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Neue
JAHRBÜGHBR
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Philologie niMi Paedagogil(.
Begründet
Ton
Mt Jakun Ghriftiui JaluL
Gegenwärtig heransgegeben
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Reinhold Klotz Rudolph Dietseh
Professor in Leipsig Professor in Grimma
and
Alfred Fle«keisen
Professor in Frankfurt am Main.
Vierondsiebenxigster Band.
LdpdglSSft.
Druck und Verlag von B. G. Teubner.
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Zweite Abtheilung
kera«sgegebeii tob R«ddlpk Dietsek
Studien zum Gymnasialwesen mit besonderer Berücksich-
tigung der sächsischen Gelehrtenschulen.
I.
Jedem der einen Beraf ergreift, ein Gebiet der Wissenschaft
oder des Lebens zam Mittelpunkte seines Strebens macht, schreiben
wir billig nicht bloss eine lebendige Neigung für das ergriffene, son-
dern anch eine innige Ueberzeugung von der Wichtigkeit und Er-
sprieszlichkeit desselben zu. Je mehr ein solches Gebiet an sich eine
geistige und sittliche Natur und Bedeutung hat, desto mehr ist auch
das Vorhandensein jener Ueberzeugung neben der Neigung anzuneh-
men. Denn leider gilt heute mehr als jemals bei vielen der Grund-
satz , dasz die ErtragsfShigkeit des Berufes bei der Wahl desselben
den Ausschlag geben mässe , so dasz es sich weniger darum handelt,
ob eine starke Neigung fär denselben, als vielmehr darum, ob nicht
eine zu mächtige Abneigung gegen denselben vorhanden sei. So wird
schon durch das betonen des materiellen Gewinnes dem Berufe häufig
sein geistig- sittlicher Zusammenhang mit dem Menschen entzogen,
indem der Mensch nur materiell in demselben, geistig und sittlich
neben demselben steht.
Weir aber in dem oben ausgesprochenen Sinne sich einem Wir-
kungskreise zuwendet, erfallt von Begeisterung für denselben, durch-
drungen von der Ueberzeugung seiner Würde und Wichtigkeit, wird
nicht lange ungestört in dieser Begeisterung bleiben. Entweder wird
er überhaupt die Praxis nicht im Einklänge mit seinem Ideale finden,
— und das ist bis zu einem gewissen Grade so nothwendig wie nütz-
lich , — oder er wird von auszen her mit Widersprüchen manigfacher
Art zusammenstoszen. Er wird erfahren , dasz viele das , was ihm so
hoch steht, geringer oder gar gering schätzen, dasz das, was er für
nützlich hält, andern unersprieszlich oder gar verderblich erscheint,
ja er wird vielleicht sogar wahrnehmen müssen , dasz sich die allge-
N. Jakri. f. PfUt, u. Paed. Bd. LXXIV. Hß. 1. 1
2 Studien zum Gymnasialwesen.
meine Stimme im Gegensalze zu seinen Ueberzeugungen befindet. Al-
les das braucht ihn zwar noch keineswegs um diese zu bringen, aber
es wird ihn doch nachdenklich stimmen und darauf hinweisen, die
Lage der Sache und ihr cigenllichslcs Wesen möglichst genau zu pra-
fen. So entsteht das Bedürfnis die eigene Neigung, die Ueberzeuguog,
welche aus jener erwuchs und vielleicht noch nicht gegen die An-
grilTe genügend gerüstet ist, durch ausreichende Gründe zu unter-
stützen. Denn ist es auch Ihöricht, sich durch jeden Widerspruch
wankend machen zu lassen, so ist es doch auch nicht minder ver-
kehrt, an entgegengesetzten Meinungen gleichgiltig vorüberzugehen;
nichts ist zwar unangenehmer, aber auch nichts inslrucliver als der
Widerspruch. Nimmt nun die Zahl der Gegner so zu, dasz sie die
Majorität zu bilden scheinen, so steigert sich natürlich das Gewicht
der entgegenstehenden Meinung, weil die Mehrzahl, so wenig in ihr
die Nothwendigkeit der richtigeren Ansicht liegt, wenigstens für den
ersten Augenblick imponiert.
Das Berufsgebiet, dem wir uns zugewendet haben, gehört xu
denen, in welchen der Enthusiasmus nur zu leicht an Widersprach
und Gegensatz anprellt, so dasz es oft wahrlich nicht so leicht ist,
sich die dem Schulmanne unentbehrliche Begeisterung für den Beruf
zu erhalten. Zum Theil ist auch nicht in Abrede zu stellen, dasz, so
wenig jemals wol die materielle Krwerbslust zu diesem Stande ge-
trieben hat, hier der auszerliche Ertrag oft selbst hinter massigen
Ansprüchen zurückbleibt. Aber wäre es nur das, so möchte es im-
mer noch leichter sein, sich jenen Enthusiasmus zu erhalten. Auch
nicht die praktische Schwierigkeit ist es, welche Mismut hervorruft,
da jede wirklich didaktisch und paedagogisch befähigte Natur gerade
von der Schwierigkeit angezogen wird. Es ist weit mehr der Mangel
an gerechter Würdigung der Sache, an nachhaltiger und ausreichen-
der Unterstützung, der bis zur Entmutigung drücken kann; es ist die
Stimme der öITentlichen Meinung, die oft namentlich einzelne Rich-
tungen geringschätzt oder angreift.
Bei einer andern Gelegenheit '^) haben wir nachzuweisen ver-
sucht, was für eine Macht in der Schule überhaupt liegen könne,
wenn man sie nur in ihr suchen wolle. Wir glaubten und glauben
noch, dasz die Schule gerade in unserer Zeit, der nur durch das ge-
winnen einer festeren Basis gründlich zu helfen ist, eines der wich-
tigsten der diesem Zwecke dienenden Mittel sein könne. Diese Uc-
berzeugung halten wir auch heute fest, wenn wir auch weit davon
entfernt sind die Macht der Schule zu überschätzen, und auf der an-
dern Seite nicht verkennen, dasz der Staat nicht zu allen Schulge-
bieten in nächster und unmittelbarster Beziehung stehen kann. >A ir
wollen uns aber heute auf ein besonderes Gebiet beschränken, auf
dasjenige, dem wir selbst angehören, das Gebiet der Gymnasialslu-
dien und bei der Betrachtung desselben eine besondere Rücksicht auf
♦) Vgl. deutsche Vierteljahrschr. 1855. 1« Heft.
Studien zum GymnasialweBen. 3
unser eAgeres Vaterland nehmen. Ffir das, was wir dabei zn sagen
haben werden, um eine wolwollende Anfnahme bittend versichern wir
zugleich, dasz die beste und ernsteste Absicht diese Auseinander-
setzungen hervorrief, und dasz wir jeder Belehrung zugänglich sind.
Ist das Schulgebiet überhaupt in den letzten Jahren der Tum-
melplatz der widerslrebendsten Meinungen gewesen, hat sich die po-
litische Parteisteliung wcisentlich auch ihm gegenüber in bestimmten
Standpunkten und Neuerungsversuchen kundgegeben, so möchte wol
kein einzelner Theii desselben so stark von der Zeitstimmung berührt
worden sein , als das Gymnasialwesen. Man hat im Jahre 1848 und
1849 Theorien aufgestellt, welche die Basis desselben wenigstens zu
untergraben drohten, es haben damals auch die wolmeinenden nicht
geringe Concessionen gemacht, es ist vieles verändert worden , die
allgemeine Neigung hat sich wenigstens temporär und local von die-
sen Schulanstalten ab- und wenigstens in manchen Theilen Deutsch-
lands den emporblühenden Realschulen zugewendet. Die Frage scheint
noch zu schweben, eine Entscheidung derselben durch die Erfahrung
aber nicht ohne Bedenken, weil dergleichen durch die Erfahrung ge^
gebene Antworten sehr oft nicht blosz vorwärts, sondern auch rück-*
wärts weisen. Freilich ist der Werth der Erfahrung nicht zu leugnen,*
aber die Frage iäszt sich nicht übersehen , was man für Erfahrungen
durch eine eingeschlagene Richtung machen kann. Das ist eine je-
denfalls aufzuwerfende, freilich nicht leicht zu beantwortende Frage,
an deren Lösung alle, die ein Herz für die Sache haben, nach dem
Masze ihrer Kraft mitarbeiten sollen , indem ^iner allein schwerlich
die Wahrheit nach allen Seiten erfassen wird ; die entgegengesetzte-
sten Standpunkte werden hier willkommene Beiträge liefern können.
Denn, wie die Dinge stehen, wird eine Betrachtung der Lage
der Gymnasialstudien kaum möglich sein, wenn man nicht von altge-
meinen Principfragen ausgeht. Es ist nothwendig sich über die Be-
deutung dieser Studien überhaupt zu verständigen, ihre Stellung zu
den Bedürfnissen unserer Zeit zu erörtern , das Wesen der Realscha-
len ins Auge zu fassen und das Verhältnis beider Richtungen zu ein-
ander und zu den Zeitfragen zu betrachten, ehe noch von der spe-
ciellen Gestalt der ersteren, die sie annehmen sollen und wirklich
annehmen , die Rede sein kann. Ueber alle diese Capitel ist nicht we-
nig schon geschrieben worden, darunter manches sehr vortreffliche,
so dasz kaum daran zu denken sein dürfte, der neue Versuch werde
darüber hinausgehen. Und doch gibt es Dinge, die gar nicht oft ge-
nug wiederaufgenommen werden können, weil, wenn auch die Wahr-
heit dieselbe bleibt, doch die äuszern Verhältnisse, die zeitliche Stel-
lung sich von Jahr zn Jahr ändert. Insbesondere aber ist es die
Pflicht der nicht von der Stimmung der Zeit begünstigten Richtung,
sich nicht schweigend zu verhalten, nicht die Hände in den Schose
zu legen und zu erwarten, dasz die Erfahrung ihr zu Hülfe kommen
werde , sondern trotz jener Abneigung ihre Ueberzengung immer wie-
der freimütig auszusprechen.
4 Sluüicii zum (jyinnasiaUesen.
Die Gymiiasialsludien rohen auf dem classisclien Principe, auf
dem lluinanismiis, der eine doppelle Bedeutung hat, eine fiussere hi-
»toriflch gewordene, und eine innere in seinem Wesen ruhende. In
Beziehung auf die erstere ist es gewis, dats die classischen Stadien
ein Grundbestandlheil des deutschen Geisteslebens seit über 1000 Jah-
ren sind. Eine deutsche Litteraturgcschichte, die von diesem Ge-
sichtspunkte nicht mit ausgehen wollte, würde geswungen zu die-
sem Uesultate gelangen. Es ist noch gar nicht genug Mühe daraaf
verwendet worden, diesen Zusammenhang nachzuweisen, und die
neuerdingt» in richtigem Gefühle, worum es sich jetzt eigentlich han-
delt, versuchte neue Behandlung von Cholevius (vgl. diese Jhb. Bd.
LXXII S. 297 fr.) verdient schon deshalb grosze Anerkennung. Von
vornherein also ist ein historisches Recht des classischen Principea
nicht in Abrede zu stellen , und wenn .man auch nicht geneigt sein
wird, für eine Sache nur darum zu sprechen, weil sie seit so und so
viel Jahren bestanden, so wird man auch nicht verkennen, dasz alles
historisch gewordene nicht blosz eine äusz er liehe Berechtigung hat,
so wie da^z es nirgends leicht ist, über die Tradition ungestraft hin-
wegzukommen. Selbst die wärmsten Anhänger des entgegenstehen-
den Princips werden nicht leugnen können, dasz der Humanismus ftr
uns die Quelle inhaltvollstor Sognungen geworden ist. Die geistig
hervorragende Stellung der deutschen Nation ruht mit auf dieser Ba-
sis, unsere Litteratur zumal verdankte ihr noch jüngst ihre zweite
dussische Periode, und es ist sehr zu bezweifeln, ob dieselbe ohne
das AUerlimm je zu einer dritten gelangen wird; ein gleiches läszt
sich von der Kunst sagen. Ferner ist gewis, dasz sich in diesem Zu-
sammenhango mit dem classischen Alterthnmo eine unserer national-
sten Eigenschaften gross gezogen hat, nemlich die Fähigkeit, fremde
Elemente in uns aufzunehmen, sa verarbeiten und als unser geistiges
Eigenthum neu zu gestalten. Für den Protestanten kann es endlich
nicht gleichgiltig sein, in welcher innigen Verbindung der Humanis-
mus mit den Reformatoren stand: gieug doch unsere Gymnasialwcsen
mit von der Kcformation aus, und empfahl doch noch sterbend Me-
lanchthon nächst der Bibel den Homer!
Die Thatsache, dass der Humanismus historisch die Bildungs-
grundlage der deutschen Nation geworden ist, bedarf nicht des Be-
weises. Eine andere Frage ist es , ob man mit diesem historisch ge-
wordenen Verhältnis zufrieden zu sein Ursache hat. Denn allerdings
ist es auf der andern Seite auch historisch richtig, dasz sich von
frühester Zeit an Gegensitze gegen den Classicismus geltend gemacht
haben; ja die Geschichte der deutschen Litteratur besteht geradezu
aus der Geschichte dieser Bewegungen für und gegen denselben, wel-
che letzteren man neuerdings unter dem Namen des romantischen zu-
sammengefaszt hat. Wir können auch dies hier nicht weiter verfol-
gen, sondern beschränken uns darauf zu sagen, dasz es vorzüglich
zwei Elemente waren , welche zu verschiedenen Zeiten sich gegon das
classische Priucip erhoben, das christliche und das nationale, bis erst
Studien zun Gyanasialwesen. 5
in neaerer Zeit ein drittes hinzukam^ das realistische. Schon sehr
früh begann die kirchliche Opposition gegen die dassisehe Bil-
dung, freilich mehr gegen den Inhalt, als gegen die Form; so schoii
durch Cassiodor, welcher den Papst Agapitus ermunterte, zu Rom
eine Schule zu gründen, in welcher man mit den artes elegantes die
christlichen Studien verbände, unde et anima susciperei aeiernam
salulem ei caslo aique purissimo eloquio ßdelium lingua camerelur.
(Cholev. I 9). So ermahnte Gregor der grosze den Bischof Desiderius
V. Vienne, den nugis und litieris saecularibut zu entsagen, und nicht
ferner heidnische Dichter mit jungen Leuten zu lesen. Bekannt ist
jedem, wie zu verschiedenen Zeiten sich diese Angriffe erneuerten,
und wie sie noch in unserm Jahrhunderte, ja in der allerletzten Zeit
erneuert worden sind. Die nationale Opposition änszerte sich nyehr
in dem Gebiete des Staates und in der Littoratur, gleichfalls zu ver-
schiedenen Zeiten und bis auf unsere Tage herab. Aber nirgends war
die Opposition so erfofgreich , dasz das angefeindete seinen Einflus»
langer, als auf eine kurze Zeit eingebüszt hatte. Und zwar deshalb,
weil beide dem classischen feindliche Elemente nicht den Kern deft
Uumanismus treffen konnten und wollten, sondern nur seine unlau-
tere Erscheinung: sie wollten nur zu ihrem unzweifelhaften Rechte
gelangen. Der Classicismus aber schlieszt nach seinem wahren We-
sen weder das christliche, noch das nationale aus, und verstehen wir
die geschichtliche Bewegung recht, so handelt es sich nicht nm das
aufgeben eines dieser Factoren , sondern um ihre Vereinigung. Die-
sen Humanismus , der die christliche Basis nicht verliert and der na-
tionalen Gesinnung nicht entratbet, bezeichnen wir im voraus als die
eigentliche Aufgabe der Gegenwart.
Der dritte Gegner des Humanismus aber trat mehr als die ge-
nannton in Gegensatz zu dem wahrhaften Wesen desselben. Dieses
ist, um die Worte eines ausgezeichneten Mannes in einem gleich aus-
gezeichneten Werke anzuführen (Palmer evangel. Paedagogik I S.
S9), folgendes: ^der Humanismus stellt die Lehre auf, dass der Zweck
aller Bildung die HumanitSt, die Entfaltang und Cultur des wahrhaft
und rein menschlichen sei, und zweitens, dasz dieser Zweck durch
die alten Sprachen am sichersten, ja ausschlieszlich erreicht werde,
indem sowol die formelle Cultur des Geistes, welches jenes Studium
mit sich bringe, als die Kenntnis des classischen Alterthums, seiner
Geschichte und Charaktere das geistige und ideale im Menschen her-
ausbilde und ihn über die Gemeinheit des äuszern Lebens erhebe.'
Als ein solches Frincip, als Humanismus, trat der Classicismus erst
im vorigen Jahrhunderte auf, nachdem er auf den Schulen fast unan^
gefochten geherscht hatte. Damals war es der sogenannte Halle-
sche Pietismus, der sich gegen da« einseitig und unfruchtbar ge-
wordene Unterrichtswesen erhob und die Realien (Geschichte,
Deutsch usw.) nicht un die Stelle der alten Sprachen, sondern neben
dieselben stellte. Ein Schüler Frankes, Semler, ging einen Schritt
weiter und gründete in Jahre 1739 in Hnlle die erste specifiscbe Real-
6 Studien zum Gymnasialwesen.
schule, von der nun das Studium der alten Sprachen ausgeschlossen
blieb. Insofern man aber den classischen Humanismus, freilich ueii
gestaltet durch die Aufnahme realer Elemente, als Grundlage der hö-
hern Bildung beizubehalten gedachte, war die Hallesche Opposition
ein Fortschritt des Humanismus selbst, der dadurch erst zu einem
Princip entwickelt und, wenigstens nach ^iner Seite hin, vor Einsei-
tigkeit bewahrt wurde. Eine eigentliche realistische Reaction trat
erst später durch die Philanthropisten ein, welche den wirklichen
Realismus schufen und das Utilitätsprincip aufstellten, nach dem aller
Unterricht einen unmittelbaren materiellen Zweck haben sollte. Die-
ser Materialismus ist es nun, der, nachdem er schon früher die Welt
mit Streit erfüllt, neuerdings sich wieder in der verschiedensten
Weise geltend gemacht hat, wozu freilich noch andere, namentlich
sociale und politische Momente, das ihrige beitrugen.
Wenn wir sagten, der Humanismus habe sich nächst dem histo-
rischen Rechte auf seine innere Bedeutung zu stützen, so haben wir
damit die Verpflichtung übernommen, dieselbe noch weiter zu be-
trachten. Er ruht auf der Ucberzcugung, dasz er formell und mate-
riell die beste Grundlage wahrer Rildung darbiete.' Unter Bildung
aber versteht man nicht den Besitz einer verwendbaren, allenfalls
auch geordneten Masse von Kenntnissen in einem gewissen Gebiete,
sondern etwas anderes und grüszcres. Bilden ist soviel als gestalten:
den Geist bilden heiszt also demselben eine angemessene Gestalt ge-
ben. Schon daraus geht hervor, dasz alle Bildung ein formelles
Element hat, und dasz dieses wenigstens ebenso wichtig. Ja wichtiger
sei als das stofTliche. Die geistige Natur des zu bildenden soll vor
allem in eine gewisse Gestalt gebracht, seine Fähigkeiten sollen ge-
weckt und geformt werden; es bleibt darum der zu bildende vermöge
dos in ihm vorhandenen das erste Object des Humanismus. Weil aber
dieser formale Zweck eines bestimmten Mittels bedarf, wendet der
Humanismus gewisse wissenschaftliche Gebiete an, um durch diesel-
ben jenen Zweck zu erreichen. Da ihm die allgemeine Zurüstung der
menschlichen Natnr über die besondere Erfüllung mit Material für das
individuelle Leben geht, fragt er zunächst nach der Fähigkeit der
einzelnen Bildungsmittel in dieser Hinsicht. Und hier stellt sich das
classische Sprachgebiet als das ausgiebigste, nachhaltigst wirkende
dar. Zwar kann der Humanismus sich nicht der Anforderung entzie-
hen , die übrigen in den Bildungsinhalt der Zeit aufgenommenen Ele-
mente zu berücksichtigen, noch verkennt er ihre Bedeutung, aber er
kann sie weder den alten Sprachen überordnen, noch gleichstellen in
extensiver Behandlung. Uebcrall aber auch da, wo er die realen Gebiete
heranzieht, darf er sein eigentliches Wesen nicht verlengnen, wel-
ches als erstes Object 'die zu bildende geistige und sittliche Natur des
Schülers betrachtet, nicht den Unterrichtsgegenstand, der stets mehr
Mittel , als Zweck ist. Hier liegt nicht nur die eigentliche Unterschei-
dung des Princips, das sich keineswegs blosz in der Gestaltung des
Leclionsplanes aasdrQckt, sondern auch zugleich die Gefahr.
Studien zum Gymiiasialwesen. 7
Denn dieser formale Standpunkt darf nicht zu einem inhaltlosen
werden; er darf nicht vergessen, dasz nicht blosz der Unterrichts-
gegenstand durch die ihm inwobnende Kraft, sondern dasz das* ler-
nen desselben wirkt, und dasz jedes lernen neben der formalen Kräf-
tigung des Geistes einen realen und idealen Inhalt gibt. Auch in Be-
zug auf dieses stoffliche Element lebt der Humanismus des festen
Glaubens, dasz ^die classischen Studien dem Geiste des zu bildenden
den angemessensten Inhalt geben, dasz zugleich die Pflege derselben
nicht nur den Geist forme, sondern auch mit dem idealen Sinne er-
fülle, der über das Leben erhebe. Dies führt von selbst auf die sitt-
liche Bedeutung des Humanismus. Dasz wir in der Bildungsfrage
aberall Humanismus gleich Idealismus setzen können, wird nicht zn
bestreiten sein; in analoger Weise tritt in unserer Lilteratur- und
Kunstgeschichte der Classicismus als Idealismus auf. Das humanisti-
sche Unterrichtsprincip wendet sich nicht unmittelbar dem Zwecke
des zu lernenden zu, erhebt also von vornherein über den Stoff, die
Materie. Ist das nicht eben das Wesen des idealen?
Indes möchten wir in dem Humanismus noch mehr suchen: in-
dem er nemlich eben der unmittelbaren Verwendung und Verwerthung
nicht zusteuert, eröffnet er überhaupt höhere Gesichtspunkte, ordnet
das Leben der Idee unter, ohne es auszer Augen zu lassen. Denn
überall haben wir den rechten Humanismus, nicht den farblosen un-
tüchtigen lebensfeindlichen Idealismus im Auge. Er gebiert dadurch,
dasz er nicht dem materiellen Zwecke dienstbar wird, die sittliche
Resignation , die Unterordnung unter das höhere und allgemeine , die
Fähigkeit nicht blosz nach den Bedürfnissen des Tages zu jagen; er
ist, um es kurz zu sagen, nächst dem Christenthum der gefährlichste
Feind des Materialismus.
Was aber seine Stellung zum Christenlhumo betrifft, so steht
er durchaus nicht im Gegensatze zu demselben, schon darum, weil
er sich nie als letzten Zweck , sondern als Mittel setzt. Er dient viel-
mehr dem Christenthume , theils , indem er den idealen Siun weckt,
die Sittlichkeit kräftigt, über die Materie erhebt, theils auch, indem
das von ihm vorzugsweise verwendete sprachlich - historische Bil-
dungsmaterial in einem fortlaufenden Zusammenhange mit der gött-
lichen Weltordnnng steht, überall auf Gott hinweisend, auf Christum
hinführend, nirgends über das grosze ewige Mysterium, wie es des
Glaubens Eigenthum sein soll, durch analytische Zersetzung hinaus-
gehend.
Also stellt sich uns das geleuterte Wesen des Humanismus dar.
Manche werden entgegnen, dasz ein solcher Humanismus nicht die
Grundlage der Gymnasien sei. Darauf ist zu erwiedern , dasz 1) doch
wol anzuerkennen ist, dasz man neuerdings das Princip nicht anders
faszt, und dasz 2) einzelne Ausnahmen und besondere Zustände nichts
gegen das Princip beweisen, sondern nur darthun, wie man es nicht
genug herausgebildet hat. Dasz es aber sich also gestalten läszt, dar-
über möchte wol nicht zu zweifeln sein.
8 Stadien zum Gymnasialwesea.
Wie verhält sich nun die Gegenwart mit ihren Auforderangen
und ihren Neigungen zu diesem Humanismus? So befriedigend die
Antwort ausfiel, als wir nach dem Wesen des Humanismus fragten,
80 wenig günstig lautet hier im ganzen die Antwort. Denn wie im-
mer anzuerkennen sei , dasz einsichtsvolle Stimmen sich für die Gym-
nasien erklärt haben, wofür wir später noch Beweise beibringen wer-
den, dasz ferner hie und da eine allgemeinere Rückkehr zu den
Gymnasialstudien angestrebt wird, das ist nicht zu leugnen, dasz die
Gymnasialbildung in der Achtung der Zeit gesunken ist, dasz nament-
lich in einzelnen Ländern sich die Neigung des Publicums überwie-
gend der andern Richtung zugewendet hat. Das dürfte in nicht ge-
ringem Grade für Sachsen gellen. Denn die Zahl der Gymnasien ist
keine grosze; wollen wir auch das zum Theil von Auslandern be-
suchte Vizlhumsche Geschlechtsgyninasium mit einrechnen, so kommt
durchschnittlich 1 Gymnasium — wir haben 11 — auf 170000 Men-
schen, was ein ganz besonders geringes Verhältnis ist und in den
meisten deutschen Staaten sich günstiger herausstellt, z. B. im Grosz-
herz. Hessen, Braunschweig usw. Unter diesen 11 Gymnasien sind
auszcrdem mehrere sehr schwach besuchte, andere in sich geschlos-
sen und nur bis zu einem gewissen Grade zugänglich, wodurch sich
die Theilnahme für die Gymnasialstudien in Sachsen als noch geringer
darstellt. Vielleicht finden wir indes spater noch besondere Gründe,
welche hiebei mitwirken möchten. Im ganzen wendet sich die Nei-
gung in unserem Lande anderen Richtungen mehr und mehr zu ; das
ist wol nicht in Zweifel zu ziehen, da, selbst wenn die Frequenz un-
serer Gymnasien nicht abgenommen hätte, die grosze Zunahme der
Bevölkerung doch wol ein verlangen nach Vermehrung der Gymnasien
hervorgerufen haben müstc.
Fragen wir, wie sich diese Schulen zum Bedürfnisse unserer
Zeit verhalten, so müssen wir dieses Bedürfnis selbst zu ergründen
suchen. Unsere Zeit ist aber wol durch nichts treffender zu bezeich-
nen, als durch den Namen einer materialistischen: der Materia-
lismus, in tausend Gestalten, ist der Regent dieser Tage. Deshalb
werden sich für diejenigen, welche schärfer hinsehen, die meisten
Tages- und Zeitfragen unter den Gesichtspunkt zusammendräugen :
Realismus oder Idealismus? In mancher Beziehung kann man dafür
auch , und nur für den ersten Augenblick mit einem Anscheine von
SchrolTlieit, sagen: heidnisch oder christlich? Denn aller Materialis-
mus lehrt die Hingabe an die Objecle, und das Christenthum entreiszt
dieser Sklaverei der Diesseitigkeit : nur ist dieser christliche Idealis-
mus nicht farblos, sondern ruht auf der Basis des echten Glaubens.
Dasz unsere Zeit eine materialistische sei, das ist so oft und
von so ehrenwerthen Mäpnern ausgesprochen worden, dasz es kaum
der Wiederholung bedarf. Weniger dagegen hat man den Innern Zu-
sammenhang der einzelnen äuszern Erscheinungen aufzudecken sich
bemüht: man hat sich meistens mit dem einzelnen Gebiete begnügt.
Und doch thut vor allem gerade dies Noth, dasz man einmal das ganze
Studien zum Gymnasiulwesen. 9
Gebiet de« Lebens durchforsche und den Beweis liefere, wie alle ein-
zelne Verirrungen zuletzt auf dieselbe Quelle zurückweisen. Diese
Quelle scheint uns eben keine andere zu sein , als der Materialismus,
oder noch schärfer ausgedruckt, dasPrincip der Diesseitigkeit. In
einigen Beziehungen sind wol alle besser denkende einig, wie etwa
in Bezug auf das sociale Leben, dessen materielle Richtung wol nur
den verblendetsten erfreuen kann; nicht minder verdammt man in
Kunst uud Litteratur die realistische Richtung. Aber schon hier fehlt
CS nicht an heillosen Inconsequenzen , welche das, was sie durch die
eine Thüre hinauswerfen , durch die andere wieder hereinlassen. Wir
wollen gar nicht daran erinnern, dasz sehr viele über den Luxus,
über die Genuszsucht des Volkes, über Sonntagsentheiligung usw. kla-
gen utfd nicht im geringsten darauf bedacht sind , sich selbst zu ver-
einfachen. Wir wollen nur die Litteratur betrachten: wird nicht der
flachsten Production Vorschub geleistet? Wuchert nicht in den Leih-
bibliotheken eine Litteraturgattung ungehindert empor, die sehr oft
die besten Bestrebungen des Unterrichtes, der Erziehung, der Predigt
zu Schanden macht? Ein recht augenfälliges Beispiel liefert da»
Theater, das der Zeitrichtung am meisten verfallen ist; was gehen
jetzt von der Bühne für Wirkungen aus? Es bedarf noch nicht einmal
der Keckheit eines der modernen Litteraturführer, dem sittlichen Ge-
fühle in einer Komoedie der Besserungen , in welcher die Besserung
nichts als Komoedie und die Tugend hohle Phrase ist, in das Gesicht
zu schlagen, es genügt zu bemerken, dasz die Mehrzahl moderner
Dramen, etwa wie Pitt und Fox, auf einem faulen Grunde ruht, und
dasz die Oper zu dem materiellsten Effectdienst herabgesunken ist.
Worin liegt die Consequenz, wenn man, wie anderwärts geschieht,
am Sonntage zwar streng auf Heiligung des Feiertags halten möchte,
aber doch Abends ein groszes modernes Ballet aufführt? Und solcher
Inconsequenzen lassen sich in den verschiedensten Gebieten nicht we-
nige aufßnden.
Wir wurden eiwßs unternehmen , das eine ausgiebigere Kraft be-
ansprucht, als wir besitzen, und würden, wenn wir uns auf einen
solchen Versuch einlassen wollten, unserm Hauptthema untreu wer-
den, wenn wir hier nachweisen wollten, wie der Materialismus das
ganze Leben durchdrungen hat, und welche Wirkungen wir ihm ver-
danken. Das aber möchten wir noch hinzusetzen , dasz die Ueberzen-
gnng von der Herschaft und der Verderblichkeit desselben weder
allgemein genug ist, noch mit der erforderlichen Energie gefaszt
wird. So wie aber das gute zuletzt nur 6ine Quelle hat, so ists auch
mit dem bösen : wenn die anerkannte Schadhaftigkeit der Verhältnisse
gründlich geheilt werden soll , so ist das nur durch ein consequentes
Verfahren möglich: nicht dadurch, dasz man das ^ine tbut, aber das
andere nicht läszt, sondern dadurch, dasz man das 6ine thut und das
andere läszt.
Nun wollen wir aber auch nicht leugnen, dasz der Realismus
des I9n Jahrhunderts auch seine Lichtseiten hat, wie denn überhaupt
10 Studiea zum Gymnasialwesen.
im Leben nicht leicht etwas einen ganz ungemischten Charakter be-
sitzt. Als solche Lichtseiten Idszt sich in wissenschaftlicher Bezie-
hung der Forlschritt der Naturwissenschaft, in praktischer Richtung
der gewaltige Aufschwung der Industrie bezeichnen. Dasz hier stau-
nenswerthes geleistet sei und geleistet werde;, könnte nur Beschränkt-
heit verkennen wollen.' Es gibt zwar Leute, welche beides beklagen
und verwerfen, aber zu diesen rechnen wir uns nicht, doch auch
nicht zu denen, welche das Heil der Zukunft von der naturwissen-
schaftlichen und industriellen Richtung erwarten. Man braucht nicht
mit jenen die Achseln zu zacken und diesen Fortschritt für ein Werk
dos Teufels zu halten, und doch auch nicht mit diesen zu triumphie-
ren. Denn allerdings ist diese gesamte Richtung wol geeignet, neben
freudiger Anerkennung der Leistungen ernste Besorgnisse hei^orzu-
rnfcn. Denn ihren Ursprung, ihre Neigung zum Materialismus kann
sie nimmermehr verleugnen; diese Richtung hat weit mehr Beziehung
zu den endlichen irdisch begrenzten Zielen der Menschheit, als zu
dem, was darüber hinausliegt, zu dem Endziele. Die Naturwissen-
scliafl hat mehr Neigung gezeigt zu lösen als zu binden, und wo
sie praktisch gewirkt, Bestrebungen, die wir verdammen müssen,
wenn nicht unmittelbar, so doch mittelbar unterstützt. Wenn auch das
noch zu viel gesagt ist, so wird man einräumen, dasz sie das gute
im politischen und religiösen Leben wenig gefördert hat. Wendet
man ein, dasz auch die Naturwissenschaft in letzter Instanz und zwar
mit eindringlicher Stimme auf Gott hinweise, so hat man gewis Recht;
aber im Lehen wird diese wieder vereinende Höhe der Wissenschaft
wenig sichtbar, desto öfter werden es die niedern Instanzen, die
keine Neigung zeigen, die Wegweiser zum Glauben und zur Demut
KU sein. Ebenso gewis aber hat der Aufschwung der Industrie die
Einfachheit der Lebensverhältnisse nicht gefördert, sondern die Ue
bcrfeinerung derselben begünstigt. Zudem verlangt das Wachsthum
dieser Richtung eine fortwährende Steigerung, so dasz zuletzt eine
Spannung eintreten musz, der gegenüber wir rathlos werden. Die
materiellen Interessen gewinnen ein so unmäsziges Uebergewicht,
dasz jede Störung der Industrie und des Verkehrs das ganze Leben
über den Haufen zu werfen droht. Sollten diese wenigen Bemerkun-
gen uns nicht rechtfertigen, wenn wir mit mehr Bewunderung, als
Vertrauen selbst auf diejenigen Aeaszernngen des Realismus hin
blicken, welche seine Lichtseite darstellen?
Man wird die Frage aafwerfeD: wenn dem wirklich so wäre,
wie der Sache beikommen? — Der Naturwissenschaft decretieren,
dasz sie umkehren, halt machen, sich beschränken solle? Wer wollte
das verlangen? — Die Industrie kurzweg verdammen, hindern, be-
schneiden? Wer möchte das nicht thöricht nennen? — Keines von bei-
den! auch nicht wenn man im Principe mit den Erscheinungen nicht
einverstanden wäre, weil alles einmal gewordene und nun bestehende
sich nicht ohne weiteres herausschneiden lüszl. Wie nun gar zwei
Studien znm Gymnasialwesen. 11
Erscheinungen, welche unzweifelhaft so viel groszes und erspriesz-
liches geleistet haben!
Aber ^in Auskunftmittel scheint denn doch übrig zu bleiben : ein
stärkeres betonen des Idealismus, indem wir unter diesem Namen
die einzelnen Gegensätze gegen den Materialismus zusammenfas-
sen. Das scheint uns das echte und erste BedQrfnis unsrer Zeit nach
allen einzelnen Richtungen hin zu sein. Wir verstehen, um vor jedem
Misverstandnis geschützt zu sein, unter dem Materialismus allgemein
die Herschaft des Objects, unter dem Idealismus die Erhebung über
dasselbe. Wie soll aber die Befreiung von der geistig -sittlichen Be-
drückung durch die Materie anders erreicht werden, als dadurch dasz
man auf alles dasjenige das gröste Gewicht legt, was über jene er-
hebt r In diesem Sinne haben wir schon oben von einem christlichen
Idealismus gesprochen. Aber freilich ist, was da in wenig Worten
ausgesprochen ist, in vielen Thaten noch nicht gethan: es ist eine
grosze, unendliche Aufgabe, der nur entgegen zustreben ist, aber der
auch entgegengestrebt werden kann.
Kehren wir zum Kernpunkte nnsrer Betrachtung zurück, zur
Schulfrage, so ist gewis der Unterricht und die innerhalb der Schule
ausgeübte Erziehung einer der Lebensfactoren , die dem Einflüsse der
Regierung noch am zugänglichsten sind. Denn leider entzieht sich im
Staate so vieles der Einwirkung der leitenden und mutet diesen oft
nur die Mühe zu , die hervorgerufenen Schaden wieder auszubessern.
Auch darf nicht die Wichtigkeit der Schule insofern überschätzt wer-
den , als sie beim besten Willen nicht von den Einwirkungen der Fa-
milie, des gesamten socialen Leben usw. befreit werden kann; ebenso
darf man auszer Acht lassen, dasz nur ein Theil der Schulen unmittel-
bar unter dem Staate steht, sowie dasz in allen Schulen immer erst
durch das Medium des Lehrerstandes gewirkt wird. Aber alles das
abgezogen, bleibt doch immer die Wahrheit übrig, dasz vermittelst
der Schule verderbliche Richtungen geschwächt, ersprieszliche ge-
kräftigt werden können.
Wie verhfilt sich nun der Humanismus in seiner von uns geschil-
derten Gestalt zu dem Bedürfnisse unsrer Zeit? Wir antworten: der-
selbe ist befähigt und zwar vorzugsweise befähigt demselben in die
Hände zu arbeiten. Wir würden um die positive Seite dieser Behaup-
tung zu erörtern, vieles wiederholen müssen und können es darum
füglich den Lesern überlassen, das Wiesen des Humanismus mit dem
wirklichen Zeitbedflrfnisse zusammenzuhalten; hier gilt es eine Wie-
dergeburt des echten Idealismus, dort ist die das ideale weckende und
stärkende Macht. Fragen wir lieber, was vom Humanismus abzieht.
Nach den bisherigen Erörterungen können wir nichts anderes
erwiedern, als dasz die Vernachlässigung des Humanismus von einem
nicht richtigen Verständnisse der Zeitbedürfnisse, von der Hingabe
au die scheinbaren, materiellen Bedürfnisse ansgeht. Denn wer sind
die Gegner des Humanismus? Sicherlich können es die Freunde des
Ghristenthums nicht sein, da der ächte Humanismus keine andre Grund-
12 Studien zum Gymiiasialwesen.
läge als eine voll und rein christliche begehrt und überdies in christ-
lichem Sinne wirkt, indem er über den Objecten steht, im Menschen
idealen Sinn weckt und ihn zu der sittlichen Stärke der Resignation
erzieht. Die nationalen können es auch nicht sein, denn sie müslen
die historische Berechtigung der classischon Studien leugnen, ver-
möge deren sie zum Bestandlheile deutschen Geisteslebens geworden
sind. Die conservativen Politiker können es endlich noch weniger
sein, da ja tausend Erfahrungen bestätigt haben, dasz das humanisti-
sche Princip nicht anticonservative Tendenzen begünstigt, sondern die-
selben bekämpft und ihnen im Wege steht, weshalb es auch gerade von
dieser Seite die heftigsten Angriffe erfahren hat. Es sind also, abge>
sehen von denen, welche einen der angeführten Standpunkte aus Mis-
Verständnis vorschieben, diejenigen, welche einen unmittelbar A Zu-
sammenhang des Lehrobjectes mit der Praxis verlangen, die Anhänger
des Utililälsprincipes, die Realisten.
Wir gehen zu den Realschulen über, um unscrn Blick und das
Material zu erweitern. Fassen wir zunächst das Wort in allgemeine-
rem Sinne, indem wir alle von der realen Richtung ausgehende An-
stalten darunter bogreifen; wir könnten vielleicht lieber reale Schul-
unstaltcn sagen. Alle diese Anstalten müssen, um der Natur der rea-
len Richtung willen, mehr oder weniger Fachschulen sein. Da das
Gymnasium keine Fachschule sein will, auch nicht eine gelehrte Fach-
schule, sondern lediglich eine christliche Bildungsanstalt auf der
Grundlage des classischen Frincips, so versteht sich von selbst, dasz
besondre Fachschulen existieren müssen. So weit wird auch der lei-
denschaftlichste Humanist nicht gehen wollen, dasz er entweder die
Fachschulen geradezu verwirft, oder das Gymnasium als die vollkom-
men auch für die praktischen Gebiete ausreichende Vorbildungsschule
betrachtet : gegen das Vorhandensein von Handels-, Kriegs-, polytech-
nischen Schulen wird er nichts einwenden können. Denn wer könnte
in Abrede stellen, dasz sich die praktischen Lebensrichtungen auszer-
ordcntlich herausgebildet haben , dasz hier Forderungen geltend ge-
macht werden, welche man früher nicht kannte? Aber die Frage liesze
sich aufwerfen, ob wir durch das ausgebildete Fachschulsystem flber>
haupt an Bildung gewonnen haben? Denn der natürliche Entwick-
lungsgang ist doch wol der, dasz der Knabe durch die bildende Kraft
des Unterrichts sich über seinen künftigen Beruf klar wird, nicht der,
dasz der Knabe den Unterricht nm des künftigen Berufes willen sucht.
Leider ist das letzte jetst nur zu oft der Fall : anstatt die Natur des
Kindes sich ruhig entwickeln zu lossen, indem man die allgemeinen
Bildungsmitlei an sie heranbringt, drängt man sie so früh als möglich
in bestimmte besondre Bahnen hinein: die besondre Fachbildung aber
ohne die allgemeine geistige Zurüstun<i: wird selten wirklich befrie-
digendes hervorbringen. Darum haben auch die Fachschulen, welche
ihre besondern Bestrebungen früh anfangen, gewis nicht zum Wole
unsrer Zeit mitgewirkt, sondern vielfach Kenntnisse und Fertigkei-
ten an die Stelle der Bildung gesetzt, den idealen Sinn unentwickelt
Studien zum Gymnasialwesen. 13
gelassen, zwar für den Beruf viel, aber für das geislig-sitlliclic Leben
wenig gethan. Ja, dem Verfasser sind selbst aus praktischen Kreisen
heraus Aeuszerungen zu Ohren gekommen, welche nichts weniger
zeigten , als Zufriedenheit mit dieser frühzeitigen Sonderung der BiU
dungswege.
Aber dennoch werden sich die Fachschulen gewis nicht beseiti-
gen lassen, sondern sind gewis nothwendig nnd nützlich, wenn sie
nicht zu zeitig ihre Curse beginnen, sondern eine allgemeine Yor«>
bildung zulassen nnd neben den speciellen Fachgegenstanden nicht
ganz nnd gar die allgemeinen Bildungsmittel vernachlässigen, nament-
lich überall den religiösen Sinn nnd den historischen zu unterstutzen
suchen.
Alle diese Fachschulen sind es aber nicht, welche gemeiniglich
mit dem Namen Realschule bezeichnet werden: vielmehr hat sich
unter diesem Namen eine Zwischengattung von Unterrichtsanstalten
gebildet, welche nicht ganz entschieden theils neben dem Gymnasium,
theils zwischen der Volksschule und Fachschule stehen. Sie sind es,
welche in der gegenwärtigen Zeit besonders aufgeblüht sind, nnd
deren Bedeutung und Verhältnis demnächst erörtert werden musz.
Die Realschule will keine Fachschule sein, sondern nur zum Ein-
tritte in eine solche befähigen: sie verfolgt, wie das Gymnasium,
darum ein allgemeines Bildungsziel und unterscheidet sich von dem-
selben dadurch, dasz sie sich anderer Mittel als jenes bedient und in
der Regel einen kürzeren Zeitraum durchlauft. Es leuchtet also von
vorn herein ein , dasz sie sich für gewisse Zwecke an die Stelle der
Gymnasien setzt, indem sie eben dasselbe Ziel, nur in anderer und
kürzerer Weise, verfolgt. Hie nnd da haben diese Anstalten auch den
Namen eines Realgymnasiums angenommen, allgemein aber, indem sie
sieb als humanistisch reale oder modernclassische Bildungsanstalten
bezeichneten, ihre Verwandtschaft mit dem Gymnasium ausgesprochen.
Sie sind also für alle diejenigen, welche nicht für besondre FacultSts-
stndien das Gymnasialzengnis brauchen, offenbar Concurrenzanstalten
der Gymnasien : diese müssen nothwendig durch jene einen Theil ihrer
Schüler verlieren und sind in der Gefahr in eine exciusive Stellung
zu gerathen , welche ihnen fast den Charakter gelehrter Fachschulen
aufprägt.
Wenn nun ein Humanist, und zwar ein classischer Humanist, —
denn wir sehen , dasz es auch einen modernclassischen Humanismus
gibt oder geben soll — sich über Realschulen ausspricht, so ist frei-
lich von vorn herein nicht zu erwarten, dasz er an der entstandenen
Concurrenz Freude haben wird. Eins kann der Mensch nur sein, Hu-
manist oder Realist; aus der Vermischung kann leicht etwas halbes
entstehen. Aber bekennen wir auch willig und freudig, dasz wir dem
classischen Humanismus mit voller Seele zugethan sind, so ist es
doch nicht blinde Liebe, die uns erfüllt, die anerkennungslos gegen
die Leistnugen anderer Richtungen ist ; wir möchten mit Einern Worte
nicht einseitig scheinen, obwol es öfters gilt, nur 6ine Seite zu haben.
14 Studien zum Gymnasialwesen.
Wenn wir im Interesse der Gymnasialsludien die Frage über die
llealschulen aufnehmen, so vergesse man auch nicht, dasz jene die
angegriffenen und benachlhciiiglen sind, und dasz diese vermöge der
Sympalhien der Zeit sich kaum zu verlheidigen brauchen.
Schon früher sagten wir, dasz wir Pietät vor dem historisch ge-
wordenen besitzen: denn alles bestehende hat wenigstens insofern
eine innere Berechtigung, als es nicht zufällig, sondern durch eine
innere Nothwendigkeit entstand. Sehr viele Erscheinungen, die man
an sich nicht loben kann, sind nur die natürlichen Consequenzen von
früheren Mängeln, welche — einerlei, aus welchem Grunde — über-
sehen wurden. Die historische Betrachtung kennt nichts zufallig ent-
standenes : nur lernen wir leider meist zu spät die Ursachen kennen,
wenn bereits die Wirkungen vorhanden sind und sich vielleicht schon
festgesetzt haben. Das entstandene aber ist, einmal vorhanden, selbst
wenn man nicht damit einverstanden ist, selten durch einen Nacht-
spruch zu beseitigen : wer das versucht, handelt radical, und wenn er
von der conservativsten Grundlage ausgienge, weil der Radicalismus
eben die historische Entwicklung nicht anerkennt.
Hieraus folgt nun schon , dasz wir in keinem Falle die Berechti-
gung des Kealschulwesens in Abrede stellen können: die Realschulen
sind historisch geworden, und das ist anzuerkennen. Eine andere
Frage ist, ob wir über diese Anerkennung der historischen Berechti-
gung hinausgehen wollen; denn darin wird sich nun der Standpunkt
des einzelnen zu dem historisch gewordenen unterscheiden, dasz der
eine das Princip des neuen selbst adopliert und unterstützt, während
der andere vielmehr die Mängel des früher vorhandenen auszubessern
sucht, durch die jenes neue entstanden ist. Versuchen wir zu einem
Uesultate zu gelangen.
Wir haben gesehen, dasz Realschulen seit etwa 115 Jahren be-
stehen. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts traten die Be-
strebungen Franckes durchaus nicht gegen das classische Princip,
sondern nur gegen den einseitigen Formalismus auf, der allen Inhalt
verloren hatte. Es war dies eine Reaction innerhalb des Princips,
und es ist nur zu bedauern, dasz die Gymnasien des vorigen Jahrhun-
derts diese Bewegung nicht zu verstehen und zu benutzen wüsten.
Aber freilich ists mit solchen hypothetischen Constructionen hinterher
nicht gethan I Vor allem also war es der Zustand der gelehrten , der
lateinischen Schulen, welcher den Umschwung veranlaszte, der zu-
nächst eine Abstellung der Mangel bezweckte. Es pflegt aber bei
allen historischen Entwicklungen sich das Reformprincip, wenn es
nicht von der angegriffenen Partei selbst weise genützt wird, bald
dahin auszudehnen, dasz es sich selbständig auszerhalb des alten hin-
stellt: so auch hier, indem sich bald darauf die Realschule bildete,
welche das classische Gebiet aufgab. Dazu kam der Philanthropismus
mit seinem materiellen Untorrichtssystem, der sich selbstverständlicher-
weise auf das reale werfen und die Realschule adoptieren muste. Die
Negation setzte sich als Position fest, indem sie das Bedürfnis einer
Studien zum Gymnasiaiwesen. 15
besondern Bildung der verschiedenen Stände aussprach: es trat da-
durch die Bealschnle in den Schulorganismus zunächst als Hittelglied
zwischen der Volksschule und dem Gymnasium ein.
Indessen, wenn dies auch ihre natürliche Stellung dem Gange
der Entwicklung nach scheint, so ist dies doch auch zur Zeit noch
nicht entschieden, wie dies auch Palmer ausspricht (evang. Paeda-
gogik II, S. 23): ^Zugegeben musz auch werden, dasz die Realschule
um so mehr allerlei Verdacht sich ausgesetzt sieht, je weniger bis
jetzt noch ein ganz klares Bewustsein über ihre Stelle im Organismus
der gesamten Bildungsanstalten eines Volkes hat durchdringen kön-
nen'. Jedenfalls ist diese Frage erst in der neusten Zeit wieder
ihrer Lösung entgegengefahrt worden , nachdem gerade in dieser das
Realsohulwesen einen neuen Aufschwung genommen hat. Auch dieses
mal war es das Gymnasialwesen selbst, welches das entgegengesetzte
Princip unterstützte. Denn war auch im vorigen Jahrhundert schon
die Aufnahme der Realien gefordert worden, so hatte man doch theils
nicht genug für diese Sache gethan, theils war man nicht bedacht ge-
wesen, eine harmonische Gesamtwirkang zu erzielen. Dazu kam eine
einseitige Richtung der Philologie selbst, welche gerade das nicht
hervorhob, was sie für die Schule hätte anwenden sollen, den geisti-
gen und idealen Inhalt des. Alterthums, sondern durch eine steife, kri-
tische, mit gelehrtem Apparate beladene Behandlungsweise sich die.
Gemüter entfremdete. Wo man aber ernstlich darauf Bedacht nahm,
neben der classischen Grundlage die Realien gründlicher zu betreiben,
ergab sich ein so gesteigerter Anspruch an den Schüler , dasz nicht
blosz die Scheu vor der Anstrengung, sondern auch die schwächere
Kraft zurückwich: ein Uebelsland, der um so mehr sich geltend
machte, als gerade den Lehrern der Gelehrtenschule oft die paedago-
gische Befähigung, öfter noch und zwar in Folge der bestehenden
oder nicht bestehenden Einrichtungen die paedagogische Vorbildung
(Palmer II, S. 87) abgieng. Es wird sich ziemlich genau ein Zusam-
menhang des aufblühens der Realschulen mit der vermöge ihrer Orga-
nisation oder durch die wirkenden Persönlichkeiten benachlheiligton
Lage der Gymnasien nachweisen lassen.
Aber vieles kam diesen Umständen noch zu Hülfe. Zunächst im
Gebiete der Wissenschaft das überhandnehmen der naturwissenschaft-
lichen Richtung, welche nicht nur die gewalligsten theoretischen Fort-
schritte machte , sondern auch mit der Theorie ins Leben hineinzutre-
ten wüste und zugleich nach Popularität strebte , während die philo-
logisch-historische Seite der Wissenschaft den groszen Fehler begieng,
dasz sie sich in sich zurückzog, und, war es nun Unmut oder Schwäche
oder Mangel an eigentlich productiven Naturen, was dies veranlaszte,
das Feld fast geradezu räumte. Dasz der Mathematik und Naturwis-
senschaft im allgemeinen die Antike und der Humanismus weniger
behagt, dasz sie sich selbst als reales Princip setzten und die Ent-
stehung von Unterrichtsanstalten auf realer Basis begünstigten, war na-
tQrlich, obgleich nachzuweisen wäre, dasz gerade die wiaseDSchafI«.
16 Studien zam Gyninasialwesen.
lieben Spitzen dieser Richtung nichts weniger wQnschen, als eine vom
classischen losgelöste Bildung. Nicht minderen Einflusz äuszerte die
Industrie und der durch diese begflnstigte , zum Thcil durch die Stei-
gerung der LebensansprQche und durch die bei wachsender Bevölke-
rung zunehmende Concurrenz hervorgerufene Trieb bald möglichst
die Jugend zur Selbständigkeit des Erwerbes gelangen zu lassen. Aach
die Richtungen in der poetischen Litteratur steuerten demselben zu,
indem sich die Romantik gegen den classischen Idealismus der wei-
marschen Dichter erhob, und Poesie und Leben worden wollte. Indem
sie selbst dieses Streben nicht zu einer Verwirklichung zu bringen
wüste , setzte sie die realistische Richtung gegen sich in Bewegung,
die im Grunde noch heute herscht. Zugleich machten sich in den nie-
dreren Ständen höhere Bildungsbedürfnisse gellend, für welche das
Gymnasium zu viel oder nicht passendes, die gewöhnliche Volksschule
zu wenig zu bieten schien. Endlich kamen noch politische Stimmnn-
gen hinzu, welche die realen Studien und modernen Sprachen, —
vielleicht in nicht richtigem Verständnis (Palmer II 22 23) begQnstig-
ten , weil sie in denselben radicalere Elemente zu erkennen glaubten.
Vielleicht ist uns, so viel einzelnes aber zusammenwirkendes wir auch
erwähnt haben, doch das eine oder andere noch entgangen, aber ge-
wis: es war vieles, was zusammenkam, um thcils negativ gegen die
Gymnasien, theils positiv für die Realschulen zu wirken.
Gehen wir nun auf die Realschulen selbst zurück, so handelt es
sich zunächst um ihre Stellung im Schulorgnnismus. Es wurde aber
schon ein Ausspruch eines anerkannt ausgezeichneten Mannes ange-
führt, nach welchem die Frage nach dieser Stellung noch nicht end-
giltig gelöst ist. .1c vorsichtiger wir unsern langsam erwachsenen
Ansichten gegenüber verfahren zu müssen meinten, um so mehr er-^
freute es, als wir bei Palmer weiter lasen (II S. 23): ^Die Realsohale
hat darauf Anspruch gemacht, der gelehrten Schule parallel zu laufen,
so dasz sie denselben Grad der Bildung, nur in andern Fächern, her-
zustellen sich anheischig macht. Dies wird aber, wie von Rümelin in
der Schrift: die Anfgabe der Volks-, Real- und Gelehrtenschule (Heil-
bronn 1S45), überzeugend dargethan ist, als ein Irthum angeaehen wer-
den müssen'. Das ist ein um ao beachtenswertherea Wort, ala aus
Palmers Werke nicht Einaeitigkeit, überall dagegen eine gründliche
Kenntnis des Schulwesena spricht. Doch so gern wir ihn auch hören,
es gilt hier nicht ein iarare in verba magistri, was bei uns am so
weniger der Fall ist, als nnsre Ansichten bereits — soweit nemlich
Festigkeit hier nicht Fortbildungsfähigkeit ausschlieszt — fesstanden,
als wir mit dem genannten vortrefflichen Buche genauer bekannt wur-
den. Wie ist nun jener angestrebte Parallelismus zu verstehen? Doch
wol nicht anders, als dasz die Realschule sich darin dem Gymnasium
zur Seite stellt, dasz sie eine allgemeine Bildung zu geben, nicht an-
mittelbar Vorbildung zum besondern Berufe zu erstreben sich vor-
setzt. Man hat in diesem Sinne hie und da den Namen Realgymnasium
angenommen , hat den Realschulen das Recht einer Maturitätsprüfung
Sladien zum Gymnasialwesen. 17
eingeräumt und die Berechtigung für einzelne Studiengebiete an diese
geknüpft: ja man ist sogar einmal so weit gegangen, das Recht der
Entlassung zu ganzen Fakultatsstudien von den Gymnasien auf die
Realschulen übertragen zu wollen. Indem nun die Realschulen ein sol-
ches allgemeines Ziel verfolgen, stehen sie offenbar neben den Gym-
nasien: indem sie andere Mittel wählen, entfernen sie sich von den-
selben.
Hiebei handelt es sich zunächst um die Stellung der Realschule
zu dem sprachlichen Unterrichte, und wir sehen auch hier, dasz das
Princip sich noch nicht consolidirt hat. Denn die Frage, ob und in-
wieweit der Unterricht in den alten Sprachen beizubehalten ist, dürfte
noch nicht entschieden sein : das zeigt die verschiedene Praxis. Dar-
über ist man einig, dasz in den Realschulen nicht die griechische, son-
dern nur die lateinische Sprache zu benutzen sei, theils wegen ihrer
historischen Bedeutung, theils wegen ihrer Beziehung zu den romani-
schen Sprachen. Nehmen wir nun zunächst Rücksicht auf die ganz
selbständig von unten auf gesondert bestehenden Realschulen, so sind
diese zum Theil geneigt, so unsre sächsischen, die lateinische Sprache
als Bildungselement beizubehalten. Hier ist nur zweierlei möglich:
entweder nehmen die untern Klassen der Realschulen das Lateinische
als Hanptnnterrichtsgegenstand auf, oder sie behandeln es als Neben-
sache. Im ersten Falle haben wir dasselbe, was die untern Gymnasial-
klassen bieten, ehe das Griechische eintritt; warum also schon hier
unten die Wege auseinander gehen lassen? Sucht die Realschule hier
eine Verschiedenheit durch gröszern Nachdruck auf deutsche Sprache,
Rechnen, Naturgeschichte, Französisch herbeizuführen , so ist nicht
abzusehen, wie dies ohne Ueberbürdung der Schüler geschehen soll;
dann verfällt sie in den Fehler, den die Gelehrtenschule leider began-
gen und noch nicht abgelegt hat, freilich mehr durch anpaedagogische
Praxis , als wegen der gesetzlichen Bestimmungen. Uebrigens ist die
Einrichtung des sprachlichsn Elementarunterrichts in den untersten
Klassen der Gymnasien, die freilich mehr Progymnasial-, als Vorbe-
reitungsklassen sind, sehr verschieden : so beginnt z. B die dresdener
Kreuzschuie in Unterqninta mit 4 latein. Stunden und läszt in Ober-
qninta 6 wöchentliche Unterrichtsstunden folgen, während die Sexta
am Gymnasium zu Plauen mit 8 Stunden einsetzt und dieselben in
Quinta beibehält. Gegen die zuerst erwähnte Einrichtung der Kreuz-
schule könnte doch wol auch die Realschule, welche das Latein bei-
behalten will, nichts einwenden. Vielmehr liesze sich auch für untere
Gymnasialklassen hier bemerken, dasz die untersten Unterrichtsstafen
ganz besonders eines Schwerpunktes bedürfen, und dasz derselbe nir-
gends erfolgreicher, als in einer zweckmäszigen Behandlung der Ele-v
mente der lateinischen Sprache liegt, nach unserm Dafürhalten mil
weit gröszerem Erfolge , als in der deutschen Sprache. Ohne solchen
Schwerpunkt überhaupt aber wird für den jüngeren Schüler der Un-
terricht ein zu zersplitterter und durch diese Zersplitterung in seiner
>Yirkung geschwächt, ja sogar nachtheilig wirkend.
/V. Jakrb f. PhU. u. Paed, B<L LXXIV. Hß. l. 2
l^ Sluilieu Kuin («yniiia»ittlwc8en.
Ferner h«l eine lange firfalirung es besUtigl, dasz »ich die allen
Spi'uclion nicht su nebenbei lernen laaacu. Ilaben doch scIiod die
(jymnaBieu in ihrer jetzigen Gestaltung Mühe genug, um £u erspriesE-
lichcn liosultaten zu kommen ! Hat man doch auf die latein. Schreib-
und Sprechübungen ernstlich zurückgehen müssen, um nicht mehr ein-
zubüszcn , als man mit Fug und Recht hergeben konnte. Wird nan
schon für das Gymnasium die Aufgabe nicht leicht, bei vermindertem
Zeitaufwande und erweitertem Gesichtskreise den Anforderungen ku
genügen, wie soll nun die licalschule verfahren? Gibt sie in den un-
tern Klassen dem Lateinischen das Uebergewicht, so hat sie keino
selbslündigcn untern Klassen, beschränkt sie den lateinischen Unter-
richt noch mehr, so fehlt es ihr entweder überhaupt an einem Schwer-
punkt im Unierrichte oder doch an einem ausreichendem: vor alleai
aber wird sie in diesem Falle kein Latein haben, denn nebenbei ge-
triebenf;s Latein ist in der Kegel so gut wie kein l^ilein. Was die
lelzle Behauplung betrilTt, so stöazt sie gewis bei manchem auf Wider-
spruch; wir müssen deshalb an eine längere Erfahrung appellieren,
weil zunächst wol noch vielfach die Wirkungen des Gymnasialunter«
richls den liealschulen zu gute kommen , und weil in solchen Sachen
ein gilliges Kndurtheil erat nach einer längern Erfahmng möglich ist.
N> ir wollen auch nicht auf die Litteralur dieser Frage weiter eingehen;
so hat z. H. in der Mülzcllschen Zeitschrift 1852 eine Abhandlung
(von Langcnsiepcn) den Salz für das Latein der Heulschulen aufge-
slcllt: Ordentlich oder gar nicht! und das Programm der Roalschnle
zu Nouslaüt-Uresden spricht davon, dusz das Latein ^bis zu einer ge-
wissen Gründlichkeit gelehrt werden solle '. Du aber Hegt eben die
Schwierigkeit; wer sagt, bis wie weit diese * gewisse Gründlichkeit^
gehen soll? Denn wenn von einem Abiturienten der Healschale, wie
Seite 4ü desselben Programmea zu lesen ist, ein Schriftsteller mittlerer
Schwierigkeit wie Sallustins, Livius, Vergilius soll geläufig Qber-
aetzt, und ein nicht allzu schweres Dictat fehlerfrei ins Lateinische
übertragen werden, so ist das keine geringe Forderung. Haben einzelne
Länder wie Hannover und Bäiern im Abitnrienlenexamen der Gymna-
sien den freien lateinischen Aufsatz aufgegeben und sich auf eine
Uebersetzung beschränkt, lesen wir ferner, dasz die wflrtem bergsehe
Prflfungscommission fdr das erste allgemeine Examen — man hat da-
selbst die Maturitätsprafungeu von den Gymnasien an eine eigne Com-
mission verwiesen — den Livius vorgeschrieben hat, so stehen wir
mit jenen Forderungen dicht neben dem Gymnasialexamen. Wenn die
Uealschule durch eineJcnappere Zeit und geringere Mühe diese Resul-
tate, ohne dasz ihr die mächtige Hülfe des Griechischen zu Theil wird,
wirklich, selbständig von unten auf, erreichen kann, das wäre das
traurigste Zeugnis, welches je den Gymnasien ausgestellt worden
wäre. Wir dürfen hier aus eigner, wenigstens mehrjähriger Erfah-
rung sprechen: die Blochmannsche Anstalt, an welcher wir 5 Jahre
arbeiteten, hat früh die reale Richtung aufgenommen und sich ehrlich
bemüht, diie Reaiklassen in einen gehürigeu Orgauismus zu bringen.
Stadien cam Gymaasialweseo. 19
Dabei handelte es sich denn immer wieder darum, ob und in wie weit
man Latein lehren solle: wir haben den Unterricht bis anf 5 Stunden
erhöht und bei dem besten Willen nicht viel erreicht, so dasz er im
Augenblicke nur facultativ ist, was wiederum nicht ohne Bedenken
sein kann.
Ohne eine bestimmte Antwort aber kann man wol nicht durch-
kommen: stellt man den Salz auf: das Latein ist ordentlich, gründe
lieh zu betreiben, oder gar nicht, so musz man einer so wichtigen
Sache gegenüber doch wissen , ob man nun die gründliche Betreibung
oder das aufgeben vorziehen soll. Indes ist die Antwort nicht so
leicht zu geben. Denn wenn wir der Realschule das Latein als einen
Uauptuntorrichtsgegenstand, wenigstens für die untern Klassen, über-
weisen, so riumen wir eigentlich ein, dasz die Realschule erst dann
zu entstehen braucht, wenn das Gymnasium das Griechische hinzu-
nimmt, von dem allgemein feststeht, dasz es jene nicht bcaDspriicht.
So ^hätten wir eigentlich schon eine Art von Realschule, wenn wir
die griechischen Stunden von Quarta ab durch andere ersetzten, und
in der That besteht an manchen Gymnasien, z. B. in Preusien, solche
Einrichtung.
Vielleicht sagt man nun, die Behandlung der lateinischen Sprache
in der Realschule sei eine andere; aber inwiefern? Will die Real-
schule eine allgemeine Bildungsstätte sein, so hat sie in der Betrei-
bung der Sprachen das formale Bildungselement hervorzuheben. Was
hie und da von einer weniger die Form und die Grammatik flberhanpt
betonenden Methode geredet worden ist, dürfte in Bezug auf die alten
Sprachen, und namentlich auf die Behandlung derselben in niederen
Klassen, ziemlich unfruchtbar sein. Die Art, wie man in diesen Re-
gionen die Anfänge der alten Sprachen zu betreiben hat, wird überall
dieselbe sein, wenn sie auch bisweilen selbst in den Gymnasien nicht
die richtige sein mag. Aber selbst für die obern Klassen wird ein be-
deutender Unterschied schwerlich zu erzielen sein, wenn man an der
Forderung der Gründlichkeit festhält; denn es ist doch nicht auszer
acht zu lassen , dasz die Gymnasien in der Interpretationsweise der
Klassiker wesentlich fortgeschritten sind, und dasz mancher Vorwurf
sie jetzt nicht mehr trifft oder wenigstens in geringerem Grade be-
rechtigt ist als früher. Die Forderung der Gründlichkeit aber fallen
zu lassen hat seine groszen, selbst sittlichen Bedenken : das würde
bei dem Schüler nicht nur die specielle Hingebung an den lateinischen
Unterricht schwächen , sondern alle andern Gebiete durch die Erzie-
hung zur Oberflächlichkeit benachtheiligen. Darum möchte man sich
fast der Ansicht zuneigen, dasz die Realschule vom Latein abznsehen
habe, so sehr auch ein solcher Gedanke dem Humanisten widerstrebt
Aber halten wir ihn einmal vorläufig fest: denn wenn die Realschule
sich als eine eigenthümliche Bildungsanstalt mit dem allgemeinen
Zwecke des Gymnasiums hinstellt, so musz sie auch in ihrem specifi-
schen Materiale Bildungsmittel besitzen , welchen genügende Kraft in-
2*
SiuiUeii zunt (iymiitts^iulwoscn.
iliiit, fi«' ''>*'^^' '"^''^ ^"^ Gyninusium zu Hülfe nehmen müBsen, oiclil
Hüllte Gymiiosiuin sein wollen.
l<'rii((en wir nun, welche (formale) üiUlungsniiltel der ReiilsGbulc
f,u (jebule stehen, so finden wir, dosz sie die englische Sprache hia-
Kiiiiimmt, dem frunzüsischen, mulhcmatischcn, nalurwissenschaftlicheD
tinierrichl eine grüszere Ausdehnung gibt und das zeichnen mehr be-
rückbichligl. Bleiben wir nun bei der Voraussetzung, dasz wir keiae
Farliifchiile vor uns haben , welches von den genannten Gebieten soll
nun i\\a formales Bildungsmittel dienen? Man hat dafür die Sprachen
und l.incraliiren der Franzosen und Engländer vorgeschlagen, und es
hat hich sogar eine moderne Gymnasiallheorie gebildet, die mit die-
Sun hüginnen will. Ks ist auch dies keine leicht zu entsobeideode
Frage: aber so gewis als man nicht mit einem kurzweg verwerfen-
den nein! bei der Hand sein darf, so gewis ist die Sache auch danit
nicht abgetlian, dasz das Programm der Dresdner Realschule (I8ö4)
sagt: S)b die Sprachen und Litleraturen der neueren Culturvölker ia
der hcalschule mit demselben Erfolge, wie die Sprachen und Litten-
tnren der Griechen und Kömer im Gymnasium, für jene Humanitäts-
bildung den jugendlichen Geistern und Gemütern als Nahrungs- und
VoredlungsstofT dargeboten werden sollen, kann nur ohne genaue Be-
kiinntschaft mit dem Sprach- und Litteraturunterrichte, besonders mit
der wissenschaftlichen und paedagogischcn Behandlung desselben, ia
/weift:! gezogen werden'. Das heiszt denn doch über Ansiebten hin-
wegspringen, die wahrhaftig nicht ohne solche genaue BekanntscbafI
ausgesprochen worden sind, ist es so gewis, dasz der Erfolg der.
selbe ist, so könnten wir ja ruhig die Gymnasien aufgeben und una
mit Anstalten für künftige Theologen und Philologen begnügen. Wir
unsrerseits können weder in der französischen noch in der engli^
sehen Sprache einen nur leidlichen Ersatz linden für das Griechische
und Lateinische Man denke nur dort an die völlige Abstumpfung der
Dcciination, hier an den Keichthum der Formen! Dazu kommt, dasr.
jede lebende Sprache ein viel zu bewegliches Object ist, um ein aus-
giebiges Bildungsmittel zu sein: die französische Sprache aber histo-
risch und sprachvergleiohend behandeln zu wollen, wird woi nieman-
dem im Ernste einfaUen, der einigermascen weiss, was dasu gehört.
Mun halte man aber erst die Litteraturen aneinander: wie verhält sich
da namentlich die französisohe Litteratur zur classischcn? Was un^
sere deutsche Litteratur ihr zu verdanken hat, wissen wir aus der Lit-
teraturgeschichte: wollen wir sie nun als ein Hauptbildungsmaterial
in die Schulen hineintragen? Wenn es so leicht wäre, die modernen
Sprachen an die Stelle der alten zu setzen, denn freilich wäre es
überflüssig, noch darüber zu reden und zu schreiben. Es liegt aber
in solchen Behauptungen auch ein nicht geringer Grad von Impielät
gegen die Gymnasialstudien: denn zur Zeit haben sich die realen Ge-
biete noch nicht ihre kräfle selbst erzogen, sondern verdanken die-
selben wesentlich dem classischen Humanismus. Des Dankes werden
sie erst ledig, wenn sie einen solchen Unterstützung nicht bedürfen.
Studien znm Gymnasialwesen. 21
Den Beweis aber, dasz die neueren Sprachen ein ausreichendes Bil-
duiigsmittel nicht sind, hat der clasaische Humanismus nicht zu füh-
ren, indem er nicht der neuernde, sondern der festhaltende ist, viel-
mehr hat er denselben von der andern Seite zu erwarten.
Viel eher liesze sich davon reden, ob nicht die deutsche Sprache
einen solchen formalen BildungsstofT hergeben könne. Das würde
aber wol nur dann möglich sein, wenn man sie im Unterrichte histo-
risch behandelte; denn die noch bis vor kurzem gewöhnliche Weise
deutsche Grammatik zu lehren hat jetzt wol nur wenige Freunde und
ist überall zu beseitigen, wo sie sich noch erhalten hat. Indes würde
es uns zu weit von dem Mittelpunkte unserer Aufgabe entfernen, wenn
wir uns hier ^uf die Methodik des deutschen Unterrichts einlassen
wollten. Für den Augenblick genügt es zu bemerken, dasz einer
historischen Behandlung der deutschen Sprache von unten auf wol
immer gegründete Bedenken im Wege stehen werden , and dasz ins-
besondere jetzt sich nicht daran denken Ifiszt, weil die germanisti-
schen Studien, qbwol in voller Blüte stehend^ doch noch nicht genü-
gend verbreitet sind, was zum Theile in der isolierten Lage der histo-
rischen Seite der Wissenschaft überhaupt seinen Grund hat.
Es bliebe also die Mathematik übrig, und die bedeutende Bil-
dnngskraft dieser Wissenschaft ist nicht in Abrede zu stellen. Diese
sieht mit Fug und Recht neben den alten Sprachen , aber es wäre wol
zu wünschen , dasz sie nirgends ohne ein Gegengewicht bliebe. Denn
sie ermangelt einer unmittelbaren Beziehung zum sittlichen Men*
sehen und neigt zu einer einseitigen Verstandesbildung hin. Aus die-
sem Grunde möchten wir selbst in den höhern Fachschulen, in wel-
chen die Mathematik in erster Linie stehen musz, und in welchen die
alten Sprachen nicht mehr getrieben werden können, das historische
und religiöse Gebiet nicht ganz ausgeschlossen sehen, und wäre an
eine Forlsetzung des Religionsunterrichts nicht zu denken, so sollte
wol die Geschichte nicht fehlen, welche so geeignet ist, einer einsei-
tigen Verstandesherschaft entgegenzuwirken: wird doch so viel und
wol mit Recht geklagt, dasz es an historischem Sinne fehle, warnn
ihn auf einem jetzt so gesuchten Bildungswege gar nicht nühren?
Fast scheint es nach dem, was wir bisher gesagt, als ob die
Realschule, welche sich in voller Selbstindigkeit neben die Gymnasien
stellt, ohne hinzunehmen der 6inen Seite des gymnasialen Gebietes
kein ausreichendes Material besitze, als ob aber auf der andern Seite
das aufnehmen des Lateinischen in der diesem allein förderlichen
Weise ihr noch gröszere Unentschiedenheit der Stellung gebe.
Es kommt hinzu, dasz die Gymnasien, wie sie sind oder sein
sollen, sich nicht auf die dassischen Studien beschrinken, sondern
Mathematik, Geschichte, Geographie, Naturgeschichte in ihre liChr-
pläne aufnehmen , daneben überall das Französische, an manchen Schu-
len noch das Englische. Reichen nun die Gymnasialleistungen in den
realen Fächern nicht aus? Es ist nicht zu leugnen, dasz manche der-
selben arg darnieder lagen, manche noch heute hie nnd da ungentt-
82 Stadien zum Gymnasialwesen.
gend vertreten sind; das liegt aber nieht im Wesen der Gymnasien,
«sondern meist in zufälligen Erscheinungen, namentlich in der Behand-
lung des Unterrichts. Ferner wird ziemlich von allen Seiten zuge*
geben , dasz das Gymnasium vermöge der in ihm liegenden bildenden
Kraft, welche vorzflglich von den alten Sprachen ausgeht, auch den
Healien gegenüber im Vortheilo ist. Auch bei dieser Gelegenheit er«
lauben wir uns eine Stelle ans Palmer anzuführen: *In der Scala
der Schulen steht die Realschule in der Mitte zwischen der Volks-
schule und der gelehrten Schule; sie ist wesentlich Bürgerschule,
woraus folgt, dasz die gelehrte Schule, weil sie nicht neben, sondern
über der Realschule steht, nothwondig das, was letztere zu Stande
bringt, ebenfalls zu Stande bringen musz. Man darf 4iiegegen nicht
einwenden, dasz die Realschule durch ihre ausschlieszliche Beschäfti-
gung mit Geschichte, Geographie, Französisch nsw. notbwendig wei-
ter kommen müsse, als eine parallele Anstalt, die dies alles and neben
dem Hauptfach, der Philologie, treibe: denn die Gelehrtenschale be-
sitzt an der Philologie für alles andere eine sowol formell als mate-
riell so ausgiebige Hülfe und Vorarbeit, dasz wir, wenn nach aller
Erfahrung bei einem tüchtigen Lehrer die lateinischen Schüler auch in
den Realien dasselbe leisten, dies nicht der einzelnen Realschule zur
Schmach anrechnen dürfen, es liegt in der Natur der Sache.'
Können wir nun wol nicht absehen, welchem wirklich vorhan-
denen Bedürfnisse die Realschule als selbständige Schulanstalt
neben dem Gymnasium entspricht, wie dieselbe dem Zwecke einer
Humanitätsbildung in einer mit dem Gymnasium Schritt haltenden
Weise dienen kann, so ist die Sache schon nicht mehr dieselbe, wenn
die Realschule sich erst da absondert, wo es sich im Gymnasium um
den Eintritt des Griechischen handelt, und wir würden noch zufrie-
dener sein, wenn der erste Anfang in dieser Sprache, etwa der Car-
sns von Quarta noch ganz gemeinschaftlich bliebe. Auch hier sagt
uns eine, wenn auch nur kurze Erfahrung, dasz unsere Realisten in-
mer besser waren, je später sie in die Realclassen flbergiengen; ein
aus Tertia übertretender, sonst nicht gerade unbegabter, überholte
schnell die ganze Parallelclaase : immer waren die Realisten die
schlechtesten, denen alle olessische Vorbildung fehlte. Bei dieser
Gelegenheit läszt sieh aach erwähnen, dasz mehrere preaszische Gym-
nasien von Tertia ab Parallelclassen haben. Denn dem ersten Anfange
des Griechischen wohnt eine ganz besondere bildende Kraft bei, und
es lieszc sich sogar von einer praktischen Bedeutung der Sache reden.
Wer wollte die löbliche Intention, welche den Realschulen sn
Grunde liegt, verkennen? Hat doch das Gymnasium selbst gewünscht,
von den ihm nicht gefügigen Elementen befreit zn werden. Ferner
ist ja nicht zu leugnen, dasz bei der Menge von Benifsgattnngen, hei
der gespannten Höhe der Einzelforderungen, bei der gesteigerten
Schwierigkeit der Erziehung, zulelzt dem ganzen Sinn der Zeit ge-
genüber das Gymnasium nicht alles umfassen and bewältigen konnte.
Ob es Recht hatte, einen Theil der Erziehnngsaufgabe abzulebnen
Sludien zun Gymnasialwescn. 23
ist eise andere Frage. Aber gebea wir jenes zu, so scheint es wol
an angemessensten, Gymasiun und Realschule so zu verbinden, dasz
unten der Unterricht möglichst gemeinsam, oben möglichst getrennt
sei. So gewinnt das eine Gebiet durch das andere, die Grundlage
bleibt dieselbe, der Parallelismus erhfilt ein harmonisches ganzes und
bewahrt vor einseitiger Absonderung. Zugleich ist mit dieser Ein-
richtung die beste Gelegenheit gegeben, den Spruch der ErFahrnng
abzuwarten. Fragte man aber nach der eigentlichen Noihwendigkeit
der Sache, so scheint es uns, als ob in vielen Fallen wenigstens das
Gymnasium ausgereicht haben würde , wenn hier das eine oder andere
in eine andere Stellung gebracht wäre. Ja , wir sind sogar der Ue-
berzeugung, es werde sich nach und nach auch aus den praktischen
Kegionen des Lebens der Kflckweg zum Gymnasium anbahnen. Es
i«ird sich die ausgiebigere Kraft des gymnasialen Unterrichtes früher
oder später in die alte Werthschätzung bringen. Einige Beispiele
liegen uns vor: so haben unlängst die Professoren der Mathematik,
Physik und Chemie zu Giessen erklärt, dasz sie den auf dem Gymna»
sium gebildeten Schülern den Vorzug vor denen der polytechnischen
ond Realschulen einräumen müsten. Es ist uns bekannt, dasz Fabrik-
besitzer anfragenden Eltern ausdrücklich die Gymnasien als beste
Vorbildungsschule empfohlen haben. Aehnlich sagt Palmer (II 2d):
* Geleugnet kann nicht werden , so weh dies oft einem wackern , sich
aufopfernden Reallehrer thun mag, dasz Männer vom Gewerbstande,
die ihre Söhne gleichfalls dem Gewerbstande bestimmt haben, dock
hiezu häuUg die Gelehrtenschule der Realschule vorziehen.'
Sagt aber Palmer ausdrücklich, dasz die Gelehrtenschule als
über der Realschule stehend das in sich enihallen müsse, was jene
erstrebe', so ist damit eigentlich nichts anderes gesagt, als dasz ein
wirkliches Bedürfnis die Realschulen nicht hervorrief, und dasz das
Gymnasium wol im Stande sein müste, die Ansprüche, welche man an
Bildung und Vorbildung macht, zu befriedigen. Hören wir denn, was
Palmer weiter sagt: ^Aber würde nicht hieraus geradezu folgen, dasz
die Realschale überhaupt ein fiberflüssiges Zwischending zwischen
Volksschule und Gymnasium sei? Man könnte auf die Geschichte zu-
rückgehend vielleicht sagen: wenn su Frankes Zeiten die lateinischen
Schulen nicht so ganz in den Formalismus der Grammatik wären un-
tergegangen gewesen, wenn sie den Mahnungen der Vorboten des
Realismus Folge leistend, durch Aufnahme realistischer Bildnngstoffe
sieh belebt und verjüngt hätten, so wäre gar keine Realschule ent-
standen: es wäre dann den Philanthropisten fiberlassen geblieben,
Front gegen den llnmanismus zu machen. Allein der geschichtlioke
Gang war nun eben ein anderer, und es ist gut so; die Realschule ist
ein nothwendiges Mittelglied geworden, theils um für die Gelehrten-
schule als Sporn zu dienen, dasz sie auch an Sachkenntnissen ihre
Zöglinge nicht zurückbleiben läszt, theils aber und insbesondere dar-
um, weil in der Gelehrtenschule nur die talentvolleren der bedeutend
höher gestellten Aufgabe Genüge leisten können; d^nn so sehr, wie
24 Studien zum Gymnasialwesen.
wir sahen , der philologische Unterricht dem realistischen Vorschob
leistet, so ist beides doch eben eine doppelte Arbeit, eine Anstren-
gung, welcher viele nicht gewachsen sind, die dafür durch die Real-
schule zu den erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten möglicher-
weise gebracht werden können.' lieber diese Worte läszt sich man-
ches sagen. Es scheint aus ihnen mehr hervorzugehen, dasz die Real-
schule vorhanden, als dasz sie nothwendigerweise vorhanden ist. Denn
damit werden die Vertreter des Realismus doch schwerlich zufrieden
sein, dasz sie das Gymnasium anspornen sollen, sich seiner Mittel
gehörig zu bedienen, während sie demselben zuzugestehen hätten,
dasz es überall über sie hinausreiche. Noch weniger werden sie sich
mit dem zweiten Grunde einverstehen, dasz ihnen die weniger talent-
vollen, für welche die Gymnasialaufgabc zu hoch und zu schwer ist,
zufallen sollen, zumal bei Palmcrs Zusätze, der nur davon spricht,
dasz sie ^möglicherweise' noch die nöthigcn Kenntnisse und Fertig-
keiten erlangen würden. Dagegen käme das Gymnasium sehr gut
weg; denn einmal würde es vor der Erschlaffung bewahrt, indem es
sich gegen die Concurrenz wehren müste, und dann hätte es sich nicht
mit den talentlosen abzumühen. In ähnlichem Sinne haben sich auch
Gymnasiallehrer ausgesprochen, indem sie froh waren, die realisti-
schen Fllcmente aus dem Gymnasium heraustreten zu sehen. Wir wer-
den später noch darauf kommen, wie jetzt manche das Gymnasium
wieder ausschliesziich um das classische Gebiet concentrieren wollen;
gelänge es ihnen, die Gymnasien in diesem Sinne zu reformieren, so
würde dies die vorhandenen Schwierigkeiten nicht mindern, sondern
steigern.
Unsere Stellung zu der Schulfrage ist'eine andere, weniger pas-
sive und zugleich auf allgemeinen Principien ruhende. Wir haben
es nicht blosz mit den einzelnen Flrscheinungen, sondern mit dem
groszen ganzen zu thun. Wenn wir dem Realismus nicht in der Litte-
ratur, in der Kunst, im Leben das Wort reden können, vermögen wir
es auch nicht in der Schule zu thun. Wenn wir den humanistischen
Idealismus als eins der wolthätigsten Gegengewichte gegen die gesam-
ten realistischen und materialistischen Tendenzen bezeichnen , können
wir unmöglich denselben seine Bedeutung als allgemeine Rildongs-
grundlage verlieren lassen wollen, oder auch nur mit einer Schwä-
chung desselben einverstanden sein. Das reale Unterrichtsprinofp
müste einen idealen Fortschritt gegen den Humanismus enthalten oder
wenigstens in seiner Wirkung nicht zurückbleiben. Dies wird aber
wol der Fall sein, weil es weit geringere Mittel besitzt und nicht ein-
mal in seinem unmittelbarsten Gebiete, dem realen, weit über da»
Gymnasium hinansreicht. Denn die Realschule entlehnt, sobald sie
den Zweck allgemeiner Bildung verfolgt, gerade die wichtigsten Bil-
dangsmittel, deren Wirksamkeit überall dem Gymnasium zu gute
kommt, so dasz die extensivere Behandlung, welche die Realschule
einzelnen Gebieten angedeihen laszt, wenigstens znm Theile wieder
ausgeglichen wird. Insofern aber endlich ein Zusammenhang der Real-
Studien zum Gymnasialwesen. 25
schale mit dem Realismas überhaopl und mit nach vielen Seifen hin
bedenitlichen Richtungen wenigstens in höherem Grade vorhanden ist,
als bei den jene Richtungen vielmehr bekämpfenden Gymnasien, wür-
den wir lieber sogar ein hie und da erreichtes oder zu erreichendes
Plus anfgeben, als Coucessionen an die Richtung herbeiwünschen. Es
gehört wirklich Mut dazu es auszusprechen, aber gewis und wahr-
haftig ist es nur das ernsteste Verlangen nach einer im innersten Kerne
Gesundheit erstrebenden Gestaltung der Dinge, wenn wir den classi-
sehen Humanismus auf einer wahrhaft christlichen Basis im Sinne PaU
mers (Th. II S. 8-^20) als den eigentlichsten Grundpfeiler deutscher
Bildung bezeichnen. Auch fehlt es nicht an Symptomen, dasz diese
Ueberzeugung nach und nach durchdringen wird, und wir möchten
voraussagen, dasz die realistische Bewegung gegen den Humanismus
auch in diesem Jahrhunderte denselben nur lautern und festigen , nicht
dauernd beeinträchtigen wird.
Wird dann aber — so fragt man — das Gymnasium sicher im
Stande sein, den Anforderungen zu genügen? Darauf antworten wir
ans vollster Ueberzeugung: gewis, wenn es seine Aufgabe nicht ver-
kennt. Freilich, wenn es danach strebt, sich zu einer specifisch ge-
lehrten Fachschule zu gestalten, wenn es sich, nachdem seine reali-
Stichen Bestandtheile selbstfindig herausgetreten sind, verleiten laszt,
ans sich diese realen Hilfsmittel, deren es bedarf, zu entfernen, dann
wird es unfähig, seine grosze allgemeine Bestimmung zu erfüllen.
Eines ist allerdings nöthig, und das gilt für die gesamte Schulord-
nung, nemlich dasz die Aufgabe nicht noch mehr gespannt, das Ma-
terial nicht noch mehr erweitert wird: das gilt von unserm Schul-
wesen überhaupt, und zwar weniger von der Vorschrift, als von der
Ausübung. Um es kurz zu sagen, es ist mehr innerhalb der Schule
selbst zu leisten : da wir aber später von den Gymnasien insbesondere
zu reden haben , ist hier nur einzelnes herauszuheben. Zunächst kön-
nen wol die befähigteren Schüler durch das Gymnasium ebensogut für
eine Fachschule vorgebildet werden, wie durch die Realschule. Man
behandle nur den Unterricht in vielen Stücken energischer, indem
man die Schulstunden nicht für dazu bestimmt hält, das zu Hause ge-
lernte und geschriebene einzusammeln , sondern auf eine unmittelbare
Wirkung hinarbeitet. Erfordert dann der Eintritt in eine Fachschule
hie nnd da einmal das nachholen einer Fertigkeit oder besondere För-*
derung in einem Gebiete des Wissens, so wird es nicht an Zeit und
Kraft fehlen, und überdies ist in solchem Falle ja wol eine Dispen-
sation vom Griechischen, für ein halbes Jahr etwa, zu erlangen. Denn
sonst läszt sich doch wol jetzt , da in den Realschalen Unterrichts-
anstalten bestehen , welche nur das Griechische ausscblieszen , kaum
ein Fall denken , in welchem das Griechische erlassen werden kann,
wenn wir nicht noch eine dritte Art von Schülern , Ualbgymnasiasten,
erhalten wollen. Welche Sohfller aber den Fachschulen lieber sein
werden, die Gymnasiasten oder Realisten, darüber musz eine längere
BrfghroDg entscheiden. Was ferner die schwächeren Kräfte betrifft.
26 Aasgaben d. Pliaedrus von Siebeiis u. Raschig.
welche auf den Gymnasien schwer fortkommen, so kann man wol
nicht meinen, für dieselben besonders sorgen zu müssen: oft wendet
sich die Scheu vor der Anstrengung dem leichter scheinenden realen
KU, oft der Wunsch, schneller aus der Schule herauszukommen: bis-
weilen aber ist auch die unpaedagogische Behandlung der Schüler
daran Schuld, indem sie die einzelnen Naturen nicht genug beachtet
und auseinander halt. In der Erziehung aber ist die Individualität
weder zu übersehen , noch ist derselben zu viel zu concedieren : ist
die Mittellinie schwer zu finden, so ist es eben die paedagogische
Aufgabe sie zu suchen. Bei vielen gegen den Sprachunterricht schwie-
rigen Schülern wird man endlich linden, dasz sie auch dem Unter-
richio in den modernen Sprachen, den doch die Realschule, und zwar
gleichfalls nicht ohne formalen Standpunkt, darbietet, abgeneigt
sind: solche Naturen werden gemeiniglich erst recht brauchbar, wenn
sie, so zu sagen, in ihr eigentliches Fahrwasser, Fachschule oder
Praxis, hineinkommen. Die geistige Gymnastik des Humanismus wird,
richtig gehandhabt, wol keinem schaden; ist aber geradezu Talent-
losigkeit vorhanden, so helfen alle Auskunftsmittel Dichts; glückli-
cherweise kommt diese nur selten vor. Für uns scheint es also ge-
wis , dasz im Gymnasium reichlich die Bildungsmittel vorhanden sind,
welche auch zum Eintritt in Fachschulen oder das Leben selbst befä-
higen können, und wir würden, nach unserer Anschauung vom Wesen
und der Bestimmung des Humanismus, nur zu wünschen haben, dasz
mun sieh mehr und mehr demselben wieder zuwendete.
Dresden. F. Paltiamm.
(Fortsetzung im iiächsteu Hefte.)
2.
1) Phaedri fahulae. Für Schüler mit erläuternden und eine
richtige UeberseUung fördernden Anmerkungen versehen,
van Dr. Johannes Siebelis^ Lehrer am Gymn, iu lliid-
burghausen. Leipzig. B. G. Teabner 1851. XII u. 75 S. 8.
2) AusgewäliUe Fabeln des Phaedrus. Erklärt von F. E. Ra-
se hig. Leipzig. Weidmann'flche Bachhandlung 1853. YIII u.
87 S. 8.
1) Die Ausgabe der Fabeln des Phaedrus von Siebeiis ist in ih-
ren Anmerkungen so recht der Altersstufe der Schüler angepasst, fttr
welche sie bestimmt ist. Die erifiuterden wie übersetzenden Anmer-
knngen sind kurz und bestimmt und einem Quartaner, also einem
Knaben von 12 — 14 Jahren überall verständlich. Ansichten anderer
Erklärer werden mit Hecht weder zur Widerlegung noch zur Bestäti-
gung in den Kreis der Noten gezogen. Hier ond da wird der Schflier
durch eine nicht beantwortete Frage zum nachdenken ond dadaroh
Aufgaben d. ?haedra8 von Siebeiis a. Raichig. 27
sam richtigen Verständnisse angeleitel, an anderen Stellen wieder anf
früher erklärte, oder auf ähnliche Wendungen und Aosdracksweisen
im Corn. Nep. yerwiesen. Bin ich sonach im allgemeinen mit dem
Umfange der Noten einverstanden, so wäre doch die Anwendung nicht
beantworteter Fragen an noch weit mehr Stellen zweckmäszig gewe-
sen; an anderen Stellen hätte der Schiller, wenn er sein Lexikon ge-
brauchte, die richtige Uebersetzung auch ohne Note nicht leicht ver-
fehlen können. Gehen sonach hier und da die Noten trotz ihrer Ge-
drängtheit etwas XU weit, so fehlen sie an anderen gerade da, wo
man sie hätte erwarten sollen, besonders aber aberall bei den Pro-
nnd Epimythien auch wo diese dem Inhalte der Fabel nur wenig oder
gar nicht entsprechen. Wol wird der Lehrer bei der Erklärung dar-
auf zurückkommen; allein dies rechtfertigt das weglassen nicht, da
ja sonst noch viele, wenn nicht alle Noten wegbleiben könnten.
Im Texte hat sich Siebeiis vorzüglich an die Recensionen von
Orelli und von Dressler angeschlossen; erhebliche Abweichungen
werden im Vorworte besprochen. Das in der Einleitung enthaltene
Leben des Phaedrus verbreitet sich weiter als es mir gerechtfertigt
erscheint; es werden nemlich darin die dahin gehörigen Stellen ans
den Pro- nnd Epilogen angeführt. Da nun aber gerade diese Stücke
des Phaedrus mit Recht zum grösten Theil von dem Herausgeber aus-
geschieden worden *da sie theils zu schwierig, theils ihrem
Inhalte nach für Knaben zu wenig anziehend sind% so hat
der Schüler keine Gelegenheit die angeführten Stellen im Zusammen*
bang zu lesen. Es hätten daher in dem Leben des Dichters, da doch
auch dieses für die Schüler geschrieben ist, nur diejenigen Stellen
namentlich aufgeführt sein sollen, welche sich auch im Buche finden.
Den Schlusz der Einleitung bildet eine kurze Darstellung des Vers-
maszes.
Was die Ausscheidungen betrifft, so erkläre ich mich mit den-
selben im ganzen einverstanden, nur hätte ich auszer einigem, un-
ten zu erwähnendem, auch IV 7 (b. S. 6) weggelassen, weil es
nach meiner Erfahrung für Schüler der IVa * theils zu schwierig,
theils seinem Inhalte nach für Knaben zu wenig anziehend ist', fer-
ner aber III 1 onus ad amphorfm. Dies Gedichtchen hätte schon
deshalb ausgeschieden sein sollen, da die Meinungen der Ausleger
über den Schluss hoc quo pertineai^ äicei qui me noverit zu sehr
auseinander gehen und auch Siebeiis nioht mit Bestimmtheit anzuge-
ben weisz, worauf sich derselbe bezieht. Er sagt nemlich: *das Ge-
dichtchen ist, wie es scheint, eine seherzha'fke Anpreisung der
Fabeln des Dichters und insbesondere . . . der beiden ersten Bücher
. . . Indem er das dritte Buch wahrscheinlich geraume Zeit nach
den beiden ersten veröffentlichte, galt ihm dasselbe gleichsam als der
Rest seiner Dichterspende. . . .' Ich habe niemals diese soheri-
hafte Anpreisung inP.s Worten finden können, wüste aber aooh
nicht was für ein Scherz darin läge, wenn der Dichter seine Fabetn,
seien es wie andere wollen alle, oder wie Sieb, will nor die des dril-
28 Ausgaben d. Phaedrus von Siebeiis u. Kascbig.
ten Biicbs mit dem vom gaten Wein dem Krug noch anhaftenden Duft
vergleicht. Und was soll das alte trunksüchtige Weib dabei thun?
soll es scherzhaft den Leser bezeichnen? Warum soll sich Phaedrus
hier so versteckt loben, der sich doch sonst nicht scheut die hohe
Meinung von sich höchst unumwunden auszusprech'en? Unter den Mei-
nungen Burmanns über dies Gedichtschen ist auch diese: ebriosae
onus haec verba in senilem effetamque Tiberii Caesaris Ubidinem
eonveniuni cet. , eine Meinung die freilich sehr gesucht ist, mir
aber nicht gesuchter erscheint, als darin eine Anpreisung der Fabeln
des Phaedrus zu finden. Ich habe dies Gedichtchen mit meinen
Schülern noch nie gelesen und zwar deshalb weil es auch mir, wenn
nicht eine Obscocnität zu enthalten, doch an dieses Gebiet zu streifen
schien. Ich habe es nemlich immer, um mich der Worte Burm.s zu
bedienen auch auf eine senilem effetamque lihidinem^ aber nicht des
Tiberius sondern ipsius anus bezogen und dabei ist denn wol die
epota amphora der anus ziemlich parallel. Legt man die Schlusz-
Worte hoc quo pertineat cet. noch der alten in den Blund, so passt
dann auch das o suavis anima! cet. ganz gut dazu. Doch genug!
mag der Sinn des vielbesprochenen Gedichtchens sein, welcher es
immer wolle, in eine Schulausgabe sollte es nicht aufgenommen sein;
vermissen würde es gewis niemand.
Dasz Siebeiis die Phaedri fabulae noeae^ quas tocantj sice Fa-
bnlarum Über VI aufgenommen hat, halte ich nicht für zweckmäszig,
zumal ihre Echtheit auch dem Herausgeber * noch keineswegs erwie-
sen ist' und ^sie ihrem Inhalte nach unleugbar tiefer stehen' als die
übrigen Fabeln des Phaedrus. Dazu kömmt, dasz in diesen Fabeln noch
viele Unsicherheiten und Zweifel im Text übrig bleiben ; doch hat S.
gerade zu dieser Abtheilung gar keine kritische Note zugefügt.
2) Was nun im allgemeinen die Ausgabe ausgewählter Fabeln
des Phaedrus von Raschig betrifft, so ist auch sie, wie es im Vor-
worte heiszt, zum Schulgebrauche bestimmt, aber nach einem ganz
anderen Plan angelegt als die von Siebeiis. Erstlich gibt sich die
Ausgabe schon nach ihrem Titel nur als eine Auswahl zu erkennen,
und es sind nicht nur alle von Sieb, ausgeschiedenen Stücke, sondern
noch viele andere weggelassen. ^Als Grnnd der Ausscheidung gibt
Kasohig an ^theilt Mangelhaftigkeit des Textes, theils Unpaszlichkeit
des Inhalts, theils sprachliche und sachliche Schwierigkeiten ' , wel-
cher Grundsatz wenigstens nicht überall festgehalten ist, denn es feh-
len viele Stücke, bei welchen sich nichts von dem angegebenen findet,
die aber zu den schwächeren Erzeugnissen des Phaedrus gehören,
also deswegen weggelassen scheinen. Die aufgenommenen Stücke
ordnet nun aber Rasohig nicht nach Büchern , sondern * in einer Nach-
einanderstellung , welche den wesentlichen Vortheil des allmählichen
fortschrei tens vom leichteren zum schwereren gewährt.' Ich will
über diese selbständige Anordnung nicht rechten, obwol dadurch —
trotz der angefügten Parallele der Fabelbezeichpungen — für den Ge-
brauch in Schulen eine, wenn auch nicht grosze Unbequemlichkeit
Ausgaben d. Phaedrus von Siebeiis u. Rasoliig. 29
entsteht, da doch wo\ nicht alle Schüler sich gerade dieser Ausgabe
bedienen werden; allein ich vermag mich bei dieser Anordnung nicht
davon zu nberzengen, dasz überall ein fortschreiten vom leichteren
zum schwereren bemerklich wäre. So stehen z. B. die sechs grösten
Fabeln zuletzt, die zwei kleinsten zuerst, ohne dasz es, wenigstens
für mich, sicher wäre , dasz jene grösten die schwersten, diese kloio-
sten aber die leichtesten wären. Freilich ist die Bestimmung übet)
leicht und schwer zunächst snbjectiv; allein Beobachtungen an den
Schülern gehen doch einigermaszen einen objectiven Maszstab. So
haben meine Schüler, um nur einiges anzuführen, noch immer Fab. IX
bei K. (Phaed. V 8 Occasio) sehr schwer gefunden, während sie in
der von H. zuletzt gestellten LX Scurra el Rusticus (V 5) und in der
vorletzten Ranae regem petentes (1 2) weit weniger Schwierigkeiten
gefunden haben. — Was die den Fabeln zugefügten Anmerkungen
betrifft, so hat sich darin R. nicht mit aufgestellten Fragen, mit kurzen
Andeatungen und Uebersetzungen zufrieden gegeben. Er sagt dar-
über selbst S. lll u. IV : ^demnächst konnte ich in Betreff der sprach-
lichen Erklärung bei einer ersten Anleitung zum Verständnisse der
dichterischen Rede und Darstellung blosz Winke und Andentungen
durchaus nicht für ausreichend erachten. Vielmehr hielt ich gerade
zu diesem Behufe eine möglichst genaue und vollständige Vermittlung
des Verständnisses alles dessen, was innerhalb des FassungSr
Vermögens der vorauszusetzenden Bildungsstufe liegt, für uner-
läszlich. . . .' Dasz Raschig das richtige Masz eingehalten und überall
Schüler von 12 — 14 Jahren vor Augen gehabt habe, davon kann ich
mich nicht überzeugen, wenigstens habe ich seit einer langen Reihe
von Jahren, während welcher ich es mit Quarlanen zu thun gehabt,
unter denselben nur sehr wenige gefunden, welchen nicht sehr viele
Noten R.s auszerhalb ihres Fassungsvermögens gelegen hät-r
ten (einzelnes werde ich unten anführen) ; andererseits fehlt es aber
auch nicht an vielen umfangreichen Noten, wo wirklich eine kurze
Andeutung, ein Wink, eine Frage vollkommen genügt hätte. Vor
allem aber finde ich es zu tadeln , dasz R. bei seinen Erklärungen , so
zu sagen, die Gelegenheit gesucht hat, Ansichten anderer Heraus-
geber (wenngleich ohne sie zu nelinen), besonders die von Siebeiis,
meistens mit wörtlicher Anführung zu bekämpfen und zu widerlegen.
Einen wesentlichen Vorzug vor der Siebelis^schen Ausgabe hat die
von R. dadurch, dasz sie den Schüler mehr auf das innere Verständ-
nis der Fabeln und besonders auf das Verhältnis der Pro- und Epi-
mytbien zum Inhalte der Fabel aufmerksam macht, und von dieser
Seite betrachtet gibt die Ausgabe von Raschig nicht selten manchen
guten Wink. Aber auch in diesen Erörterungen (bei welchen Jacobs^,
Leasings und anderer Arbeiten gut benützt sind) wäre gröszere Kürze
oftmals nicht blosz wünschenswerth, sondern auch leicht erreichbar
gewesen. Dasz Raschig an vielen Stellen andere Erklärungsversuche
recht glücklich beseitigt hat, wird sich unten zeigen.
In der Einleitung spricht R. über die Fabeldichtung im allgemein.
94 Anifabea de» Phaedrus vou Siebeiis und RasGhi(f.
der König morbo confectut gravi auch das antidoium geben, doch niciU
etwa um an dem Gegengift in eigentlichster Bedeutung den Schuster-
Arzt zu versuchen, sondern er verlangt, weil krank, vom Schuster ein
Mittel gegen seine Krankheit und dieser gibt ihm, was er allen Kran-
ken gibt, sein antidotum (Universai-Medicin appeliat Santoroc-
cus linde ich bei Schwabe). Wir sehen also, dasz unter aniidoium
auch ein aus giftigen Bestandtheilen zusammengesetztes Mittel verstan-
den wird, welches bestimmt ist, den durch die Krankheit im Körper
entstandenen, gleichsam giftigen Stoffen ein Gegengewicht zu halten,
oder vielmehr sie zu verdrängen und' aufzuheben. £inem gesunden
hätte ein solches Mittel geschadet; darum gibt sich der König den
Anschein als mische er zu dem aniidoium das ioxicum, V. 4 S.
^siropha (von cxQiq>ü} drehen) eig. Verdrehung der Wahrheit, d. i.
Vorspiegelung'; t(. richtiger: ^ verboxig sirophis durch wortreiche
Redewendungen' und führt als Beleg dazu Schol. Aristoph. 0tQog>al
da kiyovTai, ticcI ot avfATtsjckByfiivot xal öokegol koyoi an, was in einer
grösseren, nicht zum Schulgebrauch bcbtimmten Ausgabe, wie bei
Schwabe, ganz an seiner Stelle ist, aber für einen Quartaner offenbar
keinen Zweck hat. V. 5 hie cum iacerei^ S. unklar: ^hic Adverb.',
h. richtig: *hic nicht vom Orte, sondern den eingetretenen Sloment
(da, jetzt) vergegenwärtigend'. V. 14: quaniae püiaiis e$se tos de-
meniiae^ S. macht darauf aufmerksam, wie der gen. oder abl. der
Kigenschaft mit esse oft eine etwas freiere Uebersctzung erfordert:
*Wie thöricht, meint ihr, dasz ihr seit!' U. spricht von der Ueber-
sctzung nicht, erklärt aber, nachdem er die in puiaiis liegende Be*
Ziehung recht gut entwickelt hat, den Genet. durch: ^. . . . der Thor-r
heil, von welcher die Leute durch den Genet. als besessen
dargestellt werden', welche Erklärung den Schüler gewis nicht
zum Verständnis dieses Genet. führt. V. 17 hoc peritnere dixerim^
S. recht gut; ^der Conj. Perf. im Hauptsatz, um ein Urtheil bescheiden
auszudrückend ch dürfte wol mit Recht sagen'; R. macht dies
an und für sich leichte Vrh. dem Schüler durch seine Erklärung xn
einem schweren, wenn nicht gänzlich unverständlichen; ^ dixeritn im
Conj. das sagen als ein durch die Ansicht des sagenden bedingtes,
sagbares, im Perf. bezüglich eines bestimmten Falles darstellend.'
(Aehnlich sagt R. XXX (V 3) v. 10 optem necare * opiem stellt
das wünschen nicht als ein wirkliches, sondern als ein mögliches, so
zu sagen wünschbares, im vorliegenden Falle als ein solches dar,
welches vorkommenden Falls eintreten würde'). Derartige Erklärun-
gen sind auf keiner Stufe des Gymnasiahinterrichts von Nutzen, in
einer Quarta aber sind sie mehr als unnöthiger Ballast, — sie verwir-
ren. — 1 15 (R. XX) v. 6 suadebai fugere^ S. ^ungewöhnliche und nicht
nachzuahmende Construction. Wie müste es der Regel nach heiszen?'
S. hätte noch hinzufügen sollen ^ aber dichterische Constr.' R.s Be-
merkung ist geeignet den Schüler zu der Ansicht zu verleiten, als
dürfe er diese Constr. nachahmen , wenn er sagt : ^ suadebai mit dem
einfachen Inf. fugere um so weniger (sollte zugefügt sein: ^bei einem
Ao8galK)n d. Phaednis too Siebeiis «. Rasehigr Sl
quaniur schlieszt S. mil Kecht, das« Fabeln des Ph. verloren gegen*
gen, was R. nicht als * unabweisbare Nothweiidigkeit' gelten lassen
will, ^da Ph. vielleicht nar im allgemeinen die Bigenthamlichkeit der
Pabeldichtung rechlferligen wollte'; allein konnte sich dann Ph. so
ausdrücken? — v. 7 erklSrl R. ^fahula (von fort) ursprünglich jede
Erzählung, vorzugsweise aber die Erzählung, welche
eben nur eine Erzählung ist, daher namentlich auch die Fabel'.
Was fängt ein Quartaner mit dieser Erklärnng an?! — Lib. 1 1 (R.
XLII) V. 6 laniger^ S. ^beachte, wie der Dichter bei Bezeichnung
desselben Gegenstandes mit dem Ausdrucke zu wechseln sucht'; R.
* dichterisch statt ofts, indem an die Stelle 3er conventioneilen, nur
als BegrifTszeichen für den Verstand dienenden Benennungen des Ge-
genstandes eine der Eigenthflmlichkeit desselben entnommene, mehr
veranschaulichende Bezeichnung tritt'. Auch diese Bemerkung R.s, so
richtig sie ist, geht über das Masz dessen, was man einem Schüler
von 12-— 14 Jahren zuzumuten berechtigt ist, hinaus.
I, 2 (R. LIX) V. 7 schreibt S. sed quoniam grams omnino mswe-
tis sofitis, was freilich an die Lesart des Cod. Pith. am nächsten her-
antritt, was aber ohne S.s Note kaum irgend ein Leser verstehen
wird *weil sie (die seret/tfs) überhaupt für ungewohnte ein schwerea
Wort ist'. R. behält, was auch mir die beste Auskunft scheint, die
Correct. des Heinsius: quoniam graee omne insuetis onus, V. 1$
behält S. mit Recht die Lesart der Hss. hac tnenum limo cum iacerei
dintius bei, da sie einen guten Sinn gibt, während R. ohne NotK
Bentleys Correctur mmersae limo cum laiereni aufnimmt, v. 19 er-
klärt S. ^posito iimore so viel als deposilo* ^ R. sagt: ^posito nicht
statt deposUo . . .' ; allein S. zweifelt ja nicht an der Richtigkeit der
Verbindung iimorem ponere^ sondern will nur dem Schüler das po-
liere in der Bed. a b legen erklären. V. 29 sagt S. ^bonum und matum
fasse als Neutra'; R. ^bonum und malum üblioher Weise in neutra-
lem Sinne zu verstehen, widerstreitet der Intention des Dichters...';
allein die v. 31 folgenden Worte führen ganz unzweideutig daranf^
dasz der Dichter auch v.29 das neutr. verstanden wissen will, denn da
heiszt es : hoc sustineie^ maius ne veniat malum. — I 3 (R. XLIII)
V. 10 erkl. S. gut redire coepit ^ durch coepil wird hier das zögern
bez., womit sie es that'; R. begnügt sich mit dieser Erklärnng nieht,
sondern sagt: ^redire nicht im Sinne von zurückkehren als zum Ziele
gelangte, vollendete, sondern in dem Sinne von zurückgeben als dem
Ziele zugewendete, verlaufende und daher durch coepil üblicherweise
in ihrem Beginn bezeichnete Handlung'. Statt dieser vielen Worte,
welche einen Knaben, wie man zu sagen pflegt, den Wald vor den
Bäumen nicht sehen lassen, hätte vollkommen ausgereicht: ^redire
coepil <v> sie machte sich auf den Rückweg'. ' 1 4 (R. XII) bemerkt
R. za dem Promylh. Amittil merilo proprium qui alienum appelil ^das
Ttft alienum appelil . . . erweckt die falsche Vorstellung, als verliere
der Hund um deswillen das seinige, weil er . . . nach fremdem Bigen-
trachte, während er vielmehr um seiner Habgier willen dessen,
AuigMbea ac» Phaedriu von Siebelii» and Rafohii;.
.ü»r Kbuig morbo confectut graei aach dis aniidotum geben, doch nickt
•iWtt um un dum Uegongirt in eigenllicbsler Bedeutung denSchusler-
Ar»i tu vor»uoUon, sondern er verlangl, weil krank, vom Schuster ein
MiHül gegen »eino Krankheit und dieser gibt ihm, was er allen Kran-
K«^n gibU »«in auiidoium (Universal- Medicin appellai Santoroc-
cn« llndo ich bei Sohwabo). Wir sehen also, dass unter antidoium
«Moh nin «ua giftigen Bostandlheilen xusammengesetztes Mittel verslan>
<lvn wird, >/^«lches br.<(inimt ist, den durch die Krankheit im Körper
«nUUudrncn« gleichsam giftigen Stoffen ein Gegengewicht zn halten,
udf^r >iclm«>hr »io au verdringen und'aufsuheben. Einem gesunden
K*M«> %^lu »olvh«"» Mitlei geschadet; darum gibt sich der König den
AH»vhvMu ata miache er au dorn amiidoium das ioxicum, Y. 4 S.
'M«Vf»/4a (>iku v^i^^^^ia drehen) eig. Verdrehung der Wahrheil, d. i.
NvM»|^ie|ieluw«\ tt, rivhtiger: ^ ttrbosis siropkis durch wortreiche
Medc\>v>uduutteu^ und fahrt aU Beleg daiu Schol. Aristoph. ar^o^al
i>i iivy^k k^^ KM w ^>rwi<^.f A^\«mM xai t^oif^oi Ao';*Oi an, was in einer
tlk^svaAev^u , u^%'hl «um Schutgebraueh be^limmlen Ausgabe, wie bei
9^«'K\\at^^S gaua au aeiuer i^telle i*t, aber für einen Quartaner offenbar
k^^ueu Iweek bat. \. i A«c ciwi #«cmr#* S. unklar: ^hic Adverb.%
H^ i'^ebti)^, *4««' uivbt >\»iu Orte, »ondern den eingetretenen Moment
Ma, jet«l) >ergeg^u%%arti^eud\ \\ 14: ynoiilcr pikialis esse ros de^
••VMliM*, S. macht darauf aulbiertk^am« >iiie der gen. oder abl. der
Ki)^vu»vhah mit «"$$« ^f) eine et^^a« freiere tebersetiuag erfordert:
' ^^ ke tb\Huht, meiul ihr. da^ ihr seit! * R. sprieht von der Leber-
««'tAuui; nichts erilart aber. Mebdem er die in pmiaüs liegende Be-
«K^bau« r^bl g«l ettlxi^ickelt bat« den Genet dureb: *. ... der Tb^r^
b^'it. >ou\\elcberdieLeuledurcbdettt]ienet als besessen
dargiMlclU ^erden\ wetobe KrkUrung den Schaler gewis ücbt
aam \ criitaudui:i Uieaea tieael. tiUurL V. 17 A<h* peri^mire dixerimy
S. levht ^[at. ^der OvMij. I^erf. im HauptMta. um ein rrtbeil bescbcidcn
nusAudruckeu, icb durfte w ol mit Reebt ;»agen': R. mncbl dies
n«i und für »icb leichte Vrb. dem Scbuler durch »eine KrUiranf in
eiueuk !kch>%viett, ^veau aicbt gäaiiicb ua v er;» tänd lieben; ^distrim im
Vs>uj. da:i ^«geu «U ein dureh die AaiMcht des sagenden bediaipte«,
aa^^barea« im l^erf. beaügücb eines bestimmten Falles darstellca^.*
(AebaUcb sagt K. \\\ (^Y S) v. 10 optem mecare ^ aptem steUl
Uas wünschen nicht als ein wirklicbeSs sondern als ein mögliches, sa
tu sageu wUnscbbares, im vorliegenden Falle als ein solches dar«
wekhes vorkommemlen Falls eiakreteu wUrde^X Derartig Erklär«»*
gen sind auf keiner Stufe des Gvmnasialunterriehts von > atzen, ia
einer O^uiria aber sind sie mehr als unnötbiger Baltast« — sie verwtr-
^u. — 1 lö (R. \\) V. f> suiibdieöut futfenf^ S. 'ungewöhnliche und nichl
nach;&uabmettde Constructioa. Wie müste es der Regel nach beiszenV*
S. hatte noch hinzufügen sollen 'über dichterische Constr/ üs Be-
merkung ist geeignet den Schdler zu der Ansicht; zu verleiten ^ nis
dltfüe ec diese Constr. nachahmen, wenn er sagt: ^suadebai mit dnns
tMi£m»beai Uf. f^ere um so weniiper (^soUto au^nlil^ 9mm: ^tm «imk
Aligaben des Phaednie YoeSiebelis undRaseiug. SS
ist, vielmehr ^was da so schön, so fein, so vortrefflich leagnest' mit
der in pulchre so oft liegenden ironischen Beziehung. R. sagt: ^jm^
ehre wie im G. %aX(og^ im D. schön, ein gesteigertes gut, ein g n I
in bester Form', welches ^gut in bester Form' ich nicht verstehe.
— 1 11 (R. XLIV). S. V. 1 unrichtig: ^virluiis expers ohne Ver^
dienst', da es, was R. gut bemerkt, eine ^umschreibende Bezetehnung
des igfiavus ist.' V. 6 zu fugientes ipse exciperet macht S. die rich-
tige Bemerkung, dasz *se ipsum excepturum zu erwarten gewesen
wäre, worauf R. nicht aufmerksam macht, indem er in der Constrnction
eine Art Zeugma erkennt, so dasz Mie eigentliche Bedeutung von ad-
monere bei fugientes ipse acciperet keine weitere Anwendung findet.^
Richtig, aber für einen Schüler der IVa nicht ausreichend; diesem
mQste gesagt sein, dasz nach den gewöhnlichen Regeln der Grammat.
hier der acc. c. inf. stehen mäste, dasz aberPhaed. , wie S. sagt,
^durch den vorhergehenden Conj. verleitet worden, auch hier den
Conj. zu setzen.' — 1 12 (R. XLV) v. 2 ist S.s Correctur haec asserii
narräiio für das lückenhafte haec f eril auch von R. mit Recht aufgenom-
men.— 1 13 (R. XXYlll) Y. 2 nimmt S. die Correctur von Heinsiusauf:
JSerae dal poenas turpes poenitentiae ^erleidet die schimpfliche Strafe '
%VL spater Reue', was zum Sinne der Fabel durchaus nicht passt, denn
der Rabe wird uieht dafür bestraft, dasz er zu spfite Reue zeigt, son-
dern dafür, dasz er laudari gaudet verbis subdolis, R. liest mit Orelli :
Fere dat poenas turpi poeniientia^ allein ^nicht die Reue ist schimpf-
lich, sondern die Strafe' (S.)- Ich ziehe das von Schwabe aufgenom-
mene: Sera dai poenas turpes poenilentia yor ^ wo das sera poeni-
ttnüa um so passender als begleitender Umstand genommen werden
kann, als für den Lateiner das /»oenas dare kein Passiv, sondern ein
Activ ist, also: *der bezahlt in allzu spater Reue seine Strafe' d. h.
er erleidet schimpfliche Strafe und hat dabei Reue, aber diese Reue
kommt zu spät. V. 6 S. ^^tii est nitor = quantus est nitor* ; R. ^qui
weder statt quantus noch statt qualis^ sondern qui fragt nach der
Beschaffenheit des dem Raben eigenthümlichen Federglanzes im Vrh.
zn dem Federglanze anderer Vögel und zwar im Tone der Bewunde-
rung'. Freilich ist qui für das lat. Ohr nicht = quantus^ aber ihm
doch in seiner Bedeutung sehr nahe kommend. R. wie S. hätten bes-
ser gethan einfach zu sagen: ^^titrodemD. welch ein'. V. 7 quan^
tum decoris corpore et vuUu gerisj S. ^geris d. i. zeigst du' ; R. *ger$s
nicht zeigst du, sondern in demselben Sinne, in w. gerere (vestem
etc.) von alle dem gesagt wird , was man als Zubehör (!) mit sich
führt, an sich hat, trägt, womit man, wie mit einem Kleide angethan
ist.' Richtig; allein schon die vielen Worte R.s beweisen, wie schwer
es ist, einen einigermaszen entsprechenden deutschen Ausdruck dem
geris an die Seite zu stellen. Weiche Uebersetznng R. dem Schüler
anr&th, sagt er nicht. — 1 14 (R. LV) v. 3: antidotum hätte bei S. u. R.
einer genaueren Erklärung bedurft als * Gegengift'; denn darunter
verstehen wir eben doch nur ein Gift, welches die Wirkung eines (ge-*
nossenen) Giftes aafhebt, was hier nicht passt. Es läszt sich nemüch
Pf. Jakrb. f, PhU, K. Paed, Sd. LXXIV. Bß, 1. ^
04 AüSf abei des Phaedriis vou Siebeiis «ud Rtscki^.
.der Koaig morbo confeclui gravi auch das antidotum geben, doch niehl
.e(wä um an dein Gegengift in eigentlicbsler Bedeutung den Schuster-
Arzt SU versuchen, sondern er verlangt, weil krank, vom Schuster ein
jAittel gegen seine Krankheit und dieser gibt ihm, was er allen Kran-
ken gibt, sein antidotum (Universal-Medicin appellat Santoroe-
-cus finde ich bei Schwabe). Wir sehen also, dasz unter aniidotum
auch ein aus giftigen Bestandtheilen zusammengesetztes Mittel verstan-
den wird, welches bestimmt ist, den durch die Krankheil im Körper
entstandenen, gleichsam giftigen Stoffen ein Gegengewicht zu halten,
oder vielmehr sie zu verdrängen und' aufzuheben. Einem gesunden
liätte ein solches Mittel geschadet; darum gibt sich der König den
Anschein als mische er zu dem antidotum das toxicum. V. 4 S.
^stropha (von öxQigxa drehen) eig. Verdrehung der Wahrheit, d. i*
Vorspiegelung'; K. richtiger: ^verboiis strophis durch wortreiche
Redewendungen' und führt als Beleg dazu Schol. Aristoph. öxf^wptA
de kiyovxat xai oi avfATtSTtkeyfiivoi tcccI öoksQol koyoi an, was in einer
gröszeren, nicht zum Schulgebrauch bestimmten Ausgabe, wie bei
Schwabe, ganz an seiner Stelle ist, aber für einen Quartaner offenbar
keinen Zweck hat. V. 5 kic cum iaceret^ S. unklar: ^hic Adverb.',
K. richtig: ^kic nicht vom Orte, sondern den eingetretenen Moment
(da, jetzt) vergegenwärtigend'. V. 14: quantae piktatis esse t>o$ de*
mentiae^ S. macht darauf aufmerksam, wie der gen. oder abl. der
Eigenschaft mit esse oft eine etwas freiere Uebersetzung erfordert;
■*Wie Ihöricht, meint ihr, dasz ihr seit!' U. spricht von der Ueberr
Setzung nicht, erklärt aber, nachdem er die in putatis liegende Be*
siehung recht gut entwickelt hat, den Genet. durch: ^ . . . der Thor-r
heit, von welcher die Leute durch den Genet. als besessen
dargestellt werden', welche Erklärung den Schüler gewis nicht
zum Verständnis dieses Genet. führt. V. 17 koc pertinere diwerim^
S. recht gut: Mer Conj. Perf. im Hauptsatz, um ein Urtheil bescheiden
auszudrücken, ich dürfte wol mit Recht sagen'; R. macht dies
an und für sich leichte Vrh. dem Schüler durch seine Erklärung zu
einem schweren, wenn nicht gänzlich unverständlichen; ^ dixerim im
Conj. das sagen als ein durch die Ansicht des sagenden bedingtes,
sagbares, im Perf. bezüglich eines bestimmten Falles darstellend.'
(Aehnlicb sagt R. XXX (V 3) v. 10 optem necare * optem stellt
das wünschen nicht als ein wirkliches, sondern als ein mögliches, so
zu sagen wünschbares, im vorliegenden Falle als ein solches dar,
weiches vorkommenden Falls eintreten würde'). Derartige Erklärun-
gen sind auf keiner Stufe des Gymnasialnnterrichts von Nutzen, in
einer Quarta aber sind sie mehr als unnöthiger Ballast, — sie verwir-
ren.— 1 15 (R. XX) V. 6 suadebat fugere^ S. ^ungewöhnliche und nicht
nachzuahmende Construction. Wie mtiste es der Regel nach heiszen?'
S. hätte noch hinzufügen sollen *aber dichterische Constr.' R.s Be-<
merkung ist geeignet den Schüler zu der Ansicht zu verleiten, als
dürfe er diese Constr. nachahmen , wenn er sagt : ^ suadebat mit dem
einfachen Inf. fuyere um so weniger (sollte zugefügt sein : ^bei ein
Aasgaben des Pbaedrns von Siebeiis and Rasefaig. 35
Dichter') anstöszig, da der dichterische Gebrauch sogar einen mit
einem Nomen verbundenen Inf. von suadere abhingig zn machen ge-
stattet.' In demselben v. vertheidigt R. die Correctnr Bentleys: ne
passet capi gegen die aach von S. aufgenommene Lesart der Hs. ne
possent capi; allein mit Unrecht. Der alte fordert den Esel auf zu
fliehen, damit sie nicht gefangen werden könnten, einfach des-
wegen weil er ohne seinen Esel nicht fliehen wird. — .
I 16 (R. XIII). Das vielbesprochene Promythium zu dieser Fabel ist
eines von jenen, bei welchen der gerechte Verdacht entsieht, ob
sie wirklich von Phaed. herrühren. R. schreibt mit Schwabe u.a.:
Fraudator hominem cum vocat sponsum improbum, non rem expe^
dire, sed malum dare expetit^ mit der Bemerkung: ^dasz der Betrfl-
ger bei Stellung eines unredlichen Bärgen auf Betrng ausgehe, be*
durfte keines Nachweises. Es muste vielmehr heiszen : wenn jemand
einen homo improbus als Bürgen stellt , geht er darauf ans sieh aU
Betrflger zu erweisen' (besser: so erweist er sich dadurch als Be-
trüger). S., ohne sich darüber auszusprechen, schreibt : . . hominet
. . . improhos .... sed mala vitare expedit^ worin expedii aus Cod.
Rem. genommen und mala eitare ans mala cidere des Cod. Pilh. und
Rem. corrigiert ist ; allein auch so enthalt das Promyth. wenig Sinn,
da mit einem Betrüger niemand zu thun haben will, mag jener Bürgen
stellen oder nicht. Hier war eine Bemerkung gegen das Prom. durch-
aus nothwendig, was S. nicht gethan. — I 17 (R. XIV) v. 3 quem
contenderei sollte S. den Conj. , was R. thut, erkürt haben. — V. 8
iacenlem conspexit^ S. : *im D. der Inf. Der Lat. setzt häufig nach
Verb. sent. statt des Inf. das Part., wenn das Subj. die Sache mit sei'»
Ben eignen Sinnen wahrnimmt'; diese Erklärung, welche einfach die
im Lat. übliche Ausdrucksweise mittheilt , ist ausreichend und jeden«
falls für den Schüler verstandlicher, als R.s Worte: ^iacentem in der
Situation des liegens, indem das Part, das liegen (concret) als eine
an dem Wolfe haftende Umstandsbestimmung darstellt.'* — 1 19 (S. 18;
R. XXXVI) beseitigt R. dadurch , dasz er v. 9 statt der vulg. cubüe
coepit screibt: ^ut illa coepit:* den bei der vulg. allerdings höchst
unangenehmen Wechsel des Subj. — I 21 (S. 20; R. XLVI) v. 5 ad
cum S. ^ad hier in feindlichem Sinn, auf ihn los', R. mit Recht
dagegen : * ad nicht statt adcersum^ contra . . .' Der feindliche Sinn
liegt in dem Vrh. der ganzen Handlung, nicht in der Praep. ad und
so auch in den Stellen des Com. und Caes. , welche man gewöhnlich
für ein feindliches ad anfährt. — V. 9. S. ^ exiundere hier auf-
schlagen, zerstoszen' nicht gut, da es hier weder mit deoi
einen , noch mit dem andern Worte übersetzt werden kann , sondere
einschlagen, wie R. • — V. 10 will S. in fortes indigne tuli mihi
insultare das indigne zn insuliare ziehen , was sich weder durch den
Gedanken noch durch die Wortstellung empfiehlt. R. hat das einzig
richtige: ^indigne tuli ich habe es mit Unmut ertragen'; allein dles#
Bemerkung hatte vollkommen genfigt und es, hätte R. nicht S.s MeP
nnng wörtlich anführen sollen, um sie zn widerlegen. — I 71{fi*%%i
3*
36 Ausgaben des Phaedrus von Siebeiis und Raschig'.
H. XLVU) V. 6 stimme ich S. bei, welcher statt reliquiis das viersil-
bige relicuis schreibt und dann quae unverändert laszt, wahrend K.
n. a. die Correctur des Ritersh. quas aufnimmt und reliqunt läszt.
— V. 4 macht K. zu faceres si causa tnea eine, wie es scheint, durch
Schwabe hervorgerufene Bemerkung: ^ causa tnea in meiner Sache,
Angelegenheit, d. i. in meinem Interesse, sn meinen Gunsten, also
nicht statt causa mei in Sachen meiner'; hier war überhaupt keine
Bemerkung nöthig, sollte aber doch eine stehen, dann doch nur
*causa tnea statt des gew. mea causa meinetwegen'. — V. 5 bemerkt
K. richtig, jedoch zu weilläutlg, dasz tenia nicht ^Verzeihung', son-
dern ^Begnadigung' hcisze, was S. übergeht. Zugefügt konnte sein,
wie nahe beide Bgg. aneinander grenzen rv; ^eincm pardon geben.' —
I 28 (S. 26; R. XLVU!) v. 7 conlemsU ilia, fragt S. •wen?', viel-
mehr: Svas?' denn es sind ^die Vorstellungen und Bitten der Füchsin'
(R) gemeint. — V. 9 totamque ßammis arborem circumdedü erklärt
S. auf eine mir unerklärliche Weise für ^brachte den Baum durch An-
zündung der umstehenden Baume und Gesträuche in die gröste Ge-
fahr', während es doch dem ganzen Zusammenhange der Fabel nach
nur heiszen kann: •legte rings um den ganzen Bnum Feuer'. Wie die
Füchsin dies gemacht, indem sie etwa erst Reisig oder dürre Blätter
u. dgi. um den Baum gelegt , hat der Dichter nicht nöthig zuzufügen.
Gegen S.s Meinung spricht sich R. mit Recht aus; nur wären auch
hier, wenn überhaupt die fremde Meinung berücksichtigt werden sollte,
statt der lange abhandelnden Note einige kurze Fragen recht sehr an
ihrer Stelle gewesen. — V. 10 behält S. mit Orelli u. a. m. die vulg.
bei: hosti dolorem damno miscens sanguinis und erklärt sie: •indem
sie mit dem Verluste ihres Blutes Schmerz für den Feind verband';
ich ziehe die andere Erklärung vor: •indem sie dem Feinde durch
den (nun bevorstehenden) Verlust seiner Jungen Schmerz bereitete %
wozu mich auch der folgende V. bestimmt. R. hat Beutleys Correctur
aufgenommen proprii dolorem damno ulciscens sanguinis, — Lib. II
3 (S. 2; R. VI) V. 3 erklärt S. quod: 'Relat. wovon er gehört halte,
dasz es. Das Genus ist nach dem Praedicat (remedium) gewählt.'
Unrichtig; denn das quod bezieht sich auf den gonzen vorhergeheiiden
Salz linctum cruore panem miiiere. Nicht das Brod ist das reme^
dium^ sondern das vorwerfen des in Blut getauchten Brodes. — V. 4
noli facere S. : •fto/t mit dem Inf. ist eine gewöhnliche Umschreibung
des Imperat. mit ne'; R. sucht dies einfache Vrh. eingehend also zu
erläutern I •eigentlich das nicbtznthuende als ein nichtzuwollendes, als
etwas, das man sich nicht beigehen lassen solle, bezeichnend, eine
häufige Umschreibung . . . .' — II 5 (S. 4; fehlt bei R. wol deshalb,
•weil sie, wie Jacobs sagt, zu den plattesten Einfallen gehört, die Ph.
einer poetischen Bearbeitung gewürdigt hat.') sollte v. 16 ^9^s aestuans
bei humus besprochen sein und v. 21 das enimvero etwa dem D. ^ da
mein^ ich', verglichen werden; denn wie Tzschucke richtig sagt: ce/e-
rüalem et fesiinaiionem^ adiutare eidelur, — U 6 (S. 5 ; R. XLIX)
Y. 13 qua commmuia facile tescaiur vibo erinnert in seiner Constr.
AusgabeD des Phaedrus von Siebeiis und Rasohig. . 37
an das oben I 11 v. 6 besprochene fugitntes ipse exciperet und ist
auch ähnlich zu erklären. S. erklär! das qua cotnminuia mit ul ea
commmuta; R. dagegen: Veder durch ui ea . , . noch durch el ea . .
zu erklären . . . sondern : sie solle das thun und werde so ihren Zweck
erreichen (commintie corticem et f^esceris) ' ; damit hat R. allerdings
das logische Vrh. richtig angegeben, allein es war für den Schüler hin-
zuzufügen, wodurch der Dichter veranlaszt wurde, statt des dann zu er-
wartenden Acc. c. Inf. den Conj. zu schreiben. — V. 14 behält S. mit
den Hss. eerhis^ R. nimmt Gronovs Correctur eeris auf, was nicht
nöthig. — II 7 (S. 6; R. XL) v. 2 fiscos cum pecunia^ R.: ^Körbchen
mit Geld d. h. nicht: die mit Geld gefüllt sind, sondern denen Geld
beigegeben ist, die Geld mit sich führen, bei sich haben, enthalten.^
Grammalisch ist dies richtig und ist gewis auch die ursprüngliche
Auffassung gewesen; allein ganz wie das D. * Körbchen mit Geld'
auch eigentlich nicht * mit Geld gefüllte Körbchen ' bezeichnet, doch
aber sehr nahe daran streift, ja im Gebrauch in dasselbe übergeht, so
auch das lat. fiscos cum pecunia^ das dem tumentes saccos hordeo
gegenüber gestellt ist. Ueberhaupt verliert sich ja in vielen Ver-
bindungen mit cum der Bg. des beigegebenen z. B. iurres cum lerntM
tabulatis bei Caes. u. a. m. — ¥.4 behält S. die Lesart der Hss. emt-
nens und iaclans und suppliert dazu aus v. i ibat (indem er hinter
hordeo v. 3 ein ; setzt) , was wenn auch möglich , doch hart ist ; die
von R. und a. aufgenommene Correctur eminet und iactat ist an und
für sich gefälliger und concinner mit dem folgenden comes sequitur.
Wenn auch in anderen Stellen des Phaed. eine Härte keineswegs den
Grund zu einer Correctur abgeben mnsz, so hat doch in dieser sonst
so vollendeten Fabel das eminens und iactans in der Tliat etwas an-
stösziges. — y. 9 S. richtig: ^durch das Asyndeton gewinnt die Dar-
stellung an Lebendigkeit', R. : ^ diripiunt^ negligunt als nur kürzlich
und flüchtig zu erwähnende Momente asyndetisch beigefügt'; allein
das diripiunt numoi ist gerade ein Hauplmoment, Veshalb es auch
gleich V. 10 heiszt: spoUatus igitur cet. — III 1 ist oben bespro«
eben. Fehlt mit Recht bei R. — 111 2 (fehlt bei R. wol nur weil sie
zu den unbedeutenderen Erzeugnissen des Phaed. gehört und, was
z. B. Jacobs nachweist, die Moral sehr wenig zur Fabel passt) v. 17
schreibt S. qui me sano petierint^ quis panem dederit ^wcil die
ersteren die Mehrzahl waren, denn v. 4 . . . .' ; allein da das dederit
doch auch nicht einer war und aus den Hss. nichts zu entnehmen, so
ist die Haltung durch petierH concinner. — III 5 (S. 4; R. XXXIII)
v. 1 behält S. das handschriftliche mullot; R. nimmt Bentleys Btultos
und richtet eine lange Bemerkung gegen jenes ; allein schon Burm.
hat das stuUos gut abgefertigt: quasi vero tanlum stulli corrumpe-
reniur successibus^ non etiam alii, — III 7 (S. 6; R. LVIII) v. 1
erklärt S. proloquar ^= narrabo^ R. : ^aussprechen, kundgeben, im
Gegensatz von reticere* ; beide nach meiner Ansicht nicht richtig,
vielmehr: *wie sUsz die Freiheit sei, will ich als kurze Einleitung
des Gedichtes vorausschicken'. Das breviler musz zu dieser Erklä-
38' Atugaben des Phaedrus von Siebeiis und Rasohig.'.
rung bestimmen, da nur dies Vorwort, nicbt aber die Erzfihlang knrs
ist. — 111 12 (S. 9; R. XXXI) v. 6 liest S. statt des ego qui der Hss.
den proceleusmalicus ego quia und belegt die Zulassung dieses Fasses
statt des lambus mit zwei Beispielen aus Phaed. ; R. schreibt ego quod.
Zum Epimythium dieser Fabel hätte ich bei R. eine weitere Bemerkung
crwarlct. S. erklärt den Inhalt desselben: ^weil ihr meine Fabeln
nicht versteht und zu schätzen wiszt, so haltet ihr sie für unnütz;
deshalb behalten sie aber doch ihren Werth'; allein die Henne er-
kennt die Perle als werthvoU an, sie kann nur nichts damit anfangen.
Ucbrigcns darf auch in dieser Fabel die Verglcichung nicht zu haar-
scharf genommen werden. — III 13 (S. 10; fehlt bei R.) v. 13 ver-
bessert S. das ^verdorbene talem sustulü senientiam in (alem his tulii
s.' und nimmt auch hier eine Vernachlässigung der Elision zwischen
lalem his an. — V. 16 und 17 enthalten keine Moral, sondern scheinen
eine Beziehung auf den Dichter selbst gehabt zu haben, worauf S.
nach Vorgang anderer hätte aufmerksam machen sollen. — III J4
(8. 11; R. LH) V. 13 behält S. mit Recht das handschriftliche sie lusus
. . . debent dari bei (R. nimmt die Correclur sie ludus .... debei)\
dasz aber Phaed. bei lusus Vorzüglich scherzhafte Gedichte wie seine
Fabeln im Sinne zu haben scheint' ist S. nicht zuzugeben. Von den
beiden Schluszversen behauptet R. dasz sie ^misverständlich' als Epi-
mythium gefaszt würden, während sie *einen integrierenden Theil der
dem Aesop in den Mund gelegten Deutung' bildeten; allein die Redo
des Aesop verliert an Kraft, ja sie wird matt, wenn man ihn die Aus-
führung der Deutung selbst zufügen läszt. In demselben v. 12 erklärt
S. aliquando kurz und gut: *hier zuweilen'; R. braucht um zu
demselben Ziel zu kommen einen langen Umweg: ^aliquando irgend-
wann, nicht blosz von einem einmaligen, sondern auch von einem
wiedcrholentlich eintretenden wann, so jedoch, dasz der Begriff der
Wiederholung nicht als einer häufigen, sondern nur zu Zeiten statt-
habenden zu fassen ist, also: jczuweilcn, manchmal.' — III 16 (S. 13;
R. LVI) v. 10 sollte von S. bemerkt sein , dasz aggredi hier so viel
ist als ^einem beizukommen suchen'; R. sagt: ^aggredi von dem, der
sich (in irgend einer Intention, zu irgend einem Zwecke) an jemand
macht', worin das von mir eingeklammerte unnöthig ist, da es sich
von selbst versteht. — III 18 (S. 14; R. LI) bemerkt R. zu v. ]o
^mutam specietn in üblicher Weise für ein schönes fiaszere ohne schöne
Stimme zu nehmen ist durohans unstatthaft.' Dies sucht er weitläufig
zu begründen und kommt zu dem Sohlusz: ^ Nicht seine Schönheit,
sondern die Schönheit überhaupt nennt der Pfau herabsetzend
stumm.' Auf das einzelne von R.s Beweisführung einzugehen, würde
zu weit fuhren; ich bemerke daher nur: wie wir von einem Menschen,
der keine tum singen geeignete Stimme hat (auch wenn er sonst ^eino
sehr ins Gehör fallende Stimme' haben mag), dennoch schlechtweg
sagen: *er hat keine Stimme^, so nennt auch der Pfau, wenn er gleich
nach V. 4 *eine sehr ins Gehör fallende Stimme' (R.) hat, seine Schön-
heit eine stumme. — V. 12 vermisse ich bei den mir bekannten Erklä-
A^iigaben des Piiaedros von Siebeiis und ftaschig;. 99
r0rn eine ausreichende Bemerkung zu laeta comtci omina^ da dooh
der Kr«lie nicht bloss ^günstige Vorzeichen' zugelheilfc sind. Mir
scheint der ganze V. eingeschoben; ist er aber richtig, so verstehe
ich ihn nicht. — 111 19 (S. 14; R. Llll) v. 3 erklärt S. luslrare 'hier
dasselbe was nachher circumire^; K. ^ lustrare keineswegs ganz das-
selbe, was nachher circumire^ da . . . .' Diese Bemerkung, so richtig
sie ist, hat abermals die Form einer Kritik, nicht einer für den Schil-
ler bestimmten Erklärung. — V. 4 invenit ubiy S. 'im D. schalte ein
'eines' nemlicb domum', wogegen sich R. mit Recht erklärt 'er
fand wo er anzünden konnte'. — Üb. IV 1 (R. XVI) v. 4 nimmt S.
die Correctur von Hcinsius auf circum in quaeslus ducere und erklärt
gfi quaeslus 'zu ihrem Erwerbe'. Wäre auch der Ausfall des in nach
circum leicht zu erklären, so bleibt doch das durch in quaeslus ge-
trennte circum ducere (das Schwabe eine elegans tmesis nennt) eine
ebenso harte Tmesis, als die von R. aufgenommene Correctur Bcntleys
circum pagos kühn bleibt. Auch unter den übrigen Versuchen zur
Herstellung des Textes befriedigt mich keiner. — IV 2 v. 5 erklärt
S. naeniae 'hier etwa Vers fabeln', wie doch niemand sagen wird;
eher 'Gedichtchen' oder auch 'Kleinigkeiten'. — IV 4 (R. XU) v. 1
erklärt R. die von S. angegebene Construction aper, dum se voluial^
turbavil vadum^ quo equus soliltts fueral sedare silim in ausführlicher
Erörterung für 'logisch mislich' und 'grammatisch unzulänglich' statt
dem Schüler kurz zu sagen : construiere dum aper sese volutat (in
eo vado) quo equus . . . turbavil eadum oder deutsch: 'wo das Rosz
zu trinken pflegte, indem sich da der Eber wälzte, trübte er das Was-
ser.' — IV 6 (S. 5; R. XXXIU) erklärt R. v. 9 u. 10 quos immolalos
Victor avidis denlibus capacis alci mersit tarlareo specu so, dasz
avidis denlibus ein Dativ sei (dies thut auch , wie ich bei Schwabe
finde: 'Desbillonius post Gerikium, qui vertit 'der Sieger opferte sie
seinen gierigen Zähnen' quod durum videtur'). Den Gedanken führt
R. durch einen Vergleich also aus : 'Wie der siegreiche Held den Feind
den unterirdischen Göttern zum Opfer bringt und in den Orcus sendet,
so opfert hier der Sieger die Feinde seinen gierigen Zähnen und läszt
ihnen den Schlund seines geräumigen Bauches, in den er sie versenkt,
zum Tartarus werden'. Nun haben wir uns aber doch die unterir-
dischen Götter in oder nahe dem Orcus zu denken, die Zähne
aber doch wol nicht in oder nahe dem Bauch ! Ohne Zweifel gehört
avidis denlibus als Abi. instr. zu immolatos wie I 13 avidis denlibus zu
rapuit, — IV 11 (S. 10) v. 14 bemerkt S.: 'dasz aus einer Fabel
mehrere Nutzanwendungen gezogen werden .... ist gegen die Regeln
der Fabeldichtung.' An dieser und ähnlichen Stellen wäre es Pflicht
des Herausgebers gewesen, bestimmter auf die Schwäche des Dichters
(oder des Verfassers der Moralen , wenn beide nicht doch zusammen-
fallen) aufmerksam zu machen. Leasing sagt zu dieser Fabel: 'eine
elende Fabel, wenn niemand anders als ihr Erfinder es erklären kann»
wie viele nützliche Dinge sie enthalte.' Jacobs: ^. . . . drei Moraleu
auf einmal, ein sicherer Beweis , dasz keine von allen dreien recht
40 Ansgaben des Phaednis von Siebeiis and Ruehig.
passt.' Bei R. fehlt (in einer Auswabl) mit Recht diese wie die mei-
sten der von Jacobs, Lessingf u. a. als schwach bezeichneten Fabeln.
— IV 12 (S. 11; R. XVll) V. 6. S. Spater d. i. Jupiter'; R. richtig:
Spater kann nicht ohne alle weitere Bestimmung den Jup. bezeichnen
und ist daher hier in Beziehung zum Hercules zn verstehen , dessen
Vater Jup. war.' — V. 8 S. ^ cuncta wie alles oder a 1 1 e W e 1 1 am
alle Menschen zu bezeichnen'; R. richtig: ^ cuncia nicht = cunetos^
sondern in allgemeinerer Bedeutung alles, sofern der verderbliche
Einflusz des Plutns sich nicht blosz auf alle Menschen, sondern auch aaf
alle menschlichen Dinge erstreckt.' — IV 19 (S. 15; fehlt bei R.) v. 20
qui tristis audis musicum ct'lharae sonum^ erklärt S. irisiis *weil
dafür zu bezahlen ist'; allein der Geizhals qui (v. 19) ture superos^
ipsum te fraudas cibo gibt doch gewis kein Geld für Musik aus! Viel-
mehr ^der du auch bei der Musik traurig bist, den auch die Musik
nicht heiter stimmt'. — IV 24 (S. 19: fehlt bei R.) behält S. an meh-
reren Stellen die Lesarten der Handschriften. V. 6 Vicioris laudem
^ein Siegeslied' wie IV 21 v. 5 laudem victarum, doch ist die Härte
des eicioris laudem neben cuidam pyctae nicht zu verkennen, wo-
durch die Correctur eictori viel Wahrscheinlichkeit gewinnt. V. 8
uius poeiae moris est licentia und erklärt ^licentia moris poetae die
Freiheit der Dichtersitte', was zwar hart, aber doch besser als die
sonst vorgeschlagenen Correcturen. V. 18 ne male dimitsam gra--
tiam corrumperel ^um sich nicht die Gunst, wenn er sie schnöde ab-
wiese, zu verscherzen', wie auch Desbillon gut diese Stelle auffaszt.
V. 14 ändert S. träte in iralum ^da der Zorn nicht dem entlassen-
den, sondern dem entlassenen zukommt.' — Lib. V 1 konnte, was
auch R. thut, bei S. wegbleiben schon wegen des cinaedus v. 15; er-
klärt dies auch S. mit ^Weichling', so könnte doch ein Schulet da-
dnrch dasz er das Wort im Lex. aufsucht, auf Dinge geführt werden,
von denen er besser nichts erfährt (dasselbe gilt von VI 8 (S. 6) v. 3
wo auch cinaedus vorkommt). — V 2 (R. LIV) v. 2 S.: ^ restitit lei-
stete Widerstand'; R. *an sich nicht leistete W., sondern er hiell
Stand', richtig. — V. 10 setzt S. mit den meisten Auslegern hinter
futilem ein Komma, nimmt das folgende ut als ut der Absicht und
setzt Punkt hinter faUere. Raschig nimmt die Interponction und Er-
klärung Desbillons, setzt hinter futilem ein Punkt und hinter /al/ere
ein Komma, so dasz das ut possis alias (allere den Vordersatz zu dem
folgenden bildet: * magst da anoh andre, die dich nicht kennen, täu-
schen können , ich weisz ' Auch ich ziehe die Interpunction
und Erklärung Desbillons vor , dasz aber die von S. angenommene,
wie R. sagt, Mogisch unstatthaft' sei, ist mir aus R.s Erörterung nicht
klar geworden. Auch wir können sagen: ^Lasz ruhn dein Schwer!
und deine Zunge, damit da beides gegen die gebrauchen kannst, die
dich nicht kennen', worin der freilich nicht buchstäblich, richtige Ge-
danke liegt: ^ Vernutze jetzt nicht deine Waffen und Worte, sondern
spare sie auf um solche zn täuschen . . . .' — Lib. V 5 (R. LX) v. 4
behält S. difits nohilis ^ein reicher adliger', R. nimmt mit Schelfer
Ansgaben des Phaedras tod Siebeiis oidBudiig. 41
«nd Barm, nobiles^ was allerdings besser. — V. 6 soll oacb R. das
ostenderei sein: ^vorseigen, selbstverständlich bei dem Preissteller
zar vorgängigen Prüfung und Würdigung', allein dies ist weder selbst-
verständlich noch auch nothwendig. Sie sollten ihre neuen Künste
zeigen, nemlich vor der versammelten Menge; dasz der Preissteller
sich zuerst von der Neuheit überzeugt, davon sagt der Dichter nichts.
— y. 19 nimmt S. eertim nemlich porcelium auch als Subj. zu excuiij
was unrichtig; sie befahlen ihn zu visitieren, so dasz ^ hominem oder
paUium hominis als Subj. zu denken ist' (R.). — V. 25 26 nimmt S.
die Aenderung Desbillons auf: iam faeor mentes lenet et derisurog
fion speciaturos ciet^ welches ciet dem sit et der Hs. Pith. nahe
kommt und einen passenden Sinn gibt; R. schreibt mit Schwabe deri-
suri non spectaturi sedent. — V 6 (R. XXIX) v. 3 macht 1^. zu quod-
cunque est lucri die einfache Bemerkung, dasz bei diesen Pronomini-
bus im Lat. in der Regel der Indicativ steht. Dies reicht, besonders
für einen Quartaner, vollkommen aus, wenn es überhaupt nöthig ist
zu bemerken. Nach dem innereu Grund aber zu fragen , warum die
Lateiner dies thun, ist für die Altersstufe, welcher Phaedrus als erste
po6t. Leetüre gegeben zu werden pflegt, jedenfalls verfrüht. Schüler
der oberen Klassen mag man auf eine solche tiefere Begründung hin-
führen; dasz aber auch bei diesen etwas dabei herauskomme, be-
zweifle ich: denn wenn sich der lat. Sprachgebranch für den Con-
junctiv entschieden hätte, würden wir sonder Zweifel eine ebenso
gute Begründung finden. R. versucht aber eine Begründung dieses
Gebrauches also: *quodcunque ettj nicht Sf/, nach lat. Sprachgebrauch,
demzufolge bei solcher Ausdrucksweise nur die BeschalTenheit des
seienden durch ein unbestimmtes Relativum als fraglich hingestellt,
das sein selbst als wirklich gesetzt wird.' Was gewinnt der Schüler
durch diese Erklärung, auch wenn er sie versieht? Eine tiefere Ein-
sicht in die Sprache gewis nicht. — V 8 (R. IX) v. 1 u. 2 soll nach
S. ein Bild geschildert sein, ^welches den Genius der Zeit dar-
sHsllte', vielmehr *den xat^o'g, den günstigen Moment' (R.). — V. 3
soll nach S. u. R. der Relativsatz quem si occuparis teneas die Folge
bezeichnen, ^so dasz du sie halten magst' (S.), oder ^talis ut eum . . .'
(R.). Vielmehr ist v. 3 u. 4 quem — reprehendere parenthetisch :
*bist du ihm zuvorgekommen, so halt' ihn fest; (denn) ist er einmal
entwischt , so möchte selbst Jup. ihn nicht zurückholen können.' —
Dasz es sich übrigens in dem Gedichtchen, wie R. sagt, * nicht um
eine Darstellung der Graphik (ars pingendi), sondern der Plastik (ara
fingendi)' handle, kann nicht aus v. 7 finxere effigiem geschlos-
sen werden und musz daher unentschieden bleiben. Dies scheint R.
selbst gefühlt zu haben, wenn er zu v. 1 sagt: ^Mag man sich übri-
gens eine graphische oder plastische Darstellung vergegenwärti-
gen . . . .' — lieber die von S. aus dem sogenannten 6n Buch aufge-
nommenen Fabeln fasse ich mich kürzer: Lib. VI 2 (S. l) v. 6 hätte
bemerkt werden sollen , dasz während von den übrigen Thieren eine
bestimmte Eigenschaft erwähnt ist, dies bei gloriam tauri Irueis nicht
42 Bericht über dfe iäe Versammlung der deutsclieo Philologen usw.
geschickt. — VI 6 (S. 4) hätte in einer Schulausgabe schon wegea
T. 14 lurpi thalamos qui eiolani stupro wegbleiben sollen. Ueber-
haiipt sind die Noten zu den Fabeln des 6n Buchs bei S. weniger
vollständig und ausreichend für den Schäler, ob mit Absicht, damit
der Schüler gerade an diesen Fabeln seine eigne Kraft mehr erprobe,
oder durch Zufall, weisz ich nicht zu entscheiden. — Gemeinschaft-
lich haben beide im vorhergehenden besprochene Ausgaben , dasz sie
nirgends auf §§ der Grammatik verweisen, was mir kein Mangel, son>
dern eine ganz zweckmäszige Raumersparnis scheint. — Fragt man
nun zum Schlüsse, welche von beiden Ausgaben ich am liebsten in
den Hunden meiner Schüler sehe , so musz ich darauf antworten : i n
der Schule während des Unterrichts keine von beiden, aber auch
keine andere mit deutschen Noten. Der Ausgabe von Siebeiis worden
sich die Schüler für ihre häusliche Praeparation mit Nutzen
bedienen, in der Klasse selbst aber ist es mir am liebsten, wenn sie
nur eine einfache Textesausgabe in den Händen haben. Die Gründe mei-
ner von vielen Schulmännern getheilten Ansicht (vgl. Kärcher Fhilol.
1\. Jahrg. Heft 1, S. 74 Note) näher auseinander zu setzen, würde
mich zu weit führen. —
Frankfurt am Main. Anton Eben.
Bericht über die 15te Versammlung der deutsehen Philolo-
gen, Schulmänner und Orientalisten in Hamburg vom
In — 4n October 1855.
Die Zahl der Mitglieder war 270. Auszer den in Hamburg ein-
heimischen Philologen und zahlreichen Theilnehinern waren erschienen
ans Altenburg Foss, aus Altona Bahnsen, Brandis, Feldmanri,
Henrichsen, Kleinpaul, Lncht, Sörensen, Trede und Wer-
nebur^, aus Berlin Benary, Brugsch, K. Curtias, Hart-
inann, Kiesslins, Petermann, Piper, Schultze (Dr. Kud.),
Seyffert, Steinhart, Strack, Trendelenburg u. Wiese, aus
BrauiiMchweig Kruger und Petri, aus Bremen Menke, aus Breslau
Haase, aus Doberan M. Crain, ans Dresden Albani, Heibig und
Puckert, aus Ulberfeld Petri, aus Erlangen Doderlein, aus Er-
furt VVeisxenborn, aus Eutin Hausdorffer und Pansch, aus
Prankfurt a. d. O. Fi tt bogen ond Reinhardt, aus Frankfurt a. M.
C lassen, aus Glogau Kl ix, aus Glurkstadt Bahnson, Harries,
Jessen, Kramer, Meins, Petersen, Vollbeh r, aus Gottingen
Benfey, Duncker, Schmidt, Schneidewin, Wustenfeld, aus
Gotha Rost und Wustemann, aus Greifswald Hertz, aus Grimma
Pietsch und Schafer, aus Güstrow Raspe, aus Halherstadt Kal-
mus und Schmidt, aus Halle Arnold und Eckstein, aus Hanno-
ver Ahrens, Lahmeyer, Stisser und Schmalfusz, aus flerford
Kölscher und Schone, ans Hildesheim Gravenhorst, aus Holz-
minden Patz und Petri, aus Jena Stoy, aus Jever Burmeister,
Bericht Ober die 15e Versaaimlung der deutschen Pfailologea usw. 43
aus Itzehoe And resen, aus Kassel Preimey aus Klei G. Cortiusy
Forchhammer, Jessen, Mullenhoff, Malier und Wilda, aus
Köthen Schmidt, aus Kottbus Tzschirner, ans Leer Huderaann,
aus Leipzig Overbeck und B. G. Teubner, ans Liegnitz Scheible,
aus Lübeck Breier, Dettmer, Evers, Mussard, Prien, aus
Lüneburg Becker, Hansing, Hoffmann, Kohlrausrh, Müller
und Schuster, aus Magdeburg Grubitz, aus Marburg Gilde-
meister und Schimmelpfeng, aus Maulbronn Bäumlein, aus
Meldorf Kallsen und Kolster, aus Neustrelitz Scheibe, aus Nord-
hausen Haake, aus Northeim Gieren, aus Otterndorf Bur meist er
und Heuer, aus Parchim Lübker und Pfitzner, aus Plön Keck,
aus Puttbus Gottschick und Koch, aus Rendsburg Frederichs,
Frandsen, Lucas und Lucht, aus Schenefeld Volquardsen, aus
Schulpforta Seiffer't und Steinhart, aus Scbweinfurt von Jan,
aus Schwerin Elbeling und Wex, aus Stade Bleske, Kiene,
Löber, Plass und Schädel, aus Stendal Heiland, aus Stettin
P.eter, aus Torgau Blitz, aus Wandsbeck Strodtmann, aus
Weimar Lieberkühn, aus Wertheim in Baden Müller, aus Wien
Linker, aus Wismar Crain, Nölting und Reuter, aus Zwickau
Hertel.
Erste Sitzung am In Oct. Vormittags 10 Uhr.
Der Praesident, Senator und Protoscholarch Dr. inr. Hudt-
walcker, begrüszte die Versammlung in seiner Vaterstadt Namen und
dankte für die auf ihn gefallene Wahl zum Praesidenten. In längerer
Rede wies er auf die Wichtigkeit einer Untersuchung über den all-
mählichen Verfall der classischen Litteratur beim Beginne des Mittelal-
ters und dessen äuszere und innere Ursachen hin, zu welcher er durch
Anführung zahlreicher charakteristischer Stellen aus den griechischen
und römischen Dichtern und Schriftstellern nach Claudian, besonders
des 6n und 6n Jahrhunderts, Andeutungen gab. Einstimmig wurde der
Antrag des Praesidenten angenommen, den am Morgen *)i6Uhr in Ham-
burg angekommenen berühmten afrikanischen Reisenden Dr., Barth
durch eine Deputation, bestehend aus dem Geh. Reg.-Rath Dr. Wiese
aus Berlin, Dr. Rost aus Gotha, Director Dr. Kraft aus Hamburg
nnd Prof. Dr. Redslob aus Hamburg, begrüszen und ihm die Bitte
aussprechen zu lassen, er möge einmal in der Versammlung erscheinen
und sie vielleicht durch einen Vortrag erfreuen. Der Vicepraesident
Oberschulrath Dr. Rost übernahm hierauf das Praesidium und er-
klärte, wie er wol gewünscht hätte, dasz die Absicht des Praesidii,
den Ober- und Altmeister der Philologie Böckh zum Vicepraesiden-
ten zu gewinnen gelungen wäre, allein Böckh habe sich leider
verhindert gesehen bei der Versammlung zu erscheinen und führe
selbst zur Entschuldigung das Simonideische 'Aväy%ct usw. an. Zu Se-
cretären wurden (da Prof. Dr. Weiszenborn aus Erfurt durch Fa-
milienverhältnisse zur schleunigen Abreise geuöthigt worden war) be-
stellt der unterzeichnete Berichterstatter, Dr. G. Schmidt aus Göt-
tingen, Stadtbibliotheksecretär Dr. Isler aus Hamburg und Dr. Sle-
fert aus Altona. Die statutenmäszig aus den gegenwärtigen und
jgewesenen Praesidenten (diesmal anwesend Hofr. Dr. Döderlein aus
Erlangen, Schulr. Dr. Foss aus Altenburg, Dir. Dr. Eckstein aus Halle
und Prof. Dr. Schneidewin aus Göttingen) bestehende Commission znr
Beratbung des nächsten Versammlungsortes nnd etwaiger Veränderungen
in den Statuten wurde d urch Zuziehung der Hrn. Geh. Reg.-R. Dr. Wiese
ans Berlin, Ephorus Dr. Bäumlein aus Maulbronn, Dir. Ahrens aus
Hannover, Prof. Dr. Haase aus Breslau, Hofrath l>r, Wüstemann
aus Gotha nnd Docent Dr. Linker ans Wien verstärkt. Der Ver-
sammlung waren gewidmet worden: ]) eine Begrnsznng von dem durch
44 Bericht über die ]5e Versammlung der deutschen Philologen usw.
seine Gesundheit am erscheinen verhinderten Prof. Dr. Fritzsche
aus Rostock : de fraffmeniU verau Eupolideo conacriptia, 2) von eiifem
ungenannten : Remintacenzen, Der Versammlung deutacher Philologen
von einem Nichtphilologen, Als Mannscript gedruckt [dieselbe^ ent-
hält 37 zum Theil scherzhafte Zusammenstellungen von Aussprüchen
und Sätzen aus alten und neueren Schriftstellern]. 3) eine lateinische
Elegie von Dr. J. A. Henning im hamburger unparteiischen Corre-
spondenten vom 29. Sept. 4) von Prof. Dr. E. Gerhard, durch
Prof. Dr. Petersen überreicht, der *ie Band seiner griechischen My-
thologie. Einstimmig wurde genehmigt, dasz das Exemplar dem be-
stehenden Gebrauche gemäsz der hamburger Stadtbibliothek übergeben
werde. 5) eine Begriiszung im Namen der Professoren und Lehrer de«
Johanneums von Dir. Dr. Kraft {inest brevis hiatoria Joannei Harn-
hurgcnaia) (39 S. 8) und 6) von Prof. Dr. Chr. Petersen aus Ham-
burg: die Feste der Pallas Athene und der Fries des Parthenon. Ein
Vortrag gehalten am Geburtstage Winckelmanns den 9n Dec 1854
(32 S. 4). ♦) Nach Feststellung der Geschäftsordnung für die folgen-
den Tage stellte Prof. Dr. Petersen aus Hamburg den Antrag: es
möge sich, da zahlreiche sich dafür interessierende Mitglieder zugegen
seien und den Wunsch darnach ausgedrückt hätten, eine besondere
archaeologische Section (für Mythologie und Archaeologie) bilden, die
in derselben Zeit, in welcher die paedagogische Section sich ver-
sammle, in dem Vorzimmer der Stadtbibliothek, wo die forderlichen
Bilderwerke vorhanden seien, zusammentreten könne. Eckstein pro-
testiert zunächst gegen die Grausamkeit, mit welcher man alle an den
Verhandlungen der paedagogischen Section theilnehmenden Schulmän-
ner an der ßetheiligung bei diesen gewis sie alle interessierenden Ver-
handlungen ausschlieszen wolle, worauf Petersen erwiedert: es könne
ihn nur freuen, dasz die Archaeologie auch bei den Schulmännern so
viel Interesse finde; doch müsse er dann Theilung der Zeit zwischen
der archaeologischcn und paedagogischen Section vorschlagen. Der
als vorsKzender fungierende Vicepraesident Dr. Rost schlägt die Ver-
legung der archaeologischen Section auf die Nachmittagsstunden, wo
die paedagogische Section sich nicht versammle, vor. Prof Dr. Forch-
h a m m e r aus Kiel empfiehlt den Antrag aufs angelegentlichste, indem er auf
die Nothwendigkeit gröszeren Fleiszes und Verdoppelung, ja Verdreifa-
chung der den Verhandlungen gewidmeten Zeit hinwies. Nachdem der Vor-
sitzende die Debatte zusammenfassend referiert und die Frage gestellt
hatte: 'soll eine besondere Section für Mythologie und Archaeologie
gebildet werden?' bemerkt Eckstein: er fürchte, wenn diese Frage
gestellt werde, sie werde bejaht werden; in den Statuten sei aber eine
archaeologische Section nicht angenommen, und in der Versammlung
zu Berlin, trotzdem dasz sich Prof. Dr. E. Gerhard viele Muhe
darum gegeben habe, der Antrag darauf abgelehnt worden ^ deshalb
sei es wol am gerathensten , wenn Prof. Petersen einfach erkläre,
die Herren, welche seinen Antrag billigten, sollten sich Nachmit-
tags an dem angegebenen Orte versammeln und sich berathen, wie die
Sache einzurichten sei. Durch Annahme dieses Vorschlags wurde die
Debatte beseitigt.
Hierauf hielt Prof. Dr. Schafer aus Grimma seinen Vortrag:
über den Charakter des Königs Philipp von Maeedonien, Derselbe
wünschte die Ansichten anderer zu vernehmen über das, was sich ihm
'*') Nachtraglich ist zu erwähnen, dasz auch Hofrath Dr. Döder-
lein Kxemnlare seiner neuesten im Druck erschienenen Schriften an
das Praefidinm für die Versammlung abgegeben hatte.
Bericht Aber die 15e Versammlong der deutschen Philologen osw. 45
bei langjähriger Beschäftignng mit Demotthenes als Urtheil herausge-
stellt, damit er dabei nicht von einseitiger Vorliebe far Demosthenes
befangen scheine. Nachdem er alle einzelnen Charakterzage des Philipp,
die guten wie die schlimmen, zu einem Bilde vereinigt hatte, glaubte
er die Frage : ob Demosthenes eine andere Politik demselben gegen-
über habe einhalten können und dürfen, als welche er eingehalten,
entschieden verneinen und aussprechen zu müssen, dasz Griechenland
durch D. im Kampfe gegen Philipp ehrenvoll untergegangen sei. Da
sich eine Debatte an diesen Vortrag nicht anknüpfte, so wurde die
Sitzung geschlossen.
Der zweite Tag, der 2e Oct., ward durch eine ^ahrt nach Cux-
haven und zurück, welche die Versammlung auf dem von dem Hrn.
Senator Godefroi mit ausgezeichneter Liberalität zur Verfügung
gestellten Dampfboote Helgoland unternahm, in Anspruch genommen.
Gewährte dabei das gesellige Zusammensein und der Austausch wissen-
schaftlicher Ansichten und Ideen vielfachen Nutzen und Anregung, so
wurde die Zeit auch nicht ganz unbenutzt gelassen, indem Prof. Gra-
ven hörst aus Hildesheim einige Stucke seiner Uebersetzungen aus
den griechischen Tragikern, Hofrath Prof. Dr. D öder lein aus Erlan-
gen die Uebersetzung zweier horazischen Episteln vortrug, an welche
letztere Vorlesung sich nicht uninteressante Discussionen anknüpften.
Die zweite allgemeine Sitzung am 3n Oct. unter dem Vor-
sitze des Praesidenten Senator Dr. Hudtwalcker ward durch eine
Mittheilung des Prof. Dr. Petersen eröffnet, dasz sich über 30 Her-
ren zu einer archaeologischen Abtheilung vereinigt, die Zeit von 3 — 5
Uhr zu ihren Berathungen und zum Gegenstande die Schematologie
auf den Denkmälern der alten gewählt habe. Mitgetheilt ward ferner
ein Brief des Dr. Barth, worin derselbe für die Begraszung dankte,
sich aber durch die Rücksicht auf seine Familie, Gesundheit und Ord-
nung seiner Papiere gerechtfertigt hielt , wenn er das erscheinen in
der Versammlung ablehne.
Der Vicepraesident Oberschulrath Dr. Rost erstattete hierauf den
Bericht im Namen der zur Berathung des nächstjährigen Versamm-
lungsortes niedergesetzten Commission. Der Vorschlag Stuttgart,
wohin man die freundlichsten und wolwollendsten Einladungen selbst
von höchster Stelle erhalten habe, zum nächsten Versammlungsorte zu
wählen, wurde mit gröster Majorität angenommen; ebenso einstimmig
die Wahl des Oberstudienraths und Directors Dr. Roth zum Praesi-
denten und des Prof. Dr. Walz ans Tübingen zum Vicepraesidenten.
Von den Orientalisten war Prof. Dr. Roth aus Tübingen zum Praesi-
denten erwählt worden. Der Berichterstatter fuhr darauf fort: die
Commission habe sich mit manchen Vorschlägen wegen Veränderungen
in den Statuten, namentlich in Betreff wegen etwaiger Aussetzung der
Versammlung, beschäftigt, sei aber zu dem Resultate gekommen, alles
beim alten zu lassen; nur zu ^inem Vorschlage habe man sich gegen
eine Minorität (Von zwei Stimmen geeinigt. Da man nemlich bisher
dem Lande oder der Stadt, in welcher die Versammlung stattgefunden,
mit pecnniärem Aufwände zur Last gefallen sei, so erscheine es zweck-
maszig, die ökonomische Lage durch Erhebung eines Beitrags zu ver-
bessern und man schlage deshalb zu § 7 der Statuten den Zusatz vor :
'zur Bestreitung der Bureaukosten wird von den jedesmaligen Theil-
nehmern der Versammlung ein angemessener Geldbeitrag erhoben'.
Dieser Vorschlag fand ohne alle Debatte Annahme"^). Prof. Dr. von
*) Der unterz. Berichterstatter ist von mehreren Seiten ersucht
worden 9 daran einen andern Vorschlag zu knüpfen, weicher der nach-
46 Bericht über die 15o Versammlung der deutschen Philologen nsw.
Jan aus Schweinfurt stellte den Antrag, dasz die Versammlung im
September gehalten werden mochte, da bei dem Beginn des 8chiiljahrM
mit dem in Oct. die Gymnasiallehrer aus Bayern und Snddeutschland
stets am erscheinen gehindert sein würden. Rost erwiederte, dasz
man die Sache im Schosze der Commission in Berathung gezogen habe,
allein die Verhältnisse seien in Preuszen gerade die entgegengesetzten.
Die Gymnasiallehrer von dort wurden durch die Verlegung in den
September ausgeschlossen werden, üebrigens sei der 29e September
urspriinglich statutarisch ; man habe deshalb geglaubt Ton einem An-
trage absehen zu müssen, zumal da man vorausgesetzt habe, das Prae-
sidium jedes Jahres werde sich bei der Ansetzung der Versammlnngs-
tage nach den in seinem Lande obwaltenden Verhältnissen richten.
Von Jan bemerkte hierauf, dasz man so auf einen Versuch bei der
Regierung Bayerns wegen Verlegung des Beginnes des Schuljahres ge-
wiesen sei, und richtete an Döderiein die Bitte darin voranzugehen,
was von demselben, freilich mit der Bemerkung, dasz für einen £rfolg
nicht viel zu hoffen sei, versprochen wurde.
Prof. Dr. Forchhammer aus Kiel hielt darauf seinen Vortrag
über den Ursprung der Hauptbaustile, zu welchem derselbe mehrere
sehr deutliche Abbildungen im Saale aufgehangen hatte. Ks wurden
der aegyptische, der griechische, der Rundbogen- und schlieszlich der
Spitzbogenstil besprochen. Ueberall führte der Redner durch, wie die
klimatischen, topischen und physischen Verhältnisse der Länder zu der
Form der Bauten und zu deren Ausprägung die Veranlassung gegeben.
Prof. Dr. Overbeck aus Leipzig erkannte in dem Vortrage des Vor-
redners viel beachtenswerthes an, erklärte auch die von ihm aufge-
stellte Etymologie des dsrog von arj^i für geistreich und ansprechend,
trat aber auch mit der entschiedenen Behauptung entgegen, dasz bei
allen Völkern die religiösen Ideen und die Bedurfnisse des religiö-
sen Cultus bei den Bauformen wesentlich maszgebend gewesen seien.
Prof. Dr. Piper aus Berlin bekämpfte besonders die Behauptung, dasi
der Spitzbogenstir hauptsächlich durch die Predigermönche befördert
worden sei, indem er darauf hinwies, wie gerade diese Form für die
Predigt sehr ungünstig und nachtheilig sei. Nach einigen Gegenbe-
merkungen Forchhammers wurde die Debatte geschlossen.
Aasgezeichnet durch Klarheit und Lebendigkeit war der folgeirde
Vortrag des Prof. Dr. G. Curtius aus Kiel: /Andeutungen über :iiaa
Verhältnia der lateinischen Sprache zur griechischen. Nachdem der
früher bestehende Dilettantismus in Zusammenstellung der lateinischen
und griechischen Sprache charakterisiert war, wurde- darauf hingewie-
sen, dasz O. Müller zuerst auf die Reste der altitalischen Sprachen
sten Versammlung zu geneigter Berücksichtigung empfohlen wird. Das
erscheinen der Verhandlungen im Druck bat bis jetzt manche Schwie*
rigkeiten gefunden und die Aufforderung zur Subscription in den Ver-
sammlungen zu manchen Ungelegenheiten geführt, sowie nicht immer
den erwünschten Erfolg gehabt, nicht aus Abneigung, sondern weil die
Aufmerksamkeit meist auf andere Dinge gerichtet war. Wäre es nun
nicht möglich nach dem Vorgange anderer Vereine mit dem von jedem
Theilnehmer za erhebenden Beitrage den Preis eines Exemplars der
Verhandlungen zn vereinigen und dann dieselben jedem auf buchhänd-
lerischen Wege zukommen zu lassen, so dasz unmittelbar bei der Na-
menseinzeichnung die Angabe der betr. Buchhandlung zu erfolgen hätte?
Auch könnte wol aus den Verhandlungen der jährlich wiederkehrende
Abdruck der Statuten, der Ankündigungen u. dgl. minderes Interesse
bietenden Bekanntmachungen in Wegfall kommen.
Berieht aber die 16e Vorftammlang der deatocben Philologen dsw. 47
aufmerksam gemacht habe. Der «iwichtigtte Fortacbritt gesunder auf
Sprachrergleichung gestutzter Ansichten sei von Mommsen in seiner
römischen Geschichte gemacht worden , indem er in überzeugender
Klarheit die drei Punkte herausgestellt: 1) die lateinische Sprache ist
keine Mischsprache, 2) sie steht weder zum griechischen noch zu einem
andern Dialekte in secundarem Verhältnis, 5) die lateinische Sprache
ist eine Mundart der italischen Sprachenfaniilie. Da nun aber die ita-
lische Sprachenfamilie näher mit der griechischen, als mit irgend einer
anderen des indogermanischen Stammes verwandt sei, so müsse maa
nach dem Gmde dieses nächst verwandt fragen. Mommsen habe
hier eine sm zweckmäszige Andeutung gegeben, indem er Griechisch
und Lateinisch als Bruder und als Vettern der übrigen indogermani<!>
sehen Sprachen bezeichnet habe. Die Bezeichnung pelasgisch für
den gemeinsamen Ursprung des Griech. und Lat. habe man für alle
Zeiten aufzugehen und sei derselben italograecisch entschieden vorzu-
ziehen. Um die Untersuchung über das Verhältnis der lateinischen
zur griechischen Sprache richtig zu führen müsse man eine doppelt«
Limitation vornehmen, Ausscheidung des allgemein indogermanischen,
und des in historischer Zeit von den Griechen übergegangenen, der
griechischen Lehn- oder Fremdwörter, im Lateinischen. So sei fiemut
zwar im griechischen viiLOq vorhanden, finde sich aber sonst in keiner
der andern indogermanischen Sprachen, während diesen allen ^ater
und ^oeta angehören. Für die Auffindung der letztern, der griechi-
schen Lehnwörter seien zuerst die Lautgesetze, nach denen die Ueber-
tragnng erfolgt, entscheidend. So werde tp p {purpura)^ b {Brugei)^
f (forbea bei Paulus Diaconns (poQßTJ), ph später. Sodann habe man auf
den Weg zu achten, auf dem die Uebertragung erfolgt sei, und auf die
nähere Heimath, der das Wort entnommen. So ergebe sich für man«
ches Wort der dorische Ursprung und Groszgriechenland als die Hei-
math, cadueevs, machina^ calx (jaXi^; den Kalk haben die Römer
durch die Griechen Unteritaliens kennen gelernt). Endlich habe man
Zwei Hauptmassen und zwei Perioden zu unterscheiden, a) die volks-
thümliche Uebertragung und b) die gelehrte. Zu der erstem gehöre
entschieden theaaurus, wie besonders auch die Form ihensaurua be-
weise. Auf der Grenze stehe epiatula, das bei den Komikern viel öfter
sich finde als litterae^ und auf dessen Form die lateinische Diminutivform
ula eingewirkt habe. Ferner seien dahin zu rechnen Ausdrücke der
Technik: clathri, euhutj massa, carbo, op(b)8onium, colaphus u. a.
Claans habe schon Dionysius Halicarn. auf %Xäais und ulijaig zurück-
geführt; dies werde durch Ritschis Bemerkung, dasz das 88 erst seit
Ennius gebräuchlich geworden, bestätigt und die Ableitung sei, wie
bei m€88%» von mef; von eala mnste das Wort calatio oder ealatia
heiszen. Nicht überall aber reichten die Lautgesetze aus. In Bezug
auf das Seewesen habe Mommsen bemerkt, die indogermanischen Worte
der lat. Sprache bezögen sich nur auf Rnderbarken, die Bezeichnun-
gen für Segel u. dgl. seien späteren Ursprungs, italisches Gut; navi»
und vavgj remu8 und igitfiog seien schon im Sanskrit vorhanden (ndua
und aritram)y aber ve/um, malu8, anienna italischen Ursprungs. Dies,
behauptet der Redner, sei in Bezug auf velum (von vehere) zuzugeben,
aber malu8 hänge offenbar mit dem deutschen Afost (ma9lu8) und dem
griech. ftccad'aX^ß bei Hesychius zusammen und sei indogermanischen
Ursprungs. Anienna = ana-tenda^ komme von dvcttBivfo (ein solcher
Rest von ava sei auch im umbrischen antentu = dvcctsvdtm und im
lat. anhelare vorhanden und übrigens an das plantinische diapenie für
dispendite zu erinnern) ; da nun viele auf das Segelwesen bezügliche
Worte offenbar erst in historischer Zeit übertragen worden seien, gu-
btrnaref mn€ora, apluMtre, prora^ naiMc«, pAosedis, eambUf eontu9y
48 Bericht über die 15o VersammlaDg der dealschen Philologen oiw.
anguina (= äynoiva bei Hesychius^ das Rack), so sei antenna nvol
für ein griechisches Lehnwort zu halten. So unterscheide man in den
auf das Seewesen bezüglichen lateinischen Worten drei Klassen: 1)
eine sehr beschränkte Zahl indogermanischer, 2) eine grosze Zahl in
historischer Zeit aus Griechenland eingewanderter (selbst das nau-
aeare hätten die Römer erst von den Griechen gelernt), 3) eine kleine
Zahl erst auf Italiens Boden entstandener. Da die graecoitalische Pe-
riode in diesen Worten gänzlich fehle, so entstehe wol die Frage, ob
die Graecoitaliker vor ihrer Einwanderung in ihre späteren Wohnsitze
in einem gar nicht an die See grenzenden Lande gewohnt haben. Auch
im Bauwesen erweise sich vieles als von den Griechen entlehnt.^ So
sei in fenestra die Endung estra nicht römisch, wol aber griechisch,
wie OQxriotga, und es könne deshalb wol tpavTJazga als Ursprung ange-
nommen werden, obgleich dies im Griechischen sich nicht nachweisen
lasse. Auch für die Prosodie bei Plautus erkläre sich manches daraas,
so sei mina einsilbig gebraucht wegen des griechischen nvd nicht
auffällig. Ferner sei die Entwicklung der Vocale zu berücksichtigen.
Da nach Ritschis Bemerkung immer ein e früher sei als t, so müsse das
auf der Inschrift von Alerinm sich findende calecarc, ankalken, für
älter gelten , als ealicare. Endlich erstrecke sich auch die Sache auf
das geistige Gebiet. Man müsse einen Verfall der lateinischen Sprache
in der ältesten Zeit annehmen; dies beweise, dasz mare eine unbe-
stimmte, alle Casus bedeuten könnende Form, ocno s^ tinus, unum
und uno sei. Dieselbe Unbestimmtheit der Endungen finde sich auch
im Umbrischen , sei aber nicht nach einer bedenklichen Hypothese
Mommsens durch den tiiscischen Einflusz gehoben worden, vielmehr
habe der Einflosz der Griechen das Latein aus jener Stumpfheit ge-
rissen, da ja die ältesten römischen Schriftsteller alle griechisch ge-
bildet gewesen seien; durch deren Nachahmung erwachte die verdun-
kelte Erinnerung an die ursprünglichen Endungen, aber es wurden
nur diejenigen Casus wieder hergestellt, welche im Griechischen vor-
handen waren, daher der Ablativ «ein ursprüngliches d nicht wieder
erhielt, weil dieser Casus im Griechischen ganz fehlte. Im Verbum sei
die Abstumpfung mehr durchgedrungen, wie der häufige Gebrauch der
Formen utere, dedere beweise. Für die zweite, weit schwierigere
Untersuchung der Sonderung des graecoitalischen von dem gemeinsa-
men indogermanischen Erbgute (man sei am weitesten in den Flexions-
silben gekommen; so ergebe sirh ein Verfall des Augments, welches in
der graecoitalischen Periode noch bestanden), müs.-e von den Lauten
ausgegangen werden. Man könne beweisen, das^z sich a in a, c und o
gespalten w,e schon O. Müller im Eingange zu seiner Litteraturce-
schichte bemerkt. So ergeben sich denn als graecoitalisch ego (sonst
in den indogerm. Spr. a), fero, cdo, tremo, lego, me/, gnosco, oeto, 09
fuUo, ago, ab {uno). Seit Ritschi bewiesen habe, dasz für u und e
ein älteres o und t sich finde, müsse man wegen ulna und coXsvn die
Form oina für die ältere halten, ebenso in älter als en, mdo, iv fvi'
gmnque für älter als qucnque, ntfinf-, also für graecoitalisch. ' Die
dagegen sich findenden Ausnahmen beweisen nur, dasz die Spaltunir
noch nicht vollendet gewesen^dies finde .ich in dem negativen Praefii
tn, dae im Umbrischen und Oscischen noch an laute; oft zeige sich
schwanken, so in d.dovat doM, donum neben dare und Ä Die
von Dietrich begonnenen Untersuchungen (de vocalium quibusdamin
hngua latinaaffecUonibus. Hirschbeig J8:,ü) würden hierüber zu sicheren
Resultaten fuhren. Graecoitalisch sei ferner die lUKMrrX.!l» ^
Hauptaccents auf die dritte Endsilbe, -ieÄel^^r Yn t7 Ä
von Bopps Accentuationssystem nachgewiesen (diese Jhrbb Rd 1 Y i
S. 337-353); es habe im LateinischeTi kein über d?eS Sit h^„^
Bericht Ober die 15e Versammlung der deutschen Philologen osw. 49
ans betontes Wort gegeben, denn Mu/ertf, m^inerii seien unbezengt
nnd die angenommene Uebereinstimmun^ Ton Vers- und Wortaccent
erleide yielfache Ausnahmen. Das graecoitalische Gemeingut der latei-
nischen und griechischen Sprache bestehe überdies wenieer in Worten,
als in gemeinsamer Durchführung und Ausprägung, bei einer Sammlung
Ton öOO Wortstämmen ergeben sich nur 30 als gemeinsam graecoiia-
lisch. Die feinere Bildung gehöre der späteren Periode an; daher
finde sich hier wesentliche Verschiedenheit zwischen der lateinischen
nnd griechischen Sprache. Die lateinische Sprache zeige Vorliebe für
Tolle £ndnneen und Häufung mehrerer Suffixe (notionem); specifisch
lateinisch sei das Accentuationsgesetz über die pennltiroa ; in der Syn-
tax beschränke sich die Aehnlichkeit auf die Casus, dagegen sei die
Ausbildung der Modi specifisch griechisch ; die Satzverbindung gehe in
Griechenland und Rom Ton ganz verschiedenen Anschauungen aus; dort
seien die Partikeln aus dem Demonstrativ , hier aus dem Interrogativ
entstanden, dort sei Parataxis, hier Frage und Antwort das ursprüng-
liche. Schlieszlich erklärt der Redner, dasz er nur Andeutungen habe
geben wollen; zur weiteren Fortführun|; der Untersuchung seien zwei
entgegengesetzte Eigenschaften zu verbinden: Kühnheit und Vorsicht.
— Eine Debatte knüpfte sich an diesen Vortrag nicht an.
Zu allgemeinem Bedauern zog Prof. Dr. Overbeck aus Leipzig
wegen vorgeschrittener Zeit seinen angekündigten Vortrag über Chnre-
Malerei der Griechen zurück , erklärte jedoch auf die Bitte des Prae-
sidii sich bereit, denselben, da er ihn frei habe halten wollen, noch
niederzuschreiben und zum Druck in den Verhandlungen abzugeben.
Es folgte der Vortrag des Hof r. Prof. Dr. Do derlei n aus Erlangen:
£tne Etymologie {Siaitfizrig}^ eine Emendaiion (Tacit. Agric. 1) und
etne Interpretation (Quinctil. X 1, 101) in der Form von Fragen an
die Versammlung, Der Redner erklärte zuerst, man habe gewöhnlich
seine Vorträge fhr humoristisch gehalten; das sei ein zweideutiges
Lob; er bitte zu bedenken, dasz es ihm mit seinen Ansichten Ernst
sei; man solle ihn die drei Gegenstände hintereinander besprechen las-
sen und erst dann mit Entgegnungen auftreten. Ueber die Diaeteten
habe der verehrte Praesident 1812 eine Aufsehen erregende Schrift
herausgegeben, später Meier: die Privatschiedsrichter und die öffent-
lichen Diaeteten; beide hätten sich mit dem Etymon des Wortes nicht
befaszt, vielmehr dasselbe unentschieden gelassen; er wolle versuchen
dasselbe zu geben. Ein homerisches Wort sei utvvfii, dies aber kein
Stamm; derselbe sei iuatgio enthalten, aus dem oder vielmehr aus sei-
ner Verlängerung uCgvvfiai, einerseits ccQVVfuHy andererseits atw^uiiy
beide in der Bedeutung ^nehmen' kämen; von atvv\icti stamme das Ver-
bale i^aixog = eximiua (von ex - emo) , durch Composition öia£vvfiai
:= auseinandernehmen, davon wie i^aitogj d^attog: auseinandergenom-
men. Das davon sich herleitende Substantiv Siaita bezeichne ursprüng-
lich Auseinandernehmung und daher a) die Tageseintheilung, woraus
sich erst das ergebe, was wir 'Diaet' nennen, b) die Scheidung und
Entwirrung, in welcher Bedeutung das Wort bei Aristophanes vor-
komme. Die erste Bedeutung habe diattda^ai behalten, die zweite
Bedeutung sei vorhanden in oucixrjxijgy was einen diremptor bedeute.
Die Herbeiziehung von diribitores (von dishibere) müsse er verschmä-
hen. — Die letzten Worte des In Capitels in Tacitus Agricola hätten
wenigstens 20 Monographien nnd 100 kürzere Besprechungen, aber
jede von 3 — 4 Seiten, veranlasst. Was im Tageblatte abgedruckt
stehe: ni cursaturua sei eine blosze Conjectur, handschriftlich sei in-
cusaturus. Mit Beibehaltung dessen glaube er schreiben zu müssen:
quam non «peefautssem (:=: easgpectauisiem) , welche ich nicht abge-
wartet hätte. Dies scheine der Zusammenhang zu fordern; uenia sei
iV. Jahrb. f.PULu, Paed. Bd. LXXIV. Hß. i. 4
50 Ucriclit flbcr die 15c Versammlung der deulsclien Philologen asw.
das, was wir ' Prc8«frciheit ' nennen worden. Der Gedankengang sei,
wurin er zum Thcil HoiTmeister beistimme, folgender: Agricola hatte
bei seinem Begräbnisse keine laudatio erhalten, weil Tacitos^ nicht in
Rom war. Jetzt vier Jahre nach seinem Tode war es zu einer Rede
zu spät; dafür wollte der Schriftsteller dem verstorbenen die vita
weihen; die Einleitung zu dieser habe einen dreifachen Gecenstand:
1) die Ankündigung des Tacitus als Historikers vor dem Pablicnray
2) den Gebrauch der Preszfreiheit unter Nervas Regierung, 3) Ent-
schuldigung für die Verschiebung des dem todten zu setzenden Denk-
mals auf 4 Jahre. Diese letzte Entschuldigung sei: in der alten Zeit
konnte jeder in einer laudatio gelobt werden, ich aber habe auf den
Tod des Domitian warten müssen, auf die ucnia ; diese aber hätte ich
nicht abgewartet, indem ich in Begriff bin über die Zeiten zu klagen.
Nach incnaaturus sei ein Punctum zu setzen. Frage man nun, wo
der hypothetische Vordersatz zu rion spectauiaaem sei, so werde ein
solcher durch ni cursaturus nicht zweckmäszig hergestellt. Man müsse
vielmehr denselben ergänzen und zwar aus dem folgenden fit capitale
fuissct. Man habe demnach eine Aposiopesis, an die Stelle des hypo-
thetischen Satzes trete der Beweissatz. Man werde überdies wolthun
nach tempora einen Gedankenstrich zu setzen, zugleich aber erkennen,
wie unberechtigt es sei mit Lcgimus ein neues Capitel zu beginnen«
— Ueber die Bedeutung von clarisaimi candoris in der bezeichneten
Stelle des Quinctiiian seien schon längst die Meinungen auseinander-
gegangen, namentlich die von Wyttenbach und Spalding; er (der Red-
ner) entscheide sich für Wyttenbach, der erkläre candorem — non pcr-
»picuitafem orationis, sed animi sinccriiatem et beneuolcniiam, dage-
gen theile ein gelehrter philologischer Freund, auf dessen Urtheil er
viel gebe, Spaldings Meinung, und sie seien darüber in lebhaften Dis-
put gerathen; daher wolle er die Sache vor das philologische Publicum
bringen. Seine Gründe beruhten auf der Bedeutung von eandidu»,
'Weisz' habe eine doppelte Bedeutung, es sei einmal eine Farbe, das
andremal die Negation der Farbe; eandor nun sei eine positive Farbe,
a!bua die Negation; jene Farbe aber sei schön, glänzend, fleckenlos;
die Candida cutit komme deshalb der schonen Jungfrun zu, die alba
aber dem wassersuchtigen. Der Schnee falle als Candida nix, durch
längeres liegen werde er alba Was habe nun der eandor mit der
Durchsichtigkeit gemein, werde man weisz angestrichene Fenster für
durchsichtige halten? Sein gelehrter Freund habe ihm nun zwar eine
Stelle aus Plinius gebracht, in welcher ein lapia candidus vorkomme
ita ut pclluceai ♦), aber diese bringe ihn von seiner Meinung nicht
ab. Denn wäre wol das vom Livius genug gesagt, dasz er durchsich-
tig, verständlich sei? Es müsse darin etwas anderes Hegen. In über-
tragener Bedeutung sei candidus derjenige, der keine bösen Gedanken
habe, kinderrein, kindlich, naiv, so dasz den Gegensatz callidua bilde;
auch liege Aufrichtigkeit darin. Wenn Horaz den Tibull einen Can-
didas iudex seiner Sermonen nenne, so meine er damit, dessen Urtheil
sei hart, aber aufrichtig, offenherzig gewesen. Bei der Geschieht-
Schreibung könne eine dreifache Absicht vorwalten: a) die Erhaltung
der Kunde von dem gewesenen und geschehenen, b) pragmatische Er-
klärung, c) moralische Theilnahme au den Ereignissen und handelnden
Personen; ein gemütlicher Historiker sei kein groszer; Livius aber der
erste römische Historiker gewesen, der die Geschichtsrhreibung als
Gemütssache betrachtet habe, aus welchem Grunde er eben, wie Nie-
♦) Ist etwa H. N. IX 15, 20 gemeint: Kst in Euripn Thracii Ho-
spori — saxum miri candoris a uudo ad summa perlucvns?
Bericht über die 16e Versammlung der deutschen rhilulogeo usw. 51
buhr ihm Schuld gebe, ein schlechter Politiker gewesen sei; er lose
die Räthsei der Geschichte nicht, nehme aber am menschlichen gemüt-
lich Antheil; aus diesem Grunde werde er candidus genannt und mit
Herodot zusammengestellt. — Eckstein erklarte swar, dasz ihm in
Bezug auf die letzte Stelle ein Bedenken von Seite der Logik zugehe,
er ziehe es aber wegen der Zeit vor, dasselbe seinem Freunde priva-
tim mitzutheilen. Nachdem Döderlein bemerkt, dasz er wol sehe wel-
ches Bedenken Eckstein habe, wurde die Sitzung geschlossen.
In der dritten allgemeinen und Schluszsitzung am 4. Oct.
sprach der Praesident, Senator Dr. Hudtwalcker, schriftlich sein
Bedauern aus, dasz er sich durch dringende Amtsgeschäfte verhindert
sehe, in der Versammlung zu erscheinen, nochmds aber auch seinen
Dank für das ihm geschenkte Vertrauen.
Dr. Brock er aus Hamburg hielt einen Vortrag: über Niebuhra
An»icht von richtiger Dargtellung der altromiachen Verfassung durch
den Annalisien Fabius, Derselbe gieng von dem Satze aus: die Ent-
wicklung der Litteratur- und Culturgeschichte bringe es nothwendig
mit sich, dasz die späteren ein tieferes und allseitigeres Verständnis
der Vergangenheit gehabt hätten, als die früheren; so seien unsere
Zeitgenossen Böhmer und Ranke viel tiefer in die deutsche Vor-
zeit eingedrungen, als der jener viel näher stehende Masco. Nie-
buhr aber, gegen den er bei aller Verehrung doch seikie gegentheilige
Ansicht aussprechen müsse, habe für die romische Litteratur geradezu
das umgekehrte Verhältnis angenommen; die Kenntnis und das Ver-
ständnis der altrömischen Geschichte hätten nach ihm seit dem Anna-
listen Fabius Pictor abgenommen. Die Unwahrscheinlichkeit dieser
Ansicht ergebe sich schon von vornherein aus dem Gange, den alle
menschliche Erkenntnis genommen, aber auszerdem auch aus folgenden
Gründen. Die annales maximi und die alten Lieder seien nach Nie-
bahr selbst keine gute Quelle der Geschichte gewesen und doch solle
aus ihnen Fabius geschöpft haben. Ferner aber hätten gewis die
Zeitgenossen des Varro an allgemeiner Bildung über die des 2n puni-
schen Kriegs hervorgeragt; sie hätten die Studien als Lebensaufgabe
betrieben, während bei den älteren politische Thätigkeit der Haupt-
beruf, Geschicht-achreibung und -forschung nur Nebenbeschäftigung
gewesen sei; auszerdem hätten jene besser die Hüifswissenschaften ge-
kannt und endlich seien auch zu ihrer Zeit mehr alte Quellen ent-
deckt and aus Licht gezogen gewesen; die Anregung, welche Polybius
dazu gegeben, sei nicht ohne Erfolg geblieben. Die Ueberlegenheit
der varroniauischen Zeitgenossen über die früheren und namentlich
über Fabius ergebe sich aber auszer dem an die Spitze gestellten
Satze daraus, dasz sie I) mit wenigen Ausnahmen einig waren über
die Geltung und den Werth der Fasten bis zum Decemvirat; 2) dasz
die von ihnen für wahr und zuverlässig gehaltenen Consulaif asten zu
den Gentilnamen in einem solchen Verbältnisse stehen, dasz sie den
Charakter der Echtheit an sich tragen. 3) Dasz die einheitliche Ue-
bereinstimmung über die Tradition, welche sich selbst über die Kö-
nigszeit von Tullus an und bis nach dem gallischen Brande erstreckte,
früher nicht vorhanden war, wie in Varros Zeit. Wolle man einwen-
den, Fabius habe die Grondzüge der Verfassung noch im bestehen
gekannt, so werde das blendende einer solchen Annahme bald schwin-
den; die Verfassung sei damals bereits 500 Jahre alt gewesen und habe
Veränderungen zum Theü sogar durch Revolutionen erfahren gehabt;
von den Grundzügen namentlich sei alles verändert und umgestaltet
gewesen; hätte man also zu Fabius Zeit aus der Gegenwart die Ver-
gangenheit erkennen wollen, so hätte wol fehlgegriffen werden müs-
sen; sei wol Fabius ein so grosser Genius gewesen, dasz er sich vor
4'
52 Bericht über die 15ü Versammlung der deiilschcn Philologen usw.
einem solchen Irthum habe bewahren können? nehme man dies an,
dann sei in der That zu Terwundern, dasz seine Erzählungen so ohne
allen Einflusz geblieben seien. Frage man nun worauf gründe sich
Niebuhrs Ansicht? Auf die wenigen Fragmente — die noch dazu vie-
les offenbar falsche enthielten, könne sie sich nicht stutzen. Diodor
habe nur wenige Angaben aus Fabins und darunter nach Niebuhr
selbst eine unsinnige und eine irrige; ebenso stunden Dio Cassius und
Zonaras sehr häufig gegen Niebuhrs Ansicht und doch solle deren
Darstellung auf der richtigsten Quelle, auf Fabius, beruhen; auszer-
dem hätten aber die alten 'schon sich gegen Fabius erklärt; Polybius
und Dionysius tadelten ihn geradezu. Uebrlgens sei die Hypothese
für Niebuhr selbst notbwendig gewesen, weil sich daraufsein Gebäude,
seine Ansicht von der Unglaubwurdigkeit der römischen Geschichte-
Überlieferung, wie sie zu Varros Zeit bestanden, stütze, er (der Red-
ner) müsse aber vielmehr für die Glaubwürdigkeit dieser sich erklä-
ren. — Dir. Dr. Classen aus Frankfurt a. M. bemerkt, die Dar-
stellung habe auf ihn und gewis auf viele andere in der Versammlung
den Bindruck gemacht, als habe Niebuhr sich seine Ansichten leicht-
fertig und willkürlich gebildet. Deshalb trete er, obgleich er seit
längerer Zeit sich mit diesem Studienkreise nicht befaszt, dagegen auf.
Die Ansicht beruhe im wesentlichen auf der Geltung des Cassius Dio.
Die von der deutschen Geschichte hergenommene Erläuterung sei nicht
anwendbar, wie sich denn überhaupt die romische Geschichtschreibung
mit der unserer Gegenwart, namentlich der eines Ranke, gar nicht
vergleichen lasse; es sei doch gewis nicht zu leugnen, dasz die Zeit-
genossen des Varro von dem Boden realer Erkenntnis viel ferner ge-
standen hätten, als Fabius; auch seien Rückschritte in der Ge-
schichtskenntnis nicht unerhört. Masco und Moser hätten von der
alten deutschen Reichsverfassung gewis viel lebendigere Erkenntnis ge-
habt, als die Zeitgenossen Goethes, die in jener Kenntnis sehr unsicher
gewesen seien, und dennoch habe 20 Jahre später eine gröszere Er-
leuchtung begonnen, wie sie früher nicht dagewesen. Eben weil er
in dem Zeitalter des Varro eine falsche Kenntnis wahrgenommen, habe
Niebuhr sich nach einer Quelle umsehen müssen , die ans älteren Dar-
stellungen geflossen, und so sei er auf Cassius Dio gekommen. Dir.
Dr. Peter aus Stettin spricht viele Zustimmung zu den Ansichten
des Redners aus, findet aber einiges auf die Spitze gestellt, wie na-
mentlich den immer wiederkehrenden Satz, dasz die spätem eine tie-
fere Geschichtserkenntnis hätten als die früheren. Es beruhe dies auf
einer Verwechselung von Geschichtschreibern und Geschichtsforschern.
Wer werde dem Diodorus Siculus eine lebendigere und bessere An-
schauung der Perserkriege vindicieren wollen, als dem Herodot, wer
dem Florus und sogar Butropius ein tieferes Verständnis der römischen
Geschichte, als den früheren? Auch damit könne er nicht einverstan-
den sein, dasz Fabius in seiner Zeit gar nichts mehr von der alten
Verfassung vor sich gehabt; ^ins habe damals bestanden, aber nur
noch kurze Zeit bis zum gänzlichen Terschwinden , der Gegensatz zwi-
schen Patriciern und Plebejern, die Anschauung davon sei doch gewia
ein wichtiges Hülfsmittel för die Erkenntnis der alten Verfassung ge-
wesen. Nach seinen Untdkvuchungen stimmten Livius und Dionysius
Halicarnassensis viel mehr überein, als man gewöhnlich meine, oft
so, dasz man versucht sei zu glauben,^ der eine habe aus dem andern
übersetzt; da man dies letztere aber nicht annehmen könne, so müsse
man den Grund der Uebereinstimmung vielmehr darin suchen, dasz
beide ans den alten Annalisten geschöpft, beide geben die Ueberlie-
ferung der alten Annalisten ungefähr getreu und vollständig wieder.
Sei aber auch Niebuhrs Annicht über Fabius falsch, so habe dieselbe
Berieht Aber die löe YersammlaDg der deutschen Philologen ntw. 53
doch seinem Geschichtawerke nichts geschadet; denn einmal habe er
zuerst die Resultate der varroniscben Zeit ausgebeutet, sodann dürfe
man nur an die Stelle des concreten Namens Pabins bei ihm die Idee
der Geschichte und die Wahrheit setzen. Stadtbibliotheksecretär Dr.
Isler will nur auf zwei Punkte noch aufmerksam machen. Fabius sei
kein Gelehrter gewesen und Niebnhr habe ihn nie als einen solchen
angesehen« Derselbe habe eine Geschichte seiner Zeit schreiben wol-
len und nur als Einleitung dazu eine Uebersicht der alten Verfassung
gegeben. Zweitens müsse man doch vor allen Dingen untersuchen, ob
überall, wo Fabius erwähnt werde, Fabius Pictor gemeint sei; es
habe ja drei Fabii gegeben. Brocker erwiedert, er habe den Ein-
druck seines Vortrages nicht beabsichtigt und nicht gefürchtet, viel-
mehr denselben durch die ausgesprochene Verehrung Yon Niebuhr Ter-
mieden geglaubt: er könne diese mit Widerspruch gegen jenes Ansich-
ten recht wol vereinen. Niebnhr habe in seiner Zeit gestanden, in
welcher man noch den Cincios für einen Zeitgenossen des Fabius ge-
halten habe. Uebrigens habe er die Niebuhrschen verschiedenen Aus-
gaben studiert; 1811 habe derselbe noch nichts über die Gelehrten-
geschichte Roms gesagt; erst spater als man ihm vorgeworfen, er
zerreisze die Quellen , habe er nach einer Stütze für seine Behaugtun-
een gesucht und sei so zu Fabius gekommen; es handle sich über-
haupt bei der Frage nicht um Personen, sondern um Zeiten. Weitere
Entgegnungen verhinderte die vorgerückte Zeit, welche den Schlusz
der Debatte nothwendig machte.
Prof. Dr. von Jan aus Schweinfurt sprach: über den Palimptest
des Plinitit, Da sich die Philologenversammlung immer sehr theilneh-
mend für die Herausgabe des Plinius bewiesen habe, so halte er es
nicht für unangemessen, hier über den im Kloster St. Paulus in Kärn-
then aufgefundenen und von Mone herausgegebenen Palimpsest Mit-
theilungen zn machen, und zwar 1) über die Schicksale der Hand-
schrift. Dieselbe stammt nach der Aufschrift aus dem Kloster Reiche-
nau, war aber bereits 1791 nicht mehr dort; dagegen findet sich in
einem alten Kataloge vom J. 822 ein Buch: in ecclesiaaticcn liher^ und
dies scheint der fragliche Codex zu sein, da über den Plinius der Com-
mentar des Hieronymus in Ecclesiasticum fibergeschrieben ist. Der
Herausgeber vermutet, dasz ein Bischof Echino von Verona, der sich
nach dem Kloster Reichenan zurückgezogen, den Codex dahin ge-
bracht habe. Da am Ende des 15n B. emenda steht, so vermutet der-
selbe eine Ueberarbeitung. 2) über den Umfang und die Form. Die
Handschrift enthält 154 Blätter, von denen 126 rescribiert sind. Diese
bilden 27 Quatemionen, doch sind einige ausgefallen. Sie enthalten
Buch XT — XV und da vor jedem Buche der Index aus dem ersten
Buche steht, so ist die Handschrift, wie auch Sillig noch kurz vor
seinem Tode mit Freuden anerkannte, auch für das I Buch wichtig.
Das Format ist Groszoctav, die Seite enthält 26 Zeilen, die Zeile
^24 Buchstaben. Die Schrift ist nicht grosz, rund, uncial. Häufig
finden sich Bachstaben ineinander geschlungen, nicht selten Abkür-
zungen, einzelne Buchstaben sind Minuskeln. Die Schrift des Plinius
gehört nach dem Herausgeber ins 4 — 5e Jahrhundert. Die Zeit der
Üebcrschreibung kann nicht später als ins 9e Jahrhundert gesetzt
werden, da die Schrift die longobardische ist. Wahrscheinlich gab
die Veranlassung dazu das Vorhandensein eines breiten Randes. Von
anderen Palimpsesten findet die Verschiedenheit statt, dasz hier nur
einige Quatemionen beim rescribieren umgekehrt sind, während über-
all sonst die Zeilen beider Schriften ineinander laufen. Die Entziffe-
rung wurde schon früher von einem Mönche versucht, indes natür-
lich mit geringem Erfolge, auch jetzt bei der Anwendung chemischer
54 Bericht über die 15e Versammlung der deutschen Philologen usw.
Reagenticn machte sie Muhe. 3) über den Werth der Handschrift.
Während die Bamberger Handschrift nur die letzten Bücher enthalt
and deshalb für den Archaeologen wichtig ist, gibt der Palimpsest
die eigentliche Naturgeschichte, und ist besonders für die Namen,
obgleich diese nicht gleichmäszig und fest geschrieben sind, bedeut-
sam. Die durch die Handschrift gebotenen Krgänzungen sind nicht
bedeutend und an Zahl nur drei. £ine vierte ist nicht ganz neo.
Bekanntlich findet sich XT 4.') in den alten Ausgaben eine Einschal-
tung, die an jener Stelle unpassend, aber doch echt plinianisch ist.
Die Ton dem Redner früher ausgesprochene Vermutung, dasz sie $ 3H
gehöre, findet durch den Palimpsest Bestätignng. Die Bedeutung der
Handschrift wird dadurch klar, dasz sie den Beweis gibt, die alten
Ausgaben seien nicht blosz von Kiiiendatoren gemacht, und dasz sie
einer anderen Familie angehört, als der bekannten. Uebrigens bestä-
tigt sie manche Conjecturen und gibt manche gute neue Lesart. Wenn
der Herausgeber aus der Handschrift dem Werke den Titel Naiurar
historiarum libri vindiciert, so hat er dafür zwei nicht bedeutende
Stellen des Piinius angeführt, die Hauptstelle aber in des jungem
Plinius Briefen IH 5 übersehen. Da aber diesem Titel die Vorrede
des Plinius selbst und zwei Stellen des Gellius und Macrobius entge-
genstehen, so musz man vielmehr annehmen, dasz beide Titel schon
im Alterthnm nebeneinander bestanden. Der Text ist übrigens nicht
sehr rein, Buchstaben finden sich oft weggelassen, oft vertauscht. Die
Vermutung des Herausgebers aus besonderen Eigenthümlichkeiten, dasz
ein Gallier der Schreiber gewesen, läszt sich nicht erweisen. Im all-
gemeinen findet sich die von Sillig angenommeno Orthographie darin.
Der Acc. plur. 3 decl. findet sich es, aber an einigen Stellen auch tir,
dagegen der Genetiv t statt ti durchaus; die Kndung umus einigemal,
durchweg subus. Die Assimilation ist zwar nicht consequent, doch
meistentheHs beobachtet, auch liest man roniuvrc. Merkwürdig ist,
dasz man überall, wo die vierte Declination ein langes u hat, vu ge-
schrieben findet, wie im Bamberger Codex, freilich zeige sich auch ii
für langes t. An diese Mittheilungen knüpft der Redner eine Bitte.
In der archaeologischen Section habe Hofr. Dr. Wüstemann gezeigt,
wie wünsrhcnswerth es sei, die verschiedenen kleinen Schriften und
gelegentlichen Erläuterungen über Plinius in ein Werk syUogac Pli-
nianar zu vereinigen, auch für die Unternehmung bereits einen Ver-
leger gewonnen; CS ergehe demnach an die Versammlung die Bitte,
dasz jeder, was er habe und könne, dazu beitragen möge.
Prof. Dr. E. Curtius aus Berlin begann seinen Vortrag: über
die dyoQu in Mhen, mit Hinweisung auf die Wichtigkeit der Topo-
graphie; wie dieselbe ebenso Ausgangspunkt und Bedingung, wie Ab-
Bchlusz und Probierstein der Alterthnmsstudien sei. Freilich müsse
sie historische Blicke eröffnen, die Stadt in ihrem werden zeigen. In
Athen sei die Akropolis der feste Punkt, um welchen sich die Stadt
bewegt habe; denn Thurydides sage, sie habe ursprünglich südlich-
gelegen, was er nicht bemerkt haben würde, wenn es zu seiner Zeit
noch ebenso gewesen wäre, und dasz Herodot ^(inQoaG'f Ttgo rrjg
nyiQOTToXiog [VHI 54 ?J sage, bestätige dasselbe. Zu Hadrians Zeit
sei die Stadt zur alten Lage zurückgekehrt gewesen. Um die Akro-
polis herum liegen im Süden der Hügel des Museion, dann nach We-
sten zu die Pnyx, der Areopag und der Nvuiphenhügel Die dyoifd
müsse auf dieser Südseite gelegen haben und zwar da, wo sich die
zwischen den Hügeln und der Akropolis hindurchführenden Wege tra-
fen. Wanderte aber die Stadt, so muste auch die ayoga mit wandern
und wenn auch bestimmt«« Unterscheidungen zwischen einer TraXuid
und V*« (iyoQK nicht vorkommen, wenn es für die Nord-«yop« (gegen
Bericht aber die 15e Versammlung der deuUichen Philologen usw. 55
Leake) keine Beweise gebe, so sei doch die Sache nicht in Abrede zu
stellen. Eine allinählicne Verlegung sei wegen des Terrains unmöglich,
aber einen Zeitpunkt finde man bestimmt durch die Nachricht dasz
Kimon eine Halle am Markte des Kerameikos weihte. Hierher war
also der Markt der Stadt verlegt worden. Dasz dies in den Zeiten
der Perserkriege erfolgt sei, scheine unwahrscheinlich, weil damals
bei dem Wiederaufbau alles zu tumultuarisch zugegangen sei, Wol
aber finde man früher eine Zeit gewaltigen Umschwungs in der Zeit
der Tyrannis ond in ihr eine geeignete Veranlassung. Die Eupatriden
wohnten, wie in Korkyra, um die Burg und den Markt zusammen,
sie betrachteten die dyoQcc als ihre Domäne, als aber der öjjiioß, von
dem Tyrannen geleitet, den Besitz der Stadt in Anspruch nahm, da
fand sich das Bedürfnis eines neuen Mittelpunktes. Man wählte aber
naturlich zur ayogä nicht willkürlich einen neuen Raum, sondern die
vorhandene ayoQot Ksgafiiav. Für diese Verlegung spreche der Geist
der Pisistratiden , welche die Stadt zu einer ganz neuen durch Ge-
bäude und Anordnungen zu machen strebten. Der Altar der 12 Gotter
machte die neue dyoqd zu einem festlich-religiösen Mittelpunkt und
verhinderte die spätere Wieder umstoszung der getroffenen Afaszregel.
Die alte Stadtquelle KdkXLqQori ward von Pisistratus mit Säulen ge-
schmückt nnd so den Göttern dediciert; dagegen worden die Wasser-
leitungen in den nördlichen^ Theil verlegt und dadurch die Anpflan-
zung von Bäumen auf der ayoga ermöglicht. Auf diese Weise könne
die Streitfrage entschieden werden. — Prof. Dr. Forchhammer aus
Kiel bemerkte, da er in seiner Topographie von Athen bewiesen habe,
dasz die ganze Sache wegen der doppelten ayogä auf einem Misver-
atändnis des Meursius beruhe, sei für ihn eine Disputation unmöglich|
worauf Curtius erwiedert, dasz er nur habe zeigen wollen, wie die
Streitfrage entschieden werden könne.
Endlich trog noch Prof. Graven hörst aus Hildesheim seine Ue-
setzung von des Aeschylos Choephoren vor.
Der Vorsitzende schlosz darauf mit dem lebhaftesten Danke gegen
die in Hamburg dem Vereine gewordene alle Erwartungen übertref-
fende Aufnahme, Eckstein sprach dem Praesidium und dem Secre-
tariat den Dank für die Leitung und Mühwaltung aus.
Von der Section der Orientalisten können wir nur die Titel der
Vorträge angeben: 1) Vortrag einer von Hofr. Stickel in Jena ver-
faszten Erläuterung über eine Anzahl seltener orientalischer von Vice-
Kanzler Dr. Blau in Constantinopel eingesandter Münzen, 2) Dr.
Wollheim da Fonseca: über zwei indische Schriftstücke, 3) Dr.
Geffcken: Mittheilungen den Dekalog betreffend, 4) über die Rc-
cension des Päntschatantra , 5) Prof. Petermann: Reisemittheilungen
ans Asien, 6) Dr. Brugsch: Reisemittheilungen aus Afrika.^
Ueber die Verhandlungen der archaeologischen Section müssen wir
den Druck derselben abwarten; der Bericht über die der paedagogi-
schen folgt im nächsten Heft. R- Dietuch.
Auszüge aus Zeitschriften.
Zeitschrift für das Gymnasialioesen. Herausgegeben toti J. Mü-
tzelL 9r Jahrgang 1855. 38— 8s Heft. (Mära — August).
Märzheft. Hinke: der mathematische Elementarunterricht ^S.
223—232: aus einer Betrachtung über das Wesen der Mathematik wird
56 Auszüge aus Zeilschriften.
die Begrenzung des Stoffes, die Vertheilong nach Stufen und Behand»
lungsweise hergeleitet. Der Vf. wünscht den eigentlichen mathemati-
schen Unterricht auf die drei oheren Klassen beschrankt). — Pro-
gramme der Provinz Posen von 1854. Von Schweminski (S. 233 — 236 :
Schuliiachrichten und kurze Inhaltsanseigen yon folgenden Abhandlun-
gen: Hoffmann: descriptio Chalcidicae Thraciae. P. I. Bromberg.
Matern: de ratione ea qua Cic. in or. pr. Mur. habita cum Stoicos
tum M. Catonem tractavit. Lissa. Enger: observationes in locos
(luosdam Agamemnonis Aeschyl. Ostrowo. Tiesler: über die Reden
des Thakydides. Posen Frdr. W. G.^ W^slewski: de rebus Epi-
dauriurum. Posen Marien -G. Jakowicki: obss. in 6 prima Hör. Od.
JH carmina arto inter se vinculo connexa. Trzemeszno. Primer: ober
die Kiiiführong der beschreibenden Geometrie als Unterrichtsgegen-
standes in die Realschulen und Berücksichtigung derselben im Gymn.
Krotoschin. Low: neue Beitrage zur Kenntnis der Dipteren und
Hahnrieder: Anleitung zum lösen planimetrischer Aufgaben. Mose-
ritz). — A. ▼. Colin: Lehrbuch der Religionswissenschaft für die
oberen Klassen gelehrter Schulen. I 1 n. 2. Angez. Ton Lehmann
(S. 236 — 246: das Buch wird wegen seines für die Schuljugend nicht
passenden wissenschaftlich - kritischen Charakters und des Toraussicht-
lichen Umfanges als Lehrbuch für Gymnasien unbrauchbar gefunden,
dagegen studierenden der Theologie und Religionslehrern zur Orien-
tierung über einzelne Fragen empfohlen). — Merschmann: Leitfa-
den zum Unterrichte in der preusziscben Geschichte und Becker:
brandenburgisch-preuszische Geschichte. 2e Aufl. Angez. v. Schmidt
in Schweidnitz (S. 247—252: an Nr. l wird die Ungenauigkeit und
Unrichtigkeit vieler Angaben und die häufig zu MisTerstandnissen Ver-
anlassung gebende Darstellung, sowie Zusammenfiigung nicht zusam-
menhangender Thatsachen gerügt, Nr. 2 namentlich in seinem letzten
Tbeile ganz ungeeignet für Schulen befunden). — Müller: mittel-
hochdeutsches Wörterbuch. Angez. Ton Vo Ick mar (8. 253 flg.: freu-
dig lobende Begrüszung). — Hang: die Quellen Plutarchs in den
Lebensbeschreibungen der Griechen. Angez. ▼. Lucas (S. 254 — 265:
eingehende und über einzelnes, namentlich Stesimbrotus, sich auaführ-
lich verbreitende Beurtheiiung , deren Resultat ist, dasz die Sache
durch eigene Forschungen nicht gefordert und das Material nicht hin-
länglich benützt und gesichtet sei). — Nauck in Königsberg in d. N. :
Miscellen (S. 266 f. : 1. non dubito mit folg. Acc. c. inf. bedeutet:
'ich bin überzeugt' und ist von ouin verschieden. 2. es gebe keinen
genetivus obiecti. 3. instabilis bei Ovid. Met. I 16 heisze 'nicht fest')-
— Protokoll über die Verhandlungen der paedagogicshen Section in
Altenburg (S. 268—285). — Aus Westfalen (S. 286 f.i Berichtigungen
und Ergänzungen zu Jahrg. 1854 S. 947). — Personalnotizen (S. 287).
Aprilheft. Schmidt in Schweidnitz: über die Tendenz des
geographischen Unterrichts in Gymnasien (S. 289 — 304: es werden
Wunsche für die Vorbildung der Lehrer aufgestellt und das historiache
Klement, der Einflusz der äuszeni Natur auf die geschichtliche Ent-
wicklung, als für den Unterricht das wichtigste hervorgehoben). —
Bonn: Grundzüge einer allgemeinern Methode znm sprechen und
schreiben aller todten und lebenden Sprachen. Angez. von Wagner
i8. 405—308: gute Meinung und einiges richtige werden anerkannt,
im allgemeinen aber verwerfendes Urtheil). — Schultz: lateinische
Sprachlehre. 2e Ausgabe. Angez. von dems. (S. 308—314: «ehr lobende,
auf einzelne Punkte der Syntax eingehende Benrtheilung). — Jacob:
Horai und seine Freunde. Ang. von Wolff (S. 3U-3I6: viele An-
erkennung, aber nicht als für Schuler geeigneter Lectfire). -- Corni-
fici rhetor. «d Herenn. Iibri Uli rcc. Kay »j er. Angez. von Schütz
AaszQge ans Zeitsohriften. 57
(8. 316—390: Aasfuhrlich erörtert der Rec. seine Ansicht, dasz Cicero
entschieden für den Verfasser nicht zu halten sei, die Schrift aach mit
einiger Wahrscheinlichkeit dem Comificins beigelegt werden könne,
doch dies für gewis anzunehmen gewagt sei; sodann werden über die
Texteskritik an einzelnen Stellen abweichende Meinungen vorgetragen).
— Kehrein: Entwürfe zu dentschen Aufsätzen. Von Schirrmac her
(8. 330 — 332: das Buch sei verdienstlich, die Einleitung überflüssig
und unzweckmaszig). — Keys er: paedagogische Studien. Von dems.
(S. 332 f.: empfehlende Anzeige). — Berthelt usw.: deutsches Pa-
milienbach. 2e Aufl. Ang. von deras. (S. 333: freundliche Aufnahme
befürwortet). — Oltrogge: deutsches Lesebuch. Neue Auswahl. T.
Von dems. (S. 334 f.: das Buch sei mit Sorgfalt und sicherem Tacte
gearbeitet). — Braubach: stilistisches Lern-, Lehr- und Lesebuch.
Von dems. (S. 335 f.: Referat). Heckmann: deutsches Sprach-
und Lesebuch. Von dems. (S. 336 f.: empfehlender Bericht). —
Schmidt: Elementarbuch der lateinischen Sprache. 2e Abth. 2e Aufl.
Von Gottschick (S. 337 — 340: unter einzelnen Bemerkungen sehr
günstige Beurtbeilung). — Latein. Lesebuch aus Herodot. 2e Aufl.
Hildburghausen 1854. Von Hartmann in Sondershau^en (S. 341: im
ganzen belobt: ein VITörterverzeichnis vermitszt). — Vosen: kurze
Anleitung zum erlernen der hebraeischen Sprache. 2e Aufl. Von W.
H. in B. (S. 342 — 344: es werden viele UnrichtiglTeiten und Unge-
nauigkeiten, namentlich aber die enorme Zahl von Druckfehlern geta*
delt). — Eicheiberg: methodischer Leitfaden zum gründlichen Un-
terricht in der Naturgeschichte. 3e Aufl. Ir ThI. Von Langkavel
(S. 344—347: lobende, einige Berichtigungen bringende Beurtbeilung).
— Radelli: praktische franzosische Grammatik. 2eAufl. Von Schu-
bert (S. 347—349: viel Tadel). — Corinne: Auszug. 4e Aufl. Von
dems. (S. 349--351: unter einzelnen Bemerkungen billigende Anzeige).
— Aus der Schulstube. I (S. 351— 255: um die Klasse als ein ganzes zu
fassen, wird vorgeschlagen wo es der Sache angemessen ist im Chore
agieren zu lassen, namentlich bei den Sprachen). — Haus er: Ent-
gegnung auf Naucks Anzeige seiner Elementa in diesen Jhrbb. LXXII
2s Heft (S. 356 — 360) ♦). — Mittheilungen aus Württemberg über den
dermaligen Stand des gelehrten Schulwesens daselbst (S. 361 — 367 : sehr
interessant und erfreulich). — Personalnotizen (S. 368).
Maiheft. Wendt: zum deutschen Unterricht (S. 369 — 382: als
Aufgabe wird bezeichnet: den Schüler dahin zu fähren, deutsche Clas-
siker, deren Leetüre seinem Bildungsstandpunkte entspricht, mit Ver-
ständnis kennen, zu lernen und die deutsche Sprache mündlich und
schriftlich nicht nur correct, sondern auch mit Geschmack gebrauchen
zu können« Indem in Folge davon das wissenschaftliche System deut-
scher Grammatik, die zusammenhangende Litteraturgeschichtskenntnis,
die Einführung in die Philosophie und die Rücksicht auf das prak-
tische Leben ausgeschlossen werden, erhalten Lectnre und die mündliche
schriftliche Uebung, neben denen in den unteren Klassen nur eine
kurze Elementarsyntax, die Hnuptlehren vom Satze, für nothwendig
erklärt werden, das Hauptgewicht. Die Leetüre wird auf die besten
und trefflichsten Schriftsteller beschränkt, Leetüre einiger mittelhoch-
deutscher Dichtungen zugelassen und die Interpretation als Einführung
in den Zusammenhang und Verdeutlichung der Anschauung gefordert,
für die schriftlichen Arbeiten aber die Resultale des Unterrichts anf
***) Um nicht den Schein zu lassen, als hätten wir Parteilichkeit
geübt, bemerken wir, dasz sich Hr. Hauser an uns um Aufnahme der
Entgegnung gar nicht gewandt hat.
M AiMSüge aui ZeiUchriflen.
«len •ioteIii«n Stufen als Gebiet aufgestellt). — Giesebrecht: Ge-
schichte der deutschen Kaiserzeit. Ir Bd. le Abth. Von Poss in Ber-
lin (8. 3S2 —390: sehr bedeutendes Lob; nur die Darstellung der Rd-
merkriege und der Kampfe Karls des Gr. wird schwächer befunden
und gegen die Auffassung Ludwigs des Frommen einiges Bedenken er-
hoben).— Klopp: deutsche Geschichtsbibliothek. Von Hol scher
(S. 391 — 49i: lobende Anzeige, doch wird Vorsicht in der Auswahl
des Stoffes empfohlen). — Kehrein: onomatisches Wörterbuch. Von
Z ei sing (S, 396 — 398: im ganzen recht lobend. Unter allgemeinen
Bemerkungen über den deutschen Sprachunterricht vertheidigt Ref.
seine eigne Grammatik). — Ovids Metamurphoücn. Erkl. v. Haupt.
Ir Bd. Von Kindscher (S. 398 — 402: höchst anerkennend. Kritisch
behandelt werden VII 55, III 474, VI 197). — Ovidii Metamorphoses.
Auswahl von Siebeiis. Von dems. (S. 402 — 407: sehr belobende
Anzeige. Am Schlüsse vertheidigt Ref. die Schulausgaben überhaupt
fegen verwerfende Urtheile). — Seyffert: scholae latinae. Ir Theil.
'on Kuhnast (S. 408 — 415: dem reichen Lobe des Buches werden
doch Bedenken über seine praktische Brauchbarkeit in der Schule bei-
gefügt). — Mushacke: preuszischer Schnlkalender. 4r Jahrg. Von
Mützell (S. 415: Lob und zwei Wünsche). — Hartmann: Probe
einer beabsichtigten neuen Ausgabe von Arrians Anabasis. Von dems.
(S. 415 i»'- anerkennend). — Schmidt in Oels: Lesefruchte (S. 417
— 422: kritische Bemerkungen zu Lucret. I 277, Veliej. I 18 3, II 88
2, T 96, Ov. Met. X 596, VII 687, 741, VIR 16 [Trist. III 4 27], 800
rClaudian. Stilich. III 41], VII 809, V 573, Petron. Sat. p. 75 32,
Claudian. in Eutrop. I 366, Stilich. II 368 348, Manil. astron. II 191,
II 8). — Schmidt in Neisze: über den lat. Imperativ (S. 422 — 425:
Segen Grysar In der Ztschr. f. d. ö. G. V 7 wird dargelegt, dasx
ie Form to, ei\tsprechend den Verbis auf itarc^ eine fortgesetzte und
wiederholte Handlung bedeute). — Rührmund: zu Hör. carm. I 28
(S. 425 — 427: die ganze Ode wird dem Schatten eines noch unbegra-
benen in den Mund gelegt). — Vermischte Nachrichten (S. 427 — 431:
aus Bistritz, Hessen, Berlin, Holstein, Hannover, der Rheinprovinz und
Mühlhausen). — Personalnotizen (S. 341 f.).
Jnniheft. Schmidt in Wittenberg: aus der Schulpraxis (8.
433 — 440: als Muster für die Interpretation wird der Inhalt von Pia-
tons Kriton gegeben). — Lehmann: Programme der pommerschen
Gymnasien von 1854 (S. 441 — 464: Anzeigen folgender Abhandlungen:
Schütz: de Patrocleae compositione. Anclam. Riemann: de bellor.
inter Henricum IV et Saxones gestorum causis et originc. GreifTenberg.
Hiecke: Vorbemerkungen zu einer Parallelsyntax der Casus im Deut-
schen, Griechischen und Lateinischen. Greifswald. Schmidt: ge-
schichtliche Uebersicht über die Schulanstalten Stargards. Stargard«
Grub er: de locis quibusdam ad institutionem gramm. pertinentibus.
Stralsund. Dann sehr ausführliche, namentlich tabellarische Schul-
nachrichten). — Roszbach und Westphal: griechische Metrik.
Ir Bd. Von Monk (S. 465—474: ausführliches, die Verdienste des
Verf. um die Rhythmik darlegendes, den Wunsch nach baldiger VoUen-
endung begründendes Referat). — Etienne: Versuch eines Cursns der
Mathematik. Von Rühle (S. 474: auch die letzten Curse greifen über
das Gymnasialgebiet weit hinaus). — Grosz: neuer geogr. Schulat-
las. 2e. Aufl. Von Schmidt In Erlangen (S. 475 — 477: unter Mit-
theilung einiger Berichtigungen sehr anerkennende Anzeige). — Braun-
hard: Handbuch der französischen Sprache und Litteratur. 3e und
4e Lief. Von Schubert (S. 478 — 480: trotzdem dasz manche Mängel
gerügt werden, doch im ganzen keineswegs verwerfend). — Peucker:
liistoire de la litteralurc» franvaise. Von dems. (S. 480 f. : im oinzel-
Attsxage aus Zeitoohhlleii. 50
nen seien manche Irthamer und Tnconseqnenzeii , das Masz im ganzen
nicht richtig bemessen, Nutzen für die oehnle nicht za erwarten). —
Hansdörffer: Aphorismen über Gymnasialbildang. Von Ti scher
(8. 483—484: empfehlendes Referat). — Verordnungen (8. 486—491).
— Aus der Schulstube. II (8, 492—494: das Franzosische ist auf dem
Gymnasium beizubehalten , Kann in zwei .Stunden ausreichend gelehrt
werden, aber Lecture ist die Hauptsache und in den obersten Klassen
find beim Abiturientenexamen das Exercitium zo beseitigen). — >
Funicbänel: zu Demosthenes Aristocratea (S. 495 f.: kritisch-exege-
tische Behandlung von $ 76, 142 und 173). — Aus Hannover (S. 497
bis 500: Abdruck eines Artikels aus der hannoverschen Zeitung, den
Nachtheil des Corpslebens auf der Universität Gottingen betreifeud).
— Aus Altenbnrg (S. 500 — 507: Commissionsbericht des Landtags über
einen der Universität Jena zu gewährenden Zuschusz). — Auszüge aus
den Protokollen des Gymnasiallehrervereins in Berlin. Von Langka-
vcl (S. 507—511). — Personalnotizen (S. 511 f.).
Juli- und Augustheft. Gobel: das Meer in den homerischen
Dichtungen (8. 513 — 545: ausfuhrliche Nachweisungen über den Ge-
branch der Namen und Epitheta). — Hoff mann in Neisze: Programme
der katholischen Gymnasien Schlesiens von 1854 (S. 546—548: die
Abhandlungen sind Pohl: comm. de digammate Homericis carminibus
restituendo p. I. Breslau. Schober: die Welt als Erziehungsanstalt.
Glatz. Heimbrod: de Atheniensium jsacerdotibus. Gleiwitz. Emm-
rich: de nomine et origine sectae Pbarisaeorum. Glogau. Troska:
fiber den Ausdruck des AfTects in den metrischen Rhythmen der Grie-
chen nnd Romer. Leobschutz. Schmidt: de pra^positionum tmesi
apnd Homerum. Neisze. Bauer: das Alexanderlied des 12n Jahrhun-
derts. Ebend. Stinner: de eo quo Cicero in epistolis usus est ser-
mone p. If. Oppeln. Kays er: ae versibus aliquot Hom. Od. diss.
crit. oagan). -- Regeln und Wörterverzeichnis für deutsche Recht-
schreibung. Clausthal. Von Stier (8. 549 — 564: sehr eingehende und
ansfnhrii<me Benrtheilnng). — E. W. Heffter: der Christ nnd sein
Konig. Schulrede. Von A. W. H. in B. (8. 564: gelobt). — 1) Hora-
tins Satiren. Von Kirchner IrThl. 2) — denuo recogn. et prae-
fatus est A. Meineke. 3) — ed. Stalibaum. Von Siipfle (S.
565 — 572: Nr. 1 wird unter Mittheiinng einiger Punkte, an denen
Anstosz zu nehmen, sehr gelobt. Bei 2 und 3 wird auch Nanckt
Ausgabe der Oden beigezogen und als ein gut angelegtes Schulbuch
anerkannt. Einzelne Stellen werden meist zustimmend besprochen, für
Stallbaums Einleitung gröszere Kürze nnd Praecision gewünscht). —
1) Demosthenes Reden. Erkl. von Westermann. 3s Bdch. ^) 8c bo-
nin g: über die Olynthischen Reden des Demostbenfs. .3» Vomel: £
codicis Demosthenis conditio describitnr. Von Ridiger (H.hl't — 677:
Zu Nr. 1 werden einige Bemerkungen in kritischer ond ^%»i^*:U^U*gr
Hinsicht gemacht ; bei Nr. 2 der Scharfsinn und G«4cbM«f.k «»^rt^nNt^
aber die Auffassung nicht angenommen, anf Nr, 3 aU «^r ^UX\tti *«f*
merksam gemacht). — Grotefend: Mzim^Vi^n znm «Wf«^z^« *t(»
dem Deutschen ins Latein, für mittlere Kla«*^n. 'i^, Kn*%. ▼. €i*^,ii*:f%.
Von Hartmann (8.578: empfohlen;. — Schultz- kW^nßc Ut^»i»<^
Sprachlehre, 2e Ausg. and dess. Uebang^bocb xmr W^Wtk^.in^m Hpf*^M'
lehre. Von Wagner (8. 579— .V!l: dvt ertt^ar* Bv.J. mif^ ^nUet B^
richtigung einiger S^ien gelobt, wm «•-rhe» ^:«;;r* trv«»«^.*!* I*' ^'
bohun«! des praktischen Werth* »•ff-j»-t>il'. ., -- ^*titz ^'^^^^^
elementaren Stereometrie «od Ast «**r«t^ >*/?*« r;»^tM4rM: V#* H« ^^
(8. 581 f.: es wird mandief z^U »j«»*****'. '''*'**ij">^ *.»
I^hre von den Linttm^M'^^sm m <^ Krt^**^. ^** **^'*#^ric** ff»-
die Verkehrtheit in d*^r V*fi-v^»^.^x^r -W m> vt'*^ '*^*'
60 AasiOge aus Zeitoohriflen.
bübrend gerügt). — Matauscheck: Lehrbuch der Geometrie. Is Buch.
Von dems. (8. 583 f.: ^tbalte Tiel wunderbares und komisches). —
Stacke: Erzählungen aus der neuen Geschichte in biographischer
Form. Von Hölscher (S. 585 f.: bei einigen Ausstellungen gelobt). —
Geographische Lehrbücher. Voa Campe (8. 586—590: nach Aufstel-
lung der allgemeinen Grundsätze wird die Bearbeitung des Seydlitz-
sehen Leitfadens Ton Gleim weniger als Leitfaden fär den Unterricht,
als zum eignen Studium der Schüler empfohlen, an der zweiten Aufl.
von Bade's Leitfaden die Zerreiszung und Häufung des Stoffs, sowie
manches nicht wissenschaftliche in der Behandlung getadelt, dagegen
das Lehrbuch der vergleichenden Erdbeschreibung von Putz als in
vieler Hinsicht meisterhaft empfohlen). — Xenophons Anabasis. Erkl.
von He rtlein. 2e Aufl. von Hartmann (S. 590 f.: anerkennend). —
Högg: Satzlehre der lateinischen Sprache nebst Metrik von Vogel-
mann. Von Wagner (S. 591 — 594: bei Anerkennung vieles ver-
dienstlichen wird doch aus der Methode und der Anordnung des Stoffs
die Befürchtung gezogen, das Buch werde nicht weite Verbreitung fin-
den« Einzelne Bemerkangen). — Thiel: Hulfsbuch für den Unter-
richt in der Naturgeschichte. 2e Aufl. Teil kämpf: physikalische
Studien. Wagner: Pflanzenkunde für Schulen. Von Wunschmann
(S. 594 f.: ganz kurze Angaben über Inhalt und Tendenz). — Men-
zel: Handbuch der neueren französischen Sprache und Litteratur. 4e
Aufl. Von Schubert (S. 595—597: die Veränderungen werden als
Verbesserungen anerkannt, einige Wünsche ausgesprochen). — Schirm:
Anleitung zum praktischen erlernen der franzosischen Sprache. Von
dems. (S. 597 f.: abgesehen von einigen Mängeln den Freunden der
Seidenstnckerschen Methode empfohlen). — Verordnung des Oberschui-
collegium von Hannover in Betreff der Orthographie (S. 599 — 601). —
Rührmund: zu Horaz (S. 602 — 609: Erläuterung des Inhalts und
Zusammenhangs von Od. I 1. Vertheidigung der üblichen Interpunction
Sat. I 9 26. Ueber die Veranlassung und den Gedankengang von Od.
III 26 u. 27). — Schade: über botanischen Unterricht auf Gymna-
sien (S. 609—612: der Unterricht sei in den unteren Klassen der Gym-
nasien etwas durchaus nutz- und zweckloses, dagegen in Obertertia
in 12 — 16 Stunden eine Anleitung zum Selbststudium zu geben und in
den oberen Klassen denen, die sie zum künftigen Berufe gebrauchen,
wie im Hebraeischen den Theologen, facultativer Unterricht zu erthei-
len). — Teipel: über die Ausdrucksweise, nach der man statt eines
neeativen Ausdrucks einen positiven, statt eines mehr passiven einen
mehr activen setzt (S. 613- 615: zahlreiche Stellen werden angeführt
und erläutert). — Ders.: über die Allitteration in lateinischen Sprüch-
wörtern (S. 616—621: nach zahlreichen Anführtangen aus anderen
Sprachen werden eine Anzahl lateinischer Sprüchworter und dann den-
selben ähnlicher Sprüche vorgeführt). — Breitenbach: noch ein
Wort über Nepos - Leetüre (S. 622 — 625: Vertheidigung der in der
Zeitschrift 1851 S. 651 — 659 gegebenen Bemerkunffen gegen Siebeiis'
Aeuszerungen in der Vorrede zur 2n Ausgabe des Nepos). — Hoff-
mann: zu Epicharmus und Xenophons Hellen. (S. 625 f.: Epicharm.
bei Cic. Tusc. I 8 und Sext. Emp. adv. math. I 18 wird vorgeschla-
gen: dnod-avsCv fihv xsd-vdvcci Ö* ov {loi iiiXBi, bei Xen. Hell. I 26 21:
Tcov S* i(poQfiovvt(ov (»ff snaazoi rjvvov). — Steudener: zu Orph.
Fragm. XIX 5 ff. (S. 626 f.: die drei letzten Verse werden auf das
Symbol des Rades bezogen und^ bei Dionys. Thräc. [Clem. V p. 672]
geschrieben : xcrl xo xoSv ^ceXlmv xdSv Sidofiivatv xoCg 7CQoa%vvovct '
qpijol yaQ oaaa ii^firjXsv — laov tTiaaxog , oi d^aXXol d' ^dij
■xtA.). — Kühnast: Misrelie (S. 6*27 f.: wegen angegriffener Beur-
thcilungen von Abiturientenarbeltcn). — Schweminski: statistische
Beriehtc aber gelehrte Anstalten, YerordBungen, Statist. Notizen. 61
Notizen aber das Verhältnis der prenMEiscben Gymnasien cu der Ein-
i/vobnerzahi in confessioneller Hinsicht (S. 629—635: es kamen zu we-
nige Gymnasien auf die Katholiken und werde nicht nach der Propor-
tion von 5 : 2 auf dieselben Tom Staate verwendet, da far die evan-
gelischen 184516, für die katholischen nar 47342 Thir. aasgegeben
würden). — Kaweraa: in Sachen des Schalturnens (8.635 — 639:
auf die neuen Jahrbächer für Turnkunst nnd die weibliche Tarnkunst
von Klosz wird aufmerksam gemacht). — Personalnotizen (S. 640).
Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen , statistische
Notizen, Anzeigen von Programmen.
Baden]. Ueber die Frequenz der höheren Schulen des Grosher-
zogthams im Schulj. 1854—55 geben wir folgende Tabelle:
A. Lyceen. Yorbereitungssch.
jVi*fVP>fv*|v»»irv'[rv^j in iii| i frfrinj i\ sa-
SSSSSTT
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40
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—
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31
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—
—
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28
30
23
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23
35
39
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—
—
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13
n
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34
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Wertheim . , -
10
7
5
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J8
24
30
27
— ■
— '
■
134
Gesamtsomme 2293
B. Gymnasien.
Bruchsal
Dunaoeschmgen . . . . .
Offetibufg^ >../......
Tauberbifichofsheim * .
Lahr: Gymnaiium .,.
hob. BurgersL-h.
13
10
12
25
[5J
46
35
10
g
12
20
18
U
16
5
15
12
31
33
39
29
31
25
28
22
20
23
27
4
11
6
16
9
15
27
18
11
Vorsch- 1
U
2 1
197
96
164
166
m
Gesamtsomme 752
C. Paedagogien and höhere Burgerschalen.
llurtach .
Lörrach ,
Pforzheim
IV*
G. I B.
Gesaratflomme 346
*) In zwei Parailel-Cotus zu 36 und 34.
62 Bericlilo über gelehrte Anslalten, Verordnungen, staiisl. Notisen.
Jiaden
Cuii8tane
Emmendingeu .
Kppingen . . . .
Kttenheim. . . .
Kttlingen . . . .
Frei bürg
Heidelberg . . .
Mannheim . . . .
Mosbach
Mollheim
«Srhopfheim. . .
Sinsheim .....
Ueberlingen . .
Viliingen
D. HShere
Bargerschalen.
|VI
V
IV 1 111
1 n
t I 1
6
10
22
30
33
—
490
42
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—
—
8
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—
—
22«)
19
17
8
14
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55
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15
17
21
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40
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6
J9
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34
56
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57
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44
5
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10
9
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13
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23
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13
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—
5
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15
21
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lol
140
52
58
163
40
115
225
247
63
69
43
83
30
47
Gesamtsumme 1456
MainzJ. Aus dem Lehrcrpersonal des dasigen groszberzoglichen
Gymnasiums [s. Bd. LXX S. 349] schied während des Schuljahrs
1854 — 55 der Gymnasiallehrer J oh. Fried r. Schilling, unter ehren-
voller Anerkennung in Ruhestand versetzt. Dasselbe bestand aus dem
Dir. Dr. Grieser, den Religionalehrern Ruier, Nonweiier u. Dr.
Cabn, den ordentl. Lehrern Dr. Alb recht, Dr. Becker, Gredy,
Dr. Hennes, Dr. Keller, Dr. Killian, Klein, Lindenschmit,
Dr. Munier, Scholler, Dr. Vogel, den auszerordentlichen Lehrern
Kiefer, Simon, Dr. Buch ner, Dr. Noir^, Dr. Hattemer [Lehr-
amtscandidat, als Repetitor neu angestellt], Hom, Vey, Werner,
den Accessisten Dr. Stigell und Reis, dem Conservator des physi-
kalischen Cabinets Urmetzer. Die Schulerzahl betrug am Schlüsse
des Schuljahrs 305 [I: 19, II: 22, III: 29, IV: 26, V: 39, VI: 36,
VII*: 34, Vllb: 33, VIII«: 35, VlII": 32], Abiturienten Mich. 1854 14,
Ostern 1855 4. Die dem Programme vorausgestellte Abhandlung des
Gymnasiallehrers Frdr. Scholler: C. Julii Cacaaris viia et Obser-
vation es criticac in aliquot loea libri VII comm. d. b. O, (16 S. 4)
enthält zuerst eine für die Schäler in eben so leichtem, wie gefalligem
Latein geschriebene Biographie des Caesar, die sich zweckmSszig auf
richtige Darstellung des factischen beschränkt, tieferes Urtheil und
pragmatische Verbindung bei Seite setzt. Daran schlieszt sich eine zu
gleichem Zwecke und in gleicher Weise gearbeitete Uebersicht über
den Inhalt des 7n Buchs d. b. G. Sollte vielleicht der Kinwand erhoben
werden, dasz den Schülern, mit welchen gewöhnlich Caesar gelesen
werde, noch keine solche Kenntnis zugetraut werden könne, dasz man
ihnen derartiges lateinisch beschrieben vorlegen dürfe, so würden wir
in Betreff der Biographie leichter beistimmen, obgleich sie so geschrie-
ben ist, dasz sie ein guter Tertianer ohne Schwierigkeit verstehen
kann, und man doch aucn die Benützung durch Schüler oberer Klasaen
voraussetzen darf, in Betreff des zweiten Theils aber halten wir gera-
dezu es für höchst zweckmäszig und sogar nothwendig, dasz mit den
Schülern der Inhalt eines gelesenen Buches lateinisch wiederholt werde,
weil man nur so zu der als Ziel jetzt allseitig anerkannten Fertigkeit
zeitig hinarbeiten kann. Am Schlüsse theilt der Hr. Verf. kritische
Bemerkungen zu drei Stellen des VII. B. mit. Wenn er c. II die von
1) In 2 Abtheilungen. 2) In 2 Abtheilungen.
Personalnsehricirten. M
Oberlin angenommene Tnterpnnetion : ut quam prhnum Her facerct O^-
nabum Carnutum, proßscitur gegen die neueren Herausgeber in Schutz
nimmt, so vermögen wir nicht beizustimmen. Denn lag auch Genabuni
nicht auf dem kürzesten Wege, ho niuste doch Caesar diesen Punkt be-
setzen, um sich den freien Eintritt auf das Kriegstheater zu erofiTneii
(vgl. Rustow Heerwesen und Kriegführung Caesars S. 171), demnach
gehört der Aufbruch nach Genabum zu dem am £nde des vorhergehen-
den Capitels als bezweckt bezeichneten Marsches, während man sich
wundern müste, mit einem male von einem neuen Marsche als inten
diert zu lesen. Eben so wenig vermögen wir beizustimmen, wenn c. 55
die handschriftlichen Worte: aut adduetos inopia ex -provineia exclu-
dere für ein Glossem erklärt werden, da die Worte c. 59: Galli —
eoactutn in proüineiam contendisse keinen Zweifel über die Absichten
der Haeduer lassen und demnach die Echtheit von aut adductos in-
opia, demnach auch die Emendation des übrigen evident ist. Warum
man nicht expellere in provineiam sagen könne, sehen wir nicht ein.
Dagegen halten wir c. 74 die Conjectur equitatu$ diseessu für sehr
beachtenswerth. R. D.
Personaln achrichten.
Angestellt, ernannt oder versetzt:
Andrea, Otto, Schulamtsc, als ordentl. Lehrer am Gymnasium zu
Gütersloh angest.
de Bary, Dr. Ant., Privatdocent in Tübingen, zum ao. Prof. der
Botanik und Dir. des botanischen Gartens an der Univ. Freibnrg
ernannt.
Baudis, Jos., Gymnasiall. zn Görz, an das Gymn. zu Jicin vers.
Buchbinder, Mathem. am Gymn. zn Merseburg, zum Prof. an der
Landesschule Pforta ernannt.
Dantz, E. H. J., Collaborator an der latein. Hanptschule zu Halle,
als ord. Lehrer an der Realschule zu Siegen angest.
Dom in kusch, Job., Supplent am Gymnasium zu Ofen, zum wirki.
Lehrer am Gymn. zu Essegg ernannt.
Dvofäk, Leop., Supplent, zum wirkl. Lehrer am Gymn. zu Jicin ern.
Eiseie, Karl, Lehrer zn Freibnrg im Breisgau, als wirkl, Lehrer
an das Gymn. zu Ofen berufen.
Föringer, H., Custos an der k. Hof- und Staatsbibliothek zu Mün-
chen, zum Bibliothekar befördert.
Hau I er, Dr. Job., Lehrer zu Freibnrg im Breisgan, ala wirkl. Leh-
rer an das Gymn. zn Ofen berufen.
Kanz, Alois, Supplent am Gymn. zu Capodistria, als wirkl. Lehrer
an das Gymn. zu Warasdin versetzt. ^^^
Krob, Laur., Supplent am Gymn. zn Jicin, desgl.
Lazar, Matth., Supplent am Gymn. zu Marburg, desgl.
Lcgischa, Anton, Suppl. am Gymn. zu Triest, als wirkl. Lehrer
an das Gymn. zu Finme versetct.
Lorenz, Dr. Jos., Gymnasiallehrer zn Salzbarg, desgl.
Ma tscheg, Abb. Ant., Suppl. am Staatsgymn. zn S. Procolo in Ve-
nedig, zum wirkl. Lehrer am Lycealgymn. S. Caterina daselbst ern.
Meckbach, Schulamtsc, als ord. Lehrer an Gymn. zu Tilsit angest.
Palmarin, Suppl. am Gymn. zn Sambor, zum wirkl. Lehr, befördert.
Randi, Dr. Giac, Suppl. am Lycealgymn. eu Padaa, «um wirkL
Lehrer befördert. *
Reichel, Dr. Karl, Gymnasiallehr, zu Laibach, an das kk. akadem.
Gymn. zu Wien versetzt.
64 Personaloachrichtcn.
Reiff» Dr., ao. Prof. in der philos. Fac. der Univ. zu TiibingeD, ZQm
ord. Prof. ernannt.
Schlegel, Joh. , Gymnasiallehrer in Ofifenburg, an das Gymn. sa
Preszburg versetzt.
Smolej, Jacob, Gymnasiallehrer in Troppau, desgl.
Spitaler, Franz, SuppL am Gymn. zu Agram, zum wirkl. Lehrer
am Gymn. zu Fiume ernannt.
Terdina, Joh., Snppl. am Gymn. zu Warasdin, desgl.
Vi 1 mar Dr. F. Aug., Consistorialrath zu Kassel, zum ordentl. Prof.
der Theologie an der Universität zu Marburg ernannt.
Walz, Mich., Lehrer zu Buchen, als wirkl. Lehrer an das Gymn.
zu Kaschau berufen.
Weisz, Dr., Schulamtscand., als Civilinsp. an der Ritterakademie zu
Liegnitz angestellt.
Willkomm, Dr. Mor., ao. Prof. za Leipzig, als Prof. der organi-
schen Naturgeschichte an die Forstakademie und landwirthschaftl.
Lehranstalt zu Tharandt . versetzt.
Zepic, Sebast. , Suppl. am Gymn. zu Warasdin, als wirkl. Lehrer
an das Gymnasium zu Essegg versetzt.
Praediciert:
Schirrmacher, Dr., Lehrer an der Ritterakademie zu Liegnitz, als
Oberlehrer.
Wendler, Dr. Chr« Ad., ord. Prof. der Medicin zu Leipzig, bei
seinem 50jähr. Doctorjubilaeum als Medicinalrath.
Pensioniert :
Jordan, Phil., Prof. an der phiios. Lehranstalt zu Gorz.
▼ on Lichtenthaler, Geh. Rath, Director der k. Hof- and Staats-
bibliothek in München.
Szczurowski, Joh., Gymnasiallehrer zu Czernowitz.
Gestorben:
Am 13. Aug. zu Wien Pat. Ant. Winter, Prof. am kk. Josephstadter
Gymnasium, im 51n Lebensj.
Am 17. Aug. zu Wien P. Dr. Ant. Kowach, Director des Gymna-
siums zu Rosenau, 40 J. alt.
Am 2. Sept. zu Wien P. Franz He issenb erger, ehedem Prof. am
kk. akad. Gymn., im 69n Lebensj.
Am 20. Sept. angeblich der siebenbürgische Geschichtschreiber Graf
Jos. Kemenyi.
Ende Sept. der bekannte Geognost., Salinendirector Charpentier so
Bex im Canton Waadt, geb. 1787 zu Freiberg in S.
Am L Oct. in Gieszen Dr. E. Dieffenbach, ao. Prof. und Dir. der
feognost. Sammlung.
. Oct. zu Königsberg Reg.- und Pro vinzialschul rath Dr. Gi esa-
brecht.
Am 11. Oct. zu Leipzig der ao. Prof. Dr. Gtth. W. Schwartse.
Am 12. Oct. zu Geissen in der Niederl. Gymnasiallehrer Carl Diet-
rich aus Friedland.
Am 14. Oct. in Rom Dr. E. Platner, sächs. Gesandter, geb. in
Leipzig 1773, bekannt durch seine Theilnahme an Bunsena Be»
Schreibung Roms.
Dr. Joh. Fallati war Prof. in der staatswirthschaftl. Facoltat und
Oberbibliothekar in Tübingen und f am 5n Oct. im 47n LebeiuJ.
zu Amsterdam.
Auszerdem meldet man den Tod des berühmten Geognosten Friedr.
Volz, der auf der Rückreise von Surinam in holländ. Gayana er-
krankt sein soll.
Zweite Abtheiliing
hendsgegebea von Ridolph Dictich.
(1).
Studien zum Gymnasialwesen mit besonderer Berücksich-
tigung der sächsischen Gelehrlenschulen.
(Fortsetzung von Heft I S. 26.)
II.
Unser theures Vaterland, lange Zeit hochgefeiert und berühmt
wegen seiner gelehrten Schulen, zeigt in der Gegenwart lebendige
Sympathien für den Realismus. Nun haben wir zwar schon im allge-
meinen dargethan , was alles zusammen kam , um diese Richtung zu
begünstigen, aber es geschah dies mehr in universalem Umrisz, als
mit besonderer ßezugnahme auf Sachsen. Denn dasz gerade hier, wo
die klassischen Studien vorzugsweise blühten, eine so starke Gegen-
bewegung stattfand, ist gewis auffällig. Es müssen gerade hier be-
sondere Einflüsse stattgehabt, eigenthümliche Verhältnisse den Um-
schwung begünstigt haben. Dasz man sich den Realschulen mit
Vorliebe zuwendet, ist wol unverkennbar. Blühen doch die beiden
Dresdener Realschulen empor, andere sind ihnen gefolgt und werden
gewis folgen , da sich in den Provincialstädten nicht geringe Neigung
ausspricht, solche Anstalten ins Leben zu rufen. Dasz "das auf die
Gymnasien zurückwirkt, ist wol gleichfalls unbestreitbar.
Wo aber in der Geschichte sich Entfremdung gegen vorhandene
Institute zeigt, ist anzunehmen, dasz diese es irgendwo und irgend-
wie an sich fehlen lieszen. Man möchte also im vorliegenden Falle
denken, es habe in dem sächsischen Gymnasialweseu irgend etwas
gelegen, das gehindert, gestört, den Aufschwung des Gegensatzes
erleichtert habe. Denn damit wird man sich wol nicht begnügen, zu
glauben , dasz die in Sachsen so bedeutende Industrie und die Armut
eines Theiles des Landes alleinige Ursache sei , so viel auch beides
bf igetragen haben mag. Man könnte in Beziehung auf das industrielle
Element etwa auf die Rheinprovinz des Königreichs Preuszen hin-
weisen, wo im Jahre 1851 auf 19 Gymnasien 4755 Schüler (anter ihnen
iV. Jaftrb. f. PhO, u. Paed, Bd. LXXIV. Hfl. 2. ^
66 Studien Eum Gymnasialwescn.
nur 57 Realisten in Parallelklassen) sich befanden, wahrend die 7
Healschulen 1534 Schüler zählten.
Wenn wir es nun unternehmen, einen Blick auf das sfichsisclie
Gymnasialwesen zu werfen, so sprechen wir von vornherein eine
nachsichtige Beurtheilung unserer Bemerkungen an, die, sorgfältig
geprüft und gewissenhaft erwogen, keinen andern Zweck haben, als
dem Wohle einer mit Liebe ergriffenen und mit Ueberzeugung fest-
gehaltenen Sache zu dienen. Solche Liebe und Ueberzeugung legt
aber die schwierige PAicht auf, nicht zurückzuhalten, wenn man sieb
an dem Vorhandensein und von der Wirksamkeit des einen oder an-
dern Misverhältnisses überzeugt zu haben glaubt: es kommt dann nnr
auf die Art an, wie sich diese Ansicht zu äuszern sucht. Keine Ver-
sicherung geben wir lieber und freudiger, als die, dasz wir weit
entfernt sind von einer Kritik der sächsichen Unterrichtsgesetze: wir
würden , bekannt mit der Mehrzahl der deutschen Gymnasiallehrpline,
unsern sächsischen gewis nicht mit einem andern vertauschen wollen.
Ebenso wenig denken wir daran zu verkennen, wie unser Ministerium
unablässig bemüht ist, die Angelegenheiten der Schule in f&rderli-
cher Weise zu leiten, den Unterricht, die Zucht, die Religiosität der
Gymnasien und Schulanstalten überhaupt zu heben und zu überwa-
chen. Dagegen sind es einige einzelne Punkte, in denen wir mit den
bestehenden Verhältnissen nicht übereinstimmen zu dürfen meinen,
und von denen eine nachlheilige Wirkung auf die sächsischen Gym-
nasialvcrhältnisse ausgegangen zu sein und noch auszugehen scheint.
Wenn wir dieselben zunächst kurz ZDsammcnfassen , so sind es fol-
gende :
1) das theils städtische, theiU ministerielle Patronat der Gelehr-
tenschulen,
2) das unzweckmäszige Klassenlehrersystcm der städtischen Gym-
nasien in seiner mehr traditionellen als gesetzlichen Stabilität,
3) die praktische Lehrprobe der Candidaten des hdhern Schul-
amtüs in Verbindung mit der wissenschaftlichen Prüfung. Einige an-
dere Bemerkungen, die wir über den Gymnasialunterricht anschlieszen
wollen , sind mehr allgemeiner Natur und erstreben mehr die richtige
Betreibung der Dinge im Sinne der Gesetze, als dasz- sie irgend einer
bestehenden Einrichtung in den Weg zu treten suchten. Einer eon-
servativen Natur — und der Verfasser dieser Blätter ist in der glück-
lichen Lage in dieser Beziehung eines Umschwunges nicht bedurft zu
haben — kostet es immer einige Mühe, bestehendes anzugreifen:
dennoch ist es gerade jetzt, wo es sich darum handelt, alles mög-
lichst dauerhaft zu gestalten, geradezu Pflicht, nach Kräften mitzu-
wirken: findet doch auch der anbefähigto bisweilen irgendwo ein
Körnchen Wahrheit !
W^as nun den ersten Punkt betrifft, so haben wir 11 Gymnasien
im Lande, von denen eines, das Vitzthumsche Geschlechtsgymnasiunf,
in einzelnen Beziehungen sich durch eine eigenthümliche Organisation
ausscheidet. Von den übrigen 10 Gymnasien stehen die beiden Lan-
Stadien zum Gymiuuiialwesen. 67
(lesschalen, die Gymnasien saPlaaen, Zwiekaa aad zum Theile das
zu Freiberg anter ministeriellem, die beiden Gymnasien zu Leipzig,
die Kreazschnle zu Dresden, die Lansitzer Schulen zn Bautzen und
Zittau unter städtischem Patronate, was ein Verhiltais von 5:5 dar-
stellt. Natarlich stehen in gewisser Weise alle Gymnasien unter dem
Ministerium, wogegen die Administration , namentlich die Besetzung
der Lehrerstelien bei den einen unmittelbar vom Ministerium ausgeht,
bei den andern nur der Oberaufsicht und Bestätigung desselben unterliegt.
In einem Lande von Sachsens GrÖsze scheint es nun ein Bedürfnis der
Gymnasien zu sein, unter 6iner Oberbehörde zu stehen. So wenig
von einer solchen Centralisation bei der Volksschule die Rede sein
kann, die viel enger mit der Gemeinde und Kirche zusammenbangt,
desto mehr bei den höhern Unterrichtsanstalten. Nicht nur dasz der
Geschäftsgang ein erleichterter sein wird, der selten durch Mittelin-
stanzen gewinnt, es wird der Geist dieser Anstalten an nothwendiger
Uebereinstimmung, die Zucht an Energie, die Wirksamkeit der Leh-
rer an Lebendigkeit gewinnen; nicht als ob wir den Stadtrithen den
guten Willen und das bestreben absprechen wollten, im wahren In-
teresse ihrer Schulen zu wirken : aber es ist doch auch nicht sofort
anzunehmen, das immer in einem Ratbscollegium eine Persönlichkeit
vorhanden ist, welche die Angelegenheiten eines Gymnasiums zu lei-
ten versteht. Administrative, finanzielle Gesichtspunkte werden um
so mehr den Ausschlag geben, als es dem einzelnen Magistrate an
andern Paukten, durch welche eine Ausgleichung herbeigefahrt wer«
den könnte, fehlt: dazu kommt die Schwierigkeit, die mit der Instanz
der Stadtverordneten verbunden ist. Aber doch liegt die Wahl der
Lehrkräfte in der- Hand der städtischen Behörde. Wie leicht treten
da partikuläre Rücksichten ein, wo es erst einer ganzen Reihe von zu-
stimmenden bedarf, und wenn im andern Falle der Stadtrath nach den
Wünschen des Gymnasialdirectors entscheidet, so ist der Ausschlag
in eine unmittelbar betheiligte Hand gegeben , was unter Umständen
schaden kann. Dem Ministerium aber bleibt mit dem Bestätigungs-
rechte ein geringer Spielraum , weil es ein groszer Unterschied ist,
ob man klares positiv wünscht, oder etwas entschieden nicht zugeben
kann. Je ängstlicher aber die städtischen Behörden in der Regel an
ihren Rechten festhalten , um so weniger kommen sie etwaigen Wün-
schen entgegen. Dazu kommt, dasz der Standpunkt beider Behörden
ein durchaus verschiedener ist. Während die Staatsbehörde sich
ausschlieszlich mit Kirchen- und Schulangelegenheiten beschäftigt,
bilden diese in der städtischen Behörde ein einzelnes Gebiet, das da-
durch weit mehr von zufälliger Neigung nnd Befähigung abhängig wird.
Während die Staatsbehörde trotz ihrer Zusammensetzung aus indivi-
duell verschiedenen Elementen immer eine Einheit auf derselben Basis
and von demselben Principe durchdrungen bildet, ist eine solche gei-
stige Einheit der Communalbehörde gleichfalls weniger in dem We*
sen der Sache begründet, als eine zufällige Erscheinung, und wie
wäre nun gar anzunehmen, dasz vier oder fünf Magistrate Oberall
5*
68 Sliidicn siim Gymnasialwesen.
priiicipiüll oinvcrstandcn seien ! Endlich hat das Ministerium vermöfre
seiner in jeder Beziehung iiuhercn Stellung von vornherein ^eil hö-
here, allgemeinere Gesichtspunkte, während die Communalbehörde
am einzelnen haftet.
Zu diesen Momenten, in welchen schon nicht wenig liegt, kommt
nun ganz besonders noch die aus jenem Verhältnis hervorgehende
Stellung der Gymnasiallehrer hinzu. Wer wollte aber leugnen, dasz
im Schulwesen unendlich viel auf die lehrenden ankömmt? Viel-
leicht sind nirgends die woluieineudsten Ansichten dt^r Kehörde leich-
ter gehindert, die IrefTlichsten Gesetz Vorschriften leichter paralysiert
als in der Schule. Es läszt sich in vielen Stücken sagen: was die
Lehrer hindert, hindert die Schule überhaupt. Insofern nun unsere
Gymnasien hinsichtlich ihrer Zugünglichkeit für die dem Lehramte
sich widmenden in zwei Abibeilungen zerfallen, erschwert sich die
Lage der Anstellung suchenden und auch der angeslelllon nicht wenig.
Die llülfle der Gymnasialstellen wird von den städtischen Schulbe-
hördcn besctzL Nicht, dasz diese sich unfähige oder unwürdige aus-
suchton; entfernt sei solcher Gedanke! Aber natürlicherweise haben
sie bei der ßesetzungsfrage einen engern Gesichtskreis, indem sie
Stadt- oder Provinzkinder bevorzugen und überhaupt leichter Son-
derinteressen Raum geben. Das natürlichste wäre, dasz sich der
städtische Schulvorstand an die mit den Lehrkräften des Landes ver-
traute Oberbehörde wendete mit dem Gesuche, die geeignetsten Per-
sönlichkeiten zu bezeichnen. Oh das p-oschieht, können wir freilich
nicht wissen, aber man möchte fast zweifeln. Nun entscheidet das
Kathscollegium oder die Gymnasiulcommission nach eignem Ermes-
sen oder nach dem Gutachten des Directors: dabei nind doch allerlei
Falte möglich, die nicht erfreulicher Art sind. Mag es auch selten
vorkommen, aber denkbar ist doch, dnsz auf diese Weise gelegent-
lich einmal der Eintritt von Elementen trehindert wird, die einem Col-
legium recht wol thun würden. Das ist wenigstens gewif , dasz es
bei den städtischen Gymnasien kaum möglich ist, die Concurrenz mit
einem speciell einheimischen auszuhalten. Jedenfalls erschwert sich
eine gleichmaszigerc Bertioksichlignng der aufstrebenden Kräfte und
leicht steht der ältere Candidat hinter dem jüngeren durch die loca-
len Verhältnisse begüngtigten Bewerber zurück.
Es müssen nun eine Kcihe von Cuudidaten Übrig bleiben , welche
ihre Hoffnung auf die vom k. Ministerium aus zu besetzenden Stellen
setzen. Zu allen Zeiten werden Candidaten oder Lehrer an nicht öf-
fentlichen Anstalten übrig bleiben , denen eine Bitte um Berücksich-
tigung zusteht. Da nun das Ministerium nicht den engen Gesichts-
kreis der städtischen Verwaltung kennt, wird es jedenfalls bei der
Besetzung seiner Stollen diese Candidaten, sofern sie sich sonst taug-
lich erweisen, berücksichtigen. Daraus folgt unmittelbar, dasz die
Aussichten der untern Gymnasiallehrer an den städtischen Schulen
sich verringern; denn gesetzt, dasz die Oberbehörde den Lehrer an
einer nicht ministeriellen Anstalt zu befördern gedenkt, so kann dem
Studien zum Gymnasialweaen. 69
leicht im Wege stehen, dasz sie dabei diie Interessen der noch nicht
angestellten benachtheiligen mOste, weil die neue entstehende Va-
canz ihr nicht zur Verfagnng steht. Es folgt daraos weiter, dasz in
der Regel — Ausnahmen treten natOrlich überall ein — bei Erledi-
digung höherer Schulstellen innerhalb ministeriellen Patronates die
Lehrer an andern Staatsanstalten eher bedacht werden, als die Lehrer
an den städtischen Gymnasien.
Das kann nun keine andere Folge haben , als dasz das Lehrer*
collegium der stadtischen Schule, indem an anderweitige Versetzung
nicht wol zu denken ist, sich auf das ascendieren beschränkt sieht.
Darum wird es bei jeder eintretenden Vacanz alle möglichen Mittel
in Bewegung setzen, nm zu verhindern, dasz eine neue Kraft in die
Mitte geschoben wird, es wird nach oben herauf drängen, ja es wird
sogar, wenn etwa die 3. Lehrerstelle vacant wird, der 4. Lehrer um
der nachfolgenden willen sich gezwungen sehen , auf eine Ascension
Anspruch zu machen, damit die übrigen folgen. Bisweilen wird es
freilich unmöglich sein, einen Posten durch Ascension auszufallen:
aber was wird dazu gehören, um diese Ueberzeugung zur Geltung
zu bringen? Wird doch der einsichtsvollste und wolmeinendste Di-
rector bis an die üuszerste Grenze der Möglichkeit im Interesse sei-
ner Collegen gehen. Wie viel bleibt aber zwischen einem Zustande,
der noch allenfalls erträglich, und einem Zustande, wie man ihn wün-
schen musz, in der Mitte liegen? Dasz also die städtischen Gymna-
sien das Bestreben haben, so lange es nur irgend thnnlich ist, sich
unten zu ergänzen, ist begreiflich, und es wäre nnbillig, sich darüber
EU wundern.
Wenn aber ja die Gcwisheit eintreten sollte, dasz mit der Ascen-
sion nicht oder nur bis zu einem gewissen Punkte durchzudringen
sei, dann entschlieszt man sich gewis am schwersten zur Befürwor-
tung eines inländischen Candidaten ; dann ist eine von auswärts her-
geholte Persönlichkeit viel erwünschter, weil das weniger verletzend
aussieht. So vortrefflich es nun auch ist, fremde Kräfte heranzuzie-
hen, wo die im Lande beflndlichen entschieden nicht ausreichen, wie
stehen sich solchem Eintritte fremder gegenüber die jüngeren, denen
mit jeder solchen von auszen her besetzten Stelle ein Theil ihrer Le-
bensaussichten schwindet? Denn in das Ausland zu gehen ist fQr
jeden, der eine wirkliche Anhänglichkeit an den Boden besitzt, dem
er durch Geburt und Erziehung angehört, keine so ganz leichte Sache.
Es ist auch änszerlich nicht so leicht. Einem Lehrercollegium ist
aber vor allem zu wünschen, dasz es vor jeder Stagnation be-
wahrt werde. Die Erfahrung hat gezeigt, dasz davor nichts besser
schützt, als die bisweilen eintretende Durchdringung mit frischen
kräftigen Elementen. Daza «dient eine Versetzung der Lehrer von dem
einen Gymnasium an das andere, die freilich nicht zu oft eintreten,
aber auch nicht so zur Unmöglichkeit werden darf, wie an unsern
städtischen Gymnasien. Diese rettet zugleich vor dem absolnten
Ascensionsprincip, fördert die besseren Talente, bewahrt vob Mismnt
70 Studien zum Gymotsialwesen.
und Erschlaffung. Bei dem Eintritte neuer Lehrkräfte aber ist es wia-
scbenswertb, dasc dieselben nicht immer an der anfersten Stelle sieh
ansetzen; denn ist schon eine Stagnation vorhanden, so wirkt diese
leichter auf den untersten Lehrer, als dass dieser eine Gegenwirkung
ausüben könnte.
Vieles von dem, was wir gesagt haben, liesze sich an einaelaea
Verhältnissen nachweisen: wir dürfen aber unsere Betrachtung um
so weniger dahin ausdehnen , als wir weniger den ausübenden Per-
sönlichkeiten, als der Lage der Dinge die Schuld beimessen möchten.
Aber den Unterschied zwischen der gesamten Lage der Fürstenschn-
len und der meisten staatlichen Gymnasien überhaupt und der städti-
schen Schulen kann man wol nicht verkennen. Wenn aber die un-
vortheil haften Zustände der letzteren durch den zweckmäszigeren
Zustand jener nicht vollständig ausgeglichen wurden, wenn jene nicht
im Stande waren, der Abnahme der Sympathien der sächsischen Be-
völkerung für das Gelehrtenschulwesen und den klassischen Humanis-
mus genügend entgegenzuwirken, so darf man nicht übersehen, dass
die Landesschulen geschlossene Anstalten mit beschränkter Schüler-
zahl sind , und dass die Gymnasien zu Zwickau und Plauen erst vor
kürzerer Zeit an den Staat übergiengen und das eine der letzt-
genannten sich notorisch in einer nicht ganz befriedigenden Lage
befand.
Wir gehen gleich zu dem zweiten Punkte über, der mit dem er-
sten theils zusammenhängt, theils gleichfalls besonders auf die städti-
schen Gymnasien Anwendung leidet: das unzweckmäszige Klassen-
lehrersystem der städtischen Gymnasien in seiner traditionellen, nicht
gesetzlichen Stabilität. Gegen den Grundsatz, dasz jede Gymnasial-
klasse ihren Klassenlehrer, Ordinarius, habe, wird wol niemand et-
was einwenden, vielmehr ist es eine didaktisch und paedagogisch
heilsame , ja nothwendige Einrichtung. Denn ebenso wie namentlich
in den untern Klassen der Lehrplan einen Schwerpunkt in einem Lehr-
object verlangt, bedarf es auch einer in der einzelnen Klasse vor-
zugsweise wirkenden Persönlichkeit: je niedriger die Klasse, desto
dringender ist diese Forderung. Freilich musz auf dem Gymnasium
das Fachlehrersystem neben dem Klassenlehrersystem hergehen; es
handelt sich nur um eine angemessene Verbindung beider. Nicht die-
sen Grundsatz also, dasz jeder Lehrer ^ namentlich des philologischen
Gebietes, eine Klasse besonders führen und in derselben Vorzugs*
weise beschäftigt sein soll, greifen wir an, sondern seine falsche
Behandlung. Hier stellt sich recht deutlich heraus, dass das beste
System durch falschen Gebrauch schädlich wird, und dass die besten
Vorschriften unwirksam werden.
An unsern Gymnasien, namentlich städtischen, ist nemlich Rang-
ordnung, Ordinariatsstellung und Gehaltbezug miteinander eng ver-
bunden. Nun besagt zwar unseres Wissens die Lehrerinstructioa, dass
jeder Lehrer die ihm vom Rector übertragenen Stunden zu geben hat,
was darauf sohliessen läszt , dass dem leitenden die Verwendung der
Stadien zui SyMiniiialwesea. 71
Lehrkräfte in einer angemessenen Weise ttberlassen werden soll
Aber die Praxis weiss von diesem schönen Grandsatse, der, sich in
gehörigen Schranken bewegend, vortreffliches bewirken würde, sel-
tene Anwendung. Es ist nnvermeidlich, dasz der letste Lehrer Ordi-
narius der letzten Klasse wird , und höchstens in der n&chst voran-
gehenden noch unterrichtet, und so rückt er nun in Gehalt, Rang und
Ordinariat sugieioh vor. Das gibt , wenn Veränderungen im Lehrer-
collegium lange auf sich warten lassen, eine Stabilität, die über das
rechte Mass hinausgeht. Dabei wird der individuellen Befähigung
gar keine Berücksichtigung geschenkt; wer in Tertia war, muss dann,
wenn eine Ascension stattßndet, nach Secunda, will er sich nicht
auch in Gehalt und Rang überspringen lassen. Und in welcher Weise
ist die Befähigung zu lehren und zu wirken verschieden ! Während
ferner jeder Unterricht im Grunde gleich viel Worth hat, bildet sich
so eine ganz falsche Werthscbätzung, indem Jeder nur nach den obern
Klassen hinaufschielt, weil mit dem Unterricht in diesen, wenig-
stens in den alten und der deutschen Sprache, auch die Gehaltverbea-^
sernag, und zwar nur durch jenen, kommt. Wie nachtheilig wirkl
das auf die jungem Lehrer, welche meist voll wissenschaftlichen Ei«-
fers, oft mit reichem wissenschaftlichen Materiale eintreten, wenn
sie nun so gut wie keine Aussicht haben, je nach Secunda oder Prima
zu gelangen! Oben, bei den älteren Lehrern, fehlt der Sporn, unten^
bei den jüngeren, ermattet die Lust, zumal wenn der Gehaltunterschied
ein gar zu unverhältnismäsziger ist. Dabei aber musz man noch be-
denken, dasz, wenn die Gymnasien einen faulen Fleck, so zu sagen,
haben, dieser darin liegt, dasz sie das didaktische Element zu sehr^
das paedagogische zu wenig betonen. Fragt man aber, was einem
jungen Manne leichter wird, den Xenopbon oder Vergil zu erklären,
oder Knaben von 10 — 11 Jahren geistig und sittlich zu führen, so
ist doch wol die Antwort nicht schwer. Für den Unterricht thut die
unmittelbare geistige Frische verbanden mit tüchtiger Vorbereitung
viel, ja oft mehr als lange Praxis, vermöge des Eindrucks, den diese
Frische auf den Sinn des Jünglings hervorbringt; paedagogisch aber
kann sich niemand vorbereiten, indem hier neben der eigen thümlichen
Begabung die allmählich gesammelte Erfahrung wirkt. Denn dabei
kommt es auf die gesamte religiös-geistig-sittliche Natur an, nicht
blosz auf das wissen. Wer aber möchte mehr von sich sagen , als
dasz er langsam, in allmählicher Entwicklung, vielleicht selbst durch
heftige Krisen fortschreite nnd niemals zn einem Abschlusz voller
Befriedigung komme?
Jenes Klassenlehrersystem nun, indem es Rangstellung, Gehalt-
bezug und Unterrichtskreis zusammenwirft, verhindert die Schule
durchaus, von der eigenthflmlichen Begrabung des einzelnen den mög-
lichsten Vortheil zu ziehen. Der Schule kommt auf diese Weise we«
der der besondere Studienkreis des einzelnen zu gute, noch die be-
sondere didaktische Begabung, noch die paedagogische Tüchtigkeit.
Die ersten Lehrer werden ihre gesammelte reiche Erfahrung > *-? dasz
72 Stadien sum Gymnasialwesen.
sie paedagogisch lüchtig sind , müssen wir hier voraussetzen *— nie-
mals in den untern Klassen, wo es sich vor allem um das erziehen
mit handelt, verwenden, der jüngste Lehrer, der bis vor kurzer Zeit
nur in der Wissenschaft lebte , wird stets nur da arbeiten , wo es
vor allem einer paedagogischen Erfahrung, einer Bekanntschaft mit
Kind und Kindesnatur bedarf. Fügen wir nun noch hinzn, was wir
später noch anseinander zu setzen gedenken, dasz die Gymnasien
überhaupt am Mangel der paedagogischen Behandlung ihrer Aufgabe
leiden , so wird es wol erklärlich sein , wenn wir die feste Ueberzeu-
gung hegen, dasz jenes doch gewis nichts 'weniger als paedagogische
Verfahren in der Vertheilung der Lehrkräfte verbunden mit dem
Ascensionsprincip und der Unbeweglichkcit einzelner Schulcollegien
keinen günstigen Einflusz auf die Lage der sfichsischen Gymnasialsta-
dien aasgeübt hat.
Anderwärts steht die Sache anders. So liegt z. B. im Groszher-
xogthum Hessen den Direotoren die Vorschrift vor, die Lehrer inner-
halb der durch ihre Qualification gegebenen Schranken nach bestem
Wissen und Gewissen zu beschäftigen. Auch in Preuszen schliezt das
Klassenlehrersystem durchaus nicht aus, dasz der besondern Befähigung
Spielraum gegönnt wird. In Frankreich aber hat das starre Klassen-
lehrersystem (vgl. Holzapfel über das französ. Unterrichtswesen) zu
einer völligen Stagnation geführt. Uebrigens befinden sich auch ein-
zelne sächsische Schulen in einer entschieden bessern Lage, so na-
mentlich die Landesschulen.
Noch ^ines Uebelstandes , der aus den gemischten Patronaten
hervorgeht, wollen wir Erwähnung thun: es ist dies die grosze Un-
gleichheit der Besoldungen, welche bei der geringen Zahl der Gym-
nasien um so unvortheilhafter ist. Freilich werden Ungleichheiten nie
ganz verschwinden , aber wären die Gymnasien in öiner Administra-
tion vereinigt, würde doch auch hierin sich vieles ausgleichen lassen.
Gewis ist diese Lage der Dinge dem Scharfblick der Regierung
nicht entgangen und Gegenstand ihrer Erwägungen geworden. Darauf
deutet schon die in den letzten Jahren bewirkte Uebernahme einzelner
Gymnasien hin. Freilich wird, wenn eine Vereinigung aller dieser
Anstalten unter der anmittelbaren Leitung der Oberbehördo bezweckt
wird, dies weder schnell, noch leicht zu bewirken sein. Aber der
Wunsch wird ausgesprochen werden dürfen, dasz es mit der Zeit da-
hin kommen möge , auf dasz Sachsen seinen alten guten Ruhm in die-
sem Gebiete nicht erbleichen sehe.
Wir gehen zum dritten Punkte über, der praktischen Lehrprobe
der Schulamtscandidaten.
Es ist gewis im Schulwesen eine der schwierigsten und wich-
tigsten Aufgaben, für das heranwachsen tüchtiger Lehrkräfte Sorge
zu tragen. Hiebei machen sich zwei Forderungen vorzugsweise gel-
tend: einmal die einer tüchtigen wissenschaftlichen Bildung, und
zweitens die einer speciellen didaktischen Vorbereitung.
Die erste Anforderung liegt auszerhalb der Grenzen unserer Bo-
Stadien mm GyMiuialwasen. 73
trachtang: sie gehört der UniTerdtift, besonderi der philosophischen
Facalt&t derselben an. Die Tüchtigkeit dieser wird fOr die Tüchtig-
keit der an bildenden Kräfte eine der ersten Bedingongen sein, da
man nicht yon der Voranssetzang ausgehen kann , der einaelne stu-
dierende bringe den gröszern Tbeii seiner Studienzeit auf fremden
Universitäten zu. Es heiszt zwar die Bedeutung der Vorlesungen und
der Anleitung aberschätzen, wenn man meint, von ihnen gehe aller
Gewinn aus, indem es auf der einen Seite gar sehr anf die Tüchtig,
keit der Schulbildung und der häuslichen Erziehung, auf der andern
auf den Fleisz und die Begabung des studierenden ankommt, und
sicher nicht nur die Richtung der Zeit in religiöser, wissenschaftli-
cher, socialer Beziehung, sondern auch die specielle Gestalt dieser
Richtungen in der einzelnen Universitätsstadt bedeutende Einwirkung
äuszert.
Den Abschlusz der wissenschaftlichen Lernzeit bildet nnn das
Examen für das Lehramt, das selbstverständlich in der Universitätsstadt
selbst abgehalten wird. Auch über die Einrichtung dessen erlauben
wir uns nur den Wunsch auszusprechen , dass jede Lehrerprüfung in
Verbindung mit einer Religionsprüfung geblieben sein möchte, und
daran möchten wir noch den Zweifel knüpfen, ob die Oeffentlich-
keit des mündlichen Examens eine besondere Nothwendigkeit sei.
Diese Prüfung steht doch erst an der Schwelle des öffentlichen Le-
bens, nicht in demselben, und da es nichteine gewöhnliche Schul-
Prüfung, sondern ein Examen ist, von dem für den exaroinanden
manches abhängt, liesze sich vielleicht fragen, ob jeder zu prüfende
für eine solche Oeffcntlichkeit gleich befähigt ist.
Man hat bisher mit dieser wissenschaftlichen Prüfung eine prak-
tische Lehrprobe verbunden. Es ist ganz gewis , dasz eine Prüfung
des Lehrers stattfinden musz, denn wie viele tüchtige Gelehrte gibt
es, welche sich für die Schule nicht eignen! Eine solche praktische
Prüfung, welche ergibt, welche didaktische und paedagogische Befä-
higung der Candidat besitzt, wird also jedenfalls vorgenommen wer-
den müssen. Es ist also nicht die Sache, welche uns vielmehr sehr
nothwendig erscheint, sondern ihre bisherige Gestalt, gegen welche
wir einige Bedenken äuszern möchten. Denn ist es wol nach dem bis-
herigen Bildungsgänge des examinanden zu erwarten, dasz er über-
haupt schon unterichten kann? Er hat wissenschaftliche Kenntnisse
gesammelt, auch wol paedagogische Vorlesungen gehört und im Se-
minar interpretiert, vielleicht auch erfahren, wie in dem oder jenem
Fache zu unterrichten ist, — aber dasz er schon unterrichtet hat,
ist wenigstens nicht vorauszusetzen. Es ist das ganz sicher ein Man-
gel in dem Bildungsgange für das höhere Lehramt, dasz es an prak-
(ischcr Uübung fehlt. Blan hat zu diesem Zwecke vorgeschlagen, das
philologische Seminar mit einem Gymnasium so zu verbinden, dasz
die Seminaristen einen Theil des Unterrichts besorgten. Das ist nun
zwar sehr freundlich für die jungen Philologen, aber desto unfreund-
licher gegen die Schüler gedacht, an denen herum experimentiert
74 Stadien cam GymiiMialwesen.
werden foll. Wir möchten deshalb sagen ^ die Universität habe auch
dem künftigen Lehter noch keine Praxis, sondern nur die wissen-
schaftliche Ausbildung su geben. Denn gesetst, man gründete
auch einige Seminarstellen, welche mit einer Anzahl von Unterrichts-
stunden an einer der Leipsiger Schulen verbunden w8ren, so wird
das erstens Kosten verursachen, und zweitens sich immer nur auf
einige Seminaristen erstrecken, drittens aber, wenn es von erheb-
lichem Nutzen sein sollte, sehr viele Schwierigkeiten herbeiführen.
Kann nun aber, wie die Sachen jetzt stehen, von einer vorangegan-
genen Lehrpraxis des Candidaten füglich nicht die Rede sein, so
scheint die Bedeutung jener Lehrprobe sehr zweifelhaft. Es kommt
noch dazu, dasz sie im Prüfungsiocale, nicht in der Schule abgehal-
ten wird. Zwar macht die Schulstube nicht den Lehrer , aber sie
gehört zu ihm ; da erwacht die paedagogische Natur und äuszert sich
unwillkürlich.
So wie die Universitätszeit für den künftigen Lehrer die Zeit
der wissenschaftlichen Ausrüstung, so scheint uns das Probejahr die
Zeit des praktischen lernens, theils durch das eigene unterrichten,
theils durch das zuhören beim Unterrichte anderer. So wie das wis
senschaflliche Examen am Schlüsse der Universitälszeit steht, meinen
wir, müste das praktische Examen am Schlüsse des Probejahres ste-
hen. So wie jenes von den Professoren abgehalten wird, welche die
Vertreter der wissenschaftlichen Gebiete sind, müste das praktische
Examen vor der Behörde stattfinden , welche die gesamte Ausübung
des Berufes leitet, vor dem Ministerium selbst. Sollten nicht alle
betheiliglcn gewinnen? Der Candidat, der dadurch an das Probejahr
in einer noch ganz andern Weise gewiesen wird, der zugleich eine
Gelegenheit erhält, sich über seine Brauchbarkeit vor der Behörde
unmittelbar auszuweisen, von der er seine Verwendung im Leben zu
erwarten hat? Die Behörde, welche dadurch nicht nur alle ihre her-
anwachsenden Kräfte, sondern auch den Grad ihrer Verwendbarkeit
und die Art ihrer besonderen Befähigung genau kennen lernt? Die
Schule überhaupt, welche ja durch das, was jene gewinnen, mit ge-
winnen musz? Auch scheint eine praktische Schwierigkeit nicht vor-
zuliegen; denn würden die wissenschaftlichen Prüfungen in Leipzig
jedes Semester kurz vor dem Schlüsse gehalten, so würden alle Probe-
jahre mit einem Semester beginnen und also auch praktische Prflfu-
gen nur zweimal im Jahre stattfinden. Da aber Dresden zwei Gym-
nasien und zwei Realschulen hat, ein drittes Gymnasinm sich in der
Nähe befindet, würde es wol leicht sein, an einer dieser Schulen die
praktische Prüfung vorzunehmen , die dann freilich umfänglicher sein
müste, als die bisherige.
Es sei gestattet, schlieszlich noch einmal den Inhalt unserer Be-
trachtungen in einigen kurzen Sätzen zusammenzufassen:
1) Die Realschule, welche der mangelhaften Erscheinung und nicht
genügenden Durchbildung des Humanismus im vorigen und in diesem
Jahrhunderte früher ihre Entstehung, jetzt ihre Ausbreitung dankt,
Skidien sali fiyHMiialwafeD. 7S
niolistdea aber darek den gesunUn RdalinMu daa modarnan Labeoa
in sainar wolthiligan nnd nnwoithitigaa Riaktang bagfinatigt wird,
bat ala aelbatindiga neben den CrymDasiani von laten auf bestabenda
Bildungsanstalft nicbt die Fibigkait ihre Schaler in einer jenem ant-
aprechenden Weise anssabilden. Denn sie besitzl innerhalb das ihr
eigentbttmlichen Lehrmaterials kein ausreichendes formales Bildongs*
mitlel and tritt darum leicht in ihren Leistungen selbst auf dem rea-
len Gebiete hinter das Gymnasium aurack. Durch eine gründliche Be-
treibung der lateinischen Sprache aber geht sie ans dem realen in
einen halb -gymnasialen Charakter über und gerSth dadurch um so
stärker in die Unsicherheit ihres Wesens, a wischen einer allgemein
bildenden Anstalt und einer Fachschule hin und her schwankend.
2) Das Gymnasium wird, wenn es den realen Unterricht in ange-
messener Weise behandelt und zaglesch durch eine energischere För-
derung der Schüler innerhalb der Schule und bei geringerer Ueber-
bürdnng derselben mit häuslicher Arbeit die Selbstthätigkeit und den
Bildungstrieb der lernenden mehr belebt als unterdrückt, recht wol
sich auch für solche Schüler eignen, welche nicht die Universität be-
suchen , sondern früher in eine Fachschule oder in die Praxis über-
gehen. Theils aber, weil die Realschulen historisch geworden sind,
theils auch weil die Zeitstimmung nicht unberücksichtigt bleiben kann,
empfehlen sich unter den Realschulen diejenigen, welche in Gemein-
schaft mit dem Gymnasium bestehen , so dasz erst nach einem gemein-
schaftlichen Cursus in den untern Klassen (wo möglich erst naclr dem
vollen Cursus der Quarta) beide Richtungen , von da an sich selb-
ständig weiter entwickelnd , auseinander gehen.
3) Zu dem Aufschwünge des Realschulwesens in nnserm Lande hat
neben den allgemeinen Zeitverbältnissen und der industriellen Cultur
Sachsens die eigenthümliche Lage der Gymnasialstudien mitgewirkt,
indem die Verfassung eines Theiles unserer Gymnasien dieselbe in
die Gefahr bringt einer gerade .die Schulen leicht ergreifenden Stag-
nation und unpaedagogischer Praxis anheimaufallen. Wenn ferner von
vielen Seiten nnd wol mit Recht eine stärkere Betonung des paeda-
gogisahen Elementes im Stande der Gymnasiallehrer gewünscht wird,
so könnte wol einem solchen Wunsche eine Umgestaltung des prak-
tischen Theiles des Lebramtsexamens entgegenkommen, indem diese
praktische Prüfung an das Ende des Probejahres und vor eine andere
Behörde verlegt würde.
4) Vermöge seiner historischen Bedeutung, als ein Hauptfactor im
deutschen Geistesleben, sowie wegen seiner Innern idealistischen Ober
das Leben nnd die Materie erhebenden, au Genügsamkeit und Resig-
nation, zu Pietät und Sittlichkeit erziehenden Kraft hat der Humanis-
mus, welcher auf der Basis ainaa positiven christlichen Glaubens und
Bekenntnisses ruht, nicht nur vollgiltigen Anspruch auf Unterstützung
und Förderung, sondern er ist auch unzweifelhaft eines der ausgie-
bigsten und kräftigsten Mittel, zur Hebung des ganzen Lebens dar
Gegenwart und zur Paralysierung der materialistischen Richtaagen in
76 Zu Xeoopb. Anab. III 4, 19—23.
allen Gebieten einen echten IdealismuB in christlichem Sinne hervor-
zurufen und zu beleben. In diesem Sinne ist er befähigt zu wirken
und wird als ein solcher Factor im Bildnngsbewustsein der deutschen
Nation bleiben, wenn auch seine äuszere Erscheinung hie und da hin-
ter der durch sein Wesen bedingten Aufgabe zurückbleibt. Um so
mehr aber bedarf er allseitiger Anerkennung, Aufmunterung, Lfinte>
rung, als schon die historische Betrachtung zeigt, dasz bisher immer
der Kampf gegen das klassische Alterthum dazu diente, den Klassi-
cismus oder Humanismus aufs neue zur Geltung, wenn auch in weiter
entwickelter Gestalt, zu bringen.
Dresden. F. Paldamus,
9.
Zu Xenoph. Anab. III 4 19 — 23.
Ileraiisgeber und Militärpersonen haben die bezeichnete Stelle
besprochen und zu erläutern gesucht; bei alle dem aber sagt noch
Mallhiae in seiner Ausgabe: ^ Die folgenden §§ sind sehr dunkel.
We<ler die Ursachen , warum die bisherige Marschordnung unsweck-
mäszig war, noch die Art und Weise, wie sie verbessert ward, ist
deutlich auseinander gesetzt. Vermutlich ist der Text hier vielfach
verdorben.' Ich kann diesem Urtheile nicht beistimmen, was Matthiao
vermiszl ist wenn auch kurz ausgesprochen. Die Hauptsache fflr das
Verständnis namentlich der § J9 und 20 ist, sich vor der Ansicht zu
hüten, als sei alles nach den Regeln der Taktik vorgenommen, und
danach diese §§ durch bildliche Darstellung veranschanlichen zu wol-
len. Köchly und Rüstow, denen man, was die Stellung der einzelnen
Truppenkörper betrifft, in der Anordnung des Vierecks während ei-
nes Marsches durch die Ebene vollkommen beistimmen musz (vgl. § 26
und 43), haben S. 186 in der Fig. 79 und dann in $ 45 Seite 187 den
Durchmarsch durch ein Defilee so erläutert, dasz dabei durch ReohCf-
und Linksabmarsch die schönste Ordnung bewahrt wird uud ein Nach-
theil nur in der OefTuung der T^te und der Queue bestehen soll. Aaf
unsere Stelle kann jedes taktische Manöver nicht angewandt werden
und haben die genannten Vf. gewis absichtlich alles eitleren dersel-
ben vermieden. Bei Xenophon herscht beim defilieren keine Ordnung,
sondern Unordnung, es geht aus der ganzen Darstellung hervor, dasz
Xoiiophon und seine Milstrategen das defilieren mitteist eines Links-
und Rochlsabmarsches der T6te nicht kennen. Bei Xenophon rückt
vielmehr das Viereck mit der ganzen Breite seiner Front vor das
Deiiloü ; daselbst beginnen die Seiten sich nach der Mitte zu zusam-
men au ziehen (cvyTwntuv); dabei löst sich, weil jeder je eher je
Zu Xcnoph. Aiiab. Ilf 4 19—23. 77
lieber hindurch zn kommen suchte {lisnevdtv fhutorog ßovkofievog ^a-
aai TtQmtog) jede Ordnung und feste Geschlossenheit des Vierecks
auf, es entsteht ein allgemeines drängen und stossen von allen Sei-
ten, von hinten nach vorn und in diesem Gedränge werden nament-
lich die Hopliten von ihren Stellen gedrangt (in&Ußovxai) und das
Viereck kömmt auf der andern Seite in so gründlicher Verwirrung
(xaQcmofiivovg) an, dasz viele der herausgedrängten weit von ihren
Plätzen zerstreut waren (Siaanaad-ai) und in Folge dessen das Vier-
eck selbst nicht wieder sofort auf allen Seiten geschlossen war und
xevov yiyvEXcci xo [liaov xav KSQcczfiov,
Es besteht somit die Unzweckmäszigkeit der bisherigen Marsch-
ordnung einfach darin, dasz nicht bestimmt war, welcher Theil des
Vierecks bei einem Defil^e zur Verminderung der Front abzubrechen
und zu warten habe.
Sollte Abhülfe werden, so muste das unzeitige, Verwirrung her-
vorbringende vordrängen aller auf einmal vermieden und durch ein
faktisches Mittel jene Verkleinerung der Front erzielt werden.
Zu diesem Zwecke werden 6 Lochen gebildet, von denen nach
§ 43 drei an der Tdte , drei bei der Nachhut stehen. Ihre Bestimmung
ist vor einem Defllee zurückzubleiben und erst nach dem geordneten
Durchmarsche des übrigen Heeres sich wieder der Queue anzuschlie-
szcn. Allerdings sagt Xenophon nicht, wie jenes ^vTtiiievov varsQOi*
taktisch ausgeführt ist, aber deshalb ist die Stelle nicht duukler und
ebenso wenig nicht verdorben, als viele andere, an denen wir eine
ausführlichere Beschreibung der taktischen Einrichtung vermissen (z.
ß. über oQd'ioi Ao;(;of) :' Xenoph. schreibt nicht eine Taktik, sondern
für der Taktik kundige Griechen.
