhalten  nnd  blieben  zu 
dieser  immer  in  genauelr  Beziehung.  Wie  sie  sich  zahlreich  an  den 
hohen  Festen  um  den  König  zu  versammeln  pflegten,  so  bildeten  sie 
eine  Körperschaft,  in  welcher  feste  Grundsätze  der  Politik  sich  erhal- 
ten konnten,  und  durch  ihre  ganze  Stellung  waren  sie  auf  enges  an- 
schlieszen  an  die  Person  des  Königs  hingewiesen.    Die  Kirche  diente 


394       W.  Giesebreclit:  Geschichte  der  deiilschen  Kaiserzeil. 

flem  Könige,  der  ihr  Schirm  und  Schutz  war,  und  der  ihr  eigenei 
Haupt  aus  seiner  un\^ürdigen  Knechtschaft  befreite,  aber  auch  voll- 
btüniiii^  neben  sich  in  den  Schatten  stellte.  Als  Kaiser  leitete  Otto 
kaum  minder  die  Kirche  wie  die  welllichen  ADgelegeahciten  des  Staa- 
tes; seine  llerschaft,  die  G.  in  einer  sehr  gelungenen  Charakterisük 
mit  dem  Reiche  Karls  des  Grossen  zusammenstellt,  gründete  er  so 
fest,  dasK  sie  die  Niederlage  seines  Sohnes,  und  die  Vormundschaft 
fiir  seinen  Enkel  mit  allen  ihren  Gefahren  überdauerte.  Für  Otto  III. 
aber,  der  mit  13  Jahren  die  Regierung  antrat,  und  in  seinem  22n  Jahre 
sla'b,  war  die  Aufgabe  zu  iibermaszig;  die  mächtig  angewachsenen 
kirchlich-ascelischen  Ideen  und  der  Gedanke  des  Kaiserthums,  in  den 
er  das  rümisch-byzanlinische  imperium  erblickte,  erdrückten  ihn;  das 
Reich  zerfiel  unter  seinen  Hunden,  und  das  Ende  dieses  Bandes  führt 
uns  bis  an  die  Schwelle  völliger  Auflösung. 

Nicht  ohne  Absicht  nahm  diesem  jungen  Konstantin  sar  Seite 
Gerbert  als  Papst  den  Namen  Silvester  an.  Hätte  er  seine  Ideale  ver- 
wirklichen können,  so  wäre  schon  früher  der  Zwiespalt  zwischen  den 
beiden  Häuptern  der  Christenheit  zur  Erscheinung  gekommen,  da  er 
in  der  Natur  der  Verhältnisse  lag  und  nur  durch  die  Schwäche  der 
Kirche  zurückgehalten  wurde.  Aber  noch  war  die  Grundlage  nicht 
vurhanden,  auf  welcher  die  päpstliche  Macht  fuszen  konnte;  nur  die 
Anfänge  der  von  unten  lungsam  wachsenden  Neubildung  der  Kirche 
treten  uns  in  diesem  Bande  entgegen.  Treffend  sind  hier  die  gani 
verschiedenen  Richtungen  gezeichnet,  in  welchen  das  kirchliche  Leben 
in  Deutschland,  Italien,  Frankreich  sich  gestaltete,  und  in  der  begin- 
nenden Macht  der  Mönche  von  Cluny  ist  die  Basis  der  späteren  Ent- 
wicklung bezeichnet,  deren  weilerer  Verlauf  im  folgenden  Bande  her- 
vortreten musz. 

Allein  es  würde  zu  weit  führen,  auch  nur  die  Hauptpunkte  des 
reichen  Inhalts  dieses  Bandes  zu  berühren;  es  war  kein  leichter  Theil 
der  Aufgabe,  auch  die  Geschichte  der  in  diesem  Zeitraum  zn  unabhin- 
giger  Staatenbildung  aufstrebenden  Nachbarländer  kurz  und  doch  klar 
und  übersichtlich  zusammenzufassen,  und  die  verwickelten  französi- 
schen und  italischen  Verhältnisse  glauben  wir  als  besonders  einge- 
hend und  glücklich  behandelt  hervorheben  zu  müssen.  Dasi  überall 
die  Quellen  sowol  wie  ältere  und  neueste  Forschungen  vollständig  be- 
nutzt sind,  bedarf  kaum  noch  der  Erwähnung;  es  ist  aber  auch  dem 
Vf.  (^eluno^en  sich  dadurch  wirklichen  die  Zeit  einzuleben;  die  leiten- 
den F'ersönlichkeiten  haben  ihm  Fleisch  und  Blut  gewonnen  und  er 
weisz  sie  auch  dem  Leser  lebendig  vor  Augen  zu  führen:  manchem 
bedeutenden  3lanne  iüt  erst  dadurch  jetzt  sein  Recht  geworden,  wie 
namentlich  Albcrirh,  wie  dem  mit  Recht  hervorgehobenen  Willijes. 
Von  der  ganzen  ottonischen  Familie  in  ihrer  reichen  Manigfaltigkeit 
ausgezeichneter  Persönlichkeiten,  vom  König  Hugo  von  Italien,  dem 
(iriecheu  >ikephoros,  von  Gerbcrt,  Adalbert,  Nilus  bleibt  dem  l.escr 
ein  beslimniier,  scharf  gezeichneter  Eindruck,  und  was  die  Hauptsache 
ist,  es  sind  das  keine  Gebilde  der  Phantasie,  keine  leeren  Vermulun- 


W.  Giesebrcckl :  Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit.       395 

güu  und  Träume,  sondern  überall  liegen  die  beslimmleu  Angaben  der 
Zeitgenossen  zu  Grunde  oder  die  aus  den  Thatsachen  vorsichtig  gezo- 
genen Folgerungen. 

Die  Charakteristik  der  Personen,  die  Verfolgung  der  Hauptrich- 
tungen der  Zeit,  der  Ziele,  welche  erstrebt  wurden,  tritt  als  vorher- 
sehender Gesichtspunkt  entgegen ;  dasz  auf  die  ZnstSnde  des  Volkes, 
die  Rechtsverhältnisse,  nicht  mit  gleicher  Sorgfalt  eingegangen  ist, 
wurde  schon  bemerkt.  So  genügt  uns  namentlich  nicht,  was  über  die 
Städtegrundungen  gesagt  ist.  Denn  wenn  auch  manche  der  von  Hein- 
rich erwähnten  Befestigungen  zu  wirklichen  Städten  wurden,  beson- 
ders da  wo  geistliche  Stiftungen  einen  Anhalt  boten,  so  ist  doch  die- 
ses nur  als  eine  weitere  Entwicklung  zu  betrachten,  die  häufig,  aber 
bei  weitem  nicht  immer  eintrat.  Als  allgemeine  Maszregel  hat  man 
doch  wol  Heinrichs  Anordnung  so  aufzufassen,  dasz  jeder  ßurchward 
einen  befestigten  Mittelpunkt  erhielt,  der  zur  Dingstätte  bestimmt  war, 
Marktplatz  und  Gildehaus  enthielt,  auch  eine  feste  Besatzung  hatte, 
wesentlich  aber  nur,  wie  Neokorns  sagt,  ein  Raum  war  *rait  einem 
Walle  und  Graveu  befestiget,  darben  se  vor  dem  Anlop  der  Vicnde 
ehre  Thoflucht  nehmen  edder  thosammenkamen  möchten;  solches  hefft 
men  Stede  gebeten.'  Aehnliches  finden  wir  in  Attika,  und  genau  ent- 
sprechend in  Latium  (Mommsens  röm.  Gesch.  I  27).  Im  Lande  der 
Aequiculer  findet  man  eine  Menge  alterthümlicher  Mauerringe  ^die  als 
verödete  Städte  mit  einzelnen  Tempeln  das  staunen  der  römischen  wie 
der  heutigen  Archaeologen  erregten',  die  aber  nie  bewohnt  gewesen 
sind.  Gleiches  würden  wir  ohne  Zweifel  in  den  deutschen  Grenzlan- 
den finden,  wenn  man  sich  hier  nicht  mit  Erdwällen  begnügt  hätte,  die 
verschwanden  als  man  dies  System  der  Landesvertheidigung  verfallen 
liesz.  Gewis  nichts  anderes  war  die  ^ßurg  der  Cocarcscenier'  S.  394, 
und  die  S.  40L  erwähnten  ^Städter'  in  Baiern,  denen  die  flüchtenden 
Ungarn  erlagen,  werden  wol  ebenfalls  nur  die  Besatzungen  solcher 
Burgen  samt  der  hineingeflüchteten  Bevölkerung  der  Gaue  gewesen 
sein ;  dasselbe  war  938  in  Sachsen  geschehen  (Widuk.  II 14).  Auch  bei 
der  Wahl  des  Erzbischofs  Arnulf  von  Reims  S.  616  führt  der  Ausdruck 
'Bürger'  irre,  da  man  an  eine  wirkliche  Stadtverfassnng  noch  nicht 
denken  darf,  und  nur  der  in  der  Stadt'*')  angesessene  Adel  des  Erz- 
slifts gemeint  sein  kann'.  Wie  man  nun  aber  auch  diese  Verhältnisse 
ansehen  möge,  eine  bestimmte  Auffassung  darf  man  wol  von  einem 
Historiker  verlangen,  und  die  scheint  in  den  bezeichneten  Stellen  nicht 
klar  hervorzutreten. 

In  Beziehung  auf  die  Frage  über  das  billingsche  Herzogthum 
wäre  noch  Fickers  Engelbert  von  Köln  S.  228  anzuführen  gewesen; 
Ref.  kann  sich  indessen  von  einer  Beschränkung  desselben  auf  das 
westliche  Sachsen  nicht  überzeugen,  und  sieht  darin  nur  eine  den  An- 
schauungen des  zwölften  Jahrhunderts  entsprechende  Folgerung  aus 


*)  Leider  finden  wir   hier  auch  die  falsche  Schreibart  der  Jahrbü- 
cher Ladn  statt  Laon  wieder. 


396       W.  Giesebrecht :  Geschichte  der  deutschen  lUiseneit. 

dem  Umstände,  dasz  die  Ilaiismacht  dieses  Geschlechtes  im  lüoeborgi- 
sehen  begründet  war.  Denn  die  ganze  Ansicht  von  dem  beichrfinktea 
Umfang  des  neuen  Ilcrzogthums  ist  doch  nur  aus  dem  Chroa.  S.  Mi- 
chaelis entsprungen. 

Die  Kaiserkrönung  Ottos  des  Groszen  hat  der  Vf.  mit  Hülfe  Ter- 
schiedener  Quellen,  namentlich  der  Krönung  Berengars,  darsnsteliefl 
versucht,  da  directo  Zeugnisse  fehlen,  und  sich  dabei  vorsichtig  auf 
M'irklich  nachweisliches  beschrankt;  wir  können  jedoch  nicht  omhin 
zu  bemerken ,  dasz  die  glänzende  Schilderung  der  Peterskirche  S.  433 
in  argem  Widerspruche  steht  mit  den  Worten  Liudprands  Hist.  Ott.  4. 

Doch  um  von  dem  einzelnen  wieder  zum  allgemeinen  su  gelan- 
gen, wir  müssen  noch  der  31ethode  des  Vf.  gedenken,  sich  so  viel  wie 
möglich  an  die  gleichzeitigen  Quellen  anzuschlieszen,  und  auch  ihre 
Worte  haußg  anzuführen.  Zuweilen  ist  wol  darin  zu  viel  geschehen, 
wenn  Kedou  aufgenommen  sind,  denen  man  kaum  irgend  einen  wirk- 
lichen Werth  zugestehen  kann,  und  wenn  gar  alles  Ernstes  angenom- 
men wird,  dasz  Otto  nach  dem  Ungarnsieg  von  seinen  Mannen  als  Im- 
perator begrüszt  sei,  nach  altrömischer  Weise,  eine  Idee,  die  wol 
gowis  nur  der  Gelehrsamkeit  Widukinds  ihren  Ursprung  verdankt.  Im 
ganzen  aber  können  wir  uns  mit  dem  Verfahren  des  Vf.  nur  einver- 
standen erklären;  die  Darstellung  wird  durch  die  fortwährende  Be- 
ziehung auf  die  Quellen,  und  die  mit  richtigem  Takte  ausgehobenen 
Worte  derselben  sehr  belebt,  und  Lehrer  wie  Schüler,  für  welche  das 
Werk  vorzugsweise  bestimmt  ist,  werden  dadurch  zu  der  so  dringend 
wünschenswerthcn  eigenen  Beschäftigung  mit  den  Schriften  der  Zeit- 
genossen angeleitet.  Die  so  sehr  charakteristischen  Berichte  Über  die 
Gesandlscliaflsreisen  des  Abtes  Johannes  von  Gorze  nach  Spanien  und 
Liudprands  nach  Konstantinopel  sind  deshalb  fast  vollständig  aufge- 
nommen ,  und  sie  geben  in  der  That  einen  besseren  Einblick  in  die 
Verhüllnisso  und  Zustände  dieser  Zeit,  als  mit  ausführlichen  Schilde- 
rungen zu  erreichen  gewesen  wäre. 

Sehr  dankeuswcrlh  ist  auch  die  im  Anhang  gegebene  gedrängte, 
über  vollständige  Nachricht  von  den  Quellen  dieser  Periode,  welche 
einem  jeden,  der  nach  einer  sonst  so  schwer  zu  flndenden  Anleitung 
zum  Quellenstudium  verlangt,  auszerordentlich  willkommen  und  nfttx- 
lieh  sein  wird,  wahrend  der  allgemeine  Charakter  der  Litteratur  dieser 
Zeit  im  Texte  selbst  mit  scharfen  Zügen  trelTend  und  wahr  gezeich- 
net ist. 

Gelehrte  Anmerkungen  hatte  der  Vf.  anfangs  gar  nicht  zu  geben 
beabsichtigt,  ändert  jedoch  sputer  diese  Absicht  sehr  verständiger  Weise 
in  so  weit,  dasz  zwar  die  in  den  Jahrbüchern  enthaltenen  ausführlichen 
Untersuchungen  vorausgesetzt,  neue  und  abweichende  Angaben  und 
Annahmen  aber  kurz  begründet  werden.  Namentlich  werden  die  frü- 
her noch  nicht  benutzten  Quellen  nebst  der  neueren  Litteratur  nachge- 
wiescn,  und  dadurch  der  Weg  zu  weiterer  Forschung  gezeigt.  Auf 
ein/.elnes  einzugehen  würde  hier  zu  weit  führen;  wer  sich  aber  mit  der 
Geschichte  dieser  Zeiten  beschäftigt,  wird  gut  thun,  die  in  diesen 


Zum  Programmeiiweseo.  807 

Anmerkungen  enthaltenen  Winke  genan  sa  beachten.  Das  sehr  merk, 
würdige  Schreiben  des  Erzbischors  Wilhelm  an  den  Papst  in  berich- 
tigtem  Abdruck  wird  mau  mit  Dank  entgegennehmen,  so  wie  die  Ak- 
tenslücke,  welche  zur  Aufhellung  der  römischen  Stadtverfassang  die- 
nen, lieber  diese  ebenso  wichtigen  wie  schwierigen  Verhältnisse,  und 
die  dahin  gehörigen  Quellen,  einen  Gegenstand,  mit  dem  der  Vf.  sich 
vielfach  und  eingehend  beschäftigt  hat,  ist  eine  eigene  Abhandlung 
beigefügt. 

Und  so  scheiden  wir  denn  von  diesem  ersten  Bande  der  Ge* 
schichte  der  Kaiserzeit  mit  dem  Wunsche,  dasz  die  Fortsetzung  nicht 
zu  lange  ausbleiben  möge,  und  mit  der  sicheren  Erwartung,  dasz  sie 
dem  gegebenen  Anfange  sich  würdig  anschlieszen  werde. 

Watteitbach. 


82. 

Zum  PjTOgrammenwesen. 


Herr  Prof.  Dietsch  hat  in  der  von  ihm  redigierten  zweiten  Ab- 
theilung der  N.  Jahrbb.  f.  Philol.  u.  Paedag.  Bd.  72  S.  585  —  599  ^das 
Programmeninstitut'  behandelt.  Bei  der  LectQre  dieses  wol  durch- 
dachten Aufsatzes  kamen  dem  anterzeichneten  Gedanken  bei ,  welche 
aus  dem  Bereich  seiner  mehr  als  vierzigjährigen  Schulpraxis  geschöpft, 
er  für  die  öffentliche  Nittheilung  nicht  ganz  ungeeignet  hielt;  sie  be- 
schränken sich  zunächst  auf  das  engere  Vaterland,  dem  er  angehört  und 
verzichten  auf  eine  allgemeine  Giltigkeit.  Die  in  Sachsen  erschiene- 
nen sogenannten  Schulprogramme  sahen,  so  viel  ich  weisz,  ganz  ab 
von  Schnlnachrichten  und  wurden  entweder  zur  Feier  des  Andenkens 
an  Gestifle  oder  zur  Kunde  des  bestehens  der  einen  oder  andern  Ge- 
lehrtenschule geschrieben.  Die. Urheber  jener  Gestifte  z.  B.  Eckhardt* 
Richter,  Taube,  Siegbardt  in  Preiberg,  Mättig  in  Bndissin,  Keymann  io 
Zittau  wollten  ihres  Namens  Gedächtnis  alljährlich  gefeiert  und  einen 
oder  zwei  zur  Universität  abgebende  Schüler  durch  ein  sogenanntes 
Viaticum  unterstützt  wissen;  daher  wurden  zu  Ende  des  stets  lateinisch 
geschriebenen  Programms,  für  dessen  Druck  eine  kleine,  später  nicht 
mehr  zureichende  Summe  ausgesetzt  war,  einfach  die  Festreden  der 
Schüler  angekündigt,  zn  deren  Anhörung  eingeladen  worden  war,  sel- 
ten aber  oder  gar  nicht  der  übrigen  abgehenden  Zöglinge  der  Anstalt 
gedacht.  Die  sonstigen  Programme,  von  dem  trefflichen  und  verehr- 
ten llgen  *),  welcher  solche  Schulschriflen  als  Rector  der  Stadtschale 


'*')  llgen  entflcblosz  sirh  als  Rector  zu  Schalpforta,  als  diese  an 
die  Krone  Prenszen  übergegangen  war  und  er  ofncieil  das  erste  Pro- 
gramm zn  schreiben  hatte,  ungern  dazu,  meinend  dasz  die  Farsten- 
schulen  ihren  hinreichenden  Zuflnsz  auch  ohne  Programm  hätten. 


398  Zum  Programmenweseik 

zu  Naumburg^)  zu  Aufange  der  neunziger  Jahre  abzufassen  halte,  ia 
Scherzo  *  Trommel'  genannt,  enthielten  ausser  der  wissenschaftlicIieB 
Abhandlung  zuweilen  die  Ankündigung  des  Schulexamens,  des  Rede- 
aclus,  die  Namen  und  Censuren  der  abgehenden  Schaler,  sowie  du 
Verzeichnis  der  gesamten  Schüler;  von  den  Beitragen  der  letitem 
wurden  in  Ermangeluug  anderer  Quellen  die  Druckkosten  dee  Pro- 
gramms gewöhnlich  bestritten.  Doch  als  zu  Ende  des  vorigen  und  so 
Anfange  des  jetzigen  Jahrhunderts  die  Muttersprache  mehr  Gellong  ii 
der  Wissenschaft  zu  gewinnen  und  die  Schule  sich  weniger  vom  Le- 
ben abzuschlieszen  begann,  gab  man  Nachrichten  von  Gelehrleuschalea 
in  deutscher  Sprache  z.  B.  die  Rectorcn  Müller  in  Zeitz  1810,  Wernt- 
dorf  in  Naumburg  (Domschule),  Poppo  in  Frankfurt  a.  0.,  Klopfer  ia 
Zwickau  1819,  Frotscher  in  Schneeberg  1820,  ich  selbst  in  Freiberg 
1821  u.  a.  m.  Diese  Erscheinungen  würden  vereinzelt  und  der  Will- 
kür überlassen  geblieben  sein,  wenn  nicht  eine  k.  preusz.  Hinisterial- 
Verfügung  v.  23.  Aug.  1824  (siehe  Archiv  f.  Philol.  u.  Paedag.  18SS, 
St.  1  S.  174 — 177)  Gleichförmigkeit  und  Vollständigkeit  der  Sehalpro- 
gramme  angeordnet  und  das  Jahr  darauf  eine  Verordnung  den  allge- 
meinen Programmentausch  in  Prcnszen  ai^befohlen  hätte,  welchem  sich 
die  übrigen  Staaten  Deutschlands  im  Laufe  der  Zeit  anschlössen,  dai 
Königreich  Sachsen  durch  behulige  Verordnungen  vom  20.  AprU  1836 
und  2.  März  1837;  das  im  letzteren  Staate  1846  erschienene  RegaUtiv 
für  Gelehrtcnschulen  handelt  §  23  von  der  Abfassung  des  jfihrliehei 
Programms  und  orlheilt  die  dahin  abzielenden  Vorschriften. 

Die  grosze  Anzahl  von  Programmen ,  welche  jährlich  erschienen, 
veranlaszton  den  Prof.  Winiewski  ein  systematisches  Verzeichnis  der 
in  den  preusz.  Programmen  1825  — 1841  enthaltenen  Abhnndlongen 
1844  herauszugeben,  nachdem  das  Jahr  zuvor  Prof.  Gutenioker  ein 
ahnliches  Verzeichnis  der  bayerschen  Schulschriften  hatte  erscheinen 
lassen.  In  Sachsen  gab  Albani,  jetzt  Oberlehrer  an  der  Krenssdinle 
zu  Dresden,  eine  ^Programmenrevuo'  heraus,  deren  Ir  Band  (Dresden 
1846)  die  Programme  von  1843,  nicht  blosz  die  philol.  oder  paedago- 
gisclien  bespricht  und  Mitlheilungcn  aus  den  Schulnachrichten  gibt 
und  Originalaufsätze  hinzufügt;  der  11.  Bd.  sollte  über  die  Programme 
von  1844  bis  mit  46  berichten ,  schlosz  aber  mit  dem  ersten  iiene. 
Seitdem  und  auch  schon  früher  haben  die  leipziger  N.  Jahrbb.  f.  Phi- 
lologie und  Paedag.  und  die  berliner  Zeitschrift  für  das  Gymnasiil- 
wesen  Berichte  über  die  erschienenen  Programme  geliefert,  wodurch 
man  sich  recht  gut  in  den  Stand  gesetzt  sieht,  sich  auf  dem  so  sehr 
erweiterten  Bereich  der  Schulschriften  zurecht  zu  Anden.  Was  die 
der  wissenschaftlichen  Abhandlung,  welche  nach  Billigkeit  und  Vor- 
schrift die  Lehrer  in  oder  auszerhalb  der  Reihe  zu  liefern  haben,  bei- 
zugebenden Schulnachrichten  anbetrifft,  so  waren  dieselben  anfangs 


*)  In  Naumburg  gab  es  ehedem  zwei  Gelehrtensrhulen,  die  Stadt- 
und  die  Domschule,  bis  die  erstere  1809  in  eine  Burgerschnle  rerwan- 
delt  wurde. 


Zorn  Programmenwesen.  890 

nur  für  den  engero  Kreis  derjenigen ,  welche  ans  dem  einen  oder  an- 
dern Grunde  Theil  an  den  Angelegenheiten  der  Schale  nahmen ,  be- 
glimmt; allein  der  Programmentansch  ver&nderte  die  Sache,  so  dass 
sie  einen  weitem  Kreis  von  Lesern  bekamen.  Die  Frage,  welcheo 
dieser  Kreise  soll  der  Vf.  der  Schulnachrichlen  berücksichtigen,  glaube 
ich  dahin  beantworten  zu  müssen,  dasz  der  ursprüngliche  Zweck  fest- 
gehalten werde  ohne  die  Rücksicht  auf  den  entfernter  stehenden  Leser 
ans  dem  Auge  zu  verlieren.  Es  ist  allerdings  dazu  ein  gewisser  Tacl 
nolh wendig,  welcher  lehrt,  wie  weit  man  den  Erwartungen  und  An- 
sprüchen des  näheren  und  entfernteren  Leserkreises  Rechnung  zu  tra- 
fen habe;  freilich  wenn  man  nur  die  Schulprotokolle  oder  die  Scbul- 
chronik  zur  Hand  nimmt  und  diese  ohne  Kritik  benutzt,  so  werden 
Miltheilungen  zu  Tage  gefördert,  die  das  Gepräge  der  Nutzlosigkeit 
auf  der  Stirn  tragen.  Eben  in  die;sen  Tagen  sendete  mir  mein  wack- 
rer Universitätsfreund,  der  Director  Poppo ,  das  neueste  frankfurter 
Programm ;  ich  mnsz  gestehn ,  dasz  die  demselben  angefügten  Schnl- 
nachrichten  mir  zweckmäszig  eingerichtet  erscheinen ;  nur  ist  mir  ein 
Zweifel  beigegangen,  ob  Verordnungen  der  vorgesetzten  Behörden  hier 
Platz  finden  können,  da  dieselben  einer  betreffenden  Zeitschrift  oder 
einem  Schulgesetzblalt  angehören  dürften.  Andererseils  könnten  — 
abgesehn  von  dem  erwähnten  Programm  —  die  Schulnachrichten,  wie 
Dietsch  richtig  bemerkt,  durch  Andeutung  über  Lehrgang  und  Methode 
fruchtbarer  und  durch  Ausscheidung  mancher  ungehörigen  Mittheilun- 
gen einfacher  gemacht  werden.  Endlich  habe  ich  schon  längst  ein 
groszes  Bedenken  gehegt  über  die  VeröfTentlichung  der  den  Abiturient 
ten  ertheilten  Censuren,  wo  solche  nicht  durch  die  einfachen  Praedi- 
cate  Veif  oder  unreiP,  wie  in  Preuszen,  bezeichnet  werden;  denn  das 
Ehrgefühl  der  einen  wird  zu  sehr  angespannt,  das  der  andern  zu  sehr 
gedrückt,  wenigstens  habe  ich  mehr  nachtheilige  als  vortheilhafte 
Folgen  davon  wahrzunehmen  Gelegenheit  gehabt;  denn  die  Angabe 
des  Censurgrades  gehört  in  das  testimonium,  nicht  in  das  Programm: 
Eltern  und  Behörden  sind  davon  in  Kenntnis  zu  setzen,  nicht  das 
gröszere  Publicum. 

Zwickau.  Rüdiger. 


33. 

Tili  Ldvi  ab  urbe  condüa  iibri.  Erklärt  von  W.  Weissenborn. 
Vierler  Band^  Buch  XXI — XXI IL  Berlin,  Weidmannsche 
Bnchhandlung.    336  S. 

Tn  dem  vorliegenden  vierten  Bande  des  Weissenbornschen  Livius 
ist  die  Erklärung  in  derselben  Weise,  wie  in  den  früheren  Bänden, 
fortgeführt  und  erstreckt  sich  gleicbmässig  auf  den  Sprachgebrauch 
und  auf  sachliche  Gegenstände.  In  letzterer  Beziehung  sind  namentlich 
auch  die  neuesten  Untersuchungen  Mommsens  benutzt  und  Polybins 


400  W.  WoisscnboFD:  Livius.  4r  Band. 

häufig  herangezogen  worden.  Wenn  auch  gerade  bei  den  belreffendea 
Büchern  des  Livius  die  ErklSrnng  mehr  als  sonst  wo  rorbereilet  nad 
gefördert  war  durch  die  Leistungen  Fabri^s,  Ileerwagent  ond  Alichefs- 
ki^s,  so  hat  sich  doch  Hr.  W.  auch  hier  ein  sehr  anerkennongiwerthes 
Verdienst  um  den  Schriftsteller  erworben  und  ebensosehr  durch  eigae 
Forschung  wie  durch  sorgfältige  Benutzung  der  fraherea  Erklärer  aber 
die  Sprache  des  Livius  und  Qber  die  von  ihm  erwähnten  geachidU- 
liehen  Verhältnisse  und  Begebenheiten  grösseres  Licht  verbreitet  Die 
vorliegende  Bearbeitung  wird  sich  übrigens  besonders  für  den  Gebraick 
des  Lehrers  eignen ,  sie  scheint  wenigstens  nicht  ausschliesilioh  fOr  den 
Gebrauch  des  Schülers  bestimmt  zu  sein :  kritische  Verhältnisse  sind 
häufig  berührt,  gelehrte  Forschungen  da  und  dort  angesogen,  vergli- 
chen und  besprochen ,  durch  Rücksichtnahme  auf  andere  Erkifirufsa 
und  durch  die  dabei  beobachtete  Kürze  des  Ausdrucks  wird  hin  nod 
wieder  wenigstens  für  den  Schüler  einige  Dunkelheit  entstehen;  man- 
ches andere  ist  nur  angedeutet  und  nicht  umständlicher  begründet. 

Bei  der  kürzlichen  Besprechung  des  vorliegenden  Bandes  glanbea 
wir  zunächst  untersuchen  zu  müssen,  in  welchem  Verhältnisse  der  Text 
dieser  Ausgabe  der  dritten  Decade  zum  Teubnorschen  Texte,  den  eben- 
falls Hr.  VV.  vor  ungefähr  6  Jahren  besorgt  hat,  steht.  Da  sieh  hier- 
über eine  Erklärung  des  Herausgebers  nicht  findet  und  im  Ende  des 
Buches  ein  Verzeichnis  nur  derjenigen  Stellen ,  an  welchen  ConjeeU- 
ren  aufgenommen  sind,  beigegeben  ist,  so  darf  man  annehmen,  dasi 
Hr.  W.  dieselben  Grundsätze,  die  er  Teubn.  il  p.  XI  ausgesproehei 
hat,  noch  festhält.  Veränderungen  aber  durch  Aufnahme  vonConjeela- 
ren  und  Emcndationen  der  Uuberliefcrungen  der  codd.  (unter  den  nene- 
ren  von  H.  Sauppe,  Nadvig,  Heerwagen,  Wcisscnborn  n.  n.)  finden 
sich  in  ziemlicher  Anzahl,  und  die  folgenden  Angaben  über  das  3ie 
Buch  —  weiter  haben  wir  die  Vergleichung  nicht  miltheilen  xu  dürfen 
geglaubt,  —  mögen  das  Verhältnis  und  die  Verschiedenheit  des  vor- 
liegenden Textes  und  der  Teubncrschen  Ausgabe  veranschaulichen. 

Lib.  \\l  21,  t!  quae  ductu,  T:  qui  duclu;  9,  4  yraiificari  populo 
iiom.^  T:  gralilicari  pro  Homanis;  10,  ö  repelunt;  ut  pubi.  fr,^  T:  re- 
poluutur.  publica  fr.;  10,  Vlaccidere^  T:  accedere;  20,  9  exspecte- 
lioNi',  T:  in  exspcct. ;  22,  1  atque  id  eo  minus ^  T:  atque  id  eo  (band) 
m. ;  22,  3  hv  quod,  T:  no  quid;  22,  6  praeter  marii.  oram  Eiomuam 
urhrm  ud  ihh,;  T:  prael.  Ktov.  urb.  ad  Hib.  maritima  ora;  27,  8  equti 
fere  propier  e^Hos  uarvt;  T:  oq.  f.  pr.  equos  nantes  nav.;  32,  8  Al- 
uHtmuifHe,  V:  inauimaliaque;  36,7  trai  ria  hbnca  gl.^  T:  ot  n  Inbrica 
MlniMo.  ihid  S  mlerdum  etiam  (/«ink'n),  T:  inlerdum  etiam  tarnen;  38, 
.^  *nH»i$»sf.  ruMrtni  itüi/me  proxima  »jems^  T:  amisisse  e  Tanrinis, 
^\^\M^  (i  pr  ^.;  ebiMida!».  detjretto^  T:  dogressum;  41,  9  qui  decedere 
>#,#/•.!.  vm,  V:  qui  dooodon«  Sioilia  slip.;  U.6(ad  Hihcrum  esi Satfun- 
tM'H\  NMx.;M.rPM,  1  lihno  Taronthcüe:  44,  9  *i  destinuium^  T:  destina- 
nim  .  k\  .\  »  i<7mnin/,j(.  r  Vicotumulis;  4(k  6  arf  pedes  /»Hi/na  reneraij 
1  uiM«l.  |0,  7  «I  ;>riii*/.iiv  ei  cir%u9  ad  ciritates  misti  und  sodann  qmi 
«••.^«,  1     1*1  \\v\'ik  a  praetor««  ad  civitaics  nissi  log.  trib.:  snos;  49,  8 


W.  WeiBseDboni:  Livin«.  4r  Band.  401 

dauern  missi.  itaque,  T:  classem.  simal  itaqne;  53,  7  aboUeissenij 
T:  obsolevissent ;  bt^S  prtmos  gut  eguissent^  T:  primoi  qaof  que  q. 
ega.;  54,  4  cum  Magone^  T:  Magoni;  55,  3  effuse  sequenU$  egmii.^  T: 
eflTosos  seq.  eq.;  56, 1  Hannibal,  ihi^  T:  Hanaibai.  ii;  59, 1  degressuSj 
T :  digressus ;  61 ,  6  hibernis  bostico ,  T :  ohne  hostico.  Versebiedea- 
heiten  in  der  Scbreibang ,  aucb  in  der  Interpnnction ,  finden  sieb  bie 
und  da. 

Im  folgenden  erlauben  wir  uns  nocb  eine  Anzabl  Stellen  zur 
Spracbe  su  bringen ,  aber  die  wir  in  Betreff  der  Erklärung  oder  der 
Kritik  zum.  Theil  abweicbende  Ansichten  haben;  namentlich  werden 
auch  dabei  einige  der  aufgenommenen  Conjecturen  besprochen  werden. 

XXI  1, 1.  Mit  der  Verbindung  der  Wörter  summae  ioiius  können 
wir  uns  nicht  befreunden,  sondern  wir  hallen  es  für^s  angemessenste, 
totius  einfach  auf  operis  zu  beziehen,  so  dasz  der  Gegensatz  zu  m 
parte  schärfer  hervortritt,  wie  er  auch  bereits  durch  die  Wortstellung 
angedeutet  ist;  also  summa  toiius  operi$:  *  Hauptinhalt  des  ganzen 
Werkes'.  Zugleich  bezeichnet  Livius  in  diesen  Worten  die  Verschie- 
denheit, die  zwischen  ihm  und  den  meisten  früheren  Geschichtschrei- 
bern stattfindet;  während  diese,  die  nicht  nur  einzelne  Partieen  und 
Kriege  behandelt  haben  (carptim\  eine  ähnliche  Bemerkung  zu  Anfang 
ihres  ganzen  Werkes  vorgebracht  haben,  darf  Liv.  (qui  a  primordio 
urbis  res  gesias  p,  R,  perscribit)  bei  einem  bloszen  Theile  se;iner  Ge- 
schichte mit  weit  gröszerem  Rechte  und  ohne  den  Schein  der  Unbe- 
scheidenheit  jene  Behauptung  fAr  sich  in  Anspruch  nehmen.  Deswegen 
sagt  er  auch  licei^  nicht  Uceat^  *ich  darf,  ich  kann';  denn  er  bittet 
nicht,  begehrt  nicht  eine  Erlaubnis  durch  andere,  sondern  er  urtheilt 
und  macht  von  einem  durch  die  Sachlage  selber  dargebotenen  Rechte 
Gebrauch.  Licet  non  tantum  de  eo  dicitur^  guod  per  aliud  quid 
aut  per  alios  conceditur  fieri  posse^  sed  etiam  de  eo  quod  ob  ipsam 
rem  fieri  debeat.  Uebrigens  wird  man  durch  diese  Stelle  direct  an 
den  Eingang  des  ThuCydides  erinnert.  —  Das  Verhältnis  der  Begriffe 
opibus  ealidiores  und  virium  aut  roboris  bedurfte  einer  Erklä- 
rung. —  Zu  conserere  inter  se  artes  belli  bemerken  wir,  dasz  eben 
der  Zusatz  bello  die  Verbindung  erklärt  und  gestaltet  ==  experiri  ar- 
tes  ^aneinander  üben'.  —  §  3.  imperitare  bezeichnet  hier  wol  eher  die 
Härte  und  Grausamkeit,  als  die  Dauer  der  Herschaft  (das  Citat  ist  in 
1,  2,  3  zu  ändern).  Wir  halten  für  den  Schüler  die  Bemerkung  für 
nöthig ,  dasz  die  Worte  quum  —  sacrificaret  zu  aitar,  admot,  bezo- 
gen werden  müssen.  —  2,  1  his  curis  i,  e.  de  iniquitate  Romano- 
rum  in  intercipienda  Sard.  —  §  2  es  läszt  sich  fragen ,  warum  agi" 
tare  stehe,  nicht  agitasse,  —  Die  Conjectur  quae  —  intulerunt 
scheint  uns  dann  nicht  nöthig,  wenn  man  mit  Harlei  liest:  Jtaliae 
arma^  so  dasz  der  Sinn  wird:  Poenos  adeo  Italiae  illaturos  fuisse 
arma, —  §  4.  Die  auch  von  Hrn.  W.  aufgenommene  Lesart  t»  impe- 
rio  positus  wird  besonders  durch  die  vorhergehenden  Worte  opi- 
bus und  haud  sane  voluntate  als  sehr  passend  bezeichnet,  and  wie  Li- 
vius ^gt  dominum  imponere^  so  kann  er  auch  sagen  aliquem  in  im- 


402  W.  Weissenborn :  Livini .   4r  Band. 

perio  ponere.  —  3,1.  In  Hasdr.  locum  seguereiur:  ein  Annkolith 
braucht  nicht  angenommen  su  werden,  in  =  in  Hinsieht,  vergl.  Hni 
Tursell.  III  p.  314;  dasz  aber  der  Text  der  ganzen  Steile  noch  weit 
von  seiner  ursprQnglichen  Gestalt  entfernt  ist,  scheint  besonders  darch 
die  beglaubigte  Lesart  sequebaiur  angedeutet  zu  sein. —  4,  4.  ubi 
—  essei^  ubi  =  ubicunque^  ubiubi.  —  Confidunt  =  ßdem  km-^ 
benij  cf.  Sali.  Jug.  13  legati  saiis  confidunt,  Liv.  II  45,  4.  —  $6. 
finitus  wie  IX  34  finita  potestas  =  circumscripta  certo  iempare.  — 
^7  silentio  i.  e,  ut  iuberet  omnes  circa  siiere,  —  §  8  equi^  der 
Plural  steht  in  dem  Sinne:  quicunque  equus,  quo  vehi  solehai,  —  6,1. 
Zu  provincia  vergl.  28,  40  quam  (Africam)  nee  senatus  centuUin 
hunc  annvm  provinciam  esse  etc,  —  $2  quia  movebaniur:  nich 
lateinischer  Ausdrucksweise  =  quia  moturi  erant  oder  non  dßMum 
erat  quin  moverentur  arma,  —  §  3.  in  parte  verstehen  wir  =  0 
parte  ^  vgl.  XXXI  31  med.,  also  gens  foedere  iuncta^  non  in  dickmem 
redacta.  —  §  4.  Der  schwierige  und  seltene  Ausdruck  iuugendo- 
que  findet  in  dem  nunc  ira,  in  hostes  stimulando  XXI  11,  3  eine  aas- 
reichende  Belegstelle.  —  §  9  ita  producta^  W.  mit  Fabri  'nar  so 
weil',  während  wir  ita  =  in  eum  modum  nehmen.  —  6,6  provin- 
das  dccernentes  -~  quasi  tarn  occupqtas  provineiaB  deeeni 
potentes^  also  von  dem,  was  sie  wünschen,  in  welchem  Sinne  decer- 
nere  häufig  gebraucht  wird.  —  7,  6  ita  —  «^  --  etiamsi  —  lanie*. 
Effectus  operis  die  Ausführung,  vgl.  XXXI  46  extr.  opera  er&nt 
in  effectu,  —  Suspecto  loco  =  magis  defendendo,  in  quo  agg/res- 
sum  suspicabantnr.  —  Labor  is  scheint  gewählter  und  passender  als 
timoris.  — 8,  4.  Die  Erklärung  W.  zu  non  sufficiebani  ist  Nr 
verständlich,  wenn  man  einen  Text  vor  sich  hat,  wo  vor  non  siijf.  eine 
Interpunction  steht;  wenn  man  auch  mit  Hrn.W.  sunt  streicht  ond  «an 
sufficiebani  zu  oppidani  zieht,  so  wird  doch  ad  omnia  iuendami 
distineri  zu  verbinden  sein:  eben  weil  sie  viele  Theile  so  decken 
hatten,  reichten  sie  nicht  aus.  Wir  glauben  aber  die  frfibere  Lesart 
beibehalten  zu  müssen:  dist.  coepli  sunt  et  non  sufficiebani^ 
t.  f.  et  ita  non^  ideoque^  und  darin  liegt  zugleich  der  Grand,  wann 
Liv.  nicht  nee  suff,  sagte.  —  9,  4.  Hr.  W.  liest  gratificari  pop. 
Romano;  die  gewöhnliche  Lesart  gratif.  pro  Romanis  findet  eine 
Keclitfcriigung  in  dem  Ausdrucke  pro  commodis  VI  35,  4;  Obrigens 
Süllen  die  Worte  pro  Rom,  oder  pop,  Rom,  wie  ein  Glossem  au.  — 
10,  4  eivat  verbinde  mit  serendo  bello^  *ganz  darin  leben'.  —  $  7 
liest  Hr.  W.  repetunt;  ut  pubL  fraus  absit;  vielleicht  ist  mit  den  Spa- 
ren in  den  Handschriften  vereinbar:  res —  repetunttir^  repetunt  uip, 
fr.  absil,  —  §  12.  Wir  glauben  an  der  überlieferten  Lesart  aecedere 
d.  i.  adnos  pertenire^  perferri  festhalten  zu  müssen,  in  aecidere 
liegt  der  ßcgrilT  des  flüchtigen  und  zufälligen,  was  hier  nicht  passend 
ist,  wenn  auch  sonst  ähnliche  Verbindungen  mit  aecidere  hei  Livius 
häufig  sind.  —  11^^  paucorum  *nur  wenige'.  Der  Salz  musz  ver- 
vollständigt werden:  *  setzte  Hannibal  die  Belagerung  fort  und  gab 
usw.'  — §5.  \n  novus  mvrus  liegt  eine  Prolepsis  =r  fioFiiiii  d0  in- 


W.  Weissenborn:  Livins.    4r  Band.  463 

tegro  aedificare.  Der  Aasdruek  paientia  ruinis  ist  sprachlich 
hart,  aber  durch  siraia  ruinis  12, 2  erklärt,  vgl.  XXIV  33  extr.  urbem 
spatio  disiectam, —  15,1.  Wir  möchten  rathen,  die  Worte  ei  tu  cae- 
dihus  bis  praeda  fuerani  in  Parenthese  zn  stellen,  weil  der 
Nachsatz  ex  preiio  rerum  vendilafum  nur  auf  den  ersten  Theil  des 
Vordersatzes  (pleraque  cormpta  erant)  zu  passen  scheint.  —  16,  5 
Zu  recens  war  eine  Erklärung  zn  wönschen;  wir  verstehen  es  =  vi- 
ribus integer^  vgl.  Caes.  b.  gail.  VII  48:  spaiio  pugnae  defaiigaii  non 
facile  recenies  aique  iniegros  susiinebani.  —  19 ,  3.  Wir  glauben  be- 
merken zu  mQssen,  dasz  die  Worte  in  üasdrubalis  foedere  — 
fuerini  nicht  mit  den  vorhergehenden  verbunden  werden  dürfen, 
sondern  die  Ansicht  des  Livius  enthalten. — 22, 1  ideo  haud  minus j 
wir  m&chten  das  aberlieferte  haud  nicht  streichen ;  die  Worte  von  a  d- 
que  id  —  principum  animos  sind  als  Parenthese  zu  betrachten, 
in  welcher  also  die  Negation  wiederholt,  das  neglegendum  aber  samt 
seiner  Negation  zu  supplieren  ist,  also  id  eo  haud  minus  non  negle- 
gendum IL  ratus  esi^  wie  auch  bereits  Fabri  erklärt.—  27,7  die  freiere 
Aasdrucksweise  quos  sedes  suae  reiinuerant  war  zu  bemerken  und  zu 
erläutern;  lemere  =  ohne  besondere  Bestimmnng,  ohne  bestimmten 
Zweck. — 30, 10.  Wenn  Hr.  W.  zu  cedereni  und  sperenthemerkl^ 
dasz  jenes  eine  verstellte  Aufforderueg  enthalte,  dieses  den  Wunsch, 
dasz  sie  Hoffnung  hegen  mögen,  so  passt  diese  Unterscheidung  nicht  auf 
alle  ahnlichen  Fälle;  vgl.  KrQger  lat.  Gr.  §  656,  c  Anm.  Caes.  bell.  civ. 
I  87,  7  n.  8.  • —  31,2.  Zu  quanlum  a  mari  recessisset^  ffkinus 
obtium  fore  bemerken  Wir,  dasz  allerdings  beim  Comparatiy  in  der 
Regel  ianto  oder  eo  hinzugesetzt  ist  und  dasz  dann  eine  Vergleichnng 
ausgesprochen  ist  (ianto  fehlt  auch  44,  36),  dasz  aber  der  Demonstra- 
tivbegriff  nicht  überall  nothwendig  hinzugefugt  zu  werden  braucht,  in- 
dem quanlum  =  ^inwiefern,  wenn'.  —  22,9  Zu  transitum  ea  non 
esse  fügen  wir  hinzu,  dasz  non  esse  =r  fieri  non  posse^  so  II  29,  II : 
diclalorem^  a  quo  provocatio  non  est.  —  $  10  ist  ex  aper lo  nicht 
dnrch  ex  aperlo  loco  zu  erklären,  sondern  =  non  fraude  ei  ariibus^ 
sed  omnium  in  conspeciu^  iiig>avmg.  —  33,  7  scheint  nns  di- 
ruplae^  wie  auch  die  codd.  haben,  gelesen  werden  zu  müssen,  da 
deruplus  dem  danebenstehenden  praeceps  gleichbedeutend  wäre,  auch 
hier  diruplae  mit  utrimque  und  angustiae  sich  am  besten  vereinigt. 
Die  Angabe  der  codd.  ist  allerdings  bei  solchen  Wörtern  ohne  wesent- 
liche Entscheidung.  —  34,  4.  Wir  lesen  und  interpun gieren  mit  Hm.  W. 
nach  Alsch.  tiftis,  nequaquam  ui  inier  pacalos^  composiio 
agm.^  nnd  zwar  deswegen,  weil  nequaquam  mit  einem  negativen  Ver- 
biim  (incomp.)  nicht  vorzukommen  scheint.  Aber  die  erklärende  Be- 
merkung, dasz  vor  composiio  Yäer  sed  nicht  gesetzt  sei,  finden  wir 
unstatthaft;  nequaquam  ui  in ter  pacatos  ist  eine  Parenthese ,  welche 
die  Lateiner  voranstellten.  Eine  Auslassung  von  sed  würde  nur  ange- 
nommen werden  können,  wenn  ein  directer  Gegensatz  zu  pacatos 
folgte,  etwa  wie  1  25,  3.  —  Ebendas.  §  5  wurden  wir  statt  sollici- 
ttts  die  leichlere  Lesart  der  codd.  solliciiusque  beibehalten;  auch 


404  W.  Weissenborn :  Livias.   4r  Band. 

ist  die  von  Hrn  W.  cilierte  Stelle  II  40,  4:  ui  amens  coHtiermaiu»  Hc, 
wie  leicht  ersichtlich ,  anderer  Art.  —  40,  10.  An  dieser  kritiseh  sehr 
unsichern  Stelle  dürfte  im  Anschlusz  an  einige  codd.  und  Crevier  ge- 
lesen werden  können:  quam  ne  aniequam  vos  pugnaveriiii, 
—  41,  9.  Die  alte  beglaubigte  Lesart  qui  decedem  Siciiia  stip, 
verdient  den  Vorzug,  da  Livias  den  Abzug  aus  Sicilien  bereits  in  des 
Worten  praesdium  deduxit  ah  Eryce  angedeutet  hat,  also  dieser  Ge- 
danke in  so  selbständiger  Form  qui  decedere  Sic,  nicht  mehr  aas- 
gedrückt  zu  werden  brauchte.  —  43,  4  ob  vielleicht  zn  lesen  ist  duo 
maria  clauduntur  —  habeniibus?  —  48,  7.  Wir  glsnben,  dasi 
man  wol  t)ulnus  iactatum^  aber  nicht  via  iacian$  verbinden  kann;  vgl. 
XXX  19  med.  —  52,  11  möchte  ich  mit  Beseitigung  aller  Conjeetnrea 
und  im  Anschlusz  an  die  Ueberlieferung  lesen:  Varia  inde  fugma; 
sequenies  quamquam  ad  exiremum  aequassent  certamen^  maior  tawun, 
hosiium :  Romanis  fama  eicioriae  fuil,  Maior  bezöge  sieh  also  aaf 
pugna  und  der  Sinn  wäre:  sequenies  aequarunt  ceriamen^  $ed  quam- 
quam aequareni  (Fabri  zu  XXI  13,  8),  maior  tarnen  etc. 

XXII  2,  6.  Galli  neque  sustinere  se  —  neque  adsurge- 
re  —^polerant^  nee  autetc.  Wir  müssen  Hrn  W.  beipflicbten, 
wenn  er  vor  aut  ein  nee  einschaltet,  da  der  vorliegende  Sats  mit  sol- 
chen Beispielen,  in  welchen  aut  eine  vorhergehende  Negation  weiter- 
führt, sich  füglich  nicht  vergleichen  läszt.  —  3^11.  Bei  dem  Ausdrncke 
consulem  lapsum  super  Caput  effudit  läszt  sich  fragen,  ob  9uper  capui 
suum  oder  equi;  Plutarch  sagt  i^ineae  xaTevBxi>elg  Big  xsq>ak^v,  — 
4,2.  Da  mehrere  codd.  ausdrücklich  haben  in  Thrasumenum  sii&- 
euntj  die  meisten  (in  Trasum.^  auf  diese  Lesart  hindeuten,  so  iat 
ein  Grund  für  Thras,  suhit  nicht  vorhanden.  Auch  ist  die  Stolle  bei 
Curtius  YIII 11,  7,  wegen  welcher  sich  Alsch.  für  Thrasi.  subii  ent- 
scheidet, verschieden  von  der  unsrigen.  Denn  via  intere$L  — ' 
Ebendas.  §6  Hr.  W.  ex  pluribus  cqllibus^  während  oa//tfriis^  dai 
die  codd.  haben,  sehr  gut  passt;  volles  sind  Schluchten,  ThalcOge,  die 
von  Bergen  herabführen.  —  5,3  nee  consilium  nee  impertum  accipi 
poterat  enthält  ein  Zeugma.  —  7,  3.  Das  utrinque  es  eulner. 
dünkt  uns  lästig  trotz  der  Vertheidigung  Alsch.;  will  man  das  Wort 
nicht  streichen,  so  könnte  man  utique  =  haud  dubie  lesen.  —  49, 
9  subtractus  ist  textgemäsz  und  zu  dem  «fipartncti^anfi  {Missend. 
Wenn  Hr.W.  meint,  wie  besonders  der  Umstand  hervorgehoben  wer- 
den solle,  dasz  der  Numider  unter  dem  todten  Römer  sich  nioht  habe 
emporarbeiten  können ,  und  dasz  deswegen  substractus  gelesen  werden 
müsse,  so  ist  jene  Unbehilflichkoit  durch  andere  Bezeichnungen  genug- 
sam angedeutet;  für  eine  bildliche  Darstellung  wäre  allerdings  das 
substr'atus  plastischer,  aber  es  wird  eben  nur  erzählt,  wie  sieh  ans 
dem  quum  exspirasset  ergibt. 

Sondershaoaen.  Gustav  Queck. 


Berichte  aber  gelehrte  Anstaltea,  VerordoQigeD,  sietif  t.  Notizeu.  405 

Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  statistische 
Notizen,  Anzeigen  von  Programmen. 


Breslau].  Am  Gymn.  za  St.  Maria  Magdalena  rfickten,  nachdem 
Prof.  Dr.  Tzschirner  zur  Uebernabme  de«  Directorats  am  Gymn.  za 
Cottbus  übergegangen  war,  die  übrigen  Lehrer  auf  and  ward  in  d.  8ce 
Coiiegenstelle  der  Coli,  von  St.  Elisabet  Dr.  Friede,  und  zum  2tcn 
Collab.  d.  Lehr.  A.  C.  Simon  erwählt  und  bestätigt.  Der  Rector  Dr. 
Schonborn,  welcher  am  4ten  Oct.  1855  sein  25j.  Jubilaeum  gefeiert 
hatte  (8.  Bd.  LXXII  S.  577)  ward  durch  eine  Zulage  von  600  Thir. 
zur  Ablehnung  des  Rufes  in  das  Directorat  des  Stettiner  Gymn.  Ter- 
mocht.  Seit  Ostern  1855  horten  die  ParaJIelklassen  auf  nnd  wurde 
die  Tollige  Trennung  der  Secunda  in  Ober-  und  Untersecunda  (mit 
Ausnahme  des  Hebraeischen  und  Zeichnens)  Tollzogen.  Die  Schuler- 
zahi  betrug  am  I.März  1856  609  (I  42,  IIa  36,  IIb  28,  Illa  51,  Hlb 
57,  IV  72,  V  75,  VI  71,  Elementarklassen  177).  Abiturienten  waren 
Mich.  1855  17,  Ostern  1856  8.  Im  Programme  geht  den  Schalnach- 
richten voraus  die  Abhandlung  vom  Oberlehrer  Dr.  Cauer:  über  die 
Caesarea  des  Kaiser»  Julianu»  Jpostata  (48  S.  4).  Mit  groszer  Freude 
haben  wir  diese  Abhandlung  gelesen ,  welche  einen  geschichtlichen  Com- 
mentar  zu  dem  ersten  Theile  von  Jnliai4*s  Caesarea  bietet.  Mit  groszer 
Gewissenschaft  und  Klarheit  hat  der  Hr.  Verf.  aus  den  Quellen  die  hi- 
storischen Thatsachen,  auf  welche  Julians  Aeuszcrungen  beruhen,  nach- 
gewiesen, die  Berechtigung  zu  den  Urtheilen  aufgezeigt  und  dadurch  man- 
chen tieferen  Blick  in  die  romische  Kaisergeschichte,  so  weit  sie  von 
psychologischer  Seite  za  fassen,  eröffnet.  Wir  worden  es  als  sehr  er- 
wünscht betrachten,  wenn  derselbe  diese  Stadien  fortsetzte  und  uns 
mit  einer  Bearbeitung  der  Schrift,  zu  der  in  kritischer  Hinsicht  die 
neuere  Zeit  manchen  werthvoiien  Beitrag  geliefert  hat,  beschenkte  und 
dabei  manche  Frage,  die  uns  bei  dem  durchlesen  seiner  Schrift  wie- 
derholt aufgestiegen  sind,  einer  eingehenden  Erörterung  unterzöge. 
Zwar  steht  das  Urtheil  über  Julian  jetzt  wol  fest,  man  hat  seine  wahn- 
sinnige Verblendung  in  Verfolgung  der  Wahrheit  und  Feindschsft  ge- 
gen Gott  eben  so  ernst  richten,  wie  mild  die  ihn  so  tief  hineinstürzen- 
den Ursachen  würdigen  gelernt;  aber  immer  noch  musz  alles,  was  uns 
einen  Blick  in  das  Innere  dieses  merkwürdigsten  Mannes,  in  seine  Gei- 
stes- und  Herzensrichtung  thun  läszt,  willkommen  sein.  In  dieser  Hin- 
sicht scheinen  uns  aber  gerade  die  Caesares  das  wichtigste  Document. 
Ist  die  Schrift  ein  vergnüglicher  Satumalienscherz  (Schlosser  univ.  Ue- 
bers.  d.  Gesch.  d.  a.  W.  III  3  S.  65  f.),  eine  harmlose  Uebung  in  geist- 
reicher, witziger  Unterhaltung?  Nun  man  kann  einem  Herscher  wol 
eine  solche  zu  gute  halten,  wäre  nur  der  Gegenstand  nicht  gar  zu 
ernst,  und  eine  Veröffentlichung  eines  solchen  Spielwerks  gar  zu  ge- 
fährlich. Mindestens  würde  dann  die  maszlose  Eitelkeit  des  Julian, 
auch  im  Spotte  za  glänzen,  die  ihn  selbst  zur  Antastung  des  nur  ern- 
ste Gefühle  zu  erregen  befähigten  verleiten  konnte,  ans  Licht  treten. 
Für  harmlos  kann  ohnehin  nicht  gelten,  der  aach  an  dem  ehrwürdigen 
das  schlimme  heranszufinden  weisi  ond  schonanglos  richtet.  Aber  die 
Schrift  hat  auch  so  offenbar  namentlich  in  ihren  letzten  Theilen  eine 
lehrhafte  Tendenz,  dasz  man  sie  nicht  für  einen  wider  Absicht  ins 
Publicum  gekommenen  Scherz,  sondern  nur  für  ein  politisches  Pamphlet 
halten  kann.  Wir  können  dies  hier  nicht  im  einzelnen  vollständig 
nachweisen,  aber  sind  nicht  die  Grundsätze,  welche  die  zum  Wett- 
kampf zugelassenen  Kaiser  aussprechen,  und  die  Entscheidung  für  Marc 
Aurel  (a.  d.  Verf.  8.  5)   ganz  übereinstimmend  mit  dem,    was  Julian 

iV.  Jakrh.  f,  Pkü,  ».  Paed.  Vd.  LXXIV.  Hß,  8.  29 


406  ßericlite  aber  gelehrte  AnsloUen,  VerordnuDfeir,  ttttisl.  1f«fiiev. 

verfolgte?  Ist  nicht  das  Schicksal,  welches  dem  ConaUntin  wird,  »i- 
Kainmeiigehalten  mit  dein,  was  seine  Annahme  des  Christent|iams  be- 
tritt (S.  6),  nicht  eine  ziemlich  otfenkundige  Erklärung  des  neues  Sy- 
stems, das  Julian  dem  durch  jenen  in  den  Staat  eingeführten  ent- 
gegenzusetzen gedachte?  Ist  das,  was  an  iVe6ut  getadelt  wird  (S. 
43),  nicht  geradezu  eine  Rechtfertigung  des  Verfahrens ,  welche«  JoUaa 
nnifänglich  gegen  die  Christen  einschlug,  indem  er  anfänglich  milde 
IVlittel  i^ersuchte,  um  sie  zumHeidenthum  surnckzabringenf  Sich  selbst 
will  also  Julian  als  das  Ideal  eines  Caesar  hinstellen,  sich  als  den  sie 
alle  überbietenden  Nachfolger  der  Weitherscher  (daher  auch  die  Her- 
beiziehung Alexanders  des  Groszen,  hindeutend  auf  die  VerschmelzDBg 
der  griechischen  und  römischen  Welt  und  aller  Religionen);  deahalb  aa 
allen,  selbst  df>m  am  meisten  gepriesenen  Marc  Aurel,  die  Hcrrorhabaag 
eines  Fehlers,  und  die  Einkleidung  in  Spott;  denn  dieser  haftet  in  den 
oberilächlichen  Gemuthern  am  meisten.  Wir  sollten  meinen »  manches 
Urtheil  gewinne  durch  solche  Betrachtung  Erklärung.  Moste  nicht  z. 
B.  Carus  (das  Urtheil  über  ihn  findet  der  Hr  Verf.  S.  44  kaum  in  reeht- 
fcrtigen)  verworfen  werden,  damit  nicht  sein  Untergang  als  Wamonf 
gegen  das  Unternehmen,  dessen  Ausführung  ja  Julian  sich  seihst  vm 
Ziele  gesetzt  hatte,  dastehe  (8.45)?  Freilich  wird  man  einwenden: 
wer  so  die  Tugenden  und  Laster  seiner  Vorganger  an*s  Licht  stellt, 
fordert  zu  seiner  eignen  Beurtheilung  heraus;  allein  wenn  man  aBch 
mit  Gibbon,  der  übrigens  die«philosophische  Tendenz  der  Schrift  er^ 
kannt  hat,  ohne  jedoch  die  politische  zu  sehen,  eine  liebens würdige 
Offenhett,  ein  in  voraus  unterzeichnen  jedes  Lobes  und  Tadels  Ür  dat 
eigene  Benehmen  (S.  738  der  Sporschilscben  Uebersetzung)  bei  JoHaa 
voraussetzen  will,  die  Sicherheit  des  Julian,  die  eitele  filelbstnberhe* 
bung,  wird  man  doch  nicht  zu  verkennen  haben.  Fiir  Erkenntnis  die- 
ser maszlosen  SeibRtsncht,  ans  der  sieh  ja  das  ganze  Wesen  Joliaas 
erklärt,  bietet  die  Schrift  auch  noch  einen  anderen  Anhalt.  Der  Hr. 
Verf.  hat  ganz  Recht ,  wenn  er  die  psychologische  Seite  der  Kaiserge- 
schichte  betont:  aber  Jnlian  konnte  sie  gar  nicht  anders  fassen*  Fir 
ihn  WAT  eben  in  der  Geschichte  keine  innere  Verkettung;  das  hlsCe- 
risrh  gegebene  blieb  ihm  verborgen,  die  Zeichen  der  Zeit  Terstand  er 
nicht,  daher  sein  blindes  verkennen  des  nothwendigen ,  sein  wahnsia- 
niges  entgegenstiirmen  gegen  die  unaufhaltbare  Entwicklung.  Gibbsn 
bei  seiner  Vorliebe  für  den  ihm  geistesverwandten  Julian,  konnte  wsl 
eine  solche  Darstellung  af(rccab!e  and  instructivc  finden,  wer  aber  Tel 
dem  Hcrscher  auch  nur  einen  offenen  Blick  für  die  Thatsachen  fbrdefft, 
wird  sich  durch  eine  Schrift  abgestoszen  fühlen,  welche  denselben  ss 
gnr  keine  Rechnung  tragt.  Vielleicht  haben  ^%ir  noch  die  Frage  W  er- 
warten, wie  sich  denn  die  Darstellung  des  Götterkreises  mit  der  Ab* 
sieht  der  Herstellung  des  Heidenthums  vertrage,  leicht  wird  man  sldk 
aber  diese  beantworten,  wenn  man  bedenkt,  dasz  J.  nicht  die  die 
Vulksreligion  xnruckführen,  sondern  ein  neues  Gebinde  aus  den  Ton  dort 
überkommenen  Baustücken  aufrichten  wollte  (vgl.  unsere  Bemerkungen 
Jahrb.  Bd  XXXf  S.  4bO).  Durch  diese  Ansicht  ist  keineswegs  ansgs* ' 
schlössen,  dasz  die  Caesares  historischen  Werth  haben,  dasi  Jolian 
manches  recht  scharf  crfaszt  habe,  dasz  er  manches  bestStigt,  was  ans 
anderen  Quellen  zweifelhaft  ist,  aber  Vorsicht  bei  dem  Gebranche  wird 
immer  nothwendig  sein.  Dies  sind  Fragen,  die  wir  von  dem  Hm.  Vf. 
beantwortet  wünschten,  aber  dadurch  ungehindert  erkennen  wir  das 
von  ihm  gebotene  bestens  an  und  empfehlen  seine  Schrift  der  Beach- 
tung allet ,   die  sich  mit   der  römischen  Kaisergeschicbte  beschäftigen. 

-^  Ä.  H. 

Drksden].  Das  Gymnasium  st.  cnucis  hat  in  den  letzt  vergangenen 
zwei  Jahren  durch  des  Cour.  Wagner  Abgang  und  seines  Nachfolgen 


Beriehte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnmifen,  Statist.  Notisei.  407 

Sillig  Tod  manche  Verändern ng  erfahren.  Ein  Jahr  lang  war  an  der- 
selben (Mich.  54 — 55)  der  Cand.  R.  Th.  Potschke  alt  Lehrer  ange- 
fitelit,  schied  aber  aus  um  eine  andere  Steile  anzunehmen,  das  Probe- 
jahr leistete  der  Cand.  Dr.  Ruckert.  Die  Vacanzen  wurden  durch 
Ascension  und  Anstellung  neuer  unterster  Lehrer  ausgefüllt,  to  daas 
Ostern  1856  das  Lehrercollegiuro  bestand  aus  dem  Rector  Dr.  Klee« 
Conr.  Dr.  Böttcher,  den  Oberlehrern  Uelbig,  Dr.  Götz,  Dr.  Bai- 
tzer,  Cantor  Otto,  den  Gymnasiallehrern  Lindemann,  Albani, 
Sachse,  Schone,  Dr.  Pfuhl,  Dr.  Mehnert,  Dr.  Habler  nnd 
C  lau  SS  [beide  neu  angestellt],  dem  Srhreibl.  Keller  mann  und  Ge- 
sanglehrer  Eisold.  Von  Ostern  1855  hielt  der  Cand.  Dr.  Hultsch, 
von  Mich,  der  Cand.  Dr.  Friedr.  Rieb.  Pranke  das  Probejahr  ab. 
Die  Scbülerzahi  betrug: 

I  IIa  IIb  Ufa  Illb  IVa  IVb  Va  Vb  Sa  Abit.i 
März  1855  SI  34  32  40  43  51  28  18  18  285  16  <  Herbst 
„  1856  36  26  29  48  58  49  42  16  15  319  24.  (  1856  3 
Das  Programm  ▼.  Ostern  1855  enthält  1)  sur  Pflanzen geographie  vom 
Gymnasiall.  C.  Tr.  Sachse  (41  S.  8).  2)  Rede  bei  der  Feier  dee 
Geburtstage»  Sr.  MaJ.  am  12.  Dec.  1854  von  J.  Sillig  (S.  42—52), 
eben  so  innig  in  Verehrung  des  trefflichen  Herschers,  wie  klar  in  der 
Zeichnung  seiner  Geistesbildung  als  Vorbildes  für  jedermann.  Im  Pror 
gramm  von  1856  finden  wir  Tom  Gymnasiall.  Schöne:  über  den  Cha- 
rakter Richards  HI.  bei  Shakespeare  (36  S.  8).  Der  Hr.  Verf.  hätte 
sich  nicht  zu  entschuldigen  gebraucht,  dasz  er  statt  einer  rein  wissen- 
schaftlichen Arbeit  eine  im  Kreise  von  Gebildeten  gehaltene  Vorlesung 
biete.  Denn  einmal  wird  niemand  leugnen,  dasz  der  Gegenstand  der 
Behandlung  würdig  sei,  gerade  in  einem  Programme,  weil  für  die 
Schäler  zum  Studium  des  grasten  dramatischen  Dichters  der  neuern 
Zeit  Anregung  gegeben  und  ihnen  ein  Muster  zur  Vertiefmig  in  andere 
Meisterwerke,  mit  denen  sie  sich  beschäftigen,  geboten  wird,  sodann 
jedermann  gern  anerkennen,  dasz  der  Hr.  Verf.  seine  Aufgabe  in  ganz 
befriedigender  Weise  gelost  habe.  Die  Darstellung  ist  sorgfältig,  licht- 
voll und  lebendig,  fesselnd,  die  Auffassung  überzeugend,  und  die  Anr 
merkungen  bieten  nicht  nur  ein  erfreuliches  gelehrtes  Material,  sondern 
auch  manche  gesunde  und  richtige  aesthetisrhe  Ansicht.  Wir  verweir 
sen  z.  B.  auf  Anm.  28  über  das  Verhältnis  Leasings  und  Weisels  und 
46  über  das  tragische  in  bösen  Charakteren,  wo  auch  Aristoteles  Er- 
klärung findet.  —  Von  der  mit  dem  Vitzthumscben  Gosrhiechtsgymna- 
sinm  vereinigten  Bezzembergerschen  Erziehungsanstalt  können  wir,  da 
über  den  Lehrerwechsel  im  Programm  nichts  berichtet  ist,  nur  die 
Ostern  1856  der  Anstalt  ausschlieszlich  angehörenden  Lehrer  namhaft 
machen.  Sie  waren  auszer  dem  Director  Scbulr.  Prof.  Bezzenber- 
ger  Dr.  Hübner,  W.  Heisinger,  Fr.  Dillon,  Dr.  Herrn.  Wun-r 
der,  J.  Morin,  J.  Sörgel,  Dr.  O.  Roquette,  Dr.  Creceiius, 
Frd.  Coch,  Dr.  G.  Michaelis,  Dr.  G.  Heraus  (früher  in  Kassel), 
J.  Ernst,  Dr.  C.  A.  Baumeister  (bekannt  durch  seine  Reisen  in 
Griechenland),  G.  A.  R.  Pompe,  Dr.  F.  C.  H.  Schreiber,  Chr. 
W.  M.  Grein,  Dr.  Th.  Schachardt,  J.  Robert,  W.  Kellner. 
Die  Schülerzahl  betrog  Gyran.  \  17,  II  15,  III  14,  IV  7.  Real.  II  20, 
III  14,  Prog.  I  8,  II  13,  Sa  108.  Zur  Univ.  wurden  3  entlassen.  Ei- 
nen sehr  dankenswerthen  Beitrag  zur  Mythologie  bietet  die  von  gro- 
Kzem  Fleisze,  Kenntnis  und  Scharfsinn  zeugende  Abhandlung  des  Dr. 
Gust.  Michaelis:  die  Paliken,  Ein  Beitrag  zur  Würdigung  alt- 
italischer  Culte  (67  S.  8),  die,  wenn  man  auch  vielleicht  mit  einzelnem 
sich  nicht  einverstanden  erklärt,  doch  ganz  entschieden  ein  heileres  Licht 
dem  viel  bestrittenen  dunkeln  Gegenstand  bringt.  Nachdem  der  Hr. 
Verf.  die  Bedenken,  welche  die  bekannte  Stelle  des  Macrobina  bietet, 

29* 


408   Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnongen,  stalisl.  NtHiieiL 

<larpelegt,  stellt  er  zuerst  die  BeschafTenheit  der  Oertlichlceit ,  an  wel- 
che der  Palikencult  angeknflpft  erscheint,  aus  den  alten  und  neve« 
Quellen  (est  und  zeigt  namentlich,  dasz  die  JBlloi  nicht  Ton  derad- 
ben,  wenn  auch  im  geringen  Zwischenraum,  entfernt  lagen,  aondeni 
vielmehr  die  eben  dort  befindlichen  HQatriQBs  bezeichnen.  Den  Namen 
dieMer  erklärt  er  als  eine  dorische  Dialectform,  abzuleiten  tob  titm, 
womit  allerdings  die  Sache  nbereinstinimt.  Weniger  zweifellos  ersebeint 
uns  die  Coniectur,  dasz  an  der  Stelle  des  Polemo  ot  i%  fitfiTQog  adtl- 
q>oC  zu  lesen  sei,  obgleich  durch  die  Nichtannahme  die  Ansicht  des  Vf. 
nicht  alteriert  wird.  Sehr  gründlich  geht  der  Verf.  bei  der  Erörterung 
des  Cultes  und  der  den  Paliken  beigelegten  Bedentangen  in  Werke 
(wobei  wir  indes  S.  28  die  Gründe,  durch  welche  er  Vere.  Aen.  IX 
:>8j  inptacahiiia  empfiehlt,  nicht  recht  begreifen  und  die  Schwierigkeit 
von  Paiici,  wofür  Ladewig  mit  Peerlkamp  Palieh  cerrigiert  hat, 
ganz  übergangen  finden)  und  zeigt,  wie  allmählich  die  Natnrgewak 
eine  sittliche  Gestalt  annahm.  Bei  der  sehr  ansprechenden  Entwicklnng, 
wie  sich  in  den  altitalischen  Culten  (der  Verf.  spricht  freilich  Ton  pc- 
laxgischen)  der  Begriff  des  gottlichen  und  heiligen  an  das  vnleanisne, 
namentlich  den  Schwefel,  geknüpft,  wäre  vielleicht  manche  Schwierig- 
keit leichter  gelöst  worden,  wenn,  was  Pictet  in  d.  Zeitnchr.  fir  vgl. 
Spraehforsch.  1866  I  S.  24 — 50  eingehend  entwicicelt  hat,  die  nrsprnng- 
liche  Beziehung  zwischen  Heilkunst  und  Zauberei  erkannt  wäre.  Sehr 
gut  ist  die  Nach  Weisung,  wie  es  gekommen,  dasz  Zeus  als  Vater  der 
Pnliken  ge<lichtet  ward,  zugleich  aber  auch  y^rfranus  (Vulcan-Hephae- 
htUH).  Für  80  richtig  wir  endlich  die  Ableituug  des  Namens  Faltet  tob 
der  Wurzel  des  italischen  palleo  halten,  so  scheinen  doch  noch  Bch- 
rcre  aus  den  Gesetzen  der  Sprachvergleichung  zu  entnehmende  Krer- 
terungen  nöthig,  während  Adranus  aus  dem  von  Mommsen  nnterr.  DiaL 
8.  246  nachgewiesenen  adcr  =  cifer  sich  von  selbst  empfiehlt. 

Gikszkn].  Am  dasigen  groszherz.  Gymn.  unterrichteten  in  letzt- 
vergnngenen  Schuljahr  der  Dir.  Dr.  Geist,  Prof.  Dr.  Soldao,  Dr. 
V..  Glaser,  Dr.  W.  Diehl,  Dr.  H.Rumpf,  Dr.  J.  H.  Hainebacb, 
Dr.  F.  A.  Keck,  Dr.  H.  Kohler.  Der  Ostern  1855  für  den  Unte1^ 
rieht  in  der  Math,  und  der  Naturw.  angestellte  Realiehramtscandidat 
AI  fr.  Maul  folgte  Ostern  18.')6  einem  Kufe  an  die  Realschule  in  Ba- 
Mel.  Den  Access  machte  der  Gymnasiallehramtscand.  Dr.  Lipa.  Dis 
Schiilerzahl  war  im  Wintersem.  155  (I  36,  11  25,  III  23,  IV  26,  V  «, 
VI  23),  Abit.  Ostern  1855  16,  Mich.  5.  Die  den  Schulnachrichten  vor- 
ausgestellte  Abhandlung  des  Gymnasiall.  Dr.  Glaser:  znr  Geschichte 
des  Klosters  Wirberg  (16  sl  4),  welche  zugleich  als  Gratnlationi- 
Schrift  zum  2r)j.  Jubilaeum  des  Prof.  Dr  Soldan  dient,  hat  nicht  blosi 
ein  locales,  sondern  auch  ein  allgemeines  Interesse,  da  sie  unter  an- 
derem ein  Beispiel  Ton  der  Anwendung  der  geistlichen  Gewalt  dnrch 
das  Tnterdict  bietet.  R,  D, 

GRtKciiENLANP].  So  eben  veroiTentlicht  der  griechische  Minister 
der  geistlichen  und  Unterrichts-Angelegenheiten,  Hr.  Christopnlos,  ei- 
nen Bericht  an  den  König,  eine  IIEPlAHnTIKH  EKBE£l£  THE 
E\  EAAAJl  MESllE  EKnAIJETZESlS  ano  xov  1829  (U%^i  rilov^ 
Tov  18;)5,  ^FT«  arctTiGTi^tav  arjusicoaBcov.  Kr  beginnt  mit  der  mittleren 
Stufe  des  Unterrichts,  welche  wieder  im  2  Unterabtheilmgen  lerfilll. 
nemlich  in  die  diffuoTiccX^a  iv  toi$  ' Eklrjvmotg  oxoXttoii  yivofidrtj  und 
in  die  iv  xoC^  yxfavitaioic;.  In  den  erstgenannten  Schulen ,  deren  (^irsns 
dreijährig  ist,  erwerben  die  Schüler  die  zum  bürgerlichen  und  prakti- 
schen Leben  vorzugsweise  erforderlichen  Kenntnisse  und  gehen  dann, 
falls  sie  im  Stande  sind  ihre  Bildungszeit  auszudehnen,  in  die  Gymna- 
sien  über,   deren  Cursus  vierjährig   ist.    Das  Ziel  der  Gymnasien  ist 


Deriohte  aber  gelehrte  AnsUiUeo,  VerordnimgeD^  sUHisC.  Nolixen.  409 

sodann  I*  diejenige  allgemeine  Bildung  (ßyxvxliov  nmlhiav)  za  geben, 
welche  auf  der  einen  Seite^  befähigt ,  auf  der  priecliiscben  Universität 
{navenictTi^iov)  oder  auf  irgend  einer  Universität  r^s  90917;  Ev^m-nriq 
die  Studien  fortzusetzen,  oder  auf  der  andern  Seite  in  eine  praktische 
Berufsart  einzutreten. 

AU  Unterrichtsgegenstande  der  erstgenannten  Schulen  gibt  der  Mi- 
nister  an:  filemente  der  griechischen  Sprache  und  Grammatik,  bibl. 
Geschichte,  Katechismus,  Elemente  der  franzosischen  und  lateinischen 
Sprache,  praktisches  Rechnen  und  Anfange  der  Geometrie,  politische 
Geographie,  allgemeine  Geschichte  im  Ueberblick  und  griechische  spe- 
cieller,  ausserdem  Kalligraphie. 

Die  Uaterrichtsgegenstände  im  Gymnasium  sind  folgende:  griechi- 
sche Spracbe  mit  grammatischer  und  sachlicher  Erklärung  der  grie- 
chischen Prosaiker  und  Dichter,  theoretische  Arithmetik,  Geometrie, 
Algebra,  Stereometrie  und  ebene  Trigonometrie ,  Experimental -  Physik, 
Elemente  der  Philosophie,  mathematische  und  physikalische  Geographie, 
Geschichte  der  einzelnen  Völker  mit  geographischen  Einleitungen,  fran- 
zösisch und  iatein,  ausserdem  in  den  athenischen  und  in  zwei  anderen 
Gymnasien  deutsch  und  englisch. 

Vor  dem  Rescript  vom  31.  f>ec,  1836  wurden  die  Lehrer  sowol  an 
den  hellenischen  Schulen  (Progymnasien),  als  auch  an  den  Gymnasien 
ohne  besondere  Prüfung,  auf  ihre  Lehrgeschicklichkeit  hin,  angestellt. 
Seitdem  müssen  die  ersteren  auszer  der  praktischen  Befähigung  auch 
noch  vor  der  Behörde  eine  gute  Kenntnis  der  gymnasialen  Fächer  dar- 
thun  und  die  letzteren  eine  akademische  Bildung  besitzen.  Ja  eine  Ver- 
fügung vom  18.  October  1850  geht  darin  noch  weiter,  indem  sie  noch 
sicherere  Garantien  der  Tüchtigkeit  verlangt.  Es  heiszt :  *0  ^i-lv  d'iXav, 
Tiaza  xo  9idtay[ux  touto,  va  diOQiad'j  dLÖdcxalog  EXXtjvi'kov  a%QXhCov 
«7e6  xov  1851  xal  f^^s  ij  vdXd^r^xriv  iSnav  xov  IditoxiTuos  diddayieiv, 
orpsUsi  v'  dnodsi^y  Sxi  di^X&s  x'^v  asigdv  xtSv  fia^rjiuixoiv  xnq  tpiXo- 
Xoyiocg  iv  xtp  navBiiiaxrjii^a  %al  x£  iv  avxw  tpQOvxiaxTjQirp  xal  itgooB- 
Kxriaaxo  ISiaLXBgav  x^XsionoCriaiv.  *0  9h  nabiriyrixiqg  otpsiXsi  vd  nagov- 
aia^U  eig  VTtovgysCov  xovXd%iaxov  xsXBiodidduxov  dinXatiia.  Der  Mini- 
nister  ist  offen  genug  zu  gestehen,  dasz  er  vorläufig  noch  von  diesen 
so  hochgespannten  Anforderungen  absehen  und  zu  der  alten  Bestim- 
mung seine  Zuflucht  nehmen  müsse,  um  nicht  die  Schulen  der  fjehrer 
zu  berauben. 

Was  die  nun  folgende  Uebersicht  über  die  Entwicklung  des  grie- 
chischen Schulwesens  betrifft,  so  bietet  die  erste  Periode  (1829 — 30)» 
welche  unmittelbar  auf  die  Befreiung  Griechenlands  folgt,  viele  Ana- 
logien mit  der  Zeit  nach  nnsern  deutschen  Freiheitskriegen.  In  die 
von  Kapodistrias  organisierte  Centralschule  strömten  auch  viele  solche 
Jünglinge,  welche  kurz  zuvor  iv  xoig  xov'AQSatg  ^rf^^tg  gekämpft  hat- 
ten. Mit  dem  Jahre  1830  nahm  das  Schulwesen  des  Staates  einen  nenen 
Aufschwung.     Schon  damals- fanden  sich  an  hellenischen  Schulen: 

im  Peloponnes  19  mit       .     .       766  Schülern 

in  den  Inseln  18  mit    .  .     1073       „ 

im  westlichen  Hellas  1  mit  .         40       „ 

im  östlichen  Hellas  1  mit      .         40       ,, 

in  andern  St aatsinatl tuten  160       „ 

Snmma  2528  Schüler. 
Die  meisten  Kinder  wurden  jedoch  in  Privatschulen  oder  im  elterlichen 
Hanse  unterrichtet.  Von  dem  Reglerungsantritt  des  Königs  Otto  (1833) 
datiert  der  Minister  eine  zweite  Periode  in  der  Entwicklung  des  Schul- 
wesens, indem  seitdem  erst  Einfluss  gewonnen  xd  iv  x'j  coipß  Ev(fwrji 
negl  xovxmv  xe^ft^yor  voiio^ix/iftata.    Mit  Recht  war  die  Regierung  Tor 


410  Berichte  Aber  gelehrte  Anstalten,  Verorduungeo,  flalüt.  Notisea. 

aiiein  auf  die  Einrichtung  und  VerbeMerung  der  Elemantanchalen  be* 
dacht,  und  wüste  für  diese  Absichten  auch  die  Gemeinden  hier  und  da 
zu  interessieren.  Eine  3te  Periode  beginnt  der  Minister  mit  dfm  er- 
scheinen des  Grund regulativs  in  Betreif  der  beiden  Arten  d«r  Mittel- 
schulen (\oin  51.  December  J836),  eines  Regulativs,  welche«  seither 
nur  in  einzelnen  PuukUn  ron  der  Gesetzgebung  verlassen  worden  ist. 
Eine  grosze  Menge  von  Schulen  entstand  in  dieser  Zeit,  sam  Thcil 
vollständige  mit  einem  Scholarchen  und  drei  Lehren  der  Ordnungen  Jt^ 
ß'  und  r%  zum  Theil,  je  nach  dem  Bedürfnis,  mit  zwei  Lehrern  oder 
mit  einem.  Der  Eifer  der  Regierung  weckte  an  manchen  Orten  noch 
eine  lebhafte  Betheiligung  der  Corporationen  bei  der  Errichtung  nnd 
Ausstattung  der  Schulen.  Um  für  diese  5te  Periode  ein  Bild  von  dem 
äuszeru  Wachsthum  des  Schulwesens  zu  haben,  theilt  der  Minister 
eine  Tabelle  mit,  welche  die  Summen  enthalt,  die  vom  Staate  von 
1834 -- 49  alljährlich  auf  die  Schulen  verwandt  worden  sind.  Damach 
betrugen  die  Ausgaben  im 

Jahre         für  Gymnasien        für  hellen.  Schulen        in  Snmma 
1836  41,976  Dr.  71,569  Dr.  113,645  Dr. 

1849  82,7()0    „  190,318    „  273,018   „ 

Mit  dem  Jahre  1850  beginnt  der  Bericht  eine  4te  Periode,  die  bis  auf 
die  Gegenwart  reicht.  Der  Anfang  dieser  Periode  ist  nicht  etwa  durch 
die  Sache  gegeben,  sondern  dadurch,  dasz  der  Minister  im  Stande  ist, 
von  jener  Zeit  ah  genauere  statistische  Daten,  oIh  in  den  früheren  Pe- 
riodt'n,  mitzutheilen.  Wir  wollen  aus  seinen  Antraben  diejenigen  aus- 
wählen, welche  sich  auf  den  Anfang  und  auf  das  Ende  der  in  Rede 
stehenden  Periode  beziehen. 

1850 

Die  Zahl  der  Gymnasien  betrug 6 

Es  lehrten  an  denselben  Gymnasiarchen  und  Professoren     .  34 

Zeichenlehrer  (6iö.*IxvoyQa(p{ag) 5 

Zahl  der  Schüler 740 

Zahl  der  Abiturienten 75 

Ausgabe 86,156  Dr. 

Die  Zahl  der  hellenischen  Schulen  betrug 75 

Die  Zahl  der  Lehrer 135 

Eingeschriebene  Schüler 2860 

Abgegangen 230 

Ausgabe 191,901  Dr. 

1865 

Die  Zahl  der  Gymnasien 7 

Es  lehrten  an  denselben  Gymiiasiarchen  und  Professoren      .         52 

Zahl  der  Schüler 968 

Zahl  der  Abiturienten g3 

Ausgabe 150,753  Dr. 

Die  Zahl  der  hellenischen  Schulen  betrug 81 

Die  Zahl  der  Lehrer 135 

Die  Zahl  der  Schüler 4200 

Es  giengen  ab 400 

Ausgabe 210,000  Dr. 

Das  Resultat  des  letzteren  Jahres  wird  vom  Minister  als  ein  erfreuli- 
ches bezeichnet.    Die  auszer  den  oben  beschriebenen  öffentlichen  Sehn- 


Periobte  aber  gelebrle  AnsUilten ,  Verordnangeo,  mUümL  Nolizen.  411 

l«ii   uoch   bestehenden   PrivAtscbuien,    weiche   Quter  der  Aufäicht  de« 
Staates  «teheu,  werden  Ton  etwa  600  Schulern  beaucht. 

Im  Ganzen  genie^^zen  in  Griechenland ,  nach  den  statistUchen  An- 
gaben des  MinUters,  gegen  6018  Scholer  den  Unterrieht  der  mittleren 
tftufe,  wonach  dann  je  einer  auf  200  Einwohner  käme.  Der  Minister 
vergleicht  mit  diesen  Zahlen  diejenigen ,  welche  «ich  in  der  Exposition 
des  französischen  Ministers  Villemain  vom  Jahre  184*2  finden  und 
nach  welchen  in  Frankreich  ein  Schüler  (der  insiituttons  pour  Vin»tru- 
dion  secondaire)  auf  493  Einwohner  kommt  und  fugt  dann  hinzu:  ov- 
ZU)  ÖvvufjMi,  va  iCnoa  BvnapQqai^ottos,   Svi  iv  'EXlddi  i}  ftäifi}  i%vai- 

Nichts  desto  weniger  erkennt  der  Minister  w'ol,  dasz  das  Schul- 
wesen seines  Landes  noch  mancher  Verbesserung  bedürfe.  Insbesondere 
liegt  es  ihm  am  Herzen,  mehr  Berufs-  und  Fachschulen  für  die  vier 
Zweige  des  praktischen  Lebens,  Yun  denen  'oifenbar  zum  großen  Theil 
die  Wolfahrt  des  Vaterlandes'  abhängt,  zu  erunden;  er  meint  zitv 
ytaQyiav^  z6  ijin6{fiov ,  tqvvavctliav  nai  xai;  zdxvocg.  Näclist  dein 
hat  auch  die  kirchliche  und  nberhau{.t  die  religiöse  Seite  der  Bildung 
seine  Aufmerksamkeit  auf  «ich  gezogen.  Denn  dasz  die  religiöse  Bil- 
dung mit  der  übrigen  aligemeinen  Bildung  Hand  in  Hand  gehen  müsse, 
ist  dem  Minister  unzweifelhaft-  Mit  Warme  hebt  er  hervor,  dasz  die 
Erkenntnis  und  die  Beobachtung  der  Gebote  des  Herrn  nicht  blosz  jen- 
beit  des  Grabes,  sondern  auch  schon  in  diesem  Leben  glücklich  mVche« 
Er  schlieszt  mit  den  Worten:  o  Xöyos  zov  xvqCov  iazlv  i]  ßäöig  nda-qg 
aQiz^g  xofl  aotpCag  xofl  6  zrjgoiv  avzov  ^nav  dnoQ-dvTi  ^rjaezai''. 

Wir  übergehen,  was  der  Bericht  weiterhin  über  landwirthschaftli- 
che  Anstalten,  über  Navigations-  und  Handelschulen  bemerkt,  auch 
die  kurzen  §§  über  Mädchenerziehuug ,  über  Schulbücher  und  Biblio- 
theken enthalten  nichts  erhebliches.  Am  Schlüsse  des  Berichts  kommt 
der  Minister  auf  den  Ruhm  des  alten  Griechenlands.  Er  sei  allein  her- 
vorgegangen ans  der  so  einzigen  Verehrung  der  Musen,  der  freies 
Künste  und  der  Philosophie.  Griechenland  habe  nimmer  habgierig  nach 
Keichthum  gestrebt,  noch  auch  den  so  unsichern  Besitz  groszer  Lan- 
denuassen  gesucht;  unersättlich  sei  es  allein  gewesen  in  Bezug  auf  die 
Weisheit,  welche  den  Geist  erleuchtet  und  den  Menschen  des  Looses 
würdig  macht,  das  ihm  vom  Schöpfer  auf  dieser  Erde  angewiesen  ist. 
Der  Minister  citiert  dafür  eine  Stelle  aus  Herodot  (Z  102):  x'j^EXXddi. 
mvCri  yiXv  dsinozs  avvzQ0(p6s  iazi,  dgeziq  Ö*  §nanz6g  iazi  dno  ze  co- 
Utii^g  %uzsQyaafiivi]  %al  voiiov  iaxvQOv,  Diese  Beobachtung  in  Betreff 
ies  altgriechischen  Wesens  hält  er  dem  gegenwärtigen  Geschlecht  als 
ein  noch  immer  eiltiges  Ideal  vor  und  rechnet  für  die  fortschreitende 
Verwirklichung  desselben  besonders  auf  die  Hilfe  des  Monarchen,  dem 
sein  ganzer  Bericht  gewidmet  ist. 

B.  H. 

Güstrow].  Auch  im  Schuljahr  Ostern  1855 — 56  erfuhr  die  dasige 
Doraschule  (s.  Bd.  LXXII  S.  423)  keine  Veränderung  im  Lehrercolle- 
ginm.  Die  Schülerzahl  war  im  Wintersem.  80  (I  12,  H  19,  III  23.  IV 
V6).  Abiturienten  Mich.  1855  1,  Ostern  1856  5.  Den  Schnlnachrichten 
voraus  geht  vom  Dir.  Dr.  Raspe:  Qtiae9tionum  Sophoclearum  part.  II 
(16  S.  4).  Mit  Scharfsinn  und  Lebendigkeit  bespricht  der  Hr  Verf. 
die  vielfach  behandelte  Frage,  ob  Aias  im  gleichnamigen  Stücke  Vs. 
646 — 692  als  heuchelnd  zu  betrachten  sei,  und  entssheidet  sich,  weil 
dies  mit  dem  Charakter  des  Helden  nirht  stimme,  weil  man  nothwen- 
diff  annehmen  müsse,  dasz  Tekmessa  mit  Eurysakes  mit  in  das  Zelt 
gehe  und  hier  durch  ihre  Bitten  eiAe  Sinnesänderung  eintrete, 
weil  in  den  Worten  nichts  zur  Annahme  einer  Heuchelei  zwingendes, 
enthalten   sei,    en^ilich    der  Zweck  der  Tragoedle  eine  anerkennepde 


412  Bmchte  aber  gelehrte  Aostalten,  Verordnungea,  ftatift.  NoUin« 

Beagang  anter  der  Gotter  Macht  nothwendig  mache,  diese  aber  an- 
derswo eine  passende  Stelle  nicht  finden  könne,  für  Yerwerfang  Jener 
von  den  meisten  Gelehrten  festgehaltenen  Ansicht  und  faast  demnach 
die  Rede  als  Ausdruck  einer  Mfirklichen  Sinnesanderang,  aber  nicht 
vollkommen  ruhiger  und  reflectierender  Stimmung,  so  dasi  Aias  wider 
Willen  ausspreche,  was  auf  sein  Bndschicksal  hindeute  -^  eine  Knnst, 
in  der  Sophokles  seine  Meisterschaft  auch  anderwärts  bewährt  habe. 
Ist  damit  auch  nicht  jeder  Zweifel  gehoben,  namentlich  der  nicht, 
dasz  dann  das  wirkliche  Ende  vom  Dichter  gar  ^  nicht  psjcholo^sdi 
motiviert  erscheint,  findet  man  wol  auch,  dasz  hier  und  da  im  Eifer 
des  beweiseiis  vielleicht  zu  weit  gegriffen  ist,  so  wird  man  doch  aner- 
kennen müssen,  dasz  der  Hr.  Verf.  viele  gesuchte  Grande  für  die  gc- 
gentheilige  Ansicht  zurückgewiesen  und  einen  sehr  wesentlichen  Bei- 
trag zur  richtigen  Auffassung  jener  Stelle  geliefert  hat.  Denn  daran 
wird  man  schwerlich  noch  zweifeln  können,  dasz  Aias  Rede  nicht  als 
eine  heuchlerische  aufgefaszt  werden  dürfe,  sondern  dasz  sie  in  seinem 
Gemüte  wirklich  sich  regende  Gefühle  ausspreche;  diese  aber  sind 
die  des  Schwankens  und  der  Unentschiedenheit.  Durch  Tekraeasa  ist 
er  unsicher  in  seinem  Entschlüsse  geworden;  er  sucht  seine  Leiden- 
schaft niederzukämpfen,  aber  siedringt  doch  immer  empor:  daher  nach 
der  unverkennbar  bitteren  Aeuszernng  Vs.  666  eine  so  lange  Reihe  von 
Sentenzen,  mit  denen  er  das  aufstei<>ende  niederzukämpfen  strebt,  aber 
am  Schlüsse  in  den  drei  letzten  Versen  wieder  unverkennbar  der  zur 
Entscheidung  drängende  Kampf.  Das  stimmt  aber  mit  seinem  Wesen 
überein,  dasz  er  allein  in  sich  und  mit  sich  die  Entscheidung  sucht, 
und  indem  er  so  spricht,  wird  zwar  der  Chor  zur  Hoffnung  dessen  an- 
geregt, was  er  wünscht,  ^ —  doch  klingt  in  dem  letzten  Theile  seines 
Liedes  ndvd"*  6  fiiyccg  X9^'''^S  ^^^*  die  Befürchtung  durch,  daas  noch 
nicht  alles  beseitigt  — ,  aber  der  Zuschauer  fühlt,  dasz  wenn  auf  Aiaa 
ohne  Zeugen,  ohne  Zuspräche  derer,  welche  er  liebt,  das  Gefühl  sei- 
ner Schmach  von  neuem  einstürmt,  er  untergehen  musz.  Uebrigena 
hat  der  Hr.  Vf.  über  die  kritische  Constituierung  und  Erklärung  man- 
cher einzelner  Stellen  und  über  das  inHVHkrifia ,  so  wie  auch  daa  W** 
sen  der  antiken  Tragoedie  manchen  sehr  beachtungswerthen  Wink  ge- 
geben. 

Halberstadt].  Am  Domgymnasium  trat  wahrend  des  Schaljabra 
1855 — 56  nur  die  Veränderung  ein,  dasz  die  vorher  von  dem  Muaikdi- 
rector  Geist  (Bd.  L\X  S.  4iV2)  innegehabte  Stelle  getrennt  and  eine 
9te  ord.  Lehrerstelle  dem  vorherigen  Hilf:ilehn>r  Dr.  Will  mann,  die 
Wissenschaft  liehe  Hilfslehrerstelle  dem  Cand.  O.  Kalmus  übertragen 
wurde.  Pfingsten  1855  verliesz  die  Anstalt  der  Cand.  Gessner.  um 
die  interimistische  Verwaltung  der  mathematischen  I^hrerstelle  in 
Srhieusingen  zu  übernehmen.  Die  Schülerzahl  war  2^,  Abiturienten 
Mich.  ]855  3,  Ostern  1856  6.  Leider  muste  die  Vorbereitungsklasse 
wegen  des  groszen  Mangels  an  jüngeren  Lehrern  eingehen.  Die  den 
Schulnachrichten  vorausgehende  Abhandlung  des  Oberlehr.  Dr.  Reh- 
dantz:  Themata  au  schriftlichen  Privatarbeiten  für  die  oberen  Klaa- 
gen  eines  Gymnasiums  (24  S.  4)  fordert  eine  ausführliche  Besprechung 
um  so  mehr,  als  wir  dem  unverkennbaren  rühmlichen  Eifer  und  den 
ausgebreiteten  Kenntnissen  des  Hrn.  Verf.  gegenüber  eine  sorgfaltige 
Begründung  unserer  Bedenken  schuldig  sind  und  namentlich  ihm  mög- 
liche Consequenzen  nachzuweisen  verpflichtet  uns  fühlen,  welche  er 
vielleicht  nicht  ahnt.  Dasz  das  Privatstudium  nicht  in  bloszer  I^ctn- 
re,  sondern  auch  in  selbständigen  Arbeiten  zu  bestehen  habe,  ist  bis 
jetzt  von  allen,  die  dafür  ihre  Stimme  erhoben,  anerkannt  und  Seyf- 
fert,  der  thätige  Regenerator,  hat  selbst  in  seiner  Schrift  über  d.  Pri- 
vatstudium S.  49  ff.  eine  Anleitung  data   für  eine  Secunda  gegeben. 


Beriehte  über  gelehrte  Anfilalten,  Verordnuagea,  tialist.  Notiien.  419 

Der  Hr.  Verf.  der  Torliegenden  Abhandlong  hat  gewissermasien  dies 
nur  weiter  anageführt  und  in  dankenswerther  Weiase  eine  grosze  Menge 
Ton  Themen  xor  Benntzong,  nach  tysteoiatischer  EintheSInne  geordnet, 
xnaammengeatellt;  aber  er  hat  einerseits  unterlassen  das  Verhältnis  die- 
ser Privatarbeiten  bu  den  officiellen,  die  Seyffert  S.  47  für  ehen  so  noth- 
wendig  hält,  wie  er  um  des  höheren  Zweckes  willen  ihre  Vescbrankung 
▼erlangt,  scharf  und  bestimmt  xu  bezeichnen,  anderseits  aber' geht  er 
in  der  für  dieselben  geforderten  Controlierung  Tiel  welter  als  S^fferi 
S.  48,  und  gibt  Themata,  welche  entschieden  weiter  greifen.  Es  ist 
demnach  zuerst  das  Bedenken  als  gerechtfertigt  zu  betrachten,  ob  nicht 
bei  dem,  was  neben  den  klassischen  Studien  von  dem  Schuler  noch  ge- 
fordert werden  musz,  die  Leistung  derartiger  Privatarbeiten  für  die 
Kraft  des  Schülers  zu  grosz  sei.  Die  mit  so  Tielem  Rechte  Tertangte 
Concentration  des  Unterrichts  kann  unmöglich  dadurch  erreicht  wer- 
den, dasz  man  in  den  Fächern,  welche  man  einmal  ohne  Nachtheil' 
nicht  hinauswerfen  kann ,  gar  nichts  verlangt  und  wenn  man  mit  gebüh- 
rendem Nachdruck  die  begründete  Forderung  stellt,  dasz  in  ihnen  die 
Stunden  selbst  das  lernen  und  üben  geben  müssen ,  so  darf  man  dabei 
nicht  vergessen,  dasz  dann  die  intensivere  Geistesthätigkeit  während 
der  Lectionen  eine  groszere  Anstrengung  ist.  Wer  daher  Mittel  für 
die  Belebung  und  Fruchtbarmachung  der  Klassischen  Studien  vorschlägt, 
für  den  ist  es  nnerlässlich,  dasz  er  die  Möglichkeit  in  Verhältnia  zn 
andern  Forderungen  nachweist  und  das  Masz,  welches  er  festgehalten 
wissen  will,  bestimmt  angibt.  Wir  furchten,  dasz  der  Hr.  Verf.  durch 
die  Unterlassung  davon  seiner  Sache  etwas  geschadet  hat  und  mancher 
Leser  von  vornherein  durch  den  Gedanken  an  die  Unmöglichkeit  von 
eingehender  Prfifon^  und  Würdigung  abgehalten  werden  wird.  Im  all- 
gemeinen aber  scheint  uns  die  Warnung  vor  einer  zu  groszen  Ausdeh- 
nung der  schriftlichen  Privatarbeiten  wol  berechtigt,  wie  denn  schon 
Ref.  Bd.  LXVl  S.  181  eine  von  der  Seyfifertschen  verschiedene  Pra- 
xis angedeutet  hat.  Es  will  uns  nemlich  bedanken,  als  habe  man  in 
unserer  Zeit,  wie  in  allen  Verhältnissen,  so  auch  in  der  Schule  die 
Schriftlicbkeit  —  um  diesen  oft  gehorten  Ausdruck  in  Ermangelung 
eines  bessern  zu  gebrauchen  —  zu  weit  ausgedehnt.  Ref.  hat  eine  dop- 
pelte Erfahrung  sehr  häufig  gemacht,  einmal,  wie  wenig  oft  Schuler 
in  den  obersten  Klassen  fähig  sind,  das  gesprochene  sofort  ohne  es  za 
Papier  zu  bringen,  aufzufassen  und  sicher  zu  behalten,  sodann  dasz 
sie  ohne  zu  schreiben  wenig,  ja  fast  gar  nicht  zn  arbeiten  im  Stande 
sind.  Wie  weit  andere  Schulmänner  dieselben  Erfahrungen  gemacht 
haben,  darüber  ist  uns  nur  einzelnes  bekannt,  aber  mehrere  Erschei- 
nungen der  Zeit  bestätigen  sie  ebenso,  wie  sie  auf  eine  Quelle  davon 
hinweisen.  Oder  stimmt  nicht  damit  jene  Klage,  dasz  das  denkende 
lesen  durch  das  schreiben  überwuchert  sei  (vgl.  unsere  Bemerkung  Bd. 
hWll  S.  597  mit  der  dort  gegebenen  Anfiihrnng),  stimmt  nicht  damit 
die  Beobachtung  auf  Universitäten,  dasz  diejenigen  Collegien  am  stärk- 
sten besucht  werden,  in  welchen  alles  nachgeschrieben  wird,  und  die- 
jenigen am  leersten  stehen,  wo  es  gilt,  das  frei  vorgetragene  sofort  im 
Creiste  zu  verarbeiten,  stimmt  nicht  damit  der  Hang  zu  leichter  und 
Afichtiger  Lectfire,  während  tiefe  Werke  vernachlässigt  werden?  Wir 
unterlassen  weiteres  anzufahren,  da  derartige  Anklaeen  leicht  invidios 
werden,  und  es  nur  darauf  ankommt,  den  Blick  auf  diese  Erscheinungen 
hinzufenken.  Sollten  wir  uns  aber  gänzlich  darin  täuschen,  dasz  jene 
so  oft  beklagte  Wahrnehmung,  wie  wenige  Männer  im  Geschäftsleben 
zn  den  Studien  der  Jugend  zurückkehren,  auszer  anderen  Ursachen 
auch  darin  mit  ihren  Grund  habe,  dasz  die  Lust  und  Fähigkeit  ohne 
andere  Arbeit  mit  dem  bloszen  denken  in  ein  Getsteswerk  sich  zu  ver- 
tiefen im  allgemeinen  selten  geworden  ist?    Weisen  aber  jene  Erfah- 


414  Bcricble  über  gelelirle  AnsiaUea,  Verorduuiiyeo,8lalMl.  Noliiea. 

rungeii  nickt  uof  die  in  den  Schulen  henchende  Metkode  bin?  Wir 
treuen  uns,  daz^z  das  viele  dictieren  uiid  dajs  ausarbeiten  dicker  Heile 
bereit«  mehr  und  mehr  beseitigt  ist,  aber  sulUe  nicht  auch  die  Schale 
iler  Verpflichtung  mehr  nachkommen,  ihre  Schüler  an  ein  ainnig  den- 
kendes lej»cn,  an  ein  Venrauen  auf  die  Geisteskraft  und  Fertigkeit 
ohne  die  Krücke  achriftlicher  Aufzeichnung  zu  gewöhnend  Die  Blodig- 
keit uni^erer  Schaler,  wenn  ihnen  plötzlich  eine  Stelle  zn  überaetsea 
j;egeben  wird,  wird  dann  eHen$o,  wie  das  schnelle  ina  blane  hinein- 
ralhen  (vt-rgl.  Wiese  Ob.  engt.  Erz.  S.  90)  mehr  verschwioden.  Dasz 
aber  gerade  dazu  das  PriTatstudinm  das  geeignetste  Feld  sei,  bedarf 
wul  kaum  des  Uei%eis«s.  Man  wird  dagegen  einwenden,  daaz  die  Ab- 
>icht  des  Hrn.  Verf.  eben  dahin  gehe,  ein  solches  eindringen  in  den 
Geijjt  vurzubereiten,  die  Beobachtung  zu  schärfen  and  die  Fertigkeit 
zu  verleihen .  welche  dazu  unumgün^lich  nothwendig  aei.  Wul,  wir 
sind  auch  gar  nicht  gewillt,  das  Kind  mit  dem  Bade  anszoschiittcn; 
wir  ei klären  vielmehr  sclirifiliche  Privatarbeiten  bei  und  nit  der  Le- 
cture  au&drfu'klicb  für  nothMendig.  und  woKen  ihut^n  nur  ein  aolcbes 
Ma^z  angepriesen  \%is&eu,  da>z  darüber  jt-ner  andere  Zweck  nicht  Ter^ 
loren  geht.  Man  wird  bald  deutlicher  erkennen,  wohin  unsere  Ab-  nnd 
Ansicht  gehe.  Kinen  wosentlichon  Unterschied  zwischen  der  Privat- 
und  ötTentlichen  Lfctüre  setzen  wir  nemiich  «larein,  dasa  während  bei 
dieser  ein  langAaines,  durch  die  auf  eine  Vielheit  zu  nehmenden  Rick- 
dichten  bedingte»  fort»chreiien  und  ein  durch  die  Hilfe  des  Lehrers 
weiter  geführtos  Verständnis  stattfindet,  jene  zwar  nur  zn  einer  der 
Individualität  und  dem  Standpunkte  der  Kenntnis  entsprechenden  Auf- 
fassung, aber  zu  einem  rascheren  L'eheridick  über  ein  grösxerea  ganie 
oder  doch  gröszere  Abschnitte  führt.  L'nd  dies  ist  nach  unserer  Kr- 
fahrunj^  gerade  dd>jenige,  was  bei  den  Schüiern  Lust  und  Liebe  au 
der  PrivatleciQre  erweckt,  und  hat  man  die  Abneigung  gegen  die  klas- 
sischen Studien  und  die  geringe  Theilnahme  für  dieselben  in  späterea 
Jahren  aus  der  mikrulogischen  Krkinrungsweise  und  dem  langsaacn 
Gang  und  geringem  l'mtang  der  Lectiire  nicht  mit  L'nrecht  abgeleitet, 
Ao  ist  anderseits  das  Privatstudiom  gerade  aU  Abhilfe  dagegen  eaqifvh- 
len  Würden.  Wir  finden  dic  Jugend  ihrer  Na;ur  nach  vielmehr  der 
Krkenntni»  des  rerilen  Inhalt»  in  den  altt-n  Si-hrifi>tellern  zugewandt, 
als  der  Vertiefung  in  die  Kurm,  nnd  der  Leliror  wird  gewis  auf  die  grö- 
>te  Theilnahmo  ihrer^eiti«  r«'chnpn  können  ,  welcher  bei  seiner  Krklimng 
die  weiseste  B«>>chränkung  auf  das,  was  zum  Ver>tändnis  der  Terlie- 
gen'!r-n  Stelle  nuthw endig  i»t  oder  was  iiincn  einen  Schlu*>el  znm  Ver- 
ständnis anderer  bietet,  zu  beubachien  wei>z.  Man  darf  daher  nnÄerrr 
l'eberzeiigüng  nach  bei  dem  Privatstudium  am  wenigsten  fonlern.  was 
die^ichüler  im  rascheren  und  umfänglicheren  lesen  auHiält.  den  L'eher- 
btick  und  den  Genusz  am  ganzen  und  am  Inhalt  hemmt  nnd  hindert, 
man  musz  nicht  zu  viel  schriftliches  fordern,  damit  sich  der  Schaler  an 
denkendes  le^en  und  sicheres  behalten  gewöhne,  und  mn»a  ihn  »ich 
selbst  mehr  überlassen ,  damit  er  am  Privatj»tudiuBi  Freude  nnd  Gefal- 
len finde.  Wir  halten  auszerdem  rücksichtlich  der  Rrlernnng  der  alten 
SpiAohrn  an  dem  Grundsat le  nnsres  nnvergeszlichen  Lehrer«  G.  Her- 
mann ^i>|«  \  p  :^\,  vgl.  Ameis:  Hennanns  paedag.  Einfl.  8.  S.\)  fealx 
ttl  ^ui*  iiN^HMi-UM  raiMiNi^iii  usm  mutriiyMc  ^rrCionr,  sichCi  rcranr«lMi 
liHfU^^Am  Uk*%'imHs,  cvjcutwcrrt^  ttuU^^t,  pe«rfuaai  nnteM  ^  ffrrtmmU 
M(  i»N«%M'«*  yk^UrtM.  sxU  t^ti*  ^wrt^^  sea«u  v^ra  m  fuiM  dUiimgmert 
»»»•».  (!-«•  U.»HHm  IN  f\^HttH*  rC  ^'^H»*^ns  et«s  s^Msiis  lacairat  nnd  wnn- 
Mihcn  dio».  u  wikiud»4is  «uvh  bei  Jrr  Leituii|t  de*  Privat  Stadiums  be- 
obaiKiut  iKoh^lb  ui  u»%,  >(»!,  a<.i  K«ih  aU  der  beste  erM-hienen.  den 
doi^olbv.  u  Ur«w4«iH  viuv«a  Iau^U»^  ^aU.  der  ein«:  die  griianaiscbe 
NthuUi  l.**.i»*U»».  H^vl  vl»w  ««u  djhittt  4^  ai»»<^i«i^rvv>jcn  Freude  in  Sehn- 


Berichte  Ober  geUbrto  AosUileu,  Vvrorduaegeo,  sUlif  t.  Noliien.  415 

der«  Programm  über  da«  PriraUtttdinni  angewandt  fanden  (8oraa  1855. 
Vgl.  Bd.  LXXII  S.  432),  zuerst  solle  der  Schüler  lesen  und  sich  bei 
Stellen,  die  er  nicht  Terstehe,  nicht  za  lang  aafhalten,  sondern  sie 
nar  mit  einem  Bleistiftstrich  notieren,  dann  aber  nach  längerem  lesen 
zur  zweiten  Leetüre  desselben  zurückkehren;  da  werde  erüuden,  dasi 
er  vieles  verstehen  gelernt,  was  ihm  das  erstemal  unüberwindlich  er- 
schienen. Also  ist  das  erste,  was  wir  im  Privatstudium  fordern,  Lectfire 
und  zwar  wiederholte,  so  dasz  dem  muUa  das  multum  nicht  fehlt.  Da- 
bei wird  der  Schüler  freilich  noch  nicht  in  das  volle  und  wahre  Ver- 
ständnis aller  Stellen  eindringen,  er  wird  nicht  die  tiefste  Anschauung 
des  ganzen  gewinnen,  nicht  alle  Spracherscheinungen  beachten  und 
würdigen,  aber  er  wird  gewinnen,  was  ihm  keine  Sammlungen,  keine 
Arbeiten,  keine  Abhandlungen  gewahren,  ein  seinen  Kräften  entspre- 
chendes selbstthatig  erworbenes  Verständnis  und  einen  seiner  Natur 
und  Wesen  zusagenden  Genusz  (vgl.  die  Ansichten  G.  Hennanns  über 
die  Leetüre  des  Homer,  sehr  geschickt  zusammengestellt  von  Ameis  a. 
a.  O.  S.  3i  ff.).  Rücksichtlich  der  Wahl  der  Schriftsteller  gilt  un« 
der  auch  von  Hermann  aufgestellte  Grundsatz,  dasz  der  Schüler  nichts 
lese,  wovon  er  nicht  in  öiTentiicher  Leetüre  einen  Theil  vorher  oder 
wofür  er  .nicht  ein  Analogon,  ein  verwandtes  Geistesprodnct  bereits 
kennen  gelernt,  welcher  Grundsatz  natürlich  bei  ausgezeichneter  Be- 
fähigung Ausnahme  erleiden  kann  jind  musz.  Für  die  Art  der  Arbeit 
aber  empfehlen  wir,  dasz  der  Schüler  sich  schriftlich  notiere,  was  er 
bei  der  zweiten  Leetüre  nothwendig  dem  Gedächtnisse  wieder  vorfüh- 
ren zu  müssen  gedenkt,  jedoch  stets  mahnend  möglichst  sicher  es  sich 
einzuprägen  und  die  Aufzeichnung  immer  nur  als  Anhalt  für  etwaige 
Schwächung  zu  betrachten,  sich  auszerdem  alle  Notizen  zu  machen, 
von  denen  er  einen  Gebrauch  machen  zu  können  hofft.  Ist  dann  durch 
solche  Leetüre  eine  gewisse  Fertigkeit  im  verstehen  erreicht,  dann  re- 
gen wir  ihn  zur  Betrachtung  des  einzelnen,  zur  Fertigung  solcher 
schriftlichen  Arbeiten  an,  wie  der  Hr.  Verf.  in  seiner  Abhandlung  be- 
zeichnet. Ob  wir  hierin  mit  demselben  in  Widerspruch  stehen,  können 
wir  freilich  nicht  gewis  angeben,  aber  er  würde  nach  unserer  Ueber- 
zeogung  jedenfalls  wol  gethan  haben  das  Verhältnis,  in  welches  er  den 
Umfang  und  die  Art  der  eigentlichen  Leetüre  gesetzt  wissen  will,  sorg- 
fältig zu  erörtern,  um  so  mehr,  als  ja  die  so  oft  durch  die  Erfahrung 
bestätigte  Befürchtung  nahe  liegt,  dasz  der  Schüler  an  das  einzelne 
gewiesen,  das  ganze  nicht  allein,  sondern  auch  alles  übrige  vernach- 
lässigt. An  das  einzelne  aber  sieht  sich  der  Schüler  gewiesen,  wenn 
er  schon  in  voraus  weisz,  dasz  eine  schriftliche  Arbeit  über  einen  spe- 
ciellen  Punkt  seiner  Lecture  von  ihm  gefordert  werden  wird,  ja  Ref. 
hat  mehrere  Beispiele  erlebt,  dasz  einzelne  ganze  dicke  Hefte  voll  Be- 
obachtungen niedergeschrieben  und  ein  glänzendes  Lob  ihres  Fleiszes 
erhalten  hatten,  ohne  nur  vom  Inhalte  des  ganzen  Rechenschaft  geben, 
ja  auch  nur  alle,  selbst  leichtere  Stellen,  richtig  und  schnell  über- 
setzen za  können.  Entsteht  aber  nicht  die  Frage,  wie  viel  Zeit  den 
Schülern,  wenn  von  ihnen  eine  sorgfältige  Leetüre  des  ganzen  und  ein 
Verständnis  aller  einzelnen  Stellen  gefordert  wird,  zur  Beantwortung 
gewisser  sich  anknüpfender  specieller  Fragen  durch  schriftliche  Arbei- 
ten bleibt?  Welches  Masz  wir  in  den  letztern  eingehalten  zu  sehen 
wünschen,  wird  sich  an  das  anschlieszen ,  was  wir  über  die  Controlie- 
rung  zu  sagen  haben.  Darüber  theilen  wir  ganz  die  von  Seyffert  a.  a. 
O.  S.  48  aufgestellten  Ansichten,  während  uns  der  Vf.  viel  weiter  zn 
gehen  scheint.  Im  allgemeinen  wird  man  zwar  bei  dem  Schüler  den 
Wunsch  finden,  dasz  der  Lehrer  von  seinem  Privatfleisse  und  dessen 
Früchten  Kenntnis  erhalte,  aber  er  wird  auch  durch  zweierlei  gehemmt 
und  gelähmt  werden:  1)  wenn  von  ihoi  verlangt  wird,  was  er  als  seine 


416    Borichto  Ubor  golelirle  Anslalleu,  Verordiiuo^en,  ttatiit.  Noliie». 

Kräfte  ubcrnleigend  oder  auszerhatb  des  Kreises  seiner  Studien  liegeod 
betrachtet,  und  2)  wenn  ihm  das,  was  er  mit  seinen  besten  Kräften 
^ethan  su  haben  sich  bewuszt  ist,  rücksichtslos  verworfen  wird. 
Uef.  hat  öfters  die  Erfahrung  gemacht,  dasz  strebsame  Schüler  Arbei- 
ten den  Augen  und  der  Kenntnis  des  Lehrers  entzogen,  weil  sie  Urtn- 
che  zu  der  ilefürchtung  zu  haben  glaubten,  es  möchte  ihnen  das,  was 
ihnen  trotz  der  gefühlten  Mängel  lieb  geworden,  entrissen  werden,  and 
eben  so  oft,  dasz  Schuler  die  Hoffnung,  welche  er  in  sie  gesetzt,  tensch- 
ten,  weil  sie  wie  sie  offen  gestanden,  keine  Liebe  zur  Sache  und  kein  Ver- 
trauen in  das  gelingen  gefaszt.  Daraus  folgt  uns  nun  zweierlei,  dasi 
man  den  Schüler  nicht  allzusehr  zur  Bearbeitung  solcher  Themata  no- 
thigeii  dürfe  und  da>z  man  bei  der  Beurtheilung  sich  ganz  auf  den  Stand- 
punkt des  S.-hülers  zu  stellen  nie  vergesse.  Man  kann  es  nicht  ableag- 
nen,  das  Privatstadiuro,  wenn  es  auch  officiell  gefordert  wird  (vgl.  Bd. 
LX.VI  8.  1H()),  verliert  sein  Wesen  und  seine  Bedeutung,  wenn  man  nicht 
dem  freien  walten  der  individuellen  Neigung  dabei  möglichst  Rrchnnag 
trägt.  Deshalb  soll  man  nach  unserer  Ueberzeugung  nicht  unbedingt 
und  nicht  von  allen  Schülern  solche  Arbeiten  fordern,  sich  vielmenr 
genügen  lassen,  wenn  einer  nur  liest,  aber  fleiszig  und  mit  einem  sei- 
nem Standpunkt  entsprechenden  Verständnis.  Hält  man  mit  Strenge 
auf  die  Lösung  aller  officiellen  Aufgaben,  so  thnt  man  der  Individuali- 
tät genugsam  den  ihr  heilsamen  Zwang  an,  man  gönne  ihr  aber  um  so 
mehr  den  freit'U  Spielraum  auf  dem  Felde,  für  welches  sie  schon  den 
Namen  und  Wesen  nach  denselben  fordert.  Versäumt  nur  der  Lelirer 
nicht,  im  Schüler  die  Neigung  zu  wecken,  ihm  die  Losung  gewisser 
Aufgaben  zu  einem  Innern  Bedürfnis  zu  marhen,  so  wird  er  auch  l>ei 
den  widerstrebenden  etwas  erreichen  und  gewis  viel  besser  gelungenes 
erhalten,  weil  mit  Lust  und  Liebe  gearbeitetes.  Eine  förmliche  Cor- 
rectur  aber  wünschten  wir  mit  Seylfert  gänzlich  fern  gehalten,  mag 
diese  nun  schriftlich  oder  auch  nur  mündlich  gegeben  werden.  Nach 
dem,  waH  der  llr  Vf.  gelegentlich  über  die  Controlierung  sagt,  fürch- 
ten wir,  dasz  die  Privatarbeiten  auch  rücksichtlirh  der  Aufgabenstel- 
lung —  denn  die  Controlierung  zwingt  zu  ihrer  Fertigung  —  gar  lu 
sehr  den  Charakter  der  publica  officialiu  annehmen.  Ist  dies  ein  Ir- 
thum  und  ist  er  im  Falle  nur  unsere  Schuld?  Haben  wir  oben  gegen 
«las  ßfÖKzerc  Masz  sr.hriftlirher  Arbeiten  ein  Bedenken  ausges|irocheD, 
so  tritt  jetzt  ein  zweites  hinzu .  dasz  der  Srhüler  mit  dem  geschriebe- 
nen Mich  begnügend  die  lebendige  Auffassung  zurückbleiben  liszt.  Oder 
sind  die  Schüler  selten,  welche  das  niedergeschriebene  als  den  Beweis 
ihres  Fieiszes  betrachtend,  eben  so  wenig  weiter  streben,  wie  die,  wel- 
che die  yurtrH{;e  schwarz  auf  weisz  zu  haben  wünschend,  in  den  Hör- 
sälen {<eistig  untliätige  Zuhörer  sind?  Der  Hr.  Verf.  scheint  selbst  die 
Krfahrung  gemacht  zu  haben,  wie  oft  schriftliche  Arbeiten  etwas  gan 
todtes  bleiben,  wenn  sie  nicht  zu  den  eigentlichen  KunstSdfgaben  ge- 
hören, und  schlagt  deshalb  ein  Mittel  zur  Belebung  vor,  mit  dessen 
Anwendung  wir  nicht  einverstanden  sein  können.  Kr  täszt  nemlicb  die 
Schüler  über  das,  was  hie  beobachtet  haben,  vom  Katheder  Vortrage 
halten,  wie  er  auch  in  den  i^ectionen  nicht  selten  einen  Schüler  inter- 
pretieren und  diesen  von  den  andern  fragen  oder  ihm  opponieren  lasxt. 
Uniier  Hauptbedenken  dagegen  begründet  sich  auf  die  BefSrcbtuag, 
daf.z  dadurch  eine  schädliche  Eitelkeit  und  dünkelvoller  Khrgeis  ge- 
nährt werden.  Die  Jugend  theilt  die  Fehler  unserer  Zeit  oder  besiut 
weninntens  ein«  starke  Hinneigung  zu  denselben.  Wenn  nun  jetzt  so 
mancher  liereit  ist,  Bücher  und  Brochuren,  die  eben  so  gut  unge- 
schrieben bleiben  könnten,  mit  dunkelvoiler  Amnaszung  in  die  Welt 
zu  »enden  und  sich  in  Dingen  zum  f^ehrmeistcr  aufzuwerfen,  in 
denen  er  noch  Lehrling  ist,  so  müssen  wir  die  Jugend  um  so  sorgrälti- 


Berielite  ifbisr  felelirle  Anslalfen,  VerordamgeB,  sUtist.  Nolizea*  417 

ger  haten,  dasz  sie  nicht  in  die  gleichen  Fehler  Terfalle.  Wie  man 
nnn  manchen  Schaler,  wenn  er  eine  Reihe  gramniatiacher  Regeln  mit 
Beispielen  Tersehen,  oder  gegen  eine  Erklärung  in  Schnlansgaben  eine 
Kinwendang  entwickelt  hat,  auf  dem  Wahne  ertappt,  als  sei  er  ein 
tüchtiger  Grammatiker  und  verstehe  schon  mehr  als  mancher  Gelehrt 
ter,  —  ein  Grund  mehr  yon  den  schriftlichen  Privatarbeiten  den  Cha* 
rakter  gelehrter  Abhandlung  recht  fem  zu  halten  und  ihnen  das  Gepräge 
von  Lemversuchen  unvergänglich  zu  erhalten,  —  so  wird  man  auch 
Einbildung  kaum  verbäten  können,  wenn  man  ihn  gewissermaszen  znm 
Lehrer  seiner  Mitschüler  stempelt,  umso  mehr,  wenn  das,  was  ervor^ 
tragt,  gerade  nur  er  allein,  nicht  alle  seine  Mitschüler  gearbeitet  ha- 
ben. Das  Urtheil  des  Lehrers  kann  ja  nicht  immer  demütigen  und  in 
jedem  Falle  wäre  die  Voraussetzung  einer  Demütigung  unzulasaig.  Las- 
sen wir  also  diese  Privatarbeiten  doch  lieber  zwischen  dem  Lehrer  und 
dem  Schaler  allein  bleiben,  lassen  wir  sie  als  ein  xtrjfia  tÖiov  des 
Schülers  bestehen,  aber  als  ein  Cdiov  in  jedem  Sinne  des  Wortes.  Ge- 
hen wir  nnn  endlich  zn  den  von  dem  Hrn.  Verf.  aufgestellten  TbenieR 
selbst  über,  so  müssen  wir  zuerst  mit  Dank  anerkennen,  dasz  er  man^ 
ches  recht  beachtenswerthe  und  nutzbare  gegeben.  Wir  sind  auch  nicht 
so  mäkelig,  um,  was  unserer  eigenen  Individualität  nicht  zusagt,  oder 
womit  wir  nichts  anzufangen  wissen,  deshalb  zn  verwerfen,  aberzeugt, 
dasz  andere  damit  recht  gutes  schaffen  können;  auch  wollen  wir  gar 
nicht  an  dem  Erfolge  zweifeln,  den  gesehen  zu  haben  der  Hr.  Verf.  zur 
Empfehlung  mancher  Aufgabe  rühmt,  obgleich  wir  uns  oft  durch  Er- 
fahrungen ober  die  Annahme  eines  solchen  bitter  enttenscbt  gesehen 
haben,  und  was  als  Erfolg  im  Augenblick  erscheint,  recht  oft  für  die 
Gesamtbildung  sich  als  irrelevant,  wo  nicht  sogar  nachtheilig  erweist. 
Im  allgemeinen  müssen  wir  bemerken,  dasz  der  Schüler  meist  dem  rea- 
len Boden  am  meisten  zugethan  ist ,  sodann  dem ,  was  er  anwenden  zu 
können  glaubt;  daher  werden  geschichtliche,  aesthetische ,  antiquari- 
sche Gegenstände,  eben  so  wie  Phraseologien  ihn  weit  mehr  anziehen, 
als  grammatishe  Untersuchungen.  Er  geht  dabei  von  einem  natürlichen 
sicheren  Tacte  aus,  den  der  Lehrer  nicht  vernachlässigen,  noch  bre- 
chen soll.  Wenn  er  eine  Stelle  richtig  versteht,  wenn  er  eine  gram- 
matische Regel  richtig  anwendet,  wenn  er  bei  der  Uebersetzung  den 
gut  deutschen  Ausdruck  für  eine  Eigenthümlichkeit  der  fremden  Spra- 
che richtig  setzt,  so  wird  er  zufrieden  sein,  und  in  der  Nothigung  nun 
darüber  zu  reflectieren,  eine  überflüssige  Behelligung  finden,  die  ihn 
im  fortschreiten  seiner  Studien  aufhalte.  Wie  man  von  der  reflectie- 
renden  Methode  im  deutschen  grammatischen  Unterrichte  schon  darch 
das  geringe  Interesse,  das  die  Schüler  daran  nehmen,  zurückgeschreckt 
worden  ist,  wie  man  auch  in  den  alten  Sprachen  wieder  das  usuelle 
begreifen  über  das  systemisierte  grammatisieren  und  interpretieren, 
unbewuszte  Fertigkeit  über  reflectierende  Betra<:htung  gestellt  hat,  so 
wird  man  auch  für  die  Privatarbeiten  anerkennen  müssen,  dasz  gram- 
matische Themen  weniger  angemessen  sind,  weniger  auf  die  Lust  und 
Theilnahme  der  Schüler  rechnen  können,  ja  für  das  Bildungsziel  nicht 
so  bedeutend  sind ,  wie  es  scheint.  Man  wende  nicht  dagegen  ein,  dasz 
ein  oder  der  andere  Lehrer  bei  den  Schülern  den  lebhaftesten  Eifer 
erweckt  habe,  da  es  sich  nicht  dämm  handelt,  was  eine  bedeutende 
Persönlichkeit  in  den  Schülern  hervorrafen  kann,  sondern  ob  dies  was 
sie  erreicht  ihrer  Natur  gemäsz  ist  oder  gegen  dieselbe,  und  ob  eine  sol- 
che Lenkung  derselben  absolut  nothwendig  and  heilsam  ist.  Wir  müssen 
immer  im  Gymnasium  daran  denken,  dasz  wir  nicht  künftige  Philolo- 
gen vor  uns  haben,  sondern  solche,  die  ganz  anderen  Wissenschaften 
sich  widmen  wollen,  und  die,  wenn  sie  auch  nicht  widerwillig  gegen 
die  klasiischen  Stadien  sind,    dennoch  entweder  richtig  fühlen   oder 


418  Berichle  Ober  gelehrte  AnsIfiUen,  Verordnangta,  alatiät 

darüber  nachdenken,  was  zu  ihrer  Bildung  und  wa«  \m  die  eigenÜiehe 
philologische  Wissenschaft  gebort;  umsomehr  hat  sich  der  JUabrer  n 
baten  auch  nicht  den  Anschein  philologischer  Pedanterie  su  «nrackea, 
die  den  klassischen  Studien  so  unendlich  geschadet  bat.  Der  Hr.  Verl 
sieht  selbst  (8.  7)  den  Vorwurf  voraus,  dasz  seine  Aufgabe*  pbilela- 
jrischer  Natur  seien,  berechnet  Philologen  zu  bilden,  beseitigt  aMr  deih 
selben  mit  der  Bemerkung,  sie  seien  philologischer  Natur,  in  je  wak 
es  für  jeden  gebildeten  unerläszlich  sei,  zur  firkcnntnia  und  Herachaft 
über  den  eigenen  koyog  zu  kommen ,  und  sie  könnten  auf  alle  flerechet 
angewandt  werden.  Wir  fürchten,  dasz  damit  der  Vorwurf  nicht  be- 
seitigt  sei.  Was  ist  Erkenntnis  des  eigenen  Xoyog^  Ist  es  die  bewnaitt 
fjiiiHicht  in  die  Sprachgesetze  ¥  Nun  unsere  Klassiker  haben  doch  Hei- 
sterschaft  im  Siil  und  Herschaft  über  die  Sprache  beseaaen,  ohne  ael-. 
che  Hebungen  vorgenommen  zu  haben,  und  mancher  Nichtphilotofe  hat 
die  Schönheit  der  antiken  Form  besser  verstanden  und  besser  miuia 
zugeben  gewuszt,  als  der  gelehrteste  Philolog.  Mit  dem  letsten  Znsati 
aber,  furchten  wir  vollends,  scheint  der  Sache  vielmehr  geschadet. 
Denn,  wird  der  weniger  eingeweihte  fragen,  warum  dann  an  den  aiteai 
nicht  an  den  modernen  Sprachen  solche  Dinge  vornehmen  V  die  ietnte- 
ren  htehen  doch  dem  deutschen  näher,  aus  ihnen  musz  für  die  Biidosf 
in  diesem  mehr  resultieren.  Ref.  weiss  nicht,  ob  seine  Brfahrang  eias 
allgemeine  ist,  aber  er  siebt  sie  als  weit  genug  reichend  an,  me  we- 
nigstens einige  Geltung  neben  anderen  beanspruchen  zu  kennen.  Der 
Schüler  dringt  in  das  grammatische  Gesetz  leichter  ein,  wenn  er  an 
der  Muttersprache  in  die  fremde  übersetzt,  als  umgekehrt.  Deshslb 
dürfen  wir  wol  für  den  von  dem  Hrn.  Verf.  beabsichtigten  Zweck  lie- 
ber Compojfitionen  in  der  fremden  Sprache  empfehlen  und  haben  hier 
SeyfTert  auf  unserer  Seite,  der  unter  den  vorgeschlagenen  PriTntnrbci- 
ten  unter  11  Klassen  5  (B  C  D  K  u.  L)  dahin  zielende  aufstellt.  Wir 
halten  uns  überzeugt,  dasz  der  Hr.  Verf.  bei  ruhiger  Prüfung  selbst 
finden  musz,  dasz  manche  seiner  Aufgabe  ohne  weiteres  in  einem  phi- 
lologischen Seminare  gextellt  werden  könne.  Nehmen  wir  ohne  welters 
Wahl  die  Aufgabe  J06  S.  10.  Wer  da  weisz,  wie  streitig  an  ■ancfaen 
Stellen  zwischen  den  Gelehrten  die  Grunde  sind,  warum  der  Coijnn- 
ctiv  in  Relativsätzen  stehe,  wer  die  Schwierigkeiten  kennt  den  des 
Wesen  des  Conjuiictivs  erschöpfend  andeutenden  Ausdruck  m  finden, 
wer  als  Lehrer  die  Aufgabe  zu  lösen  versucht  bat,  selbst  Beispieie  lu 
bilden,  die  einen  Gegensatz  veranschaulichen,  der  wird  gewis  doe  Ref. 
beistimmen,  wenn  er  diese  Aufgabe  für  einen  Secnndaner  viel  sn  hoch 
erklart,  wenn  er  die  Untersuchung  auch  nur  an  <^iner  Schrift  als  dos 
Sache  eines  Studenten  der  Philologie  an.sieht,  ja  sich  nicht  scheuen 
würde,  dieselbe  als  eine  Examenaufcabe  zu  stellen.  Wendet  man  dif 
dasz  man  eben  nur  eine  dem  Schüler  mögliche  Lösung  Terlange,  so 
erwidern  wir,  man  dürfe  diesen  nicht  stümpern  lassen,  lumal  es  SMfTe 
lind  Gegenstande  genug  gibt,  an  denen  er  eine  entsprechende  Uebung 
findet.  Und  auf  derselben  Seite  finden  wir  noch  mehrere  Anfgubcn, 
über  welche  sich  das  gleiche  sagen  liesze.  Soll  doch  der  SchSler  110 
auf  einen  Erklärungsversuch  kommen ,  der  bis  in  das  Gebiet  der  sprach- 
vergleichenden  Etymologie  hinaufreicht,  wenn  er  mit  Madvig  Ist.  Gr. 
S  460  tffi  als  ursprünglich  zur  Relativwurzel  gehörig  erkennen  soll, 
wobei  nicht  einmal  Madvig  angedeutet  hat,  wovon  doch,  sollte  der  Ver- 
such nicht  auf  unsicherem  Boden  beruhen,  nothwendig  ausgegangen 
werden  müsste,  welche  die  Grundbedeutung  des  SufRx  ti  sei.  Denn 
wie  Ivhricum  es  sei,  ans  den  in  einer  gebildeten  Schriftsprache  übli- 
chen Bedeutungen  die  ursprüngliche  zn  erschlieszen,  das  haben  viel« 
Beispiele  gelehrt,  so  gewiss  die  Uebereinstimmung  der  erstem  mit  der 
durch  die  Etymologie  gefundenen  letztem  nachweislich  sein  must.    Der 


Personalnaohrielileii.  4Ä9 

Hr.  Verf.  scheint  freilich  das  Gebi«t  der  Etymologie  (welche  Schwie- 
rigkeit hier  hersche  und  wie  riele  unberafene  dartBf  bemmfaseln, 
darüber  hat  erst  neulich  Pott  [Zeitscbr.  f.  d.  vergl.  Bprachw.  1856. 
Heft  4J  Nachweisungen  gegeben)  nicht  mit  uns  als  eine  dem  Schüler 
unnahbares  anzusehen,  fordert  er  doch  Auf.  33  (S.  5)  Sammlung  der 
einfachen  Stamm-  oder  Wurzelverben  (ist  dies  gleich?)  im  deutMhen, 
griechischen ,  lateinischen ,  und  Aufg.  43  heiszt  es  'wenn  man  ferner  bei 
Besprechung  des  Themas  33  die  Gelegenheit  ergriffen  hat,  an  wenigen 
Beispielen  die  ganz  einfachen  Gesetze  der  Lautverschiebung  nachzu- 
weisen ,  wie  sie  Grimm  (deutsche  Grammatik  I  S.  594)  aufgestellt  hat, 
ein  Schema,  nicht  schwerer  zu  fassen  und  zu  behalten  als  das  Doppel- 
▼erhältnis  der  9  griechischen  Muten,  dann  ist  an  der  Zeit  die  beson- 
ders gern  ergriffene  Aufgabe  43  Zusammenstellung  der  in  allen  drei 
Sprachen  identischen  Stamme  und  daraus  entspringenden  Worter  (Qued- 
linbnrger  Progr.  1855)'.  Wir  haben  das  angeführte  Programm  nicht 
zur  Hand,  aber  stehe  ich  wirklich  so  tief  in  meinen  Kenntnissen,  dasz 
ich  nur  nach  langen  Studien  diese  Aufgabe  losen  zu  können  glauben 
rousz?  Oder  sind  die  auf  diesem  Gebiete  noch  ungelösten  Streitfragen 
nur  eine  Folge  der  Unkenntnis  der  Gelehrten?  Ist  denn  doch  nicht 
vielleicht  das  'gern  ergreifen'  dieser  Aufgabe  eine  Folge  des  jugendli- 
chen Hangs  über  seinen  Kreis  hinaus  auf  die  höchsten  Hohen  zu  flie- 
gen, um  dann  einen  Ikarosfall  zu  thun?  Doch  ffenug  der  Beispiele. 
Niemand  wird  aus  den  angeführten  schlieszen,  oasz  sich  keine  ganz 
angemessenen  fanden,  wir  versichern  vielmehr,  dasz  sehr  viele  dies  sind. 
Nun  wir  haben  vielen  dissensus  gegen  den  Hrn.  Verf.  ausgesprochen. 
Möge  er  unsem  Eifer,  eine  anerkannt  gute  Sache  durch  Verhütung 
jeder  möglichen  oder  nur  zu  furchtenden  Uebertreibung  zu  fordern,  nicht 
verkennen  und  demnach  in  der  offenen  Aussprache  unserer  Bedenken 
vielmehr  einen  Beweis  der  Achtung  und  Anerkennung  seines  Strebens 
sehn.  A.  D. 


Personal  nachrichlen. 

Anstellungen,   Beförderungen,   Versitzungen. 

Adrian,  Rud.  B.,  Schulamtscandidat,  zum  ordentl.  Lehrer  an  dem  Gym- 
nasium in  Görlitz  ernannt. 

Bögekamp,  Dr.  Heinrich,  zum  ordentl.  Lehrer  an  der  Louisen- 
städtischen Realschule  in  Berlin  ernannt. 

Bone,  Professor  und  Oberlehrer  an  der  Rheinischen  Ritterakademie  zu 
Bedburg,  zum  Director  des  Gymnasiums  in  Recklinghausen  ernannt. 

Bottiche r,  Dr.  Ludwig,  Oberlehrer  an  der  höheren  Bürgerschule  in 
Graudenz,  in  gleicher  Eigenschaft  an  die  LöbenichtWhe  höhere 
Burgerschule  in  Königsberg  in  Pr.  versetzt. 

Ebert,  Dr.  Adolph,  Privatdocent  in  Marburg,  zum  auszerordentl. 
Professor  in  der  philosoph.  Facultät  der  dortigen  Universität  er- 
nannt. 

Kriedländer,  Dr.  Ludwig,  Privatdocent  in  Königsberg  in  Pr.,  zum 
auszerordentl.  Professor  in  der  philosoph.  Facultät  daselbst  er- 
nannt. 

Hoefig,  Dr.  Hermann  Gustav,  Lehrer,  zum  ordentl.  Lehrer  an 
dem  Gymn.  in  Görlitz  ernannt. 

Kraffert,  Dr.  Ada  Ib.,  Schulamtscandidat,  als  ordentl.  Lehrer  an  der 
höheren  Burgerschule  in  Insterbarg  angestellt. 


420  Pcrsonaloachricblen. 

Kottner,  Dr.  K.  Aag.  Ferd.,  ScbuIamUcandidat,  ala  ordentL  Leh- 
rer am  franzosischen  Gymn.  in  Berlin  angestellt. 

Marqaardt,  Dr.  Karl  Joachim,  Professor  am  Gymnasium  in  Dan- 
zig,  zum  Director  des  Friedrich- Wilhelms- Gymnasium«  in  Posen 
ernannt. 

Schultz,  Dr.  Ferd.  Albert  Martin,  Schulamtscandidaty  sum  ord. 
Lehrer  am  Friedrichs-Gymnasium  in  Berlin  em. 

Thiele,  Gustav,  Oberlehrer  am  Gymnasium  zu  Frankfurt  m/M.,  znai 
Director  der  Realschule  in  Barmen  ernannt. 

Top  ho  ff,  Dr.,  Oberlehrer  am  Gymnasium  zu  Essen  ^  zum  Director 
derselben  Anstalt  ernannt« 

IV  ahn  er,  Dr.,  Collaborator  am  Gymnasium  zu  Grost-Glogau,  suiii  Leh- 
rer an  dem  Gymnasium  in  Oppeln  ernannt. 

Weierstrasz,  Dr.  Carl  Th.  Wilh.,  Gymnasial -Oberlehrer,  zun 
ord.  Lehrer  am  K.  Gewerbe -Institut  in  Berlin  mit  dem  Charakter 
als  Professor  ernannt. 

Praedicierungen: 
Bernstein,  Dr.,  ord.  Professor  der  oriental.  Sprachen  an    der  Uni- 

▼ersität    in   Breslau,   erhielt    den   Charakter    als  Geheimer  Regie- 

rnngsrath. 
lehr i seh,  Carl  Adolph,  ord.  Lehrer  am  Gymnasium  zu  Gorliti|  als 

Oberlehrer  praediriert. 
Kock,  Dr.  Carl,   ord.  Lehrer  am  Gymnasium  in  Anciam,   als  Ober- 
lehrer prnediciert. 
Plotz,  Dr.  Carl,  ord.  Lehrer  am  franzosischen  Gymnasium  in  Berlin, 

als  Professor  praedicicrt. 
Runge,  Dr.  G.  Fr.  Ad.,  Oberlehrer  am  Friedrichs- Gymn.  in  Berlin, 

als  Professor  pracdiciert. 
Schmidt,  Dr.  Rudolph  Traugott,  ord.  Lehrer  am   französischen 

Gymnasium  in  Berlin,  als  Professor  praediciert. 


Zweite  Abtheilung 

henuugegebci  ?•■  R«i«l|pk  Bicisck. 


34. 

SENOOHNTOZ  KTPOT  ANABAZIi:.  Xenaphtmiis  Expe- 
ditio  Cyri  ex  recensione  et  cum  annotatundbus  Ludovici 
Dindorfii.  Edilio  zecunda  auciior  et  emendalior.  Oxonii 
e  typographeo  Academico.  HDCCCLY.  XXXVIII  n.  472  S.  8. 

Der  Herausgeber  hat  sich  durch  diese  Ausgabe  om  die  Auabasis, 
dieses  echte  Schulbuch,  ein  groszes  Verdienst  und  damit  den  Dank 
aller  derer  erworben,  die  sich  mit  diesem  Buche  beschäftigen.  Es  ist 
nemlich  durch  dieselbe  der  kritische  Apparat  bedeutend  bereichert 
und  so  eine  weit  sicherere  Grundlage  als  früher  gewonnen,  indem  Hr. 
Dindorf  für  diese  Ausgabe,  die  mit  demselben  Rechte,  mit  dem  er  sie 
eine  zweite  vermehrte  und  verbesserte  nennt,  eine  neue  Recension 
hei^zen  könnte,  eine  neue  Collation  der  beiden  zur  ersten  Handschrif- 
tenfamilie gehörenden  Pariser  Codices,  sowie  des  Oxoniensis  Bodleia- 
nus- benutzt  hat.  Dadurch  haben  wir  nicht  nur  bestimmtere  Angaben 
als  früher  über  das,  was  die  Codices  bieten,  sondern  es  ist  auch  ein 
bis  jetzt  im  kritischen  Apparat  herschender  Irthnm  aufgedeckt  and 
berichtigt  worden.  Während  nemlich  bis  jetzt  unter  den  Handschrif- 
ten der  ersten  Familie  3  Pariser  aufgeführt  und  bei  Dindorf  und  Küh- 
ner durch  B.  C.  D,  bei  Krüger  und  Poppo  durch  E.  F.  H,  sowie  bei 
allen  durch  die  Nummern  1640,  1641  and  2535  bezeichnet  wurden, 
(Bornemann  spricht  übrigens  schon  p.  X  die  Vermutung  aus,  dasz  P 
und  H  ein  und  derselbe  Codex  zu  sein  schienen) ,  hat  die  neue  Colla- 
tion ergeben,  dasz  in  Wirklichkeit  nur  die  beiden  Codices  B  und  C 
(F  und  E)  mit  den  Nummern  1640  and  1641  vorhanden  find,  dasz  da- 
gegen die  Nummer  3535,  die  man  dem  Codex  D  (bei  Krüger  und  Poppo 
H)  beilegte,  gleichfalls  diesen  beiden  Handschriften  angehört,  indem 
die  von  Michael  Apostolius  geschriebene  neben  der  Nummer  1641  von 
der  Zeit  an,  dasz  sie  der  königlichen  Bibliothek  angehörte,  noch  die 
Nummer  2535/3  führt,  und  ebenso  C  dieselbe  Nummer  hat,  doch  mit 
dem  Unterschiede ,  dasz  hier  die  eine  Unterabtheilnng  bezeichnende 
Zahl  3  fehlt.   Besorgt  ist  die  neue  Collation  mit  groszer  Hingabe  and 

/V.  Jahrb,  f.  Phil.  u.  Paed,  Bd,  LXXIV.  Hfl.  9.  80 


422  Xenophonlis  Anabesis  ed.  Dindorf. 

Gowisscnhafligkeit  von  Hrn.  Fr.  Dabncr  and  ist  dieselbe  besonder« 
für  den  Codex  C,  der  früher  nie  genau  beschrieben  war,  von  grosser 
>Vichtigkcit  und  bedeutendem  Werlhe.  Wir  erfahren  erstens,  doss 
dieser  PtTgament  -  Codex  von  drei  durch  die  Handschrift  sich  sehr  be- 
deutend unterscheidenden  Abschreibern  geschrieben  ist.  Der  erste 
hat  manu  calligraphi  bis  I  4  11  xovg  axQaTt]yovg  rcoi^ 'EUi^iwv,  der 
zweite  von  da,  wie  Dindorf  bemerkt  alia  non  minus  aniiqua^  sed 
mullo  minus  ditigenli^  quam  cursivam  vocamus^  bis  111  3  19  su  dem 
Worte  6(Mii},  der  dritte,  welcher  derselben  Zeit  angehört,  bis  sa  Endo 
geschrieben.  Sodann  erfuhren  wir,  dasz  dieser  Codex  bedeoteode  Cor- 
rectnren  erfahren  hat,  in  denen  gleichfalls  3  verschiedene  Handschrif- 
tcn,  zwei  ältere  und  eine  jüngere,  von  Herrn  Dübner  nntenchiedea 
werden.  Mit  der  grösten  Genauigkeit  ist  nun  jede  Rasur  und  jede 
Verbesserung  angegeben;  dabei  wird  mitgetheilt,  wie  viel  Bocbstaben 
radiert,  ob  und  welche  Buchstaben  der  ursprünglichen  Ilandschrift 
sichtbar  oder  bei  Anwendung  chemischer  Mittel  wieder  hervorgetreten 
und  ob  die  Verbesserung  von  der  ersten ,  zweiten  oder  dritten  Hand 
vorgenommen  ist.  Zugleich  sind  durch  Anwendung  der  genannten 
Mittel  manche  Lesarten,  die  schon  zu  des  Apostolius  Zeiten  so  ver- 
wischt waren,  dasz  sie  in  den  vom  Codex  genommenen  Abacbriflen 
entweder  ausgelassen  oder  schlecht  ergänzt  und  mit  den  noch  leser- 
lichen Worten  schlecht  verbunden  wurden,  wieder  lesbar  geworden, 
so  dasz  viele  besondere  Lesarten  des  B  jetzt  als  w  illkürliche  Verbes- 
serungen oder  Krganzungen  erscheinen,  wovon  Herr  Dindorf  S.  V 
einige  Beispiele  anführt.  Ebenso  werden  durch  diesen  Codex  viele 
abweichende  Lesarten  des  Vaticanus  A  bestätigt  oder  es  erhellt,  wie 
dieselben  entstanden  sind,  indem  sie,  wie  Hr.  Dindorf  gleichfalls  S.  V 
anführt  und  wie  aus  manchen  Bemerkungen  in  der  Variantenaamniang 
sicii  ergibt,  im  C  am  Bande  standen  und  von  da  durch  Nisverstindnis 
des  Abschreibers  in  den  Text  kamen.  Wenn  man  dieses  alles  erwigt. 
so  ist  man  geneigt,  mit  Hrn.  Dindorf,  der  jedoch  vorsichtig  ein  'nt 
videtur'  gebraucht,  den  C  für  die  uns  bekannte  älteste  Handschrift  in 
halten  und  erhält  diese  Ansicht  eine  Stütze  durch  die  vom  ersten  Ab- 
schreiber herrührende  am  Ende  sich  findende  Unterschrift,  welebe 
nach  Dindorf  S.  IV  lautet:  ^reAeto^i/  xo  naqov  ßißUov^  iv  tij  It^  tov 
lov  fATivog  TOV  (sie)  iveattoatis  xQirrig  ji  iv  |gwxi}  Ire«,  wodureb  nndi 
Monlefalcon  Palaeogr.  p.  68  das  Jahr  1320  bezeichnet  wird. 

Vermehrt  ist  der  kritische  Apparat  ferner  durch  die  von  Thomaa 
Gaisford  mit  grosser  Genauigkeit  besorgte  Collation  dos  bisher  noch 
nicht  verglicheneu  Codex  in  der  Bibliothek  zu  Oxford,  welchen  Din- 
dorf, der  ihn  mit  D  bezeichnet,  kurz  so  beschreibt:  Oxoniensis  Bod- 
leianus  hibliothecae  Canonicianae  n.  39,  bomhycinus^  secufi  14  rel 
15  ineuntiSy  coniinens  /b/.  3—  136  diversa  ab  rtliquis  manu  scripiam 
Cyropaedtam,  foL  137—247  Anahasin,  fol.  248— 2j9*  llipparchicum^ 
inde  ab  foL  259**  tibrum  de  re  equesiri.  Den  Werth  dieses  Codex  be- 
stimmt  derselbe  dahin,  dasz  er  für  unsre  Anabasis  vom  zweiten  Buche 
an  der  zweiton  Ilandschriftenfamilie  angehöre  und  zwar  für  den  besten 


XeoopboDtifl  Anabesis  ed.  Diidorf.  42S 

derselben  zn  balten  sei ,  das«  er  dagegen  im  In  Bacbe  der  ersten  Fa- 
milie« angehöre  nnd  oft  einsig  nnd  allein  die  bessre  Lesart  bewahrt 
habe,  wie  in  I  ^  9  den  Namen  Umöig^  oder  daselbst  in  ^  18  Igwysv 
iiü  T^g  uQfAaiui^rig,  was  sicher  die  nrsprQngliche  Lesart  sei,  da  auch 
C  erst  in  der  Rasur  i%  lese,  aber  so  gründlich  radiert  sei,  dasz  von 
der  nrsprflnglichen  Lesart  ohne  die  des  Bodleianus  nichts  hätte  enU 
ziffert  werden  können.  Dieser  Collation  hat  Gaisford  Excerpte  aus 
den  Randbemerkungen  der  Aldina  der  Bodleianischen  Bibliothek  zuge- 
fügt, welche  Dindorf,  well  diese  einst  dem  P.  Pithoens  gehörte,  in  den 
Varianten  mit  Pith.  bezeichnet  bat. 

Neben  dieser  Bereicherung  des  kritischen  Apparats  hat  Dindorf 
auch  seine  Ansicht  über  den  Wertb  der  Codices  dahin  geändert,  dasz 
er  jetzt  nicht  nur  den  Etonensis,  sondern  auch  noch  die  von  ihm  schon 
früher  mit  R.  H.  M.  N.  0.  Q  bezeichneten  Hülfsmittel  zur  ersten  Fami- 
lie zählt,  von  denen  Krüger  schon  M  (Villoison),  N  (Stephan),  0  (cod. 
Y)  und  Q  (Brod.)  dahin  rechnete.  Doch  hat  er  sich  über  die  Gründe 
dieser  Meinungsanderung  nicht  ausgesprochen.  Alle  übrigen  gehören 
der  zweiten  Familie  an  und  ist  darüber  nur  zu  bemerken ,  dasz  Herr 
Dindorf  unter  diesen  den  von  Kühner  nicht  aufgeführten  Meermannia- 
nus,  welchen  Valkenaer  mit  der  2n  Ausgabe  des  Stephanus  verglich, 
mit  T,  nnd  den  bisher  mit  Fl.  bezeichneten  Mediceus  mit  Z  be- 
zeichnet. 

Der  mehrfach  im  allgemeinen  schon  hervorgehobene  Werlh  der 
neuen  Collationen  ist  nun  im  besondern  der,  dasz  der  Text  durch  neue 
Lesarten  viele  Verbesserungen  erhalten  hat,  und  dasz  viele  Emenda- 
tionen  früherer  Herausgeber  bestätigt  sind.  Einige  Beispiele  auszer 
den  bereits  angefphrten  mögen  das  belegen.  12  1  liest  D.  xal  i^qoU 
itt  mg  htl  xoixovg  x6  xe  ßaQßaqinov  xal  xo  'ElkriviTiov.  ivxav&a  %al 
TtaQuyyilltt  und  die  Variantensammlung  gibt  uns  darüber  folgenden 
Aufscblusz :  ^axgaxsvfia  post  ivxavd-a  s.  v.  C  m.  minus  anliq.,  ut  vide- 
tur,  om.  D,  uterqne  colo  post  liULijvixov  posito  et  cum  seqnenti  xal 
A.'  Erwagt  man,  dasz  bei  der  bisherigen  Lesart  die  Deutung  des  iv* 
xavd'a  stets  eine,  wie  die  Commenlare  lehren,  zweifelhafte  und  dabei 
gezwungene  war,  dasz  ferner  axQaxBV(ia  in  solchen  Verbindungen  fast 
regelmäszig  fehlt,  so  wird  man  jetzt  unwillkürlich  an  das  Ei  des  Ko- 
lumbus erinnert  und  freut  sich,  dasz  das  Glossem  nun  gefallen  ist.  — 
14  2  schreibt  D.  mit  C  pr. ,  welcher  die  Vulgata  in  der  Rasur  hat  und 
mit  D:  iiyeho  Ö^  avxaig  Tafimg  Alyvnxtog.  Auch  diese  Aenderung 
empfiehlt  sich  auf  den  ersten  Blick.  Denn  wenn  auch  durch  dieselbe 
der  Widerspruch  nicht  gehoben,  der  zwischen  Xen.  Hist.  Gr.  III  1  1 
(vgl.  Diod.  XIV  19)  and  ansrer  Stelle  im  Namen  des  lacedaemoni- 
schen  Nauarcben  sieb  findet,  so  tritt  doch  Tamos  durch  die  neue  Lesart 
in  sein  richtiges  Verhältnis  als  Wegweiser,  da  es  doch  wahrlich  nicht 
zum  Wesen  der  Spartaner  passt,  sieb  zu  einer  Zeit,  wo  sie  eben  die 
so  lang  erstrebte  unbestrittene  Hegemonie  zur  See  erlangt,  sofort 
einem  Befehlshaber  eines  persischen  Kronpraetendenten  nnterzuord- 
uen  und  diese  Unterordnung  durch  einen  Wechsel  der  Nauarcben  zu 

30* 


424  Xenophontis  Anabasis  ed.  Dindorf. 

Iieininfeln.  — 15  2  schliesEt  D.  rotg  titnoig  in  Klammern.  Da  aber  D 
nnd  C  pr.  das  Wort  nicht  haben,  im  letztern  es  erst  durch  den  jung« 
sten  Corrector  übergeschrieben  ist ,  so  worden  wir  es  am  so  mehr 
streichen,  da  auch  Demetr.  de  eloc.  §  93  dasselbe  ausläset.  Aehnlieh 
ist  11  3  18  von  C  pr.  das  auch  bei  Suidas  fehlende  xaxcr  ausgelasaeo 
und  erst  vom  iltesten  Corrector  hinzugefügt,  weshalb  es  D.  in  Klam- 
mern schlieszt.  —  I  9  14  schreibt  D.  jetzt  mit  den  meisten  Hand- 
schriften :  litsita  dh  xal  äXXoig  dmQOig  ir/fitt,  obgleich  B  M  0  allg 
lesen.  C  hat  nemlich  das  o'i  zwar  in  der  Rasur  eines  Buchstaben  (for- 
tasse  09  setzt  Dindorf  hinzu),  aber  von  der  ursprünglichen  Lesart  isl 
noch  äkX.  (T.  übrig.  — 11  5  21  hat  D.  jetzt  mit  C  iv  avayxrj  ixofiiviov 
und  verweist  zum  Beleg  auf  Cyneg.  10  14  und  die  Beispiele  im  Tbes. 
Steph.  V.  ix^.  —  11  6  6  lautet  jetzt  mit  B  C  und  Pith. :  öaug  i^ov  iihv 
ilgijvfiv  ccyBtv.  Die  Vulgata  ist  bekanntlich  l%av  und  kannte  man, 
wenn  man  aus  Kühners  Stillschweigen  schlieszen  darf,  früher  eine  Va- 
riante nicht.  —  III  1  11.  D.  mite  pr. :  ttai  i%  Tovtov  Idfinsa^cct  näifiXj 
weil  erst  der  zweite  Corrector  das  v  dem  naaa  hinzugefügt  hat.  Ob- 
wol  der  Wechsel  der  Construction  nicht  selten,  so  scheint  D.  doch 
denselben  mit  Recht  aufgehoben  zu  haben.  —  111  2  3  schreibt  D.  oiimg 
de  6st  ix  rcov  Ttagovzcov  avögag  aya^ov^  xeki^Hv  für  die  Vulgata :  xe 
il^Hv,  Da  aber  nnr  D  und  T  am  Rande  rsXi&eiv  haben ,  so  stimmen 
wir  nicht  bei.  Besser  gefüllt  uns  daselbst  §  10  xcrl  zag  anovöag  na^cc 
rovg  OQKOvg  aus  M  0  H  und  G,  zumal  sich  die  Vulgata  Kai  in  C  erst 
in  der  Rasur  findet.  Mit  Recht  bemerkt  Dind.,  dasz  inimQTttjnuai  schon 
dasselbe  ausdrückt,  während  nach  seiner  jetzigen  Lesart  die  Worte 
naQcc  rovg  oQnovg  rag  anovöag  Xvuv  mehr  den  Charakter  der  Epexe- 
gesc  haben.  — 111  3  15  hat  D.  aus  BC  u.  E (Kühner  gjbt  keine  Variante 
an,  obwol  auch  A  wenigstens  xaraXafißavsi  hat) :  ^rf^og  na^ov  Sv  dti»- 
%mv  xaxaXafißavoi  ix  to^ov  ^ficcvog^  was  vor  der  Vulgata  den  Vor- 
zug verdient.  Daselbst  $  19  hat  derselbe  nach  C:  rovg  öi  rtivKXtiQ^ 
%ov  xaraXsXeifiiiivovg ^  denn  der  genannte  Codex  hat  reo,  wobei  der 
letzte  Buchstabe,  hier  also  v,  ausradiert  ist  und  KXsa^ov.  Der  Datir 
beim  Passiv,  den  die  Vulgata  hat,  passt  wirklich  nicht  gut,  da  er  im« 
mer  das  thätige  Object  beim  Passiv  bezeichnet.  —  IV  1  10  lassen 
(Kühner  sagt  über  diese  Variante  auch  nichts;  jedoch  bemerken  wir 
das  nicht  als  Tadel  des  geehrten  Herrn,  sondern  um  anzudeuten  nnd 
Beispiele  zugleich  zu  geben,  dasz  wir  jetzt  erst  genau  Ober  die  Codi« 
ces  unterrichtet  sind)  B  und  E  elg  tag  xcifiag  nach  Mtvaßaaig  ans, 
auch  A  C  haben  die  Worte  nicht,  sondern  wiederholen  dafür  iyivevo. 
Dind.  folgt  den  ersten  beiden,  ob  mit  Recht,  möchte  schwer  zu  ent- 
scheiden sein ,  denn  das  iyivsto  des  A  C  scheint  auf  eine  willkürlich 
ausgefällte  Lücke  zu  deuten.  —  V  3  8  schreibt  D.  mit  C  pr.  hvxe  Si 
öiaQQicuv  Sia  rov  %t»QCov  notafiog  üeXivtwg^  denn  die  Vulgata  ist 
übergeschrieben,  aber  die  ursprüngliche  Lesart  durch  Dübner^s  Bemü- 
hungen wieder  lesbar  geworden,  B  hat  hier  eine  Lücke  von  6  Buchsta- 
ben. Daselbst  wird  xal  Ix^sg  für  XeifimvBgj  was  E  hat  und  in  C  dorcb 


XoDophontis  Anabuis  ed.  Dindorf.  425 

den  jangslen  Corredor  geschrieben  ist,  ebenralls  durch  Dubners  Un- 
tersttchongen  als  ursprüngliche  Lesart  des  C  nachgewiesen. 

Emendatiooen  früherer  HeraDsgeb.er  sind,  so  weit  wir  es  nns  an- 
gemerkt haben,  an  folgenden  8  Stellen  durch  diese  neue  Collation  be- 
stätigt worden :  I  a  16  hat  Krüger  de  autheut.  p.  39  in  Sotcsq  niliv 
TOP  arolov  KvQOv  jeotovfiivov  das  in  der  Vulgata  vor  Ttoiovfi,  stehende 
fi^  gestrichen.  Dasselbe  Ifiszt  D.  aus  und  in  C  ist  es  durch  den  er- 
sten Verbesserer  (Dind.  sagt:  m.  antiq.)  hinzugesetzt.  Reisiges  Vor- 
schlag daselbst  in  §  17  das  zweite  &v  zu  streichen,  wird  ebenfalls 
durch  C  pr.  bestätigt  und  erst  in  der  Rasur  findet  sich  hier  von  dem- 
selben Verbesserer  a  uv  eng  eingeschrieben.  Kühner  schlägt  ov  dolti 
vor  und  so  hat  der  Bodleianus.  —  14  7  haben  D  und  G  pr.  öedovg, 
was  Krüger  vorgeschlagen  und  zwar  findet  sich  in  C  auch  das  17  von 
örjlovg  in  der  Rasur  und  ist  dabei  zugleich  der  Accent  über  v  radiert. 
—  III  3  20  wird  des  Stephanus  Emendation  ßovkevaea^at.  durch  G  pr. 
bestätigt,  da  erst  der  zweite  Verbesserer  daraus  ßovXtvaaa&ai  ge- 
macht. —  IV  3  9  lasen  Bornem.,  Dind.  und  Krug,  schon  früher  gegen 
die  Codices  Inl  rov  ngoirov,  weil  dieselben  Worte  VI  5  2  und  8  wie- 
derkehren und  wirklich  ist  das  aito  erst  durch  den  ersten  oder  zwei- 
ten Corrector  in  C  hineingebracht.  —  IV  4  11  sagt  Dind.  über  Weis- 
ke^s  Verbesserung  aXeetvov,  die  derselbe  bekanntlich  aus  Suidas  ent- 
lehnte: ^akesivbv  C  pr.,  ut  videlur,  qunm  e  pro  a  illatum  pallidioris 
Sit  alramcnti,  et  eiusdem  quidem  videatur  manus,  sed  ipsum  potius 
quam  a  secundae.'  Schon  früher  war  diese  Emendation  durch  Z  (Fl) 
bestätigt,  dasselbe  geschieht  auch  noch  durch  den  Bodleianus.  —  V 
4  12  wird  Lion^s  und  Dindorf ^s  Emendation ,  wobei  sie  dem  Codex  B 
folgten:  olop  %oqol  auch  durch  G  und  Pith.  bestätigt.  —  VII  6  30  lesen 
B  C,  wie  Krüger  vorgeschlagen,  kccI  dtcc  xovxo  ovdafuy  oiso&e  XQ^ivai 
^mwa  ifie  avetvai. 

Kommen  wir  nach  diesen  Bemerkungen  über  den  Werth  der  neuen 
Gollationen  nun  zu  der  Frage ,  wie  Hr  Dindorf  den  Text  mit  Hülfe  der- 
selben revidiert,  so  lehrt  schon  eine  Vergleichung  wedlger  Kapitel 
dieser  Ausgabe  mit  der  desselben  Verf. ,  welche  in  der  bibliolheca 
Teubneriana  1854  erschienen,  oder  mit  der  Kfihnerschen  Recension, 
dasz  die  Abweichungen  bedeutend  sind.  Durch  das  ganze  Buch  betra- 
gen sie,  wobei  kleinere  orthograpische  und  etymologische  nicht  ge- 
rechnet sind,  5—600.  Untersucht  man  diese  Abweichungen  näher,  so 
ist  der  Grund  hauptsächlich  der,  dasz  sich  Dindorf  in  Folge  der  ge- 
nauem Collation  weit  mehr  als  früher  den  Handschriften  der  ersten  Fa- 
milie anschlieszt,  ohne  sich  jedoch  zu  den  strengen  Grundsätzen  (über 
die  er  sich  jedoch  in  der  Vorrede  nicht  ausgesprochen  hat)  zu  beken- 
nen, denen  Kühner  in  seiner  in  ihrer  Art  trelflichen  Arbeit  gefolgt  ist. 
Denn  abgesehen  von  mehreren  die  Orthographie  nnd  die  Formenlehre 
betreffenden  Punkten ,  die  Dindorf  in  der  Vorrede  besprochen  und  bei 
der  Textesrevision  ohne  sich  um  die  Schreibweise  der  Codices  zu 
kümmern  streng  durchgeführt  hat,  folgt  er  auch  in  der  Feststellung 
der  Lesarten  sehr  oft  den  Handschriften  der  zweiten  Familie  oder 


426  Xüiiuphuotib  Anabasiü  ed.  Diudurf. 

iiiinnit  er  eigne  und  fremde  Emendalionen  in  den  Text  auf.  Aach  da, 
wj  diu  lland>cbriflcii  der  ersten  Familie  unler  sieb  abweichen,  folgt 
er  keinem  Cudex  unbedingt,  er  wiibU  die  ihm  als  beste  erscheinende 
AUä,  selbst  \\enn  nur  eine  Handschrift  sie  bietet.  Dasz  bei  diesem 
eklektischen  Verfahren  noch  immer  viel  Widerspruch  möglich  ist, 
Icudilel  von  selbst  ein  und  so  kann  es  nicht  auffallen,  wenn  auch  wir 
nicht  in  allen  Fallen  der  aufgenommenen  Lesart  uusern  Beifall  xollen. 
An  folgenden  Stellen  weicht  llr  Dindorf  von  den  ilandschriflen 
der  ersten  Familie  ab,  während  wir  Kühner  in  der  Befolgung  dersel- 
ben beistimmen:  II  4  6:  Kühner  mit  A  B  C  D  E  U  ev^ig  Affiaiog  an(h 
üTuiti.  Dind.  mit  andern  stall  des  iipiGxtliei  ag)ian]^H,  Es  ist  klar, 
du»2  das  Fulur  zu  den  vorhergehenden  gleichen  Formen  besser  zu 
stimmen  scheint,  aber  wir  glauben  doch,  dasz  Klearchus  seinen  durch 
die  späteren  Ereignisse  gerechtfertigten  Verdacht  hier  in  der  mildern 
Form  ausspricht.  —  11  5  2:  Kühner  schreibt  mit  ABC  ou  Cvyyevi- 
(Fi^oi  avx(p  xV{ib£^  ""^  ^'i*  sehen  keinen  irgend  plausibeln  Grand, 
warum  Dindorf,  du  doch  der  Indic.  in  der  or.  obl.  nicht  selten  und 
hier  die  Ueslimmlheit  des  Wunsches  so  recht  um  Platze  ist,  mit  der 
zweiten  Familie  Xif{t^oi  aufnimmt.  --  111  2  2ö:  Kühner  mit  A  B  C  ^ij 
—  xaXui^  ymI  /(C/iüruf^'  yvvcu^i  Ticd  naiii^ivotg  ouiXilv.  Dind.  und  an- 
dere haben  xni  ftiyd/Mi^,  Allerdinj;s  linden  sich  die  beiden  Positive 
öfter  verbunden,  gl(M('h\>ol  scheint  ^iyiüxiu^  ursprünglicher,  und  nur 
jener  öftern  Verbindung  wegen  geändert  zu  sein.  Wissen  wir  nun 
auch  nichts  genaueres  über  die  Körpergrösze  der  persischen  Weiber, 
so  scheint  doch  wahrscheinlich«  dusK  sie  durch  eine  den  Griechen  nn- 
gewöhn liehe  (irös7.e  sich  ausgezeichnet  hüben.  Gerade  in  solchen 
Stellen  mussen  die  guten  Codd.  entscheiden.  —  Dnsbelbc  gilt  von  III 
3  7.  wo  Dindorf  irrn  d*  iyyv^  iyivejo  hat,  während  Kühner  ^il  B  C 
iyivoi-jo  liest,  licides  passt :  denn  der  l'ebergang  vom  Führer  zu 
seinen  Soldaten  Ündet  >ich  oft«  ist  aber  nicht  unbedingt  nothwendig, 
wird  hier  aber  durch  li  C  unterstützt.  —  111  3  20.  Dind.  schreibt  fdofc 
Tur:a.  Kuliuer  mit  A  U  C  K  t\i^i  xoi  rarra,  was  vorzuziehen,  weil 
sehitii  ;uidere  Uoehlusse  \orher  erwähnt  sind.  III  4  21.  An  dieser 
nllri-iliiii;>  .schwierigen  Stelle,  doreu  taktische  Verhältnisse  wir  in 
die>eii  J.ihrbb.  Ud.  I.WIV  S.  7(>  (T-  zu  erörtern  \ ersucht  haben,  hat 
Kuhn  auch  mit  Kecht  die  Lesart  der  Codd.  ovioi  6i  festgehalten,  wäh- 
reiul  Diuiiorf  \>  eiske*s  i'oujoctur  aufgenomnien.  Denn  ovru  di  zio- 
(t.t I ',.!.- >.*j  >c\i\  lu^thwtiiilig  \oraus,  dasi  die  neue  Marschordnoag 
>t-iK>u  ;u)^iMM4iniloi|;('><*t3l  i>l .  Während  \onophou  sie  erst  beschreibt, 
uii.l  «U<>hAUt  ei»i  $  :,\  mil  den  \>  orten  TiUtii)  tiJ  t^hisiu  st/,  die 
Vu!i«-ui.iud%M««-i«un!;  %th:ie^9(  \\  «>  nun  die  Stellung  der  Worte  v! 
.1.';»  ,*.v.  *inUi»i;t  wcKhe  du*  j;uien  Todd,  nach  ivT.'^i\  Sitzen«  die  an- 
li-iit  \\A%\\  «.;.« .N. .;••.•«.  j^«>  >.h,-;:t'i  n.ir  jc»ie  Sieluing  l-l««a^  für  sich  zu 
U.tlKii    ^Is'i  f.s\   .'•.'  ti;.*  \  ,'i»*hu%;cnh(-il  in  de«  U&ndM'hrtfiea  dafjr  zu 

.N|Mii:u  »    ».»•••■;i»,'n  f»u  »-uufti  ji'.icrrn  i\^df\,  in  dem  >ie  lar  Er- 

kltitii.i.«   •  •>  ix't-.i«  tiAi^Av«^.   «VI  «iom  \f\\  (rkoaftmen  sind,  da  hier  der 
li:i...... »»  \  .-.i        i,',-'   ■■"  i,*;v^•■.N  r.i»lti  |^a»t  und  d.e  Stelle  ger«de 


Xenophonlis  Anabub  ed.  Diftdorf.  427 

■ach  Slreicbuog  dieser  Worle  an  Deutlichkeit  gewinot.  —  IV  3  6 
schreibt  Diad.  oach  des  Stepbanus  Emendatioa  tovto  yt  di/,  wäh- 
read  Kuba,  mit  dea  Ilaadschriflea  tovvo  ötj  hat.  Ebeasö  kdaaea  wir 
recht  wol  ia  IV  7  9  der  von  Diadorf  aafgeaomaieaeB  Emendatioa  Scbfi- 
fers  vipiaracap  eatralben,  da  das  Praes.  bistor.  der  Codd.  reoht  gut 
paszt;  auch  IV  8  2  empfiehlt  sich  die  Lesart  wsiQ  ös^imv  vor  dar  Val- 
gata ,  wie  schon  Zeune  und  Weiske  bemerkt  haben.  —  V  2  21  schrei- 
ben Kahn,  und  Ilerll.  mit  A  B  C  xataltstoweg  ot  Xo%€tyol^  während  D. 
nach  Tclii&og  ein  Kolon  setzt  und  xaviUnov  di  hat,  so  dass  also  das 
vorbergebeade  i^enifiTCOvro  obae  Subject  ist,  da  Snactot  hierzu  nicht 
mehr  paszt.  — >  V  6  15  Kühn,  mit  A  B  OQmvzt  di  nal  neltacrdg^  während 
Diud.  xal  mit  Uarecht  streicht.  —  VI  1  32  Kühn,  and  Berti,  mit  A  C  D 
IKLimg  »al  vvv  Ji^iitnog  ^di}  dUßallev;  Dind.  öiißaUv.  —  VI 2  10 
läszt  sich  Diad.  durch  A  allein  bestimmen  und  streicht  rov  olov^  während 
Kuba,  uad  Ilertl.  mit  andern  Codd.  vtcIq  ^luav  rov  olov  öXQavevfiarog 
haben.  Eine  Interpolation  scheint  okov  nicht  zu  sein;  denn  gerade  im 
Munde  der  mürrischen  Soldatea  ist  solch  ein  QberflQssiger  Zusatz  gaax 
charakteristisch  uad  Xea.  bestätigt  deshalb  mit  Nachdruck  deren  Aus- 
sagen. 

Wir  brechen  hier,  um  die  Zahl  der  Stellen  nicht  zu  sehr  zu  bau« 
fen,  ab  und  lassen  einige  der  zahlreichen  Stellen  folgen,  in  denen  Din- 
dort  mit  Recht  von  den  Uandscbriftea  der  ersten  Familie  abweicht,  wäh- 
rend Kühner  sich  denselben  unbedingt  anscblieszt:  IV  5  14  Dind.  xal 
yaq  ^tfav,  ineiiri  htihnt  %a  i^ala  iicodiqfmcta^  xocgßativai  xxi.  Kühn, 
läszt  mit  A  B  C  E  yaQ  aas.  Es  kann  aber  nicht  entbehrt  werden,  denn 
Xen.  will  und  musz  den  Grund  angeben,  warum  die  Lederriemen  in  die 
Unat  eiaschaitten.  Eiamal  geschah  es,  was  er  nicht  hervorhebt,  durch 
das  leichte  anschwellen  der  Fflsze,  zweitens  aber,  and  das  ist  die 
Hauptsache,  weil  die  Riemea  aus  ungegerbten  Häuten  geschnitten  waren. 
Wir  wissen  ja  schon  aas  Homer,  dasz  die  Häute  mit  Fett  geträakt  wor- 
dea;  diese  waren  es  nicht,  daher  sie  in  der  Kälte  sehr  einschrampfen 
and  so  noch  mehr  in  die  Haut  schneiden.  —  IV  7  19  Kühn,  mit  den 
Codd. :  ix  tavxtig  t^g  xdifcig  o  &q%mv  xoig"EXXrfitv  tiysfMva  niaitu. 
Dindorf  nach  Schneider'^s  Emendatioa  i%  ravzrig  o  tilg  xfOQog  ttq%(av 
nnd  das  ist  vorzuziehea,  nicht  weil  Diod.  XIV  20  ähnlich  sagt,  son- 
dera  weil  es  natürlicher  erscheint,  dasz  der  Satrap  aus  der  Stadt  her- 
aus, in  der  er  sich  aufhält  und  vor  der .  nnerwartet  die  Griechen  er- 
scheinen, einen  Führer  sendet.  —  IV  4  8  Kühn,  mit  A  B  C  E  x«l 
%m^iv  UoIb  äiaCKfiv^aat  tag  ra^eig  xal  xovg  CtQatriyovg  xata  tag 
XmQag.  Dindorf  xaw  tag  nm\iLag.  Beide  Herren  verweisen  für  sich  auf  ^ 
III 4  9,  aber  Dindorf  mit  mehr  Recht,  denn  Kahner  hält  aa  dieser  Stelle 
selbst  xmfimv  fest,  weil  %<0^iJSbr  sich  ia  den  schlechtem  Handschriften 
findet,  und  somit  mdcbte  die  schlechtere  Lesart  in  IV  4  9  eher  in  die 
bessern  Handschriften  sich  eingeschlichen  haben,  als  umgekehrt.  Xen. 
ist  sich  sicher  im  Gebrauch  der  Wörter  gleich  geblieben  nnd  bat  sie 
nicht  durcheiaander  geworfen.  Auch  IV  8  22  haben  nur  die  schlech- 
tem Codd.  x«^^-  —  lll  4  8  Kühn,  iqhiog  dl  vBtpilrpf  nqoxaXvi^ 


428  XenophoDtis  Aoabasis  ed.  Diodorf.  * 

iig)dvtas,  (lixoig  i^ikmav  ol  av^Qvmoi,  DiDdorf  mit  Brodaana  ud  »- 
dern :  ^Acov  öi  vsg>iXri  TtQOKaXvilHiaa  ^(pciviae  xtL  Bei  dieaer  ia  ihnr 
Art  eigenthümlichea  Stelle  musz  man,  so  glaube  ich,  festhallaa,  din 
Xcn.,  obwol  er  kein  liyeiai  gebraucht,  doch  nur  daa  berichtel  wU 
berichten  konnte,  was  ihm  seine  Wegweiser,  die  Bewohaer  des  Laa- 
des,  Nachbarn  der  Ruinen,  über  den  Untergang  der  Städte  Laris«a  lad 
Mespila  mittheilten.  Aus  Ktesias  (Diodor  LI  25  sq.)  wiaseo  wir  aber, 
dasK  bei  der  Eroberung  und  Zerstörung  Ninive^'s  eine  Ueberaidiwea- 
mung  des  Flusses  d.  h.  ein  Naturereignis  mitgewirkt  Diesea  sehailck- 
ten  die  Sagen  aus  und  Xen.  hörte  nicht  Geschichte  von  aeineo  Bericht- 
erstattern, sondern  Localsagen,  wie  das  schon  Duncker  Geschichte  des 
Alterthums  I  S.  489  IT.  hervorgehoben  hat.  Aus  den  Prophetea  iai  A.  T. 
ersehen  wir  aber,  dasz  joder  Sturz  eines  Reichs,  jede  Erobernag  eiaer 
Königssladt  nach  orientalischer  AufTassung,  kurz  alle  Unglackslage, 
welche  die  heil.  Schrift  ^Tagc  des  Herrn'  nennt,  mit  Verfinsteraag  des 
Himmels,  Verhüllung  der  Sonne,  des  Mondes  und  der  Sterne  (vergl. 
Ezechiel  32  7  —  10)  und  (was  Xen.  $  12  erwähnt)  mit  Schreokea  der 
Völker  verbunden  sind.  Dieser  Glaube  ist  somit  in  den  Localsagea 
ausgedruckt,  ihn  hat  Xen.  rereriert.  Wir  glauben  nun,  dass  diese 
Stelle,  weil  man  statt  des  allgemeinen  Ausdrucks  an  das  specielle,  aa 
eine  Sonneiilinsternis,  dachte,  schon  früh  in  dun  Codd.  durch  Verbee- 
serer  verdorben  ist,  dasz  aber  die  Emendalion  des  Brodaeas  der  ar- 
sprünglichen  Lesart  am  nächsten  kommt,  weil  man  bei  dieser,  wie 
schon  Amasaeus  es  verstanden  zu  haben  scheint,  recht  gut  an  eine  lii- 
gere  Regenzeit  denken  kann,  so  dasz  unsre  Stelle  Ueberreste  tob  der 
von  Ktesias  berichteten  Sage  enthalt.  Dasz  die  Sage  die  gescbiohl- 
lichen  Ereignisse  in  ihrer  Weise  verdreht,  dasz  sie  nicht  alle  Haapt- 
momento  aufTührt,  lehren  die  deutschen  Sagen;  dasz  die  Sage  aach 
jenes  alle  Ereignis  in  ihrer  Weise  verrückt  hat,  sehen  wir  aas  Xen., 
da  hier  eine  Verwechselung  der  Namen  stattfindet,  indem  seiae  Bericht- 
erstatter, statt  zu  sagen:  Sls  die  Assyrier  die  Herrschaft  aa  die  He- 
der verloren'  die  Erobcruni^  Ninive^s  mit  der  Stiftung  des  persischen 
Reichs  durch  Kyros  in  Verbindung  brachten.  —  I  2  15  spricht  der 
Sprachgebrauch  Xen.  für  die  Dindorfsche  Lesart  slxe  —  to  tl  m(- 
va^ov  KXiaQxag  xal  ol  ixslvov^  während  Kühner  aus  A  B  G  X  aol  9t 
i^  ixelvov  aufgenommen  hat.  Dasselbe  gilt  von  i  4  8,  II  4  1.  Aach  U 
5  7  fallen  Kühneres  Grund»  für  die  Lesart  der  Codd.  A  B  C  E  nicht  ias 
Gewicht,  um  jene  Inconcinnitat  dem  Xen.  zuzuschreiben.  —  II  5  10 
entscheiden  wir  uns  für  Dind. :  ngog  ßaaikict  xov  fiiyiorov  lq)§iq»9 
aymvtiol^E&a,  da  nicht  anzunehmen  ist,  dasz  Xen.,  der  doch  dareh 
den  Gebrauch  von  eg>edQOtf  bildlich  und  vergleichungsweise  spriebl, 
sofort  beim  zweiten  Worte  den  Vergleich  aufgeben  wird.  Das  ge- 
schieht aber,  wenn  wir  mit  B  C  E  noXefiiiaofiev  lesen.  —  Desgleichea 
ist  ili  1  26  nicht  anzunehmen ,  dasz  der  von  Kühner  in  Schnts  genon- 
mene  Titelname,  welchen  A  B  C  E  haben,  nämlich  oiQxtryoi  far  loiayol^ 
von  Xen.  herrührt,  da  er  durch  die  ganze  Anabasis  sich  eine  Aeade- 
rung  der  steheoden  Namen  nicht  erlaubt ;  es  ist  das  um  so  weniger  aa- 


Elenentare  Geometrie.  429 

zanehmeo,  da  Kühneres  Erklirang:  *a(fxnyol  h.l,  simpUeiierpro  atga- 
Tffyotg  accipiuntur*  dorchaos  gegen  die  ErzShIang  ist,  da  Xen.  nicht 
za  den  Strategen,  sondern  zn  den  ihres  Strategen  beraubten  Lochagen 
des  Proxenos  geredet  and  sich  ihnen  zum  neuen  Führer  angeboten  hat. 
Die  Strategen  werden  erst  $  32  zosammenberuren.  —  III  2  34  ovx  a¥ 
ovv  Oorvfia^Oifci  xtA.  schreibt  D.  mit  der  Vnlgata,  wfthrend  Kflhn.  mit 
A  B  C  E  ^aviid^oiiuv  hat.  Letztres  paszt  dorchaus  nicht,  weil  Xen. 
seinen  Vorschlag  die  folgenden  Mftrsehe  im  Viereck  (agmine  quadraio) 
ZQ  machen  gerade  mit  diesen  Worten  einleiten  nnd  empfehlen  will. 
—  IV  4  10  D.  mit  der  Vnlgata:  x«l  yap  idoxst  öuh^qm^siv.  Kflhn. 
mit  A  B  C  E  awai^^ia^eiv,  das  sich  aber  als  Glossem  eines  Gram- 
matikers kundgibt,  da  das  *$imul'^  welches  dadurch  ausgedrückt 
wird,  viel  kriiftiger  seinen  Ausdruck  durch  das  einfache  %al  erhSIt. 
Wir  könnten  noch  eine  lange  Reihe  solcher  Stellen  folgen  lassen,  aber 
die  Anzeige  ist  schon  länger  gewordeu  als  wir  nrsprflnglich  beab- 
sichtigten, und  bemerken  deshalb  nur  noch,  dasz  die  Ausgabe  in  gan- 
zem nur  wenige  nicht  sofort  zn  berichtigende  Druckfehler  bietet. 
Clausthal.  F.  Vollbrecht. 


89. 

Elementare  Geometrie. 

1.  EuklitTs  Elemente. 

2.  Koppe,  die  Atifangsgründe  der  reinen  Mathematik.  Planime- 

trie und  Stereometrie* 

3.  Heis  und  Eschweiler  Lehrbuch  der  Geometrie^  erster  Theii, 

die  Planimetrie.    Cöln  1855. 

4.  Galletikamp'^s  Elemente  der  Mathematik. 

Aus  dem  vorstehenden  Verzeichnisse  der  zu  besprechenden  Werke 
wird  man  schon  leicht  erkennen,  dasz  unser  diesmaliges  Referat,  wenn 
auch  immer  kritischer  Natur,  wie  es  die  Jahrbücher  verlangen,  doch 
nicht  so  sehr  eine  Kritik  als  einen  Beitrag  zur  Methodologie  des  ge- 
nannten Theiles  der  Mathematik  zum  Ziele  sich  gesetzt  hat.  Ob  unser 
Unternehmen  zeitgemSsz  ist,  mag  danach  bemessen  werden,  dasz  ob* 
gleich  die  Methode  der  Mathematik  sowol  von  Seiten  der  Realschul- 
minner  als  auch  von  Lehrern  au  Gymnasien  —  ich  habe  nur  an  die 
beiden  letzten  Conferenzan  der  wealfilisohen  Gymnasial-Ditectoren  zn 
erinnern  —  wiederholt  besprochen  worden  ist,  dennoch  die  Meinungen 
so  weit  aus-  und  durcheinander  gehen,  dasz  in  Bezug  auf  sie  kein  Fa- 
cit  gezogen  worden  ist,  nnd  schwerlich  gezogen  werden  konnte.  Und 
doch  musz  aus  mehr  als  einem  Grunde  eine  Entscheidung  getroffen 
werden:  für  dieselbe  einen,  wenn  auch  nur  geringen  Beitrag  sn  lie- 
fern ,  ist  der  Zweck  der  nachfolgenden  Zeilen. 


430  ElemoDkaro  Geomelrio. 

Die  Hauptfrage,  um  dio  sich  alles  dreht,  ist  offenbar:  Miui  die 
Methode  Euklid's  auf  uDsern  Gymnasien  beibehalten  werden  oder  nicht, 
und  wenn  nicht,  wie  nnd  bis  zu  welchem  Masze  musz  sie  abgeändert 
werden?  Zur  Erledigung  dieser  Fragen  versuchen  wir  xunichst  eise 
Kritik  der  Euklidischen  Elemente,  bei  der  wir  von  dem  hohen  Aller 
dos  Werkes  ganz  abstrahieren  und  denselben  Maszstab  anlegen,  nil 
dem  wir  Werke  heutigen  Tages  zu  messen  pflegen:  es  gilt  die  ernste 
Erstrebung  eines  würdigen  Resultates,  Ansichten  und  Meinungen,  wie 
sie  neuerdings  Herr  Kegierungsrath  Landfermann  im  Octoberhefte  der 
Zeitschrift  für  Gymnasialwesen  von  Mützcll  (1855)  über  Nathenulik 
und  Mathematiker  vorgetragen  hat,  als  nicht  berechtigte  zarackiuwei- 
sen,  da  sie  wesentlich  darauf  hinauskommen,  zu  unterstellen,  Euklid 
genüge  dem  Umfange  und  Inhalte  nach  den  Bedürfnissen  des  mathema- 
tischen Unterrichts  on  Gymnasien  *).  Wir  bemerken  vorlaaftg,  dasi 
die  Erfahrung  schon  derartige  Ansichten  gerichtet  hat,  indem  wie  all- 
bekannt der  bisherige  Unterricht  in  der  Mathematik  die  erwanaehten 
Erfolge  nicht  gehabt  hat,  trotzdem  dasz  er  fast  überall  mehr  oder  mil- 
der in  Euklid'^scher  Weise  erlheilt  wurde,  ja  dus£  er  an  den  Orten 
grade  am  wenigsten  gelingen  wollte,  wo  Euklid  in  u ngean der ter  Form 
als  Wegweiser  diente.  Nicht  den  Mathematikern,  denn  unter  dieaea 
ist  in  dieser  Bexiehung  schwerlich  ein  Streit,  sondern  den  philologi- 
schen Collegen  hoffen  wir  den  Beweis  zu  liefern,  dasz  Euklid  kein 
Schulbuch  sein  kann,  weil  er  die  Kräfte  der  Schüler  und  die 
Zeit  der  Schule  in  übermüszig  hohem  Grade  in  Anspruch  nimmt, 
also  grade  die  Uebelstünde  hervorruft,  die  man  gegnerischeraeits  be- 
kämpfen will.  Der  erste  Mangel,  den  eine  schon  obcrnächlichc  Lectdre 
des  Euklid  evident  hervortreten  lüszt,  ist  die  unerträgliche  Weit- 
schweifigkeit in  den  Beweisen.  Einige  wenige  Belege  dafür  werden 
genügen.  Ueber  den  20n  Satz  des  Buches  I  sollen  sich  schon  nach  Pro- 
clus  Versicherung  die  Epikureer  lustig  gemacht  haben,  weil  er  gar  iv 
offenbar  wäre  und  keines  Beweises  bedürfe.  Proclus  meint  zwar,  die 
\>'issenschuft  müsse  trotz  der  klaren  Anschauung  die  Gründe  Tür  die 
betr.  Behauptung  angeben,  und  ein  neuerer  Ausleger  fügt  hinzu,  die 
Anzahl  der  Grundsätze  dürfe  nicht  ohno  Noth  vermehrt  werden,  dea- 


*)  IVhor  den  Standpunkt,  den  wir  in  der  Frage:  ob  Gymnaaien, 
ob  RetiUrhulenV  einnoliineu.  haben  wir  uns  schon  vor  langen  Jahren  in 
d<'ii  (<uppl«tiiieiiten  lu  diesen  Jahrburhern  des  breitern  auagefprocben. 
Ob^^lfii^h  Kachlehrer  der  MathvniHtik  und  Naturwissenschaften,  sind  wir 
tteniiovh  mit  Leib  und  4?ot»lo  für  die  GMunasien  eingenommen,  und  be- 
lU^vn  e.-i  tief,  das/  es  lu  einer  Trennung  der  Bildung  in  tweieriei 
Iti bin ii};sAn!«t alten  hat  kommen  mu»aen,  einer  Trennung,  der  durch  war- 
di^ti  Auhiahme  der  Naturwissen>chaften  vorgebeugt  werden  konnte.  Aach 
wir  «imIau^i*!!  i'uticeniraiion  des  l'ntenichts.  vori%ie{:en  des  sprachli- 
«Ulli  Klriit^iUiH,  Haubni  aber,  da.«x  kUs  auch  in  anderer  Weise,  als 
i«.  j*t*i  b:uihj;  brliobi,  ciieiiht  werden  könne,  l'nsere  Ansichten 
ftiml  lioi*  atliM  t»i»t  n<i«'uiut'U  dieselbe»  geblieben,  und  es  ist  ans  eine 
lloitu,  i.oiiu^ihiiung,  aas«  «uih  Heu  H.-K  Undferuiann  ähnliche  neuer- 
iliii^i  \oi^v)tia^i:n  hat. 


Elementare  Geometrie.  4SI 

htlb  sei  der  augefocbleDo  Beweis  oboe  Zweifel  au  seiner  Stelle.  Aber 
weder  die  Epikureer,  noch  anch  Proclus  oebst  dem  neuem  Ausleger 
haben  das  richtige  getroffen ;  der  Beweis  des  Euklid  ist  in  der  Thal 
ganz  überflüssig,  und  zwar  deshalb,  weil  aus  einer  angemessenen  Er- 
klärung von  grader  Linie  ohne  weiteres  die  Behauptung  folgt,  dasi 
die  grade  Linie  die  kürzeste  Entfernung  zweier  Punkte  ist,  und  somit 
auch  der  angezeigte  Satz  sofort  erledigt  ist.  Aehnliche  Bewandnis 
hat  es  mit  den  Sätzen  2 ,  4  und  20  des  Buches  XL  Die  beiden  ersten 
sind  einfache  Folgen  einer  angemessenen  Erklärung  von  Ebene.  Eine 
Ebene  entsteht  nemlich,  wenn  eine  grade  Linie  sich  in  derselben  Rich- 
tung bewegt,  dasz  sie  also  beim  Fortgange  der  Bewegung  eine  zweite 
grade  deckt  (Die  grade  Linie  hat  einen  Ausgangspunkt  und  einen 
Kichlungspunkt;  die  Ebene  hat  eine  Ausgangs- Grade  und  eine  Rieh- 
tuogs-Grade).  Das  Mittel,  diese  Bewegung  hervorzubringen,  besteht 
darin ,  dasz  eine  grade  sich  um  eine  feste  grade  unter  rechtem  Winkel 
bewegt.  Daraus  folgt,  dasz  eine  Ebene  durch  3  Punkte  bestimmt  ist; 
denn  eine  grade  Linie  ist  durch  zwei  Punkte  gegeben,  zwei  grade  durch 
vier  oder  da  zwei  von  diesen  vieren  in  einem,  dem  Durchschnittspunkte 
der  graden ,  zusammenfallen ,  durch  drei ,  und  da  zwei  grade  Linien 
eine  Ebene  bestimmen,  so  ist  dieselbe  auch  durch  drei  Punkte  bestimmt. 
Damit  ist  Satz  XI  2  erledigt,  dessen  wunderliche  Fassung  von  man- 
chen Auslegern  als  eine  Corruption  erklärt  wird.  Aus  Innern  Gründen 
glauben  wir  an  keine  Corruption ,  halten  vielmehr  dafür ,  dasz  die  Art 
und  Weise  des  Euklid,  die  ihm  auch  in  ihren  Mängeln  als  mathema- 
tische Strenge  angerechnet  worden  ist,  dahin  leiten  muste,  einen  Be- 
weis für  die  in  den  ersten  Büchern  stillschweigend  gemachte  Vorans- 
setzung,  ein  Dreieck  liege  ganz  in  einer  Ebene,  nachzuliefern,  gleich- 
wie auch  Satz  XI 1  offenbar  zur  Ausfüllung  einer  solchen  Lücke  dienen 
soll.  Auf  gleiche  Weise  ist  auch  Satz  4  unmittelbar  erledigt;  denn 
eine  grade  Linie ,  die  im  Durchschniltsp unkte  zweier  graden  auf  die- 
sen senkrecht  steht,  ist  eben  jene  feste  grade,  die  zur  Construction 
der  Ebene  verwandt  worden,  also  senkrecht  auf  allen  graden,  die 
durch  jenen  Punkt  gehen,  stehen  musz,  insofern  diese  in  der  erzeng- 
ten Ebene  enthalten  sind.  Der  Satz  XI  20,  nach  welchem  zwei  von 
den  drei  ebenen  Winkeln  einer  körperlichen  Ecke  gröszer  sind  als  der 
dritte,  wird  auch  von  Euklid  auf  Satz  I  20  zurückgeführt;  man  wird 
also  begreifen,  dasz  wir  ihn  in  der  oben  angedeuteten  Weise  eben- 
falls beweisen  ohne  alle  Hilfe  weitläufiger  Constructionen. 

Haben  wir  so  an  einzelnen  Fällen  nachgewiesen,  dasz  wir  weit- 
täuGge  Beweise  des  Euklid  gar  leicht  durch  andere,  unmittelbar  dem 
Verständnisse  und  der  Anschauung  sich  aufdrängende  ersetzen  kön- 
nen ,  so  kann  man  uns  vielleicht  mit  Recht  den  Vorwurf  machen ,  dasz 
wir  zur  Gewinnung  gröszerer  Kürze  und  praeciserer  Fassung  andere 
Ausgangspunkte  gewählt,  und  namentlich  ein  fremdes  Element,  das 
der  Bewegung,  in  die  Mathematik  hineingezogen:  lassen  wir  das  vor- 
läuüg  dahingestellt  sein,  es  gibt  der  Sätze  genug,  an  denen  wir  nn- 
sern  Tadel  nachweisen  können,  ohne  befürchten  su  müssen,  anch  nnr 


432  ElemcnUro  Geonelrie. 

die  geringste  Widerrede  za  erhalten.  Hierher  gehOren  vor  allen  die 
Satze  II  1,  2,  3,  die  aus  der  Anschauung  einer  Figur,  dereo  Enlwer- 
fiing  keinem  Schaler  irgend  eine  Schwierigkeit  verorsachen  wird,  so- 
fort einleuchten.  Diese  Bemerkung  ist  um  so  gerechtfertigter,  all  Sali 
11  2  schon  als  auf  einer  solchen  Anschauung  bernbend  bein  BeweiM 
des  pythagoreischen  Lehrsatzes  vorausgesetzt  worden.  Die  abrigei 
Sülze  des  Buches  11  sind  mehr  oder  minder  alle  von  derselben  Arl^aar 
werden  die  verlangten  Gonstructionen  zusammengesetzter ,  and  könite 
man  die  weitere  Ausfilhrung  derselben  wol  billigen,  wenn  dieselbe 
übersichtlicher  und  weniger  breit  wäre.  Bei  den  Sätzen  des  Bnehes  V 
musz  aber  jedem  Lehrer  vollends  die  Geduld  ausgehen.  So  ist  Satz 
V  1  sammt  seinem  Beweise  in  der  Zoichcnslellung  enthalten:  AB  = 
n.E,  CD  =  n.F;  AB  +  CD  =:=  n  (E  +  F).  Satz  Va  ist  in  Zei- 
chen: AB  =  n.Q,  CD  =  n.U,  BF  ^=  ra.Q,  GIl  =  m.R;  AB  + 
BF  ~  (n  +  m)  Q,  CD  +  GIl  --=  (n  +  m)  R.  Aehnlich  mit  den  fol- 
genden Sülzen,  eine  ewige  Wicderhohing  derselben  zwei  Grundsilia: 
^Wenn  mit  zwei  gleichen  Gruszcn  dieselbe  mulhematische  Veriado- 
rung  vorgenommen  wird,  so  bleiben  sie  einander  gleich  %  und:  *glei- 
ches  kann  niun  für  gleiches  setzen'.  Man  wird  wol  nicht  oinwendei, 
unscrn  Andeutungen  lügen  arithmetische  Operulionen  zu  Grande,  wlh- 
rend  Euklid  sich  in  rein  geometrischen  Anschauungen  bewege.  Letz- 
teres mag  allerdings  beabsichtigt  sein,  die  Absicht  konnte  indes  aicbt 
erreicht  werden,  weil  sie  eine  unnatürliche  war.  Im  allgemeinen  sagt 
man,  Mathematik  ist  die  Lehre  von  den  Grüszen,  und  uateraolieidet 
dann  zwischen  stetigen  oder  Haumgröszen  und  discreten  oder  Zahlea- 
gröszen.  Das  kann,  wie  es  so  dasteht,  zu  groszen  MisgrilTen  fahrea: 
denn  es  gibt  doch  weder  stetige  noch  auch  llaumgröszen  au  and  für 
sich,  ebenso  wenig  als  es  eine  absolute  Schönheit  gibt.  Der  HalheWi- 
tiker  hat  es  mit  der  Grösze  der  Körper  zu  thun,  und  diese  Grösse  kann 
und  musz  in  zweierlei  Kücksichten  erfuszt  werden,  einmal  als  ein  gaa- 
zes,  wo  zugleich  die  Gestultbetrachtung  wesentlich  in  den  Vorder- 
grund tritt,  sodann  auch  als  ein  in  gleichartige  Theile  serfallendcs 
(Begriir  der  Zahl).  Im  Geiste  des  betrachtenden,  nicht  in  den  Grdssea 
als  solchen,  liegt  also  die  Eintheiinng  der  Mathematik  in  Geometrie 
und  Arithmetik;  erstere  ist  die  Mathematik  per  excetleniiamj  letztere 
ist  anfänglich  nur  ein  Hilfsmittel  der  ersteren  gewesen,  bis  sie  dnreh 
Betrachtung  der  verschiedenen  Zahlformen  eine  selbstindige  Geatalt 
gewonnen.  Die  Geometrie  kann  also  der  arithmetischen  Operatioaen 
nicht  entbehren.  Im  übrigen  wird  auch  niemand  in  den  letzten  Sitzen 
des  B.  V  noch  geometrische  Anschauungen  erkennen  wollen. 

Wir  wollen  noch  einige  andere  Sätze  hervorheben,  deren  Be- 
weise den  Charakter  der  Weitschweifigkeit  in  hohem  Grade  an  sieh 
tragen,  und  führen  zunächst  Satz  1  5  als  solchen  an.  Derselbe  lietriffl 
die  Gleichheit  der  Winkel  an  der  Grundlinie  im  gleichschenkligen 
Dreiecke.  Denkt  man  sich  den  Winkel  an  der  Spitze  eines  solchen 
Dreieckes  halbiert,  so  zerfällt  dasselbe  in  zwei  congruente  Dreiecke 
nach  Satz  1  4,  und  daraus  ergibt  sich  denn  sofort  die  Gleichheit  der 


Elenentare  fieonelrie.  4S3 

belreirenden  Winkel.  Hiermit  Tergleiche  man  einmal  den  Beweis  dea 
Euklid  and  frage  sich ,  ob  der  gemachte  Vorwarf  begründet  ist  oder 
nicht?  Die  Einrede,  dass  die  Aufgabe,  einen  Winkel  xn  halbieren, 
noch  nicht  gelöst,  ja  sogar  auf  dem  zn  beweisenden  Satze  erst  beruhe, 
kann  im  Ernste  nicht  erhoben  werden,  denn  die  Fordernng,  dasz  ein 
ganzes  in'  zwei  gleiche  Theile  getheiit  werden  könne,  ist  unzweifelhafl 
za  unterstellen ,  und  eine  andere  Voraussetzung  wird  nicht  gemacht. 
Euklid  hat  zwar  ein  solches  Verfahren  häufig  umgangen,  gleichsam  als 
wäre  es  unstatthaft,  einen  an  und  für  sich  richtigen  Gedanken  zu  Ter- 
werlhen :  aber  auch  von  seinen  als  solchen  aufgestellten  Fordernngen 
abgesehen ,  ist  ihm  doch  auch  an  andern  Stellen  noch  etwas  menschli- 
ches passiert,  so  gleich  im  Satze  I  1,  wo  das  schneiden  der  beiden 
Kreise  ohne  allen  Grund  vorausgesetzt  wird.  Einen  wunderlichen  Ein- 
druck machen  auch  die  Sfttze  I  2  u.  3,  namentlich  der  erste  von  ihnen, 
der  zudem  noch  der  falschen  Vermutung  Raum  gibt,  als  sei  unter  den 
unzählichen  Graden,  die  von  einem  gegebenen  Funkte  A  gleich  einer 
gegebenen  Graden  gezogen  werden  können ,  nur  eine  einzige  in  be- 
stimmter Kichlnng  liegende  genfigend.  Endlich  sei  noch  Satz  III  2  an- 
zuführen erlaubt,  dessen  aberflfissiger  Beweis  aus  der  falschen  An- 
schauung hervorgegangen,  als  könne  die  daselbst  mit  ABCD  bezeich- 
nete Figur  ein  Kreis  sein.  Es  würde  nicht  schwer  sein,  die  angezo- 
genen Beispiele  um  noch  sehr  viele  andere  zu  vermehren;  wir  wollen 
es  jedoch  genug  sein  lassen ,  und  nur  noch  erinnern ,  dasz  der  von 
uns  erhobene  Vorwurf  der  Weitschweifigkeit  in  den  Beweisen  nicht 
die  sprachliche  Darstellung,  sondern  den  sachlichen  Inhalt  treffen 
sollte,  da  erstere  als  die  eines  fremden  Idioms  nicht  wol  an  dieser 
Stelle  angefochten  werden  konnte.  Auch  die  GrUnde  für  die  beregten 
Mängel  sind  hier  noch  nicht  zu  untersuchen. 

Eine  andere  Eigenschaft  der  Euklidischen  Beweise  and  Lösungen, 
ihre  meist  Qbergrosze  Kflnstlichkeit,  ist  ebenfalls  höchst  tadelnswertb. 
Wir  wollen  das  zunächst  an  den  Sätzen  1 47,  II  14,  111  17  nachweisen. 
Von  dem  ersten  Satze  sagt  schon  Koppe:  ^  Wie  wir  den  vorstehenden 
Lehrsalz  hier  vorgetragen  haben,  erscheint  derselbe  als  ein  merkwür- 
diges Kunststück,  zwar^bewundernswerth  und  auszerst  künstlich,  aber 
ohne  irgend  einen  Aufschlusz  darüber  zu  geben,  auf  welchem  Wege 
wol  der  menschliche  Geist  zu  Entdeckung  dieses  sonderbaren  Satzes 
gelangt  sein  dürfte.  Soll  aber  der  mathematische  Unterricht  den  Nutzen 
gewähren,  dessen  er  fähig  ist,  so  müssen  die  Wahrheiten  der  Mathema- 
tik nicht  als  staunenerregende  Kunststücke,  sondern  in  einem  natürli- 
chen Verbände,  nemlich  so  vorgetragen  werden,  dasz  jeder  folgende 
Satz  als  ein  Fortsehritt  in  der  durch  die  vorhergehen  Sätze  gegebenen 
Bichtung  erscheint,  als  die  Beantwortung  einer  Frage,  welche  sich 
aus  der  Erkentnis  des  vorhergehenden  jedem  denkenden  Kopfe  von 
selbst  aufdrängt.  Da  aber  der  so  eben  vorgetragene  Lehrsatz  (des  Py- 
thagoras)  eines  solchen  Zusammenhanges  mit  den  ihm  vorangehenden 
Sätzen  offenbar  entbehrt,  so  scheint  er  in  einem  für  den  Unterricht 
bestimmten  Lehrbuche  hier  nicht  an  der  rechten  Stelle  za  stehen,  and 


4S4  Elementare  Geonetrte. 

wirklicli  hat  er  diesen  Platz  nur  bergebrachlerweiae  erhalten '.  Mit 
diesen  Worten  bezeichnet  Koppe  sehr  gut  das  Wesen  eines  kanatlicheo 
Beweises  nnd  deckt  dessen  Nachtheile  nach  einer  Seite  wenigatens 
schlagend  fiuf.  Nach  einer  zweiten,  mit  jener  ersten  offenbar  zasam- 
menhangenden,  stellt  sich  die  Sache  noch  weit  roislicher.  Jeder  ma- 
thematische Satz  musz  in  sich  selbst  die  Bedingungen  des 'Beweises 
oder  der  Auflösung  enthalten.  Sollen  z.  B.  die  Sütze  Ober  die  Cob- 
gruenz  der  Dreiecke  bewiesen  werden ,  so  wird  man  einfach  nach  deoi 
Begriffe  *Congruenz*  fragen ,  und  dann  nach  erhaltener  Antwort ,  daas 
congruente  Gröszen  so  beschaffen  sind,  dasz  sie  in  allen  ihren  Um- 
fangstheilen  zusammenfallen,  den  Beweis  durch  Aufeinanderlegnng der 
Dreiecke  antreten.  Das  gelingt  bekanntlich  sehr  wol  bei  Ueberein- 
Stimmung  in  einer  Seite  mit  den  anliegenden  Winkeln  oder  in  zwei 
Seiten  mit  dem  eingeschlossenen  Winkel,  nicht  aber  bei  Uebereia- 
stimmung  in  drei  Seiten  oder  in  zwei  Seiten  mit  dem  gegenüberliegen- 
den  Winkel.  FOr  diese  Ffille  musz  also  der  Versuch  einer  unmittel- 
baren Zurackführung  auf  die  beiden  ersten  Sfitze  gemacht  werden; 
gelingt  auch  dieser  Versuch  nicht,  nun  dann  musz  man  zu  andern 
künstlichen  Mitteln  schreiten,  welche  freilich  die  Schwierigkeit  in  aieli 
schlieszen ,  dasz  sie  nicht  von  jedem  noch  zu  jeder  Zeit  anfgefonden 
werden  können,  und  dasz  sie,  wenn  aufgefunden,  stets  wörtlich  dem 
Gedächtnisse  eingeprägt  werden  müssen.  Daraus  wird  man  begreifen, 
weshalb  ein  mathematisches  Kunststück  so  schweren  Tadel  verdient, 
sofern  es  nicht  durchaus  geboten  ist.  Indem  wir  nun  auf  die  Hanpt« 
Sache  zurückgehen ,  müssen  wir  allerdings  gestehen,  dasz  ein  geone- 
trischer  Beweis  des  pythagoreischen  Lehrsatzes,  wenn  ein  solcher 
anders  nothwendig  ist,  immer  ein  Kunstbeweis  sein  wird:  alle  mathe- 
matischen Lehrbücher,  mögen  sie  sich  auch  noch  so  sehr  von  den  Ele* 
menten  entfernen,  haben  den  Euklidischen  Beweis  oder  einen  ihnlicheft 
aufgenommen.  Die  Frage  nach  der  Nothwendigkeit  eines  geonetri* 
sehen  Beweises  für  den  in  Frage  stehenden  Satz  ist  ebenfalls  in  be- 
jahen, wenngleich  der  Grund  dieser  Bejahung  nicht  in  dem  Satze  selbst 
liegt,  der  nur  eine  arithmetische  Operation  auf  die  Geometrie  flber- 
tragen  soll,  sondern  in  dem  Umstände,  dasz^ein  geometrischer  Be- 
weis unerlüszlich  ist  für  den  Nachweis,  dasz  alle  Figuren  als  gleich* 
namige  betrachtet  werden  dürfen ,  da  die  Verwandlung  der  verschie- 
denen Gebilde  der  Ebene  ineinander  rein  geometrisch  ist.  Ist  Ssts  l 
47  so  von  uns  gerechtfertigt  worden ,  so  müssen  wir  zunächst  Sats  II 
14  durchaus  verwerfen.  Derselbe  lehrt  nemlich  die  Verwandlung  eines 
Rechteckes  in  ein  Quadrat,  die  als  eine  mögliche  durch  den  Pythago- 
ras  nachgewiesen  worden :  sie  zu  realisieren ,  bedurfte  es  jedoch  der 
Construction  eines  rechten  Winkels  über  gegebener  Linie.  Das  hat 
Euklid  auf  eine  allerdings  wundervolle  Weise  umgangen,  schade  nur, 
dasz  diese  Weise  nicht  nothwendig  nnd  somit  zu  tadeln  ist.  Gleiche 
Bewandtnis  hat  es  mit  dem  Satze  III  17,  zu  dessen  Erledigung  eben- 
falls die  Construction  eines  rechten  Winkels  über  gegebener  Linie 
nothwendig  ist.   Der  von  Euklid  eingeschlagene  Weg  ist  in  diesem 


Elenenlare  OeoBelrie.  495 

Falle  noch  tadelnswertber  als  Torher,  weil  der  tob  ibm  nieht  beach- 
tete Zusanmenhang  der  Materien  auf  die  rechte  Löaang  nnmitlelbar 
hinwies,  und  sodann  weil  Euklid  in  seiner  Weise  nicht  einmal  das 
volle  Problem  erschöpft,  indem  die  oaturgcmäsze  Behandlung  dessel- 
ben nicht  eine,  sondern  swei  gleiche  Tangenten  nachweiset. 

Wir  haben  nns  schon  allsalange  mit  dem  angeregten  Funkte  be« 
schftftigt,  uro  noch  weitere  Belege  für  unsere  Behauptung  anzufahren: 
es  wird  Zeit,  einem  dritten  Mangel  des  Euklid  unsere  Aufmerksamkeit 
zuzuwenden,  der  darin  besieht,  dass  das  Euklidische  System  seiner 
ganzen  Anordnung  nach  ein  kflnstliches  ist,  das  sich  so  zu  einer  na- 
turgemftszen  Anordnung  verhftlt,  wie  etwa  das  Linnöe^sche  Sexualsy- 
stem zu  dem  natürlichen  des  Jussieu.  Man  wird  sich  die  Euklidische 
Anordnung  kaum  nachconstruieren  können,  so  sehr  sind  häufig  die 
verschiedenen  Materien  durcheinander  geworfen:  nur  6in  Frincip  isl 
consequenl  verfolgt  worden,  die  Sfttze  so  aneinander  zu  reihen,  dass 
der  nächstfolgende  mit  Hilfe  des  vorhergegangenen  bewiesen  werden 
kann.  Man  sollte  glauben,  es  mfisten  auf  diese  Weise  die  dem  Inhalte 
nach  verwandten  Sfitze  von  selbst  zusammentreten,  und  daneben  an- 
gemessene Haupt-  und  Unterabtheilungen  gewonnen  werden:  das  ist 
jedoch  nicht  der  Fall.  Denn  was  zunächst  die  Hauplabtheilungen  an- 
langt, so  enthalt  zwar  das  erste  und  zweite  Buch  die  Lehre  von  der 
Congruenz  und  Gleichheit  der  gradlinigen  Figuren,  das  dritte  und 
vierte  die  des  Kreises ,  das  fQnfle  und  sechste  die  von  der  Proportio- 
nalität der  Linien  und  der  Aehnlichkeit  der  Figuren,  indessen  sieht 
man  nicht  ein,  weshalb  nicht  die  12  letzten  Sätze  des  B.  I  zu  B.  II  ge- 
hören sollen,  noch  auch,  weshalb  nieht  B.  V  und  VI  vor  B.  III  und  IV 
gestellt  sind,  damit  wenigstens  die  Sätze  über  den  Kreis  nicht  hätten 
getrennt  zu  werden  brauchen  —  haben  doch  einige  derselben  sogar 
erst  im  12n  Buche  Platz  gefunden.  Von  Unterabtbeil ungen  ist  bei  Eu- 
klid gar  keine  Rede,  es  ist  nicht  einmal  möglich,  sie  in  die  verschie- 
denen Bacher  hineinzutragen.  Diesen  Punkt  bitten  wir  als  den  wich- 
tigsten zu  betrachten,  ihn  naher  nachzuweisen  halten  wir  far  aber- 
flüssig:  eine  Uebersicht  aber  die  Sätze  eines  Buches,  namentlich  aber 
des  ersten,  genOgt  hinreichend,  von  der  Wahrheit  der  Behauptung  sich 
zu  vergewissern.  —  Das  oben  erwähnte  Frincip  der  von  Euklid  be- 
liebten Anordnung  ist  rein  änszerlich ,  wenn  es  nicht  controliert  wird 
durch  den  sachlichen  Inhalt  nicht  etwa  eines  einzelnen  Satzes,  son- 
dern eines  ganzen  Abschnittes.  Denn  der  einzelne  Satz  hat  in  der 
Mathematik  für  sich  allein  gar  keine  Bedeutung;  seine  Stellung  inner- 
halb anderer  Sätze,  womit  zugleich  die  klare  Anschauung  der  Mittel, 
welche  ihn  hervorgerufen ,  sowie  die  Concentration  einer  ganzen  Reihe 
mathematischer  Gedanken  verbunden  ist,  das  allein  gibt  der  Mathe- 
matik Werth  und  Bedeutung.  Wenn  Euklid  irgend  einen  Satz  bewie- 
sen hat  und  darauf  einen  anderen  folgen  läszt,  so  weisz  man  aber 
nicht,  weshalb  grade  dieser  und  nicht  ein  anderer  Satz  folgt,  man 
weisz  femer  nicht,  wozu  diese  Sätze  da  sind,  ob  es  noch  andere  Sätze 
gibt,  und  wenn  ja,  auf  welche  Weise  man  zu  denselben  gelangen  kann. 


^jg  Elementare  Geometrie. 

Wie  bei  Linnee  nicht  der  ganze  habitus  einer  Pflanxe ,  sondern  eia 
ainxelnea  Organ,  wie  wichtig  es  auch  sein  mag,  die  künstliche  Ein- 
iheilaoff  hervorgerufen,  so  ist  bei  Euklid  der  Beweia,  nicht  der 
sachliche  Inhalt  Grund  der  Einthoilung  gewesen:  und,  um  bei  dem 
Vergleiche  zu  bleiben,  wie  bei  Linnöe  trotz  des  einseitigen  Princlpes 
ganz  gute  natürliche  Gruppen  zuweilen  hervorgegangen,  so  finden  sich 
auch  bei  Euklid  einzelne  wolgeordnete  Gedanken -Gomplexe,  das  ist 
aber  nicht  sein  Verdienst.  Wollte  man  den  Versuch  machen,  das  Eu- 
klid^^sche  System  von  neuem  zu  construicren ,  so  würde  man  irgead 
einen  Satz  herausheben  und  beweisen  müssen,  dann  würde  man  das 
Bedürfnis  nach  einem  zweiten,  und  weiter  nach  einem  dritten  Satze 
empfinden ,  und  zuletzt  auf  Erklärungen  und  Grundsätze  stossen.  Ob 
man  aber  die  Anordnung  des  Euklid  in  dieser  Weise  wieder  gewinnea 
würde,  wer  wagt  es  zu  behaupten?  dasz  ferner  bei  eiDem  solchea 
Verfahren  irgend  ein  Beweis  ein  rein  zufalliger  d.  h.  künstlicher  sein, 
dasz  ihm  auch  nicht  immer  die  nolhwendige  Eleganz  und  Praecbioa 
gegeben  werden  kann,  wer  wagt  es  zu  verneinen?  ist  doch  das  Ga< 
gentheil  durch  nichts  geboten!  Und  so  wird  man  begreifen,  dass  alle 
drei  gezeigten  Mängel  der  Elemente  sich  gegenseitig  bedingen  und  er- 
gänzen. 

Haben  wir  so  das  Wesen  der  dogmatischen  oder  synthetisohea 
Methode  des  Euklid  dargelegt,  so  wollen  wir  nicht  behaupten,  dasz 
ein  nach  solcher  Methode  entworfenes  Lehrbuch  unbedingt  carfickge- 
wiesen  werden  müsse,  es  wird  nur  die  durchaus  nothwendige  Forde- 
rung gestellt,  dasz  man  aus  einem  solchen  Werke  auch  erkennas 
müsse,  dasz  der  Verfasser  auch  der  genetisch -analytischen  Methode 
Herr  gewesen;  dasz  aber  läszt  sich  aus  den  Elementen  nicht  erkeoBeSi 
und  somit  kann  auch  ein  nach  ihnen  sich  bildender  Schüler  nur  Ge- 
fahr laufen,  wahre  mathematische  Bildung  nicht  zu  gewinnen*).  Das 
erste  Erfordernis,  des  Euklid'^schen  Stoffes  sich  zu  bemächtigen,  ist 
ein  gutes  Gedächtnis,  das  um  so  stärker  und  treuer  sein  mass,  Je 
weniger  Auknüpfuugs-  oder  vielmehr  Merkpunkte  im  Stoffe  selbst  vor- 
handen sind;  je  künstlicher  der  einzelne  Beweis,  je  loser  der  ZassB- 
menhaug,  desto  mechanischer  wird  das  auswendiglernen  werden.  Da- 
bei wird  sich  aber  sehr  bald  eine  gewisse  geistige  Ermüdung  einstel- 
len, denn  die  Schüler,  denen  eine  solche  Arbeit  obliegt,  sind  doeh 
schon  stets  in  dem  Alter,  in  dem  eine  reine  mechanische  Auffassnag 
zuerst  gescheut,  hiernächst  unerträglich  gefunden  wird.  Ist  es  aber 
erst  so  weit  gekommen,  dann  hört  besser  aller  mathematische  Unter- 
richt auf,  er  wird  für  Lehrer  und  Schüler  zur  gröszten  Plage.  Offen- 
bar ist  auch  die  Geometrie  des  Euklid  für  eine  solche  Aneignung  Tief 
zu  weit,  die  meisten  Schüler  werden  der  dahingestellten  Anforderang 
nicht  gewachsen  sein,  und  wir  unsererseits  begreifen  es  sehr  wol, 


*)  Wer  mit  dem  Kuklid  vcrtrant  ist,  wird  auch  ohne  dass  wir 
einzelne  Belege  anfuhren,  erkennen,  dass  gewissenhafte  Studien  dieser 
Behauptung  zu  Grunde  liegen. 


ElemeoUre  Geonelria.  437 

dasK,  wenn  noch  die  Arithmetik  hinzutritt,  die  Zahl  Ton  4  wöchentli- 
chen Lehrstnnden  nicht  ausreichen  kann.    Aber  gesetzt  auch,  jemand 
hatte  in  der  angedeuteten  Weise  die  Elemente  bewältigt,  dann  mOste 
er  von  neuem  beginnen,  er  mfiste  sie  sich  zum  Verständnis,  zum  dent. 
liehen  Bewusztsein  bringen,  d.  h.  er  müste  sie  als  ein  ganzes  erfassen, 
sie  aus  sich  selbst  reproducieren  können ,  und  somit  endlich  befähigt 
werden  die  gewonnenen  Kenntnisse  zu  verwerthen.     Wie  kann  man 
aber  das  als  ein  ganzes  erfassen,  was  in  lauter  Einzelheiten  zerfällt? 
wo  ist  der  rothe  Faden,  der  im  Labyrinthe  zusammenhangloser  Wahr- 
heiten znrecht  führt?    Und  sollte  der  wol  selbständig  arbeiten  können, 
der  gewöhnt  wnrde,  die  ganze  Mathematik  als  einen  Complex  wunder* 
barer  Kunststücke  anzusehen,  und  nun  dieses  probiert  und  jenes  ver- 
sucht, und  nicht  einmal  durch  das  gelingen  befriedigt  wird,  da  er 
dasselbe  als  ein  rein  zufälliges,  nicht  nothweniliges  erkennt?   Wir 
malen  nicht  zu  schwarz ,  überall  wo  man  den  Euklid  und  seine  Me* 
thode  beibehalten  hat,  trifft  das  Bild  auf  ein  Haar  zu:  allo.  altern  Män- 
ner werden  wissen,  dasz  wir  nicht  im  geringsten  übertreiben,  schau- 
dernd der  alten  Plage  gedenken,  die  um  so  unerquicklicher  wnrde,  je 
weniger  Früchte  sie  abwarf.    Ja  noch  mehr !  Die  so  vielfach  getheilte 
Ansicht,  dasz  die  Mathematik  für  die  meisten  Schüler  zu  schwer  sei, 
dasz  es  eines  eigenen  Talentes  zu  ihrer  Erfassung  bedürfe,  dasz  es 
namentlich  nicht  jedem  gegeben  sei,  geometrische  Constructionen  zu 
vollführen,  entstammt  einzig  und  allein  den  Elementen  des  Euklid,  und 
denjenigen  Lehrern,  die  sich  sklavisch  ihrer  bedient  haben;  denn  sie 
hat  kaum  ein  Fünkchen  Wahrheit  in  sich:  es  läszt  sich  vielmehr  mit 
vollem  Rechte  behaupten,  dasz  ein  Gymnasialschüler,  wenn  er  über- 
haupt zu  Studien  befähigt  ist,  ganz  wol  die  Forderungen  erfüllen  kann, 
die  in  Betreff  der  Mathematik  an  ihn  gestellt  werden.    Aber  wir  kön- 
nen nicht  umhin,  an  ein  Wort  Laplaces  zu  erinnern,  das  also  lautet: 
Prüfer ez  dans  Venseignement  les  meihodes  ginerales^  atiachez  vous 
ä  les  präsenter  de  la  moniere  la  plus  simple  et  vous  eerrez  en  mime 
temps  qu'^elles  sont  loujours  les  plus  faciles.    Um  die  Wahrheit  die- 
ser Bemerkung  einzusehen,  mnsz  man  schon  tiefer  in  die  mathematische 
Wissenschaft  eingedrungen  sein,  tiefer  als  es  selbst  nach  einem  aka- 
demischen Triennium  meistentheils  der  Fall  sein  wird,  und  tiefer,  was 
sollen  wir  es  nicht  frei  aussprechen,  als  die  Wortführer  der  Gegen- 
seite eingedrungen  sind.    Aus  Euklid  kann  aber  eine  allgemeine  Me- 
thode nicht  gewonnen  werden,  weil  in  ihm  keine  enthalten  ist. 

Wir  müssen  noch  einige  untergeordnete  Punkte  besprechen,  und 
zwar  zunächst  die  in  den  Elementen  enthaltenen  Erklärungen.  Offenbar 
ist  es,  dasz  die  Erklärung  13:  *  Grenze  beiszt,  was  das  Ende  eines 
Dinges  ist',  allen  andern  voransgeschickt,  dasz  ferner  dann  Erkl.  3 
folgen,  Erkl.  1  unterdrückt  oder  höchstens  als  Erläuterung  zu  3  gege- 
ben werden  muste;  dann  konnte  sich  anschlieszen  Erkl.  6,  erläutert 
durch  Erkl.  2,  und  endlich  war  noch  einzuschieben:  *  Fläche  ist  die 
Grenze  eines  Körpers',  erläutert  durch  Erkl.  5.  Mit  andern  Worten: 
12  5  sind  keine  Erklärungen ,  weil  sie  für  sich  allein  zu  Unverstand* 

/V.  Jahrb.  f,  Phü.  ».  Paed,  Bd.  LXXIV.  Hft.  9.  31 


gma  Elementare  Geometrie. 

lieh  weil  efl  nur  versleckte  Tautologien  sind.  Eine  oflTenbare  Tanto- 
loffie  ist  Erkl.  4,  die  9  entliiiU  Worte  bei  deuea  man  aieh  Bieht  viel 
denken  kann,  die  14te  ist  cti  weit,  die  18te  aberflAsaig  und  die  SM 
erfaixt  den  Gegenstand  nnr  von  ^iner  Seite.  Hiermit  ma;  ea  fenog 
•ein ,  denn  ebenso  wie  die  Erklärungen  des  Buches  I  in  Beso;  anf  na- 
tttriiche  Aufeinanderfolge ,  auf  praecise  Passung,  auf  Nothwendigkeil 
und  Richtigkeit  gar  vieles  su  wflnschen  übrig  lassen,  ebenso  than  das 
die  Erklärungen  der  andern  BOcher,  ja  man  kann  ohne  Ueberlreibaig 
sagen,  dasz,  wenn  ein  Lehrbuch  von  heute  mit  solchen  Deflnilionca 
auFlrelen  wollte,  es  nach  diesen  allein  verworfen  werden  wttrde.  ^ 
Was  nun  ferner  die  Grundsitze  anlangt,  so  ist  schon  hftuRg  beawrkt 
worden,  dasz  Euklid  deren  zu  viele  aufgestellt  hat,  seibat  dnna,  wenn 
man  vom  lOn  und  lln  Abstand  nehmen  will:  den  oben  von  ins  anage- 
sprochencn  Axiomen  kann  man  noch  hinzufügen :  ^das  ganze  iai  aeiBan 
Theilen  zusammengenommen  gleich'  und  den  Grundsati  8  der  EleaMmta 
in  verbesserter  Fassung :  dann  sind  alle  flbrigen  einfache  Polfernegan 
und  verdienen  nicht  mehr  den  Namen  eines  Axioms.  Der  lOle  Gned- 
satz  ist  kein  Grundsalz,  wenngleich  ein  Geometer  wie  EnkUd  ihn 
schwerlich  entbehren  kann ;  er  ist  hervorgegangen  aus  einer  oneellef- 
lichcn  Erklärung  von  Winkel  und  allem  dem ,  was  damit  MMMunen- 
hiingt.  Der  14te  erhfilt  den  allbekannten  Streitpunkt,  dnreh  den  die 
Parallelen- Theorie  bis  auf  den  beuligen  Tag  unerledigt  geblieben  ist. 
Die  i  Forderungen  der  Elemente  sind  nur  eine  einzige;  mit  der  ersten 
nemlich  erledigt  sich  unmittelbar  die  zweite ,  und  ebenao  die  Cen- 
struclion  einer  Ebene,  von  der  die  3te  Euklidische  Forderung  eliliingif 
ist.  SchliesKÜch  noch  ein  Punkt  von  grOszerer  Bedeutung.  Wenn  man  die 
Bedingungen  für  die  Congruenz  der  Dreiecke  untersucht,  ao  erMIt  man 
4  Fülle,  nicht  mehr  und  nicht  weniger:  diese  4  Kriterien  raQaaee  in 
synthetischer  Form  bewiesen  werden ,  es  ist  jedoch  merkwürdig,  dast 
Euklid  das  4te:  *  Dreiecke  sind  congruent,  wenn  sie  inl  swei  Seiten 
und  dem  der  gröszeren  Seite  gegenüberliegenden  Winkel  flbereinaliHi- 
men',  ganz  übergangen  hat,  und  dasz  selbst  die  neuern  ihm  hierin 
entweder  gefolgt  sind  oder  aber  einen  meist  sehr  künstlichen  Beweis 
versucht  haben.  Weil  indes  auf  diesen  4  Sfttzen  die  ganze  Geoaietria 
beruht,  so  wäre  der  Mangel  eines  directen  synthetischen  Beweinen  aebr 
«n  beklagen :  wir  bemerken  nnr ,  dass  ein  Beweis  der  vertangtee  Art 
möglich  ist. 

Der  Hauptunterschied  zwischen  neuerer  und  ilterer  Geoaaelrie 
besteht  darin,  dasz,  während  diese  die  Linie  nnr  als  ein  Aggregat  von 
Punkten,  die  Fläche  nur  als  ein  solches  von  Linien  usw.  ergriff.  Jene 
umgekehrt  die  Linie  als  das  Product  der  Bewegung  eines  Punkten  eaw. 
aufTaszt,  und  so  in  die  Wissenschaft  ein  neues  Moment,  daa  der  Be- 
wegung, hineinbringt.  Wer  etwas  weitere  Studien  in  der  Mathematik 
gemacht  hat,  als  das  auf  Gymnasien  geschehen  kann,  weias  reoht  wol, 
dasz  der  Geometer  der  Bewegung  nicht  entbehren  kann,  seibat  wenn 
er  auf  die  Leichtigkeit  und  Eleganx  der  Darstellung  verzichten  wollte, 
die  dadurch  allein  ermöglicht  wird:  aber  philologische  Paadagogan 


EleneoUire  GeoMetria.  489 

mögen  das  nicht  erkennen,  sie  halten  vielmehr  die  Einfahrung:  des  Be- 
wegangsbegriffes  für  unmathematiseb,  nnd  wenn  sie  damit  nicht  durch- 
dringen, für  dem  Zweck  des  Gymnasialanterrichtes  zawiderlaafend 
oder  zam  mindesten  für  nicht  nothwendig.  Solchen  Ansichten  gegen- 
über mnsz  constatiert  werden,  dasi  Euklid  selbst,  wenn  wir  aneh  von 
der  Kreisbeschreibung,  der  jedenfalls  eine  Bewegung  xa  Grunde  liegt, 
absehen  wollen ,  in  den  Erklärungen  14  18  22  des  Buches  XI  vom  Be- 
griffe der  Bewegung  Gebrauch  gemacht  hat,  obwol  eine  Nöthigung 
dazu  für  ihn  durchaus  nicht  vorlag.  An  dieser  Thatsache  haben  wir 
genug ,  die  Argumente  der  Gegner  xurficksnweisen ;  sie  werden  nun 
die  oben  angedeuteten  leichtern  und  elegantern  Beweise  für  1  20  nnd 
XI 2  4  und  20  als  auch  beim  Gymnasialunterrichte  verwendbar  anerken- 
nen mflssen,  ebenso  wie  die  von  Euklid  abweichende  Fassung  der  be- 
treffenden Erklärungen.  Durch  dieses  Zugeständnis  ist  auch  die  Erle- 
digung der  Parallelen-Theorie  gewonnen,  denn  nun  sind  parallele  Li- 
nien solche  (derselben  Ebene,  versteht  sich  von  selbst) ,  welche  sieh 
niemals  sehneiden,  sei  es,  dass  sie  auch  noch  so  weit  verlängert  wer- 
den ,  oder  sei  es ,  dasz  sie  auf  einer  dritten  schneidenden  graden  unter 
einem  beständigem  Winkel  zueinander  hinbewegt  werden,  denn  im 
letztern  Falle  decken  sie  einander,  haben  also  nicht  einen,  sondern  alle 
Punkte  miteinander  gemein:  parallele  Linien  haben  also  gleiche  oorre- 
spondierende  Winkel  und  nmgekehrl.  Es  wird  wol  keine  Frage  sein, 
ob  ein  Quartaner  diese  wenigen  Worte  begreifen  und  aufnehmen  könne, 
ebenso  wenig  als  bestritten  werden  dttrfte,  dasz  die  Lehre  von  den 
Parallelen  in  der  Weise  der  Elemente  wol  niemals  abgeschlossen  wer- 
den wird.  Man  richte  nur  die  Aufmerksamkeit  auf  folgenden  Punkt. 
Der  Satz,  dasz  eine  grade  Linie  die  kürzeste  Entfernung  zweier  Punkte 
sei ,  ist  sehr  lange  ein  Streitpunkt  in  den  verschiedenen  Lehrbüchern 
gewesen:  einige  derselben  versuchten  den  Beweis,  andere  übergiengen 
ihn,  und  noch  andere  stellten  den  Satz  als  eine  unmittelbare  Folge- 
rung irgend  einer  andern  Bemerkung  hin,  ohne  indes  die  Nothwendig- 
keit  dieser  Folgerung  nachzuweisen.  Und  doch  ist  die  Sachlage  so 
einfach,  dasz  man  kaum  begreift,  wie  eine  derartige  Verwirrung  so 
lange  hat  bestehen  können.  Der  genannte  Satz  ist  in  der  That  kein 
Satz ,  der  einen  Beweis  im  mathematischen  Sinne  (also  Herleitung  durch 
Axiome)  zulaszt,  weil  er  derselben  Anschauung  wie  die  Erklärung 
einer  graden  als  geometrischen  Orts  eines  sich  stets  in  derselben  Rich- 
tung bewegenden  Punktes  enthält,  denselben  nur  in  andere  Worte  klei- 
det: es  ist  also  nur  der  Nachweis  nöthig,  dasz  derselbe  Gedanke  in 
zweifacher  Weise  in  Worten  ausgedrückt  werden  kann.  Grade  so, 
und  deshalb  stellten  wir  diese  Exposition  hin ,  verhält  es  sich  mit  den 
beiden  Sätzen;  *dio  Ergänzungswinkel  zweier  Parallelen  sind  =  9s' 
und  ^die  Summe  der  Winkel  eines  ebenen  Dreieekes  ist  =  tt'  ;  beiden 
liegt  dieselbe  Anschauung,  also  auch  derselbe  Gedanke  zu  Grunde, 
nur  die  sprachliche  Darstellung  ist  verschieden,  es  musz  mithin  ein  Be- 
weis im  Sinne  des  Euklid  als  unzulässige  Forderung  erkannt  werden. 
Ich  denke,  die  ongemein  grosze  Parallelen-Utteratur  ist  kein  geringer 

31* 


440  Elementare  Geomeirie. 

fielt  i>  flir  die  Kichli^keil  dieser  Darlegung.  Wenn  das  aber  begründet 
i.s(,  so  wird  auch  wol  der  Schlusz  erlaubl  sein,  dasK  allein  schon  die 
Kiledigutig  der  Parallülenielire  die  Einfahrung  des  Beweguugsbegriffet 
in  die  elementare  Mattiematili  nicht  allein  erfordorl,  sondern  ihn  fttr 
dieselbe  sogar  zum  Ausgangspunkt  machen  musz.  Ungern  vertagen 
wir  uns  die  weitere  Ausführung  dieser  Gedanken  in  Yerfolgang  der 
Umänderungen,  welche  die  Euklid'^sche  Geometrie  in  dieser  Weise  er- 
tahren  würde,  um  jene  Eleganz  und  Praecision  zu  erlangen,  die  neuere 
Geomeler  ols  den  llanpthebel  für  leichtes  Verständnis  und  grössere 
Kruchlbarkeil  in  mallieniulischen  Dingen  mit  so  ungewöhnlichem  Er- 
folge angewandt  hüben.  Wir  wenden  uns  zu  einem  andern  Punkte,  dem 
Systeme  der  Geometrie 

Die  clenicntaro  Geometrie  beschäftigt  sich  mit  der  graden  Lilie 
nnd  dem  kreise  und  allem,  was  aus  beiden  entstellen  kann;  sie  ser- 
fuilt  demnuch  in  die  et.  Planimetrie  und  et.  Stereometrie,  jenachdem 
die  bi'lrelTenden  Gebilde  in  einer  oder  mehreren  Ebenen  enthalten  sind» 
Die  Methoden  der  Behandlung  sind  entweder  die  rein  geometrische 
oder  die  urithmetische  (analytisch- trigonometrische).  Die  Planime- 
Irie  enthalt  also  1)  die  l.ehre  von  der  graden  Linie  und  2)  die  tob 
Krei>e:  ersleic  /.erfüllt  wieder  in  die  Theorie  der  Linien  als  solchen 
und  in  Uetraelit  ihrer  gegenseitigen  Lu^e  und  in  die  Lehre  von  den  Fi- 
guren. Nr.  1  hat  oiTenhur  die  natürlichen  Unterubtheilungen:  eine 
grade  l.iuio,  mehrere  gnide  Linien,  die  sich  in  einem  Punkte  sclineidcD, 
mehrere  ^rude  Linien,  die  sich  in  mehreren  Punkten  schneiden,  und  meh- 
rere grüde  Linien,  die  sich  gur  nicht  schneiden.  Bei  Nr.  2  dagegen  ist  es 
\\en);:>tens  /.\\eil\-lhan «  oh  die  l'ntorahtheilnn;:en  ;2ewonnen  werden 
.sollen  durch  die  \erschiedene  Seitenzahl  der  l'iguren  oder  aber  durch 
liticüMchlnuliiue  uuf  Kongruenz,  Gleichheit  und  Aehnlichkeit  derselben. 
>uh(  niun  in.les  nuher  zu«  so  wird  man  bemerken,  dusz  die  Belrach- 
tnua*:  der  nulir  als  dreiseitiizen  Figuren  einzig  und  allein  in  der  Be- 
ti  iti'liiuni;  mehrerer  in  einer  neuen  Figur  vereinigten  Dreiecke  besteht, 
ä(i>;  ul>o  die  er^le  Kucksicht  nicht.  \\ol  aber  die  zueile  den  Grnnd 
lur  itic  N^etiiie  1  nilheilnui:  Hh^iihen  kann.  Da  die  Lehre  von  der  Aehn- 
luliki  li  di  r  luiircn  cua*tcich  den  Lebertran::  uus  der  rein  geomelri- 
>%\wi\  lKii>leliuni:>«^eise  iiir  anihiueUschen  bildet«  Sv»  »ird  weiterhin 
tiir  a;eoiiiciu>t-he  Uetfjichluui:  des  Kreises  nach lu hol e;i  sein,  nni  dar- 
.ml  luoh  Ueilriluiti;  der  (ileu*huni;en  fur  die  grade  I  luie  und  den  Kreis 
vciiiiiiul»!  eilte»  recht» ihklijien  roi»rdiu«teu>>slem»  die  ebene  TrtgO- 
iit.KC  iln«  Mi;ir  i'iiiJi'tt  In  der  Siert'i^welrie  b«t  man  luniichst  rein 
^«o.iit'.i  I««  :i  ,i..'  1  »'!u.'  ^  »Mi  *  um  und  niehrercn  Kbeuen  uui  ihr«r  gegen- 

-««ihii«!«  t^(4..    •« «n.ut    det    pUaiiuriiiM'hiii  lehre  von    den  Liaiea 

;imI,«};  -m«  »  i,,i.^,.».  lUnn  mi^^sr»  diC  \  on  nifhrtrcii  TSnea  iTf  bildeten 
iv*»  f-,i  •,...«.  li,  i*iij}»  v,\i;,'j»  «4:..*r. .  »nd  rtttii.t-h  r.äiti  il-TiHlunf:  der 
\ii.  ««^ii.ii.    r...    öi«i  Kii^,'i  k,Mmi.io»l    r.n.>    •iic.trc-»  bi««  ink.ij^c  n  l'tH*rdl- 

1  .1*4  ...  \t  ir  .  I  .  %»i  t'oii.^  n^«  ^  <  b<  ix,  bt  .  "  #  m.ifc;  ■  •  ^r.  \  ftflSgcO- 
•  ,  ^,    V  ,  <  »I  o»ii»     \    \  *^^  /wm  ^v»*n^.  .  it-.ict,    i./;.:  -Iirf.r  |^ej:cfl. 


Elementare  Geometrie.  441 

seiligen  Lage  zueinander,  a.  Von  einer  graden  Linie,  b.  Von  mehreren 
^raden  Linien,  die  sich  in  Einern  Punkte  schneiden,  c.  Von  mehreren 
graden  Linien,  die  sich  in  mehreren  Punkten  schneiden,  d.  Von  mehreren 
graden  Linien ,  die  sich  nicht  schneiden.  2.  Von  den  Figuren,  a.  Con- 
gruenz,  b.  Gleichheit,  o.  Aehnlichkeit  der  Figuren.  3.  Vom  Kreise. 
B.  Arithmetische  Methode.  1.  Ausmessung  der  Figuren  und  Rech^ 
nungen  fär  dieselbe.  2.  Gleichungen  der  graden  Linien  und  des  Krei- 
ses nebst  Construction  solcher  und  ähnlicher  Gleichungen.  3.  Ebene 
Trigonometrie.  //.  Stereometrie,  A.  Geometrische  Methode. 
1.  Eine  und  mehrere  Ebenen  und  gegenseitige  Lage  derselben.  2.  Kör- 
perräume. B.  Arithmetische  Methode.  Sphaerische  Trigonome- 
trie. —  Das  hier  vorgezeichnete  System  der  elementaren  Geometrie 
enthält  seine  Rechtfertigung  in  sich  selbst:  ein  mit  dem  Inhalte  der 
Geometrie  unbekannter  würde  in  seinem  Verslande  die  unmittelbare 
Ndthigung  finden,  den  durch  dasselbe  vorgeschlagenen  Weg  der  For- 
schung zu  betreten.  Darüber  weiter  kein  Wort!  Soll  aber  dieses  Sy- 
stem seinem  ganzen  Inhalte  nach  Gegenstand  des  Gymnasialunter- 
richtes sein,  soll  selbst  die  sphaerische  Trigonometrie  nicht  ausge- 
schlossen werden?  Man  sieht,  dasz  ein  vernünftiger  Grund  für  diese 
Ausschlieszung  nicht  vorhanden  ist:  es  können  höchstens  Natzlichkeits- 
gründe  oder  aber  Gründe  der  Unmöglichkeit,  das  vorgeschriebene 
vollständig  zu  leisten,  der  Beschrankung  des  Stoffes  das  Wort  reden. 
Glücklicherweise  ist  das  Vorhandensein  solcher  Gründe  nur  ein  schein- 
bares. Ja!  wer  die  Euklidische  Geometrie  im  Sinne  hat,  der  mag 
selbst  die  ebene  Trigonometrie  vom  Lehrplane  entfernt  wissen  wollen: 
wir  aber,  die  wir  andere  Anschauungen  haben,  wissen  recht  wol,  das« 
mit  der  oben  gegebenen  Uebersicht  das  System  der  Geometrie  noch 
lange  nicht  erschöpft  ist,  wir  wissen,  dasz  derselbe  Weg,  der  zur 
Aufstellung  der  Uebersicht  geführt  hat,  auch  innerhalb  der  einzelnen 
Unterabtheilungen  befolgt  werden  musz,  um  deren  weiteren  Inhalt  zu 
gewinnen.  Als  Beleg  dafür  mögen  die  Kapitel  über  die  Congruenz  der 
Dreiecke,  der  Gleichheit  der  Figuren  und  der  ebenen  Trigonometrie, 
kurz  discutiert  werden. 

Congruenz  heiszt  Gleichheit  an  Form  und  Inhalt  und  ihre  Bedin- 
gung besteht  darin,  dasz  congrueute  Figuren  in  allen  Umfangstheileo 
übereinstimmen  müssen.  Ehe  also  von  der  Congruenz  der  Dreiecke 
die  Rede  sein  kann,  müssen  Untersuchungen  über  das  Verhältnis  ihrer 
Umfangstheile  vorangegangen  sein.  Diese  ergeben  die  beiden  Sätze: 
^die  Winkel  eines  Dreiecks  sind  =  tt'  und  ^eine  Seite  eines  Drei- 
ecks ist  kleiner  als  die  Summe,  aber  gröszer  als  die  Differenz  der 
beiden  andern'.  Ist  das  geleistet,  so  folgt  nothwendig  die  Herlei- 
tung, dasz  es  nur  4  Congrnenzsätze  geben  kann;  darauf  werden  die 
beiden  ersten  Fälle ,  zwei  Winkel  mit  der  eingeschlossenen  Seite  und 
zwei  Seiten  mit  dem  eingeschlossenen  Winkel  durch  Deckung  bewie- 
sen, worans  sich  als  unmittelbarer  Folgesatz  ergibt,  die  Winkel  an 
der  Grundlinie  eines  gleichschenkligen  Dreieckes  sind  einander  gleieh, 
mit  dessen  Hilfe  weiterhin  der  dritte  Congraenzfall  anf  den  ersten  und 


442  Elementare  Geometrie. 

zweiten,  der  vierte,  zwei  Seiten  und  der  der  g^rösieren  Seite  gegen- 
ülierliej^endo  Winkel,  auf  den  zweiton  and  dritten  zurackgefahrt  wer- 
den können.  Endlich  ist  noch  von  der  Relation,  dasz  die  gröflzere 
Seite  auch  dem  gröszeren  Winkel  und  umgekehrt  gegenüber  liege,  so- 
wie davon  Notiz  zu  nehmen,  dasz  das  Perpendikel  die  EDtfernoiig  ei- 
nes Punktes  von  einer  graden  Linie  angibt,  und  der  positive  Inhalt  des 
betrefTenden  Kapitels  ist  erschöpft.  Zu  den  angeführten  S&tsea  gelangt 
man  mit  strenger  Conscquenz,  ebenso  wie  man  gar  bald  wahrnehmea 
wird,  dusz  alle  übrigen  Sätze,  wie  viele  deren  auch  vorhanden  sein 
mögen,  mit  Hilfe  der  genannten  crfaszt  werden  können;  sie  sind  aUo 
nur  Erweiterungen  und  von  dem  System  als  solchem  ausznsehlies- 
sen.  —  Eine  noch  weit  geringere  Anzahl  von  Sätzen  enthält  das  Ka- 
pitel über  die  Gleichheit  der  Figuren,  bei  dem  sich  bald  ergibt,  dasz 
nur  die  Möglichkeit  nachgewiesen  werden  soll,  alle  Figuren  als  gleich- 
namig betrachten  zu  dürfen.  Der  Satz :  ^Parallelogramme  von  gleicher 
(ifundlinic  und  Höhe  sind  einander  gleich'  führt  auf  die  Verwandlaag 
jeglichen  Dreiecks  in  ein  Kechteck,  und  der  pythagoreische  Lehr- 
satz zeigt  die  Mö^liehkeit  der  Verwandlung  eines  Rechleckes  in  ein 
Quadrat.  Die  .Vufgabe,  ein  u-Eck  in  eiu(n-l)Eck  zn  verwandeln 
gibt  schliesziieh  das  Mittel  an,  jede  Figur  in  ein  Qacidrat  von  glei- 
chem Inhalte  um/.uformcn.  —  In  der  ebenen  Trigonometrie  geben  wir 
die  Erklärungen  der  Irigonometrisehen  Functionen  Sinns,  Cosinas, 
Tangente,  Cotungente,  dann  10 — 12  Formeln  zur  Darlegung  des  Zn- 
sammenhanges dieser  Functionen  untereinander  und  der  ZurückfOhraag 
derselben  für  die  Summen,  Differenzen«  Doppelten  und  Hainen  aaf 
die  der  einfachen  Winkel,  weiter  zwei  Formeln  für  die  l'mbildnng  der 
Summen  «in  a  -f-  sin  b  und  sin  a  +  sin  b  +  $in  c  in  Prodnele,  sowie 
endlich  drei  Lehr:iät£o  für  die  Berechnung  der  schiefwinkligen  Drei- 
ecke, und  sind  überzeugt,  dasz  ein  (jymnasialschuler  mit  diesem  Slofe 
vollkommen  ^enus:  hat. 

Ist  also,  und  das  sollte  an  einzelnen  Beispielen  nachgewiesen  wer- 
de», der  l'uifjn^  der  elementaren  Geometrie  auf  den  Gyanasien  anch 
noi-!i  iluTih  (he  sph.  frifonomeSrie  in  erweitern,  so  gehl  dennoch  der 
iiiiiüroh  beJni^te  lehrstoiT  uiohl  über  ^ie  Zeit  und  die  Krifte  der 
Sohuler  hnidus,  v^enn  dds  S>stea:  nur  das  nothw endige  anfniaaml,  d.h. 
diejenifceu  S^tse,  welche  «am  e  icenen  arbeiten  and  schaffen  hvfihi- 
iceu.  SelK»(  Mena  die  Z^bl  d«r  «tocheat liehen  Sluaden  bei  ein««  sechs- 
iiSri);eu  äuroh  roaibinationen  %  er^cKievtea^r  KIjs^s^b  nicht  rerinnuacr- 
U'»  l  :t;f rru-hte  auf  «irei  berib^t^^et^t  «ird  ^mo  CoaiMajCioaen  ans 
Mjw^vI  «a  leNtkrift<:t  >uaäitdeB  iii^s^a,  wird  ai«a  allerdings  die 
tke:^v>vjvNs«';t  4  SsaM.icj  ^<lsu^<'b4^Ken  haben,  rb««:»^  an  d«n  .\nslal> 
iiffj.  ^«,'  i:,*  Scb<&t^r&A^k  I«  aeai  e;i»ieiBen  KiAssen  ub<-r  A>  biaattsnfichl). 
*^<.it  Mi«  .:«»  «^«M  Mto3  ^erii^i«  tx<^l  ^««t*T<«.  I  Stusde  Artlbaetih. 
X  S4XJ.W  k.,\v4»cJ,:*,  »fc>i  I  Sttt«ä«  iir  AsieilaaJT  *'z»  «iik*iiaiigen 
j!>«it,u  v»,'.  >^>^i-,n  vv;ch^a  :^^»i  $«6  ht«t«  *m  )hi".ijva  ^^  i««chen  in 
K^,':.vt  Uv^«  t.(\«l$%ta  \m  M4«)i«ai«  iA*v!Wtt  l  a««frr\c&se  s«  ;?»if«a.  Dabei 


EleneDtare  Geonetri«.  44S 

sloflf  isi  weseoüioh  vermindert,  die  Beweise  liegen  durch  das  System 
aU  der  Ansdrnck  des  sachlichen  Zusammenhanges  angedeutet  vor,  das 
<jed«chtnis  bat  wenig  oder  nichts  mehr  zu  leisten,  hier  und  da  höch- 
stens einen  Merkpunkt  und  einen  kilnstlichen  Beweis  sich  anzueignen, 
alle  Kraft  kann  vielmehr  auf  das  lebendige  erfassen  des  Stoffes  and 
seine  weitere  Verarbeitung  verwandt  werden.  So  zum  mindesten  hei 
begabten  Schülern ;  bei  den  weniger  begabten  ist  freilidi  nicht  z«  er- 
warten ,  dasz  eigenes  selbständiges  arbeiten  von  glQcktichem  Erfolge 
begleitet  sein  wird,  das  wissen  des  positiven  wird  ihnen  indes  niehi 
entgehen  können,  die  S&tce  und  Beweise  des  Systems  werden  ihr  Ei- 
genthum  werden  und  bleiben,  sie  haben  ja  nicht  den  dritten  Theil  der 
Arbeit  zu  vollbringen,  die  ihnen  nach  Euklid^s  Methode  anfgebOrdet 
wurde. 

Das  sind  im  allgemeinen  unsere  Ansichten  über  den  geometri- 
schen Unterricht  auf  Gymnasien:  sie  mögen  da£u  dienen,  einerseits 
unsere  Beurtheilang  des  Euklid  naher  zu  beleuchten,  anderseits  die 
Kritik  der  ferner  angezeigten  Werke  wesentlich  abzukfirzen.  Diese 
Werke  aber,  das  müssen  wir  von  vornherein  erklären,  gehören  zn 
den  besten  Leistungen  der  neuern  Schnllitteraftur,  und  sind  grade  des- 
halb von  uns  zusammengestellt  worden.  (Jeher  die  erste  Auflage  von 
Nr.  2  haben  wir  selbst  in  diesen  Jahrbüchern  eine  ausführliche  Anzeige 
gebracht;  Koppels  Geometrie  wurde  von  uns  gebührend  gelobt  und 
ihr  Verdienst  in  gerechter  Weise  hervorgehoben,  nicht  jedoch  ohne 
auf  wesentliche  Mangel  hinzuweisen,  die  unserer  Ansicht  nach  vor- 
züglich darin  bestanden,  dasz  das  Werkchen,  obgleich  sunfiohst 
Schulbuch,  zugleich  den  Bedürfnissen  des  Selbstunterrichts  genügen 
solle,  und  sodann  darin,  dasz,  wiewohl  der  Verfasser  sich  principiell 
von  der  Methode  Euklid'^s  entferne ,  doch  in  dieser  Entfernung  nicht 
weit  genug  gehe.  Leider  müssen  wir  jetzt  bemerken,  dasz  Koppe  seine 
frühern  Ansichten  modificiert  zu  liaben  scheint:  er  hat  die  Parallelen- 
theorie in  den  neuern  Auflagen  nemlicfa  so  abgeändert,  dasz  er  die 
neuere  Auffassung  derselben  beseitigt,  die  Euklidische  dadurch  also 
wieder  als  die  allein  berechtigte  hinstellt ,  nur  dasz  er  auch  offen  des 
Mangels  derselben  geständig  ist.  Koppe  benntzt  also  nicht  mehr  das 
Moment  der  Bewegung ,  dafür  tbeilt  er  denn  auch  die  Weitschweifig- 
keit des  Euklid.  Er  beweist  somit,  um  auf  einzelnes  aufmerksam  zu 
machen,  die  Gleichheit  der  Scheitelwinkel  durch  Zuhilfenahme  des 
Nebenwinkels  anstatt  einfach  zu  sagen :  Scheitelwinkel  sind  einander 
gleich,  denn  sie  sind  das  Ergebnis  derselben  Drehung;  er  sieht  somit 
nicht,  dasz  der  Winkel,  den  eine  Sehne  mit  einer  Tangente  bildet, 
ebenfalls  ein  Peripheriewinkel  ist,  der  also  ebenfalto  die  Hilfte  des 
zugehörigen  Centriwinkels  «ein  mosz ;  er  vermag  nicht  den  Nachweis 
zu  liefern,  dasz  Parallele  zar  Grandlinie  im  Dreiecke  nur  specielle 
Sätze  über  die  Transversalen  ergeben  usw.,  der  oben  angefochtenen 
Beweise  des  Euklid  nicht  so  gedenken ,  die  theilweise  anoh  bei  ihm 
eine  Stelle  gefunden  haben.  Nicht  minder  grosz  ist  die  Weitschwei- 
figkeit, die  von  dem  erst  erwilinteB  Uebelstande,  der  Vereinigung 


'444  Elementare  Geometrie. 

verschiedener  Zwecke,  herrührt:  es  bedarf  jedoeh  hier  nicht  des  nahern 
Nachweises  darüber,  derselbe  liegt  in  der  Natar  der  Sache.  Die  An- 
ordnung des  Verfassers,  wornach  die  Satze  über  die  Kreislehre  in  den 
rerschiedenen  Abtheilungen  des  Bachs  vertheilt  worden  sind,  können 
wir  nach  den  so  eben  gemachten  Auseinandersetzungen  nrcht  billigen. 
Die  Stereometrie  ist  originell  und  sinnig  angelegt,  es  ist  nur  zn  be- 
merken, dasz  sie  zu  viel  enthält  und  für  den  Gymnasialunterricht  we- 
nigstens auf  die  Hälfte  herabgesetzt  werden  musz.  Das  ist  aber  wie 
•n  den  Koppe^schen  Schriften  überhaupt,  so  auch  namentlich  an  seiner 
Geometrie  lobend  hervorzuheben,  dasz  in  ihr  eine  angemessene  Be- 
rücksichtigung der  analytischen  Methode  neben  dem  für  Anfänger  un- 
entbehrlichen Dogmatismus  stattgefunden;  hierin  liegt  hauptsächlich 
der  Vorzug,  der  ihr  vor  Euklid  eingeräumt  werden  musz,  sowie  in. 
der  meist  befriedigenden  Anordnung  des  Stoffes,  die  nur  an  zwei  oder 
drei  Stellen  von  dem  richtigen  abweicht.  Wie  schon  angemerkt,  hat 
die  Geometrie  von  Koppe  seit  unserer  ersten  Anzeige  mehrere  neue  Auf- 
lagen erlebt;  es  scheint  indes,  als  habe  der  Verfasser  mit  seinen  An^ 
sichten  abgeschlossen:  wesentliche  Verbesserungen  sind  nicht  mehr 
getroffen  worden,  eher  das  Gegentheil,  und  wenn  wir  früher  das  Werk 
zu  den  besten  Erscheinungen  rechnen  durften,  so  können  wir  das  frei- 
lich theil weise  noch,  müssen  aber  offen  gestehen,  dasz  es  durch  die 
oben  verzeichneten  Nr.  3  u.  4  bedeutend  überQügelt  worden. 

Der  Zeit  nach  ist  Nr.  3  das  jüngste,  der  Richtung  nach  musz  es 
vor  das  ältere  4  gestellt  werden.  Von  der  Arbeit  der  Herren  Heis  und 
Eschweiler  liegt  uns  nur  der  erste  Theil  vor,  und  wir  gehen  um  so 
lieber  auf  ihn  ein,  je  wichtiger  er  uns  erscheint  nnd  je  gröszer  der 
Ruf  ist,  den  sich  die  Herrn  Verfasser  durch  langjährige  Thätigkeit,  die 
so  häufig  von  Erfolgen  begleitet  worden ,  erworben  haben.  Nach  der 
Vorrede  haben  sie  sich  zur  Abfassung  eines  neuen  Schulbuches  bewo- 
gen gefunden,  weil  sie  glaubten,  der  vorhandene  Lehrstoff  sei  einer 
bessern  Gliederung  fähig,  als  er  bisher  gefunden,  und  im  einzelnen  seien 
mannichfaltigc  Verbesserungen  anzubringen,  sodann  auch  weil  sie  in 
den  bisherigen  Büchern  diejenige  Fülle  von  UebungsstofT  vermiszten, 
welche  zur  Ausbildung  der  geometrischen  Anschauung  nnd  Combina- 
tion  so  unumgänglich  nöthig  ist.  Diese  Gründe  sind  mehr  als  hinrei- 
chend, sie  kommen  unsern  oben  aufgestellten  Forderungen  fast  grades 
Weges  entgegen,  und  wir  haben  demnach  zu  prüfen,  ob  die  Ausfüh- 
rung dem  Versprechen  gleichkommt.  Die  Verfasser  theilen  die  Plani- 
metrie in  zwei  Theile;  der  erste  enthält  den  gewöhnlichen,  auch  in 
andern  Lehrbüchern  vorßndlichen  Stoff,  der  zweite  die  Erweiterungen 
und  zwar  erstens  Lehrsätze  und  Aufgaben,  die  auch  von  andern  Ver- 
fassern schon  als  Uebungsstoff  benutzt  worden  (S.  156  —  207),  dann 
aber  weiter  geometrische  Oerter,  Maxime  und  Minima,  Transversalen, 
harmonische  Theilung  und  Polaren  um  Kreise,  sowie  endlich  das  Apol- 
lonische Taotions  prob  fem  (S.  207 — 265).  Das  neue  und  durchaus  zeit- 
gemSsze  das  Werkes  ist  offenbar  diese  Eintheilung  in  zwei  Theile, 
wir  müssen  jedoeh  bemerken ,  dasz  der  erste  Theil  nach  Anzahl  der 


Elementare  Geometrie.  445 

Salze,  nach  VieUeitigkeit  in  den  Beweisen  oder  auch  nach  Verschic- 
denartigkeit  in  den  Andeutungen  für  Beweise  und  Conttractionen,  weit 
ttber  ein  knappes  System,  wie  es  oben  namentlich  im  Interesse  minder 
befähigter  Schüler  verlangt  worden,  hioausreicht ;  es  findet  sich  in 
ihm  fast  das  gesamte  Material  älterer  Lehrbücher  vereinigt.  Das  ist 
uns  wenigstens  nicht  zweifelhaft,  dasz  ein  Gymnasialschüler  kaum  den 
im  ersten  Theile  aufgespeicherten  StolT  wird  bewältigen  können,  ge- 
schweige denn,  dasz  er  auch  die  Anleitungen  des  zweiten  Theiles  ver- 
werlhcn  sollte.  Haben  aber  die  Verfasser  die  von  uns  gewollte  Schei- 
dung des  planimetrischem  Stoffes  auch  wirklich  beabsichtigt?  wollten 
sie  nicht  vielmehr  ein  Repertorinm  für  Geometrie ,  wie  es  für  Schulen 
nur  immer  angemessen  erscheinen  mag,  entwerfen?  oder  endlich  ist 
die  Scheidung  in  unserm  Sinne  auch  zu  vollbringen?  Wie  man  auch 
die  beiden  ersten  Fragen  beantworten  mag,  von  der  Beantwortung  der 
dritten  hängt  es  ab,  was  in  jedem  Falle  zu  thun  war.  Zweifelhaft  kann 
es  aber  nimmer  erscheinen,  ob  eine  derartige  Trennung  des  Stoffes  in 
einen  nur  das  allein  nothwendige  enthaltenden  Theil  und  in  einen  zwei- 
ten, die  Erweiterungen  und  Anleitungen  zum  selbständigen  arbeiten 
umfassenden,  zu  Wege  zu  bringen  sei:  es  fähren  dazu  Logik  und  Er- 
fahrung. In  wie  weit  die  Logik,  ist  früher  angedeutet  worden;  die  Er- 
fahrung aber  wird  jedem  Lehrer  gar  bald  den  Nachweis  liefern,  welche 
Sätze  und  Aufgaben  bei  eigenen  elementaren  Arbeiten  immer  und  im- 
mer wiederkehren,  welche  dagegen  ganz  in  den  Hintergrund  treten. 
\Vir  sollten  meinen,  beide  Weisen,  das  eigentliche  System  der  Geo- 
metrie aufzufinden,  müsten  zumal  im  Verein  das-  richtige  Ziel  errei- 
chen lassen.  Wenn  das  aber  der  Fall  ist,  so  hätten  die  Verfasser  auch 
ihren  ersten  Theil  der  Planimetrie  nun  um  zwei  Drittel  abkürzen  und 
das  daselbst  ausgeschiedene  in  den  zweiten  Theil  verweisen  müssen. 
Die  Abkürzung  aber  konnte  in  doppelter  Weise  bewerkstelligt  wer- 
den. Erstens  direct  dadurch,  dasz  einzelne  Sätze,  Zusätze,  Aufgaben 
mit  ihren  Beweisen  und  Constructionen  gradezu  in  den  zweiten  Theil 
gesetzt  wurden.  Weshalb  stehen  z.  B.  die  Sätze  9, 13  des  In  B.  I  Tb. 
nicht  an  derselben  Stelle  des  zweiten  Theils?  stehen  sie  etwa  zum  Sy- 
stem in  einem  andern  Verhältnisse  als  die  1,  3,  4,  5  usw.  des  In  B. 
II  Th.?  sind  sie  vielleicht  leichter  oder  nothwendiger  als  diese?  Grei- 
fen wir  nur  aus  der  Masse  heraus!  23,  24  des  ersten  Kapitels,  13,  15, 
26,  27,  28,  29,  48  des  zweiten,  14,  16,  17,  18  des  vierten  Kapitels  usw. 
Wir  könnten  die  Zahl  dieser  auszuscheidenden  Sätze  noch  um  sehr 
viele  andere  vermehren ,  namentlich  aber  mit  solchen ,  deren  Beweise 
oder  Constructionen  kaum  angedeutet  sind ,  und  also  schon  dadurch 
bekunden,  dasz  sie  im  zweiten  Theile  eine  angemessenere  Stellung 
gefunden  haben  würden.  Indirect  aber  würde  die  Abkürzung  dadurch 
bewirkt  werden,  dasz  die  mehrfachen  Beweise  zu  einem  und  demselben 
Satze  fortfielen.  Es  soll  nicht  geleugnet  werden,  dasst  mehrfache  Con- 
structionen einer  und  derselben  Wahrheit  eine  nicht  gewöhnliche  Ge- 
wandtheit erzielen,  aber  in  dieser  Hinsicht  sind  sie  nur  für  schon  ge- 
übtere brauchbar,  den  ungeübten  verwirren  sie,  lenken  ihn  sogar  von 


446  EleiDontare  Geomelrie. 

der  strengen  Verfolgung  eines  Gedankens  ab,  wozu  doch  vor  alleai 
ungeleitet  werden  soll,  und  geben  dem  ganzen  der  Darstellnng  eine 
Künstlichkcit,  über  der  wir  oben  den  Stab  gebrochen  ^habea.  Wir 
glauben,  dasz  das  uns  kaum  bestritten  werden  kann,  und  mithiii  «aoh 
nicht  der  darauf  gebaute  Schlusz,  dasz  diese  mehrfachen  Beweise  and 
Constructionen  ebenfalls  in  den  zweiten  Theil  gehören,  wenn  sie  aber- 
haupt  Aufnahme  verdienen,  was  höchstens  nur  bei  bedeutenden  Wahr- 
heiten der  Fall  sein  dürfte. 

Sehen  wir  nun  weiter  auf  die  Eintheilung  des  Stoffes,  so  stimakt 
derselbe  im  allgemeinen  mit  der  in  Koppels  Geometrie  Qberein,  aad 
weicht  also  auch  wie  diese  nur  in  einzelnen  unbedeutenden  PnakleB 
von  der  oben  sub  A  angegebenen  ab.  Im  einzelnen  bemerken  wir  dar- 
über noch  folgendes:  Es  ist  nicht  ersichtlich,  ob  die  Verfasser  aaoh 
der  ebenen  Trigonometrie  die  Stelle  anweisen  wollen,  welche  wir 
oben  für  dieselbe  als  nothwendig  anerkannt  haben,  wahrscheinlioh 
werden  sie  die  bisherige  Tripartition  der  Geometrie  aufreohl  erhallea. 
Weiterhin  tritt  die  als  naturgcmäsz  erkannte  Eintheilung  der  Sitae 
über  die  Figuren  in  die  drei  Abschnitte:  Congruenz,  Gleichheil  aad 
Aehnlichkeit,  wenn  sie  auch  im  allgemeinen  festgehalten  wird,  nicht 
deutlich  genug  hervor.  Endlich  drittens  sind  auch  hier  die  Sfttse  Ober 
den  Kreis  in  zwei  verschiedenen  Abtheilungen  zusammengettellt,  wie 
auch  der  7e  Abschnitt  des  11  Kap.  offenbar  in  die  Lehre  von  den  Trans* 
versalen  gehört. 

Die  Verbcsserungen  im  einzelnen  sind  mannichfach  und  aahlreieh, 
der  Ausdruck  ist  meist  praecis  (aufgefallen  ist  uns  jedoch  Sats  4 
S.  6)  und  die  Beweisführung,  wenn  auch  stets  in  der  Weise  des  Ea- 
klid  gehalten,  klar,  kurz  und  bestimmt.  Drei  Punkte  erfordern  jedoch 
eine  kurze  Erörterung.  Obgleich  nemlich  die  Verfasser  die  Bewegaaf 
als  ein  in  der  Geometrie  berechtigtes  Moment  anerkennen,  so  haben 
sie  doch  an  keiner  Stelle  des  ersten  Theils  davon  Gebrancii  genaoht: 
namentlich  ist  ihre  Lehre  von  den  Parallelen  weillauflger  und  schwer- 
fällij^er  als  gewöhnlich,  so  dosz  es  selbst  einem  geübtem  nicht  leicht 
werden  wird,  sich  hindurchzuarbeiten.  Und  was  ist  bei  diesem  Stre- 
ben nach  Gründlichkeit,  denn  die  war  sichtbar  beabsichtigt,  heraus- 
gekommen? Der  Kuoten  ist  nicht  gelöst,  weil  er  in  dieser  Weise 
schwerlich  gelöst  werden  kann,  die  einfache  Anschauung,  ans  der 
man  sonst  so  viel  Wesens  macht,  ist  verloren  gegangen  unter  weit- 
läufigen Constructionen  und  Beweisführungen ,  und  der  Anfinger  wird 
kaum  einige  historische  Kenntnis  von  dieser  Materie  erhalten,  statt  dasa 
ihm  doch  sofort  klare  Erkenntnis  geboten  werden  mnste.  Die  aweita 
Bemerkung  gilt  den  Proportionen ,  mit  denen  in  den  Lehrbüchern  der 
neusten  Zeit  noch  allzuhäufig  ein  wahres  Unwesen  getrieben  wird. 
Auch  unsere  Verfasser  haben  von  S.  80  an  dieser,  wie  es  uns  scheint, 
durchaus  falschen  Richtung  gehuldigt.  Wie  jede  Wissenschaft  so  ist 
auch  die  Mathematik  vom  speciellen  zum  allgemeinen  fortgeschritten. 
Das  bürgerliche  rechnen  (man  verzeihe  den  schlechten.  Ausdruck)  fohrta 
auf  eine  besondere  Art  von  Gleichungen  des  ersten  Grades,  die  maa, 


Elenflentare  Geometrie.  447 

weil  sie  so  hfiufig  wiederkehrte,  mit  eiaem  besondem  Namen  beglackte 
und  es  sich  nun  angelegen  sein  liess ,  den  nenen  Begriff  aufs  weitlän- 
figsle  aossabeuten  [Gewis  geschab  das  nicht  durch  Mathematiker  vom 
Fach,  denn  diese  hatten  ganz  etwas  anderes  zn  schaffen,  als  solche 
Trivialitäten  weiter  aaszufahren.  Ergieng  es  doch  der  Lehre  vom  po- 
sitiven und  negativen  ebenso,  die,  obwol  sie  mit  einer  ganzen  BrQbe 
philosophischen  Raisonnements  abergossen  wurde,  doch  'nicht  evident 
hervortrat ;  erst  in  der  neuesten  Zeit  ist  die  wahre  Sachlage  klar  ans 
Licht  gestellt  worden].  Aus  der  Mathematik  gieng  nun  der  Begriff  der 
Proportionalität  auch  in  andere  Gebiete  aber,  so  dasz  man  von  Pro- 
portional noch  sprach,  wenn  an  keine  Proportion  mehr  gedacht 
wurde ,  grade  wie  man  den  Begriff  der  Polarität  aus  der  Lehre  vom 
Magnetismus  in  allen  erdenklichen  Weisen  bis  zum  höchsten  Unsinne 
cultivierte.  So  hat  sich  denn  ein  ganz  eigenthömlicher  Sprachgebrauch 
entwickelt,  ohne  den  man  in  der  wissenschaftlichen  Mathematik  viel- 
leicht nicht  mehr  von  Proportionen  reden  wOrde;  ihn  musz  man,  das 
hergebrachte  ehrend,  beibehalten  und  durch  wenige  Satze  erläutern. 
Was  aber  darüber  hinausgeht,  ist  vom  Uebel.  So  erklärt  man  geo- 
metrisch es  Mittel  als  die  Quadratwurzel  aus  dem  Prodncte  zweier 
Zahlen,  und  kann  nicht  umhin,  den  Begriff  der  geometrischen  Propor- 
tion herbeizuholen,  um  den  seltsamen  Wortbegriff  *  geometrisches 
Mittel'  klar  zu  machen.  Umgekehrt  wird  es  aber  nicht  nöthig  sein, 
z.  B.  die  bekannten  acht  Formen  einer  Proportion  schematisch  einzu- 
üben, noch  viel  weniger,  diese  Formen  in  Worte  zu  kleiden  und  als 
eben  so  viele  Satze  hinzustellen;  dienen  sie  ja  doch  nur  dazu,  um  in 
einzelnen  Beweisen  gebraucht  zu  werden,  und  musz  doch  der  Beweis 
eines  Satzes  mit  dem  Verstände,  nicht  mit  dem  Gedächtnisse  ausgear- 
beitet werden!  Die  ganze  Lehre  von  den  Proportionen  (geometrischen) 
stellt  sich  in  folgenden  Bildern  dar: 
a         c 


a  b  ^  b  d  ^  b 
—  =  -r-  oder  —  =  —  oder  — 
cd  a         o  a 

a 
=  —  usw.  usw. 
c 

h   .  ^   . 

-  +  1  =  -  +  1 

a  —  c  — 

na  mc 

—r-  =  — 7  usw.  usw. 

nb         md 


aa  c 

nb  ""  T 

/b-~/d*"'"Nb  —  Nd 
bei  welchen  das  in  die  erste  Spalte  aufgenommene  das  nothwendige 
enthält,  das  in  der  zweiten  dagegen  einige  von  den  vielen  möglichen 
Umformungen  andeotet.  Diese  Umformungen  mfissen  allerdings  dem 
Schaler  vollkommen  geläufig  geworden  sein ,  er  musz  sie  mechanisch 
vollbringen  können:  von  jedem  einzeln  Falle  musz  er  Rechenschaft  ab- 
zulegen im  Stande  sein,  nicht  aber  wird  man  an  ihn  das  Verlangen 
stellen ,  uno  tenore  die  sämtlichen  Umformungen  als  Lehrsätze  gefaszt 
herzusagen.  Mit  diesem  zweiten  steht  ein  drittes  in  engster  Beziehnng, 
nemlich  die  Ausmessnng  der  Figuren ,  deren  Prineipien  im  vorliegen- 


448  Elementare  Geomelrie. 

den  Werke  nicht  klar  genug  entwickelt  sind.  Wir  setzen  folgendes 
entgegen.  Zwei  gleichartig  benannte  Zahlen  können  hinsichtlich  ihrer 
Quantität  niiteinunder  verglichen  werden;  das  Mittel  der  Verg'Ieichu; 
ist  Division:  es  können  ebenso  die  Flächeninhalte  zweier  Figuren  Mit- 
einander verglichen  werden,  und  das  Mittel  dafür  ist  ebenfalls  die  Di- 
vision, das  Ergebnis  aber  in  jedem  Falle  eine  nnbenannte  Zahl.  Be- 
zeichnet man  ein  Parallelogramm  mitP,  seine  Grundlinie  mit  G  nad 
seine  Höhe  mit  H,  ein  Quadrat  mit  q  und  seine  Grundlinie  ==  seiner 

P  ('    A  G 

Höhe  mit  a,  so  ist  —  =  — - — ;  ist  nun  ferner  —  gleich  der  unbeniBR- 
q  a.cc  a 

H  P 

ten  Zahl  n  und  —  =  m ,  so  ist  —  =^  n .  m  oder  P  =  n .  m .  q ,  d.  li.  F 
«  q 

enthält  n.m  Quadrate  von  der  Gröszo  q.  In  dieser  Darstellung  liegt 
begründet  l)  weshalb  die  Ausmessung  der  Figuren  der  Lehre  von  ihrer 
Aehnlichkeit  nachfolgen  musz,  2)  dasz  das  iuconimensurnble  der  Geo- 
metrie arilhmetisch  einem  periodischen  Dücimalbrucho  und  nicht  einer 
Irrationalzahl  entspricht,  3)  dasz  man  ein  Quadrat  zur  Msszeinheit  der 
Flächen  nimmt,  nicht  also  weil  dasselbe  die  einfachste  Figur  ist,  denn 
das  i^t  Yielleieht  auch  ebenso  sehr  das  gleichseitige  Dreieck,  sondern 
weil  das  Quadrat  nur  die  Ausmessung  einer  Lungeneinheit  erfordert 
(Grundlinie  =  der  Höhe).  Will  man  dieser  Darstellung  dann  die  sinn- 
liche Anschauung  der  Zcrfällung  eines  Rechtecks  in  mehrere  Quadrate 
beifügen,  so  mag  das  geschehen:  verkehrt  aber  scheint  es  uns,  diese 
zum  Ausgangspunkte  zu  wühlen,  einmal  weil  dadurch  der  wirkliche 
Zusammenhang  getrübt  wird,  und  dann,  weil  die  sinnliche  Anschannog 
nicht  umfassend  genug  ist. 

Haben  wir  denn  kein  Wort  der  Anerkennung,  des  Lobes  für  das 
in  Uede  stehende  Werk?  können  wir  nur  tadeln,  wo  andere  schon 
vielleicht  laut  gerühmt  haben?  Wir  bitten,  wol  zu  bedenken,  cn  wel- 
chem Zwecke  unsere  kritischen  Bemerkuntren  zusammengestellt  wor- 
den; es  galt  einen  Beitrag  zu  liefern  für  die  Methode  des  matb.  Unter- 
riclils  an  Gymnasien^  nicht  direct,  sondern  indirect  durch  Kenntnis- 
nahme der  namhaftesten  Leistungen  in  diesem  Zweige  der  Schullitlera- 
tur.  Im  übrigen  gestehen  wir  gern  und  olfen,  nicht  allein,  dasx  die 
Planimetrie  der  Herren  Heis  und  Escliwciler  alle  ähnlichen  Leislungea, 
ähnlich  nach  Inhalt  und  Art  der  Darstellung,  überQüssig  gemacht  hat, 
sondern  auch,  dasz  dieselbe  selbst  bei  entgegengesetzten  Ansichten 
in  der  Hand  keines  Lehrers  oder  auch  begabteren  Schülers  fehlen  darf, 
und  nur  ungern  versagen  wir  es  uns ,  dieses  Lob  naher  zu  bcgrQnden. 
Doch  wir  müssen  dem  Ende  zuschreiten  und  unsern  Zweck  nicht  ans 
dem  Auge  verlieren. 

Orientieren  wir  uns  vorläufig.  Die  Leistungen  von  Koppe,  Heis 
und  Kschwciler  haben  mit  Euklid 'das  gemeinsam,  dasz  in  ihnen  die 
dogmatische  .Methode  fast  allein  berücksichtigt  worden,  und  dass  das 
arithmetische  Moment  in  der  Geometrie  nur  geduldet,  nicht  aber  als 
gleichberechtigt  anerkannt  ist;  sie  weichen  aber  von  den  Elementen 


Elementare  Geometrie.  440 

darin  ab ,  dasz  1)  das  System  darcli  Ziisammenstellong  der  Materien 
ihrem  Inhalte  nach  eine  naturg^emisze  Gestalt  gewonnen  hat,  dasz  2) 
die  den  Ausgang  bildenden  Erklärungen  eine  allgemeinere  Form  er- 
hallen ,  eine  Form,  die  auch  spatere  nolhwendige  Erweiterung  gestat« 
tet,  dasz  3)  die  heuristisch  -  praktische  Methode  wenigstens  in  etwas 
berücksichtigt  worden  und  dasz  endlich  4)  die  Darstellung  des  einzeln 
nen  eine  unendlich  bessere ,  praecisere  und  faszlichero  ist.  Und  jetzt 
zu  Nr.  4.  Gallenkamp^s  Elemente,  von  denen  hier  nur  der  geometri- 
sche Theil  in  Frage  steht,  sind  ebenfalls  schon  in  diesen  Jahrbüchern, 
und  zwar  durch  einen  ausgezeichneten  Mathematiker,  Schlömilch,  be- 
sprochen und  verdientermaszen  der  Berücksichtigung  empfohlen  worden. 
Ob  das  Buch  eine  weitere  Verbreitung  gefunden ,  wir  wissen  es  nicht, 
glauben  aber,  dasz  es  nicht  geschehen,  weil  es  allzusehr  gegen  her- 
gebrachte Vorurlheile  und  irrige  paedagogische  Ansichten  vorschrei- 
Ict,  und  weil  es  eine  Hingabe  von  Seiten  der  Lehrer  erfordert,  die  ihm 
die  meisten  nicht  widmen  wollen  oder  können.  Gallenkamp  gibt  auf 
172  Octavseiten  die  ganze  elementare  Geometrie  in  so  knapper  und 
praeciser  Darstellung,  in  einer  so  schön  heuristisch -fortschreitenden 
Weise  und  in  einem  nur  an  einzelnen  Stellen,  namentlich  aber  in  der 
Trigonometrie  das  gebührende  Masz  überschreitenden  Umfange,  dasz 
seine  Arbeit  in  vielen  Beziehungen  wirklich  mustergiltig  genannt  wer- 
den kann.  Das  Moment  der  Bewegung  ist  darin  nicht  allein  anerkannt, 
sondern  auch  in  sein  volles  Recht  eingesetzt,  Begriffe  und  Beweise  sind 
durchaus  nach  demselben  abgemessen ,  die  arithmetische  Methode  ist 
auch  in  die  Geometrie  grade  so  eingeführt,  wie  wir  es  oben  festge- 
stellt haben,  und  endlich  die  gesamte  Darstellung  der  Art,  dasz  der 
weiterstrebende  nach  der  Durcharbeitung  der  Gallenk.  Elemente  sofort 
höhern  Studien  sich  zuwenden  kann.  Ein  solches  Lehrbuch  mnsz  also 
wol  den  Bedürfnissen  unserer  Gymnasien  genügen?  Und  dennoch  Nein! 
Gallenkamp  hat  des  guten  zu  viel  gethan;  Anfang,  Mitte  und  Ende  sind 
bei  ihm  gleich  schwer,  die  Sprache  ist  überall  so  beschaffen,  wie  sie 
ein  an  strenges  denken  gewöhnter  Mensch  angemessen  erachten  musz, 
nicht  aber  ein  Schüler ,  der  durch  mathematischen  Unterricht  erst  zum 
strengen  denken  angeleitet  werden  soll.  Nimmt  man  hinzu,  dasz  die 
Entwerfnng  der  Figuren  meist  den  Schülern  überlassen  ist,  dasz  auch 
bei  Hauptlehrsatzen  die  Beweise  mehr  angedeutet  als  ausgeführt  sind, 
dasz  die  Folgerungen  aus  denselben  immer  zu  zahlreich  und  zu  sehr 
zusammengedrängt  werden,  so  wird  man  begreifen,  dasz  wir  auch 
dieses  Buch,  welches  uns  gewissermaszen  aus  dem  Herzen  geschrie- 
ben ist,  verwerfen  müssen,  da  wir  es  nur  für  die  oberste  Bildungs- 
stufe ,  nicht  aber  für  Tertia  nnd  Secunda  angemessen  erachten  können. 
Und  was  denn  nnn!  Die  Revue  ist  passiert,  und  dennoch  nur  ne- 
gative Resultate?  Nicht  doch;  wir  glauben  durch  unsere  Erörterungen 
ein  Lehrbuch  ermöglicht  zu  haben,  bei  dem  folgende  Gesichtspunkte 
maszgebcnd  sein  müssen:  l)  zwei  Theile,  von  denen  der  erste  nur  das 
unumgänglich  noth wendigste  enthalt,  ein  möglichst  knappes  System- 
der  Geometrie  in  henrislischer  Anordnnng  nnd  dogmatischer  Durch- 


^50  ÜtDry-  die  physische  Geographie  des  Meeres. 

rahrasf  f  der  andere  dagegen  die  Brweiterangen  dieses  SysleflM  der- 
gestalt,  dasx  der  gegenwärtige  Stand  der  Wissenschaft  dnrans  klar 
I^RUg  hervortrete.  2)  die  Eintheiliing  der  Geometrie  in  PlaniaMtria, 
Stereometrie  und  Trigonometrie  mass  aurgegeben  werden ,  aofgeBoa- 
«en  dagegen  sogar  in  den  ersten  Theil  dss  hanplsichlichsta  ■«•  der 
analytischen  Geometrie  der  Linie  and  des  Kreises.  3)  der  erste  Theil 
ist  in  einer  Sprache  abKufassen ,  die  anfänglich  klar,  ja  breit,  eich  all- 
mählich erst  zur  eleganten  Kurse  und  Praecision  emporarbeitet,  aad 
schlieszlich  im  zweiten  Theile  die  Farbe  annimmt,  welche  die  Galiaa- 
kamp\sche  Geometrie  auszeichnet.  4)  der  zweite  Theil  muss  aebeebei 
eine  hloszo  Aufgabensammlung  vollständig  ersetzen  könneo.  5)  dai 
Moment  der  Bewegung  findet  dnrchgehends  Anwendung  sowol  in  Br- 
klärungen  als  Beweisen  and  Constructionen. 

Attendorn.  J7.  Fahle. 


3«. 

Dfe  physische  OeograplUe  des  Meeres  van  M.  F.  Maurg^  Mari- 
nelieulevani  der  Ver.  Staaten ,  deutsch  bearbeitei  üom  Dr.  C. 
Böttger^  Professor  am  Gymnasium  zu  Dessau.  Leipiig,  bei 
Gustav  Meyer.   1856. 

Vorliegendes  Werk  erweckt  unser  Interesse  schon  durch  deolb- 
men  seines  Verfassei-s,  in  welchem  uns  eine  Bürgschafl  dafür  liafti 
dasz  wir  Hher  den  Kreis  des  gewöhnlichen  werden  hinausgeffibrl  wer- 
dtm.  Wir  sehen  in  Maury  die  Kigonschartcn  vereinigt,  welche  eias 
befriedigende  Lösung  der  grstelllon  Aufgabe  hoifen  lassen.  lUory  hil 
selbst  fleiszig  beobachtet  und  ist  mit  dem  iMeerc  wolvertraal)  ea  ala- 
beu  ihm  in  seiner  jetzigen  Stellung  zahlreiche  systematisch  angestellla 
Heohacbtunfren  vieler  Seefahrer  zu  Gebote,  und  seine  frühern  Sokrif- 
teu  liefern  den  Beweis,  dasz  er  die  Thatsnchen  wissenschaftlich  la 
durchdringen  und  aus  den  Beobachtungen  das  Gesetz  berzuleitoa  far- 
niag.  Da  von  seinen  Werken  die  physische  Geographie  das  erste  ist, 
Avelches  eine  deutsche  Bearbeitung  erfahren  hat,  und  da  vor  weaigea 
Jahren  der  Ruf  seiner  Leislnngcn  fast  alle  Zeitnngeu  dnrchwaadcffto, 
so  m«)ffen  einige  Notizen  ilber  sein  Leben,  die  wir  Dnyckiacks^  Gy- 
elopaedia  entnehmen,  hier  ihre  Stelle  finden. 

.  Maury  (Matthew  Fontaine)  wnrde  in  der  Grafschaft  SchotteylvaHS 
in  Virginien  am  14.  Jan.  1806  geboren.  Der  Bischof  Olay,  der  aeiae 
Geistesiraben  früh  erkannte,  nahm  sich  in  Tonnessee,  wohin  seine  El- 
tern gezogen  waren ,  des  Knuben  väterlich  an.  1824  kam  er  ala  Mid- 
shipman  an  Bord  des  ^  Brandy wine'  und  segelte  mit  General  Lafayette 
nach  Frankreich.  Anf  seiner  Rückkehr  fuhr  er  mit  dieser  Freg^atle  bis 
in  den  stillen  Ocean,  gieng  dsnn  auf  den  ^Yincennes^  über  und  vollen- 


Maary:  die  physitebe  Geogripkie  def  Meeref.  451 

dele  aof  diesem  Schiffe  ieine  WeUnmsegUng.  NeeMier  eegelle  er  in 
höherer  Charge  noehmals  in  den  atillen  Ocean  und  wurde  als  Lieute- 
nant anf  den  ^Potomac'  versetzt.  Er  studierte  auf  demselben  in  seinen 
Muazestnnden  eifrigst  Mathematik  und  swar  vorzugsweise  ans  spani- 
sehen  Bachern.  Er  schrieb  ebenfalls  auf  dem  Potomac  ein  treffliches 
Werk  aber  Navigation,  das  1835  herauskam.  In  demselben  Jahre  wurde 
er  zum  Astronomen  bei  der  Expedition  zur  Erforschung  der  Sadsee 
ernannt.  1839  schrieb  er  far  den  Southern  Literary  Messenger  einen 
Artikel  über  einen  Plan  zur  Reorganisation  des  sOdlichen  Handels  und 
theilte  schon  in  demselben  Jahre  viele  Beobachtungen  Ober  den  Golfstrom 
und  verwandtes  mit.  ImOctober  1839  hatte  er  auf  einer  Reise  durch  Ohio 
das  Unglack ,  beim  umwerfen  der  Postkutsche  den  Fusz  zu  brechen. 
Er  zog  sich  von  der  Ezploring  Expedition  zurück  und  erhielt  den  Auf- 
trag, die  dem  Gouvernement  gehörigen  Bücher  und  Karten  zu  ordnen. 
So  entstand  das  Nationalobservatorium  und  das  hydrographbche  Amt, 
welches  jetzt  (1856)  den  Titel  Naval-Observatorium  erhalten  hat.  Maury 
steht  an  der  Spitze  dieses  wissenschaftlichen  Instituts  nnd  ist  die  Seele 
desselben.  1842  schlug  er  zuerst  einen  Plan  für  ein  System  gleichför- 
miger Beobachtungen  der  Winde  und  Strömungen  vor.  Bald  darauf  er- 
schienen seine  werthvollen  Karten  nnd  Anweisungen  für  SegelschifT- 
fahrt  (Sailings-Directions).  1853  gieng  er  zur  Conferenz  nach  Brüssel 
(die  auch  in  der  physischen  Geographie  erwähnt  wird).  Die  Geogra- 
phie selbst  erschien  1855.  Neben  seinen  angefahrten  Werken  hat  er 
viele  kleinere  Aufsitze  verfaszt. 

Diese  wenigen  Andeutungen  werden  genügen ,  um  das  günstige 
Vorurtheil  zu  rechtfertigen,  mit  dem  wir  Maury^s  physische  Geogra- 
phie zur  Hand  nehmen.  Ein  besonderes  Gewicht  können  wir  noch  anf 
seine  jetzige  Stellung  legen ,  da  hierdurch  die  Glaubwürdigkeit  der 
angefahrten  Tbatsacben  ziemlich  gesichert  erscheint. 

Der  Gesamteindruck  des  Buches  ist  befriedigend.  Wir  finden  ein 
reiches  Material,  eine  Obersiehtliche  Anordnung  desselben,  und  eine  in 
den  Hauptsachen  haltbare  Theorie  der  angeführten  Thatsachen.  Wenn 
auch  manche  Hypothese  etwras  gewagt  erscheint ,  so  führt  sie  wenig- 
stens zu  keinem  Widerspruch. 

Htury  bezeichnet  sein  Werk  als  einzelne  Blilter  aus  dem  Buche, 
welches  die  physische  Geographie  des  Meeres  dereinst  vor  uns  auf- 
schlagen wird.  Wir  können  es  betrachten  als  eine  in  sich  abgerundete 
Bearbeitung  eines,  and  zwar  des  wichtigsten  Theils  jener  Wissenschaft, 
Demllek  der  Lehre  von  den  Strömungen  in  Lnft  und  Wasser.  Es  ist 
dies  der  Mittelpunkt  des  ganzen  Werkes,  um  den  sich  freilich  vieles 
andere  hernmreiht,  aber  seine  Bedeutung  vorzugsweise  durch  seine 
Beziehung  zu  jenem  Mittelpunkte  erhalt.  Indem  Maury  zunächst  das 
Vorhandensein  der  grossen  Strömungen  bespricht,  entwickelt  er  darauf 
die  einem  bestimmten  Gesetze  unterworfenen  Veränderungen  derselben 
in  Ort  nnd  Stärke,  weist  die  Ursachen  derselben  nach  und  knüpft 
hieran  Untersuchungen  über  Verdampfung,  Salzgehalt,  Tiefe  des  Meer- 
wassers, Form  der  Küsten,  Einflusz  der  Gebirge  auf  Wind  und  Regen, 


452    '        Mtnry :  die  physische  Geogr«phie  des  Meeres. 

Thäligkeit  der  KorallenUiiere  a.  a*  Die  Kapitel  über  die  Meeresströ- 
mungen (obern  und  untern),  sind  mit  groszer  Ausführlichkeit  behandelt 
und  bieten  viel  neues;  in  nicht  gleichem  Masze  ist  das  der  Fall  mit  den 
Luftströmungen,  unter  denen  z.  B.  die  Wirbelwinde  etwas  fragmenta- 
risch besprochen  sind;  dasz  lelztere  Kapitel  einen  schwächern  Ein- 
druck machen,  wie  die  erstem  über  Meeresströmungen,  ist  indes  leicht 
erklärlich,  da  es  nicht  leicht  einen  SchrifUteller>geben  mag,  der  den 
Vergleich  mit  Dove  aushält.  Der  Versuch,  einen  Zusammenbang  zwi- 
schen der  Circulation  der  Atmosphaere  und  dem  Magnetismus  nachzu- 
weisen, kann  zwar  nicht  als  misglückt  betrachten  werden,  aber  eben- 
sowenig als  gelungen. 

An  obige  Untersuchungen  knüpfen  sich  nun  zahlreiche  Betrach- 
tangen über  den  Einflusz  und  die  Bedeulung  jeder  Erscheinung  sowol 
für  die  Harmonie  der  Natur,  wie  für  Leben  und  Treiben  der  Menschen. 
Der  grosze  Einflusz  der  Strömungen  auf  die  SchilTfahrt  wird  erläutert 
durch  mancherlei  Erzählungen.  Die  Verbesserung  der  Strömungskar- 
ien,  Maury^s  Werk,  macht  es  möglich,  zu  jeder  Jahreszeit  den  Schif- 
fen den  noihwendigsten  Weg  vorzeichnen  zu  können,  und  verschaffte 
Maury  den  Triumph,  den  wahrscheinlichen  Ort  eines  auf  dem  Meere 
iimhertreibenden  Wracks  mit  ziemlicher  Genauigkeit  bestimmt  zu  ha- 
ben. —  Mit  besonderer  Vorliebe  jedoch  bespricht  Maury  die  Beziehnng 
des  einzelnen  zum  ganzen,  der  gesonderten  Thatsache  zur  gesamten 
Schöpfung.  Wir  erfahren,  wie  das  Klima,  der  Regen,  die  Vegetation 
des  einen  Landes  abhängig  sein  können  von  Ursachen,  die  in  weit  ent- 
fernten Gegenden  zu  suchen  sind,  wie  auch  das  kleinste  seine  bestimmte 
Aufgabe  zu  lösen  hat,  wie  alles,  was  ist,  auch  gut  ist.  Maury  wird 
dabei  geleitet  von  einem  tief  religiösen  Sinne,  dem  aus  dem  wachsen- 
den Verständnis  der  Natur  eine  immer  wachsende  Ehrfurcht  vor  dean 
Schöpfer  ersteht,  und  er  legt  auch  von  dieser  Gesinnung  ein  lantes 
Zeugnis  ab.  Dasz  der  Uebersetzcr  Stellen  dieser  Art ,  in  denen  Mau- 
ry^s  religiöses  Gefühl  sich  ausspricht,  unverändert  beibehalten  hat, 
und  nicht  eine  sogenannte  Purißcation  hat  eintreten  lassen ,  sollte  sich 
zwar  von  selbst  verstehen ,  musz  aber  in  jetziger  Zeit  ausdrücklich 
hervorgehoben  werden. 

Die  Uebersetzung  ist  keine  wörtliche,  und  mehrmals  sind  weit- 
läufige, für  das  gebildete  deutsche  Publicum  ziemlich  unerquickliche 
und  uonöthige  Erörterungen  bedeutend  abgekürzt;  die  Gedanken  gibt 
sie  klar  und  in  angemessener  Sprache  wieder.  Das  äuszere  ist  gefäl- 
lig, Druck  und  Figuren  sind  scharf,  Druckfehler  sind  vermieden.    * 

Farchini.  Dr.  H,  Gerlach. 


Aaszüge  aus  ZeitsohrifleB.  453 

Auszüge  aus  Zeiischriflen. 


Zeitschrift  für  d.  Gymnanalwesen.  Her.  f>.J.  Mütiell,  Xr  Jahrg. 
1856  [vgl.  oben  S.  96—99]. 