Köchly und Rüstow haben S. 18d ein taktisches Manöver aus
unserer Stelle (§ 21 — 23) entwickelt und durch Fig. 80 veranschau-
licht, aber ihre Darstellung: ^Kam man an ein Defilee, so eilton die 3
Compagnicn der Tete voran, die Flanken zogen sich nebeneinander
durch' usw. ist gegen Xenophons ausdrücklichen Ausspruch; ^dasz sie
zurückblieben '. Ich glaube deshalb , dasz auch hier nicht an ein be-
sonderes taktisches Manöver, durch welches die 3 Compagnicn der
Tdte vorn blieben, zu denken, vielmehr ganz einfach anzunehmen ist,
dasz dieselben vor einem Defilee aus der Mitte der Front heraus zur
Seite treten und so den Seilen {ciate fi^ ivoxXeiv rotg ^iquat) Raum zum
zusammenrücken verschalTen. Wahrend sie so den gedrängter mar-
schierenden Seiten auch zum Schutze gegen die nachrückenden Feinde
dienen können , lassen sie die Seiten an sich vorüberziehen, schlie-
szen sich den aus der Queue zurückbleibenden an und ziehen mit die-
sem dem Viereck nach, in dessen sich öffiiende Seiten sie nun ver-
einigt als Queue einrücken. Will man aber ein abbrechen der Seiten
mehr nach den strengen Regeln der Taktik in § 21 — 23 suchen, so
müssen wir uns die 6 Lochen während des Marsches durch eine Ebene
entweder nach Fig. 1 an den äuszern oder nach Fig. 3 nach den Innern
Seiten des Vierecks aufgestellt denken.
78
Zu Xenoph. Anab. 111 4 19—33.
Fig. i. Fig. 2.
a
b
a
b
c
b
b
b
a
b
a
h
e
»
In diesen und den folgenden Figuren bezeichnen die Buchstabeu das-
selbe nnd zwar a die Stellung der 6 Lochen, b die übrigen Hopliten, c
Trosz und LeichtbewalTnete.
Welche von beiden Stellungen die richtige sei , möchte schwer zu
entscheiden sein; wegen der Worte l^ooOcv xmv Kegavtav könnte die
Stellung Fig. 2 die richtigere sein, aber wegen der bequemeren Aus-
führung und nach Analogie der heutigen Taktik empflehlt sich die
Stellung nach Figur 1. Bei Annahme von einer der beiden Stellungen
würde ddr fernere Verlauf des durchdefilierens im ganzen derselbe
und etwa folgender sein. '
Kommt ncmlich das Viereck vor ein Defilee, so bleiben die 6
Lochen auf das Commando ihrer Führer stehen (yninevov varegoi) und
lassen die übrigen Theile des Vierecks an sich vorüber hindurch zie-
hen. Bildlich dargestellt würde Fig. 3 das zur Hälfte etwa im Deft-
leo, zur Hälfte noch vor demselben beflndliche Viereck nnd die Stel-
lung der 6 Lochen bei Annahme von Stellung Fig. 1 veranschaulichen ;
Figur 4 dasselbe bei Stellung nach Figur 2.
Fig. 3.
Fig. 4
Der Vorbeimarsch geschieht in der besten Ordnung, denn, sagt Xe-
nophon : ovx kaQatxowOj alk^ iv x^ (Ugit ot koxayol 6$ißatvov> —
F. W. Leuze: Ldirgang der gr. Spraeh«.
7»
Fig.
— r
Sind die Colonnea des Viereoks vorüber, to sehlie-
szen sich die 6 Lochen aneinander und marschieren
hinter demselben nebeneinander auf (tou de naQ^-
yov XTÜ.)? ao dasz die jetzige Stellang sich durch
Fig. 5 veranschaulichen Ifiszt.
Da nun aber das vorrfickende Viereck jeden-
falls eine beträchtliche Tiefe hatte, so war es nicht
möglich, dasz die 6 Lochen etwa durch schnelleren
Schritt ihre alte Stelle im Viereck (sei es nun auf
den beiden finszern Seiten nach Fig. 1 oder au den
innern nach Fig. 2) wieder einnehmen konnten.
Um ihnen jedoch einen Platz im Viereck zu sichern,
trennen sich nach dem Durchmärsche die Shiten
desselben an der Queue und die 6 Lochen rücken in diesen Zwischen-
raum und nehmen so die Stellung von Fig. 6 Fig. 6.
ein. Diese Stelle behalten sie bis das eigent-
liche Viereck wieder hergestellt werden soll
(xai iX Ttov dhi, xi xi^g ipiXayyog). Wahr-
scheinlich machte zu diesem Zwecke das Heer
einen kurzen Halt, denn viel Zeit konnte der
Wechsel der Stellung nicht wegnehmen, da
sie {htattti^ctv ovxot) in der Nähe, bei der
Hand waren.
Auf diese Welse habe ich mir die Stelle
deutlich zu machen gesncht, doch irren ist menschlich und deshalb
würde es mir lieb sein , wenn andere meine Darlegung prüften und
ihre abweichenden Ansichten recht bald in diesen Blättern mittheilten,
Clausthal. F, Vollbrecht.
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b
a
b
F. W. Letae: Lehrgang der griechischen Syntax. Für Schulen
und mm Privai-Oebrauch. Tübingen bei Moser 1855. VI
n. 198 S. 8.
Das Buch, welches nach der auf der Rückseite des Umschlages
abgedrnektea Ansicht des Verlegers ^abweichend von allen seither
angewendeten Methoden seinen Gegenstand behandelt' und *an der
Hand eines bestimmten ans einigen griechischen Klassikern gewählten
Stoffes eine slufenmäszige Entwicklung der für den Schüler gewöhn-
lich so schwierigen Syntax bietet', besteht aus zwei Abschnitten.
Der erste enthält nach einer Einleitung über die nothwendigen Be-
griffe ans der Satzlehre in 11 Leclionen als Grundlage die Lebensre-
geln des Isokrates , denen nach der Zusammenstellnng der Regeln von
80 F.- W. Leuzo: Lehrgang der gr. Sprache.
S. 55—69 in 8 Lectionen Stoff sur Anwendung dieser Regeln nebst
einem Wörterverzeichnis folgt.
Der zweite Abschnitt enthalt nach einigen nothwendigen stilisti-
schen VorbegrifTcn , die einige Hanptunterschiedo des deutschen und
griechischen Periodenbaues, Uangordnung und Stellung der Sätze und
Wörter (Chiasmus und Anaphora) und ähnliches behandeln, in 14 Lec-
tionen Stücke aus Plutarch, Isokrates und Lukian, denen sodann wie-
derum 12 theils lateinische thcils deutsche Stücke zum übersetzen
ins Griechische zur Anwendung der gefundenen Regeln folgen.
Die Behandlung der griechischen Stücke ist in beiden Abschnit-
ten dieselbe. Unter jeder Lection finden sich nemlich Anmerkungen,
in denen nach der Auswahl des Verfassers die syntaktischen Verhält-
nisse kurz erläutert werden, wobei derselbe mit dem einfacheren
beginnt und von Lection zu Lection zu schwererem und complicier-
terem aufsteigt. — Während die Bemerkungen die syntaktischen Re-
geln in bunter Reihe aus den verschiedenen Theilcn der Syntax neh-
men, folgt ihnen sofort eine Zusammenstellung, in der die vorge-
kommenen Regeln der betreffenden Lehre untergeordnet werden. Am
Ende eines jeden Abschnitts findet sich dann noch einmal eine Ueber-
sicht über die vorgekommenen Regeln nach dem syntaktischen Sy-
steme und zwar so, dasz der erste die in den il Zusammenfassungen
vorgekommenen Regeln zu einem ganzen vereinigt, der zweite Ab-
schnitt dagegen mit einer Gesamtzusammenfassung abschlieszt. Bei
dieser Einrichtung kommt, abgesehn von den Verweisungen und
Wiederholungen in den Anmerkungen, jede grammatische Bemer-
kung des erstens Abschnitts viermal und jede des zweiten Abschnitts
dreimal zur Besprochung und in den Uebungsbcispielen mehrfach zur
Anwendung. Das ist die Einrichtung, die viel empfehlendes hat, um
so mehr da die Anmerkungen sich meist durch praecise Form aus-,
zeichnen und für jüngere Lehrer viel anregendes haben.
Mit dem Zwecke des Buchs können wir aber principiell nicht
einverstanden sein. Der Vf. hat es zwar nicht ausgesprochen, aber
die Anmerkungen zur 1 Lection , welche die leichtesten syntaktischen
Regeln trotz des vorhergegangenen lateinischen Unterrichts wiederum
vorführen (Bedeutung des Indic. , Congruenzlehro des adjectivischen
Praedicats und Acc. als transit. Obj. auf die Frage wen?), so wie
der Schlusz der Vorrede scheinen anzudeuten, dasz der Vf. sofort
nach der ersten Einübung der Formenlehre mit seinem Lehrgange be-
ginnen will. Gegen einen so frühen bespndern syntaktischen Cursns
und zwar in solcher Schematisierung hat sich die Paedagogik schon
längst ausgesprochen. Erst musz durch eine gut geleitete Leetüre in
der Tertia, bei der die meisten Anmerkungen des Vf. schon von
selbst vorkommen, so wie durch tüchtiges retrovertieren und repe-
tieren des gelesenen ein tüchtiger Grund gelegt werden, che von ei-
nem Unterrichte in der Syntax die Rede sein kann. Es fällt somit
dieser Unterricht in die Secunda und am besten erst in die Ober-Se-
cunda; für diese Classe möchte aber dieser Lehrgang nicht mehr aus-
F. Närcker: Lehrbuch der Geometrie. 81
reichen, weil ein grosser, wenn nicht der grösle Theil der Regeln
aas der Casuslehre, Lehre von den Praepositionen, Tempnslehre usw.
den Schülern durch die früheren Uebungen so bekanni sind, dasz ein
durchnehmen derselben an der Hand eines solchen Lehrgangs unnütz
wäre.
Clausthal. F. VoUbrechl,
5.
Lehrbuch der Geometrie für höhere Lehranstalten, Von Fr.
Mär eher, Prof. am Gymnasium in Meiningen. Erster Band,
geometrische Vorbegriffe und Planimetrie. Hildburghausen,
Kesselringsche Hofbuchhandiung 1853.
Das vorliegende Werkchen bietet insofern eine Eigenthümlichkeit,
als es eine mit vielem Fleisz ausgeführte Erörterung der geometri-
schen Grundbegriffe enthält , wie sie bisher in ähnlicher Weise wol
noch nicht versucht worden ist. Der Vf. geht vom Punkte aus und
leit^T durch Bewegung desselben die Linie und in analoger Weise die
Fläche ab , ohne jedoch sogleich den Unterschied zwischen gerader
und krummer Linie , sowie zwischen ebener und gekrümmter Fläche
zu berühren. Während andere Schriftsteller mit der Aufstellung die-
ses Unterschiedes, der allerdings für die Anschaaang als ein primi-
tiver gelten kann, sehr rasch bei der Hand sind, hat es dagegen dem
Vf. erforderlich geschienen eine Reihe von Zwischenbetrachtungen
einzuflechten, wodurch jene Distinction näher begründet und ihre
Nothwendigkeit fühlbarer gemacht werden soll. Zu diesem Zwecke
geht der Vf. genauer, als es sonst geschieht, auf die Drehung und
Umlegung der geometrischen Gebilde ein und gelangt dadurch u. a. zu
zw^i Lehrsätzen, welche die Möglichkeit der Geraden und der Ebene
darthun; er beweist nemlich einerseits, dasz es unter allen zwischen
zwei festen Punkten denkbaren Linien wenigstens eine geben musz,
deren Punkte bei der Drehung der Linie um jene Endpunkte sämtlich
ihre Stelle behalten, sowie andererseits, dasz es eine Fläche gibt,
die nach der Umlegung mit sich selbst coincidiert. Ref. gesteht gern,
dasz er diesem Gedankengange mit Interesse gefolgt ist, wenn er
auch hie und da einigen Anstosz an den aufgestellten Begriffen ge-
funden hat. So heiszt es z. B. S. 5: * jeder Punkt kann nach allen
möglichen Seiten fortbewegt werden ; man kann also auch von den
Seiten eines Punktes reden, worunter man die Hinwendungen
nach den Wegen, die er beschreiben könnte, versteht', ebenso wer-
den später an der Geraden und an der Fläche eine Vorder- und Hin-
terseite unterschieden. Hierin scheint dem Ref. ein Misverstindnii
zu stecken; wenn der Puirkf nach allen Richtungen hin bewegt wer-
iV. Jahrb, f. FhU, u, Ptud. Hd. LXXIV. Hß.2. 6
82 F* M&rcker : Lehrbach der Geometrie.
den kann 9 so folgt daraus nicht, dasz er verschiedene Seiten hst,
sondern nur, dasz um ihn herum aberall Platz ist, man könnte sogar
sagen, diese verschiedenen Seiten gehören nicht dem Punkte, sondern
vielmehr dem ihn umgebenden Räume. Ueberhaupt aber will dem
Ref. die Vorstellung der verschiedenen Seiten eines Punktes nicht
recht zusagen ; der Punkt wird dadurch gewissermaszen za einem nn-
endlich kleinen Polyeder von unendlich vielen Seiten und das ist
keine Anschauung mehr, sondern ein Begriff, in welchem der noth-
wendige Widerspruch des unendlich kleinen enthalten ist. Bei der
Fläche kann man allerdings eher von zwei Seiten reden, doch
möchte Ref. auch diese nicht der Flache selber als Besitzthum ver-
schrieben sondern nur darunter verstanden wissen, dasz die Fläche
den Raum in zwei Theile trennt, welche entgegengesetzt liegen. Ue-
brigens ist es auffallend, dasz der Vf. beim Körper nichts von dessen
Seiten sagt, obwol dieser ebenso leicht wie der Punkt nach allen
Richtungen hin bewegt werden kann; dem Vf. scheint daher an die-
ser Stelle selber ein stiller Zweifel über die Zulässigkeit des vorigen
Begriffes der Seite beigegangen zu sein, und in der That wftre hier
die Verwechselung zwischen der gewöhnlichen endlichen Anzahl von
Seilen =3 Begrenzungsflächen und den unendlich vielen Seiten =
^Hinwendungen nach den verschiedenen möglichen Wegen' unvermeid-
lich gewesen , wenn nicht eine neue Bezeichnung eingeführt würde.
— Doch das sind Kleinigkeiten und vielleicht von keinem Einflüsse
auf den Gedankengang des Vf.; Misgriffe der Art kommen bei jedem
ersten Versuche vor, ohne das Verdienst des Versuches zu schmälern.
Was die Anordnung des übrigen Stoffes betrifft, so nnter-
schcidet sie sich nicht bedeutend von der Euclids; sie ist folgende:
Gap. 1: Schneidende Gerade und Winkel, II: Figuren im allgemeinen
(Congruenzen) und die einfachsten Lehren vom Kreise, III: die Drei-
ecke, IV: Parallelenlheorie, V: Vielecke, VI: Flächenlehre, VII: Ver-
bindung des Kreises mit Geraden, VIII: Ausmessung geradliniger Fi-
guren, IX: Aehnlichkeitslehrc, X: Kreismessung. Wie Ref. über
diese Reihenfolge denkt, ist wol bekannt genug, indessen hat sie eipe
Art historischen Rechtes und wir wollen daher mit dem Vf. nicht dar-
über streiten.
Von sonstigen Eigenthümlichkeiten mögen folgende hervorge-
hoben werden. Der Vf. unterscheidet *Knie' und * Winkel'; ersterea
besteht aus zusammentreffenden endlichen Geraden ohne dasz bei die-
ser Verbindung ein Theil der Ebene beider Geraden gedacht wird,
beim Winkel dagegen sind die Geraden unbegrenzt und der zwischen-
liegende unendliche Raum gehört nothwendig zur Vorstellung (ebenso
unterscheidet der Vf. Trigramm nnd Dreieck usw.). Der unendliche
Winkelraum dient wie bei Grelle und Bretschn eider zur Ver-
gleichung der Winkel, wobei freilich der Uebelstand nicht zu um-
gehen ist, dasz man lauter unendlich grosze mit einander vergleicht
und den Satz vom verschwinden des endliehen gegen das unendliche
anwenden musz. Beides scheint dem Ref. weder wissenschaftlich
F. Mürcker : Lehrbuch der Geometrie. 83
noch paedagogiscb gerechtfertigt und er gibt daher der alten ErkU-
rung, welche den Winkel auf den Unterschied der Richtung zurück-
führt, den Vorzug; der Vf. tadelt an dieser, dasz hier der Unter-
schied nicht gleichartig mit den beiden verglichenen Gröszen sei^
doch ist dies nur dann ein Einwurf, wenn ^Unterschied' im streng
a ritbmetischen Sinne genommen wird; eingangs einer Geome-
trie thut dies wol niemand, doch kann man vielleicht besser * Ab-
weichung' statt ^ Unterschied^ sagen, wie schon Euclid. Für den Pa-
rallelismus benutzt der Vf. das Kennzeichen des nichtschneidens und
polemisiert gegen den Satz, dasz sich Parallelen im unendlichen
schneiden; hierin scheint aber die Bedeutung des unendlichen nicht
scharf gefaszt zu sein. Der Charakter des mathematisch unendlichen
ist die Unvollendbarkeit, daher sind alle Sätze, in denen vom unend-
lichen die Rede ist, eigentlich nur abgekürzte Ausdrücke für unvoll-
cndbare Processe; — -r— ^ heiszt: je kleiner die Aenderung des x,
mithin auch die von x^ ist, desto genauer wird das Verhältnis bei-
der Aenderungen = 2x; ebenso bedeutet jener Satz aus der Paral-
lelentheorie nichts weiter als: je entfernter der Durchschnitt zweier
Geraden liegt, desto weniger difTerieren sie von der parallelen Lage.
Der bestrittene Satz ist in diesem Sinne ohne Zweifel richtig und
nach des Ref. Ueberzeugnng nichts weniger als fiberflüssig. Ohne ihn
müste man (wie Euclid) fiberall, wo einmal zwei Gerade in einer
Ebene vorkommen, die beiden Fälle' des Schneidens und des nichts
Schneidens gesondert behandeln, was namentlich bei vielen Unter-
suchungen der neueren Geometrie zn widerwärtigen Weitläufigkeiten
führen würde. — Zur genaueren Berechnung der Kreisperipherie be-
dient sich der Vf. einer unendlichen' Reihe; sind nemlich u und U die
Umfange eines eingeschriebenen und eines umschriebenen regelmaszi-
gen Vielecks von gleicher Seitenzahl , und wird ferner ^-^ — mit q
bezeichnet, so gilt die Formel
2 « _ u (1 4- j^ q - 3Tö ^' + öfr *!•-••••).
Die Ableitung derselben zeugt zwar von analytischer Gewandtheit,
dürfte aber insofern ungenügend sein, als sie auf der unmotivierten
Hypothese
2 Ä = a (1 + Aq + Bq« + Cq» + . . .)
beruht; jedenfalls hätte der Vf. besser gethan einstweilen das ge<
wohnliche Verfahren beizubehalten und erst in der (noch nicht er-
schienenen) Trigonometrie die obige Gleichung ans der Reihe für
Aretan x abzuleiten , welche letztere sich elementar und streng ent-
wickeln laszt (Archiv d. Math. Bd. XVI S. 230).
Wenn Ref. im vorigen manches an dem Märckerschen Buche aus-
zusetzen gefunden hat, so wolle man daraus noch keinen Schlasz aaf
das ganze ziehen. Im allgemeinen betrachtet zeugt dasselbe von Je-
ner Selbständigkeit des denkens , die sich ebenso wol am die Sicher-
6*
84 Die Verliandlongen der pacdagogischeii Seolion in Hamburg'.
Stellung der Grundlagen der Wissenschaft als um deren eleganten
Weiterbau bemüht. Namentlich empfehlen wir es allen, denen die
genauere Betrachtung der geometrischen GrundbegrilTe von Interesse
ist, und wünschen, dasz der zweite Theil (die Stereometrie) baldigst
erscheinen möge, worin die Eigenthümlichkeiten der Märckerschen
Anschauungsweise jedenfalls noch schärfer hervortreten werden.
Dresden. ScMömilch,
Die Verhandlungen der paedagogischen Section bei der
ir>n Philologenversammlung in Hamburg vom In — 4n Oct.
Es darf wol aU «in erfreuliches Zeichen angesehen werden, dasz
an der paedago^^ischen Section eine sehr zahlreiche Betheiligung statt
fand. Bei der ümfäiif>lichkcit und Raschheit der Discussion musz der
Berichterstatter auf Vollständigkeit und Genauigkeit verzichten und
n\c\\ begnügen, wenn er nur ein allgemeines Bild der Debatte und die
Resultate richtig herau.«stellen kann. Das letztere -ist aber um so
schwieriger, als über die einzelnen Gegenstände zu einer Abstimmung
nicht geschritten ward, ein Umstand, welcher freilich in anderer Hin-
sicht wieder viel erfreuliches hat.
In der constituierenden Sitzung wurde auf Rosts Vorschlag Di-
rector Dr. Kraft ans Hamburg zum versitzenden erwählt, erbat sich
aber zum Beistand als Vicepraesidenten Dir. Dr. Eckstein aus Hajle.
Zu Secretären wurden Dr. Lahiueyer aus Göttingen und Dr. Mul-
ler aus Lüneburg erkoren. Bekanntlich war in Altenburg als Gegen-
stand ffir die nächste Versammlung die Berathung der Yon Prof. Dr.
IMiitzcll aus Berlin gegebenen Thesen gewünscht worden und der
Antragsteller hatte sich auch eventuell bereit erklärt, ähnliche The-
sen für Hamburg zu stellen. Indes hatte sich Mütze II durch Krank-
heit am erscheinen verhindert gesehen und deshalb erklärt, dasz er
von seinen Thesen abgesehen wünsche, auszer wenn sie bei jemandem
so in Fleisch und Blut übergegangen, dasz sie in Hamburg wieder
auftauchten. Als erster Gegenstand wurde von Prof. Dr. Hertz aas
Greifswald folgendes aufgestellt: Mch wünsche nähere Praeci-
sicrung der viel gehorten Forderungen, dasz der Unterricht der
Universität in den Gymnasiallehrfächern dem Bedürfnisse der Schule
mehr entgegenkomme, Mittheilung von Erfahrungen der Mit-
glieder der Unterrichtsbehorden und der Schulmänner über die Er-
scheinungen, die zur Stellung dieser Forderung veranlassen, endlich
Vorschläge, in welcher Art der^ielben zu entsprechen sei.' Femer
brachten die Directoren Ho ff mann aus Lüneburg und Lubker fol-
gende Thesen ein (welche man gewissermaszen als eine Bmeuerung
der Mützellschen betrachten konnte): ^a) In der Gegenwart wird über
die durch die Gestaltung aller Lebensverhältnisse und durch die haus-
liche Erziehung beforderte Verweichlichung der Jugend und den zu-
nehmenden Mangel an Arbeitsfähigkeit mit Recht geklagt. Die Gym-
nasien haben durch Gewöhnung an ausdauernde und eindringende Ar-
beit die Neigung sowol zu materiellem Genusz, als zu vorschnellem,
ungründlichem Urtheil zu beseitigen und auf diesem Wege nicht nnr
Die Verhandlungen der paedagogisclien Sectioo in Hamburg. 85
die Kraft des Willens za starken, sondern auch auf gröszere Tüch-
tigkeit für den praktischen I^bensberuf hinzuwirken, b) Zur Errei-
chung dieses Ziels erscheint auszer der Hebung des religiösen Sinnes
und einer kräftigen Disciplin der Schule als zwei besonders sittlich
einwirkenden Mitteln auch eine theilweise Modification des gegenwär-
tigen Unterrichtssystems noth wendig zu sein, c) Von wesentlichem
Einflusz wird es sein, wenn der Unterricht in keinem Lehrfache blosz
auf umfangreiche Uebersichtlichkeit hinstrebt. In allen systematischen
Lehrfachern sind deshalb vorzugsweise wichtigere Partien detailliert
zu behandeln (Religionsunterricht — Geschichte der deutschen Litte-
ratur). d) Für die oberen Klassen erscheint eine Beschränkung der
Vielheit der Unterrichtszweige als besonders wünschenswerth; beson-
ders diejenigen Zweige, welche wenig Arbeit von den Schulern for-
dern, sind aufzugeben oder zu beschränken (Physik — Französisch).
Als Mittelpunkt des Gymnasialunterrichts sind die beiden classischen
Sprachen dagegen in weiterem Umfange zu lehren, f) Der lateinische
Unterricht hat vorzugsweise auf eine allseitige Fertigkeit und gestei-
gertes können hinzuarbeiten; — rationelle Grammatik kann dagegen
etwas zurücktreten, g) Der griechische Unterricht hat neben gram-
matischer, besonders durch Exercitien zu erstrebender Sicherheit für
eine Bereicherung der Lecture Sorge zu tragen, h) Für die deut-
schen Aufsätze ist der Stoff in möglichst enge Beziehung zu den Haupt-
fächern des Unterrichts zu setzen, i) Um einer frühzeitigen Abnahme
der Spannkraft und Frische der Jugend vorzubeugen, musz in den
untern Klassen das Masz des zu erlernenden und einzuübenden ver-
ringert, die rationelle Methode beschränkt, und möglichst viele Un-
terrichtsgegenstände müssen in die Hand ^ines Lehrers gelegt werden'.
— Auszerdem brachte Conr. Dr. August Kiene aus Stade folgende
Sätze ein: ^a) Ein philologisches durch das Gothische und Althoch-
deutsche vt^rmittelte Verständnis der deutschen Sprache liegt nicht in
der Aufgabe der Gymnasien, b) Ein philologisches durch das Gothi-
sche und Althochdeutsche vermitteltes Verständnis der deutschen Spra-
che ist für den Lehrer des Deutschen auch in den oberen Gymnasial-
klassen weniger wesentlich, als die classlsch- philologische Bitdung,
weiche ihn zum Oberlehrer in den classischen Sprachen befähigt, cj
Die deutsche Leetüre ist in allen Klassen ein wesentlicher Lehrgegen-
stand, wogegen die nöthige Kenntnis der Littcratur ohne einen beson-
deren Vortrag der Geschichte derselben erreicht werden kann.' End-
lich stellte Geh. Reg.-Rath Dr. Wiese aus Berlin die Frage: 'Pro-
gramme sind eine allgemeine deutsche Angelegenheit geworden : wie
kann dieses Institut am nützlichsten gemacht werden?' Man beschlosz
diese Anträge sämtlich auf die Tagesordnung zu setzen , sah aber von
dem Wunsche des Dir. Lübker eine Commission zur Vorberathung
niederzusetzen ab, da die Antragsteller die Sache als Referenten hin-
länglich vertreten könnten. Ein Antrag des Prof. Dr. Benary aus
Berlin: statt Fragen allgemeiner Natur lieber einzelne praktische zu
nehmen und deshalb die Nachtheile, welche die Abschaffung der schrift-
lichen Arbeit im Griechischen seit 1854 gehabt, zum Gegenstande zu
nehmen, weil wenn darüber hier eine einstimmige Meinung ausgesprochen
werde, dies nicht ohne Einflusz auf die Regierung bleiben könne,
welchen Antrag Ephorus Dr. Bäumlein aus Maulbronn in Hinsicht
auf Württemberg unterstützte, wurde von Eckstein unter Hinwei-
sung darauf, dasz man bereits die Sache in Erlangen hinlänglich
durchgesprochen, und dasz man sich nicht der kühnen Hoffnung^ hin-
geben solle, man könne auf die Regierungen einen Einflusz ausüben,
bekämpft und abgelehnt; dagegen wurde ein anderer Antrag dessel-
ben: 'Die Sommerferien der Gymnasien sind tio anzuoFdiien, dasz sie
S6 Die yerhaodlau»cii der paedagugischen Seclion in Hamburg.
iillc zusamineiigeiionimen und an das Ende des Semesters in die Uni-
versitätsferien verlegt werden' in die Tagesordnung mit aufgenommen.
Krste Sitzung. 3. Oct. 8 — 10 Uhr. Nach einer längeren De-
batte über die Ordnung, in welcher die auf die Tagesordnung ge-
stellten Thesen besprochen werden sollten, entschied man sich dafür,
die einmal im Tageblatte bekannt gemachte beizubehalten, und zuerst
die Hertzsche Frage zu behandeln. Prof. Dr. Hertz erklärte, dasz
er [eben zu einer ordentl. Professur der classischen Philologie an ei-
ner Universität berufen] das bekannte docendo diacimua umkehren
müsse, indem er lernen wolle, um sodann zu docieren. Die auf den
Universitäten gesuchte Bildung der künftigen Gymnasiallehrer habe
einen doppelten Zweck: den künfti(;en praktischen Beruf und das wis-
senschaftliche Studium. Man behaupte nun vielseitig, dasz das vitae
disccre für die Gymnasinllehrerbildunc; umgekehrt sei: auf der Uni-
versität werde für den praktischen Beruf viel zu wenig, wo nicht gar
nichts gethan. Er bitte daher sich offen darüber auszusprechen, wei-
che Krankheitserscheinungen im Lehrerstunde sich zeigten, welche die
in der Universitätszeit liegenden Ursachen derselben seien, und Vor-
schläge zu thun, wie denselben abgeholfen werden könne. — Dir. Dr.
Classen aus Prankfurt a. M. bezeichnet als einen Hauptfehler, dasE
die Studien von vornherein das Ziel nicht scharf ins Auge faszten und
das< in denselben eine gewisse Einseitigkeit auf der Universität vor-
hersehe. Als Mittel zur Abhülfe seien zu betrachten, dasz ]) den
künftigen Schulmännern der Gang ihrer Studien von vornherein mög-
lichst bestimmt würde, damit sie nicht rathlos sich verirrten; ein sol-
cher Rath im Anfange der Universitätszeit könne nur heilsam sein.
2) dasz die Erwerbung der Fertigkeit in der Interpretation, nament-
lich auch dadurch, dasz die Vorlesungen und Uebungen ein Muster
boten, gefordert werde und die systematischen Disciplinen eine an-
dere Behandlung erführen, als wol jetzt gewohnlich. Er habe aller-
dings, da dreiszig Jahre seit seiner Universitätszeit verfloszen seien,
keine eigene Anschauung von den gegenwärtigen Zuständen der Uni-
versitäten, aber so viel wisse er doch aas Erfahrung, dasz der Vor-
trag der Litteraturgeschichte zum groszen Theile für den künftigen
Lehrer unfruchtbar sei; hier sei eine Abkürzung wünschenswerth und
nothwendig. — Eckstein verkennt die Schwierigkeiten nicht, wel-
che bei der Verschiedenheit der Universitäten und der einzelnen Leh-
rer auf denselben die Generalisiernne; habe, stellt aber allerdings ent-
schieden auf, dasz die Uebung in der Interpretation namentlich auch
der Schriftsteller, welche (Ke Schule brauche, fehle. Wie selten wür-
den auf den Universitäten Cicero und gar Homer erklärt? Auszerdem
mache sich eine Vernachlässigung der lateinischen und griechischen
Grammatik bemerkbar. Alle Schüler von Reisig würden sich wol noch
erinnern, wie viele Anregung und wie unendlichen Gewinn sie ans
dessen grammatischen Vorlesungen gehabt hätten. — Lübker unter-
stützt die vorhersehenden Sprecher und führt den die Litteraturge-
schichte hetrefTenden Punkt weiter aus; in derselben wurden die ent-
legenen Partien viel zu ausführlich behandelt, dagegen die Haupt-
t heile zu wenig; zur Interpretation werde zwar in den Seminarien
Uebung und Anleitung gegeben , aber man vermisse umfassen des gan-
zen Schriftstellers, ein hineinleben in ihn. — Hoffmann erkennt
das entschiedene dringen auf Grammatik und eine schärfere Betonnug*
der Interpretation als Bedürfnisse an, warnt aber davor, nicht zu sehr
auf die künftige Praxis zu dringen; das wissenschaftliche Studium sei
die eigentliche Lebensluft der Universitäten: verkümmere man diese^
Ko werde mau unersetzlichen Schaden stiften. — Dir. Dr. Ähre na
aus Hannover *macht auf den groszen Unterschied zwischen oberen
Die Verhandlungen der paedagogbcben Seclion in Hamburg. 87
und unteren Klassen aufmerksam. Für die ersteren brachten die Leh-
rer von der Universität Lust und^ Material mit, for die unteren Klas-
sen mangelten diese und doch müsse jeder meistentheils erst längere
Zeit in den unteren Klassen unterrichten, was er nun mit vielen Fehl-
griffen und oft mit Unlust thue. Den Wunsch, die Masse zu be-
schränken, müsse er aus seiner eigenen Erfahrung vorbringen. In sei-
ner Studienzeit sei die Metrik in 3 Stunden gelesen worden, während
man jetzt woi 6-6 Stunden wöchentlich darauf verwende; sie hätten
damals weniger Kenntnisse erlangt, aber desto mehr Antrieb zu freier
selbständiger Aneignung; so solle der Universitätslehrer nicht auf die
Masse, vielmehr auf die Anleitung zum eignen Studium sehn. — Prof.
Dr. Haase dankt als Universitätslehrer für die gemachten Bemer-
kungen ; ein Theil habe ihn getroffen und werde benützt werden, ein
Theil aber sei nicht anwendbar, ein Theil nicht wünschenswerth. Br
müsse ganz entschieden warnen, die Studien auf die Praxis zu be-
schränken, nur das auf der Universität zu docieren, was auf der
Schule wieder dociert werde. Eckstein werde sich wol selbst erin-
nern, wie an Reisig nicht sowol die Kenntnis des künftig verwend-
baren, sondern vielmehr die Anschauung seiner frischen und leben-
digen Productionskraft anregend und fördernd gewirkt habe. Der Uni-
versitätslehrer habe durch seine ganze Persönlichkeit auf seine Schüler
einzuwirken. Alle compendiarische Form habe etwas unerquickliches.
Man werde doch nicht von den Universitätslehrern verlangen wollen,
die Litteratnrgeschichte compendiarisch zu lehren? Wenn man bei den
Schriftstellern auf die Betrachtung in ihrem innern und äuszern Zu»
flammenhange dringe, so müsse man dieselbe Forderung auch für die
Antiquitäten aufrecht erhalten. Uebrigens werde auf der Universität
der künftige Lehrer nie vollständig das gewinnen , was er für die In-
terpretation in der Schule brauche; es würden ihm dann immer noch
Schwierigkeiten und ungelöste Räthsel auftauchen; zu deren Lösung
sei die Ausbildung der Selbständigkeit in der Kritik und Kxegese vor
allem wünschenswerth. Für nöthig habe er« immer für die Praxis eine
besondere Vorlesung gehalten, welche er nach dem Vorgänge F. A.
Wolfs eonsilia acholaaiica genannt; in dieser habe er erstens Anlei-
^^^ gegeben wie zu studieren sei, zweitens aber auch, welcher Ge-
brauch von den Studien in der Praxis zu machen sei, gezeigt, dabei
nie vernachlässigt darzustellen, welch eine Kunst die des Elementar-
unterrichts sei, Achtung vor dieser Kunst einzuftöszen und ihre An-
eignung ans Herz zti legen. Er wolle schlieszlieh zugestehen, dasz
die Wahl der zu interpretierenden Autoren an seiner Universität eine
andere sein könne, indes lasse sich bei den vorhandenen Persönlich-
keiten daran nichts ändern. — Dr. Seh leiden ans Hamburg findet
die Vermittlung zwischen dem wissenschaftlichen Studium und der
künftigen Praxis durch die paedagogischen Seminare gegeben. — Eck-
stein erklärt, mit Haase würden gewis alle einverstanden sein kön-
nen;, der volle Einflnsz der Individualität müsse zur Geltung kommen
und ganz gewis habe niemand compendiarische Behandlung der syste-
matischen Disciplinen gewünscht; man wolle gewis nicht dasz die Pra-
xis der Schule auf der Universität allein maszgebend sei, aber dasz
die Gesichtspunkte dafür eröffnet würden; ^egen Schieiden müsse er
bemerken, dasz die Vermittlung vielmehr die Directoren zu überneh-
men hätten; ihnen komme es zu durch Beispiel, Anleitung und Hath
den Lehrer in die Praxis in den untern Klassen einzuführen. — Prof«
Dr. Stoy aus Jena; er sehe von dem Antrage keinen Erfolg voraus;
die Regierungen würden sich dadurch nicht binden lassen wollen und
können, ebenso wenig aber die Genien der Wissenschaften nnd^ die
Universitäten; es sei gut, dasz gewisse Krankheiten nachgewiesen
88 Die VerhaDdiungen der paedagogischen Sectiou in Hamburg.
würden, aber eine praktische Vorbereitung auf der Universität »ei ein
unab weisliches Bedürfnis; diese hätten die paedagogischen Seminare
so geben und man werde ihnen nicht das Zeugnis versagen, dass sie
in dieser Hinsicht vielfach gutes gewirkt; sollten denn die armen un-
teren Klassen immer das Lehrgeld für das auf der Universität ver-
nachlässigte zahlen und könne man den schon ohnehin mit Geschäften
überhäuften Directoren auch noch zumuten, die Lehrer praktisch aus-
sobifden? — Eckstein erwiedert, dasz der Antrat nur auf die phi-
Jologischen Disciplinen gehe; die Paedagogik und die paedagogischen
Seminare seien davon nicht berührt und gewis allgemein gewünscht;
wenn man meine, es komme bei dem Antrage nichts heraus, so müsse
er widersprechen, da ja die Universitätslehrer ihren Unterricht den
Bedürfnisifen möglichst entsprechend zu machen wünschten. — Geh.
Reg.-R. Dr. Wiese aus Berlin: die Universitäten seien Anstalten der
Wissenschaften und mästen es bleiben; anders wurde es ein Unglück
sein; aber die praktische Anleitung sei dennoch als ein Bedürfnis an-
zuerkennen. Dasz in der Litteraturgeschichte eine unselige Vollstän-
digkeit oft hersche, in der Interpretation aber Mikrologie — werde
doch in einem Semester ein Stück des Sophokles kaum zur Hälfte er-
klärt - könne nicht geleugnet werden, und dies brauche Abhülfe.
Mit Recht habe Döderlein den Unterschied zwischen Universität und
Schule dadurch bezeichnet, dasz jene das Object, diese das zu be-
lehrende Snbject zum Zwecke habe, und dieser Gesichtspunkt müsse
festgehalten werden. Beide könnten übrigens zusammenwirken. Das
Lateinsprechen sei ein Axiom, ein unabweisliches Bedürfnis für die
Schule geworden; die Universitäten könnten leicht eine Gegenwirkung
ausüben. Lehre die Universität und fordere Lateinsprechen, so werde
von dem Schüler darauf gröszercr Eifer gewandt werden. — Hertz
dankt, dasz ihm Belehrung aus reicher Pjrfahrung in so freundlicher
Weise zu Theil geworden.
Man gieng zu den Hof f mann- Lübker sehen Thesen über.
Hoffmann als Antragsteller erläutert: Der verehrungswürdige Ober-
schulrath Dr. Kohlransch in Hannover habe mehrfach ausgesprochen,
dasz die Jugend seit 1848 an geistiger Elasticität verloren habe. Die
Erfahrungen, welche man im Königreiche Hannover bei den juristi-
schen Prüfungen gemacht, beweisen dasselbe, und von den Universi-
täten werde geklagt, wie die Studenten immer mehr nur Brotwissen-
schaften trieben. Die Jugend habe an Lust und Fähigkeit sich für
einen Gegenstand zu begeistern und sich mit Liebe in ihn zu vertiefen
verloren. Es sei falsch, wolle man die Schule deswegen allein ankla-
gen, aber sie müsse sich die Frage vorlegen: ob sie und welchen
Antheil sie an dieser Erscheinnng habe. Man müsse auch einen Un-
terschied zwischen der Jugend der grösseren und der kleineren Mit-
telstädte und den in beiden obwaltenden Verhältnissen anerkennen,
aber manches gemeinsame sei auch hier vorhanden. Diese Erfahrun-
gen und Betrachtungen hätten ihn mit Lübker zur Stellung ihrer The-
sen veranlasst, indes hätten sie hier aus Privatgesp rächen vielfach
wahrgenommen , dasz man mit a) und b) viel allgemeiner einverstan-
den sei als sie geglaubt, und deshalb schlügen sie vor die Debatte
über diese beiden Absätze fallen zu lassen und sogleich zu c) fiber-
zugehen. Ausser den beiden dort genannten Lehrfächern gehöre auch
noch die Geschichte dazu. Ueber den Religionsunterricht bemerke
er nur, dasz ihm die systematischen Vorträge z. B. über Moral tu
beseitigen und alles vielmehr an die Exegese der heiligen Schrift an-
zuknüpfen scheine ; auszerdem wünschten sie die kurze übersichtliche
Darstellung der Kirchengeschichte geändert; doch darüber werde Lüb-
ker sprechen. Bei der deutschen Litteraturgeschichte frage es sich,
Die VerhandlüiigeD der paedagogisehen Seetion in Hambarg. 89
was mit einem durchholen des ganzen Gebiete in einer Stande wö-
chentlich erreicht werde; ein todtes Material und ein vorschnelles
und ungrundltches Urtheil über die Schriftsteller. Da scheine es ih-
nen nun weit räthlicher, wenn in Prima z. B. Goethes Tasso gelesen
werde: daraus könne sich der Schuler ein Urtheil über das tragische
überhaupt, wie über Goethe selbst erwerben; der Lehrer müsse dar-
auf sehen, nicht den Schülern fertige Urtheile zu geben. Um seine
Ansicht über die Geschichte zu veranschaulichen, wähle er die Pe-
riode von 1600 — 1648; hier wurde er nicht darauf dringen, alle Na-
men und Zahlen einzuprägen, sondern in möglichster Ausführlichkeit
und Lebendigkeit die Reformation — 1555 behandeln, dann über meh-
reres kurz weggehen, aber 1572 die pariser Blutbochzcit und 1589 die
Thronbesteigung der Bourbonen in Prankreich, endlich den dreiszig-
jährigen Krieg, aber diesen auch nur bis 1632, ausführlich darstellen*
— Bäum lein findet eine Scheidung des Princips von der Anwendung
nothwendig; über das Princip könne man einverstanden sein, ohne
deshalb die Anwendung und Ausführung desselben gut zu heiszen. —
Lübker spricht ebenfalls den Wunsch aus, nur c, d und i zu bespre-
chen; weiter erklärt er seine Ansicht über den Religinnsnnterricht;
es scheine ihm die geschichtliche Seite desselben einer gröszeren Be-
rücksichtigung werth; zuerst handle es sich um die Einführung in die
heilige Schrift und dies müsse immer die Hauptsache bleiben, aber
der Schüler müsse auch in das Leben der Kirche eingeführt werden;
dazu diene nicht eine mehr oder weniger umfängliche Uebersicht über
die Kirchen- und Dogmengeschichte, wol aber eine gründlichere Dar-
stellung der ersten Jahrhunderte und des Reformationszeitalters. —
Kiene findet in dem gesagten bereits eine Vereinigung mit den von
ihm aufgestellten Thesen. Jeder Unterricht müsse auf das können
hinarbeiten; Jeder zusammenhängende Vortrag der Litteratnrgeschichte
müsse aber Material eben wegen des Zusammenhangs aufnehmen, das
nicht verarbeitet werden könne, sondern todtes wissen bleiben müsse.
Deshalb solle der Unterricht darin nur an die Leetüre angeknüpft und
das können durch mündliche Vorträge und aufgegebene Arbeiten be-
zweckt werden. — Dr. Nölting aus Wismar erklärt sich auch für
die Forderung! detaillierter in die Sachen und lebendiger in die
Schriftsteller einzuführen, ist aber nicht damit einverstanden, dasz
das Urtheil zurückzuhalten sei. Könne und solle denn der fjehrer bei
einer Leetüre von Goethes Tasso sein Urtheil über das Stück im gan-
zen und über einzelne Stellen zurückhalten? — Hoffmann berich-
tigt: dies habe er nicht gemeint; aber der Lehrer solle das Urtheil
des Schülers zurückhalten, dasz dieser nicht glaube, wenn er über den
Tasso urtheilen gelernt, so könne er über Goethe, ja über die ganze
Litteratur urtheilen. • — Classen erbittet sich eine Interpretation
des Ausdrucks 'umfangreiche Uebersichtlichkeit', er könne doch nicht
denken, dasz der Zusammenhang unterbrochen werden und bleiben
solle. — Hoff mann erwiedert, dasz der Ausdruck in Rüchsicht auf
die Forderungen bei der Maturitätsprüfung gewählt worden sei. —
Eckstein erklärt ebenfalls nicht zu wissen, was er mit den Aus-
drücken 'umfangreiche Uebersicht' und 'detaillierte Darstellung' an-
fangen solle. Man müsse zwischen den Klassen und dem Alter der
Schüler unterscheiden. Tn den unteren Klassen sei doch eine Ueber-
sicht über die Geschichte den Schülern zu geben nothwendig, wenn
man auch natürlich biographisch verfahre und sich auf die Hauptper-
sonen beschränke. In der deutschen Litteratnrgeschichte kenne doch
eine Uebersicht |mit eingehender Behandlung der Hauptsachen vereint
werden.' Es sei wünschenswerth , Bestimmtheit in den Ausifarficken ma
haben ; ihm scheine hier zu wünschen ' Concentration ist nothwend
90 Die Verhaidlungen der paedagogischeii Seclion in Uanbarg.
_ Lfibker erwiedert dagegen), dasz der Aasdruck 'Conccntration'
weiter führe, als was sie gewollt ; das unter c gesagte gehe ganz deut-
lich nur auf obere Klassen. — Als Eckstein verlangt, dasz doch die
unteren Klassen Berucksichtignng finden sollten, setzt Lübker noch
einmal ihre Absichten auseinander, Hoffmann aber erwiedert, dasz
hier die Schwierigkeit in der Uebereinstimmung liege ; man sei in der
Sache vollkommen einverstanden und suche nur einen alle befriedigen-
den Ausdruck. — Dr. Strack ans Berlin wünscht, dasz man auf den
Punkt d eingehen möge; ihm sei das dort gesagte unklar und er müsse
widersprechen. Bei der Physik sei er in dem glücklichen Falle keine
oratio pro domo halten zu müssen, aber dieselbe fordere gewis ener-
gische Arbeit; die grosten Geister aller Jahrhunderte hätten die
gröste Mühe darauf verwendet. Sollte sie nnr zur Unterhaltung und
zum Amüsement dienen, dann sei sie zu entfernen, sei sie aber eine
Einführung in die Geheimnisse Gottes, dann müsten es sich die Schü-
ler darin auch sauer werden lassen. Im Franzosischen habe das
Gymnasium ein anderes Ziel, als das parlieren, das den Bonnen und
Gouvernanten zu überlassen sei; das Gymnasium wolle in die Sprache
und in die Litteratur, in den Geist der Masterschriftsteller einführen und
dazu müsse es energische Anstrengung fordern. Das Franzosische sei
nothwendig auf dem Gymnasium beizubehalten. Eit sei nicht Zufall
oder blosze Courtoisie gewesen, dasz die französische Sprache zur
diplomatischen, für die Vertrage der Völker, gewählt worden sei; sie
sei in vielen Punkten klarer und logischer als die deutsche ond
manche Zweideutigkeit der letzteren müsse klar erkannt und beseitigt
werden beim übersetzen in das Französische. — Eckstein erwiedert,
dasz es doch wol ganz andere Gründe gewesen seien , welche die
französische Sprache zu der der Verträge erhoben hätten. Ihm scheine
die Frage sich darum zu drehen, welche Lohrgegenstände können aus
den Gymnasien entfernt werden. In dieser Beziehung habe man jetzt
allgemein die philosophische Propaedeutik und die Naturgeschichte
genannt; da indes die Zeit heute verflossen sei und die für den fol-
genden Tag bestimmte zur Erledigung der so wichtigen Fragen nicht
ausreichen werde, so schlage er vor, Nachmittags von H — 5 Uhr sich
wieder zu versammeln, womit man sich (allseitig einverstanden erklärte.
Zweite Sitzung an demselben Tage 'A—6 Uhr. Nachdem
eine längere Debatte über den Gang der Verhandlungen sich entspon-
nen hatte, bemerkte Dir. Dr. Peter aus Stettin: man möge doch von
denjenigen Punkten, über welche eine kontroverse nicht stattfinde, ab-
schen und möglichst das praktische Gebiet betreten, einzelne Punkte
daraus herausnehmen und behandeln. Prof. Dr. Seyffert aus Berlin,
Pr. Seh leiden aus Hamburg, und Ahrens bezeichnen d überein-
stimmend als einen für das praktische bedeutenden Pankt. Gymnasial-
lehrer Albani aus Dresden glaubt aber doch das nQvSxov tffBvSog in a
zu finden ; die Jugend habe jetzt mehr Arbeitsfähigkeit als früher) sie
arbeite aber freilich mehr multa, als multam. Eckstein erklärt sich
mit der Behandlung von d einverstanden und findet seine am Morgen
aufgestellte Frage darin: können Lehrgegenstände aus dem Gyronasiaia
entfernt werden? Die Antragsteller schienen ihm das Französische ond
die Physik als solche zu bezeichnen. — Ho ff mann: er sei durch die
heute gehörte Lobrede auf das Französische von seiner Ansicht nicht
abgebracht worden. Welchen Stoff biete denn das Französische für
Prima? Moli^re und Corneille; alles andere, namentlich die Prosa,
stehe hinter dem Afterthum weit zurück oder biete wenige Schwierig-
keiten. Welches Resultat man mit dem für das Französische gefor-
derten erzielt habe, bewiesen hinlänglich die bt'i der Maturitätsprüfung
gelieferten Arbeiten; sie «iMgten, dnsz den Primanern das FVanzösische
Die Verhandlungen der pacdagogischen Seelion in Hanbarfr. 91
nicht niunübar sei. Deshalb habe llr. Hofr. C. Fr. Herininn «c:
längit die Ansicht ausgesprochen, das Französische in Prima i> ■»-
ganz aufzugeUen. Wollte man auch dasselbe mit einer Smnde Lect-lr-
von Moliöre fortsetzen, so würde doch dabei nicht viel heranflk'.mrc-^n :
man müsse die Individualität ^\aUen lassen. In Lünebar^ s<i «in gini
tüchtiger Lehrer des Franzosischen, aber die Sache wuL^te sich c^^-
noch nicht machen; die franzoiiische Litteratur siehe nun einnal der
englischen nicht gleich. — Ahrens: .«eine Ansicht sei der. welch* ->
Antragsteller aufgestellt, diametral entgegenpe«etzt. Gerade diejenigen
Fä<rher, welche energische Arbeit forderten, nul*t«'n beschränkt wercen.
Wie viel verlange die Maturitätsprüfung? Wären alle Lehrer lüchc'j
in ihren Fächern und suchten sie die ächüler in allen möglichst zu
fordern, so werde eine Anstrengung erfordert, die zu I»*i.*ten nirSt
möglich sei; es mfisten daher Fächer so gelehrt wrnf^n. «?,!«i sie keine
Anstrengnng zu Hause erforderten; in Prima sei nothwendi? den Schil-
lern Freiheit der Beschäfliguni; zu gewahren. — Prof. Graven-
horst aus Hildesheim bemerkt, dasz der von C. Fr. Hermann geihane
Vorschlag bei den jetzt bestehenden Leben>einrichtung^n unpraktisch
sei; er miisse sich mit Ahrens einverstanden eAlären. in den oberen
Klassen konnten manche Gegenstände so gelehrt wenden . dasz sie zu
Hause nichts mehr erforderten; so auch das Französische. Gegen H-'ff-
manns Behauptung rücksichtlicb der franzosischen Litteratur sei vieles
einzuwenden, und er behaupte, dasz jedes prosaische Werk im Fran-
zosischen schwerer zu verstehen sei als ein antike«: bei Mignet sei
die Form zwar leicht, aber sehr schwer in Rezng anf den fdeengehnlt.
Auf diesen aber müsse gerade Gewicht gelegt werden, da man nicht
anders die Schüler in die moderne Bildung einfuhren könne. WmH«;
man auszerdem gänzlich aufgeben, die Schüler im französischen Seilt?
zu üben, so werde man bald die Erfahrung machen, däsz die meistt*i;
Privatstunden nähmen. Aber die Energie sei immer in die Stunde zn
legen, nicht auszerhalb der Stunde. — Seyffert: er sei üher Ahreni
Forderung erschrocken; der wunde Fleck sri eben der Mangel au
Energie; solle diese noch beschränkt werden? — Hoffmann ^'laubt.
dasz die Sache mit dem Französischen gehen werde, wo ein s"l<her
Lehrer wie Gravenhorst sei; übrigens erinnere er an den Vu^-pr-ir!»
von Fr. Jacobs, dasz der Lehrer in der Schule vi<«lmehr die Arbeit
des Schülers zn controlieren habe. — I>ir. Schmidt au« Halberstadt:
die Aufgabe des Gymnasiums sei die geistige G>mnastik, dazu aber
Energie des arbeitens vor allem anderen erforderlich. — Albani: man
müsse nothwendig das Masz der Arbeiten beschränken; fordere man
von den Schülern, wie es wol oft geschehe, die Ausarbeitung dicker
Hefte über die physikalischen Vorträge, so sei man gpwis auf ganz
falschem Wege. — Eckstein: wie es sch*»ine, wolle man dahin zu-
rückkehren, wo man sonst gewesen, als jede Klasse nur »-inen Lehrer
gehabt. Da sei allerdings da» Masz der Arbeiten leichter und richtiger
zu messen gewesen und in einzelnen Genenstünden weniger Arbeit im
Hause gefordert worden ; diese Einrichtung habe allerdings manche
vortheilhafte Seite gehabt. — Haase: oh man denn zu der Unter«
richtsmethode der Jesuiten lurnckkehren wolle, hei df-nen doch allps
aus einem abfragen des auszer den Lectionen g«!lernten bestanden habeV
— Eckstein: um zum Französischen zurückzukehren, bemerke er
gegen Gravenhorst, dasi ihm allerdings die Litteratur wenig für die
Schule geeignetes darzubieten scheine; die Lectnre von Mignet halte
er für bedenklich. — Nachdem Gravenhorst noch einmal wiederholt, dasz
er das Gewicht uuf die Kenntnis der modernen Ideen gelegt wissen
wolle, schlieszt «ich Strack seiner Ansicht an und bemerkt, dasz man
in Pascal, Bossnet, Larordairc. Gnizut, Villemain. Ci u-i« sehr vieles
02 Die Verhandlangen der paodagogischen SecUon in Hamburg.
finde, was als geistige Nahrung ganz trefflich sei. — Ahrens: duts
Misrerstandnis , welches sich über seine Aeuszerang erhebe, scheine
erledigt zu sein. Wolle man bei 32 wöchentlichen Unterrichtsstunden
für alle Arbeit zu Hanse fordern, so sei dies zu viel; es niusten den-
nach unter jenen derartige sein, welche keine Anstrengung zu Hause
erforderten. Betrachte man Lateinisch und Griechisch als die Haupt-
fächer, so müsse man schon hierbei darnach fragen, wie jedem seine
rechte Stelle anzuweisen sei. Finde man, dasz im ganzen zu ^iele
Lehrfacher seien, aber keins ganz zu beseitigen, so könne man die
Uebelstände nur dadurch mindern, dasz man mehrere verbinde; so
könne in den unteren Klassen Geographie und Geschichte verbunden
werden, dasz sie nicht neben einander zugleich gelehrt wurden; so
könne die Physik als Ergänzung der Mathematik behandelt werden,
während man jetzt 4 Stunden auf Mathematik und 2 auf Physik neben
einander verwende. Man habe früher in den Schulen 2 Stunden anti-
quarische Vorträge gehabt, diese habe man wol jetzt überall fallen
lasf:en und mit der Lectiire vereinigt. Auf Peters Frage, wo man
denn sei, erwiedert Ahrens, dasz dies, was er gesagt, allerdings mit
Punkt d Zusammenhang und dazu diene, seine Ansicht über denselben
zu erläutern und zu bekräftigen.
Da man die Frage über das Französische hinlänglich besprochen
glaubte, so gieng man zur Physik über und Dr. Kohlrausch stellte
zuerst entschieden den Satz auf: Physik sei nicht Sache der Gymna-
sien. — Hoffmann erklärt, dasz er Laie in der Physik sei, dasz aber
sich seine Ansicht auf den Erfahrungssatz gründe, je jünger, desto
mehr sei Neigung zur Natur vorhanden; je später das Alter, um so
mehr mindere sich diese. Die ExperiiuentaiphysiK sei entschieden auf die
Universität zu versparen; wol aber könnten auf dem Gymnasium die-
jenigen Theile, welche mit der Mathematik zusnmmonhiengen und ma-
thematisch zu behandeln seien, berücksichtigt werden. — Prof. Wic-
bel aus Hamburg: es sei hier der alte Streit zwischen Humanismus
und Realismus; da man Physik und Chemie aus den Gymnasien entfer-
nen wolle, so könne er nicht schweigen; man klage über die Arbeits-
scheu unserer Tage, aber es sei keine Zeit arbeitskräftiger und ar-
beitstüchtiger gewesen, als die jetzige, welche geleistet habe, was
Jahrtausende nicht vermocht. Wolle man die Physik von den Gymna-
sien entfernen, so müsse man auch die ganze Naturwissenschaft entfer-
nen; die Physik sei nicht ein bloszes Glied derselben, sondern das
Endziel. Die Naturwissenschaft beginne mit den äu.szeren Erscheinun-
gen. Mineralogie, Zoologie und Botanik seien für die unteren Klassen
Sanz geeignet; aber ein tieferem Verständnis der Natur werde erfor-
ert, und dieses gebe^ allein die Physik, welche die Naturgesetzlehre
und von der Chemie nicht zu trennen sei. Die wissenschaftlichen An-
forderungen an dieselbe gestatte nicht eine blosze Anschlieszung an
die Mathematik, eine blosze übersichtliche Darstellung; wolle man sie
auf die Universität verweisen, so werde man dort die Auditorien leer
finden; ein solches abwarten, ein überlassen an die Jugend bringe kei-
nen Segen, bei welcher alles auf die richtige Behandlung ankomme.
Es müsse in den Gymnasien geistige Tüchtigkeit erzielt werden; könne
man dies ohne die Naturwissenschaften, welche die Zeit bewegten?
Schneide man die Physik von dem naturwissenschaftlichen Unterrichte
ab, so nehme man dieser ihr Ziel; ein und zwei Jahre auf dem Gym-
nasium reichten nicht aus, die Physik zum geistigen Bigenthnme in
machen. Zu einer Bewegung gehöre Masse und Kraft ; wolle man also
die Jugend in das die Zeit bewegende einführen, so müsse man ihr
Kenntnis der Masse, aber auch der Kräfte und von deren Gesetzen
mitgeben. Wolle man da von Bildung reden, wenn z. B. ein Arzt, der
über die T«rr.»per:i: irfT V-r.'-Mii^ i- :•!. i.trtiü ^--im •■-.:.-. . .
iler Meriianikc-r *iie Svi.J in T'i'^-r'i'nunr'.-^T rctiji- ' ^•.- "-•-•-. -
der Naiur ai$ enes iirif :i..-i ».: itj.i .iif ».■•-i .1* Je-i^.-:_- .-1
UiJduii;: «rrkann!. ein Ä:'-: .; -•*. -i Li--:^?. xs- na P'-iuua. 4a** -.1- -
{>e;*eii die Ndlur»I?seas:: i ■;.;!: . -et isc i-ir .V-r ::ir:iiuci':ii. T*aw.-r t i..-
kia<:en erhoben: ihn .nr^ c- N^-ir »J-.-'r i'i ;»?»* in':»-m in<i ;n -••-
ehren. l>er reii^v** J»'-.T *;;i- iir.ii jii* >».i:iir^-.--f!i.-.;'jar.ra »ar
^elorderl iveriien. W ..- inia u:' i-sttirr-iiciiia^-ae "^"-«-e litr .ac«^nu
rüi'kuurt^i fünren * Mj.i Toi.-s si«::! -fr .inen, laaz -fin.-r ;cni Aümer
DruMiji an der Eibe «ia GtL^c -»r-j.-aifn»»'! sei i;ni iiin -tu ^urüct« :a-
^'eriiten habe; möge ina:i *.;.cat? StiiniDen lu.-Jt i' «tmünMi — li« i.-
stein verwahri *xca aau i:;*» V.fr^,iininiunii ^-^tfü lie n i^r > cKfr-
{leliendfn Rede enthaltenen V.»rw'ir?'»*. W.c v.^raL*ari*-f!i nui »»rKt-niK-si
die l*i>>sik nicht, aber wir rrj^..?!i . lij -vir -le eiirpii ^.'iinirn. —
Dietsch protestiert ebentj.^ ::"::»»ii rj,;ii V,rwiiv:. i.* verkrnne iian
den Werih und die Bei:eti'.iiii>^ iirr ^i.lL^^^viÄsen.*^•aaI:••n. u.- »-rr,i»:i-
läszi<!e man die Jugend liaraut" iiiizuwe^i^eu. Wie %oniur naii ifnii :;i»
neuere Geschichte lehren, ohne lier viujen ^roszartiijen iin;:»»''iaiir!i«ien
Krlindnngen zu gedenken aii'i *} •liit liitmerxsHmkeir itrr «ut^enu tut
die Vaturwissen:tchatten zu -eiten f Die G*iniiaai«n •^rkenaifn ^ew».«,
die Wrprtichtunfi auch tiir da.- Aradiuin -ler N.iturwt.*s,»-n.-i-aait*'n "r-
zubereiten. Woran ^«wliten ^ie iich iher <Uibei laiten. us iii la.^. «iiM
die Kitrvphaeen in die:<en »eib^ic 4i.s die ^werkinaäzi^rste V.irber'^iruii*;
dafür anerkennten? Liebij iiane :ii -niniT -^rari'r iher ;,v latanvi,-
seuschaftlichen An^taicen \:\ Pr-iLszen um He."».-en iu.«t:e>i[>r. r::.-!i. !.i.«z
ihm am i^^ächenswert!ie5'.en die ^«.'hiiier leien . «•*!• :ie n >!i iiti-n
Sprachen ond in der Mathematik •iirie ::ii!a>:'iP dünunir *rri':» ur ii.ii
gleicher^'ei^e hätten sich W.jhier. Mii.M:;i»»r'li-a luii iinit-r" iu.-.-— -i.r -
chen; ihue nidn al*o an den Natdr.v:^.-en.'»<*a.ir.i«n ■*:» (,'.ir"rnr. .*t-im
man, nm tüchtigere Vwrblliians durca lire .'5!jrica»»n imi •.Uf'.ii-.r.äi.^ :u
geben, die Phväik entfernen woi.e ^ Di^z -la "ietfr».- '• -►r-rar.'Mi.' >r
Natur aU «ganzen der Ju^ea«: Ji«5'^.!i:i ■•«: . i>?» .i.t:je *.'J.i ^•'-..--r •-:'
Ari.stoteIeä gedacht: d.i.?z a.:er -».iie L'i:-- i:-1...iai: : »r •:; :.i- j^.inzc.
Gebiet der Phvsik. wi-t s.'e «iij G; na^L-i :.n ^- .»-a *-'iiii#* ..-. >.i lü-
gen Leuten den Dünkel erzeu;:-». ii? ■» jj?':'»a •:'^ ■•!ini j-nuii. i.i«: >:iir.*»»".»
dadurch einem tieferen sj'.'jd: j:ii in «^.ä-^r-srZe:*. -a'i«-i-n«£'»:ir'i-;'^' *-.-*•*
lehre die Krfahrang. Er konn.^ *.':a .lii-.a'; m. i.- U'-^r m:.;i--, .■.-%:
man nur die Theile der Phj-ik i-jir-*. ■«••i le ri.i'..i»*m.t»..-i:a '..i -•..*--.-
dein seien; Tielmehr hatte er tlr 'ii-» .S«:aa.e *:i»f :ii-in.ir. -««■:.•• 2-:.i;»i!-
luug für die beste. Wenn man oer J-iz-^n«: ze^^-. ■* •; »«a «...ri. !-::i
dazu gekommen, eine Kraft wahrzuaT-.ni'in ii-: la-» :ea ?>••:.'-..■-. j -f.
ein Gesetz zu er.«r!i]ieszen. wenie müi ai-r.i.- I.i*'r/r-'*^ -r* -: *-.» . ;':
mehr Nutzen stiften, al* wenn nun mi:;;-»;!! i:'-:.i •;*..•. -.-?-.•: ... : :--
monstrierend die Gesetze er.'ai::ere. — P*'.*r -»r aa «^ -.■*a i -•:■:'- -'
dasz die Geologie für die Geo::rapriie v _n 1 .i.-n^'er ij-r-r-rüi i : i :-
dasz man Geographie ohne jene wi**en-c:i.ir*'..>:i i.tr .i.- i* ■=■-'* -
könne, aber dasz man nun Geo!o<:ie im Oviiindsium .viirtr* .1. '. -«^
ihm nicht in den Sinn gekommen. Zu nichts werde cie r-r.r - -
reitang ohne Anstrengung gewonnen; für die Sprachen ^ei >:> -. -
gung fordernde Grammatik der rechte Elementarunterricht 1 : " -
bilde die Mathematik die elementare Vorübung in der Phy.:'.
ker: es handle sich hier nur darum, was möglich und wi. .
sei; die Liebe zur Natur werde in dem Jüngling durrS * .■•»'' ■
angeregt, als durch die NatarwiNsen-Hchafi. Gegen .\-./«!:^<* ^'
wiederholen, ilasz Concentratiun nicht mit Vereinfacbr«i
und dasz, was in den unteren Klassen zweckir="*4f;
weise für die oberen Klassen anwendbar sei.
94 Die Verhandlungen der paedagogischen Section in Hamburg.
gegen die ihm gemachten Vorwurfe zu vertheidigen und namentlich
geltend zu machen, dasz Liebig nicht auf die alten Sprachen allein
Gewicht gelegt habe, sondern gleicherweise auf die Mathematik; die
▼orgeruckte Zeit nöthigte indes zum Schlüsse der Sitzung.
Jn der dritten Sitzung am 4n Oct. (8—10 Uhr) gieng man su
den Punkten f und g der Hoffmann - Lübkerschen Thesen über ond
Ho ff mann erörterte zunächst wegen f, dasz man keines der Mittel,
welche die alten Schulen zur Erreichung der Fertigkeit gehabt, unbe*
achtet lassen dürfe; er habe deshalb seit Ostern wieder angefancen
Verse machen zu lassen, und sich gefreut, dasz Lfibker, ohne von ihm
etwas zu wissen, dasselbe gethan habe; weil sie früher in den han-
noverschen Gymnasien gar keine Versübungen gehabt hätten, habe
er freilich seinen Primanern sagen müssen, dasz er es selbst mit
ihnen lernen wolle. — Seyffert: die lateinischen Versübungen hätten
allerdings eine höhere Bedeutung; als man ihnen gewöhnlich zugestehe;
sie trügen zu den Schreib- und Sprechübungen ungemein viel bei. Bei
dem Aufsatze hege der Schüler immer Mistrauen, weil ihm die Voca-
bein zum kunstvollen Ausdruck der Gedanken nicht zu Gebote stun-
den; die Verse ersetzten diesen Mangel. — Krüger fragt an, ob man
die lateinische Sprache bei der Interpretation angewandt habe und ob
das raschere lesen dadurch gefördert worden sei. — Hoffmann: bei
der geringen Zahl von Stunden müsse man wol das Lateinsprechen zur
Interpretation nehmen; wohin solle man es auch sonst bringen? Mit
Seyffert sei er in Bezug auf die Bedeutung der lateinischen Versübun-
geu ganz einverstanden und namentlicli thcile er ganz, was er ausge-
sprochen [Vorr. zu den Lesestücken S. IX]: ^man habe mit groszem
Unrechte der Jugend den gradus ad Parnassum genommen^nd ihnen
die Grammatik gelassen.' — Benary: der Grundmangel des lateini-
schen Unterrichts scheine ihm die Beschränkung der Lectüre, wovon
aber die Leitung der Lehrer den grösten Theil der Schuld trage;
man mache beim Latcinsprcclien von vornherein zu grosze Anforde-
rungen; der Lehrer müsse zuerst allein sprechen, der Schüler boren;
so gewöhne sich dieser an den Klang; Antworten dürfe man nicht so-
fort erwarten und fordern. In Secunda könne man indes schon nach
gehöriger Vorbereitung ein Argument frei lateinisch geben lassen. Kin
fernerer Fehler sei, dasz man mit den lateiiiischen Aufsätzen zu zeitig
beginne, wogegen sich schon Hermann und Reiszig erklärt hätten;
man solle erst die Schüler durch Uebersetzungen aus Büchern, wie
von Seyffert und Süpfle, weiter fördern ; dabei sei er ein entschiedener
Feind der deutsch-lateinischen Lexika; in sein Haus dürfe kein solches
kommen, auch bei den Schülern solle kein solches sein. — Dir. Dr.
Heiland aus Stendal: die Exercitien und Extemporalien müsten in
den oberen Klassen wieder zu Ehren kommen; desgleichen aber auch
das memorieren, was am besten durch concreto Anschauung zum spre-
chen nnd schreiben führe. — Peter erklärt, dasz er seit Ostern wie-
der lateinisch gesprochen , ohne jedoch den Gebrauch der deutschen
Sprache auszuschlieszen. — Heiland fügt seiner früheren Bemerkung
noch bei, dasz man um das abschreiben zu verhüten, öfter Exercitien
in der Klasse fertigen lassen und die eigne Arbeit zur Ehrensache ma-
chen müsse. — Eckstein: er interpretiere jetzt deutsch und habe
keine Last zum Latein zurückzukehren. Zu den Sprechübungen liefer-
ten ihm die kürzeren ciceronianischen Reden den Stoff. Von diesen
lasse er sich die Argumente lateinisch mündlich geben und spreche mit
den Schülern lateinisch darüber. Von den lateinischen Disputationen
als einem ganz unbewährten Mittel habe er schon längst ganz abge-
sehen. — Benary drängt die von ihm für wichtig erkannten Bedurf-
nisse in folgende 4 Punkte zusammen: i) Basis reiche Lectüre, 2) viel-
Die Verhandlungen der paedagogiecben Seclion in Hamburg. 65
fache Uebung im schreiben, 3) Lateinsprechen , zuerst durch hören,
4) lateinische Verse. — Dietsch: er freue sich an einer Anstalt zu
stehen, welche von den hier bezeichneten Mitteln noch keine verloren
habe; um so mehr könne er aus eigner Erfahrung zu deren Anwendung
rathen. Man solle nicht glauben, dasz die Jugend zum Lateinsprechen
keine Lust habe; er habe vielmehr an seiner Schule schon vielfach be-
obachtet, dasz im Unterrichte der oberen mit den unteren die letzteren
oft von selbst gefragt, wie man wol das oder jenes lateinisch aus-
drucke. Eine Uebung hätten sie noch, die vielfach als pedantisch ge*
tadelt werde, aber gute Fruchte trage ; sie lieszen ebenso wie deutsch latei-
nisch in den unteren Klassen, in den oberen sogar griechisch deklamieren.
— Eckstein: mit SeylTerts Uebersetzungsbuch und Palaestra sei man
in den Schulen längst fertig; er habe jetzt zu Nägelsbach gegriffen;
damit werde er auch bald zu Ende sein; dann brauche er ein anderes;
mochte doch Seyfifert bald mit einem neuen dem Mangel abhelfen. —
Seyffert lehnt diese Aufforderung ab, da er zu alt sei, Dietsch
aber theilt mit: in Grimma haben die Lehrer, um theils die Benutzung
früherer Arbeiten zu verhüten, theils die Uebung mit dem jedesmaligen
Bedürfnisse in Zusammenhang zu bringen, den Grundsatz angenommen,
nie ein Pensum aus einem Buche zu dictieren, sondern dieses stet«
selbst zu fertigen. — Beifary erwiedert, das werde nicht jedem Leh-
rer möglich sein und auszerdem die herliche Seyffertsche Phraseologie
verloren gehen, worauf Dietsch entgegnet, dasz dem Lehrer unbe-
nommen sei bei eigner Ausarbeitung des Pensums ein Buch der Art zu
benutzen. — Heiland erinnert noch an das Mittel des mündlichen
übersetzen» in der Klasse. — Peter: ohne die Trefflichkeit der Seyf-
fertschen Phraseologie zu verkennen, müsse er doch sagen, dasz gar
keine Hülfe für den Schüler viel wesentlicher sei.
Nachdem man nun zu g übergegangen, erörtert Lnbker: der Ac-
cent werde von ihm und seinem Mitantragstelier auf die griechischen
Exercitien gelegt, bei der Erweiterung der Leetüre hätten sie beson*
ders an die späteren griechischen Historiker, namentlich an Plutarch
gedacht, deren Leetüre namentlich schon wegen der Verbindung mit
der Geschichte zu empfehlen sei. — Heiland: die griechischen Exer-
citien seien allerdings hochzuhalten, auch die Leetüre im Griechischen,
namentlich der Dichter, zu erweitern. Man solle ohne die Freiheit der
Individualität zu beschränken einen Kanon aufstellen: es solle kein
Schüler abgehen, der nicht den ganzen Homer, der nicht aus Herodot
die Geschichte der Perserkriege, der nicht die Antigene und einige
andere Stücke des Sophokles gelesen, der nicht aus der Apologie, dem
Kriton und Anfang und Ende des Phaedrus ein Lebensbild von Sokra-
tes gewonnen, dem endlich die Leichenrede des Perikles bei Thucydides
unbekannt geblieben. — Krüger erklärt sich mit Aufstellung eines
solchen Kanon einverstanden. Hoffmann aber bemerkt, dasz mit die-
sem Kanon doch wol nur das minimum der Leetüre gemeint sei. —
Ahrens drückt seine Freude aus über das von Heiland gesagte; er
wünsche indes das Gewicht auf die Dichter gelegt. Für die späteren
griechischen Historiker könne er nicht stimmen, da man des besseren
und trefflicheren genug habe. Für die classischen Studien sei der
Dualismus des Lateinischen und Griechischen nachtheilig, da er eine
Zersplitterung hervorbringe, man müsse deshalb beides in eine orga-
nische Verbindung zu setzen suchen und dies könne man erreichen,
wenn man von den Römern die Prosa, von den Griechen die Dichter
zur Leetüre wähle. Die griechische Prosa werde durch die lateinische
ersetzt, die Poesie aber sei nicht zu ersetzen. — Krüger erinnert für
den Kanon noch an Demosthenes. — Lubker: selbstverständlich sei
auf die griechischen Dichter das Hauptgewicht zn legen, doch halte
96 Die Verhandlungen der pacdagogischen Seciion in Hamburg.
er auch die Lecture des Plutarch far sehr forderlich und nützlich. —
Wiese: die Verbindung des Lateinischen und Griechischen werde ge-
fördert durch übersetzen aas dem Griechischen in das Lateinische.
Einverstanden sei er auch damit dasz die rationeile Grammatik snrock-
treten könne. Da der Zweck des Vereins die Anfstellung Ton Thema-
ten für die nächste Versammlung und von Aufgaben fnr litterarische
Thätigkeit sei, so wolle er hier aufmerksam machen, wie interessant
doch eine Geschichte der Schulbücher, oder in specie der lateinischen
8chulgrammatilten sein wurde. Eine ähnliche Aufgabe sei auch eine
lateinische Grammatik blosz in Beispielen. — Benary fordert auf;
die Versammlung möge erklären, wie nothwendig die Wiederaufnahme
des griechischen Exercitiums in das Abitnrientenreglement sei, woge-
gen Eckstein erwiedert, dasz dasselbe ja car nicht verboten sei. —
Da nach Hoffmanns Bemerkung man über i ganz einverstanden war,
h aber mit den Kieneschen Thesen in Zusammenhang stand, so gieng
man zu den letzteren über.
Aus der ziemlich lebhaften Debatte heben wir nur folgendes aus,
dasz namentlich Benary, der sich viel mit sprachvergleichenden Stu-
dien beschäftigt, gegen die Berücksichtigung des Gothischen und Alt-
hochdeutschen in der Schule sprach, dasz man jedoch in a die Erwäh-
nung des Mittelhochdeutschen vermiszte und namentlich Nöltlng der
Lecture des Nibelungenliedf^s das Wort redete, dasz Eckstein den
Satz unter b geradezu gefährlich fand und Prof. Dr. Schäfer aus
Grimma fragte, ob denn zu fürchten sei, dasz Lehrer für das Deut-
sche angestellt würden, welche nicht die antik' -philologische Bildung
sich vollständig angeeignet hatten. Jm allgemeinen entschied man sich
dafür, dasz für den Lehrer d(>s Deutschen das philologische Verständnis
der altdeutschen Dialekte ein unabweisbares Bedürfnis sei. In Betreff
des Punktes unter c) niarhtc Heiland auf den Segen aufmerksam, den
die Schülerlehrbibliothrkcn haben könnten, wenn sie recht geleitet
wurden. Er theile die Bücher in kanonische, d. h. solche, welche von
allen gelesen werden müsten, und in solche, welche nur nützlich seien.
Er halte einen Kanon fest. In Secunda lasse er das Nibelungenlied,
Gudrun und Walther von der Vogelweide lesen, aber in Simrncks
Uebcrsetzung; dann mache er einen starken Sprung bis zur Blüthcn-
Periode der deutschen Littoratur.
Für die letzte These, gestellt vom Geh. Reg.-Rath Dr. Wiese
blieb nur sehr kurze Zeit übrig. Albani weist auf die Nothwendig-
keit eines Kepertoriums hin, dergleichen er schon früher versucht;
Wiese ober bemerkt, dasz er dies nicht gemeint, sondern viel-
mehr die Frage, ob der Nutzen des Instituts den darauf verwandten
Kosten entspreche und welche Einrichtung dazu dienen könne, diesen
Nutzen zu erhöhen; indes werde die Sache vielleicht in Zeitschriften
besprochen werden. ♦) Ä. DieUch,
Auszüge aus Zeitschriften.
ZeitscJirifl für das Gymnasialtßesen, Herausgeg. von J. Mützell.
9r Jahrgang 1855.
Septemberheft. Schmidt: über leitende Ideen zu einem neuen
Regulative für den geschichtlichen und geographischen Unterricht (S.
*) Der unterzeichnete hat es im letzten Hefle des LXXII Bandes
versucht.
Auszüge aus Zeitschriften. 07
641—661: weitere Auafuhrnng der schon VITI 8. 593 ff. anfgesteliten
Grandsätze). — Merieker: Nachrichten aber die Gymnasien und Pro-
gymnasien der Provinz Prenszen (S. 661 — 668). — Giese: die christ-
liche Lehre. Von W. H. in B (S. 668—670: entschiedener Protest
gegen das Buch). — Kühne: Lehrbuch der Mathematik. Ir Thi. Von
Rühle (S. 670 f.: ^hält einen ehrenvollen Platz unter den neueren
Lehrbüchern angewiesen). — Ruckgaber: Handbuch der Universal-
geschichte. Ir ThI. Von Schirrmacher (S. 672 — 674: viel Ballast
und überflüssiges Material wird gefunden). — Dietsch: Grnndrisz
der ailg. Geschichte. Von dems. (S. 674 f. Ref. dankt für die mitge-
tbeiiten Berichtigungen*). — Benecke: franzosische Grammatik für
die unteren Klassen. Von Schubert (S. 675 f.: als recht zweck-
mäszig bezeichnet). — Rempel: französisches Uebnngsbuch. 2e Abtb.
Von demselben (S. 676 f.: gelobt, aber zu ausgedehnt befunden). —
Kleine Sammlung lehrreicher Uebersetzungsstücke aus dem Deutschen
in Französische. Straszburg 1862. Von dems. (S. 678: durch und
durch praktisch). — Lucenay und Meyer: Materialien zum über-
setzen aus dem Deutschen ins Französische, le Abth, 2e Aufl. Von
dems. (S. 678 f.: für diejenigen, welche das übersetzen zeitig begin-
nen, recht brauchbar und mit groszer Sorgfalt gearbeitet). — Castros:
französische Anmerkungen zu Herrigs Aufgaben. Von dems. (S. 680:
erfährt manchen Tadel). — Otto: französische Conversationsgramma-
tik. 2e Aufl. Von dems. (S. 681 f.: in Vergleich mit der ersten Aufl.
besser, aber doch noch manche Mängel). — Le verre d'eau und Angelo,
p. p. Louis. Von d#)s. (S. 682: empfohlen). — Brandes: Geogra-
phie von Europa. Von Höischer (S. 683 — 689: ausführliches, die
Gelehrsamkeit, Sorgfalt und Geschicklichkeit in der Ausführung dar-
legendes Referat). — Friederichs: Praxiteles und die Niobegruppe.
Von Heffter (S. 689 f.: Referat über . die interessante Schrift). —
V. Noroff: die Atlantis. Von RujHt Schnitze (S. 690 f.: nicht gut-
geheiszen). — Vi^olff: 4 griechische Briefe Friedrichs II. Von Fo ss
(S. 691 f.: Referat). — Pertz: scriptores rerum Germanicaruro in
usum scholarura. Von dems. (S. 692: nur Anzeige des daseins). —
Kühner: Anleitung zum übersetzen aus dem Deutschen ins Latei-
nische. 3e Abthl. Vo|^ Hartmann (S. 693 f.: sehr gelobt). —
Spiesz: Uebungsbuch zum übersetzen aus dem Deutschen ins Latei-
nische für Tertia 3e Aufl., für Quarta 5e. Von dems. (S. 696: Ver-
besserungen werden anerkannt). — Beeskow: Uebungsstücke zum
übersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische. Von dems. (S. 696:
im allgemeinen gelobt). — Kambly: Elementarmathematik, 2r und
3r Thl. 3e und 2e Aufl. Von Rühle (S. 697 — 699: anter bedeuten-
dem Lobe Aufstellung einiger Wünsche). — Ueber den Mangel an
Candiaaten des höheren Schulamts (S. 700 f. : die Ursache wird in den
geringen Besoldungen gefunden). — Ueber die Externen (S. 701 : Vor-
schläge zur Minderung). — Heffter: der Mythos von der Niobe (S.
702 — 706: Erklärung des Mythos aus dem Steinbilde einer Göttin in
Cilicien). — Gotthold: über den Tact der sapphischen Strophe bei
1 2 8
Horaz (S. 706—712: der Tact wird so gethcilt -— | — ww|_s.-s.). «.
'*') Wegen '^Xtaia verweise ich auf Bergk in den Verhandlungen
der Philologenversammlung zu Jena 1846 S. 38 — 46; auch weisz ich
recht wol, dasz Friedrich der Streitbare zwar schon am 6. Jan. 1423
einen Lehnbrief vom Kaiser erhielt, aber erst am 1. Aug. 1426 an
Ofen feierlich belehnt wurde, demnach erst mit diesem Tage in recht-
lichen Besitz trat, in welchem er gegen Erich den Lauenburger durch
eine Erklärung Sigismunds vom 14. Aug. 1426 geschützt wurde.
iV. Jahrb. f. PhU. u. Paed. Bd. LXXIV. HfL 2. 7
98 Auszüge aus Zeitschriften.
Schmidt in Wittenberg: zur Seh ulgrammatikf rage (8.713—725: ein-
gehende Begründung des Urtheils, dasz die lateinische Schulgrammatik
von Frdr. Berger dem Begrilfe einer solchen unter allen dem Verf.
bekannten am nächsten komme. Als mangelhaft wird sodann noch die
Auswahl und die Anordnung des Stoffes bezeichnet). — Die Einweihung
des in Schweidnitz neu erbauten Gymnasiums (S. 725 — 735). —
Mut Zell: statistisches (S. 735 — 742: gegen Schweminski im vorigen
Hefte wird nachgewiesen, dasz für die katholischen Gymnasien 86607
Thlr. 26Sgr. 11 Pf., für die eTangelischen 169764 Thlr. 7 Sgr. 10 Pf.,
für das gemischte in Essen 1800 Thlr. aus Staatsmitteln zuffeschossen
werden : der Irthum stamme aus Mushackes Kalender, der nicht Ursache
gehabt habe, die beiden Arten der Zuschüsse zu sondern). — Aas
Westphalcn (S. 743: eine Berichtigung). — Personalnotizen (S. 742).
Octobcrheft. Landfermann: zur Revision des Lehrplans
höherer Schulen und der Abiturlentenprnfungsreglements (S. 745 — 791:
das richtig und zeitgemäsz organisierte Gymnasium sei die echte hö-
here Schule, Bürger sowol für den Staatsdienst und die Kirche, als für
Gewerbe und Industrie zu bilden; die Concentration sei nicht in Ans-
schlusz eines oder des andern Faches, sondern in der Stellung dea
bildendsten in den Mittelpunkt und der rechten Ordnung der übrigen
zu ihm zu suchen, als das bildendste die alten Sprachen zu betrachten,
in diesen aber eine auf Anschauung hinführende, Liebe zu den Sprachen
und den Klassikern erweckende Methode befolgen. Da im Deutschen
jede systematische Grammatik (bedingungsweise bei Vorhandensein ei«
ner ausgezeichneten Lehrkraft in den obersten blassen elementare Be-
treibung der historischen) auszuschlieszen , viele der bisher demselben
zugewiesenen Uebungcn bei den alten Sprachen und andern Gegenstan-
den vorzunehmen , die viel zu weit greifenden freien Aufsätze zu be-
schränken sind, der Unterricht in unteren und oberen Klassen in Lec-
tfire bestehen und deshalb auch der umfangreiche und zusammenhan-
gende Unterricht in der Litteraturgeschichte auf eine blosz orientie-
rende Uebersicht beschränkt werden soll, so reichen für alle Klassen
zwei Stunden aus. In den neueren Sprachen ist richtige Aussprache,
ein leichtes Verständnis von geschriebenem und ein Anfang im schrift-
lichen correcten Ausdruck das Ziel, über das auch die Realschule nicht
hinausführen kann ; der Unterricht im Franzosischen hat in Quinta mit
3 — 4 Stunden zu beginnen, dann reichen in den andern Klassen 2 Stun-
den aus. Für den Religionsunterricht wird in den beiden oberen
Klassen 1 Stunde mehr (also 3) gefordert zur Leetüre des N. T. in
der Ursprache, die heilige Schrift, das kirchliche Bekenntnis und das
Kirchenlied bilden den Kern, das Uebermasz kirchengeschichtlicher
Details und speculativer Erörterung ist zu melden. Vom mathemati-
schen Unterricht wird auf die Trigonometrie, unter Umstanden seibat
auf die Stereometrie verzichtet und daher auch auf 1 der 4 St. Dia
Naturgeschichte wird in der Ausdehnung des preuszischen Lehrplau
beibehalten, aber die Erreichung von Naturkenntnis, nicht Bach-
wissens, dringend empfohlen; die Physik soll schon in Tertia begin*
nen, aber in Prima wegfallen, philosophische Propaedeutik bei Vor-
handensein einer tüchtigen Lehrerkraft für die begabteren Schüler ge-
stattet werden. Für die Geschichte reichen in den oberen Klassen
bei 5 — 6j. Curaus 2 St. aas. Hebraeisch für Theologen 2 St. in I n.
ir. Auszerdem werden die technischen Fertigkeiten und die den Scha-
lern der oberen Klassen zum selbstthätigen Stadium zu gewahrende
Musze eingehend erörtert. Für die Abiturientenprüfung wird nach ge-
nauer Erörterung der bisher sich herausgestellt habenden Misstande
gefordert, dasz sie sich lediglich auf die Kenntnis der Reife für die Uni-
versitätastudien beschranke, nicht zu einer Revision der Schule diene,
AasxQge aas Zeitsehriflen. 90
•ondern dasz der damit beauftragte CommiMar sich daran halte^ ob er
da« Urtheii der Lehrer ober die Reife eines Scb&lers bestätigt finde).
— Scholia in Homeri Odysseam ed. G. Dindorfias. Angez. von
Am ei 8 (8, 792 — 94: unter einigen Bemerkungen vollste Anerkennung
der Verdienstlichkeit). — flaiiustius. Erklärt t. Jacobs. 2e Aufl.
Ang. y. Wagner (S. 795 — 801: lobende Beurtheilung mit Bemerkun-
gen zu einzelnen Stellen). — Trompheller: ein Beitrag zur Würdi-
gung der horaziscben Dicbtifveise. Ang. v. Egger t (§. 801—804:
ausführlicher sehr empfehlender Bericht). — Miscelien von Schmidt
in Oeii (S. 806 f. : über des Apollonios von Perge m%vt6iuov , über
des A, Caecina villa, dasz Klitarchus kein Aeoler gewesen, über die
Kritik der Texte bei den Alten, ein Nachtrag zu Didymus). — Nach-
richten aus Westphalen (S. 807 f.) — Personalnachrichten S. 808.
NoTemberheft. Foss: geographische Repetitionen in den obe-
ren Klassen des Friedrichs— Wilhelms-Gymnasinms zu Berlin (8. 809 — 831 :
An Frankreich wird dargestellt, was der Vf. von den Primanern yer^
lanet und was von den meisten geleistet wird. Die Darstellung bietet
auch in anderer Hinsicht für den Lehrer interessantes). — Hopf und
Paulsiek: deutsches Lesebuch. I 1. Ang. v. Stern (8. 832—834:
lebhaft empfohlen). — Pütz: altdeutsches Lesebuch. Ang. v. Hdl-
scher (S. 835—837: sehr gelobt). — Phaedrus. Erklart von C. W.
Nanck. Ang. t. Hart mann (S. 837—839: anerkennende Charakte-
ristik der Ausgabe). — Theiss:'de proverbio Tavtdlov xdXavta cet.
Ang. T. dems. (S. 840 f.: als volle Anerkennung verdienend bezeich-
net). — Heinichen: einige Worte zur Verständigung über den Un-
terricht im lateinischen Stil mit Rücksicht auf die Abhandlung von
Kühnast im Januarhefte (S. 842—845 : Zurückweisung der Behauptun|;,
es sei der Vf. in seiner Stilistik zu weit gegangen, indem er auch die
Schönheit des Stils mit hineingezogen). — Knhnast: auch ein Wort
zur Verständigung (S. 845 — S^: Beleuchtung der im vorhergehenden
Aufsatz enthaltenen Bemerkungen und der Haupttendenz des eigenen).
Mützeil: zu Horatius: (S. 850 — 877: durch eine sehr gelehrte und
sorgfältige Erörterung wird nachgewiesen, dasz die von dem neuesten
Herausgeber Pauly benützte Ausgabe des Cruquius von 1611 durch-
aus nicht eine echte und klassische sei, sodann was er gewonnen ha-
ben wurde, wenn er dies nicht verkannt. Ferner werden manche Un-
genauigkeiten in den Angaben Paulys dargelegt, und endlich auch sein
Urtheii über die Codices zurückgewiesen). — Hör. carro. I 26 6 — 9.
Von —1— in G. (8. 878—880: Inhaltsangabe der Gratnlationsschrift
von Hanow an Kiessline unter einigen eigenen Bemerkungen). —
Häckermann: zu Vergil (S. 880: Aen. II 533 f. media inmorie te-
neri wird erklärt). — Auszüge aus den Protokollen des berliner Gym-
nasiallehrervereins von Langkavel (S. 881— 883: ausführlicherer Be-
richt über einen Vortrag von Stech ow über den deutschen Unter-
richt in den 3 untersten Klassen und 2 kürzere). — Kühnast: zur
Gymnasialstatistik der Provinz Preuszen (S. 883 — 886: sor^ltiger
Nachweis der Unrichtigkeiten in Schweminskis Aufstellungen im Juli-
heft). — Aus Berlin (S. 887 : Zahl der Prüfungen vor den wissenschaft-
lichen Prüfungscommissionen) — Personalnotizen (S. 887 f*)-
Zeitschrift für die ÖMterr. Gymnasien. 6r Jahrg. 1855. (Vgl
Bd. LXXII S. 416 ff.)
68 Heft. Büdinger: Umrisse der österreichischen Geschichte
vom Ende des 8n bis gegen Ende des lOn Jahrhunderts (8. 433—451.
Schlusz vom vorigen Hefte. Recht nützliche auf die neuesten Quellen-
forschungen gestutzte Darstellung). — Klosz: über Gesang nnd Ge-
7*
100 Auszüge nOs Zeitschriflefi.
sangunterrichtsplan an Gymnasien und Realschulen (8. 452 — 56: Dar-*
legung der Wirksamkeit, welche dieser Unterricht haben kann, und
Vorschläge von Mitteln zu deren Erreichung). — Sophokles Trachinie-
rinnen, erklärt von Seh neide win und dess. über die Trachinierinnen
des Sophokles. Ang. v. Schenkl (S. 457 — 163: durchaus anerkennende,
»her auch einige eingehende Bemerkungen bietende Beurtheilung). < —
1. Grammatica greca del G. Curtius, tradotta in italiano. Vienna
1855. 2. Esercizi greci del C. Schenkl, tradotti da C. Mason. 9.
Grammatica elementare della lingua greca conipilata sopra quelle di
Fr. Spiess e G. Curtius da Gius. Müll er. 4. Grammatica greca di
Foytzik. Ang. v. P. Hochegger (S. 464 — 473: l u. 2 werden canz
entschieden gelobt, auch 3 brauchbar befanden, obgleich die Verschie-
denheit der Quellen hier und da störenden Einflnsz geübt habe, mehr
Tadel erfahrt 4). — Hauschild: Elementarbuch der deutschen
Sprache nach der calculierenden Methode. Ang. v. K. Tomaschek
(S. 473 — 477: ruhig prüfende, für den Lehrer manches anregende darin
findende, aber die Methode im ganzen verwerfende Kritik). — Hab:
die deutsche komische und humoristische Dichtung. Ang. y. Feifalik
(S. 478 — 480: durchaus verwerfendes Urtheil). — Ergänzungen zu
Stielers Handatlas: der Öäterr. Kaiserstaat. I. Ang. von Steinhäu-
ser (S. 480-482: recht gelobt). — Molt: Darstellungen aus der phy-
sischen Erdbeschreibung in groszen Karten. Ang. v. dems. (S. 482 f.:
die Absicht nicht verkannt, aber die Sache für die Schulen nicht em-
pfohlen, weil das selbstzeichnen der Lehrer und Schuler besser sei)*
— Harms: die erste Stufe des mathematischen Unterrichts. Angez.
V. Gernerth (S. 483 — 487: mit besonderer Freude begrüszt). — Ter-
ni^zettan elemei (Lehrb der Physik). V. Fuchs Albert. Ang. ▼.
Grailich (S. 488—409). — Verordnungen. Statistik (S. 500—510). —
Ueber die Aenderungen des Gymnasial -LehrplauH für das Lateinische
nnd die philosophische Propaedeutik (S. 511 — 531: A. Capelimann
schlägt zur Erweiterung des letzteren Unterrichts eine Hodegetik für
die akademischen Studien vor, erklärt sich aber gegen eine Ausdeh-
nung auf die 7e Klasse und fordert 3 wöchentliche Stunden in der 8n.
Die 2 Stunden in der 7n sollen auf Latein und Griechisch verwendet
werden. Heller in Gratz erklärt sich gegen die von Bonitz vorge-
schlagene Einrichtung des naturgeschichtlichcn Unterrichts im Ober-
gymnasium. Bonitz vertheidigt seine Ansichten, namentlich auch gegen
Capellmanns Satz, da.sz der Lehrer der deutschen Litteratur und Ge-
schichte zugleich altklassischcr Philolog sein soll). — Beiträge cur
Geschichte des Hexenglaubens und der Hexonprocesse in Siebenbürgen.
Ang. von Bü ding er (S. 531 f. sehr gelobt). —
7 s Heft. R. V. Raum er :'die Verbesserung der deutschen Rechtr
Schreibung und die Feststellung streitiger Schreibweisen (S. 533-580:
dem hannoverschen Entwürfe der Regeln für deutsche Rechtschreibung
kann der Verf. bei weitem in den meisten Punkten beipflichten. Im
In Abschnitt wird ausführlich der Satz begründet, dasz die überlieferte
Gestalt der deutschen Rechtschreibung die Grundlage aller weiteren
Verbesserungen bildet, wobei namentlich die Unterscheidung der Aen-
derungen in solche, die den Laut der bisherigen Zeichen nicht andern,
und die ihn verändern, festgehalten und ihre Bedeutsamkeit nachge-
wiesen wird. Der Grammatiker hat sich streng an die Untersachnng
nnd Darstellung der gegebenen Schriftsprache zu halten und deshalb
auch in Bezug auf die Orthographie ah den überlieferten Lauten nichts
zu ändern, während ihm zusteht, die überlieferten Zeichen für diese
durch zwockmäszigere zu ersetzen. Im zweiten Abschnitt erörtert dann
der Verf. die neuhochdeutschen Laute. Die im dritten Abschnitte ge-
gebenen darauf fuszenden Regeln lasnen einen Aufzug nicht wol zu). —
AnszQge aus Zeitschriften. 101
B o R e : deutaches Lesebach. 3r Thl. Ang. von Bratraiiek (8, 681 —
690: als Glanzpunkt wird der streng sittliche und religiöse Ton be-
zeichnet und auch sonst erklart sich der Rec. mit den Grundsätzen
des Verf. einverstanden, aber es werden auch viele eingehende Bemer-
kungen gemacht). — Bumuller: Lehrbuch der Geographie und Ge-
schichte für die untern Klassen der Gymnasien. Ang. v. F ick er
(S. 690 — 697: der Rec. stimmt ganz mit der ihm noch unbekannten
Beurtheilnng in diesen NJbb. LXXII S. 229 ff.). — Schauenburg:
Fluszkarten von Europa (S. 697 — 698: vielseitige Verbreitung wird
dem sehr empfeblei|swerthen Hülfsmittel gewünscht). — Köhler: lo-
ffaritbmisch- trigonometrisches Handbuch. Ang. v. K. v. Littrow
(S. 698 f.: sehr empfohlen, nur die Beibehaltung der ursprünglich ge-
troffenen Anordnung getadelt). — Witzschel: die Physik faszHch
dargestellt. Ang. v. Pisco (S. 699- 601: trotz mehrerer Ausstellun-
gen als ein recht brauchbares V^erk empfohlen). — Mack: Lehrbach
der Chemie. Ir Thl. Ang. v. Hinterb erger (S. 601 f.: als sehr
brauchbares Lehrbach empfohlen). — Verordnungen und Statistik (S.
603—610). — Oesterreichische Schulprogramme 1863 — 54. Abhandlun-
gen aus dem Gebiete der deutschen Sprache und Litteratur. Ang. v.
K. Wein hold (S. 611 — 613. Schier: kurze und gedrängte Verglei-
chung der slavischen, besonders der böhmischen Sprache mit der deut-
schen hinsichtlich der Formen. Jicin: «der Verf. sei dem Stoffe nicht
gewachsen'. — Schöpf: über die deutsche Volksmundart in Tirol.
Bozen: ^unter einzelnen Aasstellungen gelobt und zur Nachahmung em-
pfohlen'. — Schöpf: die Töne Ulrichs von Liechtenstein. Preszburg:
«nicht gelungen'. — V^erner: Beiträge zur Culturgeschichte von
Iglau. Iglau: «manches zu tadeln'. — Scbuldramen in den Piaristen -
schulen im I7n und 18n Jahrb. Krems: «sehr brauchbar'. — Schröer:
erstes Heft eines deutschen Lesebuchs für die oberen Klassen an Mit-
telschulen. Preszburg: Realschule: «der Gedanke sei zu loben, aber
die Ausführung nicht zu billigen'). — Ang. v. Feifalik (S 614 f.
Schlenkrich: über die V^ichtigkeit der älteren deutschen Sprache
und Litteratur. Prag, Kleinseite: «im ganzen nicht ungünstig beur-
theilt\ — Klemsch: über deutsche Ortografie. Samber: «erfahrt
viel Tadel'. — Ost feil er: der Nibelungen Klage. Gratz, Real-
schule: «die Absicht sei gut, aber weder das Gedicht für die Schule
geeignet, noch die Uebersetzung durchweg zu loben'). — Abhandlun-
gen aus dem geschichtlichen Gebiete. Angez. v. Lorenz (8. 616.
Pantke: Versuch einer Parallele zwischen griechischem und römi-
schem Volkscharakter. Teschen: «Belesenheit zu loben, die Methode
entschieden zu verwerfen'. — Lepar: historisch- geographische Dar-
stellung der Westgrenze des deutschen Volks und Reiches. Znaim:
«sei ganz ungenügend'). —
8s Heft. L. Just: das Gymnasium als Erziehungsanstalt (S. 617
— 637: der Verf. geht die einzelnen Unterrichtsgegenstande durch,
indem er ihren erziehenden Einflusz und die zur Erreichung desselben
zweckmäszige Behandlung zeigt. Besonders ist dem Ref. die Art, wie
das Studium der Alten besprochen worden, erfreulich erschienen. Tn
einem zweiten Abschnitte werden die Eigenschaften, welche der Leh-
rer entwickeln musz, unter Berücksichtigung namentlich Quintilians,
dargestellt). -— Stoll: Anthologie griechischer Lyriker. Ang. v. K.
Schenkl (S. 638 — 644: das Buch wird als brauchbar empfohlen, zu-
gleich aber eine sorgfaltige Revision und theilweise Umarbeitang bei
einer zweiten Auflage als nothwendig bezeichnet). — Wipponis pro-
verbia cet. ed. Pertz. Ang. v. Lorenz (S. 644 f.: wird den Gym-
nasiallehrern und Bibliotheken dringend empfohlen). — Viicslav
Merklas: Atlas Stareho Svota (Atlas d. alten Welt). Ang. v. Lin-
104 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen.
1 davon dem mathematischen, die andere dem Religionsunterrichte
(^aii katholischen Gymnasien) gewidmet »ird.
Anm. 1. Die zu Gunsten einiger Gegenstande festgesetzte Ver-
mehrung der Stundenzahl darf in keinem Falle zur Ausdehnung des
LehrstolFes über den bisher begrenzten Umfang benätzt werden, sie
aoW vielmehr dazu dienen, damit zu einer eindringlicheren Behandlung
des Lehrätoifes und zur Vornahme hauüger Uebungen In der Schnli
selbst Zeit gewonnen werde. In diesem Falle behebt sich nicht nur jedes
Bedenken wfgen Ueberbürdung der Schüler, die aus einer übrigens
unerheblichen Vermehrung der Lehrstunden entstehen konnte, sondern
es wird die Wirksamkeit des Schulunterrichts, die weniger von der
Zahl als vua der gehörigen Verwerthung der Lehrstunden abhangt, ge-
fördert. — Anm. 2. P^ine Aenderung in der bisher festgesetzten An-
ordnung der griechischen Leetüre hat nicht einzutreten, hingegen ist in
der V und Vi Kl. alle 8 statt wie bisher alle 14 Tage eine Lehrstunde
grammatischen Uebun<;en zu widmen. Auch ist die an vielen Gymna-
sien eingeführte und vom Ministerium gebilligte Uebung in der V Kl.
im In Sem. Xenophon vor Homer zu lesen nunmehr durchgängig ein-
zuführen. — An m. 3. Es ist thatsächlich in Uebung gekommen und
in jedem vorkommenden Falle vom Ministerium gebilligt worden, dasz
in der VIII Kl. 1 St. wöchentl. zum mathematischen Unterrichte ver-
wendet werde. Diese von einsichtigen und berufseifrigen Lehrern als
zweckdienlich anerkannte Unterrichtszugabe erhält hiermit allgemeine
Geltung, mit der Beschränkung jedoch, dasz diese Lehrstnnde zur
Uebung in der Lösung mathematischer Probleme in der Schule selbst
mit Ausschlusz von Hausaufgaben und liierdurch zu einer zusammenfas-
senden Wiederholung, keineswegs aber zur Fortsetzung oder Erweite-
rung des mathematischen Lehrpensums, das in der VII Kl. jedenfalls
zum Abschlüsse kommen musz, zu verwenden ist. Die Leistungen der
Schüler bei diesen Uebungen sind in den Semestralzeugnissen ersicht-
lich zu machen. — An m. 4. In Anbetracht des belangreichen Lehr-
stolfes der Kirchengeschichte stellt es sich als angemessen heraus, dass
dem Religiunsunterrichte in der VIII Kl. I St. wöchentlich unter Kin-
haltung der oben (Anm. 1) angedeuteten Vorsicht zugelegt werde. —
Anm. j. In Berücksichtigung des Umstandes, dasz die Bedeutsamkeit,
welche die Naturgeschichte für die Gymnasialaufgabe hat, nicht eine
möglichst grosze Ausdehnung des Lehrstoffs bedingt, erscheint es unbe-
denklich und ist bei verschiedenen Anlässen sowol in der Gynmasiai-
Zeitschrift, als in amtlichen Berichten von einsichtsvollen Vertretern
des Faches auch angerathen worden, dasz mit 2 wöchentlichen Lehr-
stunden durch 2 Jahrescurse für dasjenige Masz des naturgeschicht-
lichen Wissens, welches zur allgemeinen Bildung eines Gymnasialabitu-
rienten gehö|^, das auslangen gefunden werden soll, zumal wenn der
Unterricht im Unter- und Obergymnasium nicht nur in Rücksicht auf
die Form , sondern auch in Rücksicht auf die Materie verschieden be-
handelt wird, so dasz unnöthige Wiederholungen vermieden werden.
Zu diesem Behufe werden im nachstehenden einige Bemerkungen
initgctheilt, die geeignet sind den hetreifenden Lehrern bei Losung
ihrer Aufgabe als sichere Anhaltspunkte zu dienen. Zoologie. Am
Untergymnasium ist bei der Beschreibung darauf Rücksicht zu neh-
men, dasz nicht nur die ohnehin sogleich in die Augen fallenden Ei-
genschaften, >\ie Farbe, allgemeine Gestaltung usw. erwähnt werden,
sondern aiich solche minder auffällige, welche für die Ciiarakteristik
von Wichtigkeit sind, insoweit sie nemlicli den Schülern mit den eben
zu Gebote stehenden Hilfsmitteln vor Augen gefilhrt werden können.
Thiere, welche nicht in natura oder in guten Abbildungen vorgezeigt
werden können, .sind dagegen gar nicht zu beschreiben. Auf die Iiebena-
Berichte aber gelehrte Anstalten, VerordnadgeD, stetist. Notisen. 105
weise der Thiere nnd ihre Beziehtuigen snm Menschen ist besondere
Racksicht zu nehmen. Naturgetreue, lebhafte nnd gut geschriebene
Schiiderungen aus diesen Gebieten können dem Schüler für seine Pri-
Tatiectnre empfohlen werden. Auf Grundlage der erworbenen Summe
dieser Kenntnisse ist am Obereymn. den Schulern eine systematische
Uebersicht über die Wirbel- und Gliederthiere und ihre geographische
Verbreitung zu geben; hierbei liegt dem Lehrer die schwierige Auf'
gäbe ob, den Schulern eine Vorstellung von dem unendlichen Reich-
thume der übrigen Thierwelt zu verschafifen, welche in sich viel mehr
Material für die Erweiterung der Ideen birgt, als Wirbelthierie und Glie-
derthiere zusammengenommen. Es ist klar, dasz diese Vorstellung nnr
eine Terhältnismäszig beschränkte sein kann, und der Lehrer hat sich
in der Auswahl der näher zu beschreibenden Objecte an dasjenige za
halten, was die Fauna der nächsten Umgegend und die Sammlung des
Gymnasiums bietet. Es wird dringend gewarnt, da^z die Zeit nicht
verloren werde mit Beschreibung von Organisationsverhältnissen, wel-
che man dem Schüler nicht zur Anschauung bringen oder durch Abbil-
, düngen vollständig illustrieren kann. Dagegen ist auch hier auf die
Beziehungen der Thiere zum Menschen, auf die mächtigen Effecte,
welche oft durch das zusammenwirken vieler Individuen hervorgebracht
werden , auf ihren Einflusz auf die Gestaltung der Oberfläche usw.
die gebührende Rücksicht zu nehmen. — Botanik. E^ ist nothwendig
schon im Untergymn. mit der Organographie und Terminologie za
beginnen. Ais Ziel des Unterrichts wird bezeichnet, dasz der Schüler
an einer Anzahl von Gewächsen, wenn ihm solche in natura vorgelegt
werden die emzelnen Organe zu erkennen und in den richtigen Aus-
drücken zu beschreiben vermöge. Bei der Auswahl dieser Pflanzen ist
vor allem zu berücksichtigen, dasz sie als Paradigmata dienen sollen.
Es ist ohne Rücksicht auf das System vom leichteren zum schwereren
aufzusteigen und durch Manigfaltigkeit der vorgelegten Formen eine
möglichst ausgedehnte Kenntnis der Terminologie zu erzielen. Im Ober-
gymnasium sollen die im Untergymnasium gesammelten Kenntnisse zur
Anwendung kommen nnd soll auf ihnen fortgebaut werden. Hier ist
die Kenntnis der einzelnen Pflanzen, ihrer systematischen Anordnung
und ihrer geographischen Verbreitung zu erwerben. Bei der Auswahl
der Pflanzen siiid hier vorzugsweise diejenigen am Orte wild wachsen-
den oder cultivierten zu berücksichtigen, welche für den Menschen eine
besondere Wichtigkeit haben. Die genaue Kenntnis derselben, ihrer
Lebensbedingungen und der Art ihrer Verwendung ist einer mehr ex-
tensiven Pflanzenkenntnis überall voranzusetzen. Mineralogie. Es
ist dahin zn streben, dasz im Obergymnasium eine Wiederholung dessen
vermieden werde, was im Untergymnasium gelehrt wurde. Die Pro-
paedeutik falle mehr dem Untergymn., die systematische Mineralogie,
sowie die Geognosie mehr dem Obergymn. zu und im letzteren werde
nur dasjenige aus der Propaedeutik ergänzt, wofür die Fassungskraft
der Schüler auf dem Untergymn. nicht ausreichte. Bei der Kostbarkeit
der Zeit ist streng darauf zu halten, dasz dieselbe nie mit Beschrei-
bung von Mineralien zugebracht werde welche nicht in natura vorge-
zeigt werden, und dasz man sie bei der nothwendig werdenden Aus-
wahl vorzugsweise denjenigen zuwende, welche durch ihre Verbreitung
und ihren Nutzen besonders wichtig oder in naturwissenschaftlicher
Hinsicht mehr als andere merkwürdig sind.
III. Die Naturgeschichte bort auf Gegenstand der Maturitäts-
prüfung zn sein. Es ist aber das aus den Calcüis über die Semestral-
teistungen der Schüler in der V und VI Kl. resultierende Urtheil iu
das Maturitätszeugnis aufzunehmen, welches dann einen integrierenden
Factor bei Feststellung des Kndurthcils in diesem Zeugnisee bildet.
104 Btrklile Aber gelehrte Anslalteo, Verordnungea, Statist. NoÜsea.
l ^ATon dem mathematischen, die andere dem Religionsunterrichte
^an katholischen Gymnasien) gewidmet wird.
Anm. 1. Die zu Gunsten einiger Gegenstände festgesetzte Ver-
mehrung der Stundenzahl darf in keinem Falle zur Ausdehnung des
Lehrstoffes über den bisher begrenzten Umfang benützt werden, sie
soll vielmehr dazu dienen, damit zu einer eindringlicheren Behandlung
des Lehrstoffes und zur Vornahme häuüger Uebungen in der Schule
selbst Zeit gewonnen werde. In diesem Falle behebt sich nicht nur jedes
Bedenken wegen Ueberbürdung der Schüler, die aus einer übrigens
unerheblichen Vermehrung der Lehrstunden entstehen könnte, sondern
es wird die Wirksamkeit des Schulunterrichts, die weniger "von der
Zahl als von der gehörigen Verwerthiing der Lehrstunden abhängt, ge-
fördert. — Anm. "2. Eine Aenderung in der bisher festgesetzten An-
ordnung der griechischen Leetüre hat nicht einzutreten, hingegen ist in
der V und VI Kl. alle 8 statt wie bisher alle 14 Tage eine Lehrstunde
grammatischen Uebungen zu widmen. Auch ist die an vielen Gymna-
sien eingeführte und vom Ministerium gebilligte Uebung in der V Kl.
im In Sem. Xenophon vor Homer zu lesen nunmehr durchgängig ein-
zuführen. — An m. 5. Es ist thatsächlich in Uebung gekommen und
in jedem vorkommenden Falle vom Ministerium gebilligt worden, dasz
in der VIII Kl. I St. wöchentl. zum mathematischen Unterrichte ver-
wendet werde. Diese von einsichtigen und berufseifrigen Lehrern als
zweckdienlich anerkannte Unterrichtszugabe erhält hiermit allgemeine
Geltung, mit der Beschränkung Jedoch, dasz diese Lehrstnnde zur
Uebung in der Lösung mathematischer Probleme in der Schule selbst
mit Ausschlusz von Hausaufgaben und hierdurch zu einer zusammenfas-
senden Wiederholung, keineswegs aber zur Fortsetzung oder Erweite-
rung des mathematischen Lehrpensums, das in der VII Kl. jedenfalls
zum Abschlüsse kommen musz, zu verwenden ist. Die Leistungen der
Schüler bei diesen Uebungen sind in den Semestralzeugnissen ersicht-
lich zu machen. — An m. 4. In Anbetracht des belangreichen Lehr-
stoffes der Kirchengeschichte stellt es sich als angemessen heraus, dasz
dem ReligluUdUnterrichte in der VIII Kl. 1 St. wöchentlich unter Ein-
haltung der oben (Anm. 1) angedeuteten Vorsicht zugelegt werde. —
Anm. 5. In Berücksichtigung des Umstandes, dasz die Bedeutsamkeit,
welche die Naturgeschichte für die Gymnasialaufgabe hat, nicht eine
möglichst grosze Ausdehnung des Lehrstoffs bedingt, erscheint es unbe-
deiuelich und ist bei verschiedenen Anlässen sowol in der Gymnasial-
Zeitschrift, als in amtlichen Berichten von einsichtsvollen Vertretern
des Faches auch angerathen worden, dasz mit 2 wöchentlichen Lehr-
standen durch 2 Jahrescurse für dasjenige Masz des naturgeschicht-
lichen Wissens, welches zur allgemeinen Bildung eines Gymnasialabitu-
rienten gehö|^, das auslangen gefunden werden soll, zumal wenn der
Unterricht im Unter- und Obergymnasium nicht nur in Rücksicht auf
die Form, sondern auch in Rücksicht auf die Materie verschieden be-
handelt wird, so dasz unnöthige Wiederholungen vermieden werdeu.
Zu diesem Behufe werden im nachstehenden einige Bemerkungen
mhnetheilt, die geeignet sind den betreffenden Lehrern bei Lösung
kKrvr Aufgabe als sichere Anhaltspunkte zu dienen. Zoologie. Am
V niergy mnasium ist bei der Beschreibung darauf Rücksicht zu neh-
aMn, dasB nicht nur die ohnehin sogleich in die Augen fallenden EÜ-
f^^chaften, wie Farbe, allgemeine Gestaltung usw. erwähnt werden,
s^adern auch solche minder auffallige, welche für die Charakteristik
\^ik Wichtigkeit sind, insoweit sie nemlich den Schülern mit den eben
411 G«b«te stehenden Hilfsmitteln vor Augen geführt werden können.
'ChMC^> welche nicht in natura oder in guten Abbildungen vorgezeigt
%%urd«ii können, d>ind dagegen gar nicht zu beschreiben. Auf die I^ebens-
Berichte Aber gelehrle Anstalten, Verordnaegen, Statist. Noüisen. 105
weise der Thiere nnd ihre Beziehungen znm Menschen ist besondere
Rücksicht zu nehmen. Naturgetreue, lebhafte und gut geschriebene
Schilderungen aus diesen Gebieten können dem Schüler für seine Pri-
▼atlectüre empfohlen werden. Auf Grundlage der erworbenen Summe
dieser Kenntnisse ist am Obereymn. den Schülern eine systematische
Uebersicht über die Wirbel- und Gliederthiere und ihre geographische
Verbreitung zu geben; hierbei liegt dem Lehrer die schwierige Auf'
gäbe ob, den Schulern eine Vorstellung von dem unendlichen Reich-
thume der übrigen Thierwelt zu verschaffen, welche in sich viel mehr
Material für die Erweiterung der Ideen birgt, als Wirbelthiere und Glie-
derthiere zusammengenommen. Es ist klar, dasz diese Vorstellung nnr
eine yerhältnismäszig beschränkte sein kann, und der Lehrer hat sich
in der Auswahl der näher zu beschreibenden Objecte an dasjenige za
halten, was die Fauna der nächsten Umgegend und die Sammlung des
Gymnasiums bietet. Es wird dringend gewarnt, dasz die Zeit nicht
verloren werde mit Beschreibung von Organisationsverhältnissen, wel-
che man dem Schüler nicht zur Anschauung bringen oder durch Abbil-
, düngen vollständig illustrieren kann. Dagegen ist auch hier auf die
Beziehungen der Thiere zum Menschen, auf die mächtigen Effecte,
welche oft durch das zusammenwirken vieler Individuen hervorgebracht
werden , auf ihren Einfiusz auf die Gestaltung der Oberfläche usw.
die gebührende Rücksicht zu nehmen. — Botanik. Es ist nothwendig
schon im Untergymn. mit der Organographie und Terminologie za
beginnen. Als Ziel des Unterrichts wird bezeichnet, dasz der Schüler
an einer Anzahl von Gewächsen, wenn ihm solche in natura vorgelegt
werden die ernzelnen Organe zu erkennen und in den richtigen Aus-
drücken zu beschreiben vermöge. Bei der Auswahl dieser Pflanzen ist
vor allem zu berücksichtigen, dasz sie als Paradigmata dienen sollen.
Es ist ohne Rücksicht auf das System vom leichteren zum schwereren
aufzusteigen und durch Manigfaltigkeit der vorgelegten Formen eine
möglichst ausgedehnte Kenntnis der Terminologie zu erzielen. Im Ober-
gymnasium sollen die im Untergymnasium gesammelten Kenntnisse zur
Anwendung kommen und soll auf ihnen fortgebaut werden. Hier ist
die Kenntnis der einzelnen Pflanzen, ihrer systematischen Anordnung
und ihrer geographischen Verbreitung zu erwerben. Bei der Auswahl
der Pflanzen siiid hier vorzugsweise diejenigen am Orte wild wachsen-
den oder cultivierten zu berücksichtigen, welche für den Menschen eine
besondere Wichtigkeit haben. Die genaue Kenntnis derselben, ihrer
Lebensbedingungen und der Art ihrer Verwendung ist einer mehr ex-
tensiven Pflanzenkenntnis überall voranzusetzen. Mineralogie. Es
ist dahin zu streben, dasz im Obergymnasium eine Wiederholung dessen
vermieden werde, was im Untergymnasium gelehrt wurde. Die Pro-
paedeutik falle mehr dem Untergymn., die systematische Mineralogie,
sowie die Geognosie mehr dem Obergymn. zu und im letzteren werde
nur dasjenige aus der Propaedeutik ergänzt, wofür die Fassungskraft
der Schüler auf dem Untergymn. nicht ausreichte. Bei der Kostbarkeit
der Zeit ist streng darauf zu halten, dasz dieselbe nie mit Beschrei-
bung von Mineralien zugebracht werde welche nicht in natura vorge-
zeigt werden, und dasz man sie bei der nothwendig werdenden Aus-
wahl vorzugsweise denjenigen zuwende, welche durch ihre Verbreitung
und ihren Nutzen besonders wichtig oder in naturwissenschaftlicher
Hinsicht mehr als andere merkwürdig sind.
III. Die Naturgeschichte hÖrt auf Gegenstand der Maturitäts-
prüfung zo sein. Es ist aber das aus den Calcüis über die Semestral-
teistungen der Schuler in der V und VI Kl. resultierende Urtheil in
das Maturitätszeugnis aufzunehmen, welches dann einen integrierenden
Factor bei Feststellung des Endurtheils in diesem Zeugnisse bildet.
ribflr f oMrle Anstalten, VerordniMgeii, statisL NotiiM.
Privatsdmkr jedoch, welche an keinem Gjmnaflium eingeschrieben
ifitff nnd in der V und VI Kl. kein Zeugnis über Naturgeschichte
«Tfrarben, sind auch ans diesem Gegenstande der Prfifang su nnter-
■ieJim. Diese Prüfung kann entweder im Zusammenhange mit der
Mataritatsprufong oder auch abgesondert früher, jedoch nur an demsel>
ben Gymn., an welchem der fibuuninand die Maturitätsprüfung abzu-
legen beabsichtigt, vorgenommen werden. Ein besonderes Schulseugnis
diurf aber diese Prüfung nicht ausgestellt werden, sondern es ist das
ESrgebnis derselben lediglich in das Maturitätsprüfungsseugnis aufzu-
nehmen. — Anm. Die Naturgeschichte hat als Prufungsgegenstand
eine zweifelhafte Bedeutung in der Beurtheilung der geistigen Reife
eines Examinanden. Hierbei wird nun der Umstand, dasz zwischen
den Schlnsz dieses Unterrichts und den Beginn der Maturitätsprüfung
für die betreffenden Schüler ein Intervall von 2 Jahren fällt, um so
bedenklicher, als eine zureichende Vorbereitung für diese Prüfung sich
vorwiegend auf das Gedächtnis stützt und ein treues aufbewahren und
wiedergeben positiver Kenntnisse in diesem Gegenstande nach 2|jähr.
Unterbrechung den Schülern nicht zugemutet werden kann.
IV. Die philosophische Propaedeutik bildet einen Gregen-
stand der Maturitätsprüfung. — Anm. Welche Anforderungen bei der
Maturitätsprüfung aus diesem Gegenstande zu stellen und in welcher
Form diese Prüfung vorzunehmen sei, endlich ob dieser Unterricht in der
VII Kl. mit der Logik oder der empirischen Psychologie zu beginnen habe,
darüber werden die Bestimmungen später bekannt gemacht werden.
V. In Betreff des Vorgangs beim Unterrichte in der Physik am
Obergymnasium wird folgende Reihenfolge der Lehrpartien festgesetzt:
VII. Allgemeine Eigenschaften der Körper. — Chemische Verbindung.
— Gleichgewicht und Bewegung. — Wellenlehre und Akustik. VIIL
Magnetismus. — Electricität. — Wärme. — Optik. — Anfangsgründe der
Astronomie und Meteorologie. — Anm. Ein Wechsel zwischen solchen
Lehrpartien im ganzen, von denen jede einem andern Jahrescurse zu-
gewiesen ist, kann um der Gleichförmigkeit des Unterrichtsplanes wil-
len, welche schon von der Rücksicht auf die Fälle des Uebertritts der
Schüler von einem Gymnasium zu einem andern gefordert wird, nicht
gestattet werden. Hingegen wird es den betreffenden Lehrern frei ge-
stellt, die Lehrobjecte, welche ein und derselben Klasa^ angehören, in
eine solche Reihenfolge — und einzelne Bestandtheile auch verschiede-
ner Hauptlehren, die nicht ein und derselben Klasse angehören, in eine
solche Verbindung zu bringen, durch welche Wiederholungen vermieden,
das wissenschaftliche erkennen erleichtert, die Rücksicht auf die im
mathematischen Unterrichte befolgte Anordnung gewahrt und daher der
Unterrichtserfolg am sichersten erzielt wird. So wird z. B. angerathen,
die Meteorologie nicht in ein besonderes Gebiet zusammenzustellen and
pis selbständige Wissenschaft zu behandeln, sondern die einzelnen Er-
scheinungen am geeigneten Orte zu erklären.
(Der rectificierte Lehrplan ist der Verordnung in einer tabellari-
schen Beilage beigegeben. Wir geben denselben um des Raumes wil-
len in anderer Form:)
Religion I— VII je 2, VIII 3 St. — Latein: I 8 St. Formen-
tehre der wichtigsten regeimäszigen Flexionen, eingeübt in beidersei-
tigen Uebersetzungen aus der Chrestomathie. Memorieren, spater
liausliches aufschreiben von Uebersetzungen. II 8 St. Formenlehre der
seltneren und unregelmäszigen Flexionen, eingeübt wie in I. Memo-
rien, spater auch häusliches praeparieren. Alle 14 Tage ein Pensum.
m 6 St. 2 Grammatik, Casuslehre, 4 Corn. Nep. Im 1. Sem. alle
Wichen, im 2. alle 14 Tage ein Pensum. Praeparation. IV 6 St. 3
— 3 8t.> Grammatik Moduslehrc, 3—4 St. Caes. b. G. Alle Wochen ein
Beriebte Aber galelirte Anstalten, Verordnangwi, ftkliit. Netisan. 107
Peni. V 6 fit. 5 Lir. Orid. Metam. 1 gramniatiseh ftiliatiscbe Ue-
bnngen. Alle 14 Tage ein Pens. VI 6 fit. 5 fial. Cio. in Cat. I, Caea.
b. €. Verg. Ecl. Georg. Aen. 1 grammatiscb atilittifcbe Uebangen.
Alle 14 T. ein Pens. YII 5 St. 4 Cic. oratt. Verg. Aen. 1 gramma-
tiscb stilistische Uebnn^en. Alle 14 T. ein Pens, vm 5 fit. 4 Tao.
Horat. 1 fit. gramm. itiiist. Uebanffen. Alle 14 Tage ein Pena., statt
dessen zuweilen ein lat. Aufsatz In Beeiehnng auf die Lectfire. ^
Griechisch. III 5 St. Regelmaszige Porraenlehre mit Ansschlnsz
der Verba in fii, Uebersetznngen ans dem Lesebncbe. Memorieren,
Sraeparieren , im 2. fiem. alle 14 T. ein Pens. IV 4 St. Verba in fM,
as wichtigste der nnregelmaszigen Flexionen, Uebersetznngen a. d.
Leseb. , alle 14 T. ein Pens. V ö St. Xenoph., dann Hom. II., alle 8
Tage 1 St. gramm. Uebungen, alle 4 Wocnen ein Pens. VI 5 St. 1
Sem. Hom. IL 2. Herod. sonst wie in V. VIT 4 St. Demosth. kleine
Staatsreden. Sophokl. (daneben nach Umstanden auch Hom.). Alle
14 Tage 1 St. gramm. Uebnngen, zuweilen ein Pens, in Anscblusz an
das gelesene. ^VIII 5 St. Plat. Soph., sonst wie in VII. — Mutter-
sprache (beispielsweise ist die deutsche angenommen). I 4 St. 1
Gramm, zusammengesetzter Satz, Formenlehre des Verbums^ J orthogr.
Uebungen, 1 Aufsätze, 1 lesen, sprechen, vortragen. Im 2. Sem. ein
Aufsatz jede Woche oder alle 2 W. als hausliche Arbeit. II 4 St. 1
Gramm. Satzverbindungen, Verkürzungen usw., Formenlehre des No-
men, sonst wie in I. Wenigstens alle § Wochen ein Aufsatz- als banal.
Arbeit. III 3 St. 2 lesen und Vortrag von memorierten Gedichten und
prosaischen Aufsätzen. 1 St. Aufsätze (alle 14 T.). IV 3 St. wie III.
V 2 St. 1 St. Lecture und Erklärung einer Auswahl von Muster-
stucken ans der neueren Litteratur, 1 St. Aufsätze (alle 14 Tage
einer). VI 3 St. 2 Lectfire und Erklärung einer Auswahl von Muster-
stucken seit Opitz mit gedrängter Uebersicht des litterärhistorischen,
sonst wie V. VII 3 St: 2 Portsetzung und Schlusz von VI (nach Um-
ständen Lecture einer Auswahl aus dem Mittelhochdeutschen), sonst
wie VI. VIII 3 8t, 2 Lecture einer nach aesthetiHchen Gesichtspunk-
ten geordnete Mustersammlung in Verbindung mit analytischer Aestbe-
tik. 1 St. Aufsätze, alle 14 T. oder 3 W. ein Aufsatz als häusl.
Arbeit. — Geschichte und Geogr. I 3 St. Topische Geographie
der ganzen Erde, Hauptpunkte der politischen Geogr. als Grundlage
des geschichtlichen Unterrichts. II o St. Alte Geschichte — 476 v.
Chr. mit ^soransgehender Geographie jedes in der Gesch. vorkommen-
den Landes. HI 3 St. 1 Sem. mittlere, 2 neuere Gesch. mit Hervor-
hebung der Hauptereignisse aus d. dsterr. Gesch. IV. 8 St. 1 Sern.
Schlusz der neueren Gesch. zusammenfassende nud ergänzende Wie-
derholung des geogr. Unterrichts. 2 Sem. Populäre Vaterlandsknnde
nach vorausgescnicll:ter tabellarischer Zusammenstellung der Hauptmo-
mente der österr. Geschichte. V 3 St. alte Geschichte bis zur Unter-
jochung Griechenlands durch die Romer. VI 3 St. 1 Sem. rora. Ge-
«chichte bis zur V51kerwanderung, 2 Sem. mittlere Geschichte beiläu-
fig bis Gregor VIL VII 3 St. 1 Sem. mittlere Geschichte.* 2 Sem.
neuere Gesch. bis zum Schlüsse des XVII Jhrh. — VIII 3 St. 1 Sem.
Schlusz der neueren Gesch. (selbstverständlich überall Rücksichtnahme
auf Oesterreich). 2 Sem. Kunde des 5sterreichischen Staates, d. b.
genauere Kenntnis der wesentlichsten erdkundlichen und statistischen
Verhältnisse dieses Staats. — Mathematik. I 3 St. 1 Sem. 3 St.
Rechnen. Ergänzung zu den 4 Species und den Brüchen. Decimal-
brncbe. 2 Sem. 2 St. Anschannngslehre. Linie, Winkel, Parallellinien,
Construction von Dreiecken und Parallelprogrammen und dadurch Ver-
anschau Hebung ihrer Eigenschaften. 1 Rechnen. II 3 St. 1 Sem. 2
Rechnen, 1 Anschanungslehre , 2 Sem. 1 Rechnen 2 Anschannngslehre.
M^ iMatMaikerfelehrleAnsUiUen, VerordnuBgen, aUtial. Notiiei.
ISofwMtlon, Regeldetrie, Maszkande usw. Gröszenbestiminang und Be-
Wfdmang der drei- und mehrseitigen Figuren, Verwandlung und Thei-
l«»g derselben, Bestimmung der Gestalt der Dreiecke. 111 8 St., Ter-
tbeilt wie in IL 4 Species mit Buchstaben, Klammern, potenzieren,
Qaadrat- und Kubikwurzeln, Permutationen, Combinationen. Der Kreis
mit roanigfachen Constructionen in ihm und um ihn, Inhalt und Um-
fangsberechnnng. IV 3 St., yertheilt wie in II. Zusammengesetzte
Verhältnisse mit Anwendung. Gleichungen 'des 1. Grades mit 1 unbe-
kannten. Stereometrische Anschaunngslehre, Lage von Linien nnd
Ebenen gegen einander, körperliche Winkel, Hauptarten der Korper,
ihre Gestalt und Groszenbestimmung. V 4 8t. 2 Algebra. Zahlen-
system, Begriff d. Addition usw.* nebst Ableitung der negativen, irra-
tionalen, imaginären Gröszen, die .4 Species in algebraischen Aus-
drücken, Eigenschaft und Theilbarkeit der Zahlen, vollständige Lehre
der Brüche. 2 Geometrie, Longimetrie und Planimetrie. VI 3 St.,
yertheilt wie in II. Potenz. Wurzel, Logarithmen, Gleichungen d.
I. Grades mit 1 u. mehreren unbekannten, Reduction algebraischer
Ausdrucke. Trigonometrie, Stereometrie. VII 3 St. vertheilt wie in
II. Unbestimmte Gleichungen des 1. Grades. Quadratische Gleichungen
mit I unbekannten, Progression, Combinationslehre und binomischer
Lehrsatz. Anwendung der Algebra auf Geometrie, analytische Geo-
metrie in der Ebene nebst Kegelschnitten. VIII 1 St. s. oben II Anm.
3.— Philosophische Propaedeutik VII u. Vill je 2 St. — Na-
turgeschichte und Physik. I 2 St. Zoologie 1 Sem. Säugethiere,
2 Sem. Krustazeen, Insecten usw. II 2 St. 1 Sem. Vögel, Amphibien,
Fische, 2 Botanik. III 2 St. 1 S. Mineralogie. 2 Sera. Physik. All-
femeine Eigenschaften, Aggregalzustände , Grundstoffe, Wärmelehre.
V 3 St. Gleichgewicht und Bewegung, Akustik, Optik, Magnetismus,
Electricität , Hauptpunkte der Astronomie und physischen Geogr. V 2
St. 1 Sem. Mineralogie in enger Verbindung mit Geognosie. 2 Sem.
Botanik in enger Verbindung mit Palaeontologie und geogr. Verbrei-
tung der Pflanzen. VI 2 St. Zoologie in enger Verbindung mit Pa-
laeontologie und geographischer Verbreitung der Thiere, VII u. VIII
Physik je 3 St. s. oben V.
Uebergangsbestimmungen. I. Die voranstehenden Aende-
rungen l— V treten ihrem vollen Inhalte nach in allen Klassen mit dem
Schuljahre 1856—57 in Wirksamkeit. 2. Im Schuljahre 1855—56 ha-
ben diese Abänderungen für die Klassen I — VI, insoweit «ie sich auf
diese beziehen, ihre volle Geltung. In der VII Kl. ist behufs der Aas-
gleichung die Einrichtung zu treffen, dasz im ersten S. 6 Stunden
wöchentlich dem Griechischen, im zweiten Semester aber 4 Standen
dem Griechischen und 2 Stunden der philosophischen Propaedeutik ge-
widmet werden. Auch ist die Aenderung V in Betreff der Anordnunff
des physikalischen Unterrichts sogleich durchzuführen. In der Vlli
Kl. ist die Gesamtzahl der wöchentlichen Lehrstunden ebenfalls an
^ine zu vermehren, welche Stunde zur Wiederholung des Lehrpensams
in der Mathematik zu verwenden ist, im übrigen tritt in dieser Klasse
keine Aenderung der bisherigen Vorschriften ein. Die Maturitätsprfi-
fang aus der philosophischen Propaedeutik hat in diesem Schuljahre
noch za unterbleiben. In Betreff der Naturgeschichte jedoch haben
die Bestimmungen III sogleich Anwendung zu finden.
Ans der Verordnung vom 16. Sept. 1855 die Systemisierang des
Lehrer- und Gebuhrenstandes an Gymnasien betreffend, heben wir fol-
gende Bestimmungsn hervor. 1. An jedem Bklassigen Gymnasium be-
stehen für die obligaten Lehrfächer I Director- und 10 Lehrerstellen,
an jedem 4 klass. 1 Directors- und 4 Lehrerstellen (die Religionslehrer
sind nicht einbegriffen). 2. Der Director hat an Gymnasien 5 — 8, an
Berichte über gelehrle Anstalten, VerordniiftgeD, Statist. Notizen. 109
Untergymnatien 10 — 14 > die Lehrer der alten und lebenden Sprachen
höchstens 17, die Lehrer der übrigen Gegenstände regeünäszig 20 Lehr-
standen MTOchentlich zu geben. 3. An Bklassigen Gymnasien sind für
Mathematik, Physik und Naturgeschichte zusammen 2 Fachlehrer, an
4klassigen nur 1 nothig. 4. Alle unobligaten Fächer werden durch
Nebenlehrer ertheilt; sie beziehen, wenn sie nicht allein auf die Ho-
norare der Schuler gewiesen sind, eine Remuneration, welche auch be-
steht, wenn ordentliche 'Gymnasiallehrer ein solches Fach neben ih-
rer normalmäszigen Verwendung vertreten. 5. Die beiden Gehalt-
stufen (Gymn. Ir Kl. 900 u. 1000 fl., 2r Kl. 800 u. 900, 3r Kl. 700
u. 800, am theresianischen und akademischen Gymnasium in Wien 1000
und 1200 11.) nebst den Decennalznlagen bleiben bestehen; bei gerader
Zahl der Lehrer wird die gleiche Zahl, bei ungleicher die gröszere Hälfte
der Lehrer der niederen Stufe zugewiesen. 7. An vierklassigen Gymn.
besteht blosz d. Gehaltsgebuhr von 700 fl. nebst den Decennalzulaffen
ftlr alle Lehrer. 8. Sämtliche Lehrer sind in Titel und Rang gleich
und stehen in der 9n Diaetenklasse. Die Directoren beziehen an 8kl.
Gymn. auszer der In Grehaltistufe nebst Decennalznlagen 300, an 4kl.
200 fl. Zulage.
OsTRowoj. Im LehrercoUeeium des das. k. kathol. Gymnasiums
(s. Bd. LXX S. 569) waren wälirend des letzten Schuljahrs folgende
Veränderungen Tor sich gegangen. Der Religionslehrer Probst Polzin
schied am 1. Jan. 1865 auf eignes nachsuchen aus dem Staatsdienst
und ward durch den vorherigen Religionslehrer an der Realschule zu
Posen Gladysz ersetzt. Vom 1. Jan. an wurden 4 neue ordentliche
Lehrstellen etatsmäszig fixiert, und dieselben dem an das Gymnasium
Tersetzten Hulfslehrer C y w i n s k i , sowie den interimistischen Lehrern
Dr. Zwolski, Kotlinski und Märten Terliehen. Ostern 1855
ward der Hulfslehrer Frdr. Märten als ordentlicher Lehrer an das
Gymnasium zu Lissa berufen. Die Schulerzahl betrug 264 [It 27, II:
36, II1-: 25, IIP: 11, IV: 39, IV»»: 17, V: 48, V»»: Jl, VI«: 35,
Vl^: 15J. Abiturienten im März 3, im Sept. 11. Den Schulnachrich-
ten vorausgeht die Abhandlung des Oberlehrers Dr. Piegsa: ein Bei-
trag zur Theorie der höheren arithmetischen Reihen (18 S. 4).
Schwerin]. Am hiesigen Gymnasium sind im Laufe dieses Jahres
im Lehrerct)Ilegium bedeutende Veränderungen eingetreten , indem nicht
nur drei vacantgewordene Stellen neu besetzt, sondern auch zu glei-
cher Zeit drei Lehrerstellen neu fundiert wurden, um die Zahl der
Klassen vermehren zu können. Zu Anfang des Jahres starb der Ober*
lehrer Dr. Hey er, die beiden Religionslehrer, Dr. Hut her und Hoyer
wurden ins Pfarramt befördert. Die sechs ernannten neuen Lehrer
sind: Dr. Ebeling, bisher Lehrer am Lyceum zu Hannover, Dr.
Overbach, bisher Oberlehrer am Gymnasium zu Riga, der Schui-
amtscandidat Dr. Wigger, Dr. Hartwig, bisher Lehrer an der Ni-
colaischule zu Leipzig, Dr. Meyer, bisher Lehrer am Gymnasium zu
Anrieh, und der Candidat der Theologie Dr, Kollmann. Das Leh-
rercoUegium besteht also jetzt aus folgenden Mitgliedern: Director Dr.
Wex, Prorector Reitz, Oberlehrer Dr. Buchner, Oberlehrer Dr.
Dippe, Oberlehrer Dr. Schiller und den oben genannten sechs Leh-
rern, nebst dem Schreiblehrer Foth und Turnlehrer Lauffer.^
Wien]. An der das. Universität trat mit Beginn des Studienjah-
res 1855 — 56 eine Schule für Österreichische Geschichtsforschung ins
Leben , deren Aufgabe ist 1) junge Leute mit dem quellensichern ,^ hi-
storischen Stoffe und den zum Verständnis desselben nöthigen Hiilfs-
wissenschaften bekannt machen, 2) im weiteren Verfolge besonders
befähigte Zöglinge mit den Grundsätzen und der Methode der wlsaen-
schaftlichen Geschichtsforschung vertraut zu machen und selbe anxn*
110 Personalnachrichten.
leiten diese Bahn mit Sicherheit and Erfolg darch wissenschaftliehe
Bearbeitung des aas den Quellen geschöpften Stoffes zar Gewinnung
neuer Ergebnisse selbständig zu Tcrfolgen; demnach Vorbildnng für
Anstellungen in Archiven, Bibliotheken, archaeologischen Museen usw.,
aber auch für Professuren und den Beruf zur Bearbeitung dmr öster-
reichischen Geschichte. Die Leitung ist dem Prof. Dr. Albert Ja-
ger übertragen und für das Institut 6 ordentliche Stipendien mit je
jährl. 400 und 3 anszerordentliche mit je jährlichen 300 fl. gegründet
worden. —
P er sonaln achrichten.
Ernannt, befördert, versetzt.
Achtner. Mich., Supplent zu Prag, als wirkl. Lehrer an d. kath.
Gymnasium zu Hermannstadt versetzt (s. Meister).
Alzheimer, Karl, Priester, zum Studienlehrer an der lat. Seh. zu
Wurzburg ernannt.
Anschütz, Dr. Aug., Privatdoc. in Bonn, zum ao. Prof. in der ju-
ristischen Facultät daselbst ernannt.
Arany, Job., als Gymnasiallehrer am Gymn. zu Nagy-Körös angest.
Baur, seitheriger Verweser, in die neuerrichtete Stelle eines Haupt-
lehrers an der obern Abtheilung des zu einem Landesgymnasium
erhobenen Lyceums zu Tübingen befördert mit Titel und Rang
eines Prof. der 7n Rangstufe.
Beschmann, Dr. Fr. W., Schulamtscand., als ordentl. Lehrer an
den Mittelklassen der Friedrich -Wilhelmsstädtischen Lehranstalt
SU Berlin angest.
Casselmann, Ludw., ord. Lehrer am Gymn. zu Cassel, in gl. Ei-
gensch. nach Hanau versetzt.
Chevalier, Ludw., Gymnasialsupplent in Wien, zum wirkl. Lehrer
am Gymn. zu Kaschau ernannt.
Christ', Dr. Wilh., geprüfter Lehramtscand. aus dem Herzogth. Nas-
sau, zum Studienlehrer in der 2n Kl. am Maximiliansgymnasium
zu München ernannt.
Cramer, Dr. Frz. Heinr., Schulamtscand., als 4r ordentl. Lehrer
am Gymn. zu Emmerich angestellt.
Csikac, Emmerich,) als Gymnasiallehrer am Gymn. zu Nagy-K6-
De ak, Joseph, ( rös angest.
Dieckmann, H. W., cand. th., Collab. am Schullehrerseminar, als
2r Collab. am Gymn. zu Stade angestellt.
Dielitz, Dr. Eng., Schulamtscand., als urd. Lehrer an den Mittel*
klassen der Friedrich-Wilhelmsstädter Lehranstalt in Berlin angest.
Dieterich, Dr.» Hülfslehrer am Gymn. zu Hersfeld, zum ord. Lehrer
an dems. ern.
pirschedl, Joh. Bapt., Priester und Prof. am Lyceum zu Passau,
zum Regens im bischöfl. Clericalseminar zu Regensburg berufen.
Dumas, Dr. W. A., Schulamtscand., als ord. Lehrer in den MittelkL
der Friedrich- Wilbelmsstädter Lehranstalt in Berlin angestellt.
Dvorak, Wenz., Suppl., zum wirkl. Lehrer am Gymn. zu Tarnopol
befördert.
Dworäk, Leop., Suppl. zu Jioin ) zu wirkl. Lehrern am Gymn.
Dworäk, Jos., Suppl. zu Leutschau ) zu Leutschau befördert.
BggtTj Aiois^ Sappl. zu Ofen, zum wirkl. Lehrer an Gymn. za
Laibach ern.
EnJer^ Dr. K. Phil., Schnlanitscand. , als TumlehMr «nd Adjnnct
an der Landesschule za Pforta angest.
Parinati, Ciro, Soppl. , zum wirkl. Lehrer an d. Gymn. in Fiame
befördert.
Feldhügel, Dr., Subrector am Gymn. zu Zeitz, als Oberlehrer an
das Paedagogium des Klosters U. L. Fr. in Magdeburg versetzt.
Fcsenraayer, Joh., Stadienlehrer zu Amberg, an das Wilhelms-
gymn. in München versetzt.
Fleischmann, Ant., Weltpr., Suppl. in Neuhans, als wirkl. G.-Leh-
ref an das G. zu Pisek befördert.
Franta, Andr., Suppl. am Gymn. zu Neusohl, zum wirkl. Lehrer an
ders. Anstalt befördert.
F^riedemann, Lehrer, als Hülfslehrer am Paedagog. des Klosters U.
L. Fr. in Magdeburg angestellt.
Frohscham m er, Dr. J. , ao. Prof., zum ord. Prof. der Philosophie
an der Univ. München befördert.
Fürstenau, E'd., Gymnasialpraktikant zu Rinteln, zum Hülfslehrer
am Gymn. zu IMLarburg befördert,
de la Garde, Dr. Paul, als ordentl. Lehrer am Köln. Realgymna-
sium in Berlin angestellt.
Glaser, Dr. J. C, Privatdocent in Berlin , zum o. Prof. in der phi-
los. Facultät der Univ. in Königsberg ernannt.
Goluby Alois, Gymnasiall., als provlsor. Direotor an das Gymn. zu
Essegg versetzt.
Greil, Franz Xav., Prof. am G. zu Passau (Bd. LXXTI 533),
zum Prof. der Philologie und Geschichte am Lyceum daselbst be-
fordert.
Grosz, Dr. F. G. K., Hülfslehrer am Gymn. zu Cassel, zum ordentl.
Lehrer an ders. Anstalt befördert.
Grün, Dionys, Suppl. in Wien, als wirkl. Lehrer an das Leut-
schaner Gymn. befördert.
Grünwald, Karl, Gymnasiall. zu Eger, an das Laibacher Gymn.
versetzt.
Ha feie, Karl, Gymnasiall. zu Troppau, als wirkl. Lehrer an d. G.
in Görz versetzt.
Hanacik, Jos., Suppl. zu Neuhaus, als wirkl. Lehrer am Gymn. zu
Troppau angest.
Hannwacker, Phil., Prof. am Gymn. zu Kempten, zum Rector das,
Anstalt ern.
Hayduk, Job., Suppl. zu Stanlslawow, zum wirkl. Gymn.-Lehrer
das. befördert.
Henkel, Dr. Karl Herrn., Schnlamtscand. , als ord. Lehrer am
Gymn. zu Salzwedel angestellt.
Hesse, Dr., ao. Prof. in Königsberg , zum ord. Prof. in der philos.
Facultät der Univ. Halle ernannt.
Hofmann, Georg, Suppl. zu Teschen, als wirkl. Lehrer am Lent-
schauer Gymn. angest.
Hofstetter, Gotthardt, Stifscapitular zu Kremsmünster, als wirkt.
Gymnasiallehrer am dortigen Gymn. bestellt.
HollyPhil. Jos., Stndienlehrer zu Würsburg, zum Prof. am Gymn.
das. befördert.
Hositts, Dr., Hülfslehrer, zum ordentl. Lehrer am Gymn. zu Mun-
ster ernannt.
112 Personalnaclirichten.
Jobannidefy Steph., Priester, als Religionslehrer am Gymn. xa
Essegg angest.
Kandernal, Frz., Snppl. am Gymn. za Olmutz, zum wirkl. L. an
G. zu Leutschau befördert.
Kisz, Ludw., am Gymn. zu Nagy-Körös als Gymnasiallehrer angest.
Kofinek, Jos., Suppl. in Neusohl, zum wirkl. Lehrer am Gymn.
das. befordert.
Kozenn, Blas., Gymnasiallehrer zu Laibach, als wirkl. Lehrer an
das G. zu Görz vers.
Kriechenbauer, Ant. , Lehrer in Verwendung am G. zu Olmatz,
zum wirkl. G. Lehrer zu Ofen befördert.
Krause, CoIIaborat. am Gymn. zu Stade, zum Conrector an den.
Anstalt befördert.
Lang, Dr. Ludw., Lehramtscand., zum Studieniehrer am Gymn. za
Amberg ernannt.
Laukotsky, Vincenz, Gymnasiall. in Triest, zum Schulrathe für
Triest und das Küstenland ernannt.
Lechner, Gust. Max., Lehramtscand., zum Studienlehrer am Gymn.
zu Erlangen ern.
de LeysLj Dr. Jos., Gymnasiallehrer am Staatslyceum zu Padua, zum
Prof. der Weltgesch. an der Universität daselbst ernannt.
Liszner, Frz., Gymnasiallehrer zu Koniggrätz, zum wirkl. Lehrer
am Gymn. zu Olmütz ern.
Lob er, Collabor. zu Stade, in die 5e Lehrerstelle am das. Gymn. be-
fördert.
Losenczi, Ladislaus, als Gymnasiall. zu Nagy-Körös bestellt.
Maaszen, Dr. Frdr. Beruh., ao. Prof. des. röm. Rechts an der
Univ. zu Pesth, in gleicher Eigenschaft an der Univ. TnAsbrnck
versetzt.
Makar, Greg., Suppl. zu Buczacz, als wirkl. Lehrer am G. zo
Sambor angest.
Marini, Barth., Suppl., zum wirkl. Lehrer am G. zu Triest be-
fördert.
Matunci, Mart., Gymnasiallehrer in Warasdin, in gleicher Eigen-
schaft nach Agram versetzt.
Meister, Jacob, Lehrer am kath. G. zu Hermannstadt, an d. akad.
Gymn. zu Wien versetzt.
Mentovich, Frz., zum Gymnasiallehrer in Nagy-KÖrös bestellt.
Merunowicz, Clem., Nebenl. am G. zu Tarnopol, als wirkl. Leh-
rer an dems. angest.
Mi hie, Joh., Priest., als Religionsl. am Gymn. zu Fiume angest.
Michaljevic, Joh., Priester, als Religionsl. am Gymn. zu Essegg
angest.
Moleschott, Dr. Jac. , gewesener Prof. an der Univ. zu Heidel-
berg, an die Hochschule zu Zürich als ord. Prof. die Physiologie
berufen.
Mommsen, Dr. Tycho, Prof. an d. Realschule zu Eisenach, als
Lector und ao. Prof. der neueren Sprachen an die Univ. Mar-
burg berufen.
Mahlberg, Dr. Jac, Supplent am Lycealgymnasium zu Porta nnovt
in Mailand, zum wirkl. Lehrer ebendas. befördert.
Müller, Dr., Adjunct in Schulpforta, zum Subr. am Gymn. zu Zeit«
ernannt.
Nagy, Ant., Gymnasialsupplent am Gymn. zu Ofen, zum wirkl. Leh-
rer an ders. Anstalt befördert.
PersomlDachrieiileii. • U^
Navriiily Joseph, LekramUcand. , als Lehrer am Gymn, zu 8aiz-
barg angest.
Pas 80 w, Dt. Arn., Schnlanntscand. , zam Adjimctiis in Schulpforta
ernannt.
Paaschitz, Phil., Gymnasiallehrer zu Kger, an das Gymn. zn Gori
versetzt.
Peters, Dr. Karl, Privatdocent in Wien, znm ord. Prof. der Mine-
ralogie an der Pesther Universität ern.
Pi^tkowski, Joh., provisor. Director des Gymn. zu Stanislanow,
zum wirk!. Director ders. Anstalt befördert.
Pianer, Dr., Adjanct am Joachimsthaler Gymn. in Berlin, zum Oberl.
an ders. Anstalt befordert.
Proller, Dr. Alw. Fr. Th., wissensch. Hulfslehrer am Gymn. zu
Wesel, zum ord. Lehrer an ders. Anstalt befordert.
Raabe, Gymnasiallehrer in Cotiitz, an das Gymn. in Culm versetzt.
Rabe, IViih., Schulamtscand., als ord. Lehrer am Gymn. in Salz-
wedel angestellt.
Rhode, Alb., Schulamtscand., zum Conr. am Gfymn. zu Branden-
burg ern.
Roudolf, Wilh., Schulamtscand., als 4r ord. Lehrer am Gymn. zu
Neusz angestellt.
Sand, Otto, Studienl. u. Snbr. an der isolierten lat. Schule lu Kirch-
heimbolanden, an die lat. Schule am Gymn. zu Speier versetzt.
Scheele, Prof. Dr. Aug. Frdr., Prorector am Gymn. zu Stargard,
zum Rector des Domgymn. in Merseburg ern.
Schellbach,. Lehrer Rob. Herrn., zum ord. Lehrer an den Mittel-
klaasen der Friedrichs- Wilhelmsstädter Lehranstalt in Berlin ernannt.
Schenk, Joh., Gymnasialsupplent zu Brunn, als wirk!. Lehrer am
G. zu Olrontz angestellt.
Schier, Frz., provisor. Director des Gymn. zu Jicin, zum wlrkl.
Director ders. Anst. befördert.
Schild gen, provisor. Lehrer am Gymn. zu Munster, zum ord. Leh-
rer an ders. Anst. befördert.
Schmidt, Jos., Lehramtscand., zum Prof. der Mathematik in Kemp-
ten ernannt.
Schmidt, Dr. Joh. Ant., Privatdoc. in der phiios. FacnltSt der
Universität Heidelberg, zum ao. Prof. ernannt.
Schmidt, Gyronasiall. in Paderborn, zum Dir. des kath. Gymn. zn
Osnabrück ern.
Schmidt, Dr. Ambro f., Gymnasialsupplent zu Wien, zum wirkt.
Lehrer am Gymn. zu Kaschan befördert.
Schmidt, Karl, Gymnasiallehrer in Görz, zum wirkl. Lehrer am
kath. Gymn. zu Preszburg befördert.
Schön, Jos., Lehrer, vorher am Gymn. zu Olmütc in Verwendung,
zum wirkl. Lehrer am Gymn. zu Kaschan ernannt.
Schreyer, Heinr., Gymnasiallehrer zn Iglau, als wirkl. I^hrer am
Gymn. zu Olmutz angest.
Schwab, Dr. Ed., ord. Prof. des röm. und Kirchenrechts in Olmutz,
in gleicher Eigenschaft an die Pesther Universität versetzt.
Slamnig, Lndw., Priester, als Reiigionslehrer am Gymn. in Fiume
angestellt.
Spangenbergy Fr. Gymnasialpraktikant« zu Hanau, zum Hfilfsliefarer
am Gymn. zu Cassel ernannt.
Spann, Joh. Bapt., Snbrector an der isolierten lat. Schule zo Pir-
roasem, zum Studienl. am Gymn. zu Bamberg ernannt.
/V. Jahrb, f. FMK. ». Paed, Bd. LXXIV. Bft, 3. ^
114 Persoiialnaclirichteo.
Stade, VV. A. H. , Schulamtscand., zum ord. l^ehrer am Gymn. cn
Salzwedel ernannt.
Stulc, Wenzel, Religionslehrer am Aitstädter Gymn. zu Prag, sum
wirkl. Gymnasiallehrer an ders. An^ttalt befordert.
Thomczek, Isidor, intertmist. Lehrer am Gymn. zu Tnmeszno,
zum ordentl. Lehrer befördert.
Tieft r unk, Karl, Snppl. zu Leitmeritz, zum wirkt. Lehrer das. be-
fördert.
Timmermann, provisor. Lehrer am Gymn. Carolinum zu Osna-
brück, zum wirkl. Lehrer beförd.
Tuschar, Dr. Georg, Gymnasiallehrer zu Preszburg, als wirkl.
Lehrer an das Gymn. in Agram versetzt.
Tyn, Eman , Gymnasial!, fn Kaschau, als wirkl. Lehrer an das
Gymn. zu Olmiitz befördert.
Urban, Bman. , Gymnasiallehrer in Karschau, als wirkl. Lehrer an
das. Gymn. zu Ofen bef.
Vanicek, Alois, Gymnasiallehrer in Kaschau, als wirkl. Lehrer an
das Gymn. zu Olmütz versetzt.
Vi er heilig, Mich., Rect. u. Prof. in Straubing, als Prof. der Ma-
thematik nach Wurzburg versetzt.
Vukasovic, Natalis, Gymnasiall. zu Vinkovce, als Lehrer an da«
Gymnasium zu ESssegg ernannt.
Wallner, Jos., Studienlehrer am Wilhelmsgymn. zu München, luw
Gymnasialprofessor in Landshut ernannt.
Watterioh, Dr. ph. Joh. Matthi., zu Bonn, zum ao. Prof. der Ge-
schichte in der philos. Pacultät des Lyceum Hosianum in Brauns-
berg ern.
Wcichselmannn, Ad., Gymnasiallehrer zu Eger, als wirkl. Lehrer
an das Laibacher Gymn. versetzt.
Weisz, Joh., als Gymnasiallehrer zu Nagy-Koros bestellt.
Zentaxso, Ernst, Priester, als Religionslehrer am Gymn. m MiU
trrbnrff (Pisino) bestellt.
S^iotonarKl, Dr. Josaphat von, ordentl. Prof. des römischen Reclits
an di«r Univ. In huisbrurk, fn gleicher Eigenschaft an die Uni-
vomiiäi In Vn^ vor^Hat.
K h I rn Im R o n |i u u g o n u n <1 P r a od i c i o r u n g e n:
♦•»•♦ ^ itk ««I «hofttr. <t«ttf., Kroihorr von, pcnsion. \
\pM*IUili»it«umlf*h(ii4rrrnlJir. «um wirkl. Mitgl. Jder kais. Akad.
V**'..!*'V'' '**"" *" yfU^w. anm rorrrspondie- (der Wi»sensch.
M»«« Ui. Dl \«j^. (Ml Hi^ul^riing^rath u. Prof. in I wählt.
n»*tMtt »um IChiiknmltHM«i«U /
M»^M.i D« Kmll, In llum. «nm r«ri^j»prtndont«^n der k. Socieüt der
^1 U«#n«vUttM»»n In Mtilllnu^n |||i^.
M»nmml#». \%Ws\ nm ({>mn. «n J>l(i»inruH « «»rhielt den Titel Pro-
'*"'"«u"l.\ 'VT J'"^'.":'' &• «« "«'•«Whcr«, tum aamärticea
Personaloaehrichten. . 115
Fichte, Dr. Em. Hern.y Prof. in Tabingen, iQm%. i, k v .. At
auswärtigen Mitgliede für die P^^nosopL-philo-iJ; ^^*3^*JA.f^^
logische Klasse f aemie derjv issen-
F ick er, Jul., Prof. in Innsbruck zum Coire8pon-(*^'"-..7^ München
denten für die histor. Ki. ) gewählt.
Gottlieb, Prof. J., in Gratz, zain corresp. Mitgl. der natnrwis-
sensch.-mathem. Klasse der k. Akademie in Wien erwählt.
Hart mann, Dr. J. Fr. W., Oberlehrer am Gymn. z. graaen Kloster
in Berlin, als Professor praediciert.
Hausmann, Prof. Joh., in Gottingen, zum correspond. Mitgl. d.
natnrw.-mathem. Klasse der k. Akademie in Wien erwählt.
Herberger, Theodor, Archivar d. Stadt Augsburg, zum
Corresp. für die histor. Kl. \ . . ,
Kittel, Dr. Martin, Lycealprofessor und Rector der/.'. V ^»yer.
Gewerbschnle in Aschaflfenburg, zum Corresp. für d-l^* • '"'iJf" "^
mathemathisch-physikal. Kl. (^' '" ^2""-
dcKoningh, Prof. zu Lüttich, zum auswärt. Mitglieder "®" ß®'^*^"
für die mathematisch-physikalische Kl. /
Leydolt, Prof. Frz., in Wien, zum wirkl. Mitgl. der k. Akademie
der Wissensch. in Wien erwählt.
Meisner, C. F. Unlversitätsprof. in Basel zum answ.vd. k. bayer.
Mitgl. für d. mathem.-physikal. KI. f Akademie der
Michelsen, Dr., Prof. u. Geh. Justizrath In Jena, zumjW. in Muii-
Corresp. für die histor. Kl. ^chen gewählt.
Pahl, Rector des Lyceums zu Tübingen, bei der Erhebung der An-
stalt zu einem Landesgymnasium, zum Titel und Rang eines Gym-
nasialrectors befördert.
Schäffer, Heinr., Prof. an der Univ. Gieszen , zum Correspond.
für die histor. Kl. der bayer. Akademie der W. in München ge-
wählt.
Schafarik, Paul Jos., Bibliothekar in Prag zum Corresp. für die
histor. philolog. Kl. d. k. Societät der W. in Gottingen gewählt.
Schomann, Dr. G. F., Prof. n. Geh. R. R. in Greifs-^
wald zum ausw. Mitg. der philosoph.-philoloff. KI.
Schwerd, F. M., Prof. in Speier, als ausw. Mitglied d. k. bayer.
für d. mathem.-physikal. Kl. ! Akad. d, W.
Smyth, Piazzi, Prof. in Edinbnrg, als Correspondent^in München
für dieselbe Kl. | gewählt.
Spring, Dr. Ant., Prof. an d. Universität Lüttich, alsl
ausw. Mitgl. f. dieselbe Kl. j
V. Struve, Dir. der Hanptsternwarte zu Pultawa, zum Ehrenmitgl.
der k. Akademie d. Wissensch. zu Wien erw.
Tafel, Dr. G. L. Fr., Prof. in Ulm, als ausw. Mitgl. der histor.
Kl. von der k*. bayer. Akademie der W. in München gewählt.
Wackernagel, Dr. Wilh., Prof. in Basel, zum Corresp. für d. hi-
stor.-philolog. Kl. d k. Societät d. W. in Gottingen gewählt.
Wattenbach, Archivar Wilh., in Breslau zum corresp. Mitgl. der
histor.-philos. Kl. d. k. Akademie in Wien erwählt.
Wildermnth, Oberlehrer am Lyceam zu Tubingen (s. Pahl) mit
dem Titel und Rang eines Prof. der 7n Rangstufe praediciert.
Wolf, Ferdinand, iu Wien, zum auswärt. Mitgl. für die philos.-
phllolog. Kl. d. k. bayer. Akad. d. W. in München gew.
II (I Persoiialnachriclilen.
7,ens^9 Kasp.) Prof. in Bamberg, zum Corresp. für d. hUtor. philo-
log. Kl. oer k. 8ocietät der W. in Gottingen gewählt.
Pensioniert:
Xttenft berger, Frz Xay. , Prof. der Mathematik am Gymn. zu
Wurzbiirg.
Worli tscheck, Prof. am Gymn. za Landshot in Niederbayern, in
zeitl. Ruhestand Tersetzt.
Verstorben:
Am 4. Ort. 1855 zu Rom Dr. Pietro Matranga, Scriptor für
(iriech. Sprache an der Tatican. Biblioth., Herausgeber der Ana-
creontea (1850).
Am Jti. Oct. zu Moskau Timoth. Granowski, Prof. an der Uniy.,
einer der groszten Gelehrten Ruszlands.
Am 21. Oct. zu Klausenburg Sam. Phil. Deäky, corresp. MitgL der
Ungar. Akademie, Uebersetzer des Anacharsis.
Am 4. Nov. zu Moskau Sim. Raitsch, Dichter u. Uebersetzer meh-
rerer klassischer lateinischer u. Italien. Werke.
Am 8. Nov. zu Wien Georg v. Gaal, geb. zu Preszburg am 21. Apr.
1783, als Dichter u. durch zahlreiche Schriften philologischen und
stilistischen Inhalts bekannt.
Am 11. Nov. in Warschau d. Prof. am das. Gymn. Dr. E. Gtth.
Sam. Kleinpaul.
Am 17. Nov. zu Wien der suppl. Gymnasiallehrer Jsidor Piako im
28n Lebensjahre.
Am 19. Nov. in Pesth, der gefeierte ungar. Dichter Michael Voros-
, marty, geb. am 1 Dec. 1800.
An dems. zu Preszburg Joh. von Blaskowits, als Paedagog und
»Schulmann geachtet.
Am 2H. Nov. zu Altenburg der Geh. Conicffitor. R., Landkirchen- nnd
Schuliiispector Dr. Grosze im 78n Lebennj.
Am 2(). Nov. zu Constantinopel der poln. Dichter nnd Gelehrte Adam
Mickiewicz, geb. 1798.
Am 28. Nov. Dr. Ferd. Brandis, Lehrer am Christianeum in Alton«.
Am 30. Nov. in Kotschenbroda bei Dresden der emer. Consistorial-y
Kirchen- und Schnlrath Dr. Christ. Abr. Wahl, bekannt durch
seine Clavis des N. T., im 83n Lebensjahre.
Am 5. Debr. in Halle <\fr Prof. d. Philolog. u. Eloquenz Dr. Morfx
Hermann Meier, geb. zu Glogau in Schlesien 1796.
An diesen letzten Verlust der Alterthumswissenschaft reiht sich die
tiefbelrGbende Kunde vom Tode des Hofr. Prof. Dr. K. Fried r.
Hermann und des Prof. Dr. Fr. W. Schneiden in in GSttin-
(ren. Der erste starb am 31. Decbr. 1855 im 52n Lebensjahre, der
|pt7tere (geb. zu Helmstadt am 6. Jnn. 1810) am 10. Jan. lSö6b
Wir hoffen über diese beiden Zierden der Wissenschaft und der
Göttinger Universität v^nrdige Nekrologe bringen zu können.
Zweite Abtheilung
heraisgegebeii tob Ridolph Dielsch.
(1).
Studien zum Gymnasialwesen mit besonderer Berücksich-
tigung der sächsischen Gelehrtenschulen.
(Schlusz von Heft I u. II.)
III.
Diese Jahrbücher bringen Bd. LXX Heft 4 — 5 einen aasführli-
chen Bericht über die Verhandlangen der 14n Philologen Versammlung
zu Altenburg (25 — 28. Sept. 1854), in welchem für den Schulmann
besonders die Verbandlungen der paedagog. Section von hohem In-
teresse sind. Fragen von gröszter Wiclitigkeit sind daselbst ange-
regt und zum Theile schon besprochen worden , über welche es dem
Schulmanno nicht blosz zusteht, sondern sogar zukommt, sich eine
bestimmte, wenn auch weiterer Entwicklung fähige Ueberzengnng zn
bilden.
Der bekannte Heransgeber der berl. Zeitschrift für das Gymna-
sialwesen, Prof. D. Mützell, hatte beim Beginne der Sitzungen eine
Reihe von Thesen aufgestellt, welche das gesamte Gymnasialwesen
betreffen. Indessen hat gerade der Umfang ihres Inhaltes veranlaszt,
die Besprechung zu versctiieben. Vielleicht ist es nicht ungeeignet,
auf diese Sätze näher einzugehen nnd ihren Inhalt zu betrachten.
Die Thesen gehen von dem Grundgedanken ans, dasz unsere
Gymnasien mit Unterrichtsgegenständen überladen seien, dasz daraus
eine Ueberbürdung der Schüler und eine Ermattung der eigentlichen
Triebkraft hervorgehe. Schwerlich möchte zu leugnen sein, dasz man
auf den ersten Anblick der Stoffmasse, welche den Inhalt des Gym-
nasialcursus bildet, wol erschrecken kann. Je weniger man auf diesen
ersten Eindruck eine sorgfältige Prüfung folgen läszt, desto leichter
ist man mit der Forderung bei der HaOid, es müsse manches aus dem
Unterrichtspiano herausgeworfen werden. Indes schon wenn man
sich an den klagenden mit der Bitte wendet, den einzelnen Punkt an-
zugeben , wo gemindert werden soll , wird man selten eine bestimmte
X Jahrb. f.PhtLu, Paed, Bd, LXXIV. Hß. 3. 9
118 Stadien zum Gymnasialwesen.
Antwort erhalten. Allerdings fühlt auch der mit den Schalverhalt-
nissen vor trautere, dasz die Lage der Dinge keine günstige ist, dasz
die Forderungen gestiegen, die Leistungen dagegen wenigstens nach
6iner Seite zurückgeblieben sind, dasz nemlich insbesondere die
Selbstthatigkeit, der Bildungslrieb bedeutend weniger hervortritt,
(vgl. u. a. Wunder , Progr. d. Laudessch. Grimma 1850. S. III) dasz
man allerdings auch über Ueberbürdung der Schüler zu klagen hat.
Aber das wie der Abhülfe zu finden, ist nicht leicht, da ein guter
Theil des Uebels nicht in den Schulinstitntionen , sondern auszerhalb
derselben, in mangelhafter häuslicher Zucht, in der Anticipierangs-
sucht unserer Zeit liegt, die keinem Lebensalter das ihm gebührende
lassen, sondern alles verfrühen will.
Unter allen Umstünden ists also mit solchen Thesen nicht ge-
than, und wenn sie auch viel wahres enthalten, und man in ihrem
Sinne decretieren wollte. Mehr noch kommt auf die unmittelbare
schulmännische Praxis, alles fast aber darauf an, dasz man nicht bloss
der Schule selbst, sondern überhaupt dem Leben von allen Seiten so
Hülfe kommt, wodurch die Schule nothwendig mit gewinnen moas.
Die allgemeinen Feinde der Zeit, der religiöse Indifferentismaa ond
der Lebensmaterialismus, sind auch die Feinde der Schule, weit mehr
als die einzelnen Stundenpläne und die falsche Stolflichkeit des Un-
terrichts. Indessen kann man auch nicht so weit gehen , der Schale
die Mühe ersparen zu wollen zu untersuchen , ob sie nicht hie and da
an Mängeln leidet, denen sie selbst abhelfen kann. In diesem Sinne
wollen wir die Thesen in ihrer Aufeinanderfolge betrachten.
I. ^Philosophie, deutsche Lltteraturgeschichte, Naturgeschichte,
Naturlehre sind beizabehalten, aber in Ansehung des Lehrstoffes za
beschränken.'
Hier liesze sich wol zunächst bezweifeln , ob der Unterricht iji
der sogenannten philosophischen Propaedeutik in Prima be-
sonderen Nutzen bringt. Liegt diesem Unterrichte wol der Gedanke
zu Grunde, dasz man dem abgehenden Schüler, der nun erst an eis
wissenschaftliches System herantritt, eine erste Anleitung daza mit-
geben will, so ist das ein ansprechender Gedanke. Doch wird anch
nicht abzureden sein, dasz die Einführung in die Philosophie weit
mehr Sache der Universität ist, dasz es ferner den meisten Primanern
noch an der rechten Verständnisfähigkeit fehlt, und dasz ^ine w5-
chentliche Unterrichtsstnnde nicht ausreicht, um den Sinn fflr Abs-
traction hinreichend zu wecken und zu beleben. Daza kommt die
Schwierigkeit des Materials, denn die eigentliche Logik ist ein Wis-
sensgebiet, das noch auf der Universität nicht wenig Noth mtcbl.
Die Geschichte der griechischen Philosophie aber schlieszt sich wol
besser in einer kurzen Uebersicht an die Leetüre des Plato in Primt
an, der ja wol in keinem Gymnasialcnrsus ganz übergangen wird. An
der Stelle der hie und da benutzten Psychologie aber möchten wir
der von Palmer (II, 179) empfohlenen Anthropologie das Wort reden
und geradezu der Ansicht sein, die für die philosophische Propaedeo-
Studien zom GymMsialwefen. 119
lik ansgeselzte Unterrichtsslonde dem Religionsanterriehle in Prima,
wie Palmer ihn (178) angibt, znzniegen. Wir würden also in diesem
Stücke noch Aber den Vf. der Thesen hinansgehen und die philoso-
phische Propaedentik aufgeben, wobei wir noch hinsnaetsen, dasz der
Gewinn, den der Religionsunterricht in den obersten Klassen hieraus
ziehen könnte, sich noch vermehren würde, wenn nirgends dieser
Unterricht in Prima und Secunda combiniert wfire.
Die deutsche Litteraturgeschichte ist gewis nicht auf-
zugeben, sondern vielmehr recht sorgfältig zu pflegen: diese Sorgfalt
besteht aber in der weisen Beschränkung. Denn in diesem Gebiete,
wie überhaupt beim Unterrichte im Deutschen, wird meist durch das
zuvielwollen gefehlt. Es werden dabei oft an den Schüler in bester
Absicht Ansprüche gemacht , die er durchaus nicht befriedigen kann :
man läszt zu früh prodncieren, so nachdrücklich auch Ph. Wacker-
nagel, R. V. Raumer, Palmer (II 189) sich dagegen erklären, man
kennt keine passende Auswahl von zu lesenden und lernenden Ge-
dichten, so dasz gelegentlich einmal die Glocke von Schiller oder
der Spaziergang nach Tertia gerätb, oder auch, wie das in einem
sächsischen Programme zu lesen war, Schillers Nakbeth mit Tertia-
nern gelesen wird; dann laszt man auch viel zu früh die eigentlichen
Redefibungen beginnen, während recht gut noch in Secunda schwerere
Gedichte auswendig gelernt werden könnten. Was aber die Littera-
turgeschichte insbesondere betrifft, so ist auf diese zwar vorzuberei-
ten, sie selbsf aber und zwar mit ausführlicher Betrachtung der beiden
ciassischen Perioden sowol wie mit Ausschlusz der nachclassisohen
Zeit von der Romantik an, wol nur in Prima vorzutragen.
Wenn ferner Nützeil den Unterricht in Naturgeschichte und
Naturlehre beschranken will, so ist nicht recht abzusehen, wie
das geschehen soll. Denn ist es nicht als ein groszer Fortschritt zu
betrachten , dasz die Gymnasien diesen Unterrichtsgegenstand in die
Obern Klassen aufgenommen haben? An der Zahl der Unterrichts-
stunden ist aber wol ebenso wenig etwas zu kürzen. Also liesze sich
höchstens sagen, man möge dem naturwissenschaftlichen Unterricht
keinen zu wissenschaftlichen Charakter geben, der näher betrachtet
doch nur ein dilettantischer ist. Das aber heiszt nichts anderes ver-
langen, als was von vornherein von dem Lehrer der Naturwissenschaft
gefordert wurde.
' II. ^Hebraeisch und Französisch können facnltativ sein.'
Dem ersten Theile der Thesis kann man beitreten, und es ist
wol auch an den meisten Gymnasien dieser Unterricht nur facnltativ.
Um so weniger stimmen wir in Bezug auf die französische Sprache
bei. Dasz das dassische Unterricbtsgebiel beeinträchtigt werde, iat
wol nicht zuzugeben; am wenigsten können wir es thnn, da wir einen
exclusiven Classicismus nicht zurückrufen wollen. Daa Französische
ist aber — es kommt dabei nicht darauf an , ob zn unserem Vortbeite
oder Nachtheile — so vielfach in unsere Sprache und unser Leben
gedrungen, daaz es eine Bildnngsanstall ntchl entbehrea kann. Vor
9'^
120 Stadien zum Gymnasialwesen.
UebergrilTen scliOlzt die Stellung, welche die alten Sprachen einneh-
men. Aber eins: da die Gymnasien das Französische als formales
Bildungsmittel entbehren können, sollte man mehr Fleiss auf das lesen
und das sprechen , als auf das schreiben verwenden. Der Versach
diesen Unterrichtsgegenstand zu einem facultativen zn machen wQrde
einerseits unberechtigt, anderseits vergeblich sein, denn es würdea
doch alle Schüler französisch lernen wollen. Im Gegentheile gehen
wir auch hier einen Schritt über den Vf. hinaus, diesmal in anderer
liichtung, indem wir die Einführung des englischen Unterrichts als
festen Lehrgegenstandes befürworten möchten. Nicht nur die Ver-
wandtschaft der deutschen und englischen Sprache, sondern auch der
Reichthum der Litterntur spricht dafür. Auf den Einwand, dasz [eine
Ueberladung eintrete, antworten wir später; dasz es im Lehrplane
bestehen kann, haben viele Gymnasien bewiesen.
III. ^Mathematik und Geschichte dürfen hinsichtlich des Lehr-r
Stoffes beschränkt werden.'
Dem ersten Theile dieses Satzes gegenüber befindet man sich in
einer eigenthümlichen Lage, weil derselbe aus verschiedenen Motiven
hervorgegangen sein kann. Man könnte eine Aeuszerung der schon
erwähnten Richtung darin finden, welche den Humanismus purificie-
ren will. Das Gymnasium soll nach dieser Ansicht wieder eine rein
classische Schule werden und die übrigen Unterrichtsgebiete anf das
knappeste Masz zurückführen. Man hält also die neuere Gestalt des
Humanismus, indem derselbe die Realien aus ihrer Vernachlässigung
herauszog, für nichts als eine abgedrungene Concession. Da sich nun
das reale Material eigene Anstalten geschaffen hat, glaubt man das
Gymnasium jener Verpflichtung ledig. Dieser Anschauung können wir
auf keine Weise beitreten ; sie scheint dem Wesen der gymnasialen
Aufgabe und dem Gange der historischen Entwicklung zu widerspre-
chen. Das Wesen des humanistischen Idealismus verlangt reale Ob-
jecto, und die historische Entwicklung zeigt etwa, wie die Vernach-
lässigung derselben den Realismus in die Schulfrage hinein brachte.
Das müssen doch die Humanisten aus der Geschichte der Schalen ge-
lernt haben , dasz ihre Einseitigkeit im vorigen und in diesem Jahr-
hundert die Gegenbewegung wesentlich unterstützte. Nur der Mis-
muth über die hie und da sich gegen sie richtende, zum Theile sieh
schon wieder umsetzende Stimmung der Zeit kann jetzt den Fortsohritt
ignorieren und so weit zurückgreifen wollen : niemandem wfirde das
lieber sein, als den Ultra -Realisten, welche nothwendig gewinnen
müsten. Im Gegentheile wird der echte Humanist der UebenEeogiing
sein, auch die diesmalige Gegenbewegung diene nur zu einer wei-
tern Läuterung und durch diese zu einer stärkern Kraftäuszerung des
Humanismus. In diesem Sinne aber kann er unmöglich das gewon-
nene wieder hergeben, und die bessere Betreibung der realen Ge-
biete auf dem Grunde des classischen und mit dessen Hülfe bleibt ein
Gewinn. Schwerlich ist es jedoch jene Anschauung, welche den Vf.
zu dieser Thesis veranlaszt hat: sie wurde gewis durch seine Ueber-
Studien suin Gyflin«iuilw««eu. • 121
xeugung von der zu groszen Spannung in den Forderungen der Schule
liervorgerufen. Da nun an irgend einer Stelle diese allgemeine Frage
zur Bohandlnng kommen muaz, so mag es gleich hier geschehen.
Die Anklage, weiche oft erhoben wird, klingt sehr hart und
lautet etwa so : die Schule verlangt zu zeitig eine grosze geistige An-
strengung des Kindes und beginnt dadurch früh schon auf die kör*
perliohe Entwicklung, sowie auf die geistige Productionskraft des
Kindes nachtheilig zu wirken. Sie fährt in dieser unmäszigen An-
spannung nicht nur fort, sondern steigert dieselbe noch in den hö-
hern ünterrichtsanstalten und tragt damit Schuld nicht nur an der
innern fühlbareren körperlichen üntüchtigkeit der Menschen, sondern
auch an dem Hangel geistiger Frische und Kraft. Das wäre gewis
furchtbar, wenn es wahr sein sollte. Wir werden zwar von vorn-
herein sagen können, dasz solche Anklagen gemeiniglich über das
Ziel hinausschieszen , werden aber ebenso wenig in Abrede stellen
dürfen , dasz solchen Vorwürfen in der Regel irgend etwas wahres
und wirkliches zu Grunde liegt. Kine solche Wahrheit hat jener
Ausspruch besonders in Beziehung auf die vorhandene körperliche
Schwäche der Generation. Geht dieselbe auch nicht so weit, dasz
Gesundheit, Körperkraft, normale BeschalTenheit der ganzen Körper-
lichkeit zur absoluten Seltenheit wird , so ist doch im ganzen wahr,
dasz wir jetzt mehr von Schwächlichkeit und Uutauglichkeit sehen,
als früher. Zeitiger als sonst tritt Schwäche und Hinfälligkeit ein,
früher wird des Lebens Höhepunkt erreicht, ja man kann sagen, dasz
er öfters gar nicht mehr erreicht wird. Wir werden zugeben müssen,
dasz die jetzt in der Blüte des Lebens stehende Generation nur zu
oft und in zu vielen Stücken von der vorhergehenden übertroflTen wird.
Ebenso werden die Aerzte bestätigen, wie zahlreich jetzt Krankheits-
erscheinungen schon in den Jüngern Jahren auftreten, die man frü-
her wenigstens nicht in ihrer jetzigen Ausdehnung und Verbreitung
kannte. Insbesondere wird bei dem männlichen Geschlechte das Ver-
hältnis der zu dem Militärdienst tüchtigen und untüchtigen keinen
erfreulichen Anblick gewähren. Endlich wird die allgemein gewor-
dene Klage über Schwäche der Sehkraft sich nicht als unbegründet
erweisen. Gilt das bisher gesagte zumeist der zunehmenden Körper-
schwäche , so wird ein Blick auf das geistige Leben der Nation , so
viel auch in einzelnen Gebieten geleistet wird, doch sicher einen Man-
gel an eigentlich productiven Kräften wahrnehmen lassen, an geistigen
und sittlichen Charakteren und wirklich ausgeprägten Individualitäten.
Aber alles das — und vielleicht noch mehr, als das — zuge-
geben, ist damit doch noch nicht erwiesen, dasz an diesen Erschei-
nungen die Schule aHein oder auch nur vorzugsweise schuld ist. Es
ist das überhaupt das Misgeschick der Schule, dasz sie da schuld
sein soll, wo sie vielmehr selbst benachlheiligt wird, dasz sie büszen
soll für das, was an hundert anderen Funkten versehen wird, aber
doch nicht das Recht haben soll , energisch aus sich herauszuwirkea.
Denn diese ganze Lage des gegenwartigen Geschlechts nnd der nan
122 * Stadien xum GymnaBialwaten.
heranwachsenden Generation hat ihre Ursache xan gröaiten Theile in
ganz andern Dingen. Wenn wir diese knrz zusammenfasaeB, ao nen-
nen wir die zunehmende Uebervölkerung mit der gesteigerten Schwie-
rigkeit des Erwerbes, mit der namentlich in den gröszern Städten
zusammengedrängten Weise des wohnens, mit der Theuerung der
Nahrungsmittel; es ist die materialistische Lebensrichtung, welehe
mehr auf den äuszern Schein , den sinnlichen Genosz und Nervenreii
als auf das einfache, gesunde, naturgemasze bedacht ist; es ist die
Lässigkeit und Grundsatzlosigkeit der Erziehung; es ist endlich vor
allem die Glaubensiosigkeit und die mit dieser eng verbnndeDe Un-
siltlichkcit. Es liegt jenseits unserer Aufgabe, hier weiter nachao-
weisen , wie diese einzelnen Punkte wirken , aber sie wirken alle, and
zwar mehr als die Schule.
Auf der andern Seite aber kann mau auch nicht behaupten, dasi
die Schule nichts verschulde. Vielmehr ist zuzugestehen, dasB sich
Bedenken genug aufdrängen; nur ist dabei zu wiederholen, dasi die
Fehler weit weniger in den gesetzlichen Bestimmungen liegen, als im
ihrer praktischen Ausführung.
Nach unserem bescheidenen dafürhalten nimmt das Schalgesetx
die Jugend nicht zu früh in Anspruch ; dasselbe läszt überdies noch
allen, die es vermögen, die Freiheit, nach ihrer besten UeberzengODg
für den Unterricht ihrer Kinder zu sorgen. Viel eher liesze sich die
grosze Willkür beklagen , mit der jeder sich sein Unterrichtssysten
zurechtlegt, als ob gar nichts dazu gehörte, in diesen Dingenden
richtigen Weg zu Gnden, und als ob die öfTentlichen Schulen ganz and
gar auf Laune und Unverstand gegründet wären. Wenn wir aber nna
auch ein Urtheii über den Lehrpian der Volksschule nicht anmaszen
wollen , so dürfen wir doch wol einige Bemerkungen von allgemeiner
paedagogischer Natur hier aussprechen. Denn mag es auch wahr sein,
dasz man nirgends die Lehrpläne auf eine zu grosze Zahl täglicher
Unterrichtsstunden ausdehnen soll, dasz es hier certi flnes gibt, ao
darf man doch auch nicht vergessen, dasz es auszer dem nltra ein oitra
gibt. Ueberhaupt aber kommt es weniger auf eine Vermindenuif
der Unterrichtsstunden, als auf eine richtige Behandlung des Unler-
richts an.
Für das ganze Schulwesen nun, niedere wie hohe SchulanstalteB,
sei es gestattet, anf folgende Pnnkte aufmerksam zu machen: l) Man
halte innerhalb der Schale zwar streng auf eine gerade Haltaof des
Körpers , sei aber dubei gegen das zartere Kindesalter and die BiU
wicklungsperiodo nicht unbillig. 2) Man halte anf geräumige , helle,
freundliche Schuliocale, welche, wenn es irgend möglich, mit einea
Garten oder Spielplatz verbunden seien. 3) Man vernachllssige \u kei-
ner Schule die Gymnastik und halte auch auf Spielstanden im Garten
oder auf dem Spielplatze. 4) Man nnterbreche da wo vier Lehratnndan
auf einander folgen, dieee in der Mitte durch eine halbstündige Faaae
und beschränke dagegen die Obrigen Zwischenpausen. 5) Man andia
Stadien sum GyaisuMlweseo* 123
«den Schwerpunkt nicht in den häuslichen Arbeiten für die Schale,
sondern im Unterricht i n der Schule.
Diese Bemerkungen scheinen nicht unberechtigt. Was zunächst
die gerade Haltung der Schüler betrifft, so ist gewis fortwährend
darauf su halten, ohne dasz man so unbarmherzig zu sein braucht,
von jeden Alter und jeder £ntwickiaogsstufe dl^sselbe zu verlangen.
Besonders leicht wird hier die Forderung übertrieben, wenn ver-
schiedene Lehrer naeh einander unterrichten; jeder ist nur bemüht,
während seioer Stunde auf rechte Ordnung zu halten, und da denkt
dann der von 11 — 12 Uhr unterrichtende Lehrer vielleicht gerade je
eifriger er ist, um so weniger daran, dasz die Schüler bereits 3 Stun-
den gesessen haben.
Hierzu gehört auch, dasz man doch überhaupt nicht so viel
schreiben lassen möchte. Möchte man namentlich nicht zu früh dem
Schüler gestatten nachzuschreiben oder ihn gar auffordern, nach-
schreibend dem Vortrage des Lehrers zu folgen ! Pas taugt selbst in
den Obern Klassen höherer Unterrichtsanstalten wenig, und verlangt
man im Gymnasium eine solche Nachschreibfertigkeit, so ist es bes-
ser, dasz der Lehrer des Deutschen gelegentlich darin besondere
beaufsichtigte Uebungen anstellt, als dasz es überall aufsichtslos be-
trieben wird. Denn alles, was sich der wirklichen Beaufsichtigung
in der Schule entzieht, ist im Grunde paedagogisch unbrauchbar.
Und noch 6ins: man stelle die Bänke nicht so aneinander, dasz
es dem Lehrer schwer wird, schnell an den einzelnen Schüler heran-
zutreten. Den Kathederdoceuten ist das freilich gleichgiltig, aber
diese wissA auch selten, was alles geschehen kann, während sie von
ihrem Katheder herab docieren; Je leichter der einzelne zu erreichen
ist, je öfter der Lehrer seinen Platz ändert, den oder jenen aufsu-
chend, desto weniger wird Unaufmerksamkeit, Romanlectftre oder
noch schlimmeres möglich sein. Wenn jemand zweifeln sollte , dasz
überhaupt unerlaubte Dinge leicht in der Schule getrieben werden
können , so wollen wir beispielsweise erzählen , dasz in einer obern
Klasse eines namhaften Gymnasiums eine Zeit lang regelmäszig Wal-
ter Scott während der lateinischen Stunden gelesen wurde, und dasz
in der Klasse nur zwei Praeparationshefte vorhanden waren. Ferner
haben sorgfältige disciplinare Erörterungen in Bezug auf unsittliche
Angewöhnungen , welche leider nur zu sehr verbreitet sind und gewis
die Schwächlichkeit der Jugend mit veranlassen, ergeben, dasz ge-
rade Unterrichtsstunden gern zu solchem Zwecke benutzt werden.
(Vgl. den Erlasz des würtemb. Oberstudienrathes v. 11. Nov. 1864).
Die Uerstellung freundlicher, heller Schullocale, welche reinlich
gehalten und fleiszig gelüftet werden, ist wol gewis ein dringendes
Bedürfnis, dem man auch mehr und mehr zn begegnen bemüht ist;
denn gewis ist von den mangelhaften Schulzimmern manche nachthei-
lige Wirkung auf die Gesundheit und namentlich die Sehkraft der
Jagesd ansgegangen. Aber es scheint , als ob noch nicht g«nug in
dieser Besiehong gCKhehe, theihi weil nun die Anfgnbea sebeot ood
124 Studien zum Gymnasialweseo.
wol auch scheuen musz , theils weil nicht jeder den rechten Sinn für .
diese Dinge hat.
lieber die Wichtigkeit der Gymnastik ist kein Wort zu rerlie-
ren : um nur ein Beispiel anzufahren , wie segensreich hat doch die
lebendige Betreibung derselben in der hiesigen Biochmannschea Ab-
stalt gewirkt! Indem ^iese das körperliche Wohl der ihr anvertrau-
ten nie auszer Augen liesz, geschah es, dasz schw&chliche, bleich
aussehende Knaben nach Jahresfrist wie umgewandelt schienen. Es
fragt sich aber, ob man sich mit städtischen Turnplätzen und Turn-
hallen begnügen und die Korperübung aus der Schule selbst aof jene
verweisen soll : nach unserer Meinung sind in der Schule selbsl ge-
meinschaftliche Spiele und Turnübungen vorzunehmen, welche TOii
paedagogischer Bedeutung sind, indem sie theils einen Gemeinsinn,
ein wirkliches Schulleben hervorrufen, theils auch eine angemes-
senere Verwendung der Pausen ermöglichen, die leider gewöhnlich
zu unbeaufsichtigten Tumultminuten werden. Man würde, wie wir
uns die Eintheilung der Lehrzeit und die Benutzung der groszen Pause
denken, eine wirklich förderliche, dem Geiste Uuhe, dem Körper
Stärkung gebende Unterbrechung gewinnen.
Die wichtigste unserer Bemerkungen aber ist die letzte, und,
obwol sie eine allgemeine paedagogische Wahrheit ausdrückt, wollen
wir uns mit derselben specieller auf das höhere Unterrichtsgebiet
stellen. Die Schule, sagten wir, soll ihren Schwerpunkt nicht in
den häuslichen Arbeiten, sondern in dem Unterrichte selbst suchen.
Darin liegt die Hauptnntwort auf alle Anklagen gegen die Schule,
darin, wenn wir die Sache richtig auffassen, die Hauptaufgabe aller
Schulreform. Denn die Ueberladung der Schüler, über die man so
viel klagt, die zu grosze Spannung liegt vor allem in der unpaedago-
gischen Ausführung der gesetzlichen Vorschriften.
Dasz die Schüler oft überbürdet sind, wird wol von allen Sei-
ten zuzugeben sein; hat doch das Vorhandensein dieses Uebelstandas
noch jüngst der preusz. Geh. Begicrungsrath Dr. Wiese für die Gym-
nasien zugegeben (vgl. Bd. LXXII S. 54l). Wir müssen aber die Sache
genauer erörtern, weil auch hier nicht Widerspruch ausbleiben wird.
Manche sagen geradezu, die Schule habe den Hauptzweck, eine An-
leitung zum arbeiten zq geben ; indem die Erziehung zur Selbstthätif-
keit ihre eigentliche Aufgabe sei , müsse sie vor allem auf gutes nnd
vieles arbeiten sehen und dies gewissenhaft leiten.
Dasz das Gymnasium die Absicht hat, seine Schüler zur SelbsU
thätigkeit zu erziehen, dasz es ihnen Arbeitskraft und Arbeitslast
geben und mehren soll, ist unzweifelhaft; es fragt sich nur, wie es
diesen Zweck erreichen will. Folgte wirklich hieraus weiter der Sats,
dasz die auszer der Schule arbeitende Kraft des Schülers das Haupt-
augenmerk der Schule sei, dann wäre der Unterrieht aufs äuszerste
zu beschränken, beanspruchten alle unsere liehrpläne viel zu viel
Zeit. Dann würden wir eben ganz nove Schulen gründen müssen and
das sei ferne ! Das Gymnasium hat den Zweck dem Schüler diejenige
Stadien sum Crymnatialweseo. 125
geistige und sittliche Kraft sa geben, rermöge der er im Stande iat^
die freiwillig erwählte Lebensaufgabe mit Erfolg zn erfassen und zu
erfüllen. Es wirkt darauf hin sowol durch die Unterrichtsgebiete,
als durch den christlichen Sinn, auf dem es ruht und von dem es
durchdrungen zu sein strebt, und durch die sittliche Zucht, die es
ausübt. Diese drei Elemente müssen im Gymnasium mit einander und
durch einander wirken. Nun ist zwar die humanistische Behandlung
der Lehrgegenstände nicht auf den unmittelbaren Gebrauch gerichtet,
sondern betrachtet alle, je nach der Fähigkeit des einzelnen Gebietes,
mehr als Mittel, denn als Zweck: aber es ist eine gründliche Be-
nutzung der Lehrmittel nur durch die geistige Thätigkeit des Schülers
möglich, welche wir das lernen nennen. Darum ist, vom Schüler
aus betrachtet, das lernen der Mittelpunkt der Schule, vom Lehrer
aus gesehen, das lehren in seinem echten transitiven Sinne, lehren
= lernen machen. Dieses lernen aber hat seinen Brennpunkt in dem
Unterrichte, als dem Punkte, wo die wirkende Kraft des Lern-
objects durch das Organ des Lehrers auf den lernenden am unmittel-
barsten wirkt, nnd wo zugleich die beiden andern Factoren des christ-
lichen Sinnes und der sittlichen Zucht sich mit dem Unterrichte in
der Schuleinrichtung überhaupt und in dem Medium des Lehrers ins-
besondere vereinen. Denn das leuchtet wol ein, dasz nur hier, in der
Schule selbst, alles zusammenkommt, was diese an wirkenden Mitteln
besitzt. Je mehr aber dies festgehalten wird, desto stärker wird nicht
nur die Macht der Schule, sondern auch die Gegenwirkung gegen jene
Uebelstande, desto geringer wird die Abspannung durch ein Ueber-
masz von häuslicher Arbeit, desto mehr erhält und belebt sich der
Trieb der Selbstthatigkeit zugleich neben der steigenden Arbeitskraft.
Dieser Zusammenhang scheint nachweisbar.
Die Klagen gegen die höhern Schulen sagen aus, dasz unsere
Jugend zu viel sitzen und arbeiten müsse, dasz sie vieles aber nichts
ordentliches lerne, dasz sie dabei schwächlich werde, die Lust am
arbeiten verliere, und dasz die Selbstthatigkeit und der Bildungstrieb
eher unterdrückt, als belebt werde. Es fragt sich nun , ob und in-
wieweit eine richtige und tüchtige Benutzung des Unterrichts diesen
Mängeln abhelfen könne.
Der Lehrer, welcher das lernen durch den Unterricht selbst zum
Centrum seiner Thäligkeit macht und dasselbe nie aus den Augen zu
verlieren strebt, ist von vornherein dadurch im Vortheile, dasz er in
einem viel engern Znsammenhange mit dem Schüler steht. Denn sein
Verfahren wird ganz von selbst einfacher, knopper, positiver. Will
er, dasz gelernt wird, — wobei man unter lernen nicht blosz im
Gedächtnisse festhalten verstehe, — so wird er sich leichter aus den
verführerischen subjectiven Gedankenkreisen herauswinden und die
Klasse, den Schüler fester ins Auge fassen. Auf diese Weise musz
er das unnütze zu vermeiden, den Stoff zu vereinfachen suchen. Da-
mit begegnen wir schon dem Hauptinhalte der Mützellschen Thesen,
welche überall anf Vereinfachung des Lehrstoffes driugeo. Eine sol-
120 Stadien ebih GymoaaialweteA.
che Vereinfachung that freilich fiberall Noth, aber dieselbe ist weil
weniger durch Veränderung der Schnlregnlative, als durch eine mehr
paedagogische Praxis zu erreichen. Denn wenn z. B. für eine Klasne
vorschrifksmäszig feststeht, dasz in ihr deutsche Geschichte gelehrt
werden soll, so kann das Regulativ gewis nicht soweit gehen, |daM
es einzeln aufführt, was zu sagen und was nicht zu sagen, was. in
verlangen und was nicht zu verlangen ist. Selbst wenn es bestittmle
Vorschriften enthält und auf Beschränkungen hinweist, wie viel Spiel-
raum bleibt noch dem Lehrer; und musz ihm bleiben, da wir ja reckt
gut wissen , dasz die Klasse selbst sich nicht gleich^bleibt ! Komnl
nun hinzu, dasz hie und da die gesetzliche Klassenaufgabe geradem
willkürlich und nach subjectiver Interpretation (behandelt wird, dass
ferner in den einfachsten Dingen es grundverschiedene Verfahrnngs-
weisen gibt, (wie denn z. B. der eine Lehrer das können nennt, was
dem andern nicht können scheint), so ist es wol leicht begreiflich,
dasz sich in der Praxis die entsetzlichsten Abstände bilden. Wenden
wir uns zu unserem Beispiele : der unserer Auffassung folgende Leh-
rer wird von Anfang an auf Ausscheidung des überflüssigen Stoffes,
dessen es gerade in der Geschichte so viel gibt, bedacht sein, er
wird seinen Vortrag in steter Verbindung mit Repetitionen und me«
morieren der wichtigsten Daten bringen , und indem er so die Ge-
schichtsstunde unmittelbar als ^paedagogische Provinz' behandelt, ist
er in der Lage, nicht nur etwas tüchtiges zu erreichen, sondern auch
wenig Arbeit anszerhalb der Stunden zu verlangen. Dafür wird
der geschichtliche Sinn in dem Schüler erwachen , nnd derselbe wird
ganz von selbst bemüht sein, die Lücken zu ergänzen nnd auf der
gewonnenen positiven Grundlage weiter zu bauen. Dagegen deh-
nen viele Geschichtslehrer ihre Vorträge wer weisz wie sehr ans,
füttern sie, so zu sagen, mit culturhistorischen Excursen nnd ver-
lieren sich in das pragmatisieren ; ein Verfahren, bei dem die Schüler
allerlei , aber nichts ordentliches lernen und überdies die Freude an
der Geschichte verlieren. Während jener sich des paedagogischen
Zweckes bewuste Lehrer den Schwerpunkt in dem wichtigsten des
positiven sucht, wird der andere leicht zwischen leitenden Ideen nnd
unwichtigen Specialitäten hin und her schwanken. Die unpaedago-
gischen Lehrer legen hiebei gewöhnlich viel Gewicht auf das nach-
schreiben und ausarbeiten eines Heftes, was denn leicht dazu Ührl^
dasz die Schüler in der Stunde ungehörige Dinge schreiben und Mieb*
aen und dann das Heft aus irgend einem Handbuche lusaiimeMto^
peln. Corrigiert wird das Heft ja doch nicht, und wenn auch aide
flüchtige Revision stattfindet, so will das nicht viel sagen. Man solUa
aber in der Schule, namentlich in den untern Klassen, uiehta aahraU
ben lassen , was nicht sorgfältig angesehen und wo möglich eorrigiert
würde. Ergibt sich bei den geschichtlichen Unterrichte leicht, wie
eine recht paecTagogische Behandlung in den Standen überall auf Ver-
einfachung des Stoffes und Beschränkung unerspriesalicher Arbeit
hinstrebl, so ist es bei dem sprachliehen Unterrichte
Slidien sin Gyniiaf iaWresea. 127
Je Mehr in der Stunde telbsl geleittet wird^ je mehr der Lehrer seiMo
Klafee, so sa eagen, in Trab setst, deMo leichter fillt der «nntttKe
uBpaedagogiaohe gelehrte Apparat hinweg. Wer aberall im Aoge hat,
daaE der Sohftler begreifen soll, waa der Lehrer sagt, wer aeiae Er-
klärungen bei der Lectflre der Schriftatelier veratanden^iasen, seine
grammatischen Erlänterongen bei der Zarückgabe der Arbeiten lur
Anwendang gebracht aehen will, mosz Ton selbst darauf kommen^
sich zu beschränken und den Bildnngsstandpnnkt der Schüler im Aage
zu bebalten. Ein gleiches läszt sich von der Mathematik »ageu , in
welcher anch häufig genug das positive lernen hinter groszartigen
Vorträgen «nd dicken Heften verschwindet. So sweekmäszig aber
«nter Umständen ein Schniheft sein kann, so gewis dasz das über-
handnehmen des Heftsystems weder eine Empfehlung für den Unter-
richt, noch eine Förderung für den Schüler ist, der bei all dem Papier-
kram nicht bloss zu viel aitzen muaz, sondern anch Zeit, Kraft und
Lust verliert. Das möchten wir also als die Hauptaufgabe der Schule
bezeichnen, ihre Mittel namentlich in der Schule selbst, während der
Unterrichtsstunden mehr za nützen , indem dies von selbst zur Ver-
einfachung des Stoffes führt und der Ueberbürdung abhilft. Wir ha-
ben nicht die Lehrziele aufzugeben, sondern den Weg zu ihnen za
vereinfachen, waa am besten dadurch geschieht, dasz der Lehrer
nicht blosz gibt, sondern auch darauf hält, dasz der Schüler nimmt.
Denn allerdings will die Schule anregen, um einen .Liebliagsaus-
druck neuerer Zeit zu gebrauchen, aber sie will nicht blosz das«
anregen, dasz der Schüler lernt, sondern vielmehr dadurch anregen,
dasz er lernt.
Das alles gilt auch von den schriftlichen Arbeiten: nicht dasz
gearbeitet wird , sondern dasz gut gearbeitet wird , ist Aufgabe der
Schule; nicht die Masse schafft den Erfolg, sondern die Regelmäszig-
keit und Sorgfalt im abfassen und abliefern der Arbeiten. Auch hier
reden wir weniger der Bescliränkung znnächst das Wort, obgleiöli
hier unzweifelhaft oft anbillige Forderungen gestellt werden, son-
dern tadeln die unpaedagogiscbe Behandlung. Freilich musz es z. B.
schriftliche Praeparationen geben, und es ist nur zu beklagen, dasz
manche Lehrer in dieser Beziehung so tolerant sind, sich mit jedem
nnsaubern Papierstreifen zu begnügen: wenn aber der Lehrer dea
Homer in Tertia von einer Stunde auf die andere 40 Verse vorbe-
reitet wissen will, ohne dasa er genau oachsiebt, wie man sich vor-
bereitet, so ist das sehr unrecht: ea ist eine Ueberbürdung dea flei-
szigen Schülers , bei welcher der anieiazige ganz l^er auageht Hält er
dagegen anf eine gute, aaaber geachriebene, gründlich gelernte Prae-
paration, so wird er gar nioht anf den Cledanken kommen, so viel zu
verlangen : das sehr förderliche Verfahren , die Vorbereitung selbst
zum- Gegenstand des fragens zu machen, noch ehe man flbersetst,
wird das Masz beschränken helfen. War aber einmal die Aufgabe aa
knapp logamessen, so ist es immer noch besser, ei» Stück gani oo-
vorWrmtel iberaetzea zu lassen, ab sich daran sa gewOhaea, vM
128 Studien zum Gymnasialwesen.
mit halber Praeparation zu lesen. Ferner musz es gewis griechische,
lateinische, deutsche Arbeiten geben: aber die Länge thut es nicht,
sondern die Sorgfalt, Sauberkeit, Regelmaszigkeit, Pünktlichkeit Faszt
man das immer ins Auge und stellt es voran , so wird sich ganz von
selbst das M#E der Arbeit nur für den faulen Schüler, wie recht and
billig, erhöhen, während es für den fleiszigen sich mindert. Wie mau
jetzt sehr oft die Dinge betreibt, ist es leicht möglich, dasz der eine
Schüler nie fertig wird, während der andere immer fortig ist.
Es versteht sich von selbst, dasz eine ersprieszliche Nutzung
des Unterrichts nicht denkbar ist ohne die Handhabung einer tüch-
tigen Zucht; ja man kann namentlich in den untern Klassen sagen, die
gute Disciplin sei der halbe Unterricht. Aber es wird auch in den
obern Klassen noch zu viel conniviert und nicht genug Strenge geübt.
Es ist geradezu wunderbar, wie verschieden die Begriffe von Disci-
plin sind, wie der eine da schon sehr zufrieden ist, wo der andere
noch tadeln oder gar strafen würde, und wie sich die Schulzuohl
nicht aus den Schulmauern herauswagt, und sich mehr beschränkt, aU
hier nolhwendig ist. So hat denn fast jede Schule ihren Schatz von
Disciplinaranekdoten, und die Sache könnte komisch sein, wenn sich
nicht so gar ernste Gedanken dabei aufdrängten.
Versteht also Mützoll die Beschränkung des Lehrstoffes so, dasz
er zwar die Lehrziele festhalten, aber die Behandlung durch ein mehr
paedagogisches Verfahren einfacher und gowinnreicher gestalten will,
so stimmen wir ihm von ganzem Herzen bei. Wir wollen die von den
Regulativen vorgeschriebenen Ziele auch ferner erreichen, aber wir
wollen keine Umwege machen und nicht zu viel Last auf den Weg
mitnehmen, damit die jugendlichen Wanderer, die wir fähren sollen,
nicht matt, sondern frisch am Ziele ankommen, nicht unlustig zn ferne-
rer Arbeit, sondern freudig und kraftbewuszt neue Bahnen betretend.
Indem wir dieselbe Anforderung an den sprachlichen Unterricht
stellen, erledigt sich auch die 4. Thesis: ^n Folge der gründlicheren
Bearbeitung der einzelnen Wissenschaften ist auch der Unterricht,
sowol der sprachliche als der in den meisten andern Ob'jecten, dem
Stoffe nach häullg zu reichlich ausgestattet worden.' Hiebei ist aber wol
nicht unerwähnt zu lassen, wie man von dem einen könne absehen, d. h.
von der unnöthigen Spielerei mit der specifisch gelehrten Zuthat, und
doch das andere thun, d. h. das Lateinischsprechen und Lateinscbrei*
ben lebhafter betreiben: denn dasz wir darin Uückschritte gemaoht
haben, ist nur allzu gewis. Nun bestreiten zwar sogar berOhmte
Paedagogen (so z. B. K. v. Raumer in s. Geschichte d. Paedagogik
111, 1 45 — 66) überhaupt die Ersprieszlichkeit dieser Uebungen in
einem ausgedehnteren Sinne und wollen sie nur als Unterstützung der
Grammatik gelten lassen: wir können uns aber nicht von der Rich-
tigkeit dieser Ansicht überzeugen. Gewis wird es auch hiebei we-
sentlich auf das paedagogische Verfahren ankommen und namentlich
erforderlich sein, dasz man nicht eigentliche lateinische Abhandlun-
gen verlangt, wie wir überhaupt gegen die reflectierenden Themala
Stadi«n soii^ Gymnasial vresen. 129
schon oben die ernstesf^n Bedenken äuszerlen. \Yenn z. B. ein Se-
condaner noch jüngst über das Thema: ^Prositne bellum magis an
noceat?' oder (iber das andere: ^Ueber den Vortheil oder Nachtheil
einer allgemein verbreiteten Bildung' schreiben sollte, so konnte denn
doch wirklich nichts gescheites heraus kommen, wie es denn auch
geschah. Bei dieser Gelegenheit liesze sich aber wol far die alten
Sprachen der Wunsch aussprechen, man möge sich wieder der metri-
sehen Uebungen ernstlicher annehmen, welche die Kenntnis der latei-
nischen Sprache sehr gefördert haben. — Noch €\n Wort für die-
jenigen, welche den Unterricht nicht in unserem Sinne betreiben,
dagegen die häusliche Arbeit, das arbeitenlernen in den Vordergrund
stellen. Sie erreichen in der That nicht, was sie wollen, weil die
5 — 6 standige tagliche Schulzeit dieselbe bleibt, sie mögen nun fttr
] — 2, oder für 4 — 5 Stunden Arbeit aufgeben. Lassen sie nun auch
die geistige Anstrengung bei weniger energischem Verfahren gerin-
ger werden , so können sie doch nicht die körperliche Wirkung der
6 Schulstunden aufheben : in der That aber wird diese bei geringerer
geistiger Thitigkeit der Schüler nur noch erschlaffender und jiach-
theiliger sein. Endlich lernen aber die Schüler sogar nicht einmal
arbeiten, weil die Stotfmasse sich der Beaufsichtigung entzieht. Da-
gegen wird man theils schon durch die Unterrichtsstunde arbeiten ler-
nen, wenn der Unterricht lebhafter, einfacher, kurz zweckmäsziger
ist: theils Uszt sich ja auch bisweilen eine besondere Anleitung zur
Arbeit in der Schule ertheilen, indem man Arbeiten gleich in der
Stunde anfertigen Ifiszt, wobei man zugleich der sehr gebräuchlichen
Abschreiberei besser auf den Grund sieht. Der letzteren würde viel-
leicht auch dadurch gewehrt werden, wenn man die ausgeschriebenen
Hefte nicht zurückgäbe, sondern im Schularchive aufbewahrte und
jährlich oder auch beim Abgange der Schüler den.£ltern oder Vor-
mündern anshändigte. Denn Arbeitsfascikel erben von Generation auf
Generation, und selbst bei der Praeparation kommen solche Unter-
schleife vor.
Gehen wir zur 5. Thesis über (^die ausführliche systematische
Behandlung einzelner Lehrfächer, namentlich der Hermeneutik, Stili-
stik, Mathematik, Geographie, hat der Methode häufig eine zu grosze
Breite gegeben'), so ist dieselbe zum Theile schon im bisherigen be-
antwortet. Ist aber hier von einer systematischen Behandlung
einzelner Gebiete die Rede, so musz doch wol bemerkt werden, dasz
eine solche überhaupt nicht im Kreise der Schule liegt. Das wissen-
schaftliche System liegt über der Schule, ist Sache des akademi-
schen Studiums, während es auf der Schule nur unmittelbar, nicht
als System selbst auftritt. Darum hätte man eigentlich überhaupt nicht
Stilistik, Rhetorik, Poötik zu lehren, sondern nur aus diesen Gebieten
das geeignete an geeigneter Stelle herbeizuziehen.
Auch bei Thesis 6 halten wir uns nicht auf, indem dieselbe nur
zusammenfaszt und die .Folgen der Uebelstände andeutet: (^ Die Last
des Stoffes und das gedehnte der Methode trilft besonders die untern
1«10 Stodicn xam GymnusialireBen.
und die mililern Klassen und hemmt aneh fOr die obern den WisteBs-
trieb'). Dageg^en ist die 7. Thesis von g^roszer Wichtigkeit; dieselbe
lautet: ^Zu diesen Uebelstanden tritt hinzu: a) dasz einzelne Gegeilt
stönde zu lange durch die Klassen hindurch gezogen werden, b) dies
ein und derselbe Gegenstand in den Gymnasien anter zu viele Lehrer
verlheilt wird, c) dasz diejenige« Bestimmungen der Schulordnnngeo,
welche auf einheitliches zusammenwirken der Lehrer hinzielen , nicht
immer zu lebendiger Ansfahrnng kommen.'
Worauf soll sich das unter a bemerkte beziehen? Was soll spa-
ter angefangen, was früher aufgegeben werden? In unserm silcbsi-
sehen Regulative müsten wir höchstens, und zwar nur höchstens, die
Geschichte aufzußndcn, die vielleicht um eine Stufe spfiter ange-
fangen werden könnte, wogegen wir auch hier, wie früher in Priaui
beim Wegfalle der philosoph. Propaedeulik, den Religionsnnterricht
verstfirken würden. Schon im Punkte b liegt mehr auch für ans an-
wendbares. Wir würden dies namentlich auf den Unterricht im Dent-
schcn beziehen, der z. B. nach dem Programme vom Jahre 1853 ia
der Kreuzschule in Dresden in 9 Klassen von 9 Lehrern gegeben
wurde. Im Gymnasium zu Plauen (Progr. v. 1854) war er in den 6
Klassen der Schule nicht nur in den Händen von 6 verschiedenen Leh-
rern, sondern sogar in den drei obern Klassen noch so getheilt, dass
die Declamationsübungen einem besondern Lehrer übertragen waren.
In der Blochmannschen Anstalt waren wenigstens Prima und Secunda,
und dann wieder die drei Kealklassen öinem Lehrer anvertraut. Am
glücklichsten stellt sich die Vertheilung in den Landesschulen her-
aus , wo der deutsche Unterricht in Prima und Secuuda mit dem Re-
ligionsunterrichte, in Tertia und Quarta mit dem geschichtlichen ver-
bunden war, ein Verhältnis, das sich da, wo zwei Religionslehrer
angestellt sind, auch wol so gestalten laszt, dasz der zweite Reli-
gionslehrer den deutschen Unterricht in den untersten Klassen über-
nimmt. Ganz gewis ist die principicllo Verbindung des deutschen
Unterrichtes mit dem Ordinariate nicht zu empfehlen. Denn einmal
wird dieses Unterrichtsgebiet dadurch unendlich zerstückelt, dann
wird der dazu nöthigen individuellen Befähigung keine Rücksicht ge-
schen^'^, endlich wird der Lehrer des Griechischen und Lateinischen
mit einer dritten Correctur überladen, wodurch leicht bewirkt wird,
dasz er entweder alles halb thut, oder das Deutsche vernachlässigt.
Besonders aber wird der deutsche Aufsatz erst recht dadurch frnchl'
bar, dasz der Lehrer ihn mit andern Hauptgebieten in Verbindung
^etzt; denn dadurch wird nicht nur das Deutsche erst recht inhalts-
voll , sondern auch die Arbeitslast zweckmäszig beschränkt. Beilflo-
flg empfehlen wir noch, alle deutschen Aufsatzthemen in den Schnl-
annalen zu sammeln und in den Programmen zu veröffentlichen.
Die wichtigste und richtigste aller Bemerkungen Mützells ist die
nnter c enthaltene; diese trifft so recht mitten in die Praxis hinein:
in Bezug hierauf ist wol kein Lehrer ohne Erfahrungen. Unter die-
sem einheitlichen zusammenwirken der I^ehrer verstehen wir wol,
Stadien zwm GymMsiilwesen. 131
dais dieselben nicht nur fiberall die aUg emeiien der Schale za Grande
liegenden Principien in Uebereinstimmnng, je nach ihrer besonderen
Aufgabe nnd Befähignng verfolgen, sondern aaeh^ and swar beson-
ders , wenn sie in derselben Klasse nnterriehten , in didaktisGher nnd
paedagogischer Beiiehang sich stützen and ergänzen. Das sieht so
selbstverständlich aas, dasz man meinen sollte, es könne gar nicht
anders sein, und doch ist es in vielen Stücken darchaas nieht so.
Sehen wir genauer nach! 'Voraassetzung musz hier vor allem die
wesentliche Uebereinstimmajig der Mitglieder eines Lehrercollegiums
in religiösen, politischen, sittlichen Angelegenheiten sein, wenn wir
nicht den Menschen und den Beruf trennen wollen, was doch nimmer-
mehr angeht. Nach einer vielbeliebten, aber sehr oberflächlichen
Ansicht ist es gleichgiltig*', welche Ansichten der einzelne habe, etwa,
ob er positiv gläubig oder diesem Ziele zustrebend sei, oder ob er
dem Rationalismus huldige. Viele sagen, dasz das ja mit dem Berufe
nichts gemein habe. Das ist aber eine grundfalsche Meinung, welche
die nothwendige Einheit der menschlichen Natur, welche freilieh
nur anzustreben ist, von vornherein aufheben will nnd den religiösen
oder politischen Standpunkt des Menschen als etwas ansieht, das ne-
ben ihm steht, nicht in ihm ruht. Ist der Glaube ein nach Innerlich-
keit ringender, die politische Ueberzengung eine tiefe, innige, so ist
beides mit dem Menschen verwachsen , dasz er eben fl b e r a 1 1 gläo^
big, überall conservativ oder überall das Gegentheil ist. Frei-
lich bleibt diese Einheit des denkens, fühlens und bandelns nicht frei
von Widersprüchen, aber der Mensch strebt ihr doch entgegen. Den
Satz hat nur die grenzenlose Leerheit moderner Phraseologie ant-
stellen können, es könne jemand ein schlechter Christ nnd ein guter
Lehrer, ein Mann des Umsturzes und ein guter Erzieher sein. Im
Gegentheile ist der Mensch immer derselbe, im Hause^ in der Schale,
in dem Staate, in der' Kirche. Denn wenn auch z. B. der Lehrer der
Mathematik nicht Religion , sondern Mathematik lehren soll (Palmer
II 213), so gibt er doch darum nicht den Kern seines Wesens, den
christlichen Sinn und Glauben, auf, und ist dieser in ihm, so musz
er sich auch, wenn nicht unmittelbar in dem Lehrstoffe, so doch mit-
telbar in tausend Stücken zeigen. Eine solche Voraussetzung ist also
von vornherein nolhwendig, und wir wollen hier von derselben aas-
gehen. Nun kann man zwar bei den meisten Mängeln unsers öffent-
lichen und häuslichen Lebens sagen, dasz in letzter Instanz der
Mangel echt christlichen Sinnes schuld sei, wir haben aber hier wol
zu berücksichtigen, dasz auch bei dem tüchtigsten streben und ern-<
stesten wollen auf Erden noch Mängel und Schwächen übrig bleiben.
So wird denn auch ein jene wesentliche Uebereinstimmnng besitzen-
des Collegium immer noch genug des mangelhaften behalten.
Fragen wir nun nach jenem von Mützell beklagten Mangel mi
Uebereinstimmnng im wirken, so zeigt sich dieser im Unterrichte ond
in der Disciplin, in der didaktischen nnd paedagogisohen Behandlang
der Aufgabe. Nicht als ob wir meinten, der eine solle dem andeni
132 Studien zum Gymnasial wcsen.
völlig gleichen; das liicsz.c ja die Vcrscliiedenlieit der mensclilichen
Naturen verkennen, verkennen dasz die öfTenlliche Schule sich gerade
durch dieses zusammenwirken verschiedener Individualitäten aasseich-
net. Aber wie verschieden auch die lehrenden durch ihre Begabung,
wissenschaftliche Richtung, durch die von ihrer Natur ihnen gebotenen
Miltel seien, die Aeuszerung der verschiedensten Naturen und die
Anwendung der ungleichartigsten Mittel musz doch immer in dem-
sell)en didaktischen und paedagogischen Zwecke zusammentreffen.
Nun mag im allgemeinen in der Schule ein Uebelstand hier seltener
eintreten; es mag selten die Feindschaft realistischer und humanisti-
scher Lehrer sich in einer unpaedagogischcn Aeuszerung Luft machen,
selten auch die Neigung, einen Collegen gelegentlich zu corrigieren,
bei der Uebernahmo eines Unterrichtes von schlechtem Stande -der
Klasse, wie nun alles anders werden müsse usw., zu reden, Raum
gewinnen: schon bei der ungleichen Handhabung der Ordnung im Un-
terrichte und Correctur, wodurch der Schüler leicht veranlasst wird,
Ordnung für Pedanterie zu halten, und bei der überaus ungieicheo
disciplinarischen Wirksamkeit der Collegen wird die Sache bedenk-
lich. Indes mag das alles, so lange diese Verschiedenheiten nicht in
derselben Klasse sich berühren, noch allenfalls angehen; in derselben
Klasse aber haben diese Ungleichheilen die bedcnklishsten Conso-
quenzen. In disciplinarischer Hinsicht wäre es nun zwar verkehrt zu
verlangen, dasz der eine so streng wie der andere oder umgekehrt
dieser so mild wie jener sein sollte: denn Strenge und Blilde sind
eben verschiedene Eigenschaften, die nicht wol verleugnet vrerden
können: aber es wäre doch nicht minder verkehrt, wenn diese Ei-
genschaften mit subjectivcr Willkür walten sollten. Vielmehr haben
beide Lehrer, der strenge und der milde, dasselbe Ziel zu errei-
chen, und dazM ist es unumgänglich nothwendig, dasz sich die Milde
zur Strenge, die Strenge zur Milde selbst erziehe. In bclrulT der allge-
meineren Bestimmungen der Schule aber, der Kegeln über die Haltung
in der Klasse, über das Verfahren beim antworten, über die Art, wie
der Lehrer seine Klasse beim Eintritte in dieselbe finden will, musz in
einer Klasse unter den in derselben unterrichtenden Lehrern wesent-
liche Uebereinslinimung herschcn. Je niedriger die Klasse ist, desto
nothwondiger ist dieser Einklang, weil das Kind noch nicht Ober
die durch das verschiedene Vorfahren entstehenden Conllicto hinant-
kommt. Das ist, weil es denn doch im besten Falle ohne Verschie-
denheit nicht abgeht, allein hinreichend, um den Wunsch zu erklären,
dasz in den untern Klassen nur wenig Lehrer, und nicht blosz die
jüngsten und unerfahrensten, unterrichten möchten. Man sagt wol,
dasz im Kinde das Gefühl der Pflicht genug wirke, aber das ist nur
halb wahr: das Kind besitzt auch eine wahrhaft wunderbare Bega-
bung, die Schwächen des Lehrers zu sehen und sich der ihm durch
dieselben werdenden Concessioncn zu bemächtigen. Wenn nun der
eine Lehrer streng auf Ruhe in der Klasse, praecise Antworten usw.
hält, der andere dagegen es gern hat, wenn *es recht lebhaft her-
Stadien zum GymnasUilweien. 133
geht', 10 eoll man nur die verschiedene Phyiiognomie der Klasse
sehen. Nehmen wir ferner an, dass der eine Lehrer pünktlich be-
ginnt, der andere nicht, der eine verlangt dasz die Schaler bei sei-
nem Eintritte auf den Plätzen sitzen, der andere sich begnügt, wenn
3ie sich dann allmählich verlaufen , so ist das nicht gut. Noch schlim-
mer ist es, wenn manche Lehrer so gar kein Auge für das in ihren
Stunden vorgehende haben, wodurch oft die redlichsten Bemühnngen
anderer vereitelt werden. Ueberhaupt bewirkt solche ungleichartige
Disciplin nicht blosz, dasz sich die Wirkung der Schule schwächt,
wenn wir auch noch von positiv schlechten Einflüssen absehen wol-
len, sondern auch dasz der Schüler zu früh aufgefordert wird, über
seine Lehrer und die Unterschiede zu reflectieren. Das Auctoritäts-
gefühl, das in unserer Zeit so dringend der Stütze bedarf, das in
der Schule geweckt und gestützt werden musz , bekommt die empflnd-
liebsten Stösze; die Sophisterei und Kunst sich selbst etwas vor-
zulügen, die im Kinde liegt und so unendlich viel Gefahr in sich
schlieszt, wird geradezu herausgefordert. Soll also in der Schule
überhaupt schon 6 i n disciplinarischer Geist herschen , der durch die-
ses Streben nach Einheit nicht die Verschiedenartigkeit der wirken-
den Mittel beeinträchtigen will , so musz dies noch mehr in der ein-
zelnen Klasse, je tiefer dieselbe steht, in um so höherem Grade der
Fall sein.
Aber auch der Unterricht in einer Klasse verlangt eine Ueber-
einstimmung. Diese äuszert sich zunächst darin , dasz alle den Klas-
senstandpunkt und das Klassenziel vor Augen haben, und dasz jedes
Fach das andere respectiert. Nächsldem aber gehört dazu eine Gleich-
mäszigkeit in der Behandlung der Lern- und Schrei banfgaben , ein
Gleicbmasz in der Quantität und gleichmäszige Beachtung der Qua-
lität. Die Lehrer müssen vom lernen und arbeiten möglichst
gleich denken, d. b. der eine darf nicht zu genau und der andere
zu ungenau verfahren, der eine gut, der andere schlecht corrigieren,
der eine saubere Hefte begehren, der andere sich mit wahren Fetzen
begnügen , der eine auf regelmäszige Ablieferung halten , der andere
in beliebigen Zeilräumen fordern. An Beispielen wäre hier wahrlich
kein Mangel. Wenn z. B. der Lehrer des Deutschen vorschriflsmäszig
alle 3 Wochen eine Arbeit einfordern soll, was für das Halbjahr 8
Arbeiten ergäbe, und er läszt anfangs 4wöchentliche Fristen bestehen
und treibt dann zuletzt die fehlenden Arbeiten noch schnell zusam-
men, wie wird da eine Arbeitseintheilung möglich? Wenn der Lehrer
des Griechischen beim lernen der Vokabeln genau auf jede Silbe
hält, der Lehrer des Deutschen beim lernen von Gedichten jede Va-
riante zuläszt, was soll dabei herauskommen? Wenn jemand den für
das lernen selbst aus dieser Ungleichheit hervorgehenden Nachtheil
gering anschlägt, so darf er doch den sittlichen Nachtheil nicht
übersehen. Wenn dem Quartaner ein Lehrer sagt, die Aufgabe sei
nicht erfüllt, an der ein Wort fehle, der andere ihm alle Ungenanig-
keiten dnrchläszt, was soll der Schüler denken? Je länger ihm Pflicht
iV. Jahrb, f, PhU, M. PoBd. Bd. LXXIV. Hß, 3. ^0
134 Studien zum Gymnasialwesen.
und Leliror in einem Gedanken verwachsen bleiben, je spater er
ans zweifeln und beurtheilen kommt, desto besser für ihn. Je spater
an den Knaben die Conflicte herangebracht werden, desto kriifliger
steht er ihnen spater, wo sie leider unvermeidlich sind, gegenüber.
Aber auch die quantitative Behandlung kommt wesentlich in Frage.
Die wesentliche Uebereinstimmung in diesem Punkte ist eine drin-
gende Forderung, deren Vernachlässigung wir zum Tbeil die Klagen
wegen der Ueberladung der Schüler verdanken. Denn nehmen wir
z. B. an, dasz in Quarta ein Lehrer in Religion und deutscher Sprache,
ein Lehrer in den alten Sprachen, ein dritter in Geschichte und Geo-
graphie, ein vierter in Alathcmatik und Naturwissenschaft, ein fünfler
im Französischen unterrichte, so hätten wir 5 Lehrkräfte, was woi
nicht zu viel heiszt. Gehen diese 5 Lehrer gleich tüchtig, mil gleich
starker Forderung und gleicher Energie im dringen auf die Erfttllong
der Aufgabe zu Werke, so ist damit schon die Ueberladung gegeben.
Wie ist dem abzuhelfen, da doch auf der andern Seite die Energie
im festhalten an der Forderung so nothwendig ist, dasz wer es nicht
genau mit der Aufgabe nimmt, lieber gar nichts aufgeben sollte?
Man entgegnet vielleicht, auch hier sei das Masz durch Vorschriflett
gegeben. Aber welcher Spielraum bleibt innerhalb der Vorschrift
übrig! Kann doch die Vorbereitung auf den lat. Schriftsteller z. B.
ebenso woi eine bcdeuttMuIe, wie eine geringe Arbeit sein, nnd das-
selbe Verhältnis zeigt sich überall. Man wird darauf vorschlagen, es
solle in jeder einzelnen Kla.sso festgestellt werden, was anfgcgeben
werden solle. Das ist allerdings eine vortreffliche Maszregol, die
schon mit bestem Erfolge angewendet worden ist. Aber es ist nicht
zu übersehen, dasz man nichts erreicht, wenn man dabei nicht sorg-
fältig verfährt. Denn verlangt etwa der Lehrer der Mathematik far
4 wöchentliche Unterrichtsstunden 2 Stunden Arbeitszeit im Laufe der
Woche, so ist das sehr gut, wenn er es vom richtigen Standpunkte
aus sagt; aber wie schwer ist es, sich in dieser Rechnung nicht zn
irren, da die geistige Befähigung und das Arbeitsgeschick der Schüler
so sehr verschieden ist. Man frage nur einmal 10 (verschiedene)
Schüler, wie viel Zeit sie für ein lateinisches Specimen braueben,
und man erhält violleicht 10 verschiedene Antworten. Darum ist beim
Beginne jedes Cursus eine sehr sorgfältige Erörterung durch den Di-
roctor, Ordinarius und die andern beschäftigten Lehrer nothwendig,
welche unter Zugrundelegung einer gewissen Stundenzahl eine zweek-
mäszige , den mittleren Durchschnitt zieheude Zeiteinthcilung und Ar-
bcitsfeststelluug mit Berücksichtigung des Lehrplanes gebe. Aach
überzeuge man sich im Laufe des Semesters oder Cursus von der
Brauchbarkeit dieses Planes, an dem aber, wenn er einmal feststeht,
unverbrüchlich festzuhalten ist, und der nnr durch die Lehrcrconfe-
renz, nicht durch den einzelnen, geändert werden darf. Endlich aber
paralysiere man diese wolthfitige Einrichtung nicht durch willkürliche
und unmuszigo Anwendung von Strafponsen, die bisweilen ins aben-
teuerliche gehen. Denn wenn man sich gewöhnt Strafarbeiten als
Stadien zam Gymnasialwesen 135
Disciplinarmittel anzuwenden, so wird niehl nnr die Zeit vertheiiang
vGIIig annütz und frachtlos, sondern es verliert anch sehr oft die
Strafe alle Wirkung, weil sie, so zu sagen, den Tod schon in sich
trfigt. Dies wird besonders in den Schulen, welche den obern Schü-
lern Strafrechte einräumen, zu beachten sein: denn wenn man auch
feststellt, dasz die Lehrer diese Strafen überwachen sollen, so ist
doch auch zu beherzigen , dasz die Berufung an die obere Instanz des
Lehrers von vornherein für den nutern Schaler mit Schwierigkeiten
verbunden ist. Ist aber die Strafe als paedagogisches Mittel eine so
schwierige Sache, dasz auch der Lehrer darin niemals auslernt, so
ist schwerlich dem Primaner schon paedagogische Umsicht zuzu-
trauen.
Wir gehen zu der letzten der Mützellschen Thesen fiber, welche
von den Translocationsexamen und der AbiturientenprQfung bandelt:
*8. Endlich sind es die Translocationsexamina und das Abiturienten-
examen, durch deren Einrichtung für die Schttler theils eine tempo-
räre Ueberladung, theils eine fortwährende Zerspitterung eintritt.'
Die ersteren bestehen unseres Wissens in Sachsen nicht, sondern et
finden nur jährliche mündliche und schriftliche Prüfungen statt. Die-
selben werden aus vielen Gründen beibehalten werden müssen , obwol
sich bei den schriftlichen Prüfungen namentlich unterer Klassen die
möglichste Vereinfachung empfiehlt; vielleicht lieszen sich dieselben
auf mehrere Wochen vertheiien. Dagegen möchten wir mündlichen
Prüfungen einzelner Klassen während des Cursus zur bessern Orien-
tierung des Directors und der übrigen Lehrer über den Standpunkt
der einzelnen Abtheilungen das Wort reden. Dadurch wird eine ge-
nauere Kenntnis der einzelnen Lehrer von den Leistungen der Schüler
vermittelt, es entsteht eine lebendigere Gemeinschaft des wirkens, ja
es kann auch manchem Versehen vorgebeugt werden. Ist es doch
nicht wenig wttnschenswerlh, dasz der Lehrer von Quarta genau die
nächst höhere Klasse, auf die er hinführt, kenne, und bei der ofl
parallelen Lage der Stunden ist das durch hospitieren schwer zu er-
reichen.
Wie endlich durch das Abiturientenexamen eine temporäre Ue-
berladung und fortwährende Zersplitterung eintrete, ist uns weder
aus den preuszischen , noch aus den sächsischen Einrichtungen er-
sichtlich. Allerdings hat das Abiturientenexamen nicht wenig Gegner,
aber sie werden es hoffentlich nicht beseitigen. Es ist wahr, der
Gymnasiallehrer lernt seinen Schüler nicht durch diese Prüfung bes-
ser kennen, und ebenso wahr ist es, dasz ein Spielraum für den Zufall
bleibt. Aber dem Schüler gienge durch den Wegfall dieses Examens
etwas verloren, das nicht zu ersetzen sein möchte: der Hinblick anf
ein zu erreichendes Ziel. Zudem ist es ein inneres Bedürfnis der
menschlichen Natur, gewisse Lebensperioden durch einen fiuszern Act
abzuschlieszen. Diesem Bedürfnisse wird durch die blosze Erklärung
des Lehrercollegs, dasz der Schüler reif sei, nicht genug entspro-
chen, obwol diese Einrichtung z. B. in Frankfurt a. M. besteht. Es
10*
136 Studien zum Gymnasialwesen.
ist übrigens auch iu Betracht zu ziehen, was Geh. R.-R. Wiese in
jenen Verhandlungen bemerkte, dasz die Oberbehörde das Examen
nicht aufgeben kann, um auf rerschiedenen Schulanstalten gleiche
Forderungen festzuhalten. Neuerdings hat das k. württembergische
Ministerium (Verordnung v. 9. Febr. 1834) die Abiturientenprafnngen
von den Gymnasien an eine besondere Prüfungscommission verwiesen.
Wir zweifeln nicht, dasz dies eine gröszere Gleichmäszigkeit her-
beiführen wird, aber sollte man den Gymnasien diesen Act des Ab-
schlusses nicht überlassen können? Ueberschreitet man nicht dabei
schon die Linie der Schule und zieht den Schlusz des Schullebens anf
ein fremdes Gebiet hinüber? Freilich eine gröszere Conformitfit in
der Abhaltung der Prüfungen mag wol bisweilen zu wünschen sein;
denn es ist gewis, dasz sich Meinungen über die verschiedene Schwie-
rigkeit der Prüfungen an den einzelnen Schulen des Landes fest-
setzen, denen, was immer irriges an ihnen sei, doch wol irgend
etwas wahres zu Grunde liegt. Vor allem zögen wir, auch hier we-
sentlich mit unsern Landeseinricbtungen einverstanden , das arbeilen
unter Aufsicht der Clausurarbeit vor, wie denn alles, was Clan-
sur heiszt, auf der Schule mit äuszerstcr Vorsicht anzuwenden sein
möchte. Der Vf. dieser Blätter hat die Maturitätsprüfung anszer in
Sachsen auch in Preuszen bestanden und erinnert sich wol, wie die
schriftlichen Arbeiten unmittelbar unter dem Auge des die Arbeit auf-
gebenden Lehrers gefertigt wurden, und wie streng man an der vor-
geschriebenen Stundenzahl festhielt: auch erinnert er sich des beson-
ders eingehend abgehaltenen mündlichen Ueligionsexamens, wie denn
die ganze mündliche Prüfung — ob dem Ausländer gegenüber? —
sehr eingehender Art war. Nur ^ins gestatten wir uns noch hinzn-
zufügen, nemlich die Frage, ob die Nummerabstufungen unserer Cen-
suren bei den Abgangsprüfungen sich wol empfehlen: wenn wir 1%
I, 1^ IIa, II, 11^ 111% III nnden und auch noch lil^ einen Reifegrad
ausdrückt, so wird die Nuancierung des einen Begriffes: reif so
fein, dasz man in die gröszte Verlegenheit käme, wenn man das Zah-
lenurtheil in Worte umsetzen sollte. Sollte es nicht besser sein, ent-
weder die Zahlen mit den einfachen Ausdrücken ^reif, bedingt
reif, unreif zu vertauschen, oder sie auf eine geringere Aniahl
von Abstufungen zu beschranken? Auch empfiehlt sich die in meh-
reren Ländern bestehende Einrichtung, dasz dem Gesamturtheile eine
genaue Angabe der Leistungen in den einzelnen Gebieten beigefügt
wird, insbesondere auch dadurch, dasz bei dem Zeugnis einer be-
dingten Reife es dem betreffenden möglich ist, sich das Maturitits-
zeugnis in dem einen Gegenstande, in dem er durchaus znrOekb1ieb|
sich nachträglich zu verschaffen.
Fassen wir nun zuletzt noch zusammen, was sich als Hanptre-
suUat obiger Betrachtungen ergibt, so gelangen wir zu folgenden
Sätzen:
l) Es handelt sich im Gymnasium weniger um eine Verringemng
Studien sum Gymatiialwesen. 137
der Anzahl der Lehrgegenatindc oder um eine AbSnderung der Lehr-
ziele, sondern um eine einfachere paedagogische Behandlung.
2) Der Ueberbürdung und zu groszen Anspannung der Schfiler
wird am besten durch eine energischere, mehr unmittelbar wirkende
Benutzung des Unterrichtes gesteuert.
3) Eine solche fahrt von selbst eine Verminderung des inner-
halb der gestellten Aufgabe liegenden Stoffes und eine Beschrfinknng
der häuslichen Arbeiten (namentlich der schriftlichen) herbei. •
4) Diesem Ziele strebt besonders das einheitliche zusammenwir-
ken der Lehrer im ganzen und rorzOglich i n der einzelnen Klasse zu,
theils durch gleichmäszige Zucht, theils durch strenges festhalten an
der fiber das Masz der aufzugebenden Arbeiten getroffenen lieber-
einkunft. I|ieranf ist nicht nur bei der Anwendung des Lehrplanes,
sondern auch bei der Vcrtheilung der Lehrkräfte in der Klasse Rack-
sicht zu nehmen.
5) Auch die Anwendung der Strafpensa ist auf ein vor Ueber-
bürdung und unvortheilhafler Wirkung der Strafe schützendes Masz za
beschränken.
6) Für die Erhöhung der erziehenden Thäligkeit empfehlen sich
nicht nur gelegentlich anzustellende Uebungen im arbeiten während
der Schulzeit selbst, welche in den untern Klassen die Anweisung
zum richtigen arbeilen geben, in den obern die Selbslthatigkeit über-
wachen, sondern es wird auch das gesamte Unterrichts- und Erzie-
hnngsleyn der Schule durch von Zeit zu Zeit eintretende Special-
prüfungen der Klassen lebendiger und einheillicher.
Ist es längst und oft als ein Mangel der Gelehrten, auch der Phi-
lologen , beklagt worden , dasz sie nicht genug paedagogischen Sinn
haben, so gelten die gemachten Bemerkungen zum guten Theile dem
gesamten Gymnasialwesen. Gern sprechen wir nns selbst Mängel zu,
die wir an andern wahrnehmen: lernt man doch manchen Fehler an
sich selbst erst dadurch kennen, dasz man ihn anderswo auffindet,
und sieht man doch auch umgekehrl schärfer, wenn man der eignen
Mängel sich bewust ward.
Zugleich wird es auch unschwer einleuchten, wie einzelne der
oben geschilderten speciell in uuserm Lande obwaltenden Verhältnisse
im Gymnasialwesen mit den späteren Bemerkungen im Zusammen-
hange stehen: namentlich wirkt jenes Klassenlehrersystem einer ech-
ten paedagogischen Behandlung der Aufgabe entgegen, und läszt sie
bisweilen gar nicht zu.
Freilich wird eine Abhülfe nicht leicht sein , weil alle paedago-
gische Theorie erst durch die Erfahrung fruchtbar wird. Erziehen
kann nur der, welcher daran gedacht hat, sich selbst zu erziehen, und
wer so weit gekommen ist, hat damit auch die Einsicht gewonnen,
wie viel ihm selbst noch fehlt. Aber diese Einsicht wird nicht nur
die Liebe zum Grundgesetze seiner Faedagogik machen , sondern die-
ser auch die Strenge, ohne diepebe nicht Liebe ist, verleihen.
138 Studien zum Gymaasialwesea.
Wir Laben absichtlicli unsere Besprechungen um einzelne Haupt-
punkte concentriert, weil der Stoff so unendlich reich ist, dasz er
nirgends ein Ende zeigt. Deshalb müssen einige besondere Punkte
einer späteren Gelegenheit überwiesen werden.
Wenden wir uns nun schlieszlich noch einmal zurück, so leitete
uns der Gedanke, dasz der Aufschwung, den das Realschnlwesen in
jüngster Zeit genommen, zum Theil von vorhandenen Mangeln des
Gymoasialwesens unterstützt worden sei. Wir glaubten insbesondere
in . unserm theuern Vaterlande eine dem Gymnasialweson nicht recht
günstige Lage der Dinge zu bemerken. Denn gerade Sachsen war
lange Zeit berühmt durch seinen Humanismus, durch seine Philologie^
und wenn wir auch die letztere nicht von jedem Vorwurfe freispre-
chen können, so war es doch mehr die allgemeine rationalistische
Zeitstimmung, welche anzuklagen ist, als die Philologie selbst in
ihrer wissenschaftlichen Tendenz. Dasz wir von jenem Ruhme ein-
gebüszt haben, ist ebenso gewis, wie dasz der durch Gottes Gnade
und das Streben der Regierung eingetretene Umschwung im religiö-
sen Leben eine Blüte des Humanismus nicht ausschlieszt. Aber die
Zahl der sächsischen Philologen hat sich gemindert, ist es auch
nicht so schlimm, wie es jüngst einem Zeitungscorrespondenten eines
auswärtigen Blattes — ein ferner Freund Iheilte die Notiz mit —
schien, mit dem wir sonst nirgends harmonieren. Die Zahl un-
serer Gymnasien ist im Verhältnis zur Bevölkerung nicht grosz,
wir haben 11 auf über 1800000 Einwohner, während Haiuiover 17
Gymnasien, das Groszherzogthum Hessen 6 Gymnasien hat: das Kö-
nigreich Prcuszen halte 1854 nicht weniger als 121 Gymnasien ohne
die Progymnasien (39). Dazu kommt die verhältnismäsig schwa-
che Frequenz der sächs. Gelehrtenschulen, die zusammen wol
nicht auf 1600 Schüler zählen. Dagegen waren Ostern 1854 in den 4
Gymnasien zu Breslau, wobei allerdings etwa 400 Schüler auf die
Vorbereitungsklassen zu rechnen sind, 2067 Schüler. Unter den 21
Gymnasien der pr. Provinz Schlesien hatte nur ^ins (Lauban) unter
100(94) Schüler, drei andere (Hirschberg, Görlitz, Liegnitzer Ril-
terakad.) unter 200, (120, 180, 114), die andern meist weit über 2ö0.
In der pr. Provinz Pommern kam Ostern 1851 auf 625 Köpfe der
gesamten Bevölkerung 1 Gymnasialschüler: wir hätten in Sachsen
wenigstens das Verhältnis 1 : IIDO. Für den Zweck dieser Blätter
genügen diese Notizen , die wir bei einer andern Gelegenheit vervoH-
ständigen werden.
Aber wenn auch die Gymnasien und vielleicht besonders die
sachsischen Gymnasien theils durch einzelne Uebelslände in ihrer Orga-
nisation, theils durch die von diesen mit begünstigte unpaedagogiscbe
Wirksamkeit manches verschuldet haben , so glauben wir doch mit
liebe und Begeisterung an dem humanistischen Principe festhalten zu
dirfen « aber auch die Pflicht zu haben , mitzuwirken , dasz die Abnei-
<««£ der Zeit dasselbe zur Aufmerksamkeit auf sich und zur Läute-
"^'itt seines Wesens veranlasse. Denn an dem Fortbestande der Gym-
Sludien zum Gymnasial wesen. 189
nasien zweifeln wol auch die Realisten nicHt: möchten nur auch die
Humanisten nicht bloss geduldig zuwarten, sondern Hand anlegen«
dasz sie ihre Aufgabe mehr und mehr erfüllen. Den Glauben an die
gerade für die Bedürfnisse unserer Zeit vorzugsweise befähigte Kraft
des Humanismus haben wir freimütig ausgesprochen: müstejadoeh
selbst der Gegner des Frincipes den Humanisten tadeln, der halb bei
seiner Sache steht. Auch haben wir nicht verhehlt, wie wir an der
bildenden Kraft des realistischen Frincipes und. an der Möglichkeil
eines modernen Humanismus zweifeln, aber wir haben das historisch
gewordene Recht der Realschulen nicht bestritten. Wie die Dinge
stehen, werden beide Principe der Entscheidung der Zeit entgegen-
sehen müssen , beide aber müssen wol gerüstet das Urtheil erwarten.
Denn bei aller Liebe und Treue, bei aller Begeisterung für unsere
Lebensaufgabe, sind jene andern Gebiete ausgiebiger, förderlicher,
den Haupterfordernissen unserer Zeit entsprechender, gern wollen
wir dann die Fahne des unsieghaft gewordenen Humanismus verlas*
sen. Nicht die Sache an sich gilt, sondern ihr Wesen, ihre Bedeu*
tung, ihre Wirksamkeit für das, was unerschütterlich feststeht. Nur
wenn die Wirkungen der humi^iistischen Sludien in das Centrum der
Zeitanfgabc hineintreffen, wollen wir an ihnen festhalten: sonst auf
keinen Fall und um keinen Freis. Einstweilen ist dies noch unsere
Ueberzeugung, und darum halten wir an ihr und wollen in diesem
Sinne wirken, wo es verstattet sein wird, unmittelbar zu handeln.
In diesem. Sinne haben wir diese Darstellung versucht, um wenigstens,
toto animo bei der Lebensaufgabe zu sein, und um dieses redlichen.
Sinnes willen, der nach Belehrung und nach Erfüllung der Aufgabe
strebt, sehen wir einer wol wollenden Aufnahme vertrauensvoll ent-
m.
Dresden. F, Paldamus,
6.
Berg er: Lateinische Grammatik für den Unterricht auf Gymna-
sien. Zweite verbesserte Auflage. Celle, Capaun - Kariowa
1832. VUI 0. 279 S. 8.
Die erste Auflage dieser Grammatik erschien im Jahre 1848 und
bahnte sich rasch einen Weg in viele Gymnasien, ein Beweis, dasz
sie bei der groszen Zahl der lateinischen Grammatiken doch einem
tief gefühlten Bedürfuisse abhalf und sich dadurch Anerkennung zu
verschaffen wüste. — Wenn wir nun so split nach dem erscheinen der
zweiten Auflage dieses Buch einer Besprechung in diesen Jahrbüchern
unterziehen, so kann der Zweck nieht sein, auf ein bewährtes Schul-
140 Berger: laloio. Grammatik.
buch von neuem aufmerksam zu machen, sondern der Zweck ist der,
dem Herrn Verfasser und allen denen, die sich für die Weiter- ood
Ausbildung des grammatischen Unterrichts auf Gymnasien interessie-
ren , die Punkte zur Prüfung darzulegen , die uns nach mehrjährigem
praktischem Gebrauche in der Schule einer Vereinfachung oder aach
in so weit einer Verbesserung bedürftig erscheinen, dass der Vf. die
feststehenden Resultate der historischeu Grammatik mehr für die
Schule bearbeite und zu klingender Münze für die Schüler aosprige,
wodurch, wie uns scheint, die Grammatik im ganzen eine gleich-
maszigere Bearbeitung erhalt. Doch werden wir unsere Bemerkangen
nicht nach diesen beiden Gesichtspunkten ordnen, sondern einfach den
Paragraphen der Grammatik folgen und diesen unsere Bemerkangen
und Vorschläge beifügen. Im ersten Abschnitte, der die Lautlehre be-
handelt, vermissen wir nach § 5 kurze Sätze über die Veränderungen
der Vocale und Consonanten, die in die lateinische Grammatik ebenso
gut gehören, wie in die griechische, und ohne welche eine genane
Kenntnis der Sprache nicht möglich ist. Wir sind nun weit entfernt
zu glauben, dasz durch die Aufnahme solcher Sätze irgend ein Lehrer
verleitet werden könnte, dieselben nun auch nach der Reihe der §$
durchzunehmen, wir glauben vielmehr, dasz jeder etwa von Quarla
an, wenn er bei der Repetition der Formenlehre auf solche Buchstaben-
veränderungen kommt, diese Stellen aufschlagen und so an der For-
menlehre einprägen und erklären wird, damit der Schüler begreife,
dasz solche Veränderungen nicht willkürlich, sondern in der Natnr
der Sprachwerkzeuge begründet sind. Daher wünschten wir auch,
dasz der geehrte Vf., falls er unserm Vorschlage seinen Beifall
schenkte und in einer neuen Auflage hier einige §§ einschaltete, in
einer Anmerkung kurz anführte, wie alle diese Veränderungen darin
ihren Grund haben, dasz die Sprachwerkzeuge sich die Aussprache
von eng verbundenen oder in verschiedenen Silben vorkommenden
Buchstaben zu erleichtern bemüht sind , und dasz somit alle diese Ge-
setze, wie: ^d vor s fällt aus', ^cine Media hat gern eine Media', ferner
der Ablaut, Umlaut oder die Schwächung der Vocale auf rein phone-
tischen und euphonischen Gründen beruhen.
Zu § 15, der von der Quantität der Consonantendungen handelt,
schlagen wir folgende Fassung vor, die sich durch Anwendung in der
Schule bewährt hat: M, m, n, r, d, t machen den vorhergehenden
Vocal kurz'.
Im § 16 fehlen unter 4 zu der Regel, dasz drei- und mehrsilbige
Wörter den Ton auf der drittletzten Silbe haben, wenn die vorletzte
kurz ist, die Ausnahmen, welche einige Zusammensetzungen von facio
und do mit zweisilbigen Wörtern machen, wie calefacit, venomdedit,
pessumdedit. Ferner alioui, aliquibns — Vergili ist Gen. st. Vergilii,
V^rgili ist Vocativ.
Daselbst am Schlusz könnten die Beispiele mit wechselnder Be-
tonung wie ut^rque und ütraque noch um einige vermehrt werden, die
Berger: latein. Grammalik. 141
bei der Lectfire oft in Frage kommen s. B. edraqae aber euraqae ; auch
marfaqoe; itaque und itaque; utiqae and dttque.
Im 2n Abschnitt, der ron der Formenlehre handelt, mttaten § 24
die Casasendungen als ans denen der dritten Declination. entstanden
nachgewiesen ond dieser allgemeine Nachweis bei den einzelnen De-
clinationen in Anmerkungen ansgefahrt' werden. Schon Quartanern
fällt es auf, dasz es pater familias höiszt und doch läszt sich dieses
ihnen nar so nnd dabei so leicht faszlioh klar nnd deutlich machen.
Es ist dieses um so wflnschenswerther, weil dadurch allein auch ein
klares Verständnis der Regeln über den Gebrauch der Stddtenamen
möglich wird.
Sodann vermissen wir bei den einzelnen Declinationen eine ge-
naue Scheidung von Stamm und Endung; eine Unterscheidung, welche die
Einsicht erleichtert nnd den Schülern mittlerer Klassen nicht zu schwer
wird, zumal sie in denselben durch das Griechische eine Unterstützung
erhalten. Nur so z. B. kann bei der 2n Declination begriffen werden,
warum bei einigen Wörtern wie ager usw. das e ausfallt. Die Schüler
finden von selbst, dasz bei diesen nach Abfall des stammhaften o agro
— agr, im Nomin. das e sich als euphonisches von selbst einschleicht,
dasz es aber als nicht wurzelhaft auch von selbst in den übrigen Ca-
sus weichen musz. Was nun die erste Declination noch im besondern
betrifft , so musz die Anm. 3 des § 25 schörfer so gefaszt werden,
dasz sich der Dativ und Abi. auf abu$ nur von dea und filia, sowie von
ambo und duo nachweisen Ifiszt bei denjenigen Schriftstellern, deren
Sprachgebrauch allein bei dem elementaren erlernen der Sprache in
der Schule zu berücksichtigen ist.
Schliesziich möchten wir vorschlagen , dasz bei allen Declinatio-
nen, obwohl schon im § 24 in der Tabelle die Bezeichnung der Länge
und Kürze der Endung verzeichnet ist, diese bei allen Paradigmen
wiederholt werde , weil solche Dinge gerade dadurch sich am besten
einprägen.
Die im % 31 gegebene Uebersicht der Wörter, deren Stamm auf
eine liquida ausgeht, ermangelt nach unsrer Erfahrung der Uebersicht,
indem sie zusammengehöriges trennt (die Wörter mit r kommen unter
b, c und f vor), und enthält unter d in den Worten: ^ viele (bes. ein-
silbige) Stämme auf r erscheinen im Nominativ mit einem s, auch mit
Veränderung des Vocals ' geradezu falsches , denn nicht das im Gen.
erscheinende r ist stammhaft, sondern das s, wie die historischen Un-
tersuchungen und alte Documente hinreichend bewiesen haben. Nach
dem Grundsatze : der Schüler darf in den untern Klassen nichts lernen,
was er in den obem als falsch erkennt, musz hier also die reine volle
Wahrheit aufgenommen werden. Die Regel: im Lat. wird $ zwischen
zwei Vocalen in der Regel zu r, die in*den obem Klassen, falls mhd.
und ahd. vorkommt, auch im Deutschen nachgewiesen werden kann,
behalten die Schüler um so leichter, sobald bei der Repetltion der
griechischen Formenlehre damit stets das griechische Gesetz: *tf zwi-
schen zwei Vocalen fällt aus' in Verbindung gebracht wird. Der
142 Bcrgcr: lalein. Grammatik.
oben bcmerklen Uebersiclitlichkeil wegen würden wir nach Kräger,
Weiszcnborn u. a. *) folgende Fassung dieser ganzen Darstellung vor-
schlagen, von der wir uns durch wiederholten Gebrauch überzeugt
haben, dasz sie Schülern leicht faszlich ist. *Die Substantiv« der
dritten Declination haben entweder einen Gonsonanten oder den
Vocal t zum Gharakter.
I. Wörter, deren Gharakter ein Gonsonant ist.
l) Stämme auf eine liquide.
1. Liquida l. Die Subslantiva mit / zeigen im Nominativ den
reinen Wortstamm, z. B. söl, sölis, sal, consul. — Ausnahmen sind
mel und fei.
Anm. : Die Neutra auf al gehören nicht hieher , weil bei die-
sen der Nom. aus ali verkürzt ist.
2. m. ' Die Liquida m erscheint nur bei einem Worte als Cha-
rakter, welches die Eigenthümlichkeii hat, dasz es im Nom. $ an den
Stamm setzt: hiems.
3. Bei den Substantiven, deren Gharakter die liquide n ist, sind
zwei Hauptfällc zu unterscheiden.
A. Die liquida n bleibt im Nominativ und der Stamm erscheint
im Nominativ
a) rein und unverändert, wenn dem n ein wurzelhaftes e
vorhergeht, z. B. rcn, licn, spien.
b) verändert und unrein, wenn dem n ein t vorhergeht, das im
Nom. zu e geschwächt wird, aber in den übrigen Gasus
wieder hervortritt. Dieses geschieht in den Neutris, z. B.
nomin — nomen.
B. Die liquida n fällt im Nominativ ab, tritt aber in den übrigen
Gasus mit dem reinen Stamme wieder ein.
a) bei vorhergehendem o, z. B. leo, pavo aus leon, pavon.
b) bei vorhergehendem t in den masc. und fem., in denen dann
f in 0 übergeht, z. B. liomin — liomo, virgin — virgo.
4. Die Subslantiva, deren Gharakter die liquida r ist, seigeu
im Nom. meistens den reinen Worlstamm, z. B. unser, mulier, für, in-
dem nur bei einigen der lange Vocal im Nominativ verkürzt wird,
z. B. orator oratöris.
Bei einigen auf ur verwandelt sich in den übrigen Casus das «
in 0 z. B. ebur, eboris.
Anm.: Die Wörter auf /er und her stoszen vom Genetiv an das
e aus, ein Beweis, dasz es im Nominativ nur euphonisch ist. S. 3.
Declinat.
II Substantiva, deren Gharakter ein s ist. Die Wörter , deren
Gharakter ein s ist, haben nur dann im Nominativ
den reinenStamm, wenn dem s ein langer Vocal : a, e, ö^ n,
vorhergeht, z. B. väs, (lös, müs.
^) Vieles in der folgenden Darstellnng ist auch ans meines Leh-
rers K. O. Müllers Vorlesungen über vergleicbende Grammatik ent-
lehnt und für den Schulgebrauch vereinfacht.
Berger: Utein. Grammatik. 143
Sie haben dagegen
einen veränderten Stamm, wenn dem $ ein kurzer Yocal S oder
^ vorhergeht ; denn in diesem geht der Stammvocai vor « in u über,
tritt aber in den übrigen Casus wieder hervor. Z. B. corpos» foedes
= corpus , foedus. (Von Tertia an kann dann bei der Repetition der
griechischen Declination bei yivog aus ^ yeveg recht schön und für
die Schüler anregend an diesen Vorgang im Lateinischen erinnert werden.)
Dieses stammhafte s bleibt nur selten vom Genetiv an zwischen
zwei Vocalen unverändert: vas, vasis, sondern geht in r über z. B.
mos, möris; corpus, corporis. — Mit dieser Verwandlung des sin
r wandelt sich ein vorhergehendes^ • in e einis, cineris. Siehe auch
3. Conjugation legor, legeris aus legisis. Auf S. 16 unter *2 Stämme
auf eine muta' fehlt vor der Vorführung der Einzelubeiten , also zwi-
schen 2 und a, das allgemeine Gesetz:
* Alle Substantiva, dgren Charakter eine mnta ist, setzen im No-
minativ ein i an, wodurch in den meisten Fällen eine Veränderung
des Stammes bewirkt wird.'
Ausnahmen sind: caput, lac, cor, halee, deren Stamm nach
V^oUautsgesetzen verändei[t ist.
In der dann folgenden Bemerkung über den Uebergang des kur-
zen t in 6, fehlt der Schluszsatz, dasz lang t unverändert bleibt: iis,
litis, — vas, vasis gehört aber nicht zu den Wörtern mit t-Lauten.
Bei capui fehlt eine Bemerkung über die damit gebildeten Compo-
Sita , die bekanntlich aus cipii durch Elision und Ablautung zu ceps
werden. —
Bei den Stämmen auf die Ar-Laute ist * Veränderung des t in e'
zu allgemein: besser ist die schon angegebene Scheidung nach der
Quantität. —
Seite 18 sollte die Vorbemerkung über die Substantiva, deren
Charakter der Vocal t ist, vollständiger und genauer heiszen:
1) Die Substantiva masc. und femin. generis setzen im Nominativ
8 au , wobei t oft in e übergeht : avis , nubes^
2) Die Substantiva generis neutri nehmen im Nominativ das s
nicht an, verwandeln aber
a) entweder das t in e : wie mare , rete
b) oder werfen dasselbe bei vorhergehendem / und r ab : ani-
mal, calcar aus animali, calcari.
Zu der § 32 in 2 — 5 gegebenenen Znsammenstellung über i, ia,
ium neben e, a, um im Abi. Sgl. Nom. und Gen. Plural, empfehlen
wir dem Vf. die Aufnahme der folgenden Uebersicht, die wir vom
Director Rothert entlehnt haben nnd die sich dadurch empfiehlt, dasz
sie wörtlich dem Gedichtnisse eingeprägt werden kann.
a) Die Neutr. auf e, al nnd ar haben i? i^i? ium
b) Die Adject. 6 in er Endung - i, e, ia, ium
c) Die Adj. 2 und 3 Endungen - i? ia, ium
c) Die Participia - - e, i, ia, ium
d) Die Comparativa - - e,i, a, ium
144 Berger: latein. Grainmalik.
V
f) Die Substautiva auf es, t«, er
und die einsilbigen auf s und x
mit vorhergebendem Consonant,
sowie die mehrsilbigen auf 8 und
X mit vorhergehendem r und n e , iam
g) Die Substantiva, welche im Acc.
im haben , erhalten im Abi. i.
Im § 33 fehlt die Bemerkung über den Charakter der 4. Deoli-
nation und in der daselbst befindlichen Anmerkung, die mit Recht auf
die Contraction der Casusendungen aufmerksam macht, fehlt der Zu-
satz, dasz so die 4. Decl. eigentlich nur eine Nebenform der drit-
ten sei.
Desgleichen muste im § 35 der Charakter der 3. Declination an-
gegeben und dann bemerkt werden, dasz sie eine Mischung der ersten
und dritten Declination sei.
Für den § 48 schlagen wir dem Vf. eine Verkürzung der ge-
reimten (ienusregeln vor, da für einen Schüler eine so volUländige
Kenntnis aller oft sehr selten vorkommenden Wörter nicht nothwea-
dig ist. Neben der schon von Kühner aufgenommenen VerküriODg
der Ausnahmeregel auf do, go, io, empfehlen sich für die 3. Decli-
nation noch folgende: a) zu den Masculinis.
4) Neutra gibt es viel auf er
Ver nebst piper und papäver
Verber, iter und cadaver.
5) Feminina sind auf es
compes, quies, seges
merces, mergea, teges.
b) Zu den Ausnahmen von der Ilauplregel über die Feminina
empfehlen sich
2) Die Substantiv auf mis und uts
Sind masculini generis
Ferner axis collis ensis
fascis lapis orbis mensis
piscis pulvis sanguiff unguis.
3) Hasculina sind auf x
Fornix, varix und calix
Und die meisten auch auf ex;
Nur lex, snpellex, nex und faex
Verbleiben weiblichen Geschlechts.
4) Männlich sind auf ons und ens
Föns , mons , pons und dens.
Für die Ausnahmen von den Neutris auf n und ur genügte:
* Vier Wörter auf ein n
Pecten, lien, reu und apien.
Dazu merke drei auf ur
Fnrfur, tnrtur und vultur.
Berger: lateio. Grtmnatik. 145
Ebenso könnten bei der 4. DeciinatioD die unter die Generalre-
gel fallenden nurus , socrus , anas wegfallen.
Im § 49 ist in der 2 Auflage passend der Znsatz gemacht: bei
den Adjectiven ist zweierlei zu merken; doch hätte es dreierlei
heiszen sollen, da die Motion nicht mit zur Declination gerechnet
werden kann. Ebenso möchten wir fflr die Adjectira 3 n. 2 u. 1
Endung für die schwachen Schäfer, die mit sehenden Augen blind
sind und nichts behalten können, wenn es nicht in bestimmte Formeln
gefaszt ist, einen Zusatz darüber, dasz diese Adjectira in N. u.«Acc.
Plur., sowie im Acc. Sgl. stets Adjectiva zweier Endungen sind.
Da der Vf. im § &0 bei der Bildung des Comparativs und Super-
lativs vom reinen Wortstamme ausgeht, so hatte er die Bildung die-
ser Formen bei den Adj. auf er, ilis und dieus, ficus und volus auch
erklären können. Bei diesen letztern ist in einer Anerkennung egenus,
egentior, egentissimus zuzufügen, auch sub nr. 5 bei plus in einer
Parenthese der Pluralis zuzusetzen.
Der§ 61, der von der Comparation der Adverbia handelt, gehört
nicht hieher, sondern nach % 100, denn erst musz der Schaler die
Bildungsgesetze der Adverbia kennen, ehe von deren Comparation
die Rede sein kann. Ebenso ist die Stellung der Anmerkungen 1 und
2 zum § &3 eine falsche ; sie gehören sofort nach der Declination der
Pron. pers. , die Anm. 3 bleibt dann an der passenden Stelle.
Nach diesen Bemerkungen gehen wir sofort zur Conjugations-
lehre und gestehen offen, dasz wir für die % 66^-75 eine andere
Anordnung wünschten, zugleich auch, dasz so manches, was sich in
den griechischen Grammatiken findet und die Einsicht in das Wesen
der Conjngation erleichtert, z. B. das Wesen des Bindelauts, des
Tempuscharakters u. dgl., hie^ aufgenommen wäre. Nach unserem
dafürhalten hätte nach § 65 zunächst die Lehre über die Personenen-
dnngen (§ 75 bei Berger) , dann die Lehre vom Tempuscharakter und
der Formation der Tempora nach der 3. Conjngation allein folgen sol-
len, in welcher die % 73 und 74 ihren Platz fanden, wobei aber das
was Berger § 73 sub Nr. IV hat, dasz vom |)[nflnitiv. Praes. Activi
Formen abgeleitet werden, durchaus falsch ist. Denn Stammformen
sind nur Praesens, Perfectum und Supinum; der Infinitiv wird nur
genannt, weil an ihm die Conjugation am leichtesten zu erkennen ist.
Die Lehre von der Tempusbildung wäre dann nach den genannten 3
Stammformen so durchzuführen , dasz der Schüler daran eine genaue
Analyse der Formen nach Stamm, Bindelaut, Tempusendung oder Cha-
rakter- und Personenendnng lernte. So gut er im Griechischen z. B.
i-ßovXeV'Ca-ro in seine Theile zerlegt , ebenso gut musz er das auch
im Lateinischen [leg-e<ba-t. Bei der Lehre von den Formen, die vom
Perfectum abgeleitet werden, wäre die § 71 gegebene Eintheilung
der 3 Bildungsweisen festzuhalten, aber genauer durchzuführen, als
es von Berger im § 72 geschehen. Da eine richtige Behandlung die-
ses § auf die Anordnung der sogenannten unregelmäszigen Verben
von Einflusz ist, uns die von Berger im § 78 gegebene gleichfalls
146 Borger: latoin. Grammatik.
nicht gefällt, so wollen wir diesen § gleich hier mit ins Augo fassen,
und bemerken, das£ der 78. nach unserem dafürhalten am besten sich
ordnen läszt, wenn man folgendes Schema durch die dahin gehuren-
den Yerba ausfüllt.
Starke Ferfectbildung der III Conjugation.
A. DieEndungt tritt anmittelbar an den Stamm.
1) Reduplication
■ a) Yerba mit stammhaftem a cado, caedo, cano.
b) Yerba mit stammhaftem e , i, o, u, wie tendo , pendo.
2) die Endung t tritt unmittelbar an den Stamm and die Stamm-
silbe wir(f ausgedehnt.
a) die Yerba mit stammhaftem a verwandeln a in langes e;
ago, capio, facio etc.
b) Yerba mit stammhaflem e, i, o, u.
H) Die Endung t tritt an den unveränderten Fraesensstamm :
a) bei allen Yerbis puris der 3. Conjug. acuo, argno etc.
b) bei Yerbis impuris, die einen entweder von Natur oder
durch Position langen Yocal haben: cudo, ico,
c) Yerba, welche im Pcrfect die kurze Stammsilbe beibehtl«
ten: bibo, Gndo, scindo.
B. Ferfectbildung mit der Endung si.
I) Yerba muta mit langer Stammsilbe:
a) mit den Lippenlauten b und p,
b) - - Gutturalen, zu j? verschmolzen, mit den veraclaie*
denen Unterarten,
c) mit den Zahnlauten, die vor s ausfallen.
II) Yerba liquida: como, domo etc.
C. Ferfectbildung mit ui oder vi,
a) m i t ui
1) Alle Yerba liquida der 3. Conj. , insofern sie nicht die ein-
fache Ferfectbildung haben alo, colo, fremo, gemo,
2) Yerba muta: elicio, rapio, sapio, strcpo.
b) die E n d u n g rt
1) Yerba, deren Stamm im Praesens durch sc verstärkt, creseo^
2) solche, deren Stamm durch n verstärkt ist, wie lino, aino,
cerno.
3) schwache Perfectendung ivi.
Bei der Ausfüllung dieses Schema wären die Yerba alphabetiaoh i«
ordnen, weil dies das auswendiglernen der Reihen erleichtert ^ia^n
uns die Erfahrung gelehrt hat, dasz die Schüler die nach diesem
Schema gelernton Yerba leicht reihenweise behalten und aufsagen,
was bei andern Anordnungen uns wenigstens noch nicht vorgekom-
men ist. Nachdem so die Yerba der 3. Conj. erläutert, folgten die
der übrigen nach demselben Schema , wobei natürlich viele Rubriken
von selbst wegfallen , wie denn z. B. für die erste Conjugation nur
die Endung t mit Reduplication und mit Dehnung des Yocals und die
Berger: iatein. Grammatik. 147
Endung ui übrig bleibt. — Kommeo wir nach diesem Vorschlage zum
§ 71 und 78 noch einmal auf den § 70 zurück, der die Yerba der
3. Conjugation auf iö behandelt, so wünschen wir im Interesse der
Schüler, die an sich richtige aber für sie zu knrze Bemerkungen
schwer begreifen — und deren gibt es in vollen Classen oft recht viele,
dasz der Bemerkung: Mas i hält sich etc.' folge: d. h. es bleibt in der
3. Perf. Plur. des Praesens, Ind. des Imperativ, im Particip, im gan-
zen Futur, Imperf. Ind. und Praesens Conjunctivi und verschwindet
im Impers. Conjunct., Infinit., den übrigen Personen des Praesens und
Imperativs. Desgleichen müsten sämtliche bieher gehörigen Verba in
einer alphabetischen Reihe aufgezählt werden. In der Anm. dieses §
fehlt die Bemerkung , dasz die Composita von orior vollständig nach
der vierten Conjugation gehen.
Die Conjugation sollte der Schüler anfangs nur in der Schule
lernen, indem der Lehrer mit der Kreide in der Hand die Formen vor
den Augen der Schüler entstehen läszt. Danach musz aber auch das
mechanische memorieren folgen, damit die Formen zum bleibenden
Eigenthum werden. Bei diesem memorieren leben sich die schwäche-
ren Schüler in die Reihenfolge der Personen so fest hinein, dasz sie,
wenn der Lehrer sich mit dem gewöhnlichen hersagen begnügt, sehr
gut conjugieren; sobald sie aber Formen auszer der Reihe gebrau-
chen sollen, geht es langsamer und sie beginnen stets für sich die
Reihe von vorn bis zu der geforderten Form durchzumachen. Solche
Schüler müssen zum freiem Gebrauch angeleitet werden und das ge-
schieht am besten, wenn sie dasselbe Tempus auch rückwärts, so-
daun in der Weise hersagen lernen , dasz sie z. B. die 1 Pers. Sing,
u. Plur. usw. vorwärts und rückwärts zusammenstellen; dasz sie fer-
ner gewöhnt werden, erst die deutsche Form und dann die lateini-
sche; also: ich habe geliebt, amavi, zu sagen. In der Regel finden
sich die schwächeren Schüler, selbst wenn es ihnen an der Schultafel
deutlich gemacht wird, in diese Reihenfolgen nicht leicht und deshalb
könnte diesen eine kleine Unterstützung durch die Grammatik zu Theil
werden, wenn sich der Vf. entschlösse, vor § 77 einen § einzuschalten
und darin von einem Tempus diese verschiedenen Weisen in einem
Paradigma gäbe. Auch nach § 78 könnte eine Zusammenstellung der«
jenigen Verba, die in einzelnen Formen übereinstimmen, eingeschaltet
werden , wie solche Krüger und Kühner gegeben haben. Mit der Be-
merkung, dasz auch schon § 90 3 eine Aufzählung der Praepositio-
nen nicht ganz unzweckmäszig sein möchte, sohlieszen wir unsere
Bemerkungen zur Formenlehre und behalten uns die Syntax für einen
besondem Artikel vo£.
Clausthal. " F. Vollbrecht.
148 K. W. Boulerwck: über den Unterricht in der Religionslehre.
1.
lieber den Unterricht in der Religionslehre auf evangelischen
Gymnasien. Ein Gutachten von Dr. K. W. Bouterwek,
Director und Rcügionslehrer am Gymnasium in Etberfeld.
Gütersloh 1855. 66 S. 7% Sgr. ♦)
Der Religionsuntorricht auf den Gymnasien, namentlich den evaa-
gelischen, ist in den letzten Jahren vielfach Gegenstand der Behand-
lung gewesen. Man hat in ZeitschriMen , Programmen und besonde-
ren Abhandlungen die wichtigsten Fragen , auf deren Beantworinng
es bei der Einrichtung und Ertheilung des Religionsunterrichtes an-
kommt, z. B. die nach dem Stoff, der dem Unterrichte zu Grande
gelegt werden soll, seiner Ausdehnung, Begranzung nnd Yertheiluog,
nach der Methode, nach dem Lehrer, nach dem Verhältnis zur Kirche
usw., auf die verschiedenste Weise behandelt und ist dadurch, wenn
auch nicht zu einem Abschlusz, doch bei aller Verschiedenheit der
Ansichten, die sich namentlich auf diesem Gebiete geltend zu machen
pflegt, zu gewissen Resultaten gekommen, die mehr oder weniger
einer allgemeinen Billigung sich zu erfreuen haben. Dies hat seinen
Grund wol zum Theil darin, dasz, was für den aufmerksamen Beob-
achter der neuen Erscheinungen auf dem paedagogischen Gebiete eine
der erfreulichsten Wahrnehmungen ist, an diesem Kampfe mehrere
der bedeutendsten paedagogischen Notabilitüten sich auf die eine
oder andere Weise betheiligt haben. Unter den Schriften, die, den
Gegenstand von einem allgemeinen Standpunkte aus behandelnd, in
den letzten 10 Jahren erschienen sind , ist eine der bedeutendsten nnd
-wichtigsten ^der evangelischeReligionsunterrichtinden
Gymnasien. Ein Gutachten von D. W. Landfermann (Frank-
furt 1846. 64 S.)', die sich nicht nur durch scharfe und bestimmte
Auffassung, durch klare und einfache Darstellung, sondern auch durch
überaus praktische Vorschläge ganz besonders auszeichnet und von
einem Mann herrührt , der durch seine frühere Stellung als Director
eines Gymnasiums und Religionslehrer und durch seine spätere als
Leiter der Gymnasien einer ganzen Provinz und durch seine geistige
Bedeutung und gediegene, allgemein wissenschaftliche Bildung vor
vielen geeignet war, ein richtiges Urtheil in dieser wichtigen Streit-
frage zu fallen.
Seit Abfassung dieses Gutachtens sind 10 Jahre verflossen, in
denen die in demselben enthaltenen Vorschläge mehr oder weniger
zur allgemeinen Anerkennung gelangt sind, oder anderen durch die
Erfahrung bewährten oder neu aufgestellten Ansichten und Vorsohli-
gen den Platz geräumt haben. Es kann daher nicht auffallen, dass
jetzt ein neues Gutachten über diesen wichtigen Gegenstand erschie-
nen ist. ^^'ir meinen das in der Ueberschrift genannte, das vor knr-
*) Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes werden wir über die
vorliegende Schrift auch eine zweite Seurtheilung bringen. D. R.
K. W. Booterwek: über den Unterriobt io der Religloosfohra. 140
zem zum besten der Lehrer-Pensions- und Wittwen- und Waisen-Stif-
tung des Gymnasiums zu Elberfeid herausgegeben worden ist. — Der
Hr. Vr. geht in der Einleitung von der Wichtigkeit des Religions-
unterrichts auf Gymnasien aus, spricht sich gegen die sich speciell
christlich nennenden Gymnasien (alle sollen nicht blosz christlich,
sondern confessionelUevangelisch oder katholisch sein) aus, gibt den
Grund an, auf dem der Religionsunterricht in dem Gymnasium ruhen
musz (auf dem Glauben an Jesum Christum, den Sohn Gottes, als
einigen Mittler zwischen Gott und den Menschen, als einzigen Selig-
macher und einigen Lehrer der wahren Gottesoffenbarung , nnd so-
dann auf dem unverbrachlichen Ansehen der heiligen Schrift, als des
Wortes Gottes , in welchem Jesus Christus , von Anfang an geoffen-
baret, durch seinen Geist die allein zuverlässige, allein für wahr
zu haltende Urkunde über sein Wesen, Thnn und Leiden, wie über
seine Gottheit nnd ewige Herlichkeit bei dem Vater, vor Anfang aller
Dingo, niedergelegt hat; endlich auf der aus dieser in ihrer ZuUng-
lichkeit und Göttlichkeit von Menschengeist und Menschenwit^ nicht
anzutastenden Urkunde gewonnenen Ueberzeugung , dasz der in der
Bibel gelehrte, durch den Geist Gottes dem Menschen persönlich an-
geeignete Glaube allein, ohne Mithülfe irgend welcher eigener oder
anderer Werke, das ewige Heil des Menschen zur Folge haben und
Christus nur in solchem Glauben von jedem einzelnen persönlich an-
geeignet sein Heiland und Erlöser sein könne), handelt von dem
Standpunkte, den der Religionsunterricht des Gymnasiums gegen den
der Kirche einnehmen, von der Gewähr, welche die Schule der
Kirche in Hinsicht des Religionsunterrichts geben musz, von der Stel-
lung des Lehrers (der Director oder einer der ersten Oberlehrer soll
den Religionsunterricht geben, nicht ein Pfarrer der Gemeinde), von
der Revision des Religionsunterrichts, geht dann S. 12 zu den Stufen
über, in welche der Religionsunterricht zerfällt (der Vf. nimmt 3 Sta-
fen an, deren erste die 6., 5. und 4. Classe mit dreijährigem, die 2.
die Tertia mit zweijährigem, und die 3. die Secunda und Prima mit
vierjährigem Cnrsus umfaszt), und bestimmt S. 16 — 63 speciell das
Pensum der einzelnen Lehrstufen und Classen.
Der Vf. geht von dem Gedanken aus, dasz bei dem ganzen Reli-
gionsunterricht auf dem Gymnasium die Bibel durch alle Classen hin-
durch als wol gewürdigtes, fleiszig gebrauchtes und in allen Lehr-
stufen, etwa Prima ausgenommen, einziges, ausschlieszliches Lehr-
buch der Religion benutzt werden soll, und bestimmt darnach die
Lehrpensa für die einzelnen Classen folgendermaszen : 1. für Sexta
und Quinta im ersten Jahre: eine Auswahl von Historien aus dem
alten Testamente; im zweiten Jahre: eine Auswahl von Historien ans
dem neuen Bunde. Daneben Aneignung einer Anzahl von Bibelsprü-
chen und Kirchenliedern nacR sorgfältig getroffener Auswahl. 2) für
Quarta: das Evangelium Marci nebst der Bergpredigt, die Apostel-
geschichte und eine kurze Geschichte der Mission unter den Germa-
nen, auswendiglernen von ßibelstellen im Zusammenhang und von
/V. Jahrb. f. PhU. w. Paed. Bd. LXXIV. Hß. 3. ^
150 K. W. Boulerwek: über den Unterriclit in der Religiooftivlire.
Kirchenliedern. 3) für Tertia: eine Reihe nach dem Gesichtspunkte
der Glaubens- und Sittenlehre aasgewfihlter Psalmen, denen sich ent-
sprechende Abschnitte aus anderen Büchern der heiligen Schrift, z. B.
die Lieder Mosis, anschliessen können, so wie aus dem ersten Theile
des Propheten Jesaias auserlesene Kapitel für das erste Schaljahr;
für das zweite: der zweite Theil des Propheten Jesaias, vom 40. Ka-
pitel an, und das Evangelium Johannis; in beiden answendiglersen
einzelner, genau erklärter Kapitel und Einprfigung von einigen, aiBr
wenigen Kirchenliedern , deren Einlernung mit dieser Lehrstufe anF-
hört. 4) Für Secunda : im ersten Jahre gelesen und erklart das alte
Testament, im zweiten das neue Testament mit besonderer Berftek*
sichtigung eines in der Grundsprache zu lesenden Evangelioms (Lneae
oder lohannis) und der apostolischen Briefe, unter denen der Röaier-
brief jedenfalls genan erklärt werden soll. Ausgewihlte Stellen in
Zusammenhange sind aus dem griechischen (?) neuen Testamente am-
wendig zu lernen. (*Hit wenigen Zeilen beginnende Uebnng fdhrt
allmfihlich dahin, dasz ganze Kapitel fest eingeprägt werden. Bs ist
wol vorgekommen, dasz einzelne Schüler, als freiwillige Aufgabe,
fast den ganzen Römerbrief auswendig lernten.^) Vierteljährig ein
Aufsatz. 5) für Prima: Darstellung durch Auswahl hervorgehobener
Erscheinungen aus der Kirchengeschichte und kirchlich -Systems tische
Behandlung der Glaubenslehre und Sittenlehre; daneben vierteljihrig
ein Aufsatz.
Die Gründe, durch welche der Vf. diese Eintheilung begründet
und naher entwickelt, im einzelnen anzuführen, würde uns za weit
führen und die Grenzen einer Anzeige überschreiten. Ref. beschränkt
sich deshalb auf die Erklärung, dasz er mit dieser Vertheilung des
Stoffes, was die obern Classen betrifft, nicht ganz einverstanden ist;
denn einmal scheint ihm in Tertia, Secunda und Prima des Stoffes
viel zu viel zu sein, als dasz er in der dafür bestimmten Zeit bei
zwei Stunden wöchentlich bewältigt werden könnte. Ref. ist wenig-
stens in Prima mit der Glaubens- und Sittenlehre kaum in 2 Jahren
fertig geworden , und die Kirchengcschichte erfordert in der Ausdeh-
nung, wie der Vf. sie verlangt, wenigstens ein halbes Jahr. Aneb
das für Tertia bestimmte Pensum wird schwerlich in der bestimmten
Zeit durchgenommen werden können, wenn man nicht den Sohnlen
allzuviel zumutet. Ueberhaupt scheint der Vf. dem Ref. die in der
neusten Zeit von so vielen Seiten und gewis mit vollem Recht erho-
bene Forderung der Beschränkung des Unterrichtsstoffes auf unseren
Gymnasien , damit die wahre Gründlichkeit auf denselben wieder gini
heimisch werde, in Bezug auf den Religionsunterricht nicht gehörig
berücksichtigt zu haben. Dann kann sich Ref. auch mit der Ver-
theilung des Stoffes auf die einzelnen Classen nicht ganz ein-
verstanden erklören. Der Römerbrief z. \ ist so schwierig, dasz Ref.
ihn unbedingt für die Prima aufsparen würde; der Jesaias würde sich
besser für Secunda als Tertia eignen.
Im einzelnen will Ref. nnr erwähnen, dasz der Vf. S. 7 den
K. W. BoQtorwek: über den Unlerrichl in der Religionslehre. 151
confessionellen Keligionsnnterricht dem Geistlichen znweist, dagegen
S. 62 fordert, dasz die Behandlang der Glaubenslehre in Prima auf-
höre rein biblisch zu sein und sich an die Bekenntnisse der pro-
testantischen Kirche in Freiheit und dennoch mit Bestimmtheit an-
schliesze. Nach S. 7 und 32 soll der Keligionslehrer den kirchlichen
Katechismus nicht einüben. S. 28 verlangt der Vf. , dasz von Quarta
an nicht die von den Bibelgesellschaften verbreitete, sondern eine ver-
besserte Inthersche (die von Meyer) Bibelabersetzong als Handbuch von
den Schfllern benutzt werde, und S. 45, dasz der Lehrer die fortgehende
Beschäftigung mit der Urschrift zn verstindigen , sparsamen Besse-
rungen der Uebersetzung benutze. S. d5 bemerkt der Vf. : * Als an-
gemessen und fördernd hat es sich erwiesen, dasz den Schalem der
alteren Abtheilung (es ist von Tertia die Rede) empfohlen wird , ne-
ben der deutschen Bibel neuen Testamentes den griechischen Text (?)
liegen zu haben , auf den dann und wann Rfleksicht genommen werden
kann.' Dasz der Vf. vierteljährliche schriftliche Arbeiten über Ge-
genstände ans der Religionslehre sowol in Secunda als in Prima for-
dert, ist schon oben erwähnt. Ref., der seit einigen Jahren auch
schriftliche Arbeiten der Art in Prima, nur nicht so häufig, machen
läszt , stimmt in dieser Forderung mit dem Vf. ganz flberein. S. 54
spricht der Vf. sich dahin aus, dasz die von manchen Seiten gefor-
derte Vermehrung der Religionsstunden nicht nöthig sei, doch ist
eine solche, wenn das vom Vf. bestimmte Pensum grandlich durch-
gearbeitet werden soll, kaum zu vermeiden. Auf S. dö und 66 ver-
theidigt der Vf. mit vollem Rechte aus verschiedenen Granden die
Anfertigung eines Religionsaufsatzes im Abiturientenexamen.
Das Schriftchen enthält viele gute Winke und Rathschläge aber
die Methodik des Religionsunterrichts aus der reichen Erfahrung des
Vf. ; doch Vermiszt man ungern eine nähere Angabe in Bezug auf die
Art der Erklärung und eine specielle Antwort auf die Frage: Was
soll erklärt werden? Wie viel? Wie? usw. Was den SUndpnnkt
des Vf. betrifft, so ist derselbe ein durchaus entschieden biblischer,
auf den reformatorischen Bekenntnissen ruhender, wie oben schon
angedeutet ist; die Wärme, welche das ganze Schriftchen durchziehf,
ist in hohem Grade wolthuend. Zur Kirche nimmt der Vf. die Stel-
lung ein, dasz er fordert: der Religionslehrer hat der kirchliche!
Behörde nicht blosz den Beweis seiner Befähigung und biblischen
Rechtgläubigkeit zu geben , sondern er ist anch in seinem Unterrichte
an die Lehre seiner Kirche gebunden , and mnsz den Katechumenenun-
terricht des Pfarrers nicht als aberflassig ansehen oder ihm entgegen-
arbeiten, und behauptet: die Kirche hat das Recht and die Pflicht, det
Religionsunterricht zu aberwachen nnd gelegentlich eine Revisiot
desselben zn veranstalten.
Möge das wackere Schriftchen recht viel gelesen werden und
recht viel Nutzen stiften !
Bndd^^erg.
11*
152 K. Elze: Standard American Aulhors.
8.
Standard American Aulhors. PublUhed under ihe superinten-
dence of Dr. Karl EUe^ Hon. M. R. S. L. Dessau: Katz
Brothers , gegenwärtig unter dem Titel : Dürres CoUeclian of
Standard American Authors. Published etc. Leipsig: Al-
phons Dürr. (Der neue Titel beginnt mit dem Xln Bande.) Bis
jetzt 14 Bände k \ Thaler.
Allen Freunden der englischen Litteratur ist wol die im Verlage
von B. Tauchnilz erscheinende Colleclion of British Anthors bekannl.
Auch für den sprachlichen Unterricht eignete sich besonders früher
mancher Band dieser groszartig angelegten Sammlung; jetzt scheint
dieselbe etwas zu viel Tageslitteratur, namentlich ans den Federn
schreibseliger Damen , zu bringen und deshalb dem Kreise der Schale
sich mehr und mehr zu entziehen. Ueberhaupt erscheint es nns als
eine durchaus nicht leichte AuTgabe, für solche Sammlungen die Hell-
tige Auswahl zu treffen, alle Seiten und Hichtungen der Litteratur in
wirklich über das gewöhnliche Niveau hervorragenden Werken her-
vortreten zu lassen. Diese Aufgabe wird noch bei weitem schwieri-
ger, wenn es gilt, meist unbekannte Schriftsteller einzuführen. Letz-
tere Schwierigkeit stand der vorliegenden Sammlung entgegen nnd
wurde endlich noch dadurch vermehrt, dasz die Amerikaner auf dem
litterarischen Markte, ebenso wie auf dem industriellen, ihre Wnaren
mit möglichst hohen Superlativen des Lobes anzupreisen pflegen. An
eine auf kritische Principien gegründete^ Geschichte ihrer Litteratur,
welche dem Sammler seine Arbeit sehr erleichtern würde, dflrfle hei
ihnen für die nächste Zeit noch nicht zu denken sein nnd Überdies
würde dieselbe die neueste Zeit noch unbeachtet lassen, welche aber
gerade von dem Herausgeber einer derartigen Sammlung besonders
ins Auge gefaszt werden musz. Herr Dr. Elze scheint uns nun die er-
wähnten manigfachen Hindernisse glücklich überwunden zu haben; er
hat sich offenbar mit der amerikanischen Litteratur schon seit längerer
Zeit gründlich bekannl gemacht und so viel sich bis jetzt Übersehen
töszt, im allgemeinen eine glückliche Wahl getroffen: auch ist die für
ein solches Unternehmen besonders wichtige Correctheit des Druckes
nebst der geschmackvollen Ausstattung nur zu loben. Wer irgeud die
Eigenthümtichkeiten des englischen Druckes naher kennen gelernt hat,
der weisz, dasz in Deutschland gedruckte englische Werke gewöhn-
lich vielfach gegen dieselben zu verstoszen pflegen. Die in dieser
Beziehung auf die Herstellung eines, selbst in allen Aeuszerlichkeilen
echt englischen, corrccten Textes verwendete Sorgfall ist sehr zu
loben und empfiehlt die Sammhing nicht wenig, auch zu Schulzweckcn.
Indem wir nun zu einer kurzen Besprechung der einzelnen Bande
übergehen, wollen wir noch besonders auf diejenigen hindeuten, wel-
che für den Unterricht brauchbar sein dürften.
K. Eixe : Standard Anerican Auibora. 153
Der ertle Band enthält die in Deutschland bisher noch unbekann-
ten Gedichte von William Cnllen Bryant (geb. den 3. Nov. 1794 zu
Cummington in Massachusetts). Unserer Meinung nach zeigt Bryant
unter allen amerikanischen Dichtern die meiste Individualität, deren
Mangel bei vielen, selbst bei Longfellow, zu beklagen ist. Bryant
dichtete schon in seinem 9n Jahre; die ^ Thanatopsis % vielleicht das
gelungenste aller seiner Gedichte, schrieb er in seinem 18n Jahre.
Liebeslieder und jede Art künstelnder Lyrik wird man vergebens bei
ihm suchen; man findet statt dessen in dem kleinsteu Gedicht eine
gewisse Feier und Weihe, eine glühende und doch nie brennende
Phantasie und namentlich ein echtes Nationalgefühl. Die Zeitschrift
* Atlantis' hat einige, in der Sammlung nicht enthaltene Gedichte,
ferner auch gelungene Uebersetzungen der ^Thanatopsis' und des
^Forest hymn' veröffentlichL Der vor kurzem erschienenen, vielleicht
durch diese Ausgabe veranlaszten Uebersetzung von Alex. Neidhardt
(Stuttgart, Melzler) scheint ebenso die letzte Ftile zu fehlen, wie frei-
lich auch einzelnen Versen des Originals.
Der 2e Band enthält den echten Text der Franklinschen Selbst-
biographie, nicht die Rückübersetzung aus dem Französischen, welche
lange Zeit unter Franklins Namen verbreitet worden ist. Wenn irgend
einer, so gehört Franklin zu den Klassikern Amerikas nnd das Buch
kann wol in jeder Beziehung zur Leetüre in Schulen empfohlen wer-
den. Als interessante Beilage enthält es ein Facsimile des Verfassers.
Die Fortsetzung dieser Autobiography von Jared Sparks füllt den
dn Band. Sparks schreibt objectiv, ruhig und klar und erscheint uns
als der vorzüglichste Biograph der Amerikaner.
Die Bände IV uqd V enthalten die poetischen, VI und Vll die
prosaischen Werke Henry W. Longfellows, des bekanntesten unter
den amerikanischen Dichtern , der sich auf sehr verschiedenen Gebie-
ten mit Glück versucht und besonders auch einige sehr gelungene
Uebersetzungen geliefert hat. Seine in Hexametern geschriebene acu-
dische Erzählung ^£vangeline' ist von Belke, sein dramatisches Ge-
dicht ^der spanische Student' von dem unterzeichneten, der auch eine
metrische Uebersetzung der lyrischen Gedichte demnächst erscheinen
lassen wird, herausgegeben. £s ist interessant den Studien- und Ent-
wicklungsgang dieses fleiszigen Professors der neuern Sprachen in
seinen Gedichten, von denen bekanntlich F. Freiligrath schon vor län-
gerer Zeit einige übersetzt hat, zu verfolgen. Fast von allen Zwei-
gen der europaeischen Litteratur hat er Blüten abgepflückt. Diese
Unruhe der Forschung charakterisiert ihn als Amerikaner, läszt ihn
aber zugleich uicht zu einer originellen Entwicklung seines Wesens
kommen , das nur aus wenigen seiner lyrischen Dichtungen klar her-
vorleuchtet. Jedenfalls ist aber Longfellow eine bedeutende Erschei-
nung, auf welche selbst Spalding, der die Amerikaner in seiner engl.
Litteraturgeschichte sehr kurz abfertigt, hindeutet und welcher Prof.
Dr. Herrig in seiner anglo- amerikanischen Litteraturgeschichte eine
tiefer eingehende Kritik widmet.
154 K. Elze: Standard AmeriotD Aulhors.
Die im 9n Bande enthaltene Biographie George Washingtons von
Jared Sparks ist trefTlich geschrieben und scheint in einzelnen Partien
wirklich an die Darstellungsweise eines Julius Caesar zu erinnern.
Eben deshalb dürfte sie für den Unterricht ganz geeignet sein. Mit
W. Irvings eben begonnener Biographie W.s wird sie freilich schwer
concurrieren können.
Die Bände VIII, X, XI und XII enthalten Romanlectilre von N.