Jakuarheft.  Rinne  in  Zeitz:  der  deotsche  Sprachunterricht  auf 
Gymnasien  als  der  natürliche  Vermittler  der  klassisch -antiken  und  der 
christlich-modernen  Bildungselemente  {8.1 — 27:  sehr  philosophisch  ge- 
gebener Beweis,  dasz  der  deutsche  Unterricht  dazu  geeignet  sei  und 
wie  er  deshalb  eingerichtet  werden  müsse).  —7  Campe:  zur  Charakte- 
ristik der  falschen  Philologie  (S.  27 — 38:  schärfe  Beleuchtung  der  Ton 
Y.  La  sau  Ix  gesammelt  herausgegebenen  Schriften,  um  die  Gefahr  za 
zeigen,  welche  -von  dieser  ganz  unwissenschaftlichen  Richtung  drohe).  — 
Programme  der  gel.  Schulen  des  Königr.  Hannover.  V.  Schmidt  in 
Göttingen  (S.  39  — 4S:  besprochen  die  Programne  aus  dem  J.  1854  von 
Hildesheim,  Lingen  [Nöldeke:  quaestionum  philolog.  spicileg.  II L 
Meppen,  aus  dem  J.  1855  von  Celle,  Clausthal  [Buchholz:  emendd. 
Sophocl.  spec.  ]],  Kmden,  GÖttingen,  Hannover  höh.  Bfirgersch.,  Hil- 
desbeim,  Leer,  Lingen  [Reib stein:  Iphigenie  in  Tauris],  Lüneburg, 
Osnabrück  [Stnve:  paedagogische  Studien,  den  Gesangunterriclit  auf 
Gymn.  betreifend],  Osterode,  Stade).  —  Thüringische  Programme  aus 
dem  J.  1855.  Ang«  von  Hartmann  und  Irmisch  (S.  43 — 48:  Arn- 
stadt Hailersleben:  zur  Geschichte  des  patriot.  Lieds;  Coburg 
Forberg:  zur  Erklärung  des  Thucyd.  III;  Gotha;  Rudolstadt  KIuss- 
mann:  Proben  einer  Uebersetzung  des  Ovid*tichen  Festkalenders ;  Son- 
dershausen). —  Radefeld:  Beitrage  zur  Geschichte  des  Seminarwe- 
sens. I.  Ang.  von  Schiller  in  Ansbach  (S.  48  —  50).  *^  Das  höhere 
Schulwesen  des  Königreichs  Hannover  seit  seiner  Organisation  1830. 
Von  einem  hannoverschen  Schulmann  (S.  50 — 62:  ausfuhrliches  Refe- 
rat). —  Horatius  Satiren  und  Episteln.  Mit  metr.  Uebersetzung  von 
Strodtmann.  Ang.  von  Lübker  (S.  62— 64:  sehr  anerkennend). — 
Mushacke:  preusz.  Schulkalender  für  1856.  Ang.  von  Mützell  (S. 
64).  —  Rundschreiben  des  k.  Oberschulcollegium  in  Hannover  vom  24. 
Septbr.  1855  (S.  65  f. ).  —  Lübker:  epiatola  gratulatoria  ad  K öl- 
st er  um  (S.  67  —  72:  Erörterungen  über  Horat.  Od.  I  35  und  IV  5, 
Soph.  O.  C.  854,  O.  R.  211  f.  und  216  ff.).  —  B.  in  E.:  zum  Pensions- 
reglement (S.  72:  über  die  Verhältnisse  der  Anstalten,  die  keinen  zur 
Zahlung  der  Pension  verpflichteten  Patron  haben).  —  Heiland:  zur 
Gyronasialfrage  (S.  73—86:  sehr  tüchtige  Darstellung  der  auf  dem  Ge- 
biete sich  kundgebenden  Bestrebungen  und  höchst  beherzigenswerthe 
Vorschläge  zu  deren  Verwirklichung).  —  Gottschick:  über  die  Be- 
nutzung von  Vocabularien  zum  selbständigen  Vocabellernen  (S.  86 — 91 1 
der  Zweck  könne  durch  eine  zweckmäszige  Leitung  bei  der  Praepara- 
tion  und  Leetüre  erreicht  werden).  —  Sausse:  der  Unterricht  in  der 
Mathematik  auf  den  westfälischen  Gymnasien  (S.  92 — 108:  scharfe  und 
eifrige  Kritik  der  im  Snpplementh.  1853  S.  195—99  enthaltenen  auf  der 
westfälischen  Directorenconferens  vorgekommenen  Aeuszerungen).  — 
Ladewig:  über  Verg.  Aen.  II  533  f.  (S.  108:  Abweisung  der  von 
Häckermann  gegebenen  Erklärung).  —  Uebersicht  über  die  Maturitäts- 
examina  im  preusz.  Staate  1854  (S.  109  f.).  —  Schweminski:  noch 
ein  Wort  über  die  statistischen  Notizen  im  Juli-  und  Angnstheft  des 
vorigen  Jahrgangs  (S.  110  f.).  —  Personalnotizen  (S.  lli  f.).  =  Februar- 
heft. L.  Giesebrecht  in  Stettin:  der  deutsche  AufsaU  in  Prima 
(S.  113— 152:  krit.  Geschichte  der  Gestaltangen ,  welche  der  gen.  Un- 

rf.  Jahrb.  f.  Phü,  u.  Paed.  VJ.  LXXI V.  Hft.  9.  32 


454  AMciffe  ««s  tnMknheM. 

ierricht  in  Pretttse«  seit  dea  Eade  d«B  17ii  Jahi^vaderta  dardigeKadity 
zuletzt  Darstellung  des  ia  Siettia  uUicIieB  Verfahrens,  am  Schinase 
jedes  Halbjahrs  ein  ResUA^  zu  fordern).  —  Programme  der  ProTiiis 
Sachsen  18j4— 55.  Von  Jordan  (8  153—162:  ansfährlich  wird  re- 
feriert über  Ellendt:  auch  eine  Stimme  über  das,  was  den  Gymna- 
sien noth  thut;  Heoze:  über  persoaificiereade  adjectiTa  «ad  cpltheia 
bei  griechischen  Dichtern,  iasbesond.  bei  Pindar,  Aesch.,  Sopk.;  Tb. 
Arnold:  über  die  griech.  Studien  des  Horaz  I;  Schmidt:  de  über- 
tmie  orati^nU  SaphmcUae  l;  Osterwald:  Rede  ober  die  Endciian^ 
6mw  Jagend  zum  Patriotismus;  Theiss:  de  pr^verhio  Tavralov  xa- 
luvta\  Schulze:  etymologische  Versuche;  Härtung:  UebcrsetaBag 
aiaiger  Idyllen  Theokrtts;  Heiland:  Aatrittsrede  nnd  metrische  Be- 
obachtungen; Klein  schmidi:  der  Unterricht  im  griech.  kaaa  bei  wö- 
chentlich 8  Stunden  in  IIP  mit  Anabasis  und  Odyssee  begonnen  wer- 
den). —  Holleaberg:  Hilfsbach  für  den  eTaagelischen  Religioasnnter- 
rieht.  Ang.  von  Klix  (8.  163—181:  sehr  eingehende,  auch  die  nbrigea 
gleichartigen  litterarischen  Erscheinungen  berücksichtigende  Anzeige). 
—  Niemeyer:  Lessings  Nathan  der  Weise.  Ang.  von  E.  Kopke 
(S.  181 — 189:  auszer  manchem  anderem  wird  besonders  die  Auffaasan^ 
der  Grundidee  bekämpft,  sodann  gezeigt,  dasz  das  'dramatische  Ge- 
dicht' keine  Lecture  für  Gymnasien  sein  könne).  —  Lubker:  die  so- 
phokleische  Theologie  und  Ethik  IL  Ang.  Ton  Enger  (S.  189--195: 
sehr  anerkennende  Beurtheilung).  —  Verordnungen  und  Personalnoti- 
zen (S.  196—208).  =  MÄRZHEFT.  Kohlrausch:  zur  ReTision  dea 
Lehrplans  der  höheren  Schulen  (8.  209  — !258:  in  Bezug  auf  Land fer- 
manns  Aufsatz  im  Octoberheft  des  vorigen  Jahrgangs.  Tiefe,  aus  rei- 
cher Erfahrung  und  objectiver  Anschauung  geschöpfte,  den  «\ahren  Be- 
durfnissen Rechnung  tragende,  die  Freiheit  und  Bewegung  ohne  Auf- 
gabe und  Beeinträchtigung  des  nothwendigen  gewahrende  Vorschlage 
für  reine  Gymnasien,  fär  solche,  welche  auch  für  nichtstudierende  mit 
sorgen  müssen,  und  für  die  Maturitätsprüfungen.  Am  Schlüsse  werden 
die  neuen  fireuszischen  Verordnungen  besprochen  und  nur  wegen  Aus- 
•chlieszung  des  englischen,  zu  groszer  Zurückstellung  der  Natarwissea- 
schaften  und  zu  groszer  Zahl  der  schriftlichen  Abitarientenarbeiten  ei- 
niger Widerspruch  erhoben).  —  Programme  der  Provinz  Posen  1855. 
Ang.  von  Schweminski  (S.  259  —  265:  tadelnd  werden  besonders 
L o m  n  i t z e r :  Beitrage  zur  Schnlerziehnng.  Bromberg,  n.  Brennecke: 
Schiilnachrichten  von  der  Realschule  in  Posen  angegriffen).  —  Rott: 
griechisches  Vocabularium.  Ang.  Ton  Liebig  (S.  265 — 269:  der  Ref. 
ist  gegen  den  Gebrauch  eines  solchen  Buchs,  findet  aber  an  dem  Tor* 
liegenden  neben  einzelnen  Aasstellungen  Vorzuge).  —  Plato's  Apologie 
und  Kriton.  M.  Anm.  von  Ludwig.  Ang.  von  Hartmann  (S.  W^ 
— 271:  gelobt;  einzelne  Bemerkungen).  —  Schmidt:  Elementarbuch 
der  lateinischen  Sprache.  2e  Aufl.  Ang.  von  dems.  (S.  272:  gelobtX 
—>  Brandes:  Ausflug  nach  England.  Ang.  von  Hol  seh  er  (8.272  f.; 
empfohlen).  —  Funkhänel:  zwei  Stimmen  über  das  Gyrenasialweaeii 
der  neueren  Zeit  (8.  274 — 276:  Mittheilungen  aus  Briefen  von  G.  Her- 
mann  und  Fr.  Jacobs). —  Häckermann:  zu  Vergil.  (8.  277 :  Aea. 
II  601  f.  wird  tibi  zu  eulpatua  bezogen).  —  Herodotus  ed.  Bahr.  Von  V 
(S.  278:  Nachweis  einiger  Druckfehler  im  Texte).  —  Nekrolog  dea 
verst.  Schulrath  G  ieseh  recht.  Von  A[dler]  in  C[öslin]  (8.  279—287: 
sehr  liebevoll  warme,  den  Stempel  der  Wahrheit  tragende  Charakte- 
ristik). —  Aus  Mecklenburg  (8.287:  Schnlnachrichten  vom  Schweriaer 
Gymnasium).  —  Persunalnotizen  (S.  288).  =  April-  und  Maiheft. 
Programme  des  poromerschen  Gymnasium  von  I8ö6.  Von  Lehnaan 
IS.  289—^1:  Auszuge  aui  SpÖrer:  über  den  mathem.  Unterricht  am 
Gymn.  Anclam,   Heu  nicke:   de  Ranarum  j4risioph,  indole  et  prapa- 


Auszüge  aas  ZeitschriAeiu  455 

nto.  Coslin ,  C  a  m  p  e :  quae$tt.  PoMian.  p.  11.  Greiffenberg;;  Lehmann: 
de  A,  Persii  saU  V.  Greifswald ,  Koch:  em.  Cieeronii  epütolar,  Putt- 
bus, Knick:  Homer  und  feine  Gedichte.  Neustettin,  Tetschke:  Ein- 
leitung zu  Shakespeare's  Caesar.  Stralsund,  sodann  Mittheilungen  am 
den  Schttlnachrichten,  zuletzt  Zusammenstellungen  über  den  Religions- 
und Geschichtsunterricht).  —  R.  v.  Raumer:  über  deutsche  Recht- 
schreibung. Ang.  Ton  Stier  (S.  301 — 319:  das  Verdienst  die  Prinei- 
pien  klar  entwickelt  zu  haben  wird  anerkannt,  gegen  einzelnes  aber, 
namentlich  wegen  ^  und  ff,  und  wegen  des  Dehnungs-h,  Widerspruch 
erhoben).  —  Homers  Gresänge,  Terdeutacht  von  J.  Minckwitz  I  und 
Homers  Ilias.  Erkl.  von  Fäsi.  2e  Aufl.  I.  Ang.  von  Enger  (S.3I9 
— 331:  Ref.  spricht  sich  gegen  den  Versuch  den  Homer  in  Prosa  za 
übersetzen  aus ,  läszt  aber  dem  Streben  des  Hrn  Minckwitz  einige  Ge- 
rechtigkeit widerfahren.  Die  "von  Fäsi  in  der  neuen  Aufl.  vorgenomme- 
nen Veränderungen  werden  aufgeführt  und  mit  einigen  Bemerkungen 
begleitet).  —  Aeschylus  Agamemnon  mit  Anm.  von  Enger.  Ang.  von 
M.  Schmidt  (S.  332  —  337:  Ref.  verwirft  die  Leetüre  des  Aeschylus 
in  den  Gymnasien,  erkennt  aber  die  Engersche  Leistung  vollständig  an 
und  gibt  einige  kritische  Bemerkungen).  —  Aeschyli  Agamemnon,  ed. 
S.  Karsten.  Ang.  von  dems.  (S.  338 — 346:  zwar  wird  manches  gnt 
gebeiszen,  aber  der  Kritik  zu  grosze  Verwegenheit  im  coniicieren,  Man- 
gel an  wohlerwogener  Auslegung  und  Unbekanntschaft  mit  den  Leistnn- 
gen  in  Deutschland  vorgeworfen).  —  Horatins  Satiren.  Von  Kirch- 
ner II  1.  Ang.  von  Supfle  (S.  346— 349:  sehr  gelobt,  einzelne  Ge- 
genbemerkungen). —  Kubier:  Vocabularium  für  den  griech.  Elemen- 
tarunterricht. Ang.  von  Liebig  (S.  350 — 353:  nachdem  sich  Ref.  ge- 
gen den  Gebrauch  eines  solchen  Buches  erklärt  hat,  macht  er  auch 
an  dem  vorliegenden  selbst  einige  Ausstellungen).  —  Onomasticon  tri- 
gloäsum.  Malchin  1855.  Bespr.  von  Haus  er  (ß,  353—378:^  von  der 
Besprechung,  wie  das  onomasticon  eingerichtet  sei,  wird  zu  einer  Beur- 
theilong  der  Bücher  von  Bischoff,  Wiggert,  Meiring,  DÖderlein,  Herold 
und  der  eigenen  elementa  latinitatis  fortgeschritten  und  unter  heftigen 
Entgegnungen  gegen  den  Reo.  in  diesen  Jahrbb.  Schmidt  eine  Verthei- 
digung  der  dabei  befolgten  Grundsätze  gegeben.  Im  Juniheft  S.  520 
findet  Hr.  Schmidt  eine  Entgegnung  wegen  des  Tones  unrathsam  und 
unnothig).  —  Hantz:  die  erste  reform.  Gelehrtenschule,  das  Paeda- 
gog.  in  Heidelberg.  Ang.  von  v.  Reichlin-Meldegg  (S.  378-381: 
sehr  gelobt). —  Hudemann:  zur  Gymnasialreform.  Ang.  von  Braun- 
bär d  (S.  381 — 386:  unter  einzelnen  Bemerkungen  viel  Lob.  Nach- 
schrift über  d.  preuszische  Verordnung,  d.  Abiturientenexamen  betref- 
fend). —  Suckow:  d.  wissenschaftl.  u.  künstlerische  Form  d.  plato- 
nischen Schriften.  Ang.  von  Deaschle  (6.  386 — 414t  eingehende  und 
sorgfältige  Begründung  des  schon  anderwärts  ausgesprochenen  durch- 
aus verwerfenden  Urtheils).  —  Ewald:  Lehrbuch  d.  hebr.  Sprache. 
6e  Ausg.  u.  hebr.  Sprachlehre.  6e  Ausg.  Ang.  von  H  in  B  (S.  414  f.: 
über  d.  neue  Auflage  wird  berichtet).  —  Fortsetzung  d.  Streites  zw. 
Heinichen  u.  Kuhnast  (S.  415  f.).  —  Verordnung  d.  kon.  preusz. 
Minist,  üb.  d.  Vokabellernen  v.  10.  Apr.  (S.  416  f.).  —  Buddeberg: 
über  Schülerbibliotheken  (8.  419  —  422:  veranlaszt  durch  eine  Aensze- 
rung  Heilands  im  Januarheft,  ref.  Hr.  B.  über  Hülsmanns  PrOgr.  i 
die  Einrichtung  von  Schülerbibliotheken.  Duisburg  1855  a.  Heinens 
Abhandlung  im  Mus.  des  rhein.  Schnlmännervereins  IV  4  8.  373  ff.)- 
—  Stier:  deutsche  Litteratnr  auf  dänischen  Schulen  (S.  423  f.:  Be* 
rieht  über  das  Programm  von  Christianshafen:  deutsche  Gedichte  als 
Grundlage  für  d.  Unterricht  in  d.  deutsch.  Litt.).  —  Groszherzogthum 
Hessen.  Von  — n.  (S.  425—4*28:  Bericht  üb.  d.  Gymnasien).  —  Dia 
Hrabannsfeier  in  Fulda  (S.  428  f.).  —  Vermischtes  o.  Personalnotizen 

32* 


456  AasxDge  aus  Zeitschriften. 

(S.  429  —  432).  =  JüNiHEFT.  Schmidt  in  Schweidnitz:  üb.  einige 
Mängel  in  d.  Vorbereitung  far  d.  Lehrerberuf  an  gelehrten  SchuicQ 
(8.  4.^3 — 441:  gefordert  werden  auf  d.  Universität  Vorträge  üb.  Pae- 
dagogik ,  praktische  Unterweisung  in  Vorträgen  für  d.  Lehrfach,  6wo- 
chentl.  auscultieren,  und  fortgesetztes  hospitieren).  —  Ders.:  d.  Gre- 
schichte  d.  Entwicklung  d.  christl.  Kirche  als  Lehrgegenstand  in  erang. 
Gymnasien  (S.  441 — 449:  es  soll  für  d.  Kirchengeschichte  keine  beson^ 
dere  Lection  angesetzt,  sondern  der  Stoff  dem  Geschichtsunterrichte 
zugewiesen,  von  dem  Religionslehrer  aber  nur  d.  Gründung  u.  d.  Re- 
formation d.  Kirche  ausführlicher  behandelt  werden).  —  Thüringische 
Programme  ▼.  J.  I8ä5.  Ang.  von  Hartmann  und  Irmisch  (S.  450 
— *52:  referiert  wird  über  Zeysz:  Versuch  einer  Geschichte  d.  Pflan- 
zenwanderung.  Gotha,  Realgymn.  und  Brets  chneid  er :  d.  drei  Sy- 
steme der  deutschen  Grammatik.  Gera).  —  Programme  a.  d.  Provinz 
Westfalen  v.  J.  1853.  Ang.  von  Hölscher  (S.  452— 459:  ausführlicher 
wird  berichtet  über  HÖgg:  de  ironicin  quibuadam  Horatii  carminibtM, 
Arnsberg.  Huppe:  annotationea  ad  Taeiti  Germaniam,  Coesfeld,  T r  o s  z : 
ayriibolae  eriticae  in  Caaaiodori  Variarum  libros  FI  priores,  Hamm, 
Middendorf:  üb.  d.  Philaenensage.  Münster,  Micus:  Martin  Opits 
vun  Boberfeld.  Paderborn,  Strothmann:  Krkläning  d.  bibl.  Schö- 
pfungsgeschichte. Recklingshausen,  Langen siepen:  Vorlage  d.  Fie- 
xionslehre  einer  lateinischen  Grammatik  für  d.  praktischen  Unterricht. 
Siegen).  —  Horkei:  d.  Holzkämmerer  Theodor  Gehr  u.  d.  Anfange 
d.  Friedrichs-collegiums  in  Königsberg  in  Pr.  Ang.  von  Klix  (S.  459 
— 465:  gelobt  unter  Mittheilung  eines  ausfuhrlichen  Referats).  — 
Haacke:  Proben  eines  Lehrbuchs  für  d.  philosophischen  Unterricht  in 
Gymnasien  u.  Gockel:  encyclopaedische  Ginleitung  in  d.  Philosophie. 
Ang.  von  George  (S.  466—469:  an  beiden  Verfassern  wird  das  stre- 
ben und  die  Leistung  anerkannt,  doch  ein  hinausgehn  üb.  d.  Zweck 
d.  Qymnasiums,  den  Haacke  schärfer  und  richtiger  erkannt,  bemerkt). 

—  Kannegieszer:  d.  deutsche  Redner.  Ang.  von  Aszmann  (S.  470 

—  473:  sehr  gelobt,  doch  werden  gegen  d.  paedagogische  Brauchbarkeit 
Bedenken  erhoben).  —  Rosenkranz:  d.  Poesie  u.  ihre  Geschichte. 
Ang.  von  Rinne  in  Zeitz  (S.  473  —  486:  ausführliche  Darlegung  des 
Inhalts ;  als  Mangel  wird  die  falsche  Auffassung  des  Christentboms  g€s- 
rügt).  —  Thiersch:  Grammatik  d.  griech.  Spr.  4e  Aufl.  Ang.  ▼on 
Gottschick  (S.  486—493:  trotz  vieler  Ausstellungen  u.  BemerkongeD 
doch  sehr  anerkennende  Beortheilnng).  —  Grosz:  griech.  Laut-  und 
Formenlehre.  Ang.  von  dems.  (S.  494:  gelobt).  —  Enripide«  ausge- 
wählte Tragoedien.  Erkl.  von  Schöne.  2te8  Bdchen  Medea.  Ang.  ▼• 
A.  Nauck  (S  494—510:  sehr  eingehende  wissenschaftlich -kritische 
Anzeige).  —  Fromm:  Scbuigrammatik  d.  lat.  Spr.  Ang.  von  V^T ag- 
ner (S.  511:  d  Kintheilung  gemisbilligt.  sonst  aber  das  Buch  sehr  ge- 
lobt). —  Schiller:  Regeln  aus  d.  lat.  Syntax.  Ang.  von  Liebig  (8- 
510-516:  der  Abhandlung  wird  Verbreitung  gewünscht).  —  Biliroth* 
Kilendt-Sey  ffert:  lat.  Grammatik  für  d.  unteren  Klassen.  Ang.  r. 
dems.  (8.  516 — 520:  nicht  eben  gelobt).  —  Meineke:  zu  Alcaeus  (S. 
521  f.:  Hephaest.  p.  84  ed.  Gaisf.  wird  eine  Strophe  erkannt  n.  emen- 
diert  —  tov  'iiOQvq)atg  iv  ängatg  Mccia  Ysvvai  reo  Kqovi^ay  MaMa  — 
tav  ßaaikrici).  —  Pf  äff:  zu  Jacobs  (lat.)  Elementarbuch  (ä.  522  f.:  Aaa- 
stellungen  am  sachlichen  Inhalte,  namentl.  d.  Abschnitt  über  Läoder- 
u.  Völkerkunde).  —  Uebersicht  der  in  Hannover  an  d.  Gyran.  vorge- 
kommenen Personalveränderungen  (S.  524  f.).  —  Apologetische  Apho^ 
rismen  in  Sachen  d  katholischen  Gymnasien  Schlesiens  (S.  525 — 527: 
Protestation  gegen  die  von  einem  kathol.  Untversitätsprofessor  d.  Theo- 
logie erhobenen  Anklagen,  es  kämen  die  Schüler  zu  unreif  und  nament- 
lich zu   unfertig  im   latein.   zur   Universität).    —    Personalnotisen  (S. 


Auszöge  aus  Zeitschriften.  457 

528).  =  Juliheft.  R.  v.  Räumer:  d.  deutoche  Unterricht  in  Gym- 
nasien (S.  529—^38:  Vertheidigung  der  von  dem  Hm  Verf.  aufgestell- 
tt^n  Ansichten  gegen  L.  Gicsebrechts  Angriffe  im  Februarh.  Auf  dem 
Umschlage  des  Heftes  sucht  d.  letztere  den  Angriff  aaf  Hm  ▼.  R.  zu> 
ruckzuschieben).  —  Kuhnast:  welcher  Auffassung  der  Aufgabe  unserer 
Gymnasien  treten  die  Bestimmungen  des  k.  Ministeriums  v.  7.  u.  12. 
Jan.  d.  J.  entgegen?  (8.038 — 649:  einem  einseitigen  didaktischen  Ma> 
ierialismus,  aber  auch  einem  einseitigen  Formalismus;  dagegen  wird 
der  Realismus  und  für  ihn  die  Krweckung  der  Liebe  für  d.  klassischen 
Studien,  die  möglichste  Concentration  auf  sie  und  die  überwiegende 
Berucksicbtignng  des  Inhalts  des  Alterthums  gefordert;  damit  ist  ein 
Appei  an  d.  Tüchtigkeit  des  Gymnasial lehrerstandes  gegeben).  —  Pro- 
gramme der  kathoi.  Gymnasien  Schlesiens  1854 — 65.  Ang.  von  Hoff> 
mann  (S.  650—664:  Auszuge  aus  Schober:  adnotationea  ad  duos 
lloratii  loco9,  Glatz,  Rott:  die  Atmotphaere  unserer  Erde.  Gleiwitz, 
Fiedler:  üb.  d.  Geschwindigkeit  des  Lichts.  Leobschütz,  Kayszier: 
nb.  den  Tugendbegriff  des  Horaz.  Oppeln,  Franke:  welche  Fehler 
kann  man  bei  der  Wahl  der  Themen  zu  deutschen  Aufsätzen  machen? 
Sagan).  —  Porphyrii  de  phUosophia  ex  oracutU  haurienda  tibrorum 
reliquiae.  Ed.  G.  Wolf  f.  Ang.  von  M.  Schmidt  (S.  554  —  557:  sehr 
gelobt;  einige  kritische  Vorschläge).  —  Schultz:  orthographicarum 
quaestionum  dccan.  Ang.  von  Dillenbnrger  (S.  657 — 5(52:  sehr  em- 
pfohlen, indem  Ref.  am  NIpperdeyschen  Tacitus  die  grosze  Inconse- 
quenz  der  lat.  Orthographie  nachweist).  —  Eichert:  vollständiges 
Wörterbuch  zu  den  Verwandlungen  des  Ovid.  Ang.  von  Kindscher 
(S.  562  f.:  empfohlen).  —  Kühner:  Schulgrammatik  d.  lat.  Spr.  4e 
Aufl.  Ang.  von  Hartmann  (S.  ö64  f.:  gelobt;  einige  Bemerkungen). 
—  Ho  ff  mann:  Uebungsstücke  z.  übers,  ins  latein.  f.  mittl.  Klassen. 
Ang.  von  Albani  (S.  565  f.:  sehr  gelobt).  —  Sey(fert:  Uebangs- 
buch  z.  übers,  aus  d.  deutsch,  ins  lat.  für  Secunda.  4e  Aufl.  Ang.  von 
Wagner  (S.  566:  als  verbessert  anerkannt).  ' —  Freese:  Aufgaben  z. 
übers,  aus  d.  deutsch,  ins  griecli.  Ang.  von  Hartmann  (S.  567:  em- 
pfohlen, doch  soll  darauf,  dasz  die  Schüler  in  Spannung  erhalten  wer- 
den, und  auf  die  Phraseologie  grÖszere  Aufmerksamkeit  verwendet  wer- 
den). —  Brückner:  hebraeisches  Lesebuch«  2e  Aufl.  Ang.  von  Bud- 
deberg (S.  568 — 671:  auch  die  neue  Auflage  kann  mit  Recht  gelobt 
werden).  —  Andre sen:  über  deutsche  Orthographie.  Ang.  v.  Stier 
(8.  572 — 575:  anerkennendes  Referat,  aber  über  vieles  einzelne  Gegen* 
bemerkungen).  —  A.  u.  F.  Spiesz:  deutsches  Lesebuch.  2eAufl.  Ang. 
von  Hol  sc  her  (S.  676  —  578:  eingehende,  iiii  ganzen  anerkennende 
Beurtheilung).  —  Hub:  d.  deutsche  komische  u.  humoristische  Poesie. 
U  Buch.  Ang.  von  Kopke  (S.  578— 580:  viel  Tadel).  —  W.  Giese- 
b  recht:  Geschichte  d.  deutschen  Kaiserzeit.  I  2.  Ang.  von  Fosz  in 
Berlin  (S.  080—583:  sehr  geloht).  —  Peters:  üb.  d.  Nothwendigkeit 
d.  Einrichtung  zweckmäsziger  mathematisch-naturwissenschaftlicher  Leh- 
rerbildungsanstalten. Ang.  von  Hincke  (S.  5^3  —  587:  ausführliches 
Referat).  —  Hetsch:  einige  Worte  über  Zeichenkunst  u.  d.  allerersten 
Unterricht  in  ders.  Ang.  von  Ko Ister  (S.  588:  dringend  zur  Beach- 
tung empfohlen).  —  Bericht  des  Ministers  üb.  d.  Unterrichtsanstalten 
in  Griechenland.  Uebers.  Ton  Planer  (S.  590 — 604).  -—  Görlitz  in 
Leobschütz:  aus  der  Schulpraxis  (S.  606—607:  Vertheidigung  d.  schrift- 
lichen Arbeiten  im  französischen  auch  in  d.  obersten  Klassen).  —  Per- 
sonalnotizen (S.  608).  R    D. 

Monatsberichle  d.  k,  Akademie  d.  Wissetuichaften  in  Berlin  IBjri. 

Trendelenburg:  Machiavell  u.  Antimachiavell.  Rede  (S.  49^7] : 

höchst  lehrreiche  vorarlheiUiutse  Charakteristik  von  Machiavells  Fürsten 


458  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

11.  Friedrichs  d.  Grossen  Gegenschrift  n.  treffende  Darstellung  des  Ver- 
hältnisse«  beider  zueinander).  —  £.  Curtias:  Vorlegung  einer  ira  Ar- 
chipelagiKs  gefundenen  Inschrift  aus  d.  späteren  Blütezeit  des  Achaeer- 
bundes  (S.  101).  —  Meine ke:  aber  den  tragischen  Dichter  Moschion 
(8.  102—114:  die  den  Pheraeern  zugehörigen  Fragmente  bei  Stobaens 
werden  geordnet  n.  emendiert  u.  d.  Vermutung  hingestellt,  dasi  d. 
8tiick,  der  Zeitgeschichte  entnommen,  d.  Begräbnis  des  Polyphron  Ton 
Pherae  zum  Gegenstand  gehabt  habe.  Das  Zeitalter  des  Dichters  wird  Tor 
Alexander  d.  Gr.  angenommen.  Das  beobachtet  eGe^^etz  metrischer  Strenge 
im  Trimeter,  Vermeidung  aller  dreisilbigen  Fiisze,  gibt  den  Haltpunkt 
zur  Zurückweisung  dem  Dichter  fälschlich  beigelegter  Fragmente  und 
Annahme  eines  sehr  späten  Prosaikers  Moschion.  Auch  d.  Fragment 
bei  Clem.  Alexandr.  wird  zurückgewiesen).  —  Pertz:  dritte  Sendung 
von  Abschriften  aus  Urkunden  im  Tower  durch  Dr.  Pauli  (S.  114 — 116 
u.  Schlusz  8  522  f.:  Anführung  zweier  Beispiele,  wie  interessant  die 
neu  entdeckten  Urkunden  aus  d.  Regierungszeit  Kduards  Ifl  sind).  — 
Lepsius:  eine  hieroglyphische  Inschrift  am  Tempel  Ton  Edfa  (S.  181 
— 186:  d.  Inschrift  gibt  über  das  Vermessungssystem  u.  die  zu  Gmnde 
liegenden  Masze,  sowie  d.  Nomeneintheilnng  Aegyptens  Aufschloss  nnd 
liefert  d.  Kenntnis  mehrerer  Zahl-  und  Theilzcichen).  —  Mittheilung 
von  *27  Innchriften,  meistentheils  aus  Thyatira,  welche  Dr.  Baumei- 
ster in  Griechenland  aufgefunden  u.  an  Gerhard  gesandt  (S.  187 — 
198:  mehrere  Bemerkungen  ▼.  K.  Curtins  sind  bcigefilgt).  —  Bockhs 
zur  Geschichte  der  Mondcyklen  der  Hellenen  (8.  200  —  307:  von  der 
vorgelegten,  den  reichsten  Inhalt  gründlichster  Untersuchungen  bietenden 
Abhandlung  wird  hier  ein  Auszug  mitgetheilt).  —  Mittheilungen  der 
neu  entdeckten  Inschrift  von  Kreta  durch  Gerhard  (8.260 — 264).  — 
Pinder:  d.  Rlisphasicr  in  Arkadien,  auf  einer  Münze  des  achaeischen 
Bundes  nachgewiesen  (8.  H51  f.:  eine  Münze,  welche  Behr-Negendank 
in  Griechenland  aufgefunden ,  bestätigt  das  vorhundensein  der  Stadt, 
so  daRz  jede  Acnderung  bei  Polyb.  XII  11  6  zurückgewiesen  ist).  — 
Gerhard:  Bemerkungen  zur  vergleichenden  Mythologie  (S.  36ö — 378; 
die  Unter8chiedc  der  arischen  u.  semitisch -aegyptischen  Stamme  rnck- 
Nichtlich  d.  Keligionssysteme  werden  aufgestellt,  sodann  die  Einwir- 
kung semitischer,  gemischter  semitisch -arischer,  endlich  rein  arischer 
Culte  nachgewiesen  und  schlieszlich  die  Grösze  des  griechischen  Gei- 
stes in  der  Umgestaltung  der  ihm  überlieferten  Gottheiten  dargethan). 
-  Curtius!  über  die  Stammsitze  d.  lonier  (S.  421  —  424:  Auszug  a« 
der  indes  besonders  herausgegebenen  Abhandlung).  —  Trendelen- 
burg: Mittheiliingen  über  einige  in  d.  k.  Bibliothek  zu  Hannover  be- 
rnidlichen  Maiiuscripte  von  LiMbnitz  (8.  426  f.).  —  Panofka:  Apolloo 
in  Panda  und  seine  Verwandten  (8.  4Ö7— 470:  Auszug.  Ausser  Apol- 
lon  in  Panda  werden  d.  Gottinnen  Pnndina  u.  Kmpnnda  n.  Pan  Ly- 
kaioH,  Fhuuus  Fatuus  behimdelt).  —  Bekker:  Nachtrag  von  Varian- 
ten zum  Thucydides  (8.  470—480:  auf  der  zwfiten  Reise  nach  Italien 
gesammelte  Varianten  aus  cod.  C).  —  Curtius;  eine  byzantinische 
Inschrift  (8.  430  f.:  durch  Bergmann  gemachte  genaue  Abschrift  der  in 
der  Marcuskirrhe  zu  Venedig  befindlichen  Marmortafel,  welche  d.  Sage 
für  ein  Stfick  des  P'elsens,  aus  welchem  Mose«  das  Wasser  flieszen  las- 
sen, erklart  hat).  —  Gerhard:  über  Hermenbilder  auf  griechischen 
Vasen  (8.  484  — 487:  zur  Begründung  der  Ansicht,  dasz  die  Hermen 
vielfach  mit  bacchantisch  -  cerealisrhen  Gülten  in  Verbindung  gebracht 
worden  seien).  LepKias:  üb.  d.  Namen  d.  lonier  auf  d.  ae^ypti- 
schi'U  Denkmälern  (S.  497  —512:  Darlegung,  dasz  sich  d.  Name  in  d. 
Bedeutung  von  Griechen  überhaupt  hieroglyphisch  nachweisen  lasse  n. 
daHZ  sich  dieser  bereits  im  16n  Jhrhdert  v.  C. ,  sowie  in  den  nächstfol- 
genden Z-*iten  in  einer  engen  Beziehung  luAegypten  wiederfindet).  — 


Aafisftge  a«a  ZoilsehrifleD.  459 

Bockh:  Rede  xur  Feier  d.  LeibniUi0cheii  Jahrestages  5.  Jul.  185ö  (8. 
:)2'l — 545:  handelt  v.  Schellings  Verhältnis  zn  Leibnits  aud  »eine  An- 
sicht von  diesem  und  seinen  Philosophemen).  —  Ueber  d.  WaHsertrü- 
liun^  des  Tiberflasses  in  Rom  (S.  564—570:  enthält  Zasammeiistellung 
41.  Krläuterung  der  bei  rÖm.  Dichtern  vorkommenden  Beinamen  dessel- 
ben)« —  Encke:  Vortrag  am  Geburtsfeste  Sr.  Mai.  18.  Oct.  185?)  (8. 
585 — 600:  Vergleichung  d.  geschichtlichen  Situationen  v.  J555,  1655, 
J755  u.  1855  u.  Darstellung  der  seit  30  Jahren  erfolgten  Fortschritts 
141  der  Astronomie).  —  Blau  u.  Schlottmann:  ob.  die  Alterthiiner 
<1.  von  ihnen  1854  besuchten  Inseln  Samothrake  n.  Inbros  (S.  601 — 
636:  sehr  interessante  Beschreibung,  dabei  Bemerkungen  auch  über  d. 
heutige  Bevölkerung  u.  deren  Dialekt,  endlich  Mittheilung  vieler  In- 
schriften. Beigegeben  ist  eine  Karte  von  Palaeopoli  auf  Samothrake, 
zu  der  Hr.  Kiepert  S.  660  f.  eine  Erklärung  gibt).  —  Mittheiiung  v. 
Pertz  üb.  d.  von  ihm  in  England  entdeckten  Stucke  d.  26.  28.  35.  u. 
36.  Buches  d.  Annalen  d.  röm.  Geschichtschreibers  Granius  Licinianns 
(S.  669).  —  Schott:  üb.  zwei  ungarische  Dichtungen  aus  älterer  Zeit 
(S.  683 — 690:  die  Gedichte  stammen  aus  dem  I4n  od.  15n  Jahrhundert 
u.  sind  die  ältesten  Erzengnisse  d.  ungarischen  Poesie,  zugleich  wich- 
tig für  die  Auffassung  der  Ansiedlungen  in  Ungarn  u.  d.  spätere  Ge- 
schichte). Ders. :  ob.  einige  Benennungen  des  Himmels  in  der  altai- 
sehen  Sprachenclasse  (S.  695— 7<K)).  —  Haopt:  ob.  d.  Inschrift  eines 
im  furstl.  Museum  zu  Arolsen  befindlichen  Steins  (S.  701  f.:  dieselbe, 
die  Huschke  als  altitalisch  gedeutet,  wurde  als  kabbalistisch  erwiesen). 
—  Riedel:  Regierungsgeschichte  d.  nürnberger  Burggrafen  Johann  f, 
Friedrich  III,  Johann  II,  Conrad  V  u.  AIhrecht  (S.  756:  Friedrichs  III 
Antheil  am  Siege  bei  Mühldorf  und  die  Stütze,  welche  er  dem  König 
Ludwig  war,  werden  hervorgehoben).  —  Lepsius:  Bericht  über  den 
Typengusz  o.  d.  fortschreitende  Verbreitang  des  allgemeinen  lingnisti* 
sehen  AlphabeU  (S.  784-787).  R.  D. 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  statistische 
Notizen,  Anzeigen  von  Programmen. 

Ebfurt.]  Das  Lehrercollegium  des  dasigen  kön.  Gymnasiums  be- 
stand Ostern  1856  aus  dem  Dir.  Prof.  Dr  Sc  hole r,  den  Professoren 
Dr  Besler,  Dr  Mensing,  Dr  Schmidt,  Dr  Herrmann,  Dr 
Kritz,  Dr  Dennhardi,  Dr  Richter,  Dr  Weiszenborn,  den 
Lehrern  Dr  Kays  er,  Rector  Nagel  (kath.  Relig.)«  Dufft,  Mosik- 
dir.  Gebhardi  und  Zeichenlehrer  Prof.  Dietrich.  Die  Schülerzahl 
betrug  223  (121,  II  27,  lü  40.  IV  54,  V  53,  VI  28),  Abiturienten  8. 
Den  Schuinachrichten  voraus  geht  Ninive  und  «ein  Gebiet.  II.  Fort- 
geaetzte  MUtheUungen  über  die  neueaten  Auegrabungen  in  Me- 
eapotamien  vom  Professor  Dr  H.  J.  Chr.  Weiszenborn  (32  S.  4 
und  2  Fignrentafeln ).  Hat  schon  der  erste  1861  erschienene  Theil 
der  vorliegenden  Abhandlung  sehr  vielen  Lesern  eine  willkommene 
Orientierung  auf  dem  neu  aufgeschlossenen  Gebiete  geboten,  so  gilt 
dasselbe  vom  zweiten  in  um  so  höherem  Grade,  als  über  vieles  seit- 
dem omfassendere  Aufschlüsse  erlangt  worden  sind.  Nach  einer  Einlei- 
tung über  den  Charakter  der  Hellenen,  welche  dazu  dient,  das  Ver- 
hältnis der  assyrischen  Monumente  zu  den  bedeutendsten  Kunstscho- 
pfungen  des  Alterthamt  zu  fixieren ,  gibt  der  Verf.  eine  Ueberiicht 


460  Berichte  aber  gelehrte  AnsUlten,  Yerordnangen,  sUlisl.  Nolisei 

fiber  Layards  zweite  Forscbnngen  und  aber  die  Ton  Place  geleitete« 
Ausgrabungen  und  deren  Resultate.  Die  Darstellung  ist  klar  und  sengt 
von  dem  grdsxten  Fleisxe  und  der  umfassendsten  Gelehrsamkeit.  Un 
so  mehr  wünschen  wir  dem  uns  herslioU  befreundeten  Hm  Verf.  Ge- 
sundheit und  Mnsze  zur  Vollendung  seines  beabsichtigten  selbstandlgee 
Werkes,  Ton  dem  wir  uns  um  so  mehr  versprechen,  als  bis  sam  er- 
scheinen hoffentlich  die  Ergebnisse  der  Oppert'schen  Porschangen  in 
Zusammenhange  vorliegen  werden.  Wir  können  übrigens  nicht  nnhia 
auf  die  dei^tsche  Bearbeitung  der  Layard'schen  discoveries,  welche  von 
Dr  Zenker  unter  dem  Titel  Ninive  und  Habylan  Lieipsig  bei  Kirbach 
18r)5  erschienen  ist,  hier  aufmerksam  zu  machen.  ^  Obgleich  wir  das 
englische  Original  nicht  zu  vergleichen  im  Stande  sind,  so  macht  doch 
die  deutsche  Bearbeitung  den  ifindrnck  der  Treue.  Das  vielseitige  In- 
teresse aber,  welches  das  Buch  bietet,  hat  der  Hr  Verleger  durch  die 
zahlreichen  und  sauberen  Abbildungen  trefflich  unterstützt.  Je  ver- 
dienstlicher die  Verpflanzung  des  Werkes  auf  deutschen  Boden  ist,  n« 
so  mehr  ist  zu  wünschen,  dasz  der  Absatz  die  Anstrengung  lohne. 

H.  D. 
Hanau.]  Das  kurfürstliche  Gymnasium  erlitt  durch  den  Abgang 
des  ord.  Lehrers  Dr  Deuschle  nach  Magdeburg,  die  Versetsnng  des 
Gymnasialpraktikanten  Frdr.  Spangenberg  nach  Cassel  nnd  spater 
den  Tod  des  ordentl.  Lehrers  Dr  Gies  empfindliche  Verlaste.  Das 
Lehrercollegium  bestand  aus  dem  Dir.  Dr  Piderit,  den  ordentlichen 
Lehrern  Dr  Dommerich,  Dr  Lotz  und  C asselmann  [vorher  in 
Cassel,  seit  6.  Nov.  1855  in  Hanau  angestellt.  Die  beiden  ordentl. 
Lehrer  Dr  Jung  und  Dr  Hasselbach  waren  noch  immer  ensier 
Function],  dem  Hilfslehrer  Dr  Suchier,  den  beauftragten  Lehrern 
Dr  Vi  1  mar,  Pfarrer  Dr  Fuchs,  Gpraktikant  Schell,  dem  Prakti« 
kanten  Mull  er  [f^eh  Ostern  IK;)5]  und  den  anszerordentlichen  Lehrern 
Zimmermann,  Luc  an  und  Peli  ssier.  Die  Schulerzahl  war  Ostern 
18JG  98  (I  II,  II  16,  fil  26,  IV  22,  V  9,  VI  14),  Abiturienten  1 
Die  Abhandlung  im  Programme  lieferte  der  Dir.  Dr  K.  W.  Piderit: 
Sophokleiache  Studien.  I  (33  S.  4).  Eins  der  erfreulichsten  Zeichen 
der  Z(;it  ist,  dasz  man  mehr  und  mehr  das  Alterthum  an  dem  Masz- 
stabe  des  Christenthums  zu  messen  lernt.  Dasz  es  keinen  anderen  gebe» 
um  dus  Verhältnis  und  die  Stellung  jenes  in  der  geschichtlichen  Ent- 
wicklung der  Menschheit  recht  zu  erfassen,  ist  für  den,  welchem  das 
Christenthum  die  volle  göttliche  Wahrh<>it  ist,  nicht  zweifelhaft  $  al- 
lein es  sind  dabei,  wie  sich  an  vielen  Beispielen  gezeigt  hat,  zwei  Ab- 
wege zu  vermeiden,  der  eines  lieblosen  rirhtens  und  der  des  hineintra- 
gens  fremder  Ideen  in  das  Alterthum.  Dasz  man  mehr  und  mehr  bei- 
des vermeiden ,  dasz  man  den  Ideeninhalt  des  Alterthams  in  sei- 
ner ganzen  Tiefe  und  Wahrheit  herausstellen  nnd  ebenso  die  8pnren 
der  ewigen  Wahrheit,  wie  die  Schwachen  nnd  Ve.rirrungen  kennen 
lernt,  wozu  das  christliche  Bewustsein  stärker  als  alles  andere  auffor- 
dert, ist  eben  das  erfreuliche,  wovon  einen  Beweis  and  ein  Beispiel 
der  Hr  Verf.,  welcher  schon  im  Hersfelder  Programme  1850  eine  Probe 
seines  Strebens  am  Aias  gegeben,  in  der  vorliegenden  Abhandlung  ge- 
liefert hat.  Ist  dieselbe  auch  nur  ein  Theil  einer  groszeren  Arbeit,  so 
bildet  sie  doch  ein  selbständiges  ganze,  indem  sie  von  der  Anffassnng 
des  Fluches  bei  Sophokles  handelt.  In  ausführlicher  Vollständigkeit 
wird  nachgewiesen,  dasz  im  Oedipus  rex  die  Schwere  dieses  Fluches, 
der  auf  der  Sunde^  lastet,  am  stärksten  und  schärfsten  hervortritt,  und 
weil  er  hier  in  seinen  sichtbaren  Zeichen  existiert,  hervortreten  muste, 
sowie  dasz  hier  gerade  eine  Rechtfertigung  durch  das  unbewuale  der 
Thaten,  die  im  Oedipus  Colonens  an  vielen  Stellen  zum  Vorschein 
komme,  nicht  im  geringsten  hindurchklinge.   Ferner  wird  erörtert,  wie 


Berichte  aber  gelehrte  AnstaUen,  Verordaungen,  stalist.  Notizeu.  461 

eben  das  Bewustsein  ewiger  Gesetze  es  ist,  aus  dem  sich  jene  Aner- 
kennung des  Fluches  herleitet,  dasz  aber  keineswegs  die  allgemeine 
Kiiipfiiidung  des  roenschiichen  Elends  auf  die  Anerkennung  der  allge- 
meinen Sündhaftigkeit  hingeführt,  vielmehr  die  Wirkung  sich  auf  ein- 
zelne Geschlechter  beschränkt  habe.  Wie  auf  das  entschiedenste  dar- 
gethan  wird,  dasz  nicht  die  Folgen  der  Handlung  den  Schmerz  erzeu- 
gen, sondern  das  Bewustsein  der  Verletzung  ewiger  Gesetze,  so  wird 
endlich  die  Beschränkung  geltend  gemacht,  dasz  diese  Gesetze  eben 
nicht  unmittelbare  AuJiflusse  des  göttlichen  Willens  sind.  Doch  wir 
wollen  nicht  durch  einen  Auszug  das  Interesse  an  der  Schrift  mindern 
und  halten  das  gesagte  für  hinreichend,  um  alle  zur  Lesung  anzuregen. 
Man  wird  gewisz  einen  Fortschritt  nicht  verkennen,  wenn  man  die 
Untersuchung  mit  Lübkers  trefiflicher  Arbeit,  Sophokleische  Theologie 
und  Ethik  3  Tbl.  3  Abschn.  [vgl.  auch  die  Bemerkungen  von  Enger 
Ztschr.  f.  d.  G.-W.  X  S.  194]  vergleicht.  Nur  ^ine  Bemerkung  wol- 
len wir  uns  über  den  Aias  zu  S.  19  erlauben.  Wir  glauben  nemlich, 
dasz  das  räthselhafte  seiner  Rede  dadurch  schwindet,  wenn  man  darin 
die  Wirkungen  des  Versuchs  den  Fluch  hinwegzudisputieren  sieht 
(Vgl.  oben  S.  411  f.).  Ä.  D. 

Hannoveh.]  Aus  den  vom  Lyceum  Ostern  1856  ausgegebenen 
Schulnachrichten  über  die  Jahre  1854  und  1866  entnehmen  wir,  dasz 
Ostern  1864  der  Cand.  Armbrust  einige  Lectionen  in  der  Mathema- 
tik und  den  Naturwissenschaften  übernahm,  um  dadurch  sein  Probejahr 
abzuhalten.  Mich.  1864  gab  der  Lehrer  der  neueren  Sprachen  Lin- 
de mann  sein  Amt  auf  und  wurde  durch  Dr  Fehler  vom  Paedago- 
gium  zu  Ihlefeld  ersetzt.  Ostern  1856  wurde  der  Conr.  Dr  Ruperti 
mit  dem  Titel  Rector  pensioniert  und  trat  der  Pastor  Evers  als  Re- 
ligionslehrer der  oberen  Klassen  zurück.  Die  Functionen  dieser  beiden 
Lehrer  übernahm  der  Oberlehrer  Brock,  während  der  Conrector  Dr 
Kühner  zum  Rector,  der  Subconrector  Lehners  zum  Conrector  auf- 
rückte. Der  Subconrectortitel  gieng  ein,  ^weii  niemand  darauf  einen 
Werth  legte^  Johannis  dess.  J.  gieng  der  Coliaborator  Ebeling  an 
das  Gymnasium  zu  Schwerin  über;  für  ihn  ward,  nachdem  der  Cand. 
Uellner  als  Hilfslehrer  ihn  vertreten  hatte,  Ostern  1866  der  Lehrer 
Dr  Müller  von  Lüneburg  berufen.  Die  Schülerzahl  stieg  seit  Neujahr 
1854  bis  Neuj.  1866  von  197  auf  200  (VI  36,  V  32,  IV  28,  III  b  37, 
IHa  23,  IIb  15,  Ha  8,  Ib  11,  la  10).  Zur  Universität  giengen  1864 
8,  1866  10.  Als  ein  Uebelstand  wird  beklagt,  dasz  die  Lycealbiblio- 
thek  mit  der  allgemeinen  Stadtbibliothek  vereinigt  wurde,  ohne  dasz 
der  Director  des  Lyceuuis  einen  Antheil  an  der  Leitung  erhielt.  Als 
neue  Einrichtungen  werden  erwähnt  der  Schulactus  zum  Geburtstage 
des  Königs,  indes  jährlich  mit  der  hohem  Bürgerschule  wechselnd,  der 
Schulactus  zur  Entlassung  der  Abiturienten,  die  Einrichtung  von  Schul- 
andachten beim  Beginn  jeder  Woche,  endlich  die  Errichtung  einer  ei- 
genen Vorschule  des  Lyceums.  In  der  den  Schulnachrichten  voraus- 
gehenden Abhandlung  des  CoUaborators  Guthe:  zur  Geographie  und 
Oeaehichte  der  Landachaft  Margianej  des  heutigen  Merw  (64  S.  8 
nebst  einer  ein  persisches  Itinerar  gebenden  Karte)  begrüszen  wir  ein 
Werk  sorgfältigsten  Fleiszes,  der  durch  kritischen  Scharfsinn  und  eine 
klare  Anschauung  trefflich  unterstutzt  wird  und  eine  wesentliche  Ergän- 
zung und  Erweiterung  der  1841  von  K.  Ritter  gegebenen  Aufklärungen 
liefert.  Für  alle  Philologen  ist  die  Prüfung  der  Stellen  bei  den  Alten 
von  groszem  Interesse,  und  die  Coniecturen  bei  Curtius  VII  40  13  Oxo  et 
Ocho  und  ad  urbem  Maracantam  haben  gewisz  bessere  Berechtigung 
als  die  nicht  ohne  unlösbare  Schwierigkeiten  zu  bewirkende  Vertheidi- 
gung  der  bisherigen  Lesarten.  Aber  mit  gleichem  Fleisze  geht^  der  Vf. 
auch  die  Berichte  aus  dem  Mittelalter  durch  bis  auf  die  heutige  Zeit 


462   Berichte  über  gelehrte  AnsUilten,  Verordnangea^  staluL 

und  schildert  ebenso  die  Beschaffenheit  and  die  Production  de«  Lawlei, 
80  dasz  das  Studium  der  Geschichte,  wie  der  Geographie  sehr  beleh- 
rende Beitrage  gewinnt.  Der  Druck  sollte  etwas  correcter  sein.  Rat- 
gangen  dürfte  dem  Hrn  Verf.  sein,  dasx  man  in  den  von  Marco  Pole 
besuchten  Sapargan  (S.  128  der  Ausg.  v.  Burck)  Merw  Schajeham  hat 
finden  wollen,  wogegen  Neumann  (S.  611  der  erw.  Ausg.)  nachweist, 
dasz  darunter  Schibbergan  in  Afghanistan  zu  rersteheo  oei*       Bm  Dm 

Hkrsfeld.]  Am  dasigen  kurfarstl.  Gymnasium  ward  Ostern  185S 
der  Praktikant  Medier  auf  ein  Jahr  beschäftigt.  Der  Hilfslehrar 
Dietrich  wurde  zum  ordentlichen  Lehrer,  der  Gymnasiallehrer  PCtr- 
rer  Wieg  and  in  die  erste  Gehaltsklasse  befördert.  Di«  SchulenaU 
betrug  im  Wintersemester  123  (I  17,  II  22,  III  34,  IV  14,  V  I9,  VI 
17),  Abiturienten  Mich.  1865  6,  Ostern  18j6  4.  Di«  Abhandlnag  in 
Programm  vom  Hilfslehrer  Dr  Ferd.  Hugo  Suchier  f&hrt  den  Ti- 
tel :  diafutationia  de  Zoaimi  ei  Euaebii  hiatoriarum  ieriptorum  in  Cmh 
atantim  Magni  imperatoria  rcbua  exponendii  fide  et  muetQritaH  part 
I  (*25  S.  4).  Der  Hr  Verf.  gibt  nach  einer  recht  klaren  Biaieitang 
über  die  Entwicklung  der  späteren  römischen  Geschicbtachreibang  ea- 
ter  Kinwirkung  der  Zeitverhältnisse  zwei  Kapitel  über  die  Abetcateii, 
mit  welchen  Zosimus  und  Eusebius  die  Geschichte  Constantina  d*  Gr. 
geschrieben  haben.  Es  i.st  «war  schwierig  über  Untersnchoncan,  wel- 
che noch  nicht  vollständig  vorliegen  —  nicht  einmal  daa  fiir  &n  fip* 
benen  Theii  fertige  Manuscript  konnte  abgedruckt  werden  -^y  ein  Ür* 
theil  abzugeben,  indes  wird  es  ertaubt  «ein  auszusprechen,  daas  der 
hier  gelieferte  Anfang  die  Fortsetzung  v%un^chenswerth  erechninen  llnt» 
Je  bedeutsamer  Constantin  der  Gro>ze  in  der  Geschichte  iat,  na  ie 
wichtiger  erscheint  es,  über  seinen  Charakter  und  den  wahren  Werth 
seiner  Leistungen  ein  sichere>  Urth^^il  zu  gewinnen,  und  der  Hr.  Verf. 
hat  uns  hinlänglich  documentit^rt.  dasz  ihm  zur  Herauaatelloag  einei 
solchen  die  nöthigen  Eigen>chaftin  nicht  fehlen.  Um  se  nothwendiger 
aber  ist  es,  die  Beendigung  der  Untersuchung  abzuwarten,  ale  ikfc 
über  die  aufgestellten  Behauptungen  doch  noch  einige  Zweifel  erfehea. 
Um  nicht  davon  zu  reden,  dasz  immerhin  die  Absicht  des  BaaehiBi  ia 
Constantin  ein  Muster  zur  Nachahmung  vorzustellen  and  ihn  ee  aaB 
Ideal  eines  Hcrschers  zu  stempeln  mit  der  an  ihm  gerühmten  Wahr- 
heit>lii-be  nicht  recht  vereinbar  schein; ,  auch  über  Zosimos  gehen  Be- 
denken bei.  Von  dem  Vorwurfe  einer  gewissen  Verblendang  kann  ihn 
der  Hr  Verf.  >frtb>t  nicht  freisprochpu  (schreibt  jener  doch  pns  eia- 
soitio  der  chri>t liehen  Reii^i'tn  selbst  zu,  was  nur  ihren  nnwnrdifMI 
^l'rt retern  angehört),  ebenso  wenig  von  einem  befangensein  im  heiOBi- 
sehen  .Abergidiiben ;  es  ist  aberschwer  denkbar,  dasz  dadorch  nicht 
i'ine  Trübung  des  historischen  Blicks  herbeigeführt  sein  und  dass  dieea 
nirht  auf  die  Auffassung  der  einzelnen  Thatsachen  eingewirkt  haken 
solle.  Ist  auch  die  Absicht  die  Ursachen  des  Verfalls  des  Römemiehf 
darzustellen.  unverk«*nnbar,  i>t  es  psychologisch  erklärbar,  daan  ein 
vaterlandsliebender  Römer  beim  anschauen  des  unanfhalt baren  Unlei^ 
gangs  <lie  längi^i  vergangene  alte  Zeit  zurui  kwunschen  konnte,  ee  laart 
sich  doch  schwer  begreifen,  wie  ein  am  Ende  des  jten  Jahrhnndefia 
lebender  —  denn  in  diese  Zeit  versetzt  der  Hr.  Verf.  mit  Reitcmdcf 
den  Zosimns  —  ein  aufrichtiger  alter  Heide  sein  und  wie  er  daan  den 
facii>  gerecht  werden  konnte.  Der  Hr.  Verf.  hat  die  daraaf  gcgrin- 
dcte  .Vn>!ih(  Keiti'mciers,  dasz  das  Werk  erst  nach  dem  Tode  dce  Ver- 
fa>^er>  liorifog-'goben  \\or<ieu  sei,  unserer  be>cheidenen  Ansicht  nach 
niriit  hini.inj!!irh  gewürdigt.  Die  Stelle,  welche  Z.  an  Hofe  einnakmf 
gibt  durchaus  zu  dem  Glauben  Anlan,  dasz  er  sich  wenigstens  anaier- 
iich  zum  Christenthume  bekannt  habe;  dann  aber  würde  freilich  der 
Vorwurf  einer  ithrecklichen  Heuchelei  anf  ihn   fallen,    wodarck  aller- 


Berichte  aber  gelehrte  Aoatalten,  VerordavBfeii,  aUtisl.  Notisen.  403 

ding9  seine  historische  Glaubwürdigkeit  in  Schatten  treten  mtiste.  Wir 
meinen  also  berechtigt  za  sein,  dem  Hrn  Verf.  diese  Präge  zar  noch- 
maligen Erwagang  zu  empfehlen.  Ohne  Einflusz  auf  die  Glaubwürdig- 
keit wird  sie  nicht  bleiben,  wenn  nicht  der  Beweis  gelingt,  dasz  Z. 
ohne  eigene  Zuthat  die  Thatsachen  aus  guten  Quellen  genommen  und 
seine  Folgerungen  daraus  gezogen  habe.  R.  D. 

Hildburghausen.]  Die  in  dem  Lehrercollegium  des  Gymnasiums 
seit  vorigen  Ostern  vorgekommenen  Veränderungen  haben  wir  zum  Theil, 
zum  Theil  werden  wir  sie  in  den  Personalnotizen  berichten.  Wir 
entnehmen  daher  jetzt  dem  O.stern  1856  ausgegebenen  Programme 
nur,  dasz  dasselbe  75  Schuler  zählte  (I  8,  II  7,  Ifl  9,  IV  17,  V  21, 
VI  13)  und  einen  zur  Universität  entliesz.  Den  Schulnachrichten  vor- 
an  geht  die  Abhandlung  des  Prof.  Dr  Buchner:  üh^  icheinbare  Ver- 
kürzungen (Verjüngungen)  von  Objeeten,  ein  Beitrag  aur  Perspe- 
ctive (^  S.  4  nebst  einer  Pigurentafel).  Am  Schlüsse  spricht  der  Hr. 
Verf.  allen  denen,  welche  das  von  ihm  in  Gemeinschaft  mit  dem  ver- 
storbenen C.  Kirsch  begonnene  Werk  der  Schwammkunde  gefSrdert 
haben,  seinen  Dank  aus.  R,  D, 

Jever.]  Am  dasigen  Gesamtgymnasium  wurde  unter  dem  22.  Nov» 
1854  der  Lehrer  Dr  Meinardus  als  4r  ordentl.  Lehrer  definitiv  be- 
stätigt. Mich.  1855  gieng  der  Reallehrer  Bentfeid  als  Seminarlehrer 
nach  Oldenburg  und  ward  durch  den  Lehrer  an  der  höheren  Burger- 
schule in  Rodenkirchen  Böse  ersetzt.  Unter  dem  5n  Oct.  1855  wurde  . 
Dr  Burmeister  definitiv  zum  CoIIaborator  ernannt,  dagegen  der 
Lehrer  Steinhoff  im  Jan.  1856  seines  Amts  als  Lehrer  der  neuern 
Sprachen  auf  sein  nachsuchen  entlassen.  Die  Schulerzahi  betrugt 
Sommerhalbj.  1854:  90  [I  10,  II  15  (10  H.  4R.),  III  14  (9  H.  5  R.), 
IV  28,  V  24].  Winterh.  54-55:  90  [I  10,  II  12  (8  H.  4  R),  III  19 
(13  H.  6  R.),  IV  26,   V  93].    Sommerh.  1855:  97  [I  8,    II  17  (16  H. 

I  R.),  III  17  (10  H.  7  R.),  IV  32,  V  23].     Winterh.  55—56:  99  [I  9, 

II  16  (15  H.  1  R.),  III  18  (11  H.  7  R.),  IV  32,  V  24].  Ostern  1854 
wurden  3,  1855  4  zur  Universität  entlassen.  Ostern  1855  ist  dem 
Programme  vorgestellt  die  Abhandlung  des  Conr.  Dr.  Kon  ig:  de  Ro- 
manorum  saltatione  pantomimica  (15  S.  4).  Nach  einer  Einleitung 
über  die  grosze  Vorliebe,  welche  für  Pantomimen  in  der  Kaiserzeit  ge- 
herscht,  stellt  der  Hr.  Verf.  dar,  dasz  sie  in  ihrer  Blütezeit  nur  von 
^iner  Person  (doch  unter  Zunahme  von  Statisten)  und  nur  durch  Kör- 
perbewegung dargestellt  worden  seien  und  verbreitet  sich  sodann  nach 
den  Stellen  der  Alten  über  die  Beschaffenheit  der  Gesten.  Die  Mog> 
lichkeit  soviel  durch  Gesten  zu  leisten  wie  von  den  Alten  gerühmt  ist, 
wird  durch  die  groszere  Lebhaftigkeit  der  südlichen  Volker,  durch  das 
bekanntsein  der  dargestellten  Gegenstände,  durch  die  Bemnhungon  von 
Dichtern  um  die  Kunst,  und  endlich  eine  gewisse  Tradition  erklärlich 
gefunden.  Zum  Schlusz  wird  noch  von  einzelnen  ausgezeichneten  Mi- 
men, namentlich  dem  Hylas  gehandelt.  Die  Abhandlung  beweist  Ge- 
lehrsamkeit und  gibt  eine  interessante  und  anschauliche  Darstellung. 
Die  im  Programme  Ostern  1856  enthaltene  Abhandlung  des  Lehrers 
Strackerjan:  zur  Lehre  von  der  Congruenz  im  lateiniaehen  (30  S. 
4)  bietet  so  viel  anregenden  und  interessanten  Stoff,  dasz  wir  sie  einer 
eingehenden  Beortheilung  vorbehalten  müssen.  A.  D. 

Innsbruck.]  Am  kk.  akademischen  Staatsgymnasium  lehrten  im 
Mich.  1855  abgelaufenen  Schuljahr  auszer  dem  Dir.  Dr  phil.  Siebin- 
ger  (Piari«t),  Dr  phil.  Wildauer,  J.  Zingerle,  Mich.  Lisch 
(Weltpriester),  Paul  weher  (dsgl.),  Daum,  Dr  med.  Pichlcr,  J.  v. 
Kripp,  Greoter,  Moriggl,  Vorhauser  (alle  drei  Weltpriester), 
Dr  inr.  Malfertheiner,  Spechtenhanser,  Dobrovich,  Lutz. 
Die  Schülerzahl  betrug  ftm  Anfange  des  Schuljahrs  326,  am  Bnde  276 


404  Berichte  über  gclehrle  AdsUUcd,  Yerordnangen,  sUtial.  NotiMi. 

(VIII  18,  VII  27,  VF  31,  V  23,  IV  33,  III  35,  II  55,  I  53).  Die  im 
Programm  gegebene  Abhandlung  des  GymnaKiallehrers  Mich«  Lisch: 
nvmcrku7ifrcn  übvr  Rabelais  (!2j  S.  4)  ist  eine  mit  vorartheiUfreieB 
8inne  unter  tleisziger  Benutzung  der  einschlagenden  Litterstor  nach 
ernstem  Studium  der  Klassiker  geschriebene  Darstellung  des  Lebcu 
und  der  Bedeutung,  sowie  der  Form  der  Werke  des  so  gans  Terschie- 
den  beurtheilten  Satirikers,  der  allerdings  nicht  recht  gewürdigt  wer> 
den  kann,  wenn  nicht  aus  dem  Charakter  der  Zeit,  ia  welcher  ond 
für  welche  er  schrieb.  Ob  die  von  fisniangart  gegebene,  Ton  dem  Hn 
Verf.  adoptierte  Deutung  der  einzelnen  Persönlichkeiten  im  GargtHtiia 
und  Panta<:ruel  auf  bestimmte  GrÖszen  der  Zeit  unbedingte  Billiging 
verdiene,  lassen  wir  dahin  gestellt  {<cin,  uns  «cheint  Rabelais  wol  eiR- 
zeine  Züge  von  ihnen  entnommen,  wol  auf  sie  mit  seiner  Satire  einwir- 
ken ge>\ollt  zu  haben,  doch  musz  selb>t  der  Ilr  V^erf.  zageatehen,  dan  er 
die  Charaktere  l>is  zu  einer  gewissen  Unkenntlichkeit  entstellt  habe,  wai 
uns  zu  dem  Schlüsse  zu  berechtigen  scheint,  er  habe  nur  im  allgemeiMi 
alle  ähnücUon  Personen  der  gesamten  Zeit  t reifen  wollen.      H.  D. 

KiKi..]  Seit  16  Jahren  hat  schon  das  Kieler  akademische  Consiito- 
rium  zu  >\iüderholten  malen  die  Regierung  gebeten  ein  ordentliche! 
Staatsexamen  für  die  Gymnasiallehrer  einzurichten,  gleich  dem  theelo- 
gischen,  iuristischen  usw.  Im  Mai  vorigen  Jahres  hat  die  Regiemf 
von  der  philosophischen  Facultät  Vorlagen  zu  einem  Regulativ  dtfir 
verlangt  und  einen  vollständigen  Kntwurf  nebst  Motiven  im  Angut 
dess.  Jahres  erhalten.  Bis  jetzt  ist  indes  noch  keine  Kntscheidanf  er- 
folgt. DeNsenuiigcachtet  ist  doch  schon  Ostern  dieses  Jahres  im  Sinni 
des  zu  erwartenden  Regulativs  das  Scliulamtsexamen  in  Kiel  abgehal- 
ten worden.  Die  Zahl  der  Examinanden  war  drei,  das  schriftliche Bn- 
men  dauerte  zwei  'J'age  von  9—1  und  von  3—7  IJ.,  das  mündliche  fsid 
statt  einen  Vormittag  in  der  Philologie  und  Dogmatik  und  einen  Nach* 
mittag  in  der  Philologie,  Paedcigogik,  PhiKKsophie,  Geschichte,  Geo- 
graphie, Mathematik.  Das  Kxaminationscollegium  besteht  ans  des 
Professoren  Curtius,  Chalybaeus,  T  hau  low,  Karsten,  Wie- 
seler, Nitzsch.  Dif^  vorgelegten  Fragen  waren:  ])  mit  welcbea 
Recht  kann  man  die  Oden  dc8  IJoraz  Nachbildungen  griechischer  Mi- 
ster nennen?  2)  über  die  philosophische  Bedeutung  der  Mythen  bei 
PIat<i.  [\\  in  welchem  Verhältnis  stehen  die  Philologie  und  die  phiJs- 
logische  Gelehrsamkeit  zum  (üesamtbegrilV  des  GAmnasiallehrersT  4) 
W(>lches  Material  besitzen  wir,  um  die  Glaubwürdigkeit  HerodotS  !■ 
beurtlieilen ,  und  was  ist  von  dem>elben  zu  halten?  6)  praemissa  breri 
de  argumento  Haccharum  Kuripidearuni  notitia  Carmen  choricumy  anod 
in  iiliu«  f.ibuiae  verss.  ^61- 1)01  legitur,  ita  expouatur,  ut  vcrsioni  li- 
tinae  eiijuc  pedestri  oratione  confectae  addatur  numerorum  conspectsi 
et  succincta  enarratio  verborum.  ())  über  die  verschiedenen  logischtf 
Kormen  des  lirtheils.  ihren  Zusammenhang  unter  sich,  und  insbeson- 
dere über  die  Kragv ,  ob  da«  disjiinctive  Ürtheil  ein  analytisches  oder 
s>nthetiMrhe*(  i>t.  7)  Was  vcr^teht  .Aristoteles  unter  XQÖnoi  i1glax^(^^8 
und  welche  praktische  Regeln  knüpft  er  für  die  Lehrmethode  daran  onf 
^^)  da>  Klus7gcbiot  des  Rheins  werde  beschrieben  und  seine  historische 
Re<icutung  in  den  verschiedenen  Perioden  kurz  charakterisiert.  9)  die 
Stellung  der  Arclionten  in  Athen  ist  mit  richtiger  Unterscheidung  der 
Zeilen  kurz  zu  ^kizzieren.  10)  Charakteri>tik  der  sog.  5  Seelenvermo- 
gen  Kriiiiiorung,  GtMJäcbtnis,  Phantasie.  11)  kann  die  formale  Bil- 
dungskratt  der  Matlirmatik  dir  der  alten  Sprachen  er>eizen  und  wie 
er<i:Mi'<*n  >U\\  Mathematik  und  Nprnrheu  für  die  Aufgabe  des  Gymna- 
.sialunterrirht.-'?  12)  in  welcher  Reihenfoige  haben  sich  die  cunilischen 
Ma^^istrate  aus  (Umu  romischen  Köiiigthum  rnt\^ickeUy  IM  welches  sind 
die  lluupuiiUeidchicde  '/.wiM'licn  dem  Gebrauche   de»   griechischen   und 


Berichte  ober  gelehrte  Anstalten ,  Verordnnng«!!,  sCatisl.  Notizen.  465 

dem  des  lateinischen  ConjunctiTS?  Die  Beantwortung  ist  durch  einfache 
Beispiele  aus  der  Erinnerung  oder  yon  eigener  Erfindung  xu  erläutern 
und  wo  möglich  durch  die  Analyse  der  Formen  zu  begründen. —  Unter 
dem  15.  Dec.  1855  ist  das  1843  Ton  Professor  Dr.  Thaulow  privatim 
gegründete  und  von  da  an  privatim  geleitete  paedagogische  Semi- 
nar Staatsanstalt  geworden  und  hat  von  dem  königl.  Ministerium  für 
die  Herzogthämer  Holstein  und  Lauenburg  folgendes  Statut  erhalten: 
S  1.  Zur  Förderung  eines  wissenschaftlichen  Studiums  der  Paedagogik, 
sowie  zur  gründlichen  Vorbereitung  und  Ausbildung  in  der  Emehungs- 
kunst  ist  für  diejenigen  Studierenden,  welche  sich  demnächst  dem  Lehr- 
fach widmen  wollen,  auf  der  Universität  zu  Kiel,  Anter  Leitung  des 
Professors  der  Paedagogik,  ein  paedagogisches  Seminar  errichtet.  $  2. 
Diejenigen,  welche  in  das  paedagogische  Seminar  aufgenommen  zu  wer- 
den wünschen,  haben  eine  Uebersicht  ihres  bisherigen  Studienganges 
und  ihrer  wissenschaftlichen  Beschäftigungen  bei  dem  Director  des  Semi- 
nars einzureichen,  und  dabei  nachzuweisen,  dasz  sie  die  erforderliche 
philologische  Vorbildung  erworben,  sich  auch  bereits  im  allgemeinen 
mit  der  Paedagogik  und  deren  Geschichte  bekannt  gemacht  haben.  §  3. 
Die  Uebungen  des  Seminars  finden  nach  der  Bestimmung  des  Directors 
in  2  — 4  Stunden  wöchentlich  statt.  Nach  aufgegebenen  oder  frei  ge- 
wählten Thematen  sind  schriftliche  Arbeiten  von  den  Mitgliedern  des 
Seminars  anzufertigen,  dieselben  rechtzeitig  bei  dem  Director  einzurei- 
chen, von  ihm  unter  den  übrigen  Theilnehmern  in  Circulation  zu  ne- 
tzen, demnächst  im  Seminar  vorzutragen  und  einer  Kritik,  wie  einer 
gemeinschaftlichen  Erörterung  zu  unterziehen ;  auch  sind  paedagogische 
und  didaktische  Aufgaben  in  freien  Vorträgen  zu  behandeln,  praktische 
paedagogische  Fälle ,  sowie  die  meisten  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete 
der  paedagogiSbhen  Litteratur  zu  besprechen  und  praktische  Uebungen 
in  der  Lehrmethode  anzustellen.  Der  Director  hat  wegen  einer  zweck- 
entsprechenden Einrichtung  sämtlicher  Uebungen  im  Seminar  das  er- 
forderliche anzuordnen  und  bei  den  Vorträgen,  Verhandlungen,  Dispu- 
tationen usw.  die  Leitung  zu  übernehmen.  $  4.  Nach  dem  Schlüsse  des 
Wintersemesters  bat  der  Director  alljährlich  über  den  Stand  und  die 
Erfolge  des  Seminars  eine^  Bericht  an  das  akademische  Consistoriuiu 
zu  erstatten,  von  welchem  dieser  Bericht  mit  denjenigen  Bemerkungen, 
zu  denen  dasselbe  sich  etwa  veranlaszt  finden  sollte,  an  das  Directo- 
rium  der  Universität  zur  weitern  Mittheilung  an  das  Ministerium  für 
die  Herzogthümer  Holstein  und  Lauenburg  einzusenden  ist.  —  Nach 
vorher  anordnungsmäszig  stattgehabter  collegialischer  Behandlung  die- 
ser Angelegenheit  zwischen  dem  Ministerio  für  das  Herzogtbum  Schles> 
wig  und  dem  Ministerio  für  die  Herzogthümer  Holstein  und  Lauenbnrg 
wird  vorstehendes  Statut  für  das  paedagogische  Seminar  auf  der  Uni- 
versität zu  Kiel  hierdurcli  genehmigt.  —  Wir  bemerken,  dasz  die  Mit- 
glieder bisher  sowol  Philologen  als  Theologen  waren  und  ihre  Zahl 
zwischen  12  und  5  geschwankt  hai.  Die  Mitglieder  bleiben  meist  3—4 
Semester  im  Seminar.  Stipendien  hat  es  nicht,  wie  das  göttinger  pae- 
dagogische, auch  nicht  wie  das  Kieler  philologische  Seminar.  Zwang 
dasselbe  zn  besuchen  existiert  weder  für  die  Theologen,  noch  für  die 
Philologen  in  irgend  welcher  Weise.  Ueber  das  verfahren  in  diesem 
Seminar  wird  gelegentlich  berichtet  werden,  wie  wir  denn  auch  hoffen, 
das  zn  erwartende  Regulativ  für  das  Schulamtsexamen  nach  seinem  er- 
scheinen baldigst  mittheilen  zu  können. 

Krakau].  Der  Lehrkörper  des  kk.  vollständigen  Gymnasiums  er- 
litt im  Laufe  des  Schuljahrs  J856  vielfache  Veränderungen.  Der  Gym- 
nasiallehrer Dr  K.  Mecherzynski  ward  zum  Professor  der  polnischen 
Sprache  und  Litteratur  an  der  Universität  ernannt,  die  Supplenten 
Brzezinski,  Skornty.Fnk,  Sawczydski  und  der  Lehrer  Oskerd 


466  Berichte  aber  gelebric  Anslalten,  Verordnungen)  lUlisk  Noliien. 

erhielten  Urlaub  zum  Behuf  ihrer  Vorbereitung  auf  die  LebremtfpriifnDg. 
Der  Gymnaiiallehrer  Sarneclii  starb  am  12.  Nof.  1855  und  der  pro 
▼iKcritfche  Religionrileh'rer  Dr  Staroniewicx  ward  zur  Sopplieraii|[ 
einer  Lehrkanzel  an  der  theologischen  Facultat  berufen.  Dagegen  wur- 
den neu  angestellt  die  Supplenten  Kl^sk,  Niziot,  Lexer,  Kami- 
ehski,  auszerdem,  nachdem  die  Trennung  der  In  Klasse  in  swei  Ab- 
theilungen ermöglicht  war,  der  zum  Aushiifslehrer  bestellte  PfarrTcr- 
weiter  Laurawski,  der  Lehrer  Schneider  vom  zweiten  Lemberger 
Gymnasium,  der  Lehramtscandidat  W.  Biehl  aus  Nassau  als  Sapplent, 
endlich  der  Lehramtscandidat  Ryszowski.  Zeitweilige  Anshilte  lei- 
stete der  Adiunct  der  Physik  an  der  Uniyersitat  SwicecsewakL 
Der  Gesangunterricht  gieng  von  dem  Kreisrath  Danek  aef  den  Masik« 
lehrer  Blaschke,  der  israelitische  Religionsunterricht  von  M.  C.  Weisi 
auf  den  Lehrer  an  der  Handelüschule  Marcus  Winter  über;  endlich 
>^ard  ein  Lehrer  der  Stenographie  Cubarth  angestellt.  Der  Lehr- 
körper bestand  demnach  aus  den  wirklichen  Lehrern  Dir.  Dr  Klenei- 
siewicz,  Dr.  Pi^tkowski,  Gralewski,  Schneider,  Jnnota, 
Jablonski,  den  Supplenten  Dr  Straronie wicz,  Unisseweki, 
Orzechowski,  Kl^sk,  Niziol,  Lexer,  Biehl,  den  Anshilfalehren 
Lawrawski,  Ryszowski,  den  Lehrern  der  nicht  obligaten  Lehr- 
fächer Aubertin,  Mecherzynski,  Plonynski,  Sekolowekiv 
Cubarth,  Blaschke  und  Winter.  Die  Schulerzahl  betrog  am 
Schlüsse  des  Schuljahrs  500  (VIll  51,  VIT  53,  VI  40,  V  40,  IV  57,  III 
5H,  11  8H,  P' 55,  l'5H).  Nach  den  Kerlen  am  Schlüsse  dea  SchnHahn 
Ihj.'i  bestanden  13  die  Maturitätsprüfung,  you  denen  10  reif  erelärt 
wurden.  Nach  dem  In  Semester  1856  bestunden  sämtliche  9  annmel- 
dete. Die  den  Schulnachrichten  vorangestellte  Abhandlung  des  Sappi. 
Matth.  Lexer:  der  Ablaut  in  der  deutschen  Sprache  (26  S.  4)  ist 
dadurch  veranlaszt,  dasz  in  dem  eingeführten  niittclhochdeutachen  Le- 
seburhe  von  Karl  Wein  hold  die  Lautlehre  auf  der  von  Jacobi  ia 
den  Beiträgen  zur  deutschen  Grammatik.  Berlin  1H43  gegebenen  Theo» 
rie  beruht,  diese  selbst  aber  vielen  Fachmännern  unbekannt  geblieben 
ist.  Der  Herr  Verf.  glaubte  nun  ein  Verdienst  sich  zu  erwerben,  wem 
er  die  Ablautstheorie  näher  beleuchtete  und  dann  über  daa  Zeitwort 
hinaus  auch  auf  andere  Gebiete  nach  Jacobis  Vorgange  anwendete,  and 
Ref.  ist  überzeugt,  dasz  ihm  viele  Lehrer  für  die  mit  groszem  Pl«fn 
gelieferte  Arbeit  Dank  wissen  werden.  Auf  eigene  wissenschafUiebe  For- 
schungen macht  der  Hr  Verf.  selbst  keinen  Anspruch.  A.  D. 

O.schkiislkdkn].  Am  4ten  Mai  dieses  Jahres  fand  nacb  längerer 
Unterbrechung  eine  Gymnasiallehrerversamnilung  wieder  statt,  sn  der 
sich  aus  Magdeburg,  Halberstadt,  Quedlinburg,  Wolfenbiittei  nad 
Bruunschweig  33  Mitglieder  eingefunden  hatten.  Auch  der  nen  er- 
nannte Provincial.xchulrath  Dr  Wcndt  und  der  Schulrath  Tri  n  kl  er, 
welcher  einstweilen  des  verstorbenen  Sc  hau  b  Functionen  Terwaltel 
hatte,  waren  anwesend.  Der  zum  Ordner  von  der  letzten  VeranMM- 
long  gewählte  Director  Dr  Schmid  aus  Halberstadt  eröffnete  die 
Versammlung  mit  einer  herzlichen,  namentlich  den  Schmen  über  dea 
Schiilraths  Schaub  Verlust  und  die  Freude  über  seine  jetzt  erfolgte 
Ersetzung  ausdrückenden  Ansprache  und  erwähnte,  daaz  zwar  daa  aof 
Antrag  des  verstorbenen  Schaub  gestellte  Thema,  die  Concentra« 
tion  des  Unterrichts,  seine  Bedeutung  verloren  habe,  Indem  die 
neuesten  Ministerialverordnnngen  die  Sache  bereits  erledigt  hatten, 
dasz  es  gleich wol  aber  zweckmäszig  scheine,  dasselbe  zu  besprechen, 
um  einmal  die  richtige  Auffassung  zu  vermitteln,  sodann  anch  die 
Stimmen  der  Ausländer  darüber  zu  vernehmen.  Er  bezeichnete  die 
Fragen:  ob  eine  Verminderung  der  Lehrgegenstände,  eine  Verminde- 
rung des  Lehrstoffes,    ein    behandeln  der  Gegenstände   nacheinander 


Beriehte  aber  gelehrte  Antlalteo,  Verordnongen,  stalisl.  NoIixeD.  467 

eine  Vereinfachung  durch  dat  aneiuanderlegen  gewiuer  Lectionen 
wunschenswerth  seien,  aasserdem  die  Themata  zu  den  freien  Arbeiten 
und  das  einmuthige  xusammenwirken  des  Lehrercoilegiams  als  diejeni- 
gen Punkte,  innerhalb  deren  die  Debatte  sich  zu  bewogen  haben  werde. 
Von  dem  Torsitzenden  aufgefordert  ergriff  der  unterzeichnete,  um  zur 
Discussion  anzuregen,  das  Wort  und  entwickelte:  die  Stellung  der 
Gymnasien  sei  eine  wesentlich  andere  geworden,  als  sie  früher  gewe- 
sen, durch  manche  erfreuliche,  aber  auch  eben  so  viele  unerfreuliche 
Ursachen«  Zu  den  ersteren  rechne  er  die  Rrhebung  der  modernen 
Volkslitteraturen  zur  Classicitat,  wodurch  die  Bedeutung  der  alten  Spra- 
chen für  das  Leben  geschwunden  sei,  die  tiefere  und  allseitige  Anffas« 
suug  des  Alterthums,  die  ungemein  raschen  und  umfangreichen  Fort- 
schritte der  Naturwissenschaften:  als  unerfreuliche  stehen  aber  gegen- 
aber  die  Richtung  auf  den  materiaien  Erwerb,  der  falsche  Begriff,  den 
man  sich  Ton  Bildung  gemacht,  indem  man  diese  als  Vorbereitung  zum 
Lebensberufe  fasse  und  demnach  auf  das  wissen  mehr  Werth  lege,  aüi 
auf  das  können,  endlich  die  Vernachlässigung  der  Erziehung  im  Hause, 
die  den  Schulen  alles  aufbürde,  was  Pflicht  und  Sache  der  Aeltem 
sei;  durch  diese  Ursachen  sei  in  die  Gymnasien  eine  Ueberladung 
gekommen,  deren  fortbestehen  man  als  eine  Unmöglichkeit,  wenn  nicht 
die  segensToUe  Wirkung  geschwächt  werden,  ja  ganz  verloren  gehen 
solle,  erkannt  habe.  Eis  sei  sehr  erfreulich,  dasz  die  hohe  preusziscbe 
Regierung  dem  Bedurfnisse  in  einer  Weise  Rechnung  getragen  habe, 
welche  die  allgemeinste  Billigung  finden  müsse,  indem  sie  von.  dem, 
was  die  Zeit  mit  Recht  fordere,  nichts  entfernt,  aber  doch  einen  Weg 
▼orgezeichnet,  auf  dem  der  wahre  Begriff  der  Bildung  zur  Geltung  komme. 
Was  das  einzelne  anbetreffe,  so  könne  man  gewisz  sich  nur  freuen,  dass 
die  philosophische  Propaedeutik  nur  auf  einzelne  Gymnasien,  wo  sich 
ein  ganz  geeigneter  Lehrer  finde,  beschränkt  sei,  da  nach  des  anwe- 
senden Dr  Deuschle  trefflicher  Auseinandersetzung  in  Mutzeiis 
Zeitschrift  kaum  noch  die  Nothwendigkeit  desselben  in  den  Gymnasien 
behauptet  werden  könne.  Eine  gleiche  Beschränkung  habe  der  natur- 
gescbichtliche  Unterricht  erfahren.  In  Bezug  auf  diesen  Zweig  des 
Unterrichts  zeige  sich  die  Vernachlässigung  der  Erziehung  durch  das 
Haus;  denn  während  es  Sache  der  ersten  Erziehung  sei,  die  Aufmerk- 
samkeit des  Kindes  auf  die  es  umgebenden  Naturgegenstände  zu  len- 
ken und  an  denselben  beobachten  zu  lehren,  habe  man  dies  ganz  der 
Schule  aufgebürdet.  Trete  jenes  wieder  ein,,  so  glaube  der  Redner, 
könne  man  des  naturgeschichtlichen  Unterrichts  als  selbständigen  Lehr- 
gegenstands entrathen  und  es  genfige  seine  Verbindung  mit  der  Geo- 
graphie, die  ihm  ohnehin  da,  wo  ein  solcher  Unterricht  nicht  ertheilt 
werde,  unentbehrlich  scheine;  die  Geographie  fordere  Berücksichtigung 
der  Naturbeschreibung  und  die  Verbindung  sei  möglich,  wie  das  Vie- 
hoff*sche  Lehrbuch  der  Geographie  beweise.  Dir.  Dr  Müller  aus 
Magdeburg  stimmt  nicht  ganz  mit  dem  Vorredner  überein;  denn  das 
Gymnasium  werde  von  vielen  Schülern  besucht,  deren  Aeltern  ganz 
unfähig  seien,  eine  solche  Ausbildung  zu  gewähren,  wie  sie  Dietsch 
verlange,  und  die  in  einem  Alter  stehen ,  wo  sie  noch  nicht  möglich  sei ; 
es  sei  aber  gewis  nothwendig  die  Jugend  zu  einer  Anschauung  der 
Wunderwerke  Gottes  und  der  Ordnung  in  denselben  zu  führen;  alles 
hange  von  der  Tüchtigkeit  des  Lehrers  ab  und  er  sei  so  glücklich  an 
seiner  Schule  einen  solchen  zu  besitzen,  weshalb  er  von  dem  Unter- 
richte nur  die  besten  Resultate  gesehn  habe;  ein  solcher  Lehrer  werde 
bei  seiner  Naturbeschreibung  von  dem  individuellen  aujtgehen,  die  No- 
menclatur  zwar  nicht  ausschlieszen,  aber  bei  Erklärung  der  griechi- 
schen nnd  lateinischen  Namen  an  die  bereits  vorhandenen  sprachlichen 
Kenntnisse  anknüpfen;  er  werde  sich  begnügen,   wenn  die  Schüler  in 


469  Berichle  aber  gelehrte  Anstalten,  Vcrordnnngen,  i Ulisl.  NoUmb. 

einem  halben  Jahre  von  8— 10  Natarkorpern.  z.  B.  Pflanxen  oderThie- 
ren,  eine  sichere  Anschauung  und  Kenntnis  erhielten;  in  dieser  WeiM 
ertheilt  halte  er  den  naturgeschichtlii  ben  Unterricht  für  noibweBdi^ 
auf  dem  GymnaMum.  Dietsch  erwiedert,  da«z  er  allerdings  ein  spa- 
teres Alter  bei  dem  Beginne  des  Gyninasiaiiinterrichts  Toransigesettt 
habe,  das  Ute  Jahr;  seine  Erfahrung  über  die  Verbindnn^  des  natBr- 
geschichtlichen  und  geographischen  Unterrichts  sei  an  einer  Schale  ge- 
macht, wo  die  Schüler  nicht  vor  dem  13ten  Jahre  eintreten  und  dcM- 
nach  mehr  Kenntnisse  Torausgesetzt  werden  konnten ;  allein  anch  u- 
derwnrls  scheine  es  ihm  möglich,  die  Vereinigung  mit  der  Geographie 
durchzurühren,  nur  müsse  diese  dann  in  den  untersten  Klassen  Ten  der 
Gesrhi<hte  getrennt  und  mit  m*  hr  Stunden  bedacht  werden.  Wahrend 
Dir.  Müller  die  Vereinigung  für  schwieriger  und  weniger  nfitzlich 
hält,  als  die  selb>tändi^e  Krtheilung  des  naturgescbichtlichen  Unter- 
richts, bemt^rkt  der  Vor-itzende  Dir.  Dr  Seh m id.  dass  der  VorscUad 
▼on  Dietsch  ge^^issermaszen  in  dem  preuszischen  Reglement  gegeben 
sei.  indem  die  Zulegung  einer  Stunde  zur  Geographie,  wo  der  natir- 
geschirht liehe  Unterricht  ganz  wegfalle,  zugelassen  sei.  Dir.  Dr  Jeep 
aus  Wolffcnbuttel  erklärt  ^ich  gegtMi  den  Vorschlag,  indem  er  bemerkt, 
dasz  einmal  wenige  Lehrer  der  Geographie  geeignet  seien,  sugleich  dei 
naturgeschichtlichen  Unterricht  zu  berücksichtigen,  sodann  bei  der  Ver- 
bindung dieser  zu  kurz  kommen  und  den  /weck  nicht  erfnUen  werde, 
um  des  willen  er  auf  die  Gymnasien  gehöre:  sollten  die  Schiler  mr 
Beobachtung  der  Naturgegenstände  angeleitet  werden,  so  müsse  der  Un- 
terricht durch  einen  tüchtigen  Lehrer,  nicht  einen  solcheUi  der  lieh 
erst  selbst  das  angeeignet  habe,  was  er  lehren  wolle,  sondern  der  ganz 
darin  zu  Hause  sei  und  das  ganze  (lebiet  behersche,  in  besondern  Stan- 
den ertheilt  werden;  aber  es  sei  keines\^egs  nothwendig,  denselbes 
durch  alle  Klassen  hindurchzuführen,  er  gonüge  vollkommen  in  den  in- 
tern Klassen.  Dietsch  repliciert.  es  scheine  ihm  der  geographische 
Unterricht  dahin  zu  drängen,  sich  auch  in  die  Naturwissenschaftca 
hineinzuarbeiten,  und  naturlich  die  |)aedngogische  Weisheit  voransgesetsl 
werden  zu  müssen,  dasz  er  nichts  lehren  wolle,  als  was  er  nicht  seibtt 
vollständig  inne  habe;  bei  der  Geographie  müsse  man  doch  Ton  des 
Producten  des  Landes  reden  und  von  den  Bedingungen,  anter  denen  sit 
gedeihen;  dabei  scheine  es  nun  recht  leicht,  dasz  die  Bescbreibong  ei- 
niger Naturkörper  angeknüfifi  \^erde,  z.  B.  un>erer  Getraidearten,  as- 
serer  Hausthiere.  Schulr.  Dr  Wendt  erinnert  daran,  wie  dnrch  die 
Kinführung  des  Ritter'schen  Sy.<tems  in  die  Schulen,  namentlich  durch 
V.  Uoon.  das  topische  Element  zu  einem  gnnz  nachtheiligen  Ueberge- 
wichte  gekommen  sei;  man  habe  nun  begrilTen.  dasz  der  geographische 
L'nterricht  einer  Belebung  bedürfe  und  sei  deshalb  auf  die  Herbeiile- 
hiing  des  naturgescbichtlichen  gekommen,  und  da  zugleich  die  Frage« 
ob  der  naturgeschichtliche  Unterricht  eine  Beschränkung  erfahren  koaat 
und  müsse,  erhoben  worden,  so  habe  man  die  Vereinignng  beider  beanlrsgt 
ge^ren  welche  er  sich  erkläre.  Man  müsse  die  Nothwendigkeit  des  natnrge- 
schichtlicben  Unterrichts  für  die  Jugend  betonen;  die  Schale  habe  das 
An^chauungsvermogen  der  Jugend  zu  bilden  und  zu  fordern,  eben  so  aber 
auch  das  poetische  Klement,  wozu  nichts  so  dienlich  sei,  als  jener;  die 
Praxis  müsse  lehren,  was  für  die  Schule  von  der  Naturgeschichte  braach- 
bar  sei;  als  ein  Uebelstand  im  Reglement  erscheine  ihm,  dasi  der  Un* 
terricht  in  Quarta  ganz  wegf.ille.  während  er  in  Tertia  repetiert  wer- 
den solle;  bi«  zur  Quarta  hin  müsse  derselhe  absolviert  sein,  und  es 
würde  deshalb  zweckmäsziger  sein,  die  »Stunde  von  Tertia  nach  Qaarta 
zu  verlegen.  Scbolrath  Trink  ler  bezeichnet  als  die  Hauptfrage,  in 
welchem  Umfange  der  naturgeschichtliche  Unterricht  in  den  Gymnasial- 
Unterricht  hineinpasse;  darüber  sei  keine  Klarheit  rorhanden /  indes  so 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnaogen,  Statist.  Notizen.  469 

hoffen,  dasx  man  sich  mehr  und  mehr  daraber  einigen  werde:  so  lange 
die  Gymnasien  Schaler  hätten ,  welche  nicht  stndieren  wollten ,  könnten 
^ie  sich  der  Rücksichtnahme  anf  diese  nicht  entschlagen,   und  dadurch 
werde  schon  ein  Maszstab  auch  für  den  naturgeschichtlichen  Unterricht 
gewonnen;    von  einem   systematischen   Unterricht   sei   ganx   abzusehen 
und  nur  die  Beschreibung  von  Naturgegeuständen   aufzunehmen;   eine 
fruchthare   Behandlung  sei   nur   möglich,    wenn  man    die   Kinder   die 
Merkmale  genau  kennen   und  selbst  finden  lehre;  dazu  seien  am  dien- 
lichsten diejenigen   Naturgegenstände,    welche   sich  in  der  Umgebung 
finden,  z.  B.  die  Hausthiere  uud  die  bekanntesten  Pflanzen;    Mineralo- 
gie, und  ganz  besonders  die  Krystallographie  seien  bis  auf  wenige  Aus- 
nahmen ganz  auszuschlieszen ;   in  dieser  Weise  ertheilt  sei   der  Unter- 
richt als  selbständiger  Gegenstand  beizubehalten;  die  preuszische  Ver- 
ordnung setze  voraus,  dasz  in  den  unteren  Klassen  Naturkorper  bespro- 
chen worden  seien;  die  Tertia  solle  in   zusammenfassender  Weise  das 
früher  gegebene  wiederholen ;  die  Lacke  in  Quarta  sei  dafür  nicht  em- 
pfindlich.   Schulr.  Wendt  betont  nochmals  die  Weckung  und  Uebung 
4le8  Anschauungsvermögens  als  das  wichtigste;  der  naturgeschichtliche 
Unterricht  dürfe  durchaus  nicht  wissenschaftlich  sein,  mehr  ein  Spiel, 
bei -dem   aber  für  den  Knaben  recht  viel  abfalle.     Dir.  Dr  Kriiger 
aus  Braunschweig  hält  die  Pause  in  Tertia  nicht  für  bedenklich,  indem 
er  voraussetzt,  dasz  in  Tertia  derselbe  Lehrer  die  Repetition  vornehme, 
welcher  in  Quinta  und  S«xta  den  Unterricht  ertheilt  habe.    Dagegen 
hält  doch  Dir.  Dr  Müller   für  wnnschenswerth ,   dasz  in  Quarta    in 
einer  Stunde   das  frühere   repetiert,   aber   nichts    nenes    hinzugezogen 
werde.     Schulr.  Wendt  glaubt  die  Möglichkeit,  dasz   derselbe  Lehrer 
in  Tertia,  wie  in  Quinta  und   Sexta  die  Sache  in  den  Händen   habe, 
beanstanden  za  müssen,  während   Schulr.  Trinkler   sich  gegen  die 
Einrichtung  der   Viehoff^schen   Lehrbücher  erklärt.      Dietsch   macht 
darauf   aufmerksam,    dasz   in   den   Verordnungen   des    österreichischen 
Unterrichtsministeriums  und  in  Abhandlungen    der  Zeitschrift  für  die 
österreichischen  Gymnasien  sehr  viel  gutes  rücksichtlich  des  Lehrstof- 
fes in  der  Naturgeschichte  enthalten  sei,  das  man  zur  allgemeinen  Be- 
achtung dringend  empfehlen  müsse.    Der  Vorsitzende  S  c  h  m  i  d  bemerkt, 
dasz  man,  da  mau  über  die  Zahl  der  Lehrgegenstände  im  reinen  sei,  woi 
zu  der  Präge  nach  der  Beschränkung  des  Lehrstoffes  übergehen  könne. 
Schulr.  Wendt  wünscht  eine  solche  in  Bezug  auf  das  französische,  das 
im  neuen    Reglement  eine  Ausdehnung   nach  unten   erfahren;    bis  zur 
Tertia  müsse  die  Sprache  grammatisch  unter  Benutzung  und  nach  An- 
leitung des  lateinischen  getrieben  werden;   die  Zeit   reiche   dazu  voll- 
kommen aus;  dann  sei   aber  in  den    oberen    Klassen  Lesefertigkeit  al- 
lein  za  erzielen;   deshalb  solle  man    hier    die  schriftlichen  Uebungen 
hinweglassen  und  nur  lesen ;  freilich  müsse  dann  auch  die  Abitnrienten- 
prüfung  auf  die  schriftliche  Arbeit  verzichten.     Schulr.  Trinkler  hält 
dagegen  an  dem  französischen  scriptum   für  den  Schlusz  der  Bildung 
fest;    es  sei   gewittsermaszen   die   Probe    auf  das    Rechenexempel ,   das 
man  sich  rücksichtlich  des   verstehens  bei  dem   Abiturienten  gemacht 
habe;  grammatische  Sicherheit  sei  ohnehin    ohne  schriftliche  Uebungen 
nicht  zu  erreichen;  zum  vorgezeichneten  Ziele  zu  gelangen  sei  übrigens 
nicht  schwer,    wenn  schon  hier  und  da  den  Gymnasien  die  geeigneten 
Lehrkräfte  fehlen  möchten.    Schulr.  Wendt  erwiedert  dagegen,  dasz 
grammatischer  Unterricht  und  scriptum  wol  auseinanderzuhalten  seien; 
das  ZieJ ,    das    dem  Unterricht  auf  dem  Gymnasium    gesteckt  werden 
könne,   leichtes  und  richtiges  Verständnis  französischer  Litterat urwer- 
ke,  sei  auch  ohne  das  zu  erreichen:  daher  man,  um  Zeit  für  die  Schü- 
ler der  oberen  Klassen  zu  gewinnen,    auf  die  schriftlichen  Arbeiten  in 
dieser  Sprache  verzichten  solle.     Dir.  Dr  Wiggert  weist  darauf  hiii^ 

If.  Jakrb.  f.  Fhü.  ».  Patd,  Bd.  LXXIV.  aß.  9.  33 


470  Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  VerordmiDgen,  sUtist  NotiieB. 

(lasz  das  Gyinnafiium  doch  auch  fnr  nicht  studierende  in  lorgen  habe; 
von  den  PoKtcIeven  z.  B.  werde  Fertigkeit  im  französischen  gefordert; 
witi  dem  ^cnii^t  >\erden  konnte?  Schiilrath  Wen  dt  halt  dagegen  ein, 
(lasz  das  Oymnasiain  nicht  von  dem  zukünftigen  bürgerlichen  Berafe 
neiner  Zöglinge  die  GeKichtspunkte  seiner  Einrichtungen  entnehmen 
könne,  wogegen  Schulr.  Trink! er  bemerkt,  dasz  allerdings  die  mog- 
lieli.Nte  Sorge  für  die  nichtstndierenden,  wenn  dadurch  nicht  höhere 
Zwecke  gehindert  würden,  eine  billig  zu  nehmende  Rücksicht  lei.  Dir. 
Wiggert  weist  noch  auf  ein  anderes  durch  die  nenen  Verordnungen 
angeregtes  Bedenken  hin.  Der  Zeichenunterricht  sei  in  den  oberen 
Klassen  nicht  durchgeführt;  aber  die  Baueleven,  welche  auf  die  Gym- 
nasien bis  »Secunda  gewiesen  seien,  bedürften  doch  gerade  des  seich- 
nens  vorzugsweise.  Dir.  Jeep  knüpft  an  die  Bemerkung  des  Herra 
8chulrath  Wendt  an;  er  sei  kein  I^Veund  des  franzosischen,  wolle  es 
jedoch  keineswegs  aus  den  G)r mnasien  entfernt  sehen;  jedesfalls  sehe  er 
aber  darin  einen  minder  wichtigen  Unterrichtszwcig;  auch  er  sei  fSr 
die  Weglassung  der  schriftlichen  französischen  Arbeiten  in  den  oberen 
Klassen;  um  das  Ziel  zu  erreichen  sei  Lcctüre  und  sprechen  nothig; 
das  letztere  müsse  in  Secunda  begonnen  und  zwar  über  das  3n  den  tu- 
rigen  Klassen  gelesene  gesprochen  werden.  Wahrend  man  aber  Con- 
centration  und  deshalb  Vermindernng  der  Lchrgegenstande  fordere,  sei 
er  in  dem  Falle  die  Kinführung  eines  neuen  zu  verlangen;  dies  sei  das 
englische;  die  englische  Litteratur  habe  eine  weit  grossere  Berech- 
tigung als  Bildnngsmittel ,  denn  die  französische,  ja  fast  eine  gleiche, 
wie  die  alten  Litteraturen  ;  es  bedürfe  nur  der  Krinnorung  an  Shakespeare, 
um  sich  die  Krage  zu  bejahen,  ob  die  gebildete  Jugend  zu  dieser  Lit- 
teratur geführt  werden  müsse;  die  nonhieutschen  Gymnasien  seien  ohne- 
hin genöthigt,  das  englische  in  ihren  Bereich  aufzunehmen;  sie  mSstcn 
darin  nur  noch  mehr  thun,  als  bis  jetzt  geschehen.  Frage  man,  woher 
die  Zeit  dafür  zu  gewinnen,  so  gebe  es  ein  Mittel  durch  die  Beschrän- 
kung der  Mathematik;  in  den  unteren  KIa>sen  werde  das  praktische 
rechnen,  das  doch  allen  für  d:is  Lehen  ho  nothwendig  sei,  Ternachlas- 
sigt,  was  um  so  mehr  zu  beklagen,  als  dadurch  eine  wesentliche  Er- 
leichterung des  mathematischen  Unterrichts  in  den  obern  Klassen  ge- 
boten werde.  Ks  sei  unleugbar,  dasz  viele  Schüler  der  oberen  Klassen 
keine  Lust  und  keine  Fähigkeit  für  die  Mathematik  besitzen,  aber  eben 
so  auch,  dasz  die  Mathematik  in  einer  Ausdehnung  gelehrt  werde,  als 
ob  die  Schule  Mathematiker  l)iMen  wolle,  so  dasz  für  die  Universität 
wenig  übrig  bleibe;  die  Mathematik  müsse  aber  nur  Bildungsmittel 
sein  und  deshalb  könne  sie  in  Stoff  und  Zeit  beschränkt  werden;  vier 
Stunden  in  Prima  und  Secunda  seien  unbedingt  zu  viel;  die  dadurch  lU 
gewinnende  Zeit  habe  man  dem  englischen  zuzuwenden,  welches  viel 
wichtiger  sei  als  das  französische.  Geh.  Hofr.  Petri  aus  Braunschweig 
erklärt  sich  ebenfalls  für  die  Nothwendigkeit  der  Aufnahme  des  «engli- 
schen, macht  aber  auf  einen  Unterschied  aufmerksam;  das  englische 
sei  8o  beftchafTeii,  dasz  der  Schuler  mit  wenigen  Ausnahmen  mit  allei- 
niger Hilfe  i\vH  Lexikons  in  den  Sinn  der  Schriftsteller  eindringen 
könne;  bei  dem  französischen  «ei  dies  anders,  hier  sei  rationelle  Gram- 
matik unumgänglich  nothwendig,  um  in  die  Schriftsteller  einxnfnhren; 
er  macht  auszerdcm  noch  auf  die  von  Wildcrmuth  u.  a.  befolgte  5fethode 
aufmerksam.  Dir.  Müller  berücksichtigt  zuerst  das  von  seinem  Col- 
legen  Wiggert  rficksichtlich  des  Zeichnens  geäusserte  Bedenken,  indem 
er  fordert ,  daMc  das  Gymnasium  bis  in  die  oberen  Klassen  hiimuf  sei- 
nen Schulern  Gelegenheit  zur  Erwerbung  und  Ausbildung  der  Fertig- 
keit dann  gebe.  Was  das  französische  anlange,  so  hält  er  für  das 
nothwendigste,  dasz  der  Unterricht  in  dieser  Sprache  dem  in  den  alten 
Sprachen  entspreche,   ohne  welches  er  stets  zurückstehen  werde;   des- 


Berichte  Über  gelehrte  Anstalten ,  Verordnangen ,  Statist.  Notizen.  471 

halb  halte  er  aber  aach  schriftliche  Bxercitien  far  nothwendig.  Eine 
Be8cliränkung  der  für  Mathematik  verwendeten  Zeit  befürwortet  er  auch 
auf  das  dringendste  und  beruft  sich  dabei  auf  seine  Erfahrung;  er  «ei 
auf  der  Landesschule  in  Meiszen  gebildet;  die  Mathematik  habe  durt 
nicht  viel  weniger,  als  jetzt  gefordert  werde,  an  Umfang  gehabt,  und 
doch  seien  in  Prima  und  8ecunda  nur  2 — 3  Stunden  wöchentlich  darauf 
▼erwendet  worden;  freilich  habe  man  aber  anch  in  Quarta  und  Tertia 
das  praktische  rechnen  recht  tüchtig  geübt,  an  das  sich  mit  leichter 
Mühe  das  meiste  ans  der  Arithmetik  angeknüpft  habe.  Dir.  Schmid 
weist  auf  die  ganz  gleichen  Aeuszerungen  des  verstorbenen  Ellendt  hin 
(Eislebener  Programm  1865:  auch  eine  Stimme  über  daa^  was  den 
Gymnasien  noih  thut),  Schnirath  Wendt  spricht  sich  gegen  die  Auf- 
nahme des  englischen  aus,  weil  es  an  Zeit  dazu  fehle  nnd  die  Kräfte 
der  Schüler  sehr  zersplittert  werden  würden,  wogegen  Jeep  einhält, 
dasz  eben  mit  der  Verminderung  der  Mathematik  die  Zeit  gewonnen 
und  ein  Unterricht  eingeführt  werde,  der  den  Studien,  in  welchen  das 
Hauptbildungsmittel  liege,  analog  sei.  Mehrere  Stimmen  erklärten  sich 
dabin,  dasz  man  allerdings  das  englische  höher  stelle  als  das  französi- 
sche, dasz  aber  die  Einführung  einer  zweiten  neueren  Sprache  bedenk- 
lich erscheine;  könne  man  das  französische  beseitigen,  so  müsse  das 
englische  unbedingt  eintreten.  Schulrath  Wendt  bezeichnet  als  etwas, 
was  für  die  Gymnasien  am  meisten  notb  thue,  das  Privatstudium  and 
wünscht  zn  seiner  Betreibung  mehr  Raum  geschafft,  —  weshalb  er  sich 
auch  mit  gegen  das  englische  erklart  habe.  Dir.  Jeep  glaubt.  Rann 
könne  geschafft  werden ,  wenn  man  einzelne  besonders  befähigte  und 
Vertrauen  erweckende  Schüler  von  manchen  Lebrstunden  dispensiere, 
wogegen  Director  Krüger  bemerkt,  das  erlassen  einzelner  officieller 
Schularbeiten  erscheine  viel  leichter  und  unbedenklicher,  als  das  dis- 
pensieren von  Schulstunden.  Der  Vorsitzende  Dir.  Schmid  stellt  nun 
noch  die  Frage  zur  Debatte,  ob  ein  nacheinander  odlf  nebeneinander 
der  Unterrichtsgegenstände  statt  zu  finden  habe.  Dir.  Jeep  erklärt 
sich  entschieden  gegen  das  nacheinander  ans  praktischen  Gründen; 
Schulrath  Wendt  aber  fordert,  dasz  stets  in  einer  Klasse  nur  6in 
Schriftsteller  in  einer  Sprache  auf  einmal  gelesen  werde.  Dir.  Schmid 
erwähnt,  dasz  dies  am  lialberstädter  Domgvmnasium  schon  längere  Zeit 
durchgeführt  sei,  dasz  man  sogar  die  griechischen  Stunden  und  die 
lateinischen  in  4inen  Theii  der  Woche  zusammengelegt  habe;  alle  Leh- 
rer hätten  bis  jetzt  nur  günstige  Resultate  zu  beobachten  Gelegenheit 
■  gehabt.  Dir.  Krüger  berichtet,  dasz  dasselbe  auf  dem  Obergymnasium 
in  üraunschweig  mit  gleich  sichtbarem  Erfolge  geschehen  sei;  er  macht 
zugleich  auf  die  Forderung  der  Praeparation  aufmerksam  nnd  bezeich- 
net als  nützlich  manchmal  auch  ganze  Stücke  ohne  Praeparation  lesen 
zn  lassen,  was  als  Einrichtung  auf  manchen  Gymnasien  bezeichnet  wird. 
Dietsch  machte  schlieszlich  noch  als  auf  das  wichtigste  bei  der  Frage 
nach  der  Concentration  darauf  aufmerksam,  wie  die  einzelneu  Lehrer 
sich  bestreben  müsten,  dasz  die  Schüler  unmittelbar  in  den  Stunden 
lernten,  damit  die  vielfachen  Forderungen  an  ihren  hauslichen  Fleisz 
mehr  und  mehr  wegfielen.  Der  Vorsitzende  faszte  die  Resultate^der 
Besprechung  zusammen  und  Dir.  Dr  Wiggert  berichtete  noch  über 
das  dem  verstorbenen  Seh  an b  durch  die  Pietät  der  ihm  untergebenen 
Directoren  und  Lehrer  auf  dem  Kirchhofe  zu  Magdeburg  errichtete 
Denkmal.  Zum  Vorsitzenden  der  nächsten  im  Aug.  zu  haltenden  Ver- 
sammlung ward  Dir.  Dr  Krüger  erwählt.  —  Ref.  glaubt  durch  seinen 
Bericht,  den  er  theils  seiner  Erinnerung,  theils  den  von  seinem  Freunde 
Dr  Hense  aus  Halberxtadt  gemachten  schriftlichen  Aufzeichnungen 
entnommen,  nur  einen  geringen  Theil  der  Dankbarkeit  abzutragen,  zu 


472  Personalnachrichten. 

der  er  sich  den   Tersarainelten  far  die  ihm  gewordene  freundliche  Aaf- 
nähme  und  vielfache  Belehraiig  verpflichtet  fohlt.  A«  D* 


Personalnachrichten. 

Angestellt    oder   versetzt: 

Giusanni,    Dr  Cam.,  Supplent  am  Obergymn.  za  Udine,  zum  vrirlcl. 

Gymnasiallehrer  daselbst  ernannt. 
Heiland,  Dr,  Dir.  des  Gymnasiums  zu  Stendal,  zam  Dir.  des  groszh. 

Gymnasiums  in  Weimar  ernannt. 
Hofmann,    Dr,    ao.  Prof.  an  der  Universität  zu  München,  sum  ord. 

Prof.  für  deutsche  Sprache  und  Litter.  an  ders.  ern. 
Kessler,  Schulamtscandidat,  provis.  als  6r  Lehrer  am  Gynnaalnm  za 

Hildburghausen  angestellt. 
Kresz,   Schulamtscandidat,   provis.  als  6r  Lehrer  am  Gymn.  sa  Mei- 
ningen angestellt. 
Piadeni,  J.  B.,  Lehramtscand.,  zum  wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  sa  Lodi 

ernannt. 
Roszbach,  Dr,  ao.  Prof.  an  der  Univ.  zu  Tübingen,  zum  ord.  Prof. 

der  klass.  Philologie  an  der  Univ.  zu  Breslau  ern. 
Schaubach,   Schulamtscand. ,   provisor.  als   5r  Lehrer  am  Gymn.  la 

Meiningen  angestellt. 
Vahlen,  Dr  J.,    Privatdocent  an  der  Univ.  zu  Bonn,  zum  ao.Prof.  an 

der  Univ.  zu  Breslau  ern. 
Zavadil,  Suppi.  am  Gymn.   zu  Sandec,  zum   wirkl.  Gymnasiallehrer 

an  ders.  Lehranstalt  ern. 

Praediciert: 

Henneberger,  Dr  Aug.,  Lehrer  am  Gymn.  zu  Meiningen  als  Prof. 

praediciert. 
Reinhard,    Dr  Frdr. ,  2ter  Prof.  am  Gymn.  zu  Hildburghauzen,  als 

Schulrath  praed. 

Gestorben : 

Am  24.  Mai  zu  Kgbel  in  Ungarn,    Dr  K.  Ldnyi,  Verf.    mehrerer  ge- 

schichtl.  Werke  und  corresp.  Mitgl.  der  Ungar.  Akndemie. 
Im  Junius  zu  Prag  der  jubilierte  Gymnasialdirector,  Job.  Jan  da,  im 

76.   Lebensj. 
Am  2.  August  zu  Gera  der  Geh.   Kirchenrath  und  Superintendent,    Dr 

th.  Jon.  H.  Traug.  Behr,  früher  Professor  am  das.  Gymnasium, 

70  J.  alt. 
An  deiiiselhen  Tage  im  Bade  Oeynhausen  der  durch  seine  Arbeiten  aber 

deutsche  Sprache  bekannte  Professor  Dr  M.  W.  Götzinger    a«a 

SchalThaasen. 


Zweite  Abtheilung 

herMugegebei  tm  Ridtlph  DietscL 


37. 

Ueber  den  Unterricht  in  der  Religianslekre  auf  evangelischen 
Gymnasien.  Ein  Giäachten  von  Dr.  K.  W.  Bouterweck^ 
Director  und  Religianslehrer  am  Gymnasium  zu  Elberfeld, 
Gütersloh  1855.   In  Commission  bei  C.  Bartelsmann.   66  S.  8. 

Gewis  ist  es  schwierig,  ja  wir  möchten  noch  mehr  sagen  als  der 
Verfasser,  es  ist  auch  sehr  bedenklich,  die  Religionslehre  ^durch 
allgemeine  Haszregeln,  welche  ihren  vollen  Werlh  unzweideu- 
tig hervortreten  lassen  und  sie  diesem  gemflsz  beachtet  wissen  wollen, 
zu  heben  und  ihr  den  verdienten  Platz  auf  die  Dauer  anzuweisen*. 
Zum  Glück  ist  es  auch  in  der  neo^rn  Zeit  kaum  noch  nöthig,  die  hohe 
Bedeutung  des  Religionsunterrichts  auf  eine  so  fiuszerliche  Weise  erst 
festzustellen.  Vielmehr  klagt  der  Verfasser  mit  Recht  darüber,  dasz 
man  hier  und  da  schon  in  das  andere  Extrem  gerathen  sei  und  nament- 
lich in  der  Begründung  von  ^christlichen  Gymnasien'  ein  Heilmittel 
gegen  alle  Gottentfremdung  in  den  höhern  Ständen  habe  finden  wol- 
len. Hören  wir,  was  der,  bekanntlich  dem  christlichen  Glauben  sehr 
entschieden  zugethane  Verfasser,  über  die  Tagesfrage  der  christli- 
chen Gymnasien  für  ein  Zeugnis  ablegt.  S.  3:  Christliche  Gymnasien 
sind  alle  Gymnasien  Preuszens  und  dürfen  nicht  von  einer  Parteistel- 
lung  aus,  ohne  Verletzung  des  Rechts  und  der  Sitte,  anders  genannt 
werden.  Wird  aber  der  Begriff  eines  christlichen  Gymnasiums  dahin 
verengert,  dasz  man,  in  pietistischem  Sinne,  höhere  Lehranstalten  dar- 
unter versteht,  welche  durch  eine  besondere  Glaubensauffassung,  feste 
Sitte  und  strenge  Zucht  den  auf  andern  Anstalten  oft  verfehlten  letzten 
Zweck  der  Jugendbildung  mit  gröszeror  Sicherheit  und  unter  giltigerer 
Gewähr  zu  erreichen  hoffen,  so  liegt  in  einer  solchen  Auffassung  des 
christlichen  eine  sich  bevorzugende  Willkür ,  welche  mit  einem  unge- 
recht werdenden  Vorwurf,  in  bedenklicher  Ausschlieszlichkeit,  eine 
Vergangenheit  und  Gegenwart  richtet,  deren  lebensfähigste  Keime  auf 
einem  freieren  evangelischen  Boden  gewonnen  wurden  und  dort  eV- 
starkten.  Solche  Anstalten  werden  nach  einem  unabweislichen  Innern 
Gesetze  stetiger  Entwicklung  zn  Schulen  eines  bestimmten  kircblicheii 

IS.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXXJV.  BfL  10.  34 


474      Boulerweck :  über  den  Unlerricbl  in  der  Be1igiovBl«kre. 

Boküiinlnisscs  werden  und  können  in  dieser  Stellang  und  für  eil  fol- 
chesj  Bckonnlni»  manches  gute  leisten,  insoweit  aber  chrisllich  lebei- 
diffo    IJebcrzeugung   an    einzelne  Persönlichkeiten   gebudn 
und  ein  Gnadengeschenk  Gotles  ist,  wird  ihr  evangelisch  - ohrisUieher 
(icisl  auch  in  jenen  Anstallen  nur  dann  und  so  lange  walten,  wie  fol- 
cho  evangelische  Männer ,  die  in  jeder  andern  Schale  auch  Rena  •§- 
den,  in  ihnen  wirken*.    Referent  gesteht,  seit  dem  schönen  Vortrtfe 
des  Ucg.-ll.  Landfermann  (auf  dem  Kirchentage  sa  Elberfeld)  nidrts 
über  diesen  Gegenstand  gelesen  zu  haben,  dem  er  so  dnrehaos  bci- 
pllichlen  könnle.    Nur  will  es  ihm  scheinen,  als  seien  die  darin  her- 
vorlrclcnden  liefen  Einsichten  in  die  Art,  wie  das  christliehe  in  der 
Schule  allein  wahrhaft  gepflegt  wird,  doch  nicht  aberall  in  de«  Git- 
nchlen  zur  rechlen  Geltung  gekommen  und  es  sei  vielmehr  hier  and  da 
oin  künstliches  machen  und  drangen  empfohlen  worden.    Di 
lief,  weisz ,  wie  schwer  ein  solcher  Vorwurf  wiegen  nasx,  ao  kaaa  er 
es  nicht  unterlassen,  sich  bestimmter  so  auszudrücken:  der  Diredor 
Bouterweck  hat  in  seiner  ganzen  Stellung,  in  seiner  Peraönliehkeil 
usw.  so  viele  Hilfsmittel,  dasz  es  uns  nicht  wundern  kann,  wenn  er 
im  WupperlhaK  trotzdem  dasz  das  dortige  Chrislenlhnm  mehr  als  bil- 
hg  durch  confessionelle  Zwietracht  gestört  wird,  einen  im  Yollen  Sin 
des  Wortes  wirksamen  Religionsunterricht  erlheilt   nnd    dass  er 
diesen  hohen  Gewinn  ohne  irgend  welche  didaktische  oder 
Treiberei  erreicht:  aber  anders   würde  es  erscheinen  nOaao 
ein  linderer  sich  Bouterwecks  verfahren  überall  im  einzelnen 
ster  nehmen  wollte.    Tnd  einer  solehen  Nachahmung,  welche 
Stande  ist.  dns  individuelle  als  solches  zu  erkennen,  ist  in  den  anl- 
achten nicht  genug  begegnet  worden. 

Gehen  wir  in  den  Inhalt  des  Gutachtens  näher  ein.  so  sind  «a  Si- 
nachst  die  vorausgeschickten  allgemeinen  Erörterungen  aber  die 
bedingungen  des  evangelischen  Religionsunterrichts«  welche 
Aufmerksamkeit  auf  sich  ziehen.  Dasz  er  gegründet  werden 
auf  den  Glauben  an  den  einigen  Mittler  zwischen  Gott 
an  das  unverbrüchliche  .\nsehen  der  heiligen  Schrift  nnd  nnf  die  lie- 
ber ceugiing«  dasz  ^der  in  der  Bibel  gelehrte,  darch  den  Geist  Cotles 
dtm  Menschen  persöalich  angeeignete  Glaube  allein .  ohne  MilhüCa  ir- 
gend welcher  eigenen  oder  anderer  Werke,  das  ewige  Heil  dca  ■an- 
sehen zur  Kolge  habe  aadChrislns  aar  ia  solche« Glanben  ▼•• 
if\wn  persönlich  angeeignet  seia  Heiland  ned  ErlVser  wi 
>ct^i  Jer  Vr  Mil  \^  ar»e  aa:^eiaaader.  Aber  schwerer  i«t  an 
\«  io  Ujrjius  fol<e,  'd,i;».s  die  Bibel  durch  jUe  hlassen«  etwa 
^cuotuMc»«  emsiges  ausschlies&liches  Lehrhnch  der 
>c.»  Hiwi^sv"  /u;u  KtiHJcstea  ist  der  Aaddnich  nadceaan»  denn  der  Vefft 
xcl^^s  i>cäuüi  :^ich  ^S.  :iO  in  Se\ta  and  v^ntot^ «  ndch  sehr  richtigen 
l  c^olU'):u  i^va«  «ic»  beküBttteo  AaMa;c»  «oo  l»ka  «ti«i  li^at  in  dieacn 
KUvscai  ra  or>ciiiftutt^:^««^t»  die  l^bel  sei«»«^  gv6r j «leiten .  and  andcr- 
\«jiris  xo^iNx-'t  4uvh  S|N«r^Ni  %vNi  Ber«v*iui«eu«ttiiar  m«  hinrhealicdea 
v«r.  S  ^i   ^:i.  t^  ^S    tur  an»  lV>h^  ««4^  öen  4ii^[eniv:iae«  ce&irwnlil 


Bouterweek :  aber  den  Unterrieht  in  der  Religionslehre.      475 

rischen  Grundbedingungen  des  Religionsunterrichts  nur,  dasz  jedes  an- 
dere Buchy  welches  in  der  Religion  als  Schulbuch  gelten  soll,  nur  soweit 
Recht  hat  gebraucht  zu  werden,  als  es  den  rechten  Gebrauch  der  hei- 
ligen Schrift  sichert  und  dem  Schüler  das  biblische  wissen  in  eine  le- 
bendige Verbindung  mit  dem  kirchlichen  Glauben  (auch  durch  kirchen- 
geschichtliche Blittheilungen)  bringt.  Darnach  weiter  die  erforderli- 
chen Hilfsmittel  des  Religionsunterrichts  in  Gymnasien  zu  entwickeln, 
ist  nicht  dieses  Orts. 

Noch  eine  wichtige  Frage,  nemlich  die  über  das  Verhältnis  des 
Religionsunterrichts  im  Gymnasium  zu  dem  Unterricht  der  Pfarrer, 
wird  in  den  Vorbemerkungen  behandelt.  Der  Verf.  sagt  unter  auderm 
S.  7:  ^Beide,  der  Diener  Gottes  in  der  Kirche  und  der  Diener  dessel- 
ben Gottes  in  der  Schule,  werden,  auf  demselben  biblischen  Grunde 
stehend,  für  dieselbe  Gemeinde  wirken,  doch  freilich  nicht  ohne  Unter- 
schied :  die  Unterweisung  des  Geistlichen  einer  bestimmten  Kirche  wird 
protestantisch-confessioneli  sein  und  sich  an  die  Bekenntnisschrif- 
ten seiner  Kirche  anschlieszen,  diese  auch  zur  genauen  Aneignung 
seinen  Schülern  mitzutheilen  haben;  der  Religionsunterricht  am  Gym- 
nasium wird,  in  keiner  Altersstufe  der  Zöglinge,  protestantisch-bib- 
lisch zu  sein  aufhören,  aber  es  dem  einzelnen  überlassen,  die  be- 
sondere Bekenntnispflege  auszerhalb  der  öffentlichen  Schule  zu  suchen, 
welche  nicht  Pfarrschule  ist  und  keinen  Unterschied  der  verschiedeneu 
protestantischen  Bekenntnisse  in  sich  dulden  darf.  Bei  der  Schwie- 
rigkeit, die  diese  Angelegenheit  allerdings  hat,  darf  die  oben  darge- 
legte Auskunft  B.s  auf  billige  Beurlheilung  Anspruch  machen.  Und  sie 
stimmt  im  wesentlichen  auch  mit  unserer  Ansicht  überein.  Gewis,  nichts 
widerspricht  einer  segenbringenden  Behandlung  des  Religionsunter- 
richts so  sehr,  als  wenn  der  Lehrer,  im  Bewustsein  die  reine  Lehre 
zu  bekennen ,  sich  gegen  die  andere  protestantische  Confession  pole- 
misch verhält  und  die  Schüler  mit  veranlaszt  in  diesen  Streit  einzu- 
gehen. Natürlich  hat  diese  unsere  Ansicht  mit  den  Unionsfragen  zu- 
nächst gar  nichts  zu  thun.  Lutherische  Polemik  gegen  die  Reformier- 
ten ist  in  rein  lutherischen  Klassen  ebenso  zu  tadeln,  als  in  gemischten 
oder  anierten  usw.  Daraus  folgt  denn  aber ,  dasz  auch  der  confessio- 
nelle  Unterricht  des  Pfarrers  nicht  anders  beschatfen  sein  darf,  wenn 
er  nicht  das  Heiligthum  der  Kindesseele  verderben  will.  Die  Lösung 
der  Schwierigkeit  scheint  darin  zu  liegen,  dasz  der  Religionsunterricht 
zwar  überall,  im  Gymnasium  wie  im  Katechumenenunterricht  der  Kirche, 
Gonfessioneil  sein  soll,  aber  immer  nur  im  thetischen,  nicht 
im  antithetischen  Sinn.  Wer  das  Verhältnis  des  biblischen  Ele- 
ments zu  dem  confessionell  entwiekelten  kirchlichen  Glauben  sich 
klar  macht,  kann  von  einem  *  protestantisch -biblischen'  Religionsun- 
terricht, der  von  einer  Confessionalität  weder  subjectiv  noch  objec- 
tiv  etwas  wissen  will,  kaum  im  Ernste  reden.  Und  wenn  Dir.  B.  es  als 
selbstverständlich  annimmt,  dasz  die  Kirche  wenigstens  von  einem  R  e  I  i- 
g  i  0  n  s  1  e  h.r  e  r  am  Gymnasium  eine  bestimmte  Gewähr  für  seine  b  i  b  1  i- 
sche  Rechtglänbigkeit  z«  verlangen  berechtigt  und  verpflichtet 

34* 


476     BiMilwweck :  aber  deo  Unterricht  in  der  Religionslelire. 

sei,  80  stimmt  zwar  der  Ausdruck  biblische  Rechtgliubigkeit  mit  der 
Beschreibung  des  protestantisch -biblischen  Keligionsunterrichts,  aber 
bekanntlich  ist  keine  Kirche  in  der  Lage,  jene  biblische  Rechtgläubig- 
keit  anders  zu  fassen,  als  im  Zusammenhang  mit  ihrem  symbolischen 
LehrbegrifT.  Es  scheint  dies  auch  Dir  B.s  Meinung  zu  sein,  denn  die 
Caudidaten  oder  Geistlichen ,  welche  ihm  dieser  Prüfung  weniger  be- 
ndthigt  erscheinen,  haben  ja  nicht  biosz  ihre  biblische  Rechtglfiubig- 
keit,  sondern  auch  ihre  ^Stellung  zur  Kirche'  schon  anderweitig  be- 
kundet. Die  Forderung  scheint  also  die  sein  zu  müssen ,  dasz  ein  Re- 
ligionslehrer am  evangelischen  Gymnasium,  obwol  durch  seinen  Ent- 
wicklungsgang ein  bewustes  Glied  der  lutherischen,  reformierten, 
nnierten  Gemeinde,  doch  die  Fähigkeit  besitze  und  den  Willen  habe,  in 
seinem  Unterricht  nur  die  thetische  Seite  seiner  kirchlichen  Ueber- 
zeugung  zu  pflegen.  Praktisch  wird  sich  das  verfahren  eines  solchen 
Lehrers  allerdings  wol  meist  so  gestalten,  wie  es  Dir.  B.  verlangt. 
Doch  ist  ein  Unterschied  hervorzuheben,  der  mir  bedentend  genug  er- 
scheint. Herr  Bouterweck  glaubt  nemlich  den  Katechismus  conse- 
quentcrweise  vom  Gymnasium  ausschlieszen  zu  müssen,  selbst  da  (S.  32), 
wo  alle  protestantischen  Schüler  demselben  kirchlichen  Bekenntnisse 
angehören.  Aber  diese  Ausschlieszung  dürfte  nur  dann  für  uns  eine 
Bedeutung  haben,  wenn  der  Katechismus  nichts  andres  wäre,  als  eine 
Sammlung  von  Unterscheidungslebren.  So  aber  ist  er  doch  mehr.  Er 
enthält,  sei  es  der  Luthersche  oder  Heidelberger,  eine  kurze  Sum- 
ma des  ganzen  christlichen  Glaubens,  stammend  aus  einer 
klassischen,  reich  gesegneten  Zeit  des  Protestantismus.  Der  Katechis- 
mus ist  in  dieser  seiner  kernigen  dogmatischen  Haltung  ein  unentbehr- 
liches kirchliches  Bildungsmittel  neben  der  heiligen  Schrift  und  viel  zu 
wichtig,  als  dasz  man  ihn  dem  Kateobumenenunterricht  allein  Ober- 
weisen dürfte.  Und  wenn  man  nur  sieher  wäre,  dasz  der  Katechume- 
nenunterricht  überall  demselben  sein  gebührendes  Recht  widerfahren 
liesze.  Die  Erfahrung  macht  uns  wenigstens  bedenklich.  An  einem 
Gymnasium  in  Berlin  erfand  sich  einst,  dasz  die  Schüler,  obwol  alle 
der  lutherisch  (-unierten)  Gonfession  angehörig,  bei  13  verschiedenen 
Predigern  den  Katechumenennnterricht  empßngen.  So  weit  es  sich  fest- 
stellen liesz ,  benutzten  von  jenen  13  Predigern  etwa  6  den  Katechis- 
.  mus  regelmäszig,  einige  lieszen  ihn  gar  nicht  gebrauchen,  indem  sie 
ihn  voraussetzten  und  dafür  ^Anthropologie,  Christologie  und  So- 
teriologie'  und  ^Moral'  vortrugen,  noch  andere  kamen  von  Zeit  zu  Zeit 
auf  den  Katechismus  zu  sprechen.  Es  ist  unbillig  zu  sagen,  das  Gym- 
nasium dürfe  auf  die  Möglichkeit  solcher  Versäumnisse  von  Seiten  der 
kirchlichen  Personen  keine  Rücksieht  nehmen.  Aber  selbst  wenn  der 
Katechismus  im  Unterricht  der  Pfarrer  seine  gebührende  Stellung  fin- 
det, so  ist  er  damit  noch  keineswegs  hinlänglich  benutzt.  Wer  nicht 
in  sehr  günstigen,  kirchlich  angeregten  Umgebungen  wirkt,  wird  als 
Religionslehrer  gewis  die  Beobachtang  machen ,  wie  spät  der  Schüler 
erst  dazu  kommt,  die  Einzelheiten  der  biblischen  Geschichte  und  Lehre 
zu  einer  einigermaszen  brauchbaren  Uebersicht  und  Einheit  zu  verei- 


BouCerweck:  über  den  Unterricht  in  der  Religiondlehre.      477 

iii^en.    So  lange  diese  Schwerfälligkeit  dauert,  ist  die  sorgfältige  Be- 
fiul2ung  des  Katechismus  unorläszlich. 

Der  Verf.  des  Gutachtens  legt  sich  in  Betreff  des  Katechismus 
noch  eine  Frage  in  den  Weg,  ob  nemlich  nicht  der  Lehrer  in  Tertia  den 
Katechismus  den  Schülern  ^von  geschichtlicher  Seite  nahebrin- 
gen sollte,  was  in  dem  Falle  noch  besonders  lehrreich  wäre,  wenn 
man,  wo  Schüler  verschiedener  protestantischer  Bekenntnisse  verei- 
nigt sind,  die  Katechismen  derselben,  2.  B.  den  Lutherschen  und  den 
Heidelberger,  unter  sich  vergliche  und  aus  dieser  Vergleichung 
das  unähnliche,  wie  das  verwandte  und  gleichartige  beider  zur  An- 
schauung und  Erkenntnis  brächte'.  Mit  Recht  weist  B.  einen  solchen 
Versuch  zurück.  Die  historisch-comparative  Symbolik  ist  allerdings 
keine  Disciplin  für  Tertia.  Was  B.  aber  mit  dem  Beispiel  S.33— 3d  an 
dieser  Stelle  will,  ist  mir  nicht  deutlich  geworden.  Wer  sähe  nicht, 
wie  ^überreich'  und  gewaltig  der  Heidelberger  Katechismus  ist,  wie 
unmöglich  es  ist,  das2  Tertianer  seinen  Inhalt  vollständig  verstehen 
und  bekennen  lernen?  Aber  ein  Paedagog  wie  B.  wird  darum  noch 
nicht  schlies%en:  also  halte  man  dieses  Buch  den  Schülern  fern.  Wie 
sollte  er  sonst  eben  derselben  KUisse  das  Evang.  Johaunis  lumuten? 
Vgl.  auch  S.  18. 

Um  nun  von  dieser  Digression,  zu  der  uns  die  Aeuszerungen  B.s 
über  die  Stellung  des  Gymnasialunlerrichts  zur  Confessionsgemeinde 
Anlasz  gaben,  wieder  zu  den  allgemeinen  Gedanken  der  Einleitung 
surückzukehren,  so  beschäftigen  sich  dieselben  vorzugsweise  mit  der 
sogenannten  ^Personenfrage'.    Wie  viel  ist  nicht  schon  darüber  gere- 
det worden ,  ob  es  erforderlich  sei ,  dasz  ein  Religionslehrer  am  Gym- 
nasium einen  dreijährigen  theologischen  Cursus  durchgemacht  und  ein 
Candidatenexamen  bestanden  habe,  oder  ob  die  wissenschaftliche  Prü- 
ftingscommission  davon  abschen  müsse,  auf  welche  Weise  sich  der 
Candida!  des  Schulamts  die  theologische  Bildung  erworben  habe,  ob 
es  in  jenem  ersteren  Falfe  nicht  weiter  noch  wünschenswerth  sei,  dasz 
der  betreffende  ein  ordinierter  Geistlicher  sei  und  wie  man  einen  sol- 
chen Geistlichen  sonst  noch  im  Gymnasium  beschäftigen  müsse,  um 
Mine  Wirksamkeit  auf  die  ganze  Anstalt  zu  sichern.    Es  wäre  trotz 
aller  derartigen  Erörterungen  immer  noch  zweckmäszig,  wenn  ein  be- 
rufener Mann  diesem  Gegenstande  eine  eingehende  Behandlung  zu  Theil 
werden  liesze,  wäre  es  auch  nur  um  zu  zeigen,  dasz  sich  auf  diese 
Fragen  in  abstracto,  abgesehen  von  den  concreten  Verhältnissen  in 
Staat  and  Kirche,  nichts  brauchbares  antworten  lasse.  Die  Ansicht  B.s 
spricht  sich  zumeist  in  folgender  Stelle  aas :  ^Vielleicht  würde  man  es 
am  angemessensten  Anden,  den  Unterricht  Geistlichen  zu  übergeben, 
die  dem  Lehrercollegiam  als  auch  in  andern  Lehrfächern  beschäftigte 
Mitglieder  desselben  angehören,  nicht  aber  solchen  Geistlichen,  die 
einer  der  Ortsgemeinden  vorstehen  und  nur  in  einigen  Stunden  und 
Klassen  den  Religionsunterricht  im  Gymnasium  ertheilen.    Die  Wich- 
tigkeit desselben  fordert  eine  ungetheilte  Lehrerkraft,  die  Stellung  der 
ReligioDsiehre  %n  den  übrigea  Lehrfäofaern  der  Anstalt  eine  geachtete, 


478      Boulerweck:  über  den  Unterricht  in  der  ReliffioBiMM. 

auch  in  den  höhern  Klassen  mit  Erfolg  beflchftnigto,  dnreh  wArüfei 
Wandel  und  ernste  Wissenschaftlichkeit  aasgexeiebnete  PerBÖntielikeit, 
die  dem  Gymnasium  ausschliesslich,  nicht  aacb  nebenbei  der  Geneinde 
angehört  oder  umgekehrt,  ich  halte  den  Religionsanterriohl  «i  «utn 
evang.  Gymnasien  far  so  wichtig ,  dasz  die  edelsten  nnd  be«teB  Lehr- 
kräfte dafür  KU  gewinnen  und  dazu  zu  berufen  meines  eraohleM  Pflieht 
der  Behörde  ist.  Unter  den  jungen  Theologie-  oder  Philologieetadie- 
renden  finden  sich  bei  sorgfältiger  Prüfung  gewiss  noch  manehe,  die 
durch  eine  Unterstützung  aufgemuntert  und  unterhalten,  in  lingerer 
Vorbereitung  zu  dem  so  wichtigen  Amte  sich  zu  befibigen  willig  seil 
würden'.  ^ Am  einfachsten  und  nuturgemaszesteu  wird  es  dem  Vor- 
steher derAnstalt  zukommen,  in  dem  Religionsunterrioht  ein  wieh- 
tiges,  ja  das  wichtigste  Mittel  zu  paedagogisch  sicherer  Leitanf  das 
ganzen  ihm  anvertrauten  Bildungskreises  für  sich  aufzabehalten ;  we 
dies  nicht  möglich  ist,  da  sollte  ein  Oberlehrer,  wo  möglich  der  enta 
oder  angesehenste  und  geachtetste,  als  Religionslehrer  angesMlt  lein, 
damit  dieser  Unterrichtszweig,  indem  er  auch  anszerlioh  in  seiner  Be- 
deutung öffentlich  anerkannt  wird ,  in  den  Augen  der  Schuljugend  md 
ihrer  Eltern  das  ihm  gebührende  Ansehen  erhalte  nnd  in  behanplea 
im  Stande  sei'.  — 

Nachdem  wir  so  die  hauptsächlichsten  allgemeinen  Gedenken  der 
Einleitung  berührt  haben,  wird  es  noch  erforderlich  sein,  Ober  die 
Verlheilung  des  Slotfes  auf  die  verschiedenen  Lehrstafen  des  Gymna- 
siums und  über  die  Behandlung  der  Sache  in  den  verschiedenen  SUCm 
nach  B.  zu  referieren. 

Die  unterste  der  3  Lehrstufen  umfaszt  nach  B.  Sexta,  Qninia  nad 
Quarta.  So  wünschenswerth  es  ist,  dasz  im  allgemeinen  jede  Klasse 
ihren  besonderen  Ucligionsunterricht  hat,  so  kann  doch  eine  Combina- 
lion  von  Sexta  und  Quinta  ohne  besondern  Nachtheil  geschehen.  Als 
Pensum  für  diese  beiden  Klassen  wird  eine  Auswahl  aus  den  in<  die 
biblischen  Geschichlsbiichcr  (z.  B.  Zahns  Historien)  aufgenommenen 
biblischen  Geschichten  alten  und  neuen  Test,  bezeichnet.  Diese  Aus- 
wahl wird  im  alten  Test,  besonders  nach  dem  Gesichtspunkte  fetrof^ 
fen,  ob  eine  Erzählung  in  bestimmt  erkennbarer  Beziehung  mm  neaen 
Test,  stehe ,  formal  bemerkt  der  Verf. ,  dasz  über  der  Auswahl  doch 
nirgend  der  Zusammenhang  der  einzelnen  Partien  verloren  geben  dirfe 
(S.  17).  Wie  der  Verf.  des  Gutachtens  auf  allen  Stufen  den  Religions- 
unterricht mit  verwandten  Zweigen  des  betreffenden  Klassenpens  uns  in 
Verbindung  zu  bringen  sucht,  so  auch  auf  der  untersten.  *Wenn  ieh 
weisz ,  dasz  dem  Knaben  in  der  Sexta  Geschichten  aus  der  vorgrieebi- 
sehen  Zeit  erzählt  werden,  die  ihn  in  der  Regel  sehr  ansieben,  so 
werde  ich  eine  ähnliche  Theilaahme  für  die  Geschichten  des  israeliti- 
schen Volkes  in  ihm  hervorzurufen  bemüht  sein,  und  die  Gelegenheit  bei 
Pharao  und  Aegypten  z  B.  an  in  der  Geschieh Isstunde  gewonnenes  an- 
zuknüpfen oder  darauf  hinzuweisen,  darnach  zu  fragen,  nicht  vorbeilas- 
sen'. Auch  macht  der  Verf.  darauf  aufmerksam,  dass  manche  sprach- 
liche Schwierigkeit,  welche  Luthers  Ausdrncksweise  Tcrursache,  xa 


r  Bouterweck :  aber  den  Ualerricbt  io  der  Religiooslelire.     479 

heben  sei.  Mit  Lebhafligkeit  empGeliit  er  es,  Kernsprüche  der  heili- 
gen Schrift  lernen  zu  lassen  und  zwar  aus  der  Handbibel  des  Knaheu 
selbst,  nicht  aus  Spruchsammlungen.  Im  übrigen  aber  entscheidet  er 
sich  gegen  die  Beseitigung  eines  Auszugs,  weiche  jetzt  sogar  für  Ele- 
mentarschulen von  kirchlichen  Personen  anempfohlen  wird '^).  Auch 
will  B.  das  lernen  von  ausgewählten  Liedern  aus  dem  ^kirchlichen' 
Gesangbuch,  ^wenn  es  ein  gutes  ist'  betrieben  wissen. 

In  der  2n  Abtheilung  der  Keligionsklassen,  die  noch  der  In  Lehr- 
stufe  angehört,  nenilich  in  der  Quarta,  führt  B.  die  Schüler  in  die  Bi- 
bel selbst  hinein.  Er  legt  Werlh  darauf,  nunmehr  zunächst  das  Evan- 
gelium nach  Marcus  lesen  zu  lassen,  und  nachdem  diese  Lesung 
durch  die  genaue  Erklärung  der  Bergpredigt  ergänzt  worden,  im  2n 
Semester  die  Apostelgeschichte  vorzunehmen,  an  welche  er  dann  noch 
eine  kurze  Uebersicht  der  Einführung  des  Christenthums  in  Deutsch- 
land schlieszen  will.  Das  auswendigicrnen  von  einzelnen  Stellen  soll 
aufliören,  dagegen  sollen  zusammenhangende  Stücke,  Mn  jedem  Falle 
die  ganze  Bergpredigt',  allmählich  aber  fest  eingeprägt  werden,  auch 
darf  das  lernen  von  Kirchenliedern ,  sowie  die  Berücksichtigung  der 
christlichen  llaüptfeste  nicht  unterbleiben. 

Bei  dieser  Gelegenheit  erwähnt  der  Verf.,  dasz  er  in  seinem  Gym- 
nasium nicht  die  Luthersche  Bibelübersetzung  dem  Unterrichte  zu 
Grunde  lege,  sondern  die  von  Meyersche  verbesserte  Uebersetz- 
iing.  Es  kommt  ihm  nämlich  einestheils  darauf  an,  den  Grundtext  durch 
die  Uebersetzung  möglichst  zu  erreichen,  anderntheils  nicht  jeden  Au- 
genblick in  der  Nothwendigkeit  zu  sein  (die  beim  Gebrauch  der  Lu- 
therüberselzung  allerdings  eintritt),  den  kirchlich  recipierten  Text  im 
Interesse  der  Wahrheit  berichtigen  zu  müssen.  Der  Kef.  gesteht,  dasz 
beide  Gesichtspunkte  ihm  durchaus  erheblich  erscheinen,  er  würde 
sich  aber  doch  zu  der  vonB.  ergriffenen  Maszregel  nicht  entschlieszen. 
Der  einzelne,  so  scheint  es  ihm,  kann  einen  so  gewaltsamen  AngrilT 
auf  die  traditionelle  Volksbibel  zu  machen  nicht  unternehmen.  Gewis 
wäre  es  an  der  Zeit,  dasz  die  evangelische  Kirche  Deutschlands,  wenn 
man  diesen  incorrectcn  Ausdruck  w  agen  darf,  einmal  eine  wahrhaftige 
Berichtigung  des  Lutherschen  Textes  veranstaltete  und  unter  kirchli- 
cher Autorität  und  massenhaft  verbreitete.  Aber  die  Sache  ist  schwer 
und  liegt  der  gegenwärtigen  kirchlichen  Strömung  bekanntlich  sehr 
fern.  Wie  wenig  aber  mit  der  Einführung  der  v.  Neyerschen  Bibel 
geholfen  ist,  ergibt  sich  nicht  blosz  aus  einer  Vergleichung  derselben 
mit  dem  Grundtext,  sondern  schon  aus  der  Thatsache,  dasz  gerade 
jetzt  S  tier  begonneiv>hat,  Meyers  Absicht  in  durchgreifenderer  Weise 
in  einer  neuen  Verbesserung  der  Lutherschen  Uebersetzung  auszu- 
fuhren. 


♦)  So  sagt.  Genernlsnp.  Jaspis  in  der  Einleitung  zn  seinem  Hilfs- 
buchlein  S.  6:  ^Alles  liegt  mir  daran,  dasz  die  Kinder  ins  Wort  hin- 
ein und  von  den  Historienbuchern  wegkommen'.  Der  Satz  ist  gar  ge- 
sperrt gedruckt. 


480      Bouterweok:  aber  den  Unterricht  in  der  Religionilehre. 

Indem  der  Verf.  zu  der  2n  Lehrstufe  des  ReligioDiunterrichli 
übergebt,  welcher  die  T  e  r  t  i  a  angehört,  charakterisiert  er  diese  Klasse 
mit  Recht  als  diejenige,  welche  vor  allen  andern  ^besonnene  und  krif- 
tigo  Behandlung'  verlange.  Er  nimmt  die  Tertia  als  eine  einzige  Klasse 
mit  zweijährigem  Kursus,  wodurch  es  dann  nöthig  wird,  einige  sei- 
ner Vorschlage  wesentlich  zu  modificieren,  wenn  es  sich,  wie  in  sehr 
vielen  gröszern  Gymnasien,  um  Unter-  und  Obertertia  handelt.  Mit 
Rücksicht  auf  das  geschichtliche  Pensum  der  Tertia,  welches  in  *^ineii 
Jahre  wenigstens  vorwiegend  die  Bewegungen,  welche  der  Kirchen- 
Verbesserung  vorbergiengen,  diese  selbst  und  ihre  Folgen'  umfasit,  so- 
wie auf  den  Umstand,  dasz  die  Schüler  in  dieser  Zeit  meist  auch  den 
Unterricht  der  Güisllichen  behufs  der  Confirmation  besuchen,  sucht  B. 
das  Religionspensum  der  Tertia  in  der  christlichen  Glaubens* 
und  Sittenlehre,  soweit  solche  unmittelbar  aus  der  Lesung  der 
heiligen  Schrift  geschöpft  werden  kann.  Es  fragt  sich,  welche  Bacher 
der  heil.  Schrift  für  diesen  Zweck  am  besten  geeignet  sind.  Der  Verf. 
des  Gutachtens  antwortet:  *Mir  scheinen,  sobald  man  von  den  Briefen 
der  Apostel  absieht,  die  Psalmen  und  eine  Reihe  von  Kapiteln  aas  dem 
Jesaias ,  im  neuen  Testamente  aber  das  Evangel.  Jobannis  lu  diesem 
Zwecke  ganz  besonders  geeignet.  Die  Lehre  von  Gott,  von  den  Mes- 
sias aus  Davids  Stamm,  von  Ihm  als  dem  Sohne  des  Vaters,  von  dem 
heiligen  Geiste  und  seinem  Werke  an  dum  Herzen  des  Menschen,  von 
der  Kraft  des  wiedergebornen  im  neuen  Gehorsam  des  Glaubens,  ans 
Dankbarkeit  den  Willen  des  Vaters  im  Himmel  zu  thun  u.s.  f.  und  was 
sonst  zu  den  hohen  Dingen  gehört,  welche  der  Bibelglaube  uns  im 
Zusammenhange,  zunächst  ohne  Festhaltung  wissenschaftlicher  Anord- 
nung vorführt,  findet  sich  in  den  angegebenen  Büchern  der  Schrift  in 
groszen,  auch  dem  Verständnisse  des  Knabenalters  und  seinem  BedOrf- 
nisse  leicht  zuzuführenden  Gottesgedanken  verzeichnet'. 

Der  Ref.  ist  mit  diesen  Aufstellungen  nicht  ganz  einverstanden. 
Die  Terlia,  so  scheint  es  ihm,  ist  noch  vorzugsweise  auf  geschichtli- 
che SlofTü  angewiesen,  nicht  auf  lehrhafte;  er  würde  es  vorziehen,  die 
Quarta  noch  in  dem  biblischen  Auszug  von  Zahn  zu  beschäftigen,  um 
dann  in  Terlia  die  Lesung  des  Malthaeus  (abwechselnd  mit  der  des  Lu- 
cas) und  der  Apostelgeschichte  folgen  zu  lassen.  Und  wenn  B.  in  der 
Quarta  eine  Darstellung  der  Missionsgeschichte  gibt,  so  scheint  es  den 
Ref.  weit  zweckmüsziger,  wenn  nach  der  LectÜro  der  Apostelge- 
schichte in  Tertia  die  Grundzüge  der  deutschen  Kirchengeschicbte  und 
die  Hauptthatsachen  der  deutschen  Reformation  bis  zu  Luthers  Tode 
vorgetragen  werden.  Dadurch  liesze  sich  noch  eine  engere  Berahrung 
mit  dem  anderweitigen  geschichtlichen  StolTe  der  Tertia  herstellen, 
eine  blosze  Wiederholung  des  in  der  Geschichtsstunde  vorgekomme- 
neu könnte  jene  kirchengeschichtliche  Darstellung  bei  ihrem  sehr  be- 
stimmten Gesichtspunkte  und  Interesse  ja  doch  nicht  werden. 

Indes  verkennt  der  Ref.  auch  nicht ,  dasz  ein  Bedürfnis  prakti- 
s«;her  Natur  uns  zwingt,  in  der  Tertia  mit  einer  populären  Darstellung 
der  kirchlichen  Lehre  den  Religionskursus  abzuschlieszen.    Es  gehen 


Boalerweck:  über  den  Unterricht  in  der  Religionslehre.     481 

i»emlich  in  dieser  Klasse  erfahrongsgemäsz  gar  manche  Schäler  aus 
dem  Gymnasium  ins  praktische  Leben  über,  ein  Wink  Für  uns,  die  bis 
dahin  gewonnene  christliche  Einsicht  und  Bildung  gewissermaszen 
noch  einmal  zu  concentrieren.  Wir  würden  aber  diese  Absiebt  durch 
die  ausgebreitete  Leetüre  aus  dem  A.  und  N.  Test.,  welche  B.  vor- 
schlagt, nicht  glauben  erreichen  zu  können.  Vielmehr  würden  wir  in 
einer  vertieften  Behandlung  des  schon  früher  allmählich  gelernten  Ka- 
techismus das  beste  Mittel  sehen,  den  oben  ausgesprochenen  Gedan- 
ken zu  verwirklichen.  Wir  würden,  um  dieses  beiläuflg  zu  erwihnen, 
für  Terlia  folgenden  StolT  überhaupt  vorschlagen,  is  Sem.  Geschichte 
des  Reiches  Gottes  im  A.  Bunde,  entwickelt  an  den  wichtigsten  Kapi- 
teln der  historischen  Bücher,  an  den  wichtigsten  messianischen  Stellen 
in  den  Psalmen  und  Propheten.  2s  Sem.  Lesung  des  Matthaeus  (oder 
Lucas).  3s  Sem.  Apostelgeschichte  (mit  Uebergehung  mancher  Reden), 
die  Christianisierung  Deutschlands  und  die  Reformation  in  biographi- 
scher Haltung.  4s  Sem.  Katechismuslehre.  Das  einlernen  von  Kir- 
chenliedern wird  allerdings  mit  Tertia  abgeschlossen  werden  können, 
falls  die  vorhergehenden  Klassen  ihre  Pflicht  in  dieser  Beziehung  ge- 
than  haben.  Indessen  ßnden  sich  auch  Secundaner,  wenn  man  es  nur 
richtig  angreift,  leicht  in  diese  Uebung,  und  dann  hat  man  den  Gewinn 
einige  schwierigere  Lieder,  wie  die  von  Gottfr.  Arnold,  hinzufü- 
gen zu  können.  Wiederholungen  der  gelernten  Lieder  können  natür- 
lich auch  bis  zum  Abiturientenexamen  hin  nicht  erlassen  werden. 

Die  dritte  Lehrslufe  des  Religionsunterrichts  beginnt  dem  Verf. 
mit  Secnnda,  die  er  wiederum  als  eine  nngetrennte  auffaszt.  Als  das 
charakteristische  Moment  dieser  Klasse  in  Beziehung  auf  das  wissen 
stellt  er  dar,  dasz  in  ihr  zum  erstenmale  die  hehren  Gestalten  des  Al- 
terthums  einen  energischen  Einflusz  auf  die  Vorstellung  der  Schüler 
gewinnen.  Er  sagt:  ^Derlrthum  liegt  sehr  nahe,  dasz  der  edlere  streb- 
samere Schüler,  dem  der  Religionsunterricht  nicht  gleichgültig  geblie- 
ben ist,  bei  dem  das  sittliche  Gefühl  erstarkt  und  zur  Ehrenhaftigkeit 
in  Wort  und  That  sich  weiter  bildet,  in  den  warm  empfohlenen  Ge- 
stalten des  hehren  Alterthums  die  Aufgabe  der  Menschlichkeit  gelöst 
sieht  und  nun  darnach  trachtet,  an  ihrem  Beispiel  Mensch  sein  zu  ler- 
nen ,  um  einst  Christ  werden  zu  können.  Dieser  Irthum  beschleicht  ja 
auch  viele  gehobene  Lehrer  und  fesselt  sie  so  sehr^  dasz  sie,  je  län- 
ger sie  die  Arbeit  mit  den  Alten  und  durch  die  Alten  als  Lebensberuf 
treiben,  je  weniger  zu  einer  belebenden  Ueberzeugung  von  dem  reinen 
göttlichen  Lichte  des  Evangeliums,  ja  von  Ihm,  der  das  Licht  der  Welt 
ist,  za  gelangen  vermögen  und  in  der  heidnisch -humanen  Welt-  nnd 
Gottanschauung  für  immer  stecken  bleiben'.  Uns  scheinen  diese  Be- 
merkungen mehr  wohlklingend,  als  wahr  zu  sein.  Von  den  Schrift- 
stellern, welche  in  Secunda  gelesen  werden,  ist  kein  einziger  im  Stande, 
individuell  mit  sittlicher  Einheit  nnd  Bestimmtheit  auf  den  Schüler 
wahrhaft  zu  wirken  und  ihm  ein  Bild  antiken  Lebens  zu  sein.  Am 
leichtesten  könnte  sich  noch  etwas  der  Art  bei  Cicero  wahrnehmen 
lassen,  aber  gerade  der  gesunde  Blick  der  Jugend  durchschaut  am 


482      BoBlcffveck:  ibcr  d«a  L'BlenickI  ia  4er 

ersten  die  «chwarhen  Slelle«  ia  des  Ckankter  dieics  Mmhcs.  1b 
Prisa  kCiOBlea  Tacitos.  DeaosthcBes.  Sopbokle«,  aack  wol  der  PUo- 
mstht  Sokrates,  weaa  die  Leclöre  aickt  m  rrafBealarisch  wirc,  wia 
sie  in  der  Rezel  isU  eiaea  aBaitlelbarea  Eiadrack  aaf  das  i 
Schülers  auchea.  la  solcheai  Falle  wärde  sick  allerdiags  filr  < 
rer  der  Reli^oa.  wie  fär  dea  Lekrer  des  laleiaisckca  wmd 
sehen  eiae  nicht  leichte  Aaffahe  errebea.  eiaerseita  i 
täts  rolle  Stellaac  de«  Schalers  in  dea  grosiea  Altea  sa 
la  wahren  aad  andrerseits  in  lei^ea.  wie  viel  deaselhei 
fehlte  ond  wie  anch  die  besten  anter  ihaea  noch  hiater  de«  kla 
im  Himmelreich  zurückstehen.  Aach  der  Lehrer  der  altca 
wird  in  diese  Aaf^abe  mit  hineinzexo^ea  werden  nässca,  warn  die 
Sehnte  die  Lösan^  derseliiea  mit  Sicherheit  erreichea  witL  Dar  VarC 
scheint  za  glaaben.  dasz  die  >orza£sweise  philolo^iack 
Lehrer  im  saazen  für  dea  zweitea  Theil  dieser  Aafjpaba 
hätten,  insofera  sie  selbst  in  der  heidnischen  Sphaere  sie 
ben.  Uns  %iill  es  vorkommen,  als  habeB.  damit  mehr  eiae  ts 
GeaeratioB  voa  Lehrern  im  Aase,  denen  das  Christealkwm 
kaum  in  seiner  i^ahrhaften  Bedeutnn£  erscheinen  konnte;  i 
k«:ine  solche  Gymnasiallehrer  bekannt,  die  in  Folge  ikrar  pkila- 
lorischen  Studien  Mb  der  heidnisch-hnmanen  Welt- amdCollBB- 
schauunr  für  ininer  stecken  geblieben  *  seien.  Er  würde  aia,  weaa 
er  sie  träfe,  auch  nicht  'rehobene*  Lehrer  nennen,  soadera  ikaaB  viel- 
mehr zn  zeigen  unternehmen,  wie  dürftig  und  unwahr  eiae  Keaatais 
des  Alterthnms  sei.  welche  einen  solchen  Irthnm  moflick  Backe,  lat 
Gegentheil  besorgt  er  von  den  meisten  der  heutigen  pkitotogiankea 
Lehrer,  d^s^  sie  die  Schaler  so  sehr  bei  den  sprachlickea  aad  aackli- 
eben  Eiozelheiten  anfhalten.  dasz  eine  Freude  am  Inhalt  der  Aatorea, 
eine  geläufige  sichere  Kenntnis  antiker  Gedankenreihea  aad  wirklifike 
BekaüDi^chaft  mit  ganzen  Schriften  nur  in  seltenen  Fällea  aad  aar  kai 
einem  besonders  regen  Privatflei^z  erreioht  werden  kaaa. 

Im  übrigen  scheint  uns  der  Verf.  des  Gutachtens  dea  Ualcrrickls- 
stu!T  öcr  Secunda  richtig  zu  bestimmen.  Wir  hallen  es  fir  aa 
•Itrntiich  wichtig,  dasz  diese  Klasse  noch  einmal  in  deai 
des  alten  Testaments  gestellt  werde.  Wie  %iele  Lnwisseaheil  aad  Bor- 
nierlheit  in  christlichen  Dingen,  welche  man  hentzntafa 
den  girbilJeten  findet,  ist  lediglich  daraas  za  erklärea,  dasi 
das  A.  Test,  äoszerlich  and  innerlich  fremd  f  ebliebea  ist.  Aa 
A.  T.  schlägt  B.  noch  zur  Leclüre  vor:  das  Evaag.  desLacas  (oder  das 
Johanoes).  die  apostolischen  Briefe  ^^ Römerbrief,  Pkilipper-^  Galalcr- 
oder  Epheserbrief .  lacobi ,  die  verständlicbea  Stellea  aas  der  Apoka- 
lypse, dieses  letztere  alle«  aber  nur  sofern  aaek  eiaer  geaaaaa  Lac- 
tjre  des  Kömerbriefs  noch  Zeil  übrig  sein  sollte.  Die  Sckiler  ka- 
bcn  da>  griechische  Original  und  die  deutsche  l'eberseliaa^  vor  sich 
liegen,  die  Interpretation  masz  -grammatisch  sicher,  sachlick  faaaa 
lind  kirchlich  bestimmt  sein,  wobei  man  indessen  sorgfaltig  aaf  saiaar 
Hut  sei,  dasz  die  Religious«laade  nicht  aa  einer  Sprackstaada  i 


Bonlerweek :  über  deo  Unterricht  in  der  Keligiooalekre.      483 

^Ausgewählte  Stellen  im  Znsammenhange  sind  aus  dem  griech.  neuen 
Test,  auswendig  zu  lernen.  Mit  wenigen  Zeilen  beginnende  Uebung 
ffihrl  allmählich  dahin,  dasz  ganze  Kapitel  eingeprägt  werden.  Es  ist 
wol  vorgekommen,  dasz  einzelne  Schüler,  als  freiwillige  Aufgabe,  fast 
den  ganzen  Römerbrief  auswendig  lernten'.  —  Schlieszlich  erwähne 
ich  noch,  dasz  B.  der  Lesung  der  Schrift  in  Secunda  eine  Art  von  Ein- 
leitung vorausschicken  will,  er  nennt  als  einzelne  Gegenstände  dersel- 
ben: Geschichte  der  Bibel,  Hervorhebung  einzelner  Uebersetzungen 
aus  ältester  Zeit,  besonders  derjenigen,  die  dem  deutschen  Alterthum 
angehören ,  wie  die  gothische  und  angelsächsische,  Geschichte  der  Bi- 
belverbreitung, der  Bibelgesellschaften,  ihres  Segens  usw. 

Alle  Vierteljahre  läszt  B.  in  Secunda  und  Prima  einen  *  schriftli- 
chen Religionsaufsatz'  machen.  Aus  diesem  ^soll  nichts  weiter  erhel- 
len, als  in  wie  fern  und  in  wie  weit  die  Schaler  fähig  sind,  sich  über 
religiöse  Gegenstände  zu  äuszern;  die  Censur  musz  mild  und' einge- 
bend, aber  bestimmt  und  genau  sein'.  Diese  Einrichtung  mag  unter 
Umständen  gute  Früchte  tragen,  aber  je  energischer  die  Persönlich- 
keit des  Religionslehrers,  je  gröszer  sein  amtlicher  Einflusz  ist,  desto 
mehr  steht  er  in  Gefahr,  die  Schüler  auf  diese  Weise  zu  Aenszernngen 
zu  veranlassen,  welche  mit  ihrem  religiösen  ßewustsein  nicht  ver- 
wachsen sind  nnd  vielmehr  als  bewuste  oder  unböwuste  Unwahrheit 
angesehen  werden  müssen.  Man  wird  mir  nicht  entgegnen  dürfen,  dasz 
auch  die  mündlichen  Leistungen  Gelegenheit  zur  Heuchelei  darbieten, 
diese  beiden  Dinge  sind  gar  zu  verschieden,  obwol  der  gewissenhafte 
Lehrer  auch  bei  den  mündlichen  Antworten  der  Schüler,  besonders  der 
schon  mehr  heranwachsenden,  hier  and  da  Anlasz  genug  haben  wird, 
zuc  Besinnung  nnd  zur  Wahrhaftigkeit  des  ganzen  thuns  zu  mahnen. 

Was  die  Prima  betrifft,  so  bat  der  Verf.  des  Gutachtens  sehr  ideale 
Ansichten  über  die  Wirksamkeit  des  Religionsunterrichts  in  dieser 
Klasse.  Er  will,  dasz  dem  Religionslehrer  in  Prima  auszer  den  2 
wöchentlichen  Unterrichtsstunden  (deren  Vermehrung  auf  drei  er  nicht 
befürwortet)  ein  noch  umfnssenderes  Feld  der  Wirksamkeit  einge- 
räumt werde.  Denn  ihm  will  er  die  schwere  Aufgabe  vor  allen  zumu- 
ten, ^die  gesamte  Gymnasialbildung  zu  einem  Abschlusz  in  christli- 
chem Sinn  zu  bringen,  so  dasz- der  abgehende  nicht  blosz  die  Stellung 
des  heidnischen,  auch  in  seiner  höchsten  Blüte,  dem  Christenthum  ge- 
genüber vollständige?)  begriffen  hat, sondern  auch  eine  Ueberzengung 
von  der  Göttlichkeit  des  Christenthums  und  der  Wahrheit  des  Evan- 
geliums von  der  Schule  mit  fortnimmt'.  Zu  diesem  Ende  fordert  er, 
*dasz  dem  Religionslehrer  in  der  Prima  noch  ein  Hauptfach  zugetheilt 
werden  sollte,  entweder  der  Geachichtsanterricht  und  der  Unterricht 
im  deutschen,  einschlieszlioh  der  Litteraturgeschichte ,  oder  die  Le- 
sung des  lateinischen  oder  des  griechischen  Prosaikers'.  Diese  For- 
derung ist  bekanntlich  nicht  neu,  aber  es  ist  nicht  zn  tadeln,  wenn 
man  sie  von  Zeit  zu  Zeit  wieder  aufstellt.  Von  dem  Stoffe,  den  der 
Religionsunterricht  in  der  Prima  zu  behandeln  habe ,  sagt  B.  im  we- 
sentlichen folgendea :  Zanäcbat  ist  das  wichtigste  «na  der  Getebichte 


484      Boulerweck:  über  den  Unterricht  in  der  Roligtouleiirtfi 

der  Kirche  oder  vielmehr  aus  der  Geschichte  des  Chris  tenthaas 
der  Gegenstand  des  Unterrichts.  Die  Beurtheilaog,  welches  Material 
dann  als  das  wichtigste  in  diesem  Gebiete  anzusehen  sei,  ist  nicht  nach 
dem  objectiven  Maszstabe  der  Wissenschaft  zu  vollziehen,  aondem 
niusz  abhangen  von  der  richtigen  Erkenntnis  dessen,  was  der  GeaamW 
bildung  des  Jünglings  frommt.  Wenn  B.  aber  hinzusetzt,  die  belreffea- 
den  kirchengeschichtliohen  Mittheilungen  sollten  denselben  in  den  Stand 
setzen ,  ^  die  kirchlichen  Erscheinungen  der  Gegenwart  gegchiohtlieh 
zu  begreifen  und  ihrer  innern  Gesetzmaszigkeit  nach  zn  fassen  und  sa 
verstehen',  so  versteht  Ref.  diesen  Ausdruck  nicht  recht;  wenigsteas 
würde  er  sich  scheuen,  das  wenige,  was  er  in  dieser  Richtnog  mit 
seinen  Primanern  zu  besprechen  wagt,  mit  so  schönen  Worten  sa  be- 
zeichnen. 

Dasz  der  kirchcngcschichtliche  Unterricht  nicht  ohne  Herbeiiie- 
hung  dogmengeschichtlicher  Partien  fruchtbar  behandell  ¥rer- 
den  kann,  darin  ist  Lieferent  mit  B.  durchaus  gleicher  Meinung.  Frei- 
lich ist  gerade  in  dieser  Hinsicht  Sorgsamkeit  nöthig,  dasi  nicht  die 
Grenze  zwischen  dem  Gymnasium  und  der  theologischen  Faohsehnle 
überschritten  werde  und  das  Gemüt  leer  ausgehe.  In  den  dogaienge- 
schichtlichen  Mitlheilungen  liegt  nun  eine  Art  von  Uebergang  sn  deai 
zweiten  Hauptgegenstand  des  Keiigionsunterrichts  in  Prima,  nealich 
zu  einer  dem  Standpunkte  der  Klasse  angemessenen  ^Glaubens-  nnd 
Sittenlehre'.  Wird  sie  richtig  behandelt,  so  ist  sie  die  Blüte  des  gan- 
zen Religionsunterrichts  im  Gymnasium.  Es  ist  ein  Gedanke  von  ho- 
her praktischer  Bedeutung,  wenn  Bouterwcck  über  die  Art  einer  sol- 
chen Glaubens-  und  Sittenlehre  sagt:  ^Es  musz  der  wissenschaftlichen 
Behandlung ,  die  in  der  Form  der  Sache  immer  festzuhalten  sein  wird, 
eine  paedagogisch- seelsorgerische  zur  Seite  gehen,  welcher  der  In- 
halt der  Sache  zufällt'.  Auch  die  weiterhin  folgenden  Andeatongei 
über  die  Ausführung  des  obigen  Gedankens  sind  der  Beherzignng  werlh 
(S.  61  f.).  Auf  dieser  Stufe  will  B.  dann  auch  das  blosz  biblische  Ele- 
ment verlassen  und  den  Unterricht  ^an  die  Bekenntnisse  der  protestan- 
tischen Kirche  in  Freiheit  und  dennoch  mit  Bestimmtheit  auschliesien'. 
^Dics  gilt  ganz  besonders  von  der  Lehre  von  den  Sacramenten  und  der 
Kirche.  Es  ist  deshalb  auch  unerlöszlich,  die  Schüler  mit  einzelnen 
Bekennlnisschriften  im  Auszuge  und  durch  gelegentliche  Anführung, 
wie  mit  den  Katechismen,  oder  im  ganzen  und  durch  vollständige  Le- 
sung, in  dieser  Weise  z.  B.  mit  der  Augsburgischen  Confession,  be- 
kannt zu  machen'. 

Den  Schlusz  seines  Gutachtens  macht  Hr.  B.  mit  einer  Erörterung 
über  die  Frage,  ob  die  iu  Rheinland  und  Wesiphalen  bestehende  Ein- 
richtung, beim  Abiturientenexamen  auch  einen  Religionsanfsatz  unter 
gleichen  Verhältnissen  wie  die  deutsche  Arbeit  anfertigen  zu  lassen, 
empfehlenswerth  und  allgemeiner  Verbreitung  werth  sei.  Er  ist  ge- 
neigt, diese  Frage  zu  bejahen.  In  der  That  ist  diese  Einrichtung  nicht 
so  bedenklich,  wie  die  oben  besprochene,  wonach  in  den  letzten  4 
Schuljahren  vierteljährig  ein  ReligionsaufaaU  abgegeben  und  ceosiert 


Boulerweck:  aber  den  Unterricht  in  der  Relig^ionslehre.      483 

werden  sollte.  Die  Aufsichtsbehörde  hat  nemlioh  eine  Controle  über 
die  Themata  der  Abiturientenarbeiten  und  wird  z,  B.  solche  aus- 
schliesEcn,  welche  den  Schaler  su  der  Bloszleg^ing  christlicher  Er- 
fahrungen, zu  Parteigezänke  usw.  hindrängen  könnten.  Auch  tritt  dem 
Abiturienten,  der  sein  Religionsthema  bearbeiten  will,  nicht  mehr  die 
Persönlichkeit  seines  Religionslehrers  vor  die  Seele,  er  fühlt  sich  freier 
und  unabhängiger.  Referent  ist  als  Abiturient  selbst  in  der  Lage 
gewesen,  einen  Religionsaufsatz  machen  zu  massen.  Er  spricht  für 
sich  und  seine  Mitschüler,  wenn  er  bezeugt,  dasz  dieser  Aufsatz  ohne 
irgend  welches  Alisbehagen,  vielmehr  mit  gröszerer  Freudigkeit,  als 
irgend  eine  andere  Arbeit,  angefertigt  wurde.  Freilich  waren  die  nfi- 
hern  Umstände  an  jenem  Gymnasium  günstiger,  als  vielleicht  sonst 
irgendwo.  Herr  B.  begründet  seine  bejahende  Antwort  auf  die  er- 
wähnte Frage  nicht  sehr  befriedigend.  Den  Religionsaufsatz  als  eine 
willkommene  Ergänzung  zu  dem  in  der  Regel  dürftigen  deutschen  Auf- 
satz der  Abiturienten  ansehen  —  in  der  That  eine  dürftige  Auskunft. 
Wenn  nun  B.  bemerkt,  dasz  der  Schüler,  wenn  er  es  versuchen  sollte, 
doch  nicht  im  Stande  sei,  bei  der  Menge  der  gelieferten  Klassenarbei- 
ten ,  seinen  Lehrer  zu  teuschen  durch  erheuchelte  fromme  Redensarten, 
so  ist  das  nicht  die  Gefahr,  dasz  der  Lehrer  geteus cht  wird,  son- 
dern dasz  der  Schüler  in  Versuchung  gebracht  wird,  zu  heucheln.  Und 
diese  Gefahr  ist  bei  jenen  Klassenarbeiten,  wie  schon  oben  bemerkt 
wurde,  noch  deutlicher,  als  bei  dem  Abiturientenaufsatz.  Ref.  ist 
im  Staude  zu  versichern,  dasz  jene  Einrichtung,  vierteljährig  Auf- 
sätze in  der  Religion  anfertigen  zu  lassen,  nicht  blosz  den  gerügten 
Schaden  anrichten  kann,  sondern  ihn  angerichtet  und  so  die  Schü- 
ler Jahre  lang  in  bewuster  Unwahrheit  in. den  heiligsten  Dingen  er- 
halten hat.  Die  Anfertigung  eines  Religionsaufsatzes  im  Examen  hält 
Ref.  für  ein  gutes  didaktisches  Hilfsmittel ,  wenn  er  sich  darauf  be- 
schränkt, das  wissen  des  Abiturienten  in  einem  bestimmten  kleinen 
Kreise  der  christlichen  Lehre  zu  ermitteln.  Er  hält  es  aber  für  ent- 
schieden bedenklich,  diese  Einrichtung  gegenwärtig  irgendwo  neu 
einzuführen.  Durch  solche  Mittel  dem  Scheine  entgegentreten  zu  wol- 
len ,  als  sei  die  Religion  am  Gymnasium  ein  ^Nebenwerk',  hicsze  ein- 
gehen in  die  oberflächlichsten  Gedanken  einer  Partei,  die  mehr  Ver- 
trauen auf  Institutionen,  als  auf  die  innere  Allgewalt  des  göttlichen  Gei- 
stes setzt. 

Berlin.  W.  H. 


88. 

Arrians  Attabam.  Für  Schüler  zum  öffentlichen  und  Prital ge- 
brauch herausgegeben  wn  Dr.  Gottlob  Hartmann.  1.  Bänd^ 
chen.   I—III.  Buch.    Jena,  Mauke  1856.  (8.  VIII  u.  181  S.) 

Nach  einer  sorgfältigen  Prüfung  können  wir  diese  Ausgabe  allen 
Freunden  des  Arrian  für  ihre  Schüler  empfehleo;  denn  sie  erfüllt  nicht 


486  Arrians  Anabasis  von  Hartmann. 

nur  die  durch  die  Probe  (Pro^.  d.  Gymn.  kii  Sondershausen  1865.  Vgl. 
Dielsch  in  d.  N.  Jahrbb.  Bd.  LXXII  S.  428  ff.)  erregten  Erwartungen,  son- 
dern reiht  sich  auch  in  am  so  würdigerer  Weise  den  Schalausgaben  an- 
derer Schriftsteller  an,  da  sie  viele  derselben  durch  ihren  paedagogi- 
sehen  Tact  und  methodische  Kürze,  namentlich  aber  dadurch  abertrifft, 
dasz  llr  ilartm.  selten  UebersetEung  bietet,  diese  auch  da  oft  vermeidel, 
wo  er  die  passende  Bedeutung  eines  Wortes  angibt.  Aber  auch  hierin  ist 
er  sparsamer  gewesen,  als  die  Probe  erwarten  Hess,  und  scheinen  hier- 
bei die  Bemerkungen  von  Dietsch  nicht  ohne  Einflusz  gewesen  eo  sein, 
wie  eine  Vergleichung  der  Probe  und  der  vorliegenden  Ausgabe  beweift. 
Diese  Bereitwilligkeit  des  uns  brieflich  befreundeten  Hrn.  Vf.  bewegt 
auch  uns  einige  Bemerkungen  folgen  zu  lassen  und  ihm,  wenn  nicht 
für  die  nächsten  Bandchen,  doch  für  die  nächste  Auflage,  die  aieher- 
lich  binnen  kurzer  Zeit  nöthig  sein  wird,  auf  diesem  Wege  einige  nn- 
maszgcbliche  Vorschläge  zu  Abänderungen  milzutheilen.  Unsern  er- 
sten Vorschlag  knüpfen  wir  an  die  Bemerkung  von  Dietsch,  daai  die 
Bemerkungen  über  den  Sprachgebrauch  des  Arrian  eigentlich  nicht 
für  Schüler  sind,  und  bitten  den  Hrn  Vf.  es  noch  einmal  im  Unterricht 
selbst  zu  probieren,  ob  nicht  Dietsch  Becht  hat,  dasz  sie  für  das  u 
erstrebende  schülermäszige  Verständnis  ohne  Einflusz  sind.  Auch  aa- 
scrn  zweiten  Vorschlag  knüpfen  wir  an  das,  was  Dietsch  S.  428  ff. 
über  die  Praxis  der  neusten  Schulausgaben,  durch  Angabe  des  passen- 
den Ausdrucks  den  Schülern  eine  zu  grosze  Erleichterung  sa  geben, 
gesagt  hat.  Unsere  Erfahrung  hat  es  bei  der  Leitung  der  LeetQre  des 
Homer  und  der  Anabasis  des  Xenophon  wiederholt  bestätigt,  dast 
diese  Praxis  den  Schüler  wenig  fördert,  dasz  er  sich,  wie  Dielsch 
sagt,  mit  seltenen  Ausnahmen  begnügt  gegebenes  hinzunehmen,  ohae 
dasselbe  selbstthatig  weiter  zu  verfolgen.  Je  freudiger  wir  es  aaa 
eben  als  einen  Vorzug  dieser  Ausgabe  anerkannt  haben,  dasz  sie  da- 
rin weit  sparsamer  i^t,  um  desto  mehr  möchten  wir  den  Hm*  Vf.  bit- 
ten demnächst  auch  das  wenige  ganz  zu  streichen  und  durch  eine  aa- 
dere  Fassung  der  Bemerkungen  die  Schüler  zum  linden  des  rechten 
Ausdrucks  und  einer  guten  Ueberselzung  anzuleiten.  Wie  leicht  dieses 
nach  unserer  Erfahrung  und  unmaszgeblicher  Ansicht  ist,  wollen  wir 
durch  die  in  Kap.  I  etwa  zu  machenden  Aenderungen  andeuten. 

116  könnte  die  Bemerkung  zu  rov  TtgoacD  etwa  so  lauten:  *Der 
Grieche  hat  das  Adv.  substantivisch  gebraucht;  im  deutschen  mnsa  es 
udjcctivisch  stehen  und  das  passende  Hauptwort  hinzugesetzt  werden'. 
Die  Schüler,  welche  den  Gornel  und  Caesar,  vielleicht  auch  schon  einen 
Theil  der  Anabasis  des  Xenoph.  gelesen  haben  und  so  mit  der  Mililir- 
sprache  etwas  bekannt  sind,  werden  grösztentheils  das  rechte  finden. 
Daselbst  musz  §  7  zu  ßidSfO^ai  die  Bemerkung  ^passivisch'  geaflgen; 
desgleichen  bei  rov  ogovg  die  ^abhängig  von  ^';  die  Uebersetsnng 
musz  der  Schüler  selbst  finden  und  will  man  ihm  eine  weitere  Hilfe 
gewähren,  so  könnte  man  hinzusetzen:  *y  —  zov  oQOvg  übers,  durch 
einen  Nebens.,  in  welchem  der  Gen.  partit.  Suhject  ist',  üebrigens 
möchte  an  dieser  Stelle  auch  das  Particip  aviovaiv  für  eine  gute  Ue- 


Arrians  Anabasis  tob  Hartnann.  487 

bersetzung  einer  Anleitan(|^  bedfirfen,  da  es  wol  am  besten  durch  ein 
Substantiv  mit  Praeposition  tu  übersetzen  ist.  —  Zu  $  8  ßavlii  yfyve- 
xal  (loi  schlagen  wir  vor:  ^ Statt  der  Umschreibung  gebrauche  im 
deutschen  ein  Zeitwort'.  KaxatpiqBC&ai^  herabstürzen,  was  übrigens 
schon  §7  bei  xazatpBqoik,  stehen  müste,  würden  wir,  da  das  Lexikon 
die  Bedeutung  hat,  entweder  ganz  streichen  oder  mit  der  allgemeinen 
Bemerkung:  ^ wähle  einen  nachdrucksvolLen ,  kräftigen  Ausdruck'  ab- 
finden. —  Zu  diM%m(^cai  wird  die  Bemerkung :  ^  äii  hier  in  der  Be- 
deutung des  lateinischen  dis'  um  so  mehr  genfigen, da  z.B.  das  Rost- 
sche  Lexicon  (und  dieses  oder  das  Papesche  wird  doch  meistens  in 
den  Händen  der  Schüler  sein)  die  Bedeutung  ^auseinander  treten'  gibt. 
In  §  9  schlagen  wir  vor ,  statt  der  Uebersetzung  dem  ersten  Theile 
der  Anmerkung  zuzufügen :  ^  Im  deutschen  durch  einen  Nebens.',  dabei 
müste  allerdings  die  Bedeutung  von  iital^^iv^  welche  das  Rostsche 
Lexikon  nicht  bietet,  die  aber  Hr.  Hartm.  recht  gut  durch  ^darüber 
hinweggehen'  angibt,  gleichfalls  im  Inf.  zugesetzt  werden.  $  10  könnte 
statt  der  Uebersetzung  ^oUya^  nur  wenig'  die  allgemeine  Bemerkung 
stehen :  ^Griechen  und  Lateiner  pflegen  bei  Zahlwörtern  und  Pronomi- 
nen  unser  «nur»  nicht  besonders  auszudrücken'.  —  Zu  §  12  kann 
^ Äg  SKaat.  7t^v%(0Q€ij  wie  jeder  dazu  Gelegenheit  fand,  es  möglich 
machen  konnte'  ganz  fehlen,  da  das  Lexikon  hinreichende  Hilfe  bie- 
tet. Daselbst  würden  wir  bei  ^htayovza*  einfach  sagen :  *intr.  von 
dem  anrückenden  Feinde',  weil  bei  dieser  Bemerkung  der  Schüler  über- 
legen musz,  ob  er  ^anrücken'  oder  einen  andern  Ausdruck  zu  wäh- 
len hat. 

Unser  dritter  Vorschlag  knüpft  sich  an  die  schon  oft  angeregte 
Frage,  ob  in  Schulausgaben  eine  Grammatik  citiert  werden  soll  oder 
nicht.  Wir  verneinen  die  Frage,  aber  nicht  aus  dem  oft  für  die  Ver- 
neinung angeführten  Grunde,  dasz  es  keine  aligemein  eingeführte 
Grammatik  gebe,  sondern  weil  damit  für  die  Schüler  zu  viel  Zeit  ver- 
loren geht  und  man  durch  eingeflocbtene  grammatische  Bemerkungen 
eher  zum  Ziele  kommt.  Bei  der  Zeitbeschränkung,  welche  durch 
die  Masse  von  Unterrichtsgegenständen  den  alten  ^rächen  zu  Theil 
geworden,  können  dieselben  ihren  bewährten  Einflusz  auf  die  Bildung 
nur  dann  bewahren  und  erhalten ,  wenn  durch  Bereicherung  der  Lee- 
türe die  Sicherheit  des  wissens  vermehrt,  die  Fertigkeit  im  verstehen 
auf  einem  raschen  und  doch  gründlichen  Wege  mit  sorgfältiger  Be- 
achtung der  Grammatik  erzielt  wird.  Letztere  ist  bei  der  Leetüre  nicht 
HauptMche,  sondern  nur  Mittel  zum  Verständnis.  Stetige  Uebung  macht 
aber  eine  tüchtige  Praeparation  zur  Hanptpflicht  der  Schüler,  diese 
kann  aber  nnr  dann  erreicht  werden,  wenn  der  Schüler  seine  ganze 
Aufmerksamkeit  auf  das  Verständnis  verwenden  kann  und  seine  Zeit 
nicht  zersplittert  wird.  Wie  viel  Zeit  aber  mit  dem  nachschlagen  der 
citierten  Paragraphen  der  Grammatik  verloren  geht,  davon  kann  sich 
jeder  Lehrer  überzeugen ,  wenn  er  selbst  einmal  nach  der  Uhr  nach- 
schlägt. Ein  Schüler  hat  aber  gewis  doppelt  so  viel  Zeit  nöthig.  Da- 
zu kommt,  dasz  die  Grammatiken  den  ganzen  Sprachgebraucb ,  der 


'488  Arrians  Anabasis  von  Haiimann. 

unter  eine  Regel  fallt  9  registrieren  mOsseo,  während  der  Sohfller  lieh 
genaa  an  ein  Citat  haltend  nur  immer  den  speciellen  Fall  berfiekaich- 
iigt.  Nimmt  man  dagegen  die  grammatischen  Bemerkangen  in  die  No> 
ten  auf,  so  können  diese  selbst  kurz  gefaszt  mehrere  Fälle  angleich  nai- 
fassen  und  dabei  doch  eine  für  das  Verständnis  erspriesaliehe  Aalei- 
tung  geben.  Ein  Beispiel  möge  die  Sache  erläutern.  Der  Hr.  Vf.  hat 
über  den  Gebrauch  der  Participia  bei  den  Verbis  xvy%avHVy  ionrdimtii^ 
fpaiviG^ai,  etc.  wiederholt  auf  die  betreffenden  Grammatiken  von  Roit, 
Buttmann  und  Kühner  oder  auf  die  Stelle  seines  Commenlars  snrlck- 
verwiesen.  Bei  Kühner  umfaszt  der  ganze  Paragraph  eigenllioh  meh- 
rere Seiten,  der  spccielle  Fall  8  Zeilen  mit  der  allerdings  nölkigea 
Hilfe;  bei  Bultmann  umfaszt  der  Paragraph,  ohne  die  für  den  Scholar 
sofort  verstandliche  Hilfe  zu  enthalten,  mit  den  einzelnen  Vorben  eine 
halbe  Seite.  Aehnlich  bei  Rost.  Kein  Schüler  wird  sich  daraoa  ciaa 
allgemeine  Regel  bilden,  die  er  bei  der  Uebersetzung  anwenden  kaaa. 
Stellt  dagegen  in  der  Note  etwa  folgende  Bemerkung:  *Der  Grieaha 
setzt  zu  den  Verbis:  it^^ai/G),  Aai^Oavco,  ^^O^avo,  diorsii»,  ttip^ 
otxofjuit  und  vnccQXG}  die  den  Begriff  ergänzeude  Thatigkeit  in  das  Far- 
ticip.  Im  deutschen  übers,  das  Particip  durch  das  Verb.  ftniL,  aad 
das  griechische  Verbum  durch  ein  Adverb.',  so  hat  der  ScbOler  dea 
griechischen  Sprachgebrauch  und  den  Unterschied  der  beiden  Sprachen 
in  so  kurzer  Fassung,  dasz  er  sich  dieselbe  verbotenus  einpräfSi 
kann.  So  oft  ein  Fall  bei  der  Leetüre  vorkommt,  wird  die  Regel  her- 
gesagt und  nach  drei-,  höchstens  viermaliger  Repetition  silst  sie  iO 
fest,  dasz  die  Mehrzahl  der  Schüler,  wenn  sie  im  weitern  Verlanf  dar 
Lcctüre  in  der  Note  die  Bemerkung  findet:  ^Particip  bei  oSxofuxk,  i 
oben  12  II  z.  rvy%apG}'^  nicht  mehr  nachschlagt,  sondern  sich 
Stichwort  ^Particip'  sofort  der  ganzen  Regel  erinnert  Diese  oftl 
statigte  Erfahrung  veranlaszt  mich,  dem  Hrn.  Vf.  vorzuschlagen,! 
seine  grammatischen  Citute  fallen  zu  lassen.  Er  kann  dieses  nai  so 
leichter,  da  er  die  von  uns  vorgeschlagene  Methode  gleichfalls  ukoiä 
angewandt  hat  und  im  citiercu  der  Grammatik  sehr  sparsam  gewcisa 
ist.  Findet  unser  Vorschlag  des  Hrn.  Vf.  Beifall,  so  könnte  s.  B.  iai 
Kap.  I  <^  2  bei  aizsiv  nag'  crizfav  die  Bemerkung  lauten:  ^ akaiv  wird 
vorhersehend  mit  doppelten  Acc.  construiert.  Wie  ist  es  hier  ge- 
braucht?' —  Zu  §  4  würde  ich  die  III  7  2  zu  axoveiv  gegebene  Be- 
merkung hiehersetzen  nnd  sofort  sagen:  'Die  Verba  axovciyy  anwOn- 
vsad-ai  usw.*  Im  $  5  würde  ich  einfach  die  verschiedenen  Worin  ohsa 
Citat  angeben,  den  Unterschied  kurz  erläutern.  Daselbst  könnto  an 
dexccvaiog  statt  des  Citats  die  Bemerkung  zu  I  18  4  in  folgender  Fas- 
sung stehen:  'Umstände  des  Orts,  der  Zeit  und  der  Art  und  Weise  be- 
zieht der  Grieche  auf  die  Person,  nicht  wie  der  Deutsche  auf  die  Hand- 
lung'. Dasz  §6  BiQysiv  c.  Gen.  construiert  ist,  mnsz  der  Schüler, 
wenn  der  vorhergehende  Unterricht  seine  Schuldigkeit  gethan  hat  nnd 
der  Schüler  in  der  Phraseologie  geübt  ist,  selbst  finden  und  bedarf 
gar  keines  Citats,  vielleicht  nicht  einmal  einer  Bemerkung,  sondern 
nur  der  Nachfrage  des  die  Uebersetzung  leitenden  Lehrers. 


•  Arriant  Aoabasis  tob  Hartmaiw.  480 

Aber  selbst  dann,  wenn  der  Hr  Vf.  ansern  Vorschlag  nicht  bil- 
ligt, möchten  wir  ihm  doch  für  einzelne  Fälle ,  wo  er  in  seiner  Ans* 
gäbe  auf  frühere  Steilen  in  seinen  Noten  zurückweist,  eine  Aenderung 
vorschlagen,  die  gleichfalls  Zeit  erspart  und  doch  zum  Ziele  führt, 
deshalb  gewis  auch  des  geehrten  Hm  Vf.  Beifall  findet.  Wir  haben, 
um  nur  von  den  vielen  Stellen  eine  zu  erwähnen  und  daran  unsern  Vor- 
schlag zu  erklaren,  solche  Citate  im  Auge,  wie  sich  II  7  1  zu  Xa&civ 
findet.  Dort  wird  nemlich  auf  1 6  8  verwiesen  und  an  dieser  Stelle  auf 
die  Grammatik;  einfacher  erscheint  es  aber,  wenn  das  Citat  der  Gram- 
matik hier  wiederholt  wird,  da  das  erste  Citat  doch  eigentlich  rein 
vergeblich  ist.  Aehnlich  ist  es  mit  Citaten,  wie  zu  II  7  6,  wo  zuerst 
auf  I  20  5  verwiesen  wird.  Die  gewünschte  Auskunft  steht  aber  I  18 
6,  worauf  auch  hingewiesen  wird,  und  es  möchte  mithin  ersprieszli- 
eher  sein,  wenn  letzteres  Citat  gleich  zu  II  7  6  gesetzt  wäre. 

Schlieszlich  halten  wir  es  für  besser,  dasz  alle  Bemerkungen, 
die  im  Anfange  des  Buchs  nöthig  sind,  auch  an  der  betreffenden  er« 
sten  Stelle  gegeben  und  nicht  in  die  Mitte  oder  an  eine  noch  weitere 
Stelle  gesetzt  werden,  aufweiche  dann  im  Anfange  des  Buchs  verwiesen 
wird;  denn  das  nöthigt  den  Schüler,  Stellen,  die  noch  nicht  gebraucht, 
näher  auszer  ihrem  Zusammenhange  anzusehen  und  so  wiederum  die 
Zeit  zu  versplittern.  Hr  Hartm.  hat  diese  Weise  auch  zuweilen  be- 
folgt und  bezieht  sich  darauf  zum  Theil  gewis  die  Bemerkung  der  Vor- 
rede: ^Sodann  hat  er  es  nicht  unterlassen,  dem  Commentar  die  Ein- 
richtung zu  geben,  dasz  die  Leetüre  gleichviel  mit  diesem  oder  jenem 
Abschnitt  beginnen  kann'.  Aber  das  ist  auch  möglich,  wenn  alle  Be- 
merkungen da  stehen,  wo  sie  zuerst  erforderlich  sind,  und  wenn  auf 
dieselben  dann  zurückgewiesen  wird. 

Wir  haben  unsere  Hochachtung  und  unsern  Dank  für  die  reiche 
Belehrung,  die  wir  aus  dem  sichern  Tacte  des  Hrn  Vf.  erhalten  haben, 
nicht  besser  zu  bethätigen  gewust,  als  indem  wir  unsere  Vorschläge 
ihm  mitgetheilt  haben. 

Clausthal.  Vollbrecht 


39. 

Arithmetischer  Nachtrag  zu  Xenoph.  Anab.  III  4  19 — 23. 


In  unserer  in  diesen  Jahrbttchero  (oben  S.  76  ff.)  abgedruckten 
strategischen  Erörterung  der  bezeichneten  Stelle  haben  wir  ans  den 
Worten  des  Xenophon  nachzuweisen  versucht,  dasz  Köchlys  und  Rtt- 
slows  Ansichten  über  die  Aufstellung  der  6  Lochen  an  der  T^te  und 
Queue  und  die  Bildung  eines  Oblongums  (nXaiöiov  heQOfATjxeg)  nicht 
haltbar  sei.  Im  folgenden  wollen  wir  zu  beweisen  versuchen,  dasz 
diese  Ansicht  der  genannten  Herren  auch  arithmetisch  verwerflich  ist. 

i¥.  Jahrb.  /*.  Pha,  m.  Paed,  B<L  LXXIV.  Rß,  10.  35 


490  Za  XcDoph.  Anab.  111  4  19—23.  • 

Ohwol  sich  aus  Anab.  1  7  10  vergrlioben  mit  11  3  7,  116  30  and 
111  3  5  der  ungefähre  Bestand  des  Söldnerheeres  zur  Zeit  der  Bildaag 
des  Vierecks  berechnen  löszt,  so  wollen  wir  doch,  da,  yrit  ooMre 
verschiedenen  Berechnungen  bewiesen ,  das  Endresultat  80  siemlich 
(hisselbo  bleibt,  mit  Küchly  und  Rüslow  (S.  187)  nur  8000  UopUlea 
rechnen.  Stellen  wir  diese  nun  in  ein  Oblongum,  dasz  Tdte  und  Froat 
von  je  300  Mann  gebildet  werden,  so  kommen  auf  jede  Flaoke  3600 
Mann.  In  geschlossener  Stellung  halte  sonach  die  Töte  bei  8  Mau 
Tiefe  genau  37  Mann  Front,  welche  111  griech.  Fosz  Frontraum  deckea; 
auf  den  Flanken  stehen  je  450  Mann  bei  ö  Mann  Tiefe,  und  die  habea 
i;^50  griech.  Fusz  Baum,  wozu  noch  von  Töte  und  Queue  je  MFuu 
koinnien,  so  dasz  mithin  der  Umfang  des  Vierecks  155178  □Fnaa  be- 
iriijri.  Der  innere  Baum  bietet,  da  Tete  und  Queue  wegen  der  8  Naaa 
Tiofc  der  beiden  Flanken  um  je  48  Fusz  verlieren  und  somit  nur  fiO 
Fusz  breit  sind,  die  Flanken  aber  nach  Abzug  jener  48  Fugs  1350  Fosi 
behalten,  81000  DFusz  Fläche  und  nehmen  somit  die  8000  Hoplilea 
74178  DFusz  Baum  ein;  woraus  folgt,  dasz  in  der  Mitte  auf  81000 
GFusz  in  runder  Summe  etwa  8740  Mann  stehen  können.  —  Da  aber 
der  Trosz  gering  angeschlagen  (vgl.  Köchly  und  Büstow  S.  185)  der 
Zubl  der  (/Ombatlanten  gleich  ist,  so  wollen  wir  ihn  auch  nur  in  8000 
.'lann  nehmen,  dazu  kommen  mindestens  2000  Leichtbewaffnete.  Dieae 
10000  Mann  finden  somit  im  Oblongum  keinen  Baum  und  fflr  die  Pferde 
und  Ksel  ist  auch  kein  Platz. 

Ganz  anders  gestaltet  sich  die  Sache,  wenn  wir  dieae  8000  Mana 
uns  Siels  in  ein  Viereck  gestellt  denken.  Jede  Seite  hat  dann  350 
^liccb.  Fusz  in  geschlossener  Stellung,  das  gibt  einen  Umfang  voa 
(^'iJOO  Fusz.  Der  innere  hohle  Baum  miszt  an  jeder  Seite  202  Fnaa  and 
biciet  eine  Fläche  von  40804  DFusz,  auf  welchem  Ranme,  da  8000 
Mann  11696  Fusz  gebrauchen,  in  runder  Zahl  27900  Mann  stehen  köa- 
non.  iNehmen  wir  nun  den  Trosz  und  die  Leichtbewaffneten  an  11000 
-l-nui,  so  o^rbrauciien  die  circa  16081  Fusz;  und  bleibt  somit  Raum  für 
::  Itis  300  Facklhierc  und  wird  die  Mitte  nicht  gedrängt,  wenn  die  tt- 
'j'<xc(  övyy.vxxovGiv  und  die  Front  und  Queue  durch  den  Anstritt  der 
.'O.Mann  sich  verkleinern.  Denn  300  Packthiere  gebrauchen  etwa 
i'JiGO  Fusz,  so  dasz  im  Centrum  noch  immer  5563  Fusz  überschOsaiger 
i^auni  bleibt.  —  Ja,  selbst  wenn  alle  Seiten  in  die  gedrängte Stellnag 
hich  zusammendrängten,  so  mösle  allerdings  die  Mannschaft  der 
Mitte  auch  sich  enger  schlieszen,  aber  sie  behielte  doch  immer  mehr 
Baum  als  die  Hoplilen.  —  Sonach  möchte  es  wol  als  sichei;  und  ana- 
gemacht anzunehmen  sein,  dasz  die  Griechen  stets  das  gleiobaeilige 
Viereck  gebildet  haben,  dessen  Gleichseitigkeit  nur  dnroh  den  Ana- 
lritt der  300  etwas  verschoben  ist  *).    Es  entsteht  nemlich  die  Frage, 


♦)  Noch  güngtiger  gestaltet  sich  die  Berechnung,  wenn  wir  9800 
Hopliten  nehmen;  und  so  grosz  kann  die  Zahl  recht  gut  zur  Zeit  der 
Bildung  de«  Vierecks  noch  gevresen  sein.  Dann  können  in  der  Mitte 
über  80000  Mann  stehen. 


Zu  Xenoph.  Anab.  III  4  19—23.  491 

wie  viel  Rotten  (d.  b.  Mann  in  Front)  die  6  Lochen  beim  spätem 
wiedereinrücken  in  die  Queue  als  Compagniecolonnen  (kccxcc  Xoxovg) 
gehabt,  ob  sie^  anfangs  im  Gänsemarsch  mit  100  Mann  Tiefe  oder, 
wie  Köchly  und  Rüstow  S.  189  die  Wahl  lassen,  zu  3  oder  6  Rotten 
eingerückt  sind.  Im  Gänsemarsch  bilden  sie  zunächst  6  Mann  Front  in 
der  Queue,  die  in  geschlossener  Stellung  18  Fusz  Raum  bedürfen,  als 
Pentekostyen  36  Fusz,  in  Enomotieen  72  Fusz.  In  der  T^te  und  Queue 
fehlen  nach  dem  Austritt  der  je  300  Mann  108  Fusz,  die  Queue  wird 
aber  durch  das  einrücken  in  Enomotieen  um  72  Fusz  breiter  als  die 
T^le  und  so  wird  nach  unserer  Ansicht  die  Form  des  Vierecks  schon 
hinreichend  verschoben.  Wollten  wir  die  Compagniecolonnen  zu  3 
oder  6  Mann  annehmen,  so  würde  die  Queue,  sobald  die  6  Lochen  nach 
Enomotieen  einrücken,  bei  ersterer  Annahme  um  216,  bei  letzterer  um 
432  Fusz  breiter  als  die  T^te.  Diese  Misverhältnisse  sind,  das  bedarf 
keines  Reweises,  zu  grosz,  und  so  möchte  auch  diese  Berechnung  zei- 
gen, dasz  der  Gänsemarsch  so  unbeliebt  nicht  gewesen  ist.  Allerdings 
kommen  nach  unserer  Ansicht  16  Glieder  dieser  6  Lochen  nach  dem 
Einmärsche  in  Enomotieen  in  die  Mille  zu  stehen,  das  schadet  aber  nichts, 
da  hier  Raum  genug  für  sie  ist;  es  hat  vielmehr  den  Vortheil,  dasz  die 
300  der  T^te,  wenn  sie  wieder  in  dieselbe  einrücken  sollen  und  wenn 
wir  sie  uns  an  die  Spitze  der  Lochen  in  der  Queue  gestellt  denken, 
ohne  dasz  die  Queue  sich  öffnet,  sich  durch  die  Mitte  hin  nach  vorn 
bewegen  und  in  die  sich  öffnende  T^te  an  ihren  alten  Platz  marschie- 
ren können. 

Clausthal.  F.  Vollbrecht. 


40. 

Die  Poesie  der  Sprache,  namentlich  der  deutschen. 


Wie  Figura  zeigt,  sind  im  gewöhnlichen  unsere  Grammatiken, 
Stilistiken ,  Metriken  so  eingerichtet,  dasz  die  Regeln  in  denselben  an 
und  für  sich  nackt  und  dürr  und  etwa  verbrämt  mit  Stellen  aus  Schrift- 
stellern hingestellt  werden,  ohne  sie  aus  dem  Wesen  und  Wallen  des 
menschlichen  Geistes,  aus  den  natürlichen  Anlagen  des  Menschen,  aus 
der  Natur  der  Sprachorgane,  aus  gewissen  allgemeinen  Gewohnheiten, 
Ansichten,  Sitten  und  Gebräuchen  herzuleiten,  darauf  zurückzuführen 
—  ein  Mangel,  der  schon  oft  gerügt  worden  ist,  aber  von  dem  mau 
sich  zumeist  noch  nicht  hat  losmachen  könnnen.  Er  stammt  aus  der 
letzten  Zeit  der  Lebensdauer  der  lateinischen  und  griechischen  Sprache 
her,  wo  die  Grammatiker  —  geistlos  und  oberflächlich  genug!  —  so 
die  beiden  betreffenden  Sprachen  lehrten.  Die  lernenden  werden  da- 
durch zumeist  auf  den  Standpunkt  gestellt,  wie  wenn  die  Grammatiker 
oder  die  Schriftsteller  die  betreffenden  Sprachen  geschaffen,  nach 

35* 


492         Die  Poesie  der  Sprache,  namentlich  der  dentachen« 

ihrem  individuellen  Urtheile  und  GefQhle  gemodelt  hätten.  Und  doch 
ist  nichts  unrichtiger  als  dieses.  Nicht  cinz^clnc,  besonders  hervorra- 
gende Individuen,  wol  aber  die  menschliche  Natar  iiherhanpt,  wie  sie 
da  situiert  ist  von  der  Gottheit  zur  Schaffung  der  menschlichen  Spra- 
che, haben  dieselbe  hervorgearbeitet,  ein  ganzes  Volk  seino  eigea- 
thümliche  Mundart,  wobei  nur  manche  Aeuszerlichkeiten  mitgewirkt. 
Die  Gesetze  also,  die  in  einer  Sprache  herschen,  sind  jene  unwillkttr- 
lichen ,  in  den  Anlagen  des  Menschen  aberhanpt  begründeten  Regela, 
nach  welchen  wir  sprechen;  es  ist  darin  nichts  erfundenes,  erkünstel- 
tes, selbsterschafTenes,  sondern  nur  gefundenes,  dergestalt  jedoch, 
dasz  wir  dessen  ungeachtet  doch  dabei  verfahren  können  mit  einer  ge- 
wissen Freiheit  und  Selbständigkeit.  Von  solchem  Sehpunkle  aaa 
betrachtet,  erscheinen  die  sprachlichen  Erscheinungen  erst  in  ihrem 
wahren  Lichte. 

Diese  Bemerkung  soll  uns  hier  einmal  leiten  bei  der  Metrik.  Aaeb 
hier  hat  man  gemeinhin  die  Art,  die  belrelTenden  Regeln  nackt  hinia- 
steilen ,  ohne  immer  die  jedesmaligen  Gründe  aufzusuchen  and  beisa- 
fügen.  Stellen  ans  Dichtern  liefern  meistens  die  kahlen  Beweise;  da- 
her auch  hier  die  gewöhnliche  Ansicht,  dasz  die  Dichter  erst  das  ganie 
gemacht  hätten.  Das  ist  aber  nicht  wahr:  sie  haben  das  meiste,  das 
nrsprüngliche,  das  wesentlichste  bereits  in  dem  vorhandenen  Sprach- 
schätze vorgefunden  und  das  dort  vorhandene  entweder  nur  za  ihreai 
Zwecke  passend  zu  benutzen  verstanden  oder  organisch  weiter  forlge- 
bildet. Es  gibt  wesentlich  auch  eine  Poesie  der  Sprache,  d.h.  bewast 
oder  unbewust  geschehene  uranfünglich  einfache  oder  zuaammeograp- 
pierte  lautliche  Verbindungen,  welche  dem  angeborenen  Schönheits- 
sinne des  Menschen  entsprossen  sind  und  ihm  entsprechen,  Poiteie  in 
der  ersten  beschränkten  Bedeutung  genommen,  wie  itoiuv  eigeatlich 
von  dem  äuszern  gestalten  einer  Sache  gesagt  worden  ist.  Die  Dich- 
ter brauchen  also  meistens  nur  zuzugreifen,  um  ihren  Werken  dieaa 
oder  jene  äuszcre  Schönheit  zu  geben,  und  ihre  Kunst  besteht  ina- 
fern meistenthcils  nur  darin,  dasz  sie  mehr  als  andere  verstehen  den 
vorhandenen  Schatz  zu  heben,  auszubeuten  und  zu  vermehren. 

AVill  man  hiervon  die  feste  Ueberzeugung  gewinnen,  so  betrachte 
man  nur  unsere  Muttersprache;  sie  liefert  die  schlagendsten  Beweise: 
sie  ist  höchst  poesiereich  in  vielen  Bildungen  und  Wortverknflpfan- 
gen.  Wir  wollen  uns  die  Mühe  geben,  solches  im  einzelnen  darxathu. 

Vor  allem  ist  es  das  onomatopoetische,  was  eine  Spraohe  poC- 
siereich  macht.  Diese  Eigenschaft  hat  unser  Deutsch  in  hohem  Grade, 
weniger  im  hochdeutschen  Dialekte  als  in  den  verschiedenen  voiki* 
thümlichen  Mundarten.  Denn  wie  die  Farben ,  die  ein  Maler  anftrigl 
auf  sein  Gemälde ,  den  Farben  der  Wirklichkeit  entsprechen  müssen 
sremäsz  dem  Zwecke  seiner  Kunst,  so  sollen  und  müssen  anch  nach 
einem  richtigen  menschlichen  Gefühle  die  Laute  des  menschlichen  Nan- 
des  der  geeignetsten  Bezeichnung  der  Töne  möglichst  conform  sein, 
die  durch  sie  ansgedrückt  werden.  Leider  sind  nur  in  unsern  Gram- 
maliken und  Wörterbüchern  noch  nicht  die  einzelnen  Laute  —  niseh- 


Die  Poesie  der  Sprache ,  namentlich  der  denlschen.  493 

lieh  nennt  man  sie  gewöhnlich  die  Buchstaben  —  in  dieser  Beziehung 
der  gehörigen  Berücksichtigung  und  Erörterung  gewürdigt  worden;  iu 
vielen  Stücken  ist  es  freilich  auch  keine  leichte  Sache.  Indessen  wird 
jedermann  leicht  erkennen,  wie  richtig  das  Sprachgefühl  unsere  Alt- 
vordern geleitet  hat,  wenn  es  sie  z.  B.  veranlasst  hat  Wörter  zu  bil- 
den wie:  winzig,  minder,  mildern,  milde,  linde  neben  Nacht,  Kraft, 
hoch,  grosz,  Wucht.    Dienen  hier  jene  feinern  und  spitzigem  Vokale 
e  und  i  nicht  zum  Ausdrucke  des  kleinen,  winzigen,  während  a,  o  und 
u  das  grosze,  mächtige,  hohe  schon  an  sich  bezeichnen?  Ebenso  ver- 
hält es  sich  mit  den  Consonanlen,  z.  B.  dem  zischenden  S  und  Z  (vgl. 
zischeu,  5i627fi5,  st6t/are,  s«cctis,  siiis)^  dem  schnarrenden  R  (vgl. 
rollen,  knarren,  ruere^  roia,  crepo)^  dem  brummenden  M  (vgl.  muck- 
sen, mti/tis),  dem  hauchenden  il  (hauchen,  halare)^  dem  wehenden  W 
(wehen,  Wind,  ventus)  usw.  Auf  gleiche  Weise  fährt  dann  das  Sprach- 
gefühl fort  iu  mancherlei  Compositionen  von  Wörtern  und  Worten.  In 
ersterer  Beziehung  wollen  wir  nur  auf  eine  Gattung  von  Ausdrücken 
aufmerksam  machen,  meist  zweisilbiger  Art,  wo  die  zweite  Sitbe  der 
erstem  entspricht,  nur  mit  Veränderung  des  Vokales  I  in  A.    Es  ist 
auch  diese  Formbildung  hergenommen  aus  der  Natur,  wo  nicht  selten, 
wenn  sich  derselbe  Ton  wiederholt,  eine  kleine  Schattierung  eintritt, 
die  jenen  Uebergang  des  I  in  den  A-Laut  bedingt.   Man  nehme  nur  das 
picken  einer  Pendeluhr  oder  das  klappen  mit  den  Dreschflegeln  beim 
dreschen.    Daher  nun  folgende  onomatopoetische  Wörter:  klippklapp, 
klitschklatsch,  bimmbamm  (der  bumbaum  kommt  vom  läuten  der  Glok- 
ken),  tipptapp,  tripptrapp,  pickpack,  pilTpafT,  ripsraps,  rischrasch, 
ritzratz,  Schnickschnack,  schnippschnapp,  schwippschwapp,  Zickzack 
(von  ziehen  =  hin-  und  herziehen).  Beim  schnellen,  sofortigen  wie- 
derkehren einer  solchen  Sache  (Indet  oft  eine  Uebereilung  statt,  tritt 
ein  Misverhältnis  ein;  daher  mehrere  solcher  Wörter  eine  üble  Bedeu- 
tung haben,  als:    klingklang,  singtang,  krimskrams  (von  kramen), 
misehmasch,  Wirrwarr,  schlingschlang  (von  schlängeln,  sich  anschlän- 
geln).   Zwei-  und  mehrsilbige  Wörter  der  Art  sind:  trippeltrappel, 
kikelkakel,  pipelpapel,  krikelkrakel  oder  bairisch  :  gribesgrabes  (von 
yqiq>m)^  Wischiwaschi,  schnitterschnatter,  Fickfackereien.  Aehnliches : 
ruschemnsche  (von  mischen),  raudimaudi  (im  bairischen),  quirlequitsch 
(von  quirlen  und  quetschen),  firlefanz  (wo  die  AUitteration  zu  bemer- 
ken), Sammelsurium  (von  sauer,  suer),  Runkunkel,  Schlampampe  und 
schlampampen,  dudeldumdei.    Wortverbindungen  der  Art  sind:  flim- 
mern und  flammern,  glitzen  and  glatzen,  grinsen  und  grausen,  knicken 
und  knacken,  knittern  und  knattern,  kribbeln  and  krabbeln,  tippeln 
und   tappeln,  trippeln   and  trappeln,  zwicken  and  zwacken,  weder 
kicks  noch  kacks ,  lullen  und  lallen. 

Eine  zweite  von  Poesie  zeugende  Eigenschaft  der  Sprache  über- 
haupt und  der  deutschen  insbesondere  ist  das  metrische  9  das  gemes- 
sene, taktmäszige,  was  sich  in  so  vielen  Wortbildungen  und  volks- 
thümlichen  Redensarten  kund  gibt  and  seinen  Grand  hat  in  dem  allge- 
meinen menschlichen  Sinne  für  Abgemessenheit,  Regelmfiszigkeit,  feste 


404         Die  Poesie  der  Sprache ,  namentlich  der  deutscheo. 

Ordnung,  Bestimmtheit.  So  wie  uns  derartiges  objectives  in  der  Aa- 
szenwelt  vielfältig  entgegentritt  und  in  dieser  seiner  Eigenthumlichkeit 
ans  Gefallen  erweckt,  ebenso  strebt  siibjectiv  die  menschliche  Natur 
nach  gleichen  Bildungen  in  der  Sprache  theils  an  sich,  um  auch  hier 
das  gefällige,  taktmäszige  herzustellen,  theils  um  dasselbe,  wie  es 
sich  in  der  Auszenwelt  offenbart,  sprachlich  nachzuahmen  und  auf  ähn- 
liche Weise  auszudrücken.  In  letzterer  Beziehung  sind  die  Gleich- 
klänge in  der  Sprache  eigentlich  nichts  weiter,  als  Nachbildungen  der- 
jenigen gleichen  oder  ähnlichen  Töne  und  Dinge,  wie  sie  um  uns  her 
vorkommen.  Das  aneinander  nach  einer  bestimmten  Richtschnur  ge- 
reihte, ordnungsmaszige,  taktvolle  dort,  im  Räume,  in  der  Zeit  usw., 
wird  auch  hier  das  taktvolle  und  gemessene  hervorrufen.  Das  lautlich- 
metrische wird  ein  Spiegelbild  der  Wirklichkeit  sein.  Ja  meisthin  be- 
gnügt sich  nicht  einmal  der  menschliche  Geist  mit  dem  bloszen  metri- 
schen und  taktmäszigen  im  Gebrauche  und  in  der  Anordnung  der  ein- 
zelnen Sprachtheile,  der  Wörter  und  Silben,  er  sucht  die  Ueberein- 
Stimmung  des  sprachlichen  mit  dem  was  er  ausdrücken  will,  noch  ge- 
nauer zu  vermitteln:  er  wendet  Assonanzen,  Allitteration,  Reime  an, 
selbst  schon  im  gewöhnlichen  Leben;  seine  innerste  Natur  treibt,  zwingt 
ihn  gewissermaszen  dazu.  Alle  diese  Hervorbringungen  sind  demnach 
nichts  erkünsteltes,  nichts  durch  menschliches  reQectieren  und  grü- 
beln erst  erfundenes  und  erschaffenes,  sondern  durchaus  lauter  orga- 
nische, aus  der  ursprünglichen  menschlichen  Natur,  aus  unsern  Natur- 
anlagen hervorgegangene  Gebilde,  mit  denen  nicht  erst  die  Dichter 
ihre  Werke  zu  schmücken  verstehen,  sondern  die  sich  vielfach  bereila 
in  der  gewönlichen  Umgangssprache  vorfinden.  Gewissermaszen  kann 
man  auch  sie  zur  Onomatopoesie  rechnen ,  insofern  sie  ursprünglich 
und  eigentlich  dazu  dienen,  das  objectivo  subjectiv  lautlich  zu  malen, 
d.  h.  etwas  sprachlich  durch  Laute  des  Mundes  so  darzustellen,  wie 
dasselbe  es  seiner  Natur  nach  bed^gt  und  erheischt,  oder  vielmehr 
dem  Menschen  erscheint  nach  dessen  Auffassung.  Zu  gleicher  Zeit 
kann  man  sich  daraus,  dasz  dergleichen  unserm  Geiste,  wie  dem  Munde 
und  dem  Ohre  mundet,  erklären,  warum  solches  alles  leicht  übergeht 
oder  übergegangen  ist  in  etwas  feststehendes,  stereotypes,  formeU 
hartes,  was  im  gemeinen  Leben  gerade  so  so  gern  gebraucht  wird: 
man  findet  es  natürlich,  bequem.  Folgende  zahlreiche  Beispiele  tos 
unserer  deutschen  Sprache  in  der  gegebenen  aufsteigenden  Linie  oi6* 
gen  das  gesagte  bewahrheiten. 

Während  wir  die  Einzelheiten  von  einer  und  derselben  Artgleiok- 
mäszig  und  fortlaufend  also  aufzählen,  dasz  wir  sagen:  eins,  iwei, 
drei,  vier  usw.,  in  gleichem  Tone  so  fortfahrend,  geben  wir  das,  was 
paarweise  da  ist  oder  geschieht  gewöhnlich,  durch  den  Amphimacer 
(jlviJl):  wir  fangen  mit  einer  betonten,  männlichen  Silbe  an  und 
schlieszeu  mit  einer  gleichen,  um  das  bestimmte,  das  maszvolle,  den 
Takt  so  recht  kräftig  auszudrücken ;  die  unbetonte  mittlere  Silbe  dient 
dazu ,  um  jene  beiden  zu  verbinden  und  noch  stärker  hervortreten  sa 


Die  Podsie  der  Sprache,  namentlicli  der  dealsohen.  405 

lassen.  Man  sagt  daher  in  dem  Falle:  |eins  und  zwei|,  |zwei  und  drdi, 

Idrei  und  vier|  a.  s.  f.    Ganz  der  Natur  dieses  paarweisen  zahlens  und 
den  desfalisigen  beobachteten  Tempos  gemäsz  ist  es,  wenn  wir  bei  der 
Aufzählung  von  paarweisen  Dingen   oder  Vorstellungen   in   gleicher 
Weise  sprechen,  also:  1)  ohne  Schmuck.    Arm  und  Bein,  Aug  und 
Ohr,  Hals  und  Kopf,  Hals  und  Bein,  Hand  und  Fusz,  Milch  und  Blut, 
Hut  und  Stock,  Tisch  und  Bett,  Grab  und  Tod,  Herr  und  Knecht,  Knecht 
und  Magd,  Mann  und  Frau,  Mann  und  Weib,  Weib  und  Kind,  jung  und 
alt,  klein  und  grosz  oder  grosz  und  klein,  arm  und  reich,  Berg  und 
Thal,  Land  und  Meer,  Ost  und  West,  Süd  und  Nord,  Bier  und  Wein, 
Zank  und  Streit,  Eis  und  Schnee,  schwarz  auf  weisz,  nah  und  fern, 
breit  und  schmal,  alt  und  grau,  zart  und  fein,  rechts  und  links,  heisz 
und  schwül,  wüst  und  leer,  ja  und  nein,  ein  und  aus  oder  aus  und  ein, 
vor  und  nach,  ab  und  zu,  dies  und  Jens,  hier  und  da,  nach  wie  vor. 
—  2)  mit  Schmuck,  d.  h.  mit  theilweiser  oder  vollständiger  lautlicher 
Uebereinstimmung  (weil  wesentlich  die  Dinge  oder  die  Vorstellungen, 
welche  ausgedruckt  werden,  in  Uebereinstimmung  stehen,  einander 
ähnlich  oder  gleich  sind  oder  gedacht  werden,  so  sucht  sich  das  Sprach- 
gefühl solche  Ausdrücke,  die  einander  ähneln  oder  gleichen),    a)  mit 
Assonanz:  Tag  und  Nacht,  Sonn^  und  Mond,  Stadt  und  Land,  Schrot 
und  Korn,  Spott  und  Hohn,  Scherz  und  Ernst,  Gram  und  Harm,  stark 
und  schwach,  kurz  und  gut,  ganz  und  gar. —  b)  mitAllitteration:  Mann 
und  Maus,  Fleisch  und  Blut,  Thor  und  Thür  oder  Thür  und  Thor,  Spiesz 
und  Speer,  (weder)  Fisch  noch  Fleisch,  Haus  und  Hof,  Herz  und  Hand, 
Sand  und  Staub,  Schutz  und  Schirm,  Ruh  und  Rast,  Flur  und  Feld, 
Stahl  und  Stein,  Milch  und  Mehl,  Wies'  und  Wald,  Fürst  und  Volk, 
Geld  und  Gut,  Stumpf  und  Stiel,  Lieb**  und  Leid,  Fried''  und  Freud\ 
Lust  und  Lieb%  Stock  und  Stein,  Wohl  und  Weh,  Scherz  und  Spiel, 
hoch  und  hehr,  fett  und  feist,  wüst  und  wirr,  baar  und  blosz,  kurz 
und  gut,  keck  und  kühn,  braun  und  blau,  los  und  leer,  frisch  und  frei, 
frank  und  frei,  wahr  und  warm,  froh  und  frei,  starr  und  steif,  steif 
und  fest,  müd  und  matt,  ganz  und  gar,  spitz  und  stumpf,  grosz  und 
klein,  gut  und  gern,  gelb  und  grüu,  weich  und  warm,  kreuz  und 
quer,  derb  und  dicht,  dick  und  dünn,  hin  und  her,  drum  und  dran, 
drauf  und  dran,  da  und  dort,  drin  und  draus,  wo  und  wann,  wer  und 
wie,  dies  und  das.  —  c)  mit  Reimen:  Dach  und  Fach,  Dreck  und  Speck, 
Feld  und  Wald,  Grusz  und  Kusz,  Gut  und  Blut,  Freud'  und  Leid,  Freund 
und  Feind,  Kern  und  Stern,  Krieg  und  Sieg,  Kraft  und  Saft,  Lug  und 
Trug,  mein  and  dein,  Noth  und  Tod,  Knall  und  Fall,  Rand  und  Band, 
Ralh  und  That,  Sack  und  Pack,  Salz  und  Schmalz,  Saus  und  Braus, 
Schutz  und  Trutz,  Schritt  und  Tritt,  Steg  nnd  Weg,  Stein  und  Bein 
(schwören),  Stock  und  Block,  Sang  und  Klang,  Rauch  und  Schmauch, 
schlecht  und  recht,  toll  und  voll,  weit  und  breit,  dann  und  wann.  — • 
d)  unter  Wiederholung  desselben  Wortes :  Arm  in  Arm,  Hand  in  Hand, 
gleich  und  gleich,  eins  und  eins,  zwei  and  zwei,  drei  und  drei  usw., 
der  und  der,  da  and  da,  Kopf  an  Kopf,  Brust  an  Brust,  Mund  an  Mund, 


496         Die  Po۟e  der  Sprache,  namenllich  der  devlioheo. 

Glied  an  Glied,  Glied  far^Glied,  Mann  an  Mann,  Mann  ffir  Mann,  Tag 
für  Tag,  Wort  für  (an)  Wort,  Satz  für  (an)  Satz ,  Laut  für  (an)  Laut, 
Haus  an  (bei,  für)  Haus,  Schlag  auf  Schlag,  Blitz  auf  Blitz,  Schusz 
auf  Schusz,  Schritt  far  Schritt,  Tritt  auf  (für)  Tritt,  Stich  auf  (an) 
Stich,  Thür  an  Thfir,  Thor  an  Thor,  Baum  an  (für)  Baum,  Blatt  an 
(für)  Blatt,  Geld  auf  Geld,  Zins  auf  Zins,  Schiff  an  Schiff,  Dorf  an 
(bei)  Dorf,  Stadt  an  (für,  bei)  Stadt,  Stern  an  (bei)  Stern,  Krieg  auf 
Krieg,  Sieg  auf  Sieg,  halb  und  halb,  fort  und  fort,  für  und  für,  durch 
und  durch,  nach  und  nach,  um  und  um.  Aus  der  Kraft  und  Schönheit 
dieses  Rhythmus  kann  man  es  sich  zugleich  erklären ,  warum  in  un> 
serer  Sprache  eine  so  grosze  Menge  so  gebauter  Wörter  vorhanden 
sind,  wobei  ebenfalls,  wenn  auch  nicht  Reim,  doch  Assonanz  und  AI- 
litteration  stattfinden  kann,  z.  B.  Artigkeit,  Flüssigkeit,  Sicherheit, 
Herzeleid,  Schnelligkeit,  Zärtlichkeit,  himmelblau,  federleicht; 
Leichtigkeit,  Zeitvertreib,  kunterbunt,  kugelrund,  regelrecht,  cent- 
nerschwer;  feuerfest,  liebeleer,  himmelhoch,  lichterloh,  rosenrolh, 
felsenfest,  nagelneu,  vogelfrei,  lendenlahm,  freudenvoll,  Windes- 
wehn.  Wiese  wachs,  Friedefürst,  Lebenslust,  Bilderbuch,  Herrenhof, 
Heldenherz  usw. 

Milder  und  darum  weniger  krfiftig  aber  fast  ebenso  hfiufig  ist  in 
dem  Falle  der  weibliche  weiche  Trochaeus  zu  Ende,  so  dasz  zwei  Tro- 
chaeen,  ein  Ditroohaeus  (  — ^|~^)  erscheinen,  als  1)  ohne  weitem 
Schmuck:  Maul  und  Nase,  Mund  und  Nase,  Arm^  und  Beine,  Kopf  und 
Beine,  Stub^  und  Kammer,  Schlosz  und  Riegel,  Blitz  und  Donner, 
Sturm  und  Regen,  Schnee  und  Regen,  Frost  und  Hitze,  Furcht  und 
Grauen,  Lust  und  Freude,  Hund  und  Katze,  Haut  und  Knochen,  Haus 
und  Garten,  Grund  und  Boden,  Licht  und  Schatten,  Wall  und  Graben, 
Stahl  und  Eisen,  Brief  und  Siegel,  Leib  und  Seele,  Gram  nnd  Sorge, 
Thür  und  Fenster,  Fferd^  und  Wagen,  faul  nnd  träge,  klein  und  win- 
zig, sacht  und  leise,  hoch  und  theuer,  recht  und  billig,  hin  und  wie* 
der,  inn^  und  anszen.  —  2)  mit  anderweitigem  Schmucke,  nemlich  a) 
mit  Assonanz:  Zeit  und  Weile,  Mord  und  Todtschlag,  dürr  und  dflrf- 
tig,  gäng  und  gäbe,  angst  und  bange.  —  b)  mit  Allitteration:  Bast  und 
Borke,  Fried^  und  Freude,  Gift  und  Galle,  Gunst  und  Gaben,  Hahn  und 
Henne,  Haus  und  Hütte,  Hirt  und  Heerde,  Koch  und  Kellner,  KOch^ 
und  Keller,  Kind  und  Kegel,  Land  und  Leute,  Leib  und  Leben,  Licht 
nnd  Leben,  Lust  und  Leben,  Mund  und  Magen,  Recht  und  Uebel,  Rots 
und  Reiter,  Sammt  und  Seide,  Schimpf  und  Schande,  Sitz  und  Stim- 
me, Schlosz  und  Schlüssel,  Schmach  und  Schande,  thun  und  treiben, 
Wald  und  Weide,  Wind  nnd  Wetter,  Wehr  und  Waffen,  Wort'  nnd 
Werke,  Zaum  und  Zügel,  brav  und  bieder,  dürr  und  trocken,  dürr  nnd 
dürftig,  fix  und  fertig,  froh  und  fröhlich,  gang  und  gäbe,  gnt  und  gerne, 
hell  und  heiter,  laut  und  leise,  leicht  und  lose,  los  und  ledig,  morsch 
und  mürbe,  nett  und  niedlich,  drinn^  und  drauszen,  samt  und  sonders. 
—  Reime  sind  hier  selten,  wie  etwa  die  oben  angeführten:  rnsche- 
musche,  raudimaudi  (vgl.  das  französische  pöle-m^le);  häufig  dagegen 
wieder  Wortcompositionen  wie:  Altersschwäche,  Männer  warde,FraneB- 


Die  Poteie  der  Sprache,  namentlieli  der  deolschen.         497 

Schleier,  Kinderspiele,  Tageshelle,  Sonnenwärme,  Donnerwetter,  Ster- 
nenschimmer,  Feuerflamme,  Königskerze,  Widerwille,  wetterwen- 
disch, zackersäsze,  barenbeiszig,  lebenslustig,  kerzengrade,  bitter- 
böse.—  Weitere  Fortsetzungen  dieses  Rhythmus  mit  und  ohne  gleichen 
Schmuck  sind:  nie  oder  nun  und  nimmermehr,  ewig  und  sein  Tage, 
Blitz  und  alle  Hagel,  Braten  und  Fasteten,  Bomllen  und  Granaten,  Pau- 
ken (Pfeifen)  und  Trompeten,  sterben  und  verderben,  biegen  oder  bre- 
chen ,  schwänzen  und  schärwenzen,  Freunde  und  Verwandte,  Nachbarn 
und  desgleichen,  Nachbarn  und  Gevattern,  Vettern  und  Frau-Muhmen, 
lärmen  und  spectakeln,  ohne  Gram  und  Sorgen,  oberhalb  und  unter- 
halb, innerhalb  und  auszerhalb,  früher  oder  später,  ein  für  alle  male. 

Statt  des  ersten  Trochaeus  tritt  aber  auch  wol  ein  Daktylus,  also 
zuvörderst  ein  Choriambus  (~^^  |-)  ein,  nicht  ohne  der  Natur  dieses 
Metrums  zufolge,  dem  ganzen  eine  gröszere  Lebendigkeit,  eine  schnel- 
lere Bewegung  zu  verleihen,  als  1)  ohne  weiteren  Schmuck:  Butter 
und  Schmalz,  Fenster  und  Thür,  Feuer  und  Schwert,  Silber  und  Gold, 
Vater  und  Sohn ,  Mutter  und  Kind ,  Kunst  und  Geschick ,  Wasser  und 
Brod,  übel  und  weh.  —  2)  mit  Schmuck:  a)  mit  Assonanz:  Macht 
und  Gewalt,  Marter  und  Qual,  Hunger  und  Durst.  —  b)  mit  Allittera- 
tion:  Butter  und  Brot,  Pulver  und  Blei,  Schiff  und  Geschirr,  Stecken 
und  Stab ,  Stiefel  und  Sporn ,  Wasser  und  Wein ,  bieder  und  brav, 
wirklich  und  wahr ,  auf  und  davon. 

Beispiele  zu  dem  Falle ,  wo  zum  Daktylus  sich  ein  Trochaeus  ge- 
sellt, sind:  l)  ohne  weitern  Schmuck:  Himmel  und  Erde,  Männer  und 
Frauen,  Weiber  und  Kinder,  Fleisch  und  Gemüse,  hören  und  sehen,  • 
Sommer  und  Winter,  Hitze  und  Kälte,  Vater  und  Mutter,  Hühner  und 
Gänse,  Mutter  und  Tochler,  Bruder  und  Schwester,  Aepfel  und  Birnen, 
essen  und  trinken,  wachen  und  schlafen,  heiter  und  fröhlich,  immer 
und  ewig,  wol  oder  übel,  lachen  und  weinen,  alles  und  jedes,  dieser 
und  jener,  unten  und  oben,  innen  und  auszen,  hinten  und  vorne,  pfef- 
fern und  salzen  (gepfeffert  und  gesalzen),  hüpfen  und  tanzen,  säen  und 
ernten,  leiten  und  führen,  zittern  und  beben,  suchen  und  finden,  wüh- 
len und  mähren ,  schinden  und  plagen  usw.  —  2)  mit  anderweitigem 
Schmuck:  a)  mit  Assonanz:  Hunger  und  Kummer,  Wissen  und  Wil- 
len, Freiheit  und  Gleichheit,  Pflicht  und  Gewissen,  sengen  und  bren- 
nen, härmen  und  grämen,  locker  und  lose,  recken  und  regen,  zischen 
und  sieden,  wallen  und  wandern,  wonnig  und  wohlig.  —  b)  mit  Allit- 
teration:  Schuster  und  Schneider,  Himmel  und  Hölle,  Stiefel  und  Spo* 
ren,  Bürger  und  Bauer,  Kaiser  und  König,  Feuer  und  Flammen,  Wissen 
und  Willen,  Sünde  und  Schande,  (in  allen)  Zungen  nnd  Zonen,  Witt- 
wen  und  Waisen,  Fahnen  nnd  Plaggen,  Donner  und  Doria,  Dornen  und 
Disteln,  Blüten  und  Blumen,  mischen  und  mengen,  schinden  und  scha- 
ben, mähren  und  mengen,  biegen  und  brechen,  denken  und  dichten, 
singen  und  sagen,  wanken  und  weichen,  rocken  und  reiben,  drängen 
nnd  treiben,  dichten  und  trachten,  dulden  und  tragen,  zucken  und  za- 
gen, tittern  und  zagen,  hängen  und  hapern,  hoffen  und  harren,  glän- 
zen und  gleiszen,  glitsern  nnd  glänzen,  brocken  und  beiszen,  bitten 


496         Die  Poösie  der  Sprache,  nameutlich  der  deatBohen. 

und  betteln,  rühren  und  regen,  leiben  und  leben,  pochen  und  prahlen, 
(sich)  letzen  und  laben,  summen  und  sausen,  schützen  und  schirmen, 
trennen  und  theilen,  kommen  und  gehen,  (sich)  brüsten  und  prunkea, 
lenken  und  leiten,  wetten  und  wagen,  ziehen  und  zerren,  sieden  und 
zischen,  wogen  und  wallen,  wallen  und  wandern,  lehren  und  lernen, 
plappern  und  plaudern,  wonnig  und  wohlig,  mehr  oder  minder,  bitter 
und  böse,  düster  und  trübe,  locker  und  lose,  knorrig  und  klobig,  drin- 
nen und  drauszen,  drunter  und  drüber.  —  c)  mit  Keim:  Freuden  and 
Leiden,  Freunde  und  Feinde,  Hülle  und  Fülle,  Felder  und  Wälder, 
Habchen  und  ßabchen,  Hehler  und  Stehler,  Pfiffe  und  Kniffe,  Handel 
und  Wandel,  irren  und  wirren,  Ränte  und  Fante,  hager  und  mager, 
freudvoll  und  leidvoli,  glitzen  und  blitzen,  happeln  und  zappeln,  han- 
gen und  bangen,  langen  und  bangen,  hauen  und  kauen,  hehlen  und 
stehlen,  herzen  und  scherzen,  fügen  und  schmiegen,  kehren  und  weh« 
ren,  gehen  und  stehen,  kullern  und  bullern,  hegen  und  pQegen,  halten 
und  schalten,  heucheln  und  schmeicheln,  lärmen  und  schwärmen,  le- 
ben und  weben,  manschen  und  planschen,  nebeln  und  schwebein,  (sich) 
ranzen  und  schwänzen,  rütteln  und  schütteln,  (sich)  schämen  und  gr&* 
men ,  schmollen  und  grollen,  sollen  und  wollen,  sitzen  und  schwitzen, 
schniegeln  und  piegeln,  stützen  und  schützen,  stopfen  und  pfropfen, 
temmen  und  schlemmen,  salzen  und  schmalzen,  sausen  und  brausen, 
wanken  und  schwanken,  wibbeln  und  kribbeln,  wiegen  und  biegen, 
winden  und  wenden,  wabbeln  und  schwabbeln,  schalten  und  walten, 
friedlich  und  schiedlich,  freundlich  und  friedlich,  traurig  und  schau- 
.rig,  hulter  di  pulter  (holter  di  polter),  rummel  di  bummel,  haben 
und  drüben. 

Eine  unbetonte  Silbe  wird  sich  dann  vorfügen,  wenn  ein  anheben, 
ansetzen,  ein  fortgehen,  ein  aus-  und  fortschreiten  ausgedrückt  wer- 
den soll.  Dann  tritt  das  iambische,  oder  iambisch-anapaestische  oder 
anapaestisch-iambische  Metrum  ein,  was  seiner  Natur  nach  jener  ForU 
bewegung  entspricht.  Auch  hier  ist  der  Rhythmus  entweder  allein  oder 
durch  Assonanz ,  Allitteration,  Wiederholung  desselben  Wortes  oder 

durch  Reim  verstärkt  und  verschönt:  Gewehr  |  bei  Fusz  |,  die  Angen 
rechts  (links),  zu  Berg  zu  Thal,  in  Reih  und  Glied,  mit  Fug  und  Recht, 
zu  Lieb^  und  Leid,  auf  Schritt  und  Tritt,  durch  dick  und  dünn,  tos 
Ast  zu  Ast,  von  Baum  zu  Baum,  von  Dach  zu  Dach,  von  Dorf  zu  Dorf, 
von  Jahr  zu  Jahr,  Jahr  aus  Jahr  ein,  von  Zeit  zu  Zeit,  von  Hand  SU 
Hand,  von  Haus  zu  Haus,  von  Hinz  zu  Kunz,  von  Land  zu  Land,  tob 
Mund  zu  Mund,  von  Fol  zu  Pol,  von  Stern  zu  Stern,  Berg  auf  Berff 
ab,  Strom  auf  Strom,  ab,  Treppt  auf  Treppt  ab,  von  Stadt  zn  Stadt, 
von  Zweig  zu  Zweig,  von  Steg  zu  Steg,  nicht  aus  noch  ein,  er  jagt 
und  rennt  usw.,  von  heiler  Haut,  wie  Sand  am  Meer,  nicht  hin  nicht 
her,  die  weite  Welt,  die  Länge  lang,  sein  Lebelang,  an  Haupt  nnd 
Gliedern,  in  Bausch  und  Bogen,  ^s  ist  Maus  wie  Mann,  wol  oder  Abel, 
zu  Nutz  und  Frommen,  wie  Stahl  und  Eisen ,  wie  Hund  nnd  Katze,  bei 
Leibes  Leben,  zu  Kreuze  kriechen,  verbittert  und  vergällt,  lebAidig 


Die  Porste  der  Sprache,  namenUieh  der  deutochen.         490 

oder  todt,  erbaulich  und  beschaulich,  gestiefelt  und  gespornt,  ver- 
gessen und  vergeben,  Bekannte  und  Verwandte,  bereitet  und  gerüstet, 
für  Geld  und  gute  Worte,  hinüber  und  herüber,  vom  gröszten  bis  zum 
kleinsten,  ein  Herz  und  eine  Seele,  von  Pontius  zu  Pilatus,  vom  Schei- 
tel bis  zur  Sohle,  (in)  Geschichten  und  Gedichten,  mit  Leib  und  Seele, 

—  von  Kopf  I  bis  zu  Fusz  | ,  von  Stufe  zu  Stufe ,  bei  Heller  und  Pfen- 
nig, von  Scholle  zu  Scholle,  von  Treppe  zu  Treppe,  von  Stiege  zu 
Stiege,  in  Kelten  und  Banden,  ans  Kerker  und  Kelten,  im  groszen  und 

%^  %^      —       w       — 
kleinen,  —  über  Hals  |  und  Kopf  |,  über  Land  und  Meer,  über  kurz 

und  lang,  über  Berg  und  Thal,  über  Stock  und  Block,  Über  Stock  und 
Stein ,  über  Tisch^  und  Bänke ,  unter  Dach  und  Fach ,  unter  Glas  und 
Rahmen ,  weder  aus  noch  ein ,  Friede  hin  Friede  her. 

Diese  derartige  blosze  Wortpoäsie  wird  nun  aber  auch  weiter 
zur  förmlichen  allseitigen  Poesie,  wobei  nemlich  auch  die  Gedanken  in 
Betracht  kommen,  jedoch  noch  immer  erst  zur  VolkspoSsie ,  wo  sie 
sich  zu  der  Art  von  Gnomenpoäsie  gestalten,  die  wir  unter  dem  Namen 
der  Sprüchwörter  begreifen.  Auch  in  dem  Fache  ist  unser  poäsierei- 
ches  deutsches  Volk  überaus  fruchtbar.  Wir  wollen  nur  eine  Auswahl 
derselben  treffen ;  wer  mehr  haben  will ,  mag  Simrocks  Sammlung  ein- 
sehen. Hier  begegnet  uns  meist  ebenso  taktvoller  Numerus,  wie  jene 
Zierralhen:  Assonanzen,  Allitterationen,  Reime,  obwol  der  erstere  we- 
niger streng  regelrecht  als  in  der  Kunstpo^sie  gehandhabt  wird,  nicht 
ohne  Naturgemöszheit,  weil  man  im  gewöhnlichen  nicht  eine  so  strenge 
Regelrichligkeit  erwartet  und  zu  erwarten  hat,  durch  dieselbe  auch 
eine  zu  grosze  Einförmigkeit  und  Steifheit  hervorgebracht  wird,  wes- 
halb ja  selbst  berühmte  Knnstdichter  von  dieser,  obwol  scheinbaren, 
Nachlässigkeit  mit  groszem  Vortheil  Gebrauch  gemacht  haben,  z.  B. 
Goethe  im  Erlkönig,  Uhland  in  nicht  wenigen  seiner  Gedichte.  So  wird 
man  denn  den  Sprüchwörtern  gerade  diesen  Punkt  zum  Lobe  und  zur 
Empfehlung  anrechnen  dürfen.  Aemtchen  bringt  Käppchen.  Als  Gäns- 
ehen gieng  sie  über  den  Rhein  und  kam  als  Gans  gar  wieder  heim. 
Oder:  als  Häuschen  gieng  er  über  den  Rhein  und  kam  als  Hans  gar 
wieder  heim.  Art  läszt  nicht  von  Art.  An  Gottes  Segen  ist  alles  ge- 
legen. Aufgeschoben  ist  \iicht  aufgehoben.  Aus  dem  Regen  in  die 
Traufe  kommen.  Borgen  macht  Sorgen.  Der  Bauer  ein  Lauer.  Der 
Lauscher  an  der  Wand  hört  seine  eigne  Schand\  Der  Mensch  denkt, 
Gott  lenkt.  Ehestand  Wehestand.  Ehre  verloren,  alles  verloren.  Eile 
mit  Weile !  Einem  geschenkten  Gaul  sieht  man  nicht  ins  Maul.  Eine 
gute  Miene  zum  bösen  Spiele  machen.  Ein  gutes  Wort  findet  einen  gu- 
ten Ort  (eine  gute  Statt).  Ein  gut  Gewissen  ein  sanftes  Ruhekissen. 
Einmal  ist  kein  mal.  Ein  Preis  ohne  Schweisz.  Es  ist  nichts  so  klar 
gesponnen ,  es  kommt  doch  endlich  an  die  Sonnen.  Fische  fangen  und 
Vogel  stellen  verderben  manchen  Junggesellen.  Fischen  und  jagen 
macht  hungrige  Magen.  Friede  ernährt,  Unfriede  verzehrt.  Frische 
Fische  gute  Fische.  Früh  zu  Bett^  und  früh  wieder  auf,  macht  frisch 
ao  Leib  und  reich  im  Kauf.   Geschwind  wie  der  Wind.   Gleich  und 


500         Die  Poösie  der  Sprache,  nameotiich  der  deutschen. 

gleich  gesellt  sich  gern.  Glück  und  Glas,  wie  bald  bricht  das. 
Glficklich  ist,  wer  das  vergiszt,  was  doch  nicht  zu  ändern  ist.  Grün 
and  gehl  und  jämmerlich,  sieh  mich  an  und  fris2  mich  nich.  Heute 
mir,  morgen  dir.  Heute  roth,  morgen  todt.  Hoffen  und  harren  macht 
manchen  zum  Narren.  Je  gelehrter ,  desto  verkehrter.  Jeden  Gro- 
schen umkehren.  Jung  gewohnt,  alt  gethan.  Ist  es  nicht  gescheffelt, 
ist  es  doch  gelöffelt.  Kommt  Zeit,  kommt  Rath.  Ländlich  sittlich. 
Lust  und  Liebe  zu  einem  Ding  macht  alle  Müh  und  Arbeit  gering.  Mon 
musz  sich  (lerne  dich)  strecken  nach  der  Decken.  Mit  dem  Hut  in  der 
Hand  kommt  man  durchs  ganze  Land.  Mitgegangen,  mitgefangen,  niit> 
gehangen.  Morgenstund^  hat  Gold  im  Mund.  Noth  bricht  Eisen.  Noth 
kennt  kein  Gebot.  Noth  lehrt  beten.  Schuster  bleib  bei  deinem  Lei* 
sten !  ^s  ist  etwas  und  doch  nichts,  ^s  ist  noth  am  Mann.  Selber  ist 
der  Mann.  Träume  sind  Schäume.  Treue  Hand  geht  durchs  ganze 
Land.  Trunkner  Mund  spricht  Herzensgrund.  Uebung  macht  den  Mei- 
ster. Unverhofft  kommt  oft.  Verloren  ist  verloren.  Was  Häuschen 
nicht  lernt,  lernt  Hans  nimmermehr.  Was  ich  nicht  weisz,  macht  mich 
nicht  heisz.  Wer  andern  eine  Grube  gräbt,  fallt  oft  selbst  hinein. 
Wer  gut  schmeert,  der  gut  fährt.  Wie  die  Alten  sungen,  so  zwit- 
schern auch  die  Jungen.  Wie  gewonnen,  so  zerronnen.  Wie  man^s 
treibt,  so  geht'^s.  Wurst  wider  Wurst.  Zuvor  gethan  und  naohbe- 
dacht,  hat  manchen  schon  viel  (in)  Leid  gebracht. 

Das  sind  Hervorbringungen  der  Volks-  oder  Naturpoäsie,  and  in 
ihnen  treten  zu  Tage  all  die  Schönheiten ,  welche  in  den  gewöhn- 
lichen Metriken  oder  Grammatiken  den  hervorragendsten  Dichtern 
zugeschrieben  werden,  fälschlicher  Weise,  wie  man  wol  sieht:  sie 
ruhen  tiefer,  in  der  allgemeinen  menschlichen  Natur;  eben  daher 
stammen  jene  Schönheiten  der  Sprache,  die  wir  oben  erörtert  haben, 
und  die  man  unter  dem  allgemeinen  Namen  der  ^Poßsie  der  Spra- 
che' zu  begreifen  hat,  mit  welcher  die  Natur-  oder  Volkspoösie  eng 
zusammenhängt. 

Brandenburg  a/H.  Dr.  Hefßer. 


41* 

Antwort  auf  die  im  7ten  Heft  des  74ten  Bandes  der  Neuen 

Jahrbücher  S.  358  enthaltenen  „Bitte  an  die  Herausgeber 

des  griechischen  Wörterbuchs  von 

Passow  und  Rost." 


Die  am  Ende  des  Artikels  (pQi^v  Th.  4  S.  2342  enthaltenen  Worte 
lauteten  ursprünglich  : 

^  Döderlein  Homer.  Gloss.  n.  952  denkt  an  agxi^eiVy  fSqHxlvuv, 
findere  Cipr^v  =  tpQaiHv^  9>i^vsj  g>Qfivj  ^^ifv« 


Auszüge  aus  Zeittebriflen.  fiOl 

Da  der  Artikel  dreimal  von  mir  timgesobrieben  wurde,  ehe  er 
mir  genügte ,  so  ist  leider  durch  ^  ein  eicht  leicht  verzeihliches  Verse- 
hen' und  durch  ^eiu  zu  geringes  Masz  von  Akribie'  das  Wort  ^^a^Eiv 
bei  der  Umarbeitung  ausgefallen.  Dasz  aber  der  Verf.  den  Dr  Döder- 
lein  damit  nicht  zum  ^Tollbäusler'  machen  wollte,  beweist  fflr  den  Le- 
ser hinlänglich  der  Zusammenhang,  wo  es  heiszt:  Döderlein  denkt  — 
q>Qi^v^  Passow  mit  Aristoteles —  übereinstimmender  an  g>Qdaasi,v^  in- 
dem hierdurch  beide  Etymol.  als  zulässig  erklärt  und  nur  für  die  Pas- 
sowsche  die  Anctoritat  des  Aristoteles  in  die  Wagschale  geworfen 
wird.  Natürlich  wird  das  Versehen  im  Druckfehlerverzeichnisse  be- 
merkt werden  und  es  würde  dies  ebenso  bereitwillig  geschehen  sein, 
wenn  auch  das  an  sich  gerechte  verlangen  des  Herrn  Dr  Döderlein  in 
weniger  schroffer  und  unfreundlicher  Form  gestellt  worden  wäre. 

Der  vom  Artikel  g>svKT6g  an  allein  verantwortliche  Herausgeber 
des  Passowscben  Handwörterbuchs 

Dr.  Benseier, 


Auszüge  aus  Zeilschriften. 


Paedagogische  Revue^  herausgegeben  von  W.  Langbein,   Jhrg. 
1856. 

Ja  NU  ARU.  I  Abth.  Ballauf:  über  die  Entstehung  der  Anschauung 
vom  räomlichen  (S.  1 — 21).  —  Volkmann:  über  das  Grödner- Roma- 
nisch (S.  25  —  34).  —  Preusse:  die  Bildungselemente,  welche  Nord- 
deutschland nicht  besitzt  (8.  35  —  62:  aus  dem  Handbuche  der  neueren 
französischen  Litteratur  für  die  oberen  Klassen  höherer  katholischer 
Schulanstalten  von  Karker,  Breslau  1855  wird  gezeigt,  welches  denn 
eigentlich  die  Ideen  und  Anschauungsweisen  sind,  in  welchen  die  Schule, 
die  Eugen  Rendu  vertritt,  die  deutsche  Jugend  zu  erziehen  beabsich- 
tigt). —  Bernays:  Jos.  Just.  Scaliger.  Angez.  v.  Grautoff  (S.  63 
— 74:  sehr  anerkennende  Darlegung  des  Inhalts).  — Philologische  Mis- 
cellen  (S.  74 — 82:  die  Untersuchungen  von  Ed.  Gerhard  über  den 
Achaeerstamm  werden  zwar  als  bedeutsam  anerkannt,  die  Methode  aber 
ebenso  wie  die  Resultate  als  unrichtig  bestritten).  —  II.  Abth.  Allge- 
meine Lehrverfassnng  für  die  Gymnasien  des  Fürstenthums  Schwarzburg- 
Sondershausen  (S.  1  —  26).  —  Aus  Würtemberg.  Instruction  für  die 
Lehrerconvente  zur  Beurtheiiung  dessen,  was  zur  Reife  für  die  Uni- 
versität erfordert  wird,  und  Instruction  zur  Vornahme  der  Maturitäts- 
prüfung für  die  hiezu  bestellte  Commisaion  (S.  27—31).  t=  Februarh. 
I  Abth.  Queck:  die  Einheit  des  Gymnasialnnterrichts  (S.  83  — 104: 
Nach  dem  Satze:  'die  Aufgabe  der  Gymnasialbildung  wird  erreicht 
werden  durch  Aneignung  der  realen  Bildungsstoffe  und  durch  Be- 
nutzung und  Ausbeutung  derselben  für  geistig  -  formale  und  sittlich- 
ideale Bildung'  wird  die  Stellung  der  einzelnen  Unterrichtsfächer  zum 
ganzen  bestimmt  und  auszerdem  einige  Vorschläge  für  die  praktische 
Ausführung  [namentlich  Znrückfübrung  der  Klassen-  oder  HauptlehrerJ 
gegeben).  —  Robolsky:    der  Zweck    des  Unterrichts  in  den  neuern 


502  Aaszöge  aas  Zeitschriflen. 

Sprachen  auf  der  höhern  Bürgerschule  (S.  105  — 126).  —  Geseniusi 
hebr.  Grammatik.  Herausgeg.  von  Rödiger.  I7e  Aufl.  und  Lcvy: 
Eleraentarbuch  der  hebr.  Sprache.  Angez.  von  Muhlberg  (S.  127 — 
130). —  Schubart:  Beiträge  zu  einer  Methodologie  der  diplomatischen 
Kritik.  Angez.  v.  C[ampeVJ  (S.  130— J 38:  Ref.  spricht  sich  gegen  die 
Ausschlieszung  der  Kritik  von  der  Interpretation  in  der  Schule  aus 
und  stellt  sodann  den  Inhalt  des  als  sehr  werthvoll  bezeichneten  Buches 
dar).  —  Philologische  Miscellen  (S.  154 — 159:  über  Friedrich  Ja- 
cob als  Lehrer,  Spengel:  das  philologische  Seminarium  in  München 
und  die  Ultramontanen,  endlich  v.  Las  au  Ix:  gesammelte  Abhandlun- 
gen). —  II.  Abth.  Statuten  des  philologischen  Seminars  in  Tübingen 
(S.  55  —  57).  —  Die  Verordnungen  des  k.  preusz.  Ministeriums  vom  7. 
und  12.  Jan.  1856  (S.  57  —  70).  —  Das  österreichische  Concordat  mit 
dem  Papste  in  Uebersetzung  (S.  70  —  80).  =  Märzh.  I.  Abth.  F.  J. 
Günther:  über  das  Buch  de  T^ducation  populaire  dans  TAllemagne 
du  Nord  et  de  ses  rapports  avec  les  doctrines  philosophiques  et  reli- 
gieuses  p.  E,  Rendu  (S.  167  — 196:  das  lugenhafte  und  verleumderi- 
sche in  dem  Buche  wird  genügend  blos  gestellt).  —  Volkmann:  zu 
Plutarch  de  musica  (S.  197  — '207:  über  die  Echtheit  der  Schrift  und 
über  die  darin  geschilderte  musikalische  und  dichterische  Wirksamkeit 
des  Terpander).  —  Zucht-,  Straf-  und  Arbeitssystem  in  der  k.  preusz. 
Landesschule  Pforta  unter  Ilgens  Directorat  in  den  Jahren  1824—1830. 
Ans  den  Papieren  eines  ehemaligen  Alumnus  dieser  Anstalt  H.  E.  (S. 
208 — 221).  —  Niese:  das  christliche  Gymnasium.  Ang.  v.  Probst- 
hau  (S.  222  —  224:  Referat  über  das  Buch  und  Verlangen,  die  Zahl 
der  wöchentlichen  Religionsstunden  zu  vermehren).  —  Hottenrott: 
Uebungsbuch  für  den  ersten  Unterricht  in  der  griechischen  Sprache. 
Ang.  V.  Mühlberg  (S.  224— 226:  gelobt).  —  Otto:  französische  Con- 
versationsgrammatik.  Ang.  v.  Barbieux  (S.  226  —  233:  viel  Tadel). 
—  Kühner:  Anleitung  zum  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  latein* 
nebst  Wörterbuch.  Ang.  v.  Qu  eck  (S.  233 — 235:  Anerkennung  aU 
vortrefflich,  aber  einige  Bedenken).  —  Brückner:  hebr.  Leseboch. 
2e  Aufl.  Ang.  v.  Mühlberg  (8.  235  —  237:  sehr  gelobt).  —  Heri- 
berg:  Geschichte  des  Volkes  Israel.  2e — 4e  Lief.  Ang.  v.  demselben 
(S.  238— 241 ).  —  Mühlberg:  mehrere  Stellen  in  Herodots Geschichte, 
verglichen  mit  ähnlichen  und  gleichen  Steilen  der  heiligen  Schrift  (8. 
242—245).  —  Eyth:  Geschichte  und  Kunst  (S.  246  —  250:  nach  einer 
allgemeinen  Einleitung  wird  der  Bilderatlas  zum  Studium  der  Weltge- 
schichte von  Weisser  mit  Text  v.  H.  Merz  empfohlen).  —  II,  Abtb. 
Programme  (S.  94 — 101:  von  Marien werder,  Greiffenberg,  Mahlhansen, 
Frankfurt  a/O ,  Stettin,  Breslau  u.  a.  Städten  mit  kürzern  und  langem 
Auszügen  ans  den  Schulnachrichten).  —  Geschichte  und  Statuten  der 
Lehrer-  und  Wittwenpensionsstiftung  am  Gymnasium  zu  Elberfeld  (8. 
101  — 105).  —  Rundschreiben  des  k.  Oberschulcollegiums  in  HannoTer 
V.  24.  Sept.  1855  (S.  105  f.).  —  Mittheilung  des  Lehrplans  v.  Gymn. 
zu  Mainz  (S.  106—110).  —  Auszug  aus  den  Monatsberichten  der  ber- 
liner Akademie  (S.  116—118).  —  Von  Beckendorf:  100  Fragen  (S, 
119—124).  =  Aprilh.  I.  Abth.  Bücheier:  der  französische  Unterricht 
in  der  Realschule  (S.  251—276).  —  Robolsky:  die  franz.  Sprach- 
forschung im  Gegensatz  gegen  die  deutsche  (S.  277 — 288:  Beweis,  dasi 
in  Frankreich  eine  gewisse  Zunft  von  Gelehrten  ihr  Wesen  treibt,  die 
über  das  Verdienst  der  deutschen  Philologen  ungerecht  urtheilt).  — 
Müller  u.  Zarncke:  mittelhochdeutsches  Wörterbuch.  2r  Bd.  1.  Lief. 
Ang.  V.  Schweizer  (S.  288 — 293:  sehr  gelobt).  —  Emsmann:  vor- 
bereitender Cursus  der  Experimentalphysik.  2e  Aufl.  Ang.  v.  Lgbn 
(S.  293  f.:  als  paedagogisch  sehr  brauchbar  bezeichnet).  —  Leunis: 
Synopsis  der  drei  Naturreiche.    Ang.  v.  Menzel  (S.  294 — 302!    viele 


AnsKüge  ans  Zeitsehriflen.  503 

Anerkennung).  — Historische  Miscellen.  V.  Campe  (8,311—314:  Verf. 
erklärt  sich  für  den  Gebrauch  von  Compendien  bei  dem  Geschicbtsnn- 
terrich  statt  Tabellen  und  wünscht  die  ethische  Seite  desselben  mehr 
hervorgehoben).  =  II.  Abth.  Lehrplan  der  St-Annenschule  in  St.  Peters- 
burg (S.  126 — 128).  —  Instruction  des  franz.  Unterrichtsministers  ▼• 
15.  Novbr.  1854  (S.  149-159).  =  Mai-Jünih.  I.  Abth.  Schmeding: 
Bemerkungen  über  das  darstellen  in  fremden  Sprachen,  besonders  un 
französischen  nach  seinem  Bildungsmomente  (S.  315—333).  —  Zitier: 
Einleitung  in  die  allgemeine  Paedagogik.  Ang.  v.  Lgbn  (S.  334  f.& 
viele  Anerkennung).  —  Thiersch:  Grammatik  d.  griech.  Spr.  Ang. 
V.  Volkmann  (S.  336  —  346:  die  wissenschaftliche  Leistung  sehr  ge- 
rühmt, gegen  die  Brauchbarkeit  in  der  Schule  aber  Bedenken  geau- 
szert).  —  Bäum  lein:  griech.  Schulgrammatik.  Ang.  v.  Ruthardt 
(S.  3i6 — 352:  wird  in  paedagogischer  Hinsicht  sehr  freudig  begrüszt. 
Mannigfache  einzelne  Bemerkungen).  —  Fischer:  Compendium  d.  lat. 
Spr.  2rCurs.  Ang.  v.  Qu  eck  (S.  352  f.:  brauchbar  trotz  Ungenauig- 
keiten  und  Incorrectheiten).  —  El lendt-Seyffert:  lat.  Grammatik. 
Ang.  V.  dems.  (8.  353:  empfohlen).  —  Koch:  Wörterbuch  zu  Virgil. 
Ang.  V.  dems.  (S.  354:  verworfen).  —  DeCastres:  neue  kritisch 
vergleichende  Syntax  der  französ.  Sprache.  Ang.  v.  Robolsky  (S. 
354 — 359:  Lehrern  sehr  empfohlen).  —  Schäfer:  der  Briefschüler. 
Herausgeg.  t.  De  Gast  res.  Ang.  v.  dems.  (S.  359:  der  Inhalt  oft 
unnatürlich  für  die  Schüler,  die  Noten  sehr  lehrreich).  —  Reignier: 
Grammatik  d.  franz.  Spr.  Ang.  y.  dems.  (S.  360  f.:  schon  wegen  des 
deutschen  Stils  unbrauchbar).  —  Atala-Ren^  v.  Chateaubriand.  Zum 
übers,  aus  d.  deutschen  ins  franz.  Ang.  v.  dems.  (S.  361:  die  Idee  un- 
gehörig). —  Plötz:  voyage  k  Paris.  Ang.  v.  dems.  (S.  361  f.:  Leh- 
rern empfohlen).  —  Schmidt:  Taschenbuch  d.  engl.  Umgangssprache 
und  Busch  und  Skelton:  Handbuch  d.  engl.  Umgangssprache.  Ang. 
V.  dems.  (S.  362  f.:  beide  werden  gelobt).  —  De  Castres:  Grundrisz 
der  franz.  Litteraturgesch.,  dess.  biblioth^ue  de  Tadolescence,  Holz- 
apfel: Cours  de  mythologie.  Schwalb:  ^lite  de  classiques  francais. 
T.  8.  Ang.  V.  dems.  (S.  363 — 366:  .1.  sehr  empfohlen,  2.  wegen  des 
Inhalts  verworfen,  3.  brauchbar  gefunden,  doch  wirklichen  franz.  Klas- 
sikern nachgestellt,  4.  als  sehr  verdienstvoll  bezeichnet).  — Siebeiis: 
Cornelius  Nepos.  2e  Aufl.  und  tirocinium  poeticum.  3e  Aufl.  Ang.  v. 
Qu  eck  (S.  366 — 368:  gegen  die  Absicht  der  ersten  Ausgabe  werden 
Einwendungen  gemacht,  das  zweite  Buch  empfohlen).  —  Virgils  Eclo- 
gen,  deutsch  mit  Einleitung  v.  Gent  he.  Ang.  v.  dems.  (8.  368:  In- 
haltsangabe). —  Grote:  Wolfgang  Musculus.  Ang.  v.  Campe  (8. 
369 — 371:  sehr  empfohlen).  —  Lange:  Leitfaden  zur  allgemeinen  Ge- 
schichte. Ang.  V.  dems.  (S.  371  f.:  streng  getadelt).  —  Bender:  die 
deutsche  Gesch.  Ang.  v.  dems.  (S.  373:  empfohlen).  —  Geschichts- 
tabellen von  Rom  ig,  Schuster  und  Wilhelmi.  Ang.  v.  dems.  (S. 
374:  1.  für  die  Schule  zu  umfangreich,  2.  enthält  zu  viele  Unrichtig- 
keiten, 3.  nicht  gerade  empfohlen,  aber  auch  nicht  verworfen).  —  v. 
Spruner:  historisch-geographischer  Atlas  (S.  374  f.  Referat).  —  Mi- 
ch eisen:  das  moderne  Judenthum  (S.  376--392:  der  Jahresbericht  des 
jüdischen  theologischen  Seminars  in  Breslau  und  die  darin  enthaltene 
Abhandlung  v.  Bernays  über  das  phokylideische  Gedicht  werden  be- 
kämpft). =  II.  Abth.  Ueber  die  Wiederherstellung  der  Ritterakademie 
zu  Brandenburg  (8.  165 — 168).  —  Schmedine:  Bemerkungen  über  d. 
Bildungsmomente  in  fremden  Sprachen  (8.  16o — 183:  Abdruck  aus  d. 
Programme  d.  H.  B.  in  Oldenburg).  —  Forts,  d.  im  vorigen  Heft  be- 
gonnenen Instruction  (8.184—191).  =  Julih.  I.  Abth.  Bottger:  über 
mathematische  Propaedeutik  (8.1—18).  —  Volk  mann:  za  Plutarch  de 
musica  (8.  19—36:  kritische  Behandlung  vieler  einzelner  Stellen).  — 


504  Aussage  aus  Zeitschriften. 

Langbein:  id.  Vocabellernen  a.  d.  Lexikon  (S.  37— S4:  Darleniic  d. 
Gedanken  und  Ansichten  ^  welche  Scheibert  über  den  Gegenstana  tGsili 
an  der  F^riedrich-Wilbelmsschale,  theils  in  d.  paed.  ReToe  antwiekelt). 
—  Herzog:  Stoff  zu  stilistischen  Uebnngen  in  der  Motterapracha  and 
Göizinger:  Stilschale  zu  Uebungen  in  der  Muttersprache.  Ang.  t. 
Schubart  (S.  56 — 59:  das  erstere  Buch  wird  weffen  Mangela  ionar- 
lich  zusammenhangender  Anordnung,  zu  groszer  Schwierigkeit  dar  ge- 
schichtlichen Aufgaben  and  Glaubenslosigkeit  getadelt.  Viel  mehr  Lab 
erhält  das  zweite).  —  Boas:  Schillers  Jugendjahre.  (S.  59:  koRas 
Referat).  —  Assroann:  Handbuch  der  allgemeinen  Geschichte.  4rTh« 
Ang.  V.  Campe  (S.  59 — 63:  geffen  den  Standpanct  d.  Verf.  wird  ent- 
schiedener Widerspruch  erhoben).  —  Adami:  Schulatlas  n.  Katsen: 
das  deutsche  Land.  Ang.  t.  Gribel  (S.  63 — 65:  L  sehr  gelobt,  doch 
das  politische  Element  zu  wenig  berücksichtigt  gefunden;  2.  anbedingt 
gepriesen).  —  Kurze  Anzeigen  geographischer  Lehrbücher«  V.  deai. 
(S.  65—73:  sehr  gelobt  wird  Meyer  Geographie  für  die  Mittelklassen 
höherer  Lehranstalten).  —  Anzeige  v.  Steglich:  Bibelkande»  JCr^nn- 
mach  er:  Blbelkatecbismus,  Schuknecht:  Geschichten  nnd  Lehm 
aus  der  heil.  Schrift,  Rinck:  die  christliche  Glaubenslehre,  Glaset 
die  christliche  Lehre,  Braselmann:  der  messt anische Starombauay  t. 
Schubart  (S.  73—80).  =  IL  Abth.  Angaben  von  Programmen  an- 
ter Mittheilung  von  einzelnem  aus  den  Schulnachrichten  (8.  199^-9063 
dabei  Abdruck  von  Schauer:  die  Lage  der  Bürgerschule). -— Abdruck 
von  Ball  auf:  aus  der  Lehre  von  der  Gesellschaft  aus  dem  Oldenbor'- 
gischen  Schulblatt  (S.  206—232).  =  Augusth.  Otto:  aber  Schalan- 
dachten (S.  81 — 102).  —  Gramer:  die  Bedeutung  der  Ratha  and  diB 
Stocks  in  der  tveschichte  der  Erziehung  (S.  103—119).—  Robolskyt 
die  französische  Sprachforschung  im  Gegensatz  gegen  die  dentache  (S* 
120—136:  Fortsetzung  vom  Aprilhefte).  —  Hudemann:  aar  Gjna- 
sialreform.  Ang.  v.  Qu  eck  (S.  137 — 146:  während  viel  einselnea  an- 
erkannt wird,  erhebt  doch  der  Ref.  gegen  die  Reform  vorschlage 


Bfdenken).  —  Bucolicorum  graecorum  reliquiae-Rec.  Ahrens.  Ed.  Ü. 
Ang.  V.  Am  ei  8  (S.  149 — 152:  anerkennend;  einige  kritische  Bemerini^ 
gen).  —  Herodotos.  Erkl.  von  Stein.  Is  Bdchen.  Ane.  t.  dems.  (& 
152  — 158:  sehr  gelobt,  aber  viele  einzelne  begründete  Bemerknngaa). 
—  Homer's  Ilias,  übers,  v.  Wiedasch.  Ang.  v.  dems.  (S.  158 — 160; 
sehr  gelobt).  .*=:  II.  Abth.  Mittheilung  von  Klwerts  Aassprache  fiber 
die  im  Seminare  zu  Schönthal  angestellten  Versuche  die  mie  Selbat- 
thätigkeit  der  Schüler  zu  werken  (S.  233— Äiö).  —  Entwarf  einer  Bxa- 
minationsordnung  für  die  wis.scnschaf(lich  gebildeten  Lehramtacandida- 
tcn  in  Baden  (S.  235 — 242).  —  Verfügung  des  k.  preusz.  Miniateriams 
über  das  Vocabellernen  (S.  261).  R,  D. 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  statistische 
Notizen,  Anzeigen  von  Programmen. 


Altona.]  Das  Programm  zur  Prüfung  am  ]3n  März  1856  enthalt 
auszer  dem  Jahresbericht  Nachrichten  über  die  Bibliothek  nnd  die  Sti- 
pendien des  G joinasiums ;  im  Sommer  1855  besuchten  187,  Im  daranf 
folgenden  Winter  184  Schüler  die  Schule,  Ostern  1856  giengen  7  Pri- 
maner zur  UnWersitit,  von  denen  1  Theologie,  1  Medicin,  5  die  Rechts- 
wissenschaft studieren  wollen.  [L.] 


Berichte  aber  gelehrte  AnsUlten,  VerordnangeD»  Statist.  Notizen.  505 

Flensburg.]  Für  die  Gelehrten  -  und  Realschule  erschien  im  Juli 
1854  ein  Programm,  enth.  von  O.  Fihiger  (in  dänischer  Sprache)  Be- 
merkungen zu  einzelnen  Stellen  in  Sophokles  Oedipus  Tyrannos,  und 
vom  Rector  R.  J.  Simesen  den  Jahresbericht.  Die  Schule  behielt  aus 
dem  vorigen  Schuljahr  118  und  bekam  in  diesem  82  neue  Schüler  hin- 
zu, 17  andere  verlleszen  die  Schule.  Es  wurden  3  neue  Lehrer  ange- 
stellt und  dazu  1500  Thlr.  Reichsm.  (1126  Thlr.  preusz.)  bewilligt. 
Die  Schule  hat  14  Lehrer:  Rector  Prof.  R.  J.  Simesen,  Conrector 
Schumacher,  Subrector  Dr  Dittmann,  vier  Collaboratoren  Küh- 
nel,  Mo urad,  Fibiger  und  Thomsen,  und  sieben  Adjuncten  Silf- 
verberg,  Brasch,  Kiellerup,  Engelhardt,  Schnack,  Gier- 
sing und  Kragelund,  wobei  noch  der  Schreib-  und  Zeichenimter- 
rieht,  sowie  der  Unterricht  im  singen  und  turnen  von  Stundenlehrem 
besorgt  wird.  —  Das  Programm  zum  Examen  am  16n  —  18n  Juli  1855 
enthält  von  dem  Adj.  Silfverberg  Hn  dän.  Sprache)  kurzes  Lehr- 
buch der  anorganischen  Chemie  ^  von  dem  Adj.  Kiellerup  Verzeich" 
nis  der  mineralogischen  Sammlung  der  Schule ,  und  von  Prof.  Sime- 
sen (der  inzwischen  das  Ritterkreuz  des  Dannebrogordens  erhalten 
hat)  Schulnachrichten.  Von  185  Schülern  des  vorigen  Schuljahrs  wa- 
ren 8  ausgetreten,  es  traten  79  neue  Schuler  im  Laufe  des  Schul- 
jahrs ein,  36  verlieszen  die  Schule,  der  Bestand  war  also  218  Schüler 
in  15  Klassenabtheilungen.  Der  König  von  Dänemark  schenkte  500 
Thlr.  (376  Thlr.  preusz.)  zum  Unterrichtsapparat.  —  (Einsender  kann 
aus  anderweitiger  Quelle  hierzu  noch  folgendes  beifugen :  im  Jahre  1856 
ist  die  ötrentliche  Prüfung  in  den  Realklassen  im  März,  in  den  gelehr- 
ten Klassen  vom  12n  —  18n  Juli  abgehalten  worden,  worauf  bis  zum 
22n  die  Maturitätsprüfung  der  zur  Universität  abgehenden  Primaner 
stattfand.  Das  Programm  (98  S.)  enthält  eine  Abhandlung  vom  Conr. 
Schumacher:  der  Lehrerberuf  in  seinen  jintinomien  (Bilder  aus  dem 
Innern  Leben  der  Schule),  und  Schulnachrichten.  Zu  Anfang  des  letz- 
ten Schuljahrs  hatte  die  Schule  234  Schüler,  nemlich  42  in  den  latei- 
nischen, 112  in  den  Realklassen,  80  in  den  gemeinschaftlichen.  Nach- 
dem 40  ausgetreten  und  60  hinzugekommen,  zählt  die  Schule  jetzt  245 
Schüler,  nemlich  46  in  den  Gymnasial-,  126  in  den  Real-,  dazu  74 
in  den  gemeinschaftlichen  oder  Vorbereitungsklassen.  Es  sollen  noch 
2  neue  Lehrer  angestellt  werden,  so  dasz  das  ganze  Personal  mit  Ein- 
schlosz  von  4  Hilfslehrern  aus  21  Lehrern,  die  in  14  Klassen  unter- 
richten, bestehn  wird.)  [L.] 

Glückstadt.]  Das  Schulprogramm  1864  enthält  von  dem  Rector 
Dr  Jessen  eine  Probe  deutscher  Geschichtstafeln  und  Schul n achrich- 
ten. Die  Lehrer  sind:  l)  Rector  Dr  Jessen  (früher  Collab.  in  Kiel), 
3)  Conrector  Petersen,  3)  Subrector  Dr  Vo  IIb  ehr,  von  Plön  hier- 
her versetzt,  4)  Collab.  Dr  Harries,  5)  Meins,  6)  Kramer,  7) 
Granso,  8)  Dr  Witt,  früher  in  Meldorf.  Die  Schälerzahl  betrug  84. 
—  Das  Programm  von  1866  enthält  vom  Conrector  Petersen:  die 
französische  Conjugation  nach  ihrer  Entstehung  aus  dem  Latein.  Die 
Schülerzahi  betrug  im  Winter  1854 — 65  im  ganzen  79.  Der  Anfang 
des  beschlossenen  Baues  des  neuen  Schalhauses  wird  dringend  gewünscht. 

Hadersleben.]  Rector  Prof.  Thr ige  gab  im  Programm  zum  Exa- 
men Juli  1854  Schulnachrichten ;  Conrector  ist  Lembke,  Subrector 
Krarup-Hansen;  der  Collab.  Dr  Manicus  ward  an  die  schleswi- 
ger Schule  als  Subrector  versetzt,  der  5e  Lehrer  Past.  Fibiger  wurde 
Collab.,  der  bisherige  6e  Bloch  6r,  der  7eKroyer  6r,  der  8eGrön- 
lund  erhielt  eine  Gehaltserhöhung  und  John  Aschlund  trat  als  un- 
terster Lehrer  ein.  Beim  Beginn  des  Schulj.  1853  unterrichteten  noch 
Prem.-Lieut.  Dorph  und  Lieut.  Jessen  an  der  Schule.  Die  Bibliothek 
der  Anstalt  und  sonstige  Sammlungen  wurden  bedeutend  yemthrt.    In 

/V.  Jahrb.  f.  Phü.  u.  Paed.  Bd.  LXXIV.  Hfl,  10.  36 


506  Rcricille  über  gelcliric  Anslollcn,  Vcrordnnngeii,  ststisl.  Noliseii. 

der  Einladnng<!srhrift  zur  Einweihung  des  neuen  8chnlgebande«  aai  Pn 
Oct.  1H54  gibt  der  Collab.  J.  Ki  biger  (in  dan.  Sprache)  den  Versuch 
einer  Erklärung  des  'Eddesnngpn  FiölNwieHmaal%  und  der  Rector  Prof, 
Thrige  einen  kurzen  Bericht  über  die  Gebäude  der  hadertfl.  Geldir- 
lensrhule.  Die  Kosten  des  neuen  Gebäudes  waren  zn  35700  Thir. 
Reichsm.  (26775  Thlr.  preusz.)  berechnet,  wozu  die  Commnne  einen 
kleinen  Theif  hergab,  das  übrige  aus  der  Staatskasse  bewilligt  ward. 
Nach  dem  Programm  von  1H55  ist  als  7r  Lehrer  Adjunct  P.  l>orph, 
Ritter  des  Dan.,  als  9ter  Adjunct  J.  Dorph  angestellt  worden,  die  üb- 
rigen Lehrer  sind  geblieben,  wie  oben  mitgeiheilt  ist.  Im  rechnen, 
schreiben  und  in  der  Gymnastik  unterrichtet  Lieutenant  Jesfen.  Der 
König  Ton  Dänemark  hat  am  14n  Nov.  1H54  die  Schule  besacht.  la 
Jahre  1853  —  54  war  die  Zahl  der  Schüler  93,  8  verlieszen  die  Sdnile, 
25  kamen  hinzu,  11  giengen  wieder  ab,  2  kamen  hinzu;  nach  dem  er- 
wähnten Programme  ist  die  Zahl  100.  ^      [L,] 

HAMHTTnr..]  Zum  Redeactus  am  12n  April  1^55  erschien  fSr  die 
Gelehrtenschiiic  des  Johanneums  als  Kinladungsschrift:  über  dieSekiaM 
bei  den  Ar^inusen,  von  Prof.  Herbst  (90  S.  gr.  4).  Die  Schtilnach- 
richten  S.  91— 103  berichten  von  geringen  Veränderungen,  die  nament- 
lich im  Lehrerpersonale  der  Anstalt  in  diesem  Jahre  vorgekommen  sind« 
Der  Lehrer  des  französischen  und  englischen  in  den  drei  oberen  Klas- 
sen, Dr  Meyer  II.,  war  fortwährend  krank,  und  Prof.  Corn.  Mül- 
ler und  Dr  Laurent,  sowie  Scliulamtscandid.  Dr  Lüders  ertheilten 
die  dadurch  ledig  gewordenen  Lectionen  »  während  Prof.  Ullrich  wie- 
der zwei  lateinische  Lectionen  für  Müller  übernahm.  Im  Sommer 
1854  zählte  I  26,  II  28,  111  36,  IV  26,  V  19,  VI  14,  die  game  Ge- 
lehrtenschule also  148;  im  Wintej-  18;»4— 55  I  24,  H  25,  11137,  IV35, 
V  25,  VI  15,  zusammen  151  Schuler.  Aufgenommen  wurden  im  Ijanfe 
des  Schuljahrs  40  Schüler,  nemlirh  in  I  I ,  II  7,  III  7,  IV  7,  V  3,  VI 
15.  Zur  Universität  giengen  Ostern  1865  12  Schüler,  samtlich  ans 
Hamburg  und  hamburgi.schem  Gebiete;  zu  anderen  Üerufsarten  (Land- 
wirthschaft  und  Handel»fach)  giengen  5,  auf  andere  Lehranstalten  6  im 
Laufe  des  Schuljahrs  über.  Ks  lehren  an  der  Anstalt  der  Directer  Dr 
theol.  Kraft,  Ord.  v.  I,  die  Professoren  Dr.  theol.  Müller,  Ord.  r. 
II,  Dr  Ullrich,  Ord.  v.  III,  DrFIinrichs,  Ord.  ▼.  IV,  Buben- 
dey,  I^hrer  der  Mathematik,  Dr  Herbst,  Ord.  v.  V,  die  ordentli- 
chen Lehrer  Dr  Meyer  I.,  Dr  Laurent,  Dr  P'isrher,  Ord.  v.  VI, 
ferner  Dr  Möbius,  Lehrer  der  Natnrgesch. ,  Dr  Meyer  IL,  Lector 
der  franz.  und  engl.  Sprache,  undGnllois,  Lector  der  franz.  Sprache^ 
der  Zeichenlehrer  Hensler,  Schreiblehrer  KIten,  Rechenlehrer  Möl- 
ler und  Gesauglehrer  klapproth.  —  Zum  Kedeactus  am  In  Apr.  1866 
erschien  von  dem  Dr  Mever  I  :  der  Freihvitskricfr  der  Bataver  unter 
CivUia  (90  S.  4).  Die  Srhulnachrichten  S.9I— 10«)  geben  in  der  Seh«!* 
Chronik  einen  Bericht  über  die  ir>e  Versammlung  des  Vereins  dentscher 
Philologen,  Schulmanner  nnd  Orientalisten,  ln-4nOct.  1855  in  Ham- 
burg gehalten.  Die  Schulerzahl  betrug  nach  Ostern  1855  in  I  J5,  II 
29,  III  33,  IV  29,  V  16,  VI  17,  zusammen  149;  nach  Mich.  1865  In  I 
24,  II  27,  III  33,  IV3I,  V  15,  VI  25,  zusammen  155  Schüler;  11  «ien- 
gen  aus  verschiedenen  Klassen  ab,  zur  Universität  13  nach  bestande- 
ner Prüfung  der  Reife,  ohne  dieselbe  2  auf  das  dorfige  akad.  Gymna- 
sium und  1  auf  ein  polytechnisches  Institut.  Im  Lehrerpersonale  ist 
keine  Veränderung  vorgekommen.  [L.] 

HisiM.I  Hier  ist  statt  der  früheren  Gelehrtenschule  eine  höhere 
Bürgerschule  eingerichtet.  Rector  ist  Lohse,  2r  Lehrer  Mag  nas- 
sen, 3r  Kühl  brandt. 

KiKr.  ]  Dem  Kinsender  liegen  zwei  Quartbände ;  Schriften  der 
Universität  su  Kiel  aus  den  Jahren  1854  und  IH55  vor,  über  welche  er 


Berichte  Ober  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  etnlist.  Notizen.  507 

um  80  lieber  in  nachstehen  dem  näheren  Bericht  ertheilt,  als  die  vor- 
treffliche Binrichtune  der  kieler  Universität,  auf  diese  Weise  ihre 
samtlichen  akademischen  Gelegenheitsschriften  zu  verbreiten  und  na- 
mentlich auch  durch  Austausch  mit  anderen  Instituten,  Gymnasien  usw.*) 
zu  allgemeinerer  Kunde  und  Nutzbarkeit  zu  bringen,  mit  dem  gröszten 
Lobe  aufgenommen  und  als  Muster  der  Nachahmung  empfohlen  zu  wer 
den  verdient.  Wir  freuen  uns  dabei  zugleich  Gelegenheit  zu  einigen 
Mittheilungen  über  die  Gelehrtenschulen  Schleswigs,  Holsteins  und 
Lanenburgs  zu  haben,  über  die  sonst  gerade  jetzt  so  wenig  Kunde 
nach  dem  übrigen  Deutschland  zu  dringen  scheint.  Der  erste  Band 
obiger  Schriften  enthalt  nun  L  Index  acholarum  per  aemeatre  aeativum 
habendarum;  vorangeht  von  Prof.  Forchhammer  quaeaiionum  cri- 
tiearum  eap,  L  De  j4ri8totelia  artia  poeticae  cap.  4  $  11.  Die  Vorle- 
sungen selbst  sind  schon  anderweitig,  soweit  sie  hierher  gehören,  in 
diesen  Blättern  mitgetheilt  worden.  II.  Verzeichnis  der  Behörden,  Com- 
missionen,  Beamten,  Institute,  Lehrer  und  Studierenden  de(  Universi- 
tät Kiel,  Sommersem.  1854.  III.  Index  acholarum  per  aemeatre  hiber- 
num  habendarum;  voran:  Forchhammers  quaeationum  criticarun^ 
eap.  II.  De  Soph,  Ajacia  vv,  2  et  978.  IV.  Verzeichnis  der  Behörden 
usw.  für  das  Wintersemester  1854 — 55.  V.  Chronik  der  Universität 
1854,  aus  der  wir  zunächst  folgende  Personalien  hervorheben:  am  26n 
Apr.  wurde  Dr  Heinr.  Mor.  Chalybäus  (2  Jahre  früher  nach  Re- 
atauration  der  dänischen  Herschaft  mit  mehreren  anderen  seiner  Colie- 
gen  abgesetzt)  ord.  Professor  der  Philosophie;  24n  Juli  Syndicus  Chri- 
stensen  zugleich  Quaestor  und  Aedil;  26n  Aug.  der  auszerord.  Prof. 
Dr  Dill  mann  in  Tübingen  auszerord.  Prof.  der  oriental.  Sprachen 
(ui  J.  Olshausens  Stelle);  26n  Aug.  Prof.  Dr  G.  Curtius  in  Prag 
ord.  Professor  der  klass.  Philol.  und  Eloquenz  und  Director  des  philo!. 
Sem.  (an  Nitzschs  Stelle);  7n  Sept.  der  auszerord.  Prof.  Dr  iur.  Neu- 
ner in  Gieszen  ord.  Prof.  des  röm.  Rechts;  17n  Sept.  der  ord.  Prof. 
Dr  Wilda  in  Breslau  ord.  Prof.  des  deutschen  Rechts;  28n  Sept.  der 
auszerord.  Prof.  Dr  Seelig  in  Freiburg  ord.  Prof.  der  Nationaloeko- 
nomie,  Finanzwissenschaft  und  Statistik;  6n  Oct.  Prof.  Dr  Lüde- 
mann Kirchenrath,  Prof.  Dr  Planck  Ritter  des  Danncbrogsordens, 
Etats rath  Biblioth.  Dr  Ratjen  Dannebrogsmann ;  30n  Decbr.  die  au- 
szerord. Prof.  Dr  K.  Müllenhoff  und  G.  F.  Thaulow  ord.  Prof. 
resp.  für  deutsche  Litteratur  u.  Paedagogik.  Gestorben  am  ]9n  März 
der  ord.  Prof.  der  Rechte  Dr  h  Christiansen;  I9n  Sept.  der  Pri- 
▼atdocent  Dr  Herrmannsen  (Zoolog  u.  Mineralog).  Abgegangen 
Dr  Stromeyer,  Prof.  der  Chirurgie,  als  Generalstabsarzt  nach  Han- 
nover; Dr  K.  Steffensen,  Privatdocent  in  der  philos.  Facultät,  als 
auszerord.  Prof.  der  Philos.  nach  Basel.  —  Promoviert  wurden  in  der 
iurist.  Facultät  1,  in  der  medicin.  3  Licentiaten  und  10  Doctoren,  in 
der  Philosoph.  6  rite  und  I  (von  Karajan,  Vicepraesident  der  kk.  Aka- 
demie zu  Wien)  honoris  causa.  I  auswärts  ertheilte  philosopb.  Doc- 
torwürde  wurde  für  Kiel  anerkannt,  5  Bewerber  'wegen  ungenügender 
Abhandlungen'  abgewiesen.  S.  6 — 17  geben  interessante  MittheiTungen 
snr  Geschieht«  der  Universität ,  S.  17  f.  kurze  Notizen  über  die  Univ.- 
Bibliothek,  8.  18 — 36  ausführliche  Nachricht  über  das  homilet.  Semi- 
nar, dann  folgen  Berichte  über  die  medicin.  k.  chirurg.  Klinik  und  an- 
dere Institute  (die  Hebammenlehr -  und  Gebäranstalt,  das  physiolog. 
und  das  ehem.  Laboratorium,  die  Münz-  und  ICunstsamralung,  den  bo- 
ten. Garten,  das  mineralog.  Museum,  das  physikal.  Institut  und  das 
Museum  vaterländ.  Alterthümer),  namentlich  auch  das  philologische  Se- 

*)  Der  leBand  ist  nach  späterer  Notiz  an  188  Universiaten,  Aka- 
demien, Schulen  und  Bibliotheken  versendet  worden. 