Uawthorne. The Blilhen dale Homance schildert recht lebendig einen
socialistischen Versuch der amerikanischen Schriftsteller weit im Ge-
wände des Romans. Beachtenswerther erschienen uns die ^Twice-
Told Tales % in denen wir bald einen düstern, geisterhaften Zug An»
den, wie namentlich in der ^Legend of the Proviiice House% *The
Gentle Boy', oder die einen echten Humor zeigen, wie ^Mr. Higgin-
botham^s Catastrophe'. Allen Erzählungen liegt eine gute Moral zu
Grunde ; dabei sind sie bei reichem Inhalt meist kurz und eben des*
halb, wenigstens theilweise für den Lehrer brauchbar. ^The Honse of
the Seven Gables ' ist ein vortrefflicher, höchst origineller Roman, in
dem uns vor allem die durch die Dichtung verklärte und idealisierte
alte Jungfer ^Hepzibah% ferner die Schilderung des todten ^Jodge
Pyncheon ' ansprach. Das wol auch schon in der Uehersetznng be-
kannte Buch beweist eben, dasz die Amerikaner auch gute Romane xa
schreiben verstehen.
Vol. XIII und XIV bringen eine Auswahl aus den Werken Edgar
Allan Poe^s — wie es scheint zuerst ohne Autorisation. Ein 50 Seiten
langes Memoir des bekannten Dr. R. W. Griswold leitet diese Aus*
wähl ein , vermag aber nnser Interesse für Poe durchaus nicht ania-
regen. Ein Seiten langes Gedicht ist darin S. XXXVI abgedruckt,
und wird gleich darauf S. 8 nochmals wiederholt, S. XLV drängt sieh
plötzlich der present editor (Dr. Elze??) in den Text, und lesen wir
weiter , so ßnden wir schon in den Gedichten die durch das Memoir
und Griswolds Notizen in den ^ Peels' und ^Poetry of America S. 387'
veranlaszte Vermutung vollkommen bestätigt, dasz wir einen hier und
da genialen, aber gänzlich halt- und charakterlosen Autor vor om
haben. Wenn man aber trotzdem in den Gedichten noch einige Licht-
blicke des Genies anerkennen muste, so sind die folgenden prosai-
schen ^Tales of Mystery' wirklich zum Theil so unsinniges Geschwits,
und das im folgenden Bande abgedruckte ^ Eureka : an essay on Ihe
material and spiritual universe' musz jeden, der Humboldts Koimot
studiert bat, aus vielen Gründen so entschieden' anwidern, dasf wir
nicht begreifen können, wie ein solcher Autor in einem bisher so an-'
sichtig gewählten Kreise einen Platz finden durfte. Indem wir alio
bedauern, dasz wir uns genöthigt sahen, gerade die letzten Binde
der sonst empfehlenswerthen Sammlung so entschieden zu misbillifen,
hoffen wir, dasz für die nächstfolgenden wieder eine recht wol Qber-
legte Wahl getroffen werden wird, und werden nns in diesem Fall er-
lauben, nach einiger Zeit die Freunde der englischen Litteratur, welche
gegenwärtig Amerika nicht mehr unbeaditot lassen dürfen, wieder
AofEOflre aus ZetUohrifteo. 155
auf diese SaamlaDg, welche sich daan wöl Moh naDigralliger eoU
wickelt haben wird, aafnerksam tu machea.
Dessau, Dec. 1856. C. Bötiger,
Auszüge aus Zeitschriften.
Zeilschriß ßr d. österr. Oymn. VI Jhrg. 1855 (s. d. vor. Heft.)
98 H. F. ▼• Honigsberg: n. d. Semestralzeugnisae nach d. der*
maligen Stndieneinricbtong (8. 697 — 706). Bonitz: Anmerkung daza
(8. 706—12). — Cnrtins: griech. Schnigrammatik. 2. A. Ang. v.
La nee (8. 713—31: aehr lobende, aber viele einzelne Abweichnnge«
auffuhriich begründende Benrtheilnng). — Thierseh: Grammatik d«
griecb. 8pr. 4. A. Ang. t. dem«. (8. 732: dem Stodtnm der Lehrer
D. Gelehrten dringend empfohlen).— Schenk! : Chrestomathie a. Xe~
nophon. Ang. ▼. Hochegger (8. 733—37: lobende Anz.) -— Ol-
trogge: denUches Lesebach. Nene AnswahL 2. Thl. Ang. v. Seid!
(8. 737 f.: empfohlen). — 8 tacke: Erzählungen a« d. alt. mittl. n.
neuem Geschichte in biogr. Form. Ang. v. Lorenz (8. 738—40: im
ganzen gelobt).— 8chwartz: Handb. für d. biogr. Geschichtsunterr.
I. Th. 4. A. Ang. ▼. dems. (8. 740 — 42: ^egen die Methode manche
JBedenken). — 8pieszi Weltgesch. in Biographien. 1. C. Ang. ▼.
dems. (8. 742 f.: viel Tadel). — 8t ein 's kleine Geogr. hrsg. v.
Wagner 24. A. Ang. ▼. Steinhanser (8. 743 — 48: aehr lobend»
Viele Bemerkangen fiber Oesterreich). — Vogels Netzatlas anf Wachs-
papier. 3. A. Ang. V. dems. (8. 748 f.: die weitere Ausbildung dea
empfohlenen Hulfsniittels wird bezeichnet). — Vogel: 8chulatlas. 8.
A. Ang. V. dems. (8. 749t nicht genug Verbesserungen gefunden). —
8chabas: leichtfaszliche Anfanasgrunde der Natnriehre. 2. A. o.
Koppe: Anfangsgrunde d. Physik. 6. A. Ang. v. Kolbe (8. 749—
52: beide Werke empfohlen). — Friedr. Jacob y. dessen. Ang.
V. 8 ei dl (8. 752 — 64). — Programme paedagog. u. didakt. Inhalts.
Ang. ▼. Bonitz (8. 763 — 68. Besprochen wenlen ein Beitrag zur
Gymnasialpaedagogik [Olmütz]. Vogt: einige Bemerkangen , betref-
fend das Fachsystem [Kronstadt]. Tachau: fi. d. Ursacl^n des Ver-
falls des 8tndinms der lateinischen Sprache [Lemberg^. — Wolf:
metrische Uebungen in den altklassischen Sprachen ein Forderungs-
mittel der Gymnasialbildnng [Brunn]. Ang. ▼. Linker (8. 768; nicht
lobend). — Programme philologischen Innalts. Ang. v. Bonitz (8.
769—73. Besprochen sind: Krotkowski: fi. d. Methode bei d. Bil-
dung der sogenannten Zeitformen griech. Zeitworter [Braunau]. Mei-
ster: Bemerkungen za Cnrtins griech. 8chulgr. JTroppau]. Frieb:
d. Fuhrwerk bei Homer [Wien]. Hamerling: n. d. Gmndideen der
griech. Tragoedie [Gratz^. Kahl ort: Parallele zw. d. platonischen
u. aristotelischen Btaatsidee. 3. Tbl. [Czernowitz]). — Hartman«:
Probe e. neuen Bchnlansgabe ▼. Arrian's Anabasis. Ang. v. Ludwig
(8. 773 — 75 : nur unerhebliche Einwendungen). — Berdnachek:
Graf Albrecht v. Zollern -Hohenberc. Ang. v. Budinger (8. 775 f.
empfohlen), rr: 10s H. Bonitz: d. Verordnungen y. 10. 8ept. 1865
(8. 777 — ^97: fiber die Bedingungen, unter welchen die Ab«ichten im
Unterrichte in den alten Sprachen erreicht werden kennen, naneniiich
156 Auszüge aus Zeitsobrifleu.
über d. Behandiong der Syntax, die achriftlichen Uebongen and die
Wahl der Leetüre werden treffliche Aufklärungen und Rathachlage
gegeben). — Pisko: Beitrage zur Methodik d. Unterrichts in d. Phy-
sik. 1. d. Unterr. in d. Chemie am Gymn. (8. 798—804: Vor»eich-
nung eines Lehrgangs u. Winke für d. Behandlung in d. Lehrstunde).
— Demosthenes ausgewählte Reden. V. Westermann. 1. Bdchen.
2 A. Ang. V. Bonitz (S. 805 — 24: eingehende Erklärung zahlreicher
Stellen). — üebersetzungen Homers von E Wiedasch. Ang. v.
Seidl (S. 824—^26: sehr anerkennend). — Kutzen: das deutsche
Land. Ang. v. Steinhauser (S. 827—29: sehr gelobt). — Aich-
horn: Anleitung zur Flächenzeichnung einfacher Krystallgest&Iten.
Ang. V. Grailich (S. 830 -33: belobend). — Verordnungen des Mi-
nisters für Cultus vom 10. u. 16. Sept. 1855 (S. 834—44). — Lin-
ker: Bericht über d. 15 Philologenversammliing (S. 857—72). — IIa
H. Lange: über Zahl und Amtsgewalt der Consulartribunen (S. 875
—908: die Abhandlung ist durch die von Lorenz im 4. Hefte her-
vorgerufen. Widerlegt wird d. Behauptung, dasz die Anzahl der Cob-
Bulartribunen anfänglich nur auf drei festgesetzt gewesen sei, viel-
mehr die Erhöhung der Legionstribunen auf die Zahl 6 schon auf Ser-
vius Tullius zurückgeführt, und die Wahl von nur 3 ConsulartribnneD
den Machinationen der Patricier zugeschrieben. Unter einigen Berich-
tigungen wird d. Lorenz^sche Ansicht über die 8 Consulartribunen und
ihr Verhältnis zur Censur gebilligt. Die Gewalt umfaszte vom An-
fang an sowol die conaularU potcataa, als das militärische wie rich-
terliche {conaulare) Imperium und es ist in ihrer Weiterentwicklung
nicht eine Vergröhzerung und Ausdehnung derselben zu Fehn, dagegen
aber anzunehmen, dasz die Amtsgewalt der plebeiischen Consulartri-
bunen eine andere und zwar weniger umfangreiche , auf das militä-
rische Imperium beschränkte gewesen soi. Vermutet wird, dasz die
auapicia ex tripudiia die von den plebeiischen Consulartribunen im
Felde geübten gewesen seien und so in (\en Kriegsdienst Eingang ge*
funden hätten). — Taciti Agricola. Ed Wex. Ang. v. Grysar (8.
909 — 27 : lobende Darlegung des beobachteten Verfahrens und Bespre-
chung vieler einzelner Stellen. Coniiciert wird 19 ae annuerc pretio^
20 navibua primo tranagressusy 28 mox ad uquam atque alia raptuii
cum cadendiaseni, 31 in poenitentiam proeliaturi, 34 sono pelli fan"
tur). — Lange: Leitfaden zur allgemeinen Geschichte, l.u.2. Unter-
richtsst. Ang. v. Lorenz (S. 927 29: mehrfacher Tadel,».— Vogel:
Netzatlat. Neue Aufl. Ang. v. Steinhauser (S. 929 f. empfohlen).
— Grosz: geogr. SchulatUs. 2. A. Ang. v. dems. (S. 931—34: er*
fährt mehrfachen Tadel). — Kner: einige Worte über d. neuerliche
Ein.<ichränkung des naturhistor. Unterrichts a. Gymn. (8. 940 — 46:
warme Vertheidigung des Gegenstandes, bei der, wie die Red. be-
merkt, d. Standpunkt des Gymn. nicht festgehalten ist). = 12s H., noch
nicht in unseren Händen, wird die statistischen Tabellen enthalten* =:
7. Jhrg. 1856. 1. H. Jäger: Beiträge zur osterr. Geschichte JII (8/
1—12: es wird bewiesen, dasz die bisher angegebenen Grunde fnr die
Gefangennehmnng Richards v. England durch Leopold VI von Oester-
reich durchaus unrichtig sind). — Curtiua: Zur griechischen Wort-
bildungslehre u. Syntax (S. 13— 28i für einige wesentliche Punkte»
die von Lange im 9. H. d. vor. Jhrgs bestritten waren, wird vom Vf.
seine Auffassung erörtert und die Gründe dafür angeführt). — Krfi -
ger: poetisch-dialektische Syntax. Ang. v. Lange (S. 29—46: wird
als eine äuszerst zu dankende Vorarbeit für eine wissensch. Syntax u,
werthvolles Hülfsmittel für Kenntnis des usns anerkannt, aber gegen
die Anlage manches Bedenken erhoben und die Angaben nicht immer
ausreichend und ganz zuverlässig befunden). — Heinze: theoretisch-
Berichte Aber gelehrle Anslalten, Verordnaogeo, staust. Notiien. 157
praktische Anleitnne sum diipoDiertn. Ayg. v. Baungarten (S. 46
— 50: dem Lehrer Notzen e. Gewinn Tersprechend). — Gienebrecht:
Gesch. d. deateehen Kaiserceit. 1. Bd. Ang. ▼. Bfidinger (S. 50
— 60: anter Bemerkungen aber einzelne Angaben sehr lobende An-
zeige).— 1. B* ▼. Sydow: hydrotopischer Atlas. 2. dess. Schalwand«
karten. 3. Pütz: Leitfaden beim Unterriebt in d. vergleichenden
Erdkunde ffir d. unteren n. mittleren Klassen. Ang. v. Steinhauser
(8. 60--66: Nr. 1 u. 2 werden dringend empfohlen, Nr. 3 gelobt, aber
noch nicht praktisch genug ausgebildet gefunden). — 1. Schmardas
Grundzuge der Zoologie. ]. Th. *L Kolenati: Zoologie. 3* Leunisi
Schulnaturgesch. 1. Th. 3. A. 4. Kichelberg: genetischer Grund-
risz der Naturgeschichte. 1. Tb. Ang. y. O. Schmidt (S. G6—T2i
nachdem In einer Einleitung über die Methode für die oberen Gymna-
sialklassen d. eingehen auf charakteristische Repraesentanten grösze-
rer Klassen empfohlen ist, wird an Nr. 1 die systematische Durch-
führung gerügt). — Bericht über die Versammlung der Realschiil-
raänner in Hannover 1855. Von Wen zig (S. 79 — 82). Litterarische
Notizen über die Weidmännische Sammlung v. Lehrbüchern und Lü-
deckings Lesebuch (S. 82—84). _ ü. D.
Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische
Notizen, Anzeigen von Programmen.
pREUSZEif. Wir beeilen uns folgende Verordnungen des h. Mini-
steriums zur Kenntnis unserer Leser zu bringen: I) v. 7. Jan. 1866.
Der in der Circolar- Verfügung vom 24. October 1837 aufgestellte
Normalplan für den Gymnasial-Unterricht hat sich seitdem
im allgemeinen als zweckmaszig bewährt« Diejenigen Modificationen
desselben, weiche nach den bisherigen Erfahrungen und auf Grund
der von den Provinzial-Schulcollegien abgegebeneu Gutachten ange-
messen erscheinen, beschranken sich auf foicendes:
Die philosophis che Propaedeu tik ist, wie es bei einer
groszen Zahl der G3unna8ien bereits geschieht, ferner nicht {als ein
besonderes Unterrichtsfach anzusetzen. Der wesentliche Inhalt dersel-
ben, namentlich die Grundlehren der Logik, kann mit dem deutschen
Unterricht verbunden werden, weshalb in dem unten beigefügten Ue-
bersichtsplan statt der bisherigen 2 wöchentlichen Stunden für das
Deutsche in Prima 3 Stunden bestimmt worden sind. Ks bleibt indes
den königlichen Provinzial-Schulcollegien überlassen, da, wo sie es
für angemessener erachten, die nothwendige Berücksichtigung des In-
halts der philosuphischen Propaedeutik einem philologischen oder dem
mathematischen Lehrer zu übertragen, und in solchem Fall die Stun-
denzahl desselben um eine zu vermehren; wobei es dann, hinsichtlich
des deutschen Unterrichts in Prima, bei 2 wöchentlichen Stunden ver-
bleibt.
Die Zahl von 3 wöchentlichen Religionsstunden wird in Sexta
und Quinta auf 3 erhöht, um für das I^sen der heil. Schrift und die
biblische Geschichte, oder für die Verbindung des katechetischen Unter-
richts mit der letzteren, ausreichende Zeit zu gewinnen. Nur bei
einer sehr geringen Classenfrequenz ist es gestattet, die bisherige
Stundenzahl beizubehalten.
Da der lateinische und deutsche Unterricht in Sezta und
158 Berichte Aber gelehrte Anslalten, VerordnuDgeD, slalUt. NoUsen.
Quinta 6\nem Lehrer zu übertragen ist, nnd die königlichen Provin-
^idi.gichulcolleglen nur in Fällen der Nothwendigkeit Ausnahmen hier-
von gestatten werden, ho genügt es, für beide Sprachen snsamnieo
wöchentlich 12 Stunden anzusetzen. Wo die Vertneilung dieses Un<
terrichts unter zwei verschiedene Lehrer nicht vermieden werden kann,
und bei groszer Classenfrequenz, ist es jedoch zulässig, in den ge-
nannten Classen für das Deutsche 5 Stunden wöchentlich zu bestimmen.
Der Unterricht im Franzosischen beginnt in Quinta mit 3 wö-
chentlichen Stunden; in jeder folgenden Classe sind 2 Stunden auf
denselben zu wenden.
Für die Geschichte und Geographie wird in Prima nnd in
Quarta die wöchentliche Stundenzahl um ^ine erhöht, so dasz diesen
Gegenständen in den vier oberen Classen je 3 Stunden wöchentlich
gewidmet werden. Ju Sexta und Quinta hat sich der historische Un-
terricht auf die in den Religionstunden durchzunehmende biblische
Geschichte und diejenigen Mittheilungen zu beschränken, zu denen
die zwei wöchentlichen Stunden des geographischen Unterrichts Ge-
legen lieit geben. Die Sagen des Alterthmus werden in diesen Clas-
sen zwe<:kuiäszig auch bei dem deutschen Unterricht Berücksichtigung
finden.
Der Unterricht in der Naturgeschichte ist in Sexta und Quinta
nur an denjenigen Gymnasien beizubehalten, welche dafür eine völlig
geeignete Lehrkraft besitzen. Dazu ist nicht allein der Nachweis der
durch die Prüfung pro facultate docendi erworbenen Berechtigung erfor-
derlich, sondern auch die Befähigung, diesen Unterricht, der Altersstufe
der bctreiTcnden Chissen gcmäsz, in anschaulicher und anregender Weise
und ohne das Streben nach systematischer Form und Vollständigkeit
zu erthcilen. Wo es nach dem Urtheil der königlichen Provinzial-
Schulcollcgien an einem solchen Lehrer fehlt, fällt dieser Gegenstand
in Sexta und Quinta aus, und ist in beiden Classen für den Unter-
richt in der Geographie, und auszerdem in Quinta für das Rechnen
eine Stunde mehr zu verwenden. Dem Lehrer der Geographie ist als-
dann um so mehr Gelegenheit gegeben, durch Berücksichtigung des
naturgeschichtlichen StolTes den Gegenstand zu beleben, und auch
nach dieser Seite hin den Vorstellungskreis der Schüler zu erweitern.
In Quarta sind bei dem gleichzeitigen Eintritt der Mathematik und
des Griechischen, und 7ur Vermeidung einer zu groszen Stundenzahl,
dem naturgeschichtlichen Unterricht besondere Stunden nicht zu wid-
men. Tn den zwei für <Iic Naturkunde bestimmten Stunden in Tertia
ist eine zusammenhangende Uebersicht der beschreibenden Naturwis-
senschaften zu geben, wofür in dieser Classe das Fassungsvermögen
hinreichend entwickelt zu sein pflegt. Wo eine getrennte Obei^ und
Unter- Tertia besteht, reicht dazu eine Stunde wöchentlich ans, und
die andere ist dem Geschichtsunterricht zuzulegen, umsomehr, als die
brandenburgisch -preuszische Geschichte überall in das Pensum von
Tertia aufzunehmen ist. Fehlt es an einem geeigneteten Lehrer der
Naturwishenschaften, so ist von den zwei angesetzten Standen die
eine auf Geschichte, die andere auf das Französische zu verwenden.
— Wo unter den vorher angegebenen Bedingungen in Sexta nnd
Quinta ein naturgeschichtlicher Unterricht ertheilt wird, ist die Be-
schreibung des menschlichen Leibes auf das nothwendigste zu be-
schränken.
in Quarta sind in den für den mathematischen Unterricht
bestimmten 3 wöchentlichen Stunden ausgedehnter, als bisher meist
geschehen, die Uebungen im Rechnen fortzusetzen, und der Unterricht
im übrigen auf geometrische Anschauungslehre und die Anfangsgrunde
der Planimetrie zu beschränken.
Beriehte ülmr gelehrte AnBlaUeDy Verordnaogeo, sUtist Notixen. 159
Schreib Unterricht findet wie bisher in Sexta und Quinta in
3 wöchentlichen Stunden statt* Da von Quarta an besondere Schreib-
stunden nicht mehr eintreten, so ist desto mehr von den Lehrern die-
ser und der folgenden Classen auf eine gute Handschrift in sämtlichen
Schulerarbeiten mit Strenee xu halten. Damit dies mit sicherem Er-
folge geschehen kann, sind die schriftlichen Arbeiten auf ihr rechtes
Mass genau einxuschranken.
Hiernach regelt sich der allgemeine Lehrplan für die G^rmnasien
nunmehr in folgender Weise:
2?
?
o
c
CA
5
i
a
5-
ff.
^
0
i
Religion, wöchentlich Stunden .
2
2
2
2
3
3
Deutsch
3
8
2
10
2
10
2
10
2
10
2
10
Lateinisch
Griechisch
6
6
6
6
—
—
FranzÖsich
2
2
2
2
3
—
Geschichte und Geographie . .
Mathematik und Rechnen . . .
3
3
3
3
2
3
4
4
3
3
3
4
Physik
2
1
—
—
—
—
Naturkunde
—
—
2
—
(2)
w
Zeichnen
..
2
2
2
Schreiben
—
—
—
—
3
3
30
30
30
30
30
28(27)
Da der Unterricht im Hebraeischen, im Gesang und im Tur-
nen ganz oder theilweise auszer der gewöhnlichen Schulzeit ertheilt
wird, so sind die in dem bisherigen Umfange dafür zu verwendenden
Stunden in vorstehende Uebersicht nicht mit aufgenommen worden.
Wie weit nach lokalen und individuellen Verhältnissen der ein-
zelnen Provinzen und Anstalten, sowie nach stiftungsmäszigen für
einzelne Gymnasien bestehenden Bestimmungen, Abweichungen von
dem aligemeinen Lehrplan gerechtfertigt erscheinen, haben die könig-
lichen ProvinziaUSchulcollegien genau festzustellen und mir darüber
Bericht zu erstatten.
Auszer den sodann mit meiner Genehmigung fiir die betreffenden
Anstalten zu bestimmenden Ausnahmen, sind weitere Abänderungen
des für sämtliche Gymnasien verbindlichen Lehrplans nicht zu dulden.
Eine Dispensation vom Unterricht in der griechischen
Sprache darf in denjenigen Städten, wo neben dem Gymnasium noch
eine höhere Bürger- oder Realschule besteht, vorausgesetzt, dasz in
der letzteren Latein gelehrt wird, nicht mehr statt finden. Wo da-
gegen in kleineren Städten das Gymnasium auch das Bedürfnis derer
erfüllen mnsz, welche sich nicht für ein wissenschaftliches Studium
oder einen Lebensberuf, zu welchem eine Gymnasialbildung erfordert
wird, vorbereiten, sondern die für einen bürgerlichen Beruf nÖthige
allgemeine Bildung auf einer höheren Lehranstalt erwerben wollen , bleibt,
auch wenn mit dem Gymnasium besondere Realclassen nicht verbunden
sind, die Dispensation von der Theilnahme an dem Unterrichte im
Griechischen, mit Genehmigung der königlichen Provinzial-Schulcoi-
legien, zulässig. Ob in solchen Fällen an die Stelle des Griechischen
ein anderer Unterrichtsgegenstand eintreten kann, wird der Erwägung
und besonderen Anordnung der königlichen Provinzial-Schulcoliegien
anheimgegeben. Bei Gewährung der Dispensation ist den betreffiMden
160 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. NoUioB.
Schalern bemerklich zu machen, dasx Unkenntniii des Griechischen von
der Tbeilnabme am Abiturienten-Examen ausachliesxt.
Die Befolgung des allgemeinen Lehrplans kann erst dann die be-
absichtigte Wirkung an der den Gymnasien anvertrauten Jugend her-
vorbringen, wenn die Lehrer einer Anstalt davon darchdrunsen sind,
dasz ihr Werk ein geroeinsames ist, bei dem die Thätigkeit des einen
an der Thätigkeit des anderen Lehrers ihre nothwendige Ergänzung
findet, und deshalb in Zusammenhang mit derselben stehen musz. Das
den Schüler zerstreuende, seine Kraft zersplitternde und sein Inter-
esse lähmende ist nicht sowol die Vielheit der Gegenstände an sich,
als der Mangel an Einheit in der Manigfaltigkeit. Eine Verniinderun"
der in dem oben aufgestellten Lehrplan angegebenen Unterricbtsob-
jecte und des denselben zu widmenden Zeitmaszes hat sich als unzu-
lässig erwiesen. * Das um so dringender hervortretende. Bedürfnis gro-
hzerer Concentration des gesamten Unterrichtsstoffs ist nur durch ein
eiiuiiütiges Zusammenwirken jedes Lehrercollegiums zu erreichen, wo-
bei der einzelne sich willig dem Zweck des ganzen unterordnet, kein
Lehrobjcct sich isoliert, und in der Lchrweise sowie in der Auffas-
sung der Gegenstände, ohne Beeinträchtigung der persönlichen Ei-
gentliümlichkeit des einzelnen Lehrers, eine principielle Uebereinstim-
mung herdcht. An dieser fehlt es, wenn z. B. die verschiedenen Lehrer
der verschiedenen Sprachen, welche auf den Gymnasien gelehrt wer*
den, in der grammatischen Theorie und den Grundregeln wesentlich
von einander abweichen, oder wenn z. B. die Aeuszerungen dea Ge-
schichtstehrers über die Geschichte des A. und N. T. und über die
Thatsachen der Kirchengeschichte mit demjenigen in Widerspruch
stehen, was der Religionslebrcr oder auch der Lehrer des Dentscheu
bei der Besprechung deutscher Aufsätze über dieselben Gegenstände
▼erträgt.
Zur Verminderung eines derartigen Zwiespalts, welcher den Zweck
des Unterrichts vereitelt, und in der Seele des Schülers die Grund-
lage eines festen Wissens und sicherer Ueberzeugungen sich nicht bil-
den läszt, sowie zur Beförderung der Concentration des Unterrichts
selbst, ist einerseits mehr und mehr darauf Bedacht zu nehmen, dasz
die innerlich am nächsten verwandten Lehrobjecte möglichst in tiner
Hand liegen und dasz die verschiedenen Thätigkeiten des 3chfiler8 auf
demselben Gebiet, z. B. die lateinische Leetüre und die schriftlichen
Arbeiten, in enge Beziehung zu einander gesetzt werden; sodann aber
ist durch Fuchconferenzen, welche sich in geeigneten Zeiträumen wie-
derholen, dafür zu sorgen, dasz sowol die aufeinander folgenden, wie
die nebeneinander in derselben Classe unterrichtenden Lehrer alle ein
deutliches Bewiistsein über die Pensa und Classenziele und aber ihr
gegenseitiges Verhältnis zur Erreichung derselben haben. Es geschieht
häufig, dasz das Unterrichtsmaterial, abge&ehen von dem durchana
nicht zu gestattenden Hinausgehen über das Ziel der einzelnen Clas-
sen in den verschiedenen Unterrichtsfächern, theils durch einielne
nach möglichster Vollständigkeit strebende Lehrbücher, theils durch
die wissenschaftlichen Neigungen der Lehrer unverbältnisinäszig ange-
häuft winl, und der Standpunkt der Classe sowie das eigentliche Be-
dürfnis des Schülers unberücksichtigt bleibt, indem das Absehen des
Lehrers mehr auf .systematische Ausdehnung des Stoffs, als anf Fer-
tigkeit und Sicherheit im nothwendigen gerichtet ist.
ist es zunächst Sache des Directors, auch in diesen Beiiehnngea
die erforderlichen Anordnungen zu treffen und nicht in VergeMeiiheit
gerathen zu lassen, so ist andererseits auch von den Ordinarien m
Beriehta übet gelehrte Anstalten, Verordnangen, Statist. Notisen. 161
verlangen, dasz sie sich mit den übrigen Lehrern der ihrer Anfmerk-
samkeit und Fürsorge Torzogsweise anvertrauten Classe in Einver-
nehmen setzen und genau davon unterrichten, wie es in der erwähnten
Bexiehung in derselben steht. Die über die Wirksamkeit der Ordi-
narien in der Circularverfügung vom 24. October 1837 enthaltenen
Bestimmungen werden hierbei wiederholt zur Nachachtung in Erinne-
rung gebracht.
Wenn die Ordinarien der Classen auch durch ein bemerkbares Ue-
bergewicht an Lehrstunden in denselben als Hauptlehrer sich darstel-
len, so mnsz der Unterricht dadurch an innerer wie an auszerer Ein-
heit gewinnen, und übennäszige Anforderungen an die Schüler werden
ebenso leicht erkannt als vermieden werden. Die Vielheit der Lehrer
wirkt besonders nachtheilig auf die jüngeren Schüler, die zur Verar-
beitung dessen, was ihnen von verschiedenen Lehrern mitgetheilt wird,
noch weniger Geschick und Uebung haben, als altere Schüler. Wo
möglich sind deshalb in den unteren Classen nicht mehr als drei Leh-
rer neben einander zu beschäftigen, und ihre Zahl auch' in den oberen
mehr als es an manchen Gymnasien, gegen die Bestimmungen der ge-
dachten Circularverfügung S. II fif. S. 38, geschieht, zu beschränken.
— In solchen Fällen, wo es die königlichen Provinzial-Schulcollegien
für vortheilhaft erachten, ist das Aufsteigen der Ordinarien und übri-
gen Lehrer einer Classe mit ihren Schülern in einem Turnus, der je-
doch nur die Classen von Sexta bis Tertia, oder Sexta und Quinta,
oder Quarta und Tertia umfaszt, zulässig.
Der Director und die Ordinarien haben ferner gemeinschaftlich
dafür Sorge zu tragen, dasz hinsichtlich der häuslichen, insbesondere
der schriftlichen, Arbeiten das rechte Masz und eine angemessene Ver-
theilnng statt findet. Ich sehe mich veranlaszt, die königlichen Pro-
vinzial-Schulcollegien darauf aufmerksam zu machen, dasz die Circu-
larverfügung vom 20. Mai 1854 im allgemeinen noch keineswegs die-
jenige Beachtung gefunden hat, deren es bedarf, um mehr als bisher
didaktische Misgriffe und ein mechanisches Verfahren zu verhindern,
irnd bei der Jugend die Lust am Lernen zu erhalten. Es ist den Di-
rectoren wiederholt zur Pflicht zu machen, namentlich von der Be-
schaffenheit der Themata zu den Aufsätzen, sowie von den schrift-
lichen Aufgaben überhaupt häufiger Kenntnis zu nehmen, und darin
jeder Ueberladung und Unangemessenheit vorzubeugen. Die Schüler
werden an mehreren Anstalten noch immer mit Heftschreiben unver-
haltnismäszig in Anspruch genommen; die Zahl der Hefte, welche sie,
besonders in den unteren und mittleren Classen, halten müssen, wird
sich in vielen Fällen ohne Nachtheii noch erheblich vermindern lassen.
Wie dies ausgedehnte Schreibwesen den Lehrstunden selbst einen
groszen Theil der Wirkung entzieht, welche in ihnen geübt werden
soll, so ist auch auszerdem die Lehrweise mancher Lehrer nicht ge-
eignet, den Schülern eine Uebung ihrer geistigen Kräfte zu gewähren
vnd deren Regsamkeit zu fördern. Dies ist der Fall, wenn der Un-
terricht ausschlieszlich in einem mechanischen Abfragen des Aufgege-
benen besteht, die Fragen sich immer nur an das Gedächtnis richten
und keinerlei Aufforderung und Anregung zum Nachdenken und zur
Selbstthätigkeit sowie zur Anwendung des Erlernten in sich schlieszen,
und ebenso wenig den Schülern der mittleren und oberen Classen Ge-
legenheit geben, sich im Zusammenhange auszusprechen. Dasz die
durchgenommenen Pensa und das auf früheren Stufen erlernte durch
rechtzeitige Repetitionen in lebendiger Gegenwärtigkeit erhalten werde,
kann nicht genug empfohlen werden: aber auch hiebei wird Fertig-
keit und selbständige Aneignung nur dann zu erzielen sein, wenn die
Schüler durch eine manigfach wechselnde und combinierende Frag-
162 Berichte Aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Ifotlten.
weise genothigt werden, den zn repetierenden Stoff nicht immer von
derselben Seite, sondern von verschiedenen Gesichtsponkten aus xn
betrachten.
Ueber die Mangel der Lehrmethode, -welche in den oberen Classen
nicht selten wahrgenommen werden, enthält die Instruction Tom 34.
October 1827 Erinnerungen, auf welche hinzuweisen noch immer an
der Zeit ist. Nur der Unterricht kann anf Erfolg rechnen, welcher
das wissenschaftliche Material mit stetem Hinblick auf seinen paeda-
gogischen Zweck behandelt | dieser wird verfehlt, wenn s. B. die In-
terpretation eines Autors nicht sowol darauf gerichtet ist, Termittelat
einer grammatisch genauen und das nothwendige gründlich erortemden
Erkiarungsweise in die Denk- und Anschauungsweise desselben leben-
dig einzuführen und mit dem Inhalt und Zusammenhang seines Werks
bekannt zu machen, sondern vielmehr ihn nur als einen Stoff benutzt,
an welchem die grammatischen und lexikalischen Kenntnisse der Scha-
ler zu üben und zu erweitern sind, ein Verfahren, durch welchee der
Jugend keine Liebe zu den klassischen Schriftstellern des Alterthama,
sondern Abneigung gegen dieselben in dem Masze eingefloszt wird^ daai
die Studierenden nach beendigtem Gymnasiakursus immer seltener la
ihrer Leetüre und tieferem Studium zurückkehren. Es ist darauf la
halten, dasz die Schüler häufiger als es geschieht, angeleitet werden,
den Inhalt durchgenommener gröszerer oder kleinerer Abschnitte mit
Bestimmtheit und in richtiger Folge anzugeben ; bei den griechischeo
und römischen Klassikern empfiehlt es sich, dabei auch von der latei-
nischen Sprache Gebrauch zu machen.
Ebenso wenig wie Excurse der angedeuteten Art, bei weichen der
gerade vorliegende Gegenstand aus den Augen rerloren wird, der Aof-
gabe des Unterrichts entsprechen, kann es gebilligt werden, daaz die
Lelirer nicht selten bei ihrem Vortrage und Unterrichtsplan anf das
ein;;ernhrte Lehrbuch, Geschichtstabellen usw., geringe oder keine
Rücksicht nehmen , sondern sich wesentliche Ueberschreitungen nnd
Abweichungen von demselben erlauben, so dasz es den Schülern den
beabsichtigten Nutzen, welcher besonders auch in der Vertrantbeit
mit einem Stoff von bestimmt umgrenztem Umfang besteht, nicht ge-
währen kann. Es wird dabei zum Nachtheil der Schüler verkannt,
dasz auf diesem Gebiet die sicherste Wirkung in weiser Beschrankvng
lind fester Gewohnung liegt.
Ich veranlasse die königlichen Provinzial- Schulcollegien, die be-
treffenden Directoren und Lehrercollegien mit vorstehenden Anordnun-
gen und Hinweisungen in geeigneter Weise bekannt zu machen, ond
vertraue, dasz dieselben der Beachtung und Ausführung der einzelnen
Bestimmungen ihre unausgesetzte Aufmerksamkeit widmen werden.
IT. Vom ]2n Januar. Obwol der Zweck des Abiturienten-
Prüfungsreglements vom 4n Juni 1834 durch die Circularverffi-
gung vom 24n October 1837 S. 27 — 33 näher erläutert worden ist, so
haben doch die seitdem über die Anwendung des Reglements gemach-
ten Erfahrungen gezeigt, dasz nichts desto weniger an vielen Gymna-
sien bei der Abiturienten- Prüfung ein der Bedeutung derselben ent-
sprechendes Verfahren nicht beobachtet wird. Indem ich daher die
königlichen Provinzial - Schulcollegien veranlasse, die Instruction vom
24u October 1837 den Prüfungs - Commissionen wiederholt in Erinne*
rung zu bringen, setze ich zugleich in Betreff der Ausführung des
Reglements vom 4n Juni 1834, mit Rücksicht auf die von den könig-
lichen Provinzial-Schulcollegien und den königlichen wissenschaftlichen
Prüfungscommissionen abgegebenen Gutachten, folgendes hierdurch fest:
Bei der Wahl der Themata für den deutschen und den lateinischen
Aufsatz ist strenger als bisher die in $ 14 des Reglements enthaltene
Beriehte über gelehrte Anstalten, Verordnangen, Statist. Notisen. 163
Bestimronng festzuhalten, dasz nur solche Aufgaben zu wählen sind,
welche in dem geistigen Gesichtskreise der Schüler liegen , und über
welche eine ausreichende Belehrung durch den yorcängigen Unterricht
vorausgesetzt werden kann, alles^ aber von denselben ausgeschlossen
bleibe, worüber die Abiturienten, ihrer Altersstufe gemäsz, mit eigener
Einsicht oder Erfahrung zu urtheilen nicht im Stande sind. Es ist
ferner darauf zu achten , dasz die Themata nicht zu allgemein gefaszt
werden, sondern die Aufmerksamkeit auf ein bestimmt begrenztes Ge-
biet lenken. Durch strenge Festhaltung dieser Bestimmungen wird
nicht allein den leider so häufigen Versuchen zu Unterschleifen am
besten vorgebeugt, sondern auch der Zweck des deutschen Aufsatzes,
nemlich die Ermittelung der Fähigkeit des Abiturienten, einen ihm
bekannten Gegenstand mit eigenem^ Urtheil aufzufassen, und wolge-
ordnet, in klarer, richtiger und gebildeter Sprache darzustellen, sowie
der Zweck des lateinischen^ Aufsatzes, die Ermittelung der grammati-
schen Sicherheit des Abiturienten, und seiner Fähigkeit sich lateinisch
correct und mit einiger Gewandtheit auszudrucken, dabei am sicher-
sten erreicht werden.
Bei der mathematischen Arbeit ist, unter Beobachtung der
im S 16 5 enthaltenen Bestimmung, dahin zu sehen, dasz zur Losung
der Aufgaben nicht sowol ein besonderes mathematisches Erfindungs-
talent, als eine klare Auffassung der einzelnen Sätze und ihres Znsam-
menhangs vorausgesetzt werde.
Die Fertigkeit der Abiturienten im Verständnisse griechischer
Schriftsteller kann, wie bei den lateinischen, in der mündlichen Prü-
fung genügend erforscht und^ daraetban werden ;^ dagegen eignet sich
dieselbe weniger dazu, die Sicherheit des Abiturienten in der griechi-
schen Formenlehre und Syntax zu ermitteln. Zu diesem Zwecke soll
vielmehr an die Stelle der ausfallenden Uebersetzung ans dem Grie-
chischen ein kurzes und einfaches griechisches Scriptum treten.
Dasselbe ist nicht zu einer Stilübung bestimmt, sondern lediglich dazu,
die richtige Anwendung der erlernten grammatischen Regeln zu docu-
mentieren, in welcher Beziehung der Erlasz vom Iln December 1838
maszgebend ist. Die königlichen Provinzial-Srhulcollegien sowie die
Directoren der Gymnasien werden ^enan darüber zu wachen haben,
dasz das griechische Scriptum sich innerhalb der diesem Zwecke ent-
sprechenden Grenzen halte.
Zur Anfertigung des griechischen und des lateinischen Scriptums
sind, nachdem der deutsche Text zu denselben vollständig dictiert wor-
den, je zwei Stunden zu gewähren; der deutsche Text ist den Arbei-
ten beizulegen. Der Gebrauch von Wörterbüchern oder Grammatiken
ist weder bei dem lateinischen noch bei dem griechischen Scriptum,
und ebensowenig bei der franzosischen Arbeit gestattet«
Für den lateinischen und den deutschen Aufsatz, sowie für die
mathematischen Arbeiten, sind je 5 Vormittagsstunden zu bestimmen,
die jedoch bei den beiden Aufsätzen nothigenfalls um eine halbe Stunde
nberschritten werden können. Die übrigen Arbeiten sind auf andere
Taffe so zu vertheilen, dasz, einschliesziich der nicht allgemein ver-
bindlichen Uebersetzung aus dem Hebraeischen ins Deutsche und aus
dem Deutschen ins Polnische, im Ganzen der Zeitraum einer Woche
bei dem schriftlichen Examen nicht überschritten wird. — Es ist bei
demselben darauf zu halten, dasz die Abiturienten erst dann die Rein-
schrift einer Arbeit beginnen, wenn sie dieselbe im Entwurf vollendet
haben.
])en königlichen Provinzial-Schulcollegien ist unbenommen, von
Zeit zu Zeit sämtlichen Gymnasien der betreffenden Provinz in einem
oder in allen Gegenständen dieselben Aufgaben zu den schriftlichen
164 Berichte fiber gpelehrre Ansraitcn, Verordnungen, staust. Noticen.
Prufun^ar^ eilen zu geben, und au denselben Tagen bei allen Gymna-
sien bearbt'iien zu lasi^cn; ebenso sind die Commissarien der königlichen
Provinziai-8':hulcolIegicn befugt, »ich nach ihrem Ermessen vonsnbe-
halten, das üictat zu dem lateinihclien und griechischen ScriptQm erst
bei ihrer Anwesenheit zur mündlichen Prüfung zu bestimmen and die
Uebersetzung anfertigen zu lassen. Geschieht dies nicht, so wird das
Dictat von dem betreffenden Lehrer der Prima nach eingeholter Zu-
stimmung des Directors bestimmt.
Der ausführlichen Beurtheilung. mit welcher nach § 19 des Pra-
fungsreglements die schriftlichen Arbeiten zu versehen sind, ist lum
Schlusz ein zusammenfassendes Praedicat über den Werth derselben
beizufügen. Zu dieser Werthbezcichnung sind nur die Praedieate:
«"nicht befriedigend', 'befriedigend', 'gut', 'vorzüglich' anzuwenden,
alle anderen aber, sowie ctwanige Modificationen der angegebenen,
z. B. 'ziemlich befriedigend', ' fast genügend ', 'ziemlich gat% noth-
reif und dgl. zu vermeiden. Sollte diese Bestimmung von einem der
beurtheilenden Lehrer nicht beachtet sein, so sind demselben die be-
t reffenden Arbeiten zur Beifügung des angemessenen Praedicats wieder
vorzulegen.
Die mündliche Prüfung der Abiturienten soll künftig aaf
diejenigen Unterrichtsfächer beschränkt werden, welche den sichersteB
Anlialt darbieten, die Reife derselben zu den Universitätsstndien sn
beurtheilen, nemlich auf das Lateinische, das Griechische, die Mathe-
matik, Geschichte und Religion, wozu für die zukünftigen Theologen
und Philologen das Hebraeische kommt. Sie hat hauptsächlich darauf
zu achten, ob die erforderlichen Kenntnisse ein sicherer, mit eigenem
Urtheil verbundener Besitz des Examinanden geworden, nicht eine nnr
zum Zweck der Prüfung in das Gedächtnis aufgenommene Sammlung
vereinzelter Notizen sind.
Im Lateinischen und Griechischen werden bei der mündli-
chen Prüfung aus den Prosaikern solche Stellen vorgelegt, welche noch
nicht übersetzt und erklärt worden sind, aus den Dichtern dagegen
solche, welche früher, jedoch nicht im letzten Semester, in den oberen
Classcn gelesen und erklärt sind. Der königliche Commissarins ist
befugt, die Prüfung auf die Uebersetzung und Erklärung eines prosai-
schen Schriftstellers, oder wenn zuerst ein Dichter vorgelegt worden
ist, einer dichterischen Stelle zu beschränken, wenn dadurch schon ein
hinreichendes Resultat zur Beurtheilung der Leistungen des Abitnrien>
ten gewonnen worden ist; ebenso kann er sich die Auswahl der^teHen
vorbehalten. Bei der Erklärung derselben sind geeigneten Orts ans
<!er Metrik, Mythologie, Altcrthumskunde usw. Kragen anzuknüpfen;
ebenso ist bei diesem Theil der Prüfung den Schülern Gelegenheit in
geben, ihre Geübtheit im lateinisch Sprechen zu zeigen.
Bei der mündlichen Prüfung in der Religions lehre ist hanpt-
suchlich zu ermitteln, ob die Abiturienten vom Inhalt und Zusammen-
hang der heil Schrift, sowie von den Grundlehren der kirchlichen Con-
fe.vsion, welcher sie angehören, eine sichere Kenntnis erlangt haben«
In der Mathematik haben sich die Anforderungen genau inner-
halb der Grenzen zu halten, welche der für die Gymnasien geltende
Lchrplan festsetzt.
in der Geschichte hat jeder Abiturient eine ihm von dem be-
treffenden Lehrer oder dem königlichen Commissarins gestellte Aufgabe,
welche entweder aus der griechischen, der römischen, oder der deut-
schen Geschichte zu entnehmen ist, in zusammenhangendem Vortrage
zu lösen; auszcrdem sind einzelne Fragen zu stellen, aus deren Qeant-
wortnng ersehen werden kann , ob die Schüler die wichtigsten That-
sarhen und Jahreszahlen der allgemeinen Weltgeschichte inne haben.
Berichte über gelehrte Aoslalten, Verordniiogen, stallst. Notizen. 165
Die brandeDbargisch-preosusche Geschichte tst jedesmal zum Gegen -
Stande der Prüfung zn machen. Bei der geschichtlichen Prüfung ist
stets auch die Geographie zu berücksichtigen, diese aber nicht als ein
für sich bestehender Prüfungsgegenstand zu behandeln.
Eine mündliche Prüfung in der deutschen Spraehe und Lit-
teratnr, in der philosophischen Propaedeutik, im Franzo-
siachen, in der Naturbeschreibung und Physik findet nicht
statt. Bei den fremden Maturitätsaspiranten sind dagegen auch aus
diesen Fächern Fragen zu stellen, welche sich im Deutschen an den
^ gelieferten Probeaufsatz, oder an ein vorzulegendes Lesestnck an-
schlieszen können.
IViewol darauf zu halten ist, dasz in den Gegenständen, in wel-
chen geprüft wird, jeder Abiturient seine Reife bewähre, so können
doch, um auch der individuellen Richtung Kaum zu lassen, für gerin-
gere Leistungen in einem Hauptobject desto befriedigendere in einem
anderen als Krsatz angenommen werden, zu welcher Ermäszieung der
Gesamtansprüche $ 28 litt. B. des Prüfungsreglements ausdrücklich er-
mächtigt. Namentlich soll die Compensation schwächerer Leistun-
gen in der Mathematik durch vorzügliche philologische, und umgekehrt,
zulässig sein.
Eine Dispensation ^von der mündlichen Prüfung ist nicht für
einzelne Fächer, sondern für die ganze mündliche Prüfung, Jedoch nur
in dem Falle zulässig, wenn die Mitglieder der Prüfungs-Commission
nach den früheren Leistungen eines Abiturienten und auf Grund seiner
vorliegenden schriftlichen Arbeiten ih*n einstimmig für reif erklären.
Ein Abiturient» dessen schriftliche Arbeiten sämtlich oder der
Mehrzahl nach als 'nicht befriedigend' bezeichnet worden sind, ist
von der mündlichen Prüfung auszuschlieszen , wenn die Mitglieder der
Prüfungs-Commission auch nach ihrer Beurtheiiung der bisherigen Lei-
stungen desselben an seiner Reife zu zweifeln Ursache haben.
Ob die Abiturienten ihrer schriftlich einzureichenden Bitte um Zu-
lassung zur Prüfung ferner ein cnrriculum vitae beizufügen haben,
kann dem dafürhalten der einzelnen Directoren überlassen werden. Ein
sogenannter 'Leetürebericht' ist dabei nicht zu erfordern.
In dem tabellarischen Verzeichnis der Abiturienten, welche dem
königlichen Commissarius vorzulegen ist, und den Geburtstag und Ort
der einzelnen Abiturienten, ihre Confession, den Stand des Vaters, die
Dauer des Aufenthalts auf der Schule und in Prima, sowie das ge-
wählte Facultätsstudium oder den sonstigen Lebensberuf nachweisen
mnsz, haben die Directoren in einer besonderen Rubrik auch eine
kurze Charakteristik des einzelnen Schülers beizufügen, aus der zu
entnehmen ist, ob derselbe nach seiner ganzen Entvnckinng, so weit
sie in der Schule hat beobachtet werden können, die erforderliche gei7
stige und sittliche Reife zu Universitätsstudien besitzt. Ob diese vor-
handen ist, musz unter den Lehrern in den Vorberat hungen so weit
festgestellt sein, dasz es nach Beendigung der Prüfung in der Regel
darüber unter ihnen keiner Debatte bedarf, da für die Lehrer des Gym-
nasiums das auf längerer Kenntnis des Schülers beruhende Urtheii die
wesentliche Grundlage ihrer Entscheidung über Reife oder Nichtreife
bildet, die Abiturienten > Prüf ung aber dieses Urthetl vor dem Reprae-
sentanten der Aufsichtsbehörde rechtfertigen und zur Anerkennung
bringen, sowie etwa noch obwaltende Zweifel lösen, und Lehrern und
Schülern zugleich zum deutlichen Bewustsein bringen soll, in welchem
Masze die Aufgabe des Gymnasiums an denen, welche den Cursus des-
selben absolviert haben, erfüllt worden ist.
Je mehr die Schuler gewöhnt werden, nicht in den Anforderongen,
>^elche am Ende der Scbullaufbahn ihrer warten, den stärksten Antrieb
n. Jahrb, f, PhU. M. Paed. Bd, LXXIV. Bfi, 3. 12
166 Beriohle aber gelehrte AnslalteD, YerordnungeD, Statist. Notisoa.
za Anstrengongen zu finden, sondern yielmehr ihr Interesse am Unter-
richt, ihren Fleisz und ihre Leistungen sowie ihr eittiiches Verhalten
wihrend der Schulzeit, als das eigentlich entscheidende hei dem schliess-
Jichen Urtheil üher Reife oder Nichtreife anzusehen, desto mehr wird
das Abiturienten-Examen auflioren, ein Gegenstand der Furcht au sein.
Zu den sichersten Mitteln dies zu erreichen, gehört eine angemeasene
Strenge bei den Versetzungen in den oberen Classen, an der ea oft-
mals fehlt.
Die Zulassung zur Abiturienten -Prüfung findet in der Regel erat
nach einem zweijährigen Aufenthalt in Prima statt. Wo diese Claaae
in eine Ober- und Unter-Prima getheilt ist, mö^en diese raumlich yer-
einigt oder getrennt unterrichtet werden , müssen die Abiturienten
während jenes zweijährigen Aufenthalts mindestens ein halbes Jahr der
Ober-Prima angehört haben.
Auf Grund der litt. C ^ 28 des Prnfungs - ReglemenU ist hinfort,
nach der bereits in der Verfügung vom 29n Novbr. pr. No. 31270 —
getroffenen Bestimmung, nur in dem Falle ein Zeugnis der Reife in
ertheiien, wenn die Prüfungs-Commissionen dazu ausdrücklich autori-
siert worden sind. ■
Das Abgangszeugnis hat sich nicht blosz über den Ausfall der
Abiturienten -Prüfung auszusprechen, sondern allgemein über die auf
der Schule erworbene Bildung, so dasz auch der Stand der Kenntniaae
in den bei der Abiturienten - Prüfung nicht vorkommenden Gegenstän-
den darin, je nach dem Ausfall der Ctassenexaminu , kun charakteri*
siert wird.
Die Rubriken I und II des in $ 31 des Prufungs-Reglementa anf-
gestellten Schemas der Abgangszeugnisse sind in (^ine znsammenia*
ziehen, und in derselben nicht das Talent, sondern nur der von dem
Abiturienten bewiesene Fleisz, die Art seiner Theilnahme am Unter-
richt, seine Sclbsthätigkeit und sein sittliches Verhalten zu benrtbei-
leii. — Die Unterscheidung von Sprachen und Wissenschaften fallt
weg , die philosophische Propaedcutik wird nicht mehr als besonderea
l'nt«>rrichtiifach aufgeführt, und einer Erwähnung der im Zeichnen^
(«csniig und Turnen erworbenen Fertigkeit bedarf es nicht.
Die ITrtbeile über die Beschaffenheit der Kenntnisse in den ein-
zelnen Lehrobjecten sind bei jedem derselben zuletit in ein bestimm-
tes Praedikat ('nicht befriedigend*, 'befriedigend', 'gut', 'vorzüglich*)
xusnmmonzufnsscn, so dasz in einem dieser vier Praedicate das Reaal-
tnt der Prüfung und des auf Erfahrung gegründeten Urtheiis der Lah-
rer mit Leirhtigkeit übersehen, und das Gesamtergebnis als hinlanglicli
motiviert erkannt werden kann.
Diejenigen Abiturienten, welche ein Zeugnis der Reife nicht haben
erworben können und die Schule verlassen, ist es, sie mögen
die Universität bezogen haben oder nicht, nur noch einmal gestattet
die Prüfling zu wiederholen; ea kann dies jedoch nur in der Provini
geschehen, in welcher sie das Zeugnis der Nichtreife erhalten haben.
Fremden Maturitätsasniranten ist es hinfort nicht geatattet,
s\c\\ das G,vmnasium, an welchem sie die Prüfung zu bestehen wiin-
schrn, selbst zu wählen. Dieselben haben sich vielmehr behufs der
/nlaifsiing zur Prüfung, suätestens im Januar oder im Juni su dem
rcMii. zu Oüterii oder zu Michaelis stattfindenden Prüfungstermin , je
nach dem Wohnort ihrer Kltem, oder nach demjenigen Ort, an welchem
Nie xuirtxt ihre SehulMIduiig erhalten haben, an das betreifende Pro-
vinzial-Schiilflollegium, unter Kinreichung ihrer Zeugnisse und eines
deutsch geschriebenen 'rurriculum vitae', zu wenden, und werden von
demselben , unter liorückNirhtignng ihrer Confession und ihrer ander-
weitigen VerhNltiii<tso, der Pi'üfunK<«-Commisaion eines Gymnasiums der
Bericbte über gelehrte Anstalten, Verontnufigen, Statist. Notizen. 167
Provinc sHigenvleaen. Bestehen sie die Pro fang nicht, so sind die Com-
missionen ermächtigt, sie auf eine' bestimmte Zeit so rackzu weisen. Die
in S 41 des Pröfungs- Reglements empfohlene billige Rücksicht darauf,
dasz solche Externen nicht von ihren bisherigen Lehrern geprüft wer-
den , ist häufig als eine unzeitige Milde der Beurtheilnng auch bei
jungen Leuten geübt worden, die ohne dringende Grunde, und gemei»
nigHch nur deshalb aus den oberen oder mittleren Classen eines Gym*
nasiums ausgetreten sind, um den yermeintlich Kürzeren und leichteren
Weg der Privatvorbereitung, statt des regelmäszigen Schulcnrsus, ein-
znsctilagen. Ks ist aber festzuhalten, dasz die erwähnte Rucksicht,
soweit sie bei der Bedeutung der Maturitätsprüfung überhaupt zulässig
i>t, nur für diej<*nigen Examinanden gelten soll, welche vorher kein
Gymnasium besucht haben.
Da es , behufs der Ueberfnhrnng zu der Freiheit der Studien,
welche auf den Abgang von der Schule folgen soll, von der grosten
Wichtigkeit ist, die Selbsthätigkeit der Schuler auf den obersten Stu-
fen des Gymnasialunterrichts in jeder Weise anzuregen und zu begün-
stigen, so ist es zulässig, zu diesem Ende, bei der Wahrnehmung ernst-
lichen Privatfleiszes, in geeigneten Fällen einzelnen Schülern während
des letzten Jahres ihres Aufenthalts in Prima Dispensation von ein-
zelnen Terminarbeiten zu ertheilen. Es wird besondere Anerkennung
verdienen, wenn unter den bei der mundlichen Prüfung vorzulegenden
schriftlichen Arbeiten aus dem Bienninm von Prima sich Proben sol-
cher eingebenden, von eigenem wissenschaftlichem Triebe zeugenden
Privatstudien der Abiturienten finden.
Hinsichtlich der nach S 44 des Prüfungs-Regiements an die könig-
lichen Provinzial-Scbulcollegien und demnächst an die königlichen
wissenschaftlichen Prnfungs- Commissionen einzusendenden Prufungs-
Verhandlungen, kann es den Directoren überlassen werden, statt einer
Abschrift des über die mündliche und schriftliche Prüfung aufgenom-
menen Protokolls das Original vorzulegen , welches schlieszMch , nach-
dem die beiden genannten Behörden davon Kenntnis genommen, den
betreflfenden Directoren zur Gymnasialregistratnr zurückzugeben ist.
Alle mit den vorstehenden Anordnungen nicht in Widerspruch ste-
henden Bestimmungen des Reglements vom 5n^ Juni 1834 und der auf
dasselbe bezüglichen späteren Verfugungen bleiben ffir die Prüfung der
zur Universität übergehenden Scbuler und der Mataritätsaspiranten
nach wie vor roaszgebend. Es bedarf keiner Erinnerung, dasz die
Ausführung einiger der in der vorstehenden Verfügung enthaltenen
neuen Bestimmungen eine längere Zeit der Vorbereitung erfordert, als
dasz schon bei den nächsten Matnritäts - Prüfungen mit aller Strenge
auf ihre Befolgung gehalten werden konnte, weshalb den königlichen
Prüfungs-Commissarien anheimgegeben wird, nach ihrem Ermessen er-
forderlichen Falls eine Rücksicht der Billigkeit eintreten zo lassen.
Aus demselben Grunde ist bei der zu Ostern d. J. stattfindenden Ma-
turitäts-Prufung , nach Befinden auch bei den nächsten späteren, noch
kein griechisches Scriptum, sondern wie bisher eine Uebersetzung aus
dem Griechischen ins Deutsche aufzugeben.
Personalnachrichten.
Beförderungen.
Gandtner, Jo. O., ord. Lehrer am Gymn. zu Greifswald, zum Ober-
lehrer ernannt.
Giefers, Dr., Schulamtscand., zum ord. Lehrer am Gymn. sn Pader-
born ernannt.
168 Pcrsonalnachricilten.
Heppner', Hilfslehrer, zum ord. Lehrer am Gynin. zu Conitz ernannt.
Höfig, Dr. Herrn., ord Lehrer ani Gymn. zu Krutoschin, als Coila-
burator an das Gymn. St. Elisabeth in Breslau berufen.
Hüriing, Wilh., Schulamtscand., zum ord. Lehrer am Gymn. zu
Paderborn ernannt.
Karlinski, Hilfslehrer, zum ord. Lehrer am Gymn. zu Conitz beförd.
Kirchhoff, Dietr., Schulamtscand., zum ord. Lehrer am Gymn. zu
Paderborn ernannt.
Krech, Prof. Ad. ^erd., Dir. der Dorotheenstadt. Realschule, als
Dir. der neuen Friedrich -TViihelrastädtischen höhern Lehransialt
in Berlin bestätigt.
J^ehmann, Dr. O. Gh., ord. Prof. d. Med. zu Leipzig, als ord. Prof.
der aligem. Chemie u. Hofrath nach Jena berufen.
Lowinski, ord. Lehrer, zum Oberl. am Gymn. zu Conitz befördert.
Otto, Dr., Hilfslehrer, zum ord. Lehrer am Gymn. zu Paderborn beford.
Peters, Dr., Oberl., zum Dir. des Gymn. zu Deatsch-Crone ernannt.
Pohle, Barth., Hilfsl. am Gymn. zu Trier, als Rector des Progymn.
in Prüm angestellt.
Reldemeister, Frdr. Ad., Schulamtsc, als ord. Lehrer am Gymn.
zu Nordhausen bestätigt.
Reinhardt, Dr. Alb. Theod., ord. Lehrer am Gymn. zu Greifswald,
zum Oberl. ernannt.
RÖren, Lehrer am Gymn. zu Paderborn, zum Oberl. ebenda«, beford.
Schmidt, Dr. E. E., Honorarprof. in der philos. Fac. der Univ. su
Jena, zum ord. Prof. f. Naturgesch., nam. Mineralogie n. Geogno-
sie, befördert.
Zacher, Dr. lul., Privatdoc. in Halle, zum ao. Prof. in der philof.
Facultät ernannt.
Praediciernngen:
Aiidcrssen, Dr. K. E. A., Oberlehrer am Friedrich- WiJhelmagymii. tu
Berlin, als Prof. praediciert.
Böcking, Dr. Ed., ord. Prof. in der Jurist. Fac. zu Bonn, erhielt
den Charakter als Geh. Justizrath.
Buttmann, Aug. Prorect. am Gymn. zu Prenzlau, als Prof. praedic.
Ha üb, ord. Lehrer am Gymn. zu Conitz, erhielt den Titel Oberlehrer.
Kuhn, Dr. Ada Ib., Oberlehrer am köln. Realgymn. in Berlin, aU
Professor praediciert.
Michaelis, Dr. Em. Rud., Conventual und Oberlehrer am Paedagog.
zum Closter u. L. Fr. in Magdeburg , erhielt den Titel Professor.
Vi er ord t, Hofrath und Director des Lyceums in Carlsruhe, erhielt
den Charakter als Geh. Hofrath.
Verstorben:
Am 26. Decbr. 1856 in Bern Dr. Ad. Ludw. Folien, Verf. dee Bil-
dersaals deutscher Dichtung, geb. zn Gieszen am 21. Jan. 179#.
Am 9. Jan. 1856 in Darrostadt Geh, Rath nnd Ober - Hofbibliotliekar
Dr. K. Aug. Ludw. Feder, geb. 1790 in Gottingeo.
Am 11. Jan. in Berlin K. Frdr. t. Kl öden, emer. Dir. d. stadtiicben
Gewerbschule und des köln. Realg., geb. den 28. Mai 1786.
Am 16. Jan. ebenda Dr. J o. Alb. Frdr. Eichhorn, im 77. Lebensj.,
Ton J840— 1848 k. preusz. Minister der geistlichen, Unterrichte-
und Medicinalangelegenheiten.
Am 22. Jan. zu Schleitz Dr. Joh. Heinr. Alberti, Dir. der das.
Gelehrtenschule.
Am 31. Jan. zu Basel der Prof. der Geschichte Dr. Frdr. Brommel,
vorher 1824 Privatdoc. und Lehrer am Paedagog. zu Halle.
Zweite Äbtheilung
henmsgegeben tm Rifl«lpk Dietsfk
9.
Die Religiosität und der Religionsunterricht auf den
Gymnasien.
Mit Berücksichtigung von Niese: das christliche Gymnasium. 1855.
lieber Religiosität, Christlichkeit, Kirchlichkeit der deutschen
Gymnasien ist, zamal in den letzten Jahrep, genug und mehr denn
genng gesprochen und geschrieben worden. Wenn es nur immer von
Leuten geschehen wäre , die mehr eigene Beobachtungen als wohlge-
meinte Wünsche und Rathschläge , mehr begründete Erfahrungen als
geistreiche Ideen hätten darbieten wollen, vor allem, wenn es von
Leuten geschehen wäre, deren Worte von ebenso weit umfassender
wie tief eindringender Kenntnis unserer Gelehrtenschulen, ebenso von
warmer und herzlicher Liebe für die Schulen wie von Eifer für das
Reich Gottes gezeugt hätten ! Leider ist dies nicht der Fall gewesen,
und die natürliche Folge davon, dasz die Gymnasien, so sehr ver-
kannt und so schwer verletzt, voll Unmut ihr Ohr gegen diese ewigen
Verdächtigungen verschlossen haben , und selbst manch gutes Samen-
korn nicht das rechte Erdreich gefanden hat. Denn wer kann es leug-
nen, dasz die meisten jener Urtheile so schlecht wie möglich be-
gründet sind? Sie ruhen auf Erinnerungen ans einer Zeit, die weit
hinter uns liegt; wie viel seitdem besser geworden, wie in den Reli-
gionsunterricht auf den Gymnasien ein völlig neuer Geist, neues fri-
sches Leben, und eine durchaus veränderte Tendenz gekommen ist,
davon ist den urtheilenden nichts bekannt. Und wenn die Gymnasien
selbst, was ihnen niemand verdenken kann, sich gegen neugierige
Blicke verschlieszen, und sich mit ihrer Tbätigkeit ins verborgene
zurückziehen, reichte nicht ein Blick in die betreffende Litteratur hin,
um zu sehen, welche l?ührer wir uns gewählt haben? Und wie kommt
man von Seiten der Kirche dazu , Vorwürfe über Vorwürfe auf uns
zu häufen. Es hat eine Zeit gegeben , wo die Kirche noch den diree-
testen Einflusz auf die Schulen ausübte, und die meisten Lehrstellen
/V. Jakrb, f.PüAu, Paed. Bd. LXXIV. Hft. I. 13
170 Die Religiositfit und der Religionsunterricht auf den Gymnasien.
mit Theologen von Fach besetzt waren; von dieser Seite her ist der
Same des Unglaubens in die Schulen gekommen, nicht aus den Hör-
stfleu der Philologen oder durch die wachsende Wissenschaft. Die
meisten Schüler Friedrich August Wolfs haben, wenn auch in
dem allgemeinen Sinne jener Zeit, rationalistisch, doch mit sittlichem
Ernste und tiefer Ehrerbietung den U^ligionsunterricht ertheilt und so
auf das religiöse Leben der Jugend zu wirken gesucht. Niese spricht
gleichfalls von schreckenerregenden Yerirrungen, die auf diesem Ge-
biete stattgefunden haben, warum läszt er die Quelle unerwähnt, aas
der dieselben geflossen sind?
Doch meine Absicht ist nicht, Scheltwort mit Scheltwort zu er-
widern, noch verdienten Tadel, der uns treffen möchte, oder heilsamen
Rath zurückzuweisen. Ich möchte vielmehr in die Discussionen, wel-
che sich auf diese hochwichtigen Fragen beziehen, einen andern Geist
und eine andere Richtung bringen helfen, den Geist eines gegenseiti-
gen Vertrauens und christlicher helfender Liebe, in welchem allein
gutes geschaffen und gepflegt werden kann, und die Richtung von
den allgemeinen Reden und Gegenreden und dem Streite um Principien
ins praktische Leben hinein. Auf dem Roden der Praxis ist die Ver-
ständigung zwischen getrennten gcwis nicht so schwer. Wie oft ist
CS mir begegnet, dasz Leute, die sich im Principe eins glaubten, bei
den ersten Consequenzen aus jenem Principe auseinandergiengen ! wie
oft umgekehrt, dasz Leute, die sich ,im Principe völlig einander ent-
gegenzustehen meinten, in der Praxis mit herzlicher Einheit handel-
ten! Denn die Principien scheiden, das Leben aber verbindet. Wer
gutes schafTen will, im Staat, in Kirche, in Schule, musz auf dem
Boden der Praxis stehen. Mit Schriften, die so nnsäglich weit ans-
holcn, wie die oben angeführte von Niese, und so tief in Abstractio-
nen stecken , ist für den Dienst des Herrn und für die Förderung des
Goltesreiches wenig gewonnen.
Fast alle Schriften , die hier in Betracht kommen , gröszere und
kleinere, nehmen diese Richtung auf Principien, und suchen von der
Tiefe aus zu neuen Conslructionen nnd zu neuen Systemen zu gelan-
gen. Nur einige wenige, wie die kleinen Beiträge von Wiese, grei-
fen ins praktische hinein. Auch wenn ihre Vorschlage unausführbar
sind, nützen sie doch, da sie eben praktisch anregen. Wieses Schrill
liber die englischen Schulen hat mir durch die klare nnd reine Auf-
fassung und das warme Interesse mehr genützt als manches System
der Pacdagogik und des Unterrichts.
Ich will natürlich diesen Systemen nicht in den Weg treten; iob
verdenke es keinem Systeme, wenn es mit seinen Principien nicht
weit genug glaubt ausholen zu können; ja es mnsz von jedem neuen
System der Versuch einer neuen principiellen Grundlegung gefordert
werden. Denn seine Absicht ist nicht unmittelbar auf die Praxis,
sondern auf Befriedigung eines wissenschaftlichen Bedürfnisses ge-
richtet. Es ist dagegen ein MisgrilT, wenn Schriften , die zn prakti-
scher Wirksamkeit bestimmt sind, bis auf ihre besonderen Principien
Die Religiotilftt aad der Religioasattterrieht auf den Gymnasien. 171
hinabzudringen streben. Sie verwechseln and vermischen dabei zwei
verschiedene Formen der Betrachtung und Discnssion mit einander;
sie fuhren den Leser, der ein praktisches Interesse hat, zu Abstractio-
nen, denen keine wirklichen Zustande entsprechen; sie lenken das
Interesse von dem %qa%xov iya^ov ab , auf das Aristoteles so sehr
dringt. Und sie schaden , indem dadurch gutes ungethan bleibt; sie
schaden , indem sie den Schulmann von der Mitte des Weges immer
und immer wieder an den Anfang zurQekrufen , und ihn dadurch end-
lich widerwillig und unsicher machen; sie schaden, indem sie die
historischen Gesichtspunkte verdunkeln, und das historische Recht
verkammern, was doch die Schulen wie jedes andere Institut des
Staats und der Kirche besitzen. Sie gleichen den Leuten , die , wenn
an einem alten guten wohnlichen Hause irgend ein Schaden sichtbar
ist, gleich das ganze Haus niederreiszen möchten, ohne zu versuchen,
ob dem Schaden nicht ohne Verlust des ganzen abgeholfen werden
könnte, ohne zu prüfen, ob das neue systematisch oonstruierte Ge-
bäude nicht auch seine Schaden , und schlimmere haben werde. Die
Zahl dieser construierenden Schriften ist durch Niese auf eine nicht
erwünschte Weise vergröszert worden.
Ich habe von jeher ein besonderes Vertrauen zu der geschicht-
lichen Betrachtung gehabt; denn ich habe immer geglaubt, dasz
man , wie schwach man auch im. Glauben sei , doch in der geschicht-
lichen Gestaltung eines Institutes, wie unsere Schulen es sind, etwas
von einer höheren Ordnung und Leitung erkennen werde. Unsere
deutschen Schulen sind, wie jeder weiss, nicht aus begrilHicher Re-
flexion, etwa über die Natur der menschlichen Seele, über ihre ver-
schiedenen Kräfte, über die verschiedenen Gebiete der Wissenschaft
usw. , sondern unter gewissen Suszern Einflüssen und im Drange der
Zeit entstanden; sie haben einen historischen Ursprung gehabt.
Wer wollte es in Abrede stellen, dasz unter anderen Umständen
aus ihnen hätten andere Schulen werden mögen, philosophische, rhe-
torische, dichterische, eigentlich gelehrte alexandrinische, Propheten-
schulen ! Man denke sich nur den Fall , dasz die Wiedererweckung
des Studiums der Alten hundert Jahre später, die grosze Bewegung
in der Naturwissenschaft hundert Jahre früher gekommen wäre, wie
völlig anders würden sie sich gestaltet, eine wie völlig andere Rich-
tung würden sie genommen haben! So wie die Sachen standen, lag
in der Zeit eine Tendenz auf die heilige Schrift in ihrem Urtext und
auf die ersten Zeiten der Kirche, eine jugendlich glühende Liebe für
die alten Sprachen und für die Kunst antiker Rede, eine gründliche
Abneigung gegen mittelalterliehe Scholastik, der Mangel eines ander-
weitigen groszen nationalen Bewustseins undgroszer politisch -histo-
rischer Interessen usw. Das Bedürfnis drängte. Schulen zu schaffen,
und zwar in kürzester Frist; die Reformatoren waren Männer der
frischen frohen That. So sind nun unsere Schulen entstanden, so haben
sie ihren Kreis von Lehrstoffen zugewiesen erhalten, so sind sie mit
ihrer Thitigkeit in eine ganz bestimmte Bahn eingewiesen wordeui
13*
172 Die Religiositfit und der Religionsunlorricht auf den GymnasieD.
aus <ler sie niclil leicht scilwürls ausweichen konnten. Diese Richtung
i2»t dann eine immer mehr anerkannte geworden, der sich auch die
katholischen Schulen angeschlossen haben, so angeschlossen, dasz
diese Schulen bereits ein nationales Band geworden sind. Ursprung,
Richtung, Fortgang und Entwicklung derselben sind also, ich wieder-
hole es, historisch, und man verliert das Kriterium über diesu Ent-
wicklungen, so wie deu Blick in die Zukunft, wenn man diesen histo-
rischen Standpunkt aufgibt. Selbst ein Mann wie Karl v. Raum er,
den ich und jeder zu den besten Namen zählt, hat diesen Standpunkt
nicht gany. ungestraft aufgeben können.
Wie grosz Raumers Verdienst um die Geschichte unserer Pae-
dagogik sei, weisz jeder: er hat ein ungeheures Material überwältigt
und in seinen Besitz gebracht; er hat die trockensten und unerquicklich-
sten SlolTe mit idealer Anschauung und tiefer Empflndung belebt; er
hat einen Mittelpunkt, auf den er die verschiedenartigsten Erscheinun-
gen coneenlricrt: — und doch verliert sich sein Werk, wo es die
(jic^^enwart berührt, wie ein Strom im Sande, und läszt keine grosze
Ueherzcugung zurück, welche in die Zukunft hineindringen möchte.
Der (irund hievon ist, dasz es diesem Werke doch, wie lebendig,
schön lind wahr auch einzelnes erfaszt ist, doch an dem groszen histo-
rischen Blicke fehlt, welcher die höhere Ordnung, die Nothwendigkeit
und das Gesetz im Wechsel erkennt ^ das viele in seiner Einheit und
Ganzheit anschaut, inmitten der Abweichungen die dauernde und
gleiche Richtung festhält, und aus der Vergangenheit die Zukunft er-
wachsen sieht. Hieraus erklärt sich, j) dasz die Abweichungen bei
ihm mehr Beachtung finden, als die grosze Einheit und Consequens in
unseren Schulen. Es ist viel weniger Schwankung in denselben ge-
wesen, als man nach Raumer schlieszcn müste. Die Oberfläche hat
zwar oft grosze Wellen geschlugen, aber der tiefe Strom ist doch
seinen ruhigen Gang gegangen. Die Notizen, von vielen Schulen
gcsummell, Icuschon leicht das Urtheil, und lassen etwas als substan-
tiell und dauernd erscheinen, was nur accidenliell und vorübergehend
ist. Man mnsz vielmehr den Gang einzelner Schulen verfolgeii,
wozu jelzt immer reicheres Material sich darbietet. 2) hat v. R., dem
entsprechend, grösseres Interesse für Personen, welche in einer Fälle
eigener Individualität ihren eigenen Weg gegangen sind, als für die-
jenigen, welche mit Beharrlichkeit die alte Richtung festgehalten oder
auch neue Lebensströmung in dieselbe gebracht haben. Ich habe Nei-
gung und (Gelegenheit gehabt, mich in alten Schriften aus Schulen and
über Schulen zu ergehen, von Michael Neander bis Geflike; es ist
leicht möglich, dasz ich bei diesen Studien eine Vorliebe für die
alten Sclnilen mit hergebracht habe; aber auch so bin ich überzeugt,
dnsz in unsern Schulen eine Consequenz und feste Beharrlichkeit xa
erkennen sei, von der diejenigen, welche so leicht Systeme aufbaaeu,
nicht die entfernteste Ahnung zu haben scheinen.
Als Beleg, wohin dieses abgehen von der Geschichte mir xu füh-
ren scheine« lege ich noch den Vortrag des Director Krämer in
Die Religiositit and der Religionsonlerrlelit auf den Gymnasien. 173
Halle vor, welcher sich auf Augnst Hermann Franc ke bezieht. Ich
bin weit entfernt, den groszen Verdiensten Franekes, sei es als
Seelsorgers nnd Pflegers der armen , sei es als Theologen , das ge-
ringste za entziehen ; ich erkenne auch eben so gern an, dasz in ihm
als Schalmann eine Saite klingt, welche bei yielen Zeitgenossen ver-
stummt war ; aber ich bin doch nicht der Ansicht, dasz er ohne wei-
teres als das Ideal eines Paedagogen hatte hingestellt werden sollen.
Ein sehr christlicher Mann kann offenbar ein sehr schlechter Staats-
mann, ja selbst ein sehr schlechter Geistlicher sein: die Richtnng auf
eine lebendige Christlichkeit macht offenbar allein fflr sich noch kei-
nen Paedagogen von Distinction. Und in der That mosz man doch ein-
sehen , dasz Franekes Thitigkeit eine durchaus dem snbjectiven zuge-
kehrte gewesen ist. Er hat in Methode des Unterrichts nichts neues
geleistet und steht weit hinter der energischen nnd schöpferischen
Thätigkeit des Arnos Comenius in dieser Beziehung zurück. Er hat
auf dem Paedagogium dem Realismus und den feinen Kflnsten des Le-
bens, den Anforderungen der vornehmen Gesellschaft Raum gegeben,
mehr als billig ist, and ist dadaroh der Vater der Philaathropine uad
des Kosmopolitismus geworden, während er mit seiner groszen Aucto-
rität sich mehr als ein anderer dem modernen Wesen hStte entgegen-
stellen sollen. In seiner Disciplin liegt gleichfalls dies subjective:
mehr die Richtnng auf den einzelnen, als die Erzeugung eines starken
objectiven Geistes, von dem der einzelne getragen und gehalten würde.
Dabei ist darin etwas befangenes und Sngslliches, was den Trotz und
Hohn der Jugend herausfordern musz. Offenbar hat er es auch nicht
auf paedagogische Auszeichnung abgesehen gehabt, die mit der Ein-
richtung seines Lehrerpersonals, freilich durch die Noth geboten, un-
vereinbar gewesen wäre. Denn diese paedagogische Richtung würde
ihn getriebeu haben, auf Bildung eines Lehrerstandes zu arbeiten, wie
Friedrich August Wolf es gethan hat, und mit welchem Erfolge!
Das ^ine, was allen Noth thut, hat Francke gehabt, ein von lebendigem
Glauben erfülltes, von allen christlichen Tugenden geschmücktes Herz,
and die Darstellung dieses ^inen in Wort und That bleibt immer ein
ansterbliches Verdienst; in anderen Beziehungen aber hat sich Francke
weniger ausgezeichnet. Zu einem solchen unbefangenen Urtheil würde
Kramer gelangt sein, wenn er Francke im historischen Flnsz, so
zu sagen, betrachtet hätte, statt dasz er ihn aus der groszen Strö-
mung herausreiszt, und nun in dieser Isoliertheit zu einem paedagogi-
schen Ideale, die eine Seite an ihm zum Kriterium für ein ganzes
macht.
Halten wir für jetzt nun dies fest, dasz unsere Schulen eine
wirkliche Geschichte haben, dasz in dieser Geschichte ein sehr siche-
rer Gang zum Vorschein kommt, der in sicherer Richtung auf ein be-
stimmtes Ziel gerichtet ist, dasz von diesem Gange gewisse Abwei-
chungen gemacht werden, aber ohne jene Richtung alterieren zu kön-
nen, ja dasz man nach vorübergehenden Versuchen, andere Wege
einzuschlagen, immer wieder auf den alten zarfickgekehr» ist, dasz
174 Die Religiosität and der Religionsnntemoht aaf den Gnunsien.
also, wer den Schalen helfen will, nicht neae Systeme bringen , son-
dern an das geschichtliche anknüpfen, dasz die Vergangenheit
uns eine Zukunft gründen müsse. Es ist, wenn dies nur feststeht,
schon ein bedeutendes gewonnen. In der Schrift Nies es ist von die-
ser geschichtlichen Erörterung und Auffassung keine Spur anzatreffan,
obwol die alte Pforte mit ihren reichen historischen Erinnerongen
gerade ihm die edelsten Stoffe würde dargeboten haben.
Das Gymnasium, hiermit beginnt Niese, ist eine Schule für die
Wissenschaft; die wissenschaftliche Bildung der Jugend ist
seine charakteristische Aufgabe; wer für die Gymnasien etwas than
will, musz für die Wissenschaft Sinn und Interesse haben. Dem-
nach ist nothwendig zu fragen, was Wissenschaft sei; sodann, wel-
ches ihre Objecte seien. Als diese stellen sich Gott, die geistige und
die natürliche Welt dar. Es liegt nicht in unserer Willkür, eines die-
ser Objecte hinwegzuthun , so lange die Gymnasien Schulen für die
Wissenschaft bleiben sollen. Mit diesen drei Objecten nun musz der
jugendliche Geist gleichzeitig beschäftigt, und innerhalb der für jedes
Lebensalter geeigneten Grenzen damit vertraut gemacht und seine
Liebe dafür entzündet werden, so dasz der Schüler nun mit eigener Kraft
darin weiter zu streben Kraft und Lust besitze. Denn das Privat-
studium ist es, was die Gymnasien von anderen Schulen unterschei-
det, ohne Privatstudium würden sie aufhören Gymnasien zu sein. Dies
der Inhalt des ersten Abschnitts (der 2o handelt vom Chriates-
thum, der 3e von dem christlichen Gymnasium), bei dem wir
ein paar Augenblicke stehen bleiben müssen.
Der Name Wissenschaft hat einen sehr guten Klang, zumal in
Singular, und der Ausgang des Vf. von der Wissenschaft dürfte ihm
manchen Leser gewinnen. Ich glaube gleichwol, dasz wir ihm für die
hohe Ehre, welche er uns erweist, zu danken haben. Sie kommt uia
nicht zu; sie bringt uns aus unsern schlicht bürgerlichen Verhiltttia-
sen in andere, die uns viel kosten und nichts einbringen. .Unsere Vor-
fahren in Kirche und Schule sind viel einfacher gewesen. .In der Ord-
nung der Schweriner Fürstenschule (1559) heiszt es: ^Scholastiei
uostri in ludo tria discunto, pietalem^ mores ei lilteras.* Und hiaranf
ist in der That die Praxis jener Zeit gerichtet gewesen, dasz die Soho*
laren in christlicher Zucht und Sitte zu Gehorsam gegen Gott vnd
Menschen aufgezogen würden, demnächst dasz sie etwas lernten, was
sie in Kirche, Stadt und Staat brauchen könnten, oder za ihrem eig^
neu besten und Ehre, endlich dasz Frische und tüchtige Kraft Leibes
und der Seelen in ihnen erweckt, gefördert und gebildet würde. Lu-
ther hat von Wissenschaft und dergleichen nieht viel geaproehen ;
dagegen hat er gesorgt, durch die Schulen feine und geschickte
Leute zu bekommen, die Land und Leute wol regieren könnten, nnd
hierbei auf das Beispiel der Römer und Griechen hingewiesen , welche
die jungen Knaben und Mädchen lieszen mit solehem Fleisz und Ernst
erziehen ; dessen zu geschweigen , dass das Evangelium und die reine
Lehre nicht könne behalten werden, wenn man die Sprachen llahren
Die RaligiotiUil sid der Religionsunterriolit taf den Gymsuieo. 175
liesze, und nicht far die Schnlen etwas rechteg thftte. Wie maszvoU
sind ansere Vorfahren in ihrem streben gewesen, wie fest haben sie
ihren Blick auf das praktische gerichtet, wie sehr haben sie sich ge-
mäht, im kleinen tüchtig zu sein, und wie sehr sind sie dadurch die
Werkzeuge für groszes geworden : welches Geschlecht ist aus ihren
Schulen hervorgegangen! So wie hiergegen ein Einspruch sich er-
hebt, wird sofort diese Sphaere des praktischen verlassen, und das
Auge höher hinaufgerichtet, sei es die Wissenschaft, wie hier Niese
thut, sei es die Weiterbildung des menschlichen Geschlechts, sei es
die Erfüllung des Menschenberufes für jeden einzelnen u. dgl. wie
dessen bei Amos Comenins zu lesen ist. Und so wie wieder in die
alte Bahn eingelenkt wird, kämpft Friedrich August Wolf wie-
der dafür, dasz der Unterricht erst auf der Universität wissenschaft-
lich sein dürfe, dasz er auf Schulen dagegen vorbereitend, allgemein
bildend und elementarisch sein müsse, und bezeichnet darnach das
Masz der Disciplinen , welches für die Schule gehöre. Hierauf Uuft
auch die Ansicht der gebildeten englischen Schulmänner hinaus. * Wenn
man Unmöglichkeiten wünschen dürfte, sagte einst Arnold, so
möchte ich wünschen, dasz meine Kinder in physischer Wissenschaft
wol erfahren sein möchten, aber in schuldiger Unterordnung unter die
Fülle und Lebendigkeit ihrer Erkenntnis sittlicher Dinge. Allein dies,
glaube ich, kann nicht sein, und die Physik, wenn sie überhaupt stu-
diert wird, scheint zu grosz, nm iv nuQi^yip studiert zu werden. Ehe
ich sie daher in meines Sohnes Seele die Hauptsache sein lasse, wollte
ich lieber, er dächte meinetwegen, dasz die Sonne um die Erde läuft,
und die Sterne lauter Goldflitterchen sind, in das helle blaue Firma-
ment gesetzt.' Gewis ist das ^ine, was einem Christen und Engländer
Noth thut, christliche nnd moralische und politische Philosophie. Und
in diesem Sinne werden wir nicht müde, darauf zu dringen, dasz man
sich endlich einmal nicht mehr Kenntnisse, sondern Kraft, nicht
mehr die Wissenschaft, sondern ein tüchtiges können zum
Ziel setze. Wodurch anders als durch diese vornehme Richtung auf
die Wissenschaft ist das blasierte Wesen in unsere Schule gekommen,
und ein in Gesinnung so elendes, in Glauben so verdorrtes, jeder
edlen That so unfähiges Geschlecht daraus hervorgegangen? Es ist
keine einzige Disciplin, die nicht darunter gelitten hätte. Unsere Schü-
ler wissen von der Idee eines sophokleischen Stückes zu schwatzen,
und stoszen bei dem kleinsten Stein . an ; denn dasz sie ein kritisches
Urtheil in den trivialsten Dingen haben sollten, daran ist erst recht
nicht zu denken. Sie besitzen ohne Zweifel schöne grammatische,
synonymische Kenntnisse, aber sie kauen in die Federn, wenn sie
rasch ein paar Worte über Pyrrhus and Hannibal schreiben sollen ;
denn von Versen ist ja fast nirgends mehr die Rede. Und so ist es in
allen Dingen. Wir Schulmänner erfahren es alle Tage, wie die Jugend
froh und frisch mit einstimmt, wenn wir das können zu vollen nnd
verdienten Ehren bringen. Die ganze Schule von Sexta an bis znr
Primi herauf bekommt, wie mit einem Ruck, ein anderes AnseheB«
176 Die Religiositfit and der Relig^oiuaiiterricht aar den Gymnasien.
wenn ihr Angesicht dahin gekehrt ist. Dasz ich aus dem Leben nnd
aus der Praxis spreche, wird man jedem meiner Worte ansehen, in-
gleichen, dasz es mir am das Leben und um die Praxis zu thun ist.
Ist nun aber das Wort Wissenschaft ein solches Wort, das
nicht in unseren Kreis gehört, so gehört es, wo es sich um die Reli-
gion handelt, erst recht nicht hierher. Ich frage auch hier wieder bei
nnsern Vorfahren, und zwar der guten Zeit, an, bei denen, die des
protestantischen Glaubens voll waren, nicht bei denen, die eine eigene
Frömmigkeit nnd subjectives Wesen an die Stelle des kirchlichen
Glaubens und Lebens setzen wollten. Wer sollte nun nicht erwarten,
dasz in jenen Zeiten der Religionsunterricht einen hervorragenden
Platz werde eingenommen haben? Es ist durchaus nicht so gesche-
hen. Bei weitem das überwiegende ist, dasz in den untern Klassen
der Katechismus Lutheri zuerst deutsch, dann lateinisch getrieben
wird ; hierauf folgen die Evangelien erst lateinisch , dann griechisch ;
ingleichen ein oder der andere panlinische Brief, an die Römer oder
an Timotheus. Dies ist das wesentliche und allgemeine. In einigen
Schulen hat man dann doch noch einen Unterricht in den symbolischen
Büchern oder über den Lehrbegriff der protestantischen Kirche dazu
gethan, auch wol eine Katechese von einem der namhaften Theologen
jener Zeit: Melanchthons loci, die symbolischen Bücher, in Prenszen,
aber auch sonst in Norddeutschland Wigandi Corpusculum, Kateche-
sen von Melanchthon, Chytraeus, Urbanus. Von einem eigentlich
dogmatischen Religionsunterricht, von einer Religionswissenschaft isl
gar nicht die Rede. Ja es gab Schulen, wo des Religionsunterrichtes
in der obersten Klasse gar nicht gedacht wird, und wo derselbe sicher
ganz weggefallen ist, so in Z e i t z eine Zeitlang, so in der G fl s t r o w e r
Schulordnung von 1602. Es fehlte nicht an Stimmen , welche diesen
Unterricht noch mehr beschränkt wissen wollten : ^ Etliche Schulmei-
ster wollten eitel heilige Schrift lesen , etliche ganz keine.' Hiermil
ist nun zu vergleichen Niese S. 84: ^Die evangelische Lehre ist einer
wissenschaftlichen und aus einem Punkte ihren ganzen Inhalt ableiten-
den Entwicklung fähig. Unter allen Lehrgegenständen des Gymnasiums
ist keine so geeignet, selbst die Mathematik nicht, dem Schüler ein
klares und lebendiges Bild dessen, was im deutschen Sinne Wissen-
schaft zu nennen ist, in sein akademisches Studium nnd auf seine
ganze künftige Lebenslaufbahn mitzugeben. Wenn dem Schüler gesagt
wird, dasz das Christenlhum der Wahrheit nach das höchste sei, dann
mnsz ihm anch gezeigt werden , dasz es der wissenschaftlichen Dar-
stellung nach das vollkommenste sei asw.' .
Jedermann fragt, wie jene Erscheinung bei unseren Vorfahren
zu erklären sei. Ich will dazn einige Andeutungen geben, l) Jene
Schalen standen an sich mit der Kirche in allerengstem Connex, nnd
empfiengen von der Kirche her viel mehr religiöse Stoffe, als die ansri-
gen daher beziehen. Die Schule gehörte in die Kirche , das war der
Grundsatz jener Zeit, der gerade so fest stand wie das Einmaleins.
Sie war beim Gottesdienste an Sonn- und Wocheutagen, sie wohate
Die Relifiotitit mid der ReligionsimteiTiobt auf den Gymnasiea. 177
den LeicheDbegrSbnigsen nsw. bei. Non weiss jeder, wie die Predig-
ten jener Zeit beschaffen waren: nicht sowol erbaalich und das Gemüt
bewegend, als dogmatisch-polemisch und voll gelehrten Inhaltes. Von
dem Inhalt dieser Predigten musten die Schaler wol schriftliche Rela-
tionen machen. 2) Das ganze Leben der Schule war ein Leben ron re-
ligiöser Haltung. Ein Haupttheil des Unterrichts war der Gesang, and
zwar mit kirchlicher Tendenz. Die ersten Nachmittagsstnnden waren
ihm gewidmet, und zwar zwei praktisch, zwei theoretisch. Der Can-
tor stand daher dem Rector zunächst zur Seite. Man kann an man-
chen Schulen, z. B. in Stralsund, in Schwerin, rerfolgen, wie die Gel-
tung des Cantors sinkt, bi^nan ihn endlich zum technischen Hfllfs-
lehrer macht oder ganz aus der Schule entläszt. Welche ungeheure
Ironie! Dann begann der Unterricht alle Morgen mit Andacht. Die
Schaler, grosz und klein, kamen im Saale znsa|[yen: man sang das
* Veni sancte Spiritus ', man betete den Morgensegen, dann wurde ein
Hauptstack aus dem Katechismus gelesen, lateinisch und deutsch;
hiermit .verband sich auch wol ein Theil der tabula dome^ica^ der
christlichen Haustafel. Weiter sang man zum Schlusz der Schnle
etwa das deutsche Benedicite, Mittags das Gralias^ Abends Da pacem
oder Nunc dimiuis. Hierdurch kam gleichfalls viel Stoff aus der Re-
ligion ins Leben. 3) Vor allem ist nun einer Einrichtung zu erwäh-
nen, die ich zurackführen möchte. Der Sonnabend war nemlich eine
Art Vorfeier für den Sonntag. Es wurden etwa wol noch die schrift-
lichen Arbeiten der Schüler, eine Epistola oder ein Carmen, durchge-
sehen ; übrigens ruhten die gewöhnlichen Lectionen : er war, wie wir
sagen würden, dem Religionsunterrichte gewidmet. Es wurde das
Evangelium des nächsten Sonntags gelesen: lateinisch, griechisch,
kurz erklärt, nicht erbaulich, nicht dogmatisch, sondern nur wörtlich;
denn die tiefere Behandlung behielt sich die Kirche vor. Wir be-
sitzen noch Commentare z. B. von Bngenhagen,die ganz innerhalb
jener Schranken sich halten. Dann hatten die Klassen zwei, drei Stran-
den nach einander Religion. Etwa zuerst den Katechismus, dann
wurde eines der Evangelien, dann eine panlinische Epistel gelesen.
Wenn der Lehrer katechisierte , so geschah es ganz sprachlich. Im
Verlaufe der Zeit hat man dann die Lesung der heiligen Schrift zu-
rück- und dogmatisch -polemische Schriften etwas mehr hervortreten
lassen. — Um einen Beleg zu geben, wie die Katechese geschah, so
lautete dieselbe etwa: quid deuM? quot personae divinitatis? quot
naturae in Christof quid lex? quid peccatum? quid evangelium?
quid iustißcatio? quid grgtia? quid flde$7 etc. Weiter wird verord-
net, dasz die Epistel an die Römer nur schlecht grammatice exponiert
werde absque commento, allein dasa die dispositio rhetorice ange-
zeiget, und die deflnitiones theologicae mit etlichen argumentis con-
Irariis repetiert werden, so weit und fern es der gegenwartige Text
gibt. Ueberall wird darauf gehalten , die Evangelien und die Episteln
kurz and deutlich zu lesen sine annotationibus. Kirchner
178 Die Religiosität und der Religionsunterricht auf den Gymnasien.
konnte mit Recht sagen, der Religionsunterricht in den beiden oberen
Klassen sei philologisch gewesen.
Ich denke, auch dies könne als ein sicheres Resultat betrachtet
werden, dasz unsere Vorfahren den wissenschaftlichen Unter-
richt in der Religion mit vollem Bewustsein zurückgewiesen haben,
und es ist wenigstens nicht gerechtfertigt, jetzt das wissenschaftliche
in dieser Disciplin mit solchem Nachdrucke hervorzuheben, als ob
das Gymnasium erst hiermit in Wahrheit seine Aufgabe löse, dem
Christeuthum seine volle Anerkennung zu zollen, es iu seine unge-
schmälerten Rechte einzusetzen , und so den Begriff eines christlichen
Gymnasiums zu erfüllen, wie Niese ma^, Schlieszen wir uns viel-
mehr mit unseren Wünschen an die alten Schulen an, und zwar xa-
nächst in Bezug auf den Unterricht, so ergibt sich, dasz der Kaie-.
chismus Luthers .für die unteren und mittleren Klassen eine stehende
Lection bleiben müsse, wobei ich ganz und gar nichts dagegen haben
würde, wenn man dem deutschen Katechismus den lateinischen
zur Seite treten liesze , damit die kirchliche Fassung des Ausdrucks
nicht ganz unbekannt bliebe. Unsere Vorfahren haben darauf gehal-
ten, offenbar in der Meinung, dasz der lateinische Ausdruck histori-
schen Halt und begriffliebe Schärfe mit kirchlicher Dignität verbinde.
Doch hierauf lege ich nicht so viel Gewicht, um schon jetzt hierauf
die Debatte hinzulenken. Mit dem Katechismus aber mnsz anch die
Bibel selbst iu die Hand genommen, und die Bibel gelesen wer-
den. Dies Bib olles en erscheint mir als eines der wichtigsten B&*
dürfnisse auf unseren Schulen, und als ein Bedürfnis, welches jetzt
so gut wie ganz unbeachtet gelassen wird. Die Unkenntnis der Bibel
ist in der That ganz unglaublich. Was Lehmann in Greifswald vor
kurzem in der Zeitschrift für das Gymnasialwescn (1855. März. S.
236 ff.) gesagt hat, ist gar nicht übertrieben. Wie die Sachen jetit
stehen, wo in Sexta und Quinta meist ein Buch biblischer Ge-
schichten in der Hand der Schüler ist, hat der Schüler während
dieser 2 — '6 Jahre keinen Anlasz die Bibel selbst in die Hand zu neh-
men, während einer Zeit, wo die Bibel noch mit voller Macht ihm
ins Herz dringeu könnte. Denn die Gegenstände des Unterrichts sind
hier noch einfach; ein grosser Theil der Lectionen ist mehr mecha-
nischer Natur ; so wie der Knabe aus den biblischen Geschichten her-
auskommt, was bei seinem Eintritt in Quarta zu geschehen pflegt, so
drängen so viel neue, so schwierige, und so unbedeutende Discipli-
nen an ihn heran, dasz seine Seele hierdurch sehr occupiert wird,
und für das eifrige und begeisterte BHiellesen fast die Zeit vor-
über ist. Die Folge davon ist: die Bibel ynrd ein unbekanntes Buch.
Die Jugend erleidet dadurch einen unheilbaren Schaden. Die bibli-
schen Geschichten würden, vielleicht mit weniger Bequemlichkeit, ann
der Bibel selbst genommen werden können, wie viele von uns sie
aus der Bibel selbst genommen haben. Was etwa hierbei Schaden
erlitten würde, könnte ersetzt werden; jener Schaden ist nicht wie-
der gut zu machen. Ich betrachte es als einen Segen für mein ganxes
Die BeliiriosiUll md der Religrionsnntenieht tof den Crymnasieo. 179
Leben, dass ich in meiner Kindheit anf ftuszertl wenige Bücher, unter
andern die Bibel, beschrankt war, und so, selbst nm der Beschäftig
gnng willen, dieselbe wiederholentlich durchgelesen habe. Dieser Se-
gen geht unserer Jugend r ö II i g verloren. Die biblischen Geschich-
ten haben die Bibel verdrängt. Ich halte es für höchste Zeit, dass
die Bibel wieder der Jugend in die Hand gegeben werde.
Ich habe hierzu noch einen anderen Grund. Otto Schulz hat
zwar seinen biblischen Geschichten eine Anweisung zum Gebrauche
beigegeben; ich habe indes noch nicht viel Lehrer gesehen, die das
Buch wirklich hätten gebrauchen können. Die einen machen daraus
eine Lection im deutschen lesen; die andern benutzen es zu einer
völlig mechanischen Gedächtnisübung, die man mit Unrecht Religion
nennt. Geschickte Lehrer haben es in der Stunde gar nicht brauchen
lassen, sondern es zur Wiederholung verwandt, und in der Stunde
selbst vorgezogen frei zu erzählen. Und so ist es auch am besten,
wenn man nicht lieber zur Bibel selber greift. Die Bibel ruft eine
viel gröszere Ueberlegung, ja ein Studium des Lehrers auf, gestattet
ihm aber auch andererseits viel freiere Bewegung. Meine Ansicht
freilich ist, dasz das Bibellesen die Hauptsache sei, in welchem die
biblischen Geschichten dann als die lieblichsten Partien von selbst
Ang und Herz des Knaben fesseln werden.
Unsere Vorfahren hatten dieses Bibellesens nicht so Bedürfnis.
In den Kinderschnlen wurde fast nichts gethan als Bibel gelesen, was
jetzt dort auch durch die lieben Kinderfreunde u. dgl. mehr verdrängt
ist. So dann kam 'das häusliche Bibellesen dazu, was jetzt auch
bei gläubigen Familien ganz auszer Brauch gekommen ist. Daher
kan^es, dasz in den Particularschulen hierauf weniger gesehen
wurde, sondern dasz man sich hier gleich an die lateinische nnd
später an die griechische Bibel machte, etwa so, wie Niese räth,
die Lesnng des griechischen Urtextes schon in den mittleren Klassen
eintreten zn lassen. Hiergegen musz ich mich nun durchaus erklären,
wenn auch gerade hier Niese sich mit den Reformatoren in Einklang
befindet. Denn l) ist Oberhaupt nieht eher zum griechischen Text
überzugehen, ehe der Schüler die deutsche Bibel kennt. Die fremde
Sprache leitet das Interesse leicht anderswohin ab, auf sprachliche
Dinge. Das spätere Leben aber fordert bei jedem, der nicht Theolog
wird, dasz er die deutsche Bibel im Herzen trage. An sie schlie-
szen sich die Controversen des Tages, mit ihren Begriffen und Aus-
drücken wird polemisiert; sie hat er zu vertreten, ihren Misbrauch
abznweisen. Ich habe daher für die oberen Klassen mir eine solche
Lesung der deutschen Bibel als Pensum gewählt, mit der Apostelge-
schichte begonnen , und die panliniscben Briefe da eingeschoben , wo-
hin sie gehörten. Ich habe mögliehst gelehrte Erörterungen vermie-
den, hauptsächlich auf das praktische hingearbeitet, dasz die Schüler
Im groszen und ganzen den Inhalt der apostolischen Geschichte in
sich aufnehmen, die Verhältnisse der ersten Kirchen kennen lernen,
den Krelf panlinischer Ideen und Begriffe verstehen, vor nlleai aber
180 Die Religiosität and der Religionsonlerrioht aaf den GymiMsien.
das Wort Gottes empfinden möchten. Diese Lection ist mir nicbt
leicht geworden, aber sie hat mir tiefe Freude gebracht, and ist,
denke ich, den Schülern segensreich geworden. Ger lach hat mir
dabei treue Dienste gethan, obwol er bald mehr bald weniger bot,
als ich brauchte. In Summa ist dies foslzuhalten , dasz nicht eher an
den griechischen Text gegangen werde, ehe die Bibel Lathers dem
Schaler zum Eigenthum geworden ist. 2) ist die griechische Sprache
den mittleren Klassen noch nicht bekannt genug, um ein Buch des
N. T. im Urtext zu lesen. Abgesehen hiervon ist es beim Gebrauch
des griechischen Textes nicht möglich viel zu lesen. Was will es sa-
gen, wenn Niese im Laufe eines Jahres in Prima den Römerbrief, in
Obersecunda den 1. Brief Petri griechisch liest, während die ganze
Bibel dem Schüler zugeführt werden sollte ! In der Tertia von Pforte
habe ich übrigens keine Lesung des griechischen N. T. angetroffen.
Die Praxis würde übrigens binnen kurzem die Theorie bald za Paaren
getrieben haben.
lieber die Yertheilung der Bibellectüre an die verschiedenen
Klassen bitte ich ein andermal meine Erfahrungen mitlheilen zn dür-
fen. Im allgemeinen bemerke ich jedoch, dasz ich, nachdem in Sexta
und Quinta die Bibel in denjenigen Partien, welche das betreffende
Lebensalter interessieren , gelesen ist, also das Alle Testament etwa
bis Davids Tod, in Quarta uud Tertia die historischen Bücher des A.
und N. T. den Stoff der Leetüre geben werden, für Seeunda und Prima
dagegen die didaktischen, poötischcn und prophetischen Schriften la
reservieren sind. Für Psalmen und Propheten ist eine Tertia noch
nicht empfänglich; der Evangelist Johannes aber ist mit wenigen Aus-
nahmen viel leichter zu lesen, als irgend einer der paulinischen Briefe.
Uebrigens ist hierfür das schöne Buch des Schulrath Landfermann
noch lange nicht genug benutzt worden.
lieber das wie des lesens musz ich noch ein Wort hinzufügen.
Es ist in der protestantischen Kirche von jeher eine doppelte Hieb-
tung gewesen, die eine auf die Bildung eines objectiven Bewustseins
in religiösen Dingen, eines festen, geschlossenen, unantastbaren
kirchlichen Glaubens, einer hierdurch unterstützten objectiven d. h.
auf das wirkliche Verstfindnfs des göttlichen Wortes dringenden In-
terpretation, eines in gleicher Objectivitfit, der jeder einzelne anter-
geordnet ist, geformten kirchlichen Gemeinde- und Familienlebens,
— die andere auf die subjective Entscheidung in allen diesen Dingen.
Offenbar haben diese beiden Richtungen sich gegenseitig zu dnreli-
dringen und zu beschranken, damit einerseits das Recht der Person,
andererseits die Geltung der Kirche gewahrt, einerseits die religiöse
Erstarrung, andererseits das wilde und zuchtlose auseinanderfahren
der Subjectivitäten vermieden werde. Das vollkommene christliohe
Leben und Glauben ist dasjenige , in welchem zwischen diesen beiden
Tendenzen das Gleichgewicht vorhanden ist, in der Praxis aber wird
man leicht die eine oder die andere vorwiegend finden; ja es ist niolil
zu vermeiden , dasz ein sehr frommer und glaubiger Christ oft glaubt,
Die Religiositit und der ReligioDsanterriolit aaf deo Gymnasieo. 181
die eine de^ beiden mit aller Energie festhalten zn mQssen, wenn er
glaubt, dass die gröszere Zahl seiner Mitchristen sich in die entge-
gengesetzte Kichtang werfe. Ich will offenherzig genug sein, za be-
kennen, dasz ich mich dem objeclivon in der Kirche zuwende; viel-
leicht weil mich mein Lehramt und meine Lehrererfahrnng dahin ge-
wiesen hat, auf die Darstellung des christlichen Glaubens als einea
objecüven zu halten. Ich bin daher geneigt, von der andern Richtung
grosze Gefahren für die Kirche und für das religiöse Leben des ein-
zelnen, wie für das Reich Gottes, zu besorgen, und die Aeuszerungeo
des subjectiven christlichen Gemütes für menschliche und insofern,
dem gölllichen gegenüber, eben nur als menschliche zu schätzende
zu halten. Das heiszt, wenn ich unter den Lehrern der Kirche mir
Anctoritälen suchen sollte, so würde ich lieber die Hutter, als die
Spener, die Hollatz lieber als die Francke wöhlen. Dies Gest&ndnia
ist, glaube ich, ganz offen und unverfänglich. Hieraus wird man
schlieszen, dasz ich dem subjectiven verfahren in der Erklärung der
heiligen Schrift durchaus entgegen bin. Dieses verfahren hat vor
kurzem durch Kurtz eine grosze Auctorität erhalten, um so mehr
musz man diese Methode bekämpfen. Die Art und Weise, wie Kurts
z. B. die tiefere Bedeutung der Wunder zu erfassen sucht, ist, wenn
sie überhaupt eine Wahrheit oder selbst auch nur einen wissenschaft-
lichen Schein hat, für die Schule und für den Unterricht absolut ver-
werflich. Man betrachte z. B. in seiner heiligen Geschichte die
Erklärung des brennenden Busches, oder der Wunder, welche mit
der Hand Mose geschehen , und deuke sich dieser symbolischen Deu-
tung der Wunder etwa eine Quarta gegenüber. Was soll diese mit
diesen Feinheiten machen? wird ihr diese Deutung des Wunders nicht
das Wunder selbst aufheben? wird ihr nicht, indem sie Gottes Wun-
der sehen soll, dafür Menschenwitz. Hiergegen gibt es nur ^in Mittel,
welches unsere Vorfahren so entschieden benutzt haben: objective
einfache Schriftauslegung, und Yerpönung jeder anderen. Ger-
lachs Erklärung nimmt hier die erste Stelle ein. Schmieder in der
Fortsetzung des Gerlachschen Alten Testaments hat bereits den Boden
der Objectivität verlassen.
Katechismus und Bibel — hierauf beschränkte sich der Reli-
gionsunterricht unserer Vorfahren: was etwa noch hinzukam, war
nicht etwa eine wissenschaftliche Dogmatik, sondern ein an die Le-
sung der symbolischen Bücher oder eines daraus geschöpften syste-
matischen Lehrbuchs sich anschlieszender Unterricht über die Grund-,
lehren der protestantischen Kirche , der natürlich voll scharfer Defi-
nitionen war, da es sich darum handelte Sectierer und Irlehrer von
den Räumen der Schule fern zu halten: es war die Katechismus-Iec-
tion in höherer Instanz. Der Unterricht war ganz confessionell,
unsere Zeilgenossen haben es mehr auf ein allgemein-christli-
ches abgesehen. So auch Niese, bei dem nicht die Augnstana, son-
dern ein System der Dogmatik den Schlusz des ganzen bildet.
Nach den obigen Erörterungen wird man von mir erwarten, dasi
182 Die Religiositit und der Religionsanterricht aaf den Gymnasien.
ich mich für den confessioneLleo Unterricht und für die ijymbolischeD
Bücher erklären werde. Ich thue dies l) aus inneren Gründen : denn
jetzt wo die einzelnen Confessionen so weit auseinander getreten
sind, und jede ihr eigenes dogmatisches Bewostsein mit solcher Ge-
nauigkeit und Schärfe ausgebildet hat, ist ein christlicher Religions-
unterricht ohne confessionellen Charakter eigentlich nicht mehr denk-
bar; man mQste denn etwa von dem bestimmten zum gestaltlosen,
von dem gereiften denken des Mannes zu den ersten Anfängen des-
selben -zurückkehren wollen ; man müste die wichtigsten Gestaltungen,
welche geschichtlich aus der Tiefe des christlichen Lebens hervor-
getreten sind, als nicht vorhanden beträchten. 2) aber ist es in anse-
rer Zeit, wo die Kirche dem einzelnen immer mehr aufhört als Macht
gegenüberzustehen, doppelt nöthig, dasz der Jugend die Lehre der-
selben in ihrer vollen Objectivität dargestellt werde. Der einzelne
Christ wächst in einer Familie auf, ohne seine Wahl und sein Zathon,
und gehört ebenso ohne sein Zuthun einer Kirche zu. £s ist sehr
wichtig, dasz die Schule im Namen der Kirche ihm sage, was der
Glaube seiner Väter sei. Es kommt nicht darauf an , dasz er sofort
diesem Glauben aus freier Uebcrzeugung seine Zustimmung gehe,
aber wol dasz er ihn hochachte und verehre. Es ist vorausznsetaen,
dasz ihm vieles daran werde unbegreiflich bleiben, bis ihm die tief-
sten Bedürfnisse und Ahnungen des menschlichen Herzen werden %um
Bewustsein gekommen seiu ; so mag ihm denn dieser Glaube gegeben
werden, als ein Glaube, der ihm, wenn er nur daran glaubt, seine
Fülle und seinen Segen immer mehr zuströmen lassen werde. Kurs
diese Lehre soll für ihn worden, was sie im Augenblick noch nicht
sein kann, und indem diese Lehre ihm gegenübertritt mit dem An-
spruch auf eine objcctive Wahrheit, die Wahrheit bleibt ohne die Zu-
stimmung des einzelnen, wird die Kirche selber ihm als mehr er-
scheinen, denn ein erbauliches Institut: als die sichtliche Erscheinnng
jener unsichtbaren Kirche, in der Christus das Haupt ist, jener Kirche,
welche aus der lebendigen Kraft des heiligen Geistes, den der Herr
den seinen gesandt hat, hervorgetrieben ist und von ihr erfüllt, be-
lobt und begeistet lebt und leben wird bis zur Zukunft des Herrn. 3)
endlich halte ich auf confessionellen Unterricht, weil er den Schülern
eine grosze geistige Arbeit zumutet, auf scharfe Begriffe dringt, ein
sicheres Bewustsein über die Differenzen der Confession von den
übrigen Confessionen und von den vielerlei Secten fordert, und, in-
dem er aus der Sphaere der religiösen Gefühle in die des kernhaften
Wissens vom Glauben der Väter hineintreibt, zugleich eine sacht- und
haltvolle Gesinnung bildet. Ich kann mich in dieser Besiehung auf
alte Erfahrungen berufen: nie ist mir ein Unterricht so zur inner-
lichen Befriedigung gelungen, als wenn ich mir zum Ziel setzte, mei-
nen Zöglingen den Inhalt des protestantischen Glaubens mitzutheilen
und anzueignen, nie weniger, als wenn ich auf dem Wege eines dog-
matischen Systems ihnen eine Wissenschaft vom christlichen Glauben
zu geben versuchte. Hierzu fehlen ihnen, mag man dazu sagen, was
Die^Religioflillt and der Religionsonterricht aaf den Gymnasien. 183
man wolle, noch gewisse Bedingungen, die sie nicht mitbringen kön-
nen: das überwältigende Bewustsein ^mal von dem Fluch der
Sünde, von der Gerechtigkeit Gottes, von dem versagen der eigenen
Kraft, von der einzigen und letzten Rettung in der Gnade Gottes.
Dagegen sind die Schüler wol im Stande, das Bekenntnis und die
Lehre der Kirche in ihrer Objectivität zu erfassen, und ein positiv
genaues und sorgffilliges wissen von denselben zu gewinnen. Dies
wird aber dadurch geschehen, dasz man für die oberen Klassen eben-
so die Augustana, wenn es möglich wfire, auch die übrigen symbo-
lischen Schriften, nicht blosz zur Grundlage, sondern anch zum Ziel-
punkte des Religionsunterrichtes macht, d. h. nicht blosz mit seiner
Lehre in Inhalt und Ausdruck sich an dieselben anschlieszt, sondern
auch dahin strebt, dieses ehrwürdige Bekenntnis unserer Kirche ihnen
dauernd zu einem Gesichtspunkte zu machen, an welchem sie sick
später in den Wogen des Lebens und in dem schwanken der Mei-
nungen immer wieder orientieren nnd geistig sammeln können.
An diesen Unterricht wird sich dann auch anschlieszen , was von
der Kirchengeschichte in die Schule gehört. Ich bin nemliek
der Ansicht, dasz dieselbe der Schule fem bleiben sollte, wie sie
von unsern Vorfahren derselben fern gehalten ist. Die Ausbreitang
der Kirche unter die Heiden kann im groszen und ganzen in die Prc-
fangeschichte aufgenommen werden; das Leben einzelner Verbreiter
des Christenthnms, selbst das eines Bonifacins und eines Ansgar, Ittszt
die Jugend kälter, als man glaubt, die Kirchenväter bleiben ihr todle
Namen, so lange sie nicht an ihre Schriften geführt wird; die Insti-
tulionen der Kirche und die Kämpfe der Kirche mit der weltlichen
Gewalt sind nicht leicht klar zu machen, ohne das hinzutreten der
profanen Geschichte; die Geschichte der Lehre endlich, ohne eine
Beziehung auf einen Punkt, wo man sie gebraucht, haftet nicht in der
Seele. Ich glaube nicht zu viel zu behaupten , wenn ich sage : alle
Theorie über die arianischen Streitigkeiten ist wie Nebel und Dnnst
gegen die Lectttre eines einzigen jener wundervollen Briefe des Atha-.
nasius. Die grosze Bedeutung dieser kirchlichen Kämpfe nnd das
Verdienst des Athanasius ist mir erst da zur Klarheit gekommen, als
ich dessen Schriften selbst in die Hand bekam, und das gewaltige nnd
heilige ringen dieses groszen Geistes nm Fixierung seines Glaubens
aus eigener Anschauung kennen lernte. Kirchengeschichte klingt in
den Lectionsplänen sehr schön , und ist in der Wirklichkeit eine der
unfruchtbarsten Lectionen. Auch die Reformationsgeschichte mag als
Lection hinwegfallen. Es ist genug, und wird bessere Wirkung thnn,
wenn alljährlich, wann die Festlage der Reformation kommen, in ei-
nigen Stunden den Schülern, je nach ihrem Fassungsvermögen, von
Luther erzählt wird. In den oberen Klassen müssen die Schüler na-
türlich erfahren, wie die protestantische Kirche entstanden ist, nnd
wie ihre symbolischen Bücher geschrieben sind. Ich darf nicht hin-
zusetzen, dasz, seit der evangelische Verein für eine so schöne und
so billige Aoagabe der letzteren Sorge getragen hat, gefordert wer-
184 Die Religiosität und der Keligionsuntorricht auf den GymnasieD.
den darf, dasz jeder Schüler der oberen Klasse die Bekenntnisschrif-
ten seiner Kirche zu eigen besitze.
Meine Leser werden erkennen: was ich erstrebe: Anschlasz an
die Weise der Väter, Beschränkung des Unterrichtes seinem Umfange
nach, Streben nach objectivem positivem wissen, scharfen bestimmten
BogrifTen , treuem , festem und solidem Glauben an die Lehre der Kir-
che, confessionollen Charakter des ganzen religiösen Lebens, festen
Anschlusz an die objective Kirche, mit einem Worte, echt prote-
stantische Gymnasien, au denen Luther und Melanchthon, wenn sie
aufständen, ihre Freude haben möchten. Das Wort ist ausgesprochen,
und ich mag es nicht zurücknehmen: protestantische Gymnasien
für protestantische Lande!
Niese will die Frucht dieses Unterrichtes durch Priratalu-
dium und schriftliche Arbeiten erhöhen. In der Pforte stehen
die letzteren im Lectionsplane bei Prima, Ober-Secunda und Ober-
Tertia, wo Niese selbst diesen Unterricht ertheilt. Privatstudinm ist,
nach meiner Beobachtung, eine Sache von problematischem Werthe,
in der Religion aber zumal halte ich Privatsludien , wenn man dar-
unter nicht erbauliche Schriften, wie die Vitae erweckter Christen,
versteht, für ganz unzulässig. Ebenso würde ich schriftliche Ar-
beiten auf diesem Gebiete nie zulassen; mich dünkt, sie können für
die sittliche Reinheit der Seele gefährlich werden. Dagegen wire es
sehr rulhsam, die Schüler der obersten Klassen concipierten, gleich
am Sonntag, die gehörte Predigt; natürlich müste diese selbst Ear
Conccption geeignet sein. Dies ist alter usus, aus dem sich immer
wieder etwas machen läszt.
Der Vf. berührt in seiner Schrift auch einen Punkt, der in der
neueren Zeit ganz besonders ins Auge gefaszt wird, die Schulaa-
dachten; er hat über dieselben maszvolle Ansichten; ich wünschte
nur, er hätte sich bei seinen Vorschlägen die Sitte der Alten xoni
Vorbilde genommen , welche tagtäglich eins der Hauptstücke und ei-
nen Abschnitt der Haustafel recitieren lieszen, anstatt der sehr ins
weite zerllieszendcn Bibellection. Für den Gesang wird auch Niese
Liedern der alten Kirche den Vorzug geben. Das Gebet der Andacht
wird am besten gleichfalls jener Zeit entnommen, aus welcher der
evangelische Verein uns ja die schöne Sammlung dargeboten hat
Eignes freies Gebet ist nicht jedermanns Sache; dagegen wirkt die
regelmüszige Wiederkehr der alten Gebete auf die Jugend sehr tief.
Arnold hatte ein besonderes Gebet, mit dem er seinen eigenen Un-
terricht erölTnete, und zwar jeden Morgen. Ich habe mich dessel-
ben gern und oft bedient. Die gemeinsame Andacht Abends am
Schlüsse der Schule hat an den Anstalten, welche nicht Alnmmeen
sind, ihre gruszen Bedenkon, zumal bei groszer Frequenz der Schule.
Die Jugend ist in den Lehrstunden durch so viele andere Dinge, die
Disciplinen, Lob, Tadel, Strafe, alle die kleinen Tageserlebnisse der
Schule, zerstreut, abgespannt, und kann den Augenblick ihrer Be-
freiung nicht mehr erwarten; sie bringt keine empfänglichen, offenen
Die ReligiosiUil und der Religionsauterricht aof den Gymnasien. 185
Herzen mit sich. Da ziehe ich es vor, jede Klasse für sich ihre Ar-
beit beschlieszcn za lassen. In den unteren Klassen hat es mich stets
tief ergriffen , wenn die Knabenschaar mit leiser Stimme einen Choral
sang oder einen Vers betete; in oberen Klassen wflrd^ ich einen
Schüler aas einem Gebetbache einen vorgeschriebenen , kurzen Vera
oder ein kurzes Gebet lesen lassen. Der Lehrer ist nicht immer i«
Stande zu beten, wenn ihm im Augenblicke die Seele durch seinen
Beruf noch anderweitig zu tief bewegt ist. Nur daez hierbei eine
stetige Ordnung statt finde! Gröszere erbauliche Betrachtungen, wie
Lübker sie vorschlägt, am Beginne und am Schlüsse der Woche
halte ich nicht fflr zweckdienlich. Solche Vorschlage machen sich
in der Praxis anders als im Buche. Eins ist auch hier im Auge zu
behalten: Objectivitfit, wozu uns die alten Schulen als Vorbilder die-
nen können.
Was ich besonders anempfehlen möchte, um eitvnatflrliches Ele-
ment der Andacht in das Schalleben hineinzuziehen, ist dasz der
Sonnabend dem Religionsunterrichte ausschlieszlich oder Qberwie«
gend gewidmet würde; in den oberen Klassen kann zu jenem der
Unterricht im Hebraeischen kommen. Dies würde einer ganzen Schule
eine Vorbereitung auf den folgenden Tag des Herrn geben. Am
Sonnabend wäre dann nichts natürlicher, als'dasz in jeder Klasse
das Evangelium und die Epistel des nächsten Tages in alter Weise
gelesen würde, nicht erbaulich, sondern sprachlich und in Hinsicht
auf den Gedanken interpretiert. Die Theilnahme am kirchlichen Got-
tesdienste ist eine Sache, die sich für jung und alt von selbst ver-«
steht. Die Jugend kommt dieser Forderung seitens der Schule mit
williger Zustimmung entgegen, und findet es befremdlich, wenn eine
Sehule sich hierin lax zeigt. Man würde übrigens zu viel erwarten,
wenn man auf andächtige Stimmung oder Aufmerksamkeit bei allen
rechnen wollte. Es kommt hierbei nicht auf die subjective Disposi*
tion zur Andacht an, sondern dasz die Jagend die Kirche achten und
anerkennen lerne. Anders verhält es sich mit besonderen Gottesdien-
sten und Erbauungstunden. Die Jngend begreift zum groszen Theile
noch nicht das Bedürfnis, aus dem sie hervorgehn, während sie es
recht wol fühlt, dasz sie an dem sonntäglichen Gottesdienste in die
Kirche gehört. Besondere Erbauungsstunden, Kindergottesdienste und
welchen Namen sie sonst haben mögen, von Seiten der Schule ein«
zurichten, ist gegen den Gebrauch der Alten, ja ich glaube, dasz sie
diese Einrichtungen als ein hineingreifen in die Sphaere der Kirche
würden anfgefaszt haben. Der Unterricht in der Religion und die
regelmäszigen Schulandachten nnd der kirchliche Gottesdienst bieten
meines Erachtens völlig dasjenige erbauliche Material dar, welches
die Jugend bedarf. Wenn jene Mittel richtig benutzt werden, so wer-
den sie ausreichen, die Jagend in fester Gläubigkeit und frommer
Sitte nnd Zucht zu erziehen. Mit Freuden wäre es freilich zn be-
grüszen, wenn die häusliche Andacht der Schule zu Hilfe, käme,
und den jungen Herzen die Nahrung zuführte, die ihnen dnrch keine
IV. Jahrb. f. Phü. m. Patd, Brf. LXXIV. aß.4. 14
186 Die Religiosität und der Religionsanterricbt auf den Gynnasien.
besondere und gesuchte Veranstaltungen der Schule vermitteU wer-
den kann. Hier ist der Sitz des Uebels zu suchen, an dem aasere
Zeit leidet, dasz der Boden, in den unsere Jugend durch die Na-
tur gepQanzt ist, den jungen Pflänzlingen nicht mehr die Lebenssifle
zuführt.
Demnach ergibt sich, dasz das erbauliche Element auf der Schale
innerhalb der natürlichen Grenzen gepflegt, dasz es nach auszeo hin
in engste Verbindung mit der Kirche gesetzt werden müsse, dasz
aber die Zahl der natürlichen Andachten nicht zu vermehren, die Er-
weckung künstlicher frommer Gefühle zu vermeiden, überhaupt aber
vielmehr auf Objectivilät auch in dieser Sphaere hinzustreben, and
hierfür das Beispiel der alten Schulen nachzuahmen sei. Wenn ich
die im Anbange von Niese dargebotenen Beispiele von Andachten be-
1 rächte, so vermisse ich in ihnen gerade das wesentliche: jene Ob-
jectivilät. Auch was die christliche Poäsie anbetrifl't, die Niese auf
den Schulen gepflegt und geübt wissen will, so mag sich der einzelne
an ihr erfreuen, auch, wenn es ihn drängt, sein religiöses Leben
darin aussprechen; die christliche Poesie aber, welche allen wahr-
hafte Speise bietet und welche objectiven Werth hat, ist und bleibt
das alte Kirchenlied, das lateinische wie das deutsche, und hienn
sollte man die Jugend wieder heranziehen.
Noch ist ein Punkt, über den wir uns ofl'en aussprechen mflssen.
Das Gymnasium soll all seineu Unterricht mit christlichem Geiste
durchdringen; bei jeder Disciplin wird der Lehrer Gelegenheit finden,
seinen Glauben immer und immer wieder an den Tag zu legen. Selbst
auch in Disciplinen, die dem religiösen so fern liegen, wie Mathe-
matik und Grammatik, kann der Lehrer Beziehung zum Christen Ihoa
nehmen. So Niese, so unzählige andere, denen ohne Zweifel das
Reich Gottes theuer ist. Ohne Zweifel läszt sich jeder Gegensland
so benutzen. Die Natur , sagte mir ein frommer Geistlicher , isl das
zweite Buch, das Gott geschrieben hat, wenn man es nur so lesen
wollte. Gewis, und Gottholds zufällige Andachten sind noch
heut ein Buch, das man gern liest. Es ist aber ein Unterschied, ob
beim Unterricht, dessen Zweck nicht Andacht, sondern Belehruag
und P>kenntnis der Wahrheit ist, diese Beziehung gestattet werden
dürfe. Ich für meine Person glaube nun, dasz es keine Disdpltn
gebe, die nicht dadurch ihrer Würde, ihrer Wahrhaftigkeit nnd ihrer
sittlichen Wirkung beraubt werden würde; ja, was noch mehr ist,
ich glaube, dasz man nicht einen Finger breit aus dem durch die Wis-
senschaft selber gegebenen Wege weichen könne, ohne sofort der
Verirrung Preis gegeben zu sein. Der Dienst, den die Wissenschaft
der Religion leistet, kann nur der sein, welchen sie durch Uebnng
geistiger und sittlicher Seelenkräfte und durch den tiefen Sinn für
Wahrheit gewährt. In jedem anderen Falle ist es, um das Bild eines
grossen Alten zu gebrauchen, als ob man die Elle krumm biegen
wollte, che man sie zum messen gebraucht.
Es ist nie vergeblich, bei den Vorfahren in die Lehre zu gehen.
Die Religiositfit und der Religionsanlerriohl aaf den Gymnasien. 187
Die Reformatoren haben die Griechen und Römer mit vollem Ernste
und dem tiefen Vertrauen getrieben, dasz aus ihnen zu lernen sei.
Sie haben daher keine Vorkehrungen getroffen, den Misbrauch zu
verbaten, der etwa mit ihnen getrieben werden könnte. Sie bitten
wol Ursache gehabt, diese Vorsicht zu Qben; denn sie wüsten, wel-
che Vergötterung man mit den Alten in Italien getrieben hatte. Sie
glaubten aber die Wirkung der Alten zu schwächen, wenn sie die
Vorsicht gebrauchten, zum Gifte gleich das Gegengift zu geben. Na-
tOrlich hat es auch zu Luthers Zeiten nicht an Zweiflern gefehlt. An
Luther ist einmal die Anfrage ergangen, ob der Terenz auf den Schu-
len zu lesen sei. Er hat diese Frage mit aller Entschiedenheit be-
jaht, und dieses Wort Luthers hat, abgesehen von der wirklichen
überaus groszen Nutzbarkeit dieses Dichters, den Terenz zum Haupt-
autor aller protestantischen Schulen gemacht. Er ist gelesen, Wort
far Wort memoriert und agiert worden , mit und ohne habitus , und
das alles in einer glaubensfesten Zeit. So hat Luther überhaupt von
den Alten gedacht; die Jugend sollte an ihnen nicht blosz den Geist
üben, sondern sollte auch den wesentlichen Inhalt aus ihnen schöpfen.
Erst als Luthers Geist nicht mehr trieb, fing man an christliche
Terenze zu dichten und Kirchenväter statt der Klassiker zu lesen,
gegen die heidnische Mythologie Verdacht zu hegen und Kabinetsbe-
fehle gegen Hesiod zu erwirken, dagegen sich dem Realismus und dem
modernen Wesen hinzugeben.
Ich hätte noch ein und das andere zu sagen gehabt; es ist jedoch
Zeit zu schlieszen. Möge Gott dem rechten und wahren, was in
meinen Worten ist, seinen Segen zum Geleit mitgeben, dasz es dem
Herrn zur Ehre und den Schulen zum frommen Nutzen schaffe und
Frucht bringe. Und möge man den Schreiber dieser Zeilen in seiner
Verborgenheit verborgen lassen und vergessen !
R. G. A. P. M.
10.
Wilhelm Gesenius* hebraeisches Elementarbuch. Erster Theil.
Hebraeische Grammatik, Neu bearbeitet und herausgegeben
von B. Rödiger. Siebi&ehnte Auflage. Leipzig 1853.
Kur:,e Anleitung zum erlernen der hebraüschen Sprache für Gym-
nasien und für das Privatstudium von Dr. C. H, Vosen.
Zweite Auflage. Freibnrg im Breisgau. 1854. 110 S. 8.
Eine Recension über ein Buch zu schreiben , das bereits in der
17. Auflage vorliegt, scheint nicht mehr nöthig oder nur gerechtfer-
tigt; indessen ist Jede neue Auflage ein neues Werk, an dem die Vor-
14^
188 Gcsenins und Vosen: hebr. Lolirbdcher.
Züge und Müngcl besprochen werden können , mögen sie nun dieser
neuen AufInge allein oder dem Ruche überhaupt eigen sein, und ge-
rade die weite Verbreitung, welche die Grammatik von Gesenius ge-
funden hat, hat mich ku einer Beurtlieilung bestimmt, da eine Ansicht
über ihre Brauchbarkeit nach zwei Seiten hin doch der Erlernung der
Sprache förderlich sein kann.
Es hat das Ilebraeische eine so besondere Stellung an den Gym-
nasien, dasz über seine Betreibung und Berechtigung mancherlei Stim-
men laut geworden sind; ich verweise zunächst auf die wider-
sprechendsten Ansichten, die sich 1847 und 1848 in der berliner Zeit-
schrift für Gymnasial wesen kund gaben. Je mehr es nun als ein fremdes
bchundt'lt und angesehen wird, um so wichtiger sind die Ililfsbttcher,
damit für das Uebermasz der Arbeil doch nicht noch ein Uebermass
von Kräften in Anspruch genommen werde. Das Ilebraeische gerade
niusz sich als leicht zu erlernen zeigen, wenn es Duldung beanspra-
chen soll; denn es wird von vielen nicht gern gesehen; behaupteten
doch manche in jener Zeitschrift, es müsse ganz aus den Gymnasien
entfernt werden. Das scheint noch nicht zu fürchten, und darum wol-
len \>ir nuch nicht auf die (iründe eingehen, die für jene Forderung
vorgehruelit \>urden. Aber die Sonderstellung ist geblieben, die sei-
nem betreihen nicht förderlich ist. \> ol jeder Lehrer des Hebraei-
schen ^\ird erlebt haben, dasz während des lernens manche Schüler
:ibsprinuoM: die l'>cmdarti«rKeit, die im Anfange anziehend erschien,
\\ird später abschreckend, es fehlt un Mut die Schwierigkeiten zu
uher\^illdon. an Ausdauer in der Anstrengung; strenger Tadel, der
oft nolln\endi«r ist. er/.eiigt den Wunsch die Sprache aufzugeben.
Da/.ii Kominl, das/, bei Versetzungen aus Secunda nach Prima niohl
leicht aiil's Ilebraeische lUicksicht genommen wird, es musz so man-
cher lahme mit nach riinui hinühergelassen werden, der nun viel
^^eni;rer forlKommt als in Secunda. Eine Sonderversetzung im He-
brnei>rlien ist mit rnhcquenilichkeiten verbunden, die man zu überwin-
den nii'ltl iiinner l.nsl hsit. >un nahet das .\biturientenexamen und es
treten \^ ieder manche /.urück. erklären, Mcdicin studieren zu wollen
und Miirh dem Examen besinnen sie sich und denken noch auf der
l iii>erMl;il die IVüfung im llebraeisehcn machen zu können. Manche
bteiheii j-jur/. weg von den Studien, die das llehraeischo erfordern,
blos7. Ulis Enrcht vor diesem. Das schlimmste ist eben, dass es ein
mehr i.Nt, das/, \\nhrend die Hebraeer in der Schule sitzen müssen,
die andern ans/.er derselben sich beno thun. Diese Verlockung ist fast
/ii i^r^^sr. und sehr tüchtige Schüler erliegen derselben, sie treten aus.
Das ist d.-is unangenehme bei diesem rnterrichic, das angenehme ist,
«las/, die iihriirhleibenden die lleiszigsten Schüler überhaupt zu sein
plleuen. leli für mein Theil hätte allerdings die Ansicht, die man frei-
lich uirhl «ns/.ern darf ohne von vielen Seilen mit Hohn empfangen
/u \\ erden, dasz jeder Gymnasiast, jeder an dem Hcbraeischen
Theil nehmen sollte. Mir sehen aber von der Entwicklung der Gründe
dafiir :ih und halten nur so viel fest, dasz bei den Schwierigkei-
Geseniiw nnd Vosen : hebr. Lehrbflcher. 189
ten des Gegenstaudes und der Karze der ihm bestimmteD Zeit die
Lehrbacher doppelt wichtig sind.
Die Grammatik, aas der die meisten Dentschen ihr Hebraeisch
gelernt haben, ist wol die von Gesenins, und sie hat diese weite
Verbreitong verdient. Gesenius zeichnete sich in seinen Schriften
wie in seinen Vorträgen durch Klarheit und Vorstindlichkeit ans;
seine Grammatik hatte ferner den Vorzug der Uebersicbtlichkeit und
Kleinheit; sie hatte auch den, dasz sie die Erscheinungen der Sprache
einfach angab , und so war ein Lehrbuch geliefert , das ohne gerade
methodisch angelegt zu sein die nothwendigen Bedingangen erfüllte
und noch lange erfüllt hfitte. Aber da kommt eine Noth über unsere
Lehrbücher; ein allgemein bekannter nnd anerkannter Name soll fer-
ner dem Verleger etwas einbringen; man weisz aber, dasz viele Leute
nur Bücher haben wollen , die auf der Höhe der Wissenschaft stehn,
die mit der Zeit fortschreiten d. h. in den jüngsten Meszkatalogen
verzeichnet sind; also Grammatiken herausgeben in un verbesserten
unvermehrten Auflagen das wird nicht ziehen: es übernimmt also ein
anderer die Fortsetzung der Verbesserung und Vermehrung, nnd nach
und nach bleibt von der alten Arbeit nur noch der Name, der wol oben
antritt im Titelblatto, aber doch schon nicht mehr im Mittelpunkte
desselben erscheint. Da hat ein anderer Platz gegrilfen; es ist ein
neuer Handelsherr eingetreten, der zur Ueberleitung des Geschäfts
oder Anstands halber die alte Firma noch neben der seinen fortfuhrt.
Das beste wäre , man druckte die Ausgaben letzter Hand so lange als
Absatz wäre. Fast sollte ich meinen, es bitten vor 30 Jahren die
Schaler aus Gesenius 7. Auflage auch noch so viel gelernt, als aus
der jetzigen 17. Nach Gesenius Tode hat Prof. Rödiger die neuern
Ausgaben besorgt, ein Mann, dessen Gelehrsamkeit und Vertrautheit
mit dem Hebraeischen längst bekannt ist. Er klagt nun in seiner Vor-
rede selbst über das Prokrustesbett, in das er gesteckt sei; dasz er
dies nicht gleich zersprengt und nach seiner eignen Einsicht eine neue
Grammatik geschaffen hat , das ist ein Fehler , an dem nun alle Aus-
gaben nnd auch diese 17. leidet. Wer eine fremde Arbeit neu her-
ausgeben will, musz wenigstens in allem irgend wichtigen ganz mit
seinem Vorgänger übereinstimmen ; er fibernimmt ja auch für das von
seinem Vorgänger gesagte und geordnete die Verantwortung. All-
mahlich hat sich das Prokustesbett in einen bloszen Gummiüberzug
verwandelt, der überall nachgibt und sich weitet. Geweitel ist bereits
viel, hinzugekommen in dieser Ausgabe sehr wenig. In der Vorrede
ist so unbedeutendes als neues angeführt, dasz man der Mühe über-
hoben ist im Buche selbst danach zu suchen, mehrere angegebene
Veränderungen sind nur in einzelnen Worten wie § 87 3 ^ was indes'
für ^wiewol dieses', dann ^Solche Unterscheidung trifft besonders
mehrere Wörter für Glieder des Körpers' für * Besonders ist dies der
Fall bei mehreren Wörtern für Glieder des Körpers', so § 93 6 Mm
sUt. abs. des Plural' für Mm Plur. absol.' Erwähnenswerthe Zusätze
sind besonders zn % öl. a. 1. 52. a. 5. 75. 7 n. 9. 101 3. d. 134 4 im
190 Geieiioi und Vosen : bebr. Lahrbilclier.
S 93 6 ist am meisten geändert. Man findet leicbt in «Uem diesen
den Beweis, dasz der Heraasgeber fort und fort %ü bedsera benilbl
ist. Eine Anführung des neuen wäre eben nur eine Anffibrang des
in der Vorrede gesagten. Nur ^ins finde ich zn erinnern , nemlicb das
rfibmen von eingestreuten methodischen Winken ; so wird ein solcher
als ganz neu hervorgehoben zu § 59 1. ^Der Anfanger mag nnn i«-
v&rderst die Verbindung der Suffixa mit den Hiphilformen einübea
und dann zur Verknüpfung mit dem Perfect Kai übergehen. ' Solche
methodische Winke gehören überall nicht in eine Grammatik; in eine
Elementargrammatik gehört nichts , was anmittelbar nur für den Leh-
rer bestimmt ist, denn für den sind solche Winke, nicht für den *Am-
finger'. Die Grammatik hat eben nur die Lehre zu geben in dent-
liebem Ansdruck und gesunder nüchterner Fassung, methodische
Winke braucht der Lehrer nicht da zn suchen, und wenn sie nicht
mehr Werth haben als dieser , verdienen sie vollends den Plats nicht.
Ich meines Theils halte es gerade für unnütze Quälerei erst Hipbil,
dann Kai lernen zu lassen, denn am Kai lernt man Hiphil mit, nicht
umgekehrt. Der Schüler lernt zweimalmit Mühe, weil ohne Zusam-
menhang, ohne gemeinsame Regel, was auf umgekehrtem Wege mit
einemmale erreicht wird ; am Kai lernt er die Regel , die überall lar
Anwendung kommt, am Hiphil nicht, und er findet bei Kai nnd Fiel
neue Regeln, also neue Schwierigkeiten. Lassen wir also den Ver-
gleich dieser 17. Auflage gegen die 16. fallen, und betrachten erstere
für sich allein, so müssen wir erklären, dasz wir sie immer nodi für
die beste halten , die wir kennen ; auch die Sorgfalt im Druck ist an-
zuerkennen , die neuen Lettern freilich , wie die ganze Anordnung des
Drucks sind viel unangenehmer fürs Auge als in der 16. Auf-
lage. Diese Form der Buchstaben, die in manchen neuen Büchern
beliebt ist , scheint eben Mode zn sein , doch ist sie wie manehe Mode
verwerflich. Der schönste Druck ist der, welcher die Augen aai we-
nigsten angreift.
Haben wir unsere Anerkennung ausgesprochen , wollen wir non
angeben , was wir noch anszasetzen haben. Es ist dies unter 3 Ge-
sichtspunkte zu bringen. Es ist der Grammatik l) schädlich gewe-
sen, dasz der Herausgeber mehr den Lehrersland als den lernenden
vor Augen gehabt. — Der Universitätsprofessor hat nur seine Wis-
senschaft vorzutragen , der Lehrer muss immer prüfen , ob das , was
er gesagt, so wie er es gesagt, verstanden ist, dem nützt also nicht
etwas rein wissenschaftlich vorgetragen zu haben, denn da werden
ihm die Schüler nicht leicht folgen, sondern er musz seine Wissen-
schaft eben so vortragen, dasz sie von den Schülern gefaszt werden
kann. Der Professor musz Gelehrsamkeit zeigen , der Lehrer streng
bei der Sache bleiben ; der Professor darf und soll anregen , weitere
Blicke in andere Gebiete eröffnen, denen der Student dann nachgeben
soll , der Lehrer hat nur klar und einfach zu lehren , alles ausschwei-
fen zu unterlassen, ebenso Andeutungen und Anspielungen zu meiden,
denn ihr Verständnis kann der Schüler sich nicht erwerben. Dem
GeieBiiu und Vosen: hebr. Lehrbttdier. 191
Professor stehts za nene Ansichtea nnd Aaffiuiangoa yorsabringen,
Yon den verscbiedensten Seiten einen Gegenstand zu beleuchten, er
kann allenfalis seinem Zuhörer überlassen das richtige heranszusu-
chen. Der Lehrer musz eine bestimmte nach allen Seiten Ton ihm
durchdachte feste Ansicht mit vollster Ueberzeugung ohne alle Zwei*
felsspuren Tortragen; was nicht so ist, darf er nicht vorbringen; er
musz selbst ganz klar sein nnd in den einfachsten Worten sprechen,
nicht in den wissenschaftlichen Formeln, die für Schüler Unverstand-
lieh sind, wie sie ja oft von erwachsenen, die sie brauchen, doch
nur angelernt, nicht verstanden sind. So haben wir in diesem ersten
Theile des * Elementarbuches ' auszusetzen, dasz es mitunter in zu
gelehrten Redensarten abgefaszt ist. Zufällig liegt § 41 auf: er lau*
tet: ^die allgemeine Analogie der Verbalbilduog, die sich in
ganz normaler Weise in den Stämmen mit starken und festen €on-
sonanten darstellt, gilt eigentlich für alle Verba, nnd die vorkom»
menden Abweichungen von dieser Form des starken und regelmässi-
gen Verbi sind nur Modificationen, welche durch die eigen-
thfimliche Natur und die Schwäche mancher Consonanten hervor-
' gebracht werden.' Hat Hr. Rödiger versucht in solcher Weise einen
Anfänger die hebraeische Conjugation zu lehren und wie weit ist er
damit gekommen? Ich weisz wol, dasz dergleichen Sprechweise auch
in anderen Grammatiken vorkommt, ja dasz in manchen nach solchen
gelehrt kliiigenden Redensarten gehascht wird, aber Schüler verste-
hen niehts von solchem Gerede, wenn sie es auch wörtlich lernen
sollten. Und ohne Verständnis? Wenn nun auch dergleichen Redens-
arten zu Gesenins einfacher Sprechweise hinzugekommen sind und
noch nicht alles durchdrungen haben, so hat sich auf der andern Seite
nirgend aus Gesenins berichtendem Tone eine einfache , klare , in
kurser gedrängter Fassung ausgesprochene, dem Gedächtnis faszbare
Regel gebildet. Ueberall ein sprechen über Erscheinungen der Spra-
che, keine Grammatik, keine Lehre. Zum Beleg könnte man fast die
ganze Grammatik herschreiben. Dasz ein so gefasztes Lehrbuch auch
brauchbar sei, ist nicht zu bestreiten, aber ich halte eins in streng
grammatischer Form für nützlicher. Es gehört ferner nicht in solche
Grammatik ein disputierea und widerlegen fremder Ansichten, am al-
lerwenigsten die gelehrten Citate, die im Anfange zu bedeutend auf-
treten. So wie alles dies unpassend ist, so auch ist alles vom Uebel,
was als Sprachenvergleichung mit Arabischem, Syrischem, Koptischem,
Amherischem, Indischem, Germanischem, Zend, Sanskrit usw. usw.
angeführt ist. Damit sind nicht solche Vergleiche gemeint, die dem
Deutschen das Hebraeische wirklich näher bringen nnd also das lernen
erleichtern, nicht bloss den lernenden mit fremdem beschweren und
stören , so der schöne Vergleich § 52 im Fiel. Ebenso wenig gehört
in diese Grammatik eine solche Geschichte der hebraeischen Sprache
und gar der Grammatik, die allerdings von der ersten Auflage an
auch sehon Gesenins gegeben hat, auch seitdem er seine Geschichte
der hebneiselien Sprache nnd Schrift (1815) veröffentlieht hatte.
102 Gesenias and VoBon: hebr. LehrbAcher.
•» *
Was soll aber der Anfanger damit? Wird doch gar § 25 gesagt, dasz
zu richtiger Erkenntnis der Wandelbarkeit der Vocale die Verglei-
ehung des Arabischen nöthig sei! So sieht sich der Anfänger, dem
das Uebraeische noch wie ein andringlicher Urwald erscheint, za sei-
nem Schrecken gar ans Arabische gewiesen. Aas allem den bisher
erwähnten sieht man, dasz der Vf. den Schüler, den AnnUiger, der
doch allein die Grammatik benutzt, aus den Augen verloren hal.
Ganz ungehörig ist, dasz er sich gar ungünstige Urtheile über die Spra-
che erlaubt, wie § 106 ^ die hebraeische Sprache hat im Verhältnis zu
den SubstjBnliven einen Mangel an Adjectiven usw. Sie ersetzt diesen
Mangel ', § 117 ^ wenn die hebraeische Sprache den lebendigen Ge-
brauch von Casusendungen eingebüszt hat, so fragt sich usw.' $ 125
*bei der Armut der hebraeischen Sprache an bestimmten Formen für
die absoluten und relativen Zeitverhältnisse ist es nicht anders zu
erwarten, als dasz eine gewisse Vieldeutigkeit derselben entstehen
moste.' § 48 ^Vorzüglich durch diese Conjugationen oder Verba deri-.
vativa erhält die hebraeische Verbalbildung einen gewissen Reich-
thum und Umfang. Arm ist die Sprache dagegen in Bildung der Tem-
pora und Modi.' § 48 * Einen kleinen Ersatz für den Mangel, wel-'
eben die hebraeische Sprache an bestimmten Formen für die Tempora
und Modi leidet.' § 9 ^So zahlreich diese Zeichen scheinen, so reichen
sie doch nicht vollständig hin , die verschiedenen Modiftcationen der
Vocallaute namentlich in Beziehung auf Länge und Kürze, Schärfe
and Dehnung vollständig auszudrücken: wozu noch kommt, dasz die
Bezeichnungen des Sprachlantes durch diese Zeichen nicht immer voll-
kommen zweckmäszig genannt werden können.' Doch genug ! Wel-
chen Eifer müssen solche Urtheile bei dem Anfänger erregen eine so
arme, mangelhafte, zum Theil in Trümmern liegende Sprache la
erlernen! Nebenbei sind diese Urtheile ungerecht; was als Mangel
ausgegeben wird, ists gar nicht in der Weise, wie die Saehe hier
äufgefaszt ist, nnd wäre nicht als solches bezeichnet, wenn der
Grammatiker sieh seines Berufes bewust geblieben wäre, dasi er die
Eigenthümlichkeit der Sprache darzulegen, nicht subjective Urtheile
über sie zu geben hat.
2) Ein Uebelstand ist der, dasz Gesenius und Ewalds Systeme ge-
mischt sind. Ewald hat selbst Schulgrammatiken geschrieben; wollte
Hr. R. die Grammatik von GesenSas in das Ewaldsche System hin-
überleiten, weil dieses das richtige schien, woza die Umwege, war-
um soll man denn nicht gleich Ewalds Grammatik selbst nehmen? Es
tritt bei fortgesetztem Studium des Vf. der Uebelstand hervor, dasz
die folgenden Auflagen gegen die früheren zu sehr abweichen, indem
derselbe, wie sichs gehört, bessert, wo er kann; aber wenn der neae
Herausgeber im System nicht einig ist mit der za Grande liegenden
Arbeit, kommt ein unsicheres schwanken hinzu, indem er darauf aus-
geht allmählich das ganze zu ändern, und es vom subjeotiven Be-
lieben abhangt, wie viel diesmal verändert werden, was für nächste
male aufgehoben werden soll. So stellt denn eine solche Auflage nicht
Get eniu and Vosen : hebr. Lehrbfleiier. 193
den jedesmaligeii Stand in Erkenntnis und Ferti(^eit des Vf. dar,
was doch bei jedem Bache sn fordern ist. Ob nnn Gesenins oder
Ewalds System das richtigere, für Schalen bran<dibarere ist, geht
uns hier nichts an. Es ist Ewald von vielen anerkannt; sagt doch Dr.
Trumpp, der neulich erst Materialien zum übersetzen ans dem Deut*
sehen ins Hebraeische herausgegeben, eine Mühe, die er sich hätte
ersparen können: Won den Grammatiken habe ich die Ewaldsche be-
nutzt (!), da ich Gesenins System für überwunden achte'. Soll Gese-
nius überwunden sein, sollte dies auch Hrn R. Meinung sein, so
musz man auch nicht mehr seinen Namen einem ßnche vorsetzen, das
er nicht mehr als das seine ansehen könnte, und mit Gesenins be-
kannter Devise dies diem docet ist dies auch nicht zu rechtfertigen,
denn damit hat er offenbar nicht gemeint, dasz ein ihm bekanntes
aber nicht gebilligtes System für sein eignes eintreten sollte. Es kann
natürlich Hrn R. nicht zugemutet werden , das von ihm für falsch er-
kannte deshalb 4 weil es Gesenins gelehrt, beizubehalten, aber wieder
kommen wir auf den Vorwurf zurück, Hr R: hätte selbständig eine
Grammatik schreiben sollen , wenn ihm Gesenius nicht genügte.
3) leidet die Grammatik schon seit Gesenius daran, dasz der Sche-
matismus der klassischen Sprachen dem ihrigen zu Grunde liegt. Da-
her wird der Status conslructus als Genetiv behandelt, da er doch das
gerade Gegentheil ist, daher wird überhaupt «von Casus gesprochen,
die nicht vorhanden sind, darum werden noch Trümmer alter Casus
aufgeführt und dabei bemerkt, dasz ^die Casusbeziehung im Bewust-
sein der Sprache ganz verloren gegangen ist' % 90. So wird die
Endung 'i als Nominativ bezeichnet und doch dann auch an Beispielen
gezeigt, dasz sie besonders im stat. constr. erscheine, dasz t alte Ge-
netivendnng sei und ebenfalls zur Bildung des stat. constr. verwandt
werde. Welcher Schüler soll da nicht irre werden, wenn er wirklich
über diese Sätze nachdenkt: Nominativ nnd Genetiv mit verschiede-
nen Endungen gehen beide in den stat. constr. über ! Dasz das He-
braeische, wie es uns vorliegt, keine Casus hat, ist eine Thatsache,
die niemand bestreiten kann , woza soll sich eine Elementargranmatik
mit nichtvorhandenem herumquälen? Ob das Hebraeische je Casus
gehabt, ist eine Frage, die anderswo auszumachen ist als in einem
Buche für Anfänger. Nur beiläufig will ich gegen Rödigers Annahme
erinnern (Ewald Lehrbuch p. 394 geht nicht so weit)^ dasz die uralte
Anhängung der Suffixe, man vergleiche rtD^D mit "iriD^D, y^^fit mit "^^"IK,
entschieden gegen sie spricht. Die gewöhnliche Grammatik hat ferner
bewirkt, dasz von Temporibus und Modis in einer Weise gesprochen
wird, wie sie dem Hebraeischen gar nicht zukommt; eine Menge Re-
geln werden gehäuft, dem lateinischen Gebrauche entnommene Namen
werden auf ganz andere Verhältnisse übertragen und machen dirher
den lernenden irre, da er sich unter denselben ganz andere Dinge
vorstellen soll, als er gewohnt ist. Welche unglücklichen Bezeich-
nungen sind z. B. $ 41 verbum gutlurale, contractum, quiescens! Wel-
cher Mensch wird eoUabi für conlabi ein verhorn oontraetnai nennen,
194 GeBenius and Vosen : hebr. Lehrbtteher.
und doch haben wir in ti^iD nor dieselbo Erscheinang, dasi das n Tor
folgendem Consonanten sich assimiliert. Das heisst nnn ContractioB !
Auch Ausdrücke deutscher Grammatik, wie starkes und schwaches
Verbum, sind angewandt, obgleich auch da wesentliche Verschieden-
heit zwischen dem Deutschen und Hebraei sehen stattfindet. Die Deet-
sehen haben 2 Fiexionsformen, derHebraeer nur öine; der Unterschied
in den verschiedenen Paradigmen ist nur der, dasz bestimmte Bncbala-
ben in den Yerbalformen ihre Eigenthfimlichkeit geltend machen und
so ist die einzig richtige Bezeichnung für die sogenannten anreget-
maszigen Verba die althergebrachte MC, "^3^, n'b usw., denn durch
sie wird die Besonderheit jeder Klasse am trefflichsten bezeiehnel
und sie laszt gar kein Misverst&ndnis zu. Wie nun die Bezeiehnnng,
die auch in dieser Grammatik beibehalten ist, Kai, Niphal usw. die
beste ist und bleiben wird, so wäre es nnr ersprieszlich , wenn end-
lich ein Grammatiker für Praeteritum, Perfectum, Modus priniae ele.
und Futurum , Imperfectum (glaubt denn wirklich Hr. R. , dass er Ge-
senius^ Grammatik verbessert hat damit, dasz er für Futur, was doeh
noch einigen Sinn hätte, Imperfectum gebraucht?) Modus secnndaf !!
usw., die echt hebraeischen einführen wollte: ^M Abhar, Exaotnm,
n*^n:^ Athid, Instans. Mit dem neuen Namen würde die darch fal-
sches Latein gestörte Auffassung der Form auch leichter und viele
Regeln über die Tempora unnütz werden. Jede Sprache will aas eich
allein heraus erklärt werden, es gibt keine für alle Sprachen pas-
sende Schablone. Wol wird bei dem abweichenden der hebraeischen
Syntax von den klassischen Sprachen hin und her eine Vergleichnng
von Nutzen sein, aber falsch wird die Auffassung und ungerecht, die
in der Sprache Mängel findet, wenu sie eben anders ist als das Latein.
Wir haben oben gesehen, dasz unsre Grammatik wiederholt Tadel
über das Hebraeische ausspricht, er hat seinen Grund jedesmal darin,
dasz andre Sprachen als Regulativ angenommen sind. Dasz der He-
braeer z. B. nicht so viel Adjectiva hat als der Lateiner, liegt darin,
dasz er sie nicht braucht, dasz er gern in Abstraclionen spricht. Mnn
vergleiche gleich den Anfang der Psalmen v^t^rt '^nt^M , ist du ein
Ausdruck, den die bittre Noth erzeugt hat? Weshalb ist die Sprache,
die yn nv)M spricht, mangelhafter als diejenige, welche mulier probe
sagt? Ist im Hebraeischen nicht die Eigenschaft mit dem Gegenatandn
der Eigenschaft viel inniger verwachsen? Oder liegt in dem Ann-
sprnche: der Tag sei Finsternis nicht mehr als der Tag aoi
finster?
Gehen wir nun auf einzelnes über, an diesem einselnen nnam
Behauptungen noch mehr zu begründen.
Schon die ganze Haltung des § 1 passt für das Lehrgebftnde,
nicht für eine Elementargrammatik; eben so wenig $ 2, nutzbar inl
nur Anm. 3 von eigenthümlichen Formen des Pentateuch; da hitto
sich aber Hr H. nicht auf das wenige beschrinken, sondern auch,
was er wol gekonnt, vollständig die Eigenthümlichkeiten in Formen
und Syntax von den einzelnen Bttchera aufzeichnen sollen; da wflrde
GeseBius nnd VoBen: hebr. Lehrbfieher. 105
doch endlich dem lernenden ein sicherer Grond nnd Boden gegeben,
auf dem stehend er seine Beobachtungen fortsetzen könnte, und end-
lich ein sichres Ergebnis über die einzelnen Bücher gewonnen. Eben
so dürfte sich eine Grammatik nicht darauf beschränken, nur ein paar
Beispiele prosaischer und poetischer Formen zu geben wie Anm. 4^
sondern es muste auch da nach Vollständigkeit gestrebt werden. Sie
ist nicht gleich beim ersten male zu erwarten, aber wenn nur erst die
Grammatik dies anbahnte, würden auch andre mithelfen. Freilich ge-
hört dies alles nicht in § 2, sondern in einen Anhang, nicht vorne hin,
wo der lernende noch gar nicht einmal die ßnchstaben kennt. Das-
selbe gilt von dem Chaldaeischen N. 5. Auch § 3 gehört nicht in die
Elementargrammatik, ja die Geschichte der Grammatik stört sogar die
Anfänger; er kommt zu der Meinung, die ganzen Lehren derselben
seien doch unsicher. Dafür fehlt, was eine Grammatik der bibli-
schen Sprache geben mnste, die Erklärung der Zeichen in
der Bibel. Von ihnen wird nur § 17 Keri und Chethibh angeführt.
Ein solches Verzeichnis gehörte als Anhang nothwendig zu jeder hebr«
Grammatik. In § 5 ist mehr auf griechisches und lateinisches Alpha-
bet Rücksicht zu nehmen; durch nebenstellen der griechischen und
lateinischen Buchstaben würde sogleich klar werden, dasz die kad-
meischen Buchstaben aus dem Hebraeischen stammen, nnd wie die
Griechen das fremde Alphabet für ihre Laute benutzt haben. Eine
solche Berücksichtigung der klassischen Sprachen würde hier gerade
von vorn herein die Theilnahme für das Hebraeische rege machen.
§ 6 muste der Unterschied der Aussprache nach den Zeiten ausge-
führt, nicht mit ^inem Beispiel abgethan werden. Die ganze Fassung
dieses § ist nicht für Schüler berechnet. Eben so wenig die folgen-
den : § 7 gehört seinem grösten Theile nach in eine Geschichte der
hebraeischen Schrift, eben so ist in § 8 mancherlei nicht am Orte,
das ganze nicht lehrhaft genug; § 9 ist für den, der die ersten ^§§
gelesen hat, noch nioht zu verstehen, nicht der Unterschied von Ka-
mez und Kamezchatuf; ist ja vom Schwa und vom Lene überbaupl
noch gar nicht die Rede gewesen. Was § 10 über Schwa gesagt ist,
Bchlosz sich am besten an § 7 an, aber der Unterschied von Seh. mo-
bile und quiescens läszt sich hier noch nicht verstehn. Alles liesz
sich übrigens verständlicher sagen, das triift auch die folgenden
§§ vom Dagesch, Neppik, Metheg. § 15 über die Accente hat
manche Schwierigkeit, doch wenn ich auch manches da anders
wünschte, möchte ich mir hier keinen Tadel erlauben. Auch das
zweite Kapitel ist nicht so geordnet, dasz es für einen Anfänger
recht zu verstehen ist. % 19 setzt die Regeln von den Vocalen und
Silben voraus , die erst später kommen. Die Umwandlung der Conso-
nanten würde in einer Grammatik wol volle Ausführung verdienen,
wo soll denn darüber Belehrung gegeben werden ? § 20 gehört der
Unterschied von Dagesch neccssarium, compensativum , characleristi-
cum nicht bieher, ist auch für Anfänger nicht zu verstehen. Beiläufig
hätte es 90 3 a doph lieber beiszen sollen: Ausnahmen sind nur
196 Gesenius and VoBen : hebr. Lehrbftchor.
^scheinbar' statt ^selten'. Die ganze Lehre vom Dagesch forte ist
schwerfallig and mühselig. Es sieht dieselbe so wichtig nnd schwie-
rig aus, und war doch so einfach abzumachen. Es ist ja dies Da^eseh
nichts weiter als eine Abkürzung der Schrift, anser Strich aber li
und m. Statt 2 Consonanten zu schreiben, wird durch einen Puokl in
dem Buchstaben die Verdoppelung bezeichnet; es versteht sich, dasz
dieser Consonant durchaus wie ^in Doppelconsonant ausgesprochen
wird, nicht die 2 Consonanten einzeln zum Gehör kommen. In leti-
rem Falle müssen beide Buchstaben geschrieben werden. Es ist fer-
ner klar, dasz beide gleiche Consonanten nur dann als 6in Doppelcon-
sonant gesprochen werden können, wenn sie beide zn verschiedenen
Silben gehören; gehören sie zu derselben Silbe, musE der erste mit
Schwa mobile gesprochen werden und es kann kein Dagesch stehen.
In § 21 wird nun zum dritten male die Ursprünglichkeit des nicht ge-
hauchten Lautes behauptet; dadurch, dasz dies von llr R. dreimal ge-
schieht, hier und § 6 und 13, und immer dabei von einem $ auf den
andern verwiesen wird, ist sie noch lange nicht bewiesen. Schon
das, dasz die Punctatoren die, wie llr R. meint, ursprüngliche Aus-
sprache mit einem besondern Zeichen andeuten zu müssen glaubten,
scheint den Beweis zu geben, dasz ihnen die andere für die nrsprQng-
iiche galt. Als solche erscheint sie auch, wenn man die Lehre vom
Dagesch lene strenger auf die Natur dos Sprachorgans zurflckfaiirt.
Der Hauch ist bei den betreffenden Buchstaben den llebraeern nicht
möglich gewesen, wenn sie dieselben mit geschlossenem Munde tu
sprechen halten. Der Mund ist aber geschlossen, J) nach einer ge-
schlossenen Silbe, 2) nach einer gröszern Interpunction, wo die Stimme
ausruht und niemand den Mund offen behält, 3) im Anfange der Rede.
Diese Fülle ergeben sich von selbst, und der Schüler kann sie allein An-
deig welchen Schrecken musz er aber vor dem öiuen Punkt bekommen,
wenn er drei Paragraphen über ihn handeln sieht? Wenn man das,
was in dieser Auflage über das Dagesch gegeben ist, mit den $$ 6
und 7 in der ersten Auflage von Gesenius vergleicht, mnss man an-
geben, dasz jetzt die Sache viel breiter, auch wol gelehrter behandelt
ist, besser aber nimmermehr. So sind auch die Gutturalen in der
ersten Auflage besser behandelt als hier § 22, den der lernende licher
nur mit vieler Anstrengung bewältigt. Man lese 2a:* daher wird
statt jedes andern Yocals, wenn er kurz ist wie #, ^ (ghirek parvnm
und Segol) oder nur prosodisch langes r, 27 (Ssere and Cholem), vor
einer Gutturalis gern kurzes ä (Patach) gewählt'. Was soll mit alle
dem der Schüler anfangen? Wie leicht, wie faszlich hätten sich die
Regeln gestalten lassen, wenn mehr als geschehen die Natar der Gut-
turalen hervorgehoben wäre. Sie sind bei ihrem starken llaache und
weil sie Hauche sind, die aus der Kchl^ aufsteigen, keiner Verdoppe-
lung fähig, sie können eben deshalb auch nicht gesprochen werden,
wenn nicht ein A-laut vorhergeht oder ein Vocal folgt. Daraus ent-
wickeln sich die Regeln von den Gutturalen in den Conjugationen nnd
Declinalioncn, darum läszt sich auch am Schlüsse des Wortes, wo sie
Gesenios nnd Yosen : hebr. Lehrbftöher. 197
4n einen langen Vocal antreten, dieser aber fchon aosgesprocben ist,
also der Guttaralis nicbts bilft, ein halbes a hören (fartivum) und nicht
unterdrücken. Es tritt in diesem § auch eine, wie ich wenigstens meine,
ganz falsche Ansicht zu Tage, wenn es heiszt: ^Weit seltner ist es
der Fall und mehr als Ausnahme denn als Regel anzunehmen, dasz die
Guttüralis auf den folgenden Vocal wirkt, z. B. '^T^ niclit "nir^.' Wir
haben hier eine seltsame Auffassung der sogenannten Segolat for-
men, deren Irrthum auch andere Wörter wie n*)a, '«'le beweisen
könnten. In diesem Paragraph hatten auch Fälle, wo "i Dagesch an-
nimmt, angefahrt werden können wie &n*^2tirT 1. Sam. 17,-25. In
§ 23 und 24 über K, ^r, l, *f waren die Vocalbuchstaben zusammenzu-
stellen , n aber zu trennen , da viel gröszre Uebereinstimmung des T
und *^ mit K ist, als zwischen fi< und r». In § 25 wird von festen un-
verdrangbaren Vocalen gehandelt , ohne dasz die Eigenthfimlicheit des
Ilebraeischen, in der eine so grosze Abweichung von andern Sprachen
sich zeigt nnd eine so bedeutende Schwierigkeit fürs lernen liegt, aber
auch eine ganz besondre Schönheit der Sprache sich kund gibt, nar
erwähnt wäre, dasz nemlich die Tonsilbe des Wortes alle übrigen be-
herscht, alle nach ihr sich richten müssen. Der Schüler mnsz sich
wundern von der Verdrängbarkeit der Vocale reden zu hören, ohne
zu erfahren, wodurch sie denn verdrängt werden sollen. § 26 3
hätte noch der Fall der Pause angeführt werden sollen, vgl. Ewald
Lehrb. 74 d; der ganze % liesz sich kürzer darstellen, wenn die
Grundregeln an die Spitze gestellt wurden. Dafür zeigt sich das Be-
streben allerlei Ansichten nnd Gelehrsamkeit mitzutheilen, wie die
Anmerkungen '* und **, Die in ihnen enthaltenen Behauptungen sind
noch sehr zu bezweifeln, dem Anfanger aber nützen sie gar nichts.
Eben so wenig wird er § 27 anzufangen wissen mit folgender Regel :
Wo der Ton um 2 Stellen fortrückt, können (!) sogar beide Vocale
eines zweisilbigen Wortes sich so weit verkürzen, dasz der erste za
« und der zweite zu Schwa wird. *Aus ^5*5 wird D?i'»'nS'n.' Schon
§ 9 war die falsche Erklärung zu lesen, dasz Chirek aus Verkürzung
des a entstanden ist in ^^'j zu '«'l^'i. Es ist wunderlich hier 7 ans ä
antstanden anzunehmen, da doch das erste Kamez im Vorton weg-
fällt in &'*^^'^, weil die Silbe n nicht mehr Vorton ist, sondern ^,
in '^'in*^ aber ist der Ton jenseit des "^"n, diese Silbe ist Vorton, es
geht also auch das ä unter ^ verloren, und nun beginnt die erste Silbe
mit 2 Schwa oder 3 Consononten und es tritt nach den Regeln der
Sprache der Hülfsvocal Chirek ein. Hiermit kommen wir zu § 28,
wo sich die 3 ersten Nummern in ^ine noch dazu einfachere Regel zu-
sammenziehen lassen. Wenn nemlich zu einer ^Vorschlagssilbe' noch
eine zweite zutritt, also zwei Schwa im Anfang einer Silbe zusammen-
kommen oder drei Consonanten eine Silbe anfangen, so konnten auch
die Hebraeer diese nicht ohne Hülfsvocal aussprechen. Dieser Vocal
dient eben nur dazu die Consonanten hörbar zu machen , er wird also
zwischen den zweiten und ersten Consonanten eintreten und zwar der,
welcher sieh mit den Consonanten am leichtesten spricht. Anek das ist
19S GeseniaB and Vosen : hebr. Lehrbfloher.
eiozaseben, dasz hiebei der zweito Consonant wichtiger ist als d<#
erste; so erhält man' die Regel: Wenn zwei Schwa im Anfange einer
Silbe zusammenstoszen , erhält der erste Consonant mit Schwa den
Vocal, mit dem sich der zweite Consonant am leichtesten spricht: "^i
macht '^1 , tfti macht fijtl usw. ; kann er mit jedem Vocal gleich leiclit
gesprochen werden, so hat der erste auf die Wahl Eiuflusz, yy macht
:p\ , sn macht m , und sind beide mit jedem Vocal zu sprectien , so
tritt der spitzeste und kürzeste ein, Chirek p^ macht ]^3. In § 29 hät-
ten die Wörter , die auf der vorletzten Silbe den Tob haben , genau
«agegeben werden sollen, damit man auch zugleich erfahre, dasz sie
scheinbare Ausnahmen sind, wi& die angeführten "^(^12 von *;[bb, tllj^b'
von \rib\ 0';^1? ^^^ ^ ^^^ ^^!?* ^^ ^^^ ^^^^ gerade dieser Abschnitt,
der die wesentlichsten Eigenthümlichkeiten der hebraeischen Sprache
enthält, auf denen die Erscheinungen in der Formenlehre beruhen, der
am wenigsten klare und lehrhafte.
Weit weniger ist, was die Lehrhafligkeit betrifft, gegen den fol-
genden Abschnitt, die Formenlehre, vorzubringen, nur dasz auch da
manche Sprachvergleichung für den Zweck des Buches unnütz ist.
Ich will nur einiges anführen: § 32 hätte *fnM als wahrscheinliche
erste Person angeführt werden können, § 44 ist Hr. R. doch gezwun-
gen auf sie hinzuweisen; bei N. 4 lag, wenn einmal mit dem Arabi-
schen verglichen wurde, der Vergleich mit dem Syrischen wenig-
stens ebenso nahe. Auch in diesem Abschnitte aber muste mehr ge-
lehrt, als über die Erscheinungen berichtet werden, so § 44 Ferfectum
Kai konnte einsichtiger für den lernenden die Bildung der einzelnen
Formen dargestellt werden. § 45 lesen wir: Mie zweite Form (Inf.
abs.) dagegen hat etwas steifes und unbewegliches und drückt mehr
den Verbalbegriff in abstracto aus.' Hat nun der lernende begriffen,
was Infinitivtts absolutns ist? Ueber den Inf. mit h hätten wir auf
späteres verwiesen. Sehr richtig wird § 46 behauptet, wie das, dasz
der Inf. abs. auch für den Imperativ gebraucht werde, noch kein
Grund sei, den Imperativ geradehin für einen Infinitiv zu halten, wer
thut das auch? aber dennoch kann sich hier wie in andern Sprachen
der Imperativ aus dem Infinitiv gebildet haben; nicht wahrscheinlich
und durch keine Gründe bestärkt ist die vertretene Ansicht, dasz
er Verkürzung des Futurs sei. Wie verwirrend ist aber der ganze §
für den lernenden, obgleich das gesagte allenfalls sich fto verstehen
täszt, dasz kein Fehler darin ist; wie: ^für die dritte Person gibt es
keine besondre Form^ klingt fast so, als wenn für die dritte die
zweite mit eintrete, *und selbst die zweite musz durch den Jussiv
vertreten werden, wenn eine Negation hinzukommen soll.' Wozu
wird der Gebrauch der Form in die Bildung der Form mit hineingetra-
gen? Und wenn das nun einmal geschehen soll, warum wird nicht
der Gebrauch aus der Natur der Sache begründet, dasz der Imperativ
eben nur die zweite Person hat, wie ja das Deutsche deutlich zeigt
und auch das Lateinische deutlich zeigen könnte, dasz aber im He-
braeischen der Imperativ nur bezeichnet, dasz der angeredete sogleioi^
Gesenius und Vosen: hebr. LehrbAcber. 199
und einmal etwas thun soll, und dasz er also seiner Natur nach weder
eine dritte Person haben, noch eine Negation sn sich nehmen, noch
ein Passivam bilden kann. $ 47 steht ^ das n in den Femininis bbpn
und rrsbbpn, mag mit der Femininendung n zusammenhingen.' Ge-
gen solche Vermutungen laszt sich nicht streiten, aber was ist eigent-
lich gesagt? Warum nicht gleich hergeschrieben: das n ist bis jetzt
nicht erklart. In § 48 ist gegen das, was über Vav consecutivnm Per-
Tecti gesagt ist, zu erinnern, dasz die Fortrückung des Tones wol von
den Punctatoren bezeichnet ist, dasz die Sprache aber selbst sie nicht
anerkannt hat, denn Formen wie '^nVüSjJI sind im Hebraeischen unmög-
lich. Ebenso hfttten die Fälle angegeben werden sollen, wenn das Vav
consec. Futuri den Ton anzieht; das 'oft' reicht nicht aus. § 51 hät-
ten nach dem Umfange der Grammatik auch solche Formen erwähnt
werden können wie bp.jjb vgl. Exod. 10, 3. 34, 24, andre Beispiele ja
schon Lehrgeb. p. 312, 7. § 53 konnte auch angeführt werden, dasz
auch Kophat könne .Suffixe annehmen. § 65 gehört die Bemerkung
über ^dr\0 und ^D^p unter die Verba 9 3^, nicht unter die seltenen
Formen, wenn unter diesen auch die Grundform erwähnt wurde.
VV^enn § 66 einmal die Imperativform *ti^ angeführt wurde, sogar die
Stelle Gen. 19, 9, wo sie sich findet, so konnte auch rifi^b^, das darauf
folgende mit Makkeph verbundene Wort, angegeben werden, wodurch
man zugleich eingesehen hätte, weshalb hier gerade Segol für Patach
geschrieben ist. Bei den Verbis 99 % 67 tritt der Mangel an lehrhaf-
tem recht hervor, denn diese Verba gerade lassen sich für den ler-
nenden so anziehend machen, dasz man sie gern mit Anfängern durch-
nimmt. Freilich sind auch in diesem § manche Annahmen , die unbe-
gründet, ja falsch, nur verwirren können. Wunderlich ist es, wie
nach der Erwähnung der Form ^ nb^ aus nbO"^ ' etc. hinzugefügt wer-
den konnte: ^Anch bei Verlängerung dieser Formen erscheint der
Radical gewöhnlich einfach und ohne Dagesch , wie wenn die Schär-
fnng der ersten Silbe dies ersetzte '. Ist in dieser Form einmal chal-
daeische Assimilation, d. h. hat sich einmal der folgende Consontnt
dem vorhergehenden, also der zweite Slammbuchstabe dem ersten as-
similiert, wo soll dann der dritte ein Dagesch her haben? Wir geben
ferner hinsichtlich der zur Erklärung der Verba y'y zu Grunde geleg-
ten Formen zu, dasz *der mechanisch leichtere Weg nicht immer der
naturgemäsze ist', aber wir glauben unsrerseits, dasz die Leichtigkeit
der Erklärung an sich kein Vorwurf sein könne, und wir halten hier
die verworfenen Formen für die der Natur der Sprache gemäszen.
So legen wir dem sb; nicht b^p2 sondern nb^ dem Niphal ^p9 nicht
eine unerhörte Form :a^p3 zu Grunde, der auch ganz und gar die in
§ 51 gegebene Erklärung von Niphal widerstreitet. Ists nicht natar-
gemäszer, von einer Grundform auszugehen, von der uns sich* das
Niphal von V£2p ebenso gut erklärt wie das von nD, als verwandten
Dialecten zu gefallen immer wieder andre Grundformen anzunehmen,
für deren Annahme man doch wenigstens nicht mehr Gewähr hat?
Durch diesen Wechsel entgeht dem lernenden alle Analogie und also
200 Gesenias und Vosen: liebr. Lehrbücher.
alles Verständnis. Es ist nicht die Kunst, zu jeder Regel eine Aas-
nähme zu finden, sondern Kegeln, die jede Auinahme ausschlieszen.
Solche Einleitungen wie § 68: ^Hier betrachten wir' usw. sind durch-
aus übrig, mehr' als übrig folgende Regel: Mm Imperfect Kai lassen
5 Verba .... das K beständig in langes ö aufgehen .... Bei einigen
andern besteht die stärkere Form daneben .... Jenes 6 ist xunacfast
durch Trübung aus ä entstanden .... Die Schwäche ergreift auch
die letzte Silbe dieser Formen, sie erhält statt des stärkeren Vocals o
ein ?' Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört —
glaubt llr R., dasz wirklich ein Anfänger nur ahnet, was die Worte
heiszen sollen? Wie soll er hier Stärke und Schwäche unterscheiden?
Was soll er sich denken bei ^die Schwäche ergreift usw.'? Aufgabe
der Grammatik bleibt es immer die Entstehungsart der Formen nach-
zuweisen, wo das aber nicht deutlich und einfach geschehen kann,
läszt man besser in solchem Buche jede Erklärung derselben weg. In
§ 69 VeVba '^Vi ist wol das, was gesagt ist, richtig, aber es fehlt
wieder die feste Regel, die doch zu finden ist, nach der Vav in Jod
übergeht, so dasz die Bildung der einzelnen Formen von selbst dem
lernenden sich aufdrängt. § 72 ist C'm^. als einziges Fotur mit
Zere angegeben. Das läszt sich bezweifeln, da von n'ifi^ die Formen
n'iN?. Gen. 34, 15 und ^imN?. Gen. 34, 22. 2. K. 12, 9 vorkommen. Gc-
senius, der in seinem Lehrgebäude p. 403 geneigt ist, sie als Niphal
zu erklären und darin Winer als Nachfolger hat, schwankt selbst in
seinem Lcxicon; andre wie Maurer verwerfen das Niphal ganz. Da
das Wort nur in diesen Formen vorkommt, diese sich ebenso gnt
als Kai wie als Niphal erklären lassen , so bleibt nur die Bedeutong
als entscheidend übrig, und auch die läszt sich für beide Conjugatio-
nen passend auffassen. Es konnten somit, da so vielen ins kleinste
Detail eingehenden Bemerkungen ein Platz eingeräumt ist, auch diese
Formen erwähnt werden. Doch soll das subjective Urtheil nicht
maszgebend sein; aber nicht auszulassen waren Formen wie *f^fi{
1. K. 21, 29 "^n?: 1. K. 21, 21. 2. S. 5, 2 und andre von K'i^. Wenn
einige auch § 76 vorkommen, so muste wenigstens auf sie hingewie-
sen werden. Ebenso hätte § 74 a 4 neben '^pn,!! aus Jer. 32, 36 die
Form '^t^nri 2. K. 13, '6 schon deshalb einen Platz verdient, da sie in
einem Geschichtsbuche vorkommt, und auch deshalb, weil schon v. Jl
die volle Form sich wiederfindet, so dasz beide Formen dem Sehrei-
her des Buchs gleich geläufig sind. § 75 ist das Zere des Imperativ
wol folsch erklärt. Formen wie rbr für nrtar haben schon die
Punctatoren zu entfernen gesucht; so gibt 2. K. V , 37 das Chethibh
n;n das Keri ^n')^. Das hätte um so mehr angeführt werden kön-
nen, als bemerkt wird, dasz diese altere Form aus dem Gebrauche fast
verdrängt worden sei. § 77 wünschte man eine Tabelle, weiche die
Verwandtschaft der unregelmfiszigen Verba unter einander übersicht-
lich gäbe. Hierbei sei zugleich bemerkt, dasz zum Schaden der ler-
nenden die Nebeneinanderstellung der Paradigmen aller Verba , die in
frühern Ausgaben nach der Tabelle im Lehrgebäude wenigstens xam
Gesenias and Vosen: hebr. Lehrbfieher. 201
Theil sich fand, schon seit einigen Auflagen ganz weggelassen ist.
Von S 79 ab ist die Anordnung schlecht. Von der Geschlechts -
form. Abstammung der Nomina. Nomina primitiva, de-
rivata. Vom Plural. Vom Dual. Der Genetiv und der
Status constructus. Suffixe. Die Form &')n'i7a'Ti Doppel-
mauer $ 87 gehörte unter den Dual. § 89'wird erst gesagt, dasz die
Casusformen verloren seien, dann vom Genetiv, einem Casus, gehan«
delt, wo vom Status constructus die Rede sein sollte; so wird auch
§ 92 von ^ einem folgenden Genetiv ' gesprochen und somit die Ver-
wirrung, die im Kopfe des lernenden entstehen musz, erhalten. In
§ 104 hat die neue Auflage einen uni^atzen Zusatz bekommen, denn
nicht, wenn zwei kurze Wörter paarweise verbunden sind, steht j,
sondern wenn die zwei Worte dem Sinne nach zusammengehören,
meist Gegensfitze, die durch Zusammenfassung ein ganzes bilden, da-
her versteht sichs von selbst, dasz vor DK, Mi^ ty und ähnlichen i nicht
stehen kann. § 105 ist die schöne Partikel K^ sehr stiefmütterlich
behandelt. Die Partikeln überhaupt treten in dieser Grammatik nicht
in der im Uebraeischen gerade gebührenden Wichtigkeit hervor.
§ 106 2 hätte wol 'niDä. erstgeborner und was in diesem Worte für
eine Bedeutung liegt, erwähnt werden sollen ; dabeLwar, wie schon
oben bemerkt, die Eigenthümlichkeit des Hebraeischen nicht als Man-
gel darzustellen. § 107. Der Geschlechtsgebrauch pflegt nicht in der
Syntax behandelt zu werden , auch ist zweierlei durch einander ge-
stellt : l) die Frage, welche Nomina sind Feminina und 2) welche Be-
deutung bringt die Femininendung dem Substantiv. Dazwischen läuft
nun noch das Adjectiv. § 108 enthält dreierlei: l) wie drückt der
Hebräer die Mehrheit aus, 2) was bezeichnet alles die Pluralform, 3)
wie wird bei Status constructus mit absolutus oder bei zwei oder
mehreren zu einem Begriife zusammengewachsenen Worten der Plu-
ral ausgedrückt. Doch tritt dieser Unterschied nicht klar hervor, auch
im einzelnen, besonders unter 1 sind die Fälle nicht genau geschieden
und &V th'^ und ähnliches ist nicht der Plural. In diesem Paragraph
hätte auch die ganz überflüssige Erklärung weggelassen werden sol-
len von D'^rrbK ^sei es, dasz das Wort von polytheistischer Vorstellung
ausgegangen und auf den Gott der Götter übertragen ist.^ Nicht
einmal grammatisch ist so eine Annahme zu rechtfertigen, wo ist denn
ein Plural von ähnlicher Bildung? Ebenso flndet sich § 109 ein sehr
unnützer Ausdruck , wenn er auch recht schön klingt. Der bestimmte
Artikel steht bekanntlich bei Vergleichnngen: Vo die malende Phan-
tasie das Bild eines Gegenstandes zur bestimmten Anschauung bringt.'
Dafür hätte Hr. R. darauf hinweisen sollen , dasz eine Vergleichung
etwas klar machen soll, dasz daher immer etwas bekanntes verglichen
werden musz, an dem das unbekannte sich vorstellen läszt, dasz also
deshalb der Artikel steht. ^ Weisz wie der Schnee.' Einem, der den
Schnee nicht kennt, würde dieser Vergleich nichts nützen. In § 112
ist beim Adjectiv Stellung, Geschlecht und Zahl durch einander ge-
mischt, was durchaus sa trennen war; jetzt ist der % so gefaszt, als
iV. Jahrb, f, Pm. n. Pa^. W. LXXIV. Bft. 4. 1'^
202 Gesenias und Vosen : hebr. LeUrbücber.
wenn Genus und Numerus der Stellung untergeordnet wAren. % 113
^Vorausgesetzt wird das bestimmende Nomen nur in gewissen Verbin-
dungen, als Ti^ l^.'^n • • • wie unser der König David, wo die
Stellung T^IZ'n T)"!} 2. Sam. 13, 39 wie Cicero consul eine Seltenbeit
ist.' Dasz in beiden verschiedenen Stellungen ein verschiedener Sinn
liegt, dasz eben des besond^rn Sinnes wegen die letstre seltner ist, sollte
das wirklich llrn K. entgangen sein 7 Freilich scheint er auch ansu-
nehmen, dasz eine Stellung wie consul Cicero nicht recht lateinisch
sei , dann hätte dieser Consul Cicero oft gegen die Grammatik ver-
sloszen. In diesem Paragraph wünschte man auch angegeben, ob bei
einem Substantiv mit unlrcnnl^arer Praeposition die Apposition aach
diese annimmt, wie z. B. Gen. 40, 1 ; ebenso hätte hier zur Anmerkong
wol am besten der Gebrauch bemerkt werden können, wie Gen. 15, 13
^Schrecken und grosze Finsternis' = ^schrecklich grosse Finsternis.'
Für die Bücher Mosis könnte man wol verlangen, dasz eine Gramma-
tik ausreiche. In <^ 117 heiszt es: ^dasz nM auch den Nominativ aus-
drücke , ist an sich nicht undenkbar und scheint einigemal vorsukon-
men.' Solche Unentschiedenheit ziemt sich nicht in einer Elemeatar-
grammatik; der Grammatiker soll eben bei sich im reinen sein, er
will ja lehren, musz also wissen. So Ewald Lchrb. p. 571: /den No-
minativ kann dies Wörtchen nie bezeichnen' und dann behandelt er
die für den Gebrauch angeführten Stellen. Da hat man doch eino
klare und verständliche Lehre. Dasz andre anders lehren , ihut dem
keinen Eintrag. So nimmt Maurer ad Reg. II 6 5 nd< als Nominativ-
zeichcn an bei den späteren, Gescn. Lehrgeb. p. 684 findet diesea
Gebrauch in den altern Büchern häußger. Zwischen solchen Ver-
schicdonheiten der Ansichten kommt man allerdings mit scheint am
ehesten durch, wird aber keiner Partei genügen, wie die bei der Gele-
genheit vorkommende Redensart : ^ein frei untergeordneter Ac-
cusativ' in seinem vollkommenen Widerspruche dem Schüler geheim-
nisvoll bleiben wird. Wenn es nur einige Stellen sind, wo DK fttr
den Nominativ vorzukommen scheint , konnte es in dieser Grammatik
ganz unerwähnt bleiben. Die Lehre von den Zahlwörtern § 120 wire
wol leichter zu lernen, wenn das verschiedene auch änszerlioh ge-
schieden wäre. Ich würde dies etwa so ordnen:
Ueber die Zusammenstellung der Zahlwörter mit SabslanÜTeii
gelten folgende Kegeln:
Die Zahlen von 2 — 10 stehen
1) im stat. const. vor dem Subst. im Plur. an^an n«^l
2) — abs. — ^^r^ 5 fast nie im Sing.
^^ ~ — "**'" — — nobtt ö'»?:'»
Die Zahlen von 11 — 19 stehen
1 ) im^al. abs. vor dem Subst. im Sing, bei Sii» öi-. etc.
a{ _ „.7i^ "^ *" ^'""'- **" ■"®" ■■^«"» Sahst.
^^ » ^, "^ — »eilen und bei snitern
Die Zahlen von 20—90 stehen spiiern.
1 ) im stat. abs. vor dorn Sahst, im sing, bei allen.
Gesenias und Vosen : bebr. Lehrbflcber. SOS
2) im stat. abs. vor dem Subst. im Plur. mituter.
3) — — nacb dem — —
Die Zabien von 21 — 99 stebeo
1) im atat. abs. vor dem Subst. im Sing, ao beaondera vor nsti naw. *)
2) — — nach dem — im PInr.
3) — — vor dem Subst. Die Zahl wird getheiit und nach dem
Einer steht der Plaral, nacb den Zehnern der Sing.
Die Zahlen 100 — 900 stehen
1) im stat. constr. vor dem Sahst, im Plnr. und Sing.
2) — abs. _ _ _
3) — — naeb dem — —
So bat man immer drei Falle, nnd diese haben wir aus der Grammatik
gewonnen. In % 119 oder § 131 wQnschte man eine solche Stelle wie
Gen. 27 1 n'iM'^p. If^T nimis senex quam ut videre posset. Eine aller-
dings sehr schwache Partie der Grammatik ist § 126 flgde. ; da ist die
Behandlung noch ganz die frühere und leidet gans besonders an dem
Gebrechen, dass die Vergleichung des Latein bei der Abfassung der
Regeln massgebend ist. Manche der angeführten Stellen sind daher
ganz falsch anfgefaszt, wie gleich Psalm 1, iHeil demMenschen,
der nicht wandelt, nein, Heil wird in höchster Fülle 0^V3m)
dem versprochen, der nie und nimmer gewandelt. Wenn auch Luther
dem Deatseben sich bequemend mit dem Praesens fibersetzt hat, sollte
ein Grammatiker doch nicht diese Freiheit des Übersetzens zu einer
Regel der Sprache machen. Und wie ist ja überhaupt hier die Ueber-
setzang abgeschwächt; die Psalmen beginnen nicht damit, jemandem
ein nicht viel sagendes Glück auf! zuzurufen, sondern sie beginnen
damit des Segens höchste Fülle über den auszusprechen, der sich kei-
ner Sünde schuldig gemacht hat. Es entspricht dies dem Ausspruche
Christi : Thne das, so wirst du leben. Wie kann man erwarten, dasz
die Psalmen nicht sollten mit einem Satze beginnen , in dem der Kern
aller Lehre enthalten sei. So wird Hb 21 16 übersetzt: der Rath
der Frevler '>t*n 'nT>rv^ sei fern von mir, das widerspricht der
Bedeutung des Perfect, wie es einen ganz falschen Gedanken in die
Stelle bringt. Freilich ist zuzugeben, dasz bedeutende Ausleger diese
Erklärung angenommen haben; Hiob aber behauptet vom Rathe der
Frevler fern gewesen zu sein. So sind die Anm. 1 angeführten Stellen
meist sehr abgeschwächt wie: noch eine kurze Zeit und sie werden
mich steinigen. Moses klagt seine Noth , es werde nicht mehr lange
dauern, da würden sie ihn gesteinigt haben. Ebenso sind die Bedin-
gungssätze nicht ausgeführt; es gibt da auch vier Uauptfalle so gut
wie in Bnttmanns Grammatik. Viele andre Stellen auch in dieser An-
merkung sind falsch aufgefasit. Es kann nicht fehlen , es musz dem
Gefühle und dem belieben viel eingeräumt werden , wo strenge Folge-
richtigkeit mangelt und die Grundbedeutung einer Form nicht festge-
'*') In iltem Schriften stehen die Einer vor (wie im Arab.). — In
spatern Schriften stehen die Zehner vor (wie im Syr.).
15*
204 Geseniiis und Vosen : hebr. LehrbOcher.
hallen ist. So lange die Grammatik lebrt, dieselbe Form stehe für
Pcrfcct, Flusquamperfect, Praesens, Futurum, Imperfectum Conjunctivi,
IMusquamperfcctum Conjunctivi, Futurum exactum. Praesens Conjnnctivi,
Imperativ, und dasz die Bedeutung des Imperfect 'fast noch umfang-
reicher ' sei , so lange ist an klare Regeln nicht zu denken und der
lernende ist vollständig in dicken Nebel eingebaut, aus dem er nicht
eher erlöst wird^ als bis er durch lesen in der Bibel und eignes nach-
denken ihn verscheucht oder glücklicherweise von seinem Lehrer
deutlich zu sehen gewöhnt ist. Es versieht sich von selbst, dass das
Particip erst recht als alle Zeiten umfassend bezeichnet wird.
Wir glauben in dem bisherigen hinreichend unser Urtheil be-
gründet zu haben. Was die Richtigkeit des sachlichen, also die An-
gabe der Erscheinungen der Sprache selbst betrilTt, ist, wie sich er-
warten liesz, nur wenig zu erinnern ; was wir im Vortheil der lernen-
den noch zugesetzt wünschten , haben wir oben angegeben. Was die
Erklärung und Auffassung betrilTt, so haben wir mancherlei dagegen
vorgebracht, aber vieles beruht auf Ansichten, über deren Riohtigkeit
hio und da noch gestritten werden könnte. In der Ausführung nad
Anordnung der Regeln genügt diese Grammatik noch wenig dem, was
man davon zu verlangen berechtigt ist. Was aber noch fehlt, lisst
sich leicht in einer neuen Auflage nachbessern. Schon im Druck hat
Hr. R. dreierlei unterschieden, man könnte fast sagen viererlei. Wenn
nun Hr. R. in das groszgedruckte nur das aufnehmen wollte, was üDr den
Anfänger nölhig ist, in gröster Einfachheit und Kürze des Ansdrueks,
so wäre ein erster Cursus gewonnen. Das kleiner gedrackte mit den
Anmerkungen bietet von selbst einen zweiten Cursus, wie er in Prima
passt, und scheint auch dazu bestimmt zu sein; dann ist aber der
IMan nicht streng festgehalten. Manches steht darin , was gleich bein
ersten lernen nicht zu entbehren ist. Doch werden hierin im eiasel-
nen die Ansichten immer auseinander gchn. Die Anmerkangen sind
meist in bündigerem und deutlicherem Ausdruck gehalten, als das all-
gemeinere. Alle Ansichten aber und Sprachvergleichungen, die nicht
ganz unbezweifelt sind und nicht durchaus nöthig für das Verstlndnis
des Ilebraeischen, wären unter den Text zu verweisen, denn alles das
ganz wegzulassen, dazu möchte sich Hr. R. doch wol nicht ent-
schlieszen. Und so nehmen wir von dem geehrten Herrn Verfasser
Abschied und bitten ihn die Bemerkungen, die wir uns erlanbt and
die wir nur gemacht haben, um dem durch langen Gebraach aas lieb
gewordenen Buche noch gröszere Brauchbarkeit su versohaffea, in
dem Sinne anzunehmen, in dem sie gegeben sind.
Gerade für den Anfanger ist das zweite in der Ueberschrifl ge-
nannte Buch bestimmt; es ist bereits in der zweiten Auflage erschie-
nen, was für seine Brauchbarkeit zu sprechen scheint, dagegen ist
eine Recension in der Mfltzellschen Zeitschrift sehr scharf in ihrem
Tadel gewesen. Wir wollen uns durch beides nicht hindern lassen,
tielbständig unser Urtheil abzugeben und hoffen dabei jeden Leser in
den Stand zu setzen, dasselbe su prüfen.
Geseniua und Vosen : hebr. Lehrbüober. 205
Weil das Buch eben fttr Anfänger und nur *fftr Anfänger and zam
Selbststudium' bestimmt ist, musz man die Anforderung , die wir an
Ködigers Grammaük stellten, mit mehr Nachdruck wiederholen; die
Regeln müssen einfach und faszlich , dabei in kurzen Worten gegeben
sein, und — richtig, das enthalten, was Schüler wissen müssen, das
weglassen, was sie nnr verwirrt. Gleich % 1 findet Hr. V. die Weise,
die Vocale durch beigesetzte Zeichen zu schreiben, für den lernenden
schwierig, womit unsre Erfahrung nicht stimmt, und verliert er sieh
in eine Geschichte der Punctation, welche die Schwierigkeit bedeutend
steigert, denn sie macht den Anfanger auf die Unsicherheit derselben
aufmerksam. Steht im ersten % zu viel , so enthält der zweite § zu
wenig: ^Der Buchstabe M war in der alten Schrift Vocalzeichen , da-
her (?) ist er jetzt ohne Aussprache. Das 9 ist ein schwer auszu-
sprechender Kehllaut. Es wird daher jetzt meist nicht ausgesprochen.
Einige sprechen es ungefähr wie Jod oder Cheth ans.' Das sind die
ganzen Regeln über die Aussprache ! Im Alphabet selbst steht neben
ti und D cA, neben T, D, TD ein s. Es müssen stumpfsinnige Anfänger
sein , die sich damit begnügen. § 3 werden Segol und Kibbuz nur
als kurze Vocale bezeichnet. § 4. * Damit kein Zweifel entstehe, ob
vielleicht ein Vocal irthümlich fehle, so hat man unter die wirklich
vocallosen Consonanten einen Doppelpunkt (^) gesetzt.' § 6 wird
von den Chatephs gesagt: *sie werden unter den vier Gntturalbuch-
Stäben M, In, ti, y gebraucht.' Bei der Gelegenheit erfährt man zum er-
stenmal, dasz es Gutturalbuchstaben gibt. $ 8 wird über Dagesch lene
verhandel4 und so geschlossen: *es steht also am Anfange der Wör-
ter und nach einem Schwa quiescens im innern.' % II. rr^^ nicht
Ziva, sondern ^ZilTa'. § 18. ^Drei Consonanten auf einen Vocal dul-
det der Hebraeer nicht.' Man vergleiche VbjP. §21. *Nur 2 Zeit-
formen sind da, Praeteritnm und Futurum. Das Praesens fehlt, dafür
dient meistens das Participium.' §. 37. * Dieses 1 heiszt Vav conver-
sivum, weil es die Bedeutung der Form umkehrt.' ^»h^ er wird
kommen, fetrj^i (sie) er kam.' § 28. Wo der Conjunctiv nöthig
wäre, da brauchen die Hebraeer das Futurum. Ebenso wird in den
meisten Fällen statt des Imperativ die höflichere (!) Form des Futurs
als Jnssiv gebraucht, also s^n »b ist höflicher Ausdruck; das ist
neu. % 32. * Wenn einer von den drei Stammbnchstaben (Radicalen)
eines Verbums ein Gutturalbuchstabe M n tl :^ (oder ^) ist, so 'können
nicht mehr Gutturalen in einem Worte sein'? % 35. 'Nach § 12 ver-
langen die beiden Buchstaben n und y immer den Alaut in der letzten
Silbe, so lange sie am Ende stehen. Daher zeigt sich denn im Para-
digma jeder andere Vocal der letzten Silbe in a verwandelt', müste
heiszen: ^ andre kurze'. % 56 wird der Status absolntus pluralis vom
Status constructus singularis abgeleitet, was weder an sich einen
Grund hat noch äuszerlich die Ableitung und das merken der Formen
erleichtert. § 78. ' Die Dichter bedienen sich seiner (des Plural) hie
und da, um kräftiger zu reden oder ein voller klingendes Satzende za
gewinnen'. Weiter nichts? § 79. 'Substantiv« generis communis
206 Gesenius und Vosen : hebr. Lehrbücher.
haben, wenn zwei Adjectiva<bei ihnen sieben, eines in dem masenlinum,
das andere im Femininum '. Man könnte noch hie und da etwas ibn-
iiches vorbringen , aber gröszer zeigt sich der Mangel der Grammatik
darin, dasz so oft gerade die gerühmte Klarheit fehlt: § 37 * Verb«
fi^'b ohne Paradigma (auch das noch!). Die Verba, deren dritter
Stammconsonant fi< ist, haben die Eigenthfimlichkeit, dasz dieses K
quiesciert, so oft sich ein A oder E in der letzten Silbe befindet.
Dadurch wird das Patach in der letzten Silb»<aberall in Kames rer-
längert. Vor allen Consonant-AfTormativen quiesciert das M im praet.
in Zere (auszer in Kai, wo Kamez steht) und im fut. in Segel.
Auch haben sie den Inf. (!?) und das fut Kai mit A.' § 68. Einsil-
bige Nomina : die einsilbigen Nomina ohne pleno geschriebene Vooale
verkürzen meistens (!) vor den Zusätzen ihren Vocal, indem sie
Dagesch erhalten. Einige (!) verlieren ihn. Dieses zeigt das Lexikon
im einzelnen an. Manche (!) sind ganz unregelmaszig'. Wer sich
dies Buch, wozu es bestimmt ist, gewählt hat, um privatim hebraeisch
zu lernen, den kann so ein Satz zur Verzweiflung treiben. Einem 8ol>
chen wird freilich sehr viel unklar bleiben, darauf sehe man Dar
§ 53 — 58 an, und nun gar die Lehre über die Tempora. Die ganze
Syntax aber musz schon deshalb an Unbeslimmtlieit in der Fassung
leiden, die gar leicht in falsche Auffassung übergehen mosz, weil alles
nur aufs übersetzen berechnet ist. ^Wir behandeln hier nur diejenigen
Punkte der hebraeischen Sprache , welche für das übersetzen aus dem
Hebraeischen einer nähern Erklärung bedürfen', so beginnt die Syntax.
Dann sind solche Sätze auch nicht mehr auffällig wie § 77.« *Der He-
braeor setzt den Artikel oft nicht, wo wir ihn in der UeberseUang
anwenden müssen. Dieses ist der Fall, wenn das Nomen ein Saffixnm
oder einen Genetiv bei sich hat. Im letzten Falle musz der Zusammen-
hang ( ! ebenso § 89) entscheiden, ob die Uebersetzung den beatimnitea
oder den unbestimmten oder gar keinen Artikel verlangt.' Somit wird
der Beurtheilung des lernenden das Verständnis überlassen, ohne dasB
diesem ein Halt gegeben würde. Wozu hat man denn eine Gramma-
tik? §78. ' V^enn man die Anwendung des Status constructus immer
Genetiv nennen will', also von dem Belieben des Anfängers soll die
Auffassung der grammatischen Erscheinungen abhängen? In demsel-
ben § ist von einem bestimmten Accusativ die Rede: * der be-
stimmte Accusativ wird durch die Partikel nfit bezeichnet.' So findet
sich bald ein ^könnte' und ein ^bisweilen'; im § 96 findet sich inner-
halb etwa zwanzig Zeilen: meist, oft, bisweilen, regel-
maszig, auch manchmal, zuweilen. Die Unklarheit liegt fer-
ner nicht blosz in der weniger genauen Fassung und dem schwanken
in der Sache selbst, auch der deutsche Ausdruck ist mangelhafl:
^Wcnn ein aus einem Substantiv und einem Genetiv zusammengesetz-
ter Begriff in den Plural soll(!), so ist dieses meistens durch den
Plural des Status constructus angedeutet.' % 13. Die hebraeische
Sprache ist in ihrer Formenbildung überaus regelmässig, und einige
wenige Regeln erklären die meisten Veränderungen bei der Foimbil-
Geseniuii mid Vosen : hebr. Lehrbüeber. 207
düng, wo der Weobsel zwiscben Formen und Form den Satz noch
nicht schön macht. Manches steht am unrechten Orte, so das Prono-
men personale hinter dem Verbnm, unter Nominati? die Lehre von der
Wortstellung, einzelne Paragraphen umfassen zu vielerlei, wie nament-
lich § 78, 81; öfters sind Bemerkungen gemacht, die hier unpassend
sind, weil sie auf andre Grammatiken anspielen, die doch nicht be-
nannt sind, wie § 41. 42 Anm. ^ Vergleichungen mit den andern semi-
tischen Sprachen und darauf gegründete Hypothesen sind für unsem
Zweck unnütz;^ so % 50. Derlei Bemerkungen gehörten in die Vor-
rede, wenn sie überhaupt nöthig waren. Aehnlich ist $ 10. * Für die
erste Leseflbung genügt'. § 13 *Die bisher vorgenommenen ErklfiruiT-
gen genügen für den Beginn der Leseübungen.' Die Verführung war
allerdings grosz in Rücksicht auf die vorhandenen Grammatiken die
Kleinheit dieser zu rechtfertigen. Doch die rechtfertigt sich durch
sich. Aber sollte es' einmal ein Lehrbuch für Anfänger sein , so
brauchte auch nicht auf Eigenthümlichkeiten des Jeremies § 85 Rück-
sicht genommen zu werden, der doch auf Schulen so leieht nicht gele-
sen wird. Auch fehlt nicht das tadeln des Hebraeischen : $ 76, 4
p. 56. Dasselbe wiederholt p. 58; so § 8f . Durchweg hat diese Gram-
matik den ErzähluDgs-, nicht den Lehrton, und. ist sie daher schon,
wenn sie auch einzelne recht gute Bemerkungen hat, wie zu § 5. 7.
13. 14. 26, doch nicht zu empfehlen.
Angehängt sind Lesestücke, die, wie auch die Grammatik selbst,
viel Druckfehler enthalten , allerdings keine Empfehlung für ein zum
Gebrauch der Anfänger bestimmtes Buch, Noch müssen wir aber
etwas anderes aussetzen, wir können keinen richtigen Plan darin fin-
den. Wir haben zwei in ihrer Weise vorlrefTliche Lesebucher, das
erste, was wir meinen, ist das von Gesenius: es enthält sehr pas-
sende Lesestücke mit angemessenen Erklärungen und einem genauen
Wörterbuche. Auszusetzen ist nur das , dasz in den Einleitungen der
Lesestücke, welche die Schüler bekanntlich nicht eifrig lesen , der
Rationalismus stark durchscheint; sie könnten ohne Schaden ganz
wegbleiben. Es ist allerdings in diesen Stücken nicht durchweg eben-
mäsziger Fortschritt vom leichteren zum schwereren, der ist nicht
möglich , wenn zusammenhängende Stücke aufgenommen werden , ist
auch gar nicht so nöthig. Diesen Fortschritt hat nun ein andres fest-
gehalten, es ist mit groszem Fleisze und groszer Umsicht gearbeitet,
mit einem Wörterbuche nach Stämmen, was selbst auf wissenschaft-
liche Behandlung und Bereicherung der Wissenschaft Anspruch machen
kann, es ist dies das Lesebuch von Maurer. Es ist also für beide
llauptmethoden aufs beste gesorgt. Hier sind nun gegeben l) einige
Sätze für die erste Anleitung zum analysieren und übersetzen; es sind
sehr wenige und zum Theil eigne Fabrik, wenigstens so geändert, dasz
sie als eigen anzusehen sind. Dieser Misbrauch, dasz jemand sich
herausnimmt eigenes als Muster aufzustellen oder Klassiker gar um-
zuarbeiten, ist namenllich in lateinischen Lesebüchern sefaf im
Schwünge und der Mangel an Gefühl für gutes Latein in oberen Klas-
20^ K. Fr. Süpne: Aufgaben zu lateinkschen Stilttbangen.
sen hat seinen Grund mit darin, dasz bei Beginn des Unlerriclites
schlechtes Latein geboten worden ist. Wird man den Sinn für Blalerei
zu bilden meinen , wenn man greuliche Sudeleien dem Schüler Jahre
lang vorhält und nachbilden l&szt? Wir hallen es für unverantwort-
lich , solche Machwerke in die Schulen einzuführen. So ist auch hier
der Versuch mislungen , es kommen grobe Verstösze gegen die Gram-
matik vor, die man nicht dem Setzer, der so manches über sich neh-
men musz, zuschreiben kann, so der wiederkehrende Artikel vor dem
Status constructus, die volle Form hinter dem Vav conversivum usw.
Dann folgt ein Abschnitt : die Weisen aus dem Morgenlande. Diese
Uebersetzung aus dem Neuen Testamente ist hier aufgenommen, *nm
für die erste zusammenhängende Uebersetzung einen dem Schüler
wörtlich bekannten Inhalt als Erleichterung zu bieten.' Es sind also
solche Schüler vorausgesetzt, denen das Alte Testament von Anfang
bis Ende ein durchaus unbekanntes Buch ist.- Es folgen dann: das
Opfer des Abraham. Der brennende Busch. Wort Gottes an Samuel.
Elis Strafe. Joseph gibt sich zu erkennen. Israel zieht nach Aegyp-
ten. Weshalb gerade diese der Zahl nach unzureichenden so abgeris-
senen Stücke und in der Ordnung gegeben sind, diese Fragen haben
wir uns nicht beantwprten können.
Quedlinburg. Gimsrau.
\1.
Aufgaben zu lateinischen Stilübungen. Mit besonderer Berück-
sichlignng von Krebs Anleitung zum Lateinschreiben und
von Zumpts^ Schulzs und Feldbauschs latein. Grammatiken
und mit Anmerkungen versehen von K. Fr. Süpfle. Zwei-
ter Theil, Aufgaben für obere Klassen. Siebente verbesserte
Auflage. Karlsruhe, Th. Groos. 1855. VllI u. 392 S. 8.
Obgleich die Anzahl der Aufgaben zu lateinischen Stilübungen
sich täglich mehrt, so haben gleichwol die Arbeiten des Hrn. Süpfle
sich fort und fort eines groszen und verdienten Beifalls von Seiten
der Schule zu erfreuen gehabt, wie dies die rasch aufeinanderfol-
genden Auflagen beider Tlieilo hinlänglich beweisen. Der von ins
anzuzeigende zweite Theil hat so bedeutende, die Zwecke der Schule
fördernde Verbesserungen und Zusätze erhalten, dasz man in Wahr-
heit sagen kann, es sei kaum eine Seite zu Anden, wo die verbes-
sernde Hand gefehlt habe. Hef. hat eine genaue Einsicht in das Buch
genommen und ist an der Hand der vorhergehenden Auflage zu obi-
gem Urtheile gekommen. Die Aenderungen sind am meisten in den
Anmerkungen ersichtlich in einer schärferen Fassung, umsichtigeren
Begründung und genaueren Hinzufügung des eben erforderlichen lalei-
F. M. Troegel: Causeries sur 1« ptycholo^e des animaax. 209
Bischen Ausdrackes. Zar Erhärtung des eben gesagten wollen wir
kürzlich zur Vergleichnng rerweisen auf Seite 34, 37, 45, 47, 80, 135,
140, 149. Verbesserungen im Texte treten oft hervor, so Seite 44,
260. Einer sehr genauen Durchsicht wurden S. 265—294 unterworfen.
Solche Aenderungen reden laut für die gewissenhafte Sorgfalt, mit
welcher der Hr. Vf. gearbeitet hat und für welche ihm die Schule
gewis dankbar sein wird. Für* diejenigen Schulen, denen diese
Uebungsbficher bislang unbekannt waren, erlauben wir uns noch be-
sonders zu bemerken, dasz das eigenlhümliche des ersten und zweiten
Theiles dieser Aufgaben in der gleichmäszigen Verbindung streng
grammatischer Stücke mit freien Uebungsstücken besteht. Gerade
hierin finden wir das charakteristische des Buches und ein methodi-
sches Verfahren, welches den Büchern noch weitere Verbreitung sicher
verschaffen wird. Dazu kommt — und darauf legen wir groszen
Werth — dasz der Inhalt der Uebersetzungsaufgaben ein durchweg
frischer , belebender und belehrender ist. Indem Ref. das Buch der
Aufmerksamkeit der Herren Collegen empfiehlt, die es bisher noch
nicht kannten, ist er gern erbötig dem geehrten Vf. auf einem anderen
Wege einige auf Verbesserung bezügliche Wünsche zukommen zn
lassen. Die äuszere Ausstattung des Buches ist sehr zu loben.
Sondershausen. Hartmann.
12.
Causeries sur la psychologie des animaux, par F. M. Troegel j
docteur en phU. Leipzig (c), librairie de M. C. Dürr, 1856.
Durch die Kenntnisnahme des vorliegenden Buches wurde mir
zwar eine Täuschung, jedoch eine höchst angenehme, bereitet. Da
ich nemlich im Begriffe stehe, eine Sammlung von französischen
Unterhaltungen^) zu veröffentlichen, welche zwischen der zahl-
losen Menge von Gesprächsbüchern und den rühmlichst bekannten
Causeries parisiennes in der Mitte stehen, jedoch einem gröszern
Publicum, als letztere, bestimmt werden sollen, und ich zu diesem
Zwecke alles zu erreichen suchte, was mit meinem zusammenhängen-
den, vielseitigen Plane in irgend einer Verwandtschaft steht, so nahm
ich auch von diesem Buche Einsicht, weil ich aus dessen Titel, nach
dem Hauptbegriffe des Wortes causerie, auf ein Werk in Gesprächs-
form zu schlieszen berechtigt war. Dem ist jedoch nicht so: dieses
Buch bietet in historischer Folge zuerst einen Ueberblick der Ge-
schichte der Psychologie der Thiore: durch eine Beihe von
Urtheilen von Anaximander und Pythagoras bis zu Aristoteles sind die
*) Causeries d^Ecoie. Französ. Gespräche über deutsche Zustande,
zur UebuBg in der Umgangssprache der gebildeten. Bfains, Kunxe.
210 F. M. Troegel: Causeries sur la psyohologie des animaaz.
Ansichten der Griechen dargelegt; ebenso folgen die Römer und Ro-
manen von Flinius bis zu den neueren Völkern : Carlesius, Gassendi,
Lcibnilz, Locke, Linnä, Condillac und seine Nachfolger bis su Oken,
liefern ihre Urtheile. Hierauf folgt als Hauptkapitel: Facultas des
animaux, (intelligence , imagination, memoire, conscience); ferner:
sentimcnt moral, sentiment du Beau; unter Willens?ermögeD: Ca-
racl^re; in welchen Kapiteln durch die Aufzfihlang vieler anziehen-
den Thalsachen jedem Thiere , selbst dem Würmchen im Staobe , sein
Anlhcil an den verschiedenen Geislesvermögen vindiciert wird. Dasi
der Elcphant, der Bieber und der Hund, andrerseits die Vögel, onter
den Insectcn die Biene, die gröste Rolle spielen, versteh! sich tob
selbst.
Zur nähern Charakterisierung hebe ich einzelne Hauptsfifze aas,
welche als Resultate der aufgestellten historischen Angaben erseheinen.
Co qui prouve fintelligence des oiseaux, c^est qu^ils calcuknt
les consequences de Icurs aclions.
Les oiseaux de mSme que les mammifires choisissenl de deax
maux Ic plus petil, de deux avantagcs le plus grand.
Les oiseaux manifestent aussi leur intelligence en distingaaBt
Papparence de la rcalit^.
Den Schlusz bildet eine lyrische Nachahmung des Nachtigallen-
gesangs von Dupont de Nemours, auf welche, gleichsam als Verwah-
rung gegen etwaige Mis Verständnisse, als recapilulation folgt:
Quoiqu**!! y ait de Pinjuslice a rcfuser a Panimal les facultes de
connailre, de sentir, de vouloir, il serait absurde de pretendre qn'il
en a aussi toules los nuanccs, (outcs les gradations. Quelle que soit
Tattention, quel que soit le soin que Ton metto ä observer les oiseaux
et les mammiföres les plus parfaits, jamais on ne leur troovera ni la
raison, ni le libre arbitre, ni la lucidile de la conscicnce, tr^sors prc-
cieux de notro ame immortelle, par les qnels la Frovidence, dans sa
divinc bonte, a bien voulu nous distinguer du resle des cr^alores.
In Bezug auf die Sprache sind mir nur zwei Stellen aufgestosceD:
pag. 1. Je ne suis pas de Pavis de ceux qui prctendent que la philo-
sophie soit ixn privil^ge exclusif de quelques 61us de la science. —
Pag. 61 steht physiognomie für physionomie; ersteres heiszt Ge-
sichtskunde, letzteres, welches hier gemeint ist, Gesiohtf-
b i 1 d u n g.
Wenn mir übrigens diese Meditations sur la Psychologie des
Aniniaux durch ihren reichen Inhalt, gleich einer grünenden Oase in-
mitten einer weiten Einöde, einige angenehme Stunden gewihrleo, so
stelle ich noch weit höher, weil seltener, die reine und gewandle
Sprache dieses französisch gedachten Büchleins, welohes in
doppelter Beziehung für Schule und Haus zu empfehlen mir sain Ver-
gnügen gereicht.
Iladamar, im Februar 1856. Barbieiix,
Aasxflge aas ZeitsohriffleB. 211
Auszüge aus Zeitschriften.
Paedagagische Revue. 16 Jhrg. 1855.
Mai- o. Jonih. Krejssigs Leben, beschr. r. Piiedrichy her-
aasgeg. t. Kreyssig. Ang. ▼. Kohler (8. 342-45). — 1. Zim-
mermann: Scbalgramm. d^ engl. Spr. 2. Aubrey: Elementerb. x.
Erlernung d. engl. Spr. 3. Biering: engl. Lebrb. f. Gymn. 4. Man-
ne!: praKi. engl. Sprach!. 5. Plate: vollstand. Lehrgang s. erlern,
d. engl. Spr. 6. Voigtmann: Anleit. x. rieht. Aasspr. d. Engl. 7.
Ders.: 9 prakt» Uebungen. 8. Ders. William Maror^s english spelling
boolc. Ang. T. Robolsky (S. 347—55: An 1. Mangel an Correctheit
getadelt. Nr. 5 u. 6 f. erhalten als gediegene Werke Lob). — Wolf:
deutsche Götterlehre. Ang. r. Schweizer (8. 355 — 61: lobende, anf
einzelnes eingehende Anzeige). — Vehse: Gesch. d. dentscben Höfe.
21. u. 22. Bd. Ang. ▼. M. (8. 361—^64: indignierte Benrtheilang). —
Brann: qnadrat. Gleichangen. Ang. ▼. Langbein (8. 366: nicht
empfohlen). — Lauteschläger: Beispiele u. Anfgaben zur Algebra.
4. A. Ang. T. dems. (8. 365 f. reichhaltig). — Kühn et Lehrb. d.
Arithmetik n. Algebra. Ans. ▼• dems. (8. 366—69: manches nicht ge-
nügend gefunden). — Smith: Karte d. V. St. t. Nordamerika. Ang.
▼. Gribel (8. 370: sehr gelobt).— Nieberding: Leitfaden d. Erd-
kunde. 4. A. Ang. T. dems. (8. 370 f.: gehört zu den besseren). —
Waubke: Leitfaden d. Geogr. Ang. v. dems. (8. 371 f. mancher Ta-
del). — Scheder: Palaestina. V. dems. (8. 372: angelegentlich em-
pfohlen). — Engel: Elementaratlas u. ffeogr. Perspectivatlas. V.
dems. (8. 373 — 75: ganz Terworfen). — Volt er: Schnlatlas. V. dems.
(8, 375 f. im allg. gelobt). = Paedagog. Zeitung. = Julih. Arenz:
d. Gesetz über d. mittleren Unterricht in Belgien. 4. Art. (8. 1 — 25:
d. Mitwirkung des Clerus in d. Staatsanstalten. D. Religionsunter-
richt. Art. 8 d. Gesetzentwurfs. D. Conrention ▼. Antwerpen). —
Weishaupt:* d. Tragoedie (8. 26—46: Geschichte der griech. Tra-
goedie u. Parallele zwischen ihr u. d. modernen). — Ausgaben des
Phaedrns von Jordan (Leipzig 1833), Hoffmann (Berlin 1836),
Kone, Seibt, Siebeiis n. Raachig. Ang. t. Meinsbausen
(S. 50—64: Besprechung rom praktisch - paedagogisehen Standpunkt
aus, wobei 1. 2. n. 4. härteren Tadel erfahren. Der Vf. entscheidet
sich für Lectfire des Phaedrns Tor der des Nepos). — Historische
Lehr- u. Lesebneher 1854. V. Campe (8. 64 — 80. Besprochen werden
unter vielen paedagogisehen Winken und Bemerkungen des unterz.
Grundrisz, Grashof: Leitfaden d. allg. Weltgesch. 5. A., Spiesz:
Weltg. in Biographien, Caner: Geschichtstabellen, Zeisz: Lehrb.
d. Gesch., Beck: Leitfaden b. ersten Unterr. in d. G., Kroger:
norddeutsche Freiheits- u. Heldenkämpfer, Klopp: deutsche Ge-
schichtxbibliothek.) -~ Paedagog. Zeitung (enthält 8. 209 — 222 einen
Abdruck aus d. protest. Monatsbl. über d. Bibel in^d. evangel. höh.
Unterrichtsanstalten) tn August h. Schweizer: ü. d. Elementar-
unterricht in d. alten Spr., zunächst im Latein« (8. 81 — 105: Dar-
legung, wie schon im 1. Jahre des mit 12j. Knaben zu beginnenden
lat. Unterrichts die Resultate der vergleichenden Sprachforschung zu
benützen seien). — Seffer: Elementarb. d. hebr. Spr. 2. A. u. Vo-
«en: kurze Anleitung z. Krlern. d. hebr. Spr. Ang. v. Mühlberg
(9. 106—10: lobende Anzeige mit einzelnen Bemerkungen). — Klein-
schmidt: d. Unterricht im Griech. kann bei wöchentl. 8 Stundeji in
Untertertia mit Anabasis u. Odyssee begonnen werden. Ang. v. Köhler
(8. 112—15: im ganzen beistimmend). — Franzos. u. engl. Lehr- und
212 Auszüge aus Zeitochriftea.
Hilfsbücher. Ang. v. Robolsky (S. 115 — 120: herronuheben ist das
Lob, welches Gräser: Poesie« des V. Hago nsw. n. Beb nach:
Gesch. d. engl. Spr. u. Litt, gespendet wird). — Hahn: d. Fand v.
Lengerich. Ang. v. Cainpe (S. 121 f. Keferat). — Ebeling: Sieben
Bucher französ. Geschichte 1. Bd. Ang. v. dems. (S. 123 — 29: ein-
gehende Charakteristik des bedeutenden Werks). — Griechieche My-
thologien von Lauer, Gerhard, Preller, Braun a. Ring. Ang.
V. dems. (8. 129 — 46: Erörterung der Principien 'für die Darstellang
der Mythologie im Systeme und des Verhältnisses der einzelnen Werke
zu ihnen). — Merschmann: Leitfaden z. Unterr. in d. preasi. Ge-
schichte u. Hahn: Gesch. des preusz. Vaterlands. Ang. r. Sierert
(S. 146—51: d. erstere Buch entschieden getadelt, der zweite unter
manchen Berichtigungen gelobt). — Mousson: d. Gletscher d. Jetst-
zeit. Ang. v. Straub (S. 151 — 53: d. Lehrern der Geographie drin-
gend empfohlen) — Emsmann: d. richtige Passattheorie ist Baent
aufgestellt von Hadley 1735 und nicht Ton Halley 1686 (S. 157—
62). — Paedag. Zeitung abringt S. 258—73 einen aus VogeFs und
Körners höherer Bürgerschule abgedruckten Aufsatz t. Robolsky:
d. französ. Leetüre in d. oberen Kl., der zwar zunächst für die Real-
schule bestimmt, doch auch für d. Gymn. Beachtung verdient). *) t=s
Septemberh. Arenz: d. Gesetz usw. (S. 163—200: Forte, rem
Junih.). — K. T. Raumer: d. deutschen Universitäten. 2. A. Ang.
V. Gramer (201 — 8: dankbare Darlegung des belehrenden Inhalts nnt
einigen Bemerknngen). — Cobet: commentationes philologicae tres
und Variae lectiones. An^. v. Campe (S. 208 — 19: au^hrliches
Referat über die in der Philologie Epoche machenden Schriften) —
Lehrbücher u. Hilfsmittel für d. lat. u. griech. Sprachunterricht. Ang.
V. Queck (S. 219—27: Nach einigen einleitenden Bemerkungen er-
halten unbedingtes Lob: Schmidt: Elementarb. d. 1. Spr. S. A.|
Bonnel: Uebungsstücke. 5. A., Fritz sc he: deutsch -lat. lieber-
setzungsb., Freese: Aufgaben z. Uebersetzen a. d. D« ins 6riech.|
mehr oder weniger Tadel Born: method. Lehrb. d. lat. Spr., Fri ti-
sche: erstes Regel- u. Uebungsb., Lenz: Aufgaben z. Einübung d.
lat. Synt., Weise: Wörterb. zu Arrians Anab., Mühlmann: Tat-
deutsches Handwörterb.). — Spiesz u. Berleti deutsche Schulgr.
f. höhere Seh. Ang. v. Bach (S. 227—35: versucht d. Notbwendig-
keit e. systematischen deutschen Grammatik für Realschulen, wo nicnt
für d. Gymn., zu erweisen). — Kurze Anzeigen von Langbein (S.
235 f. Tadel erfährt Gaupp: lat. Anthologie für Anfänger). — M»«
them. u. a. Lehrb. Ang. v. dems. (S. 236—44: an Grub er: d. Un-
terr. in d. Planimetrie usw. wird d. Methode gelobt, d. Ausführung
weniger befriedigend gefunden. Gelobt werden Harms: d. erste Stufe
des roathero. Unterr. u. Ravier: Lehrb. d. Differential- u. Integral-
rechnung, bearb. v. Wittstein 2. A., mit Bemerkungen begleitet
Benz: Elementarb. d. niederen Analysis, Steffenhacen u. Heutsi:
Compendium d. allg. Arithm., Sass: elementar. Einleitung in d. nllg.
Arithm., Berkhan: 200 neue Lehrsätze, für d. Unterr. nicht brancn-
bar gefunden Königer: Grundlehre d. niederen Meszkunde, ent-
schieden verworfen bis auf hübsche Aufgaben Etienne: Versncll eines
Curs. d. Mathem.).— Paedag. Zeit.= Oct.- u. Nov.-H. Robolsky:
d. litterarische Frankreich (S. 245 — 46: Besprechung der bedeuUam-
sten im Gebiete der Philologie, Historiographie^ Theologie u. Philo-
sophie in Frankreich erschienenen Werke). — Thiersch: fi. christl.
Familienleben. Ang. v. Lgb. (S. 259—59: viel Beistimmung).— Gie-
*) Mit diesem Heft hört Scheiberts Thcilnahme an der Redtet auf.
AasKflgre ans Zeitseliriftea. 213
sebrecht: 3 Schnlreden n. ein Fragment. Ang. r. dems. (S. 259).
— Hecht: was haben diejenigen, welche Pfarrer werden wollen, im
voran« zu bedenken? Ang. v. dems. (S. 262). — Lentbecher: D.
Arnos Conmenins Lehrknnst. Ang. v. dems. (S. 26S: wird sehr em-
pfohlen). — Rabbinowicz: hehr. Gr. Ang. t. Mühlberg (S. 267:
neben Anerkennung auch Tadel). — Putsche: lat. Gr. 11. A. Ang.
T. Kohl er (8. 2^ f. empfehlend). — Kegeln 'o. Worterverceichnia
für deutsche Rechtschreibung. Ang. r. Peldbausch (8. 269^275 >
bei manchen Ausstellungen doch das ganze freudig begrnszt). — Phi-
lippson: d. israelitische Bibel. 3. Th. Ang. t. Mnhlberg (8. 280f.
empfohlen). — Bernhardy: Grnndrisz d. rom. Litt, 3. A. Ang. v.
8cnweizer (8. 281 — 90: mit Bemerkungen, nam. aus der Sprachver-
gleichung, begleitete, das 8tudinm dringend anrathende Anz.) —
8chnlze: Leitf. b. Unterr. in d. Gesch. d. deutsch. Nat.-Litt. Ang.
V. 8chnbart (8. 290 f.: viel Tadel). — Caes. d. b. c. v. Bobe-
renzy Ovid. Metam. v. Siebeiis, Cic. Tuscnl. v. Koch, Cic. Cat.
m. V. Nanck, Lat. Leseb. enth. Brzählungen a. d. Herodot, u. Nep.
ed. Reinhold. Ang. v. Qu eck (8. 292-94: kurz; am meisten wer-
den d. 3. Q. 6. Buch getadelt). — Oltrogge: deutsch. Leseb. Neue
Ausw. Ang. V. L. (8. 295 f.) — Frankne: Lehr. d. höh. Mathem. Ang.
Y. Zehfusz (8. 297—300: Lob mit einzelnen Bemerk.). — Eichel-
berg: method. Leitf. z. Unterr. in d. Naturgesch. (8. 300-— 303:
Selbstanz.). — Klosz: neue Jahrb. d. Turnkunst. Ang. t. Lang-
bein (8. 305 f. kurze Erörterung d. frühem Streites geg. Spiesz). —
Schweizer: philolog* Miscellen (8. 307 — 19: Besprochen werden:
Ross* alte Inschriften, Oekonomides Inschr. v. Chaleion, Ausgrabung
am Heraeum, Homer d. Zusammenfuger , d. alte Cato als Dichter, un-
serer Philologenversammlungen Licht- und Schatten).—- Streit zw. W.
Zimmermann u. Robolsky über d. Anz. v. d. erstem engl. Schulgr.
(8. 320—22). — Paed. Zeit. ♦) = Decemberh. Schweizer: üb.
unseren Elementarunterr. in d. alten Spr. , zun. im Lat. (8. 323-36:
Forts, v. Augusth. Hier wird das zweite Jahr besprochen, wobei na-
mentlich die Wortbildung Berücksichtigung findet). — Hausdorffer:
Aphorismen ü. Gymnasialhildung.^ Ang. v. Am eis (337 — 43: durchaus
lobend u. beistimmend, bis auf ^ine vom Vf. begangene Inconsequenz).
— 8chmitthenner*s kurzes deutsch. Wörterb. umgearb. v. Weigand.
3. H. Ang. V. Schweizer (s. 343—45: sehr gelobt). — Poetae lyrici
graeci. Ed. Bergk. 2. A. Ang. y. Am eis (8. 345 — 48: ausgezeich-
net anerkannt). — Horatius. Ed. Pauly. (8. 348—50: als sehr be-
deutsam bezeichnet). — Ludecking: franz. Leseb. 2. Th. Ang. v.
Buchner (s. 350 f. empfohlen). — Nitzelnadel: d. wissenswur-
digste a. d. Welt- u. Cnlturgesch. in Biographien, l. Bd. Ang. v.
Schubart (8. 342 — 54: sehr gelobt). — Montanus: d. deutsch.
Volksfeste usw. Ang. v. dems. (8. 355: empfohlen). — Fritzsche:
tabellar. Uebers. d. allg. Gesch. Ang. v. dems. (8. 358: empfohlen).
— Stacke: Erzählungen a. d. mittl. n. neuem Gesch. 2. Thl. Ang.
V. dems. (8. 358: gut, aber zu viel Beiwerk). — »Herz fei d: Gesch.
d. Volks Israel* Ang. v. Muhlberg (8. 359:, dem Studium empfoh-
len). — Diesterwegs populäre Himmelskunde, 5. A., Leypoldt:
Himmelskunde n. v. Buttlar; d. wesentlichste d. Sternenkunde. Ang.
V. Langbein (8. 359 — 61: An 1 wird die Methode gelobt, aber der
religiöse Standpunkt bekämpft). — Grube: Charakterbilder a. d.
W\\. Schrift und Günther: Auslegurig d. bibl. Gesch. 1. Bd. Ang.
"*) Von hier an ist auch Kuhr aus d. Redact. getreten n. wird
diese-/. Langbein allein gefuhrt.
214 Auszüge aus Zeitschriften.
V. Schnbart (S. 361—63: d. 2. Buch empfohlen, gegen d. 8Und-
puiikt des erateren Einwendungen). — Hollenberg: Hilfsb. f. d.
evaiig. Religionsunterr. in Gy'mn. u. Wippermann: Grundr. d. Kir-
cheiigescli. Ang. v. dem». (S. 365—68: beide Bücher gelobt, doch d.
erstere mehr). — RoboUky:d. litterar. Frankr. 2. Art. (S. 368—
Hl : Fortsetzung v. Oct. u. Nov., die geschichtl. Litt, umfassend). —
Paedagog. Zeit. (Bericht über d. Versammlung d. ReaUchuImanner in
Hannover 27-29. Sept. 1855 S. 367—73. Beiträge a. Geach. d. Öster-
reich. Unterrichtswesens aus d. deutsch. Vierteljahrschr. n* d. alig.
Zeitung S. 373—87).
Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische
Notizen, Anzeigen von Programmen.
Alto.na. Zum Schulactiis des Christianeums am 29. n. 30. Min
1855 erschien als wissenschaftliche Abhandlung vom sechsten Lehrer,
Dr. E. n. Chr. Sorensen: Versuch einer kritischen Beleachtong des
von Schleiermacher gelegten Fundamentes der philosophischen Ethik,
24 S. 4. Aus den Schulnachrichten, S. 25—28, erfahren wir, dasz
der zweite Lehrer, Professor Dr. Frandsen als Dlrector an das
neu gegründete Realgymnasium in Keiidshurg Mich. 1854 getreten und
seine Stelle einstweilen durch den als Hiilfslehrer constituierten Schul-
amtscandidaten Volbehr ersetzt worden ist. Hr. de Castres trat
als Lehrer des französischen an die Stelle des ausgeschiedenen Dr.
'Wallace. Der Inspector der holsteinischen Gelehrtenschulen, JBtati-
rath Dr. Trcde (früher Kector der Plöner Gclehrtenschule) unterxog
das Gymnasium einer amtlichen Revision. Auf seiner Rundreise be-
ehrte auch der König das Gymnasium mit seinem Besuche. Die An-
stalt hatte im Sommer 171 Schüler, nemlich 13 in T, 20 in 11, 16 in
in, 22 in IV, 41 in V, 47 in VI, 12 in Vll ; im Winter 180, ncmlich
IG in I, 19 in II, 23 in III, 20 in iV, 42 in V, 45 in VI, 15 in VII.
Michaelis 1854 hatte sie keinen, Ostern 1855 7 Abiturienten.
AiYs dem G roszh erzogthum Baden. Ueber die Universität
Heidelberg und über badische Gelehrtenschulen (Paedagogien, Gym-
nasien, Lyceen) theilen wir theils aus ofliciellen Berichten, theils ans
badischen Blättern folgendes mit:
Das Fest der Universität, die Preisvertheilung am Ge*
burtstage des unvergesziichen Groszherzogs Karl Frie-
drich, in welchem die Universität ihren Wiederhersteller und swei-
ten Gründer verehrt, gieng am 22. November 1855 in üblicher Weise
vor sich. Die Festrede hielt der zeitige Prorector, geheime Hofirath
und Oberbibliothekar Dr. Bahr. Sie ist, wie von dem berfibmten
Philologen nicht anders zu erwarten war, in classischer Latinitit ab-
gcfaszt und so eben, auch tynographisch der erhabenen Feier wfirdig
ausgestattet, im Drucke erschienen und liefert einen sehr dankenswer-
then Beitrag zur Geschichte des wiederaufbluhens wissenschaftlicher
Bildung, besonders in Deutschland durch die Bemühungen Kaiser Karls
des Groszen ♦).
*) Der Titel der Rede ist: De literarum studiis a Carolo ilfa<^0
revocatis .\c schola Palatina instahrata. Heidelbergae. Typis G^rgü
M(»hr. I8:)5. 33 S. 4.
Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnangen, Statist. Notizeu. 215
Der Festredner nahm von der Wiederhentellung der Univerüitat
durch Karl Friedrich YeranlaASong su dem Gegenstände seiner
Hede, welche über die Wiederherstellung der gelehrten Studien durch
Karl den Grossen sich verbreitete und zu dieaem Zwecke in eine
nähere Darstellung der von demselben wenn auch nicht gestifteten,
SU doch zu neuem Leben gerufenen Hochschule (Schola Palatina) ein-
gieng. Es wird gezeigt, wie Karl derGrosze, so wie er an die
iSpitze des Reichs getreten war, durch Berufung ausgezeichneter Leh-
rer, insbesondere des Alcoihus, dieser Schule, an welcher die um
den Hof versammelten Söhne der Groszen des Reichs zunächst gebil-
det wurden, neuen Glanz zu verleihen und sie zu einem Mittelpunkte
gelehrter Studien unmittelbar an seinem Hoflager zu machen suchte,
zu einer Art von Musterschule, welche den übrigen Schulen des Reichs,
deren Förderung Karl der Grosze sich so angelegen sein liesz, vor-
leuchten sollte, indem an ihr die hohen Würdeträger des Reichs, wie
die zu den höheren kirchlichen Stellen berufenen ihre Bildung erhal-
ten Rollten. Die ganze Familie des Kaisers, selbst die weibiicheR
Glieder derselben, nahmen an diesen wissenschaftlichen Bestrebungen
Antheil. Es wurden aber an dieser mit dem Hoflager selbst verknüpf-
ten und darum selbst an keinen bestimmten Ort gebundenen Schule
oder Akademie, neben dem Studium^der klassischen römischen Schrift-
steller, die hier einer sorgfältigen Pflege sich erfreuten, insbesondere
die sieben freien Künste gelehrt, wie dieses im einzelnen trefflich
nachgewiesen wird. Auch fehlte es nicht an dem dazu nöthigen ge-
lehrten Material, an einer Buchersammhing, auf deren Anlage die
eifrige Sorge Karls des Groszen, wie des von ihm aus England
berufenen Alcuiuus gerichtet war. So liegt in diesen Bemühungen
Karls des Groszen der Grund der Erhaltung der klassischen Studien
des Alterthums und damit der Wissenschaft selbst, welche in diesen
Studien ihre dauernde Grundlage erhalten hat. Die Belege zu der
Darstellung, wie zu den einzelnen Behauptungen sind hinter der Rede
selbst, welche 22 Quart-Seiten umfaszt, in beigefügten 'Annotationes'
S. 23—33) gegeben und zeugen nicht weniger von der ausgebreiteten
Gelehrsamkeit des würdigen und verdienstvollen Verfassers auch in
diesem Zweige der Litteratur, als auch von desken ebenso «mfassen-
den, als gründlichen und oft recht mühsamen Forschungen.
Hierauf jieng der Redner zur Erzählung der Jahresgeschichte der
Universität über und verkündete die Beschlüsse der Facultäten über
die eingegangenen Preisschriften. Die juiidische Facultät hatte eine
Schrift erhalten, die ihr jedoch nicht genügend schien. Bei der medl-
cinischen waren zwei Abhandlungen eingereicht worden, deren eine,
ganz vorzügliche, den Preis erhielt. Bei der Erbrechung des Siegels
ergab sich der Name des Verfassers: Moos ans Randegg. DerseJbe
hatte der Aufgabe gemäsz durch sehr mühsame Versuche der Verschie-
denheit der flüssigen Ezcremente bei dem Typhus ond den gastri-
schen Leiden dargethan. In dem Bereich der philosophischen Fa-
cultät wnrde dem stud. Braun ans Hofsteinbach der Preis für seine
Znsammenstellung der Nachrichten über Geschichte und Alterthü-
nier der Krim (des taurischen Chersonesus) von den ältesten Zeiten
bis zum Untergange des Bosporusreiches, dem stud. Krummel ans
Heideisheim für seine Untersuchung über Ertrag und Capital gröszerer
und kleinerer Bauerngüter in einer einzelnen Gegend, wozu der Ver-
fasser den Kraichgau gewählt hatte, zuerkannt. Die Facultät fand
besonders die vorausgeschickte landwirthschaftlicbe Beschreibung Jener
Gegend lobenswerth. Alle drei Preisträger waren demnach Badener«
Den Schlusz machte die Verkündigung der neuen Preisanfgaben.
Wenden wir uns nun zu den badischen Gelehrtenschnlen,
216 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen.
so zeigen diese für das Schuljahr 1854/55 folg^ende Frequenz *): A. Ly-
ceen: 1. Karls ruhe, ohne Vorschule 422, mit derselben 638 (397 evang.,
197 kath., 44 Israel.); 2. Preiburg 351 (306 kath., 45 eTangel.);
3. Heidelberg 281 (189 evaiig., 88 kath., 4 Israel); 4. Mannheim
280 (133 kath., 129 evang., 17 israel., I deutschkath.); 5. Konstani
222 (199 kath., 23 evang.); 6. Rastatt J88 (155 kath., 31 evang.,
2 israel.); 7. Wertheim 133 (99 evang., 27 kath., 7 israel.)- ß.
Gymnasien: 1. Bruchsal 197 (151 kathol., 28 evang., 18 israel.);
2. Bischofsheim a.T. 166 (157 kath., 2 evang., 7 Israel.); 3. Offen-
burg 164 (l-*7kath., 17 evang); 4. Lahr**) mit Vorschule (12 Schul.)
129 (100 evang., 26 kath., 3 Israel.); 5. Donaueschingen 96 (88 kath.,
8 evang.). C. Paedagogien: 1. Pforzheim*) 161 (150 erane.,
7 kath., 4 Israel.); 2. Lörrach**) 1J6 (100 evang., 12 kath., 4 isri);
3. Durlach**) 69 (67 evang., 2 kath.). Die Gesamtschülersahl
beträgt 3191, darunter 1695 Katholiken, 1385 Protestanten, 110 Israe-
liten und 1 Deutschkatholik. Von dieser Gesamtschülerzahl befinden
sich in Prima beiläufig 16 Procent, in Secunda 17, in Tertia 16, in
Unterquarta 13, in Oberquarta 9, in Unterquinta 6, in Oberqninta 6,
in Untersexta 4, in Obersexta 6 Procent***). Die Ab- oder Zu-
nahme der BVequenz der einzelnen Anstalten im Vergleich xu der
des vorhergehenden Jahres ist im ganzen unbedeutend; die Zunahme
beträgt z. B. in Mannheim 6, in Lörrach 7,4, in Tanberbischofsheim
8,5, in Rastatt 8,67, in Pforzheim etwas über 14 Procent; die Ab-
nahme in Bruchsal, Karlsruhe und Konstanz beiläufig 4, in Lahr etwas
über 7, in Durlach beinahe 18 Procent. Die stärkste Zunahme
zeigt also Pforzheim, die gröste Abnahme Durlach. Es hängt obri-
gens (wir finden diese Bemerkung für nothweudig) eine solche Ver-
mehrung oder Verminderung oft von allerlei zufälligen Umständen ab,
und Schwankungen von einigen Prorenten auf oder nieder sind bei
schon lange bestehenden Anstalten etwas gewöhnliches. — Vergleichen
wir die Gesamtschülerzahl der Gelehrtenscliulen vom abgelaufenen Schal-
jähr mit der des vorhergegangenen, nemlich 1853/54, welche 3203 be-
trug, so stellt sich die kaum nennenswerthe Verminderung von 12 Scha-
lem oder 0,37 Procent heraus. Von 1852/53 auf 1853/54 zeigte sich
eine Vermehrung von 4,2 Procent. Eine Vergleichung der erwähnten
Gesamtschülerzahl von 1854/55 mit der Bevölkerung unseres Landes
(1,360,000 in runder Zahl) gibt ein Verhältnis von 1 zu 426. Unter
jener (der Schülerzahl) sind 53,1 Proc. katholisch, 43,4 Proc. evange-
lisch und 3,5 Proc. israelitisch; unter der Bevölkerung Badens jedoch
66,3 Proc. Katholiken, 31,9 Proc. Protestanten und 1,8 Proc. Israeliten,
so dasz also der Besuch unserer gelehrten Mittelschulen von Seiten
der iHraeliten relativ der stärkste, von Seiten der Katholiken der
schwächste ist; denn es kommt 1 israelitischer Schüler auf 218 israe-
litische Einwohner, 1 evang. Schuler auf 313 evangelische Einwohner
und 1 katholischer Schuler auf 532 katholische Einwohner. Die ka-
Q /^? ^" v'® ^" 5^*«««» Neuen Jahrbüchern B. 74, H. 1, Abtheil. 2,
rl\jX^'\T ^\^"i'" ^^^^ ^'« *^''^*1"«"» der h5he;en SchX d«
mitÄSlT ?l1"" ^? Schuljahri 1854^)5 schliesat sich di? hi^
maÄeU^^^^ crgan, , und vervollständigend an, was, wenn
^^icul^^^^^^^^ ^^^" gegebene Tabelle mit einander ver-
«.itgezähU^sinT' '''^'" BSrgerschule verbunden, deren Schüler hier
KaXUe^unTLah^.''^"'^" ' "^™^-^ '^— " -^ <!- Vorschulen in
Berichte fiber gelehrte Anstalten, Verordnmigen, Statist. Notizen. 217
tholische Confestion ist Torherschend bei den Schulen za Frei-
barg, Konstanz, Rastatt, Tanberbiscbofslieim , Brachsal, Donauexchin-
gen, Offenburg, die evangelische bei den Schulen zu Heidelberg, Karls-
ruhe, Wertbeim, Lahr. Durlach, Lörrach und Pforzheim. In Mannheim
sind beide Confessionen ungefähr gleich stark vertreten. Israelitische
Schüler haben alle Anstalten, mit Ausnahme von Freiburg, Konstanz,
Donaueichingen y Offenbnrg und Durlach. Die meisten Israeliten hat
verhaltnismäszig Bruchsal, nemlich 9 Proc. , dann folgt Karlsruhe mit
7, Mannheim mit 6 und Wertheim mit 5 Proc. — Die Zahl der
Lehrer an sämmtlichen Gelehrtenschulen (ausschlieszlich der
Nebenlehrer) ist 145; es kommen also auf 1 Lehrer durchschnittlich
22 Schüler *) — Wissenschaftliche Beilagen enthielten dieses Jahr die
Programme folgender Anstalten: Freiburg: Erläuterungen zur Ge-
schichte der römischen Ritter unter den Königen von K. Kappes;
Heidelberg: Heidelberg, die erste Gelehrtenschule reformierten Be-
kenntnisses, oder Geschichte des Paedagogiums zu Heidelberg vom
Jahr 1565—1577 von Hautz; Karlsruhe: Ernst Friedrich Kärcher,
ein Lebensbild, entv^rorfen von Gockel; Konstanz: Die v. Seifried-
sche Sammlung oninger Versteinerungen von F. N. Lehmann; Mann-
heim: Drei Schulreden von Behaghel; Rastatt: Ueber das Fehde-
wesen im deutschen Mittelalter von Nikolai; Wertheim: Versuch
einer grundsätzlichen Anordnung des deutschen Sprachunterrichts fSr
die badischen Lyceen von K. von Langsdorff; Bruchsal: De Pin-
daro Piatonico von Schlegel; Donaueschi ngen: Ueber die fran-
zosische Sprache als Lehrgegenstand in Gelehrtenschulen von Scha-
ber; Lahr: Beiträge zur Geschichte der Stadt Lahr von Mull er;
'^) Es dürfte wol nicht ohne alles Interesse sein nachstehendes ans
einem ausfuhrlicheren Berichte über unsere Mittelschulen von dem
Schuljahre 1852^ mitzutheilen. Diese theilen sich, wie oben berich-
tet, in eigentliche Gelehrtenschnlen des alten Stils in ihren drei Ab-
stufungen von Paedagogien, Gymnasien und Lyceen und ip höhere Bür-
gerschulen. Von jenen sind 7 Lyceen mit 9 Jahrescursen, 5 Gymna-
sien mit 7 Jahrescursen und 3 Paedagogien mit 5 Jahrescursen. Ihre
Gesamtfrequenz belief sich im Schuljahr 1851—1852 auf 2983 Schüler,
im Schuljahr 1852—1853 auf 3074; es ist sohin eine Zunahme der
Schüler um 91 bemerklich. Das besuchteste der Lyceen war 1853 Karls-
ruhe mit 442 Schülern, 212 der Vorschule nicht gerechnet, das mit der
geringsten Schälerzahl — von 133 — Wertheim. Das besuchteste
Gymnasium war Bruchsal mit 194 Schülern, das am mindesten besuchte
Donaueschingen mit 90. Von den Paedagogien hatte Pforzheim die
gröste Frequenz mit 105, die geringste Durlach mit 84 Schülern. Die
25 höheren Bürgerschulen hatten im Schuljahr 1852 eine Schülerzahl
von 1587, im Schuljahr 1853 eine solche von 1872, sie wiesen daher
eine Zunahme von 285 Schülern nach. Von ihnen sind die besuchte-
sten Heidelberg mit 204, Mannheim mit 227 Schülern, die am minde-
sten besuchten Gemsbach mit 10, Rheinbischofsbeim mit 6 Schülern.
Die Mittelzahi der Frequenz wäre bei den höhern Bürgerschulen 75,
bei den Gelehrtenschnlen überhaupt 205 . bei den Lyceen insbesondere
270, wobei die karlsruher Vorschule nicht mit in Berechnung gezogen
ist, bei den Gymnasien 134, bei den Paedagogien 95 Schüler. Zu be-
merken ist, dasz bei den höheren Bürgerschulen manche auch den Lehr-
kräften nach nur etwa den Namen Gewerbschulen verdienen. Von der
Gelehrtenschule ist in diesem Jahre die höhere Bürgerschule in Kon-
stanz getrennt, und wol zum Vortheile beider Anstalten unter beson-
dere Leitung gestellt worden. ,
iV. Jakrb. f. PML u. Paed. Bd. LXXIV. Hft, 4. lö
218 Berichte (iber gelehrte Anstalten, Verordnungen, statisl. Notiien.
Offenbarg: De Pindaro non immodesto sni ipsius landatore Ton
Seideuadei; Lörrach: Kurze Geschichte des Paedagogiumt bd
Lörrach von Fecht; Pforzheim: Johann Reachlin, ein Lebenabild
Ton Lamey; Ettenheim: Skizze aus der Flora von Ettenbeioi Ton
Schildknecht; Ettlingen: die deutsche Rechtschreibung and Satz-
zeichnung (Orthographie und Interpnnction) ron Knapp; Schopf-
heim: Kinleitende Bemerkungen zu Johann Peter Hebers allemanni-
sehen Dichtungen. Zweites Stück. Von S eisen (Das erste Stück
ist als wissenschaftliche Beilage des Programms vom Jahre 1854 er-
schienen).
In Beziehung auf die den Programmen beigegebenen wisaenachafl-
lichcn Beilagen ist noch mit höchst dankenswerther Anerkennung bei-
zufügen, dasz einzelne derselben, weil sie das gewöhnliche Maas dea
Umfangcs überschreiten und somit die Druckkosten nicht durch die ia
den Budgets der verschiedenen Anstalten ausgesetzten Summen be-
stritten werden können, nicht hatten erscheinen können, wenn nicht
vom groszhorzoglichen Oberstudienrathe und groszherzoglichen Mini-
sterium des Innern mit der edlen Munificenz, mit welcher diese beiden
hohen Behörden die wissenschaftlichen Bestrebungen der Lehrer za
fördern gewohnt sind, die über die Budgets-Positionen hinaasgehendea
Summen bewilligt waren. Namentlich ist dieses bei dem Paediagogiaai
in Pforzheim der Fall, wo es nur durch diese Vergünstigung möglich
war, dasz sich die dortige Gelehrtenschule (das mit der höheren Biir-
gerschule vereinigte Paedagogimn) , bei den Erweisungen der Pietät,
mit welcher die Bürgerschaft Pforzheims das Andenken an ihren be-
rühmtesten Vorfahren, Johann Reuchlin, Im vierhundertsten Jahre
seiner Geburt feiert*), lictheiligen konnte ♦♦). Ks geschah dieaef
durch die oben erwäluüe treiTliche Schrift des Vorstandes der Schale,
Professors Dr. Lamey ♦*♦).
Der nachhaltige Einflusz, welchen Reuchlin^s gewiasermatiea
universelle Thätigkcit auf seine und die spätere Zeit übte und die be-
vorstehende Saecularfeier seiner Geburt möge es entschuldigen, wenn
wir die uns gegebene Gelegenheit benutzen und etwas ausführlicher
auf die Schrift selbst eingehen. Sie gibt die Schilderung eines Man-
nes, welcher aus kleinen bürgerlichen Verhältnissen auf dem Tjebrstahle
und in der Stille des Studierzimmers eine so reichhaltige Wirktanikeit
auf seine Zeit ausgeübt hat, dasz noch heute, nach vierhundert Jahren,
die Anfänge und Grundlagen unserer Bildung vielfach auf ihn inrnck-
weisen. Was Reuchlin als Gesandter bei geistlichen und weltlichen
Fürsten ausgerichtet, das hat der Verfasser kaum mehr beachtet, alt
den Gegun.stand der Processe, welche derselbe als Anwalt geführt hat,
denn in beiden stand er im Dienste eines fremden Willens, dem er nur
den rechten Ausdruck zu geben hatte. Aber schöjiferisch und aoa eige-
nem Geiste handelnd trat er auf im Gebiete der Wissenschaft und so
stellte sich denn auch der Verfasser die Aufgabe, die Znralligkelten
der dienstlichen Verwendungen Reuchlin's nur kurz zn regiatrieiett,
dagegen alles, was dessen wissenschaftliche Thatigkeit betrifft, ain-
gehender zu erzählen und das in vielen einzelnen Notizen lentrente
*) Johann Reuchlin wurde am 28. December 1465 in Pfortbeim
geboren.
**) Programm des eroszherzoglichen Paedagogiums und der hoheran
Burgerschule zu Pforzheim vom Jahre 1855, 8. 3.
♦♦♦) Der vollständige Titel ist: Johann Reuchlin. Bine knne
Darstellung seines Lebens, zur vierten Saecularfeier seiner Gebart.
Pforzheim 1855. 95 S. gr. 8.
Berichte Ober gelehrte Anstalten, VerordnuogeB, atatifit. Notizen. 219
Material fmaaend zn gruppieren: eine Aufgabe, welche ihm auch voll-
ständig gelungen ist. Trefflich wird die Zeit geschildert, in welche
Reuchlin's Geburt fallt. Es war die Zeit, in der die Buchdrucker-
kunst noch in den Kinderjahren war. Eben druckte man auf ausge-
schnittenen Holzplatten die ersten ABC -Bucher, mit ihnen war die
Möglichkeit der Volksschule gegeben, aber sie existierte noch nicht.
Und beim hohem Unterrichte, welcher ganz in den Händen der Geist*
lichkeit lag, war dafür f[esorgt, dasz sich niemand über den yorgeschrie-
benen Gedankenkreis hinauswagte. Geschah es dennoch, so war die
Kirche noch mächtig genug, die misliebigen Denker unschädlich zn
machen. Noch lebten Zeugen, welche den Rauch von dem Scheiter-
haufen hatten aufsteigen sehen, auf welchem die zu Konstanz versam*
melte Geistlichkeit der abendländischen Christenwelt den Professor von
Prag verbrannte, weil er anders glaubte, als die Kirche befahl. Die
Gebtlichkeit hatte triumphiert and die Weit hielt Husz für den schul-
digeri, weil er der bestrafte war. Nur wenige .pflanzten im stillen und
unter mancher Gefahr Hu szens Vermächtnis fort, bis die fortgesetzten
Verbrennungen in Waldshut, Straszburg, Bretten, Heidelberg diese
Regungen erstickten. In diese Zeit fallt Renchlin^s Geburt und er
erhielt in der Schule seiner Vaterstadt, welche in gutem Stand war,
Unterricht in Grammatik und Musik.
Um nicht zu weitläufig zu werden, brechen wir hier ab und ver-
weisen, was das eigentliche Leben und Wirken Reuchlin's angeht,
auf die Schrift selbst, glauben jedoch, was die oben schon genannte
Saecularfeier selbst angeht, folgendes, das wir aus badischen Blät-
tern erfahren haben, anfuhren zu müssen. Diese Feier war nemlich
auf den 28. Deceinber 1865, als den Geburtstag Renchlin's, beab-
sichtigt, sie wurde jedoch auf eine günstigere Jahreszeit verschoben,
zumal als dann auch mit derselben die Errichtung eines von der Mei-
sterhand des berühmten badischen Bildhauers Friedrich gefertigten
Denkmals verbunden werden soll und es läszt sich wol annehmen, dasz
die Bereitwilligkeit, mit welcher in Pforzheim zu diesem Zwecke be-
reits namhafte Beiträge zugesichert worden sind , auch in weiteren
Kreisen Nachahmung finden und die Herstellung eines Monuments er-
möglichen werde, welches des Mannes, dem es gelten soll, auch wür-
dig ist.
Vorstehenden Mittheilongen fugen wir Nachrichten über einige
badische Mittelschulen bei, indem wir uns die Berichte über andere
vorbehalten.
Bruchsal]. Nach dem vorliegenden Programme des Gymnasium«
zählte die Anstalt in dem abgelaufenen Schuljahre mit Einschlusz der
Lehrer für protestantischen und israelitischen Religionsunterricht IL
Lehrer und 197 Schüler, gewis eine schone Schülerzahl für eine Schule,
um welche rings herum in der Nähe Mittel- und höhere Bürgerschulen
zum Theil auch mit sehr bedeutender Frequenz bestehen. Aus dem
Landesherlichen katholisch- theologischen Slipendienfond wurden 1100 fl.
für 15 Schüler, die sich der Theologie widmeten, zugewiesen, und 8
Schüler erhielten 500 fl. aus der hiesigen Ortsstiftung. Es wäre nicht
uninteressant, von den verschiedenen Anstalten zu erfahren, wie viel
an Unterstützungen für talentvolle und sittliche Schüler geleistet wird.
Ganz besonders müste ans einer Zusammenstellung derselben hervor-
gehen, mit welcher Sorgfalt der gr. katholische Oberkirchenrath dafür
sorgt, dem zur Zeit noch bestäienden Mangel an Geistlichen durch
Erleichterung des Studiums abzuhelfen. Mit dem Programme ist zugleich
eine lateinisch geschriebene Abhandlung über den griechischen -Dichter
Pindar von Ldiramtspraktikant Seidenadel ausgegeben worden. (Siehe
oben.)
16*
:220 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungeii, etatisl. Notixeo.
FiiKUiURG. Das hiesige Lyceom wurde im Yerflossenen Schnljahre
von 13 Lehrern, zu welchen noch 4 ausserordentliche Lehrer für
einzelne Fächer kommen, besorgt und im ganzen von 351 Schalem
besucht. Wenn wir das vorjährige Programm damit vergleichen, 'ao
ist der Bestand der gleiche geblieben, während von verschiedenen
Orten her gemeldet wird, dasz die Zahl der studierenden abnehme«
Ks ist dies hier wenigstens 60 wenig der Fall, dasx in der Einlei-
tung zu genanntem Programme' eine schon 18o2 erlassene Verord-
nung in Erinnerung gebracht wird, wornach, um der Ueberfnilun^
der vier obersten Jahrescurse vorzubeugen, einige Beschränkung bei
der Aufnahme auswärtiger, von andern Gymnasien oder Lyceen kom-
mender Schüler in der Weise angeordnet ist, dasz vorerst nar solche
aufzunehmen seien, deren Eltern oder Verwandte hier ihren Wohnsiti
nehmen, oder welche durch ein Stipendium am hiesigen Platx gebun-
den sind, und nur in dem Falle, wenn alsdann die Gesamtxahi eines
Curses doch unter 30 Schüler beträgt, bis zu dieser Zahl noch aus-
wärtige Schüler zugelassen werden dürfen. Zur Unterstützung von
solchen, welche sich dem Studium der Theologie widmen wollen, wurde
vom groszh. katholischen Oberkirchenrath die Summe von 3350 fl. in
landesherrlichen Stipendien bewilligt. Unter den 41 Abiturienten des
vorigen Jahres giengen 20 zur Theologie, H zur Jurisprudenz und um
Notariatsfacb, IL zur Medicin und ^ zur Kameralwissenschaft über.
In diesem Schuljahre zählt die Obersexta 43 Schüler.
Ueidklueiig. Aus dem Jahresbericht über das hiesige Lycenm ent-
nehmen wir, dasz die Anstalt im verflossenen Schuljahre im gansen
von *281 Schülern besucht wurde. In dieser Gesamtzahl sind 185 Pro-
testanten, 88 Katholiken, 4 Israeliten. Die Zahl der Gäste betragt
II, die der Nichtbadener 18. Auswärtige Schüler, deren Eltern nicht
in Heidelberg wohnen, sind im ganzen ^:8 in der Anstalt. Im Laufo
des Schuljahres verlor das Lyceum, welches längere Zeit so gifidclich
war, keinen seiner Zöglinge durch den Tod sich entrissen an sehen,
drei brave, hoffnungsvolle Schuler. Auf die Universität wurden l4
Schüler entlassen, und zwar 13 im Herbste 1854 und 1 an Ostern
Die Bibliothek und der Lehrapparat der Anstalt wurden durch iweck-
mäszige Anschaffungen theiis aus den etatsmäszigen und theils aus von
den huhen Behörden auszcrordentlicher Weise bewilligten Mitteln er-
weitert und vermehrt. Besondere Erwähnung verdienen die reichoi
Geschenke, welche die Lehrer- und Schülerbibliothek erhielt. Die
Aufzählung derselben füllt beinahe zwei Seiten des Berichtes. Aasier-
dem, dasz würdige und dabei dürftige Schüler von der Bezahlung des
Schulgeldes frei waren und sich viele derselben, ohne Rücksicht auf
Glaubensbekenntnis, noch besonderer Wohlthaten von Bewohnern un-
serer Stadt erfreuten, wurde auch gesitteten und fleiszigen Schülern
die bc<ieutende Summe von 1810 fl. aus milden Stiftungen und Staats-
mitteln als Stipendien zuerkannt. Die zur Aufmunterung braver and
strebsamer Schüler gestifteten Preise werden nicht bei dem feierlichen
Schluszacte den Preisträgern überreicht, sondern in einer besondem
Schul- oder vielmehr Familienfeier. Diese fand, wie gewohnlich, ge-
^en dus Ende des Schuljahres statt. Die Feier wurde durch Choral-
gesang und eine Ansprache des Directors des Lyceums, Hofrath Uaots,
eingeleitet. Auszer den sämtlichen Lehrern und Schülern der Anstalt
wohnten der Epliorus des Lyceums und dcrmalige Prorector der Uni-
versitüi, Geh. Hofrath Dr. Bahr, und der Praesident des Verwai-
tungsrathes der Anstalt und groszh. Oberamts vorstand, Stadtdirector
Dr. Wilfielini« bei. Die Zahl der Preise ist drei: der Lauter'sche und
i&wci Fauth'Hche. Sic werden von der Lehrerconferenz vergeben, wel-
« tie bei der Wahl derselben auch auf die Individualität der Preisträger
Berichte Ober gelehrte Anstalten, Verordnungen, atatist. Notizen. 221
Kuckaicht su nehmea hat und immer Rfickaicht ninmt. Nach einer
Üesonders getroffenen Anordnang bilden jedes Jahr xwei treffliche
Schriften schätzenswerthe Beigaben so den genannten Preisen und
zwar zn dem Lauter'schen Preis eine Biographie Lanters, welche den
Titel führt: 'Zur Erinnerung an Gottfried Christian Lauter, Dr. der
Theologie, Professor und alternierenden Director des vereinigten Gym«
nasiums in Heidelberg, von F. 8. Feldbausch', und zu den beiden
Fauth'schen Preisen je ein Exemplar der im Namen der ehemaligen
Schuler gehaltenen 'Rede bei der 300jährigen Jubelfeier des Lycenms
zu Heidelberg von C Ullmann'. Auszerdem bekommt jeder Empfan-
ger des Jubilaeumsstipendiuros zur bleibenden Erinnerung an die ihni
gewordene Auszeichnung ein Exemplar der Schrift: 'Jubelfeier der
öOOjährigen Stiftung des groszh. Lyceums zu Heidelberg von Hautz'.
Mamiiheim. Dem Programme des hiesigen Lyceums ist keine wis-
senschaftliche Abhandlung beigegeben, wol aber sind anregende und
beachtenswerthe Worte damit verbunden, welche der gegenwartige
Dirbctor Behaghel bei den Schluszacten von 1850, I8öl und 1854 ge-
sprochen hat. Das Vorwort berichtet über die vollendete Laufbahn
der Von der Anstalt in den Ruhestand oder zur ewigen Ruhe ver-
setzten Lehrer Gräff, Rappeneeger, iHeckmann. Wir entnehnien aua
demselben, dasz die Desbillon^scbe öffentliche Bibliothek nnd das groszh«
Antiquarium den Professoren Baumann und Fickler übertragen wurde
und hoffen, dasz beide von den Bewohnern der hiesigen Stadt und
fremden Gästen allzu wenig gekannten Anstalten nach dem Maszstabe
gröszerer Zugänglichkeit auch eifriger werden benutzt werden. An
der Anstalt waren im verflossenen Jahre 15 Lehrer beschäftigt; die
Zahl der Schüler betrug 280, am Schlüsse des Schuljahres noch 253.
Von jener Zahl viraren 80 auswärtige, 23 Ausländer und 177 einhei-
mische. Rechnen wir dazu die Anzahl von Zöglingen, welche die hö-
here Bürgerschule zählte, mit 235 Schülern, so wären die hohem Bil-
dungsschulen in hiesiger Stadt von 515 Schülern besucht, wovon etwa
350 auf die hiesige Stadt allein kämen. Von den Schulern der ober"
sten Klasse waren im Jahre 1854 vier in der Klasse zurückbehalten
und von diesen an Ostern drei zur Universität entlassen worden.
Rastatt. Nach dem Programme des hiesigen Lyceums wurde die
Anstalt im verflossenen Schuljahre von 188 Zöglingen besucht. Den
Unterricht leiteten 16 Lehrer. Anszer der englischen Sprache, welche
in der neuesten Zeit immer mehr als ein Bedürfnis für den gebildeteü
sich herausstellt und deshalb auch an den meisten Lyceen, wie es
scheint, vorerst noch für freiwillige Theilnehmer, Eingang gefunden
hat, wird an hiesiger Anstalt ferner für freiwillige Theilnehmer, wie
dies in früheren Jahren schon einmal der Fall war, auch wieder Un-
terricht in der Instrumentalmusik, in Ciavier, Violine und Flöte, in
]0 wöchentlichen Stunden ertheilt. Es verdient diese Einrichtung alle
Anerkennung, und wenn man dagegen einwenden wollte, dasz durch
zu viele Gegenstände, namentlich durch die Musik, der Zerstreuung
oder der Zersplitterung der Aufmerksamkeit der Zöglinge ein Vorschub
geleistet nnd die strenge Concentration der geistigen Thätigkeit für
die obligaten Fächer gehindert werde, so hätte dieser Vorwurf kein
sonderliches Gewicht. Abgesehen von dem unmittelbaren Einflusz der
Musik auf das menschliche, besonders jugendliche Gemüt, vor wie vie-
len nutzlosen, oft gefahrlichen Zerstreuungen, zu welchen der Jugend
die Gelegenheit allerwärts so leicht gegeben ist, schützt die ediere
Unterhaltung der Musik in den Muszestunden ! Und so viel Vertrauen
wird man doch dem Lehrer schenken, dasz er nicht über dem angeneh-
men das nöthige vernachlässigt. Auszer den 8 altbadiscben Stipendien
und dem in zwei Portionen zur Vertheilung gekommenen Stipendium
222 Berichte über gelehrte Austalten, Yerordoungen, staust. NoUiea.
Loreyanum hat noch eine namhafte Anzahl Schüler ao5 den Fonds für
landeslieriiche theologische Stipendien Unterstützung erhalten. Mit dem
Programme ist eine klar geschriebene Abhandlung über das Fehdewesen
im deutschen Mittelalter von Professor Nicolai ausgegeben worden,
worin der Verfasser darthut, 'dasz das verschrieene Faustrecht aoch
das seinige beitragen muste, um dem schlummernden Keime der gesell-
schaftlichen Entwicklung Leben und Fortgang zu verschaffen.^ [^J
FiiiEDLANPJ. Zur Herbstprüfung 1855 erschien als Wissenschaft^
liehe Abhandlung: Quaestio de Tanuaio Gemino /innalium scrtpfore,
36 S. 4, vom Director Dr. Robert Unger. Angehängt sind Schul-
nacbrichten, 16 S. Die Schule umfaszt 5 Klassen, die 'de und 4e for
Gymnasiasten und Realisten bis auf einige parallele Lectionen (Grie-
chisch für die erstere und finglisch für die letztere) gemeinschaftlich.
Am I8n April verlor die Schule einen ihrer Scholarchen an dem Prse-
poaitus Heinrichs, an dessen Stelle der Pastor Hörn trat. Mich. 1854
hatte die Schule 105 Schüler, 4L auswärtige, 1 Abiturienten; im Win-
ter 1854 — 55 waren 115 da, 43 auswärtige, im Sommer J8ö5 118,' 43
auswärtige, nemlich 10 in 1, 10 in II, 11 in lil, 38 in IV, 38 in V.
KiklJ. Zu Ostern 1824 erschien als Abhandlung im Programm
vom Subrector Dr. IM ü 1 1 e r : Bemerkungen zu Caesars Gallischem Kriege.
Buch I— IV, 14 S. und ebenso Ostern 1855 von demselben: Bemerkaa-
gen zu Caesars Gallischem Kriege, Buch V — Vill, 29 S. 4. Am 4.Ang.
18 J3 war der bisherige Rector, Professor Dr. J. F. Lucbt, als Direc-
tor des Gymnasiums nach Altona und der Rector der Glücks tadter Ge-
lehrtenschule, Prof. Dr. J. F. Hörn, wiederum als Rector hieher Ter-
sctzt, dagegen der 4e Lehrer in Kiel, Collaborator Dr. P. H. Jessen,
zum Rector der Glückstädter Gelehrtenschule und der bisherige 06
Lehrer in Kiel, Dr. Stru ve, für die nächst höhere Stelle ernannt wor-
den. Der hochverdiente vieljährige Conrector und 2e Lehrer Dr. Witt-
rock erhielt den Professortitel. Die Anstalt wurde durch eine Ele-
mentarklasse erweitert und zum Lehrer derselben der Knabenlehrer ao
der Gluckstädter Bürgerschule, F'ack, ernannt. Das Lehrercollegiaia
bestand also aus folgenden Mitgliedern : Rector Prof. Dr. Hörn, Ord.
in f; Conr. Prof. Dr. Witt rock, Ord. in II; Subr. Dr. L. Müller,
Ord. in lil; Collab. Dr. K. A. Struve, Ord. in IV; Wilh. Jong-
cl aussen, Ord. in V; J. H. Srharenberg, Lehrer der Natornis-
senschaften; D. W. Boyens, Ord. in VI; J. H. Brfinning; M. W.
Fack, Ord. in VII; Lehrer des Franz. Schwob-DoIU, des Zeich-
nens Wo I per ding. Im Sept. 1854 wurde Jungcia ussen sun Sab-
rector und 3n Lehrer in Meldorf und wiederum der 6e Lehrer in Mel-
dorf Jansen zum 5n Lehrer in Kiel ernannt. Die Schülersahl betrog
im Sommer 1853 im ganzen 163, nemlich 7 in 1, 13 in 11, 36 in 111,
37 in IV, 36 in V, 34 in VI; im Winter 1853 — 54 im ganzen J69,
nemlich 7 in I, 21 in II, 40 in III, 85 in IV, 31 in V, 30 in VI, V in
VII; im Sommer 1854 im ganzen 180, nemlich 11 in 1, 20 in II, 30 in
HI, 39 in IV, 28 in V, 41 in VI, jl in VII; im Winter 1854— ää in
ganzen 189, nemlich 9 in I, 22 in II, 36 in III, 42 in IV, 21 in V, 39
in VI, 12 in VII. Zur Universität giengen Mich. 1853 1, Ostern 1854
2, Mich. 1854 2, Ostern 1855 keiner, dagegen zu anderweitigem Lebens-
bernfe im letztgenannten Termine 10. Die Schule erhielt einen Tom-
platz ; für Bildung von Parallelklassen neben III und II o. für bessere
Localitäten sprechen die Schulnachrichten zum Schlüsse die lebhafte-
sten Wunsche aus.
Lühkck]. Das dortige Katharineum hat im Laufe der leisten Jahre
zwei sehr bedeutende Verluste erlitten, die bereits früher in diesen
Jahrbb. gemeldet worden sind, durch die Berufung des Prof. Dr. C las-
sen als Dir. des Gymnasiums zu Frankfurt a. M. und durch den Tod
Berichte O&ef gelehrte Anstaltea, Verorflirakigen, ttotifit. Notisen. 22S
def KoehTerdienten Directors Prof. Jacob. An Mine Stelle ist nDii-
mehr seit Michaelis 1864 der frühere Rector der hcHieren Burgerschale
und Vorschnle zo Oldenburg, Job. Fr. Breier, getreten, derselbe ist
am 12n Oct. durch den Syndicus Dr. Curtius Namens der Schulde-
p^itation in sein Amt eingeführt worden. An die Steile des^of. Claa-
«en trat schon Mich. 1863 der bisherige Conrector an der Gelehrten-
scbule SU Meldorf, Dr. C. Prien, und gleichzeitig wurde der seit 1847
angestellte CoUaborator F. W. Mantels zum -vierten Professor er*
nannt. Schon früher war, Mich. 1862, an die Stelle des an das fran-
zösische Gymnasium nach Berlin berufenen Dr. Plotz der Dr. J. G.
A. Holm aus Lübeck wieder erwählt worden. Ausserdem sind im
Sommer 1864 die beiden Lehrer Peacock und Mussard resp. für das
Englische und Französische angestellt worden. Die Schulerzahl betrug
Ton Ostern bis Michaelis 1864 in 1 21, II 29, lila 29, Selecta und
in b 38, IVb 36, V a 44, Vb 23, VI 1 32, VI 2 23, VII 13, zusammen
324, Tön Mich. 1864 bis Ostern 1866 in I 18, II 28, III a 28, III b 38,
IV a 36, IVb 37, V n 44, Vb 24, VI 1 33, VI 2 28, VII 22, zusammen
336 Schuler; unter diesen waren 93 auswärtige, 49 in den Gymnasial-,
36 in den Realklassen (mit b bezeichnet) und 9 in den Vorbereitungs-
klassen (VI 1 u. 2 u. VII). Aufgenommen wurden im ganzen letzten
Schuljahre 61 Schuler, nemlich 16 in VII, 6 in VI 2, 4 in VII, 2 in
V b, 4 in V a, 6 in IV b, 8 in IV a, 6 in III b, 2 in III a, 1 in IL Zu
Ostern 1866 giengen 36 Schufer ab, nemlich 26 ins bürgerliche Leben
(worunter 17 aus III b, und 1 ans Selecta), 2 auf andere Bildungsan-
stalten und 8 zur UniTersität. Ueber alle aufgenommenen und abge-
gangenen Schüler ist eine Tollständige statistische Uebersicht mit An-
gabe der Namen im letzten Programme mitgetheilt worden. Die Pro-
gramme der letzten Jahre enthalten folgendes: 1862: Romische Studien
(C. Asinius Pollio, ein Stuck aus Jacobs 'Horaz und seine Freunde';
Anmerkungen zu einzelnen Stellen im Tacitus: Agr. 1 extr., auch Ton
Doderlein auf der hamburger Philologen-Versammlung behandelt; Ueber-
Setzungen ans dem Martial; eine etymologische Kleinigkeit: minister
und magister; über die Bildung des Nominatiys der 3n Declination im
Lateinischen, mit angehängter Tabelle, vom Collab. G. ETers). 1863:
1) Ad Caroli Lachmanni exemplar de aliquot Illadis carminum compo-
sitione quaeritur, scr. Ad. Holm; 2) J^tude sur Andrö Ch^nier, par
Ad. Holm. 1864: 1) Ueber die beiden ältesten Inbeckischen Burger-
matrikeln, Ton Prof. W. Mantels; 2) Simpliiications de m^thode re-
iatiTes k la syntaxe fran9aise, par J. Mussard; 3) Schulnachrichten
Ton Prof. Mo sehe. 1866: De Vergilio epico poeta recte aestimando
disputationes tres TS. 6— -16), Tom Dir. Brei er; sie handeln im einzel-
nen : De Turni regis oratione, Aen. 9 128 — 68 ; de naTibus couTersis in
Nymphas; de comesis mensis (Aen. 3 260—67. 7 107—17). Der Verf.
wünscht diese Aufsatze nicht ad doctorum philologorum regulam ge-
messen und benrtheilt zu sehen , weil sie Tielmehr absichtlich Ton ihm
so behandelt sind, ut gymnasiorum finibus circumscripta a primomm
ordinum discipulis quum iudicio tum imitatione possint aequari. Der
Vf. ist dazu Tornemlich durch die auf der altenburger Philologen -Ver-
sammlung gepflogenen Verhandlungen über die lateinischen Aufsätze
§efuhrt worden. Er spricht sich im allgemeinen fSr dieselben aus, ]e-
och mit der Beschrankung, dasz ihm die Bxercitien die stärkere und
strengere Geisteszucht (maiorera seTerioremque inesse mentis discipli-
nam) zu enthalten scheinen. Alles komme freilich darau/ an, dasz
den Schulern dazu ein Stoff geboten werde, dem ihre Kräfte gewach-
sen seien, woran es bei der Lectnre der Alten selbst niemals fehlen
könne. — In den Schulnachrichten (S. 16 — 36) wird zunächst ein De-
cret des hohen Senats mitgetheilt, womach das Lehrercollegium aus 6
224 Bericblc aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, statint. Notisen.
Professoren und aus 5 Oberlehrern, jeder zu 18 — 22, femer aus 3 Leh-
rern, die zu je 24 — 28, und 2 Fachlehrern ffir daa Französische und
Englische, die resp. zu 12—16 und 16—20 wöchentlichen .Unterrichu-
stunden verpflichtet sind. Dem Director, der die erste Professur be-
kleidet, sind 12—16 Stunden zugewiesen. Zugleich ist für alle Lehrer-
steilen ein fester Besoldnngsetat gesetzlich aufgestellt worden. !■
übrigen wird aber nachgewiesen, dasz sowol für die Vorbereitungs- all
auch für die Realklassen Lehrerkrafte fehlen, so dasz gegenwärtig xom
Tlieil auf ungenügende Weise durch anderweitige Aushülfen für den
nothigen Unterricht gesorgt werden musz. Das Katharinenm hat drei
Vorbereitungsklassen, in welchen jedoch das Latein schon in 2 Klassen
mit resp. 2 und 4 St., sowie Franzosisch in der obersten mit 2 Stun-
den bedacht ist; fünf Gymnasial- und drei Realklassen, welche der
V — III. des Gymnasiums parallel laufen. — Ein Verzeichnis sämtlicher
Lehrer nach ihrer Reihenfolge ist nirgend gegeben.
Plön]. Zur Osterprüfung 1854 erschien als Ahhandlung Totn Reo-
tor Prof. Dr. J. Bendixen: Commcntatio de Etkicorutn Nicomackeo-
rum intcgritatc, dO S. 4. Die Anstalt wurde um eine Klasse rermehrt
und ein neues Klassenzimmer dem Schulhause angebaut. Das Lehrer-
collcgium bestand aus dem Rector Prof. Dr. Bendixen, dem Conrec-
tor Dr. Kl an der, dem Subrector Sorensen, dem CoUaborator Dr.
Vollbeh r, dem 5n Lehrer Clausen, dem 6n Lehrer Bahnsen, dem
7n Lehrer Kuphaldt und dem 8n Lehrer Ehlers. Dr. VoUbehr
wurde als Subrector nach Glückstadt versetzt; in seine Stelle trat
Clausen, und an dessen Stelle wiederum der 5e Lehrer in Gluclutadt,
Dr. Keck. Die Schülerzahl betrug 1853 in I 4, II 7, III 12, IV 12,
V 23, zusammen 58, Michaelis 1853 in I 7, II 7, III 14, IV 17, V 14,
VI 10, zusammen 69.
Rostock]. Zur oiTentlichen Prüfung und Redeübung der SchSler
des hiesigen Gymnasiums und der damit unter einer Leitung Terbnn-
denen Realschule am 29n und 30n März 1855 ist als Programm er-
schienen: die Bedeutung des Wortes ZAPSl im Neuen Testament. Die
Bedeutung des Wortes EAPS im" LehrbegrifTe des Paulus. Von Dr.
C. Holfen. 44 S. 4. Schulnarhrichten 22 S. 4. Im Sommerhalbjahr
1854 waren im Gymnasium in I 15, II 24, HI 36, IV a 26, IVb 25,
V 40, VI 46, zusammen 212, in der Realschule in der In Kl. 20, 2n 31,
3n 42, 4n 60, 5n 43, zusammen 196, in beiden Anstalten zusammen 408
Schuler, worunter 316 einheimische, 92 auswärtige; im Winter 1854
— 55 in I 14, II 31, 111 32, IV a 25, IV b 28, V 48, VI 52, sosaanien
230; in der In Reaikl. 18, in der 2n 36, 3n 60, 4n 55, 5n 41, BOsam-
men 210, in beiden Anstalten also zusammen 440 Schüler, woronter
332 einheimische und 108 auswärtige. Zur Universität wurden Ostern
1854 4, Michaelis 2 entlassen. Zwei Lehrer der Ans^lt, Dr. Brum-
me rst ad t und C lasen feierten ihr 25jähriges DienstJubilaeQm , wel-
ches mit einer befflückwanschenden Festschrift des Lehrercollcfiau
und einem gemeinschaftlichen heiteren Mahle im Kreise der c-—^*--^ —
Amtsgenossen herzlich begangen ward.
Zweite Abtheilung
18.
1. lieber deutsche Rechtschreibung eon Karl Weinhold {Be-
sonders abgedrukt aus* der ^^ Zeitschrift für die Österr.
Gymnasien.'^ 1852. Beß IL) Wien. Verlag ron Carl Ge-
rold und Sohn. 1852. 36 S. 8.
2. Regeln und Wörterverzeichnis fiir deutsche Rechtschreibung.
Gedruchi auf Veranstaltung des Königlichen Ober-Schulcol'
legiums zu Hannover. Claosllial. Schweigenche Bnchhand-
long. 1855. 51 S. 8.
3. lieber deutsche Orthographie von Dr. K.O.Andresen. Mainz.
Verlag ron C. G. Kanze. 1855. VI n. 186 S. 8.
4. Über Deutsche Rechtschreibung von Rudolf von Raumer
(Besonders abgedruckt aus der Zeilschriß f. d. österr. Gym-
nasien 1852. Heft I: 8. 1—37/ Heft VII: fif. 533-^580.
Nebst einigem Zugaben.) Wien. Verlag n. Draek ron Carl
Gerold's Sohn. 1855. IV n. 108 S. 8.
Wie grosz das Bedarfnia aei zu einer endlichen Featatellong nn-
aerer deutschen Orthographie zn gelangen , geht schon aaa der Menge
von Schriften und Ahhandiaagen hervor, die jetzt flher diesen Gegen«
atand erscheinen. Glaubte man rielfach ror dem Auftreten der histo-
rischen Schule in der deutschen Grammatik durch die Bemühungen der
Gramnuitiker dea 16 — 19 Jahrh. zu einer gemeinsamen, allgemein an-
erkannten Rechtachreibung des hochdeutschen gelangt zn sein, so ftber-
aah man , dasz auch damals noch in gar rielen Punkten eine zwiespäl-
tige Schreibung herschte, teilweise in Folge der Terschiedenen Aus-
sprache, wie bei gieng Meng ßeng neben ging hing fing, teils in andern
Funkten, aufweiche die Aussprache keinen Einflnsz übt, wie in der
Bezeichnung der langen Vokale durch Verdoppelung oder Anwendung
des h, in der Schreibung des Umlauts ä äu oder e au, in der Terschie-
denen Bezeichnung der Doppelkonsonanz ck kk und tt «» n. a. Noch
iV. Jahrb. f. PkB. ». AmI. Bd. LULIV. Hfi. 6. 17
226 Scbriften über deutscbe Ortbographie.
gröszer war die Verschiedenheit in der Anwendung der BochsUben $
sz und 55. Abgesehen von denjenigen , die sz fiberhanpt gans verban*
nen wollten, unterschieden sich z. B. die Aufstellungen tob Heyie
wieder bedeutend von den Reg:eln Gottscheds, die den meisten Eingang
gefunden halten. Diese nur sehr unvollständige Anfzablnng von Ver-
schiedenheiten zeigt schon, wie wenig man von einer in allen Stacüfta
feststehenden deutschen Rechtschreibung reden konnte; die Verachie-
denheiten waren jedesfalls auch damals bedeutender als sie i. B. ia
der Schreibung des französischen and englischen sich finden. Noch
viel weiter gicng man auseinander, seit durch die Forschungen Jakob
Grimms und seiner Schule die arge Willkür und Regellosigkeit nnserer
Orthographie aufgedeckt ward und der Meister deutscher Grammatik
in seinen Schriften eine der historischen Entwickelung angemesznere
anbahnte. Ihm folgten z. T. mit noch konsequenterer DurohfahniDg
zunächst die meisten der in seinem Geiste forschenden Gelebrien. Dock
hat bereits seine Schreibweise begonnen sich auch in weitere Kreisze
zu verbreiten und die hergebrachte vielfach zu beschrfinken. Ist nna
allerdings nicht zu leugnen, dasz die Verwirrung dadurch noch gröszer
geworden ist als sie früher schon war, so darf man diesz doeb nicht
für einen Schaden ansehen; es ist dadurch die ganze ortbograpbiiciM
Frage wieder in FInsz gekommen, und sie harret nun einer Entschei-
dung, die jetzt auf festeren und beszoren Grundlagen zu Stande konmea
musz, als es in den letzten zwei Jahrhunderten möglich war.
In den oben aufgeführten Schriften treten uns nnn die Terachie-
denen Principien entgegen, die bei einer Regelung der deotechen Or-
thogruphie in Betracht kommen können, einerseits das histOfiiohe be-
sonders vertreten durch Weinhold und Andreson, andereraeili du
phonotisclie mit Geschick verteidigt von Raumer. So sehr nun anch
ein solches Auseinanderffehn schon in den Principien zu beklagen ist
und uns eine Regelung der ganzen Sache in weitere Ferne in rflckea
droht, so erscheint doch diese Gefahr auf den ersten Anschein gröszer
als sie wirklich ist. Denn einmal berühren die meisten Punkte , die
hier in Betracht kommen, gar nicht die Aussprache, so z. B. die Be-
zeiohnungsweiso der langen Vokale, die Verdoppelung der Konsonan-
ten, dio Vertauschung von ai und ei, von au und eu, selbst die Schwan-
kung zwischen g und ch am Endo der Worte. Diesz ist also ein Ge-
biet, wo beide Teile Iland in Iland gehen können. Dann wird bei dem
vorhersehend phonetischen Charakter, den unsere Reehtsehreibng
überhaupt seit den ältesten Zeiten sich zn bewahren gesneht hat, es
nicht hIIru schwor sein auch in den anderen Punkten vielleieht noch
eine Verständigung herbeizuführen.
ISo. I steht auf dem Boden der historischen Sprachforscliiag »d
stellt demgomnsz als Grundsatz fOr die Orthographie auf: Schreib wie
OH die geschichtliche Fortentwickelnng des neuhochdeutschen verlangt.
In seinen Vorschlagen geht der Vf. ziemlich bis an die Grenze des
überhaupt von der historischen Schule erstrebten, nur in nuichen
Tunkten macht er der bestehenden Schreibweise kleine provisoriseke
Sehrifleo über deatteke Oräiograpkie. 227
Zagestäodaisse, wie in der Beibehaltung des debnenden h im pron. ihm
ihr, Zngleich fabrt er selbst die von ihm empfohlene Schreibweise
in der Abhandlung konsequent durch. Besonders dankenswert und
interessant sind die reichen Notizen über die historische Entwickelung
der hd. Orthographie, von der Zeit des althochdeutschen an bis anf
unsere Tage , die der Vf. bei den einzelnen in Frage kommenden Punk-
ten gibt. In dieser Beziehung wird man bei ihm wol staets den besten
und umfaszendsten Aufschlusz finden. — In Bezug auf Bezeichnung der
langen Vokale verwirft der Vf. sowol die Verdoppelung des Vokals
als das dehnende A, mag letzteres unmittelbar hinter dem langen Vo-
kale stehen oder sich einem t angeschloszen haben. In der Bezeich-
nung te unterscheidet der Vf. — nach Ausscheidung der Fälle, wo es
organischer Diphthonge ist — die Fälle, in denen te für langes t stehen
soll, von denjenigen, wo es ein kurzes t vertritt. Im erster^n Falle
sieht er es als Dehnungszeichen an und ersetzt es durch i, im letzteren
dagegen faszt er es mit J. Grimm als Brechung von t, ähnlich dem ags.
eo altn. ia, und läszt es fortbestehen. Einem älteren langen i schein!
indessen te nirgend zu entsprechen; das Wort Flieder j welches der
Vf. hierher zieht, möchte doch wol den organischen Diphthongen ie
haben (s. Weigand kurzes deutsches V\>^örterbuch n. d. W.), und von
den übrigen vom Vf. angezogenen Wörtern weist Andr esen S.34 mit
Glück nach , wie sie anders zu faszen sind teils ans kurzem t zu erklä-
ren teils durch Anlehnung an andere Worte entstanden, lieber ie statt
älterem et im praeterit. blieb schrieb n. ä. vgl. Andres en S. 37, te
ist hier aus dem Pluralis blieben (mhd. bliben") in den Singnlaris ein-
gedrungen und steht demnach für kurzes t. Es wäre also auch in die-
sen Fällen das herkömmliche ie beizubehalten. — Als Umlaut von a
läszt Hr. W. e und ä bestehen , verbannt aber ä aus allen denjenigen
Wörtern , in denen es im nhd. an die Stelle des aus t entstandenen ge-
brochenen ä getreten ist , wie in Bär gebären Käfer u. a. — Den bis-
weilen durch t verdrängten Diphth. te stellt der Vf. in Liechi Dieme
Zieche wieder her, sowie er auf Durchführung desselben in gieng
Dienstag u. ä. dringt. Das ursprüngliche hd. t führt er ein in Gebirge
gütig Hilfe Wirde Sprichwort^ ü dagegen in /ifössefi (pulvinar). — Wo
durch den Einflusz oberdeutscher Mundarten ö für e in die hd. Schrift-
sprache eingedrungen ist, ersetzt es der Vf. durch das alt^e, so in
dörren ergöti^en Hölle Löwe Löffel Schöffe schöpfen schwören zwölf.
— Den Buchstaben y verbannt er völlig aus deutschen Wörtern. — Ai
möchte der Vf. ganz vermeiden, ferner verwirft er eti in Reuter und ge-
scheut und will eräugnen st. ereignen einführen. In Bezog anf letzteres
musz Ref. indes Andresen beistimmen, der S. 63 eine Anlehnung an
eigen annimmt. — Statt liederlich und Mieder will Hr. W. lüderlich und
Minder geschrieben haben. *-^ Was nun die Konsonanten anlaugt, so
verwirft der Vf. durchgängig cfl, er schreibt tot Stat sante wante be-
ret gescheit. Warum er diesem letzteren die tennis gibt, sieht Bf. nicht
ein; daas es von mhd. geschide komme und daher mit der media z«
schreiben ist, kann doch keinem Zweifel nnlerliegea« — Die Verdop*
17'
228 Schrinen Ober deaUohe Orthographie.
pelung der Konsonanten will der Vf. vor einem anderen KoDSODMlea
vermieden wiszen, er schreibt daher konie nimt hofi iieii. Bei der
Aufzählung der verschiedenen Schreibweisen für die Verdoppelong des
härteren A-lautes vermist Rf. die Schreibart ii%: aus einem Bmchttaeke
eines Gütcrverzeichnisses aus der Wetteran v. 1482 fahre ich fQr die-
selbe an Kaitzen schuinen; desgleichen könnte als Verdoppelang toi f
noch das bisweilen vorkommende $s% aufgeführt werden, so findet sick
z. B. in einer nngedruckten Urkunde v. 1377 den Büdinger ReichawaM
betrefTcnd wasszer nesszeln lasszen. — Die Buchstaben «s and $ Ter-
teilt der Vf. nach dem historisch begründeten Unterschiede, wonaek
8z sich aus dem mhd. weichen z und zz (engl, niederdeatsch I) ent-
wickelt hat, 5 dagegen einem früheren s entspricht; demnach elelll er
8z wieder her in au^ bi^ Aretß Kreb^ Lo^ Ameise emfig n. a., noler
denen indes Rf. einige dahin gehörige Worte wie Bin^e Erbfe Anaf-
iag Worm^ Bimsstein Gem^e Schöpf (mhd. binez erweiM srnrntaiae
Wormez bimz gatnz schopez) vermist. Unter den Wörtern , welchea
SS zusteht, findet sich fälschlicher Weise Nisse (lendes), es heiest ahd.
hniz ags. hnit engl, nii und dasz dem Worte der Dentallaut gebflhre
zeigt auch das stammverwandte gr. novig novcöog. — Zuletit behan-
delt der Vf. die Vertauschung von g und ch am Ende der Worte. Wie
er hierbei zu der Aeuszerung kommt (S. 26) : ^ Geringea nnchdenkea
musz zeigen dasz adelig und nicht adel-lich, dasz eilig untadelig nntiiig
zu schreiben ist', ist dem Rf. unerklärlich; denn dasz mhd. mdMth
ahd. adaUih sich durch den Ausfall des einen / in adeliek nicht aber
in adelig verändern müste, ist doch unzweifelhaft. Derselbe Fall tritt
ein bei den Adj. unzählieh unztteifelich eklich^ ahnlich ista bei h&Uth
und töUich. Will man diesen auch das ch nicht wieder geben, iO
musz man doch anerkennen, dasz es ihnen vom Standpunkte der hi-
storischen Grammatik aus gebührt. — Am Schlusze fügt der Vf. noch
ein Kapitel über Silbentrennung u. a. hinzn. Die Majuskel iat nach
seiner Meinung verwerflich, einstweilen möglichst zu beachrinken.
Von den Bemühungen des k. hannoverischen OberschulkollegiMU
durch Zusammenberufung einer Konferenz von Sachverständigen eine
Gleichmöscigkeit in der Orthographie in den Schulen des Landes H
erzielen, ist schon mehrfach in dieser Zeitschrift die Rede gewoian.
Die Krgobnisse der Konferenz liegen jetzt in dem Schriftehen No. 1
vor, zusammengestellt und redigiert von Hrn. Dir. Hoffnann in Line-
burg, der schon durch seine neuhochdeutsche Grammatik sieh auf dem
Fehle der deutschen Sprachforschung rühmlich bekannt geaMcbt hat.
Gehen wir nfiher auf den Inhalt des gedachten Schriftobena ein, ao
schlicsxen sich die Beschlüsse der Konferenz ziemlich enge an die ge-
wölinlioho herkömmliche Orthographie an. Ist dieai nun auch bei dem
Zwecke, den die Konferenz vor Augen haben mnate, natürlieb, indem
ihre Ausarbeitungen zugleich in den Volksachulen Anwendung finden
aollton so glaubt Rf. doch, dasz auch ao in manchen Funkten du
Ansrhiioszrn an eine vernünftigere Orthographie bitte weiter geben
können. Namentlich bitte man i. B. das so flberflttazige Debnnngi-b
Sdiriften fiber deatgclie Orthographie. 229
koDseqaenler entfernen sollen. Wozu behlU man s. B. noch den Un-
terschied zwischen mahlen (molere) nnd malen (pingere) bei, da doch
im Wortverzeichnis selbst angegeben wird, dasz ersteres anch ohne
h geschrieben werde ? Jede derartige Unterscheidung erschwert nur
den orthographischen Unterricht ohne auch nur den geringsten Nutzen
zu gewahren. Ebenso -hätte man viel mehr gegen das ih einschreiten
sollen. Man konnte sich recht gut dazu entschlieszen z. B. Mut Demut
Not u. fi. einzufahren, Schreibungen die auch auszerhalb des Kreiszes
der historischen Schule durchaus nicht mehr zn den Seltenheiten ge-
hören. Ueberhaupt ist in dem laufenden Jahrhunderte in der Entfer-
nung dieses überflaszigen Zeichens ein staetiger Fortschritt zu bemer-
ken. Schrieb man noch im Anfange dieses Jahrhunderts ganz gewöhn-
lich gehöhten gebähten Gehährde Mahler Huth Monath n. a., Schrei-
bungen die nun als veraltet gelten , so kann man jetzt Blüte Flut Hei-
mat Armut Glut, die auch von der Konferenz empfohlen werden, schon
als nicht ungewöhnliche Schreibweisen betrachten. Die Konferenz
selbst entfernt das h auch aus gewaren toamehmen hewaren Turm
Wirt n. a. Hätte sie auch vorgeschrieben Mut Not malen (molere) u.
dgl. zu schreiben, so wfirde sie dafür in dem herschenden orthogra-
phischen Gebrauche viel mehr Vorgänger gefunden haben als z. B. für
bewaren. Der Gebrauch des dehnenden h ist offenbar im Schwinden
begriffen, nnd nach der Meinung des Rf. wird und kann die Bewegung
kein Ende erreichen, bis das aberflilszige und störende Zeichen ganz
verschwunden ist oder sich höchstens noch in zwei oder drei Wört-
chen gerettet hat, wo es dann das Andenken an die Zeit der Pedante-
rie in der deutschen Grammatik erbalten mag. — Auch in der Anwen-
dung der groszen Anfangsbuchstaben hätte die Konferenz viele Verein-
fachungen können eintreten laszen. Wozu z. B. läszt man nicht alle
Pronomina possessive klein schreiben? Auch die Regel über die gro-
szen und kleinen Anfangsbuchstaben der von Eigennamen hergeleiteten
Adjectiva wird sich nur schwer in der Schule durchfahren laszen. Wa^
rum z. B. Unterschiede einführen wie der zwischen baiersches Bier
(nach baierscher Art gebraut) und Baiersches Bier (in Baiern gebraut)?
Will man bei den fraglichen Adjektiven überhaupt den groszen An-
fangsbuchstaben nicht ganz verwerfen, so möchten für die Schulen fol-
gende Regeln am einfachsten sein: Adj., die von Länder- und Städte-
namen herkommen, schreibe man klein, solche die von Personennamen
kommen, grosz. — In Bezug auf den Unterschied von f, ff und fz hat
die Konferenz sich nicht einigen können , sie hat jedoch die Unter-
scheidung derselben nach dem Principe der historischen Grammatik
für die höheren Schulen empfohlen nnd danach die Orthographie des
Textes sowie die Einrichtung des Wörterbuchs bemeszen. Daneben
hat sie aber auch die älteren Regeln gegeben (S. 19) und im Wörter-
verzeichnisse jedesmal die herkömmliche Schreibweise in Klammern
beigefügt, damit so das Schriftchen auch für die Schulen brauchbar
sei, die sich der andern Orthographie nicht bedienen wollen. Die
Wörter, denen nach dem altern Stande der Sprache /> zusteht, sind
230 Schriften über deutsche Orthographie.
S. 50 f. zusamroengestellt. Indes möchte \rol kaum mit der Konferenz
das Wort Hessen unter dieselben gezählt werden können; denn
wenn auch die Identität des Namens mit dem der Chaili nicht sn be-
zweifeln ist und danach an der Stelle von t die Dentalaspirata s (/s)
zu erwarten wäre, so reicht doch der Uebergang derselben in s so-
weit vor die Zeit unserer nhd. Sprachperiode*, dasE an eine Wieder-
herstellung des fz nicht gedacht werden darf. In ^metse äsen äsen
aus Binse bis das emsig Erbse feist Gemse Krebs Kreis Lot Schleuse
vericeisen soll das filtere ft nicht wiederhergestellt werden. Anszer
den genannten halte noch Bimsstein Gesims Schöps und das in Nord-
dcutschiand allerdings nicht gebräuchliche Samstag angeführt werdeo
sollen. Unrichtig ist die Angabe, dafz auch in Schleufe das s ansfi
erweicht sei; das Wort hat mit schliefzen nichts zu schaffen, sondera
stammt von mlat. exclusa. Dafz in äszen aszen Lofz das f*, weiches
sich in diesen Wörtern doch nicht selten geschrieben findet, nicht
hergestellt ist, hat wo! seinen Grund in dem besondern Umstand, dui
gerade im nördlichen Deutschland in der Mitte des Wortes nach lan-
gem Vokale der Unterschied zwischen dem schärferen f» und dem wei-
cheren 5 noch hurbar ist und jene Worte gerade mit dem weichen
Laute gesprochen werden. Im übrigen Deutschland, in welchem in der
Aussprache jener Unterschied ganz oder fast ganz verschwunden ist,
würde von Seiten der Aussprache der Wiedereinführung des /sin die-
sen u. a. Wörtern nichts im Wege stehen. — Unrichtig ist S. 51 die
Angabe, dafz fz in Obft und Herbft in ft übergehe, vielmehr hsit Herbst
von jeher st gehabt (vgl. ahd. herbist^ nihd. herbest^ engl. Aaroesi), in
Obst aber hat t sich dem fz angesetzt, wie auch dem s z. B. in Fabü
(mhd. bäbes) Axt (mhd. ackes)^ und es ist alsdann die ungewöbnli^
Schreibweise fzt in die gewöhnliche ft verwandelt worden. Daher kaaa
auch nicht aus brasteln hristen prörost ein prafzcln kreiften Profofz
gerechtfertigt werden ; durch Assimilation des / würde vielmehr pras-
seln kreissen entstchn und in Profos wird man am besten einen Abfall
des t annehmen. Zur Hechtfertigung von prafzeln kann man auch das
verlegene bräzeln nicht beiziehen, da das Wort offenbar ans dem so
hüuügen brasteln sich entwickelt hat; ebensowenig ist kreissen auf
hrizen zurückzuführen sondern stammt erwiesenermafzen von kriUem,
Ferner ist vom Standpunkt der historischen Entwickelung aus allein
die Schreibweise gröster^ nicht wie S. 32 vorgeschrieben wird,^r^^
fer zu rechtfertigen, aus der vollständigen Form groezister ist dnrch
Ausfall der Silbe zi groestcr entstanden, wie aus bezzisi best; dann
hätte nach mhd. muoste und toeste tresse eutschiedener anf musie nnd
icuste gedrungen werden sollen.
Es ist jedesfalls dankenswert, dafz die hannoverische Oberbe-
hördo die Regelung der Sache in die Hand genommen hat. Das Werk
der Konferenz ist als Anfang zum bessern zu begrüszen und nur zu
wünschen, einesteils dasz man auf dem betretenen Wege fortfahre und
durch allmähliches Vorgehen sich einer möglichst konsequenten Recht-
Schrillen über deutsche Orthographie. 2S1
scbreibang nähere, anderesteils dasE man auch in den andern Landern
Dentschlands anf gleiche Weise vorgehe.
No. 3 stellt den gesamten Stoff, der bei der orthographischen
Frage in Betracht kommt^ am vollständigsten zusammen und ist in die-
ser Beziehung denjenigen, die sich über den Gegenstand genauer un-
ierrichten wollen, vor allen anderen Werken zu empfehlen. Wesentlich
wird der Gebrauch des Buches noch erleichtert durch ein umfangrei-
ches Wortverzeichnis , das dem. Buche angehängt ist und jedesmal auf
die Stellen des Buches hinweist, an denen von dem betreffenden Worte
die Rede ist. Der Vf. steht auf dem Boden des historischen Princips,
das er S. 2 in folgenden Worten ausspricht: ^die Schreibung richte
sich nach der geschichtlich wahrnehmbaren entwickelung des neuhoch-
deutschen lautsystems.' Indes bandelt es sich bei ihm weniger um
Vorschläge für Einführung einer auf das gedachte Princip gegründeten,
beszeren Orthographie, sondern sein Bemühen ist das Material, wie es
auf geschichtlichem Wege sich offenbart, den eigentlichen Tatbestand,
um den es sich handelt, zu geben und zwar in einer Weise, die vorbe-
reitend und in deutlichem Zusammenhange mit dem zu erstrebenden
Ziele steht (S. 7). Es fehlt darum nicht an Hinweisungen, wie man
sich einer beszeren Orthographie nätiern könne , allein dieselben sind
immer mehr gelegentliehe. Der eigentlich nächste Zweck des Buches
nun, die Zusammenstellung des gesamten Stoffes, ist in einer Weise er-
reicht, dasz in dieser Hinsicht das Buch wenig zu wünschen übrig
laszt. Der Vf. zeigt eine nmfaszende Kenntnis nicht nur der neuern
sondern auch der altem Sprache, und so entgeht ihm nicht leicht et-
was, was zur Aufhellung des behandelten Stoffes dienen könnte. Dasz
dabei im einzelnen immer noch hier und da etwas nachzutragen ist,
dasz hin und wieder in Ableitung von Worten u. dgl. fehl gegriffen
ist, kann bei der Natur des Gegenstandes nicht befremden. — S. 14.
Den Wörtern, welchen einfaches a zu geben ist, könnte noch Schale
hinzugefügt werden, welches hin und wieder noch immer mit doppel-
tem Vokale geschrieben wird. In der Anm. führt der Vf. aus Luther
die Schreibweise feer an; diesz feer erscheint in jener Zeit sehr häu-
fig, so findet sich z. B. in den loci communes des Melauchthon *ver-
deudscht durch Justum Jonam' (Wittemberg 1539) » soweit Rf. hat se-
hen können, nur in dem einen Worte feer die Verdoppelung eines Vo-
kals. — S. 26 hatte die Deutung von Kiefer aus Kienföhre, die sich
auch im Wortverzeichnisse von No. 2 findet, entschieden abgewiesen
werden sollen. Das erst im nhd. erscheinende Wort ist seinem Ur-
sprünge nach nicht recht klar. Am wahrscheinlichsten ist die Ablei-
tung Weigands, der es auf lat. cyprus zurückführt. — S. 29. Die
Schreibweise echt ist festzuhalten. Aber die Ableitung von einem aus
ihafl zusammengezogenen eft^ das plattdeutsch zu echt wurde, ist zu
verwerfen. Altfris. erscheint das Adj. oft {eft oft) ehelich rechtmäszig
und das Subst. afle Ehe, welche von Weigand passend mit lat. aptu$
verglichen werden. — S. 33. Das Wort Augenlider wird auch von
solchen, die sich der herkömmlichen Orthographie bedienen, nicht sei-
232 Schriften über deutsche Orthographie.
ten mit blosiem • geschrieben, vgl. z. B. Fellows Lycien überietst von
Zenker (Leipzig 1853) S. 11. — S. 34. Flieder scheint den organischen
Diphtb. le zu haben, vgl. Weigands Wörterbuch u. d. W. — S. 48.
Zu den Wörtern, in denen ä ffir das ans • durch Brechung entstandene
^ steht, gehört auch wägen (abwägen) mhd. wägen. — S. 51 o ist far
a eingetreten auch in focht schmoU klomm erschoU für mhd. 9aki
srnah klam erschal. — S. 77 bemerkt der Vf. *das mhd. bietet dütem^
aber dutzen folgt der ausspräche.' Hierbei kann der Vf. nur die Aus-
sprache vom nördlichen Deutschland vor Augen haben. Denn in Mit*
teldeutschland wenigstens spricht man duzen. — S. 88 ^U statt gii
findet sich schon in der Deutschordenschronik von Jeroschin (gizic :
drizic). — S. 93. Alkofen hängt doch wol kaum mit mhd. Kobe zu-
sammen , sondern stammt mit span. alcoba aus dem arabischen. — S.
98 billig für billich entspringt* nicht aus mhd. bildelichj sondern stammt
aus einem einfachen bil oder bili (lenitas , placiditas) , welches noch
in Eigennamen erscheint, vgl. Grimm Mytholog. S. 347 u. 443, wo auch
ein celtisches bil (gut, mild) verglichen wird. — S. 98. eöilig erscheint
schon frühe mit g. In Jeroschins Deutschordenschronik, in der sich
z. B. unzellich noch findet , steht schon mit eolligir tucht und di i röi
eollic schinen. — S. 98. Hier hatten auch noch. Adj. wie buekeiig
schwindelig zappelig winklig u. ä. erwähnt werden sollen, von denen
es zweifelhaft sein kann , ob sie mit g oder ch zu schreiben sind. —
8. 109. Neben bofzen (Kegel schieben) auch das gleichbedeatendo,
bofzeln. — S. 111. Nachzutragen ist noch Bofze (Gebund Stroh u. dgl.)
:;= mhd. 6dse, welches mundartlich noch vielfach erscheint. — S. 111.
Schlambeiszker, Der Name Schlambeiszker erscheint schon früher mit
fz vgl. beiszger Hohberg bei Grimm D. W. s. v. Beifzker. Das Wort soll
aus dem slav. entlehnt sein (poln. pyskorzj Zcitschr. f. vgl. SpraehL
I S. 424), Grimm nimmt aber, wie es scheint, mit Recht an, dasz es erst
aus dem deutschen in die slavischen Sprachen eingedrungen sei. —
S. 113. Eine Vertauschung von mhd. glizen und glichesen wird ange-
bahnt durch Stellen wie die folgenden aus Jeroschin mit andäkt dne
glizen oder brüdir Albrecht von Mizin sundir alliz glizin vor gote
was ein hell eil tuir, -^ S. 127. Blas ist jedesfalls mit s zu schreiben.
Im MüUer-Beneckeschen Wb. ist eine Stelle ans Nithart angefahrt;
häufig erscheint das Wort in Jeroschins Deutschordenschronik und
Staats mit s, vgl. Reime wie blas: Judas j.blas: laSj blas: was o. a. — «
Die Schrift No. 4 hat vornehmlich den Zweck gegenfiber den Be-
strebungen Weinholds und der historischen Schule als Grundlage der
Rechtschreibung das phonetische Princip als das einzig richtige in be-
gründen und zu zeigen, wie etwa unter Zngrnndelegen desselben die
einzelnen streitigen Punkte in der Orthographie zur Entscheidung in
bringen wären. Sie verlangt Uebereinstimmung des geschriebenen
Wortes mit dem gesprochenen, wie es im Munde des gebildeten Deut-
schen lautet. Darum bdiandelt denn der Vf. S. 10 ff. zunächst die
Frage, ob es überhaupt eine gemeinsame von den Volksmundarten nn*
(erscbiedene Aussprache des deutschen gebet und entscheidet sich da-
Sekriften Aber deaUdie Orthograplue. 233
ffir, dasi eine solche allerdingg vorhanden sei, und swar aei ea —
nach dem Auaaprnche Klopalocka — die Auaaprache dea guten Vorle-
aera, Rednera und Schanapielera , wenn der Inhalt eniathaft iat. Ein-
xelne atreitige Punkte gibt der Vf. dabei freilich au. Im gansen kann
man dem Vf. in dieaer seiner Behauptung von einer allgemein giltigea
Mnen und gebildeten Aussprache Recht geben ; nur wäre au wünschen,
daax derselbe gerade auf die übrig bleibenden Verschiedenheiten in-
nerhalb der Aussprache auch der gebildeten und auf daa Verhalten der
Orthographie dazu etwaa näher eingegangen wfire. Ea kommt Rf. ao
vor, ala ob er diese Verschiedenheiten doch etwas zu gering an-
achlüge. Er erwähnt nur das Auseinandergehen von dem südlichen
und mittleren Deutachlande und von einem Teile des nördlichen *) in
der Aussprache dea st und sp am Anfange der Worte, ferner daaz
man im Norden Ferd Farrer u. ä. hört atatt Pferd Pfarrer. Ea könn-
ten aber noch gar manche andere Verschiedenheiten der Art angefflhrl
werden. So haben z. B. in Norddentschland noch viele einsilbige
Worte die ursprüngliche Kürze bewart, während im Süden dieae
Kürze dem allgemeinen Zuge nach Verlängerung der Vokale vor ein-
facher Konaonanz hat weichen müazen ; dort hört man auch im Munde
der gebildeten Glas Gras üöf an u. dgl., hier Glos Gras Hof an. Um-
gekehrt apricht man im aüdlichen Deutschland müsMn mit langem ü
aus, während daa mittlere und nördliche diesen Vokal verkürzt. Alles
diesz sind aber Unterschiede, die nicht allein den Volkamundarten an-
gehören, sondern sich auch im Kreiaze der gebildeten geltend machen.
Weiter bestehen sehr bedeutende Verschiedenheiten in der Aussprache
des g, Mnsz man auch annehmen, dasz die gebildeten dea geaamtea
Deutschlands aich der richtigen Aussprache dieses Buchstabens im An-
laute zu nähern bemüht sind, dasz also der Westfaie sein chud^ der
Märker sein jud für gut ala falsch anerkennt — ao ist doch in dem
Inlaute und vor allem im Auslaute die Aussprache eine völlig verschie-
dene; der Süden spricht im Auslaute deutlich die tennis, der Norden
die aspirata ; dort heiszt es Tak hier Tack, dort freudih hier freudich*
Femer bat daa aüdliche und mittlere Dentachland den Unterachied zwi-
schen SS und s völlig aufgegeben , man spricht fast durchgängig die
harte apirans, während im Norden nach einem langen Vokale im In-
laute, wenn ein Vokal folgt, der Unterschied zwischen dem härteren
sa und dem weicheren s noch deutlich gehört wird — ein gebildeter
niederdeutscher Mund unterscheidet genau zwischen weisien und loet-
seii, zwischen Schosse asten und Rose Hasen, Dieser Unterschied ial
dem Süddentaehea ao völlig geschwunden, sein Mund und Ohr ist ao
wenig mehr daran gewöhnt, dasz gar mancher kaum mehr im Stande
ist denselben auch nur zu vernehmen, wenn ein anderer die Laute
richtig ausspricht. Alle die eben aufgezählten Fälle, die noch durch
*) unter dem südlichen Deatscblande versteht Rf. Schwaben Baiem
und Oestreich, das mittlere bilden Franken Hessen Thüringen oad
Meiszen, daa nordUche umfaszt das alte Sachsen.
234 Schriflen über deulsche Orthographie.
andere vermehrt werden könnten, beschränken die Behauptnng dasz
es eine allgemein angenommene Aussprache des hochdeatschen ge-
be, und zwar in nicht eben geringem Umfange. Wie soll sich
nun die Schrift diesem gegenüber verhalten, wenn das Princip des
Vfs: ^ Bring die Schrift und Aussprache in Ueberstimmung mit
einander' durchgeführt werden sollte? Soll Verschiedenheit der Or*
Ihographie nach den verschiedenen Teilen Deutschlands gestattet
sein?*) Das ist doch wol kaum der Wunsch irgend eines. Es würde
das notwendig mit der Zeil den Verfall der einen deutschen Schrift-
sprache und die Auflösung derselben in verschiedene, mehr den ein-
zelnen Dialekten verwandte Schriftsprachen herbeiführen. Der Vf. will
in solchen Fällen das historische Recht, den jedesmaligen orthographi-
schen Besitzstand schützen. Der Süddeulscho soll stehen sprechen
schreiben, nicht Schlehen schprechen^ solange ein groszer Teil der
gebildeten Norddeutschen an der ursprünglichen Aussprache festhält;
diese sollen trotz ihrer Auspracho nicht Ferd Farrer schreiben, so-
lange die Süddeutschen Pferd Pfarrer sprechen **), Man masz aber
weiter gehen , man musz überhaupt anerkennen, dasz in der deutschen
Rechtschreibung neben dem phonetischen Principe, welches anerkann-
termaszen die Grundlage bildet und von jeher gebildet hat, noch ein
anderes — wir wollen es das etyrnolorfische nennen — mitwirkt, and
zwar im nhd. mehr als im mhd. Diesz hat der Vf. nicht hinlänglich
berücksichtigt, obgleich es bei Beurteilung der ganzen orthographi-
schen Frage wesentlich in Betracht kommt. Obgleich z. B. kaum Je-
mand in Deutschland am Schlusze des Wortes die media g spricht, so
wird sie doch überall geschrieben, wo die Etymologie des Wortes sie
verlangt; wollte man sich nach der Aussprache richten, so mOste der
Süddeutsche z. B. freudik Tak mak schreiben, wie im mhd. wirklich
geschieht, der Norddeutsche freudich Tach mach. Die Schreibnng
richtet sich also in diesem Falle rein nach der Etymologie, nicht nach
der Aussprache der Worte. Mhd. schrieb man im Auslaute slaels die
ttiuuis z. B. Up irip eil leit u. dgl., weil hier in der Auspracho jede
niodin in ihre entsprechende tenuis übergieng; jetzt schreibt man Leib
WetU Kid Lvid^ obschon man im Süden und Norden im Auslaute bei
don l.iibiMliMi und Dontalon nie die media, sondern dafür staets die te-
iiiim Miirirht. Im mittloron Deutschland wird zum Teil wol eine media
Nil di>i Sliilln a«*"pi'(»i«hou, aber eigentlich doch meist ein Laut, der
MihiiUi-liiHiliMi »uim^liiMi lonuis* und media schwankt, bald der einen
Imlit ilfi Miiili>iii Mioli iiiolii' nuhornd, ein Laut wie er überhaupt in MiU
ii iili tii^i l«lrtii,| Hill |v||i||i do« »orlos vernommen wird, mag das Wort
• iM< I lliiliiniii iiMrli lull modln mlor tenuis schlieszen. Sollte also das
> t »tt I « - tu ilvt Vu«|M<«vlii» %W\\ \\\ diesen Fällen der eine Teil
*' . ' ' ' ♦ ^ \\\ \y\^\w\\\w di>« mtdiMii «iibrqunncn werde, ist doch
s M m iitinil.««««* ui « II. «uvh fpicng^ kieng fiemg
* ^*.)( il> l«ttt i'i« «^dhvh«» IViiinchland noch an der
\ , « 1- (lull
Schriften Ober devtoclie Orlliographie. 2S5
phonetische Princip die deutsche Orthographie nnsedilieesll^ Eefeht«
so mOste der Norden von den Lippen- und Tiay^idinten im Auslanle
nnr die tenais schreiben; das mittlere Deatschland könnte in Verle-
genheit geraten, wena es hier deii Auslaut genau in der Schrift aui-
drücken sollte, es mfisie deun zu der Schreibweise Leibp Eidt greifen
wollen. Weiter verlangt ein allgemeines Gesetz nicht allein des deut-
schen sondern sämtlicher indogermanischen Sprachen, dasz eine media
vor tenuis nicht steht, sondern in die tenuis ihres Organs übergeht:
im sscr. wird von W. jug^ gebildet ydAr-/tim , im griech. wird aus ti*
xQißxai nach demselben Gesetze rixQtnraij im lat. scriptum ans
scribtutn. So spricht man auch im deutschen nicht liebte gehabt^ son-
dern liepte gehapt*). Man schreibt aber jenes, indem man der Etymo-
logie zu Liebe das phonetische Princip verläszt, gerade wie man auch
im lat. der filtern, der Aussprache entsprechenden Schreibweise optu^
leruni später obtulerunt vorzog; cf. Quint. 1 7 7: ^quaeri solet, in
scribendo praepositiones sonum quem iunctae efftciunt, an quem sepa-
ralae, observare conveniat, ut cum dico obtinuit ; socundam enim k lit-
teram ratio poscit, eures magis andiuntp.' Schon hier derselbe Wi-
derstreit zwischen dem etymologischen und phonetischen Principe in
der Orthographie. Der Etymologie zu Liebe sind ferner Schreibungen
wie sandte wandte in Gebrauch gekommen: man behielt den Endbuch-
staben des Verbalstammes in der Schrift bei, obgleich er in der Aus-
sprache wich. Es ist diesz dasselbe , als wenn man im griech. z. B.
jteC^CG} schreiben wollte , während man doch nEÜsm spricht Ebenso
schreibt man das h an vielen Stellen, wo es durch die Synkope eines
folgenden Vokals unmittelbar vor einen Konsonanten zu stehen kommt
und in Folge dessen nicht mehr gesprochen wird. Man schreibt z. B.
»eAn, seAit, gehn^ flehn^ weil diese Worte aus zehen sehen gehe»
flehen geworden sind; auch hier waltet wol hauptsächlich ein etymo-
logischer Grund : man will durch Erhaltung des h (das freilich auch
als Dehnungszeichen angesehen werden könnte) den Ursprung der
Worte in der Schrift klar vor Augen führen. Auch hier findet sich im
mhd. häufig die phonetische Schreibung wie mdlen für mahelen^ ge-
mdle für gemahele.
Alle die angeführten Fälle zeigen uns , wie neben dem phoneti-
schen Principe noch ein anderes , ein etymologisches , nebenher geht
und jenes in nicht geringem Grade beschränkt, so dasz es wol dem
Zwecke der Schrift des Hrn. R. entsprochen hätte , wenn er genauer
darauf eingegangen wäre und angegeben hätte , inwieweit solche der
Aussprache nicht gemisze Schreibungen Berechtigung haben sollen.
^) wenn man in diesen und ähnlichen Fällen die media zu boren
glaubt, so ist es entweder Teuschung, da das deutsche Ohr überhaupt
an eine scharfe Unterscheid ang von weichem und hartem Laute niclit
gewohnt ist, oder es wird vermöge der eben angeführten Nachläszic-
keit die folgende tenuis als media gesprochen: liebde gehabd. Media
vor tenuis kann nicht gesprochen werden. Mhd. sind Schreibungen
wie roupte geloupte nichts seltenes.
236 Schriften über deatsche Orthographie.
Wollte der Vf. das phonetische Princip in seiner Konseqaens darch-
führen, so würde er meistenteils gerade von denen, welche er in
seinem Schriftchen bekimpft, am wenigsten Widerspruch xn erfahren
haben. Die tenuis z. B. im Auslaute wieder statt der media einzufah-
ren, ist Weinhoid nicht gerade abgeneigt, sante, wanU u. fi. schiigt
er selbst vor, und zu liepte und gehapt würde er sich wol auch ver-
stehen.
Gehen wir nun näher auf das ein , was der Vf. hauptsachlich den
orthographischen Neuerungen Weinholds vorwirft. Aus einer mehr
gelegentlichen Aeuszerung Weinholds über die geschichtliche Schrei-
bung der Engländer glaubt der Vf. schlieszen zu muszen, dass jener
für das deutsche eine ähnliche einführen wolle. Das englische ist seit
langem in der Orthographie stehen geblieben, es hat die Schreibung
einer Zeil beibehalten, in der die Sprache auf einem ganz andern
Standpunkte der Entwickelung stand als jetzt, und so differieren nun
Aussprache und Schrift so sehr, oder eigentlich noch weit mehr, als
im nhd. beide auseinandergehen würden, wenn wir dasselbe in der
Sprache des Nibelungenliedes schreiben wollten. Wenn Weinhold
wirklich eine solche Orthographie empfehlen wollte, so müste er, wenn
er nur auf das mhd. zurückgienge, z. B. die Anfangsstrophe von des
Sängers Fluch von Uhland folgendermaszen schreiben:
Ez stuont in alten zitcn ein slöz so hoch unt h^r,
wit glenzet ez über diu lande biz an daz bUwe mer,
unt rings von tuftcgen garten ein blüetericher kränz,
darinnc sprungen vrische brunnen in regenbogen glänz«
Das wäre eine geschichtliche Schreibung nach Art der englischen, wie
sie indes weder Weinhold noch irgend einem andern in den Sinn
kommt zu empfehlen. Derselbe will vielmehr eine Orthographie, wie
die geschichtliche Fortcntwickelung des nhd. sie verlangt. Wie diese
aber zu verstehen sei, kann man z. B. gleich au dem ersten Worte
obiger Strophe ersehen. Der letzte Buchstabe von e:3, das weiche i,
ist im nhd. in einen Laut fz, übergegangen, der in der Aussprache, na-
mentlich im Auslaute, dem 8 völlig gleich geworden ist und darnn
auch in der Schrift öfters mit diesem vertauscht wird, wie es z. B
gerade bei dem Wörtlein es der Fall ist. Wollte nun Weinhold eine
Orthographie wie die englische, so müste er verlangen, dass das alte
s wieder geschrieben werde; aber er will nur überall da im nhd f%
herstollon , wo jenes z im mhd. gestanden hat und so das Gebiet des
ülloreu » in seiner Integrität waren, immer aber mit Beobachtung der
Furlentwickeliing unserer Sprache, welche den alten Laut verlaszen
und eiiion andern, dem * ähnlicheu oder gleichen an dessen Stelle ge-
üolAl hui: nr aehreiht danach fji. Es musz daraus jedermann klar
«ohi \iio \er»ehioden eine soKlie auf der historischen Grundlage der
S|.m.lio .iiLomle ahor deren Fortcntwickelung immer berficksichÜ-
Moiidu iilhuMraplii« von der orslarrlen historischen Orthographie des
««•"» dm lm.i|.UaeliliehMoM Tunkte, auf welche die Angriffe des
Schrifleii Aber deottehe Ortbogniphie 287
VfB grericbtet sind, Ui die Verieilanflr tob t , $$ nad fk, wie sie ron
Weinhold und der historiseheo Schale YorgrenoaneB wird. Da diese
Oberhaapt zu den sireitigsten Punkten im Gebiete der deatseben Ortho-
graphie gehört, fo sei es ans erlaabt hier naher darauf einsogehott.
Zwei mhd. Laate, die aspirata der Zangenlaute in ihrer weidiereD
Aassprache s (»»)*) and die spirans s (ss), sind im ohd. in der Aas-
spräche f a s t völlig zosammengefalien and darom in der Schrift aseh
vielfach vertauscht worden, so dasz bei der herkömmlicbeo Vertei-
lung von s und dem an die Stelle von » getretenen /s das Gebiet, das
ursprünglich jedem der beiden Lante sakam, nicht mehr genau ge-
schieden ist.
1. ImAnlaute kommt /s nicht vor, sondern nur s. Der Laot, der
dieser letzteren spirans zukommt, ist der weiche Laut, den die Hollin-
der durch ihr s bezeichnen ; diesen spricht man im nördlichen Deutsch-
land auch noch regelmiszig im Anlaute, wfihrend er im mittleren and
sQdlichen Deutschland unbekannt ist und an seiner Stelle der birtere
gesprochen wird. In der Schreibung besteht hier keine Differenz;
jedermann schreibt sagen so n. fi. , obgleich die birtere Aussprache
Saddeutschlands f^gen /so verlangen würde.
2. Im Inlaute nach langem Vokale und bei folgendem
Vokale hat Norddeutschland den ursprQnglichen Unterschied zwischen
dem härteren f» und dem weicheren s in der Aussprache bewart: /s
in safzen af%en weißen Schofze süf»e (mhd. sAzen Azen wtzen schöze
süeze) lautet ganz anders als s in ^oseii weise Rose lose (mhd. hasen
wtse rose löse). Nur in wenigen einzelnen Wörtern wie AmeU%e
Lofze Kreiße verweif%en n. a. hat es sich zu s abgeschwicht, woge-
gen in einigen andern wie Geisel (flagellum) umgekehrt ß an die
Stelle von s getreten ist. Das Qbrige Deutschland hat auch in diesem
Falle den Unterschied in der Aassprache aufgegeben und spricht meist
den hirteren Zischlaut. Die Schrift drückt den ursprünglichen Unter-
schied noch ziemlich richtig aus in der Art und Weise , wie sie hier
die Buchstaben ß und s verteilt; nur die wenigen Wörter, tob denoB
oben gesprochen ist, bilden eine Ausnahme.
3. Im Auslaute nach langem Vokale hört man, wie über-
haupt im Auslaute , nur den härteren Zischlaut. Man müste demnach,
wollte man nach der Aussprache schreiben, sich an dieser Stelle stits
des ß bedienen. In Wirklichkeit behält man aber auch hier ß und f
bei, je nachdem mhd. z oder s stand, so dasz z. B. groß und los noch
genaa so unterschieden werden wie mhd. grd» und löSj obgleich die
Aussprache sie zasammengeworfen hat. Nur einige Wörter wie aus
Kreis Verweis Los haben s für ß angenommen.
4. Nach kurzem Vokale, wo nach nhd. Schreibgebranche
die Verdoppelung eintreten sollte, sind nhd. beide Buchstaben in der
Aussprache zusammengefallen, es wird überall gleicherweise der harte
*) wo mhd. die härtere Anssprache von s galt, da steht nhd. noeh
immer • oder in der Verdoppelang U*
238 Schriften über deutsche Orthographie.
Zischlaut gesprochen, mag früher % oder 8 gestanden haben: mhd.
hazzen gegozzen und küssen rossen lauten im nhd gleich, und ein wei-
ches SS wird hier nirgend mehr gesprochen*). Nach dem phoneti-
schen Principe sollte also in diesem Falle überall doppeltes fs ge-
schrieben werden, eine Verdoppelung, die indes niemals angewendet
wurde, wol wegen des unbequemen, ftusammengesetsten Zeichens.
Der Vf. will deshalb mit Heyse dafür ss brauchen und diesE als Ver-
doppelung von [m ansehen , da doppeltes $ im nhd. nirgend mehr vor-
komme: er schreibt fassen fasste fass faffen f äffte fafd. Die herkömm-
liche Orthographie setzt wenn Vokal folgt ss, vor Konsonanten und
im Auslaute fz z. B. faffen fafte fa§.
5. Vor Konsonanten ist der Zischlaut staets der harte ; es
sollte demnach hier nach der Aussprache überall fz geschrieben wer-
den, allein die allen Konsonantenverbindungen st und sp sind nhd.
unverändert geblieben.
6. Hinter Konsonanten wird in der herkömmlichen Ortho-
graphie nirgend mehr f* geschrieben, obgleich wenigstens in swei
Wörtern Erbse und Krebse auch in Norddeuschland noch der scharfe
Laut gesprochen wird und demgemasz Erbfze Krebfze geschrieben
werden sollte, wie die Entstehung der Worte aus'mhd. erweiz krebe*
es verlangt. In Gemse Gesimse Binse emsig wird in Norddeutschland
der weiche Laut gesprochen, während nihd. gamz simeze bincM emeuc
den harten Laut und das fz verlangen würden.
Ueberscbauen wir diese verschiedenen Fälle, so finden wir, wie
die seither übliche Orthographie völlig principlos ist. Von einer Un-
terscheidung beider Buchstaben nach der Aussprache kann, wie oben
bemerkt, für den grösten Teil Deutschlands überhaupt gar nicht die
Kede sein. Für diese Gegenden würde also ein Zeichen $ (is) völlig
genügen. Wollen wir aber nach der Aussprache des nördlichen
unsere Schreibung regeln, so müszen wir ganz anders verfahren als
in der üblichen Orthographie oder in der von Heyse empfohlenen ge-
schieht; denn auch die letztere, die der Vf. adoptiert, kann keines-
wegs den Anbruch machen , dasz sie die Aussprache getreu wieder-
gebe. Sollte sie das wirklich tun, so müste sie ja im Auslaute nur n
anwenden, sie müste denselben Buchstaben staets vor Konsonanten
brauchen (z. B. ifzi = est für ist, hafzl =s habes für hast, J^si^e fftr
Espe), sie müste endlich statt ss eine Verdoppelung von /« (etwa fpt)
einführen. Das wäre eine Orthographie, die in der That auf phoneti-
schem Grunde ruhte. So lange man aber nach der gewöhnliche Weise
schreibt oder auch nach der von dem Vf. angenommenen, kann mut
nicht behaupten, dasz man nach dem Grnndsatxe verfahre: Schreibe
wie du sprichst.
*) nur mundartlich wird in Niederdeutochland noch hin und wie-
der weiches $$ gebort, so s. B. im pommerschen Dialekte in Wörtern
wie aussein (träumerisch, im halben Schlafe dahingehen, dahinsitien),
pusseln (sich mit Kleinigkeiten sn tun machen), fassein (sich ausfa-
deln), quasseln (vieles unvernünftiges schwatsen).
Sehriften Aber denfaielie Orthofraphia. 2S9
Wer sich so die Saeblage klar (gemacht ImI, wird einsehen, das»
es nnr zwei W'egre gibt, um zu einer TernfinfÜgoi Sehreibnng in dem
betreffenden Pnnkte zo gelangen : entweder man wirft das eine Zei-
chen ganz weg — dann laszt man aber einen alten wolbegrfindeten
Unterschied zweier Buchstaben ganz anszer Acht, der in einem Teile
Dentschlands wenigstens noch teilweise in der Anssprache sieh gel«
tend macht — oder man unterscheidet beide Bnchstaben so wie es
ihre historische Entstehung verlangt, indem man /s für mhd. «, s für
mhd. s setzt. Dann wird in dem 6inen Falle, wo beide wenigstens in
Norddentscbland noch verschieden gesprochen werden , das verschie-
dene Zeichen die Verschiedenheit der Aussprache ausdrücken — sonst
aber wird diese Schreibweise den Zusammenhang zwischen unserer
Sprache und der ilteren klarer vermitteln und in vielen Ffillen deut-
licher zeigen, welche Worte alle zu ^inem Stamme gehören^; ffir
die Aussprache aber genügt alsdann die einfache Regel: Sprich den
harten Zischlaut im Auslaute, nach kurzen Vokalen im Inlaute und vor
Konsonanten, den weichen im Anlaute vor Vokalen.
Der Vf. wirft der historischen Schreibweise vor, dasz sie Ge^
nofzen und Rossen bei gleicher Aussprache durch die Schrift trenne,
dagegen Genofzen mit großen zusammenwerfe, obgleich die Aus-
sprache eine verschiedene ist. Trennt aber der Vf. z. B. grofz und
los^ Schoß und Moos nicht auch in der Schrift, da sie doch ganz
gleich lauten? Und ferner, worin beruht denn der Untersehied in
der Aussprache von Genofzen und grofze? Doch nur in der Quantitfit
des Vokals, dessen Kürze im nhd. durch Verdoppelung des folgenden
Konsonanten bezeichnet zu werden pflegt. Allein eine solche Verdop-
pelung pflegt auch sonst, wo ein Laut durch ein zusammengesetztes
Zeichen ausgedrückt wird, nicht in Anwendung zu kommen (bei ch
und scA), Genofzen und gröfzen verhalten sich zu einander gerade
wie lachen und sprächen^ hufchen und wüfchen^ an deren glei-
cher Schreibung doch niemand Anstosz nimmt. Die angeführten
Gründe laszen sich also vom Standpunkte des Vfs **) ans gegen die
Schreibung der historischen Schule nicht anführen. Dagegen meidet
man bei Annahme dieser Orthographie Doppelformen wie lafzen und
lassen, müfzen und müssen (la^rn laffen^ mA^cn müffrn), die der Vf.
gestatten musz, weil in diesen Worten der Stammvokal teils kurz teils
lang gesprochen wird.
Bei Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Fragen ist die
von der historischen Schule ausgehende Unterscheidung von fz und s
gewis die am meisten zu empfehlende ; auch scheint sich dieselbe all-
*) 80 zeigt das fz in Klofzy dasz diAz Wort ^ines Stammes ist
mit Klotz; hafzen und hetzen treten als zu Einern Stamme gehörige
Worte nur in der historischen Orthographie hervor.
*^) wenn jemand wegen der härteren Anssprache im Auslaute hier
durchganp;ig fz setzte, so konnte ein solcher im Namen des Dhoueti-
schen Pnncipes in der Orthographie mit mehr Recht gegen eine Un-
terscheidung wie von Genofzen und Ronen anftreten.
240 Schriften Aber deutsche Orthogrcphie.
mählich immer weiter Bahn brechen tu wollen, so hat s. B. die hannd-
verischß Konferenz sie wenigstens fttr die höheren Schalen empfohlen.
Ucber einzelne Punkte mag man noch rechten , so werden sieh Tiel-
leicht wenige daza verstehen wollen, auch im nentmm des A4j. and
Fron, (guiezf^ efi) oder in auß n. ä. Wörtern das längst aufgegebene
fz wieder herzustellen, wie es Ja in diesem Falle s. B. auch von J.
Grimm nicht angewendet wird.
Wir sind auf diese ganze Frage über /s und s so ausf&hrlieh
eingegangen , weil es einer der am meisten streitigen Punkte ist nnd
es uns also darauf ankam durch vollständige Darlegung der Sachlage
alle Momente, die bei Beurteilung der verschiedenen Schreibweisen
in Betracht kommen , vorzuführen. Auch der Vf. legt auf den frag-
lichen Punkt viel Gewicht, er kommt mehrmals in seinem Schriltchen
darauf zurück und führt ihn vorzugsweise überall da an, wo er nei-
gen will , wie die von der historischen Schule ausgehende Orthogn-
phie aus Vorliebe für alte, längst verschwundene Unterschiede in voll-
sten Gegensatz gegen unsere neuere Sprache und Aussprache trete.
Wir glauben gezeigt zu haben, dafz auch der Vf. keineswegs auf den
Boden unserer Aussprache bei der von ihm empfohlenen Orthographie
stehe, dasz er also nicht das Recht hat im Namen des phonetischen
Principes gegen Weinhold und die historische Schule aufzutreten.
Mit mehr Grund erhebt der Vf. S. 23 ff. gegen Weinhold den
Vorwurf, dasz er einzelne längst verlaszne Schreibungen zurflckfahre
und diesen gemäsz auch eine Aenderung der Aussprache wünsche, die
eine fundamentale Umgestaltung unserer seit mehr als hundert
Jahren giltigen Schriftsprache herbeiführe. Die auffallendsten
dieser Fälle stellt der Vf. S. 24 zusammen. Indes musz von den da-
selbst aufgeführten Wörtern wieder eine Anzahl ausgeschieden wer-
den als solche, die nicht in die angegebene Kategorie fallen. Denn
durch Zurückfübrung der früheren Orthographie Ber geberei
Kefer eerschemt getoeren weren für Bär gebären gähren Käfer \
schämt gewähren währen würde an der Aussprache der Worte niehls
geändert werden; unser e hat ja gerade, wo es aus • entstanden ist,
den breiteu und tiefen Laut, der obigen Wörtern zusteht: ä in Bär
lautot wie e in er der wer, d in Käfer gebären wie e in Feder werfem.
Ferner fallen Dieme nnd Liecht statt Dirne und Lickt in dieselbe Ka«
tegorie wie gieng ßeng hieng: in allen diesen Wörtern sprieht man
im mittleren nnd nördlichen Deutschlande ein kurzes t, weshalb aueh,
selbst bei den letzteren Formen, hier meist ein • geschrieben wird ;
allein da in einzelnen Teilen von Sfiddentschland in den genannten
Wörtern noch ein langes • oder selbst der Diphthong ie gesproohen
wird, so hat sich, wenigstens bei den drei Praeteriten, das ie noeh
vielfach erhalten — der Vf. wendet selbst diese Schreibung an, auch
Zn!Lt!^^r^V •;>««««"»•» Zeit»«? wird sie, soviel Bef. weiss,
irZ«?l ""^^S.^"^*- ^» '*^"* "«^ •«•<> ^«» Seiten der Aufl
irKti^J!^^"" ^T' V"^ ^''^' "^«»"*' einwenden. Von dem fk
in hreifze und perwetfren ist oben gesprochen, es verstösit diese
Schriften über deatsche Orthographie. 241
Schreibung nur gegen die Aussprache von Norddeutschland. Sonach
blieben von den S. 24 vom Vf. zusammengestellten Wörtern haupt-
sächlich nur diejenigen übrig, in denen ein ö statt des filteren e ein-
getreten ist: derren HeHe Letce Leffel Scheffe ichepfen Geschepf
schweren ztoelf. Hier würde allerdings eine Zurückführung des filteren
gegen die herschende Aussprache verstoszen undwol kaum durchzudrin-
gen vermögen (allenfalls mit Ausnahme des Wortes Schelfe). Auch in
einem anderen Falle, den der Vf. S .26 berühr.t, musz Ref. ihm Recht
geben. Ein Unterschied im Vokale zwischen dem Singular und Plural
des Praeteritum von bleiben u. fi. Verben, wie ihn Weinhold vor-
schreibt (ich blibj wir blieben) ^ widerstreitet dem allgemein im nbd.
durchgedrungenen Gesetze, dafz diese beiden Zahlen gleichen Vokal
haben sollen, wie Ref. schon oben bei der Anzeige des Weinholdschen
Schriftchens bemerkt hat.
Faszen wir nun unser Urteil über die Schrift des Hrn. v. R. noch
einmal kurz zusammen, so ist die Ansicht desselben, dasz unserer
deutschen Orthographie das phonetische Princip zu Grunde liege und
von jeher zu Grunde gelegen habe, vollkommen richtig, ferner ist von
demselben treffend nachgewiesen, wie überhaupt eine Orthographie
der Ariden Vorzug vor jeder andern verdiene, es verdient in dieser
Hinsicht besonders dasjenige nachgelesen zu werden, was der Vf. über
die Orthographie in den romanischen Sprachen sagt (namentlich S. 40
— 45). Dagegen sind vom Vf. die besonderen FfiUe, die eine Abwei-
chung von dem Grundprincipe der deutschen Orthographie nicht allzu
selten notwendig machen , Umstände welche hauptsächlich in der ver-
schiedenen Aussprache der verschiedenen Gegenden Deutschlands ihren
Grund haben, nicht mit der nötigen Ausführlichkeit in das gehörige
Licht gestellt worden. Vor allem aber ist der Gegensatz, in den der
Vf. die von ihm empfohlene Orthographie mit derjenigen der histori-
schen Schule in der deutschen Grammatik bringt, völlig abzuweisen.
Wie wenig ein solcher Gegensatz wirklich stattfindet, das können z. B.
folgende Worte Ph. Wackernagels zeigen, der doch gewis entschieden
auf der Seile der letzteren steht (der Unterricht in der Muttersprache
Stuttg. 1843 S. 60): ^Jede von diesen beiden — Orthographien, die
französische und englische — weist auf eine frühe Zeit zurück, wo
man ganz anders gesprochen als jetzt; die damalige Schriftsprache ist
stehen geblieben, vielleicht hätte sie, aus Gründen, die in der Natur
beider Sprachen liegen , es auch nicht vermocht, den Veränderungen
der Aussprache zu folgen. Die Orthographie unserer heutigen hoch-
deutschen Sprache dagegen fällt ihrer Grundlage nach durchaus mit
den Gesetzen der grammatischen Lautlehre zusammen; wo sie von
denselben abweicht, sind es «selten Ueberbleibsel früherer Lautver-
hältnisse, sondern im Gegenteil Neuerungen, welche, aus Unkenntnis
der Sprache hervorgegangen, im besten Falle zu nichts dienen, oft
aber dem richtigen Lesen geradezu hinderlich sind.' Auf den Haupt-
punkt, worin der Vf. der historischen Schule ein Abgehen von dem
phonetischen Principe vorwirft, auf die Verteilung von $ nnd /* ist
Pf. Jahrb. f. Phil. M. Paed. Bd. LXXIV. Hft 5. 18
242 G. H. Hartwig: loBtini historiae Philippicae.
Ref. oben der Wichtigkeit der Sacbe gem&si aasfQbrlich eingegangen
und hat zu Koigen gesucht, wie dieser Vorwurf ein ungegrQndeter ist.
— Als besonders interessant hebt Ref. ans dorn Schriflchen noch die
Kapitel über die Entstehung unserer nhd.lSchriflsprache hervor, na-
mentlich die Abhandlang Anhang I S. 85 — 100 (ursprünglich eine Re-
cension in den MOnohener gelehrten AnEeigen). Ueberhaupt tat das-
selbe jedem, der sich far die orthographische Frage interesaiert , als
anregende und lichtvolle Darstellung der Sache sehr za empfehlen.
Dresden, Febr. 1856. Dr. W. CreceUus.
14.
bisiini histariae Philippicae zum Gebrauch ßr die Schüler der
nUiÜeren Gytnnasialklasseti^ bearbeitet von Dr. G.*H. Hart-
wig^ Director des Progymnasiums zu Braunschweig. Erste
Abtheilung Üb. I — XII. Braunschweig 1852.
Eine neue Bearbeitung des lustinus ist ohne Frage gani an der
Zeit, da einmal seit der in vielen Dingen ausgezeichneten Ausgabe
von Dübner 1831 für den Text nichts wieder gethan ist, andererseits
für die reale Erklärung des Schriftstellers durch die Herausgabe der
Niebuhrschen Vorträge über alte Geschichte ein bedeutendes Hilfsnüt-
tel für einen Herausgeber hinzugekommen ist. Niebuhr schloas sich
in seinen Vorträgen an die Geschichte des Trogus Pompeins in der
Weise an, dasz er namentlich in den ersten Partien des Werkes, die
sich auf die babylonischen, assyrischen, aegyptischen Reiche beliehen
und die von dem Geschichtschreiber wunderbar zusammengelogen
sind, sich in seinen Vorträgen ausführlicher über diesen Theil der Ge-
schichte aussprach, dagegen wieder zusammenzog, wo Trogus anaführ-
licher gewesen war. Jeder der diese Vorträge N's kennt, wird wissen
wie wichtig sie für alte Geschichte überhaupt und insbesondere fiir
die Erklärung des lustin sind. Am luslin, meint N., kann ein Philolog,
der die Geschichte zum Beruf nimmt und mit philologischem Sinne an
die Sache geht, noch viele Ehre einlegen. Eine gute Ausgabe Ist noeh
immer frommer Wunsch; der Text ist schlecht; seit' 300 Jahren wie-
derholen sich die Ausgaben und fast vor allen bedarf er einer kriti-
schen Bearbeitung. Von allen Schriftstellern die sich mit ihm beaohif-
tigt haben, ist fast nur Jacob Bongarsius, ein französischer Protestant,
dessen Bibliothek in Bern ist, rühmlich zu nennen: ein geacbenter
Mann und ein ausgezeichneter Ausleger. Wesentliche Verdienste bat
sich wie schon oben bemerkt Fr. Dübner durch seine Ausgabe 1831
erworben. Eine neuere Ausgabe, die speciell die Schule im Auge
hat, ist die von Fittbogen, Halle 1835. In der Vorrede spricht sich
Herr Hartwig so aus: *die Bearbeitung und Heraasgabe des vorlie-
C. H. HaHwig: lostlni hUtoriae Philippicae. 843
genden Baches möge darin ihre Rechtfertlging finden, dasz fdr die
mittleren Klassen unserer Gymnasien die Wahl der mit den Schalem
derselben xn lesenden lateinischen Klassiker sehr beschrfinkl ist, wah-
rend den obem Klassen eine grössere Auswahl zu Gebote steht. Dass
die Weltgeschichte des lastin auf vielen Gymnasien von der Lectftre
ansgeschlossen, mag einestheilf darin seinen Grund haben, dasz dieser
Schriftsteller mancherlei Sporen der sinkenden Latinitfit an sich trSgi,
anderntheils aber darin, dasz manche Stellen desselben in paedagogi-
scher Rücksicht einiges Bedenken haben/ Rficksichtlich des ersten
Punktes meint Herr H. würde den Schülern in den höhern Klassen ge-
nugsam Gelegenheit geboten aus den Klassikern der aurea aetas die
reine Latinitftt zu schöpfen; der Inhalt, fügt er hinzu, verleiht dem
lustinus vor vielen andern Schriftstellern den Vorzug. Wir hätten
nun sehr einige Nachweise gewünscht, aus denen der Charakter dieser
vermisten klassischen Latinitat erkenntlich würde, weil die Begriffe
über gute und schlechte Latinitat schwankend sind. So z. B. sagt
Bernhardy in seiner röm. Litteraturgcschichte Ile Aufl. S. 546 über
den Instin: ^ Kürze war sein Augenmerk, weshalb er unbekümmert
um Chronologie und Geographie noch die frühern Beiwerke strich;
diese lesbare Kürze gewann ihm den Beifall. des Mittelalters (Saxo
Gramm.), woher auch die Menge der Hss., seine gute Latinitat
zeugt für den stilistischen Werth des Trogus.' Möge die Latinitat auf
sich beruhen, an einem andern Orte wird sich Ref. weitläufiger dar-
über auslassen — so viel ist gewis, dasz diese Latinitftt den Schülern,
die künftig lateinisch schreiben und sprechen, nicht viel schaden wird.
In dem Alter, in welchem man mit Schülern den lustin liest, bildet
der. Inhalt bei weitem das vorhersehende, man hat da noch so unend-
lich viel zu thun mit Einübung der* grammatischen Regeln gewöhn-
licher Art, dasz man an die Regeln über die Latinitat nicht zu den-
ken braucht. Aus eigner mehrjähriger Erfahrung weisz ich, dasz die
Leetüre des Instin wegen der Geschichte, die da behandelt wird, den
Schülern eine ganz angenehme ist. In Beziehung auf das paedago-
gische Bedenken wegen der in sittlicher Beziehung anstössigen Stel-
len, hat der Herr Heransgeber sich erlaubt diejenigen Stellen, durch
die ein solches hervorgerufen werden kann, wegzulassen, doch so,
dasz der Zusammenhang der Erzählung nicht darunter leidet. Mit die-
sem paedagogischen Griffe kann ich mich durchaus nicht verständi-
gen, so sehr er jetzt auch namentlich von Herrn G r y s a r geübt wird.
Mir scheint , als ob keine Gefahr in sittlicher Beziehung sich zeige,
wenn man über anstöszige Stellen leicht hinweggeht; wollte man bei
solchen Gelegenheiten sich in weitläufige Erklärungen einlassen, so
würde dies gewis ganz verwerflich sein. Solche anstöszige Stel-
len aber sind schon wegen der Dinge selbst, die da erzählt werden,
dem Verständnisse von Tertianern an und für sich entzogen. Auszer-
dem ist es doch wirklich ungerechtfertigt jemandem , der nun in sei-
nem spätem Leben die Schriftsteller , die er auf der Schule gelesen
hat, wieder vornehmen will, zuzumuten dasz er entweder die in usum
18*
244 0, U. Hartwig: luslini liisloriae Piiilippicoo.
Dclplii'ii vcrslümmcllcri Ausgaben gcbrauclicn oder sich v oll s län-
dige Exemplare kaufen soll. AVenn man irgend einen Naclithoil in
sittlicher Rücksicht von solchen Stellen fürchtet, so übergehe man sie
einfach nnd man kann, glaube ich, daraufrechnen, dasz ein Torlia-
II er sich nicht r.u Hause abquält um die verbotene Frucht zu naschen.
Ist nur sonst alles auf einer Anstalt ^n Ordnung, so wird man von
siolchcn Stellen nie Gefahr verspüren. Wo ist denn auch, wenn man
oiumal das Censormesscr ansetzt, die Grenze? Man müste da alle
Stellen z. B. in welchen es sich von einem ^erzeugen' und dergleichen
handelte, wegstreichen um consequent zu verfahren, oder, was der
Herr Herausgeber auch hie und da gethan hat, durch die Wahl eines
andern Wortes die Sache in einem milderen Lichte erscheinen lassen.
So heiszt es z. B. im 4n Kap. des In B. vom Astyages: Hie per
somnum vidit ex naiuralibus fiUae^ quam unicam habebat ^ titem ena-
tarn etc., slatt dessen schreibt Herr H. e grcmio. Ich habe meine
Schüler ex naturalibus auch ^aus dem Schosze' übersetzen lassen, ohne
irgend eine Bemerkung über die Bedeutung der naturalia bineusa-
fügen. Eine andere Stelle aus dem 7n' Kap. des In Buches die ich,
damit die Leser über das Verfahren des Herrn Herausgebers sich ein
vollständiges Urtheil bilden können, abschreiben will, hat Herr Hart-
wig ganz weggelassen : Fucre Lydis multi ante Croesum rege» 9ariis
casibus memorabiles ^ nullus tarnen foriunac Candauli comparandui.
Hie nxorem^ quam proplcr formac pulchrüudinem deperibat^ praedi-
vare omnibus solebat nun contentus roluptalwn suarum tacita con-
scientia nisi etiam matrimonii reticenda publicaret: prorsus quaii
Silentium damnum pulchritudinis esset. Ad postremum ut afpr
tioni suae fidem faceret nudam sodali Gygi osfendit. Quo facto ei t
cum in adulterium uxoris sollicitatum hostem sibi fecit et uxorem
relud tradito alii amore a se alienatit. Namque breti post tempore
caedes Candauli nuptiarum praemium fuit et uxor mariti sangume
dolata reijnum tiri et se pariter adultero tradidit. Wir meinen anch
dasz diese Stelle manches darbietet, was man wegwünschen möchte,
luul würden sie entweder übergehen, wenn namentlich einzelne Schfl-
lur auf solche Dinge eine besondere Aufmerksamkeit richteten, oder
wie wir es vor kurzem gethan haben, die Stelle allerdings übersetsea,
aber eine bis ins einzelne gehende Erklärung ganz bei Seite lassen.
Eben so hat der Herr Herausgeber das Vllle Buch mit dem 5n Kapitel
geschlossen, während es in den uuvorstümmelten Ausgaben 6 anfsa-
weisen hat. Es heiszt von dem Philipp: Alexandrum uxoris Olgmpia-
ais fratrem puerum honestae pulchritudinis in Macedoniam nomine
sororis arcessit omnique studio sollicitatum spe regni simulato amore
ad stupri consuetudinem perpulit etc. Wir hätten wenigstens erwar-
tet dasz die vor dem mitgetheilten fraglichen Satze vorhergehenden
SülAe, die ganz nnsohadlich sind, mitgetheilt worden wären. In glei-
cher Weise ist im 6n Kapitel des IXn Buchs von dem Herausgeber der
stehende Text: nam perductum in con9irium solutumque mero Atta-
lus non suaetantum verum et convivarum Ubidini reiut scortum
6. n. Hartwig: lustioi bistoriae PhÜippicae. 245
viie suhiecerat ludihriumque omnium inier aequales reddiderat
80 umgestaltet worden, dasz anstatt der allerdings anstöszigen Worte
gesetzt ist et coneiearum lasciviae mit Hin weglassang des f>elut scor-
tum vUe.
In der Einleitung hat der Herr Vf. von dem Urheber des Werkes
Trogas Pompeins, 'der zur Zeit des Angnstus lebte nnd eine Geschichte
schrieb, in der die macedonische Geschichte den Mittelpunkt bildete,
und von lustin, der im 2n Jahrhundert unserer Zeitrechnung lebte,
kurze Kunde gegeben. Wir hätten gewünscht, dasz derselbe etwas
eingehender über das Verhältnis des Auszugs, den lustin gemacht,
zum Werke des Trogns sich ausgesprochen hätte, indessen dabei sind
die paedagogischen Ansichten des jedesmaligen Herausgebers bestim-
mend, so dasz schwerlich in dieser Beziehung eine allgemeine Gc*
wohnheit sich bilden wird. Wir unsererseits sind der Ansicht,
dasz es von groszem Vortheil ist auch in einer für die Schüler be-
stimmten Ausgabe feste Anhallepunkte für das Leben und für die ganze
Art des Schriftstellers aufzustellen, wie das ja auch in vielen Ausga-
ben neuerdings üblich ist. Was nun die Erklärung selbst anlangt , so
musz Ref. gestehen, dasz hier ein Fortschritt ihm nicht gemacht wor-
den zu sein scheint. Gleich im In Satze heiszt es : spectata inter bonos
moderatio provehebai. Hier macht der Herr Hg. die Note : ^honi nicht
m weitern Sinne die guten, tugendhaften überhaupt, sondern die es
mit dem Staate wol meinen, der edlere Theil der Nation'. Wenn über-
haupt eine Bemerkung für nöthig gehalten wurde, so konnte sio kür-
zer durch einfache Uebersetzung des Wortes ^Patrioten' gegeben wer-
den. Nahe lag auf den Gegensatz non ambilio popularis sed spectata
tnier bonos moderatio mit ^inem Worte hinzudeuten. Vielleicht hätto
auch eine Erwähnung der Construclion ßnes imperii tueri magis quam
proferre mos gemacht werden können ; lib. XXXV 1 § 3 heiszt es peU ere
ipsum regno a quo restituebalur consiHum cepit; lib. XII 7 § 13 cap-
tus itaque cupidine Her cutis acta- super are. Auf solche grammat.
Dinge, glaubt Ref., musz bei der Leetüre eine besondere Aufmerksam-
keit gerichtet werden, damit die Regeln recht fest eingeprägt werden.
Von dem Zoroaster heiszt es : qui primus dicitur aries magicas int>e'
nisse et mundi principia siderumque motus diligenfissime specfasse ;
hierzu macht der Vf. die Bemerkung: * Uebernatfirliche , mansche
Künste legte man dem Z. bei, da er wie schon aus dem folgenden Zu-
sätze erhellt, tiefer in die Naturkunde eingedrungen war als seine
Zeitgenossen*. Hier ist doch in der That zu dem, was im Texte steht,
gar nichts neues hinzugekommen. Fittbogen sagt: *als Stifter der
Lichtreligion wird bei den Hedern und Persern Z. angesehn. Die
Priester dieser Religion hioszen magi und die Religionsurkunde, die
in neuerer Zeit wieder aufgefunden worden ist, Zend-Avesta\ Durch
diese Bemerkung lernt doch der Schüler etwas neues. Im 2n Kap.
heiszt es: igitur brachia ac crura eelamentis^ caput tiara tegit;
dazu wird bemerkt: ^mit weiten Gewändern'; gleich darauf
heiszt es im Text: quem morem vestis exinde gens universa tenety
246 Cr- U« Hartwig: lastini historiae Plülippioae.
dazu sagt der Herr H.: * diese Bemerkung des Geschichtschreiberf
gilt noch bis auf den heutigen Tag, wie denn überhaupt der Cnltursa-
stand der jetzigen asiatischen Völker im allgemeinen das Gepräge des
hohen Altcrthums trägt.' Zu regno potita wird bemerkt: regno poiiri
im Besitz der Herschaft sein. Ganz gnt ist im 3n Kap. die Erklärung
magna ambiiione aegre obUnuisset: t. q. studio eonieniioney ebenso
die Uobersetzung von oculorum lascieia Lüsternheit des Blickes; die
Ueppigkeit, die dem Sardanapal aus den Augen angesehn wird, wird
hiermit ganz gut bezeichnet. Ebenso ist gut wieder gegeben vir me-
diocris ein Mann aus dem Mittelstände, wogegen Fittb. nicht gani sa->
' treffend vilioris sortis hotnini paraphrasiert. Eine für die ErUämDg
schwierige Stelle ist Hb I 4 ti/ pastorem uxor nitro rogaret quo $mmm
partum pro illo exponeret permitteretque sibi Site fortunae ipsiius
Site spei suae puerum nutrire. Die alten Ausgaben , die in meinen
Besitze sind, die pariser von 1517, die basler von 1526) die von Geor-
gius mit einem Vorworte von Melanchthon versehene 1523 erschieneoe,
alle haben sie nach der Angabe der meisten Codd. das doch etwas an«
stoszige quo. Schefferus macht dazu die Bemerkung: Sdo «mr-
pari aliquando quo pro ut^ at hoc loco nescio an Sit conteniems.
Suspicor scripsisse lustinum: ut pastorem uxor nitro rogarei quoque^
suum partum. Oratio profecto longe efßcacior et contenientior. Von
manchen Herausgebern werden die Worte quo — exponerei in Paren-
these gesetzt. Es fragt sich nun nach diesen Vorlagen was man mit
dem quo anzufangen habe. Fittbogen nimmt es für nt eo, dasi dadorek
d. h. vermöge ihrer Bitten (F. hat übrigens auch das von Bongars sn
blandientis hinzugefügte infantis in den Text aufgenommen, was sieh
schwerlich rechtfertigen lassen wird). Die Erklärungsweile Fs hat
etwas sehr schleppendes. Nach meiner Meinung kann quo nicht so
unbedingt gestrichen werden (vielleicht dasz es aus den folgenden fto
illo auf irgend eine Weise entstanden ist), ich würde denen beitreten
die quoque empfehlen , da man durch diese Aenderung über das ui eo
hinwegkommt. Der Herr Hg. hält das vorgeschlagene quoque freilich
für schleppend. Wir glauben dasz selbst in einer Schulansgabe eine
etwas eingehendere Bemerkung als von dem Hg. geschehen gegeben
werden muste. Die darauf folgende Bemerkung: *sive fortunae ipaias
sive spei suae (puerum nutrire) musz hier als Dativus genommen wer-
den' war unserer Meinung nach überflüssig. In den folgenden 6 Ka-
piteln hätte manches sprachliche für die Schüler bemerkt werden kön-
nen. Der Herr Vf. hat aber erst zum 6u Kapitel bei den Worten:
pulsa itaque quum Persarum acies pauUatim cederet^ matres ei uxo-
res eorum obtiam occurrunl, bemerkt: * ebenso begleiteten die Wei-
ber der Germanen ihre Männer und Söhne in den Kampf und ernntig-
ten sie durch Lob und Tadel '. Solche Bemerkungen würden wir lieber
bei der Erklärung selbst in der Schule geben. Die Ausgabe soll doch
den Zweck haben das Verständnis bei der Praeparation dem Schüler
zu erleichtern und zn diesem Zwecke muss vor allen Dingen alles,
was sich auf die Sprache besieht, die wie ich aus Erfahrung woifSy
6. H. Hartwig: loflini hisloriae Pkilippioae. 247
den Schülern viele Schwierigkeiten in den Weg legt, beigebracht und
erklärt werden. In dieser Beziehung scheint uns der Herr. Hg. vieles
versäumt zu haben. Was lernt 2. B. der Schüler aus der Bemerkung
lib. V 2 : ^formae venera tione, eine auffallende Znsammenstellung, steht
für forma venerabilis?' Im lustin kommen viele dergleichen Zusam*
menstellungen vor, die in der Kaiserzeit nichts auffallendes haben.
Ebenso ist die Angabe der Bedeutung des Wortes parriciäium I c. 9
*Mord an Verwandten überhaupt, hier Brudermord' so ganz gewöhn-
licher Art, dasz wir sie auch für Qberflüssig gehalten hätten. In dem
7n Kap. lib. I hätte wenigstens neben der in den Text aufgenommenen
Lesart victusque tarn ac desolatus in regnum refugit^ zu der die Er-
klärung Fr. Gronovs hinzugefügt ist (deserius^ nudatus, exutus es-
ercitu et casiris) , auch noch die in den altern und neuern Ausgaben
wiedergegebene Lesart: tictisque tarn de $e soUicitus in regnum re-
fugit angeführt werden müssen. Vielleicht hätten auch einige Con-
jecturen, die Nipperdey im Schneidewinschen Philologus aufgestellt
hat, Berücksichtigung verdient. Er vermutet z. B. lib. l^ et repetüo
alacrius certamine pugnantibus ems partem exercitus de tergo
ponit et tergiversantes ferro agi in hostes iubet^ anstatt alacritU
acrius^ was gewis empfehlend ist.
Auffallend ist dasz der Hr. Hg. die praefatio lustini weggelassen
hat. Gerade bei dieser hätten sich einige Bemerkungen über die Natur
und Beschaffenheit der ganzen Arbeit lustins machen lassen : cogni-
tione quaeque dignissima excerpsi — breee 9eluti florum cor.^
puBCulum feci ut haberent et qui didicissent quo admonerentur et
qui non didicissent quo instruerentur. Dadurch charakterisiert sich
der Vf. ganz gut selbst. Ebenso würden wir es für ersprieszlich ge*
halten haben die sog. Prologe aufzunehmen. Nicht übel ist die deut-
sche Inhaltsangabe über jedem Kapitel. Dergleichen Einrichtungen
sind im Interesse der Schüler gewis recht zweckmäszig. Wir schlieszen
diese Anzeige mit dem Wunsche dem Herrn Herausgeber vielleicht hie
und da genützt zu haben.
Wir freuen uns auf die in dem Teubuerschen Verlage demnächst
erscheinende Ausgabe von Jeep in Wolfenbfittel und sprechen den
Wunsch aus dasz dieser verdiente Mann uns bald mit seiner Arbeit
beschenken wolle.
Am Schlusze dieser Anzeige erlaubt sich Ref. die Freunde des
lustinus auf ein Programm aufmerksam zu machen, das Herr Subcon-
rector Recke in Mühlhausen 1854 über die Spracheigenthürolichkei-
ten lustins geschrieben hat. Es enthält dieses Programm ganz gute
Beiträge zur Kenntnis der Latinität des lustin.
Weimar, Dec. 1855. Prof. D, G. Lotkhoh.
24S Uober einen besonderen gebrauch dea pariicips nsw.
15.
lieber einen besonderen gebrauch des parlizips in attributiver
beziehung.
Es ist bekannt, dasz die lateinische spräche sich sehr häufig eines
partizips bedient, wo dem deutschen idiom ein abstraktes substanÜT,
bisweilen auch Umschreibung durch einen satz angemeszner erscheint»
z. B. tu voluptate spernenda virtus cernUur (in der Terachmfi-
hung sinnlicher lust); liberandarum Thebarum proprio laus e$i
Pelopidae; patres pudor non lati auxilii cepit (dasz sie keine
hilfo geleistet hatten); Prusiam suspectum Romanis ei recepims
post fugam Antiochi Hannibal ei bellum adeer sus Eumemem mo-
tum faciebai (dasz er den Hannibal aufgenommen und Krieg angefan-
gen hatte); sogar: quum occisus dictator Caesar aUis pessi-
mum , aliis pulcherrimum facinus videretur (s. Ilaase zu Reisigs Tor-
los, anm. 521).
Man sieht , dasz überall in dem partizip der hauptbegriff steckt,
von dem derjenige, welcher durch das grammatisch abergeordneta
Substantiv bezeichnet ist, sich in logischer abhängigkeit belndet
Nicht Hannibal, sondern dessen aufnähme machte den Praaias Yer-
düchtig; und dasz der ^occisus dictator Caesar' ein ^facinus' genannt
werden kann , mag freilich auf rechnung der- eigcnthamliohkeit des
Tacitus gebracht werden, ist aber dennoch als eine nicht sehr weaeat-
licho Steigerung des ganzen Verfahrens zu betrachten; vgl. Cic. de
diviuat. II 66: De nostris somniis quid habemus dicere? iu de merso
me et equo ad ripam? ego de Mario cum fascibus laureatis me •»
suu7n deduci iubente monumentum.
Fragt es sich, ob der deutschen spräche auch wörtliche Ober-
Setzungen erlaubt sind, oder ganz abgesehen von dem lateinischen
vorgange, ob sich für sie überhaupt der gebrauch eines partizips ia
attributiver Verbindung mit einem Substantiv eignet, dessen begriff
dein des attributs dergestalt untergeordnet ist, dasz es nur mit dieaen
vorsehen geltung bat, so mag man verlegen sein zwischen dem, was
sich dem gewöhnlichen sprachbewustsein aufdrängt, nach doreh die
grammatik in erinnerung gebracht wird, und vielen gerade eDtgegea-
gesetzten boispielon vortrefflicher Schriftsteller.
Nicht leicht darf ein knabe *ab urbe condita, poat Chriatiun na-
tum' übersetzen: ^von der erbanten Stadt, nach dem gebornoB Chri-
stus'; sondern er musz sich der entsprechenden verbalsubstaDtiven
bedienen, wofern ihm nicht auslaszung des partizips d. h. anwendnng
einer jedermann verständlichen formelhaften karze (nach Chr.) gestat-
tet wird. Dagegen ist der ausdruck *nach gcthaner arbeit' aberall
gelaufig und sogar durch ein Sprichwort gezeichnet. Aber <das drttckt
uns nicht viel mehr aus als das blosze: nach der arbeit', benerkt
lieber einen besonderen gebraneh des [utrlizips asw. 249
Grimm gramm. IV 918 nnd lehrl ferner : * die beifdguug des part. ist
daher nur zuläszig, wenn die formel auch ohne es bestehn kann, da-
her 2. B. nicht gesagt werden dürfte: nach besiegtem feind herschte
rnhe im land.' Also gründet sich der unterschied auf die Verschie-
denheit des verbalbegriffs , insofern dieser dort unwesentlich ist und
sich ohne weiteres versteht , hier den sinn des ausdruckes selbst ent-
scheidet. Damit steht im Zusammenhang, dasz auf den ersten fall im
lateinischen auch die praepos. posi angewendet werden kann, das
zweite Verhältnis dagegen darch den ablat. absol. (ticto hoste) aus-
gedrückt zu werden pflegt; vgl. Weber übungsschule I 133 nr. 71.
Französische beispiele wie die in Herrigs archiv f. d. stud. d. n. spr.
XIV 178 erwähnten: *apr^ Passombl^e dissoute a main arm^e, apr^s
les repr^sentants inviolables arrdtes et traqu^s, apr^s la r^publiqne
confisqu^e' stehn wol kaum in menge zu geböte.
Soll nun festgehalten werden was als regel zu gelten scheint,
dasz im deutschen das part unstatthaft sei , wenn ihm der eigentlich
verbale zeitbegrilf und somit ein Übergewicht innewohnt, so befinden
sich die folgenden beispiele in geradem Widerspruch: Und nach
anfgerisznen todesriegeln Gottes Sturmwind diese leichen in
bewegung schwingt (Schiller) ; nach aufgegebnem basz (Grimm
wörterb. I 1646) d. i. nachdem *basz' ungebräuchlich geworden;
nach dem abgeschüttelten joch der Römer (gesch. d. d. spr.
s. IV); nach fehlgeschlagnen edlen hoffnungen (gesch. d. d.
spr. 2. aufl. vorrede) ; nach aqsgestoszenemn (gramm. I* 210) ;
nach abgefallenem anlant (gr. II 66); nach abgelöstem
vokal (II 395); nach erloschnem vokal (II 626). Kaum anders
ist zu beurtheilen: nach ausgerauchter pfeife (Goethe), so ge-
läufig der ausdruck ^nach der pfeife' ist; vgl. nach beschafftem
programmentausch nnd verlesenen Protokollen (F. L.
in den neuen jahrb. XXVI 1 109).
Liegt ein solcher gebrauch der praepos. nach mit folgendem
part. praet. der konstruktion des lat. ablat. absol. nahe, so befindet
sich die praepos. mit in gleicher läge, wenn es heiszt: mit abge-
legter feuerkrone steht sie als Schönheit vor uns da (Schill.)*
mit getilgtem komma (Grimm wörterb. I 888; vgl. s. 161, gramm. .
P 717. 776. 1196.218); mit weggelaszner Überschrift unge-
nau abgedruckt (weisthüm. III 729); mit angerührtem Stab des
richters (rechtsalterth. 1. ausg. s. 899) ;mit verlaszner Schrei-
bung des herrn Seh. (Gott. gel. anz. 1825, II 1116); mit verwor-
fener erganznng was icht (das. 1828, II 844).
An lateinische weise erinnern ferner stellen wie: wegen der
ausgestorbenen dnalform (Grimm gr. I* 784); in unter-
laszenerbezeichnung der langen vokale verfahren die herausge-
ber wiederum befugt (Gott. gel. aoz. 1836 s. 1790); deren mir entgan -
gene einsieht ich bedanre (das. 1835, III 1671) d. i. deren einsieht
mir leider entgangen ist. Auffallender steht gramm. Ill 18: folgt aus
dem gebrauchten bloszen dßr. Beispiele wie: * widerstrebte nicht
250 Za Xenoi^oii^B Anabasii .
die abgehende Uatverschiebung' (vorrede sa Sclmlies gotk.
gloss. 0. VIII); Mer aasbleibende fünfte theil der grinunichen
grammatik hat schon vielen manch kreas bereitet' (K. Weinhold leit-
sehr. f. d. österr. gymn. 1854 s. 39) verhalten sieh beinahe wie: *Ar-
minium rapta ozor, snbjectns servitio nzoris ntems veeordea agehant'
(Tacit.); ^LacedaemoniisnoUares tanto erat damno quam diseiplina
Lycurgi sablata ' (Liv.)-
Itzehoe in Holstein. K. 0. Andresem.
Zu Xenophon's Anabasis.
Bis aaf die neueste Zeit ist es Ansicht der Erklärer von Xeno-
phon^s Anabasis gewesen, dass im loxog oQ^iog der Lochos Mann hin-
ter Blann in 100 Mann Tiefe aufgestellt sei, eine Ansicht, die wie es
scheint Köchly und Rüstow (Griech. Kriegswesen S. 155. Anm. 14)
mit etwas Ironie beseitigen, die aber aus der Aufstellung der Enomo-
tie, welche wir bei Xen. de republ. XI 4 lesen, sich ergibt, wenn
gleich nicht geleugnet werden kann, dasz dieselbe Stelle auch für eine
Stellung von 3 oder 6 Mann in Front spricht. Für letzte Stellung ent-
scheiden sich Köchly und Rttstow im Texte ihrer Schrift.
In der Anabasis finden sich nun nach unsrer Ansicht zwei Stel-
len, aus denen mit fast evidenter Gewisheit, wenigstens mit grosser
Wahrscheiulichkeit auf die eine oder andre Art der Aufstellung ge-
schlossen werden kann.
Die eine Stelle ist Anab. IV 8 15 sq., wo Xenophon vorschlfigt,
die FhalaDxlinie, weil sie von der feindlichen Linie fiberflagelt werde,
in Colonnen aufzulösen, diese mit Intervallen aufzustellen und so grie-
chischer Seits die Linie des Feindes zu überflOgeln. Wir erfahren w«
gleich, dasz das Griechenheer noch ans 80 Hoplitenlochen und 18 Lo-
chen leichtbewaffneter besteht nnd eine leichte Berechnung ergibt
nun, dasz diese 80 Lochen, wenn wir die Hopliten 8 Mann tief stellen,
960 Mann Front haben und somit in der gewöhnlichen Gefechtsstel-
lung von 2 Ellen auf den Mann einen Raum von 1920 Ellen oder von
4^ Stadien einnehmen. Dazu kommen nun noch die 18 Lochen Pelta-
sten, von denen je 6 auf den beiden Flügeln aufgestellt sind, die 6
übrigen Lochen scheinen nicht in der Mitte, sondern vor der Mitte auf-
gestellt zu sein nnd können somit nicht mitgerechnet werden. Diese
in der gewöhnlichen Gefechtsstellnng von 4 Mann Tiefe und 24 Mann
far den Lochos Front geordnet bilden somit eine Front von 288 Mann,
Zu XeBophoii^s AiabaBb. 251
die schon in der Gefechtsutellong der Hopliten eitteii Raum von 1 Sta-
diom and 196 Ellen einnehmen, in ihrer eigentlichen Stellang als
Schatzenlinie aber noch mehr Raum bedürfen; so das« also das ge-
samte Griechenheer einen Raum von mehr als 6 Stadien einnimmt, and
das Heer der Kolchier sich mindestens auf 7 Stadien aasgedehnt hat.
Brwftgt man dieses, so ist wohl einleuchtend, dasz die ilo%o^ oq^iotj
'ständen sie 100 Mann tief, zu dem Zwecke das feindliche Heer za
überflageln in so grossen Zwischenrfiumen aufgestellt werden mOsten,
dasz sie die Vortheile, welche sich Xonopbon von solcher Aufstelluog
verspricht, nicht gew&hren können. Diese Vortheile können nur ein-
treten, wenn die Griechen trotz ihrer Ausdehnung auch eine ziemlich
starke Front mit kleinern Zwischenräumen bilden und somit scheint
uns diese Stelle für Köchly and Rüstow zu sprechen.
Die zweite Stelle lesen wir Anab. IV 3 17, wo die Griechen in
loxoig oq^loig den Kentrites passieren. Wir wissen zwar nicht, wie
viel Mann damals das Griechenheer zählte, und Xenophon hat an kei-
ner Stelle genau erwähnt, ob der Uebergaog aber das Karduchenge-
birge oder die Winterleiden in Armenien mehr Menschen weggerafft
haben. Alle Vermutungen in dieser Hinsicht fruchten nichts ; da aber
bei unsrer Berechnung eine gröszere Zahl von Lochen immer nach-
drücklicher fOr unsere zu entwickelnde Ansicht spricht, so wollen wir,
am nicht zu grosse Zahlen zu erhalten, auf gut Glück annehmen, dasz
das Griechenheer bis zur Ankunft am Kentrites den grösten Verlust ^
erlitten habe und vor dem Uebergange nur noch 82 Lochen Hopliten
stark gewesen sei. Vor dem Uebergange theilen Cheirisophos und
Xenophon die Hopliten und somit hat jeder 41 Lochen, die in Co-
lonnen durch den Flusz gehen sollen. Bei 6 Mann Front musz also die
Furt, da die Soldaten doch mindestens in der geschlossenen Stellung
von 2 Ellen für den Mann durchgezogen sind, 4d2 Ellen oder 1 Sta-
dium und 92 Ellen breit gewesen sein, und so gross kann sie gewesen
sein, so dasz also auch diese Stelle für Köchly nod Rüstows Ansicht
gedeutet werden könnte.
Nun ist aber folgendes zu bedenken. Xenophon läszt in § 26
seine ilo^o^ oq^io^ nach Enomotien in die Phalanx einrücken, und wir
wollen annehmen, obwohl Xenophon nichls davon sagt, dasz die Xi%oi
off^ioi bei der Fhalanxbildung sich zugleich eindoppeln und somit in
der Gefechtsstellung von 8 Mann Tiefe den Karduchen entgegenrücken.
Die 41 Lochen nehmen dann einen Raum von 984 Ellen oder 2 Stadien
nnd 184 Ellen ein. Aus § 29 geht aber klar hervor, dasz Xenophon in
dieser Breitstellung nach einem Rechtsumkehrt durch den Flusz geht
*) Der Verlast der Griechen betragt bis cur Ankunft bei den Kol-
chiem 2400 Hopliten und 700 Peltasten, wie sich ausi 7 10 verglichen
mit IV 8 15 f. ergibt, nach untrer durch nichts gestutzten Annahme
hätten aie also bis zum Kentrites mit Einschlusz der Ueberlaafer 2200
Hopliten verloren. Wollten wir f&r unsre Ansicht grosse Zahlen, so
kdnnten wir 90 und noch mehr Lochen unsrer Berechnang za Grunde
legen.
252 Zu Xenophon^s Anabasis.
und da nun ferner nach § 34 die leichtbewaffneten vom andern Ufer
her auf beiden Seiten der Lochen des Xenophon den Kardnchen entge-
gen wiederum durch den Flnsz gehen, so mfiste die Furt mindestens
3 Stadien breit gewesen sein. Diese Breite erscheint uns zu gross.
Wir glauben daher, dasz die Xoxoi oQ^ioi des Cheirisophes bei die-
sem Uebergange nur i Mann Front und 100 Mann Tiefe gehabt haben;
wir nehmen ferner an, dasz Xenophons Lochen bei der Phaianxbil-
dung, indem die 4 Enomotien in die Front rückten, auch nur je 4 Mann
Front und 24 Mann Tiefe gehabt haben; sodasz sie also bei ihrem
Durchgange für sich selbst bei einer Front von 164 Mann nur 328 El-
len Raum nöthig hatteu und die Furt mithin wegen des Seitmarsches
der leichtbewaffneten nur 1 — 1^^ Stadium breit zu sein brauchte.
Nachschrift.
Vorliegende Berechnung war schon niedergeschrieben und schon
waren wir mit der folgenden behandelten Stelle beschäftigt,- da erhiel-
ten wir am letzten Tage des Jahres 1855 Köchly^s und Rüstow^s
Griechische Kriegsschriftsteller Bd. II 1. u. 2. Abtheilung und fanden
daselbst II 2 p. 271, dasz jetzt auch Köchly und Rustow sich dahin
erklären, dasz der Gänsemarsch gleichfalls dem strengen Begriffe nach
in dem koxog OQ^iog enthalten ist. Da aber die genannten Herrn anch
unsre zulezt behandelte Stelle, wenigstens IV 3 17, für ihre Ansicht
von 6 Mann Front anzuführen scheinen, aber auf Xenophons Durch-
marsch d. h. auf die §§ 26 — 34 keine Rücksicht nehmen, so haben wir
unsre Ansicht nicht zurückhalten wollen.
Anab. I 10 9 und 10.
Bei der gewöhnlichen Erklärung dieser Stelle entstehen, sobald man
sich mit der Feder die Stellung beider Heere beim zweiten zusammen-
treffen aufzeichnen will, die grösten Schwierigkeiten, weil man nicht
gut herauszubringen weisz, in welcher Stellung der Perserkönig den
Griechen gegenüber sein Heer in Schlachtordnung gestellt hat (xorltfn^
66V avxlav t^v (pakayya). Diese Ungenauigkeit musz bei Xenophon
auffallen. Deuten wir die Schwierigkeilen kurz an. Die Griechen
rückeu gegen Abend am Euphrat hinauf ihrem Lager zu, von dort kömmt
der König, der am linken (jetzt rechten) Flügel abzieht (anrjyayiv).
Die Griechen fürchten aber einen Angriff in die Flanke und damit eise
Umzingelung und beschlieszen deshalb diesen bedrohten Flügel la-
rückzunehmen und sich so aufzustellen, dasz sie im Rücken durch den
Euphrat gedeckt sind. '£v m dh xavxa ißovXivovro^ fährt nun Xenoph.
fort, Tucl df] ßaaiXevg naQafieftljdfUvog elg xo ceixo tfx^fux xarltfn^ey
avxlav xr]v qtaXayya und alle Erklärer deuten das itagafui'tlj, auf die-
selbe Wejse, dasz der König am rechten (früher linken Flügel der
Griechen) vorübergezogen sei uud seine Schlachtreihe dieselbe Stel-
lung gegenüber habe einnehmen lassen, die er bei der ersten Schlacht
gehabt, wozu Zeune noch den Zusatz macht: ^h. e. ut acies spectaret
scptentrionos.' Nun ist aber doch klar , dasz wenn sich die Griechen,
als die Perser ihrem linken Flügel parallel standen (iTtal d^ ijtfttv
Ticna ro evciwiMv xwv EXkfjvoav Ki^ag) ,
Zu XenopbOQ^s Anabasis.
253
Perser
Griechen
\
pf aus ihrer Stellung a b in die von a c wenden, die
y Perser aber vorüberziehen, diese auf keine Weise
^,,.''''' den Griechen gegenüber sich zur Schlacht ordnen
können, vielmehr ihrerseits einen Flankenangriff
ihres rechten Flügels von den Griechen zu fürchten haben. —
Krüger, der diese Unmöglichkeiten gesehen zu haben scheint,
sagt nun in der groszen Ausgabe, dasz die Griechen das ivwvtvisauv
To xi^a^ nicht ausgeführt. Aber auch bei dieser Annahme, der übri-
gens der Sprachgebrauch des ^oxbiv c. Inf., ferner das Imperf. wi-
derspricht, sind grosze Uugenauigkeiten. Denn wenn die Griechen in
ihrer Stellung a b verharren, die Perser aber vorbeiziehen, so müssen
die letzteren, um das Ttariavrjaev avtCav xijfif fpiXctyya auszuführen,
nach ihrem Vorbeimarsche rechtsum machen und im Rücken der Grie-
chen nach dem Enpbrat zu marschieren. Dort angekommen müssen sie
wiederum rechtsum machen oder wenn sie ihre Taxiarchen in die
Front bringen wollen, sogar einen Contremarsch ausführen. Desglei-
chen müssen die Griechen, um nicht im Rücken angegriffen zu werden,
einen Contremarsch ausführen oder wenn sie für dieses Mal ihre Ura-
gen in der Front lassen wollen, mindestens ein Rechtsumkehrt ma-
chon. Von allen diesen Bewegungen und Wendungen sagt Xenophon
kein Wort, bei ihm ist mit dem nagaiABiipcifiepog auch ohne weitre
Wendungen und Marsche die Aufstellung der Schlachtlinie gegeben. .
Wir versuchen daher eine andre Deutung. Wir verbinden naqa^i^
ipafisvog Big ro avro (SXW^ ^= ^^^^ ^^ dieselbe Stellung wenden , sc.
wie die Griechen, so dasz also die Stelle lautet: * Während die Grie-
chen sich noch beriethen, stellte schon der König, indem er sich in
dieselbe Stellung (sc. wie die Griechen) wandte, d. h. indem er
gleichfalls das avantvaastv to xiQag ausführte und somit, während
Perser
T
/
die Griechen aus a b
f in die Stellung a c
übergiengen, seiner-
seits aus d e in die
Stellung von d f ein-
schwenkte ^), seine Pha-
lanx den Griechen gegen-
über auf und rückte wie
das erstemal zum Kampfe
c
vor.' Wir beziehen dabei das Mnsq to nqmov auf den c. 'S § 14 und
17 erzählten Umstand, dasz so wie die Perser beim ersten zusammen-
treffen zum Kampfe heranrückten nnd die Griechen ihnen erst dann
♦) Dasz avantvaasiv die Schwenkung des Flügels nach der Front-
seite bezeichnet, zeigt Plut. Pelop. 23.
iS4 liUberf : TaMka 4m kebr. Verba.
e3tpx^s>f !«. 2I5 Ke »)(k 3 bis 4 Stadien ealferat waren, sie auch
b^L3t. ivti^f« iL^imm««lref<B de« Heranaarsch beginnen, wibrend
Cii Gr.^riis s:^ er»l dana in Bevefvnf setzten, als die Perser ihnen
Zli3L..CX ia]^ si»i
ClaisiiaL VoUbreehi.
17.
rv<üi;^t»ii!S^'>if riicfioi tfer AeftraasrAen Tetba mit steter Bin'
mAMTi./ mxf ^ keiratiscke GrawumcAik tan Gesenius (her-
iauHfr;€6em nn ibkAycr) vom Dr. Müklberg. HäUhinsen
1^55. 19 S.
ISit V£^ dsTch s«ine neljibri^ Beschifli^ng mit der hebmei-
sc^en Sfnc^ in weiterem Ereisen bekannt, bat unter dem vorstehen*
öen Txiei eine tabelians«be Uebersicht der hebraeischen Verba heraos-
cvu:«^^. D» in Noteaformat fedmckte Heflchen nmfasxl auf 19 Sei-
liv. , >Le sac^ B«dnrlais in 4 — 13 Colamnen ^(heilt sind , Tollstindige
Ta'>eUea &^r das nefelmasxift^ and anregelBäszige Verbnm nnd das
Verbxs mit Saf&xen. Bei dem Versache eine gewisse Vollständigkeit
dxxv^ die bebraei$cben Paradigmen der Zeit- und Nennwörter zu be-
wiriea« lag es dem Verfasser besonders daran, die Infinitivi und Par-
ticzpu xKsrjJkriicher anzugeben und auf diese Weise Conjngationen
x^i De^Luü.^nea miteinaaier in stete Verbindung zu setzen.
P;e Tibeiie des regelmisxigen Verbi enthält auf 2 Seiten samml-
Uc^e Formen ron rr? nnd Kai \iphal von rs und Trd, ausserdem
Nfi Kii im Praeteritnm« Infinitiv. Imperativ, Futurum und Participinm
die Formen von mediae E and mediae Q« voces memorialcs der affor-
mjiU^i ttsi *|«neformatira, den In&niliv mit 2 (Gerundium), mit einem
SuClie. dl» Participinm im Singular und Plural in der männlichen nnd
weiblichen Form« das Futurum paragogicum, das Praeteritum cum Vav
et SuäT. Die Normalfv^rmen sind mit einem Sternchen bezeichnet: dnrch
r\>wi:hche Zahlen wird anf die entsprechenden Formen in der Gramma-
tik von Ge;»enin$-R6diger verw iesen. Bei Hithpa^l findet sich noch die
durch Metathesis and Assimilation entstehende Aenderung. Die conjn-
gatio UothpaeU die sich bei Gesenius in der Tabelle nicht findet, ist
in den Hauptformen angegeben. Unter der Tabelle finden sich anf den
meisten Seiten noeh Anmerkungen , in denen sich theils ErUntemngen
SU den Paradigmen , theils seltene Formen angef&hrt finden.
S. 4 euthält die Tabelle der Verba Tc, ^. 5 der mediae radiea-
lis geminatao, S. 6—13 die Verba qniescentia, S. 12 13 u. 14 Beispiele
von doppelt nnregelmäszigen Verbis, namentlich TB und «b, TD nnd nV,
KC und nb, -c und nb, ^c nnd «b, iy und «b, S. 15, 16 und 17 die
Verba gutturalia, S. 18 und 19 das vollständige Schema der Snffixa
Verbi. Bei allen verbis sind die in der Grammatik von Gesenius ge-
brauchten Paradigmata beibehalten.
Mahlberg: Tabellen der hebr. Verb«. 255
Wie schon aas dem angefahrten herrorgebt, sind die Tabellen
viel vollständiger als bei Gesenius, namentlich S. 12 — 14 finden sich
dort nur kurz angedeutet. Der Vf. hat nicht nur die wirklich vorkom-
menden Formen angefahrt, sondern, wie dies auch bei Aufstellung der
Verbal-paradigmen in anderen Sprachen %n geschehen pflegt, alle Poro-
men, die sich nur den Regeln analog bilden lassen.
Bei dem Streben des Vfs, recht viel auf eine Seite zusammen za
drängen, hat natttrlich die Uebersichtlichkeit verloren; aus diesem
Grunde werden sich die Tabellen des Hrn. Dr. Mahlberg mehr far den
Lehrer als für den Schaler eignen ; fttr den letzeren wenigstens wer^
den sie erst dann recht von Nutzen sein, wenn er das Verbum in allen
seinen Theilen sorgfältig dem Gedächtnisse eingeprägt hat, oder wenn
dem Unterrichte eine Grammatik zu Grunde gelegt wird, die nicht in
der Ausfahrlichkeit und Uebersichtlichkeit die Paradigmata der Verba
enthält, wie die von Gesenius.
Der Druck ist im Ganzen deutlich und scharf, doch treten ein-
zelne Vocale oder Punkte nicht genug hervor, z. B. S. 2 Z. 9 von oben
^^Vts];, n\>bp, S. 3 Z. 4 von unten btoprjr;, S. 6 Z. 16 von oben bdfi};*.
S. 7 Z. 8 Von oben Qnb:;'?, S. 7 Z. 4 von unten D*^!^^^ etc.
Das Metheg zur Unterscheidung des Kamez und Kamez-chatnph
findet sich nur auf Seite 2 und 3; bei den folgenden Verben ist es,
was far den Schaler nicht zweckmäszig ist, ausgelassen. S. 6 Z. 3
von unten ist der Ausdruck in dem Satze : * Im Futurum sind die mei-
sten Verba mit Patach oder Segol', nnterschrieben den Buchstaben Tn*^W,
undeutlich. S. 7 Z. 7 von oben findet sich Drai^a statt Dn^i^id.
Mögen die Tabellen zur Erreichung dea Zweckes, am dessentwil-
len der Verfasser sie herausgegeben hat, recht viel beitragen!
Buddeberg.
Auszüge aus Zeitschriften.
Rheinisches Museum für Philologie. Nene Folge. X Jahrg.
3. H. Leop. Schmidt: u. Calderons Behandlung antiker Mythen
(S. 313 — 57: der Aufsatz gibt nicht allein über des spanischen Dich-
ters Geist Anfschlnsz, sondern verbreitet auch über die Gestalt und
den Gehalt einzelner Mythen, Prometheus, Eros und Anteros, die Ver-
wand lungsmythen, Licht). — Lowinski: u. d. Parodos in Aischylos
filieben gegen Theben (8. 358—68: Vs. 104—110 werden als Strophe
und Antistrophe und Vs. 120-^25 als liectodos gefaszt, anszerdem zu
9 Stellen neue Verbesserongen vorgeschlagen). — - Seh wen ck: drei
griech. Mythen (8. 369-92: DCliloris (= Elegeis) wird mit der Le-
bensmutter identificiert, die zugleich Todesgöttin ist, und dasselbe
von der romischen Flora behauptet, beiläufig die Elegie als ursprüng-
lich bacchisch dargestellt. 2) Ans der Strafe in der Unterweit und
236 Auszüge aus Zcitschriflen.
Jer Weihung von vier Brunnen in Argo.* wird unter Herbeixiehnng
ae>:\|itiMlK-r Gchräudie gefolgert . <lasz die jO Danaiden die Monate
der 4). Perii'Je darstellen; wefhalb. \%eil 49 die wahre, 50 die runde
Zahl .•>ei. eine ihren iirauti<:ain (^d. vorhergegangene Zcitperiodc) scho-
net. Die Beziehung des Danaos auf das Licht wird ans seinem Ver-
hältnis zum hkischen Apollo geschlossen, 'd) Die verschiedenen Bur>-
p>lui der .Mvihen werden in Verhältnis xa Thessalien und zu dem
dortigen Weidegott Apollon gesetzt u. so auch hier die Umbildung
einer ursprünglichen Gottemiythe in eine Heroenm^the angenommen;.
Viiicher: eine kretische Inschrift (S. 392 — 404: Abdruck und ErlSn-
teriing d. zuerst von Velonakis in der Zeitung Athina bekannt ge-
machten Inschrift.!. — Weicker: Alcmanis aliiiuot fragmenta (S. 4U6
— \^: kritische u. evoceiische Erläuterungen zu den Fragmenten He-
rodian. de tig. p. öl. Dind., Athen. IX 373e. IV l40c, 416, III 110 f.j
— Zur Kritik und Erklärung des Acschvlus. Von •• (^S. 4l4— 3*J: d. sich
nicht als einen eigentlichen Philologen bezeichnende Vf. gibt geistrei-
che Emendationen u. Erklärungen üb. Ag. 132S. 1331. 1563, Choeph.
842, 699. 1033, I0:i3, 10:.9, lOJl, Ag. 1657. 1664, I66Ö, Choepb. öl.
Ag. 1447. Choeph. 995, Ag. 1421, Choeph. 664, 671, Prom. 924, Sept.
225\ — E. Gerhard: Demeter u. Themis (S. 440—42: bei Schol.
Pind. Ol. I 37 wird d. Lesart d. Breslaner cod. A. Biuiv für GhTida
durch d.is \erhältnis der Themis und Demeter als d. richtige begriia-
det\ - Brandis: z. 8. Buch d. Thucydides (^S. 443—45: Dionys.
iudic. de Thuc. p. 846 c. 16 habe das Unheil des kratippos, das sich
nur auf d. 8. B. bezogen und den richtigen Tact des Schriftstellers
anerkannt habe, gefälscht als auf d. ganze Werk gehend dargestellt).
— KiiHchl: Plaut« Lipart;»s (S. 44J — 47: Freunds Vermotung, dafz
bei Priscian. \ p. 893 Plaut us in Sillitergo zu lesen sei, wird als
eine verständige Möglichkeit mitgetheilt und die Fragm. besprochen).
— Dcrs.: Plautinische Excurse (^S 446-55: cucinus und lucinui {Iw
chinus, lychinus) werden als lat. Furmcn für cycnus u. lyehnui uach-
gcwiesen (auch Himinis für Fttyi^ auf einem Gefäsz) und die Dichter-
stellen, wo sie vorkommen, erörtert. Ferner wird d. t. Charlfint
angeiTihrto Form mvrccs für iiicrx durch Plaut. P.seudul. 954 ^ Me-
naechm. 75S Truc. 11 4 55 bestätigt gefunden, dem Plaut, aber mercif
viiuliciert, endlich auch die in d. Hdschr. vorkommende Form Mfff
erörtert). — Welcker: Ae>ch\lu> (S. 4J6 — 59: Emendationen in
Sept. 207. Ag. 97-103. Choöph.*95— 100). - V. dsgl. (8. 459-62:
Emendatiou v. Agam. 311 — 14 u. Choeph. 302). — £gli: Eudoxus
bei Athenaeus (^S. 462—65: Jablonskys Conjectur, dasz IX 392 0{fvya$
zu lesen sei.^wird gerechtfertigt). — Lrlichs: Strabo i,S. 465 f. XI
p. 396 wird o rirf^ ulv ^Pftdi'or urroi* q-aati- conjicicrt'. — Ders. Va-
seninschrift (^S. 466 f.: Erklärung d. Inschr. bei E. Gerhard Trink-
^chalen usw. Taf. XVII XVIll). — Hitzig: Sali, fragm. IV 19 Kriti
(S. 467—72: die Worte nisi — tccicstiisumi werden zwischen «fiercai
und atquv c« guac^ die Worte c^rcgia fama ti Romanog opprei$eri9
futitrii est am Ende 5»* 2] zwischen ocriHent und guod haud difßeile
e$t eingesetzt ).= - 4. 11. Bnrsinn: Tacropolc d\Athfnes par E. BeuU
(S. 473 522: den Inhalt des Boches genau referierende, die vielen
Irlhumer widerlegende und viele eigene Beobachtungen und Ansichten
bietende Besprechung). — Zur Kritik und Erklärung dos Aeschylns.
Von •♦ (S. 523 -4;^, Fortsetzung vom 3. II. Ans von Aeschylus ver-
mutlich gelesenen Dichtern werden Emcndatinnen vorgeschlagen Agam.
824, »Sup|)l. 7S4, ilioenh. 969 und die entsprechende Strophe, Suppl.
827 u. 8;^t, dann unabhängig Eum. ^öH u. 370. Am Schlüsse werden
die Ir fahrten der lo aus dem Prometheus behandelt und viele geist-
reidie Nermutungrn darüber aufgestellt). — Fried I ander: u. GU-
Aoisage aus Zeittchriflen. 257
diatorenspiele u. Thierhetzen in d. rom. Kaiieraeit (8. 644 — 90: sehr
inhaltsreiche, gelehrte Arbeit, Vorlänferin einer grosseren, welche die
sämtlichen Schauspiele der ersten 3 Jahrhunderte t. Chr. umfassen
goll). — Welcker: ü. C. Bursians 'athenische Pnyx' im Philol. JX \
631 ff. (8. 591—610: durch ausführliche Erörterung der Gegengründe
wird die Behauptung gegeben, dasz keine der drei nach Rosz Ton
neuem aufgestellten Thesen erwiesen, vielmehr nur auffallender ge-
macht worden sei, wie irrig, den Lpcalitaten und Zeugnissen wider*
sprechend alle drei seien). — Welcker: andere uralte Tempel auf
dem Othageblrge (S. 611 — 17: marfche Zweifel anregende Mittheilnn-
gen über Girards memoire sur Tisle d*£nb^e u. de Megarensium inge-
nio). — O. Jahn: gnostische Inschrift in Arolsen (S. 617 — 19: Nach-
weis, dasz d. y. Huschke: die oskischen u. sabellischen Sprachdenk-
mäler behandelte Inschrift schon Ton Kopp palaeogr. crit. IV $ 754
p. 215 als gnostisch betrachtet worden sei: die Deutung t. Kopp wird
mitgetheilt n. ergänzt). — Vis eher theilt S. 619 f. einige Berichtigungen
zu der X 286 f. von ihm herausgegebenen eleusinischen Inschrift mit.
— Regis: Uebersetzungsproben (S. 620—40: Fragmente aus griechi-
schen Komikern).
Zeitschrift f. d. Allerihutnsw. 13. Jhrg. 1855. /
3. H. Bu ebner: d. aurelische Thor an der aelischen Brücke und
d. belisarische Thor in Rom (8. 193—206: durch Prüfung der Erzäh-
lung Ton Procop wird dargelegt, dasz das erstere auf dem rechten
Ufer der Tiber, den pons Aelios schlieszend, gestanden habe, das zweite
mit d. portü salaria identisch sei. Beigegeben ist eine Zeichnung). -—
Latendorf: lexilogische Bemerkungen (8. 206 — 10: monstrum, deli-
ruiy nigevy' explicii u. bidetiM). — G. A. Hirschig: observv. et
emendd. in Alciphrone (8. 210---16). — Anz. t. Jeep de emend. Ju-
stini Histor, (8. 216). — Lentz: de gradunm intentione (8. 217 —
24: Erläuterung d. Gebrauchs). — Anz. V. Münscher: ü. d. Zeitbe-
stimmungen in Plato's Gorgias (8. 224). — D. neuste Litt, der My-
thologie u. Religion der Griechen. 3. Art. V. Petersen (8. 225 —
35: mit Prellers Behandlung und Auffassung erklärt sich Ref. in den
allermeisten Punkten einverstanden). — Didymi Chalcenteri gramm.
Alex, fragm. Ed. M. Schmidt. Ang. y. O. Schneider (8. 235—
52: sehr gelobt, obgleich gegen viele Behauptungen u. Vermutungen
Einspruch begründet wird). — Jahresbericht üb^ d. griech. Natio-
nalgrammatiker und Lexikographen. Von M. Schmidt (8. 252-71:
wie früher Schneider im Philologus, bespricht d. Vf. die Leistungen auf
dem genannten Gebiete Ton 1848 — 54, manche eigene Nachträge und
Bemerkungen beifugend). — A. Nauck: kritische Miscellen. Forts.
(8. 272—78: Stellen aus Stobaens, Schol. Veron. ad Verg. Aen. VIT
341 p. 97, 25 ed. Keil, Stellen ans Hom., Pollux 367, Stellen aus He-
rodian. epit. nad'olMTJg nQoatpdiaSf Theognost Cram. Anecd. 2 p. 97
30, aus den Vitis ed. Westerm.. dem Roman des Nicetas Eugenianns,
Georg. Pachym. Rhetor. Walz 1 p. 576 12, Xen. Memor. 115, Plut.
Moral, p. 720 £). — Schonborn: ü. d. Wesen ApoUons u. d. Ver-
breitung seines Dienstes. Ang. t. Heffter (8. 278—80: d. Zweck d.
Schrift verfehlt gefanden). — Verhandigen gel. Gesellschaften u. Aus-
züge a. Zeitschritten. e=3 4. H. Bergk: Beiträge zur Kritik des Plan tns
(8. 289—300: auszer vielen Verbessern ngsvorschlägen sind hervorzu-
heben die Herstellung von hoeedie für hodie an mehreren Stellen d. -
älteren Dichter, eine neue Ansicht über opportet, die Behandlung an«
dem Griech. entnommener Eigennamen, d. Archaismen, über et für t
und die Form permtftes, für welche pemustes gefordert wird). —
iV. Jaktb. f. PUi. «. Paed. Bd. LXXI V. Bfl, 5. 19
23^ Auszüge aus Zeitschriflen.
Stander: zur Kritik u. Erklärung einiger Stellen aus Tac. Ann. I u.
II (S. JVOO-7: behandelt werden I 50, 51, 55, 58, 65, H 7, 8, 22, 24).
- Osann: philolog. Miscellen (S. 307—21: die Lesart bei Uieronym.
|)rncf. in Job. ^Ird gegen d. Mnemo:(yn. 1854 III S. 225 in Schnti
(lenonimen und littcrae uncialea überh. für auszergewohnlich grosxc
Bnriistaben erklärt. Dasz Kogivd^og feniininum sei, wird von neuem
behauptet, ^gn ra xttka Xen. Hell. I 1 23 gegen Bergk in Schoti
genommen, lumina reatituere in d. Bedeutung, ' Wiederherstellong de»
Augenlichts' rindiciert, die Reinigung d. Seewassers bei d. Alten be-
logt, Arsen. Viol. p. 495 das Teriloquiuin d. Pseudo-Phok\lidea zuge-
hörig anerkannt, avanfTcraudvoig ocaotg bei Athen. XIII 564 c ge-
schützt, dsgl. cquo amit80 bei Hyg. fab. 243. Agacivtus bei Arneth
Beschreibung d. Statuen usw. Nr. \i<b wird als Freigelassener des
C. Verres betrachtet; für pracsio nimmt d. Vf. pracstu alf eig. Fona
an u. erklärt es^ als Dativ = practtui, conjiciert bei Aristot. Polit.
init. r^r xfArcx^v fiaxatgav, erklärt es aber für spanisch, emendiert
endl. eine Stelle Charis. I p. 42 Lind.). — Jahn: Beschreibung d.
Vasensamml. Konig Ludwigs v. Baiern. Ang. v. H. A. Maller in
Bremen (S. 323 — 38: eingehende die Bedeutsamkeit d. Leistung ans
Licht stellende Anzeige). — Grotemeycr: Homers Grundansicht
V. d. Seele u. Kratz: quaestiones Homericae. Ang. y. Ameia (S.
338 — -fH: lobende, aber viele Bemerkungen enthaltende Anzeigen). —
Xenoph. Hellen. T et IT. Kd. Breitenbach. Ang. y. Hanadorfer
(S. 3-4>S— 56; lobend; Ref. bespricht indes nur die Einleitung and bebt
d. übrige auf einen 2. Artikel auf). — Aeschylus Krinnyen. V. Har-
tung. Ang. V. Lentz (S. 356-/4: durch Besprechung Yieler Stellen
wird d. Urth. begründet, dasz d. Vf. zwar manche Stelle glücklich
gebessert, aber auch manche Resultate anderer, nam. Hermanns, gmnd-
lo.s in Frage gestellt habe). — Rheinprcuszische Programme 1853
(Von S. 359 sich durch dies u. d. folgende Heft durchziehend; anaier
den Programmen von Ritschi wird am ausführlichsten über Grashof:
Zur Kritik des Homer. Textes referiert). — Auszüge a. Zeitschriften
n. bibliogr. Ucbersicht. = 5. H. Ruhl und Schubart: Gloaaen nur
Beschreibung d. polygnotischen Gemäldes in d. Lcsche zu Delphi bei
Paus. X 25 ir. 1. Art. (S. 385-413: die Form d. Lesche wird so be-
stimmt, dasz d. Thüre in der Hinterwand und die beiden Gemälde an
ders. zu beiden Seiten gewesen, auszerdem aber für die Gruppieron-
gen des einen, der Iliupersis, eine neue Anordnung auf Grund def
Paus, vorgenommen). - — Klein: lateinische Inschriften (S. 413 — 19:
Mitthcilnng u. Besprechung von 22 noch nicht allgemein bekannten
Inschriften). — Faesi: zur Kritik u. Erklärung Homers, zugl. i.
Charakteristik meiner Schulausgabe (S. 419 — 55: eingehende Bespre-
chung der Y. Ameis in diesen Jhrbb. Bd. LXX S. 233—71 gegen die
Ausgabe gemachten Bemerkungen). — Apollonii Argonautica ed. Mer-
kel et H. Keil. Ang. v. M. Schmidt (S. 455 — 74: bedentendea
Lob. In Bezug auf den Text einzelne kritische Bemerkungen). — Ver-
sammlung d. deutsch. «Philolog. usw. zn Hamburg (8, 477—79).
IJericlitc über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische
Notizen, Anzeigen von Programmen.
Grimma]. Am 18. Febr. dieses Jahres feierte der zweite Lehrer
der königlichen Landesschule Prof. M. Joh. Christ. Lorenz anter
Berichte über gelehrte AoBtalten, Verordnnngeii, Statist. Notizen. 259
allseitiger Anerkennung seiner groszen Verdienste am die Anstalt, wel-
cher er einst selbst als Schaler angehört hatte, sein 25j. Jabilaeum.
Als litterarische Ehrengabe worde demselben aberreicht im Namen
des Lehrercollegiums von dem Rector Prof. Dr. Ed. Wunder: sche-
dae eriticae de locia nonnullia Sophoclis tragoediarum et M. Tullii
Ciceronis orationis Murenianae (VI und 20 8. 4, auch im Buchhandel :
Grimma bei Gebhardt zu haben). In diesem von dem hinlänglich be-
kannten Scharfsinn des Verf. rühmliches Zeugnis ablegenden Schrift-
chen werden folgende Stellen behandelt : Soph. O. C. 503 f. tritt ders.
Ähren 8 de crasi et aphaer. p. 5 gegen Dindorf (ed. Oxon. 1836 p.
93 sq.) bei, indem er XQV für ein Substantiv anerkennt, erklärt es aber
für den Plural, aus XQ^^ contrahiert und findet den Grund der Constr.
mit dem Accnsativ in der dem iat^ zu Grunde liegenden Bedeutung
[yucvsi oder tndvBxm (beiläufig wird Soph. Antig. 736 alltp^ yag jj 'fiol
XüTiaxi, tiQod' aQx^''^ x^ovog und Aristoph. Eq. 1230 tpQoit^ v^p ov XQV'
azal fis vmuad'ai, [lovov conjiciert). Nachdem so XQ'^^'^^^ erklärt ist,
findet der Verf. in der Stelle des Soph. die Emendation xtov noxfav d"
Zva XQV^i:^^ f'' iffSVQsCv nothwendig. Unter ausführlicher Begründang
werden dann in demselben Stücke des Soph. die Verse 1364 — 61, 1377
— 79 und 1384—92 für Interpolationen erklärt und Soph. Ai. 1004:
(0 SvqQ'iaxov ofi^cCf toXy^riaiv jn^gaCg oaag avCaq fiot %ataansiQag tpO-C-
vsig zu lesen vorgeschlagen. In der Mureniana c. 1 wird zuerst die
Nothwendigkeit der Weglassung von et vor ut vesirae mentes gezeigt,
dann in den Worten precatio ^ poBtulat die Absicht die Richter zu
teuschen gefunden, endlich idem consul consulem vestrae fldei com-
mendat emendiert. 3 6 fordert der Verf. at negat esie eiusdem seve-
ritatiBy 6 13: »altaiorem appellat L. Murenam Cato: maledictum «i
vere obiicitur — , 11 24: quaeritur eomul resittat: non mirum, end-
lich 22 46 : tu cum te — transtulisses, n exiitimasti te utrique — posse,
vehementer erranti. Bei derselben Gelegenheit hat der unterzeichnete
die kleine Schrift: Versueh über ThukydideB (Leipzig , Teubner) ver-
öffentlicht. D.
Halle]. Die Feier der 25jährigen Amtsthätigkeit , welche der
Condirector der Francke^schen Stiftungen und Rector der lateinischen
Hauptschule im Waisenhause Dr. Fr. A. Eckstein am 1. Januar
dieses Jahres begieng, hat eine ziemliche Anzahl von Gratulationsge-
dichten und Festlichkeiten, die dem hochverdienten Manne die ihm ge-
bührende Anerkennung zollen, hervorgerufen. Unter den Festschriften
heben wir als eine auch in weiteren Kreisen interessante die von Dr.
H. A. Daniel im Namen der Lehrer des Paedagogiums verfaszte her-
vor: Ramler^8 erste Ode auf Friedrich den Groszen, Nach einer Ein-
leitung, in welcher nachgewiesen wird, dasz Ramler schon 1738, spä-
testens 1739 auf die lateinische Hauptschule in Halle gekommen ist,
auch die von einigen Biographen behauptete Unterdrückung und Been-
£nng des dichterischen Triebe« auf das rechte Masz , den Versuch der
leitung desselben in dem auf den Franckeschen Stiftungen damals vor-
hersehenden Geisty zurückgeführt ist, wird das beim öffentlichen Actus
am 8. Juli 1740 vorgetragene Gedicht dem in dem Archive vorbefind-
lichen Original selbst in der Orthographie treu entsprechend mitge-
theilt. ^ Ob manche Fehler auf Rechnung des noch nicht vollständig
ausgebildeten Talents zu setzen oder als Schreibfehler zu betrachten
sind, lassen wir dahingestellt, bezeichnen aber dtt Gabe als eine höchst
interessante, weil sie die Jngendentwicklung eines auf die deutsche
Litteratur einfluszreichen Diehters charakterisiert und die Richtung
desselben auf den groszen Mann, dessen Verherrlichung er später seine
besten Kräfte widmete, unmittelbar bei der Thronbesteigung zeigt.
19*
260 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist NoHsen.
Heidelberg]. Das Programm des hiesigen Lycenms enthalt Ton
dem Dir. Hofr. J. F. Hautz: Die erste Gelehrtenschnle re-
formierten Glaubensbekenntnisses in Deutschland oder
Geschichte des Paedagogiums zu Heidelberg unter Knrf.
Friedrich HI von der Pfalz 1565 — 1577 (VIII n. 65 S. gr. 8J.
Diese Schrift des durch mehrere historische Monographien rnhmlichft
bekannten Hrn. Verf. ist, ^vas soivol den Reichthum der benntsten sel-
tenen Quellen, als die anziehende Ausfuhrung des Gegenstandes be-
trifft, ein wichtiger und bedeutender Beitrag zur GescTiichte der Ge-
lehrtenschulcn Deutschlands im sechzehnten Jahrhunderte. In keinen
Jahrhunderte erregt die Geschichte einer Gelehrtenschnle eine grossere
Theilnahme, als in demjenigen, in ^velchem die Humanisten als Freunde
der klassii»chen Studien dem mönchischen Obscurantismus, einer tns-
rigen Errungenschaft des Mittelalters, an der Grenzscheide einer neocn
Zeit gegenüberstehen. Der Charakter der Gelehrtenschnle wird ent-
schiedener, bestimmter, ausgeprägter. Sie fühlt durch den Gegensati
der mönchischen Bekämpfung in der Zeit der Reformation recht lebhaft
die ihr vorgesetzte Aufgabe, Erkenntnis des klassischen Alterthns»
und der klassischen Sprachen. Denn nur, wo das Stndiora deraelben
mit Erfolg betrieben wird, kann von wahrer Wissenschaftlichkeit ge-
sprochen werden. Eine Schrift, welche, wie die vorliegende, ans (fie-
ser für die Entwicklung der Gelehrtenschnle so überaus wichtigen Zeit,
die Geschichte einer solchen Anstalt und zwar der ersten reformierten
Glaubensbekenntnisses in Deutschland aus bisher ganz unbekannten
Quellen in historisch treuer und allseitig unbefangener Weise darstellt,
verdient die Aufmerksamkeit des gelehrten Paedagogen. Schon In
Jahre 1846 hat der gelehrte Hr. Vf. die ersten Anfänge der Geschichte
der Gelehrtenschule zu Heidelberg durch den Druck' bekannt ge^
macht. Die beifällige Aufnahme, welche jene unter dem Titel: 'Lycci
Heidelbergensis örigines et progressus* erschienene Schrift in der ge-
lehrten Welt fand, veranlaszte ihn zur Fortsetzung derselbeo, als
welche vorliegende Monographie angesehen werden kann. Sie seHalH
in eine Einleitung (S. 1—3) und in drei Abschnitte, Ton denen
der erste die Geschichte des heidelberger Lyceums oder, Mrie es daiiali
hiesz, Paedagogiums unter Bocks Rectorat (1865 — 1571). der iweite
unter Schi 1 ling (1571— 1575), der dritte unter Pi sc ator (1575— W77)
darstellt (S. 3 — 50). Angefügt sind zehn urkundliche Beilagen (S. 50
— 64) und ein alphabetisches Register (S. 64 n. 65). Zn den hand-
schriftlichen Quellen, welche das Material der historUchen Darstellnng
der vorliegenden Abhandlung bilden, geboren vorzüglich die Acten
der Artis tenfacultät zu Heidelberg, wie man nach einem nit-
telalterlichen Kunstausdrucke die philosophische Facultat damals be-
nannte, die Annalen der Universität Heidelberg nnd die Pro-
tokolle des knrpfalzischen reformierten Kirchenrathes«
Der groszeren Verbreitung wegen^war ffir einen rein Taterlindi-
sehen Gegenstand die deutsche Sprache nothwendig, nngeachtet die
örigines et progressus in lateinischer Sprache abgefasst sind. Bs kann
diese Abänderung im Interesse der Schrift selbst nur gebilligt werden.
Die Protokolle des reformierten Kirchenrathes, wdche sich in kei-
nem Archive nnd in keiner Bibliothek vereinigt vorfinden , mnsten von
dem Herrn Vf. mühsam in den Händen von Privaten, welche seinen
historischen Zwecken freundlich entgegengekommen, znsammengesncht
wcrdon. Gerade um so dankenswerther ist eine unter solchen Hinder-
nissen, welche von dem Hrn. Vf. mit so glücklichem Erfolge beseitigt
wurden, entstandene Arbeit Die Gelehrtenschnle in Heidelberg
hiesz von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1622 nach den vorliegen-
den Arten Paedagogium. Sie wurde von Kurfürst Friedrich 11. von
Berichte Aber gelehrte Anstalten, Verordnangeii, Statist. Notizeii. 261
der Pfalz im Jahre 1546 gegründet and Ton Friedrich III. 1560 and
1565 neu ins Leben gerafen and erweitert. Von der Mitte des acht-
zehnten Jahrhunderts an wurde das Paeda^ogium Gymnasium genannt,
ein Name, welcher ihm bis in die neue Zeit blieb, wo es endlich anter
dem Groszherzog Leopold von Baden (1837) zum Lyceum erhoben
wurde. Die Paedagogien oder nachherigen Gymnasien in Heidelberg,
Mannheim, Kreuznach und Neustadt an der Haardt waren
Gelehrtenschulen höheren Ranges. Das Lehrercollegium an diesen An-
stalten war mit Ausnahme Heidelbergs, wo es starker war, aus einem
Rertor, Conrector und einem Praeceptor zusammengesetzt. Die
Schuler wurden yon ihnen unmittelbar zur Universität entlassen. Durch
die sogenannten Trivial- oder lateinischen Schulen wurde man
zum Eintritte in das Paedagogium oder Gymiiasium vorbereitet. In
den Trivialschulen war gewohnlich nur ein Lehrer, welcher Rector
hiesz. Die Vorbereitung gieng im höchsten Falle nur bis zur zweiten
Klasse des Gymnasiums. Die Prima war nemlich , wie dieses noch an
vielen Anstalten ist, die oberste Klasse. In der Pfalz waren solche
Trivialschulen zu Alzei, Bretten, Eppingen, Frankenthal,
Kaiserslautern, Mosbach, Oppenheim, Simmern, Sobern-
heim und Weinheim. Aus den S. 2 und 3 mitgetheilten urkund-
lichen Stellen des Testamentes Friedrichs UI., des neuen Begründers
dieser Gelehrtenschule, ist die Dotierung und innere Verfassung der-
selben ersichtlich. Die Schule hatte 6 ordentliche Lehrer und einen
Cantor. Der letztere hatte täglich 2 Stunden Unterricht zu ceben,
lehrte an bestimmten Tagen Musik und leitete in der h. Geistkirche
den Gesanff. Bei wachsender Frequenz jsollte die Zahl der Lehrer ver-
mehrt werden. Die Schuler waren von jeder Art von Schulgeld frei.
Zum Paedago^um wurde das BaarfQszer- oder Franziskanerkloster be-
stimmt. In diesem hatten die Lehrer freie. Wohnung, Unterhalt, Klei-
dung, und, wenn sie erkrankten, unentgeltlich Arzt und Arznei. Jeder
Schüler erhielt jährlich 2 Gulden. Der Zweck der Schule wurde in
der Erneuerungsurkunde des Kurfürsten dahin ausgesprochen: 'Jungen
Leuten ihre erste wissenschaftliche Bildung zu geben und besonders
um dem groszen Mangel an brauchbaren Lehrern und Prediffern abzu-
helfen, tüchtige Zöglinge für das Sapienzcollegium vorzubereiten.' Eine
Darstellung von der Geschichte der zu diesem Zwecke gegründeten
Anstalt ist gewis um so anziehender, als gerade auch damab die kirch-
lichen Bewegungen in der Pfalz am stärksten waren. Unter Fried-
rich III. hatte das Paedagogium zu Heidelberg drei Rectoren,
Bock (1565 — 1571), Schilling (1571—1575) und Piscator (1575
— 1577). Nach diesen drei Rectoren hat der Hr. Vf. sehr zweckmäszig
seine Geschichte in drei Abschnitte getheilt. Friedrich III. mit dem
Zunamen des Frommen war 44 Jahre alt, als er Kurfürst wurde. Sein
Wahlspruch war: 'Herr! Nach Deinem Willen.' Der reformierte Lehr-
begrifif erschien dem frommen Kurfürsten zur Seligkeit so nothwendig,
dasz er unablässig bemüht war, an der Stelle des von seinem Vorfah-
ren Otto Heinrich in der Pfalz eingeführten lutherischen Lehrbe-
griffes das reformierte Glaubensbekenntnis einzuführen und zu diesem
Zwecke die in Frankreich, Italien und den Niederlanden be-
drängten Anhänger Calvins in seinem Lande aufzunehmen. Die Lehr-
stellen an der Universität und an den Schulen, sowie auch die Pfar-
reien wurden durch die in andern Ländern verfolgten Reformierten be«
setzt. 8o machte Friedrich das Paedagogium, indem er reformierte
Lehrer an demselben anstellte und es nach den Grundsätzen und An-
sichten der Reformierten leiten liesz, zur ersten Gelehrtenschule
reformierten Glaubensbekenntnisses in Deutschland (S. 5).
Die Einkünfte und die innere Einrichtung der Schule waren nach den
262 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnangen, Statist. Notiiea.
Befehlen desselben am 3n December 1566 geordnet. Der erste Vorstand
der neu organisierten Anstalt war OÜTerins Bock, auch Holofe-
riiis genannt, aus Alost oder AI st in Flandern. Ana den bisher
unbekannten hsl. Acten der Universität (Artisten- oder phil. Fac.) wird
8.6 mitgetheilt: die Hochschule beschwerte sich darüber, dasa ^Bock
das Gymnasium ganz nach seinen Ansichten einrichte ^ den Schulplan
andere, neue Schriftsteller einführe, auf die Universität keine Ruck-
sicht nehme und junge Leute in seiner Schule zurückhalte, welche be-
fähigt wären, aus derselben zu. höhern Studien entlassen so werden.'
Bock dagegen beklagte sich, dasz die Universität 'jedem aus der
Schule entlaufenen Jungen das Baccalaureat ertheile und dadurch gründ-
liche Bildung unmöglich mache.' Die Aufsicht über die Anstalt war
von dem Kurfürsten der Universität und dem reformierten Kirchenratke
gemeinschaftlich übertragen worden. Dies gab zu Streitigkeiten Ver-
anlassung. Der Kirchenrath erhielt bald einen groszern Einflusa snf
die Anstalt als die Universität, ungeachtet diese aus ihrer eigenes
Kasse derselben einen jährlichen Beitrag von 150 Gulden Terabfolgen
licsz. Er berief sich bei seinen Maszregeln auf die kurpfalsische Kir-
chcnrathsordnung von 1564, in welcher es Cap. III $ }• 3 heisit:
^Zweierlei Macht soll unserm Kirchenrath bestimmt sein: Die Ministeria
und Schulen mit guten, tauglichen Personen, die reiner Lehr und
unsträflichen Lebens sind, zu bestellen und auf derselben Lehr snd
Lehen Acht zuhaben, die untauglichen aber abzuschaffen; soa
andern der Disciplin und Kirchenzucht halber nothwendiges Einsehen
haben.' Es gab dieser Paragraph dem Kirchenrathe auch dann die
Gelegenheit zum einschreiten gegen einen Lehrer an die Hand, wenn
sich gegen seine wissenschaftliche Befähi<;ung, seine Lehrtüchtigkeit
und selbst gegen sein sittliches Betragen nichts einwenden Uean, weil
die Anstalt durch den Kurfürsten eine speciiisch reformierte, d. h. run
kalvinische Färbung erhielt, und dem Kirchenrathe die Ueberwachosg
der genauen Handhabung des reformierten Glaubensbekenntnisses in-
stand. Die Universität konnte sich natürlich nur insofern um die An-
stalt kümmern, als sie eine wissenschaftliche Vorbereitungsanstalt für
den höhern Unterricht war. Auch wechselte sie nicht- nur denRector,
welcher die Aufsicht über das Gymnasium hatte, sondern es wnrdea
auch jährlich von der Universität zwei Inspectoren gewählt, welche
nebst dem Rector den Oster- und Herbstprüfungen des Gymnasf
Jahr w
beiwohnen sollten. Wie konnten Inspectoren, weiche jedes
selten, der Anstalt gegenüber die nöthige Kraft entwickeln? Solche
Einrichtungen schwächten den Einflusz der Universität. Es ist aber
gcwis nie zum Vortheile einer wissenschaftlichen Anstalt, wenn die
specifisch und ausschlieszend kirchliche Aufsichtsbehörde ein jede Mass-
regel der wissenschaftlichen Ueberwachung lähmendes Uebereewieht bat»
Der Hr Vf. behandelt von 8. 8 — H mit einem sehr dankenswerthen
eingehen in das Detail das Lehrercollegium unter Bocks Rectorat.
Schon 1565 zog sich unter den Lehrern zuerst Nathanael das Bfis-
f allen des Kirchenrat hes zu. Man hob unter den gegen ihn geltend
gemachten Beschwerden besonders auch die heraus, «dass erdieRvtbe
nicht brauchen wolle gegen die Jungen ' (S. 9). Sehr vernünftig ant-
wortete Nathanael, 'er wisse wol, dasz man Zucht halten misse;
er habe aber bei der Behandlung seiner Schüler auf das Alter dersel-
ben Rücksicht genommen ; es befänden sich unter ihnen I^ente von
19 Jahren. Diese zu schlagen sei unvernünftig und zwecklos; man
könne auch mit Worten strafen' (S. 9). Umsonst verwendete
sich die Universität für ihn. Die allgewaltige religiöse Aufsichtsbe-
hörde setzte dessen Absetzung am iöu September 1567 durch* Sein
Nachfolger war Josua Lagns aus Stolpe in Pommern (als zwei-
Bcriofate Aber gelehrte Aulalten, Verordnniifeii, statisl. Notisen. 263
ter Lehrer aach zugleich Conrector). Ungeachtet man schon am 2da
Augnst 1570 damit amgieag, dem kranklichen Lagni die SaperinteO"
dentar zu Neustadt an der Haardt zu übergeben, wnrde doch
Jnngwitz aus Bret»lan erst am 27. November 1571 in seine Stelle,
eingewiesen. Nichts ist aber für eine Anstalt nachtheiliger, als der
häufige Lehrerwechsel und die Nichtbesetzung der Lehrstellen.
Bock starb am 17n Februar 1571 und an dessen Stelle wurde M.
Christoph Schilling ernannt. Die Universität fühlte das Ueber-
gewicht des Kirchenrathes und suchte diesem 1572 vorzubeagen. Hieza.
gab ihr eine im März dieses Jahres vorgenommene Visitation des Fae -
dagogiums durch den Uni versitätsrector Peter von Alst und die bei-
den als Inspectoren ernannten Universitatsprofessoren Pithopous und
Lancius die passende Veranlassung. Man nahm zunächst Verände-
rungen in der Ordnung der Lectionen vor und stellte mehrere Artikel
auf, so: ^weder der Kirchenrath noch die Lehrer (des Paedagoginms)
sollten ohne Zustimmung des academischen Senates sich irgend eine
Aenderung in dem, was das Paedagogium beträfe, erlauben'
und einen andern 'der Kirchenrath sollte in der Ordnung beim
schreiben nicht immer obenhin gesetzt werden, sondern es sollte bald
dieser, bald die Universität obenan stehen.' Die Hochschule verlor
sich also in anszere Rangstreitigkeiten, die nur dann einen WertU
haben könnten, wenn man das Wesen der Sache angrjfip, was nicht ge-
schah. Der berühmte Xyl ander, damaliges Mitglied des Artistense-
nats hatte daher gewis ganz Recht, wenn er sich der Theilnahme aa,
den Verhandlangen über die Reorganisation der Anstalt entschlng-
Denn die Heftigkeit (vgl. die in der Beil. IV S. 54 — 56 mitgetheilten^
beiden Schreiben), mit welcher er sich gegen die Theilnahme des Kir-,
chenrathes an den Angelegenheiten des Paedagogiums aussprach, be-
weist deutlich, dasz er den wunden Fleck der Schule erkannte und
mit ihm die Unmöglichkeit einer Besserung ohne eine für die Univer-^
sität allein unmögliche Aufhebung der kircbenräthlichen Obergewalt. —
Bald benutzten £e Lehrer die Stellung der Anstalt zum Kirchenrathe,
dazu*, wechselseitig Beschwerden gegen einander bei dieser ihnen vor^
gesetzten Stelle zu erheben. Am nachtheiligsten mnste dieses danä
sein, wenn die beiden der Schule vorgesetzten Lehrer, der Rector un4.
Conrector in solches Zerwürfnis kamen. Der 1572 ernannte Rector.
Schilling beschuldigte seinen Conrector Jungnitz, 'er versäume.
Lectionen, führe die Schüler nicht in die Kirche und wieder ans der-
selben , wie es doch nach den Gesetzen • des Paedagogiums geschehen
solle.' Jungnitz dagegen gab bei derselben Stelle gegen seinen Rec»
tor an, 'die in das Paedagogium aufgenommenen Stipendiaten würdea«.
dem Rector vorgestellt, da sie doch seiner Aufsicht übergeben wären'..
Man lernt aus diesen Streitigkeiten die Wahrheit des Satzes kennen,
dasz auch bei einer gelehrten Schnle zur Handhabung der Ordnung
und Disciplin die Einherschaft eine Nothwendigkeit sei. — Uf^ter-,
Schilling's Rectorat (1571 — 1575) fallen die arianiscfaen Strei-.'
tiekeiten in der Pfalz. Sie rissen auch einzelne Lehrer an den ger
lehrten Schulen mit sich fort. Schon im JuH 1567 entdeckte ein Lä-
rer am Paedagogium zu Heidelberg, Martin Seidel, dem damaligen
Rector Bock, 'es sei ein Punkt in der Lehre, den er nicht fassen
könnte^ (S. 23). Zugleich bat er ihn, diese Eröffnung dem Kirchen-,
rathe nicht anzuzeigen, ja er erklärte selbst den Ta^ darauf, seinem.
Irthum entsagt zu haben. Es läszt sich wol schwerlich rechtfertigen,
daez Bock dennoch die Anzeiee davon der geistlichen Oberbehörde
machte. . Wie begierig der Kirchenrath die Gelegenheit zur religiösen
loqnieitien ergriff, g^t daraus hervor, dasz derselbe schon im October
1668 den dmalifen Rector der Universität Bert hold Redlich aqg
264 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notiien.
Westphalen ersnchte, den Martin Seidel abzusetzen, da man höre,
'er sei so sehr yon dem Gifte des Arianismns angesteckt, dasz er an
dem Ansehen des ganzen neuen Testamentes zweifle'^ (S. 23). Wenn
der academiscbe Senat der etwaigen Absetzung Seidels eine Prü-
fung desselben Torausgehen lassen wollte, wenn er eine Untersuchung
beantragte und dazu die Professoren der Theologie beauftragte, so
handelte er in seinem Rechte, und Referent stimmt dem Hrn. Vf. toU-
kommen bei, wenn dieser in der Darstellung jener Händel Ton 'der lo-
benswerthen Billigkeit und Mäszigung' des academischen Senates (8. 23)
spricht. Seidel blieb noch Tier Jahre nach dieser beantragten Unter-
Kuchung in seinem Amte. Sie kann also unmöglich zu seinem Nach-
theiie ausgefallen sein. Inzwischen hatte aber Friedrich HI. der
Fromme, der schon im Anfange seiner Re<>ierung alle lutherischen Leh-
rer von den gelehrten Anstalten entfernte und ihre Stelle mit refor-
mierten Flüchtlingen besetzte, auf die arianischen Lehren in der Pfalz
ein wachsames Augenmerk. Eine Reihe Ton Geistlichen wurde wegen
angeblicher arianischer Lehren und Grundsätze gefänglich eingezogen
und der Superintendent von Ladenburg, Johann SylTan, am 23n
December 1572 zu Heidelberg auf dem Marktplatze öffentlich ent-
hauptet. Man konnte es unter solchen Umständen Martin Seidel,
dem Lehrer am Paedagogium, nicht Terargen, wenn er sich am 6n April
1573 aus Heidelberg entfernte, freiwillig, wie gegen Vierordt: Gesch.
der Ref. in Baden S. 477 aus den handschriftlichen Nachrichten 8. 24
und 25 dargethan wird. Der Streit zwischen dem Rector Schilling
und dem Conrector Jungnitz gab den riTalisierenden Aufsichtsbehör-
den, der UniTersität und dem pfölzischen Kirchenrathe, zur Eroeuemng
erbitterter Händel eine willkommene Veranlassung (S. 27). Gewu
sieht jedermann der Ton dem Hrn Verf. Tersprochenen (S. 27) beson-
deren Behandlung dieser in das damalige Schul- und UniTersitatswesen
tiefe Blicke erÖifnenden Streitigkeiten entgegen. Jede Kleinigkeit wurde
von dem einen der streitenden Theile gegen den andern bei dem Kir-
chenrathe referiert. Unter and erm hatte sich Jungnitz gegen 8chil*
ling einmal derjenigen Ausdrücke bedient, mit welchen Goethe's
Götz Ton Berlichingen seine Erklärung an den kaiserlichen Feld-
hauptmann auf die Aufforderung zur Uebergabe schlieszt. Der Kirchen-
rat h beschlosz im Jahre 1574 die Absetzung der beiden in Hader leben-
den Lehrer, ohne die UniTersität auch nur zu befragen. Nun nahm
sich diese beider an, bewirkte ihre Versöhnung und widersetzte sich
ihrrr Absetzung. Der Kirchenrath bestand auf ihrer Entlassung auch
ohne Zustimmung der UniTersität. Schilling bat in einer besondem
Schrift um Schutz bei dem Kurfürsten (24n NoTbr. 1574): Die Uni-
Tersität Terlangte Ton beiden Theilen einen Eid, ihre Stelle nicht ohne
Einwilligung derselben niederzulegen. Der Kirchenrath untersagte
ihnen Kost und Tisch im Paedagogium. Die UniTersität wendete sich 1575
an den Kurfürsten, welchem der Gegenstand des Streites zur Ent-
scheidung vorgelegt wurde. Aus dem S. 31 mitgetheilten Erlasse des
Kurfürsten ist deutlich zu ersehen, dasz sich dieser mehr auf die Seite
des Kirchenraths stellte. Es war daher nicht zu Terwundern, dasz die
UniTersität in einer Bittschrift an den Kurfürsten Tom 30n Mai 1575
ihren Wunsch äuszerte, «er mochte die Verwaltung des Paedagogiums
und die Aufsicht darüber dem Kirchenrathe allein übertragen: nur da-
durch konnte den bisherigen Streitigkeiten und Händeln ein Ziel ge-
setzt werden.» In seiner Antwort (S. 32) neigt sich der Kurfürst, was
bei seiner frommen Gesinnung nicht zu Terwundern war, abermals mehr
zum Kirchenrathe hin. Die UniTersität wiederholte am 29n Juli 1575
ihre Bitte um Befreiung Ton jeder Mitaufsicht Sber das Paedagogium.
Sie hatte von da an kein Aufsichtsrecht über das Paedagogium mehr.
Berichte Aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 265
Natürlich sollten auch die 150 fl. , welche sie Termoge ihres Verbandes
mit dem Paedagogiam diesem jährlich zu bezahlen hatte, hinwegfailen.
Man konnte dieses um so eher erwarten, als der Kirchenrath in seinem
Streite mit der Universität erklärt hatte, dasz er sich nichts ans dem
Gelde derselben mache, worüber der Hr Verf. manch ergötzliches Hi-
störchen beibringt. Dennoch verlangte der Verwalter der geistlichen
Guter, M. Stephan Becheln, auf Befehl und im Namen des Kurfür-
sten diese von dem Kirchenrathe so gering geschätzte Summe. Die
Universität remonstrierte und die Zahlung unterblieb. Es war gewis
für die Anstalt nicht gut, dasz sich die Universität von aller Theii-
nahme an derselben zurückzog und die Aufsicht lediglich einem geist-
lichen Rathe, welcher am meisten die kirchlichen Interessen bedachte,
ausschlieszend überlassen wurde.
Uro neuen Zwistigkeiten vorzubeugen, muste der jeweilige Rector
des Paedagogiums 'Bestellungspunkte' und «einen Revers' unterschrei-
ben, welche in Beilage VII (S. 58—61) mitgetheilt sind. Die Instruc-
tion, welche der Rector hinsichtlich seines Geschäftskreises erhielt, ist
nicht mehr vorhanden (S. 36).
Der dritte Abschnitt befasit sich mit dem Rectorate des M.
Johannes Piscator (1576—1577). Er war in Straszbnrg den 27n
März 1546 geboren, hatte daselbst anshülfsweise gepredigt und als Pro-
fessor der Theologie gelehrt und wurde wegen zu groszer Hinneigung
zum reformierten Lehrbegriffe daselbst seiner Stelle entsetzt. Er wurde
gegen den Willen des Senats vom Kurfürsten zum Professor an der
Universität und endlich am 30n Mai 1575 auf dessen Befehl vom Kir-
chenrathe zum Rector des Paedagoginmff an Schillings Stelle er-
nannt (S. 40). Der vom Paedagogium entfernte Jungnitz wurde an
seiner Statt Professor der Physik an der Universität. Unter Pisca-
tors Rectorat wurde ^grosze Aufmerksamkeit auf das answendiglernen
und erklären des reformierten Katechismus' verwendet, welches man
als 'eine der Hauptaufgaben' der Schule betrachtete (S. 41). Fried-
rich Iir. war es vor allem durch Anstellung reformierter Lehrer, durch
die Hebung des Unterrichtes im reformierten Glaubensbekenntnisse und
durch neue Dotation, die damals so bedeutende Summe von 24000 fl.
(S. 44), um Hebung der Interessen der specifisch calvinischen Kirche
gegenüber denen der lutherischen zu thun. Diese Maszregeln erreich-
ten mit dem Tode des Kurfürsten (26n Octbr. 1576) ihr Ende.^ Sem
Sohn und Nachfolger, Ludwig VI., mit dem Beinamen des Mildthä-
tigen, wirkte mit demselben Eifer, mit welchem sich sein Vater der
reformierten Religionspartei angenommen hatte, für das Lutherthum.
Der lutherische Cultus wurde eingeführt und nach Erlasz vom. 1 In Sep-
tember 1577 die Mitglieder des reformierten Kirchenrathes und die re-
formierten Pfarrer der Stadt Heidelberg von ihren Stellen entfernt;
ebenso wurden die reformierten Lehrer am Paedagogium und der Neckar-
schule abgesetzt und an ihrer Statt lutherische angestellt, auch die
reformierten Schüler und Alumnen aus diesen Anstalten gewiesen. Auch
die Stipendiaten des SapienzcoUegiums, welche den reformierten Glau-
ben nicht abschwuren, verloren ihre Stiftungsgenüsse. Im Jahre 1580
mutete man der Universität die Unterschrift der magdeburger Concor-
dienformel zu, der nächste Schritt ihre Mitglieder lutherisch zu ma-
chen. Nur ein einziger, Ludwig Graff, Professor der Medicin, ver-
stand sich dazu. Sechs Professoren wurden sogleich ihres Dienstes
entlassen,' zwei hatten schon vor dieser Zumutung .ihren Stellen ent-
sagt, einer (Donellus) einen Ruf nach Leiden angenommen. Der
Bruder des KurfSrsten, Pfalzgraf Johann Casimir, demCalvinis-
rons treu, gieng nach Kaiserslautern, wo bei ihm die verfolgten
reformierten Rätbe Friedrichs Zuflucht fanden. Er gründete in
266 Berichte Aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, atatisl. Notiien.
Neustadt an der Haar dt das Colleginm Casimirianaro, eine Art tob
reformierter Hochschale (8. 47). Die Lehrstellen am heidelb«rger Paa-
dagogium wurden mit Lutheranern besetzt. Die lutherische Reforma-
tion dauerte nicht lange (1576—1583). Johann Kasimir wurde Io8d
Vormund des noch unmündigen Kurerben, des nachmaligen Kurfiiraten
Friedrichs IV., und Administrator der Pfalz. Alle Ton seinem Bm*
der entlassenen Geistlichen und Lehrer wurden zurucksernfen und da-
rum auch an unserm Paedagogium wieder nur reformierte Lehrer an
der Stelle der entfernten lutherischen eingesetzt. Das Paedagogium
war nun wieder reformierte Anstalt und blieb eine solche auch von
1622 an, wo es Gymnasium genannt wurde, bis es sich mit dem 1706
Yun den Jesuiten gegründeten katholischen Gymnasium unter der Re«
gierung des unsterblichen Groszherzogs von Baden, Carl Fried-
rich, am 21n November 1808 vereinigte. In dieser Vereinigung blieb
die paritätische Anstalt bis auf unsere Zeit, und ward durch Groar*
herzog Leopold, den edeln Sohn Carl Friedrichs, zum Lycenn
am 21n December 1837 erhoben (S. 49).
Der geschichtlichen Darstellung sind zehn urkundliche Beüagea
angefugt, von denen wir oben einige bereits namhaft gemacht haben.
Niemand wird dieselben ohne reiche Belehrung lesen. (Die ersten aechi,
die achte und neunte sind ungedruckt, die siebente ist 'der neueaiea
ReligionsverfasKung der Reformierten in der Unterpfalz' entnommen.
Die Beilage X enthält eine Stelle aus der gedruckten, selten geworde-
nen Trauerrede Rodings: Oratio funcbris in Inudcm Frideriei Pii
etc. habita a Guilielmo Roding. Ileidelbergae idib, Novemhr.
1577. y4pud loannem Mareschallum Lugdunenscm, 4.) Sehr danlcena-
werth ist die Mittheilung der vielen biographischen Notizen, welche
sich auf die in die Zeit von 1565 — 1577 fallenden Lehrer des Paedago-
giums und der Universität in Heidelberg beziehen und groaientbdlt
zum erstenmalc aus vielen seltenen Druckschriften und hancUchrifUichca
Urkunden zusammengetragen sind. Die ganze Darstellung gibt uns
ein aus groszenthcils neuen Quellen entstandenes treues und lebeuTolIei
Bild einer gelehrten Schule der für die Littcrär- und Cuhurgeachichte
so überaus wichtigen Reformationszeit. Der Freund der Schule mnti
dieäe bis auf die ersten Anfänge ihres cntstehens kennen, sich mit der
Entwicklung ihres innern Lebens und wirkens und ihrer äusseren Bin-
rirhtung vertraut machen, die Vorzüge und Mängel derselben in Jeder
Zeit richtig erfassen, und aus diesen sich zum klaren Bewostaein brin-
gen, wie die Gegenwart das gute der Vergangenheit benutzen, das
schadhafte entfernen soll. Der gelehrte Schulmann wird auf dem Be-
den der Geschichte der gelehrten Schule wirken. Sie wird dem Pae-
dagogen den Leitfaden geben, der ihn zum sichern Ziele fuhrt. Mono-
§raphien, die sich auf die Geschichte gelehrter Anstalten beziehen, aind
aber besonders dem Paedagogen dankenswerth. Sie sind ea aber in
einem noch hohem Grade dann, wenn sie, wie im vorliegenden Falle,
ganz neue Forschungen geben und sich auf Anstalten beziehen, welche,
wie das heidelberger Lyceum, so lange in der unmittelbarsten Verbin-
dung mit der Universität standen, wenn sie als historische Vorarbeiten
zu umfassenderen Geschichtswerken dienen. Eine solche Vorarbeit zn
der Geschichte der Universität Heidelberg ist die vorliegende Schrift.
Möge zur Freude aller Freunde der Cultur- und Litterärgeschichte un-
seres Vaterlandes das in Aussicht stehende Werk recht bald erschei-
nen! Et pius C8t patriae facta referre laborl
V, Rciehlin Meldegg,
Lissa]. Am 13. Nov. 1855 begieng das dasige königliche Gymna-
sium seine 300jährige Jubelfeier. Zu derselben ward von dem Direotor
und Lehrercollegium in einer umfänglichen, von dem wissenschaftüchen
Berichte über gelelirte Anstalten, ^Ordnungen, statist. Notizen. 267
Geiste der Anstalt ein ehrendes Zeugnis ablegenden Festschrift einge>
laden, welche aus folgenden Partien besteht: 1) einem lateinischen
Carmen taeculare Ton dem Prof. A. Matern; 2) Ton dem Dir. Dr.
Ziegler verfaszt: Beiträge zur älteren Geschichte des königlichen
Gymnasiums zu Lissa (42 S. 4). Der Herr Verf. hat gründlich in den
Quellen geforscht, mit sicherem Täcte das wichtige von dem unwesent-
licheren gesondert und bei aller Schlichtheit und Einfachheit der Dar-
stellung doch ein anziehendes und fesselndes Bild geliefert. Verleiht
schon das Land als eine in Deutschland rücksichtlich der Schnlge«
schichte für sehr Tiele terra incognita der Geschichte der Schulanstalt
ein erhöhtes Interesse^ so wächst dies noch, indem sie zugleich in die
Schicksale der nach Polen geflüchteten böhmischen (mahrischen) Brü-
der, sowie der Evangelischen überhaupt verflochten ist. Mit erheben-
dem Gefühle sieht man den edlen Eifer, mit welchem das daus Lesz-
cynski die Schule 1&55 als Stadtschule gründete, 1624 zu einem Gym-
nasium erweiterte und fort und fort schützte, aber auch die aufopfernde
Thätigkeit der für die Anstalt wirkenden Lehrer und Gemeindeglieder,
welche durch wiederholte Einäscherungen, Pest und Krankheiten, Ver-
folgung durch die Jesuiten sich nicht einschüchtern lieazen, sondern
bei aller Dürftigkeit der Mittel doch an dem groszen Werke der Jugend-
bildung fortarbeiteten und dasselbe immer hoher und tüchtiger zu he-
ben trachteten. Welche Bedeutung für die Geschichte der Paedagogik
die lissner Schule hatte, erkennt man sofort, wenn man sich erinnert,
dasz unter den Rectoren ein Jo. Arnos Commenius und Dan. Ernst
Jablonski sich Anden. Es ist besonders zu rühmen, dasz der Hr Veif.
die wissenschaftliche Wirksamkeit und Bedeutung dieser Männer, wie
auch der übrigen Rectoren und Lehrer in klaren und bestimmten Um-
rissen geschildert hat. Die Beilagen bieten ebenfalls interessantes, ins-
besondere auch einige nicht unwichtige Urkunden. Wir heben hervor
Beilage II* über das Geschlecht der Leszcyhski, Beilage IV die latei-
nisch abgefaszten Schulgesetze, welche durch ihre Uebereinstimmang
mit den für die Schule zu Patak gegebenen die Vermutung, dasz sie
ein Werk des Comenius seien ,' rechtfertigen. Beilage VI die Unter-
suchungen über die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Comenias
und Jablonski, Beilage VII die Auseinandersetzung [der Verhältnisse,
in welchen die Kurfürsten von Brandenburg und Könige von Preoszen
zn den böhmischen Brüdern, namentlich in Lissa gestanden. Auch die
Ankündigung des Redeactus 1705 in Beilage VIII bietet ein interes-
santes Bild von dem damaligen Stande der Studien. Wir glauben hier-
durch hinlänglich unsere für die Geschichte der Gymnasialpaedagogik
sich interessierenden Leser auf die Schrift aufmerksam gemacht zn
haben. 3) über die vom Prof. Ed. Olawski verfaszte Abhandlung:
die neuhochdeutsche Partikel nicht mit Rücksieht auf die urver-
wandten N'partikeln einiger Schwestersprachen (48 S. 4) gedenken
wir eine besondere Anzeige zu bringen. 4) den Schlu^z bildet eine
griechische Ode des Dr. J. Methner. D,
NeubiwlKDEHBürg]. Das Programm zur Herbstprüfung 1854 ent-
hält: Kritische und exegetische Bemerkungen über einige Stellen des
Sophokles y vom Prof. Arndt, 20 S. 4. Die Anstalt besteht aus einer
Prima, Secunda, Tertia, Quarta, einer Real -Tertia und Real -Quarta,
einer Quinta, in welcher der lateinische Unterricht in 6 St. w. be-
ginnt,^ Sexta und Septima; die drei letzteren Klassen bilden zugleich
die Bürgerschule. Zu diesen ist Michaelis 1853 noch eine höhere Real- '
k lasse hinzugetreten, nachdem die erforderlichen Lehrkräfte gewonnen
Mind. In Folge dessen werden die bisherigen Combinationen aufgeho-
ben, dem Französischen und Englischen groszere Aufmerksamkeit ge-
widmet und dafür auch Fertigkeit im sprechen erzielt, das Latein unter
268 Berichte über gelehrte AnsüMen, Verordnungen, staust. Notiien.
die Lehrgegenstände aufgenommen, jedoch mit Zulässigkeit der Diapen-
sation bei mangelhaften Vorkenntnissen, endlich alle Lehrgegenitande
in einem dem Zwecke der Realschule entsprechenden Umfange gelehrt.
Die Vertheilung der Lectionen über die 3 Realclassen ist darnach fol-
gende :
II. III. IV.
Religion 2 2 2
Deutsch 3 3 4
Französisch 3 3 4
Englisch 3 3 —
Latein 2 2 2 .
Mathematik 4 4 5
Rechnen 1 1 3
Physik 2 2 —
Chemie 2 2 —
Naturgeschichte .... 2 1 2
Geschichte 2 2 2
Geographie 2 2 2
Kalligraphie — 1 2
Gesang 1 1 1
Freihandzeichnen ... 2 2 2
Technisches zeichnen 111
Zu der Herbgtprüfung 1855 ist keine wissenschaftliche Abhandlnig aus-
gegeben worden. Der Schulamtscandidat Paul hatte im letzten ochiü*
jähre sein Probejahr in 12 St. w. abgehalten und ist zu Mich. 1836
deiinitiy als Lehrer eingetreten. — Im Winter 1853— -54 lahlte du
Gymnasium 120 Schuler, im Sommer 1854 124, wovon jedoch im Lanfe
desselben 4 abgiengen: I 12, II 15, III 32, RIII 10, IV 32, RIV 19;
2 wurden zur Universität entlassen. Die Burgerschale hatte 169 Schi-
ler, 69 in V, 59 in VI, 41 in VII ; Gesamtzahl beider verbundenen An-
stalten 289. Im Winter 1854 — 55 waren im Gymnasium 132 Schüler,
welcher Bestand auch im Sommer in folgender Vertheilung blieb: I IS,
II 15, III 28, RIII IJ, IV 36, RIV 24. Auch diesmal wurden la Mich.
1855 2 zur Universität entlassen. Die Bürgerschule hatte in dieier
Zeit 152 Schuler, 62 in V, 56 in VI, 34 in VII; Gesamtzahl 284.
Schweinfurt]. Aus dem über das Studienjahr 1854 — 65 augege-
benen Programme des dasigen königl. Gymnasium Ludovicianom uad
der konigl. lateinischen Schule entnehmen wir, dasz an der Stelle dflf
in ein anderes Amt übergegangenen Lehrer Christophs der Sdinl-
lehrer Koch den Schreib- und der Stadtcantor Schneider den G«-
Sangunterricht übernahmen. Der katholische Religionsunterricht, bis-
her in der lateinischen Schule in ^iner Abtheilung ertheilt, wurde i>
2 Cnrse getheilt, den Schülern, welche bereits in der dritten KUiW
der lateinischen Schule den franzosischen Unterricht begonnen, die
Fortsetzung in der vierten gestattet, dagegen der Unterricht in der
Physik in der vierten Gymnasialklasse ausgesetzt und die dafKr be-
stimmten Stunden der Mathematik zugetheilt. Die Schulerzahl war im
Gymnasium 42 (IV 6, III 9, II 16, I 11), in der lateinischen Schule 73
(IV 12, III p, II 24, I 15), im ganzen 115. Die wissenachafUiche
Beilage enthält: Chrundzüge einet Lchrbucht der franMOwisehen Spraekt
nach Massf^abc der revidierten Ordnung der lateinischen Schulen und
der Gymnatien im Königreiche Bayern vom Prof. Dr. Ludw. von
Jan (20 S. 4). Der Hr. Verf. ist als grundlicher Kenner der alten
Sprachen und einsichtiger Kritiker, sowie als tüchtiger Schulmann hin-
länglich bekannt, so dasz man gewis von vorn herein in der Abhand-
lung viel cutea und anregendes erwarten kann , und in der That wer-
den diese Erwartungen nicht nur erfüllt; sondern übertroffen. Bei dem
Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, stallst. Notizen. 260
jetzt 80 allgemein sich kund gebenden erfreulichen streben nach Con-
centration im Gymnasialunterrichta nimmt die Frage nach der Methode
in der Kriernung der neueren Sprachen eine sehr wichtige Stelle ein.
Mögen auch manche den Knoten durchhauen und in der gänclichen Aus-
schlieszung das geeignetste Mittel, dem Gymnasialunterrichte grossere
Einheit zu Terschaffen, finden, die Beibehaltung ^iner lebenden frem-
den Sprache wird als nothwendig ebenso Ton der Paedagogik, wie Ton
den das praktische Bedärfpis des Lebens ins Auge fassenden Behörden
anerkannt bleiben, wie denn auch in der revidierten Ordnung Bayerns
das franzosische aus einem facultatiren zu einem obligaten Lehrgegen-
stand erhoben worden ist. Um so ernster ist aber nun auch einerseits
das zu erreichende Ziel, andererseits die beim Unterrichte zu befol-
gende Methode ins Auge zu fassen, damit ebenso eine zu grosze An-
spannung der Arbeitskraft des Schülers, wie, was in sittlicher Hinsicht
noch weit schlimmer, die nachlässige, halbe, oberflächliche Betreibung
verhütet werde. Ueber das Ziel scheint man insoweit einig, als man
diejenige Sprachfertigkeit, welche zam Verständnis bedeutender Litte-
raturwerke erforderlich ist, als solches allgemein anerkennt. Auch die
bayerische Regierung hat dies Ziel, wenn auch mit einigen Modifica-
tionen, aufgestellt. Ueber die Methode gehen aber die Ansichten viel
weiter auseinander, ja selbst über die Zeit für den Beginn des Unter-
richts herscht grosze Verschiedenheit, welche um so weniger bald be-
seitigt werden wird, als die in den meisten Familien der höheren Stande
vorwaltende Ansicht — leider zum groszen Nachtheile der Jugend, den
Beginn des lernens in das frühste Alter verlegt. Die, wenn wir nicht
irren, in allen öffentlichen Gymnasien Deutschlands eingeführte Praxis
ist die, dasz das Franzosische erst nach Erwerbung der Elemente in
den alten Sprachen begonnen wird, in den meisten noch vor Eintritt
des Griechischen. So viel aber steht fest, dasz das Gymnasium den
Unterricht in einer seinem Wesen entsprechenden Methode zu ertheilen
hat, wenn nicht Nachtheile nach irgend einer Seite hin hervortreten
sollen, und dies hat der Hr Verf. klar und bestimmt erkani^t, wenn er
S. 5 sagt: 'an einem Gymnasium ist gewis der Unterricht in einer
neuem Sprache der beste, der bei möglichst rascher Forderung am
wenigsten fühlen läszt , dasz etwas mit den übrigen Lehrgegenständen
nicht in Einklang stehendes getrieben werde, und dieses Gefühl wird
dann am sichersten ferne gehalten werden, wenn die neuere Sprache
in möglichstem Zusammenhange mit den altklassischen behandelt wird.'
In Bayern erscheint dies um so nothwendiger, als dort der Unterricht
erst im Gymnasium beginnt und zwar so eine groszere geistige Reife
vom Schüler hinzugebracht, dagegen aber auch die Zeit sehr kurz ge-
stellt wird. Der Hr Verf. bespricht nun zuerst die ihm bekannten,
namentlich die in Bayern gebilligten Lehr- und Hülfsbücher — ein für
diejenigen, welche sich orientieren wollen, recht brauchbarer Abschnitt,
zumal da man überall die besonnene Klarheit und Schärfe in ihrer
Verbindung mit echter Humanität und Milde anzuerkennen haben wird.
Für das von ihm selbst zu bearbeitende Lehrbuch stellt er (S. 10) fol-
§ende Grundsätze auf: * I) dasselbe musz die in der lateinischen Schule
urch den Unterricht im Lateinischen und Griechischen erworbenen
allgemeinen grammatischen Kenntnisse voraussetzen und zur Verein-
fachung der Methode benutzen; 2) es musz die franzosische Sprache
in ihrem Verhältnisse zur lateinischen und deutschen darstellen; 3) es
musz alle Sprachformen und Regeln kurz und praecis, aber doch voll-
ständig und möglichst übersichtlich geben; 4) es musz Gelegenheit
bieten die Formen und Regeln so einzuüben, dasz die ThStigkeit des
Verstandes eben so wie bei der Erlernung der alten Sprachen in An-
spruch genommen und dabei namentlich durch Binpragnng vialer Wor-
270 Personalnachrichten.
ter und Redensarten, sowie darch mündliches und schriftliches über-
«etxen eine möglichst grosze Gewandtheit im Gebrauche der Sprache
ersielt wird.' Dasz nun derselbe eben so weit von einer ausf&hrlichen
sprachvergleichenden Deduction der französischen Sprache aus ihren
Elementen durch die Terschiedenen Entwicklungsstufen, wie Ton einem
einzwängen derselben in einen ihrem Genius nicht entsprechenden Sche-
matismus entfernt ist, beweist die folgende Auseinandersetzung, welche
im Umrisz die Anwendnng der Grundsätze auf die einzelnen Lehren
zeigt. Ref. hat mit Toller Befriedigung z. B. die Behandlung des Thei-
lungsartikels und der äbrigen Casus (8. 13 f.), die Bemerkungen über
das particip pr^ent und gerondif (S. 15 f.), sowie über den Infinitiv
(S. 17) gelesen und glaubt vollen Grund zur Aussprache der Erwartung
zu haben, dasz, wenn der Hr Verf. mit der an ihm gewohnten Klar-
heit, Besonnenheit und Gründlichkeit seinen Plan ausfuhrt, maff dann
auch im einzelnen manches einem Streite der Ansichten unterliegen,
ein wesentlicher Dienst dem Gymnasialunterrichte geleistet werde.
D.
P er sonaln achrichten.
Ernennungen, Anstellungen, Versetzungen.
Anger, Dr., ao. Prof. in der theol. Facultät der Univ. in Leipzig,
zum ord. Prof. ebendas. ernannt.
Blattner, Jos., Lehramtsc, zum Studicnlehrer an der 2n Klasse der
lateinischen Schule zu Münncrstadt ernannt.
Brückner, Dr., Prof. der Theologie und 2r Universitätsprediger lu
Leipzig, zum In Universitätsprediger das. ernannt.
Cicigoi, Jac, Supplent am kk. Gymn. zu Gratz, zum wirkl. Lehrer
ebenda befördert.
Curtius, Dr. Ernst, ao. Prof. an der Universität zu Berlin, an C
Fr. Hennanns Steile als ord. Prof. an die Univers, zu Göttingen
berufen.
Favaretti, Dominik, Priester, Suppl. am kk. Lycealgymn. zu Padua,
zum wirkl. Lehrer für die venetianischen Staatsgymnasien ernannt.
Ficbig, Jul., Suppl. am kk. Gymn. zu Troppau, zum wirkl. Lehrer
das. befördert.
Floto, Dr. Uartw., aus Preuszen, zuletzt zu Stuttgart, als ord.
Prof. der Geschichte an die Univ. zu Basel berufen.
Folprecht, Franz, Suppl. am Gymnasium zu Warasdin, zum wirkl.
Lehrer das. befördert.
Gamba, Alois, Priester, Suppl. am kk. Lycealgymn. su Padua, inn
wirkl. Lehrer für die venetianischen Staatsgymnasien ernannt.
George, Prof. Dr. Leop., Privatdocent an der Univ. zu Berlin, znm
ao. Prof. in der philos. Fac. das. ernannt.
Habenicht, Schulamtscand., Adjunct am k. Schullehrerseminar ' n
Grimma, als Lehrer an das Gymn; zu Zittau versetzt.
Hasse, Geh. Hofr. und Prof. zu Heidelberg, an Fuchs* Stelle als ord.
Prof. der Anatomie nach Gottincen berufen.
Hirsch, Dr. Ed., Hilfslehrer am Friedrichs-Gymn. zu Breslau, als
ord. Lehrer an ders. Anstalt angestellt.
Hof mann, Jos., provisor. Director, zum wirkl. Dir. des kk. Gymn.
zu Eger ernannt.
Inder mauer, Dr. Karl von, Staatsanwaltsubstitnt, zum Ministe-
rialconcipistcn im Ministerium für Cultus und Unterricht in Wien
ernannt.
Personalnaebrichten. $71
Kink, Rad., Minigterialsekretär im Ministeriain for Caltns n. Unter-
richt za Wien, zum Statthaltereirathe in Triebt mit der Bestimmung
für Referat in Cultus- und Unterrichtssacben ernannt.
KÖpke, Prof. Dr. Rad., Privatdoc. an der Univ. zu Bwlin, zam ao.
Prof. in der philos. Fac. ebenda«, befördert.
Korinek, Franz, Suppl. am Gymn. za Warasdin, zam wirkl. Lehrer
an ders. Anstalt befördert.
Kosina, Job., SuppL, zam wirkl. Lehrer am Koniggrätzer Gymn.
ernannt.
Lcpar, Franz, Suppl., zum wirk!. Lehrer am kk. Gymn. za Jicin
befördert.
Luthardt, Dr., ao. Prof. der Theologie an der Univ. za Marburg,
als ord. Prof. der Theologie an die Univ. zu Leipzig berufen.
Mazzi, Franz, proris. Lehrer am kk. Staatsgymn. S. Procolo in
Venedig, zum wirkl. Lehrer ebenda ernannt.
Meier, Dr. Ernst, ao. Prof. in der philos. Fac. der Univ. Tubingen,
zum ord. Prof. das. ernannt.
Müller, Dr. Wilh., ao. Prof., zum ord. Prof. in der philos. Fac. der
Univ. zu Göttingen ernannt.
Muller, Dr., Lehrer am Jobanneum zu Lüneburg, als Lehrer [an das
k. Lyceum in Hannover berufen. *
Nasse, Dr. Erw., Privatdoc. in Bonn, als Prof. der Staatsökonomie
und Statistik an die Univ. zu Basel berufen.
Olczewski, Stanisl., Nebenlehrer am kk. Gymn. za Rzeszow, zum
wirkl. Lehrer befördert.
Roth, Dr. Rud., ao. Prof. in der philos. Fac. der Univ. Tübingen,
zum ord. Prof. und Oberbibliothekar ebendas. ernannt.
Rümelin, Dr., Oberstudienrath zu Stuttgart, zum wirkl. Staatsrath
und Chef des Departements der Kirchen- and Schalsachen ernannt.
Rümelin, Praeceptoratsverweser , erhielt die erledigte Praeceptor-
stelle in Tuttlingen.
Stange, Fried r. Gust. , Hilfslehrer, am k. Gymn. zu Lissa, als
ord. Lehrer an ders. Anstalt angestellt.
Tesar, Jos., Suppl., zum wirkl. Lehrer am Gymn. zu KÖniggratz
ernannt.
Ulmann, Dr. C. , früher Rector and Prof. theol. zu Dorpat, zam Bi-
schof und Vicepraesidenten des evang. Consistoriums in St. Peters-
burg ernannt.
Valjavec, Matth., Suppl., zam wirkl. Lehrer am Gymn. zn Waras-
din befördert.
Weber, Dr. Alb., Privatdoc. an der Univ. zn Berlin, zum ao. Prof.
in der philos. Fac. ebendas. ernannt.
Witte, Dr. A. Ferd., College an der Realschule in den Franckeschen
Stiftungen zu Halle, als ord. Lehrer am Gymnasium zu Merseburg
bestätigt.
Wybiral, K., provisor. Dir. am kk. Gymn. zn Olmütz, zum wirkl.
Director ders. Anstalt ernannt.
Zech, Dr., ao. Prof., zum ord. Prof. in der philoi. Fac. der Univers.
Tübingen ernannt.
Zeschwitz, von, Lic. theoh and Dr. phil., Pfarrsubstitat zaGrosz-
schocher-, zam 2a Universitatsprediger in Leipzig ernannt
Praediciernngen and Ehrenbezeagangen:
Döhner, Dr. Theod.,. Oberlehrer an der k. Landesschale za Meiszen,
als Professor praediciert.
O'Donovan, John, in Dublin zum corresp. Mitgliede der phil.-hist.
Klasse der k. preusz. Akademie der Wissenschaften in Berlin erw.
Q-^ Personalnachrichten.
n-ringer, Dr. L. G. A., ord. Lehrer am Gymn. zn Tilsit, | aU Ober-
Fo»«» Dr. Herrn, Aiex., ord. Lehrer am Friedr.-Wilh.-> lehrer
Gymn. zu Berlin, ) praedic.
Milhergy Dr., Oberlehrer an der k. Landesachule zu Meiszen, als
Professor praediciert.
.,.,, w . D , . n s- ] *u corr. Mitgliedern der bist.-
Zeu«8, Dr. Ka»p., Prof. .nBamberg.| Akademie d. W. inBerifn erw.
Pensioniert:
Arnold, Valent., Prof. am Gymn. zu Miinnerstadt.
Gestorben:
Am 10. Jan. zu Prag P. Wenzel, Religionslehrer am k. k. Gymn. der
Kleinseite.
Am 21. Jan. zu Freiburg im Breisgau der Geh. Rath, Domcapitniar
und Professor Dr. Franz Ant. Staudenmeier, Verf. dei Bu-
ches: ^ Geist des Christenthums \
Am 27. Jan. zu Lübeck der Prof. am das. Catharineum Kari Mosche,
geb. am 28. Jul. 1796 zu Frankfurt a. M.
Am 11. Febr. zu Stuttgart Ernst Friedrich Kauffmann, Prof.
am das. k. Gymn., 53 Jahre alt.
Am 13. Febr. zu Gachnang in der Schweiz der das. Pfarrer Dr. Rad.
Hanhart, geb. 1780 zu Diesscnhofen, von 1817—1831 Rector des
Gymn. in Basel.
Am 17. Febr. zu Paris der bekannte Heinrich Heine.
Am 4. März zu Lüneburg unser lieber Freund, der Lehrer am dortigen
Johanneum, Dr. Theod. Hansing.
Am 19. März in Gottingen Hofr. und Prof. der Botanik Dr. Ge. Frdr.
Wilh. Meyer, bekannt auszer durch andere Schriften, besonders
durch seine Flora Hannoverana.
Am zweiten Ostertage Montag den 24. März 1856 Morgens nach 4 Uhr
zu Hanau der ordentl. Lehrer am Gymnasium daselbst Dr. Theo-
dor Gies, Sohn des verstorb. Lehrers der französischen SpraclM
an der Realschule zu Hanau Dr. D. Gies, im Beginn seines 46n
Lebensjahres. Von einer Brustfellentzündung , an der er vor drei
Jahren erkrankt war, hatte er sich zwar im Sommer 1853 wieder
sichtlich erholt, s|)äterhin aber traten die Folgen dieser Krankheit
in immer bedenklicherer Weise hervor, bis zuletzt eine Luneen-
lähmuug seinem Leben nach längerem Leiden ein Ende macht«.
So ist er seinem von ihm hochverehrten Lehrer K. P. Hermami
car bald nachgefolgt. Das Gymnasium aber verliert an ihm eiaaii
Mann, der seinem Berufe von ganzer Seele ergeben, während dar
siebenzehnjährigen Führung des ihm anvertrauten Gymnasiallehr-
amts an den verschiedenen Gymnasien zn Fulda, Kassel nnd Ha-
nau sich durch Ernst der Gesinnung und strenge Grerechtifkdit
ohne Ansehn der Person, wie durch die gröste GewissenhafUfkaH
und Diensttreue auszeichnete.
Am 29. März lu Breslau der ausgexeichnete Altarthumsforschery Prof.*
Dr. Ambroschy geb. 1806 zu Berlin.
Am 4. April in Wien Dr. Karl Jos. Grysar, ord. Prof. der klassi-
schen Philologie nnd Mitdirector des philologischen Seminars im
55. Lebensjahre.
Am 6. April zu Dresden der Geh. Kirchen- nnd Schnlrath a. D. Dr.
theol. und phil. Gottlob Leberecht Schulze.
Zweite Abtheilimg
henuugegebeB tob Rtd«Iph DieUch.
18-
Joseph Jtuius Scäliger von Jacob Bernays^ mit einem Por-
trait ScaUgers^ ausgewählten Stücken aus seinen seltenen
Schriften und einigen bisher noch nicht gedruckten Briefen,
Berlin 1855 (Bessenche Bachhandlung).
Es ist noch ein wesentlicher Mangel der Alter thumswissenschaft
dasz wir noch keine Geschichte der Philologie besitzen, die uns aber
den Gang der Stadien des AUerthums und die Geschichte der Vertre-«
ter dieser Stadien zasammenhängenden Aafschlusz gäbe. Die Aufgabe
ist um so interessanter als von der Geschichte der Philologie ans sieh
namentlich auch Licht verbreiten würde auf den Gang der juristischen
und theologischen Studien. Nun ist freilich nicht zu leugnen, dasz man
über die Entwickelung der Alterthumsstudien in den verschiedensten
Werken der Geschichtsschreiber immer auch mit unterrichtet wird,
nichtsdestoweniger bleibt der Wunsch eine besondere, eingehendere
Geschichte dieser Studien zu besitzen. In der neueren Zeit vorzflglich
sind Biographien von Philologen erschienen, die zu einer solchen Ge-
schichte die kostbarsten Bausteine liefern würden. Wir nennen die
schöne Biographie Lach manns von dem Professor Herz, die aller-
dings noch mehr den Paedagogen interessirende Lebensdarstellung des
Director Jacob von Classen, die Charakteristik Gottfried Herr-
manns von Ameis, den Lebensabrisz von Joh. Caspar Orelli *).
Aus früherer Zeit machen wir diejenigen , die sich dafür interessieren
auf D. Johann Jacob Reiskens von ihm selbst aufgesetzte Le-
bensbeschreibung, Leipzig 1783, aufmerksam, die mit einer liebenswür-
digen Naivet&t geschrieben und namentlich über die holländische Phi-
lologie guten Aufscblusz gibt, da R. bekanntlich mehrere Jahre in
Leyden lebte und mit Valkenaer, Hemsterhuysz, Rhunken, Uavercamp,
Gronovins, Barmann, d^Orville n. A. verkehrte. Besonders wichtig
für die Kenntnis der philologischen Zustände im Zeitalter der Königin
Christine ist die sorgsame Biographie dieser Königin von Grauert
*) Hand« Leben von Queck. Die Red.
iV. JaM. f. im. w. Patd. B4. LXXIV. Bft. 6. 20
274 Bernays: Scaliger
2 B. Bonn 1837, 1842. Daniel Heinse, Nicolaas Heinse, Eze-
chielSpanheim, Hugo Grotius, Johann Fr. Gronov, Lucas
Holsten, Gerhard Johann Voss, IsaakVoss standen ja alle
in mehr oder weniger intimer Beziehung zu dieser für die Wissenschaft
so bedeutungsvollen Königin. Aber immer noch bleibt ein sehr fflbU
barer Mangel , dasz wir keine aus einem Gusse gearbeitete Biographic
von Fr. A. W o l f besitzen , der doch an die Spitze der Entwickelong
der neuern Philologie zu stellen ist, denn das Buch von seinem Schwie-
gersohno Körte gibt mehr Stoff zu einem Lebensabrisz wie wir ihn
wünschen, als dasz er selbst einer ist; natürlich würden auch die Er-
innerungen an F. A.Wolf von Hanhart hierzu gute Beiträge liefern. —
Zu der Abfassung einer solchen Geschichte der Philologie würden wir
nun keinen für geeigneter hallen als Herrn Bernays, der durch die
feine und geschmackvolle Art, mit der er das Bild des groszen Joseph
Scaliger entworfen, und durch die tiefe Gelehrsamkeit, die er in fast
allen Gebieten der Litteratur besitzt, am allerbesten seine Befähigoag
zu diesem schwierigen Werke documentiert hat. Herr B. ist aus der
Schule F. Kitschis in Bonn hervorgegangen; dem vortrefflichen Leh-
rer ist das Buch auch in all der Dankbarkeit, die dieser unermüdliche
geistvolle Forscher verdient, dargebracht. — Bernhardy sagt in
seiner röm. Litteraturgesch. Aufl. II. S. 108: ^ unter die merklichstea
drücken der neuern Gelehrlengeschichte gehört der Mangel an einer
vielseitigen und unbefangenen Charakteristik dieses eigenthümlichea
Geistes. Ein anschauliches Bild von Scaliger dem Menschen, dem Po-
lyhistor und dem Lehrer fehlt gänzlich und laszt sich bald um so we-
niger erwarten als nur eine kleine Zahl seiner Schriften gekannt tat,
geschweige dasz man die vielen ihn betreffenden Aeuszerungen der
Zeitgenossen aus zerstreuten znm theil selten gewordenen Bttchem su-
sammensuchcn oder seinen Nachlasz auf der Bibliothek zu Leyden in
ähnlicher Absicht prüfen sollte.^ Diese Lücke ist nun durch die aas-
gezeichnete Arbeit von Bernays glücklich ausgefüllt und wir sind
überzeugt dasz der berühmte Kenner der griech. u. lat. Litteratur and
ihrer Geschichte mit der Art der Charakteristik zufrieden sein wird.
Jn es verdiente auch dieser J. Scaliger diese Hingebung und dieaea
Fleisz. Durch umfassende Kenntnisse in allen Theilen der AUertbuMa-
wissensohaft, durch Scharfsinn und Combinationsgabe wird ihm selten
es jemand gleich thun. Er hat für die Ausgestaltung der philologischen
Wissenschaft den Grundstein gelegt. Es ist nicht ohne Interesse die
Urtheile groszer Philologen aber Joseph Scaliger zu vernehmen, da
aus ihnen hervorgeht, eines wie groszen Ansehns sich dieser Mann er-
freut hat. Huhnken, der wie aus D. Wyttenbacbi opnsc. yoI. Lp.
279 und andern Stellen hervorgeht, sogar Scaligers Leben beschreiben
wollte, sagt in seinem Elog. Hemsterhusii op. I. p. 269 : mow enim iam-
quam coefo mtssiis Josephus Scaliger cui Baiati prope omnem
rectum ingetiii cuUum $i grati es$€ velini accephtm referre debmU*
In der oratio inauguralis de doctore umbratico spricht er: esi haec
proprio et perennis huius academiae gloria illustrari magnis in omni
Bemays: Sealiger 275
doctrinarumgenere^virii^ in hoc autem humanittUii dücipUna sine
exemplo maximis. Liieratarum princeps^ Joseph. Sealiger ^ Baia-
vom gentem incorruplo teriiaiis et eleganiiae^ quae priscis Grae*
corum Latinorumque monimeniis continetur^ gustu imbuii^ huius Äca-
demiae fasii^ quot humaniorum liiterarum professores^ toiidem prope
heroas osienduni, Wytteubach selbst *pra«fat. ad Plat. Moralia' utt
theiit : unvs forte Josephus Scalig er ^ quem ex omnibus qui posi
renatas Utleras fuerunt omni antiquitatis scientia consummaiissimum
fuisse constat , non multum ab hac perfectione abfuii. N i e b a h r der
Damentlich in seinen Vorlesungen aber römische Geschichte und über
alte Geschichte in der liebenswürdigsten Weise die verschiedenen Phi-
lologen charakterisiert, sagt von ihm in der röm. Geschichte : ^Scaliger
stand aaf dem Gipfel universaler, lebendiger philologischer Gelehrsam-
keit, wie keiner nach ihm, und so hoch in Wissenschaft jeder Art, dass
er mit eignem Urtheil was ihm auch vorkommen mochte fassen, nutzen
und richten konnte. Was ist gegen ihn der buchgelehrte Salmasius?
Und warum nennt Frankreich nicht Scaliger gegen Leibnilz?' Ja aus
einer Anmerkung zu der Abhandlung: historischer Gewinn aus der ar-
menischen Uebersetzung der Chronik des Ensebius bist. phil. Schriften
S. 18^ geht hervor , wie sehr ihm die Angriffe die Sc. von Deutschen
erfuhr ans Herz gehen und wie das Urtheil über Sc. ganz anders sich
stellt, er sagt: *Sc. äuszert sich unmutvoll über feindselige Angriffe
deutscher Gelehrten, welche seinem chronographischen Werke Unvoll-
ständigkeit vorwarfen, weil sich dazu noch Zusätze sammeln lieszen.'
Diese Stelle die aus der Feder eines auszerordentlichen Mannes, der
im Alter in Grämlichkeit und Trübsinn versunken war, Wehmut erregt,
ist in eine Anmerkung der Mailänder Vorrede eingerückt. Es ist mir
nicht klar, welche deutsche Zeitgenossen sich gegen den groszen Sca-
liger vergiengen, ich bin aber fest aberzeugt, dasz die deutschen Phi-
lologen unserer Tage einem so hervorragenden ausländischen Mitbru-
der freudig huldigen würden und zwar wie die keiner andern Nation.
Wir können uns allerdings rühmen die Verdienste der Männer, die
sich um die Wissenschaft Verdienste erworben haben , im vollem Ma-
sze anzuerkennen, sie können einem Volke angehören welchem sie nur
immer wollen. — Das Buch des Herrn B. besteht aus einem einleiten-
den Ueberblick S..1 — 17, dazu Anmerkungen S. 18 — 27, Scaligers
Leben S. 31 — 104, Belege 107 — 237, zwei Pseudonyme Schriften Sca-
ligers S. 238—266 (Epistola Vincentii S. 239 —251, Yvo Villiomarus
S. 261 — 266) , Verzeichnis der Schriften Scaligers 269 — 316 (postume
Schriften, Briefe Scaligers an Daleoampins und Heraldus). Das Portrait
Scaligers ist nach dem im Senatssaale zu Leyden befindlichen Gemälde
copiert und das Facsimile der Unterschrift aus einem jetzt auf der kö-
niglichen Bibliothek zu Berlin befindliehen Exemplar der Appendix ad
Cydometrica (s. § 192) entnommen, welches Sc. dem Mathematiker
Snellius geschenkt hatte. In diesem Bildnis spricht sich das vornehme,
geniale Wesen des Mannes auf das prächtigste aus. Man erinnert fleh
bei dem Bilde anwillkarlich der Worte: ^£s gibt auszer Italien und
20*
276 ßernays: Scaliger
Griechenland für den Philologen keinen heiligern Ort als den Saal der
Universität zu Leyden, wo die Lehrer der Universität von Scaliger im
purpurneu FArstenmantel bis auf Ruhnkenius aufgestellt sind um das
Bild des groszen Wilhelm von Oranien, des Vaters der Universität, de-
ren Errichtung Leyden sich als die schönste Belohnung für übermensch-
liches dulden und ausharren erbat. Auch der General der republika-
nischen Stadt, der Herr vonNordwyk, war selbst ein groszer Philolog.
. In der That es musz ein herlicher Anblick sein!' In dem einleitenden
Ueberblick erörtert Hr. B. das Wesen der italienischen Philologie im
Verhältnis zu Jos. Scaliger und zeigt gerade hier eine Belesenheit und
Gelehrsamkeit wie sie an dem nur wünschenswerth sein musz, der uns
in so geschmackvoller Weise eine Geschichte der Philologie entwerfen
will. Es waren die Italiener vielfach blos an den äuszerlichen Dingen
hangen geblieben, zusammenhangende Bearbeitungen und allseitiges
durchdringen der Schriftsteller war nicht ihre Stärke gewesen; es galt
in der Behandlung der Texte, wie H. B. S.*7 sagt, die italienische Zo-
stutzungsmanier zu verdrängen und eine möglichst unverfälschte Ue-
berlieferung herzustellen. Schon vor Sc. hatten einen der italienischen
Manier entgegengesetzten Weg eingeschlagen: Adrianus Turnebus and
Dionysius Lambinus. .In Italien lag die Gefahr nahe, der die classischen
Studien ja immer ausgesetzt sind, dasz diese Studien, die freilich auch
der Aesthetik ein reiches Feld gewähren, eine ausscblieszliche
Richtung auf den aesthetischen Genusz nahmen. Und in dieser Beziehung
bemerkt H. B. mit vollem Recht S. 6: Es war hohe Zeit auch die Seite
der Erkenntnis hervorzuheben, damit die Wahrheit neben und ge-
genüber der Schönheit zu ihrem Rechte gelange und unter der erzie^
hendcn Arbeit einer analytischen Forschung der Charakter der For«
scher selbst sich stähle. Mit einem Worte: die Kritik muste als Werk-
zeug der Wahrheit gehandhabt werden. Dies hat in dem vollsten
Umfange J. Sc. gethan, er hat die kritische und reale Seite der Philo-
logie in einem Grade in sich vereinigt wie selten jemand. Lachmann
pflegte uns in seinen Vorlesungen über Catullus u. Tibullus zu sagen:
J. Scaligers Ausgaben gehören zu den schön stenArbeiten, die
Emendationen Sc^s sind gewöhnlich nicht geschmackvoll, zu gelehrt, es
wird etwas hineingetragen, was nicht für den Dichter paszt. Alles was
J. Sc. angegriffen hat, zeigt seine Meisterschaft in der Art der Behand-
lung ! Ja es ist ein Trost mit Scaliger geirrt zu haben ^). Es war na-
türlich dasz einer Persönlichkeit wie Sc. auf der einen Seite eine man
möchte sagen ausschweifende Bewundrung zu theil wurde and auf der
andern Seite ein maaszloser Hasz, es tritt uns eben, wie H. B. S. 3 be-
merkt, in Sc. nicht eine in ihrem friedlichen Aether schwebende Gelehr-
samkeit entgegen, sondern ein Mann, der lieben aber auch hassen kaiii.
Seine Bewunderer nennen ihn * einen Abgrund der Eradition, OoeM
der Wissenschaften, Wunderwerk der Natur' and erschöpfen fioli hl
Aus^drücken ihres Staunens, dem entgegen findet sich auch eine reidHI
*) A. Bockh. Manetho und die Hundstemperiode 8, 9*
^^
Beraays: Sealiger S77
Auswahl von Scbimpfereien, die ihm zu tbeil worden. Die Grösse Sc^'s
war DameDtlicb denen nnleidlicb , die es abel nahmen, dasz ein Galvi-
nist einen so grossen Ruhm einernten konnte ! Er seibat war nicht frei
von Confessionshasz und schente sich nicht die derbsten Ausdrücke zu
gebrauchen, so s. B. steht in den Scaligeranis ^Lutherani ils sont bar-
bares* ^ doch erkennt er andrer Verdienste gern und willig an, wie na*
mentlich der freundschaftliche Verkehr beweist, in dem er zu Isaak
Casaubonns steht: Tut erit^ sagt Sc, media hieme venire ^ quam lu-
culento foco expugnabimus , qui nunquam deficiai in cubicuio guod
tibi adornabo: quod tarnen nuUum praeter te ornamentum habebiL
Aus den Briefen des Casaubonns geht hervor wie hoch dieser liebens-
wQrdige gelehrte Mann Scaliger geschätzt, wie sehr er ihn bewundert
hat. In der Briefsammlnng des Cas. Braunschweig 1656 S. 9 beiszt es:
nihil enim quod in te sit obtcurum esse potest^ quem unum quotquoi
in orbe paene dixerim universo Movöamv sumus ^eqaitovrsg unice
observamus, unice colimus. Nam quod pauci reperti sunt^ qui
summis tuis obstreperent laudibus^ certum est non iu^
dicio eoSy sed morbo agi rapique. Ut qui oculis parum vo-
lenti solis radios ferre non sustinent: sie fulgore lafirCQOTatov xal
(pctsivoTOTOv nominis tui offendi eos mirum non est^ qui et otp^aXfiov
TCOVfiQov et animum aerugine tinctum habent, Ät tu, decus unicum
litterarum etc. Wie freut sich der bescheidene Mann als ihm die Thtt-
ren der Freundschaft des grossen Scaliger er&ffnet sind : gaudio, mihi
crede^ triumphabam . . . Nam quid aliud esse dicam^ cur tu me iis
oneres laudibus^ quarum partem vel minimam sim impudens si agno-
scam? 0 pectus cere aureum! o animum vere magnum^ vere divinum!
voluisti nimirum vir illustris animos facere dubitanti et specie lau-
. dationis hortari ad maiora. Und so strömen fast alle Briefe des Ca«
saubonus von Lob und Bewunderung Scaligers über.
Der äussere Lebonsgang dieses groszen Joseph Scaliger war kurz
folgender: Er war der Sohn dos Julius Caesar Scaliger, der 1484 za
Ripa , einem Schlosse im Veronesisohen , geboren und 1558 zu Agen in
Guyenne gestorben war. Der Vater des Julius So. war der Maler Be*
nedetlo Bordoni*), doch leiteten Jul. und Job. Scaliger ihre Abkunft
von dem Veronesischen FQrstenhause der Scaligeri her, und wie man
aus S. 107 ersehen kann, wohl nicht mit Unrecht. Jul. Sc. hatte sich
der militärischen Laufbahn bestimmt und wohnte 1612 der Schlacht
von Ravenna bei, in der Vater und Bruder getödtet wurden. Dadurch
in eine firmliche sage gebracht, wendet er sich in Bologna dem Stu-
dium der Philosophie und Theologie zu, doch bald ändert er seinen
Entschlnsz und wird von neuem Soldat unter König Franz 1. Im Quar-
tier zu Turin wurde er durch einen Arzt für das Studium der Medicin
gewonnen, und fängt an sich damit zu beschfiftigen , lernt zu diesem
Zwecke erst jetzt Griechisch , nimmt bewogen durch Kränklichkeit im
40. Jahre seinen Abschied, und wurde Leibarzt des Bischofs von Agen,
*) Creozer z. Gesch. der class. Philol. S. 45.
278 Bernays: Scaliger
Im Jahre 1529 beirathete er als 45jabriger ein IGjihriges Mädchen ana
gntem Haase, Andiette de Roqnes Lobieca, die ihm 15 Kinder gebar,
10 Töchter and 5 Söhne. In der Nacht vom 4. auf den 5. Ang. 1540
erblickte Joseph Jastus Scaliger das Licht der Welt. 1551 wnrde So.
mit seinen jungem Brüdern Leonard und Jean Constant auf eine lat.
Schule nach Bordeaux geschickt, wo damals Muret und BuchanaD,
beide mit Jal. Seal, innig befreundet (S. 32), als Lehrer am aquitani-
sehen Gymnasium wirkten. Nach 3 Jahren, als die Pest in Bordeaux
ausbrach, kehrte Scaliger zum Vater zurück, der bis zu seinem Tode
(1558) seinen Sohn in der Weise unterrichtete, dasz er ihn tfiglich ei-
nen kleinen lat. Aufsasz liefern liesz und Abends ihn, da er dichtangt-
lustig war, auf ein paar hundert sich belaufende lat. Verse in die Fe-
der dictierte. Diese letzte Uebung hatte die Belebung und Befestignng
des metrischen Sinnes, der ihn vor andern so auszeichnet, zur Folge
so wie die Uebungsaufsatze eine ungewöhnliche Ausbildung im lat.
Stile bewirkten. Besonders hatte der Vater (S. 33), der den Ruf eines
der ersten Naturforscher behauptete , wofür auch seine kritischen und
real-philologischen Commentare über Aristoteles liber de plantiu und
dessen historiae animalium^ so wie über Theophrastus de causis pUm-
tarum u. historia planlarum Zeugnis ablegen , auf die naturgeschichfc-
liehen Neigungen und Studien seines Sohnes eingewirkt. Diese Rich-
tung seiner Studien hat, wie Hr. B. sehr richtig bemerkt, den in sei-
nen Arbeiten stets hervortretenden Sinn für das reale, die völlige Un-
fähigkeit über etwas zu reden, ohne es sich wesenhaft vorzustellen,
den energischen Ton, der sich da einfindet, wo eine solche Kraft daa
wirkliche anzuschauen einmal vorhanden ist, erzeugt. Von frAher Ja-
gend war der Wahrheitssinn dadurch gestärkt worden, dasz der greise
Vater seine vor ihm gebrachten Kinder stets mit dem Zuruf empfing:
^ Nicht lügen !' *) Kurz nach dem Tode des Vaters gieng Seal, nach
Paris, um hier unter der Leitung des berühmten Adrianus Turne-
bus das, was er im Griech. versäumt hatte, nachzuholen. In dem'Hör-
saale des T. sah aber Sc. , der noch kaum die griech. Conjugationen
inne hatte, gar bald ein, dasz er hier nichts lernen könne, und fatzte
den Entschlusz sein eigner Lehrer zu werden, griff (S. 35) zu einem
Homer mit lat. Uebersetzung, den er in 3 Wochen durcharbeitete, au
der Beobachtung der Analogie sich selbst eine Grammatik znsamneii-
setzend, die einzige, die er nach seiner Aussage je benatzt hatte. Dar-
auf verschlang er in 4 Monaten was damals von griech. Diohtore
jeder Gattung veröffentlicht war, ohne die poötiscffe Leotfire doreli
Prosaiker zu unterbrechen, von dem richtigen Gefühle geleitet, dasi
der Unterschied der zwei Idiome im Griech. in grosz sei, am eine
gleichzeitige gründliche Aneignung beider zu gestatten. Zwei volle
Jahre verwendete er auf dieses eifrige selbsterlernen des Griechi-
schen; und eine grosze linguistische Anlage einmal vorausgesetzt, er-
*) Charakteristisch für Sc. ist die in seinem 54. Jahre gemachte
Sclbstscliildcrung, die 8. 115 u. 116 nutgetheilt wird.
Bernays: SdOiger 279
klärt die aDgewöbniicbe Methode auoh genngsam die raschen and sel<
tenen Erfolge , welche er erreichte. Sie äaszerte sieh sanächst in der
Leichtigkeit, mit welcher er die Dichtungen der einen klassischen Spra-
che in der andern nachbildet. In derselben Weise wie er das Griech.
erlernt hatte wollte er sich auch der orientalischen Sprachen bemäch-
tigen, er begann auf anrathen des berahmten Orientalisten Guilelmus
Postellas mit dem Hebraeischen. Doch hat er in den orientalischen
bei weitem nicht die Fertigkeit erlangt wie in den klass. Sprachen.
Sein Aufenthalt in Paris wurde noch nach einer andern Seite hin von
der grösten Wichtigkeit für ihn, er trat nämlich 1662 in seinem 22.
Jahre zur reformierten Kirche Ober and nahm Theil an den Freuden
und Leiden der französischen Reformierten (S. 37). Insbesondere lud
er nun den Uasz der Katholiken auf sich, man war so befangen, dasz
man in Sc. den Philologen von dem Calvinisten nicht trennen mochte.
Er selbst ergriff mit geflissentlichem Eifer jede Gelegenheit, um die
Berührungspunkte kirchlicher und philologisch historischer Forschung
aufzuzeigen ; ohne Scheu durchbricht er in seinen Schriften jene Schei-
dewand zwischen biblischem und klassischem, zu deren Errichtung sich
in Italien während des 16n Jahrhunderts die verschiedenen Parteien in
stillem Einverständnis, wenngleich aus entgegengesetzten Absiebten,
verbunden hatten. Bei Seal, greifen Theologie und Philologie aufs le-
bendigste ineinander. Je allgemeiner man (S. 38) bei dem jetzigen
Gange der philologischen und gesehichtliehen Studien Scaligers wis-
senschaftliche Grösze darin erkennen wird, dasz er zuerst eine uni-
versale and vergleichende Kunde des östlichen und westlichen Alter-
thums besessen hat und zu verbreiten suchte, um so deutlicher wird
es auch zu Tage treten , dasz er die Anregung zur Wahl eines so ho-
hen Zieles und den ausharrenden Mut zur Erreichung desselben vor-
nemlich geschöpft hat aus einer gleich sehr innigen wie freiheitlichen
religiösen Gesinnung. Gekräftigt wurde seine religiöse Richtung durch
Einblick in die Welt und ihre Gegensätze auf Reisen in Italien, die er
in Gesellschaft des französischen Edelmannes Louis Chastaigner de la
Rochepozai (nachmals Bischof von Poiliers) seit 1563 bis zu seiner
Berufung nach Leyden 1593 machte. Charakteristisch für jene Zeit ist,
was Hr. B. S. 130 mittheilt: ^ Unter den gebildeteren französischen
Groszen bestand damals die bei den englischen adeligen noch bis iu
das vorige Jahrhundert fortdauernde Sitte bedeutende Gelehrte zu
freier Haus- und Reisegenossenschaft an sich zu ziehen. Der Diplomat
Paul de Foix z. B. hatte sich zum Gesellsehafter einen Schüler des Cu-
jacins, den später so berühmten Cardinal d^Ossat, gewählt, der dem ho-
hen Herrn inter e^titlaiidtfm auf musterhafte Weise den Plato erklärte.
Seal, interpretirte seinem militärischen Gönner den Polybius. Intev
equüandum de loci» Polybianis ego et Lud, Castänaeus terba aliquan-
do fecimus^ quae ipse in hospiUo ad lihri sui annotabal marginem.
Um das Jahr 1565 begab sich Seal, mit dem altern de la Rochepozai,
der den Gesandtschaftsposten in Rom antrat, in die Hauptstadt der
christlichen Welt; Sc. hatte so die beste Gelegenheit die Stadt kennen
2go Beruays: Scaliger
zu lernen, da der von ihm verehrte Maretns immer den Führer des
franz. Gesandten in der ewigen Stadt abgab. Seitdem Maretas Mit-
glied des Jesnitenordens geworden war, vermeidet es Sc. ihn öffentlicli
zu loben , weil die Jesuiten mit dem Eintritte dieses modernen Cicero
in ihren Orden so sehr prunkten (S. 132). Unter andern machte Seal.
hier die Bekanntschaft mit dem berühmten nm die klassischen Stodieii
verdienten Augustinermönch Onuphrius Panvinius. Als wichtigste wia-
senschafllicbe Ausbeute brachte Sc. aus Italien eine grosse Zahl In-
schriften heim, den Kern der später so ansehnlich vermehrten and
endlich Grutern zur Veröffentlichung üborgebenen Sammlung. Ueber
Groszbritannien, wo ihn, wie er sagt, ^die Sitten der Insulaner mehr an-
zogen als die damals geringen litterürischen Erscheinungen' kehrte er
nach Frankreich zurück. Hier nahm er an den Religionskriegen (1667
— 68 und 1569 — 70) in den Reihen der Hugenotten thatigen Antheil *),
und verlor was er von dem väterlichen Erbtheil noch hatte. Von Le-
bens- und fast auch von Wissensüberdrusz ergriffen, gieng er 1570 nach
Valenco zu Jacobus Cujacius, dieser wie Sc. ihn nennt margarita •«-
risconsultorum. Hier wurde er von dem hochberühmten Juristen in
die Rechtswissenschaft eingeführt. Er schätzte Sc. bald so hoch, dasi
er sagte: dociissimus J, Sc, a quo pudel dissentire (S. 41). In Va-
lonce machte er auch die Bekanntschaft mit de Thou , dem spätem G&-
schichtschreiber und Pariamentspraesidentcn, der wegen der Freand-
Schaft mit Sc. (S. 145) von den Jesuiten viel zu leiden hatte. Nach der
durch die Pariser Biuthochzcit fehlgeschlagenen diplomatischen Sen-
dung, die er in Begleitung des Bischofs von Valence Jean Monluc in
Polen ausfahren sollte (S. 41) , begab sich Seal, von Straszburg nach
Genf, wo er nach langem sträuben eine Professur der Philosophie an-
nahm und über Aristotelis organon und Cicero de finibus Vorlesnngen
hielt (S. 43). Die Studenten urtheillen: SMonsieur Sc. rede nicht hin
und her, sondern interpretiere seinen Autor gut'; im ganzen sagt Hr.
B., scheint Sc. Gabe und Lust zum öffentlichen Vortrag immer gefehlt
zu haben. Die Früchte seiner Studien in Genf waren die leciiones Au-
sonianae^ auch die Arbeit über Festus wurde in der Schweiz abge-
schlossen. Nach einem ll^jährigen Aufenthalt in der Schweiz kehrte
er nach Frankreich zurück und lebte als unumschränkter Gebieter über
seine Zeit entweder auf den Schlössern seines Freundes de la Roche-
pozai oder auf Reisen meistens in dem südlichen Frankreich. Durch die
Ucberbleibsel des mütterlichen Nachlasses und die Freigebigkeit seiner
Freunde war er, der an Heirathsgedanken niemals ernstlich gedacht
zu haben scheint, vor jeglichem Mangel geschützt; eine Pension von
2000 Fr., die Heinrich 111. auf Anlasz der Widmung des Maniliua ihn
verwilligt hatte, war 1594, als Sc. schon in Leyden war, noch nicht
ausgezahlt (S. 45, 161). In einer so unabhängigen Lage, von keinen
♦) Sc. schreibt, wie Hr. B. S. 140 mittheilt, 1571 von Valence aus
an Pithoeus über die Calalecta (epp. 140): in mco cxitio aut in militia
quam diu fui putavi penitua intcrctdiffe iUa (Catalccta).
Bennys: Sealifdr 281
Bernfspllichteii in Ansprach genommen, war es dem begabten Manne
wahrend zweier Jahrzehnde verstauet einer rein wissenschaftlichen
Thätigkeit sich hinzugeben and so hat dieser Geist Werke ins Leben
gerafen, die von einer seltenen Frische and Lebendigkeit getragen ein-
zig in ihrer Art sind. Znnächst wandte er seine Thätigkeit dem Ca-
tuUus , Tibullas nnd Propertias zu. Durch die Commentare zu Varh>,
Ausonius, Festus und zn den Erotikern hatte Sc. gezeigt wie man auf
diplomatischer Grandlage weiterbauen sollte , hatte zugleich der His-
ceUenmanier gegenflber die Autoren in einheitlichem Zusammenhange
behandeln gelehrt, hatte endlich in den Catalecta durch Begründung
einer lat. Anthologie noch jener Brockenschriftstellerei den Weg ge-
wiesen wie sie der Wissenschaft nützlich werden könne , indem sie
versprengtes auflesend und Trümmer zusammenfügend die Lücken
ausfülle, welche die Barbarei des Mittelalters in die Litteraturgeschichte
gerissen (S. 46). Im Jahre 1579 erschien die le Ausg. des Manilius.
Diesen Schriftsteller benutzte er vorzugsweise zu einem Leitfaden der
alten Astronomie. Einige Jahre später (1583) gab er das berühmte
Werk de emendatione iemporum heraus, zu einer Zeit, wo bekanntlich
die Ordnung der Zeitrechnung eine brennende Frage war (S. 47 flg.
u. S. 167 Hg.) und wurde dadurch Entdecker und Bildner der Chrono*
logie. Von jetzt an verdunkelte er auch den Justus Lipsius, der
für die gröszte Zierde der berühmten Hochschule in Leyden gegolten
hatte. Justus Lipsius hatte sich zur Wiederherstellung seiner Gesund-
heit Urlaub zu einer Badereise nach Spaa ansgebeten; in Mainz hatte
er sich mit den Jesuiten, den Lehrern seiner Jugend, in Verbindung ge^
setzt und den Rücktritt in die katholische Kirche bewerkstelligt (S.
53). Mit diesem Schritte hatte J. L. seine Stelle in Holland aufgege-
ben und nun fing man an mit Sc. über die Nachfolge im Amte des L»
zn verhandeln (S. 53 — 59). Es wurde ihm in Leyden eine völlig un-
abhängige Stellung, die es ihm möglich machte ganz nach seinen Nei-
gungen zu leben, zugesichert und so schiffte er sich im Hochsommer
1593 zu Dieppe nach Holland ein. Er genosz die höchste Auszeich*
nung, der Prinz Moritz von Nassau behandelte ihn mit Auszeichnung,
gab ihm bei Tafel den Vorsitz vor fürstlichen Vettern und verlangte
dabei keine zeitraubenden und regelmäszigen Aufwartungen. Die
höchste Freude empfand Sc. im Umgange mit den vielen aufstrebenden
Jünglingen , die sich um ihn gesammelt : Janus Douza , Hugo Grotius,
Janas Rutgersius, Meursius Cunaeus, vor allen Daniel Heinsins. Sca-
ligers Wirksamkeit war indessen nicht blos in Holland bemerkbar,
sondern für Deutschland und England wurde er ein philologischer
Wegweiser (S. 62). Leitende Beihilfe gewihKe So. dem David Hoe-
schel in Augsburg, dem Laurentius Rhodomannns, Tanbmann (S. 183)
and andern. Mit der Pfalz, «dem Hauptsitze des deutschen Calvinismus,
stand Sc. besonders im lebhaften Verkehr, Lingelsheim, Priedr. Syl-
bnrg, Janus Grnterus waren hier seine Freunde; Anregung und Plan
zu der berühmten Inschriftensammlung Gruters giengen ja von Scali-
ger ans (S. 67 a. flg.). Ebenso stand er mit Kath und That den Ge-
282 Bernays: Scaliger
bradern Lindenbrog, Wouvern and ElmeDhorst lar Seite. Ueberhanpl
batten Julias und Joseph Scaliger immer eine besondere liebe sa
Deutschland, deshalb schmerzte es Sc. um so mehr, als er gerade yod
Deutschen die rohsten Angriffe erfahr (S. 72) ; denn der untergescho-
bene (Scaliger hypobolimaeus) war ja von dem deutschen Gaspar
Schoppe {Scioppius) verfaszt. Die Angriffe auf Sc. giengen vornem-
lieh von den Jesuiten aus. Sehr anziehend und lehrreich hat Hr. B.
{S.73 — 89) den Kampf Scs. gegen die societas näher betrachtel. Mit-
ten unter den Anfechtungen, die ihm so reichlich zu Theil wurden,
schritt er in der Ausführung seines Hauptwerkes Thesaurus Tempormm
fort; an seinem 65n Geburtstage am 5. Aug. 1604 beendigle er das Ma-
nuscript der Canones, des Schlusztheiles des ganzen Thesaurus, im
Sommer 1606 erschien endlich das grosze Werk {Thesaurus Tempo*
rum complectens Eusehii Pamphüi Chronicon et auciores omnes de-
relicia ab Eusebio continuantes Lugd. Bat, 1606). S. 90 — 100 betrach-
tet Hr. B. das Werk in dem stufenweisen Gange seines entstehens.
Kaum waren die errata der In Ausg. des Thesaurus Temporum aus
der Prosse hervorgegangen , so legte er schon Hand an eine neue Be*
arbeitung, doch er selbst hatte nie gehofft der Herausgabe der iwei-
ten Bearbeitung vorstehen zu können ; er fühlte vielmehr dasz sein Le-
bensende nahe sei. Gegen Ausgang des Jahres 1607 entwarf er im
Gefühl seines nahen Todes ein Testament: sein mütterliches Erbgul
erhielt seine Schwester, seinen iitterarischen Nachlasz überwies er
seinen Freunden zur Herausgabe, alle unvollendeten Aufsatze und Pa-
piere sollten in der Leydner Bibliothek aufbewahrt und nichts veröf-
fentlicht werden. Gegen Ende des Jahres 1608 hatte sich eine Hydrop*
sie entwickelt und am 21. Jan. 1609 früh 4 Uhr starb der grosze Mann
in den Armen seines Lieblingsschülers Daniel Heinsius.
Wir wünschen nun am Schlüsse unserer Anzeige nichts lebhafter
als dasz Herr Bernays uns recht bald mit einer Geschichte der klas-
sischen Philologie beschenke. Gelehrsamkeit, Scharfsinn, geschmack-
volle Darstellung vereinigen sich bei ihm in einem so hohen Grade,
dasz man mit Spannung seinen fernem Arbeiten entgegensehn muai.
Hat er doch seit dem erscheinen dieser vortrefflichen Biographie die
philol. Litteratur schon wieder durch eine feine Abhandlung über das
Phocylideische Gedicht (Berlin Hertz 1856) bereichert. —
• Für die Geschichte der Philologie hat auch der berühmte kritische
Theologe David Strauiz durch die Darstellung des Lebens seiies
Landsmannes des Nicodemns Frischlinas einen schönen Beitrag
gegeben. Das unruhige vielbewegte Leben und die etwas wüste, hal-
tungslose Art dieses Würtembergers bilden, wie schon der Blick laf
die Bildnisse beider überzeugen kann , in gewisser Weise den stricte-
sten Gegensatz zu dem feinen, aristokratischen würdevollen Wesen
Joseph Scaligers. Ebenso flnden sich in der theologischen Zeitschrift
von Thomasius gerade jetzt Abhandlungen über die Humanisten and
das Evangelium. Auch das Buch von Friedr. Creuzer : Zur Geschichte
der klassischen Philologie Frankfurt a. M. 1864 hat seine Verdienste.
Nasck: Pluiedri Augusti liberii fabalarHi Aesopiaram libri V. 88S
Nusterhafl sind mir inmer Fr. Faasows Biograpbieft von Hier. Wolf
and H. Stephanas (in den gesammelten Schriften) eraehieBen.
Weimar Febr. Dr. O. Loihholi.
19.
Phaedri Augusli liberti fabularum Aesopiarum Ubri V. Acce-
dü fabularum nocarum cUque restüutarum delecius. ErkL
V. D. C. W. Nauck. Berlin, L. Steinthal. 1855. XII n. 132
S. 8.
Nauck beginnt sein Vorwort mit der Bemerkung: ^Dor Phaedros
hat mir noch nie versagt: weder in Qnarta, wo ich denselben eine
Reihe von Jahren mit dem erwünschtesten Erfolge benutzt habe , noch
in Secunda und Prima , wo ich ihn regelmässig zur PrivatlectQre em-
pfehle, nicht selten auch zu Aufgaben für freie Ausarbeitungen ver-
wende.' Obgleich ich mich nicht zu den Bewunderern und Anpreisern
des Phaedrus rechnen kann und mag, da ich in demselben bei einzel-
nen gut durchgeführten recht schönen Fabeln im allgemeinen nur die
von ihm selbst beanspruchte brerüas^ nicht das ingenium finde, so
habe ich durchaus keinen Grund Nauck^s Aeuszerung zu bezweifeln.
Wie nemlich ein tüchtiger Musiker auch auf einem dürftigen Instru^
mente die Hörer zur Bewunderung hinreiszt: so erreicht auch ein Leh-
rer mit den unzureichendsten Hfllfsmitteln nicht selten glanzende Re-
sultate. Wer hier den Grund des Erfolges in den Mitteln und nicht in
den die Mittel anwendenden Personen suchen wollte, wäre im Irthum.
In einen solchen ist Nauck verfallen, wenn er dem Phaedrus nachrühmt,
was sein Ruhm ist. Es gibt nemlich keinen noch so unbedeutenden
Schriftsteller, dem der gewandte Lehrer nicht irgend eine Seite des
Interesses auch für seine Schüler abzugewinnen vermdchte ; trotzdem
aber ist es nicht zu verantworten , dasz man Secundanern und Prima-
nern zur Privatlectüre das minder gute aniräth, wo weit besseres za
Gebote steht. Was wir den Gymnasiasten bei ihrem Abgange zur Uni-
versität von dem klass. Alterthum überliefert haben , ist der Regel
nach nicht so viel, dasz wir uns erlauben dürften ihnen das unvoU-
koBunene statt des vollendeten zu bieten. Wären die Fabeln des Phae-
drus das Erzeugnis eines neueren, es fiele wahrlich keinem Gymnasial-
lehrer ein , sie den Schülern der oberen Classen zur Privatlectüre zu
empfehlen. Selbst dasz man ihn in Quarta liest — einige nicht an
zahbreiche Fabeln, die von Lessing , Jacobs n. a. m., auch von Raschig
angemerkt sind , abgerechnet — halte ich mehr für einen Nothbehelf
in Ermangelung von besserem. Wer in Quarta nicht eine Chrestomathie
einzelner Dichterstellen , sondern einen Dichter zur ersten poetischen
Leetüre anwenden will , hat kaum eine andre Wahl. Wenn non Nauck
284 Nanek: Phaedri Angusti liberti fabularom Aesopiaram libri V.
in seioem Vorwort fortfahrt: ^Daram habe ich gern die Ergebnisse
meiner Beschäfligung mit diesem Schriftsteller in der nachstehendea
Erklärung niedergelegt,' so fehlt es diesem ^ Darum' an richtiger Be-
gründung: denn selbst mit der Nauck^schen Ausgabe wird nicht jedem
glücken, was Nauck geglückt ist, ja wir hoffen sogar gegen N^s Er-
wartung, dasz Lehrer von Secunda und Prima zu Nischen Versuchen
die Hand nicht bieten, vielmehr mit mir überzeugt sein werden, dass
es für einen abgehenden Primaner nicht als ein Verlust zu beklagen ist,
wenn er selbst keine einzige der Fabeln des Phaedrus gelesen hat. Ja
gelingt es auch N., was wir ihm gerne glauben wollen, seine Secnn-
duner und Primaner durch die Beschäftigung mit Phaedrns in rege gei-
stige Thütigkeit zu versetzen und in derselben zu erhalten, so werden
dieselben, wenn sie einmal zu besserer Einsicht kommen, iwar die
darauf verwendete' Zeit nicht als eine verlorne beklagen, aber doch
bedauern, dasz Zeit und Kraft nicht auf besseres verwendet wurde.
— Fragt man nun aber, wie es Nauck gelungen sei, in seiner für
Schüler bestimmten^) Ausgabe zu gleicher Zeit den Bedürrnisaen
von Secundanern, Primanern und von Quartanern Rechnung zu tragen,
so wird jeder Pacdagog, auch wenn er die Ausgabe noch nicht gesehen
hat, lächeln und sagen , dasz man zwei Herren nicht zugleich dienen
könne, dasz man also auch so verschiedene Bedürfnisse nicht xu glei-
cher Zeit berücksichtigen könne. Diese Antwort ist mir an dieser
Stelle um so mehr ausreichend als ich es wie gesagt für eine paedago-
gische Ungereimtheit halte de» Phaedrus für höhere Klassen zu bestim-
men. Ich werde daher nur die Frage zu erörtern haben, in wiefern in
vorliegender Ausgabe die Bedürfnisse der Quartaner berücksichtigt sind.
Von Erklärungen und Bemerkungen, die für einen Quartaner zu schwer
und unverständlich wären, habe ich nicht leicht welche gefunden,
mau müsto denn dahin die allerdings für diese Altersstufe unzweck-
mäszigen Anführungen aus Homer, lluraz, Vergil, Quinlilian, Liviui,
Ovid, Vaier. Max u. a. m. rechnen wollen, die wohl von dem Verfasser
für Secundaner und Primaner bestimmt sind; allein Bemerkungen, die
für die Altersstufe der Quartaner zu leicht sind, finden sich so zu
sagen auf jeder Seite. Dahin rechne ich vor allem die der Erklärung
jeder Fabel vorausgeschickte Angabe entweder des Inhalts und Gedan-
kens oder des letzteren allein. Diese Angabo ist zwar überall recht
klar, bestimm tu ndpraecis (dadurch zeichnet sich überhaupt die
Nauck^sche Ausgabe vortheilhaft aus), allein die Prologo und Epiloge
ausgenommen, die, wenn sie überhaupt in Quarta gelesen werden sol-
len, etwa einer Inhaltsangabe bedürfen, kann ein gut vorbereiteter
Quartaner Inhalt und Gedanken der Fabel recht gut selbst finden.
Spricht er diesen dann auch nicht so klar, bestimmt und praecis aus
als es Nauck gothan, nun — so ist der Lehrer da ihn zu verbessern.
Was der Schüler durch eigenes nachdenken findet, was er durch Fra-
*) Kr sagt, er habe 'im Interesse der Schüler ungeeignetes
ausgemerzt.'
Nanek: PImedri Angusti .llberli fabnlaron^ Aesopiamm hbri V. 285
gen seines Lehrers nnterstatit Andet, ist mehr werth, als was ihm ia
abgerundetster Form so geboten wird , dass sein nachdenken nicht in
Ansprach genommen wird. In früherer Zeit würde man eine solche
Aasgabe in den Händen der Schüler nicht geduldet haben, weil sie ge-
rade da den Schüler des denkens überhebt, wo das denken und die
durch dasselbe bewirkte Geistesgymnastik so recht eigentlich an ihrer
Stelle ist; unsere neuere Zeit hat sich zu einem ganz anderen Urtheil
bequemt, — man macht es den Schülern leicht. Ich bleibe bei der
alten Schule und halte dafür, dasz es ein paedagogischer Blisgriff sei,
wenn man den Schüler, was er selbst herausbringen kann, auch in der
klarsten Sprache Torsagt. Aber nicht allein die Angabe des Inhalts
und Gedankenganges halte ich für methodisch vergriffen, sondern auch
sehr vieles, was die Noten sonst bieten. So ist, um Beispiels halber
nur einiges aus dem Prolog, zu lib. I anzuführen auch für einen Quar-
taner unnöthig anzumerken: *v. 1. auctor reperit^ als Urheber aufge-
funden hat.' ^v. 2. polMversibui durch Verse geglättet, zierlich in
Verse gebracht ; polire materiam laszt an einen faber denken.' * v. 3^
dos Mitgift: das Büchlein ist mit einem doppelten Vorzuge ausge-
stattet' u. a. m. War hier eine Bemerkung nöthig, so muste sie
methodisch in Form einer zum Nachdenken anregeuden Frage gegeben
werden. Allein Nauck hat nicht blosz die Absicht gehabt eine Schul-
ausgabe des Phaedrus zu liefern, sondern (so sagt er): *es war mir
gewissermaaszen eine Pflicht der Dankbarkeit, denselben gegen die
ebenso scharfsinnige als subjective Kritik von F. E. Raschig in Schutz
zu nehmen.' Wie eine solche ^Ehrenrettung' in eine Schalausgabe
gehöre, begreife ich nicht; ich halte auch dies für einen paedagogisch-
mothodischen Fehlgriff. Was soll ein Schüler, um nur einiges von
dem gegen Raschig gerichteten anzuführen, mit Bemerkungen anfangen
wie Lib. I fab. I v. 11 : ^ equidem ist weder ein betontes noch ein un-
betontes Ich und hat mit ego gar nichts gemein' oder mit Apostrophen
wie zu lib. I 10: ^So scheinen denn die Ausleger, welche meinen,
dasz sich der Affe als Richter seiner miszlichen Aufgabe entziehe
durch eine nichtsentscheidende Entscheidung, im Irthum za sein und
nur das zu beweisen, dasz sie von dem Scharfsinn *% den Phaed. hier
dem Richter beilegt, nichts haben. Auch an dem bescheidenen videris
dieses Richters würden die Richter oder Calumniatoren des Ph.
wohlthun sich ein Beispiel zu nehmen.' Eine ^Ehrenrettung' wie sie
Nauck durch diese and zahlreiche Ausfälle gegen Raschig zu liefern
bemüht gewesen ist, zieht die Polemik in den Kreis der Schule, wohin
sie gar nicht gehört. Warum schrieb N. nicht eine von seiner Aus-
gabe gesonderte * Ehrenretlang des Phaedrns,' wobei er dann zu glei-
cher Zeit auch hätte bekämpfen können, was Lessing, Jacobs n. andere
auszer Raschig gegen Phaedrus vorgebracht? Dann hatte er hinlängliche
**) Wie reimt «ich diese Bemerkung zu der von Nauck (doch
wohl nicht ironisch?) im Vorworte genannten scharfsinnigen Kri-
tik Raschig'a?
286 Naaak: Phtedri Aagysti Hberti fabalarum Aesopiaram libri V
Gelegenheit zu Exclamationen wie: * armer Phaedrus !' (S. 20) a. a. m.
Wohl kann in einer Schulaasgabe auch auf die Ansicht anderer Ana-
leger Rücksicht genommen werden , nicht aber in der Weise und dem
Tone wie es N. gethan. Es hat sich darin, was N. gethan, in mehr als
reichem Maasze gerächt, wie Raschig in seiner Ausgabe gegen Siebe-
lis aurgetreten ist; aber — ich hätte an N^s Stelle nicht das Werkieag
solcher Rache sein, nicht eine Schulausgabe zum Tummelplati der
Polemik machen mögen. Was nun aber die ^eben so scharfsinnige als
subjectivo Kritik von R.' betrifift, so ist nicht zu leugnen, dasi R. in
seinen Zweifeln und Bedenken an manchen Stellen zu weit geht, dasi
er nicht selten zu scharf und zu spitz ist, was dann, wie man sa sa-
gen pflegt, nicht schneidet und nicht sticht. Auch ist nicht za leug-
nen, dasz N. an vielen Stellen R. mit bestem Erfolg bekämpft hat;
aber hier und da ist seine Vertheidigung ebenso subjectiv als R^a Kri-
tik. Davon nur einige Beispiele. Zuerst das schlagendste! Za IV. 10
sagt N. *Man hat' (nemlich Raschig '^) ^dem Ph. aufgebflrdet, duz
seine Allegorie von den beiden Ranzen eine unabänderlicheNa-
turnoth wendigkeit zeige, während sie doch nur einen natürii-
chen Hang, eine in der menschlichen Natur begründete fehlerhafte
Neigung vor Augen stellt, welche sehr wohl bekämpft und besiegt
werden kann; denn man kann auch zurückschauen nach dem
wasaufdemRücken hangt {Moral. Sai. Respicere ignoio d%$ctt
pendeniia lergo!) . . . .' Das gesperrt gedruckte ist eine EhrenretliiBg
des Ph. so subjectiv als nur irgend ein Tadel R^s, denn Ph. sagt in
derselben Fabel v. 4: IJac re videre noslra mcUa non poitumus.
Es waren also die horazischen Worte dem Ph., nicht R. zuzurufen. —
So ist R's Bemerkung zu IV 12 (b. R. XVII), zu IV 19 (bei R. X)
wohl begründet für jeden, der nicht alle Fabeln des Ph. für gleich gut
hält. — R's wohlbegründete Bemerkung zu I 9. (b. R. XXVI) Passer
et lepus: ^consilium dare entspricht dem Inhalt der Fabel nicht, da
sich der Sperling zum Hasen nicht als consilialor^ sondern als obiur-
gator (4) und irrisor (9) verhalt' wird von N. abgefertigt mit den
Worten: ^Der Rath liegt in der auffordernden Frage Ubi-esl? = So
mache dich doch los und lauf davon ! Der Tadel , dasz das consilium
dare des Eingangs nicht dem Inhalte der Fabel entspreche, fällt also
(Nauck wird die Folgerung verstehen, ich nicht) auf den Tadler zu-
rück.' Auf diese Weise kann man jede Bemerkung eines Gegners in
Schanden machen. Aehnliches liesze sich noch von der Ehrenrettoog
N's an anderen Stellen bemerken. Wie weit dessen Eifer seiaen
Schützling zu verlheidigen geht, sieht man am klarsten aus seiner Be-
merkung zu IV 11 (wo er gegen R. nicht zu Felde ziehen konnte, weil
R. diese Fabel nicht aufgenommen hat). Aus dieser Fabel zieht Ph.
nicht weniger als drei nützliche Lehren und thut sich was zu gute
darauf, indem er sagt: Quot res conlineat hoc argumentum utUeSy
Non expHcabit alius quam qui repperit, Nauck bemerkt dazu: *Phae-
*) Auch Lessing vgl. Bd. V S. 417. Au5g. v. Lachmann.
Nanok: Pbaedri Augasti liberti fabdarm Aesopiamm tibri V 3B7
dros zeigt seineo BokarfsiDo, indem er aoa einer einfachen
Erzählung nicht weniger als drei nützliche Lehren zieht* Lessing be-
gleitet diese Fabel mit einer ganz anderen Bemerkung als mit einem
Lobe des Scharfsinns ihres Verfassers; er sagt: *£ine elende Fabel,
wenn niemand als ihr Erfinder es erklären kann, wie Tiel nfttzliche
Dinge sie enthalte! Wir hatten an einem genug! — Kaum sollte man
es glauben , dasz einer TOn den alten , einer Yon diesen groszen Mei-
stern in der Einfalt ihrer Plane , uns dieses Histörchen für eine Fabel
verkaufen können.' — Doch genug und übergenug von dieser, um es
nochmals zu wiederholen , in eine Schulausgabe nicht gehörenden po-
lemisierenden Ehrenrettung. Nauck konnte auch in seiner Ausgabe eine
solche niederlegen, aber sie mfiste sich für den Leser lediglich als das
Resultat seiner Erklärung ergeben. — Bei der Feststellung des Textes
folgt N. der Dressler^schen Ausgabe, doch so dasz er (und darin sagt
er nicht zu viel) eine * durchgreifende Verschiedenheit der Interpunk-
tion' bietet und an vielen Stellen mit gutem Glück die handschriftli-
chen Lesarten gegen fast eingebürgerte Correcturen in Schutz genom-
men hat. Dies isteinwesentlicherVorzug der Nischen Ausgabe,
ein anderer die durchgehende Klarheit und Bestimmtheit
seiner Bemerkungen. Und wenn ich auch aus den mit aller Of-
fenheit ausgesprochenen Bedenken die Nische Ausgabe einem Schüler
nicht empfehlen würde, so bietet sie doch dem Lehrer an zahlreichen
Stellen viel gutes und gibt manche nicht unbeachtet zu lassende
Winke. — Wenn N. zum Schlüsse seines Vorwortes sagt: *Für die
Erklärung hat mir das meiste unter den Aelteren Peter Burmann, unter
den Neueren F. E. Raschig*) gewährt; Hr. J. Siebeiis scheint grund-
sätzlich nur für Quartaner gearbeitet zu haben,' so weisz ich nicht, ob
N. damit einen Tadel gegen Siebeiis hat aussprechen wollen ; hat er
es, so hat er sehr Unrecht: denn Siebeiis ist nicht in den Fehler ver-
fallen, in welchen vor Nauck schon Raschig gerathen war. Raschig,
der die von ihm aufgenommenen Fabeln so zu ordnen bemüht gewesen
ist, dasz ein * fortschreiten vom leichteren zum sehwereren' damit
gegeben, also gewisz ein Schulbuch für die ersten Anfänger
geliefert sein sollte.
Im einzelnen werde ich mich auf wenige Bemerkungen zu den
5 Büchern des Ph. beschränken.
I 2 V. 22 : AUum rogantes regem misere ad loeem. Hier soll ro-
gante» von denen gesagt sein, ^welche bitten sollten', also statt roga-
turos stehen. Warum? sehe ich nicht ein. Die auch von Raschig an-
geführte Stelle ist unserer nicht parallel zu setzen. Rogare ist hier
für ^bitten lassen' gesetzt oder auch schlechtweg ^bitten'. Sie schick-
ten an den Jup. und erbaten sich einen andern K. , lieszen um e. a. K.
bitten. — ibid. v. 31 ist nicht einzusehen, warum maiue mit malum
*) Hatte dann N. nicht auch gegen R. * gewissermaszen eine Pflicht
der Dankbarkeit' und muste er nicht selbst da, wo er ihm im Irtham
befangen schien, glimpflicher mit ihm verÜBihren?!
288 Nauok: Phaedri Augasti liberti fabularom Aesopiaran libri V.
zu verbinden ^unslatthafl' sein sollte. Die von N. angegebene Paralle-
lität wird docb wol durch diese Verbindung nicht gestört? — I 4 v. 2
soll natans das sog. Part, de conatu sein , ^ sonst wäre nicht nur der
Conj. regelwidrig, sondern es hatte auch nothwendig der Hund das
Wasser um sich her so getrübt, dasz er darin anmöglich sein Bild
sehen konnte.'^) Aber wer darf das letztere bei Phaed. so genaa
nehmen ? an wie viel anderem müste man dann noch Anstand nehmen ?
(vgl. Lessing Bd. V 416). Und stand nach N^s Meinung der Hund am
Ufer, so war das Fleisch, das er fallen liesz, doch nicht für ihn Yer-
loren^^). — I 6 v. 4 ^das Geschrei der Frösche gilt theils der Ty-
rannei des Sonnengottes, theils dem eignen Unglück der Frösche;
in der ersten Beziehung heiszt es v. 5 das schimpfen, in der andern
V. 6 das Leidwesen'; allein das Geschrei gilt doch nur der Tyrannei
des Sonnengottes als der Ursache ihres Unglücks. — I 21 v. 8 (b. R.
XXXVI) sucht N. die handschr. Lesart flagiiare vcJidius cuhile coepü
gegen R^s Aeuderung ut illa coepü zu vertreten. Beide R. und N.
verfechten ihre Ansicht mit gleich entschiedenen Worten; R. in dem
Vorw. p. VI, N. in seiner Note. Ich kann mich mit N^s Erklärung nicht
einverstanden erklären, dasz zu flagüare validius cubile coepü der
eindringliche Hund das Subject bleibe. Die Stufenfolge ist ebenso
»ugenfällig, wenn das Subject wechselt, und diesen Wechsel des Sab-
jects hat U. durch seine Aenderung anzudeuten gesucht. Nach N's An-
sicht müste doch wol auch nach Ablauf der Frist von Seiten der Be-
sitzerin der Hütte eine Aufforderung zur Räumung derselben erfolgen.
Diese Aufforderung wäre dann vom Dichter mit Stillschweigen über-
gangen, was nicht zulässig erscheint. Oder ^besteht' die eindrin-
gende Hündin nach Ablauf der bewilligten Frist ^ganz nachdrück-
lich darauf zu bleiben (ßagitare validius) ' auch ohne alle Auf-
forderung znr Räumung der Hütte? Dann hat der Eindringling doch
noch ein anzuerkennendes Rechtsgefühl, dasz er wenigstens die anbe-
raumte Frist nicht verstreichen läszt! — In Bez. auf den Gedanken
hat R. und die übrigen Ausleger, wie ich glaube, vollkommen Recht;
ob aber R^s Correctur oder eine ähnliche aufzunehmen, oder was Sie-
bülis und anderer Meinung ist Pliaed. sich hier einen so harten Wech-
sel des Subjcctes erlaubt hat, ist eine andere Frage. — 11 4 v. 1 be-
hauptet N. in snblimi quercu könne nicht (wie Sieb. , Ruschig u. a. ■.
sagen) für in summa quercu ^auf dem Gipfel einer Eiche' stehen.
Dasz im allgemeinen suhlimis nicht so gebraucht werde, weiss jeder,
dasz ober hier durch das in media v. 2 und ad imam v. 3 auch fAr
das lateinische Ohr eine dem summus ähnliche Auffassung entstand,
halte ich für nicht zweifelhaft. Nur ist es dem summus nicht gani
*) Nauck nimmt es hier mit der Natur des Wassers sehr genau;
wo R. daMsollx» in Hezichung auf die Natur der Thicre thut — fehlt
CS nicht an scharfer Bemerkung, vgl. z. B. N. zu lib. II 33 u. a. m.
**) Freilich bleibt nach der gewöhnlichen und einzig richtigen
Auffassung der Fabel das 'dum mit dem Conj. regelwidrig'; aber wers
nicht dem Ph. zu gute halten will, möge sich zu dem cum bekehren.
Nauck : Phaedri Augusli Liberii Fabalaram Aesopiarnm Ubri V. 289
gleich, sondern bezeichnet 'hoch oben anf einer Eiche.' — 11 6 Cae-
tar ad Atriensem 'gehört zu den plattesten Einfällen, die Pb. einer
poetischen Bearbeitung gewürdigt hat' (Jacobs); nach N. liegt die
Pointe 'in dem überraschenden Doppelsinn des letzten Verses', indem
das 'Du hast noch lange keine Manischelle verdient' auch den Sinn
hatte ' So wolfeil ist bei mir die Freiheit nicht zu haben.' Richtig,
nnr dasz der Doppelsinn nichts überraschendes hat. Ys 10. Prospectat
Siculum et respicit Tuscum mare, soll nach N. prospectat 'die haupt-
sächlichste', respicit 'die mit dieser zugleich nach der anderen Seite
hin gegebene Aussicht ' nennen. Warum das prospectat ' die haupt-
sächlichste Aussicht' nennt, hätte N. erklären sollen. Die Sache kann
nicht einfacher sein 'Vorwärts hat man den Blick auf das sicil., rück-
wärts auf das tuscische Meer ', was auszer anderen Sieb, ganz richtig
erklärt. Wenn nun aber N. hinzufügt ' Hiernach scheint es dasz das
Landhaus dem Meere keine geebnete (?) Fronte zukehrte. Vielleicht
war dieselbe gerundet und nach Art eines Erkers hervorgebant', so
ist dies eine ganz nnnöthige Fiction. Noch jetzt besteigt man in dor-
tiger Gegend um die reizende Aussicht zu genieszen das flache Dach
eines oder des andern Hauses und erfreut sich an dem Blicke« ' vor-
wärts' und 'rückwärts' aber wahrlich nicht 'zugleich.' — 11 7 v. 17
wäre das impar duabus 'den beiden, wenig verschieden von tttris-
que allen beiden' besser dem amhabus beiden zusammen vergli-
chen worden. — II Epilog, v. 15 wird das doctus lahor erklärt:
etwa 'meiner Muse'; aber nicht angegeben, inwiefern das doctus die-
sen Bg. enthalte, was selbst für einen Secundaner und Primaner noch
hinzugefügt, oder wenigstens durch eine Frage angedeutet werden
konnte. — 111 i anus ad amph, soll (wie auch bei Sieb.) eine durch
das Selbstgefühl des Dichters dictierte Fabel sein, wovon ich mich
nicht zu überzeugen vermag. — III 2 v. 5 soll periturae zu misere
gehören, während es besser mit Sieb. n. a. zu miseriti gezogen wird.
Selbst die von N. gesetzte Parenthese spricht gegen die von ihm an-
genommene Beziehung. — III 7 v. 1 soll proloqui heiszen 'kund thun,
nicht unausgesprochen lassen'; ich kann es nur nehmen für: als Vor-
wort, als Einleitung sagen. Vs 16 detritum collum 'abgescheuert'
warum nicht ' abgerieben '7 — Dasz III 13 v. 13 das handschr. sustu-
lit sententiam durch sublata voce protulit könne umschrieben werden,
bleibt mir mehr als zweifelhaft. — III 18 v. 12 laeva cornici omina
ist weder erklart wie das laeva zu der Bed. gunstig kömmt, noch
beantwortet, warum der Krähe hier nur günstige Zeichen sngeachrie-
ben werden, da ihre Zeichen doch auch ungünstig sein könnoD. r
ist letzteres, um es hier nochmals zu wiederholen, oieht klar. —
IV 1 V. 4 circum quaettut-ducere heiszen könne ' h 1
umher ' bleibt mir sehr zweifelhaft. — - IV 9 v. 4 alüore e
margine ist nicht 'von dem ziemlich hohen' sondern von di
zu hohen Rand gesagt. — IV 17 v. 3. Vexata saevis
tibus soll ein für sich abgeschlossener Satz sein und vem
est stehen, was schwer zu glauben, da man dann testik^
N.Jakrb,f.PULu,Poed.BtLLXXiy.Bft5, 81
290 Fort and Schlömilch: Lehrbach der analytischen Geometrie.
len hätte gegenüber dem unterbrechenden subito muiatur dies. Frei-
lich schieben die Ausleger v. 5 ein ut ein, was ich far keine ^Veran-
staltung' ansehen kann. Mit N^s Ansicht wäre eher verträglich, wenn
wir V. 3 halten vexaiur. — Wie IV 21 v. 7 u. 8 sive hoc inepium^
sice laudandum opvs ; invenit ille^ nostra perfecit manus
passe zu IV Po6la ad Pari. v. 12 ego plures fero . . . rebus novis and
zu II Prolog. V. 9 sed si libuerit aliquid interponere^ hätte N. angeben
oder doch nicht verschweigen sollen, wenn sich die verschiedenen
Aeuszerungen R'^s nicht vereinigen lassen. Bezieht doch N. selbst das
inierponere^ wie nicht anders zu erwarten, auf ganze Erzählungen,
vgl. z. B. zu II 6. — IV 22 V. 10 ^dissolvere leck machen' zu schwach,
es ist: * scheitern' oder wie Sieb, ^zerbersten lassen'. — Diese Aus-
stellungen mögen genügen. Im allgemeinen sind, um dies nochmals
zu wiederholen, die Erklärungen treffend und klar.
Fraukfurl a. M. Anton Eberz.
20.
Lehrbuch der analytischen Geometrie bearbeitet ron O.Fort und
0, Schlömilch, Professoren an der polytechnischen Schule
zu Dresden, Erster Theil. Analyt. Geom. der Ebene ron 0.
Fort. F///W.237S. Zweiter Theil. Analyt. Geom. des Rau-
mes von 0. Schlömilch. VIII u. 258 S. Leipzig, Verlag
von B. G. Teubner. 1855.
Dieses Lehrbuch soll zunächst eine Grundlage tu den Vorträgen
bilden, welche die Verfasser an der dresdner polytechnischen Schule
halten. Sowie sie sich dort in den UnterrichtsstofT gctheilt haben, so
hat auch jeder bei der Herausgabe des vorliegenden Werkes sein ihm
zugewiesenes Gebiet bearbeitet. Eine solche Theilung der Arbeit ist
einigermaszen bedenklich und wäre dies besonders dann , wenn vor
allem möglichste Originalität und Neuheit des SlolTcs erzielt würde,
wobei wir unter StofT nicht blosz die entwickelten Theoreme, sondern
auch zum Thcit die Form ihrer Darstellung verstehen. Das Gebiet der
analytischen Geometrie ist ungemein grosz nnd wer hier ernstlich nacli
neuen Wegen sucht, kann viele einschlagen und noch dazu ohne grosie
Gefahr sich zu verirren, da ihn der Calcül als treuer Führer begleitet.
Solche EntdeckungszOge, welche in ein Schulbuch schlecht gepasst
hätten, haben aber beide Herren ProfT. nicht beabsichtigt; sie sind in
Gegenthcil fast immer auf der alten bekannten Strasze geblieben; da-
bei ist es ihnen aber gelangen, die wichtigern Partien der analytischen
Geometrie nicht allein in brauchbarer und fertiger Darstellung fflr
Anfanger und geübtere zu bearbeiten, sondern dieselben auch bis in
kleinere Details so abzurunden, dasz man als anbefangener Beurtheiler
dem Werke die verschiedenen Verfasser weniger anmerkt, als etwa
Fort and Scblömilch : Lehrbuch der analytischen Geometrie. 291
Euklids Elementen. Beide Bände sind natflHich in der fiuszern Aus-
stattung vollkommen congruent ; diese selbst ist aber so elegant, dass
sie den geschmackvollsten pariser Drucken nicht nachsteht.
In Bezug auf die Auswahl des Stoffes bemerkt Prof. F., dass er,
um wenigstens innerhalb bestimmter Grenzen eine gewisse Vollstin-
digkeit zu erzielen, aus dem reichen Materiale besonders solche Sitze
ausgewählt habe, welche sich zu Constructionen umprägen lassen. So
ist es ihm möglich geworden, einzelnes , z. B. die Theorie der Krüm-
mungskreise aufzunehmen, was in andern Lehrbüchern von gleichem
elementarem Standpunkte gewöhnlich ausgeschlossen bleibt. Die mehr
praktische Richtung seiner nähern Schüler war ihm bei dieser Aus-
wahl maszgebend. In Beziehung auf die Darstellung ist sein streben
besonders auf Vereinfachung des Calcflis mittelst geometrischer Deu-
tung der Gleichungen, auf Hervorhebung der Beziehungen des analy-
tischen und geometrischen Elements und zugleich auf eine möglichst
natürliche Verknüpfung der einzelnen Untersuchungen gerich-
tet. Den letztern Vorzug haben wir übrigens an Prof. Schlömilchs
Arbeiten schon früher nachgewiesen. Dasz die Discussion der allge-
meinen Gleichung des 2ten Grades von F. (wie u. a. auch von Fran-
coeur) erst nach der Betrachtung der einzelnen Kegelschnitte gegeben
wird, mag vom streng systematischen Standpunkte aus zu tadeln sein,
findet aber in dem mathematischen Standpunkte der Schüler eine ge-
nügende Erklärung und Entschuldigung ; denn jeder praktische Lehrer
weisz, dasz nur längere Uebung in speciellen Discussionen den An-
fänger zu allgemeinen Untersuchungen befähigt, welche dann mit um
so gröszerer Strenge angestellt werden können. Dasz endlich Herr F.
in einem Schulbuche alle Citate (einige fragmentarisch - histo-
rische Notizen in der Einleitung abgerechnet) wegläszt, ist gewis nur
zu billigen. In dieser Einleitung wird zunächst auf Descartes und auf
dessen 1637 erschienene Geometrie hingewiesen. Eine Abhandlung
über die Algebra von Wallis gibt in den Act. Erud. Lips. A. 1686
p. 284 seq. mehrere interessante Notizen über Descartes Verhältnis
zu Thomas Harriot (^ 1561, f 1621), der neben Franz Vieta und Wil-
liam Oughtred (^ 1573 , f 1660 zu London) als Begründer der neuen
Analyse zu nennen ist. Er sagt unter anderem: ^ Gerte Dominus de
Cavendish Kobervallio miranti, unde Cartesius notionem hausisset
Aequationes nihilo aequales ponendi, ostenso Harrioti libro, nullam
amplius dubitationem reliqnit, exclamante Kobervallio: vidit, vidit.' —
Sehr richtig macht Prof. F. danach auf Parent aufmerksam , von dem
Malebranche sagte: Monsieur Parent abeauconp d^esprit, mais il n^en a
pas la clef. Neben ihm konnten noch Manfredi nnd Hermann genannt
werden. Auch des eleganten Clairant wird gedacht, der zuerst in seinen
recherches sur les courbes ä double courbnre Aufsehen erregte und
die Theorie des integrales particuli^res begründete (M^m. de Pacad.
des Sciences de Paris 1734).
Beide Bände sind in je 10 Kapitel getheilt, die sich entsprechen
und ergänzen. Prof. F. behandelt in denselben die Punkte in der
21*
292 Fori ond Scblömilch : Lehrbuch der analytischen Geomelrie.
Ebene, die gerade Linie, den Kreis, die Kegelschnitte und zwar l) die
Parabel, 2) die Ellipse, 3) die Hyperbel, danach allgemein die Linien
Sten Grades, Linien höherer Grade und trauscendente Linien. Das erste
Kap. beginnt mit einer klaren Darstellung der ersten Elemente, welche
gleich für das, Buch einnimmt; hier ist ein paedagogisch richtiges Ver-
fahren bekanntlich schwieriger, als bei manchem scheinbar verwickel-
ten Theorem. Auch ein solches *— Entwicklung des Punktes der mitt-
lem Entfernung für ein System von 12 Punkten (vgl. diese Jhrbb. Band
LIV. Heft 1. S. 76, wo wir ein verwandtes Problem besprochen haben),
— wird sehr gelungen dargestelU. An den Schlusz des 2n Kap. ist die
allgemeine Gleichung des ersten Grades gestellt und nachgewiesen,
dasz die Gerade die einzige Linie ersten Grades ist. Einige Aufgaben
behandelu namentlich die harmonische Theilung. Das in der einfachen
Krcisgleichung (Kap. 3) ausgesprochene Gesetz wird durch zwei pas-
send gewählte Aufgaben erläutert und eingeübt: l) Man soll den Ort
der Scheitel aller derjenigen Dreiecke suchen, welche auf einer gege-
beuen Grundlinie stehen und in welchen die beiden anderen Seiten ein
constantcs Verhältnis besitzen, und 2) zu 12 festen Punkten soll der
geometrische Ort eines beweglichen Punktes gesucht werden, welcher
die Eigenschaft besitzt, dasz die Summe der Quadrate seiner Entfer-
nungen von allen gegebenen Punkten einem conslanten Quadrate 9*
gleich ist, welche letztere zu dem bemcrkcnswerthcn Lehrsatze fahrt:
Wenn man den Punkt der mittleren Entfernung in einem System fester
Punkte zum Centrum eines Systems concenlrischer Kreise wählt, so
besitzen diese Kreise die Eigenschaft, dasz die Quadrate der Entfer-
nungen jedes ihrer Punkte von allen gegebenen Punkten eine für jeden
einzelnen Kreis unveränderliche Summe geben. Die bekannten Sfitse,
dasz die Potenzlinie zweier Kreise auf der Centrale senkrecht steht und
dasz sich die Polenzlinien dreier Kreise in einem Punkte schneiden, sind
uriginell und recht praktisch dargestellt. Es konnte hier etwa noch auf
die sich in 4 Punkten schneidenden Potenzlinien von 4 Kreisen and auf
die Eigeuschaflen des so entstehenden Vierecks Rücksicht genommen
werden und zwar um so eher, als der Vf. am Ende des Kap. auf die
harmonische Theilung am Kreise zurückkommt. Wenn zu Anfang das
4n Kapitels gesagt wird, dasz der geometrische Ort eines Punktes in
der Ebene , dessen Entfernungen von einer festen Geraden und einem
festen Punkte derselben Ebene in einem unveränderlichen Verhiltiisse
zu einander stehen, den Namen Kegelschnitt führe, weil er auf eiier
Kegeloberfläche mittelst des Durchschnitts einer Ebene räumlich dar-
gestellt werden könne, so war wol auf den Zusammenhang dieser hier
dem Anfänger noch unverständlichen Behauptungen mit dem 2n Bande
(namentlich Kap. 6) etwas näher hinzudeuten. Sonst ist die Darstel-
lung der Kegelschnitte — wenn schon sie durchweg nur bekanntes
gibt — in der Form so meisterhaft, dasz wir auf dieselbe ganz beson-
ders aufmerksam machen. Der ebenfalls sehr gründlichen Discussion
der allgemeinen Gleichung der Linien zweiten Grades (Kap. 6) sind
Aufgaben beigegeben, welche die Kegelschnitte als geometrische Oer-
Port nmd Schldnilch: Lehrbuch der analytiscbeii Geometrie. 208
(er behandeln. So erscheint die Hyperbel als Ort der Scheitel aller
derjenigen Dreiecke, welche auf einer gegebenen Grandlinie stehen
und in welchen die an derselben liegenden Dreieckswinkel eine con-
stante Differenz besitzen ; die Ellipse als Ort des Eckpunkts eines ge-
gebenen Dreiecks, während jeder der beiden andern Eckpunkte sich
auf je einem Schenkel eines festen Winkels bewegt; die Parabel als
Ort eines auf einer Geraden MN liegenden Punktes P , wenn diese die
Seiten CA und CB eines gegebenen Dreiecks so schneidet, dasz PM :
PN = AM : CM = CN : BN. Darauf folgt die Bestimmung einer Linie
zweilen Grades durch gegebene Peripheriepunkte (im allgemeinen 5),
danach die Abhängigkeit des Pols und der Polaren nebst der Polar-
gleichung der Linien zweiten Grades , die besonders fär den in der
Theorie der Planetenbewegung wichtigen Fall, dasz ein Brennpunkt
und drei Peripheriepunkte gegeben sind, entwickelt wird. Den Linien
höherer Grade ist nur ein kurzes Kapitel gewidmet. In einem Werke
wie das vorliegende wird niemand hierüber erschöpfende Untersuchun-
gen finden wollen. Gibt doch Euler för die Linien vierten Grades schon
146 Geschlechter mit einer noch beträchtlich gröszern Menge von Ar-
ten an ! Ueberdies findet jeder, der sich hierüber weiter belehren will,
vor allem in J. PlQckers bekanntem System der analytischen Geome-
trie das wichtigste zusammengestellt und überzeugt sich zugleich,
dasz dergleichen Untersuchungen nicht allzu schwierig, aber ungemein
weitschweifig und ermüdend sind. Dennoch enthält auch dieses Kapi-
tel manches interessante in guter Anordnung, z. B. parabolische Cur-
ven nebst der Interpolationsformel von Lagrange , die Parabelevolute,
die semicubische Parabel von William Neil (eine besondere Art der
sogenannten Glockenlinie), ferner Fuszpunktcurven für die Kegel-
schnitte, die Lemniscate oder Schleifeulinie, die cassinische Linie, die
Cissoide nebst ihren Tangenten. Das letzte Kapitel betrachtet endlich
transcendente Linien, wobei auch die Leibnitzischen iuterscendenten
Curven erwähnt werden.
Die Bearbeitung der analytischen Geometrie des Baumes für Schul-
zwecke bietet in mancher Hinsicht noch gröszere Schwierigkeiten, als
die der Ebene. Prof. S. hat dieselben glücklich überwunden. Um die
dem Calcül eigenthümlichen Abstractionen möglichst anschaulich zu
machen, hebt er häufig die Verwandtschaft der analytischen und de-
scriptiven Geometrie hervor. Er sagt selbst in der Vorrede, dasz er
hierin gern noch weiter ins Detail vorgedrungen wäre und den Paral-
lelismus des analytischen und descriptiven Verfahrens an einer Beihe
von Aufgaben nachgewiesen hätte, wenn nicht hierdurch sowol grosze
Weitläuftigkeiten, als namentlich auch übermäszig viele Figuren her-
beigeführt worden wären. Bei der Entwicklung der Fnndamentalfor-
meln sind sehr passend Projeetionen angewandt worden, eine Methode,
welche auch überaus leicht zu den Formeln für die Coordinatenver-
Wandlung führt. * Zweitens, sagt Prof. S. in der Vorrede, habe ich in
dem, was ich gebe, nach einer gewissen Vollständigkeit gestrebt. So
sind die lehrreichen, auf gerade Linien und Ebenen beiAglichen Auf-
204 Fort und Schlömilch: Lehrbuch der analytischen Geometrie.
gaben, welche die descriptive Geometrie sorgfältig zu behandeln
pflegt, mit möglichster Ausführlichkeit und allgemein in Beziehung auf
ein schiefwinkliges Coordinatensystem bearbeitet, wobei sich hie und
da auch einige wissenschaftliche Ausbeute fand, wie z. B. in % 11 die
Construclion der Transversalen zu vier gegebenen Geraden' (von de-
nen kein Paar in derselben Ebene liegt). Für die Flächen zweiten Gra-
des gibt er die Canchysche und Plückersche Discussion; die letztere
erscheint ihm als die nothwendige wissenschaftliche Ergänzung der
ersteren. In der That gestaltet sich die Cauchysche Betrachtung, wenn
man Gleichungen für Flächen zweiten Grades in Bezug auf schiefwink-
lige Coordinaten hingestellt hat, zu umständlich und verliert die sonst
gerade für sie charakteristische Eleganz. Hier führt die Plückersche
Discussion durch Entwicklung leicht anwendbarer Kriterien, eine
schnelle Entscheidung her'bei (vgl. § 42). Bei dieser Stellung ist zu-
gleich die Plückersche Untersuchung, da die besondern Flächen zwei-
ten Grades schon vorher behandelt wurden, wesentlich vereinfacht
worden.
Von den 10 Kapiteln des zweiten Bandes betrachtet das erste die
Punkte im Kuume; im zweiten folgen die Gleichungen und verschiede-
nen Bestimmungsweisen der Geraden, Combinalionen von Geraden mit
Punkten, Transversalen usw. Das dritte behandelt die Ebene, das
vierte die Transformalion der Coordinaten. Alle vier Kapitel haben,
obgleich sie nichts wesentlich neues geben, das Verdienst einer sehr
lichtvollen und faszlichen Darstellung, besonders in den Transforma-
tionen. Auf die Cylinder- und Kegelflächen folgen dann die Umdrehungs-
flächen und zwar zunächst ihre Entstehung und Gleichung mit speciel-
Icr Angabe der Gleichungen des abgeplatteten und gestreckten Rota-
tionsellipsoids, des einfachen und getheilten Kotationshyperboloids und
des Paraboloids. Das einfache Kotationshyperboloid wird auch aus
der Umdrehung einer Geraden um eine nicht in derselben Ebene mit
ihr liegende Achse hergeleitet, woraus natürlich folgt, dasz sich auf
der Fläche desselben unendlich viele Gerade senkrecht auf irgend
einen Halbmesser des kleinsten Parallelkreiscs, mit dessen Ebene sie
einen constanten Winkel bilden, ziehen lassen. Schnitte, Berührungs-
cbenon und Normalen der Rotationsflächen werden vorläufig betrach-
tet, denn allgemeinere und erschöpfendere Entwicklungen enthält das
8o Kapitel, welches für die Flächen des 2n Grades die allgemeine
Gleichung aufstellt und dem 8n des ersten Bandes vollkommen ent-
spricht. Nachdem gezeigt ist, dasz eine Gerade mit einer Fläche 3n
Grades nur zwei Punkte gemein haben kann, wird der Begriff der Dia-
metra lebene solcher Flächen entwickelt und gezeigt, dasz sich hier
im allgemeinen jedesmal drei Richtungen angeben lassen, bei welchen
die parallelen Sehnen von den zugehörigen Diametralebenen (Haupt-
ebenen) normal halbiert werden. Auf die vortrefiTliche Entwicklung
des Satzes, dasz die drei Hauptebenen einer Fläche 2n Grades auf ein-
ander senkrecht stehen, machen wir ganz besonders aufmerksam. Von
diesen Ebenen«werden dann wenigstens zwei sehr passend zu Coordi-
Fort und Sehlömilch: Lekrbuch der aMiylisohen Geometrie. 205
natenebenen gewählt and alle Flächen 2n Grades in zwei Hauptarten
getheilt, je nachdem sich ihre Gleichung auf die Form: Ax* + By^ +
Cz* = K, oder Ax* + By* = 2Jz bringen laszt, oder je nachdem
sie central (Ellipsoid, einfaches oder getheiUes Hyperboloid) oder
nicht central (elliptisches und hyperbolisches Paraböloid) sind. Einer
nähern Erörternng der Unterscheidangsseichen für die Flächen 2n Gra-
des folgen dann (dem ersten Bande analog) einige (7) sehr bemerkens-
werthe Aufgaben , in denen sich Flächen als geomelriacffae Oerter dar«
stellen und endlich die Cnbatur der Flächen zweiten Grades oder viel-
mehr der von ihnen umschlossenen Körper. Das von der Erzeugung
der Flächen durch Cnrven handelnde 9e Kapitel bietet lugleich einige
wenige Flächen höherer Grade und zwar solche, die gewöhnlich in
den analytischen Geometrien beachtet werden. Das letzte, die analy-
tische Projectionslehre betrachtende Kapitel bildet gewissermaszen nur
einen Anhang, welcher aber jedem, der räumliche Gegenstände in einer
Ebene und überhaupt die Ergebnisse des Calcflls einfach graphisch
darstellen will, höchst willkommen sein wird. Wir finden hier die
axonometrische und perspeotivische Projection, sowie Projeotionen
verschiedener Flächen kurz und klar behandelt.
Wir knöpfen an diese Uebersicht des Inhalts die Versicherung,
dasz wir dem Fort-Schlömilchschen Buche aus voller Ueberzeugung
vor vielen ähnlichen Erscheinungen auf diesem etwas eng umgrenzten
Gebiete den Vorrang einräumen. Zu den bereits angedeuteten Vorzü-
gen tritt auch noch der groszer Correctheit, so dasz wir im ersten
Bände nur auf S. 2 (Z. 10 v. u.), S. 15 (Z. 2 v. o.), S. 64 (Z. 16 v. u.)
usw. , im 2n auf S. 132 (Z. 9 v. u.) auf einige leicht zu corrigierende
Versehen (z. B. auchParallelopiped?), sowie auf die uns nicht ganz genü-
genden Figuren 29, 32 und 42 des ersten Bandes aufmerksam machen. Die
besonders schwierigen Figuren des zweiten Bandes, sowie auch die mei-
sten des ersten sind ganz trefflich gezeichnet und in den Text gedruckt.
Dessau. C. Böttger.
31.
/. Der Unterricht in der Planimetrie^ Stereometrie und ebenen
Trigmiometrie y zum Gebrauche anGymnasieti und höheren
Bürgerschulen. Für den Schüler bearbeitet. Von Karl
G ruber y Vorstand der höheren Bürgerschule zu Etlen-
heim. Karlsruhe, Druck und Verlag der 6. Braunschen Hof-
bochhandlong. 1854. X u. 209 S. 8. (Preis 1 fl. 24 kr.).
//. Der Unterricht in der Planimetrie, Stereometrie und ebenen
Trigonometrie, zum Gebrauche an Gymnasien und höheren
Bürgerschulen. Von Karl Grub er ^ Vorstand der höhe-
ren Bürgerschule zu Ettenheim. Karlsrahe, Dmck and Verlag
296 K. Gruber: der Unterricht iu der Planimetrie, Stereometrie usw.
der G. Braunschen Hofbachhandlang. 1854. X u. 406 S. 8.
(Preis 2 fl. 42 kr.).
1^8 fi^iht beim mathematischen Unterficbto swei wesentlich von
üinuiider abweichende Methoden: die eine gibt dem Schüler die Lehr-
sülzü und Beweise zum einüben hin, und begnügt sich damit, weni der
Schüler dieselben seinem Gedächtnisse fest eingeprägt bat; die andere
will dem Schüler die Befähigung verschaffen, die Beweise zu den ge-
((ebenen Lehrsätzen seihst aufzufinden. Wem nicht die einem Schol-
maiine unenlbchrlichen paedugogischcu und psychologischen Kennt-
nisse fohlen, der weisz, dasz die erste Art und Weise geradein ver-
werHich ist, und es entsteht daher nur die Frage, auf welche Weise
hei dem zweiten Unterrichtsgango verfahren wird.
Die heuristische Methode darf den Schüler nicht auf ein
blindes suchen verweisen, sondern sie musz ihn anweisen nach be-
stimmten festen Kegeln und klar erkannten Gründen zu verfahren. Von
diesen Grundsätzen geleitet, hat der als Lehrer und Schriftsteller
rühmlich bekannte Herr Verfasser das ^Lehrbuch' (Nr. 1) abgefosst.
Ks enthält die Lehrsätze, Zusätze und Aufgtiben nebst den nöthigen
Andeutungen zu den Beweisen der Lehrsätze und den Auflösungen der
Aufgaben,- und es werden, nach der Ueberzeugung des Referenten,
sicher die gegebenen Andeutungen den Schüler zur klaren AufEiBSung
des Zieles und der zur Erreichung des Zieles anzuwendenden MilieK
führen, und die Einsicht in den Zusammenhang vermitteln, in dem das
zu erlernende mit dem schon erlernten steht. Die Gnindsitxe, die bei
Ausarbeitung des ^Lehrbuches' maszgebend waren, können nicht mekr
in Frage stehen ; sie gehören als unbestreitbare Wahrheilen der Wis-
senschuft an. Die Ausarbeitung jedoch ist neu , und es wird gewisi
die Erfahrung beweisen, dasz der hier angegebene Weg die Schüler
zur selbstthätigen Auflindung der Beweise und Auflösungen, sowie
zur vollen Klarheit in dem Verständnisse und zur Sicherkeil in der
Boherschung des Inhaltes führen wird. Wem es um die Selbstthätig-
keit und Selbständigkeit seiner Schüler zu thun ist, der mache einen
Vor^uch mit diesem Lehrbuche, und er wird sich nicht getauscht ftn-
don. Jedenfalls wird das Buch Lehrer und Schuler zu fruchtbarem
nachdenken anregen.
In einem Punkte könnte einer oder der andere von der des Herrn
Vorfasisers abdeichender Ansicht sein: oh nemlich die Lehrsitse
an die Spitfo gestellt, oder von den Schülern in Folge darauf besüg-
lieber Fragen selbst gefunden werden sollen. Wie nemlich der paeda-
):oi:i!iche Sale : Soni einfachen zum lusamniengeselzlen' in der Weise
mis\ erstanden ^^urde, dasf manche Mathematiker beim ersten geome-
trischen l'nter richte ^ om Tunkte, statt vom K o r p e r ausgehen , so
kann auch die Ue^el : Som besonderen r.um allgemeinen aufzusteigen'
manchen irre fahren, so dasi er der Ansicht wird, es müsse der Schü-
ler aus der Betrachtung eins einer Falle tum selbstfinden der ellgemei-
nen Sat£e (lehrsat:e1 angeleitet werden. Sicher wird aber nicht der-
K. Grober: der Unterricht in der Planimelrie, Stereometrie asw. 297
jenige za diesem Trugschlüsse kommen , der einmal die heuristische
Methode bei dem geometrischen Unterrichte angewendet hat; denn es
mflssen die Schüler doch das Ziel kennen, nm den richtigen Weg
Eum Ziele einschlagen zu können. Kann man von einem Wanderer
verlangen, dass er zu marschieren anfange, ohne zn wissen, wohin er
gehen, wo er ankommen will? Wo dies der Fall ist, z. B. beim Mar-
sche von Soldaten oder von gefangenen, da kann von SelbstSndigkeit
keine Rede sein. Mag dem Schaler das einzelne noch so klar sein, so
fehlt ihm doch, sobald er das Ziel nicht kennt, die Kraft, die einzel-
nen Glieder als ein ganzes anzusehen, und so geht ihm die Einheit
des Beweises, nach welcher die Folgerung in der Voraussetzung, als
untrennbar davon, erblickt werden musz, und damit die eigentliche
Evidenz verloren, wodurch die Geometrie gerade anziehend und bil-
dend wird. Deswegen müssen auch bei der heuristischen Methode, wie
CS im ^ Lehrbuche' geschehen ist, die Lehrsätze an die Spitze gestellt
werden.
Das ^Handbuch' (Nr. II), welches dem Lehrer zur Benutzung
dienen soll und mit dem für die Hand des Schülers bestimmten * Lehr-
buche' (Nr. I) in Anlage und Durchführung und daher auch in Para-
graphen und Nummern in genauester Uebereinstimmung steht, gibt
nebst den Lehrsätzen auch die vollständigen Beweise und die Auflö-
sungen der Aufgaben, und wird auch den Anfänger in Sland setzen,
das * Lehrbuch' auf sachdienliche und zweckmäszige Weise zu ge-
brauchen.
Indem wir die beiden Schriften, welche in ihrer ganzen Haltung
und Fassung den Herrn Verfasser als einen paedagogisch gebildeten
Schulmann erkennen lassen, in diesen Blättern zur Anzeige bringen,
glauben wir uns nicht zu teuschen, wenn wir behaupten, dasz sie (wie
auch schon anderwärts in öffentlichen Blättern ausgesprochen worden)
eine wesentliche Lücke in unserer SchuUitteratur auf erfreuliche Weise
ausfüllen und in unsern Schulanstalten dem mathematischen Unterrichte
einen guten Erfolg sichern werden, und ihre Empfehlung dürfte um so
mehr gerechtfertigt erscheinen, als sie auch, bei einem sehr niedrig-
gestellten Preise, durch äuszere Ausstajltung, schönes Papier und cor-
recten Druck allen billigen Anforderungen vollständig entsprechen.
[#1
22.
Zu Xenoph. Anab. IV 3 29.
ort oi^ro^ agiarog iaotxo^ 6g av ngmog iv xm niqctv yivr(tat.
So oft wir diese Stellen gelesen und erklärt, so oft haben wir
dieselbe für verderbt gehalten, weil der Gedanke, so schön und an-
sprechend er unter andern Umstanden erscheint, an vnsrer Stelle nicht
296 Zu Xenoph. Anab. IV 3 29 and 1 10 13.
zum vorhergehenden passt. Die Griechen befinden sich am Kentrikes;
Cheirisopholb hat den FIusz in der glücklich aufgefundenen Fort darch-
schritten, der Tross watet hindurch, da erscheinen an den Gebirgaab-
häugen die Karduchen. Rasch entschlieszt sich der noch am linken
Ufer stehende Xenophon dieselben mit einem Theile seiner Soldaten
anzugreifen und wo möglich zurückzutreiben. In § 29 ertheilt er sei-
nen Kriegern die für den spätem Uebergang nötbigen Befehle dahin,
dasz sie bei dei' Flucht der Feinde rechtsumkehrt machen und die
Uragen voran möglichst rasch durch den Flusz waten sollen. Dabei
macht er aber ausdrücklich den Zusatz, ^dasz jeder, damit sie sich
nicht hindern, an seinem Platz d. i. in Heih^ und Glied bleiben solle,'
so dasz also sich von selbst ergibt, dasz die Uragen zuerst, die Locha«
gen zuletzt ans andre Ufer gelangen.
Der ausgeschriebene Satz hebt aber den Befehl des Xenophon, in
Reih'' und Glied zu bleiben geradezu auf, er schlieszt ja die Aufforde-
rung in sich, dasz alle Soldaten, mithin auch die Lochagen durch einen
Wettlauf im Flusse sich bemühen sollen, die ersten zu werden. Wenn
nun schon bei einem Wettlauf in der Ebene alle Marsch- und Glieder-
ordnung aufgelöst wird, wie wir das aus III 4 20 — 23 wissen, vm wie
viel mehr musz das im Flusze geschehen, wo ein solcher Wetllaaf
noch durch die Strömung und die gröszere oder geringere Schlüpfrig-
keit des Fluszbcttes erschwert wird ^)? Kurz, Xenophon kann sich
nicht in einen solchen Widerspruch verwickeln, dasz er seine Solda-
ten in einem Satze vom Weltlauf abmahnt, im andern dazu anspornt;
der letzte Salz musz vielmehr den Befehl des ersten : ^ xai öiußaivBiv
ort x(i%iCxa y SnaaTog ri}v zci^iv dx^v^ ag jü^ i(i7todliHv akXfjXovg*
kräftig unterstützen.
Wie wahrscheinlich zu emendieren, darauf leitete die Variante,
welche nach der neusten Collation der von Dindorf mit C bezeichnete
pariser Codex ursprünglich gehabt hat, indem er statt ovro^ ov zig
bietet. — Da bekanntlich der Spiritus in den Handschriften oft ver-
tauscht ist, so kann man dafür ovTig vermuten. Dieses möchte aber in
die Verbindung nicht passen, wol aber das adverbielle ovri. Wie dar-
aus ovtog werden konnte, erklart sich aus der in den Handschriften
oft vorkommenden Vertauschung mit ovrot, welches letztere bei der
leichten Verwechslung des I (i) und C (<t) in unleserlichen Stellen in
ovxog übergieng. — Lesen wir also : oxi ovzi SgiCtog laono %. x. it..
so haben wir den zum Zusammenhange passenden Gedanken.
Anab. I 10 12.
xal zo ßualkeiov (Stjfietov oquv Stpacccv äezov xiva %qv6(A}v inl lUXxy
inl ^Xov avateta(iivov.
Die Handschriften bieten inl gvAov, nur einige der zweiten Fami-
*) Layardy der die Kurt desKentriteA aufgefunden zo haben glaubt,
sagt in Ninive und Babvlon dentsch von Zenker p. 39: 'der Flusz war
breit und reiszend und stiinte über lockere und schlüpfrige Steine
dahin, so dasz der Boden sehr unsicher ist.*
Za Phaedras Fabeln lU 1. 200
lie haben iitl ^Aov; aber dieaer Zasatz hat atela Anatoss erregt and
Hutchinsons Conjectur hat swar einige Billigung, aber keine Aufnabme
in den Text gefunden. Wir machen einen andern Vorschlag. Curtius
berichtet llf d 7 ausdrficklich, dasz^der goldene Adler aaf dem Wagen
des Königs zwischen den goldenen Figuren des Ninos und Beloa aaf
dem Joche gestanden habe und Layard bemerkt ^Niniye nnd Babylon
deutsch von Zenker' S. 336 flg. bei der Beschreibung der zu Kujund-
shik, dem Mespila des Xenophon, gefundenen Basreliefs, dasz der Wa-
gen des assyrischen Herschers genau der von Curtius gegebenen Be-
schreibung entspreche. Lesen wir nun inl niXzy htl tvyovy so stimmt
auch unsere Stelle mit Curtius und den Basreliefs nnd der Zusatz ist
gerechtfertigt. — Die Stelle aus Cyrop. VII 1 4 spricht nicht gegen
diesen Vorschlag, denn auch dort kann der Schaft mit dem Adler sich
auf einem Wagen befunden haben. Wenigstens bemerkt Layard ^Ni-
nive und seine Ueberreste, deutsch von Meiszner' S. 367 (vgl. aaeh
Ninive und Babylon p. 117): *Die SUndarten scheinen durch einen
vorn am Wagen befindlichen Schuh oder eine Gabel gehalten worden
zu sein und eine lange Ruthe oder Seil verband sie mit dem Ende der
Deichsel.'
Clausthal. YoübrechL
23.
Zu Phaedrus Fabeln III 1 .
Anut ad amphoram.
Anus iacere vidit epotam amphoram^
Adhuc Falerna faece e leskt nobili
Odorem quae iucundum lote spargeret,
Hunc poslquam totis avida traxit naribus:
^0 suavü anitna! quäle in te dicam bonum
Aniehac fuisse, tales cum sinl reliquiael'
Hoc quo periineatj dicel^ qui me noeerit.
Der sechste Vers der vorstehenden Fabel hat wegen seiner Kürze,
wodurch die Beziehung auf den Sinn der i'abel dunkel wurde , von
den Gelehrten manigfache Deutungen erlitten , deren die eine unpas-
send, die andere matt, alle, manchmal für ihre Urheber selbst, unbe-
friedigend sind. Die vorzaglichsten derselben sind folgende: Burmann
gibt die Erklärung: Quia eero Phaedri fabulis saepe obliqui in Tibe-
rium et tempora eius sensus »ubsunl^ nescio an non hie tangat impe-
raiorem , qui defectus annis et effetus tarnen libidinis infamis erat^
et quum ipsi tnres deessent , omnibus modis et adspectu obscoenissi-
marum Ubiditium deficienles vires excitabatj et cum patrare ipse non
posset^ ligurriret adhuc ^ ut hircus t>etulus^ naturam. Vid. Sueton.
300 Zu Phaedrus Fabeln III I
c. 44 45. lla quod anus de odore ex amphora epoia Tiberium po-
tuisse de natura Ugurrüa dicere , intelligent^ qui Phaedri mores et
ingeniutn noverint, Sed quia Phaedrus noluit aperte se expHcare^
et nos a quaerendo desistamus. Gesetzt auch, der freigelassene Phae-
drus bötte es gewagt, in seinen Versen auf den Tiberius sn zielen, so
wäre es unbesonnen gewesen, wegen eines so matten Epigrammes
sich der Gefahr auszusetzen, Gut und Leben zu verlieren. Das acheint
Burmann auch selbst gefühlt zu haben, deshalb versucht er noch eine
andere Deutung: Posset et fabula simpliciter de vita humana et se-
nectute^ quae faex eitae est^ ut ait Seneca epist. 57, intelligi^ cuiuSy
etsi optima pars exhausla sit^ reliquiae sunt gratissimae. Durch diese
Erklärung verliert die Fabel alle individuelle Beziehung.
Andere Erklärer, wie Ritterh., Kigalt., Danet., Hoogstrat., Freinah.,
Santoroc. , SchefTer, Brotier nehmen die Beziehung auf das Alter des
Phaedrus selbst. Guyetus erklärt also : qui me norerity dicat^ mirum
me iucenem fuisse^ qui talis sum senex. Ebenso unpassend ist, was
SchefTer vorbringt: vult ex hoc ultimo senectutis^ quae est quasi eitae
faex^ opusculo fabularum posse colligi, qualis fuerit integra adkuc
aetate,^ Gegen beide Erklärungen bemerkt schon Schirach treffend
(v. cl. iu Clav. V. anima): Totam hanc fabulam miror Svhefferum re-
tulisse ad senectutem Phaedri^ inductum vers. ult, Num credibile^
poetam tarn elegantem se tarn immaniter laudasse? IS'am quid aliud^
nisi summa sui ipsius laus^ si innuit^ senectutem suam^ s. faecem eitae
suae^ adhuc tambene olere in fabularum suarum elegantia^ ut iuten-
tiitis indicet praestantiam eximiam. Er fährt dann fort: Ego refero
ad Aesopi fabulas^ conversas in linguam latinam a Phaedro; has
quasi reliquias et faecem amphora e öptimi tini vult haberi, et si cm
ipse placeat^ debeat is colligere^ quanta ipsius Aesopi excellentia;
quod consueta sua breviloquentia sie extulit: Hoc quo pertineat^
dicet^ qui me nocerit^ A. e. me cognoverit imitatorem Aesopi*
Mit dieser Erklärung würde dem Phaedrus selbst schlecht gedient
sein, der sich selbst so oft neben und nicht bis zu dem Grade anter
den Aesopus stellt, dasz er sich selbst einen imitätor Aesopi ^ den
Aesopus merum Falernum, sich selbst faex epotae amphorae nennen
sollte. Heinsius bezieht wol am passendsten die Fabel auf die Knecht-
schaft des Phaedrns und die Erinnerung seiner ehemaligen Freiheit.
Zeune meint , der Dichter hätte sich auf sein herannahendes Alter und
sein Unglück bezogen, durch welches beides sein Geist gesohwäeht
werde. Vid. P. II Phaedri p. 29 edit. Hai. Auf das Alter beziehen aoeh
die Stelle Funcc. Apol. pro Phaedro p. 36 und Jakobs in den Beiträ-
gen zu Sulzers Theorie d. s. K. T. VI P. 1 p. 33 und schlieszcn , der
Dichter habe durch diese Epimythie bezeichnen wollen, *man dürfe
sein Verdienst und seine Kenntnisse nicht nach den wenigen Bruch-
stücken beurtbeilen, die man davon in seinen Fabeln linde.' Schwabe
sagt am Endo folgendes: In tanta sententiarum discrepantia y cum
certiora nesciamus^ obsequamur Burmanno ^ hanc in rem scribenii:
Zu Phaedros Fabeln Ul 1. SOI
{ßuia Phaedrus noluit se aperie explieare^ et nos a
quaerendo desislamus.
Gleich beim ersten lesen der Fabel , noch ehe mir irgend eine
Erklärung derselben bekannt war, flel mir die Beziehung auf die ver-
lorene Freiheit Roms ein. Dieser Gedanke ist mir durch keine der
verschiedenen Interpretationen geschwächt worden. Alles passt dann
trefTlicb, und das sonst so matte Epigramm wird gedankenvoll, indem
beinahe jedes Wörtchen Bedeutung erhält. Das Zeitalter des Phaedrus
fiel in die lelzte Periode des Augustus und in die erste des Tiberius,
wo also die Sonne der Freiheit längst untergegangen war. Das altge-
wordene Uom — anus^ wie es auch schon bei Sallust. Cat. 53 5 effeta
parens heiszt — erinnert sich bei den noch bestehenden Formen —
epotam amphoram^ tesla nohili — , bei dem ihm noch gelassenen
Scheine von Freiheit — faex talerna (Tacit. ann. I 3: eadem magi-
stratuutn vocabuld) — seiner ehemaligen Jugendkraft im Genüsse der
wahren Freiheit — merum Falernum — , deren Ueberreste — reli-
quiae — und leere, bedeutungslose Würden — testa nobilis —
noch einen so wunderbaren Eindruck auf das Gemüt machten — odo-
retn quae iucundum late spargerei — , dasz jeder edle Römer noch
den letzten Tropfen des einst so herlichen Falernerweins zu schlürfen
suchte — hunc posiquam totis avida traxit naribus — . Aber je kla-
rer das Bewustsein des kernlosen, je lebhafter die Erinnerung an das
entschwundene, desto tiefer die Wehmnth , desto gröszer die Trauer
um das- verlorene, und ergreifend sind jetzt die Verse :
0 suavis anima! quäle in te dicam bonum
Äntehac fuisse^ tales cum sint reliquiae!
Einfach und klar schlieszt sich jetzt der 6e Vers in seiner gewis
von Phaedrus selbst gesuchten Kürze, Dunkelheit und Vieldeutigkeit
an; ^Wer mich kennt, wird die Deutung verstehen,' nem-
lieh mich, der ich der Republik anhange.
Die Sehnsucht der besten Römer in den Kaiserzeiten nach der
verlorenen Republik ist bekannt genug. Man vergleiche darüber Tacit.
ann. I 74: manebani etiam tum eestigia morientis libertatis , rom J.
15 nach Chr. im zweiten des Regierungsantrittes des Tiberius. — I 81
quantoque etc. Wie tief diese Sehnsucht im Herzen des Volkes sasz,
zeigte sich bei der Todtenfeier des Germanicns deutlich genug, ibid.
111. — Vgl. 1. 111 c. 44; 111 60; III 28; III 76; XI 20; XV 49. — Dasz
den Fabeln des Phaedrus überhaupt politische Anspielungen nicht fremd
waren, hat ebenfalls Burmiunn in seiner Erklärung zu 1 7 angenommen,
lieber die Gesinnungen unsers Dichters in dieser Hinsicht vgl. I 31
Mihus et columba. — Prolog, ad III v. 33 sq. — III 7 canis et lupus.
Coesfeld. 0. Löbher.
302 Auszüge aus Zeitscliriflen.
Auszuge aus Zeilschrilten.
i'orrespofidenzblatt f. d. Gelehrten-u, ReaUtchulen Württembergs.
1855. Monatlich je l<^ Bogen; Preis f. d. Jahrgang 3 Gulden;
Herausgeber Prof. Kl ai her, Frisch, Holzer; zu beziehen
durch F. Steinkopf in Stuttgart.
No. I. 1) Der ältere an den jüngeren Schulmann: Eine
der tadelnawerthen Seiten des Herkommens unserer lat. Schulen ist dai
eilfertige, stotternde und gedankenlose lesen des KxpositionstofTes und
das allzurasche, ohne genügende Sammlung und Besinnung gefertigte
übersetzen, wobei der Lehrer den Schüler durch beständige Berichti-
gungen, Fragen, Ausrufungen unterbricht. Fälschlichervreise werden
die grammatikalischen Mittheilungen für die Hauptsache, die Expo-
sition nur als Mittel für die Composition angesehen. Umgekehrt
musz bei der jetzigen Aufgabe des Gymnasialunterrichts die Exposition
wenigstens für die älteren Schüler als das wichtigere betrachtet wer-
den, die Composition soll sich dazu wie das Mittel zum Zweck Ter-
halten. Bei jenem herkömmlichen betreiben der Exposition liest man,
in Betracht dasz das Gymnasium dermalen an der Jugend das vollen-
den musz, was dieser die Philologie leisten soll, — zu weniges von
den Klassikern ; zudem lernt dabei der Schüler nicht lesen, sondern nur
stottern und schnattern, lernt namentlich nicht deutsch, aber auch
nicht einmal lateinisch, j^ondern nur ein Aggregat von Regeln. Diese
gehören aber vorhersehend in die Lehrstunden, welche der Composition
— und allerdings bei den jüngeren Schülern in gleichem Zeitumfanc —
zu widmen sind. In den für Exposition bestimmten musz diese selbst
die Hauptsache bleiben und es kommt der Composition zu gut, wenn
man den Zweck, welcher dem exponieren zunächst vorliegt, festen
Blicks und mit Anwendung der rechten Mittel verfolgt. Zu den lata-
ten gehört vor allen Dingen gute Vorbereitung, ebenso von Seiten des
Lehrers, wie von den Schülern; und zwar müssen diese das rechte
praeparieren gelehrt werden, vornemlich durch die rechte Behandlung
der Exposition in der Schule. Diese aber besteht unter anderem darin,
dasz man die nothigen Fragen dem übersetzen des Schulers voran-
gehen lasse, statt dabz nach dem alten herkommen diese, und dasn
noch eine Menge von Excursen nachzufolgen pflegen. Syntaktische
Regeln ziehe man doch ja nur so weit herbei, als dieselben zur Erklä-
rung des vorliegenden dienen. Der letzte Zweck auch bei dem expo-
nieren musz fort und fort kein anderer sein, als dasz die Schaler
durch den Unterricht verstehend aufmerken und aufmerkend verstehen
lernen. Dadurch übt der Lehrer vornemlich seinen sittlichen EinflnfS
aus. Das gleiche gilt aber auch von der Composition, die in einer
beständigen Uebung der UrtheiUkraft gemacht werden musz, was ehen-
falls das alte herkommen mit seiner Behandlung der Regeln als reiner
Gedächtnissache vielfach versäumt hat. — 2) Erheiternde nnd zugleich
belehrende Anekdoten aus Tagebüchern und andern Aufzeich-
nungen eines Schulmannes ( wol des.*!elben, der in No. 1 spricht).
Fortgesetzt in No. 2 3 5; Beilage. — 3) Ueber den Unterricht
im geometrischen zeichnen von Prof. Ritter: eine theoretisch
praktische Methode wird empfohlen. — 4) Prufungsaufgaben fnr
die Maturitätsprüfung der Canijidaten gelehrter Studien und der Poly-
techniker v. J. 1854, vollständig mitgctheilt. Diese Rubrik 'Prufungs-
Ansiüge aas Zeitsohriften. "^ 303
aufgaben ' für die verschiedensten Altersstufen findet sich ebenso fast
in allen Nummern des Blattes, zum Theil (wie i. B. No. IX) mit
Uebersetznngsproben.
No. JI und III. 1) Die Schulaufgaben über den Sonntag
von V. St. (Director Strebel?): Auch die kleinste eigentliche Aufgabe
in den Sprach- und Realfachern über den Sonntag ist zu viel : dadurch
werden die künftigen Beamten methodisch zur Sonntagsentheilignng
angehalten. Memorieren von Spruchen, Liedern, aufschreiben von Pre-
digtgedanken u. dgl. zur Sonntagsbeschäftigung sich schickende Aufga-
ben «ind das einzige, was man zulassen sollte. Denn Sonntagsaufgaben
sind für die Lemzwecke der Schule nicht unentbehrlich (Beispiel: Phil.
Jak. Spener), für das sittliche Leben einerseits nicht bewahrend, ande-
rerseits sogar hinderlich und störend, ihre Beseitigung aber auch um
des Leibes willen wünschenswerth. Die allein richtige Anwendung des
Sonntags besteht theils in geistlicher Anregung durch den häuslichen
wie öffentlichen Grottesdienst, theils in harmloser Beschäftigung mit
guter Leetüre, Kunstnbung, Naturgenusz, personlichem Umgang mit
Familiengliedern usw. — Die Entgegnung auf diese Anklage (von P.
in H. No. V) sagt: in unsern Anstalten werde der Sonntag nirgends
als Arbeitstag behandelt und auch der von S. angegriffene Erlasz des
k. Studienraths habe diesen Sinn gar nicht; was an den Vorschlägen
des Verf. gutes sei, finde sich bereits in Wirklichkeit vor; derselbe
übertreibe in seiner Schilderung des 'Treibsteckens der Arbeit am
Sonntag', nehme einige misbräuchliche Ausnahmen für das gewohn-
liche, lasse aber die Begründung seines Satzes, dasz auch ein minimum
von Sonntaesaufgaben zu viel sei, vermissen, und trage der geistigen
Stufe, auf der sich der Knabe befinde, in Betreff der Andachtsübungen
nicht genug Rechnung. — 1) Nachträge zur lat. Uebersetzung einer
Prüfungsaufgabe von Mezger in Seh. und 3) von Jäger in N. eine
Erwiederung auf einen früheren Aufsatz, der das Latein in der
Realschule in Schutz genommen hatte. — 4) (Beilage) 33 Thesen über
den Lehrplan für Realschulen, besonders die oberen Klassen von £b-
ner in E. — 5) Die griechische Syntax von J. Paulus 1864,
Preis 18 kr. wegen ihrer strengen und übersichtlichen Eintheilung des
Stoffes, Einfachheit und Faszlichkeit gelobt und empfohlen.
No. III. I) Schmid in U. macht auf die neueste Schulansgabe
der Metamorphosen Ovids von Dr. Siebeiis 1863 und 1864 in
sehr anerkennender Weise aufmerksam; 2) ein ungenannter hebt mit
eingehender Begründung die Vorzüge des in zweiter Aufl. vorliegenden
Sc nu lat las von Grosz auch vor seinen würdigen Concurrenten
(Kiepert und Sydow), noch mehr vor dem Atlaf von Lange hervor:
Die schonen Kartenbilder, noch weiter ausgezeichnet durch zahlreiche
Kartone und Profile, den gewählten Farbendruck, die zierliche Ter-
rainzeichnung, das richtige Maszhalten in Aufnahme von geographischen
Eigennamen, Sonderung des wichtigen von dem minder wichtigen. —
3) Dr. R. Horat. Sat. II 4 83, ebenso Martial XIV 82 sei palma nicht
als 'Besen aus Talmblättern', sondern als 'Hand' zu nehmen; varii la-
pidea aber seien 'farbige Edelsteine'. — 4) (Beil.) Die neuen Sta-
tuten des Stuttgarter Gymnasiums. — &) Rec. von 'Varia
Variorum carmina lat. mod. aptata — offert H. Stadelmann': re**
eher, mannigfaltiger und gut gewählter Inhalt, grosze Leichtigkeit in
Handhabung der romischen. Versformen werden gebührend anerkannt,
ebenso entschieden aber der Mangel an Treue und Pünktlichkeit im
wiedergeben der Originale getadelt.
No. IV. 1) Mittheilung eines Mitglieds des k. Studien-
raths warnt vor dem Zudrang zum Beruf der Reallehrer; es seien
40 geprüfte Candidaten vorhanden und dadurch das Bedürfnis aaf vehr
304 Auszüg^e nus Zcitscliriflcn.
uls 12 Juhrc gedeckt. — 2) Zu der Fra{;e uher die geeignetste
Zeit der Soliul fer ieii. K» wäre für die Schule, die aU das ver-
bindcnde Mittelglied zwischen der Familie und der wirklichen Welt
für das Leben somit auch für das kirchliche Leben vorzubilden hat,
sehr wünschenswcrth, wenn ihr durch die (vom k. Studienrath beab-
sichtigte) Kcrienordnung die Festzeit der Charwoche in der Art zur
Verfügung gestellt würde, dasz dieselbe von Lehrern und Schülern in
gemeinschaftlicher Feier begangen werden könnte: von Mexger in
Seh. — 3) Liv. V 26 ^ceterum 1. captivum^ und statt indicem zu leüeu
indidem: Conjectur von Kern in Su — 4) Eine Uebersetzungsprobe
aus dem Lateinischen (einer Schrift des Aeneas Silvius) ins Deutsche
von dem württemb. Kanzler Niklas von Weil aus dem 15. Jahrb.
mitgetheilt von Scholl in St. aus seiner deutschen Litteraturgeschichte
3. Aull. 1H55.
No. V. 1) Dr. H. sucht das räthselhafte yclg Joh. 30 17 auf phi-
lologischem Wege ins klare zu setzen. — 2) Lcuze in K. zeigt sei-
nen Lehrgang der griech. Syntax, Tübingen 1855, an, der nach
Art ähnlicher Arbeiten im sprachl. Gebiet die Sprache an der Hand
guter Abschnitte stufenmaszig zu entwickeln suche, so dasz sie der
Schüler gleichsam mit erlebe, findet aber mit seinen Ansichten und
seiner Arbeit wenigstens bei Keller in ü. (s. No. IX) wenig Aner-
kennung. 3) Scholl in St. gibt eine anerkennende Anzeige Ton:
Altdeutsche He Id cndicht ungen , bearbeitet in Prosa fär das
deutsche Volk und für die reifere Jugend von J. Krais (auch durch
eigene dichterische Productioncn bekannt) i.üd.: der Nibelungen Notb.
Gudrun, 2. Dd.: Parcival, Pr. je 1 tl. Gerade bei altdeutschen Ge-
dichten sei eine Bearbeitung in Prosa weit räthlicher, als z. B. bei
Homer, und in manchem Betracht einer metrischen Uebersetzung sogar
vorzuziehen, da bei dieser gar zu leicht neue Lappen auf ein altes
Kleid geflickt erscheinen. — 4) Themata zur lat. Coniposition:
leichterer Art mit wenigen unterlegten lat. Redensarten, fortgesetzt in
folgenden xNummern. — 5) Kin lat. Original rät hsel, desgieicben
in No. VI. VIII. — 6) (Beil.) Das Kgr. Württemberg« eine sU-
tistische Skizze von A. Seubert, k. w. Hauptmann, als fleiszige und
auch für die Schule wnikommenc Arbeit gerühmt; ebenso 7) Grund-
risz der Weltgeschichte von Chr. Hoff mann 1Ö56. Pr. 46 kr.,
besonders als zu einem Repetitionscurse in der Geschichte trefflich ge-
eignet empfohlen.
No. VI. 1) Heber die Lage der Stadt Placentia von Kl.
in St.: sie ist nicht, wie die Karten es angeben, ostlich von der Hon-
dung der Trebia, sondern auf der Westseite derselben zu setzen; we-
nigstens führen die Berichte des Polybios und Livius auf dieses Ergeb-
nis. — *i) Der allere an den jüngeren Schulmann U. verUiei-
digt das Laiidrxumen cegen neuere AngrilTe, hauptsächlich gegen den
Vorwurf der lleberireibung der für dasselbe bestimmten Schüler und
hebt die Vort heile dieser Prüfung für das württemb. Schulwesen her-
vor, »ofern sie ein gemeiuMnieii Xiel der tat. Schulen stecke und einen
gemein>.imen Masz^tiib für die Behörde wie für die Lehrer selbst ab-
gebe *^. ,n 11. in H. gibt den ScIiIum zu No. VI, 18ji: über die
•^ .Ho rirhiig diej»e Bemerkungen über die Vort heile der genannten
wiiittrmborglM'hon roncur>|trüfung jüngerer il4jiihriger^ Schüler die
oino Sriio der Sä che gegenüber von unbefugten Angriffen ins Licht
niellon. «o uonig durdi* in Abrede gerogen werden, dasi andererseits
dio KU^o nbei gt^siindheiis^ehüdliehe l'eberlreibung in einzelnen Schu-
len. i^rliho dA« l.aiidrxAmen mit »ich fuhrr. eine gans nngegriindcte
Aussage aus Zeitfchrifteo. 305
lateinischen Casus in ihrer Grundbedeutung: Versuch, die
verschiedenen Anwendungen der lat. Casus aus ihrer jedesmaligen
Grundbedeutung zn entwickeln, z. B. 'pudet me huius rei :=: das Ge-
fühl der Scham hat mich; was für ein Gefühl der Scham? — Das
Schamgefühl, welches dieser Sache zugehört.' — 4) Ein Wort über
den Schreibunterricht von Diez in B.: Die letzte Stufe des
Schreib Unterrichts ist die Charakterhaftigkeit der Handschrift, die sich
allerdings nicht erzwingen läszt, wie die Regelmäszigkeit , der Zug,
die Eleganz, die man aber doch einigermaszen schon in der Schule an-
bahnen kann dadurch, dasz die durch die schulgerechte Form eebannte
Phantasie einigermaszen wieder in Freiheit gesetzt wird. — 6j (Beil.)
Statuten des philologischen Seminars zu Tubingen. — 6)
Prüfungsaufgaben bei der Dienstprüfung der Reallehramts-
candidaten und eines Fachlehramtscandidaten (für Mathema-
tik) 1854.
No. VIT. 1) Aus dem Bericht von Prof. Adam in H. und
Rector Schmid in U. über die Spieszsche Turnmethode
(9chlu8Z No. VIII): Die Persönlichkeit von Spiesz, die Geschichte
seiner Methode und ihrer Einführung in Darmstadt und das eigenthfim-
liehe derselben geschildert, letzteres zuerst mit Rücksicht auf den
Stoff der Uebungen und sodann hinsichtlich der Betriebsweise. Unter-
scheidend und lobenswerth an dem Spieszschen System ist die Beschrän-
kung d^r Reck- und Barrenübungen und die Werthschatzung und Aus-
bildung der Frei- und Ordnungsübungen (ohne Gerathe und von ge-
ordneten Mengen ausgeführt). Unter die ersteren gehört insbesondere
Sicherheit und Anstand des Gangs; es ist eine Aufgabe des Turnun-
terrichts, auch das tanzen als Zweig der Leibesübungen erzieherisch
zu handhaben und rein zu halten, damit es nicht ungeweihteren Hän-
den anvertraut bleibe; sehr ansprechend ist auch die Verbindung, in
welche Sp. einige Uebungen dieser Art mit Rhythmus und Gesang ge-
setzt hat. Dem Grundsatz nach sind diese Seiten des Systems gewis
zu billigen y wenn es gleich in der Ausübung an Auswüchsen nicht
fehlt. Ganz besonders aber sind die Ordnungsübungen anzuerkennen
als treffliche Mittel, um sowol aufmerken als auch sich unterordnen zu
lernen, zumal da sie sich vorzuglich dazu eignen, die Aufmerksamkeit
aus dem Reich des denkens zu den realen Dingen zurückzurufen, was
ein beachtenswerthes Gegengewicht gegen die Gewöhnungen des Bü-
cherlebens ist« Die Betriebsweise betreffend, ist das unterscheidende,
dasz Sp. ans dem turnen der Schüler wirklich ein Schulturnen ge-
macht, es schulmäszig behandeln gelehrt hat. Er verlangt mit Recht,
dasz die Uebungen während des ganzen Schuljahres fortgesetzt, auch
nicht in den freien Abendstunden, sondern zwischen die Unterrichts-
stunden oder wenigstens unmittelbar ans Ende derselben, Vormittags
oder Nachmittags, verlegt werden ; auch sind auf dem Raum zum tur-
nen nicht zu gleicher Zeit Schüler verschiedenen Alters versammelt;
es hat je nur ^ine Klasse Turnstunde; der Lehrer soll den Unterricht
geben, nicht Schüler (Vorturner), dieser aber musz ein paedagogisch
gebildeter Mann sein. So richtig das letztere ist, so ist das Vortur-
nersystem denn doch nicht nur bei den meisten Geräthübungen etwas
unbedenkliches, scypdern weil so leichter viele Schüler in Thätigkeit
ist. Nicht die Einrichtung dieser Prüfung, noch weniger die Aufsichts-
behörde der Schule, sondern das Ungeschick einzelner Lehrer, am aller-
meisten aber die Eltern, welche tbeilweise aus Mittellosigkeit, aber
auch oft im Unverstand, nicht selten unbefahigte Sohne k tont prix in
die Semlnarien bringen wollen, sind hieran Schuld.