36* 


508  Bericlilc  über  gelehrte  Anstallen,  Verordnungen,  »latisl.  NoiixeD. 

miliar,  sowie  besonders  das  paedagogische,   auf  welche  wir  spater  »a- 
ruckkomnieii  werden.     Kin  dritter  Ab«cfinitt  handelt  von  den  akademi* 
{jclien  Beneiicien,   dem   Convict  nnd   den  Stipendien;  ein  weiterer  gibt 
•Schiilnnchrichten,  auf  die  wir  bei  unserem  Berichte  über  den  2n  Band 
zurückkommen  werden.     Den  Abscliiusz  machen    meteorologische  Beob- 
achtun<»en.  —  VI.  Festreden,  Memorien  usw.,  nemlich  1)  das  Programm 
zur  königi.  Geburtstagsfeier :  Forch hammeri  topof^ruphia Tkebarum 
hcptapylarunif  cum  tab.  f^coffraph.^    und   2)   die   dabei    von  dem    ord. 
Prof,  der  Theol.  Dr  Thomsen   gehaltene  Festrede:    Imaß:o  Ckriiiiani 
(rcstitutiinns  sacrorum  nostrorum  c^rvgti  tutoris  vt  adjutorh)  lli.  — 
VII.    10  mediciniscbe  Dissertationen  — Der  Inhalt  des»  zw  ei  ten  Bandes 
ist  folgender:  I.  Index  scholarum  per  ftvmcstrc  acstivum  habcndarvm, 
voran:    Gvorfjcii  Curia  de  nomine  Jlomvri  commentatio. —  II.  Veneich- 
nis  der  Behörden,  Commissionen ,  Beamten  usw.  Sommers.   1855.     (Die 
Zahl  der  Studierenden  hat    im  Sommer  IHb-i  betragen:   23  Theo!.,   bS 
Jur.,   46  Med.,  17  Phil.,   zus.    144;   im  Winter    J«i4— 55:  32  Theol., 
56  Jur.,  43  Med.,  22  Phil.,  zus.  153;  im  Sommer  1H55:  20  TlieoL,  64 
Jur,  51   Med.,  25  Phil.,  zus.  I6<);  im  Winter  1H55— 56:  24  Theol.,  44 
Jur.,  4l    Med.,  25  Phil.,   zus.  134)  —   III.  Index.  schoL  per  tem»  kib. 
hab.y   voran    von  Prof.  G.  Curtius  de   quibuadttm  Anti^onae  Sopko- 
clcae  focitt.  —  IV,  Verzeichnis  der  Behörden  usw.  Winters.  J855J — 66. 
—  V.  Chronik  der  I/niv.    1855.     Am   Iln  Mai   wurde  der  Oberitlieate- 
nant  im  Generalstab,  Kammerherr  von  K auf f mann  Curator  derUniv.; 
um  In  Jan.  JH.V)  Prof.  iur.  Wilda  Ktatsrath;  gestorben  19n  Ang.  1S55 
der  ord.  Prof.  der  Medicin,  Ktatsrath  Kitter;  24n  Novbr.  ord.  Prof. 
der  Hechte  Dr  Schmid    7r  Kath   im   Oberappellationsgericht  zn  Kiel. 
Zwei  Votivtafeln,    die   hier   mitgetheilt   werden,  feiern    den   Prof.   der 
Medicin,  Ktatsrath  II epe wisch  (Sohn  des  berühmten  Historikers)  we- 
gen   seines  50j<ährigen  DoctorjubilacUms   und   den   Probsten   Dr.  theol. 
Callisen   in   Rendsburg    bei  Gelegenheit   seiner   50jährigen  Jubelfeier 
als   Prediger   an  derselben  Kirche.     Promoviert   wurden   in   der  iuriftt. 
Facultät  1  in  absentia,   12  in  der  medicin.,  in  der  philosoph.  1  (Archi> 
var  Dr  iur.   Lappenberg   in  Hamburg)  honoris   causa,   2  rite   und  5 
in  absentia;    fünf  andere  Bewerber  wurden    wegen    ungenügender  Ab- 
handlungen   abgewiesen.     Ks   fol^t   ein   interessanter  Bericht   des  Kir- 
chenraths  Dr  Lüdemann  über    die  2  Jahre   seines  Bectorats  Tom  dn 
März  1853  bis  dahin  1^55,  kurze  Noti/en  über  die  Bibliothek  und  das 
homilet.  Seminar,  dagegen  eine   sehr   ausführliehe  Nachricht   über   das 
katechetische  Seminar  (S.  15—30)  und  mehr  oder  weniger  längere  Mit- 
theilungen über  die  anderen   akademischen  Institute,    die   oben   bereits 
genannt  und  zu  denen   hier  noch    mehrere   neue,   wie  das    anatomisclie 
Theater  und  Museum,    die  pharmakognostische  Sammlung,   das  looio- 
gischc  Museum  und  der  Kunstverein,   hinzugekommen   sind.     Von  dem 
philologischen  Seminar   wird   diesmal   eine  etwas  ausftibrKcliere 
Geschichte  gegeben.     Bereits  im   Jahre   1777  durch   Krrichtong  eines 
Stipendiums  von  200  Thlm.  dam.  Cour,  für  ^vier  eingeborne  studiosot, 
d^e  sich  den  Schulwissenschaften  widmen',  begründet,  wnrde  es  im  J. 
1789  durch  einige  nähere  Bestimmungen  geregelt.   Darnach  soBten  Jene 
Studiosi  während  der  3 — 4  Jahre  des  Stipendiengennsses  ^nicht  blos  die- 
jenigen Collegia  hören,  welche  über  die  lat.  nnd   griecb.  Autoren,   In- 
gleichen über  die  hebr.  Sprache,   über  die   theologiam   dogmaticam   et 
moralem,   über  die  Philosophie,  die  historiam  universalem  und  patriae 
und   über  einige  Bücher  der  heil.  Schrift   des  A.  und  N.  Test,   gelesen 
werden,  sondern  auch  mit  besonderem  Kleisze  gedachten  Wissenschaf- 
ten, welche  Wir  gerade  mit  dem  grösztcn  Eifer  betrieben  wissen  wol- 
len, obliegen'.   DeNhalb  wird  die  ganze  Studentenzeit  für  diese  Studiosi 
in  2  Absrhnitte  eingetheüt ,  deren  erster  mit  philologischen  und  histo- 


Berichte  über  gelebrlc  Anstalten,  Verordnungen,  Statist.  Notizen.  509 

rischen,  der  zweite  mit  philosophischen  und  theulogischeii  Studien  aus- 
gefüllt ist.   Dies  blieb  bis  zum  Jahre  1809,  wo  die  Verleihung  der  Sti- 
pendien, die  bis  dahin  einem  einzelnen  Professor  überlassen  war,  unter 
die  Oberaufsicht  des  akademischen  Cunsistoriums  gestellt,  für  die  Un- 
terweisung der  Stipendiaten  bestimmter«  Vor.schiäge  gemacht  und  der 
Anstalt  der  besondere  Charakter  eines  philologischen   Instituts  ge 
geben  wurde,  das  seit  1820  amtlich  ^philol.  Seminar'    heiszt.     Die 
vier  Stipendien  können  das  erste  mal   nur  auf  2  Jahre   bewilligt  wer- 
den; die  Bewerber  melden  sich  beim  Consistorium  unter  Beifügung  ei- 
ner  lateinischen   Probeschrift;   ein    Examen   aus    den   alten  Sprachen 
und  der  Geschichte  schileszt  sich  daran,  über  den  Ausfall  berichtet  eine 
dazu  ernanute  Commission  an  das  Consistorium.     Für  eine  Erneuerung 
des  Stipendiums  gehört  eine  zweite  Prüfung,  in  der  zu  höheren  For- 
derungen in  den  alten  Sprachen   und   in   der  Geschichte  als  neuer  Ge- 
genstand die  Mathematik  hinzukommt.  Nach  Beendigung  ihrer  Studien 
wird  mit  den  Stipendiaten   eine  allgemeine  Schluszprüfung   vorge- 
nommen,  die  sich  nicht  nur  auf  die  Kenntnisse  in  der  Philologie,  der 
Philosophie,   der  philosophischen  und  bürgerlichen  Geschichte  und  der 
Mathematik,   sondern  auch   auf  die  Anfangsgründe   der  hebr.  Sprache 
und   die  Dogmatik    erstreckt;   auszerdem   musz  auch   eine   schriftliche 
Arbeit  'in  deutscher  Sprache   über  eine   gegebene   Materie'   geliefert 
werden.  Hieran  nimmt  auszer  den  ord.  Proflf.  der  Philol.  und  der  Gesch. 
in  der  In  und  der  Math,  in  der  2n  Prüfung  noch  ein  Prof.  der  Theol. 
und  I  oder  2  Proif.  der  Philos.  Theil.     'Es  musz  eingeräumt  werden', 
sagt    der   Bericht    des   Prof.   Curtius,    'dasz    durch   die  geschilderte 
Einrichtung  auf  eine  sehr  sinnreiche  und  meines  wissens  ganz  originelle 
Weise  ein  wolgeordneter  Stufengang    für  die  studierenden  der  Philolo- 
gie eingerichtet  und  zugleich  dafür  gesorgt  ist,   dasz  dabei   die  beiden 
übrigen  wichtigsten  Schulwisseuschaften  ebenfalls  nicht  auszer  Acht  ge- 
lassen werden'.     Zugleich  ward  dem  Director  des  Seminars  die  Fuh- 
rung eines  fortgesetzten   ofTentlichen   Protokolls   zur  Pflicht   gemacht. 
Dennoch  erlebte  die  Anstalt  trübe  Zeiten.    Der  Prof.  Heinrich,  spä- 
ter in  Bonn,  der  zu  den  angegebenen  Verbesserungen   den  wesentlich- 
sten Impuls  gegeben  hatte,  zog  sich  1813 — 1818  (wo  er  Kiel  verliesz) 
gänzlich  von  der  Leitung  des  Seminars  zurück.  Und  obgleich  im  Jahre 
1820  auch  auszerordentliche  Mitglieder  hinzugezogen  wurden,  stieg  die 
Zahl  der  Theilnehmer  bis  zum  Jahr  1827  hin  doch  nicht  über  6.  'Eine 
neue  Periode  begann  für  das  Seminar   durch   die  Berufung  des  Profes- 
sors Nitzsch,  welcher  fast  25  Jahre  lang  von  1827 — 51  das  Seminar 
leitete  und  zu  einer  gedeihlichen  Pflanzschule  für  die  Gelehrtenschulen 
des  Landes  machte.     Jetzt  bildete   sich  sehr  bald  die  Sitte  aus,  dasz 
auszer  den  ordentlichen  und  den  ausdrücklich   ernannten  auszerordent- 
lichen  Mitgliedern  die  Theilnahme  an  den  Seminarübungen  auch  andern 
studierenden  gestattet  ward ,    welche  Lust  und  Vorkenntnisse  dazu  an 
den  Tag  legten.  Für  diese  gewissermaszen  dritte  Klasse  kam  der  Name 
'frei  verbundene'  Mitglieder   auf.      Erst    durch   diese  Sitte    ward   der 
Anstalt  wirkliches  Leben  und  ein  nie  ausgehender  Nachwuchs  gesichert, 
aus  dessen  Mitte  die  tüchtigsten  als  Bewerber  um  die  Stipendien  her- 
vortraten.  So  sind  denn  schon  für  1828  10,  1831  15,  1834  17  Mitglie- 
der im  Protokoll  verzeichnet,  von  denen  nicht  selten  5^  ja  bisweilen  7 
um  Stipeiulien  sich  bewarben.    Die  Durchschnittzahl  blieb   von   da  an 
bis   auf  den  heutigen  Tag  12,   in  Verhältnis  zur  Gesamtzahl   der  hie- 
sigen  Studierenden   keine  geringe'.    -^    Die  Uebungen,  welche   unter 
Nitzsch  4  Stondcn  wöchentlich   auszufüllen  pflegten,  zu   denen   seit 
1846  noch  eine   fernere  Interpretationsübung  unter  Leitung  des  Prof. 
Forchhammer  hinzukam,  bestehen  in  Interpretationen  und  Dis- 
putationen. Jene  erstreckten  sich  auf  einen  sehr  groszen  Kreis  ver- 


510    Bericbte  über  gelehrte  Anstalten ,  Verordnungen,  statist.  Notif  en. 

fichiedenartiger  griech.  nnd  lat.  Autoren,  unter  denen  SopbokleB,  En* 
ripide«,  Thucydides,  Plato,  Horaz,  Tibull,  Tacitus  am^  hanfigsten 
wiederkehren,  aber  auch  Aristoteles,  Pindar,  Aeschylus,  Lprsias,  Strabo, 
Plautus  und  Gajus  nicht  fehlen.  Ausführlichere  schriftliche  Arbeiten, 
wie  sie  anderswo  üblich  sind,  wurden  hier  seltener  gefordert,  und  xwar 
aus  dem  Grunde,  weil  die  vortrefTliche  Einrichtung  des  Schassischen 
Stipendiums  allen  Philologen  Aufforderung  genug  bietet,  ihre  Zeit  nnd 
Kräfte  dann  und  wann  auf  gröszere  Ausarbeitungen  zu  concentrieren. 
Die  Seminararbeiten  sind  meist  von  kleinerem  Umfang  und  haben  den 
Hauptzweck,  zur  Grundlage  einer  Disputation  zu  dienen.  'Ausser  die- 
sen beiden  regelmäszigen  Uebungen  finden  wir  unter  den  früheren  Di- 
rectoren  zuweilen  noch  auszerordentliche,  z.  B.  Vortrage  des  Directora 
über  Methodologie,  über  einzelne  Hauptsätze  der  philol.  Kritik ,  über 
Prosodie  qnd  Accent.  Eine  Zeit  lang  sind  unter  Prof.  Nitzsch'a  Lei- 
tung Uebungen  im  freien  deutschen  Vortrag  vorgenommen,  während  die 
lat.  Sprache  im  Seminar  fast  durchgängig  die  regelmäszige  war'.  —  Wir 
schlieszen  hieran  den  Bericht  über  das  unter  Prof.  Thaulow^a  Lei- 
tungstehende paed  agogische  Semi  nar.  Dasselbe  wurde  im  Herbst 
1853  als  ein  Privatinstitut  gegründet  und  besteht  jetzt  22  Semester; 
es  erhielt  im  März  1846  dadurch  eine  landesherliche  Sanction,  daai  deai 
Prof.  Thaulow  bei  seiner  Anstellung  ausdrücklich  die  Leitung  eioes 
solchen  zur  Pflicht  gemacht  ward.  Ein  Statut  hat  es  jedoch  erst  Tor 
kurzem  bekommen,  welches  oben  S.  464  ff.  abgedruckt  ist.  Die  Zahl 
der  Mitglieder,  Theologen  und  Philologen,  hat  seit  der  Entstehung  des 
Seminars  zwischen  4  und  IJ  geschwankt,  nicht  selten  sind  noch  exa- 
minierte Candidaten  und  ältere  Lehrer  darin  gewesen.  Als  erste  Be- 
dingung wurde  festgehalten,  dasz  alle  schriftlichen  Arbeiten  und  alle 
mündlichen  Vorträge  ein  grundliches  Studibm  der  von  dem  Director  fSr 
diese  Arbeiten  und  Vorträge  dargebotenen  Quellen  aufweisen  sollea 
So  bezogen  sie  sich  in  einem  Semester  sämtlich  auf  die  1849  von  Platf 
herausgegebene  Erziehungälehre  Schleiermachers.  Die  Themata  pfleg- 
ten zu  Anfange  des  Semesters  auf  einige  Monate  hinaus  unter  die  Mit- 
glieder vertheilt  zu  werden;  bis  jetzt  sind  im  ganzen  etwa  200  solcher 
Themata  entworfen  worden.  Hierüber  sind  denn  mit  grossem  Rifer 
freie,  mündliche  Vorträge  gehalten  worden.  Eine  zweite  Uebnng  ist 
die,  dasz  ein  Mitglied  freistehend  irgend  eine  didaktische  Situation  ein- 
nimmt, indem  es  vor  Schülern  entweder  eine  Stelle  aus  einem  Dichter 
oder  sonst  einem  Schriftsteller  interpretiert,  oder  irgend  welchen  be- 
liebigen Lchrgegenstand  für  die  Darstellung  vor  Schulern  wählt  (ohne 
die  wirkliche  Anwesenheit  von  Schülern  vermögen  wir  uns  die  wahr- 
hafte Nützlichkeit  dieses  Verfahrens  nicht  vorzustellen).  Eine  dritte 
ist  die  Besprechung  und  Behandlung  schwieriger  paedagogischer  Pro- 
bleme. Das  am  I5ten  December  1855  erlassene  Statut  stellt  nun  die 
Forderung  eines  wissenschaftlichen  Studiums  der  Paedagogik,  sowie 
die  grundlichere  Vorbereitung  und  Ausbildung  in  der  Erziehnncs- 
knnst  für  diejenigen  studierenden,  welche  sich  demnächst  dem  Uthr- 
fach  widmen  wollen,  auf  der  Universität  zn  Kiel,  unter  Leitnng  des 
Professors  der  Paedagogik,  als  Bestimmung  des  Seminars  anf.  Die- 
jenigen, welche  in  das  paedagogische  Seminar  auf>;enommen  za  wer- 
den wünschen,  haben  eine  Uebersicht  ihres  bisherigen  Stndienganffes 
nnd  ihrer  wissenschaftlichen  Beschäftigungen  bei  dem  Director  des 
Seminars  einzureichen,  und  dabei  nachzuweisen,  dasz  sie  die  erforder- 
liche philosophische  Bildung  erworben,  sich  auch  bereits  im  allge- 
meinen mit  der  Paedagogik  und  deren  Geschichte  bekannt  gemacht 
haben.  Die  Uebungen  des  Seminars  finden  nach  der  Bestimmung 
des  Directors,  in  2  -4  Stunden  wöchentlich  statt.  Nach  aufgegebenen 
oder  freigewählten  Thematen  sind  schriftliche  Arbeiten  von  den  Mit- 


Berichte  über  gelehrte  Anstaltou,  Yerordiiuogeo,  stallst.  Notizen.  511 

gliedern  des  Seminars  anzufertigen,    dieselben  rechtzeitig  bei  dem  Di- 
rector  einzureichen,  von  ihm  unter  den    übrigen  Theilnehmern  in  Cir- 
culation  zu  setzen ,  demnächst  im  Seminar  vorzutragen  und  einer  Kri- 
tik, wie  einer  gemeinschaftlichen  Erörterung  zu  unterziehen;  auch  sind 
paedagogische  und  didaktische  Aufgaben  in  freien  Vortragen  zu  behan- 
deln, praktisch- paedagogische  Fälle,  sowie  die  neuesten  Erscheinungen 
auf  dem  Gebiete  der  paedag.  Litteratur  zu  besprechen  und  praktische 
Uebungen   in   der  Lehrmethode   anzustellen.      Der  Director  hat  wegen 
einer  zweckentsprechenden  Einrichtung  sämtlicher  Uebungen  im  Semi- 
nar das  erforderliche   anzuordnen    und   bei    den   Vorträgen,    Verhand- 
lungen,   Disputationen   usw.   die  Leitung  zu   übernehmen.     Nach   dem 
Schlüsse   des    Wintersemesters  hat    der  Director  alljährlich   über  den 
Stand  und  die  Erfolge  des  Seminars  einen  Bericht   an  das   akad.  Con- 
sistorium  zu  erstatten,  von  welchem  dieser  Bericht  mit  denjenigen  Be- 
merkungen, zu  denen  dasselbe-  sich    etwa  veranlaszt  finden  sollte,   an 
das  Curatorium  der  Universität  zur  weiteren  Mittheilung  an   das  Mi- 
nisterium  für  die  Herzogthümer  Holstein    und  Laueuburg  einzusenden 
ist.  —  Mit  Schlusz  de«  Wintersemesters  54 — 55  verlieszen  5  Mitglieder 
das  Seminar,  indem  2  von  ihnen  Hauslehrer  wurden,  2  in  das  Ausland 
giengen  und  l  ein  anderes  Studium  erwählte.     Es  blieben  demnach  mit 
dem  Beginne  des  Sommersemesters  1855  noch  6  Mitglieder,  neue  traten 
nicht  ein.    Mit  dem  Beginne  des  Wintersemesters  1855 — 56  traten  wie- 
der 2  Mitglieder  aus,    um   sich  dem  Scliulttintsexamen  zu  unterwerfen, 
ein  neues  Mitglied  trat  dafür  ein,   so   dasz   die  Zahl   der  Theilnchmer 
mit  dem  Beginne   dieses   Semesters  5  war.     Die  meisten  Themata   für 
die  Vorträge   wurden  dem  Gebiete  der  Gymnasialpaedagogik  entlehnt, 
einige  indes  auch  der  allgemeinen  Paedagogik   und  der  Geschichte  der 
Erziehung,   wie  über  die  Abhängigkeit   der  Paedagogik   von  der  Psy- 
chologie und  Ethik,   über  den  Satz  des  Sokrates:   'der  Mensch    lernt 
nicht,  sondern  scheint  nur  zu  lernen',  über  Philanthropie  u.a.m.  Mit 
der  Litteratur  der  Gymnasialpaedagogik  wurden  die  Mitglieder  in   ei- 
nem ziemlichen  Umfange  bekannt  und  mehr  wie  früher  praktisch  in  der, 
Lehrmethode  geübt.      Dagegen  war,    weil   die  Vorträge  meistens  eine 
Stunde  und  darüber  dauerten,    ebenfalls  die  Interpretationen  die  Mit- 
glieder sehr  in  Anspruch  nahmen,  nur  selten  Zeit  vorhanden,  praktische 
paedagogische  Fälle  ausführlich  zu  besprechen  und  abzuhandeln.  —  Aus 
den  übrigen  sehr  schätzenswerthen  Mittheilungen  glauben  wir,  des  all- 
gemeineren   Interesses  wegen,    noch    die  für  die  Schassische  Stif- 
tung  gestellten   Preisfragen   hervorheben  zu   dürfen:   I.  für    1855. 
1)  populi  Romani  tempora  inde  ab  urbe  condita  usque  ad  Caesaris  Au- 
gusti  Imperium  in  periodos  earumque  partes  minores  ex  ratione  rerum 
tam  extra  Romam  gestarum,  quam  Romae  actarum  civilium   ita  distri- 
buantur,  ut  eins  distributionis  et  canssae  rationesque  uberius  exponan- 
tur,  et  cuiusque  periodi  scriptores  primarii  enuinerentur  atque  brevi- 
ter  percenseantur.    —    2)  Piatonis  et   Aristotelis   de  liberis    educandis 
düctrinae  ita  exponantur,  ut  quaenam  utrique  sint  peculiaria,  quaenam 
similia  aut  diversa,  quaenam   e  diversis  praeferenda,    appareat.  —  3) 
de  Graecomm  reIi*gione  atque  mythologia  ita  disseratur,  ut  doctrinae, 
q^uae  in  'Prelleri  Mythologia'  continetur,  fiat  censura.  —  4)  lin^ua  La- 
tina  quatenus  recte  habeatnr  linguae  Graecae  dialectus,   quaeritur.   — 

5)  quo  iure  comparant  diversam  lesn  Christi  imaginem,  alteram  qaae 
in  tribus  prioribus  evangeiiis',  alteram  quae  in  evangelio  loanneo  ex- 
stat,  cum  diversitate  inter  Socratem  Xenophonteum  et  Platonicum?  — 

6)  quae  Ciceronis  de  re  publica  libri  ad  ius  publicum  et  privatum  Ro- 
roanorum  cognoscendum  nobis  suppeditant,  e  iuris  Romani  scientia  ex- 
plicentur.  —  7)  de  A.  Cornelii  Celsi  vita,  scriptis  atque  eruditione^ 
qua  excetluit  inter  medicos,  cgregia  disseratur.  —  H.  für  1856:  1)  ad 


512  Beneble  aber  gelehrte  AutalUn,  VerordiuBgea.  slalul. 

Deflioflthe«M  orationem  in  Arütocrmtem  illnstrandaiii  ins  AtbeBicomB. 
qflod  crimina  r^usr  ff^vtxäv  nomine  compreheasa  sp«ctat,  e-xponatar.  — 
2^  qaaj}  lege«  Rooiani  in  rtrh'ia  grmecis  in  «aam  sermoaem  traiuferea- 
dl*  *«cari  »Int.  ita  expooatar,  Qt  et  varia  Terboram  iilornn  seoera  et 
lingaae  latinae  aetated  accnraie  dedignentar.  —  3^  Odv^^eae  Honericae 
lib<»r  derima.-i  ^ainioi  qnomodo  com  qaarto  libro  cohaeret?  —  4t  Paoll 
AprUoti  /!octrina  de  praede^initione  dirina  expcnatnr  atqae  caot  dcg- 
mate  S^oicoram  de  fato  comp^retar.  —  5^  qaatenas  Romani  peregrino- 
mm  iara.    praejertim  in  caoMS  eorom  priratU,  agoorerint  peregrioi*- 

S[oe  iarid  Romani  commaniunem  conce^j^erint,  qaaeritar.  —  Ab  weiterer 
nbalt  der  Chronik  folgen  Sc  hol  nach  richten  (die  wir  bei  den  B^richtea 
ober  die  einzelnen  An>talten  benatzt  haben  r,  and  meteorologische  Be- 
obachtungen nnd  Tabellen  (jehr aasfahrlich >.  M)wie  aU  Anhang:  Beriebt 
aber  die  Wirk.^amkeit  ilts  Kanjt'vereins  za  Kiel,  neb^t  Statut  and  Mit- 
gliederTerzeichniA.  —  VI.  Festreden,  Memorien  il»w.,  nemiicb  l)  Pro- 
gramm zar  Gebartstagsfeier  des  Landesherrn:  Tom  Einfloss  d^r  Philo- 
sophie aaf  die  (urisprudenz,  besonders  ron  der  Benarznng  der  vier  Ar- 
ten des  Grandes  oder  der  Ursächlichkeit.  Ton  Etatsr.  Prof.  xnr.  Rat- 
jen, and  2;  die  bei  jener  Feier  gehaltenen  Rede  Ton  Prof.  G.  Car- 
tins.  —  Vn.  12  medicinische  Doctordissertationen.  —  Wir  stelieo  lon 
8chla.«jie  aa.<i  beiden  Bänden  die  Notizen,  wie  ober  die  Sbrigea  Gclebr- 
ten.-chulen  der  3  Herzogthomer,  so  insbesondere  die  in  Kiel  selbst  sa- 
sammen,  insoweit  d:e.«elben  nicht  schon  anderweitig  in  diesen  Jahrb.  ge- 
geben worden  «ind.  [Im  allgemeinen  ist  dabei  noch  za  bemerken,  dasx 
10  der  holst,  ond  lauenbarg.  Gelehrtenschole  das  Scholj.  tob  Ostern  bU 
Ostern,  dagegen  in  den  »chleswigschen,  wie  in  Dänemark,  too  Joli  bis 
Jali  geht.  Der  Unterrichtsin.<!pector  von  sämtlichen  Gelebrtenschoiem 
Holn'eins  ist  der  frühere  Rect»r  der  Ploner  Gelehrtenschole,  Etatsratb 
Trede  in  .Altona].  Za  den  ofTentl.  Klassenpröfangen  lOn — I4ii  Marx 
18j6  ladet  der  Director  der  Gelehrtenschole,  Prof.  Dr  J.  F.  Uorn  dnrcb 
ein  Programm  ein:  über  die  allgemeine  Bedeutung  deM  Optativs  und 
ConiunetivM  der  griechitchen  Syntax  (21  S.  4).  Als  Beilage:  eioo 
Schul  rede  ^6  S.  8,.  Indem  wir  der  wissenschaftlichen  Schüfe  and 
Be^tinimtheit  dnr  uns  hier  gebotenen  grammatischen  DarsteUaa|(  volle 
Anerkennnnr;  widerfahren  lausen,  glaoben  wir  doch  zagleich  die  prak- 
tische Wichtigkeit  der  kleinen  Arbeit  nicht  aoszer  Acht  lassen  nnd  da- 
her auf  die  lehrreichen  Hauptsätze  etwas  näher  eingehen  zn  dirfen. 
Nachdem  einige  richtige  und  feine  Un  Urse  hei  dangen  der  griecb.  nnd 
rom.  Syntax  vorau<4geachickt  sind,  wird  S.  3  das  Wesen  der  beiden 
fraglichen  Modi  näher  erörtert.  Die  Kategorien  der  Realität  nnd  Idea- 
lität bestimmen  die  Modalität  des  Verbs.  Das  blos  ideelle,  das  also 
nicht  aus  der  Vorstellung  heraustritt.  Ton  der  Realität  der  Wirfclicb- 
keit  sich  lo^getreniit  hat,  druckt  die  griech.  Sprache  durch  den  Opta- 
tiv aus,  die  Realität  dagegen,  die  entweder  als  einzelne  WirkiicbKett 
gesetzt  wird  oder  al.*>  die  allgemeine  logische  mithin  aoch  reale  Be* 
Stimmung,  durch  den  IndicatiT.  Wird  aber  das  ideelle  gedacht  aU  auf 
daH  reale  bezogf^n,  mithin  durch  das.<elbe  bestimmt,  also  von  ihm  seine 
künftige  Realisierung  erw  artend,  so  tritt  der  Coniunctiv  ein.  Die  vierte 
Beziehung  wäre  das  reale  durch  das  ideelle  bestimmt;  diese  Kategorie 
ist  aber  herabgesunken  zu  der  Forderung,  dasz  das  ideeile  znm  rea- 
len werde,  d.  h.  zur  Forderung  einer  Thätigkeit  Ton  einem  anderen, 
znm  Imperativ.  Der  Unterschied  des  Optativs  und  Conionctivs  besteht 
also  nicht  in  dem  Zeitverhältnis  aJs  maszgebendem,  wenn  auch  auszer- 
lich  hinzukommendem  Moment,  sondern  darin,  dasz  beide  allerdings 
ideell  sind,  der  Opi.  aber  in  dieser  reinen  Idealität  verharrt,  in  dem 
bioszen  Gedanken,  in  der  Vorstellung  abgetrennt  von  der  Realität,  dor 
Coni.  dagegen  nicht  in  dieser  bioszen  Idealität  bleibt,  sondern  bestandig 


Berichte  aber  gelehrte  Aostalten,  VerordnangeD,  Statist.  NotiEen.  513 

aaf  die  Realität  als  das  sich  in  Zukunft  Terwirklichende  hinblickt. 
Nachdem  an  der  Hand  dieser  allgemeinen  Satze  die  üblichsten  Gram- 
matiken im  einzelnen  durchgemustert  sind,  werden  folgende  nähere 
Lehrsätze  aufgestellt  und  durch  Beispiele  erörtert.  In  selbständigen 
Sätzen  steht  der  Coni.  bei  Aufforderungen  in  der  In  Person,  zweifel- 
haften Fragen,  abwechselnd  mit  dem  Imp.  bei  Warnungen  und  Verbo- 
ten, indem  hier  überall  der  Gedanke  das  ideelle  zur  Wirklichkeit,  zora 
reellen,  hindrängt.  Dagegen  steht  der  Opt ,  wo  eine  Neigung,  ein  be« 
lieben,  ein  Wunsch  ausgedruckt  wird,  weil  hier  der  Gedanke  rein  bei 
sich  selbst  bleibt  und  Ton  aller  Realität  abstrahiert.  Die  Part,  av  als 
Exponent  für  die  Sumption  einer  Voraussetzung,  und  zwar  beim  Coni. 
als  Voraussetzung  der  Realität,  beim  Opt.  als  Voraussetzung  des  ide- 
ellen, kann  in  unabhängigen  Sätzen  beim  Coni.  nicht  stehn,  weil  in 
den  besagten  Fällen  die  Wirklichkeit  nicht  vorausgesetzt  wird,  sondern 
als  ein  unmittelbar  gegebenes  Bild  mit  dem  gedachten  zu  einem  Moment 
Terbunden  ist.  Dagegen  tritt  av  beim  Optativ  hinzu ,  wo  der  Gedanke 
dargestellt  werden  soll  als  durch  die  Voraussetzung  eines  gedachten  be* 
dingt  (modus  potentialis).  [Wir  wurden  daher  in  letzterem  Falle  den  Aus- 
druck Bäumleins,  dasz  ein  gedachtes  wirklich  sei,  also  den  Begriff  des 
möglichen,  nicht  verwerfen  und  Sätze,  wie  xovt  av  yevoixo  nicht  über- 
setzen: das  dürfte  wo]  sein,  mit  subjectiver Unbestimmtheit,  sondern 
vielmehr:  das  kann  sein  oder  geschehen].  —  In  der  Warnung  und  den 
Verbot  wechseln  Coni.  und  Imp.  so,  dasz  im  Coni.  des  Aorist  der  ein- 
zelne Fall  hervorgehoben  wird ,  wo  die  Realität  in  einem  festen  ge- 
schlossenen Bilde  Tor  die  Vorstellung  tritt,  der  Imp.  des  Praesens  aber 
das  Verbot  verallgemeinert,  wo  dann  die  Allgemeinheit  von  der  Reali- 
tät des  einzelnen  abstrahiert  und  die  Forderung  geradezu  an  den  Wil- 
len stellt.  —  Die  allgemeinen  Bestimmungen  sind  an  den  Conditional- 
[wodurch  wir  uns  weniger  befriedigt  gefühlt  haben],  Caussal-  und  Fi- 
nalsätzen eenau  und  scharfsinnig  durchgeführt.  Wir  heben  daraus  noch 
folgende  theils  unmittelbar  gewonnene,  theils  gelegentlich  gegebene 
Regeln  hervor.  In  den  Sätzen  der  Folge  und  Absicht  der  blosze  Inf. 
mit  oder  ohne  mars,  um  die  unmittelbare  Folge  oder  die  unentwickelte 
Absicht  zu  bezeichnen;  äats  mit  dem  Ind.  bedeutet  die  durch  die 
Wirklichkeit,  mit  dem  Opt.  die  durch  die  Möglichkeit  vermittelte  Fol- 

§e,  die  Finalpartikeln  mit  dem  Opt.  die  blosze  Tendenz,  die  in  Ge- 
anken  bleibt,  mit  dem  Coni.  die  Tendenz,  die  auf  die  Wirklichkeit 
eerichtet,  also  durch  dieselbe  bestimmt  ist.  —  Die  Unselbständigkeit 
des  Inf.  zeigt  sich  auch  in  den  unmittelbaren  Obiectsätzen ,  wo  die 
Griechen  theils  den  Inf.  theils  das  Particip  gebrauchen.  Wo  das  Sub- 
ject  des  regierenden  Satzes  das  bestimmende  ist,  da  steht  der  Inf., 
weil  der  abhängige  Satz  seine  Selbständigkeit  formell  verliert;  wo  da- 
gegen das  Subject  des  regierenden  Satzes  das  bestimmte  ist,  da  steht 
das  Particip  nach  seiner  adjectiTischen  Natur,  da  das  Adj.,  wie  der 
Genetiv,  das  bestimmende  Moment  ist.  So  bei  fiavd'dvBiv,  nsgiogav^ 
alaxvvsa&ai.  —  Wir  fügen  diesem  noch  eine  kurze  gelegentliche  Be- 
merkung über  die  Bedeutung  der  Casus  bei,  um  zugleich  darauf  hin- 
zuweisen ,  wie  reich  an  praecis  gefaszten,  praktisch  brauchbaren  sprach- 
wissenschaftlichen Definitionen  das  vorliegende  Programm  ist.  'Das 
Verhältnis  beim  Substantiv  (der  Casus)  wird  sich,  als  beim  ruhenden 
sein  ,  im  Begriff  der  Abhängigkeit  darstellen,  und^  die  gegenseitige  Be- 
ziehung der  zwei  Factoren,  die  zu  einem  Verhältnis  gehören,  kann  nur 
durch  das  Verbum  vermittelt  werden.  Die  Abhängigkeit  des  zweiten 
Factors  vom  ersten  ist  das  Accusativ Verhältnis,  des  ersten  vom  zwei- 
ten, so  dasz  das  erste  durch  das  zweite  bestimmt  wird,  das  Genetiv- 
verhältnis, der  Indifferenzpunkt,  in  dem  als  in  dem  Zweck  und  Ziel 
die  Beziehung  sar  Ruhe  kommt,  das  Dativverhältnis'.  —  Wir  müssen 


514  Berichte  aber  gelehrte  Anstalleu,  VerordoangeD,  stalisl.  Noliica. 

aber  noch   iiisbeitondere  der  als  Beilage   angefügten  trelTlichen  Schol- 
red(>  bei  Kntla^sun^  der  Abiturienten  gedenken,   die  znar  schon  im  J. 
18-10  in  Gtückstadt,   mo  der  Verf.  damals  Rector  der  Grelehrteoschule 
^ar,    gehalten    wurden  ist,  nun  aber   zum  erstenmale  im  Drocke  er- 
scheint.   Sie  bebandelt  das  alte,  viel  besprochene  Thema:  das*  die  al- 
ten  Sprachen  t  wie  überhaupt  die  klassische  Bildung j  den  GelehrUn- 
sehuUn  nothwendig  seien,   in  einer  eigenthumlich  frischen  und  leben- 
di>:en  \V«tiäe  und  in  einer  theiiwei^e  so  vollendeten  Scharfe  and  Prac- 
ciriiun    des   Ausdrucks,    dasz    wir    uns    nicht   versagen  konneo«    einige 
Stellen   daraus    hit>rher   zu   setzen.     Ks   ist   eine   köstliche,   cum   lesen 
drin;:end  zu  eniptehlende,   mit  der  Abhandlung  im  Programme  ia  inne- 
rer Verwandtschaft  stehende  Rede.   Zuerst  über  die  Sprache  uberhiopt 
und  das  bildtude  Klement  in  ihr:  Wurt  und  Gedanken  sind  anzertrcnn- 
lieh,  das  Wurt   ist    nichts  anderes  als   das  Bild  des  Gedankens,   seine 
Verkörperuiij;.     Ohne  Wort  ist  der  Gedanke   ein  wesenloses  Gespenst, 
ohne  Ge^ianke  das  Wort    ein  entseelter  l^ichnam.     Niemand  kann  ei- 
nen  Gedanken  deutlich  hinstellen  und  für  die  Dauer  festhalten,   es  sei 
denn  im  Wurt;  denn  das  Wurt  ist  iUs  rlüciitl>;e.  geistige,  und  deswe- 
gen adaei[uate  Behältnis  für  den  (i«::dankfn.  wurin  er  zum  k>ei>tehen  nnd 
Ter>tehen  kommt.     Keiite  Gedankeabeziehiiii£:«rn   £;iKt    es,   Leine  Uatcr- 
M-hi*rdo  kann  der  Geist  in  sich  st-rzirii,   sei   es  itu  Einzelwesen,    sei  es 
im  Volke,    die  nicht  in  der  Spracii»:  au^^eprji:t  ^%erden.     Diese  Besie- 
hungen  >in<l   aber  nieder;:-Iei:t  in    dtrr  Gr(tiiiiii.it:k   einer  Sprache,   and 
daher  i>t  e>  der  i:ram.iiati»ch»:   l'iiterrlrlit.   Mi.>rän  »Ikt  Srhäler  die  Un- 
terschiede und  Beziehün::rn  dt-r  Wi.Tt<>.  'liiti  •!  :d-irrh  zug'cich  der  Ge- 
danken be!:reift   und  ver>te!it.     Wahrli-  :i.   e-«   Lt^t   ki»ine    kriftigendere 
L'ebung  für  das  Gedäclitni.«,    ai-t  die,    di^z    drr    Seh  Hier   seübt   werde, 
die  ^rdiiiiiKtti>chru  Fonit*:n   in   iiiren   ^e[t.ta   d>j>;:*rprä«rt  Endungen  and 
L'nterschied>.'n    uut'z'if.issen   und    Zii   br\%a'.r»-ti.     Ge^^is,   es   ;;ibc  keine 
stärkendt'fe  Gvmndstik  für  den  Ver.<Ca:id  als  die,  dasz  der  Schäler  aa 
concreten  G*'gensrand   der  Spriche  beziehen   und    unterscheiden ,   d.  h. 
denken  lerne.    Alle  katpi^urten.  io  ^ieie  ihrer  die  Lv^ik  nnd  Metaphy- 
hik  nur  immer  umfassen  kann,  in  der  Graitiniatik  erscheinen  sie  schon, 
aiigeihan  mit  Fleisch  und  Biut.  und  darum  dein  \'er?tändnis  näher.  — 
Dann  von  den  alten  Sprachen  in.^besond'rr».- :  Wie  die  neuere  Zeit  durch- 
drungen wird   von  der  Id«^e  t^*:r  W.ihr!i»-it,  <iie  z'ier-it  tinn  Inhalt  sncht, 
HO  ifi  die  l'i^e  der  Schön hp't  d  i«   Prinrfi»   de-*  Alter^.lmm*.     Den  Grie- 
ch*:n   nnd  dann  auch  den  R<K[.»:rn   ii.ili    »t  Inhtlt  nur   in    der  schönen 
Fiirm  Ulli  d*-t[.<iib  e^en  si.  d   iure  S^i  rauhen  durch  lus  plastisch,  so  desi 
a'M  «Irr  zw»-i:kiii4.<»zi>:*:n  Fiirin  und  durch  die.«eibe  ilSerall  der  Geist,  die 
h\*ni  :»"rv'ir>tr.iMt.    L'rn   nnr  *:i(iz^ine>  an^  d-T  Men^e  des  Stoffs  zn  be- 
rühren.   ^\»i    «lud   die  CisiMforme:i    in    d^n    neueren  .Sjirachen    so  Ter- 
dr.i(ii:i  drjrch  zerrei^zende  Praep<jsittunen.  und  in   d'^r  deutschen  Spra- 
che, die  noch  einen  Reat  davon   hat,   %»ie   sind   sie  so  matt.  *o  nnbe- 
(»tiiniiitp  tu  ver?*chwimrTiend.     pA;;e^en  wie  be^^timmt,    wie  entschieden, 
wie  scharf  treten  <»ie  in  den  alten  Sprachen  hervor.    Wie  wird  bei  ans 
das  Zeitwort   fast   erdrückt    vi-n   der  Last  des  Hiitszeicwurts .   die  wir 
hätien  sollen,  und  mo<:en  m ollen,  untl  dürfen  können.    Ua^^ej^n  b macht 
man  ein  griechisches   Verbuni    nur    in^usehen.    wie   ist   es   voUcndeC  in 
allen  seinen  T heilen.     Lud  die  Svn'ax.     Im  Siegesgange   schreitet   der 
roini.^che  Satz  einh«fr.  krjf'.i«.  s^-druru^en.  eisern  Nt  >*ei~n  Schritt«  aber- 
all  umÜMii  uns  die  Re^el  der  m';iiLäri*ch.;n  Disciplin,  Gesetz.  Ordnung, 
Stellunii.   K\vduiion.  \..r:ij>  .irjwt  die  kratiis'i  MannschafU  den  Rücken 
deikl  ein  Mdiiöiiondes  Wurt.     Es   ist   die  Sprache   de*  ge!?etzjrebenJen 
Ver>tando>.     l  iid  di«««  Sitze  »ie  wachsen  zusainmen  zu  Perioden,  wie 
keine  Spiacbc  »lo  iu  solcher  Voileudun:^  zu    biiden  vennjic:    denn   das 
Forum  hdi  !»vs)  ;;«bM-va,   wo   der  Tum  Staate   begeisterte  Rainer 


Berichto  Aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnangen,  ttatiit.  Nötise«.  515 

freiem  Himmel  die  Herzen  des  weltbeherschenden  Volke  in  seine  Ge- 
danken eingehen  liesz,  nach  seinem  Willen  lenkte.  Anf  dem  Fornm 
und  im  Lager  Mcar  die  Stätte  des  praktischen  Romers,  nnd  deswegen 
ist  er  der  Mann  des  Gesetzes,  der  Staat  ist  sein  Gott.  Wie  in  der 
romischen  Sprache  Gesetz  und  Regel  den  Geist  fiberwiegt ,  so  sind  in 
der  griechischen  Geist  und  Form  aufs  innigste  miteinander  verachlun- 
een  durch  das  Bind  der  Schönheit,  die  das  innere  im  auszeren  abbil- 
det, die  den  Geist  erfaszt  in  der  materiellen  Form.  Wie  in  der  Sta- 
tue des  Phidias  das  Gewand  an  den  Körper  sich  anschmiegt,  und  da- 
durch die  schone  Form  enthüllt,  die  es  zu  verbergen  scheint,  wie  jede 
Stellung  dem  ganzen  zur  Vollendung  dient,  wie  jeder  Faltenwurf  An- 
muth  auflgieszt  über  die  volle  Gestalt,  so  ist  die  griechische  Sprache. 
Durch  die  einende  Kette  der  Participialconstruction  schlingt  die  Pe- 
riode ihren  Reigentanz,  begleitet  vom  Chorgesang  des  melodischen 
Rhythmus;  jede  Nuance  des  Gedankens,  treu  gibt  sie  der  Modus,  das 
Tempus  wieder,  jede  Schattierung  des  Ausdrucks,  wir  finden  sie  im 
Faltenwurf  der  Partikeln.  —  Endlich  zur  Charakteristik  der  Litteratar 
heben  wir  unter  anderem  nur  diese  kurzen  Sätze  noch  hervor:  Livius 
ein  Strom,  der  durch  weite  Ebenen  sich  ergieszt,  in  seinen  Wellen 
spiegeln  sich  die  belebten  Ufer.  Sallust,  ein  Flusz,  der  schäumend 
über  Felsen  herabströrot,  Leidenschaften  malt  er  und  ihre  Gewalt.  Ta- 
citus,  au  der  Scheide  der  Zeiten,  tief  und  voll  Sehnsucht  wie  das  un- 
endliche Meer,  das  zwei  Welten  trennt;  aber  am  Ufer  ächzt  die  Woge, 
nnd  voll  Zerrissenheit  ist  die  Brandung  der  Wellen.  Treu  schildert 
er  das  zerrissene  seiner  Zeit,  aber  in  die  Tiefe  seines  inneren  zieht  er 
die  Bitterkeit  zurück  über  den  Verfall  des  Romervolks.  Historische 
Kunst  lernt  der  Jungling  nur  kennen  und  schätzen  bei  den  Alten.  — 
Die  Schule  ward  im  Sommer  1865  von  221  Schulern  besucht,  von  de- 
nen 16  in  I,  21  in  II,  38  in  III,  39  in  IV,  36  in  V,  46  in  VI,  25  in 
VII,  nnd  im  Winter  1855  —  56  von  236,  von  denen  15  in  I,  24  in  II, 
47  in  Itr,  34  in  IV,  39  in  V,  49  in  VI,  28  in  VII  sassen.  Zur  Uni- 
versität giengen  Mich.  1855  2  und  Ostern  1856  4  Schüler  ab,  zn  prak- 
tischen Berufsarten  16.  [L,] 

MELPonF.]  Zu  den  Prüfungen  am  15n  März  1856  in  der  hiesigen 
Gelehrtenschule  ist  als  Rinladungsschrift  erschienen:  eine  üebenetzung 
dei  *  Cid*  von  Corneille  (Act.  I-III),  mit  einem  Nachwort  von  O. 
Kallsen,  Dr  phil.  (38  S.  4).  Die  Schulnachrichten  (8.  39—45)  er- 
wähnen zunächst  in  bescheidener  Annpruchlnsigkeit  der  25jährigen 
Amtsjubelfeier  des  Rectors  der  Anstalt,  Dr  W.  H.  Koister,  dessen 
gesegnete  Wirksamkeit  unverkennbar  der  Gegenstand  der  allgemeinsten 
nnd  aufrichtigsten  Aufmerksamkeit  gewesen  ist.  Sie  gedenken  anszer- 
dem  der  amtlichen  Besuche  des  holsteinischen  Bischofs  nnd  des  Ober- 
schulinspectors ,  sowie  der  25jährigen  Amtsjubelfeier  des  snderdithmar- 
sischen  Landvogts.  Ueber  den  Mangel  an  Mitteln  zu  naturwissenschaft- 
lichem Unterrichte  wird  Klage  geführt.  Die  Schulerzahl  betrug  im 
ersten  Semester  72,  nemlich  10  in  I,  15  in  II,  13  in  III,  21  in  IV,  13 
in  V;  im  zweiten  64,  nemlich  8  in  I,  16  in  II,  II  in  III,  20  in  IV,  9 
in  V,  von  welchen  3  im  Laufe  des  Semesters  wieder  abgegangen  sind. 
Zur  Universität  ^engen  3  SchSler  ab.  [L.] 

Plö:«.]  Das  Programm  von  1855  enthalt  antier  dem  Jahresbericht: 
Bemerkungen  zur  Texteikriiik  einiger  Stellen  in  Shakespeare' a  Dra- 
men,    Die  Schiilerzahl  war  im  Sommer  1854  86,  im  folgenden  Winter  88, 

Ratzeburg.]  Das  Schulprogramm  von  1854  enthält  vom  Rector 
Bobertag:  die  arithmeiiachen  Orun  doperat  tonen  im  Amchlnue  an 
E.  Heii*  Auf  gaben  »ammlung,  nebst  Jahresbericht.  Das  Programm  von 
1855  vom  Conrcctor  Dr  Aldenhoven:  quae  fuerint  Romanorum  de 
eonditiane  poBt  ohitum  futura  opinienet  vulgare$.    Die  Labrer  find: 


filO  Hnr'itklt  Aber  (fttleUrie  An»liilleD,  VerordDUBgCB,  slatisL  MoliMB. 

J;  f'rof,  /««fidrr,  l>fre<.lor,  2^  llohrrlDg,  Rector,  3)  Dr  Ald«ii- 
hnvfn,  ilonr.f  i)  Hör  ineNtcr,  8ubrertor,  5)  llorabostel,  eratcr, 
0;  If  iiriii«<'n,  x%*<^ilrr  CoMa^orator ,  1)  Tieck.  Dfr  frohere  Sabr. 
Ilnrflrlii  iifl  %var«t  jMicIi.  IHob  PmIot  xa  LaiMhn.  Die  8chalen«hl 
liftruf/  Onirrii  J8:i4  HC),  Ontern  IHiVi  76.  Der  Konig  tod  DanenrnrlL 
{»«•Hilf  tifr  niii  4n  Novbr.  1H.'»4  die  Anntalt.  [I>.] 

l(i'.M>Hfii;iir;.]  Hai«  8c:hiil|iro{;rainiii  von  Ostern  1854  enthalt  tob 
rfilliilioriitiir  l>r  OttMAii;  </c  Antiphonii»  vcrborum  formarumque  9p€- 
t'ir  iitifl  NrtiiilnanliriRlit^n  vom  (/tinrvctor  Hagge,  der  seitdem  lur  Mel- 
ciorfrr  Nfliiilii  \f.rHv.l7X  int.  Die  Lohrer  waren  im  Aprii  1854:  I)  Con- 
rrrior  HnKf(i*,  *1)  Niibrertor  Dr  Ciir.  Marxsen,  3)  Coilaborator  Dr 
Oitnnti.  n  Mnrirtifl,  :>)  Dr  O.  Kaliseii,  6)  Cand.  d.  Theol.  Stilr 
c  kr,  7)  (:hr.  Uli  nur  n.  Si^ildcmi  wurde  die  Schule  zu  einem  'R«aj- 
ItymnnNiiMir  iim{(r.Ntiiilet  und  dafür  am  2Hn  8eptbr.  1854  ein  proTisori* 
Hvhrm  Ntnlul  rrlaNNrn.  Die  Schule  »o\\  aus  9  Klassen,  3  gemeinschaftp 
lli'hrii  UnfrikliiNfirn  (Ni«x(a,  <^uinta,  <^unrta),  3  gesonderten  Oberklaweo 
lilr  dm  CS>mnnNiiil-  (Gcltdirten- )  Unterricht  und  3  Oberklaaaen  fnr 
dm  höhrrm  Knnluntrrrirht  Uc.Hlohen.  Die  Kealprima  ist  noch  nicht  ins 
Lnhm  grtrrim.  Di«*  Ii«'hror  alnd:  I)  Profesi^or  Dr  Frandaen,  Di- 
rroior  (Mtii  Allonn  hirrhrr  hcrufen),  2)  Dr  V  echt  mann,  Rector  (frfi- 
h(«r  C'onrrrior  in  MrldorO,  3)  l«urht,  Tonrortor  (früher  Conrector  ii 
«•liirkNtadi),  4)  Dr  iVlarMiru.  Suhrertor,  ö)  Dr  Ottsen,  erster,  6) 
('und.  MartruK,  Kwrit<»i-,  7)  diud.  Kirch  ho  ff,  dritter,  8)  Cand. 
Nliiikr,  vi««r(rr  ('ollnhorntor,  ^t"^  i\  Haiison.  erster,  10)  Cand. 
\0lhrhr,  it\\riier,  \\)  M.  Lucas,  dritter  Adjunct.  Kiir  den  Unter- 
riihi  im  Minfion .  »richnni  und  turnen  find  Hilf>le.hrer  angestellt«  — 
Daa  »Srhulpro^ramm  Kur  t>Morpriifiin(r  lS.x>  enthalt  vom  Collab.  Kirch- 
holt;  rttif^r  Mfiff*'  üht^r  rfr»  Nt'lifi'iontvntcrrichi  in  den  oberen  JC/ea* 
KC»  i/ri  Uymnotun ,  und  ^om  Dimtor  oinm  l^oricht  über  das  erste 
llalhJAhr  dr»  Krsi)|;\ninaMumA.  /u  Anf^nj;  hatte  dasselbe  106,  im  leta- 
len Wim  er  \M>  Schüler.  Da»  IV^^ramm  xnr  OMerprnfnng  1856  ent- 
hait    10m  Re«Mor  Dr  V  echt  mann:    r^tV  2yiri4tionfauff*ib€  m:(«  +  k) 

Sku\i.%\\u,.'      Da»    l«<»hrerper»ona1   bildeten    nach    den    ProgramB 
\oi«    liili  IS.*«   r  Tivf.  Keetor  Jii  n|:c  i  a  11  s  sen.  :2     Dr  Henrichsea, 

."i^  Dl  Maim«-ii«,  4^*  H  l.oienyen.  .'»'^  l.orenR.  61  Griafeld, 
T^  nii«hril.  '»^  Ji^haii^en;  «'.«>  rn^^ramm  en:hü!l  Ton  Dr  Mani- 
r %\\  *i,  «■f«.i/:f*»  l\«/r«>,v}4  o:it  vi  crrn/tr  V.  i  K>  ward  eiae  nhite 
1  *^hivi»ii'lJe  li:i  einen  rhr.^4«^fL<-^n  evri«  Mr*.  .  t:>r  Srhi..;tiblioihek  a4Ü^ 
••III  iCox«  Nriil  <  ^n  .^V  Thii.  Kri^^ltsin.  Si-r  i:irr7iihl  11,^.  —  Das  Pra- 
{L.<tmiM  ^  ,Mi  I.Vv^  on)hr,'i  %' ic  Kormr:'«  r.r.j^  *<:  r  •  Ser  jLdifcnnien  Abb.  alt 
t*  11  1^:-.-'  .1  r.  n^  t  ;  n  c  ^ske«  «v«  «h;  i^n  .^au.  Ix^.'»  ai'^r^an^ea  uui 
.'.  j  »^S,'i'.,  h!v.  mi  .■*»!  KsiS^^v«;v,  tii:  f  -.r.  4  A ,  h  .-■ :  ^ .  Dr  S.  L  PatcI- 
•.,11  \\r,*,%M  jii\  K4V1/M  »nt:i'vio  4  l^f»'  i*i»nre*'toT  Dr  Hrnricbsea 
^^■i.,-   ««ii  ,'•%*    ^'i««n«.M  i^\  ir!i>j,\.T4:ii.  \-4  -siNit ,   Dl   M  h  n  ; «  c ^  ^'ard  Cea 

V,,  i.»i  \  ,  I  .  MM<n  NmSnsmi^:  .  H  i  •  l;  r  1  l  d>'i:ii»ii;Xiftl  ■  I^er  AdimMt 
1  .■-,.«.  j»  .'«i^  «I«  i^JvM'*«»hT-o:  •!•  i*«v  i^«  inn«v'j:ir  yi.  S<inq  in  WeKr 
,.».*,'...,  ^.  •■M,t,>"  *?••.  ••••ri  \  "i  .  füirvfr.  %^  G  '  >^  i  ^  aar  £  -  M  Bas- 
'•  —  ■    •        *■  '  .  %  V  .        S  :  r        «- »  *r  r      n|i-  f^ir   rw«»i:<(r  Plfdi|pfT 

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-••    *      /—•.,» N'»               X  iin.Vi»    *  f-ui*<    un«   j»  skAUk.,  ia 

4%,.-....    ••,»»..     j«,    r.\i...-^-«.»>  4  i«r    x-w«««\iU     lu  »tw  ^'luiie*  ^>ac   MBd 


Berichte  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnnngen,  Statist.  Notizen.  517 

es  werden  dafür  3  englische  and  1  deutsche  ertbeilt.    Zar  Vergrosze- 
rung  der  Bibliothek  wurden  wieder  500  Thlr.  bewilligt.  [L.]    . 

SiEDKNBÜROEN.]  Programme  Siebenbürgischer  Gymnasien  Tom  J, 
1856.  1)  Programm  des  evangelischen  Gymnasiums  in  Kronstadt  und 
der  damit  verbundenen  Lehranstalten  zum  Schlüsse  des  Schuljahre» 
1855/Ö.  —  Inhalt:  die  Temperatur  der  Quellen  bei  Kronstadt,  von  F. 
fi.  Lnrtz,  S.  3 — 15.  Der  Verf.  bietet  in  den  mitgetheilten  Tempera- 
turbeobachtungen von  neun  verschiedenen  Quellen  einen  brauchbaren 
Beitrag  zu  der  noch  ziemlich  vernachlässigten  physikalischen  Geogra- 
phie des  Burzenlandes.  —  Schulnachrichten  S.  19 — 34.  Der  Unterricht 
ward  am  Gymnasium,  dem  damit  verbundenem  Volksschullehrer-  Semi- 
narium,  der  Real-  und  Volksschule  von  20  ordentlichen  und  4  Neben- 
lehrern ertheilt,  von  denen  jedem  durchschnittlich  18  wöchentliche  Un* 
terrichtsstunden  zufallen.  Die  Gesamtzahl  der  Schüler  betrug  in  den 
acht  Gymnasialklassen  211.  In  den  4  Seminarklassen  14.  In  den  3 
Realschulklassen  119.    In  den  5  Volksschulklassen  382.   Davon  waren: 


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L  im  Gymnasium 

101  iiy 

1Ü5 

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159 

35 

IG 

1 

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2.  im  Seminar! um 

2 

12 

14 

— 

— 

— 

— . 

14 

— 

— 

— ■ 

1 

3.  in  der  Realschule 

9Ü 

27 

72 

17 

8 

1 

1 

20 

74 

24 

17 

4 

2 

4.  in  der  Volksschule 

2K9 

93 

iüCJ 

40 

31 

3 

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53 

■im 

67 

49 

1 

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484 

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499 

HI 

46 

4 

2 

90 

509 

126^02 

ti 

3 

Die  Bibliothek  wurde  theils  durch  Geschenke,  theils  durch  Ankauf  um 
1400  Bände  vermehrt;  auch  das  Naturalien-,  Münz-  und  geographisch- 
physikalische Kabinet  wurde  bereichert.  Schlieszlich  werden  23  wich- 
tigere dem  Gymnasium  während  des  Schuljahres  zugegangene  Ober- 
consistorialverordnungen  im  Auszuge  mitgetheilt.  —  2)  Fünftes  Pro- 
gramm des  evangelischen  Gymnasiums  zu  Bistritz,  herausgegeben  am 
Schlüsse  des)  Schuljahrs  1856.  Inhalt:  a)  etymologische  Forschungen 
auf  dem  Gebiete  des  lateinischen  und  griechischen  von  K.  G.  T  h  ö  n , 
S.  3 — 16.  Der  Verf.  sagt  S.  4:  die  heutige  etymologische  Wissen- 
schaft ist  nicht  mehr  jenes  unklare  aller  soliden  wissenschaftlichen  Ba- 
sis  entbehrende  herumschweifen  in  dem  so  verführerischem  Reiche  des 
Gleichklaifges,  das  sich  in  unserem  Jahrhunderte  durch  seine  Gehaltlo- 
sigkeit und  Lächerlichkeit  hinlänglich  gerichtet  hat,  sondern  sie  ruhet 
auf  nüchterner,  verstandcsklarer  Forschung  usw.  Aber  Etymologien 
wie  die  S.  17  mitgetheilten,  wo  aus  ideiv  mit  Hilfe  von  Sanskrit,  Go- 
thisch  usw.  unser  deutsches :  wissen,  aus  ol%og  Wohnung  u.  i.  wird, 
scheinen  doch  immer  noch  aus  jenem  verführerischen  Reiche  des  Gleich- 
klanges herzustammen«  Weit  glücklicher  als  mit  einzelnen  in  der  Ein- 
leitung aufgestellten  Behauptungen  ist  der  Verf.  in  den  Resultaten  der 
eigentlichen  Abhandlung,  die  uns  über  die  Etymologie  der  Worte: 
(rjyfi^v^  alytctXog,  okti;,  ^£g ,  '^X^^y  ^aleecaa,  cclg  belehrt  und  vun 
allen  die  sich  mit  etymol.  Studien  beschäftigen,  gelesen  zu  werden 
verdient.  Es  steht  zu  wünschen,  dasz  der  Verf.  ferner  Proben  dieser 
seiner  Studien  mittheilt,  b)  das  romische  Landheer  von  seiner  Grün-^ 
dnng  bis  zum  Untergange  der  Republik  von  C.  F.  Sintenis,  S.  16 
—  27.  Der  Verf.  theilt  ein  Bruckstück  aus  seiner  demnächst  erschei- 
nenden Geschichte  des  romischen  Kriegswesens  für  Gymnasien  mit.  — 
Schulnachrichten  S.  29—35.  Der  Unterricht  ward  von  14  Lehrern  mit 
je  16  wöchentlichen  Standen  im  Durchschnitt  ertheilt.    Zwei  derselben, 


518  Bariehle  Aber  gelehrte  Aaitalleo,  VerordDUDgen,  atatifl.  Nolisea. 

Philologen,  worden  im  Laafe  des  Schaljahres  aus  Tabingen  and  Halle 
berufen.  Die  acht  Gymnasialkiassen  worden  von  149  Schalem  besocht, 
als:  135  Deatschen,  7  Romanen  and  2  Slawen.  125  waren  evangeli- 
schen, 19  römisch-  und  7  griechisch-katholischen  Bekenntnisses.  —  Die 
Bibliothek  wurde  theils  dorch  Geschenke,  theils  dorch  Anschaffungen 
verhäitnismäszig  kostspieliger  Werke  um  270  Bände  vermehrt.  Dann 
worden  500  6.  C-M.  Eur  Errichtung  einer  Schälerbibliothek  von  bei» 
laufig  370  Banden  verwendet.  An  Zeitschriften  bezog  das  Gymnasium 
J3,  davon  8  in  Deutschland  erscheinende.  Abiturienten  1865  5,  1856  4. 
Die  Errichtung  eines  Volksschullehrerseminars  und  einer  dreiklassigen 
Realschule  ist  im  Werke.  —  3)  Programm  de»  cvang.  Gymnanums  in 
8ekä»zburg  und  den  damit  verbundenen  Lehranstalten  am  Schlu»»^ 
de»  Schuljahre»  1855/6.  Inhalt:  Geschichte  der  siebenburgischen  Ho- 
spitäler bis  zum  Jahre  1625,  von  Friedrich  Müller,  S.  I — 65.  Eine 
fleiszige  Compilation,  die  jedoch  nur  ein  höchst  iocales  Interesse  be- 
anspruchen kann.  Des  Verifassers  archivarische  Quelienstodien  verdie* 
Ben  alle  Achtung  und  Anerkennung.  —  Schalnachrichten  S.  66—86.  Am 
Gymnasium  und  Seminarium  unterrichteten  16  Lehrer  mit  durchschnitt- 
lich 16  wöchentlichen  Stunden.  Die  Anzahl  der  Schüler  betrug  im 
Gymnasium  136,  im  Seminarium  72  (von  denen  wol  ein  groszerTheii 
gleichzeitig  das  Gymnasium  besuchte?),  von  diesen  sind: 


im  Gymnasium 
-  im  Semitiirlam 


bl .  79 

7    65 


IIH 

68 


4 
TT 


ii<» 

66 


3l  j3 
-\    4 


Die  Gymnasialbibliothek  wurde  durch  Geschenke  und  AnschafTangen 
nicht  wesentlich  vermehrt;  die  Bibliothek  für  die  Schüler  wuchs  um 
34  Nummern.  Die  Münz-,  Antiquitäten-  and  Siegelsammlung  wurden 
jede  um^  einige  Stücke  vermehrt;  am  meisten  geschah  für  die  natoree- 
schichtliche  Lehrmittelsammlung.  —  Unterrichtsgegenstande  an  alTen 
drei  Gymnasien  waren:  deutsch,  lateinisch,  griechisch,  ungarisch,  he- 
braeisch,  Religion,  Geschichte,  Mathematik,  Physik,  Naturgeschichte, 
Geographie  und  philosophische  Propaedeutik,  Rechnen,  Schreiben,  Gre- 
sang  und  Musik.  Alle  drei  Gymnasien  sind  öffentliche,  können  staats- 
gültige Zeugnisse  ausstellen,  beziehen  jedoch  als  evangelische  vom 
Staate  keine  Subventionen,  sondern  werden  aus  den  von  der  sachsi- 
schen Nation  in  Siebenbürgen  dotierten  Fonds  unterhalten.  Die  Be- 
soldungen der  Lehrer  belaufen,  sich  durchschnittlich  auf  600  G.  C-BL 
Wermesch.  Prof.  Sinteni$. 


Personaln  achrichten. 

Anstellungen,   Beförderungen,   Versetzongen« 

Bentz,  pr,  Lehrer  an  der  Kadettenschule  in  Berlin,  als  ord.  Prof.  d. 

Physik  nnd  Astronomie  an  die  Hochschule  zn  Bern  berofen. 
Cattaneo,  Ant.,  SuppL,  zum   wirklichen  Gymnasiallehrer  in  Lodi 

ernannt. 
Codazzi,  Delph.,  SuppL,  zum  wirklichen  Gjrmnasiallahrer  in  Pavia 

ernannt. 


Femonalnaeliriclifefi;  frl9 

Colombel,  H.,  Gymnasiallehrer ,   zum  Conr.  am  Crymn.  zn  Hadamar 

ernannt 
Cornelius,  Dr  K.  Ad. ,  Prof.  d.  Gesch.  an  der  Univ.  zs  Bono ,  znm 

Univ. -Prof.  in  München  ern. 
DeDtschmann,  Dr^  Gymnasiallehrer,   zum  Conr.  am  Gymn.  zu  Ha-* 

damar  ^rn. 
Ebenböclc,  AI.,  Assisrtent  am  Gymn.  zu  Dillingen ,  zum  Stndieniehrer 

am  Gymn,  zu  Eichstädt  ern. 
Eickemeyer,  Dr,  Gymnasiallehrer ,   znm  Conr.   am  Gymn.  zu  Weil- 
burg ern. 
Franchi,  Prz,  Snppf. ,  zum  i^irklichen  Gymnasiallehrer  zu  Cremona 

ernannt. 
Galle,   ao.  Prof.  und  Dir.   der  Sternwarte   an   der  Univ.  zu  Breslau, 

zum  ord.  Prof.  der  Astronomie  in  der  philosophisch.  Pacultat  ders. 

Hochschule  ern.  ^ 

Geier,  Dr,  College  an  d.  lat.  Sehule  im  Waisenhaiise   zu  Halle,  zum 

Dir.  am  Gymn.  zu  Treptow  ern. 
Gieser,  Joh.,  Schulamtscand. ,  zum  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Trier 

ernannt. 
Halm,  Dr  Karl,  Rector  am  Maximiliansgymn.  zn  München,  zum  Dir. 

der  Hof-  und  Staatsbibliothek  und  ord.  Prof.  der  klass.  Philologie 

an  der  Univ.  das.  ern. 
Kopke,  Dr  E.,  Prof.  in  Berlin,  zum  Dir.  der  wiederhergestellten  Rit- 
terakademie in  Brandenburg  ern. 
Langner,  Dr  Frz,  Lehrer  am  Gymn.  zu  Sambor,    als  wirkl.  Lehrer 

an  d.  akad.  Gymn.  zu  Lemberg  versetzt. 
Mancini,  Dr  Jon..  SuppK,  zum  wirkl.  Gymnasiall.  am  Obergymn.  za 

Padaa  befördert. 
Morowski,  Dr  And r.,  Gymnasiall.  zu  Tamow,  als  wirkl.  Lehrer  an 

d.  akad.  Gymn.  zu  Lemberg  vers. 
Mrniak,  Frz,   Lehrer  und  provis.  Dir.  des  Gymn.  zu  Sambor,  zum 

vnrkl.  Lehrer  des  2n  Gymn.  zu  Lemberg  ern. 
Nickel,  Wilh. ,  Priest.,  Studienlehrer  am  Gymn.  zu  Eichstadt,  zum 

Prof.  am  Gymn.  zn  Neuburg  an  d.  Donau  ern. 
Planck,  Dr  K.  Ch.,  provis.   Verweser  der  6.  Kl.  am  Gymn.  zn  Ulm, 

definitiv  zu  ders.  Stelle  mit  Titel  und  Rang  eines  Profess.  der  8n 

Stufe  ern. 
Polanski,  Bron.,  Profess.  der  Religionswissenschaft  an  der  früheren 

phiiosoph.  Lehranstalt  zu  PrzemysI,  zum  wirkl.  Gymnasiallehrer  in 

Sambor  ern. 
Riccardi,  Jos.,  Suppl.,  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  in  Sondrio 

ernannt. 
Rodecki,  C,  Gymnasiall.  zn  Tamow,   zum  wirkl.  Lehrer  am  akad. 

Gymn.  zu  Lemberg.  ern. 
Scarenzio,  Pet.,  Suppl.,  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  in  Mantua 

ernannt. 
Scheibner,  Dr  ph.  Wilh.,  Privatdocent,  zum  ao.  Prof.  in  der  philos. 

Fac.  d.  Univ.  zu  Leipzig  ern. 
Schwarz,   Dr  K.,  Prof.   th.  in  Halle,    zum  Oberconsistorialrath  und 

Oberhofprediger  in  Gotha  ern. 
Seck,  Joh.  Ferd.,  wissenschaftl.  Hilfslehrer,  zum  ordentl.  Lehrer  am 

Gymn.  in  Essen  ern. 
Sobieski,Stan.,  Gymnasiall.  zu  Sandec,  znm  wirkl.  Lehrer  am  2ten 

Gymn.  zu  Lemberg  ern. 
Stanecki,  Thom. ,  Suppl.  am  Gymn.  zu  PrzemysI ^  zum  wirkl.  Gym- 
nasiall, mit  einstweiliger  Verwendung  in  Lemberg  ern. 


520  Personalnaoliriehton. 

Stawarski,  Ign.,  Lehrer  und  proY.  Dir.  des  Gyrnn.  n  fitandM,  vm 

wirkl.  Lehrer  am  akad.  Gymii.  tu  Lemberg  ern. 
Steblecki,  Dr  Alb.,  lum  wirkl.  Lehrer  am  2ten  Qjmn.  m  Leaberg 

ernannt. 
Sybel,  Dr  Heinr.  K.  Rudolph,  Prof.  der  Geacb»  in  Marbiir|r,  mam 

Univ. -Prof.  in  Manchen  ern. 
Tomaachek,  Ant.,  Gymnaaiall.  in  Cilli,  xum  wirkl.  Leluner  an  Stca 

Gymn.  zu  Lemberg  ern. 
Trzakowski,  Bron.,  GymnaaialL  in  Tar ao w.  sam  Lehr«r  an  Gyai. 

in  Krakau  ern. 
Wild,  Piet.,  Assistent  am  Gymn.  za  AachaiTeobiirgy  zum  Stadiealek- 

rer  am  Gymn.  za  Passaa  ern. 

Praediciert: 

Cassel,  Paul,  Privatgelehrter  in  Erfurt,  als  Prof. 

Dramann,  Dr  W.,  ord.  Prof.  in  Königsberg,  als  Geb.  Reg.«Rath. 

Pensioniert; 

Gaugengigl,  Ign.,  Stadienlehrer  am  Gym.  zu  Passao. 

Gestorben: 

Am  2.  Jul.  zu  Wien  Dr  Jos.  Job.  Mich.  Salomon,  Prof.  d. bihcna 

Mathematik  am  kk.  polytechn.  Institut,  correspond.  MitgL  d.  kais. 

Akad.  d.  W.,  geb.  am  22.  Febr.  1793  zu  Oberdarrbach  bei  Wfin- 

bürg. 
Am  6.  Jul.  zu  Ems  der  franz.  Unterrichtsminister  FortonL 
Am  10.  Jul.  zu  Turin  Conte  Amadeo  Avogrado   di  Quaragiii 

Director  der  naturwissenschaftl.  Kl.   an  der  das.  Akademie  im  87a 

Lebensj. 
Am  15.  Jul.  in  Heidelberg  Geh.  R.   und  ord.  Professor  der  Matll.  Dr 

Schweins,   über  70  Jahre  alt. 
Am  22.  Juli  zu  Pesth  Dr  Job.  Henfner,  ord.  Prof.   des  roa.  Beehta 

an  der  dort.  Univ.,  im  57n  Lebensj. 
Am  24.  Jul.  zu  Breslau  Dr  Ang.  W.  Ed.  Tli.  Hentscbel,  ord^Prst 

in  der  medicin.  Fac.  der  das.  Univ.,  geb.  zo  Breslau  aa  Hk  Dec 

1790. 
Am  9.  Aug.  in  Kiel  Etatsrath  Prof.   Dr  W.  Ed.  Wilda,  feb.  im^ 

bekannt  als  Germanist. 
Am  11.  Aug.   in   Dresden   Artillerieoberlieutn.  Hugo  y.  Bote^   dirA 

geogr.,  geschichtl.,  mathem.  Schriften  bekannt. 
Am  19.  Aug.  in  Straszbarg  der  Prof.  der  Chemie  Gerhardt. 
Desgl.  im  Aug.  der  berühmte  Geolog  Constant  PreTOst,  Bfitgl»  dff 

Akademie  der  Wissensch.  in  Paris. 


Zweite  Abtheilung 

herausgegebea  tob  Rttdolph  Dietsch. 


42. 

Neueste  Sammlung  ausgewählter  griechischer  und  römischer 
Classiker,  verdeutscht  von  den  berufensten  üebersetzem. 
17e  Lieferung.  Des  C.  Sallustius  Crispus  Werke ^  übersetzt 
und  erläutert  von  Dr.  C.  Cless,  Prof.  am  k.  Gymnasium  zu 
Stuttgart,  Bitter  d.  0.  d.  W.  Kr.  1.  Bändchen:  der  Krieg 
gegen  Jugurtha.    Stuttgart,  Hoffmann  1855.    12  Bogen  kl.  8« 

Die  allgemeinen  Gesichtspunkte,  auf  welche  die  Bearbeitung  der 
nachfolgenden  Blätter  geführt  hat,  sind,  für  einen  gröszeren  Leser- 
kreis berechnet,  bereits  an  einem  anderen  Orte  besprochen.  Es  möge 
mir  gestattet  sein,  die  leitenden  Gedanken  dieses  Aufsatzes  in  kurzem 
zusammenzufassen,  soweit  sie  als  Grundlage  für  die  Anzeige  und  Be- 
urtheilung  der  vorliegenden  besonderen  Arbeit  hier  vorangestellt  wer- 
den müssen. 

Dasz  fortwährend  neue  Uebersetzungen  der  griech.  und  röm. 
Klassiker  erscheinen,  hiefür  ist  nicht  nur  ein  äuszeres,  sondern  wirk- 
lich ein  inneres  Bedürfnis  vorhanden.  Solche,  welche  Gymnasialstu- 
dien gemacht  haben ,  aber  denn  doch  nicht  Zeit  finden  oder  nicht  mehr 
im  Stand  sind  schwerere  Schriftsteller  in  der  Ursprache  zu  lesen, 
noch  mehr  aber  diejenigen,  welche  eine  realistische  Bildungslaufbahn, 
gemacht,  Männer  vom  Kriegswesen,  höher  strebende  Leute  der  Indu- 
strie u.  drgl.  brauchen  solche  Hilfsmittel.  Die  Philologie  ist  es,  wie 
andere  Wissenschaften ,  diesem  Leserkreis  und  nicht  minder  sich  sel- 
ber schuldig,  auf  diesem  Wege  aus  der  Studierstube  und  Schule  her- 
aus ins  gröszere  Leben  zu  treten  und  namentlich  die  Fortschritte,  wel- 
che die  Alterthumsknnde  ihrer  realen  Seite  nach  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten gemacht  hat,  an  der  Hand  der  übersetzten  Originale  dem 
gröszeren  Publicum  nahe  zu  legen,  so  z.  B.  den  Gewinn,  welchen  die 
Kenntnis  der  öffentlichen  und  häuslichen  Zustände  des  Alterthums  den 
gründlichen  Forschungen  unsrer  Tage,  die  Erdkunde  auch  der  alten 
Welt  den  Reisen  und  Unternehmungen  der  Neuzeit  verdankt.  Und  auch 
abgesehen  davon  darf  die  Philologie  sich  der  Pflicht  nicht  entziehen 

y.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed,  Ud.  LXXIV.  fffLU.  37 


522  C.  Cle88:SaUaitiii8. 

immer  wieder  den  Weltkampf  mit  den  Meisterwerkeii  des  klaniseheii 
Aherlliums  durch  immer  vollendetere  Uebertragung  la  besieheo.  Uad 
dieses  kann  sie  auch  Dank  der  immer  grflndlicheren  Erforschnag  der 
alten  Sprachen  —  wie  viel  Gewinif  kann  der  jetzige  Uebersetier  eiaei 
Lateiners  z.  B.  schon  aus  Nagelsbachs  Stilistik  und  Seyfferts  scbolce 
latinae  ziehen!  —  sowie  der  entschieden  fortgeschrittenea  Eotwiekliig 
der  deutschen  Prosa,  in  der  theiVs  die  Nachwirkung  unserer  Klassi- 
ker ,  namentlich  Goethes ,  theils  das  Studium  filterer  SprschdeDknale 
deutlicher  als  vor  etwa  dreiszig  Jahren  zu  verspQren  ist. 

Zu  diesem  immer  neuen  AVellkampf  ist  aber  die  Philologie  aiefc 
deshalb  berufen,  weil  ebenso  darüber  wie  übersetzt  werden  nana, 
unsere  Zeit  ein  immer  sichreres  Bewuslscin  bekommen  hat    Anf  thao- 
retischcm  Wege  ist  dies  gefördert  worden  durch  Schleicrmachera  be- 
rühmte Abhandlung,  auf  praktischem  durch  die  unabliaaige  Bemahaag 
unserer  Nation ,  nicht  allein  griechische  und  römische  Klassiker,  soa- 
dern  auch  die  Meisterwerke  der  verschiedensten  Völker  und  Zelten  iai 
deutsche  zu  übertragen,    und  zwar  so,    dasz  die  Uebersetsnng  aar 
Nachbildung  wird  und  fremde  Nationalitaten  und  fernliegende  Zdlea, 
so  weit  es  immer  möglich  ist,  in  ihren  Eigen thümlichkeiten  laf  aas 
wirken,  fast  möchte  man  sagen,  in  ihren  Sprachen  dnreh  denlsebaa 
Mund  zu  uns  reden  dürfen.    Roth  hat  den  Standpunkt,  welehen  nu- 
mehr  eine  gute  Uebersetzung  in  Beziehung  auf  Anbeqnemnng  an  das 
fremde  Original  einzunehmen  hat,  in  dem  Vorwort  zn  seiner  Uebar- 
sctzung  des  Tacitus  in  dieser  Sammlung  ebenso  scharf  als  einfaeh  be- 
zeichnet.  Aber  wie  einerseits  die  Forderungen  in  BetrelT  der  Trene  ia 
der  Nachbildung  scharfer  bestimmt  worden  sind,  so  müssen  nnd  kön- 
nen andererseits  an  einen  Ucbersetzcr  in  unserer  Zeit  immer  sirengare 
Ansprüche  gemacht  werden  auch   hinsichtlich  der  Gewandtkeit  nad 
Freiheit  im  deutschen  Ausdruck.    Wir  verlangen  allerdings  eine  Naab- 
bildung,  aber  eine  solche,  die  in  keiner  Weise  steif,  achwerfllUg,  na- 
gcfügig,  sondern  durchweg  natürlich  sei  und  deshalb  auch  nnsehaldi- 
ger  scheinende  Graecismen  und  Latinismen,  alles,  was  bloss  phraseo^ 
logische  Wendungen,  gleichsam  Arabesken  der  fremden  Spraehe  sind, 
nicht  allein  zu  vermeiden,  sondern  auch  jedesmal  durch  die  reehtan 
Ersatzmittel  wiederzugeben  wisse,  einzelnen  harmlosen  Liebhabereisn 
unserer  Sprache  am  rechten  Platze  Kaum  gönne ,  z.  B.  der  Vorliaka 
für  Assonanzen  und  Allitterationen  namentlich  in  sprüchwörtliehen  le- 
densarten ,  desgleichen  den  Forderungen  des  Wolklangs  nnd  des  üaH 
gehörige  Rechnung  trage,  kurz :  deutsch  rede,  so  weit  die  Pfliehl,  das 
fremde  zu  seinem  Recht  kommen  zu  lassen,  es  imm^r  erlanbl.    Lnlkera 
Bibelübersetzung  bleibt  hiefür  ein  unübertrefTliches  Moster.    Man  lese 
einen  von  ihm  übersetzten  Psalm ,  wie  klingt  er  hebraeisch ,  nnd  doeh 
wie  befriedigt  fühlt  sich  zugleich  unser  Sprachgefühl ! 

Von  dieser  ^neuesten  Sammlung  ausgewählter  griech.  und  röm. 
Klassiker,  verdeutscht  von  den  berufensten  Ucbersetzem'  llsst  sieh 
im  allgemeinen  ohne  Gefahr  des  Widerspruchs  versichern,  dasi  ein 
eifriges  und  lobenswerthcs  bemühen,  nach  diesem  in  der  Thal  nieht 


C.  Cless:  SaUottiot.  523 

niedern  Ziele  zu  ringen  nud  auch  diesen  strengeren  Anforderungen 
gerecht  zu  werden,  hier  unverkennbar  vorliegt.  Die  zum  Theil  durch 
frühere  Leistungen  wol  bekannten  Namen  der  Uebersetzer  lassen  dies 
auch  zum  voraus  nicht  anders  erwarten.  Es  sind  nach  der  Reihenfolge 
der  bis  jetzt  erschienenen  Theiie  dieser  Sammlung:  Donner  (Aeschylus 
und  Homer),  Prantl  (Plato),  Eyth  (Plutarch),  Herbst  (Terentin^),  Mö- 
rike  und  Notter  (Theokril),  Ciess  (Sallustius),  W.  Binder  (Horatius), 
Zeising  (Xenophons  Memorabiiien),  Karsch  (Aristoteles  fiber  die  Theiie 
der  Thiere) ,  Kdliner  (Ciceros  Tusculaneu),  Minkwitz  (Aristophanes). 
Angekündigt  ist  noch  von  Gerlach :  Livius,  und  von  demselben  bereits 
erschienen:  die  Geschicbtschreiber  der  Römer,  übersichtlich  darge- 
stellt; wie  auch  von  Prantl:  Uebersicht  der  griechisch-römischen  Phi- 
losophie. 

So  sehr  demnach  dieser  Unternehmung  ein  guter  Fortgang  nicht 
nur  gewünscht,  sondern  versprochen  werden  darf,  ist  doch  zunächst 
der  VerlagshandluDg  ans  Herz  zu  legen,  im  Interesse  der  Sache  einige 
Wünsche  ins  Auge  zu  fassen  und  zu  berücksichtigen.  Der  Zusatz  auf 
dem  Titel  Won  den  berufensten  Uebersetzern'  hat  für  die  Kritik  gera- 
dezu etwas  herausforderndes ,  sollte  aber  auch  zur  Schonung  der  Ge- 
wissen beseitigt  werden;  um  dem  Misbrauch  durch  Schüler  eher  vor- 
zubeugen und  den  Augen  der  älteren  Leser  zu  lieb  dürften  gröszere 
Lettern  und  gröszeres  Format  zu  wählen  sein ;  hinsichtlich  der  Anmer- 
kungen musz  ein  mehr  gleichmäsziger  Plan  festgestellt  und  eingehal- 
ten werden,  da  bis  jetzt  ein  weit  auseinandergehender  Unterschied 
zwischen  den  einzelnen  Verfassern  herscht,  der  ein  sicheres  allen  Ar- 
beiten zu  Grunde  liegendes  Princip  gar  sehr  vermissen  läszt..  In  nega- 
tiver Hinsicht  läszt  sich  wol  ein  solches  ohne  Mühe  durch  den  auch 
für  den  Unterricht  so  richtigen  Kanon  geben,  der  Uebersetzer  solle 
sich  zur  strengen  Pflicht  machen,  eine  Anmerkung  beizufügen,  nicht 
da ,  wo  eine  solche  gegeben  werden  kann,  sondern  wo  sie  gegeben 
werden  mnsz. 

Die  eben  ausgesprochenen  Wünsche  hat  vornehmlich  auch  die 
Uebersetzung  des  Sallust  von  Cless  nahe  gelegt,  deren  Besprechung 
der  Hauptgegenstand  dieser  Zeilen  sein  soll.  Wer  die  umfassenden 
und  erschöpfenden  Artikel  des  gelehrten  Herrn  Verf.  in  der  Realency- 
clopaedie  f.  d.  kl.  AW.,  vor  allem  die  Aufsätze  über  Topographie  und 
Geschichte  von  Nordafrika  kennt,  wird  es  ganz  in  der  Ordnung  finden, 
auch  in  den  Anmerkungen  zu  dieser  Uebersetzung  des  Jugurtha  von 
S.,  welcher  im  Laufe  dieses  Jahres  die  des  Catilina  und  der  Fragmente 
folgen  soll,  einer  sehr  eingehenden  Behandlung  der  sachlichen  Seite 
des  Schriftstellers  zu  begegnen  nnd  bei  näherer  Einsicht  die  Ueber- 
zeugung  gewinnen ,  es  sei  hier  in  dieser  Hinsicht  wirklich  etwas  be- 
deutendes und  abschlieszendes,  eine  Leistung  von  bleibendem  Gewinn 
geliefert  worden ,  auf  die  fortan  die  Erklärer  Sallnsta  mit  Sicherheit 
sich  berufen  und  weiter  bauen  können.  Mit  so  bienenartigem  Samm- 
lerfleisz  ist  ja  als  Zugabe  zu  der  Uebersetzung  alles  zusammengetra- 
gen, was  ältere  wie  neuere  und  neaeste  Forscbnng  aber  die  Oertlich- 

87* 


524  C.  Cless:  Sallosdas. 

keit,  die  einzelnen  Persönlichkeiten  and  Vorfälle  dieses  alten  afrika- 
nischen Kriegs  im  grossen  and  kleinen  za  Tage  gefördert  hat.  Insbe- 
sondere ist  der  Gewinn,  den  die  Erklärung  der  Jugartha  aas  den  Be- 
richten und  den  damit  zusammenhängenden  Untersuchungen  Ober  die 
Kriegs-  und  Friedensunternehmungen  der  Franzosen  in  Nordafrika  za 
ziehen  hat,  in  gewissenhaftester  Weise  ausgebeutet.  Diese  Gegenden 
werden  hier  so  zu  sagen  an  der  Hand  der  neuen  Eroberer  für  die  phi- 
lologische Wissenschaft  erobert.  Selbst  der  begeistertste  Friedens- 
apostel musz  zugeben,  dasz  in  diesem  Falle  wenigstens  der  Krieg  aach 
für  friedliche  Bestrebungen  Nutzen  gebracht  hat.  Diese  Seite  der  vor- 
liegenden Arbeit  ist  somit  der  vollsten  Anerkennung  werth,  and  diese 
höchst  schätzbaren  Beiträge  zur  Aufhellung  der  betreffenden  Geschichte 
und  Geographie  können  allen,  die  in  Schule  oder  Schrift  mit  Sallnst 
zu  thun  haben,  nicht  dringend  genug  empfohlen  werden.  Auch  that 
diesem  Verdienste  an  und  für  sich  der  Umstand  keinen  Eintrag,  dass 
allerdings  der  Umfang  der  Anmerkungen  in  diesem  Theile  der  neoen 
Sammlung  von  Uebersetzungen  unverhältnismäszig  gröszer  geworden 
ist  als  bei  den  übrigen  Mitarbeitern.  So  lange  kein  fester,  verabrede- 
ter Plan  über  Masz  und  Art  der  erläuternden  Anmerkungen  vorliegt, 
ist  der  einzelne  Bearbeiter  hierin  nur  sich  selbst  verantwortlich,  es 
sei  denn  dasz  gesagt  werden  mäste,  er  habe  nicht  blosz  relativ,  sondern 
absolut  des  guten  zu  viel  gethan  und  den  oben  aufgestellten  Kanon 
über  das  ^kann  und  musz'  überschritten 

Dieses  Bedenken  nun  aber  erhebt  sich  in  der  That  beim  Anblick 
dieser  umfassenden  im  kleinsten  Druck  beigegebenen  Anmerkungen. 
Mehr  als- ein  Leser  könnte  versucht  werden  in  die  Worte  einznstin- 
men,  die  der  Praeceptor  des  Job.  Jak.  Mos  er  diesem  seinem  Schaler 
zurief,  wie  er  ihm  einmal  als  Zugabe  zu  dem  wöchentlichen  Exercitium 
hundert  lateinische  Disticha  brachte:  Tu  es  molesie  sedulus.  Dies  um 
so  mehr,  wenn  wir  uns  als  Leser  dieser  Uebersetzung  die  im  Eingang^ 
bezeichneten  Klassen  der  Gesellschaft  denken.  Wol  kann  anser  Ueber- 
setzcr  mit  Recht  sagen:  es  hat  mir  niemand  vorgeschrieben,  dasz  ich 
nnr  diese  Leser  ins  Auge  zu  fassen  habe ,  ich  erkannte  als  meine  Auf- 
gabe, anch  dem  gelehrten  alles  das  zu  bieten,  was  er  zum  sachlichen 
Verständnis  dieses  Schriftstellers  braucht  und  was  er  selbst  nicht  so 
leicht  beibringen  kann,  wenn  er  nicht  Zeit  und  Lust  hat,  ebenso  wie 
ich,  jahrelange  Studien  auf  diese  Einzelnheiten  der  Geschichte  nnd 
Ortskunde  zn  verwenden ;  ich  wollte  Lehrern  und  Schülern  zugleich 
die  Pflicht  nahe  legen,  diese  so  oft  vernachlässigte  Seite  der  Erkliran|^ 
ernstlicher  und  schärfer  ins  Auge  zu  fassen,  aber  auch  die  Mittel  dar- 
bieten ,  dieser  Pflicht  zu  genügen. 

Diese  Rechtfertigung  müssen  wir,  wenn  wir  billig  sein  wollen, 
insoweit  anerkennen,  als  nicht  in  Abrede  zu  ziehen  ist,  dass  in  einer 
nicht  gar  fern  hinter  nns  liegenden  Zeit  bei  dem  Schulunterricht  nnd 
in  Commentaren  über  dem  sprachlichen  Interesse  das  sachliche  zusehr 
in  den  Hintergrund  gedrängt  worden  ist.  Anch  musz  zugegeben  wer- 
den ,  dasz ,  wenn  anch  bei  diesen  Uebersetzungen  jene  Leser  aas  dem 


C.  Cless:  Salluslius.  525 

LaiensUode  in  erster  Linie  Berücksichtigung  verdienen,  die  andere 
Klasse,  die  denn  doch  auch  und  zwar  in  bester  Absicht  nach  diesen 
exegetischen  Hilfsmitteln  greift,  Lehrer  und  studierende  nemlicb, 
gleichfalls  erwarten  darf,  auch  ihre  Bedürfnisse  befriedigt  zu  sehen, 
soweit  es  sich  mit  dem  Hauptzwecke  vereinigen  läszt.  Diese  letztere 
Klasse  ist  sicherlich  für  vieles ,  was  hier  manchem  anderen  überflüs- 
sig dünkt,  nicht  wenig  dankbar. 

In  diesem  Betracht  mnsz  also  die  Ausstellung  über  das  zuviel 
der  Anm.  dahin  beschränkt  werden,  dasz  es  immerhin  wünschenswerth 
wäre,  es  möchte  das,  was  nur  für  den  Fachgelehrten  von  luteresse  ist, 
also  nicht  einmal  kritische  Rechtfertigungen  der  Uebersetzung  und 
sprachliche  Notizen,  sondern  auch  das  vielfach  in  so  groszer  Ausführ* 
liohkeit  beigebrachte  Material  zu  Begründung  der  Resultate  in  sachli- 
chen Fragen  von  denjenigen  Bemerkungen  gelrennt  sein,  welche  für 
alle  Leser  nothwendig  sind.  Alles  was  zur  ersteren  Art  gerechnet 
werden  musz,  gehört  in  abgesonderte  Excurse  am  Schlüsse  des  Buchs; 
die  letzteren  kurzgefaszten  Beigaben  sollten  lieber  unter  dem  Texte 
stehen.  Aber  auch  so  ist  des  guten  noch  zu  viel.  Es  Gndet  sich  nem- 
lieh  manches  bemerkt,  was  für  den  nicht  gelehrten  Leser  überflüssig 
ist,  der  Leser  vom  Fach  aber  in  seinen  Commentaren  zu  suchen  und 
zu  finden  gewohnt  ist,  sei  es  mehr  sprachlicher  Art,  oder  seien  es  auf 
den  Inhalt  bezügliche  Citate  aus  anderen  Schriftstellern,  endlich  auch 
solches,  was  zwar  interessant,  aber  selbst  für  den  gelehrten  zu  viel 
ist,  sofern  er  eben  nur  den  Sallust,  allerdings  auch  nach  seiner  topo- 
graphischen und  geschichtlichen  Seite,  verstehen,  nicht  aber  zugleich 
Geschichte  und  Geographie  von  Nordafrika  studieren  will.  Beispiels- 
halber nenne  ich  als  in  jedem  Betracht  zuweitgehend  nicht  weniges  in 
dem  Excurs  zu  cp.  18,  namentlich  gleich  den  Anfang  mit  der  Angabe 
der  zum  Tbeil  abenteuerlichen  Einfälle  über  den  Namen  Afrika.  Zu 
den  Anmerkungen  ersterer  Gattung  aber,  welche  der  Uebcrsetzer  ge- 
trost den  Commentatoren  allein  oder  auch  den  deutlich  genug  spre- 
chenden Worten  seiner  eigenen  Uebertragung  hätte  überlassen  dür- 
fen, rechnen  wir  z.  B.  cp.  1,  not.  3;  2,  not.  2.  3.  5.  3,  not.  3;  4,  not.  1. 
6;  7,  not.  5  (wo  anszerdem  ein  Druckfehler  zu  bemerken  ist);  8,  not. 
2.  4;  9,  not.  1.  not.  7;  31,  not.  14.  17.  18.  20;  85,  not.  4.  17  u.  v.  a. 
Auch  findet  sich  nicht  selten  z.  B.  19,  not.  1  usw.  ein  bloszes  Citat 
einer  neueren  Schrift,  das  entweder  ganz  wegzulassen  wäre,  oder, 
wenn  es  berücksichtigt  werden  muste,  lieber  in  Kürze  nach  seinem 
Inhalt  angegeben  sein  sollte,  zumal  wenn  die  Stelle,  wie  hier  der 
Fall  ist,  wirklich  einer  Erläuterung  bedarf. 

Es  wird  somit  den  Werth  dieser  Seite  der  schätzbaren  Arbeit 
sicherlich  erhöhen,  wenn  bei  einer  neuen  wol  nicht  lange  ausbleiben- 
den zweiten  Auflage  die  Gewissenhaftigkeit  und  Gründlichkeit,  die 
nichts  wesentliches  übergeht  und  welche  vollkommen  anerkannt  wer- 
den musz,  eine  sicherer  gezogene  Grenze  findet  an  der  gleichfalls 
sittlichen  Tugend  der  Zurückhaltung  und  Selbstverleugnung,  die  aus 
guten  Gründen  nicht  alles  bieten  mag,  was  lieh  bieten  läszt,  und  auf 


526  C.  Cless:  SaUaitini 

das  blosz  interessante  verzichtet   znm  frommen  dei  wirklich  mofik- 
wendigen. 

Wie  in  den  Anmerkungen  so  ist  auch  in  der  Uebersetsang  ein  ge- 
wisser Beigeschmack  von  Schulgelehrsamkeit  —  wenn  ich  stark  redei 
soll  —  das  einzige,  was  sich  mit  Grund  an  derselben  anssefien  Hast. 
Nicht  als  ob  die  in  den  erläuternden  Abhandlungen  zum  Thell  wahr- 
nehmbare Schwerfälligkeit,  welche  hier  durch  das  Streben  naek  KSne, 
und  aus  der  Scheu,  irgend  etwas  zur  Sache  gehöriges  zu  ttbergehea, 
erklärt  und  entschuldigt  werden  kann,  im  Texte  selbst  sich  besonders 
auffällig  machte.  Wol  aber  zeigt  sich  das,  was  ich  meine,  da  and  dort 
in  einer  Aengstlichkeit,  die  auch  da  sich  zu  strenge  an  das  Original 
anschlieszt  und  dasselbe  silhouettenartig  nachzeichnet,  wo  nach  dea 
obigen  Grundsätzen  eine  freiere  Bewegung,  oder  wie  die  Maler  sagea, 
breitere  Pinselführung  nicht  blosz  erlaubt  sondern  geboten  iai,  and  wo 
bei  alier  Treue,  die  eine  Nachbildung  haben  musz,  doch  eine  Emand- 
palion  von  phraseologischen  Wendungen  des  fremden  Idioms  Plats  la 
greifen  hat.  Es  gibt  auch  gewisse  mehr  unschuldig  scheinende  Lati- 
nismen, die  einem,  der  sich  in  LectQre  lateinischer  und  griechiacber 
Schriften  mehr  als  in  der  von  klassisch  deutschen  Mustern  nmgetriebea 
hat,  unbewnst  und  zum  Theil  noch  von  der  Schule  her  ankleben.  So 
ist  ja  auch  Luther,  der  in  der  Hauptsache  eine  so  kerndeatsche  Spra- 
che führt,  bekanntlich  mancher  Latinismus ,  selbst  Accusative  mit  den 
Infinitiv  bei  Verben  des  sagens  entschlupft,  oder  auch  z.  B.  *des  an- 
dern Tages,  viel  Volks  das  —  gekommen  war,  da  es  hörete'  Job.  13,  IS, 
und  Paul  Gerhardt,  der  echtdcutschc  Sänger  hat  doch  in  selaeai 
bekannten  Morgenlied  einen  starken,  im  deutschen  unzuläazigen  Naeii« 
klang  lateinischer  Diction  in  den  Worten: 

So  wollst  du  nun  vollenden 

Dein  Werk  an  mir  und  senden, 

Der  mich  an  diesem  Tage 

Auf  seinen  Händen  trage. 
Derlei  nun  wird,  zumal  in  einer  Uebersetzung,  in  unsern  Tagen  einen, 
der  ein  durch  viele  Leetüre   mustergilliger  Schriftsteller   gebildelei 
deutsches  Ohr  hat  und  dieses  fort  und  fort  übt,  nie  und  nimmermehr 
in  die  Feder  kommen  dürfen;    hier  ist  das  Gebiet,   wo  der  Uebar- 
setzer  den  Genius  seiner  Muttersprache  frei  musz  schalten  lassen, } 
sich  seine  Uebertragung  wirklich  natürlich  ausnehmen  soll  und 
auch  jede  Spur  von  Gewaltthat  gegen   die  eigene  Sprache  soll  Tor- 
schwunden  sein.    Selbst  eine  gegen  die  sonstige  Treue  absteohenda 
Freiheit  und  Keckheit  ist  hier  und  sofort  auch  noch  in  einen  weiteren 
Falle  am  Platz,  nemlich  wo  sichs  um  wirkliche  Stich-  und  Schlagwör- 
ter handelt,  die  besonders  bei  technischen  Begriffen  eben  einzig^  das 
volle  Bild  dessen  geben,  was  der  Schriftsteller  sagen  will,  und  wiren 
es  selbst  Fremdwörter,  denen  natürlich  das  vollgiltige  Bürgerreoht 
nicht  fehlen  darf.   Es  gibt  Fälle,  wo  Wörter  wie:  Gapitulation,  Intri- 
guen,  Kahinetsjustiz  u.  drgl.   in  einer  Uebersetzung  nicht  entbehrt 
werden  können.   Gleichfalls  hat  diese  freiere  Bewegung  des  denisehen 


C.  Cless :  Sallastius.  527 

Sprachgeistes  sieh  geltend  zu  machen  und  das  fremde  Gewand  abzu- 
streifen in  solchen  Sätzen,  wo  das  deutsche  Ohr  einen  ihm  besonders 
zusagenden  Siibenfaii  und  Wolklang  erwartet,  so  besonders  ])ei  man- 
chen sprichwörtlichen  Redensarten.  Endlich  und  mit  dem  bisherigen 
zusammenhangend  ist  der  Salz,  dasz  eine  Uebcrsetzung  treu,  genau, 
correct  deutsch  sein  kann,  und  doch  ein  gewisses  etwas  vermissen 
laszt,  wenn  nemlich  der  Leser  spürt,  dasz  zwar  alles  gut,  aber  denn 
doch  eben  nicht  mit  dem  besten,  trelTendslen  Ausdruck,  vornehmlich 
nicht  mit  dem  ganz  entsprechenden  Bilde,  das  gerade  das  deutsche 
Sprachgefühl  verlangt,  wiedergegeben  ist,  oder  wenn  er  gar  selber 
das  eine  und  andere  Mal  während  des  lesens  einen  noch  zusagenderen 
und  bezeichnenderen  Ausdruck  findet.  Wir  erinnern  daran,  wie  so  oft 
französische  Sprachmeister  einem  sagen:  ^das  ist  schon  recht  und 
sprachlich  richtig,  aber  man  sagt  eben  nicht  so'.  Dies  musz  auch  oft 
unsern  Ueberselzern  zugerufen  werden,  oder  auch  in  anderer  Version: 
^es  gienge  wol,  aber  es  geht  nicht'. 

Mit  diesen  Andeutungen  sind  die  schärferen  Forderungen    be- 
zeichnet, die  wir  dermalen  an  eine  wirklich  ganz  befriedigende,  ich 
möchte  sagen,  völlig  behaglich  stimmende  und  eben  deshalb  klassisch 
zu  nennende  Uebcrsetzung  machen  müssen.    Man  sieht  aber  wol,  wie 
schwer,  ja  sehr  schwer  nicht  allein  die  Befriedigung  dieser  Ansprüche 
sondern  auch  die  Aufgabe  ist,  nunmehr  an  einer  eben  vorliegenden 
Ucbersetzung  nachzuweisen,  wo  sie^s  recht  und  ganz  recht  gemacht 
hübe,  wo  nicht,  und  wie  da  und  dort  das  bessere,  als  der  Feind  des 
gegebenen  guten,  zu  lauten  hätte.    Kegeln  und  Gesetze  lassen  sich  in 
diesen  feineren  Regionen  keine  mehr  aufstellen ,  der  oft  auch  irrege- 
hende subjective  Geschmack  und  Takt  ist  hier  einziger  Gesetzgeber 
und  Richter,  weswegen  der  ßeurlheiler  niemals  mehr  als  hiebei  ent- 
fernt sein  wird,  auch  wo  er  tadelt,  sein  Urlheil  als  unumstösziich  und 
völlig  maszgebend  hinstellen  zu  wollen.  Dies  um  so  mehr,  da  der  be- 
urtheilte  Uebersetzer  sehr  oft  sich  damit  rechtfertigen  wird,  er  habe 
eben  auch  absichtlich  der  deutschen  Sprache   gröszere  Zumutungen 
gemacht,  um  theils  das  röjnische  Gepräge,  theils  die  Eigenthümlich- 
keit  seines  Schriftstellers  nicht  verloren  gehen  zu  lassen.    Und  wer 
möchte  bestreiten ,  dasz  überhaupt  die  Grenzen  zwischen  berechtigtem 
und  unberechtigtem  auf  diesem  Gebiet  flieszende  sind.    Doch  glaube 
ich  nicht  unbescheiden  zu  erscheiucn,  wenn  ich  zur  Veranschaulichung 
dieser  allgemeinen  Sätze  und  darnach  zu  bemessender  Beurlheilung 
dieser  Uebersetzung  Sallusts  nunmehr  einige  Belege  folgen  lasse ,  wo 
ich  glaube,  dasz  diesen  zuletztgenanuten  "Rücksichten  zu  viel  Rech- 
nung getragen  ist,  mit  beigefügter  eigener  Uebertragung,  in  der  die 
bezeichneten  Mängel  zu  vermeiden  und  eine  dem  dentschen  Ohr  zusa- 
gendere Form  zu  finden  versucht  ist.  Zuvor  jedoch  musz  die  Versiche- 
rung ausgesprochen  werden ,  dasz  im  Durchschnitt  und  in  den  weitaus 
meisten  Fällen  die  Uebersetzung  von  Cless   auch  diesen  strengsten 
sprachlichen  Forderungen  entspricht.   Als  besonders  gelungen,  durch 
völlig  deutschen  Ton  und  durch  Natürlichkeit  neben  der  Treue  und 


528  C.  Cless:  Saliustias. 

Wörllichkeit  ausgezeichnet,  möchte  ich  mehrere  Partieeo  der  Rede 
des  Morius  cp.  85  hervorheben,  z.  B.  §  9  10  47  48. 

Zu  den  unschuldigen  Latinismen  nun  aber,  die  zu  vermeiden  wa- 
ren, rechne  ich  gleich  im  Anfang  des  ersten  und  zweiten  Kapitels  die 
wörtliche  Uebersetzung  von  genus  humanum.  Das  deutsche  Sprachge- 
fühl verlangt  meines  Erachteus  folgende  Uebersetzung  cp.  1  $  1.  ^Mil 
Unrecht  klagen  die  Menschen  über  ihre  Natur,  dasz  dieselbe  bei  ihrer 
Schwäche  und  kurzen  Lebensdauer  vom  Zufall  mehr  als  von  des  Mea- 
sehen  eigener  Tüchtigkeit  abhängig  sei';  cp.  2  §  1 :  ^gleichwie  nenlicb 
der  Mensch  aus  Leib  und  Seele  zusammengesetzt  ist,  so  richten  sich 
die  Dinge  insgesamt  und  alle  unsere  Bestrebungen  theils  nach  der  leib- 
lichen, theils  nach  der  geistigen  Natur'.  Wenn  nun  Cless  begiiuit: 
*ohno  Grund  beklagt  sich  das  Menschengeschlecht  über  seine  Natar, 
dasz  dieselbe  —  —  geleitet  werde',  und  2  l  sagt:  *denn  wie  das 
Geschlecht  der  Menschen  zusammengesetzt  ist  —  so  richtet  sich 
alles  in  den  Dingen  und  alles  in  unsern  Bestrebungen  theils  nach  des 
Leibes,  theils  nach  der  Seele  Natur';  so  musz  ich,  so  unbedeulead 
die  Verschiedenheiten  lauten,  doch  fragen,  ob  denn  eine  Nothweadig- 
keit,  eine  unerlüszlicho  Uücksicht  auf  das  römische  Colorit  und  «af 
Sallust  vorlag,  welche  zu  dieser  mehr  wörtlichen,  aber  dem  deutsches 
Ohr  weniger  natürlich  klingenden  Uebersetzung  gezwungen  hftlte,  uod 
musz  diese  Frage  verneinen,  weil  ich  glaube,   dasz  genui  hier  reis 

phraseologisch  steht,  wie  auch  dasz  die  Inversion  ^dcs  Leibes 

Natur**  durch  nichts  geboten  ist. 

Aus  ähnlichen  Gründen  sagt  mir  3  <$  1  2  die  Uebersetzung  nicht 
völlig  zu;  sie  lautet:  ^wcil  ja  doch  weder  dem  Verdienste  Aas- 
zeichnungcn  erlhcilt  werden,  noch  auch  selbst  diejenigen,  welche 
durch  Schliche  zu  solchen  gelangten,  durchaus  gesichert  oder 
deshalb  mehr  geehrt  sind.  Denn  mit  Gewalt  Vaterland  oder  des- 
sen Untcrl hauen  regieren ,  ist ,  gesetzt  auch,  man  vermöge  es  Qud 
man  heile  Gebrechen,  eben  doch  etwas  bedenkliches,  zumal  da  alle 
Stautsumwülzungen  Mord,  Aechtung  und  andere  feindselige  Hassre- 
geln befürchten  lassen'.  Ich  möchte,  namentlich  mit  Vermeidung 
des  unser  Sprachgefühl  leicht  verletzenden  *  weder  —  noch',  und  mit 
einigen  sonstigen  Aenderungen  die  Worte  also  fassen:  'weil  es  ja 
nicht  die  Tüchtigkeit  ist,  der  die  Auszeichnungen  zu  Theil  werden,  aid 
auch  diejenigen,  welche  auf  unrechtem  Wege  eine  solche  davonge- 
tragen, nicht  ohne  weiteres  sicher  sind  oder  desto  mehr  in  Achtung 
stehen.  Denn  mit  Gewalt  unter  seinen  Mitbürgern  oder  in  den  Provin- 
zen eine  Ilerschafl  üben,  ist,  gesetzt  auch  man  vermöge  es  oder  helfe 
Gebrechen  ab,  doch  etwas  miszliches,  zumal  da  Staatsumwalsungen 
jeder  Art  zu  Mord,  Aechtung  und  andern  Feindseligkeiten  das  Signal 
geben  (oder :  Vorboten  sind  von  —)'. 

In  Kap.  4  §  2  ist  der  Plural  aieblingsarbeiten'  statt  «Beschifli- 
gung,  Fach'  nicht  gerechtfertigt;  §  3  möchten  die  Worte:  *  diejeni- 
gen, welchen  es  als  die  gröste  Betriebsamkeit  erscheint,  das  Volk 
schmeichlerisch  anzusprechen  und  mit  Gastereien  um  seine 


C.  Cless:  SalluaÜus.  529 

Ganst  za  werben'  natürlicher  und  kürzer  also  lauten:  ^welche  die 
gröste  Tliatigkeit  darin  erblicken ,  dasz  man  dem  groszen  Haufen  den 
Hof  macht  und  durch  Gastereien  um  Gunst  buhlt.'  Ibid.  §  4  Masz  ich 
vielmehr  mit  Fug  und  Recht,  als  aus  Trägheit  meine  Ansicht  ge- 
ändert habe,  und  dasz  von  meiner  Musze  dem  Staat  ein  gröszerer 
Gewinn  zuflieszen  werde ,  als  von  der  Geschäftigkeit  anderer',  eher 
mit  Beachtung  des  Wortspiels  und  ohne  das  steife  ^  vielmehr  —  als' 
etwa  so :  ^  dasz  ich  aus  guten  Gründen ,  nicht  aus  Arbeitscheu  meine 
Grundsätze  geändert  habe,  und  dasz  dem  ganzen  mehr  Gewinn  aus 
meiner  Geschäftlosigkeit  erwachsen  werde,  als  aus  der  Geschäftigkeit 
anderer'.  —  Ebendaselbst  §  6  ist  es  besonders  das  uns  von  der  latei- 
nischen Schule  her  anhafiende  fatale  ^zwar',  woran  ich  Anstosz  neh- 
me, sofern  es  hier  in  einem  Satz  nicht  weniger  als  dreimal  sich  ein- 
geschlichen hat,  während  es  höchstens  bei  illa  cera  zulässig  ist.  Sehr 
richtig  bemerken  neuere,  dasz  ^der  Lateiner  in  Ermangelung  des  Ar- 
tikels oftmals  ille  gebrauche,  wo  wir  mit  dem  Artikel  ausreichen.' 
Ebenso  richtig  ist  wol  aber  auch,  dasz  dieses  Pronomen  etwas  steifes 
hat  und  nur  in  ganz  bestimmten  Fällen,  z.  B.  im  entschiedenen  Gegen- 
satz von  *  dieser'  oder  im  Sinn  von  *der  bekannte'  —  aber  auch  da 
mit  Masz  —  angewendet  werden  darf.  Man  achte  darauf,  wie  selten 
in  gut  geschriebenen  deutschen  Buchern  dieses  Fürwort  uns  begegnet, 
und  wird  dann  auch  im  Unterricht  die  ungehörige  Anwendung  dessel- 
ben abzuschneiden  beflissen  sein.  Ein  weiteres  Beispiel  aus  dem  vor- 
liegenden Buch  bietet  cp.  86  §  2:  ^je  höher  der  ganze  Staat  als  Cou- 
sulat  und  Praetur  steht,  mit  desto  gröszerer  Sorgfalt  musz  man  jenen 
verwalten,  als  um  diese  sich  bewerben.'  Hier  ist  *  jener' selbst  im 
Gegensatz  zu  ^dieser',  also  in  einem  sonst  erlaubten  Falle,  kaum  zu- 
lässig, wol  deshalb,  weil  die  ganze  Correlation  etwas  hartes  hat  und 
ein  zu  starker  Ton  auf  das  Fürwort  fällt.  In  gleicher  Weise  verhält 
es  sich  cp.  9i  §  1,  wo  offenbar  die  Wiederholung  des  Eigennamens  — 
was  überhaupt  das  deutsche  Sprachgefühl  öfter  verlangt,  als  das  latei- 
nische —  das  richtigere  wäre. 

Auch  14  §  4:  ^aber  weil  eben  Redlichkeit,  auf  sich  beschränkt, 
nicht  genug  Sicherheit  hat,  und  Jugurtha^s  Betragen  nicht  in  meiner 
Hand  lag,  so  nehme  ich  zu  euch  meine  Zuflucht,  versammelte  Vä- 
ter, die  ich,  was  für  mich  das  traurigste  ist,  eheir  belästigen  musz, 
als  ich  euch  dienen  kann',  hat  manche  Härten,  die  leicht  zu  beseiti- 
gen waren,  etwa  in  folgender  Weise:  ^weil  aber  ja  Redlichkeit  an  und 
für  sich  zu  wenig  Sicherheit  gewährt,  und  ich^s  nicht  in  meiner  Hand 
hatte,  wie  J.  sich  benahm,  habe  ich  meine  Zuflucht  zu  euch  genom- 
men, ihr  Männer  vom  Senat  insgesamt,  und  musz,  was  mir  das  pein- 
lichste ist,  euch  lästig  werden,  bevor  ich  euch  nützlich  werden 
konnte.'  —  Ebendaselbst  wäre  §  10  pesUs  wol  natürlicher  durch  *  Un- 
hold'—  oder  *Geiszel'  wiedergegeben,  als  dnrch  das  seltene  *  Verder- 
ber'. Das  lateinische  Wort  ist  ja  dem  römischen  Ohr  so  ganz  geläufig, 
dasz  der  Uebersetzer  auch  nach  einem  gewöhnlichen  Bilde,  das  zu- 
gleich stark  genug  ist,  greifen  mnss.  —  Auch  $  23  lauten  die  Worte : 


530  C.  Cless:  Sallnslins. 

«wülirend  bei  mir  selbst  Üben  und  Tod  von  fremder  Macht  abhin^l' 
sehr  hart.  Jedenfalls  sollte  es  heissen:  für  mich  selbst,  für  meinft  Per* 
son ;  oder  aber  (s.  meine  Recens.  der  Ausgabe  des  Sallust  von  R.  Ja- 
kobs in  diesen  Blatt.  Bd.  LX\  S.444):  Vdbrcnd  mir  die  MaöhtbefagBU 
über  Leben  und  Tod  benommen  ist'. 

Kann  wol  gesagt  werden  31  §  7:   *dero  sie  trachten  nadi  der 
Krone  vorwarfen'  ohne  Artikel?  Ist  ebend.  §  8  ^die  Strafe,  welche  ohae 
Bürgerblnt  nicht  vollzogen  werden  kann,  sei  mit  Recht  vollstreckt'  fir 
den  deutschen  Leser  verständlich?  Die  schwierige  Stelle  erfordert  Bei- 
nes erachten»  nicht  nur  eine  Erläuterung,  sondern  aaoh  die  Ueber- 
setzung  mus2,  wenn  ich  recht  sehe,  etwa  so  lauten:  ^es  mag  meinet- 
wegen alles  rechtlich  gothan  hciszen,  wobei,   wenn  man  es  ahadea 
wollte,  Bürgerblut  flieszen  muste'  (d.  h.  es  mag  ungestraft  hingehei, 
was  sie  nur  immer  gethan  haben ,  weil  es  genau  betrachtet  nur  dnrcli 
blutvergieszen  geahndet  werden  kann).  —  Ebendaselbst  glaabe  ieh  ( 
9  zweierlei  Schullatinismcn  bemerken  zu  müssen.     Cless  Abersetst: 
*doch  war  es  ihnen  nicht  genug,  solcherlei  Uebeltliaten  ungestraft  r§^ 
übt  zu  haben  (so  auch  $  22);  daher  wurden  zuletzt  Gesetie,  enre 
Iloheitsrechte,  alles  göttliche  und  menschliche  (aaoh  so  31  f 
20)  an  die  Feinde  verrathen';  es  musz  wol  hciszen:    *doch  haben  sie 
nicht  g^nug  daran,   derlei  zu  verüben;   dahcjr  wurde  snletak  —  alle 
menschliche  und  göttliche  Ordnung  (oder:  alles,  was  vor  Gotl  aad 
Menschen  recht  ist)  —  preisgegeben.'  —  Ebendaselbst  $  10  wird 
vielleicht  ^Kaub'  statt  etwas  durch  Raub  gewonnenes,  was  ieh  TOrsie- 
heu  möchte,  durch  Luthers:   er  hielt  es  nicht  für  einen  Raob,  Gotl 
gleich  zu  sein,  zu  rechtfertigen  sein.  —  31  §  15  sollte  ^nur'  nach  'heisif 
stehen.  —  Den  deutschen  Ton  und  angenehmen  Flusz  vermiase  ieh 
auch  $  16  und  meine,  ^für  Gewaltherschaft  entflammt  sein'  rieehe  ^ 
derum  nach  der  Schule.    Ich  möchte  etwa  so  andern :  ^lieszet  ihr  ( 
die  Freiheit  ebenso  angelegen  sein,  wie  die  genannten  Leute  mit  I 
ser  Leidenschaft  nach  der  Herschaft  streben,  wahrlich  nnser  Geaieia- 
wesen  luge  nicht  im  argen  und  die  Aemter  eurer  fluid  wfiren  in  dea 
Händen  der  besten ,  nicht  aber  der  frechsten.'  —  Ferner  §  17  (rgl.  f 
6)  scheint  mir  ^haben  sich  getrennt'  nicht  der  passende  Aosdraeh 
für  sccessio  (eher:  Entweichung)  zusein,  und  nitemini  besser  dnreh 
*alle  Kraft  aufbieCon'   als  durch  ^ringen'  übersetzt  zu  werden.— 
Hart  ist  für  das  deutsche  Ohr  %  18:    ^das  zu  thun  stünde  weniger 
euch  an,  als  jenen  es  zu  dulden'.  —  Wenn  §  25  es  heisst:  *in 
Hause  und  im  Felde  wurde  das  Gemeinwesen  feilgeboten'  nnd  ieh  da- 
gegen mit  Entschiedenheit  behaupte,  es  müsse  statt  des  Imperf.  biet 
das  Perf.  stehen,  und  somit  die  Stelle  etwa  so  lauten:  ^daheim  and  iai 
Felde  ist  die  Sache  des  Staats  zur  feilen  Waare  geworden^,  and  wenn 
ich  beifüge,  dasz  ebenso  vielfach  in  dieser  Rede  z.  B.  §  2  $  9  ond 
gteichermaszcn  in  anderen  Stellen  besonders  der  Reden,  vor  allem  ia 
der  des  Narins  weit  hfiullger  das  deutsche  Perfectum  verwendet 
werden,  so  erfordert  dies  einige  weitere  Worte;  denn  die  Sache  ist 
kitzlich  und  das  Gebiet  des  deutschen  Perfcctums  musz  gegendber 


G.  Cless:  SallastiliB.  5S1 

nicht  wenigen  Schriftstellern  unserer  Sprache  Förmlich  vertheidigt,  wo 
nicht  gar  erst  erobert  werden.  Doch  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Sache 
vollständig  zu  erörtern  und  zu  begründen;  also  möge  es  an  einigen 
Thesen  genügen,  die  ich  mir  erlaube  zur  Beherzigung  oder  aber  — 
zur  Widerlegung  vorzulegen,  und  worin  zugleich  der  Beweis  enthal- 
ten sein  mag,  warum  ich  auch  von  unserm  Uebersetzer  in  diesem 
Punkto  nicht  völlig  zufrieden  gestellt  bin. 

Einige  Thesen  über  das  deutsche  Perfectum,  J)  Wenn  ein  Va- 
ter, nach  der  Zahl  seiner  Kinder  gefragt,  antwortet:  *ich  habe  nur 
noch  zwei  Kinder,  zwei  andere  starben';  so  ist  dies  fast  ein  ebenso 
grober  Sprachschnitzer,  als  wenn  er  gesagt  hfltte:  zwei  sterbeten.  2) 
Nicht  ebenso  fehlerhaft,  aber  doch  immer  unzulässig  ist  das  Imperfecl 
in  Stellen ,  wie  die  angeführten  aus  dieser  Uebersetzung.  3)  In  Reden 
nemlich  und  Briefen ,  ja  selbst  in  gewissen  Fällen  in  rein  erzählender 
Darstellung  musz  sehr  oft  das  deutsche  Perfect  eintreten,  wo  in  der 
Praxis  sehr  viele  Schriftsteller,  besonders  norddeutsche  unbefugter 
Weise  dem  Imperfect  seine  Stelle  lassen,  obgleich  in  Betreff  der  Theo« 
rie  il;re  Sprachlehren,  z.  B.  Heyse  18  A.  S.  220,  das  richtige  geben. 
4)  Unter  den  Philologen  macht  in  dieser  Beziehung  ganz  besonder« 
Niebuhr  eine  rühmliche  Ausnahme,  von  dem  also  auch  in  dieser  Be- 
ziehung viel  zu  lernen  ist.  5)  Auch  von  uns  Schwaben,  so  wir  Binders 
das  richtige  Sprachgefühl  unseres  Dialects  walten  lassen,  sollten  hie- 
rin die  Bewohner  anderer  deutschen  Provinzen  lernen,  so  wenig  es 
andererseits  zu  verantworten  ist,  dasz  unsere  Mundart  gar  kein  Im- 
perfect hat.  6)  Das  deutsche  Perfect  ist  nemlich  immer  zu  setzen,  wo 
bei  einer  Aussage  aus  der  Vergangenheit  eine  mehr  oder  minder  be- 
wüste,  auch  gemütliche  Beziehung  auf  die  Gegenwart  des  redenden 
oder  erzählenden  hervorgehoben  werden  soll.  7)  Diese  Beziehung  kann 
grammatisch  gefordert  sein,  und  dann  fällt  allerdings  der  Fehler  mehr 
in  die  Augen ,  wenn  z.  B.  ein  Imperfect  neben  einem  Praesens  steht 
(wie  Thes.  1),  aber  es  sind  sehr  häufig  auch  verstecktere  Gründe  mehr 
rhetorischer  oder  psychologischer  Art ,  die  in  gleicher  Weise  die  Se- 
tzung des  Perfects  gebieten.  8)  Am  häufigsten  möchte  dies  stattfinden 
in  Reden  nnd  Briefen  (Thes.  2),  und  zwar  um  so  mehr,  je  weniger 
durch  Reflexion  vermittelt,  je  naturwüchsiger  die  Ansdrucksweise  des 
sprechenden  ist,  also  bei  Sallust  in  den  R^en  des  Memmius,  Marina, 
Cato  mehr,  als  in  der  Caesars. 

Nun  nur  noch  weniges  dieser  Art,  wo  meines  erachtens  dem 
deutschen  Sprachgefühl  zn  lieb  einzelne  Wendungen  bezeichnender, 
flieszender,  zum  Theil  auch  wörtlicher  sich  bilden  lieszen,  z.  B.  73  § 
4  möchte  ich  vorschlagen :  ^  bei  beiden  waren  nicht  die  persönlichen 
Vorzüge  oder  Mängel,  sondern  der  Parteigeist  das  maszgcbende' 
statt  des  allgemeinen  und  minder  gefügigen:  ^es  wirkten  hinsicht- 
lich beider  mehr  Parteineigungen  als  — .* 

Der  Anfang 'der  Rede  des  Marins  86  §  1:  Mch  weisz  wol,  dasz 
die  meisten  nicht  dieselbenEigenschaften  geltend  machen, 
wenn  sie  bei  euch  sich  am  einen  Oberbefehl  bewerben,  nnd  wenn  sie 


532  ^-  ^^^^  *  SaUn8li|i8. 

ihn  erlangt  haben  und  nun  wirklich  fähren'  klingt  mir  nicht  einfach 
und  kurz  genug;  ich  würde  lieber  sagen:  ^  daaz  die  meislen  sich  ai- 
ders  geben  bei  der  Bewerbung  usw.*  So  ist  auch  $  3  'welch'  ba- 
deutenden  Auftrag  ich  kraft  eurer  so  grossen  Geneif  kheit 
tiberkommen  habe'  gewis  im  Mundo  des  Narius  weniger  natarlioh,  ab 
etwa :  ^wie  gewaltig  das  Geschäft  ist,  das  ich  mit  dem  Amt  eurer  ffra- 
szen  Huld  übernehme',  abgesehen  davon,  dasz  (s.  anten)  daraeff»- 
hallen  werden  musz ,  dasz  der  hiußg  vorkommende  politische  Bogrif 
von  heneficium  überall  wo  möglich  mit  demselben  Aosdrack  roi 
gleichfalls  diplomatischer  Färbung  wiederzugeben  ist.  Ebendas.  liagt 
§  5  wol:  *die  suchen  eine  Blösze  an  mir  zu  finden'  näher,  als:  'sie fl- 
ehen eine  Gelegenheit,  mich  anzufallen';  §  6  scheint  *in  die  SeUii- 
gen  fallen'  natürlicher,  als  ^gefangen  werden';  §7  'ich  haheaidi 
so  betragen' flieszender,  als:  Mchwarso';  §  i§ 'desto  höher« 
Adels  ist  er',  minder  gesucht  für  das  doch  gewöhnliche  genm^omm  all, 
*  desto  wohlgeborener  ist  einer  zugleich'.  Auch  'aber  eine  ift- 
wahre  (Ucde)  siegt  mein  Leben  und  Benehmen'  §  27.  ist  kein  Htlr- 
lieber  Ausdruck,  eher:  'ist  erhaben  — oder:  widerlegt  os«r.'  —  Kau 
man  §  30  sagen :  ^ich  habe  mir  meinen  Adel  durch  Anatrengangsi  lad 
Gefahren  (wol  eher:  Strapazen)  erworben'?  —  Die  Ueberiulmf 
<^  34  '  ich  will  nicht  meinen  Ruhm  durch  seine  Anstrengung  erkaalBB' 
verwischt  den  schönen  Gegensatz,  der  um  so  mehr  beizubehallea  ww, 
da  die  Vorliebe  für  Gegensätze  als  ein  charakteristischer  Zag  SallaaU 
ohne  Noih  nicht  unberücksichtigt  bleiben  darf,  daher  eher  wol :  'ich  will 
nicht  mir  den  Ruhm  nehmen,  ihnen  die  Mühe  lassen'.  —  'Ein  TOlks- 
thünilichcr  Oberbefehl'  §  3r>  hat  mir  etwas  undeutsches,  eher:  'wo 
burgerfreundliche  (oder  volksthümliche)  Art,  den  Oberbefehl  sa  Mh 
rcn';  desgleichen  ist  $  37  ^ Nacheiferer'  kaum  zulassig.  —  $  40eat- 
spricht  ^Tutzwesen'  wol  bestimmter  dem  Plural  tnunditiaSj  als  das 
einfache  Tutz';  und  §  41  war  durch  Luthers  Vorgang  die  UeiieTselWHf 
'denen  der  Bauch  und  das  schnödeste  Glied  des  Leibes  ihr  Gott  ist' 
nahe  zu  geboten  für  das  farblose  und  ungewöhnliche:  'ergehea 
dem  Bauche'.  Gerade  derlei  Anklänge  an  ganz  stehend  gewordeit 
Redensarten  und  Bilder  thun  dem  deutschen  Leser  so  wol  ond  er  aÜMit 
dafür  viele  Opfer  in  den  Kauf,  die  sonst  dem  fremden  Origiaal  ge- 
bracht werden  müssen.  In  dieselbe  Klasse  gehört  93  $  3,  wo  'LmI 
nach  einem  Abentheuer'  doch  viel  näher  läge,  als  'die  Begierde, 
etwas  schwieriges  auszurichten'.  —  'Das  Leben  vollstrecken'  (86 
$  49)  geht  aber  wol  gar  nicht  an. 

Dies  die  Bemerkungen,  die  mir  bei  der  Durchsicht  dieser  Oe- 
bersetzung  als  besonders  beachtenswerth  erschienen.  Han  sieht,  die 
Ausstellungen  betreffen  nicht  eben  erhebliche  Punkte;  das  meiste 
möchte  manchem,  der  nicht  gewohnt  ist,  fortwährend  vielea  und  ga- 
tcs  in  der  Muttersprache,  und  zwar  mit  besonderer  Aufmerksamkeit 
auf  ihre  stilistischen  Eigenthümlichkeiten,  zu  lesen  und  aach  selbst  ss 
schreiben,  kaum  aufgefallen  sein,  wenn  es  nicht  namhaft  gemacht  wor- 
den wäre.    Darin  liegt,  sollte  ich  glauben,  der  beste  Beweis  der  An- 


C.  Cless;  Sallnstiof.  5S3 

erkennung  der  Arbeit  im  ganzen.  Bei  einem  lobenden  Zeugnis  soll 
man,  sagt  die  Weltklugheit,  vorzaglich  das  beachten,  was  nicht  darin 
steht;  gleichermaszen  mag  der  Leser  hinter  diesen  Aasstellongen  leicht- 
lieh  and  mit  Recht  das  Bekenntnis  vermuten,  es  sei  nichts  wesentliches 
auszusetzen,  namentlich  sei  es,  was  ja  doch  die  Hauptsache  ist,  mit 
der  Genauigkeit,  Treue  und  Sorgfalt  dieser  Uebertragung.sehr  gut  be- 
stellt. Und  dem  ist  auch  so.  Der  Stellen  find^  ich  im  Verhältnis  we^- 
nige,  wo  ich  nicht  blosz  formelle,  sondern  die  Auffassung  des  Textes 
und  den  Inhalt  selbst  betrelTendö  Aenderungen,  sonach  wirklich  uner- 
läszliche  Berichtigungen  für  nöthig  (alten  möchte.  So  z.  B.  möchte  ich 
noch  einmal  (rergl.  meine  Rec.  S.  442)  das  Wort  für  Sallusi  ergrei- 
fen ,  um  ihn  hinsichtlich  der  1  §  4  angenommenen  Anakoluthie  zu  ver- 
theidigen  und  abersetzen :  Venu  aber  der  Mensch  als  Sclave  verkehr« 
ter  Neigungen ,  auch  nach  kurzem  Genüsse  der  verderblichen  Lust,  der 
Trägheit  und  Sinnlichkeit  anheimfällt'.  Ob  5  §  1  die  Auffassung  von 
primum  ^jetzt  erst'  die  richtige  ist,  musz  ich  bezweifeln.  Auch  scheint 
es  denn  doch  genauer,  wenn  14  §  1  und  sonst  statt  des  herkömmlichen 
Versammelte  Väter'  für  patres  conscripti  gesagt  wird:  *Ihr  Männer 
vom  Senat  insgesamt',  um  theils  an  den  Ursprung  des  Titels  zu  erin- 
nern, theils  die  uns  immerhin  fremdartige  Benennung  ^  Vater'  zu  ver- 
meiden, da  zwar  von  den  Vätern  der  Stadt  auch  bei  deutschen  Schrift- 
stellern gesprochen  wird,  aber  als  Anrede  gefaszt  und  als  förmlicher 
Amtstitel  gehraucht  das  Wort  sich  weniger  gut  ausnimmt;  sonst  müste 
man  sich  ja  auch  den  einzelnen  möglicher  Weise  als  Vater  angeredet 
denken  können,  v/as  ja  doch  nicht  angeht.  —  Bei  15  §  1  ist  dar- 
auf aufmerksam  zu  machen,  dasz  die  Uebersetzung:  *A.  habe  den 
Krieg  eröffnet  und  beklage  sich  jetzt'  voraussetzen  würde ,  es  heisze 
im  Text  hello  illato;  es  musz  wol  heiszen  *A.  sei  ein  Mensch,  der  ohne 
Veranlassung  Krieg  anfange'.  —  Von  dem  Hergang  der  Sache  zn  An- 
fang des  19.  Cap.  kann  ich  mir  keine  klare  Vorstellung  machen,  wenn, 
wie  hier  geschieht,  übersetzt  wird:  ^nachdem  sie  das  gemeine  Volk 
und  andere  unruhige  Köpfe  aufgewiegelt  hatten'  (m.  s.  meine  Rec.  z. 
d.  St.,  so  wie  auch  zu  42  §  3  *bono  vinci'  und  zu  71  §  5  die  Recht- 
fertigung von  *ex  pörfugis'  betreffend).  Solicitudo  31  §  22  darf  meines 
erachtens  nicht  mit  ^Kummer^  übersetzt  werden,  wenn  nicht  ein  schiefer 
Begriff  entstehen  soll ;  es  musz  hier  wol  ^Besorgnis'  heiszen.  Ebenso 
verhalt  sichs  mit  respublica  ebend.  §  28,  das  hier  nicht  =  Freistaat, 
sondern  =  öffentliches  Leben  überhaupt  ist;  und  mit  improbior^  wofür 
^ruchloser'  zu  stark  sein  möchte.  —  Die  Uebersetzung  von  usus  85  $ 
12  mit:  *  Bedürfnis'  musz  ich  für  unrichtig  und  die  ganze  Ausdrucks- 
weise an  dieser  Stelle  für  sehr  hart  halten  (s.  meine  Rec.  z.  d,  St.) ; 
ich  würde  sagen:  *ein  Amt  führen  kann  man  freilich  erst,  nachdem 
man  es  bekommen  hat,  aber  thatsächlich  und  was  die  Handhabung  der 
Sache  betrifft,  musz  man  sich  schon  vorher  darin  umthun.'  Ebend.  §  31 
parum  id  facto  ist  wol  genauer  zu  geben  mit:  Mch  mache  mir  nicht 
sonderlich  viel  daraus';  §  39  ist  wol  für  sordidus  ^filzig'  zu  enge, 
^schmutzig'  ist  wegen  der  Doppelsinnigkeit,  .die  auch  im  Original 


534  C.  Clesf :  Salloflinf. 

liegt,  vorsaziehen.  —  Auch  das  schwierige  amieUiafmeüiM  95^3  ist 
mit:  Mn  Freundschaft  leicht  zugänglich'  zu  enge  gefaist;  ich  aber- 
setze:  *in  der  Freundschaft  ein  Weltmann'  (m.  s.  m.  Reo.).  —  Dia  106 
§  2.  angenommene  Ellipse  erscheint  mir  gewagt;  ea  Iftask  sieh  eiab- 
eher  erklären  und  übersetzen:  *er  halte  alle  Funkle  der  f^Aherei  Ver- 
handlungen aufrecht;  wegen  des  abgeordneten  Yon  J.  aolle  er  sieh 
keine  ängstliche  Sorge  machen ;  so  habe  man  bei  der  Verhandlang  Ikr 
die  gemeinsamen  Angelegenheiten  um  so  freiere  Hand'  (na.  §•  aeiie 
Kec.  u.  R.  Jacobs  2.  Aufl.  seines  Sallast). 

Als  besonders  schwerfällige* und  zum  Theil  wirklich  aniultaiie 
deutsche  Wendungen  mögen  noch  bemerkt  werden  1  $  4:  *die  aiehf 
selbst  zuzuschreiben  haben ,  von  denen  schiebt  jeder  die  Sehold  iif 
die  Verhältnisse';  5,  Anm.  5  ^bis  auf  statt  auszer;  ebend.  Aaai.8iit 
statt  108  1  zu  lesen  110  2;  10,  Anm.  9  a.  E.  ist  ^seine  Zaaendaag'  ai- 
verständlich;  86  $3  ^in  Folge  eines  trachtens  vom  Conaul  nacll  Yoiki- 
gunst'  läszt  sich  nicht  anhören.  Dasz  z.  B.  86  §  13  ^anderea'  alatt  *Ab- 
deres'  geschrieben  ist,  auch  hie  und  da  jeder  statt  Jeder  n.  dfl.  kiia 
nur  als  seltene  Ausnahme  von  der  sonst  auch  hierin  ao  atreagei  Cie- 
sequenz  und  Pünktlicbkeit  betrachtet  werden. 

Dagegen  möchte  ich  kurz  noch  einen  eingreifenderen  Mangel  aa 
Consequenz  in  anderer  Beziehung  bemerklich  machen.  BekannÜieli  hat 
jeder  Schriftsteller,  und  so  ganz  besonders  Sallust,  gewiaae  Liebliaga- 
ausdrücke  und  Lieblingswendungen,  die  überall  wiederkehren.  Wihraad 
nun  im  obigen  wiederholt  einer  gröszeron  Freiheit  in  der  Ueberaetuaf 
das  Wort  geredet  worden  ist,  trete  ich  in  dieser  Beziehang  mit  der 
Forderung  einer  ängstlicheren  Strenge  und  Sorgfalt  gegenüber  aol- 
chen Schoszkindern  des  betreffenden  Schriftstellers  auf.  Eben  biaria 
musz  ganz  vornehmlich  dem  Leser  die  Eigentbümlichkeit  deaaelben  for 
Augen  gestellt  werden,  und  dies  geschieht,  wenn  der  UebenaUar 
sich  der  möglichsten  Consequenz  befleiszigt.  Ich  nenne,  da  der  mA 
Sallust  so  ganz  vertraute  Verf.  am  besten  derlei  Wendaugen  keael, 
Beispiels  halber  nur  gleich  vom  ersten  Capitel  ^regere',  daa  im  Anfang 
und  Ende  desselben  vorkommt  und  ohne  Noth  mit  zwei  veraohiedenan 
Ausdrücken  wiedergegeben  ist,  und  mache  auf  die  sich  nicht  gleiab- 
bleibende  Uebersetzung  von  beneficium  14  S  8  9.  85  $  3  8  96,  fan 
socordia  2  §  4.  31  §  2.  85  §  22,  von  agere^  agilare^  i.  B.  65  $  & 
74  S  1,  von  slrenuMs  u.  dgl.  aufmerksam. 

Diesen  Wink  ao  wie  den  Wunsch ,  die  in  der  Inhaltagabe  milge- 
theilte  Gruppierung  des  geschichtlichen  Stolfs  in  bestimmte  grAasere 
Abschnitte  wirklich  auch  in  dem  Text  durch  Absitze  nnd  knne  Debar- 
schriften  berücksichtigt  und  auffällig  gemacht  zn  sehen,  lege  ieh  dam 
verehrten  Herrn  Verf.  noch  zum  Schlüsse  ans  Herz  für  die  nene  Bear- 
bcituug  seiner  schätzbaren  Uebersetzung,  die  ans  wol  bald  in  einer 
zweiten  Auflage  geboten  werden  wird. 

Schönthal  im  Mira.  Metzger. 


Fr.  Mirker:  Lebrbadi  der  Geonetrie.  535 

43. 

I^hrbuch  der  Geometrie  für  höhere  Lehranstalten  von  Friedr. 
Märker ^  Prof,  am  Gymnasium  Bemhardinum  in  Meimngen. 
Hildburghausen,  Kesselriogische  Hofbnchhandlang  1855.  (14 
B.  mit  14  lithograph.  Figurentafeln). 

Es  gibt  wol  keinen  Theil  der  Mathematik,  dessen  Form  und  In- 
halt mehr  besprochen  worden  wäre,  als  gerade  die  Planimetrie  nnd, 
wenn  man  die  Geschichte  vorfolgt,  wol  haoptsfichlich  darum,  weil 
diese  Disciplin  den  Laien,  wie  den  gelehrten  von  Fach  zugleich  nn- 
entbehrlich  sich  macht,  man  deswegen  auch  von  jeher  mit  den  ver- 
schiedensten Ansprüchen  an  sie  gieng  und  noch  an  sie  geht.  Dem 
einen  ist  sie  die  Göttin,  dem  anderen  die  milchende  Kuh,  jenem  die 
Geistesbildnerin ,  diesem  ein  Handwerkszeug,  um  möglichst  praktische 
Zwecke  zu  erzielen.  Sollte  sie  als  formales  Bildungsmittel  dienen, 
dann  fragte  man  freilich  oft  und  zwar  bereits  schon  im  vorigen  Jahr- 
hundert, ob  denn  die  so  hoch  verehrte  allgemein  verbreitete  alt* eu- 
klidische Anordnung  der  geometrischen  Lehren  die  rechte  sei  und 
verneinte  diese  Frage  im  laufenden  ohne  weiteres  und  fast  einstim- 
mig. Man  fand,  dasz  diese  griechische  Geometrie,  obgleich  der  Lieb- 
ling von  vielen  gelehrten  und  Schulen,  den  neueren  Ansprüchen  gar 
nicht  mehr  genüge,  dasz  sie  zunächst  kein  klares  Gesetz  der  inneren 
Zusammenfflgung  der  einzelnen  Wahrheiten  zeige ,  dasz  ihr  aber  auch 
ein  solches  wol  nicht  unterliege,  sie  darum  nicht  die  passende  Form 
für  ein  systematisches  Lehrgebäude  habe.  Aber  auch  der  Gehalt  wurde 
allmählich  genauer  betrachtet  und  hier  ergab  sich  bei  schärferer  Prü- 
fung ebenfalls  mancher  Misstaud,  namentlich  zweifelte  man  zuerst 
daran,  ob  die  liebgewordenen  alteuklidischen  Axiome  wirklich  den 
Namen  von  Grundsätzen  verdienten,  ob  der  so  geschätzte  griechische 
Geometer  sich  nicht  etwas  darüber  hätte  rechtfertigen  müssen,  auf 
welchen  Besitztitel  hin  er  sich  den  geometrischen  Grund  und  Boden 
erworben  habe,  und  es  war  vorzugsweise  diese  letzte  Frage,  welche 
viel  Stoff  zum  denken  gab.  Es  entstanden ,  um  dieselbe  zu  beantwor- 
ten die  scharfsinnigsten ,  hauptsächlich  der  Neuzeit  augehörigen  Ver- 
suche und  wenn  wir  auch  der  Philosophie  keine  unmittelbare  Erwei- 
terung der  mathematischen  Lehren  zu  danken  haben,  bleibt  ihre  mittel- 
bare Einwirkung  doch  von  groszer  Bedeutsamkeit.  Die  mehrfach  wie- 
derholte Prüfung  der  Grundlagen  führte  zu  mehreren  Reformversuchen 
der  zn  so  hoher  Geltung  gekommenen  Lehren ,  es  entstand  eine  Ma- 
thesis  prima ,  eine  metaphysique  du  oalonl ,  Kant  schon  verschmähte 
nicht  in  seiner  Kritik  der  reinen  Vernunft  den  Unterschied  zwischen 
philosophischer  und  mathematischer  Erkenntnis,  das  Wesen  der  ma- 
thematischen Methoden  festzustellen,  welche  Lehren  aber  J.  Fries  in 
der  mathemathischen  Naturphilosophie  zu  noch  gröszerer  Klarheit 
und  Allgemeinheit  erhob.  Der  letzte  grosze  Denker  wies  namentlich 
nach,   dasz   die  sogenannte  reine  u>der  matheinatiacbe  Anschauung, 


SS6  Fr.  Märker:  Lehrbuch  der  Geonelrie. 

diese  Form  unserer  VernanfterkenDtnisse,  wie  wir  nni  daran  anseht!- 
lieh  bewQst  zu  werden  gezwungen  uns  fahlen,  die  eigentliche  Geharto- 
Stätte  aller  mathematischen  Grundbegriffe  sei,  dem  VeraUind  es  nir 
zukomme,  diese  zum  Bowustsein  zu  bringen,  dasz  das  malhematiscbe 
System  stets  hypothetischer  Natur,  die  Lehrmethode  eine  dogmalische 
bleiben,  diese  für  die  Erfindung  von  Theorien  speoulativ-kritiaeh  wer- 
den müsse.  Herbart  dagegen  brachte  die  mathematische  Lehre  mit  der 
philosophischen  in  genauere  Verbindung,  indem  er  fttr  die  Psyehole- 
gie  Grundlagen  in  jener  suchte  und  fand.  Konnten  solche  «llgaaiaiss 
Forschungen ,  wie  sie  bis  auf  die  neuste  Zeit  Drohisch  ron  philose- 
phischem  Standpunkt  aus  so  eifrig  fortsetzt,  nicht  verfehlen,  den  it 
hochgepriesenen  mathematischen  Lehren  da  und  dort  Schwioliea,  aa- 
menllich  die  Leerheit  der  Formen  in  Zahl,  Zeit,  Raum,  in  den  Vorstel- 
lungen von  Stetigkeit  und  Unendlichkeit,  als  Folgen  der  ainnliehm 
Beschränktheit  unseres  Geistes  nachzuweisen,  so  vermochten  doch  die 
strengsten  Ansichten  es  nicht,  den  Werth  der  groszen  Einlenehlend- 
heit,  Durchsichtigkeit,  Bündigkeit  der  mathematischen  WahrheiteB  is 
Abrede  zu  stellen,  man  muste  die  hohe  Bedeutsamkeit  dieser  Ansifri- 
che  gelten  lassen,  zugestehen,  dasz  es  ohne  dieselben  Qberhanpt  käse 
Wahrheit  gäbe,  wir  Menschen  mittelst  derselben  als  eines  Gemeiagi- 
tes  uns  erst  gegenseitig  in  der  Auszenwclt  verständigen  können,  die- 
selben allein  den  festen  Widerhalt  für  alle  üuszeren  sinnliehen  Er- 
kenntnisse darbieten,  wir  uns  der  mathematischen  Anschauungsweise 
nach  belieben  jeden  Augenblick  zu  bedienen  vermögen,  deren  allge- 
meine Gesetze  von  einem  einzelnen  gegebenen  Beispiel  abzanehsMU,  de- 
ren Erweiterung  aus  den  kleinsten  gegebenen  Anfängen  eu  ersiÖgii- 
chen  im  Stande  sind,  Vorzüge,  die  keiner  anderen  Wissenschaft  ia 
dem  Masz  zukommen.  Solche  allgemein  gehaltene  Betrachtnagen  Ak- 
ten den  wesentlichsten  und  unverkennbarsten  Einflusz  auf  die  Ansbil- 
dung  der  mathematischen  Lehren  von  Seiten  der  Philosophie,  indes- 
sen auch  die  einzelnen  mathematischen  Disciplinen  selbst  dringtes 
gegenseitig  zum  weiterschreiten. 

Der  Goometer  sah  den  Analytiker  so  kühn  mit  den  schwierigsteaf 
scheinbar  spitzfindigsten,  unhandhablichsten  Begriffen  der  Metaphysik) 
mit  dem  des  stetigen,  des  veränderlichen,  des  Gegensatsea,  der  1^ 
wegung,  des  unendlichen  u.  a.  umgehen,  er  konnte  nicht  umhin,  i 
lieh  zu  fragen,  oh  nicht  diese  oder  jene  Vorstellung  am  Bnde 
seinen  Lieblingslehren  einzuverleiben  sei ,  und  da  gab  es  denn  I 
Axiome  und  Postulate  der  Unendlichkeit,  der  Lage,  Richtung, 
des  Orts,  BegrifTserklarungen  die  Eigenschaften  des  vorfindlichen  Rsa- 
mes  betrelTond,  vor  denen  noch  das  letztverflossene  Jahrhundert  an- 
rückbcbto,  und  die  Euklid  kaum  auszusprechen  wagte.  Namentlidi 
übte  die  der  Analysis  entsprossene  analytische  Geometrie  seit  Descar- 
tes  Zeiten,  durch  die  gruszten  Meister  in  dieser  Kunst,  durch  eis 
Laplace,  Lagrange,  Euler,  Monge,  Legendre  ausgebaut,  einen  gann  ( 
schicdenen  Einflusz.  Selbst  die  wärmsten  Verehrer  der  alten  mit  so 
klaren  Zeichnungen  verbundenen  Geometrie,  konnten  den  analytischen 


F.  R.  Hfirker :  Lehrbuch  der  Geometrie.  537 

leichten  beweglichen  Verfahren,  mit  den  allgemeinen  Ueberblioken, 
mit  ihrem  Reichthum  an  neuen  Sätzen  und  den  so  raschen  Ergebnidsen, 
wo  nicht  die  Stimmung  des  Rechners,  wie  bei  Constructionen  oft  den 
Gang  der  Lösung,  sondern  ein  feststehendes  in  allgemeinen  Zeichen 
fortschreitendes  Verfahren  denselben  regelt,  ihren  Beifall  nicht  ver- 
sagen, wenn  auch  daneben  die  oft  allgemeinen  Aussprüche  der  neueren 
analytisch -geometrischen  Verfahren  viel  schwankendes,  erst  einer 
sorgfältigen  Deutung  zu  unterwerfendes  mit  sich  führten.  Selbst 
Newton  konnte  schon  diesen  damals  noch  wenig  bekannten  Methoden 
seinen  Beifall  nicht  entziehen  und  soll  oft  vor  der  Construction  ge- 
rechnet haben.  Wie  weit  der  Stoff  dieser  unserer  Zeit  gröszlentheiU 
angehörigen  Lehren  sollte  hereingezogen  werden,  darüber  war  man 
ehemals  sehr  wenig  und  ist  man  noch  nicht  ganz  einig.  Etwa  Fansts 
Wahlspruch  von  der  grauen  Theorie  und  des  Lebens  goldnem  Baum  gilt 
hier  als  Richtschnur,  so  namentlich  in  den  französischen  geometrischen 
Schulen  und  Lehrbüchern. 

Bei  den  mathematischen  Lehren  findet  sich  aber  Form  und  Inhalt 
in  so  enger  Verbindung,  dasz  das  eine  nicht  leicht  zu  ändern  ist,  ohne 
das  andere  zugleich  mit  umzugestalten.  In  Bezug  auf  die  Form  stan- 
den aber  die  Ansichten  anfänglich  noch  weiter  auseinander,  als  in  Be- 
zug auf  den  Stoff. 

Während  man  auf  der  einen  Seite  den  logischen  Hilfsmitteln 
beim  Aufbau  des  Systems  das  Hauptaugenmerk  zuwendete,  diesem 
Verstandesapparat  den  gröszten  Werth  beilegte,  fiengen  andere,  um  ein 
besseres  System  zu  bilden,  damit  an,  die  Grundlagen  umzubilden. 
Jene  wollten  die  alteuklidische  liebgewonnene  Anordnung  durchaus 
nicht  opfern,  diese  stellten  jedoch  ganz  neue  Anforderungen  an  ein 
geometrisches  System,  verlieszen  die  griechischen  obersten  Priucipien 
oft  ganz ,  hielten  jeden  Satz ,  wenn  nur  einleuchtend  genug,  für  geeig- 
net, die  Stelle  eines  Grundsatzes  einzunehmen. 

Für  die  erste  Behauptung  ist  nur  auf  die  Commentatoreu  des 
Euklides,  auf  einen  Clavius,  Peter  Ramus ,  Herigonus  u.  a.  zu  verwei- 
sen. Welches  abmühen,  welches  haschen,  um  logische  Einheit,  Ver- 
bindung in  die  alten  geometrischen  Zusammenstellungen  zu  bringen! 
Man  kann  bei  genauer  Betrachtung  dieser  logischen  mittelalterlichen 
Denkübungen  wahrhaft  oft  kaum  den  Gedanken  bei  Seite  drängen ,  als 
hegten  die  alten  Herren  allen  Ernstes  den  Wahn,  ihrem  logischen 
Rüstzeug  mit  all  seinen  Spitzfindigkeiten  gebühre  ganz  allein  das  Ver- 
dienst und  die  Ehre,  in  die  geometrischen  Grundwahrheiten  Sicherheit, 
Einleuchtendheit,  Klarheit  hereingebracht  zu  haben,  während  doch  die 
Grunderkenntnisse  für  die  mathemat.  Sätze  nur  einen  ergänzenden 
Theil  von  jenem  groszen  unserer  Vernunft  inliegenden  Schatz  ursprüng- 
licher Erkenntnisse  ausmachen,  die  niemals  im  ganzen,  sondern  nur  im 
einzelnen ,  vielleicht  bei  Gelegenheit  sinnlicher  Anregung  oder  auch 
mittelst  Reflexion  anschaulich  werden,  vor  das  Bewustsein  kommen. 
Man  verkannte  lange,  dasz  die  so  hochgehaltenen  logischen  Vorstel- 
lungsweisen eben  gar  keinen  anderen  Zweck  verfolgen  sollten,  als  die 

iV.  Jahrb.  f.  Phä,  u.  Paed.  Bd.  LXXl V.  Hß.  II.  38 


5S8  F.  R.  Mfirker:  Lehrbuch  der  Geometrie. 

Gesetze,  welche  jenen  Erkenntnisstof!  verbinden  und  die  ebenfalls 
-wesentliches  Eigenthum  unseres  Geistes  sind ,  in  das  Bereich  des  Wis- 
sens zu  ziehen.  Selbst  neuere  mit  noch  weiter  greifenden  Hilfsmitteln 
ausgerüstete  Bearbeiter  des  Euklides,  ein  Rob.  Simson,  ein  Pleyseir, 
HanfT,  Camerer  waren  nicht  im  Stande,  einen  inneren  Nexus  in  den  alt- 
euklidischen  Zusammenstellungen  zu  finden,  sondern  höchstem  die 
Schwächen  des  Grundbaues  recht  ans  Licht  zu  ziehen.  Es  stellte  sich 
allmählich  heraus,  dasz  lediglich  das  achte,  zehnte,  elfte,  zwölfte  so- 
genannte Axiom  des  Euklides  etwa  den  Namen  von  Grundsätzen  ver- 
dienten, dasz  aber  darin  manches  mangelhafte  sich  vorfinde.  Das  achte 
Axiom :  Vas  einander  deckt  ist  gleich'  ist  nur  eine  BegrifTserklarung 
der  Congruenz.  Mit  diesem  läszt  sich  leicht  das  zehnte:  ^alle  rechten 
Winkel  sind  gleich'  nachweisen.  Grundsatz  12:  ^Zwei  Grade  schlieszen 
keinen  Raum  ein',  ist  wieder  nur  eine  BegrifTserklarung  und  zwar  für 
die  Grade,  Grundsatz  11,  die  Geburtsstätte  der  vielbesprochenen  Pa- 
ralleltheorie, höchstens  eine  Forderung,  indem  etwa  dnrch  ihn  die 
Möglichkeit  begründet  wird  ein  Dreieck  zu  zeichnen,  dessen  eine 
Seite  mit  zwei  anliegenden  Winkeln  gegeben  wurde.  Man  fand  ferner, 
dasz  Euklides  in  seinen  Demonstrationen  seine  eigenen  Erklärungen 
gar  wenig  —  z.  B.  die  von  Punkt,  Linie,  Winkel  usw.  —  oder  aucli 
wol  gar  nicht  benutzte  und  benutzen  konnte.  Von  einer  Möglichkeit 
solcher  Constructionen  im  Itaum  war  überhaupt  nirgends  die  Rede  und 
diese  unlogische  Verkettung  von  geometrischen  Wahrheiten  erhielt 
sich  hie  und  da  doch  bis  in  das  achtzehnte  und  neunzehnte  Jahrhun- 
dert —  man  denke  nur  desfalls  an  das  Lorenzsche  Lehrbuch  der  Geo- 
metrie oder  an  die  diesen  vorangehenden  Kästnerschen  und  Wolflf- 
schen  Compendien. 

Ganz  anders  lauten  darum  bei  dem  jetzigen  Fortschritt  der  matbo- 
malisch- philosophischen  Lehren  die  Ansprüche  an  ein  geometrisches 
systematisch  geordnetes  System.  Die  moderne  Geometrie  will  jetxt 
Wissenschaft  von  den  räumlichen  Ausdehnungen  sein,  verbindet  mit 
den  strengen  mathematischen  Forderungen  auch  noch  ganz  allgemein 
philosophische,  läszt  sich  genau  auf  die  Anschauung  des  Raumes, 
dessen  Ausdehnungen  usw.  ein,  weiset  die  Möglichkeit  einer  geraden, 
einer  Ebene,  eines  Körpers  in  dem  Raum  nach,  sie  bedarf  deswegen 
auch  ganz  neuer  umfassenderer  Grundlagen  als  die  alte  Geometrie.  In 
den  filteren  Systemen  regelten  Paralleltheorie  und  Aehnlichkeitslehre 
häufig  die  ganze  Anordnung,  nicht  mehr  so  in  den  neueren,  wo  diese 
beiden  Lehren  schon  mehr  in  Hintergrund  treten,  eine  untergeordnete 
Rolle  übernehmen.  Figuren  sind  hier  vollständig  begrenzte  räumliche 
Ansdehnungen  nach  den  drei  Dimensionen,  nach :  Länge,  Breite,  Tiefe, 
Ort,  Richtung,  Lage,  Bewegung,  Drehung,  Richtung  des  uebeneinander 
befindlichen,  und  letztere  Eigenschaften  bilden  die  Grundbegriffe  fär 
den  weiteren  Aufbau.  Die  alten  einseitigen  Definitionen  werden  ver- 
lassen. Winkel  ist  nicht  mehr  die  Neigung  zweier  sich  treffender 
Geraden,  Punkt  nicht  mehr :  arjfistov,  ov  (liQog  ovdiv^  eine  Gerade  nicht 
mehr :  y^afift'q^  rfctg  i^  taov  rotg  ig>^  iccvt^g  arjiieloig  KHtai,  Es  handelt 


F.  R.  Marker :  Lehrbnoh  der  Geometrie.  539 

sich  hier  am  Axiome  von  möglichster  Aligemeioheit ,  z.  B.  um  solche 
von  der  Möglichkeit  dieser  und  jener  Construction  im  Raum,  um  solche 
der  Ausdehnung,  der  Richtung,  des  unendlichen.  Zwischen  zwei  festen 
Punkten  ist  immer  eine  Gerade,  aber  auch  nur  einzige,  zwischen  drei 
Punkten  eine  aber  auch  nur  eine  einzige  Ebene,  zwischen  vier  Punkten 
ein  Körper  aber  auch  nur  ein  Körper  möglich;  zwei  Gerade  können 
und  müssen  im  Zusammentreffen  einen  Winkel  bilden,  jede  Construction 
iSszt  sich  in  Gedanken  in  das  unendliche  erweitern  usw.,  liest  man  in 
manchen  Lehrbüchern  neuester  Zeit.  Wie  ganz  anders  ist  schon  die 
Form  des  vor  30  Jahren  in  so  hoher  Geltung  stehenden  eine  ganz  neue 
Bahn  brechenden  Thibautschen  Lehrbuchs  mit  seinen  phoronomischen 
Principien,  ja  sogar  die  äuszere  Fassung  ist  eine  andere  geworden; 
es  ist  da  und  dort  schon  nicht  mehr  in  besonderen  Abschnitten  die 
Rede  von  Deßnitionen,  Grundsätzen,  Postulateu;  ein  Begriff  entwickelt 
sich  mit  Nothwcndigkeit  aus  dem  andern  und  zwar  in  6inem  Gusz. 
Wie  reichhaltig  sind  dabei  unter  Beibehaltung  der  alten  äuszeren  Fas- 
sung die  Lehrbücher  eines  Swinten,  Koppe,  Grunert,  Kunze.  Hier 
treffen  wir  auf  Sätze,  auf  Hilfsmittel  aus  der  Arithmetik  und  der  Ana- 
lysis,  vor  denen  ein  Kästner  noch  warnte.  So  griff  die  Arithmetik  da 
und  dort  auf  dem  geometr.  Gebiet  namentlich  recht  Platz  und  gewis 
nicht  zum  Nachtheil  der  Wissenschaft.  Wird  auch  der  ruhige  Fort- 
schritt der  alten  constructiven  Geometrie  etwas  gestört,  so  gewinnt 
auf  der  andern  Seite  das  System  an  Zugänglichkeit,  der  Lehrstoff  an 
leichterer  Benutzung.  Bei  genauester  Betrachtung  der  meisten  neueren 
Lehrbücher  kann  man  denselben  eine  lobenswerthe  Bündigkeit,  Klar- 
heit, Sparsamkeit  in  den  Grundannahmen,  Reichhaltigkeit  nicht  allein 
an  Stoff,  sondern  auch  an  werthvoUem  Lehrstoff,  rasche  Verwendung 
desselben  an  geeigneten  Beispielen,  Uebcrsichtlichkeit,  überall  hervor- 
tretende Nolhwendigkeit  in  der  Verbindung  des  gegebenen  in  der  Re- 
gel nicht  absprechen.  Man  findet  genau  den  Werth  intuitiver  Erkennt- 
nisse von  logischen  Erkenntnissen  geschieden,  verkennt  den  Nutzen  der 
letztem  nicht,  läszt  aber  jene  ungeschmälert  in  ihrem  Recht.  Man  fällt 
wenig  mehr  auf  unbrauchbare  Spitzfindigkeiten,  traut  dem  Leser  selbst 
zu,  in  seiner  inneren  eigenen  Anschauung  die  nöthigen  Grundlagen 
zum  Aufbau  eines  gut  geordneten  geometrischen  Systems  finden  zu 
können. 

Referent  wird  bei  Durchsicht  manches  alteren  geometrischen  Lehr- 
buches oft  unwillkürlich  an  Lichtenberg  erinnert,  der  in  seinen  ver- 
mischten Schriften  sagt:  ^Die  gar  zu  subtilen  Männer  sind  selten  grosze 
Manner  und  ihre  Untersuchungen  meistens  ebenso  unnütz  als  sie  fein 
sind.  Sie  entfernen  sich  immer  mehr  vom  praktischen  Leben,  dem  sie 
doch  immer  näher  zu  kommen  suchen  sollten.  So  wie  der  Tanzmeister 
und  Fechtmeister  nicht  von  der  Anatomie  der  Beine  und  Hände  anfängt, 
so  läszt  sich  gesunde  brauchbare  Philosophie  auch  viel  höher  als  in 
jenen  Grübeleien  anfangen.  Der  Fusz  musz  so  gestellt  werden,  denn 
sonst  würde  man  fallen,  und  dieses  musz  man  glauben,  denn  es  wäre 
absurd  es  nicht  zu  glauben,  sind  sehr  gute  Fundamente.    Die  Leute, 

38* 


540  F.  R.  Markör :  Lebrbach  der  Geometrie. 

die  noch  weiter  gehen  wollen,  mögen  es  thnn,  sie  mögen  aber  ja  aicbt 
denken,  dasz  sie  etwas  grosses  thun,  denn  sie  finden  doch  nar  von 
ihnen  aus  altes,  was  der  vernünflige  Mann  schon  lange  vorher  wusale. 
Der  Mann ,  der  noch  einmal  den  elften  Grundsatz  des  Enklides  demon* 
striert,  verdient  allenfalls  den  Namen  eines  sinnreichen  Mannes,  aber 
zur  Erweiterung  der  Wissenschaft  wird  er  nichts  beitragen,  was  er 
nicht  ohne  diese  Erfindung  auch  hätte  thnn  können.  ^Aber,  sagen  sie, 
es  geschieht  den  Zweifler  zu  widerlegen'.  Den  widerlegt  ihr  wahr- 
haftig nicht,  denn  welches  Argument  in  der  Welt  wird  den  Mann  Ober- 
zeugen  können,  der  einmal  Absurditäten  glauben  kann?  Und  rerdieal 
denn  jedermann  widerlegt  zu  werden,  der  widerlegt  sein  will?  Selbst 
die  gröszten  Schläger  schlagen  sich  nicht  mit  jedem,  der  sie  heraus- 
fordert. Das  sind  die  Ursachen,  weshalb  die  beattischo  Philoso- 
phie Achtung  verdient.  Sie  ist  nicht  eine  ganz  neue  Philosophie, 
sie  geht  nicht  bis  auf  den  tiefsten  Grund  znrück  und  taugt  daher 
nickt  zur  Philosophie  des  Professors,  aber  sie  ist  die  Philosophie  des 
Menschen.' 