Pf. Jahrb, f. PkU. ». Paed, Bd. LXXI V. Bfl. G. 22
306 AnszQge ans Zeitschriften.
erbalten werden, für zweckmaszig zn halten. Ein einlgermasieB nodi-
üciertes System ist werth, in unsere Schalen verpflanit so werden. —
2) Die heilbronner LehrerTersammlung. — 3) Einige Cir-
culare von Oberstodionrath Roth an die Lehrer dea nntern
und mittleren Gymnasiums zu Stuttgart: man aolle beim lat. declinie-
ren den Ablativ mit einer Praeposition cum, de usw. verbinden, aof
richtige Fragestellung achten z. B. wenn der Satz heiazt: Die Wilder
sind im Sommer grün, nicht fragen: wie sind die Wälder? aondern
wie beschaffen und zwar der Farbe nach? oder noch allgemeiner: was
für einer? beim Plnr. was für? das deutsche Liesebach benfitien zum
richtigen lesen, zum freien wiedergeben des gelesenen, zur VernnackM-
licbung der allgemeinen Sprachlehre, so weit sie dem Alter der Scha-
ler passt. — 4) Die neue Geometrie als Unterrichtsgegen-
stand empftehlt die Grundlinien der neueren ebenen Geometrie tob
Chr. Paulus als vortrefflich, was Klarheit der Darstellung, Anord-
nung und Auswahl des Stoffes betrifft. Uebrigens spielt die nenere
Geometrie im Gebiet der Mathematik eine ähnliche Rolle, wie die ape-
culative Philosophie auf dem ihrigen. Bs ist allerdings ein BedSrnii
vorhanden, von derselben so viel als möglich für die Schule branchbar
zn machen; aber ganz hereinziehen läszt sie sich nicht. — 5) Rith-
selhafte Aufschrift eines Grabes? aus Engtand (No.IX8. 144
übersetzt). — 6) (Beil.) Thema für die von den Profesaorats-
Candidaten des Jahrs 1856 auszuarbeitende lat. Abhandlnngi ^ 7)
Bericht über eine Lehrerversammlung in Eszlingen«
No. VIII. 1) Der Realschule Klage, Wunsch und Bitte,
Vortrag von Tröster in E. bei einer Lehrerversammlung: ZanSchst
wird geklagt über Vorurtheile und unbillige Zumutungen dea Pnbli-
cums an die RS., als ob die Unzulänglichkeit derselben bereite ent-
schieden wäre, dasz das Latein in den Lehrplan aufgenommen werde^
dasz man unmögliches von ihr erwarte; es wird gewünscht, die Be-
hörde möge die RS. völlig unabhängig von ihrer lat. Schweetemn-
atalt stellen, auch für die Maturitätsprüfungen ein Masz beatimmei^
mit dem sich auch Zöglinge der RS. zu messen wagten, d. h. ea aidfe
der Zugang zn Universitätsstudien, mit Ausnahme der theologiBGlM
und juridischen, und somit zur Anstellung in einer gröszeren Zanl tob
Staatsämtern auch Realschülern möglich gemacht werden; tob den
Lehrern wird verlangt, dasz sie Vertrauen zu ihrer eigenen Sache Im-
bon, und wer dies nicht besitze, lieber vom I^ehrstuhl abtrete, dum rie
die Religion und den Religionsunterricht in der gebührenden Bedeatnnf
für die RS. erfassen und behandeln, in freundlichem Verhältnb ndt
der Lateinschule stehen; in Betreff der Schuler wird die Armntb Tie-
Icr derselben bedauert, desgleichen der Mangel an begabteren Zöglin-
gen, auch groszere Gleichförmigkeit in den Lehrbüchern gewünscht..^
!K) Ucbcr einige Sätze aus dem Anfang zu Nacels Geoaie-
trie: Die Auflösung der Aufgaben zum VI. Buch 16 nnd % wird ■!(-
gethcilt. — 3) (Beil.) Auszer Prufangsaufgaben Blnma Voiksna-
tnrlchre sehr anerkennend beurtheilt, die Popularität nnd Klubrft,
der Reichthum an Figuren , die Berücksichtigung neuerer Bntdeckns-
gen, der wolfeile Preis lobend hervorgehoben. — 4) An der Lieder-
sammlung von Weber und Kraus wird von'Diei in B. anage-
setzt «^ dasz herrliche Melodien fehlen, bei manchen zumal anch bekann-
ten Liedern neue selbstgemachte Texte untergelegt, auch einzelne nnge-
eignete aufgenommen seien.
No IX. 1) I>er altere an den jüngeren Schulmann III:
Wns ist im Unterrichte dem Stoffe nach das naturliche? Peata-
lozzi hat, so warm und lauter seine Empfindung, so edel aein
wollen, so wol begründet sein Widerwille gegen das widemmtnriiche
AasEflge atis Zeittehrifteo. 807
des damaligen Anfangmmterricht« war, denaocli seinerseits einen
Stoff fnr den ersten Unterricht geschaffen, der — mit Ausnahme
des arithmetischen nnd geometrischen — ein noch Tiel kunstlicherer
und widernatürlicherer wurde, als derjenige, den er ans der Schule
hinausschaffen wollte. An seinem Beispiele sieht man, das« die Natür-
lichkeit des Unterrichtsstoffes nicht liege in der räumlichen Nahe der
Sache, auch nicht in deren natürlichem Reize und eben so wenig darin,
dasz die Sache dwäfiei schon im Kinde vorhanden ist, auch dasz der
scheinbar natürlichste Stoff, zum Unterricht verwendet, ein künstlicher
Stoff werde. Und doch haben sich ganz dieselben Misgriffe in der
neueren Erscheinung wiederholt, dasz man an der Hand C. F. Beckers
ond seiner Nachfolger es zur Aufgabe der Volksschule machte, jeder
im Volke müsse die hochdeutsche Sprache vollkommen verstehen lernen.
Das richtige in diesem Betracht ist vielmehr: in der Volksschule solle
die Schriftsprache eelehrt werden, in welcher auch der geringste
Mensch sein Kirchenlied singt, predigen hört und seine Bibel samt sei-
nen Gebeten liest. Das natürliche Substrat, um das deutsche am deut-
schen zu lehren, ist also hier nicht ein Lesebuch mit diesem und jenem
fremdartigen Stoffe, und wenn es der beste wäre, sondern — die lu-
therische Bibelübersetzung. Diese verdient nicht blosz ihrem Inhalt,
sondern auch ihrer Sprache nach neben der Fibel das einzige Lese-
buch in der Volksschule zu sein; jedes andere auszer derselben theilt
nnd stört die Freiheit des Bildungsganges. — 2)Minimacnrat prae-
ceptor: Man solle im arithmetischen Unterricht nicht sagen x 1 Elle
kostet 8 kr. ; 6 Ellen kosten 6mal mehr, sondern — kosten das 6fache.
— 3) (Beil.) Ueber den arithmetischen Unterricht, bes. in
den untern Klassen eines Gymnasiums, ans einem Vortrag
von Scharpf in U. : über einige Eigenthümllchkeiten der Methode (In
folg. Nummern fortges.).
No. X. I) Ueber die höhere Geometrie: Zech inT. nimmt
das Wort für dieselbe gegen das VII 4 ausgesprochene Urtheil. — 2)
Sophokles Antigene nach neuen Grundsätzen der Prosodie bear-
beitet von Dr. E. Eyth 1854. Von dem Rec. B. mit Freuden be^
grüszt, die neuen Grundsätze der Prosodie (groszere Berücksichtigung
der Accentquantität) gebilligt, doch nicht ohne mehrfache Ausstellun-
gen im einzelnen nebst beigefügten Verbesserungen. — 3) Losung
geometrischer Aufgaben. Billigender nnd ergänzender Nachtrag
zu VIII 2. — 4) (Beil.) Ueber den arithmetischen Unterricht.
Forts, von IX 3. — 6) Anzeiget Plan nnd Inhaltsverzeichnis einer
kleineren Sammlung von deutschen Gedichten, wie eine solche als Me-
morierstoff für eine lat. Landschule nach Inhalt nnd Preis geeignet wäre,
da die vorhandenen Anthologien (auch die von Märklin?) theils za
thener seien, theils nicht durchaus würdigen und verständlichen Inhalt
haben. Vgl. XI, Beil. S.88, wo Kap ff in U. den Vorschlag gut heiszt
nnd weiter verfolgt.
No. XI. 1) El wert in S. berichtet, tiefer eingettend in die Er-
6rtemn^ über das Verhältnis der Lectionen zn der Privatthätigkeit
der Schüler, über vier verschiedene Versuche im Seminar S., die Pri-
vatthätigkeit in zweckmäsziger Weise zn ordnen. — 2) Xenophon-
tis bist, graeca ei rec. et com asnot. L. Dindorfii, Ozon. 1853
von R. inH. : entschieden reicher und sicherer in der kritischen Grund-
lage, auch besser in der Erklärung, aU die Schneidersche und auch
als die er^te Dindorfsche Ausgabe 18M) (wortlich wieder abgedruckt
1852). — 3) (Beil.) Statistische ^otizen über den Stand des
gelehrten Schulwesens in Württemberg im Schuljahr 1853/^9
von Oberstndienrath Hirzel.
No. XIL 1) Bänmlein in M.: über das Verhältnis der
9^*
308 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, stttiil. Notisen.
grammatischen Stndien sn dem Studinm der Phitolofie:
•chou nach der Natur und dem Zweck des philologischen Stadions
selbst ist das Studium der Sprache entschieden das erste und nothwen-
digste, für den Lehrer an obern und niedern Gymnasialklassen aber ist
vertraute Bekanntschaft mit den Sprachen des Alterthoms weitaus das
unentbehrlichste. — 2) Zur deutschen Orthographie. Dr. Roth
theilt eine Reihe von Bestimmungen über die Orthographie einxelner
Worter mit, worüber seiner Zeit die Lehrer am Seminar in Seh. ein«
Uebereinkunft getrolTen haben. — *2) Schwäbisch und deutsch,
Mundart und Haupt spräche. Dringender Aufruf an die Lehrer,
in der Schule der herschenden Schriftsprache, nicht der schwäbischen
Mundart sich zu bedienen und den Schuler gut geläufig und rein deutsch
sprechen zu lehren. — 3) (Beil.) Die im Herbst 1853 in Würt-
temberg erschienenen Programme werden ihrem Inhatt nach
mitgethcilt, besonders eingehend die Abhandlung von Adam in H.
über den rednerischen und staatsmännischen Werth der ersten catilina-
rischen Rede Ciccros (gegen Hagens und Drumanns Angriffe) und von
Z leg 1er in St. über die Antigene des Sophokles. M.
Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen , statistische
Notizen, Anzeigen von Programmen.
Amclam]. Am dasigen Gymnasium ist mit dem Beginn des
Schuljahrs Ostern 1856 der Uebergang zu dem neuen Lehrplan vorbe-
reitet worden. Dr. Klütz, welcher eine Zeit lang freiwillig Aos^
hülfe geleistet hatte, hatte die Anstalt verlassen. Das Lehrercollegiaia
bestand im vorhergegangenen Schuljahre aus dem Dir. Prof. Dr. Som-
nicrbrodt, den Oberlehrern Dr. Schade, Dr. Wagner (Prorector),
Conr. Peters, Schütz, Dr. Spörer, den ordentl. i^hrern Glasel,
Dr. C.Kock, Schobert, Müller, Schneemelc her, dem Hülfsl.
von Boguslawski (am 15. April 1855 in eine neu errichtete sweite
Lehrerstelle für Naturgeschichte eingetreten), Gesanglchrer Cantor
Harzer, Maler B. Peters, Turnlehrer Wittenhagen. ■ Die 8cb5-
lerzahl war am Schlüsse des Schuljahrs 316 (I 26, II 22, III« 24^ IIP
33, IV 65, V 59, VI 58, VII 29), Abiturienten Mich. 55 2, Ostern 66
8. --- Den Schulnachrichten vorausgestellt ist die Abhandlang des GjB-
nasiallehrers Dr. C.Kock: de parabaat^ antiquac eojnocdiae interludk
(19 S. 4). Der gelehrte Hr Verf. hat die von Ko Ister {de parahmd
vetcrtB cotnoediac parte. Altena 1829) und Köster (jde graeeae co— e
diac parabaaif Stralsund 1835) behandelten Fragen über Urapraog,
Zweck, spätere Beseitigung, Art und Weise der Aoffährung yon neuem
einer eben so scharfsinnigen wie sorgfältigen Untersuchung nntenogen,
und durch eingehende Prüfung der Parabasen selbst, wie der ober sie
bei den Alten vorbefindlichen Berichte sehr viele Punkte bia so den
erreichbaren Grenzen der Evidenz gebracht, dadurch aber einen «ehr
verdienstlichen Beitrag zur richtigen Auffassung und Wardigunc der
alten Komoedie, dieser ganz eigen thüm liehen Schdpfnng des attischen
Geistes, geliefert« />.
Aunstai>tJ. In dem Lehrercollegium des dasigen forstlichen Gym
nasiums [s. Bd. LXXII S. 372] trat im Schulj. 1855— 66 keine weitere
Veränderung ein, als dasz der Organist Bernh. Stade zum Cantor
und Mnsiklehrer ernannt wurde. Die Schulerzahl war Mich. 1855 78
Benohte aber gelehrte Anstalten, Verordnnngen, Statist. Notiien. 309
(1 10, U 9, III 12, IV 20, V 27), Abiturienten Mich. 65 und Ostern
56 je 4iner. Die Schalnachrichten enthalten eine Ansprache des Dir.
Dr. Pabflt an einen Abiturienten, der sich den Naturwissenschaften
zu widmen gedachte, worin Tor dem namentlich durch die falsche Be-
treibung jener Wissenschaften unter glänzendem Scheine ▼erbreiteten
antichristlichen, materialistischen Weltanschauung gewarnt wird. In
Verbindung damit steht ein Rescript Tom 20. Januar, wornach die An-
schaffung der sämtlichen Werke Franz von Baaders für die Gymna-
sialbibliothek empfohlen wird, weil dieselben als eine Gegenwirkung
gegen jene Weltanschauung von Bedeutung seien. Uebrigens wird an
diesem Gymnasium das Privatstudiom eifrig betrieben. Als wissen-
schaftliche Abhandlung ist dem Programoie beigegeben vom Collab.
Walther: Dr. Joachim Morlin, ein Leben aus der Heformatiangseit
(24 S. 4). Bei so gewaltigen Ereignissen, wie die Reformation ist,
pflegen neben den erhabensten Helden derselben, Luther und Melanch-
thon, die ihnen zur Seite gestandenen treuen Mitkämpfer in den Hin-
tergrund zu treten, und über der Betrachtung des Ganges, welchen das
grosze Ereignis im ganzen genommen , die zu ihm gehörigen kleineren
Vorgänge zu verschwinden; aber gerade durch die genaue Kenntnis
dieser ist das vollständige wahre Bild jener za gewinnen und deshalb
jede dazu dienende Schrift willkommen zu heiszen. Morlins Leben hat
zwar für Arnstadt ein specielles Interesse, allein dasselbe ist im allge-
meinen sehr wichtig, weil es eine sonst weniger hervortretende oder
beachtete Erscheinung deutlich aufzeigt, den Widerstand, welchen
die Reformation nicht wegen der Anhänglichkeit an das Papstthum,
sondern wegen des Ernstes und ECifers, mit dem sie auf Heiligung des
Herzens niä Lebens dringt, fand. Zugleich macht dasselbe ersicht-
lich, wie grosze Kämpfe die evangelische Kirche für Wahrung ihrer
Wurde und Freiheit durchmachen muste, ehe sie zu einer festen Or-
ganisation Gelangte. Schon an und für sich aber ist Morlin ein ech-
ter evangelischer Glaobensmann, an dessen Beispiel sich jeder empfäng-
liche erbauen mnsz. Der Hr. Verf. hat das Verdienst, bisher unbe-
nutzte Quellen ans Licht gezogen (wir machen namentlich auf das
kostliche Trostschreiben an den gefangenen Kurfürsten Johann Fried-
rich, Königsberg 7. Oct. 1551, aufmerksam) und durch zweckmäszige
Zusammenstellung aus denselben ein recht objectiv klares Bild gelie^
fort zu haben. Der Fortsetzung (die gegenwärtige Abhandlung geht
bis zum Beginn der Streitigkeiten mit Oslander in Königsberg) sehen
wir mit Freuden entgegen. D.
Bayreuth]. Etwas spät berichten wir über das Programm der
konigl. Studienanstalt v. J. 1855 [s. Bd. LXXII 8. 150]. An derselben
waren der Zeichen- und Schreiblehrer Ranz nach mehr als 50jähriger
und der Lehrer des Franzosischen Mosch nach beinahe 25jähri£er
Wirksamkeit in den verdienten Ruhestand getreten. Die Stelle des
Zeichenlehrers erhielt der Privatlehrer Pflaum, Aushülfe leistete der
Gymnasiallehramtscandldat Bauer. Die Frequenz betrug im Gymna-
sium 83 (IV 20, 111 22, II 17, I 24), in der lat. Schule 186 (IV 34,
III 28, II 38, IB 48, lA 38), im ganzen also 269. In dem Programme
hat der Stndienrector Dr. J. C. Held veröffentlicht die zweite Mit-
theilung von BmchMeken aus dem Briefweeh§el mwi$ehen dem Vater
eines SchületM und dem Reeior eine« Gymnatiumt (20 S. 4). Ref. ge-
steht offen, dasz er die hier gewählte Form für die Aussprache von Be-
lehrungen und Erörterungen nicht liebe. Sie gewährt zwar scheinbar
den Vortheil, Rede und Gegenrede sich gegenüberzustellen, beruht aber
doch auf Fiction und erregt deshalb, wie wir fürchten, ein gewisses
der Wirkung schadendes Mistrauen. Viel besser scheint es uns, wenn
man die Einwendungen der Gegner an« den erschienenen Schriften und
310 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, siniiil. NoUmb.
Localblättern vorführt in der wirklichen Gestalt, wie sie yoripbracht
sind, und sie nun mit möglichster Schärfe widerlegt; dann trifft man
wirkliche, nicht fingierte Gegner, mögen diese auch den yorhandenen
noch so genau entsprechen. Doch es ist dies vielleicht nur eine Grille;
sie hindert uns wenigstens nicht, das gute, wa« in dieser Form sich
bietet, dankbar anzuerkennen und zu benätzen. Der als tüchtiger Ge-
lehrter wie Paedagog allgemein bekannte Hr. Verf. hat znm Gecen-
Stande seiner Erörterungen den In Bayern neu gestalteten franzosiachen
Unterricht an den Gymnasien genommen, und das demselben zn steckende
Ziel, die dabei zu befolgende Methode und die nothwendigen Bedingun-
gen , welche der Lehrer hinzubringen musz , in eingehender klarer nnd
überzeugender Weise erörtert. Ks ist sehr erfreulich die grosse Ueber-
cinstimmung wahrzunehmen, welche zwischen dem Hrn. Verf. und dem
wackern von Jan, der unabhängig gleichzeitig, wenn schon in ande-
rer Weise denselben Gegenstand behandelte (s. oben 8. 268 ff.)» wahr-
zunehmen. D»
BKiiNiiUiiG]. Das herz. CarUgymnasium hatte im Schuljahre i8&6
— 56 folgende Lehrer: den Dir. Prof. Dr. C. L. W. Franke, die
Professoren Dr. Günther und Felgentreu, die Oberlehrer Nico-
lai, Dr. von Heinemann, Moller (durch Rescript vom 5. Decbr.
1855 zum Oberlehrer ernannt), den Inspertor Korner (welcher, nach-
dem ihm am 7. Decbr. 1855 die provisorische Verwaltung des Pfarr-
amts Waldau-Altenburg übertragen war, doch noch das Ordinariat der
Quarta und 10 Lehrstunden beibehielt), den Lehrer Wiele, die Col-
laboratoren Kilian und Freund (gieng Weihnachten in das Rectorai
zu Coswig über, die Hulfslehrer Cand. Winds child (nach des Coli.
Freund Abgang dem Gymnasium zugewiesen) und Korner, die Pa-
storen Schlick und Valentiner, den Musikdirector Kanxier nnd
den Zeichenlehrer Döring. Die Schulerzahl war
I 11 HI IV V VI Sa. Abit.
Sommersem. 17 23 29 33 34 26 161 3
Wintersem. 16 25 32 38 29 31 171 2.
Der Lehrplan des Gymnasiums war folgender:
I 11 in IV V VI
Religion .... 2 2 2 2 2 3
Latein 9 10 10 10 9 9
Griechisch . . 7 7 7 5 2 —
Deutsch 2 2 2 3 4 6
Franzosisch .2 2 2 2 — —
Knglisch 2 I 1 — — -—
Hebraeisch . . 2 1 — — — —
Geschichte. .2 2 2 2 2 —
Geographie . — l 3 12 2
Mathematik .4 4 4 5 4 4
Naturkunde. (1—2) 1 — 2 2
Philosophie .
Kalligraphie
A
— —
—
2 2
3
2
3
2
3 3
Gesang . . .
Zeichnen .
Turnen H
Der Untorrichi in der philosophischen Propaedeutik bestand im Som-
mcrsemeMor aus Lo^ik, im Winter aus einer Analyse des platonischen
Gorgias, so dass wir also hier einen von uns oft vertretenen nnd em-
pfohlenen Gedanken verwirklicht finden. Ueber die beigegebene Ab-
Beriehto aber gelehrte Anslalton, VerordBiingei, elatif t. Notizen. 311
haadlung des Oberl. Mol ler: JStfd» ncr Joeehfity po^e Mque p. M-
pAofite de Lamartine (18 8. 4) werden wir einen besondern Bericht
bringen.
Bonn]. Im Programm des dasigen konigl. 63rmnasinms ist im J.
1865 die Abhandlung ausgegeben worden H. J. Remacly: Oftservst-
tionum in Lueiani Hermotimum partieula altera <, prole^omena conti-
nen» (20 S. 4. Die erste Abtheilnng ist Bd. LKV. 8. 317 von uns an-
gezeigt), eine neue Probe von dem Scharfsinne des Hrn. Verf. und sei-
nem eingehenden Studium, wie des Lucian, so des verwandten Krei-
ses der griechischen Litteratur. Das le Kap. handelt über den dop-
pelten Titel des Dialogs. Indem der Hr. Verf. erweist, dasz schon
vor Lucian die Sitte, die Bacher mit einer doppelten Ueberschrift zu
bezeichnen, aufgekommen und von dessen Zeitgenossen geübt worden
sei , findet er die Anwendung derselben von jenem um so naturlicher
und nothwendiger , als ihm keine so den Inhalt sofort bezeichnenden
einfachen Namen zu Gebote standen, wie z. B. Plato. Er bemerkt
ferner, dasz die doppelten Titel dem Inhalte der Schriften entsprechen.
Freilich musz er dabei, um im Titel xatanlovg ij Tv^avvog das f
gegen %a£ festzuhalten, dazu seine Zuflucht nehmen, dasz er die Ge-
wohnheit für mächtiger halt, als das Gebot der Logik, worin wir ihm
nur ungern beistimmen würden. Recht evident aber erscheinen, wenn
man die Voraussetzung, die allerdings die groste Wahrscheinlichkeit
hat, zugibty die Emendationen der Titel: *Evvnviov lizoi ߣog Aov-
%iavov, MUvXXog ij 'AXsxtgvoiv , ZCfuov ij ott tixvri nagaüizi'H'q (den
Dialog scheint der Hr. Verf. gegen Bekker für echt zu halten). Indem
er sodann erweist, dasz atg^üig bei Lucian in der Bedeutung: 'Philo-
sophenschule' vorkomme, obgleich die früher übliche häufiger sei, und
durch Darlegung des Inhalts darthut, dasz der Titel nicht unpassend
sei, obgleich er vollständiger nB^l atgsastog alffiaeoap lauten sollte,
bringt ihm der Vorgang des Epikur, der ein gleich betiteltes Buch ge-
schrieben, und die Vermutung, dasz Lucian wol absichtlich einen sol-
chen Titel gewählt, um nicht von vornherein die Philosophen heraus-
zufordern, neue Stützen für die Echtheit des Zusatzes. Im zweiten
Kap. stellt der Hr. Verf. fest, dasz man unter der einen redenden Per-
son, dem Lykinos, unbedenklich Lucian selbst verstehen musz, da er
sich dieses Namens in 11 Dialogen (einiger Unechtheit gibt er hier
Bekker zu) bedient, und stellt die ganz wahrscheinliche Vermutung
auf, dasz der Schriftsteller, in dessen Zeitalter überhaupt eine Umge-
staltung der Namen sehr üblich gewesen, diese Umgestaltung seines
römischen Freigelassenennamens unter den Griechen sich selbst beigele^
oder erhalten habe. Den Hermotimus dagegen erklärt er für eine rem
fingierte Person, glaubt aber, dasz Lucian sich selbst dabei im Sinne
gehabt, indem er in seinem 40n Lebensjahre sich von der Rhetorik zum
Studium der Weltweisheit gewandt. Im du Kap. wird dargethafi, dasz
man aus der c. 2, IB, 25 vorkommenden Angabe der Lebensjahre des
Lycinus keineswegs berechtigt sei zu schlieszen, Lucian habe den Her-
motimus in seinem 40n Lebensjahre, wie den Bis accusatus geschrie-
ben, vielmehr als wahrscheinlich bespründet, dasz er jenen Dialog erst
verfaszt, nachdem ar schon über das Studium der Philosophie ent-
teuscht worden war. Das'4e Kap. endlich begründet die Ansicht, dasz
Athen für den Ort zu halten sei, an welchen Lucian den Dialog ver-
legt. D.
Budissin]. Das Lehrercollegium des dasigen Gymnasiums hatte im
vergangenen Schuljahre keine Veränderung erfahren. Die Schülersahl
betrug 150 (I 19, II 19, III 19, IV 29, V 30, VI 24). Zur Universität
wurden Mich. 1S55 6, Ost. 1856 9 entlassen. Den Schulnachrichten voraus
steht die Abhandlung des 6n Collegen Dr. Gast. Mor. Klosz: einige
312 Berichte über gelehrte ÄDstalten, Verordnangen, gtatiil. NoCiien.
^nufcndungcn de« florentiner Problcm§ (27 8. 4 and eine Figaren-
lafel),
Clausthal]. Im Lehrercollegiom des dasigen Gymnasiams (a. Bd.
LXXII 8. 259) war im letztTerflossenen 8rhaljahre keine Veränderung
eingetreten. Die Schüleraahi betrag 195, darunter 39 Realisten (I Ib^
II 19 (7 R.), III 30 (8 R.), IV 44 (24 R.), V 44, VI 43). Abitarien-
ten waren Mich. 1855 2, Ostern 1856 9. Die Abhandinng far da« Pro-
gramm schrieb Collab. Dr. Bachhoiz unter dem Titel: emeMifafiOfliiMi
Sophoclcarum specim, II (22 8. 4). Der Hr. Verf. entschuldigt sich
selbst in der Vorrede wegen des gewählten Titels, da die Schrift nicht
allein Kmendationen, sondern auch Erklärungen enthalte. Zugleich be-
zeichnet er dieselbe als einer groszercn demnächst unter dem Titel
schedae criticae erscheinenden entnommen. Man wird, wenn man mach
über die meisten Stellen abweichende Ansichten hegt, dem Hrn. Verf. die
Anerkennung des Fleiszes, des Scharfsinns und der Gelehrsamkeit nicht
versagen können. Die behandelten Stellen sind Ai 14 IT., wo dg durch
ein im folgenden vor xal vvv indyvmg cu ergänzendes ovrm erklart
wird , wogegen dem Ref. hauptsächlich das Bedenken beigeht , dasB lo
eine logisch unrichtijge Vergleichung herauskommt. Ai 494 conjiciert
der Hr. Verf. tflsvzrjaag tafp'jg oder rtttpfisy Philoct. 1393 ei ol ft^ 'v
Xoyotg nsCa^iv dvvriaofisad'a^ (iridhv ovv Xiyto; sodann 1443 6vt^ yno
svaißsiUy avv^vjjayisi ßgoTOig, Antig. 23 avv SC%ri xQria%6g 6d«rog(T)M»
vatim, 464 xal qt^iyfia xal ovx avofiov fpgovrjfia^ 718 aXJl^ tC y i6v^0Vf
xal fiBtdatccaiv Sldov, Trach. 81 ^, xovzov agccg ad^lov etg wv* «ort^ov,
415 f. nach Brunck und Kayser Ayy, ttJv ctixuMlarov^ yp fntpLtffag ig
d6(iovgj ndvoiad'a 6rJT ; Aix» ^^ VW^' ^Qog ti A' laroQeCg. Ayv, ov-
Ttovv av tavtriv; rjv vn ayvoiag'JoXrjv tqxxanBg Evffvxov dtoffap SyH9^
526 ^yvoa dh fidrrjg filv ola tpQÜim. 1>.
Dktmold]. Nachdem vom dasigen Gymnasium Lieopoldinnm Osten
1855 der Gymnasiallehrer Rohdewald (s. Bd. LXXII S. 54) ansge-
schieden war, wurde das Ordinariat der Quarta dem Gymnadallehrer
Dr.Dornheim übertragen, an dessen Stelle der Gymnasiallehrer Gast.
Kentsch von Lemgo hierher versetzt und mit AoNfüllung der Lacke
während des Sommersemesters der Schulamtscandidat Bunte beauf-
tragt. Da die Regulatire für die Anstalt durch deren Krwoiterang
einer Veränderung bedurften, so wurden sie von der Schulbehorde re-
vidiert und es gelten demnach jetzt folgende Bestimmungen wegen der
Klassenziele und des Abiturientenexamens : Von einem Schuler, welcher
aus einer niedern Klasse in die nächstfolgende höhere versetst la wer-
den wünscht, wird verlangt, dasz er sich in Sprachen und Wissen-
schaften diejenigen Kenntnisse angeeignet habe, ohne welche er an
dem Unterrichte in der hohem Klasse nicht mit Nutzen Theil nehmen
könnte. Das Mass der dazu erforderlichen Kenntnisse und Fertigkei-
ten oder das Ziel, bis zu welchem jede Klasse des hiesigen Gymna-
siums in den bei der Versetzung besonders zu berücksichtigenden Lehi^
fächern innerhalb der für jede Klasse verordneten Zeit (Cursns) ge-
bracht werden soll, wird hiermit bestimmt und festgesetzt, wie folgt t
I. Der Sextaner soll 1) im Lateinischen die regelmäszigen Pormen
des N(»men und Verbum mit Einschlusz der Deponentia fest eingeübt
haben und dieselben mit Sicherheit anwenden können, mit den Cardi-
nal- und Ordnungszahlen, den Praepositionen, den gewöhnlichsten Ad-
verbien und Conjunctioncn bekannt sein und Fertigkeit im übersetzen
kleiner Sätze aus dem Lateinischen ins Deutsche und umgekehrt be-
sitzen. 2) Tm Deutschen wird Fertigkeit im mechanischen lesen and
bei leicht übersehbaren Sätzen auch Sicherheit in der Betonung gefor-
dert; auch soll der Sextaner mit den Redetheiten, dem einfachen and
erweiterten Satze gehörig bekannt sein. 3) In der Religion soll er
Berichte Ober gelehrte Anstalten, Verordnanfee, statii t. Notiien. 313
die Hauptbegebenheiten ans der biblischen Geschichte A. T. nach dem
eingefnhrten Lehrbache za erzählen, anch die damit in Verbindang ge-
brachten BibeUpruche und Liedenrerse anzugeben bissen. 4) In der
Geographie wird eine summarische Kenntnis der ganzen Erdoberfläche,
namentlich der Hanptumrisse der Erdtheile verlangt. 6) Im rechnen
soll er mit den 4 Grundrechnungen mit ganzen, unbenannten nnd ein-
sortigen Zahlen, so wie mit den beiden ersten Grundrechnungen in
raehrsortigen Zahlen bekannt und darin geübt sein. Der Cursas der
Sexta ist einjährig. II. Der Quintaner soll 1) im Lateinischen
Sicherheit in Anwendung der regelmäszigen und unregelmäszigen No*
minal- und Verbalformen erlangt haben, das wichtigste nnd einfachste
aus der Casuslehre, die Hauptregein Ober den Gebrauch des InfinitiTa,
des Accus, c. Inf., der Participia, des Gerundiums und Supinums wis-
sen und anwenden können; dazu soll er sich die Fertigkeit erworben
haben, zusammenhangende leichte Erzählungen aus dem Lateinischen ins
Deutsche nnd umgekehrt zu übersetzen. 1) Im Franzosischen soll er
mit dem bestimmten und onbestimmten Artikel, anch mit dem Thei-
lungsartikel, mit der Declination der SubstantiTe und AdjectiTe, der
Comparation der letztern, mit den Zahlwortern ond der Conjugation
der Hnifszeit worter vertraut sein nnd die vorgekommenen französischen
und deutschen Uebnngsstncke abersetzen können. 3) Im Deutschen
soll er ein seiner Bildungsstufe angemessenes Stuck geläufig lesen und
die Grunde für seine Betonung angeben können ; die Hauptregein der
Orthographie soll er nicht nur kennen, sondern sie auch in seinen Auf-
sätzen anwenden; endlich wird Kenntnis des einfachen, erweiterten,
zusammengezogenen und zasamm engesetzten Satzes nebst genauer Be-
kanntschaft mit den Praepositionen und Coajunctionen von ihm erwar-
tet. 4) In der Religion soll er die Hanptbegebenheiten der biblischen
Geschichte N. T. nach dem Lehrbache erzählen nnd die eingenbteo
Spruche und Lxederverse, in ihren Beziehungen zu den Geschichten,
hersagen können. 5) In der Geschichte soll er mit den wichtigsten
Ereignissen aus dem Leben der groszen Männer des Alterthums, be-
sonders der Griechen und Römer, bekannt sein und für die Hauptbe-
gebenheiten auch die Zahlen anzugeben wissen. 6) In der Geographie
wird eine genauere Bekanntschaft mit den allgemeinen geographischen
Begriffen, den 5 Welttheilen nnd den Hauptmeeren verlangt. 7) Im
rechnen soll er die Grundrechnungen mit mehrsortigen Zahlen beendigt
haben und in der Rechnung mit Brüchen so weit fortgeschritten sein,
dasz er die Brnchrechnnngsexeropel nicht nur mit Sicherheit und Leich-
tigkeit, sondern auch mit Angabe der Gründe für sein Verfahren lösen
kann. Der Cnrsus der Quinta ist einjährig. III. Der Quar-
taner soll I) im Lateinischen hinlängliche Sicherheit und Raschheit in
der Anwendung der Formen besitzen und aus der Syntax die Regeln
der Casuslehre, die wichtigem aus der Moduslehre, besonders die über
den Gebrauch des Conjunctivs nach den Conjunctionen ut, ne, quo,
quin, qnominus, die über den Gebrauch des Acc. c. Inf., der Abi. absol.,
des Gerundiums nnd Supinums mit dem Gedächtnis aufgefaszt haben
nnd anzuwenden wissen, die von ihm gelesenen lateinischen Abschnitte
endlich mit .Fertigkeit ins Deutsche übertragen^ können. 2) Im Fran-
zösischen soll er mit der Declination des Artikels, des Hauptworts,
des^'Adjectivs, mit den Zahlwörtern avoir und ^tre, der regelmäszigen
Conjugation und den gebräuchlichsten der unregelmäszigen Zeitwörter
vertraut sein und die gelesenen Abschnitte vertieren und retrovertieren
können. 3) Im Deutschen soll er sich eine ausreichende Kenntnis vom
einfachen Satze in seinen wesentlichen Bestandtheilen, wie auch vom
zusammengezogenen nnd zusammengesetzten erworben haben, ein pas-
sendes Lesestack ohne Anstosz vorlesen können nnd im abfassen von
314 Berichte über gelehrte AiMtalten, Verordnungen, statiet. Notisen.
Aafsäuen fo weit geübt sein, dasi er nach gegebenen Mustern dem
een,
8undpnnkte der Klasse angemessene Aufgaben, als Beschreibnnee
Krxählungen, Briefe, in verständlicher, insaminenhangender Weise ohne
grobe Verstösze ge^en Grammatik und Orthographie za liefern ver-
mag. 4) In der Religion soll er mit den wichtigsten Lehren der Glan-
bens- und Ptlichtenlehre und den nothigsten Belegstellen ans der Bibel
bekannt sein. 6) In der Geschichte soll er die Hanptfacta von den
ihm vorgeführten Biographien ans der mittlem und neuern Geschichte
kennen und zu den Hauptbegebenheiten auch die Zahlen anzugeben
wissen. 6) In der Geographie wird neben der allgemeinen Uebersicht
genauere Kenntnis der Geographie von Deutschland ond seinen Staaten
verlangt. 7) In der Geometrie soll er die Definitionen der in der Pla-
nimetrie vorkommenden Begriffe kennen und die Uauptlehrsatse über
l^inien und Winkeln, von den Winkeln und Seiten geschlossener Figa-
ren, wie über den Flächenraum derselben beweisen können. 8) im •
rechnen soll er Gewandtheit in der Berechnung solcher Aufgaben, wel-
che durch Proportionen oder den Kettensatz gelöst werden können,
wie auch im rechnen mit Zeiträumen beflitzen. Der Cursns der
Quarta ist einjährig. IV. Der Tertianer soll 1) das Griechi-
sche nach dem Accent nicht nur fertig lesen, sondern auch deatlich
schreiben, die gewöhnliche Formenlehre ganz, von den nnregelmäsxi-
gen Verbalformen die wichtigsten, auch von dem episch-ionischen Dia-
lekte das hauptsächlichste inne haben, die von ihm früher überseUten
Uebungisstücke endlich mit Sicherheit übertragen, auch einige Ab-
schnitte aus der Odyssee lesen und verstehen können. 2) Im Lateini-
schen soll er die Formenlehre ganz, so wie auch alle Regeln der Syn-
tax mit einem oder anderm Beispiele zu denselben ins Gedächtnis ge-
faszt haben , aus dem gelesenen lateinischen Prosaiker und Dichter die
vorgekommenen Stucke mit Praecision übersetzen und einen seiner
Bildungsstufe angemessenen Abschnitt ohne grobe Fehler gegen die
Grammatik ins Lateinische übertragen können. '6) Im Französischen
wird vollständige Kenntnis der Formenlehre, insonderheit der unregel-
mäszigen Zeitwörter, Bekanntschaft mit den Hauptregeln der Syntax
und Fertigkeit im übersetzen der gelesenen Stücke verlangt. 4) Im
Deutschen soll der Aspirant mit Ausdruck lesen, vorher gelesenes oder
vorgelesenes frei wiedererzählen und ein dem Standpunkte seiner allge-
meinen Bildung entsprechendes Thema ohne orthographische und gram-
matisirti« Fehler mit gehöriger Disposition des Stoffs bearbeiten kön-
nen. 5) In der Religion soll er sich eine genauere Bekanntschaft mit
den behandelten Theilen der Heiligen Schrift erworben haben. 6) In
der Naturgeschichte soll er mit der Classification der Naturproducte,
wie mit ihrer Anwendung zu den Bedürfnissen des Ijebens bekannt
sein. 7) In der Geschichte wird eine sichere Kenntnis der alten Ge-
schichte mit genauer Angabe der Jahreszahlen, sowie eine übersicht-
liche Kenntnis des Schauplatzes der alten Geschichte, besonders von
Griechenland und Italien verlangt. 8) In der Geographie soll er eine
Ueberäicht der mathematischen und physikalischen Geographie, eine
specielle Kenntnis der europaeischen Staaten und sichere Kenntnis der
topischen Verhältnisse Deutschlands besitzen. 9) In der Mathematik
soll er mit der Lehre von den entgegengesetzten Gröszen, den Bin-
schlicszungszeichen, der Buchstabenrechnung, der Ausziehune der Wur-
zeln und den Verhältnissen, endlich mit der Planimetrie hinreichend
bekannt sein. 10) Im praktischen rechnen soll er die ihm vorgelegten
Kxempel aus der Decimalbruch- Rechnung, ans dem rechnen mit Ursa-
chen, Zeiten und Wirkongen, aus der Berechnung der Zinsen, des
Rabatts und verwandter Gegenstände, aus der Gcsellschafts- und Ver-
mischungsrechnang, sowie einfache geometrische Rechnungen löten
Bmchte Ober gelekrte Anstalten, Verordnuagen, statijt. Notiiee. 315
konneo« Der Carsu« der Tertia ist zweijährig. V. Der Scha-
ler der zweiten Realklasse soll 1) im Lateinischen (feine frnhern
Kenntnisse in der Formenlehre befestigt , seine Kenntnis der Casns-
und Modnsregeln erweitert haben und die gelesenen lateinischen Ab-
schnitte mit Geläufigkeit übersetzen können« 2) Im Französischen soll
er das den Tertianern gesetzte Ziel gleichfalls erreicht haben. 3) Im
Bnglischen soll er die durchgenommenen Lesestucke richtig lesen und
fertig übersetzen können, anszerdem aber die Formenlehre inne haben.
4) Im Deutschen soll er den an die Tertianer gestellten Anforderungen
ebenfalls genügen. 5) In der Religion und 6) in der Naturgeschichte
sind die für Tertia bestimmten Anforderungen auch für ihn maszge-
bend. 7) In der Physik wird von ihm Bekanntschaft mit den allge-
meinen Phaenomenen der unorganischen Natur, den Gesetzen, nach
welchen dieselben erfolgen, und deren Anwendung zur Construction
▼on Maschinen verlangt. 8) In der Geschichte gilt das für die Ter-
tianer bestimmte Ziel auch für ihn. 9) In der Geographie soll er die-
jenigen Abschnitte der Wissenschaft, welche während seines Aufenthalts
in der Klasse behandelt worden sind, wol inne haben. 10) In der
Mathematik und 11) im praktischen rechnen gelten die für Tertia fest-
gesetzten Bestimmungen auch für die zweite Klasse der Realschule.
Anszerdem wird von dem Realschuler verlangt, dasz er im schonschrei-
ben und im zeichnen gute Fortschritte gemacht habe. Der Cursus
der zweiten Realklasse ist einjährig. VI. Der Secundaner
soll 1) im Griechischen die gewöhnliche Formenlehre des attischen und
homerischen Dialekts, mit Einschlusz der unregelmaszigen Verbalfor-
men, aus der Syntax aber die Rections- und Zusammenstimmungslehre,
sowie die Lehre ubtr den Gebrauch der Tempora und Modi inne haben.
Ferner musz derselbe die während seines Aufenthalts in der Klasse aus
den Prosaikern und Dichtern gelesenen Stücke mit Fertigkeit in das
Deutsche fibertragen können. 2) Im Lateinischen wird Vertrautheit
mit dem ganzen »{»rachcebäude , in der Grammatik Festifikeit in der
Formenlehre und Sicberheit in Anwendung sämtlicher Regeln der Syn-
tax, sowie Gewandtheit im fibersetzen und erklaren der gelesenen Pro-
saiker und Dichter verlangt. 3) Im Franzosischen soll der Secundaner
das früher aus der Grammatik gelernte so befestigt, ergänzt und er-
weitert haben, dass seine Kenntnis des etymologischen Theils der
Grammatik und seine Bekanntschaft mit den Hauptregeln der Syntax
sich bei seinen Uebersetzuncen in das Franzosische herausstellt; dazu
soll er das Franzosische fertig lesen und die vorgekommenen Lesestücke
{geläufig übersetzen können. 4) Im Englischen soU er mit der Formen-
dire Muinnt sein und die durchgenommenen Abschnitte richtig lesen
und fibersetzen können. 5) Im Deutschen soll er vom Wesen der Be-
schreibung, Schilderung, Erzählung, Betrachtung und Abhandlung nach
Auffindung des Stoffes, Anordnung und Darstellung ein deutliches Ver-
ständnis haben und darnach Aufsätze dieser Art mit logischer und
Sammatischer Richtigkeit und Klarheit anzufertigen im Stande sein;
rner soU er mit den im eingeführten Lesebuche enthaltenen prosai-
schen AnfiMtsen und Gedichten und dadurch und dabei mit deren Ver-
fassern, sowie auch mit dem Wesen der deutschen Versbildung und
den wichtigsten Vers- uiid Strophenarten bekannt sein; endlich soll er
über einen im Bereiche seines vnasens liegenden Gegenstand nach häus-
licher Vorbereitung mit Benutzung einer schriftlichen, ihm vorliegen-
den Disposition einen freien Vortrag halten können. 6) In der Religion
soll er mit denjenigen Abschnitten der Religionswissenschaft, die wäh-
rend seines Aufenthalts in der Klasse zam Vortrag gekommen sind,
überall vertraut sein. 7) In der Geschichte soll er diejenigen Theiie
derselben y welche während seines Aufenthalta in der Klasse vorgetra-
316 Berichte über gelehrte AnstalteD, Verordnungen, Statist. Notasen.
gen sind, nach ihren Hauptbegebenheiten mit genauer Bezeichnane de«
topographischen und Sicherheit im chronologischen inne haben, o) In
der Mathematik soll er mit der Lehre von den Potenzen, dem dekadi-
schen Zahlensysteme, den Progressionen, Logarithmen, mit der Lehre
yon den zusammengesetzten Interessen, sowie mit den Gleichungen des
ersten Grades, ferner mit der Stereometrie und endlich mit den An»
fangsgrundeu der Trigonometrie bekannt sein. Der Cnrsus der
Secunda ist zweijährig. Das Ziel der Prima, deren Cursns zwei
Jahre dauert, ist in der gleichfalls von fürstlicher Scholarchats - Com-
mission revidierten Verordnung über die Maturitats- Prüfung Tor dem
Abgänge zur Universität bezeichnet: $ 1. Jeder Schüler, der sich
einem Berufe widmen will , für welchen ein 3 l)is 4jährigefl Uniyersi-
tatsstudium erforderlich ist, niusz sich vor seinem Abgange zur Univer-
sität einer Maturitätsprüfung unterwerfen. Der Zweck derselben ifty
auszumitteln , ob der Abiturient einen solchen Grad der Scbulbfldong
erreicht habe, dasz er sich mit Nutzen und Erfolg dem Studium eines
besondern wissenschaftlichen Faches widmen könne. $ 2. Die Prüfung
findet innerhalb der beiden letzten Monate jedes Semesters statt, und
wird von dem Director, mit Zuziehung derjenigen Lehrer, welche den
Unterricht in Prima besorgen, veranstaltet. $ 3. Die Abiturienten
haben dem Director 6 Monate vor dem beabsichtigten Abgange su der
Universität ein schriftliches Gesuch um Zulassung zu der Prüfung ein-
zureichen und einen Aufsatz über ihren bisherigen Bildungsgang, so-
wie über ihre fernem wissenschaftlichen Bestrebungen beiinfigen.
Diese Meldung ist nicht eher zulässig, als bis die Abiturienten 1^ Jahre
an dem Unterrichte in Prima Theil genommen haben, indem ein swei-
jähriger Besuch dieser Klasse als Minimum anzusehen ist. Sollten sich
Schüler melden, bei welchen dessen ungeachtet der Director im Ein-
verständnisse mit den betreffenden Lehrern noch nicht die erforderliche
Reife hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen und sittlichen Bildung vor-
aussetzen darf, so hat er sie, mit Vorhaltung der Nachtheile eines M
frühen hincilens zur Universität, ernstlich von der Ausführung ihres
Vorsatzes abzumahnen, auch ihren Kitern oder Vormündern die nothi-
gen Vorstellungen zu machen. Indes soll demjenigen, welcher schon
4 Semester hindurch Mitglied der Prima gewesen ist, die Zulassung
zur Prüfung nicht verweigert werden. ^ 4. Der Director hat von der
geschehenen Meldung der Abiturienten der Scholarchats -Commisston
und den betreffenden Ijehrern, unter Mittlieilung der im vorigen % ge-
dachten Scripta, Anzeige zu machen, um das nothige für die Prüfung
einzuleiten. ^* o. Die Abiturienten werden geprüft in der deutschen,
lateinischen, griechischen, französischen und englischen Sprache (an-
gehende Theologen oder Philologen auch in der hebraeischen), ausser-
dem in der Religionskenntnis, in der Weltgeschichte verbunden mit
Geographie, in der Geschichte der deutschen Litteratur und in der
Mathematik. <$ 6. Der Maszstab für die Prüfung soll derselbe sein,
welcher dem Unterrichte in der ersten Klasse und dem Urtheile der
iichrcr über die wissenschaftlichen Anforderungen an die Schüler der-
selben zum Grunde liegt. Das Masz von Kenntnissen aber, welche
sich ein Abiturient, der auf das Zeugnis der Reife Anspruch macht,
angeeignet haben musz, ist folgend ermaszen festgesetzt: a. Im Deut-
schen soll er fähig sein, über ein ihm gegebenes Thema einen logisch
g(>ordm>ton Aufsatz in einer fehlerfreien, deutlichen und angemessenen
Schreibart abzufassen. Auch wird eine genauere Bekanntschaft mit
der Geschichte der vaterländischen Litteratur erfordert, b. Fm Latei-
nischen soll er mit der Grammatik überall vertraut sein , die während
seines Uesuchs der Prima gelesenen Prosaiker und Dichter, von letztem
namentlich den Horaz, in das Deutsche fibersetsen, grammatisch und
Beriehte Aber gelebrle AosUlteD, VerordamgeB^ gUtifl. Notiie«. S17
antiquarisch interpreiiereB nnd schriftliche lateinische Arbeiten ohne
Fehler gegen die Grammatik nnd ohne grobe Germanismen abfassen
können, c. Im Griechischen soll er mit dem allgemeingültigen in der
Grammatik bekannt sein, die von ihm in Prima gelesenen Prosaiker
nnd Dichter, von diesen insbesondere den Homer in das Deotsche über-
tragen und in Bezog auf Grammatik , Geschichte and Mytliologie er-
klären, anch einen angemessenen lateinischen oder deutschen Abschnitt
in das Griechische übersetzen können, d. Im Französischen nnd e. ia
Englischen sollen seine grammatikalischen Kenntnisse fest nnd sicher»
seine Uebersetzungen in das fremde Idiom im ganzen fehlerfrei sein|
dazu soll er eine ihm vorgelegte, in Rücksicht auf Inhalt und Sprache
nicht zn schwierige Stelle ans einem klassischen Dichter oder Prosaiker
richtig lesen, angemessen übersetzen und bei der Erklärung derselben
darthun können, dasz er sich anch einige Fertigkeit im mündlichen
Gebrauche beider Sprachen erworben habe. f. In der Religion vrird
von ihm eine deutliche und begründete Kenntnis der christlichen Glau-
bens- und Sittenlehre, Bekanntschaft mit den Urkunden der christli-
chen Religion nnd mit der Religionsgeschichte erwartet, g. In der
Mathematik soll er mit den verscniedenen , in den Kreis des Schulun-
terrichts fallenden Theilen der Mathematik vertraut sein. Es genügt
jedoch die Kenntnis einzelner Sätze an und für sich nicht, vielmehr
wird verlangt, dasz er dieselben anch beweisen könne und sich eine
klare Einsicht des Zusammenhangs sämtlicher Sätze der WissenschafL
so weit dieselbe gelehrt ist, erworben habe. h. In der Geschichte und
Geographie wird eine Uebersicht des ganzen Feldes der Geschichte,
genauere Kenntnis der griechischen und römischen, so wie der deut-
schen Geschichte, die Elemente der mathematischen und physischen
Geographie und Kenntnis des gegenwärtigen politischen Zustandes der
Hanptvölker Buropas insbesondere gefordert, i. Diejenigen endlich,
welche sich dem Studium der Theologie oder Philologie widmen wol-
len, müssen das hebraeische geläufig lesen können^ mit der Elementar-
und Formenlehre vertraut and im Stande sein, eine leichte Stelle aus
einem historischen Buche des Alten Testaments oder einen Psalm zn
übersetzen. § 7. Die Prüfung geschieht theils schriftlich, theils münd-
lich. Die schriftlichen Aufgaben dürfen nicht schon früher in der
Schule bearbeitet sein, ebensowenig jedoch über den Gesichtskreis der
Schüler hinausgehen, oder das Masz derjenigen Kenntnisse übersteigen,
welche dorch den vorgangigen Gymnasial-Unterricht vorausgesetzt wer-
den können. $ 8. Die schriftlichen Arbeiten, zu welchen die prüfenden
Lehrer mehrere der Scholarchats - Commission durch den Director zdr
Auswahl vorzulegenden Aufgaben vorschlagen, bestehen: a. in einem
deutschen und b. in einem lateinischen Aufsatze ; c. in einem deutschen,
d. lateinischen und e. einem französischen Extemporale; f. in der
Uebersetznng eines Stückes aus einem im Bereiche der ersten Klasse
liegenden und in der Schule nicht gelesenen griechischen Dichters oder
Prosaikers ins Deutsche; und g. in der Lösung einer planimetrischen,
einer algebraischen, einer stereometrischen und einer trigonometrischen
Aufgabe. Die beiden grössern Aufsätze sub a. und b. sind als letzte
Schularbeiten, ohne Beeinträchtigung des Schulbesuchs, sämtliche übri-
gen aber unter Clansur nnd Autsicht der betreffenden Lehrer, so viel
es sein kann, ausser den Schulstunden, in einer angemessenen Zeit
von 2 bis 4 Stunden, je an verschiedenen Tagen gegen Ende des Se-
mesters anzufertigen. Die Arbeiten werden, von oem Urtheile der be-
treffenden Lehrer begleitet, an den Director abgegeben und von die-
sem der Scholarchats-Commission zugesandt. $ 9. Zur mündlichen Prü-
fung wird ein ganzer Vormittag, wenigstens 8 Tage vor dem alljgemei-
pen Examen, bestimmt. Sie geschieht in Gegenwart der Commissiott
g|g Deriebte Aber gelehrte Anstalten, Vorordnnngen, statiit. Notiien.
, ggnitlicb«r Lehrer. Sofern letztere den Unterricht in den betref-
f nden Gegenständen in Prima ertheilt haben, liegt ihnen die Prufnng
ob. Dleae besteht in Tolgendcn Gegenstanden: 1) im Lateinischen,
Uebcrsetziing und Erklärung passender Stellen aus einem Dichter oder
einem Prosaiker; 2) im Griechischen, 3) im Franzosischen, 4) im Eng-
iiflchen ebenso; 5) in der Religionskenntnis; 6) in der Mathematik;
7) in der Weltgeschichte; 8) in der Geschichte der deutschen Littera-
tur; 9) im Hebraeischen für die künftigen Theologen und Philologen.
§ 10. Wenn dann auch das allgemeine Schulexamen beendigt ist, so
wird mit Rücksicht auf die rorliegenden schriftlichen Arbeiten, anf
den Krfolg samtlicher Prüfungen und auf die durch längere Beobach-
tung begründete Kenntnis der Lehrer von dem ganzen wiMenschaft-
liehen und sittlichen Standpunkte der geprüften, über das ihnen lo
ertheilende Zeugnis berathen, und werden die Grade der wiasenachaft-
liehen Reife, welche sich durch die Praedicate 'Torzuglich, gut,
zureichend und nothdürftig vorbereitet' abstufen, beatimmt.
Die Commission hat dabei die letzte, entscheidende Stimme. Denen.
welche für reif erklärt sind, wird durch den Director angekiindigt,
dasz sie die Schule mit dem Schlüsse des Semesters verlassen and znr
Universität abgehen können. Der Director fertigt demnächst für aie
das Zeugnis der Reife, in deutscher Sprache, zuerst im Concepte ana,
legt es den Lehrern, welche die Prüfung vollzogen haben, zur Unter-
zeichnung und dann der Commission zur Beförderung einer Reinschrift
davon vor, welche von ihm unterschrieben und mit dem G3rmnasialaie-
gcl versehen und auch von der Commission durch Unterschrift nnd
durch das Scholarchatsicgel beglaubigt wird. Die abgehenden werden
am Schlüsse des allgemeinen Kxamens von dem Director entlasaen^ die
Zeugnisse denselben jedoch erst kurz vor ihrer Abreise zur Universi-
tät durch den Director eingehändigt. Den nicht reif erfundenen wird
der Ruth ertheilt, die Schule noch eine Zeit lang zu besuchen, falls
Hoffnung da ist, dasz sie das fehlende dadurch werden einbringen
können. Bleiben solche für nicht reif erklärte bei ihrer Absicht die
Universität zu beziehen, so ist ihnen auf ihr Verlangen ein Zeugnis
über das Krgebnis ihrer Prüfung auszufertigen.
Die Schülerzahl betrug im Sommersemester 153 (I 6, II 8, IR 4,
Iir 16, HR 27, IV 34, V 31, VI 27). Zur Universität wurde Mich.
JK5ü ein Schüler entlassen. Die in Form und Inhalt gleich ansprechende
Abhandlung schrieb der Gymnasiallehrer Dr. Kestncr unter dem Ti-
tel: der See Vadimo (Plin. Kp. VHI 20) [II S. 4]. Um zu beweisen,
dasz des Jüngern Plinins Kpisteln bei allen ihnen anklebenden Mangeln
doch in Naturschilderungen sich auszeichnen, trägt der Hr. Verf. alles
zusammen, was bei den Alten und Neuem über den See berichtet wird
und erleutert dies durch Vergleich ungen mit anderen Natnrvorkomm-
nisseii. Interessant sind besonders die Zusammenstellungen über schwim-
mende Inseln auf dem Meere und in Landseen. Da der Hr. Verf. vor-
hat, die gesamten Naturschilderungen des Jüngern Plinius zn rommen-
tieren, so glauben wir nach der vorliegenden Probe an ihn die Auffor-
derung aussprechen zu dürfen, diese seine Arbeiten nicht bloss Frenii-
desk reisen vorzulegen, sondern auch dem weiteren Publicum zugänglich
zu machen. X>.
Kaiskustaat oEftTKnuKicii.] Die von der Zeitschrift für die oeter-
reichischen Gymnasien im VI. Jhrg. 12. Heft gegebenen Tabellen über
das Schulj. 1854 — 55 (über d. J. 1853—54 s. Bd. LXXII S. 322 ff.)
enthalten statistische Nachrichten von 262 Gymnasien. Es fehlen solche
noch von den Gymnasialanstalten zu Castagnanizza (Küstenland),
Sign (Dalmatien), den evangelischen zn Kremnitz, Komorn, Los-
sonz (H. B.), Pudlein, Güns, Kovago-Kors, Sziksö, Nagy-
Beriobte Aber gelehrte AistalteD, Verordhinfmi, «tolbt. NoUseD. 819
Källo (ia Un^rn ond 8iebenb3rgen)| in der Lcmbardei Ton den Com-
manalgymnanen sn Salö, Casalnaggiore, Asola, Ganneto, den
biichöfl. zn Brescia, Cremona, Como, dem ConTictg« sa Galla-
rate, dem parif« za Milano (Abb. Micn. Sorre), den Pri?atgymn. za
Varese nnd Castello sopra Lecco, endlich in Venetien Ton den
biscböfl. zn Verona undCnioggia, dem Jesnitencolleg zn Pado-va,
nnd den parif. zn Verona nnd Cologna. Das kathoiiacbe Unter-
gymn. zu Föleeyhäza war in eine Elementarschule umgewandelt,
eingegangen sind die evangelischen Untergyronasien zn Raab und
8k HZ Väros (Bros in Siebenburgen). Das Oeffentlicbkeitsrecht ha-
ben in Ungarn bis jetzt yon den erangelischen Gymnasien nur O eden-
barg, Oberschntzen, Nagy-Körös, Hold-Mezö-VäsArhely,
Eperies, Marmaros-Szigeth und Debreczin erlangt. Ein Er-
iasz des Ministeriums yom 31. Oct. 1866 veranlaszi die übrigen zur
Beschleunigung ihrer Organisation. Tn Siebenbürgen haben sämmtliche
Gymnasien das Oeffentlicbkeitsrecht, dessen in der Woiwodschaft usw.
noch das zn Neu-WerbAsz ermangelt. Auch in Lombarde- Venetien
haben mehrere katholische Gymnasien dasselbe noch nicht, oder doch
nicht unbedingt. Das Recht der Matnritätsprnfunc besitzen in diesen
beiden Landern nur die Staatsgymnasien. Die Tabellen zahlen in den
übrigen Ländern ausser Italien 45 Gymnasien auf, welche aus dem Aerar
oder dotierten Fonds (einige unter Communalbeisteuer), 39, die Ton gebt-
lichen Körperschaften erhalten werden, 9, bei denen die Feststellung
der Dotation und Regelung der Fonds noch beyorsteht (darunter 7 in
Galizien). Ueber die statistischen Verhältnisse geben wir folgende Ta-
belle, wobei wir unter den ordentlichen Lehrern die Katecheten, unter
der Schulerzahl die Privatisten mit begreifen; bei den Maturitätsprü-
fungen die Externen weglassen.
320 BeriohCe aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, sUtiit Notiiea.
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2 09
Berichte über gelehrte Anstalten, Verordoongen, statist. Notizen. 321
In der Frequenz stellt sich im ganzen eine Vermehrnng nm 797 her-
aus; Abnahme der Schüierzabl findet sich nur in Oberosterreich (2),
Tirol und Voralberg (49), Dalmatien (2), Schlesien (36), Militargrenze
(1), Lombardei (377) und Venetien (418). Von den Schalern waren
36871 römischkatholisch, 2379 griech.-kath., 1399 griech. nicht uniert,
2687 Augsb. und 3095 Heivet. Bekenntnisses, 1987 Juden, auszerdem
fanden sich 34 Armenier, 294 Unitarier und 1 Mohamedaner. Daa
Schulgeld betrug in den deutschsiavischen Landern, für weiche das
Scbulgeldgesetz bis dahin allein in Wirksamkeit getreten war, 1214*57
fl. 47 kr., die Anfnahmetaxen 1154611. 16 kr. Vom Schulgelde war mehr
als ein Drittel der Schüler befreit. Interessant sind folgende Mittheilun-
gen : Die deutsche Sprache hatten als auschliesziiche Unterrichtssprache
86 Gymnasien, die italienische desgl. 66, gemischt deutsch und italie-
nisch 2, deutsch und cechiscb 7, deutsch und polnisch (ruthen.) 6,
deutsch und magyarisch oder slavisch 17, deutsch und serbisch 3, deutsch
und iilyrisch 3, deutsch und romanisch 1. Als auschliesziiche Unterrichts-
sprache, die aber nach dem Gesetze solche nicht bleiben kann, hatten
magyarisch 66, sIsTisch 2, romanisch 2, croatisch-slavonisch 1. Die
deutsche Sprache ist als Unterrichtsgegenstand gar nicht erwähnt an
20 Gymnasien Lombardo-Venetiens und 2 in den anderen Kronlandern.
Von denen, welche die Maturitätsprüfung bestanden, erwählten Theo-
logie 276, Jurisprudenz 383, Medicin 1*28, historisch-philologische Wis-
senschaften 41, mathematisch- physikalische 30, einen anderen Beruf 20,
unentschieden waren 11; ohne Maturitätsprüfung traten in das theolo-
gische Studium ein 233. — Eine Verordnung des Ministeriums vom 5.
Febr. 1856 ordnet für den Unterricht in der philosophischen Propaedeu-
tik an, dasz in der VII Kl. allgemeine Logik, in der VIII empirische
Psychologie in 2 wöchentlichen Stunden zu lehren ist.
Preuszen. Folgende Verordnung des Ministeriums der geistlichen,
Unterrichts- und Medicinalangele^enheiten vom 10. April 1856 gibt den
erfreulichsten Beweis von der eifrigen und einsichtsvollen Fürsorge
für das Gedeihen der Gymnasien: Ea ist in den auf die Circular- Ver-
fügung vom 28. November 1854 erstatteten gutachtlichen Berichten all-
gemein als Thatsache anerkannt worden, dasz es auf den Gymnasien
den Schülern auch der mittleren und oberen Klassen häufig an derjeni-
gen ^copia vocabulornm' im Lateinischen fehlt, deren es besonders zu
einem leichten und sichern Verständnis der Autoren bedarf. In Folge
dessen wird die Neigung zum Gebrauch ungehöriger Hilfsmittel, na-
mentlich zur Benutzung gedruckter Uebersetzungen und zum Ueber-
schreiben der Vocabeln, howie die Abhängigkeit von dem auch in den
obersten Klassen noch neben Sem Antor liegenden Vocabelbuch nicht
selten angetroffen, und die eigene Befriedigung der lernenden beim
Lesen der Klassiker vermiszt. Es soll nicht verkannt werden, dasz
hiezn auch andere, nicht im Bereich der Schule liegende Uebelstände
mitwirken: um »o mehr ist es aber ihre Pflicht von den ihr zu Gebote
stehenden Mitteln der Gegenwirknng den sorgfältigsten Gebranch zu
machen. Die^ Schuler der unteren Klassen bedürfen einer bestimmten
Anleitung, wie sie beim praeparieren zu Werke zn gehen haben; und die
einmal erlernten Vocabeln müssen ebenso, wie die Regeln, Gegenstand
wiederholter Repetition sein, bei der dorch mannigfach wechselnde
Fragweise einem mechanischen answendiglernen vorgebeugt wird; bei
den Versetzungen ist auf sichere Vocabelkenntnis ein gröszeres Ge-
wicht zu legen, als gemeiniglich geschieht. Wenn auf diese Weise
durch feste Einprägung der in der Grammatik und den Lesestücken
vorkommenden Vocabeln dem Bedürfnis der untersten Klassen im all-
l^emeinen genügt werden kann, bo ist doch auszerdem, in Betracht der
Nothwendigkeit empirischer Grundlagen beim ersten Unterricht, und
iV. Jakrb. f. PhU, ». tHud, Bd. LXXIV. Hß, 0. 23
322 Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen , Statist. Notisen.
lar die Zeit der grosten Willigkeit des Gedächtnisses ein methodisches
Vocabellernen sehr zn empfehlen. Ks ist nicht die Ahsicht, in dieser
Beziehang eine bestimmte Anordnung oder die Einfahrnng eine« der
irorhandenen Vocabularien yorznschreiben ; aber die Directoren sind da,
wo es noch nicht geschehen ist, zu veranlassen, den Gegenstand mit
den betreffenden Lehrern in Berathnng zn nehmen, und mit denselben
ein gemeinsames Verfahren zu yerabreden. Am wenigsten empfiehlt es
sich, Vocabeln nur nach der zafailjgen Ordnung des Alphabets lernen
zu lassen; bildend für das Sprachgefühl auch im ersten Knabenalter
wird es nur geschehen, wenn das zusammengehörige gruppenweise und
nach Analogien gelernt wird, wobei sowol der reale wie der logische
Gesichtspunkt, nach welchem z. B. auch die opposita eingeprägt wer-
den , Berücksichtigung verdienen. Geht ein streng etymologisches Ver-
fahren über die Kräfte der Schüler in den untersten Klassen hinaus,
und eignet sich überhaupt für die Schule nur das in dieser Besiebnng
unzweifelhaft feststehende zur Benutzung, so ist doch das wesent-
lichste der Wortbildungslehre, worin jetzt nicht selten eine grosie Un-
wissenheit angetroffen wird, nach Maszgabe des Schulbedürfnisses, bei
welchem es auf eine systematische Vollständigkeit nicht ankommen kann,
gehörigen Orts mitzutheilen und einzuüben. Der beabsichtigte Nntxen
eines irgendwie geordneten Vocabellernens wird indes nor dann mit
Sicherheit erwartet werden können, wenn es keine isolierte Gedächtnis-
übung bleibt, sondern wenn, je nach den einzelnen Klassenstufen, der
erlernte Wortvorrath in mündlicher und schriftlicher Uebnng fortwah-
rend zur Verwendung kommt, und möglichst in lebendiger Gegenwar-
tigkeit erhalten wird.
Hinsichtlich der griechischen Sprache findet ein ahnliches Bedürf-
nis statt; weshalb auf dieselbe die obigen Bestimmungen mit der nö-
thigen Beschränkung entsprechende Anwendung finden.
Ich veranlasse sämtliche königliche Provinzial-Schul-Collegien, den
Gymnasial- Directoren ihres Ressorts vorstehendes zur Nachachtnng
mitzutheilen, und vertraue, dasz dieselben der zweckmässigen Behand-
lung des wichtigen Gegenstandes fortdauernd ihre Aufmerksamktft
widmen werden.
Wkrnigerodr]. Am 5. Februar dieses Jahres feierte der Oberleh-
rer am hiesigen Lyceum Christian Friedrich Kesslin sein 50jah-
riges Amtsjubilaeum. Bei dieser Gelegenheit wurde demselben im Na-
men des Lehrercollegiums am Domgymnasium zu Halberstadt von dem
Director Dr. Theod. Schmid eine Gratulationsschrift überreicht,
welche wir eben so sehr wegen ihres gemütlichen Humors, wie ihres
höchst beachtenswerthen Inhalts einer Besprechung unterziehen. Der
Umstand, dasz dem Jnbilar der rot he Adlerorden zu Theil wurde, ver-
onlaKzt den mit Horatins so vertrauten Verf. über den bekannten vor
der lOn Satire des ersten Bnchs erscheinenden, viel bezweifelten
frrammaticorutn equitum docÜBaimum eine gründliche Untersuchung mit-
zutheilen. Spricht derselbe auch nicht bestimmt und entschieden diese
Ansicht aus, so scheint doch das Ergebnis zusein, dasi er die 8 Vene
für ein Erzeugnis der horatianischen Muse ansieht. Kirchner*s Ver-
mutung, dasz sie dem Furins Bibaculus zniuschreiben seien, wird dnrch
den Nachweis widerlegt, dasz Valerius Cato, weil er pupillut genannt
werde, nach dem juristischen Sprachgebrauche in Snlla^s Zeit noch
nicht 1 4 Jahre alt gewesen, demnach in der Zeit der Abfassung der
Satire (720 d. St.) höchstens das 72e Jahr erreicht haben müsse. Für
den fframmaticorum cquitum doctinimum erklärt nun aber der Verf.
keinen anderen, als den bekannten strengen Schulmeister Orbilins
Pupillus, aber unter Annahme von Rcisig*s Conjertur cxhortatu»
und pucrum^ welche ganz leicht sei, da pucrum durch Weglassnng des
PersonalDtdirielitei. 9S8
Zeichens in puer sich verwandelt and so das edraraftit nach sich geso-
gen habe. Aehnlich sei Plin. H. N. XI 41 in dem von Mone bekannt
gemachten Palimpsest Herum gravegeant far iter grai>€»€ani in lesen.
Freilich scheinen die lora und fune» udi^ selbst im Falle daas man
eine Uebertreibnng dem Dichter gestatten will, nicht zu passen , wenn
man an einen freigeborenen puer denken muste, allein der Verf. hat
nach hier einen wirklichen puer zur Hand, den von Suet. de ill. granuu.
c. 20 erwähnten Orhilii servui atque dUeipuluB Scribonias Aphrodi-
sius. Fragt man endlich, wie denn Orbilios nnter die Ritter gdcom-
men, so antwortet der Verf. : auf den 14 Banken hat er nicht gesessen,
aber Saeton. a. a. O. c. 9 bezeugt von ihm, dasz er in Macedonia
eomiculOy wiox equo meruii and der Dichter wird dadurch nm eine
witzige Anspielung reicher. Es fehlt nicht der Nachweis, dass wirk-
lich die Grammatiker sich mit der Eroendation der Dichter beschäftigt
haben, wie denn zuletzt die Erwähnung, dasz sack hei den Römern
der Uebergang der Schaldisciplin aus der rigorosen Progelaacht dos
Orbilius zu cruttulit (Horat. Sat« I 1 25 wird ui veUni abersetst:
'dasz sie doch die Gute haben mochten das A B C zn lernen') und sa
den elfenbeinernen Bachstaben (bei Qnintil. I 1 20), die freilich noch
entfernt gewesen von Basedows und Campes Znckerbnchstaben , statt-
gefunden, Gelegenheit gibt, den Jnbilar zu beglnck wünschen, weil er
die goldene Mittelstrasze zwischen der finstern Strenge und der über-
schwenglichen Liebe stets eingehalten and sich dadurch aller seiner
Schäler Herzen gewonnen habe. D.
Personaln achrichten.
Ernennungen:
Czizek, Anacl., Piaristenordenspr., provisor. Dir. aa kk. Gymn. zu
Jungbunzlan, als wirkl. Dir. bestät.
Fiatscher, Georg, Welt^riester, zum wirkl.v
Religionslehrer (•«. a i u- ^
Go bei, Dr. Ed., Gymnasiallehrer zu Bonn, znm(™ »alzbnrger Gymn.
wirkl. Lehrer ^
Hammer, Plac, Piaristenordenspr., proTisor.\
Dir. zum wirkl. Dir. /
Hang, Oltok., Cisterzienserordenspr. , zum) am Gymn. zn Bndweis.
wirkl. Lehrer 1
Kroner, Jul., desgl. ^
Langer, Alois, Lehramtscand., zum Lehrer am Gymn. zn Eger.
Lopäta, Rudb., provis. Dir., zum wirkl. Dir. am kk. Gymnasium zu
Nicolsburg.
Mittler, Regiemngsrath , zum Referenten für Kirchen- und Schul-
^ Sachen im knrf. Ministerium des Innern zu Kassel.
M ü c h e 1 , O s w., Praemonstratenserpr. als wirkl. Dir. des Gymn. zu Saaz
bestätigt.
M u t z , R i c h., Cisterzienserpr.y znm wirkl. Lehrer am Gymn. zu Bud-
weisern.
Ozlberger, Ant. ; Augustinerpr., znm wirk. Lehrer am Gymn. zn
Linz.
Pazel, Vinc, Snppl. zum wirkl. Lehrer am Gymn. in Fiume.
Pauly, Dr. Frz., Gymnasiallehrer zu Aachen, zum wirkl. Lehrer am
Preszbnrger Gymn.
924 Personalnachrichten.
Reizner, Schnlamtscand., zum wirkl. Lehrer am Gymn. zu Calm.
Respet, Andr., Weltpr., zum Religionfllehrer am Gymn. zu Gon.
Schedl, Bened., Benedictinerpr., zum wirkl. Lehrer am Salzbnrger
Gymn.
Schell, Joh. Nicol., Gymnasiallehrer, zum wirkl. Lehrer am Trie-
ster Gymn.
Wiener, Em., Suppl. am cv. Gymn. zu Teschen, zum wirU. Lehrer.
Zonkada, Ant., Suppl. an der philos. Fakult. zu Pavia, zam wirkl.
Lehrer des das. Lycealgymn.
Praedicierungen:
Schwartz, Dr. Frdr. Wilh., ordentl. Lehrer am Friedrichs - Wer-
der^schen Gymn. zu Berlin als Oberlehrer.
Gestorben:
Am 30. Nov. 1856 zu Bagdad der franzos. Consul Fresnel, Leiter
der artistisch-wissenschaftl. Mission nach Mesopotamien.
Im Nov. 1855 zu Toscanella im Kirchenstaate Marchese Secondiano
Av. Campanari, archaeolog. Schriftsteller.
Am 21. Jan. 1856 zu Marienburg in Siebenbürgen Pastor Fink, nm
das Studium der Naturgeschichte verdient.
Am 23. Jan. zu Petersburg der Staatsr. Nikol. Nadeschdin, froher
Prof. an der Univ. zu Moskau.
Im Jan. zu Löwen J. P. Meynaerts, einer der gelehrtesten Numia-
matiker Belgiens.
Desgl. auf der Fahrt von Constantinopol nach Galacz der Tourist ond
Alterthumsforscher Prof. Nager aus Luzern.
Am 8. Febr. zu Lodi der Naturforscher Caval. Dr. Agostino Baaai.
Am 18. Febr. zu Venedig der bekannte Astronom Maior Wilh. Frei-
herr von Biela.
Am 19. Febr. zu Köln Pastor Ph. Schmitt, Verf. der Schriaen »der
Kreis Saarlouis unter den Romern und Kelten' und ^der Kreis Trier
unter den Romern.'
Am 28. Febr. zu Mailand der Historiker Prof. Ag. de Magri.
Am 5. März zu München der Prof. der Mineralogie Geheimrath Dr. J.
N. von Fuchs, im 82. J.
Am 19. März zu Mitau der ehemalige Minister der VolkaanfVl&ning
Fürst Andr. Otto von Lieven.
Zweite Abtheilung
hcrtisgegfben tob Baildlph Dfetsch.
24.
Die verba composita in der lateinischen Schulgrammatik.
Je erfreulicher es ist^ dasz das Ifingst bewfibrte Recht and die
tief eingreifende Bedentung einer klassischen Sehulbildang von neuem
immer klarer und sichrer anerkannt wird, und je erfreulicher es ist,
dasz, trotz der sichtlichen Abnahme der Zahl derjenigen, welche eine
klassische Schulbildung wünschen und suchen, tfichtige Krifte sieh
dennoch der Ausarbeitung von Schulgrammaliken der klassischen
Sprachen immer zahlreicher zuwenden : um so zeitgemäszer dOrfte es
sein, einer Frage zu gedenken, welche den innersten Kern der Sache
nach beiden Seiten hin betrifft, und die dennoch dem Anschein nach
von den Bearbeitern, namentlich der lateinischen Schulgrammatik,
meistens gar nicht oder nur oberflächlich beachtet wird : es ist — ich
möchte es so nennen — die paedagogische Aufgabe der Grammatik.
Die Geschichte des Studiums der Grammatik, namentlich der U-*
teinischen Sprache, ist dem Ref. eine längere Reihe von Jahren hin-
durch eine Lieblingsaufgabe gewesep, wovon er schon im Jahre 1837
ein öffentliches Zeugnis ablegte durch seine * historische Uebersichl
des Studiums der lat. Grammatik usw. Hamburg bei Perthes > Besser
und Maucke' — und er hatte die Freude, die volle Bedeutung eines sol-
chen Strebens durch Männer, wie Heeren in Göttingen, Fr. Haase in
Breslau, Petersen in Hamburg u. a. vollstöndig anerkannt zu sehen.
Ref. hat dieses sein Studium seitdem nie gänzlich bei Seite gelegt,
wenn auch seine spätere amtliche Aufgabe einem weiteren paedagogi-
schen Kreise angehörte: — aber Ref. hat sich in der Betrachtung der
historischen Entwicklung der lat. Schulgrammatik,* namentlich in der
Geschichte des Sanctius und desseD Nachfolger, sowie in der Ge-
schichte der neueren und neuesten Zeit, immer vollständiger davon
überzeugen zu müssen geglaubt, das« eine lebendige Wiedererweckang
der klassischen Studien, eine gröszere Theilnahme an denselben, sowie
eine Rückkehr, die in Wahrheit den Namen eines * Vorwärts ! * ver-
dient, zu denselben so lange nicht mit Recht erwartet wird, so lange
A'. Jahrb. f. Pka/u. Paed, Bd. LXXIV. Uft, 7, 24
S26 Die verba composita in der lateinischen Scliulgrammalik.
die Scilulgrommolik in ihrer unpaedogogischen Weise damit forlfährl.
die grammatischen Lehren und Kegeln nur als eine Kurüllige Sammlung
äusserer Erscheinungen zu geben, und dieselben nicht als QOth wen-
dige liesultate und Gesetze organischer Entwicklungen erkennt
und vorträgt.
Es dürfte diese Behauptung und paedagogische Forderung ansern
Schulen gegenüber, wie sie geworden sind und bei der heilsamaten
Umkehr bleiben müssen, zwiefach wahr sein. Einst wnrde, der nocli
enge Kreis der nolhwendigen Unterrichtsfächer gestattete es, durch
ein tägliches, vielstündiges lesen, durch die grosze Menge des gele-
senen, sowie durch die frühe Gewöhnung daran, in lateinischen Wor-
ten und Hedensarten sich zu bewegen, die laleinischc Sprache den
Schülern, obschon auch damals die Mehrzahl der latein. Grammatiker
(G. J. Vossius, Sanctius, Scioppius u. a. waren Ausnahmen) ein sol-
ches Ziel nicht festhielten, dennoch durch die Praxis selbst schliesi-
lieh als ein lebendiger Organismus milgetheilt. Die tägliche, anhal-
tende Uebung lehrte die Schüler allmählich in lateinischer Sprache
denken, mochte auch unter ilinen die Zahl derjenigen nicht gross sein,
welche durch ihres Lehrers oder durch ihre eigene personliche Bega-
bung zu dem Bewustsein des mitgelheilten sprachlichen Organismns
gelangten. Jetzt aber, wo der Kreis der unerläszlich nothwendigeo
Unterrichtsfächersich so sehr erweitert hat, wo nur von wüclaenlli-
chen Stunden die Uede sein kann, wo die Menge dessen, was ausser-
dem noch zu lernen ist, auch bei der gewissenhaftesten Aussonderoag
stets doch grüszer bleibt, als dasz eine mehrstündige tagliche klassi-
sche Leetüre auf längere Zeit möglich wird, jetzt mnsz der gramna-
tische Unterricht selbst. Wofern der alte Eifer wieder erweckt nad
der alte Erfolg wieder erreicht werden soll, direcl auf das Ziel los-
gehen, das Bewustsein des organischen Wesens derklas-
sischen Sprachen in den Schülern zu erwecken. — Di»
überschwängliche Belobung des Inhaltes der alten Klassiker von Sei-
ten vieler, in anerkennenswerther Weise für ihr Amt begeiaterler,
Lehrer kann — die Erfahrung hat es bewiesen und beweist es noch
täglich, — demjenigen gegenüber, was die Klassiker der lebendigen
Sprachen , der eignen u. a. dargereicht haben und täglich darreichen,
einen für den vorliegenden Zweck ausreichenden Eifer der SchQler
nicht erwecken. Die steten Klagen über den Leichtsinn , die Gennss-
sucht, die materialistische liichtung unsrer Zeit sind wahr, wurden
auch zu andern Zeiten gehört, haben aber nie geholfen und werden
allein nicht helfen.
So erfreulich und reichen Segen versprechend es dem Ref. si
sein scheint, dasz die feste und klare Einsicht, dasz auch das Gymna-
sium seinen historischen und wesentlichen Charakter einer evangeli-
schen Schule behalten oder neu annehmen solle, immer mehr sn er-
wachen und hindurchzudringen scheint, und dasz daneben auch das
volle Recht der klassischen Vorbildung, dem wünschen und wollen
unsers Luthers geniäsz, erkannt und gewahrt werden dürfte, so wird
Die verba composila in der lateioischeo Schalgrammatik. 327
dennoch, fiircbte ich, auch wenn die alte, bewahrte Grundlage frigch
und fest gelegt ist, die Tast allgemeine Klage, dasz dem Eifer der
Lehrer in unsern Tagen die Lust der Schüler nicht nachrolge noch
entspreche, dasz an vielen Stellen die Zahl der Schaler in einer be-
drohlichen Weise abnehme usw., nicht aufliören, wenn man sich
nicht dazu enlschlieszt, die Schulgrammatik und den grammatischen
Unterricht den Forderungen anzupassen, welche die Jugend nach dem-
jenigen, was ihr jetzt in andern Unterrichtsfachern geboten wird, zu
machen sich berechtigt glaubt und wirklich berechtigt ist.
Allerdings wurden mit vollem Rechte manche der Forderungen
zurückgewiesen, welche einzelne Schüler und Nachfolger Wilhelm v.
Humboldts und auch Beckers an die lat. und griech. Schulgrammatik
stellten; — und Kef. würde jetzt selbst in einem Buche, welches er
1843 schrieb (Kasuslehre der lat. Sprache. Berlin bei Trautwein),
mehrerem eine andere Fassung geben, wenn auch das allgemeine
bliebe. Allein die Geschichte der lat. und griech. Schulgrammatik
dürfte hinlängliche Belege dafür geben, dasz, um einzelnes heraus-
zuheben, die Leistungen von Sanctius, Ruddimann, W. v. Humboldt,
Bopp, Bernhardy, Reisig und Haase, A. Grotefend, Billrolh n. a. der
neuesten Schulgrammatik an Form und Inhalt ein mehreres hätten ge-
währen müssen , als zu Tage liegt.
Ref. nennt zur Begründung seiner Klage nicht einen bestimmten
Namen, damit die allgemeine Klage nicht als eine persönliche Anklage
erscheine: — wen es interessiert, der findet leicht den und die Na-
men, und der kann mit geringer Blühe die gegebenenen Beispiele mit
noch stärkeren belegen. Es wird z. B. in einer vielgebrauchten Schnl-
grammatik die Syntax des Dativs auf 11 Seiten abgehandelt, und auf
denselben begegnen wir mehr als funfzigmal (!) Ausdrücken als:
^besonders% ^auch', ^zuweilen% ^öfter', ^gewöhnlich' u. drgl. m. ohne
alle nähere Bestimmung; — auf einer Seite lesen wir: ^Mit folgenden
Verben wird bald ^der Dativ, bald der Accusaliv ohne (!!) ver-
änderte Bedeutung verbunden'; — und kurz darauf ohne weiteren
Zusatz: ^Mit folgenden Verben wird der Dativ oder der Accusativ,
aber mit veränderter Bedeutung — verbunden', — als wäre der letzte
Zusatz eine nur auf diesen Fall geltende Bemerkung! Wozu soll dem
Schüler ein solches Chaos dienen?! Welchen Eindruck musz es auf
ihn machen, wenn er daneben seine Lehrbücher in den Naturwissen-
schaften, in der Geschichte, in der Mathematik vergleicht?! — Ist es
eine, für einen einsichtsvollen und erfahrenen Paedagogen zu rechifer-
iigende Annahme, dasz es, um von der intellektuellen Fortbildung zu
schweigen, auf die sittliche Charakterentwickelung der Jugend ohne
Einflusz ist, wenn ihnen lange Jahre hindurch ein solcher der Angabe
nach durch den blinden Zufall zusammengewürfelter Gegenstand als
Hauptaufgabe ihres Lebens und Strebens dargeboten und laut ange^
priesen wird?! — Kann man mit Grund sich darüber wundern, dasz
die grosze Mehrzahl der Schüler der Gymnasien, nachdem sie auf die
Akademie hingelangt ist, ihre klassischen Schulstudien kaum wieder
24*
328 Uiti verba composita in der laleinischen Schul gnaimatik.
xur Hund nimmt, etwa mit Ausnahme derjenif^n Schrinen, die ihoen
durch einen hcsonder:! begabten Lehrer lieb und werlh gemacht wur-
den?! — Die (ieschichle der Grammatik, die Geschichte der besUg-
lichen Pacda^ogik, für welche Gramer tüchtig vorarbeitete and die
mit von Kaumer eine neue Periode begann, gibt, wenn auch swiichen
den Keihen, auf diese und noch andere Fragen höchst bedenkliche
Antworten. Wenn wir aber in der Geschichte der Schulgrammttik
sehen , welche Bächer einander in den Schulen abgelöst und verdringl
hüben, welche lut. Schiilgrammatiken z. B. vor 'Bröder' wichen, nnd
welche Mittel oft durch die Verleger u. s. f. dazu mitgewirkt haben,
hu wird man wahrlieh, bei aller Anerkennung und Achtung dea San-
mellleiszes der neueren Zeit, sich der llolTnung nicht hingeben kön-
nen, dosz allein durch allgemeine gesetzliche Anordnungen, so erfreu-
lich dieselben ouch un sich sind, den erkannten Uebeln Einhalt ge-
schehen wird. — Wenn Tulmer in seiner Paedagogik, die in keines
Lehrers Bibliothek fehlen sollte, es uls eine unerlüszliche Forderung
hinstellt nnd vollständig begründet, dasz das Uecht der Geistlichen
auf die Inspection der Schulen ihre Pflicht eigner pacdagogischen Durch-
bildung unerlüszlich voraussetzt, und wenn man daneben sieht, wie
stiefmütterlich die pacdagogische Bildung der jungen Theologen and
sogar auch Philologen auf manchen Universitäten noch immer behan-
delt wird, wie in manchem pacdagogischen (?) Seminar alles erreicht
scheint, wenn ohne eingehende Erklärung zu schwierigen Stellen in
einem Klassiker recht viele ParaUelstellen hinzugefügt sind; — so
wird man sich kaum dnrüher wundern, dasz mancher gewissenhafte
(lymnasial hehrer die bekannten Klagen über Mangel an Eifer und Lnal
seiner Schüler u. s. f. oft wiederholt, ohne sich obige und ähnliche
poedagogischo Fragen je vorgelegt zu haben, obschon es ihm aelbal
in seiner täglichen Praxis, selbst in den untern Klassen des Gymna-
siums, entgegentreten muste, wie die Schulgrammotiken seine Scha-
ler bald hier, bald dort im Stiche lassen.
lief, wiederholt seine Frage : ^ Wozu soll ein solches grammali-
sches Chaos dem Schüler dienen?' — Es gilt vielleicht des Schülers
Praepuralion und das herausbringen eines schwierigen Satzes ; — es
gilt, dasz er die Erfahrung mache, wie eignes herausbringen eines
schwierigen Salzes mehr fi^rdert, als zehn vom Lehrer ihm gesagte
Sätze; — es gilt die Erprobung des pacdagogischen Lehrsatzes, dasi
eignes arbeiten ond das Bewusisein des künnons die nothwendigea
Voraussetzungen aller wahren Lust sind: es handelt sich viel-
leicht um das rechte Verständnis der seltnen Constraclion eines Verbs,
etwa um einen Dativ, wo sonst ab mit dem Ablativ sich Qndet;
und nun sagt ihm die zu Rathe gesogene Schulgrammatik: *Mit die-
sem Verb wird bisweilen (!) statt (??) ab mit dem Ablativ der Dativ
verbunden' — und weiter nichts! — fügt vielleicht noch allenfalls
die fragliche Stelle hinzu. Kann man es dem Schüler in Wahr-
heit verargen, wenn er in seiner jugendlichen Uaschheit und in seinem
Eifer für seine Aufgabe Grammatik und Klassiker bei Seite wirft? —
DiiB Terba eomposiU ia der laleiniselieii Sehalgraimnatik. 329
Unat ein Lehrer sich oichl darüber freoen , wean seia Schaler iu sol-
cher Lage ärgerlich spricht: ^Waa soll mir das? Weiai ich doch aas
meiner eigenen MoUersprache, dasz ich, wenn ich statt eiaer gewöhn-
lichen Constructioa eine andere wähle, auch etwas anderes sagen will.
Wenn Cicero hier (z. B. Legg. 1 2) nicht etwas besonderes aasdraeken
wollte, warum construierte er abett mit dem Dativ anstatt des gewöhn-
lichen ab mit dem Ablativ? — bt dergleichen sufillig, dann nag er
mir gehen mit seiner gerahmten Sprache!' usw. Oder es gilt
vielleicht das eigne Lateinschreiben, — es gilt die Frage, mit wel-
chem Casus ein Verb in einem bestimmten Satze zu verbinden ist, nnd
das Wörterbuch gibt eine grosze Auswahl (Dativ, Ablativ mit und ohne
a6, Genetiv usw.) mit ^statt', ^bisweilen' u. dgl., und mit unbestimm-
ten deutschen Ueb ersetz nngen , und die Schulgrammatik desgleichen :
Wer hilft nun wählen? — Ein solcher Schaler, dem es zu-
nächst nur um Abliererung seines Pensums zu thun ist, hat bald ge-
wählt, wenn er so glücklich ist, bei dieser oder jener Construction
in Wörterbuch oder Grammatik etwa ^meistens', oder ^gewöhnlich' zu
finden : — aber wie nun, wenn trotz dieses ^gewöhnlich' in der Schul*
grammalik der corrigierende Lehrer eine andere Construction, uad
vielleicht abermals ohne eingehende Erklärung, hineinschreibt? —
— Wer das raesonnieren der Schüler unsrer Tage über Pedanterie und
Willkür ihrer Lehrer gehört hat, der hat vollkommen Recht mit sei-
ner Klage aber Mangel an Pietät in unsrer Jugend, aber er vergesse
nur nicht, dasz es in der angeregten Sache eine zweite gleichfalls ge-
rechte Klage gibt. Ein tüchtiger junger Mann, der bereits das
Gymnasium verliesz, antwortete dem Ref. auf dessen dringende Er-
mahnung, er möge doch seine so gut begonnenen klassischen Schul-
studien jetzt auf der Universität nicht ganz liegen lassen, im Verlaufe
seiner Entgegnung: ^Wenn ich früher in unsrer Schulgrammatik die
Regel fand, man könne mit einem Verb bald diesen, bald jenen Casus
verbinden, so dachte ich etwa, man könne vielleicht den einen Casus
im Frühling, den andern im Herbst gebrauchen, denn einen Unterschied
müsse es zwischen beiden Constructionen doch geben!' Aber
freilich ist die Sache von zu groszer paedagogischer Bedeutung, als
dasz sie dem Scherze preisgegeben werden dürfte.
Allerdings war es für das grammatische Studium eine traurige
Zeit, als jedes schärfere nachdenken über schwierigere Construction
dadurch beseitigt wurde, dasz man sofort zu einer beliebigen Ellipse
griff. Wenn man aber auch z. B. zugeben muss, dasz Perizonius mit
der Mehrzahl seiner Erklärungen schwieriger Constructionen völlig zu
Ende gewesen wäre, weihn man es ihm untersagt hätte, zu seinem be-
liebten eWipilsoheünsgoUum zugreifen: so dflrfte es dagegen einer
nicht kleinen Zahl der jetzigen Schnlgrammatiken nicht besser erge-
hen, wenn es ihnen aus Rücksicht auf eine gesunde und bewnste Pae-
dagogik verboten würde , ohne bestimmte Erklärung und Begrenzung
Ausdräcke als: ^oft', ^bisweilen' a. drgl. ra. in ihren sogenannten Re-
geln zu gebrauchen.
330 Die verba composila in der lateinigchon Soliulgrimmatik.
Es wird aber einer so allgemeinen Anklage gegenflber nothwen-
digscin, dieselbe an einem einzelnen bestimmten Falle speciell ond
praktisch durchzuführen. Und da sich in unseren ScIiulgramRiatiken
nicht leicht ein Abschnitt findet , in welcher unsre Anklage sichtlicher
hervortritt, als in der meistens ringsumher gestreuten Syntax der verba
composita , und sich finden mnsz, so lange man von den Casns aas das
Verb sucht, anstatt vom Verb zu den Casus zu kommen: — so wählt
lief, zur Begründung seiner Anklage aus diesem Abschnitte den ersten
Thcil, ncmlich die mit ab gcbildelen terha composita^ und erlaubt sich
daran zu zeigen, was er von der Schulgrammalik verlangt.
Zu der Schulgrammalik musz die mündliche Besprechung von
Seiten des Lehrers hinzukommen, und hat lief, den nachfolgenden $
aus den von ihm diclierten grammat. Kegeln kurz zusammeDgelaszt,
etwa in folgender Weise besprochen ; ^Bevor wir heule tibergelien lu
der Construclion der verba composila (in unsrer Schulgraminatik $?),
welche sich gebildet haben durch das Adverb oder Praelix a6-, mOs-
sen wir uns an einige allgemeine Sätze wieder erinnern, die wir schon
früher, namentlich bei der Betrachtung des Adjectivs und des Genetivs,
aufschrieben und näher helrachleten, weil sie uns schon damals zur
Begründung und Kegelung des Verständnisses nolhwendig waren. Der
erste dieser ungemeinen Lehrsätze ist aus der Logik oder Denklehro
entlehnt und heiszt: durch jedes zu einem Begrilfe hinzugefügte Merk-
mal wird sein Inhalt, d. h. die Zuhl seiner Merkmale, grösser, aber
sein Umfang, d. h. der Kreis oder die Zahl derjenigen Dingo, welche
unter den ßegrilT zu fassen sind, wird enger oder kleiner. Es gilt dies
von jedem Begriffe, folglich ebenso gut von dem BegriiTo des seins,
also auch von dem Nomen, wie von dem BegrifTe der Lebcnsauszerang,
also auch von dem Verb. Daher wird der allgemeine Begriff der Ver-
ben: esse^ soMre^ trahi're usw. durch das hinzugefügte PraeUx ab in
seinem Inhalte erweitert, aber in seinem rmfungo beschränkt (Bei-
spiele.) — Der zweite allgemeine Lehrsulz ist gleichfalls früher, bei
der Kinleitung in die Cususlehre, besprochen, gehört der comparati-
ven Grammatik an, und heiszt: Wie die Casus ursprünglich oder
wesentlich cuusale Bedeutung haben, aber in die locale Bedeutung
übergehen können, so haben die Praopositionen ursprünglich oder
wesentlich locale Bedeutung, können aber in die causale Bedeutung
übergehen. Wir sahen ( — es versteht sieh von selbst, dasz dieses
und anderes , was schon vorkam , repetierend , also die Schüler fra-
gend, behandelt wurde — ), wie ^ursprünglich' oder Wesentlich' nur
sagen wolle, dasz die comparative Sprachbetrachtung uns zwar erken-
nen lasse, welche wesentliche Bedeutung in den einzelnen Sprachfor-
men liege, wie aber die organische, d. h. die von Gott selbst in die
Sprache hineingelegte Entwickelungskraft sich frei, d. h. dem Men-
schen gegenüber aus eigner Kraft, bewege, wie es mithin keineswegs
nothwendig sei, dasz wir die wesentliche Bedenlung auch stets zuerst,
mithin als die ursprüngliche Bedeutung erkennelen, und wie wir dies
schon deshalb um so weniger erwarten dürften, weil die erste oder
Die verbi composita in der laleinlscben Schuigraniiiiatik. 331
ursprangliche EBlwickloogsperiode jeder Sprache, wie jedes spre-
chenden Volkes, gleich unsrer eignen ersten Kindheil sich unsrer hi-
ülorischen Betrachtung entziehe. Wenn wir daher anch davon aasge-
hen müssen, dasz der allgemeine ßegriflT der Lebensiiisseningen, wel-
che in den Verben este^ solv^re^ trah^re usw. liege, durch das Praefix
ab- im wesenliichen localiter in seinem Umfange, folglich aaöh in sei-
ner Anwendung and Construction beschränkt worden sei, so läge doch
die Möglichkeit vor, dasz namenilich in der lat. Sprache, wie wir die-
selbe kennen, in einzelnen der also entstandenen verba composita
die entsprechende causale Bestimmung ganzlich oder theilwelse die
locale verdrängt habe. Wir sahen z. B. am uns heute an eine andere
nahe liegende Stunde zu erinnern , dasz unter den 32 althochdeutschen
Praepositionen, die wir kennen, die wesentliche locale Grundbedeu-
tung zwar nur bei 29 als die ursprüngliche sich uns, d. h. in den ans
erhaltenen Schriftstücken zeige, dasz aber auch die drei übrigen,
nemlich äno^ ir nnd sid in die locale (Raum und Zeit zusammenfas-
sende) Bedeutung bald hinübergiengen , und dasz wir um so weniger
ihre causale Bedeutung als ihre nrsprüngliche Bedeutung ansehen
könnten. Wir werden auszerdem später, wenn wir nach unsrer Schul-
grammatik die einzelnen Beispiele besprechen, sehen, dasz die in den
einzelnen der hieher gehörenden terba composUa hervortretende cau-
sale Bedeutung jedesmal ihren ersten Grund hat in dem allgemeinen
Begriff des begreiflichen Verbs, und verweisen wir namentlich auf
abrogare, abjicere^ abHrudere usw. — An einen dritten, gleichfalls
der comparativen, oder richtiger, der allgemeinen Grammatik aage-
hörcnden Satz, wollen wir uns nur kurz erinnern, weil er uns ia Je-
der zweiten grammatischen Stunde wieder begegnet, nemlich an den:
Wo ein anderes Wort, oder eine andere sprachliche Form oder Con-
struction uns entgegentritt, da ist noth wendig anch eiae andere
Bedeutung gegeben, denn es gibt in der Sprache an sich ebenso we-
nig Pleonasmen, als Ellipsen, wenn anch der einzelne Schriftsteller
beides anwenden kann. — Finden wir in einzelnen Fällen die verschie-
dene sprachliche Bedeutung nicht, so ist hier so wenig, wie überhaupt
unser wissen oder nichtwissen ein Beweis des seins oder nichtseins; —
aber eine solche Erfahrung ist dagegen für uns jedesmal eine dringende
Aufforderung zum forlgesetzten vergleichen und nachdenken'.
^Zu diesen dreien uns schon bekannten allgemeinen Lehrsätzen
fügen wir heule noch folgendes speciell hinzu: Die Praepositionen
dienen also zur näheren Bezeichnung localer Beziehungen. Wenn sie
daher mit einem Verb sich verbinden, so geben sie zuvörderst die lo-
cale Richtung an, in welcher die im Verb ausgesprochene Lebensäasze-
rung sich bewegt, also: ab von etwas her, ex aus etwas heraus,
de von oben herab, ad zu etwas hin, in in etwas hinein, cum mit et-
was zusammen. So wird z. B. die allgemeine Lebensäuszerang jacere
werfen, durch abjicere^ ejicere^ dejicere^ adjicere^ injicere^ conji-
cere auf die angegebenen localen Richtungen beschränkt ; aber jedes
dieser verba composUa kann zugleich die cansalen Bedeutungen an-
332 Die rerba oonposUa in der laloinischen Sohulgrammalik.
nehmen , wolcho der angpegpebenen localen Bedeutung entsprechen. —
Die Praeposilion ah- bezeichnet also Won etwas her' d. h. den Aas-
^angspiinkt einer Bewegung im Kanme oder in der Zeit, denn die Be-
Keichnungcn des liaumes und der Zeit gehen sprachlich, wie oft be-
merkt, unter dem torminus ^local' in der Grammatik zusammenge*
faszt, nebeneinander her, obschon die eine Praeposition zu der einen,
die andere zu der andern Bezeichnung sich vorzugsweise hinneigt, so
ab' zu der örtlichen Bedeutung. — Es haben sich aber zur localen
Bezeichnung des Ausgangspunktes der Bewegung in den Sprachen des
Sanskrilstammcs, also für uns zunächst im griechischen und laleini-
sehen, wie auch im deutschen, allerdings verschiedene Wörter und
Wortformen allmählich entwickelt, deren Zusammengehörigkeit aber
klar zu Tage liegt. Das lateinische ah ist griechisch a;ro, hochdeutsch
flr/>-, fifothisch, nordisch, schwedisch, danisch, holländisch afy englisch
ri/*, und im allhochdeutschen hiesz es aha. Neben diesem aha Raden
wir aber im allhochdeutscheu vona und rram^ wie im neuhochdeot-
schcn neben ah- die Praeposilion Won% neben af\\m\ of im gothisohen,
altsächsischen, nordischen, schwedischen, dänischen, englischen fram^
fra ^ frän^ from. Ferner ist zu bemerken, dasz das aha auch schon
im allhochdeutschen nur einzeln als wirkliche oder getrennte Praepo-
silion sich llndet, und dasz frUher meistens schon ebenso wie jetzt
ausschlicszlich, das ah- im hochdeutschen nur als eigentliches *Ad*
vcrb' vorkommt; dasz dagegen das althochdeutsche vona sich im
jetzi^rcii hochdeutschen in der Form Won', als reine Praeposition ge-
sin! tele und zugleich die Bedeutung des vram zum Theil in sich auf-
nahm, während ah im lateinischen sowol die Function der Praeposition
wie die des Adverb übernahm. Wenn man also im deutschen sagt
* abirren von dem Wege', so ist solches nach Form und Inhalt ganz
übereinstimmend mit dem lateinischen aherrare a via*,
^Sehr interessant ist es aber diese comparative SprachbotrachluDg
in einigen allgemeinen Blicken weiter zu verfolgen, und umsomehr,
da dieselben uns Gelcirenlieit geben, uns über den Kntwicklungsreich-
thum unsrer deutschen Sprache zu freuen. Während sich, wenn alles
mitirerechnet wird, durch das ^Vdverb' ah in der lateinischen Sprache
reichlich 80 (84) eerba composüa bildeten, oder doch zu unsrer Kunde
gekommen sind, da es allerdings nicht an Anzeichen fehlt, dasz sich
noch mehr solcher Verben in der vulgären lut. Umgangssprache fan-
den, — so entwickelten sich durch dasselbe ^Adverb' in unsrer deal-
schen Spruche etwa 500 solcher zusamment^esctzler Verben, also eine
sechsfach stärkere Anzahl, wobei wir die nur der vulgären Sprache
angehörenden ausscheiden. Will man aber aus unsorn 000 Vorben eine
noch gröszere Anzahl uns dem angegebenen (irunde ausscheiden, so
ist zu bemerken, dasz auch von den etwa 80 (84) lateinischen Verben
etwa 40 (42) nur mit groszer Vorsicht von nns zu gebrauchen sind,
daher auch in der Schulgrammatik meistens nicht weiter beachtet wer-
den, indem sie entweder kritisch völlig verdachtig sind, oder nur hui
späteren vorkommen, namentlich bei Kirchenvätern, wie wir z. B. ab-
Die verb« eonposiU in der liteiniscben Sehvlgmnatib. S83
aesiuare = ae$tuarej abioleicere^ afOruere^ lor bei dem Kirchen«
vater Tertullianas Anden, and abambulare^ abarcfrej abemi're, abgre-
gare sich erst im 6n Jahrhunderte bei dem Grammatiker Festas finden,
oder indem sie endlich uns zwar an einzelnen Stellen bei den Klassi-
kern begegnen, aber in solchem Zosammenhange, dasi sie sichtlich
dem klassischen Sprachschätze nicht zuzuzählen sind. So finde ich s.
B. 11 solcher Verben bei Cicero nur ein einzigmal, indem es entwe-
der in den Briefen an den Aiiicus die absichtlich Yertraaliche , der
Umgangssprache nahestehende Redeweise ist; — oder indem Cicero in
der Schilderung des Verres, des Catilina, des Antonius durch ein ab-
sichtlich aus der niederen Sphaere gewihltes Wort das gegebeae Bild
verstfirken will; — oder auch, indem Cicero aus andern citiert.
* Unsere Behauptung, dasz in den beziehlichen zusammengesetzten
Verben sich ein hervortretender groszer Entwickinngsreichthum uns-
rer deutschen Sprache zeige , könnte vielleicht auch noch dadurch be-
stritten werden, dasz darauf hingewiesen wflrde, dasz manches der
mit ab- gebildeten deutschen Verben im lateinischen durch ein mit de-
gebildetes terbum composiium wiedergegebtfb werde. Allein es fahrt
dieser Einwurf schliesziich zu dem entgegengesetzten Resultate, denn
bei. solchem Verfahren sind umgekehrt zu den deutschen Verben mit
^ab-', binzuzuaebmen die Verben mit *weg-', deren es fiber 160 gibt,
sowie die Verben mit * ver-', deren es sogar über 600 gibt, von wel-
chen etwa Jedes vierte sich durch ein terbum compottlum mit ab-
wiedergeben l&szt, so dasz, wenn die Zahl der beziehlichen lateini-
schen Verben von 80 etwa auf 100 erhöht wflrde, die Zahl der ent-
sprechenden deutschen Verben von 500 auf 800— -1000 stiege. Dasz
aber der vorliegende Fleiionsreichtbum unsrer deutschen Sprache we-
sentlich angehört, ergibt sich aus einem naheliegenden Beispiele un-
serer nächsten comparativen Grammatik, indem wir sehen, dasz die
genannte FleiionsHibigkeit der deutschen Sprache selbst dann von ei-
nem eingreifenden Einflüsse war , wenn sie auf eine nahe verwandte
Sprache flbertragen wurde. Der golhische Sprachstamm trennte sich
nemlich wie wir wissen in den germanischen und soandinavischen, und
der überwältigende Einflusz der deutschen Sprache auf die dänische
Sprache ist es z. B. gewesen, welcher letztere von dem scandinavi-
schcn Sprachstamme, dem sie ursprünglich angehörte, zu dem germa-
nischen Sprachstamme hinüberzog. Fragen wir aber nach den einzel-
nen sprachlichen Erscheinungen in der dänischen Sprache, in welchen
sich der genannte Einflusz als umbildend, mithin als wesentlich ge-
zeigt habe, denn die Aufnahme einzelner Wörter aus einer Sprache in
die andere, z. B. ans der französischen Sprache in die deutsche Spra-
che, ist ein bloss änszerliches Moment und beweist in nnsrer Frage
nichts, — so bestand der genannte Einflusz namentlich darin, dasz
die deutsche Sprache der dänischen die Fähigkeit durch dergleichen
* Adverbien' zusammengesetzte Verben zu bilden zum Theil erweiterte,
zum Theil ganz neu mittheilte.'
*Bevor wir nun schliesziich zu der CoMtruetion der mit ab* ge-
334 Die verlM oomposita in der lalüiniscbeo Scliultj^rammalik.
bildeten verba composita nach Anleitung unsrcr SchiilgrammaUk im
oinzcliicD übergehen, müssen wir noch einiges über das allgemeine
Wesen dieser Construclion besprechen.'
^Wenn durch die Ilinzufügung eines Adverbs der allgemeioe Um-
fang eines Verbs beschränkt worden ist, so ist dadurch um dessen
Anwendung und Construclion ein bestimmter Kreis gezogen, innerhalb
dessen sich dieselbe bewegen musz. Duraus folgt, dasz die Anwen-
dung, folglich auch die Construclion, d. h. die Form der Anwendung,
der also beschränkten Verben dem Wesen dieser Beschränkung ent-
sprechend sich gestalten musz, denn Inhalt und Form bedingen sich
gegenseitig mit Nothwendigkeit. So bildet sich für die Consiruction
der verba composita folgende allgemeine Ilauptrcgol, die wir bereits
in uiisrem Dictat §? fanden:
^ein verbum compositum wird wesentlich construiert mit Wieder-
holung der beziehiichen Fraeposition, also abesse mit ab, deji-
cere mit rfe, ejicere mit ex usw.'
Allein eine wesentliche Construclion ist keineswegs immer die' regel-
niäszige, denn die Entwicklung einer Sprache ist eine organische,
folgt mithin zwar allgemeinen in sie selbst hineingelegten Gesetien,
steht aber zugleich mit allem übrigen in der Schöpfung in stetiger
Wechselwirkung, und iaszl sich daher von der beschränkten Anschau-
ung des Menschen nie gonz überblicken. So sahen wir namentlich
schon, dasz die wesentlich localen Fraepositionen in die entsprechen-
den causalcn Bedeutungen übergehen können, z. B. ab^ Won — her'
in die causule Bedeutung der activen Ursüchlichkuit, de ^von ohen
herab' in die der passiven usw.; — und so müssen wir hier, selbst
für unsere allgemeine noch nicht begründete Bclruchtung den./Fall als
möglich setzen, dasz in einzelnen Füllen in der wirklichcn'Spraclie
eine Bedeutung und daraus folgende Construclion, die wir in der all-
gemeinen Betrachtung als Svesentlich' erkannten, sich nicht nur nicht
uls die ^regelmüszige' entwickelte, sondern im einzelnen Falle gar
nicht vorliegt: wir linden so auch rerha composita mit a6, welche mit
wiederholtem ab construiert in unsern Klassikern gar nicht vorkom-
men. Es ist solches hier um so leichter möglich, da wir es nicht nur
mit Fraepositionen, folglich nicht nur mit einer wesentlich rein loca-
len Beziehung, sondern mit sprachlichen Formen zu thnn haben, die aus
Verben und Fraepositionen zusammengesetzt sind, folglich mit cansal-
localen Beziehungen, in welchen nm so leichter die erstcre Seite ganz
überwiegt, wo sie an sich in ihrer allgemeinen Bedeutung die slirkere
ist. Es tritt daher nicht selten, wie unsere Schulgrammatik zeigt, der
Fall ein, dasz rerba composita mit ab nur mit dem Objecto ihrer cau-
salen Beziehung, also absolut mit dem Accusativ verbunden werden;
— oder auch der Fall, dasz der localo Ausgangspunkt zwar bezeich-
net wird, aber nicht als solcher, sondern als das Werkzeug der cau-
sulen ße/.iehung, so dasz nach unserer Casuslehre ($?) an die Stelle
des Ablativ mit ab der bloszo Ablativ tritt. Oder es kann der Fall
eintreten, dasz zwar durch die Form dos Verbs auf den localen Aus-
Die verba composita in der lateinische« Sehalgrammatik. 835
gangspunkt der LebensausEerung hingewiesen wird, dass aber ihr cau-
saler Inhalt (rapere^ trahere usw.) so stark herTortritI, dasz ihre
Wirkung, mithin auch ihr localer Endpunkt erstere Bexiehong gänzlich
surflckdrfingt, folglich auch an die Stelle des ab mit dem Ablativ m
oder ad i^it dem Aocasativ tritt. — Endlich mflssen wir uns auch noch
an einen Hauptabschnitt in unserer Casuserklärnng heute speoieü er^
innern, nemlich an unsere Erklärung des Dativs. Wir sahen, dass
sich in diesem Casus die subjective und die objeotive Besiehung der im
Verb ausgesprochenen causalen Bedeutung vereinigen, während die
rein objective Beziehung im Accusativ , sowie die rein subjective Be-
ziehung im Nominativ ihre Darstellung Qnde. Ich erinnere nur an frü-
her besprochene Fragen, wie: warum construiert der deutsche ^folgen'
mit dem Dativ, während der Lateiner sequi mit dem Accusativ verbin-
det? usw. — Nun tritt auch hier, wie der beziehliche % unsrer Schul-
grammatik zeigt, nicht selten der Fall ein, dass anstatt der wesentli-
chen Gonstruction des wiederholten ab mit dem Ablativ bei einem mit
ab gebildeten verbum compositum der Dativ sich findet, wenn nemlich
nicht der locale Ausgangspunkt der Lebensäuszerung an sich darge-
stellt werden soll, sondern die snbjectiv- objective Beziehung ihres
causalen Inhalts. — Damit es nun Ihnen selbst zum Bewustsein kom-
me, ob Sie die betreffenden Fragen völlig verstanden haben, so gebe
ich Ihnen fdr die nächste grammatische Stunde zur eignen Beantwor-
tung eine schon angedeutete Frage auf, nemlich : wie erklärt es sich,
dasz Cicero Legg. I 2 abest hitioria liieris notiris sagt anstatt des
gewöhnlichen a liieris noslris^ und weshalb konnte er in dem vorlie-
genden. Zusammenhange nicht ab mit dem Ablativ nehmen, sondern
muszte ^um Dativ greifen?' — Gehen wir jetzt za unsrer Schulgram-
matik Ober.
Ref. erlaubt sich, bevor er den betreffenden § der Schulgramma-
tik, so wie er selbigen wOnscht folgen läszt, hinzuzufOgen , dasz die
vorhergehende, wie die nachfolgende! Darstellung eine Reminiscenz ist
aus früherem wirklichem Unterrichte , dasz die Schüler entweder Pri-
maner eines Gymnasiums waren, oder später aus dem Privatunter-
richte des Ref. in die Prima eines Gymnasiums fibergiengen. Sollte für
beides ein Buch dasein, so mflste sich der zum mündlichen besprechen
nöthige Stoff in einem ^Lehrgebäude der lat. Sprache' finden.
Schnlgrammati k.
$ (?). CoBslraction der verba composila mit ab.
Die Wörterbücher führen reichlich 80 mit ab gebildete verba
composila an, von welchen aber nur folgende 42 als der klassischen
Sprache sicher angehörend anzusehen sind. Die wesentliche Constru-
ction dieser Verben ist, siehe den vorhergehenden §, Wiederholung
des ab. An die Stelle dieser wesentlichen Constrnction können fol-
gende Constructionen treten :
I. Wenn zwar der in dem Verb angedeutete locale Ausgangspunkt
der Bewegung ausgesprochen wird, aber nicht als ein reines ^ von —
336 Die TerbB composita in der laleioischen Sehulgrammalik.
wegV' a) de mit dem Ablativ, wenn die localo Boziohung *von oben
herab' aasgodrQckt werden soll; — z. B. de capite abjicere. b) ex
mit dem Ablativ, wenn der den Ausgangspunkt der Bewegung bezeich-
nende Gegenstand einen gröszeren Umkreis umschlicszt, aus dessen
Mitte heraus die Bewegung als anhebend erscheint. Dahin gehören
Constructionen, als: e conspectu, e foro^ e sinu, e portu^ ex ocuNs^
e preelio^ ex aeie^ e tita^ e complexu^ e loco; — auch cinielee
Sätze, als: ahjicere iela e ralio^ abjicere $e e muro in ifiare, nemlich
aus den OofTnungcn in Wall und Mauer heraus , avellere poma ex ar-
borilmt^ weil die Früchte aur dorn Baum ringsumher inmitten des von
Baume gebildeten Umkreises sitzen.
II. Wenn der in dem Verb angedeutete locale Ausgangspunkt der
Bewegung neben der causalen Bedeutung desselben so sehr larflck-
tritt, dasz an die Stelle der localen Construction, mit wiederholten
ah^ oder auch neben dieselbe eine andere der hervortretenden causa-
len Bedeutung entsprechende Construction eintritt, als: a) der abso-
lute Accnsativ, wo die causale Bedeutung des Verbs so entschiedea
hervortritt, dasz neben ihrer objectivcn Beziehung keine zweite Beiie-
hung Baum findet, z. B. abalienare aliqnem; abdivare plium, pairem ;
abjicere res suas; abjiirare pecunium^ creditum; ablucre pedetj cor-
pus; abripere aln/vem; nbrngare letjem; abrumperc rincula^ ordines^
semwnem, vifatii ; absorbrre aquam; aversari aliquem, b) Der Abla-
tiv ohne ab^ wenn der locale Ausgangspunkt der Bewegung einer Le-
bensüuszerung wegen der hervortretenden causalen Bedeutung dersel-
ben als ihr Werkzeug erscheint; z. B. ahdivare sc consulaiu^ dicia-
liira^ praefura; absoleere se jndivio^ popuhim bcUo^ aliquem cura
f amiliar i oder siispicione retftit; abstiurre se iivfario sc eiere ^ ostreis
i't fnaretiis^ oder nbstinere injuria: — oder >m» der Ablativ eine ad-
verbitile Form ist. c) Der Dativ, wenn durch dus liervorlroten der
caustilen Bedeutung eines bezieblichcn Verbs der Ausgangspunkt der
localen Bewegung als dasjenige hervorgehoben >>ird, aur welches so
ciniTowirkt wird, dasz es zugleich ols etwas verlierend, oder herge-
bend, oder bewirkend u. s. f. erscheint, mitbin zu der ausgesprochenen
Lebensüuszerung causalitcr in objektiv- subjektiver Beziehung steht,
z. B. abalienare homines rebus suis; abesse alivui; abjudicare alicui
libertatem; abroffure alicui impcrium^ maijistralum^ pvteslatem; ab-
acindere alicui livijuam^ humeris vesiem; abslrahere Oennanicum
suelis legionibus; auferre alicui dolorem^ speniy spirilum. d) In oder
ad c. Accus, y wenn die causale Wirknng des bezieblichcn Verbs so
stark hervortritt, dasz die Auffassung von ihrem Ausgangspunkte weg
auf ihren Endpunkt hingvieitet wird oder auch, dasz letztere neben
orstere tritt: — z. B. abire iw, abjict're in (/irf), abrip^'re in rincula^
ad quaestiones; abscond^re in lalebras^ in terram ; areh^re in (ad)\
arertt'rc rcfjem in cotjitulionem belli y classem in futjaw^ causam in
aliquem.
Damicb sind die nachfolgenden Constructioncn in den Klassikern
zu verstehen und bei dem Lateinschreiben zu wfihlcn; denn ^ wo eine
Die verbt conposita in der lateioiscke« SckalgrAmmatik* 8S7
«
andere Constroetion sick findet, dt moss nolhwendig
auch eine andere Bedealung angenoniBien werden.
Es wird noch bemerkt, dass die nachfolgenden Conitrnctionen
nach ihrem minder häaGgen Gebrauche aufeinander folgen , und daas,
wo seltene Constrnctionen genannt werden, bestimmte Stellen lum Be-
lege angefahrt sind.
abalienare^ entfremden von; — wird construiert mit dem absol.
Accus., mit wiederholtem ab^ und einzeln mit dem Dativ, l) Der Ao»
cusativ, wegschaflfen, verkaufen, so: agros, tectigalia^ pecui, 2) ^6
aliquo^ abwendig machen, trennen von, so: aiiquem ab aliquo^ 9olumr
tatem ab aUquo. 3) Der Dativ: cfr. Nep. Agesil. 3 $ 5: homine$ rebu$
suis^ d. h. seine Angelegenheiten verloren die Gunst der Menschen; —
parallel daneben steht: Deos tibi iralos reddere, d. h. er zog den Zorn
der Götter auf sich.
abdicare^ absagen von; — - wird constraiert mit se und dem Ab*
lativ, mit dem absoluten Accusativ, und einzeln ganz absolut als «^r*
bum miransitivum. Mit wiederholtem ab kommt es nicht vor, da das
locale Won — weg* neben der causalen Bedeutung ganz zurückgetreten
ist. 1) Be und der Ablativ , sich lossagen von einem Amte (magislra-
tUj munere aliquo), so: dictatura^ comulatu, iuletä. 2) Der Accusa-
tiv, absagen von sich, d. h. verwerfen, so : ßlium, liberos, patret. In-
des ist diesei Constrncttou nachklassisch , und findet sich namentlich
bei Quintilianns, Pliuius u. s. f. Abdicare magistratum ist unlateiniaoh.
3) Absolut, als f>erb. intransiL cfr. Cic de Nat. Deor. II. 4. § 11 «I
abdicareni consulesj eine elliptische Redeweise Ciceros, zu welcher
er sich durch seinen gedrängten Bericht veranlasst sah, nnd die einem
Misverständnisse nicht ausgesetzt war, da se contulaiu sich ans dem
Zusammenhange ergab, und da ein weiterer Gebrauch von abdicare
nicht vorlag.
abdüfre^ vom Platze rflcken. (Es kann dies Verb auch als verb.
pritnitivum angesehen werden, nemiich als das zum Verb entwickelte
Etymon ab, wie ire sich aus dem Etymon • gebildet hat, nnd wie
^äuszern' und ^innern' (erinnern) im deutschen sich aus: ^aus' nnd Sn'
bildeten.) Wird construiert mit in und dem Accusativ (Ablativ), ein-
zeln mit dem absol. Accnsativ, und mit dem Dativ, l) In c, accus.
(c. ablai.) Aus dem Gesichtskreiso der Menschen — weshalb ex con-
speciu oder a conspeclu zur hervortretenden Veranschaulichung hinzu-
gefügt werden kann — entrücken, also wohin? (wo?) verbergen; so:
abdtre $e (aiiquem) in interiorem pariem aedium^ in Silvas, in bi-
bliolhecam , in liieras. In loco aliquo ist poetisch ; indes construiert
Cicero das partic, abditus, verborgen, wo? in tecUssilvestribus^ auch
inira veslem, sub vesie. 2) Der absol. Accusativ, bei Seite schaffen;
cfr. Cic. in L Pis. 17 $39: nihä mea referiy utrum — , an amici
tui tabulas abdiderint. 3) Der Dativ, cfr. Cic. pro Archia. 6 § 12: si
qui iia se literis abdideruni , welches parallel steht neben studiis de-
dilum esse; und Cic. will schildern, welchen Einflusz die liierae auf
den Geist haben, also ist der Dativ ganz an seinem Platze.
S38 Die yerba oomposita in der lateinischeo Schulgrammtiik.
abduc<*re^ abführen von; wird construiert mit a6, mit ex oder de,
mit in (ad) c. accusalivo. 1) Ah, — wegriihrcii von, und Kwar local
und li^ürlicli; — so: aforo, ab urbe usw.; animum a soUicüudine;
aliquem a studio^ a cura; aciem menlis a consueludine oculorum. 3)
ex oder de: z. B. ex acie^ e foro. Liv. XXIII 23 exlr. ne deduceudi
sni caussa populum de foro abduceret^ wo das deducere se neben dem
ahducere populum die Praeposition de um so mehr xu foro hinxafügen
hiesz, da sie hier oft vorkommt, indem im Bewustscin des Römers das
üfTenlliche Leben neben dem häuslichen als der höhere Zustand hervor-
trat. 3) in (ad) c, accusalivo^ z. B. in curiam^ in laniumias^ in ser*
fiilulem; a relitjionis auctoritale ad mercedem alque quaestum; a
quaestione ad reipublicae mvnus,
ahire^ abgehen von, d. h. forlgchen; — wird construiert mit
wiederholtem ab^ indes nur in einzelnen, figürlichen Redensarten, da
die allgemeine Bedeutung des Tortgehens vom Ausgangspunkte abseben
läszl; ferner mit in c, accus, local und figürlich; endlich mit dem Ab-
lativ, l) ab^ so: res abit ab aliquo^ die Sache entgeht jemandem bei
einem Verkaufe; res abit a nie, ich verstehe die Sache nicht; abire a
sensibus^ aufliören zu reden von; abire a jvre^ das Recht verletzen«
!2) in c. accusalivo, sich entfernen, wohin? z. B. in Asiam, in pro*
Tinciam: — auch figürlich, so: in ora hominum, in ßaminatj m siiai-
tus. (Das häufige in malam pestem, in malam crucem abire ^ cum
Geier, zum Henker gehen, gehört der vulgären Sprache an. Wenn
Cicero sagt Phil. XIII 21 § 48: quin tu abis in malam pesiem ma-
lumque crucialum^ so zeigt schon die Häufung der Ausdrücke, dasx
er einen starken und auffallenden, daher aus der vulgaren Sprache
entlehnten Ausdruck gebrauchen will.) 3) Der Ablativ, nemlioh nit
domo^ urbe, magistratu, welche Ablative als adverbiale Zuailxe
zum Verb (s. Casuslehre §?) anzusehen sind, gleich unserm *su Han-
se, nach Hause, heim, daheim' usw. — abire a matjislratu würde
nicht ein amtliches abgehen, d. h. ein niederlegen des Amtes, sondern
nur ein momentanes fortgehen von, ein momentanes ruhenlassen des
Amtes bezeichnen.
aberrare, abirren von etwas weg, (nicht zu verwechseln mit er-
rare in aliqua re, sich in etwas irren). Wird construiert mit ab, —
in einzelnen Fällen mit ad oder in c. accus, und mit einem Ablativ, l)
ab; - -~ und zwar local und figürlich, so: a via, ab aliquo usw.; -^ a
regula, a proposito, a miseria, a dolore usw. 2) ad oder in c. ac-
cusativo; cfr. Cic. de Offic. I 37 § 135: si (oratio) aberrare adaiia
coeperit, wo ad alia, irgendwohin' ein allgemeiner, adverbialer Zn-
satz ist. Ebenso steht in melius Plinii Kpist. iV 28. 3) ein Ablativ, (?)
iiemlich: conjecturü. cfr. Cic. de Nat. Deor. 1 36 § 100: si aberrant
vonjcctura, wo die Kritik aber jetzt das fehlende ab ergänzt hat. Cic.
ad Attic. IV 22: vereor^ ne nihil conjectura aberrem, wo aber der
Sinn ist: ^ durch mutmaszen, durch erratlien\ — Dagegen steht z. R.
Cic. Phil. \I1 9 ausdrücklich: a conjectura, weshalb aberrare con-
jecttira besser vermieden wird.
Die yerbfl composila in der lateinischen Sohalgrimntlik. SSO
abesse^ absein von; wird construiert mit wiederboitem ab; —
ferner mit einigen adTerbiaien Ablativen, und einxeln mit dem Dativ.
1) a6, — nnd,zwar in localer, wie in figpürlicber Bedeutang; so: a no-
bis^ ab urbe^ a caslris^ a medio, a morie^ a spe consulaius^ aliquis a
culpa und culpa ab aliquo. Auch in einzelnen , bestimmten Redensar-
ten, so: ab eo plurimum absum^ ich bin weit davon entfernt; mulhun
ab iis aberat, er kam ihnen gar nicht gleich usw. 2) Der Ablativ,
nemlich mit domo^ forOy urbe (siehe : der Abi. bei abire); r— wenn es
nicht eine allgemeine oder adverbiale Coustrnction ist, so heiszt es a
domOj a foro^ ab urbe. 3) Der Dativ, jemandem fehlen; cfr. Cic. de
Legg. I 2§ 6: abesi hisioria liieris nosiris, unsere Wissenschaften
vermissen unter sich die Geschichte; — abesi hisioria a liieris nosiris
hiesze: ^die Geschichte ist entfernt von unsern Wissenschaf ken', d. h.
gehört nicht unter sie. Freilich sollte man nach Cic. Brutus 80 % 276:
st nihil uiilitaiit habeai^ abfuii^ si opus erai^ defuii — deesi und nicht
abesi erwarten : — aber abesse ist das locale nichtdasein , deeste das
causale (siehe f>erba composila mit de §?), und von ersterem ist hier
die Rede. — Ferner cfr. Cic. de Orat. 1 11 § 48: quid huic abesse
poterii de maximarum rerum scientia^ welches ebenso zu verstehen ist.
Not. Endlich wird abesse völlig absolut, also intransitiv -impersonal
gebraucht, so: iantum abesi^ ui ; —^ paulum^ haud mullum^ non mul-
ium abesl^ quin nsw. (s. Feriodenlehre §?)
abhorr^re^ sich schaudernd abwenden von : wird mit ab verbnn^
den, — in einzelnen Fällen mit dem Dativ, und als verb. transit. mit
dem Accusativ. 1) ab- und zwar sowol local als ftgarlich, als : a nup-
Ittf, a ducenda uxore^ a suspicione^ ab insania^ a scelere^ a fide^ a
consiliis, a praecepiis usw. 2) Der Dativ, cfr. Cic. de feto 4 § 8: alii
ialibus viliis abhorreni^ solche Laster schrecken andere zurück, so
dasz sie sich von ihnen wenden. Ebenso abhorrens Liv. II 14 init. 3)
Als verb. transit. mit dem Accusativ, verabscheuen; — so indes nur
einzeln bei Livius, Suetonius usw., nie bei Cicero.
abigere^ wegtreiben von; wird nm seiner hervortretenden causa-
len Bedeutung willen meistens nur mit dem Accusativ verbunden, so:
muscas^ volucres ei feras, pecus, gregem^ febres^ pesiem; — doch
kommt auch ab (de) vor, so: uxorem a fanua^ aliquem a cibo, anse-
res de frumento, lassitudinem absje,
abjicere^ von sich werfen; wird wegen seiner gleichfalls stark
hervortretenden causalen Bedeutung zuvörderst construiert mit dem
absol. Accusativ, so: scutusn, arma^ viiam^ curam^ cogiialionem ^ ob-
edienliam, dolorem^ iimorem^ cupidilaiem^ memoriam usw.; sodann
mit in oder ad c. Accusai., so: se ad pedes alicujus^ se in herbam;
auch in einem Beispiele mit dem Dativ, nemlich supplicem se abjicere
alicui^ wo die subjectiv-objective Beziehung des aliquis nahe liegt.
Ueber abjicere tela e eallo^ se e muro in mare siehe die Einleitung
dieses § I b. — Die Wiederholung des ab kommt nicht vor.
abjudicare^ aburtheilen von, d. h. durch Urtheil absprechen von;
wird regelmäszig mit aby einzeln mit dem Dativ verbonden. l) ab^ —
340 Die verlM composiU in der lateinischen Schnlgrajnaatik.
und zwar rem ab aliquo^ z. B. a populoy a viro^ ab hoc ordine» Bei
riaut. Asin. III 3 17 : me a f>ita abjudicaho anstatt des regelmiiKigea
f)itam a nie, — eine poetische, die Veranschanlichung hervorhebende
FersoniTication des Lebens, vita, 2) Der Dativ, cfr. Cic. pro A. Cae-
vi na 34 §99: ipsum sibi UbertaUm abjudicasse, ^d. h. also, dass er die
Freiheit verlöre'; es geht parallel vorher: non adimii ei Uberiaiem,
abjungere^ abspannen von dem Joche, ein der vnigfiren Sprache
zunächst angehörendes Wort, welches aber die Dichter anch in Schil-
derungen des Landbaues gebrauchten. Bei Cic. flndet es sich ad Attie.
II I init. quod se ab hoc refractariolo judiciali dicendi gener e ab-
junxeral^ welches aber um so weniger nachzuahmen ist, da aach re*
fractariolus nur hier vorkommt, und neben einer groszen Zahl vod
Deminutiven nur der vulgaren Umgangssprache angehörte.
abjurare^ abschwören von; — seiner starken oausalen Bedea-
tung wegen mit dem absoluten Accusativ construiert, so: pecuniam^
creditum. Es ßndet sich bei Vergilius, Sallustius, Plautua: — bei
Cicero ad Attic. I 8 extr. mihi abjurare certius esl^ quam dependere:
— wo Cicero absichtlich im vortraulichen Briefe ein Wort der Un-
gangssprache gebrauchen wollte. Die Construclion mit ab kommt
nicht vor.
ablegare^ wegschicken, entfernen von; — ein nicht hfioflfl^ yor-
kommendes Wort, welches mit dem absol. Accusativ, und mit wieder-
holtem ab construiert wird. 1) Der absol. Accusativ, so: hominei^
votisiiium t. e. judices — beides bei Cicero in den Heden gegen Ver-
res, in welchen überhaupt stark schildernde Ausdrücke der vulgären
Sprache am häufigsten vorkommen. 2) a6, — so: aliquemase (Plan-
tus), ;>6cii5 ac homines a prato (Varro); — doch auch Cicero ad AU
tic. II 18 extr. haec (legatio) a frairis advenlu me ableyai,
abluerc^ abwaschen von; — seiner cuusalen Bedeutung wegei
nur construiert mit dem absoluten Accusativ, so: pedes^ corpus; aoeh
ligürlich, so perfida verba^ maculam^ perjuria kommt auch bei Ci-
cero wiederholt vor; — wird auch mit de construiert, so: anhela si-
iis de corpore nostro ablnitur (Lucrelius); auch mit e, so maculas a
rcsle (IMinius); — die Construclion mit ab finden wir nicht.
abnucre^ abschlagen etwas (durch eine Geberde), wird seiner
causalcn Bedeutung wegen mit dem absol. Accusativ und mit den Da-
tiv verbunden, indem derjenige, dem etwas abgeschlagen wird, da-
durch die Sache nicht erhält oder verliert. 1) Der absol. Accusafir,
so: colloquinm, spem^ imperium^ dilecium, curam, 2) Der Dativ, so:
f/Zicifi, studio aiicuius.
abomittari^ etwas als böse Vorbedeutung von sich abwenden,
daher nur mit dem absol. Accusativ construiert, so: sepulcrum^ iueen'
diu ititvr epulas nominata^ menUonem foedi facinoris. Die HinzurO-
^ung dos a se, ab aliquo ist als im Begriffe des Wortes liegend Qhcr-
lliissi^. Ks kommt dieses Wort bei Cicero noch nicht vor, indes häu-
tiger bei l.i\ius u. a., und ist auch von uns, aber nur in religiösem
Sinuc /.u gohrauühen.
Die verba composit« in der lateinigebeii Schnfgramnatik. 341
abradere^ abkratzen von; — wird seiner starken causalen Be-
deutang wegen zuvörderst mit dem absol. Accusativ construiert, indes
auch mit ab^ obschon der Dativ oabe lag, indem derjenige, auf den
das abkratzen (abzwacken) losgeht, etwas herzugeben gezwungen
wird. Dasz das Wort zunächst der vnlgSren Sprache angehörte, liegt
auf der Hand. 1. Der absolute Accusativ, so : supercüia^ barbam^ radi-
ces^ festucas; auch bildlich, so: pecuniam, 2. Ab — ; cf. Cic. pro A.
Caecina 7 § 19 nihil se ab A Caecina posse litium ierrore abradere;
— wo Cicero des Aebntins niedriges verfahren im starken Bilde, da-
her die locale Veranschaulichung beibehaltend, schildern will.
abripere^ wegreiszen von; — wird mit wiederholtem a6, dane-
ben ex und de, und mit in (ad) und dem Accusativ verbunden. (Der
ebsol. Accusativ liegt auf der Hand.) 1. Ab^ — z. B. a Urra^ a ie;
— auch figürlich a similitudine aHcuius, Daneben ex und de z. B.
e complexuy eirginem ex eo loco; — doch auch a complexu. 2. In
oder ad c. AccusaticOj so: de convivio in vincula^ ad quaestionem,
in cruciatum^ in servitutem,
abrogare^ abschaffen durch einen Antrag an das Volk, daher mit
dem absoluten Accusativ, indem die Hinzufugung des a populo^ als im
Worte liegend, überflüssig ist: so bei den Klassikern, also mit legem
verbunden. — Daneben gebrauchten die Klassiker die Constrnction :
alicui aliquid ^ wo der an das Volk gestellte Antrag einen staatlichen
Besitz, oder ein gesetzliches Recht, das jemand abgeben sollte, betraf.
Dasz auch in letzterer Beziehung die Constrnction ab aliquo sich nicht
entwickelte, erklärt sich daraus, dasz die causale Bedeutung * der be-
ziehliche Beschlusz traf jemanden so, dasz er hergeben muste' am
nächsten lag. — Später , wie überhaupt die ursprünglich juristischen
Ausdrücke sich verallgemeinerten, wurde auch abrogare alicui ali-
quid im allgemeinen Sinne gebraucht. 1. Der absolute Accusativ, so:
legem^ poenas^ imperium^ fidem, 2. Der Dativ, so: magistratum ali-
cui j itnperium alicui^ poteitatem iniercedendi oder pdem iurisiu-
randi alicui, Nota. Aus den Pandecten wird üb. 16 102 abrogaiur
legi^ also der absol. Dativ angeführt, und z. B. auf Liv. IX 34 hinge-
wiesen; — allein es ist diese Constrnction kritisch verdächtig und
nicht nachzuahmen.
abrumpere^ abreiszen von, — also zerreiszen; — mit dem ab-
soluten Accusativ, als : vincula^ cutem^ nubes^ ordines exercilus^ ve-
nas; auch figürlich, so: /as, fidem^ voluptates^ patientiam. Dann: se
abrumpere^ sich losreiszen von, womit Cicero einmal den Ablativ ohne
ab verbindet, nemlich: Phil. XIV 12 $ 31: Haec se prima latrocinio
abrupit Antonii, sc. /e^to, wo aber latrocinio nicht so sehr den loca-
len Ausgangspunkt, als vielmehr das causale Instrument des losreiszens
bezeichnet; d. h. Cicero lobt die Legion deswegen, weil sie durch das
latrocinium des Antonius sich habe veranlaszt gesehen sich loszu-
reiszen, d. h. ^von dem Antonius', welches als im Sinne liegend nicht
hinzugefügt wird; ab latrocinio würde statt eines Lobes ein Tadel ge-
wesen sein, indem darin die frühere Theilnahme der Legion am latro-
N. Jahrb, f. Phü. «. Paed. Bd, LXXIV. Hfi- 7. 25
342 Die verba composita in der lateiniachjen Schnlgrammalik.
cinium zugleich mit ansgesproclien , wenigstens angedeolel wiro. —
ücbrigcns haben sich von diesem Verbura die Parlicipiairornien vor-
züglich entwickelt und bei denselben Tehlt die ConstrNCiion Hiil mh
nicht, z. B. Liv. XL 2: Fastigia templonim a culminibus abrupia, —
Wenn endlich noch aus Plinius die Gonstruction mit dem blossen Dativ
citiert wird , nemlich Jlist. Nat. V 32 init. : donec (mare) Asiam ab-
rumpat Europa e ^ so dürfte darin nur eine nachklassische unbewnste
Uoborlragung von andern mit ah gebildeten vcrbb. composs. eu sehen
sein, was jedenfalls nicht nachzuahmen ist. Nota. Das neuere abso-
lute abrumpere^ ^abbrechen' in der Rede, d. h. eu reden aufhö-
ren, ist keine lateinische Uedeweise. Selbst ahnimpere sermonemj
orationem kommt bei Cicero niclit vor, so oft auch Veranlasinng ge-
wesen wäre, solches zu sagen. Vergil. Aeneid. IV 388 sagt: medmm
sermonem abrumpere^ ebenso Suelonius; und Tacil. Anutl. IV 60
schreibt: inceptwn sermonem abnnnpere; — eine dieser Redenaarlee
ist zu gebrauchen, wenn man obiges sagen will.
abscedere^ weggehen von. Die regelmüszigo Constraction isl
Wiederholung des ab ; daneben findet sich an beziehlichen Stellen es
und in c. Accus.; oder auch absolut, ohne Angabo des Ausgangs-
oder Endpunktes. Das zur Unterscheidung des ab und ex interessante
Ueispiel Liv. XXVII ÖO: Senalus a curia abscessit^ aui popuhu •
foro ist zu beachten (vgl. Einleitung 1 b und abducere No. 2).
abscindcre^ abschneiden, gewaltsam trennen von; — wird con-
struiert mit a6, mit dem absol. Accusativ, und mit dem Dativ, — da
die Person oder Sache, auf welche wie auf seinen Ausgangspunkt das
gewaltsame trennen einwirkt, das abgetrennte nicht mehr hat oder
hält. L Ab, — so: capul a cervicibus^ htnicam a peciore, 3. Der
absolute Accusativ, so: respectum omnium rerum, rediius duieet,
3. Der Dativ, so: alicui scelestam linguam^ humeris vesiem^ rofUs-
nentf Athon, alicui spem,
abscondere, verbergen (von — weg); wird absolut mit dem Ao-
cnsotiv construiert, da die locale Beziehung des Son — weg' neben
der cuusalcn Bedeutung zurücktritt, weshalb die Constniction mit dk
nicht vorkommt, so: fumus coelum, locum aliquem (d. Ii. *aus dem
Gesichte verlieren' z. B. arces^ Vergil. Aeneid. III 291). Ferner mit
in c. Accus., so : m laiebras^ in icrram (d. h. ^eingraben' Colnm. de
Arb. VII 3). Nota. Ein selten vorkommendes Wort; bei Cicero An-
den wir OS nur einmal. Kose. Amer. 41 extr. quod opprimitur $i «&s«
couditur; — bei Caesar findet es sich gar nicht. Indes kommt dss
Particip absvonditus häufiger bei Cicero vor. Statt abtcondBre sind
zu gebrauchen abdere und occuliare. Die Redensart: hoc ocuiis mei$
oder ab ocuUs meis est absconditum ist unlateinisch, dafür setse man
hocme futfit, faUil, praeter if.
absisfere, sich entfernen, abstehen von, — kömmt bei Cicero nie,
nur einmal bei Caesar, und zwar mit ab construiert, bfiufiger bei Li-
vius, Vergilius u. a. vor. Cicero und Caesar gebrauchen desistere. —
Es wird das Wort sehr verschieden construiert, nemlich mit: 1. A&
Die verba compositii in der lateinischen Sehalgrtmniatik. 343
— , das rein locale *von — weg', so : ab signis absistere^ a sole nun-
quam absistens (nemiich der Planet Venas). 2. Der Ablativ, — wenn
das locale Won — weg' übergeht in das causale womit oder wovon?
indem a65f5/ere heiszt: ^aufhören' oder ^ablassen'; so: luco^ limine^
inceplOj spe^ obsidione, 3. Gänzlich absolut, als: ne absiste (lasK
nicht ab!), nee prius absistit^ quam — ; usw. 4. Als verb. trans. mit
dem Acc. , so: Plant. Truc. II 6 32: qüae me reUquii atque abs^itit
(wobei indes me richtiger nur zu reliquit als Object gezogen wird.)
5. Der Dativ; Silius (ein Dichter im In Jahrb. n. Chr.} XV 190: labori
absislere (vgl. den Dativ bei abrumpere). Nota. Nur die Coustructio-
nen 1 2 und 3 sind nachzuahmen.
absolvere^ ablösen von; wird gleichfalls, je nach seinem ver-
schiedenen causalen Gehalte, sehr verschieden construiert, als mit:
l. Ab —^ wo es das rein locale *von — weg' ist; so: linguam a
gutture (cf. Plin. Hist. Nat. XI 37 med.) se ab aliquo (cf. Cic. pro
Q. Roscio Com. 12 § 36). 2. Der Ablativ, wo es losmachen, befreien'
ist, so dasz das causale wovon? wodurch? an die Stelle des localcn
*von — weg' tritt; so: se iudicio^ populum bello^ aliquem cura fa-
miliaris aliquem suspicione regni, 3. Der Genetiv, wenn absohere die
Bedeutung: lossprechen, freisprechen' hat; so: /tir/i, aduUerii^ im-
probüaliSy iniuriarum usw. Der. Genetiv fügt ein Attribut an das in
absohere liegende Yerbalobject (vgl. Casuslehre, der Genetiv §? und
verba composita mit ad §? s. «. accusare). Ebendahin gehört Cic.
ad Quint. Fratr. 11 16: de praevaricaiione absohere aliquem. — Cic.
Verr. II II 8 § 22: hunchominem Veneri absohit^ d. h. er sprach die-
sen Menschen frei in Bezug auf die Xßnus, nemiich dasz dieselbe an
ihn keine Forderung habe, mithin steht der Dativ auch hier in subjec-
tiv-objectiver Beziehung. 4. Der absolute Accusativ, und zwar: a.
rem, eine Sache vollenden, so: dialogos^ pensum, beneßcium, rem
uno eerbo. Hicher gehört Sallust. Cat. 4: de coniuraiione paucis ab-
soham, b. aliquem^ jemanden abfertigen.
absorbere^ verschlucken ; — nach seiner causalen Bedeutung nur
c. Accus., so : aquam^ placentas^ Oceanus tot res; — auch figürlich,
so: Cic. Brut. 81 extr.: hunc absorbuit aestus — gloriae; Cic. Sext.
6 init. : tribunatus absorbet meam orationem, — Cic. legg. II 4.
abslergere^ abwischen ; — ebenso nur c. Accus., localiter und figür-
lich, so: vulnera, cruorem, lacrimas^ fletum^ fuliginem^ oculos; —
ferner; molesliaSy dolorem, metus, aegritudinem^ fastidium. Wird
die Person hinzugefügt, so steht dieselbe regelmäszig im Dativ.
absterrere^ abschrecken von; •— wird construiert regelmäszig,
so nur bei Cicero mit ab, -^ Bei Livins, Horatius, Plinins, Plautns
auch mit dem Ablativ, indem der Gegenstand, von welchem weg loca-
liter abgeschreckt wird, als das causale Werkzeug des abschreckens
erscheint, i. Ab — , so: a pecuniis capiundis^ a congressu meo, 2.
Der Ablativ, so: animos viliis, lenonem aedibus^ aliquem noxa ali-
qua, aliquem bello^ solitudine. Nota. Lucretius hat daneben noch
wiederholt die Construclion mit dem iTativ, indem der Dichter dasje-
25*
344 Die verba composita in der laieiDisclien Sehnlgrammatik.
iiige, welches als causaics Werkzeug, folglicli^unpers&nlich (vgl. Ab-
laliv. §?) sich anschlicszt, durch Pcrsonificalion im subjectiv-objeeli-
ven Verhältnis stehend darstellen kann. Indes sind dio bcziehlichea
Stellen kritisch verdächtig.
ahsUncre^ abhalten von ; — wird construiert mit ab nnd mit dem
Ablativ im oft angegebenen Verhältnis. Daneben findet sich auch der
absolute Accnsativ ; indes nicht bei Cicero. Wenn zur Unterscbeidnng
der zwei Constructionen dieses Verbums gesagt wird, Personen wür-
den meistens mit ab^ Sachen meistens im Ablativ hinzugefügt, so gilt
diese Unterscheidung im allgemeinen (vgl. §?), indem der Lateiner
nuch seinem concreten Ausdrucke die Person nicht als Werkzeug dar-
zustellen liebt (vgl. Ablativ §?). Es findet sich dieses Wort beson-
ders bei Cicero und bei Livius: bei Cicero vorzugsweise mit dem Ab-
lativ (7mal mit dem Ablativ, 3mal mit r//;), bei Livius vorzugsweiso
mit ab (timal mit ab^ 3mal mit dem Ablativ, 3mal absolut). 1. Ah^ —
so: ab aUenis menles^ oculos^ manvs ; manus a se ; a quibus te (Cic):
— igtiem ab aede^ belium a populo^ iram belli ab obsidibus^ tniuriam
ab sociiSy militem a praeda, ferrum igncmque ab agro (Liv.). 2. Der
Ablativ, — so: se nefario srelere^ se oslreis ei rnurenis^ se rf'/itf, u
nuUo dedecore; — und ohne se: maledicto^ iniuria^ faba absiinere
(Cic). — Vitn pnibus populonim^ ius belli duobus^ forhina aliqnem
Romano bello (Liv.). Mola. In der causalen Bedeutung: 'Enthaltsam-
keit beweisen' musz die Construction mit dem Ablativ gewühlt wer-
den, abstiuere^ fasten, absolut und ohne cibo^ findet sich nur bei
Celsus (ein Arzt im jn Juhrh. nach Chr.). --• Zu der Bedeutung nod
Construction des absiinere^ Enlllaltsamkeit beweisen, gehört auch die
Construction mit dem Genetiv Ilor. Od. III 27 69 u. IV 9 37: iramwtj
peciwiae (vgl. verba composita mit «d§? s. v. accusarc).
absfraht^re^ abziehen von; — wird stets mit ab construiert. Da-
neben in beziehlichen Verbindungen mit ex und de; sowie mit m (ad)
r. Accusatiro^ wo der Endpunkt der Bewegung hervorgehoben wer-
den soll, z. R. a solicitudittCj a sensu mentis^ ab exerciiaiiane, a
eonsuetudine usw.; — e sinu^ ex oculis hominaw^ nares e poriu^ de
matris eotnplexu usw.; — a bona honesloque in prarvm ^ in malam
vrueem, ad bellicas landes. Nota. Tacit. Annal. 11 5: ui Germani-
nun sueHs legionibus abstraherei^ d. h. so dasz die Legionen ihn
nicht bei sich hätten. — Figfirlich wird absirahere nar gebmelit,
wo von einer gewaltsamen Thatigkeit die Rode ist, sonst atocare,
abstrudere, wegstoszen (von), verbergen; — seiner hervorlre-
lenden causalen Bedeutung wegen ohne ab^ mit dem absoluten Accu-
sativ, sowie mit i« r. Acc, — oder r. Abi. (vgl. verba composita mit
cum § ? s. v. collocare).
absumcre^ wegnehmen (von); — in derselben Weise ohne «5,
mit dem absoluten Accusativ. Bei Cicero nur ^'inmal pro P. Quintio
10 § 34: ne dicendo iempns absumam (hinbringen); hfiuflger bei
Livius.
abuti^ verbrauchen, misbrauchen; wird nach Analogie seines
Dm yerbt conpo»ila in der Itteioischen SchttIgrtBimaUk. 345
StmnBverbunis uU (siehe daselbst §?) cooflirniert. Indes fehlt es bei
Tercnliiis, Planlus, Lncrelius nicht an Beispielen des Accusativs.
avehere^ wegführen, also: wohin? wird xunichst mit in oder
ad c. Acc. construiert; — indes kommt die Constrnction mit ab oder
ex auch vor. Uebrigens nach den uns vorliegenden Schriften nach-
klassisches Wort.
avellere^ abreiszen von; — wird regelmässig, local und figür-
lich, mit ab construiert, und in beziehlichen Verbindungen mitejr oder
(fe, z. B. $e ab aliquo^ a€ul$u$ a tneiSy rus ab aliquo; — poma ex
arboribuSy simulacrum e signo Cereris, ex insula, de matri$ com-
plexu. — Bei den Dichtem and bei spateren findet sich auch der
Dativ, wo aber die causale Bedentang: ^entreiszen' gänzlich an die
Stelle der local -causalen Bedeutung: ^abreiazen' getreten ist, z. B.
fundus emtori atelli non polest (Plinius), hutneris capui aveliere
(Vergil.). Die Verbindung mit dem Ablativ ist gleichfalls nur poe-
tisch und nachklassisch.
aeersari^ sich wegwenden von, daher: ^verabschenen', und die-
ser Bedeutung gemäsz entweder ganz absolut, oder der absolute Ac-
cusativ, z. B. filium, amicum^ preces. Indes kommt aversari mit dem
Accus, bei Cicero nicht vor , und er gebraucht statt desselben fugere^
abominarifi, dgl.
aeeriere^ wegwenden oder sich wegwenden von; — wird, wo
die locale Beziehung augegeben wird, mit ab construiert, sonst mit
dem absoluten Accusativ, z. B. hosUm^ causam doloris^ homines iner-
mes artnis ; ferner in der Bedeutung ^entwenden' : pecuniam^ Aeredi-
iatem^ rem frumenlariam. Ferner : a saxo^ ab itinere^ a spe^ ani-
mum a re, cogiiationem a nu$eriiSy a tocietate alicuius usw.
aterruncare ^ abwehren, ist nur in Beziehung auf das göttliche
wirken zu gebrauchen ; z. B. Cic. ad Attic. IX 2 init. : DU averrun-
Cent!: — sonst gebrauche man: avertere^ removere, defendere. Es
findet sich ganz absolut oder mit dem absoluten Accusativ construiert,
z. B. iram Deorum^ prodigia^ calamüates,
auferre^ wegtragen von; — wird, wo es nicht nur den absolu-
ten Accusativ hat, mit ab und mit dem Dativ construiert; letzteres, wo
die beziehliche Person als diejenige bezeichnet werden soll , welche
etwas verliert oder hergeben musz, z. B. $tercus ab ianua^ paucos
dies ab aliquo (als Frist), tantum ab aratore quantum poposciij
ab aliquo vasa omnia. Ferner : alicui spem^ spirilum^ dolorem. End*
lieh absolut: gloriam^ pecuniam^ responsum usw. — Uebrigens ist
die Wiederholung des ab als die klassische, und der Dativ als die
nachklassische and poetische Conatraction anzoaeben.
aufugere^ entfliehen, kommt klassisch nur absolut vor. Bei Li-
vius I 23 findet sich ex loco.
avocare^ abrufen, wegrufen von ; — wird durchaus regelmäszig
mit wiederholtem a6 construiert, z. B. a rebus gerundis^ a rebus oc-
Cfi/fts, a proeliis^ a peccalis^ a delicto^ a philosophia; — also in
figürlichen, wie in rein localen Verbindungen.
346 Die verba compositt in der itleinischen SohalgraMaialik.
avolare ^ davonfliegen, und dieser Bedentang enUprechend , ail
liinc u. dgi. KU verbinden, sonst absolut.
Rar. musz, da ihm manches, namentlich Forcellini augeoblioklich
nicht zur Hand war, wegen Mangel in der Ausführung am«Entoehnldi-
gung bitten. Sein Wunsch war für jetzt, die Frage auszuiprechen ud
zu motivieren, ob eine entsprechende Regelung der Schulgrammatik
auch andern wttnschenswerth erscheine oder nicht.
Noch eins. Von einem Freunde, einem tüchtigen praktischei
Gymnasiallehrer, ist dem Ref. entschiedene ßeistimmung ausgesprochea
worden, aber das Bedenken geäuszert, ob nicht die nach solchen Pria-
cipien bearbeitete Schulgrammatik zu umfangreich werde. Wen
nicht, wie Ref. sich bereits vollständig überzeugte, ein dieaem Beden-
ken entgegengesetztes Resultat herauskfime, so würde Ref. aeinea
Wunsch selbst sofort aufgeben. Allerdings wird die Schulgrtmmalik
an positivem Stoff reicher, aber daneben befreit von einer giniea
Menge sogenannter ^Ausnahmen' und ^Ausnahmen zu den Aaanthmea.'
So lange die Schulgrammatik ihre Syntax nicht nach den Verben, soa-
dcrn nach den Casus ordnet, so sucht sie in der Darlegung den Sprteb-
baumcs nicht von dem Stamme und den Aestcn ans die Zweige aid
Blätter, sondern von den Blättern aus die Zweige und Aeste, and da
kann es nicht fohlen , dasz man 10- und 20mal immer wieder taf dea-
sclbcn Zweig und Ast zurückkommt, also, wie es sich zeigt, xa ermü-
denden Wiederholungen und verwirrender Weitschweiflgkeit geiwni-
gen wird. Nur wo systematische Ordnung ist, da ist Ueberaichtliek-
keit möglich, und daraufkommt es für Lehrer und Schüler gani be-
sonders an.
Ilildesheim. Dr. Conrad MicIMseH.
33.
Von Scluilatidiiclileii und ihren wesentlichen Eigenschaflen.
Wenn es einem Zweifel unterliegt, dasz neben dem öffentliobea
Gottesdienste die hänsliche Andacht ihre vollste Berechtignng habe,
dtTgestalt dasz der erstere an seiner tiefen Wirksamkeit für dieohriflC-
lichc Gemeinde verlieren musz, sowie die letztere aus dem Leben der
Familien verschwindet, so kann es dagegen sehr wol zweifelhall lein,
ob auch für Kreise, welche zwischen der Kirche und Familie liegen,
solche erbauliche Versammlungen eben sowol berechtigt und nolh-
wendig scie». Es würde von äuszerster Kurzsichtigkeit zeugen, wenn
man diese Andachten, blosz weil sie Andachten sind, und eine religiöse
Tendenz haben, als über alle Bedenken erhaben betrachten wollte, wie
das heutzutage allerdings die verbreitete Meinung ist. Die alle pro-
teslunlischc Kirche hat hierüber anders gedacht, als jetzt selbst dieje-
Von SehalaBdaclitcn und ihren wesentlicheB EigeMchafleu. 347
nigen meinen, denen man ein wabres Inleregae an der Sache des HErm
nicht absprechen kann. Sie hal die Haosandacht gefordert, and dage-
gen jenen mitten inne liegenden erbaulichen Versaramlnngen zu weh-
ren gesucht.
Die Schulandachten, bei denen ich natürlich an mehr als
ein einfaches schlichtes Gebet nebst einem kurzen Gesänge denke,
nehmen gleichfalls eine solche mittlere Stellung ein. Es gibt Schulen,
bei denen Lehrer, Schüler und übrige Hausgenossen gleichsam eine
einzige grosze Familie bilden, wie dies z. 6. bei den Alumnaten der
Fall ist. Hier ist die Schulandacht Zugleich eine Hausandacht, und hat
als solche nicht blosz beim Beginne und beim Schlüsse der Woche,
sondern tagtäglich ihre volle natürliche Berechtigung: wie sich von
selbst versteht, auch innerhalb der Grenzen und in dem eigenthümli-
eben Charakter der hauslichen Erbauung. Bei der Mehrzahl der Schu-
len aber bilden Lehrer und Schüler eben keinen sDichen Familienver-
foand, und es ist demnach das Bedürfnis ein schwächeres. In der That
finden wir, dasz die bei weitem meisten dieser Schulen derartiger re-
gelmasziger und cyklisch geordneter Andachten bis jetzt entbehrt
haben. Denn Andachten , welche bei besonderen Veranlassungen ver-
anstaltet werden y können bei unserer Erörterung nicht berücksichtigt
werden.
Man würde nun auf das allergröblichsle irren, wenn man da, wo
solche Schulandachten nicht stattfinden, einen Mangel religiösen Le-
bens voraussetzen, und umgekehrt da, wo sie stattfinden, ein intensi-
veres religiöses Leben annehmen wollte. Denn hierbei wirken Ursa-
eben der verschiedensten Art mit. In England z. B. ist das ganze
Leben in den Schulen, wie von einem religiösen und kirchlichen Dufte
Übergossen, und der Rector einer der alten Schulen zugleich der Seel-
sorger seiner Zöglinge. Wir wissen von den ausgezeichnetsten eng-
lischen Schulmannern, dasz sie diese ihre geistliche Wirksamkeit als
den Haupttheil ihrer Functionen betrachtet haben , nnd doch hat man
dort keine besonderen Schulandachten. Man wird den Holländern
nicht eine ernste und strenge Frömmigkeit absprechen wollen ; aber
in ihre Schulen haben sie die religiöse Wirkung nicht mit aufgenom-
men, und selbst zu der Zeit, wo ich diese Schulen kennen gelernt
habe, den Religionsunterricht davon ausgeschlossen gehabt.
Dieses Volk vertraute genugsam der Kirche und der Familie, was Er-
ziehung und Frömmigkeit anbetraf, und setzte den Schulen eine ganz
bestimmte und sehr beschränkte Aufgabe, die des Unterrichts. Und es
ist in meinen Augen kein Zweifel, dasz selbst die Familie, in der eine
ganz bestimmte Richtung des Glaubens herscht, und die mit groszer
Energie diesem Glauben in ihrer eigenen Mitte vertritt, und ihm einen
starken und tiefen Ausdruck gibt, jede andere Art religiöser Einwir-
kung, die der Kirche ausgenommen, mit Bedenken betrachten, und für
sich selbst nicht geringe Gefahren daher besorgen musz. In unserer
lutherischen Kirche hat es gleichfalls Zeiten gegeben, welche,
wahrlich nicht aus Maugel an Frömmigkeit, diese Andachten verwor*
848 y(»u SehuUiiiki^Utcii ußd ihren wosenUUben EigoDsabo
»ektil
fen hebon. E$ ist bckumU^ ck«t sogar die coliegm pielati* Spea
von der Kirche mit graszem Nachdruck verfolgt v^urdeii. Denn vf«;
^nerseili die Kirche eine pasti^q Lehcii^krufi, Energie und Auclari'
äasflbt, andererseits »Uür in der Stillü di^H Uanäci» ein crui^ektis» r
giöses Leben stalirmdet, v^ird ntan dta Schulen imfner guru ayt ifi
eigdDthümUclie Wirksnmküil beschrüiikt ^oht^n; unter jener Vors
fetsuog sind, mcinens crDchtcn^^ £>chuli)i)doc)iten nichl UIq^z für ah
flüssig, sondern auch für hc^disnktick 7.11 hulliiii, weil ^icti leiühl a
rerischc Neigungen daran anj^ehlies^cn, die ntem^ind tm hcwitehcn
Stande ist. Haben do gegen jene beiden nitttlr liehen Kreide roiigid)
Erbaaaug diese religiöse Lfbendigkeit niclit, »0 mag nllerdingi
Schale sicli ein Ihrt fassen, und im Di engl» des HErrn in di«
Jenen geta^isenti Lücke eintreten, und in ihrem Kreise für das fi
lende einen Er$ni% %\i sehafTin suchen. Ich für meinü Feriiiiii bin all
dings der Ansicht, da^x jcl^t ^>cntgstcns dio Famitie niuhl bjel
was sie bieten sollte: die hausliehe Andaclit itii im gancen xt
schwunden: ich betrachte daher jt^ne Sehntandachtcn als <^ioü K«ki
wendigkeiti und die Auurdnyng derselben als einu l^flicht der Sehuh
Nor m(yehte ich nicht, dasr. man denen, die anders hieri|l>er donki
hieraas einen Vorwurf herleite, vorau^gescUt da»£ nicht (»rwteai
eine religiöse Indt(Teren7« dat^ei zmn (j runde liegt.
Die Frage nach dem Ob istcht die Frage nach dem \Vi« n
lieh. Wie werden diese Schulandachten eiugeriivlitct werden miiifxi
am aaf das sicherste ehristlit:hes Lehen in den Schulen i;o fOrdi
ond doch engl eich sich jedea stürenden hiniibergrcifeas ntdi der Sei
der Kirche wie nach der Seite des Hauses hin m enthalten. \\
mich dünkt, ist man hierüber «ehr leichtrcrlig hin weggegangen, nad
noch iaimer geneigt so zu Yerfahreo. Es ist denen ^ welehu Schttl
dachten em|ifehlen und welche sie halten^ wie es scheint« sehr lin
sentlicU^ ob die darin gegebene Erbau nng einen UircUUch positi'
Charakter bähe, oh sie der Natur des Jugendlieben Alters mnga
sei, ob sie die Sphacre der Si'hule vi>llig dureUdringo und i^io in
des religiösen Lebens emporhebe: es ist genug, dasi^ überhaupt
Erbauung stattfinde. Es hat leiten gegeben, wo das blasse glanhen
als ein ^lerkmal des gtünbigen Christen angefSi^hcn, und nach dem i
oiellen In h a 1 1 e dieses Glaubens nicht gefragt wurdo — es tat
allgemeinen die (itüubigkeit der Kranen: es Keheinl^ als ob
völlig durun genug liibOf dasK oine Erbauung vurhanden n&i, nwA
glaube fast, dass man es für eine unbequeme Xudriog lioblc
halten wird, wenn man mehr als dm& blo^ie Erbauung fordert
sicher gestellt sehen wilL
Es liegt mir eine Sammlung van Suhnlandichten vor* wulcbe im
Kloster Unserer Lieben Frauen zu Magdeburg gehaUen «ind'). leb
lad j^l
<blc«B
jrt n^^
•) Dui JriraAaat/«!
nctL l8 Haft: ZmW
deburg 1856 (löO 8. Q).
Von SchalaDdachten uod ihren weseDtlicheo Eigenschaften. 349
musx voraussetzen , dasz diese Form von Scbulandachlen dort Aner-
kennung gefunden habe. Sodann hat der General- Superintendent der
Kurmark Dr. 11 offmann diesen Andachten ein empfehlendes Vorwort
voraufgeschickt. Ich musz daher weiter voraussetzen, dasz dieser
hochgestellte Kirchenbeamte gleichfalls diese Form billige. Mir für
meine Person scheinen sie nicht das zu sein, was mir Scbulandacbten
sein sollen. Die Ansicht, welche ich von der Sache habe, will ich
nicht als maszgebend hinstellen ; aber man wird es natürlich finden,
dasz ein Schulmann , der selbst lange Jahre hierüber nachgedacht hat,
dem es endlich gelungen, hierüber mit sich einig zu werden, und der
nun sich in seiner Ueberzeugung erschüttert und — gefährdet sieht,
mit seiner Ansicht hervortritt, um zur Prüfung des Gegenstandes anzu-
regen. Es handelt sich um hochwichtige Dinge : ein sich bildendes
Institut kann durch ein falsches Beispiel leicht auf eine falsche Bahn
gelenkt werden : und die schöne und glänzende Blüte abfallen, ohne
dasz aus ihr eine Frucht erwächst. Man wird, denke ich, sehen, dasz
es mir um die Sache zu thun ist, die ich zu fördern wünschte.
Ich habe kurz vorher angedeutet, dasz die alten protestantischen
Schulen keine eigentlichen Schulandachten besaszen. Der Grund hier-
von lag in der allerinnigsten und trautesten Verbindung zwischen
Kirche und Schule. Ich habe eine ziemlich genaue Kenntnis von der
Einrichtung jener Schulen ; aber ich wüste wirklich nicht zu sagen,
was solche Erbauungsstunden in denselben hätten sein , und welchen
Platz sie in denselben hätten einnehmen sollen. Die Schule war in
dieser Beziehung nichts für sich bestehendes: sie bereitete für die
Kirche vor, sie diente der Kirche mit ihren besten Kräften, sie em-
pfieng von der Kirche, was sie brauchte, die reine Lehre im Sinne der
protestantischen Kirche, die einfache und tiefe Pietät des Herzens und
die zuchtvolle Gesinnung, welche das Kleinod jener Zeit waren. Wenn
dies Verhältnis zwischen Schule und Kirche wiederhergestellt werden
könnte, so würden die Schulandachten von selbst wieder hin wegfallen,
wie der Mond erbleicht^ wenn die Sonne kommt.
Es wäre nun, da jenes Band gelöst ist, wenigstens historisch zu
erwarten, dasz die erbauliche Einwirkung der Schule sich hewust
bliebe, wessen Stelle sie zu vertreten habe, und in wessen Functio-
nen sie eingetreten sei, und also in wirklichem Sinne und Geiste sich
halte, ja was mehr ist, für die Kirche, für die Geltung der Kirche im
Kreise der Schule bestrebt sei; sodann dasz. sie auch in der Form
geschehe, in welcher die Kirche eingewirkt hat. Die Schulandacht
sei also vor allen Dingen kirchlich nach Form und Inhalt: sie
setze sich also kirchliche Objectivität als Aufgabe.
Kirchliche Objectivität — ein inhaltscfaweres Wort! Wie
sollen wir diese erreichen und darstellen? Denn die kirchliche Ob-
jectivität kann eben sowol ein äuszerliches bleiben, wie es eine Sache
der tiefsten und innerlichsten Subjectivität werden kann : sie läszt sich
in gewissen Formeln aussprechen und überliefern, ohne dasz der Grund
der Seele davon bewegt wird — ohne dasz die ganze Sorge des leb-
350 Von Schulandacliten und ihren wesentlichen BigeniohaltaL
rcndeo und erziehenden daranf gerichtet ist, sich in treaesfer Liole
an die Kirche anzuschlieszen, zu der man sich bekennt, die Aaetorilit,
die Geltung und die Wirksamkeit der Kirche mit der eigenen TUttif-
koit zu fördern, mit dem ganzen geistigen Vermögen sieh in die Lehre
und den Glauben der Kirche hineinzuarbeiten, und mit derselben die
ganze eigene Snbjectivität zu durchdringen. Ich weisz nicht, wie Tiel
Gcisilicho und Laien da sind, die diesen Sinn für kirchliche Objeetiri-
tät haben : ich weisz aber aus Erfahrung, dasz, wo er vorhanden ist,
grosze Freudigkeit des Glaubens, Energie des sittlichen Willena ni
Festigkeit des ganzen Menschen davon die Folge ist.
Diese kirchliche Objectivitut fordere ich also zaefüt in jeder
Schulandacht. Sie wird sich darin offenbaren, dasz diese Andaehlea
sich auch auszerlich an die Ordnung des kirchliohen Lebens n-
schlicszen, in kirchlicher Sprache gehalten werden, demnichsl dan
die Schriftauslegung in kirchlichem Sinne geschehe, der kirehlifte
LehrbcgrifT die ganze Gedankoncntwicklung bcherscho, sodsnn dasi
mun sein Verhältnis zur Kirche ofTeu bekenne, sich selbst mit Hersesi-
freudigkeit ihrem Dienste widme, vor den Schülern es kein Hehl habe,
dasz man sie für die Kirche und zu lebendigen Gliedern der Eircbe
erziehen wolle. Es ist nicht genug, dasz man kirchlich sei, msn bmmi
es auch bekennen, zumal der Jugend gegenüber, zumal in einer Keil,
wo die allerheftigsten AngrifTo gegen diese Objectivilfit nntemoBpen
werden, zumal in einer Zeit, wo die Subjeclivität in hohen and niede-
ren Kreisen sich für religiöse Dinge als maszgebend geltend mscht.
Ich kann mich natürlich hier nicht auf das Gebiet der Theologie
wagen, sondern mnsz mich auf dem paedagogischen halten : hier aber
kann man, was in der Sphaere der Kirche zweifelhaft erscheinen Mag,
als unzweifelhaft gewis hinstellen, dasz für die Erziehung and des
Unterricht der Jugend die möglichst buhe Objectivität ein antbweii*
liches Bedürfnis sei. Es kann auf dem religiösen Gebiete kaum anders
als auf den übrigen stehen. Wir geben in allen wissenachaniiebea
und sprachlichen Disciplinen nicht unsere Meinung, sondern eine Vor-
stellung und Theorie, welche sich allmählich mit objectivem Charakter
gebildet hat, und halten unsere subjective Ansicht zurück, selbst da,
wo sie sich leicht hervordrängen könnte, wie in der Geschichte. Wir
haben die Ueberaeugung, dasz erst auf Grund und Boden dieser Ob-
jectivität sich die eigene und freie TliAligkeit werde gründen lassea:
wir schaffen der Jugend zunächst einen festen Haltpnnkt, von des sie
bei eigener Forschung werde ausgehen, und an dem sie sich immer wie-
der werde orientieren können. Wir verfahren paedagogisch-ersiebend
nach demselben Grundsatze. Wir stellen der Jugend unsere sittliehea
Forderungen zunächst in positivster Objectivität gegenüber, and lind
OS zufrieden, wenn sie spat erst diese unsere Forderungen als einge-
borene Gesetze ihrer ethischen Natur wiederrindet. Wir haben die
lleherzcui(ung, dasz Gehorsam die Basis der sittlichen und bQrgerli-
chcn Freiheit sei. Warum nicht im religiösen Gebiete ebenso? warum
hier der Subjectivitat der Jugend gegenüber so viel gewähren? wa-
Von Schalandachten und ibren wesentlichen Eigeniehaflen. S51
nim hier das nächste Ziel anbeachtet lassen , nnd in eine weite Ferne
hinausstreben, welche dem Aufe der Jugend unerFeichbar ist? Kirch-
liche Objectivitftt wirkt auf die Schale, wie ich aus sehr gater eigener
Erfahrung weisz , aufs kräftigste. Eins unserer alten Kirchengebete,
wie ich sie am liebsten verwandt sehen würde, ergreift die Herzen
allgewaltig: ein Abschnitt aus Scriver hat mir nie seine Wirkung
versagt. Die Jugend bedarf, verlangt und erwartet mit Recht Objecti-
vität, und fühlt es sehr wol heraus, ob es eine solche vor sich hat.
Die alten ernsten Töne der früheren Jahrhunderte haben für sie einen
guten Klang.
Das zweite, was ich von Schnlandaehten fordere, ist, dasz sie
davon ausgehen, für die Schule bestimmt zu sein. Es ist natürlich
nicht genug dabei, dasz man gelegentlich einmal der Zöglinge er-
wähnt, hier nnd da eine Beziehung auf Verhältnisse der Schule ein-
flieszen lasse, auch wol sonst individualisiere: meine Forderung geht
weiter, dasz sie ganz und gar durch die Beziehung zur Schale be-
stimmt seien, dasz sie so, wie sie da sind, eben nur in dem Boden der
Schule erwachsen konnten. Dasz biedurch die oben geforderte Objeo-
tivitat nicht alteriert werde, versteht sich von seihst. Das Wort Got-
tes und die Lehre der Schrift ist für den Greis ein anderes als für
den Knaben, nnd dennoch objectiv das sich selbst gleiche und unwan-
delbare. Die Lebendigkeit des objecliven manifestiert sich darin, dasz
es für jede Snbjeclivität ein faszbares und anzueignendes ist, und
nicht für die eine ist, für die andere aber verschwindet, dasz aus der
unendlichen Falle für jeden dasjenige, dessen er nach seinem Stand
und Vermögen bedarf, hervorquillt. Der öffentliche Gottesdienst hat
nur die allgemeine christliche Persönlichkeit sich gegenüber, und
wird dadurch bestimmt: jede besondere Andacht hat einen besonderen
Lebenskreis , den sie im Lichte des Evangeliums betrachten und für
Christus bilden und erziehen wilL Hieraus ergibt sich also, dasz die
Schulandacht eben sich die Aufgabe setze, das ganze Leben in
der Schule in die religiöse Sphaere emporzuheben, es den Blicken
der Jugend von diesem Standpunkte vorzuführen, und ebenso den
Geist wahrhafter Frömmigkeit in dieses Leben hineinflieszen zu lassen.
Der Geist, im Sinne der Heiligen Schrift, richtet alles, und ergreift
alles. Es wird dem Lehrer, der den HErrn lieb hat, und seine Schüler
dem HErrn zuführen möchte, nicht schwer werden, hier das rechte zu
treffen: jede Pflicht, die den Schülern auferlegt wird, jede Tugend
des Fleiszes, des Gehorsams, der Wahrheit, der Treue, auf die rechte
Quelle hinzuweisen, durch welche sie zu einer christlichen Tugend
wird, von der Verschuldong der Jugend den tiefsten und letzten Grund
ahnen zu lassen , für die Sünde den Quell des Heils und die Gnaden-
mittel, welche der HErr darbietet, aufzuzeigen, und die Liebe des
HErrn, welche nicht müde wird den Sünder zu suchen, als das Vorbild
und Urbild des christlichen Lehrers darzustellen. Die Evangelien nnd
Episteln des Kirchenjahres bieten die reichsten Anknüpfungen hierfür
dar, und es bedarf nicht groszer Kunst noch Künstlichkeit hier Herz
S52 VoB Schttlandachten und ihrea wesenllichen EigensobaflA«.
Eum Herzen, aus dem Leben ins toben zu sprechen. Man hat eben nur
hineinzugreifen hier ins Leben der Scliule, dort in die Fülle der gölt-
liehen Wahrheit, so stehet es da. Die Möglichkeit ist nicht zu be-
zweifeln, die Nolhwendigkeit, denke ich, noch viel weniger.
Wir können jedoch noch einige weitere Schritte thon. Die Ju-
gend, für welche diese Schulandachten gehalten werden, hat von den-
jenigen Lebenserfahrungen, an welche das Christenthum anknüpft, noch
wenige. Hieraus ergibt sich, dasz die Schulandacht auf viele An-
knüpfungspunkte Verzicht leisten musz , die der geistliche im öffeot-
lichen Gottesdienste hat. Dagegen hat sie die Möglichkeit, an die an-
derweitige geistige Beschäftigung der Schule sich anzuschlieszen, ond
von dieser Seite her in die Herzen der Jugend einzudringen. Ich will
kurz sagen, wie ich dies verstehe:
1) beschäftigt sich die Schule mit den alten Sprachen, ond zwar
so, dasz schon frühzeitig der Schüler angeregt wird, mit eigener Kraft
die Worte der fremden Sprache zu verstehen: diese geistige Beacbif-
Ugung steigert sich nach oben hinauf immer mehr. Die Schulandacht
findet demnach eine Empfäuglichkeit bei den Schülern für eine Inter-
pretation der heiligen Schrift, welche tiefer eingeht, als die öffentliche
Predigt darin eingehen kann. Es sind, namentlich bei den Episteln,
schwierige Begriffe festzustellen, die verschiedenen Bedeutungen eines
Begriffes klar nebeneinander aufzufuhren, den Zusammenhang der Ge-
danken darzulegen, falsche Interpretationen zurückzuweisen usw. Mir
stellen derartige Predigten von Richard Bentley, die freilich für die
Schule modificiert werden müsten, maszgebend vor der Seele. Meine
Leserwerden mir glauben, dasz ich mich versucht habe, und zwar
nicht ohne Erfolg.
2) die Schule hat vielseitige Beschäftigung mit historischen Din-
gen: sowol solchen, die in den Kreis des religiösen fallen, ala mit
profanen. Ich halte es für naturgemfisz, dasz eine Andacht, wenn der
Stoffsich dazu eignet, an diese Seite anknüpfe. Der religiöse Stoff
wird dadurch für sie ein unerwartet belebter und bedeutungsvoller:
der profane erscheint in einem ungeahnten Lichte. Unsere Vorfahren
sind in dieser Hinsicht, selbst auf der Kanzel weiter gegangen, als
wir es zu thun wagen würden, und haben sich nicht mit allgemeinen
Redensarten begnügt. Ich verweise auch hier, um nicht von Luther
zu sprechen, auf meinen Scriver, der mich selten ohne Belebrong
läszt.
3) dogmatische Entwicklungen sind noch nicht eben angebracht ;
denn für eine dogmatische Auffassung sind bei den Schülern durch-
schnittlich die Bedingnngen noch nicht da: statt ihrer kann dagegen
eine Beziehung auf die Lehre der Kirche, auf die symbolischen Schrif-
ten eintreten, welche die Glaubenslehre vor die Seele der Jugend mit
einer Objectivität hinstellen, in welche der Schüler sich allmählich
durch die Arbeit seines Gedankens hineinzudringen bemühen soll. Es
ist gut, dasz die Andacht einen posi tiven Inhalt bekomme, wodurch
Von Sehnlandachten and ihren wesentlidieB Eigensdiafleo. 858
ein groszer Tbeil der Schaler vor der Ermadnng bewahrt wird, wel«
che allgemeine Erbaiinngen nur tu leicht erzeugen.
Unsere erste Forderung war: dasz die Schulandacht wirkliche
Objectivität habe.
Unsere zweite: dasz sie eben eine Seh ulandacht sei.
Ich will drittens noch einige Worte über die Form derselben
hinzufflgen: es sind Andachten und keine Predigten: damit ist
wesentlich alles gesagt. Es ist bei ihnen demnach nicht auf die Dar-
stellung eines künstlerischen ganzen abgesehen: alles was demnach
nur im entferntesten wie kanstlerischer Redeschmuck aussehen könnte,
musz davon fern gehalten werden. Es ist daher auch nicht der Too
von einer begeisterten, ja selbst nur gehobenen Rede der zweck-
mäszige, vielmehr der einer ernsten Belehrung und einer ruhigen und
gehaltenen Faraenese. Der Lehrer spricht hier wie ein Vater zu sei-
nen Kindern, und spricht auch mit der Auctoritfit eines Vaters, die
keines Redeschmuckes bedarf. Wo ich mit ernster väterlicher Mah-
nung meine Schuler von der Eitelkeit und Thorheit der Welt auf die
Quellen der göttlichen Weisheit und eines heiligen Lebens hinweise,
gehe -ich davon aus: deine Schaler vertrauen dir sonst, sie werden
dir auch vertrauen, wenn du dich mit ihnen beugst vor dem UErrn,
werden dir auch nn den Stamm des Kreuzes folgen, von dem die
Ströme des Lebens flieszen: Ich weisz, sie werden das Wunder aller
Wunder noch nicht fassen, aber anbeten können und werden sie es
mit nrir. Ich weisz, die Zeit wird auch far sie kommen, wo der HErr
an die Thar ihres Herzens klopfen wird, und sie sollen dann die
Stimme dieses klopfens verstehen. Bis dahin musz ich mit der Stimme
eines Vaters ernst, eindringlich, sorgend, suchend, klagend zu ihnen
sprechen : diese Stimme hören und verstehen sie, hören sie auch dann
noch, wenn sie mir fern sind.
P. M.
Dem obigen anonymen Aufsatze habe ich die Aufnahme nicht
versagt, weil er mir sehr viel richtiges und beherzigungswerthes zu
enthalten schien, und ich bin äberzeugt, dasz der Hr. Verf. des darin
erwähnten Buches vieles davon anerkennen werde. Da aber eine ein-
gehende Beurtheilung desselben nicht gegeben ist und zu fürchten
steht, dasz mancher sich daraus ein falsches oder doch unbegründetes
Urtheil bilden könne, so sehe ich mich gegen die Gewohnheit zu einem
Nachworte veranlaszt. Es darf zuerst nicht übersehen werden , dasz
das Kloster in Magdeburg ein bedeutendes Pensionat enthält, weshalb
die dort gehaltenen Schalandachten viel mehr den Charakter von Haus-
andachten annehmen. Ich musz nnn zngeben, dasz die im genannten
Buche gebotenen Schulandachten mehr Predigten sind, dasz die mei-
sten sofort , die übrigen mit geringen Veränderungen auf der Kanzel
gehalten werden können, allein ich kann darin nicht so viel nachthei-
liges sehen, als der Ref. zu finden scheint. Findet man ja doch es
nicht nur unbedenklich, sondern sogar nützlich und empfehlenswertb,
354 Von Soholandachten nnd ihren wesentUchon BigwuehaRflB.
wenn bei der Ilausandaclit eine gute Predigt gelesen wird; aollto an
dasselbe nicht auch auf die Schulandachten anwenden dürfen? In der
Schule hut man, wenn schon einen individuellen abgegrenxlen Kreis,
doch eine allgemeine Person vor sich. Die Nolhwendigkeit dem ans
Schülern sehr verschiedenen Alters- und Bildungsstufen bestehenden
Coetus KU bieten, woraus jeder für sich etwas habe, scheint mir gaii
ülinlich vorhanden, wie bei dem Prediger der Gemeinde, ja man möehte
wol hier in Bezug auf das individuelle, der specicilen Seelnorge Tor-
zubehallende noch engere und feinere Rucksichten auferlegende Grei-
zen ziehen müssen. Ich kann mir daher recht gut die Schnlnndacht
als eine Schulprcdigl, ühnlich allgemein gehalten, wie die Gemeinde-
predigt, und daher auch im Tone derselben ähnlich, als wirksam den-
ken , und die Erfahrung hat mir davon nicht ganz gefehlt. Freilich
theilo ich mit dem Ref. das Bedenken dagegen , freilich wanschte ich
recht ernstlich die Frage erwogen, ob man nicht durch die hinlige
Veranstaltung solcher Schulandachten — auszer bei besonderen Ver-
anlassungen — leicht ein zu viel thun könne, vielleicht die Jugend
dem Leben in der Gemeinde entfremde, davon, in der Kirche die
höchste Erbauung zu suchen, entwöhne, hütt man sie aber ISr noih-
wendig, so kann ich darin nicht einen Tadel linden, wenn sie den Ton
und Charakter von Predigten annehmen.
Wenn ferner der Verf. dos Aufsatzes auf Anknüpfung an hiito-
rischcs dringt, so hat er damit allerdings etwos bezeichnet, wogegen
man weniger scheu sein sollte, wie das von ihm richtig gebrauchte
Beispiel der alten Kirche beweist, allein gegen die Aufstellung alt
allgemeiner Norm lassen sich doch Bedenken erheben, einmal die Ver-
schiedenheit der Kenntnisse bei den Schülern, sodann die Befdrchtnng
dasz gerade dadurch der Glaube erzeugt werden kann, als aei flBr die
Schüler, für die wissenschaftlich gebildeten, eine andere Art Erbanang
nothwcndig, als für die übrige Gemeinde, abgesehen davon, daai doeh
leicht den Hörern, namentlich den zur Zerstreuung geneigteren, Vor-
stellungen geboten werden, welche sie von dem Worte GoUea ab-
ziehen.
Am meisten wird man wol einzuwenden finden gegen das lehr-
hafte, was der Verf. des Aufsatzes, von derartigen Schulandaehtaa
verlangt, gegen das, was er mit der ObjectivitAt bezeichnet. Man wird
das erstere dem Unterrichte als Aufgabe vindicieren und gerade den
Zweck der Erbauung in der Erwärmung des Herzens, nicht im lahran»
sondern in dem hinanbringen des gelernten an das Heri aelsen. loh
glaube, es ist beides nöthig. Sind besondere Schulandaohten wtln-
schenswerth, so müssen sie ebenso benutzt werden um in die uner-
schöpfliche Tiefe des Inhalts, welchen das Wort Goltes hat, einaufah-
ren , wie das Uerz dadurch und dafür zu erheben und an erbauen.
Ganz falsch aber würde man den Verf. verstehen, wenn man glaubte,
er mache, indem er die kirchliche Objectivitit vermisst, Hrn. Dr.
Danncil den Vorwurf der Nichtübereinstimmmung mit der poaitiven
Bibellchre oder mit dem Bekenntnisse der Kirche. Es ist vielmehr die
Von SehalancUichten ood ihren weMsUioliea Eigesf chafle«. 855
Predigtweise, an welcher er Anslosz nimnl, die mehr durch poetische
Intuition, durch hincinschauenlassen in die Hersen and in die Seelen-
zustande der in der heiligen Schrift erwähnten Personen, als durch
einfache Darlegung der Lehre die Bibel den Hörern werth und theuor
zu machen sucht. Da begegnet man nun freilich öfter einem *ich
meine', ^ich fürchte' u. dgl. — welche Ausdracke man übrigens nicht
nothwendig als Bezeichnung blosz subjectiven ermessens fassen musi,
vielmehr sie angebracht ansehen kann, um das eigene innere zu offen«
baren, den Hörer in den Gang der eignen Gedanken gleichsam hinein*
zuversetzen — und öfter taucht dem Leser die Frage auf, ob nichl
manches in die biblische Erzählung hineingelegt werde, was doch
nicht nothwendig darin liege. Auch flndet man wol manches, was aus
dem streben zu individualisieren hervorgegangen, Anstosz erregt, wie
wenn in der ersten Andacht in Israel der Pastor erwähnt wird, oder
wenn an einer anderen Stelle dem evangelischen Bewustsein und Glau-
ben zuwider sich jeder Stand seinen Schulzheiligen aus der Schrift
zu wählen angewiesen' wird (S. 29)* Allein solche Einzelheiten sollen
uns nicht den Kern des ganzen übersehen lassen. Wir finden in Hrn.
Danneil einen lebendigen Glauben und den durch denselben erzeugten
liebevollen Ernst und Eifer, den Has« gegen das widergöttliche und
die freudige in Demuth starke Hoffnung. Die Fülle der Anschauungen,
welche in seinen Andachten geboten wird, ist wol geeignet, die hei-
lige Schrift den Herzen theuer und werth zu machen. Aber dasz man
auch anders zu den Schülern reden kann, dasz man auch öfters anders
zu ihnen reden musz, dies wird er gewis selbst nicht verkennen, ja
wir sind bei dem ihn beseelenden redlichen Eifer überzeugt, dasz er
von den ihm verliehenen herrlichen Gaben auch nach anderer Seite hin
Gebrauch machen wird. Wir glauben, die Lesung seiner Schulandach-
ten vermag vielen Segen zu stiften; als einziges Master wird er sie
selbst nicht betrachten, und wir hätten deshalb gewünscht, dasz der
gewählte Titel nicht den Schein erweckt hätte.
R. Dieisch.
26.
Karl Feldmann oder der angehende GymnariasL Winke für El-
tern und Schüler tnm Dr. August Gräfenhan. Eisleben
1856. VIII. S. 165.
Unter diesem Titel ist so eben ein Schriftchen erschienen, das
die vollste Aufmerksamkeit aller Eltern verdient, die nicht mit lieber-
gäbe ihrer Söhne an höhere Lehranstalten sich jeder weiteren Sorge
um deren fernere Erziehung überhoben glauben. Leider nur zu wahr
ist die Bemerkung des Verfassers, dasz in demselben Masze, in wel-
chem die Regierangen für die Vermehrang and Verbesserung der Er-
356 A. GräFenhaD : Karl Feldmann oder der angrehende GymiUMMst.
zicliiings- und Bildungsanslalten tlifitig sind, die Theilnahme des Has-
ses an der heiligen Pflicht der Kindererxiehung abnimmt. *Die Eltern,
sa^t Herr Gräfenhan S. V, erkennen von ganzem Hersen an, welche
WuKhat die heuligen Schulen für ihre Kinder sind, und in beliaglicber
Sicherheit die Pflicht der Erziehung von sich abschüttelnd sehen sie
auF die Schule hin wie auf einen Sorgenbrecher, der sie der Mflbe
aberhebt, sich um leibliche und geistige Veredlung und VervollkoaiB-
nung der Kinder zu bekammern.' Diese an sich auffallende Erschei-
nung ist indes keine vereinzelte : sie gehört mit zu den Zeichen der
Zeit. Nachdem in unserem modernen gesellschaftlichen Leben die Fa-
niilio fast durchgehcnds ihren eigentlichen Schwerpunkt verloren und
das Bewuslsein eines lebensvollen, in sich bedingten und selbst wie-
derum bedingenden Organismus aufgegeben hat; dürfen wir uns kei-
neswegs wundern, wenn auch nach auszen die Wirkungen der in
Schosze der Familie selbst vor sich gegangenen und tagtfiglich weiter
greifenden Zersetzung sich fühlbar machen. Seit es elnrasl, nieht
blosz in den höheren Ständen , sondern im eigentlichen Bürgerthnne
dahin gekommen ist, das die Mütter das Kind, dem sie das Leben ge-
geben, nicht mehr selbst stillen mögen, wie sollte man da noch er-
warten dürfen , dasz die Ellern um die geistige Entwicklang ihrer
Kinder sich mehr bekümmerten, als um die körperliche? Scheint ja
doch nuch der Ansicht solcher Leute der Staat die Lehranstalten nur
darum gegründet zu haben, dasz dem nach anderen Palmen ringenden
Vater, der von wichtigeren Pflichten beschwerlen Muller die listige
Sorge um Erziehung abgenommen werde ! Als man nach den Siarnen
einer verhängnisvollen Zeit den Ursachen der Erschütterung nach-
spürte, war man deshalb, statt in die eigene Brust zu greifen, sogleich
bereit, die Lehranstalten von der Volksschule bis hinauf znr Universi-
tät für die Sünden Moller Jahre' verantwortlich zu machen. Danals
sprach ein hochstehender prcusz. Schulmann die bedenlnngsvollen
Worte: ^ Wer sich rein fühlt, hebe den ersten Stein auf!' Die Aus-
saat der Schule kann nur dünn ersprieszliche Früchte bringen, wenn
letztere in steler organischen Verbindung mit der Familie steht; diese
organische Verbindung ist aber nur dann möglich und heilsam, wenn
die Familie das ist, was sie sein soll. Goldene Regeln hierüber finden
sich in RiehPs trefflichen Schriften: ^die bürgerliche Geselischan'
und 'die Familie', die wir jedem Schulmanne empfehlen möchten. Lei-
der ist auch in unserem Vaterlande es dahin gekommen, dass das Hans
nicht mehr der heilige Herd der Familie, diese nicht mehr in echtem
Sinne des Wortes die Hüterin frommer Sitte und Tugend ist Die
nothwendige Folge davon ist die traurige Erscheinung, dasx nach
zwischen Schule und Hause nur noch eine fiuszcrc, nicht selten blosz
durch leichtsinnige Unterschriften und Bescheinigungen vermittelte
Verbindung stattflndet. Wol gibt es Ausnahmen und gäbe es deren
nicht, wer möchte noch Lehrer sein? Aber dnss es nur Ausnahmen
sind, dus eben ist bcklagcnswcrth. Oder beweist die grosse Zahl der
G. Löbker: Gedachtnistareln für d. UnterriebtiD d. Gescbichfe usw. 357
alljährlich erscheinenden Pro^rramme, die diesen Uebelstand Eom Vor-
wurf haben, nicht die Existenz der traurigen Thatsache?
Von diesem Standpunkte aas begröszen wir mit Frenden die vor-
liegende Schrift, die in populärer Sprache, in Form eines paedago-
gisch- didaktischen Romans zunächst fiber Gymnasialbildung die treff-
lichsten Winke gewährt und von Directoren und Lehrern den Eltern
empfohlen zu werden verdient, die mit Gewissenhaftigkeit ihren
Pflichttheil der Erziehung tragen wollen. In 8 Kapiteln führt uns der
Verfasser das Leben in den unteren Klassen eines Gymnasiums nicht
schattenriszartig, sondern mit Fleisch und Blut nach seiner paedago-
gischen und didaktischen Seile vor Augen. Zweck der höheren Un-
terrichtsanstalten und der Gymnasien insbesondere, Verhältnis der
Lehrer und Schüler, Thätigkeit der letzteren, Disciplin, Pension, Ferien,
Censuren, Versetzungen, Unannehmlichkeiten für Directoren und Leh-
rer unverständigen Eltern gegenüber: kurz das ganze untere Gymna-
sium in steter Beziehung zur Familie wird uns in der Darstellung, der
der Sohn eines Gutsbesitzers als Schüler einer solchen Anstalt zur
Folie dient, kurz und treffend in einzelnen Bildern vorgeführt. Das
christliche Princip, als Eckstein des Baues, tritt allenthalben in Vor-
dergrund. — Die Sprache ist rein, der Dialog leicht und flieszend.
Möchte das schätzbare Büchlein die verdiente Verbreitung unter Eltern
und Schülern finden ; möchte der bescheidene Wunsch des Verfassers,
auch nur ^inen Vater oder ^inen Schüler zur Befolgung der weisen
Lehren geneigt zu machen, weit übertroffen werden und ihn zur Fort-
setzung des rühmlich begonnenen ermuntern!
Dresden. Dr. Stauder.
27.
Gedächinistafeln für den Unterricht in der Geschichte und Geo-
graphie von Gerhard Löbker. Münster, Dmck und Ver-
lag von Friedr. Regensberg. 1856. 57 S. kl. 4.
Mit dem vorliegenden Werkchen beabsichtigte der Vf. nicht, Er-
gebnisse und Forschungen auf dem Felde der Chronologie mitzutheilen
und die Summe des bekannten zu bestätigen, oder zu berichtigen, son-
dern er wollte, wie schon der Titel andeutet, ein den Ueberblick und die
Sicherheit des Wissens bei den Schülern förderndes Lehrmittel schaffen.
Bei einer solchen , praktischen Zwecken dienenden , Arbeit kommt es
denn vor allem auf eine sorgfältige Auswahl des Stoffes und auf dessen
Anordnung an. Ueberdies musz dieses Material zu solcher Bestimmt-
heit, Klarheit und Abrundung verarbeitet werden , dasz nicht allein
der Lehrer seine Erläuterungen oder darstellenden Vorträge ohne
Furcht vor Unbestimmtheit oder Undeotlichkeit anzuknüpfen im Stande
Pf. Jahrb. f. PUl. u. Paed. Bd. LXXI V. Hfl. 7. 26
358 6. L5bker: GedachlDisUfeln für d. Unlerriclil in d.GescIiicIite asw,
sei> sondern sich auch durcl^ das Werk selbst ein verbindender und
zusammenhaltender Faden hindurchziehe, der dnrch den Gedanken dem
Gedächtnisse beim auffassen der geschichtlichen Data zn Hülfe komme.
Der Vf. hat sich redlich bemüht, diesem Ziele möglichst nahe zu
kommen. Die wesentlichsten Punkte der Geschichte, welche schon
beim ersten Unterrichte in diesem Fache vorkommen und als die
Grundlagen des Gebäudes fest eingeprägt werden müssen, sind —
auch für das Auge — hervorgehoben, und hieran die weitern Notizen
angeknüpft, durch welche das vom Schüler schon gelernte allmählich
zu einem ganzen vervollständigt wird. Die Anordnung ist, wie sich
versteht, synchronistisch-ethnographisch, so dasz das Hauptvolk immer
den ersten Platz einnimmt, in jeder der parallel laufenden Rubriken
aber die Geschichte eines einzelnen Volkes zum Abschlusi gebracht
wird. — Die Geschichlstabellen gehen bis zum 9n September 1856
und sind in Beziehung auf die neuesten Ereignisse ausführlich. — An
diese schlieszt sich eine geographische Uebersicht, welche in parallel
laufenden Rubriken die Grösze, Inwohnerzahl, Gebirge, Gewässer, die
Eintheilung und die bedeutendsten Städte der wichtigsten Länder der
Erde bietet; den Schlusz macht ein kurzer Ueberblick über die
preuszische Geschichte. — Das ganze ist mit Umsicht und Sorgfalt
gearbeitet, und wir glauben, dasz dem Lehrer der Geschichte und Geo-
graphie dadurch ein brauchbares Hülfsmittel beim Unterricht geschaf-
fen Worden. — Druck und äuszere Ausstattung sind ansprechend und
dem Zwecke des Buches angemessen.
Cösfeld. BacJioven von Eckt,
28.
Bitte an die resp. Herausgeber des griechischen Wörterbuchs
von Passow und Rost.
Am Ende des Artikels q>(^v in Th. IV S. 2342 b liest maa:
^Döderlein hom. Gloss. S. (vielmehr §) 952 denkt an aq>aisip^
atpulvuv^ finderCy G(prp^ = fpQcivg, (pQav^ fpqiqv.^
Wer dies liest und es ohne Einsicht des citierten Buches glaubt,
der musz dessen Verfasser noch für etwas mehr als für einen Quer-
kopf, er musz ihn für eineu förmlichen Tollhäusler halten. Im
citierten Glossar steht jedoch wörtlich Th. II S. 315 also:
^Eine Nebenform von (pQCc^Hv ist 9)^a/v6tv [gesperrt als Zeichen
einer bloszen Heischeform], wie ovofia/vetv, havfialveiv^ avalal-
vuv von ovofiafcAi', -^auftafftv, nvHld^etv. Davon qi^ctvl^uv, tfca-
fpi^ovLißw Hes. wo keine Verbesserung in (pQivl^BLV nölhig ist, und
— nach Analogie von %ccCv6iv^ xrjv und von cqxH^suv, ctpmveivj fin-
ßitte an die resp. Herausgeber von Passow^s Lexikon. 350
dere, a(prjv — das Nomen ipQavg^ dor. tpQaVj ionisch q>Q^ der
Sinn, das Vorslellungsvermögcn, im Ggs. Ton ^^og, der
Willenskraft.'
Ich bin weit entfernt, hierin etwas anderes als ein * Versehn' zu
erkennen, aber freilich — nicht eben ein Meicht verzeihliches', da t»
nicht blosz eine historische Unwahrheit enthält sondern auch eine
fremde Ehre gefährdet. Die Heraasgeber eines griechischen Wörter-
buches, welches nach seinem Umfang und den Namen seiner Verfasser
nicht blosz auf das nächste Decennium berechnet ist, müssen sich
selbst ein gröszeres Masz von Akribie znmaten, als ein gewöhnliches
Schulbuch. Wenn nun obige Stelle nicht etwa durch unklare Fassung
— ich glaube nicht! — einen Misverstand selbst verschuldet hat, so
stelle ich an die ehrenwerthen Herausgeber das nicht unbillige Ansin-
nen, das die irrige Angabe enthaltende Blatt durch einen Ca r ton zu
ersetzen, welcher meine Ansicht entweder ignoriere oder etwa in fol-
gender Form wiedergebe:
'Nach Döderlein hom. Gloss. § 952 von OPAIN EIN ^ q>qitstv^
wie %1/v von %aivHv und aqyi^v von £OAINEIN^ CfpiiBtvJ*
Erlangen am 1. Juni 1856. ^ B, Döderlein.
Auszüge aus ZeHschriflen.
Zeilschriß für vergleichende Sprachkunde auf dem Gebiete des
Deutschen^ Griechischen und Lateinischen. Herausgegehen
von A. Kuhn. 5r Bd. 1855.
l8 Heft. Bugge: Oskisches (S. 1 — 11 : In Betre£f des cippas
Abellanus wird unter anderem der Ableitung deketanoi yon einem dem
lat. dieiare entsprechenden Verbam widersprochen, wlaagid auf skr.
räji-a (Wnra. arj) curfickgeföhrt, op (lat. op) auf skr. opt, gr. ^/,
die von Kahn angenommene Ergänzung der nmbr. Pronom. t und ero
durch das gleiche Verhältnis von i und eito, vermutungsweise eko und
ek80 bestätigt, tangineit, ianginody ianginom als gen. abl. acc. sg,
von einem weiblichen Stamme tangidn von tangi (=: tongere) erklärt,
feihosB s=: gr. to^xo r. Würz, xsx tv% skr. tax tvax vermutet, pottin
als richtige Lesart conjiciert, patenHna aof ein von pat abgeleitetes
sahst, pot-nos, verkürzt patns, patens (die Oeffnnng) snrückgefnhrt,
Btait anbedenklich als 3e pert. sg. , aiaitt als de pem. pl. praes. ind.
gefaszt und die früher (111433) gegebene Conjogationsregel berichtigt.
Die Tafel von Agnone setzt der Verf. ins 6e Ja£rh. der 8tadt, erklärt
vez-kei = seni, vermutet OenSto = (}e7uta (daher bei Plutarch Tsvitri
für Fsvshv) und stellt in saahtom 1= tanetum den langen Vocal als
die Nasalierung vertretend dar). — Max Malier: über deutsche
Schattierung romanischer Worte (S. 11 — ^24: die romanischen Sprachen
sind das Lateinische, wie es fremde und entschieden deatscba Natoren
erlernten und sich inrechtlegten ; dies zeigt sich 1) in lantlicher An*
26'
860 Auszüge ans Zeiischriflcn.
iiähcriing: haut iHt aus aliuB durch KinfliiAZ von hochy kaoeron •- —
avcron aus avcna durch ahd. habaro, hcingre auH acger durch kun-
frar^ hurlvr aus ulularc durch heulen, huppe aus upupa durch Wiede-
hopf, scrffvant — servicnt — scarjo, gridare — quititare — ffretan
( vr<Miigstcii8 Kiuflusz der im Deutschen mit gr anlautenden Worte ahn-
licher Bedeutung), gdter, guaiare — vasiare — vasijanj prune —
pru7ia — bruno, 2) durch Wortwechsel, wie focut, fcu^ an die Stelle
von ignis durch Einflusz von Feuer tritt, an vielen Beispielen erläu-
tert. H) durch Wortdehnung a) nach deutschem Vorgang in ausge-
dehnterer Bedeutung gebrauchte Worte, parole und parier ^ weil das
deutKclic Wort in <^inem Sinne = parabola war u. a. b) plump von
den Deutschen aus ihrer Sprache in das Lateinische übersetzt, avenir
--. zuorhunftj contre = ge^endi u. a.). — Pictet: etymologische
Forschungen über die älteste Arzneikunst bei den Indogermanen (S.
24 — r)0: J) skr. bhitthaj, wird von dem Praef. bhi:^-. abhi u. W. «an;
abgeleitet und demnach der Arzt als ein Binder der Krankheit, Be-
schwörer bezeichnet. Nachdem die Wurzel in dem ganzen Sprach-
stamme nachgewiesen ist, wird auf die in ähnlicher Bedeutung erhelle-
neu BildunfTon hingewiesen, d. boeot. Gu-urcui, lat. saganay »aga^ ir.
sighc, sighid, tigheog (Hexe, Kobold), den sabinischen Gott SanguM
als Kidbinder, lit. sigii (schwören). 2) scr. yitga, Vereinigung, 2Uo-
berci und Heilmittel, wird als uralt durch das vorkommen der Wurzel
i/iij, lungere im fernsten Westen erwiesen. 3) jäli, Heilmittel, nnd
jrf/ff, Zauberei und Beschwörung, kommen v. W. jal, tegere^ operire,
cireumdarcn die sich ebenfalls im Westen findet, z. B. das lat. gaiea,
4) goth. hikcis, Ivkds Arzt, leikindn heilen, Icikinassua Heilung und
mittelhd. larhcndrc Zaubrer führen auf Wurzel lag oder lig (scr. iag*
a<lhaer('re und littg amplecti) zurück und bei den (lermanen und Gelten
ist denuinch der Name des Arztes aus dem Begriffe des bindens der
Krankheit durch Zauber und Sprüche hervorgegangen. 5) Anwendnn-
{Jen d. skr. W. cur, ambularrj vrrarv, aber auch agvre, »kr. abhiedra
Zauberei, in den verwandten Sprachen führen auf dasselbe. 6) Goth.
lubja h'isvi (panua-nFi'«^ ags. lyb, fasrinum, gehört wahrscheinlich zur
skr. Wz. htb/t perturbarc. 7) Ari7ciihat im nord. heilla, ags. Aae/, kmH-
siatt, ahd. hriUson die Bedeutung wahrsagen und zaubern. Als Wurzel
wird scr. kal vermutet. H) lat. sanus hat n nicht wurzelhaft (aao'oi)
und ist = snvnus, zurüikzuführcn auf .skr. Wz. au, welche eine Wor-
tergruppo bildet, in der die Bedeutungen opfern, reinigen, sühnen,
segnen, zaubern und heilen sich nebeneinander finden. 9) Ilaitiv (/7ai-
t}(ov) führt auf die skr. Wurzel pü reinigen , Maxccmv auf makka^
Opfer, zurück. 10) ficcyYccvov gehört zu. skr. Wz manj purifieare und
geht also von dem BegrilTe reinigen aus, (layog desgl., da im pers. «i-
jidan noch dieselbe Bedeutung reinigen hat. ] 1 ) Zu scr. jfäpama lin-
dern der Krankheit, von Wurzel yd ire, causal ydp facere ui mkemif
gehört griech. idntto, iJ7cui<o, -^niog, *Aö*Aijniog (dantiv nnd igfarcof.
wobei aber das 1 unerklärt bleibt), Tf^ridvi?; auch ^ao,ttai scheint dorch
Ausfall des causalen p entstanden iaCoftai^ IdnouctiS, also: der Arxt
Austreiber der Krankheit. 12) skr. jayn Heilmittel kommt von Wur-
zel Ji vincere^ also: Be.s]egttng der Krankheit, und die gleiche Bedeu-
tung findet sich bei Bildungen in verwandten Sprachen. 13) aus skr.
dravya, Arznei, auch Pflanzensaft (altsl. s*drav\ sanus), laszt auf ur-
alten (rebrauch der PHanzensäfte zur Heilung schlieszen. 14) skr.
vaidya^ Arzt, von Wurzel vid nosccrf, vcda Wissenschaft, läszt« da
sich die Wurzel auch im Westen findet, auf uralte Fassung der Heil-
kunst als Wissenschaft schlieszen. Auch cikitaaka, Arzt, geht auf Wi.
kit in der Bedeutung wissen zurück. J5) lat. mederi, medieua weist
auf die Zeudwurzel madh metiri (skr. madk inteltegere, wovon (lav-
Aussöge aus Zeitoehriflei. 861
^dv(o and die verw.). Vielleicht der von Grimm (d. Myth. 1116) er-
örterte Gebrauch die Krankheit lo messen? 16) den Griechen und
Slawen acheint die Anwendung der Musik cur Heilung eigen, bei den
Römern, Germanen und Gelten nur in Zauberei üblich. Ahd. arzäi^
arzenäri gehört zu igSeiv facere^ behexen, ^ägfucnov ist su tpiQSiv
zu stellen, also eig. sustentans). — A. Kuhn: Nachtrag (S. 50 — 52:
die Identität Ton Idoitai mit skr. yävayäm%<f avortere^ areerCf wird
durch Belege bestätigt, mederi von Wurzel mtl/k, meth, d. i. zusam-
menstoszen, schlagen, schmähen, hergeleitet, also mederi morbo = der
Krankheit fluchen, den Krankheitsdaemon durch beschwören austrei-
ben). — Ebel: Gothisch und althochdeutsch (S. 62 — 59: In Bezug
auf Schleicher IV 266 f. wird bemerkt: das ahd. bewahrt reines a in
2 pl. praes. , wo goth. L In der Lautverschiebung zeigt das Ahd. öf-
ters 3e Stufe, wo das Goth. auf der In stehen geblieben. Ahd. g ist
nicht älter als goth. h u. die Vergleichung des Böhmischen abzuwei-
sen. Die urdeutsche Form der Suffixe ra, la, na wird mit Pott aner-
kannt. Bemerkungen über die Conjugation im Althd. und Goth. Zu
II IHi f. die Conjugationsendung au erklärt sich durch ein goth. Laut-
gesetz: ai verwandelt sich vor a in o;, zunächst fällt das J, dann
auch das a aus, also ata«, a(j)auy {a)au. Im alth. Conj. der i- und
d-Conjugation sind 6i und ii ursprunglich und J ward nur zur Besei-
tigung des Hiatus eingeführt. Es wird ferner am Imperativ nachge-
wiesen, dasz die Assimilation des a durch und zu i im Deutschen alt
sei, sodann dasz im Althd. die Assimilation des t und o durch t im
Deutschen alt sei, sodann dasz im Althd. die Assimilation des t und o
durch a in e und o früher durchgedrungen sei, als die Anfänge des
Umlauts eintraten). — Bagge: Althdentsch und gothisch (S. 59 — 61:
Bemerkungen zu demselben Aufsatz Schleichers). — Ebel: zur griechi-
schen Lautlehre (S. 61 — 68: I. Das ursprungliche kurze a tritt bald
als a, bald als e und o auf. Zu beachten seien dabei Fälle der Assimila-
tion, der ursprunglichen Nasale, die Schwächung bei Belastung der
Wurzel durch hinzutretende Endungen und die Erscheinung, dasz zwi-
schen a und B bisweilen ein ähnlicher Unterschied, wie im Attischen
zwischen der Endung ä und 17 zu walten scheint. 2. Versetzung des
spir. asper ans der Mitte an den Anfang erscheint beim Augment und
in anderen bereits erwiesenen Worten. So sei rip>BQOs t=i rjciieQog (sesz-
haft, civilisiert) , fjavxos gehöre zur Wurzel as, alyM sei aus äaifia
entstanden und in ^vvvfii und abgel. vertrete der Spiritus nicht das
Digamma, sondern ». Der Hauch vertrete j in trjfit — 0'^^^« sve%a —
ivjsxa. Daraus erklären sich aber auch die Doppelformen atuxi^t- ne-
ben a(ißq-j rjuBig und vfisCg neben afifiLsg und vnfieg; auch ftvco, bv(o,
?<og neben a^oo, fvoo, lyo'g (Curtius: i^liog blus a'öaeliog), endlich iieszen
sich vielleicht ^^£a, dfiaXog. dfiaXdvvo) auf ähnliche Art deuten). —
Ascosi: studj orientali e linguistica. Mailand 1854. Angez. v. Ebel
(S. 68 f.: der Zeitschrift wird ein gedeihlicher Fortgang versprochen).
— Ebel: Griechisches (S. 69—71: 1. itog erklärt sich aus dem skr.
BvatoB «von selbst, aus sieh selbst'. Davon stammt hmaiog^ das noch
Spuren vom Digamma zeigt. 2. Wegen i{^ ist 17 ursprünglich £= bJ-b
und entspricht entweder deoi skr. iva oder gehört d^m Pro nominal stamm
ava an (wovon lat. aui). 3. iviot. sei richtig als ivi. ot gedeutet). —
Kuhn: vacca (S. 71 f.: Potts Znrfickfnhrnng auf Wurzel vah (ziehen)
wird gegen Ebel vertheidigt). — Erwiederung von Key auf Ebola
Rec. und kurze Entgegnung von Kuhn (S. 72—80).
2b u. 3s Heft. Corssen: oskische Beiträge (S. 81— 1S4: 1. Auf
der Insehr. von Bantia wird pruter pan als priuaquam und dahinter
pertemuBi aasgefallen erwiesen. 3. Durch eingehende Erörterung der
Stellen auf der Üb. Bant. und d. cipp. Abel! vfird dargethan, daaz
362 Auszüge aus Zeitschriften.
amnod (ud) von amfi (am6t, dfi(pf) mitteUt der Endung no gebildet,
nrgpr. ^ ringsum % dann aucti 'wegen' bedeute. 3. Indem nachgewiesen
wird, wie sich die italische Grundform der Geschlechtsnamen aijo, ock.
aij mit Erhaltung des j in aejo (lat. Annaejua)^ eijo (lat. Sabin-eiju-a^
osk. Ver-eija-f), ejo (lat. Ann-ejo-s, osk. Ver-ejo^s, umbr. Mus-e/^-ate),
iijo (osk. kerr^ijo-i)y ijo (osk. Staat-iV-a^ umbr. Feh-ije-a)^ und mit
ausgestoszenem j in aio (lat. An-aiay osk. £otf-at*-anoil, umbr. puatn'-
aia-f), aio (osk. Fe«uHi-ai*-ir), aeo (lat. J[nnaetia)y eo (lat. ^nn-eu-s),
lo (osk. TestinA^i-io-O, to und Vo (lat. ^nn-to-s und ^iin-¥a-«, osk.
Pak-V^a, umbr. ifots-t'-s) geschwächt habe, wird valaemom als Super-
iat. eines Adj. valaeo = valentiaaimua erklärt. 4. Die Verbalform ta-
daii daselbst wird 1=3 tendat dargestellt, indem der Verf. ausführlich
erweist, dasz das osk. Verben der a-Conjugation mittelst eines Sub-
stantiTs aus ursprünglichen Verben zo bilden liebt. Die Tafel erhält
durch diese Erklärungen zwei wichtige Aufschlüsse: dasz der Ein-
spruch gegen das Volksgericht erhebende Beamte schwören muste,
dasz er es nur im Staatsinteresse thue, und dasz der geschworene ver-
eidet ward, zu sprechen quod e re publica ducat eaae. 5. perti wird
als abgestumpfter Abi. sing, per-ti^d [beiläufig gegen Ritschi, dasz
anted, poated als ursprüngliche Formen anzusehen seien] Yom Subst.
per-ti (skr. Wz. pr) ^Durchdringung', mit der Bedeutung 'durcbdrin-
gungsweise', woraus sich 'hindurch, jenseits (diese Bedeutung auf den
igUTlnischen Tafeln und dem cipp. Abell. gefordert) abseits, theilweise'
Entwickeln. Pertumum entspricht also dem lat. perimercy das sich für
'abbrechen, unterbrechen' in der Gerichtssprache findet, petiro-pert ist
' viertheilweise ' , am-pert (von an = tn), 'hineindringend, innerhalb'.
6. pomtis ist das Adverb (die Endung ia sei nach dem Lat. nicht zu
leugnen, für die gleiche Wortklasse beweise sie apprime^ eumprime)
Ton der Ordinalzahl pom-to = quiniua also 'zum ön mal'). 7. Medi-
catinom sei ein Wort, und als von dem causale mcdicaum = iudicare
durch Vermittlung des Particips medicaio gebildet, -also = Urtheils-
Spruch. 8. üruat wird von Wurzel vr, aussuchen, wählen, weil dies
'scheiden, abgrenzen' voraussetzt, = diaceptare genommen. 9. Nach-
dem die Lesart tacuaiim auf der tab. Baut, in Schutz genommen, wird
nerum als Adjectiv aus der Wurzel ner (umbr. acc. pl. «er-/, dat. pl.
nerusy sabin. ner-to = virtus, ner-o = strenuus, die Göttin Neria)
also = fortea , als Ehrenname der Vollbürger von Bantia genommen.
10. Tacuaiim führt zu einer sehr gelehrten Auseinandersetzung über
die Locative, welche von skr. bhjam, gr. (ptv, ital. fiem^ umbr. fem
abgeleitet werden, so dasz eine doppelte Gruppe entsteht 1) mit Abfall
des Anlauts -im, -in, -in, -m, -n. 2) mit Abfall des Anlauts 61, fe, he At, /.
Der Stamm des Worts wird im griech. rccy gefunden und so erklärt tn
ordine). — Aufrecht: Anhns (S. 135 — 137: Bopp's Ableitung des
goth. ohn (auhn) v. skr. agni t=s ignia wird wegen aer Bildungsgesetze
verworfen (es mäste dann akna, okna heiszen ; uhtvo leitet der Vf. auch
nicht von skr. uahaa her, weil es sonst uatvo lauten müste, sondern
von vakany also erwachen, Frühzeit) und die Urform cifAfio«, iiknaa
mit dem vedischen a^a-a. Stein , zusammengestellt. Stein für Ofen
kommt auch in Saitskrit vor). — Derselbe: ludere (S. 137 — 139:
ludere, loidere weist auf eine ältere Form cloidere , croidere zurück
und ist von skr. Wurzel kri4 (krida, kritlana, Scherz, Spiel) herzulei-
ten). — Ders.: Nachtrag zu 111*194 (S. 139: die zu haruapex ange-
nommene Wurzel gam = Eingeweide wird jetzt auch in einer ags.
GMosse mid^erum-fat nachgewiesen). — M. Müllert ist Bellerophon
Vritrakdn? (S. 140—152: Gegen Pott wird bemerkt: ßtlXfffO sei nicht
-eine Assimilation von ßeXtego, sondern ßiXks^o zeige durch die Neben-
form iXlBQO eine durch Digamaa ersetzte labiale Liquida als Anlaut
Aussäge aus Zeitsehrifleii. . ^63
und XI sei Ersatz för l mit folgendem Sibilant, aLio mucwe ßelleffo im
Skr. varvara zottig lauten [beiläufig, da dies im Ind. die krauabaari-
gen Neger bedeute, wird die Urbedeutung von ßof^o^og gewonn^o].
Indem nun die Bedeutungen der aus der Wurzel gebildeten Sanskrit-
Wörter nachgewiesen werden, ergibt sich als Resultat, dasz die Ent-
stehung des Namens nicht nach der arischen Trennung zu setzen, wol
aber darin eine alte Form der arischen Naturvorstellung zu finden «ei,
Besiegung eines Ungeheuers durch einen solarischen Helden. Wie KiQ-
ßsQog der skr. gabala sei, so der andere Ton Hercules getodtete Hwid
ÖQ^Qog genau der Abdruck Tom skr. Frtra, und demnach sei Herca^
les der wirkliche 'OQ^qotpoiv ^ was auf BsXXiqoqxov als Tödter der sot-
tigen Ziege Cfainiaera Licht werfe. Der Beiname des B. XsmKpovtv^q
könne aber, wie Pott richtig bemerkt, nicht einen Löwentödter bedeu-
ten, es sei aber daayuhän mit vrirahdn synonymer Name des Jndn;
daayu und ddsa seien feindliche Völker und Geister, im Zend dagmu,
dainghu ProTinz, Darius heisze-auf Inschriften König dahyünam^ be-
siegter Völker. Von diesem däsa komme isa-notrig und von dem ent-
sprechenden däogj dikiogy drjiog; Xaog, Xrjog, Xsoig sei eine dialektisdbe
Form für däos, also sei Xsattpowrjg der Tödter bÖser Geister). —
Lettner: der Name der Goten (S. 153 f : die Donaugoten müssen
sich selbst Ouiana genannt haben, die nordischeu heiszen gautar. Vom
nord. Gotar könne ein plur. Gotnar lauten, gotnar heiszen viri slre-
Ti?it; der nicht Torkommende Singular mässe goti heiszen und dies sei
in der Bedeutung Hengst nachweisbar (Wz. gut, der Bespringer), aino
diese Bezeichnung auf streitbare Manner übertragen). — Ders. : sd/iis,
solidua, got. saljcm, aela (S. 164 f.: sdlus = »oUu$ sei ebenso Ton
Skr. aarva wie aalvua^ und bezeichne integer ^ ganz so dasz nichts
hinzukommt, fest; das got. aela sei eigentlich ebenso integer, wegen
aaljan entscheidet sich der Vf. noch nicht, weil der Uebergang von
der Bedeutung *an einem fest machen' zu aacrificare usw. noch nicht
erwiesen). — Leo Meyer: Graf (S. 155—161: die althd. Form setze
das goth. grefan (nom. grefa) oder grefjan (nom. grefja) Torans.
Ulf. Luc. 2 1 sei gagrefta = Beschlusz , öoyfia , und 2 Kor. 8 12 in
gogrefti 1= im Beschlusz, demnach bezeichne Graf ursprünglich Herr,
Gebieter, Beschlieszer. Als skr. Wz. erkennt der Vf. ktp^ richtiger
und älter karp, von dem das causale in der Bedeutung anordnen Torr
komme). — Ders.: elg fi^a %v (8. 161— 166: ffs ist Bvg, iv aus eii ent-
standen [%tQ)v hyamdj hiema^ %%iöv kahamä' humua xafji,af\, vorausstt-
setzen ist Sfio [dasz dies o eingebüszt wurde, zeigen^ xtovoßXTixog, Z^O"
voTQSfpTJg ähnl.], dies aber gleich skr. aama^ (lia, eiila := samt (gew.
aamä)y daher auch fiovog entwickelt. Den Uebergang der Bedeutong
Ton aama 'all, ganz, gleich' zu ^ein' beweist das Griechische a =s sa
(ccnXoog, ancc^) aus dem aama, aber noch mehr lat. aemel, stm^itt»,
ain-guli [d. suff. = aakft einmal]. Aber auch hioi wird = **»mmifm
gesetzt. Kuhn weist in einer Anm. zur Bestätigung auf goth. ntwu
hin). — Mannbar dt: über eine gothische Mundart (S. 166— *130: in
dem bekannicn von Bnsbeck mitgetheilten Liede der tanrischen (te-
traxitischen) Gothen wird versucht die moesogothischen Worte värei
vdrei tggaddllu acuta j^re gdlaiei^ hduhmika hlaifa thdurhimm äim
in dialectischer Verschiedenheit nachzuweisen). — Ebel: zur lateini^
sehen Lautlehre (S. 181 — 193: Entwicklang der Gesetze, womach a zu
e oder i wird und e in t übergeht). — Kuhn: Etymologieen (S. 193 —
!220: 1. tdXXstv wird auf Bildungen aus der skr. Wz. r (or) zurückge-
führt ; iyarmi bedeutet ' sich erheben, aufstreben ', dann^ transitiv ' be-
wegen, aufregen, auftreiben, erheben (auch von der Stimme)*; damit
ist ganz gleich gebraucht die Bildung Ton dem bis jetzt als eine be-
sondere Wz angesehene^ ir, iyar; hayämi führt auf ursprünglicheres
364 Auszüge aus Zeitschriften.
ijfarayämi zurück; laX entspricht aber genau dem vedischen iyar^ weil
einmal iys^QO} zu jägaraydmij naCgm — färayänti^ cpd^e^Qto — xdray-
ämiy ds^Qoo — ddrayämi, nalXco — sphdrayäjni, otpaXXo} — skhälaydmiy
TiilXa} — calaydmi beweisen, dasz die Griechen das erste a in aydmi
aufgaben und y dann in die Wurzel zogen, sodann die Bedeutungen von
idXXa} (intransitiv Hesiod. Theog. 269) ganz mit dem skr. Verb, stimmen,
auch das Attische £ccXX(o (nach Arcad., daher icpidXXco) den Ersatz für
das nach t ausgefallene y zeigt. Ahd. itan, Ulan, eilen schlieszt sich
denselben Wörtern an. — aXto passt zu aXXofiai weder ii^egen des
Spiritus, noch wegen der Stellen II. I ^2, IV 125, XX 3279 am wenig-
sten hymn. Apoll. 448. In den letzteren ist der Aor. 2 von idXXa»^
oder vielmehr, da die Wz. ar in 6q und dX umgebildet ist, skr. arta
gab ebenso togzo wie dXto ; dazu passen auszer den angefahrten Stei-
len fietccxQOviai yäg CaXXoVf oiaröv dito vBvgiQtpiv CaXXsv mit äXto ot-
GTog, aXt InC Ol fisfiacig (vgl. adorior), aXro ^yga^s Od. XXI 388,
XXII 2, IL XXIV 572 (rennen von derselben Wz). Die Grammatiker
fanden aber dXrjtai schon vor und dies ist das richtige, wo springen
nicht passt, II. XXI 536, XIII 679. — 3. ^cd fuhrt nicht auf aidanU,
wie früher behauptet, sondern wie bei den in 1 behandelten Verben
auf das reduplicierte sisadaydmi oder sUadydmi zurück. Skr. Wurzel
Jan bildet 3 sg. pr. Jajänti (erzeugen) = gigno, davon ist yiyvofim
Passiv; ysivo^iai setzt yBCvta^ dies schlieszt sich an janaydmiy wie
rs^va an tanaydmi; das Passiv lautete regelmäszig janjfe z=:jdye;
also ysLV ist aus ysvj, ysvfj entstanden, daher in den Tempp. ysvTJaoficu,
— 4. sts ist aus ^i^tff (argivisch- kretisch ivg) zusammengezogen und
fuhrt auf skr. ni«, Urf. ania zurück, ist also mit .^v ebenso verwandt
wie skr. ni mit nia, doch haben die skr. und die griechische Praeposi-
tion jede nur ^ine Seite der ursprunglichen Bedeutung gerettet, wäh>
rend auch andere Praepositionen die gleichen Uebergänge beweisen.
Aus demselben ani werden nun auch die goth. und althd. Praefixe us,
iir, ar, er, ir abgeleitet. — 5. IV 372 ist aalhya als Beiwort des Agni
nachgewiesen. Die. Göttin .$1/ des Nordens, Thors Gem., Izeigt die-
selbe Begriffsstellung des Feuergotts zur ehelichen Liebe. Pictets
Erklärung '^Hfpaiarog = aabhcahfha der im Hause oder der Familie
stehende, wird nicht angenommen, vielmehr = dem Superl. adblkeyiah"
fha gesetzt ^der häuslichste'. — 6. Ebels Bedenken gegen die Ablei-
tung von piua ans priya werden durch Entwicklung der Lautgesetze,
die den Ausfall des r begünstigen, und die Bedeutung piua der liebende
(die Götter), priya 'der geliebte% wie liber der seiner Neigung (Liebe)
frei folgende, liberi die geliebten, die Kinder, beseitigt. In (piXog sind
beide Bedeutungen vereint, und Bopp hat dies richtig auch auf priya
zurückgeführt). — Weber: der Name 'laovsg Yavana (S. 221 — 223:
der Name bezeichnet nur Griechen und ist den Indern durch die Se-
miten oder Perser zugekommen. Die öine von Lassen angeführte
Stelle des MBhdrata beweist nichts, da sie jüngeren Ursprungs «ein
kann; der in der zweiten genannte Yavanakönig Dattdmtira ist der
baktrische Demetrius (180 — 165), bestätigt durch Inschriften aus den
2n Jahrh. Die älteste nachweisbare Erwähnung ist der Antiyoka yo-
nardja (Antiochus) in dem Edict des Priyadarcin aus dem 3n Jahrh*
Die pers. Dolmetscher mögen diesen Namen auch in Alexanders d* Gr*
Zeit stets gebraucht haben). — Grandgagnage: memoire sor ies
anciens noms de lieux dans la Belgique Orientale. Angez. v. Diefen*
bach (8. '223~2*i5: als sehr verdienstvoll und beachtenswerth bezeieli-
net). — Pyl: mythologische Beiträge. Angez. von Mannhardt (8.
226 — 231: sehr scharf getadelt). — Miscellen. Grohmann: migi^ airim
(S. 230 f.: diese Formen sind für archaistisch zu erklären). — Spi«r
gel: bhfi'forarcy poran uad vadk (S. 23 J f.: die altbaktr. Wi.,i|^
Auszüge aus Zeitochiifleo. 365
hat die Bedeotang schneiden und diese findet sich auch im Skr. Dazu
geboren forare und poran^ Da das von bere abgeleitete bHn in den
neniranischen Dialecten die Bedeutung des absolut machtigen hat, so
liesze sich vielleicht auch (pdQzatog so deuten. Von der zweiten Wur-
zel werden einige Bedeutungen nachgewiesen). — Weber: die Wur-
zeln kruj ma9 und pu9 (puah) und avasji Schwester (S. 232 — 935:
die Bedeutung der drei Wurzeln werden erläutert und daraus Ablei-
tungen versucht. Svasfi wird aus svasavy »vastar = suagtar die gut-
seiende, freundliche erklärt). — Ebel: Gothisches (S. 235 — 237: von
guthj Gott, wird als urdeutsch guda erkannt und dies auf skr. gudh
^verbergen' zurückgeführt; also guihSj der verborgene, unsichtbare, vgl.
Tac. Germ. 9. Warum hiri nicht ai angenommen, davon wird der
Grund gefunden, dasz es ursprünglich kiäar gewesen; die Wz. sei die-
selbe wie imLat. ce (Ät-c usw.), Gr. Ixsi). — Derselbe: Oxytonierung
im Lat. (S. 238: Gegen Dietrich: punio neben poena, munio neben
moenia zeigeh dasz nur ein Accent punio oe in u wandeln konnte;
publicu» ist aus populicÜ8 und ebenso punieua aus Poenua , unu$ aus
oenus zu erklären). — Ders. Lateinisches (S. 238 — 240: Fitricug wird
als 2r Vater 9 privignua als Sohn früherer Ehe etymologisch gedeutet,
aino aus skr. aan8 'geben^ abgeleitet, aimitur = aimicitur (tur aus tua
geschwächt), wie skr. aamyac = aamic), — Lettner (S. 240: mit
dhvan, aonare stimmt altn. dyrij ja noch besser als goth. drunjua,
Goth. faatatij obaervare^ geht auf faata zurück und dessen Wz. ist lat.
poa; faata = poaitua. Die Wurzel von riysCa^ai ist von ayto ganz zu tren-
nen und im Lat. aagua, aagax, aagio zu finden). — Mannhardt(S. 240)
weist zu beitriae aus danziger Urkunden des ]6n Jhrh. bettreiaig nach.
4s Heft: Pott: etymologische Spähne (S! 241—300: 1. Die von
Schümann Gr. Alterth. I 272 gegebene Deutung von qndCxia wird
zwar im ganzen gebilligt, aber in %iiai sei kein Digamma anzunehmen
und das Wort vielmehr eine Ableitung von (piSirriSf also 'Mahlzeit der
Beisitzer'. Durch eingehende Erörterung und Nachweisung von Sprach-
gesetzen wird dargethan, dasz (p ein Rest der Praeposition iniy wie
in (pBidoilLOv die Bedeutung 'Schemel' erfordere, f und st aber für
eine Contraction aus te am liebsten zu halten sei. 2. ZnaQzri komme
von ansiQtOy cnaQtrj noXtg, mit Veränderung des Accents wegen des
Uebergangs zum Eigennamen; die Beschaffenheit der Stadt stimme
dazu. 3. XdgvßSig erklärt sich passend aus ahd. hwerbo (vortex)
hwerbariy hwerbil (Wirbel), zu denen (op^ßog, (vfißog, orbia nasale Pa-
rallelen seien, deren vermiszter Guttural sich in % wiederfinde; cc sei
zur Milderung eingeschoben, S aber wahrscheinlich aus einem Suffix
t^ entstanden, foCßäog aus (oßiS durch Versetzung des Vocals; die
Wurzel wird in ru (skr. rava) erkannt. Auch Qcißdog sei aus (anCd
entstanden, daher XQvaoQf^anig, 4. Bei der Bedeutung you^PadoLyMv-
d'vg musz von der Form Bgadtifiavd'vg ausgegangen werden. Ange-
schlossen wird nun der Name an iiavd'dvto (aus skr. man = cogitare)
und ßgada ein Adverbium von ß(fa9vg. Also wäre Bg. der die Men-
schen zu später Erkenntnis bringende, was in dem Wesen begründet
und durch die Beinamen vatsgonovg der Nemesis und vatsgonoivog
der Erinys bestätigt wird. 5. Ueber die Namen der Erinyen wird
wegen Miycaqa die Deutung von Preller Myth. I 524 wahrscheinlich
gefunden, Ttai(pövri etymologisch (Subst. xictg) als die personificierte
'Blutrache' gedeutet, 'Alii%t(6 CAXI-) nach II. IX 632 als die impla-
cataj implacabilia. Unter ausführlicher Behandlung sowol vieler, ande-
rer mythologischer Namen, namentlich "ASgactogy ravvii>ijdrjg a. a., als
auch der Substantiv- und Adjectivbilduugen auf siog^ siof, wird für
^AdgaatBiM die Deutung 'Unvermeidlichkeit' wahrscheinlich gemacht. —
6. üoVQog (wofür nogog ursprünglicher) wird nach dem Kurdischen
%6 Berichte über gelehrte Anslallen, VerordDODgen, sUtisL Koliui
kurv als 'Sohne, Kinder» gedeutet ond lor Begrtindon^ der Nanc ^
(,<jy.ovQOt angeführt. J/oZrdfrx^^ wird auf Äfrxö; zarocfc^efokrt •*
IffUchtenHe btern', zo KdariOQ wird ein griechische« VerlHiB ohac Ni
>al v..n <ler Bedeotong candert Toraa^gesetzt. — 7. ^oißo^ wM M
>kr. hhänu (Sonne) von hkä, hhä» (leuchten) zoräckgefahrt, lieber ik
W\\\ ei der Vf. als eine Zu«aniinen«etzüng ans 701- ond ^, d. i. paLn
'«irr im Lichte daherwandelnde\ als ans 70^-10; erklären. AU ciw
\:i-!. triebt erträglichen Einfall bezeichnet der Vf.. dasz in dea BcienN
i!.r Leto Koioyivfict, /ToicmV, Kotr/i , Tochter des KoCog^ dnaell
Kr\:nnn. \%ie in caelum. caeug enthalten ^ei). — Ebel: ^tbisd
Six.llen S. :W0 — 312: I. Kör die früher vorgetragene Meinva^, im
de Praf>«?n^ formen der ai-Conjogalion au# aj entstanden, wird jeCit i
vajamfijnm un«l den Formen des Passivs eine Bes^täci^n^ gcf— 4n
:!. H^-hiiHllun«; der AbMraci>uflixe -ni and -ani. 3. IHe Fomen A
>t-.rk.:n At^jVctivflexi'in werden zo^amme^ge«te!!t ond die Ceaetie da
selVr-:! trrläbt*-rT. -f. Behandlung der Cuniparaiivfi rinen isa^ -wf«, •■
-nifa. -ij i.H'l 'tara\ — Benarv: üuer den Accent im LateMiche
Mi: R{itk>;< r.T aiif Weil nnd Benloew: fheorie ^en^raie de Fmeen
tuuiion latinc 'S. 'M'2 — M9'. durch ein* Kr.«neron': der nllgeaeiM
Ai centge^trize werden vorläufig für die Be^andlun;: des roaiachcB Ai
rent* folg-nde Fnsen fe>! gestellt : 1 welche .Mittel hat die 8pr»cl
7:.:ii Ao^rtrurk de* Accent*, 2; welche SteÜun*: im Worte aiMat er rfi
:*) welche* Verbältni« hat er zu der Furmbi.dcn*;. 4> weiche» n A
rKMhmi?chen Verbälini^«en der }««-^t;*chen M4>ze?» — Spiegel: MI
I rilcn S. d'20 Behan«ili;ng von eacti — rir/j i.r.i! &eiida). Ä. D.
■ciite üst^r irelehrle Anstalten, Verurinungen , statisttsch
Notizen. Anzei:;en vuii PrL»v:ra:iiaieii.
\ >. A ' V^r\ zum 14 \vr'\ 1-:^ j- *i;ei:er--nen ProgteMBe 4«
Kr.r n-: :..r ^. Bi. lAMI S* Cl»; e:i:r.*r:n^n i»ir. da»z Ptaff. Dr. P
i{ ..e\ ti'v.rr. R.t an eis P- l^terbricun in Zürich aageoeaacB kaiti
I ; C :'rrct r-.! öer Kar.-.n- tfn-: R^c? ra! «S^r Gewerb>ch«le matHMl
: :. fr f. I»iv. R\iz J-J* Prig::. :;:. I.ebrimte «ier Chemie prmaa
ri-rh «f«-r * rr.er im O^rsni^lLr. za S ...'.hcra angestellte Pjref. Jal
S .. :::er. \n c:e Sieilr ce> al-grrmgir? :■. tr.i ba!«^ «faranf vemer
:;..r. Pr f. ,:er frar.z. Spra he De > .» <• l 1 ** 1 trat J. G. kiti an
l :':-r IVr Schc:*rrih: betrag: A. G^ir.n. .A IV 7, i|| l^ |I ||
1 :^ B. G'A^erbschule 51 IV 4. III ^. V T. I ^>. Die IHhini
.^^ «chrieh Prx^f. I.. Mo>zbrog$er: l ntfrtmrhmmz mkrr trmmm
i'^. '^lich*,. deren JTrr* i;ru»*r c*» ^ffreh:h-% Ptcrkcm In Gmdci nl
. i > i>f. l?i S. =:.d r K=£«ffn!a:t' . Jt. D,
r» •; ^<v:iWi.-^ Ant tV4rtjr:.n4>:;n: IV WMi c^Ti] cVMtSM dl
S:r. t ^'e> f.\< G<r.cr»l^!:;'<t^'n:(.«l'ent nacn lic-.i:.>:i^t veffyetatea FMU
Ks.S:- c.cr Pa*;^r Steinne^er. d:e ^e* Prof Dr, Banherger de
0!N::rSr»-r at^ Pr.-gx Ana»iün I>r. Pärre. Da der Cand. Sckener
. . =. rv :■ ic ■ R!>cr. ^»•m Itn iVi. I^:ö >-e:n Pn>^-*ja*ir antrat. •• w«rd
. ;: t . . ir . ravr Sack tVns Pr.i^ mii. z«röck<reie^ea. Die Sclinkfffrc
. .. r> - T - O-ern l«^,^ 7:^ iV i<, III V4. II 1^, I < V. Abicarien
c.i M c: 1"^ J» 4. 0*tem .-rf* * Die ^SSam-i «n^ *>> PragniBMa fca
• 0*^'r.«^-tr i*=v*SoTr» izm \ ert'a»**^ Za- F'm*mkrmmff rn äi
Berichte über gelehrte Anstalten, VerordnangeD, Statist. Notizen. 367
Unterrichts (30 8. 4). Za dem am 25. April g«feiierten 26jähr. Jubi-
laeum des Herzog« warde Yon aämtiichen Gymnasien des Landes eine
vom Dir. Prof. Dr. Krüger verfaszte Votivtafei überreicht, weiche
wir ihrer trefflichen Form wegen hier abdrucken lassen:
Q. F. F. F. S. Principi augustissimo et potentissimo domino de-
luentissimo Guilielmo serenisaimo dnci Bronsvico-lunebargensi ex nobi-
iissima et fortissima Guelphornm prosapia oriundo qui cum ante hos
vlginti quinqae annos ardeniissimis omnium bouoram civium votis ex-
petitus advenisset ipso adventu sno patriae pacem et tranquiiiitatem
reddidit qui postquam rerum moderamen suscepit suprema gubernan-
dae reipubiicae lege instaurata additis aliis legibus saluberrimis com-
munem omninm incolarum saintem firmissimis praesidiis munivit obli-
terata diu oppidanoram iura redlntegravit colonos quibus raulta per
secula obruti fuerant oneribus levayit eornmqae libertati aequis legi-
bus prospexit qui dum alii cuntantur morae impatiens viis ferro stra-
tis effecit primum ut Hercynia propius Brunsvigam admota Tideretur
mox ceteris utilissimum exemplum secntis ut Brunsvicensibus ad remo-
tlssimas terras faciliimus pateret aditus et foedere inito cum iis Ger-
maniae civitatibus quae vectigalium communitate utuntur eorundem
coromoda et commercia mirifice augerent.ur quo reipubiicae gubernacula
tenente etiam gravis^imis temporibus sapienter provisum est ne quid
detrimenti caperet respublica sed ut illaesa staret tam nostrae civitatis
quam universae Germanlae incolumitas patri patriae optimo bouarum
litterarum schoiarumque patrono et fautori die meosis Äprilis XXV. anni
MDCCCLVI qui dies propter sacra eius nataiicia iure habetur festissi-
mus conditum quintum iroperii iustissime et clementissime gesti lustrum
debita pietate et reverentia gratnlantur et ardentissima nuncupaut vota
ut restituta tandem per orbem terrarum pace diu adhuc laetos intersit
populo suo et favente summo numine usque ad extremam senectutem
iiideiibata felicitate fruatnr gymnasiorum Br&nsvicensium directores et
coilegae.
Auch gedenken wir der bei derselben Gelegenheit vom Geh. Hofr.
Prof. Dr. Petri im Namen des Carolinum Terfaszten lateinischen Ode,
weil sie das erfreulichste Zeugnis von der noch zu poetischem Fluge
sich erhebenden Rüstigkeit des liebenswürdigen Greises gibt. H. D.
Eisen ach]. Am Karl - Friedrichsgymnasium wurde an die Stelle
des freiwillig ausgeschiedenen Lehrers der Mathematik und Naturwissen-
schaften Prof. Dr. Fresenius der Cand. Alfr. Kunze, an die Stelle
des entlassenen Schreiblehrers Bang der Lehrer am Realgymn. Gas-
cari zugleich auch als Turnlehrer angestellt. In den Schulnachrich-
ten findet sich eine vom Dir. Hofr. Dr. Funkhänel an die Abitu-
rienten (Ostern 1S56 5) gehaltene Ansprache. Die höchste Schulerzahl
betrug 97 (I 9, II J9, III 14, IV 20, V 16, Vorbereitungski. 19). In-
teressant ist die am Schlüsse gegebene Notiz, dasz während der 20j.
Amtsführung des Dir. seit 1836 477 Schüler in das Gymn. aufgenommen
wurden. Von diesen sind 5 durch den Tod, 589 aber abgegangen, darun-
ter nur lid zur Universität, mehr als 200 zu andern Berufsarleu. Den
Schulnachrichten geht voraus vom Prof. Dr. W. Weiszenborn: ad
Carolum Wexium de locis aliquot Livii episiola (14 S. 4), eine ebenso
liebenswürdige, wie grändlicbe Erwiederung auf die Einwürfe, welche
der genannte Gelehrte in diesen Jbrbb. Bd. LXX S. 455 gegen die
Erklärung und Behandlung einiger Stellen gemacht hat, nemlich V 12 7
(praef. 4), 39 4, 2 4, IV 3 7, V 13 13, 18 2, 25 7, 7 7, 9 5, 26 10,
28 1. Es bedarf unserer Versicherung nicht, wie viel nicht nur dieje-
nigen, welche ein tieferes Verständnis des Livins erstreben, sondern
auch die überhaupt Belehrung über wichtige Puncte der lateinischen
Sprachgeaetse suchen, daraus gewinnen werden. B. D.
368 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, slutist. Nolixen.
PJutik]. An der d;isigen vereinigten Gelehrten- Qnd Bürgerschule
wurde Knde J. 1855 die provisoriflcbe Anstellung des Lehrers Cand.
theol. Kürschner in eine definitive verwandelt. Die Schüleraahl war
162 (11 4, II 20, III 24, IV 18, 1V»> 27, V* 11, V" 17, I Oberkl. 31). Zu
Mich. 1855 wurde 1, Ostern darauf 2 zur Universität entlassen. Als Ab-
handlung beigegeben ist vom Coliab. Rottok: die Kegelschnitte y eine
analytische Abhandlung (41 S. 8 und 1 Kigurentafel). R, II.
Frankfurt a. m.]. Am dasigen Gymnasium [Bd. LXXH S. 262 u.
471] ist während des Schuljahrs eine weitere Veränderung im Lehrer-
roi Icgium nicht vorgekommen, auszer die Anstellung des vorherigen
Privatdocenten in Münster Dr. Ph. J. Haussen als Prof. d. Gesrhichte
für die katholischen Schuler, der Erhebung des Kaplan Nicolay xom
Professor und der interimistischen Vertretung des durch einen Schien-
beinbruch behinderten Lehrers Dr. Schmidt durch die Vicare Steitz
und Dr. C. Fresenius. Der geographische Unterricht wurde auch in
die drei oberen Klassen eingeführt und der Beginn der französischen eine
Stufe früher, in die Sexta verlegt. Durch neue Statuten wurde die
Wittwon- und Waisenkasse allen ordentlichen Lehrern des Gymnasinms
zu<;änglich gemacht und derselben die Inscriptionsgelder der neu aofge-
nomnuMien Schüler zugewiesen. Die Schülerzahl betrug im leisten Win-
terhalbjahr 177 (127, IUI, III 21, IV 5H, V22, VI 23, VII 20), Abito-
rienten 13. Den Schulnachrichten hat der Dir. Prof. Dr. J. Classen
vorausgeschickt den 3n Theil seiner Beobachtungen über den Aoaieri*
sehen Sprachgebrauch (39 S. 4), in welchem das Participium in seinen
praedicativen Verbindun{;en behandelt wird. Die überaus feine und
scharfe Beobachtungsgabe, das sichere aesthetische Urtheil nnd die
umfassende Kenntnis des Hrn. Verf. sind hinlänglich bekannt, als dass
wir ein Wort hinzuzufügen brauchten, um auch diesen Theil cn dem ei-
frigsten Studium allen zu empfehlen. A. />.
Personalnacliri eil teil.
Anstellungen, Beförderungen, Versetzungen.
Arnold, Georg, Lehramtspraktikant am Paedagoginm und der hohem
Bürgerschule zu Pforzheim, zum Lehrer an derselben Anstalt mit
Staatsdienereigenschaft ernannt.
Haier, Dr. A., ao. Prof. der Theologie an der Univ. zu Greifswald,
zum ord. Prof. in der philos. Fac. ebendas. ernannt,
liehringer, Kdm., Studienlehrer zu Bamberg, in gleicher Eigenschaft
nach Würsburg (an die Stelle des zum Pfarrer ernannten Stodienl.
Joh. Gass) versetzt.
Heitelrock, Joh. Mich., zeitl. pens. Gvmnasialrector nnd Prof., »um
Prof. der Geschichte am Lyceum in Äsrhalfenburg ernannt.
Biasi, Dr. Val. de, Prof. an der trienter Dioecesenlehranstalt, in glei-
cher Eigenschaft an die theol. Fac. zu Olmutz versetst.
Biasutti, Joh., geprüfter Lehramtscandidat und seith. Assistent an
der kk. Staatsbuchhaltung in Venedig, zum wirkl. Lehrer an den
veuetianischen Staatsgymnasien ernannt.
C-orneliun, Dr., Prof. der Geschichte an der Univ. zu Bonn, an die
Hochschule in München berufen.
Czcrmak, Dr. Joh., Prof. der Zoologie an der Univ. zu Grats, zum
ord. Prof. der Physiologie an der Univ. zu Krakau ernannt.
Personalnachriobien. 309
Doberenz, Dr. Alb., Prof., zam Direcior des henc. meiningenscben
Gymn. za Hildbarghausen ernannt.
Donaggio, O., priest. SuppL an der kk. Oberrealschnle zu Venedig,
zum wirkl. Lehrer am Obergymn. in Verona ernannt.
Droysen, Dr., Prof. an der Univ. za Jena, hat den Rnf anDrnmanns
Stelle an der Univ. Königsberg erhalten.
Dachek, Dr., ansLemberg, als Prof. q. Dir. der medieinischen Klinik
nach Heidelberg berufen.
Dunajewski, Dr. Julian, ao. Prof. an der Rechtsakad. zu Presz-
bnrg, zum ord. Prof. ebendas. ernannt.
Eisenmann, Franz, Prof. am Gymn. zu Straubing, in gleicher Ki-
genschaft an das k. Wilhelmsgym. in München versetzt.
firdmann, Lic. theol. Dr., Privatdoc. in Berlin, zum ord. Prof. in
der theol. Fac. der Univ. Königsberg ernannt.
Fisch, Jos., Priester und Lehramtscand. , zum Stadienlehrer an der
lat. Schule zu Passau ernannt.
Frohnmeyer, pro vis. angest. Lehrer, erhielt def. die Praeceptorstelle
zu Guglingen übertragen.
Fürstenao, Bd., Hilfslehrer am Gymn. zu Marburg, zam ord. Lehrer
an ders. Anstalt ernannt.
Gegenbaur, Jac, Hilfslehrer am Gymn. zu Fulda , zum ord. Lehrer
an ders. Anstalt ernannt.
Giseke, Lehrer am Gymn. zu Meiningen, zum ord. Lehrer an der Klo-
sterschale zu Roszieben berufen.
Häckermann, Dr. K. H. L., Adjunct am Paedagoginm za Patbus, als
ord. Lehrer an das Gymn. zu Cöslin versetzt.
Heermann, Ad., beauftragter Lehrer am Gymn. zu Hersfeld, zum Hilfs-
lehrer an ders. Anstalt bestellt.
Hegel, Dr. K., Prof. zu Rostock, als ord. Prof. der Geschichte an
die Univ. za Erlangen berufen.
Heller, Dr. Proc, Privatdoc. zu Olmütz, zom ord. Prof. an der
Rechtsakad. za Preszburg ernannt.
Herbek, Em., prov. Dir. am kk. Gymn. zu Marburg, zum wirkl.
Dir. ders. Anstalt ernannt.
Hesse, Dr., ans Halle, als Prof. der Mathematik an die Univers, zu
Heidelberg berufen.
Heydemann, Dr. A. G., Prof. u. Dir. des Friedr.-Wilh.-Gymn. zu
Posen, zum Dir. des Gymn. in Stettin ernannt.
Hoppe, vorher als Lehrer bei der Ritterakad. zu Bedburg beschäf-
tigt, als ord. Lehrer an das Gymn. za Coblenz versetzt.
Hornig, Prof. Dr. Christ. Aug., Dir. der Realschule in Treptow
a. R., zum Dir. des Gymn. . zu Stargard ernannt.
John, Dr., Privatdoc. in der Jurist. Fac. der Univ. Königsberg, zum
ao. Prof. ebendas. ernannt.
Jurkovic, Joh., Supplent am kk. Gymnas. zu Essegg, zum wirkl.
Lehrer an ders. Lehranstalt bef.
Kr 0 sehe 1, Dr. Joh. S&m., Hilfslehrer an d. Klosterschnle za Rosz-
ieben, zum ord. Lehrer ebendas. befordert.
Lamey, Dr., Hofgerichtsadvocat za Freibarg in Br., zum ord. Prof.
in der jur. Fac der das. Uidv. em.
Langkavel, B. A., Schnlamtscand., zum ord. Lehrer am Friedrich-
werderschen Gymn. za Berlin em.
Langsdorf, K. von, Lehramtsprakt am groszh. Lyceam za Wert-
hein, als Lehrer mit Staatsdienereigenschaft an ders. Anstalt an-
gestellt.
Lechner, Franz Xav., Stadienlebrer za Pasaaa, zam Gymnasial-
prof. ebenda bef.
970 FlMsaHinAriMn*
Mcrtefl«« Fr4r., Ijjjfjy ^^^E*- '''^*',— rj«w, ■■ Mw^W»
WrfaiigM. _ ---
Osieroiti»», IN*. Christa,
Mfli «rd* Lehrer aa 4h7Il
Gy». n KlbcrIcM ««mC
Pediiaek, !••., Sivrl. «■ IdL
aa dert. Aast. em.
Peter, CoMutOTHilr. Hr. K. L^ Mr. ^oiGjbb.
tor der Laadcscdud« Plevto «n.
RcBf eher« Dr« Ära., Tarfcar ■■ 4mr Ea
ord« Lthrtr «a das Gjan. as Pacadaai
Ribback, 0r. O., «nL Lckrer aa Cjaw,
die UaiT. aad KaataaacbaJe sa Bm bi
Rica, Jaa., Mpfl* «■ Ut GjnML aa JiSa, aaai
befordert.
Römer, Dr., PriTatdac la 4m' Jar. Pac 4ar UaiT.
ao. Prof. der Racbte abaada ara
Salaaioa, 0r. Jo«., Diraetar daa
•eobarct nai Scbolratbe ia 8M
9aoppa, Hafr. Prof. J>r. Harai«, Dir. deacrmb. Gyaab ■■«^UhMk^
xoai ord. Prof. ia dar philo«. Fac der Uaiv. xa GÜtlH^MaHU
Scbell, Dr. Wilh., PriTaft4ac. sa Marbar«, aas avL Ptaift4i«lP
philo«. Pac. der da«. UaiT. em.
J9cbaeidawind, Dr. Fr aas, Prof. dar Gesdrichta aa
AscbaiTenborf , in gleicher Eigeaschalt aa daa Ljcaa
berg Terfetxt^ -'»r.
8chrader, Dr. Wilh., Dir. daa Chrain. sa Soraa, aaai MHÜ'
ncholr. der Prorias Praaiaca ia- Kteigsberi^ em. ' ^dM
Schnitz, Lic th. Dr. F. W., PrlTatdoe. ia Berlin, saai «i^lM
der thool. Fac dar UaiT« sa Breslaa am. ^ü .«f«
filcha«ter, Dr. Ferd.. ao. Prof. inr. an der Uair«
ord. Prof, abeada«. bef.
filchwacb, Dr. Mor., Privatdoe. aa dar Uair. sa
Prof. daa r5m. Rechu aa dar Uair. so LaaU^if €
Simon, Dr. O. R. M., Scbalaaitacaad., ala Adj. aai Ja
Gyainaaiaai sa Bariin angast.
Spannfehlnar, Ja«., AasbCaat aai Gyam. sa Bchatidty wßtmMtK^ .
diaalahrsr ua Cyaui. sa Bäaibat«. . . . t^mtui
Steodanar I, Dr. Jiarai* Rieb. B.,.ard* Lahrar tat AwKmüü*.
aahoia sa JUadabaa,.aaai PvoC ha dara. Aaalalt baC- i 'ui'ia.l
Steudenar II, Dr. Ara. 8iaai.B., HHIaiahf^ aadar KlaiMMiidhala
so Roaslaban, sa« ord. Lalanar aa dan. Aaalalt baf^: . -Jrtf i>^ d.
Stobbe, Dr., Priratdoc. la KSalfibai]|f «hi m. PrsL;Jaidl«):Jw.
Fae. dar daa. UbIt. ara. ■ . r • ^ . •. «n / •
StrzalackI, Dr. Fol. Rlitar ▼., Lahrsr aai hk. Qtim. m limkm^
sam Prof. dar Phraik aa d. LaMberaar taehaiachatf Akadbaila «m.;
SToboda, Dr. Adalb., Bappl. aa kk. GyM. sa aiarbarf^ aaMwirkL
Lehrer an den. Aaatalt hat . «
Tauoehock, Wolfg^^ Paaf. aai Gysa. aa Fiasaa» aaa Raator md
Prof. am Gymn. so Btraabinf ara.
Tophoff, Dr., Obsriohrar aai Gyaia. flft Emw» aa» Dir.
statt ernannt.
Persona Inacbriclileo. S7t
Wehrenpfennig, Dr. Joh. Fr. W., SchalamUc. , als Adjunct am
Joachlmsthalschen Gymn. in Berlin angest.
Wehrmann, Dr., Rector def Stiftsgymnasinm zu Zeitz, zum Proviii-
zialschulrath für Pommern in Stettin ern.
Wen dt, Dr., Provinzialscholr. in Stettin, in gleicher Eigenschaft für
die Provinz Sachsen nach Magdeburg versetzt
Winkler, Dr., Gymnasiallehrer in Oppeln, als Oberlehrer an das
Gymn. zu Leobschütz versetzt.
Wolf, Max., Lehramtspraktikant am Gymn. zu Bruchsal, als ord.
Lehrer mit Staatsdienereigenichaft an ders. Anstalt angest.
Zinzow, Dr. Ad. J. Fr., ord. Lehrer am Fried rieh werderschen Gym-
nasium zu Berlin, zum Prorector am Gymn. zu Stargard ern.
Praedicierungen und Ehrenbezeugungen.
Bergk, Dr. Theod., Prof. der alten Litt, an der Univ. zu Freiburg
in Br., erhielt den Charakter als Hofrath.
C an pari, Lehrer am groszh. Lyceum zu Wertheim) i n r j*
Deimling, ,, „ „ „ „ Mannheim) *^
Diez, Dr. Friedr., Prof. in Bonn ) zu Rittern d. Maximiliansor-
Dirichiet, Lejeune, Prof. in Göttingenf densf.Wiss.n. Kunst ern.
Rebling, Gnst. , Gesanglehrer am Domgymnasinm und Dorochordl-
rigent, erhielt das Praedicat Musikdirector.
Ritschi, Dr. Fried., Prof. und Oberbibllothekar in Bonn, als Geh.
Regiernngsrath praediciert.
Rudhardt, Dr. ph. Ernst, in Breslau, als Prof. praediciert.
Seh äffe r. Ed. Wilh. Lor., ord. Lehrer am Gymn. zu Stendal, als
Oberlehrer praediciert.
Schmidt, Lehrer am groszh. Lyceum zu Mannheim, erhielt den Titel
Professor.
Schotensack, Heinr. Aug., ord. Lehrer am Gymn. zu Stendal, er-
hielt den Titel Oberlehrer.
Schwartz, Dr. Friedr. Wilh., ord. Lehrer am Friedrich-Werder-
schen Gymn. in Berlin, als Oberlehrer praediciert.
Seng 1er, Dr., Prof. an der Univ. zu Freiburg in Br., erhielt den
Charakter als Hofrath.
Theiss, Dr. Fr. K., Conr. am Gymn. zn Nordbaasen, als Professor
praediciert.
Wolff, Dr. Oust., ord. Lehreram Friedrich- Werderschen Gymn. in
Berlin, als Oberlehrer praediciert.
Pensioniert:
Fuldner, Dr., ord. Lehrer am Gymn. zn Marburg.
Zeuss, Dr. Casp., Prof. der Geschichte am Lyceum in Bamberg, in
zeitlichen Ruhestand versetzt.
Gestorben:
Am 5. März zu Labeck der 2e Oberlehrer am Catharineum Dr. Joh.
Joach. Christ. Zerrenn er, seit 36 Jahren an der Schule tha-
tig, seit 30 als ord. Lehrer.
Am 6. März zu J^inz Dr. Dionys Prigihnber, Capitnlar, Consisto-
rialrath und Prof. der Moraltheologie an der bischofl. Lehranstalt.
Am 9. März zu Prag Dr. J. Rachinger, ord. Prof. der Medicin an
der das. Hochschule.
Am 11. März zu Berlin Geh. Ober-Regierangsrath Ge. Wilh. v. Rau-
mer, geb. 1790, wie sein Br. Frdr. v. Raumer, auf dem Gebiete
der Geschichtsforschung nicht ohne Verdienst.
j|;2 fcflllMlMMfciillUM
A« t± Iffm *■ MisckcB 81«. Bmrgk^räm Pirat Mi
CTl^ s« Tteia Prot 6«ffr. CmaH«, 1T«M^y*-
4a d. April n MudM StMCnath MiiHiwilly frfc /^ ti<ia-
A» ll^Aprü a DineMorf CU. jMÜmtk l>r. H«faaaa,W-l. al^
UeteneCser def flhilrwpwira, dar PmIbm» «aiVC miMr IVtrisi.
Am 15. April M Rm Pirst l>r. PUitr« Od«s«al«kip Tümm te
arcbaeol«gisch«i AlradiU km tti Ukfli^*
Ab deaselbea Tap te OffeabMli a. IL l>r. J«h. 6aw MmlmmMrUw,
gross. Iiew« fiofrath «ad UiapHAffir aa der 1— kafcafcb
Im April so Loaacs der Piadiger Bd. HileaiaaafJMkiiBail
seine Schrift 'Skakeepeare, aeia Gtut aad aeSae WeriDa«.
Am 10. Mai ia Rom P. Giaaipetro Seccki, P^roi: (~
nad Litteratar im eollefio Eoamao.
Am 13. Mai ia Warabaif dmr IKr. dea Jaliatlma^tala aad Kim£
Modicin Dr. Hora.
Am 14. Mai in Brniaa der Prof. der altdaaa. litteratar
aamkeit Dr. K. K. Ckriatopk Sekaeider, «äk. fli
Tkiringen 1786, aeii 1818 Prof. ia Breelaa.
Am 24. Mai ia Pari« dar berikmta GeacUcktacki^kmr m
Angnstia Tkierry, fek. aii 2^J. M^i ]7.^,
Am 28. Mai ia Salsbara Dr. Ig a« Tbanner, Ebr^ndoinbcn- nad Bin
der philoeophifcken Stadion^ geb. dea 9. Febr. 1790 ift Mcustadt m
der RoU.
Am 29* Mai in Paderborn der Prof. und Praefcct aa der pbikfopblicli-
tkeologiecben Lehranstalt Dr. Job. Fallenb^rg, bekannt dsrck
mehrere, namentlich philoaophUeh« Lehrbücher.
Im Mai xa Paris der Akademiker Btoet^ berühmtem Mailti;iß«lÜer uad
Astronom.
Am 1. Joni zu Gotha der hers. Hofrath ua4 Prot ^ia da«. Gjameftbrn
Dr. E. F. Wfiatemanny im 5ba Leb«ii«jabre. W&s der Verstor-
bene den Wissenschaftea goMstetf ktnut jeder in der phibiogt-
schen Litterator aar eiaigermaszen bewandert«, aber der Hermit«*
geber dieser Zeitschrift hat dem ibiu steu '»o freundlich cntgcf «zu-
gekommenen ans kenlickatar Liebe em tiefbewegtem Kat^e ndcb-
zomfen.
Am 2. Joni za Heidelberg der GA. Rofr« Prof* der Med. Dr. F. A. B.
Pachelt, im 72. Lebensjahre.
An demselben Ta^e in Königsberg «Icr PruL Dr. A. v, ßnchhol».
Am 6. Juni der Bischof Ton Gloce«t«r und BHi^Uil Dr. JaiueM Helirj
Monky bekanntlich Persona NarbfMlgcr lu Cambridge und aui bö*
kanntesten darek adn IttO enchieiieui*« L@bpti Ut^tiüeya,
Am 8. Jaai nach laagaa Leiden der Dir. de« f^ymna^iimiÄ In Hihtburg*
haasen Dr. Rad. Stiraabarg. Eef. bat du Jahr aU Cc»llrire
desselbea gaarbeitat aad kaaa dpj«lj.itb die tiefen und vi.' ^ r i^
Kenntnisse and dla BraTbalt des ClmrakurA als Au^>^iri<-u^' i
Am 11. Jani la Mfiachea der ala |iuliii«cber 8ebrlfut4*lkr iu...iii.^u^i
bekannte Prdr. Rehmer.
An demselben Taae sa Berlla der Prof. ond MilgEiod der AkademiiL^
Dr. Prd. Hainr. r. d. Hagen, geb. d. 19. F«br. 178) ta SchiDt^^
deberg in der Uekermerk. ^
Am 15. Jiuii ia Kopeakagea dmr Prof. der Matkam«tik aa' dar ddä.
Unlr. Dr. Ramaa. ' ^^
Zweite Abtheilung
hemugegebei ?•■ Riiltlph Dietsck
29.
lieber die platonische Apologie des Sokrales.
Das Ziel des Gymnasialonterrichls ist die Leetüre der ror-
sQglichsten altklassischen litterarischen Werke, darch
welche und bei welchen die jangen Leute nicht blosz die aaszere,
sprachliche, grammatische und rhetorische BeschafTenheit samt dem
Inhalte nach seiner logischen, aesthetischen und moralischen Seite
von diesen Schriften kennen nnd würdigen , sondern aach den darin
harschenden Geist in sich aufnehmen und theils ähnliche Werke schaf-
fen, theils Schriften überhaupt darnach beurtheilen lernen sollen.
Hierzu ist *das betreffende Sprachstudium zwar die Thür , das unum-
gänglich nothwendige Mittel — aber nur ein Mittel Wir verkennen
dabei nicht etwa , dasz das Sprachstudium auch an und für sich eines
hohen Interesses werth ist, als solches auch den jungen Leuten hin-
gestellt und empfohlen werden mag; es hat ja zum Gegenstande die
Wirkung eines inneren menschlichen treibens nach auszen hin und
in Folge dessen gewisse äuszere Erscheinungen oder menschliche Her-
vorbringungen, bewuste oder unbewaste, die sich nach gewissen Ur-
gesetzen im menschlichen Wesen ergeben; aus denen daher auf den
innern durch die Sinne nicht wahrnehmbaren Organismus des mensch-
lichen Geistes geschlossen werden kann. Welche tiefe Blicke läszt es
also in das geistige leben und weben des Menschen thun, abgesehen
von dem Nutzen fürs praktische Leben. Allein für gewöhnlich und
namentlich auch im Gymnasialunterrichte ist die Sprachkunde eigent-
lich nur ein Mittel zu etwas anderem, eine niedere Staffel zu etwas
höherem, und darum vornehmlich den untern Klassen zum erler-
nen zuzuweisen oder bereits zugewiesen, ohne dasz sie deshalb in den
obern aufhören soll; hier soll sie vielmehr zum Schlusz gedeihen, und
so die Möglichkeit gewähren zum Verständnis jener Schriften. Ich
erkläre mich demnach entschieden gegen die Ansicht, welche das er-
lernen der Sprachen als die Tendenz des Gymuasialunterrichts hin-
iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed, Bd LXXIV. Hft. S. 27
374 Ueber Plato'*s Apologie des Sokrates.
stellt, — diese ist und kann nur sein eine untergeordnete, eine Hfllfs-
teodenz so zu sagen — und ich habe hierin die Beistimmung des Rec-
tors Schmid in Ulm, der für unsere Gymnasien ebenfalls nicht *von
bloszen betreiben der Sprachstudien das Heil erwartet' (s. dessen
Progr. V. Jahre 1854 S. 17).
Allein jenes Verständnis der altclassischen Schriften soll- auch
nicht ein bloszes oberflächliches sprachliches Verständnis, ein bloszes
gewöhnliches mit Fertigkeit geschehendes übersetzen und erklaren
der Wörter und Realien sein und bleiben, sondern einmal ein mög-
lichst vollständiges reproducieren des betreffenden Werkes , d. h. ein
genaues eindringen und erfassen des Themas, der Architektonik oder
Anlage, der Ausfuhrung, des Zweckes, der Veranlassung desselben,
und sodann — weil auch dieses nur einem passiven, quietistischen
genieszen ähnlich sein würde, der junge Mensch aber die Kräfte sei-
nes Geistes nach Möglichkeit in kräftigende Bewegung setzen soll —
eine wahre palaestra mentis werden, d. h. der Gymnasiast in den
höchsten Klassen soll Anleitung bekommen sein Urtheil zu schärfen,
das moralische Gefühl zu läutern, den Geschmack zu verfeinern, die
Phantasie zu nähren, überhaupt den Geist so zu befruchten, dasz er
nicht blosz in den Stand gesetzt wird jedes litterarische Erzeugnis
mit Vortheil zu lesen und allseitig zu erfassen und zu würdigen, son-
dern auch überhaupt eine allgemeine Bildung nach möglichst vielen
Seiten hin erhält.
Was insonderheit die Geschmacksbildung anlangt, so hat man
merkwürdiger Weise in neuster Zeit zwar mehrfach vor einer sol-
chen Methode gewarnt, als welche nur Anlasz gäbe zn schöngeistigen
Salbadereien und in den jungen Leuten Dünkel hervorriefe. Als ob
der verständige Lehrer nicht auch hier vorsichtig sein and das rechte
Masz einhalten könne! Und als ob er nicht gerade diese Gelegenheit,
gewöhnlich die einzige sich bietende, benutzen solle, den aesthelischen
Sinn der Schüler zu bilden! Warum hat in unserem Vaterlande im
I7n und 18n Jahrhundert die grosze Geschmacklosigkeit in der Litte-
ratur geherscht trotz der häufigen oder alleinigen Leetüre der alten
Glassiker? Weil man sie nur um ihres sprachlichen äuszern, um der
Wörter und Redensarten willen las, das aeslhetische ganz unberück-
sichtigt blieb. Erst seitdem ein Gesner, ein Lessing, ein Herder lernte
und lehrte auch an jene mustervollen Schriften die Scala des schö-
nen legen , erst seitdem ist unter den Deutschen die rechte Bahn ge-
fanden worden und ein neues klassisches Zeitalter in unserer Littera-
tur wieder eingekehrt. Wahrlich doch eine recht sprechende Lehre
der Geschichte ! Wollen wir sie unbenutzt lassen?
Nein! wir wollen vielmehr dieselbe festhalten zu Nutz und From-
men des neuen, emporsprossenden Geschlechtes, wir wollen die alten
Klassiker nach Möglichkeit nach allen Seiten hin auszubeaten suchen
schon auf den Gymnasien : sie tragen ja die edelsten Keime in sich
zur Befruchtung des jugendlichen Geistes fast in jeglicher Hinsicht
Mit mir stimmt in solcher Beziehung überein der Direotor Sohmidl.ili
lieber Plato^s Apologie des Sokrates. 375
Wittenberg '^) ; Mch gehen bekanntlich die Aasgaben der alten Klas-
siker, in der Haapt-Sanppe^schen Sammlang, auf den Zweck aus, indem
sie in den Einleitungen za den einzelnen Schriften alle die Punkte be-
sprechen, welche zar vollständigen Einsicht und Beurtheiking dersel-
ben nothwendig sind. Um so kürzer kann sich der Lehrer fassen.^
Aber vorbereitet können und mögen die Schüler auf eine solche Be-
handlung der altklassischen Schriften werden durch die in den nie-
dern Klassen vorauf- nnd in den obern Klassen nebenhergehende Lec-
türe moderner, namentlich vaterländischer Werke; sie müssen nur auf
dieselbe Weise gehandhabt werden, nnd dazu gibt eine ziemliche An-
zahl von Lehrbüchern, z. B. von Götzinger, Viehoff u. a., die treff-
lichste Anleitung.
Eine Schrift aus dem AKerthume, die es vor allen andern ver-
dient von der Jugend in der höchsten Klasse der Gymnasien gelesen,
die aber aus mehr als einem Grunde es erheischt so behandelt zu wer-
den, damit sie durch und durch verstanden und richtig erfaszt sei und
dem jugendlichen Geiste die rechte, allseitige Ausbeute gewähre, ist
die platonische Apologie des Sokrates. Mit ihr wollen wir uns jetzt
des weitern beschäftigen; denn trotz dem dasz sie so oft herausgege-
ben, so vielfach übersetzt und mit Einleitungen und Erläuterungen
ausgestattet worden ist, sind doch manche Punkte näher zu beleuchten
und schärfer zu bestimmen. Und sie gerade gibt zu manchen Be-
trachtungen und Erörterungen Anlasz, zu denen man sonst nicht oft
herausgefordert wird.
Die Schrift gehört der oratorischen Litteratur, indem sie die Form
einer Rede hat, und zwar die einer apologetisch-gerichtlichen {Xoyov
Sie ist ihrem Inhalte nach das klare Spiegelbild eines edlen
Greises, eines weisen, der ohne alle Rücksichten auf irdische Güter in
dem Streben nach Weisheit und nach Verbreitung derselben unter
seinen Mitmenschen und in dem, wenn auch vermeintlichen, Dienste
eines Gottes ergraut, angeklagt ist von einigen hochmütigen, dün-
kelhaften Männern wegen Vergehungen, deren er sich gar nicht schul-
dig gemacht, auf eine Weise, dasz er sich in ihren Reden und Darstel-
lungen seiner Person gar nicht wieder erkennt (c. 1 p. 17 A) und nun
im Bewustsein dieser Schuldlosigkeit und im edelsten Selbstgefühle
gegenüber seinen Richtern, die in Athen — zur damaligen Zeit we-
nigstens — kaum den Namen von Richtern verdienten (vgl. Xenoph.
Apoi. % 4. Memor. IV 8 ö) , sich mit gröster Seelenruhe vertheidigt,
so vertheidigt, dasz er nur die reine Wahrheit spricht (c. 1 p. 17 B.
*) Vgl. dessen Bemerkungen in d. Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen.
IX. Jahrg. Junibeft 8. 433. Es wäre nur zu wünschen gewesen , der-
selbe hätte bei jener Gelegenheit nicht blosz eine genaue Skizze des
Inhaltes und des Ideenganges des platonischen Dialogs Kriton gegeben,
sondern nun eben auch sein Urtheil darüber in sprachlicher, logischer,
aesthetischer , moralischer Hinsicht, damit andere seinem Beispiele
nachgehen lernten.
27 ♦
j*g l'thtT Pia!*/« AfKrWwK iks Sokraici.
i.'a«w ^ «V^ ^'^'^ rc<:C'c rrJresr t^j cit/^a«v: ^fWc. 5 p. 9D D. cl
10 p. 24 '^' c- -i fr' -^^ ß » ^^- (- ^ P- ^ A.). H^ » keiMS CBlek-
reihien Mj^zrezda oie hicät«r la rubres kcrablii^it (c. S p. 5# C
«qql. i> *y*-i^tn UD:e?. >:cb über sie Moral^seb erkabea fiklead, nck
Dicht «Leai Belehrcs^rS zo reben, sie » ikre nickt tm mwmtn
(c. 1 p. 1? A. c. tr f.'ykE.^ B. c. 34 p ^3 C). aar die Gefahr kii,
>e:b«t mit dem Tode bt«traft z« werden, des er iadeMCB gar aiclrt
f jri.h(rt. ]:erio2cr acbte: al« ein oii«itltiche5. eitebreades haadela md
«o?ar «e:ritrr«cit9 für ein ijlick hält, da er bereits eia aller Vaa« «ei
üL«: li-Lrtii «icD Tvi nuiit bl<.*«z «on den Mübseli^keiten dieses Lebeas
ttfrrit. s'jD>iern auch ciclit oD^^ahrscheiDiub za hOherea Freadca ga-
IdHiT-n wrr.ie ■ c. J6 ^q. p. 2? B sqq. c. i» sq. p 32 A s^q. c. S p.
)M k. c. 29 >qqj. der. als er sieb selbst scioe eigene Strafe diciiercB
^i^lL äiese bücbsteos auf trine gerinc^e Geld<amine festselit, eigcaüidl
aber eher eiue Auszei^hnunf. eine BelohnuDs beanspracbl (c. 20 sqq.),
und der sm überhaupt eine seltene Geistesstirke ond Seeleagrdsu
kund ^ibt (Asl. Xenoph. apolo?. $ 33. Memor. IV $ 1 sqq.). Die
Ailfs, verbunden mit dem Gedanken an das tragische Ende des ]
macht den Inhalt der Kede im hoben Grade anziehend, erfälll die Le-
ser eines Theiles mit irrOster llocbachtunär pesen den weisea aad Mit
Wehmut über sein unverdientes Schicksal, andern Theile aül Verack-
tunsr und UnHÜleu gegen die elenden Richter und musi dergestalt aaf
ei» unverdorbenes jugendliches Gemüt einen äusserst tiefea aad wol-
thatigen. unversiegburcn munilischen Kindruck machen. Sekr waiv
und treiTend sagt daher k. Fr. Hermann im Summarium der Teabaer'*-
sehen Ausg.: ^ Divina profccto haec oratio est, qna Plalo Soerateai
se corani iiidicibus defendcntem fecit; spirat enim per ean adaürabi-
lis quacdam animi magnitudo, e recti honestique conscienlia profecia;
regnat in ea generosa et magnifica superbia , quae humana onaia coa-
temnit ac despicit; dominatur hie prorsus pius qnidam alqoa religio-
SMS sensus, quo is, qui vcrba facit, adeo pcrfasas est, at aoo taataai
exislimet sed plane credat ac propcmodum sential, sibi ab ipso deo
id nuineris dalum fuisse. nt virlutis ac sapientiae causam inier cives
suüs sustentarel alque promoverct. Hanc igilur orationem iteraai ite>
runiquo legant, qui imaginem viri vere sapienlis mentis quasi oealis
intueri et admirari velint.'
Und dieser Eindruck wird nicht geschmälert, im Gegentkeil er-
höhet durch die Architektonik des inncrn und durch die iassere
sprachliche Form der Schrifl. Beide sind im ganzen höchst eiafaeh
und kunstlos, und geben in solcher Beziehung ein sprecbeades Zeagnis
ab für den Charakter eines die Schlichtheit im Ausdrucke und im Le-
ben liebenden Mannes. Derselbe will hier einfach die einfache Wahr-
heit darstellen: dieses Ziel wird auch gleich im Anfange der Rode an-
gekündigt (c. 1 p. 17 B sqq.). Die Anordnung des StoflTes ist nicht
ohne Logik — der Einf^ang sich leicht anschmiegend an die Re-
den der Anklager, die llauptpartition in der eigentlichen Rede saoh-
gemiisz — der Gedankengang jedoch auch nicht so streng logiseb^
lieber Plato^s Apologie des Sokrates. 377
dasi man in dieser Hinsicht aberall vollendete Kunst erblickte, die
man auch nicht erwarten soll und darf. So fehlt es z. B. nicht an
Wiederholungen (c. 10 p. 33 C; c. 4 p. 19 E, c. 18 p. 31 C, c. 21 p.
33 AB) ; die zwei Puncto der eigentlichen Anklage (vgl. Phavorin. 6.
Diog. LaSrt. II 5 § 19 40. Xenoph. Memor. I 1 1. Apolog. § 10) sind
umgekehrt (c. 21 sqq. p. 24 B sqq.), also nicht diplomatisch treu ge-
geben und abgehandelt. Ebenso wird man nicht selten einer gewissen
redseligen Breite begegnen, die aber gerade ^em Greise, dem die
Rede in den Mund gelegt ist, wol ansteht; oder einer niederen Be-
weisführung, einer Beweisführung ad hominem, die einem selbst ein
Lächeln abnöthigt (vgl. c. 4 p. 20 A sqq. c. 15 p. 27 B E. c. 18 p. 20E *).
Was das sprachliche im eigentlichen Sinne anlangt, so ist der
Stil, der in der Schrift herscht, meistens gleichermaszcn angemessen
dem biederen, einfachen, schlichten Charakter und dem Greisenalter
des Sokrates, also ebenfalls einfach, schlicht, ungekünstelt im allge-
meinen, wie er denn auch gleich im Anfange (c. 1 p. 17 B ov — xaA-
Xie7ti]fAivovg ya koyovg — ^fiaaC xb nctl ovoiiaatv aide KeKoaiirjiiivovg
aXk^ afwvasa^e slTijj Xeyofuva xolg htvtv%ov6iv ovofiaac) sich so an-
kündigt. Nur einige male ist der Verfasser von dieser Bahn abgeirrt,
indem er zu lange und zu verwickelte Perioden , seihst mit Hintan-
setzung der grammatischen Correclheit construiert hat (c. 1 p. 17 D sq.
c. 4 p. 19 D sq. c. 16 p. 28 C sq. c. 17 p. 28 E. p. 29 C sqq. c. 23 p.
35 A). Auch finden sich Wörter kurz hintereinander zu oft wieder-
holt (c. 1 p. 17 B Xiystv — Xiyovxa — Xiyovaiv; c. 5 p. 20 D sq. ;
c. 6 p. 21 D. c. 16 p. 28 A sq.; c. 17 p. 29 A sq. c. 18 p. 30 C sq. c.
16 p. 2S A. c. 32 p. 40 D sq.) und ^ine Art Uebergange viermal in der
Hede (c. 5 p. 20 C. c. 16 p. 28 B. c. 19 p. 31 C. c. 23 p. 34 C).
Trotz der oben erwähnten Einfachheit des Stiles fehlt es doch
auch nicht an mancherlei Schmuck im Ausdrucke, an sogenannten
rhetorischen Figuren, als an Gegensätzen und Wortspielen (c. 1 p. 17 B
TO firj alö%vvd'ijvat tovto ^oi edo'^ev avtav avaiöxvvto-
taxov elvai; ebendas. ÖBtvov — Xiyeiv zov xaXri^rj Xiyovxa vgl.
c. 18 p. 31 B. c. 1 p. 17 D. ^ivmg und l^ivog; D. avmei^ov — ns-
TtsKSfiivot äXXovg ftsl^ovxsg; c. 9 p. 23 A sq. aotpog und ao(pla in
mehrfacher Bedeutung; BC. ccöxoXlag — axoXri\ c. 11 sqq. p. 24
C sq. p. 25 C. (liXsiv und MiXrixog; c. 13 p. 25 C. ot fihu novi]-
Qo\ KUKOv xt o£ d* ccya^ol ayu%6v xi. D. ot ^hv xa%ol
Kaxov xt — ot d* aya^ol aya^ov^ c. 17 p. 30 B xal iöla xal
dri(ioalcc n. a. mehrere Wörter; c. 19 p. 32 A. iötoDXSvetv —
aXXa [iri druioötevBiv; c. 22 p. 34 B. MeXrjto) fieu i\jBv8oiihGi^
ifiol dh aXrfiavavxt, c. 23 p. 33 B. ot öiatpiqovxBg ^A^ipfaicau
♦) Das Wort fivco^ in dieser Stelle ist weder bestimmt mit den
meisten Aaslegern für Sporen zu nehmen, noch mit Stallbaura, König-
hülF (Programm v. Münster 1850 p. XXff) u. a. für ^Bremse', sondern
zweideutig: es kann für beides genommen werden, und darin be-
steht eben das witzige, das lächerliche daselbst.
j^-j^ Deber Plato's Apologie des Sokrates.
lie ope^^ ovTOi yvvaixav ovdiv 6iafpi^ovö$i c. 24 p. S6 C.
i»lt^iv — i^iteo&aii c. 1 p. lä A. id^y — ßuHmP'^ c 1-p. 19
A. iv ^olla igova — iv ovra^g oliya z^ovo, vgl- c 10 p. 1# A.
tavtfiv Tf/v 6iaßolijv i^fliödai iv ovT&g ouytß Jfiovm 4mm sol-
l^v yeyowuiv, c. 27 p. 37 B. iv igova oliy& iitymlag dtafialms
ä:zo).v£G9ui,i c. 29 p. 39 A. laleriov — ^avatov impvyuv illi
^olv xakt:ior£gov :tovrfgiav und gleich daraef: ß^a6vg —
ßoadvriQOv und oitig-^ t. 27 p. 37 D. arrcÄcrvi*« — i^tkm^i;
c. 2^ p. 3!) A. 6 ävi^iraaiag ßiog ov ßiaioc ar^poxfi»; e. 19 p. 38 C.
:t6f)o(a Tor ßiov. ^uvarov de iyyvg-^ c. 31 p. 40 A. vitag — SiMoauig
xakav GQ&ag av xaÄoiTjv; c. 33 p. 41 C. ivd^l aya^ nuMOP
ovdlv ovTt ifovTi ovxB xelevTiiöavTi: p. 42 A. iiM ftiv anm^a*
vovaivfp^ vfLiv 61 ßuMSouivotg). Eine dreifache AlliteralioB €.29
p. 39 A. (.Toi'};p/a; Oarrov 9avaiov 9ei\ Häafangen von SyMMyBM:
c. 1 p. 17 B. ov — nBKalkurtrifiivovg vc Äoyovg — ^iqiiaai t9 Muowo-
fiaöiv ovdi y,iy.oaurfUirovg: C. xovzo vuwv öiouai xoi xaffkiuu. p. 18
A. xovTO GY-ndv y.ul xovxta xov i'ovv ^iQOciisn'. c. 4 p. 20 C. iM/Blifh
vour^v x£ ymI vßovv6ai\v av\ c. 5 p. 20 D. x6 xi ovOfM xw n|v du-
ßoli^v; c. 9 p. 26 A. xakeTcdiuTai xal ßagiiuiat: B. ^i^ci xccl i^ernm;
c. 10 p. 24 A. a:tOKQvi;,'du£vog — vrtoGxauMuavog; c. 11 p. 34C. d»NH
duluv xal xifdsaJai: c. 14 p. 26 E. ißgiaxi^g xal axoltMTOg^ — ^^§9^
xivl xal uxülaaUt y.al isoxrixi; c. 17 p. 29 D. uarta^otiai xai ^li«; B.
ovx irTiusur ovdi ^ooitx'JcIJ — a(pi]a(o error ovo arccffu^ — ^9V^
(lat avzbv xal i^txdöG) xal ikiy^(o\ c. l!> p. 30 E. vudg iydffnv meI
mlOcüv xal uv£i6i^(ov und schon vorher; c. 23 p. 34 C. edci^Oi} xi meI
ty.ixivae; E. «r orr aiij^f^^ m ovv riftiöog; c. 27 p. 37 D. ro^ i^M£
diaroißag y,al xovg koyovg ; c. 29 p. 39 B. deitvl xal o^eig n. fftOX^hy-
glav y.al ddixiav u. a. ; Anwendung des Polysyndctoo (c. 4 p. 19 E.
c. J.J p. 20 E, c. 17 p. 29 E, c. 20 p. 32 B, c. 22 p. 33 C. E sq., o. S3
p. 24 E, c. 2^) p. 36 ß, c. 29 p. 38 D, c. 32 p. 41 A u. B n. C), der
Frage und des Selbsleinwurfs (c. 5 p. 20 C, c. 6 p. 21 B, c. 16 p. 98
B, c. 17 p. 2i» B u. C, c. 22 p. 33 i\ p. 34 B, c. 23 p. 34 D, o. 36 p.36
B, D, c. 27 p. 37 B u. C, c. 28 p. 37 E, c. 32 p. 40 E, p. 41 B sq.) ■. a.
Zu bemerken ist noch, dasz einzelne Puncto theils zu kari aa-
gedeutet und nicht ausgeführt, theils ganz übergangen sind, wie wir
aus den Meniorabiiien und der Apologie des Xenophon abnehsei.
Dahin gehurt: 1) dasz Sokrates in seiner wirklich gehaltene« Ver-
tlieidigungsredo zum Beweise, dasz er wol an Götter glaube , darauf
hiii^^ewies^en habe, wie er geopfert (Xenoph. apolog. § ll), fener
darauf, wie er stets etwas auf die Mantik gegeben (Xenoph. ebendas.
<^ 12 19, vgl. Memor. I 1 3 sqq.); 2) dasz er sich naher aaf den Vor-
wurf, er verderbe die Jugend in der Art, dasz er die Söhne gegen ihre
Vüler und Verwandten aufwiegle, die bestehenden staatlichen Einrich-
tungen den jungen Leuten lächerlich mache, und diese daher lu schäd-
liclien oder gefährlichen Bärgern verbilde, wie das Beispiel eines Kri-
tons und AIcibiades zeige (Xenoph. apolog. § 19 sqq. Blemor. 13 9
£»(](]. ). cin;;,a'lasseu , 3) dasz er sich auf seineu moralisch reinen Cba-
lieber Plato^s Apologie des Sokrttes. 379
rakter und Lebenswandel berufen (Xenoph. apolog. § 16 sqq. , vgl.
Memor. I 3 sqq.). 4) dasx er sich des Lykurgs als Beispiels bedient
habe, wie der delphische Gott auch früher schon Menschen geehrt
(Xenoph. apolog. § 15), ö) dasz Plato nicht erwähnt, inwiefern S. die
liedner beleidigt habe, in deren Namen Lyko wider ihn aufgetreten
war (c. 10 p. 24 A), während er doch die Sache mit den Dichtern,
den Handwerkern und den Staatsminnern ausfährlich durchgeht. End-
lich ist auffallend, wenn es hier in der vorliegenden Schrift heisit
(c. 28 p. 38 B), Sokrates habe den gerichtlichen Handel selbst abge-
schätzt auf die Geldsumme von einer Mine oder höchstens von 30 Mi-
nen Silbers unter Bürgschaft mehrerer seiner Schüler, während doch
Eubulides (bei Diog. Laärt. a. a. 0. § 21 41) 100 Drachmen, Diogenes
von Laärtes (a. a. 0., nach welcher Quelle, ist ungewis) nur 25 Drach-
men angibt and Xenophon (apolog. § 23 nach Hermogenes Aussage)
gar sagt, Sokrates habe weder selbst seinen Process abgeschätzt noch
denselben durch seine befreundeten abschätzen lassen.
So viel über die Rede, an und für sich betrachtet; wir gehen
jetzt über zu den Verhältnissen, in welchen sie zu dem Schriftsteller,
und sodann zu dem, der da redend eingeführt ist, zu Sokrates selbst
steht.
Die Abfassung derselben wird im Alterthume allgemein, ohne
Widerrede, dem Plato zugeschrieben, und wir haben keine Gründe,
sie ihm abzusprechen. Die, welche Ast in neuerer Zeit aufgestellt,
sind längst als stumpf und ungenügend erkannt worden und können
für immer als beseitigt betrachtet werden. Dt ist denn aber nun zu-
vörderst die Frage die: was hat den Plato veranlaszt die Schrift ab-
zufassen? Die Antwort ist nicht so leicht, da der Verfasser, wie fast
alle Schriftsteller des Alterthums gethan, sich nirgends über diesen
Pnnct ausgesprochen hat. Zum Glück haben wir in einigen andern
Schriften einige Andeutungen. Zuerst begegnet uns ein sonst ziemlich
obscurer und auszerdem seiner Glaubwürdigkeit halber eben nicht im
besten Rufe stehender Historiker, Namens Justus, gebürtig aus Tibe-
rias in Galilaea , welcher nach Diog. Laert. (vit. Socr. II 6 20) er-
zählte'^): ^als der Process des Sokrates in Athen verhandelt wurde,
bestieg Plato die Rednerbfihne und begann also : ^^ Obschon ich der
jüngste bin unter denen, die auf die Rednerbühne heraufgestiegen ^'.
Da riefen die Richter: ^^herabgestiegen''! — Und so hat Plato denn
natürlicher Weise nicht weiter sprechen dürfen. Man hat den Bericht
in neuerer Zeit angefochten ; indessen er findet jetzt seine volle Be-
stätigung in den vor kurzem bekannt gemachten Schollen des 01ympio<
dor zum Gorgias des Plato**), wo dieselbe Geschichte erzählt wird,
und zwar mit einigen Verindernngen, aus denen hervorleuchtet, dasz
*) Vgl. Creuzer in den theolog. Studien und Kritiken. Jahrg. 1853
I.Hft. S.56ff.
**) In diesen Jahrbb. Supplementb. XIV. 3. Hft. 8. 392 f.
380 lieber Plato's Apologie des Sokratei.
der Verfasser eine andere Quelle als Justus vor Augen gehabt haben
müsse. Hier heiszt es : ^ dasz Plato noch jang war [damals , als sein
Lehrer Sokrates zum Tode verurtheilt ward], geht hervor aus dem,
dasz er deu Sokrates vertheidigen wollte. Er stieg also auf die Red-
nerbüline und hub an, er wäre der jüngste zu reden. Da ward ihm
abtr nicht gestattet, etwas des weiteren zu sagen, sondern kaum hatte
er jene Worte gesprochen, so schrieen sofort alle insgesamt: ** her-
unter! herunter!" — Dasz Plato bei der Verhandlung des Frocesses
wirklich zugegen gewesen ist, erhellt auch ausdrücklich aus swei
Stellen der platonischen Apologie selbst (c. 22 p. 34 A u. c. 28 p.
38 B), wo er als anwesend aufgeführt wird. Um aber öffentlich als
Redner auftreten zu können, dazu gehörte das volle dreisxigste Le-
bensjahr.
Es blieb mithin dem jungen Manne, den ein inneres Gefühl ge-
trieben hatte, für den geliebten älteren Freund aufzutreten und sa
sprechen, die Rede gleichsam im Munde stecken; unbefriedigl wird
er die Gerichtsversammlung verlassen haben , und zugleich im höeh-
sten Grade empört über die Richter , die den schuldlosen verdammt
hatten, verdummt hauptsächlich deshalb (vgl. Diog. La£rt. a. a. 0.
§ 4*2. Xenoph. apolog. § 1 u. 32) , weil er im Selbstbewustsein seiner
Unschuld und seiner sittlichen Ueberlcgenheit ungescheut ihnen die
Wahrheit gesagt und, statt sich vor ihnen zu demüthigen, ehrenhaft
von sich selber gesprochen hatte {ueyuXvveiv iavxov^ (Acyalifyoffla),
Sehr wahrscheinlich werden die Richter diesen letzten Punct beson-
ders auch nachmals geltend zu machen gesucht haben im Publiouai,
um sich und ihr Verdammungsurtheil zu rechtfertigen.
Voll von diesen Gedanken und Gefühlen w ird Plato sich gedrun-
gen gefühlt hüben, seinen Lehrer anderweitig zu vertheidigen auf eine
Weise, die ihm nicht konnte gehindert werden, vor dem ganxen
Publicum, auf litterarische ni Wege, die ihm schuldgegebene Me-
guleij^orie ins wahre Licht zu setzen und zu zeigen, wie dieselbe kei-
neswegs übertrieben und an^löszig, sondern ganz wol begründet ge-
wesen sei. Retten freilich konnte er denselben nicht mehr: wol aber
vermochte er dem gröszern Publicum eine bessere Ueberzeuguag bei-
7jibringen, dasz er unschuldig den Tod erleide oder kürzlich erlitten
hübe (s. im folgenden). Man darf annehmen , dasz den Plato bei sei-
nem noch jugendlich frischen und unverdorbenen Sinne für Recht und
Gerechtigkeit das unvcrnünfligo, wenn schon auszerlich- oder bnch-
stublich- gesetzliche oder das dem alten herkommen im attischen Ge-
richtswesen gemäsze der Verurtheilung *) des schuldlosen wird be-
*) Daher eben ui früherer wie in neuster Zeit mehrere Bnchatahen-
iii(;ii>clien oder geistig abgesteifte Rcchteigelehrte diese Verurtheilung
^anz in der Ordnung befunden, verthcidigt haben. Aber 'hanc [oratio-
iioin] ii studiuse Icgant, ciui nuper Socratcm tani(]nam civem impro-
f>iiiii et a patriae rnritate umnino alienum nierito capitis suppliciu aAec-
uiiii esäc vociferuti sunt, uc tandoin reaipiscant. Ita enim intelligent, hoc
i|>.>um l'uisi^e saepenumero scelu» gentium atque piaculum, quod meliora.
Ueber Plato^s Apologie des Sokrates. 881
fremdet und aufs tiefste ergriffen haben, gerade wie den Xeoophon,'
der ja aus gleichem Grunde seine Memorabilien geschrieben (Memor.
111 TtokluKig i^avfiaca %xX, 2 1 ^avftaiTrov di fpulvtvuL fioi,
xtA.). Also ein schwer verletztes gesundes und lauteres Rechtsge-
fühl, verbunden mit dem innigsten Gefühle der Hochachtung und Dank-
barkeit gegen seinen Lelirer wird ihn getrieben haben das vorliegende
Wort anzufertigen. Wahrlich ein edler Zweck, auf den unsere Jugend
bei der Leetüre desselben hinzuweisen wol der Mühe verlohnen dürfte!
Sicherlich hat Plato die Rede unverzüglich oder gar wenige Zeit
nach des Sokrates Verurtheilung niedergeschrieben, da, wo noch die
Eindrücke des Vorgangs recht frisch bei ihm waren. Daher eben die
Frische, die aus der ganzen Schrift entgegen weht! Diese Annahme
ist auch darum wahrscheinlich, weil Plato kurz nachher Athen verlas-
sen und lange Jahre in der Fremde zugebracht hat (Laärt. Diog. III 7
§ 8 6). Wie hätte er alles sich so gut merken und so lebendig dar-
stellen können, wenn er nachmals erst die Schrift verfaszt? Und
welche Veranlassung dazu könnte man dann annehmen? Ferner wel-
chen matten Erfolg, welche Gleichgiltigkeit hatte der Autor da zu er-
warten gehabt, nachdem das eigentliche Factum schon so lange vorbei
war ! So aber können wir wol des Glaubens sein , dasz die Schrift
auf die Athenienser keinen geringen Eindruck wird gemacht haben,
und vielleicht, oder gar sehr wahrscheinlich, hat sie dazu beigetra-
gen, in der Stadt ein umschlagen der öffentlichen Meinung in der Art
herbeizuführen, dasz sehr bald, was in der That geschehen sein soll,
seine Anklager bestraft, er selbst durch eine eherne Bildsäule von
Lysippus Hand geehrt wurde (Diogen. a. a. 0. § 23 43).
Ist diese Voraussetzung gegründet, so hat Plato die Rede als
ein junger Mann von 29 — 30 Jahren geschrieben, woraus sich wieder
theils noch mehr jene wahrhaft jugendliche Frische, die das ganze
durchweht, theils aber auch die oben bemerkten Mängel erklären las-
sen : sie zeugen von noch nicht völliger rhetorischer Durchbildung.
Nun knüpft sich indes wol bei jedem an das obige die Frage :
warum hat der Schriftsteller nicht seine eigene Rede gegeben , die er
doch hat halten wollen? Warum legt er das ganze dem Sokrates in
den Mund? Offenbar um dem Werke mehr Kraft, mehr Gewicht zu
verleihen. Als ein zu junger Mann war er im Gerichte mit seiner Ver-
theidigung nicht angekommen; das gröszere Publicum hatte vielleicht
die Sache von demselben Gesichtspuncte angesehen. Darum also diese
Einkleidung !
Allein das nöthigt uns einen ganz andern Standpnnct bei Beur-
theilung der Schrift einzunehmen, als wenn Plato sie aus sich gespro-
chen hätte: wir fühlen uns dadurch berechtigt, einen durchaus ver-
quac ipsis offerrentnr, utpote cum morum et institutorain snoruni rationi-
bus pugnantia, non tantum temcre repudiarunt, sed indignis modis ob-
fascarnnt pessimeoue habuerunt.' So K. Fr. Hermann a. a. O. Dem Leh-
rer unserer Jugend sei hier eine Nutzanwendung- empfohlen.
382 lieber Plato^s Apologie des Sokrttei.
schiedenen NaszsUb aniulegen. Die Frage ist nenlioh nno die: bei
Plato den Sokratcs, den er redend eingeführt, in Besag anf dan Gehalt
wie auf die äuszere Form so sprechen lassen, dasz wir glaabeo kön-
nen oder glauben dürfen , der weise habe in der Thal so gesprochen
oder der Idee nach so sprechen müssen? Hit andern Worte: hnt der
Schriftsleller genau die gerichtliche Rede seines Meisters copiert^ oder
hat er nur einzelnes benutzt, oder hat er vollstflndig seine eigene ge-
geben? Denn im ersten Falle würde die Ehre der ÄHCorsciuifl dem
Sokrates allein, im zweiten dem Sokrates und dem Pinto, im drittes
dem Plalo allein gebühren. Und gesetzt , der zweite oder dritte Fall
finde statt , dann fragte es sich wieder : hat der Autor die Denk- ud
Ausdrucksweise, den Charakter des Sokrates so eingebalten and eo-
piert, dasz wir denselben in der Rede gleichsam leibhaftig erkennen?
Der erste unter den aufgezöhlten Fallen ist nicht wol nftglieh,
selbst wenn wir annehmen, dasz der Verfasser ein höchsl Irenes Ge-
dächtnis und während des haltens der Hede vor Geriebt die gespann-
teste Acht gehabt hätte; wir wissen ferner bestimmt, dasi Sokrates
behufs seiner Verlheidigung nichts vorher aufgeschrieben, niehft ein-
mal sich vorbereitet hat (Plat. apolog. o. 1 p. 17 C elxy leyoiupa);
denn das daemonium habe ihn davon abgerathen (Hermog. b. Xenoph.
apolog. § 4). Plato hat also nichts derart benutzen können. Aveh der
letzte Fall ist nicht wol denkbar: denn selbst wenn der Autor nnr im
allgemeinen die Absicht verfolgt hätte von seiner Person am den So-
krates zu vertheidigen , so hätte er doch nicht ganz unterlassea kön-
nen zu berücksichtigen , wie und wodurch derselbe sich vor Geriehl
zu rechtfertigen gesucht; ja, es würde der Wirkung der Schrifl nnf
dus Publicum Abbruch gethan haben, wenn Plato den weisea bloss
platonische Gedanken in platonischer Sprechweise hätte darlegte las-
sen. Was würden namentlich die Richter, durch welche Sokrates Ter-
urthoilt worden war, gesagt haben, wenn sie die Rede als eine eokm-
tischo gelesen und nichts darin gefunden hätten , was sie vorher hei
der gerichtlichen Verhandlung gehört? Es bleibt uns denwaeh nur
übrig den zweiten Fall anzunehmen, dasz Plato zum wenigsten, man-
ehcs benutzt, was sein Lehrer vor Gericht gesprochen.
Und diese Annahme .wird unterstützt durch mehrere Einielheilen,
die sich mit Bestimmtheit oder wenigstens mit Wahrscheinliobkeil eis
entliehen der wirklich von Sokrates vor Gericht gehaltenen Redenneh-
weiscn lassen. Bei dieser- Erörterung tragen wir kein Bedenken MS
namentlich auch auf die xenophonteische Apologie zu berufen, welehe
man unserer Ansicht nach nicht mit Recht dem Xenophon abgesproehen
hat, die aber in jedem Falle einen authentischen Bericht enthält. Worin
Plato und Xenophon hinsichtlich dessen, was Sokrates vor Geriehl ge-
sagt haben soll, übereinstimmen, das werden wir unbedenklich für
echt sokratisch halten können; in anderen Fällen wird nur die Wahr-
scheinlichkeit den Ausschlag zu geben im Stande sein. Von vornher-
ein werden wir aber als bestimmt anzunehmen haben, dasz Plato bei
der Ausführung des ganzen das sokratisohe so wird verarbeitet haben.
lieber Piato^e Apologie des Sokratoe« 88S
dasz es schwer ist, in maDcben Fälleo ganz anaiöglich^ selbiges vom
platonischen zu scheiden. Das isl namentlich der Fall beim sprach-
lichen, bei den Redensarten, Satzverbindnngen , Uebergingen usw.
Wie hätte denn aach der Schriftsteller alles von der mOndlichea Rede
von Wort za Wort behalten sollen?
Der Eingang gehört sicherlich zameist dem Sokrates an: so ganz
natur- und sachgemasz erscheint er; aach war hier zuverlässig das
Gedächtnis des Plato, als noch frisch, vermögend selbst einzelne Am-
drücke und Wendungen sich zu merken. Ebenso dürfte die Hauptpar-
tition der eigentlichen Vertheidigungsrede, die Scheidung der Anklär
ger und Anklagen in frühere und spätere, das Produci des ersteren
sein. Sie erscheint so natfirlieh und durch die Sache selbst geboten,
so dasz sie dem Sokrates, selbst wenn er extemporisiert hat, beifallen
muste. Etwas zu gesucht und zu künstlich möchte (c. 3 p. 19 B) die
Formulierung der Anklage sein und daher dem Sehriflsteller zur Last
fallen. Dagegen ist die Erzählung von Kallias (c. 4 p. 20A sqq.) und
von Cbaerephon (c. 5 p. 21 A), selbst in Bezug anf die sprachliche Ein-
kleidung, nicht sokratisch. Obendrein bezeugt Xenophon (apolog.
§ 14) ausdrücklich, dasz Sokrates der letzteren Geschichte vor Gericht
Erwähnung gethan. Die hierauf bei Plato folgende Deduction von dem
Eindrucke, welchen auf den weisen der Ausspruch des delphischen
Gottes gemacht, und von dem Einflüsse, den solcher gebäht habe, ist
damit so eng verknüpft, dasz wir nothwendig im allgemeinen auch
diesen Theil der Rede für sokratisch halten müsse , ohne darum jedes
Wort und jeden Gedanken ihm vindicieren *za wollen.
Die Verkehrnng der beiden Anklagepunkte in der eigentlichen
Anklageschrift und in Folge dessen durch die umgekehrte Behandlung
und Ausführung derselben gereicht sicher dem Plato zum Vorwurf,
den hier wahrscheinlich das Gedächtnis getäuscht, und dem — wie
meist allen alten Schriftstellern — diplomatische Genauigkeit in der
Beziehung nicht am Herzen gelegen hat. Dagegen hat das Zwiege-
spräch vor Gericht zwischen Sokrates und Meletus (c. 12 — 15), wenn
schon nicht ganz in der Weise, wie die Schrift es gibt, ohne Zweifel
stattgefunden; denn auch Xenophon thut desselben Erwähnung (apolog.
S 19 sqq.). Und mehreres einzelne, was dabei und wie es zur
Sprache kommt, musz als echt sokratisch gelten, z. B. c. 12 p. 24 D
sqq., p. 25 B, c. 15 p. 27 B sqq. Im folgenden (c. 16 p. 28 B sqq.)
treten uns Gedanken entgegen, welche unbedenklich dem Sokrates zu-
gesprochen werden können, wenn schon die Einkleidung, der Stil als
zu gekünstelt und verworren dem Plato angehört, z. B. die Hintan-
setzung des Todes, wo es gilt sittliche Thatkraft zu beweisen (c. 16
sq., p. 28 A sqq.), die Empfehlung des Strebens nach Veredlung und
Ausbildung der Seele als der vorzüglichsten Pflicht des Menschen (c.
17 p. 29 E sqq.). Weiterhin sieht der Selbstvergleich des weisen mit
einem Sporen oder einer Bremse (c. 18 p. 30 E) dem Ironien oder
Vergleiche ad hominem liebenden Manne ganz ähnlich. Hiergegen fällt
die einseitige Auffassung des daemoniums (jiü oTtovQixsA, 7" ^^~
3B4 Ueber Plato^'s Apolo^e det SokratM.
Tifirru de WTtoze c. 19 p. dl D) dem Plato Eor Last* sie ist diesMi
durchaus eigen (s. die betrelTeDdeD Stellen bei SUllbaon), wikread
\eiiü]>hün (Meonur. 114 ond sonst ) es richtig als innerlicbslas , der
Gründe Tür etwas unbewasles Gerühl Qberbanpl, das ebeaso ^t de«
Mei.seu £u et\tas angetrieben wie von etwas abgenahnt, hingesleüt hat
So k ratisch ist wiederum die gedoppelte Ersah lang von dem benehmco
de» weisen als Staatsbürger (c. 20 p. 32 B sqq.), ingleichea die Bera-
Tuiig auf das Zeagnis von vertrauten, die bei der gerichtlicheB Ver-
handlung zugegen gewesen (c. 22 p. 33 D sqq.). Nichts nnwahrsehein-
lichei» hat c5 auch, dasz der Verfasser unserer Schrift denjenigea Pas-
bu». in welchem sich der weise zu rechtfertigen sucht, warum er sich
zu keinem der in Athen gewöhnlichen schimpflichen Mittel, lici den
hichtern Mitleiden zu erregen, verstehen künnle (c. 23 p. 54 B aqq.))
der mündlichen Rede des Sukrates entnommen habe: es sieht nealieh
dem schuldlosen Manne, der auf seine Unschuld pochen konnte, darch-
uus ahnlich, dasz er diesen Funct gerade zur Sprache gebracht «ad
sich über das in Athen herschende Unwesen ohne Uückhalt geiaszert.
Der zweite Abschnitt oder derjenige Theil der Schritt, der die
itede nach dem Ausspruche der Richter auf ^schuldig* repraeseatiert,
ist hinsichtlich der Gedanken im allgemeinen so gehalten, daas wir
ihn zumeist erachten kOnueu für den Gusz und Abdruck des wirklieh
f^esprocheneu in der Stunde, wo der weise sich selbst eine Strafe
zuerkennen sollte für Vergehen , die er nie begangen sa habea aich
bewust war, und namentlich kami man ihm die Ironie zatraaen, da»
er in der That darauf angetragen, im Prytaneum der kostenfreien Spei-
Kiin^ zu genieszcn (c. 26 p. 37 A). Es ist anderwärtsber bekaoaty
duhz die Richter über diese unverholen geäuszerte Keckheit ao erbit-
tert gewurden sind, dasz sie den weisen eben darum zum Giftbecher
vcrurtheill haben ^Uiogen. a. a. 0. § 21 42. Vgl. \enoph. apolof.
$ 1 u. 32). Die Stilisierung indes, die nicht ohne Mängel iat, wie
wir oben ifezeigt haben, mnsz dem Plato zur Last gelegt werde*.
Kndlich iindet sich auch im letzten Abschnitte eine dentliche
S|)ur. dasz IMato*s Schrift nicht unabhängig von des Sokrates Rede
\ur Gericht gev^eseu sei. Es geschieht nemlich da des Palamedes
Frnuhnung als eines vormaligen Heroen, der gleichfalls in Folge eiaea
ungerechten Rirhtcrspruches den Tod gebüszt habe, und den ia der
Unterwelt anzutreffen nebst dem Aias, dem Sohne des Telamoa, lir
den weisen nur eine Freude sein dürft« (c. 32 p. 41 B), und Xenophon
(niiulok^. $ 2!i> berichtet nach seiner Quelle ebenfalls. Sokralefl habe
nach seiner Verdammung zum Tode sich mit jenem Palamedes feird-
htcl, dorn e» auf ähnliche Wc^i^e ergangen. Wemm dieser gerade tob
dem \\oi»ou geiiMuul wurden ist? SVeil des Enripides Tragoedie die-
ses Namciüi dduiaU he^oiidors bekannt war und aufgeführt worden ist
(Dio^ou. rt M. 0. $ *j^^ 4^V Im übrigen läsil Plato den Sokrates ruh-
Mion, w«»Uhi»i Kki^wms dwr Tod far ihn war*, wofern derselbe für ein
Gluck guUi>u K^iuulii itii«! Miu»||k (o cU) p. 4(k U sqi) >« und deaselbea
(icdauKiui lUuU^i Wh ^vt(Ma«vi'l b\»i \viiuphuH ^ap^log. § 9).
Ueber Plato^s Apologie des Sokrates. S65
Za gnter letzt ist noch zum Beweise, dasz Plato die Rede des
Sokrates zam Maszslab nad zum Abbild genommen, zu bemerken ein-
mal, dasz die Schrift in drei Abschnitte getheilt ist, gerade wie auch
Sokrates in drei Absatzen gesprochen haben wird gemäsz der Einrich-
tung des attischen Gerichtswesens, und sodann dasz darin mehrere
male dessen Erwähnung geschieht: die Richter hStten zuweilen bei
diesem oder jenem Puncle ihren Unwillen laut werden lassen, nach
Gewohnheit durch murren (^&OQvßelv) (c. 1 jp, 17 D. c. 5 p. 20 E. p.
21 A. c. 15 p. 27 B. c. 18 p. 30 C), und das wird historisch bestätigt
durch Xenophon (apolog. § 14 n. 15) ^nd durch Diogenes von Laerte
(a. a. 0. § 21. 42). Also selbst diesen auszeren Umstand hat Plato
herbeigezogen, um seiner Schrift den Anstrich zu geben der wirklich
von Sokrates gehaltenen Rede.
Aus dem obstehenden geht denn hervor: l) dasz Plato bei Ab-
fassung der besagten Schrift nicht durchaus frei und selbststöndig und
unabhängig zu Werke gegangen ist, sondern in der That nicht wenige
Einzelheiten aus der mündlichen sokratischen Rede herQbergenommen
und benutzt hat; zu viel gesagt ist aber, wenn K. Fr. Hermann a. a. 0.
p. 34 sagt: ^Verisimile est totam hanc orationem a Piatone quam fide-
lissime ad exemplum eins compositam esse, quae re vera in iudicio ab
illo habita est'; 2) dasz mitbin ihm nicht allein die Ehre gebührt
der Production , 3) dasz dagegen die Ausführung im allgemeinen ihm
angehört, und man daher, bei der Leetüre immer denken und den Schü-
lern sagen musz, nicht: * Sokrates spricht', sondern: ^ Plato läszt
den Sokrates so sprechen; wie denn schon die Alten gethan, ein Ci-
cero (Tusculan. quaest. I 40, § 97 ^oratio, qua facit eum [Socratem]
Plato usum apud iudices), ein Appian (de rebus Syr. c. 41: HcokqcC'
tovg siitovrog [nemlich vor Gericht], a doxet nkavcovi) ^ ein Diogenes
(II 5 § 24. 45 : nkarmv iv tfj anoXoyla neQi xovx(ov [yvatxwv]
avxog Xiysij xaliteQ dvari^sig navxa ZaxQccrei),
Brandenburg a. H. Dr. M. W. Heffter.
30.
Deutsch 'lateinisches Handwörterbuch von Dr. Albert F orbi-
ger ^ Conrector am Gymnasium zu St, Nicolai in Leipzig usw.
Zweite^ völlig umgearbeileie Auflage des deutsch-lateinischen
Handwörterbuchs von J. K. Kraft u. A. Forbiger. Stutt-
gart, Verlag der J. B. Metzlerschen BuchhandliiDg. 1856. XII
u. 2716 Sp. gr. 8.
Von allen in der neusten Zeit erschienenen deutsch -lateinischen
Wörterbüchern erscheint dem Ref. bei einem hohen Grade von Voll-
ständigkeit das vorliegende bei weitem das handlichste zu sein; und
386 A. Forhiger: deutsch - lateinisches Handwörterbnch.
wenn es sich schon dadurch vorzugsweise sum Gebrauche fQr Gymna-
sialschiiler und alle die Zöglinge eignet, welche bei Abfassung schrift-
licher Arbeiten eines solchen Unterstützungsmittels sich bedienen sol-
len, so ist es auch seiner ganzen inneren Einrichtung halber und end-
lich auch wegen des stofflich in ihm gebotenen nach unsorm dafürhalten
aller Empfehlung werth. Denn da sich der Verf. bemüht hat vorzugs-
weise bei längeren Artikeln die Wörter in ihren einzelnen Beziehungen
begrilTlich zu zerlegen und darnach die verschiedenen Bedeutungen
auf/ II führen, so wird bei Benutzung dieses Wörterbuches der Schüler
stets auf jene die Begriffe sclrarf trennende Gedankenoperation hin-
gewiesen, welche allein oder wenigstens hauptsächlich das Übersetzen
aus der Muttersprache in eine fremde und besonders, wie es hier der
Fall ist, in eine nicht mehr lebende und von der unsrigen so sehr ab-
weichende Sprache so fruchtbar macht. Es würde Ref. leicht werden
vielfache Belege für dieses sein Urtheil aus dem Werke selbst heraus-
zuheben. Doch ist er der Ansicht dasz es dem Verf. sowol wie viel-
leicht auch dem geneigten Leser dieser Jahrbb angenehmer sein werde,
einige berichtigende Beiträge hier zu finden, als Belege eines allge-
meincn Lobes. Bei der Schwierigkeit und Miszlichkeit der Aufgabe
selbst bietet sich denn auch die Veranlassung zu Ausstellnngen gar
nicht selten. Wir wollen gar nicht einzeln darnach suchen, soo-
dern das Werk nur ruhig zu diesem Behufe durchblättern. Sp. 2 faeiszt
es: ^abbekommen, l) abbringen: z. B. ich kann den Ring nicht
a., ^ainnilum de dit/ito delraht^re non queo. — 2) etwas oder eins a.,
rapulari (Schläge bekommen); — castitjari (Verweise bekommen).'
liier würde auch ohne * die erste Redensart: annulum de digiio
detrahere non queo^ für den feiner fühlenden Lateiner sich als
eine gemachte erweisen. Es muste heiszen: anulum de digiio detra-
here non possutn; und einer solchen Wendung war ein ' nicht vor-
zuslcllen, da anulum de digiio ddralterc klassisch ist. Schlimmer
noch steht es mit dem zweiten Thcile des Artikels. Denn das nonens
rapulari statt vapulare hätte doch der Verf. keineswegs zulassen sol-
len. Ja man würde geneigt sein, da der Irthum so auffällig ist, das
Versehen für einen Druckfehler zu erklären, wenn es nicht auf der
ersten Seite wäre und nicht das Verzeichnis der Verbesserungen hier-
über schwiege. Im nächstfolgenden Artikel Sp. 2 u. Sp. 3 ist retfo-
vare afqm c munere und retocare afqm e legatione grundfalsch. Es
muste in beiden Fallen die Praeposition a gesetzt werden, wenn im
letzteren Falle die Redensart durchaus angewendet werden soll. Auch
war überhaupt bei der Wendung * einen Gesandten abberufen' wol
eher zu empfehlen legaium redire iuhere^ als legatum reverli iuhere^
was der Verf. vorschlagt. Letzteres wäre nur dann zulässig, wenn
die Gesandtschaft noch gar nicht an den Ort ihrer Bestimmung gelangt
wäre. Denn legatum rccerti inhere ist nicht ^ einen Gesandten abbe-
rufen', sondern ^umkehren heiszen ehe er an den Ort seiner Bestim-
mung gelangt ist.' Doch wir wollen nicht an der Schwelle stehen
bleiben und schlagen weiter hinein. Sp. 69 ßnden wir folgenden Ar-
A. Forbiger: deutsch > lateinisches Hudw6rterbach. S87
tikel : ^AckersnianB, der, agricöla ; agriculior; — colvnus (Land-^
baaer, Landwirth); — arator (der Pfluger nur bei Dicht.). Ackers-
leate, agrorum cullores.' Dieser Artikel, so leicht er auch ist, ist
ganz falsch abgefaszt. Er muste ohngefähr so lanten: ^Ackersmann,
der, arator^ Ackersleate, araiores * — denn wer in aller Welt hat je
gelehrt, dasz arator nur bei Dichtern vorkomme? Es ist vielmehr je-
derzeit der rein officielle Ausdruck gewesen von den Ackerslenten
oder Pflügern, welche im Gegensatz zu den pecuarii Ländereien mit
dem Pflug bearbeiteten, während jene nur die Triften durch Weidevieh
ausbeuteten. Dieser arator oder Pflüger nun vertritt bei Dichtern bis-
weilen den Landwirth im allgemeinen. Dies hatte eher, angegeben
werden können. Sodann konnte hinzugefügt werden : ^Ist es Landwirth
im allgemeinen, colonus^ agri cultor, agricola'. So aber ist offenbar
der erste Begriff nicht gehörig festgehalten. Unter Pflüger konnte
dann auf Ackersmann zurückgewiesen werden. Im folgenden hatte
der Artikel Ackerzins nicht einfach durch agraticunty was nur Cod,
Theod. 7 20 1 steht, wieder gegeben werden sollen; redüus ex agro
*(agris)^ vectigal ex aratione (aralionibus) würde, je nach den Um-
ständen, den Ausdruck besser wieder geben. Sp. 70 würde ich Ac-
tenstück lieber einfach durch scriptum^ als durch litterarum monu-
mentum^ was weit mehr involviert, wieder gegeben haben. In Betreff
des Artikels ^Actie' bemerken wir, dasz der Verf. sich so gut als
möglich geholfen hat. Allein wahrhaft komisch ist es doch bei ihm
die Redensart ^aufActien etwas bauen' also wieder gegeben zu finden:
de constitulis symholis exstruere alqd^ da das Wort symbolae nur
dann im Lateinischen erscheint, wenn von einem gemeinsamen Mahle
die Rede ist, und zwar auch nur als vornehmer Ausdruck iu dem Sinne,
wie wir jetzt im Deutschen französische Wendungen der Art haben.
Der Ausdruck konnte also ebenso wenig hier angewendet werden, wie
für Actienschein /essera, was stets nur eine Marke bezeichnet, und
höchstens für unsere Theaterbillets oder Paszkarten, die man nöthigen-
falls in der Westentasche bergen kann, anwendbar sein würde, nicht
für das gröszere Actiendocument. Im vorübergehen sei bemerkt dasz
Allernährer und Allernährerin nicht ganz richtig durch omntun}
rerum educa/or (educatrix) et altor (altrix) nach Cic. de n. d. II
34 76 wiedergegeben worden ist. Denn educator liegt nicht mit in
Allernährer. Es war einfach wieder zu geben omnium rerum altor
(altrix\ wol aber konnte auf jene Stelle Ciceros dabei verwiesen werden,
wo der Begriff in vollerer Fassung steht. Auch Sp. 273 ist der Artikel
Augenpulver uns mangelhaft erschienen. Zunächst warum sagt der
Verf. statt puleis ophthalmicus nicht lieber puleis ocularius^ oder ^t
ocuUs medeatur? Ferner sagt er: Won allzu kleiner Schrift litterarum
formae legentibus molestae; auch blosz Utterae minutae^ minutulae^.
All die Ausdrücke sind nicht bezeichnend genug. Wollte der Verf.
den WortbegrifT genauer ausdrücken, so muste er etwa Utterae oder
litterarum formae oculis legentium perniciosae oder auch pestiferae
et nocenies vorschlagen: wollte er ihn allgemeiner wieder geben, so
A«. FoffMfor*
mofle er weirisfsteiu Mgra: UUeröB mknis (niminm) minuitte. ütm
bei mimUaß /Mleroe km ma «pdi mdit qh sogenanntes Angespulv«
denken. Aai^enBetf e 6p. S74 wir Tit>Ileichl durch tesüw^ qui 0c
U$ suis alqd se^idiim 4ieit^ wieder tu geben. Wir ifvollen viele
was ans lufgeMles, ttberseiihlgea nd «senden ans zu einigen crgt
der neuesten Zeil 5flers gelnraoehleB Wörtern and Hedetistrietu 8^
594 wird eonetitniioneil wiedergegeben durch iegiftuit etriiai
eanpeniens^ congrumu^ t. kandeln a^ere ea: letjihm reipuhHcni
Dies wäre nnr den Landesgesetsen enlsp rechend oder g<
m & s K. Ebenso feblt der Verf. bei dem Auadru cke cansiitutici»a|
widrig, legibus civiiaHs rejmgnanSj c. handeln, adpersari d
quae legibus ei»iiaii9 mmdia mmi. Dafi würo nur d eo L a n d <; :i |r e^
setzen entgegen oder »wider handeln. Es kämmt atles di
her, weil der Verf. die Constitntioii im engeren Sinne nichfc h«
grifflich richtig gefasst hat. Die Constitution, d. h. das 8taati
grundgesets , welches der Gewalt des Fürsten geg^endlier dem Voll
bestimmte BesohrftnknngeB annegt, ist loteiniieh gm% einfacli ItJ;
imperio prmcipis oder I0«, fuae est (fttae esi iata) de imperia prin
cipis^ nicht regis. Denn nioht jeder eonstitationelle Staut ist zuglek
ein Königreich. Ist dies derFalli so kann naiürtich auch rct/a stutt/ffn
eipis gesagt werden. Unter D a n k Sp. 61 0 un d D a n k <§ 0 g u n ^ Sp. c^U
fehlt der Ausdruck Gott (den Göttern) Dank sagen^ und Pflnkj
ssgung gegen Gott (die Götter). Es ist grattitari und gnjtulut
dafür ansuwenden, wie jedes gute lateinische Lexikon iekri. Aue
den neueren Ausdruck Eisenbahn hat der Verl, elienso wie de
von Constitution, nioht richtig geOisst, wenn er Sp, 77^^ Eis tnbahj
wiedergegeben wissen will: 9ia ferro straUs, odt^r bloss tia ferreü
Denn beide Ausdraoke sind Hilsek^ Die F-isenhohn ist weder ein
Eisen gepflasterter Weg, was ai« ferro xtraia bcdent^n wilrtle, emi
nach Art unserer Holspflasterungen, noct» auch ein cisernfTt Wog, f^M
ferren^ sondern nur ein Weg mit einer eisernen iiuhn. Es kann als
blosi rill ferrmim heissen, wie die Italiener dicken Ansdruek mit vol<
lern Hechte angewendet haben. Darnaoh m fluten nun luoh die iihriis;«
hierher gehörigen Anadrieke laigeatallet werden. Eine£i««}iihahi
anlegen kann natirlieh aaeh niehl heiDi^ceii fiVmi ferro smmerm. Im
vorbeigehen aal bamarkl, dau 8p. 774 hei Mm Ariikti E i «gang an
ditn FIttaaen« waMmn dar Vert aiamUA «chwt-rralHf umschfifibt, ai
Vt»rtrilii Oeorgteal 810 ffacdM CMI ßumun irwämnf m erinnern wsff
Di^nn in lolehon Pinta Ia4ea wir bei dem lehrdiehior «IltmDl 4t
«l<^h««den Aaadniok« Ba iai Biagan^* 'n\ daFath wiedenugah
(hmi^ff fllisHem imAifM«« •«■!« Aaeh tot dm jnriMibcbcn AnadHic
«etgt »t«h der Vart atehl Ibarall gW^H aU ^cIsHt. Ich ^ill
«^In^n Arliki^l Mar keapraaiiaa« 8p* 4f i^it et: 'RUgar, dari
«f ff^*itl«»r c pi4 «rciiaat (Im aHgam»^ b >r in CrimlüUaiibeajC
pHit^n fwi> f»^t^ (ter RaaMaanapfiahi '»dm marhi, in €MU§
^h^aV lU^^r iMl dar Yarr, dai aUgam - ^i An-^artirk rar Rii
«nv^'T gaaa iMil<mkM gtteaaaa; ar wm mtni au der aiigemtiniia
A.Forbig«r: dentocb-liteiniscbes Handwörterbach. 880
aufznffihreD, sodann war accusaior der Criminalanklage fast allein
zozaweisen nnd der peiiior als Kläger in Civilsachen aafzuführen, qui
agil in rem. Ancb unter dem Artikel Anklag er ist die Sache nicht
ganz in Ordnung. Bei den kirchlichen Ausdrücken hätte der Vf. flei-
sziger Teipels Abhandlung im Archiv f. Philol. u. Paedag. Bd. XVIII
S. 410 ff. zu Rathe ziehen sollen , um auch den katholischen Schnlan-
staiten gerecht zu werden. So z. ß. bei den Ausdrücken Reforma-
tion nnd Reformator Sp. 1859. Denn keinem Katholiken kann zuge-
mutet werden Reformation zu übersetzen sacrorum oder disciplinae
ChrisUanae correcHo et emendatio^ ja ich möchte sagen , der letztere
Ausdruck auch keinem Protestanten. Denn nicht die disciplina Chri-
stiana selbst ward verbessert, höchstens von falschen Deutungen und
Zusätzen befreit. Richtig hat hierüber gesprochen Teipel a.a. O.S. 417.
Ueberhaupt mag man doch in solchen Fällen die recipierten Ausdrücke
einfach beibehalten. Denn nicht vom einzelnen Worte hän^t der la-
teinische Ausdruck allein ab. Anders freilich, wenn die Sache von
den Alten selbst schon besser bezeichnet ist. Denn für Steinreich
vorzuschlagen regnutn minerale^ wie von dem Verf. Sp. 2116 ge-
schieht, ist doch etwas zu arg. Plinius wenigstens sagt bist. oat.
XXXIII pr. 1 § 1 einfach metalla und noch bezeichnender im Sinne
unseres Stein- oder Mineralreiches lib. I im Index lib. XXXIII p. 85
meiaUorutn natura. Ein solcher Ausdruck war zu empfehlen , nicht
jener aller Auctorität entbehrende. Fossilia^ was unter dem Artikel
Mineralreich Sp. 1637 empfohlen wird, ist in absolutem Gebrauche
nicht klassisch. Der Verf. wird bei einer neuen Auflage, welche dem
im ganzen so zweckmäszig augelegten Buche hoffentlich bald zu Theil
werden wird , besonders auf die neueren technischen Ausdrücke zu
achten und dieselben einer sorgfältigen Revision zu unterwerfen haben,
wenn er nicht in einzelnen Fällen incorrect übersetzen lassen will. Der
Rf. will nun nur noch einige Stellen, welche ihm beiläufig aufgefallen
sind, per saturam besprechen. Sp. 754 wird unter einsam für die
Wendung ^ein einsames Leben führen* vor allem vorgeschlagen: eitam
solilarius ago. Diese Wendung ist so, wie sie hier steht, geradezu
falsch, wenn sie sich auch auf eine Stelle Ciceros de officiis II 11, 39
stützt. Denn dort hat das Adjectiv solilarius seinen besonderen Stütz-
punkt und an sich nichts mit eitam agere gemein, wenn es heiszt:
Ergo eliam solitario homini atque in agro vilam agenii opinio iusti-
tiae necessaria est. Hier konnte nur eitam solitariam agere vorge-
schlagen werden , eine Verbindung, wie sie Quinctilian ausdrücklich
hat. Sp. 995 ist höchst unvorsichtig für ^fürwahr' ohne Beschrän-
kung vorgeschlagen: profeeto; nae; sane. Dem Verf. kann nicht un-
bekannt sein, dasz nae oder ne in solchem Sinne nur vor Pronomini-
bus von den Lateinern gebraucht worden ist. S. mein Handwörterbuch
der lat. Sprache u. d. Artikel. Es war also nae an der letzten Stelle
und zwar mit der Parenthese (nnr vor Pronom.) zu setzen. Sp. 1020
wird ^Geburtstagsscbmaus' durch natalicia (n. pl.) wiederge-
geben und dazu später noch die Wendung natalicia dare aus Ciceros
iV. Jahrb. f. PhU. u. Paed. Bd. LXXIV. llß. 3. 28 '
390 A. Forbigcr: dciitscli- lateinisches Handwörterbach.
riiilipp. 11 6, 15 angegeben. Da aber der Ausdruck eben nur auf jener
SIellc des Cicero beruht und dort Cod. Valic. nataficiam, verstanden
cvnam^ liest, so war natalicia^ af, f, verst. cena^ in beiden Fällen anr-
/.uCuhicu. Ebendas. war bei ^Gcburtsstadt' neben tir6s palria lu
bemerken, dasz in solchem Falle auch hfiußg /la/ria allein gebraochl
wird, z. B. Cicero Disp. Tusc. I 43, 104: quaerentibns amicis reiletne
(lazomcnas in patriam^ si quid accidisset^ auferri, u. Ö. a. Sp. 1336
unler dem Arl. höflich fehlt beim Adv. humaniter^ was Kugleicli
«lern jungen Leser gegenüber von humane zu scheiden war : Vgl. Ci-
ceros Accus. 1 5*2, 13G: Respondit illa^ ut meretrix, non inhumaniler.
Denn so ist nach der besten Auclorität zu lesen. Vgl. noch Cicero ad
i). fratr. 11 1, 1: Sed fecit humaniter Licinius etc. Derselbe bei
Nun. p. j09, 17 u. ö. a. ofliciose ist zuvorkommend und war hier
wul gar nicht aufzuführen. Bisweilen ist der deutsche Ausdruck im
Luleinischen zu sehr verOacht, z. B. Sp. 1357 Mdealisch, oplimns;
summus; perfectisaimus; pulchcrrimus.' Alle diese Superlativen
drücken an sich keineswegs das aus, was wir ^idealisch' nennen, kön-
nen höchstens in einzelnen Füllen jenen Ausdruck, wenn er nicht streng
genommen wird, nothdürftig wiedergeben. Zunächst muste ein Zusatz,
wie (jni fhiffi ciHjUalione polest zu jenen Superlativen hinzutreten.
Vgl. Cicero Disput. Tusc. V 24, 6H: sumalur nubis qnidam praestans
r/r optimis artihns isqitc animo parumper et vogHatione pngatur^
und denselben de senect. XII 41 : quod quo mafjis inlellegi passet^ fin-
ff vre animo iuhehat taula iucilatum aliquem roiuptatc corporis quanti
pvrvipi passet viaximn. u. ö. a. S. 1474 gibt der Verf. ^ unter aller
Kritik sein' wieder durch: non dignum esse de quo iudicium feralur.
iudicium ferre an sich ist unluleinisch, statt facere , divere iudicium
oder sententiam ferre. Sp. 1500 fehlt unter Ma ndes fluch t ig'
merkwürdiger Weise exsul^ was neben profut/us und pairia exiorris
iuifzuführen war. Sp. 1585 wird unter M u ni p c n * anfgeführl:
'sich nicht lumpen lassen, liberalem se pracbere.' Hier ist
das Colorit jener volksthümlichcn Wendung verwischt. Besser wfire
gewesen non avarum agere oder etwas ähnliches. Sp. 1735 warnt
der Verf. sehr richtig vor der Form neminis unter dem Artikel *Bie-
mand'. Kr hätte auch vor der Form nemine warnen sollen. Zu
^Slcckbrief' Sp. 2I0Ö war noch Cicero pro Flancio XII 31 mit den
Ausll. zu eitleren. Denn Cicero hat dort den Ausdruck praemandaiis
requircre auch selbst gebraucht. Zu ^steinreich' Sp. 2116 gibt
der Verf. das sprichwörtliche superare Crassum dieiliis nach Cic. cp.
ad Att. 1 4 cxtr. an. Doch passt der Ausdruck für gewöhnliche bür-
gerliche Verhältnisse nicht: ich hätte es lieber gesehen, der Verf.
hätte an das horazische dices ulmetiretur nummos (Sot. 1 1, 96) erin-
innert. Fbendas. wird 'Steinplatte' durch saxum qundralum
wiedergegeben. Dies würde aber eher einen groszen Quaderstein be-
zeichnen; auch ist nicht jede Platte quadrata, sie kann z. B. auch ob-
longa sein. Die Platte ist nicht saxum ^ sondern lamina marmoris^
>7/.r/ etc. Auch crusta marmoris^ was Sp. 1606 für ^'tIarnlorplal(o '
W. Giesebreoht: Geschichte der deutschen Kaisenett. S01
vorgeschlagen wird , passt nicht. Es ist nur ein Uebersug. Sonder-
barer Weise wird Sp. 2119 ^Stentorstimme' durch magna tox wieder-
gegeben. Das ist komiseh verflacht. Wer den bildlichen Ausdruck
^Stentorstimme' brauchen will, mag immerhin sagen vom Sieniarea,
wie ein vagitus Stentoreua bei Aruobius II p. 97 steht. Mit magna
t>ox ist hier nichts gethau. Höchstens wäre ein Adjectiv^ wie intjent
u. dgl. anwendbar. Noch sei bemerkt, dasz auch noch in diesem
Wörterbuche Sp. 2532 ^Weinbeerkern' mit acinu$ vmaceus^
auch blos acinus^ wiedergegeben wird, alles aus der früher falsch
gelesenen Stelle Ciceros de senect. XV 52. Was Weinbeere be-
deutet, kann natürlich nicht auch Weinbeerkern bedeuten; S. mein
Handwörterb. der lat. Spr. S. 85, woher der Verf. auch entnehmen
konnte, dasz der Kern sonst auch lignum und granum genannt wird.
Doch Ref. glaubt genugsam gezeigt zu haben, dasz er die vorliegende
gediegene Arbeit nicht blos oberflfichlich eingesehen hat, und bricht
hier seine Bemerkangen ab , indem er noch einmal mit inniger Ueher«
Zeugung es ausspricht, dasz der Verf. im ganzen seine Aufgabe sehr
befriedigend gelöst hat und dasz dies deutsch-lateinische Handwörter-
buch jeder Empfehlung vollkommen werth ist.
Leipzig. Reinhold Klotz.
31.
Geschichte der deutschen Kaiserzeit von Wilhelm Giese-
brecht. Erster Band, Geschichte des zehnten Jahrhunderts.
Braunschweig, C. A. Schwetschke u. Sohn (M. Bruhn). 1855.
XXXVI u. 826 S. 8.
Die erste Hälfte des vorliegenden Werkes hat der unterzeichnete
bereits im Bd. LXXII dieser Bl. S. 397 ff. besprochen; jetzt ist nun
mit der zweiten Hälfte auch die Vorrede des ganzen Werkes ausge-
geben worden, und in dieser ist auch meiner freundschaftlich gedacht,
ja ein Antheil an dem Buche mir zugeschrieben, so dasz leicht jemand
bezweifeln könnte, ob auch von mir eine unbefangene Würdigung des-
selben zu erwarten sei. Es ist wahr, dasz wir vieles von dem, was in
diesem Bande enthalten ist, gemeinschaftlich überlegt und durchge-
sprochen haben: manche Urkunde und manches dunkele Wort der
Quellen haben wir zusammen nachgeschlagen und ihren Sinn erörtert ;
ich weisz, wie das Buch entstanden und geworden ist, aber in seiner
Vollendung ist es doch auch mir, wie den Übrigen Lesern, als ein
neues und fremdes gegenüber getreten, und wenn auch ich selbst noch
meinem Urtheil mistrauen möchte, so ermutigen mich doch die viel-
fachen Stimmen, welche von verschiedenen Seiten darüber laut ge-
worden sind, nnd sich in bereitwilligster Anerkennung des geleisteten
vereinigen.
28 ♦
392 W. Giesebrecht: Geschichte der doatscheo KiiMnail»
Die leileude Idee des Werkes kommt erst in dieser iweilea
llälflo recht £ur Erscheinung. War in der ersten nachgewietan wor-
den, wie die germanischen Völker in den Kreis der rOmiich-ehriil-
lichen Bildung gezogen wurden, wie durch Karl den Grosxea die i
Idee des Kaiserthums ins Leben trat und die westliche Welt xd <
gen versuchte, wie dann aus tiefem Verfall unter schweren Klapfei
(las deutsche Volk unter der Hegemonie der Sachsen ein staatliches
Dusein gewann,. so finden wir nun hier entwickelt, wie erst daroh du
wiederum neue Kaiserlhum der deutschen Nation das eiDheitlieha
Volksbewuslsein fester begründet und gehoben wurde. Jetst erst ge-
wöhnt man sich auch in Deutschland die Vielheit der Siftmme ia dem
einen Volksnamcn zusammenzufassen, und während ein höheres Ziel
des Strebens vorgesteckt ist, verschwindet jeder Gedanke an die MAf-
lichkeit eines Rückfalls in die alte Sonderung der Ilerxogthamer, anch
in den Zeiten der grösten Gefahren, wo keine kräftige Hand die Zigei
hält, wird doch an der Reichseinheit nicht mehr gerüttelt, uad der
Gedanke bleibt bestehen, dasz der Herr des deutschen Reiches lagleich
%uni Herrn der Christenheit berufen sei, dasz er Hauen zu behersekea
und die Kirche zu schirmen habe. Bleibt dann auch die Verwirkli-
chung dieses Gedankens weit hinter der Idee zurück, so ist doch seine
Rückwirkung auf die Heimat darum nicht minder bedeutend; wena
wir uns des alten Haders der Stämme, und der späteren Zerrissenheit
erinnern, so können wir wol nicht verkennen, dasz eben diese hohe
Stellung der Herschcr und das Bcwustsein derselben im Volke vor-
zugsweise bewirkte, dasz in diesen Jahrhunderlen Deutschlaad vor
der Zerfahrenheit bewahrt blieb, aus der die Nachbarstaaten nnr vor-
übergehend sich ermannten. Die Blicke der leitenden Männer ia Staat
und Kirche waren auf ein höheres Ziel gerichtet ; das Hess sie nicht
untergehen in dem selbstsüchtigen ringen nach Macht und Einllass,
und gab auch nach schwerer Verirrung die Möglichkeit überraschend
schneller Erhebung. Wie aber das geistige Leben, die wisseaschsft*
liehen Bestrebungen durch diese Ideen befruchtet wurden, das neigt
jedem ein Blick auf die Lilteratur dieser Zeiten und auf ihren tiefca
Verfall nach dem Sturze des Kaiserthums.
So ist es denn vollkommen gerechtfertigt, wenn Giesebrecht ge-
rade die Kaiserzeit zu seiner Aufgabe gewählt hat, und weaa du
Kaiserthum, sowie es in der That bestimmend auf die Geschichte der
Zeit einwirkt, so auch bei ihm im Vordergrunde der Darstellung stehL
Es ist dadurch die lebendige Einheit gewonnen, deren ein Geicbichls«
werk bedarf, wenn es nicht in einzelnen Untersuchungen oder Schil-
derungen zerfallen soll. Die Idee des Kaiserthums und ihre gewaltige
Einwirkung auf die Zeiten, in denen sie wirklich lebendig war, mais
in einer jeden Geschichte des deutschen Volkes entschieden hervor-
treten, aber doch nicht in dem Masze, wie es hier der FaH ist nad
durch die besondere Aufgabe, die der Verfasser sich gestellt hat, be-
dingt wird. Wer eine umfassende und vollständige deutsche Geschichte
schreiben will, der musz die Entwicklung des Volkes schärfer las
W. Giesebrecht : Geschichle der deutgcheo Kaiserseit. 893
Auge fassen, and auf die Ausbildung seiner Verfassang und Einricli-
lungen genauer eingehen, weil er diese eben auch noch fiber die Kai-
serzeit hinaus zu verfolgen hat. Bei der vorliegenden Aufgabe tritt
diese Seite der Geschichte mehr zurück, und es ist gerechtfertigt,
dasz sie keinen grösseren Raum einnimmt, wie ja anch in der Wirk-
lichkeit der deutsche König nur zu sehr in dem römischen Kaiser sich
verlor. Ganz möchten wir freilich nicht in Abrede stellen, dasz doch
auch die Geschichte der Kaiserzeit durch eine klare, wenn auch kurze,
Darlegung der Zustände im Reich, in Bezug auf Recht, Verfassung,
Kriegswesen, Verkehr und Handel gewonnen haben würde, allein es
darf zugleich nicht übersehen werden, dasz diese Aufgabe zu den
allerschwierigsten gehört, und dasz andererseits auch über diese Ver-
hältnisse manches beachtenswerthe in diesem Buche niedergelegt ist,
namentlich in Bezug auf die Art der Reichsregierung. Vortrefflich
sind die Zustände Italiens geschildert, der tiefe rettungslose Verfall
des Landes in der herrenlosen Zeit, die Unmöglichkeit einer von By-
zanz kommenden Erneuung, die Nothwendigkeit für den deutschen
König in diese ihn so nahe berührenden Verhältnisse einzugreifen.
Mit vollem Recht wird auch S. 361 im Gegensatz gegen die in Italien
herschende Auffassung hervorgehoben , dasz Otto und seine Nachfol-
ger Italien von der ersten Besitznahme an stets als unzertrennliches
Nebeniand ihres ostfränkischen Reichs betrachteten, und von keiner
Wahl, keinem besonderen Vertrage ihr Recht ableiteten.
Die Vermählung mit Adelheid zerstörte die Einigkeit des ottoni-
schen Hauses ; in den schwersten und härtesten Kämpfen muste Otto
seine Herscherkraft erproben. Mit warmer Theilnahme geleitet ihn
der Vf. auch durch diese zweite Prüfungszeit, er zeigt ihn uns als
Held und Sieger, aber er entwickelt dann auch genau und sorgsam
die grosze Veränderung, welche durch diese Vorfälle in der ganzen
Organisation des Reiches vor sich gieng: wie Otto es aufgab, das
Reich durch Familienbande beherschen zu wollen, und indem er nach
festeren Stützen der königlichen Gewalt suchte , das neue System be-
gann, welches sich lange als heilsam erwies, nnd für die ganze Folge-
zeit entscheidend war. Die weltlichen Fürsten durch stärkere Bande
als die Gewalt der Persönlichkeit des Herschers zu fesseln, fand er
kein Mittel, und er gründete deshalb nun die Macht des deutschen Kö-
nigs zum groszen Theile auf die geistlichen Fürsten , deren Einfluss
und staatsrechtliche Stellung zun^Gegengewicht gegen die Laienfür-
sten gehoben wurden. Die Bischöfe wurden frei vom König einge-
setzt; sie hatten nach dem aussterben der alten, verwilderten Genera«
tion groszcntheils ihre Bildung in der Kanzlei des Königs, dieser
groszen Pflanzsohule tüchtiger Staatsmänner, erhalten nnd blieben zu
dieser immer in genauelr Beziehung. Wie sie sich zahlreich an den
hohen Festen um den König zu versammeln pflegten, so bildeten sie
eine Körperschaft, in welcher feste Grundsätze der Politik sich erhal-
ten konnten, und durch ihre ganze Stellung waren sie auf enges an-
schlieszen an die Person des Königs hingewiesen. Die Kirche diente
394 W. Giesebreclit: Geschichte der deiilschen Kaiserzeil.
flem Könige, der ihr Schirm und Schutz war, und der ihr eigenei
Haupt aus seiner un\^ürdigen Knechtschaft befreite, aber auch voll-
btüniiii^ neben sich in den Schatten stellte. Als Kaiser leitete Otto
kaum minder die Kirche wie die welllichen ADgelegeahciten des Staa-
tes; seine llerschaft, die G. in einer sehr gelungenen Charakterisük
mit dem Reiche Karls des Grossen zusammenstellt, gründete er so
fest, dasK sie die Niederlage seines Sohnes, und die Vormundschaft
fiir seinen Enkel mit allen ihren Gefahren überdauerte. Für Otto III.
aber, der mit 13 Jahren die Regierung antrat, und in seinem 22n Jahre
sla'b, war die Aufgabe zu iibermaszig; die mächtig angewachsenen
kirchlich-ascelischen Ideen und der Gedanke des Kaiserthums, in den
er das rümisch-byzanlinische imperium erblickte, erdrückten ihn; das
Reich zerfiel unter seinen Hunden, und das Ende dieses Bandes führt
uns bis an die Schwelle völliger Auflösung.
Nicht ohne Absicht nahm diesem jungen Konstantin sar Seite
Gerbert als Papst den Namen Silvester an. Hätte er seine Ideale ver-
wirklichen können, so wäre schon früher der Zwiespalt zwischen den
beiden Häuptern der Christenheit zur Erscheinung gekommen, da er
in der Natur der Verhältnisse lag und nur durch die Schwäche der
Kirche zurückgehalten wurde. Aber noch war die Grundlage nicht
vurhanden, auf welcher die päpstliche Macht fuszen konnte; nur die
Anfänge der von unten lungsam wachsenden Neubildung der Kirche
treten uns in diesem Bande entgegen. Treffend sind hier die gani
verschiedenen Richtungen gezeichnet, in welchen das kirchliche Leben
in Deutschland, Italien, Frankreich sich gestaltete, und in der begin-
nenden Macht der Mönche von Cluny ist die Basis der späteren Ent-
wicklung bezeichnet, deren weilerer Verlauf im folgenden Bande her-
vortreten musz.
Allein es würde zu weit führen, auch nur die Hauptpunkte des
reichen Inhalts dieses Bandes zu berühren; es war kein leichter Theil
der Aufgabe, auch die Geschichte der in diesem Zeitraum zn unabhin-
giger Staatenbildung aufstrebenden Nachbarländer kurz und doch klar
und übersichtlich zusammenzufassen, und die verwickelten französi-
schen und italischen Verhältnisse glauben wir als besonders einge-
hend und glücklich behandelt hervorheben zu müssen. Dasi überall
die Quellen sowol wie ältere und neueste Forschungen vollständig be-
nutzt sind, bedarf kaum noch der Erwähnung; es ist aber auch dem
Vf. (^eluno^en sich dadurch wirklichen die Zeit einzuleben; die leiten-
den F'ersönlichkeiten haben ihm Fleisch und Blut gewonnen und er
weisz sie auch dem Leser lebendig vor Augen zu führen: manchem
bedeutenden 3lanne iüt erst dadurch jetzt sein Recht geworden, wie
namentlich Albcrirh, wie dem mit Recht hervorgehobenen Willijes.
Von der ganzen ottonischen Familie in ihrer reichen Manigfaltigkeit
ausgezeichneter Persönlichkeiten, vom König Hugo von Italien, dem
(iriecheu >ikephoros, von Gerbcrt, Adalbert, Nilus bleibt dem l.escr
ein beslimniier, scharf gezeichneter Eindruck, und was die Hauptsache
ist, es sind das keine Gebilde der Phantasie, keine leeren Vermulun-
W. Giesebrcckl : Geschichte der deutschen Kaiserzeit. 395
güu und Träume, sondern überall liegen die beslimmleu Angaben der
Zeitgenossen zu Grunde oder die aus den Thatsachen vorsichtig gezo-
genen Folgerungen.
Die Charakteristik der Personen, die Verfolgung der Hauptrich-
tungen der Zeit, der Ziele, welche erstrebt wurden, tritt als vorher-
sehender Gesichtspunkt entgegen ; dasz auf die ZnstSnde des Volkes,
die Rechtsverhältnisse, nicht mit gleicher Sorgfalt eingegangen ist,
wurde schon bemerkt. So genügt uns namentlich nicht, was über die
Städtegrundungen gesagt ist. Denn wenn auch manche der von Hein-
rich erwähnten Befestigungen zu wirklichen Städten wurden, beson-
ders da wo geistliche Stiftungen einen Anhalt boten, so ist doch die-
ses nur als eine weitere Entwicklung zu betrachten, die häufig, aber
bei weitem nicht immer eintrat. Als allgemeine Maszregel hat man
doch wol Heinrichs Anordnung so aufzufassen, dasz jeder ßurchward
einen befestigten Mittelpunkt erhielt, der zur Dingstätte bestimmt war,
Marktplatz und Gildehaus enthielt, auch eine feste Besatzung hatte,
wesentlich aber nur, wie Neokorns sagt, ein Raum war *rait einem
Walle und Graveu befestiget, darben se vor dem Anlop der Vicnde
ehre Thoflucht nehmen edder thosammenkamen möchten; solches hefft
men Stede gebeten.' Aehnliches finden wir in Attika, und genau ent-
sprechend in Latium (Mommsens röm. Gesch. I 27). Im Lande der
Aequiculer findet man eine Menge alterthümlicher Mauerringe ^die als
verödete Städte mit einzelnen Tempeln das staunen der römischen wie
der heutigen Archaeologen erregten', die aber nie bewohnt gewesen
sind. Gleiches würden wir ohne Zweifel in den deutschen Grenzlan-
den finden, wenn man sich hier nicht mit Erdwällen begnügt hätte, die
verschwanden als man dies System der Landesvertheidigung verfallen
liesz. Gewis nichts anderes war die ^ßurg der Cocarcscenier' S. 394,
und die S. 40L erwähnten ^Städter' in Baiern, denen die flüchtenden
Ungarn erlagen, werden wol ebenfalls nur die Besatzungen solcher
Burgen samt der hineingeflüchteten Bevölkerung der Gaue gewesen
sein ; dasselbe war 938 in Sachsen geschehen (Widuk. II 14). Auch bei
der Wahl des Erzbischofs Arnulf von Reims S. 616 führt der Ausdruck
'Bürger' irre, da man an eine wirkliche Stadtverfassnng noch nicht
denken darf, und nur der in der Stadt'*') angesessene Adel des Erz-
slifts gemeint sein kann'. Wie man nun aber auch diese Verhältnisse
ansehen möge, eine bestimmte Auffassung darf man wol von einem
Historiker verlangen, und die scheint in den bezeichneten Stellen nicht
klar hervorzutreten.
In Beziehung auf die Frage über das billingsche Herzogthum
wäre noch Fickers Engelbert von Köln S. 228 anzuführen gewesen;
Ref. kann sich indessen von einer Beschränkung desselben auf das
westliche Sachsen nicht überzeugen, und sieht darin nur eine den An-
schauungen des zwölften Jahrhunderts entsprechende Folgerung aus
*) Leider finden wir hier auch die falsche Schreibart der Jahrbü-
cher Ladn statt Laon wieder.
396 W. Giesebrecht : Geschichte der deutschen lUiseneit.
dem Umstände, dasz die Ilaiismacht dieses Geschlechtes im lüoeborgi-
sehen begründet war. Denn die ganze Ansicht von dem beichrfinktea
Umfang des neuen Ilcrzogthums ist doch nur aus dem Chroa. S. Mi-
chaelis entsprungen.
Die Kaiserkrönung Ottos des Groszen hat der Vf. mit Hülfe Ter-
schiedener Quellen, namentlich der Krönung Berengars, darsnsteliefl
versucht, da directo Zeugnisse fehlen, und sich dabei vorsichtig auf
M'irklich nachweisliches beschrankt; wir können jedoch nicht omhin
zu bemerken , dasz die glänzende Schilderung der Peterskirche S. 433
in argem Widerspruche steht mit den Worten Liudprands Hist. Ott. 4.
Doch um von dem einzelnen wieder zum allgemeinen su gelan-
gen, wir müssen noch der 31ethode des Vf. gedenken, sich so viel wie
möglich an die gleichzeitigen Quellen anzuschlieszen, und auch ihre
Worte haußg anzuführen. Zuweilen ist wol darin zu viel geschehen,
wenn Kedou aufgenommen sind, denen man kaum irgend einen wirk-
lichen Werth zugestehen kann, und wenn gar alles Ernstes angenom-
men wird, dasz Otto nach dem Ungarnsieg von seinen Mannen als Im-
perator begrüszt sei, nach altrömischer Weise, eine Idee, die wol
gowis nur der Gelehrsamkeit Widukinds ihren Ursprung verdankt. Im
ganzen aber können wir uns mit dem Verfahren des Vf. nur einver-
standen erklären; die Darstellung wird durch die fortwährende Be-
ziehung auf die Quellen, und die mit richtigem Takte ausgehobenen
Worte derselben sehr belebt, und Lehrer wie Schüler, für welche das
Werk vorzugsweise bestimmt ist, werden dadurch zu der so dringend
wünschenswerthcn eigenen Beschäftigung mit den Schriften der Zeit-
genossen angeleitet. Die so sehr charakteristischen Berichte Über die
Gesandlscliaflsreisen des Abtes Johannes von Gorze nach Spanien und
Liudprands nach Konstantinopel sind deshalb fast vollständig aufge-
nommen , und sie geben in der That einen besseren Einblick in die
Verhüllnisso und Zustände dieser Zeit, als mit ausführlichen Schilde-
rungen zu erreichen gewesen wäre.
Sehr dankeuswcrlh ist auch die im Anhang gegebene gedrängte,
über vollständige Nachricht von den Quellen dieser Periode, welche
einem jeden, der nach einer sonst so schwer zu flndenden Anleitung
zum Quellenstudium verlangt, auszerordentlich willkommen und nfttx-
lieh sein wird, wahrend der allgemeine Charakter der Litteratur dieser
Zeit im Texte selbst mit scharfen Zügen trelTend und wahr gezeich-
net ist.
Gelehrte Anmerkungen hatte der Vf. anfangs gar nicht zu geben
beabsichtigt, ändert jedoch sputer diese Absicht sehr verständiger Weise
in so weit, dasz zwar die in den Jahrbüchern enthaltenen ausführlichen
Untersuchungen vorausgesetzt, neue und abweichende Angaben und
Annahmen aber kurz begründet werden. Namentlich werden die frü-
her noch nicht benutzten Quellen nebst der neueren Litteratur nachge-
wiescn, und dadurch der Weg zu weiterer Forschung gezeigt. Auf
ein/.elnes einzugehen würde hier zu weit führen; wer sich aber mit der
Geschichte dieser Zeiten beschäftigt, wird gut thun, die in diesen
Zum Programmeiiweseo. 807
Anmerkungen enthaltenen Winke genan sa beachten. Das sehr merk,
würdige Schreiben des Erzbischors Wilhelm an den Papst in berich-
tigtem Abdruck wird mau mit Dank entgegennehmen, so wie die Ak-
tenslücke, welche zur Aufhellung der römischen Stadtverfassang die-
nen, lieber diese ebenso wichtigen wie schwierigen Verhältnisse, und
die dahin gehörigen Quellen, einen Gegenstand, mit dem der Vf. sich
vielfach und eingehend beschäftigt hat, ist eine eigene Abhandlung
beigefügt.
Und so scheiden wir denn von diesem ersten Bande der Ge*
schichte der Kaiserzeit mit dem Wunsche, dasz die Fortsetzung nicht
zu lange ausbleiben möge, und mit der sicheren Erwartung, dasz sie
dem gegebenen Anfange sich würdig anschlieszen werde.
Watteitbach.
82.
Zum PjTOgrammenwesen.
Herr Prof. Dietsch hat in der von ihm redigierten zweiten Ab-
theilung der N. Jahrbb. f. Philol. u. Paedag. Bd. 72 S. 585 — 599 ^das
Programmeninstitut' behandelt. Bei der LectQre dieses wol durch-
dachten Aufsatzes kamen dem anterzeichneten Gedanken bei , welche
aus dem Bereich seiner mehr als vierzigjährigen Schulpraxis geschöpft,
er für die öffentliche Nittheilung nicht ganz ungeeignet hielt; sie be-
schränken sich zunächst auf das engere Vaterland, dem er angehört und
verzichten auf eine allgemeine Giltigkeit. Die in Sachsen erschiene-
nen sogenannten Schulprogramme sahen, so viel ich weisz, ganz ab
von Schnlnachrichten und wurden entweder zur Feier des Andenkens
an Gestifle oder zur Kunde des bestehens der einen oder andern Ge-
lehrtenschule geschrieben. Die. Urheber jener Gestifte z. B. Eckhardt*
Richter, Taube, Siegbardt in Preiberg, Mättig in Bndissin, Keymann io
Zittau wollten ihres Namens Gedächtnis alljährlich gefeiert und einen
oder zwei zur Universität abgebende Schüler durch ein sogenanntes
Viaticum unterstützt wissen; daher wurden zu Ende des stets lateinisch
geschriebenen Programms, für dessen Druck eine kleine, später nicht
mehr zureichende Summe ausgesetzt war, einfach die Festreden der
Schüler angekündigt, zn deren Anhörung eingeladen worden war, sel-
ten aber oder gar nicht der übrigen abgehenden Zöglinge der Anstalt
gedacht. Die sonstigen Programme, von dem trefflichen und verehr-
ten llgen *), welcher solche Schulschriflen als Rector der Stadtschale
'*') llgen entflcblosz sirh als Rector zu Schalpforta, als diese an
die Krone Prenszen übergegangen war und er ofncieil das erste Pro-
gramm zn schreiben hatte, ungern dazu, meinend dasz die Farsten-
schulen ihren hinreichenden Zuflnsz auch ohne Programm hätten.
398 Zum Programmenweseik
zu Naumburg^) zu Aufange der neunziger Jahre abzufassen halte, ia
Scherzo * Trommel' genannt, enthielten ausser der wissenschaftlicIieB
Abhandlung zuweilen die Ankündigung des Schulexamens, des Rede-
aclus, die Namen und Censuren der abgehenden Schaler, sowie du
Verzeichnis der gesamten Schüler; von den Beitragen der letitem
wurden in Ermangeluug anderer Quellen die Druckkosten dee Pro-
gramms gewöhnlich bestritten. Doch als zu Ende des vorigen und so
Anfange des jetzigen Jahrhunderts die Muttersprache mehr Gellong ii
der Wissenschaft zu gewinnen und die Schule sich weniger vom Le-
ben abzuschlieszen begann, gab man Nachrichten von Gelehrleuschalea
in deutscher Sprache z. B. die Rectorcn Müller in Zeitz 1810, Wernt-
dorf in Naumburg (Domschule), Poppo in Frankfurt a. 0., Klopfer ia
Zwickau 1819, Frotscher in Schneeberg 1820, ich selbst in Freiberg
1821 u. a. m. Diese Erscheinungen würden vereinzelt und der Will-
kür überlassen geblieben sein, wenn nicht eine k. preusz. Hinisterial-
Verfügung v. 23. Aug. 1824 (siehe Archiv f. Philol. u. Paedag. 18SS,
St. 1 S. 174 — 177) Gleichförmigkeit und Vollständigkeit der Sehalpro-
gramme angeordnet und das Jahr darauf eine Verordnung den allge-
meinen Programmentausch in Prcnszen ai^befohlen hätte, welchem sich
die übrigen Staaten Deutschlands im Laufe der Zeit anschlössen, dai
Königreich Sachsen durch behulige Verordnungen vom 20. AprU 1836
und 2. März 1837; das im letzteren Staate 1846 erschienene RegaUtiv
für Gelehrtcnschulen handelt § 23 von der Abfassung des jfihrliehei
Programms und orlheilt die dahin abzielenden Vorschriften.
Die grosze Anzahl von Programmen , welche jährlich erschienen,
veranlaszton den Prof. Winiewski ein systematisches Verzeichnis der
in den preusz. Programmen 1825 — 1841 enthaltenen Abhnndlongen
1844 herauszugeben, nachdem das Jahr zuvor Prof. Gutenioker ein
ahnliches Verzeichnis der bayerschen Schulschriften hatte erscheinen
lassen. In Sachsen gab Albani, jetzt Oberlehrer an der Krenssdinle
zu Dresden, eine ^Programmenrevuo' heraus, deren Ir Band (Dresden
1846) die Programme von 1843, nicht blosz die philol. oder paedago-
gisclien bespricht und Mitlheilungcn aus den Schulnachrichten gibt
und Originalaufsätze hinzufügt; der 11. Bd. sollte über die Programme
von 1844 bis mit 46 berichten , schlosz aber mit dem ersten iiene.
Seitdem und auch schon früher haben die leipziger N. Jahrbb. f. Phi-
lologie und Paedag. und die berliner Zeitschrift für das Gymnasiil-
wesen Berichte über die erschienenen Programme geliefert, wodurch
man sich recht gut in den Stand gesetzt sieht, sich auf dem so sehr
erweiterten Bereich der Schulschriften zurecht zu Anden. Was die
der wissenschaftlichen Abhandlung, welche nach Billigkeit und Vor-
schrift die Lehrer in oder auszerhalb der Reihe zu liefern haben, bei-
zugebenden Schulnachrichten anbetrifft, so waren dieselben anfangs
*) In Naumburg gab es ehedem zwei Gelehrtensrhulen, die Stadt-
und die Domschule, bis die erstere 1809 in eine Burgerschnle rerwan-
delt wurde.
Zorn Programmenwesen. 890
nur für den engero Kreis derjenigen , welche ans dem einen oder an-
dern Grunde Theil an den Angelegenheiten der Schale nahmen , be-
glimmt; allein der Programmentansch ver&nderte die Sache, so dass
sie einen weitem Kreis von Lesern bekamen. Die Frage, welcheo
dieser Kreise soll der Vf. der Schulnachrichlen berücksichtigen, glaube
ich dahin beantworten zu müssen, dasz der ursprüngliche Zweck fest-
gehalten werde ohne die Rücksicht auf den entfernter stehenden Leser
ans dem Auge zu verlieren. Es ist allerdings dazu ein gewisser Tacl
nolh wendig, welcher lehrt, wie weit man den Erwartungen und An-
sprüchen des näheren und entfernteren Leserkreises Rechnung zu tra-
fen habe; freilich wenn man nur die Schulprotokolle oder die Scbul-
chronik zur Hand nimmt und diese ohne Kritik benutzt, so werden
Miltheilungen zu Tage gefördert, die das Gepräge der Nutzlosigkeit
auf der Stirn tragen. Eben in die;sen Tagen sendete mir mein wack-
rer Universitätsfreund, der Director Poppo , das neueste frankfurter
Programm ; ich mnsz gestehn , dasz die demselben angefügten Schnl-
nachrichten mir zweckmäszig eingerichtet erscheinen ; nur ist mir ein
Zweifel beigegangen, ob Verordnungen der vorgesetzten Behörden hier
Platz finden können, da dieselben einer betreffenden Zeitschrift oder
einem Schulgesetzblalt angehören dürften. Andererseils könnten —
abgesehn von dem erwähnten Programm — die Schulnachrichten, wie
Dietsch richtig bemerkt, durch Andeutung über Lehrgang und Methode
fruchtbarer und durch Ausscheidung mancher ungehörigen Mittheilun-
gen einfacher gemacht werden. Endlich habe ich schon längst ein
groszes Bedenken gehegt über die VeröfTentlichung der den Abiturient
ten ertheilten Censuren, wo solche nicht durch die einfachen Praedi-
cate Veif oder unreiP, wie in Preuszen, bezeichnet werden; denn das
Ehrgefühl der einen wird zu sehr angespannt, das der andern zu sehr
gedrückt, wenigstens habe ich mehr nachtheilige als vortheilhafte
Folgen davon wahrzunehmen Gelegenheit gehabt; denn die Angabe
des Censurgrades gehört in das testimonium, nicht in das Programm:
Eltern und Behörden sind davon in Kenntnis zu setzen, nicht das
gröszere Publicum.
Zwickau. Rüdiger.
33.
Tili Ldvi ab urbe condüa iibri. Erklärt von W. Weissenborn.
Vierler Band^ Buch XXI — XXI IL Berlin, Weidmannsche
Bnchhandlung. 336 S.
Tn dem vorliegenden vierten Bande des Weissenbornschen Livius
ist die Erklärung in derselben Weise, wie in den früheren Bänden,
fortgeführt und erstreckt sich gleicbmässig auf den Sprachgebrauch
und auf sachliche Gegenstände. In letzterer Beziehung sind namentlich
auch die neuesten Untersuchungen Mommsens benutzt und Polybins
400 W. WoisscnboFD: Livius. 4r Band.
häufig herangezogen worden. Wenn auch gerade bei den belreffendea
Büchern des Livius die ErklSrnng mehr als sonst wo rorbereilet nad
gefördert war durch die Leistungen Fabri^s, Ileerwagent ond Alichefs-
ki^s, so hat sich doch Hr. W. auch hier ein sehr anerkennongiwerthes
Verdienst um den Schriftsteller erworben und ebensosehr durch eigae
Forschung wie durch sorgfältige Benutzung der fraherea Erklärer aber
die Sprache des Livius und Qber die von ihm erwähnten geachidU-
liehen Verhältnisse und Begebenheiten grösseres Licht verbreitet Die
vorliegende Bearbeitung wird sich übrigens besonders für den Gebraick
des Lehrers eignen , sie scheint wenigstens nicht ausschliesilioh fOr den
Gebrauch des Schülers bestimmt zu sein : kritische Verhältnisse sind
häufig berührt, gelehrte Forschungen da und dort angesogen, vergli-
chen und besprochen , durch Rücksichtnahme auf andere Erkifirufsa
und durch die dabei beobachtete Kürze des Ausdrucks wird hin nod
wieder wenigstens für den Schüler einige Dunkelheit entstehen; man-
ches andere ist nur angedeutet und nicht umständlicher begründet.
Bei der kürzlichen Besprechung des vorliegenden Bandes glanbea
wir zunächst untersuchen zu müssen, in welchem Verhältnisse der Text
dieser Ausgabe der dritten Decade zum Teubnorschen Texte, den eben-
falls Hr. VV. vor ungefähr 6 Jahren besorgt hat, steht. Da sieh hier-
über eine Erklärung des Herausgebers nicht findet und im Ende des
Buches ein Verzeichnis nur derjenigen Stellen , an welchen ConjeeU-
ren aufgenommen sind, beigegeben ist, so darf man annehmen, dasi
Hr. W. dieselben Grundsätze, die er Teubn. il p. XI ausgesproehei
hat, noch festhält. Veränderungen aber durch Aufnahme vonConjeela-
ren und Emcndationen der Uuberliefcrungen der codd. (unter den nene-
ren von H. Sauppe, Nadvig, Heerwagen, Wcisscnborn n. n.) finden
sich in ziemlicher Anzahl, und die folgenden Angaben über das 3ie
Buch — weiter haben wir die Vergleichung nicht miltheilen xu dürfen
geglaubt, — mögen das Verhältnis und die Verschiedenheit des vor-
liegenden Textes und der Teubncrschen Ausgabe veranschaulichen.
Lib. \\l 21, t! quae ductu, T: qui duclu; 9, 4 yraiificari populo
iiom.^ T: gralilicari pro Homanis; 10, ö repelunt; ut pubi. fr,^ T: re-
poluutur. publica fr.; 10, Vlaccidere^ T: accedere; 20, 9 exspecte-
lioNi', T: in exspcct. ; 22, 1 atque id eo minus ^ T: atque id eo (band)
m. ; 22, 3 hv quod, T: no quid; 22, 6 praeter marii. oram Eiomuam
urhrm ud ihh,; T: prael. Ktov. urb. ad Hib. maritima ora; 27, 8 equti
fere propier e^Hos uarvt; T: oq. f. pr. equos nantes nav.; 32, 8 Al-
uHtmuifHe, V: inauimaliaque; 36,7 trai ria hbnca gl.^ T: ot n Inbrica
MlniMo. ihid S mlerdum etiam (/«ink'n), T: inlerdum etiam tarnen; 38,
.^ *nH»i$»sf. ruMrtni itüi/me proxima »jems^ T: amisisse e Tanrinis,
^\^\M^ (i pr ^.; ebiMida!». detjretto^ T: dogressum; 41, 9 qui decedere
>#,#/•.!. vm, V: qui dooodon« Sioilia slip.; U.6(ad Hihcrum esi Satfun-
tM'H\ NMx.;M.rPM, 1 lihno Taronthcüe: 44, 9 *i destinuium^ T: destina-
nim . k\ .\ » i<7mnin/,j(. r Vicotumulis; 4(k 6 arf pedes /»Hi/na reneraij
1 uiM«l. |0, 7 «I ;>riii*/.iiv ei cir%u9 ad ciritates misti und sodann qmi
«••.^«, 1 1*1 \\v\'ik a praetor«« ad civitaics nissi log. trib.: snos; 49, 8
W. WeiBseDboni: Livin«. 4r Band. 401
dauern missi. itaque, T: classem. simal itaqne; 53, 7 aboUeissenij
T: obsolevissent ; bt^S prtmos gut eguissent^ T: primoi qaof que q.
ega.; 54, 4 cum Magone^ T: Magoni; 55, 3 effuse sequenU$ egmii.^ T:
eflTosos seq. eq.; 56, 1 Hannibal, ihi^ T: Hanaibai. ii; 59, 1 degressuSj
T : digressus ; 61 , 6 hibernis bostico , T : ohne hostico. Versebiedea-
heiten in der Scbreibang , aucb in der Interpnnction , finden sieb bie
und da.
Im folgenden erlauben wir uns nocb eine Anzabl Stellen zur
Spracbe su bringen , aber die wir in Betreff der Erklärung oder der
Kritik zum. Theil abweicbende Ansichten haben; namentlich werden
auch dabei einige der aufgenommenen Conjecturen besprochen werden.
XXI 1, 1. Mit der Verbindung der Wörter summae ioiius können
wir uns nicht befreunden, sondern wir hallen es für^s angemessenste,
totius einfach auf operis zu beziehen, so dasz der Gegensatz zu m
parte schärfer hervortritt, wie er auch bereits durch die Wortstellung
angedeutet ist; also summa toiius operi$: * Hauptinhalt des ganzen
Werkes'. Zugleich bezeichnet Livius in diesen Worten die Verschie-
denheit, die zwischen ihm und den meisten früheren Geschichtschrei-
bern stattfindet; während diese, die nicht nur einzelne Partieen und
Kriege behandelt haben (carptim\ eine ähnliche Bemerkung zu Anfang
ihres ganzen Werkes vorgebracht haben, darf Liv. (qui a primordio
urbis res gesias p, R, perscribit) bei einem bloszen Theile se;iner Ge-
schichte mit weit gröszerem Rechte und ohne den Schein der Unbe-
scheidenheit jene Behauptung fAr sich in Anspruch nehmen. Deswegen
sagt er auch licei^ nicht Uceat^ *ich darf, ich kann'; denn er bittet
nicht, begehrt nicht eine Erlaubnis durch andere, sondern er urtheilt
und macht von einem durch die Sachlage selber dargebotenen Rechte
Gebrauch. Licet non tantum de eo dicitur^ guod per aliud quid
aut per alios conceditur fieri posse^ sed etiam de eo quod ob ipsam
rem fieri debeat. Uebrigens wird man durch diese Stelle direct an
den Eingang des ThuCydides erinnert. — Das Verhältnis der Begriffe
opibus ealidiores und virium aut roboris bedurfte einer Erklä-
rung. — Zu conserere inter se artes belli bemerken wir, dasz eben
der Zusatz bello die Verbindung erklärt und gestaltet == experiri ar-
tes ^aneinander üben'. — § 3. imperitare bezeichnet hier wol eher die
Härte und Grausamkeit, als die Dauer der Herschaft (das Citat ist in
1, 2, 3 zu ändern). Wir halten für den Schüler die Bemerkung für
nöthig , dasz die Worte quum — sacrificaret zu aitar, admot, bezo-
gen werden müssen. — 2, 1 his curis i, e. de iniquitate Romano-
rum in intercipienda Sard. — § 2 es läszt sich fragen , warum agi"
tare stehe, nicht agitasse, — Die Conjectur quae — intulerunt
scheint uns dann nicht nöthig, wenn man mit Harlei liest: Jtaliae
arma^ so dasz der Sinn wird: Poenos adeo Italiae illaturos fuisse
arma, — § 4. Die auch von Hrn. W. aufgenommene Lesart t» impe-
rio positus wird besonders durch die vorhergehenden Worte opi-
bus und haud sane voluntate als sehr passend bezeichnet, and wie Li-
vius ^gt dominum imponere^ so kann er auch sagen aliquem in im-
402 W. Weissenborn : Livini . 4r Band.
perio ponere. — 3,1. In Hasdr. locum seguereiur: ein Annkolith
braucht nicht angenommen su werden, in = in Hinsieht, vergl. Hni
Tursell. III p. 314; dasz aber der Text der ganzen Steile noch weit
von seiner ursprQnglichen Gestalt entfernt ist, scheint besonders darch
die beglaubigte Lesart sequebaiur angedeutet zu sein. — 4, 4. ubi
— essei^ ubi = ubicunque^ ubiubi. — Confidunt = ßdem km-^
benij cf. Sali. Jug. 13 legati saiis confidunt, Liv. II 45, 4. — $6.
finitus wie IX 34 finita potestas = circumscripta certo iempare. —
^7 silentio i. e, ut iuberet omnes circa siiere, — § 8 equi^ der
Plural steht in dem Sinne: quicunque equus, quo vehi solehai, — 6,1.
Zu provincia vergl. 28, 40 quam (Africam) nee senatus centuUin
hunc annvm provinciam esse etc, — $2 quia movebaniur: nich
lateinischer Ausdrucksweise = quia moturi erant oder non dßMum
erat quin moverentur arma, — § 3. in parte verstehen wir = 0
parte ^ vgl. XXXI 31 med., also gens foedere iuncta^ non in dickmem
redacta. — § 4. Der schwierige und seltene Ausdruck iuugendo-
que findet in dem nunc ira, in hostes stimulando XXI 11, 3 eine aas-
reichende Belegstelle. — § 9 ita producta^ W. mit Fabri 'nar so
weil', während wir ita = in eum modum nehmen. — 6,6 provin-
das dccernentes -~ quasi tarn occupqtas provineiaB deeeni
potentes^ also von dem, was sie wünschen, in welchem Sinne decer-
nere häufig gebraucht wird. — 7, 6 ita — «^ -- etiamsi — lanie*.
Effectus operis die Ausführung, vgl. XXXI 46 extr. opera er&nt
in effectu, — Suspecto loco = magis defendendo, in quo agg/res-
sum suspicabantnr. — Labor is scheint gewählter und passender als
timoris. — 8, 4. Die Erklärung W. zu non sufficiebani ist Nr
verständlich, wenn man einen Text vor sich hat, wo vor non siijf. eine
Interpunction steht; wenn man auch mit Hrn.W. sunt streicht ond «an
sufficiebani zu oppidani zieht, so wird doch ad omnia iuendami
distineri zu verbinden sein: eben weil sie viele Theile so decken
hatten, reichten sie nicht aus. Wir glauben aber die frfibere Lesart
beibehalten zu müssen: dist. coepli sunt et non sufficiebani^
t. f. et ita non^ ideoque^ und darin liegt zugleich der Grand, wann
Liv. nicht nee suff, sagte. — 9, 4. Hr. W. liest gratificari pop.
Romano; die gewöhnliche Lesart gratif. pro Romanis findet eine
Keclitfcriigung in dem Ausdrucke pro commodis VI 35, 4; Obrigens
Süllen die Worte pro Rom, oder pop, Rom, wie ein Glossem au. —
10, 4 eivat verbinde mit serendo bello^ *ganz darin leben'. — $ 7
liest Hr. W. repetunt; ut pubL fraus absit; vielleicht ist mit den Spa-
ren in den Handschriften vereinbar: res — repetunttir^ repetunt uip,
fr. absil, — § 12. Wir glauben an der überlieferten Lesart aecedere
d. i. adnos pertenire^ perferri festhalten zu müssen, in aecidere
liegt der ßcgrilT des flüchtigen und zufälligen, was hier nicht passend
ist, wenn auch sonst ähnliche Verbindungen mit aecidere hei Livius
häufig sind. — 11^^ paucorum *nur wenige'. Der Salz musz ver-
vollständigt werden: * setzte Hannibal die Belagerung fort und gab
usw.' — §5. \n novus mvrus liegt eine Prolepsis =r fioFiiiii d0 in-
W. Weissenborn: Livins. 4r Band. 463
tegro aedificare. Der Aasdruek paientia ruinis ist sprachlich
hart, aber durch siraia ruinis 12, 2 erklärt, vgl. XXIV 33 extr. urbem
spatio disiectam, — 15,1. Wir möchten rathen, die Worte ei tu cae-
dihus bis praeda fuerani in Parenthese zn stellen, weil der
Nachsatz ex preiio rerum vendilafum nur auf den ersten Theil des
Vordersatzes (pleraque cormpta erant) zu passen scheint. — 16, 5
Zu recens war eine Erklärung zn wönschen; wir verstehen es = vi-
ribus integer^ vgl. Caes. b. gail. VII 48: spaiio pugnae defaiigaii non
facile recenies aique iniegros susiinebani. — 19 , 3. Wir glauben be-
merken zu mQssen, dasz die Worte in üasdrubalis foedere —
fuerini nicht mit den vorhergehenden verbunden werden dürfen,
sondern die Ansicht des Livius enthalten. — 22, 1 ideo haud minus j
wir m&chten das aberlieferte haud nicht streichen ; die Worte von a d-
que id — principum animos sind als Parenthese zu betrachten,
in welcher also die Negation wiederholt, das neglegendum aber samt
seiner Negation zu supplieren ist, also id eo haud minus non negle-
gendum IL ratus esi^ wie auch bereits Fabri erklärt.— 27,7 die freiere
Aasdrucksweise quos sedes suae reiinuerant war zu bemerken und zu
erläutern; lemere = ohne besondere Bestimmnng, ohne bestimmten
Zweck. — 30, 10. Wenn Hr. W. zu cedereni und sperenthemerkl^
dasz jenes eine verstellte Aufforderueg enthalte, dieses den Wunsch,
dasz sie Hoffnung hegen mögen, so passt diese Unterscheidung nicht auf
alle ahnlichen Fälle; vgl. KrQger lat. Gr. § 656, c Anm. Caes. bell. civ.
I 87, 7 n. 8. • — 31,2. Zu quanlum a mari recessisset^ ffkinus
obtium fore bemerken Wir, dasz allerdings beim Comparatiy in der
Regel ianto oder eo hinzugesetzt ist und dasz dann eine Vergleichnng
ausgesprochen ist (ianto fehlt auch 44, 36), dasz aber der Demonstra-
tivbegriff nicht überall nothwendig hinzugefugt zu werden braucht, in-
dem quanlum = ^inwiefern, wenn'. — 22,9 Zu transitum ea non
esse fügen wir hinzu, dasz non esse =r fieri non posse^ so II 29, II :
diclalorem^ a quo provocatio non est. — $ 10 ist ex aper lo nicht
dnrch ex aperlo loco zu erklären, sondern = non fraude ei ariibus^
sed omnium in conspeciu^ iiig>avmg. — 33, 7 scheint nns di-
ruplae^ wie auch die codd. haben, gelesen werden zu müssen, da
deruplus dem danebenstehenden praeceps gleichbedeutend wäre, auch
hier diruplae mit utrimque und angustiae sich am besten vereinigt.
Die Angabe der codd. ist allerdings bei solchen Wörtern ohne wesent-
liche Entscheidung. — 34, 4. Wir lesen und interpun gieren mit Hm. W.
nach Alsch. tiftis, nequaquam ui inier pacalos^ composiio
agm.^ nnd zwar deswegen, weil nequaquam mit einem negativen Ver-
biim (incomp.) nicht vorzukommen scheint. Aber die erklärende Be-
merkung, dasz vor composiio Yäer sed nicht gesetzt sei, finden wir
unstatthaft; nequaquam ui in ter pacatos ist eine Parenthese , welche
die Lateiner voranstellten. Eine Auslassung von sed würde nur ange-
nommen werden können, wenn ein directer Gegensatz zu pacatos
folgte, etwa wie 1 25, 3. — Ebendas. § 5 wurden wir statt sollici-
ttts die leichlere Lesart der codd. solliciiusque beibehalten; auch
404 W. Weissenborn : Livias. 4r Band.
ist die von Hrn W. cilierte Stelle II 40, 4: ui amens coHtiermaiu» Hc,
wie leicht ersichtlich , anderer Art. — 40, 10. An dieser kritiseh sehr
unsichern Stelle dürfte im Anschlusz an einige codd. und Crevier ge-
lesen werden können: quam ne aniequam vos pugnaveriiii,
— 41, 9. Die alte beglaubigte Lesart qui decedem Siciiia stip,
verdient den Vorzug, da Livias den Abzug aus Sicilien bereits in des
Worten praesdium deduxit ah Eryce angedeutet hat, also dieser Ge-
danke in so selbständiger Form qui decedere Sic, nicht mehr aas-
gedrückt zu werden brauchte. — 43, 4 ob vielleicht zn lesen ist duo
maria clauduntur — habeniibus? — 48, 7. Wir glsnben, dasi
man wol t)ulnus iactatum^ aber nicht via iacian$ verbinden kann; vgl.
XXX 19 med. — 52, 11 möchte ich mit Beseitigung aller Conjeetnrea
und im Anschlusz an die Ueberlieferung lesen: Varia inde fugma;
sequenies quamquam ad exiremum aequassent certamen^ maior tawun,
hosiium : Romanis fama eicioriae fuil, Maior bezöge sieh also aaf
pugna und der Sinn wäre: sequenies aequarunt ceriamen^ $ed quam-
quam aequareni (Fabri zu XXI 13, 8), maior tarnen etc.
XXII 2, 6. Galli neque sustinere se — neque adsurge-
re —^polerant^ nee autetc. Wir müssen Hrn W. beipflicbten,
wenn er vor aut ein nee einschaltet, da der vorliegende Sats mit sol-
chen Beispielen, in welchen aut eine vorhergehende Negation weiter-
führt, sich füglich nicht vergleichen läszt. — 3^11. Bei dem Ausdrncke
consulem lapsum super Caput effudit läszt sich fragen, ob 9uper capui
suum oder equi; Plutarch sagt i^ineae xaTevBxi>elg Big xsq>ak^v, —
4,2. Da mehrere codd. ausdrücklich haben in Thrasumenum sii&-
euntj die meisten (in Trasum.^ auf diese Lesart hindeuten, so iat
ein Grund für Thras, suhit nicht vorhanden. Auch ist die Stolle bei
Curtius YIII 11, 7, wegen welcher sich Alsch. für Thrasi. subii ent-
scheidet, verschieden von der unsrigen. Denn via intere$L — '
Ebendas. §6 Hr. W. ex pluribus cqllibus^ während oa//tfriis^ dai
die codd. haben, sehr gut passt; volles sind Schluchten, ThalcOge, die
von Bergen herabführen. — 5,3 nee consilium nee impertum accipi
poterat enthält ein Zeugma. — 7, 3. Das utrinque es eulner.
dünkt uns lästig trotz der Vertheidigung Alsch.; will man das Wort
nicht streichen, so könnte man utique = haud dubie lesen. — 49,
9 subtractus ist textgemäsz und zu dem «fipartncti^anfi {Missend.
Wenn Hr.W. meint, wie besonders der Umstand hervorgehoben wer-
den solle, dasz der Numider unter dem todten Römer sich nioht habe
emporarbeiten können , und dasz deswegen substractus gelesen werden
müsse, so ist jene Unbehilflichkoit durch andere Bezeichnungen genug-
sam angedeutet; für eine bildliche Darstellung wäre allerdings das
substr'atus plastischer, aber es wird eben nur erzählt, wie sieh ans
dem quum exspirasset ergibt.
Sondershaoaen. Gustav Queck.
Berichte aber gelehrte Anstaltea, VerordoQigeD, sietif t. Notizeu. 405
Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische
Notizen, Anzeigen von Programmen.
Breslau]. Am Gymn. za St. Maria Magdalena rfickten, nachdem
Prof. Dr. Tzschirner zur Uebernabme de« Directorats am Gymn. za
Cottbus übergegangen war, die übrigen Lehrer auf and ward in d. 8ce
Coiiegenstelle der Coli, von St. Elisabet Dr. Friede, und zum 2tcn
Collab. d. Lehr. A. C. Simon erwählt und bestätigt. Der Rector Dr.
Schonborn, welcher am 4ten Oct. 1855 sein 25j. Jubilaeum gefeiert
hatte (8. Bd. LXXII S. 577) ward durch eine Zulage von 600 Thir.
zur Ablehnung des Rufes in das Directorat des Stettiner Gymn. Ter-
mocht. Seit Ostern 1855 horten die ParaJIelklassen auf nnd wurde
die Tollige Trennung der Secunda in Ober- und Untersecunda (mit
Ausnahme des Hebraeischen und Zeichnens) Tollzogen. Die Schuler-
zahi betrug am I.März 1856 609 (I 42, IIa 36, IIb 28, Illa 51, Hlb
57, IV 72, V 75, VI 71, Elementarklassen 177). Abiturienten waren
Mich. 1855 17, Ostern 1856 8. Im Programme geht den Schalnach-
richten voraus die Abhandlung vom Oberlehrer Dr. Cauer: über die
Caesarea des Kaiser» Julianu» Jpostata (48 S. 4). Mit groszer Freude
haben wir diese Abhandlung gelesen , welche einen geschichtlichen Com-
mentar zu dem ersten Theile von Jnliai4*s Caesarea bietet. Mit groszer
Gewissenschaft und Klarheit hat der Hr. Verf. aus den Quellen die hi-
storischen Thatsachen, auf welche Julians Aeuszcrungen beruhen, nach-
gewiesen, die Berechtigung zu den Urtheilen aufgezeigt und dadurch man-
chen tieferen Blick in die romische Kaisergeschichte, so weit sie von
psychologischer Seite za fassen, eröffnet. Wir worden es als sehr er-
wünscht betrachten, wenn derselbe diese Stadien fortsetzte und uns
mit einer Bearbeitung der Schrift, zu der in kritischer Hinsicht die
neuere Zeit manchen werthvoiien Beitrag geliefert hat, beschenkte und
dabei manche Frage, die uns bei dem durchlesen seiner Schrift wie-
derholt aufgestiegen sind, einer eingehenden Erörterung unterzöge.
Zwar steht das Urtheil über Julian jetzt wol fest, man hat seine wahn-
sinnige Verblendung in Verfolgung der Wahrheit und Feindschsft ge-
gen Gott eben so ernst richten, wie mild die ihn so tief hineinstürzen-
den Ursachen würdigen gelernt; aber immer noch musz alles, was uns
einen Blick in das Innere dieses merkwürdigsten Mannes, in seine Gei-
stes- und Herzensrichtung thun läszt, willkommen sein. In dieser Hin-
sicht scheinen uns aber gerade die Caesares das wichtigste Document.
Ist die Schrift ein vergnüglicher Satumalienscherz (Schlosser univ. Ue-
bers. d. Gesch. d. a. W. III 3 S. 65 f.), eine harmlose Uebung in geist-
reicher, witziger Unterhaltung? Nun man kann einem Herscher wol
eine solche zu gute halten, wäre nur der Gegenstand nicht gar zu
ernst, und eine Veröffentlichung eines solchen Spielwerks gar zu ge-
fährlich. Mindestens würde dann die maszlose Eitelkeit des Julian,
auch im Spotte za glänzen, die ihn selbst zur Antastung des nur ern-
ste Gefühle zu erregen befähigten verleiten konnte, ans Licht treten.
Für harmlos kann ohnehin nicht gelten, der aach an dem ehrwürdigen
das schlimme heranszufinden weisi ond schonanglos richtet. Aber die
Schrift hat auch so offenbar namentlich in ihren letzten Theilen eine
lehrhafte Tendenz, dasz man sie nicht für einen wider Absicht ins
Publicum gekommenen Scherz, sondern nur für ein politisches Pamphlet
halten kann. Wir können dies hier nicht im einzelnen vollständig
nachweisen, aber sind nicht die Grundsätze, welche die zum Wett-
kampf zugelassenen Kaiser aussprechen, und die Entscheidung für Marc
Aurel (a. d. Verf. 8. 5) ganz übereinstimmend mit dem, was Julian
iV. Jakrh. f, Pkü, ». Paed. Vd. LXXIV. Hß, 8. 29
406 ßericlite aber gelehrte AnsloUen, VerordnuDfeir, ttttisl. 1f«fiiev.
verfolgte? Ist nicht das Schicksal, welches dem ConaUntin wird, »i-
Kainmeiigehalten mit dein, was seine Annahme des Christent|iams be-
tritt (S. 6), nicht eine ziemlich otfenkundige Erklärung des neues Sy-
stems, das Julian dem durch jenen in den Staat eingeführten ent-
gegenzusetzen gedachte? Ist das, was an iVe6ut getadelt wird (S.
43), nicht geradezu eine Rechtfertigung des Verfahrens , welche« JoUaa
nnifänglich gegen die Christen einschlug, indem er anfänglich milde
IVlittel i^ersuchte, um sie zumHeidenthum surnckzabringenf Sich selbst
will also Julian als das Ideal eines Caesar hinstellen, sich als den sie
alle überbietenden Nachfolger der Weitherscher (daher auch die Her-
beiziehung Alexanders des Groszen, hindeutend auf die VerschmelzDBg
der griechischen und römischen Welt und aller Religionen); deahalb aa
allen, selbst df>m am meisten gepriesenen Marc Aurel, die Hcrrorhabaag
eines Fehlers, und die Einkleidung in Spott; denn dieser haftet in den
oberilächlichen Gemuthern am meisten. Wir sollten meinen » manches
Urtheil gewinne durch solche Betrachtung Erklärung. Moste nicht z.
B. Carus (das Urtheil über ihn findet der Hr Verf. S. 44 kaum in reeht-
fcrtigen) verworfen werden, damit nicht sein Untergang als Wamonf
gegen das Unternehmen, dessen Ausführung ja Julian sich seihst vm
Ziele gesetzt hatte, dastehe (8.45)? Freilich wird man einwenden:
wer so die Tugenden und Laster seiner Vorganger an*s Licht stellt,
fordert zu seiner eignen Beurtheilung heraus; allein wenn man aBch
mit Gibbon, der übrigens die«philosophische Tendenz der Schrift er^
kannt hat, ohne jedoch die politische zu sehen, eine liebens würdige
Offenhett, ein in voraus unterzeichnen jedes Lobes und Tadels Ür dat
eigene Benehmen (S. 738 der Sporschilscben Uebersetzung) bei JoHaa
voraussetzen will, die Sicherheit des Julian, die eitele filelbstnberhe*
bung, wird man doch nicht zu verkennen haben. Fiir Erkenntnis die-
ser maszlosen SeibRtsncht, ans der sieh ja das ganze Wesen Joliaas
erklärt, bietet die Schrift auch noch einen anderen Anhalt. Der Hr.
Verf. hat ganz Recht , wenn er die psychologische Seite der Kaiserge-
schichte betont: aber Jnlian konnte sie gar nicht anders fassen* Fir
ihn WAT eben in der Geschichte keine innere Verkettung; das hlsCe-
risrh gegebene blieb ihm verborgen, die Zeichen der Zeit Terstand er
nicht, daher sein blindes verkennen des nothwendigen , sein wahnsia-
niges entgegenstiirmen gegen die unaufhaltbare Entwicklung. Gibbsn
bei seiner Vorliebe für den ihm geistesverwandten Julian, konnte wsl
eine solche Darstellung af(rccab!e and instructivc finden, wer aber Tel
dem Hcrscher auch nur einen offenen Blick für die Thatsachen fbrdefft,
wird sich durch eine Schrift abgestoszen fühlen, welche denselben ss
gnr keine Rechnung tragt. Vielleicht haben ^%ir noch die Frage W er-
warten, wie sich denn die Darstellung des Götterkreises mit der Ab*
sieht der Herstellung des Heidenthums vertrage, leicht wird man sldk
aber diese beantworten, wenn man bedenkt, dasz J. nicht die die
Vulksreligion xnruckführen, sondern ein neues Gebinde aus den Ton dort
überkommenen Baustücken aufrichten wollte (vgl. unsere Bemerkungen
Jahrb. Bd XXXf S. 4bO). Durch diese Ansicht ist keineswegs ansgs* '
schlössen, dasz die Caesares historischen Werth haben, dasi Jolian
manches recht scharf crfaszt habe, dasz er manches bestStigt, was ans
anderen Quellen zweifelhaft ist, aber Vorsicht bei dem Gebranche wird
immer nothwendig sein. Dies sind Fragen, die wir von dem Hm. Vf.
beantwortet wünschten, aber dadurch ungehindert erkennen wir das
von ihm gebotene bestens an und empfehlen seine Schrift der Beach-
tung allet , die sich mit der römischen Kaisergeschicbte beschäftigen.
-^ Ä. H.
Drksden]. Das Gymnasium st. cnucis hat in den letzt vergangenen
zwei Jahren durch des Cour. Wagner Abgang und seines Nachfolgen
Beriehte über gelehrte Anstalten, Verordnmifen, Statist. Notisei. 407
Sillig Tod manche Verändern ng erfahren. Ein Jahr lang war an der-
selben (Mich. 54 — 55) der Cand. R. Th. Potschke alt Lehrer ange-
fitelit, schied aber aus um eine andere Steile anzunehmen, das Probe-
jahr leistete der Cand. Dr. Ruckert. Die Vacanzen wurden durch
Ascension und Anstellung neuer unterster Lehrer ausgefüllt, to daas
Ostern 1856 das Lehrercollegiuro bestand aus dem Rector Dr. Klee«
Conr. Dr. Böttcher, den Oberlehrern Uelbig, Dr. Götz, Dr. Bai-
tzer, Cantor Otto, den Gymnasiallehrern Lindemann, Albani,
Sachse, Schone, Dr. Pfuhl, Dr. Mehnert, Dr. Habler nnd
C lau SS [beide neu angestellt], dem Srhreibl. Keller mann und Ge-
sanglehrer Eisold. Von Ostern 1855 hielt der Cand. Dr. Hultsch,
von Mich, der Cand. Dr. Friedr. Rieb. Pranke das Probejahr ab.
Die Scbülerzahi betrug:
I IIa IIb Ufa Illb IVa IVb Va Vb Sa Abit.i
März 1855 SI 34 32 40 43 51 28 18 18 285 16 < Herbst
„ 1856 36 26 29 48 58 49 42 16 15 319 24. ( 1856 3
Das Programm ▼. Ostern 1855 enthält 1) sur Pflanzen geographie vom
Gymnasiall. C. Tr. Sachse (41 S. 8). 2) Rede bei der Feier dee
Geburtstage» Sr. MaJ. am 12. Dec. 1854 von J. Sillig (S. 42—52),
eben so innig in Verehrung des trefflichen Herschers, wie klar in der
Zeichnung seiner Geistesbildung als Vorbildes für jedermann. Im Pror
gramm von 1856 finden wir Tom Gymnasiall. Schöne: über den Cha-
rakter Richards HI. bei Shakespeare (36 S. 8). Der Hr. Verf. hätte
sich nicht zu entschuldigen gebraucht, dasz er statt einer rein wissen-
schaftlichen Arbeit eine im Kreise von Gebildeten gehaltene Vorlesung
biete. Denn einmal wird niemand leugnen, dasz der Gegenstand der
Behandlung würdig sei, gerade in einem Programme, weil für die
Schäler zum Studium des grasten dramatischen Dichters der neuern
Zeit Anregung gegeben und ihnen ein Muster zur Vertiefmig in andere
Meisterwerke, mit denen sie sich beschäftigen, geboten wird, sodann
jedermann gern anerkennen, dasz der Hr. Verf. seine Aufgabe in ganz
befriedigender Weise gelost habe. Die Darstellung ist sorgfältig, licht-
voll und lebendig, fesselnd, die Auffassung überzeugend, und die Anr
merkungen bieten nicht nur ein erfreuliches gelehrtes Material, sondern
auch manche gesunde und richtige aesthetisrhe Ansicht. Wir verweir
sen z. B. auf Anm. 28 über das Verhältnis Leasings und Weisels und
46 über das tragische in bösen Charakteren, wo auch Aristoteles Er-
klärung findet. — Von der mit dem Vitzthumscben Gosrhiechtsgymna-
sinm vereinigten Bezzembergerschen Erziehungsanstalt können wir, da
über den Lehrerwechsel im Programm nichts berichtet ist, nur die
Ostern 1856 der Anstalt ausschlieszlich angehörenden Lehrer namhaft
machen. Sie waren auszer dem Director Scbulr. Prof. Bezzenber-
ger Dr. Hübner, W. Heisinger, Fr. Dillon, Dr. Herrn. Wun-r
der, J. Morin, J. Sörgel, Dr. O. Roquette, Dr. Creceiius,
Frd. Coch, Dr. G. Michaelis, Dr. G. Heraus (früher in Kassel),
J. Ernst, Dr. C. A. Baumeister (bekannt durch seine Reisen in
Griechenland), G. A. R. Pompe, Dr. F. C. H. Schreiber, Chr.
W. M. Grein, Dr. Th. Schachardt, J. Robert, W. Kellner.
Die Schülerzahl betrog Gyran. \ 17, II 15, III 14, IV 7. Real. II 20,
III 14, Prog. I 8, II 13, Sa 108. Zur Univ. wurden 3 entlassen. Ei-
nen sehr dankenswerthen Beitrag zur Mythologie bietet die von gro-
Kzem Fleisze, Kenntnis und Scharfsinn zeugende Abhandlung des Dr.
Gust. Michaelis: die Paliken, Ein Beitrag zur Würdigung alt-
italischer Culte (67 S. 8), die, wenn man auch vielleicht mit einzelnem
sich nicht einverstanden erklärt, doch ganz entschieden ein heileres Licht
dem viel bestrittenen dunkeln Gegenstand bringt. Nachdem der Hr.
Verf. die Bedenken, welche die bekannte Stelle des Macrobina bietet,
29*
408 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnongen, stalisl. NtHiieiL
<larpelegt, stellt er zuerst die BeschafTenheit der Oertlichlceit , an wel-
che der Palikencult angeknflpft erscheint, aus den alten und neve«
Quellen (est und zeigt namentlich, dasz die JBlloi nicht Ton derad-
ben, wenn auch im geringen Zwischenraum, entfernt lagen, aondeni
vielmehr die eben dort befindlichen HQatriQBs bezeichnen. Den Namen
dieMer erklärt er als eine dorische Dialectform, abzuleiten tob titm,
womit allerdings die Sache nbereinstinimt. Weniger zweifellos ersebeint
uns die Coniectur, dasz an der Stelle des Polemo ot i% fitfiTQog adtl-
q>oC zu lesen sei, obgleich durch die Nichtannahme die Ansicht des Vf.
nicht alteriert wird. Sehr gründlich geht der Verf. bei der Erörterung
des Cultes und der den Paliken beigelegten Bedentangen in Werke
(wobei wir indes S. 28 die Gründe, durch welche er Vere. Aen. IX
:>8j inptacahiiia empfiehlt, nicht recht begreifen und die Schwierigkeit
von Paiici, wofür Ladewig mit Peerlkamp Palieh cerrigiert hat,
ganz übergangen finden) und zeigt, wie allmählich die Natnrgewak
eine sittliche Gestalt annahm. Bei der sehr ansprechenden Entwicklnng,
wie sich in den altitalischen Culten (der Verf. spricht freilich Ton pc-
laxgischen) der Begriff des gottlichen und heiligen an das vnleanisne,
namentlich den Schwefel, geknüpft, wäre vielleicht manche Schwierig-
keit leichter gelöst worden, wenn, was Pictet in d. Zeitnchr. fir vgl.
Spraehforsch. 1866 I S. 24 — 50 eingehend entwicicelt hat, die nrsprnng-
liche Beziehung zwischen Heilkunst und Zauberei erkannt wäre. Sehr
gut ist die Nach Weisung, wie es gekommen, dasz Zeus als Vater der
Pnliken ge<lichtet ward, zugleich aber auch y^rfranus (Vulcan-Hephae-
htUH). Für 80 richtig wir endlich die Ableituug des Namens Faltet tob
der Wurzel des italischen palleo halten, so scheinen doch noch Bch-
rcre aus den Gesetzen der Sprachvergleichung zu entnehmende Krer-
terungen nöthig, während Adranus aus dem von Mommsen nnterr. DiaL
8. 246 nachgewiesenen adcr = cifer sich von selbst empfiehlt.
Gikszkn]. Am dasigen groszherz. Gymn. unterrichteten in letzt-
vergnngenen Schuljahr der Dir. Dr. Geist, Prof. Dr. Soldao, Dr.
V.. Glaser, Dr. W. Diehl, Dr. H.Rumpf, Dr. J. H. Hainebacb,
Dr. F. A. Keck, Dr. H. Kohler. Der Ostern 1855 für den Unte1^
rieht in der Math, und der Naturw. angestellte Realiehramtscandidat
AI fr. Maul folgte Ostern 18.')6 einem Kufe an die Realschule in Ba-
Mel. Den Access machte der Gymnasiallehramtscand. Dr. Lipa. Dis
Schiilerzahl war im Wintersem. 155 (I 36, 11 25, III 23, IV 26, V «,
VI 23), Abit. Ostern 1855 16, Mich. 5. Die den Schulnachrichten vor-
ausgestellte Abhandlung des Gymnasiall. Dr. Glaser: znr Geschichte
des Klosters Wirberg (16 sl 4), welche zugleich als Gratnlationi-
Schrift zum 2r)j. Jubilaeum des Prof. Dr Soldan dient, hat nicht blosi
ein locales, sondern auch ein allgemeines Interesse, da sie unter an-
derem ein Beispiel Ton der Anwendung der geistlichen Gewalt dnrch
das Tnterdict bietet. R, D,
GRtKciiENLANP]. So eben veroiTentlicht der griechische Minister
der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten, Hr. Christopnlos, ei-
nen Bericht an den König, eine IIEPlAHnTIKH EKBE£l£ THE
E\ EAAAJl MESllE EKnAIJETZESlS ano xov 1829 (U%^i rilov^
Tov 18;)5, ^FT« arctTiGTi^tav arjusicoaBcov. Kr beginnt mit der mittleren
Stufe des Unterrichts, welche wieder im 2 Unterabtheilmgen lerfilll.
nemlich in die diffuoTiccX^a iv toi$ ' Eklrjvmotg oxoXttoii yivofidrtj und
in die iv xoC^ yxfavitaioic;. In den erstgenannten Schulen , deren (^irsns
dreijährig ist, erwerben die Schüler die zum bürgerlichen und prakti-
schen Leben vorzugsweise erforderlichen Kenntnisse und gehen dann,
falls sie im Stande sind ihre Bildungszeit auszudehnen, in die Gymna-
sien über, deren Cursus vierjährig ist. Das Ziel der Gymnasien ist
Deriohte aber gelehrte AnsUiUeo, VerordnimgeD^ sUHisC. Nolixen. 409
sodann I* diejenige allgemeine Bildung (ßyxvxliov nmlhiav) za geben,
welche auf der einen Seite^ befähigt , auf der priecliiscben Universität
{navenictTi^iov) oder auf irgend einer Universität r^s 90917; Ev^m-nriq
die Studien fortzusetzen, oder auf der andern Seite in eine praktische
Berufsart einzutreten.
AU Unterrichtsgegenstande der erstgenannten Schulen gibt der Mi-
nister an: filemente der griechischen Sprache und Grammatik, bibl.
Geschichte, Katechismus, Elemente der franzosischen und lateinischen
Sprache, praktisches Rechnen und Anfange der Geometrie, politische
Geographie, allgemeine Geschichte im Ueberblick und griechische spe-
cieller, ausserdem Kalligraphie.
Die Uaterrichtsgegenstände im Gymnasium sind folgende: griechi-
sche Spracbe mit grammatischer und sachlicher Erklärung der grie-
chischen Prosaiker und Dichter, theoretische Arithmetik, Geometrie,
Algebra, Stereometrie und ebene Trigonometrie , Experimental - Physik,
Elemente der Philosophie, mathematische und physikalische Geographie,
Geschichte der einzelnen Völker mit geographischen Einleitungen, fran-
zösisch und iatein, ausserdem in den athenischen und in zwei anderen
Gymnasien deutsch und englisch.
Vor dem Rescript vom 31. f>ec, 1836 wurden die Lehrer sowol an
den hellenischen Schulen (Progymnasien), als auch an den Gymnasien
ohne besondere Prüfung, auf ihre Lehrgeschicklichkeit hin, angestellt.
Seitdem müssen die ersteren auszer der praktischen Befähigung auch
noch vor der Behörde eine gute Kenntnis der gymnasialen Fächer dar-
thun und die letzteren eine akademische Bildung besitzen. Ja eine Ver-
fügung vom 18. October 1850 geht darin noch weiter, indem sie noch
sicherere Garantien der Tüchtigkeit verlangt. Es heiszt : *0 ^i-lv d'iXav,
Tiaza xo 9idtay[ux touto, va diOQiad'j dLÖdcxalog EXXtjvi'kov a%QXhCov
«7e6 xov 1851 xal f^^s ij vdXd^r^xriv iSnav xov IditoxiTuos diddayieiv,
orpsUsi v' dnodsi^y Sxi di^X&s x'^v asigdv xtSv fia^rjiuixoiv xnq tpiXo-
Xoyiocg iv xtp navBiiiaxrjii^a %al x£ iv avxw tpQOvxiaxTjQirp xal itgooB-
Kxriaaxo ISiaLXBgav x^XsionoCriaiv. *0 9h nabiriyrixiqg otpsiXsi vd nagov-
aia^U eig VTtovgysCov xovXd%iaxov xsXBiodidduxov dinXatiia. Der Mini-
nister ist offen genug zu gestehen, dasz er vorläufig noch von diesen
so hochgespannten Anforderungen absehen und zu der alten Bestim-
mung seine Zuflucht nehmen müsse, um nicht die Schulen der fjehrer
zu berauben.
Was die nun folgende Uebersicht über die Entwicklung des grie-
chischen Schulwesens betrifft, so bietet die erste Periode (1829 — 30)»
welche unmittelbar auf die Befreiung Griechenlands folgt, viele Ana-
logien mit der Zeit nach nnsern deutschen Freiheitskriegen. In die
von Kapodistrias organisierte Centralschule strömten auch viele solche
Jünglinge, welche kurz zuvor iv xoig xov'AQSatg ^rf^^tg gekämpft hat-
ten. Mit dem Jahre 1830 nahm das Schulwesen des Staates einen nenen
Aufschwung. Schon damals- fanden sich an hellenischen Schulen:
im Peloponnes 19 mit . . 766 Schülern
in den Inseln 18 mit . . 1073 „
im westlichen Hellas 1 mit . 40 „
im östlichen Hellas 1 mit . 40 ,,
in andern St aatsinatl tuten 160 „
Snmma 2528 Schüler.
Die meisten Kinder wurden jedoch in Privatschulen oder im elterlichen
Hanse unterrichtet. Von dem Reglerungsantritt des Königs Otto (1833)
datiert der Minister eine zweite Periode in der Entwicklung des Schul-
wesens, indem seitdem erst Einfluss gewonnen xd iv x'j coipß Ev(fwrji
negl xovxmv xe^ft^yor voiio^ix/iftata. Mit Recht war die Regierung Tor
410 Berichte Aber gelehrte Anstalten, Verorduungeo, flalüt. Notisea.
aiiein auf die Einrichtung und VerbeMerung der Elemantanchalen be*
dacht, und wüste für diese Absichten auch die Gemeinden hier und da
zu interessieren. Eine 3te Periode beginnt der Minister mit dfm er-
scheinen des Grund regulativs in Betreif der beiden Arten d«r Mittel-
schulen (\oin 51. December J836), eines Regulativs, welche« seither
nur in einzelnen PuukUn ron der Gesetzgebung verlassen worden ist.
Eine grosze Menge von Schulen entstand in dieser Zeit, sam Thcil
vollständige mit einem Scholarchen und drei Lehren der Ordnungen Jt^
ß' und r% zum Theil, je nach dem Bedürfnis, mit zwei Lehrern oder
mit einem. Der Eifer der Regierung weckte an manchen Orten noch
eine lebhafte Betheiligung der Corporationen bei der Errichtung nnd
Ausstattung der Schulen. Um für diese 5te Periode ein Bild von dem
äuszeru Wachsthum des Schulwesens zu haben, theilt der Minister
eine Tabelle mit, welche die Summen enthalt, die vom Staate von
1834 -- 49 alljährlich auf die Schulen verwandt worden sind. Damach
betrugen die Ausgaben im
Jahre für Gymnasien für hellen. Schulen in Snmma
1836 41,976 Dr. 71,569 Dr. 113,645 Dr.
1849 82,7()0 „ 190,318 „ 273,018 „
Mit dem Jahre 1850 beginnt der Bericht eine 4te Periode, die bis auf
die Gegenwart reicht. Der Anfang dieser Periode ist nicht etwa durch
die Sache gegeben, sondern dadurch, dasz der Minister im Stande ist,
von jener Zeit ah genauere statistische Daten, oIh in den früheren Pe-
riodt'n, mitzutheilen. Wir wollen aus seinen Antraben diejenigen aus-
wählen, welche sich auf den Anfang und auf das Ende der in Rede
stehenden Periode beziehen.
1850
Die Zahl der Gymnasien betrug 6
Es lehrten an denselben Gymnasiarchen und Professoren . 34
Zeichenlehrer (6iö.*IxvoyQa(p{ag) 5
Zahl der Schüler 740
Zahl der Abiturienten 75
Ausgabe 86,156 Dr.
Die Zahl der hellenischen Schulen betrug 75
Die Zahl der Lehrer 135
Eingeschriebene Schüler 2860
Abgegangen 230
Ausgabe 191,901 Dr.
1865
Die Zahl der Gymnasien 7
Es lehrten an denselben Gymiiasiarchen und Professoren . 52
Zahl der Schüler 968
Zahl der Abiturienten g3
Ausgabe 150,753 Dr.
Die Zahl der hellenischen Schulen betrug 81
Die Zahl der Lehrer 135
Die Zahl der Schüler 4200
Es giengen ab 400
Ausgabe 210,000 Dr.
Das Resultat des letzteren Jahres wird vom Minister als ein erfreuli-
ches bezeichnet. Die auszer den oben beschriebenen öffentlichen Sehn-
Periobte aber gelebrle AnsUilten , Verordnangeo, mUümL Nolizen. 411
l«ii uoch bestehenden PrivAtscbuien, weiche Quter der Aufäicht de«
Staates «teheu, werden Ton etwa 600 Schulern beaucht.
Im Ganzen genie^^zen in Griechenland , nach den statistUchen An-
gaben des MinUters, gegen 6018 Scholer den Unterrieht der mittleren
tftufe, wonach dann je einer auf 200 Einwohner käme. Der Minister
vergleicht mit diesen Zahlen diejenigen , welche «ich in der Exposition
des französischen Ministers Villemain vom Jahre 184*2 finden und
nach welchen in Frankreich ein Schüler (der insiituttons pour Vin»tru-
dion secondaire) auf 493 Einwohner kommt und fugt dann hinzu: ov-
ZU) ÖvvufjMi, va iCnoa BvnapQqai^ottos, Svi iv 'EXlddi i} ftäifi} i%vai-
Nichts desto weniger erkennt der Minister w'ol, dasz das Schul-
wesen seines Landes noch mancher Verbesserung bedürfe. Insbesondere
liegt es ihm am Herzen, mehr Berufs- und Fachschulen für die vier
Zweige des praktischen Lebens, Yun denen 'oifenbar zum großen Theil
die Wolfahrt des Vaterlandes' abhängt, zu erunden; er meint zitv
ytaQyiav^ z6 ijin6{fiov , tqvvavctliav nai xai; zdxvocg. Näclist dein
hat auch die kirchliche und nberhau{.t die religiöse Seite der Bildung
seine Aufmerksamkeit auf «ich gezogen. Denn dasz die religiöse Bil-
dung mit der übrigen aligemeinen Bildung Hand in Hand gehen müsse,
ist dem Minister unzweifelhaft- Mit Warme hebt er hervor, dasz die
Erkenntnis und die Beobachtung der Gebote des Herrn nicht blosz jen-
beit des Grabes, sondern auch schon in diesem Leben glücklich mVche«
Er schlieszt mit den Worten: o Xöyos zov xvqCov iazlv i] ßäöig nda-qg
aQiz^g xofl aotpCag xofl 6 zrjgoiv avzov ^nav dnoQ-dvTi ^rjaezai''.
Wir übergehen, was der Bericht weiterhin über landwirthschaftli-
che Anstalten, über Navigations- und Handelschulen bemerkt, auch
die kurzen §§ über Mädchenerziehuug , über Schulbücher und Biblio-
theken enthalten nichts erhebliches. Am Schlüsse des Berichts kommt
der Minister auf den Ruhm des alten Griechenlands. Er sei allein her-
vorgegangen ans der so einzigen Verehrung der Musen, der freies
Künste und der Philosophie. Griechenland habe nimmer habgierig nach
Keichthum gestrebt, noch auch den so unsichern Besitz groszer Lan-
denuassen gesucht; unersättlich sei es allein gewesen in Bezug auf die
Weisheit, welche den Geist erleuchtet und den Menschen des Looses
würdig macht, das ihm vom Schöpfer auf dieser Erde angewiesen ist.
Der Minister citiert dafür eine Stelle aus Herodot (Z 102): x'j^EXXddi.
mvCri yiXv dsinozs avvzQ0(p6s iazi, dgeziq Ö* §nanz6g iazi dno ze co-
Utii^g %uzsQyaafiivi] %al voiiov iaxvQOv, Diese Beobachtung in Betreff
ies altgriechischen Wesens hält er dem gegenwärtigen Geschlecht als
ein noch immer eiltiges Ideal vor und rechnet für die fortschreitende
Verwirklichung desselben besonders auf die Hilfe des Monarchen, dem
sein ganzer Bericht gewidmet ist.
B. H.
Güstrow]. Auch im Schuljahr Ostern 1855 — 56 erfuhr die dasige
Doraschule (s. Bd. LXXII S. 423) keine Veränderung im Lehrercolle-
ginm. Die Schülerzahl war im Wintersem. 80 (I 12, H 19, III 23. IV
V6). Abiturienten Mich. 1855 1, Ostern 1856 5. Den Schnlnachrichten
voraus geht vom Dir. Dr. Raspe: Qtiae9tionum Sophoclearum part. II
(16 S. 4). Mit Scharfsinn und Lebendigkeit bespricht der Hr Verf.
die vielfach behandelte Frage, ob Aias im gleichnamigen Stücke Vs.
646 — 692 als heuchelnd zu betrachten sei, und entssheidet sich, weil
dies mit dem Charakter des Helden nirht stimme, weil man nothwen-
diff annehmen müsse, dasz Tekmessa mit Eurysakes mit in das Zelt
gehe und hier durch ihre Bitten eiAe Sinnesänderung eintrete,
weil in den Worten nichts zur Annahme einer Heuchelei zwingendes,
enthalten sei, en^ilich der Zweck der Tragoedle eine anerkennepde
412 Bmchte aber gelehrte Aostalten, Verordnungea, ftatift. NoUin«
Beagang anter der Gotter Macht nothwendig mache, diese aber an-
derswo eine passende Stelle nicht finden könne, für Yerwerfang Jener
von den meisten Gelehrten festgehaltenen Ansicht und faast demnach
die Rede als Ausdruck einer Mfirklichen Sinnesanderang, aber nicht
vollkommen ruhiger und reflectierender Stimmung, so dasi Aias wider
Willen ausspreche, was auf sein Bndschicksal hindeute -^ eine Knnst,
in der Sophokles seine Meisterschaft auch anderwärts bewährt habe.
Ist damit auch nicht jeder Zweifel gehoben, namentlich der nicht,
dasz dann das wirkliche Ende vom Dichter gar ^ nicht psjcholo^sdi
motiviert erscheint, findet man wol auch, dasz hier und da im Eifer
des beweiseiis vielleicht zu weit gegriffen ist, so wird man doch aner-
kennen müssen, dasz der Hr. Verf. viele gesuchte Grande für die gc-
gentheilige Ansicht zurückgewiesen und einen sehr wesentlichen Bei-
trag zur richtigen Auffassung jener Stelle geliefert hat. Denn daran
wird man schwerlich noch zweifeln können, dasz Aias Rede nicht als
eine heuchlerische aufgefaszt werden dürfe, sondern dasz sie in seinem
Gemüte wirklich sich regende Gefühle ausspreche; diese aber sind
die des Schwankens und der Unentschiedenheit. Durch Tekraeasa ist
er unsicher in seinem Entschlüsse geworden; er sucht seine Leiden-
schaft niederzukämpfen, aber siedringt doch immer empor: daher nach
der unverkennbar bitteren Aeuszernng Vs. 666 eine so lange Reihe von
Sentenzen, mit denen er das aufstei<>ende niederzukämpfen strebt, aber
am Schlüsse in den drei letzten Versen wieder unverkennbar der zur
Entscheidung drängende Kampf. Das stimmt aber mit seinem Wesen
überein, dasz er allein in sich und mit sich die Entscheidung sucht,
und indem er so spricht, wird zwar der Chor zur Hoffnung dessen an-
geregt, was er wünscht, ^ — doch klingt in dem letzten Theile seines
Liedes ndvd"* 6 fiiyccg X9^'''^S ^^^* die Befürchtung durch, daas noch
nicht alles beseitigt — , aber der Zuschauer fühlt, dasz wenn auf Aiaa
ohne Zeugen, ohne Zuspräche derer, welche er liebt, das Gefühl sei-
ner Schmach von neuem einstürmt, er untergehen musz. Uebrigena
hat der Hr. Vf. über die kritische Constituierung und Erklärung man-
cher einzelner Stellen und über das inHVHkrifia , so wie auch daa W**
sen der antiken Tragoedie manchen sehr beachtungswerthen Wink ge-
geben.
Halberstadt]. Am Domgymnasium trat wahrend des Schaljabra
1855 — 56 nur die Veränderung ein, dasz die vorher von dem Muaikdi-
rector Geist (Bd. L\X S. 4iV2) innegehabte Stelle getrennt and eine
9te ord. Lehrerstelle dem vorherigen Hilf:ilehn>r Dr. Will mann, die
Wissenschaft liehe Hilfslehrerstelle dem Cand. O. Kalmus übertragen
wurde. Pfingsten 1855 verliesz die Anstalt der Cand. Gessner. um
die interimistische Verwaltung der mathematischen I^hrerstelle in
Srhieusingen zu übernehmen. Die Schülerzahl war 2^, Abiturienten
Mich. ]855 3, Ostern 1856 6. Leider muste die Vorbereitungsklasse
wegen des groszen Mangels an jüngeren Lehrern eingehen. Die den
Schulnachrichten vorausgehende Abhandlung des Oberlehr. Dr. Reh-
dantz: Themata au schriftlichen Privatarbeiten für die oberen Klaa-
gen eines Gymnasiums (24 S. 4) fordert eine ausführliche Besprechung
um so mehr, als wir dem unverkennbaren rühmlichen Eifer und den
ausgebreiteten Kenntnissen des Hrn. Verf. gegenüber eine sorgfaltige
Begründung unserer Bedenken schuldig sind und namentlich ihm mög-
liche Consequenzen nachzuweisen verpflichtet uns fühlen, welche er
vielleicht nicht ahnt. Dasz das Privatstudium nicht in bloszer I^ctn-
re, sondern auch in selbständigen Arbeiten zu bestehen habe, ist bis
jetzt von allen, die dafür ihre Stimme erhoben, anerkannt und Seyf-
fert, der thätige Regenerator, hat selbst in seiner Schrift über d. Pri-
vatstudium S. 49 ff. eine Anleitung data für eine Secunda gegeben.
Beriehte über gelehrte Anfilalten, Verordnuagea, tialist. Notiien. 419
Der Hr. Verf. der Torliegenden Abhandlong hat gewissermasien dies
nur weiter anageführt und in dankenswerther Weiase eine grosze Menge
Ton Themen xor Benntzong, nach tysteoiatischer EintheSInne geordnet,
xnaammengeatellt; aber er hat einerseits unterlassen das Verhältnis die-
ser Privatarbeiten bu den officiellen, die Seyffert S. 47 für ehen so noth-
wendig hält, wie er um des höheren Zweckes willen ihre Vescbrankung
▼erlangt, scharf und bestimmt xu bezeichnen, anderseits aber' geht er
in der für dieselben geforderten Controlierung Tiel welter als S^fferi
S. 48, und gibt Themata, welche entschieden weiter greifen. Es ist
demnach zuerst das Bedenken als gerechtfertigt zu betrachten, ob nicht
bei dem, was neben den klassischen Studien von dem Schuler noch ge-
fordert werden musz, die Leistung derartiger Privatarbeiten für die
Kraft des Schülers zu grosz sei. Die mit so Tielem Rechte Tertangte
Concentration des Unterrichts kann unmöglich dadurch erreicht wer-
den, dasz man in den Fächern, welche man einmal ohne Nachtheil'
nicht hinauswerfen kann , gar nichts verlangt und wenn man mit gebüh-
rendem Nachdruck die begründete Forderung stellt, dasz in ihnen die
Stunden selbst das lernen und üben geben müssen , so darf man dabei
nicht vergessen, dasz dann die intensivere Geistesthätigkeit während
der Lectionen eine groszere Anstrengung ist. Wer daher Mittel für
die Belebung und Fruchtbarmachung der Klassischen Studien vorschlägt,
für den ist es nnerlässlich, dasz er die Möglichkeit in Verhältnia zn
andern Forderungen nachweist und das Masz, welches er festgehalten
wissen will, bestimmt angibt. Wir furchten, dasz der Hr. Verf. durch
die Unterlassung davon seiner Sache etwas geschadet hat und mancher
Leser von vornherein durch den Gedanken an die Unmöglichkeit von
eingehender Prfifon^ und Würdigung abgehalten werden wird. Im all-
gemeinen aber scheint uns die Warnung vor einer zu groszen Ausdeh-
nung der schriftlichen Privatarbeiten wol berechtigt, wie denn schon
Ref. Bd. LXVl S. 181 eine von der Seyfifertschen verschiedene Pra-
xis angedeutet hat. Es will uns nemlich bedanken, als habe man in
unserer Zeit, wie in allen Verhältnissen, so auch in der Schule die
Schriftlicbkeit — um diesen oft gehorten Ausdruck in Ermangelung
eines bessern zu gebrauchen — zu weit ausgedehnt. Ref. hat eine dop-
pelte Erfahrung sehr häufig gemacht, einmal, wie wenig oft Schuler
in den obersten Klassen fähig sind, das gesprochene sofort ohne es za
Papier zu bringen, aufzufassen und sicher zu behalten, sodann dasz
sie ohne zu schreiben wenig, ja fast gar nicht zn arbeiten im Stande
sind. Wie weit andere Schulmänner dieselben Erfahrungen gemacht
haben, darüber ist uns nur einzelnes bekannt, aber mehrere Erschei-
nungen der Zeit bestätigen sie ebenso, wie sie auf eine Quelle davon
hinweisen. Oder stimmt nicht damit jene Klage, dasz das denkende
lesen durch das schreiben überwuchert sei (vgl. unsere Bemerkung Bd.
hWll S. 597 mit der dort gegebenen Anfiihrnng), stimmt nicht damit
die Beobachtung auf Universitäten, dasz diejenigen Collegien am stärk-
sten besucht werden, in welchen alles nachgeschrieben wird, und die-
jenigen am leersten stehen, wo es gilt, das frei vorgetragene sofort im
Creiste zu verarbeiten, stimmt nicht damit der Hang zu leichter und
Afichtiger Lectfire, während tiefe Werke vernachlässigt werden? Wir
unterlassen weiteres anzufahren, da derartige Anklaeen leicht invidios
werden, und es nur darauf ankommt, den Blick auf diese Erscheinungen
hinzufenken. Sollten wir uns aber gänzlich darin täuschen, dasz jene
so oft beklagte Wahrnehmung, wie wenige Männer im Geschäftsleben
zn den Studien der Jugend zurückkehren, auszer anderen Ursachen
auch darin mit ihren Grund habe, dasz die Lust und Fähigkeit ohne
andere Arbeit mit dem bloszen denken in ein Getsteswerk sich zu ver-
tiefen im allgemeinen selten geworden ist? Weisen aber jene Erfah-
414 Bcricble über gelelirle AnsiaUea, Verorduuiiyeo,8lalMl. Noliiea.
rungeii nickt uof die in den Schulen henchende Metkode bin? Wir
treuen uns, daz^z das viele dictieren uiid dajs ausarbeiten dicker Heile
bereit« mehr und mehr beseitigt ist, aber sulUe nicht auch die Schale
iler Verpflichtung mehr nachkommen, ihre Schüler an ein ainnig den-
kendes lej»cn, an ein Venrauen auf die Geisteskraft und Fertigkeit
ohne die Krücke achriftlicher Aufzeichnung zu gewöhnend Die Blodig-
keit uni^erer Schaler, wenn ihnen plötzlich eine Stelle zn überaetsea
j;egeben wird, wird dann eHen$o, wie das schnelle ina blane hinein-
ralhen (vt-rgl. Wiese Ob. engt. Erz. S. 90) mehr verschwioden. Dasz
aber gerade dazu das PriTatstudinm das geeignetste Feld sei, bedarf
wul kaum des Uei%eis«s. Man wird dagegen einwenden, daaz die Ab-
>icht des Hrn. Verf. eben dahin gehe, ein solches eindringen in den
Geijjt vurzubereiten, die Beobachtung zu schärfen and die Fertigkeit
zu verleihen . welche dazu unumgün^lich nothwendig aei. Wul, wir
sind auch gar nicht gewillt, das Kind mit dem Bade anszoschiittcn;
wir ei klären vielmehr sclirifiliche Privatarbeiten bei und nit der Le-
cture au&drfu'klicb für nothMendig. und woKen ihut^n nur ein aolcbes
Ma^z angepriesen \%is&eu, da>z darüber jt-ner andere Zweck nicht Ter^
loren geht. Man wird bald deutlicher erkennen, wohin unsere Ab- nnd
Ansicht gehe. Kinen wosentlichon Unterschied zwischen der Privat-
und ötTentlichen Lfctüre setzen wir nemiich «larein, dasa während bei
dieser ein langAaines, durch die auf eine Vielheit zu nehmenden Rick-
dichten bedingte» fort»chreiien und ein durch die Hilfe des Lehrers
weiter geführtos Verständnis stattfindet, jene zwar nur zn einer der
Individualität und dem Standpunkte der Kenntnis entsprechenden Auf-
fassung, aber zu einem rascheren L'eheridick über ein grösxerea ganie
oder doch gröszere Abschnitte führt. L'nd dies ist nach unserer Kr-
fahrunj^ gerade dd>jenige, was bei den Schüiern Lust und Liebe au
der PrivatleciQre erweckt, und hat man die Abneigung gegen die klas-
sischen Studien und die geringe Theilnahme für dieselben in späterea
Jahren aus der mikrulogischen Krkinrungsweise und dem langsaacn
Gang und geringem l'mtang der Lectiire nicht mit L'nrecht abgeleitet,
Ao ist anderseits das Privatstudiom gerade aU Abhilfe dagegen eaqifvh-
len Würden. Wir finden dic Jugend ihrer Na;ur nach vielmehr der
Krkenntni» des rerilen Inhalt» in den altt-n Si-hrifi>tellern zugewandt,
als der Vertiefung in die Kurm, nnd der Leliror wird gewis auf die grö-
>te Theilnahmo ihrer^eiti« r«'chnpn können , welcher bei seiner Krklimng
die weiseste B«>>chränkung auf das, was zum Ver>tändnis der Terlie-
gen'!r-n Stelle nuthw endig i»t oder was iiincn einen Schlu*>el znm Ver-
ständnis anderer bietet, zu beubachien wei>z. Man darf daher nnÄerrr
l'eberzeiigüng nach bei dem Privatstudium am wenigsten fonlern. was
die^ichüler im rascheren und umfänglicheren lesen auHiält. den L'eher-
btick und den Genusz am ganzen und am Inhalt hemmt nnd hindert,
man musz nicht zu viel schriftliches fordern, damit sich der Schaler an
denkendes le^en und sicheres behalten gewöhne, und mn»a ihn »ich
selbst mehr überlassen , damit er am Privatj»tudiuBi Freude nnd Gefal-
len finde. Wir halten auszerdem rücksichtlich der Rrlernnng der alten
SpiAohrn an dem Grundsat le nnsres nnvergeszlichen Lehrer« G. Her-
mann ^i>|« \ p :^\, vgl. Ameis: Hennanns paedag. Einfl. 8. S.\) fealx
ttl ^ui* iiN^HMi-UM raiMiNi^iii usm mutriiyMc ^rrCionr, sichCi rcranr«lMi
liHfU^^Am Uk*%'imHs, cvjcutwcrrt^ ttuU^^t, pe«rfuaai nnteM ^ ffrrtmmU
M( i»N«%M'«* yk^UrtM. sxU t^ti* ^wrt^^ sea«u v^ra m fuiM dUiimgmert
»»»•». (!-«• U.»HHm IN f\^HttH* rC ^'^H»*^ns et«s s^Msiis lacairat nnd wnn-
Mihcn dio». u wikiud»4is «uvh bei Jrr Leituii|t de* Privat Stadiums be-
obaiKiut iKoh^lb ui u»%, >(»!, a<.i K«ih aU der beste erM-hienen. den
doi^olbv. u Ur«w4«iH viuv«a Iau^U»^ ^aU. der ein«: die griianaiscbe
NthuUi l.**.i»*U»». H^vl vl»w ««u djhittt 4^ ai»»<^i«i^rvv>jcn Freude in Sehn-
Berichte Ober geUbrto AosUileu, Vvrorduaegeo, sUlif t. Noliien. 415
der« Programm über da« PriraUtttdinni angewandt fanden (8oraa 1855.
Vgl. Bd. LXXII S. 432), zuerst solle der Schüler lesen und sich bei
Stellen, die er nicht Terstehe, nicht za lang aafhalten, sondern sie
nar mit einem Bleistiftstrich notieren, dann aber nach längerem lesen
zur zweiten Leetüre desselben zurückkehren; da werde erüuden, dasi
er vieles verstehen gelernt, was ihm das erstemal unüberwindlich er-
schienen. Also ist das erste, was wir im Privatstudium fordern, Lectfire
und zwar wiederholte, so dasz dem muUa das multum nicht fehlt. Da-
bei wird der Schüler freilich noch nicht in das volle und wahre Ver-
ständnis aller Stellen eindringen, er wird nicht die tiefste Anschauung
des ganzen gewinnen, nicht alle Spracherscheinungen beachten und
würdigen, aber er wird gewinnen, was ihm keine Sammlungen, keine
Arbeiten, keine Abhandlungen gewahren, ein seinen Kräften entspre-
chendes selbstthatig erworbenes Verständnis und einen seiner Natur
und Wesen zusagenden Genusz (vgl. die Ansichten G. Hennanns über
die Leetüre des Homer, sehr geschickt zusammengestellt von Ameis a.
a. O. S. 3i ff.). Rücksichtlich der Wahl der Schriftsteller gilt un«
der auch von Hermann aufgestellte Grundsatz, dasz der Schüler nichts
lese, wovon er nicht in öiTentiicher Leetüre einen Theil vorher oder
wofür er .nicht ein Analogon, ein verwandtes Geistesprodnct bereits
kennen gelernt, welcher Grundsatz natürlich bei ausgezeichneter Be-
fähigung Ausnahme erleiden kann jind musz. Für die Art der Arbeit
aber empfehlen wir, dasz der Schüler sich schriftlich notiere, was er
bei der zweiten Leetüre nothwendig dem Gedächtnisse wieder vorfüh-
ren zu müssen gedenkt, jedoch stets mahnend möglichst sicher es sich
einzuprägen und die Aufzeichnung immer nur als Anhalt für etwaige
Schwächung zu betrachten, sich auszerdem alle Notizen zu machen,
von denen er einen Gebrauch machen zu können hofft. Ist dann durch
solche Leetüre eine gewisse Fertigkeit im verstehen erreicht, dann re-
gen wir ihn zur Betrachtung des einzelnen, zur Fertigung solcher
schriftlichen Arbeiten an, wie der Hr. Verf. in seiner Abhandlung be-
zeichnet. Ob wir hierin mit demselben in Widerspruch stehen, können
wir freilich nicht gewis angeben, aber er würde nach unserer Ueber-
zeogung jedenfalls wol gethan haben das Verhältnis, in welches er den
Umfang und die Art der eigentlichen Leetüre gesetzt wissen will, sorg-
fältig zu erörtern, um so mehr, als ja die so oft durch die Erfahrung
bestätigte Befürchtung nahe liegt, dasz der Schüler an das einzelne
gewiesen, das ganze nicht allein, sondern auch alles übrige vernach-
lässigt. An das einzelne aber sieht sich der Schüler gewiesen, wenn
er schon in voraus weisz, dasz eine schriftliche Arbeit über einen spe-
ciellen Punkt seiner Lecture von ihm gefordert werden wird, ja Ref.
hat mehrere Beispiele erlebt, dasz einzelne ganze dicke Hefte voll Be-
obachtungen niedergeschrieben und ein glänzendes Lob ihres Fleiszes
erhalten hatten, ohne nur vom Inhalte des ganzen Rechenschaft geben,
ja auch nur alle, selbst leichtere Stellen, richtig und schnell über-
setzen za können. Entsteht aber nicht die Frage, wie viel Zeit den
Schülern, wenn von ihnen eine sorgfältige Leetüre des ganzen und ein
Verständnis aller einzelnen Stellen gefordert wird, zur Beantwortung
gewisser sich anknüpfender specieller Fragen durch schriftliche Arbei-
ten bleibt? Welches Masz wir in den letztern eingehalten zu sehen
wünschen, wird sich an das anschlieszen , was wir über die Controlie-
rung zu sagen haben. Darüber theilen wir ganz die von Seyffert a. a.
O. S. 48 aufgestellten Ansichten, während uns der Vf. viel weiter zn
gehen scheint. Im allgemeinen wird man zwar bei dem Schüler den
Wunsch finden, dasz der Lehrer von seinem Privatfleisse und dessen
Früchten Kenntnis erhalte, aber er wird auch durch zweierlei gehemmt
und gelähmt werden: 1) wenn von ihoi verlangt wird, was er als seine
416 Borichto Ubor golelirle Anslalleu, Verordiiuo^en, ttatiit. Noliie».
Kräfte ubcrnleigend oder auszerhatb des Kreises seiner Studien liegeod
betrachtet, und 2) wenn ihm das, was er mit seinen besten Kräften
^ethan su haben sich bewuszt ist, rücksichtslos verworfen wird.
Uef. hat öfters die Erfahrung gemacht, dasz strebsame Schüler Arbei-
ten den Augen und der Kenntnis des Lehrers entzogen, weil sie Urtn-
che zu der ilefürchtung zu haben glaubten, es möchte ihnen das, was
ihnen trotz der gefühlten Mängel lieb geworden, entrissen werden, and
eben so oft, dasz Schuler die Hoffnung, welche er in sie gesetzt, tensch-
ten, weil sie wie sie offen gestanden, keine Liebe zur Sache und kein Ver-
trauen in das gelingen gefaszt. Daraus folgt uns nun zweierlei, dasi
man den Schüler nicht allzusehr zur Bearbeitung solcher Themata no-
thigeii dürfe und da>z man bei der Beurtheilung sich ganz auf den Stand-
punkt des S.-hülers zu stellen nie vergesse. Man kann es nicht ableag-
nen, das Privatstadiuro, wenn es auch officiell gefordert wird (vgl. Bd.
LX.VI 8. 1H()), verliert sein Wesen und seine Bedeutung, wenn man nicht
dem freien walten der individuellen Neigung dabei möglichst Rrchnnag
trägt. Deshalb soll man nach unserer Ueberzeugung nicht unbedingt
und nicht von allen Schülern solche Arbeiten fordern, sich vielmenr
genügen lassen, wenn einer nur liest, aber fleiszig und mit einem sei-
nem Standpunkt entsprechenden Verständnis. Hält man mit Strenge
auf die Lösung aller officiellen Aufgaben, so thnt man der Individuali-
tät genugsam den ihr heilsamen Zwang an, man gönne ihr aber um so
mehr den freit'U Spielraum auf dem Felde, für welches sie schon den
Namen und Wesen nach denselben fordert. Versäumt nur der Lelirer
nicht, im Schüler die Neigung zu wecken, ihm die Losung gewisser
Aufgaben zu einem Innern Bedürfnis zu marhen, so wird er auch l>ei
den widerstrebenden etwas erreichen und gewis viel besser gelungenes
erhalten, weil mit Lust und Liebe gearbeitetes. Eine förmliche Cor-
rectur aber wünschten wir mit Seylfert gänzlich fern gehalten, mag
diese nun schriftlich oder auch nur mündlich gegeben werden. Nach
dem, waH der llr Vf. gelegentlich über die Controlierung sagt, fürch-
ten wir, dasz die Privatarbeiten auch rücksichtlirh der Aufgabenstel-
lung — denn die Controlierung zwingt zu ihrer Fertigung — gar lu
sehr den Charakter der publica officialiu annehmen. Ist dies ein Ir-
thum und ist er im Falle nur unsere Schuld? Haben wir oben gegen
«las ßfÖKzerc Masz sr.hriftlirher Arbeiten ein Bedenken ausges|irocheD,
so tritt jetzt ein zweites hinzu . dasz der Srhüler mit dem geschriebe-
nen Mich begnügend die lebendige Auffassung zurückbleiben liszt. Oder
sind die Schüler selten, welche das niedergeschriebene als den Beweis
ihres Fieiszes betrachtend, eben so wenig weiter streben, wie die, wel-
che die yurtrH{;e schwarz auf weisz zu haben wünschend, in den Hör-
sälen {<eistig untliätige Zuhörer sind? Der Hr. Verf. scheint selbst die
Krfahrung gemacht zu haben, wie oft schriftliche Arbeiten etwas gan
todtes bleiben, wenn sie nicht zu den eigentlichen KunstSdfgaben ge-
hören, und schlagt deshalb ein Mittel zur Belebung vor, mit dessen
Anwendung wir nicht einverstanden sein können. Kr täszt nemlicb die
Schüler über das, was hie beobachtet haben, vom Katheder Vortrage
halten, wie er auch in den i^ectionen nicht selten einen Schüler inter-
pretieren und diesen von den andern fragen oder ihm opponieren lasxt.
Uniier Hauptbedenken dagegen begründet sich auf die BefSrcbtuag,
daf.z dadurch eine schädliche Eitelkeit und dünkelvoller Khrgeis ge-
nährt werden. Die Jugend theilt die Fehler unserer Zeit oder besiut
weninntens ein« starke Hinneigung zu denselben. Wenn nun jetzt so
mancher liereit ist, Bücher und Brochuren, die eben so gut unge-
schrieben bleiben könnten, mit dunkelvoiler Amnaszung in die Welt
zu »enden und sich in Dingen zum f^ehrmeistcr aufzuwerfen, in
denen er noch Lehrling ist, so müssen wir die Jugend um so sorgrälti-
Berielite ifbisr felelirle Anslalfen, VerordamgeB, sUtist. Nolizea* 417
ger haten, dasz sie nicht in die gleichen Fehler Terfalle. Wie man
nnn manchen Schaler, wenn er eine Reihe gramniatiacher Regeln mit
Beispielen Tersehen, oder gegen eine Erklärung in Schnlansgaben eine
Kinwendang entwickelt hat, auf dem Wahne ertappt, als sei er ein
tüchtiger Grammatiker und verstehe schon mehr als mancher Gelehrt
ter, — ein Grund mehr yon den schriftlichen Privatarbeiten den Cha*
rakter gelehrter Abhandlung recht fem zu halten und ihnen das Gepräge
von Lemversuchen unvergänglich zu erhalten, — so wird man auch
Einbildung kaum verbäten können, wenn man ihn gewissermaszen znm
Lehrer seiner Mitschüler stempelt, umso mehr, wenn das, was ervor^
tragt, gerade nur er allein, nicht alle seine Mitschüler gearbeitet ha-
ben. Das Urtheil des Lehrers kann ja nicht immer demütigen und in
jedem Falle wäre die Voraussetzung einer Demütigung unzulasaig. Las-
sen wir also diese Privatarbeiten doch lieber zwischen dem Lehrer und
dem Schaler allein bleiben, lassen wir sie als ein xtrjfia tÖiov des
Schülers bestehen, aber als ein Cdiov in jedem Sinne des Wortes. Ge-
hen wir nnn endlich zn den von dem Hrn. Verf. aufgestellten TbenieR
selbst über, so müssen wir zuerst mit Dank anerkennen, dasz er man^
ches recht beachtenswerthe und nutzbare gegeben. Wir sind auch nicht
so mäkelig, um, was unserer eigenen Individualität nicht zusagt, oder
womit wir nichts anzufangen wissen, deshalb zn verwerfen, aberzeugt,
dasz andere damit recht gutes schaffen können; auch wollen wir gar
nicht an dem Erfolge zweifeln, den gesehen zu haben der Hr. Verf. zur
Empfehlung mancher Aufgabe rühmt, obgleich wir uns oft durch Er-
fahrungen ober die Annahme eines solchen bitter enttenscbt gesehen
haben, und was als Erfolg im Augenblick erscheint, recht oft für die
Gesamtbildung sich als irrelevant, wo nicht sogar nachtheilig erweist.
Im allgemeinen müssen wir bemerken, dasz der Schüler meist dem rea-
len Boden am meisten zugethan ist , sodann dem , was er anwenden zu
können glaubt; daher werden geschichtliche, aesthetische , antiquari-
sche Gegenstände, eben so wie Phraseologien ihn weit mehr anziehen,
als grammatishe Untersuchungen. Er geht dabei von einem natürlichen
sicheren Tacte aus, den der Lehrer nicht vernachlässigen, noch bre-
chen soll. Wenn er eine Stelle richtig versteht, wenn er eine gram-
matische Regel richtig anwendet, wenn er bei der Uebersetzung den
gut deutschen Ausdruck für eine Eigenthümlichkeit der fremden Spra-
che richtig setzt, so wird er zufrieden sein, und in der Nothigung nun
darüber zu reflectieren, eine überflüssige Behelligung finden, die ihn
im fortschreiten seiner Studien aufhalte. Wie man von der reflectie-
renden Methode im deutschen grammatischen Unterrichte schon darch
das geringe Interesse, das die Schüler daran nehmen, zurückgeschreckt
worden ist, wie man auch in den alten Sprachen wieder das usuelle
begreifen über das systemisierte grammatisieren und interpretieren,
unbewuszte Fertigkeit über reflectierende Betra<:htung gestellt hat, so
wird man auch für die Privatarbeiten anerkennen müssen, dasz gram-
matische Themen weniger angemessen sind, weniger auf die Lust und
Theilnahme der Schüler rechnen können, ja für das Bildungsziel nicht
so bedeutend sind , wie es scheint. Man wende nicht dagegen ein, dasz
ein oder der andere Lehrer bei den Schülern den lebhaftesten Eifer
erweckt habe, da es sich nicht dämm handelt, was eine bedeutende
Persönlichkeit in den Schülern hervorrafen kann, sondern ob dies was
sie erreicht ihrer Natur gemäsz ist oder gegen dieselbe, und ob eine sol-
che Lenkung derselben absolut nothwendig and heilsam ist. Wir müssen
immer im Gymnasium daran denken, dasz wir nicht künftige Philolo-
gen vor uns haben, sondern solche, die ganz anderen Wissenschaften
sich widmen wollen, und die, wenn sie auch nicht widerwillig gegen
die klasiischen Stadien sind, dennoch entweder richtig fühlen oder
418 Berichle Ober gelehrte AnsIfiUen, Verordnangta, alatiät
darüber nachdenken, was zu ihrer Bildung und wa« \m die eigenÜiehe
philologische Wissenschaft gebort; umsomehr hat sich der JUabrer n
baten auch nicht den Anschein philologischer Pedanterie su «nrackea,
die den klassischen Studien so unendlich geschadet bat. Der Hr. Verl
sieht selbst (8. 7) den Vorwurf voraus, dasz seine Aufgabe* pbilela-
jrischer Natur seien, berechnet Philologen zu bilden, beseitigt aMr deih
selben mit der Bemerkung, sie seien philologischer Natur, in je wak
es für jeden gebildeten unerläszlich sei, zur firkcnntnia und Herachaft
über den eigenen koyog zu kommen , und sie könnten auf alle flerechet
angewandt werden. Wir fürchten, dasz damit der Vorwurf nicht be-
seitigt sei. Was ist Erkenntnis des eigenen Xoyog^ Ist es die bewnaitt
fjiiiHicht in die Sprachgesetze ¥ Nun unsere Klassiker haben doch Hei-
sterschaft im Siil und Herschaft über die Sprache beseaaen, ohne ael-.
che Hebungen vorgenommen zu haben, und mancher Nichtphilotofe hat
die Schönheit der antiken Form besser verstanden und besser miuia
zugeben gewuszt, als der gelehrteste Philolog. Mit dem letsten Znsati
aber, furchten wir vollends, scheint der Sache vielmehr geschadet.
Denn, wird der weniger eingeweihte fragen, warum dann an den aiteai
nicht an den modernen Sprachen solche Dinge vornehmen V die ietnte-
ren htehen doch dem deutschen näher, aus ihnen musz für die Biidosf
in diesem mehr resultieren. Ref. weiss nicht, ob seine Brfahrang eias
allgemeine ist, aber er siebt sie als weit genug reichend an, me we-
nigstens einige Geltung neben anderen beanspruchen zu kennen. Der
Schüler dringt in das grammatische Gesetz leichter ein, wenn er an
der Muttersprache in die fremde übersetzt, als umgekehrt. Deshslb
dürfen wir wol für den von dem Hrn. Verf. beabsichtigten Zweck lie-
ber Compojfitionen in der fremden Sprache empfehlen und haben hier
SeyfTert auf unserer Seite, der unter den vorgeschlagenen PriTntnrbci-
ten unter 11 Klassen 5 (B C D K u. L) dahin zielende aufstellt. Wir
halten uns überzeugt, dasz der Hr. Verf. bei ruhiger Prüfung selbst
finden musz, dasz manche seiner Aufgabe ohne weiteres in einem phi-
lologischen Seminare gextellt werden könne. Nehmen wir ohne welters
Wahl die Aufgabe J06 S. 10. Wer da weisz, wie streitig an ■ancfaen
Stellen zwischen den Gelehrten die Grunde sind, warum der Coijnn-
ctiv in Relativsätzen stehe, wer die Schwierigkeiten kennt den des
Wesen des Conjuiictivs erschöpfend andeutenden Ausdruck m finden,
wer als Lehrer die Aufgabe zu lösen versucht bat, selbst Beispieie lu
bilden, die einen Gegensatz veranschaulichen, der wird gewis doe Ref.
beistimmen, wenn er diese Aufgabe für einen Secnndaner viel sn hoch
erklart, wenn er die Untersuchung auch nur an <^iner Schrift als dos
Sache eines Studenten der Philologie an.sieht, ja sich nicht scheuen
würde, dieselbe als eine Examenaufcabe zu stellen. Wendet man dif
dasz man eben nur eine dem Schüler mögliche Lösung Terlange, so
erwidern wir, man dürfe diesen nicht stümpern lassen, lumal es SMfTe
lind Gegenstande genug gibt, an denen er eine entsprechende Uebung
findet. Und auf derselben Seite finden wir noch mehrere Anfgubcn,
über welche sich das gleiche sagen liesze. Soll doch der SchSler 110
auf einen Erklärungsversuch kommen , der bis in das Gebiet der sprach-
vergleichenden Etymologie hinaufreicht, wenn er mit Madvig Ist. Gr.
S 460 tffi als ursprünglich zur Relativwurzel gehörig erkennen soll,
wobei nicht einmal Madvig angedeutet hat, wovon doch, sollte der Ver-
such nicht auf unsicherem Boden beruhen, nothwendig ausgegangen
werden müsste, welche die Grundbedeutung des SufRx ti sei. Denn
wie Ivhricum es sei, ans den in einer gebildeten Schriftsprache übli-
chen Bedeutungen die ursprüngliche zn erschlieszen, das haben viel«
Beispiele gelehrt, so gewiss die Uebereinstimmung der erstem mit der
durch die Etymologie gefundenen letztem nachweislich sein must. Der
Personalnaohrielileii. 4Ä9
Hr. Verf. scheint freilich das Gebi«t der Etymologie (welche Schwie-
rigkeit hier hersche und wie riele unberafene dartBf bemmfaseln,
darüber hat erst neulich Pott [Zeitscbr. f. d. vergl. Bprachw. 1856.
Heft 4J Nachweisungen gegeben) nicht mit uns als eine dem Schüler
unnahbares anzusehen, fordert er doch Auf. 33 (S. 5) Sammlung der
einfachen Stamm- oder Wurzelverben (ist dies gleich?) im deutMhen,
griechischen , lateinischen , und Aufg. 43 heiszt es 'wenn man ferner bei
Besprechung des Themas 33 die Gelegenheit ergriffen hat, an wenigen
Beispielen die ganz einfachen Gesetze der Lautverschiebung nachzu-
weisen , wie sie Grimm (deutsche Grammatik I S. 594) aufgestellt hat,
ein Schema, nicht schwerer zu fassen und zu behalten als das Doppel-
▼erhältnis der 9 griechischen Muten, dann ist an der Zeit die beson-
ders gern ergriffene Aufgabe 43 Zusammenstellung der in allen drei
Sprachen identischen Stamme und daraus entspringenden Worter (Qued-
linbnrger Progr. 1855)'. Wir haben das angeführte Programm nicht
zur Hand, aber stehe ich wirklich so tief in meinen Kenntnissen, dasz
ich nur nach langen Studien diese Aufgabe losen zu können glauben
rousz? Oder sind die auf diesem Gebiete noch ungelösten Streitfragen
nur eine Folge der Unkenntnis der Gelehrten? Ist denn doch nicht
vielleicht das 'gern ergreifen' dieser Aufgabe eine Folge des jugendli-
chen Hangs über seinen Kreis hinaus auf die höchsten Hohen zu flie-
gen, um dann einen Ikarosfall zu thun? Doch ffenug der Beispiele.
Niemand wird aus den angeführten schlieszen, oasz sich keine ganz
angemessenen fanden, wir versichern vielmehr, dasz sehr viele dies sind.
Nun wir haben vielen dissensus gegen den Hrn. Verf. ausgesprochen.
Möge er unsem Eifer, eine anerkannt gute Sache durch Verhütung
jeder möglichen oder nur zu furchtenden Uebertreibung zu fordern, nicht
verkennen und demnach in der offenen Aussprache unserer Bedenken
vielmehr einen Beweis der Achtung und Anerkennung seines Strebens
sehn. A. D.
Personal nachrichlen.
Anstellungen, Beförderungen, Versitzungen.
Adrian, Rud. B., Schulamtscandidat, zum ordentl. Lehrer an dem Gym-
nasium in Görlitz ernannt.
Bögekamp, Dr. Heinrich, zum ordentl. Lehrer an der Louisen-
städtischen Realschule in Berlin ernannt.
Bone, Professor und Oberlehrer an der Rheinischen Ritterakademie zu
Bedburg, zum Director des Gymnasiums in Recklinghausen ernannt.
Bottiche r, Dr. Ludwig, Oberlehrer an der höheren Bürgerschule in
Graudenz, in gleicher Eigenschaft an die LöbenichtWhe höhere
Burgerschule in Königsberg in Pr. versetzt.
Ebert, Dr. Adolph, Privatdocent in Marburg, zum auszerordentl.
Professor in der philosoph. Facultät der dortigen Universität er-
nannt.
Kriedländer, Dr. Ludwig, Privatdocent in Königsberg in Pr., zum
auszerordentl. Professor in der philosoph. Facultät daselbst er-
nannt.
Hoefig, Dr. Hermann Gustav, Lehrer, zum ordentl. Lehrer an
dem Gymn. in Görlitz ernannt.
Kraffert, Dr. Ada Ib., Schulamtscandidat, als ordentl. Lehrer an der
höheren Burgerschule in Insterbarg angestellt.
420 Pcrsonaloachricblen.
Kottner, Dr. K. Aag. Ferd., ScbuIamUcandidat, ala ordentL Leh-
rer am franzosischen Gymn. in Berlin angestellt.
Marqaardt, Dr. Karl Joachim, Professor am Gymnasium in Dan-
zig, zum Director des Friedrich- Wilhelms- Gymnasium« in Posen
ernannt.
Schultz, Dr. Ferd. Albert Martin, Schulamtscandidaty sum ord.
Lehrer am Friedrichs-Gymnasium in Berlin em.
Thiele, Gustav, Oberlehrer am Gymnasium zu Frankfurt m/M., znai
Director der Realschule in Barmen ernannt.
Top ho ff, Dr., Oberlehrer am Gymnasium zu Essen ^ zum Director
derselben Anstalt ernannt«
IV ahn er, Dr., Collaborator am Gymnasium zu Grost-Glogau, suiii Leh-
rer an dem Gymnasium in Oppeln ernannt.
Weierstrasz, Dr. Carl Th. Wilh., Gymnasial -Oberlehrer, zun
ord. Lehrer am K. Gewerbe -Institut in Berlin mit dem Charakter
als Professor ernannt.
Praedicierungen:
Bernstein, Dr., ord. Professor der oriental. Sprachen an der Uni-
▼ersität in Breslau, erhielt den Charakter als Geheimer Regie-
rnngsrath.
lehr i seh, Carl Adolph, ord. Lehrer am Gymnasium zu Gorliti| als
Oberlehrer praediriert.
Kock, Dr. Carl, ord. Lehrer am Gymnasium in Anciam, als Ober-
lehrer prnediciert.
Plotz, Dr. Carl, ord. Lehrer am franzosischen Gymnasium in Berlin,
als Professor praedicicrt.
Runge, Dr. G. Fr. Ad., Oberlehrer am Friedrichs- Gymn. in Berlin,
als Professor pracdiciert.
Schmidt, Dr. Rudolph Traugott, ord. Lehrer am französischen
Gymnasium in Berlin, als Professor praediciert.
Zweite Abtheilung
henuugegebci ?•■ R«i«l|pk Bicisck.
34.
SENOOHNTOZ KTPOT ANABAZIi:. Xenaphtmiis Expe-
ditio Cyri ex recensione et cum annotatundbus Ludovici
Dindorfii. Edilio zecunda auciior et emendalior. Oxonii
e typographeo Academico. HDCCCLY. XXXVIII n. 472 S. 8.
Der Herausgeber hat sich durch diese Ausgabe om die Auabasis,
dieses echte Schulbuch, ein groszes Verdienst und damit den Dank
aller derer erworben, die sich mit diesem Buche beschäftigen. Es ist
nemlich durch dieselbe der kritische Apparat bedeutend bereichert
und so eine weit sicherere Grundlage als früher gewonnen, indem Hr.
Dindorf für diese Ausgabe, die mit demselben Rechte, mit dem er sie
eine zweite vermehrte und verbesserte nennt, eine neue Recension
hei^zen könnte, eine neue Collation der beiden zur ersten Handschrif-
tenfamilie gehörenden Pariser Codices, sowie des Oxoniensis Bodleia-
nus- benutzt hat. Dadurch haben wir nicht nur bestimmtere Angaben
als früher über das, was die Codices bieten, sondern es ist auch ein
bis jetzt im kritischen Apparat herschender Irthnm aufgedeckt and
berichtigt worden. Während nemlich bis jetzt unter den Handschrif-
ten der ersten Familie 3 Pariser aufgeführt und bei Dindorf und Küh-
ner durch B. C. D, bei Krüger und Poppo durch E. F. H, sowie bei
allen durch die Nummern 1640, 1641 and 2535 bezeichnet wurden,
(Bornemann spricht übrigens schon p. X die Vermutung aus, dasz P
und H ein und derselbe Codex zu sein schienen) , hat die neue Colla-
tion ergeben, dasz in Wirklichkeit nur die beiden Codices B und C
(F und E) mit den Nummern 1640 and 1641 vorhanden find, dasz da-
gegen die Nummer 3535, die man dem Codex D (bei Krüger und Poppo
H) beilegte, gleichfalls diesen beiden Handschriften angehört, indem
die von Michael Apostolius geschriebene neben der Nummer 1641 von
der Zeit an, dasz sie der königlichen Bibliothek angehörte, noch die
Nummer 2535/3 führt, und ebenso C dieselbe Nummer hat, doch mit
dem Unterschiede , dasz hier die eine Unterabtheilnng bezeichnende
Zahl 3 fehlt. Besorgt ist die neue Collation mit groszer Hingabe and
/V. Jahrb, f. Phil. u. Paed, Bd, LXXIV. Hfl. 9. 80
422 Xenophonlis Anabesis ed. Dindorf.
Gowisscnhafligkeit von Hrn. Fr. Dabncr and ist dieselbe besonder«
für den Codex C, der früher nie genau beschrieben war, von grosser
>Vichtigkcit und bedeutendem Werlhe. Wir erfahren erstens, doss
dieser PtTgament - Codex von drei durch die Handschrift sich sehr be-
deutend unterscheidenden Abschreibern geschrieben ist. Der erste
hat manu calligraphi bis I 4 11 xovg axQaTt]yovg rcoi^ 'EUi^iwv, der
zweite von da, wie Dindorf bemerkt alia non minus aniiqua^ sed
mullo minus ditigenli^ quam cursivam vocamus^ bis 111 3 19 su dem
Worte 6(Mii}, der dritte, welcher derselben Zeit angehört, bis sa Endo
geschrieben. Sodann erfuhren wir, dasz dieser Codex bedeoteode Cor-
rectnren erfahren hat, in denen gleichfalls 3 verschiedene Handschrif-
tcn, zwei ältere und eine jüngere, von Herrn Dübner nntenchiedea
werden. Mit der grösten Genauigkeit ist nun jede Rasur und jede
Verbesserung angegeben; dabei wird mitgetheilt, wie viel Bocbstaben
radiert, ob und welche Buchstaben der ursprünglichen Ilandschrift
sichtbar oder bei Anwendung chemischer Mittel wieder hervorgetreten
und ob die Verbesserung von der ersten , zweiten oder dritten Hand
vorgenommen ist. Zugleich sind durch Anwendung der genannten
Mittel manche Lesarten, die schon zu des Apostolius Zeiten so ver-
wischt waren, dasz sie in den vom Codex genommenen Abacbriflen
entweder ausgelassen oder schlecht ergänzt und mit den noch leser-
lichen Worten schlecht verbunden wurden, wieder lesbar geworden,
so dasz viele besondere Lesarten des B jetzt als w illkürliche Verbes-
serungen oder Krganzungen erscheinen, wovon Herr Dindorf S. V
einige Beispiele anführt. Ebenso werden durch diesen Codex viele
abweichende Lesarten des Vaticanus A bestätigt oder es erhellt, wie
dieselben entstanden sind, indem sie, wie Hr. Dindorf gleichfalls S. V
anführt und wie aus manchen Bemerkungen in der Variantenaamniang
sicii ergibt, im C am Bande standen und von da durch Nisverstindnis
des Abschreibers in den Text kamen. Wenn man dieses alles erwigt.
so ist man geneigt, mit Hrn. Dindorf, der jedoch vorsichtig ein 'nt
videtur' gebraucht, den C für die uns bekannte älteste Handschrift in
halten und erhält diese Ansicht eine Stütze durch die vom ersten Ab-
schreiber herrührende am Ende sich findende Unterschrift, welebe
nach Dindorf S. IV lautet: ^reAeto^i/ xo naqov ßißUov^ iv tij It^ tov
lov fATivog TOV (sie) iveattoatis xQirrig ji iv |gwxi} Ire«, wodureb nndi
Monlefalcon Palaeogr. p. 68 das Jahr 1320 bezeichnet wird.
Vermehrt ist der kritische Apparat ferner durch die von Thomaa
Gaisford mit grosser Genauigkeit besorgte Collation dos bisher noch
nicht verglicheneu Codex in der Bibliothek zu Oxford, welchen Din-
dorf, der ihn mit D bezeichnet, kurz so beschreibt: Oxoniensis Bod-
leianus hibliothecae Canonicianae n. 39, bomhycinus^ secufi 14 rel
15 ineuntiSy coniinens /b/. 3— 136 diversa ab rtliquis manu scripiam
Cyropaedtam, foL 137—247 Anahasin, fol. 248— 2j9* llipparchicum^
inde ab foL 259** tibrum de re equesiri. Den Werth dieses Codex be-
stimmt derselbe dahin, dasz er für unsre Anabasis vom zweiten Buche
an der zweiton Ilandschriftenfamilie angehöre und zwar für den besten
XeoopboDtifl Anabesis ed. Diidorf. 42S
derselben zn balten sei , das« er dagegen im In Bacbe der ersten Fa-
milie« angehöre nnd oft einsig nnd allein die bessre Lesart bewahrt
habe, wie in I ^ 9 den Namen Umöig^ oder daselbst in ^ 18 Igwysv
iiü T^g uQfAaiui^rig, was sicher die nrsprQngliche Lesart sei, da auch
C erst in der Rasur i% lese, aber so gründlich radiert sei, dasz von
der nrsprflnglichen Lesart ohne die des Bodleianus nichts hätte enU
ziffert werden können. Dieser Collation hat Gaisford Excerpte aus
den Randbemerkungen der Aldina der Bodleianischen Bibliothek zuge-
fügt, welche Dindorf, well diese einst dem P. Pithoens gehörte, in den
Varianten mit Pith. bezeichnet bat.
Neben dieser Bereicherung des kritischen Apparats hat Dindorf
auch seine Ansicht über den Wertb der Codices dahin geändert, dasz
er jetzt nicht nur den Etonensis, sondern auch noch die von ihm schon
früher mit R. H. M. N. 0. Q bezeichneten Hülfsmittel zur ersten Fami-
lie zählt, von denen Krüger schon M (Villoison), N (Stephan), 0 (cod.
Y) und Q (Brod.) dahin rechnete. Doch hat er sich über die Gründe
dieser Meinungsanderung nicht ausgesprochen. Alle übrigen gehören
der zweiten Familie an und ist darüber nur zu bemerken , dasz Herr
Dindorf unter diesen den von Kühner nicht aufgeführten Meermannia-
nus, welchen Valkenaer mit der 2n Ausgabe des Stephanus verglich,
mit T, nnd den bisher mit Fl. bezeichneten Mediceus mit Z be-
zeichnet.
Der mehrfach im allgemeinen schon hervorgehobene Werlh der
neuen Collationen ist nun im besondern der, dasz der Text durch neue
Lesarten viele Verbesserungen erhalten hat, und dasz viele Emenda-
tionen früherer Herausgeber bestätigt sind. Einige Beispiele auszer
den bereits angefphrten mögen das belegen. 12 1 liest D. xal i^qoU
itt mg htl xoixovg x6 xe ßaQßaqinov xal xo 'ElkriviTiov. ivxav&a %al
TtaQuyyilltt und die Variantensammlung gibt uns darüber folgenden
Aufscblusz : ^axgaxsvfia post ivxavd-a s. v. C m. minus anliq., ut vide-
tur, om. D, uterqne colo post liULijvixov posito et cum seqnenti xal
A.' Erwagt man, dasz bei der bisherigen Lesart die Deutung des iv*
xavd'a stets eine, wie die Commenlare lehren, zweifelhafte und dabei
gezwungene war, dasz ferner axQaxBV(ia in solchen Verbindungen fast
regelmäszig fehlt, so wird man jetzt unwillkürlich an das Ei des Ko-
lumbus erinnert und freut sich, dasz das Glossem nun gefallen ist. —
14 2 schreibt D. mit C pr. , welcher die Vulgata in der Rasur hat und
mit D: iiyeho Ö^ avxaig Tafimg Alyvnxtog. Auch diese Aenderung
empfiehlt sich auf den ersten Blick. Denn wenn auch durch dieselbe
der Widerspruch nicht gehoben, der zwischen Xen. Hist. Gr. III 1 1
(vgl. Diod. XIV 19) and ansrer Stelle im Namen des lacedaemoni-
schen Nauarcben sieb findet, so tritt doch Tamos durch die neue Lesart
in sein richtiges Verhältnis als Wegweiser, da es doch wahrlich nicht
zum Wesen der Spartaner passt, sieb zu einer Zeit, wo sie eben die
so lang erstrebte unbestrittene Hegemonie zur See erlangt, sofort
einem Befehlshaber eines persischen Kronpraetendenten nnterzuord-
uen und diese Unterordnung durch einen Wechsel der Nauarcben zu
30*
424 Xenophontis Anabasis ed. Dindorf.
Iieininfeln. — 15 2 schliesEt D. rotg titnoig in Klammern. Da aber D
nnd C pr. das Wort nicht haben, im letztern es erst durch den jung«
sten Corrector übergeschrieben ist , so worden wir es am so mehr
streichen, da auch Demetr. de eloc. § 93 dasselbe ausläset. Aehnlieh
ist 11 3 18 von C pr. das auch bei Suidas fehlende xaxcr ausgelasaeo
und erst vom iltesten Corrector hinzugefügt, weshalb es D. in Klam-
mern schlieszt. — I 9 14 schreibt D. jetzt mit den meisten Hand-
schriften : litsita dh xal äXXoig dmQOig ir/fitt, obgleich B M 0 allg
lesen. C hat nemlich das o'i zwar in der Rasur eines Buchstaben (for-
tasse 09 setzt Dindorf hinzu), aber von der ursprünglichen Lesart isl
noch äkX. (T. übrig. — 11 5 21 hat D. jetzt mit C iv avayxrj ixofiiviov
und verweist zum Beleg auf Cyneg. 10 14 und die Beispiele im Tbes.
Steph. V. ix^. — 11 6 6 lautet jetzt mit B C und Pith. : öaug i^ov iihv
ilgijvfiv ccyBtv. Die Vulgata ist bekanntlich l%av und kannte man,
wenn man aus Kühners Stillschweigen schlieszen darf, früher eine Va-
riante nicht. — III 1 11. D. mite pr. : ttai i% Tovtov Idfinsa^cct näifiXj
weil erst der zweite Corrector das v dem naaa hinzugefügt hat. Ob-
wol der Wechsel der Construction nicht selten, so scheint D. doch
denselben mit Recht aufgehoben zu haben. — 111 2 3 schreibt D. oiimg
de 6st ix rcov Ttagovzcov avögag aya^ov^ xeki^Hv für die Vulgata : xe
il^Hv, Da aber nnr D und T am Rande rsXi&eiv haben , so stimmen
wir nicht bei. Besser gefüllt uns daselbst § 10 xcrl zag anovöag na^cc
rovg OQKOvg aus M 0 H und G, zumal sich die Vulgata Kai in C erst
in der Rasur findet. Mit Recht bemerkt Dind., dasz inimQTttjnuai schon
dasselbe ausdrückt, während nach seiner jetzigen Lesart die Worte
naQcc rovg oQnovg rag anovöag Xvuv mehr den Charakter der Epexe-
gesc haben. — 111 3 15 hat D. aus BC u. E (Kühner gjbt keine Variante
an, obwol auch A wenigstens xaraXafißavsi hat) : ^rf^og na^ov Sv dti»-
%mv xaxaXafißavoi ix to^ov ^ficcvog^ was vor der Vulgata den Vor-
zug verdient. Daselbst $ 19 hat derselbe nach C: rovg öi rtivKXtiQ^
%ov xaraXsXeifiiiivovg ^ denn der genannte Codex hat reo, wobei der
letzte Buchstabe, hier also v, ausradiert ist und KXsa^ov. Der Datir
beim Passiv, den die Vulgata hat, passt wirklich nicht gut, da er im«
mer das thätige Object beim Passiv bezeichnet. — IV 1 10 lassen
(Kühner sagt über diese Variante auch nichts; jedoch bemerken wir
das nicht als Tadel des geehrten Herrn, sondern um anzudeuten nnd
Beispiele zugleich zu geben, dasz wir jetzt erst genau Ober die Codi«
ces unterrichtet sind) B und E elg tag xcifiag nach Mtvaßaaig ans,
auch A C haben die Worte nicht, sondern wiederholen dafür iyivevo.
Dind. folgt den ersten beiden, ob mit Recht, möchte schwer zu ent-
scheiden sein , denn das iyivsto des A C scheint auf eine willkürlich
ausgefällte Lücke zu deuten. — V 3 8 schreibt D. mit C pr. hvxe Si
öiaQQicuv Sia rov %t»QCov notafiog üeXivtwg^ denn die Vulgata ist
übergeschrieben, aber die ursprüngliche Lesart durch Dübner^s Bemü-
hungen wieder lesbar geworden, B hat hier eine Lücke von 6 Buchsta-
ben. Daselbst wird xal Ix^sg für XeifimvBgj was E hat und in C dorcb
XoDophontis Anabuis ed. Dindorf. 425
den jangslen Corredor geschrieben ist, ebenralls durch Dubners Un-
tersttchongen als ursprüngliche Lesart des C nachgewiesen.
Emendatiooen früherer HeraDsgeb.er sind, so weit wir es nns an-
gemerkt haben, an folgenden 8 Stellen durch diese neue Collation be-
stätigt worden : I a 16 hat Krüger de autheut. p. 39 in Sotcsq niliv
TOP arolov KvQOv jeotovfiivov das in der Vulgata vor Ttoiovfi, stehende
fi^ gestrichen. Dasselbe Ifiszt D. aus und in C ist es durch den er-
sten Verbesserer (Dind. sagt: m. antiq.) hinzugesetzt. Reisiges Vor-
schlag daselbst in § 17 das zweite &v zu streichen, wird ebenfalls
durch C pr. bestätigt und erst in der Rasur findet sich hier von dem-
selben Verbesserer a uv eng eingeschrieben. Kühner schlägt ov dolti
vor und so hat der Bodleianus. — 14 7 haben D und G pr. öedovg,
was Krüger vorgeschlagen und zwar findet sich in C auch das 17 von
örjlovg in der Rasur und ist dabei zugleich der Accent über v radiert.
— III 3 20 wird des Stephanus Emendation ßovkevaea^at. durch G pr.
bestätigt, da erst der zweite Verbesserer daraus ßovXtvaaa&ai ge-
macht. — IV 3 9 lasen Bornem., Dind. und Krug, schon früher gegen
die Codices Inl rov ngoirov, weil dieselben Worte VI 5 2 und 8 wie-
derkehren und wirklich ist das aito erst durch den ersten oder zwei-
ten Corrector in C hineingebracht. — IV 4 11 sagt Dind. über Weis-
ke^s Verbesserung aXeetvov, die derselbe bekanntlich aus Suidas ent-
lehnte: ^akesivbv C pr., ut videlur, qunm e pro a illatum pallidioris
Sit alramcnti, et eiusdem quidem videatur manus, sed ipsum potius
quam a secundae.' Schon früher war diese Emendation durch Z (Fl)
bestätigt, dasselbe geschieht auch noch durch den Bodleianus. — V
4 12 wird Lion^s und Dindorf ^s Emendation , wobei sie dem Codex B
folgten: olop %oqol auch durch G und Pith. bestätigt. — VII 6 30 lesen
B C, wie Krüger vorgeschlagen, kccI dtcc xovxo ovdafuy oiso&e XQ^ivai
^mwa ifie avetvai.
Kommen wir nach diesen Bemerkungen über den Werth der neuen
Gollationen nun zu der Frage , wie Hr Dindorf den Text mit Hülfe der-
selben revidiert, so lehrt schon eine Vergleichung wedlger Kapitel
dieser Ausgabe mit der desselben Verf. , welche in der bibliolheca
Teubneriana 1854 erschienen, oder mit der Kfihnerschen Recension,
dasz die Abweichungen bedeutend sind. Durch das ganze Buch betra-
gen sie, wobei kleinere orthograpische und etymologische nicht ge-
rechnet sind, 5—600. Untersucht man diese Abweichungen näher, so
ist der Grund hauptsächlich der, dasz sich Dindorf in Folge der ge-
nauem Collation weit mehr als früher den Handschriften der ersten Fa-
milie anschlieszt, ohne sich jedoch zu den strengen Grundsätzen (über
die er sich jedoch in der Vorrede nicht ausgesprochen hat) zu beken-
nen, denen Kühner in seiner in ihrer Art trelflichen Arbeit gefolgt ist.
Denn abgesehen von mehreren die Orthographie nnd die Formenlehre
betreffenden Punkten , die Dindorf in der Vorrede besprochen und bei
der Textesrevision ohne sich um die Schreibweise der Codices zu
kümmern streng durchgeführt hat, folgt er auch in der Feststellung
der Lesarten sehr oft den Handschriften der zweiten Familie oder
426 Xüiiuphuotib Anabasiü ed. Diudurf.
iiiinnit er eigne und fremde Emendalionen in den Text auf. Aach da,
wj diu lland>cbriflcii der ersten Familie unler sieb abweichen, folgt
er keinem Cudex unbedingt, er wiibU die ihm als beste erscheinende
AUä, selbst \\enn nur eine Handschrift sie bietet. Dasz bei diesem
eklektischen Verfahren noch immer viel Widerspruch möglich ist,
Icudilel von selbst ein und so kann es nicht auffallen, wenn auch wir
nicht in allen Fallen der aufgenommenen Lesart uusern Beifall xollen.
An folgenden Stellen weicht llr Dindorf von den ilandschriflen
der ersten Familie ab, während wir Kühner in der Befolgung dersel-
ben beistimmen: II 4 6: Kühner mit A B C D E U ev^ig Affiaiog an(h
üTuiti. Dind. mit andern stall des iipiGxtliei ag)ian]^H, Es ist klar,
du»2 das Fulur zu den vorhergehenden gleichen Formen besser zu
stimmen scheint, aber wir glauben doch, dasz Klearchus seinen durch
die späteren Ereignisse gerechtfertigten Verdacht hier in der mildern
Form ausspricht. — 11 5 2: Kühner schreibt mit ABC ou Cvyyevi-
(Fi^oi avx(p xV{ib£^ ""^ ^'i* sehen keinen irgend plausibeln Grand,
warum Dindorf, du doch der Indic. in der or. obl. nicht selten und
hier die Ueslimmlheit des Wunsches so recht um Platze ist, mit der
zweiten Familie Xif{t^oi aufnimmt. -- 111 2 2ö: Kühner mit A B C ^ij
— xaXui^ ymI /(C/iüruf^' yvvcu^i Ticd naiii^ivotg ouiXilv. Dind. und an-
dere haben xni ftiyd/Mi^, Allerdinj;s linden sich die beiden Positive
öfter verbunden, gl(M('h\>ol scheint ^iyiüxiu^ ursprünglicher, und nur
jener öftern Verbindung wegen geändert zu sein. Wissen wir nun
auch nichts genaueres über die Körpergrösze der persischen Weiber,
so scheint doch wahrscheinlich« dusK sie durch eine den Griechen nn-
gewöhn liehe (irös7.e sich ausgezeichnet hüben. Gerade in solchen
Stellen mussen die guten Codd. entscheiden. — Dnsbelbc gilt von III
3 7. wo Dindorf irrn d* iyyv^ iyivejo hat, während Kühner ^il B C
iyivoi-jo liest, licides passt : denn der l'ebergang vom Führer zu
seinen Soldaten Ündet >ich oft« ist aber nicht unbedingt nothwendig,
wird hier aber durch li C unterstützt. — 111 3 20. Dind. schreibt fdofc
Tur:a. Kuliuer mit A U C K t\i^i xoi rarra, was vorzuziehen, weil
sehitii ;uidere Uoehlusse \orher erwähnt sind. III 4 21. An dieser
nllri-iliiii;> .schwierigen Stelle, doreu taktische Verhältnisse wir in
die>eii J.ihrbb. Ud. I.WIV S. 7(> (T- zu erörtern \ ersucht haben, hat
Kuhn auch mit Kecht die Lesart der Codd. ovioi 6i festgehalten, wäh-
reiul Diuiiorf \> eiske*s i'oujoctur aufgenomnien. Denn ovru di zio-
(t.t I ',.!.- >.*j >c\i\ lu^thwtiiilig \oraus, dasi die neue Marschordnoag
>t-iK>u ;u)^iMM4iniloi|;('><*t3l i>l . Während \onophou sie erst beschreibt,
uii.l «U<>hAUt ei»i $ :,\ mil den \> orten TiUtii) tiJ t^hisiu st/, die
Vu!i«-ui.iud%M««-i«un!; %th:ie^9( \\ «> nun die Stellung der Worte v!
.1.';» ,*.v. *inUi»i;t wcKhe du* j;uien Todd, nach ivT.'^i\ Sitzen« die an-
li-iit \\A%\\ «.;.« .N. .;••.•«. j^«> >.h,-;:t'i n.ir jc»ie Sieluing l-l««a^ für sich zu
U.tlKii ^Is'i f.s\ .'•.' ti;.* \ ,'i»*hu%;cnh(-il in de« U&ndM'hrtfiea dafjr zu
.N|Mii:u » ».»•••■;i»,'n f»u »-uufti ji'.icrrn i\^df\, in dem >ie lar Er-
kltitii.i.« • •> ix't-.i« tiAi^Av«^. «VI «iom \f\\ (rkoaftmen sind, da hier der
li:i...... »» \ .-.i i,',-' ■■" i,*;v^•■.N r.i»lti |^a»t und d.e Stelle ger«de
Xenophonlis Anabub ed. Diftdorf. 427
■ach Slreicbuog dieser Worle an Deutlichkeit gewinot. — IV 3 6
schreibt Diad. oach des Stepbanus Emendatioa tovto yt di/, wäh-
read Kuba, mit dea Ilaadschriflea tovvo ötj hat. Ebeasö kdaaea wir
recht wol ia IV 7 9 der von Diadorf aafgeaomaieaeB Emendatioa Scbfi-
fers vipiaracap eatralben, da das Praes. bistor. der Codd. reoht gut
paszt; auch IV 8 2 empfiehlt sich die Lesart wsiQ ös^imv vor dar Val-
gata , wie schon Zeune und Weiske bemerkt haben. — V 2 21 schrei-
ben Kahn, und Ilerll. mit A B C xataltstoweg ot Xo%€tyol^ während D.
nach Tclii&og ein Kolon setzt und xaviUnov di hat, so dass also das
vorbergebeade i^enifiTCOvro obae Subject ist, da Snactot hierzu nicht
mehr paszt. — > V 6 15 Kühn, mit A B OQmvzt di nal neltacrdg^ während
Diud. xal mit Uarecht streicht. — VI 1 32 Kühn, and Berti, mit A C D
IKLimg »al vvv Ji^iitnog ^di} dUßallev; Dind. öiißaUv. — VI 2 10
läszt sich Diad. durch A allein bestimmen und streicht rov olov^ während
Kuba, uad Ilertl. mit andern Codd. vtcIq ^luav rov olov öXQavevfiarog
haben. Eine Interpolation scheint okov nicht zu sein; denn gerade im
Munde der mürrischen Soldatea ist solch ein QberflQssiger Zusatz gaax
charakteristisch uad Xea. bestätigt deshalb mit Nachdruck deren Aus-
sagen.
Wir brechen hier, um die Zahl der Stellen nicht zu sehr zu bau«
fen, ab und lassen einige der zahlreichen Stellen folgen, in denen Din-
dort mit Recht von den Uandscbriftea der ersten Familie abweicht, wäh-
rend Kühner sich denselben unbedingt anscblieszt: IV 5 14 Dind. xal
yaq ^tfav, ineiiri htihnt %a i^ala iicodiqfmcta^ xocgßativai xxi. Kühn,
läszt mit A B C E yaQ aas. Es kann aber nicht entbehrt werden, denn
Xen. will und musz den Grund angeben, warum die Lederriemen in die
Unat eiaschaitten. Eiamal geschah es, was er nicht hervorhebt, durch
das leichte anschwellen der Fflsze, zweitens aber, and das ist die
Hauptsache, weil die Riemea aus ungegerbten Häuten geschnitten waren.
Wir wissen ja schon aas Homer, dasz die Häute mit Fett geträakt wor-
dea; diese waren es nicht, daher sie in der Kälte sehr einschrampfen
and so noch mehr in die Haut schneiden. — IV 7 19 Kühn, mit den
Codd. : ix tavxtig t^g xdifcig o &q%mv xoig"EXXrfitv tiysfMva niaitu.
Dindorf nach Schneider'^s Emendatioa i% ravzrig o tilg xfOQog ttq%(av
nnd das ist vorzuziehea, nicht weil Diod. XIV 20 ähnlich sagt, son-
dera weil es natürlicher erscheint, dasz der Satrap aus der Stadt her-
aus, in der er sich aufhält und vor der . nnerwartet die Griechen er-
scheinen, einen Führer sendet. — IV 4 8 Kühn, mit A B C E x«l
%m^iv UoIb äiaCKfiv^aat tag ra^eig xal xovg CtQatriyovg xata tag
XmQag. Dindorf xaw tag nm\iLag. Beide Herren verweisen für sich auf ^
III 4 9, aber Dindorf mit mehr Recht, denn Kahner hält aa dieser Stelle
selbst xmfimv fest, weil %<0^iJSbr sich ia den schlechtem Handschriften
findet, und somit mdcbte die schlechtere Lesart in IV 4 9 eher in die
bessern Handschriften sich eingeschlichen haben, als umgekehrt. Xen.
ist sich sicher im Gebrauch der Wörter gleich geblieben nnd bat sie
nicht durcheiaander geworfen. Auch IV 8 22 haben nur die schlech-
tem Codd. x«^^- — lll 4 8 Kühn, iqhiog dl vBtpilrpf nqoxaXvi^
428 XenophoDtis Aoabasis ed. Diodorf. *
iig)dvtas, (lixoig i^ikmav ol av^Qvmoi, DiDdorf mit Brodaana ud »-
dern : ^Acov öi vsg>iXri TtQOKaXvilHiaa ^(pciviae xtL Bei dieaer ia ihnr
Art eigenthümlichea Stelle musz man, so glaube ich, festhallaa, din
Xcn., obwol er kein liyeiai gebraucht, doch nur daa berichtel wU
berichten konnte, was ihm seine Wegweiser, die Bewohaer des Laa-
des, Nachbarn der Ruinen, über den Untergang der Städte Laris«a lad
Mespila mittheilten. Aus Ktesias (Diodor LI 25 sq.) wiaseo wir aber,
dasK bei der Eroberung und Zerstörung Ninive^'s eine Ueberaidiwea-
mung des Flusses d. h. ein Naturereignis mitgewirkt Diesea sehailck-
ten die Sagen aus und Xen. hörte nicht Geschichte von aeineo Bericht-
erstattern, sondern Localsagen, wie das schon Duncker Geschichte des
Alterthums I S. 489 IT. hervorgehoben hat. Aus den Prophetea iai A. T.
ersehen wir aber, dasz joder Sturz eines Reichs, jede Erobernag eiaer
Königssladt nach orientalischer AufTassung, kurz alle Unglackslage,
welche die heil. Schrift ^Tagc des Herrn' nennt, mit Verfinsteraag des
Himmels, Verhüllung der Sonne, des Mondes und der Sterne (vergl.
Ezechiel 32 7 — 10) und (was Xen. $ 12 erwähnt) mit Schreokea der
Völker verbunden sind. Dieser Glaube ist somit in den Localsagea
ausgedruckt, ihn hat Xen. rereriert. Wir glauben nun, dass diese
Stelle, weil man statt des allgemeinen Ausdrucks an das specielle, aa
eine Sonneiilinsternis, dachte, schon früh in dun Codd. durch Verbee-
serer verdorben ist, dasz aber die Emendalion des Brodaeas der ar-
sprünglichen Lesart am nächsten kommt, weil man bei dieser, wie
schon Amasaeus es verstanden zu haben scheint, recht gut an eine lii-
gere Regenzeit denken kann, so dasz unsre Stelle Ueberreste tob der
von Ktesias berichteten Sage enthalt. Dasz die Sage die gescbiohl-
lichen Ereignisse in ihrer Weise verdreht, dasz sie nicht alle Haapt-
momento aufTührt, lehren die deutschen Sagen; dasz die Sage aach
jenes alle Ereignis in ihrer Weise verrückt hat, sehen wir aas Xen.,
da hier eine Verwechselung der Namen stattfindet, indem seiae Bericht-
erstatter, statt zu sagen: Sls die Assyrier die Herrschaft aa die He-
der verloren' die Erobcruni^ Ninive^s mit der Stiftung des persischen
Reichs durch Kyros in Verbindung brachten. — I 2 15 spricht der
Sprachgebrauch Xen. für die Dindorfsche Lesart slxe — to tl m(-
va^ov KXiaQxag xal ol ixslvov^ während Kühner aus A B G X aol 9t
i^ ixelvov aufgenommen hat. Dasselbe gilt von i 4 8, II 4 1. Aach U
5 7 fallen Kühneres Grund» für die Lesart der Codd. A B C E nicht ias
Gewicht, um jene Inconcinnitat dem Xen. zuzuschreiben. — II 5 10
entscheiden wir uns für Dind. : ngog ßaaikict xov fiiyiorov lq)§iq»9
aymvtiol^E&a, da nicht anzunehmen ist, dasz Xen., der doch dareh
den Gebrauch von eg>edQOtf bildlich und vergleichungsweise spriebl,
sofort beim zweiten Worte den Vergleich aufgeben wird. Das ge-
schieht aber, wenn wir mit B C E noXefiiiaofiev lesen. — Desgleichea
ist ili 1 26 nicht anzunehmen , dasz der von Kühner in Schnts genon-
mene Titelname, welchen A B C E haben, nämlich oiQxtryoi far loiayol^
von Xen. herrührt, da er durch die ganze Anabasis sich eine Aeade-
rung der steheoden Namen nicht erlaubt ; es ist das um so weniger aa-
Elenentare Geometrie. 429
zanehmeo, da Kühneres Erklirang: *a(fxnyol h.l, simpUeiierpro atga-
Tffyotg accipiuntur* dorchaos gegen die ErzShIang ist, da Xen. nicht
za den Strategen, sondern zn den ihres Strategen beraubten Lochagen
des Proxenos geredet and sich ihnen zum neuen Führer angeboten hat.
Die Strategen werden erst $ 32 zosammenberuren. — III 2 34 ovx a¥
ovv Oorvfia^Oifci xtA. schreibt D. mit der Vnlgata, wfthrend Kflhn. mit
A B C E ^aviid^oiiuv hat. Letztres paszt dorchaus nicht, weil Xen.
seinen Vorschlag die folgenden Mftrsehe im Viereck (agmine quadraio)
ZQ machen gerade mit diesen Worten einleiten nnd empfehlen will.
— IV 4 10 D. mit der Vnlgata: x«l yap idoxst öuh^qm^siv. Kflhn.
mit A B C E awai^^ia^eiv, das sich aber als Glossem eines Gram-
matikers kundgibt, da das *$imul'^ welches dadurch ausgedrückt
wird, viel kriiftiger seinen Ausdruck durch das einfache %al erhSIt.
Wir könnten noch eine lange Reihe solcher Stellen folgen lassen, aber
die Anzeige ist schon länger gewordeu als wir nrsprflnglich beab-
sichtigten, und bemerken deshalb nur noch, dasz die Ausgabe in gan-
zem nur wenige nicht sofort zn berichtigende Druckfehler bietet.
Clausthal. F. Vollbrecht.
89.
Elementare Geometrie.
1. EuklitTs Elemente.
2. Koppe, die Atifangsgründe der reinen Mathematik. Planime-
trie und Stereometrie*
3. Heis und Eschweiler Lehrbuch der Geometrie^ erster Theii,
die Planimetrie. Cöln 1855.
4. Galletikamp'^s Elemente der Mathematik.
Aus dem vorstehenden Verzeichnisse der zu besprechenden Werke
wird man schon leicht erkennen, dasz unser diesmaliges Referat, wenn
auch immer kritischer Natur, wie es die Jahrbücher verlangen, doch
nicht so sehr eine Kritik als einen Beitrag zur Methodologie des ge-
nannten Theiles der Mathematik zum Ziele sich gesetzt hat. Ob unser
Unternehmen zeitgemSsz ist, mag danach bemessen werden, dasz ob*
gleich die Methode der Mathematik sowol von Seiten der Realschul-
minner als auch von Lehrern au Gymnasien — ich habe nur an die
beiden letzten Conferenzan der wealfilisohen Gymnasial-Ditectoren zn
erinnern — wiederholt besprochen worden ist, dennoch die Meinungen
so weit aus- und durcheinander gehen, dasz in Bezug auf sie kein Fa-
cit gezogen worden ist, nnd schwerlich gezogen werden konnte. Und
doch musz aus mehr als einem Grunde eine Entscheidung getroffen
werden: für dieselbe einen, wenn auch nur geringen Beitrag sn lie-
fern , ist der Zweck der nachfolgenden Zeilen.
430 ElemoDkaro Geomelrio.
Die Hauptfrage, um dio sich alles dreht, ist offenbar: Miui die
Methode Euklid's auf uDsern Gymnasien beibehalten werden oder nicht,
und wenn nicht, wie nnd bis zu welchem Masze musz sie abgeändert
werden? Zur Erledigung dieser Fragen versuchen wir xunichst eise
Kritik der Euklidischen Elemente, bei der wir von dem hohen Aller
dos Werkes ganz abstrahieren und denselben Maszstab anlegen, nil
dem wir Werke heutigen Tages zu messen pflegen: es gilt die ernste
Erstrebung eines würdigen Resultates, Ansichten und Meinungen, wie
sie neuerdings Herr Kegierungsrath Landfermann im Octoberhefte der
Zeitschrift für Gymnasialwesen von Mützcll (1855) über Nathenulik
und Mathematiker vorgetragen hat, als nicht berechtigte zarackiuwei-
sen, da sie wesentlich darauf hinauskommen, zu unterstellen, Euklid
genüge dem Umfange und Inhalte nach den Bedürfnissen des mathema-
tischen Unterrichts on Gymnasien *). Wir bemerken vorlaaftg, dasi
die Erfahrung schon derartige Ansichten gerichtet hat, indem wie all-
bekannt der bisherige Unterricht in der Mathematik die erwanaehten
Erfolge nicht gehabt hat, trotzdem dasz er fast überall mehr oder mil-
der in Euklid'^scher Weise erlheilt wurde, ja dus£ er an den Orten
grade am wenigsten gelingen wollte, wo Euklid in u ngean der ter Form
als Wegweiser diente. Nicht den Mathematikern, denn unter dieaea
ist in dieser Bexiehung schwerlich ein Streit, sondern den philologi-
schen Collegen hoffen wir den Beweis zu liefern, dasz Euklid kein
Schulbuch sein kann, weil er die Kräfte der Schüler und die
Zeit der Schule in übermüszig hohem Grade in Anspruch nimmt,
also grade die Uebelstünde hervorruft, die man gegnerischeraeits be-
kämpfen will. Der erste Mangel, den eine schon obcrnächlichc Lectdre
des Euklid evident hervortreten lüszt, ist die unerträgliche Weit-
schweifigkeit in den Beweisen. Einige wenige Belege dafür werden
genügen. Ueber den 20n Satz des Buches I sollen sich schon nach Pro-
clus Versicherung die Epikureer lustig gemacht haben, weil er gar iv
offenbar wäre und keines Beweises bedürfe. Proclus meint zwar, die
\>'issenschuft müsse trotz der klaren Anschauung die Gründe Tür die
betr. Behauptung angeben, und ein neuerer Ausleger fügt hinzu, die
Anzahl der Grundsätze dürfe nicht ohno Noth vermehrt werden, dea-
*) IVhor den Standpunkt, den wir in der Frage: ob Gymnaaien,
ob RetiUrhulenV einnoliineu. haben wir uns schon vor langen Jahren in
d<'ii (<uppl«tiiieiiten lu diesen Jahrburhern des breitern auagefprocben.
Ob^^lfii^h Kachlehrer der MathvniHtik und Naturwissenschaften, sind wir
tteniiovh mit Leib und 4?ot»lo für die GMunasien eingenommen, und be-
lU^vn e.-i tief, das/ es lu einer Trennung der Bildung in tweieriei
Iti bin ii};sAn!«t alten hat kommen mu»aen, einer Trennung, der durch war-
di^ti Auhiahme der Naturwissen>chaften vorgebeugt werden konnte. Aach
wir «imIau^i*!! i'uticeniraiion des l'ntenichts. vori%ie{:en des sprachli-
«Ulli Klriit^iUiH, Haubni aber, da.«x kUs auch in anderer Weise, als
i«. j*t*i b:uihj; brliobi, ciieiiht werden könne, l'nsere Ansichten
ftiml lioi* atliM t»i»t n<i«'uiut'U dieselbe» geblieben, und es ist ans eine
lloitu, i.oiiu^ihiiung, aas« «uih Heu H.-K Undferuiann ähnliche neuer-
iliii^i \oi^v)tia^i:n hat.
Elementare Geometrie. 4SI
htlb sei der augefocbleDo Beweis oboe Zweifel au seiner Stelle. Aber
weder die Epikureer, noch anch Proclus oebst dem neuem Ausleger
haben das richtige getroffen ; der Beweis des Euklid ist in der Thal
ganz überflüssig, und zwar deshalb, weil aus einer angemessenen Er-
klärung von grader Linie ohne weiteres die Behauptung folgt, dasi
die grade Linie die kürzeste Entfernung zweier Punkte ist, und somit
auch der angezeigte Satz sofort erledigt ist. Aehnliche Bewandnis
hat es mit den Sätzen 2 , 4 und 20 des Buches XL Die beiden ersten
sind einfache Folgen einer angemessenen Erklärung von Ebene. Eine
Ebene entsteht nemlich, wenn eine grade Linie sich in derselben Rich-
tung bewegt, dasz sie also beim Fortgange der Bewegung eine zweite
grade deckt (Die grade Linie hat einen Ausgangspunkt und einen
Kichlungspunkt; die Ebene hat eine Ausgangs- Grade und eine Rieh-
tuogs-Grade). Das Mittel, diese Bewegung hervorzubringen, besteht
darin , dasz eine grade sich um eine feste grade unter rechtem Winkel
bewegt. Daraus folgt, dasz eine Ebene durch 3 Punkte bestimmt ist;
denn eine grade Linie ist durch zwei Punkte gegeben, zwei grade durch
vier oder da zwei von diesen vieren in einem, dem Durchschnittspunkte
der graden , zusammenfallen , durch drei , und da zwei grade Linien
eine Ebene bestimmen, so ist dieselbe auch durch drei Punkte bestimmt.
Damit ist Satz XI 2 erledigt, dessen wunderliche Fassung von man-
chen Auslegern als eine Corruption erklärt wird. Aus Innern Gründen
glauben wir an keine Corruption , halten vielmehr dafür , dasz die Art
und Weise des Euklid, die ihm auch in ihren Mängeln als mathema-
tische Strenge angerechnet worden ist, dahin leiten muste, einen Be-
weis für die in den ersten Büchern stillschweigend gemachte Vorans-
setzung, ein Dreieck liege ganz in einer Ebene, nachzuliefern, gleich-
wie auch Satz XI 1 offenbar zur Ausfüllung einer solchen Lücke dienen
soll. Auf gleiche Weise ist auch Satz 4 unmittelbar erledigt; denn
eine grade Linie , die im Durchschniltsp unkte zweier graden auf die-
sen senkrecht steht, ist eben jene feste grade, die zur Construction
der Ebene verwandt worden, also senkrecht auf allen graden, die
durch jenen Punkt gehen, stehen musz, insofern diese in der erzeng-
ten Ebene enthalten sind. Der Satz XI 20, nach welchem zwei von
den drei ebenen Winkeln einer körperlichen Ecke gröszer sind als der
dritte, wird auch von Euklid auf Satz I 20 zurückgeführt; man wird
also begreifen, dasz wir ihn in der oben angedeuteten Weise eben-
falls beweisen ohne alle Hilfe weitläufiger Constructionen.
Haben wir so an einzelnen Fällen nachgewiesen, dasz wir weit-
täuGge Beweise des Euklid gar leicht durch andere, unmittelbar dem
Verständnisse und der Anschauung sich aufdrängende ersetzen kön-
nen , so kann man uns vielleicht mit Recht den Vorwurf machen , dasz
wir zur Gewinnung gröszerer Kürze und praeciserer Fassung andere
Ausgangspunkte gewählt, und namentlich ein fremdes Element, das
der Bewegung, in die Mathematik hineingezogen: lassen wir das vor-
läuüg dahingestellt sein, es gibt der Sätze genug, an denen wir nn-
sern Tadel nachweisen können, ohne befürchten su müssen, anch nnr
432 ElemcnUro Geonelrie.
die geringste Widerrede za erhalten. Hierher gehOren vor allen die
Satze II 1, 2, 3, die aus der Anschauung einer Figur, dereo Enlwer-
fiing keinem Schaler irgend eine Schwierigkeit verorsachen wird, so-
fort einleuchten. Diese Bemerkung ist um so gerechtfertigter, all Sali
11 2 schon als auf einer solchen Anschauung bernbend bein BeweiM
des pythagoreischen Lehrsatzes vorausgesetzt worden. Die abrigei
Sülze des Buches 11 sind mehr oder minder alle von derselben Arl^aar
werden die verlangten Gonstructionen zusammengesetzter , and könite
man die weitere Ausfilhrung derselben wol billigen, wenn dieselbe
übersichtlicher und weniger breit wäre. Bei den Sätzen des Bnehes V
musz aber jedem Lehrer vollends die Geduld ausgehen. So ist Satz
V 1 sammt seinem Beweise in der Zoichcnslellung enthalten: AB =
n.E, CD = n.F; AB + CD =:= n (E + F). Satz Va ist in Zei-
chen: AB = n.Q, CD = n.U, BF ^= ra.Q, GIl = m.R; AB +
BF ~ (n + m) Q, CD + GIl --= (n + m) R. Aehnlich mit den fol-
genden Sülzen, eine ewige Wicderhohing derselben zwei Grundsilia:
^Wenn mit zwei gleichen Gruszcn dieselbe mulhematische Veriado-
rung vorgenommen wird, so bleiben sie einander gleich % und: *glei-
ches kann niun für gleiches setzen'. Man wird wol nicht oinwendei,
unscrn Andeutungen lügen arithmetische Operulionen zu Grande, wlh-
rend Euklid sich in rein geometrischen Anschauungen bewege. Letz-
teres mag allerdings beabsichtigt sein, die Absicht konnte indes aicbt
erreicht werden, weil sie eine unnatürliche war. Im allgemeinen sagt
man, Mathematik ist die Lehre von den Grüszen, und uateraolieidet
dann zwischen stetigen oder Haumgröszen und discreten oder Zahlea-
gröszen. Das kann, wie es so dasteht, zu groszen MisgrilTen fahrea:
denn es gibt doch weder stetige noch auch llaumgröszen au and für
sich, ebenso wenig als es eine absolute Schönheit gibt. Der HalheWi-
tiker hat es mit der Grösze der Körper zu thun, und diese Grösse kann
und musz in zweierlei Kücksichten erfuszt werden, einmal als ein gaa-
zes, wo zugleich die Gestultbetrachtung wesentlich in den Vorder-
grund tritt, sodann auch als ein in gleichartige Theile serfallendcs
(Begriir der Zahl). Im Geiste des betrachtenden, nicht in den Grdssea
als solchen, liegt also die Eintheiinng der Mathematik in Geometrie
und Arithmetik; erstere ist die Mathematik per excetleniiamj letztere
ist anfänglich nur ein Hilfsmittel der ersteren gewesen, bis sie dnreh
Betrachtung der verschiedenen Zahlformen eine selbstindige Geatalt
gewonnen. Die Geometrie kann also der arithmetischen Operatioaen
nicht entbehren. Im übrigen wird auch niemand in den letzten Sitzen
des B. V noch geometrische Anschauungen erkennen wollen.
Wir wollen noch einige andere Sätze hervorheben, deren Be-
weise den Charakter der Weitschweifigkeit in hohem Grade an sieh
tragen, und führen zunächst Satz 1 5 als solchen an. Derselbe lietriffl
die Gleichheit der Winkel an der Grundlinie im gleichschenkligen
Dreiecke. Denkt man sich den Winkel an der Spitze eines solchen
Dreieckes halbiert, so zerfällt dasselbe in zwei congruente Dreiecke
nach Satz 1 4, und daraus ergibt sich denn sofort die Gleichheit der
Elenentare fieonelrie. 4S3
belreirenden Winkel. Hiermit Tergleiche man einmal den Beweis dea
Euklid and frage sich , ob der gemachte Vorwarf begründet ist oder
nicht? Die Einrede, dass die Aufgabe, einen Winkel xn halbieren,
noch nicht gelöst, ja sogar auf dem zn beweisenden Satze erst beruhe,
kann im Ernste nicht erhoben werden, denn die Fordernng, dasz ein
ganzes in' zwei gleiche Theile getheiit werden könne, ist unzweifelhafl
za unterstellen , und eine andere Voraussetzung wird nicht gemacht.
Euklid hat zwar ein solches Verfahren häufig umgangen, gleichsam als
wäre es unstatthaft, einen an und für sich richtigen Gedanken zu Ter-
werlhen : aber auch von seinen als solchen aufgestellten Fordernngen
abgesehen , ist ihm doch auch an andern Stellen noch etwas menschli-
ches passiert, so gleich im Satze I 1, wo das schneiden der beiden
Kreise ohne allen Grund vorausgesetzt wird. Einen wunderlichen Ein-
druck machen auch die Sfttze I 2 u. 3, namentlich der erste von ihnen,
der zudem noch der falschen Vermutung Raum gibt, als sei unter den
unzählichen Graden, die von einem gegebenen Funkte A gleich einer
gegebenen Graden gezogen werden können , nur eine einzige in be-
stimmter Kichlnng liegende genfigend. Endlich sei noch Satz III 2 an-
zuführen erlaubt, dessen aberflfissiger Beweis aus der falschen An-
schauung hervorgegangen, als könne die daselbst mit ABCD bezeich-
nete Figur ein Kreis sein. Es würde nicht schwer sein, die angezo-
genen Beispiele um noch sehr viele andere zu vermehren; wir wollen
es jedoch genug sein lassen , und nur noch erinnern , dasz der von
uns erhobene Vorwurf der Weitschweifigkeit in den Beweisen nicht
die sprachliche Darstellung, sondern den sachlichen Inhalt treffen
sollte, da erstere als die eines fremden Idioms nicht wol an dieser
Stelle angefochten werden konnte. Auch die GrUnde für die beregten
Mängel sind hier noch nicht zu untersuchen.
Eine andere Eigenschaft der Euklidischen Beweise and Lösungen,
ihre meist Qbergrosze Kflnstlichkeit, ist ebenfalls höchst tadelnswertb.
Wir wollen das zunächst an den Sätzen 1 47, II 14, 111 17 nachweisen.
Von dem ersten Satze sagt schon Koppe: ^ Wie wir den vorstehenden
Lehrsalz hier vorgetragen haben, erscheint derselbe als ein merkwür-
diges Kunststück, zwar^bewundernswerth und auszerst künstlich, aber
ohne irgend einen Aufschlusz darüber zu geben, auf welchem Wege
wol der menschliche Geist zu Entdeckung dieses sonderbaren Satzes
gelangt sein dürfte. Soll aber der mathematische Unterricht den Nutzen
gewähren, dessen er fähig ist, so müssen die Wahrheiten der Mathema-
tik nicht als staunenerregende Kunststücke, sondern in einem natürli-
chen Verbände, nemlich so vorgetragen werden, dasz jeder folgende
Satz als ein Fortsehritt in der durch die vorhergehen Sätze gegebenen
Bichtung erscheint, als die Beantwortung einer Frage, welche sich
aus der Erkentnis des vorhergehenden jedem denkenden Kopfe von
selbst aufdrängt. Da aber der so eben vorgetragene Lehrsatz (des Py-
thagoras) eines solchen Zusammenhanges mit den ihm vorangehenden
Sätzen offenbar entbehrt, so scheint er in einem für den Unterricht
bestimmten Lehrbuche hier nicht an der rechten Stelle za stehen, and
4S4 Elementare Geonetrte.
wirklicli hat er diesen Platz nur bergebrachlerweiae erhalten '. Mit
diesen Worten bezeichnet Koppe sehr gut das Wesen eines kanatlicheo
Beweises nnd deckt dessen Nachtheile nach einer Seite wenigatens
schlagend fiuf. Nach einer zweiten, mit jener ersten offenbar zasam-
menhangenden, stellt sich die Sache noch weit roislicher. Jeder ma-
thematische Satz musz in sich selbst die Bedingungen des 'Beweises
oder der Auflösung enthalten. Sollen z. B. die Sütze Ober die Cob-
gruenz der Dreiecke bewiesen werden , so wird man einfach nach deoi
Begriffe *Congruenz* fragen , und dann nach erhaltener Antwort , daas
congruente Gröszen so beschaffen sind, dasz sie in allen ihren Um-
fangstheilen zusammenfallen, den Beweis durch Aufeinanderlegnng der
Dreiecke antreten. Das gelingt bekanntlich sehr wol bei Ueberein-
Stimmung in einer Seite mit den anliegenden Winkeln oder in zwei
Seiten mit dem eingeschlossenen Winkel, nicht aber bei Uebereia-
stimmung in drei Seiten oder in zwei Seiten mit dem gegenüberliegen-
den Winkel. FOr diese Ffille musz also der Versuch einer unmittel-
baren Zurackführung auf die beiden ersten Sfitze gemacht werden;
gelingt auch dieser Versuch nicht, nun dann musz man zu andern
künstlichen Mitteln schreiten, welche freilich die Schwierigkeit in aieli
schlieszen , dasz sie nicht von jedem noch zu jeder Zeit anfgefonden
werden können, und dasz sie, wenn aufgefunden, stets wörtlich dem
Gedächtnisse eingeprägt werden müssen. Daraus wird man begreifen,
weshalb ein mathematisches Kunststück so schweren Tadel verdient,
sofern es nicht durchaus geboten ist. Indem wir nun auf die Hanpt«
Sache zurückgehen , müssen wir allerdings gestehen, dasz ein geone-
trischer Beweis des pythagoreischen Lehrsatzes, wenn ein solcher
anders nothwendig ist, immer ein Kunstbeweis sein wird: alle mathe-
matischen Lehrbücher, mögen sie sich auch noch so sehr von den Ele*
menten entfernen, haben den Euklidischen Beweis oder einen ihnlicheft
aufgenommen. Die Frage nach der Nothwendigkeit eines geonetri*
sehen Beweises für den in Frage stehenden Satz ist ebenfalls in be-
jahen, wenngleich der Grund dieser Bejahung nicht in dem Satze selbst
liegt, der nur eine arithmetische Operation auf die Geometrie flber-
tragen soll, sondern in dem Umstände, dasz^ein geometrischer Be-
weis unerlüszlich ist für den Nachweis, dasz alle Figuren als gleich*
namige betrachtet werden dürfen , da die Verwandlung der verschie-
denen Gebilde der Ebene ineinander rein geometrisch ist. Ist Ssts l
47 so von uns gerechtfertigt worden , so müssen wir zunächst Sats II
14 durchaus verwerfen. Derselbe lehrt nemlich die Verwandlung eines
Rechteckes in ein Quadrat, die als eine mögliche durch den Pythago-
ras nachgewiesen worden : sie zu realisieren , bedurfte es jedoch der
Construction eines rechten Winkels über gegebener Linie. Das hat
Euklid auf eine allerdings wundervolle Weise umgangen, schade nur,
dasz diese Weise nicht nothwendig nnd somit zu tadeln ist. Gleiche
Bewandtnis hat es mit dem Satze III 17, zu dessen Erledigung eben-
falls die Construction eines rechten Winkels über gegebener Linie
nothwendig ist. Der von Euklid eingeschlagene Weg ist in diesem
Elenenlare OeoBelrie. 495
Falle noch tadelnswertber als Torher, weil der tob ibm nieht beach-
tete Zusanmenhang der Materien auf die rechte Löaang nnmitlelbar
hinwies, und sodann weil Euklid in seiner Weise nicht einmal das
volle Problem erschöpft, indem die oaturgcmäsze Behandlung dessel-
ben nicht eine, sondern swei gleiche Tangenten nachweiset.
Wir haben nns schon allsalange mit dem angeregten Funkte be«
schftftigt, uro noch weitere Belege für unsere Behauptung anzufahren:
es wird Zeit, einem dritten Mangel des Euklid unsere Aufmerksamkeit
zuzuwenden, der darin besieht, dass das Euklidische System seiner
ganzen Anordnung nach ein kflnstliches ist, das sich so zu einer na-
turgemftszen Anordnung verhftlt, wie etwa das Linnöe^sche Sexualsy-
stem zu dem natürlichen des Jussieu. Man wird sich die Euklidische
Anordnung kaum nachconstruieren können, so sehr sind häufig die
verschiedenen Materien durcheinander geworfen: nur 6in Frincip isl
consequenl verfolgt worden, die Sfttze so aneinander zu reihen, dass
der nächstfolgende mit Hilfe des vorhergegangenen bewiesen werden
kann. Man sollte glauben, es mfisten auf diese Weise die dem Inhalte
nach verwandten Sfitze von selbst zusammentreten, und daneben an-
gemessene Haupt- und Unterabtheilungen gewonnen werden: das ist
jedoch nicht der Fall. Denn was zunächst die Hauplabtheilungen an-
langt, so enthalt zwar das erste und zweite Buch die Lehre von der
Congruenz und Gleichheit der gradlinigen Figuren, das dritte und
vierte die des Kreises , das fQnfle und sechste die von der Proportio-
nalität der Linien und der Aehnlichkeit der Figuren, indessen sieht
man nicht ein, weshalb nicht die 12 letzten Sätze des B. I zu B. II ge-
hören sollen, noch auch, weshalb nieht B. V und VI vor B. III und IV
gestellt sind, damit wenigstens die Sätze über den Kreis nicht hätten
getrennt zu werden brauchen — haben doch einige derselben sogar
erst im 12n Buche Platz gefunden. Von Unterabtbeil ungen ist bei Eu-
klid gar keine Rede, es ist nicht einmal möglich, sie in die verschie-
denen Bacher hineinzutragen. Diesen Punkt bitten wir als den wich-
tigsten zu betrachten, ihn naher nachzuweisen halten wir far aber-
flüssig: eine Uebersicht aber die Sätze eines Buches, namentlich aber
des ersten, genOgt hinreichend, von der Wahrheit der Behauptung sich
zu vergewissern. — Das oben erwähnte Frincip der von Euklid be-
liebten Anordnung ist rein änszerlich , wenn es nicht controliert wird
durch den sachlichen Inhalt nicht etwa eines einzelnen Satzes, son-
dern eines ganzen Abschnittes. Denn der einzelne Satz hat in der
Mathematik für sich allein gar keine Bedeutung; seine Stellung inner-
halb anderer Sätze, womit zugleich die klare Anschauung der Mittel,
welche ihn hervorgerufen , sowie die Concentration einer ganzen Reihe
mathematischer Gedanken verbunden ist, das allein gibt der Mathe-
matik Werth und Bedeutung. Wenn Euklid irgend einen Satz bewie-
sen hat und darauf einen anderen folgen läszt, so weisz man aber
nicht, weshalb grade dieser und nicht ein anderer Satz folgt, man
weisz femer nicht, wozu diese Sätze da sind, ob es noch andere Sätze
gibt, und wenn ja, auf welche Weise man zu denselben gelangen kann.
^jg Elementare Geometrie.
Wie bei Linnee nicht der ganze habitus einer Pflanxe , sondern eia
ainxelnea Organ, wie wichtig es auch sein mag, die künstliche Ein-
iheilaoff hervorgerufen, so ist bei Euklid der Beweia, nicht der
sachliche Inhalt Grund der Einthoilung gewesen: und, um bei dem
Vergleiche zu bleiben, wie bei Linnöe trotz des einseitigen Princlpes
ganz gute natürliche Gruppen zuweilen hervorgegangen, so finden sich
auch bei Euklid einzelne wolgeordnete Gedanken -Gomplexe, das ist
aber nicht sein Verdienst. Wollte man den Versuch machen, das Eu-
klid^^sche System von neuem zu construicren , so würde man irgead
einen Satz herausheben und beweisen müssen, dann würde man das
Bedürfnis nach einem zweiten, und weiter nach einem dritten Satze
empfinden , und zuletzt auf Erklärungen und Grundsätze stossen. Ob
man aber die Anordnung des Euklid in dieser Weise wieder gewinnea
würde, wer wagt es zu behaupten? dasz ferner bei eiDem solchea
Verfahren irgend ein Beweis ein rein zufalliger d. h. künstlicher sein,
dasz ihm auch nicht immer die nolhwendige Eleganz und Praecbioa
gegeben werden kann, wer wagt es zu verneinen? ist doch das Ga<
gentheil durch nichts geboten! Und so wird man begreifen, dass alle
drei gezeigten Mängel der Elemente sich gegenseitig bedingen und er-
gänzen.
Haben wir so das Wesen der dogmatischen oder synthetisohea
Methode des Euklid dargelegt, so wollen wir nicht behaupten, dasz
ein nach solcher Methode entworfenes Lehrbuch unbedingt carfickge-
wiesen werden müsse, es wird nur die durchaus nothwendige Forde-
rung gestellt, dasz man aus einem solchen Werke auch erkennas
müsse, dasz der Verfasser auch der genetisch -analytischen Methode
Herr gewesen; dasz aber läszt sich aus den Elementen nicht erkeoBeSi
und somit kann auch ein nach ihnen sich bildender Schüler nur Ge-
fahr laufen, wahre mathematische Bildung nicht zu gewinnen*). Das
erste Erfordernis, des Euklid'^schen Stoffes sich zu bemächtigen, ist
ein gutes Gedächtnis, das um so stärker und treuer sein mass, Je
weniger Auknüpfuugs- oder vielmehr Merkpunkte im Stoffe selbst vor-
handen sind; je künstlicher der einzelne Beweis, je loser der ZassB-
menhaug, desto mechanischer wird das auswendiglernen werden. Da-
bei wird sich aber sehr bald eine gewisse geistige Ermüdung einstel-
len, denn die Schüler, denen eine solche Arbeit obliegt, sind doeh
schon stets in dem Alter, in dem eine reine mechanische Auffassnag
zuerst gescheut, hiernächst unerträglich gefunden wird. Ist es aber
erst so weit gekommen, dann hört besser aller mathematische Unter-
richt auf, er wird für Lehrer und Schüler zur gröszten Plage. Offen-
bar ist auch die Geometrie des Euklid für eine solche Aneignung Tief
zu weit, die meisten Schüler werden der dahingestellten Anforderang
nicht gewachsen sein, und wir unsererseits begreifen es sehr wol,
*) Wer mit dem Kuklid vcrtrant ist, wird auch ohne dass wir
einzelne Belege anfuhren, erkennen, dass gewissenhafte Studien dieser
Behauptung zu Grunde liegen.
ElemeoUre Geonelria. 437
dasK, wenn noch die Arithmetik hinzutritt, die Zahl Ton 4 wöchentli-
chen Lehrstnnden nicht ausreichen kann. Aber gesetzt auch, jemand
hatte in der angedeuteten Weise die Elemente bewältigt, dann mOste
er von neuem beginnen, er mfiste sie sich zum Verständnis, zum dent.
liehen Bewusztsein bringen, d. h. er müste sie als ein ganzes erfassen,
sie aus sich selbst reproducieren können , und somit endlich befähigt
werden die gewonnenen Kenntnisse zu verwerthen. Wie kann man
aber das als ein ganzes erfassen, was in lauter Einzelheiten zerfällt?
wo ist der rothe Faden, der im Labyrinthe zusammenhangloser Wahr-
heiten znrecht führt? Und sollte der wol selbständig arbeiten können,
der gewöhnt wnrde, die ganze Mathematik als einen Complex wunder*
barer Kunststücke anzusehen, und nun dieses probiert und jenes ver-
sucht, und nicht einmal durch das gelingen befriedigt wird, da er
dasselbe als ein rein zufälliges, nicht nothweniliges erkennt? Wir
malen nicht zu schwarz , überall wo man den Euklid und seine Me*
thode beibehalten hat, trifft das Bild auf ein Haar zu: allo. altern Män-
ner werden wissen, dasz wir nicht im geringsten übertreiben, schau-
dernd der alten Plage gedenken, die um so unerquicklicher wnrde, je
weniger Früchte sie abwarf. Ja noch mehr ! Die so vielfach getheilte
Ansicht, dasz die Mathematik für die meisten Schüler zu schwer sei,
dasz es eines eigenen Talentes zu ihrer Erfassung bedürfe, dasz es
namentlich nicht jedem gegeben sei, geometrische Constructionen zu
vollführen, entstammt einzig und allein den Elementen des Euklid, und
denjenigen Lehrern, die sich sklavisch ihrer bedient haben; denn sie
hat kaum ein Fünkchen Wahrheit in sich: es läszt sich vielmehr mit
vollem Rechte behaupten, dasz ein Gymnasialschüler, wenn er über-
haupt zu Studien befähigt ist, ganz wol die Forderungen erfüllen kann,
die in Betreff der Mathematik an ihn gestellt werden. Aber wir kön-
nen nicht umhin, an ein Wort Laplaces zu erinnern, das also lautet:
Prüfer ez dans Venseignement les meihodes ginerales^ atiachez vous
ä les präsenter de la moniere la plus simple et vous eerrez en mime
temps qu'^elles sont loujours les plus faciles. Um die Wahrheit die-
ser Bemerkung einzusehen, mnsz man schon tiefer in die mathematische
Wissenschaft eingedrungen sein, tiefer als es selbst nach einem aka-
demischen Triennium meistentheils der Fall sein wird, und tiefer, was
sollen wir es nicht frei aussprechen, als die Wortführer der Gegen-
seite eingedrungen sind. Aus Euklid kann aber eine allgemeine Me-
thode nicht gewonnen werden, weil in ihm keine enthalten ist.
Wir müssen noch einige untergeordnete Punkte besprechen, und
zwar zunächst die in den Elementen enthaltenen Erklärungen. Offenbar
ist es, dasz die Erklärung 13: * Grenze beiszt, was das Ende eines
Dinges ist', allen andern voransgeschickt, dasz ferner dann Erkl. 3
folgen, Erkl. 1 unterdrückt oder höchstens als Erläuterung zu 3 gege-
ben werden muste; dann konnte sich anschlieszen Erkl. 6, erläutert
durch Erkl. 2, und endlich war noch einzuschieben: * Fläche ist die
Grenze eines Körpers', erläutert durch Erkl. 5. Mit andern Worten:
12 5 sind keine Erklärungen , weil sie für sich allein zu Unverstand*
/V. Jahrb. f, Phü. ». Paed, Bd. LXXIV. Hft. 9. 31
gma Elementare Geometrie.
lieh weil efl nur versleckte Tautologien sind. Eine oflTenbare Tanto-
loffie ist Erkl. 4, die 9 entliiiU Worte bei deuea man aieh Bieht viel
denken kann, die 14te ist cti weit, die 18te aberflAsaig und die SM
erfaixt den Gegenstand nnr von ^iner Seite. Hiermit ma; ea fenog
•ein , denn ebenso wie die Erklärungen des Buches I in Beso; anf na-
tttriiche Aufeinanderfolge , auf praecise Passung, auf Nothwendigkeil
und Richtigkeit gar vieles su wflnschen übrig lassen, ebenso than das
die Erklärungen der andern BOcher, ja man kann ohne Ueberlreibaig
sagen, dasz, wenn ein Lehrbuch von heute mit solchen Deflnilionca
auFlrelen wollte, es nach diesen allein verworfen werden wttrde. ^
Was nun ferner die Grundsitze anlangt, so ist schon hftuRg beawrkt
worden, dasz Euklid deren zu viele aufgestellt hat, seibat dnna, wenn
man vom lOn und lln Abstand nehmen will: den oben von ins anage-
sprochencn Axiomen kann man noch hinzufügen : ^das ganze iai aeiBan
Theilen zusammengenommen gleich' und den Grundsati 8 der EleaMmta
in verbesserter Fassung : dann sind alle flbrigen einfache Polfernegan
und verdienen nicht mehr den Namen eines Axioms. Der lOle Gned-
satz ist kein Grundsalz, wenngleich ein Geometer wie EnkUd ihn
schwerlich entbehren kann ; er ist hervorgegangen aus einer oneellef-
lichcn Erklärung von Winkel und allem dem , was damit MMMunen-
hiingt. Der 14te erhfilt den allbekannten Streitpunkt, dnreh den die
Parallelen- Theorie bis auf den beuligen Tag unerledigt geblieben ist.
Die i Forderungen der Elemente sind nur eine einzige; mit der ersten
nemlich erledigt sich unmittelbar die zweite , und ebenao die Cen-
struclion einer Ebene, von der die 3te Euklidische Forderung eliliingif
ist. SchliesKÜch noch ein Punkt von grOszerer Bedeutung. Wenn man die
Bedingungen für die Congruenz der Dreiecke untersucht, ao erMIt man
4 Fülle, nicht mehr und nicht weniger: diese 4 Kriterien raQaaee in
synthetischer Form bewiesen werden , es ist jedoch merkwürdig, dast
Euklid das 4te: * Dreiecke sind congruent, wenn sie inl swei Seiten
und dem der gröszeren Seite gegenüberliegenden Winkel flbereinaliHi-
men', ganz übergangen hat, und dasz selbst die neuern ihm hierin
entweder gefolgt sind oder aber einen meist sehr künstlichen Beweis
versucht haben. Weil indes auf diesen 4 Sfttzen die ganze Geoaietria
beruht, so wäre der Mangel eines directen synthetischen Beweinen aebr
«n beklagen : wir bemerken nnr , dass ein Beweis der vertangtee Art
möglich ist.
Der Hauptunterschied zwischen neuerer und ilterer Geoaaelrie
besteht darin, dasz, während diese die Linie nnr als ein Aggregat von
Punkten, die Fläche nur als ein solches von Linien usw. ergriff. Jene
umgekehrt die Linie als das Product der Bewegung eines Punkten eaw.
aufTaszt, und so in die Wissenschaft ein neues Moment, daa der Be-
wegung, hineinbringt. Wer etwas weitere Studien in der Mathematik
gemacht hat, als das auf Gymnasien geschehen kann, weias reoht wol,
dasz der Geometer der Bewegung nicht entbehren kann, seibat wenn
er auf die Leichtigkeit und Eleganx der Darstellung verzichten wollte,
die dadurch allein ermöglicht wird: aber philologische Paadagogan
EleneoUire GeoMetria. 489
mögen das nicht erkennen, sie halten vielmehr die Einfahrung: des Be-
wegangsbegriffes für unmathematiseb, nnd wenn sie damit nicht durch-
dringen, für dem Zweck des Gymnasialanterrichtes zawiderlaafend
oder zam mindesten für nicht nothwendig. Solchen Ansichten gegen-
über mnsz constatiert werden, dasi Euklid selbst, wenn wir aneh von
der Kreisbeschreibung, der jedenfalls eine Bewegung xa Grunde liegt,
absehen wollen , in den Erklärungen 14 18 22 des Buches XI vom Be-
griffe der Bewegung Gebrauch gemacht hat, obwol eine Nöthigung
dazu für ihn durchaus nicht vorlag. An dieser Thatsache haben wir
genug , die Argumente der Gegner xurficksnweisen ; sie werden nun
die oben angedeuteten leichtern und elegantern Beweise für 1 20 nnd
XI 2 4 und 20 als auch beim Gymnasialunterrichte verwendbar anerken-
nen mflssen, ebenso wie die von Euklid abweichende Fassung der be-
treffenden Erklärungen. Durch dieses Zugeständnis ist auch die Erle-
digung der Parallelen-Theorie gewonnen, denn nun sind parallele Li-
nien solche (derselben Ebene, versteht sich von selbst) , welche sieh
niemals sehneiden, sei es, dass sie auch noch so weit verlängert wer-
den , oder sei es , dasz sie auf einer dritten schneidenden graden unter
einem beständigem Winkel zueinander hinbewegt werden, denn im
letztern Falle decken sie einander, haben also nicht einen, sondern alle
Punkte miteinander gemein: parallele Linien haben also gleiche oorre-
spondierende Winkel und nmgekehrl. Es wird wol keine Frage sein,
ob ein Quartaner diese wenigen Worte begreifen und aufnehmen könne,
ebenso wenig als bestritten werden dttrfte, dasz die Lehre von den
Parallelen in der Weise der Elemente wol niemals abgeschlossen wer-
den wird. Man richte nur die Aufmerksamkeit auf folgenden Punkt.
Der Satz, dasz eine grade Linie die kürzeste Entfernung zweier Punkte
sei , ist sehr lange ein Streitpunkt in den verschiedenen Lehrbüchern
gewesen: einige derselben versuchten den Beweis, andere übergiengen
ihn, und noch andere stellten den Satz als eine unmittelbare Folge-
rung irgend einer andern Bemerkung hin, ohne indes die Nothwendig-
keit dieser Folgerung nachzuweisen. Und doch ist die Sachlage so
einfach, dasz man kaum begreift, wie eine derartige Verwirrung so
lange hat bestehen können. Der genannte Satz ist in der That kein
Satz , der einen Beweis im mathematischen Sinne (also Herleitung durch
Axiome) zulaszt, weil er derselben Anschauung wie die Erklärung
einer graden als geometrischen Orts eines sich stets in derselben Rich-
tung bewegenden Punktes enthält, denselben nur in andere Worte klei-
det: es ist also nur der Nachweis nöthig, dasz derselbe Gedanke in
zweifacher Weise in Worten ausgedrückt werden kann. Grade so,
und deshalb stellten wir diese Exposition hin , verhält es sich mit den
beiden Sätzen; *dio Ergänzungswinkel zweier Parallelen sind = 9s'
und ^die Summe der Winkel eines ebenen Dreieekes ist = tt' ; beiden
liegt dieselbe Anschauung, also auch derselbe Gedanke zu Grunde,
nur die sprachliche Darstellung ist verschieden, es musz mithin ein Be-
weis im Sinne des Euklid als unzulässige Forderung erkannt werden.
Ich denke, die ongemein grosze Parallelen-Utteratur ist kein geringer
31*
440 Elementare Geomeirie.
fielt i> flir die Kichli^keil dieser Darlegung. Wenn das aber begründet
i.s(, so wird auch wol der Schlusz erlaubl sein, dasK allein schon die
Kiledigutig der Parallülenielire die Einfahrung des Beweguugsbegriffet
in die elementare Mattiematili nicht allein erfordorl, sondern ihn fttr
dieselbe sogar zum Ausgangspunkt machen musz. Ungern vertagen
wir uns die weitere Ausführung dieser Gedanken in Yerfolgang der
Umänderungen, welche die Euklid'^sche Geometrie in dieser Weise er-
tahren würde, um jene Eleganz und Praecision zu erlangen, die neuere
Geomeler ols den llanpthebel für leichtes Verständnis und grössere
Kruchlbarkeil in mallieniulischen Dingen mit so ungewöhnlichem Er-
folge angewandt hüben. Wir wenden uns zu einem andern Punkte, dem
Systeme der Geometrie
Die clenicntaro Geometrie beschäftigt sich mit der graden Lilie
nnd dem kreise und allem, was aus beiden entstellen kann; sie ser-
fuilt demnuch in die et. Planimetrie und et. Stereometrie, jenachdem
die bi'lrelTenden Gebilde in einer oder mehreren Ebenen enthalten sind»
Die Methoden der Behandlung sind entweder die rein geometrische
oder die urithmetische (analytisch- trigonometrische). Die Planime-
Irie enthalt also 1) die l.ehre von der graden Linie und 2) die tob
Krei>e: ersleic /.erfüllt wieder in die Theorie der Linien als solchen
und in Uetraelit ihrer gegenseitigen Lu^e und in die Lehre von den Fi-
guren. Nr. 1 hat oiTenhur die natürlichen Unterubtheilungen: eine
grade l.iuio, mehrere gnide Linien, die sich in einem Punkte sclineidcD,
mehrere ^rude Linien, die sich in mehreren Punkten schneiden, und meh-
rere grüde Linien, die sich gur nicht schneiden. Bei Nr. 2 dagegen ist es
\\en);:>tens /.\\eil\-lhan « oh die l'ntorahtheilnn;:en ;2ewonnen werden
.sollen durch die \erschiedene Seitenzahl der l'iguren oder aber durch
liticüMchlnuliiue uuf Kongruenz, Gleichheit und Aehnlichkeit derselben.
>uh( niun in.les nuher zu« so wird man bemerken, dusz die Belrach-
tnua*: der nulir als dreiseitiizen Figuren einzig und allein in der Be-
ti iti'liiuni; mehrerer in einer neuen Figur vereinigten Dreiecke besteht,
ä(i>; ul>o die er^le Kucksicht nicht. \\ol aber die zueile den Grnnd
lur itic N^etiiie 1 nilheilnui: Hh^iihen kann. Da die Lehre von der Aehn-
luliki li di r luiircn cua*tcich den Lebertran:: uus der rein geomelri-
>%\wi\ lKii>leliuni:>«^eise iiir anihiueUschen bildet« Sv» »ird weiterhin
tiir a;eoiiiciu>t-he Uetfjichluui: des Kreises nach lu hol e;i sein, nni dar-
.ml luoh Ueilriluiti; der (ileu*huni;en fur die grade I luie und den Kreis
vciiiiiiul»! eilte» recht» ihklijien roi»rdiu«teu>>slem» die ebene TrtgO-
iit.KC iln« Mi;ir i'iiiJi'tt In der Siert'i^welrie b«t man luniichst rein
^«o.iit'.i I«« :i ,i..' 1 »'!u.' ^ »Mi * um und niehrercn Kbeuen uui ihr«r gegen-
-««ihii«!« t^(4.. •« «n.ut det pUaiiuriiiM'hiii lehre von den Liaiea
;imI,«}; -m« » i,,i.^,.». lUnn mi^^sr» diC \ on nifhrtrcii TSnea iTf bildeten
iv*» f-,i •,...«. li, i*iij}» v,\i;,'j» «4:..*r. . »nd rtttii.t-h r.äiti il-TiHlunf: der
\ii. ««^ii.ii. r... öi«i Kii^,'i k,Mmi.io»l r.n.> •iic.trc-» bi«« ink.ij^c n l'tH*rdl-
1 .1*4 ... \t ir . I . %»i t'oii.^ n^« ^ < b< ix, bt . " # m.ifc; ■ • ^r. \ ftflSgcO-
• , ^, V , < »I o»ii» \ \ *^^ /wm ^v»*n^. . it-.ict, i./;.: -Iirf.r |^ej:cfl.
Elementare Geometrie. 441
seiligen Lage zueinander, a. Von einer graden Linie, b. Von mehreren
^raden Linien, die sich in Einern Punkte schneiden, c. Von mehreren
graden Linien, die sich in mehreren Punkten schneiden, d. Von mehreren
graden Linien , die sich nicht schneiden. 2. Von den Figuren, a. Con-
gruenz, b. Gleichheit, o. Aehnlichkeit der Figuren. 3. Vom Kreise.
B. Arithmetische Methode. 1. Ausmessung der Figuren und Rech^
nungen fär dieselbe. 2. Gleichungen der graden Linien und des Krei-
ses nebst Construction solcher und ähnlicher Gleichungen. 3. Ebene
Trigonometrie. //. Stereometrie, A. Geometrische Methode.
1. Eine und mehrere Ebenen und gegenseitige Lage derselben. 2. Kör-
perräume. B. Arithmetische Methode. Sphaerische Trigonome-
trie. — Das hier vorgezeichnete System der elementaren Geometrie
enthält seine Rechtfertigung in sich selbst: ein mit dem Inhalte der
Geometrie unbekannter würde in seinem Verslande die unmittelbare
Ndthigung finden, den durch dasselbe vorgeschlagenen Weg der For-
schung zu betreten. Darüber weiter kein Wort! Soll aber dieses Sy-
stem seinem ganzen Inhalte nach Gegenstand des Gymnasialunter-
richtes sein, soll selbst die sphaerische Trigonometrie nicht ausge-
schlossen werden? Man sieht, dasz ein vernünftiger Grund für diese
Ausschlieszung nicht vorhanden ist: es können höchstens Natzlichkeits-
gründe oder aber Gründe der Unmöglichkeit, das vorgeschriebene
vollständig zu leisten, der Beschrankung des Stoffes das Wort reden.
Glücklicherweise ist das Vorhandensein solcher Gründe nur ein schein-
bares. Ja! wer die Euklidische Geometrie im Sinne hat, der mag
selbst die ebene Trigonometrie vom Lehrplane entfernt wissen wollen:
wir aber, die wir andere Anschauungen haben, wissen recht wol, das«
mit der oben gegebenen Uebersicht das System der Geometrie noch
lange nicht erschöpft ist, wir wissen, dasz derselbe Weg, der zur
Aufstellung der Uebersicht geführt hat, auch innerhalb der einzelnen
Unterabtheilungen befolgt werden musz, um deren weiteren Inhalt zu
gewinnen. Als Beleg dafür mögen die Kapitel über die Congruenz der
Dreiecke, der Gleichheit der Figuren und der ebenen Trigonometrie,
kurz discutiert werden.
Congruenz heiszt Gleichheit an Form und Inhalt und ihre Bedin-
gung besteht darin, dasz congrueute Figuren in allen Umfangstheileo
übereinstimmen müssen. Ehe also von der Congruenz der Dreiecke
die Rede sein kann, müssen Untersuchungen über das Verhältnis ihrer
Umfangstheile vorangegangen sein. Diese ergeben die beiden Sätze:
^die Winkel eines Dreiecks sind = tt' und ^eine Seite eines Drei-
ecks ist kleiner als die Summe, aber gröszer als die Differenz der
beiden andern'. Ist das geleistet, so folgt nothwendig die Herlei-
tung, dasz es nur 4 Congrnenzsätze geben kann; darauf werden die
beiden ersten Fälle , zwei Winkel mit der eingeschlossenen Seite und
zwei Seiten mit dem eingeschlossenen Winkel durch Deckung bewie-
sen, worans sich als unmittelbarer Folgesatz ergibt, die Winkel an
der Grundlinie eines gleichschenkligen Dreieckes sind einander gleieh,
mit dessen Hilfe weiterhin der dritte Congraenzfall anf den ersten und
442 Elementare Geometrie.
zweiten, der vierte, zwei Seiten und der der g^rösieren Seite gegen-
ülierliej^endo Winkel, auf den zweiton and dritten zurackgefahrt wer-
den können. Endlich ist noch von der Relation, dasz die gröflzere
Seite auch dem gröszeren Winkel und umgekehrt gegenüber liege, so-
wie davon Notiz zu nehmen, dasz das Perpendikel die EDtfernoiig ei-
nes Punktes von einer graden Linie angibt, und der positive Inhalt des
betrefTenden Kapitels ist erschöpft. Zu den angeführten S&tsea gelangt
man mit strenger Conscquenz, ebenso wie man gar bald wahrnehmea
wird, dusz alle übrigen Sätze, wie viele deren auch vorhanden sein
mögen, mit Hilfe der genannten crfaszt werden können; sie sind aUo
nur Erweiterungen und von dem System als solchem ausznsehlies-
sen. — Eine noch weit geringere Anzahl von Sätzen enthält das Ka-
pitel über die Gleichheit der Figuren, bei dem sich bald ergibt, dasz
nur die Möglichkeit nachgewiesen werden soll, alle Figuren als gleich-
namig betrachten zu dürfen. Der Satz : ^Parallelogramme von gleicher
(ifundlinic und Höhe sind einander gleich' führt auf die Verwandlaag
jeglichen Dreiecks in ein Kechteck, und der pythagoreische Lehr-
satz zeigt die Mö^liehkeit der Verwandlung eines Rechleckes in ein
Quadrat. Die .Vufgabe, ein u-Eck in eiu(n-l)Eck zn verwandeln
gibt schliesziieh das Mittel an, jede Figur in ein Qacidrat von glei-
chem Inhalte um/.uformcn. — In der ebenen Trigonometrie geben wir
die Erklärungen der Irigonometrisehen Functionen Sinns, Cosinas,
Tangente, Cotungente, dann 10 — 12 Formeln zur Darlegung des Zn-
sammenhanges dieser Functionen untereinander und der ZurückfOhraag
derselben für die Summen, Differenzen« Doppelten und Hainen aaf
die der einfachen Winkel, weiter zwei Formeln für die l'mbildnng der
Summen «in a -f- sin b und sin a + sin b + $in c in Prodnele, sowie
endlich drei Lehr:iät£o für die Berechnung der schiefwinkligen Drei-
ecke, und sind überzeugt, dasz ein (jymnasialschuler mit diesem Slofe
vollkommen ^enus: hat.
Ist also, und das sollte an einzelnen Beispielen nachgewiesen wer-
de», der l'uifjn^ der elementaren Geometrie auf den Gyanasien anch
noi-!i iluTih (he sph. frifonomeSrie in erweitern, so gehl dennoch der
iiiiiüroh beJni^te lehrstoiT uiohl über ^ie Zeit und die Krifte der
Sohuler hnidus, v^enn dds S>stea: nur das nothw endige anfniaaml, d.h.
diejenifceu S^tse, welche «am e icenen arbeiten and schaffen hvfihi-
iceu. SelK»( Mena die Z^bl d«r «tocheat liehen Sluaden bei ein«« sechs-
iiSri);eu äuroh roaibinationen % er^cKievtea^r KIjs^s^b nicht rerinnuacr-
U'» l :t;f rru-hte auf «irei berib^t^^et^t «ird ^mo CoaiMajCioaen ans
Mjw^vI «a leNtkrift<:t >uaäitdeB iii^s^a, wird ai«a allerdings die
tke:^v>vjvNs«';t 4 SsaM.icj ^<lsu^<'b4^Ken haben, rb««:»^ an d«n .\nslal>
iiffj. ^«,' i:,* Scb<&t^r&A^k I« aeai e;i»ieiBen KiAssen ub<-r A> biaattsnfichl).
*^<.it Mi« .:«» «^«M Mto3 ^erii^i« tx<^l ^««t*T<«. I Stusde Artlbaetih.
X S4XJ.W k.,\v4»cJ,:*, »fc>i I Sttt«ä« iir AsieilaaJT *'z» «iik*iiaiigen
j!>«it,u v»,'. >^>^i-,n vv;ch^a :^^»i $«6 ht«t« *m )hi".ijva ^^ i««chen in
K^,':.vt Uv^« t.(\«l$%ta \m M4«)i«ai« iA*v!Wtt l a««frr\c&se s« ;?»if«a. Dabei
EleneDtare Geonetri«. 44S
sloflf isi weseoüioh vermindert, die Beweise liegen durch das System
aU der Ansdrnck des sachlichen Zusammenhanges angedeutet vor, das
<jed«chtnis bat wenig oder nichts mehr zu leisten, hier und da höch-
stens einen Merkpunkt und einen kilnstlichen Beweis sich anzueignen,
alle Kraft kann vielmehr auf das lebendige erfassen des Stoffes and
seine weitere Verarbeitung verwandt werden. So zum mindesten hei
begabten Schülern ; bei den weniger begabten ist freilidi nicht z« er-
warten , dasz eigenes selbständiges arbeiten von glQcktichem Erfolge
begleitet sein wird, das wissen des positiven wird ihnen indes niehi
entgehen können, die S&tce und Beweise des Systems werden ihr Ei-
genthum werden und bleiben, sie haben ja nicht den dritten Theil der
Arbeit zu vollbringen, die ihnen nach Euklid^s Methode anfgebOrdet
wurde.
Das sind im allgemeinen unsere Ansichten über den geometri-
schen Unterricht auf Gymnasien: sie mögen da£u dienen, einerseits
unsere Beurtheilang des Euklid naher zu beleuchten, anderseits die
Kritik der ferner angezeigten Werke wesentlich abzukfirzen. Diese
Werke aber, das müssen wir von vornherein erklären, gehören zn
den besten Leistungen der neuern Schnllitteraftur, und sind grade des-
halb von uns zusammengestellt worden. (Jeher die erste Auflage von
Nr. 2 haben wir selbst in diesen Jahrbüchern eine ausführliche Anzeige
gebracht; Koppels Geometrie wurde von uns gebührend gelobt und
ihr Verdienst in gerechter Weise hervorgehoben, nicht jedoch ohne
auf wesentliche Mangel hinzuweisen, die unserer Ansicht nach vor-
züglich darin bestanden, dasz das Werkchen, obgleich sunfiohst
Schulbuch, zugleich den Bedürfnissen des Selbstunterrichts genügen
solle, und sodann darin, dasz, wiewohl der Verfasser sich principiell
von der Methode Euklid'^s entferne , doch in dieser Entfernung nicht
weit genug gehe. Leider müssen wir jetzt bemerken, dasz Koppe seine
frühern Ansichten modificiert zu liaben scheint: er hat die Parallelen-
theorie in den neuern Auflagen nemlicfa so abgeändert, dasz er die
neuere Auffassung derselben beseitigt, die Euklidische dadurch also
wieder als die allein berechtigte hinstellt , nur dasz er auch offen des
Mangels derselben geständig ist. Koppe benntzt also nicht mehr das
Moment der Bewegung , dafür tbeilt er denn auch die Weitschweifig-
keit des Euklid. Er beweist somit, um auf einzelnes aufmerksam zu
machen, die Gleichheit der Scheitelwinkel durch Zuhilfenahme des
Nebenwinkels anstatt einfach zu sagen : Scheitelwinkel sind einander
gleich, denn sie sind das Ergebnis derselben Drehung; er sieht somit
nicht, dasz der Winkel, den eine Sehne mit einer Tangente bildet,
ebenfalls ein Peripheriewinkel ist, der also ebenfalto die Hilfte des
zugehörigen Centriwinkels «ein mosz ; er vermag nicht den Nachweis
zu liefern, dasz Parallele zar Grandlinie im Dreiecke nur specielle
Sätze über die Transversalen ergeben usw., der oben angefochtenen
Beweise des Euklid nicht so gedenken , die theilweise anoh bei ihm
eine Stelle gefunden haben. Nicht minder grosz ist die Weitschwei-
figkeit, die von dem erst erwilinteB Uebelstande, der Vereinigung
'444 Elementare Geometrie.
verschiedener Zwecke, herrührt: es bedarf jedoeh hier nicht des nahern
Nachweises darüber, derselbe liegt in der Natar der Sache. Die An-
ordnung des Verfassers, wornach die Satze über die Kreislehre in den
rerschiedenen Abtheilungen des Bachs vertheilt worden sind, können
wir nach den so eben gemachten Auseinandersetzungen nrcht billigen.
Die Stereometrie ist originell und sinnig angelegt, es ist nur zn be-
merken, dasz sie zu viel enthält und für den Gymnasialunterricht we-
nigstens auf die Hälfte herabgesetzt werden musz. Das ist aber wie
•n den Koppe^schen Schriften überhaupt, so auch namentlich an seiner
Geometrie lobend hervorzuheben, dasz in ihr eine angemessene Be-
rücksichtigung der analytischen Methode neben dem für Anfänger un-
entbehrlichen Dogmatismus stattgefunden; hierin liegt hauptsächlich
der Vorzug, der ihr vor Euklid eingeräumt werden musz, sowie in.
der meist befriedigenden Anordnung des Stoffes, die nur an zwei oder
drei Stellen von dem richtigen abweicht. Wie schon angemerkt, hat
die Geometrie von Koppe seit unserer ersten Anzeige mehrere neue Auf-
lagen erlebt; es scheint indes, als habe der Verfasser mit seinen An^
sichten abgeschlossen: wesentliche Verbesserungen sind nicht mehr
getroffen worden, eher das Gegentheil, und wenn wir früher das Werk
zu den besten Erscheinungen rechnen durften, so können wir das frei-
lich theil weise noch, müssen aber offen gestehen, dasz es durch die
oben verzeichneten Nr. 3 u. 4 bedeutend überQügelt worden.
Der Zeit nach ist Nr. 3 das jüngste, der Richtung nach musz es
vor das ältere 4 gestellt werden. Von der Arbeit der Herren Heis und
Eschweiler liegt uns nur der erste Theil vor, und wir gehen um so
lieber auf ihn ein, je wichtiger er uns erscheint nnd je gröszer der
Ruf ist, den sich die Herrn Verfasser durch langjährige Thätigkeit, die
so häufig von Erfolgen begleitet worden , erworben haben. Nach der
Vorrede haben sie sich zur Abfassung eines neuen Schulbuches bewo-
gen gefunden, weil sie glaubten, der vorhandene Lehrstoff sei einer
bessern Gliederung fähig, als er bisher gefunden, und im einzelnen seien
mannichfaltigc Verbesserungen anzubringen, sodann auch weil sie in
den bisherigen Büchern diejenige Fülle von UebungsstofT vermiszten,
welche zur Ausbildung der geometrischen Anschauung nnd Combina-
tion so unumgänglich nöthig ist. Diese Gründe sind mehr als hinrei-
chend, sie kommen unsern oben aufgestellten Forderungen fast grades
Weges entgegen, und wir haben demnach zu prüfen, ob die Ausfüh-
rung dem Versprechen gleichkommt. Die Verfasser theilen die Plani-
metrie in zwei Theile; der erste enthält den gewöhnlichen, auch in
andern Lehrbüchern vorßndlichen Stoff, der zweite die Erweiterungen
und zwar erstens Lehrsätze und Aufgaben, die auch von andern Ver-
fassern schon als Uebungsstoff benutzt worden (S. 156 — 207), dann
aber weiter geometrische Oerter, Maxime und Minima, Transversalen,
harmonische Theilung und Polaren um Kreise, sowie endlich das Apol-
lonische Taotions prob fem (S. 207 — 265). Das neue und durchaus zeit-
gemSsze das Werkes ist offenbar diese Eintheilung in zwei Theile,
wir müssen jedoeh bemerken , dasz der erste Theil nach Anzahl der
Elementare Geometrie. 445
Salze, nach VieUeitigkeit in den Beweisen oder auch nach Verschic-
denartigkeit in den Andeutungen für Beweise und Conttractionen, weit
ttber ein knappes System, wie es oben namentlich im Interesse minder
befähigter Schüler verlangt worden, hioausreicht ; es findet sich in
ihm fast das gesamte Material älterer Lehrbücher vereinigt. Das ist
uns wenigstens nicht zweifelhaft, dasz ein Gymnasialschüler kaum den
im ersten Theile aufgespeicherten StolT wird bewältigen können, ge-
schweige denn, dasz er auch die Anleitungen des zweiten Theiles ver-
werlhcn sollte. Haben aber die Verfasser die von uns gewollte Schei-
dung des planimetrischem Stoffes auch wirklich beabsichtigt? wollten
sie nicht vielmehr ein Repertorinm für Geometrie , wie es für Schulen
nur immer angemessen erscheinen mag, entwerfen? oder endlich ist
die Scheidung in unserm Sinne auch zu vollbringen? Wie man auch
die beiden ersten Fragen beantworten mag, von der Beantwortung der
dritten hängt es ab, was in jedem Falle zu thun war. Zweifelhaft kann
es aber nimmer erscheinen, ob eine derartige Trennung des Stoffes in
einen nur das allein nothwendige enthaltenden Theil und in einen zwei-
ten, die Erweiterungen und Anleitungen zum selbständigen arbeiten
umfassenden, zu Wege zu bringen sei: es fähren dazu Logik und Er-
fahrung. In wie weit die Logik, ist früher angedeutet worden; die Er-
fahrung aber wird jedem Lehrer gar bald den Nachweis liefern, welche
Sätze und Aufgaben bei eigenen elementaren Arbeiten immer und im-
mer wiederkehren, welche dagegen ganz in den Hintergrund treten.
\Vir sollten meinen, beide Weisen, das eigentliche System der Geo-
metrie aufzufinden, müsten zumal im Verein das- richtige Ziel errei-
chen lassen. Wenn das aber der Fall ist, so hätten die Verfasser auch
ihren ersten Theil der Planimetrie nun um zwei Drittel abkürzen und
das daselbst ausgeschiedene in den zweiten Theil verweisen müssen.
Die Abkürzung aber konnte in doppelter Weise bewerkstelligt wer-
den. Erstens direct dadurch, dasz einzelne Sätze, Zusätze, Aufgaben
mit ihren Beweisen und Constructionen gradezu in den zweiten Theil
gesetzt wurden. Weshalb stehen z. B. die Sätze 9, 13 des In B. I Tb.
nicht an derselben Stelle des zweiten Theils? stehen sie etwa zum Sy-
stem in einem andern Verhältnisse als die 1, 3, 4, 5 usw. des In B.
II Th.? sind sie vielleicht leichter oder nothwendiger als diese? Grei-
fen wir nur aus der Masse heraus! 23, 24 des ersten Kapitels, 13, 15,
26, 27, 28, 29, 48 des zweiten, 14, 16, 17, 18 des vierten Kapitels usw.
Wir könnten die Zahl dieser auszuscheidenden Sätze noch um sehr
viele andere vermehren , namentlich aber mit solchen , deren Beweise
oder Constructionen kaum angedeutet sind , und also schon dadurch
bekunden, dasz sie im zweiten Theile eine angemessenere Stellung
gefunden haben würden. Indirect aber würde die Abkürzung dadurch
bewirkt werden, dasz die mehrfachen Beweise zu einem und demselben
Satze fortfielen. Es soll nicht geleugnet werden, dasst mehrfache Con-
structionen einer und derselben Wahrheit eine nicht gewöhnliche Ge-
wandtheit erzielen, aber in dieser Hinsicht sind sie nur für schon ge-
übtere brauchbar, den ungeübten verwirren sie, lenken ihn sogar von
446 EleiDontare Geomelrie.
der strengen Verfolgung eines Gedankens ab, wozu doch vor alleai
ungeleitet werden soll, und geben dem ganzen der Darstellnng eine
Künstlichkcit, über der wir oben den Stab gebrochen ^habea. Wir
glauben, dasz das uns kaum bestritten werden kann, und mithiii «aoh
nicht der darauf gebaute Schlusz, dasz diese mehrfachen Beweise and
Constructionen ebenfalls in den zweiten Theil gehören, wenn sie aber-
haupt Aufnahme verdienen, was höchstens nur bei bedeutenden Wahr-
heiten der Fall sein dürfte.
Sehen wir nun weiter auf die Eintheilung des Stoffes, so stimakt
derselbe im allgemeinen mit der in Koppels Geometrie Qberein, aad
weicht also auch wie diese nur in einzelnen unbedeutenden PnakleB
von der oben sub A angegebenen ab. Im einzelnen bemerken wir dar-
über noch folgendes: Es ist nicht ersichtlich, ob die Verfasser aaoh
der ebenen Trigonometrie die Stelle anweisen wollen, welche wir
oben für dieselbe als nothwendig anerkannt haben, wahrscheinlioh
werden sie die bisherige Tripartition der Geometrie aufreohl erhallea.
Weiterhin tritt die als naturgcmäsz erkannte Eintheilung der Sitae
über die Figuren in die drei Abschnitte: Congruenz, Gleichheil aad
Aehnlichkeit, wenn sie auch im allgemeinen festgehalten wird, nicht
deutlich genug hervor. Endlich drittens sind auch hier die Sfttse Ober
den Kreis in zwei verschiedenen Abtheilungen zusammengettellt, wie
auch der 7e Abschnitt des 11 Kap. offenbar in die Lehre von den Trans*
versalen gehört.
Die Verbcsserungen im einzelnen sind mannichfach und aahlreieh,
der Ausdruck ist meist praecis (aufgefallen ist uns jedoch Sats 4
S. 6) und die Beweisführung, wenn auch stets in der Weise des Ea-
klid gehalten, klar, kurz und bestimmt. Drei Punkte erfordern jedoch
eine kurze Erörterung. Obgleich nemlich die Verfasser die Bewegaaf
als ein in der Geometrie berechtigtes Moment anerkennen, so haben
sie doch an keiner Stelle des ersten Theils davon Gebrancii genaoht:
namentlich ist ihre Lehre von den Parallelen weillauflger und schwer-
fällij^er als gewöhnlich, so dosz es selbst einem geübtem nicht leicht
werden wird, sich hindurchzuarbeiten. Und was ist bei diesem Stre-
ben nach Gründlichkeit, denn die war sichtbar beabsichtigt, heraus-
gekommen? Der Kuoten ist nicht gelöst, weil er in dieser Weise
schwerlich gelöst werden kann, die einfache Anschauung, ans der
man sonst so viel Wesens macht, ist verloren gegangen unter weit-
läufigen Constructionen und Beweisführungen , und der Anfinger wird
kaum einige historische Kenntnis von dieser Materie erhalten, statt dasa
ihm doch sofort klare Erkenntnis geboten werden mnste. Die aweita
Bemerkung gilt den Proportionen , mit denen in den Lehrbüchern der
neusten Zeit noch allzuhäufig ein wahres Unwesen getrieben wird.
Auch unsere Verfasser haben von S. 80 an dieser, wie es uns scheint,
durchaus falschen Richtung gehuldigt. Wie jede Wissenschaft so ist
auch die Mathematik vom speciellen zum allgemeinen fortgeschritten.
Das bürgerliche rechnen (man verzeihe den schlechten. Ausdruck) fohrta
auf eine besondere Art von Gleichungen des ersten Grades, die maa,
Elenflentare Geometrie. 447
weil sie so hfiufig wiederkehrte, mit eiaem besondem Namen beglackte
und es sich nun angelegen sein liess , den nenen Begriff aufs weitlän-
figsle aossabeuten [Gewis geschab das nicht durch Mathematiker vom
Fach, denn diese hatten ganz etwas anderes zn schaffen, als solche
Trivialitäten weiter aaszufahren. Ergieng es doch der Lehre vom po-
sitiven und negativen ebenso, die, obwol sie mit einer ganzen BrQbe
philosophischen Raisonnements abergossen wurde, doch 'nicht evident
hervortrat ; erst in der neuesten Zeit ist die wahre Sachlage klar ans
Licht gestellt worden]. Aus der Mathematik gieng nun der Begriff der
Proportionalität auch in andere Gebiete aber, so dasz man von Pro-
portional noch sprach, wenn an keine Proportion mehr gedacht
wurde , grade wie man den Begriff der Polarität aus der Lehre vom
Magnetismus in allen erdenklichen Weisen bis zum höchsten Unsinne
cultivierte. So hat sich denn ein ganz eigenthömlicher Sprachgebrauch
entwickelt, ohne den man in der wissenschaftlichen Mathematik viel-
leicht nicht mehr von Proportionen reden wOrde; ihn musz man, das
hergebrachte ehrend, beibehalten und durch wenige Satze erläutern.
Was aber darüber hinausgeht, ist vom Uebel. So erklärt man geo-
metrisch es Mittel als die Quadratwurzel aus dem Prodncte zweier
Zahlen, und kann nicht umhin, den Begriff der geometrischen Propor-
tion herbeizuholen, um den seltsamen Wortbegriff * geometrisches
Mittel' klar zu machen. Umgekehrt wird es aber nicht nöthig sein,
z. B. die bekannten acht Formen einer Proportion schematisch einzu-
üben, noch viel weniger, diese Formen in Worte zu kleiden und als
eben so viele Satze hinzustellen; dienen sie ja doch nur dazu, um in
einzelnen Beweisen gebraucht zu werden, und musz doch der Beweis
eines Satzes mit dem Verstände, nicht mit dem Gedächtnisse ausgear-
beitet werden! Die ganze Lehre von den Proportionen (geometrischen)
stellt sich in folgenden Bildern dar:
a c
a b ^ b d ^ b
— = -r- oder — = — oder —
cd a o a
a
= — usw. usw.
c
h . ^ .
- + 1 = - + 1
a — c —
na mc
—r- = — 7 usw. usw.
nb md
aa c
nb "" T
/b-~/d*"'"Nb — Nd
bei welchen das in die erste Spalte aufgenommene das nothwendige
enthält, das in der zweiten dagegen einige von den vielen möglichen
Umformungen andeotet. Diese Umformungen mfissen allerdings dem
Schaler vollkommen geläufig geworden sein , er musz sie mechanisch
vollbringen können: von jedem einzeln Falle musz er Rechenschaft ab-
zulegen im Stande sein, nicht aber wird man an ihn das Verlangen
stellen , uno tenore die sämtlichen Umformungen als Lehrsätze gefaszt
herzusagen. Mit diesem zweiten steht ein drittes in engster Beziehnng,
nemlich die Ausmessnng der Figuren , deren Prineipien im vorliegen-
448 Elementare Geomelrie.
den Werke nicht klar genug entwickelt sind. Wir setzen folgendes
entgegen. Zwei gleichartig benannte Zahlen können hinsichtlich ihrer
Quantität niiteinunder verglichen werden; das Mittel der Verg'Ieichu;
ist Division: es können ebenso die Flächeninhalte zweier Figuren Mit-
einander verglichen werden, und das Mittel dafür ist ebenfalls die Di-
vision, das Ergebnis aber in jedem Falle eine nnbenannte Zahl. Be-
zeichnet man ein Parallelogramm mitP, seine Grundlinie mit G nad
seine Höhe mit H, ein Quadrat mit q und seine Grundlinie == seiner
P (' A G
Höhe mit a, so ist — = — - — ; ist nun ferner — gleich der unbeniBR-
q a.cc a
H P
ten Zahl n und — = m , so ist — =^ n . m oder P = n . m . q , d. li. F
« q
enthält n.m Quadrate von der Gröszo q. In dieser Darstellung liegt
begründet l) weshalb die Ausmessung der Figuren der Lehre von ihrer
Aehnlichkeit nachfolgen musz, 2) dasz das iuconimensurnble der Geo-
metrie arilhmetisch einem periodischen Dücimalbrucho und nicht einer
Irrationalzahl entspricht, 3) dasz man ein Quadrat zur Msszeinheit der
Flächen nimmt, nicht also weil dasselbe die einfachste Figur ist, denn
das i^t Yielleieht auch ebenso sehr das gleichseitige Dreieck, sondern
weil das Quadrat nur die Ausmessung einer Lungeneinheit erfordert
(Grundlinie = der Höhe). Will man dieser Darstellung dann die sinn-
liche Anschauung der Zcrfällung eines Rechtecks in mehrere Quadrate
beifügen, so mag das geschehen: verkehrt aber scheint es uns, diese
zum Ausgangspunkte zu wühlen, einmal weil dadurch der wirkliche
Zusammenhang getrübt wird, und dann, weil die sinnliche Anschannog
nicht umfassend genug ist.
Haben wir denn kein Wort der Anerkennung, des Lobes für das
in Uede stehende Werk? können wir nur tadeln, wo andere schon
vielleicht laut gerühmt haben? Wir bitten, wol zu bedenken, cn wel-
chem Zwecke unsere kritischen Bemerkuntren zusammengestellt wor-
den; es galt einen Beitrag zu liefern für die Methode des matb. Unter-
riclils an Gymnasien^ nicht direct, sondern indirect durch Kenntnis-
nahme der namhaftesten Leistungen in diesem Zweige der Schullitlera-
tur. Im übrigen gestehen wir gern und olfen, nicht allein, dasx die
Planimetrie der Herren Heis und Escliwciler alle ähnlichen Leislungea,
ähnlich nach Inhalt und Art der Darstellung, überQüssig gemacht hat,
sondern auch, dasz dieselbe selbst bei entgegengesetzten Ansichten
in der Hand keines Lehrers oder auch begabteren Schülers fehlen darf,
und nur ungern versagen wir es uns , dieses Lob naher zu bcgrQnden.
Doch wir müssen dem Ende zuschreiten und unsern Zweck nicht ans
dem Auge verlieren.
Orientieren wir uns vorläufig. Die Leistungen von Koppe, Heis
und Kschwciler haben mit Euklid 'das gemeinsam, dasz in ihnen die
dogmatische .Methode fast allein berücksichtigt worden, und dass das
arithmetische Moment in der Geometrie nur geduldet, nicht aber als
gleichberechtigt anerkannt ist; sie weichen aber von den Elementen
Elementare Geometrie. 440
darin ab , dasz 1) das System darcli Ziisammenstellong der Materien
ihrem Inhalte nach eine naturg^emisze Gestalt gewonnen hat, dasz 2)
die den Ausgang bildenden Erklärungen eine allgemeinere Form er-
hallen , eine Form, die auch spatere nolhwendige Erweiterung gestat«
tet, dasz 3) die heuristisch - praktische Methode wenigstens in etwas
berücksichtigt worden und dasz endlich 4) die Darstellung des einzeln
nen eine unendlich bessere , praecisere und faszlichero ist. Und jetzt
zu Nr. 4. Gallenkamp^s Elemente, von denen hier nur der geometri-
sche Theil in Frage steht, sind ebenfalls schon in diesen Jahrbüchern,
und zwar durch einen ausgezeichneten Mathematiker, Schlömilch, be-
sprochen und verdientermaszen der Berücksichtigung empfohlen worden.
Ob das Buch eine weitere Verbreitung gefunden , wir wissen es nicht,
glauben aber, dasz es nicht geschehen, weil es allzusehr gegen her-
gebrachte Vorurlheile und irrige paedagogische Ansichten vorschrei-
Ict, und weil es eine Hingabe von Seiten der Lehrer erfordert, die ihm
die meisten nicht widmen wollen oder können. Gallenkamp gibt auf
172 Octavseiten die ganze elementare Geometrie in so knapper und
praeciser Darstellung, in einer so schön heuristisch -fortschreitenden
Weise und in einem nur an einzelnen Stellen, namentlich aber in der
Trigonometrie das gebührende Masz überschreitenden Umfange, dasz
seine Arbeit in vielen Beziehungen wirklich mustergiltig genannt wer-
den kann. Das Moment der Bewegung ist darin nicht allein anerkannt,
sondern auch in sein volles Recht eingesetzt, Begriffe und Beweise sind
durchaus nach demselben abgemessen , die arithmetische Methode ist
auch in die Geometrie grade so eingeführt, wie wir es oben festge-
stellt haben, und endlich die gesamte Darstellung der Art, dasz der
weiterstrebende nach der Durcharbeitung der Gallenk. Elemente sofort
höhern Studien sich zuwenden kann. Ein solches Lehrbuch mnsz also
wol den Bedürfnissen unserer Gymnasien genügen? Und dennoch Nein!
Gallenkamp hat des guten zu viel gethan; Anfang, Mitte und Ende sind
bei ihm gleich schwer, die Sprache ist überall so beschaffen, wie sie
ein an strenges denken gewöhnter Mensch angemessen erachten musz,
nicht aber ein Schüler , der durch mathematischen Unterricht erst zum
strengen denken angeleitet werden soll. Nimmt man hinzu, dasz die
Entwerfnng der Figuren meist den Schülern überlassen ist, dasz auch
bei Hauptlehrsatzen die Beweise mehr angedeutet als ausgeführt sind,
dasz die Folgerungen aus denselben immer zu zahlreich und zu sehr
zusammengedrängt werden, so wird man begreifen, dasz wir auch
dieses Buch, welches uns gewissermaszen aus dem Herzen geschrie-
ben ist, verwerfen müssen, da wir es nur für die oberste Bildungs-
stufe , nicht aber für Tertia nnd Secunda angemessen erachten können.
Und was denn nnn! Die Revue ist passiert, und dennoch nur ne-
gative Resultate? Nicht doch; wir glauben durch unsere Erörterungen
ein Lehrbuch ermöglicht zu haben, bei dem folgende Gesichtspunkte
maszgebcnd sein müssen: l) zwei Theile, von denen der erste nur das
unumgänglich noth wendigste enthalt, ein möglichst knappes System-
der Geometrie in henrislischer Anordnnng nnd dogmatischer Durch-
^50 ÜtDry- die physische Geographie des Meeres.
rahrasf f der andere dagegen die Brweiterangen dieses SysleflM der-
gestalt, dasx der gegenwärtige Stand der Wissenschaft dnrans klar
I^RUg hervortrete. 2) die Eintheiliing der Geometrie in PlaniaMtria,
Stereometrie und Trigonometrie mass aurgegeben werden , aofgeBoa-
«en dagegen sogar in den ersten Theil dss hanplsichlichsta ■«• der
analytischen Geometrie der Linie and des Kreises. 3) der erste Theil
ist in einer Sprache abKufassen , die anfänglich klar, ja breit, eich all-
mählich erst zur eleganten Kurse und Praecision emporarbeitet, aad
schlieszlich im zweiten Theile die Farbe annimmt, welche die Galiaa-
kamp\sche Geometrie auszeichnet. 4) der zweite Theil muss aebeebei
eine hloszo Aufgabensammlung vollständig ersetzen könneo. 5) dai
Moment der Bewegung findet dnrchgehends Anwendung sowol in Br-
klärungen als Beweisen and Constructionen.
Attendorn. J7. Fahle.
3«.
Dfe physische OeograplUe des Meeres van M. F. Maurg^ Mari-
nelieulevani der Ver. Staaten , deutsch bearbeitei üom Dr. C.
Böttger^ Professor am Gymnasium zu Dessau. Leipiig, bei
Gustav Meyer. 1856.
Vorliegendes Werk erweckt unser Interesse schon durch deolb-
men seines Verfassei-s, in welchem uns eine Bürgschafl dafür liafti
dasz wir Hher den Kreis des gewöhnlichen werden hinausgeffibrl wer-
dtm. Wir sehen in Maury die Kigonschartcn vereinigt, welche eias
befriedigende Lösung der grstelllon Aufgabe hoifen lassen. lUory hil
selbst fleiszig beobachtet und ist mit dem iMeerc wolvertraal) ea ala-
beu ihm in seiner jetzigen Stellung zahlreiche systematisch angestellla
Heohacbtunfren vieler Seefahrer zu Gebote, und seine frühern Sokrif-
teu liefern den Beweis, dasz er die Thatsnchen wissenschaftlich la
durchdringen und aus den Beobachtungen das Gesetz berzuleitoa far-
niag. Da von seinen Werken die physische Geographie das erste ist,
Avelches eine deutsche Bearbeitung erfahren hat, und da vor weaigea
Jahren der Ruf seiner Leislnngcn fast alle Zeitnngeu dnrchwaadcffto,
so m«)ffen einige Notizen ilber sein Leben, die wir Dnyckiacks^ Gy-
elopaedia entnehmen, hier ihre Stelle finden.
. Maury (Matthew Fontaine) wnrde in der Grafschaft SchotteylvaHS
in Virginien am 14. Jan. 1806 geboren. Der Bischof Olay, der aeiae
Geistesiraben früh erkannte, nahm sich in Tonnessee, wohin seine El-
tern gezogen waren , des Knuben väterlich an. 1824 kam er ala Mid-
shipman an Bord des ^ Brandy wine' und segelte mit General Lafayette
nach Frankreich. Anf seiner Rückkehr fuhr er mit dieser Freg^atle bis
in den stillen Ocean, gieng dsnn auf den ^Yincennes^ über und vollen-
Maary: die physitebe Geogripkie def Meeref. 451
dele aof diesem Schiffe ieine WeUnmsegUng. NeeMier eegelle er in
höherer Charge noehmals in den atillen Ocean und wurde als Lieute-
nant anf den ^Potomac' versetzt. Er studierte auf demselben in seinen
Muazestnnden eifrigst Mathematik und swar vorzugsweise ans spani-
sehen Bachern. Er schrieb ebenfalls auf dem Potomac ein treffliches
Werk aber Navigation, das 1835 herauskam. In demselben Jahre wurde
er zum Astronomen bei der Expedition zur Erforschung der Sadsee
ernannt. 1839 schrieb er far den Southern Literary Messenger einen
Artikel über einen Plan zur Reorganisation des sOdlichen Handels und
theilte schon in demselben Jahre viele Beobachtungen Ober den Golfstrom
und verwandtes mit. ImOctober 1839 hatte er auf einer Reise durch Ohio
das Unglack , beim umwerfen der Postkutsche den Fusz zu brechen.
Er zog sich von der Ezploring Expedition zurück und erhielt den Auf-
trag, die dem Gouvernement gehörigen Bücher und Karten zu ordnen.
So entstand das Nationalobservatorium und das hydrographbche Amt,
welches jetzt (1856) den Titel Naval-Observatorium erhalten hat. Maury
steht an der Spitze dieses wissenschaftlichen Instituts nnd ist die Seele
desselben. 1842 schlug er zuerst einen Plan für ein System gleichför-
miger Beobachtungen der Winde und Strömungen vor. Bald darauf er-
schienen seine werthvollen Karten nnd Anweisungen für SegelschifT-
fahrt (Sailings-Directions). 1853 gieng er zur Conferenz nach Brüssel
(die auch in der physischen Geographie erwähnt wird). Die Geogra-
phie selbst erschien 1855. Neben seinen angefahrten Werken hat er
viele kleinere Aufsitze verfaszt.
Diese wenigen Andeutungen werden genügen , um das günstige
Vorurtheil zu rechtfertigen, mit dem wir Maury^s physische Geogra-
phie zur Hand nehmen. Ein besonderes Gewicht können wir noch anf
seine jetzige Stellung legen , da hierdurch die Glaubwürdigkeit der
angefahrten Tbatsacben ziemlich gesichert erscheint.
Der Gesamteindruck des Buches ist befriedigend. Wir finden ein
reiches Material, eine Obersiehtliche Anordnung desselben, und eine in
den Hauptsachen haltbare Theorie der angeführten Thatsachen. Wenn
auch manche Hypothese etwras gewagt erscheint , so führt sie wenig-
stens zu keinem Widerspruch.
Htury bezeichnet sein Werk als einzelne Blilter aus dem Buche,
welches die physische Geographie des Meeres dereinst vor uns auf-
schlagen wird. Wir können es betrachten als eine in sich abgerundete
Bearbeitung eines, and zwar des wichtigsten Theils jener Wissenschaft,
Demllek der Lehre von den Strömungen in Lnft und Wasser. Es ist
dies der Mittelpunkt des ganzen Werkes, um den sich freilich vieles
andere hernmreiht, aber seine Bedeutung vorzugsweise durch seine
Beziehung zu jenem Mittelpunkte erhalt. Indem Maury zunächst das
Vorhandensein der grossen Strömungen bespricht, entwickelt er darauf
die einem bestimmten Gesetze unterworfenen Veränderungen derselben
in Ort nnd Stärke, weist die Ursachen derselben nach und knüpft
hieran Untersuchungen über Verdampfung, Salzgehalt, Tiefe des Meer-
wassers, Form der Küsten, Einflusz der Gebirge auf Wind und Regen,
452 ' Mtnry : die physische Geogr«phie des Meeres.
Thäligkeit der KorallenUiiere a. a* Die Kapitel über die Meeresströ-
mungen (obern und untern), sind mit groszer Ausführlichkeit behandelt
und bieten viel neues; in nicht gleichem Masze ist das der Fall mit den
Luftströmungen, unter denen z. B. die Wirbelwinde etwas fragmenta-
risch besprochen sind; dasz lelztere Kapitel einen schwächern Ein-
druck machen, wie die erstem über Meeresströmungen, ist indes leicht
erklärlich, da es nicht leicht einen SchrifUteller>geben mag, der den
Vergleich mit Dove aushält. Der Versuch, einen Zusammenbang zwi-
schen der Circulation der Atmosphaere und dem Magnetismus nachzu-
weisen, kann zwar nicht als misglückt betrachten werden, aber eben-
sowenig als gelungen.
An obige Untersuchungen knüpfen sich nun zahlreiche Betrach-
tangen über den Einflusz und die Bedeulung jeder Erscheinung sowol
für die Harmonie der Natur, wie für Leben und Treiben der Menschen.
Der grosze Einflusz der Strömungen auf die SchilTfahrt wird erläutert
durch mancherlei Erzählungen. Die Verbesserung der Strömungskar-
ien, Maury^s Werk, macht es möglich, zu jeder Jahreszeit den Schif-
fen den noihwendigsten Weg vorzeichnen zu können, und verschaffte
Maury den Triumph, den wahrscheinlichen Ort eines auf dem Meere
iimhertreibenden Wracks mit ziemlicher Genauigkeit bestimmt zu ha-
ben. — Mit besonderer Vorliebe jedoch bespricht Maury die Beziehnng
des einzelnen zum ganzen, der gesonderten Thatsache zur gesamten
Schöpfung. Wir erfahren, wie das Klima, der Regen, die Vegetation
des einen Landes abhängig sein können von Ursachen, die in weit ent-
fernten Gegenden zu suchen sind, wie auch das kleinste seine bestimmte
Aufgabe zu lösen hat, wie alles, was ist, auch gut ist. Maury wird
dabei geleitet von einem tief religiösen Sinne, dem aus dem wachsen-
den Verständnis der Natur eine immer wachsende Ehrfurcht vor dean
Schöpfer ersteht, und er legt auch von dieser Gesinnung ein lantes
Zeugnis ab. Dasz der Uebersetzcr Stellen dieser Art , in denen Mau-
ry^s religiöses Gefühl sich ausspricht, unverändert beibehalten hat,
und nicht eine sogenannte Purißcation hat eintreten lassen , sollte sich
zwar von selbst verstehen , musz aber in jetziger Zeit ausdrücklich
hervorgehoben werden.
Die Uebersetzung ist keine wörtliche, und mehrmals sind weit-
läufige, für das gebildete deutsche Publicum ziemlich unerquickliche
und uonöthige Erörterungen bedeutend abgekürzt; die Gedanken gibt
sie klar und in angemessener Sprache wieder. Das äuszere ist gefäl-
lig, Druck und Figuren sind scharf, Druckfehler sind vermieden. *
Farchini. Dr. H, Gerlach.
Aaszüge aus ZeitsohrifleB. 453
Auszüge aus Zeiischriflen.
Zeitschrift für d. Gymnanalwesen. Her. f>.J. Mütiell, Xr Jahrg.
1856 [vgl. oben S. 96—99].
Jakuarheft. Rinne in Zeitz: der deotsche Sprachunterricht auf
Gymnasien als der natürliche Vermittler der klassisch -antiken und der
christlich-modernen Bildungselemente {8.1 — 27: sehr philosophisch ge-
gebener Beweis, dasz der deutsche Unterricht dazu geeignet sei und
wie er deshalb eingerichtet werden müsse). —7 Campe: zur Charakte-
ristik der falschen Philologie (S. 27 — 38: schärfe Beleuchtung der Ton
Y. La sau Ix gesammelt herausgegebenen Schriften, um die Gefahr za
zeigen, welche -von dieser ganz unwissenschaftlichen Richtung drohe). —
Programme der gel. Schulen des Königr. Hannover. V. Schmidt in
Göttingen (S. 39 — 4S: besprochen die Programne aus dem J. 1854 von
Hildesheim, Lingen [Nöldeke: quaestionum philolog. spicileg. II L
Meppen, aus dem J. 1855 von Celle, Clausthal [Buchholz: emendd.
Sophocl. spec. ]], Kmden, GÖttingen, Hannover höh. Bfirgersch., Hil-
desbeim, Leer, Lingen [Reib stein: Iphigenie in Tauris], Lüneburg,
Osnabrück [Stnve: paedagogische Studien, den Gesangunterriclit auf
Gymn. betreifend], Osterode, Stade). — Thüringische Programme aus
dem J. 1855. Ang« von Hartmann und Irmisch (S. 43 — 48: Arn-
stadt Hailersleben: zur Geschichte des patriot. Lieds; Coburg
Forberg: zur Erklärung des Thucyd. III; Gotha; Rudolstadt KIuss-
mann: Proben einer Uebersetzung des Ovid*tichen Festkalenders ; Son-
dershausen). — Radefeld: Beitrage zur Geschichte des Seminarwe-
sens. I. Ang. von Schiller in Ansbach (S. 48 — 50). *^ Das höhere
Schulwesen des Königreichs Hannover seit seiner Organisation 1830.
Von einem hannoverschen Schulmann (S. 50 — 62: ausfuhrliches Refe-
rat). — Horatius Satiren und Episteln. Mit metr. Uebersetzung von
Strodtmann. Ang. von Lübker (S. 62— 64: sehr anerkennend). —
Mushacke: preusz. Schulkalender für 1856. Ang. von Mützell (S.
64). — Rundschreiben des k. Oberschulcollegium in Hannover vom 24.
Septbr. 1855 (S. 65 f. ). — Lübker: epiatola gratulatoria ad K öl-
st er um (S. 67 — 72: Erörterungen über Horat. Od. I 35 und IV 5,
Soph. O. C. 854, O. R. 211 f. und 216 ff.). — B. in E.: zum Pensions-
reglement (S. 72: über die Verhältnisse der Anstalten, die keinen zur
Zahlung der Pension verpflichteten Patron haben). — Heiland: zur
Gyronasialfrage (S. 73—86: sehr tüchtige Darstellung der auf dem Ge-
biete sich kundgebenden Bestrebungen und höchst beherzigenswerthe
Vorschläge zu deren Verwirklichung). — Gottschick: über die Be-
nutzung von Vocabularien zum selbständigen Vocabellernen (S. 86 — 91 1
der Zweck könne durch eine zweckmäszige Leitung bei der Praepara-
tion und Leetüre erreicht werden). — Sausse: der Unterricht in der
Mathematik auf den westfälischen Gymnasien (S. 92 — 108: scharfe und
eifrige Kritik der im Snpplementh. 1853 S. 195—99 enthaltenen auf der
westfälischen Directorenconferens vorgekommenen Aeuszerungen). —
Ladewig: über Verg. Aen. II 533 f. (S. 108: Abweisung der von
Häckermann gegebenen Erklärung). — Uebersicht über die Maturitäts-
examina im preusz. Staate 1854 (S. 109 f.). — Schweminski: noch
ein Wort über die statistischen Notizen im Juli- und Angnstheft des
vorigen Jahrgangs (S. 110 f.). — Personalnotizen (S. lli f.). = Februar-
heft. L. Giesebrecht in Stettin: der deutsche AufsaU in Prima
(S. 113— 152: krit. Geschichte der Gestaltangen , welche der gen. Un-
rf. Jahrb. f. Phü, u. Paed. VJ. LXXI V. Hft. 9. 32
454 AMciffe ««s tnMknheM.
ierricht in Pretttse« seit dea Eade d«B 17ii Jahi^vaderta dardigeKadity
zuletzt Darstellung des ia Siettia uUicIieB Verfahrens, am Schinase
jedes Halbjahrs ein ResUA^ zu fordern). — Programme der ProTiiis
Sachsen 18j4— 55. Von Jordan (8 153—162: ansfährlich wird re-
feriert über Ellendt: auch eine Stimme über das, was den Gymna-
sien noth thut; Heoze: über persoaificiereade adjectiTa «ad cpltheia
bei griechischen Dichtern, iasbesond. bei Pindar, Aesch., Sopk.; Tb.
Arnold: über die griech. Studien des Horaz I; Schmidt: de über-
tmie orati^nU SaphmcUae l; Osterwald: Rede ober die Endciian^
6mw Jagend zum Patriotismus; Theiss: de pr^verhio Tavralov xa-
luvta\ Schulze: etymologische Versuche; Härtung: UebcrsetaBag
aiaiger Idyllen Theokrtts; Heiland: Aatrittsrede nnd metrische Be-
obachtungen; Klein schmidi: der Unterricht im griech. kaaa bei wö-
chentlich 8 Stunden in IIP mit Anabasis und Odyssee begonnen wer-
den). — Holleaberg: Hilfsbach für den eTaagelischen Religioasnnter-
rieht. Ang. von Klix (8. 163—181: sehr eingehende, auch die nbrigea
gleichartigen litterarischen Erscheinungen berücksichtigende Anzeige).
— Niemeyer: Lessings Nathan der Weise. Ang. von E. Kopke
(S. 181 — 189: auszer manchem anderem wird besonders die Auffaasan^
der Grundidee bekämpft, sodann gezeigt, dasz das 'dramatische Ge-
dicht' keine Lecture für Gymnasien sein könne). — Lubker: die so-
phokleische Theologie und Ethik IL Ang. Ton Enger (S. 189--195:
sehr anerkennende Beurtheilung). — Verordnungen und Personalnoti-
zen (S. 196—208). = MÄRZHEFT. Kohlrausch: zur ReTision dea
Lehrplans der höheren Schulen (8. 209 — !258: in Bezug auf Land fer-
manns Aufsatz im Octoberheft des vorigen Jahrgangs. Tiefe, aus rei-
cher Erfahrung und objectiver Anschauung geschöpfte, den «\ahren Be-
durfnissen Rechnung tragende, die Freiheit und Bewegung ohne Auf-
gabe und Beeinträchtigung des nothwendigen gewahrende Vorschlage
für reine Gymnasien, fär solche, welche auch für nichtstudierende mit
sorgen müssen, und für die Maturitätsprüfungen. Am Schlüsse werden
die neuen fireuszischen Verordnungen besprochen und nur wegen Aus-
•chlieszung des englischen, zu groszer Zurückstellung der Natarwissea-
schaften und zu groszer Zahl der schriftlichen Abitarientenarbeiten ei-
niger Widerspruch erhoben). — Programme der Provinz Posen 1855.
Ang. von Schweminski (S. 259 — 265: tadelnd werden besonders
L o m n i t z e r : Beitrage zur Schnlerziehnng. Bromberg, n. Brennecke:
Schiilnachrichten von der Realschule in Posen angegriffen). — Rott:
griechisches Vocabularium. Ang. Ton Liebig (S. 265 — 269: der Ref.
ist gegen den Gebrauch eines solchen Buchs, findet aber an dem Tor*
liegenden neben einzelnen Aasstellungen Vorzuge). — Plato's Apologie
und Kriton. M. Anm. von Ludwig. Ang. von Hartmann (S. W^
— 271: gelobt; einzelne Bemerkungen). — Schmidt: Elementarbuch
der lateinischen Sprache. 2e Aufl. Ang. von dems. (S. 272: gelobtX
—> Brandes: Ausflug nach England. Ang. von Hol seh er (8.272 f.;
empfohlen). — Funkhänel: zwei Stimmen über das Gyrenasialweaeii
der neueren Zeit (8. 274 — 276: Mittheilungen aus Briefen von G. Her-
mann und Fr. Jacobs). — Häckermann: zu Vergil. (8. 277 : Aea.
II 601 f. wird tibi zu eulpatua bezogen). — Herodotus ed. Bahr. Von V
(S. 278: Nachweis einiger Druckfehler im Texte). — Nekrolog dea
verst. Schulrath G ieseh recht. Von A[dler] in C[öslin] (8. 279—287:
sehr liebevoll warme, den Stempel der Wahrheit tragende Charakte-
ristik). — Aus Mecklenburg (8.287: Schnlnachrichten vom Schweriaer
Gymnasium). — Persunalnotizen (S. 288). = April- und Maiheft.