Glücklicherweise  haben  wir  es  in  dem  vorliegenden  Bach  nicht 
mit  einem  dem  Loben  abgewendeten  Werk,  wol  aber  mit  einem  solchen 
zu  thun,  das  bei  tiefer  Begründung  dos  Lebens  goldenen  Baam  nicht 
aus  den  Augen  verliert,  mit  einem  Handbuch  der  modernen  Geometrie, 
in  dem  sich  eine  gesunde,  ruhige,  fieiszige  Forschung  in  jeder  Stelle 
kundgibt.  Nach  spoculaliv  kritischem  Verfahren  angelegt,  sncht  es 
nirgends  geflissentlich  Caulelcn  hereinzuziehen.  Bei  grosser  syste- 
matischer Einheit  herscht,  wie  sich  von  selbst  versteht,  aneh  die  ge- 
suchteste Sparsamkeit  in  den  vorangestellten  Grundbegriffen  und  Bo- 
grifl'sürklärungen.  Die  alle  Form  mit  ihren  oft  wunderlichen  Ueber- 
schriften  wurde  nur  da  und  dort  gewahrt.  So  finden  wir  keine  Rubrik 
mit  der  Ueberschrift  Axiome ,  ob  jedoch,  wie  in  der  Vorrede  steht, 
diese  und  die  Postulate  für  die  Geometrie  vergleichsweise  geschrieben 
dasselbe  vorstellen,  was  für  die  Chemie  einfache  Stoffe  sind,  möchle 
Hof.  bezweifeln,  indem  derselbe  das  charakteristische  solcher  Silie  in 
dem  unmittelbar  nicht  weiter  ableitbaren  klaren,  innerlich  sofort  an- 
schaubaren sucht,  im  Gegensatz  zu  den  Akroamon  der  Philosophie,  die 
noch  eine  Begründung  in  Begrifl'cn  zulassen.  Nicht  die  einfachsten 
Sülze  sind  die  klarsten.  Auszer  diesen  Aenderungen  der  Form  haben 
die  sonstigen  gewöhnlichen  Ueberschriften :  Lehrsatz,  Beweis,  Demon- 
stration u.  a.  ihre  volle  Geltung  behalten.  Allen  mathemat.  venrend- 
baren  Hilfsmitteln  ist  der  Zugang  gestattet,  wir  treffen  darnm  gleieh 
auf  den  ersten  Blättern  auf  allgemeine  Zahlzeichen ,  Buchstaben,  nnd 
schlieszen  daraus ,  dasz  der  Verf.  in  Quarta  sich  dieser  Hilfsmittel  bei 
seinem  Unterricht  bedient.  Sogar  Reihen  sehen  wir  bei  der  Kreis- 
niessung  benutzt,  ob  aber  diese  überall  mit  Vortheil  in  den  unteren 
Klassen  von  Schulen  anzuwenden  seien ,  musz  die  Erfahrung  leigen. 
Bef.  kann  mit  Freuden  zugestehen,  in  einem  Werk  von  so  kleinem  Um- 
fang —  14  Bogen  —  nicht  leicht  eine  gröszere  Menge  von  interessantem 
Lehrstoff  zusammengedrängt  gefunden  zu  haben. 


F.  R.  Märkcr :  Lehrbuch  der  Geometrie.  541 

Das  dem  ganzen  vorstehende  Inhaltsverzeichnis,  welches  wir  im 
Auszug  hier  mittheilen,  wird  am  besten  einen  Ueberblick  gestatten. 
Die  Einleitung  bespricht:  Stetigkeit,  Ausdehnung,  Ort,  Lage,  Masz, 
Grösze,  Messung,  Punkt,  dessen  Seiten;  Linie,  Möglichkeit,  Entstehung, 
Regelmäszigkeit,  Gestalt,  Länge,  Grenzen,  Verlängerung,  Verkürzung, 
Seiten  derselben  ;  Flächenentstehung,  Regelmäszigkeit  usw.  derselben, 
wie  bei  der  Linie.     Gleiches  wird  für  den  Körper  wiederholt  und  ge- 
nauer erörtert.    Kap.  1  behandelt  schneidende  Linien,  Möglichkeit  des 
Winkels,  BcgriiT,  Eintheilung  desselben,  Neigung,  Convergenz,  Diver- 
genz zweier  Graden.  Kap.  II:  Figuren  im  allgemeinen  und  die  einfach- 
sten Lehren  vom  Kreis,  Arien  der  Figuren,  Kreis,  Tbeile  desselben. 
Kap.  III:  Dreieck,  Möglichkeit  desselben,  Congruenz  zweier  Dreiecke 
und  zwar  fünf  Fälle,  Construction  des  Dreiecks,  Lothe  in  demselben. 
Kap.  IV:  Farallellinien,  BegrilT  und   Constructionen  derselben,  der 
Hauptlehrsatz  für  die  Parallellheorio,  die  Winkelsumme  im  Dreieck. 
Kap.  V  spricht  von  dem  mehrseitigen  geradlinigen  Figuren,  BegriiT, 
Winkelsumme,   Lage  der  Diagonalen  derselben,  Trapez,  Trapezoid, 
Halbierung    der    nichtparallelen  Trapezseiten    durch    eine   Parallele, 
Schneidung  der  Mittellinien  eines  Dreiecks.    Kap.  VI  gibt  Gleichheit 
und  Verwandlung  geradliniger  Figuren,   den  BegrilT  von  Grundlinie 
und  Höhe  des  Dreiecks,  Parallelogrammen  und  Trapezen,  den  pytha- 
goreischen Satz,  dessen  Umkehrung  und  Erweiterung,  den  geometr. 
Bew.  der  Formel:  (a  +  b)*,  desgl.  den  von  (a  +  b)  (a  —  b)  = 
a^  —  b^.    Kap.  VII:  Kreis  mit  geraden  Linien  verbunden,  Construction 
eines  Kreises  in  geradlinige  Figuren,  letzterer  um  jenen,  Peripherie- 
und  Centriwinkel,  Sätze  über  Sehnen,  Berührung  zweier  Kreislinien. 
Die  vier  merkwürdigen  Punkte  des  Dreiecks,  Tangentenvierecke,  Con- 
struction des  regulären  Fünfecks,  Zehnecks,  Fünfzehnecks,  goldner 
Schnitt.    Kap.  VIII :  Ausmessung  geradliniger  Figuren,  Lehre  von  den 
Proportionen,    Begriff    des   Rationalen   und   Irrationalen,   Verhältnis 
zweier  Rechtecke,   deren  Grundlinien  oder  Höhen  gleich  sind,  Aus- 
messung  von   Parallelogrammen   und  anderen  geradlinigen  Figuren, 
Verhältnis  zweier  Dreiecke,  in  denen  ein  Winkel  gleich  ist,  Propor- 
tionen bei  Halbierung  eines  Dreieckswinkels;  in  gleichwinkl.  Drei- 
ecken sind  die  Seiten  proportionirt;    das  Dreieck,  worin  ein  Winkel 
das  doppelte  eines  anderen  ist;  aus  den  Dreiecksseiten  den  Halbmesser 
des  eingeschriebenen  Kreises,  den  Inhalt  eines  Tangentenvierecks  aus 
Umfang  und  Halbmesser,  den  Inhalt  eines  Dreiecks  aus  seinen  drei 
Seiten  zu  berechnen  und  Rationalmachen  der  dafür  gefundenen  Formel. 
Relation  für  die  Berührungskreise  des  Dreiecks ,  aus  den  vier  Seiten 
eines  Sehnenvierecks  die  Diagonale  zu  finden,  Inhalt  des  Sehnenvier- 
eckes aus  den  Seiten  zu  berechnen,  die  Formel  für  den  Halbmesser. 
Aus  der  Seitenzahl,  dem  groszen  und  kleinen  Halbmesser  eines  einge- 
schriebeneu regulären  Vierecks  den  Umfang   und  Inhalt   des  einge- 
schriebenen und  umschriebenen  Vierecks  von  einfacher  und  doppelter 
Seitenzahl  zu  finden.  Cap.IX:  Aehniichkeit  geradliniger  Figuren,  Con- 
struction von  Formeln,  Begriff  der  Aehniichkeit  geradliniger  Figuren, 


542  F.  R.  Märker:  Lehrbach  der  Geometrie. 

Construclion  der  vierten  Proportionallinien ,  die  vier  Aehnlichkeib- 
fülle,  Verhäitnis  ähnlicher  Dreiecke  in  Bezug  auf  Inhalt,  Theilung  iho- 
licher  Vierecke,  Zerlegung  derselben  in  ähnliche  Dreiecke.  Aehnliche 
Punktsysteme,  allgemeiner  Begriff  von  Aehnlichkeit,  Proporlioneii  bei 
Sehnen,  Secanten,  Tangenten,  Lehrsatz  von  einer  GeradoD,  die  in 
gleichschenklichen  Dreieck  von  der  Spitze  nach  der  Grundlinie  geht, 
und  von  der  Halbierungslinie  eines  Winkels  in  irgend  einem  Dreieck, 
mitllere  Proportionalen,  ptolcmäischer  Lehrsatz,  harmonische  Pankte, 
harmonischer  Schnitt,  Strahlen,  eine  Tangente  an  zwei  Kreisen,  Con- 
struclion von  Quadratwurzeln  und  quadratischen,  unreinen  Gleichnii- 
gen.  Kap.  X:  Ausmessung  des  Kreises,  der  dazu  gehörigen  Linien  nnd 
Flächen.  Ludolphs  Zahl,  also  Quadratur  und  Rectification  des  Kreisel, 
Verhältnis  der  Sectoren,  Ccntriwinkel ,  Berechnung  der  Secloren,  Bo- 
gen, Segmente.  Lunula  liippocratis,  Fälle  in  denen  diese  qnadrierbar 
ist,  Construction  einer  solchen,  welche  ihrem  Radienviereck,  das  lanter 
concüve  Winkel  hat,  gleich  ist,  Kreis,  die  gröszte  Figur  von  bestinn- 
tem  Umfang,  grösztcr  Inhalt  geradliniger  Figuren  bei  gegebenen 
Umfang. 

Ergibt  sich  aus  der  genaueren  Betrachtung  dieses  Inhalts  von  eieh- 
nisses  schon  ein  ungewöhnlicher  Ueichthum,  so  ist  doch  dieser  es  nicht 
vorzugsweise,  welcher  das  vorliegende  Lehrbuch  vor  anderen  aus- 
zeichnet, sondern,  wie  schon  gesagt,  vielmehr  die  streng  durchge- 
führte systematische  Anordnung.  Alles  zu  erweisen,  was  mit  des 
vorangestellten  höheren  Principien  nicht  auf  das  genaueste  nnd  un- 
mittelbar zusammenfällt,  das  scheint  Wahlspruch  für  den  Verfasser  ge- 
wesen zu  sein. 

Die  geometrischen  Vorbegriffe  beginnen  mit:  Die  Theile  des 
Raumes  reihen  sich  stetig  d.  h.  ohne  Lücken ,  ohne  irgend  eine  Unter- 
brechung aneinander.  Diese  Eigenschaft  räumlicher  Gegenstände,  sich 
durch  den  Raum  in  stetiger  Aufeinanderfolge  ihrer  Theile  zu  erstrecken, 
heiszt  Ausdehnung.  Man  nennt  die  Stelle  im  Raum,  wo  ein  Gegenstand 
sich  beßndet,  seinen  Ort,  die  Beziehung  eines  Gegenstandes  auf  dia 
Orte  anderer  räumlicher  Gegenstände  seine  Lage.  An  diese  allgemei- 
nen geometrischen  Begriffe  knüpft  der  Verf.  die  Gleichartigkeit  der 
Raumgröszen,  geht  von  da  auf  den  Begriff  von  Grösze,  Masz,  Messing 
über,  stellt  als  Folge  hin:  dasz  der  Theil  kleiner  als  das  ganse  sei, 
dasz  zwei  GrOszen,  die  derselben  dritten  gleich  sind,  einander  selbst 
gleichen  müssen  und  wo  blosz  die  Gröszen  mehrere  Gegenstlade  in 
Betracht  kommen,  dasz  sich  stets  gleiches  für  gleiches  setien  liszt. 
Weitere  Folgerungen:  *Zu  gleichem  gleiches  gibt  gleiches\  •Eine  Stella 
im  Raum  ohne  Ausdehnung  heiszt  Punkt'.  Jeder  Punkt  kann  nach  allen 
Seiten  hin  bewegt  werden,  daher  gibt  es  Seiten  desselben.  Die  Be- 
wegung des  Punktes  führt  zur  Vorstellung  von  Linien,  durch  die  Be- 
wegung der  letzteren  zur  Vorstellung  von  Flächen,  auf  ähnliche  Weise 
zur  Vorstellung  von  Körpern.  Zur  Begrenzung  einer  Fläche  ist  nolh- 
wendig,  dasz  jede  Linie,  die  eine  ihrer  Grenzen  bildet,  in  jedem  ihrer 
beiden  Endpunkte  mit  einer  anderen  Grenzlinie  zusammenstöszt,  oder 


F.  R.  Märker;  Lehrbuch  der  Geometrie.  543 

wenn  nur  eine  einzige  Grenze  da  ist,  dasz  dieselbe  in  sich  zurück- 
läuft. Aehnliches  läszt  sich  über  vollständige  Begrenzung  Yon  Körpern 
aussprechen.  Zwei  Funkle  der  Oberfläche  eines  Körpers  lassen  sich 
immer  auf  so  viel  verschiedene  Weisen  als  man  will  durch  eine  Linie 
verbinden,  die  ganz  innerhalb  des  Körpers  liegt  (nach  dem  Verf.  ein 
Axiom).  Die  Bewegung  des  Punktes  an  derselben  Stelle  führt  auf  den 
Begriff  der  Drehung.  Bei  jeder  Drehung  einer  Raumform  bleiben  alle 
Punkte  derselben  gegeneinander,  auch  in  Hinsicht  auf  ihre  Seiten  ganz 
iu  derselben  Stellung  (Axiom).  Die  festen  Punkte,  um  welche  eine 
Raumform  sich  dreht,  heiszen  Pole.  Es  wird  ferner  als  Lehrsatz  dar- 
gethan:  Ist  eines  Körpers  Oberfläche  durch  Drehung  einer  Linie  um 
ihre  Endpunkte,  indem  ihre  übrigen  Punkte  sich  fortbewegen,  entstan>- 
den,  so  läszt  sich  ganz  innerhalb  desselben  immer  eines  anderen  Kör- 
pers Oberfläche  mit  denselben  Polen  erzeugen. 

Als  Lehrsatz  gilt:  Unter  allen  zwischen  denselben  Endpunkten 
möglichen  Linien  musz  wenigstens  eine  sein,  deren  Funkte  bei  der 
Drehung  der  Linie  um  ihren  Endpunkt  ihre  Stelle  beibehalten. 

Beweis:  Wäre  keine  Linie  von  der  im  Lehrsatz  ausgesprochenen 
Beschaffenheit  unter  den  zwischen  zwei  beliebigen  Endpunkten  mög- 
lichen Linien,  so  müste  jede  dieser  Linien  bei  ihrer  vollständigen 
Drehung  um  die  Endpunkte  eine  oder  mehrere  Flächen,  die  einen  Kör- 
perraum einschlieszen,  erzeugen.  Dann  müste  es  nothwendig  unter 
diesen  Linien  eine  geben,  deren  zugehöriger  Körperraum  kleiner  oder 
doch  nicht  gröszer  wäre,  als  der  jeder  beliebigen  anderen  zugehörige, 
und  dennoch  könnte  man  nach  dem  vor.  Lehrs.  eine  Linie  zwischen 
denselben  Endpunkten  ziehen,  die  bei  ihrer  Drehung  um  dieselben  die 
Begrenzung  eines  noch  kleineren  Körperraumes  erzeugte  —  ein  Wider- 
spruch, demnach  ist  die  Behauptung  wahr. 

Als  Aufg.  behandelt  ßndet  sich :  ^Zwei  Punkte  durch  eine  Gerade 
zu  verbinden'  und:  ^Eine  gegebene  Gerade  über  einen  Endpunkt  hinaus 
zu  verlängern.'  Aus  dieser  letzten  Aufgabe  folgert  der  Verf.:  Das 
gänzliche  Zusammenfallen  zweier  Geraden,  die  zwei  Punkte  gemein 
haben ;  dasz  sich  jede  Raumform  als  zwei  oder  mehrere  ganz  gleiche 
einander  deckende  ansehen  läszt  dasz  in  jedem;  gleichschenkL  Drei- 
eck die  Seiten  gleich  sein  müssen  u.  a. 

Als  Aufgaben  liest  man:  Eine  Ebene  zu  constrnieren;  eine  un- 
endliche Ebene  umzulegen;  es  sind  zwei  Gerade  in  derselben  Ebene 
und  in  jeder  ist  ein  Punkt  gegeben,  man  soll  die  eine  so  legen,  dasz 
sie  mit  der  anderen  vereinigt  ist,  dasz  beide  in  derselben  Ebene  blei- 
ben und  beide  Punkte  zusammenfallen.  Nach  diesem  begegnet  man 
einem  alten  Axiom  in  Form  eines  Lehrsalzes,  welcher  lautet:  Wenn 
zwei  unendliche  Ebenen  drei  nicht  in  gerader  Linie  liegende  Punkte 
gemein  haben,  so  haben  sie  alle  gemein.  Die  geometrischen  Vorbe- 
grilTe  schlieszen  mit  dem  Begriff  von  Linien  einfacher  und  doppelter 
Krümmung  ab. 

Das  erste  Kapitel  beginnt  mit  der  Behauptung:  Von  zwei  Ge 
raden,  die  nur  einen  Punkt,  der  kein  Endpunkt  ist,  gemein  haben,  lie- 


544  F.  R.  Märkcr:  Lehrbuch  dor  Goomelrie. 

gen  die  durch  diesen  Punkt  getrennten  Stücke  einer  jeden  auf  ent- 
gegengesetzten Seiten  der  anderen  und  bespricht  dana  die  Begriffe: 
Durchschnittspunkt;  öuszcrc  und  innere  correspondierende ,  gleich- 
namige Seiten  bei  sich  schneidenden  Geraden;  vollständiger,  hohler, 
erhabener,  gestreckter,  unvollständiger  Winkel,  Winkelseite,  Grösie 
des  Winkels  und  endet  mit  dem  Lehrsatz:  Nebenwinkel  betrageii  in- 
sammen  zwei  rechte. 

Wir  geben  noch  als  Beleg  für  die  Strenge  der  im  vorliegenden 
Werke  durchweg  gehandhabten  Beweisführung  die  Demonstration  zo 
dem  eben  erwähnten  Lchrsotz,  dasz  wenn  zwei  Gerade  sich  schneiden, 
die  ahgcsclinittenen  Stücke  auf  beiden  Seiten  der  schneidenden  liegen 
müssen:  Die  Geraden  CD  und  GlI  mögen  nur  den  Punkt  E  gemein 
haben.  Um  zu  beweisen,  dasz  EG  und  EH  auf  entgegengesetzten  Sei- 
ten von  CD  liegen,  sei  durch  C  und  D  noch  eine  mit  dieser  zasaramei- 
fallende  Gerade  A  B  gelegt,  die  dann  um  den  Punkt  E  gedreht  werden 
mag.  Sobald  AB  die  Lage  CD  verläszt,  treten  beide  Stacke  EB  and 
AK  auf  entgegengesetzte  Seiten  von  CD.  Denn  wenn  EB  anf  die  eiae 
Seite  von  CD  tritl,  so  kann,  weil  wenn  zwei  gerade  Linien  zweiPankle 
oder  ein  Stück  mit  einander  gemein  haben,  so  weit  auch  die  eine  oder 
andere  sich  erstrecken  mag,  beide  zusammenfallen  müssen,  nieht  AE 
auf  KC  liegen  bleiben.  Auch  kann  dann  nicht  AE  auf  dieselbe  Seite 
von  CD,  wo  EB  sich  benndet,  treten,  weil  dann  KB,  welches  stets  vor. 
wurts  nach  der  Lage  CK  hin  bewegt  wird,  iiothwendig  mit  AE  snsaa« 
mcnkommen  müste ;  denn  AK  kann  unterdessen  nicht  wieder  rttokwärb 
durch  die  Lage  CK  hindurch  gehen.  Also  musz  AE  ouf  die  cntgegea- 
gcselzle  Seite  von  CD  treten.  Ebenso  kann  keines  von  beiden  Stflckea 
AK  und  KB  die  Luge  von  CD,  von  wo  aus  es  >\ieder  auf  die  andere 
Seite  zu  kommen  vermöchte,  erreichen,  wofern  das  andere  Sttteksie 
noch  nicht  erreicht  hat.  Also  müssen,  wenn  AB  in  die  Lage  GH  ge- 
langt, beide  Stücke  von  AB,  also  auch  beide  von  GH,  nemlich  GH  nad 
Ell  auf  entgegengesetzten  Seilen  von  CD  liegen.  Ebenso  läszt  sieh 
zeigen,  dasz  beide  Stücke  von  CD  auf  entgegengesetzten  Seiten  yob 
GH  liegen  müssen. 

In  Kap.  111  findet  sich  auszcr  den  gewöhnlichen  vier  Congroeax- 
füllen  noch  ein  fünfler  vor,  welcher  sich  auf  die  Gleichartigkeit  der 
M  inkel  erstreckt.  Der  darauf  bezügliche  Lehrsatz  lautet :  Sind  in  zwei 
Dreiecken  zwei  Seiten  gleich  und  von  den  nicht  eingeschlossenen 
Winkeln  der  eine  bezüglich  gleich  und  der  andere  gleichartig,  so  sind 
die  Dreiecke  congruenl. 

Beweis :  In  den  Dreiecken  ABC  und  DEF  ist  AB  =r3  BE,  BC  =  EF; 
/.A  r-^D  und  /.C  gleichartig  mit  /.F  (beide  spitz  oder  stumpf);  dann 
kann  nicht  AC^DFsein,  denn  sonst  könnte  man  AG  :=^  DP  von  AC  ab- 
schneiden und  BG  ziehen.  Es  wäre  dann,  wegen  AG  =^  DF:  AB  = 
DE  und  Z.A  —  A.D;  ^ABG  =;.  z/DEF,  folgl.  BG  =  EF  =  BC,  also 
BCG  gleichschcnUlig;  auch  wäre  /.AGB  = /.F.  Du  nun  F  gleichartig 
mt  C  ist,  so  wöre  auch  AIÜB  gleichartig  mit  C,  was  nach  früheren 


F.  R.  Märker:  Lehrbuch  der  Geometrie.  545 

Sätzen  unmöglich  ist.   Somit  musz  AC  =  DF  und  //ABC  =  DEF  sein, 
wie  behauptet  wurde. 

Kap.  IV  befaszt  sich,  wie  schon  erwähnt,  mit  den  parallelen 
Linien. 

Hätte  der  Verf.  nach  streng  euklidischer  Methode  diese  Lehre 
abhandeln  wollen ,  so  wäre  in  dem  vorigen  diesem  Vorhaben  zu  Liebe 
vieles  zu  ändern  gewesen.  Euklids  Voraussetzungen  für  seine  Theorie 
ruhen  bekanntlich  lediglich  auf  der  Congruenz  der  Dreiecke;  er  ver- 
meidet dabei  alle  discursiven  Demonstrationen,  beweist  zunächst,  dasz 
zwei  Winkel  im  Dreieck  zusammen  stets  kleiner  als  zwei  rechte  sein 
müssen.  Dasz  wenn  zwei  Winkel  gegeben  werden,  deren  Summe  we-- 
niger  als  zwei  rechte  beträgt,damit  immer  ein  Dreieck  möglich  sei,  läszt 
sich  mittelst  der  altgriechischen  Voraussetzungen  nicht  darthun.  Es 
fehlt  dem  elften  Grundsatz  des  Euklides  also  immer,  dasz  gezeigt  wer- 
den kann,  wie  unter  der  obigen  Bedingung  auf  jeder  noch  so  groszen 
Grundlinie  ein  Dreieck  möglich  sei,  welches  mit  einem  gegebenen  zwei 
Winkel  gemein  hat.  Der  Satz,  welcher  durch  Grundsatz  11  bestimmt 
wird,  lautet:  dasz  die  Summe  der  Winkel  in  allen  geradlinigen  Drei- 
ecken gleich  grosz  sei,  dasz  also  in  Rücksicht  der  Möglichkeit  eines 
geradlinigen  Dreiecks  auf  die  Grösze  der  Seiten  im  Verhältnis  zu  dem 
der  Winkel  nichts  ankomme.  Es  musz  also  irgend  ein  anderer  Satz 
vorangehen,  soll  obige  Behauptung  sich  erledigen  lassen;  und  dieser 
kann  nur  in  den  Eigenthümlichkeiten  der  Geraden,  welche  das  Gesets 
ihrer  Richtung  gegen  einander  bestimmt,  gesucht  werden.  Es  macht 
sich  mit  anderen  Worten  ein  Axiom  der  Richtung  nöthig,  und  damit 
werden  wir  auf  den  Mangel  der  euklidischen  Grundlagen,  die  von  Ei- 
genschaften des  vorfindlichen  Raumes  nirgends  sprechen,  recht  auf- 
merksam gemacht. 

Nicht  so  in  dem  vorliegenden  Lehrbuch,  wie  wir  gesehen  haben, 
und  darum  auch  die  glückliche  Beseitigung  der  Parallelthcorie.  Dasz 
das  Kunststück  auf  anderen  Wegen  ebenfalls  ausgeführt  werden  kann, 
dafür  lieszen  sich  aus  neuester  Zeit  viele  Belege  vorbringen,  wir  ver- 
weisen aber  nur  wieder  auf  das  oben  schon  erwähnte  Thibautsche  Lehr- 
boch  mit  seinen  phoronomischen  Grundlagen.  Zwei  Gerade  in  der- 
selben Ebene,  die,  soweit  man  auch  jede  über  beide  Endpunkte  hinaus 
verlängern  mag,  nirgends  einander  schneiden,  heiszen  nach  dem  Verf. 
parallele  Linien. 

Im  vorigen  Kap.  findet  sich  ferner  bei  der  Aufgabe:  Von  einem 
Punkt  auszerhalb  einer  Geraden  ein  Perpendikel  auf  diese  zu  fällen, 
als  Zusatz :  Befindet  sich  auf  eines  spitzen  Winkels  BAF  horizontalem 
Schenkel  AB  in  B  ein  Loth  P  und  treffen  alle  auf  AB  errichteten  Lothe 
den  Schenkel  AG,  so  musz  AG  mit  P  zusammenstoszen. 

Gesetzt  das  letztere  träfe  nicht  ein,  dann  liesze  sich  AG  um  einen 
Theil  verlängern  und  von  dem  Ende  dieser  Verlängerung  aus  jeden- 
falls eini  Perpendikel  auf  AB  herabziehen ,  welches  einen  Punkt  H  in 
AB  träfe.  Nun  aber  trifft  ein  Loth  auf  H  den  anderen  Schenkel  zwi- 
schen A  und  G,  somit  wären  zwei  Perpendikel  auf  demselben  Punkt 


546  F.  R.  Märker :  Lehrbach  der  Geometrie. 

errichtbar  —  ein  Widerspruch  gegen  bereits  früher  bewiesenes.  Ne- 
ben diesem  Satz  dient  als  zweiter  nicht  besonders  ausgesprochener: 
Ein  Loth  von  einem  Punkt  P  auf  eine  Gerade  herabgelassen,  ist  mit 
dem  auf  der  Geraden  errichteten  und  durch  P  gehenden  Loth  als  gleich- 
geltend anzusehen. 

Mit  diesen  Voraussetzungen  wird  erledigt  der  Lehrs. :  Wenn  auf 
des  spitzen  Winkels  ABC  horizontalem  Schenkel  (BC)  ein  Perpendikel 
auf  der  inneren  Seite  desselben  errichtet  wird,  so  schneidet  dieses  ge- 
nugsam verläugort  auch  den  oberen  Schenkel. 

Denn  vom  Punkt  1  des  oberen  Schenkels  laszt  sich  jederzeit  ein 
Loth  IK  auf  den  unteren  fällen,  welches  den  unteren  trifft,  denn  von 
jedem  Punkt  ist  ein  Loth  auf  eine  Gerade  möglich.  Damm  läszt  sich 
auch  in  H  ein  Loth,  welches  den  oberen  Schenkel  trifft,  errichten. 

Gesetzt  nun,  es  gäbe  unter  den  unendlich  vielen  auf  diese  Weise 
errichteten  Perpendikeln  welche,  die  den  oberen  Schenkel  nicht  träfen, 
so  liege  innerhalb  C  ein  solches,  es  heisze  R,  dann  würde  rechts  von 
R  alle  nichtschneidende,  links  alle  schneidende  sich  befinden.  Wire 
nun  ON  =  L  das  erste,  von  B  ausgerechnet,  nicht  schneidende,  dana 
lägen  zwischen  B  und  N  alle  schneidende,  AB  müste  aber  (nach  d.  Yor. 
Satz)  dann  mit  R  bei  gehöriger  Verlängerung  zusammenstoszen,  der 
Annahme  widersprechend. 

Sollte  es  aber  rechts  von  B  ein  letztes  schneidendes  Loth  geben, 
so  widerspräche  dieses  wieder  dem  Satz,  dasz  von  einem  Punkt  des 
oberen  Schenkels,  rechts  von  diesem  schneidenden  abliegend,  sich  ein 
Loth  auf  den  unteren  fällen  liesze,  welches  letzteren  träfe,  und  dieses 
könnte  sogleich  als  ein  errichtetes  betrachtet  werden. 

Somit  gibt  es  kein  letztes  schneidendes  und  kein  erstes  nicht- 
schneidendes  Loth  auf  BC  und  die  vorangestellte  Behauptung  hat  so- 
mit ihre  Begründung  gefunden,  womit  man  leicht  zu  dem  bekannten 
Lehrs.  überzugehen  vermag,  dasz  das  Loth  auf  einer  Geraden  ebenfalls 
Loth  auf  der  ihr  parallel  gezogenen  ist. 

liier  bildet  die  ganze  Lehre  von  den  Parallelen  ein  für  sich  abge- 
schlossenes ganze ,  ganz  unabhängig  von  der  Congruenz  der  Dreiecke, 
lediglich  auf  den  Begriff  der  Bewegung,  dos  Gegensatzes  in  der  Lage 
und  andere  Begriffserklärungen  in  den  Grundlagen  gestützt.  Wir 
treffen  als  nächsten  Lehrsatz:  Werden  zwei  Parallellinien  von  einer 
dritten  Geraden  geschnitten,  so  beträgt  die  Summe  von  zwei  inneren 
Winkeln  2  rechte  usw.,  nach  diesem  auf  den  wenig  bekannten  Satz  : 

Zwei  Winkel  mit  bezüglich  parallelen  Schenkeln  sind  gleich, 
wenn  jeder  Schenkel  mit  dem,  der  ihm  parallel  ist,  nur  auf  derselhea 
oder  nur  auf  entgegengesetzten  Seiten  der  die  Scheitel  verbindenden 
Geraden  liegt,  ergänzen  aber  einander  zu  zwei  rechten,  wenn  das 
eine  Paar  der  parallelen  Schenkel  auf  derselben ,  das  andere  auf  ent- 
gegengesetzten Seiten  jener  Geraden  liegt;  ferner 

Perpendikel  auf  Parallelen  liegen  entweder  in  gerader  Linie  oder 
sind  parallel,  endlich: 

Die  drei  Winkel  eines  Dreiecks  sind  zusammen  zweien  rechten  gleich. 


F.  R.  Märker :  Lehrbuch  der  Geometrie.»  547 

Id  dem'  taarten  Kap.  finden  wir  die  ersten  Grundlagen  zu  der 
Lehre  von  der  Aelinlichkeit  der  Figuren,  Weil  Rech  lecke,  in  denen 
£wet  SkOAXoszuüdü  Seilen  bezüglich  sind,  cong^raent  sein  müssen,  so 
liiiizt  sich  ein  Ueöhlecb  von  ganz  bestimmter  Grösse  und  Gostatt 
durch  das  Produkl  zweier  nnstoszenden  Seiten  bczeielinen;  also  das 
Rechteck  ÄBCD  durch  AB.  AD.  Diese  VorausselJGungf  verwendet 
der  VerL  im  Kap.  VI  zu  einer  zweiten  der  Buctistabenreehnung  eot^ 
lehnten  Beseichrmngsweise ,  wenn  er  sagt:  Heben  Itechtecke  eine 
glejclie  Seite  (p),  so  lassen  sich  dieselben  Terner  so  aneinander 
setzen,  dasK  sie  ein  einziges  Rechteck  bilden,  deren  Inhalt  so  gross, 
als  der  InhoU  der  beiden  vorigen  Tst,  oder  waren  die  Grundlinien 
der  ersteren  g  und  G,  dann  wird  der  Inhalt  der  auf  diese  Weise 
gewonnenen  Figur:  p  (g  +  G)^  und  ist  g  =  G,  dann  kommt  für  die 
neue  Figur  2pg. 

Nach  Erlaulerung  der  Begrilfe:  Verhältnis  und  Froportion^  mitl^ 
lerer  Proportionale,  Proportionahoht  und  einigen  allgemeinen  Gc^^etsen 
über  vorgegebene  Proportionen,  dasz  sieh  z.  B.  die  Glieder  Jeder 
richtigen  Proportion  aehlmul  umsetzen  lassen  u.  a.  linden  wir  deb 
Lehrsatz:  ßechtecke  von  gleichen  Höhen  verhalten  sich  wie  die  Grund- 
linien, und  dazu  folgenden  Beweis:  £s  mag  das  Hechteck  AC  mit  dem 
Rechleck  EG  gleiche  Höhe  haben,  dieses  zweite  kleinere  als  Masz,  so- 
wol  für  den  Inhalt  des  ersteren,  als  dessen  Grundlinie  für  die  Grund- 
linie des  ersteren  als  Masz  gelten.  Wir  tragen  das  kleinere  von  dem 
gröszeren  so  oft  Mal,  als  es  gehen  will,  also  etwa  n  Mal  ab,  wo  n 
eine  ganze  Zahl  bedeutet,  dann  bleibt  ein  Rest  kleiner  als  das  ge- 
brauchte Masz.  Verfährt  man  eben  so  mit  den  Grundlinien  der  beiden 
Rechtecke,  so  wird  sich  nach  dem  vorigen  ebenfalls  die  Grundlinie  des 
kleineren  Rechleckes  auf  der  des  gröszeren  n  Mal  abtragen  lassen, 
dann  ein  Rest  kleiner  als  das  gebrauchte  Masz  bleiben.  Sollte  sich 
nun  ein  Unterschied  zwischen  den  sich  auf  diese  Weise  herausstellen- 
den Maszzahlen  für  die  Bestimmung  des  Inhalts  und  der  Grundlinie 
des  gröszeren  Rechteckes  durch  das  kleinere  ergeben,   dann  müste 

sich  dieser  als  ein  rechter  Bruch  /^~j  aussprechen  lassen,  dieser  letz- 
tere kleiner  als  1  sein. 

Wählte  man  zu  dieser  gegenseitigen  Maszbestimmung  nur  einen 
Theil,  etwa  den  mten  des  kleineren  Rechteckes  als  Masz,  dann  wärden 
sich  sowol  für  den  Inhalt  als  für  die  Grundlinie  beider  Reehteeke 
mfach  gröszere  Maszzahlen  ergeben  müssen.  Sollte  aber  wie  vorhin 
ein  Unterschied  für  die  Bestimmung  des  Inhalts  und  der  Grundlinie 
statthaben,  so  müste  weiter  dieser  sich  ebenfalls  in  einem  Bruch  klei- 
ner als  1  wie  vorhin  aussprechen  lassen,  denn  es  liegt  kein  Grund 
vor,  warum  dasselbe  Rechteck  durch  ein  mfach  kleineres  Masz  ge- 
messen hier  andere  Verhältnisse  bringen  sollte.  Nennt  man  den  Inhalt 
des  ersteren  Rechteckes  a,  den  des  zweiten  b,  so  würde  also  sein: 

=-  -<  1,  daneben  aber  bei  der  zweiten  Art  der  Messung 

n"       n         q 


548  /.  R*  Märker:  Lehrbuch  der  Geometrie. 

a  b  •a        b\         mp 

gelten :      /^x  "  /T\  =  *"  W  ~  n  /  ~  "q~  ^  ^ '  ^"^  unmöglich 

ist,  weil  m  >  1  ebenso  n  >  1  vorausgesetzt  wurde,  im  Widerspruch 
mit  dem  ersten;  wir  müssen  somit  modus  ponens  tollendo,  den  alten 
Lehrsatz,  dasz  sich  Rechlecke  bei  gleicher  Höhe  verhalten  wie  ihre 
Grundlinien  (und  umgekehrt),  gelten  lassen.  Die  Demonstration  bietet 
den  groszen  Vortheil,  den  BegrifT  der  Incommensurabilität,  sowie  den 
des  unendlichen  vermieden  zu  haben,  und  doch  ebenso  viel  zu  leisten 
als  diejenige,  welche  diese  BegrifTe  aufnehme. 

Es  schlieszen  sich  nun,  wie  leicht  zu  denken  ist,  daran  die  be- 
kannten Sätze:  Ein  Rechleck  auszumessen,  zwei  Dreiecke,  in  denen 
ein  Winkel  gleich  ist  oder  zusammen  zwei  rechte  ausmachen,  verhal- 
ten sich  wie  die  Produkte  der  diese  Winkel  einschlieszcnden  Seiten; 
die  Lehre  von  den  harmonischen  Punkten ;  aus  den  8  Seiten  eines  um 
den  Kreis  beschriebenen  Dreiecks  den  Halbmesser  desselben  und  den 
des  in  ein  Dreieck  beschriebenen  Kreises  zu  berechnen;  den  Inhalt  des 
Sehnenvierecks  und  dessen  Diagonalen  zu  finden  aus  dem  Halbmesser 
eines  Kreises  und  der  Seitenzahl,  in  welcher  die  Primzahlen  3  and  5 
einmal  oder  keinmal,  2  aber  beliebig  oft  als  Factor  enthalten  ist. 

Auszer  diesen  finden  sich  eine  Reihe  von  Aufgaben,  die  -nicht 
jedem  geometr.  Lehrbuch  einverleibt  werden,  weil  deren  Lösung  schon 
höhere  algebraische  Hilfsmittel  verlangt.  Z.  B.  aus  den  drei  Seiten 
eines  Dreiecks  dessen  Inhalt  zu  finden ,  wenn  für  jene  erste  Aufgabe 
sowol  Inhalt  als  Seiten  rational  werden  sollen.  Der  Verf.  erreicht 
dieses,  indem  er  in  die  entsprechende  Formel : 


^  -=  i  /  (a 

+  b  + 

c)(b  + 

C  ' — 

a)(c 

+ 

a  —  b)  (b  +  a  -  c) 

a  :=  t  V    + 

iiw ;  b  = 

lw  + 

uv;  c 

=  (t 

— 

u)  (v  +  w)  einsetst, 

dadurch  z/  = 

i/l6t*u 

1*0- 

u)2  0 

f  +  w 

)^- 

:r  tu  (t  —  u)  (v  +  w) 

gewinnt,  wo 

t,  II,  V,  w  rationale  Gröszen  bezeichnen.    Als  Beispiele 

dafür  ist  angegeben: 

tu  =  VW         t      u 

V     W 

a 

b 

c 

6 

3    2 

6     1 

20 

15 

7 

8 

8    1 

4     2 

34 

20 

42 

10 

10     1 

5     2 

52 

25 

63 

usw.  Diesem  folgt: 

Aus  den  vier  Seiten  eines  Sehnenvierecks  die  Diagonalen  zu  ba- 
rechnen  und  den  Inhalt  eines  Sehnenvierecks  aus  den  Seiten  zu  finden, 
ferner:  Aus  der  Seite  eines  regnlären  Sehnenvierecks  und  dem  Halb- 
messer die  Seite  des  regulären  Sehnenvierecks  von  doppelter  Seiten- 
zahl zu  finden.  Die  hier  zuletzt  gewonnenen  Relationen  zwischen  dem 
Inhalt  eines  eingeschriebenen  regulären  Vierecks  (u')  und  eines  um 
den  Kreis  beschriebenen  (U^)  von  doppelter  Seitenzahl,  ferner  dem 
eines  eingeschriebenen  Vierecks  (u)  und  umschriebenen  Vierecks  von 

2uU  2n*ü 

einfacher  Seitenzahl  (ü),  d.  h.  U'  =  77—: —  und  u*  =-— , —  die- 

U+u  ü+u 

nen  später  wieder  bei  der  Kreismessung.    In  Kap.  IX  sind  die  Con- 


F.  R.  Markör :  Lehrbueb  der  deonietrie.  549 

»      ,.  A     j   .  I  «^  ab  +  cd  +  ef+.... 

slructionen  von  Ausdrucken  wie  x  =  — ;  x  =-. — v—:—T\^—r ; 

c  b  +  1  +  k  + 

abc  +  def  + ,  ,    ,  ,/     y^" — Tr^". 

X  =   i r— und  x  =  v«b;x  =  l/aY   bcv2;  ferner 

pq  +  rs  +  tv *  ' 

von:  x^  +  ax  ==  b  =:=  0  durchgeführt,  daneben  die  Aufgaben:  Zu 
(frei  gegebenen  harmonischen  Punkten  den  vierten  zu  finden ;  aus  einer 
oder  mehreren  bekannten  Linien  ist  der  Worth  einer  unbekannten  in 
rationaler  Form  gefunden,  man  soll  diesen  Werth  geometrisch  con- 
strnieren,  ferner  der  Lehrsalz:  Wenn  vier  Gerade,  die  durch  einen 
Punkt  nach  harmonischen  Punkten  gehen,  beliebig  mit  einer  Geraden 
durchschnitten  werden,  so  sind  die  vier  Durchschnittspunkte  ebenfalls 
harmonische  Punkte,  der  ptolcmüische  Lehrsatz  samt  Umkehrung  be- 
handelt worden.  Die  vier  Lehrsätze  über  die  Aehnlichkeit  zweier 
Dreiecke  finden  sich  in  einen  einzigen  zusammengedrängt,  dem  als 
Zusätze  folgen:  Wenn  jede  Seile  eines  Dreiecks  zu  einer  Seite  eines 
anderen  Dreiecks  senkrecht  steht,  so  sind  die  Dreiecke  ähnlich  und 
wenn  jede  Seite  eines  Dreiecks  mit  einer  Seite  eines  anderen  Dreiecks 
parallel  oder  (was  bei  einef  oder  zwei  Seiten  der  Fall  sein  kann)  in 
gerader  liegt,  so  tritt  ebenfalls  Aehnlichkeit  zwischen  beiden  Figuren 
ein.  Kap.  X  bietet  viel  neues.  Nach  dem  Lehrsatz:  dasz  der  Unter- 
schied zwischen  einem  im  Kreis  eingeschriebenen  und  einem  demsel- 
ben umschriebenen  regulären  Vieleck  von  gleichviel  Seiten,  durch 
Verdoppelung  der  Seitenzahl  sich  mehr  als  das  vierfache  vermindert, 
scheint  Ref.  weniger  bekannt  zu  sein.  Desgl.  der  Lehrsatz:  Eine  Figur 
von  der  Eigenschaft,  dasz  durch  jeden  Punkt  ihres  Umfanges  sich  eine 
Gerade  ziehen  läszt,  die  beliebig  verlängert  nirgends  in  die  Figur 
hincintritt,  hat  einen  kleineren  Umfang  als  alle  anderen  Figuren,  zu 
deren  Flächenraum  ihr  Flächenraum  ganz  gehört.  Zur  Berechnung  der 
Ludolphschen  Zahl  werden  die  obigen  Formeln  für  den  Inhalt  einge- 
schriebener und  umschriebener  Vielecke  von  einfacher  und  doppelter 

Seitenzahl  benutzt,  also:  ü' =  rr-^ —  und  ü*  =  uü',  für  die  ge- 

U  —  a 
nannte  Zahl  fallende  Reihen  berechnet,  wovon,  wenn  mau:  -— ; — 

'  ü  +  0 

u    •  q  q*  q3 

mit  q  bezeichnet,  eine  lautet:  n  =z  —  (l  -j-  7—^  —  7-7  +     r—z 

-Ä+ )=i^'"«- -4^.  •'"•'-'. 

die  in  der  Differentialrechnnng  auf  anderem  Wege  gefunden  wird. 

Interessant  ist  die  Aufgabe,  die  sich  dicht  an  die  Kreismessnng 
anschlieszt:  Eine  Lunula  zu  construieren,  welche  ihrem  Radienviereck, 
das  lauter  concave  Winkel  hat,  gleich  ist,  deren  Lösung  indessen 
doch  schon  zu  den  schwierigen  gehört,  da  viele  Irrationalitäten  zu 
beseitigen  sind,  ebenso  die  nächstfolgende  Aufgabe:  Eine  Lunula  zu 
construieren,  welche  ihrem  Radienviereck,  das  einen  concaven  Winkel 
hat,  gleich  ist. 


550  F.  R.  Härker :  Lehrbuch  der  Geometrie. 

Den  Schlusz  des  ganzen  Werkes  bilden  einige  der  Lehre  tob 
gröszten  und  kleinsten  angehörige  Aufgaben,  z.  B:  Unter  allen  Figu- 
ren von  gleichem  Umfang  hat  der  Kreis  den  gröszten  Inhalt;  onter 
allen  Figuren  von  gleichem  Inhalt  hat  der  Kreis  den  kleinstea  Uffl- 
fang;  unter  allen  Figuren  von  bestimmtem  Umfang,  die  Ober  einer 
Goraden  möglich  sind,  ist  das  Kreissegment  mit  diesem  Umfang  die 
gröszte;  unser  allen  Vielecken  von  bestimmtem  Umfang  nnd  besliniB- 
ter  Seitenzahl,  die  über  einer  Geraden  möglich  sind,  ist  dasjenige, 
dessen  AVinkelpunkte  alle  in  einem  zu  jener  Geraden  als  Sehne  ge- 
hörigen Kreisbogen  liegen  und  diesen  in  lauter  gleiche  Theile  theilei, 
das  gröszte ;  unter  allen  Vielecken  von  bestimmter  Seitenzahl  and  be- 
stimmtem Umfang  hat  das  rogelmüszige  den  gröszten  Inhalt;  anter 
allen  Vielecken  von  gleicher  Seitenzahl  und  gleichem  Inhalt  hat  dsi 
rcgclmäszigc  den  kleinsten  Umfang ;  von  z>vei  regulären  Vielecken 
von  gleichem  Inhalt  hat  das  mit  der  gröszcren  Seilenzahl  einen  klei- 
neren Umfang;  von  zwei  regulären  Vielecken  von  gleichem  UmfaBf 
hat  das  mit  der  gröszercn  Seitenzahl  einen  gröszeren  Inhalt:  laaler 
Aufgaben,  welche  hier  mit  gewöhnlichen  Hilfsmitteln  beseitigt  wer- 
den, obwol  sie  mehr  dem  Gebiet  der  höheren  Analysis  angehören. 

Ucf.  kann  es  nicht  unterlassen,  dem  Schlusz  dieser  Betrachtanf 
noch  einige  Bemerkungen  ganz  allgemeiner  Natur  hinzuzufögen.  Weaa 
derselbe  schon  lange  die  Uehcrzeugung  gewonnen  hatte,  dasz  es  keine 
leichte  Aufgabe  sei,  ein  geometrisches  Elementarwerk  dieser  Art  sa 
verfassen,  so  wurde  er  beim  Durchstudieren  —  von  lesen  kann  nicht 
gut  die  Hede  sein  —  des  vorliegenden  über  andere  ahnliche  so  weit 
hervorragenden  Compcndiums  von  neuem  wieder  in  dieser  Ansieht  be- 
stärkt und  lindct  die  Schwierigkeit  namentlich  in  der  Wahl  der  ober- 
sten Grunderkenntnisse,  daneben  jedoch  in  vielfachen  und  zwar  den 
verschiedensten  an  ein  solches  Buch  neuerer  Zeit  gestellten  Anfor- 
derungen. 

Den  ersten  Punkt  anbelangend,  ist  es  wol  kaum  möglich,  allge- 
meinere Voraussetzungen  als  wie  etwa  folgende:  Die  Richtung,  in  wel- 
cher zwischen  zwei  Punkten  eine  Gerade  beschrieben  wird,  ob  voa 
rechts  nach  links  oder  umgekehrt,  bringt  für  das  Ergebnis  keinen 
Unterschied,  zu  wählen,  und  doch  machte  sich,  um  Axiom  II  des  Eaklid 
als  Lehrsatz  darzuthun,  noch  ein  groszer  logischer  Apparat  oeheobei 
nöthig. 

Indessen  abgesehen  von  diesen  den  systematischen  Anfbaa  he- 
treffenden  Schwierigkeiten,  stehen  in  den  verschiedenartigsten  ander- 
weitigen Anforderungen  nicht  geringere  entgegen.  Es  bildet  ein  sol- 
ches Werk  gewissermaszen  den  obersten  Gerichtshof,  bei  welchem 
die  verwickollsten  mathematischen  Slreitfragsn  sollen  geschlichtet 
werden,  wio  natürlich,  denn  die  Planimetrie  soll  die  Unterordnung 
der  Wahrheiten  aller  spateren  geometrischen  Wahrheiten  unter  ihre 
allgemeinen  Principion  gestatten.  Wer  sucht  darum  hier  nicht  Ralh? 
Nicht  der  Stereomeier  oder  Trigonometer  nimmt  allein  Regresz  zur 
Planimetrie,  sondern  es  that  es  von  jeher  der  Analytiker  und  thut  es 


F.  R.  Märker :  Lehrbach  der  Geometrie.  551 

wol  noch,  wenn  er,  nm  anschaulich  zu  werden,  seine  Formeln  in 
Linien  umzusetzen  sucht,  die  Constructionen  gewissermaszen  als  Präf- 
stein  seiner  Formeln  gebraucht,  oder  wol  gar  —  wie  die  ersten  Be- 
gründer der  DilTerentialrechnung  es  mehrfach  wiederholten  —  auf 
planimetrische  Sätze  die  Lehren  der  Infinitesimalrechnung  stützt.  Wer- 
den hier  sehr  weitschichtige,  umfassende  Voraussetzungen  von  der 
Planimetrie  verlangt,  so  sind  sie  doch  nicht  viel  gröszer  als  die  Zu- 
mutungen, welche  dieser  Disciplin  durch  ihre  Tochter  die  analytische 
Geometrie  erwachsen;  man  denke  desfalls  an  die  so  fiuszerst  umfas- 
senden Untersuchungen  eines  Möbius,  Magnus,  Plücker,  Steiner  u.  a- 
Die  der  Planimetrie  voranstehenden  Axiome  sollen  z.  B.  auch  die  Leh- 
ren der  Collineation,  Reciprocitat,  der  Affinität  und  des*barycentri- 
schen  Calculs  beherschen.  Mit  welcher  Vorsicht,  Umsicht  ist  bei  der 
Wahl  jener  Grundlagen  darum  zu  verfahren ! 

Neben  diesen  Ansprüchen  eröffnet  sich  noch  eine  reiche  Quelle 
von  Anforderungen  an  diese  Disciplin  von  Seiten  der  Schulen  her. 
Diese  verlangen  ^rosze  Berücksichtigung  und  hegen  nicht  gar  so  leicht 
zu  beschwichtigende  Wünsche.  Der  eine  Lehrer  verlangt  vor  allem 
ein  sogenanntes  analytisches  oder  heuristisches,  der  andere  dagegen 
ein  rein  ostensives  Lehrverfahren.  Ref.  selbst  liebt  das  erste  mehr 
als  das  letzte,  indem  er  durch  jenes  die  Selbstthätigkeit  des  Schülers 
vorzugsweise  zu  fördern  wähnt,  letztere  bald  sehr  gern  in  den  geo- 
metrischen Lehren  herumsuchen,  um  diesen  oder  jenen  Knoten  zu  lö- 
sen; andere  finden  den  Platz  für  alle  Heuristik  in  den  Aufgabenbfichern. 
Wenn  Ref.  für  Schüler  der  niederen  Klassen  zuviel  Stoff  in  den  ersten 
Kapiteln  des  in  Rede  stehenden  Werkchens  findet,  wenn  er  die  Ueber- 
zeugung  gewonnen  zu  haben  glaubt,  es  sei  für  den  lernenden  zu  wenig 
zu  errathen  übrig  geblieben,  so  ist  dieses  Urteil  ein  ganz  subjectives 
und  läge  ja  hier  ein  Misstand  vor,  er  würde  gegen  die  nicht  genug  zu 
rühmenden  anderen  Vorzüge:  Bündigkeit,  Klarheit,  Schürfe  der  Dar- 
stellung vollkommen  verschwinden,  auch  darum  schon  wegfallen,  weil 
der  Verf.  durch  seine  Anweisungen  Figuren  umzuzeichnen,  umzulegen 
Mittel  an  die  Hand  gibt,  die  oder  jene  Aufgabe  von  den  verschiedensten 
Seiten  anzugreifen.  Bei  Euklid  können  wir  uns  auf  eine  seiner  Figuren 
immer  nur  als  ein  Beispiel  berufen;  dieser  Vorwurf  fällt  sogleich  weg, 
sobald  die  Figur  nicht  als  ein  instar  omninm  bei  einem  Satz  gelten  soll, 
sondern  umwandelbar  ist.  Auf  diese  Weise  verschwindet  der  sonst  so 
begründete  Vorwurf,  la  geomctrie  laisse  Pesprit,  ou  il  se  trouve. 
Die  Leerheit  dieses  Mottos  wird  aber  jedem  Schulmann  sogleich  klar 
werden,  der  mit  dem  in  Rede  stehenden  Werkchen  in  der  Hand  seine 
Planimetrie  lehrt. 

Hildbnrghausen.  Büchner, 


.>72     T'a  lUftfteB.  «Wr  die  Xahode  da 

//e/^^r  ^/(>  Methode  und  StvfenffAge  des  RMgiottsumierrickU  amf 
(ßtjmnfitiem.  Vfm  Th.  Hannen^  Candidai  der  Tknlogk 
urul  PriraÜekrer.  Gotha.   1*55.  10?  S.    20Sgr. 


F>ein  »rfaflser^  Candidateo  der  Theologie  ond  Frirallehrer, ' 
iicheinlicb  einem  aussen  leseDcn  oder  aasgewanderlen  Schleswig -Hol- 
AtfJner,  war  von  einem  berafenen  CollegiunL  das  Thema  m  dioMT 
Ahliandltjnj^  (^e(ff:ben,  die  aU  Prüfsleio  zu  einem  Urlbeil  aber  dea  Ver- 
fa-t^pT  dienen  »ollle.  Derselbe  sandle  das  Maouscript  ao  einea  Uw 
thi:iicr  gewordenen  Schulmann,  von  dem  ihm  bekannt  war,  dasa  der- 
»elbo  gerade  für  die  hier  bebandelte  Frage  ein  besoaderea  latareiM 
biihe,  mit  dor  ßitto  um  ein  durchaus  aufrichtiges  Urtheil  iiad  warde 
von  deniHciben,  der  seine  innige  Uebereinslimmung  mit  dem  'ailerdiagi 
auf  einen  mehr  idealen  Standpunkt'  gestellten  Inhalt  aassprach,  aaf- 
Kefordert,  er  möge  die  Abhandlung  nicht  in  einer  Zeitschrifl,  aoadflffi 
in  selhständigor  (iestult  und  unverkürzt  dem  Druck  abergeboa.  Da- 
durch erklürl  Hich  die  Krschcinung,  dasz  ein  junger  Mann  aber  eiBN 
HO  wichtigen,  auf  Krfahrung  basierten  Gegenstand  öfTentlioh  aeia  Ur- 
theil fihgegehen  hat.  Darf  man  nun  auch  im  voraus  nicht  erwartei| 
durch  eigene  Krfnhrung  bewährtes  in  der  Schrift  zu  Anden,  ao  aeigt 
dicsrlhe  doch  von  einer  nicht  geringen  Bekanntschaft  des  Verfassen 
mit  der  belrefTcnden  Litteralur  und  den  Erfahrungen  bewfthrter  Paedi- 
goucMi  und  verdient  von  den  Lehrern,  welche  sich  mit  Erthei lang  des 
lioligiouMunliTrlchls  beschüfligcn,  neben  den  in  neuerer  Zeit  aber  die- 
nen ^>ichtigen  (iogunstand  erschienenen  Schriften  berackaichtigt  H 
werdon. 

^a^h  einer  kuri^jcn  Kinleilung  handelt  der  Verf.  in  §  1  tob  der 
olommtmiürhen  Vorbildung,  gibt  in  <^  2  allgemeines  als  Graadligei 
geht  in  <$  ;)  7  das  Tonsum  der  oinz-elnon  Klassen  und  die  aaf  der 
jiMli\<«mnligou  Allersslufe  an^.uwondondo  Melhode  durch  und  spricht  ia 
nnom  Sohlusrworlo  über  den  I.ohror,  der  den  Keligionsanterricht  er- 
(hoilon  soll,  und  seine  Stellung  ;.um  (lymnasium. 

K?i  mag  gonügeiK  um  das  oben  ausgesprochene  IXheil  la  begrOa- 
den  .  mil  wenigen  Worten  das  Pensum  anzugeben«  welches  der  Vert 
\\\v  dl«»  emiieliion  Klassen  bostimnit  hat.  lief,  wählt  gerade  die 
rmiKl  auiK.  Moil  dio  AnMohlen  der  botrefTondcn  l.chrer  aber 
%\A\\  au>ooiander  gehen :  am  meisten  Vobereinslimmang  Badel  sieb  ia 
doi  l^'«iiminun{i  dos  Vonsums  für  So\U  und  \}"ii>l'*  <m  weaigatea  bei 
doi  I IV  O^t'^tl^i  und  Tortia.  In  Scvlx  s«>U  njioh  der  Meiaaag  des  Verl 
doi  Sohulor  \n  der  luM isohon  (lOso^'.«^^.lO  dos  >.  Tej^taaiealj  beimisch 
>\owlon  dinol^o«  >,^U  or  Kor:*isjv..,*ho  oor  ho;!.fifn  Sohrid,  sowie 
,'^n^£o  l^o.^M\,M\o  ««*>^on,'.:i  lo;n«r.  Ir.  O«^*'*-'^  *'^''  *«^r  Schüler  ia 
di^m  K«io,*".«>«v»*  rtor  ix«ncoi;>vh  » h- .>;;.»■  >;on  XtY-c  i:rii  rwar  in  La- 
r-o<*  K<t,i^«*»^r*  hoiWixo^  xx,r.;,r.  \\(\^\  .>T*fN-'  KfrTsprifthe  der 
^ ,  .  i V w  Ni  I« * ^ 0  \m  \ n*,  h^)*. j  ^T^  d ,  r.  K A ioo^fc .sn-. *»s  r.».;  c\ nx«lae  Eir- 


Tli.  Hansen:  aber  die  Methode  des  Religionsunterriclits.     558 

chenlieder  auswendig  lernen.  In  Tertia  soll  dtfr  Schüler  die  gaäze 
geschichtliche  Entwicklung  der  Liebesoffenbarang  Gottes  zum  Heile 
der  Meuschheit,  so  weit  sie  uns  in  der  heiligen  Schrift  geboten  wird, 
in  ihrem  inneren  Zusammenhange  erkennen.  Mit  dem  answendiglernen 
der  Lieder  und  KernsprQche  wird  fortgefahren.  Der  Verf.  spricht  sich 
dabei  über  den  Conßrmationsunterricht  der  Gymnasien  aus  und  vindi- 
eiert  denselben  dem  Gymnasium.  In  der  combinierten  Prima  und  Se- 
cunda  (während  der  Verf.  die  Combination  der  früheren  Klassen  nicht 
für  gerathen  hält,  wünscht  er  auffallender  Weise  eine  Combination 
der  Prima  und  Secunda)  soll  in  2  Jahren  eine  Geschichte  der  Schriften 
A.  u.  N.  Testaments,  verbunden  mit  den  an  ihrer  betreffenden  Stelle 
einzuschaltenden  erklärenden  Leetüre  eines  Buches  des  N.  Testaments 
im  Grundtext,  —  vor  allen  eignen  sich  dazu  die  Apostelgeschichte, 
der  Brief  des  Jacobus,  der  Briefen  die  Philipper,  einer  der  Briefe  an 
den  Timotheus  —  in  einem  Jahre  die  Geschichte  der  christlichen  Kir- 
che, verbunden  mit  der  an  ihrer  betreffenden  Stelle  einzuschaltenden 
erklärenden  Leetüre  der  augsburgischen  Coufession,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Ausbreitung  des  Christenthums  bis  in  die  neuste 
Zeit  und  der  Geschichte  des  christlichen  Lebens  von  Anbeginn  der 
Kirche  bis  auf  die  Gegenwart,  und  endlich  in  einem  Jahre  das  System 
der  christlichen  Lehre  behandelt  werden. 

Der  Verfasser  spricht  sich  bei  jeder  Klasse  nnd  dem  in  ihr  zu 
behandelnden  Pensum  ausführlich  über  die  anzuwendende  Methode  im 
Anschlusz  an  ein  bestimmtes,  dem  Unterricht  zu  Grunde  zu  legendes 
Lehrbuch,  z.  B.  Zahn  od.  Preusz,  Kurtz,  Hollenberg,  Beck  usw.  aus  und 
zeigt  sich,  wenn  ihm  auch  die  eigene  Erfahrung  durch  die  Praxis  fehlt, 
als  einen  mit  den  bedeutenderen  neuen  Erscheinungen  auf  dem  betref- 
fenden Gebiete  der  Paedagogik  und  Methodik  bekannten,  scharf  den- 
kenden und  tief  fühlenden  Lehrer. 

Was  den  religiösen  Standpunkt  des  Verfassers  anbetrifft,  so  steht 
derselbe,  wie  sich  schon  aus  den  angeführten  Lehrbüchern  ergibt,  auf 
dem  entschieden  positiv  christlichen,  ohne  jedoch  die  speciftsch  con- 
fessionellen  Lehren  im  Gegensatz  gegen  die  allgemein  christlichen  za 
stark  zu  betonen. 

Essen.  Buddeberg. 


A9. 

Andeutungen  zur  Kritik  und  Erklärung  der  Odyssee. 


B.  «. 
Vs.  1.  "EvvsTte.   Gegen  Buttmann  s.  W.  Sonne  Epilegomena  z. 
Benfeys  gr.  Wurzel-Lexicon.  Wismar  Progr.  1847.  S.  42,  Ebel  in  Kuhns 
Zeitschr.  f.  vgl.  Sprachforschung  n.  Ahrens  Formenlehre  $90  2. — Vs.7. 

iV.  Jahrb.  f.  PhU,  u.  Paed.  Bd.  LXXIV.  üT/iT.  11.  39 


554        Andenlangren  zar  Kritik  and  Erklirnn;  der  Odyssee. 

avtol  yag  Max.  Sengebuscb  Aristonicea.  Berlin  Pro^.  des  Gyn«.  %. 
gr.  Kloster  18dö  S.  7  vertheidigt  avxmv  ydg^  welehes  aoch  IMnderf 
hat.  Dagegen  Amets  in  dies.  Jalirbb.  71.  72  S.  409.  —  Vs.  8.  ^nt- 
Qlovog  liein  abgekOrztes  Patronymic.  s.  Sengebasch  S.  9.  DieSIdle 
(i  176  erklärt  auch  Schümann  comparhlio  Theogoniae  Heeiodeae  c 
Homcrica.  Greifsw.  1847  S.  15  n.  29  für  interpoliert.  —  vi^nio»  ^Be- 
trachtet man  die  mit  vri  anfangenden  Worte,  so  ist  in  der  Wonel 
meist  der  Anlaut  a  oder  e.  Dasz  sich  aus  ve  +  a  ein  vi^  bildete, 
wäre  ja  ganz  in  der  Regel,  selbst  vb  +  e^=:  vti  nicht  unerhört»  folf- 
lich  in  allen  diesen  Worten  kein  vi;,  sondern  ein  vs  zu  aueheo  nnd  u 
linden;  auch  vciövuog^  vciwfAog  u.  a.  Ifiszt  sich  aus  ve  ~\^  o  oade 
deuten.  Da  sich  nun  die  trennbare  Urpartikel  ve  b.  Homer  nidit  adir 
findet  und  die  Sprache  schon  damals  die  Verbindung  des  vc  -^  a  md 
ve  —  e  zu  VI]  liebte,  bildete  sich  ein  dunkles  auf  einem  erklirliebei 
Irthum  beruhendes  Gefühl  von  einer  inseparabt'h's  vriy  die  eig-eatlick 
in  der  Sprache  gar  nicht  existierte,  und  so  entstanden,  nndswar  sehsi 
früh,  einige  wenige  Composita,  wo  vrj  auch  vor  Consonaetea  tritt, 
wie  vri7tBvd-rig^  vtjueQÖrjg^  vrinotvog  u.  a.'  Ed.  Olawsky:  Die  neahoeb- 
deutsche  Partikel  nicht  mit  Kücksicht  auf  die  urverwandten  N-flir- 
tikeln  einiger  Schwestersprachen.  Lissa  Progr.  1855  S.  13  f.  —  Vs.  90. 
aansQxig  ^nicht  eilend,  daher  anhaltend'  Düntzer  in  dies.  Jahrfeb. 
69  S.  603  gegen  Düderlein  Gloss.  §942,  welcher  das  a  intensiTse, 
gegen  welches  sich  Nitzsch,  0.  Müller  kl.  Schrift.  1  325  n.  a  erkUlrt 
hatten,  festhält.  —  Vs.  29.  Zur  richtigen  Deutung  des  «iiviimv  AI- 
yia^og^  der  öla  KkvxaifAvijaxQij  und  6i^*'Avx6iu  s.  Banngar- 
tcn-Crusius  in  dies.  Jahrbb.  1827.  11  129;  K.  G.Jacob  in  d.  Bertis. 
Jahrbb.  1844.  Juli  S.  136;  Braune  Odyssee.  Lib.  XIV  1—60  Probeeiaer 
Erkl.  des  Hom.  Cottbus  Progr.  1845.  S.  3  f.  und  Amois  in  dies.  Jahrbb. 
71  72.  S.409.  ^Klytaemnestra  sogar,  das  entsetzliche  Weib,  das  Schande 
gehäuft  hat  auf  sich  selbst  und  ihr  ganzes  Geschlecht  (1  439),  wird 
noch  mit  Schonung  behandelt,  und  der  gröszere  Thoil  ihrer  SohaM,  der 
Frau,  die  ursprünglich  gut  gesinnt  war,  ffillt  selbst  nach  dem  Urteil 
des  Zeus  den  Ränken  des  feigen  Aegisthos  zur  Last  (o  32.  y  S56).' 
Ernst  von  Lasaulx :  Zur  Gesch.  und  Philos.  der  Ehe  b.  d.  Gr.  HQnehea 
1852.  S.  18.  —  Vs.  31.  ^^A^avctxog  und  inaiiaxog  nrap.  av  — 
Quvaxog  (oder  assimilirt  ix^avccxog)  a v - xdfjLCixog,  Die  Grandfona 
der  griech.  negativen  inseparabilis  ist  av,  folglich  das  v  nicht  einge- 
schoben, also  nicht  a-v-d^iog^  sondern  av-d^iog.  Es  gibt  keine 
vocalische  Negation,  d.  h.  kein  a  axsQtixixov^  sondern  in  adutOQvni 
allen  ähnlichen  Worten  ist  das  v  ausgefallen.'  Olawsky  a.  a.  0.  S.  46  ff. — 
Vs.  37.  TtQo  ot  einofiBv  8.  IlofTmann  Quaestt.  Hom.  II  72  nnd  Gras- 
hof :  Zur  Kritik  des  hom.  Textes  in  Bez.  auf  d.  Abwerf,  des  Angmeals. 
Düsseldorf  Progr.  1852.  S.  26,  der  jedoch  TtQoeelTtofiev  vermuthet  — 
Vs.  38.  TtifA'ijjavxsg  oder  nifi^avxe't  s.  Braune  in  dies.  Jahrbb.  55. 
S.  370;  Ameis  das.  56.  S.  18  und  Ahrens  im  Philologus  VI  17.  —  Vs. 
47.  a)g  Geist  in  d.  Zcitschr.  f.  Alterth.  1837.  S.  1268  wünschte  £g.  — 
Vs.  53.  ixBi  di  xe  xiovag  avxog  s.  Schümann  z.  Aescbyl.  Proa. 


ididaataBfaii  siur  Kritik  und  ErUirBiig  ^er  Odyfife. 

S.  296.  —   Vs.  56.  Ueber  die  Malerei  dieses  Verse»  s,  Ooithold  in 
MüUells  Z.  f.  G.  1852.  S.  639.  —  loyog  nur  hier  und  üa93.  Vgl  Flu 
Mayer:  Beitrage  zu  einer  hom.  Synonymik  1.  Gera  l%^%  S.  14  und  i 
Friedländer:  Ueber  die  krit.  Benutzung  der  hom.  a7^&§  dQt}^iva^  \m 
Philol.  VI  248.  —  Vs.  57.  ^ilysi,  ojtag  inikr]<it%ui.    Vgl.  v  29 
fUQ(iriQlia>v y  oJtTCCDg —  X^tQcig  iqyf^CBi  s.  Kühnast:  Die  KepraeMentation 
im  Gebr.  des  sog.  apotelesmat.  Coniunctivs  S.  67.  —  Vs  60.  ov  v4 
t^OdvöCsvg  —  ;Ka^/^€ro.  E.W^entzel:  Ueber  d.  Gebr.  der  PiirtJkei 
TS  b.  Homer.  Glogaa  Progr.  1847.  S.  26.   halt   hier  ov  vv  te  rest, 
da  die  Elision  von  xol  =  aol  nach  Nitzsch  sehr  Lcdenklich  sei ;  der 
Dativ  der  Person  bei  xaQl^.  könne  hier  um  so  eher  fehlen,  als  die  Be- 
ziehung so  nahe  liege   und  gar  nicht  misverslanden  werden   kdtino. 
Vgl.  jedoch  Spitzner  Exe.  Xlll  3,  Mehlhorn  Gr.  Gr.  %  106,  Nagebbich 
z.  A  170,  Hoffmann  Quaestt.  Hom.  11  90  nnd  Tb,  Burgk  Z.  f.  A.  1851 
S.  531.    Demnach  deuten  hier  Faesi  und  Uagena  PhiloL  VUI  '694  t 
durch  toL  —  Vs.  68.    yan^oxog.    Gegen  Döderlein  §69  erklären 
sich  Ameis  in  Mützells  Z.  1854.  S.  616  und  Dünt£er  io  dies.  Jabrbb. 
68.  S.  600.  —  Vs.  70.  oov  s.  Ahrens  Formenl.  §  13  2  und  da^u  G.  Cur- 
tius  in  dies.  Jahrbb.  67.  S.  9.  —  Vs.  76.  ik^yatlloatiäataydi 
(lE^TJöei  Classen  Beobachtungen  über  d.  hom.  8pracligebr,  L  Franko 
a.  M.  1854.  S.  18  interpungiert:  Mk^yCi^  Uocstdatav  Sl  (li^au  —  wenn 
nicht  vielleicht  (u&'fjat  zu  lesen  sei.  —  Vs.  83.  i/oaTijtf  crt'O^Jvaijfl: 
dat(pQOva  ovds  dofiovöa  g  424.  t;  239  329  und  9>  204,  wo  dieser 
Vers  wiederkehrt,  steht  statt  öatg)QOva^  welches  hier  uhne  Variante 
gelesen  wird,  noXvq>QOva.   Düntzer  Z.  f.  A.  1836,  S.  8ü7  vormuthet 
daher  an  unserer  Stelle  einen  alten  Fehler.  —  Vs.  68.  'i{^«xt^v  ia- 
levco^at  Ahrens  de  hiatus  Homerici  legitimis  quibygdam  generibus, 
Philol.  VI  25  wünscht 'r^axi/i/de  iXevCofiat.  ~  Vs.  92,  BiltTtioöctg 
8,  Düntzer  Z.  f.  A.  1836  S.  1053  und  in  dies.  Jahrbb.  69.  5. 606  (gegen 
Döderl.  §  443).    Meiring  de  verbis  copulatis  apud  Hom,  et  Ues.  1. 
Bonn  1831.  S.  9:  ^Boves  qui  in  gressn  pedes  torquenl,  implicani  (die 
fiberquer  wandelnden).'    Pazschke:  Ueber  die  hom.  NaturunsGliQuimg, 
Stettin.  Progr.  1849.  S.  17:  ^ —    welche,  um   mit  den  Hinterrüszen 
Bachzukommen,  sie  im  Kreise  herumwerfen  müssen/    FfilscbUch  wird 
für  die  hom.  Sprache  üUnovg  als  Nominativ angenonimen.  S.  Ahrens 
Gr.  Eiementarb.  aus  Hom.  I  Curs.  S.  XLllI.    Für  tk^l  hüU  Ahrens 
Z.  f.  A.  1836.  S.  820  und  Elementarb.  a.  a.  0.  die  bei  Hesych.  erbattene 
Interpretation  durch  naXog  für  die  richtige.    Mor.  Axt  im  Kreui^nacb. 
Progr.  1855.  S.  15  verweist  auf  ft  348  u.  355:  'ubi  in   versu  348  in 
aperto  est  v  355  %Xi%ccg  ßoag  non  esse  posse  eamuiis  cQrntbus^  sed 
pingi  hoc  adiectivo  solum  ingressnm  boum,  qui  genua  non  Qectentes 
sed  e  coxendice  incedentes  ultro  citro  distorquent  posteriorem  cor- 
poris partem ,  id  quod  minime  facit  Qaißocxskeig  aut  varos  cet.'  — 
Vs.  99 — 101,  welche  auch  bei  Faesi  und  Dind.  eingeklammert  sind, 
haben  von  Jan  Z.  f.  A.  1839.  S.  667  und  Geppert  I  43  u.  111  in  Schutz 
genommen.    In  tigdonv  xolaLv  %e  xoxicastat  vertheidigen  Bergk 
Z.  f.  A.  1841.  S.  89  und  Aken  Grnndzüge  der  Lehre  vom  Tempus  und 

39* 


556         AndeDtangen  zur  Kritik  and  ErklSrong  der  Odyssee. 

Modus  im  Gr.  Giislrow  1847.  S.  32  das  Fulurnm.    Letzterer  bemerk?: 
Man  könnte  versucht  sein  zu  erklären,  ^  wenn   sie  ihnen  zürnt';  das 
würde  aber  heiszen:  rotg  =  olg  oder  genauer  olfSztai:  indem  erst  der 
Begriff  anzugeben  wäre,  welche  av8q.  riq^oeq  denn  gemeint  seien. 
Das  hier  gewählte  oaxB  zeigt  aber  an,  dasz  der  Begriff  im  voranf- 
gehenden  schon  vollständig  gegeben  sei ;  das  sind  nun  nicht  alle  be- 
liebigen avÖQ.  riQGitgj  sondern  von  einer  bestimmten  Bcscharfen- 
heit,  eben  von  der,  dasz  Athene  ihnen  zürnt.    Es  weist  also  das  xoi^ 
cCv  x€  hin  auf  ein  im  Geiste  schon  vorhandenes  roiovrcav  ^so  dasz  U8W.% 
wo  das  Futurum  vollkommen  an  seinem  Platze  ist,  der  Coniunotiv  aber 
in  diesem  Gebrauch  erst  nachzuweisen  wäre.  Auch  o(StB  ist  nicht  ohne 
Bedeutung  :  bei  öcste  soll  der  Begrilf  im  Hauptsatze  schon  vollständig 
vorliegen;  dieser  Begriff  ist  hier  avS^Bg  i]QODSg  toiovtoi.^  —  Vs.  121. 
xal  iöi^axo  Grash.  zur  Krit.  S.  21  wünscht:   Kai  di^axo,  —  Vs. 
168  g>jj(Stv  s.  auch  Th.  Bergk  Z.  f.  A.  1851.  S.  351.    Den  Indicativ 
verlheidigt  Freudenberg  Z.  f.  A.  1839.  S.  74.  —  Vs.  170.  xlg  no^sv 
slg  avÖQav;   die  frühere  Interpunction   nimmt  Hoffmann  I  29  in 
Schutz.  —  Vs.  174    ixi^xvfiov.    *  Während    die  gr.  Spr.  das  ge- 
bräuchlichste Wort  für  das  Ziel  der  menschlichen  Erkenntnis  se{bst, 
für  die  Wahrheit,  nicht  aus  dem  Sein  und  Wesen  der  Dinge,  son- 
dern von  ihrem  Verhältnis  zu  unserer  Auffassung  entlehnt  —  denn 
wahr  ist  den  Griechen  das  Unverhüllte,    a  — -  Xtjd'ig  (von  Af^co, 
Xccvd'civto)  und  die  Wahrheit   ik'qd'eLa  kommt  den  Dingen  und 
Worten  zu ,  insofern  sie  sich  unserer  Einsicht  nicht  entziehen  —  hat 
die  älteste  Sprache  Homers  in  den  Wörtern  ixeog^  Sxvfiog  und  iri^- 
xvfiog  für  wahr  und  wahrhaftig  noch  die  Spuren  jener  tiefen  objec- 
ti  ven  Auffassung  aus  dem  Wesen  der  Dinge  erhalten,  die  ohne  Zwei- 
fel auch  dem  lat.  verum  und  deutsch,  wahr  zu  Grunde  liegt.   ^Evcog 
ist  offenbar  nichts  anderes  als  das  Adject.  verbale  von  elfily  was  da 
seinmusz,  was  den  Grund  seiner  Existenz  mit  Nothwen- 
digkcit  in  sich  trägt.    Die  Annahme  der  Gramm,  von  einer  ein- 
fachen Form  irog  ist  sicher  unbegründet;  sie  würde  gerade  den  Be- 
griff der  Nothwendigkcit  beseitigen.    Das  hom.  vrjfisQxig  steht  aaf 
derselben  Stufe  mit  aA  7/ «O^e^,  nur  dasz  es  mehr  absichtliche  Täuschui>g' 
als   Unkenntnis  ausschlieszt.'     Classen :    über   eine  hervorstechende 
Eigenlhümlichkeit  der  gr.  Spr.    Lübeck    Progr.    1850.     Vgl.  Benfey 
1^25,  Kuhn  in  d.  Z.  f.  vgl.  Spr.  I  183  und  Ebel  daselbst  S.  297.    Bei 
axQSxitog  bringt  Kuhn  die  Wurzel  tgex  mit  dem  skr.  druh  odisse, 
nocere  velle,  ahd.  Iriugan^  triukan^  alts.  driogan^  nhd.  Iriegen^  be- 
triegen  zusammen  und  gewinnt  so  die  Bed.  untrüglich.  —  Vs.  182. 
Code  in  localer  Bedeutung  verth.  L.  Lange  in  dies.  Jahrbb.  67  S.  526. 
—  Vs.  183.  nXiav  inl  oivona  novxov.   Wie  Gobelin  Mutz.  Z. 
1855  S.  532  hervorhebt,  setzt  olvotj;  als  Praedicat  des  hohen  Meeres 
(nomog^  nie  bei  aXg)  den  Begriff  der  Durchsichtigkeit  als  einen  we- 
sentlichen.   —  in    aXXod-Qoovg  avd'Qoinoug  Nitzscb  II.  S.  218: 
ig  aXXo&Q,  mit  dem  Harlej.  —  Vs.  184.  ig  Tefiiörjv  wird  auch  von 
Engel  KyprosI  149  und  Mowers  das  phoeniz.  Alterth.  II  224aaf  Kypros 


Aodeutttngen  zur  Kritik  und  Erklärung  der  Odysstse.-        557 

gedeutet.  Für  Slrabo^s  Ansicht  erklären 'sich  Ohlshausen  im  {ihein. 
Mus.  1862.  S.  332  und  Ernst  Curlius  Pelopoanes  II  10  u.  95.  —  Ys.  197. 
akk^  exi  %ov  ^aog^TiccrsQVic.  s.  Hermann  Op.  IV  12  und  dazu  Som- 
mer in  d.  allg.  Schulz.  1831.  S.  980.  —  Vs.  202.  ovrs  xi  fiavvig 
iav  ovx^  oicDvav  aatpa  elöcog  s.  Völcker  allg.  Schulz.  1831. 
S.  1156.  —  ys.204.  ovd^  st 7t ig  xe  ^auch  nicht,  wenn  ihn  da  eiserne 
Bande  halten  sollten.'  Wentzel:  über  xe  S.  27.  Nach  Nägelsb.  z.  1^33 
für  ovdi  x^  einBQ.  —  Vs.  226.  Sgavog  die  gewöhnliche  Deutung 
bekämpft  Welcker  Trilogie  S.  381.  n.  648.  —  Vs.  227.  Sgxi  iiot^s. 
Lehrs  Arist.  S.  160.  ^Zur  Begründung  ihrer  in  der  Frage  enthalteneu 
Vermulhung  fügt  Athene  hindeutend  auf  ihre  unmittelbare  Wahrneh- 
mung hinzu  Go^  xi  fioi  kxL  ^so  da  scheinen  sie  übermaszig  schwelgend 
im  Hause  zu  schmausen.'  Wentzel:  über  xe  S.  25.  —  Vs.  234.  vvv 
ö'  ixigag  ißoXovxo,  So  auch  Freudenberg  Z.  f.  A.  1839.  S.  75, 
Bäumlein  das.  1850.  S.  85,  Faesi  und  Dind.  Gegen  ißokovxo  erklärte 
sich  Düntzer  daselbst  1847  S.  940.  Ein  Gelehrter  in  d.  Gymnas.  Zeil. 
Darmst.  1841.  S.  328  empfahl  ixtQoa^  ißdXovxo  und  Grashof  zur  Krit. 
S.  13  ivigoxs^  i'ßcckov  xo  &eoL  —  Vs.  241.  agTtviai  s.  0.  Jahn 
arcliaeolog.  Beiträge  S.  102.  —  Vs.246  vki^evxi  Zaxvv&co  Grashof 
ullg.  Schulz.  1831.  S.  533.  —  Vs.  255.  siyaQ  Freudenberg  Z.  f.  A. 
1839.  S.  75.  —  Vs.  267.  Ofwv  iv  yovvaai  Ketxai.  Die  von  Walz 
in  dies.  Jahrbb.  6.  S.  221  gegebene  Deutung  dieser  Formel  haben 
Thirlwall  Gesch.  Griech.,  übers,  von  Haymann  I  245,  Faesi  u.  Figurski 
die  Gölter  des  hom.  Zeitalters  und  deren  CuUus.  Posen  Progr.  1851. 
S.  21  adoptiert.  Anders  G.  Hermann  in  d.  Progr.  zu  den  Preisaufg. 
1834.  S.  8,  Düntzer  Z.  f.  A.  1837.  S.  863,  Elster  de  Uomero  tenerae 
aetatis  amico  Heimst.  Progr.  1849.  S.  18,  R.  Dietsch  in  dies.  Jahrbb. 
58.  S.  82  und  AVeishaupt  in  Magers  Paedag.  Revue  1852.  Apr.  u.  Mai. 
S.  257  ff.  —  Vs.  282.  oaaav  ix  Jtog  —  xkiog  avd" q(67C.  Ph. 
Mayer  Beitr.  II  S.  4,  welcher  unsere  Stelle  ausführlich  bespricht,  ver- 
gleicht unter  anderem  sehr  passend  Soph.  0.  R.  42  stxe  xov  ^mv  cpt^' 
^irjv  ocTiovöag^  elx  alt  avöqog  olö&cc  nov.  —  Vs.  289.  xa^vridixos 
aKovai[ig  Buttmann:  über  die  syntakt.  Verbindungen  der  Verba  der 
äusz.  Wahrnehmung,  zunächst  von  uKOveiv  und  UKQoaa&at,.  Potsdam 
Progr.  1855.  S.12:  ^Ausschlieszlich  hom.  Gebr.  scheint  es  zu  sein,  bei 
aüovetv  den  Gen.  mit  dem  Parlicip.  da  zu  setzen,  wo  die  Prosa  und 
alt.  Dichter  höchsfens  den  Acc.  c.  Particip.  oder  gar  nur  den  Acc.  c. 
Inf.  gesetzt  hätten :  a  289.  ß  375.  k  458.  Q  525.  Sl  490.'  —  Vs.  291. 
orj^a  xi  ol  %Evctt  k«1  inl  axigea  xxeqet^ai  Ttokka  fiak 
oaaa  iotTiBj  Tial  avigi  ^f^xiga  dovvai  Aloys  Capellmann 
Schedae  Homericae.  Coblenz  1850.  S.  15  f.  tilgt  nach  i'oiKS  die  Intcr- 
punction  und  erklärt:  ^quantum  honorum  funehrium  eliam  decel  ma- 
uern tuam  viro  s,  coniugi  suo  tribuereJ*  In  der  Stelle  ß  223  sei  das 
richtige  öovvai  durch  doiaca  verdrängt.  —  lieber  Ableituug  des 
üxigea  verdient  das  von  Benfey  1  201  bemerkte  beachtet  zu  werden. 
—  Vs.  301.  xaAov  xe  fiiyav  xs.  Ueber  die  enge  Verknüpfung  der 
Begriffe  Schönheit  und  Grösze  s.  K.  Fr.  Hermann:  über  die  Studien 


55d        Aflifeataffn  zar  Kritik  nd  ErUiraag  der  Odywe«. 

der  ^ech.  lönstler  S.61.  V?l.  za  J  107.  —  Vf.  301.  Ftftf*.  s.  Abreai 
Elementarb.  S.  XXXV.  —  S.320.  opvigd'  oj  avo^ala  6sixxaxQ 
«.  Hai^eaa  Philol.  VIII  3M,  dem  nameatlicb  das  i  anslösziy  tsneheuL 
Grashof:  das  Fahnrerk  b.  Uom.  aad  Hes.  Dfisseld.  Pro^.  1816.  S.31 
n.  28  ^ill  avo^ata  als  Adrerbiam  schreiben  io  der  Bed.  'xnr  Lake 
hinaaf.'  So  aach  Faesi.  —  Vs.  S42.  alatfrog  ^keineswegs  rasend 
fDoderl.  $  101),  sondern  nnrergeszlich,  daher  une  rtriglich, 
schrecklich.'  DünUer  in  dies.  Jahrbb.  69  S.  603.  Die  «ock  tw 
Hermann  z.  Oed.  Col.  1-I>!0  bezweifelte  Ableilang  von  Xi|9ofuu  rer- 
Iheidigte  bereits  Wex  Beiträge  zar  Krit.  des  Sophokleisch.  Oedip.  taf 
Kolonoä.  Schwerin  18:57.  S.  ><^  der  unter  anderm  0.  C.  1193  conjidert 
OifLig  ai  y  elvai  xeivov  ivridgäv  xaxäg  alaörov  —  statt  des  sinn- 
losen aXÄ'  avTov —  d.  h.  da  darfst  nicht  unversöhnlich  grol- 
lend ihm  das  böse  nachtragen.  Auch  alaario)  M  163.  o  Sl.  (hu- 
Xaarito  a  252)  bedeute  etwas  nicht  verschmerzen  können,  grollen,  nsd 
oilaiTTco^l.  Uächer,  welcher  nicht  vergiszt,  2.  der  Frerler,  der 
unverzeihliches  (unvergesz liebes)  begeht,  weise  deutlich  auf  die  Ab- 
stammung von  h!\^o\jLui  hin.  —  Vs.366 — 359  halten  auch  Gepperll  4 
Mitzsch  Sagenpoesie  I  157  und  Meister  Philol.  VUl  1  f.  für  eingescho- 
ben. Letzterer  findet  noch  360 — 364.  366.  370.  371.  374  ff.  bedenklich. 
—  Vs.  392.  uli^i  T£  —  Ttiksxai  Mhm  wird  da  alsbald  das  Haof 
mich  und  er  selbst  geehrter.  Falsch  wird  te  mit  cclilfa  rerbnnden'. 
Wenlzel:  über  te  S.  9.  —  Vs.  405.  negl  ^elvoco  Igsifd-ai  Ahnn 
/.  f.  A.  1836.  S.  814:  mgi  ^bIvov  igisa^ai,  —  Vs.  411.  Big  ina 
i(p7iet  Nü<>:clsb.  zu  F  158.  —  Vs.  4J4.  Povelscn  emendatt.  locoraa 
aliquot  Homer,  llauniae  1846.  S.  42  liest:  ovr'  ovv  iyyeXlrjg  iuntV" 
•Oo|!irri,  eT no{>£v  ik(>oi,  —  Vs.  428.  aeövct  Idvlcc  s.  Gmshof  allf- 
Srhiilz.  IKVi.  S.  985.  —  Vs.  433.  Evvi]  ö'  ovnot'  ffttxro-  xolov 
ö^  akiBivE  yvvaiKog,  Anders  bei  d.  Troern  s.  E  70  f.  8)81. 
Vgl.  von  l.asaulx  a.  a.  0.  S.  27  gegen  Jacobs  verm.  Sehr.  IV  )16  L 
und  Nügolsb.  hom.  Th.  S.  324.  — 

Schwerin.  K.  Schiller. 


Horiclito  über  golehrlo  Anstalten,  Verordnungen,  statistische 
Noti/.on,  Anzeigen  von  Programmen. 

\\  u^wwui  \  p«3(  1.«hrorci>Uc|Einm  der  Vnterrichtit*  nnd  Brxiebnnc»- 
rt«*uhr«  hoi  Ji|  \nnA  orfuhr  im  Schulj.  IS56 — 56  keine  weitere  Ver- 
lutili-niu}; ,  nU  «U««  die  boidon  ln»pecioratMerwe»er  Ludw.  Maller 
iui«l  Kiii^iIk  M««»!««»!,  jtcnor  «um  In.  ditpji^r  lum  2n  In»(«ector  emanoi 
\^iii«liMt.  Alu'U  dor  or^m-o  x^ührend  der  IWurUabun«;  de*  erkraaktea 
N(u«hcu!ohiv)»  (^üi-»ch)n|(  die  \cr\«csun^  der  2n  KiasM  der  Lalein- 
Mli«le  fühue.  Oie  Sohiilertj^hl  betrug  im  G*mn.  65  ^IV  U,  IH  16, 
11   U^,  \  UV   tn  der  l.ateiAMHnle  ot>  ^IV  21.  111  2l.\  11  20,  I  51),  im 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten ,  Verordnungen ,  Statist.  Notizen.  559 

ganzen  147.  Dem  Collegium  bei  St.  Anna  gehörten  63  davdn  an.  Als 
wiääeiiäcbaftlicbe  Abhandlung  ist  dem  Programm  beigegeben :  vier 
StaaUreden  aus  Thukydidea  in  deutscher  ücbersetzung.  Vom  Studien- 
lehrer  Heinr.  Gnrsching  (28  8.  4).  R.  D. 

Bamberg.]  Am  königlichen  Lycenm  lehrten  im  iSchnlj.  1865  —  56 
die  Professoren  Dr  Katzenberger,  Dr  Güszregen,  Hoffmann, 
Hofrath  Dr  8chneidawind  (nach  Prof.  Zeusz^  Versetzung  in  Ruhe- 
stand von  Aschaffenburg  berufen),  geistl.  Rath  Dr  Martinet  nnd 
der  Lehrer  des  franz.  Moldenhaver  in  der  philosophischen  und  die 
Proff.  Dr  Seng  1er,  Domdechant  und  Director,  geistl.  Rath  Dr  Mar- 
tinet,  Sporlein,  Dr  Mayer,  Dr  Schmitt  und  der  Inspector  des 
Natural ienkabinets  Dr  Haupt  in  der  theologischen  Section.  Die  Zahl 
der  Candidaten  war  29  der  Philosophie  und  31  der  Theologie.  Das 
LehrercoUegium  des  Gymnasiums  hatte  sehr  viele  Veränderungen  er- 
litten durch  die  Versetzungen  des  Prof.  Hegmann  (als  Rector  der 
Studienanstalt  nach  Munnerittadt),  des  Assistenten  Z  e  isz  (an  die  Latein- 
f<chule  in  Kitzingen),  des  Studienlehrers  Rbmeis  (als  Gymnasialpro- 
fessor nach  Passau),  des  Studienlehrers  Behringer  (an  die  Latein- 
schule zu  Wurzburg,  wo  er  vorher  Assistent  am  Gymn.  gewesen  war), 
des  protestantischen  Religionslehrers  Decan  Bauer  (in  das  Decanat 
zu  Neustadt  an  der  Aich),  ferner  durch  die  Pensionierung  des  Studien- 
lehrers Kober,  endlich  den  Tod  des  israelitischen  Religionslehrers 
Gold  mann.  Nach  erfolgter  Besetzung  der  erledigten  Stellen  bestand 
dasselbe  aus  dem  Studien -Rector  Prof.  Dr  Jos.  Gutenäcker,  den 
Gymnasialprofessoren  Dr  Habersack,  Leitschuh,  Wolf  (vorher 
Studienlehrer  am  iVlaximiliansgymn.  zu  München),  Priester  Schaad, 
Priester  Rorich  (kathol.  Reltgionslehrer  am  Gymnasium),  Deran  und 
Stadtpfarrer  Schneider  (protest.  Religionslehrer  am  Gymnasium), 
l^ehrer  des  franz.  Gendre,  den  Studienlehrern  Weippert,  Schre- 
pfer  (da  dieser  zugleich  Assistent  des  Studienrectors  ist,  so  wurde 
ihm  der  Lehramtscand.  Gebhardt  als  Assistent  beigegeben).  Probst, 
Spann  (vorher  Studienlehrer  und  «Subrector  der  isolierten  Lateinschule 
zu  Pirmasens),  Spann  fehlner  (vorher  Assistent  am  Gymn.  zu  Eich- 
städt),  Priester  Wagner  (kathol.  Religionslehrer  in  der  Lateinschule), 
Vicar  Böhner  (protest.  Religionslehrer  in  der  Lateinschule),  Schreib- 
lehrer Etzinger,  ferner  als  auszerordentlichen  Fachlehrern  geistl. 
Rath  Prof.  Dr  Martinet  (für  hebraeisch  und  italienisch),  Rabbiner 
Rosenfeld,  Stenographielehrer  S  t  e  n  ge  r,  den  Musiklehrern  J  o  s.  D  i  e  t  z, 
Ludwig  und  Andreas  Dietz,  dem  Ob«rleuth.  Götz  (schwimmen) 
und  dem  Turnlehrer  Bissinger.  Die  Schulerzahl  war  521,  Gymna- 
sium 117  (IV  26,  111  52,  H  28,  I  27),  lat.  Schule  204  (IV  A  26, 
IV  B  28,  HI  A  u.  B  46,  II  62,  I  55).  Seit  dem  25.  Dec.  1855  ist  mit 
Genehmigung  der  vorgesetzten  Behörden  eine  lateinische  Vorschule 
errichtet.,  um  Knaben  so  weit  vorzubilden,  dasz  sie  mit  dem  lOn  Jnhre 
den  für  den  Eintritt  in  die  lateinische  Schule  gestellten  Forderungen 
genügen  können.  Den  Unterricht  ertheilten  in  der  kathol.  Religion  der 
Benefiziat  Döring,  in  der  protest.  Vicar  Böhner  (der  in  der  jüdi- 
schen war  durch  Goldmanns  Tod  unbesetzt),  in  deutscher  Orthographie, 
bayerischer  Geschichte  und  Geographie  der  Stndienlehrer  Probst, 
den  übrigen  der  geprüfte  Lehramtacandidat  Christ.  Der  Unterricht 
ist  so  vertheilt: 

Relig.         Deutsch.         Lat.  Arithm.  Gesch.  n.  Geogr.  Kalligr.  Sa. 

Spracht.  Orthog^r.  Lesen 

I.Sem.  5        663—4  —  3        55 

2.  Sem.  534263  2  3        26. 

Die  Zahl  der   Schuler  betrug  40.     Dem   Programme  der  sammtlichen 


560   Bericbte  über  gelehrte  Anstalten,  VerordnaDgen,  itatist.  Noiis«. 

Anstalten  ist   Toransgesetzt  die  Abhandlung  des  Prof.  Dr   KatB«a- 
berger:  die  Grundgesetze  de»  logischen  denken»  (32  S.  4)* 

DoNAUKSCHiNGEN.]  AIs  Beilage  zum  Programm  des  dasi^en  Gyn- 
nasiums,  aber  auch  besonders  im  Buchhandel  (Donaueschingen  bei 
Schmidt)  zu  haben,  erschien  so  eben  Curae  boum  ex  corpore  Oargilu 
Martialia,  herausgegeben  Ton  dem  Prof.  Chr.  Theophil.  Schach 
(47  8. 8).  Also  ein  Stuck  aus  der  Veterinärkunde  der  Altan.  Ber  Text 
stammt  aus  einer  Handschrift  von  Corbei,  später  im  Kloster  St  Pap- 
taleon  zu  Cotn.  Aus  dieser  hat  ein  ungenannter  1537  eine  Abschrift 
gemacht,  welche  sich  auf  der  leydener  Bibliothek  unter  Isask  Voff* 
Papieren  findet.  In  den  scriptores  rei  rusticae  ist  sie  mehrmals  abge- 
druckt, aber  in  einem  Zustande,  dasz  man  an  ihrer  Entratbseinng  rer- 
zweifeite.  Diese  erfordert  allerdings  umfängliche  Sach-  nnd  Sprach- 
kenntnisse,  zu  deren  Erwerbung  und  Anwendung  freilich  den  meisten 
die  Liebe  fehlt,  nicht  etwa  weil  sie  verkennten,  dass  auch  die  Aif- 
hellung  dieses  Zweiges  des  Lebens  ein  Schritt  zur  VerrolIstindigaBg 
unserer  Anschauung  des  Alterthums  sei,  —  kann  man  doch,  nachdca 
man  in  der  Gegenwart  die  Bedeutsamkeit  dieser  Beschaftignngen  ffirs 
Leben  begriffen,  an  ihrer  Wichtigkeit  für  das  Alterthum  nicht  Bebr 
zweifeln,  —  sondern  weil  sie  durch  die  erhabensten  geistigen  Schdpfus- 
gen  desselben  festgehalten  werden.  Es  gehört  auch  eine  gewisse  Be- 
gabung dazu,  sich  um  derartige  Dinge  des  Hauslebens  zu  bekünsiefB; 
aber  um  so  mehr  müssen  wir  diejenigen  anerkennen,  welche  die  Mobs 
lind  Anstrengung  nicht  scheuen,  den  Alten  in  Küche  nnd  Keller«  anf 
Feld  uud  Weide  nachzugehen  und  ihr  tbun  und  treiben  auch  hierin  au 
treu  und  wahr  vor  Augen  zu  stellen.  Hr  Prof.  Schuch  hat  hier  eiaea 
neuen  Beweis  geliefert,  wie  viel  Fleisz  und  Sorgfalt  zu  leisten  ▼ermif. 
Kr  gibt  den  verbesserten  Text,  setzt  ihm  aber  den  urspronglichen  snr 
Vergleichnng  unter.  Zwar  bleibt,  wie  der  Hr  Herausgeber  selbst  be- 
kennt, noch  einiges  zweifelhaft,  aber  mit  leichter  Mühe  wird  jedersiaBB 
ersehen,  wie  viel  und  schwieriges  er  geleistet.  Die  von  S.  14  an  fol- 
genden Bemerkungen  sind  Beweise  einer  stauncnswerthen  GelehraasikMt 
und  enthalten  nicht  allein  die  Begründung  der  vorgenommenen  Veibst* 
sernngon,  sondern  auch  viele  diplomatische,  sprachliche  und  sachildis 
Beobachtungen,  so  dasz  sie  von  niemandem,  der  mit  einer  Seite  dsi 
Alterthums  sich  beschäftigt,  ohne  Nutzen  gelesen  werden  dürften.  Mift 
dem  Hrn  Herausgeber  Kraft  verliehen  werden,  seine  so  vielen  Brfei{| 
versprechenden  Studien  zum   gewünschten  Ziele  fortzufahren. 

Kltavangen.]  Am  Gymnasium  war  die  durch  den  Austritt  des 
Prof.  Piscalar  erledigte  öe  Professorstelle  am  Obergymnasinm  dem 
Repetenten  am  Wilhelmsstift  in  Tubingen  Gaiszer  übertragen  wer- 
den; der  Verweser  der  Stelle,  Priester  Pacht  1er,  erhielt  das  erste 
Praeceptorat  in  Riedlingen.  Das  Gymnasium  war  von  124  (M  ia 
obern.  90  im  untern),  die  Realschule  von  22  Schülern  besacht.  Dmi 
Programme  vorausgestollt  ist  eine  mythologische  Abhandlong  lem 
Prof.  Scheiffele  ii6er  Danaos  und  die  Danaiden  (42  S.  8).  Obglsich 
der  Hr  Verf.  mit  vielem  Fleisze  aus  den  Quellen  und  den  Schriften  der 
Gelehrten  ge.sammelt  (vcrmiszt  haben  wir  Gottlings  gesammelte  Ab- 
handlungen S.  21  IT.  auch  nirgend  Prellers  Mythologie  angexogen  ge» 
funden)  und  auch  mit  Kifer  und  nicht  ohne  Scharfsinn  die  Sachen  durch- 
dacht hat,  so  zweifeln  wir  doch ,  ob  seine  Deutungen  in  allen  Punkten 
sich  halten  lassen,  am  meisten  in  Betreif  der  historischen  Basis,  deren 
Vorhandensein  er  behauptet.  Er  selbst  musz  zugestehen,  dasz  die  von 
Muys  ''Griechenland  und  der  Orient'  und  von  E.  Curtius  'Die  Tonier 
vor  der  ionischen  Wanderung',   welche  Schriften   er  erst  nach  Vollen- 


Berichte  Qber  gelehrte  Anstaltco,  VerordDungen,  Statist.  Notizeo.  561 

dang  seiner  Abhandlang,  die  letztere  nur  aus  der  Recension  in  unsern 
Jahrbb.  kennen  gelernt,  ein  neues  Licht  auch  auf  diesen  Mythos  wer- 
fen müssen,  obgleich  er  noch  das  zusamnientrelfen  mit  Semiten  gegen 
Jene  Ansichten  zu  wahren  sucht.  Damit  wollen  wir  nicht  in  Abrede 
stellen,  dasz  er  in  einzelnem  manches  richtig  gedeutet  und  erfaszt,  auch 
manches  entsprechender  dargestellt  als  seine  Vorgänger,  indes  glauben 
wir,  dasz  die  Grundbedingung,  unter  welcher  allein  eine  solche  Unter-, 
suchung  der  Evidenz  naher  geführt  werden  kann,  nicht  hinlänglich  er- 
füllt ist,  wir  meinen  die  Unterscheidung  der  in  den  Mythenkreis  hinein- 
gezogenen Sagen  nach  Zeit  und  Ort  ihres  Torkomroens,  die  Ausscheidung 
der  später  zur  Ausfüllung  und  Herstellung  eines  innem  Zusammenhangs 
gemachten  Erfindungen  von  den  ursprünglichen  Localsagen,  so  wie  der 
irrigen  Auffassungen  von  den  ursprünglichen.  Auch  unterliegt  für  uns 
die  gegebene  Etymologie  noch  Zweifeln  und  zum  mindesten  bedarf  sie 
noch  der  Erklärung  der  einzelnen  zu  der  Wurzel  hinzugetretenen  Be- 
standtheile.  Doch  wir  erkennen  bereitwillig  an,  dasz  manches  gute  ge- 
leistet ist.  R.  D. 

Erlangen.]  Nachdem  von  der  dasigen  k.  Stndienanstalt  im  Be- 
ginn des  eben  verflossenen  Schuljahrs  der  Studienlehr^r  Dr  Schiller 
als  Prof.  an  das  Gymnasium  zu  Ansbach  versetzt  war,  erhielt  derStu* 
dienlehrer  Dr  Bayer  den  von  jenem  im  Gymnasium  ertheilten  Hilfs- 
und Geschichtsunterricht.  Als  Studienlehrer  ward  der  Cand.  Max 
Lechner,  vorher  Assistent  am  Gymnasium  zu  Bayreuth,  angestellt, 
als  Assistent  der  Anstalt  der  Cand.  Emmert  zugewiesen.  An  die 
Stelle  des  französ.  Sprachlehrers  Büchler  trat  der  geprüfte  Lehr- 
amtscandidat  Wetzel.  Einzelne  Mitglieder  des  philologischen  Semi- 
nars ertheilten  Unterricht  zu  ihrer  Ausbildung.  Die  Frequenz  betrug 
im  Gymnasium  4o  (IV  13,  HI  10,  II  12,  I  10),  lat.  Schule  Ö5  (IV  24, 
III  19,  II  20,  I  22)  im  ganzen  130.  Dem  Jahresbericht  voraus  geht 
die  Abhandlung  vom  k.  Studienrector  Hofrath  Prof.  Dr  Ludw.  Do- 
d  er  lein:  Comtnentare  zu  Döderlein$  lateinischem  Vocabularium  (16 
S.  4).  Das  Verdienst,  welches  sich  der  hochverehrte  Gelehrte  und 
Schulmann  durch  sein  Vocabularium  erworben,  hat  in  den  weitesten 
Kreisen  Anerkennung  gefunden,  und  wenn  auch  noch  manche  auf  an- 
derem Wege,  dasselbe  erreichen  zu  können  hoffen,  andere  aber  eine 
verschiedene  Anordnung  und  Methode  vorziehen,  so  wird  man  doch  ali- 
gemein zugeben  müssen,  dasz  das  Döderleinsche  Vocabular  recht  ge- 
braucht nicht  nur  zu  einer  umfänglichen  Kenntnis  von  Worten,  sondern, 
was  noch  wichtiger  ist,  zur  Einsicht  in  die  Wortbildung  verhilft  und 
dasz  es  so  eine  nothwendige  Ergänzung  des  bisherigen  Sprachunterrichts 
ins  Leben  eingeführt  hat.  Der  Hr  Verf.  hat  nun  in  der  vorliegenden 
Abhandlung  sehr  willkommene  Erläuterungen  zu  demselben  geliefert, 
indem  er  zeigt,  wie  sich  die  Bedeutung  von  Derivaten  ans  der  des 
resp.  Primitivum  herleite.  Man  wird  vielleicht  aus  den  einleitenden 
Bemerkungen  eine  Einwendung  gegen  das  Vocabular  nehmen,  indem 
man  aus  der  Andeutung,  dasz  nicht  jede  Herleitung  dem  Schüler  mit« 
get heilt  zu  werden  brauche  oder  mitgetheilt  werden  könne,  schlieszt, 
dasz  das  etymologische  verfahren  überhaupt  für  das  Knabenalter  noch 
nicht  recht  geeignet  sei,  indes  würde  man  dann  doch  verkennen,  dasz 
immer  schon  viel  gewonnen,  wenn  der  Schüler  die  Zusammengehörig- 
keit zweier  Worte  kennen  gelernt  hat,  wenn  er  auch  den  Innern  Zu- 
sammenhang noch  nicht  erkennt,  da  ihm  damit  ein  Anhalt  zu  späterem 
nachdenken  und  selbstfinden  geboten  ist.  Ref.  ist  dem  Hm  Verf.  für  die 
hier  gegebenen  Belehrungen  aufrichtig  dankbar  und  glaubt,  dasz  die 
meisten  —  abgesehen  von  manchen  Etymologieen,  die  noch  beanstandet 
werden  müssen,  z.  B.  rcciprocus,  —  den  Schülern  der  Quarta  ohne 
Schwierigkeit    und    ohne  Nachtheil    mitgetheilt  werden   können.     Nur 


562  Berichte  aber  gelehrte  AnsialleD,  VerordnangeB,  statisl.  NotUea. 

um  zn  beweisen,  dasz  wir  die  Abhandlung  aufmerksam  gelesen  haben, 
theiien  wir  einige  Bemerlcungen  mit.  Bei  acte«  genügt  uns  zunächst 
die  Bedeutung:  Kigenschaft  des  schneidenden,  für  die  Herieitung  von 
^Schiachtreihe'  aber  denken  wir  nicht  sowoi  an  das  Heer,  weiches  die 
feindlichen  Reihen  zn  zertrennen,  zn  durchbrechen  beabsichtigt,  viel- 
mehr nehmen  wir  vorans  die  des  Kampfes  mit  schneidenden  Waffen, 
welche  Bedeutung  das  Wort  in  vielen  Verbindungen  hat,  und  daran« 
folgt  uns  dann  die  der  zum  schneiden,  d.  1.  todten,  verwanden,  ge- 
rasteten Schaar.  Bei  pagina  mochten  wir  nicht  sowol  an  das  MitteJ, 
die  Gedanken  niederzuschreiben,  zu  fij^ieren,  als  an  den  fest  be- 
stimmten abgesteckten  Raum  denken,  indem  die  Grosze  der  Seiten, 
wenn  man  auch  jede  der  andern  gleich  voraussetzt,  doch  beliebig  ist, 
je  nachdem  man  sie  aus  dem  ganzen  durch  brechen  oder  schneiden 
herstellt.  Damit  scheint  uns  der  Gebrauch  zu  stimmen,  in  dem  das 
Wort  beiPlin.  H.  N.  XVII  22  35  169  steht,  und  der  uns  der  ursprung- 
liche zu  sein  scheint.  Rucksichtlich  deiraciare  nehmen  wir  'herab-' 
und  'wegzerren'  als  Grundbedeutungen;  aus  jener  ergibt  sich  'ver- 
kleinern %  aus  dieser  wie  bei  defendere  iniuriam  '  verweigern\  Die 
Stelle  Liv.  VIir23  ist  wol  nicht  zweifelhaft,  da  sich  die  ursprungliche 
Bedeutung  eines  Wortes  stets  am  längsten  in  den  feststehenden  gesets- 
liehen  namentlich  religiösen  Gebräuchen  erhält.  Weiszenborn  verweist 
übrigens  zu  der  Stelle  auf  Vel.  Long,  de  orthogr.  p.  2234.  Möge  dem 
verehrten  Hrn  Verf.  noch  recht  lange  vergönnt  sein,  den  jungern  aus 
dem  reichen  Schatze  seiner  didaktischen  Erfahrungen  mitzutheilen. 

Ä.  D. 

Essen.]  Das  dasige  Gymnasium  hatte  sich  im  abgelaufenen  Schul- 
jahre nicht  nur  wesentlicher  Verbesserung  der  Lehrergehalte  und  der 
Creierung  einer  9n  ordentlichen  Lehrstelle  zu  erfreuen,  sondern  erhielt 
auch  unentgeltlich  das  Eigenthumsrecht  über  die  jbm  seit  1824  nur 
zum  Gebrauch  uberlassenen  Gebäude.  Zum  Director  wurde  der  Ober- 
lehrer Top  ho  ff  bestellt,  an  die  Stelle  des  an  die  Ritterakademie  zu 
Bedburg  versetzten  katholischen  Religionslehrers  Rector  Bruckmann 
trat  der  Rector  Wawer,  an  die  Stelle  des  ins  Privatleben  überge- 
gangenen Lehramtscand.  Dr  Küster  der  Candidat  Jos.  Gansz.  Das 
Lehrercollegium  bestand  demnach  aus  dem  Dir.  Dr  To  p  hoff,  den  Ober- 
lehrern Buddeberg,  Litzinge r,  Mälhöfer,  den  ordentlichen  Leh- 
rern Seemann,  Achternbosch  und  Seck,  den  wissenschaftlichen 
Hilfslehrern  Ueberfeldt  und  Gansz,  dem  Rector  W  a  w  e  r,  Zeichen- 
und  Schreiblehrer  Steiner ,  Gesanglehrer  Helfer.  Die  Schulerzahl 
betrug  am  Schlüsse  des  Jahres  220  (I  31,  II'  25,  U^  34,  ill  34,  IV  29, 
V28,  VI  39).  Abiturienten  waren  Ostern  1866  5,  Herbst  11.  Die  den 
Schulnachrichten  vorausgestellte  Abhandlung  des  Director  Dr  Tophoff: 
de  plebe  Romana  (11  S.  4)  hat  zwar  keinen  Anspruch  auf  Forderung 
der  wissenschaftlichen  Forschung,  ist  aber  eine  für  die  Schuler  recht 
brauchbare  Zasammenstellung  aus  den  Quellen.  A.  D. 

Freising.]  Wir  haben  im  vorigen  Jahrgange  auf  die  ausgezeich- 
nete Arbeit  des  Rectors  Prof.  Freudensprung  über  die  Oertlieh- 
keiten  im  Krzbisthume  Freising  aufmerksam  gemacht.  Jetzt  haben  wir 
die  Freude  dieselbe  vollendet  vor  uns  liegen  zu  sehen.  Mit  groszter 
Sorgfalt  hat  der  Hr  Verf.  die  vor  einem  Jahre  veröffentlichte  Hüfte 
revidiert,  die  von  Dr  C.  Roth  gemachten  Einwendungen  geprüft, 
obgleich  er  nur  weniges  anzunehmen  im  Stande  war,  und  ist  bei  der 
Fortsetzung  gleich  grundlich  verfahren.  Wir  empfehlen  das  Werk  allen, 
denen  die  Bedentung  der  Ortsnamen  für  die  Geschichte  Deutschlands 
und  der  deutschen  Sprache  klar  ist,  zum   aufmerksamen  Studium. 

R.  D. 


Berichte  Aber  gelehrte  Anstalten ,  Verordnungen,  statisl.  Notisen.  568 

Gretfswald.]  Am  dasigen  Gymnasiem  bestand  das  Lehrercolleginm 
Ostern  1856  ans  dem  Dir.  Prof.  Hiecke,  Prorector  Dr  Rassow, 
Conr.  Prof.  Dr.  Cantzier,  Prof.  Dr  Thoms,  den  Oberlehrern  Dr 
Reinhardt  ond  Gandtner,  den  Gymnasiallehrern  Dr  Schmitz, 
Dr  Häckermann  («eitdem  nach  Puttbns  versetzt),  Dr  Lehmann, 
Dr  Junghans,  Volz,  DrNiemeyer,  Dr  Schumann  [vorher  Stell- 
vertreter des  Mathematicns  am  Gymnasium  zu  Lnckan],  Rechen-  und 
Hilfslehrer  Hahn,  Gesanglehrer  Cantor  W o h  1  e r,  Zeichen-  und  Scbreib- 
lehrer  Hube  und  dem  Schulamtscand.  DrZerlang.  Die  Schulerzahl 
betrug  am  Schlüsse  des  Winterhalbjahrs  271  (Gymnasium  I  17,  II  26, 
HI  30,  IV  26;  Real.  I  8,  II  15,  IH  34,  IV  32,  V  38,  VI  45).  Mit 
Reifezeugnissen  wurden  entlassen  vom  Gymnasium  Mich.  1835  3,  Ostern 
1856  1,  von  der  Realschule  Michaelis  und  Ostern  je  2.  Die  wissen- 
schaftliche Abhandlung  im  Programme  lieferte  der  Gymnasiallehrer 
Dr  A.  Häckermann:  der  pithoeanische  Codex  JuvenaU  (40  S.  4). 
Mit  Aufwand  von  vieler  Gelehrsamkeit  vertheidigt  derselbe  seine  be- 
kanntlich von  Otto  Jahn  und  K.  Fr.  Hermann  auf  das  entschie- 
denste bekämpfte  Ansicht,  dasz  die  von  Pithoeus  aus  dem  Cod.  Budensis 
aufgestellte  Recension  Juvenals  im  positiven  Kerne  ein  Interpolations- 
versuch späterer  Hand  und  in  ihr  der  Urtext  einerseits  durch  Schreib- 
fehler, andererseits  durch  vermeintliche  Emendationen  entstellt  sei. 
Die  treue  Festhaltung  der  Ueberzengung  verdient  volle  Anerkennung 
lind  gewis  wird  man  auch  in  der  Abhandlung  manches  recht  ver- 
dienstlich finden,  oh  aber  des  Hm  Verf.  Ansicht  jetzt  Billigung  und 
Gutheiszung  finden  werde,  wir  bezweifeln  es  —  überlassen  aber  das 
Urtheil  fähigem  Richtern.  R,  D, 

Grimma.]  An  der  königlichen  Landesschule  feierte  am  20.  Aug. 
dieses  Jahres  der  4e  Professor  und  Cantor  Dr  M.  N.  Petersen  sein 
25jährige8  Jnbilaeum  und  ward  bei  dieser  Gelegenheit  von  dem  Lehrer- 
collegium  durch  eine  von  dem  unterzeichneten  Ref.  verfaszte  Schrift! 
quo  tempore  quoque  conailio  Salluatius  Catilinam  acripaisie  indeatur 
(16  S.  4)  begruszt.  Im  Lehrercollegium  trat  im  verflossenen  Jahre 
keine  Veränderung  ein.  Der  Coetus  bestand  im  vergangenen  Sommer- 
semester aus  131  (122  AI.  9  Extr.),  nerolich  I  31,  JI  33,  III  29,  IV*  22, 
1\^  16.  Abiturienten  Ost.  1856  13,  Michaelis  7.  Die  wissenschaftliche 
Abhandlung  im  Programm  lieferte  Prof.  Dr  Arn.  Schäfer:  de  aociia 
Mhenienaium  Chabriae  et  Timothei  aetate  in  tabula  publica  tnscri^iis 
commenfafio  (20  S.  4).  Die  Abhandlung  betrifft  die  von  Eustratia- 
des  zuerst  1851  bekannt  gemachte,  dann  von  Meier  und  Rangabe 
herausgegebene  Inschrift  nnd  enthält  zuerst  den  Text  derselben  ,^  so- 
dann Erläuterungen,  welche  sich  allenthalben  als  Resultate  der  grand- 
lichen Quellenforschung  und  eindringenden  Kritik  zeigen,  von  denen 
der  Verf.  in  seinem  eben  begonnenen  Werke  ^Demosthenes  und  seine 
Zeit'  so  werthvolle  Proben  gegeben  hat.  R.  D. 

Hof.]  Die  königliche  Studienanstalt  hatte  im  verflossenen  Schul- 
jahre keine  Veränderuug  im  Lehrercollegium  erfahren.  Die  Frequenz 
war  im  Gymnasicm  45  (IV  15,  III  12,  II  11),  lat.  Schale  88  (IV  15, 
III  30;  1123,  I  20),  im  ganzen  133.  Die  wissenschaftliche  Abhand- 
lung ist  vom  Prof.  G.  A.  Gebhardt  ffeschrieben:  emendationum 
Uerodotearum  part.  I  (12  S.  4).  Gegen  die  von  dem^  unterzeichneten 
II  32  aufgenommene  Emendation  Struves  ^  irfifiWT«?  %ä  r-qg  Ai^vr^g  hwt 
der  Hr  Verf.  mit  Recht  geltend  gemacht,  dasz  ta  t^g  Aißvrig  nicht 
bedeuten  könne:  der  Theil  Libyens  and  zsXsvtäv  von  Endung  darch 
Begränznng  und  Ausgang  gebraucht  stets  intransitiv  stehe.  Die  Ver- 
muthung  Steins,  dasz  nach  ^  teXsvx^  t^g  ALßvrjg  ein  Wort  wie^ra  xa- 
gctd-aldacicc  ausgefallen,  erscheint  ihm  nicht  nothig,  wenn  man  jj  rsXsv- 
T«  tavttt  xrjg  Atßvrig  schreibe.     Ref.  gesteht ,  dasz  ihm  auch   diese 


564  Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  Statist.  Notixea. 

Correctur  nicht  recht  gefallt,  weil  sie  ihm  der  genauem  Bestimmtheit, 
mit  der  Herodot  bei  solchen  Angaben  stets  verfährt,  nicht  genügend 
scheint.  Darnach  stimmt  er  allerdings  Stein  bei,  nimmt  aber  eine 
längere  Lücke  an:  tä  %ocxä  zavtrjv  t/)v  ^dlaaaav  oder  naget  Tavrrjv. 
Daraus  würde  sich  eine  Ursache  des  ausfallens  ergeben.  In  dem  fol- 
genden Kapitel  will  der  Hr  Verf.  Qtcov  entweder  nach  novtoy  oder  nach 
dtä  ndarjg  trjg  EvganTjg  gestellt  wissen.  Es  scheint  mir  ofiFenbar, 
dasz  die  Worte  ^iav  did  ndcrig  rfjg  (den  Artikel  haben  die  Hand- 
schriften nicht,  wenn  nicht  in  dem  deutschen  Abdrnck  von  Gaisfords 
Ausgabe  ein  Druckfehler  ist)  EvgfOTtTig  zusammengehören  und  vom  Rande 
in  den  Text  gekommen  sind.  Es  fragt  sich  nun,  ob  sie  vom  Schrift- 
steller herrühren  und,  von  dem  Schreiber  des  Archetypus  vergessen,  am 
Rande  nachgetragen  wurden,  oder  ob  ein  gelehrter  Glossator  sie  hei- 
schrieb. Nothwendig  sind  sie  zwar  nicht,  da  die  Sache  durch  fiicrfv 
aXL^fJ^v  fqv  Evgoinrjv  und  durch  die  Angaben  von  den  Wohnsitzen  der 
Gelten  hinlänglich  bezeichnet  war.  Ich  halte  sie  allerdings  aber  für 
von  Herodot  herrührend,  glaube  aber  ihnen  mit  mehr  Freiheit  eine  ge* 
eignetere  Stelle  anweisen  zu  dürfen  zwischen  6  'latgog  und  tsXBVtd, 
Beiläufig  bemerke  ich,  dasz  ich  I  139  xslfvtciaL  nie  in  activer  Bedeu- 
tung genommen ,  wol  aber  den  Plural  des  Verbums  bei  dem  Plural  des 
Neutrums  hier  für  zulässig  gehalten  habe,  weil  nicht  sowol  an  ein 
ganzes  als  an  die  einzelnen  Namen  alle  zu  denken  sei.  Der  Goniectur 
tsXBVToi  avfiTtavza  könnten  wir  dann  entrathen.  Auch  VH  59  halten 
wir  TflFi^taia  für  tsXfvtuLa  nicht  für  annehmbar,  da  das  Praedicat  von 
Herodot  recht  füglich  auf  ayiQrj  bezogen  werden  konnte,  weil  dies  ihm 
der  HauptbegrifT  war,  der  Eigenname  nur  ais  zur  nähern  Bezeichnung 
hinzugefügt  galt.  —  Eine  der  schwierigsten  Stellen  ist  111  49  eicldllrf' 
XotGL  öidcpogoi  iovtfg  ecovtoCai,  nicht  als  ob  man  nicht  wüszte,  was  dort 
stehen  sollte,  sondern  weil  man  nicht  leicht  eine  Verbesserung  findet, 
von  der  man  mit  einiger  Gewisheit  behaupten  konnte,  dasz  sie  des 
Schriftstellers  Hand  wiedergebe  und  zugleich  mit  Wahrscheinlichkeit 
die  Ursache  der  Verderbnis  erkläre.  Gegen  die  von  dem  Hrn  Verf. 
vorgeschlagene  Verbesserung  dtl  inst  ts  ^nziüav  f^v  v^aov,  äLcevelBvci^ 
didcpogoi  iovzsg  aytotai  habe  ich  nar  das  Bedenken,  dasz  so  alle  Schuld 
an  der  Zwietracht  auf  die  Korinthier  geschoben  erscheint,  während  doch 
das  folgende  xovxaiv  dv  etveyisv  anF^vriGL^dyieov  Erbitterung  der  Ko- 
rinthier gegen  die  Kerkyraeer  und  zwar  begründete,  von  jenen  mit  ver- 
anlaszle  anzudeuten  scheint.  Die  Worte  stol  dlXTJlotci  Sidtpogoi  schei- 
nen mir  von  dem  Rande  in  den  Text  gekommen  zu  sein.  Dem  Ausdruck, 
welchen  Herodot  nach  dem  Zusammenhang  gebraucht  haben  musz,  ent- 
sprechen sie  nicht,  sie  müssen  vielmehr  eine  Entgegnung  gegen  das 
von  Herodot  gesagte  enthalten  haben,  eine  Hinweisung  darauf,  da»z 
die  Feindschaft  eine  gegenseitige  war.  Setzt  dies  nicht  voraus,  daas 
Herodot  etwas  geschrieben  hatte,  was  auf  den  einen  Staat  ein  falsches 
Licht  zu  werfen  schien,  und  konnte  es  einem  Gelehrten  einfallen  ein 
solches  zu  sehen,  wenn  nur  die  Korinthier  als  Feinde  jener  hier  be- 
zeichnet wurden?  Den  wahren  Grund  der  Feindschaft  erkennt  man  aas 
Thukydides  I  34  u.  38.  Die  Korinthier  betrachteten  die  Kerkyrfler 
als  d(p&Gtrj%6tc(g  did  navxög ^  und  dies  war  es,  warum  nicht  (piXa -qv 
avtoCg  ngog  tovg  Ktgnvgaiovg,  Aus  diesen  Erwägungen  ist  die  von 
mir  (Vorrede  zu  meiner  Ausgabe  p.  XII  59)  aufgestellte  Vermuthung 
hervorfjeganfjen.  HI  108  ist  die  von  Reiz  angegebene  Interpunction 
auch  von  mir  bereits  aufgenommen.  Dasz  der  Hr  Verf.  die  durch  das 
folgende  ydg  entstehende  aber  leicht  zu  beseitigende  Schwierigkeit 
ganz  übergeht  (vgl.  Eltz  Jhrbb.  Suppl.  IX  S.  326),  machen  wir  ihm 
nicht  zum  Vorwurfe.  —  lU  66  hat  der  Hr  Verf.  die  sprachlichen  Be- 
denken recht  gut  entwickelt,   auch  über  VI  27  brauchbare  Brörteronr 


Berichte  fiber  gelehrte  Anstalten,  VerordnoDgren,  statiBl.  Notiien.  565 

gen  angestellt,  aber  dasz  ans  dno^avtiv  awijvei%8  darch  Nachlässig- 
keit der  Abschreiber  amjvsL-üB  geworden,  erscheint  ans  etwas  unglanb- 
lieh.  Das  Verbum  dnotpsgetv  ist  hier  nicht  unpassend  in  der  "vom  Hm 
Verf.  selbst  angegebenen  Bedeutung  reditu  cum  privaHt,  oder,  was 
allgemeiner,  quominua  proposiium  exaequereiur  prohibuit,  da  Herodot 
damit  auf  das  zurückgeht,  wovon  er  c.  64  ausgegangen  dva9'(feic7tti 
inl  tov  tnnov  iv  vom  ^j^ov  tifv  raxCazriv  ig  Zovou  axQarsvsad'eu  ixl 
Tov  (iciyov.  Der  Ausdruck  hat  etwas  sonderbares,  allein  wamm  soll 
man  nicht  das,  was  den  Tod  bewirkt,  auch  dem,  was  den  Tod  herbei- 
führt, zuschreiben  können?  Die  Coniectur  V  28  fietä  6h  ov  noXlov 
XQOvov  dvavifooig  xaxoov  ijy  halte  ich  für  eine  wirkliche  Emendatioa 
und  zolle  auch  VI  95  der  Wiederherstellung  des  Inselnamens  na^d  ve 
"Hagov  den  vollsten  Beifall.  Dem  Hrn  Verf  aber  sage  ich  anfrichtig 
Dank  für  die  Belehrung,  weh  he  ich  auch  da  gefunden,  wo  ich  mit  den 
von  ihm  vorgetragenen  Vorschlägen  nicht  einverstanden  war.    jR.  D, 

KÖNIGSBERG  IN  pR.]  Das  altstädtische  Gymnasium  hatte  in  dem 
Schuljahr  Ostern  1855  —  56  im  Lehrercollegium  keine  Verändernng  er- 
fahren. Die  Schulerzahl  betrug  am  Schlüsse  36]  (I  48,  11«  28,  11^  29, 
Ilf  41,  11!»»  49,  IV  65,  V  54,  VI  47).  Abiturienten  waren  Ostern 
1855  10,  Michaelis  5.  Die  wissenschaftliche  Abhandlung  hat  den  ord. 
Lehrer  Dr  Richter  zum  Verf.  und  führt  den  Titel  de  aupinis  latinae 
linguae  P.  I  (36  S.  4).  Wir  begrüszen  in  ihr  ein  Werk,  das  die  Gründ- 
lichkeit, durch  welche  sich  die  Lobeck*sche  ond  Lehrs'sche  Schule  aus- 
zeichnet, im  vollsten  Masze  beweist.  Mit  dem  sorgfältigsten  Pleisze 
und  scharfsichtiger  Beobachtung  hat  der  Hr  Verf.  alles,  was  über  den 
Gebrauch  des  Supinums  —  in  diesem  Theile  zunächst  des  in  um  — 
sich  aus  der  lateinischen  Litteratur  ergibt,  zusammengestellt,  die  ein- 
zelnen Stellen  kritisch  geprüft  und  eben  so  ruhig  und  sicher  die  ver- 
schiedenen Ansichten  der  Grammatiker  gegen  einander  abgewogen. 
Niemand,  dem  es  um  klare  Einsicht  in  das  Wesen  und  den  Gebrauch 
dieser  so  eigenthnmiichen  Bildung  der  lateinischen  Sprache  zu  thun  ist, 
wird  die  Abhandlung  übergehen  dürfen.  Wir  wünschen  von  Herzen 
baldige  Vollendung  des   dem  Urn  Verf.  alle  Ehre  machenden   Werkes. 

R.  D. 

Kreuznach.]  Das  LehrercoIIeginm  des  dasigen  Gymnasiums  be- 
stand, nachdem  der  Oberlehrer  Dr  Silber,  um  das  Directorat  am  Gym- 
nasium zu  Öls  anzutreten,  ausgeschieden,  der  Oberlehrer  Dr  Presber 
aber  am  :^8n  Febr.  1855  gestorben  war,  Michaelis  1855  aas  dem  Dir. 
Prof.  Dr  Axt,  den  Oberlehrern  Prof.  Grabow,  Prof.  Dr  Steiner, 
Seyffert  und  Dellmann,  den  Gymnasiallehrern  Mohring  (vorher 
am  Gymnasium  zu  Essen)  und  Ox4,  dem  provisor.  Hilfslehrer  Dr  Ley 
[vorher  Schuiamtscand.],  kathoi.  Religionslehrer  Kaplan  Weiszbrodt, 
Gesang-  und  Schreibiehrer  Gleim,  Zeichenlehrer  Ca u er.  DieSchüler- 
zabl  war  171 ;  Abiturienten  hatten  sich  4  gemeldet.  Den  Schulnach- 
richten hat  der  Dir.  Prof.  Dr  Moritz  Axt  eine  Abhandlung  voraus- 
gestellt:  inscriptiones  duac  graecae  (S.  46).  Die  beiden  Inschriften 
sind  die  von  E.  Gerhard  in  den  Monum.  1854  Nr  62  u.  63  S.  437 
Öffentlich  bekannt  gemachten;  die  erste  enthält  6 ,  die  zweite  6  Verse, 
aber  weichen  ungeheuren  Aufwand  und  Gelehrsamkeit  hat  der  Hr  Verf. 
zu  ihrer  Emendierong  und  Erklärung  gemacht!  Da  finden  sich  eine 
Menge  kritischer  Bemerkungen  zu  lateinischen  und  friechischen  Schrift- 
stellern, lexikalische  und  grammatische»  antiquarische  und  mythologische 
Erörterungen.  Auch  die  deutsche  Litteratur  und  Sprache  werden  in 
ausgedehnter  Weise  berücksichtigt.  Der  Hr  Verf.  macht  selbst  anf 
Partieen  seiner  Schrift  aufmerksam,  welche  für  die,  welche  an  dem 
lateinischen  and  griechischen  keinen  Gefallen  finden,  allgemeineres  In- 
teresse bieten,  S. 5— 8:  über  die  mit  Tönen  vergUcbenen  Erscheinon- 


566  Beriöhle  Ober  gelehrte  ÄDslalten,  Verordnungen,  sUtisi.  NotiMO. 

gen  der  Natnr;  S.  13:  ober  Sewastopol ;  S.  16  f.:  über  Weihgeschenke; 
S.  20 — 22:  über  Verbesserung  des  Gerhardtisehen  Liedes:  'O  Haupt 
sonst  schon  verziert',  wie  vorher  an  einer  andern  Stelle  über  die  lu- 
therische Bibelübersetzung;  S.  25:  über  den  Gebranch  des  Dativs  — 
den  Zweck  oder  den  Vortheii  von  jemandem  bezeichnend,  bei  deutschen 
Dichtern;  S.  29-34:  der  Anfang  eines  von  Goethe  gewünschten  Wör- 
terbuchs über  die  fremdländischen  Worte,  welche  vom  Volke  in  be- 
kannte sinngebende  Ausdrucke  umgewandelt  werden;  S.  43:  nber  den 
Tod  in  seiner  Auffassung  als  Schlaf.  Wir  machen  nicht  dem  Hrn  Verf. 
einen  Vorwurf  daraus,  dasz  er  so  seine  Schätze  vor  unsern  Augen  aas- 
schüttet, vielmehr  halten  wir  es  für  unsere  Pflicht,  auf  dieselben  hinsn- 
weisen,  um  so  mehr,  als  er  durch  einen  Index  der  behandelten  Schrift- 
steller den  Gebrauch  wesentlich  erleichtert  hat.  II.  D. 

Österreich].  Nachdem  die  Prüfung  für  Candidaten  des  Gym- 
nasiai-Lehramte,8  durch  ein  provisorisches  Gesetz  v.  30.  Aug.  1849 
geregelt  war,  ist  unter  dem  24.  Juli  dieses  J.  eine  definitive  Vor- 
schrift darüber  erschienen,  aus  welcher  wir  folgendes  mittheilen t 
Von  der  Prüfung  ist  die  Befähigung  zum  Religionsunterricht  ausge- 
schlossen, für  das  zeichnen,  schreiben,  singen  und  turnen  werden  be- 
sondere Bestimmungen  vorbehalten.  Die  Prüfungscommissionen  ernennt 
das  Ministerium  in  verschiedenen  Hauptstädten  des  Reichs,  anf  ein 
Jahr,  doch  mit  der  Möglichkeit  einer  JSrneuerung  des  Auftrags.  Die 
Schulräthe  an  den  Orten  der  Prüfungscommissionen  sind  berechtigt 
den  mündlichen  Prüfungen  und  der  Probelection  beizuwohnen.  $  3  lau- 
tet: jeder  Examinand  musz  I)  in  Bezug  auf  seine  philosophische  Vor- 
bildung, dann  in  Bezug  auf  die  Unterrichtssprache,  deren  er  sich  be- 
dienen will  und  wenn  diese  nicht  die  deutsche  ist,  auszerdem  anch  in 
Bezug  auf  die  deutsche  Sprache  den  in  $  4  angegebenen  Forderungen 
genügen  und  2)  durch  das  Examen  in  einem  Prüfungsgebiete  des  Gjm- 
nasialunterrichts  (§  5)  dasjenige  Masz  von  Kenntnissen  nachweisen, 
welches  in  ^  6 — 10  näher  bestimmt  ist.  Zur  Anstellung  berechtigt  erst 
die  Abhaltung  des  Probejahrs.  Jene  Forderungen  in  Betreff  der  Un- 
terrichts- und  deutschen  Sprache  in  §  4  sind:  dasz  der  Candidat  in 
der  mündlichen  Prüfung  Correctheit  'des  Gebrauches  seiner  Matter- 
sprache und  Kenntnis  ihrer  wichtigsten  grammatischen  Gesetze  nach- 
zuweisen habe,  möge  er  anf  das  lehren  seiner  Unterrichtssprache  An- 
spruch machen  oder  nicht.  Wenn  die  Unterrichtssprache  nicht  die 
deutsche  ist,  so  sind  die  Forderungen  auch  bezüglich  der  deutschen  mn 
erfüllen,  nur  im  lombardisch- venetianischen  Königreiche  werden  ale 
auf  richtiges  und  leichtes  verstehen  deutscher  Werke  wissenschaftlichen 
Inhalts  beschränkt.  §  5  stellt  folgende  Gebiete  des  Gymnasialunter- 
richts auf:  a)  der  klassischen  Philologie,  b)  der  Geschichte  nnd  Geo- 
graphie, c)  das  mathematisch-naturwissenschaftliche  Gebiet.  In  jedem 
musz  den  Forderungen  für  das  ganze  Gymnasium  genügt  werden,  in 
dritten  aber  kann  entweder  Mathematik  und  Physik  für  das  game  G.. 
oder  Naturgeschichte  für  das  ganze  G.  verbunden  mit  Mathematik  qim 
Physik  wenigstens  je  für  die  unteren  vier  Klassen  eintreten.  Das  Sta- 
dium der  Philosophie  genügt  altein  noch  nicht  zur  Zulassung,  sondern 
es  musz  damit  eines  der  übrigen  Gebiete  für  das  Untergymnasinm  ver- 
bunden sein.  Das  Studium  der  deutschen  Sprache  oder  einer  Landes- 
sprache musz  den  Forderungen  für  das  ganze  6.  genügen,  aber  mit  dem 
der  klassischen  Philologie  verbunden  sein,  wobei  jedoch  in  ^iner  der 
alten  Sprache  die  Prüfung  auf  das  Untergymnasium  beschränkt  werden 
kann.  Zur  Befähigung,  eine  nichtdeutsche  Landessprache  durch  das 
ganze  Gymnasium  zu  lehren,  wird  noch  das  bestehen  der  Prüfung  ans 
der  deutschen  Sprache  für  das  Untergymnasium  gefordert.  Nachgelaa- 
scn  ist,    dasz  Prüfungen  in  den  bezeichneten  Gebieten  nacheinander 


BeriehCa  ftber  gelehrte  ÄDstaUen,  Verordnungen,  Statist.  Notisen.  567 

m  yersrhiedenen  Zeiten  bestanden  werden,  doch  darf  Geschichte  nie 
▼Oll  Geographie  und  Physik  nie  von  Mathematik  getrennt  werden,  wäh- 
rend* bestehen  der  Prüfung  aber  Mathematik  ohne  Physik  in  Verbindung 
mit  einer  selbständigen  Gruppe  gestattet  ist.  Priestern,  weiche  als  Re- 
ligionslehrer angestellt  sind  oder  angestellt  werden  wollen,  können  für 
die  Befähigung  auch  in  anderen  Fächern  zu  unterrichten,  in  Rück- 
sicht darai^  dasz  die  Religion  ihr  Hauptfach  ist,  die  Forderungen  da-- 
hin  ermäszigt  werden,  dasz  sie  für  eins  der  drei  Hauptgebiete  die  Be- 
fähigung für  das  Untergymnasium  darthnn,  und  dasz,  wenn  sie  die 
Prüfung  für  die  Philosophie  oder  aus  der  deutschen,  oder  einer  Lan- 
dessprache bestehen,  von  einem  andern  Fache  abgesehen  werde.  Es 
ist  zwar  nachgelassen,  dasz  Candidaten  in  den  einzelnen  Fächern  die 
Prüfung  zunächst  nur  für  das  Untergymnasium,  später  für  das  Ober- 
gymnasium bestehen,  doch  kann  ihre  Anstellung  erst  nach  der  letzte- 
ren Prüfung  definitiv  werden.  §6  lautet:  zur  Befähigung  für  den 
philologischen  Unterricht  durch  das  ganze  Gymnasium 
ist  nicht  nur  gründliche  und  sichere  Kenntnis  der  Grammatik  beider 
klassischen  Sprachen  und  für  die  lateinische  eine  durch  die  schriftli- 
chen Arbeiten  zu  beweisende  stilistische  Gewandtheit,  sondern  nament- 
lich umfassende  Belesenheit  in  den  dem  Gymnasium  angehören- 
den Klassikern  beider  Sprachen  zu  fordern,  also  in  Caesar,  Livius,  Sal- 
lustins,  Cicero,  Tacitus,  Ovidius,  Vergilius,  Horatins;  Xenophon,  He- 
rodotus,  Demosthenes'  Staatsreden,  den  zugänglicheren  Dialogen  des 
Piaton  (nam.  Protagoras,  Gorgias,  Phaedon,  Symposium),  Homerus, 
Sophocles.  In  der  griech.  und  rom.  Geschichte  ist  gründliche  Kennt- 
nis nnd  in  den  philologischen  DiKciplinen  der  Mythologie,  Staats-  und 
Privatalterthümer,  Litteraturgeschichte,  Metrik  zwar  nicht  ein  syste- 
matisch umfassendes  Wissen,  wol  aber  auszer  einer  übersichtlichen 
Kenntnis  des  wesentlichen  und  Bekanntschaft  mit  den  besten  Hilfsmit- 
teln eine  so  weit  gediehene  Vertrautheit  mit  den  Alterthümern  zn  for- 
dern, dasz  zu  erwarten  steht,  der  Examinand  werde  bei  seiner  Er- 
klärung der  Klassiker  auch  in  sachlicher  Hinsicht  Gründlichkeit  erstre- 
ben und  das  einzelne  zum  Gesamtbilde  des  antiken  Lebens  zu  verbin- 
den im  Stande  sein.  Für  das  Untergymnasium  werden  nur  in  Bezng 
auf  die  stilistische  Fertigkeit  mindere  Anforderungen  gemacht  und  von 
der  Belesenheit  in  Tacitus,  Vergilius,  Horatius,  Herodot,  Demostbe- 
nes,  Plato,  Sophocles  abgesehen,  auch  der  Umfang  der  Kenntnis  in 
den  Disciplinen  ermäszigt.  $  7.  In  der  Geschichte  wird  für  das  ganze 
Gymnasium  gefordert:  chronologisch-sichere  Uebersicht  über  die  Welt- 
geschichte, Einsicht  in  den  pragmatischen  Gang  der  Hauptbegebenhei- 
ten, und  in  Bezug  auf  eine  Hanptpartie  Vertrautheit  mit  den  besten 
historischen  Hilfsmitteln,  anszerdem  eine  umfassendere  gründliche  Kennt- 
nis der  alten  Geschichte  und  Geographie  und  so  viel  philologische 
Bildung,  dasz  der  Ex.  Stellen  romischer  und  griechischer  Geschicht- 
schreiber, welche  keine  besonderen  sprachlichen  Schwierigkeiten  ent- 
halten, richtig  zu  übersetzen  wisse.  Auszerdem  ist  in  der  Geschichte 
und  Landeskunde  des  österreichischen  Staats  auf  Gründlichkeit  und 
Umfang  der  Kenntnisse  und  Bekanntschaft  mit  den  gediegensten  neue- 
ren Forschungen  besonders  Gewicht  zu  legen.  In  der  Geographie  wird 
gefordert:  sichere  Uebersicht  über  die  gesamte  Erde  nach  ihrer  natür- 
lichen Beschaifenheit  und  politischen  Abtheilung,  genauere  Kenntnis 
der  eoropaeischen  Länder  und  specielle  Bekanntschaft  mit  der  Greogra- 
phie  Oesterreichs,  auszerdem  Studium  Ton  Werken,  deren  Methode  den 
gegenwärtigen  Forderungen  der  Wissenschaft  entspricht.  Für  den  Un- 
terricht im  Untergymnasium  werden  nur  die  Forderungen  hinsichtlich 
der  Detailkenntnisse  in  der  Geschichte  ermäszigt,  alle  anderen  aufrecht 
erhatten.    In  der  Mathematik  wird  nach  $  8  erfordert  für  das  ganze 


568  Berichte  Ober  gelehrte  AnsUlteD,  Verordnangen,  statif  t.  Noliicft 

Gymnasium  sichere  Kenntnis  und  Dnrchubung  der  gesamten  Elementar^ 
mathematik,  Geübtheit  in  der  analytischen  Geometrie  und  diejenige 
Kenntnis  der  Dillerential-  und  der  Elemente  der  Integral rechnangy>  wel- 
che ihm  die  Anwendung  dieser  Rechnungen  namentlich  far  die  Phjsik 
zugän^rlicU  macht  und  für  die  Elementarmathematik  eindringendercf 
Verstiindnis  eröffnet ,  für  das  Untergymnasium  genagt  die  £rfu Hang  der 
Forderungen  in  Betreff  der  Elementurmathematik;  in  der  Physik  für 
das  ganze  Gymnasium  sichere  Kenntnis  der  Thatsachen  mit  axperimen- 
teiler  und  mathematischer  Begründung,  der  Hauptpunkte  der  Cbeaie 
mit  Einsicht  in  die  häufigeren  technischen  Anwendungen,  endlich  der 
Hauptlehren  der  Astronumic  und  mathematischen  Geographie,  für  das 
Untergymiiusium  wird  von  der  mathematisch  beweisenden  Physik,  sowie 
von  der  Astronomie  und  mathematischen  Geographie  abgesehen«  In  der 
Naturgeschichte  wird  für  die  Befähigung  zum  Unterricht  durch  dai 
ganze  Gymnasium  verlangt:  Kenntnis  jener  Naturproducte,  von  wel- 
chen entweder  im  menschlichen  Leben  eine  wichtigere  Anwendung  ge- 
macht wird,  oder  die  durch  eine  besonders  merkwürdige  Eigenschaft 
sich  auszeichnen  oder  die  endlich  in  unserer  gewöhnlichen  Umgebong 
durch  häufiges  vorkommen  sich  bemerklich  machen,  ferner  gründliche 
Kenntnis  jener  älteren  und  neueren  Systeme,  welche  eine  allgemeine 
Geltung  gefunden  haben,  der  wichtigsten  Thatsachen  aus  der  Anatomie 
und  Physiologie  der  Pilanzen  und  Thiere,  namentlich  insofern  dieselbe 
ihrer  systematisrhen  Ordnung  zu  Grunde  liegen,  und  ihrer  geographi- 
schen Verbreitung,  endlich  der  in  der  Geologie  herschenden  Haflptaa- 
sichten  und  der  itinen  zu  Grunde  liegenden  Beobachtungen,  fnr  das 
Untergymnasium  geringere  Kenntnis  des  Detuils.  Von  demjenigen,  wel- 
cher den  p  h  i  1  o  s  o  p  h  i  s  c  li  e  n  U  n  t  e  r  r  i  c  h  t  zu  ertheileu  beabsichtigt,  ist 
nach  ,^  9  gefordert:  eigenes  Studium  irgend  eines  bedeutenden  Philosophen 
des  Alterthums  oder  der  neueren  Zeit  und  die  Kenntnis  der  Hauptpunkte 
aus  der  Geschichte  der  Philosophie,  ferner  die  Fähigkeit  die  wesent- 
lichsten Punkte  der  Propaedeutik  (Logik  und  empirische  Psychologie) 
klar  und  verständlich  zu  entwickeln.  Für  i\ci\  Unterricht  in  einer  Lan- 
dessprache berechtigt  auszer  den  in  §4  an  jeden  Examinanden  gestell- 
ten Forderungen  nach  §  10  die  Kenntnis  der  Litteratur  und  ihrer  Ge- 
schichte, namcntlirh  in  ihrer  Verbindung  mit  der. politischen  und  Cnl- 
turgeschichte  des  betreffenden  Volkes  (für  die  deutsche  Litt,  wird  die 
Interpretation  in  Bezug  auf  Sprache  und  Inhalt,  so  wie  den  Bildungs- 
gang der  hervorragendsten  Schriftsteller  betont),  sodann  der  alteren 
Zustände  der  Sprachen  und  der  wichtigsten  älteren  Sprachdenkmaler 
(im  deutschen  also  grammatisch  genaue  Kenntnis  des  mittelhochdeut- 
schen und  die  Fähigkeit  die  zugänglichsten  Dichtungen,  wie  Nibelun- 
genlied, Gudrun  u.  a.  zu  lesen,  für  die  slavischen  Sprachen  Vertnnt- 
heit  mit  der  altsloveniscben  Grammatik  und  Fähigkeit  einen  kritisch 
berichtigten  altsloveniscben  Text  zu  übersetzen),  endlich  Bekanntschaft 
mit  solchen  aesthetisch  -  kritischen  Leistungen  anerkannt  klassischer 
Schriftsteller  (Lessing,  Herder,  Goethe,  Schiller,  Humboldt,  A.W.  n. 
Fr.  Schlegel),  durch  welche  die  Kinsicht  in  den  organischen  Bau  und 
künstlerischen  Werth  von  Werken  der  schönen  Litteratur  praktisch  ge- 
fördert wird.  Diejenige  Kenntnis  der  Unterrichtssprache,  welche  Ton 
jedem  Kxaminanden  beansprucht  wird,  befähigt  ihn  diese  am  Unter- 
gyninasium  zu  lehren,  wenn  er  zugleich  eine  aus  eigener  Lecture  ge- 
schöpfte, zu  angemessener  Erklärung  befähigende  Kenntnis  gediegener 
Werke  der  neueren  schönen  Litteratur  (im  deutschen  z.  B.  seit  Klop- 
stock)  nachweist  und  in  Bezug  auf  Interpretation  und  Analyse  den  im 
vorhergehenden  gestellten  Forderungen  genügt.  Die  Prüfung  besteht 
nach  S  11—15  1)  i»  Hausarbeiten,  einer  allgemeineren,  namentlich  di- 
daktischen oder  paedagogischen  Inhalts,  und  anderen  über  die  speciellcn 


Berichte  über  gelehrte  Anstalten ,  Verordnungen,  statist.  Notizen.  569 

Gegenstande  der  Prüfung.  Candidaten  für  die  klassische  Philologie 
haben  eine  dieser  Aufgaben  in  lateinischer,  Candidaten  für  lebende 
Sprachen  jedenfalls  eine  Clausurarbeit  in  der  betreffenden  Sprache  zu 
liefern.  Die  gewöhnliche  Frist  von  ]2  Wochen  kann  auf  nachsuchen 
Terlängert,  auch  bei  Einreichung  einer  bereits  gedruckten  Abhandlung 
Dispensation  ertheilt  werden.  Schon  nach  diesen  Arbeiten  kann  eine 
Abweisnno;  erfolgen.  2)  für  jeden  Gegenstand  ist  eine  Clausurarbeit 
je  zu  12  Stunden  und  unter  strenger  Aufsicht  zu  vollenden,  damit  er- 
mittelt werde,  wie  weit  der  Examinand  in  seinem  Studienkreise  auch 
ohne  alle  Hilfsmittel  ein  promptes  nnd  sicheres  Wissen  besitzt.  3)  die 
mundliche  Prüfung  hat  das  Ergebnis  der  yorhergehenden  Prufungssta- 
dien  zu  sichern  und  zu  vervollständigen.  Si6  darf  höchstens  mit  drei 
Candidaten  und  musz  in  steter  Gegenwart  des  Directors  und  wenig- 
stens zweier  anderer  Mitglieder  der  Commission  vorgenommen  werden. 
4)  Zu  einer  Probelection  an  einem  Gymnasium  des  Prüfungsortes  ist 
die  Aufgabe  nach  günstigem  Erfolge  der  übrigen  Prüfungsacte  minde- 
stens einen  Tag  vorher  zu  stellen.  Anwesend  müssen  sein  der  Direc- 
tor  der  Commission  und  das  Mitglied,  in  dessen  Gebiet  die  Aufgabe 
fallt,  auszerdem  der  Director  des  Gymnasiums  und  der  Klassenlehrer. 
Von  der  Probelection  können  Candidaten,  welche  bereits  an  einem  G. 
unterrichtet  haben,  auf  das  Zeugnis  des  Directors  dispensiert  werden. 
—  Die  drei  letzten  Prüfnngsstadien  sind  wegen  der  am  Orte  nicht  ein- 
heimischen Candidaten  in  liner  Woche  zu  vollenden.  Das  Zeugnis  wird 
nach  den  vorher  abgegebenen  schriftl.  Urtheilen  festgestellt.  Mangel 
in  der  Probelection,  deren  Abstellung  sich  hoffen  läszt,  berechtigen 
nicht  zur  Abweisung.  Diese  kann  entweder  zur  Wiederholung  nach 
Verlauf  von  mindestens  einem  Jahre,  oder  für  immer  erfolgen.  Wenn 
ein  Candidat  3  Jahre  nach  dem  Probejahre  nicht  angestellt  ist,  so  hat 
er  vor  einer  Prüfungscommission  nachzuweisen,  dasz  er  in  der  Zwi- 
schenzeit als  Lehrer  seiner  Fächer  an  einer  Mittelschule  sich  verwen- 
det, oder  in  denselben  fortwährend  ernstlich  gearbeitet  habe;  genügt 
diese  Nachweisung  nicht,  so  ist  die  Prüfung  zu  wiederholen,  nach 
Umständen  unter  Weglassung  der  häuslichen  Arbeiten.  —  Ueber  das 
Probejahr  enthält  §  19  und  20  folgende  Bestimmung:  der  Candidat 
kann  das  Kronland  wählen ,  das  Gymnasium  aber  wird  von  dem  Schnl- 
rathe  der  betreffenden  Statthalterei  bestimmt;  der  Candidat  erhält  nicht 
mehr  als  6  wöchentliche  Stunden  in  nicht  mehr  als  zwei  Kkssen  zu- 
gewiesen, doch  kann  bei  schon  erprobter  Tüchtigkeit  nach  Bedürfnis  des 
Gymnasiums  eine  Ausdehnung  erfolgen.  Der  Candid.  unterrichtet  selb- 
ständig nach  allgemeiner  Anweisung  durch  den  Director  doch  unter  häu- 
figem Besuche  des  Directors  und  des  Klassenlehrers,  währead  er  selbst 
häufig  Lectionen  anderer  Lehrer  beizuwohnen  gehalten  ist.  Leichtere 
Strafen  zu  verfugen  hat  er  selbst  das  Recht  unter  unmittelbarer  nach- 
heriger  Anzeige  an  den  Klassenlehrer,  schwerere  sind  dem  Klassenlehrer 
zu  überlassen.  Den  Lehrerconferenzen  hat  er  regelmäszig  beizuwohnen 
und  ist  dort  zur  Abgabe  seiner  Stimme  über  Leistungen  und  sittliches 
Verhalten  der  Schüler  in  seinen  Lehrstunden  sowol  im  Laufe  des  Schul- 
jahres, als  bei  der  Klassification  und  Versetzung  verpflichtet  wie  be- 
rechtigt, sonst  hat  er  nur  eine  berathende  Stimme.  Den  Collegien  wird 
echt  collegialisches  verhalten  zu  ihm  zur  Pflicht  gemacht.  T^nn  Feh- 
ler des  Probecandidaten  dem  Gymnasium  nachtheilig  zu  werden  drohen, 
so  kann  der  Director  nach  Beendigun^^  des  ersten  Sem.  oder  in  drin- 
genden Fällen  sogleich  der  Thätigkeit  desselben  ein  Ende  setzen, 
jedoch  nach  Anhörung  des  Lehrkörpers  und  unter  Bericht  an  die  poli- 
tische Landesstelle,  die  dann  entweder  die  Zuweisung  an  ein  anderes 
Gymnasium  verfügt  oder  bei  dem  Ministerium  auf  Zurückweisung  vom 
Lehramte  anträgt.    Ueber  das  Probejahr  hat  der  Director  ein  von  den 

iV.  Jahrb.  f.  nur.  w.  Paed.  Bd.  LXXI V.  Bß.ü,  40 


570  Personalnacbrichten. 

betreffenden  Klassenlehrern  zu  anterschreibendes  Zeu|ni8  antBDstellen. 
Hat  der  Candidat  mehr  als  die  gesetzliche  Zahl  ron^  Stunden  gegeben, 
so  kann  der  Director  eine  Renumeration  bei  der  politischen  Landeffstelle 
beantragen.  *•  1>. 