Programme des poromerschen Gymnasium von I8ö6. Von Lehnaan
IS. 289—^1: Auszuge aui SpÖrer: über den mathem. Unterricht am
Gymn. Anclam, Heu nicke: de Ranarum j4risioph, indole et prapa-
Auszüge aas ZeitschriAeiu 455
nto. Coslin , C a m p e : quae$tt. PoMian. p. 11. Greiffenberg;; Lehmann:
de A, Persii saU V. Greifswald , Koch: em. Cieeronii epütolar, Putt-
bus, Knick: Homer und feine Gedichte. Neustettin, Tetschke: Ein-
leitung zu Shakespeare's Caesar. Stralsund, sodann Mittheilungen am
den Schttlnachrichten, zuletzt Zusammenstellungen über den Religions-
und Geschichtsunterricht). — R. v. Raumer: über deutsche Recht-
schreibung. Ang. Ton Stier (S. 301 — 319: das Verdienst die Prinei-
pien klar entwickelt zu haben wird anerkannt, gegen einzelnes aber,
namentlich wegen ^ und ff, und wegen des Dehnungs-h, Widerspruch
erhoben). — Homers Gresänge, Terdeutacht von J. Minckwitz I und
Homers Ilias. Erkl. von Fäsi. 2e Aufl. I. Ang. von Enger (S.3I9
— 331: Ref. spricht sich gegen den Versuch den Homer in Prosa za
übersetzen aus , läszt aber dem Streben des Hrn Minckwitz einige Ge-
rechtigkeit widerfahren. Die "von Fäsi in der neuen Aufl. vorgenomme-
nen Veränderungen werden aufgeführt und mit einigen Bemerkungen
begleitet). — Aeschylus Agamemnon mit Anm. von Enger. Ang. von
M. Schmidt (S. 332 — 337: Ref. verwirft die Leetüre des Aeschylus
in den Gymnasien, erkennt aber die Engersche Leistung vollständig an
und gibt einige kritische Bemerkungen). — Aeschyli Agamemnon, ed.
S. Karsten. Ang. von dems. (S. 338 — 346: zwar wird manches gnt
gebeiszen, aber der Kritik zu grosze Verwegenheit im coniicieren, Man-
gel an wohlerwogener Auslegung und Unbekanntschaft mit den Leistnn-
gen in Deutschland vorgeworfen). — Horatins Satiren. Von Kirch-
ner II 1. Ang. von Supfle (S. 346— 349: sehr gelobt, einzelne Ge-
genbemerkungen). — Kubier: Vocabularium für den griech. Elemen-
tarunterricht. Ang. von Liebig (S. 350 — 353: nachdem sich Ref. ge-
gen den Gebrauch eines solchen Buches erklärt hat, macht er auch
an dem vorliegenden selbst einige Ausstellungen). — Onomasticon tri-
gloäsum. Malchin 1855. Bespr. von Haus er (ß, 353—378:^ von der
Besprechung, wie das onomasticon eingerichtet sei, wird zu einer Beur-
theilong der Bücher von Bischoff, Wiggert, Meiring, DÖderlein, Herold
und der eigenen elementa latinitatis fortgeschritten und unter heftigen
Entgegnungen gegen den Reo. in diesen Jahrbb. Schmidt eine Verthei-
digung der dabei befolgten Grundsätze gegeben. Im Juniheft S. 520
findet Hr. Schmidt eine Entgegnung wegen des Tones unrathsam und
unnothig). — Hantz: die erste reform. Gelehrtenschule, das Paeda-
gog. in Heidelberg. Ang. von v. Reichlin-Meldegg (S. 378-381:
sehr gelobt). — Hudemann: zur Gymnasialreform. Ang. von Braun-
bär d (S. 381 — 386: unter einzelnen Bemerkungen viel Lob. Nach-
schrift über d. preuszische Verordnung, d. Abiturientenexamen betref-
fend). — Suckow: d. wissenschaftl. u. künstlerische Form d. plato-
nischen Schriften. Ang. von Deaschle (6. 386 — 414t eingehende und
sorgfältige Begründung des schon anderwärts ausgesprochenen durch-
aus verwerfenden Urtheils). — Ewald: Lehrbuch d. hebr. Sprache.
6e Ausg. u. hebr. Sprachlehre. 6e Ausg. Ang. von H in B (S. 414 f.:
über d. neue Auflage wird berichtet). — Fortsetzung d. Streites zw.
Heinichen u. Kuhnast (S. 415 f.). — Verordnung d. kon. preusz.
Minist, üb. d. Vokabellernen v. 10. Apr. (S. 416 f.). — Buddeberg:
über Schülerbibliotheken (8. 419 — 422: veranlaszt durch eine Aensze-
rung Heilands im Januarheft, ref. Hr. B. über Hülsmanns PrOgr. i
die Einrichtung von Schülerbibliotheken. Duisburg 1855 a. Heinens
Abhandlung im Mus. des rhein. Schnlmännervereins IV 4 8. 373 ff.)-
— Stier: deutsche Litteratnr auf dänischen Schulen (S. 423 f.: Be*
rieht über das Programm von Christianshafen: deutsche Gedichte als
Grundlage für d. Unterricht in d. deutsch. Litt.). — Groszherzogthum
Hessen. Von — n. (S. 425—4*28: Bericht üb. d. Gymnasien). — Dia
Hrabannsfeier in Fulda (S. 428 f.). — Vermischtes o. Personalnotizen
32*
456 AasxDge aus Zeitschriften.
(S. 429 — 432). = JüNiHEFT. Schmidt in Schweidnitz: üb. einige
Mängel in d. Vorbereitung far d. Lehrerberuf an gelehrten SchuicQ
(8. 4.^3 — 441: gefordert werden auf d. Universität Vorträge üb. Pae-
dagogik , praktische Unterweisung in Vorträgen für d. Lehrfach, 6wo-
chentl. auscultieren, und fortgesetztes hospitieren). — Ders.: d. Gre-
schichte d. Entwicklung d. christl. Kirche als Lehrgegenstand in erang.
Gymnasien (S. 441 — 449: es soll für d. Kirchengeschichte keine beson^
dere Lection angesetzt, sondern der Stoff dem Geschichtsunterrichte
zugewiesen, von dem Religionslehrer aber nur d. Gründung u. d. Re-
formation d. Kirche ausführlicher behandelt werden). — Thüringische
Programme ▼. J. I8ä5. Ang. von Hartmann und Irmisch (S. 450
— *52: referiert wird über Zeysz: Versuch einer Geschichte d. Pflan-
zenwanderung. Gotha, Realgymn. und Brets chneid er : d. drei Sy-
steme der deutschen Grammatik. Gera). — Programme a. d. Provinz
Westfalen v. J. 1853. Ang. von Hölscher (S. 452— 459: ausführlicher
wird berichtet über HÖgg: de ironicin quibuadam Horatii carminibtM,
Arnsberg. Huppe: annotationea ad Taeiti Germaniam, Coesfeld, T r o s z :
ayriibolae eriticae in Caaaiodori Variarum libros FI priores, Hamm,
Middendorf: üb. d. Philaenensage. Münster, Micus: Martin Opits
vun Boberfeld. Paderborn, Strothmann: Krkläning d. bibl. Schö-
pfungsgeschichte. Recklingshausen, Langen siepen: Vorlage d. Fie-
xionslehre einer lateinischen Grammatik für d. praktischen Unterricht.
Siegen). — Horkei: d. Holzkämmerer Theodor Gehr u. d. Anfange
d. Friedrichs-collegiums in Königsberg in Pr. Ang. von Klix (S. 459
— 465: gelobt unter Mittheilung eines ausfuhrlichen Referats). —
Haacke: Proben eines Lehrbuchs für d. philosophischen Unterricht in
Gymnasien u. Gockel: encyclopaedische Ginleitung in d. Philosophie.
Ang. von George (S. 466—469: an beiden Verfassern wird das stre-
ben und die Leistung anerkannt, doch ein hinausgehn üb. d. Zweck
d. Qymnasiums, den Haacke schärfer und richtiger erkannt, bemerkt).
— Kannegieszer: d. deutsche Redner. Ang. von Aszmann (S. 470
— 473: sehr gelobt, doch werden gegen d. paedagogische Brauchbarkeit
Bedenken erhoben). — Rosenkranz: d. Poesie u. ihre Geschichte.
Ang. von Rinne in Zeitz (S. 473 — 486: ausführliche Darlegung des
Inhalts ; als Mangel wird die falsche Auffassung des Christentboms g€s-
rügt). — Thiersch: Grammatik d. griech. Spr. 4e Aufl. Ang. ▼on
Gottschick (S. 486—493: trotz vieler Ausstellungen u. BemerkongeD
doch sehr anerkennende Beortheilnng). — Grosz: griech. Laut- und
Formenlehre. Ang. von dems. (S. 494: gelobt). — Enripide« ausge-
wählte Tragoedien. Erkl. von Schöne. 2te8 Bdchen Medea. Ang. ▼•
A. Nauck (S 494—510: sehr eingehende wissenschaftlich -kritische
Anzeige). — Fromm: Scbuigrammatik d. lat. Spr. Ang. von V^T ag-
ner (S. 511: d Kintheilung gemisbilligt. sonst aber das Buch sehr ge-
lobt). — Schiller: Regeln aus d. lat. Syntax. Ang. von Liebig (8-
510-516: der Abhandlung wird Verbreitung gewünscht). — Biliroth*
Kilendt-Sey ffert: lat. Grammatik für d. unteren Klassen. Ang. r.
dems. (8. 516 — 520: nicht eben gelobt). — Meineke: zu Alcaeus (S.
521 f.: Hephaest. p. 84 ed. Gaisf. wird eine Strophe erkannt n. emen-
diert — tov 'iiOQvq)atg iv ängatg Mccia Ysvvai reo Kqovi^ay MaMa —
tav ßaaikrici). — Pf äff: zu Jacobs (lat.) Elementarbuch (ä. 522 f.: Aaa-
stellungen am sachlichen Inhalte, namentl. d. Abschnitt über Läoder-
u. Völkerkunde). — Uebersicht der in Hannover an d. Gyran. vorge-
kommenen Personalveränderungen (S. 524 f.). — Apologetische Apho^
rismen in Sachen d katholischen Gymnasien Schlesiens (S. 525 — 527:
Protestation gegen die von einem kathol. Untversitätsprofessor d. Theo-
logie erhobenen Anklagen, es kämen die Schüler zu unreif und nament-
lich zu unfertig im latein. zur Universität). — Personalnotisen (S.
Auszöge aus Zeitschriften. 457
528). = Juliheft. R. v. Räumer: d. deutoche Unterricht in Gym-
nasien (S. 529—^38: Vertheidigung der von dem Hm Verf. aufgestell-
tt^n Ansichten gegen L. Gicsebrechts Angriffe im Februarh. Auf dem
Umschlage des Heftes sucht d. letztere den Angriff aaf Hm ▼. R. zu>
ruckzuschieben). — Kuhnast: welcher Auffassung der Aufgabe unserer
Gymnasien treten die Bestimmungen des k. Ministeriums v. 7. u. 12.
Jan. d. J. entgegen? (8.038 — 649: einem einseitigen didaktischen Ma>
ierialismus, aber auch einem einseitigen Formalismus; dagegen wird
der Realismus und für ihn die Krweckung der Liebe für d. klassischen
Studien, die möglichste Concentration auf sie und die überwiegende
Berucksicbtignng des Inhalts des Alterthums gefordert; damit ist ein
Appei an d. Tüchtigkeit des Gymnasial lehrerstandes gegeben). — Pro-
gramme der kathoi. Gymnasien Schlesiens 1854 — 65. Ang. von Hoff>
mann (S. 650—664: Auszuge aus Schober: adnotationea ad duos
lloratii loco9, Glatz, Rott: die Atmotphaere unserer Erde. Gleiwitz,
Fiedler: üb. d. Geschwindigkeit des Lichts. Leobschütz, Kayszier:
nb. den Tugendbegriff des Horaz. Oppeln, Franke: welche Fehler
kann man bei der Wahl der Themen zu deutschen Aufsätzen machen?
Sagan). — Porphyrii de phUosophia ex oracutU haurienda tibrorum
reliquiae. Ed. G. Wolf f. Ang. von M. Schmidt (S. 554 — 557: sehr
gelobt; einige kritische Vorschläge). — Schultz: orthographicarum
quaestionum dccan. Ang. von Dillenbnrger (S. 657 — 5(52: sehr em-
pfohlen, indem Ref. am NIpperdeyschen Tacitus die grosze Inconse-
quenz der lat. Orthographie nachweist). — Eichert: vollständiges
Wörterbuch zu den Verwandlungen des Ovid. Ang. von Kindscher
(S. 562 f.: empfohlen). — Kühner: Schulgrammatik d. lat. Spr. 4e
Aufl. Ang. von Hartmann (S. ö64 f.: gelobt; einige Bemerkungen).
— Ho ff mann: Uebungsstücke z. übers, ins latein. f. mittl. Klassen.
Ang. von Albani (S. 565 f.: sehr gelobt). — Sey(fert: Uebangs-
buch z. übers, aus d. deutsch, ins lat. für Secunda. 4e Aufl. Ang. von
Wagner (S. 566: als verbessert anerkannt). ' — Freese: Aufgaben z.
übers, aus d. deutsch, ins griecli. Ang. von Hartmann (S. 567: em-
pfohlen, doch soll darauf, dasz die Schüler in Spannung erhalten wer-
den, und auf die Phraseologie grÖszere Aufmerksamkeit verwendet wer-
den). — Brückner: hebraeisches Lesebuch« 2e Aufl. Ang. von Bud-
deberg (S. 568 — 671: auch die neue Auflage kann mit Recht gelobt
werden). — Andre sen: über deutsche Orthographie. Ang. v. Stier
(8. 572 — 575: anerkennendes Referat, aber über vieles einzelne Gegen*
bemerkungen). — A. u. F. Spiesz: deutsches Lesebuch. 2eAufl. Ang.
von Hol sc her (S. 676 — 578: eingehende, iiii ganzen anerkennende
Beurtheilung). — Hub: d. deutsche komische u. humoristische Poesie.
U Buch. Ang. von Kopke (S. 578— 580: viel Tadel). — W. Giese-
b recht: Geschichte d. deutschen Kaiserzeit. I 2. Ang. von Fosz in
Berlin (S. 080—583: sehr geloht). — Peters: üb. d. Nothwendigkeit
d. Einrichtung zweckmäsziger mathematisch-naturwissenschaftlicher Leh-
rerbildungsanstalten. Ang. von Hincke (S. 5^3 — 587: ausführliches
Referat). — Hetsch: einige Worte über Zeichenkunst u. d. allerersten
Unterricht in ders. Ang. von Ko Ister (S. 588: dringend zur Beach-
tung empfohlen). — Bericht des Ministers üb. d. Unterrichtsanstalten
in Griechenland. Uebers. Ton Planer (S. 590 — 604). -— Görlitz in
Leobschütz: aus der Schulpraxis (S. 606—607: Vertheidigung d. schrift-
lichen Arbeiten im französischen auch in d. obersten Klassen). — Per-
sonalnotizen (S. 608). R D.
Monatsberichle d. k, Akademie d. Wissetuichaften in Berlin IBjri.
Trendelenburg: Machiavell u. Antimachiavell. Rede (S. 49^7] :
höchst lehrreiche vorarlheiUiutse Charakteristik von Machiavells Fürsten
458 Auszüge aus Zeitschriften.
11. Friedrichs d. Grossen Gegenschrift n. treffende Darstellung des Ver-
hältnisse« beider zueinander). — £. Curtias: Vorlegung einer ira Ar-
chipelagiKs gefundenen Inschrift aus d. späteren Blütezeit des Achaeer-
bundes (S. 101). — Meine ke: aber den tragischen Dichter Moschion
(8. 102—114: die den Pheraeern zugehörigen Fragmente bei Stobaens
werden geordnet n. emendiert u. d. Vermutung hingestellt, dasi d.
8tiick, der Zeitgeschichte entnommen, d. Begräbnis des Polyphron Ton
Pherae zum Gegenstand gehabt habe. Das Zeitalter des Dichters wird Tor
Alexander d. Gr. angenommen. Das beobachtet eGe^^etz metrischer Strenge
im Trimeter, Vermeidung aller dreisilbigen Fiisze, gibt den Haltpunkt
zur Zurückweisung dem Dichter fälschlich beigelegter Fragmente und
Annahme eines sehr späten Prosaikers Moschion. Auch d. Fragment
bei Clem. Alexandr. wird zurückgewiesen). — Pertz: dritte Sendung
von Abschriften aus Urkunden im Tower durch Dr. Pauli (S. 114 — 116
u. Schlusz 8 522 f.: Anführung zweier Beispiele, wie interessant die
neu entdeckten Urkunden aus d. Regierungszeit Kduards Ifl sind). —
Lepsius: eine hieroglyphische Inschrift am Tempel Ton Edfa (S. 181
— 186: d. Inschrift gibt über das Vermessungssystem u. die zu Gmnde
liegenden Masze, sowie d. Nomeneintheilnng Aegyptens Aufschloss nnd
liefert d. Kenntnis mehrerer Zahl- und Theilzcichen). — Mittheilung
von *27 Innchriften, meistentheils aus Thyatira, welche Dr. Baumei-
ster in Griechenland aufgefunden u. an Gerhard gesandt (S. 187 —
198: mehrere Bemerkungen ▼. K. Curtins sind bcigefilgt). — Bockhs
zur Geschichte der Mondcyklen der Hellenen (8. 200 — 307: von der
vorgelegten, den reichsten Inhalt gründlichster Untersuchungen bietenden
Abhandlung wird hier ein Auszug mitgetheilt). — Mittheilungen der
neu entdeckten Inschrift von Kreta durch Gerhard (8.260 — 264). —
Pinder: d. Rlisphasicr in Arkadien, auf einer Münze des achaeischen
Bundes nachgewiesen (8. H51 f.: eine Münze, welche Behr-Negendank
in Griechenland aufgefunden , bestätigt das vorhundensein der Stadt,
so daRz jede Acnderung bei Polyb. XII 11 6 zurückgewiesen ist). —
Gerhard: Bemerkungen zur vergleichenden Mythologie (S. 36ö — 378;
die Unter8chiedc der arischen u. semitisch -aegyptischen Stamme rnck-
Nichtlich d. Keligionssysteme werden aufgestellt, sodann die Einwir-
kung semitischer, gemischter semitisch -arischer, endlich rein arischer
Culte nachgewiesen und schlieszlich die Grösze des griechischen Gei-
stes in der Umgestaltung der ihm überlieferten Gottheiten dargethan).
- Curtius! über die Stammsitze d. lonier (S. 421 — 424: Auszug a«
der indes besonders herausgegebenen Abhandlung). — Trendelen-
burg: Mittheiliingen über einige in d. k. Bibliothek zu Hannover be-
rnidlichen Maiiuscripte von LiMbnitz (8. 426 f.). — Panofka: Apolloo
in Panda und seine Verwandten (8. 4Ö7— 470: Auszug. Ausser Apol-
lon in Panda werden d. Gottinnen Pnndina u. Kmpnnda n. Pan Ly-
kaioH, Fhuuus Fatuus behimdelt). — Bekker: Nachtrag von Varian-
ten zum Thucydides (8. 470—480: auf der zwfiten Reise nach Italien
gesammelte Varianten aus cod. C). — Curtius; eine byzantinische
Inschrift (8. 430 f.: durch Bergmann gemachte genaue Abschrift der in
der Marcuskirrhe zu Venedig befindlichen Marmortafel, welche d. Sage
für ein Stfick des P'elsens, aus welchem Mose« das Wasser flieszen las-
sen, erklart hat). — Gerhard: über Hermenbilder auf griechischen
Vasen (8. 484 — 487: zur Begründung der Ansicht, dasz die Hermen
vielfach mit bacchantisch - cerealisrhen Gülten in Verbindung gebracht
worden seien). LepKias: üb. d. Namen d. lonier auf d. ae^ypti-
schi'U Denkmälern (S. 497 —512: Darlegung, dasz sich d. Name in d.
Bedeutung von Griechen überhaupt hieroglyphisch nachweisen lasse n.
daHZ sich dieser bereits im 16n Jhrhdert v. C. , sowie in den nächstfol-
genden Z-*iten in einer engen Beziehung luAegypten wiederfindet). —
Aafisftge a«a ZoilsehrifleD. 459
Bockh: Rede xur Feier d. LeibniUi0cheii Jahrestages 5. Jul. 185ö (8.
:)2'l — 545: handelt v. Schellings Verhältnis zn Leibnits aud »eine An-
sicht von diesem und seinen Philosophemen). — Ueber d. WaHsertrü-
liun^ des Tiberflasses in Rom (S. 564—570: enthält Zasammeiistellung
41. Krläuterung der bei rÖm. Dichtern vorkommenden Beinamen dessel-
ben)« — Encke: Vortrag am Geburtsfeste Sr. Mai. 18. Oct. 185?) (8.
585 — 600: Vergleichung d. geschichtlichen Situationen v. J555, 1655,
J755 u. 1855 u. Darstellung der seit 30 Jahren erfolgten Fortschritts
141 der Astronomie). — Blau u. Schlottmann: ob. die Alterthiiner
<1. von ihnen 1854 besuchten Inseln Samothrake n. Inbros (S. 601 —
636: sehr interessante Beschreibung, dabei Bemerkungen auch über d.
heutige Bevölkerung u. deren Dialekt, endlich Mittheilung vieler In-
schriften. Beigegeben ist eine Karte von Palaeopoli auf Samothrake,
zu der Hr. Kiepert S. 660 f. eine Erklärung gibt). — Mittheiiung v.
Pertz üb. d. von ihm in England entdeckten Stucke d. 26. 28. 35. u.
36. Buches d. Annalen d. röm. Geschichtschreibers Granius Licinianns
(S. 669). — Schott: üb. zwei ungarische Dichtungen aus älterer Zeit
(S. 683 — 690: die Gedichte stammen aus dem I4n od. 15n Jahrhundert
u. sind die ältesten Erzengnisse d. ungarischen Poesie, zugleich wich-
tig für die Auffassung der Ansiedlungen in Ungarn u. d. spätere Ge-
schichte). Ders. : ob. einige Benennungen des Himmels in der altai-
sehen Sprachenclasse (S. 695— 7<K)). — Haopt: ob. d. Inschrift eines
im furstl. Museum zu Arolsen befindlichen Steins (S. 701 f.: dieselbe,
die Huschke als altitalisch gedeutet, wurde als kabbalistisch erwiesen).
— Riedel: Regierungsgeschichte d. nürnberger Burggrafen Johann f,
Friedrich III, Johann II, Conrad V u. AIhrecht (S. 756: Friedrichs III
Antheil am Siege bei Mühldorf und die Stütze, welche er dem König
Ludwig war, werden hervorgehoben). — Lepsius: Bericht über den
Typengusz o. d. fortschreitende Verbreitang des allgemeinen lingnisti*
sehen AlphabeU (S. 784-787). R. D.
Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische
Notizen, Anzeigen von Programmen.
Ebfurt.] Das Lehrercollegium des dasigen kön. Gymnasiums be-
stand Ostern 1856 aus dem Dir. Prof. Dr Sc hole r, den Professoren
Dr Besler, Dr Mensing, Dr Schmidt, Dr Herrmann, Dr
Kritz, Dr Dennhardi, Dr Richter, Dr Weiszenborn, den
Lehrern Dr Kays er, Rector Nagel (kath. Relig.)« Dufft, Mosik-
dir. Gebhardi und Zeichenlehrer Prof. Dietrich. Die Schülerzahl
betrug 223 (121, II 27, lü 40. IV 54, V 53, VI 28), Abiturienten 8.
Den Schuinachrichten voraus geht Ninive und «ein Gebiet. II. Fort-
geaetzte MUtheUungen über die neueaten Auegrabungen in Me-
eapotamien vom Professor Dr H. J. Chr. Weiszenborn (32 S. 4
und 2 Fignrentafeln ). Hat schon der erste 1861 erschienene Theil
der vorliegenden Abhandlung sehr vielen Lesern eine willkommene
Orientierung auf dem neu aufgeschlossenen Gebiete geboten, so gilt
dasselbe vom zweiten in um so höherem Grade, als über vieles seit-
dem omfassendere Aufschlüsse erlangt worden sind. Nach einer Einlei-
tung über den Charakter der Hellenen, welche dazu dient, das Ver-
hältnis der assyrischen Monumente zu den bedeutendsten Kunstscho-
pfungen des Alterthamt zu fixieren , gibt der Verf. eine Ueberiicht
460 Berichte aber gelehrte AnsUlten, Yerordnangen, sUlisl. Nolisei
fiber Layards zweite Forscbnngen und aber die Ton Place geleitete«
Ausgrabungen und deren Resultate. Die Darstellung ist klar und sengt
von dem grdsxten Fleisxe und der umfassendsten Gelehrsamkeit. Un
so mehr wünschen wir dem uns herslioU befreundeten Hm Verf. Ge-
sundheit und Mnsze zur Vollendung seines beabsichtigten selbstandlgee
Werkes, Ton dem wir uns um so mehr versprechen, als bis sam er-
scheinen hoffentlich die Ergebnisse der Oppert'schen Porschangen in
Zusammenhange vorliegen werden. Wir können übrigens nicht nnhia
auf die dei^tsche Bearbeitung der Layard'schen discoveries, welche von
Dr Zenker unter dem Titel Ninive und Habylan Lieipsig bei Kirbach
18r)5 erschienen ist, hier aufmerksam zu machen. ^ Obgleich wir das
englische Original nicht zu vergleichen im Stande sind, so macht doch
die deutsche Bearbeitung den ifindrnck der Treue. Das vielseitige In-
teresse aber, welches das Buch bietet, hat der Hr Verleger durch die
zahlreichen und sauberen Abbildungen trefflich unterstützt. Je ver-
dienstlicher die Verpflanzung des Werkes auf deutschen Boden ist, n«
so mehr ist zu wünschen, dasz der Absatz die Anstrengung lohne.
H. D.
Hanau.] Das kurfürstliche Gymnasium erlitt durch den Abgang
des ord. Lehrers Dr Deuschle nach Magdeburg, die Versetsnng des
Gymnasialpraktikanten Frdr. Spangenberg nach Cassel nnd spater
den Tod des ordentl. Lehrers Dr Gies empfindliche Verlaste. Das
Lehrercollegium bestand aus dem Dir. Dr Piderit, den ordentlichen
Lehrern Dr Dommerich, Dr Lotz und C asselmann [vorher in
Cassel, seit 6. Nov. 1855 in Hanau angestellt. Die beiden ordentl.
Lehrer Dr Jung und Dr Hasselbach waren noch immer ensier
Function], dem Hilfslehrer Dr Suchier, den beauftragten Lehrern
Dr Vi 1 mar, Pfarrer Dr Fuchs, Gpraktikant Schell, dem Prakti«
kanten Mull er [f^eh Ostern IK;)5] und den anszerordentlichen Lehrern
Zimmermann, Luc an und Peli ssier. Die Schulerzahl war Ostern
18JG 98 (I II, II 16, fil 26, IV 22, V 9, VI 14), Abiturienten 1
Die Abhandlung im Programme lieferte der Dir. Dr K. W. Piderit:
Sophokleiache Studien. I (33 S. 4). Eins der erfreulichsten Zeichen
der Z(;it ist, dasz man mehr und mehr das Alterthum an dem Masz-
stabe des Christenthums zu messen lernt. Dasz es keinen anderen gebe»
um dus Verhältnis und die Stellung jenes in der geschichtlichen Ent-
wicklung der Menschheit recht zu erfassen, ist für den, welchem das
Christenthum die volle göttliche Wahrh<>it ist, nicht zweifelhaft $ al-
lein es sind dabei, wie sich an vielen Beispielen gezeigt hat, zwei Ab-
wege zu vermeiden, der eines lieblosen rirhtens und der des hineintra-
gens fremder Ideen in das Alterthum. Dasz man mehr und mehr bei-
des vermeiden , dasz man den Ideeninhalt des Alterthams in sei-
ner ganzen Tiefe und Wahrheit herausstellen nnd ebenso die 8pnren
der ewigen Wahrheit, wie die Schwachen nnd Ve.rirrungen kennen
lernt, wozu das christliche Bewustsein stärker als alles andere auffor-
dert, ist eben das erfreuliche, wovon einen Beweis and ein Beispiel
der Hr Verf., welcher schon im Hersfelder Programme 1850 eine Probe
seines Strebens am Aias gegeben, in der vorliegenden Abhandlung ge-
liefert hat. Ist dieselbe auch nur ein Theil einer groszeren Arbeit, so
bildet sie doch ein selbständiges ganze, indem sie von der Anffassnng
des Fluches bei Sophokles handelt. In ausführlicher Vollständigkeit
wird nachgewiesen, dasz im Oedipus rex die Schwere dieses Fluches,
der auf der Sunde^ lastet, am stärksten und schärfsten hervortritt, und
weil er hier in seinen sichtbaren Zeichen existiert, hervortreten muste,
sowie dasz hier gerade eine Rechtfertigung durch das unbewuale der
Thaten, die im Oedipus Colonens an vielen Stellen zum Vorschein
komme, nicht im geringsten hindurchklinge. Ferner wird erörtert, wie
Berichte aber gelehrte AnstaUen, Verordaungen, stalist. Notizeu. 461
eben das Bewustsein ewiger Gesetze es ist, aus dem sich jene Aner-
kennung des Fluches herleitet, dasz aber keineswegs die allgemeine
Kiiipfiiidung des roenschiichen Elends auf die Anerkennung der allge-
meinen Sündhaftigkeit hingeführt, vielmehr die Wirkung sich auf ein-
zelne Geschlechter beschränkt habe. Wie auf das entschiedenste dar-
gethan wird, dasz nicht die Folgen der Handlung den Schmerz erzeu-
gen, sondern das Bewustsein der Verletzung ewiger Gesetze, so wird
endlich die Beschränkung geltend gemacht, dasz diese Gesetze eben
nicht unmittelbare AuJiflusse des göttlichen Willens sind. Doch wir
wollen nicht durch einen Auszug das Interesse an der Schrift mindern
und halten das gesagte für hinreichend, um alle zur Lesung anzuregen.
Man wird gewisz einen Fortschritt nicht verkennen, wenn man die
Untersuchung mit Lübkers trefiflicher Arbeit, Sophokleische Theologie
und Ethik 3 Tbl. 3 Abschn. [vgl. auch die Bemerkungen von Enger
Ztschr. f. d. G.-W. X S. 194] vergleicht. Nur ^ine Bemerkung wol-
len wir uns über den Aias zu S. 19 erlauben. Wir glauben nemlich,
dasz das räthselhafte seiner Rede dadurch schwindet, wenn man darin
die Wirkungen des Versuchs den Fluch hinwegzudisputieren sieht
(Vgl. oben S. 411 f.). Ä. D.
Hannoveh.] Aus den vom Lyceum Ostern 1856 ausgegebenen
Schulnachrichten über die Jahre 1854 und 1866 entnehmen wir, dasz
Ostern 1864 der Cand. Armbrust einige Lectionen in der Mathema-
tik und den Naturwissenschaften übernahm, um dadurch sein Probejahr
abzuhalten. Mich. 1864 gab der Lehrer der neueren Sprachen Lin-
de mann sein Amt auf und wurde durch Dr Fehler vom Paedago-
gium zu Ihlefeld ersetzt. Ostern 1856 wurde der Conr. Dr Ruperti
mit dem Titel Rector pensioniert und trat der Pastor Evers als Re-
ligionslehrer der oberen Klassen zurück. Die Functionen dieser beiden
Lehrer übernahm der Oberlehrer Brock, während der Conrector Dr
Kühner zum Rector, der Subconrector Lehners zum Conrector auf-
rückte. Der Subconrectortitel gieng ein, ^weii niemand darauf einen
Werth legte^ Johannis dess. J. gieng der Coliaborator Ebeling an
das Gymnasium zu Schwerin über; für ihn ward, nachdem der Cand.
Uellner als Hilfslehrer ihn vertreten hatte, Ostern 1866 der Lehrer
Dr Müller von Lüneburg berufen. Die Schülerzahl stieg seit Neujahr
1854 bis Neuj. 1866 von 197 auf 200 (VI 36, V 32, IV 28, III b 37,
IHa 23, IIb 15, Ha 8, Ib 11, la 10). Zur Universität giengen 1864
8, 1866 10. Als ein Uebelstand wird beklagt, dasz die Lycealbiblio-
thek mit der allgemeinen Stadtbibliothek vereinigt wurde, ohne dasz
der Director des Lyceuuis einen Antheil an der Leitung erhielt. Als
neue Einrichtungen werden erwähnt der Schulactus zum Geburtstage
des Königs, indes jährlich mit der hohem Bürgerschule wechselnd, der
Schulactus zur Entlassung der Abiturienten, die Einrichtung von Schul-
andachten beim Beginn jeder Woche, endlich die Errichtung einer ei-
genen Vorschule des Lyceums. In der den Schulnachrichten voraus-
gehenden Abhandlung des CoUaborators Guthe: zur Geographie und
Oeaehichte der Landachaft Margianej des heutigen Merw (64 S. 8
nebst einer ein persisches Itinerar gebenden Karte) begrüszen wir ein
Werk sorgfältigsten Fleiszes, der durch kritischen Scharfsinn und eine
klare Anschauung trefflich unterstutzt wird und eine wesentliche Ergän-
zung und Erweiterung der 1841 von K. Ritter gegebenen Aufklärungen
liefert. Für alle Philologen ist die Prüfung der Stellen bei den Alten
von groszem Interesse, und die Coniecturen bei Curtius VII 40 13 Oxo et
Ocho und ad urbem Maracantam haben gewisz bessere Berechtigung
als die nicht ohne unlösbare Schwierigkeiten zu bewirkende Vertheidi-
gung der bisherigen Lesarten. Aber mit gleichem Fleisze geht^ der Vf.
auch die Berichte aus dem Mittelalter durch bis auf die heutige Zeit
462 Berichte über gelehrte AnsUilten, Verordnangea^ staluL
und schildert ebenso die Beschaffenheit and die Production de« Lawlei,
80 dasz das Studium der Geschichte, wie der Geographie sehr beleh-
rende Beitrage gewinnt. Der Druck sollte etwas correcter sein. Rat-
gangen dürfte dem Hrn Verf. sein, dasx man in den von Marco Pole
besuchten Sapargan (S. 128 der Ausg. v. Burck) Merw Schajeham hat
finden wollen, wogegen Neumann (S. 611 der erw. Ausg.) nachweist,
dasz darunter Schibbergan in Afghanistan zu rersteheo oei* Bm Dm
Hkrsfeld.] Am dasigen kurfarstl. Gymnasium ward Ostern 185S
der Praktikant Medier auf ein Jahr beschäftigt. Der Hilfslehrar
Dietrich wurde zum ordentlichen Lehrer, der Gymnasiallehrer PCtr-
rer Wieg and in die erste Gehaltsklasse befördert. Di« SchulenaU
betrug im Wintersemester 123 (I 17, II 22, III 34, IV 14, V I9, VI
17), Abiturienten Mich. 1865 6, Ostern 18j6 4. Di« Abhandlnag in
Programm vom Hilfslehrer Dr Ferd. Hugo Suchier f&hrt den Ti-
tel : diafutationia de Zoaimi ei Euaebii hiatoriarum ieriptorum in Cmh
atantim Magni imperatoria rcbua exponendii fide et muetQritaH part
I (*25 S. 4). Der Hr Verf. gibt nach einer recht klaren Biaieitang
über die Entwicklung der späteren römischen Geschicbtachreibang ea-
ter Kinwirkung der Zeitverhältnisse zwei Kapitel über die Abetcateii,
mit welchen Zosimus und Eusebius die Geschichte Constantina d* Gr.
geschrieben haben. Es i.st «war schwierig über Untersnchoncan, wel-
che noch nicht vollständig vorliegen — nicht einmal daa fiir &n fip*
benen Theii fertige Manuscript konnte abgedruckt werden -^y ein Ür*
theil abzugeben, indes wird es ertaubt «ein auszusprechen, daas der
hier gelieferte Anfang die Fortsetzung v%un^chenswerth erechninen llnt»
Je bedeutsamer Constantin der Gro>ze in der Geschichte iat, na ie
wichtiger erscheint es, über seinen Charakter und den wahren Werth
seiner Leistungen ein sichere> Urth^^il zu gewinnen, und der Hr. Verf.
hat uns hinlänglich documentit^rt. dasz ihm zur Herauaatelloag einei
solchen die nöthigen Eigen>chaftin nicht fehlen. Um se nothwendiger
aber ist es, die Beendigung der Untersuchung abzuwarten, ale ikfc
über die aufgestellten Behauptungen doch noch einige Zweifel erfehea.
Um nicht davon zu reden, dasz immerhin die Absicht des BaaehiBi ia
Constantin ein Muster zur Nachahmung vorzustellen and ihn ee aaB
Ideal eines Hcrschers zu stempeln mit der an ihm gerühmten Wahr-
heit>lii-be nicht recht vereinbar schein; , auch über Zosimos gehen Be-
denken bei. Von dem Vorwurfe einer gewissen Verblendang kann ihn
der Hr Verf. >frtb>t nicht freisprochpu (schreibt jener doch pns eia-
soitio der chri>t liehen Reii^i'tn selbst zu, was nur ihren nnwnrdifMI
^l'rt retern angehört), ebenso wenig von einem befangensein im heiOBi-
sehen .Abergidiiben ; es ist aberschwer denkbar, dasz dadorch nicht
i'ine Trübung des historischen Blicks herbeigeführt sein und dass dieea
nirht auf die Auffassung der einzelnen Thatsachen eingewirkt haken
solle. Ist auch die Absicht die Ursachen des Verfalls des Römemiehf
darzustellen. unverk«*nnbar, i>t es psychologisch erklärbar, daan ein
vaterlandsliebender Römer beim anschauen des unanfhalt baren Unlei^
gangs <lie längi^i vergangene alte Zeit zurui kwunschen konnte, ee laart
sich doch schwer begreifen, wie ein am Ende des jten Jahrhnndefia
lebender — denn in diese Zeit versetzt der Hr. Verf. mit Reitcmdcf
den Zosimns — ein aufrichtiger alter Heide sein und wie er daan den
facii> gerecht werden konnte. Der Hr. Verf. hat die daraaf gcgrin-
dcte .Vn>!ih( Keiti'mciers, dasz das Werk erst nach dem Tode dce Ver-
fa>^er> liorifog-'goben \\or<ieu sei, unserer be>cheidenen Ansicht nach
niriit hini.inj!!irh gewürdigt. Die Stelle, welche Z. an Hofe einnakmf
gibt durchaus zu dem Glauben Anlan, dasz er sich wenigstens anaier-
iich zum Christenthume bekannt habe; dann aber würde freilich der
Vorwurf einer ithrecklichen Heuchelei anf ihn fallen, wodarck aller-
Berichte aber gelehrte Aoatalten, VerordavBfeii, aUtisl. Notisen. 403
ding9 seine historische Glaubwürdigkeit in Schatten treten mtiste. Wir
meinen also berechtigt za sein, dem Hrn Verf. diese Präge zar noch-
maligen Erwagang zu empfehlen. Ohne Einflusz auf die Glaubwürdig-
keit wird sie nicht bleiben, wenn nicht der Beweis gelingt, dasz Z.
ohne eigene Zuthat die Thatsachen aus guten Quellen genommen und
seine Folgerungen daraus gezogen habe. R. D.
Hildburghausen.] Die in dem Lehrercollegium des Gymnasiums
seit vorigen Ostern vorgekommenen Veränderungen haben wir zum Theil,
zum Theil werden wir sie in den Personalnotizen berichten. Wir
entnehmen daher jetzt dem O.stern 1856 ausgegebenen Programme
nur, dasz dasselbe 75 Schuler zählte (I 8, II 7, Ifl 9, IV 17, V 21,
VI 13) und einen zur Universität entliesz. Den Schulnachrichten vor-
an geht die Abhandlung des Prof. Dr Buchner: üh^ icheinbare Ver-
kürzungen (Verjüngungen) von Objeeten, ein Beitrag aur Perspe-
ctive (^ S. 4 nebst einer Pigurentafel). Am Schlüsse spricht der Hr.
Verf. allen denen, welche das von ihm in Gemeinschaft mit dem ver-
storbenen C. Kirsch begonnene Werk der Schwammkunde gefSrdert
haben, seinen Dank aus. R, D,
Jever.] Am dasigen Gesamtgymnasium wurde unter dem 22. Nov»
1854 der Lehrer Dr Meinardus als 4r ordentl. Lehrer definitiv be-
stätigt. Mich. 1855 gieng der Reallehrer Bentfeid als Seminarlehrer
nach Oldenburg und ward durch den Lehrer an der höheren Burger-
schule in Rodenkirchen Böse ersetzt. Unter dem 5n Oct. 1855 wurde .
Dr Burmeister definitiv zum CoIIaborator ernannt, dagegen der
Lehrer Steinhoff im Jan. 1856 seines Amts als Lehrer der neuern
Sprachen auf sein nachsuchen entlassen. Die Schulerzahi betrugt
Sommerhalbj. 1854: 90 [I 10, II 15 (10 H. 4R.), III 14 (9 H. 5 R.),
IV 28, V 24]. Winterh. 54-55: 90 [I 10, II 12 (8 H. 4 R), III 19
(13 H. 6 R.), IV 26, V 93]. Sommerh. 1855: 97 [I 8, II 17 (16 H.
I R.), III 17 (10 H. 7 R.), IV 32, V 23]. Winterh. 55—56: 99 [I 9,
II 16 (15 H. 1 R.), III 18 (11 H. 7 R.), IV 32, V 24]. Ostern 1854
wurden 3, 1855 4 zur Universität entlassen. Ostern 1855 ist dem
Programme vorgestellt die Abhandlung des Conr. Dr. Kon ig: de Ro-
manorum saltatione pantomimica (15 S. 4). Nach einer Einleitung
über die grosze Vorliebe, welche für Pantomimen in der Kaiserzeit ge-
herscht, stellt der Hr. Verf. dar, dasz sie in ihrer Blütezeit nur von
^iner Person (doch unter Zunahme von Statisten) und nur durch Kör-
perbewegung dargestellt worden seien und verbreitet sich sodann nach
den Stellen der Alten über die Beschaffenheit der Gesten. Die Mog>
lichkeit soviel durch Gesten zu leisten wie von den Alten gerühmt ist,
wird durch die groszere Lebhaftigkeit der südlichen Volker, durch das
bekanntsein der dargestellten Gegenstände, durch die Bemnhungon von
Dichtern um die Kunst, und endlich eine gewisse Tradition erklärlich
gefunden. Zum Schlusz wird noch von einzelnen ausgezeichneten Mi-
men, namentlich dem Hylas gehandelt. Die Abhandlung beweist Ge-
lehrsamkeit und gibt eine interessante und anschauliche Darstellung.
Die im Programme Ostern 1856 enthaltene Abhandlung des Lehrers
Strackerjan: zur Lehre von der Congruenz im lateiniaehen (30 S.
4) bietet so viel anregenden und interessanten Stoff, dasz wir sie einer
eingehenden Beortheilung vorbehalten müssen. A. D.
Innsbruck.] Am kk. akademischen Staatsgymnasium lehrten im
Mich. 1855 abgelaufenen Schuljahr auszer dem Dir. Dr phil. Siebin-
ger (Piari«t), Dr phil. Wildauer, J. Zingerle, Mich. Lisch
(Weltpriester), Paul weher (dsgl.), Daum, Dr med. Pichlcr, J. v.
Kripp, Greoter, Moriggl, Vorhauser (alle drei Weltpriester),
Dr inr. Malfertheiner, Spechtenhanser, Dobrovich, Lutz.
Die Schülerzahl betrug ftm Anfange des Schuljahrs 326, am Bnde 276
404 Berichte über gclehrle AdsUUcd, Yerordnangen, sUtial. NotiMi.
(VIII 18, VII 27, VF 31, V 23, IV 33, III 35, II 55, I 53). Die im
Programm gegebene Abhandlung des GymnaKiallehrers Mich« Lisch:
nvmcrku7ifrcn übvr Rabelais (!2j S. 4) ist eine mit vorartheiUfreieB
8inne unter tleisziger Benutzung der einschlagenden Litterstor nach
ernstem Studium der Klassiker geschriebene Darstellung des Lebcu
und der Bedeutung, sowie der Form der Werke des so gans Terschie-
den beurtheilten Satirikers, der allerdings nicht recht gewürdigt wer>
den kann, wenn nicht aus dem Charakter der Zeit, ia welcher ond
für welche er schrieb. Ob die von fisniangart gegebene, Ton dem Hn
Verf. adoptierte Deutung der einzelnen Persönlichkeiten im GargtHtiia
und Panta<:ruel auf bestimmte GrÖszen der Zeit unbedingte Billiging
verdiene, lassen wir dahin gestellt {<cin, uns «cheint Rabelais wol eiR-
zeine Züge von ihnen entnommen, wol auf sie mit seiner Satire einwir-
ken ge>\ollt zu haben, doch musz selb>t der Ilr V^erf. zageatehen, dan er
die Charaktere l>is zu einer gewissen Unkenntlichkeit entstellt habe, wai
uns zu dem Schlüsse zu berechtigen scheint, er habe nur im allgemeiMi
alle ähnücUon Personen der gesamten Zeit t reifen wollen. H. D.
KiKi..] Seit 16 Jahren hat schon das Kieler akademische Consiito-
rium zu >\iüderholten malen die Regierung gebeten ein ordentliche!
Staatsexamen für die Gymnasiallehrer einzurichten, gleich dem theelo-
gischen, iuristischen usw. Im Mai vorigen Jahres hat die Regiemf
von der philosophischen Facultät Vorlagen zu einem Regulativ dtfir
verlangt und einen vollständigen Kntwurf nebst Motiven im Angut
dess. Jahres erhalten. Bis jetzt ist indes noch keine Kntscheidanf er-
folgt. DeNsenuiigcachtet ist doch schon Ostern dieses Jahres im Sinni
des zu erwartenden Regulativs das Scliulamtsexamen in Kiel abgehal-
ten worden. Die Zahl der Examinanden war drei, das schriftliche Bn-
men dauerte zwei 'J'age von 9—1 und von 3—7 IJ., das mündliche fsid
statt einen Vormittag in der Philologie und Dogmatik und einen Nach*
mittag in der Philologie, Paedcigogik, PhiKKsophie, Geschichte, Geo-
graphie, Mathematik. Das Kxaminationscollegium besteht ans des
Professoren Curtius, Chalybaeus, T hau low, Karsten, Wie-
seler, Nitzsch. Dif^ vorgelegten Fragen waren: ]) mit welcbea
Recht kann man die Oden dc8 IJoraz Nachbildungen griechischer Mi-
ster nennen? 2) über die philosophische Bedeutung der Mythen bei
PIat<i. [\\ in welchem Verhältnis stehen die Philologie und die phiJs-
logische Gelehrsamkeit zum (üesamtbegrilV des GAmnasiallehrersT 4)
W(>lches Material besitzen wir, um die Glaubwürdigkeit HerodotS !■
beurtlieilen , und was ist von dem>elben zu halten? 6) praemissa breri
de argumento Haccharum Kuripidearuni notitia Carmen choricumy anod
in iiliu« f.ibuiae verss. ^61- 1)01 legitur, ita expouatur, ut vcrsioni li-
tinae eiijuc pedestri oratione confectae addatur numerorum conspectsi
et succincta enarratio verborum. ()) über die verschiedenen logischtf
Kormen des lirtheils. ihren Zusammenhang unter sich, und insbeson-
dere über die Kragv , ob da« disjiinctive Ürtheil ein analytisches oder
s>nthetiMrhe*( i>t. 7) Was vcr^teht .Aristoteles unter XQÖnoi i1glax^(^^8
und welche praktische Regeln knüpft er für die Lehrmethode daran onf
^^) da> Klus7gcbiot des Rheins werde beschrieben und seine historische
Re<icutung in den verschiedenen Perioden kurz charakterisiert. 9) die
Stellung der Arclionten in Athen ist mit richtiger Unterscheidung der
Zeilen kurz zu ^kizzieren. 10) Charakteri>tik der sog. 5 Seelenvermo-
gen Kriiiiiorung, GtMJäcbtnis, Phantasie. 11) kann die formale Bil-
dungskratt der Matlirmatik dir der alten Sprachen er>eizen und wie
er<i:Mi'<*n >U\\ Mathematik und Nprnrheu für die Aufgabe des Gymna-
.sialunterrirht.-'? 12) in welcher Reihenfoige haben sich die cunilischen
Ma^^istrate aus (Umu romischen Köiiigthum rnt\^ickeUy IM welches sind
die lluupuiiUeidchicde '/.wiM'licn dem Gebrauche de» griechischen und
Berichte ober gelehrte Anstalten , Verordnnng«!!, sCatisl. Notizen. 465
dem des lateinischen ConjunctiTS? Die Beantwortung ist durch einfache
Beispiele aus der Erinnerung oder yon eigener Erfindung xu erläutern
und wo möglich durch die Analyse der Formen zu begründen. — Unter
dem 15. Dec. 1855 ist das 1843 Ton Professor Dr. Thaulow privatim
gegründete und von da an privatim geleitete paedagogische Semi-
nar Staatsanstalt geworden und hat von dem königl. Ministerium für
die Herzogthämer Holstein und Lauenburg folgendes Statut erhalten:
S 1. Zur Förderung eines wissenschaftlichen Studiums der Paedagogik,
sowie zur gründlichen Vorbereitung und Ausbildung in der Emehungs-
kunst ist für diejenigen Studierenden, welche sich demnächst dem Lehr-
fach widmen wollen, auf der Universität zu Kiel, Anter Leitung des
Professors der Paedagogik, ein paedagogisches Seminar errichtet. $ 2.
Diejenigen, welche in das paedagogische Seminar aufgenommen zu wer-
den wünschen, haben eine Uebersicht ihres bisherigen Studienganges
und ihrer wissenschaftlichen Beschäftigungen bei dem Director des Semi-
nars einzureichen, und dabei nachzuweisen, dasz sie die erforderliche
philologische Vorbildung erworben, sich auch bereits im allgemeinen
mit der Paedagogik und deren Geschichte bekannt gemacht haben. § 3.
Die Uebungen des Seminars finden nach der Bestimmung des Directors
in 2 — 4 Stunden wöchentlich statt. Nach aufgegebenen oder frei ge-
wählten Thematen sind schriftliche Arbeiten von den Mitgliedern des
Seminars anzufertigen, dieselben rechtzeitig bei dem Director einzurei-
chen, von ihm unter den übrigen Theilnehmern in Circulation zu ne-
tzen, demnächst im Seminar vorzutragen und einer Kritik, wie einer
gemeinschaftlichen Erörterung zu unterziehen ; auch sind paedagogische
und didaktische Aufgaben in freien Vorträgen zu behandeln, praktische
paedagogische Fälle , sowie die meisten Erscheinungen auf dem Gebiete
der paedagogiSbhen Litteratur zu besprechen und praktische Uebungen
in der Lehrmethode anzustellen. Der Director hat wegen einer zweck-
entsprechenden Einrichtung sämtlicher Uebungen im Seminar das er-
forderliche anzuordnen und bei den Vorträgen, Verhandlungen, Dispu-
tationen usw. die Leitung zu übernehmen. $ 4. Nach dem Schlüsse des
Wintersemesters bat der Director alljährlich über den Stand und die
Erfolge des Seminars eine^ Bericht an das akademische Consistoriuiu
zu erstatten, von welchem dieser Bericht mit denjenigen Bemerkungen,
zu denen dasselbe sich etwa veranlaszt finden sollte, an das Directo-
rium der Universität zur weitern Mittheilung an das Ministerium für
die Herzogthümer Holstein und Lauenburg einzusenden ist. — Nach
vorher anordnungsmäszig stattgehabter collegialischer Behandlung die-
ser Angelegenheit zwischen dem Ministerio für das Herzogtbum Schles>
wig und dem Ministerio für die Herzogthümer Holstein und Lauenbnrg
wird vorstehendes Statut für das paedagogische Seminar auf der Uni-
versität zu Kiel hierdurcli genehmigt. — Wir bemerken, dasz die Mit-
glieder bisher sowol Philologen als Theologen waren und ihre Zahl
zwischen 12 und 5 geschwankt hai. Die Mitglieder bleiben meist 3—4
Semester im Seminar. Stipendien hat es nicht, wie das göttinger pae-
dagogische, auch nicht wie das Kieler philologische Seminar. Zwang
dasselbe zn besuchen existiert weder für die Theologen, noch für die
Philologen in irgend welcher Weise. Ueber das verfahren in diesem
Seminar wird gelegentlich berichtet werden, wie wir denn auch hoffen,
das zn erwartende Regulativ für das Schulamtsexamen nach seinem er-
scheinen baldigst mittheilen zu können.
Krakau]. Der Lehrkörper des kk. vollständigen Gymnasiums er-
litt im Laufe des Schuljahrs J856 vielfache Veränderungen. Der Gym-
nasiallehrer Dr K. Mecherzynski ward zum Professor der polnischen
Sprache und Litteratur an der Universität ernannt, die Supplenten
Brzezinski, Skornty.Fnk, Sawczydski und der Lehrer Oskerd
466 Berichte aber gelebric Anslalten, Verordnungen) lUlisk Noliien.
erhielten Urlaub zum Behuf ihrer Vorbereitung auf die LebremtfpriifnDg.
Der Gymnaiiallehrer Sarneclii starb am 12. Nof. 1855 und der pro
▼iKcritfche Religionrileh'rer Dr Staroniewicx ward zur Sopplieraii|[
einer Lehrkanzel an der theologischen Facultat berufen. Dagegen wur-
den neu angestellt die Supplenten Kl^sk, Niziot, Lexer, Kami-
ehski, auszerdem, nachdem die Trennung der In Klasse in swei Ab-
theilungen ermöglicht war, der zum Aushiifslehrer bestellte PfarrTcr-
weiter Laurawski, der Lehrer Schneider vom zweiten Lemberger
Gymnasium, der Lehramtscandidat W. Biehl aus Nassau als Sapplent,
endlich der Lehramtscandidat Ryszowski. Zeitweilige Anshilte lei-
stete der Adiunct der Physik an der Uniyersitat SwicecsewakL
Der Gesangunterricht gieng von dem Kreisrath Danek aef den Masik«
lehrer Blaschke, der israelitische Religionsunterricht von M. C. Weisi
auf den Lehrer an der Handelüschule Marcus Winter über; endlich
>^ard ein Lehrer der Stenographie Cubarth angestellt. Der Lehr-
körper bestand demnach aus den wirklichen Lehrern Dir. Dr Klenei-
siewicz, Dr. Pi^tkowski, Gralewski, Schneider, Jnnota,
Jablonski, den Supplenten Dr Straronie wicz, Unisseweki,
Orzechowski, Kl^sk, Niziol, Lexer, Biehl, den Anshilfalehren
Lawrawski, Ryszowski, den Lehrern der nicht obligaten Lehr-
fächer Aubertin, Mecherzynski, Plonynski, Sekolowekiv
Cubarth, Blaschke und Winter. Die Schulerzahl betrog am
Schlüsse des Schuljahrs 500 (VIll 51, VIT 53, VI 40, V 40, IV 57, III
5H, 11 8H, P' 55, l'5H). Nach den Kerlen am Schlüsse dea SchnHahn
Ihj.'i bestanden 13 die Maturitätsprüfung, you denen 10 reif erelärt
wurden. Nach dem In Semester 1856 bestunden sämtliche 9 annmel-
dete. Die den Schulnachrichten vorangestellte Abhandlung des Sappi.
Matth. Lexer: der Ablaut in der deutschen Sprache (26 S. 4) ist
dadurch veranlaszt, dasz in dem eingeführten niittclhochdeutachen Le-
seburhe von Karl Wein hold die Lautlehre auf der von Jacobi ia
den Beiträgen zur deutschen Grammatik. Berlin 1H43 gegebenen Theo»
rie beruht, diese selbst aber vielen Fachmännern unbekannt geblieben
ist. Der Herr Verf. glaubte nun ein Verdienst sich zu erwerben, wem
er die Ablautstheorie näher beleuchtete und dann über daa Zeitwort
hinaus auch auf andere Gebiete nach Jacobis Vorgange anwendete, and
Ref. ist überzeugt, dasz ihm viele Lehrer für die mit groszem Pl«fn
gelieferte Arbeit Dank wissen werden. Auf eigene wissenschafUiebe For-
schungen macht der Hr Verf. selbst keinen Anspruch. A. D.
O.schkiislkdkn]. Am 4ten Mai dieses Jahres fand nacb längerer
Unterbrechung eine Gymnasiallehrerversamnilung wieder statt, sn der
sich aus Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg, Wolfenbiittei nad
Bruunschweig 33 Mitglieder eingefunden hatten. Auch der nen er-
nannte Provincial.xchulrath Dr Wcndt und der Schulrath Tri n kl er,
welcher einstweilen des verstorbenen Sc hau b Functionen Terwaltel
hatte, waren anwesend. Der zum Ordner von der letzten VeranMM-
long gewählte Director Dr Schmid aus Halberstadt eröffnete die
Versammlung mit einer herzlichen, namentlich den Schmen über dea
Schiilraths Schaub Verlust und die Freude über seine jetzt erfolgte
Ersetzung ausdrückenden Ansprache und erwähnte, daaz zwar daa aof
Antrag des verstorbenen Schaub gestellte Thema, die Concentra«
tion des Unterrichts, seine Bedeutung verloren habe, Indem die
neuesten Ministerialverordnnngen die Sache bereits erledigt hatten,
dasz es gleich wol aber zweckmäszig scheine, dasselbe zu besprechen,
um einmal die richtige Auffassung zu vermitteln, sodann anch die
Stimmen der Ausländer darüber zu vernehmen. Er bezeichnete die
Fragen: ob eine Verminderung der Lehrgegenstände, eine Verminde-
rung des Lehrstoffes, ein behandeln der Gegenstände nacheinander
Beriehte aber gelehrte Antlalteo, Verordnongen, stalisl. NoIixeD. 467
eine Vereinfachung durch dat aneiuanderlegen gewiuer Lectionen
wunschenswerth seien, aasserdem die Themata zu den freien Arbeiten
und das einmuthige xusammenwirken des Lehrercoilegiams als diejeni-
gen Punkte, innerhalb deren die Debatte sich zu bewogen haben werde.
Von dem Torsitzenden aufgefordert ergriff der unterzeichnete, um zur
Discussion anzuregen, das Wort und entwickelte: die Stellung der
Gymnasien sei eine wesentlich andere geworden, als sie früher gewe-
sen, durch manche erfreuliche, aber auch eben so viele unerfreuliche
Ursachen« Zu den ersteren rechne er die Rrhebung der modernen
Volkslitteraturen zur Classicitat, wodurch die Bedeutung der alten Spra-
chen für das Leben geschwunden sei, die tiefere und allseitige Anffas«
suug des Alterthums, die ungemein raschen und umfangreichen Fort-
schritte der Naturwissenschaften: als unerfreuliche stehen aber gegen-
aber die Richtung auf den materiaien Erwerb, der falsche Begriff, den
man sich Ton Bildung gemacht, indem man diese als Vorbereitung zum
Lebensberufe fasse und demnach auf das wissen mehr Werth lege, aüi
auf das können, endlich die Vernachlässigung der Erziehung im Hause,
die den Schulen alles aufbürde, was Pflicht und Sache der Aeltem
sei; durch diese Ursachen sei in die Gymnasien eine Ueberladung
gekommen, deren fortbestehen man als eine Unmöglichkeit, wenn nicht
die segensToUe Wirkung geschwächt werden, ja ganz verloren gehen
solle, erkannt habe. Eis sei sehr erfreulich, dasz die hohe preusziscbe
Regierung dem Bedurfnisse in einer Weise Rechnung getragen habe,
welche die allgemeinste Billigung finden müsse, indem sie von. dem,
was die Zeit mit Recht fordere, nichts entfernt, aber doch einen Weg
▼orgezeichnet, auf dem der wahre Begriff der Bildung zur Geltung komme.
Was das einzelne anbetreffe, so könne man gewisz sich nur freuen, dass
die philosophische Propaedeutik nur auf einzelne Gymnasien, wo sich
ein ganz geeigneter Lehrer finde, beschränkt sei, da nach des anwe-
senden Dr Deuschle trefflicher Auseinandersetzung in Mutzeiis
Zeitschrift kaum noch die Nothwendigkeit desselben in den Gymnasien
behauptet werden könne. Eine gleiche Beschränkung habe der natur-
gescbichtliche Unterricht erfahren. In Bezug auf diesen Zweig des
Unterrichts zeige sich die Vernachlässigung der Erziehung durch das
Haus; denn während es Sache der ersten Erziehung sei, die Aufmerk-
samkeit des Kindes auf die es umgebenden Naturgegenstände zu len-
ken und an denselben beobachten zu lehren, habe man dies ganz der
Schule aufgebürdet. Trete jenes wieder ein,, so glaube der Redner,
könne man des naturgeschichtlichen Unterrichts als selbständigen Lehr-
gegenstands entrathen und es genfige seine Verbindung mit der Geo-
graphie, die ihm ohnehin da, wo ein solcher Unterricht nicht ertheilt
werde, unentbehrlich scheine; die Geographie fordere Berücksichtigung
der Naturbeschreibung und die Verbindung sei möglich, wie das Vie-
hoff*sche Lehrbuch der Geographie beweise. Dir. Dr Müller aus
Magdeburg stimmt nicht ganz mit dem Vorredner überein; denn das
Gymnasium werde von vielen Schülern besucht, deren Aeltern ganz
unfähig seien, eine solche Ausbildung zu gewähren, wie sie Dietsch
verlange, und die in einem Alter stehen , wo sie noch nicht möglich sei ;
es sei aber gewis nothwendig die Jugend zu einer Anschauung der
Wunderwerke Gottes und der Ordnung in denselben zu führen; alles
hange von der Tüchtigkeit des Lehrers ab und er sei so glücklich an
seiner Schule einen solchen zu besitzen, weshalb er von dem Unter-
richte nur die besten Resultate gesehn habe; ein solcher Lehrer werde
bei seiner Naturbeschreibung von dem individuellen aujtgehen, die No-
menclatur zwar nicht ausschlieszen, aber bei Erklärung der griechi-
schen nnd lateinischen Namen an die bereits vorhandenen sprachlichen
Kenntnisse anknüpfen; er werde sich begnügen, wenn die Schüler in
469 Berichle aber gelehrte Anstalten, Vcrordnnngen, i Ulisl. NoUmb.
einem halben Jahre von 8— 10 Natarkorpern. z. B. Pflanxen oderThie-
ren, eine sichere Anschauung und Kenntnis erhielten; in dieser WeiM
ertheilt halte er den naturgeschichtlii ben Unterricht für noibweBdi^
auf dem GymnaMum. Dietsch erwiedert, da«z er allerdings ein spa-
teres Alter bei dem Beginne des Gyninasiaiiinterrichts Toransigesettt
habe, das Ute Jahr; seine Erfahrung über die Verbindnn^ des natBr-
geschichtlichen und geographischen Unterrichts sei an einer Schale ge-
macht, wo die Schüler nicht vor dem 13ten Jahre eintreten und dcM-
nach mehr Kenntnisse Torausgesetzt werden konnten ; allein anch u-
derwnrls scheine es ihm möglich, die Vereinigung mit der Geographie
durchzurühren, nur müsse diese dann in den untersten Klassen Ten der
Gesrhi<hte getrennt und mit m* hr Stunden bedacht werden. Wahrend
Dir. Müller die Vereinigung für schwieriger und weniger nfitzlich
hält, als die selb>tändi^e Krtheilung des naturgescbichtlichen Unter-
richts, bemt^rkt der Vor-itzende Dir. Dr Seh m id. dass der VorscUad
▼on Dietsch ge^^issermaszen in dem preuszischen Reglement gegeben
sei. indem die Zulegung einer Stunde zur Geographie, wo der natir-
geschirht liehe Unterricht ganz wegfalle, zugelassen sei. Dir. Dr Jeep
aus Wolffcnbuttel erklärt ^ich gegtMi den Vorschlag, indem er bemerkt,
dasz einmal wenige Lehrer der Geographie geeignet seien, sugleich dei
naturgeschichtlichen Unterricht zu berücksichtigen, sodann bei der Ver-
bindung dieser zu kurz kommen und den /weck nicht erfnUen werde,
um des willen er auf die Gymnasien gehöre: sollten die Schiler mr
Beobachtung der Naturgegenstände angeleitet werden, so müsse der Un-
terricht durch einen tüchtigen Lehrer, nicht einen solcheUi der lieh
erst selbst das angeeignet habe, was er lehren wolle, sondern der ganz
darin zu Hause sei und das ganze (lebiet behersche, in besondern Stan-
den ertheilt werden; aber es sei keines\^egs nothwendig, denselbes
durch alle Klassen hindurchzuführen, er gonüge vollkommen in den in-
tern Klassen. Dietsch repliciert. es scheine ihm der geographische
Unterricht dahin zu drängen, sich auch in die Naturwissenschaftca
hineinzuarbeiten, und naturlich die |)aedngogische Weisheit voransgesetsl
werden zu müssen, dasz er nichts lehren wolle, als was er nicht seibtt
vollständig inne habe; bei der Geographie müsse man doch Ton des
Producten des Landes reden und von den Bedingungen, anter denen sit
gedeihen; dabei scheine es nun recht leicht, dasz die Bescbreibong ei-
niger Naturkörper angeknüfifi \^erde, z. B. un>erer Getraidearten, as-
serer Hausthiere. Schulr. Dr Wendt erinnert daran, wie dnrch die
Kinführung des Ritter'schen Sy.<tems in die Schulen, namentlich durch
V. Uoon. das topische Element zu einem gnnz nachtheiligen Ueberge-
wichte gekommen sei; man habe nun begrilTen. dasz der geographische
L'nterricht einer Belebung bedürfe und sei deshalb auf die Herbeiile-
hiing des naturgescbichtlichen gekommen, und da zugleich die Frage«
ob der naturgeschichtliche Unterricht eine Beschränkung erfahren koaat
und müsse, erhoben worden, so habe man die Vereinignng beider beanlrsgt
ge^ren welche er sich erkläre. Man müsse die Nothwendigkeit des natnrge-
schichtlicben Unterrichts für die Jugend betonen; die Schale habe das
An^chauungsvermogen der Jugend zu bilden und zu fordern, eben so aber
auch das poetische Klement, wozu nichts so dienlich sei, als jener; die
Praxis müsse lehren, was für die Schule von der Naturgeschichte braach-
bar sei; als ein Uebelstand im Reglement erscheine ihm, dasi der Un*
terricht in Quarta ganz wegf.ille. während er in Tertia repetiert wer-
den solle; bi« zur Quarta hin müsse derselhe absolviert sein, und es
würde deshalb zweckmäsziger sein, die »Stunde von Tertia nach Qaarta
zu verlegen. Scbolrath Trink ler bezeichnet als die Hauptfrage, in
welchem Umfange der naturgeschichtliche Unterricht in den Gymnasial-
Unterricht hineinpasse; darüber sei keine Klarheit rorhanden / indes so
Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnaogen, Statist. Notizen. 469
hoffen, dasx man sich mehr und mehr daraber einigen werde: so lange
die Gymnasien Schaler hätten , welche nicht stndieren wollten , könnten
^ie sich der Rücksichtnahme anf diese nicht entschlagen, und dadurch
werde schon ein Maszstab auch für den naturgeschichtlichen Unterricht
gewonnen; von einem systematischen Unterricht sei ganx abzusehen
und nur die Beschreibung von Naturgegeuständen aufzunehmen; eine
fruchthare Behandlung sei nur möglich, wenn man die Kinder die
Merkmale genau kennen und selbst finden lehre; dazu seien am dien-
lichsten diejenigen Naturgegenstände, welche sich in der Umgebung
finden, z. B. die Hausthiere uud die bekanntesten Pflanzen; Mineralo-
gie, und ganz besonders die Krystallographie seien bis auf wenige Aus-
nahmen ganz auszuschlieszen ; in dieser Weise ertheilt sei der Unter-
richt als selbständiger Gegenstand beizubehalten; die preuszische Ver-
ordnung setze voraus, dasz in den unteren Klassen Naturkorper bespro-
chen worden seien; die Tertia solle in zusammenfassender Weise das
früher gegebene wiederholen ; die Lacke in Quarta sei dafür nicht em-
pfindlich. Schulr. Wendt betont nochmals die Weckung und Uebung
4le8 Anschauungsvermögens als das wichtigste; der naturgeschichtliche
Unterricht dürfe durchaus nicht wissenschaftlich sein, mehr ein Spiel,
bei -dem aber für den Knaben recht viel abfalle. Dir. Dr Kriiger
aus Braunschweig hält die Pause in Tertia nicht für bedenklich, indem
er voraussetzt, dasz in Tertia derselbe Lehrer die Repetition vornehme,
welcher in Quinta und S«xta den Unterricht ertheilt habe. Dagegen
hält doch Dir. Dr Müller für wnnschenswerth , dasz in Quarta in
einer Stunde das frühere repetiert, aber nichts nenes hinzugezogen
werde. Schulr. Wendt glaubt die Möglichkeit, dasz derselbe Lehrer
in Tertia, wie in Quinta und Sexta die Sache in den Händen habe,
beanstanden za müssen, während Schulr. Trinkler sich gegen die
Einrichtung der Viehoff^schen Lehrbücher erklärt. Dietsch macht
darauf aufmerksam, dasz in den Verordnungen des österreichischen
Unterrichtsministeriums und in Abhandlungen der Zeitschrift für die
österreichischen Gymnasien sehr viel gutes rücksichtlich des Lehrstof-
fes in der Naturgeschichte enthalten sei, das man zur allgemeinen Be-
achtung dringend empfehlen müsse. Der Vorsitzende S c h m i d bemerkt,
dasz man, da mau über die Zahl der Lehrgegenstände im reinen sei, woi
zu der Präge nach der Beschränkung des Lehrstoffes übergehen könne.
Schulr. Wendt wünscht eine solche in Bezug auf das französische, das
im neuen Reglement eine Ausdehnung nach unten erfahren; bis zur
Tertia müsse die Sprache grammatisch unter Benutzung und nach An-
leitung des lateinischen getrieben werden; die Zeit reiche dazu voll-
kommen aus; dann sei aber in den oberen Klassen Lesefertigkeit al-
lein za erzielen; deshalb solle man hier die schriftlichen Uebungen
hinweglassen und nur lesen ; freilich müsse dann auch die Abitnrienten-
prüfung auf die schriftliche Arbeit verzichten. Schulr. Trinkler hält
dagegen an dem französischen scriptum für den Schlusz der Bildung
fest; es sei gewittsermaszen die Probe auf das Rechenexempel , das
man sich rücksichtlich des verstehens bei dem Abiturienten gemacht
habe; grammatische Sicherheit sei ohnehin ohne schriftliche Uebungen
nicht zu erreichen; zum vorgezeichneten Ziele zu gelangen sei übrigens
nicht schwer, wenn schon hier und da den Gymnasien die geeigneten
Lehrkräfte fehlen möchten. Schulr. Wendt erwiedert dagegen, dasz
grammatischer Unterricht und scriptum wol auseinanderzuhalten seien;
das ZieJ , das dem Unterricht auf dem Gymnasium gesteckt werden
könne, leichtes und richtiges Verständnis französischer Litterat urwer-
ke, sei auch ohne das zu erreichen: daher man, um Zeit für die Schü-
ler der oberen Klassen zu gewinnen, auf die schriftlichen Arbeiten in
dieser Sprache verzichten solle. Dir. Dr Wiggert weist darauf hiii^
If. Jakrb. f. Fhü. ». Patd, Bd. LXXIV. aß. 9. 33
470 Berichte über gelehrte Anstalten, VerordmiDgen, sUtist NotiieB.
(lasz das Gyinnafiium doch auch fnr nicht studierende in lorgen habe;
von den PoKtcIeven z. B. werde Fertigkeit im französischen gefordert;
witi dem ^cnii^t >\erden konnte? Schiilrath Wen dt halt dagegen ein,
(lasz das Oymnasiain nicht von dem zukünftigen bürgerlichen Berafe
neiner Zöglinge die GeKichtspunkte seiner Einrichtungen entnehmen
könne, wogegen Schulr. Trink! er bemerkt, dasz allerdings die mog-
lieli.Nte Sorge für die nichtstndierenden, wenn dadurch nicht höhere
Zwecke gehindert würden, eine billig zu nehmende Rücksicht lei. Dir.
Wiggert weist noch auf ein anderes durch die nenen Verordnungen
angeregtes Bedenken hin. Der Zeichenunterricht sei in den oberen
Klassen nicht durchgeführt; aber die Baueleven, welche auf die Gym-
nasien bis »Secunda gewiesen seien, bedürften doch gerade des seich-
nens vorzugsweise. Dir. Jeep knüpft an die Bemerkung des Herra
8chulrath Wendt an; er sei kein I^Veund des franzosischen, wolle es
jedoch keineswegs aus den G)r mnasien entfernt sehen; jedesfalls sehe er
aber darin einen minder wichtigen Unterrichtszwcig; auch er sei fSr
die Weglassung der schriftlichen französischen Arbeiten in den oberen
Klassen; um das Ziel zu erreichen sei Lcctüre und sprechen nothig;
das letztere müsse in Secunda begonnen und zwar über das 3n den tu-
rigen Klassen gelesene gesprochen werden. Wahrend man aber Con-
centration und deshalb Vermindernng der Lchrgegenstande fordere, sei
er in dem Falle die Kinführung eines neuen zu verlangen; dies sei das
englische; die englische Litteratur habe eine weit grossere Berech-
tigung als Bildnngsmittel , denn die französische, ja fast eine gleiche,
wie die alten Litteraturen ; es bedürfe nur der Krinnorung an Shakespeare,
um sich die Krage zu bejahen, ob die gebildete Jugend zu dieser Lit-
teratur geführt werden müsse; die nonhieutschen Gymnasien seien ohne-
hin genöthigt, das englische in ihren Bereich aufzunehmen; sie mSstcn
darin nur noch mehr thun, als bis jetzt geschehen. Frage man, woher
die Zeit dafür zu gewinnen, so gebe es ein Mittel durch die Beschrän-
kung der Mathematik; in den unteren KIa>sen werde das praktische
rechnen, das doch allen für d:is Lehen ho nothwendig sei, Ternachlas-
sigt, was um so mehr zu beklagen, als dadurch eine wesentliche Er-
leichterung des mathematischen Unterrichts in den obern Klassen ge-
boten werde. Ks sei unleugbar, dasz viele Schüler der oberen Klassen
keine Lust und keine Fähigkeit für die Mathematik besitzen, aber eben
so auch, dasz die Mathematik in einer Ausdehnung gelehrt werde, als
ob die Schule Mathematiker l)iMen wolle, so dasz für die Universität
wenig übrig bleibe; die Mathematik müsse aber nur Bildungsmittel
sein und deshalb könne sie in Stoff und Zeit beschränkt werden; vier
Stunden in Prima und Secunda seien unbedingt zu viel; die dadurch lU
gewinnende Zeit habe man dem englischen zuzuwenden, welches viel
wichtiger sei als das französische. Geh. Hofr. Petri aus Braunschweig
erklärt sich ebenfalls für die Nothwendigkeit der Aufnahme des «engli-
schen, macht aber auf einen Unterschied aufmerksam; das englische
sei 8o beftchafTeii, dasz der Schuler mit wenigen Ausnahmen mit allei-
niger Hilfe i\vH Lexikons in den Sinn der Schriftsteller eindringen
könne; bei dem französischen «ei dies anders, hier sei rationelle Gram-
matik unumgänglich nothwendig, um in die Schriftsteller einxnfnhren;
er macht auszerdcm noch auf die von Wildcrmuth u. a. befolgte 5fethode
aufmerksam. Dir. Müller berücksichtigt zuerst das von seinem Col-
legen Wiggert rficksichtlich des Zeichnens geäusserte Bedenken, indem
er fordert , daMc das Gymnasium bis in die oberen Klassen hiimuf sei-
nen Schulern Gelegenheit zur Erwerbung und Ausbildung der Fertig-
keit dann gebe. Was das französische anlange, so hält er für das
nothwendigste, dasz der Unterricht in dieser Sprache dem in den alten
Sprachen entspreche, ohne welches er stets zurückstehen werde; des-
Berichte Über gelehrte Anstalten , Verordnangen , Statist. Notizen. 471
halb halte er aber aach schriftliche Bxercitien far nothwendig. Eine
Be8cliränkung der für Mathematik verwendeten Zeit befürwortet er auch
auf das dringendste und beruft sich dabei auf seine Erfahrung; er «ei
auf der Landesschule in Meiszen gebildet; die Mathematik habe durt
nicht viel weniger, als jetzt gefordert werde, an Umfang gehabt, und
doch seien in Prima und 8ecunda nur 2 — 3 Stunden wöchentlich darauf
▼erwendet worden; freilich habe man aber anch in Quarta und Tertia
das praktische rechnen recht tüchtig geübt, an das sich mit leichter
Mühe das meiste ans der Arithmetik angeknüpft habe. Dir. Schmid
weist auf die ganz gleichen Aeuszerungen des verstorbenen Ellendt hin
(Eislebener Programm 1865: auch eine Stimme über daa^ was den
Gymnasien noih thut), Schnirath Wendt spricht sich gegen die Auf-
nahme des englischen aus, weil es an Zeit dazu fehle nnd die Kräfte
der Schüler sehr zersplittert werden würden, wogegen Jeep einhält,
dasz eben mit der Verminderung der Mathematik die Zeit gewonnen
und ein Unterricht eingeführt werde, der den Studien, in welchen das
Hauptbildungsmittel liege, analog sei. Mehrere Stimmen erklärten sich
dabin, dasz man allerdings das englische höher stelle als das französi-
sche, dasz aber die Einführung einer zweiten neueren Sprache bedenk-
lich erscheine; könne man das französische beseitigen, so müsse das
englische unbedingt eintreten. Schulrath Wendt bezeichnet als etwas,
was für die Gymnasien am meisten notb thue, das Privatstudium and
wünscht zn seiner Betreibung mehr Raum geschafft, — weshalb er sich
auch mit gegen das englische erklart habe. Dir. Jeep glaubt. Rann
könne geschafft werden , wenn man einzelne besonders befähigte und
Vertrauen erweckende Schüler von manchen Lebrstunden dispensiere,
wogegen Director Krüger bemerkt, das erlassen einzelner officieller
Schularbeiten erscheine viel leichter und unbedenklicher, als das dis-
pensieren von Schulstunden. Der Vorsitzende Dir. Schmid stellt nun
noch die Frage zur Debatte, ob ein nacheinander odlf nebeneinander
der Unterrichtsgegenstände statt zu finden habe. Dir. Jeep erklärt
sich entschieden gegen das nacheinander ans praktischen Gründen;
Schulrath Wendt aber fordert, dasz stets in einer Klasse nur 6in
Schriftsteller in einer Sprache auf einmal gelesen werde. Dir. Schmid
erwähnt, dasz dies am lialberstädter Domgvmnasium schon längere Zeit
durchgeführt sei, dasz man sogar die griechischen Stunden und die
lateinischen in 4inen Theii der Woche zusammengelegt habe; alle Leh-
rer hätten bis jetzt nur günstige Resultate zu beobachten Gelegenheit
■ gehabt. Dir. Krüger berichtet, dasz dasselbe auf dem Obergymnasium
in üraunschweig mit gleich sichtbarem Erfolge geschehen sei; er macht
zugleich auf die Forderung der Praeparation aufmerksam nnd bezeich-
net als nützlich manchmal auch ganze Stücke ohne Praeparation lesen
zn lassen, was als Einrichtung auf manchen Gymnasien bezeichnet wird.
Dietsch machte schlieszlich noch als auf das wichtigste bei der Frage
nach der Concentration darauf aufmerksam, wie die einzelneu Lehrer
sich bestreben müsten, dasz die Schüler unmittelbar in den Stunden
lernten, damit die vielfachen Forderungen an ihren hauslichen Fleisz
mehr und mehr wegfielen. Der Vorsitzende faszte die Resultate^der
Besprechung zusammen und Dir. Dr Wiggert berichtete noch über
das dem verstorbenen Seh an b durch die Pietät der ihm untergebenen
Directoren und Lehrer auf dem Kirchhofe zu Magdeburg errichtete
Denkmal. Zum Vorsitzenden der nächsten im Aug. zu haltenden Ver-
sammlung ward Dir. Dr Krüger erwählt. — Ref. glaubt durch seinen
Bericht, den er theils seiner Erinnerung, theils den von seinem Freunde
Dr Hense aus Halberxtadt gemachten schriftlichen Aufzeichnungen
entnommen, nur einen geringen Theil der Dankbarkeit abzutragen, zu
472 Personalnachrichten.
der er sich den Tersarainelten far die ihm gewordene freundliche Aaf-
nähme und vielfache Belehraiig verpflichtet fohlt. A« D*
Personalnachrichten.
Angestellt oder versetzt:
Giusanni, Dr Cam., Supplent am Obergymn. za Udine, zum vrirlcl.
Gymnasiallehrer daselbst ernannt.
Heiland, Dr, Dir. des Gymnasiums zu Stendal, zam Dir. des groszh.
Gymnasiums in Weimar ernannt.
Hofmann, Dr, ao. Prof. an der Universität zu München, sum ord.
Prof. für deutsche Sprache und Litter. an ders. ern.
Kessler, Schulamtscandidat, provis. als 6r Lehrer am Gynnaalnm za
Hildburghausen angestellt.
Kresz, Schulamtscandidat, provis. als 6r Lehrer am Gymn. sa Mei-
ningen angestellt.
Piadeni, J. B., Lehramtscand., zum wirkl. Lehrer am Gymn. sa Lodi
ernannt.
Roszbach, Dr, ao. Prof. an der Univ. zu Tübingen, zum ord. Prof.
der klass. Philologie an der Univ. zu Breslau ern.
Schaubach, Schulamtscand. , provisor. als 5r Lehrer am Gymn. la
Meiningen angestellt.
Vahlen, Dr J., Privatdocent an der Univ. zu Bonn, zum ao.Prof. an
der Univ. zu Breslau ern.
Zavadil, Suppi. am Gymn. zu Sandec, zum wirkl. Gymnasiallehrer
an ders. Lehranstalt ern.
Praediciert:
Henneberger, Dr Aug., Lehrer am Gymn. zu Meiningen als Prof.
praediciert.
Reinhard, Dr Frdr. , 2ter Prof. am Gymn. zu Hildburghauzen, als
Schulrath praed.
Gestorben :
Am 24. Mai zu Kgbel in Ungarn, Dr K. Ldnyi, Verf. mehrerer ge-
schichtl. Werke und corresp. Mitgl. der Ungar. Akndemie.
Im Junius zu Prag der jubilierte Gymnasialdirector, Job. Jan da, im
76. Lebensj.
Am 2. August zu Gera der Geh. Kirchenrath und Superintendent, Dr
th. Jon. H. Traug. Behr, früher Professor am das. Gymnasium,
70 J. alt.
An deiiiselhen Tage im Bade Oeynhausen der durch seine Arbeiten aber
deutsche Sprache bekannte Professor Dr M. W. Götzinger a«a
SchalThaasen.
Zweite Abtheilung
herMugegebei tm Ridtlph DietscL
37.
Ueber den Unterricht in der Religianslekre auf evangelischen
Gymnasien. Ein Giäachten von Dr. K. W. Bouterweck^
Director und Religianslehrer am Gymnasium zu Elberfeld,
Gütersloh 1855. In Commission bei C. Bartelsmann. 66 S. 8.
Gewis ist es schwierig, ja wir möchten noch mehr sagen als der
Verfasser, es ist auch sehr bedenklich, die Religionslehre ^durch
allgemeine Haszregeln, welche ihren vollen Werlh unzweideu-
tig hervortreten lassen und sie diesem gemflsz beachtet wissen wollen,
zu heben und ihr den verdienten Platz auf die Dauer anzuweisen*.
Zum Glück ist es auch in der neo^rn Zeit kaum noch nöthig, die hohe
Bedeutung des Religionsunterrichts auf eine so fiuszerliche Weise erst
festzustellen. Vielmehr klagt der Verfasser mit Recht darüber, dasz
man hier und da schon in das andere Extrem gerathen sei und nament-
lich in der Begründung von ^christlichen Gymnasien' ein Heilmittel
gegen alle Gottentfremdung in den höhern Ständen habe finden wol-
len. Hören wir, was der, bekanntlich dem christlichen Glauben sehr
entschieden zugethane Verfasser, über die Tagesfrage der christli-
chen Gymnasien für ein Zeugnis ablegt. S. 3: Christliche Gymnasien
sind alle Gymnasien Preuszens und dürfen nicht von einer Parteistel-
lung aus, ohne Verletzung des Rechts und der Sitte, anders genannt
werden. Wird aber der Begriff eines christlichen Gymnasiums dahin
verengert, dasz man, in pietistischem Sinne, höhere Lehranstalten dar-
unter versteht, welche durch eine besondere Glaubensauffassung, feste
Sitte und strenge Zucht den auf andern Anstalten oft verfehlten letzten
Zweck der Jugendbildung mit gröszeror Sicherheit und unter giltigerer
Gewähr zu erreichen hoffen, so liegt in einer solchen Auffassung des
christlichen eine sich bevorzugende Willkür , welche mit einem unge-
recht werdenden Vorwurf, in bedenklicher Ausschlieszlichkeit, eine
Vergangenheit und Gegenwart richtet, deren lebensfähigste Keime auf
einem freieren evangelischen Boden gewonnen wurden und dort eV-
starkten. Solche Anstalten werden nach einem unabweislichen Innern
Gesetze stetiger Entwicklung zn Schulen eines bestimmten kircblicheii
IS. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXXJV. BfL 10. 34
474 Boulerweck : über den Unlerricbl in der Be1igiovBl«kre.
Boküiinlnisscs werden und können in dieser Stellang und für eil fol-
chesj Bckonnlni» manches gute leisten, insoweit aber chrisllich lebei-
diffo IJebcrzeugung an einzelne Persönlichkeiten gebudn
und ein Gnadengeschenk Gotles ist, wird ihr evangelisch - ohrisUieher
(icisl auch in jenen Anstallen nur dann und so lange walten, wie fol-
cho evangelische Männer , die in jeder andern Schale auch Rena •§-
den, in ihnen wirken*. Referent gesteht, seit dem schönen Vortrtfe
des Ucg.-ll. Landfermann (auf dem Kirchentage sa Elberfeld) nidrts
über diesen Gegenstand gelesen zu haben, dem er so dnrehaos bci-
pllichlen könnle. Nur will es ihm scheinen, als seien die darin her-
vorlrclcnden liefen Einsichten in die Art, wie das christliehe in der
Schule allein wahrhaft gepflegt wird, doch nicht aberall in de« Git-
nchlen zur rechlen Geltung gekommen und es sei vielmehr hier and da
oin künstliches machen und drangen empfohlen worden. Di
lief, weisz , wie schwer ein solcher Vorwurf wiegen nasx, ao kaaa er
es nicht unterlassen, sich bestimmter so auszudrücken: der Diredor
Bouterweck hat in seiner ganzen Stellung, in seiner Peraönliehkeil
usw. so viele Hilfsmittel, dasz es uns nicht wundern kann, wenn er
im WupperlhaK trotzdem dasz das dortige Chrislenlhnm mehr als bil-
hg durch confessionelle Zwietracht gestört wird, einen im Yollen Sin
des Wortes wirksamen Religionsunterricht erlheilt nnd dass er
diesen hohen Gewinn ohne irgend welche didaktische oder
Treiberei erreicht: aber anders würde es erscheinen nOaao
ein linderer sich Bouterwecks verfahren überall im einzelnen
ster nehmen wollte. Tnd einer solehen Nachahmung, welche
Stande ist. dns individuelle als solches zu erkennen, ist in den anl-
achten nicht genug begegnet worden.
Gehen wir in den Inhalt des Gutachtens näher ein. so sind «a Si-
nachst die vorausgeschickten allgemeinen Erörterungen aber die
bedingungen des evangelischen Religionsunterrichts« welche
Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dasz er gegründet werden
auf den Glauben an den einigen Mittler zwischen Gott
an das unverbrüchliche .\nsehen der heiligen Schrift nnd nnf die lie-
ber ceugiing« dasz ^der in der Bibel gelehrte, darch den Geist Cotles
dtm Menschen persöalich angeeignete Glaube allein . ohne MilhüCa ir-
gend welcher eigenen oder anderer Werke, das ewige Heil dca ■an-
sehen zur Kolge habe aadChrislns aar ia solche« Glanben ▼••
if\wn persönlich angeeignet seia Heiland ned ErlVser wi
>ct^i Jer Vr Mil \^ ar»e aa:^eiaaader. Aber schwerer i«t an
\« io Ujrjius fol<e, 'd,i;».s die Bibel durch jUe hlassen« etwa
^cuotuMc»« emsiges ausschlies&liches Lehrhnch der
>c.» Hiwi^sv" /u;u KtiHJcstea ist der Aaddnich nadceaan» denn der Vefft
xcl^^s i>cäuüi :^ich ^S. :iO in Se\ta and v^ntot^ « ndch sehr richtigen
l c^olU'):u i^va« «ic» beküBttteo AaMa;c» «oo l»ka «ti«i li^at in dieacn
KUvscai ra or>ciiiftutt^:^««^t» die l^bel sei«»«^ gv6r j «leiten . and andcr-
\«jiris xo^iNx-'t 4uvh S|N«r^Ni %vNi Ber«v*iui«eu«ttiiar m« hinrhealicdea
v«r. S ^i ^:i. t^ ^S tur an» lV>h^ ««4^ öen 4ii^[eniv:iae« ce&irwnlil
Bouterweek : aber den Unterrieht in der Religionslehre. 475
rischen Grundbedingungen des Religionsunterrichts nur, dasz jedes an-
dere Buchy welches in der Religion als Schulbuch gelten soll, nur soweit
Recht hat gebraucht zu werden, als es den rechten Gebrauch der hei-
ligen Schrift sichert und dem Schüler das biblische wissen in eine le-
bendige Verbindung mit dem kirchlichen Glauben (auch durch kirchen-
geschichtliche Blittheilungen) bringt. Darnach weiter die erforderli-
chen Hilfsmittel des Religionsunterrichts in Gymnasien zu entwickeln,
ist nicht dieses Orts.
Noch eine wichtige Frage, nemlich die über das Verhältnis des
Religionsunterrichts im Gymnasium zu dem Unterricht der Pfarrer,
wird in den Vorbemerkungen behandelt. Der Verf. sagt unter auderm
S. 7: ^Beide, der Diener Gottes in der Kirche und der Diener dessel-
ben Gottes in der Schule, werden, auf demselben biblischen Grunde
stehend, für dieselbe Gemeinde wirken, doch freilich nicht ohne Unter-
schied : die Unterweisung des Geistlichen einer bestimmten Kirche wird
protestantisch-confessioneli sein und sich an die Bekenntnisschrif-
ten seiner Kirche anschlieszen, diese auch zur genauen Aneignung
seinen Schülern mitzutheilen haben; der Religionsunterricht am Gym-
nasium wird, in keiner Altersstufe der Zöglinge, protestantisch-bib-
lisch zu sein aufhören, aber es dem einzelnen überlassen, die be-
sondere Bekenntnispflege auszerhalb der öffentlichen Schule zu suchen,
welche nicht Pfarrschule ist und keinen Unterschied der verschiedeneu
protestantischen Bekenntnisse in sich dulden darf. Bei der Schwie-
rigkeit, die diese Angelegenheit allerdings hat, darf die oben darge-
legte Auskunft B.s auf billige Beurlheilung Anspruch machen. Und sie
stimmt im wesentlichen auch mit unserer Ansicht überein. Gewis, nichts
widerspricht einer segenbringenden Behandlung des Religionsunter-
richts so sehr, als wenn der Lehrer, im Bewustsein die reine Lehre
zu bekennen , sich gegen die andere protestantische Confession pole-
misch verhält und die Schüler mit veranlaszt in diesen Streit einzu-
gehen. Natürlich hat diese unsere Ansicht mit den Unionsfragen zu-
nächst gar nichts zu thun. Lutherische Polemik gegen die Reformier-
ten ist in rein lutherischen Klassen ebenso zu tadeln, als in gemischten
oder anierten usw. Daraus folgt denn aber , dasz auch der confessio-
nelle Unterricht des Pfarrers nicht anders beschatfen sein darf, wenn
er nicht das Heiligthum der Kindesseele verderben will. Die Lösung
der Schwierigkeit scheint darin zu liegen, dasz der Religionsunterricht
zwar überall, im Gymnasium wie im Katechumenenunterricht der Kirche,
Gonfessioneil sein soll, aber immer nur im thetischen, nicht
im antithetischen Sinn. Wer das Verhältnis des biblischen Ele-
ments zu dem confessionell entwiekelten kirchlichen Glauben sich
klar macht, kann von einem * protestantisch -biblischen' Religionsun-
terricht, der von einer Confessionalität weder subjectiv noch objec-
tiv etwas wissen will, kaum im Ernste reden. Und wenn Dir. B. es als
selbstverständlich annimmt, dasz die Kirche wenigstens von einem R e I i-
g i 0 n s 1 e h.r e r am Gymnasium eine bestimmte Gewähr für seine b i b 1 i-
sche Rechtglänbigkeit z« verlangen berechtigt und verpflichtet
34*
476 BiMilwweck : aber deo Unterricht in der Religionslelire.
sei, 80 stimmt zwar der Ausdruck biblische Rechtgliubigkeit mit der
Beschreibung des protestantisch -biblischen Keligionsunterrichts, aber
bekanntlich ist keine Kirche in der Lage, jene biblische Rechtgläubig-
keit anders zu fassen, als im Zusammenhang mit ihrem symbolischen
LehrbegrifT. Es scheint dies auch Dir B.s Meinung zu sein, denn die
Caudidaten oder Geistlichen , welche ihm dieser Prüfung weniger be-
ndthigt erscheinen, haben ja nicht biosz ihre biblische Rechtglfiubig-
keit, sondern auch ihre ^Stellung zur Kirche' schon anderweitig be-
kundet. Die Forderung scheint also die sein zu müssen , dasz ein Re-
ligionslehrer am evangelischen Gymnasium, obwol durch seinen Ent-
wicklungsgang ein bewustes Glied der lutherischen, reformierten,
nnierten Gemeinde, doch die Fähigkeit besitze und den Willen habe, in
seinem Unterricht nur die thetische Seite seiner kirchlichen Ueber-
zeugung zu pflegen. Praktisch wird sich das verfahren eines solchen
Lehrers allerdings wol meist so gestalten, wie es Dir. B. verlangt.
Doch ist ein Unterschied hervorzuheben, der mir bedentend genug er-
scheint. Herr Bouterweck glaubt nemlich den Katechismus conse-
quentcrweise vom Gymnasium ausschlieszen zu müssen, selbst da (S. 32),
wo alle protestantischen Schüler demselben kirchlichen Bekenntnisse
angehören. Aber diese Ausschlieszung dürfte nur dann für uns eine
Bedeutung haben, wenn der Katechismus nichts andres wäre, als eine
Sammlung von Unterscheidungslebren. So aber ist er doch mehr. Er
enthält, sei es der Luthersche oder Heidelberger, eine kurze Sum-
ma des ganzen christlichen Glaubens, stammend aus einer
klassischen, reich gesegneten Zeit des Protestantismus. Der Katechis-
mus ist in dieser seiner kernigen dogmatischen Haltung ein unentbehr-
liches kirchliches Bildungsmittel neben der heiligen Schrift und viel zu
wichtig, als dasz man ihn dem Kateobumenenunterricht allein Ober-
weisen dürfte. Und wenn man nur sieher wäre, dasz der Katechume-
nenunterricht überall demselben sein gebührendes Recht widerfahren
liesze. Die Erfahrung macht uns wenigstens bedenklich. An einem
Gymnasium in Berlin erfand sich einst, dasz die Schüler, obwol alle
der lutherisch (-unierten) Gonfession angehörig, bei 13 verschiedenen
Predigern den Katechumenennnterricht empßngen. So weit es sich fest-
stellen liesz , benutzten von jenen 13 Predigern etwa 6 den Katechis-
. mus regelmäszig, einige lieszen ihn gar nicht gebrauchen, indem sie
ihn voraussetzten und dafür ^Anthropologie, Christologie und So-
teriologie' und ^Moral' vortrugen, noch andere kamen von Zeit zu Zeit
auf den Katechismus zu sprechen. Es ist unbillig zu sagen, das Gym-
nasium dürfe auf die Möglichkeit solcher Versäumnisse von Seiten der
kirchlichen Personen keine Rücksieht nehmen. Aber selbst wenn der
Katechismus im Unterricht der Pfarrer seine gebührende Stellung fin-
det, so ist er damit noch keineswegs hinlänglich benutzt. Wer nicht
in sehr günstigen, kirchlich angeregten Umgebungen wirkt, wird als
Religionslehrer gewis die Beobachtang machen , wie spät der Schüler
erst dazu kommt, die Einzelheiten der biblischen Geschichte und Lehre
zu einer einigermaszen brauchbaren Uebersicht und Einheit zu verei-
BouCerweck: über den Unterricht in der Religiondlehre. 477
iii^en. So lange diese Schwerfälligkeit dauert, ist die sorgfältige Be-
fiul2ung des Katechismus unorläszlich.
Der Verf. des Gutachtens legt sich in Betreff des Katechismus
noch eine Frage in den Weg, ob nemlich nicht der Lehrer in Tertia den
Katechismus den Schülern ^von geschichtlicher Seite nahebrin-
gen sollte, was in dem Falle noch besonders lehrreich wäre, wenn
man, wo Schüler verschiedener protestantischer Bekenntnisse verei-
nigt sind, die Katechismen derselben, 2. B. den Lutherschen und den
Heidelberger, unter sich vergliche und aus dieser Vergleichung
das unähnliche, wie das verwandte und gleichartige beider zur An-
schauung und Erkenntnis brächte'. Mit Recht weist B. einen solchen
Versuch zurück. Die historisch-comparative Symbolik ist allerdings
keine Disciplin für Tertia. Was B. aber mit dem Beispiel S.33— 3d an
dieser Stelle will, ist mir nicht deutlich geworden. Wer sähe nicht,
wie ^überreich' und gewaltig der Heidelberger Katechismus ist, wie
unmöglich es ist, das2 Tertianer seinen Inhalt vollständig verstehen
und bekennen lernen? Aber ein Paedagog wie B. wird darum noch
nicht schlies%en: also halte man dieses Buch den Schülern fern. Wie
sollte er sonst eben derselben KUisse das Evang. Johaunis lumuten?
Vgl. auch S. 18.
Um nun von dieser Digression, zu der uns die Aeuszerungen B.s
über die Stellung des Gymnasialunlerrichts zur Confessionsgemeinde
Anlasz gaben, wieder zu den allgemeinen Gedanken der Einleitung
surückzukehren, so beschäftigen sich dieselben vorzugsweise mit der
sogenannten ^Personenfrage'. Wie viel ist nicht schon darüber gere-
det worden , ob es erforderlich sei , dasz ein Religionslehrer am Gym-
nasium einen dreijährigen theologischen Cursus durchgemacht und ein
Candidatenexamen bestanden habe, oder ob die wissenschaftliche Prü-
ftingscommission davon abschen müsse, auf welche Weise sich der
Candida! des Schulamts die theologische Bildung erworben habe, ob
es in jenem ersteren Falfe nicht weiter noch wünschenswerth sei, dasz
der betreffende ein ordinierter Geistlicher sei und wie man einen sol-
chen Geistlichen sonst noch im Gymnasium beschäftigen müsse, um
Mine Wirksamkeit auf die ganze Anstalt zu sichern. Es wäre trotz
aller derartigen Erörterungen immer noch zweckmäszig, wenn ein be-
rufener Mann diesem Gegenstande eine eingehende Behandlung zu Theil
werden liesze, wäre es auch nur um zu zeigen, dasz sich auf diese
Fragen in abstracto, abgesehen von den concreten Verhältnissen in
Staat and Kirche, nichts brauchbares antworten lasse. Die Ansicht B.s
spricht sich zumeist in folgender Stelle aas : ^Vielleicht würde man es
am angemessensten Anden, den Unterricht Geistlichen zu übergeben,
die dem Lehrercollegiam als auch in andern Lehrfächern beschäftigte
Mitglieder desselben angehören, nicht aber solchen Geistlichen, die
einer der Ortsgemeinden vorstehen und nur in einigen Stunden und
Klassen den Religionsunterricht im Gymnasium ertheilen. Die Wich-
tigkeit desselben fordert eine ungetheilte Lehrerkraft, die Stellung der
ReligioDsiehre %n den übrigea Lehrfäofaern der Anstalt eine geachtete,
478 Boulerweck: über den Unterricht in der ReliffioBiMM.
auch in den höhern Klassen mit Erfolg beflchftnigto, dnreh wArüfei
Wandel und ernste Wissenschaftlichkeit aasgexeiebnete PerBÖntielikeit,
die dem Gymnasium ausschliesslich, nicht aacb nebenbei der Geneinde
angehört oder umgekehrt, ich halte den Religionsanterriohl «i «utn
evang. Gymnasien far so wichtig , dasz die edelsten nnd be«teB Lehr-
kräfte dafür KU gewinnen und dazu zu berufen meines eraohleM Pflieht
der Behörde ist. Unter den jungen Theologie- oder Philologieetadie-
renden finden sich bei sorgfältiger Prüfung gewiss noch manehe, die
durch eine Unterstützung aufgemuntert und unterhalten, in lingerer
Vorbereitung zu dem so wichtigen Amte sich zu befibigen willig seil
würden'. ^ Am einfachsten und nuturgemaszesteu wird es dem Vor-
steher derAnstalt zukommen, in dem Religionsunterrioht ein wieh-
tiges, ja das wichtigste Mittel zu paedagogisch sicherer Leitanf das
ganzen ihm anvertrauten Bildungskreises für sich aufzabehalten ; we
dies nicht möglich ist, da sollte ein Oberlehrer, wo möglich der enta
oder angesehenste und geachtetste, als Religionslehrer angesMlt lein,
damit dieser Unterrichtszweig, indem er auch anszerlioh in seiner Be-
deutung öffentlich anerkannt wird , in den Augen der Schuljugend md
ihrer Eltern das ihm gebührende Ansehen erhalte nnd in behanplea
im Stande sei'. —
Nachdem wir so die hauptsächlichsten allgemeinen Gedenken der
Einleitung berührt haben, wird es noch erforderlich sein, Ober die
Verlheilung des Slotfes auf die verschiedenen Lehrstafen des Gymna-
siums und über die Behandlung der Sache in den verschiedenen SUCm
nach B. zu referieren.
Die unterste der 3 Lehrstufen umfaszt nach B. Sexta, Qninia nad
Quarta. So wünschenswerth es ist, dasz im allgemeinen jede Klasse
ihren besonderen Ucligionsunterricht hat, so kann doch eine Combina-
lion von Sexta und Quinta ohne besondern Nachtheil geschehen. Als
Pensum für diese beiden Klassen wird eine Auswahl aus den in< die
biblischen Geschichlsbiichcr (z. B. Zahns Historien) aufgenommenen
biblischen Geschichten alten und neuen Test, bezeichnet. Diese Aus-
wahl wird im alten Test, besonders nach dem Gesichtspunkte fetrof^
fen, ob eine Erzählung in bestimmt erkennbarer Beziehung mm neaen
Test, stehe , formal bemerkt der Verf. , dasz über der Auswahl doch
nirgend der Zusammenhang der einzelnen Partien verloren geben dirfe
(S. 17). Wie der Verf. des Gutachtens auf allen Stufen den Religions-
unterricht mit verwandten Zweigen des betreffenden Klassenpens uns in
Verbindung zu bringen sucht, so auch auf der untersten. *Wenn ieh
weisz , dasz dem Knaben in der Sexta Geschichten aus der vorgrieebi-
sehen Zeit erzählt werden, die ihn in der Regel sehr ansieben, so
werde ich eine ähnliche Theilaahme für die Geschichten des israeliti-
schen Volkes in ihm hervorzurufen bemüht sein, und die Gelegenheit bei
Pharao und Aegypten z B. an in der Geschieh Isstunde gewonnenes an-
zuknüpfen oder darauf hinzuweisen, darnach zu fragen, nicht vorbeilas-
sen'. Auch macht der Verf. darauf aufmerksam, dass manche sprach-
liche Schwierigkeit, welche Luthers Ausdrncksweise Tcrursache, xa
r Bouterweck : aber den Ualerricbt io der Religiooslelire. 479
heben sei. Mit Lebhafligkeit empGeliit er es, Kernsprüche der heili-
gen Schrift lernen zu lassen und zwar aus der Handbibel des Knaheu
selbst, nicht aus Spruchsammlungen. Im übrigen aber entscheidet er
sich gegen die Beseitigung eines Auszugs, weiche jetzt sogar für Ele-
mentarschulen von kirchlichen Personen anempfohlen wird '^). Auch
will B. das lernen von ausgewählten Liedern aus dem ^kirchlichen'
Gesangbuch, ^wenn es ein gutes ist' betrieben wissen.
In der 2n Abtheilung der Keligionsklassen, die noch der In Lehr-
stufe angehört, nenilich in der Quarta, führt B. die Schüler in die Bi-
bel selbst hinein. Er legt Werlh darauf, nunmehr zunächst das Evan-
gelium nach Marcus lesen zu lassen, und nachdem diese Lesung
durch die genaue Erklärung der Bergpredigt ergänzt worden, im 2n
Semester die Apostelgeschichte vorzunehmen, an welche er dann noch
eine kurze Uebersicht der Einführung des Christenthums in Deutsch-
land schlieszen will. Das auswendigicrnen von einzelnen Stellen soll
aufliören, dagegen sollen zusammenhangende Stücke, Mn jedem Falle
die ganze Bergpredigt', allmählich aber fest eingeprägt werden, auch
darf das lernen von Kirchenliedern , sowie die Berücksichtigung der
christlichen llaüptfeste nicht unterbleiben.
Bei dieser Gelegenheit erwähnt der Verf., dasz er in seinem Gym-
nasium nicht die Luthersche Bibelübersetzung dem Unterrichte zu
Grunde lege, sondern die von Meyersche verbesserte Uebersetz-
iing. Es kommt ihm nämlich einestheils darauf an, den Grundtext durch
die Uebersetzung möglichst zu erreichen, anderntheils nicht jeden Au-
genblick in der Nothwendigkeit zu sein (die beim Gebrauch der Lu-
therüberselzung allerdings eintritt), den kirchlich recipierten Text im
Interesse der Wahrheit berichtigen zu müssen. Der Kef. gesteht, dasz
beide Gesichtspunkte ihm durchaus erheblich erscheinen, er würde
sich aber doch zu der vonB. ergriffenen Maszregel nicht entschlieszen.
Der einzelne, so scheint es ihm, kann einen so gewaltsamen AngrilT
auf die traditionelle Volksbibel zu machen nicht unternehmen. Gewis
wäre es an der Zeit, dasz die evangelische Kirche Deutschlands, wenn
man diesen incorrectcn Ausdruck w agen darf, einmal eine wahrhaftige
Berichtigung des Lutherschen Textes veranstaltete und unter kirchli-
cher Autorität und massenhaft verbreitete. Aber die Sache ist schwer
und liegt der gegenwärtigen kirchlichen Strömung bekanntlich sehr
fern. Wie wenig aber mit der Einführung der v. Neyerschen Bibel
geholfen ist, ergibt sich nicht blosz aus einer Vergleichung derselben
mit dem Grundtext, sondern schon aus der Thatsache, dasz gerade
jetzt S tier begonneiv>hat, Meyers Absicht in durchgreifenderer Weise
in einer neuen Verbesserung der Lutherschen Uebersetzung auszu-
fuhren.
♦) So sagt. Genernlsnp. Jaspis in der Einleitung zn seinem Hilfs-
buchlein S. 6: ^Alles liegt mir daran, dasz die Kinder ins Wort hin-
ein und von den Historienbuchern wegkommen'. Der Satz ist gar ge-
sperrt gedruckt.
480 Bouterweok: aber den Unterricht in der Religionilehre.
Indem der Verf. zu der 2n Lehrstufe des ReligioDiunterrichli
übergebt, welcher die T e r t i a angehört, charakterisiert er diese Klasse
mit Recht als diejenige, welche vor allen andern ^besonnene und krif-
tigo Behandlung' verlange. Er nimmt die Tertia als eine einzige Klasse
mit zweijährigem Kursus, wodurch es dann nöthig wird, einige sei-
ner Vorschlage wesentlich zu modificieren, wenn es sich, wie in sehr
vielen gröszern Gymnasien, um Unter- und Obertertia handelt. Mit
Rücksicht auf das geschichtliche Pensum der Tertia, welches in *^ineii
Jahre wenigstens vorwiegend die Bewegungen, welche der Kirchen-
Verbesserung vorbergiengen, diese selbst und ihre Folgen' umfasit, so-
wie auf den Umstand, dasz die Schüler in dieser Zeit meist auch den
Unterricht der Güisllichen behufs der Confirmation besuchen, sucht B.
das Religionspensum der Tertia in der christlichen Glaubens*
und Sittenlehre, soweit solche unmittelbar aus der Lesung der
heiligen Schrift geschöpft werden kann. Es fragt sich, welche Bacher
der heil. Schrift für diesen Zweck am besten geeignet sind. Der Verf.
des Gutachtens antwortet: *Mir scheinen, sobald man von den Briefen
der Apostel absieht, die Psalmen und eine Reihe von Kapiteln aas dem
Jesaias , im neuen Testamente aber das Evangel. Jobannis lu diesem
Zwecke ganz besonders geeignet. Die Lehre von Gott, von den Mes-
sias aus Davids Stamm, von Ihm als dem Sohne des Vaters, von dem
heiligen Geiste und seinem Werke an dum Herzen des Menschen, von
der Kraft des wiedergebornen im neuen Gehorsam des Glaubens, ans
Dankbarkeit den Willen des Vaters im Himmel zu thun u.s. f. und was
sonst zu den hohen Dingen gehört, welche der Bibelglaube uns im
Zusammenhange, zunächst ohne Festhaltung wissenschaftlicher Anord-
nung vorführt, findet sich in den angegebenen Büchern der Schrift in
groszen, auch dem Verständnisse des Knabenalters und seinem BedOrf-
nisse leicht zuzuführenden Gottesgedanken verzeichnet'.
Der Ref. ist mit diesen Aufstellungen nicht ganz einverstanden.
Die Terlia, so scheint es ihm, ist noch vorzugsweise auf geschichtli-
che SlofTü angewiesen, nicht auf lehrhafte; er würde es vorziehen, die
Quarta noch in dem biblischen Auszug von Zahn zu beschäftigen, um
dann in Terlia die Lesung des Malthaeus (abwechselnd mit der des Lu-
cas) und der Apostelgeschichte folgen zu lassen. Und wenn B. in der
Quarta eine Darstellung der Missionsgeschichte gibt, so scheint es den
Ref. weit zweckmüsziger, wenn nach der LectÜro der Apostelge-
schichte in Tertia die Grundzüge der deutschen Kirchengeschicbte und
die Hauptthatsachen der deutschen Reformation bis zu Luthers Tode
vorgetragen werden. Dadurch liesze sich noch eine engere Berahrung
mit dem anderweitigen geschichtlichen StolTe der Tertia herstellen,
eine blosze Wiederholung des in der Geschichtsstunde vorgekomme-
neu könnte jene kirchengeschichtliche Darstellung bei ihrem sehr be-
stimmten Gesichtspunkte und Interesse ja doch nicht werden.
Indes verkennt der Ref. auch nicht , dasz ein Bedürfnis prakti-
s«;her Natur uns zwingt, in der Tertia mit einer populären Darstellung
der kirchlichen Lehre den Religionskursus abzuschlieszen. Es gehen
Boalerweck: über den Unterricht in der Religionslehre. 481
i»emlich in dieser Klasse erfahrongsgemäsz gar manche Schäler aus
dem Gymnasium ins praktische Leben über, ein Wink Für uns, die bis
dahin gewonnene christliche Einsicht und Bildung gewissermaszen
noch einmal zu concentrieren. Wir würden aber diese Absiebt durch
die ausgebreitete Leetüre aus dem A. und N. Test., welche B. vor-
schlagt, nicht glauben erreichen zu können. Vielmehr würden wir in
einer vertieften Behandlung des schon früher allmählich gelernten Ka-
techismus das beste Mittel sehen, den oben ausgesprochenen Gedan-
ken zu verwirklichen. Wir würden, um dieses beiläuflg zu erwihnen,
für Terlia folgenden StolT überhaupt vorschlagen, is Sem. Geschichte
des Reiches Gottes im A. Bunde, entwickelt an den wichtigsten Kapi-
teln der historischen Bücher, an den wichtigsten messianischen Stellen
in den Psalmen und Propheten. 2s Sem. Lesung des Matthaeus (oder
Lucas). 3s Sem. Apostelgeschichte (mit Uebergehung mancher Reden),
die Christianisierung Deutschlands und die Reformation in biographi-
scher Haltung. 4s Sem. Katechismuslehre. Das einlernen von Kir-
chenliedern wird allerdings mit Tertia abgeschlossen werden können,
falls die vorhergehenden Klassen ihre Pflicht in dieser Beziehung ge-
than haben. Indessen ßnden sich auch Secundaner, wenn man es nur
richtig angreift, leicht in diese Uebung, und dann hat man den Gewinn
einige schwierigere Lieder, wie die von Gottfr. Arnold, hinzufü-
gen zu können. Wiederholungen der gelernten Lieder können natür-
lich auch bis zum Abiturientenexamen hin nicht erlassen werden.
Die dritte Lehrslufe des Religionsunterrichts beginnt dem Verf.
mit Secnnda, die er wiederum als eine nngetrennte auffaszt. Als das
charakteristische Moment dieser Klasse in Beziehung auf das wissen
stellt er dar, dasz in ihr zum erstenmale die hehren Gestalten des Al-
terthums einen energischen Einflusz auf die Vorstellung der Schüler
gewinnen. Er sagt: ^Derlrthum liegt sehr nahe, dasz der edlere streb-
samere Schüler, dem der Religionsunterricht nicht gleichgültig geblie-
ben ist, bei dem das sittliche Gefühl erstarkt und zur Ehrenhaftigkeit
in Wort und That sich weiter bildet, in den warm empfohlenen Ge-
stalten des hehren Alterthums die Aufgabe der Menschlichkeit gelöst
sieht und nun darnach trachtet, an ihrem Beispiel Mensch sein zu ler-
nen , um einst Christ werden zu können. Dieser Irthum beschleicht ja
auch viele gehobene Lehrer und fesselt sie so sehr^ dasz sie, je län-
ger sie die Arbeit mit den Alten und durch die Alten als Lebensberuf
treiben, je weniger zu einer belebenden Ueberzeugung von dem reinen
göttlichen Lichte des Evangeliums, ja von Ihm, der das Licht der Welt
ist, za gelangen vermögen und in der heidnisch -humanen Welt- nnd
Gottanschauung für immer stecken bleiben'. Uns scheinen diese Be-
merkungen mehr wohlklingend, als wahr zu sein. Von den Schrift-
stellern, welche in Secunda gelesen werden, ist kein einziger im Stande,
individuell mit sittlicher Einheit nnd Bestimmtheit auf den Schüler
wahrhaft zu wirken und ihm ein Bild antiken Lebens zu sein. Am
leichtesten könnte sich noch etwas der Art bei Cicero wahrnehmen
lassen, aber gerade der gesunde Blick der Jugend durchschaut am
482 BoBlcffveck: ibcr d«a L'BlenickI ia 4er
ersten die «chwarhen Slelle« ia des Ckankter dieics Mmhcs. 1b
Prisa kCiOBlea Tacitos. DeaosthcBes. Sopbokle«, aack wol der PUo-
mstht Sokrates, weaa die Leclöre aickt m rrafBealarisch wirc, wia
sie in der Rezel isU eiaea aBaitlelbarea Eiadrack aaf das i
Schülers auchea. la solcheai Falle wärde sick allerdiags filr <
rer der Reli^oa. wie fär dea Lekrer des laleiaisckca wmd
sehen eiae nicht leichte Aaffahe errebea. eiaerseita i
täts rolle Stellaac de« Schalers in dea grosiea Altea sa
la wahren aad andrerseits in lei^ea. wie viel deaselhei
fehlte ond wie anch die besten anter ihaea noch hiater de« kla
im Himmelreich zurückstehen. Aach der Lehrer der altca
wird in diese Aaf^abe mit hineinzexo^ea werden nässca, warn die
Sehnte die Lösan^ derseliiea mit Sicherheit erreichea witL Dar VarC
scheint za glaaben. dasz die >orza£sweise philolo^iack
Lehrer im saazen für dea zweitea Theil dieser Aafjpaba
hätten, insofera sie selbst in der heidnischen Sphaere sie
ben. Uns %iill es vorkommen, als habeB. damit mehr eiae ts
GeaeratioB voa Lehrern im Aase, denen das Christealkwm
kaum in seiner i^ahrhaften Bedeutnn£ erscheinen konnte; i
k«:ine solche Gymnasiallehrer bekannt, die in Folge ikrar pkila-
lorischen Studien Mb der heidnisch-hnmanen Welt- amdCollBB-
schauunr für ininer stecken geblieben * seien. Er würde aia, weaa
er sie träfe, auch nicht 'rehobene* Lehrer nennen, soadera ikaaB viel-
mehr zn zeigen unternehmen, wie dürftig und unwahr eiae Keaatais
des Alterthnms sei. welche einen solchen Irthnm moflick Backe, lat
Gegentheil besorgt er von den meisten der heutigen pkitotogiankea
Lehrer, d^s^ sie die Schaler so sehr bei den sprachlickea aad aackli-
eben Eiozelheiten anfhalten. dasz eine Freude am Inhalt der Aatorea,
eine geläufige sichere Kenntnis antiker Gedankenreihea aad wirklifike
BekaüDi^chaft mit ganzen Schriften nur in seltenen Fällea aad aar kai
einem besonders regen Privatflei^z erreioht werden kaaa.
Im übrigen scheint uns der Verf. des Gutachtens dea Ualcrrickls-
stu!T öcr Secunda richtig zu bestimmen. Wir hallen es fir aa
•Itrntiich wichtig, dasz diese Klasse noch einmal in deai
des alten Testaments gestellt werde. Wie %iele Lnwisseaheil aad Bor-
nierlheit in christlichen Dingen, welche man hentzntafa
den girbilJeten findet, ist lediglich daraas za erklärea, dasi
das A. Test, äoszerlich and innerlich fremd f ebliebea ist. Aa
A. T. schlägt B. noch zur Leclüre vor: das Evaag. desLacas (oder das
Johanoes). die apostolischen Briefe ^^ Römerbrief, Pkilipper-^ Galalcr-
oder Epheserbrief . lacobi , die verständlicbea Stellea aas der Apoka-
lypse, dieses letztere alle« aber nur sofern aaek eiaer geaaaaa Lac-
tjre des Kömerbriefs noch Zeil übrig sein sollte. Die Sckiler ka-
bcn da> griechische Original und die deutsche l'eberseliaa^ vor sich
liegen, die Interpretation masz -grammatisch sicher, sachlick faaaa
lind kirchlich bestimmt sein, wobei man indessen sorgfaltig aaf saiaar
Hut sei, dasz die Religious«laade nicht aa einer Sprackstaada i
Bonlerweek : über deo Unterricht in der Keligiooalekre. 483
^Ausgewählte Stellen im Znsammenhange sind aus dem griech. neuen
Test, auswendig zu lernen. Mit wenigen Zeilen beginnende Uebung
ffihrl allmählich dahin, dasz ganze Kapitel eingeprägt werden. Es ist
wol vorgekommen, dasz einzelne Schüler, als freiwillige Aufgabe, fast
den ganzen Römerbrief auswendig lernten'. — Schlieszlich erwähne
ich noch, dasz B. der Lesung der Schrift in Secunda eine Art von Ein-
leitung vorausschicken will, er nennt als einzelne Gegenstände dersel-
ben: Geschichte der Bibel, Hervorhebung einzelner Uebersetzungen
aus ältester Zeit, besonders derjenigen, die dem deutschen Alterthum
angehören , wie die gothische und angelsächsische, Geschichte der Bi-
belverbreitung, der Bibelgesellschaften, ihres Segens usw.
Alle Vierteljahre läszt B. in Secunda und Prima einen * schriftli-
chen Religionsaufsatz' machen. Aus diesem ^soll nichts weiter erhel-
len, als in wie fern und in wie weit die Schaler fähig sind, sich über
religiöse Gegenstände zu äuszern; die Censur musz mild und' einge-
bend, aber bestimmt und genau sein'. Diese Einrichtung mag unter
Umständen gute Früchte tragen, aber je energischer die Persönlich-
keit des Religionslehrers, je gröszer sein amtlicher Einflusz ist, desto
mehr steht er in Gefahr, die Schüler auf diese Weise zu Aenszernngen
zu veranlassen, welche mit ihrem religiösen ßewustsein nicht ver-
wachsen sind nnd vielmehr als bewuste oder unböwuste Unwahrheit
angesehen werden müssen. Man wird mir nicht entgegnen dürfen, dasz
auch die mündlichen Leistungen Gelegenheit zur Heuchelei darbieten,
diese beiden Dinge sind gar zu verschieden, obwol der gewissenhafte
Lehrer auch bei den mündlichen Antworten der Schüler, besonders der
schon mehr heranwachsenden, hier and da Anlasz genug haben wird,
zuc Besinnung nnd zur Wahrhaftigkeit des ganzen thuns zu mahnen.
Was die Prima betrifft, so bat der Verf. des Gutachtens sehr ideale
Ansichten über die Wirksamkeit des Religionsunterrichts in dieser
Klasse. Er will, dasz dem Religionslehrer in Prima auszer den 2
wöchentlichen Unterrichtsstunden (deren Vermehrung auf drei er nicht
befürwortet) ein noch umfnssenderes Feld der Wirksamkeit einge-
räumt werde. Denn ihm will er die schwere Aufgabe vor allen zumu-
ten, ^die gesamte Gymnasialbildung zu einem Abschlusz in christli-
chem Sinn zu bringen, so dasz- der abgehende nicht blosz die Stellung
des heidnischen, auch in seiner höchsten Blüte, dem Christenthum ge-
genüber vollständige?) begriffen hat, sondern auch eine Ueberzengung
von der Göttlichkeit des Christenthums und der Wahrheit des Evan-
geliums von der Schule mit fortnimmt'. Zu diesem Ende fordert er,
*dasz dem Religionslehrer in der Prima noch ein Hauptfach zugetheilt
werden sollte, entweder der Geachichtsanterricht und der Unterricht
im deutschen, einschlieszlioh der Litteraturgeschichte , oder die Le-
sung des lateinischen oder des griechischen Prosaikers'. Diese For-
derung ist bekanntlich nicht neu, aber es ist nicht zn tadeln, wenn
man sie von Zeit zu Zeit wieder aufstellt. Von dem Stoffe, den der
Religionsunterricht in der Prima zu behandeln habe , sagt B. im we-
sentlichen folgendea : Zanäcbat ist das wichtigste «na der Getebichte
484 Boulerweck: über den Unterricht in der Roligtouleiirtfi
der Kirche oder vielmehr aus der Geschichte des Chris tenthaas
der Gegenstand des Unterrichts. Die Beurtheilaog, welches Material
dann als das wichtigste in diesem Gebiete anzusehen sei, ist nicht nach
dem objectiven Maszstabe der Wissenschaft zu vollziehen, aondem
niusz abhangen von der richtigen Erkenntnis dessen, was der GeaamW
bildung des Jünglings frommt. Wenn B. aber hinzusetzt, die belreffea-
den kirchengeschichtliohen Mittheilungen sollten denselben in den Stand
setzen , ^ die kirchlichen Erscheinungen der Gegenwart gegchiohtlieh
zu begreifen und ihrer innern Gesetzmaszigkeit nach zn fassen und sa
verstehen', so versteht Ref. diesen Ausdruck nicht recht; wenigsteas
würde er sich scheuen, das wenige, was er in dieser Richtnog mit
seinen Primanern zu besprechen wagt, mit so schönen Worten sa be-
zeichnen.
Dasz der kirchcngcschichtliche Unterricht nicht ohne Herbeiiie-
hung dogmengeschichtlicher Partien fruchtbar behandell ¥rer-
den kann, darin ist Lieferent mit B. durchaus gleicher Meinung. Frei-
lich ist gerade in dieser Hinsicht Sorgsamkeit nöthig, dasi nicht die
Grenze zwischen dem Gymnasium und der theologischen Faohsehnle
überschritten werde und das Gemüt leer ausgehe. In den dogaienge-
schichtlichen Mitlheilungen liegt nun eine Art von Uebergang sn deai
zweiten Hauptgegenstand des Keiigionsunterrichts in Prima, nealich
zu einer dem Standpunkte der Klasse angemessenen ^Glaubens- nnd
Sittenlehre'. Wird sie richtig behandelt, so ist sie die Blüte des gan-
zen Religionsunterrichts im Gymnasium. Es ist ein Gedanke von ho-
her praktischer Bedeutung, wenn Bouterwcck über die Art einer sol-
chen Glaubens- und Sittenlehre sagt: ^Es musz der wissenschaftlichen
Behandlung , die in der Form der Sache immer festzuhalten sein wird,
eine paedagogisch- seelsorgerische zur Seite gehen, welcher der In-
halt der Sache zufällt'. Auch die weiterhin folgenden Andeatongei
über die Ausführung des obigen Gedankens sind der Beherzignng werlh
(S. 61 f.). Auf dieser Stufe will B. dann auch das blosz biblische Ele-
ment verlassen und den Unterricht ^an die Bekenntnisse der protestan-
tischen Kirche in Freiheit und dennoch mit Bestimmtheit auschliesien'.
^Dics gilt ganz besonders von der Lehre von den Sacramenten und der
Kirche. Es ist deshalb auch unerlöszlich, die Schüler mit einzelnen
Bekennlnisschriften im Auszuge und durch gelegentliche Anführung,
wie mit den Katechismen, oder im ganzen und durch vollständige Le-
sung, in dieser Weise z. B. mit der Augsburgischen Confession, be-
kannt zu machen'.
Den Schlusz seines Gutachtens macht Hr. B. mit einer Erörterung
über die Frage, ob die iu Rheinland und Wesiphalen bestehende Ein-
richtung, beim Abiturientenexamen auch einen Religionsanfsatz unter
gleichen Verhältnissen wie die deutsche Arbeit anfertigen zu lassen,
empfehlenswerth und allgemeiner Verbreitung werth sei. Er ist ge-
neigt, diese Frage zu bejahen. In der That ist diese Einrichtung nicht
so bedenklich, wie die oben besprochene, wonach in den letzten 4
Schuljahren vierteljährig ein ReligionsaufaaU abgegeben und ceosiert
Boulerweck: aber den Unterricht in der Relig^ionslehre. 483
werden sollte. Die Aufsichtsbehörde hat nemlioh eine Controle über
die Themata der Abiturientenarbeiten und wird z, B. solche aus-
schliesEcn, welche den Schaler su der Bloszleg^ing christlicher Er-
fahrungen, zu Parteigezänke usw. hindrängen könnten. Auch tritt dem
Abiturienten, der sein Religionsthema bearbeiten will, nicht mehr die
Persönlichkeit seines Religionslehrers vor die Seele, er fühlt sich freier
und unabhängiger. Referent ist als Abiturient selbst in der Lage
gewesen, einen Religionsaufsatz machen zu massen. Er spricht für
sich und seine Mitschüler, wenn er bezeugt, dasz dieser Aufsatz ohne
irgend welches Alisbehagen, vielmehr mit gröszerer Freudigkeit, als
irgend eine andere Arbeit, angefertigt wurde. Freilich waren die nfi-
hern Umstände an jenem Gymnasium günstiger, als vielleicht sonst
irgendwo. Herr B. begründet seine bejahende Antwort auf die er-
wähnte Frage nicht sehr befriedigend. Den Religionsaufsatz als eine
willkommene Ergänzung zu dem in der Regel dürftigen deutschen Auf-
satz der Abiturienten ansehen — in der That eine dürftige Auskunft.
Wenn nun B. bemerkt, dasz der Schüler, wenn er es versuchen sollte,
doch nicht im Stande sei, bei der Menge der gelieferten Klassenarbei-
ten , seinen Lehrer zu teuschen durch erheuchelte fromme Redensarten,
so ist das nicht die Gefahr, dasz der Lehrer geteus cht wird, son-
dern dasz der Schüler in Versuchung gebracht wird, zu heucheln. Und
diese Gefahr ist bei jenen Klassenarbeiten, wie schon oben bemerkt
wurde, noch deutlicher, als bei dem Abiturientenaufsatz. Ref. ist
im Staude zu versichern, dasz jene Einrichtung, vierteljährig Auf-
sätze in der Religion anfertigen zu lassen, nicht blosz den gerügten
Schaden anrichten kann, sondern ihn angerichtet und so die Schü-
ler Jahre lang in bewuster Unwahrheit in. den heiligsten Dingen er-
halten hat. Die Anfertigung eines Religionsaufsatzes im Examen hält
Ref. für ein gutes didaktisches Hilfsmittel , wenn er sich darauf be-
schränkt, das wissen des Abiturienten in einem bestimmten kleinen
Kreise der christlichen Lehre zu ermitteln. Er hält es aber für ent-
schieden bedenklich, diese Einrichtung gegenwärtig irgendwo neu
einzuführen. Durch solche Mittel dem Scheine entgegentreten zu wol-
len , als sei die Religion am Gymnasium ein ^Nebenwerk', hicsze ein-
gehen in die oberflächlichsten Gedanken einer Partei, die mehr Ver-
trauen auf Institutionen, als auf die innere Allgewalt des göttlichen Gei-
stes setzt.
Berlin. W. H.
88.
Arrians Attabam. Für Schüler zum öffentlichen und Prital ge-
brauch herausgegeben wn Dr. Gottlob Hartmann. 1. Bänd^
chen. I—III. Buch. Jena, Mauke 1856. (8. VIII u. 181 S.)
Nach einer sorgfältigen Prüfung können wir diese Ausgabe allen
Freunden des Arrian für ihre Schüler empfehleo; denn sie erfüllt nicht
486 Arrians Anabasis von Hartmann.
nur die durch die Probe (Pro^. d. Gymn. kii Sondershausen 1865. Vgl.
Dielsch in d. N. Jahrbb. Bd. LXXII S. 428 ff.) erregten Erwartungen, son-
dern reiht sich auch in am so würdigerer Weise den Schalausgaben an-
derer Schriftsteller an, da sie viele derselben durch ihren paedagogi-
sehen Tact und methodische Kürze, namentlich aber dadurch abertrifft,
dasz llr ilartm. selten UebersetEung bietet, diese auch da oft vermeidel,
wo er die passende Bedeutung eines Wortes angibt. Aber auch hierin ist
er sparsamer gewesen, als die Probe erwarten Hess, und scheinen hier-
bei die Bemerkungen von Dietsch nicht ohne Einflusz gewesen eo sein,
wie eine Vergleichung der Probe und der vorliegenden Ausgabe beweift.
Diese Bereitwilligkeit des uns brieflich befreundeten Hrn. Vf. bewegt
auch uns einige Bemerkungen folgen zu lassen und ihm, wenn nicht
für die nächsten Bandchen, doch für die nächste Auflage, die aieher-
lich binnen kurzer Zeit nöthig sein wird, auf diesem Wege einige nn-
maszgcbliche Vorschläge zu Abänderungen milzutheilen. Unsern er-
sten Vorschlag knüpfen wir an die Bemerkung von Dietsch, daai die
Bemerkungen über den Sprachgebrauch des Arrian eigentlich nicht
für Schüler sind, und bitten den Hrn Vf. es noch einmal im Unterricht
selbst zu probieren, ob nicht Dietsch Becht hat, dasz sie für das u
erstrebende schülermäszige Verständnis ohne Einflusz sind. Auch aa-
scrn zweiten Vorschlag knüpfen wir an das, was Dietsch S. 428 ff.
über die Praxis der neusten Schulausgaben, durch Angabe des passen-
den Ausdrucks den Schülern eine zu grosze Erleichterung sa geben,
gesagt hat. Unsere Erfahrung hat es bei der Leitung der LeetQre des
Homer und der Anabasis des Xenophon wiederholt bestätigt, dast
diese Praxis den Schüler wenig fördert, dasz er sich, wie Dielsch
sagt, mit seltenen Ausnahmen begnügt gegebenes hinzunehmen, ohae
dasselbe selbstthatig weiter zu verfolgen. Je freudiger wir es aaa
eben als einen Vorzug dieser Ausgabe anerkannt haben, dasz sie da-
rin weit sparsamer i^t, um desto mehr möchten wir den Hm* Vf. bit-
ten demnächst auch das wenige ganz zu streichen und durch eine aa-
dere Fassung der Bemerkungen die Schüler zum linden des rechten
Ausdrucks und einer guten Ueberselzung anzuleiten. Wie leicht dieses
nach unserer Erfahrung und unmaszgeblicher Ansicht ist, wollen wir
durch die in Kap. I etwa zu machenden Aenderungen andeuten.
116 könnte die Bemerkung zu rov TtgoacD etwa so lauten: *Der
Grieche hat das Adv. substantivisch gebraucht; im deutschen mnsa es
udjcctivisch stehen und das passende Hauptwort hinzugesetzt werden'.
Die Schüler, welche den Gornel und Caesar, vielleicht auch schon einen
Theil der Anabasis des Xenoph. gelesen haben und so mit der Mililir-
sprache etwas bekannt sind, werden grösztentheils das rechte finden.
Daselbst musz § 7 zu ßidSfO^ai die Bemerkung ^passivisch' geaflgen;
desgleichen bei rov ogovg die ^abhängig von ^'; die Uebersetsnng
musz der Schüler selbst finden und will man ihm eine weitere Hilfe
gewähren, so könnte man hinzusetzen: *y — zov oQOvg übers, durch
einen Nebens., in welchem der Gen. partit. Suhject ist', üebrigens
möchte an dieser Stelle auch das Particip aviovaiv für eine gute Ue-
Arrians Anabasis tob Hartnann. 487
bersetzung einer Anleitan(|^ bedfirfen, da es wol am besten durch ein
Substantiv mit Praeposition tu übersetzen ist. — Zu $ 8 ßavlii yfyve-
xal (loi schlagen wir vor: ^ Statt der Umschreibung gebrauche im
deutschen ein Zeitwort'. KaxatpiqBC&ai^ herabstürzen, was übrigens
schon §7 bei xazatpBqoik, stehen müste, würden wir, da das Lexikon
die Bedeutung hat, entweder ganz streichen oder mit der allgemeinen
Bemerkung: ^ wähle einen nachdrucksvolLen , kräftigen Ausdruck' ab-
finden. — Zu diM%m(^cai wird die Bemerkung : ^ äii hier in der Be-
deutung des lateinischen dis' um so mehr genfigen, da z.B. das Rost-
sche Lexicon (und dieses oder das Papesche wird doch meistens in
den Händen der Schüler sein) die Bedeutung ^auseinander treten' gibt.
In § 9 schlagen wir vor , statt der Uebersetzung dem ersten Theile
der Anmerkung zuzufügen : ^ Im deutschen durch einen Nebens.', dabei
müste allerdings die Bedeutung von iital^^iv^ welche das Rostsche
Lexikon nicht bietet, die aber Hr. Hartm. recht gut durch ^darüber
hinweggehen' angibt, gleichfalls im Inf. zugesetzt werden. $ 10 könnte
statt der Uebersetzung ^oUya^ nur wenig' die allgemeine Bemerkung
stehen : ^Griechen und Lateiner pflegen bei Zahlwörtern und Pronomi-
nen unser «nur» nicht besonders auszudrücken'. — Zu § 12 kann
^ Äg SKaat. 7t^v%(0Q€ij wie jeder dazu Gelegenheit fand, es möglich
machen konnte' ganz fehlen, da das Lexikon hinreichende Hilfe bie-
tet. Daselbst würden wir bei ^htayovza* einfach sagen : *intr. von
dem anrückenden Feinde', weil bei dieser Bemerkung der Schüler über-
legen musz, ob er ^anrücken' oder einen andern Ausdruck zu wäh-
len hat.
Unser dritter Vorschlag knüpft sich an die schon oft angeregte
Frage, ob in Schulausgaben eine Grammatik citiert werden soll oder
nicht. Wir verneinen die Frage, aber nicht aus dem oft für die Ver-
neinung angeführten Grunde, dasz es keine aligemein eingeführte
Grammatik gebe, sondern weil damit für die Schüler zu viel Zeit ver-
loren geht und man durch eingeflocbtene grammatische Bemerkungen
eher zum Ziele kommt. Bei der Zeitbeschränkung, welche durch
die Masse von Unterrichtsgegenständen den alten ^rächen zu Theil
geworden, können dieselben ihren bewährten Einflusz auf die Bildung
nur dann bewahren und erhalten , wenn durch Bereicherung der Lee-
türe die Sicherheit des wissens vermehrt, die Fertigkeit im verstehen
auf einem raschen und doch gründlichen Wege mit sorgfältiger Be-
achtung der Grammatik erzielt wird. Letztere ist bei der Leetüre nicht
HauptMche, sondern nur Mittel zum Verständnis. Stetige Uebung macht
aber eine tüchtige Praeparation zur Hanptpflicht der Schüler, diese
kann aber nnr dann erreicht werden, wenn der Schüler seine ganze
Aufmerksamkeit auf das Verständnis verwenden kann und seine Zeit
nicht zersplittert wird. Wie viel Zeit aber mit dem nachschlagen der
citierten Paragraphen der Grammatik verloren geht, davon kann sich
jeder Lehrer überzeugen , wenn er selbst einmal nach der Uhr nach-
schlägt. Ein Schüler hat aber gewis doppelt so viel Zeit nöthig. Da-
zu kommt, dasz die Grammatiken den ganzen Sprachgebraucb , der
'488 Arrians Anabasis von Haiimann.
unter eine Regel fallt 9 registrieren mOsseo, während der Sohfller lieh
genaa an ein Citat haltend nur immer den speciellen Fall berfiekaich-
iigt. Nimmt man dagegen die grammatischen Bemerkangen in die No>
ten auf, so können diese selbst kurz gefaszt mehrere Fälle angleich nai-
fassen und dabei doch eine für das Verständnis erspriesaliehe Aalei-
tung geben. Ein Beispiel möge die Sache erläutern. Der Hr. Vf. hat
über den Gebrauch der Participia bei den Verbis xvy%avHVy ionrdimtii^
fpaiviG^ai, etc. wiederholt auf die betreffenden Grammatiken von Roit,
Buttmann und Kühner oder auf die Stelle seines Commenlars snrlck-
verwiesen. Bei Kühner umfaszt der ganze Paragraph eigenllioh meh-
rere Seiten, der spccielle Fall 8 Zeilen mit der allerdings nölkigea
Hilfe; bei Bultmann umfaszt der Paragraph, ohne die für den Scholar
sofort verstandliche Hilfe zu enthalten, mit den einzelnen Vorben eine
halbe Seite. Aehnlich bei Rost. Kein Schüler wird sich daraoa ciaa
allgemeine Regel bilden, die er bei der Uebersetzung anwenden kaaa.
Stellt dagegen in der Note etwa folgende Bemerkung: *Der Grieaha
setzt zu den Verbis: it^^ai/G), Aai^Oavco, ^^O^avo, diorsii», ttip^
otxofjuit und vnccQXG} die den Begriff ergänzeude Thatigkeit in das Far-
ticip. Im deutschen übers, das Particip durch das Verb. ftniL, aad
das griechische Verbum durch ein Adverb.', so hat der ScbOler dea
griechischen Sprachgebrauch und den Unterschied der beiden Sprachen
in so kurzer Fassung, dasz er sich dieselbe verbotenus einpräfSi
kann. So oft ein Fall bei der Leetüre vorkommt, wird die Regel her-
gesagt und nach drei-, höchstens viermaliger Repetition silst sie iO
fest, dasz die Mehrzahl der Schüler, wenn sie im weitern Verlanf dar
Lcctüre in der Note die Bemerkung findet: ^Particip bei oSxofuxk, i
oben 12 II z. rvy%apG}'^ nicht mehr nachschlagt, sondern sich
Stichwort ^Particip' sofort der ganzen Regel erinnert Diese oftl
statigte Erfahrung veranlaszt mich, dem Hrn. Vf. vorzuschlagen,!
seine grammatischen Citute fallen zu lassen. Er kann dieses nai so
leichter, da er die von uns vorgeschlagene Methode gleichfalls ukoiä
angewandt hat und im citiercu der Grammatik sehr sparsam gewcisa
ist. Findet unser Vorschlag des Hrn. Vf. Beifall, so könnte s. B. iai
Kap. I <^ 2 bei aizsiv nag' crizfav die Bemerkung lauten: ^ akaiv wird
vorhersehend mit doppelten Acc. construiert. Wie ist es hier ge-
braucht?' — Zu § 4 würde ich die III 7 2 zu axoveiv gegebene Be-
merkung hiehersetzen nnd sofort sagen: 'Die Verba axovciyy anwOn-
vsad-ai usw.* Im $ 5 würde ich einfach die verschiedenen Worin ohsa
Citat angeben, den Unterschied kurz erläutern. Daselbst könnto an
dexccvaiog statt des Citats die Bemerkung zu I 18 4 in folgender Fas-
sung stehen: 'Umstände des Orts, der Zeit und der Art und Weise be-
zieht der Grieche auf die Person, nicht wie der Deutsche auf die Hand-
lung'. Dasz §6 BiQysiv c. Gen. construiert ist, mnsz der Schüler,
wenn der vorhergehende Unterricht seine Schuldigkeit gethan hat nnd
der Schüler in der Phraseologie geübt ist, selbst finden und bedarf
gar keines Citats, vielleicht nicht einmal einer Bemerkung, sondern
nur der Nachfrage des die Uebersetzung leitenden Lehrers.
• Arriant Aoabasis tob Hartmaiw. 480
Aber selbst dann, wenn der Hr Vf. ansern Vorschlag nicht bil-
ligt, möchten wir ihm doch für einzelne Fälle , wo er in seiner Ans*
gäbe auf frühere Steilen in seinen Noten zurückweist, eine Aenderung
vorschlagen, die gleichfalls Zeit erspart und doch zum Ziele führt,
deshalb gewis auch des geehrten Hm Vf. Beifall findet. Wir haben,
um nur von den vielen Stellen eine zu erwähnen und daran unsern Vor-
schlag zu erklaren, solche Citate im Auge, wie sich II 7 1 zu Xa&civ
findet. Dort wird nemlich auf 1 6 8 verwiesen und an dieser Stelle auf
die Grammatik; einfacher erscheint es aber, wenn das Citat der Gram-
matik hier wiederholt wird, da das erste Citat doch eigentlich rein
vergeblich ist. Aehnlich ist es mit Citaten, wie zu II 7 6, wo zuerst
auf I 20 5 verwiesen wird. Die gewünschte Auskunft steht aber I 18
6, worauf auch hingewiesen wird, und es möchte mithin ersprieszli-
eher sein, wenn letzteres Citat gleich zu II 7 6 gesetzt wäre.
Schlieszlich halten wir es für besser, dasz alle Bemerkungen,
die im Anfange des Buchs nöthig sind, auch an der betreffenden er«
sten Stelle gegeben und nicht in die Mitte oder an eine noch weitere
Stelle gesetzt werden, aufweiche dann im Anfange des Buchs verwiesen
wird; denn das nöthigt den Schüler, Stellen, die noch nicht gebraucht,
näher auszer ihrem Zusammenhange anzusehen und so wiederum die
Zeit zu versplittern. Hr Hartm. hat diese Weise auch zuweilen be-
folgt und bezieht sich darauf zum Theil gewis die Bemerkung der Vor-
rede: ^Sodann hat er es nicht unterlassen, dem Commentar die Ein-
richtung zu geben, dasz die Leetüre gleichviel mit diesem oder jenem
Abschnitt beginnen kann'. Aber das ist auch möglich, wenn alle Be-
merkungen da stehen, wo sie zuerst erforderlich sind, und wenn auf
dieselben dann zurückgewiesen wird.
Wir haben unsere Hochachtung und unsern Dank für die reiche
Belehrung, die wir aus dem sichern Tacte des Hrn Vf. erhalten haben,
nicht besser zu bethätigen gewust, als indem wir unsere Vorschläge
ihm mitgetheilt haben.
Clausthal. Vollbrecht
39.
Arithmetischer Nachtrag zu Xenoph. Anab. III 4 19 — 23.
In unserer in diesen Jahrbttchero (oben S. 76 ff.) abgedruckten
strategischen Erörterung der bezeichneten Stelle haben wir ans den
Worten des Xenophon nachzuweisen versucht, dasz Köchlys und Rtt-
slows Ansichten über die Aufstellung der 6 Lochen an der T^te und
Queue und die Bildung eines Oblongums (nXaiöiov heQOfATjxeg) nicht
haltbar sei. Im folgenden wollen wir zu beweisen versuchen, dasz
diese Ansicht der genannten Herren auch arithmetisch verwerflich ist.
i¥. Jahrb. /*. Pha, m. Paed, B<L LXXIV. Rß, 10. 35
490 Za XcDoph. Anab. 111 4 19—23. •
Ohwol sich aus Anab. 1 7 10 vergrlioben mit 11 3 7, 116 30 and
111 3 5 der ungefähre Bestand des Söldnerheeres zur Zeit der Bildaag
des Vierecks berechnen löszt, so wollen wir doch, da, yrit ooMre
verschiedenen Berechnungen bewiesen , das Endresultat 80 siemlich
(hisselbo bleibt, mit Küchly und Rüslow (S. 187) nur 8000 UopUlea
rechnen. Stellen wir diese nun in ein Oblongum, dasz Tdte und Froat
von je 300 Mann gebildet werden, so kommen auf jede Flaoke 3600
Mann. In geschlossener Stellung halte sonach die Töte bei 8 Mau
Tiefe genau 37 Mann Front, welche 111 griech. Fosz Frontraum deckea;
auf den Flanken stehen je 450 Mann bei ö Mann Tiefe, und die habea
i;^50 griech. Fusz Baum, wozu noch von Töte und Queue je MFuu
koinnien, so dasz mithin der Umfang des Vierecks 155178 □Fnaa be-
iriijri. Der innere Baum bietet, da Tete und Queue wegen der 8 Naaa
Tiofc der beiden Flanken um je 48 Fusz verlieren und somit nur fiO
Fusz breit sind, die Flanken aber nach Abzug jener 48 Fugs 1350 Fosi
behalten, 81000 DFusz Fläche und nehmen somit die 8000 Hoplilea
74178 DFusz Baum ein; woraus folgt, dasz in der Mitte auf 81000
GFusz in runder Summe etwa 8740 Mann stehen können. — Da aber
der Trosz gering angeschlagen (vgl. Köchly und Büstow S. 185) der
Zubl der (/Ombatlanten gleich ist, so wollen wir ihn auch nur in 8000
.'lann nehmen, dazu kommen mindestens 2000 Leichtbewaffnete. Dieae
10000 Mann finden somit im Oblongum keinen Baum und fflr die Pferde
und Ksel ist auch kein Platz.
Ganz anders gestaltet sich die Sache, wenn wir dieae 8000 Mana
uns Siels in ein Viereck gestellt denken. Jede Seite hat dann 350
^liccb. Fusz in geschlossener Stellung, das gibt einen Umfang voa
(^'iJOO Fusz. Der innere hohle Baum miszt an jeder Seite 202 Fnaa and
biciet eine Fläche von 40804 DFusz, auf welchem Ranme, da 8000
Mann 11696 Fusz gebrauchen, in runder Zahl 27900 Mann stehen köa-
non. iNehmen wir nun den Trosz und die Leichtbewaffneten an 11000
-l-nui, so o^rbrauciien die circa 16081 Fusz; und bleibt somit Raum für
:: Itis 300 Facklhierc und wird die Mitte nicht gedrängt, wenn die tt-
'j'<xc( övyy.vxxovGiv und die Front und Queue durch den Anstritt der
.'O.Mann sich verkleinern. Denn 300 Packthiere gebrauchen etwa
i'JiGO Fusz, so dasz im Centrum noch immer 5563 Fusz überschOsaiger
i^auni bleibt. — Ja, selbst wenn alle Seiten in die gedrängte Stellnag
hich zusammendrängten, so mösle allerdings die Mannschaft der
Mitte auch sich enger schlieszen, aber sie behielte doch immer mehr
Baum als die Hoplilen. — Sonach möchte es wol als sichei; und ana-
gemacht anzunehmen sein, dasz die Griechen stets das gleiobaeilige
Viereck gebildet haben, dessen Gleichseitigkeit nur dnroh den Ana-
lritt der 300 etwas verschoben ist *). Es entsteht nemlich die Frage,
♦) Noch güngtiger gestaltet sich die Berechnung, wenn wir 9800
Hopliten nehmen; und so grosz kann die Zahl recht gut zur Zeit der
Bildung de« Vierecks noch gevresen sein. Dann können in der Mitte
über 80000 Mann stehen.
Zu Xenoph. Anab. III 4 19—23. 491
wie viel Rotten (d. b. Mann in Front) die 6 Lochen beim spätem
wiedereinrücken in die Queue als Compagniecolonnen (kccxcc Xoxovg)
gehabt, ob sie^ anfangs im Gänsemarsch mit 100 Mann Tiefe oder,
wie Köchly und Rüstow S. 189 die Wahl lassen, zu 3 oder 6 Rotten
eingerückt sind. Im Gänsemarsch bilden sie zunächst 6 Mann Front in
der Queue, die in geschlossener Stellung 18 Fusz Raum bedürfen, als
Pentekostyen 36 Fusz, in Enomotieen 72 Fusz. In der T^te und Queue
fehlen nach dem Austritt der je 300 Mann 108 Fusz, die Queue wird
aber durch das einrücken in Enomotieen um 72 Fusz breiter als die
T^le und so wird nach unserer Ansicht die Form des Vierecks schon
hinreichend verschoben. Wollten wir die Compagniecolonnen zu 3
oder 6 Mann annehmen, so würde die Queue, sobald die 6 Lochen nach
Enomotieen einrücken, bei ersterer Annahme um 216, bei letzterer um
432 Fusz breiter als die T^te. Diese Misverhältnisse sind, das bedarf
keines Reweises, zu grosz, und so möchte auch diese Berechnung zei-
gen, dasz der Gänsemarsch so unbeliebt nicht gewesen ist. Allerdings
kommen nach unserer Ansicht 16 Glieder dieser 6 Lochen nach dem
Einmärsche in Enomotieen in die Mille zu stehen, das schadet aber nichts,
da hier Raum genug für sie ist; es hat vielmehr den Vortheil, dasz die
300 der T^te, wenn sie wieder in dieselbe einrücken sollen und wenn
wir sie uns an die Spitze der Lochen in der Queue gestellt denken,
ohne dasz die Queue sich öffnet, sich durch die Mitte hin nach vorn
bewegen und in die sich öffnende T^te an ihren alten Platz marschie-
ren können.
Clausthal. F. Vollbrecht.
40.
Die Poesie der Sprache, namentlich der deutschen.
Wie Figura zeigt, sind im gewöhnlichen unsere Grammatiken,
Stilistiken , Metriken so eingerichtet, dasz die Regeln in denselben an
und für sich nackt und dürr und etwa verbrämt mit Stellen aus Schrift-
stellern hingestellt werden, ohne sie aus dem Wesen und Wallen des
menschlichen Geistes, aus den natürlichen Anlagen des Menschen, aus
der Natur der Sprachorgane, aus gewissen allgemeinen Gewohnheiten,
Ansichten, Sitten und Gebräuchen herzuleiten, darauf zurückzuführen
— ein Mangel, der schon oft gerügt worden ist, aber von dem mau
sich zumeist noch nicht hat losmachen könnnen. Er stammt aus der
letzten Zeit der Lebensdauer der lateinischen und griechischen Sprache
her, wo die Grammatiker — geistlos und oberflächlich genug! — so
die beiden betreffenden Sprachen lehrten. Die lernenden werden da-
durch zumeist auf den Standpunkt gestellt, wie wenn die Grammatiker
oder die Schriftsteller die betreffenden Sprachen geschaffen, nach
35*
492 Die Poesie der Sprache, namentlich der dentachen«
ihrem individuellen Urtheile und GefQhle gemodelt hätten. Und doch
ist nichts unrichtiger als dieses. Nicht cinz^clnc, besonders hervorra-
gende Individuen, wol aber die menschliche Natar iiherhanpt, wie sie
da situiert ist von der Gottheit zur Schaffung der menschlichen Spra-
che, haben dieselbe hervorgearbeitet, ein ganzes Volk seino eigea-
thümliche Mundart, wobei nur manche Aeuszerlichkeiten mitgewirkt.
Die Gesetze also, die in einer Sprache herschen, sind jene unwillkttr-
lichen , in den Anlagen des Menschen aberhanpt begründeten Regela,
nach welchen wir sprechen; es ist darin nichts erfundenes, erkünstel-
tes, selbsterschafTenes, sondern nur gefundenes, dergestalt jedoch,
dasz wir dessen ungeachtet doch dabei verfahren können mit einer ge-
wissen Freiheit und Selbständigkeit. Von solchem Sehpunkle aaa
betrachtet, erscheinen die sprachlichen Erscheinungen erst in ihrem
wahren Lichte.
Diese Bemerkung soll uns hier einmal leiten bei der Metrik. Aaeb
hier hat man gemeinhin die Art, die belrelTenden Regeln nackt hinia-
steilen , ohne immer die jedesmaligen Gründe aufzusuchen and beisa-
fügen. Stellen ans Dichtern liefern meistens die kahlen Beweise; da-
her auch hier die gewöhnliche Ansicht, dasz die Dichter erst das ganie
gemacht hätten. Das ist aber nicht wahr: sie haben das meiste, das
nrsprüngliche, das wesentlichste bereits in dem vorhandenen Sprach-
schätze vorgefunden und das dort vorhandene entweder nur za ihreai
Zwecke passend zu benutzen verstanden oder organisch weiter forlge-
bildet. Es gibt wesentlich auch eine Poesie der Sprache, d.h. bewast
oder unbewust geschehene uranfünglich einfache oder zuaammeograp-
pierte lautliche Verbindungen, welche dem angeborenen Schönheits-
sinne des Menschen entsprossen sind und ihm entsprechen, Poiteie in
der ersten beschränkten Bedeutung genommen, wie itoiuv eigeatlich
von dem äuszern gestalten einer Sache gesagt worden ist. Die Dich-
ter brauchen also meistens nur zuzugreifen, um ihren Werken dieaa
oder jene äuszcre Schönheit zu geben, und ihre Kunst besteht ina-
fern meistenthcils nur darin, dasz sie mehr als andere verstehen den
vorhandenen Schatz zu heben, auszubeuten und zu vermehren.
AVill man hiervon die feste Ueberzeugung gewinnen, so betrachte
man nur unsere Muttersprache; sie liefert die schlagendsten Beweise:
sie ist höchst poesiereich in vielen Bildungen und Wortverknflpfan-
gen. Wir wollen uns die Mühe geben, solches im einzelnen darxathu.
Vor allem ist es das onomatopoetische, was eine Spraohe poC-
siereich macht. Diese Eigenschaft hat unser Deutsch in hohem Grade,
weniger im hochdeutschen Dialekte als in den verschiedenen voiki*
thümlichen Mundarten. Denn wie die Farben , die ein Maler anftrigl
auf sein Gemälde , den Farben der Wirklichkeit entsprechen müssen
sremäsz dem Zwecke seiner Kunst, so sollen und müssen anch nach
einem richtigen menschlichen Gefühle die Laute des menschlichen Nan-
des der geeignetsten Bezeichnung der Töne möglichst conform sein,
die durch sie ansgedrückt werden. Leider sind nur in unsern Gram-
maliken und Wörterbüchern noch nicht die einzelnen Laute — niseh-
Die Poesie der Sprache , namentlich der denlschen. 493
lieh nennt man sie gewöhnlich die Buchstaben — in dieser Beziehung
der gehörigen Berücksichtigung und Erörterung gewürdigt worden; iu
vielen Stücken ist es freilich auch keine leichte Sache. Indessen wird
jedermann leicht erkennen, wie richtig das Sprachgefühl unsere Alt-
vordern geleitet hat, wenn es sie z. B. veranlasst hat Wörter zu bil-
den wie: winzig, minder, mildern, milde, linde neben Nacht, Kraft,
hoch, grosz, Wucht. Dienen hier jene feinern und spitzigem Vokale
e und i nicht zum Ausdrucke des kleinen, winzigen, während a, o und
u das grosze, mächtige, hohe schon an sich bezeichnen? Ebenso ver-
hält es sich mit den Consonanlen, z. B. dem zischenden S und Z (vgl.
zischeu, 5i627fi5, st6t/are, s«cctis, siiis)^ dem schnarrenden R (vgl.
rollen, knarren, ruere^ roia, crepo)^ dem brummenden M (vgl. muck-
sen, mti/tis), dem hauchenden il (hauchen, halare)^ dem wehenden W
(wehen, Wind, ventus) usw. Auf gleiche Weise fährt dann das Sprach-
gefühl fort iu mancherlei Compositionen von Wörtern und Worten. In
ersterer Beziehung wollen wir nur auf eine Gattung von Ausdrücken
aufmerksam machen, meist zweisilbiger Art, wo die zweite Sitbe der
erstem entspricht, nur mit Veränderung des Vokales I in A. Es ist
auch diese Formbildung hergenommen aus der Natur, wo nicht selten,
wenn sich derselbe Ton wiederholt, eine kleine Schattierung eintritt,
die jenen Uebergang des I in den A-Laut bedingt. Man nehme nur das
picken einer Pendeluhr oder das klappen mit den Dreschflegeln beim
dreschen. Daher nun folgende onomatopoetische Wörter: klippklapp,
klitschklatsch, bimmbamm (der bumbaum kommt vom läuten der Glok-
ken), tipptapp, tripptrapp, pickpack, pilTpafT, ripsraps, rischrasch,
ritzratz, Schnickschnack, schnippschnapp, schwippschwapp, Zickzack
(von ziehen = hin- und herziehen). Beim schnellen, sofortigen wie-
derkehren einer solchen Sache (Indet oft eine Uebereilung statt, tritt
ein Misverhältnis ein; daher mehrere solcher Wörter eine üble Bedeu-
tung haben, als: klingklang, singtang, krimskrams (von kramen),
misehmasch, Wirrwarr, schlingschlang (von schlängeln, sich anschlän-
geln). Zwei- und mehrsilbige Wörter der Art sind: trippeltrappel,
kikelkakel, pipelpapel, krikelkrakel oder bairisch : gribesgrabes (von
yqiq>m)^ Wischiwaschi, schnitterschnatter, Fickfackereien. Aehnliches :
ruschemnsche (von mischen), raudimaudi (im bairischen), quirlequitsch
(von quirlen und quetschen), firlefanz (wo die AUitteration zu bemer-
ken), Sammelsurium (von sauer, suer), Runkunkel, Schlampampe und
schlampampen, dudeldumdei. Wortverbindungen der Art sind: flim-
mern und flammern, glitzen and glatzen, grinsen und grausen, knicken
und knacken, knittern und knattern, kribbeln and krabbeln, tippeln
und tappeln, trippeln and trappeln, zwicken and zwacken, weder
kicks noch kacks , lullen und lallen.
Eine zweite von Poesie zeugende Eigenschaft der Sprache über-
haupt und der deutschen insbesondere ist das metrische 9 das gemes-
sene, taktmäszige, was sich in so vielen Wortbildungen und volks-
thümlichen Redensarten kund gibt and seinen Grand hat in dem allge-
meinen menschlichen Sinne für Abgemessenheit, Regelmfiszigkeit, feste
404 Die Poesie der Sprache , namentlich der deutscheo.
Ordnung, Bestimmtheit. So wie uns derartiges objectives in der Aa-
szenwelt vielfältig entgegentritt und in dieser seiner Eigenthumlichkeit
ans Gefallen erweckt, ebenso strebt siibjectiv die menschliche Natur
nach gleichen Bildungen in der Sprache theils an sich, um auch hier
das gefällige, taktmäszige herzustellen, theils um dasselbe, wie es
sich in der Auszenwelt offenbart, sprachlich nachzuahmen und auf ähn-
liche Weise auszudrücken. In letzterer Beziehung sind die Gleich-
klänge in der Sprache eigentlich nichts weiter, als Nachbildungen der-
jenigen gleichen oder ähnlichen Töne und Dinge, wie sie um uns her
vorkommen. Das aneinander nach einer bestimmten Richtschnur ge-
reihte, ordnungsmaszige, taktvolle dort, im Räume, in der Zeit usw.,
wird auch hier das taktvolle und gemessene hervorrufen. Das lautlich-
metrische wird ein Spiegelbild der Wirklichkeit sein. Ja meisthin be-
gnügt sich nicht einmal der menschliche Geist mit dem bloszen metri-
schen und taktmäszigen im Gebrauche und in der Anordnung der ein-
zelnen Sprachtheile, der Wörter und Silben, er sucht die Ueberein-
Stimmung des sprachlichen mit dem was er ausdrücken will, noch ge-
nauer zu vermitteln: er wendet Assonanzen, Allitteration, Reime an,
selbst schon im gewöhnlichen Leben; seine innerste Natur treibt, zwingt
ihn gewissermaszen dazu. Alle diese Hervorbringungen sind demnach
nichts erkünsteltes, nichts durch menschliches reQectieren und grü-
beln erst erfundenes und erschaffenes, sondern durchaus lauter orga-
nische, aus der ursprünglichen menschlichen Natur, aus unsern Natur-
anlagen hervorgegangene Gebilde, mit denen nicht erst die Dichter
ihre Werke zu schmücken verstehen, sondern die sich vielfach bereila
in der gewönlichen Umgangssprache vorfinden. Gewissermaszen kann
man auch sie zur Onomatopoesie rechnen , insofern sie ursprünglich
und eigentlich dazu dienen, das objectivo subjectiv lautlich zu malen,
d. h. etwas sprachlich durch Laute des Mundes so darzustellen, wie
dasselbe es seiner Natur nach bed^gt und erheischt, oder vielmehr
dem Menschen erscheint nach dessen Auffassung. Zu gleicher Zeit
kann man sich daraus, dasz dergleichen unserm Geiste, wie dem Munde
und dem Ohre mundet, erklären, warum solches alles leicht übergeht
oder übergegangen ist in etwas feststehendes, stereotypes, formeU
hartes, was im gemeinen Leben gerade so so gern gebraucht wird:
man findet es natürlich, bequem. Folgende zahlreiche Beispiele tos
unserer deutschen Sprache in der gegebenen aufsteigenden Linie oi6*
gen das gesagte bewahrheiten.
Während wir die Einzelheiten von einer und derselben Artgleiok-
mäszig und fortlaufend also aufzählen, dasz wir sagen: eins, iwei,
drei, vier usw., in gleichem Tone so fortfahrend, geben wir das, was
paarweise da ist oder geschieht gewöhnlich, durch den Amphimacer
(jlviJl): wir fangen mit einer betonten, männlichen Silbe an und
schlieszeu mit einer gleichen, um das bestimmte, das maszvolle, den
Takt so recht kräftig auszudrücken ; die unbetonte mittlere Silbe dient
dazu , um jene beiden zu verbinden und noch stärker hervortreten sa
Die Podsie der Sprache, namentlicli der dealsohen. 405
lassen. Man sagt daher in dem Falle: |eins und zwei|, |zwei und drdi,
Idrei und vier| a. s. f. Ganz der Natur dieses paarweisen zahlens und
den desfalisigen beobachteten Tempos gemäsz ist es, wenn wir bei der
Aufzählung von paarweisen Dingen oder Vorstellungen in gleicher
Weise sprechen, also: 1) ohne Schmuck. Arm und Bein, Aug und
Ohr, Hals und Kopf, Hals und Bein, Hand und Fusz, Milch und Blut,
Hut und Stock, Tisch und Bett, Grab und Tod, Herr und Knecht, Knecht
und Magd, Mann und Frau, Mann und Weib, Weib und Kind, jung und
alt, klein und grosz oder grosz und klein, arm und reich, Berg und
Thal, Land und Meer, Ost und West, Süd und Nord, Bier und Wein,
Zank und Streit, Eis und Schnee, schwarz auf weisz, nah und fern,
breit und schmal, alt und grau, zart und fein, rechts und links, heisz
und schwül, wüst und leer, ja und nein, ein und aus oder aus und ein,
vor und nach, ab und zu, dies und Jens, hier und da, nach wie vor.
— 2) mit Schmuck, d. h. mit theilweiser oder vollständiger lautlicher
Uebereinstimmung (weil wesentlich die Dinge oder die Vorstellungen,
welche ausgedruckt werden, in Uebereinstimmung stehen, einander
ähnlich oder gleich sind oder gedacht werden, so sucht sich das Sprach-
gefühl solche Ausdrücke, die einander ähneln oder gleichen), a) mit
Assonanz: Tag und Nacht, Sonn^ und Mond, Stadt und Land, Schrot
und Korn, Spott und Hohn, Scherz und Ernst, Gram und Harm, stark
und schwach, kurz und gut, ganz und gar. — b) mitAllitteration: Mann
und Maus, Fleisch und Blut, Thor und Thür oder Thür und Thor, Spiesz
und Speer, (weder) Fisch noch Fleisch, Haus und Hof, Herz und Hand,
Sand und Staub, Schutz und Schirm, Ruh und Rast, Flur und Feld,
Stahl und Stein, Milch und Mehl, Wies' und Wald, Fürst und Volk,
Geld und Gut, Stumpf und Stiel, Lieb** und Leid, Fried'' und Freud\
Lust und Lieb% Stock und Stein, Wohl und Weh, Scherz und Spiel,
hoch und hehr, fett und feist, wüst und wirr, baar und blosz, kurz
und gut, keck und kühn, braun und blau, los und leer, frisch und frei,
frank und frei, wahr und warm, froh und frei, starr und steif, steif
und fest, müd und matt, ganz und gar, spitz und stumpf, grosz und
klein, gut und gern, gelb und grüu, weich und warm, kreuz und
quer, derb und dicht, dick und dünn, hin und her, drum und dran,
drauf und dran, da und dort, drin und draus, wo und wann, wer und
wie, dies und das. — c) mit Reimen: Dach und Fach, Dreck und Speck,
Feld und Wald, Grusz und Kusz, Gut und Blut, Freud' und Leid, Freund
und Feind, Kern und Stern, Krieg und Sieg, Kraft und Saft, Lug und
Trug, mein and dein, Noth und Tod, Knall und Fall, Rand und Band,
Ralh und That, Sack und Pack, Salz und Schmalz, Saus und Braus,
Schutz und Trutz, Schritt und Tritt, Steg nnd Weg, Stein und Bein
(schwören), Stock und Block, Sang und Klang, Rauch und Schmauch,
schlecht und recht, toll und voll, weit und breit, dann und wann. — •
d) unter Wiederholung desselben Wortes : Arm in Arm, Hand in Hand,
gleich und gleich, eins und eins, zwei and zwei, drei und drei usw.,
der und der, da and da, Kopf an Kopf, Brust an Brust, Mund an Mund,
496 Die Po۟e der Sprache, namenllich der devlioheo.
Glied an Glied, Glied far^Glied, Mann an Mann, Mann ffir Mann, Tag
für Tag, Wort für (an) Wort, Satz für (an) Satz , Laut für (an) Laut,
Haus an (bei, für) Haus, Schlag auf Schlag, Blitz auf Blitz, Schusz
auf Schusz, Schritt far Schritt, Tritt auf (für) Tritt, Stich auf (an)
Stich, Thür an Thfir, Thor an Thor, Baum an (für) Baum, Blatt an
(für) Blatt, Geld auf Geld, Zins auf Zins, Schiff an Schiff, Dorf an
(bei) Dorf, Stadt an (für, bei) Stadt, Stern an (bei) Stern, Krieg auf
Krieg, Sieg auf Sieg, halb und halb, fort und fort, für und für, durch
und durch, nach und nach, um und um. Aus der Kraft und Schönheit
dieses Rhythmus kann man es sich zugleich erklären , warum in un>
serer Sprache eine so grosze Menge so gebauter Wörter vorhanden
sind, wobei ebenfalls, wenn auch nicht Reim, doch Assonanz und AI-
litteration stattfinden kann, z. B. Artigkeit, Flüssigkeit, Sicherheit,
Herzeleid, Schnelligkeit, Zärtlichkeit, himmelblau, federleicht;
Leichtigkeit, Zeitvertreib, kunterbunt, kugelrund, regelrecht, cent-
nerschwer; feuerfest, liebeleer, himmelhoch, lichterloh, rosenrolh,
felsenfest, nagelneu, vogelfrei, lendenlahm, freudenvoll, Windes-
wehn. Wiese wachs, Friedefürst, Lebenslust, Bilderbuch, Herrenhof,
Heldenherz usw.
Milder und darum weniger krfiftig aber fast ebenso hfiufig ist in
dem Falle der weibliche weiche Trochaeus zu Ende, so dasz zwei Tro-
chaeen, ein Ditroohaeus ( — ^|~^) erscheinen, als 1) ohne weitem
Schmuck: Maul und Nase, Mund und Nase, Arm^ und Beine, Kopf und
Beine, Stub^ und Kammer, Schlosz und Riegel, Blitz und Donner,
Sturm und Regen, Schnee und Regen, Frost und Hitze, Furcht und
Grauen, Lust und Freude, Hund und Katze, Haut und Knochen, Haus
und Garten, Grund und Boden, Licht und Schatten, Wall und Graben,
Stahl und Eisen, Brief und Siegel, Leib und Seele, Gram nnd Sorge,
Thür und Fenster, Fferd^ und Wagen, faul nnd träge, klein und win-
zig, sacht und leise, hoch und theuer, recht und billig, hin und wie*
der, inn^ und anszen. — 2) mit anderweitigem Schmucke, nemlich a)
mit Assonanz: Zeit und Weile, Mord und Todtschlag, dürr und dflrf-
tig, gäng und gäbe, angst und bange. — b) mit Allitteration: Bast und
Borke, Fried^ und Freude, Gift und Galle, Gunst und Gaben, Hahn und
Henne, Haus und Hütte, Hirt und Heerde, Koch und Kellner, KOch^
und Keller, Kind und Kegel, Land und Leute, Leib und Leben, Licht
nnd Leben, Lust und Leben, Mund und Magen, Recht und Uebel, Rots
und Reiter, Sammt und Seide, Schimpf und Schande, Sitz und Stim-
me, Schlosz und Schlüssel, Schmach und Schande, thun und treiben,
Wald und Weide, Wind nnd Wetter, Wehr und Waffen, Wort' nnd
Werke, Zaum und Zügel, brav und bieder, dürr und trocken, dürr nnd
dürftig, fix und fertig, froh und fröhlich, gang und gäbe, gnt und gerne,
hell und heiter, laut und leise, leicht und lose, los und ledig, morsch
und mürbe, nett und niedlich, drinn^ und drauszen, samt und sonders.
— Reime sind hier selten, wie etwa die oben angeführten: rnsche-
musche, raudimaudi (vgl. das französische pöle-m^le); häufig dagegen
wieder Wortcompositionen wie: Altersschwäche, Männer warde,FraneB-
Die Poteie der Sprache, namentlieli der deolschen. 497
Schleier, Kinderspiele, Tageshelle, Sonnenwärme, Donnerwetter, Ster-
nenschimmer, Feuerflamme, Königskerze, Widerwille, wetterwen-
disch, zackersäsze, barenbeiszig, lebenslustig, kerzengrade, bitter-
böse.— Weitere Fortsetzungen dieses Rhythmus mit und ohne gleichen
Schmuck sind: nie oder nun und nimmermehr, ewig und sein Tage,
Blitz und alle Hagel, Braten und Fasteten, Bomllen und Granaten, Pau-
ken (Pfeifen) und Trompeten, sterben und verderben, biegen oder bre-
chen , schwänzen und schärwenzen, Freunde und Verwandte, Nachbarn
und desgleichen, Nachbarn und Gevattern, Vettern und Frau-Muhmen,
lärmen und spectakeln, ohne Gram und Sorgen, oberhalb und unter-
halb, innerhalb und auszerhalb, früher oder später, ein für alle male.
Statt des ersten Trochaeus tritt aber auch wol ein Daktylus, also
zuvörderst ein Choriambus (~^^ |-) ein, nicht ohne der Natur dieses
Metrums zufolge, dem ganzen eine gröszere Lebendigkeit, eine schnel-
lere Bewegung zu verleihen, als 1) ohne weiteren Schmuck: Butter
und Schmalz, Fenster und Thür, Feuer und Schwert, Silber und Gold,
Vater und Sohn , Mutter und Kind , Kunst und Geschick , Wasser und
Brod, übel und weh. — 2) mit Schmuck: a) mit Assonanz: Macht
und Gewalt, Marter und Qual, Hunger und Durst. — b) mit Allittera-
tion: Butter und Brot, Pulver und Blei, Schiff und Geschirr, Stecken
und Stab , Stiefel und Sporn , Wasser und Wein , bieder und brav,
wirklich und wahr , auf und davon.
Beispiele zu dem Falle , wo zum Daktylus sich ein Trochaeus ge-
sellt, sind: l) ohne weitern Schmuck: Himmel und Erde, Männer und
Frauen, Weiber und Kinder, Fleisch und Gemüse, hören und sehen, •
Sommer und Winter, Hitze und Kälte, Vater und Mutter, Hühner und
Gänse, Mutter und Tochler, Bruder und Schwester, Aepfel und Birnen,
essen und trinken, wachen und schlafen, heiter und fröhlich, immer
und ewig, wol oder übel, lachen und weinen, alles und jedes, dieser
und jener, unten und oben, innen und auszen, hinten und vorne, pfef-
fern und salzen (gepfeffert und gesalzen), hüpfen und tanzen, säen und
ernten, leiten und führen, zittern und beben, suchen und finden, wüh-
len und mähren , schinden und plagen usw. — 2) mit anderweitigem
Schmuck: a) mit Assonanz: Hunger und Kummer, Wissen und Wil-
len, Freiheit und Gleichheit, Pflicht und Gewissen, sengen und bren-
nen, härmen und grämen, locker und lose, recken und regen, zischen
und sieden, wallen und wandern, wonnig und wohlig. — b) mit Allit-
teration: Schuster und Schneider, Himmel und Hölle, Stiefel und Spo*
ren, Bürger und Bauer, Kaiser und König, Feuer und Flammen, Wissen
und Willen, Sünde und Schande, (in allen) Zungen nnd Zonen, Witt-
wen und Waisen, Fahnen nnd Plaggen, Donner und Doria, Dornen und
Disteln, Blüten und Blumen, mischen und mengen, schinden und scha-
ben, mähren und mengen, biegen und brechen, denken und dichten,
singen und sagen, wanken und weichen, rocken und reiben, drängen
nnd treiben, dichten und trachten, dulden und tragen, zucken und za-
gen, tittern und zagen, hängen und hapern, hoffen und harren, glän-
zen und gleiszen, glitsern nnd glänzen, brocken und beiszen, bitten
496 Die Poösie der Sprache, nameutlich der deatBohen.
und betteln, rühren und regen, leiben und leben, pochen und prahlen,
(sich) letzen und laben, summen und sausen, schützen und schirmen,
trennen und theilen, kommen und gehen, (sich) brüsten und prunkea,
lenken und leiten, wetten und wagen, ziehen und zerren, sieden und
zischen, wogen und wallen, wallen und wandern, lehren und lernen,
plappern und plaudern, wonnig und wohlig, mehr oder minder, bitter
und böse, düster und trübe, locker und lose, knorrig und klobig, drin-
nen und drauszen, drunter und drüber. — c) mit Keim: Freuden and
Leiden, Freunde und Feinde, Hülle und Fülle, Felder und Wälder,
Habchen und ßabchen, Hehler und Stehler, Pfiffe und Kniffe, Handel
und Wandel, irren und wirren, Ränte und Fante, hager und mager,
freudvoll und leidvoli, glitzen und blitzen, happeln und zappeln, han-
gen und bangen, langen und bangen, hauen und kauen, hehlen und
stehlen, herzen und scherzen, fügen und schmiegen, kehren und weh«
ren, gehen und stehen, kullern und bullern, hegen und pQegen, halten
und schalten, heucheln und schmeicheln, lärmen und schwärmen, le-
ben und weben, manschen und planschen, nebeln und schwebein, (sich)
ranzen und schwänzen, rütteln und schütteln, (sich) schämen und gr&*
men , schmollen und grollen, sollen und wollen, sitzen und schwitzen,
schniegeln und piegeln, stützen und schützen, stopfen und pfropfen,
temmen und schlemmen, salzen und schmalzen, sausen und brausen,
wanken und schwanken, wibbeln und kribbeln, wiegen und biegen,
winden und wenden, wabbeln und schwabbeln, schalten und walten,
friedlich und schiedlich, freundlich und friedlich, traurig und schau-
.rig, hulter di pulter (holter di polter), rummel di bummel, haben
und drüben.
Eine unbetonte Silbe wird sich dann vorfügen, wenn ein anheben,
ansetzen, ein fortgehen, ein aus- und fortschreiten ausgedrückt wer-
den soll. Dann tritt das iambische, oder iambisch-anapaestische oder
anapaestisch-iambische Metrum ein, was seiner Natur nach jener ForU
bewegung entspricht. Auch hier ist der Rhythmus entweder allein oder
durch Assonanz , Allitteration, Wiederholung desselben Wortes oder
durch Reim verstärkt und verschönt: Gewehr | bei Fusz |, die Angen
rechts (links), zu Berg zu Thal, in Reih und Glied, mit Fug und Recht,
zu Lieb^ und Leid, auf Schritt und Tritt, durch dick und dünn, tos
Ast zu Ast, von Baum zu Baum, von Dach zu Dach, von Dorf zu Dorf,
von Jahr zu Jahr, Jahr aus Jahr ein, von Zeit zu Zeit, von Hand SU
Hand, von Haus zu Haus, von Hinz zu Kunz, von Land zu Land, tob
Mund zu Mund, von Fol zu Pol, von Stern zu Stern, Berg auf Berff
ab, Strom auf Strom, ab, Treppt auf Treppt ab, von Stadt zn Stadt,
von Zweig zu Zweig, von Steg zu Steg, nicht aus noch ein, er jagt
und rennt usw., von heiler Haut, wie Sand am Meer, nicht hin nicht
her, die weite Welt, die Länge lang, sein Lebelang, an Haupt nnd
Gliedern, in Bausch und Bogen, ^s ist Maus wie Mann, wol oder Abel,
zu Nutz und Frommen, wie Stahl und Eisen , wie Hund nnd Katze, bei
Leibes Leben, zu Kreuze kriechen, verbittert und vergällt, lebAidig
Die Porste der Sprache, namenUieh der deutochen. 490
oder todt, erbaulich und beschaulich, gestiefelt und gespornt, ver-
gessen und vergeben, Bekannte und Verwandte, bereitet und gerüstet,
für Geld und gute Worte, hinüber und herüber, vom gröszten bis zum
kleinsten, ein Herz und eine Seele, von Pontius zu Pilatus, vom Schei-
tel bis zur Sohle, (in) Geschichten und Gedichten, mit Leib und Seele,
— von Kopf I bis zu Fusz | , von Stufe zu Stufe , bei Heller und Pfen-
nig, von Scholle zu Scholle, von Treppe zu Treppe, von Stiege zu
Stiege, in Kelten und Banden, ans Kerker und Kelten, im groszen und
%^ %^ — w —
kleinen, — über Hals | und Kopf |, über Land und Meer, über kurz
und lang, über Berg und Thal, über Stock und Block, Über Stock und
Stein , über Tisch^ und Bänke , unter Dach und Fach , unter Glas und
Rahmen , weder aus noch ein , Friede hin Friede her.
Diese derartige blosze Wortpoäsie wird nun aber auch weiter
zur förmlichen allseitigen Poesie, wobei nemlich auch die Gedanken in
Betracht kommen, jedoch noch immer erst zur VolkspoSsie , wo sie
sich zu der Art von Gnomenpoäsie gestalten, die wir unter dem Namen
der Sprüchwörter begreifen. Auch in dem Fache ist unser poäsierei-
ches deutsches Volk überaus fruchtbar. Wir wollen nur eine Auswahl
derselben treffen ; wer mehr haben will , mag Simrocks Sammlung ein-
sehen. Hier begegnet uns meist ebenso taktvoller Numerus, wie jene
Zierralhen: Assonanzen, Allitterationen, Reime, obwol der erstere we-
niger streng regelrecht als in der Kunstpo^sie gehandhabt wird, nicht
ohne Naturgemöszheit, weil man im gewöhnlichen nicht eine so strenge
Regelrichligkeit erwartet und zu erwarten hat, durch dieselbe auch
eine zu grosze Einförmigkeit und Steifheit hervorgebracht wird, wes-
halb ja selbst berühmte Knnstdichter von dieser, obwol scheinbaren,
Nachlässigkeit mit groszem Vortheil Gebrauch gemacht haben, z. B.
Goethe im Erlkönig, Uhland in nicht wenigen seiner Gedichte. So wird
man denn den Sprüchwörtern gerade diesen Punkt zum Lobe und zur
Empfehlung anrechnen dürfen. Aemtchen bringt Käppchen. Als Gäns-
ehen gieng sie über den Rhein und kam als Gans gar wieder heim.
Oder: als Häuschen gieng er über den Rhein und kam als Hans gar
wieder heim. Art läszt nicht von Art. An Gottes Segen ist alles ge-
legen. Aufgeschoben ist \iicht aufgehoben. Aus dem Regen in die
Traufe kommen. Borgen macht Sorgen. Der Bauer ein Lauer. Der
Lauscher an der Wand hört seine eigne Schand\ Der Mensch denkt,
Gott lenkt. Ehestand Wehestand. Ehre verloren, alles verloren. Eile
mit Weile ! Einem geschenkten Gaul sieht man nicht ins Maul. Eine
gute Miene zum bösen Spiele machen. Ein gutes Wort findet einen gu-
ten Ort (eine gute Statt). Ein gut Gewissen ein sanftes Ruhekissen.
Einmal ist kein mal. Ein Preis ohne Schweisz. Es ist nichts so klar
gesponnen , es kommt doch endlich an die Sonnen. Fische fangen und
Vogel stellen verderben manchen Junggesellen. Fischen und jagen
macht hungrige Magen. Friede ernährt, Unfriede verzehrt. Frische
Fische gute Fische. Früh zu Bett^ und früh wieder auf, macht frisch
ao Leib und reich im Kauf. Geschwind wie der Wind. Gleich und
500 Die Poösie der Sprache, nameotiich der deutschen.
gleich gesellt sich gern. Glück und Glas, wie bald bricht das.
Glficklich ist, wer das vergiszt, was doch nicht zu ändern ist. Grün
and gehl und jämmerlich, sieh mich an und fris2 mich nich. Heute
mir, morgen dir. Heute roth, morgen todt. Hoffen und harren macht
manchen zum Narren. Je gelehrter , desto verkehrter. Jeden Gro-
schen umkehren. Jung gewohnt, alt gethan. Ist es nicht gescheffelt,
ist es doch gelöffelt. Kommt Zeit, kommt Rath. Ländlich sittlich.
Lust und Liebe zu einem Ding macht alle Müh und Arbeit gering. Mon
musz sich (lerne dich) strecken nach der Decken. Mit dem Hut in der
Hand kommt man durchs ganze Land. Mitgegangen, mitgefangen, niit>
gehangen. Morgenstund^ hat Gold im Mund. Noth bricht Eisen. Noth
kennt kein Gebot. Noth lehrt beten. Schuster bleib bei deinem Lei*
sten ! ^s ist etwas und doch nichts, ^s ist noth am Mann. Selber ist
der Mann. Träume sind Schäume. Treue Hand geht durchs ganze
Land. Trunkner Mund spricht Herzensgrund. Uebung macht den Mei-
ster. Unverhofft kommt oft. Verloren ist verloren. Was Häuschen
nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Was ich nicht weisz, macht mich
nicht heisz. Wer andern eine Grube gräbt, fallt oft selbst hinein.
Wer gut schmeert, der gut fährt. Wie die Alten sungen, so zwit-
schern auch die Jungen. Wie gewonnen, so zerronnen. Wie man^s
treibt, so geht'^s. Wurst wider Wurst. Zuvor gethan und naohbe-
dacht, hat manchen schon viel (in) Leid gebracht.
Das sind Hervorbringungen der Volks- oder Naturpoäsie, and in
ihnen treten zu Tage all die Schönheiten , welche in den gewöhn-
lichen Metriken oder Grammatiken den hervorragendsten Dichtern
zugeschrieben werden, fälschlicher Weise, wie man wol sieht: sie
ruhen tiefer, in der allgemeinen menschlichen Natur; eben daher
stammen jene Schönheiten der Sprache, die wir oben erörtert haben,
und die man unter dem allgemeinen Namen der ^Poßsie der Spra-
che' zu begreifen hat, mit welcher die Natur- oder Volkspoösie eng
zusammenhängt.
Brandenburg a/H. Dr. Hefßer.
41*
Antwort auf die im 7ten Heft des 74ten Bandes der Neuen
Jahrbücher S. 358 enthaltenen „Bitte an die Herausgeber
des griechischen Wörterbuchs von
Passow und Rost."
Die am Ende des Artikels (pQi^v Th. 4 S. 2342 enthaltenen Worte
lauteten ursprünglich :
^ Döderlein Homer. Gloss. n. 952 denkt an agxi^eiVy fSqHxlvuv,
findere Cipr^v = tpQaiHv^ 9>i^vsj g>Qfivj ^^ifv«
Auszüge aus Zeittebriflen. fiOl
Da der Artikel dreimal von mir timgesobrieben wurde, ehe er
mir genügte , so ist leider durch ^ ein eicht leicht verzeihliches Verse-
hen' und durch ^eiu zu geringes Masz von Akribie' das Wort ^^a^Eiv
bei der Umarbeitung ausgefallen. Dasz aber der Verf. den Dr Döder-
lein damit nicht zum ^Tollbäusler' machen wollte, beweist fflr den Le-
ser hinlänglich der Zusammenhang, wo es heiszt: Döderlein denkt —
q>Qi^v^ Passow mit Aristoteles — übereinstimmender an g>Qdaasi,v^ in-
dem hierdurch beide Etymol. als zulässig erklärt und nur für die Pas-
sowsche die Anctoritat des Aristoteles in die Wagschale geworfen
wird. Natürlich wird das Versehen im Druckfehlerverzeichnisse be-
merkt werden und es würde dies ebenso bereitwillig geschehen sein,
wenn auch das an sich gerechte verlangen des Herrn Dr Döderlein in
weniger schroffer und unfreundlicher Form gestellt worden wäre.
Der vom Artikel g>svKT6g an allein verantwortliche Herausgeber
des Passowscben Handwörterbuchs
Dr. Benseier,
Auszüge aus Zeilschriften.
Paedagogische Revue^ herausgegeben von W. Langbein, Jhrg.
1856.
Ja NU ARU. I Abth. Ballauf: über die Entstehung der Anschauung
vom räomlichen (S. 1 — 21). — Volkmann: über das Grödner- Roma-
nisch (S. 25 — 34). — Preusse: die Bildungselemente, welche Nord-
deutschland nicht besitzt (8. 35 — 62: aus dem Handbuche der neueren
französischen Litteratur für die oberen Klassen höherer katholischer
Schulanstalten von Karker, Breslau 1855 wird gezeigt, welches denn
eigentlich die Ideen und Anschauungsweisen sind, in welchen die Schule,
die Eugen Rendu vertritt, die deutsche Jugend zu erziehen beabsich-
tigt). — Bernays: Jos. Just. Scaliger. Angez. v. Grautoff (S. 63
— 74: sehr anerkennende Darlegung des Inhalts). — Philologische Mis-
cellen (S. 74 — 82: die Untersuchungen von Ed. Gerhard über den
Achaeerstamm werden zwar als bedeutsam anerkannt, die Methode aber
ebenso wie die Resultate als unrichtig bestritten). — II. Abth. Allge-
meine Lehrverfassnng für die Gymnasien des Fürstenthums Schwarzburg-
Sondershausen (S. 1 — 26). — Aus Würtemberg. Instruction für die
Lehrerconvente zur Beurtheiiung dessen, was zur Reife für die Uni-
versität erfordert wird, und Instruction zur Vornahme der Maturitäts-
prüfung für die hiezu bestellte Commisaion (S. 27—31). t= Februarh.
I Abth. Queck: die Einheit des Gymnasialnnterrichts (S. 83 — 104:
Nach dem Satze: 'die Aufgabe der Gymnasialbildung wird erreicht
werden durch Aneignung der realen Bildungsstoffe und durch Be-
nutzung und Ausbeutung derselben für geistig - formale und sittlich-
ideale Bildung' wird die Stellung der einzelnen Unterrichtsfächer zum
ganzen bestimmt und auszerdem einige Vorschläge für die praktische
Ausführung [namentlich Znrückfübrung der Klassen- oder HauptlehrerJ
gegeben). — Robolsky: der Zweck des Unterrichts in den neuern
502 Aaszöge aas Zeitschriflen.
Sprachen auf der höhern Bürgerschule (S. 105 — 126). — Geseniusi
hebr. Grammatik. Herausgeg. von Rödiger. I7e Aufl. und Lcvy:
Eleraentarbuch der hebr. Sprache. Angez. von Muhlberg (S. 127 —
130). — Schubart: Beiträge zu einer Methodologie der diplomatischen
Kritik. Angez. v. C[ampeVJ (S. 130— J 38: Ref. spricht sich gegen die
Ausschlieszung der Kritik von der Interpretation in der Schule aus
und stellt sodann den Inhalt des als sehr werthvoll bezeichneten Buches
dar). — Philologische Miscellen (S. 154 — 159: über Friedrich Ja-
cob als Lehrer, Spengel: das philologische Seminarium in München
und die Ultramontanen, endlich v. Las au Ix: gesammelte Abhandlun-
gen). — II. Abth. Statuten des philologischen Seminars in Tübingen
(S. 55 — 57). — Die Verordnungen des k. preusz. Ministeriums vom 7.
und 12. Jan. 1856 (S. 57 — 70). — Das österreichische Concordat mit
dem Papste in Uebersetzung (S. 70 — 80). = Märzh. I. Abth. F. J.
Günther: über das Buch de T^ducation populaire dans TAllemagne
du Nord et de ses rapports avec les doctrines philosophiques et reli-
gieuses p. E, Rendu (S. 167 — 196: das lugenhafte und verleumderi-
sche in dem Buche wird genügend blos gestellt). — Volkmann: zu
Plutarch de musica (S. 197 — '207: über die Echtheit der Schrift und
über die darin geschilderte musikalische und dichterische Wirksamkeit
des Terpander). — Zucht-, Straf- und Arbeitssystem in der k. preusz.
Landesschule Pforta unter Ilgens Directorat in den Jahren 1824—1830.
Ans den Papieren eines ehemaligen Alumnus dieser Anstalt H. E. (S.
208 — 221). — Niese: das christliche Gymnasium. Ang. v. Probst-
hau (S. 222 — 224: Referat über das Buch und Verlangen, die Zahl
der wöchentlichen Religionsstunden zu vermehren). — Hottenrott:
Uebungsbuch für den ersten Unterricht in der griechischen Sprache.
Ang. V. Mühlberg (S. 224— 226: gelobt). — Otto: französische Con-
versationsgrammatik. Ang. v. Barbieux (S. 226 — 233: viel Tadel).
— Kühner: Anleitung zum übersetzen aus dem deutschen ins latein*
nebst Wörterbuch. Ang. v. Qu eck (S. 233 — 235: Anerkennung aU
vortrefflich, aber einige Bedenken). — Brückner: hebr. Leseboch.
2e Aufl. Ang. v. Mühlberg (8. 235 — 237: sehr gelobt). — Heri-
berg: Geschichte des Volkes Israel. 2e — 4e Lief. Ang. v. demselben
(S. 238— 241 ). — Mühlberg: mehrere Stellen in Herodots Geschichte,
verglichen mit ähnlichen und gleichen Steilen der heiligen Schrift (8.
242—245). — Eyth: Geschichte und Kunst (S. 246 — 250: nach einer
allgemeinen Einleitung wird der Bilderatlas zum Studium der Weltge-
schichte von Weisser mit Text v. H. Merz empfohlen). — II, Abtb.
Programme (S. 94 — 101: von Marien werder, Greiffenberg, Mahlhansen,
Frankfurt a/O , Stettin, Breslau u. a. Städten mit kürzern und langem
Auszügen ans den Schulnachrichten). — Geschichte und Statuten der
Lehrer- und Wittwenpensionsstiftung am Gymnasium zu Elberfeld (8.
101 — 105). — Rundschreiben des k. Oberschulcollegiums in HannoTer
V. 24. Sept. 1855 (S. 105 f.). — Mittheilung des Lehrplans v. Gymn.
zu Mainz (S. 106—110). — Auszug aus den Monatsberichten der ber-
liner Akademie (S. 116—118). — Von Beckendorf: 100 Fragen (S,
119—124). = Aprilh. I. Abth. Bücheier: der französische Unterricht
in der Realschule (S. 251—276). — Robolsky: die franz. Sprach-
forschung im Gegensatz gegen die deutsche (S. 277 — 288: Beweis, dasi
in Frankreich eine gewisse Zunft von Gelehrten ihr Wesen treibt, die
über das Verdienst der deutschen Philologen ungerecht urtheilt). —
Müller u. Zarncke: mittelhochdeutsches Wörterbuch. 2r Bd. 1. Lief.
Ang. V. Schweizer (S. 288 — 293: sehr gelobt). — Emsmann: vor-
bereitender Cursus der Experimentalphysik. 2e Aufl. Ang. v. Lgbn
(S. 293 f.: als paedagogisch sehr brauchbar bezeichnet). — Leunis:
Synopsis der drei Naturreiche. Ang. v. Menzel (S. 294 — 302! viele
AnsKüge ans Zeitsehriflen. 503
Anerkennung). — Historische Miscellen. V. Campe (8,311—314: Verf.
erklärt sich für den Gebrauch von Compendien bei dem Geschicbtsnn-
terrich statt Tabellen und wünscht die ethische Seite desselben mehr
hervorgehoben). = II. Abth. Lehrplan der St-Annenschule in St. Peters-
burg (S. 126 — 128). — Instruction des franz. Unterrichtsministers ▼•
15. Novbr. 1854 (S. 149-159). = Mai-Jünih. I. Abth. Schmeding:
Bemerkungen über das darstellen in fremden Sprachen, besonders un
französischen nach seinem Bildungsmomente (S. 315—333). — Zitier:
Einleitung in die allgemeine Paedagogik. Ang. v. Lgbn (S. 334 f.&
viele Anerkennung). — Thiersch: Grammatik d. griech. Spr. Ang.
V. Volkmann (S. 336 — 346: die wissenschaftliche Leistung sehr ge-
rühmt, gegen die Brauchbarkeit in der Schule aber Bedenken geau-
szert). — Bäum lein: griech. Schulgrammatik. Ang. v. Ruthardt
(S. 3i6 — 352: wird in paedagogischer Hinsicht sehr freudig begrüszt.
Mannigfache einzelne Bemerkungen). — Fischer: Compendium d. lat.
Spr. 2rCurs. Ang. v. Qu eck (S. 352 f.: brauchbar trotz Ungenauig-
keiten und Incorrectheiten). — El lendt-Seyffert: lat. Grammatik.
Ang. V. dems. (8. 353: empfohlen). — Koch: Wörterbuch zu Virgil.
Ang. V. dems. (S. 354: verworfen). — DeCastres: neue kritisch
vergleichende Syntax der französ. Sprache. Ang. v. Robolsky (S.
354 — 359: Lehrern sehr empfohlen). — Schäfer: der Briefschüler.
Herausgeg. t. De Gast res. Ang. v. dems. (S. 359: der Inhalt oft
unnatürlich für die Schüler, die Noten sehr lehrreich). — Reignier:
Grammatik d. franz. Spr. Ang. y. dems. (S. 360 f.: schon wegen des
deutschen Stils unbrauchbar). — Atala-Ren^ v. Chateaubriand. Zum
übers, aus d. deutschen ins franz. Ang. v. dems. (S. 361: die Idee un-
gehörig). — Plötz: voyage k Paris. Ang. v. dems. (S. 361 f.: Leh-
rern empfohlen). — Schmidt: Taschenbuch d. engl. Umgangssprache
und Busch und Skelton: Handbuch d. engl. Umgangssprache. Ang.
V. dems. (S. 362 f.: beide werden gelobt). — De Castres: Grundrisz
der franz. Litteraturgesch., dess. biblioth^ue de Tadolescence, Holz-
apfel: Cours de mythologie. Schwalb: ^lite de classiques francais.
T. 8. Ang. V. dems. (S. 363 — 366: .1. sehr empfohlen, 2. wegen des
Inhalts verworfen, 3. brauchbar gefunden, doch wirklichen franz. Klas-
sikern nachgestellt, 4. als sehr verdienstvoll bezeichnet). — Siebeiis:
Cornelius Nepos. 2e Aufl. und tirocinium poeticum. 3e Aufl. Ang. v.
Qu eck (S. 366 — 368: gegen die Absicht der ersten Ausgabe werden
Einwendungen gemacht, das zweite Buch empfohlen). — Virgils Eclo-
gen, deutsch mit Einleitung v. Gent he. Ang. v. dems. (8. 368: In-
haltsangabe). — Grote: Wolfgang Musculus. Ang. v. Campe (8.
369 — 371: sehr empfohlen). — Lange: Leitfaden zur allgemeinen Ge-
schichte. Ang. V. dems. (S. 371 f.: streng getadelt). — Bender: die
deutsche Gesch. Ang. v. dems. (S. 373: empfohlen). — Geschichts-
tabellen von Rom ig, Schuster und Wilhelmi. Ang. v. dems. (S.
374: 1. für die Schule zu umfangreich, 2. enthält zu viele Unrichtig-
keiten, 3. nicht gerade empfohlen, aber auch nicht verworfen). — v.
Spruner: historisch-geographischer Atlas (S. 374 f. Referat). — Mi-
ch eisen: das moderne Judenthum (S. 376--392: der Jahresbericht des
jüdischen theologischen Seminars in Breslau und die darin enthaltene
Abhandlung v. Bernays über das phokylideische Gedicht werden be-
kämpft). = II. Abth. Ueber die Wiederherstellung der Ritterakademie
zu Brandenburg (8. 165 — 168). — Schmedine: Bemerkungen über d.
Bildungsmomente in fremden Sprachen (8. 16o — 183: Abdruck aus d.
Programme d. H. B. in Oldenburg). — Forts, d. im vorigen Heft be-
gonnenen Instruction (8.184—191). = Julih. I. Abth. Bottger: über
mathematische Propaedeutik (8.1—18). — Volk mann: za Plutarch de
musica (8. 19—36: kritische Behandlung vieler einzelner Stellen). —
504 Aussage aus Zeitschriften.
Langbein: id. Vocabellernen a. d. Lexikon (S. 37— S4: Darleniic d.
Gedanken und Ansichten ^ welche Scheibert über den Gegenstana tGsili
an der F^riedrich-Wilbelmsschale, theils in d. paed. ReToe antwiekelt).
— Herzog: Stoff zu stilistischen Uebnngen in der Motterapracha and
Göizinger: Stilschale zu Uebungen in der Muttersprache. Ang. t.
Schubart (S. 56 — 59: das erstere Buch wird weffen Mangela ionar-
lich zusammenhangender Anordnung, zu groszer Schwierigkeit dar ge-
schichtlichen Aufgaben and Glaubenslosigkeit getadelt. Viel mehr Lab
erhält das zweite). — Boas: Schillers Jugendjahre. (S. 59: koRas
Referat). — Assroann: Handbuch der allgemeinen Geschichte. 4rTh«
Ang. V. Campe (S. 59 — 63: geffen den Standpanct d. Verf. wird ent-
schiedener Widerspruch erhoben). — Adami: Schulatlas n. Katsen:
das deutsche Land. Ang. t. Gribel (S. 63 — 65: L sehr gelobt, doch
das politische Element zu wenig berücksichtigt gefunden; 2. anbedingt
gepriesen). — Kurze Anzeigen geographischer Lehrbücher« V. deai.
(S. 65—73: sehr gelobt wird Meyer Geographie für die Mittelklassen
höherer Lehranstalten). — Anzeige v. Steglich: Bibelkande» JCr^nn-
mach er: Blbelkatecbismus, Schuknecht: Geschichten nnd Lehm
aus der heil. Schrift, Rinck: die christliche Glaubenslehre, Glaset
die christliche Lehre, Braselmann: der messt anische Starombauay t.
Schubart (S. 73—80). = IL Abth. Angaben von Programmen an-
ter Mittheilung von einzelnem aus den Schulnachrichten (8. 199^-9063
dabei Abdruck von Schauer: die Lage der Bürgerschule). -— Abdruck
von Ball auf: aus der Lehre von der Gesellschaft aus dem Oldenbor'-
gischen Schulblatt (S. 206—232). = Augusth. Otto: aber Schalan-
dachten (S. 81 — 102). — Gramer: die Bedeutung der Ratha and diB
Stocks in der tveschichte der Erziehung (S. 103—119).— Robolskyt
die französische Sprachforschung im Gegensatz gegen die dentache (S*
120—136: Fortsetzung vom Aprilhefte). — Hudemann: aar Gjna-
sialreform. Ang. v. Qu eck (S. 137 — 146: während viel einselnea an-
erkannt wird, erhebt doch der Ref. gegen die Reform vorschlage
Bfdenken). — Bucolicorum graecorum reliquiae-Rec. Ahrens. Ed. Ü.
Ang. V. Am ei 8 (S. 149 — 152: anerkennend; einige kritische Bemerini^
gen). — Herodotos. Erkl. von Stein. Is Bdchen. Ane. t. dems. (&
152 — 158: sehr gelobt, aber viele einzelne begründete Bemerknngaa).
— Homer's Ilias, übers, v. Wiedasch. Ang. v. dems. (S. 158 — 160;
sehr gelobt). .*=: II. Abth. Mittheilung von Klwerts Aassprache fiber
die im Seminare zu Schönthal angestellten Versuche die mie Selbat-
thätigkeit der Schüler zu werken (S. 233— Äiö). — Entwarf einer Bxa-
minationsordnung für die wis.scnschaf(lich gebildeten Lehramtacandida-
tcn in Baden (S. 235 — 242). — Verfügung des k. preusz. Miniateriams
über das Vocabellernen (S. 261). R, D.
Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische
Notizen, Anzeigen von Programmen.
Altona.] Das Programm zur Prüfung am ]3n März 1856 enthalt
auszer dem Jahresbericht Nachrichten über die Bibliothek nnd die Sti-
pendien des G joinasiums ; im Sommer 1855 besuchten 187, Im daranf
folgenden Winter 184 Schüler die Schule, Ostern 1856 giengen 7 Pri-
maner zur UnWersitit, von denen 1 Theologie, 1 Medicin, 5 die Rechts-
wissenschaft studieren wollen. [L.]
Berichte aber gelehrte AnsUlten, VerordnangeD» Statist. Notizen. 505
Flensburg.] Für die Gelehrten - und Realschule erschien im Juli
1854 ein Programm, enth. von O. Fihiger (in dänischer Sprache) Be-
merkungen zu einzelnen Stellen in Sophokles Oedipus Tyrannos, und
vom Rector R. J. Simesen den Jahresbericht. Die Schule behielt aus
dem vorigen Schuljahr 118 und bekam in diesem 82 neue Schüler hin-
zu, 17 andere verlleszen die Schule. Es wurden 3 neue Lehrer ange-
stellt und dazu 1500 Thlr. Reichsm. (1126 Thlr. preusz.) bewilligt.
Die Schule hat 14 Lehrer: Rector Prof. R. J. Simesen, Conrector
Schumacher, Subrector Dr Dittmann, vier Collaboratoren Küh-
nel, Mo urad, Fibiger und Thomsen, und sieben Adjuncten Silf-
verberg, Brasch, Kiellerup, Engelhardt, Schnack, Gier-
sing und Kragelund, wobei noch der Schreib- und Zeichenimter-
rieht, sowie der Unterricht im singen und turnen von Stundenlehrem
besorgt wird. — Das Programm zum Examen am 16n — 18n Juli 1855
enthält von dem Adj. Silfverberg Hn dän. Sprache) kurzes Lehr-
buch der anorganischen Chemie ^ von dem Adj. Kiellerup Verzeich"
nis der mineralogischen Sammlung der Schule , und von Prof. Sime-
sen (der inzwischen das Ritterkreuz des Dannebrogordens erhalten
hat) Schulnachrichten. Von 185 Schülern des vorigen Schuljahrs wa-
ren 8 ausgetreten, es traten 79 neue Schuler im Laufe des Schul-
jahrs ein, 36 verlieszen die Schule, der Bestand war also 218 Schüler
in 15 Klassenabtheilungen. Der König von Dänemark schenkte 500
Thlr. (376 Thlr. preusz.) zum Unterrichtsapparat. — (Einsender kann
aus anderweitiger Quelle hierzu noch folgendes beifugen : im Jahre 1856
ist die ötrentliche Prüfung in den Realklassen im März, in den gelehr-
ten Klassen vom 12n — 18n Juli abgehalten worden, worauf bis zum
22n die Maturitätsprüfung der zur Universität abgehenden Primaner
stattfand. Das Programm (98 S.) enthält eine Abhandlung vom Conr.
Schumacher: der Lehrerberuf in seinen jintinomien (Bilder aus dem
Innern Leben der Schule), und Schulnachrichten. Zu Anfang des letz-
ten Schuljahrs hatte die Schule 234 Schüler, nemlich 42 in den latei-
nischen, 112 in den Realklassen, 80 in den gemeinschaftlichen. Nach-
dem 40 ausgetreten und 60 hinzugekommen, zählt die Schule jetzt 245
Schüler, nemlich 46 in den Gymnasial-, 126 in den Real-, dazu 74
in den gemeinschaftlichen oder Vorbereitungsklassen. Es sollen noch
2 neue Lehrer angestellt werden, so dasz das ganze Personal mit Ein-
schlosz von 4 Hilfslehrern aus 21 Lehrern, die in 14 Klassen unter-
richten, bestehn wird.) [L.]
Glückstadt.] Das Schulprogramm 1864 enthält von dem Rector
Dr Jessen eine Probe deutscher Geschichtstafeln und Schul n achrich-
ten. Die Lehrer sind: l) Rector Dr Jessen (früher Collab. in Kiel),
3) Conrector Petersen, 3) Subrector Dr Vo IIb ehr, von Plön hier-
her versetzt, 4) Collab. Dr Harries, 5) Meins, 6) Kramer, 7)
Granso, 8) Dr Witt, früher in Meldorf. Die Schälerzahl betrug 84.
— Das Programm von 1866 enthält vom Conrector Petersen: die
französische Conjugation nach ihrer Entstehung aus dem Latein. Die
Schülerzahi betrug im Winter 1854 — 65 im ganzen 79. Der Anfang
des beschlossenen Baues des neuen Schalhauses wird dringend gewünscht.
Hadersleben.] Rector Prof. Thr ige gab im Programm zum Exa-
men Juli 1854 Schulnachrichten ; Conrector ist Lembke, Subrector
Krarup-Hansen; der Collab. Dr Manicus ward an die schleswi-
ger Schule als Subrector versetzt, der 5e Lehrer Past. Fibiger wurde
Collab., der bisherige 6e Bloch 6r, der 7eKroyer 6r, der 8eGrön-
lund erhielt eine Gehaltserhöhung und John Aschlund trat als un-
terster Lehrer ein. Beim Beginn des Schulj. 1853 unterrichteten noch
Prem.-Lieut. Dorph und Lieut. Jessen an der Schule. Die Bibliothek
der Anstalt und sonstige Sammlungen wurden bedeutend yemthrt. In
/V. Jahrb. f. Phü. u. Paed. Bd. LXXIV. Hfl, 10. 36
506 Rcricille über gelcliric Anslollcn, Vcrordnnngeii, ststisl. Noliseii.
der Einladnng<!srhrift zur Einweihung des neuen 8chnlgebande« aai Pn
Oct. 1H54 gibt der Collab. J. Ki biger (in dan. Sprache) den Versuch
einer Erklärung des 'Eddesnngpn FiölNwieHmaal% und der Rector Prof,
Thrige einen kurzen Bericht über die Gebäude der hadertfl. Geldir-
lensrhule. Die Kosten des neuen Gebäudes waren zn 35700 Thir.
Reichsm. (26775 Thlr. preusz.) berechnet, wozu die Commnne einen
kleinen Theif hergab, das übrige aus der Staatskasse bewilligt ward.
Nach dem Programm von 1H55 ist als 7r Lehrer Adjunct P. l>orph,
Ritter des Dan., als 9ter Adjunct J. Dorph angestellt worden, die üb-
rigen Lehrer sind geblieben, wie oben mitgeiheilt ist. Im rechnen,
schreiben und in der Gymnastik unterrichtet Lieutenant Jesfen. Der
König Ton Dänemark hat am 14n Nov. 1H54 die Schule besacht. la
Jahre 1853 — 54 war die Zahl der Schüler 93, 8 verlieszen die Sdnile,
25 kamen hinzu, 11 giengen wieder ab, 2 kamen hinzu; nach dem er-
wähnten Programme ist die Zahl 100. ^ [L,]
HAMHTTnr..] Zum Redeactus am 12n April 1^55 erschien fSr die
Gelehrtenschiiic des Johanneums als Kinladungsschrift: über dieSekiaM
bei den Ar^inusen, von Prof. Herbst (90 S. gr. 4). Die Schtilnach-
richten S. 91— 103 berichten von geringen Veränderungen, die nament-
lich im Lehrerpersonale der Anstalt in diesem Jahre vorgekommen sind«
Der Lehrer des französischen und englischen in den drei oberen Klas-
sen, Dr Meyer II., war fortwährend krank, und Prof. Corn. Mül-
ler und Dr Laurent, sowie Scliulamtscandid. Dr Lüders ertheilten
die dadurch ledig gewordenen Lectionen » während Prof. Ullrich wie-
der zwei lateinische Lectionen für Müller übernahm. Im Sommer
1854 zählte I 26, II 28, 111 36, IV 26, V 19, VI 14, die game Ge-
lehrtenschule also 148; im Wintej- 18;»4— 55 I 24, H 25, 11137, IV35,
V 25, VI 15, zusammen 151 Schuler. Aufgenommen wurden im Ijanfe
des Schuljahrs 40 Schüler, nemlirh in I I , II 7, III 7, IV 7, V 3, VI
15. Zur Universität giengen Ostern 1865 12 Schüler, samtlich ans
Hamburg und hamburgi.schem Gebiete; zu anderen Üerufsarten (Land-
wirthschaft und Handel»fach) giengen 5, auf andere Lehranstalten 6 im
Laufe des Schuljahrs über. Ks lehren an der Anstalt der Directer Dr
theol. Kraft, Ord. v. I, die Professoren Dr. theol. Müller, Ord. r.
II, Dr Ullrich, Ord. v. III, DrFIinrichs, Ord. ▼. IV, Buben-
dey, I^hrer der Mathematik, Dr Herbst, Ord. v. V, die ordentli-
chen Lehrer Dr Meyer I., Dr Laurent, Dr P'isrher, Ord. v. VI,
ferner Dr Möbius, Lehrer der Natnrgesch. , Dr Meyer IL, Lector
der franz. und engl. Sprache, undGnllois, Lector der franz. Sprache^
der Zeichenlehrer Hensler, Schreiblehrer KIten, Rechenlehrer Möl-
ler und Gesauglehrer klapproth. — Zum Kedeactus am In Apr. 1866
erschien von dem Dr Mever I : der Freihvitskricfr der Bataver unter
CivUia (90 S. 4). Die Srhulnachrichten S.9I— 10«) geben in der Seh«!*
Chronik einen Bericht über die ir>e Versammlung des Vereins dentscher
Philologen, Schulmanner nnd Orientalisten, ln-4nOct. 1855 in Ham-
burg gehalten. Die Schulerzahl betrug nach Ostern 1855 in I J5, II
29, III 33, IV 29, V 16, VI 17, zusammen 149; nach Mich. 1865 In I
24, II 27, III 33, IV3I, V 15, VI 25, zusammen 155 Schüler; 11 «ien-
gen aus verschiedenen Klassen ab, zur Universität 13 nach bestande-
ner Prüfung der Reife, ohne dieselbe 2 auf das dorfige akad. Gymna-
sium und 1 auf ein polytechnisches Institut. Im Lehrerpersonale ist
keine Veränderung vorgekommen. [L.]
HisiM.I Hier ist statt der früheren Gelehrtenschule eine höhere
Bürgerschule eingerichtet. Rector ist Lohse, 2r Lehrer Mag nas-
sen, 3r Kühl brandt.
KiKr. ] Dem Kinsender liegen zwei Quartbände ; Schriften der
Universität su Kiel aus den Jahren 1854 und IH55 vor, über welche er
Berichte Ober gelehrte Anstalten, Verordnungen, etnlist. Notizen. 507
um 80 lieber in nachstehen dem näheren Bericht ertheilt, als die vor-
treffliche Binrichtune der kieler Universität, auf diese Weise ihre
samtlichen akademischen Gelegenheitsschriften zu verbreiten und na-
mentlich auch durch Austausch mit anderen Instituten, Gymnasien usw.*)
zu allgemeinerer Kunde und Nutzbarkeit zu bringen, mit dem gröszten
Lobe aufgenommen und als Muster der Nachahmung empfohlen zu wer
den verdient. Wir freuen uns dabei zugleich Gelegenheit zu einigen
Mittheilungen über die Gelehrtenschulen Schleswigs, Holsteins und
Lanenburgs zu haben, über die sonst gerade jetzt so wenig Kunde
nach dem übrigen Deutschland zu dringen scheint. Der erste Band
obiger Schriften enthalt nun L Index acholarum per aemeatre aeativum
habendarum; vorangeht von Prof. Forchhammer quaeaiionum cri-
tiearum eap, L De j4ri8totelia artia poeticae cap. 4 $ 11. Die Vorle-
sungen selbst sind schon anderweitig, soweit sie hierher gehören, in
diesen Blättern mitgetheilt worden. II. Verzeichnis der Behörden, Com-
missionen, Beamten, Institute, Lehrer und Studierenden de( Universi-
tät Kiel, Sommersem. 1854. III. Index acholarum per aemeatre hiber-
num habendarum; voran: Forchhammers quaeationum criticarun^
eap. II. De Soph, Ajacia vv, 2 et 978. IV. Verzeichnis der Behörden
usw. für das Wintersemester 1854 — 55. V. Chronik der Universität
1854, aus der wir zunächst folgende Personalien hervorheben: am 26n
Apr. wurde Dr Heinr. Mor. Chalybäus (2 Jahre früher nach Re-
atauration der dänischen Herschaft mit mehreren anderen seiner Colie-
gen abgesetzt) ord. Professor der Philosophie; 24n Juli Syndicus Chri-
stensen zugleich Quaestor und Aedil; 26n Aug. der auszerord. Prof.
Dr Dill mann in Tübingen auszerord. Prof. der oriental. Sprachen
(ui J. Olshausens Stelle); 26n Aug. Prof. Dr G. Curtius in Prag
ord. Professor der klass. Philol. und Eloquenz und Director des philo!.
Sem. (an Nitzschs Stelle); 7n Sept. der auszerord. Prof. Dr iur. Neu-
ner in Gieszen ord. Prof. des röm. Rechts; 17n Sept. der ord. Prof.
Dr Wilda in Breslau ord. Prof. des deutschen Rechts; 28n Sept. der
auszerord. Prof. Dr Seelig in Freiburg ord. Prof. der Nationaloeko-
nomie, Finanzwissenschaft und Statistik; 6n Oct. Prof. Dr Lüde-
mann Kirchenrath, Prof. Dr Planck Ritter des Danncbrogsordens,
Etats rath Biblioth. Dr Ratjen Dannebrogsmann ; 30n Decbr. die au-
szerord. Prof. Dr K. Müllenhoff und G. F. Thaulow ord. Prof.
resp. für deutsche Litteratur u. Paedagogik. Gestorben am ]9n März
der ord. Prof. der Rechte Dr h Christiansen; I9n Sept. der Pri-
▼atdocent Dr Herrmannsen (Zoolog u. Mineralog). Abgegangen
Dr Stromeyer, Prof. der Chirurgie, als Generalstabsarzt nach Han-
nover; Dr K. Steffensen, Privatdocent in der philos. Facultät, als
auszerord. Prof. der Philos. nach Basel. — Promoviert wurden in der
iurist. Facultät 1, in der medicin. 3 Licentiaten und 10 Doctoren, in
der Philosoph. 6 rite und I (von Karajan, Vicepraesident der kk. Aka-
demie zu Wien) honoris causa. I auswärts ertheilte philosopb. Doc-
torwürde wurde für Kiel anerkannt, 5 Bewerber 'wegen ungenügender
Abhandlungen' abgewiesen. S. 6 — 17 geben interessante MittheiTungen
snr Geschieht« der Universität , S. 17 f. kurze Notizen über die Univ.-
Bibliothek, 8. 18 — 36 ausführliche Nachricht über das homilet. Semi-
nar, dann folgen Berichte über die medicin. k. chirurg. Klinik und an-
dere Institute (die Hebammenlehr - und Gebäranstalt, das physiolog.
und das ehem. Laboratorium, die Münz- und ICunstsamralung, den bo-
ten. Garten, das mineralog. Museum, das physikal. Institut und das
Museum vaterländ. Alterthümer), namentlich auch das philologische Se-
*) Der leBand ist nach späterer Notiz an 188 Universiaten, Aka-
demien, Schulen und Bibliotheken versendet worden.
36*
508 Bericlilc über gelehrte Anstallen, Verordnungen, »latisl. NoiixeD.
miliar, sowie besonders das paedagogische, auf welche wir spater »a-
ruckkomnieii werden. Kin dritter Ab«cfinitt handelt von den akademi*
{jclien Beneiicien, dem Convict nnd den Stipendien; ein weiterer gibt
•Schiilnnchrichten, auf die wir bei unserem Berichte über den 2n Band
zurückkommen werden. Den Abscliiusz machen meteorologische Beob-
achtun<»en. — VI. Festreden, Memorien usw., nemlich 1) das Programm
zur königi. Geburtstagsfeier : Forch hammeri topof^ruphia Tkebarum
hcptapylarunif cum tab. f^coffraph.^ und 2) die dabei von dem ord.
Prof, der Theol. Dr Thomsen gehaltene Festrede: Imaß:o Ckriiiiani
(rcstitutiinns sacrorum nostrorum c^rvgti tutoris vt adjutorh) lli. —
VII. 10 mediciniscbe Dissertationen — Der Inhalt des» zw ei ten Bandes
ist folgender: I. Index scholarum per ftvmcstrc acstivum habcndarvm,
voran: Gvorfjcii Curia de nomine Jlomvri commentatio. — II. Veneich-
nis der Behörden, Commissionen , Beamten usw. Sommers. 1855. (Die
Zahl der Studierenden hat im Sommer IHb-i betragen: 23 Theo!., bS
Jur., 46 Med., 17 Phil., zus. 144; im Winter J«i4— 55: 32 Theol.,
56 Jur., 43 Med., 22 Phil., zus. 153; im Sommer 1H55: 20 TlieoL, 64
Jur, 51 Med., 25 Phil., zus. I6<); im Winter 1H55— 56: 24 Theol., 44
Jur., 4l Med., 25 Phil., zus. 134) — III. Index. schoL per tem» kib.
hab.y voran von Prof. G. Curtius de quibuadttm Anti^onae Sopko-
clcae focitt. — IV, Verzeichnis der Behörden usw. Winters. J855J — 66.
— V. Chronik der I/niv. 1855. Am Iln Mai wurde der Oberitlieate-
nant im Generalstab, Kammerherr von K auf f mann Curator derUniv.;
um In Jan. JH.V) Prof. iur. Wilda Ktatsrath; gestorben 19n Ang. 1S55
der ord. Prof. der Medicin, Ktatsrath Kitter; 24n Novbr. ord. Prof.
der Hechte Dr Schmid 7r Kath im Oberappellationsgericht zn Kiel.
Zwei Votivtafeln, die hier mitgetheilt werden, feiern den Prof. der
Medicin, Ktatsrath II epe wisch (Sohn des berühmten Historikers) we-
gen seines 50j<ährigen DoctorjubilacUms und den Probsten Dr. theol.
Callisen in Rendsburg bei Gelegenheit seiner 50jährigen Jubelfeier
als Prediger an derselben Kirche. Promoviert wurden in der iuriftt.
Facultät 1 in absentia, 12 in der medicin., in der philosoph. 1 (Archi>
var Dr iur. Lappenberg in Hamburg) honoris causa, 2 rite und 5
in absentia; fünf andere Bewerber wurden wegen ungenügender Ab-
handlungen abgewiesen. Ks fol^t ein interessanter Bericht des Kir-
chenraths Dr Lüdemann über die 2 Jahre seines Bectorats Tom dn
März 1853 bis dahin 1^55, kurze Noti/en über die Bibliothek und das
homilet. Seminar, dagegen eine sehr ausführliehe Nachricht über das
katechetische Seminar (S. 15—30) und mehr oder weniger längere Mit-
theilungen über die anderen akademischen Institute, die oben bereits
genannt und zu denen hier noch mehrere neue, wie das anatomisclie
Theater und Museum, die pharmakognostische Sammlung, das looio-
gischc Museum und der Kunstverein, hinzugekommen sind. Von dem
philologischen Seminar wird diesmal eine etwas ausftibrKcliere
Geschichte gegeben. Bereits im Jahre 1777 durch Krrichtong eines
Stipendiums von 200 Thlm. dam. Cour, für ^vier eingeborne studiosot,
d^e sich den Schulwissenschaften widmen', begründet, wnrde es im J.
1789 durch einige nähere Bestimmungen geregelt. Darnach soBten Jene
Studiosi während der 3 — 4 Jahre des Stipendiengennsses ^nicht blos die-
jenigen Collegia hören, welche über die lat. nnd griecb. Autoren, In-
gleichen über die hebr. Sprache, über die theologiam dogmaticam et
moralem, über die Philosophie, die historiam universalem und patriae
und über einige Bücher der heil. Schrift des A. und N. Test, gelesen
werden, sondern auch mit besonderem Kleisze gedachten Wissenschaf-
ten, welche Wir gerade mit dem grösztcn Eifer betrieben wissen wol-
len, obliegen'. DeNhalb wird die ganze Studentenzeit für diese Studiosi
in 2 Absrhnitte eingetheüt , deren erster mit philologischen und histo-
Berichte über gelebrlc Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 509
rischen, der zweite mit philosophischen und theulogischeii Studien aus-
gefüllt ist. Dies blieb bis zum Jahre 1809, wo die Verleihung der Sti-
pendien, die bis dahin einem einzelnen Professor überlassen war, unter
die Oberaufsicht des akademischen Cunsistoriums gestellt, für die Un-
terweisung der Stipendiaten bestimmter« Vor.schiäge gemacht und der
Anstalt der besondere Charakter eines philologischen Instituts ge
geben wurde, das seit 1820 amtlich ^philol. Seminar' heiszt. Die
vier Stipendien können das erste mal nur auf 2 Jahre bewilligt wer-
den; die Bewerber melden sich beim Consistorium unter Beifügung ei-
ner lateinischen Probeschrift; ein Examen aus den alten Sprachen
und der Geschichte schileszt sich daran, über den Ausfall berichtet eine
dazu ernanute Commission an das Consistorium. Für eine Erneuerung
des Stipendiums gehört eine zweite Prüfung, in der zu höheren For-
derungen in den alten Sprachen und in der Geschichte als neuer Ge-
genstand die Mathematik hinzukommt. Nach Beendigung ihrer Studien
wird mit den Stipendiaten eine allgemeine Schluszprüfung vorge-
nommen, die sich nicht nur auf die Kenntnisse in der Philologie, der
Philosophie, der philosophischen und bürgerlichen Geschichte und der
Mathematik, sondern auch auf die Anfangsgründe der hebr. Sprache
und die Dogmatik erstreckt; auszerdem musz auch eine schriftliche
Arbeit 'in deutscher Sprache über eine gegebene Materie' geliefert
werden. Hieran nimmt auszer den ord. Proflf. der Philol. und der Gesch.
in der In und der Math, in der 2n Prüfung noch ein Prof. der Theol.
und I oder 2 Proif. der Philos. Theil. 'Es musz eingeräumt werden',
sagt der Bericht des Prof. Curtius, 'dasz durch die geschilderte
Einrichtung auf eine sehr sinnreiche und meines wissens ganz originelle
Weise ein wolgeordneter Stufengang für die studierenden der Philolo-
gie eingerichtet und zugleich dafür gesorgt ist, dasz dabei die beiden
übrigen wichtigsten Schulwisseuschaften ebenfalls nicht auszer Acht ge-
lassen werden'. Zugleich ward dem Director des Seminars die Fuh-
rung eines fortgesetzten ofTentlichen Protokolls zur Pflicht gemacht.
Dennoch erlebte die Anstalt trübe Zeiten. Der Prof. Heinrich, spä-
ter in Bonn, der zu den angegebenen Verbesserungen den wesentlich-
sten Impuls gegeben hatte, zog sich 1813 — 1818 (wo er Kiel verliesz)
gänzlich von der Leitung des Seminars zurück. Und obgleich im Jahre
1820 auch auszerordentliche Mitglieder hinzugezogen wurden, stieg die
Zahl der Theilnehmer bis zum Jahr 1827 hin doch nicht über 6. 'Eine
neue Periode begann für das Seminar durch die Berufung des Profes-
sors Nitzsch, welcher fast 25 Jahre lang von 1827 — 51 das Seminar
leitete und zu einer gedeihlichen Pflanzschule für die Gelehrtenschulen
des Landes machte. Jetzt bildete sich sehr bald die Sitte aus, dasz
auszer den ordentlichen und den ausdrücklich ernannten auszerordent-
lichen Mitgliedern die Theilnahme an den Seminarübungen auch andern
studierenden gestattet ward , welche Lust und Vorkenntnisse dazu an
den Tag legten. Für diese gewissermaszen dritte Klasse kam der Name
'frei verbundene' Mitglieder auf. Erst durch diese Sitte ward der
Anstalt wirkliches Leben und ein nie ausgehender Nachwuchs gesichert,
aus dessen Mitte die tüchtigsten als Bewerber um die Stipendien her-
vortraten. So sind denn schon für 1828 10, 1831 15, 1834 17 Mitglie-
der im Protokoll verzeichnet, von denen nicht selten 5^ ja bisweilen 7
um Stipeiulien sich bewarben. Die Durchschnittzahl blieb von da an
bis auf den heutigen Tag 12, in Verhältnis zur Gesamtzahl der hie-
sigen Studierenden keine geringe'. -^ Die Uebungen, welche unter
Nitzsch 4 Stondcn wöchentlich auszufüllen pflegten, zu denen seit
1846 noch eine fernere Interpretationsübung unter Leitung des Prof.
Forchhammer hinzukam, bestehen in Interpretationen und Dis-
putationen. Jene erstreckten sich auf einen sehr groszen Kreis ver-
510 Bericbte über gelehrte Anstalten , Verordnungen, statist. Notif en.
fichiedenartiger griech. nnd lat. Autoren, unter denen SopbokleB, En*
ripide«, Thucydides, Plato, Horaz, Tibull, Tacitus am^ hanfigsten
wiederkehren, aber auch Aristoteles, Pindar, Aeschylus, Lprsias, Strabo,
Plautus und Gajus nicht fehlen. Ausführlichere schriftliche Arbeiten,
wie sie anderswo üblich sind, wurden hier seltener gefordert, und xwar
aus dem Grunde, weil die vortrefTliche Einrichtung des Schassischen
Stipendiums allen Philologen Aufforderung genug bietet, ihre Zeit nnd
Kräfte dann und wann auf gröszere Ausarbeitungen zu concentrieren.
Die Seminararbeiten sind meist von kleinerem Umfang und haben den
Hauptzweck, zur Grundlage einer Disputation zu dienen. 'Ausser die-
sen beiden regelmäszigen Uebungen finden wir unter den früheren Di-
rectoren zuweilen noch auszerordentliche, z. B. Vortrage des Directora
über Methodologie, über einzelne Hauptsätze der philol. Kritik , über
Prosodie qnd Accent. Eine Zeit lang sind unter Prof. Nitzsch'a Lei-
tung Uebungen im freien deutschen Vortrag vorgenommen, während die
lat. Sprache im Seminar fast durchgängig die regelmäszige war'. — Wir
schlieszen hieran den Bericht über das unter Prof. Thaulow^a Lei-
tungstehende paed agogische Semi nar. Dasselbe wurde im Herbst
1853 als ein Privatinstitut gegründet und besteht jetzt 22 Semester;
es erhielt im März 1846 dadurch eine landesherliche Sanction, daai deai
Prof. Thaulow bei seiner Anstellung ausdrücklich die Leitung eioes
solchen zur Pflicht gemacht ward. Ein Statut hat es jedoch erst Tor
kurzem bekommen, welches oben S. 464 ff. abgedruckt ist. Die Zahl
der Mitglieder, Theologen und Philologen, hat seit der Entstehung des
Seminars zwischen 4 und IJ geschwankt, nicht selten sind noch exa-
minierte Candidaten und ältere Lehrer darin gewesen. Als erste Be-
dingung wurde festgehalten, dasz alle schriftlichen Arbeiten und alle
mündlichen Vorträge ein grundliches Studibm der von dem Director fSr
diese Arbeiten und Vorträge dargebotenen Quellen aufweisen sollea
So bezogen sie sich in einem Semester sämtlich auf die 1849 von Platf
herausgegebene Erziehungälehre Schleiermachers. Die Themata pfleg-
ten zu Anfange des Semesters auf einige Monate hinaus unter die Mit-
glieder vertheilt zu werden; bis jetzt sind im ganzen etwa 200 solcher
Themata entworfen worden. Hierüber sind denn mit grossem Rifer
freie, mündliche Vorträge gehalten worden. Eine zweite Uebnng ist
die, dasz ein Mitglied freistehend irgend eine didaktische Situation ein-
nimmt, indem es vor Schülern entweder eine Stelle aus einem Dichter
oder sonst einem Schriftsteller interpretiert, oder irgend welchen be-
liebigen Lchrgegenstand für die Darstellung vor Schulern wählt (ohne
die wirkliche Anwesenheit von Schülern vermögen wir uns die wahr-
hafte Nützlichkeit dieses Verfahrens nicht vorzustellen). Eine dritte
ist die Besprechung und Behandlung schwieriger paedagogischer Pro-
bleme. Das am I5ten December 1855 erlassene Statut stellt nun die
Forderung eines wissenschaftlichen Studiums der Paedagogik, sowie
die grundlichere Vorbereitung und Ausbildung in der Erziehnncs-
knnst für diejenigen studierenden, welche sich demnächst dem Uthr-
fach widmen wollen, auf der Universität zn Kiel, unter Leitnng des
Professors der Paedagogik, als Bestimmung des Seminars anf. Die-
jenigen, welche in das paedagogische Seminar auf>;enommen za wer-
den wünschen, haben eine Uebersicht ihres bisherigen Stndienganffes
nnd ihrer wissenschaftlichen Beschäftigungen bei dem Director des
Seminars einzureichen, und dabei nachzuweisen, dasz sie die erforder-
liche philosophische Bildung erworben, sich auch bereits im allge-
meinen mit der Paedagogik und deren Geschichte bekannt gemacht
haben. Die Uebungen des Seminars finden nach der Bestimmung
des Directors, in 2 -4 Stunden wöchentlich statt. Nach aufgegebenen
oder freigewählten Thematen sind schriftliche Arbeiten von den Mit-
Berichte über gelehrte Anstaltou, Yerordiiuogeo, stallst. Notizen. 511
gliedern des Seminars anzufertigen, dieselben rechtzeitig bei dem Di-
rector einzureichen, von ihm unter den übrigen Theilnehmern in Cir-
culation zu setzen , demnächst im Seminar vorzutragen und einer Kri-
tik, wie einer gemeinschaftlichen Erörterung zu unterziehen; auch sind
paedagogische und didaktische Aufgaben in freien Vortragen zu behan-
deln, praktisch- paedagogische Fälle, sowie die neuesten Erscheinungen
auf dem Gebiete der paedag. Litteratur zu besprechen und praktische
Uebungen in der Lehrmethode anzustellen. Der Director hat wegen
einer zweckentsprechenden Einrichtung sämtlicher Uebungen im Semi-
nar das erforderliche anzuordnen und bei den Vorträgen, Verhand-
lungen, Disputationen usw. die Leitung zu übernehmen. Nach dem
Schlüsse des Wintersemesters hat der Director alljährlich über den
Stand und die Erfolge des Seminars einen Bericht an das akad. Con-
sistorium zu erstatten, von welchem dieser Bericht mit denjenigen Be-
merkungen, zu denen dasselbe- sich etwa veranlaszt finden sollte, an
das Curatorium der Universität zur weiteren Mittheilung an das Mi-
nisterium für die Herzogthümer Holstein und Laueuburg einzusenden
ist. — Mit Schlusz de« Wintersemesters 54 — 55 verlieszen 5 Mitglieder
das Seminar, indem 2 von ihnen Hauslehrer wurden, 2 in das Ausland
giengen und l ein anderes Studium erwählte. Es blieben demnach mit
dem Beginne des Sommersemesters 1855 noch 6 Mitglieder, neue traten
nicht ein. Mit dem Beginne des Wintersemesters 1855 — 56 traten wie-
der 2 Mitglieder aus, um sich dem Scliulttintsexamen zu unterwerfen,
ein neues Mitglied trat dafür ein, so dasz die Zahl der Theilnchmer
mit dem Beginne dieses Semesters 5 war. Die meisten Themata für
die Vorträge wurden dem Gebiete der Gymnasialpaedagogik entlehnt,
einige indes auch der allgemeinen Paedagogik und der Geschichte der
Erziehung, wie über die Abhängigkeit der Paedagogik von der Psy-
chologie und Ethik, über den Satz des Sokrates: 'der Mensch lernt
nicht, sondern scheint nur zu lernen', über Philanthropie u.a.m. Mit
der Litteratur der Gymnasialpaedagogik wurden die Mitglieder in ei-
nem ziemlichen Umfange bekannt und mehr wie früher praktisch in der,
Lehrmethode geübt. Dagegen war, weil die Vorträge meistens eine
Stunde und darüber dauerten, ebenfalls die Interpretationen die Mit-
glieder sehr in Anspruch nahmen, nur selten Zeit vorhanden, praktische
paedagogische Fälle ausführlich zu besprechen und abzuhandeln. — Aus
den übrigen sehr schätzenswerthen Mittheilungen glauben wir, des all-
gemeineren Interesses wegen, noch die für die Schassische Stif-
tung gestellten Preisfragen hervorheben zu dürfen: I. für 1855.
1) populi Romani tempora inde ab urbe condita usque ad Caesaris Au-
gusti Imperium in periodos earumque partes minores ex ratione rerum
tam extra Romam gestarum, quam Romae actarum civilium ita distri-
buantur, ut eins distributionis et canssae rationesque uberius exponan-
tur, et cuiusque periodi scriptores primarii enuinerentur atque brevi-
ter percenseantur. — 2) Piatonis et Aristotelis de liberis educandis
düctrinae ita exponantur, ut quaenam utrique sint peculiaria, quaenam
similia aut diversa, quaenam e diversis praeferenda, appareat. — 3)
de Graecomm reIi*gione atque mythologia ita disseratur, ut doctrinae,
q^uae in 'Prelleri Mythologia' continetur, fiat censura. — 4) lin^ua La-
tina quatenus recte habeatnr linguae Graecae dialectus, quaeritur. —
5) quo iure comparant diversam lesn Christi imaginem, alteram qaae
in tribus prioribus evangeiiis', alteram quae in evangelio loanneo ex-
stat, cum diversitate inter Socratem Xenophonteum et Platonicum? —
6) quae Ciceronis de re publica libri ad ius publicum et privatum Ro-
roanorum cognoscendum nobis suppeditant, e iuris Romani scientia ex-
plicentur. — 7) de A. Cornelii Celsi vita, scriptis atque eruditione^
qua excetluit inter medicos, cgregia disseratur. — H. für 1856: 1) ad
512 Beneble aber gelehrte AutalUn, VerordiuBgea. slalul.
Deflioflthe«M orationem in Arütocrmtem illnstrandaiii ins AtbeBicomB.
qflod crimina r^usr ff^vtxäv nomine compreheasa sp«ctat, e-xponatar. —
2^ qaaj} lege« Rooiani in rtrh'ia grmecis in «aam sermoaem traiuferea-
dl* *«cari »Int. ita expooatar, Qt et varia Terboram iilornn seoera et
lingaae latinae aetated accnraie dedignentar. — 3^ Odv^^eae Honericae
lib<»r derima.-i ^ainioi qnomodo com qaarto libro cohaeret? — 4t Paoll
AprUoti /!octrina de praede^initione dirina expcnatnr atqae caot dcg-
mate S^oicoram de fato comp^retar. — 5^ qaatenas Romani peregrino-
mm iara. praejertim in caoMS eorom priratU, agoorerint peregrioi*-
S[oe iarid Romani commaniunem conce^j^erint, qaaeritar. — Ab weiterer
nbalt der Chronik folgen Sc hol nach richten (die wir bei den B^richtea
ober die einzelnen An>talten benatzt haben r, and meteorologische Be-
obachtungen nnd Tabellen (jehr aasfahrlich >. M)wie aU Anhang: Beriebt
aber die Wirk.^amkeit ilts Kanjt'vereins za Kiel, neb^t Statut and Mit-
gliederTerzeichniA. — VI. Festreden, Memorien il»w., nemiicb l) Pro-
gramm zar Gebartstagsfeier des Landesherrn: Tom Einfloss d^r Philo-
sophie aaf die (urisprudenz, besonders ron der Benarznng der vier Ar-
ten des Grandes oder der Ursächlichkeit. Ton Etatsr. Prof. xnr. Rat-
jen, and 2; die bei jener Feier gehaltenen Rede Ton Prof. G. Car-
tins. — Vn. 12 medicinische Doctordissertationen. — Wir stelieo lon
8chla.«jie aa.<i beiden Bänden die Notizen, wie ober die Sbrigea Gclebr-
ten.-chulen der 3 Herzogthomer, so insbesondere die in Kiel selbst sa-
sammen, insoweit d:e.«elben nicht schon anderweitig in diesen Jahrb. ge-
geben worden «ind. [Im allgemeinen ist dabei noch za bemerken, dasx
10 der holst, ond lauenbarg. Gelehrtenschole das Scholj. tob Ostern bU
Ostern, dagegen in den »chleswigschen, wie in Dänemark, too Joli bis
Jali geht. Der Unterrichtsin.<!pector von sämtlichen Gelebrtenschoiem
Holn'eins ist der frühere Rect»r der Ploner Gelehrtenschole, Etatsratb
Trede in .Altona]. Za den ofTentl. Klassenpröfangen lOn — I4ii Marx
18j6 ladet der Director der Gelehrtenschole, Prof. Dr J. F. Uorn dnrcb
ein Programm ein: über die allgemeine Bedeutung deM Optativs und
ConiunetivM der griechitchen Syntax (21 S. 4). Als Beilage: eioo
Schul rede ^6 S. 8,. Indem wir der wissenschaftlichen Schüfe and
Be^tinimtheit dnr uns hier gebotenen grammatischen DarsteUaa|( volle
Anerkennnnr; widerfahren lausen, glaoben wir doch zagleich die prak-
tische Wichtigkeit der kleinen Arbeit nicht aoszer Acht lassen nnd da-
her auf die lehrreichen Hauptsätze etwas näher eingehen zn dirfen.
Nachdem einige richtige und feine Un Urse hei dangen der griecb. nnd
rom. Syntax vorau<4geachickt sind, wird S. 3 das Wesen der beiden
fraglichen Modi näher erörtert. Die Kategorien der Realität nnd Idea-
lität bestimmen die Modalität des Verbs. Das blos ideelle, das also
nicht aus der Vorstellung heraustritt. Ton der Realität der Wirfclicb-
keit sich lo^getreniit hat, druckt die griech. Sprache durch den Opta-
tiv aus, die Realität dagegen, die entweder als einzelne WirkiicbKett
gesetzt wird oder al.*> die allgemeine logische mithin aoch reale Be*
Stimmung, durch den IndicatiT. Wird aber das ideelle gedacht aU auf
daH reale bezogf^n, mithin durch das.<elbe bestimmt, also von ihm seine
künftige Realisierung erw artend, so tritt der Coniunctiv ein. Die vierte
Beziehung wäre das reale durch das ideelle bestimmt; diese Kategorie
ist aber herabgesunken zu der Forderung, dasz das ideeile znm rea-
len werde, d. h. zur Forderung einer Thätigkeit Ton einem anderen,
znm Imperativ. Der Unterschied des Optativs und Conionctivs besteht
also nicht in dem Zeitverhältnis aJs maszgebendem, wenn auch auszer-
lich hinzukommendem Moment, sondern darin, dasz beide allerdings
ideell sind, der Opi. aber in dieser reinen Idealität verharrt, in dem
bioszen Gedanken, in der Vorstellung abgetrennt von der Realität, dor
Coni. dagegen nicht in dieser bioszen Idealität bleibt, sondern bestandig
Berichte aber gelehrte Aostalten, VerordnangeD, Statist. NotiEen. 513
aaf die Realität als das sich in Zukunft Terwirklichende hinblickt.
Nachdem an der Hand dieser allgemeinen Satze die üblichsten Gram-
matiken im einzelnen durchgemustert sind, werden folgende nähere
Lehrsätze aufgestellt und durch Beispiele erörtert. In selbständigen
Sätzen steht der Coni. bei Aufforderungen in der In Person, zweifel-
haften Fragen, abwechselnd mit dem Imp. bei Warnungen und Verbo-
ten, indem hier überall der Gedanke das ideelle zur Wirklichkeit, zora
reellen, hindrängt. Dagegen steht der Opt , wo eine Neigung, ein be«
lieben, ein Wunsch ausgedruckt wird, weil hier der Gedanke rein bei
sich selbst bleibt und Ton aller Realität abstrahiert. Die Part, av als
Exponent für die Sumption einer Voraussetzung, und zwar beim Coni.
als Voraussetzung der Realität, beim Opt. als Voraussetzung des ide-
ellen, kann in unabhängigen Sätzen beim Coni. nicht stehn, weil in
den besagten Fällen die Wirklichkeit nicht vorausgesetzt wird, sondern
als ein unmittelbar gegebenes Bild mit dem gedachten zu einem Moment
Terbunden ist. Dagegen tritt av beim Optativ hinzu , wo der Gedanke
dargestellt werden soll als durch die Voraussetzung eines gedachten be*
dingt (modus potentialis). [Wir wurden daher in letzterem Falle den Aus-
druck Bäumleins, dasz ein gedachtes wirklich sei, also den Begriff des
möglichen, nicht verwerfen und Sätze, wie xovt av yevoixo nicht über-
setzen: das dürfte wo] sein, mit subjectiver Unbestimmtheit, sondern
vielmehr: das kann sein oder geschehen]. — In der Warnung und den
Verbot wechseln Coni. und Imp. so, dasz im Coni. des Aorist der ein-
zelne Fall hervorgehoben wird , wo die Realität in einem festen ge-
schlossenen Bilde Tor die Vorstellung tritt, der Imp. des Praesens aber
das Verbot verallgemeinert, wo dann die Allgemeinheit von der Reali-
tät des einzelnen abstrahiert und die Forderung geradezu an den Wil-
len stellt. — Die allgemeinen Bestimmungen sind an den Conditional-
[wodurch wir uns weniger befriedigt gefühlt haben], Caussal- und Fi-
nalsätzen eenau und scharfsinnig durchgeführt. Wir heben daraus noch
folgende theils unmittelbar gewonnene, theils gelegentlich gegebene
Regeln hervor. In den Sätzen der Folge und Absicht der blosze Inf.
mit oder ohne mars, um die unmittelbare Folge oder die unentwickelte
Absicht zu bezeichnen; äats mit dem Ind. bedeutet die durch die
Wirklichkeit, mit dem Opt. die durch die Möglichkeit vermittelte Fol-
§e, die Finalpartikeln mit dem Opt. die blosze Tendenz, die in Ge-
anken bleibt, mit dem Coni. die Tendenz, die auf die Wirklichkeit
eerichtet, also durch dieselbe bestimmt ist. — Die Unselbständigkeit
des Inf. zeigt sich auch in den unmittelbaren Obiectsätzen , wo die
Griechen theils den Inf. theils das Particip gebrauchen. Wo das Sub-
ject des regierenden Satzes das bestimmende ist, da steht der Inf.,
weil der abhängige Satz seine Selbständigkeit formell verliert; wo da-
gegen das Subject des regierenden Satzes das bestimmte ist, da steht
das Particip nach seiner adjectiTischen Natur, da das Adj., wie der
Genetiv, das bestimmende Moment ist. So bei fiavd'dvBiv, nsgiogav^
alaxvvsa&ai. — Wir fügen diesem noch eine kurze gelegentliche Be-
merkung über die Bedeutung der Casus bei, um zugleich darauf hin-
zuweisen , wie reich an praecis gefaszten, praktisch brauchbaren sprach-
wissenschaftlichen Definitionen das vorliegende Programm ist. 'Das
Verhältnis beim Substantiv (der Casus) wird sich, als beim ruhenden
sein , im Begriff der Abhängigkeit darstellen, und^ die gegenseitige Be-
ziehung der zwei Factoren, die zu einem Verhältnis gehören, kann nur
durch das Verbum vermittelt werden. Die Abhängigkeit des zweiten
Factors vom ersten ist das Accusativ Verhältnis, des ersten vom zwei-
ten, so dasz das erste durch das zweite bestimmt wird, das Genetiv-
verhältnis, der Indifferenzpunkt, in dem als in dem Zweck und Ziel
die Beziehung sar Ruhe kommt, das Dativverhältnis'. — Wir müssen
514 Berichte aber gelehrte Anstalleu, VerordoangeD, stalisl. Noliica.
aber noch iiisbeitondere der als Beilage angefügten trelTlichen Schol-
red(> bei Kntla^sun^ der Abiturienten gedenken, die znar schon im J.
18-10 in Gtückstadt, mo der Verf. damals Rector der Grelehrteoschule
^ar, gehalten wurden ist, nun aber zum erstenmale im Drocke er-
scheint. Sie bebandelt das alte, viel besprochene Thema: das* die al-
ten Sprachen t wie überhaupt die klassische Bildung j den GelehrUn-
sehuUn nothwendig seien, in einer eigenthumlich frischen und leben-
di>:en \V«tiäe und in einer theiiwei^e so vollendeten Scharfe and Prac-
ciriiun des Ausdrucks, dasz wir uns nicht versagen konneo« einige
Stellen daraus hit>rher zu setzen. Ks ist eine köstliche, cum lesen
drin;:end zu eniptehlende, mit der Abhandlung im Programme ia inne-
rer Verwandtschaft stehende Rede. Zuerst über die Sprache uberhiopt
und das bildtude Klement in ihr: Wurt und Gedanken sind anzertrcnn-
lieh, das Wurt ist nichts anderes als das Bild des Gedankens, seine
Verkörperuiij;. Ohne Wort ist der Gedanke ein wesenloses Gespenst,
ohne Ge^ianke das Wort ein entseelter l^ichnam. Niemand kann ei-
nen Gedanken deutlich hinstellen und für die Dauer festhalten, es sei
denn im Wurt; denn das Wurt ist iUs rlüciitl>;e. geistige, und deswe-
gen adaei[uate Behältnis für den (i«::dankfn. wurin er zum k>ei>tehen nnd
Ter>tehen kommt. Keiite Gedankeabeziehiiii£:«rn £;iKt es, Leine Uatcr-
M-hi*rdo kann der Geist in sich st-rzirii, sei es itu Einzelwesen, sei es
im Volke, die nicht in der Spracii»: au^^eprji:t ^%erden. Diese Besie-
hungen >in<l aber nieder;:-Iei:t in dtrr Gr(tiiiiii.it:k einer Sprache, and
daher i>t e> der i:ram.iiati»ch»: l'iiterrlrlit. Mi.>rän »Ikt Srhäler die Un-
terschiede und Beziehün::rn dt-r Wi.Tt<>. 'liiti •! :d-irrh zug'cich der Ge-
danken be!:reift und ver>te!it. Wahrli- :i. e-« Lt^t ki»ine kriftigendere
L'ebung für das Gedäclitni.«, ai-t die, di^z drr Seh Hier seübt werde,
die ^rdiiiiiKtti>chru Fonit*:n in iiiren ^e[t.ta d>j>;:*rprä«rt Endungen and
L'nterschied>.'n uut'z'if.issen und Zii br\%a'.r»-ti. Ge^^is, es ;;ibc keine
stärkendt'fe Gvmndstik für den Ver.<Ca:id als die, dasz der Schäler aa
concreten G*'gensrand der Spriche beziehen und unterscheiden , d. h.
denken lerne. Alle katpi^urten. io ^ieie ihrer die Lv^ik nnd Metaphy-
hik nur immer umfassen kann, in der Graitiniatik erscheinen sie schon,
aiigeihan mit Fleisch und Biut. und darum dein \'er?tändnis näher. —
Dann von den alten Sprachen in.^besond'rr».- : Wie die neuere Zeit durch-
drungen wird von der Id«^e t^*:r W.ihr!i»-it, <iie z'ier-it tinn Inhalt sncht,
HO ifi die l'i^e der Schön hp't d i« Prinrfi» de-* Alter^.lmm*. Den Grie-
ch*:n nnd dann auch den R<K[.»:rn ii.ili »t Inhtlt nur in der schönen
Fiirm Ulli d*-t[.<iib e^en si. d iure S^i rauhen durch lus plastisch, so desi
a'M «Irr zw»-i:kiii4.<»zi>:*:n Fiirin und durch die.«eibe ilSerall der Geist, die
h\*ni :»"rv'ir>tr.iMt. L'rn nnr *:i(iz^ine> an^ d-T Men^e des Stoffs zn be-
rühren. ^\»i «lud die CisiMforme:i in d^n neueren .Sjirachen so Ter-
dr.i(ii:i drjrch zerrei^zende Praep<jsittunen. und in d'^r deutschen Spra-
che, die noch einen Reat davon hat, %»ie sind sie so matt. *o nnbe-
(»tiiniiitp tu ver?*chwimrTiend. pA;;e^en wie be^^timmt, wie entschieden,
wie scharf treten <»ie in den alten Sprachen hervor. Wie wird bei ans
das Zeitwort fast erdrückt vi-n der Last des Hiitszeicwurts . die wir
hätien sollen, und mo<:en m ollen, untl dürfen können. Ua^^ej^n b macht
man ein griechisches Verbuni nur in^usehen. wie ist es voUcndeC in
allen seinen T heilen. Lud die Svn'ax. Im Siegesgange schreitet der
roini.^che Satz einh«fr. krjf'.i«. s^-druru^en. eisern Nt >*ei~n Schritt« aber-
all umÜMii uns die Re^el der m';iiLäri*ch.;n Disciplin, Gesetz. Ordnung,
Stellunii. K\vduiion. \..r:ij> .irjwt die kratiis'i MannschafU den Rücken
deikl ein Mdiiöiiondes Wurt. Es ist die Sprache de* ge!?etzjrebenJen
Ver>tando>. l iid di««« Sitze »ie wachsen zusainmen zu Perioden, wie
keine Spiacbc »lo iu solcher Voileudun:^ zu biiden vennjic: denn das
Forum hdi !»vs) ;;«bM-va, wo der Tum Staate begeisterte Rainer
Berichto Aber gelehrte Anstalten, Verordnangen, ttatiit. Nötise«. 515
freiem Himmel die Herzen des weltbeherschenden Volke in seine Ge-
danken eingehen liesz, nach seinem Willen lenkte. Anf dem Fornm
und im Lager Mcar die Stätte des praktischen Romers, nnd deswegen
ist er der Mann des Gesetzes, der Staat ist sein Gott. Wie in der
romischen Sprache Gesetz und Regel den Geist fiberwiegt , so sind in
der griechischen Geist und Form aufs innigste miteinander verachlun-
een durch das Bind der Schönheit, die das innere im auszeren abbil-
det, die den Geist erfaszt in der materiellen Form. Wie in der Sta-
tue des Phidias das Gewand an den Körper sich anschmiegt, und da-
durch die schone Form enthüllt, die es zu verbergen scheint, wie jede
Stellung dem ganzen zur Vollendung dient, wie jeder Faltenwurf An-
muth auflgieszt über die volle Gestalt, so ist die griechische Sprache.
Durch die einende Kette der Participialconstruction schlingt die Pe-
riode ihren Reigentanz, begleitet vom Chorgesang des melodischen
Rhythmus; jede Nuance des Gedankens, treu gibt sie der Modus, das
Tempus wieder, jede Schattierung des Ausdrucks, wir finden sie im
Faltenwurf der Partikeln. — Endlich zur Charakteristik der Litteratar
heben wir unter anderem nur diese kurzen Sätze noch hervor: Livius
ein Strom, der durch weite Ebenen sich ergieszt, in seinen Wellen
spiegeln sich die belebten Ufer. Sallust, ein Flusz, der schäumend
über Felsen herabströrot, Leidenschaften malt er und ihre Gewalt. Ta-
citus, au der Scheide der Zeiten, tief und voll Sehnsucht wie das un-
endliche Meer, das zwei Welten trennt; aber am Ufer ächzt die Woge,
nnd voll Zerrissenheit ist die Brandung der Wellen. Treu schildert
er das zerrissene seiner Zeit, aber in die Tiefe seines inneren zieht er
die Bitterkeit zurück über den Verfall des Romervolks. Historische
Kunst lernt der Jungling nur kennen und schätzen bei den Alten. —
Die Schule ward im Sommer 1865 von 221 Schulern besucht, von de-
nen 16 in I, 21 in II, 38 in III, 39 in IV, 36 in V, 46 in VI, 25 in
VII, nnd im Winter 1855 — 56 von 236, von denen 15 in I, 24 in II,
47 in Itr, 34 in IV, 39 in V, 49 in VI, 28 in VII sassen. Zur Uni-
versität giengen Mich. 1855 2 und Ostern 1856 4 Schüler ab, zn prak-
tischen Berufsarten 16. [L,]
MELPonF.] Zu den Prüfungen am 15n März 1856 in der hiesigen
Gelehrtenschule ist als Rinladungsschrift erschienen: eine üebenetzung
dei * Cid* von Corneille (Act. I-III), mit einem Nachwort von O.
Kallsen, Dr phil. (38 S. 4). Die Schulnachrichten (8. 39—45) er-
wähnen zunächst in bescheidener Annpruchlnsigkeit der 25jährigen
Amtsjubelfeier des Rectors der Anstalt, Dr W. H. Koister, dessen
gesegnete Wirksamkeit unverkennbar der Gegenstand der allgemeinsten
nnd aufrichtigsten Aufmerksamkeit gewesen ist. Sie gedenken anszer-
dem der amtlichen Besuche des holsteinischen Bischofs nnd des Ober-
schulinspectors , sowie der 25jährigen Amtsjubelfeier des snderdithmar-
sischen Landvogts. Ueber den Mangel an Mitteln zu naturwissenschaft-
lichem Unterrichte wird Klage geführt. Die Schulerzahl betrug im
ersten Semester 72, nemlich 10 in I, 15 in II, 13 in III, 21 in IV, 13
in V; im zweiten 64, nemlich 8 in I, 16 in II, II in III, 20 in IV, 9
in V, von welchen 3 im Laufe des Semesters wieder abgegangen sind.
Zur Universität ^engen 3 SchSler ab. [L.]
Plö:«.] Das Programm von 1855 enthalt antier dem Jahresbericht:
Bemerkungen zur Texteikriiik einiger Stellen in Shakespeare' a Dra-
men, Die Schiilerzahl war im Sommer 1854 86, im folgenden Winter 88,
Ratzeburg.] Das Schulprogramm von 1854 enthält vom Rector
Bobertag: die arithmeiiachen Orun doperat tonen im Amchlnue an
E. Heii* Auf gaben »ammlung, nebst Jahresbericht. Das Programm von
1855 vom Conrcctor Dr Aldenhoven: quae fuerint Romanorum de
eonditiane poBt ohitum futura opinienet vulgare$. Die Labrer find:
filO Hnr'itklt Aber (fttleUrie An»liilleD, VerordDUBgCB, slatisL MoliMB.
J; f'rof, /««fidrr, l>fre<.lor, 2^ llohrrlDg, Rector, 3) Dr Ald«ii-
hnvfn, ilonr.f i) Hör ineNtcr, 8ubrertor, 5) llorabostel, eratcr,
0; If iiriii«<'n, x%*<^ilrr CoMa^orator , 1) Tieck. Dfr frohere Sabr.
Ilnrflrlii iifl %var«t jMicIi. IHob PmIot xa LaiMhn. Die 8chalen«hl
liftruf/ Onirrii J8:i4 HC), Ontern IHiVi 76. Der Konig tod DanenrnrlL
{»«•Hilf tifr niii 4n Novbr. 1H.'»4 die Anntalt. [I>.]
l(i'.M>Hfii;iir;.] Hai« 8c:hiil|iro{;rainiii von Ostern 1854 enthalt tob
rfilliilioriitiir l>r OttMAii; </c Antiphonii» vcrborum formarumque 9p€-
t'ir iitifl NrtiiilnanliriRlit^n vom (/tinrvctor Hagge, der seitdem lur Mel-
ciorfrr Nfliiilii \f.rHv.l7X int. Die Lohrer waren im Aprii 1854: I) Con-
rrrior HnKf(i*, *1) Niibrertor Dr Ciir. Marxsen, 3) Coilaborator Dr
Oitnnti. n Mnrirtifl, :>) Dr O. Kaliseii, 6) Cand. d. Theol. Stilr
c kr, 7) (:hr. Uli nur n. Si^ildcmi wurde die Schule zu einem 'R«aj-
ItymnnNiiMir iim{(r.Ntiiilet und dafür am 2Hn 8eptbr. 1854 ein proTisori*
Hvhrm Ntnlul rrlaNNrn. Die Schule »o\\ aus 9 Klassen, 3 gemeinschaftp
lli'hrii UnfrikliiNfirn (Ni«x(a, <^uinta, <^unrta), 3 gesonderten Oberklaweo
lilr dm CS>mnnNiiil- (Gcltdirten- ) Unterricht und 3 Oberklaaaen fnr
dm höhrrm Knnluntrrrirht Uc.Hlohen. Die Kealprima ist noch nicht ins
Lnhm grtrrim. Di«* Ii«'hror alnd: I) Profesi^or Dr Frandaen, Di-
rroior (Mtii Allonn hirrhrr hcrufen), 2) Dr V echt mann, Rector (frfi-
h(«r C'onrrrior in MrldorO, 3) l«urht, Tonrortor (früher Conrector ii
«•liirkNtadi), 4) Dr iVlarMiru. Suhrertor, ö) Dr Ottsen, erster, 6)
('und. MartruK, Kwrit<»i-, 7) diud. Kirch ho ff, dritter, 8) Cand.
Nliiikr, vi««r(rr ('ollnhorntor, ^t"^ i\ Haiison. erster, 10) Cand.
\0lhrhr, it\\riier, \\) M. Lucas, dritter Adjunct. Kiir den Unter-
riihi im Minfion . »richnni und turnen find Hilf>le.hrer angestellt« —
Daa »Srhulpro^ramm Kur t>Morpriifiin(r lS.x> enthalt vom Collab. Kirch-
holt; rttif^r Mfiff*' üht^r rfr» Nt'lifi'iontvntcrrichi in den oberen JC/ea*
KC» i/ri Uymnotun , und ^om Dimtor oinm l^oricht über das erste
llalhJAhr dr» Krsi)|;\ninaMumA. /u Anf^nj; hatte dasselbe 106, im leta-
len Wim er \M> Schüler. Da» IV^^ramm xnr OMerprnfnng 1856 ent-
hait 10m Re«Mor Dr V echt mann: r^tV 2yiri4tionfauff*ib€ m:(« + k)
Sku\i.%\\u,.' Da» l«<»hrerper»ona1 bildeten nach den ProgramB
\oi« liili IS.*« r Tivf. Keetor Jii n|:c i a 11 s sen. :2 Dr Henrichsea,
."i^ Dl Maim«-ii«, 4^* H l.oienyen. .'»'^ l.orenR. 61 Griafeld,
T^ nii«hril. '»^ Ji^haii^en; «'.«> rn^^ramm en:hü!l Ton Dr Mani-
r %\\ *i, «■f«.i/:f*» l\«/r«>,v}4 o:it vi crrn/tr V. i K> ward eiae nhite
1 *^hivi»ii'lJe li:i einen rhr.^4«^fL<-^n evri« Mr*. . t:>r Srhi..;tiblioihek a4Ü^
••III iCox« Nriil < ^n .^V Thii. Kri^^ltsin. Si-r i:irr7iihl 11,^. — Das Pra-
{L.<tmiM ^ ,Mi I.Vv^ on)hr,'i %' ic Kormr:'« r.r.j^ *<: r • Ser jLdifcnnien Abb. alt
t* 11 1^:-.-' .1 r. n^ t ; n c ^ske« «v« «h; i^n .^au. Ix^.'» ai'^r^an^ea uui
.'. j »^S,'i'., h!v. mi .■*»! KsiS^^v«;v, tii: f -.r. 4 A , h .-■ : ^ . Dr S. L PatcI-
•.,11 \\r,*,%M jii\ K4V1/M »nt:i'vio 4 l^f»' i*i»nre*'toT Dr Hrnricbsea
^^■i.,- ««ii ,'•%* ^'i««n«.M i^\ ir!i>j,\.T4:ii. \-4 -siNit , Dl M h n ; « c ^ ^'ard Cea
V,, i.»i \ , I . MM<n NmSnsmi^: . H i • l; r 1 l d>'i:ii»ii;Xiftl ■ I^er AdimMt
1 .■-,.«. j» .'«i^ «I« i^JvM'*«»hT-o: •!• i*«v i^« inn«v'j:ir yi. S<inq in WeKr
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Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnnngen, Statist. Notizen. 517
es werden dafür 3 englische and 1 deutsche ertbeilt. Zar Vergrosze-
rung der Bibliothek wurden wieder 500 Thlr. bewilligt. [L.] .
SiEDKNBÜROEN.] Programme Siebenbürgischer Gymnasien Tom J,
1856. 1) Programm des evangelischen Gymnasiums in Kronstadt und
der damit verbundenen Lehranstalten zum Schlüsse des Schuljahre»
1855/Ö. — Inhalt: die Temperatur der Quellen bei Kronstadt, von F.
fi. Lnrtz, S. 3 — 15. Der Verf. bietet in den mitgetheilten Tempera-
turbeobachtungen von neun verschiedenen Quellen einen brauchbaren
Beitrag zu der noch ziemlich vernachlässigten physikalischen Geogra-
phie des Burzenlandes. — Schulnachrichten S. 19 — 34. Der Unterricht
ward am Gymnasium, dem damit verbundenem Volksschullehrer- Semi-
narium, der Real- und Volksschule von 20 ordentlichen und 4 Neben-
lehrern ertheilt, von denen jedem durchschnittlich 18 wöchentliche Un*
terrichtsstunden zufallen. Die Gesamtzahl der Schüler betrug in den
acht Gymnasialklassen 211. In den 4 Seminarklassen 14. In den 3
Realschulklassen 119. In den 5 Volksschulklassen 382. Davon waren:
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4. in der Volksschule
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3
Die Bibliothek wurde theils durch Geschenke, theils durch Ankauf um
1400 Bände vermehrt; auch das Naturalien-, Münz- und geographisch-
physikalische Kabinet wurde bereichert. Schlieszlich werden 23 wich-
tigere dem Gymnasium während des Schuljahres zugegangene Ober-
consistorialverordnungen im Auszuge mitgetheilt. — 2) Fünftes Pro-
gramm des evangelischen Gymnasiums zu Bistritz, herausgegeben am
Schlüsse des) Schuljahrs 1856. Inhalt: a) etymologische Forschungen
auf dem Gebiete des lateinischen und griechischen von K. G. T h ö n ,
S. 3 — 16. Der Verf. sagt S. 4: die heutige etymologische Wissen-
schaft ist nicht mehr jenes unklare aller soliden wissenschaftlichen Ba-
sis entbehrende herumschweifen in dem so verführerischem Reiche des
Gleichklaifges, das sich in unserem Jahrhunderte durch seine Gehaltlo-
sigkeit und Lächerlichkeit hinlänglich gerichtet hat, sondern sie ruhet
auf nüchterner, verstandcsklarer Forschung usw. Aber Etymologien
wie die S. 17 mitgetheilten, wo aus ideiv mit Hilfe von Sanskrit, Go-
thisch usw. unser deutsches : wissen, aus ol%og Wohnung u. i. wird,
scheinen doch immer noch aus jenem verführerischen Reiche des Gleich-
klanges herzustammen« Weit glücklicher als mit einzelnen in der Ein-
leitung aufgestellten Behauptungen ist der Verf. in den Resultaten der
eigentlichen Abhandlung, die uns über die Etymologie der Worte:
(rjyfi^v^ alytctXog, okti;, ^£g , '^X^^y ^aleecaa, cclg belehrt und vun
allen die sich mit etymol. Studien beschäftigen, gelesen zu werden
verdient. Es steht zu wünschen, dasz der Verf. ferner Proben dieser
seiner Studien mittheilt, b) das romische Landheer von seiner Grün-^
dnng bis zum Untergange der Republik von C. F. Sintenis, S. 16
— 27. Der Verf. theilt ein Bruckstück aus seiner demnächst erschei-
nenden Geschichte des romischen Kriegswesens für Gymnasien mit. —
Schulnachrichten S. 29—35. Der Unterricht ward von 14 Lehrern mit
je 16 wöchentlichen Standen im Durchschnitt ertheilt. Zwei derselben,
518 Bariehle Aber gelehrte Aaitalleo, VerordDUDgen, atatifl. Nolisea.
Philologen, worden im Laafe des Schaljahres aus Tabingen and Halle
berufen. Die acht Gymnasialkiassen worden von 149 Schalem besocht,
als: 135 Deatschen, 7 Romanen and 2 Slawen. 125 waren evangeli-
schen, 19 römisch- und 7 griechisch-katholischen Bekenntnisses. — Die
Bibliothek wurde theils dorch Geschenke, theils dorch Anschaffungen
verhäitnismäszig kostspieliger Werke um 270 Bände vermehrt. Dann
worden 500 6. C-M. Eur Errichtung einer Schälerbibliothek von bei»
laufig 370 Banden verwendet. An Zeitschriften bezog das Gymnasium
J3, davon 8 in Deutschland erscheinende. Abiturienten 1865 5, 1856 4.
Die Errichtung eines Volksschullehrerseminars und einer dreiklassigen
Realschule ist im Werke. — 3) Programm de» cvang. Gymnanums in
8ekä»zburg und den damit verbundenen Lehranstalten am Schlu»»^
de» Schuljahre» 1855/6. Inhalt: Geschichte der siebenburgischen Ho-
spitäler bis zum Jahre 1625, von Friedrich Müller, S. I — 65. Eine
fleiszige Compilation, die jedoch nur ein höchst iocales Interesse be-
anspruchen kann. Des Verifassers archivarische Quelienstodien verdie*
Ben alle Achtung und Anerkennung. — Schalnachrichten S. 66—86. Am
Gymnasium und Seminarium unterrichteten 16 Lehrer mit durchschnitt-
lich 16 wöchentlichen Stunden. Die Anzahl der Schüler betrug im
Gymnasium 136, im Seminarium 72 (von denen wol ein groszerTheii
gleichzeitig das Gymnasium besuchte?), von diesen sind:
im Gymnasium
- im Semitiirlam
bl . 79
7 65
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68
4
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66
3l j3
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Die Gymnasialbibliothek wurde durch Geschenke und AnschafTangen
nicht wesentlich vermehrt; die Bibliothek für die Schüler wuchs um
34 Nummern. Die Münz-, Antiquitäten- and Siegelsammlung wurden
jede um^ einige Stücke vermehrt; am meisten geschah für die natoree-
schichtliche Lehrmittelsammlung. — Unterrichtsgegenstande an alTen
drei Gymnasien waren: deutsch, lateinisch, griechisch, ungarisch, he-
braeisch, Religion, Geschichte, Mathematik, Physik, Naturgeschichte,
Geographie und philosophische Propaedeutik, Rechnen, Schreiben, Gre-
sang und Musik. Alle drei Gymnasien sind öffentliche, können staats-
gültige Zeugnisse ausstellen, beziehen jedoch als evangelische vom
Staate keine Subventionen, sondern werden aus den von der sachsi-
schen Nation in Siebenbürgen dotierten Fonds unterhalten. Die Be-
soldungen der Lehrer belaufen, sich durchschnittlich auf 600 G. C-BL
Wermesch. Prof. Sinteni$.
Personaln achrichten.
Anstellungen, Beförderungen, Versetzongen«
Bentz, pr, Lehrer an der Kadettenschule in Berlin, als ord. Prof. d.
Physik nnd Astronomie an die Hochschule zn Bern berofen.
Cattaneo, Ant., SuppL, zum wirklichen Gymnasiallehrer in Lodi
ernannt.
Codazzi, Delph., SuppL, zum wirklichen Gjrmnasiallahrer in Pavia
ernannt.
Femonalnaeliriclifefi; frl9
Colombel, H., Gymnasiallehrer , zum Conr. am Crymn. zn Hadamar
ernannt
Cornelius, Dr K. Ad. , Prof. d. Gesch. an der Univ. zs Bono , znm
Univ. -Prof. in München ern.
DeDtschmann, Dr^ Gymnasiallehrer, zum Conr. am Gymn. zu Ha-*
damar ^rn.
Ebenböclc, AI., Assisrtent am Gymn. zu Dillingen , zum Stndieniehrer
am Gymn, zu Eichstädt ern.
Eickemeyer, Dr, Gymnasiallehrer , znm Conr. am Gymn. zu Weil-
burg ern.
Franchi, Prz, Snppf. , zum i^irklichen Gymnasiallehrer zu Cremona
ernannt.
Galle, ao. Prof. und Dir. der Sternwarte an der Univ. zu Breslau,
zum ord. Prof. der Astronomie in der philosophisch. Pacultat ders.
Hochschule ern. ^
Geier, Dr, College an d. lat. Sehule im Waisenhaiise zu Halle, zum
Dir. am Gymn. zu Treptow ern.
Gieser, Joh., Schulamtscand. , zum ord. Lehrer am Gymn. zu Trier
ernannt.
Halm, Dr Karl, Rector am Maximiliansgymn. zn München, zum Dir.
der Hof- und Staatsbibliothek und ord. Prof. der klass. Philologie
an der Univ. das. ern.
Kopke, Dr E., Prof. in Berlin, zum Dir. der wiederhergestellten Rit-
terakademie in Brandenburg ern.
Langner, Dr Frz, Lehrer am Gymn. zu Sambor, als wirkl. Lehrer
an d. akad. Gymn. zu Lemberg versetzt.
Mancini, Dr Jon.. SuppK, zum wirkl. Gymnasiall. am Obergymn. za
Padaa befördert.
Morowski, Dr And r., Gymnasiall. zu Tamow, als wirkl. Lehrer an
d. akad. Gymn. zu Lemberg vers.
Mrniak, Frz, Lehrer und provis. Dir. des Gymn. zu Sambor, zum
vnrkl. Lehrer des 2n Gymn. zu Lemberg ern.
Nickel, Wilh. , Priest., Studienlehrer am Gymn. zu Eichstadt, zum
Prof. am Gymn. zn Neuburg an d. Donau ern.
Planck, Dr K. Ch., provis. Verweser der 6. Kl. am Gymn. zn Ulm,
definitiv zu ders. Stelle mit Titel und Rang eines Profess. der 8n
Stufe ern.
Polanski, Bron., Profess. der Religionswissenschaft an der früheren
phiiosoph. Lehranstalt zu PrzemysI, zum wirkl. Gymnasiallehrer in
Sambor ern.
Riccardi, Jos., Suppl., zum wirklichen Gymnasiallehrer in Sondrio
ernannt.
Rodecki, C, Gymnasiall. zn Tamow, zum wirkl. Lehrer am akad.
Gymn. zu Lemberg. ern.
Scarenzio, Pet., Suppl., zum wirklichen Gymnasiallehrer in Mantua
ernannt.
Scheibner, Dr ph. Wilh., Privatdocent, zum ao. Prof. in der philos.
Fac. d. Univ. zu Leipzig ern.
Schwarz, Dr K., Prof. th. in Halle, zum Oberconsistorialrath und
Oberhofprediger in Gotha ern.
Seck, Joh. Ferd., wissenschaftl. Hilfslehrer, zum ordentl. Lehrer am
Gymn. in Essen ern.
Sobieski,Stan., Gymnasiall. zu Sandec, znm wirkl. Lehrer am 2ten
Gymn. zu Lemberg ern.
Stanecki, Thom. , Suppl. am Gymn. zu PrzemysI ^ zum wirkl. Gym-
nasiall, mit einstweiliger Verwendung in Lemberg ern.
520 Personalnaoliriehton.
Stawarski, Ign., Lehrer und proY. Dir. des Gyrnn. n fitandM, vm
wirkl. Lehrer am akad. Gymii. tu Lemberg ern.
Steblecki, Dr Alb., lum wirkl. Lehrer am 2ten Qjmn. m Leaberg
ernannt.
Sybel, Dr Heinr. K. Rudolph, Prof. der Geacb» in Marbiir|r, mam
Univ. -Prof. in Manchen ern.
Tomaachek, Ant., Gymnaaiall. in Cilli, xum wirkl. Leluner an Stca
Gymn. zu Lemberg ern.
Trzakowski, Bron., GymnaaialL in Tar ao w. sam Lehr«r an Gyai.
in Krakau ern.
Wild, Piet., Assistent am Gymn. za AachaiTeobiirgy zum Stadiealek-
rer am Gymn. za Passaa ern.
Praediciert:
Cassel, Paul, Privatgelehrter in Erfurt, als Prof.
Dramann, Dr W., ord. Prof. in Königsberg, als Geb. Reg.«Rath.
Pensioniert;
Gaugengigl, Ign., Stadienlehrer am Gym. zu Passao.
Gestorben:
Am 2. Jul. zu Wien Dr Jos. Job. Mich. Salomon, Prof. d. bihcna
Mathematik am kk. polytechn. Institut, correspond. MitgL d. kais.
Akad. d. W., geb. am 22. Febr. 1793 zu Oberdarrbach bei Wfin-
bürg.
Am 6. Jul. zu Ems der franz. Unterrichtsminister FortonL
Am 10. Jul. zu Turin Conte Amadeo Avogrado di Quaragiii
Director der naturwissenschaftl. Kl. an der das. Akademie im 87a
Lebensj.
Am 15. Jul. in Heidelberg Geh. R. und ord. Professor der Matll. Dr
Schweins, über 70 Jahre alt.
Am 22. Juli zu Pesth Dr Job. Henfner, ord. Prof. des roa. Beehta
an der dort. Univ., im 57n Lebensj.
Am 24. Jul. zu Breslau Dr Ang. W. Ed. Tli. Hentscbel, ord^Prst
in der medicin. Fac. der das. Univ., geb. zo Breslau aa Hk Dec
1790.
Am 9. Aug. in Kiel Etatsrath Prof. Dr W. Ed. Wilda, feb. im^
bekannt als Germanist.
Am 11. Aug. in Dresden Artillerieoberlieutn. Hugo y. Bote^ dirA
geogr., geschichtl., mathem. Schriften bekannt.
Am 19. Aug. in Straszbarg der Prof. der Chemie Gerhardt.
Desgl. im Aug. der berühmte Geolog Constant PreTOst, Bfitgl» dff
Akademie der Wissensch. in Paris.
Zweite Abtheilung
herausgegebea tob Rttdolph Dietsch.
42.
Neueste Sammlung ausgewählter griechischer und römischer
Classiker, verdeutscht von den berufensten üebersetzem.
17e Lieferung. Des C. Sallustius Crispus Werke ^ übersetzt
und erläutert von Dr. C. Cless, Prof. am k. Gymnasium zu
Stuttgart, Bitter d. 0. d. W. Kr. 1. Bändchen: der Krieg
gegen Jugurtha. Stuttgart, Hoffmann 1855. 12 Bogen kl. 8«
Die allgemeinen Gesichtspunkte, auf welche die Bearbeitung der
nachfolgenden Blätter geführt hat, sind, für einen gröszeren Leser-
kreis berechnet, bereits an einem anderen Orte besprochen. Es möge
mir gestattet sein, die leitenden Gedanken dieses Aufsatzes in kurzem
zusammenzufassen, soweit sie als Grundlage für die Anzeige und Be-
urtheilung der vorliegenden besonderen Arbeit hier vorangestellt wer-
den müssen.
Dasz fortwährend neue Uebersetzungen der griech. und röm.
Klassiker erscheinen, hiefür ist nicht nur ein äuszeres, sondern wirk-
lich ein inneres Bedürfnis vorhanden. Solche, welche Gymnasialstu-
dien gemacht haben , aber denn doch nicht Zeit finden oder nicht mehr
im Stand sind schwerere Schriftsteller in der Ursprache zu lesen,
noch mehr aber diejenigen, welche eine realistische Bildungslaufbahn,
gemacht, Männer vom Kriegswesen, höher strebende Leute der Indu-
strie u. drgl. brauchen solche Hilfsmittel. Die Philologie ist es, wie
andere Wissenschaften , diesem Leserkreis und nicht minder sich sel-
ber schuldig, auf diesem Wege aus der Studierstube und Schule her-
aus ins gröszere Leben zu treten und namentlich die Fortschritte, wel-
che die Alterthumsknnde ihrer realen Seite nach in den letzten Jahr-
zehnten gemacht hat, an der Hand der übersetzten Originale dem
gröszeren Publicum nahe zu legen, so z. B. den Gewinn, welchen die
Kenntnis der öffentlichen und häuslichen Zustände des Alterthums den
gründlichen Forschungen unsrer Tage, die Erdkunde auch der alten
Welt den Reisen und Unternehmungen der Neuzeit verdankt. Und auch
abgesehen davon darf die Philologie sich der Pflicht nicht entziehen
y. Jahrb. f. Phil. u. Paed, Ud. LXXIV. fffLU. 37
522 C. Cle88:SaUaitiii8.
immer wieder den Weltkampf mit den Meisterwerkeii des klaniseheii
Aherlliums durch immer vollendetere Uebertragung la besieheo. Uad
dieses kann sie auch Dank der immer grflndlicheren Erforschnag der
alten Sprachen — wie viel Gewinif kann der jetzige Uebersetier eiaei
Lateiners z. B. schon aus Nagelsbachs Stilistik und Seyfferts scbolce
latinae ziehen! — sowie der entschieden fortgeschrittenea Eotwiekliig
der deutschen Prosa, in der theiVs die Nachwirkung unserer Klassi-
ker , namentlich Goethes , theils das Studium filterer SprschdeDknale
deutlicher als vor etwa dreiszig Jahren zu verspQren ist.
Zu diesem immer neuen AVellkampf ist aber die Philologie aiefc
deshalb berufen, weil ebenso darüber wie übersetzt werden nana,
unsere Zeit ein immer sichreres Bewuslscin bekommen hat Anf thao-
retischcm Wege ist dies gefördert worden durch Schleicrmachera be-
rühmte Abhandlung, auf praktischem durch die unabliaaige Bemahaag
unserer Nation , nicht allein griechische und römische Klassiker, soa-
dern auch die Meisterwerke der verschiedensten Völker und Zelten iai
deutsche zu übertragen, und zwar so, dasz die Uebersetsnng aar
Nachbildung wird und fremde Nationalitaten und fernliegende Zdlea,
so weit es immer möglich ist, in ihren Eigen thümlichkeiten laf aas
wirken, fast möchte man sagen, in ihren Sprachen dnreh denlsebaa
Mund zu uns reden dürfen. Roth hat den Standpunkt, welehen nu-
mehr eine gute Uebersetzung in Beziehung auf Anbeqnemnng an das
fremde Original einzunehmen hat, in dem Vorwort zn seiner Uebar-
sctzung des Tacitus in dieser Sammlung ebenso scharf als einfaeh be-
zeichnet. Aber wie einerseits die Forderungen in BetrelT der Trene ia
der Nachbildung scharfer bestimmt worden sind, so müssen nnd kön-
nen andererseits an einen Ucbersetzcr in unserer Zeit immer sirengare
Ansprüche gemacht werden auch hinsichtlich der Gewandtkeit nad
Freiheit im deutschen Ausdruck. Wir verlangen allerdings eine Naab-
bildung, aber eine solche, die in keiner Weise steif, achwerfllUg, na-
gcfügig, sondern durchweg natürlich sei und deshalb auch nnsehaldi-
ger scheinende Graecismen und Latinismen, alles, was bloss phraseo^
logische Wendungen, gleichsam Arabesken der fremden Spraehe sind,
nicht allein zu vermeiden, sondern auch jedesmal durch die reehtan
Ersatzmittel wiederzugeben wisse, einzelnen harmlosen Liebhabereisn
unserer Sprache am rechten Platze Kaum gönne , z. B. der Vorliaka
für Assonanzen und Allitterationen namentlich in sprüchwörtliehen le-
densarten , desgleichen den Forderungen des Wolklangs nnd des üaH
gehörige Rechnung trage, kurz : deutsch rede, so weit die Pfliehl, das
fremde zu seinem Recht kommen zu lassen, es imm^r erlanbl. Lnlkera
Bibelübersetzung bleibt hiefür ein unübertrefTliches Moster. Man lese
einen von ihm übersetzten Psalm , wie klingt er hebraeisch , nnd doeh
wie befriedigt fühlt sich zugleich unser Sprachgefühl !
Von dieser ^neuesten Sammlung ausgewählter griech. und röm.
Klassiker, verdeutscht von den berufensten Ucbersetzem' llsst sieh
im allgemeinen ohne Gefahr des Widerspruchs versichern, dasi ein
eifriges und lobenswerthcs bemühen, nach diesem in der Thal nieht
C. Cless: SaUottiot. 523
niedern Ziele zu ringen nud auch diesen strengeren Anforderungen
gerecht zu werden, hier unverkennbar vorliegt. Die zum Theil durch
frühere Leistungen wol bekannten Namen der Uebersetzer lassen dies
auch zum voraus nicht anders erwarten. Es sind nach der Reihenfolge
der bis jetzt erschienenen Theiie dieser Sammlung: Donner (Aeschylus
und Homer), Prantl (Plato), Eyth (Plutarch), Herbst (Terentin^), Mö-
rike und Notter (Theokril), Ciess (Sallustius), W. Binder (Horatius),
Zeising (Xenophons Memorabiiien), Karsch (Aristoteles fiber die Theiie
der Thiere) , Kdliner (Ciceros Tusculaneu), Minkwitz (Aristophanes).
Angekündigt ist noch von Gerlach : Livius, und von demselben bereits
erschienen: die Geschicbtschreiber der Römer, übersichtlich darge-
stellt; wie auch von Prantl: Uebersicht der griechisch-römischen Phi-
losophie.
So sehr demnach dieser Unternehmung ein guter Fortgang nicht
nur gewünscht, sondern versprochen werden darf, ist doch zunächst
der VerlagshandluDg ans Herz zu legen, im Interesse der Sache einige
Wünsche ins Auge zu fassen und zu berücksichtigen. Der Zusatz auf
dem Titel Won den berufensten Uebersetzern' hat für die Kritik gera-
dezu etwas herausforderndes , sollte aber auch zur Schonung der Ge-
wissen beseitigt werden; um dem Misbrauch durch Schüler eher vor-
zubeugen und den Augen der älteren Leser zu lieb dürften gröszere
Lettern und gröszeres Format zu wählen sein ; hinsichtlich der Anmer-
kungen musz ein mehr gleichmäsziger Plan festgestellt und eingehal-
ten werden, da bis jetzt ein weit auseinandergehender Unterschied
zwischen den einzelnen Verfassern herscht, der ein sicheres allen Ar-
beiten zu Grunde liegendes Princip gar sehr vermissen läszt.. In nega-
tiver Hinsicht läszt sich wol ein solches ohne Mühe durch den auch
für den Unterricht so richtigen Kanon geben, der Uebersetzer solle
sich zur strengen Pflicht machen, eine Anmerkung beizufügen, nicht
da , wo eine solche gegeben werden kann, sondern wo sie gegeben
werden mnsz.
Die eben ausgesprochenen Wünsche hat vornehmlich auch die
Uebersetzung des Sallust von Cless nahe gelegt, deren Besprechung
der Hauptgegenstand dieser Zeilen sein soll. Wer die umfassenden
und erschöpfenden Artikel des gelehrten Herrn Verf. in der Realency-
clopaedie f. d. kl. AW., vor allem die Aufsätze über Topographie und
Geschichte von Nordafrika kennt, wird es ganz in der Ordnung finden,
auch in den Anmerkungen zu dieser Uebersetzung des Jugurtha von
S., welcher im Laufe dieses Jahres die des Catilina und der Fragmente
folgen soll, einer sehr eingehenden Behandlung der sachlichen Seite
des Schriftstellers zu begegnen nnd bei näherer Einsicht die Ueber-
zeugung gewinnen , es sei hier in dieser Hinsicht wirklich etwas be-
deutendes und abschlieszendes, eine Leistung von bleibendem Gewinn
geliefert worden , auf die fortan die Erklärer Sallnsta mit Sicherheit
sich berufen und weiter bauen können. Mit so bienenartigem Samm-
lerfleisz ist ja als Zugabe zu der Uebersetzung alles zusammengetra-
gen, was ältere wie neuere und neaeste Forscbnng aber die Oertlich-
87*
524 C. Cless: Sallosdas.
keit, die einzelnen Persönlichkeiten and Vorfälle dieses alten afrika-
nischen Kriegs im grossen and kleinen za Tage gefördert hat. Insbe-
sondere ist der Gewinn, den die Erklärung der Jugartha aas den Be-
richten und den damit zusammenhängenden Untersuchungen Ober die
Kriegs- und Friedensunternehmungen der Franzosen in Nordafrika za
ziehen hat, in gewissenhaftester Weise ausgebeutet. Diese Gegenden
werden hier so zu sagen an der Hand der neuen Eroberer für die phi-
lologische Wissenschaft erobert. Selbst der begeistertste Friedens-
apostel musz zugeben, dasz in diesem Falle wenigstens der Krieg aach
für friedliche Bestrebungen Nutzen gebracht hat. Diese Seite der vor-
liegenden Arbeit ist somit der vollsten Anerkennung werth, and diese
höchst schätzbaren Beiträge zur Aufhellung der betreffenden Geschichte
und Geographie können allen, die in Schule oder Schrift mit Sallnst
zu thun haben, nicht dringend genug empfohlen werden. Auch that
diesem Verdienste an und für sich der Umstand keinen Eintrag, dass
allerdings der Umfang der Anmerkungen in diesem Theile der neoen
Sammlung von Uebersetzungen unverhältnismäszig gröszer geworden
ist als bei den übrigen Mitarbeitern. So lange kein fester, verabrede-
ter Plan über Masz und Art der erläuternden Anmerkungen vorliegt,
ist der einzelne Bearbeiter hierin nur sich selbst verantwortlich, es
sei denn dasz gesagt werden mäste, er habe nicht blosz relativ, sondern
absolut des guten zu viel gethan und den oben aufgestellten Kanon
über das ^kann und musz' überschritten
Dieses Bedenken nun aber erhebt sich in der That beim Anblick
dieser umfassenden im kleinsten Druck beigegebenen Anmerkungen.
Mehr als- ein Leser könnte versucht werden in die Worte einznstin-
men, die der Praeceptor des Job. Jak. Mos er diesem seinem Schaler
zurief, wie er ihm einmal als Zugabe zu dem wöchentlichen Exercitium
hundert lateinische Disticha brachte: Tu es molesie sedulus. Dies um
so mehr, wenn wir uns als Leser dieser Uebersetzung die im Eingang^
bezeichneten Klassen der Gesellschaft denken. Wol kann anser Ueber-
setzcr mit Recht sagen: es hat mir niemand vorgeschrieben, dasz ich
nnr diese Leser ins Auge zu fassen habe , ich erkannte als meine Auf-
gabe, anch dem gelehrten alles das zu bieten, was er zum sachlichen
Verständnis dieses Schriftstellers braucht und was er selbst nicht so
leicht beibringen kann, wenn er nicht Zeit und Lust hat, ebenso wie
ich, jahrelange Studien auf diese Einzelnheiten der Geschichte nnd
Ortskunde zn verwenden ; ich wollte Lehrern und Schülern zugleich
die Pflicht nahe legen, diese so oft vernachlässigte Seite der Erkliran|^
ernstlicher und schärfer ins Auge zu fassen, aber auch die Mittel dar-
bieten , dieser Pflicht zu genügen.
Diese Rechtfertigung müssen wir, wenn wir billig sein wollen,
insoweit anerkennen, als nicht in Abrede zu ziehen ist, dass in einer
nicht gar fern hinter nns liegenden Zeit bei dem Schulunterricht nnd
in Commentaren über dem sprachlichen Interesse das sachliche zusehr
in den Hintergrund gedrängt worden ist. Anch musz zugegeben wer-
den , dasz , wenn anch bei diesen Uebersetzungen jene Leser aas dem
C. Cless: Salluslius. 525
LaiensUode in erster Linie Berücksichtigung verdienen, die andere
Klasse, die denn doch auch und zwar in bester Absicht nach diesen
exegetischen Hilfsmitteln greift, Lehrer und studierende nemlicb,
gleichfalls erwarten darf, auch ihre Bedürfnisse befriedigt zu sehen,
soweit es sich mit dem Hauptzwecke vereinigen läszt. Diese letztere
Klasse ist sicherlich für vieles , was hier manchem anderen überflüs-
sig dünkt, nicht wenig dankbar.
In diesem Betracht mnsz also die Ausstellung über das zuviel
der Anm. dahin beschränkt werden, dasz es immerhin wünschenswerth
wäre, es möchte das, was nur für den Fachgelehrten von luteresse ist,
also nicht einmal kritische Rechtfertigungen der Uebersetzung und
sprachliche Notizen, sondern auch das vielfach in so groszer Ausführ*
liohkeit beigebrachte Material zu Begründung der Resultate in sachli-
chen Fragen von denjenigen Bemerkungen gelrennt sein, welche für
alle Leser nothwendig sind. Alles was zur ersteren Art gerechnet
werden musz, gehört in abgesonderte Excurse am Schlüsse des Buchs;
die letzteren kurzgefaszten Beigaben sollten lieber unter dem Texte
stehen. Aber auch so ist des guten noch zu viel. Es Gndet sich nem-
lieh manches bemerkt, was für den nicht gelehrten Leser überflüssig
ist, der Leser vom Fach aber in seinen Commentaren zu suchen und
zu finden gewohnt ist, sei es mehr sprachlicher Art, oder seien es auf
den Inhalt bezügliche Citate aus anderen Schriftstellern, endlich auch
solches, was zwar interessant, aber selbst für den gelehrten zu viel
ist, sofern er eben nur den Sallust, allerdings auch nach seiner topo-
graphischen und geschichtlichen Seite, verstehen, nicht aber zugleich
Geschichte und Geographie von Nordafrika studieren will. Beispiels-
halber nenne ich als in jedem Betracht zuweitgehend nicht weniges in
dem Excurs zu cp. 18, namentlich gleich den Anfang mit der Angabe
der zum Tbeil abenteuerlichen Einfälle über den Namen Afrika. Zu
den Anmerkungen ersterer Gattung aber, welche der Uebcrsetzer ge-
trost den Commentatoren allein oder auch den deutlich genug spre-
chenden Worten seiner eigenen Uebertragung hätte überlassen dür-
fen, rechnen wir z. B. cp. 1, not. 3; 2, not. 2. 3. 5. 3, not. 3; 4, not. 1.
6; 7, not. 5 (wo anszerdem ein Druckfehler zu bemerken ist); 8, not.
2. 4; 9, not. 1. not. 7; 31, not. 14. 17. 18. 20; 85, not. 4. 17 u. v. a.
Auch findet sich nicht selten z. B. 19, not. 1 usw. ein bloszes Citat
einer neueren Schrift, das entweder ganz wegzulassen wäre, oder,
wenn es berücksichtigt werden muste, lieber in Kürze nach seinem
Inhalt angegeben sein sollte, zumal wenn die Stelle, wie hier der
Fall ist, wirklich einer Erläuterung bedarf.