Perso  na]  n  achrichten. 

Anstellungen,   Beförderungen,   Versetzungeo. 
Adam»  Vinc.,  Gymnasiallehrer  zu  Troppau,  an  das  Gymn.  sa  Bronn 

versetzt. 
Anibrosoli,  Jos.,  Lehramtscand.,  zum  wirkt.  Lehrer  am  Gymn.  zo 

Como  ern. 
Bazzi,  Krzy  SuppL  am  Gymnasium  zu  Como,  zum  wirkl.  Lehrer  das. 

ernannt. 
Colo,  Ant.,  Suppl.  am  Gymn.  zu  Roreredo,  zum  wirkl.  Lehrer  dai. 

ernannt. 
Farinati,  Ciro,  Gymnasiall.  zu  Roreredo,  an  das  Gymn.  ed  Trient 

versetzt. 
Grössmann,  E.  R.,  Stiftspriester,  Suppl.  am  Gymn.  %n  Grata ,  laa 

wirkl.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Cilli  ern. 
Hannacik,  Jos.,  Gymnasiall.  zu  Troppau,  an  das  Gymn.  an  BraoB 

versetzt. 
Heller,  Karl,  für  d.  Gymn.  zu  Marburg  ernannt,  bisher  am  Gratier 

Gymn.  in  Verwendung  stehend,    hat  eine  Lehrstelle  am  Olmaticf 

Gymn.  erhalten. 
K 1  i  m  p  f  i  n  g  e r ,  Suppl.  am  Gymn.  zu  Troppau ,  zum  wirkl.  Lehrer  das. 

ernannt. 
Marek,  Dr  Jos.,  Gymnasiallehr,  zu  Troppau,  an  d.  Gymn.  sn  Broaa 

versetzt. 
Netoliczka,  Dr  Eug. ,  für  das  Czernowitzer   Gymnasium  emaaaty 

seither  am  Brunner  Gymn.  in  Verwendung,  an  d.  G.  au  Troppan 

versetzt. 
Schwarz,  Wenz.,  Gymnasiallehrer  zu  Laibach,  )  j      y, 

Schwippel,  Kr.  K.,  Gymnasiallehr,  zu  Olmütz,  }  *"  w  GymnisiOB 
Wittek,  K.,  Gymna.siallehrer  zu  Teschen,  )   *"  '*'"""  ▼eraetit. 

Viditz,  Steph.,  proT.  Dir.  d.  Gymn.  zu  Fiume,  zum  wirkL  Dir.  dert. 

Anstalt  ern. 

Gestorben: 
Am  28.  Juli  zu  Turin  Cav.  Lnigi  Provana  del  Sabione,  Mitgl.  des 

Oberrathes  für  öffentl.  Unterricht,  bekannt  durch  histor.  Werke. 
Am  12.  Aug.  zu  Görlitz  Th.  Neu  mann,  ruhmlich  bekannt  uU  Secre- 

tär  der  Oberlausitzer  Gesellschaft. 
Am  14.  August  zu  Clapham  der  berühmte  Geolog  DrBuckland.  geb. 

1784. 
Im  Angust  zu  Hirschberg  Maior  Dr  von  Flotow,  bekannt  ab  boU- 

nischer  Schriftsteller. 
Am  2.  Sept.  zu  Leipzig  Dr  iur.  Ludw.  Puttrieb,  75  J.  alt,    rühm- 
lichst bekannt  durch  seine  Denkmäler  der  Baukunst  dea  Mittelaltert 

in  Sachsen. 
Am  4.  Sept.  in  Dresden  der  unter  dem  Namen Theod.  Hell  bekannte 

Scliriftsteller  Geh.  R.  Dr  Gottfr.  Ludw.  Winkler. 
Am  7.  Sept.   in  Warschau  der  berühmte   polnische  Alterthnmafoncbef 

Theod.  Lipinski,  70  J.  alt. 
Am  14.  Sept.  in  Tübingen  Prof.  iur.  Dr  Reinhold  Kdstlin. 


Zweite  Abtheilung 

henwsgegeben  toh  Rndolph  Diefsch. 


46. 

Valeniin  Troizendorf  nach  seinem  Leben  und   Wirken.     Von 
K,  J.  Löschke.    Breslaa  1856. 

Wer  wie  der  Verfasser  dieses  auf  das  festeste  überzeugt  ist, 
dasz  in  dem  was  unsere  deutschen  Gymnasien  betrifft  kein  Schritt 
vorwärts  gethan  werden  kann  und  darf,  ohne  in  die  vergangenen  ZeU 
ten  zurückzublicken  und  diese  zu  Rathe  zu  ziehen,  der  wird  eine 
Schrift  wie  die  uns  hier  vorliegende  mit  lebhafter  Freude  begrüszeo« 
Nicht  als  ob  hier  viel  bedeutungsvolles  neues  dargeboten  oder  neue 
Gesichtspunkte  für  die  Würdigung  eines  unserer  allergröszten  Schul- 
männer dargeboten  würden,  vielmehr  ist  das  wesentliche  und  bedeu- 
tende längst  bekannt  und  von  Raumer  namentlich  in  allen  Beziehungen 
treffend  gewürdigt  worden :  aber  es  hat  doch  dieses  Material  mancbSQ, 
schöne  Ergänzung  erhalten,  und  es  ist,  was  das  wichtigste  ist,  wieder* 
einmal  das  Auge  auf  eine  Persönlichkeit  hingelenkt,  die  man  nie  an- 
sehen kann,  ohne  sie  lieber  und  lieber  zu  gewinnen,  ohne  mehr  und 
mehr  von  ihr  zu  lernen,  ohne  in  seiner  Seele  an  wahrem  Gottver- 
trauen und  Gottesmut  zu  wachsen.  Dies  ist  der  Eindruck,  den  diese 
kleine  Schrift  auf  den  Verfasser  dieses  hervorgebracht  hat,  unter  die- 
sem Eindruck  schreibe  ich  diese  Zeilen  nieder,  um  meine  theuren 
Amtsgeuossen  zur  Lesong  dieser  Schrift  einsoladan. 

Es  thut  zumal  unserer  Zeit,  welche  es  so  sehr  tiebt  ihre  eige- 
nen Wege  zu  gehcD,  sich  in  neuen  und  wieder  neuen  Experimenten  zu 
versuchen  und  sich  durch  allerlei  aprioristische  Phantasien  leiten  zu 
lassen,  Noth,  dasz  sie  sich  recht  oft  £u  den  Äntüngen  unseres  deutschen 
Schulwesens  zurückwende  und  sich  an  denjenigen  Personen  orieDtiere, 
welche  unseren  Gelebrtenschuten  ihre  Aufgabe  gestellt,  ihren  Geist 
eingeflöszt  und  ihre  Uichtung  angewiesen  haben.  Nächst  den  groszen 
Reformatoren  selber.,  welche  mit  ihrem  groszen  ßljck  das  rechte  er- 
kannt uud  ergriffen  habcn^  sind  es  besonders  jene  drei,  Johann  Sturni, 
Michael  Neander  und  Valeniin  Trotzeudarf,  welche  als  die  eigentlicheit 
principes  unserer  dänischen  Schulen  zu  betrachten  sind.  Dem  einen 
dieser  Triumvirn  \%i  nnu  dieses  Scltriftchen  gewidmel,  von  einem  Mann^i, 

iV.  Jahrh,  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXXIV.  fl/t  12.  41 


572     K.  J.  Löschke:  Valentin  Trotzendorfs  Leben  und  Wirken. 

der  mit  der  warmen  Liebe  eines  unmittelbaren  Landsmanns  das  Bild 
desselben  gezeichnet  hat,  und  mit  einer  Sorgfalt,  deren  man  sich  selbst 
da  noch  erfreut,  wo  sie  sich  scheinbar  in  werthlose  Aeuszerlichkeilen 
verliert. 

Es  sind,  wie  man  nicht  genug  wiederholen  kann ,  zwei  Factoren, 
welche  in  deutschen  Landen  die  Schule  gebildet  haben:  die  alten  Spra- 
chen und  die  Religion.  Auf  diesen  beiden  Grundpfeilern  haben  in  der 
guten  Zeit  unsere  Schulen  geruht:  so  lange  diese  Pfeiler  feststehen, 
hat  es  mit  unseren  Schulen  keine  Noih;  aber  es  ist  eben  nülhig,  nicht 
dasz  der  eine  oder  der  andere  erhalten  werde,  sondern  vielmehr  dasz 
sie  beide  feststehen,  dasz  sie  beide  miteinander  tragen.  In 
Trolzendorf  haben  wir  nun  in  wunderbar  ergreifender  Weise  diese 
beiden,  die  Sprachen  und  den  Glauben,  in  herzinniglichem  Vereine. 
Durch  diese  Vereinigung  beider,  so  scheint  es,  ist  er  allein  das  ge- 
worden was  er  gewesen  ist,  einer  der  Lehrer  Deutschlands,  eins  der 
Ideale  für  die  Paedagogen  aller  folgenden  Zeilen;  auf  dieser  Vereini- 
gung ruht  die  ungeheure  Wirksamkeit,  welche  er  im  Leben  wie  im 
Tode  ausgeübt  hat. 

Seine  Jugend  füllt  in  eine  Zeit,  wo  die  Sprachen  bereits  auch  in 
Deutschland  mit  dem  Enthusiasmus  und  der  Hingabe  der  ersten  jugend- 
lichen Liebe  ergriffen  wurden.  Trotzendorf  studierte  in  Leipzig,  wo 
damals  Richard  Crocus  und  Petrus  Blosellanus  hunderte  von  Schillern 
um  sich  sammelten.  Er  war  bereits  in  Görlitz  im  Amte,  als  die  grosse 
religiöse  Bewegung  in  Wittenberg  folgte  und  ihn  wie  so  viele  andere 
erfaszte  und  mit  sich  fortrisz.  Wir  sehen  ihn  wieder  in  Wittenberg 
unter  den  studierenden,  zu  einer  Zeit,  wo  die  Reformation  ihre  ersten 
groszen ,  kühnen  Schritte  that,  hingegeben  vor  allem  an  Philipp  He- 
lanehthon,  der  den  gebornen  Schulmeister  in  ihm  erkannte;  dann  wie- 
der im  Amte  und  noch  einmal  in  Wittenberg,  bis  er  endlich,  nicht 
mehr  in  jungen  Jahren,  sondern  ein  gereifter,  fester  Mann,  in  das 
Amt  zurückkehrte,  in  dem  er  einen  unsterblichen  Namen  erworben  hat. 
Trotzendorf  war  1490  geboren;  er  ist  erst  1531  dauernd  Reclor  der 
Schule  zu  Goldberg  geworden,  also  41  Jahre  alt,  und  als  Rector  xa 
Goldberg  1556  gestorben.  Wie  sein  Leben  so  ist  auch  seine  Seele 
von  diesen  beiden,  den  Sprachen  und  der  Religion,  als  den  Grundpfei- 
lern der  Schulen,  getragen  worden. 

Was  zunächst  die  Sprachen  anbetrifft,  so  gehört  Trotzendorf  nieht 
unter  die  Zahl  der  gelehrten  Philologen  jener  Zeit,  sondern  ist  ebe» 
nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  ein  Schulmann,  hat  auch  nie  mehr 
sein  wollen:  seine  ganze  Seele  ist  auf  seine  Schule  gerichtet.  So  btl 
er  nichts  was  der  Rede  werth  wäre  geschrieben;  selbst  seine  Corre- 
spondenz ,  in  einer  Zeit  die  vom  Briefschreiben  wie  von  einer  Manie 
ergriffen  war,  scheint  unbedeutend  gewesen  zn  sein;  —  dagegen  hal 
er  durch  seine  sprachlichen  Lectionen  das  auszerordentlichste  geleislet. 
Es  ist  charakteristisch ,  dasz  Trotzendorf  kein  Geschick  hat  Verse  sn 
machen ;  und  doch  sind  von  der  Goldberger  Schule  genug  Schaler  ab- 
gegangen, welche  dieser  Kunst  mächtig  waren.  Er  lebte  fttr  die  Sohnle, 


K.  J.  Lösehke :  Valentin  Trolzendorfs  Leben  and  Wirken.    573 

nicht  far  die  Wissenschaft  als  solche ;  seine  Kraft  ist  ganz  und  gar  auf 
die  Wirksamkeit  in  der  Schule  bezogen;  seine  Seele  ist  nicht  idealen 
Studien  und  Bestrebungen,  sondern  ganz  und  gar  der  immerhin  be- 
schränkten und  prosaischen  Praxis  seines  Schulamtes  zugewandt;  selbst 
in  diesem  und  für  dieses  hat  er  wenig  geschrieben,  sondern  in  der 
Meditation  seine  Stärke  gehabt.  Hierbei  unterstützte  ihn  sein  Gedächt- 
nis, das  er  schon  frühzeitig  in  Leipzig  geübt  und  zu  groszer  Kraft  ge- 
steigert hatte,  das  er  bis  an  seinen  Tod  nie  unterlassen  hat  zu  üben. 
Seine  Schüler  haben  diese  seine  Eigenthümlichkeit  wol  erkannt.  Sie 
rühmen  es  wie  er,  weit  entfernt,  sie  zu  hohem  und  idealem  Schwünge 
fortzureiszen,  sich  zu  den  Knaben  herabgelassen  und  in  der  christlichen 
Demut  eines  Lehrers  erniedrigt  habe.  So  steht  er  nun  vor  uns,  das 
echte  Bild  jener  deutschen  Schulmeister,  welche,  indem  sie  nicht  nach 
hohen  Dingen  strebten,  sondern  im  kleinen  und  in  der  Verborgenheit 
treu  sein  wollten,  in  den  deutschen  Schulen  ein  ehrenwerthes  Ge- 
schlecht erzogen  haben,  das  dem  Staate  und  der  Kirche  treu  und  wahr 
gedient  hat.  Das  alles  wird  nun  der  geneigte  Leser,  wenn  er  meinem 
Rathe  folgt  und  das  Büchlein  selbst  zur  Hand  nimmt,  darin  zur  Fülle 
dargelegt  finden. 

Auch  wenn  man  ins  einzelne  eingeht,  kann  man  von  dem  alten 
Trotzendorf  viel  gutes  und  wichtiges  lernen.  Ich  lege  weniger  Ge- 
wicht darauf,  dasz  er  seine  Schule  in  Goldberg  zu  einer  Art  von  res- 
publica  organisiert  und  mit  einer  Anzahl  von  Beamten  nach  antiker 
Weise  versehen  hat.  Die  Nothwendigkeit  trieb  ihn  dazu,  wenn  er 
seine  tausend  Schüler  übersehen  und  zusammenhalten  wollte.  Immer- 
hin aber  dient  doch  auch  dies  zum  Beweise,  wie  Trotzendorf  und  jene 
ganze  Zeit  die  Alten  nicht  in  unserer  kümmerlichen  und  armseligen 
Weise  trieb ,  sondern  in  ihnen  lebte  und  webte.  Hierin  nemlich  und 
in  nichts  anderem  ist  der  Grund,  warum  jene  Manner  so  viel  und  wir 
so  wenig  leisten,  so  wenig  bei  all  unserm  wissen,  bei  all  unserer 
Mühe,  bei  all  unserer  Bildung:  für  uns  und  für  unsere  Jugend  ist  ein 
Bildungsmittel,  was  für  jene  Zeit  Lebenselement  war.  Hiermit  hieng 
denn  zusammen,  wie  von  vornherein  auf  die  Beziehung  der  Schule 
zum  Leben  hingestrebt  wurde:  das  memorieren  von  Sentenzen  in  der 
untersten  Klasse  gleich,  von  denen  unsere  Vorfahren  so  viel,  unsere 
Schüler  so  äuszerst  wenig,  in  promptn  hatten ;  die  Leetüre  des  Plautus 
und  Terenz,  der  ciceronischen  Episteln  und  der  OfAcien,  des  Isokrates, 
des  Plutarch,  alles  Gegenstände  die  in  unserer  Zeit  immer  mehr  auszer 
nsQS  kommen ,  weil  man  mehr  das  an  sich  schöne  und  werthvolle  trei- 
ben als  auf  das  Leben  and  die  Praxis  Bezug  nehmen  will;  welche 
Stelle  haben  z.  B.  die  coHoqnia  des  Erasmus  gehabt  and  mit  welcher 
Geringschätzung  würde  man  jetzt  auf  dieselben  herabsehen!  In  die- 
sem praktischen  Sinne  legte  Tr.  so  groszes  Gewicht  auf  die  exercitia 
slili,  die  er  die  Erndte  aller  Studien  zu  nennen  pflegte,  die  er  als  einen 
Probierstein  betrachtete,  wonach  man  die  Fortschritte,  die  Frömmig- 
keit, das  Pflichtgefühl,  die  Sittlichkeit,  kurz  alles,  worauf  es  bei  einem 
studierenden  ankomme ,   ermessen  könne.    Ihnen  vomehmlieh  bat  er 

41* 


574    K.  J.  Lösehke:  Valentin  TroUoDdorfs  Leben  und  Wirken. 

das  gedeihen  seiner  Schale  zugeschrieben ,  eine  Wernong  fflr  ans ,  die 
wir  so  viel  auf  Leetüre,  auf  PrivallectQre  zumal,  geben.  Das  ne  muiia 
sed  mulium  war  hiergegen  Trolzendorfs  Kegel.  Seine  Schaler  sollen 
viel  aber  nicht  vielerlei  lesen,  wenig  und  gute  Autoren  braaohen, 
Blannichfalligkcit  der  Schriftsteller  fliehen.  Manche  von  seinen  Vor- 
schriftcn,  unter  anderm  dasz  man  die  Regeln  und  die  Beispiele  bis  auf 
Worte  und  Silben  hinab  festhalte  und  damit  nicht  auf  geistvolle  Weise 
changiere,  habe  ich  seit  lange  streng  beobachtet  und  mich  gefreut,  sie 
nun  durch  Trotzendorfs  grosze  Auctoritfit  bestätigt  zu  sehen.  Doch  ich 
denke,  meine  Leser  werden  sich  hierdurch  bewogen  fühlen,  mit  nn- 
serm  Valentin  Trolzendorf  in  eine  rechte  Gemeinschaft  zu  treten  and 
von  ihm  zu  lernen,  Schüler  vom  Meister. 

Das  zweite  nun  ist,  dasz  Trotzendorf  und  jene  ganze  Zeit  in  der 
lebendigen  Einheit  mit  der  Kirche  stand  und  sich  dieser  Einheit  als 
einer  wesentlichen  und  nothwendigcn  bewuszt  war.  *  Wer  nnserer 
Schule  angehört  musz  auch  unserer  Kirche  angehören'  war  ein  offen 
ausgesprochener  Grundsatz,  der  in  den  Goldberger  Schulgesetzen  stand. 
So  hat  er  nun  darauf  gehalten,  dasz  seine  Schüler  sich  iu  allen  Dingen 
als  Glieder  der  protestantischen  Kirche  zeigten,  im  Bekenntnis  wie  im. 
kirchlichen  Leben.  Er  würde  kein  Bedenken  getragen  haben,  Schfller, 
welche  principiell  die  Kirche  verleugneten,  von  seiner  Schale  ans- 
zuschlieszen.  Der  Keligionsunterricht,  wenn  man  diesen  schleohten 
Ausdruck  gel)rauchen  darf,  folgte  selbst  der  Ordnung  des  Kirchen- 
jahres. ^  Ehe  er  noch  in  seine  grosze  Wirksamkeit  eintrat,  ist  er  als 
Vorkampfer  der  protestantischen  Kirche,  dort  gegen  die  Katholiken) 
hier  gegen  die  Schwenckfeldianer  thatig  gewesen,  und  als  Lnther 
hinübergegangen  war  und  Melanchthon  schwankte,  bat  er  es  tief  be- 
klagt, dasz  seine  Schüler  ihm  als  Sacramentierer  und  Zwinglianer  von 
Wittenberg  zurückkämen.  Sein  Lehramt  hat  er  gleich  wie  d|is  Predigt- 
amt  als  ein  göttliches  betrachtet,  und  also  den  Schülern  gegenflber 
die  Schrift  und  die  Lehre  der  Kirche  vertreten,  mit  all  jener  Obieeti- 
vität,  welche  leider  unserer  Kirche  so  ganz  abhanden  gekommen  tat. 
Es  war  aber  diese  Kirchlich keit  Trotzendorfs  zugleich  tiefe  inner- 
liche Frömmigkeit.  Das  ganze  Leben  in  jenem  Franziskanerklosler 
zu  Goldberg  trug  diesen  Charakter.  Und  so  bekannte  er  es,  daaa  der 
Beligionsunterricht  die  Seele  seiner  Schule ,  die  Seele  alles  Unlerricb- 
tes  sei.  Er  galt  ihm  als  der  Grund  und  die  Leuchte  für  alles  Wiaaen; 
ihn  lässig  betreiben  hiesz  ihm  alle  Wissenschaften  mit  schlennigem 
Verfall  und  grausiger  Finsternis  bedrohen.  Der  Dienst  am  Evangelinm 
war  das  Ziel,  zu  dem  alle  seine  Schüler  sollten  hingeführt  werden. 
Der  Keligionsunterricht  gehörte  ihm  zum  Wesen,  zur  Sabstani  der 
Schule.  Wer  ihn  aus  der  Schule  verbannen  oder  ihm  auch  nnr  eine 
untergeordnete  Stellung  geben  wolle,  reisze  die  Sonne  vom  Himmel, 
den  Frühling  aus  dem  Jahre.  An  diese  nnd  andere  oft  wiederholten 
Worte  Trotzendorfs  erinnerten  sich  seine  Schüler  gem.  In  seinem 
Leben  nimmt  so  auch  das  Gebet  einen  wichtigen  Platz  ein.  Hierauf 
und  auf  die  Vorbereitung  za  seinen  Lectionen  wandte  er  alle  aeine 


Eduard  Wander:  Sophodis  Antigone.  575 

Zeit.    Denn  flach  darin  gehörte  Trotzendorf  ganz  der  Schule  an ,  dasz 
er  nicht  in  den  Ehestand  getreten  war. 

Trotzendorfs  Ruf  ist  frühzeitig  anerkannt  worden.  Melanchlhon 
hat  von  ihm  gesagt:  er  sei  zum  Lehrer  bernfen  wie  Fabius  znm  Feld- 
herrn. Man  hat  ihn  wiederholentlich  von  Goldberg  wegziehen  wollen. 
^Wider  Gottes  Willen  meinen  Platz  verlassen  halte  ich  für  Sünde'  war 
seine  Antwort.  Man  wird  nun  in  unserm  Buche  gern  lesen,  wie  sehr 
er  gefeiert  ist  bei  seinen  Lebzeiten  und  wie  noch  nach  mehr  als  hun- 
dert Jahren  sein  Name  eine  grosze  und  unwiderlegliche  Auctoriät  ge- 
wesen ist.  Gebe  Gott  nun  dem  Buche  seinen  Segen  mit  auf  den  Weg 
und  lasse  es  nicht  leer  zurückkommen!  P.  M. 


47. 

Suphoclis  Antigone,  Recensuii  et  explanavit  Eduardus  Wun- 
der us.    Editio  quarla  multis  locis  emendala.   Gothae  1856. 

Die  wiederholten  Auflagen  derWundcrschen  Ausgaben  des  Sophokles 
beweisen,  dasz,  obgleich  sie  in  der  Schncidewin^schen  eine  bedeutende 
Concurrenz  gefunden  haben,  dennoch  ihre  Brauchbarkeit  für  die  Schulen 
noch  immer  die  verdiente  Anerkennung  findet.  Wir  werden  nicht 
irren,  wenn  wir  dieselbe  in  der  Beschränkung  auf  das  für  den  Schüler 
unumgänglich  nothwendige,  wodurch  seiner  Selbstthatigkeit  und  der 
Leitung  und  Erklärung  des  Lehrers  freierer  Spielraum  gewahrt  wird, 
so  wie  in  der  praecis  knappen  und  klaren  Fassung  der  lateinischen  An- 
merkungen setzen.  Wo  in  der  Prima  bei  der  Erklärung  die  lateinischo 
Sprache  angewandt  wird,  ein  Gebrauch,  dessen  Zurückführung  man 
jetzt  ja  viel  allgemeiner  begehrt,  als  vor  einigen  Jahren  zu  erwarten 
stand,  wird  man  diese  Ausgabe  gewis  gern  in  den  Händen  der  Schü- 
ler sehen.  Auch  wird  schwerlich  ein  einsichtsvoller  in  Abrede  stellen, 
dasz  der  Schüler,  wenn  er  bei  der  Privallectüre  ein  Stück  mit  der 
Wunderschen  Ausgabe  tüchtig  durchgearbeitet  hat,  gewis  ein  seinem 
Alter  und  seinen  Kräften  angemessenes  Verständnis  gewonnen  haben 
wird.  Wir  beabsichtigen  nicht  in  eine  Erörterung  verschiedener  An- 
sichten über  Kritik  und  Erklärung  einzugehen,  vielmehr  begnügen  wir 
uns  kurz  die  in  der  4n  Ausgabe  der  Antigone  vorgenommenen  Ver- 
änderungen zu  bezeichnen.  Eine  grosze  Zahl  derselben  besteht  aller- 
dings in  Abschneidung  alles  dessen,  was  nicht  nothwendig  zum  Ver- 
ständnis des  Dichters  und  des  vorliegenden  Stückes  führt.  Im  Gegen- 
satz gegen  andere,  deren  folgende  Ausgaben  immer  mehr  anschwellen, 
hat  der  Hr.  Herausgeber  oine  von  paedagogisoher  Weisheit  zeugende 
Beschränkung  des  Stoffes  vorgenommen ,  welche  bei  allen  denen ,  de- 
ren Urteil  auf  einer  reichen  Erfahrung  in  der  Schule  und  wiederholtem 
Gebrauche  der  Ausgabe  beruht,  gewis  nicht  Verkennung,  sondern  An- 
erkennung finden  wird.   Die  positiven  Veränderungen  sind  eine  neue 


576  C.  Wagner:  Flores  et  Fractns  latini. 

Erklärung  von  koivov  Vs.  1 ,  in  dem  der  Hr.  Herausgeber  in  sehr  be- 
achlenswerther  Weise  eine  Hindealung.auf  die  Pflicht  der  Ismene  er- 
kennt. Vs.  57  schlägt  derselbe  in  der  krit.  Anm.  eine  neue  Verbesse- 
rung vor:  xqCxov  d'  döeiq)üi  6vo  fiiav  JCdfO"'  rniigav  tioivov  xoftfi^- 
yacfavx^  1%  ulXrikoiv  fioQOv,  Bei  Vs.  211  ist  eine  Anmerkung  über  die 
Stellung  von  cro^,  bei  338  eine  Erörterung,  warum  die  Gaea  die  höchste 
der  Gottheiten  genannt  werde,  zu  Vs.  441  —  521  eine  Bemerkung  über 
den  Charakter  der  Antigone  hinzugekommen.  554  ist  der  Sinn  praeciser 
und  klarer  als  rrüher  angegeben.  Vs.  599  hat  der  Hr.  Herausgeber 
jetzt  xctTctaxy  in  den  Text  aufgenonimen  und  715  ein  neues  Wort  ytav- 
Tentötriiirjg  hergestellt  (dasselbe  wird  auch  Trachin.  338  gefordert). 
Eine  neue  Anmerkung  ist  741,  eine  neue  Erklärung  1045  hinzugefagt 
worden.  Endlich  ßnden  wir  am  Schlüsse  einen  neuen  Excurs,  der 
einen  für  das  tiefere  Verständnis  des  Stückes  nicht  unwichtigen  Punkt, 
warum  Antigone  zweimal  die  Beerdigung  ihres  Bruders  vollziehe  und 
warum  der  Wächter  so  ausführlich  über  den  heftigen  Sturmwind  be- 
richte, erörtert. 

Grimma.  Dietsch. 


08« 

Flores  et  Fructus  latini.  Puerorum  in  usum  legit  et  edidü  Ca- 
rolus  Wagner^  Phil,  Dr  Prof.  in  gymn.  Darmsiaditio. 
Lipsiae  sumptus  fecit  et  venumdat  E.  Fleischer.  1856.  8  min. 
205  S.    (15Ngr.) 

Ref.  begrüszt  dieses  Büchlein  mit  der  innigsten  Freude.  Es  sind 
diese  flores  et  fructus  latini  eine  treffliche  Gabe  der  treuesten  nod 
achtungswerlhesten  Liebe,  niedergelegt  auf  dem  Altare  der  Schul-  und 
Jugendbildung,  und  es  ist  Ref.  immer,  als  ob  er  etwas  von  dem  Segen 
verspüre,  der  daraus  hervorgehe,  wenn  kenntnisreiche  und  gelehrte 
Schulmänner  die  Früchte  ihres  Fleiszes  und  Wissens  der  Jugend  in- 
wenden,  wenn  sie  über  dem  forschen  nicht  das  Feld  unbeachtet  liegen 
lassen,  dessen  Bestellung  und  Beaufsichtigung  ihnen  zunächst  obliegt, 
wenn  sie  namentlich  darauf  denken,  der  studierenden  Jugend  hinüber- 
zuhelfen  über  die  Berge,  die  überwunden  werden  müssen,  wenn  der 
Voligenusz  ihr  werden  soll  aus  dem  Verkehr  mit  dem  besten,  was 
Hellas  und  Latiums  Boden  der  Welt  schenkte. 

Aus  solchem  denken  und  streben  ist  das  anzuzeigende  Buch  ent- 
standen, und  Ref.  preist  eine  Schule  wie  das  Darmstädter  Gymnasium 
glücklich,  deren  Vorstand  und  obere  Lehrer  nicht  verschmähen,  den 
Blick  fleiszig  auf  das  Bedürfnis  der  grundlegenden  unteren  Klassen  xu 
wenden,  und  die  mit  sicherem  und  richtigem  Takt  erkennen,  wieviel 
auf  die  Vorbildung  überhaupt  und  insbesondere  auf  das  wie  derselben 
ankomme.    Das  ist,  nach  des  Ref.  ermessen,  der  beste  Lehrplan,  der 


C.  Wagner :  Flores  et  Fruclns  lalioi.  .         577 

den  Lehrern  nach  umsicbtsvoller  Prüfung  methodisch  geferfigte,  allsei- 
tigen Bedürfnissen  genügende  Lehrmittel  an  die  Hand  gibt. 

Ein  solches  Lehrmittel  liegt  in  der  anzuzeigenden  Schrift  vor, 
die  als  Mat.  Lesebuch'  Sinn  und  Geschmack  für  das  Latein  frühe  wecken 
und  nähren  will.  Wahrlich  ein  preiswürdiges  Beginnen!  Oder  sollte 
jemand  dies  für  etwas  geringfügiges  oder  etwa  gar  für  einerlei  halten, 
ob  der  Schüler  an  einem  selbstzusammengestoppelten  Satz  seine  Form 
erlernt  oder  ob  mit  dem  Formenlernen  zugleich  absichtslos  sein 
Ohr  mit  gewöhnt  und  gebildet  wird  ?  Als  Ref.  seine  prima  stamina 
im  Lat.  legte,  da  hiesz  es:  puer  sedulus  discit,  agricola  laboriosus 
arat;  nun  dies  war  auch  nicht  verwerflieh,  aber  gestehen  musz  doch 
jeder,  dasz  es  ganz  anders  ins  Ohr  fallt,  wenn  man  hier  liest :  garrula 
lingua  nocet;  fugit  invida  aetas;  fugaccs  labuntur  anni;  solvitur  acris 
hiems  u.  so  fort,  lauter  herliche  Sätze,  von  denen  jeder  an  sich  werth 
ist,  dasz  er  ebenso  gut  ins  Herz  genommen  und  behalten  werde,  als 
die  Form  dabei  gelernt  und  gemerkt  werden  soll.  Es  kann  dies  aber 
auch  nicht  anders  sein ,  denn  die  geschickte  Hand  des  Herausgebers 
hat  ^ex  uberrimis  literarum  latinarum  hortis  flores  carptos  et  delibatos 
amocnissimos  et  utilissimos  collegit.  Quaecunque  proferuntur  eo  spec- 
tunt,  ut  quum  sermonem  latinum  purum  et  nativum  pueris  mandent  et 
inßganl ,  tum  eurum  mentes  acuant,  ingenia  colant  ipsosque  ad  optima 
quaeque  cogitauda  et  agenda  adliciant,  adhortentur,  adsuefacianL' 
*Hoc  igitur  maxime  differt  hicce  libellus  ab  aliis  huius  farinae  libris, 
quod  non  minus  res  quam  verba  respicit,  aeque  ad  oris  Latini  ac  mo- 
rum  candorem  adducere  et  quasi  quandam  palaestram  aperire  studet, 
in  qua  puerorum  ingenia  strenue  exerceantur,  cogilandi  vis  provoce- 
tur,  vigores  menlium  et  alacritates  excitentur  animique  fortes  virtuto 
uti  consuescant.  Non  id  agitur,  ut  pueris  multa  instillenlur,  magna 
parva,  quae  palienter  et  temere  recepta  brevi  in  oblivionem  abeant, 
sed  ut  vigiles  ac  sollerles,  ipsi  cxaminantes  et  pensitantes  perspicianl, 
quae  cognosse  et  memoria  lenere  operae  pretinm  est.  Quae  enim 
schola  pueris  imporlit,  ea  dos  et  dux  totius  vitae  sunto',  und  der 
Herausgeber  schreibt  mit  Hecht:  ^  qua  in  re  Brilannos  sequi  Optimum 
duco,  quos,  quibus  literis  pueri  instituendi  siut,  ut  boni  cives  vereque 
viri  evadant,  optime  callere  satis  notum  est.'  Wir  haben  allerdings 
seit  Arnolds  und  Wieses  Verölfentlichungen  volle  Ursache  von  den 
Englandern  in  BetrefT  der  Erziehung  und  des  Unterrichts  zu  lernen  I 

Die  Genesis  des  vorliegenden  Büchleins  ist  aber  folgende.  Das 
Darmstädter  Lehrer -Collegium  suchte  ein  lat.  Lesebuch;  da  wurde 
des  Engländers  Valpy  latinus  delectus  empfohlen  und  Prof.  C.  Wag- 
ner ^übernahm  das  schwierige,  obschon  angenehme  Geschäft,  das 
Büchlein  von  Valpy  sich  genauer  anznsehen  und  für  die  Zwecke 
der  deutschen  Schule  und  namentlich  der  seinigen  umzuarbeiten.'  Wie 
vortrefflich  ihm  dies  gelungen  ist,  liegt  zu  jedermanns  Würdigung  und 
Freude  in  dem  zu  besprechenden  Buche  vor.  Wenn  ^iner,  so  war  er 
dazu  geschickt,  ihm  die  Gestalt  zu  geben,  in  der  es  sein  Original  weit 
hinter  sich  läszt,  und  den  verstandigen  Wechsel  zn  ordnen,  der  so  viel 


578  C.  Wagner:  Flores  et  Fractas  latinL 

anziehendes  hat  und  den  angehenden  Lateiner  die  reichste  Bekannt- 
schaft mit  Caesar,  Livius ,  Cicero,  Saliust,  Phaedras,  Ovid,  Horas,  Te- 
rens  machen  läszt,  und  dies  in  so  leichter,  erfreuender  Weise. 

Die  Vorrede  gibt  S.  VIU  noch  einige  methodische  Winke  bezQg- 
lieh  des  Gebrauches  des  Buches  und  bezeichnet  namentlich  die  schick- 
liche Vertheilung  des  Stoffes  auf  Septime,  Sexta  und  Quinta,  will  aber 
fest  gehalten  wissen  auf  fleiszige  Repetition  und  das  vertere  in  sue- 
cum  et  sanguinem ,  womit  Ref.  aus  vollster  Ueberzengung  aberein- 
stimmt.  Denn  das  viele  lesen  in  den  untern  Klassen,  nur  damit  viel 
gelesen  werde,  trägt  keine  Frucht  und  beruht  auf  einer  gänzlichen  Ver- 
kennung der  jugendlichen  Flatterhaftigkeit,  die  so  schwer  etwas  haf- 
ten iSszt.  Angehfingt  hat  der  Herausgeber  ein  von  ihm  gefertigtes 
vocabularinm  TBtQciykfoöaov^  lat.,  deutsch,  franz.  und  engl.,  worQber 
er  sagt:  *ex  hac  quattuor  linguarum  comparatione  sive  indice  tc- 
tQaykoittto  haud  scio  an  multiplex  fructus  capi  possit,  si  qnis  ad 
earum  cognationem  et  differentiam  animuni  advertere  velit.  Quod  co- 
rollarium  qui  nunc  spernat,  ne  moleste  feral  plagulas  additas,  quibus 
olim  fortasse  utetur,  quando  inlellexeril,  vocabulorum  ita  iuxta  se  po- 
sitorum  plurimam  partem  nullo  fere  negotio  in  legentium  memoriam 
simul  infundi  et  ea  saepe  ex  ipsa  comparatione  non  parum  lucis  ac 
velut  recentem  spiritum  vitamque  accipere.'  Von  diesem  Gesichta- 
punkt  aus  will  sich  auch  Ref.  mit  demselben  einverstanden  erklären. 

Möge  dieses  treffliche  BQchlein,  ebenso  ausgezeichnet  durch  sei- 
nen formellen  Werth ,  wie  durch  seinen  materiellen  Inhalt  und  seine 
schöne  Ausstattung ,  recht  bald  die  Aufmerksamkeit  der  Sohulmänner« 
Directoren  und  Oberschulbehörden  auf  sich  ziehen,  damit  es  zum 
besten  der  lateinisch  lernenden  Jugend  seinen  wohlverdienten  Eingang 
Cnde.  — 

Ansbach.  Hoffmann. 


40. 

Die  neuhochdeutsche  Partikel:  nicht  mit  Rücksicht  auf  die  ur^ 
verwandten  N  -  Partikeln  einiger  Schwestersprachen  vom 
Professor  Eduard  Olawsky.  48  S.  4.  Beigabe  zum  Pro- 
gramm *  zur  dreihnndertjährigen  Jubelfeier  —  des  königlichen 
Gymnasiums  za  Lissa  —  13.  Nov.  1855%  gedruckt  bei  Emat 
Günther  In  Lissa. 

Nachdem  der  Vf.  in  der  Einleitung  die  Eintheilung  der  Negation 
in  1)  die  reine,  abstracto,  2)  die  conditionale  und  3)  die  prohibitive 
begründet  hat,  behandelt  er  im  ersten  Tbeile  seiner  Abhandlung  die 
Grundform  der  Urparlikel  der  einfachen  Verneinung. 
Im  Goth.  lautet  sie  ni,  das  in  jenen  drei  Fällen  seine  Anwendung 
findet.    Im  Lat.  haben  wir  1)  nt  (in  nisi  und  nihil),  n^  (in  nequo 


Edaard  Olawsky:  die  neahochdeataclie  Partikel:  nicht.      579 

nec^)  nepos  nebula  nefas  nerolo  neqaeo  nescio*),  2)  nei  ni  ni  and 
endlich  3)  proklitisch  mit  weggeworfenem  Vocale  das  hlosze  n  in 
nullus  nusquam  numquam  ndn  aus  noenum').  Nach  des  Vf.  s  Meinung 
dienten  ni  und  nei  urspranglich  ungeschieden  für  die  abstraote  Ver- 
neinung, erst  später,  wenn  auch  schon  in  der  vorhistorischen  Zeit, 
trennten  sich  beide  so,  dasz  ni  (n^)  sich  für  die  reine,  nei  (ni  ni)  fttr 
die  prohibitive  und  condicionaie  Negation  entschied.  Ref.  scheint  kein 
Grund  vorzuliegen,  warum  wir  nicht  diesen  Unterschied  in  der  Beden« 
tung  für  einen  ursprünglichen  halten  und  dem  nei  von  Anfang  an  aus* 
schiieszlich  seine  spätere  Bedeutung  zuweisen  sollten.  Die  vom  Vf. 
zusammengestellten  Beispiele  können  nichts  beweisen.  Nimirum  isl 
aus  ni  mirum  sit  oder  videatur  zu  deuten  und  enthält  also  das  prohi- 
bitive m  (s.  Nägelsbachs  Stilistik  S.  549);  dasselbe  steckt  auch  in 
fitee,  dagegen  ist  nimo  aus  nehemo  zusammengezogen  und  die  ur- 
sprüngliche Quantität  von  ne  demnach  zweifelhaft,  niquam  endlich 
hängt  wfihrscheinlich  gar  nicht  mit  der  Negationspartikel  xusammen 
(vgl.  Z.  f.  vgl.  Sprachs.  IV  S.  69).  An  die  Stelle  der  einfachen  Ver- 
neinung nt  oder  n^  trat  später  das  verstärkende  non-noenum  d.  i.  ne 
oenum ,  ne  unnm  (vgl.  Lachmann  zu  Lucr.  p.  149) ,  so  dasz  jenes  gans 
verloren  gieng.  —  Im  Griech.  nimmt  der  Vf.  als  Grundform  an  ve  (vor 
Vokalen  v),  das  er  noch  finden  will  in  vircoSeg,  veßgog  (das  Junge  das 
noch  nicht  fressen  kann,  v.  ßißQciaK<o)y  viq>og  (das  nicht  helle,  die 
Dunkelheit),  vi%vg  (v.  xa^co,  eigentlich  der  noch  nicht  verbrannte,  noch 
unbeerdigte  Leichnam),  viTtrag  (v.  xte/vo),  der  vor  dem  Tode  schützende 
Trank),  va^xij  (Lähmung,  v.  ccQKim  stark  sein)  und  anderen,  von  denen 
Ref.  noch  weiter  unten  reden  musz.  Nri  soll  in  Gebrauch  gekommen 
sein  durch  die  zahlreichen  Wörter,  in  denen  es  aus  vs  und  dann  a 
oder  £  als  Anfangsbuchstaben  des  zweiten  Theiles  eines  Compositums 
entstanden  ist,  wie  vi^KSCfrog  (vs  +  axsaxog)^  vrikstig  (aus  vs  +  iUog); 
indem  man  in  diesen  vri  aus  Misverstand  als  ersten  Theil  der  Zusam- 
mensetzung ansah ,  bildete  man  dann  auch  vrptsv^rig  vtiKsgörig  a.    Für 


1)  K.  O.  Müller  KU  Fest.  p.  386  f.  will  ein  doppeltet  nee  annehmen, 
eines  das  einfach  verneint  (wie  ast  ei  cnstos  nee  escit  XII  tabb.,  si 
adorat  furto  quod  nee  manifestum  erit  ibid.,  nee  opinans,  nee  recte, 
in  Com  Position  oft  in  der  Form  neg,  z.  B.  neglego,  negotium,  negrita, 
daher  negare  and  negumare)  und  ein  anderes,  das,  aus  neque  entstan- 
den, eine  zusammengesetzte  Partikel  ist,  die  auszer  der  Negation  zu- 
gleich die  particula  copulativa  enthält.  Wo  im  ersteren  Falle  neque 
erscheint,  wie  Cato  R.  R.  c.  141:  'Mars  pater  si  qnid  tibi  neque  sa- 
tisfactum  e8t\  soll  nee  korrigiert  werden.  AUein  beide  Partikeln  fallen 
zusammen,  und  es  hat  im  ersteren  Falle  qae  nur  seine  Kraft  verloren. 

2)  Es  gehört  dahin  noch  nepus  non  pums  Paul.  Diac.  p.  164. 
Dagegen  kann  nicht  dahin  gerechnet  werden  neco,  wovon  weiter  unten. 

3)  Mit  Unrecht  zieht  der  Vf.  dahin  neutiquam  und  neuter,  die  ja 
ne  vollständig  bewahren«  Nach  Consentius  ed.  Kramer  p.  9  wäre 
letzteres  sogar  dreisilbig  n^-u-ter  ausgesprochen  worden.  Zu  bemer- 
ken ist  auch  die  Form  neeuiro  auf  einer  Inschr.  On  48d9  (vol.  II 
p.  350  unten). 


580      Ednard  Oltwsky:  die  neahoobdeatoohe. Partikel:  «Mit* 

die  eoDditionale.  und  prohibitive  Verneioang  galt  von  Jeher  fi^' 
(  =  Sscr,  mä).  Die  arsprangl.  Negation  ve  ward  aU  partieala  aepa- 
rabilis  durch  das  noch  anerklirte  ovx  verdrängt  —  Naeh  knnar 
Hinwcisung  aaf  das  alav.  (altol.  ni)  sowie  auf  ags.  and  alti.  gahlder 
Vf.  auf  das  hd.  über.  Die  einfache  Negation:  ahd.  «i ,  gebroehea  ia 
fie,  einzeln  schon  tit,  mhd.  ne  und  en  verschwindet  in  nhd-  gawB  aad 
es  tritt  an  ihre  Stelle  die  verstärkte  Verneinung  nicht  Die  Steilaai 
dieser  letztem,  in  Hanptsfilzen  hinter  dem  Verb.,  abweiohend  Toa  Ge- 
brauche aller  andern  Sprachen,  erklärt  sich  darana,  dasi  sie  uraprOBf- 
lieh  der  einfachen  Negation  nur  beigegeben  ward  als  Veratirkang  aai 
als  solche  hinter  das  Verb,  trat;  als  nun  jene  im  Verlaofe  der  Zeit 
wegQel,  behielt  das  nun  allein  als  Verneinungspartikel  abrigfebliebeao 
nicht  seine  frühere  Stellung  hinter  dem  Verb,  bei,  i.  B.  ana  'mae 
wil  ich  nicht  erwinden'  ward  ^jetzt  will  ich  nicht  ablaaaan.' 

Dies  das  wesentlichste  aus  dem  Inhalte  des  ersten  Thellea  der 
Abhandlung.  Der  Vf.  nimmt  in  demselben  als  ursprüngliobe  Fora  der 
Negation  ni  an,  das  in  ne  gebrochen  ward,  aus  ni  soll  auch  lak  n^  aad 
gr.  ve  geworden  sein.  Letzteres  ist  nun  gewis  falsch,  denn  gr.  t  ent- 
springt nicht  aus  einem  t,  sondern  ist  aus  älterem  a  entalandon;  daai- 
gemäsz  wird  auch  lat.  n^  nicht  aus  nY  herstammen,  obgleioh  dies  da- 
neben vorkommt  und  i  im  Lat.  namentlich  im  Aaslaut  biawoilea  in  6 
übergeht,  sondern  aus  älterem  na  entstanden  sein.  Letztere  Fora  hat 
das  Sskr.  in  seinem  na^  der  objectiven  Negation,  bewahrt.  Diese  giaaf 
im  Gr.  in  ve  über,  im  Lat.  in  ne  ;  daneben  entstand  aber  in  letaterer 
Sprache  mit  Abschwächung  des  a  in  t  die  Form  iti,  welche  sieh  auch 
im  Slav.  und  Deutschen  bildete.  Eine  solche  Abschwächung  !■  f'  er- 
fahrt a  schon  im  Sskr.  bisweilen,  man  vergleiche  z.  B.  Sakr.  pü^ 
(Vater)  von  W.  pä  mit  gr.  nati^Q^  lat.pater^  gotb.  fadar;  hiaifar 
findet  sie  sich  im  Lat.,  ganz  gewöhnlich  in  den  germanischen  Sprackaa. 
Für  das  Lat.  vgl.  ignis  mit  Sskr.  agnis  und  simul  (altlat  aemol)  ail 
Sskr.  samy  gr.  ä^a  (aus  (Tafia),  golh.  sama.  Neben  na  steht  imBakr. 
in  prohibitiver  Bedeutung  ma,  dies  ist  buchstäblich  das  glelchbedea- 
tcndc  gr.  ft?;,  dessen  ?/  nur  einem  a  entsprechen  kann.  Der  Vf.  niaait 
(S.  14  und  18),  wie  auch  schon  andere  gothan  haben,  eine  Verwandt- 
schaft von  md  und  den  n-Partikeln  an,  ^vermöge  einer  Verlaasckng 
der  Buchstaben,  wie  sie  in  Schwestersprachen  bei  den  liquidia,  ja  oft 
in  einer  und  derselben  Sprache  vorkommt'  (S.  14).  So  lejoht  liazt 
sich  indes  die  Sache  nicht  abthun ;  denn  so  oft  auch  \m  Grieeh.  ud 
Deutschen  im  Auslaut  ein  m  in  it  übergeht,  so  ist  im  Anlaute  dieser 
Uchergang  eine  sehr  singulare  Erscheinung,  die  noch  einer  niberea 
Feststellung  bedarf.  Jedenfalls  niüste  wol,  wenn  die  beiden  Partikebi 
wirklich  zusammengehören,  m  das  ursprüngliche  und  demnach  is  allen 
mit  n  beginnenden  Negationspartikeln  dies  n  ans  m  entstanden  sein. 
Das  lat.  nei  möchte  Ref.  nicht,  wie  der  Vf.  thut,  unmittelbar  mit  ma 
und  jiAij  vergleichen;  es  hat  sich  dasselbe  selbständig  ans  der  schon 
abgeschwächten  Form  nT  durch  diphthongische  Vurlängerung  des  Vo- 
cals  gebildet,  als  die  Homer  das  Bedürfnis  fühlten,  die  prohibitiTO  and 


Eduard  Olawsky:  die  neuhodideafsche  Partikel:  nieht.      581 

conditionale  Negation  —  denn  nei  in  der  Bedentiing  *wenn  nicht'  ist 
sicherlich  nichts  anderes  als  unsere  Pai^ikel ,  und  niobt  eine  Zusam- 
menziehung  aus  nisi  —  von  der  objectiven  zu  unterscheiden.  In  die- 
ser Weise  stellt  sich  Ref.  den  Zusammenhang  der  verschiedenen  in 
Betracht  kommenden  Formen  der  Negationspartikel  vor.  Es  sei  er« 
laubt,  noch  einen  Schritt  weiter  zurück  zu  thun,  um  wo  möglich  eine 
noch  ältere  Form  als  das  obige  na  zu  gewinnen.  Beraeksichtigen  wir 
die  Negationspartikel  anö  (aus  ana  +  u)  im  Sskr.  und  die  Form  der 
Verneinung  in  Zusammensetzungen  (Sskr.  an-  a-,  gr.  av-  a-y  lat.  in-, 
deutsch  fiit-),  so  drängt  sich  uns  die  Vermutung  auf,  dasz  die  ur- 
sprüngliche Form  aller  dieser  Wörter  ana  gewesen  ist,  aus  dem  na 
durch  einen  auch  sonst  yorkommenden  Wegfall  von  a  entstanden  ist 
(vgl.  Benfey  kurze  Sanskrit -Grammatik  S.  348). 

Der  Vf.  scheint  sich  zwar  etwas  mit  den  Resultaten  der  neueren 
Sprachvergleichung  bekannt  gemacht  zu  haben;  auf  jeden  Fall  ist  er 
aber  nicht  tief  genug  eingedrungen,  um,  sobald  er  das  Gebiet  des 
Deutschen  verlaszt,  mit  der  nöthigen  Sicherheit  forschen  zu  können. 
Es  ist  demselben  namentlich  zu  rathen ,  dasz  er  den  von  ihm  einge- 
schlagenen Weg  in  der  Etymologie  des  Lat.  und  Griech.  durchaus 
verlasse ;  denn  auf  ihm  gelangt  er  nie  zu  sichern  Resultaten.  Wenn 
die  Etymologie  sich  nicht  an  die  festen  und  sicher  erkannten  Regeln 
der  Lautübergänge  bindet,  sondern,  wie  der  Vf.  tbut,  nach  reinem  be- 
lieben Buchstaben  vertauscht,  ausfallen  läszt  und  zusetzt,  dann  ist  sie 
blosze  Spielerei,  sie  kann  alsdann  noch  eine  geistreiche  Spielerei 
sein,  aber  auf  den  Namen  einer  Wissenschaft  darf  sie  keinen  Anspruch 
machen.  Um  mein  Urteil  über  die  etymologischen  Versuche  des  Vfs 
zu  rechtfertigen,  genügt  es  einige  Beispiele  davon  aus  seiner  Abhand- 
lung vorzunehmen.  So  stellt  er  (S.  12)  lat.  nepötes  mit  gr.  viito^ 
öeg  zusammen  und  erklärt  beides  als  ^Nichtfüszler',  d.  h.  solche,  die 
noch  nicht  auf  den  Füszen  stehen,  noch  nicht  laufen  können,  während 
doch  in  allen  indo-europoeischen  Sprachen  mit  Ausnahme  der  durch  die 
Lautverschiebung  weiter  gebildeten  germanischen  das  unserem  ^Fusz' 
entsprechende  Wort  (Sskr.  päd  —  a,  gr.  jeod,  lat.  ped)  mit  der  media  d 
schlieszt.  Der  Vf.  spricht  von  einer  beschränkten  Art  der  Lautver- 
schiebung zwischen  griech.  und  lat. ,  nach  der  das  t  in  obigem  Worte 
einem  d  entsprechen  soll.  Von  einer  solchen  Erscheinung  hat  aber  bis 
jetzt  noch  niemand  etwas  gewust,  und  die  vom  Vf.  beigebrachten 
Beispiele  gehen  entweder  gar  nicht  dahin  oder  stellen  Worte  zusam- 
men, die  durchaus  nichts  miteinander  zu  schaffen  haben.  Auszerdem 
scheint  derselbe  nicht  gewust  zu  haben,  dasz  lat.  nepdi  ein  ihm  buch- 
stäblich entsprechendes  Wort  schon  im  Sskr.  napät  (acc.  napätam  = 
nepötem,  pl.  napätas  =  nepötes)  hat,  dem  Rosen  in  den  Anm.  zum 
Rigveda  S.  XLIX  die  Bedeutung  ^Sohu',  Benfey  im  Glossar  zum  Sd- 
maveda  die  Bedeutung  ^Enkel'  beilegt,  sowie  dem  Femininum  nepti-s 
buchstäblich  das  gleichfalls  in  den  Veden  vorkommende  napU  (mit 
Ausstosznng  des  d)  entspricht.  Das  gewöhnliche  Wort  für  Enkel  ist 
im  Sskr.  napiar  (naptr)  mit  dem  Femininum  napiri.    Dies  fasst  Bopp 


582      Edaard  OUwsky:  die  neahochdeuUche  Partikel:  niolit 

(vgl.  Gramm.  S.  400)  als  zusammengesetzt  ans  der  Negationspartikel 
na  ond  pitar  (pitr)  Vater,  es  soll  das  Verhältnis  zom  Groszvater  aus- 
dracken  und  bedeuten  *(den  Groszvater)  nicht  Eom  Vater  habend.' 
Allein  es  hat  diese  Erklärung  etwas  gezwungenes  und  man  wird  aaf 
die  beiden  Wörtern  zu  Grunde   liegende  Verbalwurzel  zurackgeben 
müssen.    Sskr.  pitar  gr.  TtccxriQ  stammt  von  dem  Worte  pä  (schAtzea, 
erhalten)  und  bezeichnet  den  Schätzer,  Erhalter,  Ernährer  der  Familie. 
Darnach  wäre  naptar  (=  na-patar)  der,  welcher  sich  noch  nicht  selbst 
schützen  und  ernähren  kann,  der  noch  unmündige,  und  es  könnte  so 
auf  den  Sohn  und  Enkel  übertragen  werden.    Napäi  ist  entweder  eine 
Verstümmelung  von  der  Grundform  napatar ,  wie  Benfey  im  Glossar 
zum  Sdmaveda  will '),  oder  eine  Ableitung  unmittelbar  von  der  W.  pl 
nach  Art  griechischer  Wörter  wie  a-yvm-t  (iyvcig)  von  W.  yvo. 
Hat  gr.  vinodeg  wirklich  die  Bedeutung  'Kinder'  gehabt,  so  könnte 
es  möglicherweise  auch  von  der  Negationspartikel  ve  und  jener  Wurzel 
pä  hergeleitet  werden^),  es  würde  alsdann  ö  angetreten  nnd  zu  ver- 
gleichen sein  mit  ö  in  dem  Suffix  XQtd^  das  dem  Sskr.  iri  entspricht. 
Doch  ist  die  Ueberlieferung  über  die  Bedeutung  jenes  Wortes  eine  zu 
unsichere.    Es  dürfte  sich  überhaupt  von  allen  den  Beispielen  eines 
alten  vs,  die  der  Vf.  S.  13  sammelt,  kaum  eins  halten  lassen  anszer 
viq>og,  das  schon  Bopp  im  Glossar  Sanscr.  s.  v.  nabkas  als  ^das 
Dunkel'   erklärt  von   na  (nicht)  und  der  W.  bhas  (glänzen).     Nur 
möchte  Vf.  nicht  gerade  diese  erweiterte  Wurzel  bhas  zuziehen,  son- 
dern die  ursprüngliche  bhä  (^ipa^  in  (paivoD  in  ipav  erweitert),  deren  ä 
vor  der  Endung  as  abfallen  muste.    Diese  Erklärung  von  nabhas  wird 
gestützt  durch  einen  andern  Namen  für  'Wolke'  im  Sskr.:  nabkräg, 
der  ohne  Zweifel  von  na  und  bhrag  (fulgere)  herstammt.    Im  übrigen 
wird  es  für  den  kundigen  genügen,  auf  die  oben  angeführten  Wörter, 
in  denen  der  Vf.  das  alte  ve  findet,  und  ihre  Erklärungen  hinzuweisea, 
um  die  ganze  Art  des  Vfs  kennen  zu  lernen.    Nicht  genug,  dasz  vinvgy 
vsxag^  vEKQOg  mit  ihren  lat.  verwandten   nex  neco  von  ve  und  xaAa 
stammen  sollen,  während  doch  die  Wurzel  derselben  in  Sskr.  nakk 
(necare  perdere)  und  nag  [perire  mori;  causativ:  delere  extingere')] 
klar  vorliegt  —  wir  müssen  sogar  lesen ,  wie  voo/tea©  aus  ve  +  fO(i6g 
entstanden  sei  und  ursprünglich  die   Bedeutung  gehabt   haben  soll: 
'gekochtes ,  kein  rohes  Fleisch  zu  essen  geben ',  da  es  doch  klar  am 
Tage  liegt,  dasz  es  zu  vificD  in  demselben  Verhältnis  steht  wie  xAo- 
Ttiofiai  zu  üXiTCtoD  und  (pcoQacD  zu  g)iQGi.    Nach  solchen  Proben  müssen 
wir  freilich  bekennen,  dasz  dem  Vf.  auch  wol  Einsicht  in  die  Entwicke- 
lungsgesetze  der  gr.  Sprache  fehlt. 

Ueber  den  zweiten  Theil  der  Abhandlung  kann  Ref.  kurz  seil. 


1)  Eine  noch  stärkere  Verstümmelung  wäre  Zend  napa,  dem  ahd 
nefo  am  nächsten  steht. 

2)  Als  no  haben  wir  die  W.  pd  auch  in  noa^g,  das  genau  iQ 
Sskr.  pätis  (Herr  Gemahl)  stimmt.  Der  Gatte  ist  SchfitEer  und  Er- 
halter im  Verhältnis  zur  Gattin,  wie  der  Vater  seinen  Kindern. 

3)  Dazu  gehört  auch  lat.  nocire. 


Eduard  Oiawsky :  die  neahocbdeaUehe  Partikel :  nicht.      58S 

Es  scblieszt  sich  der  Vf.  wesentlich  an  Grimms  Gramm,  an  und  be* 
spricht  namentlich  die  Entstehung  und  den  Gebrauoh  des  Wortes 
nicht,  das  bekanntlich  aus  ni  +  io  +  wiht  zusammengesetzt  ist  und 
eigentlich  ^nicht  irgend  ein  Ding',  also  ^nihil'  bedeutet.  Früher  tbeils 
substantivisch  gebraucht  und  decliniert,  theils  als  verstärkte  Negation, 
die  zu  der  einfachen  Verneinung  ni  ne  noch  hinzutritt,  verdringt  es 
die  letztere  allmählich  seit  dem  13n  Jahrhundert  und  tritt  zuletzt  völlig 
an  deren  Stelle,  worauf  dann  für  seine  ursprungliche  Bedeutung  ^nihil' 
sich  das  Wort  ^nichts'  bildet,  das  nach  Grimms  wahrscheinlicher  Ver- 
mutung aus  nihtes  niht  (nihili  nihil)  geworden  ist.  Darauf  gibt 
der  Vf.  nach  Grimm  und  Diez  die  Wörter,  die  als  Verstärkung  zur  Ver- 
neinung hinzutreten,  welche  theils  etwas  kleines,  unbedeutende» 
(Halm,  Stroh,  Tropfen),  theils  etwas  übles,  böses  bezeichnen  (Geier, 
Teufel).  Zur  letzten  Kategorie  zieht  der  Vf.  vermutungsweise  auch 
Wicht.  Es  wäre  lohnend  gewesen ,  wenn  er  die  Sammlung  für  das 
deutsche  hätte  zu  vervollständigen  gesucht.  Es  ist  das  gerade  das 
Verdienst  solcher  Specialarbeiten ,  wenn  sie  den  einschlagenden  Stoff 
in  möglichster  Vollständigkeit  geben.  Bei  genauerem  suchen  hätte  der 
Vf.  gewis  noch  manches  zufiigen  können.  Vf.  führt  beispielsweise  aus 
ungedr.  Büdinger  Hexenprocessakten  von  1633  an  *auch,  dasz  sie  von 
der  Zauberej  nicht  ein  Drätgen  wisze,  jromer  gesagt'.  —  Am 
Schlüsse  bespricht  der  Vf.  nach  Grimm  die  Partikeln  der  subjectiven 
Frage  (lat.  num  ne  an ,  goth.  ni  niu  an ,  ahd.  innü  enonu  na)  als  ver- 
wandte der  Negation  und  die  untrennbare  Negationspartikel  gr.  av- 
lat.  deutsch  in-  un-,  wobei  er  für  das  griech.  mit  Recht  av-  als  ur- 
sprüngliche Form  aufstellt,  deren  v  vor  Consonanten  abfiel.  Nur  müssen 
wir  dabei  wieder  eine  Etymologie  von  äv&Q(onog  nach  Art  der  oben 
erwähnten  mit  in  den  Kauf  nehmen. 

Gieszen,  im  Sept.  1856.  Dr.  W.  Crecelius. 


50. 

La  France  liiUraire.  Morceaux  chaisis  de  littiralure  frangaise 
ancienne  et  moderne.  Recueillis  et  annot^s  par  L,  Herrig  et 
C.  F.  Burgny,  Braunschweig,  Verlag  v.  6.  Westermann.  1856. 

Die  Herausgeber  bieten  uns  in  vorliegendem  Werk  eine  nach 
dem  Muster  der  bekannten  Herrigsehen  Handbücher  der  englischen 
und  amerikanischen  Litteratur  angelegte  Auswahl  aus  der  französischen 
Litteratnr,  die  insofern  eine  besondere  Beachtung  verdient,  als  sie 
einen  von  dem  der  gangbarsten  französischen  Chrestomathien  durchaus 
verschiedenen  Weg  verfolgt,  and  zwar  in  doppelter  Hinsicht.  Einmal 
beschränken  sich  die  mitgetheilten  Auszüge  nicht,  wie  das  sonst  der 
Fall  ist,  auf  die  Schriftsteller  des  klassisehea  nad  modernen  Franzö- 


S84  lu  Herrig  und  C.  F.  BirfVf:  It  FIrtiea  liltfrtira. 

siflch ,  sondern  erstreeken  sieb  Ober  das  ganxe  Gebiet  der  Lilterator, 
80  dasz  hier  aocb  das  aUframösiscbe  und  proTen^alisebe  dio  geblb- 
rende  BerQcksichtigiing  findet,  welche  man  in  sonstigen  dernrtifen 
Werken  vermiszt.  Den  Anfang  machen  die  iltesten  Docnniente  der 
sich  bildenden  Sprache  (les  serments  de  Charles  le  Chanre  nt  Loais 
le  Gcrmaniqne),  es  folgen  neben  anderem  Bmehstacke  der  alten  Bpo- 
poeen,  Lieder  der  Troubadours,  Proben  ans  Mirakebpialen,  not  Rabe- 
lais Gargantua  n.  s.  f. ,  bis  wir  mit  dem  17n  Jahrhandert  erat  in  den 
eigentlichen  Klassikern  kommen,  denen  dann,  wie  billig,  nllerdings 
ein  angleich  grösserer  Raum  gewidmet  ist.  So  ist  der  Leanr  in  den 
Stand  gesetzt,  Gang,  Entwicklung,  Ausbildung  der  firansteiachcn 
Sprache  von  Anbeginn  bis  zu  ihrer  endlichen  Fixierung  and  klastiMbcn 
Gestaltung  schrittweise  zu  verfolgen,  wahrend  zngieieh  in  den  nitge- 
tbeilten  Proben  die  bedeutendsten  Erscheinungen  und  Riditengen  im 
nationalen  Leben  nach  seinen  verschiedenen  Stadien  ibren  prignu- 
testen  Ausdruck  finden.  Sodann  aber  geht  der  Plan  de»  Bnehei  u 
gleicher  Zeit  auf  eine  gedrängte  und  doch  umfassende  Geschiehte  der 
Litteralur.  Diese  wird  in  6  Perioden  getheilt,  von  denen  die  8  enlea 
bis  auf  das  Zeitalter  Ludwigs  XIV  herabgehen,  die  3  letzten  dieaea 
und  die  neuere  Zeit  umfassen.  Den  Auszügen  aus  jeder  Periode  gehl 
nun  eine  litterar- historische  Skizze  vorher,  in  welcher  die  vereohle- 
denen  Kedegattungen  nach  Entstehung,  Fortbildung,  Bedeatnng,  JSnaam- 
menhang  geschildert  und  ihre  namhaftesten  Vertreter  niher  durakle- 
risierl  werden;  den  einzelnen  Proben  werden  dann  noch  karte  Daten 
über  Leben  und  Werke  der  betreffenden  Autoren  nebst  litterarisehen 
Nachweisen  vorausgeschickt.  Einen  Vorwurf,  welcher  vieHeieht  we- 
gen des  hierbei  befolgten  Verfahrens  von  einem  gewissen  Standpnnkle 
aus  die  Herausgeber  trelTen  möchte,  haben  sie  selbst  im  Vorwort  dnreli 
eine  offene  Erklärung  vorgebeugt.  Ohne  durchaus  neues  nnd  elyenea 
geben  zu  wollen,  folgen  sie  vielmehr  absichtlich  den  besten  nnd  re- 
nommiertesten Litterarhistorikern,  deren  Resultate  sie  dem  weaenllicben 
Inhalte  nach  oft  wörtlich  wiedergeben,  zusammenfassen  nnd  ord- 
nen ,  so  dasz  diese  Partien  selbst  wieder  eine  mustergfiltige  Leetflre 
bilden. 

In  der  Auswahl  selbst  sind  durchaus  nur  Autoren  ersten  nnd 
zweiten  Ranges  berQcksicbtigt;  das  Princip  Herrigs,  von  den  Kerf-> 
phaeen ,  wenn  irgend  thunlioh ,  ein  in  sich  abgeschlossenes  fennee  sn 
geben  (ein  Princip,  durch  welehes  sich  seine  Sammlung  anf  danvor- 
theilhafteste  von  anderen  unterscheiden) ,  ist  auch  in  dieser  beihehil- 
ten,  —  so  findet  man  darin  den  Horace  Corneilles^  (nur  mit  hier  Völlig 
gerechtfertigter  und  eigens  motivierter  Ausschliesmng  des  5n  Aktee), 
Racines  Athalie,  Moliöres  L^Avare  n.  s.  f.  Die  beigefügten 4foten  be- 
schrfinken  sich  auf  das  nothwendigste  und  sollen  vorzQglich  snr  Er- 
klfirung  alter  nnd  seltener  Worte  dienen ;  doch  wfire  ein  kurzes  Glos- 
sar zu  den  Proben  der  3  ersten  Perioden  eine  dankenswerihe  Kngabo 
gewesen.  Immer  verdient  das  Buch,  in  welchem  Lehrer,  SohQler  nnd 
Liebhaber  ein  reichhaltiges  Material,  die  Quintessenz  der  BnengbifM 


Dr.  J.  Katzen :  das  deatsehe  Land.  585 

des  französischen  Geistes  ond  eine  geist-  und  geschmackvolle  Littera- 
tiirgeschichte  beisammen  Anden,  die  weiteste  Verbreitnng,  und  ist  na- 
mentlich ,  auch  in  Hinsicht  des  verhältnismaszig  sehr  billigen  Preises, 
zur  AnschafTung  für  Gymnasien  und  andere  höhere  Lehranstalten  sehr 
zu  empfehlen.  Dr.  W.  W. 


51* 

Das  deutsche  Land.  Seine  Natur  in  ihren  charakteristischen 
Zügen  und  sein  Einflusz  auf  Geschichte  und  Leben  der 
Menschen,  Skizzen  und  Bilder.  Von  Professor  Dr  Ku  tuen. 
Zur  Belebung  raterländischen  Wissens  und  f>aterländischer 
Gesinnung.  Breslau,  Ferdinand  Hirls  Verlag.  1855. 

Erst  wenige  Jahrhunderte  ist  es  her,  dasz  man  angefangen  hat, 
dem  Studium  der  Erdkunde  die  wissenschaftliche  Seite  abzugewinnen^ 
auf  welche  selbst  mehrfache  Andeutungen  in  den  Schriften  des  Alter- 
thums,  namentlich  der  griechischen  Geographie,  hinweisen,  seit  man 
begonnen  hat,  auf  die  durch  eifrige  Betreibung  der  Naturwissen- 
schaft gewonnenen  Resultate  gestützt,  andere  Momente  hervorzuheben 
als  die ,  deretwegen  man  die  Erdkunde  geradezu  nur  als  Hilfswissen* 
schafi  der  Geschichte  zu  betrachten  gewohnt  gewesen.  Sie  hörte  zwar 
trotz  des  wissenschaftlichen  Charakters,  den  sie,  nachdem  die  Kennt- 
nis im  Gebiet  der  Naturkunde  so  grosze  Eroberungen  gemacht  hat, 
angenommen,  nicht  auf  ferner  ein  Hilfsmittel  für  eine  fruchtbringende 
Auffassung  geschichtlicher  Verhaltnisse  zu  sein,  ist  aber  nur  in  dem 
Grade  eine  Hilfswissenschaft  der  Geschichte,  als  dieGeschichte  wiederum 
eine  Hilfswissenschaft  der  Erdkunde  ist.  Sie  lehrt  aus  der  Natur  des 
Landes,  welche  bedingt  ist  durch  die  geographische  Lage,  die  Ver- 
hältnisse des  Bodens  (Gebirgsland,  Ebene  usw.),  die  Umgebung  (Land, 
Meer,  Gebirge,  Ebene  usw.),  das  Klima,  die  Vegetation  usw.,  gewisse 
Erscheinungen  im  Völkerleben  erklären,  die  bei  der  geschichtlichen 
Entwicklung  von  wesentlichem  Belang  gewesen  sind. 

Sehen  wir  zurück  aaf  die  groszen  Ereignisse,  welche  seit  dem 
vierten  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  die  Umgestaltung  der  Dinge 
herbeigeführt  haben,  durch  welche  eine  neue  Ordnung  der  Dinge  in 
Europa  geschaffen  wurde,  so  waren  die  Wanderungen  der  Völker  we- 
sentlich bestimmt  durch  die  Beschaffenheit  des  Terrains.  Grosze 
Ströme  waren  in  ihrer  Richtung  die  geeignetsten  Völkerstraszen. 
Welche  Bedeutung  hatte  nicht  z.  B.  die  Donau  für  den  Zug  der  ger- 
manischen Stamme  von  Ost  nach  West  und  für  die  Wanderungen  der 
slavischen  Völker!  Bei  einer  Betrachtung  des  Terrains  erweisen  sich 
bequemer  für  die  Ausbreitung  der  Völker  die  Uebergänge  von  dem 
Gebirgslande  zur  Ebene  als  von  der  Ebene  xnn  Gebirge.    Grössere 


586  1>r*  J«  KoUen:  du  dentoeke  Land. 

Pösae  oder  weitere  Passagen  sind  ErleichteniDgiBiittel  Mr  die  Ufa 
der  Nationen,  für  die  wandernden  Stimme.  An  schwer  in  Qbenteisei- 
deii  Gebirgren  bricht  sich  die  Völkerflot.  Die  Wandernsg  der  Mee- 
sclien  geht  gewöhnlicher  von  dem  unfrenndlichen  Klima  dee  Nordeas 
nach  dem  wftrmeren  sadlichen  Klima. 

Aber  nicht  allein  in  den  Wanderungen  der  Völker  olTeDbert  aieh 
der  Einflusz  des  Landes  und  Klimas  auf  seine  Bewohner,  er  wird  aach 
ersichtlich  in  dem  nationalen  Charakter  im  allgemeinen.  Da,  wo  aick 
der  individuelle  Typus  eines  Landes  in  seiner  durch  soharfe  Natar- 
grenzen  bestimmten  Abgeschlossenheit  entschieden  ansgeprigl  hal,  da 
ist  auch  der  Volkscharakter  in  seinen  Gegensätzen  deatlioher  aiige- 
bildet.  In  den  Territorien,  zu  denen  natürliche  VerhlltBiaae  dee  Za- 
gang  erschweren ,  bewahrt  die  Bevölkerung  ihren  frahern  Cheraklar 
trener  und  ist  weniger  der  Amalgamierung  mit  einem  andern  Stamma 
zugänglich,  welche  Behauptung  beispielsweise  erhärtet  werdea  ktaate 
durch  llinweisung  auf  die  Bewohner  von  Wales,  der  Br^geer,  dar 
baskischen  Landschaften  und  Finnlands. 

Die  Lage  der  Länder,  die  Beschaffenheit  der  Oertliehkeit  hat  fer- 
ner den  entschiedensten  Einflusz  ausgeübt  auf  die  Weltatelloef  der 
Länder,  auf  die  politische  Bedeutsamkeit  der  Völker.  Linder,  am 
Meere  gelegen,  mit  guten  Küsten  und  Hafenplätzen  veraehee,  be- 
günstigten die  Schiffahrt  und  den  Seehandel,  beförderten  die  Aelafe 
von  Colonien.  Die  Natur  des  Landes  spielt  zunächst  eine  hohe  Bedaa 
tung  bei  den  handeltreibenden  Völkern  des  Alterthums,  welehe  am 
Miltelmeere  wohnten.  Gebirge  und  Höhenzüge  oder  grössere  FlOsae 
als  natürliche  Grenzen  begünstigen  eine  mehr  isolierte  Stellnnf  aia- 
zelner  Völker  und  beschränken  eine  Zeit  lang  den  UnternehmaagageiaL 
Gebirgsvölker  halten  sich  meist  in  abgeschlossener  Zarflekgeiogea 
heit;  selten  wird  wol  ein  Bergland  der  Mittelpunkt  eines  eroberadaa 
Staates;  Bergbewohner  haben  zugleich  in  den  natürlichen  Grenwa 
ihres  Landes  eine  Schutzwehr  gegen  die  Eroberer.  Eben  ao  habea 
gröszere  Ströme  Eroberungsversuchen  erhebliche  Hindernisse  bereilal, 
wenn  zumal  der  natürliche  Schutz  durch  die  Kunst  verstärkt  warde« 
Zusammenhängende  Hoch-  und  Tiefebenen  erleichtern  die  auf  Vergrö- 
szerung  der  Territorialrechte  gerichteten  Bestrebungen. 

Wie  für  die  Ausprägung  des  nationalen  Charakters  and  die  Well- 
stellnng  der  Völker,  so  ist  auch  für  die  Cultnr  derselben  in  allgeaMiaaa 
die  physische  Beschaffenheit  der  Landindividuen  von  Wiebligkak  Je 
nachdem  die  Verbindung  mit  andern  Völkern  erleiebterl  oder  er- 
schwert ist,  schreitet  die  Entwickelung  vor  oder  wird  inraekgedriagl. 
Wo  dem  Handelsverkehr  sich  leichte  Bahnen  öffnen,  da  wird  dorah 
gegenseitige  Berührung,  in  welche  die  Völker  kommen,  die  Caltar  rer- 
breitet  So  hatte  das  Mittelmeer  eine  hohe  Bedeutung  für  den  Verkehr 
der  Völker,  die  an  seinen  Küsten  wohnten!  Eine  durch  die  Natnr  TieU 
gegliederte  Landeintheilung  begünstigt  eine  vielgestaltete  Entwieke- 
lung,  wie  wir  dies  bei  den  Staaten  Grieebenlnnds  sehen,  eines  Leed- 
iadividauBS ,  welohes  in  der  innem  Formation  wie  in  seiner  Kaale»- 


Dr  J.  Kalsen :  das  deatiehe  Land.  587 

bildan?  die  gröszte  IfannigralUgkeit  zeigt.  Das  Volksleben  in  seinen 
verschiedenen  Stammen  repraesenriert  die  Physiognomie  der  griechi- 
schen Landschaften. 

Nicht  geringere  Bedeutung  als  für  die  Wanderungen  der  Völker, 
für  deren  nationale  Entwickelung ,  für  deren  Weitstellung  und  Cultnr 
hat  die  Besehe ITenheit  der  Länder  für  die  Strategie.  Es  liegt  in  der 
natürlichen  Beschaffenheit,  dasz  manche  Gegenden  wiederholentlich 
der  Kriegsschauplatz  geworden  sind.  Bei  anlegen  der  für  die  Krieg- 
führung in  neuerer  Zeit  so  wichtigen  Festungen  hat  der  Zweck  vorge- 
schwebt, entweder  den  Mangel  eines  durch  die  Natur  der  Oertlichkeit 
gegebenen  Schutzes  zu  ersetzen  oder  den  vorhandenen  zu  verstärken. 

Wenden  wir  uns  nach  diesen  Vorbemerkungen  zur  Besprechung 
des  uns  vorliegenden  Buches:  *Das  deutscheLand.  Seine  Natur 
in  ihren  charakteristischen  Zügen  und  sein  Einflnsz  auf  Geschichte  und 
Leben  der  Menschen.  Skizzen  und  Bilder.  Von  Professor  Dr.  J.  Kat- 
zen. Zq^  Belebung  vaterländischen  Wissens  und  vaterländischer  Ge- 
sinnung.'   Breslau,  Ferdinand  Uirts  Verlag.    1855.    XII  und  607  S. 

Der  Verfasser  hat  es  unternommen,  eine  wesentliche  Lücke  in  der 
Erdkunde  unseres  Heimathlandes  anszufüllen  durch  ein  Werk,  wel- 
ches die  Natur  Verhältnisse  des  deutschen  Bodens  in  ihrem  Einflüsse  aaf 
die  Entwickelung  und  das  Leben  der  Bewohner,  so  wie  auf  den  ge- 
schichtlichen Entwickelungsgang  im  allgemeinen  darstellen  und  die 
Aufgabe ,  deren  Lösung  G.  B.  Mendelssohn  in  seinem  Buche  ^ das 
germanische  Europa '  in  Beziehung  auf  unser  Land  insbesondere  in 
geistvollen  Grundzugen  mehr  angedeutet  hat,  auszuführen.  Eben  so 
sehr  durch  Studium  der  dahin  einschlagenden  litterarischen  Werke, 
aus  denen  von  S.  461  bis  öOl  Erläuterungen  und  Beweisstellen  beige- 
bracht sind,  als  durch  zum  Theil  wiederholte  Reisen  nnd  durch  län- 
geren Aufenthalt  in  den  Gegenden,  deren  Beschreibung,  welche  die 
Natur  des  Landes  und  das  Volksleben  in  innigstem  Zusammenhange 
darstellt,  der  Verfasser  auf  so  geistvolle  Weise  gegeben,  hat  sich 
Kutzen,  der  früher  in  seiner  Eigenschaft  als  Professor  der  Geschichte  , 
an  der  Hochschule  zn  Breslau,  den  praktischen  Gesichtspunkt  des  künf- 
tigen Gymnasiallehrers  ins  Auge  fassend,  den  studierenden  eine  zweck- 
gemäsze  Anleitung  zu  einem  selbstthätigen  Studium  der  Erdkunde  gab, 
für  seine  Arbeit  vorbereitet  und  geschickt  gemacht.  Die  Lösung  der 
Aufgabe  wird  dem ,  der  ihre  ganze  Bedeutung  und  ihren  weiten  Um- 
fang ermiszt,  keine  leichte  erscheinen.  Es  gehört  dazu  eben  so  eine 
genaue  Kenntnis  der  geognostischen  Verhältnisse  als  der  auf  der  Ober- 
fläche des  Bodens  ausgeprägten  Natnrverhfiltnisse,  eine  Einsicht  in  das 
Getriebe  des  Volkslebens  so  wie  in  den  geschichtlichen  Entwickelungs- 
gang der  Volksstämme.  Der  Vf.  ist  sieh  der  ganzen  Tragweite  seines 
Planes  bewust  gewesen ;  er  spricht  sich  Ober  das,  was  seine  Vorgänger 
geleistet,  eben  so  anerkennend,  wie  über  sein  eigenes  Verdienst  in  be- 
scheidener Weise  aus.  Wenn  er  nun  in  der  Vorrede  (S.  V),  nachdem 
er  sich  vorher  dahin  geäuszert ,  dass  Vollständigkeit  des  Stoffes,  der 
in  Betracht  und  znr  Benatznng  kommen  konnte ,  nicht  gegeben  worden 

/y.  Jakrb,  f,  Phü,  u.  Paed,  Bd.  LXXIV.  Hfi.  12.  42 


588  Or  J.  Koteen :  das  dealscbe  Lind. 

ist,  sagt:  Moh  werde  mich  hinliaglich  befriedigt  fflhien,  wenn  es  mir 
eini^ermaszen  gelangen  sein  sollte,  das  vorzogsweise  eigenthflmliclie 
der  einzelnen  Oberflachenstacke  Deutschlands  richtig  skizziert,  hier 
und  da  in  einem  mehr  ausgeführten  Bilde  getrea  reranschaulicht,  in 
geiner  Einwirkung  auf  das  Leben  der  Menschen  genau  bezeichnet  und 
somit  durch  die  fortwährende  Bezugnahme  anf  dasjenige  organische 
Leben,  was  uns  am  nächsten  liegt  und  uns  am  meisten  fesselt,  aach  in 
die  Arbeit  Leben  gebracht  und  die  Theilnabme  des  Lesers  für  ein  va- 
terländisch-geographisches Interesse  höherer  Ordnung  geweokt  ta 
baben',  —  so  musz  Ref.,  der  früher  zu  Lehrzwecken  in  der  Erdkunde 
auf  der  obersten  Stufe  des  Gymnasialnnterrichts,  bei  dem  Mangel  eines 
diese  Tendenz  in  Obersichtlicher  Weise  verfolgenden  Werkes,  den 
Stoff  in  Collectaneen  zusammengetragen  hatte ,  gestehen  ,  dass  der  Vf. 
seine  Aufgabe  sehr  glücklich  gelöst  nnd,  was  er  theil weise  zugleich 
bezweckt  hat,  dem  Lehrer  ein  ganz  geeignetes  Hülfsbach  für  den  Gym- 
nasialunterricht in  die  Hände  gegeben  hat.  ^ 

Was  die  Eintheiinng  des  Buches  anbelangt,  so  zerfint  dasselbe 
in  folgende  Abschnitte: 

L  Deutschland  im  ganzen  und  allgemeinen.  DesLan- 
des  geographische  Stellung  in  der  Mitte  Europas,  seine  hpriiontale 
nnd  vertikale  Gestaltung,  seine  Fluszsysteme  und  klimatische  Eigen- 
thümlichkeit  werden  in  demselben  behandelt,  woran  sich  Bemerkungen 
Ober  des  deutschen  Volkes  Art  und  Wesen,  über  seine  politische,  cooh 
merzi^lle  usw.  Stellung  im  Verhältnisse  zu  des  Landes  geographiaeber 
Eigenthümlichkeit  überhaupt  anreihen  (S.  1 — &8). 

II.  Das  Gebiet  des  deutschen  Hochgebirges  oder 
die  deutschen  Alpen.  Die  horizontale  Ausdehnung,  der  plastische 
Bau  dieses  Gebirges,  die  ethnographische  nnd  nniversalgeschichtliche 
Bedeutung  desselben ,  der  Charakter  so  wie  das  Leben  seiner  Bewoh- 
ner werden  uns  hier  in  einem  enisprechendea  Bilde  vorgeführt  nnd 
daran  Bemerkungen  über  die  Alpenseen,  besonders  in  ihrer  Einwir- 
kung auf  menschliche  Verhältnisse,  geknüpft  (S.  59 — 132). 

III.  Das  nördliche  Vorland  der  Alpen  oder  das  6e^ 
biet  der  schweizerischen  nnd  oberdentschen  (schwi- 
bisch-baieri  sehen)  Hoch  fliehe  und  das  österreichische 
Donauthal.  Nach  einer  allgemeinen  Uebersicht  werden  ana  hier 
anmutige  Bilder  der  schweizerischen  Hochfläche,  wobei  der  Jura,  dir 
Bodensee  und  der  Rhein  so  wie  die  Gegend  am  Genfersee  in  Betmebt 
kommen,  die  schwäbisch -baierische  Hochfläche  mit  dem  Flassgebiet 
der  Obern  Donau,  des  nördlichen  Vorlandes  der  österreichischen  Alpen 
oder  des  österreichischen  Donauthaies,  in  dem  besonders  die  Schtabei- 
len  derDonangegenden  von  Passau  bis  Wien  so  wie  die  geschichtHohe 
Wichtigkeit  des  sogenannten  wiener  Beckens  gebtlhrend  gewirdigl 
werden,  in  anmutigen  Bildern  vorgeführt  (S.  133—186). 

IV.  Die  mittleren  Stufenlandschaften  Dentaohlanda 
oder  die  Länder  unmittelbar  Bildlich  vom  mitteldenl- 
achen  Hauptgebirgskamme.    Der  Vf.  behandelt  hier  naeh  einer 


Dr  J.  Katzen ;  das  deoliche  Land«  589 

allg^emeinen  Uebersichl  die  stafenförniigen  Berg*  und  Htigellandschafr 
ten  von  Böhmen  und  Mähren  nebst  Oberösterreich,  das  frankisch- 
schwäbische  Stufenland,  das  oberrheinische  Stufenland  oder  die  ober- 
rheinische Ebene,  die  Stufenlandschaft  Oberiothringens  oder  der  oberen 
Mosel  (S.  187—297). 

V.  Die  nieder- oder  mittelrheinischen  nnddiewest- 
phalischen  Plateau-  und  Berglandschaften.  Wer  auch  im- 
mer die  malerischen  Landschaften  dieser  so  viel  gepriesenen  und  be- 
sungenen Gegenden  entweder  selbst  gesehen  oder  aus  ausführlichen 
Schilderungen  sich  ein  Bild  der  Naturreize  jener  Gegenden  gestaltet 
hat,  wird  doch  jene  lebensvolle  Skizze  nicht  ohne  Interesse  lesen 
(S.  298—335). 

VL  Die  Berg-  und  Hagellandschaften  nördlich  vom 
mitteldeutschen  Hauptgebirgs  kämme  oder  das  hessi- 
sche und  Weser-  Berg-  und  Hügelland,  Thüringen  und 
der  Harz.  Die  geographische  Stellung  der  Länder,  der  Einflusz  der- 
selben auf  die  geschichtliche  Entwickelung,  auf  die  Gestallung  des 
Verkehrs  und  die  Volksthümlichkeit  der  Bewohner  werden  in  plasti- 
schen Bildern  uns  vorgeführt  (S.  336—384). 

VIL  Die  norddeutsche  Ebene.  Zunächst  wird  der  Ge- 
birgssaum  als  südwestliche,  dann  wird  der  Küstensaum  sowol  der 
Mordsee  als  der  Ostsee  als  nördliche  Begrenzung  dieser  Ebene  vorge- 
führt. Es  werden  ferner  die  Menschen  und  das  innere  und  mittlere 
Gebiet  geschildert.  Die  physische  Besohaffenheit  des  Landes,  die 
ethnographischen  Verhältnisse,  die  politische  Eintheilung,  die  strate- 
gische Wichtigkeit  der  einzelnen  Terrains  werden  hervorgehoben 
(S.  385—460). 

Wie  es  der  Vf.  verstehe,  in  lebensvollen  Darstellungen  eine  fri- 
sche Schilderung  von  dem  Leben  der  Bewohner,  so  weit  dasselbe  be- 
dingt ist  von  der  natürlichen  Beschaifenheit  des  Bodens,  zu  geben, 
davon  wollen  wir  eine  Probe  aus  seiner  Skizzierung  der  Alpenbewoh- 
ner mittheilen  (S.  120  IT.):  ^Ein  Gebirgsland  von  solcher  Eigenthüm- 
lichkeit',  sagt  er,  ^wie  wir  an  den  Alpen  kennen  gelernt  haben, 
äuszert  einen  entscheidenden  Einflusz  auf  das  Leben  und  den  Charak- 
ter der  dasselbe  bewohnenden  Völkerschaften ;  diese  tragen  in  jedem 
einzelnen  Mitgliede  stark  ihr  Gepräge ;  denn  sie  stehen  fortwährend  in 
einem  ganz  anderen  Verhältnisse  zu  ihnen ,  als  die  Bevölkerung  der 
Ebenen  und  der  übrigen  Gebirge  Deutschlands.  Was  der  Alpenbewoh- 
ner  auch  sinnt  und  thut,  sie  setzen  ihm  Richtung,  Ordnung,  Masz;  in 
der  Wahl  seiner  Wohnstätte,  seines  Aekers,  seiner  Weide,  seiner 
Beschäftigung,  seines  Verkehrs  —  immer  wird  er  an  ihre  gewaltige 
Herschaft  gewiesen,  die  ihn  von  allen  Seiten  mit  den  mannigfaltig- 
sten Eindrücken,  Mahnungen  nnd  Nöthigungen  umgibt.  Aber  wie  fest 
auch  dieselbe  ihn  umschlieszt,  wie  hart  bisweilen  ihr  Zorn  von 
ihm  empfunden  wird,  sie  hält  ihn  nicht  mut«  und  hoffnungslos  zu 
Boden  gedrückt;  sie  zieht  ihn  hülfreicb  wieder  empor,  nnd  auf  wun- 
dersame Weise  bleibt  seine  Liebe  ihr  zagethan,  nnd  mit  erhöhter 

42* 


590       .  Dr  J.  Katzen:  das  deuUcbe  Land. 

und  gestählter  Kraft  wirkt  er  selbst  veredelnd  and  bekenchand  aif 
sie  ziirflck. 

In  derXhat,  der  Alpenbewohner  gewahrt  auch  jelst,  aaeUea 
gewisse  Einflüsse  von  auszen  hier  und  da  eben  nichl  g'flnalig'  luife- 
staltet  haben,  das  Bild  eines  hoch  anziehenden,  darch  Nalarfriidie 
und  Naturkräftigkeit  ausgezeichneten  Menschenschläge!.  Zwar  teigt 
dieses  Bild  je  nach  den  verschiedenen  Theilen  der  Alpen  aach  ver- 
schiedene Nuancen ;  aber  deutlich  treten  gewisse  allgemeine  Cha- 
rakterzüge  hervor,  auf  welche  seiner  Thaler  und  seiner  Berge  Natar 
einen  unverkennbaren  Stempel  aufgedrückt  hat. 

In  der  Alpcnwelt  pflegt  nicht  blosz  der  Waldarbeiter,  der  KoUea- 
brenner,  Holzschläger,  Jäger  und  Hirt  Tage,  Wochen,  ja  Monate  lang 
Umgang  und  vertraute  Bekanntschaft  mit  den  Bergen ,  auf  deren  Ab- 
hänge, Gipfel  uud  in  deren  innerste  Winkelschlachten  anmittelbar 
sein  Geschäft  führt;  auch  der  Ackersmaun  musz  ihr  vertraater  wer- 
den; denn  nicht  hat  er,  wie  der  Bauer  der  groszen  Ebene,  seine  Felder 
in  einem  ununterbrochenen,  ihm  nahe  und  bequem  gelegenen  gamn 
beisammen,  das  er  mit  verh&Knismfiszig  leichter  Mühe  bebaaeo  könnte; 
im  Alpcnlande  ist,  einzelne  gesegnete  Striche  abgerechnet,  des  fknehtp 
baren  Erdreichs  weniger  und  dies  wenige  auf  verschiedenen  Stafea 
der  Erhebung  weit  zerstreut.  Hier  Ihut^sNoth,  jeden  kleinen  Fleck 
aufzusuchen  und  zu  benutzen;  fortwährend  drängt  diese  RQoksieht  aid 
das  ganze  Verhältnis  seiner  Wirthschaft  in  alle  Regionen  ood  Zoneo 
des  Gcbirgs  seine  Thätigkeit:  in  die  obersten,  in  denen  sein  Viek  wei- 
det, in  die  mittleren,  in  denen  er  sein  Holz  Hndet,  in  die  nnterea,  wo 
mancher  kleine  Streifen  Feldes  oder  der  kleine  Weinberg  sa  besteUm 
ist,  bis  in  die  Thalsohle  hinab,  wo  oft  sein  vornehmster  Acker  liegt 

Und  kann  der  Bewohner  der  Flecken  und  Städte,  der  gebildete, 
der  Handelsmann  das  Gebirge  missen  ?  Der  Arzt  musz  seine  Hilfe,  der 
Priester  den  Trost  der  Religion  hinaufbringen  in  entlegene  HaUea 
hinter  Wasserstürzen  und  Gletschern;  und  der  Verkehrsmann,  sei  es 
der  Spitzen-  und  Schnittwaarenhandler  aus  Vorarlberg  und  dem  Leek- 
thalc,  der  Handschuh-  und  Teppichverkäufer  aus  dem  Ziller-  aad 
Tofl'eretrgerlhale,  oder  der  Viehhändler  aus  Passeier,  oder  der  Weia- 
und  Fruchthandler  aus  den  gesegneten  Etschgauen  —  sie  alle  siekea 
über  die  Alpenpasse,  aus  einem  Thale  ins  andere,  vorüber  an  den  ge- 
hörnten und  glelscherbepanzerlen  Bergriesen,  die  in  vielfladiem  Week- 
sel  von  Kleid  und  Miene  sich  ihrem  Blicke  darstellen,  bald  in  der 
blendenden  Hülle  des  Winters,  bald  im  lachenden,  bonlea  Frflblinga- 
kleide,  bald  von  stürmenden  Wolken  umsaust,  bald  wieder  von  Rege»- 
strichen  gepeitscht  oder  von  Blitzen  umzuckt,  heute  von  dicken  Nekeln 
umzogen,  gestern  vom  Glänze  der  scheidenden  Sonne  verklirt« 

Mit  dieser  Natnr  von  Jugend  auf  verwachsen,  dnrch  sie  alltig- 
lieh  in  Anspruch  genommen,  auf  ihren  Umgang  fast  allein  hingewiesen, 
sollte  nicht  der  Bewohner  der  Alpen  vorzugsweise  von  lebendiger 
Liebe  zur  Heimath  erfüllt  werden?  So  ist  es.  Er  bleibt  damit  erfallt, 
auch  wenn  seine  Gewandtheit  in  der  Ferne  Behaglichkeit  and  Gllek 


Dr  J.  Katzea:  das  deutsche  Land.  ^  -       591 

des  Lebens  ihm  erwirkt.  Zurückgekehrt  mit  Reichthümern,  wird  er 
unmerklich  von  der  Aipennatur  dermaszen  wieder  gefesselt,  dasz  er 
sich,  trotz  jener,  der  einfachen  alpinischen  Lebensweise  uud  den  alten 
Gewohnheiten  der  Vater  wieder  zuwendet,  fremde  Bedürfnisse  und 
fremde  Weise  alsbald  ablegend.  Vor  allen  sind  in  dieser  Beziehung 
zu  erwähnen  die  Bewohner  des  durch  Andreas  Hofer  zu  enro- 
paeischer  Berühmtheit  gelangten  Thaies  Passeier  im  Centrum  der 
liroler  Alpen.  So  weit  sie  auch  als  Handler  hin  und  her  wandern,  es 
fliegt  ihnen  kein  neues  Bedürfnis  an,  und  mit  den  einf&ltigsteu  Augea 
von  der  Welt  ziehen  sie  au  den  Reichthümern  dieser  Erde  vorüber. 
Sie  bringen  nicht  einmal  das  Gefühl  und  Verständnis  von  Dingen,  die 
nur  einigermaszen  nach  Bequemlichkeit  des  Lebens  aussehen,  aus  der 
groszen  Welt  zurück.  So  sehr  ist  ihr  sonst  heiterer  Sinn  von  der 
Härte  des  Lebens  in  ihrem  strengen  Thal  gefesselt'  usw.  usw. 

So  wird  bei  der  Beschreibung  des  österreichischen  Donaubeckens 
und  der  Lage  Wiens  die  Geschichte  mit  der  Natur  des  Ortes  in  enge 
Beziehung  gesetzt,  wenn  wir  die  Darstellung  S.  183fr.  lesen: 

^In  der  That  ist  die  Donau  die  Hauptpulsader  des  beginnenden 
und  fortschreitenden  österreichischen  Staats  und  Lebens,  welche  ja 
einst  auch  weit  oben  am  Quellengebiet  derselben  zu  finden  waren  und 
noch  gegenwärtig  daselbst  nicht  vergessen  sind.  Oesterreichs  ganze 
geschichtliche  Entwickelung  ist  ein  hinauf-  und  hinabwachsen  längs 
des  Stromes  von  einem  Fluszabschnitte  zum  andern,  und  es  gibt  kaum 
einen  zweiten  Staat,  dessen  Geschichte  sich  in  so  hohem  Grade  der 
Hauptsache  nach  innerhalb  eines  einzigen  Fluszgebietes  erfüllt.  Auch 
die  deutsche  Bevölkerung  hat  der  Strom  dem  Stammlande  der  Mo- 
narchie zugeführt.  Auf  ihm  oder  au  ihm  kamen  die  West-  und  Ober- 
deutschen mit  Karl  dem  Groszen,  mit  den  babenbergischen  Fürsten, 
mit  den  Kreuzfahrern,  mit  Rudolf  von  Habsburg,  mit  Maximilian  und 
bei  vielen  andern  Gelegenheiten  nach  Oesterreich;  insbesondere  wurde 
Wien  durch  sie  so  gut  wie  ins  Leben  gerufen  und  bis  in  unsere  Zei- 
ten durch  Elemente  daher  erneuert  und  genährt,  dieses  Wien,  das 
aus  dem  Hauptorte  der  Markgrafschaft  und  des  llerzogthnms  allmählich 
auch  zur  Hauptstadt  des  groszen  Donaustaates  emporgewachsen  ist. 

Kein  Ort  der  österreichischen  Monarchie  hat  gröszere  Erin- 
nerungen und  eine  bessere  Lage  dafür.  Erbaut  zwischen  niederen 
Ausläufern  der  östlichen  Alpen  und  der  hier  vielarmigen  Donau  am 
Rande  einer  Ebene,  in  welcher  das  Becken  der  aus  den  Sudeten  kom- 
menden mährischen  Manch  mit  dem  Thale  des  Hauptstromes  zusammen- 
trifft und  in  welcher  letzterer  so  eben  aus  einem  langen  Felsen-  und 
Gebirgswege  heraus  sich  auszubreiten  und,  bis  jetzt  durch  raschen 
Lauf,  durch  Wasserwirbel  und  andere  Umstände  vielfach  verhindert, 
grosze  Verhältnisse  für  SchilTbarkeit  und  Verkehr  zu  entwickeln  be- 
gonnen ,  im  Angesicht  des  letzten  hohen  Alpengipfels  und  der  west- 
lichen Schluszkelte  der  Karpathen  erblickt  Wien  ein  Gebiet  ringsum, 
auf  welchem  das  emporkommen  eines  groszen  Platzes  unmöglich  aus- 
bleiben konnte;  denn  es  ist  ein  Gebiet,  welches  in  Folge  der  Laufes- 


592  Dr  J.  KaUen:  das  deolsobe  Land. 

richtang  der  beiden  Flüsse  Donaa  und  Harch,  in  Folgte  der  Aasdeh- 
nungsverhdltnisse  des  Alpengebirges  so  wie  der  Configaration  der 
Karpalhen  und  Sudeten  als  ein  natürlicher  groszer  Knoten-  and 
Kreuzungsfleck  der  verschiedenen  Völkerrichtungen  betrachtet  werden 
■luss,  und  welches  deshalb  zu  feindlichem  wie  friedlichem  zusammen- 
treffen  derselben  von  der  Natur  wie  auserkoren  war. 

Das  Wiener  Becken,  besonders  das  Marchfeld,  ist  eines  der 
groszen  Schlachtfelder  Deutschlands  und  Europas.  Hier  haben  die 
Römer  mit  den  Markomannen  und  Quaden,  Karl  der  Grosze  nnd  seine 
Franken  mit  den  Avaren  ,  die  Oberdeutschen  mit  Magyaren  und  Mon- 
golen, Ottokar  von  Böhmen  mit  Bela  von  Ungarn  und  mit  Rudolph  von 
Habsbnrg,  die  Süddeutschen  und  Polen  mit  den  Türken,  Napoleon  nil 
geinem  kriegsgelehrten  Gegner  aus  dem  Erzhause  gekämpft. 

Bei  Wien  ist  auch  für  Verkehr  und  Handel  ein  natürlicher  Vor- 
einigungs-  und  Kreuzungspunkt  der  groszen  Straszen  von  der  oberen 
und  mittleren  Donau  und  der  Straszen,  die  durch  das  Thal  der  Harch 
von  der  Oder  und  Weichsel  und  über  den  gangbarsten  Theil  der  böh- 
mischen Grenzen ,  und  die  aus  den  fruchtbarsten  und  bevölkertsten 
Gegenden  Karnthens  nnd  der  Steiermark  über  die  östlichsten  niedrigen 
Ketten  der  Alpen  kommen,  welche  sich  hier  mit  geringeren  Schwierig- 
keiten passieren  lassen,  als  von  irgend  einem  andern  weiter  westlich 
liegenden  Punkt  aus.  In  Beziehung  auf  die  letztere  Wegesrichtuog 
iit  dabei  vorzugsweise  nicht  zu  übersehen,  dasz  auf  ihr  von  Wien  aof 
das  Nordende  des  adriatischen  Meeres  nicht  nur  leichter  als  auf  jeder 
anderen  Linie  erreicht  wird ,  sondern  dasz  demselben  auch  die  Donaa 
selbst  auf  keinem  andern  Punkte  näher  kommt  als  bei  Wien,  so  daas 
hierdurch  der  adriatische  Golf,  insbesondere  heutzutage  das  in  anserni 
Jahrhunderte  schnell  zu  so  hoher  Blüte  emporgestiegene  Triest  haopt- 
afichlich  auf  das  Donaugebiet  hingewiesen  wird,  indem  es  ebento 
einen  groszen  Theil  der  Güter,  welche  der  Donau  für  die  Levante 
fibergeben  werden,  aufnimmt  und  über  das  Mittelmeer  an  Ort  ond 
Stelle  bringt ,  als  es  von  den  orientalischen  Waaren ,  welche  für  das 
mittlere  und  obere  Donaubecken  bestimmt  sind,  empfangt  und  weiter 
fördert/ 

In  interessanter,  lichtvoller  Darstellung  .weisz  so  der  Vf.  teineo 
Gegenstand  zu  behandeln  und  den  Leser  für  denselben  zu  gewinnen. 
Die  Leetüre  des  Buches  wird  mithin  jedem,  der  an  geographlscbea 
Stadien  Interesse  findet,  empfohlen  werden  können,  aber  besonders 
dem  Lehrer,  welcher  sieh  mit  der  Lösung  der  Hauptaufgabe  des  Sta- 
diums der  Erdkunde  in  Beziehung  auf  Deutschland  vertraut  machen 
will. 

Schweidnitz.  Conrector  Dr  SchmidL 


Dr  Fr.  Brailovr :  geognosUaclie  Wandkaria.  503 

5:2. 

Dr  Fr.  Brüllow:  geognosUsche  Wandkarte.  Berlin  1856,  und 
Atdeilung  und  kurzgefasUer  Leitfaden  für  die  Band  de* 
Lehrers  beim  Gebrauch  der  geognosiischen  Wandkarte* 
ebd9.  1856.  8. 

So  viel  icb  weisz ,  ist  dies  die  erste  Wandkarte  für  den  Zweck 
des  Unterrichts  in  der  Geognosie ,  wenn  man  von  den  Karten  absieht, 
welche  die  geognosiischen  Verhallnisse  einzelner  Länder  in  gröszerem 
Maszslabe  darstellen ,  wie  z.  B.  Völker  eine  geogoostische  Wandkarte 
von  Deutschland  zu  Schulzwecken  herausgegeben  hat.  Es  dürfte  also 
wol  zunächst  die  Frage  nach  der  Nolhwendigkeit  und  Nützlichkeit 
einer  solchen  Arbeit  aufgeworfen  werden,  die  freilich  ohne  Kück- 
sichtsnahme  auf  den  Inhalt  derselben  sich  nicht  gut  beantworten  Ifiszt, 
zu  dessen  Angabe  ich  deshalb  sogleich  übergehen  will. 

Ziemlich  die  Hälfte  des  Baumes  wird  eingenommen  vqn  einem 
idealen  Durchschnitte  der  Erdrinde,  der  die  Lagerungsverhälluisso 
aller  sedimentären  Schichten  und  ihre  Durchbrechungen  und  Hebungen 
durch  die  verschiedenen  Eruptivgesteine  zeigen  soll.  Es  schlieszt 
sich  diese  Darstellung  ziemlich  genau  an  Thomas  Websters  bekanntes 
Tablean  an,  wie  es  von  Buckland  zuerst  in  der  betreffenden  Abtheilung 
der  Bridgewaterbücher  mitgetheilt  wurde  und  welches  seitdem  in 
Deutschland  mit  gröszeren  und  kleineren  Veränderungen  und  Abkür« 
Zungen  so  ziemlich  in  alle  Lehrbücher  der  Geognosie  übergegangen, 
auch  in  besonderen  Ausgaben  zu  haben  ist,  wie  es  sich  auch  in  Berg- 
haus'' physikalischem  Atlas  —  Abtheil.  111  Nr.  11  —  findet.  Ein  ver- 
hällnismäszig  schmaler  Streif  ist  landschafllich-geognostischen  Bildern 
gewidmet,  welche  hauptsächlich  verschiedene  Felsbildungen  zur  An- 
schauung bringen  sollen.  Dann  folgen  U  der  Wirklichkeit  entnommene 
Profile,  Lagerungsverhältnisse  der  Schichten  in  den  einzelnen  geolo- 
gischen Epochen  darstellend.  Zuletzt  eine  geognostische  Karte  des 
Harzes  und  eine  ebensolche  vom  Aetna. 

Es  thut  uns  leid,  trotz  der  Empfehlung,  die  der  Karte  von  Seiten 
hoher  wissenschaftlicher  Autoritäten  zu  Theil  geworden  sein  soll, 
dennoch  dem  Werke  unsere  Billigung  versagen  zu  müssen. 

Man  musz  meiner  Ueberzeugung  nach  für  die  Burteilung  von 
Wandkarten  den  Grundsatz  aufstellen,  dasz  sie  da  aushelfen  sollen, 
wo  es  für  den  Lehrer  zu  zeitraubend  oder  zu  schwierig  sein  würde, 
selbst  eine  Zeichnung  an  der  Schultafel  zu  entwerfen.  Nun  würde  es 
zwar  eine  Unmöglichkeit  sein,  jenen  idealen  Durchschnitt  auf  der  Ta- 
fel wiederzugeben,  allein  man  wird  mir  zugestehen,  dasz  es  des  gleich- 
zeitigen Ueberblicks  über  alle  Theile  desselben  niemals  in  der  Schule 
bedarf,  sondern  dasz  jedesmal  nur  ein  verhältnismäszig  kleiner  Theil 
desselben  zur  Sprache  kommen  kann.  Dazu  musz  aber  der  Lehrer 
selbst  die  betreffende  Zeichnung  an  die  Tafel  zeichnen  können,  und  es 
wird  gerathen  sein,  dabei  nicht  ideale  Verhältnisse  zu  Grunde  zu  legen, 


594  Dr  Fr.  Brfillow:  geognosUsohe  Wandkarte. 

sondern,  wenn  es  irgend  möglich  ist,  die  Beispiele  ans  der  Nähe  za 
nehmen,  oder,  wenn  das  nicht  der  Fall  ist,  wenigstens  immer  die  La- 
gerungsverhaltnisse von  bestimmten  Localitäten  darzustellen ,  da  der- 
gleichen die  Aufmerksamkeit  der  Schäler  in  höherem  Grade  fesselt 
als  ideelle  Allgemeinheiten.  Die  Schüler  mögen  dann  angehalten  wer- 
den, diese  Zeichnungen  auf  der  Stelle  in  ein  eigenes  Heft  zu  übertra- 
gen und  sich  auf  diese  Weise  eine  geognostische  Beispielsammlung 
anzulegen. 

Ich  halte  demgemäsz  eine  solche  Darstellung  der  relativen  Lage 
aller  geschichteten  und  ungeschichteten  Gesteine  auf  einem  Tableaa 
für  durchaus  überflüssig,  kann  höchstens  dem  Lehrer,  der  sie  nicht 
entbehren  will,  den  Rath  geben ,  etwa  das  betreffende  Blatt  aus  Berg- 
haus**  Atlas  im  Schiilzimmer  für  immer  aufzuhängen,  so  dasz  die  Schü- 
ler auszer  der  Schulzeit  Gelegenheit  haben,  sich  das  ganze  einmal  an- 
zusehen. 

Dasselbe  Urteil  gilt  auch  von  den  übrigen  Profilen,  gegen  deren 
wissenschaftliche  Richtigkeit  ich  um  so  weniger  etwas  einzuwenden 
haben  kann,  als  sie  den  besten  Quellen  entnommen  sind.  Auch  sie 
werden  viel  besser,  je  nach  Bedürfnis,  vom  Lehrer  gezeichnet.  Was 
nützt  es  mir  z.  B.  hier  in  Hannover,  dem  Schüler  die  Lager ungs Verhält- 
nisse zwischen  Jura ,  Lias  und  Keuper  nach  der  Wandkarte  an  einem 
Profile  aus  der  schwäbischen  Alp  zu  demonstrieren ,  während  ich  ihm 
mit  ein  paar  Kreidestrichen  ein  ebenso  belehrendes  Profil  von  Locali- 
täten aus  nächster  Nähe  zeichnen  kann,  wodurch  er  in  den  Stand  ge- 
setzt wird,  die  Sache  in  der  Natur  selbst  zu  erkennen? 

Was  nun  die  landschaftlichen  Bilder  anbetrifft,  so  sind  sie  eher 
am  Platze,  weil  dergleichen  sich  nicht  oder  wenigstens  nicht  in  wftn- 
schenswcrther  Schnelle  an  der  Schultafel  darstellen  läszt.  Ich  würde 
dem  Vf.  dankbar  gewesen  sein,  wenn  er  den  ganzen  Runm  seiner  Karle 
KU  solchen  Darstellungen  verwandt  hätte,  statt  nur  acht  aufzunehmen, 
über  deren  Auswahl  ich  auch  mit  ihm  rechten  möchte.  Auszer  einer 
Darstellung  des  Kraters  vom  Vesuv,  die  sehr  wenig  belehrendes  hat, 
so  wie  Abbildungen  einer  Tropfsteinhöhle  vom  Montferrat  und  der  Fin- 
galshöhle,  werden  noch  fünf  Beispiele  von  Fels bildungen  geliefert, 
die  im  ganzen  recht  charakteristisch  gewählt  sind,  mit  Ausnahme  etwa 
des  bekannten  Granitfelsens  von  Logan  Hock  in  Kornwall ,  der  doeh 
wol,  wie  die  ähnlichen  wankenden  Steine,  z.  B.  der  berühmte  von 
Perros  -  Guyrach ,  nicht  ohne  Einwirkung  der  Menschen  geblieben  ist. 
Sehr  erwünscht  wäre  es  jedenfalls  gewesen,  wenn  der  Vf.  noch  einige 
Bilder  charakteristischer  Berg  formen  gegeben  hätte.  Wie  man  in 
der  Botanik  von  einer  Physiognomik  der  Gewächse  eines  Landes 
spricht,  so  sollte  man  auch  von  einer  Physiognomik  der  Gebirge  reden 
und  dem  Lehrer  der  Geognosie ,  mehr  noch  dem  der  Geographie,  wäre 
mit  dahin  zielenden  Abbildungen  ein  groszer  Dienst  geleistet '^).    Wie 


*)  Höchst  belehrend  sind  z.  B«  in  dieser  Beziehung   der  Gebruder 
Schlagintweit  stereoskopische  Bilder  des  Monte  llosa  und  der  Zugspilie. 


Dr  Fr.  Brailow:  geognostisclie  Wandkarte«  505 

viel  Worte  könnten  gespaart  werden,  wenn  man  so  bei  der  Schilderung 
der  südafrikaniscben  Sandsteingebirge  oder  des  äbnlichen  Eibsand- 
steingebirges auf  eine  gute  Abbildung  verweisen  könnte?  Etwa  acbt 
bis  zehn  solcher  Bilder,  die  sich  wol  auf  den  Raum  einer  Wandkarte 
drängen  lieszen ,  würden  für  diesen  Zweck  ausreichen. 

Was  nun  die  zuletzt  erwähnten  geOgnostischeu  Uebersichtskartea 
anbetrifft,  so  habe  ich  gegen  die  vom  Aetna  nichts  zu  erinnern,  sehe 
aber  andererseits  nicht  ein,  was  den  Vf.  veranlaszt  hat,  gerade  vom 
Harz  eine  Karte  zu  geben.  Es  kann  doch  wol  kaum  seine  Ansicht  ge> 
Wesen  sein,  den  Harz  als  eine  vorzugsweise  klassische  Gebirgsgegend 
hinzustellen ,  da  doch  gar  manches  Gebirge  sich  in  Beziehung  auf  den 
Reichthum  geognostischer  Vorkommnisse  mit  ihm  vollkommen  messen 
kann.  Was  ntttzt  nun  wol  einem  Lehrer  in  Schlesien  eine  geognostische 
Karte  vom  Harze?  Auch  in  dieser  Beziehung  ist  es  das  beste,  wenn 
man ,  sofern  es  möglich  ist ,  eine  geognostische  Karte  entweder  der 
nächsten  Umgebungen  oder  wenigstens  der  Provinz  oder  des  Landes 
im  Schulzimmer  aufhängt.  Uebrigens  kann  ich  auch  nicht  verschwei- 
gen, dasz  die  Harzkarte,  sowol  was  die  Darstellung  des  Terrains,  als 
was  den  geognostischen  Inhalt  anbetrifft,  sehr  mangelhaft  ansgefallen 
ist;  namentlich  sind  in  letzter  Beziehung  die  Entdeckungen  Ad.  Rö- 
mers und  seiner  Schüler  für  den  Vf.  gar  nicht  vorhanden  gewesen. 

Schliesziich  noch  eine  Bemerkung.  Es  ist  von  der  Karte  eine 
Copie  in  verkleinertem  Maszstabe  zum  Preise  von  15  Sgr.  zu  haben, 
welche  den  Schülern  zur  Anschaffung  empfohlen  wird.  Allein  abge- 
sehen davon,  dasz  das  Format  derselben  zum  Gebrauch  auf  der  Schul- 
bank viel  zu  grosz  ist,  mache  ich  noch  besonders  darauf  aufmerksam, 
dasz  der  Schüler  mit  einem  Mehraufwande  von  wenigen  Groschen  sich 
in  Besitz  der  Leunisschen  Mineralogie  und  Geognosie  setzen  kann 
(Schulnaturgesch.  Tbl  III),  welche  ihm  auszer  einem  weit  reichhal- 
tigeren Texte,  als  der  des  Brüllowschen  Heftchens  ist,  noch  eine  Menge 
charakteristischer  uud  gut  ausgeführter  Abbildungen,  namentlich  von 
Petrefaklen,  gibt,  welche  letztere  Brüllow  wol  zu  sehr  vernachläs- 
sigt hat. 

Hannover.  •  H.  GuthCy  Dr. 


S3. 

Biblische  Numismatik  oder  Erklärung  der  in  der  heil.  Schrift 
erwähnten  alten  Mün%en  von  D.  Celestino  Cavedoni. 
Aus  dem  Italienischen  übersetz  und  mit  Zusätzen  versehen 
von  A.  von  Werlhof^  königl.  hannoverschem  Oberappel- 
lationsrathe.  Zweiter  Theil^  enthaltend  Anhang  und  Nach- 
.  träge.  SUt  zwei  Tafeln  Abbildungen.  Hannover,  Hahnsche 
Bachhandlung.  1856. 
Der  Abbate  Cavedoni  ist  durch  die  Resultate  seiner  fortgesetzten 


596  D.  Celeatino  Cavedoni:  biblische  Nomisaitik. 

namismatischen  Forschungen,  sowie  darch  die  NacbweisoDgea  spiter 
zu  seiner  Kunde  gelangter  Werke,  besonders  der  recherches  rar  k 
numismalique  ludalfque  (Paris  1844)  von  dem  fransösischenAkadawksr 
F.  de  Saiilcy  bewogen  worden,  im  vorigen  Jahre  einen  Nachtrag  u 
seiner  biblischen  Numismatik  (s.  Decemberheft  1855  dieser  Jahrbk 
S.  553)  unter  dem  Titel:  appendice  alla  numismatica  biblie«  (estraUi 
del  tomo  XVIII  della  serie  terza  delle  memorie  di  religiooe,  dl  norak 
e  di  Ictteratura),  Modena  1855,  herauszugeben,  und  Herr  Oberappaila- 
tionsrath  von  Werlhof  in  Celle  hat  sich  sogleich  nach  der  EreehclHBg 
desselben  das  freundliche  Verdienst  um  das  deutsche  Poblicam  erwor- 
ben, auch  diese  Schrift  in  unsere  Sprache  zu  übertragen  and  mit  oi|^ 
nen  Bemerkungen,  Nachträgen  und  zwei  Kupferlafeln  bereichert  ab 
zweiten  Theil  seiner  Uebersetzung  der  Uauptschrift  naehfolg'en  in  lii- 
sen.  Da  das  de  Saulcysche  Werk  die  hebraeische  MQazkande  darck 
eine  bedeutende  Anzahl  von  dem  Vf.  in  Palaeslina  gesammelter,  biahtf 
unbekannter  Münzen  erweitert  und  damit  eine  völlig  neue,  der  bii- 
herigen  Annahme  widerstreitende  KlassiQcation  der  jüdischen  Mftuaii 
deren  Wichtigkeit  in  mancher  Hinsicht  anerkannt,  in  anderer  aber  Nt* 
schieden  bcstritten^erden  musz,  verbindet,  so  war  Herr  von  Werlkif 
bereits  selber  im  Begriff,  eine  entsprechende  Ergänzung  der  namiiaM- 
tica  biblica  zu  bearbeiten,  als  er  von  Cavedoni  den  beseiebaitai 
^Nachtrag'  nebst  einem  Briefe  des  anerkennendsten  DaDkes  fir  dii 
Ueberselzung  der  Uauptschrift  zugestellt  erhielt  und  auch  nai  dli 
Uebertragung  dieser  für  die  Besitzer  der  numismatica  biblica  aolb- 
wendig  gewordenen  Complementarschrift  gebeten  wurde/  ladeai  dar 
Herr  Uebcrsetzer  in  der  Vorrede  diese  Andeutungen  über  die^EiU 
stehung  seines  Buches  gibt,  führt  er  uns  zugleich  mit  zusaromeafaieaa- 
den  und  bestimmten  Zügen  in  den  wissenschaftlichen  Sachverbalt  aia, 
auf  welchen  sich  diese  und  andere  eingreifende  litterarische  Eraobai- 
nungen  beziehen.  Wir  knüpfen  an  sie  die  Uebersicht  Über  die  Gagaa- 
stände  des  Nachtrages  an. 

Der  Hauptpunkt  betrilTt  die  Zuweisung  und  Einordnung  der  Mla- 
zen,  welche  dem  Simon  Maccabaeus  zugeschrieben  zu  werden  plegtaa 
und  welche  auch  Cavedoni,  der  gewöhnlichen  Annahme  folgend,  die- 
sem überwiesen  hatte.  Durch  de  Saulcys  Untersuchungen  bat  ea  sieh 
nun  herausgestellt,  dasz  alle  diejenigen  unter  ihnen,  welchen  der  Nana 
Simon  aufgeprägt  ist,  nicht  dem  Hasmonacer,  sondern  dem  EmpOrer  des 
zweiten  Jahrhunderts  n.  C.  Simon,  dem  Sohne  Joras  (Bar-Kdkab,  Soha 
des  Sternes)  angehören.  Auch  Cavedoni  hat  sich  dieser  Ueberseugnag 
anschlieszen  müssen,  und  man  findet  seine  Gründe  S.  60  und  61  dar 
Uebersetzung  aufgeführt,  wo  es  nach  der  Mittheilung,  dass  eine  grosse 
Anzahl  der  genannten  Münzen  sich  als  überprägte  Denarien  oder  kai- 
serliche Drachmen  verrathen  habe,  weiter  heiszt:  ^Die  Identitil  oder 
Analogie  der  Typen,  der  Inschriften,  der  Form  der  Buchstaben,  der 
Art  der  Arbeit  und  des  Stils  aller  einzelnen  vorgedachten  HüDien, 
eben  so  wie  ihr  eigenthümliches  Gewicht,  alles  dies  verlangt  dieselbe 
Zeit  der  Regieroag  Hadrians ,  welche  darch  die  überprAgtea  offeabar 


D.  Celestino  Cavedoni :  bibluohe  Namignalik.  507 

indiciert  ist.'  Aber  auch  die  nicht  mit  Simons  Namen,  sondern  bloss  mit 
dem  Jahre  der  Befreiung  und  heiligen  Symbolen  bezeichneten  (s.  Tbl  I 
S.  18  sqq.  Tbl.  US.  11  und  12)  vindicicrt  Cavedoni,  nur  nnter  starkem 
Widerspruche  deSaulcys  sowie  seines  Recensenten  in  denG6ttinger  ge- 
lehrten Anzeigen  (1855  S.  1391),  dem  Maccabaeer.  Der  genannte  Recensent 
ist  Herr  Prof.  Ewald,  welcher  auszerdem  seine  Ansichten  über  das  Zeit- 
alter der  echten  Münzen  althebraeischer  Schrift  in  einem  besondern  Vor- 
trage, gehalten  in  der  königl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  am  29.  Mirs 
1>^55  (s.  Nachrichten  von  der  G.  A.  Universität  und  der  königl.  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften  zu  Göttingen  Nr.  8  v.  26.  April  1855)  ent- 
wickelt hat.  De  Saulcy  will  nemlich  diese  Münzen  nicht  der  Zeit  der 
Befreiung  von  der  syrischen  Herschaft,  sondern  der  Zeit  Alexanders 
des  Groszen  zuweisen:  eine  Conjectnr,  gegen  welche  sich  sowol  Ewald 
als  Cavedoni  und  Herr  von  Werlhof  aufs  entschiedenste  erklaren. 
Denn  abgesehen  davon,  dasz  die  Münzen  nur  bis  zum  vierten  Jahre  der 
Freiheit  reichen,  wofür  sich  hier  kein  annehmbarer  Grund  auffinden 
läszt,  wie  unter  dem  Maccabaeer  (s.  Bibl.  Numism.  Tbl  I  S.  17  Anm.  11), 
verlieh  Alexander  den  Judaeern  durchaus  keine  politische  Unabhängig- 
keit und  Münzrecht,  sondern  nur  Freiheit  in  Sachen  der  Religion  und 
dazu  Schutz  gegen  die  Samarier.  Nun  gehen  aber  die  Gegner  de  Saul- 
cys  wieder  darin  auseinander,  dasz  Ewald  die  genannten  Münzen  in 
die  Zeit  des  ersten  Aufruhrs  der  Juden  gegen  die  Römer  setzt,  Cave- 
doni sie  bis  auf  zwei  dem  ersten  Aufstande  in  Uebereinstimmung  mit 
de  Saulcy  vindicierte  Broncemünzen  (s.  Bibl.  Numism.  Tbl.  11  S.  54) 
der  bisherigen  Meinung  gemisz  dem  Simon  Maccabaeus  vorbehält. 
Dieser  Meinung  schtieszt  sich  auch  der  Herr  Uebersetzer  mit  folgen- 
den Worten  an:  *lndem  ich  rficksichtlich  der  Gründe  übrigens  auf  Ca-' 
vedonis  Bemerkungen  verweise,  mache  ich  nicht  nur  auf  das  wichtige 
Argument  aufmerksam ,  welches  aus  der  Uebereinstimmung  des  Fein- 
gehalts der  bisher  Simon  dem  Hasmonaeer  zageschriebenen  Silber- 
münzen mit  denen  der  benachbarten  syrischen  Könige  sich  ergibt,  son- 
dern auch  darauf,  dasz,  wenn  man  Herrn  Prof.  Ewalds  Ansicht  adop- 
tiert, Seckel  trotz  der  ausdrücklichen  den  Juden  ertheilten  Erlaubnis 
während  der  ruhigen  Zeit  ihrer  Freiheit  nicht  geprägt  sein  würden 
oder  wenigstens  nicht  mehr  existierten,  wol  aber  der  Anfang  damit 
während  der  unruhigen  kurzen  Zeit  des  römischen  Krieges  gemacht 
sein  soll.  Es  hat  eine  solche  Annahme  um  so  mehr  gegen  sich,  als  der 
Seckel  diejenige  normale  Einheit  war,  nach  der  Handel  und  Wandel 
sich  richtete,  dessen  zeitige  Ausprägung  deshalb  Bedürfnis  war,  zumal 
da  diese  Mfinzgattung  allein  zu  der  Tempelabgabe  gebraucht  werden 
durfte  (Bibl.  Nnmism.  Tbl.  1  S.  40),  zu  deren  Entrichtung  man  keine 
der  sonst  im  Lande  coursierenden  Geldsorten  ihrer  profanen  Typen 
weg'en  gebrauchen  konnte.  Die  Juden  mögen  bis  zum  Jahre  140  vor 
Chr.  diese  Abgabe  vielleicht  in  gewogenen  Silberstücken  entrichtet 
haben,  die  sie  zn  diesem  Zwecke  von  den  Geldwechslern  für  Stücke 
der  bei  ihnen  coursierenden  Münzen  benachbarter  Staaten  mit  Verlust 
einkaufen  musten,  denn  die  Zeit,  wo  gewogene  Metallstücke  das  allge- 


59S  9«  Calesliio  Cavedoni:  biblische  Namismatik. 

• 
meine  ADSgleichungsmittül  bildeten,  war  im  übrigen  seil  Jahrh anderlei 
Yoraber.  Unter  diesen  Umständen  muste  die  Erlangung  des  Mflosreehls 
rar  die  Juden  von  grösserer  als  bloss  politischer  Bedeutung  sein,  denn 
es  gewährte  ihnen  die  Möglichkeit  die  Tempelabgabe  in  einer  ihren 
Satzungen  entsprechenden  Weise  zu  entrichten,  und  es  isl  nicht  wol 
ein  Grund  abzusehen,  warum  sie  von  der  erlangten  fiuszerat  wichtigen 
Bcrugnis,  heilige  Seckel  zu  prägen,  keinen  Gebrauch  gemacht  haben 
sollten,  zumal  da  sie  für  den  kloinen  Verkehr  des  täglichen  Lebens 
anerkanntcrmaszen  Scheidemünzen  prägton,  obwol  hierfOr  durch  die 
syrischen  Könige  nothdürflig  gesorgt  war  und  jedenfalls  für  eine 
hierarchische  Regierung  die  Befriedigung  dieses  Bedürfnisses  von  ge- 
ringerer Wichtigkeit  sein  muste.  Dasz  der  Name  Simons  niehl  anf 
diesen  Münzen  erscheint,  dürfte  sich  genügend  daraus  erklären,  dasi 
seine  Stellung  und  Würde  weder  erblich  noch  zunächst  aueh  nnr 
weltlich  war,  oder  dasz  seine  Anspruchslosigkeit  eine  derartige  Voran- 
Stellung  seiner  Person  und  Würde,  wie  sie  bei  den  heidnischen  Köni- 
gen der  Nachbarschaft  üblich  war,  in  einem  theokratischen  Staate  fOr 
angemessen  nicht  erachten  mochte,  zumal  der  Ursprung  und  die  Zeit 
der  Münzen  auf  eine  für  damals  völlig  genügende  Weise  beseiehnet 
waren'  (s.  Vorrede  S.  XXII  if.)- 

Auszcr  den  allerdings  nicht  unbedeutenden  Veränderungen  in  der 
Anordnung  der  alten  hebraeisolien  Münzen,  die  durch  diese  von  de 
Saulcy  hervorgerufene  Kritik  der  Simonischen  nothwendig  geworden 
sind ,  weicht  der  Inhalt  des  ^Anhanges'  nicht  wesentlich  von  den  Anf- 
slcllungen  der  Ilauptschrift  ab.  Wol  aber  fügt  er  in  Folge  der  seit- 
dem gemachten  Auffindungen,  besonders  de  Saulcys,  den  bisher  be- 
kannten manche  neue  interessante  Münze  hinzu.  Unter  diesen  ist  eine 
Anzahl  von  hasmonaeischen,  der  Nachfolger  Simons,  von  denen  eine 
mit  griechischer  und  hebraeischer  Aufschrift  der  Witwe  des  Alexander 
Jannaeus,  Alexandra,  vindiciert  wird  und  besondere  Aufmerksasalieit 
verdient.  Den  Deutungen  des  schwierigen  ^isn  auf  den  MUnien  des 
Johannes  Hyrcanus,  über  welches  Cavedoni  und  de  Saulcy  nneins 
sind,  hat  der  Herr  Uebersetzcr  die  Ewaldische  beigefügt,  der  zufolge 
es  ^Feldherr'  bedeutet  (s.  S.  16).  Auch  das  Verzeichnis  der  unter  He- 
rodes  dem  Grossen  und  seinen  Nachfolgern  geprägten  Münzen  ist  nicht 
ohne  Zuwachs  geblieben,  namentlich  hat  de  Saulcy  zwei  des  Herodes 
Archelaus  zuerst  bekannt  gemacht,  welche  durch  ihre  Embleme  anf 
den  Besitz  von  Seeplätzen  hinweisen.  Was  die  die  Namen  römischer 
Kaiser  tragenden  betrifft,  so  widerlegt  Cavedoni  zunächst  die  Be- 
hauptung de  Saulcys ,  dasz  sie  das  Werk  römischer  Procnratoren 
seien,  während  sich  das  fortdauernde  Münzungsrecht  der  grösseren 
Städte  nachweisen  lasse,  und  vindiciert  dann  mehrere  Münzen  ans  der 
Zeit  des  Augustus,  die  man  nach  Alexandria  verlegt  hatte,  den  judaei- 
schcn  Münzstätten.  Im  übrigen  ist  dieser  Abschnitt  dem  entsprechen- 
den der  Hauptschrift  ziemlich  gleich  geblieben.  Eine  interessante  Ver- 
mehrung haben  die  jüdischen  Münzen  aus  der  Regierungszeit  des  Ti- 
berius  durch  eine  Mittheilung  des  Herrn  Dr  Jnl.  Friedländer  aus  dem 


D.  Celeslino  Cavedoni :  biblisohe  Nnmif malik.  509 

königlichen  Museum  zu  Berlin  erfahren.  Der  Herr  Uebersetzer  ge* 
denkt  derselben  besonders  in  der  Vorrede  S.  V,  wo  er  auch  auf  an- 
dere Miitheilungen  aus  derselben  Quelle  hinweist,  die  ihm  Veranlassung 
tu  häufig  eingestreuten  Specialbemerkungen ,  Vergleichungen  und  Be- 
richtigungen gegeben  haben.  —  Der  Zeit  des  ersten  jüdischen  Auf- 
ruhrs, welche  wie  die  des  zweiten  unter  Bar-Kökab  in  der  llaupt-. 
Schrift  leer  ausgegangen  war  —  werden  nach  de  Saulcy  die  beiden 
bereits  oben  erwähnten  Münzen  aus  dem  zweiten  und  dritten  Jahre 
desselben  zugeschrieben,  welche  im  ganzen  mit  dem  Gewichte  der 
Neronischen  Münzen  übereinstimmen  und  zur  Bezeichnung  der  Befrei- 
ung Zions  das  misnische  Wort  min  gebrauchen ,  von  welchem  Cave- 
doni  eingesteht,  dasz  es  zu  der  Zeit  Simons  des  Hasmonaeers  schlecht 
passen  würde.  Das  Verzeichnis  der  Münzen  aus  dem  zweiten  Aufruhr, 
welches  die  meisten  der  in  der  Hauptschrift  dem  Simon  Maccabaeus 
zugeschriebenen  enthält,  ist  nach  de  Saulcy  bedeutend  vervollständigt 
und  wird  namentlich  durch  diejenigen  Exemplare  interessant,  welche 
die  Spuren  der  Ueberpräguug  römischer  Denare  mit  den  Köpfen  Tra- 
jans  und  Hadrians  zeigen.  Der  Vf.  gibt  eine  den  andern  Zeitverbält- 
nissen ,  welchen  nun  diese  Münzen  angehören ,  entsprechende  Deutung 
der  Embleme,  besonders  des  architektonischen,  welches  er  nicht  mehr 
für  das  Tempelabbild,  sondern  für  den  heiligen  Schrank  (Oron)  der 
Schriftrollen  hält,  nnd  schlieszt  aus  den  Inschriften  gegen  Fabriciut 
und  Scaliger,  dasz  die  Juden  im  ersten  Jahre  des  Aufruhrs  Jerusalem 
wirklich  in  Besitz  genommen  haben,  aber  später  daraus  vertrieben 
worden  seien ,  weshalb  vom  zweiten  Jahre  an  die  Erwähnung  der 
Hauptstadt  fehle.  Eben  so  theilt  er  über  die  Person  des  Hauptes  der 
Empörung,  bekannt  unter  dem  Namen  Bar-Kökab,  Sohn  des  Sternes, 
einige  erläuternde  Notizen  mit.  Endlich  erwähnt  Cavedoni  auch  der 
Münzen  von  Aelia  Capitolina,  obgleich  sie  über  die  Grenzen  seines 
Zweckes  hinaus  liegen,  indem  er  de  Saulcy,  der  sie  vollständig  angibt, 
nicht  allein  mehrerer  Auslassungen ,  sondern  auch  falscher  Auslegun- 
gen überführt.  Bei  dieser  Gelegenheit  bemerken  wir,  dasz  de  Saulcy 
während  er  sich  bei  Aelia  Capitolina  sehr  ins  Detail  einläszt,  zu  des 
Herrn  Uebersetzers  Bedauern  die  so  interessanten  Münzen  der  übrigen 
mit  dem  Münzrechte  begnadigten  Städte  in  Judaea :  Agrippias  oder  An- 
ihedon,  Ascalon,  Azotus,  Eleutheropolis ,  Gaza,  Nicopolis  oder  Em- 
maus  undRaphia,  so  wieder  galilaeischen  und  samaritischen  Städte 
gänzlich  übergangen  hat.  Was  davon  bis  jetzt  bekannt  ist,  findet  sich 
in  des  Herrn  von  Werlhofs  Handbuch  der  griechischen  Numismatik 
(Hannover  18ö0)  S.  231  f.  gröatentbeil»  au»  dessen  eigner  schönen 
Sammlung  zusammengestellt  und  beschrieben. 

Das  bis  hierher  mitgetheilte  möchte,  einzelne  Bemerkungen 
gegen  seine  Gegner  abgerechnet,  der  Hauptsache  nach  die  Gegen- 
stände umfassen,  über  welche  sich  Cavedoni  in  seinem  *  Anhange' 
verbreitet.  Die  Besprechung  einiger  anderer  nicht  unmittelbar  dem 
Zwecke  des  Buches  angehöriger,  aber  doch  recht  wichtiger  Punkte, 
wichtig  sowol  für  die  Numismatik  Oberhaupt  aU  für  die  orientalische 


600  D.  Celestino  Cavedoni :  biblische  Nafflismatik. 

insbesondere ,  vm  sich  auf  diesem  durch  neue  Anfßndangen  and  fori-  ' 
schreitende  Ansichten  taglich  wachsendem  Gebiete  Umsieht  lu  ver^ 
schaffen,  verdanken  wir  der  sachkundigen  Beflissenheit  des  Herrn 
Uebersetzers.  Es  sind  die  Worte  ögaxfirj ,  dageixog  und  finp^^lE  ^) 
und  ihre  BeEiehung  zu  dem  Anfange  der  Münzprägung,  um  weiche  es 
•sich  dabei  handelt.  Cavedoni  halte  in  seiner  Hauptschrift  der  her- 
kömmlichen Meinung  gehuldigt,  dasz  der  Argiver  Pheidon  das  filteste 
Geld  geprägt  habe,  ^Qaj^ij  der  gewöhnlichen  Etymologie  gemäfS 
griechischen  Ursprunges  und  darkhemon  das  hebraisierte  daf^ixog 
sei.  Gegen  diese  Ansichten  ist  nun  Ewald  in  seiner  Recension  mit 
entschiedenem  Widerspruche  aufgetreten,  indem  er  die  griechische 
Ableitung  von  SQaxfirj  für  falsch,  dieses  Wort  für  verstümmelt  ans 
darkhemon  oder  adarkhemon  und  das  letztere  mit  Beziehung  aaf  He* 
rod.  I  94  für  wahrscheinlich  lydischen  Ursprunges  erklärt,  da  die  Erk- 
undung des  Geldes  ohne  Zweifel  von  den  handeltreibenden  asiatischen 
Völkern  ausgegangen  sei.  Der  Herr  Uebersetzer  verweist  was  ^ifcixfi^ 
betrifft  auf  die  Autorität  Böckhs  in  seinen  metrologischen  Untersueban^ 
gen  und  vermittelt  unter  Heranziehung  der  historischen  Quellen  und 
der  Aussprüche  gelehrter  Sachkenner  den  Gegensatz  der  Meinungen 
über  die  älteste  Geldpraguug  dahin,  dasz  unstreitig  schon  Aegypter, 
Phoenicier,  Lydier  Geld  oder  dem  Gelde  analoges  gehabt,  ja  dasz  viel- 
leicht die  Aegineten  schon  vor  Pheidon  geprägt  haben,  dasz  dieser  Kö- 
nig aber  unter  den  Griechen  des  Continents  der  erste  gewesen  sei, 
dem  dieses  Verdienst  nachgerühmt  werde.  Er  verweist  dabei  auf 
sein  Handbuch  der  griechischen  Numismatik,  in  welchem  sich  ge- 
legentlich der  betreffenden  Münzen  diese  Ansicht  bereits  ausgespro- 
chen findet. 

Auszer  diesen  dankenswerthen  Mittheilungen  und  Erörterungen, 
an  welche  sich  dann  die  Angabe  der  Hauptdifferenzen  zwischen  Cave- 
doni und  de  Sanlcy,  so  weit  sie  den  ^Nachtrag'  betreffen,  anschlieiiti 
hat  der  Herr  Uebersetzer  in  die  Vorrede  noch  einen  Protest  des  Herrn 
Majors  von  Rauch  in  Berlin  gegen  Borghesis  Urteil  über  einen  tob 
ihm  pubticierten  Sextans,  in  welchem  der  italienische  Nünzkeninr 
einen  semis  erkennen  will,  und  die  Berichtigung  einiger  Ungenaai|^ 
keitcn  in  der  Uebersetzung  der  Hauptschrift  Cavedonis  (des  ersten 
Theils  der  biblischen  Numismatik)  aufgenommen.  Eine  interessanle 
Zugabe  ist  endlich  die  Nachweisung  über  falsche  und  nachgemnehia 
jüdische  Münzen,  mit  welchen  das  Publicum  geteuscht  wird.  Wir 
heben  daraus  nur  hervor,  was  in  der  Vorrede  (S.  XXVI)  aber  eine 
der  verbreitetsten  gesagt  wird,  die  auf  der  einen  Seite  einen  dimpfeii- 
den  Krater,  als  wenn  es  ein  Ranchfass  wäre,  auf  der  andern  Seile 
einen  stark  beblätterten  Olivenzweig  zeigt.  *Nach  einer  Notii  im 
Ullnstrierten  Familien -Journal'  (Bd.  Ill  S.  48)  erbaute  nemlioh  ein 
ehemaliger  Bürgermeister  von  Görlitz,  Emmerich,  nachdem  er  zweioMÜ 
in  Jerusalem  gewesen,  eine  Nachahmung  des  heiligen  Grabes,  welehe 
einen  Ruf  hat  und  von  den  meisten  Fremden  auf  ihrer  Durchreise  be- 
sucht wird.    Bei  dieser  Gelegenheit  bietet  der  Kastellan  jedem  beim 


D.  Calestino  Cavedoni :  biblisohe  NnmisnKtik.  601 

we(rgehen  eine  solche  Mänze  sam  ÄDdenken,  welehe  in  Zinn  2^  Sgr. 
und  in  Silber  20  Sgr.  kostet.' 

Cavedoni  selber  hat  die  in  dem  *Appendice^  besprochenen  Punkte, 
deren  Inhalt  wir  oben  summarisch  siisammengestellt  haben ,  in  der 
Ordnung  auf  einander  folgen  Lassen,  dasz  er  zunächst  mit  seinen  itar 
lienischen  Recensenten  ein  freundliches  Wort  wechselt  und  sich  mit 
demjenigen  verständigt,  der  die  numismatische  Erklärung  der  Worte 
Christi:  *et  qnae  sunt  Deo,  Dco'  misbilligend  eine  allgemeinere  Auf^ 
fassung  derselben  gefordert  hatte.  Dann  kommt  er  auf  die  recherchei 
sur  la  numismatique  ludafqne  des  Herrn  de  Sanlcy  und  erwiedert  bei 
allem  Ernste  doch  mit  grosser  Ruhe  dessen  siemlich  anmaszende  Her 
handlung  seiner  Numismatica  biblica:  en  18&0  a  paru  k  Modfene  la 
brochure  intitul^e  Numismatica  Biblica  etc.  Ce  livre  n^ayant  gu6re 
fait  avancer  la  science  de  la  numismatique  hebralque,  je  me  bornerai 
ä  examiner,  chemin  faisant,  les  opinions  qui  y  sont  inser^es ,  toutes 
les  fois  que  ces  opinions  impliqueront  quelque  nouveant^.  Er  gesteht 
die  wichtige  Bereicherung  su,  die  die  biblische  Numismatik  den  re- 
cherches  des  Hrn.  de  Sanicy  verdanke,  zählt  aber  auch  eine  ansehn- 
liche Menge  von  Extravaganzen,  Ungenauigkeiten  und  selbst  Wider- 
sprachen auf,  die  sich  der  französische  Numismaliker  zu  Schulden 
kommen  lasse.  Sodann  wendet  er  sich  zu  dem  Hauptgegenstande  des 
Buches,  ohne  dessen  Einflusz  die  vollständige  Wiederholung  des 
hebraeischen  Münzenverzeichnisses  im  appendice  schwerlich  nölhig  be- 
funden sein  würde ,  zu  den  Simoif  dem  Maccabaeer  zugeschriebenen 
Münzen  und  der  Zeit,  welcher  sie  nach  den  durch  de  Saulcy  angereg- 
ten Untersuchungen  angehören.  Und  da  nun  eben  die  Ergebnisse  der 
letztem  in  Verbindung  mit  dem  aus  den  recherches  gewonnenen  Zu- 
wachse das  ganze  Bild  der  hebraeischen  Münzgeschichte  in  wesent- 
lichen Punkten  umgestaltet  haben,  so  folgt  jetzt  eine  neu  geordnete 
und  vervollständigte  Uebersicht  der  allhebraeischen  Münzen,  zwar  Q»- 
ler  dieselben  Rubriken  nach  ihren  Perioden  zusammengestellt,  wie  sie 
in  der  Hauptschrift  vorliegen,  aber  gedrängter  und  nur  mit  den  nöthi- 
gen  erkläi^nden  und  kritischen  Anmerkungen  zur  Orientierung  ver- 
sehen. Am  Schlüsse  stehen  dann  die  oben  erwähnten  Nachweisungen 
über  Bar-Rdkab,  die  aus  seinen  Mttnzen  sich  ergebenden  Winke  Ober 
die  Geschichte  des  zweiten  Aufruhrs  nnd  in  einem  besondem  Anhange 
die  Berichtigungen  der  von  de  Saulcy  gegebenen  Nachrichten  Aber  die 
Münzen  vofi  Aelia  Capitolina. 

Min  kann  kein  Gesamturteil  über  den  Wertb  des  Buehes  fällen, 
olme  zn  bedanern ,  daaz  ea  gerade  in  dieser  Form  erscheinen  moste. 
Denn  sofern  es  eine  Umgestaltung  ihres  wesentlichsten  Bestandtheils 
gibt,  ist  es  mehr  als  ein  bloszer  Anhang  zur  Hauptschrift  und  enthält 
doch  wieder  zu  wenig  neues,  um  als  ein  zweiter  Theil  derselben  be- 
trachtet werden  zn  können.  Das  rectiAcierte  Verzeichnis  der  Münzen, 
welches  darin  vorliegt,  mit  den  münzgeschichtlichen  und  hermeneu- 
tischen  Erörterungen  der  Hanptschrift  zu  einem  ganzen  verschmolzen, 
würde  für  das  Publionm  in  jeder  Beziehung  erwünschter  gewesen  sein. 


802  D.  Celestino  Cavedoni :  biblische  NamisiMtik. 

Wie  es  sieb  jedoch  unter  dem  Einflasse  der  UmstSnde  gestaUel  hat, 
verdient  es  sowol  wegen  der  Bereitwilligkeit,  womit  die  Mängel  der 
Hauptschrift  anerkannt  anä  dem  Fortschritte  der  Wissenschaft  gemäss 
ergänzt  sind,  als  wegen  des  kenntnisreichen  und  geübten  Urteils,  wo- 
mit der  gelehrte  Nnmismatiker  den  empfangenen  Stoff  verarbeitet  hat, 
dieselbe  Empfehlung ,  welche  der  Hauptschrifl  zu  Theil  geworden  ist. 
Je  unentbehrlicher  es  aber  für  die  Besitzer  des  ersten  Theils  zur  voll* 
ständigen  Erkenntnis  der  Sache  und  zu  einem  richtigen  Endurteil  über 
dieselbe  ist,  desto  dankenswerther  erscheint  die  unverweilte  Thatig- 
keit  des  Herrn  Uebersetzers ,  dessen  gewandte  und  praecise  Verdeut- 
schung des  italienischen  Textes  durch*  seine  eignen  auf  ein  tiefes 
Fachstudium  gegründeten  Nachweisungen  und  Bemerkungen  einen  er- 
höhten Werth  bekommt.  Auch  hat  er  sich  wiederum  und  diesmal  ohne 
Vorgang  des  Originals  das  Verdienst  erworben,  durch  zwei  der  schö- 
nen typographischen  Ausstattung  des  Buches  würdig  zur  Seite  stehen- 
den Kupfertafeln  das  Publicum  mit  einer  Auswahl  der  von  de  Saulcy 
veröffentlichten  Münzen  nach  den  von  demselben  gegebenen  Abbildun- 
gen bekannt  zu  machen  und  ihm  eine  Uebersicht  der  althebraeischen 
Buchstaben,  wie  sie  auf  den  Münzen  vorkommen,  in  ihrer  Mannigfaltig- 
keit uiid  Verzogenheit  vor  die  Augen  zu  stellen. 

Celle.  Berrmann. 


Berichtigung. 


Im  6n  Hefte  des  laufenden  Jahrganges  dieser  Zeitschrift  8.  31S 
wird  bei  der  Angabe  der  von  mir  emendierten  Sophokleischen  Stellen 
meine  Auffassung  von  Tracbin.  415  f.  irthumlich  Brunck  und  Kayser 
beigelegt,  obgleich^  ich  mit  diesen  nur  in  der  Lesart  %dxoia9-a  dr/r'; 
AiX'  ov  (pfijii  übereinstimme.  Auch  ist^  durch  ein  Verseheiydes  Setzers 
das  von  mir  parenthetisch  aufgefaszte  OQag  ausgefallen.  —  Das  weitere 
ist  meine  eigene  nur  auf  Aenderung  der  Interpunction  sich  stutzende 
Conjectar ,  und  zwar  lautet  ihr  zufolge  die  Stelle  vollständig  so : 

"^yy.  tiQv  aixiikdXaitov,  rjv  ^nsii'tffag  ig  döiiovg,  Katoiad'a  ^ijf'; 

^tZ-       ,  ,         ,  ov  (prjfii-  TiQogzl  6    toxo^tiqi 

Ayy.    ovHovv  av  tavtrjv^  ^v  vn*  ayvoCag  (6^^g;)  *J61iip 

i€paa%sg   EvQvtov  ono  gav  ay  Biv; 

Der  Sinn  der  letzten  Worte  des  ayyelog  wäre  demnach:  Sie   also 

kennst  du  nicht?   Sie,  von  der  du  in  deiner  Ignoranz  (siehst  du  jetzt, 

wo  ich  hinaus  will?)  noch  eben  sagtest,  sie  sei  loie.  die  Tochter  des 

Eurytos?  — 

Clausthal,  den  21.  Juli  1856.  E.  Buckkoh^  Dr.  ph. 


Berichte  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnongen ,  Statist.  NotisMi.  603 

Berichte  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen ,  statistische 
Notizen,  Anzeigen  von  Programmen. 


Leipzig].  Die  Thomasachale  hatte  im  Schuljahre  ld&6— 56  nur 
^ine  Veränderong  im  Lehrercolleginm  erfahren,  indem  an  die  Stelle  des 
nach  Plauen  abgegangenen  Dr  W.  Schmidt  der  bisher  am  Krause- 
sehen  Institut  in  Dresden  beschäftigte  Dr  H.  Th.  Kretschmar  als 
Ir  Lehrer  der  Mathematik  und  Physik  trat.  Das  Probejahr  hielt  der 
Schuiamtscandidat  Dr  Scherber  ab.  Die  Schülerzahl  betrug  210 
(39  I,  37  II,  49  III,  43  IV,  33  V,  9  VI).  Zur  Universität  glengen 
Mich.  J856  JO,  Ostern  1856  12.  Den  Schulnachrichten  yorangestellt  ist 
eine  Rede  des  Rectors  Prof.  Dr  Stallbaum:  de  vetere  gymnasiorum 
disciplina  et  inatitutione  praesentia  aetatis  raiionibus  caute  attem- 
peranda  (24  S.  8).  Der  Redner  zeigt,  wie  die  Gymnasien  die  klas- 
sischen Studien  und  die  christliche  Frömmigkeit  und  Sittlichkeit  fest- 
halten müssen,  wenn  sie  nicht  aufhören  wollen  das  zu  sein,  wozu  sie 
gegründet  sind',  und  empfiehlt  deshalb  Vorsicht  bei  Aufnahme  dessen, 
was  als  sogenanntes  Bedürfnis  der  Zeit  begehrt  wird.  iCs  sind  zwar 
nicht  neue  Gedanken,  die  hier  ausgesprochen  werden,  aber  das  gute 
und  wahre  kann  nicht  oft  genug  gesagt  werden  und  die  echt  klassische 
lateinische  Form  gereicht  der  Rede  zur  hohen  Zier.  R,  D, 

Lucern].  Zum  erstenmal  ist  am  Schlüsse  des  Schuljahres  1855 — 
66  Ton  der  Kantonsschale  eine  wissenschaftliche  Abhandlung  als  Pro- 
gramm ausgegeben  worden  und  zwar  kurze  Geschichte  der  höheren 
Lehranstalt  in  Lucem  Ton  Professor  J.  H.  Aebi  (12  S.  gr.  4).  Trotz 
ihrer  Gedrängtheit  gibt  doch  die  Darstellung  ein  anschauliches  Bild 
davon,  wie  sich  die  Schulanstalt  in  einer  nothwendigen  Folge  geschicht- 
licher Entwickelung  bildete  und  gestaltete,  und  da  die  Scholgeschichte 
der  Schweiz  nur  wenig  bekannt  zu  sein  scheint,  so  glauben  wir,  dasz 
ein  Auszug  unseren  Lesern  nicht  unwillkommen  sein  werde.  Während 
des  Mittelalters  hatte  Lucern  keine  wissenschaftliche  Lehranstalt.  Die 
Geistlichen  erhielten  in  Stiftern  ihre  Bildung  und  das  Kriegshandwerk 
war  das  einzige,  worauf  die  Staatsgemeinde  Werth  legen  konnte  und 
muste.  Die  Reformation,  hier  bekämpft,  regte  das  Bedürfnis  an,  indes 
scheiterten  die  Versuche  an  dem  Mangel  von  Lehrkräften,  bi^  durch 
den  Erzbischof  Karl  Borromeo  von  Mailand,  der  recht  wol  die  Wich- 
tigkeit des  Postens  für  die  katholische  Kirche  erkannte,  die  Berufung 
der  Jesuiten  eingeleitet  wurde.  1574  trafen  nach  einer  vorläufigen 
Vereinigung  die  ersten  Jesuiten  ein  und  eröffneten  sofort  den  Unter- 
richt, doch  erst  1577  wurde  der  bindende  Vertrag  abgeschlossen  and 
1578  die  höhere  Lehranstalt  vollständig  hergestellt.  Die  Anstalt  hatte 
rein  kirchlichen  Charakter  und  unterschied  sich  nur  wenig  von  den 
andern  Lehranstalten  der  Jesuiten.  Interessant  ist,  dasz  als  von  dem 
Provincial  in  die  Theologie  das  Lehrfach  des  Kirchenrechts  eingeführt 
worden  war,  der  tätliche  Rath  1728  dieses  verbot  und  seinerseits  die 
Einführung  der  Geschichte,  Ethik  (da  schon  längst  die  Moraitheologie 
gelehrt  wurde,  offenbar  der  philosophischen)  und  Mathematik  forderte, 
doch  ward  dies  Begehren,  im  besten  Falle  aus  der  Erkenntnis  hervor- 
gegangen dasz  neben  der  kirchlichen  Bildung  auch  weltliche  Geschick- 
lichkeit nothwendig  sei,  nicht  erfüllt,  weil  man  sonst  für  nothwendig 
gehaltene  Fächer,  namentlich  die  Logik  —  die  als  Mittel  der  Contro- 
verse  überaus  hochgestellt  wurde  —  hätte  beschranken  müssen.  Das 
Bedürfnis  nach  einer  Umgestaltung  machte  sich  aber  Jmmer  dringender 
geltend,  und  da  die  Jesuiten  bereits  sich  anderwärts  heftig  angegriffen 
sahen,  so   willigten   sie  1771  in  eine  solche«     Die  Anstalt  ward  nun 

iV.  Jahrb.  f,  Phü, «.  Paed,  Bd.  LXXIV.  ffft.  13.  43 


604  fttirichte  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  stallst.  T9oliseii. 

eine  staatliche,  indem  die  Herren  nnd  Obern,  von  denen  schon  die  Tnl- 
tiatiTe  zur  Umgestaltung  ausgegangen  war,  auch  zur  Beaufsichtigung 
einen  Schulräth  einsetzten.  Die  Erweiterung  des  Lehrplans  legte  auf 
die  weltlichen  Fertigkeiten  einen  gröszeren  Werth,  dasz  aber  eine  voll- 
ständige Klarheit  nicht  herschte,  beweist  der  Umstand,  dasz  der  Schul- 
rath  1772  den  Theologen  das  Studium  der  heil.  Schrift,  von   dem   sie 

'  sich  entbunden  glaubten,  als  nothwendig  einschärfen  ronste.  Nachdem 
Clemens  XIV  die  Aufhebnne  des  Jesuitenordens  aasgesprochen,  erfoiete 
dieselbe  auch  in  Lucern  und  damit  schlieszt  die  erste  Periode  der  Lehr- 
anstalt 1774,  indes  nahm  man  zu  der  Auskunft  seine  Zuflucht,  dasz 
der  Staat  aus  dem  Jesuitenorden  aastretende  Mitglieder  als  Lehrer  an- 
stellte. Sonst  blieb  die  Anstalt  unverändert,  nur  ward  die  vaterlän- 
dische Geschichte  aufgenommen.  Die  prunkvolle  jährliche  Preisver- 
theilung  ward  mit  in  die  neue  Periode  hinnbergenommen.  Das  huma- 
nistische Princip  war  besonders  thatig  and  wirksam  durch  die  Pro- 
fessoren Krau  er  und  Zimmermann,  welche  sich  auch  selbst  In  deut- 
schen schdnwissenschaftlioheii  Schöpfungen  versuchten ,  vertreten  und 
gefordert.  Die  dritte  Periode  wurde  durch  die  franedsiscbe  Revolution 
und  die  Aufstellung  der  öinen  und  untheilbaren  helvetischen  Republik 
herbeigeführt  und  in  Folge  davon  1799  ein  durchgreifender  Realismus 
angenommen.     Jedoch  schon    1806  trat   die  4e  Periode  durch  Zurück* 

'fuhrung  des  Humanismus  und  Einfahrung  des  griechischen  ein ,  worum 
sich  namentlich  Lottenbach  und  Flilglistaller  Verdienste  erwar- 
ben. Eine  Erhöhung  des  wissenschaftlichen  Standpunktes  und  Aus- 
dehnung führte  1819  der  Staatsrath  Ed.  Pfyffer  durch,  welche  denn 
auch,  nachdem  die  Stürme  seit  1841  vorübergegangen,  im  wesentlichen 
noch  besteht.  Die  Anstalt  umfaszt  jetzt  a)  eine  Realschule  mit  3 
Klassen;  b)  ein  Gymnasium  mit  6  Klassen  und  folgendem  Lehrplane: 
Relig.  Lat.  Griech.  Deutsch.  Gesch.  Geogr.  Mathem.  Franz.  Natg. 
L  Cl.  2        12       —  4  2  3  3  —        — 

II.    -    2        10      —  4  2  3  3  —        — 


ITf. 

.     2 

8 

5 

4 

4 

3 

3 

._ 

IV. 

-    2 

8 

6 

4 

3 



3 

3 

..^ 

V. 

'    2 

7 

5 

4 

2 



3 

3 

3 

VI. 

-    2 

7 

5 

4 

2 

— - 

3 

3 

3. 

In  jeder  Klasse  sind  Lateinisch ,  Deutsch  and  Griechisch  in  der  Hand 
^ines  Lehrers  vereinigt.  Am  Gymnasium  lehrten  im  letzt  vergangenen 
Schuljahre  die  Professoren  Suter  (VI  Kl),  Rolly  (V  KL),  Fischer 
(IV  Kl.),  Aebi  (III  Kl.),  Amrein  (II  Kl.),  Estermann  (I  Kl.), 
H ersehe  (Mathem.  und  Geschichte),  Pfyffer  (Franz.)  und  Kauf- 
mann (Natnrgesch.).  Die  Schülerzahl  betrug  am  Schlüsse  des  J.  108 
(VI  15,  V  18,  IV  17,  III  27,  II  10,  I  21).  Die  obere  Abtheilang 
oder  das  Lyceum  umfaszt  2  Curse,  in  denen  die  Religionslehre  com- 
biniert  2  Stunden  von  Prof.  Leu  gelehrt  wird.  Im  In  Cursus  wird  4  8t. 
Philosophie  (Einleitung,  empirische  Psychologie,  Logik  und  Metaphysik) 
von  Prof.  Groszbach,  Mathematik  5  St.  von  Prof.  I n eiche n,  allge- 
meine Geschichte  3  St.  von  Prof.  Groszbach,  Schweizergeschicbte 
2  St.  von  Prof.  Aebi,  Zoologie  3  St.  von  Prof.  Kaufmann,  Latei- 
nich 4  St.  (Cic.  Brutus  und  Tuscul,  Horat.  Sat.)  and  Griechisch  2  St. 
(Lystas,  Xen.  Cyrop.  Soph.  O.  C.)  von  Prof.  Kopp,  deutsche  Littera- 
tnrgeschichte  2  St.  von  Prof.  Grossbach  vorgetragen.  In  dam  ^ 
Cursus  umfaszt  die  Philosophie  die  Geschichte  der  Philosophie  und  die 
praktische  Philosophie;  die  Geschichte  wird  fortgesetzt,  Im  Lat.  Cic. 
Tusc.  und  Hör.  Bpp.,  im  Griech.  Xen.  Cyrop.  Herod.  nnd  Tbucyd.  er- 
klärt. Neu  tritt  ein  die  Physik  mit  6  und  die  Chemie  mit  2  od.  3  St. 
(Ineichen),  auch  wird  die  neuere  und  neueste  Litteratnr  In  Verbmduug 


Berichte  Aber  gelehrte  ADstalten,  Verordnimgeii,  slatist.  Notisen.  605 

mit  Reden  und  StilSbnngen  (von  Kopp)  in  'S  8t«  feiehrt.  Prof.  Nager 
war  vor  Neujahr  1856  gestorben.  Der  le  Cursns  hatte  13,  der  2e  12 
8chuler.  An  der  theologischen  Lehranstalt,  welcher  in  3  Cur- 
sen  17  Studierende  angehörten,  lehrten  die  Professoren  Tann  er,  Leu, 
8chniid,  Schurch  und  Winkler.  Freicurse  gibt  es  für  italienisch 
und  englisch,  Gesang  und  Musik.  Das  Verzeichnis  der  Lehrgpgenstande 
und  Rangnoten  ist  von  den  derzeitigen  Rectoren  B ossär t  (Lehrer  an 
der  Realschule)  und  Prof.  He  räche  unterzeichnet.  R.  D, 

LÜBECK.]  Das  Katharineum  verlor  am  27.  Jan.  1856  den  Prof.  W. 
H.  C.  Mos  che,  am  15.  März  den  Oberlehrer  Dr  Zerren  ner.  Znr 
Aushilfe  wurden  die  Candidaten  Burow  und  8artori  zagewiesen. 
Der  Lehrplan  erfuhr  insofern  eine  Veränderung,  als  im  III*  2  weitere 
grieohische  Stunden  eingeführt,  dagegen  der  Beginn  des  englischen  von 
Quarta  nach  IIP  verlegt,  2  St.  im  gemeinen  rechnen  aber  in  Tertia 
gestrichen  und  nach  Quarta  zurückgeschoben  wurden.  Auch  in  den 
Vurbereitungttklassen  wurden  die  Combinationen  beseitigt,  der  Anfang 
des  lat.  Unterrichts  nach  VI*,  des  französischen  in  die  letzte  Real- 
klasse verlegt.  Am  18.  Febr.  1856  wurde  die  Errichtung  einer  4n  Real- 
klasse beschlossen.  Die  Schulerzahl  betrug  Ostern  1856  352  (I  21, 
II  26,  lli-  30,  Sei.  u.  III»»  34,  IV«  41,  IV»>  41,  V  36,  V»»3I,  VI*  39, 
VI»>  24,  VII  29).  Zur  Universität  wurden  Mich.  1855  3,  Ostern  1856 
3  entlassen.  Den  Schulnachrichten  ist  vorausgestellt  die  Abhandlung 
von  Prof.  Dr  C.  Prien:  Beiträge  zur  Kritik  von  j4e§ehylu§  Sieben 
vor  Theben  v.  350—663  (42  S.  4).  Des  Hm  Vf.  Studien  sind  zu  hin- 
länglich bekannt,  als  dasz  wir  ein  Wort  zu  sagen  brauchten,  um  auf 
die  vorliegende  Arbeit  aufmerksam  zu  machen,  die,  wie  wir  hoffen,  ge- 
wis  bald  von  kundigen  öffentliche  Berücksichtigung  erfahren  wird. 

R.  D, 

LÜNEBURG.]  Im  Lehrercollegiura  des  dasigen  Johanneums  war  im 
Schuliahre  Ostern  1855  —  56  keine  Veränderung  vorgegangen,  sondern 
nur  der  Collaborator  Dr  Mo  bring  zum  Conrector  ernannt  worden. 
Erst  am  Schlüsse  schied  Dr  Muller,  einem  Rufe  an  das  Lycenm  in 
Hannover  folgend.  Die  Schulerzahl  betrug  am  3.  Decbr.  1855  348,  im 
Gymnasium  243  (I  20,  II  22,  III  37,  IV  27,  V  52,  VI  38,  VII  47),  in 
der  Realschule  105  (I  17,  II  27,  III  61).  Zur  Universität  ^iengen 
1855  8,  Ostern  1856  9.  Die  Abhandlung  im  Programme  schrieb  Dr 
Alb.  Müller:  Die  Mcenische  Einrichtung  in  den  Achamem  des  Aristo- 
.phanes  (10  S.  4).  Durch  eingehendes  Studium  der  einschlagenden  Lit- 
teratur,  scharfsinnige  Prüfung  des  Dichterwerkes  selbst  und  genaue 
Einsicht  in  das  Wesen  des  Drama  ist  es  dem  Hrn  Vf.,  wie  dem  Ref. 
scheint,  gelangen,  die  schwierige  Frage  ihrer  Losung  zuzuführen.  Das 
Fundament  bildet  die  Untersuchung,  ob  der  Dichter  das  Stück  an  Einern 
Orte  oder  verschiedene  Theile  an  verschiedenen  Orten  spielend  gedacht 
habe.  Die  Ansicht  des  Hrn  Verf.,  dasz  zuerst  die  Orchestra  die  ayoga, 
das  Logeion  die  nvv^  vorgestellt  habe  und  das  athenische  Volk  durch 
die  24  Choreuten,  die  dann  Vs  173—204  hinlänglich  Zeit  zum  umklei- 
den gehabt,  repraesentiert  worden  sei,  hat  wol  nach  dem  Dichter  selbst 
und  seinen  Tendenzen  die  gröste  Wahrscheinlichkeit;  eben  so  überzeu- 
gend wird  aber  auch  dargethan,  daaz  v.  237—625  auf  dem  Lande,  das 
übrige  Stück  dann  wieder  in  der  Stadt  spiele.  Wenn  endlich  in  der 
Decoration  der  Scenenwand  drei  Haaser  angenommen  werden,  links  von 
den  Zuschauern  das  Landhaus  des  Dikaeopolis,  in  der  Mitte  das  des  Bn- 
ripides,  rechts  das  des  Lamachos,  so  hat  auch  dies  viel  wahrschein- 
liches, indes  lieszen  sich  wol  noch  manche  Bedenken  erheben,  nament- 
lich das,  ob  es  dem  Publicum  mehr  zugemuthet  hiesz,  3  Häuser,  weit 
von  einander  räumlich  entlegen,  dennoch  neben  einander  fortwährend 
vor  den  Aogen  stehend  zn  haben,  oder  bei  Verwandlung  der  Scena 

43* 


606  BerioWe  aber  gelehrte  AnstaUeD,  Verordnungen,  ttatisl.  Notisett. 

(die  der  Phantasie  durch  blosse  Andentangen  ermöglicht  und  durch 
blosze  Unidrehnng  der  Periakten  erleichtert  wurde)  das  nur  än^ter- 
Jich  nicht  reränderte  Haus  als  ein  anderes  zu  denken.  Uns  scheint 
das  letztere  angemessener  und  es  wird  dabei  auch  der  Ton  dem  Hrn 
Vf.  selbst  gegen  seine  Ansicht  erhobene  Binwand,  dasz  Dikaeapolis  von 
dem  Protagonisten  dargestellt  worden  sei,  diesem  aber  der  Regel  nach 
die  mittlere  Thur  zugewiesen  war,  beseitigt.  A.  D. 

Magdeburg].  Das  Lehrercollegium  des  Paedagogiums  zum  Kloster 
u.  1.  Fr.  bestand,  nachdem  Prof.  Dr  Schwalbe  zur  Uebernahme 
des  Directotats  am  Gymn.  in  Eis  leben  und  der  Lehrer  Dr  Eiselen 
zum  Antritt  eines  Pfarramts  ausgeschieden,  der  Oberlehrer  Dr  G.  A. 
Kloppe  am  9.  Aug.  1855,  der  le  Hulfslehrer  Dr  K.  Krdr.  Acker- 
mann am  22.  Aug.  dess.  Jahres  gestorben,  die  erledigten  Lehrsleilen 
aber  durch  Berufungen  wieder  ersetzt  waren,  aus  dem  Dir.  Prof.  Dr 
>luller,  den  ConTentualen  Proff.  Hennige,  Dr  Hasse  und  Michae- 
lis (neu  ernannt),  dem  Oberlehrer  Dr  Keldhugel  (vom  Gymn.  in 
Zeitz  berufen),  den  CuUegen  Dr  Schmidt,  Dr  Götze,  Dr  Deuschle 
(▼orher  am  Gymn.  zu  Hanau),  Dr  Krause,  Dr  Leitzmann,  Dr  Dan- 
neil, Dr  Arndt,  Banse,  den  Hfilfslehrern  Dr  Steinhart  (neu  an* 
festeilt),  provisor.  Cand.  Ortmann  und  Friedemann,  Gesanglehrer 
! hrl ich,  Zeichenlehrer  T.  Hopffgarten  und  Probecandidat  Dr  Born. 
Die  Schulerzahl  betrug  Ostern  1856  441  (T  25,  II  40,  III«  26,  IIP  41, 
IV*  34,  IV»»  58,  V«  54,  V»>  51,  VI*  68,  VP  44).  Abiturienten  waren 
Ostern  1855  5,  Mich.  6,  Ostern  1836  6.  Die  Abhandlung  schrieb  Ober- 
lehrer Dr  Götze:  einige  Bemerkungen  zum  geographi§chen  Unter- 
richte  (26  S.  8).  Dieselbe  ist  von  christlichem  Geiste  und  Erkenntnis 
getragen  und  beruht  auf  klarem  und  scharfem  denken,  so  wie  eifrigen 
und  sorgfältigen  Studien.  Sehr  richtig  bespricht  der  Hr  Vf.  in  der 
Einleitung  die  wissenschaftliche  Aufgabe,  welche  die  Geographie  zn 
lösen  hat  (es  versteht  sich,  dasz  der  Hr  Vf.  dem  Gymnasinm  nur  die 
Vorbereitung  dafür  zutheilt),  indes  können  wir  nicht  bergen,  dasz  mit 
den  Worten :  ^nachzuweisen,  wie  sich  die  von  Gott  eingesetzten  Herren 
der  Erde  zn  ihr  verhalten'  leicht  schiefe  und  zu  enge  Vorstellungen 
sich  verbinden  können.  Abgesehen  davon ,  dasz  mit  'die  Herren'  aas 
Menschengeschlecht  nicht  gut  bezeichnet  ist  und  '  sich  verhalten '  auch 
biosz  psychologische  Stimmungen  und  daraus  hervorgehende  Handlun- 
gen bedeuten  kann,  fordert  der  Name  Geographie,  wenn  er  anders 
beibehalten  werden  soll,  dasz  die  Erde  immer  als  das  Object  voran 
gestellt  werde,  wenn  schon  ein  wirkliches  Verhältnis  ohne  Wechsel- 
seitigkeit unmöglich  ist.  Wir  würden  daher  lieber  sagen:  das  Ver- 
hältnis nachzuweisen,  in  welchem  die  von  Gott  geschaffene  und  in  ihrer 
Gestaltung  gelenkte  Erde  zn  dem  Menschen,  der  zu  ihrem  Herren  be- 
stimmt ist,  steht.  Darüber,  wie  die  Geographie  als  geistbildendes 
Element  gelehrt  und  wie  sie  mit  dem  gesamten  Kreise  des  Gymna- 
siums in  Znsammenhang  gebracht  werden  müsse,  wie  ihr  Umfang  und 
ihre  Methode  nach  religiös  sittlichen,  wissenschaftlich  paedagogischen, 
patriotischen  und  aesthetischen  Gesichtspunkten  geregelt,  welche  Hulfs- 
mittel  herbeigezogen  und  wie  sie  selbst  wieder  zum  Mittel  für  anderes 
gemacht  werde,  endlich  wie  der  Unterricht  praktisch  zu  gestalten  und 
zn  vertheilen  sei,  darüber  findet  sich  viel  gutes  und  treffendes  gesagt. 
Dasz  manches  dabei  etwas  ideal  erscheint,  wird  von  dem  nicht  getadelt 
werden,  der  da  weisz,  dasz  stets  der  Lehrer  ein  Ideal  verfolgen  mnsi, 
wenn  er  anders  recht  tüchtig  wirken  will.  Doch  dürfen  wir  uns  einige 
Bemerkungen  erlauben,  so  möchten  wir  zuerst  darauf  aufmerksam  ma- 
chen, dasz  wenn  schon  die  Beschränkung  der  speciellen  Kenntnisse  auf 
die  griechische ,  romische  nnd  deutsche  Welt  princlpiell  gewls  richtig 
ist,  weil  nur  an  den  Landern,  von  welchen  die  Geschichte  tiefer  anfge- 


Berichte  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  Statist.  Notizen.  607 

faszt  und   erkannt  ist,    auch   tiefere  geographische  Bildung  gewonnen 
werden  kann,  dennoch  die  deutsche  Welt  einer  engeren  Beschränkung 
bedarf.     Wollte  man  überhaupt  alle  germanischen  Volker  darunter  ver- 
stehen,  so  würde  man  doch   fast  die  Ausdehnung  auf  die  ganze  Erde 
vornehmen  müssen.    Ueberhaupt  ist  die  Frage  nicht  ganz  zu  erledigen, 
wenn   nicht   erst  eine   andere   allgemeinere  entschieden   wird,   nemiich 
die,    ob    nicht  in  der   obersten  Klasse  der  Unterricht  besser  mit  ein- 
gehender Behandlung  der  alten  Geschichte,  als  mit  der  ausfuhrlicheren 
lind  specieÜeren  Uebersicht  über   die  mittlere  und    neuere  abschliesze. 
Wie  jetzt  die  Einrichtungen  meistens  bestehen,  konnte  der  Hr  Vf.  nicht 
anders  urteilen,  als  wie  er  seine  Ansicht  aufgestellt  hat,  uns  aber  will 
es    bedünken ,   als   konnten   die   tieferen  Aufgaben   des   geographischen 
Unterrichts  am  besten  an  den  beschränkteren  Gebieten  Griechenlands 
und  Roms  gelöst  werden,    während  Deutschland  immer  ein  schwieriger 
zu   übersehendes  Gebiet   bildet.     Eine  zweite  Bemerkung  bezieht  sich 
auf  die  Methode,  in  welcher  der  Hr  Vf.   auf  das  Gedächtnis  einen  za 
geringen  Werth  zu  legen  scheint.     Das  Gedächtnis  ist  die  Handhabe 
für  den  Geist.     Die  Bildung  von  Anschauungen  kann   nicht  ohne  das- 
selbe erfolgen,  und  Ref.  ist  überzeugt,  dasz   man   für  die  Geographie 
eben  so  sehr  ein   bestimmtes  Gedächtniswissen  fordern   miisz,  wie  für 
die  Geschichte,  wenn  anders  tiefere  Auffassung  stattfinden  soll.     Nach 
meiner  Erfahrung  habe  ich  gerade  den  geographischen  Stoff  als  höchst 
geeignet  zur  Gedächtnisübung  gefunden,  weil   die  räumlichen  Verhält- 
nisse eben  so  zwingend  auf  den  Geist  einwirken,  wie  die  Erhebung  des 
aufgenommenen  Stoffes  zur   Anschauung  vermitteln.      Die   Geographie 
hat    in  dieser  Hinsicht   mit   der  Mathematik  viele  Aehnlichkeit.     An- 
schauung ist  freilich  das,    worum    sich    die  Methode    des   geographi- 
schen  Unterrichts  dreht,   wir    glauben    aber,    dasz  gerade    hierin  ein 
vernünftiges  Masz   der  Forderungen  einzuhalten   ist.    Selbst  die  deut- 
lichste  und   lebendigste  Beschreibung  vermag   nicht  ein   der  Wirklich- 
keit entsprechendes  Bild  der  Seele  zu  geben,  und  selbst  ein  gutes  Bild 
in  die  Wirklichkeit   umzusetzen,  gelingt   nur  wenigen.    Man  hat  also 
in  dieser  Hinsicht  jungen  Leuten,  die  noch  wenig  wirklich  gesehen  und 
noch  an  wenigem  sich  geübt  haben,  gewis  in  dieser  Hinsicht  nur  wenig 
zuzumuten,    um   so   mehr  aber  Vorsicht  zu  beobachten,    als   die   Phan- 
tasie  nur  zu  leicht  falsche  Bilder  aufnimmt ,  die  dann  nicht  so  leicht 
zu  beseitigen  sind.     Um  nicht   zu  weitläufig  zu  werden,  begnügen  wir 
ans  mit  Aufstellung  der  Sätze:   1)   Die   nächste  Aufgabe,   welche  der 
geographische  Unterricht  lösen   musz   und   kann,    ist  Orientierung  auf 
und   mitteist  der  Karte :   das  Bild    der   Karte   musz   der  Seele  so  fest 
eingeprägt  werden,   dasz  der  Schüler  sich  stets  die  Lage  zweier  Orte 
zu  einander  nach  den  Himmelsgegenden,  die  Umrisse  eines  Landes,  die 
Ausdehnung  eines  Gebirges,   die  Richtung  der  Ströme  usw.  vergegen- 
wärtigen kann.    2)  Weiter  ist  Anschauung  dadurch  zu  vermitteln,  dasz 
der  Schüler  von  dem  wirklich  angeschauten,  also  zunächst  in  der  Hei- 
mat vorhandenen,  auf  ähnliches  zu  schlieszen  angeleitet  werde.    3)  Bil- 
der sind  oft  zu  benutzen«   aber  auch  durch  Erklärung  die  Anschauung 
der  Wirklichkeit  näher  zu  bringen.     Zur  Erläuterung    füge    ich    nur 
hinzu,  dasz,  werden  Harz  gesehen,   deshalb  noch  nicht  im  Stande  ist 
sich  die  Alpen  zu  denken,  wer  mit  der  Magdeburger  Ebene  bekannt, 
daraus  noch  nicht  ein  Bild  einer  Steppe  sich  entwerfen  kann;  ein  deut- 
scher Wald   ist    von  einem    amerikanischen  Urwald   weit  verschieden. 
Das  höchste,  was  man  dem  Schüler  zumuten  kann,  ist,  das  angeschaute 
in  veränderter  Gestalt  oder  in  anderem  Massstabe  zu  denken,  wodurch 
man  dahin  gelangt ,  auch   das  Bild  in   die  Wirklichkeit  sich    umsetzen 
zu  lernen.     Für  die  Anschauung  halte  ich   nun  aber  gerade  etwas  für 
wichtig ,  was  dem  Hrn  Vf.  nicht  so  gefällt,  die  klare  und  praecise  De- 


606  Beriehle  ttber  gelehrle  Anstalten,  Verordnongen,  tUtitt.  Noiiseii. 

finition,  freilicYi  niclity  wenn  sie  far  den  Schüler  nur  Worte  enthalt, 
fondem  wenn  sie  eben  ein  Mittel  ist,  mittelst  des  begriffenen  und  be- 
haltenen Wortes  sich  eine  Anschauung  xnruckzarnfen.  Wenn  endlich 
der  Hr  Vf.  den  Zeichenunterricht  zum  Kartenzeichnen  herbeigezogen 
wissen  will,  so  können  wir  dem  nicht  beistimaien  7  einmal  weil  Karten 
nicht  zu  den  eigentlichen  Werken  der  bildenden  Kunst  gehören  und  an 
ihnen  wol  Grenauigkeit  und  Sauberkeit,  nicht  aber  die  Auffassung  eines 
Gegenstandes  im  Bride  geübt  werden  kann,  also  ihr  zeichnen  dem  Zwecke 
des  Zeichenunterrichts  nicht  entspricht,  sodann  weil  nicht  sowoi  die 
Ausführung  der  Karte  als  vielmehr  ihre  Einpragung  und  Gestaltung 
zum  Bilde  der  Wirklichkeit  in  der  Vorstellung  für  den  geographischen 
Unterricht  Werth  hat,  weshalb  wir  auch  augenblicklichen  Zeichnungen 
kl  der  Stunde,  mögen  sie  selbst  carrtcaturartig  ausfallen,  dennoch  einen 
Platz  nicht  versagen  mögeA.  Nur  der  hat  eine  sichere  Auffassung,  der 
im  Stande  ist,  das  Bild  der  Karte  ana  dem  Kopfe  ohne  bedeutende  Feh- 
ler in  den  Ränmiichkeitsverhältnissen  wiederzugeben.  Vielleicht  sind 
diese  wenigen  Bemerkungen  dem  Hm  Vf.,  dem  wir  unsere  vollste  Ach- 
tung versichern,  einiger  Beachtung  werth.  R,  D. 

Meisz^n.]  Laut  des  zum  3.  Juli  dieses  Jahres  ausgegebenen  Jahres- 
berichts hatte  die  königi.  Landesschule  im  Lehrercollegium  keine  Per- 
sonalveränderung erfahren.  Zur  Universität  giengen  Mich.  1865  8, 
Ostern  1856  6.  Der  Coetus  zählte  l48  (I  34,  II  38,  III  32,  IV«  35, 
IV b  9),  131  Alumn<^n  und  17  Extraneer.  Die  Abhandlung  im  Programme 
vom  Prof.  Dr  Hofmann:  über  den  Berg  Galilaea  (Matth,  28  16),  ein 
Beitrag  zur  Harmonie  der  evangeliichen  Berichte  von  den  Ertehei- 
nungcn  dei  Aufergtandenen  (37  S.  4)  nimmt  die  von  Soarius  (f  1580), 
dann  von  Harduin  und  Heumann  (1740)  aufgestellte,  seitdem  aber 
in  Vergessenheit  gerathene  Hypothese,  dasz  der  nördliche  von  den  drei 
Gipfein  des  Oelberges,  über  welchen  der  Weg  nach  Galiläa  führte  und 
woselbst  die  nach  Jerusalem  zu  den  Festen  reisenden  Galiläer  ihre  Her- 
berge hatten,  den  Namen  Galilaea  gefuhrt,  wieder  auf  und  bringt  für 
dieselbe  mit  Gelehrsamkeit  und  Scharfsinn  solche  Begründung  bei,  dasz 
ihre  Wahrheit  viel  evidenter  als  früher  erscheint.  Wie  viel  durch  die- 
selbe für  die  Uebereinstimmung  der  evangelischen  Berichte  und  gegen 
die  den  Mangel  daran  als  ihre  Haoptwaffe  fuhrende  destruierende  Kritik 
gewonnen  werde,  kann  kundigen  nicht  entgehen.  R,  D. 

Meran.]  Das  k.  k.  Gymnasium  hatte  im  Schuljahre  1855 — 56  im 
Lehrerpersonale  keine  Veränderung  erfahren.  Die  Schälerzahl  betrug 
am  Schlüsse  161  (I  31,  11  25,  III  21,  IV  20,  V  20,  VI  11,  VU  22, 
VITI  11).  Die  Maturitätsprüfung  hatten  im  J.  1855  12  bestanden.  Die 
den  Schnlnachrichten  vorausgestellte  Abhandlung  (der  Vf.  ist  nicht  ge- 
nannt, am  Schlüsse  steht  ein  X):  wie  konnten  die  griechiMchen  Kirchen^ 
lehrer  Gymnasiallehrer  werden  (6  S.  4)  ist  zwar  recht  gut  gemeint, 
stellt  auch  keineswegs  die  Sache  auf  die  Spitze  —  vielmehr  sollen  Ab- 
schnitte aus  den  griechischen  Kirchenvätern  als  Belohnung  mit  fleiszigen 
Schülern  gelesen  werden,  indes  kann  in  solcher  Kürze  unmöglich  ein 
überzeugendes  Resultat  gewonnen  und  begründet  werden;  am  wenig- 
sten aber  läszt  aich  so  die  Krage,  ob  denn  wirklich  einzelne  Kirchen- 
väter an  Eleganz  der  Sprache  und  des  Stils  den  alten  Klassikern  nicht 
nachstehen,  leicht  abthun.  Der  Hauptpunkt,  dasz  griechisch  zu  keinem 
andern  Zwecke  gelehrt  wird,  als  um  in  die  griechische  Geistesbildung 
einzuführen,  ist  nicht  berührt.  R.  D. 

MuHLHAUSEif.]  Das  hiesige  Gymnasium  hatte  im  Schuljahre  Ostern 
1855—  56  im  Lehrercollegium  keine  Veränderung  erfahren.  Die  Schü- 
lerzahl betrug  am  Schlüsse  WO  (I  12,  II  9,  III  20,  IV  32,  V  37).  Abi- 
turieiiten  waren  6.  Als  auf  etwas  interessantes  machen  wir  auf  die  in 
den  Schulnachrichten  S.  15  f.  in  einer  Note  gegebene  Mittheilung  darüber 


B^ricble  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  Statist.  Notizen.  609 

aufmerksam,  wie  die  Programme  in  der  Gymnasialbibliothek  geordnet 
und  zusammengebunden  werden.  Dem  Programme  beigegeben  ist  die 
Abhandlung  über  die  thucydideißche  Beschreibung-  der  Belagerung  von 
Syracus  im  2n  sicilischen  Kriege  (Thuc.  VI  94 — VII  7)  nebst  einer 
lithographierten  Plankarte  Tom  Collab.  Herrn.  Meinshan8en(llS.  4). 
Dieselbe  ist  eine  klare  und  anschauliche  Erläuterung,  welche  wir  Leh- 
rern und  Schulern  zur  Benutzung  bei  der  Lecture  bestens  empfehlen 
können.  R.  D, 

Herzogthum  Nassau.]  Durch  eine  Verordnung  v.  22.  Marx  1856 
wurde  an  den  humanistischen  Gymnasien  des  Landds  die  Zahl  der  Klas- 
sen von  8  auf  7  reduciert.  Die  5  untern  Klassen  (Septima  —  Tertia) 
haben  einjährigen,  die  beiden  obersten  (Secunda  und  Prima)  zweijäh- 
rigen Cursus.  Steigt  die  Zahl  der  Schüler  in  den  letzteren  Klassen  auf 
mehr  als  40,  so  soll  Theilung  in  2  Coetus  gestattet  sein.  AusnahmS' 
weise  kann  ausgezeichnet  beföhigten  Schulern  das  aufrucken  aus  Se- 
cunda schon  nach  einem  Jahre,  wenn  sie  das  Klassenpensum  absolTiert, 
gestattet  werden.  Personalveräuderungen  waren  an  den  Gymnasien 
iulgcnde  eingetreten:  von  Wiesbaden  wurde  Ostern  1855  der  Colla- 
borntor  Bogler  nach  Hadamar  versetzt,  dagegen  Mich.  des«.  J.  der 
nach  der  Klassenreduction  in  Hadamar  überflussig  gewordene,  einst- 
weilen an  der  Realschule  in  Höchst  verwendete  Candidat  Biehl  ange- 
stellt. Vom  Gymnasium  zu  Hadamar  war  auszer  dem  eben  erwähn- 
ten Aushülfälehrer  in  derselben  Zeit  auch  der  Cand.  Brandscheid 
ausgeschieden,  ferner  im  Jan.  1866  der  Professor  C.  Müller  zur  pro- 
visorischen Versehung  des  Referats  in  Schulsachen  nach  Wiesbaden 
berufen.  Dagegen  wurden  auszer  dem  erwähnten  Collaborator  Bogler 
der  Cand.  Ge.  Krebs  angestellt,  auch  der  vormalige  Seminardirector 
Bellinger  rehabilitiert  und  zum  Professor  am  Gymnasium  ernannt. 
Die  Schülerzahlen  betrugen : 


I 

n 

III 

IV 

V 

VI 

Vit 

Sa. 

Abit.  Ost 

Wiesbaden 

14 

19 

26 

21 

12 

31 

20 

143 

7 

Weilburg 

14 

35 

14 

10 

19 

17 

18 

127 

2 

Hadamar 

22 

19 

18 

20 

19 

22 

16 

136 

12. 

Am  Paedagogium  zu  Dillingen,  das  im  Lehrerpersonal  keine  Verän- 
derung erfahren  hatte,  betrug  die  Schülerzahl  36  (T  6,  II  10,  III  12, 
IV  8).  Zur  Vergleichung  stellen  wir  die  Schülerzahl  des  Realgym- 
nasiums in  Wiesbaden  bei:  158  (incl.  5  Hospitanten),  nemiich  Vfl 
25,  VI  36,  V  33,  IV  19,  III  25,  II  7,  I  8.  Die  den  Programmen  befge- 
gebenen  Abhandlungen  sind:  1)  Gymnasium  in  Wiesbaden  vom  Dir. 
Oberschulr.  K.  W.  Lex:  Elternhaus  und  Schule  (19  S.  4).  Diese 
Abhandlung  macht  keinen  Anspruch  darauf  etwas  neues  zu  bieten,  ist 
aber  eine  wolgemeinte  und  klare  Darstellung  des  allgemeinen,  was  die 
Schule  vom  Hause  fordern  musz  und  kann.  Ref.  glaubt,  dasz  man  zwei 
Klassen  von  Aeltern  unterscheiden  musz,  solche,  welche  aus  eigener  Ver- 
kommenheit die  Erziehung  vernachlässigen  und  sich  an  den  Kindern  ver- 
sündigen und  solche,  welche  bei  gutem  Willen  aus  Schwäche  und  Man- 
;el  an  Rinsicht  fehlen.  Den  erstej*en  gilt  es  mit  apostolischer  Kraft 
las  Gericht  vorzuhalten  und  sie  zur  Busze  zu  treiben;  die  anderen  aber 
müssen  belehrt  und  unterwiesen  werden.  Man  wird  die  letzteren  mit 
den  allgemeinen  Grundsätzen,  welche  man  ihnen  vorhält,  sehr  leicht 
und  mit  voller  Ueberzeugung  einverstanden  finden,  aber  in  der  Anwen- 
dung und  Ausführung  dennoch  dieselben  geradezu  ins  Gesicht  schlagen 
sehen.  Für  sie  ist  Belehrung  über  die  Polgen  jeder  einzelnen  unbe- 
deutend und  einfluszlos  scheinenden  Maszregel  nothwendig.  2)  Gym- 
nasium zu  Weilburg  vom  Prof.  Krebs:  eommentatio  de  posteriore  parte 
reliquiarum  libri  ociavi  bibliothecae  historicae  Diodori  Sieuli  (17  S.  4). 
Der  Hr  Vf.,  der  schon  durch  die  lectiones  Diodoreae  seine  Befähigung 


dl 


610   Berichle  über  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  statisl.  Natiieo 

hinlänglich  bewiesen,  bebandelt  hier  die  Excerpte  des  8a  Buches  Tom 
c,  46  ed.  Bekk.  an.  Er  sncht  überall  die  Stelle  nachzuweisen,  an 
welcher  Diodor  das  im  Excerpte  enthaltene  geschrieben  habe,  sowie 
das  Verhältnis  zu  den  Ueberliefernngen  anderer,  wodnrch  er  meisten- 
theils  auf  die  Quelle  geleitet  wird,  aus  der  Diodor  ceschopft.  Die  ein- 
zelnen Excerpte  scheinen  allerdings  an  manchen  Stellen  noch  der  Emen- 
datiun  oder  doch  wenigstens  sprachlicher  Erläuterung  zu  bedürfen.  Der 
Hr  Vf.  hat  sich  meistentheils  mit  den  Verbesserungen  Dindorfs  be- 
gnügt; die  sachliche  Erörterung  ist  ihm  die  Hauptsache  und  dabei  hat 
er  denn  auch  für  viele  Ereignisse  der  alten  Geschichte  recht  werth- 
volle  Beiträge  geliefert.  Interessant  ist  die  Conjectur,  dasz  bei  Cic^ 
de  rep.  II  14,  wo  die  Zahl  der  Regierungsjahre  des  Numa  angegeben 
wird,  unetquadraginta  zu  lesen,  für  welches  der  Hr  Vf.  freilich  kein 
Beispiel,  wol  aber  die  Analogie  von  unetvicesimuM  und  unetoicesimanuM 
nachweist.  3)  Gymnasium  zu  Hadamar  vom  Collab.  H.  Coiombei: 
vita  M.  Rhahani  Mauri,  primi  Germaniae  praeceptoris  (17  S.  4,  zum 
Theil  sehr  kleinen  Druckes).  Die  Lebensbeschreibung  ist  für  die  Schu- 
ler bestimmt,  um  von  dem  Manne,  dessen  1000 jähriger  Gedächtnistag 
(er  starb  6n  Febr.  856)  kurz  vorher  gefeiert  worden  war,  ein  zu 
ernstem  Streben  anregendes  Bild  zu  geben.  Man  kann  nfcht  anders 
sagen,  als  dasz  dem  Vf.  seine  Absicht  recht  wol  gelungen,  obgleich  man 
wol  an  manchen  Stellen  gegen  das  Latein  von  Seiten  des  strengen  Pu- 
rismus Einwand  erheben  und  in  Bezug  auf  einige  Thatsachen  schärfere 
kritische  Prüfung  der  Zeugnisse  wünschen  mochte.  Wir  haben  des 
Hrabanus  Werke  nicht  zur  Hand,  und  sind  daher  nicht  im  Stande  zu 
beurteilen,  ob  die  aus  ihnen  angeführten  Stellen  genau  mit  dem  Urtexte 
stimmen  7  keinesfalls  aber  hätten  Verse  wie  carmina  nempe  tua  dico 
meliora  Moronis  uder  Ethicac  monitii  et  sophiae  studiis  und  Scribendi 
ingratum  non  apernaa^  posco,  laborcm,  an  welcher  Stelle  eine  Emen- 
dation  uns  unbedingt  nothwendig  erscheint,  Schülern  vorgelegt  werden 
sollen  ohne  eine  Bemerkung ;  denn  sie  werden  gar  zu  leicht  über  den 
Urheber  absprechen.  4)  Realgymnasium  zu  Wiesbaden  v.  Conr.  Dr  C  as- 
sei  m  a  n  n :  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Oxydchloride  (20  S.  4).     A.  D, 

Nkustreutz].  Da  im  J.  1806  das  Schulhaus  zu  Neustrelitz  ein- 
geweiht worden  war  und  die  Errichtung  und  Vollendung  dieses  Gebän- 
des  einen  wichtigen  Abschnitt  in  der  Geschichte  des  dortigen  Schul- 
wesens bildet,  so  hat  der  Director  des  dasigen  Gymnasium  Carolinum, 
Schulrath  Dr  K.  Herm.  Rättig  zu  der  deshalb  veranstalteten  Saecu- 
larfeier  eingeladen  mittelst  einer  Schrift:  zur  Geschichte  der  Organi- 
sation des  Neustrelitzcr  Schulwesens  vom  J.  1795  — 1838  (58  S.  4). 
Die  Geschichte  einer  einzelnen  Schule  oder  eines  auf  engern  Raum  be- 
grenzten Schulwesens  hat  ein  hohes  Interesse,  weil  nicht  allein  von 
einer  solchen  Anstalt  ein  bedeutender  Theil  des  Lebens  und  seiner  re- 
ligiösen und  sittlichen  Gestaltung  abhängt,  ihre  Geschichte  also  eine 
wichtige  Seite  der  Culturgeschichte  ist,  sondern  auch  innerhalb  leich- 
ter übersehbarer  Grenzen  die  zur  gedeihlichen  Entwickelung  eines 
organischen  ganzen  nothwendigen  Bedingungen  aufgezeigt  und  dadurch 
eben  so  ernste  Warnungen,  wie  ermutigende  Beispiele  und  gründliche 
Belehrungen  geboten  werden.  Wer  aus  der  vorliegenden  Schrift  den 
Zustand  kennen  lernt,  in  welchem  sich  das  Schulwesen  der  Residenz- 
stadt Neustrelitz  vor  1795  befand,  der  wird  in  der  That  erschrecken, 
aber  auch  bedächtig  erkennen,  wie  der  früheren  Zeit  angemessene  In- 
stitutionen mit  dem  schwinden  des  sie  tragenden  Geistes  und  der  Ver- 
änderung der  äuszeren  Bedingungen  nothwendig  in  ihr  Gegentheil  um- 
schlagen müssen.  Um  so  ermutigenderen  Eindruck  dagegen  macht  die 
Wahrnehmung,  wie  redlicher  Eifer  auch  unüberst^figliche  Schwierig- 
keiten be&iegt,  während  belehrend  die  Erkenntnis  dazu  tritt,  dasz  lang- 


Berichia  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnangen,  etatist.  Nottsen.  611 

same  Entwicklung  viel  bessere  und  danerndere  Resultate  liefert,  als 
rasches  eingreifen  and  umgestalten.  Es  ist  für  den  Ref.  besonders  in- 
teressant gewesen ,  den  idealistischen  Ansichten  so  vieler  gegenüber, 
aus  der  Schrift  die  Ueberzeugung  za  entnehmen,  wie  gesetzliche  Be- 
stimmung, auch  selbst  beim  Vorhandensein  des  besten  Geistes,  nicht 
etwa  nur  zur  Abwehr  falscher  Richtungen,  sondern  auch  zur  Kräfti- 
gung des  guten ,  als  nothwendiges  Bedürfnis  sich  herausstellt  und  wie 
sie,  unter  vernünftiger  Berücksichtigung  der  individuellen  Freiheit  ent- 
worfen und  mit  weiser  Mäszigung  gehandhabt,  nur  vortbeiihaft  wirken 
kann.  Man  wird  zwar  finden,  dasz  das  Schulwesen  von  Neustrelitz 
ziemlich  alle  die  Phasen  durchgemacht  hat,  weiche  das  deutsche  Schul- 
wesen überhaupt  durchlaufen,  aber  auch  erkennen,  dasz  manches 
dort  bereits  früher  in  klarer  Bestimmtheit  erkannt  wurde,  worü- 
ber man  anderwärts  erst  durch  bittere  Erfahrung  ins  reine  karo^ 
obgleich  man  dabei  nie  vergessen  darf,  dasz  man  nirgends  leichter 
über  die  allgemeinen  Grundsätze  einverstanden  ist,  dagegen  aber  auch 
nirgends  in  ihrer  Ausführung  leichter  irre  greift,  als  auf  dem  Gebiete 
der  Paedagogik.  Es  ist  beachtenswerth ,  dasz  im  Jahre  1820  dort  der 
Grundsatz  festgehalten  ward:  'da  in  einem  christlichen  Staate  der 
Zweck  aller  Bildungsanstalten  nur  die  Pflege  christlicher  Erkenntnis 
und  Gesinnung  sein  darf,  so  wird  auch  dem  Gymnasium  Carolinum 
dieses  Ziel  bestinynt  und  ausdrucklich  angewiesen'  (S.  37),  ein  Beweis, 
dasz  den  Gymnasien  selbst  in  der  Zeit,  wo  das  christliche  Leben  sehr 
darniederlag  (dasz  dies  auch  dort  der  Fall  gewesen,  beweist  das 
S.  40  f.  beigebrachte),  dennoch  durch  Gottes  Gnade  das  Bewustsein 
nicht  schwand  von  dem  christlichen  Wesen  der  Schulen.  Bedeutsam 
ist  ferner  die  entschiedene  Aufstellung  von  Grundsätzen,  wie  (S.  33): 
'soll  keine  Ueberbildung  stattfinden,  sollen  keine  Treibhauspflanzen 
hervorgebracht  werden,  so  musz  die  Schule  der  Universität  nicht  vor- 
greifen. Die  Zeit  reicht  nicht  hin  zur  Erwerbung  gründlicher  Schul- 
kenntnisse, wenn  man  über  die  Grenze  hinausgreift;  es  setzt  aber 
auch  auszerdem  der  Unterricht  in  der  Philosophie,  in  der  Geschichte 
nach  höheren  Gesichtspunkten  usw.,  wenn  er  gedeihen  soll,  nicht  nur 
gründliche  Schulkenntnisse  voraus,  sondern  auch  eine  Reife  des  Alters 
und  der  Erfahrung,  welche  der  Schüler  weder  haben  kann  noch  soll. 
Wir  wollen,  dasz  sich  unser  Gymnasium  weise  beschränke  und  statt  in 
vielem  wenig  zu  leisten,  in  den  Zweigen  des  Wissens,  die  wir  bezeich- 
nen werden,  einen  gründlichen,  die  fernere  Ausbildung  kräftig  unter- 
stützenden Unterricht  ertheile',  und:  'gründliche  Belehrung  in  der 
Muttersprache,  den  alten  Sprachen  und  der  Mathematik  ist  das  we- 
sentlichste Bedürfnis  für  den  künftigen  gelehrten,  es  wird  aber  auch 
zugleich  durch  einen  Unterricht,  welcher  Ernst  und  Anstrengung  er- 
fordert, dem  Charakter  des  Schülers  eine  Haltung  gegeben,  die  ihn 
durchs  Leben  vor  allen  Verirrungen  der  flachen  Vielwisserei  bewahrt.' 
Die  mitgetheilten  Rescripte  und  Expositionen  bringen  durch  die  weise 
Einsicht  und  die  das  Herz  ergreifende  Sprache  einen  trefflichen  Ein- 
druck hervor.  Man  wird  endlich  gewis  mit  dankbarer  Anerkennung 
das  landesviterliche  Wohlwollen  für  die  Schulen  ehren,  welches  die 
beiden  Groszherzoge  Carl  Ludwig  Friedrich  und  Georg  so 
thäti^  bewiesen,  man  wird  den  lebendigen  Eifer  eines  v.  Türk  und 
die  tiefe  Einsicht  des  Ministers  v.  örtzen  würdigen,  man  wird  sich 
durch  die  Bilder  solcher  Schulmänner,  wie  Visbeck,  Hörn,  Siefert, 
Kämpffer  und  Eggert  vielfach  angeregt  fühlen.  Wenn  wir  aber 
so  die  Schrift  wegen  ihres  Inhalts  dringend  empfehlen,  so  verdient  der 
Hr  Vf.  unsern  besten  Dank  für  den  Fleisz,  mit  dem  er  die  Quellen 
durchforscht,  für  die  Umsicht,  mit  der  er  aus  ihnen  das  beste  ausge- 
wählt, für  die  Klarheit  und  Uebersichtiichkeit,  mit  der  er  das  ganze 


&12  Berichte  aber  gelehrte  Anstalteu,  VerordnuDgen,  etaUat.  Noluei. 

dar^restellt  und  su  einem  entsprechenden  Bilde  gestaltet  bei.  SoUea 
\f\r  nach  Recensenten  Art  auch  Ausstellunffen  machen,  so  finden  wir 
deren  nur  zwei:  einmal  scheint  es  uns  als  hätte  hier  and  da  der  Hr 
Vf.  für  das  grösiere  Publicum,  für  das  doch  seine  Schrift  eacb  be- 
rechnet ist,  ausführlichere  und  begründetere  Urteile  geben  aollen. 
Wir  wissen  zwar  die  Objectivität,  welche  die  hingestellte  Tbatseche 
für  sich  reden  und  über  sich  zeugen  läszt,  wol  zu  schätzen,  farcbteo 
aber,  dasz  die  hier  und  da  beigesetzten  Ausrufe-  und  Fragoieichcn 
Ton  manchen  nicht,  ron  anderen  falsch  verstanden  werden.  Zwaitena 
aber  hätten  wir  gewünscht,  dasz  S.  45  mehreres  weggelassen  wäre, 
weil  es  doch  ein  nicht  ganz  angemessenes  Licht  auf  eine  noch  lebende 
und  in  hoher  Achtung  stehende  Person  wirft.  R,  JD. 

NonuH.vusEN.]  Das  Lehrercollegiuni  des  dasigen  Gymnasiums  hatte 
in  dem  Schuljahre  1855  —  56  keine  Veränderung  erlitten,  ausyer  den 
der  Candidat  Reidemeister  nach  Vollendung  seines  Probcdahres  als 
8r  ordentlicher  Lehrer  angestellt  wurde.  Die  Schülerxahl  betrag  275 
(I  18,  11«  20,  !!»>  23,  111  37,  IV  54,  V  60,  Vkl.  63).  Abiturienten 
waren  7.  Den  Schulnacbrichten  vorauf«ges(eIit  ist  vom  Dir.  Dr  K. 
Aug.  8chirlitz:  Fortrag  bei  der  Sn  Saecularfeier  da  aug»kurgtf 
Religion sfricdens  am  25n  Scptbr,  1855  (148.  4).  In  der  ans  den  schon 
verölfentlichten  Reden  des  Hm  Vf.  bekannten  Weise  wird  nach  einer 
übersichtlichen  Kinleitung  über  die  Geschichte  das  Thema  ausgeführt: 
Wie  wir  das  theuer  errungene  Palladium  der  Freiheit  unseres  Glaa- 
bensbekenntni&ses    und    unserer   Religiontigebräuche   anzusehen    haben: 

1)  als  ein  Geschenk ,    für   das    wir  Gott   nicht  genug  danken  konnea; 

2)  als  ein  Kleinod,  dessen  Vertheidigung  und  Erhaltung  uns  über  alles 
gehen  musz;  3)  als  ein  Zeichen,  das  uns  erinnern  soll  die  Einigkeit  sa 
halten  im  Geist  durch  das  Band  des  Friedens.  A.  II. 

Quedli.nuurg].  Von  dem  königl.  G^mna.sium  schied  nach  öOjahriger 
Dienstzeit  Mich.  1K55  der  Prof.  F.  H.  Ihlefeld,  dem  in  den  Ostern 
I8.')6  ausgegebenen  Schulnachrichten  das  ehrenvollste  Zeugnis  nachge- 
rufen wird.  Das  Lehrercollegium  bestand  darauf  aus  dem  Dir.  Prof. 
Richter,  Prorect.  Prof.  Schumann,  Cunrect.  Dr  Schmidt,  Sabr. 
Kallenbach,  den  Oberlehrern  Dr  Matthiae,  Gossrau,  Pfau, 
Pastor  Kichenberg,  Gymnasiallehrer  Schulze,  Ilulfslehr.  Forcke 
(im  Novbr.  18'>5  angestellt,  vorher  Hülfsb»hrer  am  G>mn.  zu  Stendal), 
Schreib-  und  Zeichcnlehr.  Riecke  und  Musikdirector  Wack ermann. 
An  dem  Gymnasium  bestehen  zwei  Realklassen  für  diejenigen,  welche 
Griechisch  nicht  mit  lernen,  doch  hat  nur  die  erste  derselben  4  Stun- 
den (2  Engl.,  2  Franz.)  für  sich,  die  übrigen,  so  wie  die  zweite  alle 
6  durch  Coinbination  mit  der  iiächsthöhern  französischen,  historischen 
rpsp.  naturwissenschaftl.  Klasse.  Die  Schülerzahl  betrug  am  Schlosse 
de.«  Schuljahrs  223  (1  13,  II  27,  Hl  43,  IV  45,  V  49,  VI  46),  Abita- 
rienten  Ostern  5,  Mich.  G.  Das  Programm  enthalt  als  Abhandlung  TOO 
dem  Dir.  Prof.  Frz  VV.  Richter:  die  altßrieclii§che  Tragotdie  und 
das  altgrieehiache  Theaterwcseu  mit  vorzuglicher  RückMieht  auf  dU 
Tragödie  (28  S.  4  mit  einer  lithogr.  Abbildung).  Ks  ist  wnascnens- 
werth,  dasz  die  Schüler  der  Gymnasien  von  den  Einrichtungen  des 
griechischen  Theaterwesens  und  der  Entwicklung,  wie  den  herrorra- 
gendsten  Erscheinungen  der  dramatischen  Gattung  einige  Kenntnisse 
gewinnen.  Ganz  natürlich  wird  sich  in  denen,  welche  Tragikerlesen, 
von  selbst  Verlangen  darnach  regen  und  der  Lehrer  wird  um  so  mehr 
die<«em  nachzukommen  suchen  müssen,  je  mehr  jene  Kenntnisse  die  An- 
srhaunng  zu  fördern  und  das  Interesse  zu  beleben  im  Stande  sind.  Man 
hat  deshalb  an  vielen  Orten  Einleitungen  der  Leetüre  vorangeschickt, 
allein  nicht  selten  die  Erfahrung  gemacht,  dasz  man  damit  der  Lee  tu  re 
verhältnismä-^zig  Tiel  Zeit  entziehe,    weil   schon   die  Aufzeichnung   der 


Berichte  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordniuigen,  statuit.  Notiien.  Qi3^ 

den  Schalem  ganz  fremden  Namen  und  Worte,  noch  mehr  aber  die 
Einprägun^  derselben  nicht  wenig  Muhe  macht.  Dieser  Schwierigkeit 
abzuhelfen  hat  man  rersucht,  den  Schälern  zum  eignen  Stadium  ge- 
druckte Schriften  in  die  Hände  zu  geben.  Wo  ein  Reallexikon,  wie 
das  von  Lubker  herausgegebene,  in  den  Händen  der  Schuler  ist  —  und 
dasz  dies  der  Fall  sei,  ist  gewis  wunschenswerth  —  wird  man  diesel- 
ben an  die  darin  enthaltenen  Artikel  verweisen.  Nach  des  Ref.  Ueber- 
zeugung  sind  in  dem  genannten  Buche  die  Artikel  Theatron  und  Tra- 
eoedie,  abgesehen  von  einzelnem  zweifelhaften,  worüber  man  anderer 
Meinung  sein  kann,  in  einer  Weise  bearbeitet,  dasz  der  Schuler  sia 
mit  genügendem  Gewinne  durcharbeiten  wird.  Gleichwoi  kann  auch 
beim  Vorhandensein  solcher  Hülfsmittei  dennoch  entweder  eine  zusam- 
menhängendere Darstellung  oder  eine  ausführlichere  und  anschaulichere 
Beschreibung  als  Bedürfnis  erscheinen.  Aus  diesem  Bedurfnisse  ist  die 
von  uns  Bd.  LXV  S.  319  besprochene  Schrift  ven  Rothmann:  da» 
Theatergebäude  zu  Athen  hervorgegangen,  ihm  ist  auch  die  vorliegende 
einen  umfassenderen  Zweck  berücksichtigende  Programmenabhandlung 
entsprungen.  Dieselbe  enthält  alles,  was  für  den  Schüler  wissenswerth 
ist,  in  übersichtlicher  Zusammenstellung  und  klarer  Sprache.  Wenn 
schon  der  geehrte  Hr.  Verf.  sich  aller  gelehrten  Citate  enthalten  —  er 
bedauert,  dasz  er  nicht  hier  und  da  die  Stellen  der  Quellen  habe  ab- 
drucken lassen  können,  worin  wir  jedoch  für  den  Schüler  keinen  Nach- 
theil sehen  — ,  so  gibt  doch  die  Schrift  hinlänglich  Zeugnis,  dasz  sie 
aus  sorgfältig  prüfendem  Studium  sowol  der  Quellen,  als  auch  der 
neueren  gelehrten  Kriauterungsschriften  hervorgegangen  ist.  Man  wird 
vielleicht  gegen  die  Charakteristiken  des  Aeschylus,  Sophokles  und  Eu- 
ripides  einv%enden,  dasz  der  Schüler  die  Kenntnis  davon  lieber  aus  eig- 
nem Studium  gewinnen  solle,  allein  es  ist  dies  nicht  möglich,  immerhin 
aber  dem  Schüler,  der  an  einzelnes  zu  gehen  Gelegenheit  hat,  förder> 
lieh,  wenn  er  in  voraus  auf  das  aufmerksam  gemacht  wird,  was  er  bei 
der  Lesung  zu  beachten  hat.  Das  hier  gegebene  geht  nicht  über  seinen 
Kreis  hinaus  und  wird  ihn  nicht  leicht  zum  nachsprechen  fremder  Ur- 
theile  verleiten.  DankcnswertU  ist  die  beigegebene  Abbildung.  Da 
indes  schwerlich  ein  Schüler  sich  leii  ht  in  die  S.  14  f.  aus  Vitruv  von 
dem  Grnndrisz  des  griechischen  Theatergebäudes  gegebene  Constructiou 
zurechtfinden  wird,  so  hätten  wir  die  Beifügung  einer  Zeichnung,  wie 
sie  recht  anschaulich  das  Lübkersche  Reallexikon  gibt,  gewünscht. 
Doch,  abgesehen  von  dieser  Kleinigkeit,  ist  die  Schrift  bestens  zu 
empfehlen.  Ä.  D. 

RatiborJ.  Nachdem  am  königlichen  evangelischen  Gymnasium  der 
interimistische  Director  Pror.  Dr  W.  Passow  zum  Director  definitiv 
ernannt  worden  war,  ruckten  der  Conr.  Kel  1er  in  das  Prorectorat,  die 
übrigen  Lehrer  in  die  nächsten  höheren  Stellen,  in  die  8te  der  vorhe- 
rige Hülfslehrer  Preditjamtscand.  Zand  er  auf.  Der  als  zweiter  Hülfs- 
lehrer  neu  angestellte  Candid.  Schaob  schied  nach  wenigen  Wochen 
wieder  aus,  um  eine  feste  Stellung  an  der  städtischen  Schule  zu  Inow- 
raclaw  zu  übernehmen,  und  wurde  durch  den  das  Probejahr  abhal- 
tenden Candidaten  Dr.  Klemens  ersetzt.  Mich.  1865  gieng  gleichfalls 
der  Hülfslehrer  Schneck  als  Collab.  an  das  kath.  Gymn.  zu  Breslau; 
an  seine  Stelle  trat  der  vorher  an  eben  genannter  Anstalt  beschäftigte 
Cand.  Schreck.  Das  Lehrercollegium  bestand  demnach  Ostern  18J6 
aus  dem  Dir.  Prof.  Dr  Passow,  Pror.  Keller,  Conr.  König,  den 
Oberlehrern  Kelch  und  Pulle,  den  ordentl.  Lehrern  Reichardt, 
Li  Cent,  theo  I.  Storch  (kath.  Religionslehrer),  Kinzel,  Wolff,  Zan- 
der, den  Hülfslehrern  Schreck  and  Dr.  Klemens,  dem  Superint. 
Redlich,  Zeichenlehrer  Schäffer  und  Gesang-  und  Turnlehrer  Lip- 
pelt.   Die  Schülerzahl  betrog  Ende   1865  408  (T  31,  II  60,  III«  42, 


614  Berichte  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  stttiet.  Noiisei. 

ITT»»  39,  IV«  40,  IV»»  36,  V  81,  VI  77).  Abiturienten  waren  Ostern 
1856  7.  I>ie  den  Schulnachrichten  roransgestellte  Abhandlung  des  ord. 
Lehrers  W.  Wolff:  de  formularum  non  (modo)  et  non  modo  non 
—  sed  (eiiam)  et  ne  —  quidem  quaeque  ftmi/es  «tint,  iitti  Cicero- 
fiiano  (24  S.  4)  gewährt  durch  fleiszige  Zusammenstellung  iahlreich«r 
Stellen  aus  Cicero  und  rationeile  Erörterung  des  Gebrauches  Tielea 
Nutsen.  Aber  während  allerdings  mehrfach  der  Gebranch  gut  erläu- 
tert ist,  scheint  doch  an  anderen  Stellen  der  Hr  Verf.  sich  zu  sehr 
die  Ehre  der  Neuheit  beizulegen  und  zuweilen  einen  leeren  Wortstreit 
eintreten  zu  lassen.  So  wird  es  nicht  leicht  jemandem  entgehen,  dasi 
die  gelehrten,  welche  non  modo  —  »ed  ne — quidem  erklärt,  nicht  das 
erste  Glied  für  non  modo  —  non  genommen,  sondern  die  zum  gemeinsa- 
men Praedicat  im  zweiten  gesetzte  Negation  als  auf  beide  Glieder  zu- 
rnckwirkend  gefaszt  haben,  während  der  deutsche  Ausdruck  im  ersten 
Gliede  die  Hinzufugung  von  nicht  fordert,  und  die  Vergleichnng  mit 
dem  wirklich  rorkommenden  non  modo  non — »ed  ne — quidem  die  Angabe 
des  Unterschiedes,  dasz  in  jenem  Fall  nicht  non  modo  non  sondern 
nur  iioft  modo  gesetzt  werde,  nöthig  macht.  Uebrigens  finden  sich  die 
meisten  der  vom  Hrn  Verf.  über  diesen  Fall,  sowie  über  non  modo  — 
aed —  gegebenen  Erörterungen  schon  bei  Weiszenborn  Lat.  Gr.  g 
349  Anm.  1  f.  Wenn  derselbe  S.  4  sagt,  dasz  mocfo  immer  modieum 
aliquid  bezeichne,  so  ist  damit  keineswegs  eine  Tollständige  und  klare 
Bestimmung  des  Begriffs  gegeben.  Modo  scheint  allerdings  in  seiner 
Grundbedeutung  eine  Beschränkung  auszudrucken, — auch  bei  modo  — 
modo  =  bald  —  bald  liegt  zu  Grunde,  dasz  man  die  Handlung  einfach 
begränzt  ohne  eine  Fortdauer  in  der  Zeit  zu  denken  hat,  —  allem  schon 
bei  dum  modo  und  st  modo  zeigt  sich,  dasz  das,  worauf  man  sich  be- 
schränkt, auch  das  unbedingt  und  unter  allen  Umständen  festzuhaltende 
ist  Wir  wollen  zwar  dem  Hrn  Verf.  nicht  absprechen,  dasz  er  Cic. 
pr.  Sest.  1433  auf  die  Emendation  quin  non  selbständig  gekommen 
sei,  indes  hat  diese  schon  längst  Garatoni  vorgeschlagen  und  Halm 
aufgenommen.  Auch  in  Bezug  auf  das  Latein  lassen  sich  einige  Ana- 
Stellungen  machen,  wie  p.  10:  omnium  autem  loeorum  —  multi  duhü 
aliquid  habent.  R.  D* 

Roszleben].  Das  Ostern  1856  von  der  dortigen  Klosterschule  ans- 
gegebene  Programm  bringt  Schulnachrichten  über  die  Zeit  von  Ostern 
J854  bis  eben  dahin  1866.  Aus  dem  Lehrercollegium  schied  mit  dem 
Tage  seines  M)jährigen  Jubilaeums,  27.  Jan.  1856  der  Oberlehrer  Pref. 
Dr  Kessler,  am  31.  März  der  Oberlehrer  Prof.  Dr  Schmidt,  UA 
nach  Leipzig  überzusiedeln.  Die  erledigten  Stellen  wurden  durch  Ascen- 
sion  und  Berufung  des  Dr  B.  Giseke  vom  Bernhardschen  Institute  sn 
Meiningen  ausgefüllt.  Das  Lehrercollegium  bestand  demnach  seit  Ost. 
1856  aus  dem  Rector  Prof.  Dr  Anton,  dem  Pastor  Prof.  Dr  Herold, 
Prof.  Dr  Sickel,  Prof.  Dr  Herrn.  Steudener  I,  und  den  ordentl. 
Lehrern  Dr  Arn.  Steudener  II,  Dr  Kroschel  und  Dr  Giseke, 
auszerdem  dem  Oberprediger  Wetzet  (zeichnen)  und  Cautor  Hartel. 
Die  Schülerzahl  betrug  im  Wintersem.  1855—56  104  (I  24,  II  31,  III 
30,  IV  19),  darunter  30  Extranei.  Zur  Universität  wurden  Mich.  1854 
5,  Ostern  1855  3,  Mich.  1855  8,  Ostern  1856  1  entlassen.  Die  den 
Programme  vorangestellte  Abhandlung  vom  Prof.  Dr  Herm.  Steude- 
ner: de  divinationi»  apud  Herodotum  ratione  (31  S.  4)  ist  für  den, 
welcher  die  Wichtigkeit  des  Herodotos  für  die  Kenntnis  der  religiösen 
Anschauungen  seiner  Zeit  und  die  Bedeutsamkeit  der  Weissagungen  fiir 
die  letzteren  kennt,  eine  sehr  willkommene  Schrift,  indem  sie  nicht 
nur  eine  fleiszige  und  sorgfältig  geordnete  Zusammenstellung  des  um- 
fangreichen Materials,  sondern  auch  sehr  gute  Winke  zu  dessen  Beur- 
theilung  und  daraus  in  machenden  Schlüssen  gibtf    Um  so  mehr  ffihlt 


Berichte  aber  gelehrte  ÄDslalCen,  Verordnimgeii ,  stallst.  Notisen.  615 

sich  Ref.,  der  sich  mit  dem  Gegenstande  selbst  Sfter  nnd  langer  be- 
schäftigt hat,  yeranla^zt  einige  Bemerkungen  mitzutheiien ,  wobei  na- 
türlich Yon  der  später  erschienenen  herlichen  nachhomerischen  Theolo- 
gie Nägelsbachs  abzusehen  ist,  während  wir  nicht  zu  beurtheilen  im 
Stande  sind,  ob  der  Hr  Verf.  K.  Fr.  Hermanns  gottesdienstliche 
Alterthümer  benutzt  hat.  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dasz  Herodot  an 
dem  dasein  der  Götter  und  der  Wahrheit  ihrer  Offenbarungen  keinen 
Zweifel  auszusprechen  wagt,  aber  auch  eben  so  wenig,  dasz  ihm  das 
göttliche  etwas  dem  menschlichen  wissen  unerreichbares  ist,  dasz  da  wo 
der  Zusammenhang  zwischen  Ursache  und  Wirkung  sichtbar  ist,  das 
göttliche  bei  ihm  zurücktritt,  und  dasz  so  ihm  die  Götter  zwar  fort  und 
fort  die  Welt  regieren,  aber  viel  mehr  sittliche  als  natürliche  Mächte 
sind.  Man  wird  dies  recht  inne,  wenn  man  die  Aeuszerung  VII  129 
finde  mit  den  vielen  Stellen  vergleicht,  wo  die  Strafe  des  Frevels  und 
die  Austilgung  des  sich  überhebenden  den  Göttern  beigelegt  wird.  Die 
Erzählung  der  Thessaler,  Poseidon  habe  das  Thal  Tempe  gebildet, 
wird  zwar  von  Herodot  nicht  geleugnet,  aber  er  beruhigt  sich  dabei, 
dasz  ein  Brdbeben  die  Ursache  gewesen,  und  überläszt  es  nun  dem  Glau- 
ben, Poseidon  als  den  Urheber  dieser  Naturerscheinungen  zu  denken; 
in  keinem  Falle,  wo  es  sich  darum  handelt,  wer  die  Veranlassung  ge- 
geben, dasz  ein  sittliches  Vergehen  oder  die  Ordnung  des  Lebens  stö.- 
rendes  Verhältnis  gestraft  worden,  findet  sich  ein  solcher  Zweifel,  wenn 
schon  auch  hier  zuweilen  hervortritt,  dasz  die  Gotter  durch  Verket- 
tung der  Umstände,  nicht  durch  unmittelbares  einschreiten  wirken. 
]>iea  ist  anzuwenden  auf  die  vom  Hrn  Verf.  zuerst  erwähnten  Fälle, 
wo  Götter  als  unmittelbar  selbstthätig  erscheinen.  Wo  es  sich  um 
Belohnung  einer  guten  That  (1  31),  wie  um  Gntmachung  eines  Unrechts, 
wo  es  sich  um  Bestrafung  eines  Frevels,  wo  es  sich  um  Schutz  des 
Heiligthums,  der  Menscbenkraft  unmöglich  scheint,  handelt,  da  ist 
dem  Herodot  nicht  zweifelhaft,  dasz  die  Gottheit  persönlich  thätie  sei, 
aber  wo  Göttern  Thätigkeiten  beigelegt  werden,  die  irdisch-sinnlicher 
Natur  sind ,  wie  in  Babylon  dem  Belos  (I  81),  da  äuszert  er  den  Zwei- 
fel. Weil  Träume  (VII  12  — 18)  häufig  erwiesen  Spiele  der  Phantasie 
sind ,  indem  sich  die  Seele  mit  dem  beschäftigt,  was  am  Tage  ihre 
Aufmerksamkeit  gefesselt  hat,  ist  Vorsicht  anzuwenden,  am  die,  wei- 
che wirklich  von  einer  Gottheit  herrühren,  zu  unterscheiden  von  de- 
nen, welche  nur  zufällige,  nichts  bedeutende  Bilder  sind.  Deshalb  gibt 
er  auch  den  Athenern  1  60  S'drJd'Siav  schuld,  weil  sie  sich  von  Peisi- 
stratos  mittelst  der  Phye  düpieren  gelassen;  denn  sie,  die  x^rot  2s- 
yoiuvot  slvai  eotpCav  musten  von  der  Gottheit  eine  so  hob«  Ansicht 
haben,  dasz  sie  sich  nicht  zn  einem  solchen  Geschäfte  hergebe y  in  so 
sinnlich -menschlicher  Grestalt  und  Handlung  erscheine.  Bs  ist  darin 
allerdings  ein  Fortschritt  zu  reinerer  Vorstellung,  zugleich  aber  auch 
der  erste  Schritt  zur  Auflösung  des  alten  Götterglaubens  gegeben. 
Was  der  Hr  Verf.  aus  der  Aeuszerung  des  Hellespontiers  VII  56  über 
den  damals  bestehenden  Volksglauben  folgert,  ist  gewis  richtig,  aber 
dabei  doch  festzuhalten,  dasz  es  eben  etwas  auszergewohnliches,  über 
alles  bisher  gesehenes  hinansschreitendes  ist,  was  jenen  Gedanken  her- 
vorruft. Bei  den  Anasprachen  der  Orakel  ist  ferner  entschiedener,  als 
der  Hr  Verf.  thut,  der  Glaubenssati  der  Griechen  hervorzaheben ,  dau 
die  Götter  die  Menschen  dadurch  strafen,  indem  sie  dieselben  blenden. 
Diese  Blendung  iß^^)  erscheint  jedoch  bei  Herodotos  schon  anders  als 
bei  Homer.  Die  Gottheit  zeigt  meist  gnädig  den  Weff  zar  Rettung  and 
warnt,  aber  der  Mensch  ist  entweder  durch  seine  geistige  Beschränkt- 
heit oder,  was  noch  häufiger,  durch  die  Richtung  and  Leidenschaft 
seines  Herzens  unfähig,  das  wahre  zu  erkennen.  Wenn  man  die  Frage 
auf  wirft,  auf  welche  natürlich  ancb  der  Hr  Verf.  öfters  zarfickkommt. 


616    Berichte  aber  gelehrte  Anstalten,  Verordnungen,  statitt.  Notiiei. 

^ie  Herodot,  da  er  doch  von  Bestechungen  und  schnödem  Misbranch 
gewust,  gleichwol  den  Orakelinstituten  so  blinden  Glauben  habe  schen- 
ken können,  so  darf  man  nicht  unberncksichtigt  lassen,  dass  die  Er^ 
falirtin»:  so  viele  treffende,  politisch  heilsame  und  tief  sittliche  Ant- 
worten aufwies,  dasz  einem  noch  nicht  allen  Glaubens  beraubten  Ge- 
müth  kein  Zweifel  an  die  Göttlichkeit  beikommen  konnte.  Auch  darf 
nicht  vergessen  werden,  dasz  die  Orokelstätte  selbst  Terschiedene  Gel- 
tung haben.  Bei  der  Deutung,  welche  Her.  II  66  f.  der  Sage  Ton  der 
Gründung  des  dodonaeischen  Orakels  gibt,  ist  nicht  aus  den  Auffcn  sa 
lassen ,  da><z  er  sagt  XQrjOTiJQiov  xaTijyijcraro  und  am  Schlüsse  ^  ol  lucw- 
rritri  rj  rs  Iv  GTJprjai  tjjai  Alyvnziriai  %(d  ij  Iv  ^coSeivtj  xagaftlijcuu 
aiXrjXjjai  rvyxdvovai  lovaaiy  woraus  eben  deutlich  ersichtlich  wird, 
dasK  er  die  Kunst  Orakel  zu  erlangen  als  aus  Aegypten  durch  einen 
Menschen  äbertragen  ansah,  also  den  gottlichen  Ursprung  dieaer  Knast 
selbst  damit  nicht  leugnet.  Was  das  Orakel  VI  77  anbetrifft,  co  ist 
die  Erzählung  des  Schriftstellers  an  und  für  sich  klar,  und  nur  das 
unbekannt,  worin  das  angekündigte  und  nach  Herodots  Worten  xavuL 
Sri  "ftavTa  avvfX^ovxa  \oCgi  ^Agyfioioi  rpoßov  nag&ixov  bestanden,  nn 
deswillen  aber  sehr  wahrscheinlich,  dasz  spätere  Deutung  es  auf  das 
nach  der  Schlacht  eingetretene  Ereignis  bezog.  Da  ravxa  dr}  ndvtm 
auf  das  eine  im  Orakel  enthaltene  Anzeichen  nicht  gehen  kann,  so  bihb 
man  wol  auch  die  Bekanntschaft  der  Argiver  mit  dem  Ausspruche,  den 
Kleomenes  erhalten,  ''Agyog  aLgrjaeiv  darunter  mit  verstehen.  Wenn  & 
29  der  Hr  Verf.  sagt:  ^quae  ratio  intercedat  inter  Chiorum  pneroa  te- 
cto  illabente  occisos  pugnamque  navalem ,  qua  non  ita  mnlto  poat  ab 
Histiaeo  ^'icti  sunt,  non  potest  intelligi',  so  muhZ  man  doch  wol  aU 
des  Schriftstellers  Gedanken  folgenden  voraussetzen:  das  Unglück  ist 
eine  Folge  des  göttlichen  ZoruH,  diesen  aber  kündete  der  plotsliche, 
auf  ganz  ungeahnte  Weise  erfolgte  Tod  der  theuersten  Glieder  vieler 
Häuser  in  voraus  iin.  Möge  der  Hr  Verf.  in  der  Mittheilung  dieaer 
Bemerkungen  den  Wunsch  erkennen,  ihm  einen  Beweis  Ton  der  Auf- 
merksamkeit zu  geben,  die  unserer  Ansicht  nach  seiner  Arbeit  gebahrt. 

A.  D. 

StMiLEUsiNGEN.]  Nach  dem  Ostern  ]8')6  ausgegebenen  Programme 
war  am  dasigen  königl.  Gymnasium  die  Stelle  des  Mathematicna  snerat 
durch  den  Cand.  Otte,  dann  als  dieser  eine  andere  feste  Anatellnng 
erhalten  hatte,  durch  den  Lehramtscand.  Th.  Ge.  Gessner  ans  Hai- 
berstadt  interimistisch  beisetzt  worden.  Die  Schülerzahl  hatte  im  letMr 
ten  Sem.  129  betrogen  (I  14,  II  19,  IH  32,  IV  8»,  V  21 ).  Abiturienten 
waren  Ostern  1855  4,  Mich.  3  gewesen.  Den  Srhulnachrichten  Toraus 
gostellt  ist  von  dem  ord.  Lehrer  Dr  R.  Merkel:  llehcraeizun^  mu» 
Ovids  Fasten  (6  S.  4),  in  deutschen  Distichen  umfassend  I  i — S74* 
Von  dem  scharfsinnigen  Kritiker  des  Ovid  ist  wol  zu  erwarten,  daaa 
nicht  allein  überall  der  Sinn  richtig  wiedergegeben  ist,  sondern  anch 
dem  Leser  ein  tieferes  Verständnis  mancher  Stelle  eröfTnet  wird.  Die 
Uebersetzung  ist  frei,  bei  Dichtern  eine  Noth wendigkeit,  dabei  aber 
kunstvoll  und  meist  flieszend,  wenn  schon  sich  an  manchen  Stellen 
prosodische  und  sprachliche  Härten  nachweisen  Hessen.  R.  D. 

SoM>Eii.sHAUst:N.]  Am  dasigen  fürstlichen  Gymnasinm  schied  aus 
dem  Lehrercollegium  am  I.  Juli  1855  der  Collabor.  Kuhn  und  werde 
durch  den  Cand.  TöIle  erst  aushulfs-  und  versuchsweise,  dann  inter- 
imistisch ersetzt.  Der  Oberlehrer  Irmisch  erhielt  den  Profeseor- 
titcl,  die  Gymnasiallehrer  Wen  kel  und  Cantor  Lutze  wurden  zu  Col- 
laboratoren  erhoben.  Die  Schülerzabl  betrug  87  (I  8,  II  7,  III  21,  IV 
30,  V  21);  Abiturienten  Mich.  1855  4.  Die  den  Scholnachrichten  Tor- 
ausgestellte  Abhandlung  des  Dir.  Dr  W.  Kieser:  über  den  ersfen  Jet 
der  Qoetk€9then  iphigcnie  (31  S.  4)   vollendet  die  bereite  i842  und 


Meriehro  aber  gelehrte  AnslaUen,  Verordmmf  en,  stttirt.  Noiiiea.  617 

}848  über  den'2n— -5n  Act  f^egebenen  Erorterongen  aad  beweUt  die  schon 
an  jenen  anerkannten  (vgl.  Bd.  LIV  8.  223  f.)  aaageseiobDeten  Eigen- 
schaften in  noch  gröazerer  Reife  und  Vollendung.  Es  seigen  aich  hier 
mit  der  grösten  Liebe  an  das  Werk  eines  deutschen  Dichters  gewandte 
umfasiiende  Studien  in  den  erfreulichsten  und  belehrendsten  Resultaten, 
Wir  brauchen  wol  nicht  erst  unsere  Leser  auf  die  Schrift  aufmerksam 
zu  machen,  glauben  aber  an  den  geehrten  Hrn  Verf.  den  Wunsch  aus- 
sprechen zu  müssen,  dasz  er  seine  Erörterungen  in  ein  Buch  verarbei- 
tet zum  Nutzen  und  Frommen  vieler  besonders  herausgeben  möge. 

R,  D. 

Stendal].  Im  Schuljahr  Ostern  1865—56  trat  in  das  Lehrercolle- 
gium  des  dasigen  Gymn.  als  interimistischer  Hälfalehrer  der  Schul- 
amtscand.  Dr  W.  M aller,  folgte  aber  bald  einem  Rufe  an  das  Pried- 
richS'CoIlegium  in  Königsberg  in  Pr.  An  seine  Stelle  trat  der  Schui- 
amtscand.  Dr  W.  Anton,  sah  sich  aber  seiner  Ge^iundheit  wegen  ce- 
nöthigt  Ostern  1856  das  Amt  anf2Ugeben.  Der  Schulaintscand.  Forcke 
leistete  freiwillig  Aushülfe.  Die  Schulnachrichten  gehen  S.  18 — 20  Be- 
weise von  den  anerkennenswerthen  Resultaten  der  Thätigkeit,  welche 
das  Lehrercollegium  unter  dem  bekanntlich  indes  nach  Weimar  berufe- 
nen Dir.  Dr  Heiland  in  Bezug  auf  Lehrverfassung  und  Unterricht  er- 
zielt hat.  Die  Scbulerzahl  war  bedeutend  gestiegen  und  betrug  am 
Schlüsse  des  Schuljahrs  262  (I  31,  II  34,  111  39,  IV  36,  V  56,  VI  66). 
Abiturienten  Ostern  1855  3,  Ostern  1856  12.  Den  Scbulnachricbten 
vorausgestellt  ist  die  Abhandlung  des  Dir.  Dr  Heiland:  quae»tiones 
Kenophonteae  (12  S.  4).  Piötzlich  genöthigt  selbst  die  Programmab- 
iiandiung  zu  schreiben,  hat  derselbe  zu  dem  ersten  Buche  von  Xeno- 
phons  Hellenicis  kritische  Bemerkungen  gegeben,  die  zwar  nicht  über- 
all vollständig  ausgeführt  sind,  aber  von  den  umfänglichen  und  tiefen 
Studien  des  Hrn  Verf.,  wie  von  seinem  besonnenen  Urtheile  rühmliches 
Zeugnis  geben.  Derselbe  tritt  sowol  in  der  über  den  Stand  der  Kritik 
Rechenschaft  gebenden  Einleitung,  wie  in  den  einzelnen  Bemerkungen 
häufig  der  von  Cobet  und  seinen  Schülern  geübten,  den  Handschriften 
fast  gar  keine  Auctorität  zuerkennenden  und  keine  Freiheit  in  Hand- 
habung der  Sprache  dem  Schriftsteller  gestattenden  Kritik  entgegen, 
ohne  jedoch  sich  selbst  blind  von  den  Handschriften  abhängig  zu  ma- 
chen und  zu  contorten  Erklärungen  der  Lesarten  seine  Zuflucht  zu 
nehmen.  Wenn  Ref.  auch  nicht  mit  allem  einverstanden  sein  kann  (z. 
B.  nicht  über  1  1  27  und  28),  so  erkennt  er  doch  die  Wichtigkeit  der 
Bemerkungen  bereitwilligst  an.  Je  mehr  Xenopbons  Hellenica  zur  Le- 
cture  der  Schüler  wegen  ihres  Stoffes  geeignet  sind,  je  weniger  aber 
bisher  die  Unsicherheit  des  Textes  dies  füglich  machte,  um  so  aufrich- 
tiger wünschen  wir,  dasz  dem  Hm  Verf.  Zeit  und  Gelegenheit  werde, 
seine  längst  vorbereitete ,  sehr  bedeutend  zu  werden  versprechende  Aus- 
gabe der  genannten  xenophonteischen  Schrift  zu  vollenden.        R,  D. 

WeimarJ.  Nachträglich  gedenken  wir  noch  einer  Schrift,  welche 
vom  das.  groszberz.  Gymnasium  als  Einladung  zum  30.  Oct.  1855  aus- 
gegeben wurde  und  den  Professor  Dr  Const.  Sohar ff  zum  Verfasser 
hat:  -de  natura  et  umu  elephantorum  afrieanorum  apud  veterea  (18  S. 
4).  Abgesehen  von  einigen  Unebenheiten  im  Ansdrnok  und  Fehlern  im 
Drucke  ist  dieselbe  eine  sehr  intinresaante  und  .gelehrte  Abhandlung,  in 
welcher  nicht  allein  Africa,  sondern  «uoh  Asien  die  gebührende  Be- 
rücksichtigung findet,  obgleich  jenes  den  Kern  und  Hauptpunkt  bildet. 
Mit  groflzem  Fleisze  sind  die  Nachrichten,  welche  die  Alten  von  <^en 
Klephanten  gegeben,  zusammengestellt  und  mit  dem,  was  die  neueren 
wissen,  verglichen,  sodann  die  Benützung  der  Elephanten  erörtert 
(die  bei  den  Römern  muste  auf  eine  andere  Gelegenheit  verspart  wer- 
den), so  dasz  die  Abhandlung  nicht  nur  für  die  Naturkunde  der  Alten, 


618  Beneble  fiber  gelebrte  AnsUUen,  Verordnungen,  tUilitl.  IfoÜsei. 

sondern  ancb  far  die  Gescbicbte  des  Kriegswesens  und  der  tecbniscben 
Vorrichtangen  überhanpt  recht  beachtenswerthes  bietet.  ü.  JD. 

Wittenberg].  Das  Lehrercollegiam  des  dasigen  Gymnasiums  hatt« 
im  Schuljahr  Ostern  1855— 56  keine  Veränderung  erlitten;  die  Schülei^ 
zahl  betrug  am  Schlüsse  241  (I  32,  II  39,  III  62,  IV  54,  V  35,  VI  19). 
Abiturienten  Ostern  1855  15,  Ostern  1856  15.  Die  den  Schulnachricli- 
vorausgeschickte  Abhandlung  des  Oberl.  Dr  Bernhardt:  Dr  Ckiadni 
der  jikustiker  (24  S.  4)  ist  der  Anfang  einer  die  ganze  Biographie  an- 
fassenden Brochure,  recht  geeignet  auf  diese  selbst  aufmerksam  sn  ma- 
chen. Sie  stellt  das  interessante  Bild  eines  Mannes  hin,  der  trotz 
groszer  anszerer  Hindernisse  wahrend  seiner  Jugend  und  in  seinem 
späteren  Leben  —  fügsam  und  willig  gegen  die  seiner  Neigung  wider- 
sprechende Leitung  durch  Aeltern  und  Lehrer  —  dennoch  den  Beruf, 
zu  dem  ihn  Gott  durch  verliehene  Gaben  und  in  ihn  gelegte  Neigung 
bestimmt,  mit  Energie  ergriff  und  in  demselben  die  bedeutendsten  Re- 
sultate erzielte.  Zugleich  aber  fuhrt  die  Schrift  auf  eine  recht  popv- 
lare  Weise  in  die  Akustik  ein.  Es  ist  dies  nach  des  Ref.  schon  an- 
derswo ausgesprochener  Ansicht  der  beste  Weg ,  in  die  Naturlehre  ein- 
zufuhren, wenn  man  geschichtlich  die  erste  Entdeckung  und  dann 
Schritt  vor  Schritt  die  weitere  Ausbildung  einzelner  Theile  dersellien 
verfolgt.  Arago  in  seinen  Reden  dient  hier  zum  Muster  und  wer 
sich  von  der  Klarheit  und  Popularität  der  von  diesem  groszen  Manne 
darin  befolgten  Methode  überzeugt  hat,  der  wird  gewis  beistimmen, 
dasz  im  Gymnasium  mit  dem  Unterrichte  in  der  Physik  bessere  Resul- 
tate erzielt  werden  würden,  wenn  man  den  populären  historischen  Weg 
einschlage,  als  durch  die  streng  mathematisch  begründende  und  syste- 
matisierende Methode  erreicht  werdefn.  Baumgartner  hat  in  dieser 
Hinsicht  tüchtig  vorgearbeitet.  .R.  D, 

Zerbst].  Am  dasigen  Franciscenm  wurde  aus  dem  Lehrplan 
der  vorher  in  den  beiden  obersten  Klassen  ertheilte  englische  Unter- 
richt, jedoch  unter  Vorbehalt  späterer  Wiederherstellung,  wenn  sich 
ein  Bedürfnis  ergeben  sollte,  gestrichen,  weil  die  Stundenzahl  von  S 
Stunden  in  I  und  1  St.  in  II  zur  Erreichung  erheblichen  Erfolges  nicht 
ausreichten,  eine  Vermehrung  aber,  durch  welche  eine  grosiere  Zer- 
splitterung der  Kräfte  der  Schüler  bewirkt  und  der  Charakter  des 
Gymnasiums  wesentlich  alteriert  worden  wäre,  unräthlich  erschien.  I« 
Lehrercollegiom  war  bis  Ostern  1856  keine  Veränderung  vorgekommen. 
Die  Schulerzahl  betrug  zur  bezeichneten  Zeit  228,  Abiturienten  8.  Die 
den  Schulnachrichten  vom  Dir.  Schulrath  Dr.  C.  Sintenis  vorausge- 
stellte Abhandlung  emendaiionum  Dionyaiacarvm  gpecimen  I  (31  8.  4) 
ist  an  R  i  t  s  c  h  I  gerichtet ,  von  dem  der  Hr  Verfasser  schon  längst  sar 
Theilnahme  an  der  Emendation  des  Dionysius  eingeladen  war  und  Jctet 
die  Vergleichungen  des  cod.  Urbinas  und  Chisianus  erhalten  nstt«. 
Durch  dieselbe  sieht  er  sich  genothigt  sein  früheres  Urtheil  fiber  diB 
Werth  zurückzunehmen    und    erhält    sehr    zu  statten  kommende  Hnlt- 

5 unkte  für  die  Emendation  vieler  Stellen.  Die  hier  mitgetheilten,  nnch 
Hassen  geordneten  Verbesserungen  bewähren  hinlänglich  die  umfassende 
Kenntnis  des  Griechischen  und  den  kritischen  Scharfsinn,  durch  welebo 
der  geehrte  Hr  Verf.  schon  zum  sospitator  des  Plutarch  geworden  ist. 
Möge  die  Aussicht,  den  viel  zuwenig  gekannten  und  gewürdigten  Dio- 
nysius durch  die  vereinten  Kräfte  zweier  so  ausgezeichneter  Gelehrten, 
wie  Ritschi  und  Sintenis,  in  gereinigter  Gestalt  zn  erhalten,  inBrfil- 
lung  gehen!  A.  JD. 


Personalnachrichton.  610 

Personalnachrichten* 

Rraennungen,  Anstellnngea,  Versetznagen. 

Becker,  Prdr.,  Gymnasialhulfslehrer  in  Polda,  zum  Halfslehrer  an  der 

Realschule  zu  Hanau  ern. 
Beer,  Dr  Aug.,  ao.  Prof.  in  Bonn ,  zum  ord.  Prof.  der  Mathematik  an 

der  das.  Univ.  ern. 
Bezzen berger,  Dr,  Prof.  in  Kassel,  zum  Oberschulinspector  über  die 

Volksschulen  der  Residenz  ern. 
Bogusiawski,  Ge.  v. ,  Schnlamtscandidat,   zum  Collaborator  an  der 

Friedrich- Wiihelmsschule  in  Stettin  ern. 
Braun,  Prof.,  Oberlehrer  am  Gymn.  zu  Colm,  znm  Director  desGymn. 

in  Braunsberg  ern. 
Bremiker,  Dr  E.  H.,  Streitscher  Collaborator,  zum  ord.  Lehrer  am 

Gymn.  z.  grauen  KI.  in  Berlin  befordert. 
Brock,  Dr  H.,  Oberlehrer  in  Hannover ,   znm  Director  des  Gymn.  in 

Celle  ern. 
Buchen  au,  Dr  Ge.,  Gymnasialpraktikant  in  Marburg,  znm  Hnlfslehr. 

am  das.  Gymn.  interimistisch  ern. 
Dinter,    Dr,  9r  Oberlehrer  an  der  konigl.  Landesschnle  zn  Meiszen, 

in  gleicher  Eigenschaft  an  die  Landesschule  in  Grimma  versetzt. 
Eisenlohr,  O.,  Prof.  am  Lyceum  in  Karlsruhe,  in  gleicher  Eigensch. 

an  das  Gymn.  zu  Lahr  versetzt. 
Feszler,  Dr  Jos.,  Hofkaplan,  Prof.  der  Kirchengeschichte  in*  Wien, 

zum  Prof.  des  Kirchenrechts  in  der  theolog.  Facnlt.  der  das.  Hoch* 

schule  ern. 
Fliedner,  Dr  Conr.,  Reallehrer  in  Hanau,  znm  ord. Lehrer  am  das. 

Gymn.  ern. 
Gerhardt,  Dr  C.  J.,  Prof.  und  Oberlehrer   am  französischen  Gymn. 

zu  Berlin,  in  gleicher  Eigenschaft  an  das  Gymn.  in  Eisleben  vers. 
Görlitz,  Dr,  Gymnasiallehrer  in  Leobschütz,  an  das  kath.  Gymn.  zu 

Breslau  versetzt. 
Hasselbach,   Heinr. ,   Gymnasiallehrer  in  Hanau,   zum  Lehrer  am 

Progymn.  u.  der  Realschule  in  Eschwege  ern. 
Heine,   Dr  Ed.,  ao.  Prof.  in  Bonn,   zum  ord.  Prof.  der  Mathematik 

an  der  Univ.  zu  Halle  ern. 
Hittorf,  Dr«  ao.  Prof.,  zum  ord.  Prof.  der  Physik  und  Chemie  an  der 

Akademie  zu  Munster  ern. 
Intlekofer,  Prof.  am  Lyceum  zu  Freiburg  im  Br.,  erhielt  die  late 

Lehrstelle  am  Gymn.  zu  0£feuburg. 
Jung,  W.  Ed.,  Cfymnasiallehrer  in  Hanau,  zum  Lehrer  am  Progymn. 

und  der  Realschule  in  Schmalkalden  ern. 
Kutsch,  Aug.,  Gymnasiallehrer  in  Kassel,  in  gleicher  Eigenschaft  an 

das  Gymn.  zu  Rinteln  vers. 
Lahmeyer,  Dr  Gust.,  Oberlehrer  am  Lyceum   zn  Hannover,   zum 

Conrector  am  Johanneum  in  Lüneburg  ern. 
Lotz,  Dr  J  oh.  Fried  r.,  Gymnasiallehrerin  Hanau,  in  gleicher  Eigen- 
schaft an  das  Gymn.  zn  Fulda  versetzt. 
Mohr,  Schulamtscand.,  al«  Collaborator  am  kathol.  Gymn.  zn  Breslau 

angestellt. 
Muller,    Lehrer  am  Gymn.  zn  Lahr,   an  das   Paedagogiom  und  die 

höhere  Bürgerschule  zu  Lörrach  vers. 
Mut  her,  Dr,    Privatdoc.  zu  Halle,  zum  ao.  Prof.  in  der  juristischen 

Facultät  der  Univ.  in  Königsberg  ern. 
Paul,  Dr  W.  Th.,  Schulamtscand.,  als  ord.  Lehrer  am  evang.  Gymn. 

in  Glogau  ang. 
Pöthko,  G.  E.,  9ter  Oberlehrer   an  der  k.  Landesschnle  in  Grimma, 

/V.  Jahrb.  f.  PMl.  u.  Paed.  Bd.  LXXI V.  ffß.  12.  44 


620  PerBOnalnachriohten. 

in  gleicher  Eigenschaft,  aber  zugleich  mit  für  den  Gesanganternclit 

an  die  Landesttchuie  in  Meiszen  vers. 
Richter,  Dr,  Lehrer  an  der  ReaUchiile  za  Muhlheim,  ala  ord.  Lehrer 

an  das  Gymn.  in  Wesel  berufen. 
Kitz,  Jos.,  Lehrer  am  Progymn.  und  der  Realschule  za  Bachwecei  ab 

ord.  Lehrer  an  d.  Gymn.  in  Hersfeld  versetzt. 
»Scheibe,  Dr  C,  Prof  am  groszherz.  Gymn.  zu Nenatrelits,  ala  Leh- 
rer an  dem  Blochmann-Bezzenbergerschen  Inatitut  und  Vitsthn» 

sehen  Geschlechtsgymn.  in  Dresden  angest. 
Schmitt  diel,  Jos.,  Lehrer  an  der  lat.  Schule  in  Fritslar,   ala  ord. 

Lehrer  am  Gymn.  zu  Fulda  angest. 
Schwarze,  Dr  Rud.,  Subrector  am  Gymn.  zu  Guben,  sam  Oberleh- 
rer am  Gymn.  in  Frankfurt  a.  O.  ern. 
Sickel,  Dr  Th.,  zum  Docenten  der  histor.  Qaellenkunde  and  der  Pa- 

laeographie  an  dem  mit  der  Wiener  Univ.  in  Verbindang  aiehandei 

Institut  für  osterr.  Geschichtsforschung  ern. 
Spangenberg,  Frdr.,  Hulfijlehrer  am  Gymn.  in  Kassel,  in  gleicher 

Eigenschaft  an  das  Gymn.  za  Hersfeld  vers. 
Stumpf,  Th. ,  Schulamtscand.,  commissarisch  am  Gymn.  sa  Cobleu 

beschäftigt,  als  ord.  Lehrer  an  ders.  Anst.  angest. 
Suchier,  Dr  H.  Th.,  Hulfslehrer  am  Gymn.  zu  Hersfeld ,   snm  ord. 

Lehrer  an  ders.  Anstalt  ern. 
Trotter,  Prof.  in  OfTenburg,  an  das  Lyceum  in  Rastatt  TeraeCit« 
Wer  necke,  DrBernh.,  ord.  Lehrer  am  Gymn.  zu  Coesfeld ,   all  er 

ster  Oberlehrer  an  d.  Gymn.  in  Deutsch-Crone  befordert. 
Wopcke,  Dr  M.  F.,   als  ord.  Lehrer  für  Mathematik  and  Phyaik  ■■ 

franz.  Gymn.  zu  Berlin  angest. 

Praedicieru  ngen    und   Ehrenbezeugungen. 
Gerhardt,  Dr  J.  C,  Oberlehrer  am  franz.  Gymn.  sa  Berlin  (a.Ver 

Setzungen)  erhielt  den  Professortitel. 
Hänel,  Gli.  Jul.,  )   Collegen  am  Gymn.  zu  St.  Elisabeth  in  Braaha 
Neide,  Ge.  Frdr.  j  als  Oberlehrer  praediciert. 

Stridde,  G.  Ed.,  ordentl.  Lehrer  am  evang.  Gymn.  zu  Glogan,  i 

Oberlehrer  befordert. 

Pensioniert: 
Schneider,  Professor  am  Lyceum  in  Rastatt. 
Speidel,  Praeceptor  am  Gymn.  zu  Ulm. 

Gestorben: 
Am  12.  Sept.  in  Rom  Dr  Em.  Braun,  Secretar  des  archaeolog»  laft. 

ß«ib.  zu  Gotha  am  19.  Apr.  1809. 
Am  28.  Sept.  in  Breslau  Dr  Frz  K.  Mosers,  ord.  Prof.  in  der  kath. 

theolog.  Fac.  an  der  das.  Univ.,  bekannt  durch  seine  Poracbnngf« 

iiber  Phoenicien. 
Am  29.  Sept.  in  Weimar  Dr  Theod.  Krauter,  seit  1816  Bibliothekar 

an  der  groszherz.  Bibliothek,  früher  Secretar  Goethes. 
Am  8.  Oct.  in  Berlin  Dr  Fooke  Hoissen  Muller,  Prof*  am  Gjraa 

zum  grauen  Kloster. 
Am  21.  Oct.  in  Rijsmijk  der  niederl.  Dichter  Tollen s,   geb.  an  Ret- 

terdam  1778. 
Ohne  Datum   wird  der  Tod   gemeldet  Ton   dem   berahmten,    beseadeit 

um    die   Botanik    von   Madagascar    verdienten    Naturforscher,   Dr 

Wenzel  Bojer,  seit  1820  Prof.  in  Mauritius,  Mitglied  der  Caro- 

lino-Leopoldina  (geb.  zu  Prag),  und  des  früher  in  Ostindien  M 

den   Sprachforschers    Rooda   van  Eijsinga,    zuletzt    Prof.   d«r 

Philologie  und  der  malayischen   und  japanischen  Ethnographie 

der  Militärakademie  zu  Breda. 


Register  zn  Band  LXHV. 


I.   Inhaltsregister. 


Aebi:    Geschichte  der  höheren  Lehr-  Caesar:  s.  Schöller. 

aiiBtaU  io  Lutem  603.  Cauer:  über  dieGae8are8d.JuIkn405. 

Andresen:  über  deutsche  Orthographie  CaveeUmi:  bibl.  Numismatik.     Deutsch 

225.  V.  V.  Werihof.  II  Th.  505. 

Aeschylas,  i.  Prien.  Cicero,  s.  Wunder. 

Aristophanes ,  s.  Müller.  Glossen :  Beobachtungen  über  d.  hom« 

Arrian  Anabasis.   Her.   v.  Hartmam,  Sprachgebr.  III.  868. 

485.  CUss,  s.  Sallustius. 

Auszüge  aus  Zeitschriften.  Correspon.  Cotombel:  vita  M.  Hrabani  Mauri  610. 

densbl.  für  Württemberg  302.  Mo- 
natsberichte der  berliner  Akademie  Daniel:  Ramlers  le  Ode.  a.  Friedrich 

457.    Paedagog.  Reme  211  u.  501.  d.  G.  259. 

Rhein.  Museum  255.     Zeitschrift  f.  DarmeU:  d.  Kirchenjahr  in  d.  Schule 

d.  AUerthumsw.  257.    Zeilschr.  f.  d.  348. 

Gymnasialw.  55.  96.  453.   Zeitschr.  Deutsche  Spraclie,  Litt.  u.  Unterricht. 

f.d.  österr.Gymn.  99. 155.  Zeitsclir.  Ueber  einen  besonderen  Gebrauch  d. 

.  f.  vergl.  Sprachforschung  859.  Particips  in   attributiver  Besiefaung 

Axt:  inscriptiones  duae  graecae  565.  248.    Thesen  über  d.  deutsche  Per- 

feot  531.  S.  Andresen,  Daniel,  Freu- 

Bäkr:   de  litterarum  studiis  a  Carole  densprung,  Lexer,  Olawsky ,  PoHie, 

■    M.  revocatis  214.  Raumer,  Regeln,  Weinhoid. 

Berger:  Ist.  Schulgrammatik  139.  Dindorf^  L.,  s.  Xenophon. 

Bemays:  J.  J.  Soaliger  273.  Diodorus,  s.  Krebs. 

Bernhardt:  Dr  Chladni  der  Akustiker  Dionysius  Halic,  s.  Sintenis. 

618.  Döderidn:  Commentare  snni  tat.  Vo- 

Biographie,  s.  Geschichte«  cabular  561. 
BÖttger^  s.  Maury. 

Btmiermeek:  GiUaohien  über  den  Un*  Elze:  Standard  amariean  aathors  152. 

terricht  in   der  Religiooslehrt  148  Engiisch,  s.  Elce.    Shakespeare. 

u.  473.  EsthweUer^  s.  Heia. 

Breier:  de  Vergilio  recte  aestimando  Euklid»  Elemente  429. 

223.  Euselnue,  s.  Suchier. 
Brfälonf :    geognostische    Wandkarte 

593.  #br(^tfr:  dcotsch-iat.  Handwörterbuch 

^tfcAAate.*  emendd^SophocIearum  spee.  385. 

II.  312.  Fori  und  Sehlämikk:  Lehrb.  d.  analyt. 

Burgwy:  s.  Herrig.  Geometrie  290. 

44* 


622 


Inlialtsregiftter. 


Französisch ,  b.  Held ,  Herrig,  v.  Jan, 

Lisch,  Trögel. 
Freudensprung:  Ortsnamen  562. 

Gallenkamp :  Elemente  der  Mathematik 
•  429. 

Gargilius,  s.  Schuch. 

Gehhardt:  emendd.  Herodotear.  sp.  I. 
563. 

Geographie ,  s.  Brüllow,  Götze,  Gatbe, 
Kestner,  Kutzen ,  Löbker ,  Maury. 

Geometrie,  elementare  429, 

Geschichte  u.  Biographie,  s.  Bernays, 
Bernliardt,  Cauer,  Colombel,  Giese- 
breoht,  Glaser,  Guthe,  Hofmann, 
Lamey,  Löbker,  Löschke,  Schäfer, 
Scharff,  Suchier,  Tophoff,  Weiszen- 
born. 

Gesenius:  hebr.  Gramm.  17e  Aufl.  187. 

Giesebrecht:  Geschichte  des  deutschen 
Kaiserreichs  I  2.  391. 

Glaser:  z.  Gesch.  d.  Klosters  Wirberg 
408. 

Götze:  einige  Bemerkungen  z.  geogr. 
Unterricht  606. 

Gräfenhan:  Karl  Feldmann  355. 

Grammatik,  s. Deutsch., Griech.,  s.  Hörn, 
Leutze.  Latein.,  s.  Berger,  Richter, 
Verba,  Wcjlff. 

Gruber:  der  Unterricht  in  der  Plani- 
metrie usw.  295. 

Guthe:  z.  Geogr.  u.  Gesch.  d.  Laud- 
schafl  Margiane  (Merw)  461. 

Gymnaslalpiiedngogik  u.  -Geschichte. 
Studien  zum  Gymnasialwesen  1,  56. 
117.  S.  auszer  den  einzelnen  Fä- 
chern Aebi,  Gräfenhan,  Hautz,  Held, 
Hörn,  Lex,  Mcran  S.  606,  Pri?at- 
stiidium,  Programmen  Wesen,  Rättig, 
Stallbaum,  Trotzendorf,  Verordnun- 
gen ,  Ziegler. 

Häckermcmn:  d.  piihoeanische  Codex 
des  Juvenal  563. 

Hansen:  über  Methode  u.  Stufenfolge 
des  Religionsunterrichts  552. 

Hartmann  y  s.  Arrian. 

Hartwig,  s.  Justin. 

Hautz:  Geschichte  des  Paedagogium 
zu  Heidelberg  260. 

Hebraeisch,  s.  Cavcdoni,  Gesenius, 
Mnhlberg,  Vosen. 

//a/flnrf:quae9tione8Xenophonteae6l7. 

Heis  u.  Eschoeüer:  Lehrb.  der  Geo- 
metrie 429. 

Held:  zweite  Mittheilang  aus  d.  Brief- 
wechsel zwischen  dem  Vater  eines 


Schülers  u.  d.  Rector  eines  Gymn. 
309. 

Herodotj  s.  Gebhardt,  Steudener. 

Herrig  \x.Burgny:  la  France  iitteraire 
583. 

Hofmann:  über  den  Berg  Galilaea. 

Homer.  Andeutungen  zur  Kritik  a.  Er- 
klärung d.  Odyssee  553.  S.  Classen. 

Horatius,  s.  Schmid. 

Hom:  über  d.  allgem.  Bedeutung  des 
Coniunctivs  u.  Optativs  512  Rede, 
dasz  die  alten  Spr.  den  Gelehrten- 
schulen nothwendlg  seien  514. 

Jan,  V.:  Gnmdzüge  eines  Lehrbuchs 

der  franz.  Spr.  268. 
Julianus,  s.  Cauer. 
Justini  hlstor.,  bearb.  ▼.  Hartwig  242. 
Juvenal,  s.  Häckermann. 

Kestner:  d.  See  Vadimo  318. 

Kieser:  über  d.  In  Act  der  Goethe- 
schen  Iphigenie  616. 

Kock:  de  parabasi  308' 

König:  de  Romanorum  stfltatione  ptn- 
tomimica  463. 

Koppe:  Anfangsgründe  d.  reinen  Ma- 
thematik 429. 

Krebs :  comm.  de  posteriore  parte  re- 
liquiarum  Üb.  VllL  Diodori  Sicoll 
609. 

Kutzen:  das  deutsche  Land  585. 

Lamey:  J.  Reuchlin  218. 

Layard:  Ninive  u.  Babylon,  deutsch 
V.  Zenker  460. 

Leuze:  Lehrgang  d.  gr.  Syntax  70. 

Lex:  Elternhaus  und  Schule  609. 

Lexer:  der  ~  Ablaut  in  der  dentschea 
Spr.  466. 

Lisch:  Bemerkungen  über  Rabelais 
464. 

Livius ,  erkl.  v.  Weiszenbom.  4r  Bd« 
399,  s.  Weiszeuborn. 

Löbker:  Gedächtnistafeln  für  den  Un- 
terricht in  Geschichte  u.  Geographie 
357. 

Löschke:  Valentin  Trotzendorf  571. 

Xoxos  OQ&ios  250. 

Lucian,  s.  Remacly. 

Mätcker:  Lehrbuch  der  Geometrie  81 

u.  535. 
Martialis  Gargilius,  s.  Schuch. 
Mathematik,  s.  Euklid,  Fort,  Galleu- 

kamp,    Geometrie,    Gruber,    Heis, 

Koppe,  Märcker. 


lohaltsregtoter. 


623 


Maury :  die^  physische  Geographie  d. 
Meeres,  bearb.  v.  Böttger  450. 

Meinshausen:  über  d.  thiicyd.  Beschr. 
d.  Belagerung  v.  Syracus  600. 

Merkeil  Uebersetzung  aus  Ovids  Fa- 
sten 616. 

Michaelis:  d.  Paliken  407. 

Muhlberg:  Tabelle  d.  hebr.Verba  254. 

Müller:  die  scenische  Einrichtung  in 
d.  Acharnern  des  Aristophanes  605. 

Mythologie  y   s.  Michaelis,  Scheüfele. 

Nauck:  s.  Phaedrus. 

Niese:  das  christl.  Gymnasium  169. 

Olansky:  d.  neuhochdeutsche  Partikel 

nicht  usw.  578. 
OvidiuSy  s.  Merkel. 

Paedagogisches  Seminar  in  Kiel  464. 
Phaedrus.     Ausgaben  v.  Siebeiis  und 

Raschig  26.     Ausg.  ¥.  Nauck  283. 

Zu  III  1  299. 
Piderit:  Sophokleische  Studien  I  460. 
Piaton.     lieber  die  Apologie  des  So- 

krates  373. 
Poesie,  die,  der  Sprache,  namentlich 

der  deutsclien  489. 
Prien:  Beiträge  zur  Kritik  von  Aeschy- 

lus  Sieben  y.  Theben  005. 
Privatstudium,  s.  Rehdantz. 
Programmenwesen ,  zum,  397. 

Rabelais,  s.  Lisch. 

Rätüg:  zur  Geschichte  der  Organisa- 
tion des  Neustrelitzer  Schulwesens 
1795—1838  610. 

Ramler  y  s.  Daniel. 

Raschig,  s.  Phaedrus. 

Raspe:  quaestionnm  Sophoclearum  II 
411. 

Räumer,  R,  «.;  über  deutsche  Recht- 
schreibung 225. 

Regeln  u.  Wörterverzeichnis  für  deut- 
sche Rechtschreibung  225. 

Rehdantz:  Themata  zu  schrifll.  Prlvat- 
arbeiten  412. 

Religionsunterricht.  Die  Religiositfit  u. 
der  Religionsunterricht  au?  Gymna- 
sien 169.  S.  Bouterweck,  Danneil, 
Hansen,  Schulandachten. 

Remacly:  obss.  in  Luciani  Hermot.  p. 
II  3il. 

Reuchlin,  s.  Lamey. 

Richter:  de  supinis  linguae  latinae565. 

—  die  altgriech.  Tragoedie  und  das 
griech.  Theater wesec  613, 


Sallnstius  lugurtha,  übers,  von  Cless 

521. 
Scaliger,  s.  Bemays. 
Schäfer:  de  sociis  Athen.  Cbabriae  et 

Timothei  aetaie  cet.  563. 
Scharff:   de  natura  et  usu  elephanto- 

rum  afHoanorum  apud  veteres  617. 
Scheiffele:  über  Danaos  u.  d.  Danal- 

den  560. 
SchLriaz:   Vortrag  bei  der  Saecular- 

feier  des  Aogsb.  Religionsfriedena 

612. 
Schlömächy  s.  Fort. 
Schmid:    Gratulationsschr.  an  Kesslin 

322. 
Schöller:  C.  Julii  Caesaris  vit.  et  obss. 

in  Üb.  VII  d.  b.  G.  62. 
Schöne:  über  den  Charakter  Richards 

m  b.     Shakspeare  407. 
Schriften  der  Kieler  Universität  506. 
Sdiuch:  Gurae  boum  ex  corpore  Gar- 

gilii  MartialU  560. 
Shakspeare,  s.  Schöne. 
Siebeiis  ^  s.  Phaedrus. 
Sintenis:   emendatt.  Dionysiac.    spec. 

618. 
Sophocles  Antigene  ed.  Wunder  4e 

Ausg.   575,   s.  Budihols,   Piderit, 

Raspe,  Wunder. 
Stallbaum:    de    vetere    gymnasiomm 
.    disciplina  et  institutione  praesentis 

aetatis  rationibus  caute  attemperan- 

da  603. 
Steudener:  de  divinationif  ap.  Herod. 

ratione  614. 
Sudäer:  de  Zosimi  et  Eusebii  Ade  et 

auctoritate  462. 
Süpfie:  Aufgaben  zu  lat.  Stilübungen. 

U.  7e  Aufl.  208. 

ThÖn:  etymologische  Forschungen  517. 
Thucydides,  s.  Meinshausen. 
Tophaff:  de  plebe  romana  562. 
Tröget:  causeries  sur  la  psychologie 

des  animaux  209. 
Trotzendorf,  s.  Löschke. 

Verba,  die,  composita  in  d.  lat.  Sohnl- 

grammatik  325. 
Vergilios,  s.  Breier. 
Verordnungen.     Detmold  312.  Oester- 

relch  103.  566.     Preusten  157  und 

321. 
Versammlung  in  Oschersleben  466.  — 

der  Philologen  in  Hamburg  42.  84. 
Vosen:  Anleitung  s.  erlernen  d.  hehr. 

Spr.  187. 


224  Verzei(;)iiiU  der  Uitafbeiter. 

Waffner:  Hores  et  frucius  latinl  576.  Wunder:  »cliedae cnlloae  dt  locU  i 

H'aUffer:  Joach.  Moriin  30^.  nullis  Sophoo.  ei  Cic.  pr.  Mar.  250. 

Weinhold:  fibcr  deutsche  Recbtsohrei-  8.  Sophodes. 

bung  *225. 

Weiszenbom:  ad  C.  Wex  d.  aliq.  Li-  Xenophon:  Aoabasis  ed.  L.  Dlndorf. 

vii  locis  367.  S.  Livius.  421.     i  10,  0  a.  10  252.     III  4,  0 

-^  Ninive  uud  sein  Gebiet  IL  450.  —13  76  u.  489.     IV3, 29  207.  U- 

IVerViof,  8.  Cavedoni.  p)s  So&iog  250.    8.  Heiland. 
Wie  könnten  die  griech.  Kirchenlehrer 

Gymnasiallehrer  werden T  S.  608*  Zenker ^  9,  Layard. 

IVol/f:  de  foiiDularum  tion  modo  —  Ziegler:  Beiträge  zur  altera  Getehlehle 

sei  —  usu  Ciceroniano  614.  d.  Gymn.  lu  Lissa  267. 


II.    Verceichnis  der  Hitarbeiter. 


Andreeen^  Dr  in  Itzehoe,  248.  Hoffmam^  Prof.  in  Ansbach  576. 

Bachoven  von  Echt  in  Cosfeld,  557.  Klotz,  l>r,  Prof.  in  Leipzig,  38». 

Barbieitx,  Prof.  in  Hadamar,  209.  Löbker,    Dr,  Oberlehrer  in  CoesMd, 
Benseier,  Dr  in  Leipzig,  500.  2U9. 

BÖUger,   Dr,   Prof.  in  Dessaa,   152.  Lothholz,  Dr,  Prof.  in  Weimar,  MS. 

290.  273. 

Buddeberg,  Dr,  Oberl.  in  Essen,  148.  P.  M.  169.  34«.  571. 

354.  552.  Metzger,  Prof.  in  Schönthal,  622. 

Büchner,  Dr,  Prof.  in  Hildburghausen,  Midielsen  j  Dt  Conr.,   in  Hildethelm, 

534.  325. 

Crecelius,  Dr  W.,  in  Elberfeld,  225.  Paldamus,  Dr  Frdr,j  Oberl.  in  Wb»- 

578.  feld,  1.  65.  117. 

Döderlein ,  Dr ,  Profess.  Studienreotor  QiLeck ,  Dr ,   Prof.   in  SonderBhansen, 

Hofrath  in  Erlangen,  358.  309. 

Eberz,  Dr,  Prof.  in  Franlifurt  a.  M.  Reuchlin-M eidegg,  o.,  Prof.  In  HoMal- 

26.  283.  delberg,  260. 

Fahle,  Dr,   Oberlehrer  in  Attendorn,  Rüdiger,  Dr,  Oberlehrer  in  ^lekaa, 
.    432.  307. 

Gerlach,  Dr,   Oberlehrer  in  Parchim,  Schiller,  Dr,  Oberlehrer  in  Sekivwili. 

450.  553. 

Gossrau,  Dr^  Oberl.  in  Quedlinburg,  Scldömlch,  Dr,  Prof.  in  Dresden,  81. 

187.  Schmidt,  Dr,  Conrector  in  Schwaldailt» 
Guthe,  Dr,  Oberlehrer  in  Hannover.       585. 

593.  Sintenis,  Prof.  inWermetch,  617. 

If.  in  Berlin  474.  Stauder y  Dr,  in  Dresden.  855. 

Ilartmann,  Dr,  Oberl.  in  Sondershau-  Vollbreekty  Dr,  Subrector  In  CiaasChiL 

sen,  208.  76.  79.  139.  250.  297.  421.  485. 

Hefflcr,    Dr,  Pror.  In    Brandenburg,  W.  583. 

373.  491.  Wattenbaek,  Dr,  Archivar  nnd  Prof. 
Ilerrmann,  Dr,  Prof.  in  Celle  595.  in  Breslau,  891. 


Personal  regUtefC  Q25 

m.   Personalregister. 


Achtner  HO.  Ackermann  f  606.  Adam  570.  Adrian  419.  Aebi  604. 
Alberti  f  1Ö8.  Alzheimer  110.  Ambrosch  +  272.  AmbroaoU  570.  Am- 
rein  604.  Andersen  168.  Andrea  63.  Anger  270.  Ankershofer,  ▼.,  114. 
Anschüu  110.  Anton  617.  Arany  HO.  Armbrust  461.  Arnold  in  Müo- 
nerstadt  272,  in  Pforzheim  368.  Aschbach  H4.  Aschlund  505.  Atten». 
berger  116.  Baier  308.  Bnng  367.  Bary,  de,  63.  Bassi  f  324.  Sau- 
dis 63.  Bauer  309.  559.  Baur  HO.  Bayer  561.  Bazzl  570.  Becker  619. 
Beer  619.  Behr  f  472.  Behringer  368.  559.  Beitelrock  368.  Bellinger 
609.  Bentfeld  463.  Bentz  518.  Bergk  371.  Bernstein  420.  Beschmann 
HO.  Bezzenberger  610.  Biasi  368.  Biasutti  368.  Biehl  406,  iu  Wies- 
baden 009.  Biela,  ▼.,  t324.  Binetf  372.  Blaschke  466.  Blaskowits,  v., 
f  116.  Blattner  270.  Blichert  516.  Bloch  505.  Böckh  114.  Böcking  108. 
Bogekamp  419.  Böse  463.  Bötticher  419.  Bogler  609.  Boguslawski,  v., 
308.  619.  Bojer  +  620.  Bolley  366.  Bone  419.  Böse,  v.,  f  520.  Bossart 
605.  Brandisf  116.  Brandscheid  600.  Braun  114,  in  Braunsberg  610,  in 
Rom  f  020.  Breier  223.  Bremiker  619.  Brock  619.  Brömmel  f  168. 
Brommig  114.  Bruckmann  562.  Brackner  270.  Bmmmerstedt  224.  Brze- 
tinski  465.  Buchbinder  63.  Buchenau  619.  Bnchholz  t  372.  Buckland  f 
570.  ßächler  561.  Bunsen  114.  Bunte  412.  Bnrghard  f  372.  Burmei- 
ster 463.  Burow  605.  Biittmann  168.  Callisen  508.  Calmus  412.  Cam- 
•panarit324.  Casalis  f  372.  Gaspari  371.  Cassel  520.  Casselmann  HO. 
Casires,  de,  214.  Cattaneo  518.  Chalybaeus  507.  Charpentier  f  64. 
Chevalier  HO.  Christ  in  München  HO,  in  Bamberg  559.  Christensen  507. 
Christiansen  507.  Christophs  268.  Cicigoi  270.  Clasen  224.  Codazzi  518. 
Colo  570.  Colombel  518.  Comeliu»  368.  518.  Cramer  HO.  Csika^  HO. 
Cubarth  466.  Curth  114?  Curtius,  E,  270.  G,  507.  Cywinski  109.  Czei^ 
mak  368.  Czizek  323.  Danek  466.  Dantz  63.  Deak  HO.  Deäky  f  HO. 
Deimling  371.  Dessoulavy  366.  Deu»chle  460.  606.  Deutschmann  510. 
Dieckmann  HO.  DielTenbach  f  64.  Dielitz  HO.  Dieterich  HO.  Dietridi 
t  64,  In  Hersfeld  462.  Dlez  371.  Dillmann  507.  Dlnter  619.  Dirichlet 
871.  Dirschedl  HO.  Doberenz  369.  Ddhner  271.  Dominkusch  62.  Do- 
uaggio  369.  O'Donovan  271.  Dornheim  312.  Droysen  369.  Drnmann 
520.  Duchek  369.  Duringer  272.  Dürre  306.  Dumas  HO.  Dunajewski 
369.  Dvofak  63.  HO.  Dworäk  110.  Ebeling  109.  461.  Ebenb6ck519. 
Ehert419.  Eckstein  2.59.  Edestand  du  Meril  114.  Egger  Hl.  Eichhorn 
f  168.  Eickemeyer  519.  Eisde  63.  Eiselen  606.  Eisenlohr  619.  Eiscn- 
•  mann  369.  Eijsinga  f  620.  Emmert  561 .  Erdmann  369.  Estermann  604. 
. Euler  111.  Evers  461.  Fallati  +  64.  FarinatI  Hl.  570.  Favaretti  270. 
Feder  f  168.  Fehler  461.  Feldhügel  111.  600.  Fesenmayer  111.  Fcsz- 
ler  610.  Fibiger  505.  Fichte  115.  Ficker  115.  Fiebig  270.  Fink  1324. 
Fisch  369.  Fischer  604.  Fiatscher  323.  Fleisf  hmnnn  Hl.  Fliedner  619. 
Floto  270.  FIolow,  v,  t570.  Föringer  03.  Folien  f  168.  Folprecht  270. 
Foreke  612.  617.  Fortoul  f  520.  Foss  272.  Franchi5l9.  Frandsen  214. 
516.  Franke  407.  Franta  111.  Fresenius  367  und  368.  Fresnel  f  324. 
Freund  310.  Friede  405.  Friedemann  111.  Friedlander  419.  Frohnmeyer 
369.  Frohsrhamer  111.  Fuchs,  ▼.,  f  324.  Fürsten  au  111.  369.  Fuk  465. 
Fuldner  317.  Claal,  r.,  f  116.  Gaiszer  560.  Galle  519.  Garoba  270. 
Gandtuer  167.  Gansz  562.  Garde,  de  la  111.  Gascari  367.  Gaugengigl 
520.  Gebhardt  559.  Gegenbaur  369.  Geier  519.  George  270.-  Gerhardt 
in  Straszburg  f  520,  in  Eisleben  619. 620.  Gessner  412.  616.  Giefers  167. 
Gies  f  272.  (liesebrecht  f  64.  Gieser  519.  Gicseke  369.  613.  Ginsanni 
472.    Gladyss  109.    Glaser  111.    Gobel  323.     Görlitz  619.    Goizinger  f  472. 


g26  PersoDalregister. 

Goldmaon  f  559.  Golab  111.  Gottlieb  115.  Granöwski  f  116.  GreUlll. 
Grönlund505.  Grössmann  570.  Grosz  111.  Groszbach  604.  GrosiefllO. 
Gnm  111.  Grünwald  111.  Gryaar  f  272.  Mabenichl  270.  llackermann 
369.  Uäfele  111.  Hänel  620.  Hagen,  v.  d.,  f  372.  Halm  519.  Hammer 
323.  Hanhart  f  272.  Hannacik  111.  570.  Hannwacker  111.  Hardeiand 
516.  Hartmann  115.  Hartwig  109.  Haase  270.  Hasselbach  619.  Hatte- 
mer  62.  Haub  168.  Haag  323.  Hauler  63.  Hansmann  115.  Haydack  111. 
Heermann  369.  Hegel  369.  Hegewisch  508.  Hegmann  559.  Heiland  472. 
Heine  f  272,  in  Halle  619.  Heissenberger  f  64.  Heller  369.  570.  Helms- 
dörfer  f  372.  Henfner  f  520.  Henkel  111.  Henneberger  472.  Henriehsen 
516.  Hentschel  f  520.  Heppner  168.  Herbeck  369.  Herbcrger  115.  Her- 
mann, K.  Frdr. ,  f  116.  Herrmannsen  507.  Hersche  604.  Hesse  111  und 
369.  Heydemann  369.  Heyer  f  109.  Hinrichsen  516.  Hirsch  270.  Hift. 
torf  619.  Höfig  in  Breslau  168,  in  Görlitz  419.  Hörliag  168.  Hoffmann 
103.  Hofmann  in  Düsseldorf  f  372,  in  Eger  270,  in  Leutschau  111,  in 
München  472.  Hofstetter  111.  Heil  111.  Hoppe  369.  Hom  in  Kiel  222, 
in  Würiburg  f  372.  Hornig  369.  Hosius  111.  Hoyer  109.  Hülsmann  + 
372.  Hultsch  407.  Huther  109.  landa  f  472.  Jansen  222.  Jehrisch  420. 
Jessen  222.  505.  Ihlefeld  612.  Indermauer,  v.,  270.  Ineichen  604.  Intle- 
kofer  619.  Irmisch  616.  Jobannides  112.  John  369.  Jordan  64.  Jung 
619.  JuDgclausen  222.  516.  Jurkovic  369.  Kamienski  466.  Kandernal 
112:  Kanz  63.  Karlinski  168.  Kauffmann  in  Stuttgart  f  272 ,  ▼.K.inKiel 
508.  Kaufmann  604.  Keck  224.  Keller  613.  Kemenyi  f  64.  Kessler  472, 
in  Roszleben  614.  Kink  271.  Kirchhoff  168.  Kisz  112.  Kittel  115.  Kita 
366.  Kleinpaul  f  116.  Klemens  613.  Kl^sk  466.  Klimpflnger  570.  Klö- 
den  f  168.  Kloppe  f  606.  Klütz  308.  Kober  559.  Koch  268.  Kock420. 
Köpke  271.  519.  Körner  310.  Köstlin  f  570.  Kollmann  109.  Kol8ter515. 
Kouingh,  de,  115.  Kopp  604.  Korinek  112.  Kosina  271.  Kotlinskl  109. 
Kowach  t  64.  Kozenn  112.  Kräuter  f  620.  Kraffert  419.  Krause  112. 
Krebs  690.  Krech  168.  Kresz  472.  Kretschmar  603.  Kriechenbaur  112. 
Krob  63.  Kroaer  323.  Kroschel  369.  Kroyer  505.  Kühn  6l6.  Kühner 
461.  Küster  562.  Küttner  419.  Kuhn  168.  Kunze  366.  Kutsch  619. 
liahmeier  619.  Lamey  369.  Lang  112.  Langer  323.  Langkavei  369. 
La'ngner  519.  Langsdorf ,  v. ,  369.  Ldnyi  f  472.  Lappenberg  508.  Lan- 
kotsky  112.  Lanrawsky  466.  Lazar  63.  Lechner  in  Bayreuth  und  Erlan- 
gen 112  u.  568,  in  Passan  369.  Legischa  63.  Lehmann  168.  Lehners  461. 
Lepar  271.  Leu  604.  Ley  565.  Leydolt  115.  Levn,  de,  112.  Lexer46e. 
Lichtenthaler  64.  Lieven,  t.,  f  324.  Lindemaun  461.  Lindenkohl  379. 
Lipinski  f  570.  Lips  408.  Liszncr  112.  Löber  112.  Lopata  323.  Lo- 
renz in  Grimma  258,  in  Salzburg  63,  in  Soest  516.  Lorenzen  516.  Lo- 
senczi  112.  Lotz  619.  Lowinski  168.  Lucht  in  Altona  222,  in  Rendsburg 
516.  Lüdemann  507.  Luthardt  271.  Lutze  616.  Maaszen  112.  Magri, 
de,  t  324.  Makar  112.  Mancini  519.  Manicus  505.  516.  Mantels  223. 
Marek  570.  Mariai  112.  Marquardt  420.  Märten  109.  Martens  370.  Ma- 
tranga  f  116.  Matscheg  63.  Matiinci  112.  Maul  408.  Mazzi  271.  Me- 
chercynski  465.  Meckbach  63.  Medier  462.  Meyer  in  Halle  f  116,  in 
Tübiugeu  271.  Meinardus  402.  Meisner  115.  Meister  112.  Mentovich 
11.  Meruuowicz  112.  Meyer  in  Göttingen  t  272,  in  Schwerin  109.  Mey- 
naerts  f  324.  Mezger  558.  Michaelis  168.  Michaljevic  112.  Michelsea 
115.  Mickiewicz  f  116.  Mibic  112.  Milberg  272.  Mittler  323.  Möhring 
565.  605.  Möller  310.  Mosch  309.  Mohr  619.  Moleschott  112.  Momm- 
scn,  Tycho,  112.  Monk  f  372.  Morawski  619.  Mosche  f  272.  605.  Mo- 
vers  t  620.  Mrniak  519.  Müchel  323.  Mühlberg  112.  Müllenhoff  507. 
Müller  in  Augsburg  558,  in  Berlin  f  620,  in  Göttingen  271,  in  Hannover 
271.  461.  605,  in  Lörrach  619,  in  Stendal  617,  in  Wiesbaden  600,  in  Würi- 
burg  370,  in  Zeiz  112.  Mussard  223.  Muiher  619.  Mutz  323.  Sadesch- 
din  t  324.      Nager  f  324.    Nagy  112.     Nasse  271.    Navrätil  113.     Ncto- 


Penonalreglster.  Q27 

litczka  670.    N^ide  620.     Neumann  t  570.    Nenner  507.    Nickel  519.    NI- 
colay  308.    Niziot  400.     Odescalchi  f  372.     Olczewsld  271.     Oskard  405. 
Oslermann  870.    Otto  010.     Otto  108.     Ozlberger  323.     Fachtier  500.     Pahl 
115.    Paldamus  370.    Palmarin  03.     Passow  in  Ratibor  013,  in  Schulpforta 
113.     Paul  in  Glogaa  019,  in  Neubrandenbnrg  208.    Paüly  323.    Pausohitz 
113.    Pazel  323.      Peacock  223.     Pechanek  370.      Peter  370.    Peters  !a 
Dentsch-Crone  108,  in  Pesth  113.    Petersen  503.    Pflaum  309.    Piadeni  472. 
Pi^tkowski  113.    Piscalar  500.     Pisco  f  110.    Planck  in  Kiel  507,  in  Ulm 
519.    Planer  113.    Platner  f  04.    Plötz  223.  420.     Pöthko  019.    Potschke 
407.    Pöble  108.    Polanski  519.    Polzin  109.     Povelsen  510.    Presber  f  505. 
Prevost  t  520.    Prigllmber  f  371.    Prien  223.     Pröller  113.    Puchelt  f  372. 
Püllenberg  f  372.     Puttrieb  f  570.    Q^uaregua  f  520.     Raabe  113.    Rabe 
113.     RSnz  309.    Raitsch  f  110.     Ramus  f  372.    Randi  03.     Ratjen  507. 
Raumer.   G.  W.  v.,  f  372.     Rebling  371.     Reichel  03.     Reidemeister  108. 
Reiff  04,    Reinhard  472.    Reinhardt  108.     Reizner  324.   Reatsch  312.    Res- 
pet  324.    Reuscher  370.    Rhode  113.    Ribbeck  370.     Riccardi  519.    Richter 
020.     Riss  370.     Ritschi  371.      Rilter  f  508.      Ritz  020.     Rhodeeki  519. 
Rolly  004.    Römer  370.    Roren  108.     Rohdewald  312.     Rohmert372.    Ro- 
meis 559.      Roszbach  472.      Roth  271.     Roudolf  113.     Ruchinger  f  371. 
Rudhardt  371.     Rackert  407.    Rümelin  in  Stuttgart  271,  in  Tuttlingen  271. 
Runge  420.     Rnperti  401.     Ryszowski  400.     Rytz   300.     ISabionet  f  570. 
Sack  300.     Saiamon  370.     Salomon  f  520.     Sand  113.     Samecki  t  400. 
Sartori  005.     Sauppe  370.     Sawczynski  405.     Scarenzio  519.    SchäJSer  in 
Gieszen  115,    in  Stendal  371.     Schafarik  115.     Schaub  013.      Schaubach 
472.     Schedl  324.     Scheele  113.    Scheibe  020.     Scheibner  519.     Schell  in 
Marburg  370,  in  Triest  324.     Schellbach  113.     Schenk  113.    Scherber  008. 
Schibier  300.     Schier   113.    Schildgen  113.    Schiller  501.     Schilling  02. 
Schirmacher  04.     Schlegel  04.     Schmid  508,  in   Lucern  005.     Schmidt  in 
Berlin  420,  in  Heidelberg  113,  in  Jena  108,  in  Kaschau  113,  in  Kempten 
113,  in  Mannheim  371,  in  Osnabrück  113,  in  Pressburg  113,  in  Roszleben 
013.     Schmitt  f  324.     Schmittdiel  020.     Schneck  013.    Schneidawind  370. 
Schneider  in  Breslau  f  372,  in  Krakan  400,  in  Rastatt  020,  in  Schweinfurl 
208.    Schneidewin  f  110.      Schömann  115.     Schön  113.     Schönborn  405. 
Schönermark  300.  Schötensack  371.    Schrader370.     Schreck  013.    Schreyer 

113.  Schürche05.  Schultz  in  Berlin  420,  in  Breslau  370.  Schulze  f  272. 
Schumann  503.  Schuster  370.  Schwab  113.  Schwach  370.  Schwalbe  000. 
Schwartz  324.  37i.      Schwartze  f  04.     Schwarz  in  Brunn  570 ,    in    Gotha 

519.  Schwarze  020.  Schweins  f  520.  Schwerd  115.  Schwippel  570. 
Secchi  f  372.  Seck  519.  Seelig  507.  Sengler  371.  Sickel  020.  Silber 
505.  Simon  in  Berlin  370,  in  Breslau  405.  Skorut  405.  Slanmig  113. 
Smolej  04.  Smyth  115.  Sobieski  519.  Soldan  408.  Spangenberg  113. 
400.  020.  Spann  118.  Spannfehlner  370.  Speidel  020.  Spitaler  04. 
Spring  115.  Stade  in  Arnstadt  308,  in  Salzwedel  114.  Stanecki  519. 
Stange  271.  Staroniewicz  400.  Staudenmeier  f  272.  Stawareki  520.  Ste- 
blecki  520;  Stefifensen  507.  Steinhart  000.  Steinhoff  403.  Steinmeyer 
300.  Steudener  370.  Stichaner,  v.  f  372.  Stobbe  370.  Stridde  020. 
Stromeyer  507.  Struve  in  Kiel  222,  in  Pulkowa  115.  Strzeleckl  370.  Stü- 
renburgf372.    Stulc  114.     Stumpf  020.    Suchier  020.     Suter  004.    Sybel 

520.  Svoboda  370.  Swicszcewski  400.  Szczurowski  04.  Tafel  115. 
Tanner  005.  Tauscheck  370.  Terdina  04.  Tesar  271.  Thanner  f  372. 
Thaulow  507.  Theiss  371.  Thiele  420.  Thierry  f  372.  Thomczek  114. 
Tieftrunk  114.  Timmermann  114.  Tolle  010.  Tollen8t020.  Tomaschek 
520.    Tophofif  370.  502.     Trotter  020.     Trzakowski  520.    Tuschar  1 14.   Tyn 

114.  Tzsohirner  405.  IJellner  401.  ülmann  271.  Urban  114.  Vahlen 
472.  Valjavec  27 J.  Vanicek  114.  Vechtmann  510.  Viditz  570.  Vier- 
heilig 114.  Vierordt  108.  VlUerme  272.  Vilmar  04.  Vörösmarty  f  110. 
Volbehr  214.     Vollbehr  224.  505.    Volz  f  04.    Vukasovic  114.    Wacker- 

44  ♦♦ 


028  OrUreglstar 

nagelll5.  Wagner  406.  Wahl  f  116.  Wahner  420.  Walfanr  114^  Wdi 
64.  Wattenbach  115.  Watterich  114,  Wawar  562.  Weber  271,  Web- 
renpfennig  371.  Webrmaun  371.  Weichselmann  114.  Wewrätnu  4M. 
Weisf  in  Krakau  466  y  in  Liegniu  64 ,  in  Nagykoröf  114.  Wandler  6i 
Wendt  371.  Wenkel  616.  Wenzel  f  272.  Wemtcke  620.  WeUel  ML 
Wiegand  462.  Wiener  in  Teschen  324.  Wigger  109.  WUda  fi07.  (08. 
f  520.  Wildermuth  115.  Willkomm  64.  Willmann  412*  WladadiiM 
210.  Winkler  371,  in  Dresden  f  570,  in  Lucern  605.  Winter  f  64,  ii 
Krakau  466.  Witte  271.  Wittrock  222.  Wöpcke  620.  Wolf  In  Bunbog 
550,  in  Bruchsal  371 ,  in  Wien  115.  WolfT  371.  Woriitacbek  116.  WA- 
atemann  f  372.  Wybiral  271.  Zacher  168.  ZavadU  472.  Zeeh  271. 
Zeisz  559.  Zentaiezo  114.  Zepic  64.  Zerrenner  f  371.  605.  Zescbwil% 
V.,  271.  ZeusE  116.  272.  Zielonackl  114.  Zinsow  371.  Zooludm  IK 
ZwoUki  109. 


IV.   Orlsregister. 


Aaiau  366.  Altena  214.  504.  Andam  308.  Arnstadt  308.  Avga- 
bürg  558.  Baden  61.  214.  Bamberg  550.  Bayreuth  309.  Bembnrg  810. 
Bistritz  517.  Bonn  311.  Braunschweig  366.  Breslau  405.  Bmohtal  21(1. 
Budibsin  103.  311.  CUusthal  312.  Detmold  312.  DUlingen  600.  D^ 
naueschiugen  560.  Dresden  406.  Clisenach  3G7.  Ellwangen  560.  JBrftirt 
459.  Erlangen  501.  Essen  502.  Euiin  3G8.  Flensburg  506.  Fmnkftart 
a.  M.  368.  Freiburg  220.  Freising  562.  Friedland  222.  dleuen  406. 
(ilückstadt  505.  Greifswald  563.  Griechenland  408.  Grimma  258.  MS. 
Güstrow  411.  Hadamar  609.  Hadersleben  505.  Halberstadt  412.  Halle 
259.  Hamburg  506.  Hanau  460.  Hannover  461.  Heidelberg  280.  MO. 
Herdfeld  402.  Hildburghausen  403.  Hof  563.  Husum  506.  Jever  461. 
Kiel  222.  464.  500.  Königsberg  i.  Pr.  565.  Krakau  465.  Krensnaoh  56b. 
Kronstadt  517.  Ijeipzig  603.  Lissa  266.  Luzem  603.  Lflbecb  2tt. 
605.  Lüneburg  605.  Magdeburg  606.  Mainz  62.  Mannheim  221.  MeiiMn 
008.  Meldorf  515.  Meran  608.  Mählhausen  608.  Maaaan  600.  Nen- 
brandenburg  267.  Neustrelilz  610.  Nordhausen  612.  Oetterreleb  lOI. 
318.  5GG.  Oschersleben  466.  Ostrowo  109.  Plön  224.  515.  PreoBMA 
157.321.  amdlinburg  612.  Rastatt  221.  Ratibor  613.  Rntsebarg  515. 
Rendsburg  516.  Rostock  224.  Roszleben  614.  I^chiszborg  518.  Schles- 
wig 516.  Schleusingen  616.  Schweinfurt  268.  Schwerin  109.  SiebenbOfw 
gen  517.  Sondershausen  616.  Stendal  617.  Weimar  617.  Wernigerode 
222.  Weilburg  609.  Wien  109.  Wiesbaden  609.  WUtenberg  618. 
Kerbst  618. 


Wenn  der  unterzeichnete,  nachdem  er  als  Redacteur 
und  Mitarbeiter  diesen  Jahrbüchern  beinahe  ein  volles  Vier- 
teljahrhundert hindurch  einen  groszen  Theil  seiner  Thätig- 
keit  zugewandt  hat,  von  der  Theilnahme  an  der  Redaction 
derselben  sich,  gegenwärtig  zu  einer  erweiterten  amtlichen 
Thätigkeit  verpflichtet,  zurückzieht,  so  darf  er  wol  auf  der 
einen  Seite  annehmen,  dasz  man  ihm  das  Zeugnis  nicht  ver- 
sagen werde,  dasz  er  lange  genug  dem  äuszeren  Dienste 
seiner  Berufswissenschaft  sich  gewidmet  habe,  ihm  für  die 
reiferen  Lebensjahre  zurückgezogenere  Forschungen  wol- 
woUend  vergönnend;  anderseits  fühlt  er  sich  aber  auch, 
trotz  mancher  erfreulichen  Anerkennung  von  vielen  Seiten, 
zu  dem  Bekenntnis  gedrungen,  dasz  er,  wie  er  bei  der 
mühevollen  Arbeit  sich  selbst  niemals  ganz  zur  Gnüge  gc- 
than,  so  gewis  auch  viele  Anforderungen  und  Wünsche, 
welche  andere  an  ihn  zu  machen  sich  für  berechtigt  hiel- 
ten, unerfüllt  gelassen  habe.  Deshalb  glaubt  er  bei  dem 
Rücktritte  von  der  Theilnahme  an  der  Redaction  der  Jahr- 
bücher nicht  blosz  seinen  Dank  gegen  alle  die,  welche  ihn 
durch  freundliche  Theilnahme  bei  seinem  Werke  unterstützt 
haben,  aussprechen,  sondern  auch  an  die,  welchen  er  nicht 
immer  zu  voller  Zufriedenheit  hat  dienen  können ,  die  Bitte 
um  nachsichtsvolle  Beurtheilung  und  freundliche  Entschul- 
digung richten  zu  müssen.  Wenn  er  aber  auch  von  der 
Theilnahme  an  der  Redaction  der  Jahrbücher  sich  mit  Ende 
dieses  Jahres  gänzlich  zurückziehen  zu  sollen  geglaubt  hat, 
so  wird  er  der  Zeitschrift,  deren  Redaction  er  eben  so  ge- 
lehrten als  einsichtsvollen  Männern,  die  ihm  seit  längerer 
Zeit  befreundet  sind,  anvertraut  sieht,  gewis  auch  in  der 
Zukunft  nicht  allein  ein  fortgesetztes  Wolwollen,   bisweilen