Es wird somit den Werth dieser Seite der schätzbaren Arbeit
sicherlich erhöhen, wenn bei einer neuen wol nicht lange ausbleiben-
den zweiten Auflage die Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit, die
nichts wesentliches übergeht und welche vollkommen anerkannt wer-
den musz, eine sicherer gezogene Grenze findet an der gleichfalls
sittlichen Tugend der Zurückhaltung und Selbstverleugnung, die aus
guten Gründen nicht alles bieten mag, was lieh bieten läszt, und auf
526 C. Cless: SaUaitini
das blosz interessante verzichtet znm frommen dei wirklich mofik-
wendigen.
Wie in den Anmerkungen so ist auch in der Uebersetsang ein ge-
wisser Beigeschmack von Schulgelehrsamkeit — wenn ich stark redei
soll — das einzige, was sich mit Grund an derselben anssefien Hast.
Nicht als ob die in den erläuternden Abhandlungen zum Thell wahr-
nehmbare Schwerfälligkeit, welche hier durch das Streben naek KSne,
und aus der Scheu, irgend etwas zur Sache gehöriges zu ttbergehea,
erklärt und entschuldigt werden kann, im Texte selbst sich besonders
auffällig machte. Wol aber zeigt sich das, was ich meine, da and dort
in einer Aengstlichkeit, die auch da sich zu strenge an das Original
anschlieszt und dasselbe silhouettenartig nachzeichnet, wo nach dea
obigen Grundsätzen eine freiere Bewegung, oder wie die Maler sagea,
breitere Pinselführung nicht blosz erlaubt sondern geboten iai, and wo
bei alier Treue, die eine Nachbildung haben musz, doch eine Emand-
palion von phraseologischen Wendungen des fremden Idioms Plats la
greifen hat. Es gibt auch gewisse mehr unschuldig scheinende Lati-
nismen, die einem, der sich in LectQre lateinischer und griechiacber
Schriften mehr als in der von klassisch deutschen Mustern nmgetriebea
hat, unbewnst und zum Theil noch von der Schule her ankleben. So
ist ja auch Luther, der in der Hauptsache eine so kerndeatsche Spra-
che führt, bekanntlich mancher Latinismus , selbst Accusative mit den
Infinitiv bei Verben des sagens entschlupft, oder auch z. B. *des an-
dern Tages, viel Volks das — gekommen war, da es hörete' Job. 13, IS,
und Paul Gerhardt, der echtdcutschc Sänger hat doch in selaeai
bekannten Morgenlied einen starken, im deutschen unzuläazigen Naeii«
klang lateinischer Diction in den Worten:
So wollst du nun vollenden
Dein Werk an mir und senden,
Der mich an diesem Tage
Auf seinen Händen trage.
Derlei nun wird, zumal in einer Uebersetzung, in unsern Tagen einen,
der ein durch viele Leetüre mustergilliger Schriftsteller gebildelei
deutsches Ohr hat und dieses fort und fort übt, nie und nimmermehr
in die Feder kommen dürfen; hier ist das Gebiet, wo der Uebar-
setzer den Genius seiner Muttersprache frei musz schalten lassen, }
sich seine Uebertragung wirklich natürlich ausnehmen soll und
auch jede Spur von Gewaltthat gegen die eigene Sprache soll Tor-
schwunden sein. Selbst eine gegen die sonstige Treue absteohenda
Freiheit und Keckheit ist hier und sofort auch noch in einen weiteren
Falle am Platz, nemlich wo sichs um wirkliche Stich- und Schlagwör-
ter handelt, die besonders bei technischen Begriffen eben einzig^ das
volle Bild dessen geben, was der Schriftsteller sagen will, und wiren
es selbst Fremdwörter, denen natürlich das vollgiltige Bürgerreoht
nicht fehlen darf. Es gibt Fälle, wo Wörter wie: Gapitulation, Intri-
guen, Kahinetsjustiz u. drgl. in einer Uebersetzung nicht entbehrt
werden können. Gleichfalls hat diese freiere Bewegung des denisehen
C. Cless : Sallastius. 527
Sprachgeistes sieh geltend zu machen und das fremde Gewand abzu-
streifen in solchen Sätzen, wo das deutsche Ohr einen ihm besonders
zusagenden Siibenfaii und Wolklang erwartet, so besonders ])ei man-
chen sprichwörtlichen Redensarten. Endlich und mit dem bisherigen
zusammenhangend ist der Salz, dasz eine Uebcrsetzung treu, genau,
correct deutsch sein kann, und doch ein gewisses etwas vermissen
laszt, wenn nemlich der Leser spürt, dasz zwar alles gut, aber denn
doch eben nicht mit dem besten, trelTendslen Ausdruck, vornehmlich
nicht mit dem ganz entsprechenden Bilde, das gerade das deutsche
Sprachgefühl verlangt, wiedergegeben ist, oder wenn er gar selber
das eine und andere Mal während des lesens einen noch zusagenderen
und bezeichnenderen Ausdruck findet. Wir erinnern daran, wie so oft
französische Sprachmeister einem sagen: ^das ist schon recht und
sprachlich richtig, aber man sagt eben nicht so'. Dies musz auch oft
unsern Ueberselzern zugerufen werden, oder auch in anderer Version:
^es gienge wol, aber es geht nicht'.
Mit diesen Andeutungen sind die schärferen Forderungen be-
zeichnet, die wir dermalen an eine wirklich ganz befriedigende, ich
möchte sagen, völlig behaglich stimmende und eben deshalb klassisch
zu nennende Uebcrsetzung machen müssen. Man sieht aber wol, wie
schwer, ja sehr schwer nicht allein die Befriedigung dieser Ansprüche
sondern auch die Aufgabe ist, nunmehr an einer eben vorliegenden
Ucbersetzung nachzuweisen, wo sie^s recht und ganz recht gemacht
hübe, wo nicht, und wie da und dort das bessere, als der Feind des
gegebenen guten, zu lauten hätte. Kegeln und Gesetze lassen sich in
diesen feineren Regionen keine mehr aufstellen , der oft auch irrege-
hende subjective Geschmack und Takt ist hier einziger Gesetzgeber
und Richter, weswegen der ßeurlheiler niemals mehr als hiebei ent-
fernt sein wird, auch wo er tadelt, sein Urlheil als unumstösziich und
völlig maszgebend hinstellen zu wollen. Dies um so mehr, da der be-
urtheilte Uebersetzer sehr oft sich damit rechtfertigen wird, er habe
eben auch absichtlich der deutschen Sprache gröszere Zumutungen
gemacht, um theils das röjnische Gepräge, theils die Eigenthümlich-
keit seines Schriftstellers nicht verloren gehen zu lassen. Und wer
möchte bestreiten , dasz überhaupt die Grenzen zwischen berechtigtem
und unberechtigtem auf diesem Gebiet flieszende sind. Doch glaube
ich nicht unbescheiden zu erscheiucn, wenn ich zur Veranschaulichung
dieser allgemeinen Sätze und darnach zu bemessender Beurlheilung
dieser Uebersetzung Sallusts nunmehr einige Belege folgen lasse , wo
ich glaube, dasz diesen zuletztgenanuten "Rücksichten zu viel Rech-
nung getragen ist, mit beigefügter eigener Uebertragung, in der die
bezeichneten Mängel zu vermeiden und eine dem dentschen Ohr zusa-
gendere Form zu finden versucht ist. Zuvor jedoch musz die Versiche-
rung ausgesprochen werden , dasz im Durchschnitt und in den weitaus
meisten Fällen die Uebersetzung von Cless auch diesen strengsten
sprachlichen Forderungen entspricht. Als besonders gelungen, durch
völlig deutschen Ton und durch Natürlichkeit neben der Treue und
528 C. Cless: Saliustias.
Wörllichkeit ausgezeichnet, möchte ich mehrere Partieeo der Rede
des Morius cp. 85 hervorheben, z. B. § 9 10 47 48.
Zu den unschuldigen Latinismen nun aber, die zu vermeiden wa-
ren, rechne ich gleich im Anfang des ersten und zweiten Kapitels die
wörtliche Uebersetzung von genus humanum. Das deutsche Sprachge-
fühl verlangt meines Erachteus folgende Uebersetzung cp. 1 $ 1. ^Mil
Unrecht klagen die Menschen über ihre Natur, dasz dieselbe bei ihrer
Schwäche und kurzen Lebensdauer vom Zufall mehr als von des Mea-
sehen eigener Tüchtigkeit abhängig sei'; cp. 2 § 1 : ^gleichwie nenlicb
der Mensch aus Leib und Seele zusammengesetzt ist, so richten sich
die Dinge insgesamt und alle unsere Bestrebungen theils nach der leib-
lichen, theils nach der geistigen Natur'. Wenn nun Cless begiiuit:
*ohno Grund beklagt sich das Menschengeschlecht über seine Natar,
dasz dieselbe — — geleitet werde', und 2 l sagt: *denn wie das
Geschlecht der Menschen zusammengesetzt ist — so richtet sich
alles in den Dingen und alles in unsern Bestrebungen theils nach des
Leibes, theils nach der Seele Natur'; so musz ich, so unbedeulead
die Verschiedenheiten lauten, doch fragen, ob denn eine Nothweadig-
keit, eine unerlüszlicho Uücksicht auf das römische Colorit und «af
Sallust vorlag, welche zu dieser mehr wörtlichen, aber dem deutsches
Ohr weniger natürlich klingenden Uebersetzung gezwungen hftlte, uod
musz diese Frage verneinen, weil ich glaube, dasz genui hier reis
phraseologisch steht, wie auch dasz die Inversion ^dcs Leibes
Natur** durch nichts geboten ist.
Aus ähnlichen Gründen sagt mir 3 <$ 1 2 die Uebersetzung nicht
völlig zu; sie lautet: ^wcil ja doch weder dem Verdienste Aas-
zeichnungcn erlhcilt werden, noch auch selbst diejenigen, welche
durch Schliche zu solchen gelangten, durchaus gesichert oder
deshalb mehr geehrt sind. Denn mit Gewalt Vaterland oder des-
sen Untcrl hauen regieren , ist , gesetzt auch, man vermöge es Qud
man heile Gebrechen, eben doch etwas bedenkliches, zumal da alle
Stautsumwülzungen Mord, Aechtung und andere feindselige Hassre-
geln befürchten lassen'. Ich möchte, namentlich mit Vermeidung
des unser Sprachgefühl leicht verletzenden * weder — noch', und mit
einigen sonstigen Aenderungen die Worte also fassen: 'weil es ja
nicht die Tüchtigkeit ist, der die Auszeichnungen zu Theil werden, aid
auch diejenigen, welche auf unrechtem Wege eine solche davonge-
tragen, nicht ohne weiteres sicher sind oder desto mehr in Achtung
stehen. Denn mit Gewalt unter seinen Mitbürgern oder in den Provin-
zen eine Ilerschafl üben, ist, gesetzt auch man vermöge es oder helfe
Gebrechen ab, doch etwas miszliches, zumal da Staatsumwalsungen
jeder Art zu Mord, Aechtung und andern Feindseligkeiten das Signal
geben (oder : Vorboten sind von —)'.
In Kap. 4 § 2 ist der Plural aieblingsarbeiten' statt «Beschifli-
gung, Fach' nicht gerechtfertigt; § 3 möchten die Worte: * diejeni-
gen, welchen es als die gröste Betriebsamkeit erscheint, das Volk
schmeichlerisch anzusprechen und mit Gastereien um seine
C. Cless: SalluaÜus. 529
Ganst za werben' natürlicher und kürzer also lauten: ^welche die
gröste Tliatigkeit darin erblicken , dasz man dem groszen Haufen den
Hof macht und durch Gastereien um Gunst buhlt.' Ibid. § 4 Masz ich
vielmehr mit Fug und Recht, als aus Trägheit meine Ansicht ge-
ändert habe, und dasz von meiner Musze dem Staat ein gröszerer
Gewinn zuflieszen werde , als von der Geschäftigkeit anderer', eher
mit Beachtung des Wortspiels und ohne das steife ^ vielmehr — als'
etwa so : ^ dasz ich aus guten Gründen , nicht aus Arbeitscheu meine
Grundsätze geändert habe, und dasz dem ganzen mehr Gewinn aus
meiner Geschäftlosigkeit erwachsen werde, als aus der Geschäftigkeit
anderer'. — Ebendaselbst § 6 ist es besonders das uns von der latei-
nischen Schule her anhafiende fatale ^zwar', woran ich Anstosz neh-
me, sofern es hier in einem Satz nicht weniger als dreimal sich ein-
geschlichen hat, während es höchstens bei illa cera zulässig ist. Sehr
richtig bemerken neuere, dasz ^der Lateiner in Ermangelung des Ar-
tikels oftmals ille gebrauche, wo wir mit dem Artikel ausreichen.'
Ebenso richtig ist wol aber auch, dasz dieses Pronomen etwas steifes
hat und nur in ganz bestimmten Fällen, z. B. im entschiedenen Gegen-
satz von * dieser' oder im Sinn von *der bekannte' — aber auch da
mit Masz — angewendet werden darf. Man achte darauf, wie selten
in gut geschriebenen deutschen Buchern dieses Fürwort uns begegnet,
und wird dann auch im Unterricht die ungehörige Anwendung dessel-
ben abzuschneiden beflissen sein. Ein weiteres Beispiel aus dem vor-
liegenden Buch bietet cp. 86 § 2: ^je höher der ganze Staat als Cou-
sulat und Praetur steht, mit desto gröszerer Sorgfalt musz man jenen
verwalten, als um diese sich bewerben.' Hier ist * jener' selbst im
Gegensatz zu ^dieser', also in einem sonst erlaubten Falle, kaum zu-
lässig, wol deshalb, weil die ganze Correlation etwas hartes hat und
ein zu starker Ton auf das Fürwort fällt. In gleicher Weise verhält
es sich cp. 9i § 1, wo offenbar die Wiederholung des Eigennamens —
was überhaupt das deutsche Sprachgefühl öfter verlangt, als das latei-
nische — das richtigere wäre.
Auch 14 § 4: ^aber weil eben Redlichkeit, auf sich beschränkt,
nicht genug Sicherheit hat, und Jugurtha^s Betragen nicht in meiner
Hand lag, so nehme ich zu euch meine Zuflucht, versammelte Vä-
ter, die ich, was für mich das traurigste ist, eheir belästigen musz,
als ich euch dienen kann', hat manche Härten, die leicht zu beseiti-
gen waren, etwa in folgender Weise: ^weil aber ja Redlichkeit an und
für sich zu wenig Sicherheit gewährt, und ich^s nicht in meiner Hand
hatte, wie J. sich benahm, habe ich meine Zuflucht zu euch genom-
men, ihr Männer vom Senat insgesamt, und musz, was mir das pein-
lichste ist, euch lästig werden, bevor ich euch nützlich werden
konnte.' — Ebendaselbst wäre § 10 pesUs wol natürlicher durch * Un-
hold'— oder *Geiszel' wiedergegeben, als dnrch das seltene * Verder-
ber'. Das lateinische Wort ist ja dem römischen Ohr so ganz geläufig,
dasz der Uebersetzer auch nach einem gewöhnlichen Bilde, das zu-
gleich stark genug ist, greifen mnss. — Auch $ 23 lauten die Worte :
530 C. Cless: Sallnslins.
«wülirend bei mir selbst Üben und Tod von fremder Macht abhin^l'
sehr hart. Jedenfalls sollte es heissen: für mich selbst, für meinft Per*
son ; oder aber (s. meine Recens. der Ausgabe des Sallust von R. Ja-
kobs in diesen Blatt. Bd. LX\ S.444): Vdbrcnd mir die MaöhtbefagBU
über Leben und Tod benommen ist'.
Kann wol gesagt werden 31 § 7: *dero sie trachten nadi der
Krone vorwarfen' ohne Artikel? Ist ebend. § 8 ^die Strafe, welche ohae
Bürgerblnt nicht vollzogen werden kann, sei mit Recht vollstreckt' fir
den deutschen Leser verständlich? Die schwierige Stelle erfordert Bei-
nes erachten» nicht nur eine Erläuterung, sondern aaoh die Ueber-
setzung mus2, wenn ich recht sehe, etwa so lauten: ^es mag meinet-
wegen alles rechtlich gothan hciszen, wobei, wenn man es ahadea
wollte, Bürgerblut flieszen muste' (d. h. es mag ungestraft hingehei,
was sie nur immer gethan haben , weil es genau betrachtet nur dnrcli
blutvergieszen geahndet werden kann). — Ebendaselbst glaabe ieh (
9 zweierlei Schullatinismcn bemerken zu müssen. Cless Abersetst:
*doch war es ihnen nicht genug, solcherlei Uebeltliaten ungestraft r§^
übt zu haben (so auch $ 22); daher wurden zuletzt Gesetie, enre
Iloheitsrechte, alles göttliche und menschliche (aaoh so 31 f
20) an die Feinde verrathen'; es musz wol hciszen: *doch haben sie
nicht g^nug daran, derlei zu verüben; dahcjr wurde snletak — alle
menschliche und göttliche Ordnung (oder: alles, was vor Gotl aad
Menschen recht ist) — preisgegeben.' — Ebendaselbst $ 10 wird
vielleicht ^Kaub' statt etwas durch Raub gewonnenes, was ieh TOrsie-
heu möchte, durch Luthers: er hielt es nicht für einen Raob, Gotl
gleich zu sein, zu rechtfertigen sein. — 31 § 15 sollte ^nur' nach 'heisif
stehen. — Den deutschen Ton und angenehmen Flusz vermiase ieh
auch $ 16 und meine, ^für Gewaltherschaft entflammt sein' rieehe ^
derum nach der Schule. Ich möchte etwa so andern : ^lieszet ihr (
die Freiheit ebenso angelegen sein, wie die genannten Leute mit I
ser Leidenschaft nach der Herschaft streben, wahrlich nnser Geaieia-
wesen luge nicht im argen und die Aemter eurer fluid wfiren in dea
Händen der besten , nicht aber der frechsten.' — Ferner § 17 (rgl. f
6) scheint mir ^haben sich getrennt' nicht der passende Aosdraeh
für sccessio (eher: Entweichung) zusein, und nitemini besser dnreh
*alle Kraft aufbieCon' als durch ^ringen' übersetzt zu werden.—
Hart ist für das deutsche Ohr % 18: ^das zu thun stünde weniger
euch an, als jenen es zu dulden'. — Wenn § 25 es heisst: *in
Hause und im Felde wurde das Gemeinwesen feilgeboten' nnd ieh da-
gegen mit Entschiedenheit behaupte, es müsse statt des Imperf. biet
das Perf. stehen, und somit die Stelle etwa so lauten: ^daheim and iai
Felde ist die Sache des Staats zur feilen Waare geworden^, and wenn
ich beifüge, dasz ebenso vielfach in dieser Rede z. B. § 2 $ 9 ond
gteichermaszcn in anderen Stellen besonders der Reden, vor allem ia
der des Narins weit hfiullger das deutsche Perfectum verwendet
werden, so erfordert dies einige weitere Worte; denn die Sache ist
kitzlich und das Gebiet des deutschen Perfcctums musz gegendber
G. Cless: SallastiliB. 5S1
nicht wenigen Schriftstellern unserer Sprache Förmlich vertheidigt, wo
nicht gar erst erobert werden. Doch ist hier nicht der Ort, die Sache
vollständig zu erörtern und zu begründen; also möge es an einigen
Thesen genügen, die ich mir erlaube zur Beherzigung oder aber —
zur Widerlegung vorzulegen, und worin zugleich der Beweis enthal-
ten sein mag, warum ich auch von unserm Uebersetzer in diesem
Punkto nicht völlig zufrieden gestellt bin.
Einige Thesen über das deutsche Perfectum, J) Wenn ein Va-
ter, nach der Zahl seiner Kinder gefragt, antwortet: *ich habe nur
noch zwei Kinder, zwei andere starben'; so ist dies fast ein ebenso
grober Sprachschnitzer, als wenn er gesagt hfltte: zwei sterbeten. 2)
Nicht ebenso fehlerhaft, aber doch immer unzulässig ist das Imperfecl
in Stellen , wie die angeführten aus dieser Uebersetzung. 3) In Reden
nemlich und Briefen , ja selbst in gewissen Fällen in rein erzählender
Darstellung musz sehr oft das deutsche Perfect eintreten, wo in der
Praxis sehr viele Schriftsteller, besonders norddeutsche unbefugter
Weise dem Imperfect seine Stelle lassen, obgleich in Betreff der Theo«
rie il;re Sprachlehren, z. B. Heyse 18 A. S. 220, das richtige geben.
4) Unter den Philologen macht in dieser Beziehung ganz besonder«
Niebuhr eine rühmliche Ausnahme, von dem also auch in dieser Be-
ziehung viel zu lernen ist. 5) Auch von uns Schwaben, so wir Binders
das richtige Sprachgefühl unseres Dialects walten lassen, sollten hie-
rin die Bewohner anderer deutschen Provinzen lernen, so wenig es
andererseits zu verantworten ist, dasz unsere Mundart gar kein Im-
perfect hat. 6) Das deutsche Perfect ist nemlich immer zu setzen, wo
bei einer Aussage aus der Vergangenheit eine mehr oder minder be-
wüste, auch gemütliche Beziehung auf die Gegenwart des redenden
oder erzählenden hervorgehoben werden soll. 7) Diese Beziehung kann
grammatisch gefordert sein, und dann fällt allerdings der Fehler mehr
in die Augen , wenn z. B. ein Imperfect neben einem Praesens steht
(wie Thes. 1), aber es sind sehr häufig auch verstecktere Gründe mehr
rhetorischer oder psychologischer Art , die in gleicher Weise die Se-
tzung des Perfects gebieten. 8) Am häufigsten möchte dies stattfinden
in Reden nnd Briefen (Thes. 2), und zwar um so mehr, je weniger
durch Reflexion vermittelt, je naturwüchsiger die Ansdrucksweise des
sprechenden ist, also bei Sallust in den R^en des Memmius, Marina,
Cato mehr, als in der Caesars.
Nun nur noch weniges dieser Art, wo meines erachtens dem
deutschen Sprachgefühl zn lieb einzelne Wendungen bezeichnender,
flieszender, zum Theil auch wörtlicher sich bilden lieszen, z. B. 73 §
4 möchte ich vorschlagen : ^ bei beiden waren nicht die persönlichen
Vorzüge oder Mängel, sondern der Parteigeist das maszgcbende'
statt des allgemeinen und minder gefügigen: ^es wirkten hinsicht-
lich beider mehr Parteineigungen als — .*
Der Anfang 'der Rede des Marins 86 § 1: Mch weisz wol, dasz
die meisten nicht dieselbenEigenschaften geltend machen,
wenn sie bei euch sich am einen Oberbefehl bewerben, nnd wenn sie
532 ^- ^^^^ * SaUn8li|i8.
ihn erlangt haben und nun wirklich fähren' klingt mir nicht einfach
und kurz genug; ich würde lieber sagen: ^ daaz die meislen sich ai-
ders geben bei der Bewerbung usw.* So ist auch $ 3 'welch' ba-
deutenden Auftrag ich kraft eurer so grossen Geneif kheit
tiberkommen habe' gewis im Mundo des Narius weniger natarlioh, ab
etwa : ^wie gewaltig das Geschäft ist, das ich mit dem Amt eurer ffra-
szen Huld übernehme', abgesehen davon, dasz (s. anten) daraeff»-
hallen werden musz , dasz der hiußg vorkommende politische Bogrif
von heneficium überall wo möglich mit demselben Aosdrack roi
gleichfalls diplomatischer Färbung wiederzugeben ist. Ebendas. liagt
§ 5 wol: *die suchen eine Blösze an mir zu finden' näher, als: 'sie fl-
ehen eine Gelegenheit, mich anzufallen'; § 6 scheint *in die SeUii-
gen fallen' natürlicher, als ^gefangen werden'; §7 'ich haheaidi
so betragen' flieszender, als: Mchwarso'; § i§ 'desto höher«
Adels ist er', minder gesucht für das doch gewöhnliche genm^omm all,
* desto wohlgeborener ist einer zugleich'. Auch 'aber eine ift-
wahre (Ucde) siegt mein Leben und Benehmen' § 27. ist kein Htlr-
lieber Ausdruck, eher: 'ist erhaben — oder: widerlegt os«r.' — Kau
man § 30 sagen : ^ich habe mir meinen Adel durch Anatrengangsi lad
Gefahren (wol eher: Strapazen) erworben'? — Die Ueberiulmf
<^ 34 ' ich will nicht meinen Ruhm durch seine Anstrengung erkaalBB'
verwischt den schönen Gegensatz, der um so mehr beizubehallea ww,
da die Vorliebe für Gegensätze als ein charakteristischer Zag SallaaU
ohne Noih nicht unberücksichtigt bleiben darf, daher eher wol : 'ich will
nicht mir den Ruhm nehmen, ihnen die Mühe lassen'. — 'Ein TOlks-
thünilichcr Oberbefehl' § 3r> hat mir etwas undeutsches, eher: 'wo
burgerfreundliche (oder volksthümliche) Art, den Oberbefehl sa Mh
rcn'; desgleichen ist $ 37 ^ Nacheiferer' kaum zulassig. — $ 40eat-
spricht ^Tutzwesen' wol bestimmter dem Plural tnunditiaSj als das
einfache Tutz'; und § 41 war durch Luthers Vorgang die UeiieTselWHf
'denen der Bauch und das schnödeste Glied des Leibes ihr Gott ist'
nahe zu geboten für das farblose und ungewöhnliche: 'ergehea
dem Bauche'. Gerade derlei Anklänge an ganz stehend gewordeit
Redensarten und Bilder thun dem deutschen Leser so wol ond er aÜMit
dafür viele Opfer in den Kauf, die sonst dem fremden Origiaal ge-
bracht werden müssen. In dieselbe Klasse gehört 93 $ 3, wo 'LmI
nach einem Abentheuer' doch viel näher läge, als 'die Begierde,
etwas schwieriges auszurichten'. — 'Das Leben vollstrecken' (86
$ 49) geht aber wol gar nicht an.
Dies die Bemerkungen, die mir bei der Durchsicht dieser Oe-
bersetzung als besonders beachtenswerth erschienen. Han sieht, die
Ausstellungen betreffen nicht eben erhebliche Punkte; das meiste
möchte manchem, der nicht gewohnt ist, fortwährend vielea und ga-
tcs in der Muttersprache, und zwar mit besonderer Aufmerksamkeit
auf ihre stilistischen Eigenthümlichkeiten, zu lesen und aach selbst ss
schreiben, kaum aufgefallen sein, wenn es nicht namhaft gemacht wor-
den wäre. Darin liegt, sollte ich glauben, der beste Beweis der An-
C. Cless; Sallnstiof. 5S3
erkennung der Arbeit im ganzen. Bei einem lobenden Zeugnis soll
man, sagt die Weltklugheit, vorzaglich das beachten, was nicht darin
steht; gleichermaszen mag der Leser hinter diesen Aasstellongen leicht-
lieh and mit Recht das Bekenntnis vermuten, es sei nichts wesentliches
auszusetzen, namentlich sei es, was ja doch die Hauptsache ist, mit
der Genauigkeit, Treue und Sorgfalt dieser Uebertragung.sehr gut be-
stellt. Und dem ist auch so. Der Stellen find^ ich im Verhältnis we^-
nige, wo ich nicht blosz formelle, sondern die Auffassung des Textes
und den Inhalt selbst betrelTendö Aenderungen, sonach wirklich uner-
läszliche Berichtigungen für nöthig (alten möchte. So z. B. möchte ich
noch einmal (rergl. meine Rec. S. 442) das Wort für Sallusi ergrei-
fen , um ihn hinsichtlich der 1 § 4 angenommenen Anakoluthie zu ver-
theidigen und abersetzen : Venu aber der Mensch als Sclave verkehr«
ter Neigungen , auch nach kurzem Genüsse der verderblichen Lust, der
Trägheit und Sinnlichkeit anheimfällt'. Ob 5 § 1 die Auffassung von
primum ^jetzt erst' die richtige ist, musz ich bezweifeln. Auch scheint
es denn doch genauer, wenn 14 § 1 und sonst statt des herkömmlichen
Versammelte Väter' für patres conscripti gesagt wird: *Ihr Männer
vom Senat insgesamt', um theils an den Ursprung des Titels zu erin-
nern, theils die uns immerhin fremdartige Benennung ^ Vater' zu ver-
meiden, da zwar von den Vätern der Stadt auch bei deutschen Schrift-
stellern gesprochen wird, aber als Anrede gefaszt und als förmlicher
Amtstitel gehraucht das Wort sich weniger gut ausnimmt; sonst müste
man sich ja auch den einzelnen möglicher Weise als Vater angeredet
denken können, v/as ja doch nicht angeht. — Bei 15 § 1 ist dar-
auf aufmerksam zu machen, dasz die Uebersetzung: *A. habe den
Krieg eröffnet und beklage sich jetzt' voraussetzen würde , es heisze
im Text hello illato; es musz wol heiszen *A. sei ein Mensch, der ohne
Veranlassung Krieg anfange'. — Von dem Hergang der Sache zn An-
fang des 19. Cap. kann ich mir keine klare Vorstellung machen, wenn,
wie hier geschieht, übersetzt wird: ^nachdem sie das gemeine Volk
und andere unruhige Köpfe aufgewiegelt hatten' (m. s. meine Rec. z.
d. St., so wie auch zu 42 § 3 *bono vinci' und zu 71 § 5 die Recht-
fertigung von *ex pörfugis' betreffend). Solicitudo 31 § 22 darf meines
erachtens nicht mit ^Kummer^ übersetzt werden, wenn nicht ein schiefer
Begriff entstehen soll ; es musz hier wol ^Besorgnis' heiszen. Ebenso
verhalt sichs mit respublica ebend. § 28, das hier nicht = Freistaat,
sondern = öffentliches Leben überhaupt ist; und mit improbior^ wofür
^ruchloser' zu stark sein möchte. — Die Uebersetzung von usus 85 $
12 mit: * Bedürfnis' musz ich für unrichtig und die ganze Ausdrucks-
weise an dieser Stelle für sehr hart halten (s. meine Rec. z. d, St.) ;
ich würde sagen: *ein Amt führen kann man freilich erst, nachdem
man es bekommen hat, aber thatsächlich und was die Handhabung der
Sache betrifft, musz man sich schon vorher darin umthun.' Ebend. § 31
parum id facto ist wol genauer zu geben mit: Mch mache mir nicht
sonderlich viel daraus'; § 39 ist wol für sordidus ^filzig' zu enge,
^schmutzig' ist wegen der Doppelsinnigkeit, .die auch im Original
534 C. Clesf : Salloflinf.
liegt, vorsaziehen. — Auch das schwierige amieUiafmeüiM 95^3 ist
mit: Mn Freundschaft leicht zugänglich' zu enge gefaist; ich aber-
setze: *in der Freundschaft ein Weltmann' (m. s. m. Reo.). — Dia 106
§ 2. angenommene Ellipse erscheint mir gewagt; ea Iftask sieh eiab-
eher erklären und übersetzen: *er halte alle Funkle der f^Aherei Ver-
handlungen aufrecht; wegen des abgeordneten Yon J. aolle er sieh
keine ängstliche Sorge machen ; so habe man bei der Verhandlang Ikr
die gemeinsamen Angelegenheiten um so freiere Hand' (na. §• aeiie
Kec. u. R. Jacobs 2. Aufl. seines Sallast).
Als besonders schwerfällige* und zum Theil wirklich aniultaiie
deutsche Wendungen mögen noch bemerkt werden 1 $ 4: *die aiehf
selbst zuzuschreiben haben , von denen schiebt jeder die Sehold iif
die Verhältnisse'; 5, Anm. 5 ^bis auf statt auszer; ebend. Aaai.8iit
statt 108 1 zu lesen 110 2; 10, Anm. 9 a. E. ist ^seine Zaaendaag' ai-
verständlich; 86 $3 ^in Folge eines trachtens vom Conaul nacll Yoiki-
gunst' läszt sich nicht anhören. Dasz z. B. 86 § 13 ^anderea' alatt *Ab-
deres' geschrieben ist, auch hie und da jeder statt Jeder n. dfl. kiia
nur als seltene Ausnahme von der sonst auch hierin ao atreagei Cie-
sequenz und Pünktlicbkeit betrachtet werden.
Dagegen möchte ich kurz noch einen eingreifenderen Mangel aa
Consequenz in anderer Beziehung bemerklich machen. BekannÜieli hat
jeder Schriftsteller, und so ganz besonders Sallust, gewiaae Liebliaga-
ausdrücke und Lieblingswendungen, die überall wiederkehren. Wihraad
nun im obigen wiederholt einer gröszeron Freiheit in der Ueberaetuaf
das Wort geredet worden ist, trete ich in dieser Beziehang mit der
Forderung einer ängstlicheren Strenge und Sorgfalt gegenüber aol-
chen Schoszkindern des betreffenden Schriftstellers auf. Eben biaria
musz ganz vornehmlich dem Leser die Eigentbümlichkeit deaaelben for
Augen gestellt werden, und dies geschieht, wenn der UebenaUar
sich der möglichsten Consequenz befleiszigt. Ich nenne, da der mA
Sallust so ganz vertraute Verf. am besten derlei Wendaugen keael,
Beispiels halber nur gleich vom ersten Capitel ^regere', daa im Anfang
und Ende desselben vorkommt und ohne Noth mit zwei veraohiedenan
Ausdrücken wiedergegeben ist, und mache auf die sich nicht gleiab-
bleibende Uebersetzung von beneficium 14 S 8 9. 85 $ 3 8 96, fan
socordia 2 § 4. 31 § 2. 85 § 22, von agere^ agilare^ i. B. 65 $ &
74 S 1, von slrenuMs u. dgl. aufmerksam.
Diesen Wink ao wie den Wunsch , die in der Inhaltagabe milge-
theilte Gruppierung des geschichtlichen Stolfs in bestimmte grAasere
Abschnitte wirklich auch in dem Text durch Absitze nnd knne Debar-
schriften berücksichtigt und auffällig gemacht zn sehen, lege ieh dam
verehrten Herrn Verf. noch zum Schlüsse ans Herz für die nene Bear-
bcituug seiner schätzbaren Uebersetzung, die ans wol bald in einer
zweiten Auflage geboten werden wird.
Schönthal im Mira. Metzger.
Fr. Mirker: Lebrbadi der Geonetrie. 535
43.
I^hrbuch der Geometrie für höhere Lehranstalten von Friedr.
Märker ^ Prof, am Gymnasium Bemhardinum in Meimngen.
Hildburghausen, Kesselriogische Hofbnchhandlang 1855. (14
B. mit 14 lithograph. Figurentafeln).
Es gibt wol keinen Theil der Mathematik, dessen Form und In-
halt mehr besprochen worden wäre, als gerade die Planimetrie nnd,
wenn man die Geschichte vorfolgt, wol haoptsfichlich darum, weil
diese Disciplin den Laien, wie den gelehrten von Fach zugleich nn-
entbehrlich sich macht, man deswegen auch von jeher mit den ver-
schiedensten Ansprüchen an sie gieng und noch an sie geht. Dem
einen ist sie die Göttin, dem anderen die milchende Kuh, jenem die
Geistesbildnerin , diesem ein Handwerkszeug, um möglichst praktische
Zwecke zu erzielen. Sollte sie als formales Bildungsmittel dienen,
dann fragte man freilich oft und zwar bereits schon im vorigen Jahr-
hundert, ob denn die so hoch verehrte allgemein verbreitete alt* eu-
klidische Anordnung der geometrischen Lehren die rechte sei und
verneinte diese Frage im laufenden ohne weiteres und fast einstim-
mig. Man fand, dasz diese griechische Geometrie, obgleich der Lieb-
ling von vielen gelehrten und Schulen, den neueren Ansprüchen gar
nicht mehr genüge, dasz sie zunächst kein klares Gesetz der inneren
Zusammenfflgung der einzelnen Wahrheiten zeige , dasz ihr aber auch
ein solches wol nicht unterliege, sie darum nicht die passende Form
für ein systematisches Lehrgebäude habe. Aber auch der Gehalt wurde
allmählich genauer betrachtet und hier ergab sich bei schärferer Prü-
fung ebenfalls mancher Misstaud, namentlich zweifelte man zuerst
daran, ob die liebgewordenen alteuklidischen Axiome wirklich den
Namen von Grundsätzen verdienten, ob der so geschätzte griechische
Geometer sich nicht etwas darüber hätte rechtfertigen müssen, auf
welchen Besitztitel hin er sich den geometrischen Grund und Boden
erworben habe, und es war vorzugsweise diese letzte Frage, welche
viel Stoff zum denken gab. Es entstanden , um dieselbe zu beantwor-
ten die scharfsinnigsten , hauptsächlich der Neuzeit augehörigen Ver-
suche und wenn wir auch der Philosophie keine unmittelbare Erwei-
terung der mathematischen Lehren zu danken haben, bleibt ihre mittel-
bare Einwirkung doch von groszer Bedeutsamkeit. Die mehrfach wie-
derholte Prüfung der Grundlagen führte zu mehreren Reformversuchen
der zn so hoher Geltung gekommenen Lehren , es entstand eine Ma-
thesis prima , eine metaphysique du oalonl , Kant schon verschmähte
nicht in seiner Kritik der reinen Vernunft den Unterschied zwischen
philosophischer und mathematischer Erkenntnis, das Wesen der ma-
thematischen Methoden festzustellen, welche Lehren aber J. Fries in
der mathemathischen Naturphilosophie zu noch gröszerer Klarheit
und Allgemeinheit erhob. Der letzte grosze Denker wies namentlich
nach, dasz die sogenannte reine u>der matheinatiacbe Anschauung,
SS6 Fr. Märker: Lehrbuch der Geonelrie.
diese Form unserer VernanfterkenDtnisse, wie wir nni daran anseht!-
lieh bewQst zu werden gezwungen uns fahlen, die eigentliche Geharto-
Stätte aller mathematischen Grundbegriffe sei, dem VeraUind es nir
zukomme, diese zum Bowustsein zu bringen, dasz das malhematiscbe
System stets hypothetischer Natur, die Lehrmethode eine dogmalische
bleiben, diese für die Erfindung von Theorien speoulativ-kritiaeh wer-
den müsse. Herbart dagegen brachte die mathematische Lehre mit der
philosophischen in genauere Verbindung, indem er fttr die Psyehole-
gie Grundlagen in jener suchte und fand. Konnten solche «llgaaiaiss
Forschungen , wie sie bis auf die neuste Zeit Drohisch ron philose-
phischem Standpunkt aus so eifrig fortsetzt, nicht verfehlen, den it
hochgepriesenen mathematischen Lehren da und dort Schwioliea, aa-
menllich die Leerheit der Formen in Zahl, Zeit, Raum, in den Vorstel-
lungen von Stetigkeit und Unendlichkeit, als Folgen der ainnliehm
Beschränktheit unseres Geistes nachzuweisen, so vermochten doch die
strengsten Ansichten es nicht, den Werth der groszen Einlenehlend-
heit, Durchsichtigkeit, Bündigkeit der mathematischen WahrheiteB is
Abrede zu stellen, man muste die hohe Bedeutsamkeit dieser Ansifri-
che gelten lassen, zugestehen, dasz es ohne dieselben Qberhanpt käse
Wahrheit gäbe, wir Menschen mittelst derselben als eines Gemeiagi-
tes uns erst gegenseitig in der Auszenwclt verständigen können, die-
selben allein den festen Widerhalt für alle üuszeren sinnliehen Er-
kenntnisse darbieten, wir uns der mathematischen Anschauungsweise
nach belieben jeden Augenblick zu bedienen vermögen, deren allge-
meine Gesetze von einem einzelnen gegebenen Beispiel abzanehsMU, de-
ren Erweiterung aus den kleinsten gegebenen Anfängen eu ersiÖgii-
chen im Stande sind, Vorzüge, die keiner anderen Wissenschaft ia
dem Masz zukommen. Solche allgemein gehaltene Betrachtnagen Ak-
ten den wesentlichsten und unverkennbarsten Einflusz auf die Ansbil-
dung der mathematischen Lehren von Seiten der Philosophie, indes-
sen auch die einzelnen mathematischen Disciplinen selbst dringtes
gegenseitig zum weiterschreiten.
Der Goometer sah den Analytiker so kühn mit den schwierigsteaf
scheinbar spitzfindigsten, unhandhablichsten Begriffen der Metaphysik)
mit dem des stetigen, des veränderlichen, des Gegensatsea, der 1^
wegung, des unendlichen u. a. umgehen, er konnte nicht umhin, i
lieh zu fragen, oh nicht diese oder jene Vorstellung am Bnde
seinen Lieblingslehren einzuverleiben sei , und da gab es denn I
Axiome und Postulate der Unendlichkeit, der Lage, Richtung,
des Orts, BegrifTserklarungen die Eigenschaften des vorfindlichen Rsa-
mes betrelTond, vor denen noch das letztverflossene Jahrhundert an-
rückbcbto, und die Euklid kaum auszusprechen wagte. Namentlidi
übte die der Analysis entsprossene analytische Geometrie seit Descar-
tes Zeiten, durch die gruszten Meister in dieser Kunst, durch eis
Laplace, Lagrange, Euler, Monge, Legendre ausgebaut, einen gann (
schicdenen Einflusz. Selbst die wärmsten Verehrer der alten mit so
klaren Zeichnungen verbundenen Geometrie, konnten den analytischen
F. R. Hfirker : Lehrbuch der Geometrie. 537
leichten beweglichen Verfahren, mit den allgemeinen Ueberblioken,
mit ihrem Reichthum an neuen Sätzen und den so raschen Ergebnidsen,
wo nicht die Stimmung des Rechners, wie bei Constructionen oft den
Gang der Lösung, sondern ein feststehendes in allgemeinen Zeichen
fortschreitendes Verfahren denselben regelt, ihren Beifall nicht ver-
sagen, wenn auch daneben die oft allgemeinen Aussprüche der neueren
analytisch -geometrischen Verfahren viel schwankendes, erst einer
sorgfältigen Deutung zu unterwerfendes mit sich führten. Selbst
Newton konnte schon diesen damals noch wenig bekannten Methoden
seinen Beifall nicht entziehen und soll oft vor der Construction ge-
rechnet haben. Wie weit der Stoff dieser unserer Zeit gröszlentheiU
angehörigen Lehren sollte hereingezogen werden, darüber war man
ehemals sehr wenig und ist man noch nicht ganz einig. Etwa Fansts
Wahlspruch von der grauen Theorie und des Lebens goldnem Baum gilt
hier als Richtschnur, so namentlich in den französischen geometrischen
Schulen und Lehrbüchern.
Bei den mathematischen Lehren findet sich aber Form und Inhalt
in so enger Verbindung, dasz das eine nicht leicht zu ändern ist, ohne
das andere zugleich mit umzugestalten. In Bezug auf die Form stan-
den aber die Ansichten anfänglich noch weiter auseinander, als in Be-
zug auf den Stoff.
Während man auf der einen Seite den logischen Hilfsmitteln
beim Aufbau des Systems das Hauptaugenmerk zuwendete, diesem
Verstandesapparat den gröszten Werth beilegte, fiengen andere, um ein
besseres System zu bilden, damit an, die Grundlagen umzubilden.
Jene wollten die alteuklidische liebgewonnene Anordnung durchaus
nicht opfern, diese stellten jedoch ganz neue Anforderungen an ein
geometrisches System, verlieszen die griechischen obersten Priucipien
oft ganz , hielten jeden Satz , wenn nur einleuchtend genug, für geeig-
net, die Stelle eines Grundsatzes einzunehmen.
Für die erste Behauptung ist nur auf die Commentatoreu des
Euklides, auf einen Clavius, Peter Ramus , Herigonus u. a. zu verwei-
sen. Welches abmühen, welches haschen, um logische Einheit, Ver-
bindung in die alten geometrischen Zusammenstellungen zu bringen!
Man kann bei genauer Betrachtung dieser logischen mittelalterlichen
Denkübungen wahrhaft oft kaum den Gedanken bei Seite drängen , als
hegten die alten Herren allen Ernstes den Wahn, ihrem logischen
Rüstzeug mit all seinen Spitzfindigkeiten gebühre ganz allein das Ver-
dienst und die Ehre, in die geometrischen Grundwahrheiten Sicherheit,
Einleuchtendheit, Klarheit hereingebracht zu haben, während doch die
Grunderkenntnisse für die mathemat. Sätze nur einen ergänzenden
Theil von jenem groszen unserer Vernunft inliegenden Schatz ursprüng-
licher Erkenntnisse ausmachen, die niemals im ganzen, sondern nur im
einzelnen , vielleicht bei Gelegenheit sinnlicher Anregung oder auch
mittelst Reflexion anschaulich werden, vor das Bewustsein kommen.
Man verkannte lange, dasz die so hochgehaltenen logischen Vorstel-
lungsweisen eben gar keinen anderen Zweck verfolgen sollten, als die
iV. Jahrb. f. Phä, u. Paed. Bd. LXXl V. Hß. II. 38
5S8 F. R. Mfirker: Lehrbuch der Geometrie.
Gesetze, welche jenen Erkenntnisstof! verbinden und die ebenfalls
-wesentliches Eigenthum unseres Geistes sind , in das Bereich des Wis-
sens zu ziehen. Selbst neuere mit noch weiter greifenden Hilfsmitteln
ausgerüstete Bearbeiter des Euklides, ein Rob. Simson, ein Pleyseir,
HanfT, Camerer waren nicht im Stande, einen inneren Nexus in den alt-
euklidischen Zusammenstellungen zu finden, sondern höchstem die
Schwächen des Grundbaues recht ans Licht zu ziehen. Es stellte sich
allmählich heraus, dasz lediglich das achte, zehnte, elfte, zwölfte so-
genannte Axiom des Euklides etwa den Namen von Grundsätzen ver-
dienten, dasz aber darin manches mangelhafte sich vorfinde. Das achte
Axiom : Vas einander deckt ist gleich' ist nur eine BegrifTserklarung
der Congruenz. Mit diesem läszt sich leicht das zehnte: ^alle rechten
Winkel sind gleich' nachweisen. Grundsatz 12: ^Zwei Grade schlieszen
keinen Raum ein', ist wieder nur eine BegrifTserklarung und zwar für
die Grade, Grundsatz 11, die Geburtsstätte der vielbesprochenen Pa-
ralleltheorie, höchstens eine Forderung, indem etwa dnrch ihn die
Möglichkeit begründet wird ein Dreieck zu zeichnen, dessen eine
Seite mit zwei anliegenden Winkeln gegeben wurde. Man fand ferner,
dasz Euklides in seinen Demonstrationen seine eigenen Erklärungen
gar wenig — z. B. die von Punkt, Linie, Winkel usw. — oder aucli
wol gar nicht benutzte und benutzen konnte. Von einer Möglichkeit
solcher Constructionen im Itaum war überhaupt nirgends die Rede und
diese unlogische Verkettung von geometrischen Wahrheiten erhielt
sich hie und da doch bis in das achtzehnte und neunzehnte Jahrhun-
dert — man denke nur desfalls an das Lorenzsche Lehrbuch der Geo-
metrie oder an die diesen vorangehenden Kästnerschen und Wolflf-
schen Compendien.
Ganz anders lauten darum bei dem jetzigen Fortschritt der matbo-
malisch- philosophischen Lehren die Ansprüche an ein geometrisches
systematisch geordnetes System. Die moderne Geometrie will jetxt
Wissenschaft von den räumlichen Ausdehnungen sein, verbindet mit
den strengen mathematischen Forderungen auch noch ganz allgemein
philosophische, läszt sich genau auf die Anschauung des Raumes,
dessen Ausdehnungen usw. ein, weiset die Möglichkeit einer geraden,
einer Ebene, eines Körpers in dem Raum nach, sie bedarf deswegen
auch ganz neuer umfassenderer Grundlagen als die alte Geometrie. In
den filteren Systemen regelten Paralleltheorie und Aehnlichkeitslehre
häufig die ganze Anordnung, nicht mehr so in den neueren, wo diese
beiden Lehren schon mehr in Hintergrund treten, eine untergeordnete
Rolle übernehmen. Figuren sind hier vollständig begrenzte räumliche
Ansdehnungen nach den drei Dimensionen, nach : Länge, Breite, Tiefe,
Ort, Richtung, Lage, Bewegung, Drehung, Richtung des uebeneinander
befindlichen, und letztere Eigenschaften bilden die Grundbegriffe fär
den weiteren Aufbau. Die alten einseitigen Definitionen werden ver-
lassen. Winkel ist nicht mehr die Neigung zweier sich treffender
Geraden, Punkt nicht mehr : arjfistov, ov (liQog ovdiv^ eine Gerade nicht
mehr : y^afift'q^ rfctg i^ taov rotg ig>^ iccvt^g arjiieloig KHtai, Es handelt
F. R. Marker : Lehrbnoh der Geometrie. 539
sich hier am Axiome von möglichster Aligemeioheit , z. B. um solche
von der Möglichkeit dieser und jener Construction im Raum, um solche
der Ausdehnung, der Richtung, des unendlichen. Zwischen zwei festen
Punkten ist immer eine Gerade, aber auch nur einzige, zwischen drei
Punkten eine aber auch nur eine einzige Ebene, zwischen vier Punkten
ein Körper aber auch nur ein Körper möglich; zwei Gerade können
und müssen im Zusammentreffen einen Winkel bilden, jede Construction
iSszt sich in Gedanken in das unendliche erweitern usw., liest man in
manchen Lehrbüchern neuester Zeit. Wie ganz anders ist schon die
Form des vor 30 Jahren in so hoher Geltung stehenden eine ganz neue
Bahn brechenden Thibautschen Lehrbuchs mit seinen phoronomischen
Principien, ja sogar die äuszere Fassung ist eine andere geworden;
es ist da und dort schon nicht mehr in besonderen Abschnitten die
Rede von Deßnitionen, Grundsätzen, Postulateu; ein Begriff entwickelt
sich mit Nothwcndigkeit aus dem andern und zwar in 6inem Gusz.
Wie reichhaltig sind dabei unter Beibehaltung der alten äuszeren Fas-
sung die Lehrbücher eines Swinten, Koppe, Grunert, Kunze. Hier
treffen wir auf Sätze, auf Hilfsmittel aus der Arithmetik und der Ana-
lysis, vor denen ein Kästner noch warnte. So griff die Arithmetik da
und dort auf dem geometr. Gebiet namentlich recht Platz und gewis
nicht zum Nachtheil der Wissenschaft. Wird auch der ruhige Fort-
schritt der alten constructiven Geometrie etwas gestört, so gewinnt
auf der andern Seite das System an Zugänglichkeit, der Lehrstoff an
leichterer Benutzung. Bei genauester Betrachtung der meisten neueren
Lehrbücher kann man denselben eine lobenswerthe Bündigkeit, Klar-
heit, Sparsamkeit in den Grundannahmen, Reichhaltigkeit nicht allein
an Stoff, sondern auch an werthvoUem Lehrstoff, rasche Verwendung
desselben an geeigneten Beispielen, Uebcrsichtlichkeit, überall hervor-
tretende Nolhwendigkeit in der Verbindung des gegebenen in der Re-
gel nicht absprechen. Man findet genau den Werth intuitiver Erkennt-
nisse von logischen Erkenntnissen geschieden, verkennt den Nutzen der
letztem nicht, läszt aber jene ungeschmälert in ihrem Recht. Man fällt
wenig mehr auf unbrauchbare Spitzfindigkeiten, traut dem Leser selbst
zu, in seiner inneren eigenen Anschauung die nöthigen Grundlagen
zum Aufbau eines gut geordneten geometrischen Systems finden zu
können.
Referent wird bei Durchsicht manches alteren geometrischen Lehr-
buches oft unwillkürlich an Lichtenberg erinnert, der in seinen ver-
mischten Schriften sagt: ^Die gar zu subtilen Männer sind selten grosze
Manner und ihre Untersuchungen meistens ebenso unnütz als sie fein
sind. Sie entfernen sich immer mehr vom praktischen Leben, dem sie
doch immer näher zu kommen suchen sollten. So wie der Tanzmeister
und Fechtmeister nicht von der Anatomie der Beine und Hände anfängt,
so läszt sich gesunde brauchbare Philosophie auch viel höher als in
jenen Grübeleien anfangen. Der Fusz musz so gestellt werden, denn
sonst würde man fallen, und dieses musz man glauben, denn es wäre
absurd es nicht zu glauben, sind sehr gute Fundamente. Die Leute,
38*
540 F. R. Markör : Lebrbach der Geometrie.
die noch weiter gehen wollen, mögen es thnn, sie mögen aber ja aicbt
denken, dasz sie etwas grosses thun, denn sie finden doch nar von
ihnen aus altes, was der vernünflige Mann schon lange vorher wusale.
Der Mann , der noch einmal den elften Grundsatz des Enklides demon*
striert, verdient allenfalls den Namen eines sinnreichen Mannes, aber
zur Erweiterung der Wissenschaft wird er nichts beitragen, was er
nicht ohne diese Erfindung auch hätte thnn können. ^Aber, sagen sie,
es geschieht den Zweifler zu widerlegen'. Den widerlegt ihr wahr-
haftig nicht, denn welches Argument in der Welt wird den Mann Ober-
zeugen können, der einmal Absurditäten glauben kann? Und rerdieal
denn jedermann widerlegt zu werden, der widerlegt sein will? Selbst
die gröszten Schläger schlagen sich nicht mit jedem, der sie heraus-
fordert. Das sind die Ursachen, weshalb die beattischo Philoso-
phie Achtung verdient. Sie ist nicht eine ganz neue Philosophie,
sie geht nicht bis auf den tiefsten Grund znrück und taugt daher
nickt zur Philosophie des Professors, aber sie ist die Philosophie des
Menschen.'
Glücklicherweise haben wir es in dem vorliegenden Bach nicht
mit einem dem Loben abgewendeten Werk, wol aber mit einem solchen
zu thun, das bei tiefer Begründung dos Lebens goldenen Baam nicht
aus den Augen verliert, mit einem Handbuch der modernen Geometrie,
in dem sich eine gesunde, ruhige, fieiszige Forschung in jeder Stelle
kundgibt. Nach spoculaliv kritischem Verfahren angelegt, sncht es
nirgends geflissentlich Caulelcn hereinzuziehen. Bei grosser syste-
matischer Einheit herscht, wie sich von selbst versteht, aneh die ge-
suchteste Sparsamkeit in den vorangestellten Grundbegriffen und Bo-
grifl'sürklärungen. Die alle Form mit ihren oft wunderlichen Ueber-
schriften wurde nur da und dort gewahrt. So finden wir keine Rubrik
mit der Ueberschrift Axiome , ob jedoch, wie in der Vorrede steht,
diese und die Postulate für die Geometrie vergleichsweise geschrieben
dasselbe vorstellen, was für die Chemie einfache Stoffe sind, möchle
Hof. bezweifeln, indem derselbe das charakteristische solcher Silie in
dem unmittelbar nicht weiter ableitbaren klaren, innerlich sofort an-
schaubaren sucht, im Gegensatz zu den Akroamon der Philosophie, die
noch eine Begründung in Begrifl'cn zulassen. Nicht die einfachsten
Sülze sind die klarsten. Auszer diesen Aenderungen der Form haben
die sonstigen gewöhnlichen Ueberschriften : Lehrsatz, Beweis, Demon-
stration u. a. ihre volle Geltung behalten. Allen mathemat. venrend-
baren Hilfsmitteln ist der Zugang gestattet, wir treffen darnm gleieh
auf den ersten Blättern auf allgemeine Zahlzeichen , Buchstaben, nnd
schlieszen daraus , dasz der Verf. in Quarta sich dieser Hilfsmittel bei
seinem Unterricht bedient. Sogar Reihen sehen wir bei der Kreis-
niessung benutzt, ob aber diese überall mit Vortheil in den unteren
Klassen von Schulen anzuwenden seien , musz die Erfahrung leigen.
Bef. kann mit Freuden zugestehen, in einem Werk von so kleinem Um-
fang — 14 Bogen — nicht leicht eine gröszere Menge von interessantem
Lehrstoff zusammengedrängt gefunden zu haben.
F. R. Märkcr : Lehrbuch der Geometrie. 541
Das dem ganzen vorstehende Inhaltsverzeichnis, welches wir im
Auszug hier mittheilen, wird am besten einen Ueberblick gestatten.
Die Einleitung bespricht: Stetigkeit, Ausdehnung, Ort, Lage, Masz,
Grösze, Messung, Punkt, dessen Seiten; Linie, Möglichkeit, Entstehung,
Regelmäszigkeit, Gestalt, Länge, Grenzen, Verlängerung, Verkürzung,
Seiten derselben ; Flächenentstehung, Regelmäszigkeit usw. derselben,
wie bei der Linie. Gleiches wird für den Körper wiederholt und ge-
nauer erörtert. Kap. 1 behandelt schneidende Linien, Möglichkeit des
Winkels, BcgriiT, Eintheilung desselben, Neigung, Convergenz, Diver-
genz zweier Graden. Kap. II: Figuren im allgemeinen und die einfach-
sten Lehren vom Kreis, Arien der Figuren, Kreis, Tbeile desselben.
Kap. III: Dreieck, Möglichkeit desselben, Congruenz zweier Dreiecke
und zwar fünf Fälle, Construction des Dreiecks, Lothe in demselben.
Kap. IV: Farallellinien, BegrilT und Constructionen derselben, der
Hauptlehrsatz für die Parallellheorio, die Winkelsumme im Dreieck.
Kap. V spricht von dem mehrseitigen geradlinigen Figuren, BegriiT,
Winkelsumme, Lage der Diagonalen derselben, Trapez, Trapezoid,
Halbierung der nichtparallelen Trapezseiten durch eine Parallele,
Schneidung der Mittellinien eines Dreiecks. Kap. VI gibt Gleichheit
und Verwandlung geradliniger Figuren, den BegrilT von Grundlinie
und Höhe des Dreiecks, Parallelogrammen und Trapezen, den pytha-
goreischen Satz, dessen Umkehrung und Erweiterung, den geometr.
Bew. der Formel: (a + b)*, desgl. den von (a + b) (a — b) =
a^ — b^. Kap. VII: Kreis mit geraden Linien verbunden, Construction
eines Kreises in geradlinige Figuren, letzterer um jenen, Peripherie-
und Centriwinkel, Sätze über Sehnen, Berührung zweier Kreislinien.
Die vier merkwürdigen Punkte des Dreiecks, Tangentenvierecke, Con-
struction des regulären Fünfecks, Zehnecks, Fünfzehnecks, goldner
Schnitt. Kap. VIII : Ausmessung geradliniger Figuren, Lehre von den
Proportionen, Begriff des Rationalen und Irrationalen, Verhältnis
zweier Rechtecke, deren Grundlinien oder Höhen gleich sind, Aus-
messung von Parallelogrammen und anderen geradlinigen Figuren,
Verhältnis zweier Dreiecke, in denen ein Winkel gleich ist, Propor-
tionen bei Halbierung eines Dreieckswinkels; in gleichwinkl. Drei-
ecken sind die Seiten proportionirt; das Dreieck, worin ein Winkel
das doppelte eines anderen ist; aus den Dreiecksseiten den Halbmesser
des eingeschriebenen Kreises, den Inhalt eines Tangentenvierecks aus
Umfang und Halbmesser, den Inhalt eines Dreiecks aus seinen drei
Seiten zu berechnen und Rationalmachen der dafür gefundenen Formel.
Relation für die Berührungskreise des Dreiecks , aus den vier Seiten
eines Sehnenvierecks die Diagonale zu finden, Inhalt des Sehnenvier-
eckes aus den Seiten zu berechnen, die Formel für den Halbmesser.
Aus der Seitenzahl, dem groszen und kleinen Halbmesser eines einge-
schriebeneu regulären Vierecks den Umfang und Inhalt des einge-
schriebenen und umschriebenen Vierecks von einfacher und doppelter
Seitenzahl zu finden. Cap.IX: Aehniichkeit geradliniger Figuren, Con-
struction von Formeln, Begriff der Aehniichkeit geradliniger Figuren,
542 F. R. Märker: Lehrbach der Geometrie.
Construclion der vierten Proportionallinien , die vier Aehnlichkeib-
fülle, Verhäitnis ähnlicher Dreiecke in Bezug auf Inhalt, Theilung iho-
licher Vierecke, Zerlegung derselben in ähnliche Dreiecke. Aehnliche
Punktsysteme, allgemeiner Begriff von Aehnlichkeit, Proporlioneii bei
Sehnen, Secanten, Tangenten, Lehrsatz von einer GeradoD, die in
gleichschenklichen Dreieck von der Spitze nach der Grundlinie geht,
und von der Halbierungslinie eines Winkels in irgend einem Dreieck,
mitllere Proportionalen, ptolcmäischer Lehrsatz, harmonische Pankte,
harmonischer Schnitt, Strahlen, eine Tangente an zwei Kreisen, Con-
struclion von Quadratwurzeln und quadratischen, unreinen Gleichnii-
gen. Kap. X: Ausmessung des Kreises, der dazu gehörigen Linien nnd
Flächen. Ludolphs Zahl, also Quadratur und Rectification des Kreisel,
Verhältnis der Sectoren, Ccntriwinkel , Berechnung der Secloren, Bo-
gen, Segmente. Lunula liippocratis, Fälle in denen diese qnadrierbar
ist, Construction einer solchen, welche ihrem Radienviereck, das lanter
concüve Winkel hat, gleich ist, Kreis, die gröszte Figur von bestinn-
tem Umfang, grösztcr Inhalt geradliniger Figuren bei gegebenen
Umfang.
Ergibt sich aus der genaueren Betrachtung dieses Inhalts von eieh-
nisses schon ein ungewöhnlicher Ueichthum, so ist doch dieser es nicht
vorzugsweise, welcher das vorliegende Lehrbuch vor anderen aus-
zeichnet, sondern, wie schon gesagt, vielmehr die streng durchge-
führte systematische Anordnung. Alles zu erweisen, was mit des
vorangestellten höheren Principien nicht auf das genaueste nnd un-
mittelbar zusammenfällt, das scheint Wahlspruch für den Verfasser ge-
wesen zu sein.
Die geometrischen Vorbegriffe beginnen mit: Die Theile des
Raumes reihen sich stetig d. h. ohne Lücken , ohne irgend eine Unter-
brechung aneinander. Diese Eigenschaft räumlicher Gegenstände, sich
durch den Raum in stetiger Aufeinanderfolge ihrer Theile zu erstrecken,
heiszt Ausdehnung. Man nennt die Stelle im Raum, wo ein Gegenstand
sich beßndet, seinen Ort, die Beziehung eines Gegenstandes auf dia
Orte anderer räumlicher Gegenstände seine Lage. An diese allgemei-
nen geometrischen Begriffe knüpft der Verf. die Gleichartigkeit der
Raumgröszen, geht von da auf den Begriff von Grösze, Masz, Messing
über, stellt als Folge hin: dasz der Theil kleiner als das ganse sei,
dasz zwei GrOszen, die derselben dritten gleich sind, einander selbst
gleichen müssen und wo blosz die Gröszen mehrere Gegenstlade in
Betracht kommen, dasz sich stets gleiches für gleiches setien liszt.
Weitere Folgerungen: *Zu gleichem gleiches gibt gleiches\ •Eine Stella
im Raum ohne Ausdehnung heiszt Punkt'. Jeder Punkt kann nach allen
Seiten hin bewegt werden, daher gibt es Seiten desselben. Die Be-
wegung des Punktes führt zur Vorstellung von Linien, durch die Be-
wegung der letzteren zur Vorstellung von Flächen, auf ähnliche Weise
zur Vorstellung von Körpern. Zur Begrenzung einer Fläche ist nolh-
wendig, dasz jede Linie, die eine ihrer Grenzen bildet, in jedem ihrer
beiden Endpunkte mit einer anderen Grenzlinie zusammenstöszt, oder
F. R. Märker; Lehrbuch der Geometrie. 543
wenn nur eine einzige Grenze da ist, dasz dieselbe in sich zurück-
läuft. Aehnliches läszt sich über vollständige Begrenzung Yon Körpern
aussprechen. Zwei Funkle der Oberfläche eines Körpers lassen sich
immer auf so viel verschiedene Weisen als man will durch eine Linie
verbinden, die ganz innerhalb des Körpers liegt (nach dem Verf. ein
Axiom). Die Bewegung des Punktes an derselben Stelle führt auf den
Begriff der Drehung. Bei jeder Drehung einer Raumform bleiben alle
Punkte derselben gegeneinander, auch in Hinsicht auf ihre Seiten ganz
iu derselben Stellung (Axiom). Die festen Punkte, um welche eine
Raumform sich dreht, heiszen Pole. Es wird ferner als Lehrsatz dar-
gethan: Ist eines Körpers Oberfläche durch Drehung einer Linie um
ihre Endpunkte, indem ihre übrigen Punkte sich fortbewegen, entstan>-
den, so läszt sich ganz innerhalb desselben immer eines anderen Kör-
pers Oberfläche mit denselben Polen erzeugen.
Als Lehrsatz gilt: Unter allen zwischen denselben Endpunkten
möglichen Linien musz wenigstens eine sein, deren Funkte bei der
Drehung der Linie um ihren Endpunkt ihre Stelle beibehalten.
Beweis: Wäre keine Linie von der im Lehrsatz ausgesprochenen
Beschaffenheit unter den zwischen zwei beliebigen Endpunkten mög-
lichen Linien, so müste jede dieser Linien bei ihrer vollständigen
Drehung um die Endpunkte eine oder mehrere Flächen, die einen Kör-
perraum einschlieszen, erzeugen. Dann müste es nothwendig unter
diesen Linien eine geben, deren zugehöriger Körperraum kleiner oder
doch nicht gröszer wäre, als der jeder beliebigen anderen zugehörige,
und dennoch könnte man nach dem vor. Lehrs. eine Linie zwischen
denselben Endpunkten ziehen, die bei ihrer Drehung um dieselben die
Begrenzung eines noch kleineren Körperraumes erzeugte — ein Wider-
spruch, demnach ist die Behauptung wahr.
Als Aufg. behandelt ßndet sich : ^Zwei Punkte durch eine Gerade
zu verbinden' und: ^Eine gegebene Gerade über einen Endpunkt hinaus
zu verlängern.' Aus dieser letzten Aufgabe folgert der Verf.: Das
gänzliche Zusammenfallen zweier Geraden, die zwei Punkte gemein
haben ; dasz sich jede Raumform als zwei oder mehrere ganz gleiche
einander deckende ansehen läszt dasz in jedem; gleichschenkL Drei-
eck die Seiten gleich sein müssen u. a.
Als Aufgaben liest man: Eine Ebene zu constrnieren; eine un-
endliche Ebene umzulegen; es sind zwei Gerade in derselben Ebene
und in jeder ist ein Punkt gegeben, man soll die eine so legen, dasz
sie mit der anderen vereinigt ist, dasz beide in derselben Ebene blei-
ben und beide Punkte zusammenfallen. Nach diesem begegnet man
einem alten Axiom in Form eines Lehrsalzes, welcher lautet: Wenn
zwei unendliche Ebenen drei nicht in gerader Linie liegende Punkte
gemein haben, so haben sie alle gemein. Die geometrischen Vorbe-
grilTe schlieszen mit dem Begriff von Linien einfacher und doppelter
Krümmung ab.
Das erste Kapitel beginnt mit der Behauptung: Von zwei Ge
raden, die nur einen Punkt, der kein Endpunkt ist, gemein haben, lie-
544 F. R. Märkcr: Lehrbuch dor Goomelrie.
gen die durch diesen Punkt getrennten Stücke einer jeden auf ent-
gegengesetzten Seiten der anderen und bespricht dana die Begriffe:
Durchschnittspunkt; öuszcrc und innere correspondierende , gleich-
namige Seiten bei sich schneidenden Geraden; vollständiger, hohler,
erhabener, gestreckter, unvollständiger Winkel, Winkelseite, Grösie
des Winkels und endet mit dem Lehrsatz: Nebenwinkel betrageii in-
sammen zwei rechte.
Wir geben noch als Beleg für die Strenge der im vorliegenden
Werke durchweg gehandhabten Beweisführung die Demonstration zo
dem eben erwähnten Lchrsotz, dasz wenn zwei Gerade sich schneiden,
die ahgcsclinittenen Stücke auf beiden Seiten der schneidenden liegen
müssen: Die Geraden CD und GlI mögen nur den Punkt E gemein
haben. Um zu beweisen, dasz EG und EH auf entgegengesetzten Sei-
ten von CD liegen, sei durch C und D noch eine mit dieser zasaramei-
fallende Gerade A B gelegt, die dann um den Punkt E gedreht werden
mag. Sobald AB die Lage CD verläszt, treten beide Stacke EB and
AK auf entgegengesetzte Seiten von CD. Denn wenn EB anf die eiae
Seite von CD tritl, so kann, weil wenn zwei gerade Linien zweiPankle
oder ein Stück mit einander gemein haben, so weit auch die eine oder
andere sich erstrecken mag, beide zusammenfallen müssen, nieht AE
auf KC liegen bleiben. Auch kann dann nicht AE auf dieselbe Seite
von CD, wo EB sich benndet, treten, weil dann KB, welches stets vor.
wurts nach der Lage CK hin bewegt wird, iiothwendig mit AE snsaa«
mcnkommen müste ; denn AK kann unterdessen nicht wieder rttokwärb
durch die Lage CK hindurch gehen. Also musz AE ouf die cntgegea-
gcselzle Seite von CD treten. Ebenso kann keines von beiden Stflckea
AK und KB die Luge von CD, von wo aus es >\ieder auf die andere
Seite zu kommen vermöchte, erreichen, wofern das andere Sttteksie
noch nicht erreicht hat. Also müssen, wenn AB in die Lage GH ge-
langt, beide Stücke von AB, also auch beide von GH, nemlich GH nad
Ell auf entgegengesetzten Seilen von CD liegen. Ebenso läszt sieh
zeigen, dasz beide Stücke von CD auf entgegengesetzten Seiten yob
GH liegen müssen.
In Kap. 111 findet sich auszcr den gewöhnlichen vier Congroeax-
füllen noch ein fünfler vor, welcher sich auf die Gleichartigkeit der
M inkel erstreckt. Der darauf bezügliche Lehrsatz lautet : Sind in zwei
Dreiecken zwei Seiten gleich und von den nicht eingeschlossenen
Winkeln der eine bezüglich gleich und der andere gleichartig, so sind
die Dreiecke congruenl.
Beweis : In den Dreiecken ABC und DEF ist AB =r3 BE, BC = EF;
/.A r-^D und /.C gleichartig mit /.F (beide spitz oder stumpf); dann
kann nicht AC^DFsein, denn sonst könnte man AG :=^ DP von AC ab-
schneiden und BG ziehen. Es wäre dann, wegen AG =^ DF: AB =
DE und Z.A — A.D; ^ABG =;. z/DEF, folgl. BG = EF = BC, also
BCG gleichschcnUlig; auch wäre /.AGB = /.F. Du nun F gleichartig
mt C ist, so wöre auch AIÜB gleichartig mit C, was nach früheren
F. R. Märker: Lehrbuch der Geometrie. 545
Sätzen unmöglich ist. Somit musz AC = DF und //ABC = DEF sein,
wie behauptet wurde.
Kap. IV befaszt sich, wie schon erwähnt, mit den parallelen
Linien.
Hätte der Verf. nach streng euklidischer Methode diese Lehre
abhandeln wollen , so wäre in dem vorigen diesem Vorhaben zu Liebe
vieles zu ändern gewesen. Euklids Voraussetzungen für seine Theorie
ruhen bekanntlich lediglich auf der Congruenz der Dreiecke; er ver-
meidet dabei alle discursiven Demonstrationen, beweist zunächst, dasz
zwei Winkel im Dreieck zusammen stets kleiner als zwei rechte sein
müssen. Dasz wenn zwei Winkel gegeben werden, deren Summe we--
niger als zwei rechte beträgt,damit immer ein Dreieck möglich sei, läszt
sich mittelst der altgriechischen Voraussetzungen nicht darthun. Es
fehlt dem elften Grundsatz des Euklides also immer, dasz gezeigt wer-
den kann, wie unter der obigen Bedingung auf jeder noch so groszen
Grundlinie ein Dreieck möglich sei, welches mit einem gegebenen zwei
Winkel gemein hat. Der Satz, welcher durch Grundsatz 11 bestimmt
wird, lautet: dasz die Summe der Winkel in allen geradlinigen Drei-
ecken gleich grosz sei, dasz also in Rücksicht der Möglichkeit eines
geradlinigen Dreiecks auf die Grösze der Seiten im Verhältnis zu dem
der Winkel nichts ankomme. Es musz also irgend ein anderer Satz
vorangehen, soll obige Behauptung sich erledigen lassen; und dieser
kann nur in den Eigenthümlichkeiten der Geraden, welche das Gesets
ihrer Richtung gegen einander bestimmt, gesucht werden. Es macht
sich mit anderen Worten ein Axiom der Richtung nöthig, und damit
werden wir auf den Mangel der euklidischen Grundlagen, die von Ei-
genschaften des vorfindlichen Raumes nirgends sprechen, recht auf-
merksam gemacht.
Nicht so in dem vorliegenden Lehrbuch, wie wir gesehen haben,
und darum auch die glückliche Beseitigung der Parallelthcorie. Dasz
das Kunststück auf anderen Wegen ebenfalls ausgeführt werden kann,
dafür lieszen sich aus neuester Zeit viele Belege vorbringen, wir ver-
weisen aber nur wieder auf das oben schon erwähnte Thibautsche Lehr-
boch mit seinen phoronomischen Grundlagen. Zwei Gerade in der-
selben Ebene, die, soweit man auch jede über beide Endpunkte hinaus
verlängern mag, nirgends einander schneiden, heiszen nach dem Verf.
parallele Linien.
Im vorigen Kap. findet sich ferner bei der Aufgabe: Von einem
Punkt auszerhalb einer Geraden ein Perpendikel auf diese zu fällen,
als Zusatz : Befindet sich auf eines spitzen Winkels BAF horizontalem
Schenkel AB in B ein Loth P und treffen alle auf AB errichteten Lothe
den Schenkel AG, so musz AG mit P zusammenstoszen.
Gesetzt das letztere träfe nicht ein, dann liesze sich AG um einen
Theil verlängern und von dem Ende dieser Verlängerung aus jeden-
falls eini Perpendikel auf AB herabziehen , welches einen Punkt H in
AB träfe. Nun aber trifft ein Loth auf H den anderen Schenkel zwi-
schen A und G, somit wären zwei Perpendikel auf demselben Punkt
546 F. R. Märker : Lehrbach der Geometrie.
errichtbar — ein Widerspruch gegen bereits früher bewiesenes. Ne-
ben diesem Satz dient als zweiter nicht besonders ausgesprochener:
Ein Loth von einem Punkt P auf eine Gerade herabgelassen, ist mit
dem auf der Geraden errichteten und durch P gehenden Loth als gleich-
geltend anzusehen.
Mit diesen Voraussetzungen wird erledigt der Lehrs. : Wenn auf
des spitzen Winkels ABC horizontalem Schenkel (BC) ein Perpendikel
auf der inneren Seite desselben errichtet wird, so schneidet dieses ge-
nugsam verläugort auch den oberen Schenkel.
Denn vom Punkt 1 des oberen Schenkels laszt sich jederzeit ein
Loth IK auf den unteren fällen, welches den unteren trifft, denn von
jedem Punkt ist ein Loth auf eine Gerade möglich. Damm läszt sich
auch in H ein Loth, welches den oberen Schenkel trifft, errichten.
Gesetzt nun, es gäbe unter den unendlich vielen auf diese Weise
errichteten Perpendikeln welche, die den oberen Schenkel nicht träfen,
so liege innerhalb C ein solches, es heisze R, dann würde rechts von
R alle nichtschneidende, links alle schneidende sich befinden. Wire
nun ON = L das erste, von B ausgerechnet, nicht schneidende, dana
lägen zwischen B und N alle schneidende, AB müste aber (nach d. Yor.
Satz) dann mit R bei gehöriger Verlängerung zusammenstoszen, der
Annahme widersprechend.
Sollte es aber rechts von B ein letztes schneidendes Loth geben,
so widerspräche dieses wieder dem Satz, dasz von einem Punkt des
oberen Schenkels, rechts von diesem schneidenden abliegend, sich ein
Loth auf den unteren fällen liesze, welches letzteren träfe, und dieses
könnte sogleich als ein errichtetes betrachtet werden.
Somit gibt es kein letztes schneidendes und kein erstes nicht-
schneidendes Loth auf BC und die vorangestellte Behauptung hat so-
mit ihre Begründung gefunden, womit man leicht zu dem bekannten
Lehrs. überzugehen vermag, dasz das Loth auf einer Geraden ebenfalls
Loth auf der ihr parallel gezogenen ist.
liier bildet die ganze Lehre von den Parallelen ein für sich abge-
schlossenes ganze , ganz unabhängig von der Congruenz der Dreiecke,
lediglich auf den Begriff der Bewegung, dos Gegensatzes in der Lage
und andere Begriffserklärungen in den Grundlagen gestützt. Wir
treffen als nächsten Lehrsatz: Werden zwei Parallellinien von einer
dritten Geraden geschnitten, so beträgt die Summe von zwei inneren
Winkeln 2 rechte usw., nach diesem auf den wenig bekannten Satz :
Zwei Winkel mit bezüglich parallelen Schenkeln sind gleich,
wenn jeder Schenkel mit dem, der ihm parallel ist, nur auf derselhea
oder nur auf entgegengesetzten Seiten der die Scheitel verbindenden
Geraden liegt, ergänzen aber einander zu zwei rechten, wenn das
eine Paar der parallelen Schenkel auf derselben , das andere auf ent-
gegengesetzten Seiten jener Geraden liegt; ferner
Perpendikel auf Parallelen liegen entweder in gerader Linie oder
sind parallel, endlich:
Die drei Winkel eines Dreiecks sind zusammen zweien rechten gleich.
F. R. Märker : Lehrbuch der Geometrie.» 547
Id dem' taarten Kap. finden wir die ersten Grundlagen zu der
Lehre von der Aelinlichkeit der Figuren, Weil Rech lecke, in denen
£wet SkOAXoszuüdü Seilen bezüglich sind, cong^raent sein müssen, so
liiiizt sich ein Ueöhlecb von ganz bestimmter Grösse und Gostatt
durch das Produkl zweier nnstoszenden Seiten bczeielinen; also das
Rechteck ÄBCD durch AB. AD. Diese VorausselJGungf verwendet
der VerL im Kap. VI zu einer zweiten der Buctistabenreehnung eot^
lehnten Beseichrmngsweise , wenn er sagt: Heben Itechtecke eine
glejclie Seite (p), so lassen sich dieselben Terner so aneinander
setzen, dasK sie ein einziges Rechteck bilden, deren Inhalt so gross,
als der InhoU der beiden vorigen Tst, oder waren die Grundlinien
der ersteren g und G, dann wird der Inhalt der auf diese Weise
gewonnenen Figur: p (g + G)^ und ist g = G, dann kommt für die
neue Figur 2pg.
Nach Erlaulerung der Begrilfe: Verhältnis und Froportion^ mitl^
lerer Proportionale, Proportionahoht und einigen allgemeinen Gc^^etsen
über vorgegebene Proportionen, dasz sieh z. B. die Glieder Jeder
richtigen Proportion aehlmul umsetzen lassen u. a. linden wir deb
Lehrsatz: ßechtecke von gleichen Höhen verhalten sich wie die Grund-
linien, und dazu folgenden Beweis: £s mag das Hechteck AC mit dem
Rechleck EG gleiche Höhe haben, dieses zweite kleinere als Masz, so-
wol für den Inhalt des ersteren, als dessen Grundlinie für die Grund-
linie des ersteren als Masz gelten. Wir tragen das kleinere von dem
gröszeren so oft Mal, als es gehen will, also etwa n Mal ab, wo n
eine ganze Zahl bedeutet, dann bleibt ein Rest kleiner als das ge-
brauchte Masz. Verfährt man eben so mit den Grundlinien der beiden
Rechtecke, so wird sich nach dem vorigen ebenfalls die Grundlinie des
kleineren Rechleckes auf der des gröszeren n Mal abtragen lassen,
dann ein Rest kleiner als das gebrauchte Masz bleiben. Sollte sich
nun ein Unterschied zwischen den sich auf diese Weise herausstellen-
den Maszzahlen für die Bestimmung des Inhalts und der Grundlinie
des gröszeren Rechteckes durch das kleinere ergeben, dann müste
sich dieser als ein rechter Bruch /^~j aussprechen lassen, dieser letz-
tere kleiner als 1 sein.
Wählte man zu dieser gegenseitigen Maszbestimmung nur einen
Theil, etwa den mten des kleineren Rechteckes als Masz, dann wärden
sich sowol für den Inhalt als für die Grundlinie beider Reehteeke
mfach gröszere Maszzahlen ergeben müssen. Sollte aber wie vorhin
ein Unterschied für die Bestimmung des Inhalts und der Grundlinie
statthaben, so müste weiter dieser sich ebenfalls in einem Bruch klei-
ner als 1 wie vorhin aussprechen lassen, denn es liegt kein Grund
vor, warum dasselbe Rechteck durch ein mfach kleineres Masz ge-
messen hier andere Verhältnisse bringen sollte. Nennt man den Inhalt
des ersteren Rechteckes a, den des zweiten b, so würde also sein:
=- -< 1, daneben aber bei der zweiten Art der Messung
n" n q
548 /. R* Märker: Lehrbuch der Geometrie.
a b •a b\ mp
gelten : /^x " /T\ = *" W ~ n / ~ "q~ ^ ^ ' ^"^ unmöglich
ist, weil m > 1 ebenso n > 1 vorausgesetzt wurde, im Widerspruch
mit dem ersten; wir müssen somit modus ponens tollendo, den alten
Lehrsatz, dasz sich Rechlecke bei gleicher Höhe verhalten wie ihre
Grundlinien (und umgekehrt), gelten lassen. Die Demonstration bietet
den groszen Vortheil, den BegrifT der Incommensurabilität, sowie den
des unendlichen vermieden zu haben, und doch ebenso viel zu leisten
als diejenige, welche diese BegrifTe aufnehme.
Es schlieszen sich nun, wie leicht zu denken ist, daran die be-
kannten Sätze: Ein Rechleck auszumessen, zwei Dreiecke, in denen
ein Winkel gleich ist oder zusammen zwei rechte ausmachen, verhal-
ten sich wie die Produkte der diese Winkel einschlieszcnden Seiten;
die Lehre von den harmonischen Punkten ; aus den 8 Seiten eines um
den Kreis beschriebenen Dreiecks den Halbmesser desselben und den
des in ein Dreieck beschriebenen Kreises zu berechnen; den Inhalt des
Sehnenvierecks und dessen Diagonalen zu finden aus dem Halbmesser
eines Kreises und der Seitenzahl, in welcher die Primzahlen 3 and 5
einmal oder keinmal, 2 aber beliebig oft als Factor enthalten ist.
Auszer diesen finden sich eine Reihe von Aufgaben, die -nicht
jedem geometr. Lehrbuch einverleibt werden, weil deren Lösung schon
höhere algebraische Hilfsmittel verlangt. Z. B. aus den drei Seiten
eines Dreiecks dessen Inhalt zu finden , wenn für jene erste Aufgabe
sowol Inhalt als Seiten rational werden sollen. Der Verf. erreicht
dieses, indem er in die entsprechende Formel :
^ -= i / (a
+ b +
c)(b +
C ' —
a)(c
+
a — b) (b + a - c)
a := t V +
iiw ; b =
lw +
uv; c
= (t
—
u) (v + w) einsetst,
dadurch z/ =
i/l6t*u
1*0-
u)2 0
f + w
)^-
:r tu (t — u) (v + w)
gewinnt, wo
t, II, V, w rationale Gröszen bezeichnen. Als Beispiele
dafür ist angegeben:
tu = VW t u
V W
a
b
c
6
3 2
6 1
20
15
7
8
8 1
4 2
34
20
42
10
10 1
5 2
52
25
63
usw. Diesem folgt:
Aus den vier Seiten eines Sehnenvierecks die Diagonalen zu ba-
rechnen und den Inhalt eines Sehnenvierecks aus den Seiten zu finden,
ferner: Aus der Seite eines regnlären Sehnenvierecks und dem Halb-
messer die Seite des regulären Sehnenvierecks von doppelter Seiten-
zahl zu finden. Die hier zuletzt gewonnenen Relationen zwischen dem
Inhalt eines eingeschriebenen regulären Vierecks (u') und eines um
den Kreis beschriebenen (U^) von doppelter Seitenzahl, ferner dem
eines eingeschriebenen Vierecks (u) und umschriebenen Vierecks von
2uU 2n*ü
einfacher Seitenzahl (ü), d. h. U' = 77—: — und u* =-— , — die-
U+u ü+u
nen später wieder bei der Kreismessung. In Kap. IX sind die Con-
F. R. Markör : Lehrbueb der deonietrie. 549
» ,. A j . I «^ ab + cd + ef+....
slructionen von Ausdrucken wie x = — ; x =-. — v—:—T\^—r ;
c b + 1 + k +
abc + def + , , , ,/ y^" — Tr^".
X = i r— und x = v«b;x = l/aY bcv2; ferner
pq + rs + tv * '
von: x^ + ax == b =:= 0 durchgeführt, daneben die Aufgaben: Zu
(frei gegebenen harmonischen Punkten den vierten zu finden ; aus einer
oder mehreren bekannten Linien ist der Worth einer unbekannten in
rationaler Form gefunden, man soll diesen Werth geometrisch con-
strnieren, ferner der Lehrsalz: Wenn vier Gerade, die durch einen
Punkt nach harmonischen Punkten gehen, beliebig mit einer Geraden
durchschnitten werden, so sind die vier Durchschnittspunkte ebenfalls
harmonische Punkte, der ptolcmüische Lehrsatz samt Umkehrung be-
handelt worden. Die vier Lehrsätze über die Aehnlichkeit zweier
Dreiecke finden sich in einen einzigen zusammengedrängt, dem als
Zusätze folgen: Wenn jede Seile eines Dreiecks zu einer Seite eines
anderen Dreiecks senkrecht steht, so sind die Dreiecke ähnlich und
wenn jede Seite eines Dreiecks mit einer Seite eines anderen Dreiecks
parallel oder (was bei einef oder zwei Seiten der Fall sein kann) in
gerader liegt, so tritt ebenfalls Aehnlichkeit zwischen beiden Figuren
ein. Kap. X bietet viel neues. Nach dem Lehrsatz: dasz der Unter-
schied zwischen einem im Kreis eingeschriebenen und einem demsel-
ben umschriebenen regulären Vieleck von gleichviel Seiten, durch
Verdoppelung der Seitenzahl sich mehr als das vierfache vermindert,
scheint Ref. weniger bekannt zu sein. Desgl. der Lehrsatz: Eine Figur
von der Eigenschaft, dasz durch jeden Punkt ihres Umfanges sich eine
Gerade ziehen läszt, die beliebig verlängert nirgends in die Figur
hincintritt, hat einen kleineren Umfang als alle anderen Figuren, zu
deren Flächenraum ihr Flächenraum ganz gehört. Zur Berechnung der
Ludolphschen Zahl werden die obigen Formeln für den Inhalt einge-
schriebener und umschriebener Vielecke von einfacher und doppelter
Seitenzahl benutzt, also: ü' = rr-^ — und ü* = uü', für die ge-
U — a
nannte Zahl fallende Reihen berechnet, wovon, wenn mau: -— ; —
' ü + 0
u • q q* q3
mit q bezeichnet, eine lautet: n =z — (l -j- 7—^ — 7-7 + r—z
-Ä+ )=i^'"«- -4^. •'"•'-'.
die in der Differentialrechnnng auf anderem Wege gefunden wird.
Interessant ist die Aufgabe, die sich dicht an die Kreismessnng
anschlieszt: Eine Lunula zu construieren, welche ihrem Radienviereck,
das lauter concave Winkel hat, gleich ist, deren Lösung indessen
doch schon zu den schwierigen gehört, da viele Irrationalitäten zu
beseitigen sind, ebenso die nächstfolgende Aufgabe: Eine Lunula zu
construieren, welche ihrem Radienviereck, das einen concaven Winkel
hat, gleich ist.
550 F. R. Härker : Lehrbuch der Geometrie.
Den Schlusz des ganzen Werkes bilden einige der Lehre tob
gröszten und kleinsten angehörige Aufgaben, z. B: Unter allen Figu-
ren von gleichem Umfang hat der Kreis den gröszten Inhalt; onter
allen Figuren von gleichem Inhalt hat der Kreis den kleinstea Uffl-
fang; unter allen Figuren von bestimmtem Umfang, die Ober einer
Goraden möglich sind, ist das Kreissegment mit diesem Umfang die
gröszte; unser allen Vielecken von bestimmtem Umfang nnd besliniB-
ter Seitenzahl, die über einer Geraden möglich sind, ist dasjenige,
dessen AVinkelpunkte alle in einem zu jener Geraden als Sehne ge-
hörigen Kreisbogen liegen und diesen in lauter gleiche Theile theilei,
das gröszte ; unter allen Vielecken von bestimmter Seitenzahl and be-
stimmtem Umfang hat das rogelmüszige den gröszten Inhalt; anter
allen Vielecken von gleicher Seitenzahl und gleichem Inhalt hat dsi
rcgclmäszigc den kleinsten Umfang ; von z>vei regulären Vielecken
von gleichem Inhalt hat das mit der gröszcren Seilenzahl einen klei-
neren Umfang; von zwei regulären Vielecken von gleichem UmfaBf
hat das mit der gröszercn Seitenzahl einen gröszeren Inhalt: laaler
Aufgaben, welche hier mit gewöhnlichen Hilfsmitteln beseitigt wer-
den, obwol sie mehr dem Gebiet der höheren Analysis angehören.
Ucf. kann es nicht unterlassen, dem Schlusz dieser Betrachtanf
noch einige Bemerkungen ganz allgemeiner Natur hinzuzufögen. Weaa
derselbe schon lange die Uehcrzeugung gewonnen hatte, dasz es keine
leichte Aufgabe sei, ein geometrisches Elementarwerk dieser Art sa
verfassen, so wurde er beim Durchstudieren — von lesen kann nicht
gut die Hede sein — des vorliegenden über andere ahnliche so weit
hervorragenden Compcndiums von neuem wieder in dieser Ansieht be-
stärkt und lindct die Schwierigkeit namentlich in der Wahl der ober-
sten Grunderkenntnisse, daneben jedoch in vielfachen und zwar den
verschiedensten an ein solches Buch neuerer Zeit gestellten Anfor-
derungen.
Den ersten Punkt anbelangend, ist es wol kaum möglich, allge-
meinere Voraussetzungen als wie etwa folgende: Die Richtung, in wel-
cher zwischen zwei Punkten eine Gerade beschrieben wird, ob voa
rechts nach links oder umgekehrt, bringt für das Ergebnis keinen
Unterschied, zu wählen, und doch machte sich, um Axiom II des Eaklid
als Lehrsatz darzuthun, noch ein groszer logischer Apparat oeheobei
nöthig.
Indessen abgesehen von diesen den systematischen Anfbaa he-
treffenden Schwierigkeiten, stehen in den verschiedenartigsten ander-
weitigen Anforderungen nicht geringere entgegen. Es bildet ein sol-
ches Werk gewissermaszen den obersten Gerichtshof, bei welchem
die verwickollsten mathematischen Slreitfragsn sollen geschlichtet
werden, wio natürlich, denn die Planimetrie soll die Unterordnung
der Wahrheiten aller spateren geometrischen Wahrheiten unter ihre
allgemeinen Principion gestatten. Wer sucht darum hier nicht Ralh?
Nicht der Stereomeier oder Trigonometer nimmt allein Regresz zur
Planimetrie, sondern es that es von jeher der Analytiker und thut es
F. R. Märker : Lehrbach der Geometrie. 551
wol noch, wenn er, nm anschaulich zu werden, seine Formeln in
Linien umzusetzen sucht, die Constructionen gewissermaszen als Präf-
stein seiner Formeln gebraucht, oder wol gar — wie die ersten Be-
gründer der DilTerentialrechnung es mehrfach wiederholten — auf
planimetrische Sätze die Lehren der Infinitesimalrechnung stützt. Wer-
den hier sehr weitschichtige, umfassende Voraussetzungen von der
Planimetrie verlangt, so sind sie doch nicht viel gröszer als die Zu-
mutungen, welche dieser Disciplin durch ihre Tochter die analytische
Geometrie erwachsen; man denke desfalls an die so fiuszerst umfas-
senden Untersuchungen eines Möbius, Magnus, Plücker, Steiner u. a-
Die der Planimetrie voranstehenden Axiome sollen z. B. auch die Leh-
ren der Collineation, Reciprocitat, der Affinität und des*barycentri-
schen Calculs beherschen. Mit welcher Vorsicht, Umsicht ist bei der
Wahl jener Grundlagen darum zu verfahren !
Neben diesen Ansprüchen eröffnet sich noch eine reiche Quelle
von Anforderungen an diese Disciplin von Seiten der Schulen her.
Diese verlangen ^rosze Berücksichtigung und hegen nicht gar so leicht
zu beschwichtigende Wünsche. Der eine Lehrer verlangt vor allem
ein sogenanntes analytisches oder heuristisches, der andere dagegen
ein rein ostensives Lehrverfahren. Ref. selbst liebt das erste mehr
als das letzte, indem er durch jenes die Selbstthätigkeit des Schülers
vorzugsweise zu fördern wähnt, letztere bald sehr gern in den geo-
metrischen Lehren herumsuchen, um diesen oder jenen Knoten zu lö-
sen; andere finden den Platz für alle Heuristik in den Aufgabenbfichern.
Wenn Ref. für Schüler der niederen Klassen zuviel Stoff in den ersten
Kapiteln des in Rede stehenden Werkchens findet, wenn er die Ueber-
zeugung gewonnen zu haben glaubt, es sei für den lernenden zu wenig
zu errathen übrig geblieben, so ist dieses Urteil ein ganz subjectives
und läge ja hier ein Misstand vor, er würde gegen die nicht genug zu
rühmenden anderen Vorzüge: Bündigkeit, Klarheit, Schürfe der Dar-
stellung vollkommen verschwinden, auch darum schon wegfallen, weil
der Verf. durch seine Anweisungen Figuren umzuzeichnen, umzulegen
Mittel an die Hand gibt, die oder jene Aufgabe von den verschiedensten
Seiten anzugreifen. Bei Euklid können wir uns auf eine seiner Figuren
immer nur als ein Beispiel berufen; dieser Vorwurf fällt sogleich weg,
sobald die Figur nicht als ein instar omninm bei einem Satz gelten soll,
sondern umwandelbar ist. Auf diese Weise verschwindet der sonst so
begründete Vorwurf, la geomctrie laisse Pesprit, ou il se trouve.
Die Leerheit dieses Mottos wird aber jedem Schulmann sogleich klar
werden, der mit dem in Rede stehenden Werkchen in der Hand seine
Planimetrie lehrt.
Hildbnrghausen. Büchner,
.>72 T'a lUftfteB. «Wr die Xahode da
//e/^^r ^/(> Methode und StvfenffAge des RMgiottsumierrickU amf
(ßtjmnfitiem. Vfm Th. Hannen^ Candidai der Tknlogk
urul PriraÜekrer. Gotha. 1*55. 10? S. 20Sgr.
F>ein »rfaflser^ Candidateo der Theologie ond Frirallehrer, '
iicheinlicb einem aussen leseDcn oder aasgewanderlen Schleswig -Hol-
AtfJner, war von einem berafenen CollegiunL das Thema m dioMT
Ahliandltjnj^ (^e(ff:ben, die aU Prüfsleio zu einem Urlbeil aber dea Ver-
fa-t^pT dienen »ollle. Derselbe sandle das Maouscript ao einea Uw
thi:iicr gewordenen Schulmann, von dem ihm bekannt war, dasa der-
»elbo gerade für die hier bebandelte Frage ein besoaderea latareiM
biihe, mit dor ßitto um ein durchaus aufrichtiges Urtheil iiad warde
von deniHciben, der seine innige Uebereinslimmung mit dem 'ailerdiagi
auf einen mehr idealen Standpunkt' gestellten Inhalt aassprach, aaf-
Kefordert, er möge die Abhandlung nicht in einer Zeitschrifl, aoadflffi
in selhständigor (iestult und unverkürzt dem Druck abergeboa. Da-
durch erklürl Hich die Krschcinung, dasz ein junger Mann aber eiBN
HO wichtigen, auf Krfahrung basierten Gegenstand öfTentlioh aeia Ur-
theil fihgegehen hat. Darf man nun auch im voraus nicht erwartei|
durch eigene Krfnhrung bewährtes in der Schrift zu Anden, ao aeigt
dicsrlhe doch von einer nicht geringen Bekanntschaft des Verfassen
mit der belrefTcnden Litteralur und den Erfahrungen bewfthrter Paedi-
goucMi und verdient von den Lehrern, welche sich mit Erthei lang des
lioligiouMunliTrlchls beschüfligcn, neben den in neuerer Zeit aber die-
nen ^>ichtigen (iogunstand erschienenen Schriften berackaichtigt H
werdon.
^a^h einer kuri^jcn Kinleilung handelt der Verf. in § 1 tob der
olommtmiürhen Vorbildung, gibt in <^ 2 allgemeines als Graadligei
geht in <$ ;) 7 das Tonsum der oinz-elnon Klassen und die aaf der
jiMli\<«mnligou Allersslufe an^.uwondondo Melhode durch und spricht ia
nnom Sohlusrworlo über den I.ohror, der den Keligionsanterricht er-
(hoilon soll, und seine Stellung ;.um (lymnasium.
K?i mag gonügeiK um das oben ausgesprochene IXheil la begrOa-
den . mil wenigen Worten das Pensum anzugeben« welches der Vert
\\\v dl«» emiieliion Klassen bostimnit hat. lief, wählt gerade die
rmiKl auiK. Moil dio AnMohlen der botrefTondcn l.chrer aber
%\A\\ au>ooiander gehen : am meisten Vobereinslimmang Badel sieb ia
doi l^'«iiminun{i dos Vonsums für So\U und \}"ii>l'* <m weaigatea bei
doi I IV O^t'^tl^i und Tortia. In Scvlx s«>U njioh der Meiaaag des Verl
doi Sohulor \n der luM isohon (lOso^'.«^^.lO dos >. Tej^taaiealj beimisch
>\owlon dinol^o« >,^U or Kor:*isjv..,*ho oor ho;!.fifn Sohrid, sowie
,'^n^£o l^o.^M\,M\o ««*>^on,'.:i lo;n«r. Ir. O«^*'*-'^ *'^'' *«^r Schüler ia
di^m K«io,*".«>«v»* rtor ix«ncoi;>vh » h- .>;;.»■ >;on XtY-c i:rii rwar in La-
r-o<* K<t,i^«*»^r* hoiWixo^ xx,r.;,r. \\(\^\ .>T*fN-' KfrTsprifthe der
^ , . i V w Ni I« * ^ 0 \m \ n*, h^)*. j ^T^ d , r. K A ioo^fc .sn-. *»s r.».; c\ nx«lae Eir-
Tli. Hansen: aber die Methode des Religionsunterriclits. 558
chenlieder auswendig lernen. In Tertia soll dtfr Schüler die gaäze
geschichtliche Entwicklung der Liebesoffenbarang Gottes zum Heile
der Meuschheit, so weit sie uns in der heiligen Schrift geboten wird,
in ihrem inneren Zusammenhange erkennen. Mit dem answendiglernen
der Lieder und KernsprQche wird fortgefahren. Der Verf. spricht sich
dabei über den Conßrmationsunterricht der Gymnasien aus und vindi-
eiert denselben dem Gymnasium. In der combinierten Prima und Se-
cunda (während der Verf. die Combination der früheren Klassen nicht
für gerathen hält, wünscht er auffallender Weise eine Combination
der Prima und Secunda) soll in 2 Jahren eine Geschichte der Schriften
A. u. N. Testaments, verbunden mit den an ihrer betreffenden Stelle
einzuschaltenden erklärenden Leetüre eines Buches des N. Testaments
im Grundtext, — vor allen eignen sich dazu die Apostelgeschichte,
der Brief des Jacobus, der Briefen die Philipper, einer der Briefe an
den Timotheus — in einem Jahre die Geschichte der christlichen Kir-
che, verbunden mit der an ihrer betreffenden Stelle einzuschaltenden
erklärenden Leetüre der augsburgischen Coufession, mit besonderer
Berücksichtigung der Ausbreitung des Christenthums bis in die neuste
Zeit und der Geschichte des christlichen Lebens von Anbeginn der
Kirche bis auf die Gegenwart, und endlich in einem Jahre das System
der christlichen Lehre behandelt werden.
Der Verfasser spricht sich bei jeder Klasse nnd dem in ihr zu
behandelnden Pensum ausführlich über die anzuwendende Methode im
Anschlusz an ein bestimmtes, dem Unterricht zu Grunde zu legendes
Lehrbuch, z. B. Zahn od. Preusz, Kurtz, Hollenberg, Beck usw. aus und
zeigt sich, wenn ihm auch die eigene Erfahrung durch die Praxis fehlt,
als einen mit den bedeutenderen neuen Erscheinungen auf dem betref-
fenden Gebiete der Paedagogik und Methodik bekannten, scharf den-
kenden und tief fühlenden Lehrer.
Was den religiösen Standpunkt des Verfassers anbetrifft, so steht
derselbe, wie sich schon aus den angeführten Lehrbüchern ergibt, auf
dem entschieden positiv christlichen, ohne jedoch die speciftsch con-
fessionellen Lehren im Gegensatz gegen die allgemein christlichen za
stark zu betonen.
Essen. Buddeberg.
A9.
Andeutungen zur Kritik und Erklärung der Odyssee.
B. «.
Vs. 1. "EvvsTte. Gegen Buttmann s. W. Sonne Epilegomena z.
Benfeys gr. Wurzel-Lexicon. Wismar Progr. 1847. S. 42, Ebel in Kuhns
Zeitschr. f. vgl. Sprachforschung n. Ahrens Formenlehre $90 2. — Vs.7.
iV. Jahrb. f. PhU, u. Paed. Bd. LXXIV. üT/iT. 11. 39
554 Andenlangren zar Kritik and Erklirnn; der Odyssee.
avtol yag Max. Sengebuscb Aristonicea. Berlin Pro^. des Gyn«. %.
gr. Kloster 18dö S. 7 vertheidigt avxmv ydg^ welehes aoch IMnderf
hat. Dagegen Amets in dies. Jalirbb. 71. 72 S. 409. — Vs. 8. ^nt-
Qlovog liein abgekOrztes Patronymic. s. Sengebasch S. 9. DieSIdle
(i 176 erklärt auch Schümann comparhlio Theogoniae Heeiodeae c
Homcrica. Greifsw. 1847 S. 15 n. 29 für interpoliert. — vi^nio» ^Be-
trachtet man die mit vri anfangenden Worte, so ist in der Wonel
meist der Anlaut a oder e. Dasz sich aus ve + a ein vi^ bildete,
wäre ja ganz in der Regel, selbst vb + e^=: vti nicht unerhört» folf-
lich in allen diesen Worten kein vi;, sondern ein vs zu aueheo nnd u
linden; auch vciövuog^ vciwfAog u. a. Ifiszt sich aus ve ~\^ o oade
deuten. Da sich nun die trennbare Urpartikel ve b. Homer nidit adir
findet und die Sprache schon damals die Verbindung des vc -^ a md
ve — e zu VI] liebte, bildete sich ein dunkles auf einem erklirliebei
Irthum beruhendes Gefühl von einer inseparabt'h's vriy die eig-eatlick
in der Sprache gar nicht existierte, und so entstanden, nndswar sehsi
früh, einige wenige Composita, wo vrj auch vor Consonaetea tritt,
wie vri7tBvd-rig^ vtjueQÖrjg^ vrinotvog u. a.' Ed. Olawsky: Die neahoeb-
deutsche Partikel nicht mit Kücksicht auf die urverwandten N-flir-
tikeln einiger Schwestersprachen. Lissa Progr. 1855 S. 13 f. — Vs. 90.
aansQxig ^nicht eilend, daher anhaltend' Düntzer in dies. Jahrfeb.
69 S. 603 gegen Düderlein Gloss. §942, welcher das a intensiTse,
gegen welches sich Nitzsch, 0. Müller kl. Schrift. 1 325 n. a erkUlrt
hatten, festhält. — Vs. 29. Zur richtigen Deutung des «iiviimv AI-
yia^og^ der öla KkvxaifAvijaxQij und 6i^*'Avx6iu s. Banngar-
tcn-Crusius in dies. Jahrbb. 1827. 11 129; K. G.Jacob in d. Bertis.
Jahrbb. 1844. Juli S. 136; Braune Odyssee. Lib. XIV 1—60 Probeeiaer
Erkl. des Hom. Cottbus Progr. 1845. S. 3 f. und Amois in dies. Jahrbb.
71 72. S.409. ^Klytaemnestra sogar, das entsetzliche Weib, das Schande
gehäuft hat auf sich selbst und ihr ganzes Geschlecht (1 439), wird
noch mit Schonung behandelt, und der gröszere Thoil ihrer SohaM, der
Frau, die ursprünglich gut gesinnt war, ffillt selbst nach dem Urteil
des Zeus den Ränken des feigen Aegisthos zur Last (o 32. y S56).'
Ernst von Lasaulx : Zur Gesch. und Philos. der Ehe b. d. Gr. HQnehea
1852. S. 18. — Vs. 31. ^^A^avctxog und inaiiaxog nrap. av —
Quvaxog (oder assimilirt ix^avccxog) a v - xdfjLCixog, Die Grandfona
der griech. negativen inseparabilis ist av, folglich das v nicht einge-
schoben, also nicht a-v-d^iog^ sondern av-d^iog. Es gibt keine
vocalische Negation, d. h. kein a axsQtixixov^ sondern in adutOQvni
allen ähnlichen Worten ist das v ausgefallen.' Olawsky a. a. 0. S. 46 ff. —
Vs. 37. TtQo ot einofiBv 8. IlofTmann Quaestt. Hom. II 72 nnd Gras-
hof : Zur Kritik des hom. Textes in Bez. auf d. Abwerf, des Angmeals.
Düsseldorf Progr. 1852. S. 26, der jedoch TtQoeelTtofiev vermuthet —
Vs. 38. TtifA'ijjavxsg oder nifi^avxe't s. Braune in dies. Jahrbb. 55.
S. 370; Ameis das. 56. S. 18 und Ahrens im Philologus VI 17. — Vs.
47. a)g Geist in d. Zcitschr. f. Alterth. 1837. S. 1268 wünschte £g. —
Vs. 53. ixBi di xe xiovag avxog s. Schümann z. Aescbyl. Proa.
ididaataBfaii siur Kritik und ErUirBiig ^er Odyfife.
S. 296. — Vs. 56. Ueber die Malerei dieses Verse» s, Ooithold in
MüUells Z. f. G. 1852. S. 639. — loyog nur hier und üa93. Vgl Flu
Mayer: Beitrage zu einer hom. Synonymik 1. Gera l%^% S. 14 und i
Friedländer: Ueber die krit. Benutzung der hom. a7^&§ dQt}^iva^ \m
Philol. VI 248. — Vs. 57. ^ilysi, ojtag inikr]<it%ui. Vgl. v 29
fUQ(iriQlia>v y oJtTCCDg — X^tQcig iqyf^CBi s. Kühnast: Die KepraeMentation
im Gebr. des sog. apotelesmat. Coniunctivs S. 67. — Vs 60. ov v4
t^OdvöCsvg — ;Ka^/^€ro. E.W^entzel: Ueber d. Gebr. der PiirtJkei
TS b. Homer. Glogaa Progr. 1847. S. 26. halt hier ov vv te rest,
da die Elision von xol = aol nach Nitzsch sehr Lcdenklich sei ; der
Dativ der Person bei xaQl^. könne hier um so eher fehlen, als die Be-
ziehung so nahe liege und gar nicht misverslanden werden kdtino.
Vgl. jedoch Spitzner Exe. Xlll 3, Mehlhorn Gr. Gr. % 106, Nagebbich
z. A 170, Hoffmann Quaestt. Hom. 11 90 nnd Tb, Burgk Z. f. A. 1851
S. 531. Demnach deuten hier Faesi und Uagena PhiloL VUI '694 t
durch toL — Vs. 68. yan^oxog. Gegen Döderlein §69 erklären
sich Ameis in Mützells Z. 1854. S. 616 und Dünt£er io dies. Jabrbb.
68. S. 600. — Vs. 70. oov s. Ahrens Formenl. § 13 2 und da^u G. Cur-
tius in dies. Jahrbb. 67. S. 9. — Vs. 76. ik^yatlloatiäataydi
(lE^TJöei Classen Beobachtungen über d. hom. 8pracligebr, L Franko
a. M. 1854. S. 18 interpungiert: Mk^yCi^ Uocstdatav Sl (li^au — wenn
nicht vielleicht (u&'fjat zu lesen sei. — Vs. 83. i/oaTijtf crt'O^Jvaijfl:
dat(pQOva ovds dofiovöa g 424. t; 239 329 und 9> 204, wo dieser
Vers wiederkehrt, steht statt öatg)QOva^ welches hier uhne Variante
gelesen wird, noXvq>QOva. Düntzer Z. f. A. 1836, S. 8ü7 vormuthet
daher an unserer Stelle einen alten Fehler. — Vs. 68. 'i{^«xt^v ia-
levco^at Ahrens de hiatus Homerici legitimis quibygdam generibus,
Philol. VI 25 wünscht 'r^axi/i/de iXevCofiat. ~ Vs. 92, BiltTtioöctg
8, Düntzer Z. f. A. 1836 S. 1053 und in dies. Jahrbb. 69. 5. 606 (gegen
Döderl. § 443). Meiring de verbis copulatis apud Hom, et Ues. 1.
Bonn 1831. S. 9: ^Boves qui in gressn pedes torquenl, implicani (die
fiberquer wandelnden).' Pazschke: Ueber die hom. NaturunsGliQuimg,
Stettin. Progr. 1849. S. 17: ^ — welche, um mit den Hinterrüszen
Bachzukommen, sie im Kreise herumwerfen müssen/ FfilscbUch wird
für die hom. Sprache üUnovg als Nominativ angenonimen. S. Ahrens
Gr. Eiementarb. aus Hom. I Curs. S. XLllI. Für tk^l hüU Ahrens
Z. f. A. 1836. S. 820 und Elementarb. a. a. 0. die bei Hesych. erbattene
Interpretation durch naXog für die richtige. Mor. Axt im Kreui^nacb.
Progr. 1855. S. 15 verweist auf ft 348 u. 355: 'ubi in versu 348 in
aperto est v 355 %Xi%ccg ßoag non esse posse eamuiis cQrntbus^ sed
pingi hoc adiectivo solum ingressnm boum, qui genua non Qectentes
sed e coxendice incedentes ultro citro distorquent posteriorem cor-
poris partem , id quod minime facit Qaißocxskeig aut varos cet.' —
Vs. 99 — 101, welche auch bei Faesi und Dind. eingeklammert sind,
haben von Jan Z. f. A. 1839. S. 667 und Geppert I 43 u. 111 in Schutz
genommen. In tigdonv xolaLv %e xoxicastat vertheidigen Bergk
Z. f. A. 1841. S. 89 und Aken Grnndzüge der Lehre vom Tempus und
39*
556 AndeDtangen zur Kritik and ErklSrong der Odyssee.
Modus im Gr. Giislrow 1847. S. 32 das Fulurnm. Letzterer bemerk?:
Man könnte versucht sein zu erklären, ^ wenn sie ihnen zürnt'; das
würde aber heiszen: rotg = olg oder genauer olfSztai: indem erst der
Begriff anzugeben wäre, welche av8q. riq^oeq denn gemeint seien.
Das hier gewählte oaxB zeigt aber an, dasz der Begriff im voranf-
gehenden schon vollständig gegeben sei ; das sind nun nicht alle be-
liebigen avÖQ. riQGitgj sondern von einer bestimmten Bcscharfen-
heit, eben von der, dasz Athene ihnen zürnt. Es weist also das xoi^
cCv x€ hin auf ein im Geiste schon vorhandenes roiovrcav ^so dasz U8W.%
wo das Futurum vollkommen an seinem Platze ist, der Coniunotiv aber
in diesem Gebrauch erst nachzuweisen wäre. Auch o(StB ist nicht ohne
Bedeutung : bei öcste soll der Begrilf im Hauptsatze schon vollständig
vorliegen; dieser Begriff ist hier avS^Bg i]QODSg toiovtoi.^ — Vs. 121.
xal iöi^axo Grash. zur Krit. S. 21 wünscht: Kai di^axo, — Vs.
168 g>jj(Stv s. auch Th. Bergk Z. f. A. 1851. S. 351. Den Indicativ
verlheidigt Freudenberg Z. f. A. 1839. S. 74. — Vs. 170. xlg no^sv
slg avÖQav; die frühere Interpunction nimmt Hoffmann I 29 in
Schutz. — Vs. 174 ixi^xvfiov. * Während die gr. Spr. das ge-
bräuchlichste Wort für das Ziel der menschlichen Erkenntnis se{bst,
für die Wahrheit, nicht aus dem Sein und Wesen der Dinge, son-
dern von ihrem Verhältnis zu unserer Auffassung entlehnt — denn
wahr ist den Griechen das Unverhüllte, a — - Xtjd'ig (von Af^co,
Xccvd'civto) und die Wahrheit ik'qd'eLa kommt den Dingen und
Worten zu , insofern sie sich unserer Einsicht nicht entziehen — hat
die älteste Sprache Homers in den Wörtern ixeog^ Sxvfiog und iri^-
xvfiog für wahr und wahrhaftig noch die Spuren jener tiefen objec-
ti ven Auffassung aus dem Wesen der Dinge erhalten, die ohne Zwei-
fel auch dem lat. verum und deutsch, wahr zu Grunde liegt. ^Evcog
ist offenbar nichts anderes als das Adject. verbale von elfily was da
seinmusz, was den Grund seiner Existenz mit Nothwen-
digkcit in sich trägt. Die Annahme der Gramm, von einer ein-
fachen Form irog ist sicher unbegründet; sie würde gerade den Be-
griff der Nothwendigkcit beseitigen. Das hom. vrjfisQxig steht aaf
derselben Stufe mit aA 7/ «O^e^, nur dasz es mehr absichtliche Täuschui>g'
als Unkenntnis ausschlieszt.' Classen : über eine hervorstechende
Eigenlhümlichkeit der gr. Spr. Lübeck Progr. 1850. Vgl. Benfey
1^25, Kuhn in d. Z. f. vgl. Spr. I 183 und Ebel daselbst S. 297. Bei
axQSxitog bringt Kuhn die Wurzel tgex mit dem skr. druh odisse,
nocere velle, ahd. Iriugan^ triukan^ alts. driogan^ nhd. Iriegen^ be-
triegen zusammen und gewinnt so die Bed. untrüglich. — Vs. 182.
Code in localer Bedeutung verth. L. Lange in dies. Jahrbb. 67 S. 526.
— Vs. 183. nXiav inl oivona novxov. Wie Gobelin Mutz. Z.
1855 S. 532 hervorhebt, setzt olvotj; als Praedicat des hohen Meeres
(nomog^ nie bei aXg) den Begriff der Durchsichtigkeit als einen we-
sentlichen. — in aXXod-Qoovg avd'Qoinoug Nitzscb II. S. 218:
ig aXXo&Q, mit dem Harlej. — Vs. 184. ig Tefiiörjv wird auch von
Engel KyprosI 149 und Mowers das phoeniz. Alterth. II 224aaf Kypros
Aodeutttngen zur Kritik und Erklärung der Odysstse.- 557
gedeutet. Für Slrabo^s Ansicht erklären 'sich Ohlshausen im {ihein.
Mus. 1862. S. 332 und Ernst Curlius Pelopoanes II 10 u. 95. — Ys. 197.
akk^ exi %ov ^aog^TiccrsQVic. s. Hermann Op. IV 12 und dazu Som-
mer in d. allg. Schulz. 1831. S. 980. — Vs. 202. ovrs xi fiavvig
iav ovx^ oicDvav aatpa elöcog s. Völcker allg. Schulz. 1831.
S. 1156. — ys.204. ovd^ st 7t ig xe ^auch nicht, wenn ihn da eiserne
Bande halten sollten.' Wentzel: über xe S. 27. Nach Nägelsb. z. 1^33
für ovdi x^ einBQ. — Vs. 226. Sgavog die gewöhnliche Deutung
bekämpft Welcker Trilogie S. 381. n. 648. — Vs. 227. Sgxi iiot^s.
Lehrs Arist. S. 160. ^Zur Begründung ihrer in der Frage enthalteneu
Vermulhung fügt Athene hindeutend auf ihre unmittelbare Wahrneh-
mung hinzu Go^ xi fioi kxL ^so da scheinen sie übermaszig schwelgend
im Hause zu schmausen.' Wentzel: über xe S. 25. — Vs. 234. vvv
ö' ixigag ißoXovxo, So auch Freudenberg Z. f. A. 1839. S. 75,
Bäumlein das. 1850. S. 85, Faesi und Dind. Gegen ißokovxo erklärte
sich Düntzer daselbst 1847 S. 940. Ein Gelehrter in d. Gymnas. Zeil.
Darmst. 1841. S. 328 empfahl ixtQoa^ ißdXovxo und Grashof zur Krit.
S. 13 ivigoxs^ i'ßcckov xo &eoL — Vs. 241. agTtviai s. 0. Jahn
arcliaeolog. Beiträge S. 102. — Vs.246 vki^evxi Zaxvv&co Grashof
ullg. Schulz. 1831. S. 533. — Vs. 255. siyaQ Freudenberg Z. f. A.
1839. S. 75. — Vs. 267. Ofwv iv yovvaai Ketxai. Die von Walz
in dies. Jahrbb. 6. S. 221 gegebene Deutung dieser Formel haben
Thirlwall Gesch. Griech., übers, von Haymann I 245, Faesi u. Figurski
die Gölter des hom. Zeitalters und deren CuUus. Posen Progr. 1851.
S. 21 adoptiert. Anders G. Hermann in d. Progr. zu den Preisaufg.
1834. S. 8, Düntzer Z. f. A. 1837. S. 863, Elster de Uomero tenerae
aetatis amico Heimst. Progr. 1849. S. 18, R. Dietsch in dies. Jahrbb.
58. S. 82 und AVeishaupt in Magers Paedag. Revue 1852. Apr. u. Mai.
S. 257 ff. — Vs. 282. oaaav ix Jtog — xkiog avd" q(67C. Ph.
Mayer Beitr. II S. 4, welcher unsere Stelle ausführlich bespricht, ver-
gleicht unter anderem sehr passend Soph. 0. R. 42 stxe xov ^mv cpt^'
^irjv ocTiovöag^ elx alt avöqog olö&cc nov. — Vs. 289. xa^vridixos
aKovai[ig Buttmann: über die syntakt. Verbindungen der Verba der
äusz. Wahrnehmung, zunächst von uKOveiv und UKQoaa&at,. Potsdam
Progr. 1855. S.12: ^Ausschlieszlich hom. Gebr. scheint es zu sein, bei
aüovetv den Gen. mit dem Parlicip. da zu setzen, wo die Prosa und
alt. Dichter höchsfens den Acc. c. Particip. oder gar nur den Acc. c.
Inf. gesetzt hätten : a 289. ß 375. k 458. Q 525. Sl 490.' — Vs. 291.
orj^a xi ol %Evctt k«1 inl axigea xxeqet^ai Ttokka fiak
oaaa iotTiBj Tial avigi ^f^xiga dovvai Aloys Capellmann
Schedae Homericae. Coblenz 1850. S. 15 f. tilgt nach i'oiKS die Intcr-
punction und erklärt: ^quantum honorum funehrium eliam decel ma-
uern tuam viro s, coniugi suo tribuereJ* In der Stelle ß 223 sei das
richtige öovvai durch doiaca verdrängt. — lieber Ableituug des
üxigea verdient das von Benfey 1 201 bemerkte beachtet zu werden.
— Vs. 301. xaAov xe fiiyav xs. Ueber die enge Verknüpfung der
Begriffe Schönheit und Grösze s. K. Fr. Hermann: über die Studien
55d Aflifeataffn zar Kritik nd ErUiraag der Odywe«.
der ^ech. lönstler S.61. V?l. za J 107. — Vf. 301. Ftftf*. s. Abreai
Elementarb. S. XXXV. — S.320. opvigd' oj avo^ala 6sixxaxQ
«. Hai^eaa Philol. VIII 3M, dem nameatlicb das i anslösziy tsneheuL
Grashof: das Fahnrerk b. Uom. aad Hes. Dfisseld. Pro^. 1816. S.31
n. 28 ^ill avo^ata als Adrerbiam schreiben io der Bed. 'xnr Lake
hinaaf.' So aach Faesi. — Vs. S42. alatfrog ^keineswegs rasend
fDoderl. $ 101), sondern nnrergeszlich, daher une rtriglich,
schrecklich.' DünUer in dies. Jahrbb. 69 S. 603. Die «ock tw
Hermann z. Oed. Col. 1-I>!0 bezweifelte Ableilang von Xi|9ofuu rer-
Iheidigte bereits Wex Beiträge zar Krit. des Sophokleisch. Oedip. taf
Kolonoä. Schwerin 18:57. S. ><^ der unter anderm 0. C. 1193 conjidert
OifLig ai y elvai xeivov ivridgäv xaxäg alaörov — statt des sinn-
losen aXÄ' avTov — d. h. da darfst nicht unversöhnlich grol-
lend ihm das böse nachtragen. Auch alaario) M 163. o Sl. (hu-
Xaarito a 252) bedeute etwas nicht verschmerzen können, grollen, nsd
oilaiTTco^l. Uächer, welcher nicht vergiszt, 2. der Frerler, der
unverzeihliches (unvergesz liebes) begeht, weise deutlich auf die Ab-
stammung von h!\^o\jLui hin. — Vs.366 — 359 halten auch Gepperll 4
Mitzsch Sagenpoesie I 157 und Meister Philol. VUl 1 f. für eingescho-
ben. Letzterer findet noch 360 — 364. 366. 370. 371. 374 ff. bedenklich.
— Vs. 392. uli^i T£ — Ttiksxai Mhm wird da alsbald das Haof
mich und er selbst geehrter. Falsch wird te mit cclilfa rerbnnden'.
Wenlzel: über te S. 9. — Vs. 405. negl ^elvoco Igsifd-ai Ahnn
/. f. A. 1836. S. 814: mgi ^bIvov igisa^ai, — Vs. 411. Big ina
i(p7iet Nü<>:clsb. zu F 158. — Vs. 4J4. Povelscn emendatt. locoraa
aliquot Homer, llauniae 1846. S. 42 liest: ovr' ovv iyyeXlrjg iuntV"
•Oo|!irri, eT no{>£v ik(>oi, — Vs. 428. aeövct Idvlcc s. Gmshof allf-
Srhiilz. IKVi. S. 985. — Vs. 433. Evvi] ö' ovnot' ffttxro- xolov
ö^ akiBivE yvvaiKog, Anders bei d. Troern s. E 70 f. 8)81.
Vgl. von l.asaulx a. a. 0. S. 27 gegen Jacobs verm. Sehr. IV )16 L
und Nügolsb. hom. Th. S. 324. —
Schwerin. K. Schiller.
Horiclito über golehrlo Anstalten, Verordnungen, statistische
Noti/.on, Anzeigen von Programmen.
\\ u^wwui \ p«3( 1.«hrorci>Uc|Einm der Vnterrichtit* nnd Brxiebnnc»-
rt«*uhr« hoi Ji| \nnA orfuhr im Schulj. IS56 — 56 keine weitere Ver-
lutili-niu}; , nU «U«« die boidon ln»pecioratMerwe»er Ludw. Maller
iui«l Kiii^iIk M««»!««»!, jtcnor «um In. ditpji^r lum 2n In»(«ector emanoi
\^iii«liMt. Alu'U dor or^m-o x^ührend der IWurUabun«; de* erkraaktea
N(u«hcu!ohiv)» (^üi-»ch)n|( die \cr\«csun^ der 2n KiasM der Lalein-
Mli«le fühue. Oie Sohiilertj^hl betrug im G*mn. 65 ^IV U, IH 16,
11 U^, \ UV tn der l.ateiAMHnle ot> ^IV 21. 111 2l.\ 11 20, I 51), im
Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen , Statist. Notizen. 559
ganzen 147. Dem Collegium bei St. Anna gehörten 63 davdn an. Als
wiääeiiäcbaftlicbe Abhandlung ist dem Programm beigegeben : vier
StaaUreden aus Thukydidea in deutscher ücbersetzung. Vom Studien-
lehrer Heinr. Gnrsching (28 8. 4). R. D.
Bamberg.] Am königlichen Lycenm lehrten im iSchnlj. 1865 — 56
die Professoren Dr Katzenberger, Dr Güszregen, Hoffmann,
Hofrath Dr 8chneidawind (nach Prof. Zeusz^ Versetzung in Ruhe-
stand von Aschaffenburg berufen), geistl. Rath Dr Martinet nnd
der Lehrer des franz. Moldenhaver in der philosophischen und die
Proff. Dr Seng 1er, Domdechant und Director, geistl. Rath Dr Mar-
tinet, Sporlein, Dr Mayer, Dr Schmitt und der Inspector des
Natural ienkabinets Dr Haupt in der theologischen Section. Die Zahl
der Candidaten war 29 der Philosophie und 31 der Theologie. Das
LehrercoUegium des Gymnasiums hatte sehr viele Veränderungen er-
litten durch die Versetzungen des Prof. Hegmann (als Rector der
Studienanstalt nach Munnerittadt), des Assistenten Z e isz (an die Latein-
f<chule in Kitzingen), des Studienlehrers Rbmeis (als Gymnasialpro-
fessor nach Passau), des Studienlehrers Behringer (an die Latein-
schule zu Wurzburg, wo er vorher Assistent am Gymn. gewesen war),
des protestantischen Religionslehrers Decan Bauer (in das Decanat
zu Neustadt an der Aich), ferner durch die Pensionierung des Studien-
lehrers Kober, endlich den Tod des israelitischen Religionslehrers
Gold mann. Nach erfolgter Besetzung der erledigten Stellen bestand
dasselbe aus dem Studien -Rector Prof. Dr Jos. Gutenäcker, den
Gymnasialprofessoren Dr Habersack, Leitschuh, Wolf (vorher
Studienlehrer am iVlaximiliansgymn. zu München), Priester Schaad,
Priester Rorich (kathol. Reltgionslehrer am Gymnasium), Deran und
Stadtpfarrer Schneider (protest. Religionslehrer am Gymnasium),
l^ehrer des franz. Gendre, den Studienlehrern Weippert, Schre-
pfer (da dieser zugleich Assistent des Studienrectors ist, so wurde
ihm der Lehramtscand. Gebhardt als Assistent beigegeben). Probst,
Spann (vorher Studienlehrer und «Subrector der isolierten Lateinschule
zu Pirmasens), Spann fehlner (vorher Assistent am Gymn. zu Eich-
städt), Priester Wagner (kathol. Religionslehrer in der Lateinschule),
Vicar Böhner (protest. Religionslehrer in der Lateinschule), Schreib-
lehrer Etzinger, ferner als auszerordentlichen Fachlehrern geistl.
Rath Prof. Dr Martinet (für hebraeisch und italienisch), Rabbiner
Rosenfeld, Stenographielehrer S t e n ge r, den Musiklehrern J o s. D i e t z,
Ludwig und Andreas Dietz, dem Ob«rleuth. Götz (schwimmen)
und dem Turnlehrer Bissinger. Die Schulerzahl war 521, Gymna-
sium 117 (IV 26, 111 52, H 28, I 27), lat. Schule 204 (IV A 26,
IV B 28, HI A u. B 46, II 62, I 55). Seit dem 25. Dec. 1855 ist mit
Genehmigung der vorgesetzten Behörden eine lateinische Vorschule
errichtet., um Knaben so weit vorzubilden, dasz sie mit dem lOn Jnhre
den für den Eintritt in die lateinische Schule gestellten Forderungen
genügen können. Den Unterricht ertheilten in der kathol. Religion der
Benefiziat Döring, in der protest. Vicar Böhner (der in der jüdi-
schen war durch Goldmanns Tod unbesetzt), in deutscher Orthographie,
bayerischer Geschichte und Geographie der Stndienlehrer Probst,
den übrigen der geprüfte Lehramtacandidat Christ. Der Unterricht
ist so vertheilt:
Relig. Deutsch. Lat. Arithm. Gesch. n. Geogr. Kalligr. Sa.
Spracht. Orthog^r. Lesen
I.Sem. 5 663—4 — 3 55
2. Sem. 534263 2 3 26.
Die Zahl der Schuler betrug 40. Dem Programme der sammtlichen
560 Bericbte über gelehrte Anstalten, VerordnaDgen, itatist. Noiis«.
Anstalten ist Toransgesetzt die Abhandlung des Prof. Dr KatB«a-
berger: die Grundgesetze de» logischen denken» (32 S. 4)*
DoNAUKSCHiNGEN.] AIs Beilage zum Programm des dasi^en Gyn-
nasiums, aber auch besonders im Buchhandel (Donaueschingen bei
Schmidt) zu haben, erschien so eben Curae boum ex corpore Oargilu
Martialia, herausgegeben Ton dem Prof. Chr. Theophil. Schach
(47 8. 8). Also ein Stuck aus der Veterinärkunde der Altan. Ber Text
stammt aus einer Handschrift von Corbei, später im Kloster St Pap-
taleon zu Cotn. Aus dieser hat ein ungenannter 1537 eine Abschrift
gemacht, welche sich auf der leydener Bibliothek unter Isask Voff*
Papieren findet. In den scriptores rei rusticae ist sie mehrmals abge-
druckt, aber in einem Zustande, dasz man an ihrer Entratbseinng rer-
zweifeite. Diese erfordert allerdings umfängliche Sach- nnd Sprach-
kenntnisse, zu deren Erwerbung und Anwendung freilich den meisten
die Liebe fehlt, nicht etwa weil sie verkennten, dass auch die Aif-
hellung dieses Zweiges des Lebens ein Schritt zur VerrolIstindigaBg
unserer Anschauung des Alterthums sei, — kann man doch, nachdca
man in der Gegenwart die Bedeutsamkeit dieser Beschaftignngen ffirs
Leben begriffen, an ihrer Wichtigkeit für das Alterthum nicht Bebr
zweifeln, — sondern weil sie durch die erhabensten geistigen Schdpfus-
gen desselben festgehalten werden. Es gehört auch eine gewisse Be-
gabung dazu, sich um derartige Dinge des Hauslebens zu bekünsiefB;
aber um so mehr müssen wir diejenigen anerkennen, welche die Mobs
lind Anstrengung nicht scheuen, den Alten in Küche nnd Keller« anf
Feld uud Weide nachzugehen und ihr tbun und treiben auch hierin au
treu und wahr vor Augen zu stellen. Hr Prof. Schuch hat hier eiaea
neuen Beweis geliefert, wie viel Fleisz und Sorgfalt zu leisten ▼ermif.
Kr gibt den verbesserten Text, setzt ihm aber den urspronglichen snr
Vergleichnng unter. Zwar bleibt, wie der Hr Herausgeber selbst be-
kennt, noch einiges zweifelhaft, aber mit leichter Mühe wird jedersiaBB
ersehen, wie viel und schwieriges er geleistet. Die von S. 14 an fol-
genden Bemerkungen sind Beweise einer stauncnswerthen GelehraasikMt
und enthalten nicht allein die Begründung der vorgenommenen Veibst*
sernngon, sondern auch viele diplomatische, sprachliche und sachildis
Beobachtungen, so dasz sie von niemandem, der mit einer Seite dsi
Alterthums sich beschäftigt, ohne Nutzen gelesen werden dürften. Mift
dem Hrn Herausgeber Kraft verliehen werden, seine so vielen Brfei{|
versprechenden Studien zum gewünschten Ziele fortzufahren.
Kltavangen.] Am Gymnasium war die durch den Austritt des
Prof. Piscalar erledigte öe Professorstelle am Obergymnasinm dem
Repetenten am Wilhelmsstift in Tubingen Gaiszer übertragen wer-
den; der Verweser der Stelle, Priester Pacht 1er, erhielt das erste
Praeceptorat in Riedlingen. Das Gymnasium war von 124 (M ia
obern. 90 im untern), die Realschule von 22 Schülern besacht. Dmi
Programme vorausgestollt ist eine mythologische Abhandlong lem
Prof. Scheiffele ii6er Danaos und die Danaiden (42 S. 8). Obglsich
der Hr Verf. mit vielem Fleisze aus den Quellen und den Schriften der
Gelehrten ge.sammelt (vcrmiszt haben wir Gottlings gesammelte Ab-
handlungen S. 21 IT. auch nirgend Prellers Mythologie angexogen ge»
funden) und auch mit Kifer und nicht ohne Scharfsinn die Sachen durch-
dacht hat, so zweifeln wir doch , ob seine Deutungen in allen Punkten
sich halten lassen, am meisten in Betreif der historischen Basis, deren
Vorhandensein er behauptet. Er selbst musz zugestehen, dasz die von
Muys ''Griechenland und der Orient' und von E. Curtius 'Die Tonier
vor der ionischen Wanderung', welche Schriften er erst nach Vollen-
Berichte Qber gelehrte Anstaltco, VerordDungen, Statist. Notizeo. 561
dang seiner Abhandlang, die letztere nur aus der Recension in unsern
Jahrbb. kennen gelernt, ein neues Licht auch auf diesen Mythos wer-
fen müssen, obgleich er noch das zusamnientrelfen mit Semiten gegen
Jene Ansichten zu wahren sucht. Damit wollen wir nicht in Abrede
stellen, dasz er in einzelnem manches richtig gedeutet und erfaszt, auch
manches entsprechender dargestellt als seine Vorgänger, indes glauben
wir, dasz die Grundbedingung, unter welcher allein eine solche Unter-,
suchung der Evidenz naher geführt werden kann, nicht hinlänglich er-
füllt ist, wir meinen die Unterscheidung der in den Mythenkreis hinein-
gezogenen Sagen nach Zeit und Ort ihres Torkomroens, die Ausscheidung
der später zur Ausfüllung und Herstellung eines innem Zusammenhangs
gemachten Erfindungen von den ursprünglichen Localsagen, so wie der
irrigen Auffassungen von den ursprünglichen. Auch unterliegt für uns
die gegebene Etymologie noch Zweifeln und zum mindesten bedarf sie
noch der Erklärung der einzelnen zu der Wurzel hinzugetretenen Be-
standtheile. Doch wir erkennen bereitwillig an, dasz manches gute ge-
leistet ist. R. D.
Erlangen.] Nachdem von der dasigen k. Stndienanstalt im Be-
ginn des eben verflossenen Schuljahrs der Studienlehr^r Dr Schiller
als Prof. an das Gymnasium zu Ansbach versetzt war, erhielt derStu*
dienlehrer Dr Bayer den von jenem im Gymnasium ertheilten Hilfs-
und Geschichtsunterricht. Als Studienlehrer ward der Cand. Max
Lechner, vorher Assistent am Gymnasium zu Bayreuth, angestellt,
als Assistent der Anstalt der Cand. Emmert zugewiesen. An die
Stelle des französ. Sprachlehrers Büchler trat der geprüfte Lehr-
amtscandidat Wetzel. Einzelne Mitglieder des philologischen Semi-
nars ertheilten Unterricht zu ihrer Ausbildung. Die Frequenz betrug
im Gymnasium 4o (IV 13, HI 10, II 12, I 10), lat. Schule Ö5 (IV 24,
III 19, II 20, I 22) im ganzen 130. Dem Jahresbericht voraus geht
die Abhandlung vom k. Studienrector Hofrath Prof. Dr Ludw. Do-
d er lein: Comtnentare zu Döderlein$ lateinischem Vocabularium (16
S. 4). Das Verdienst, welches sich der hochverehrte Gelehrte und
Schulmann durch sein Vocabularium erworben, hat in den weitesten
Kreisen Anerkennung gefunden, und wenn auch noch manche auf an-
derem Wege, dasselbe erreichen zu können hoffen, andere aber eine
verschiedene Anordnung und Methode vorziehen, so wird man doch ali-
gemein zugeben müssen, dasz das Döderleinsche Vocabular recht ge-
braucht nicht nur zu einer umfänglichen Kenntnis von Worten, sondern,
was noch wichtiger ist, zur Einsicht in die Wortbildung verhilft und
dasz es so eine nothwendige Ergänzung des bisherigen Sprachunterrichts
ins Leben eingeführt hat. Der Hr Verf. hat nun in der vorliegenden
Abhandlung sehr willkommene Erläuterungen zu demselben geliefert,
indem er zeigt, wie sich die Bedeutung von Derivaten ans der des
resp. Primitivum herleite. Man wird vielleicht aus den einleitenden
Bemerkungen eine Einwendung gegen das Vocabular nehmen, indem
man aus der Andeutung, dasz nicht jede Herleitung dem Schüler mit«
get heilt zu werden brauche oder mitgetheilt werden könne, schlieszt,
dasz das etymologische verfahren überhaupt für das Knabenalter noch
nicht recht geeignet sei, indes würde man dann doch verkennen, dasz
immer schon viel gewonnen, wenn der Schüler die Zusammengehörig-
keit zweier Worte kennen gelernt hat, wenn er auch den Innern Zu-
sammenhang noch nicht erkennt, da ihm damit ein Anhalt zu späterem
nachdenken und selbstfinden geboten ist. Ref. ist dem Hm Verf. für die
hier gegebenen Belehrungen aufrichtig dankbar und glaubt, dasz die
meisten — abgesehen von manchen Etymologieen, die noch beanstandet
werden müssen, z. B. rcciprocus, — den Schülern der Quarta ohne
Schwierigkeit und ohne Nachtheil mitgetheilt werden können. Nur
562 Berichte aber gelehrte AnsialleD, VerordnangeB, statisl. NotUea.
um zn beweisen, dasz wir die Abhandlung aufmerksam gelesen haben,
theiien wir einige Bemerlcungen mit. Bei acte« genügt uns zunächst
die Bedeutung: Kigenschaft des schneidenden, für die Herieitung von
^Schiachtreihe' aber denken wir nicht sowoi an das Heer, weiches die
feindlichen Reihen zn zertrennen, zn durchbrechen beabsichtigt, viel-
mehr nehmen wir vorans die des Kampfes mit schneidenden Waffen,
welche Bedeutung das Wort in vielen Verbindungen hat, und daran«
folgt uns dann die der zum schneiden, d. 1. todten, verwanden, ge-
rasteten Schaar. Bei pagina mochten wir nicht sowol an das MitteJ,
die Gedanken niederzuschreiben, zu fij^ieren, als an den fest be-
stimmten abgesteckten Raum denken, indem die Grosze der Seiten,
wenn man auch jede der andern gleich voraussetzt, doch beliebig ist,
je nachdem man sie aus dem ganzen durch brechen oder schneiden
herstellt. Damit scheint uns der Gebrauch zu stimmen, in dem das
Wort beiPlin. H. N. XVII 22 35 169 steht, und der uns der ursprung-
liche zu sein scheint. Rucksichtlich deiraciare nehmen wir 'herab-'
und 'wegzerren' als Grundbedeutungen; aus jener ergibt sich 'ver-
kleinern % aus dieser wie bei defendere iniuriam ' verweigern\ Die
Stelle Liv. VIir23 ist wol nicht zweifelhaft, da sich die ursprungliche
Bedeutung eines Wortes stets am längsten in den feststehenden gesets-
liehen namentlich religiösen Gebräuchen erhält. Weiszenborn verweist
übrigens zu der Stelle auf Vel. Long, de orthogr. p. 2234. Möge dem
verehrten Hrn Verf. noch recht lange vergönnt sein, den jungern aus
dem reichen Schatze seiner didaktischen Erfahrungen mitzutheilen.
Ä. D.
Essen.] Das dasige Gymnasium hatte sich im abgelaufenen Schul-
jahre nicht nur wesentlicher Verbesserung der Lehrergehalte und der
Creierung einer 9n ordentlichen Lehrstelle zu erfreuen, sondern erhielt
auch unentgeltlich das Eigenthumsrecht über die jbm seit 1824 nur
zum Gebrauch uberlassenen Gebäude. Zum Director wurde der Ober-
lehrer Top ho ff bestellt, an die Stelle des an die Ritterakademie zu
Bedburg versetzten katholischen Religionslehrers Rector Bruckmann
trat der Rector Wawer, an die Stelle des ins Privatleben überge-
gangenen Lehramtscand. Dr Küster der Candidat Jos. Gansz. Das
Lehrercollegium bestand demnach aus dem Dir. Dr To p hoff, den Ober-
lehrern Buddeberg, Litzinge r, Mälhöfer, den ordentlichen Leh-
rern Seemann, Achternbosch und Seck, den wissenschaftlichen
Hilfslehrern Ueberfeldt und Gansz, dem Rector W a w e r, Zeichen-
und Schreiblehrer Steiner , Gesanglehrer Helfer. Die Schulerzahl
betrug am Schlüsse des Jahres 220 (I 31, II' 25, U^ 34, ill 34, IV 29,
V28, VI 39). Abiturienten waren Ostern 1866 5, Herbst 11. Die den
Schulnachrichten vorausgestellte Abhandlung des Director Dr Tophoff:
de plebe Romana (11 S. 4) hat zwar keinen Anspruch auf Forderung
der wissenschaftlichen Forschung, ist aber eine für die Schuler recht
brauchbare Zasammenstellung aus den Quellen. A. D.
Freising.] Wir haben im vorigen Jahrgange auf die ausgezeich-
nete Arbeit des Rectors Prof. Freudensprung über die Oertlieh-
keiten im Krzbisthume Freising aufmerksam gemacht. Jetzt haben wir
die Freude dieselbe vollendet vor uns liegen zu sehen. Mit groszter
Sorgfalt hat der Hr Verf. die vor einem Jahre veröffentlichte Hüfte
revidiert, die von Dr C. Roth gemachten Einwendungen geprüft,
obgleich er nur weniges anzunehmen im Stande war, und ist bei der
Fortsetzung gleich grundlich verfahren. Wir empfehlen das Werk allen,
denen die Bedentung der Ortsnamen für die Geschichte Deutschlands
und der deutschen Sprache klar ist, zum aufmerksamen Studium.
R. D.
Berichte Aber gelehrte Anstalten , Verordnungen, statisl. Notisen. 568
Gretfswald.] Am dasigen Gymnasiem bestand das Lehrercolleginm
Ostern 1856 ans dem Dir. Prof. Hiecke, Prorector Dr Rassow,
Conr. Prof. Dr. Cantzier, Prof. Dr Thoms, den Oberlehrern Dr
Reinhardt ond Gandtner, den Gymnasiallehrern Dr Schmitz,
Dr Häckermann («eitdem nach Puttbns versetzt), Dr Lehmann,
Dr Junghans, Volz, DrNiemeyer, Dr Schumann [vorher Stell-
vertreter des Mathematicns am Gymnasium zu Lnckan], Rechen- und
Hilfslehrer Hahn, Gesanglehrer Cantor W o h 1 e r, Zeichen- und Scbreib-
lehrer Hube und dem Schulamtscand. DrZerlang. Die Schulerzahl
betrug am Schlüsse des Winterhalbjahrs 271 (Gymnasium I 17, II 26,
HI 30, IV 26; Real. I 8, II 15, IH 34, IV 32, V 38, VI 45). Mit
Reifezeugnissen wurden entlassen vom Gymnasium Mich. 1835 3, Ostern
1856 1, von der Realschule Michaelis und Ostern je 2. Die wissen-
schaftliche Abhandlung im Programme lieferte der Gymnasiallehrer
Dr A. Häckermann: der pithoeanische Codex JuvenaU (40 S. 4).
Mit Aufwand von vieler Gelehrsamkeit vertheidigt derselbe seine be-
kanntlich von Otto Jahn und K. Fr. Hermann auf das entschie-
denste bekämpfte Ansicht, dasz die von Pithoeus aus dem Cod. Budensis
aufgestellte Recension Juvenals im positiven Kerne ein Interpolations-
versuch späterer Hand und in ihr der Urtext einerseits durch Schreib-
fehler, andererseits durch vermeintliche Emendationen entstellt sei.
Die treue Festhaltung der Ueberzengung verdient volle Anerkennung
lind gewis wird man auch in der Abhandlung manches recht ver-
dienstlich finden, oh aber des Hm Verf. Ansicht jetzt Billigung und
Gutheiszung finden werde, wir bezweifeln es — überlassen aber das
Urtheil fähigem Richtern. R, D,
Grimma.] An der königlichen Landesschule feierte am 20. Aug.
dieses Jahres der 4e Professor und Cantor Dr M. N. Petersen sein
25jährige8 Jnbilaeum und ward bei dieser Gelegenheit von dem Lehrer-
collegium durch eine von dem unterzeichneten Ref. verfaszte Schrift!
quo tempore quoque conailio Salluatius Catilinam acripaisie indeatur
(16 S. 4) begruszt. Im Lehrercollegium trat im verflossenen Jahre
keine Veränderung ein. Der Coetus bestand im vergangenen Sommer-
semester aus 131 (122 AI. 9 Extr.), nerolich I 31, JI 33, III 29, IV* 22,
1\^ 16. Abiturienten Ost. 1856 13, Michaelis 7. Die wissenschaftliche
Abhandlung im Programm lieferte Prof. Dr Arn. Schäfer: de aociia
Mhenienaium Chabriae et Timothei aetate in tabula publica tnscri^iis
commenfafio (20 S. 4). Die Abhandlung betrifft die von Eustratia-
des zuerst 1851 bekannt gemachte, dann von Meier und Rangabe
herausgegebene Inschrift nnd enthält zuerst den Text derselben ,^ so-
dann Erläuterungen, welche sich allenthalben als Resultate der grand-
lichen Quellenforschung und eindringenden Kritik zeigen, von denen
der Verf. in seinem eben begonnenen Werke ^Demosthenes und seine
Zeit' so werthvolle Proben gegeben hat. R. D.
Hof.] Die königliche Studienanstalt hatte im verflossenen Schul-
jahre keine Veränderuug im Lehrercollegium erfahren. Die Frequenz
war im Gymnasicm 45 (IV 15, III 12, II 11), lat. Schale 88 (IV 15,
III 30; 1123, I 20), im ganzen 133. Die wissenschaftliche Abhand-
lung ist vom Prof. G. A. Gebhardt ffeschrieben: emendationum
Uerodotearum part. I (12 S. 4). Gegen die von dem^ unterzeichneten
II 32 aufgenommene Emendation Struves ^ irfifiWT«? %ä r-qg Ai^vr^g hwt
der Hr Verf. mit Recht geltend gemacht, dasz ta t^g Aißvrig nicht
bedeuten könne: der Theil Libyens and zsXsvtäv von Endung darch
Begränznng und Ausgang gebraucht stets intransitiv stehe. Die Ver-
muthung Steins, dasz nach ^ teXsvx^ t^g ALßvrjg ein Wort wie^ra xa-
gctd-aldacicc ausgefallen, erscheint ihm nicht nothig, wenn man jj rsXsv-
T« tavttt xrjg Atßvrig schreibe. Ref. gesteht , dasz ihm auch diese
564 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notixea.
Correctur nicht recht gefallt, weil sie ihm der genauem Bestimmtheit,
mit der Herodot bei solchen Angaben stets verfährt, nicht genügend
scheint. Darnach stimmt er allerdings Stein bei, nimmt aber eine
längere Lücke an: tä %ocxä zavtrjv t/)v ^dlaaaav oder naget Tavrrjv.
Daraus würde sich eine Ursache des ausfallens ergeben. In dem fol-
genden Kapitel will der Hr Verf. Qtcov entweder nach novtoy oder nach
dtä ndarjg trjg EvganTjg gestellt wissen. Es scheint mir ofiFenbar,
dasz die Worte ^iav did ndcrig rfjg (den Artikel haben die Hand-
schriften nicht, wenn nicht in dem deutschen Abdrnck von Gaisfords
Ausgabe ein Druckfehler ist) EvgfOTtTig zusammengehören und vom Rande
in den Text gekommen sind. Es fragt sich nun, ob sie vom Schrift-
steller herrühren und, von dem Schreiber des Archetypus vergessen, am
Rande nachgetragen wurden, oder ob ein gelehrter Glossator sie hei-
schrieb. Nothwendig sind sie zwar nicht, da die Sache durch fiicrfv
aXL^fJ^v fqv Evgoinrjv und durch die Angaben von den Wohnsitzen der
Gelten hinlänglich bezeichnet war. Ich halte sie allerdings aber für
von Herodot herrührend, glaube aber ihnen mit mehr Freiheit eine ge*
eignetere Stelle anweisen zu dürfen zwischen 6 'latgog und tsXBVtd,
Beiläufig bemerke ich, dasz ich I 139 xslfvtciaL nie in activer Bedeu-
tung genommen , wol aber den Plural des Verbums bei dem Plural des
Neutrums hier für zulässig gehalten habe, weil nicht sowol an ein
ganzes als an die einzelnen Namen alle zu denken sei. Der Goniectur
tsXBVToi avfiTtavza könnten wir dann entrathen. Auch VH 59 halten
wir TflFi^taia für tsXfvtuLa nicht für annehmbar, da das Praedicat von
Herodot recht füglich auf ayiQrj bezogen werden konnte, weil dies ihm
der HauptbegrifT war, der Eigenname nur ais zur nähern Bezeichnung
hinzugefügt galt. — Eine der schwierigsten Stellen ist 111 49 eicldllrf'
XotGL öidcpogoi iovtfg ecovtoCai, nicht als ob man nicht wüszte, was dort
stehen sollte, sondern weil man nicht leicht eine Verbesserung findet,
von der man mit einiger Gewisheit behaupten konnte, dasz sie des
Schriftstellers Hand wiedergebe und zugleich mit Wahrscheinlichkeit
die Ursache der Verderbnis erkläre. Gegen die von dem Hrn Verf.
vorgeschlagene Verbesserung dtl inst ts ^nziüav f^v v^aov, äLcevelBvci^
didcpogoi iovzsg aytotai habe ich nar das Bedenken, dasz so alle Schuld
an der Zwietracht auf die Korinthier geschoben erscheint, während doch
das folgende xovxaiv dv etveyisv anF^vriGL^dyieov Erbitterung der Ko-
rinthier gegen die Kerkyraeer und zwar begründete, von jenen mit ver-
anlaszle anzudeuten scheint. Die Worte stol dlXTJlotci Sidtpogoi schei-
nen mir von dem Rande in den Text gekommen zu sein. Dem Ausdruck,
welchen Herodot nach dem Zusammenhang gebraucht haben musz, ent-
sprechen sie nicht, sie müssen vielmehr eine Entgegnung gegen das
von Herodot gesagte enthalten haben, eine Hinweisung darauf, da»z
die Feindschaft eine gegenseitige war. Setzt dies nicht voraus, daas
Herodot etwas geschrieben hatte, was auf den einen Staat ein falsches
Licht zu werfen schien, und konnte es einem Gelehrten einfallen ein
solches zu sehen, wenn nur die Korinthier als Feinde jener hier be-
zeichnet wurden? Den wahren Grund der Feindschaft erkennt man aas
Thukydides I 34 u. 38. Die Korinthier betrachteten die Kerkyrfler
als d(p&Gtrj%6tc(g did navxög ^ und dies war es, warum nicht (piXa -qv
avtoCg ngog tovg Ktgnvgaiovg, Aus diesen Erwägungen ist die von
mir (Vorrede zu meiner Ausgabe p. XII 59) aufgestellte Vermuthung
hervorfjeganfjen. HI 108 ist die von Reiz angegebene Interpunction
auch von mir bereits aufgenommen. Dasz der Hr Verf. die durch das
folgende ydg entstehende aber leicht zu beseitigende Schwierigkeit
ganz übergeht (vgl. Eltz Jhrbb. Suppl. IX S. 326), machen wir ihm
nicht zum Vorwurfe. — lU 66 hat der Hr Verf. die sprachlichen Be-
denken recht gut entwickelt, auch über VI 27 brauchbare Brörteronr
Berichte fiber gelehrte Anstalten, VerordnoDgren, statiBl. Notiien. 565
gen angestellt, aber dasz ans dno^avtiv awijvei%8 darch Nachlässig-
keit der Abschreiber amjvsL-üB geworden, erscheint ans etwas unglanb-
lieh. Das Verbum dnotpsgetv ist hier nicht unpassend in der "vom Hm
Verf. selbst angegebenen Bedeutung reditu cum privaHt, oder, was
allgemeiner, quominua proposiium exaequereiur prohibuit, da Herodot
damit auf das zurückgeht, wovon er c. 64 ausgegangen dva9'(feic7tti
inl tov tnnov iv vom ^j^ov tifv raxCazriv ig Zovou axQarsvsad'eu ixl
Tov (iciyov. Der Ausdruck hat etwas sonderbares, allein wamm soll
man nicht das, was den Tod bewirkt, auch dem, was den Tod herbei-
führt, zuschreiben können? Die Coniectur V 28 fietä 6h ov noXlov
XQOvov dvavifooig xaxoov ijy halte ich für eine wirkliche Emendatioa
und zolle auch VI 95 der Wiederherstellung des Inselnamens na^d ve
"Hagov den vollsten Beifall. Dem Hrn Verf aber sage ich anfrichtig
Dank für die Belehrung, weh he ich auch da gefunden, wo ich mit den
von ihm vorgetragenen Vorschlägen nicht einverstanden war. jR. D,
KÖNIGSBERG IN pR.] Das altstädtische Gymnasium hatte in dem
Schuljahr Ostern 1855 — 56 im Lehrercollegium keine Verändernng er-
fahren. Die Schulerzahl betrug am Schlüsse 36] (I 48, 11« 28, 11^ 29,
Ilf 41, 11!»» 49, IV 65, V 54, VI 47). Abiturienten waren Ostern
1855 10, Michaelis 5. Die wissenschaftliche Abhandlung hat den ord.
Lehrer Dr Richter zum Verf. und führt den Titel de aupinis latinae
linguae P. I (36 S. 4). Wir begrüszen in ihr ein Werk, das die Gründ-
lichkeit, durch welche sich die Lobeck*sche ond Lehrs'sche Schule aus-
zeichnet, im vollsten Masze beweist. Mit dem sorgfältigsten Pleisze
und scharfsichtiger Beobachtung hat der Hr Verf. alles, was über den
Gebrauch des Supinums — in diesem Theile zunächst des in um —
sich aus der lateinischen Litteratur ergibt, zusammengestellt, die ein-
zelnen Stellen kritisch geprüft und eben so ruhig und sicher die ver-
schiedenen Ansichten der Grammatiker gegen einander abgewogen.
Niemand, dem es um klare Einsicht in das Wesen und den Gebrauch
dieser so eigenthnmiichen Bildung der lateinischen Sprache zu thun ist,
wird die Abhandlung übergehen dürfen. Wir wünschen von Herzen
baldige Vollendung des dem Urn Verf. alle Ehre machenden Werkes.
R. D.
Kreuznach.] Das LehrercoIIeginm des dasigen Gymnasiums be-
stand, nachdem der Oberlehrer Dr Silber, um das Directorat am Gym-
nasium zu Öls anzutreten, ausgeschieden, der Oberlehrer Dr Presber
aber am :^8n Febr. 1855 gestorben war, Michaelis 1855 aas dem Dir.
Prof. Dr Axt, den Oberlehrern Prof. Grabow, Prof. Dr Steiner,
Seyffert und Dellmann, den Gymnasiallehrern Mohring (vorher
am Gymnasium zu Essen) und Ox4, dem provisor. Hilfslehrer Dr Ley
[vorher Schuiamtscand.], kathoi. Religionslehrer Kaplan Weiszbrodt,
Gesang- und Schreibiehrer Gleim, Zeichenlehrer Ca u er. DieSchüler-
zabl war 171 ; Abiturienten hatten sich 4 gemeldet. Den Schulnach-
richten hat der Dir. Prof. Dr Moritz Axt eine Abhandlung voraus-
gestellt: inscriptiones duac graecae (S. 46). Die beiden Inschriften
sind die von E. Gerhard in den Monum. 1854 Nr 62 u. 63 S. 437
Öffentlich bekannt gemachten; die erste enthält 6 , die zweite 6 Verse,
aber weichen ungeheuren Aufwand und Gelehrsamkeit hat der Hr Verf.
zu ihrer Emendierong und Erklärung gemacht! Da finden sich eine
Menge kritischer Bemerkungen zu lateinischen und friechischen Schrift-
stellern, lexikalische und grammatische» antiquarische und mythologische
Erörterungen. Auch die deutsche Litteratur und Sprache werden in
ausgedehnter Weise berücksichtigt. Der Hr Verf. macht selbst anf
Partieen seiner Schrift aufmerksam, welche für die, welche an dem
lateinischen and griechischen keinen Gefallen finden, allgemeineres In-
teresse bieten, S. 5— 8: über die mit Tönen vergUcbenen Erscheinon-
566 Beriöhle Ober gelehrte ÄDslalten, Verordnungen, sUtisi. NotiMO.
gen der Natnr; S. 13: ober Sewastopol ; S. 16 f.: über Weihgeschenke;
S. 20 — 22: über Verbesserung des Gerhardtisehen Liedes: 'O Haupt
sonst schon verziert', wie vorher an einer andern Stelle über die lu-
therische Bibelübersetzung; S. 25: über den Gebranch des Dativs —
den Zweck oder den Vortheii von jemandem bezeichnend, bei deutschen
Dichtern; S. 29-34: der Anfang eines von Goethe gewünschten Wör-
terbuchs über die fremdländischen Worte, welche vom Volke in be-
kannte sinngebende Ausdrucke umgewandelt werden; S. 43: nber den
Tod in seiner Auffassung als Schlaf. Wir machen nicht dem Hrn Verf.
einen Vorwurf daraus, dasz er so seine Schätze vor unsern Augen aas-
schüttet, vielmehr halten wir es für unsere Pflicht, auf dieselben hinsn-
weisen, um so mehr, als er durch einen Index der behandelten Schrift-
steller den Gebrauch wesentlich erleichtert hat. II. D.
Österreich]. Nachdem die Prüfung für Candidaten des Gym-
nasiai-Lehramte,8 durch ein provisorisches Gesetz v. 30. Aug. 1849
geregelt war, ist unter dem 24. Juli dieses J. eine definitive Vor-
schrift darüber erschienen, aus welcher wir folgendes mittheilen t
Von der Prüfung ist die Befähigung zum Religionsunterricht ausge-
schlossen, für das zeichnen, schreiben, singen und turnen werden be-
sondere Bestimmungen vorbehalten. Die Prüfungscommissionen ernennt
das Ministerium in verschiedenen Hauptstädten des Reichs, anf ein
Jahr, doch mit der Möglichkeit einer JSrneuerung des Auftrags. Die
Schulräthe an den Orten der Prüfungscommissionen sind berechtigt
den mündlichen Prüfungen und der Probelection beizuwohnen. $ 3 lau-
tet: jeder Examinand musz I) in Bezug auf seine philosophische Vor-
bildung, dann in Bezug auf die Unterrichtssprache, deren er sich be-
dienen will und wenn diese nicht die deutsche ist, auszerdem anch in
Bezug auf die deutsche Sprache den in $ 4 angegebenen Forderungen
genügen und 2) durch das Examen in einem Prüfungsgebiete des Gjm-
nasialunterrichts (§ 5) dasjenige Masz von Kenntnissen nachweisen,
welches in ^ 6 — 10 näher bestimmt ist. Zur Anstellung berechtigt erst
die Abhaltung des Probejahrs. Jene Forderungen in Betreff der Un-
terrichts- und deutschen Sprache in § 4 sind: dasz der Candidat in
der mündlichen Prüfung Correctheit 'des Gebrauches seiner Matter-
sprache und Kenntnis ihrer wichtigsten grammatischen Gesetze nach-
zuweisen habe, möge er anf das lehren seiner Unterrichtssprache An-
spruch machen oder nicht. Wenn die Unterrichtssprache nicht die
deutsche ist, so sind die Forderungen auch bezüglich der deutschen mn
erfüllen, nur im lombardisch- venetianischen Königreiche werden ale
auf richtiges und leichtes verstehen deutscher Werke wissenschaftlichen
Inhalts beschränkt. § 5 stellt folgende Gebiete des Gymnasialunter-
richts auf: a) der klassischen Philologie, b) der Geschichte nnd Geo-
graphie, c) das mathematisch-naturwissenschaftliche Gebiet. In jedem
musz den Forderungen für das ganze Gymnasium genügt werden, in
dritten aber kann entweder Mathematik und Physik für das game G..
oder Naturgeschichte für das ganze G. verbunden mit Mathematik qim
Physik wenigstens je für die unteren vier Klassen eintreten. Das Sta-
dium der Philosophie genügt altein noch nicht zur Zulassung, sondern
es musz damit eines der übrigen Gebiete für das Untergymnasinm ver-
bunden sein. Das Studium der deutschen Sprache oder einer Landes-
sprache musz den Forderungen für das ganze 6. genügen, aber mit dem
der klassischen Philologie verbunden sein, wobei jedoch in ^iner der
alten Sprache die Prüfung auf das Untergymnasium beschränkt werden
kann. Zur Befähigung, eine nichtdeutsche Landessprache durch das
ganze Gymnasium zu lehren, wird noch das bestehen der Prüfung ans
der deutschen Sprache für das Untergymnasium gefordert. Nachgelaa-
scn ist, dasz Prüfungen in den bezeichneten Gebieten nacheinander
BeriehCa ftber gelehrte ÄDstaUen, Verordnungen, Statist. Notisen. 567
m yersrhiedenen Zeiten bestanden werden, doch darf Geschichte nie
▼Oll Geographie und Physik nie von Mathematik getrennt werden, wäh-
rend* bestehen der Prüfung aber Mathematik ohne Physik in Verbindung
mit einer selbständigen Gruppe gestattet ist. Priestern, weiche als Re-
ligionslehrer angestellt sind oder angestellt werden wollen, können für
die Befähigung auch in anderen Fächern zu unterrichten, in Rück-
sicht darai^ dasz die Religion ihr Hauptfach ist, die Forderungen da--
hin ermäszigt werden, dasz sie für eins der drei Hauptgebiete die Be-
fähigung für das Untergymnasium darthnn, und dasz, wenn sie die
Prüfung für die Philosophie oder aus der deutschen, oder einer Lan-
dessprache bestehen, von einem andern Fache abgesehen werde. Es
ist zwar nachgelassen, dasz Candidaten in den einzelnen Fächern die
Prüfung zunächst nur für das Untergymnasium, später für das Ober-
gymnasium bestehen, doch kann ihre Anstellung erst nach der letzte-
ren Prüfung definitiv werden. §6 lautet: zur Befähigung für den
philologischen Unterricht durch das ganze Gymnasium
ist nicht nur gründliche und sichere Kenntnis der Grammatik beider
klassischen Sprachen und für die lateinische eine durch die schriftli-
chen Arbeiten zu beweisende stilistische Gewandtheit, sondern nament-
lich umfassende Belesenheit in den dem Gymnasium angehören-
den Klassikern beider Sprachen zu fordern, also in Caesar, Livius, Sal-
lustins, Cicero, Tacitus, Ovidius, Vergilius, Horatins; Xenophon, He-
rodotus, Demosthenes' Staatsreden, den zugänglicheren Dialogen des
Piaton (nam. Protagoras, Gorgias, Phaedon, Symposium), Homerus,
Sophocles. In der griech. und rom. Geschichte ist gründliche Kennt-
nis nnd in den philologischen DiKciplinen der Mythologie, Staats- und
Privatalterthümer, Litteraturgeschichte, Metrik zwar nicht ein syste-
matisch umfassendes Wissen, wol aber auszer einer übersichtlichen
Kenntnis des wesentlichen und Bekanntschaft mit den besten Hilfsmit-
teln eine so weit gediehene Vertrautheit mit den Alterthümern zn for-
dern, dasz zu erwarten steht, der Examinand werde bei seiner Er-
klärung der Klassiker auch in sachlicher Hinsicht Gründlichkeit erstre-
ben und das einzelne zum Gesamtbilde des antiken Lebens zu verbin-
den im Stande sein. Für das Untergymnasium werden nur in Bezng
auf die stilistische Fertigkeit mindere Anforderungen gemacht und von
der Belesenheit in Tacitus, Vergilius, Horatius, Herodot, Demostbe-
nes, Plato, Sophocles abgesehen, auch der Umfang der Kenntnis in
den Disciplinen ermäszigt. $ 7. In der Geschichte wird für das ganze
Gymnasium gefordert: chronologisch-sichere Uebersicht über die Welt-
geschichte, Einsicht in den pragmatischen Gang der Hauptbegebenhei-
ten, und in Bezug auf eine Hanptpartie Vertrautheit mit den besten
historischen Hilfsmitteln, anszerdem eine umfassendere gründliche Kennt-
nis der alten Geschichte und Geographie und so viel philologische
Bildung, dasz der Ex. Stellen romischer und griechischer Geschicht-
schreiber, welche keine besonderen sprachlichen Schwierigkeiten ent-
halten, richtig zu übersetzen wisse. Auszerdem ist in der Geschichte
und Landeskunde des österreichischen Staats auf Gründlichkeit und
Umfang der Kenntnisse und Bekanntschaft mit den gediegensten neue-
ren Forschungen besonders Gewicht zu legen. In der Geographie wird
gefordert: sichere Uebersicht über die gesamte Erde nach ihrer natür-
lichen Beschaifenheit und politischen Abtheilung, genauere Kenntnis
der eoropaeischen Länder und specielle Bekanntschaft mit der Greogra-
phie Oesterreichs, auszerdem Studium Ton Werken, deren Methode den
gegenwärtigen Forderungen der Wissenschaft entspricht. Für den Un-
terricht im Untergymnasium werden nur die Forderungen hinsichtlich
der Detailkenntnisse in der Geschichte ermäszigt, alle anderen aufrecht
erhatten. In der Mathematik wird nach $ 8 erfordert für das ganze
568 Berichte Ober gelehrte AnsUlteD, Verordnangen, statif t. Noliicft
Gymnasium sichere Kenntnis und Dnrchubung der gesamten Elementar^
mathematik, Geübtheit in der analytischen Geometrie und diejenige
Kenntnis der Dillerential- und der Elemente der Integral rechnangy> wel-
che ihm die Anwendung dieser Rechnungen namentlich far die Phjsik
zugän^rlicU macht und für die Elementarmathematik eindringendercf
Verstiindnis eröffnet , für das Untergymnasium genagt die £rfu Hang der
Forderungen in Betreff der Elementurmathematik; in der Physik für
das ganze Gymnasium sichere Kenntnis der Thatsachen mit axperimen-
teiler und mathematischer Begründung, der Hauptpunkte der Cbeaie
mit Einsicht in die häufigeren technischen Anwendungen, endlich der
Hauptlehren der Astronumic und mathematischen Geographie, für das
Untergymiiusium wird von der mathematisch beweisenden Physik, sowie
von der Astronomie und mathematischen Geographie abgesehen« In der
Naturgeschichte wird für die Befähigung zum Unterricht durch dai
ganze Gymnasium verlangt: Kenntnis jener Naturproducte, von wel-
chen entweder im menschlichen Leben eine wichtigere Anwendung ge-
macht wird, oder die durch eine besonders merkwürdige Eigenschaft
sich auszeichnen oder die endlich in unserer gewöhnlichen Umgebong
durch häufiges vorkommen sich bemerklich machen, ferner gründliche
Kenntnis jener älteren und neueren Systeme, welche eine allgemeine
Geltung gefunden haben, der wichtigsten Thatsachen aus der Anatomie
und Physiologie der Pilanzen und Thiere, namentlich insofern dieselbe
ihrer systematisrhen Ordnung zu Grunde liegen, und ihrer geographi-
schen Verbreitung, endlich der in der Geologie herschenden Haflptaa-
sichten und der itinen zu Grunde liegenden Beobachtungen, fnr das
Untergymnasium geringere Kenntnis des Detuils. Von demjenigen, wel-
cher den p h i 1 o s o p h i s c li e n U n t e r r i c h t zu ertheileu beabsichtigt, ist
nach ,^ 9 gefordert: eigenes Studium irgend eines bedeutenden Philosophen
des Alterthums oder der neueren Zeit und die Kenntnis der Hauptpunkte
aus der Geschichte der Philosophie, ferner die Fähigkeit die wesent-
lichsten Punkte der Propaedeutik (Logik und empirische Psychologie)
klar und verständlich zu entwickeln. Für i\ci\ Unterricht in einer Lan-
dessprache berechtigt auszer den in §4 an jeden Examinanden gestell-
ten Forderungen nach § 10 die Kenntnis der Litteratur und ihrer Ge-
schichte, namcntlirh in ihrer Verbindung mit der. politischen und Cnl-
turgeschichte des betreffenden Volkes (für die deutsche Litt, wird die
Interpretation in Bezug auf Sprache und Inhalt, so wie den Bildungs-
gang der hervorragendsten Schriftsteller betont), sodann der alteren
Zustände der Sprachen und der wichtigsten älteren Sprachdenkmaler
(im deutschen also grammatisch genaue Kenntnis des mittelhochdeut-
schen und die Fähigkeit die zugänglichsten Dichtungen, wie Nibelun-
genlied, Gudrun u. a. zu lesen, für die slavischen Sprachen Vertnnt-
heit mit der altsloveniscben Grammatik und Fähigkeit einen kritisch
berichtigten altsloveniscben Text zu übersetzen), endlich Bekanntschaft
mit solchen aesthetisch - kritischen Leistungen anerkannt klassischer
Schriftsteller (Lessing, Herder, Goethe, Schiller, Humboldt, A.W. n.
Fr. Schlegel), durch welche die Kinsicht in den organischen Bau und
künstlerischen Werth von Werken der schönen Litteratur praktisch ge-
fördert wird. Diejenige Kenntnis der Unterrichtssprache, welche Ton
jedem Kxaminanden beansprucht wird, befähigt ihn diese am Unter-
gyninasium zu lehren, wenn er zugleich eine aus eigener Lecture ge-
schöpfte, zu angemessener Erklärung befähigende Kenntnis gediegener
Werke der neueren schönen Litteratur (im deutschen z. B. seit Klop-
stock) nachweist und in Bezug auf Interpretation und Analyse den im
vorhergehenden gestellten Forderungen genügt. Die Prüfung besteht
nach S 11—15 1) i» Hausarbeiten, einer allgemeineren, namentlich di-
daktischen oder paedagogischen Inhalts, und anderen über die speciellcn
Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen, statist. Notizen. 569
Gegenstande der Prüfung. Candidaten für die klassische Philologie
haben eine dieser Aufgaben in lateinischer, Candidaten für lebende
Sprachen jedenfalls eine Clausurarbeit in der betreffenden Sprache zu
liefern. Die gewöhnliche Frist von ]2 Wochen kann auf nachsuchen
Terlängert, auch bei Einreichung einer bereits gedruckten Abhandlung
Dispensation ertheilt werden. Schon nach diesen Arbeiten kann eine
Abweisnno; erfolgen. 2) für jeden Gegenstand ist eine Clausurarbeit
je zu 12 Stunden und unter strenger Aufsicht zu vollenden, damit er-
mittelt werde, wie weit der Examinand in seinem Studienkreise auch
ohne alle Hilfsmittel ein promptes nnd sicheres Wissen besitzt. 3) die
mundliche Prüfung hat das Ergebnis der yorhergehenden Prufungssta-
dien zu sichern und zu vervollständigen. Si6 darf höchstens mit drei
Candidaten und musz in steter Gegenwart des Directors und wenig-
stens zweier anderer Mitglieder der Commission vorgenommen werden.
4) Zu einer Probelection an einem Gymnasium des Prüfungsortes ist
die Aufgabe nach günstigem Erfolge der übrigen Prüfungsacte minde-
stens einen Tag vorher zu stellen. Anwesend müssen sein der Direc-
tor der Commission und das Mitglied, in dessen Gebiet die Aufgabe
fallt, auszerdem der Director des Gymnasiums und der Klassenlehrer.
Von der Probelection können Candidaten, welche bereits an einem G.
unterrichtet haben, auf das Zeugnis des Directors dispensiert werden.
— Die drei letzten Prüfnngsstadien sind wegen der am Orte nicht ein-
heimischen Candidaten in liner Woche zu vollenden. Das Zeugnis wird
nach den vorher abgegebenen schriftl. Urtheilen festgestellt. Mangel
in der Probelection, deren Abstellung sich hoffen läszt, berechtigen
nicht zur Abweisung. Diese kann entweder zur Wiederholung nach
Verlauf von mindestens einem Jahre, oder für immer erfolgen. Wenn
ein Candidat 3 Jahre nach dem Probejahre nicht angestellt ist, so hat
er vor einer Prüfungscommission nachzuweisen, dasz er in der Zwi-
schenzeit als Lehrer seiner Fächer an einer Mittelschule sich verwen-
det, oder in denselben fortwährend ernstlich gearbeitet habe; genügt
diese Nachweisung nicht, so ist die Prüfung zu wiederholen, nach
Umständen unter Weglassung der häuslichen Arbeiten. — Ueber das
Probejahr enthält § 19 und 20 folgende Bestimmung: der Candidat
kann das Kronland wählen , das Gymnasium aber wird von dem Schnl-
rathe der betreffenden Statthalterei bestimmt; der Candidat erhält nicht
mehr als 6 wöchentliche Stunden in nicht mehr als zwei Kkssen zu-
gewiesen, doch kann bei schon erprobter Tüchtigkeit nach Bedürfnis des
Gymnasiums eine Ausdehnung erfolgen. Der Candid. unterrichtet selb-
ständig nach allgemeiner Anweisung durch den Director doch unter häu-
figem Besuche des Directors und des Klassenlehrers, währead er selbst
häufig Lectionen anderer Lehrer beizuwohnen gehalten ist. Leichtere
Strafen zu verfugen hat er selbst das Recht unter unmittelbarer nach-
heriger Anzeige an den Klassenlehrer, schwerere sind dem Klassenlehrer
zu überlassen. Den Lehrerconferenzen hat er regelmäszig beizuwohnen
und ist dort zur Abgabe seiner Stimme über Leistungen und sittliches
Verhalten der Schüler in seinen Lehrstunden sowol im Laufe des Schul-
jahres, als bei der Klassification und Versetzung verpflichtet wie be-
rechtigt, sonst hat er nur eine berathende Stimme. Den Collegien wird
echt collegialisches verhalten zu ihm zur Pflicht gemacht. T^nn Feh-
ler des Probecandidaten dem Gymnasium nachtheilig zu werden drohen,
so kann der Director nach Beendigun^^ des ersten Sem. oder in drin-
genden Fällen sogleich der Thätigkeit desselben ein Ende setzen,
jedoch nach Anhörung des Lehrkörpers und unter Bericht an die poli-
tische Landesstelle, die dann entweder die Zuweisung an ein anderes
Gymnasium verfügt oder bei dem Ministerium auf Zurückweisung vom
Lehramte anträgt. Ueber das Probejahr hat der Director ein von den
iV. Jahrb. f. nur. w. Paed. Bd. LXXI V. Bß.ü, 40
570 Personalnacbrichten.
betreffenden Klassenlehrern zu anterschreibendes Zeu|ni8 antBDstellen.
Hat der Candidat mehr als die gesetzliche Zahl ron^ Stunden gegeben,
so kann der Director eine Renumeration bei der politischen Landeffstelle
beantragen. *• 1>.
Perso na] n achrichten.
Anstellungen, Beförderungen, Versetzungeo.
Adam» Vinc., Gymnasiallehrer zu Troppau, an das Gymn. sa Bronn
versetzt.
Anibrosoli, Jos., Lehramtscand., zum wirkt. Lehrer am Gymn. zo
Como ern.
Bazzi, Krzy SuppL am Gymnasium zu Como, zum wirkl. Lehrer das.
ernannt.
Colo, Ant., Suppl. am Gymn. zu Roreredo, zum wirkl. Lehrer dai.
ernannt.
Farinati, Ciro, Gymnasiall. zu Roreredo, an das Gymn. ed Trient
versetzt.
Grössmann, E. R., Stiftspriester, Suppl. am Gymn. %n Grata , laa
wirkl. Lehrer am Gymn. zu Cilli ern.
Hannacik, Jos., Gymnasiall. zu Troppau, an das Gymn. an BraoB
versetzt.
Heller, Karl, für d. Gymn. zu Marburg ernannt, bisher am Gratier
Gymn. in Verwendung stehend, hat eine Lehrstelle am Olmaticf
Gymn. erhalten.
K 1 i m p f i n g e r , Suppl. am Gymn. zu Troppau , zum wirkl. Lehrer das.
ernannt.
Marek, Dr Jos., Gymnasiallehr, zu Troppau, an d. Gymn. sn Broaa
versetzt.
Netoliczka, Dr Eug. , für das Czernowitzer Gymnasium emaaaty
seither am Brunner Gymn. in Verwendung, an d. G. au Troppan
versetzt.
Schwarz, Wenz., Gymnasiallehrer zu Laibach, ) j y,
Schwippel, Kr. K., Gymnasiallehr, zu Olmütz, } *" w GymnisiOB
Wittek, K., Gymna.siallehrer zu Teschen, ) *" '*'""" ▼eraetit.
Viditz, Steph., proT. Dir. d. Gymn. zu Fiume, zum wirkL Dir. dert.
Anstalt ern.
Gestorben:
Am 28. Juli zu Turin Cav. Lnigi Provana del Sabione, Mitgl. des
Oberrathes für öffentl. Unterricht, bekannt durch histor. Werke.
Am 12. Aug. zu Görlitz Th. Neu mann, ruhmlich bekannt uU Secre-
tär der Oberlausitzer Gesellschaft.
Am 14. August zu Clapham der berühmte Geolog DrBuckland. geb.
1784.
Im Angust zu Hirschberg Maior Dr von Flotow, bekannt ab boU-
nischer Schriftsteller.
Am 2. Sept. zu Leipzig Dr iur. Ludw. Puttrieb, 75 J. alt, rühm-
lichst bekannt durch seine Denkmäler der Baukunst dea Mittelaltert
in Sachsen.
Am 4. Sept. in Dresden der unter dem Namen Theod. Hell bekannte
Scliriftsteller Geh. R. Dr Gottfr. Ludw. Winkler.
Am 7. Sept. in Warschau der berühmte polnische Alterthnmafoncbef
Theod. Lipinski, 70 J. alt.
Am 14. Sept. in Tübingen Prof. iur. Dr Reinhold Kdstlin.
Zweite Abtheilung
henwsgegeben toh Rndolph Diefsch.
46.
Valeniin Troizendorf nach seinem Leben und Wirken. Von
K, J. Löschke. Breslaa 1856.
Wer wie der Verfasser dieses auf das festeste überzeugt ist,
dasz in dem was unsere deutschen Gymnasien betrifft kein Schritt
vorwärts gethan werden kann und darf, ohne in die vergangenen ZeU
ten zurückzublicken und diese zu Rathe zu ziehen, der wird eine
Schrift wie die uns hier vorliegende mit lebhafter Freude begrüszeo«
Nicht als ob hier viel bedeutungsvolles neues dargeboten oder neue
Gesichtspunkte für die Würdigung eines unserer allergröszten Schul-
männer dargeboten würden, vielmehr ist das wesentliche und bedeu-
tende längst bekannt und von Raumer namentlich in allen Beziehungen
treffend gewürdigt worden : aber es hat doch dieses Material mancbSQ,
schöne Ergänzung erhalten, und es ist, was das wichtigste ist, wieder*
einmal das Auge auf eine Persönlichkeit hingelenkt, die man nie an-
sehen kann, ohne sie lieber und lieber zu gewinnen, ohne mehr und
mehr von ihr zu lernen, ohne in seiner Seele an wahrem Gottver-
trauen und Gottesmut zu wachsen. Dies ist der Eindruck, den diese
kleine Schrift auf den Verfasser dieses hervorgebracht hat, unter die-
sem Eindruck schreibe ich diese Zeilen nieder, um meine theuren
Amtsgeuossen zur Lesong dieser Schrift einsoladan.
Es thut zumal unserer Zeit, welche es so sehr tiebt ihre eige-
nen Wege zu gehcD, sich in neuen und wieder neuen Experimenten zu
versuchen und sich durch allerlei aprioristische Phantasien leiten zu
lassen, Noth, dasz sie sich recht oft £u den Äntüngen unseres deutschen
Schulwesens zurückwende und sich an denjenigen Personen orieDtiere,
welche unseren Gelebrtenschuten ihre Aufgabe gestellt, ihren Geist
eingeflöszt und ihre Uichtung angewiesen haben. Nächst den groszen
Reformatoren selber., welche mit ihrem groszen ßljck das rechte er-
kannt uud ergriffen habcn^ sind es besonders jene drei, Johann Sturni,
Michael Neander und Valeniin Trotzeudarf, welche als die eigentlicheit
principes unserer dänischen Schulen zu betrachten sind. Dem einen
dieser Triumvirn \%i nnu dieses Scltriftchen gewidmel, von einem Mann^i,
iV. Jahrh, f. Phil. u. Paed. Bd. LXXIV. fl/t 12. 41
572 K. J. Löschke: Valentin Trotzendorfs Leben und Wirken.
der mit der warmen Liebe eines unmittelbaren Landsmanns das Bild
desselben gezeichnet hat, und mit einer Sorgfalt, deren man sich selbst
da noch erfreut, wo sie sich scheinbar in werthlose Aeuszerlichkeilen
verliert.
Es sind, wie man nicht genug wiederholen kann , zwei Factoren,
welche in deutschen Landen die Schule gebildet haben: die alten Spra-
chen und die Religion. Auf diesen beiden Grundpfeilern haben in der
guten Zeit unsere Schulen geruht: so lange diese Pfeiler feststehen,
hat es mit unseren Schulen keine Noih; aber es ist eben nülhig, nicht
dasz der eine oder der andere erhalten werde, sondern vielmehr dasz
sie beide feststehen, dasz sie beide miteinander tragen. In
Trolzendorf haben wir nun in wunderbar ergreifender Weise diese
beiden, die Sprachen und den Glauben, in herzinniglichem Vereine.
Durch diese Vereinigung beider, so scheint es, ist er allein das ge-
worden was er gewesen ist, einer der Lehrer Deutschlands, eins der
Ideale für die Paedagogen aller folgenden Zeilen; auf dieser Vereini-
gung ruht die ungeheure Wirksamkeit, welche er im Leben wie im
Tode ausgeübt hat.
Seine Jugend füllt in eine Zeit, wo die Sprachen bereits auch in
Deutschland mit dem Enthusiasmus und der Hingabe der ersten jugend-
lichen Liebe ergriffen wurden. Trotzendorf studierte in Leipzig, wo
damals Richard Crocus und Petrus Blosellanus hunderte von Schillern
um sich sammelten. Er war bereits in Görlitz im Amte, als die grosse
religiöse Bewegung in Wittenberg folgte und ihn wie so viele andere
erfaszte und mit sich fortrisz. Wir sehen ihn wieder in Wittenberg
unter den studierenden, zu einer Zeit, wo die Reformation ihre ersten
groszen , kühnen Schritte that, hingegeben vor allem an Philipp He-
lanehthon, der den gebornen Schulmeister in ihm erkannte; dann wie-
der im Amte und noch einmal in Wittenberg, bis er endlich, nicht
mehr in jungen Jahren, sondern ein gereifter, fester Mann, in das
Amt zurückkehrte, in dem er einen unsterblichen Namen erworben hat.
Trotzendorf war 1490 geboren; er ist erst 1531 dauernd Reclor der
Schule zu Goldberg geworden, also 41 Jahre alt, und als Rector xa
Goldberg 1556 gestorben. Wie sein Leben so ist auch seine Seele
von diesen beiden, den Sprachen und der Religion, als den Grundpfei-
lern der Schulen, getragen worden.
Was zunächst die Sprachen anbetrifft, so gehört Trotzendorf nieht
unter die Zahl der gelehrten Philologen jener Zeit, sondern ist ebe»
nicht mehr und nicht weniger als ein Schulmann, hat auch nie mehr
sein wollen: seine ganze Seele ist auf seine Schule gerichtet. So btl
er nichts was der Rede werth wäre geschrieben; selbst seine Corre-
spondenz , in einer Zeit die vom Briefschreiben wie von einer Manie
ergriffen war, scheint unbedeutend gewesen zn sein; — dagegen hal
er durch seine sprachlichen Lectionen das auszerordentlichste geleislet.
Es ist charakteristisch , dasz Trotzendorf kein Geschick hat Verse sn
machen ; und doch sind von der Goldberger Schule genug Schaler ab-
gegangen, welche dieser Kunst mächtig waren. Er lebte fttr die Sohnle,
K. J. Lösehke : Valentin Trolzendorfs Leben and Wirken. 573
nicht far die Wissenschaft als solche ; seine Kraft ist ganz und gar auf
die Wirksamkeit in der Schule bezogen; seine Seele ist nicht idealen
Studien und Bestrebungen, sondern ganz und gar der immerhin be-
schränkten und prosaischen Praxis seines Schulamtes zugewandt; selbst
in diesem und für dieses hat er wenig geschrieben, sondern in der
Meditation seine Stärke gehabt. Hierbei unterstützte ihn sein Gedächt-
nis, das er schon frühzeitig in Leipzig geübt und zu groszer Kraft ge-
steigert hatte, das er bis an seinen Tod nie unterlassen hat zu üben.
Seine Schüler haben diese seine Eigenthümlichkeit wol erkannt. Sie
rühmen es wie er, weit entfernt, sie zu hohem und idealem Schwünge
fortzureiszen, sich zu den Knaben herabgelassen und in der christlichen
Demut eines Lehrers erniedrigt habe. So steht er nun vor uns, das
echte Bild jener deutschen Schulmeister, welche, indem sie nicht nach
hohen Dingen strebten, sondern im kleinen und in der Verborgenheit
treu sein wollten, in den deutschen Schulen ein ehrenwerthes Ge-
schlecht erzogen haben, das dem Staate und der Kirche treu und wahr
gedient hat. Das alles wird nun der geneigte Leser, wenn er meinem
Rathe folgt und das Büchlein selbst zur Hand nimmt, darin zur Fülle
dargelegt finden.
Auch wenn man ins einzelne eingeht, kann man von dem alten
Trotzendorf viel gutes und wichtiges lernen. Ich lege weniger Ge-
wicht darauf, dasz er seine Schule in Goldberg zu einer Art von res-
publica organisiert und mit einer Anzahl von Beamten nach antiker
Weise versehen hat. Die Nothwendigkeit trieb ihn dazu, wenn er
seine tausend Schüler übersehen und zusammenhalten wollte. Immer-
hin aber dient doch auch dies zum Beweise, wie Trotzendorf und jene
ganze Zeit die Alten nicht in unserer kümmerlichen und armseligen
Weise trieb , sondern in ihnen lebte und webte. Hierin nemlich und
in nichts anderem ist der Grund, warum jene Manner so viel und wir
so wenig leisten, so wenig bei all unserm wissen, bei all unserer
Mühe, bei all unserer Bildung: für uns und für unsere Jugend ist ein
Bildungsmittel, was für jene Zeit Lebenselement war. Hiermit hieng
denn zusammen, wie von vornherein auf die Beziehung der Schule
zum Leben hingestrebt wurde: das memorieren von Sentenzen in der
untersten Klasse gleich, von denen unsere Vorfahren so viel, unsere
Schüler so äuszerst wenig, in promptn hatten ; die Leetüre des Plautus
und Terenz, der ciceronischen Episteln und der OfAcien, des Isokrates,
des Plutarch, alles Gegenstände die in unserer Zeit immer mehr auszer
nsQS kommen , weil man mehr das an sich schöne und werthvolle trei-
ben als auf das Leben and die Praxis Bezug nehmen will; welche
Stelle haben z. B. die coHoqnia des Erasmus gehabt and mit welcher
Geringschätzung würde man jetzt auf dieselben herabsehen! In die-
sem praktischen Sinne legte Tr. so groszes Gewicht auf die exercitia
slili, die er die Erndte aller Studien zu nennen pflegte, die er als einen
Probierstein betrachtete, wonach man die Fortschritte, die Frömmig-
keit, das Pflichtgefühl, die Sittlichkeit, kurz alles, worauf es bei einem
studierenden ankomme , ermessen könne. Ihnen vomehmlieh bat er
41*
574 K. J. Lösehke: Valentin TroUoDdorfs Leben und Wirken.
das gedeihen seiner Schale zugeschrieben , eine Wernong fflr ans , die
wir so viel auf Leetüre, auf PrivallectQre zumal, geben. Das ne muiia
sed mulium war hiergegen Trolzendorfs Kegel. Seine Schaler sollen
viel aber nicht vielerlei lesen, wenig und gute Autoren braaohen,
Blannichfalligkcit der Schriftsteller fliehen. Manche von seinen Vor-
schriftcn, unter anderm dasz man die Regeln und die Beispiele bis auf
Worte und Silben hinab festhalte und damit nicht auf geistvolle Weise
changiere, habe ich seit lange streng beobachtet und mich gefreut, sie
nun durch Trotzendorfs grosze Auctoritfit bestätigt zu sehen. Doch ich
denke, meine Leser werden sich hierdurch bewogen fühlen, mit nn-
serm Valentin Trolzendorf in eine rechte Gemeinschaft zu treten and
von ihm zu lernen, Schüler vom Meister.
Das zweite nun ist, dasz Trotzendorf und jene ganze Zeit in der
lebendigen Einheit mit der Kirche stand und sich dieser Einheit als
einer wesentlichen und nothwendigcn bewuszt war. * Wer nnserer
Schule angehört musz auch unserer Kirche angehören' war ein offen
ausgesprochener Grundsatz, der in den Goldberger Schulgesetzen stand.
So hat er nun darauf gehalten, dasz seine Schüler sich iu allen Dingen
als Glieder der protestantischen Kirche zeigten, im Bekenntnis wie im.
kirchlichen Leben. Er würde kein Bedenken getragen haben, Schfller,
welche principiell die Kirche verleugneten, von seiner Schale ans-
zuschlieszen. Der Keligionsunterricht, wenn man diesen schleohten
Ausdruck gel)rauchen darf, folgte selbst der Ordnung des Kirchen-
jahres. ^ Ehe er noch in seine grosze Wirksamkeit eintrat, ist er als
Vorkampfer der protestantischen Kirche, dort gegen die Katholiken)
hier gegen die Schwenckfeldianer thatig gewesen, und als Lnther
hinübergegangen war und Melanchthon schwankte, bat er es tief be-
klagt, dasz seine Schüler ihm als Sacramentierer und Zwinglianer von
Wittenberg zurückkämen. Sein Lehramt hat er gleich wie d|is Predigt-
amt als ein göttliches betrachtet, und also den Schülern gegenflber
die Schrift und die Lehre der Kirche vertreten, mit all jener Obieeti-
vität, welche leider unserer Kirche so ganz abhanden gekommen tat.
Es war aber diese Kirchlich keit Trotzendorfs zugleich tiefe inner-
liche Frömmigkeit. Das ganze Leben in jenem Franziskanerklosler
zu Goldberg trug diesen Charakter. Und so bekannte er es, daaa der
Beligionsunterricht die Seele seiner Schule , die Seele alles Unlerricb-
tes sei. Er galt ihm als der Grund und die Leuchte für alles Wiaaen;
ihn lässig betreiben hiesz ihm alle Wissenschaften mit schlennigem
Verfall und grausiger Finsternis bedrohen. Der Dienst am Evangelinm
war das Ziel, zu dem alle seine Schüler sollten hingeführt werden.
Der Keligionsunterricht gehörte ihm zum Wesen, zur Sabstani der
Schule. Wer ihn aus der Schule verbannen oder ihm auch nnr eine
untergeordnete Stellung geben wolle, reisze die Sonne vom Himmel,
den Frühling aus dem Jahre. An diese nnd andere oft wiederholten
Worte Trotzendorfs erinnerten sich seine Schüler gem. In seinem
Leben nimmt so auch das Gebet einen wichtigen Platz ein. Hierauf
und auf die Vorbereitung za seinen Lectionen wandte er alle aeine
Eduard Wander: Sophodis Antigone. 575
Zeit. Denn flach darin gehörte Trotzendorf ganz der Schule an , dasz
er nicht in den Ehestand getreten war.
Trotzendorfs Ruf ist frühzeitig anerkannt worden. Melanchlhon
hat von ihm gesagt: er sei zum Lehrer bernfen wie Fabius znm Feld-
herrn. Man hat ihn wiederholentlich von Goldberg wegziehen wollen.
^Wider Gottes Willen meinen Platz verlassen halte ich für Sünde' war
seine Antwort. Man wird nun in unserm Buche gern lesen, wie sehr
er gefeiert ist bei seinen Lebzeiten und wie noch nach mehr als hun-
dert Jahren sein Name eine grosze und unwiderlegliche Auctoriät ge-
wesen ist. Gebe Gott nun dem Buche seinen Segen mit auf den Weg
und lasse es nicht leer zurückkommen! P. M.
47.
Suphoclis Antigone, Recensuii et explanavit Eduardus Wun-
der us. Editio quarla multis locis emendala. Gothae 1856.
Die wiederholten Auflagen derWundcrschen Ausgaben des Sophokles
beweisen, dasz, obgleich sie in der Schncidewin^schen eine bedeutende
Concurrenz gefunden haben, dennoch ihre Brauchbarkeit für die Schulen
noch immer die verdiente Anerkennung findet. Wir werden nicht
irren, wenn wir dieselbe in der Beschränkung auf das für den Schüler
unumgänglich nothwendige, wodurch seiner Selbstthatigkeit und der
Leitung und Erklärung des Lehrers freierer Spielraum gewahrt wird,
so wie in der praecis knappen und klaren Fassung der lateinischen An-
merkungen setzen. Wo in der Prima bei der Erklärung die lateinischo
Sprache angewandt wird, ein Gebrauch, dessen Zurückführung man
jetzt ja viel allgemeiner begehrt, als vor einigen Jahren zu erwarten
stand, wird man diese Ausgabe gewis gern in den Händen der Schü-
ler sehen. Auch wird schwerlich ein einsichtsvoller in Abrede stellen,
dasz der Schüler, wenn er bei der Privallectüre ein Stück mit der
Wunderschen Ausgabe tüchtig durchgearbeitet hat, gewis ein seinem
Alter und seinen Kräften angemessenes Verständnis gewonnen haben
wird. Wir beabsichtigen nicht in eine Erörterung verschiedener An-
sichten über Kritik und Erklärung einzugehen, vielmehr begnügen wir
uns kurz die in der 4n Ausgabe der Antigone vorgenommenen Ver-
änderungen zu bezeichnen. Eine grosze Zahl derselben besteht aller-
dings in Abschneidung alles dessen, was nicht nothwendig zum Ver-
ständnis des Dichters und des vorliegenden Stückes führt. Im Gegen-
satz gegen andere, deren folgende Ausgaben immer mehr anschwellen,
hat der Hr. Herausgeber oine von paedagogisoher Weisheit zeugende
Beschränkung des Stoffes vorgenommen , welche bei allen denen , de-
ren Urteil auf einer reichen Erfahrung in der Schule und wiederholtem
Gebrauche der Ausgabe beruht, gewis nicht Verkennung, sondern An-
erkennung finden wird. Die positiven Veränderungen sind eine neue
576 C. Wagner: Flores et Fractns latini.
Erklärung von koivov Vs. 1 , in dem der Hr. Herausgeber in sehr be-
achlenswerther Weise eine Hindealung.auf die Pflicht der Ismene er-
kennt. Vs. 57 schlägt derselbe in der krit. Anm. eine neue Verbesse-
rung vor: xqCxov d' döeiq)üi 6vo fiiav JCdfO"' rniigav tioivov xoftfi^-
yacfavx^ 1% ulXrikoiv fioQOv, Bei Vs. 211 ist eine Anmerkung über die
Stellung von cro^, bei 338 eine Erörterung, warum die Gaea die höchste
der Gottheiten genannt werde, zu Vs. 441 — 521 eine Bemerkung über
den Charakter der Antigone hinzugekommen. 554 ist der Sinn praeciser
und klarer als rrüher angegeben. Vs. 599 hat der Hr. Herausgeber
jetzt xctTctaxy in den Text aufgenonimen und 715 ein neues Wort ytav-
Tentötriiirjg hergestellt (dasselbe wird auch Trachin. 338 gefordert).
Eine neue Anmerkung ist 741, eine neue Erklärung 1045 hinzugefagt
worden. Endlich ßnden wir am Schlüsse einen neuen Excurs, der
einen für das tiefere Verständnis des Stückes nicht unwichtigen Punkt,
warum Antigone zweimal die Beerdigung ihres Bruders vollziehe und
warum der Wächter so ausführlich über den heftigen Sturmwind be-
richte, erörtert.
Grimma. Dietsch.
08«
Flores et Fructus latini. Puerorum in usum legit et edidü Ca-
rolus Wagner^ Phil, Dr Prof. in gymn. Darmsiaditio.
Lipsiae sumptus fecit et venumdat E. Fleischer. 1856. 8 min.
205 S. (15Ngr.)
Ref. begrüszt dieses Büchlein mit der innigsten Freude. Es sind
diese flores et fructus latini eine treffliche Gabe der treuesten nod
achtungswerlhesten Liebe, niedergelegt auf dem Altare der Schul- und
Jugendbildung, und es ist Ref. immer, als ob er etwas von dem Segen
verspüre, der daraus hervorgehe, wenn kenntnisreiche und gelehrte
Schulmänner die Früchte ihres Fleiszes und Wissens der Jugend in-
wenden, wenn sie über dem forschen nicht das Feld unbeachtet liegen
lassen, dessen Bestellung und Beaufsichtigung ihnen zunächst obliegt,
wenn sie namentlich darauf denken, der studierenden Jugend hinüber-
zuhelfen über die Berge, die überwunden werden müssen, wenn der
Voligenusz ihr werden soll aus dem Verkehr mit dem besten, was
Hellas und Latiums Boden der Welt schenkte.
Aus solchem denken und streben ist das anzuzeigende Buch ent-
standen, und Ref. preist eine Schule wie das Darmstädter Gymnasium
glücklich, deren Vorstand und obere Lehrer nicht verschmähen, den
Blick fleiszig auf das Bedürfnis der grundlegenden unteren Klassen xu
wenden, und die mit sicherem und richtigem Takt erkennen, wieviel
auf die Vorbildung überhaupt und insbesondere auf das wie derselben
ankomme. Das ist, nach des Ref. ermessen, der beste Lehrplan, der
C. Wagner : Flores et Fruclns lalioi. . 577
den Lehrern nach umsicbtsvoller Prüfung methodisch geferfigte, allsei-
tigen Bedürfnissen genügende Lehrmittel an die Hand gibt.
Ein solches Lehrmittel liegt in der anzuzeigenden Schrift vor,
die als Mat. Lesebuch' Sinn und Geschmack für das Latein frühe wecken
und nähren will. Wahrlich ein preiswürdiges Beginnen! Oder sollte
jemand dies für etwas geringfügiges oder etwa gar für einerlei halten,
ob der Schüler an einem selbstzusammengestoppelten Satz seine Form
erlernt oder ob mit dem Formenlernen zugleich absichtslos sein
Ohr mit gewöhnt und gebildet wird ? Als Ref. seine prima stamina
im Lat. legte, da hiesz es: puer sedulus discit, agricola laboriosus
arat; nun dies war auch nicht verwerflieh, aber gestehen musz doch
jeder, dasz es ganz anders ins Ohr fallt, wenn man hier liest : garrula
lingua nocet; fugit invida aetas; fugaccs labuntur anni; solvitur acris
hiems u. so fort, lauter herliche Sätze, von denen jeder an sich werth
ist, dasz er ebenso gut ins Herz genommen und behalten werde, als
die Form dabei gelernt und gemerkt werden soll. Es kann dies aber
auch nicht anders sein , denn die geschickte Hand des Herausgebers
hat ^ex uberrimis literarum latinarum hortis flores carptos et delibatos
amocnissimos et utilissimos collegit. Quaecunque proferuntur eo spec-
tunt, ut quum sermonem latinum purum et nativum pueris mandent et
inßganl , tum eurum mentes acuant, ingenia colant ipsosque ad optima
quaeque cogitauda et agenda adliciant, adhortentur, adsuefacianL'
*Hoc igitur maxime differt hicce libellus ab aliis huius farinae libris,
quod non minus res quam verba respicit, aeque ad oris Latini ac mo-
rum candorem adducere et quasi quandam palaestram aperire studet,
in qua puerorum ingenia strenue exerceantur, cogilandi vis provoce-
tur, vigores menlium et alacritates excitentur animique fortes virtuto
uti consuescant. Non id agitur, ut pueris multa instillenlur, magna
parva, quae palienter et temere recepta brevi in oblivionem abeant,
sed ut vigiles ac sollerles, ipsi cxaminantes et pensitantes perspicianl,
quae cognosse et memoria lenere operae pretinm est. Quae enim
schola pueris imporlit, ea dos et dux totius vitae sunto', und der
Herausgeber schreibt mit Hecht: ^ qua in re Brilannos sequi Optimum
duco, quos, quibus literis pueri instituendi siut, ut boni cives vereque
viri evadant, optime callere satis notum est.' Wir haben allerdings
seit Arnolds und Wieses Verölfentlichungen volle Ursache von den
Englandern in BetrefT der Erziehung und des Unterrichts zu lernen I
Die Genesis des vorliegenden Büchleins ist aber folgende. Das
Darmstädter Lehrer -Collegium suchte ein lat. Lesebuch; da wurde
des Engländers Valpy latinus delectus empfohlen und Prof. C. Wag-
ner ^übernahm das schwierige, obschon angenehme Geschäft, das
Büchlein von Valpy sich genauer anznsehen und für die Zwecke
der deutschen Schule und namentlich der seinigen umzuarbeiten.' Wie
vortrefflich ihm dies gelungen ist, liegt zu jedermanns Würdigung und
Freude in dem zu besprechenden Buche vor. Wenn ^iner, so war er
dazu geschickt, ihm die Gestalt zu geben, in der es sein Original weit
hinter sich läszt, und den verstandigen Wechsel zn ordnen, der so viel
578 C. Wagner: Flores et Fractas latinL
anziehendes hat und den angehenden Lateiner die reichste Bekannt-
schaft mit Caesar, Livius , Cicero, Saliust, Phaedras, Ovid, Horas, Te-
rens machen läszt, und dies in so leichter, erfreuender Weise.
Die Vorrede gibt S. VIU noch einige methodische Winke bezQg-
lieh des Gebrauches des Buches und bezeichnet namentlich die schick-
liche Vertheilung des Stoffes auf Septime, Sexta und Quinta, will aber
fest gehalten wissen auf fleiszige Repetition und das vertere in sue-
cum et sanguinem , womit Ref. aus vollster Ueberzengung aberein-
stimmt. Denn das viele lesen in den untern Klassen, nur damit viel
gelesen werde, trägt keine Frucht und beruht auf einer gänzlichen Ver-
kennung der jugendlichen Flatterhaftigkeit, die so schwer etwas haf-
ten iSszt. Angehfingt hat der Herausgeber ein von ihm gefertigtes
vocabularinm TBtQciykfoöaov^ lat., deutsch, franz. und engl., worQber
er sagt: *ex hac quattuor linguarum comparatione sive indice tc-
tQaykoittto haud scio an multiplex fructus capi possit, si qnis ad
earum cognationem et differentiam animuni advertere velit. Quod co-
rollarium qui nunc spernat, ne moleste feral plagulas additas, quibus
olim fortasse utetur, quando inlellexeril, vocabulorum ita iuxta se po-
sitorum plurimam partem nullo fere negotio in legentium memoriam
simul infundi et ea saepe ex ipsa comparatione non parum lucis ac
velut recentem spiritum vitamque accipere.' Von diesem Gesichta-
punkt aus will sich auch Ref. mit demselben einverstanden erklären.
Möge dieses treffliche BQchlein, ebenso ausgezeichnet durch sei-
nen formellen Werth , wie durch seinen materiellen Inhalt und seine
schöne Ausstattung , recht bald die Aufmerksamkeit der Sohulmänner«
Directoren und Oberschulbehörden auf sich ziehen, damit es zum
besten der lateinisch lernenden Jugend seinen wohlverdienten Eingang
Cnde. —
Ansbach. Hoffmann.
40.
Die neuhochdeutsche Partikel: nicht mit Rücksicht auf die ur^
verwandten N - Partikeln einiger Schwestersprachen vom
Professor Eduard Olawsky. 48 S. 4. Beigabe zum Pro-
gramm * zur dreihnndertjährigen Jubelfeier — des königlichen
Gymnasiums za Lissa — 13. Nov. 1855% gedruckt bei Emat
Günther In Lissa.
Nachdem der Vf. in der Einleitung die Eintheilung der Negation
in 1) die reine, abstracto, 2) die conditionale und 3) die prohibitive
begründet hat, behandelt er im ersten Tbeile seiner Abhandlung die
Grundform der Urparlikel der einfachen Verneinung.
Im Goth. lautet sie ni, das in jenen drei Fällen seine Anwendung
findet. Im Lat. haben wir 1) nt (in nisi und nihil), n^ (in nequo
Edaard Olawsky: die neahochdeataclie Partikel: nicht. 579
nec^) nepos nebula nefas nerolo neqaeo nescio*), 2) nei ni ni and
endlich 3) proklitisch mit weggeworfenem Vocale das hlosze n in
nullus nusquam numquam ndn aus noenum'). Nach des Vf. s Meinung
dienten ni und nei urspranglich ungeschieden für die abstraote Ver-
neinung, erst später, wenn auch schon in der vorhistorischen Zeit,
trennten sich beide so, dasz ni (n^) sich für die reine, nei (ni ni) fttr
die prohibitive und condicionaie Negation entschied. Ref. scheint kein
Grund vorzuliegen, warum wir nicht diesen Unterschied in der Beden«
tung für einen ursprünglichen halten und dem nei von Anfang an aus*
schiieszlich seine spätere Bedeutung zuweisen sollten. Die vom Vf.
zusammengestellten Beispiele können nichts beweisen. Nimirum isl
aus ni mirum sit oder videatur zu deuten und enthält also das prohi-
bitive m (s. Nägelsbachs Stilistik S. 549); dasselbe steckt auch in
fitee, dagegen ist nimo aus nehemo zusammengezogen und die ur-
sprüngliche Quantität von ne demnach zweifelhaft, niquam endlich
hängt wfihrscheinlich gar nicht mit der Negationspartikel xusammen
(vgl. Z. f. vgl. Sprachs. IV S. 69). An die Stelle der einfachen Ver-
neinung nt oder n^ trat später das verstärkende non-noenum d. i. ne
oenum , ne unnm (vgl. Lachmann zu Lucr. p. 149) , so dasz jenes gans
verloren gieng. — Im Griech. nimmt der Vf. als Grundform an ve (vor
Vokalen v), das er noch finden will in vircoSeg, veßgog (das Junge das
noch nicht fressen kann, v. ßißQciaK<o)y viq>og (das nicht helle, die
Dunkelheit), vi%vg (v. xa^co, eigentlich der noch nicht verbrannte, noch
unbeerdigte Leichnam), viTtrag (v. xte/vo), der vor dem Tode schützende
Trank), va^xij (Lähmung, v. ccQKim stark sein) und anderen, von denen
Ref. noch weiter unten reden musz. Nri soll in Gebrauch gekommen
sein durch die zahlreichen Wörter, in denen es aus vs und dann a
oder £ als Anfangsbuchstaben des zweiten Theiles eines Compositums
entstanden ist, wie vi^KSCfrog (vs + axsaxog)^ vrikstig (aus vs + iUog);
indem man in diesen vri aus Misverstand als ersten Theil der Zusam-
mensetzung ansah , bildete man dann auch vrptsv^rig vtiKsgörig a. Für
1) K. O. Müller KU Fest. p. 386 f. will ein doppeltet nee annehmen,
eines das einfach verneint (wie ast ei cnstos nee escit XII tabb., si
adorat furto quod nee manifestum erit ibid., nee opinans, nee recte,
in Com Position oft in der Form neg, z. B. neglego, negotium, negrita,
daher negare and negumare) und ein anderes, das, aus neque entstan-
den, eine zusammengesetzte Partikel ist, die auszer der Negation zu-
gleich die particula copulativa enthält. Wo im ersteren Falle neque
erscheint, wie Cato R. R. c. 141: 'Mars pater si qnid tibi neque sa-
tisfactum e8t\ soll nee korrigiert werden. AUein beide Partikeln fallen
zusammen, und es hat im ersteren Falle qae nur seine Kraft verloren.
2) Es gehört dahin noch nepus non pums Paul. Diac. p. 164.
Dagegen kann nicht dahin gerechnet werden neco, wovon weiter unten.
3) Mit Unrecht zieht der Vf. dahin neutiquam und neuter, die ja
ne vollständig bewahren« Nach Consentius ed. Kramer p. 9 wäre
letzteres sogar dreisilbig n^-u-ter ausgesprochen worden. Zu bemer-
ken ist auch die Form neeuiro auf einer Inschr. On 48d9 (vol. II
p. 350 unten).
580 Ednard Oltwsky: die neahoobdeatoohe. Partikel: «Mit*
die eoDditionale. und prohibitive Verneioang galt von Jeher fi^'
( = Sscr, mä). Die arsprangl. Negation ve ward aU partieala aepa-
rabilis durch das noch anerklirte ovx verdrängt — Naeh knnar
Hinwcisung aaf das alav. (altol. ni) sowie auf ags. and alti. gahlder
Vf. auf das hd. über. Die einfache Negation: ahd. «i , gebroehea ia
fie, einzeln schon tit, mhd. ne und en verschwindet in nhd- gawB aad
es tritt an ihre Stelle die verstärkte Verneinung nicht Die Steilaai
dieser letztem, in Hanptsfilzen hinter dem Verb., abweiohend Toa Ge-
brauche aller andern Sprachen, erklärt sich darana, dasi sie uraprOBf-
lieh der einfachen Negation nur beigegeben ward als Veratirkang aai
als solche hinter das Verb, trat; als nun jene im Verlaofe der Zeit
wegQel, behielt das nun allein als Verneinungspartikel abrigfebliebeao
nicht seine frühere Stellung hinter dem Verb, bei, i. B. ana 'mae
wil ich nicht erwinden' ward ^jetzt will ich nicht ablaaaan.'
Dies das wesentlichste aus dem Inhalte des ersten Thellea der
Abhandlung. Der Vf. nimmt in demselben als ursprüngliobe Fora der
Negation ni an, das in ne gebrochen ward, aus ni soll auch lak n^ aad
gr. ve geworden sein. Letzteres ist nun gewis falsch, denn gr. t ent-
springt nicht aus einem t, sondern ist aus älterem a entalandon; daai-
gemäsz wird auch lat. n^ nicht aus nY herstammen, obgleioh dies da-
neben vorkommt und i im Lat. namentlich im Aaslaut biawoilea in 6
übergeht, sondern aus älterem na entstanden sein. Letztere Fora hat
das Sskr. in seinem na^ der objectiven Negation, bewahrt. Diese giaaf
im Gr. in ve über, im Lat. in ne ; daneben entstand aber in letaterer
Sprache mit Abschwächung des a in t die Form iti, welche sieh auch
im Slav. und Deutschen bildete. Eine solche Abschwächung !■ f' er-
fahrt a schon im Sskr. bisweilen, man vergleiche z. B. Sakr. pü^
(Vater) von W. pä mit gr. nati^Q^ lat.pater^ gotb. fadar; hiaifar
findet sie sich im Lat., ganz gewöhnlich in den germanischen Sprackaa.
Für das Lat. vgl. ignis mit Sskr. agnis und simul (altlat aemol) ail
Sskr. samy gr. ä^a (aus (Tafia), golh. sama. Neben na steht imBakr.
in prohibitiver Bedeutung ma, dies ist buchstäblich das glelchbedea-
tcndc gr. ft?;, dessen ?/ nur einem a entsprechen kann. Der Vf. niaait
(S. 14 und 18), wie auch schon andere gothan haben, eine Verwandt-
schaft von md und den n-Partikeln an, ^vermöge einer Verlaasckng
der Buchstaben, wie sie in Schwestersprachen bei den liquidia, ja oft
in einer und derselben Sprache vorkommt' (S. 14). So lejoht liazt
sich indes die Sache nicht abthun ; denn so oft auch \m Grieeh. ud
Deutschen im Auslaut ein m in it übergeht, so ist im Anlaute dieser
Uchergang eine sehr singulare Erscheinung, die noch einer niberea
Feststellung bedarf. Jedenfalls niüste wol, wenn die beiden Partikebi
wirklich zusammengehören, m das ursprüngliche und demnach is allen
mit n beginnenden Negationspartikeln dies n ans m entstanden sein.
Das lat. nei möchte Ref. nicht, wie der Vf. thut, unmittelbar mit ma
und jiAij vergleichen; es hat sich dasselbe selbständig ans der schon
abgeschwächten Form nT durch diphthongische Vurlängerung des Vo-
cals gebildet, als die Homer das Bedürfnis fühlten, die prohibitiTO and
Eduard Olawsky: die neuhodideafsche Partikel: nieht. 581
conditionale Negation — denn nei in der Bedentiing *wenn nicht' ist
sicherlich nichts anderes als unsere Pai^ikel , und niobt eine Zusam-
menziehung aus nisi — von der objectiven zu unterscheiden. In die-
ser Weise stellt sich Ref. den Zusammenhang der verschiedenen in
Betracht kommenden Formen der Negationspartikel vor. Es sei er«
laubt, noch einen Schritt weiter zurück zu thun, um wo möglich eine
noch ältere Form als das obige na zu gewinnen. Beraeksichtigen wir
die Negationspartikel anö (aus ana + u) im Sskr. und die Form der
Verneinung in Zusammensetzungen (Sskr. an- a-, gr. av- a-y lat. in-,
deutsch fiit-), so drängt sich uns die Vermutung auf, dasz die ur-
sprüngliche Form aller dieser Wörter ana gewesen ist, aus dem na
durch einen auch sonst yorkommenden Wegfall von a entstanden ist
(vgl. Benfey kurze Sanskrit -Grammatik S. 348).
Der Vf. scheint sich zwar etwas mit den Resultaten der neueren
Sprachvergleichung bekannt gemacht zu haben; auf jeden Fall ist er
aber nicht tief genug eingedrungen, um, sobald er das Gebiet des
Deutschen verlaszt, mit der nöthigen Sicherheit forschen zu können.
Es ist demselben namentlich zu rathen , dasz er den von ihm einge-
schlagenen Weg in der Etymologie des Lat. und Griech. durchaus
verlasse ; denn auf ihm gelangt er nie zu sichern Resultaten. Wenn
die Etymologie sich nicht an die festen und sicher erkannten Regeln
der Lautübergänge bindet, sondern, wie der Vf. tbut, nach reinem be-
lieben Buchstaben vertauscht, ausfallen läszt und zusetzt, dann ist sie
blosze Spielerei, sie kann alsdann noch eine geistreiche Spielerei
sein, aber auf den Namen einer Wissenschaft darf sie keinen Anspruch
machen. Um mein Urteil über die etymologischen Versuche des Vfs
zu rechtfertigen, genügt es einige Beispiele davon aus seiner Abhand-
lung vorzunehmen. So stellt er (S. 12) lat. nepötes mit gr. viito^
öeg zusammen und erklärt beides als ^Nichtfüszler', d. h. solche, die
noch nicht auf den Füszen stehen, noch nicht laufen können, während
doch in allen indo-europoeischen Sprachen mit Ausnahme der durch die
Lautverschiebung weiter gebildeten germanischen das unserem ^Fusz'
entsprechende Wort (Sskr. päd — a, gr. jeod, lat. ped) mit der media d
schlieszt. Der Vf. spricht von einer beschränkten Art der Lautver-
schiebung zwischen griech. und lat. , nach der das t in obigem Worte
einem d entsprechen soll. Von einer solchen Erscheinung hat aber bis
jetzt noch niemand etwas gewust, und die vom Vf. beigebrachten
Beispiele gehen entweder gar nicht dahin oder stellen Worte zusam-
men, die durchaus nichts miteinander zu schaffen haben. Auszerdem
scheint derselbe nicht gewust zu haben, dasz lat. nepdi ein ihm buch-
stäblich entsprechendes Wort schon im Sskr. napät (acc. napätam =
nepötem, pl. napätas = nepötes) hat, dem Rosen in den Anm. zum
Rigveda S. XLIX die Bedeutung ^Sohu', Benfey im Glossar zum Sd-
maveda die Bedeutung ^Enkel' beilegt, sowie dem Femininum nepti-s
buchstäblich das gleichfalls in den Veden vorkommende napU (mit
Ausstosznng des d) entspricht. Das gewöhnliche Wort für Enkel ist
im Sskr. napiar (naptr) mit dem Femininum napiri. Dies fasst Bopp
582 Edaard OUwsky: die neahochdeuUche Partikel: niolit
(vgl. Gramm. S. 400) als zusammengesetzt ans der Negationspartikel
na ond pitar (pitr) Vater, es soll das Verhältnis zom Groszvater aus-
dracken und bedeuten *(den Groszvater) nicht Eom Vater habend.'
Allein es hat diese Erklärung etwas gezwungenes und man wird aaf
die beiden Wörtern zu Grunde liegende Verbalwurzel zurackgeben
müssen. Sskr. pitar gr. TtccxriQ stammt von dem Worte pä (schAtzea,
erhalten) und bezeichnet den Schätzer, Erhalter, Ernährer der Familie.
Darnach wäre naptar (= na-patar) der, welcher sich noch nicht selbst
schützen und ernähren kann, der noch unmündige, und es könnte so
auf den Sohn und Enkel übertragen werden. Napäi ist entweder eine
Verstümmelung von der Grundform napatar , wie Benfey im Glossar
zum Sdmaveda will '), oder eine Ableitung unmittelbar von der W. pl
nach Art griechischer Wörter wie a-yvm-t (iyvcig) von W. yvo.
Hat gr. vinodeg wirklich die Bedeutung 'Kinder' gehabt, so könnte
es möglicherweise auch von der Negationspartikel ve und jener Wurzel
pä hergeleitet werden^), es würde alsdann ö angetreten nnd zu ver-
gleichen sein mit ö in dem Suffix XQtd^ das dem Sskr. iri entspricht.
Doch ist die Ueberlieferung über die Bedeutung jenes Wortes eine zu
unsichere. Es dürfte sich überhaupt von allen den Beispielen eines
alten vs, die der Vf. S. 13 sammelt, kaum eins halten lassen anszer
viq>og, das schon Bopp im Glossar Sanscr. s. v. nabkas als ^das
Dunkel' erklärt von na (nicht) und der W. bhas (glänzen). Nur
möchte Vf. nicht gerade diese erweiterte Wurzel bhas zuziehen, son-
dern die ursprüngliche bhä (^ipa^ in (paivoD in ipav erweitert), deren ä
vor der Endung as abfallen muste. Diese Erklärung von nabhas wird
gestützt durch einen andern Namen für 'Wolke' im Sskr.: nabkräg,
der ohne Zweifel von na und bhrag (fulgere) herstammt. Im übrigen
wird es für den kundigen genügen, auf die oben angeführten Wörter,
in denen der Vf. das alte ve findet, und ihre Erklärungen hinzuweisea,
um die ganze Art des Vfs kennen zu lernen. Nicht genug, dasz vinvgy
vsxag^ vEKQOg mit ihren lat. verwandten nex neco von ve und xaAa
stammen sollen, während doch die Wurzel derselben in Sskr. nakk
(necare perdere) und nag [perire mori; causativ: delere extingere')]
klar vorliegt — wir müssen sogar lesen , wie voo/tea© aus ve + fO(i6g
entstanden sei und ursprünglich die Bedeutung gehabt haben soll:
'gekochtes , kein rohes Fleisch zu essen geben ', da es doch klar am
Tage liegt, dasz es zu vificD in demselben Verhältnis steht wie xAo-
Ttiofiai zu üXiTCtoD und (pcoQacD zu g)iQGi. Nach solchen Proben müssen
wir freilich bekennen, dasz dem Vf. auch wol Einsicht in die Entwicke-
lungsgesetze der gr. Sprache fehlt.
Ueber den zweiten Theil der Abhandlung kann Ref. kurz seil.
1) Eine noch stärkere Verstümmelung wäre Zend napa, dem ahd
nefo am nächsten steht.
2) Als no haben wir die W. pd auch in noa^g, das genau iQ
Sskr. pätis (Herr Gemahl) stimmt. Der Gatte ist SchfitEer und Er-
halter im Verhältnis zur Gattin, wie der Vater seinen Kindern.
3) Dazu gehört auch lat. nocire.
Eduard Oiawsky : die neahocbdeaUehe Partikel : nicht. 58S
Es scblieszt sich der Vf. wesentlich an Grimms Gramm, an und be*
spricht namentlich die Entstehung und den Gebrauoh des Wortes
nicht, das bekanntlich aus ni + io + wiht zusammengesetzt ist und
eigentlich ^nicht irgend ein Ding', also ^nihil' bedeutet. Früher tbeils
substantivisch gebraucht und decliniert, theils als verstärkte Negation,
die zu der einfachen Verneinung ni ne noch hinzutritt, verdringt es
die letztere allmählich seit dem 13n Jahrhundert und tritt zuletzt völlig
an deren Stelle, worauf dann für seine ursprungliche Bedeutung ^nihil'
sich das Wort ^nichts' bildet, das nach Grimms wahrscheinlicher Ver-
mutung aus nihtes niht (nihili nihil) geworden ist. Darauf gibt
der Vf. nach Grimm und Diez die Wörter, die als Verstärkung zur Ver-
neinung hinzutreten, welche theils etwas kleines, unbedeutende»
(Halm, Stroh, Tropfen), theils etwas übles, böses bezeichnen (Geier,
Teufel). Zur letzten Kategorie zieht der Vf. vermutungsweise auch
Wicht. Es wäre lohnend gewesen , wenn er die Sammlung für das
deutsche hätte zu vervollständigen gesucht. Es ist das gerade das
Verdienst solcher Specialarbeiten , wenn sie den einschlagenden Stoff
in möglichster Vollständigkeit geben. Bei genauerem suchen hätte der
Vf. gewis noch manches zufiigen können. Vf. führt beispielsweise aus
ungedr. Büdinger Hexenprocessakten von 1633 an *auch, dasz sie von
der Zauberej nicht ein Drätgen wisze, jromer gesagt'. — Am
Schlüsse bespricht der Vf. nach Grimm die Partikeln der subjectiven
Frage (lat. num ne an , goth. ni niu an , ahd. innü enonu na) als ver-
wandte der Negation und die untrennbare Negationspartikel gr. av-
lat. deutsch in- un-, wobei er für das griech. mit Recht av- als ur-
sprüngliche Form aufstellt, deren v vor Consonanten abfiel. Nur müssen
wir dabei wieder eine Etymologie von äv&Q(onog nach Art der oben
erwähnten mit in den Kauf nehmen.
Gieszen, im Sept. 1856. Dr. W. Crecelius.
50.
La France liiUraire. Morceaux chaisis de littiralure frangaise
ancienne et moderne. Recueillis et annot^s par L, Herrig et
C. F. Burgny, Braunschweig, Verlag v. 6. Westermann. 1856.
Die Herausgeber bieten uns in vorliegendem Werk eine nach
dem Muster der bekannten Herrigsehen Handbücher der englischen
und amerikanischen Litteratur angelegte Auswahl aus der französischen
Litteratnr, die insofern eine besondere Beachtung verdient, als sie
einen von dem der gangbarsten französischen Chrestomathien durchaus
verschiedenen Weg verfolgt, and zwar in doppelter Hinsicht. Einmal
beschränken sich die mitgetheilten Auszüge nicht, wie das sonst der
Fall ist, auf die Schriftsteller des klassisehea nad modernen Franzö-
S84 lu Herrig und C. F. BirfVf: It FIrtiea liltfrtira.
siflch , sondern erstreeken sieb Ober das ganxe Gebiet der Lilterator,
80 dasz hier aocb das aUframösiscbe und proTen^alisebe dio geblb-
rende BerQcksichtigiing findet, welche man in sonstigen dernrtifen
Werken vermiszt. Den Anfang machen die iltesten Docnniente der
sich bildenden Sprache (les serments de Charles le Chanre nt Loais
le Gcrmaniqne), es folgen neben anderem Bmehstacke der alten Bpo-
poeen, Lieder der Troubadours, Proben ans Mirakebpialen, not Rabe-
lais Gargantua n. s. f. , bis wir mit dem 17n Jahrhandert erat in den
eigentlichen Klassikern kommen, denen dann, wie billig, nllerdings
ein angleich grösserer Raum gewidmet ist. So ist der Leanr in den
Stand gesetzt, Gang, Entwicklung, Ausbildung der firansteiachcn
Sprache von Anbeginn bis zu ihrer endlichen Fixierung and klastiMbcn
Gestaltung schrittweise zu verfolgen, wahrend zngieieh in den nitge-
tbeilten Proben die bedeutendsten Erscheinungen und Riditengen im
nationalen Leben nach seinen verschiedenen Stadien ibren prignu-
testen Ausdruck finden. Sodann aber geht der Plan de» Bnehei u
gleicher Zeit auf eine gedrängte und doch umfassende Geschiehte der
Litteralur. Diese wird in 6 Perioden getheilt, von denen die 8 enlea
bis auf das Zeitalter Ludwigs XIV herabgehen, die 3 letzten dieaea
und die neuere Zeit umfassen. Den Auszügen aus jeder Periode gehl
nun eine litterar- historische Skizze vorher, in welcher die vereohle-
denen Kedegattungen nach Entstehung, Fortbildung, Bedeatnng, JSnaam-
menhang geschildert und ihre namhaftesten Vertreter niher durakle-
risierl werden; den einzelnen Proben werden dann noch karte Daten
über Leben und Werke der betreffenden Autoren nebst litterarisehen
Nachweisen vorausgeschickt. Einen Vorwurf, welcher vieHeieht we-
gen des hierbei befolgten Verfahrens von einem gewissen Standpnnkle
aus die Herausgeber trelTen möchte, haben sie selbst im Vorwort dnreli
eine offene Erklärung vorgebeugt. Ohne durchaus neues nnd elyenea
geben zu wollen, folgen sie vielmehr absichtlich den besten nnd re-
nommiertesten Litterarhistorikern, deren Resultate sie dem weaenllicben
Inhalte nach oft wörtlich wiedergeben, zusammenfassen nnd ord-
nen , so dasz diese Partien selbst wieder eine mustergfiltige Leetflre
bilden.
In der Auswahl selbst sind durchaus nur Autoren ersten nnd
zweiten Ranges berQcksicbtigt; das Princip Herrigs, von den Kerf->
phaeen , wenn irgend thunlioh , ein in sich abgeschlossenes fennee sn
geben (ein Princip, durch welehes sich seine Sammlung anf danvor-
theilhafteste von anderen unterscheiden) , ist auch in dieser beihehil-
ten, — so findet man darin den Horace Corneilles^ (nur mit hier Völlig
gerechtfertigter und eigens motivierter Ausschliesmng des 5n Aktee),
Racines Athalie, Moliöres L^Avare n. s. f. Die beigefügten 4foten be-
schrfinken sich auf das nothwendigste und sollen vorzQglich snr Er-
klfirung alter nnd seltener Worte dienen ; doch wfire ein kurzes Glos-
sar zu den Proben der 3 ersten Perioden eine dankenswerihe Kngabo
gewesen. Immer verdient das Buch, in welchem Lehrer, SohQler nnd
Liebhaber ein reichhaltiges Material, die Quintessenz der BnengbifM
Dr. J. Katzen : das deatsehe Land. 585
des französischen Geistes ond eine geist- und geschmackvolle Littera-
tiirgeschichte beisammen Anden, die weiteste Verbreitnng, und ist na-
mentlich , auch in Hinsicht des verhältnismaszig sehr billigen Preises,
zur AnschafTung für Gymnasien und andere höhere Lehranstalten sehr
zu empfehlen. Dr. W. W.
51*
Das deutsche Land. Seine Natur in ihren charakteristischen
Zügen und sein Einflusz auf Geschichte und Leben der
Menschen, Skizzen und Bilder. Von Professor Dr Ku tuen.
Zur Belebung raterländischen Wissens und f>aterländischer
Gesinnung. Breslau, Ferdinand Hirls Verlag. 1855.
Erst wenige Jahrhunderte ist es her, dasz man angefangen hat,
dem Studium der Erdkunde die wissenschaftliche Seite abzugewinnen^
auf welche selbst mehrfache Andeutungen in den Schriften des Alter-
thums, namentlich der griechischen Geographie, hinweisen, seit man
begonnen hat, auf die durch eifrige Betreibung der Naturwissen-
schaft gewonnenen Resultate gestützt, andere Momente hervorzuheben
als die , deretwegen man die Erdkunde geradezu nur als Hilfswissen*
schafi der Geschichte zu betrachten gewohnt gewesen. Sie hörte zwar
trotz des wissenschaftlichen Charakters, den sie, nachdem die Kennt-
nis im Gebiet der Naturkunde so grosze Eroberungen gemacht hat,
angenommen, nicht auf ferner ein Hilfsmittel für eine fruchtbringende
Auffassung geschichtlicher Verhaltnisse zu sein, ist aber nur in dem
Grade eine Hilfswissenschaft der Geschichte, als dieGeschichte wiederum
eine Hilfswissenschaft der Erdkunde ist. Sie lehrt aus der Natur des
Landes, welche bedingt ist durch die geographische Lage, die Ver-
hältnisse des Bodens (Gebirgsland, Ebene usw.), die Umgebung (Land,
Meer, Gebirge, Ebene usw.), das Klima, die Vegetation usw., gewisse
Erscheinungen im Völkerleben erklären, die bei der geschichtlichen
Entwicklung von wesentlichem Belang gewesen sind.
Sehen wir zurück aaf die groszen Ereignisse, welche seit dem
vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung die Umgestaltung der Dinge
herbeigeführt haben, durch welche eine neue Ordnung der Dinge in
Europa geschaffen wurde, so waren die Wanderungen der Völker we-
sentlich bestimmt durch die Beschaffenheit des Terrains. Grosze
Ströme waren in ihrer Richtung die geeignetsten Völkerstraszen.
Welche Bedeutung hatte nicht z. B. die Donau für den Zug der ger-
manischen Stamme von Ost nach West und für die Wanderungen der
slavischen Völker! Bei einer Betrachtung des Terrains erweisen sich
bequemer für die Ausbreitung der Völker die Uebergänge von dem
Gebirgslande zur Ebene als von der Ebene xnn Gebirge. Grössere
586 1>r* J« KoUen: du dentoeke Land.
Pösae oder weitere Passagen sind ErleichteniDgiBiittel Mr die Ufa
der Nationen, für die wandernden Stimme. An schwer in Qbenteisei-
deii Gebirgren bricht sich die Völkerflot. Die Wandernsg der Mee-
sclien geht gewöhnlicher von dem unfrenndlichen Klima dee Nordeas
nach dem wftrmeren sadlichen Klima.
Aber nicht allein in den Wanderungen der Völker olTeDbert aieh
der Einflusz des Landes und Klimas auf seine Bewohner, er wird aach
ersichtlich in dem nationalen Charakter im allgemeinen. Da, wo aick
der individuelle Typus eines Landes in seiner durch soharfe Natar-
grenzen bestimmten Abgeschlossenheit entschieden ansgeprigl hal, da
ist auch der Volkscharakter in seinen Gegensätzen deatlioher aiige-
bildet. In den Territorien, zu denen natürliche VerhlltBiaae dee Za-
gang erschweren , bewahrt die Bevölkerung ihren frahern Cheraklar
trener und ist weniger der Amalgamierung mit einem andern Stamma
zugänglich, welche Behauptung beispielsweise erhärtet werdea ktaate
durch llinweisung auf die Bewohner von Wales, der Br^geer, dar
baskischen Landschaften und Finnlands.
Die Lage der Länder, die Beschaffenheit der Oertliehkeit hat fer-
ner den entschiedensten Einflusz ausgeübt auf die Weltatelloef der
Länder, auf die politische Bedeutsamkeit der Völker. Linder, am
Meere gelegen, mit guten Küsten und Hafenplätzen veraehee, be-
günstigten die Schiffahrt und den Seehandel, beförderten die Aelafe
von Colonien. Die Natur des Landes spielt zunächst eine hohe Bedaa
tung bei den handeltreibenden Völkern des Alterthums, welehe am
Miltelmeere wohnten. Gebirge und Höhenzüge oder grössere FlOsae
als natürliche Grenzen begünstigen eine mehr isolierte Stellnnf aia-
zelner Völker und beschränken eine Zeit lang den UnternehmaagageiaL
Gebirgsvölker halten sich meist in abgeschlossener Zarflekgeiogea
heit; selten wird wol ein Bergland der Mittelpunkt eines eroberadaa
Staates; Bergbewohner haben zugleich in den natürlichen Grenwa
ihres Landes eine Schutzwehr gegen die Eroberer. Eben ao habea
gröszere Ströme Eroberungsversuchen erhebliche Hindernisse bereilal,
wenn zumal der natürliche Schutz durch die Kunst verstärkt warde«
Zusammenhängende Hoch- und Tiefebenen erleichtern die auf Vergrö-
szerung der Territorialrechte gerichteten Bestrebungen.
Wie für die Ausprägung des nationalen Charakters and die Well-
stellnng der Völker, so ist auch für die Cultnr derselben in allgeaMiaaa
die physische Beschaffenheit der Landindividuen von Wiebligkak Je
nachdem die Verbindung mit andern Völkern erleiebterl oder er-
schwert ist, schreitet die Entwickelung vor oder wird inraekgedriagl.
Wo dem Handelsverkehr sich leichte Bahnen öffnen, da wird dorah
gegenseitige Berührung, in welche die Völker kommen, die Caltar rer-
breitet So hatte das Mittelmeer eine hohe Bedeutung für den Verkehr
der Völker, die an seinen Küsten wohnten! Eine durch die Natnr TieU
gegliederte Landeintheilung begünstigt eine vielgestaltete Entwieke-
lung, wie wir dies bei den Staaten Grieebenlnnds sehen, eines Leed-
iadividauBS , welohes in der innem Formation wie in seiner Kaale»-
Dr J. Kalsen : das deatiehe Land. 587
bildan? die gröszte IfannigralUgkeit zeigt. Das Volksleben in seinen
verschiedenen Stammen repraesenriert die Physiognomie der griechi-
schen Landschaften.
Nicht geringere Bedeutung als für die Wanderungen der Völker,
für deren nationale Entwickelung , für deren Weitstellung und Cultnr
hat die Besehe ITenheit der Länder für die Strategie. Es liegt in der
natürlichen Beschaffenheit, dasz manche Gegenden wiederholentlich
der Kriegsschauplatz geworden sind. Bei anlegen der für die Krieg-
führung in neuerer Zeit so wichtigen Festungen hat der Zweck vorge-
schwebt, entweder den Mangel eines durch die Natur der Oertlichkeit
gegebenen Schutzes zu ersetzen oder den vorhandenen zu verstärken.
Wenden wir uns nach diesen Vorbemerkungen zur Besprechung
des uns vorliegenden Buches: *Das deutscheLand. Seine Natur
in ihren charakteristischen Zügen und sein Einflnsz auf Geschichte und
Leben der Menschen. Skizzen und Bilder. Von Professor Dr. J. Kat-
zen. Zq^ Belebung vaterländischen Wissens und vaterländischer Ge-
sinnung.' Breslau, Ferdinand Uirts Verlag. 1855. XII und 607 S.
Der Verfasser hat es unternommen, eine wesentliche Lücke in der
Erdkunde unseres Heimathlandes anszufüllen durch ein Werk, wel-
ches die Natur Verhältnisse des deutschen Bodens in ihrem Einflüsse aaf
die Entwickelung und das Leben der Bewohner, so wie auf den ge-
schichtlichen Entwickelungsgang im allgemeinen darstellen und die
Aufgabe , deren Lösung G. B. Mendelssohn in seinem Buche ^ das
germanische Europa ' in Beziehung auf unser Land insbesondere in
geistvollen Grundzugen mehr angedeutet hat, auszuführen. Eben so
sehr durch Studium der dahin einschlagenden litterarischen Werke,
aus denen von S. 461 bis öOl Erläuterungen und Beweisstellen beige-
bracht sind, als durch zum Theil wiederholte Reisen nnd durch län-
geren Aufenthalt in den Gegenden, deren Beschreibung, welche die
Natur des Landes und das Volksleben in innigstem Zusammenhange
darstellt, der Verfasser auf so geistvolle Weise gegeben, hat sich
Kutzen, der früher in seiner Eigenschaft als Professor der Geschichte ,
an der Hochschule zn Breslau, den praktischen Gesichtspunkt des künf-
tigen Gymnasiallehrers ins Auge fassend, den studierenden eine zweck-
gemäsze Anleitung zu einem selbstthätigen Studium der Erdkunde gab,
für seine Arbeit vorbereitet und geschickt gemacht. Die Lösung der
Aufgabe wird dem , der ihre ganze Bedeutung und ihren weiten Um-
fang ermiszt, keine leichte erscheinen. Es gehört dazu eben so eine
genaue Kenntnis der geognostischen Verhältnisse als der auf der Ober-
fläche des Bodens ausgeprägten Natnrverhfiltnisse, eine Einsicht in das
Getriebe des Volkslebens so wie in den geschichtlichen Entwickelungs-
gang der Volksstämme. Der Vf. ist sieh der ganzen Tragweite seines
Planes bewust gewesen ; er spricht sich Ober das, was seine Vorgänger
geleistet, eben so anerkennend, wie über sein eigenes Verdienst in be-
scheidener Weise aus. Wenn er nun in der Vorrede (S. V), nachdem
er sich vorher dahin geäuszert , dass Vollständigkeit des Stoffes, der
in Betracht und znr Benatznng kommen konnte , nicht gegeben worden
/y. Jakrb, f, Phü, u. Paed, Bd. LXXIV. Hfi. 12. 42
588 Or J. Koteen : das dealscbe Lind.
ist, sagt: Moh werde mich hinliaglich befriedigt fflhien, wenn es mir
eini^ermaszen gelangen sein sollte, das vorzogsweise eigenthflmliclie
der einzelnen Oberflachenstacke Deutschlands richtig skizziert, hier
und da in einem mehr ausgeführten Bilde getrea reranschaulicht, in
geiner Einwirkung auf das Leben der Menschen genau bezeichnet und
somit durch die fortwährende Bezugnahme anf dasjenige organische
Leben, was uns am nächsten liegt und uns am meisten fesselt, aach in
die Arbeit Leben gebracht und die Theilnabme des Lesers für ein va-
terländisch-geographisches Interesse höherer Ordnung geweokt ta
baben', — so musz Ref., der früher zu Lehrzwecken in der Erdkunde
auf der obersten Stufe des Gymnasialnnterrichts, bei dem Mangel eines
diese Tendenz in Obersichtlicher Weise verfolgenden Werkes, den
Stoff in Collectaneen zusammengetragen hatte , gestehen , dass der Vf.
seine Aufgabe sehr glücklich gelöst nnd, was er theil weise zugleich
bezweckt hat, dem Lehrer ein ganz geeignetes Hülfsbach für den Gym-
nasialunterricht in die Hände gegeben hat. ^
Was die Eintheiinng des Buches anbelangt, so zerfint dasselbe
in folgende Abschnitte:
L Deutschland im ganzen und allgemeinen. DesLan-
des geographische Stellung in der Mitte Europas, seine hpriiontale
nnd vertikale Gestaltung, seine Fluszsysteme und klimatische Eigen-
thümlichkeit werden in demselben behandelt, woran sich Bemerkungen
Ober des deutschen Volkes Art und Wesen, über seine politische, cooh
merzi^lle usw. Stellung im Verhältnisse zu des Landes geographiaeber
Eigenthümlichkeit überhaupt anreihen (S. 1 — &8).
II. Das Gebiet des deutschen Hochgebirges oder
die deutschen Alpen. Die horizontale Ausdehnung, der plastische
Bau dieses Gebirges, die ethnographische nnd nniversalgeschichtliche
Bedeutung desselben , der Charakter so wie das Leben seiner Bewoh-
ner werden uns hier in einem enisprechendea Bilde vorgeführt nnd
daran Bemerkungen über die Alpenseen, besonders in ihrer Einwir-
kung auf menschliche Verhältnisse, geknüpft (S. 59 — 132).
III. Das nördliche Vorland der Alpen oder das 6e^
biet der schweizerischen nnd oberdentschen (schwi-
bisch-baieri sehen) Hoch fliehe und das österreichische
Donauthal. Nach einer allgemeinen Uebersicht werden ana hier
anmutige Bilder der schweizerischen Hochfläche, wobei der Jura, dir
Bodensee und der Rhein so wie die Gegend am Genfersee in Betmebt
kommen, die schwäbisch -baierische Hochfläche mit dem Flassgebiet
der Obern Donau, des nördlichen Vorlandes der österreichischen Alpen
oder des österreichischen Donauthaies, in dem besonders die Schtabei-
len derDonangegenden von Passau bis Wien so wie die geschichtHohe
Wichtigkeit des sogenannten wiener Beckens gebtlhrend gewirdigl
werden, in anmutigen Bildern vorgeführt (S. 133—186).
IV. Die mittleren Stufenlandschaften Dentaohlanda
oder die Länder unmittelbar Bildlich vom mitteldenl-
achen Hauptgebirgskamme. Der Vf. behandelt hier naeh einer
Dr J. Katzen ; das deoliche Land« 589
allg^emeinen Uebersichl die stafenförniigen Berg* und Htigellandschafr
ten von Böhmen und Mähren nebst Oberösterreich, das frankisch-
schwäbische Stufenland, das oberrheinische Stufenland oder die ober-
rheinische Ebene, die Stufenlandschaft Oberiothringens oder der oberen
Mosel (S. 187—297).
V. Die nieder- oder mittelrheinischen nnddiewest-
phalischen Plateau- und Berglandschaften. Wer auch im-
mer die malerischen Landschaften dieser so viel gepriesenen und be-
sungenen Gegenden entweder selbst gesehen oder aus ausführlichen
Schilderungen sich ein Bild der Naturreize jener Gegenden gestaltet
hat, wird doch jene lebensvolle Skizze nicht ohne Interesse lesen
(S. 298—335).
VL Die Berg- und Hagellandschaften nördlich vom
mitteldeutschen Hauptgebirgs kämme oder das hessi-
sche und Weser- Berg- und Hügelland, Thüringen und
der Harz. Die geographische Stellung der Länder, der Einflusz der-
selben auf die geschichtliche Entwickelung, auf die Gestallung des
Verkehrs und die Volksthümlichkeit der Bewohner werden in plasti-
schen Bildern uns vorgeführt (S. 336—384).
VIL Die norddeutsche Ebene. Zunächst wird der Ge-
birgssaum als südwestliche, dann wird der Küstensaum sowol der
Mordsee als der Ostsee als nördliche Begrenzung dieser Ebene vorge-
führt. Es werden ferner die Menschen und das innere und mittlere
Gebiet geschildert. Die physische Besohaffenheit des Landes, die
ethnographischen Verhältnisse, die politische Eintheilung, die strate-
gische Wichtigkeit der einzelnen Terrains werden hervorgehoben
(S. 385—460).
Wie es der Vf. verstehe, in lebensvollen Darstellungen eine fri-
sche Schilderung von dem Leben der Bewohner, so weit dasselbe be-
dingt ist von der natürlichen Beschaifenheit des Bodens, zu geben,
davon wollen wir eine Probe aus seiner Skizzierung der Alpenbewoh-
ner mittheilen (S. 120 IT.): ^Ein Gebirgsland von solcher Eigenthüm-
lichkeit', sagt er, ^wie wir an den Alpen kennen gelernt haben,
äuszert einen entscheidenden Einflusz auf das Leben und den Charak-
ter der dasselbe bewohnenden Völkerschaften ; diese tragen in jedem
einzelnen Mitgliede stark ihr Gepräge ; denn sie stehen fortwährend in
einem ganz anderen Verhältnisse zu ihnen , als die Bevölkerung der
Ebenen und der übrigen Gebirge Deutschlands. Was der Alpenbewoh-
ner auch sinnt und thut, sie setzen ihm Richtung, Ordnung, Masz; in
der Wahl seiner Wohnstätte, seines Aekers, seiner Weide, seiner
Beschäftigung, seines Verkehrs — immer wird er an ihre gewaltige
Herschaft gewiesen, die ihn von allen Seiten mit den mannigfaltig-
sten Eindrücken, Mahnungen nnd Nöthigungen umgibt. Aber wie fest
auch dieselbe ihn umschlieszt, wie hart bisweilen ihr Zorn von
ihm empfunden wird, sie hält ihn nicht mut« und hoffnungslos zu
Boden gedrückt; sie zieht ihn hülfreicb wieder empor, nnd auf wun-
dersame Weise bleibt seine Liebe ihr zagethan, nnd mit erhöhter
42*
590 . Dr J. Katzen: das deuUcbe Land.
und gestählter Kraft wirkt er selbst veredelnd and bekenchand aif
sie ziirflck.
In derXhat, der Alpenbewohner gewahrt auch jelst, aaeUea
gewisse Einflüsse von auszen hier und da eben nichl g'flnalig' luife-
staltet haben, das Bild eines hoch anziehenden, darch Nalarfriidie
und Naturkräftigkeit ausgezeichneten Menschenschläge!. Zwar teigt
dieses Bild je nach den verschiedenen Theilen der Alpen aach ver-
schiedene Nuancen ; aber deutlich treten gewisse allgemeine Cha-
rakterzüge hervor, auf welche seiner Thaler und seiner Berge Natar
einen unverkennbaren Stempel aufgedrückt hat.
In der Alpcnwelt pflegt nicht blosz der Waldarbeiter, der KoUea-
brenner, Holzschläger, Jäger und Hirt Tage, Wochen, ja Monate lang
Umgang und vertraute Bekanntschaft mit den Bergen , auf deren Ab-
hänge, Gipfel uud in deren innerste Winkelschlachten anmittelbar
sein Geschäft führt; auch der Ackersmaun musz ihr vertraater wer-
den; denn nicht hat er, wie der Bauer der groszen Ebene, seine Felder
in einem ununterbrochenen, ihm nahe und bequem gelegenen gamn
beisammen, das er mit verh&Knismfiszig leichter Mühe bebaaeo könnte;
im Alpcnlande ist, einzelne gesegnete Striche abgerechnet, des fknehtp
baren Erdreichs weniger und dies wenige auf verschiedenen Stafea
der Erhebung weit zerstreut. Hier Ihut^sNoth, jeden kleinen Fleck
aufzusuchen und zu benutzen; fortwährend drängt diese RQoksieht aid
das ganze Verhältnis seiner Wirthschaft in alle Regionen ood Zoneo
des Gcbirgs seine Thätigkeit: in die obersten, in denen sein Viek wei-
det, in die mittleren, in denen er sein Holz Hndet, in die nnterea, wo
mancher kleine Streifen Feldes oder der kleine Weinberg sa besteUm
ist, bis in die Thalsohle hinab, wo oft sein vornehmster Acker liegt
Und kann der Bewohner der Flecken und Städte, der gebildete,
der Handelsmann das Gebirge missen ? Der Arzt musz seine Hilfe, der
Priester den Trost der Religion hinaufbringen in entlegene HaUea
hinter Wasserstürzen und Gletschern; und der Verkehrsmann, sei es
der Spitzen- und Schnittwaarenhandler aus Vorarlberg und dem Leek-
thalc, der Handschuh- und Teppichverkäufer aus dem Ziller- aad
Tofl'eretrgerlhale, oder der Viehhändler aus Passeier, oder der Weia-
und Fruchthandler aus den gesegneten Etschgauen — sie alle siekea
über die Alpenpasse, aus einem Thale ins andere, vorüber an den ge-
hörnten und glelscherbepanzerlen Bergriesen, die in vielfladiem Week-
sel von Kleid und Miene sich ihrem Blicke darstellen, bald in der
blendenden Hülle des Winters, bald im lachenden, bonlea Frflblinga-
kleide, bald von stürmenden Wolken umsaust, bald wieder von Rege»-
strichen gepeitscht oder von Blitzen umzuckt, heute von dicken Nekeln
umzogen, gestern vom Glänze der scheidenden Sonne verklirt«
Mit dieser Natnr von Jugend auf verwachsen, dnrch sie alltig-
lieh in Anspruch genommen, auf ihren Umgang fast allein hingewiesen,
sollte nicht der Bewohner der Alpen vorzugsweise von lebendiger
Liebe zur Heimath erfüllt werden? So ist es. Er bleibt damit erfallt,
auch wenn seine Gewandtheit in der Ferne Behaglichkeit and Gllek
Dr J. Katzea: das deutsche Land. ^ - 591
des Lebens ihm erwirkt. Zurückgekehrt mit Reichthümern, wird er
unmerklich von der Aipennatur dermaszen wieder gefesselt, dasz er
sich, trotz jener, der einfachen alpinischen Lebensweise uud den alten
Gewohnheiten der Vater wieder zuwendet, fremde Bedürfnisse und
fremde Weise alsbald ablegend. Vor allen sind in dieser Beziehung
zu erwähnen die Bewohner des durch Andreas Hofer zu enro-
paeischer Berühmtheit gelangten Thaies Passeier im Centrum der
liroler Alpen. So weit sie auch als Handler hin und her wandern, es
fliegt ihnen kein neues Bedürfnis an, und mit den einf<igsteu Augea
von der Welt ziehen sie au den Reichthümern dieser Erde vorüber.
Sie bringen nicht einmal das Gefühl und Verständnis von Dingen, die
nur einigermaszen nach Bequemlichkeit des Lebens aussehen, aus der
groszen Welt zurück. So sehr ist ihr sonst heiterer Sinn von der
Härte des Lebens in ihrem strengen Thal gefesselt' usw. usw.
So wird bei der Beschreibung des österreichischen Donaubeckens
und der Lage Wiens die Geschichte mit der Natur des Ortes in enge
Beziehung gesetzt, wenn wir die Darstellung S. 183fr. lesen:
^In der That ist die Donau die Hauptpulsader des beginnenden
und fortschreitenden österreichischen Staats und Lebens, welche ja
einst auch weit oben am Quellengebiet derselben zu finden waren und
noch gegenwärtig daselbst nicht vergessen sind. Oesterreichs ganze
geschichtliche Entwickelung ist ein hinauf- und hinabwachsen längs
des Stromes von einem Fluszabschnitte zum andern, und es gibt kaum
einen zweiten Staat, dessen Geschichte sich in so hohem Grade der
Hauptsache nach innerhalb eines einzigen Fluszgebietes erfüllt. Auch
die deutsche Bevölkerung hat der Strom dem Stammlande der Mo-
narchie zugeführt. Auf ihm oder au ihm kamen die West- und Ober-
deutschen mit Karl dem Groszen, mit den babenbergischen Fürsten,
mit den Kreuzfahrern, mit Rudolf von Habsburg, mit Maximilian und
bei vielen andern Gelegenheiten nach Oesterreich; insbesondere wurde
Wien durch sie so gut wie ins Leben gerufen und bis in unsere Zei-
ten durch Elemente daher erneuert und genährt, dieses Wien, das
aus dem Hauptorte der Markgrafschaft und des llerzogthnms allmählich
auch zur Hauptstadt des groszen Donaustaates emporgewachsen ist.
Kein Ort der österreichischen Monarchie hat gröszere Erin-
nerungen und eine bessere Lage dafür. Erbaut zwischen niederen
Ausläufern der östlichen Alpen und der hier vielarmigen Donau am
Rande einer Ebene, in welcher das Becken der aus den Sudeten kom-
menden mährischen Manch mit dem Thale des Hauptstromes zusammen-
trifft und in welcher letzterer so eben aus einem langen Felsen- und
Gebirgswege heraus sich auszubreiten und, bis jetzt durch raschen
Lauf, durch Wasserwirbel und andere Umstände vielfach verhindert,
grosze Verhältnisse für SchilTbarkeit und Verkehr zu entwickeln be-
gonnen , im Angesicht des letzten hohen Alpengipfels und der west-
lichen Schluszkelte der Karpathen erblickt Wien ein Gebiet ringsum,
auf welchem das emporkommen eines groszen Platzes unmöglich aus-
bleiben konnte; denn es ist ein Gebiet, welches in Folge der Laufes-
592 Dr J. KaUen: das deolsobe Land.
richtang der beiden Flüsse Donaa und Harch, in Folgte der Aasdeh-
nungsverhdltnisse des Alpengebirges so wie der Configaration der
Karpalhen und Sudeten als ein natürlicher groszer Knoten- and
Kreuzungsfleck der verschiedenen Völkerrichtungen betrachtet werden
■luss, und welches deshalb zu feindlichem wie friedlichem zusammen-
treffen derselben von der Natur wie auserkoren war.
Das Wiener Becken, besonders das Marchfeld, ist eines der
groszen Schlachtfelder Deutschlands und Europas. Hier haben die
Römer mit den Markomannen und Quaden, Karl der Grosze nnd seine
Franken mit den Avaren , die Oberdeutschen mit Magyaren und Mon-
golen, Ottokar von Böhmen mit Bela von Ungarn und mit Rudolph von
Habsbnrg, die Süddeutschen und Polen mit den Türken, Napoleon nil
geinem kriegsgelehrten Gegner aus dem Erzhause gekämpft.
Bei Wien ist auch für Verkehr und Handel ein natürlicher Vor-
einigungs- und Kreuzungspunkt der groszen Straszen von der oberen
und mittleren Donau und der Straszen, die durch das Thal der Harch
von der Oder und Weichsel und über den gangbarsten Theil der böh-
mischen Grenzen , und die aus den fruchtbarsten und bevölkertsten
Gegenden Karnthens nnd der Steiermark über die östlichsten niedrigen
Ketten der Alpen kommen, welche sich hier mit geringeren Schwierig-
keiten passieren lassen, als von irgend einem andern weiter westlich
liegenden Punkt aus. In Beziehung auf die letztere Wegesrichtuog
iit dabei vorzugsweise nicht zu übersehen, dasz auf ihr von Wien aof
das Nordende des adriatischen Meeres nicht nur leichter als auf jeder
anderen Linie erreicht wird , sondern dasz demselben auch die Donaa
selbst auf keinem andern Punkte näher kommt als bei Wien, so daas
hierdurch der adriatische Golf, insbesondere heutzutage das in anserni
Jahrhunderte schnell zu so hoher Blüte emporgestiegene Triest haopt-
afichlich auf das Donaugebiet hingewiesen wird, indem es ebento
einen groszen Theil der Güter, welche der Donau für die Levante
fibergeben werden, aufnimmt und über das Mittelmeer an Ort ond
Stelle bringt , als es von den orientalischen Waaren , welche für das
mittlere und obere Donaubecken bestimmt sind, empfangt und weiter
fördert/
In interessanter, lichtvoller Darstellung .weisz so der Vf. teineo
Gegenstand zu behandeln und den Leser für denselben zu gewinnen.
Die Leetüre des Buches wird mithin jedem, der an geographlscbea
Stadien Interesse findet, empfohlen werden können, aber besonders
dem Lehrer, welcher sieh mit der Lösung der Hauptaufgabe des Sta-
diums der Erdkunde in Beziehung auf Deutschland vertraut machen
will.
Schweidnitz. Conrector Dr SchmidL
Dr Fr. Brailovr : geognosUaclie Wandkaria. 503
5:2.
Dr Fr. Brüllow: geognosUsche Wandkarte. Berlin 1856, und
Atdeilung und kurzgefasUer Leitfaden für die Band de*
Lehrers beim Gebrauch der geognosiischen Wandkarte*
ebd9. 1856. 8.
So viel icb weisz , ist dies die erste Wandkarte für den Zweck
des Unterrichts in der Geognosie , wenn man von den Karten absieht,
welche die geognosiischen Verhallnisse einzelner Länder in gröszerem
Maszslabe darstellen , wie z. B. Völker eine geogoostische Wandkarte
von Deutschland zu Schulzwecken herausgegeben hat. Es dürfte also
wol zunächst die Frage nach der Nolhwendigkeit und Nützlichkeit
einer solchen Arbeit aufgeworfen werden, die freilich ohne Kück-
sichtsnahme auf den Inhalt derselben sich nicht gut beantworten Ifiszt,
zu dessen Angabe ich deshalb sogleich übergehen will.
Ziemlich die Hälfte des Baumes wird eingenommen vqn einem
idealen Durchschnitte der Erdrinde, der die Lagerungsverhälluisso
aller sedimentären Schichten und ihre Durchbrechungen und Hebungen
durch die verschiedenen Eruptivgesteine zeigen soll. Es schlieszt
sich diese Darstellung ziemlich genau an Thomas Websters bekanntes
Tablean an, wie es von Buckland zuerst in der betreffenden Abtheilung
der Bridgewaterbücher mitgetheilt wurde und welches seitdem in
Deutschland mit gröszeren und kleineren Veränderungen und Abkür«
Zungen so ziemlich in alle Lehrbücher der Geognosie übergegangen,
auch in besonderen Ausgaben zu haben ist, wie es sich auch in Berg-
haus'' physikalischem Atlas — Abtheil. 111 Nr. 11 — findet. Ein ver-
hällnismäszig schmaler Streif ist landschafllich-geognostischen Bildern
gewidmet, welche hauptsächlich verschiedene Felsbildungen zur An-
schauung bringen sollen. Dann folgen U der Wirklichkeit entnommene
Profile, Lagerungsverhältnisse der Schichten in den einzelnen geolo-
gischen Epochen darstellend. Zuletzt eine geognostische Karte des
Harzes und eine ebensolche vom Aetna.
Es thut uns leid, trotz der Empfehlung, die der Karte von Seiten
hoher wissenschaftlicher Autoritäten zu Theil geworden sein soll,
dennoch dem Werke unsere Billigung versagen zu müssen.
Man musz meiner Ueberzeugung nach für die Burteilung von
Wandkarten den Grundsatz aufstellen, dasz sie da aushelfen sollen,
wo es für den Lehrer zu zeitraubend oder zu schwierig sein würde,
selbst eine Zeichnung an der Schultafel zu entwerfen. Nun würde es
zwar eine Unmöglichkeit sein, jenen idealen Durchschnitt auf der Ta-
fel wiederzugeben, allein man wird mir zugestehen, dasz es des gleich-
zeitigen Ueberblicks über alle Theile desselben niemals in der Schule
bedarf, sondern dasz jedesmal nur ein verhältnismäszig kleiner Theil
desselben zur Sprache kommen kann. Dazu musz aber der Lehrer
selbst die betreffende Zeichnung an die Tafel zeichnen können, und es
wird gerathen sein, dabei nicht ideale Verhältnisse zu Grunde zu legen,
594 Dr Fr. Brfillow: geognosUsohe Wandkarte.
sondern, wenn es irgend möglich ist, die Beispiele ans der Nähe za
nehmen, oder, wenn das nicht der Fall ist, wenigstens immer die La-
gerungsverhaltnisse von bestimmten Localitäten darzustellen , da der-
gleichen die Aufmerksamkeit der Schäler in höherem Grade fesselt
als ideelle Allgemeinheiten. Die Schüler mögen dann angehalten wer-
den, diese Zeichnungen auf der Stelle in ein eigenes Heft zu übertra-
gen und sich auf diese Weise eine geognostische Beispielsammlung
anzulegen.
Ich halte demgemäsz eine solche Darstellung der relativen Lage
aller geschichteten und ungeschichteten Gesteine auf einem Tableaa
für durchaus überflüssig, kann höchstens dem Lehrer, der sie nicht
entbehren will, den Rath geben , etwa das betreffende Blatt aus Berg-
haus** Atlas im Schiilzimmer für immer aufzuhängen, so dasz die Schü-
ler auszer der Schulzeit Gelegenheit haben, sich das ganze einmal an-
zusehen.
Dasselbe Urteil gilt auch von den übrigen Profilen, gegen deren
wissenschaftliche Richtigkeit ich um so weniger etwas einzuwenden
haben kann, als sie den besten Quellen entnommen sind. Auch sie
werden viel besser, je nach Bedürfnis, vom Lehrer gezeichnet. Was
nützt es mir z. B. hier in Hannover, dem Schüler die Lager ungs Verhält-
nisse zwischen Jura , Lias und Keuper nach der Wandkarte an einem
Profile aus der schwäbischen Alp zu demonstrieren , während ich ihm
mit ein paar Kreidestrichen ein ebenso belehrendes Profil von Locali-
täten aus nächster Nähe zeichnen kann, wodurch er in den Stand ge-
setzt wird, die Sache in der Natur selbst zu erkennen?
Was nun die landschaftlichen Bilder anbetrifft, so sind sie eher
am Platze, weil dergleichen sich nicht oder wenigstens nicht in wftn-
schenswcrther Schnelle an der Schultafel darstellen läszt. Ich würde
dem Vf. dankbar gewesen sein, wenn er den ganzen Runm seiner Karle
KU solchen Darstellungen verwandt hätte, statt nur acht aufzunehmen,
über deren Auswahl ich auch mit ihm rechten möchte. Auszer einer
Darstellung des Kraters vom Vesuv, die sehr wenig belehrendes hat,
so wie Abbildungen einer Tropfsteinhöhle vom Montferrat und der Fin-
galshöhle, werden noch fünf Beispiele von Fels bildungen geliefert,
die im ganzen recht charakteristisch gewählt sind, mit Ausnahme etwa
des bekannten Granitfelsens von Logan Hock in Kornwall , der doeh
wol, wie die ähnlichen wankenden Steine, z. B. der berühmte von
Perros - Guyrach , nicht ohne Einwirkung der Menschen geblieben ist.
Sehr erwünscht wäre es jedenfalls gewesen, wenn der Vf. noch einige
Bilder charakteristischer Berg formen gegeben hätte. Wie man in
der Botanik von einer Physiognomik der Gewächse eines Landes
spricht, so sollte man auch von einer Physiognomik der Gebirge reden
und dem Lehrer der Geognosie , mehr noch dem der Geographie, wäre
mit dahin zielenden Abbildungen ein groszer Dienst geleistet '^). Wie
*) Höchst belehrend sind z. B« in dieser Beziehung der Gebruder
Schlagintweit stereoskopische Bilder des Monte llosa und der Zugspilie.
Dr Fr. Brailow: geognostisclie Wandkarte« 505
viel Worte könnten gespaart werden, wenn man so bei der Schilderung
der südafrikaniscben Sandsteingebirge oder des äbnlichen Eibsand-
steingebirges auf eine gute Abbildung verweisen könnte? Etwa acbt
bis zehn solcher Bilder, die sich wol auf den Raum einer Wandkarte
drängen lieszen , würden für diesen Zweck ausreichen.
Was nun die zuletzt erwähnten geOgnostischeu Uebersichtskartea
anbetrifft, so habe ich gegen die vom Aetna nichts zu erinnern, sehe
aber andererseits nicht ein, was den Vf. veranlaszt hat, gerade vom
Harz eine Karte zu geben. Es kann doch wol kaum seine Ansicht ge>
Wesen sein, den Harz als eine vorzugsweise klassische Gebirgsgegend
hinzustellen , da doch gar manches Gebirge sich in Beziehung auf den
Reichthum geognostischer Vorkommnisse mit ihm vollkommen messen
kann. Was ntttzt nun wol einem Lehrer in Schlesien eine geognostische
Karte vom Harze? Auch in dieser Beziehung ist es das beste, wenn
man , sofern es möglich ist , eine geognostische Karte entweder der
nächsten Umgebungen oder wenigstens der Provinz oder des Landes
im Schulzimmer aufhängt. Uebrigens kann ich auch nicht verschwei-
gen, dasz die Harzkarte, sowol was die Darstellung des Terrains, als
was den geognostischen Inhalt anbetrifft, sehr mangelhaft ansgefallen
ist; namentlich sind in letzter Beziehung die Entdeckungen Ad. Rö-
mers und seiner Schüler für den Vf. gar nicht vorhanden gewesen.
Schliesziich noch eine Bemerkung. Es ist von der Karte eine
Copie in verkleinertem Maszstabe zum Preise von 15 Sgr. zu haben,
welche den Schülern zur Anschaffung empfohlen wird. Allein abge-
sehen davon, dasz das Format derselben zum Gebrauch auf der Schul-
bank viel zu grosz ist, mache ich noch besonders darauf aufmerksam,
dasz der Schüler mit einem Mehraufwande von wenigen Groschen sich
in Besitz der Leunisschen Mineralogie und Geognosie setzen kann
(Schulnaturgesch. Tbl III), welche ihm auszer einem weit reichhal-
tigeren Texte, als der des Brüllowschen Heftchens ist, noch eine Menge
charakteristischer uud gut ausgeführter Abbildungen, namentlich von
Petrefaklen, gibt, welche letztere Brüllow wol zu sehr vernachläs-
sigt hat.
Hannover. • H. GuthCy Dr.
S3.
Biblische Numismatik oder Erklärung der in der heil. Schrift
erwähnten alten Mün%en von D. Celestino Cavedoni.
Aus dem Italienischen übersetz und mit Zusätzen versehen
von A. von Werlhof^ königl. hannoverschem Oberappel-
lationsrathe. Zweiter Theil^ enthaltend Anhang und Nach-
. träge. SUt zwei Tafeln Abbildungen. Hannover, Hahnsche
Bachhandlung. 1856.
Der Abbate Cavedoni ist durch die Resultate seiner fortgesetzten
596 D. Celeatino Cavedoni: biblische Nomisaitik.
namismatischen Forschungen, sowie darch die NacbweisoDgea spiter
zu seiner Kunde gelangter Werke, besonders der recherches rar k
numismalique ludalfque (Paris 1844) von dem fransösischenAkadawksr
F. de Saiilcy bewogen worden, im vorigen Jahre einen Nachtrag u
seiner biblischen Numismatik (s. Decemberheft 1855 dieser Jahrbk
S. 553) unter dem Titel: appendice alla numismatica biblie« (estraUi
del tomo XVIII della serie terza delle memorie di religiooe, dl norak
e di Ictteratura), Modena 1855, herauszugeben, und Herr Oberappaila-
tionsrath von Werlhof in Celle hat sich sogleich nach der EreehclHBg
desselben das freundliche Verdienst um das deutsche Poblicam erwor-
ben, auch diese Schrift in unsere Sprache zu übertragen and mit oi|^
nen Bemerkungen, Nachträgen und zwei Kupferlafeln bereichert ab
zweiten Theil seiner Uebersetzung der Uauptschrift naehfolg'en in lii-
sen. Da das de Saulcysche Werk die hebraeische MQazkande darck
eine bedeutende Anzahl von dem Vf. in Palaeslina gesammelter, biahtf
unbekannter Münzen erweitert und damit eine völlig neue, der bii-
herigen Annahme widerstreitende KlassiQcation der jüdischen Mftuaii
deren Wichtigkeit in mancher Hinsicht anerkannt, in anderer aber Nt*
schieden bcstritten^erden musz, verbindet, so war Herr von Werlkif
bereits selber im Begriff, eine entsprechende Ergänzung der namiiaM-
tica biblica zu bearbeiten, als er von Cavedoni den beseiebaitai
^Nachtrag' nebst einem Briefe des anerkennendsten DaDkes fir dii
Ueberselzung der Uauptschrift zugestellt erhielt und auch nai dli
Uebertragung dieser für die Besitzer der numismatica biblica aolb-
wendig gewordenen Complementarschrift gebeten wurde/ ladeai dar
Herr Uebcrsetzer in der Vorrede diese Andeutungen über die^EiU
stehung seines Buches gibt, führt er uns zugleich mit zusaromeafaieaa-
den und bestimmten Zügen in den wissenschaftlichen Sachverbalt aia,
auf welchen sich diese und andere eingreifende litterarische Eraobai-
nungen beziehen. Wir knüpfen an sie die Uebersicht Über die Gagaa-
stände des Nachtrages an.
Der Hauptpunkt betrilTt die Zuweisung und Einordnung der Mla-
zen, welche dem Simon Maccabaeus zugeschrieben zu werden plegtaa
und welche auch Cavedoni, der gewöhnlichen Annahme folgend, die-
sem überwiesen hatte. Durch de Saulcys Untersuchungen bat ea sieh
nun herausgestellt, dasz alle diejenigen unter ihnen, welchen der Nana
Simon aufgeprägt ist, nicht dem Hasmonacer, sondern dem EmpOrer des
zweiten Jahrhunderts n. C. Simon, dem Sohne Joras (Bar-Kdkab, Soha
des Sternes) angehören. Auch Cavedoni hat sich dieser Ueberseugnag
anschlieszen müssen, und man findet seine Gründe S. 60 und 61 dar
Uebersetzung aufgeführt, wo es nach der Mittheilung, dass eine grosse
Anzahl der genannten Münzen sich als überprägte Denarien oder kai-
serliche Drachmen verrathen habe, weiter heiszt: ^Die Identitil oder
Analogie der Typen, der Inschriften, der Form der Buchstaben, der
Art der Arbeit und des Stils aller einzelnen vorgedachten HüDien,
eben so wie ihr eigenthümliches Gewicht, alles dies verlangt dieselbe
Zeit der Regieroag Hadrians , welche darch die überprAgtea offeabar
D. Celestino Cavedoni : bibluohe Namignalik. 507
indiciert ist.' Aber auch die nicht mit Simons Namen, sondern bloss mit
dem Jahre der Befreiung und heiligen Symbolen bezeichneten (s. Tbl I
S. 18 sqq. Tbl. US. 11 und 12) vindicicrt Cavedoni, nur nnter starkem
Widerspruche deSaulcys sowie seines Recensenten in denG6ttinger ge-
lehrten Anzeigen (1855 S. 1391), dem Maccabaeer. Der genannte Recensent
ist Herr Prof. Ewald, welcher auszerdem seine Ansichten über das Zeit-
alter der echten Münzen althebraeischer Schrift in einem besondern Vor-
trage, gehalten in der königl. Gesellschaft der Wissenschaften am 29. Mirs
1>^55 (s. Nachrichten von der G. A. Universität und der königl. Gesell-
schaft der Wissenschaften zu Göttingen Nr. 8 v. 26. April 1855) ent-
wickelt hat. De Saulcy will nemlich diese Münzen nicht der Zeit der
Befreiung von der syrischen Herschaft, sondern der Zeit Alexanders
des Groszen zuweisen: eine Conjectnr, gegen welche sich sowol Ewald
als Cavedoni und Herr von Werlhof aufs entschiedenste erklaren.
Denn abgesehen davon, dasz die Münzen nur bis zum vierten Jahre der
Freiheit reichen, wofür sich hier kein annehmbarer Grund auffinden
läszt, wie unter dem Maccabaeer (s. Bibl. Numism. Tbl I S. 17 Anm. 11),
verlieh Alexander den Judaeern durchaus keine politische Unabhängig-
keit und Münzrecht, sondern nur Freiheit in Sachen der Religion und
dazu Schutz gegen die Samarier. Nun gehen aber die Gegner de Saul-
cys wieder darin auseinander, dasz Ewald die genannten Münzen in
die Zeit des ersten Aufruhrs der Juden gegen die Römer setzt, Cave-
doni sie bis auf zwei dem ersten Aufstande in Uebereinstimmung mit
de Saulcy vindicierte Broncemünzen (s. Bibl. Numism. Tbl. 11 S. 54)
der bisherigen Meinung gemisz dem Simon Maccabaeus vorbehält.
Dieser Meinung schtieszt sich auch der Herr Uebersetzer mit folgen-
den Worten an: *lndem ich rficksichtlich der Gründe übrigens auf Ca-'
vedonis Bemerkungen verweise, mache ich nicht nur auf das wichtige
Argument aufmerksam , welches aus der Uebereinstimmung des Fein-
gehalts der bisher Simon dem Hasmonaeer zageschriebenen Silber-
münzen mit denen der benachbarten syrischen Könige sich ergibt, son-
dern auch darauf, dasz, wenn man Herrn Prof. Ewalds Ansicht adop-
tiert, Seckel trotz der ausdrücklichen den Juden ertheilten Erlaubnis
während der ruhigen Zeit ihrer Freiheit nicht geprägt sein würden
oder wenigstens nicht mehr existierten, wol aber der Anfang damit
während der unruhigen kurzen Zeit des römischen Krieges gemacht
sein soll. Es hat eine solche Annahme um so mehr gegen sich, als der
Seckel diejenige normale Einheit war, nach der Handel und Wandel
sich richtete, dessen zeitige Ausprägung deshalb Bedürfnis war, zumal
da diese Mfinzgattung allein zu der Tempelabgabe gebraucht werden
durfte (Bibl. Nnmism. Tbl. 1 S. 40), zu deren Entrichtung man keine
der sonst im Lande coursierenden Geldsorten ihrer profanen Typen
weg'en gebrauchen konnte. Die Juden mögen bis zum Jahre 140 vor
Chr. diese Abgabe vielleicht in gewogenen Silberstücken entrichtet
haben, die sie zn diesem Zwecke von den Geldwechslern für Stücke
der bei ihnen coursierenden Münzen benachbarter Staaten mit Verlust
einkaufen musten, denn die Zeit, wo gewogene Metallstücke das allge-
59S 9« Calesliio Cavedoni: biblische Namismatik.
•
meine ADSgleichungsmittül bildeten, war im übrigen seil Jahrh anderlei
Yoraber. Unter diesen Umständen muste die Erlangung des Mflosreehls
rar die Juden von grösserer als bloss politischer Bedeutung sein, denn
es gewährte ihnen die Möglichkeit die Tempelabgabe in einer ihren
Satzungen entsprechenden Weise zu entrichten, und es isl nicht wol
ein Grund abzusehen, warum sie von der erlangten fiuszerat wichtigen
Bcrugnis, heilige Seckel zu prägen, keinen Gebrauch gemacht haben
sollten, zumal da sie für den kloinen Verkehr des täglichen Lebens
anerkanntcrmaszen Scheidemünzen prägton, obwol hierfOr durch die
syrischen Könige nothdürflig gesorgt war und jedenfalls für eine
hierarchische Regierung die Befriedigung dieses Bedürfnisses von ge-
ringerer Wichtigkeit sein muste. Dasz der Name Simons niehl anf
diesen Münzen erscheint, dürfte sich genügend daraus erklären, dasi
seine Stellung und Würde weder erblich noch zunächst aueh nnr
weltlich war, oder dasz seine Anspruchslosigkeit eine derartige Voran-
Stellung seiner Person und Würde, wie sie bei den heidnischen Köni-
gen der Nachbarschaft üblich war, in einem theokratischen Staate fOr
angemessen nicht erachten mochte, zumal der Ursprung und die Zeit
der Münzen auf eine für damals völlig genügende Weise beseiehnet
waren' (s. Vorrede S. XXII if.)-
Auszcr den allerdings nicht unbedeutenden Veränderungen in der
Anordnung der alten hebraeisolien Münzen, die durch diese von de
Saulcy hervorgerufene Kritik der Simonischen nothwendig geworden
sind , weicht der Inhalt des ^Anhanges' nicht wesentlich von den Anf-
slcllungen der Ilauptschrift ab. Wol aber fügt er in Folge der seit-
dem gemachten Auffindungen, besonders de Saulcys, den bisher be-
kannten manche neue interessante Münze hinzu. Unter diesen ist eine
Anzahl von hasmonaeischen, der Nachfolger Simons, von denen eine
mit griechischer und hebraeischer Aufschrift der Witwe des Alexander
Jannaeus, Alexandra, vindiciert wird und besondere Aufmerksasalieit
verdient. Den Deutungen des schwierigen ^isn auf den MUnien des
Johannes Hyrcanus, über welches Cavedoni und de Saulcy nneins
sind, hat der Herr Uebersetzcr die Ewaldische beigefügt, der zufolge
es ^Feldherr' bedeutet (s. S. 16). Auch das Verzeichnis der unter He-
rodes dem Grossen und seinen Nachfolgern geprägten Münzen ist nicht
ohne Zuwachs geblieben, namentlich hat de Saulcy zwei des Herodes
Archelaus zuerst bekannt gemacht, welche durch ihre Embleme anf
den Besitz von Seeplätzen hinweisen. Was die die Namen römischer
Kaiser tragenden betrifft, so widerlegt Cavedoni zunächst die Be-
hauptung de Saulcys , dasz sie das Werk römischer Procnratoren
seien, während sich das fortdauernde Münzungsrecht der grösseren
Städte nachweisen lasse, und vindiciert dann mehrere Münzen ans der
Zeit des Augustus, die man nach Alexandria verlegt hatte, den judaei-
schcn Münzstätten. Im übrigen ist dieser Abschnitt dem entsprechen-
den der Hauptschrift ziemlich gleich geblieben. Eine interessante Ver-
mehrung haben die jüdischen Münzen aus der Regierungszeit des Ti-
berius durch eine Mittheilung des Herrn Dr Jnl. Friedländer aus dem
D. Celeslino Cavedoni : biblisohe Nnmif malik. 509
königlichen Museum zu Berlin erfahren. Der Herr Uebersetzer ge*
denkt derselben besonders in der Vorrede S. V, wo er auch auf an-
dere Miitheilungen aus derselben Quelle hinweist, die ihm Veranlassung
tu häufig eingestreuten Specialbemerkungen , Vergleichungen und Be-
richtigungen gegeben haben. — Der Zeit des ersten jüdischen Auf-
ruhrs, welche wie die des zweiten unter Bar-Kökab in der llaupt-.
Schrift leer ausgegangen war — werden nach de Saulcy die beiden
bereits oben erwähnten Münzen aus dem zweiten und dritten Jahre
desselben zugeschrieben, welche im ganzen mit dem Gewichte der
Neronischen Münzen übereinstimmen und zur Bezeichnung der Befrei-
ung Zions das misnische Wort min gebrauchen , von welchem Cave-
doni eingesteht, dasz es zu der Zeit Simons des Hasmonaeers schlecht
passen würde. Das Verzeichnis der Münzen aus dem zweiten Aufruhr,
welches die meisten der in der Hauptschrift dem Simon Maccabaeus
zugeschriebenen enthält, ist nach de Saulcy bedeutend vervollständigt
und wird namentlich durch diejenigen Exemplare interessant, welche
die Spuren der Ueberpräguug römischer Denare mit den Köpfen Tra-
jans und Hadrians zeigen. Der Vf. gibt eine den andern Zeitverbält-
nissen , welchen nun diese Münzen angehören , entsprechende Deutung
der Embleme, besonders des architektonischen, welches er nicht mehr
für das Tempelabbild, sondern für den heiligen Schrank (Oron) der
Schriftrollen hält, nnd schlieszt aus den Inschriften gegen Fabriciut
und Scaliger, dasz die Juden im ersten Jahre des Aufruhrs Jerusalem
wirklich in Besitz genommen haben, aber später daraus vertrieben
worden seien , weshalb vom zweiten Jahre an die Erwähnung der
Hauptstadt fehle. Eben so theilt er über die Person des Hauptes der
Empörung, bekannt unter dem Namen Bar-Kökab, Sohn des Sternes,
einige erläuternde Notizen mit. Endlich erwähnt Cavedoni auch der
Münzen von Aelia Capitolina, obgleich sie über die Grenzen seines
Zweckes hinaus liegen, indem er de Saulcy, der sie vollständig angibt,
nicht allein mehrerer Auslassungen , sondern auch falscher Auslegun-
gen überführt. Bei dieser Gelegenheit bemerken wir, dasz de Saulcy
während er sich bei Aelia Capitolina sehr ins Detail einläszt, zu des
Herrn Uebersetzers Bedauern die so interessanten Münzen der übrigen
mit dem Münzrechte begnadigten Städte in Judaea : Agrippias oder An-
ihedon, Ascalon, Azotus, Eleutheropolis , Gaza, Nicopolis oder Em-
maus undRaphia, so wieder galilaeischen und samaritischen Städte
gänzlich übergangen hat. Was davon bis jetzt bekannt ist, findet sich
in des Herrn von Werlhofs Handbuch der griechischen Numismatik
(Hannover 18ö0) S. 231 f. gröatentbeil» au» dessen eigner schönen
Sammlung zusammengestellt und beschrieben.
Das bis hierher mitgetheilte möchte, einzelne Bemerkungen
gegen seine Gegner abgerechnet, der Hauptsache nach die Gegen-
stände umfassen, über welche sich Cavedoni in seinem * Anhange'
verbreitet. Die Besprechung einiger anderer nicht unmittelbar dem
Zwecke des Buches angehöriger, aber doch recht wichtiger Punkte,
wichtig sowol für die Numismatik Oberhaupt aU für die orientalische
600 D. Celestino Cavedoni : biblische Nafflismatik.
insbesondere , vm sich auf diesem durch neue Anfßndangen and fori- '
schreitende Ansichten taglich wachsendem Gebiete Umsieht lu ver^
schaffen, verdanken wir der sachkundigen Beflissenheit des Herrn
Uebersetzers. Es sind die Worte ögaxfirj , dageixog und finp^^lE ^)
und ihre BeEiehung zu dem Anfange der Münzprägung, um weiche es
•sich dabei handelt. Cavedoni halte in seiner Hauptschrift der her-
kömmlichen Meinung gehuldigt, dasz der Argiver Pheidon das filteste
Geld geprägt habe, ^Qaj^ij der gewöhnlichen Etymologie gemäfS
griechischen Ursprunges und darkhemon das hebraisierte daf^ixog
sei. Gegen diese Ansichten ist nun Ewald in seiner Recension mit
entschiedenem Widerspruche aufgetreten, indem er die griechische
Ableitung von SQaxfirj für falsch, dieses Wort für verstümmelt ans
darkhemon oder adarkhemon und das letztere mit Beziehung aaf He*
rod. I 94 für wahrscheinlich lydischen Ursprunges erklärt, da die Erk-
undung des Geldes ohne Zweifel von den handeltreibenden asiatischen
Völkern ausgegangen sei. Der Herr Uebersetzer verweist was ^ifcixfi^
betrifft auf die Autorität Böckhs in seinen metrologischen Untersueban^
gen und vermittelt unter Heranziehung der historischen Quellen und
der Aussprüche gelehrter Sachkenner den Gegensatz der Meinungen
über die älteste Geldpraguug dahin, dasz unstreitig schon Aegypter,
Phoenicier, Lydier Geld oder dem Gelde analoges gehabt, ja dasz viel-
leicht die Aegineten schon vor Pheidon geprägt haben, dasz dieser Kö-
nig aber unter den Griechen des Continents der erste gewesen sei,
dem dieses Verdienst nachgerühmt werde. Er verweist dabei auf
sein Handbuch der griechischen Numismatik, in welchem sich ge-
legentlich der betreffenden Münzen diese Ansicht bereits ausgespro-
chen findet.
Auszer diesen dankenswerthen Mittheilungen und Erörterungen,
an welche sich dann die Angabe der Hauptdifferenzen zwischen Cave-
doni und de Sanlcy, so weit sie den ^Nachtrag' betreffen, anschlieiiti
hat der Herr Uebersetzer in die Vorrede noch einen Protest des Herrn
Majors von Rauch in Berlin gegen Borghesis Urteil über einen tob
ihm pubticierten Sextans, in welchem der italienische Nünzkeninr
einen semis erkennen will, und die Berichtigung einiger Ungenaai|^
keitcn in der Uebersetzung der Hauptschrift Cavedonis (des ersten
Theils der biblischen Numismatik) aufgenommen. Eine interessanle
Zugabe ist endlich die Nachweisung über falsche und nachgemnehia
jüdische Münzen, mit welchen das Publicum geteuscht wird. Wir
heben daraus nur hervor, was in der Vorrede (S. XXVI) aber eine
der verbreitetsten gesagt wird, die auf der einen Seite einen dimpfeii-
den Krater, als wenn es ein Ranchfass wäre, auf der andern Seile
einen stark beblätterten Olivenzweig zeigt. *Nach einer Notii im
Ullnstrierten Familien -Journal' (Bd. Ill S. 48) erbaute nemlioh ein
ehemaliger Bürgermeister von Görlitz, Emmerich, nachdem er zweioMÜ
in Jerusalem gewesen, eine Nachahmung des heiligen Grabes, welehe
einen Ruf hat und von den meisten Fremden auf ihrer Durchreise be-
sucht wird. Bei dieser Gelegenheit bietet der Kastellan jedem beim
D. Calestino Cavedoni : biblisohe NnmisnKtik. 601
we(rgehen eine solche Mänze sam ÄDdenken, welehe in Zinn 2^ Sgr.
und in Silber 20 Sgr. kostet.'
Cavedoni selber hat die in dem *Appendice^ besprochenen Punkte,
deren Inhalt wir oben summarisch siisammengestellt haben , in der
Ordnung auf einander folgen Lassen, dasz er zunächst mit seinen itar
lienischen Recensenten ein freundliches Wort wechselt und sich mit
demjenigen verständigt, der die numismatische Erklärung der Worte
Christi: *et qnae sunt Deo, Dco' misbilligend eine allgemeinere Auf^
fassung derselben gefordert hatte. Dann kommt er auf die recherchei
sur la numismatique ludafqne des Herrn de Sanlcy und erwiedert bei
allem Ernste doch mit grosser Ruhe dessen siemlich anmaszende Her
handlung seiner Numismatica biblica: en 18&0 a paru k Modfene la
brochure intitul^e Numismatica Biblica etc. Ce livre n^ayant gu6re
fait avancer la science de la numismatique hebralque, je me bornerai
ä examiner, chemin faisant, les opinions qui y sont inser^es , toutes
les fois que ces opinions impliqueront quelque nouveant^. Er gesteht
die wichtige Bereicherung su, die die biblische Numismatik den re-
cherches des Hrn. de Sanicy verdanke, zählt aber auch eine ansehn-
liche Menge von Extravaganzen, Ungenauigkeiten und selbst Wider-
sprachen auf, die sich der französische Numismaliker zu Schulden
kommen lasse. Sodann wendet er sich zu dem Hauptgegenstande des
Buches, ohne dessen Einflusz die vollständige Wiederholung des
hebraeischen Münzenverzeichnisses im appendice schwerlich nölhig be-
funden sein würde , zu den Simoif dem Maccabaeer zugeschriebenen
Münzen und der Zeit, welcher sie nach den durch de Saulcy angereg-
ten Untersuchungen angehören. Und da nun eben die Ergebnisse der
letztem in Verbindung mit dem aus den recherches gewonnenen Zu-
wachse das ganze Bild der hebraeischen Münzgeschichte in wesent-
lichen Punkten umgestaltet haben, so folgt jetzt eine neu geordnete
und vervollständigte Uebersicht der allhebraeischen Münzen, zwar Q»-
ler dieselben Rubriken nach ihren Perioden zusammengestellt, wie sie
in der Hauptschrift vorliegen, aber gedrängter und nur mit den nöthi-
gen erkläi^nden und kritischen Anmerkungen zur Orientierung ver-
sehen. Am Schlüsse stehen dann die oben erwähnten Nachweisungen
über Bar-Rdkab, die aus seinen Mttnzen sich ergebenden Winke Ober
die Geschichte des zweiten Aufruhrs nnd in einem besondem Anhange
die Berichtigungen der von de Saulcy gegebenen Nachrichten Aber die
Münzen vofi Aelia Capitolina.
Min kann kein Gesamturteil über den Wertb des Buehes fällen,
olme zn bedanern , daaz ea gerade in dieser Form erscheinen moste.
Denn sofern es eine Umgestaltung ihres wesentlichsten Bestandtheils
gibt, ist es mehr als ein bloszer Anhang zur Hauptschrift und enthält
doch wieder zu wenig neues, um als ein zweiter Theil derselben be-
trachtet werden zn können. Das rectiAcierte Verzeichnis der Münzen,
welches darin vorliegt, mit den münzgeschichtlichen und hermeneu-
tischen Erörterungen der Hanptschrift zu einem ganzen verschmolzen,
würde für das Publionm in jeder Beziehung erwünschter gewesen sein.
802 D. Celestino Cavedoni : biblische NamisiMtik.
Wie es sieb jedoch unter dem Einflasse der UmstSnde gestaUel hat,
verdient es sowol wegen der Bereitwilligkeit, womit die Mängel der
Hauptschrift anerkannt anä dem Fortschritte der Wissenschaft gemäss
ergänzt sind, als wegen des kenntnisreichen und geübten Urteils, wo-
mit der gelehrte Nnmismatiker den empfangenen Stoff verarbeitet hat,
dieselbe Empfehlung , welche der Hauptschrifl zu Theil geworden ist.
Je unentbehrlicher es aber für die Besitzer des ersten Theils zur voll*
ständigen Erkenntnis der Sache und zu einem richtigen Endurteil über
dieselbe ist, desto dankenswerther erscheint die unverweilte Thatig-
keit des Herrn Uebersetzers , dessen gewandte und praecise Verdeut-
schung des italienischen Textes durch* seine eignen auf ein tiefes
Fachstudium gegründeten Nachweisungen und Bemerkungen einen er-
höhten Werth bekommt. Auch hat er sich wiederum und diesmal ohne
Vorgang des Originals das Verdienst erworben, durch zwei der schö-
nen typographischen Ausstattung des Buches würdig zur Seite stehen-
den Kupfertafeln das Publicum mit einer Auswahl der von de Saulcy
veröffentlichten Münzen nach den von demselben gegebenen Abbildun-
gen bekannt zu machen und ihm eine Uebersicht der althebraeischen
Buchstaben, wie sie auf den Münzen vorkommen, in ihrer Mannigfaltig-
keit uiid Verzogenheit vor die Augen zu stellen.
Celle. Berrmann.
Berichtigung.
Im 6n Hefte des laufenden Jahrganges dieser Zeitschrift 8. 31S
wird bei der Angabe der von mir emendierten Sophokleischen Stellen
meine Auffassung von Tracbin. 415 f. irthumlich Brunck und Kayser
beigelegt, obgleich^ ich mit diesen nur in der Lesart %dxoia9-a dr/r';
AiX' ov (pfijii übereinstimme. Auch ist^ durch ein Verseheiydes Setzers
das von mir parenthetisch aufgefaszte OQag ausgefallen. — Das weitere
ist meine eigene nur auf Aenderung der Interpunction sich stutzende
Conjectar , und zwar lautet ihr zufolge die Stelle vollständig so :
"^yy. tiQv aixiikdXaitov, rjv ^nsii'tffag ig döiiovg, Katoiad'a ^ijf';
^tZ- , , , ov (prjfii- TiQogzl 6 toxo^tiqi
Ayy. ovHovv av tavtrjv^ ^v vn* ayvoCag (6^^g;) *J61iip
i€paa%sg EvQvtov ono gav ay Biv;
Der Sinn der letzten Worte des ayyelog wäre demnach: Sie also
kennst du nicht? Sie, von der du in deiner Ignoranz (siehst du jetzt,
wo ich hinaus will?) noch eben sagtest, sie sei loie. die Tochter des
Eurytos? —
Clausthal, den 21. Juli 1856. E. Buckkoh^ Dr. ph.
Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnongen , Statist. NotisMi. 603
Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen , statistische
Notizen, Anzeigen von Programmen.
Leipzig]. Die Thomasachale hatte im Schuljahre ld&6— 56 nur
^ine Veränderong im Lehrercolleginm erfahren, indem an die Stelle des
nach Plauen abgegangenen Dr W. Schmidt der bisher am Krause-
sehen Institut in Dresden beschäftigte Dr H. Th. Kretschmar als
Ir Lehrer der Mathematik und Physik trat. Das Probejahr hielt der
Schuiamtscandidat Dr Scherber ab. Die Schülerzahl betrug 210
(39 I, 37 II, 49 III, 43 IV, 33 V, 9 VI). Zur Universität glengen
Mich. J856 JO, Ostern 1856 12. Den Schulnachrichten yorangestellt ist
eine Rede des Rectors Prof. Dr Stallbaum: de vetere gymnasiorum
disciplina et inatitutione praesentia aetatis raiionibus caute attem-
peranda (24 S. 8). Der Redner zeigt, wie die Gymnasien die klas-
sischen Studien und die christliche Frömmigkeit und Sittlichkeit fest-
halten müssen, wenn sie nicht aufhören wollen das zu sein, wozu sie
gegründet sind', und empfiehlt deshalb Vorsicht bei Aufnahme dessen,
was als sogenanntes Bedürfnis der Zeit begehrt wird. iCs sind zwar
nicht neue Gedanken, die hier ausgesprochen werden, aber das gute
und wahre kann nicht oft genug gesagt werden und die echt klassische
lateinische Form gereicht der Rede zur hohen Zier. R, D,
Lucern]. Zum erstenmal ist am Schlüsse des Schuljahres 1855 —
66 Ton der Kantonsschale eine wissenschaftliche Abhandlung als Pro-
gramm ausgegeben worden und zwar kurze Geschichte der höheren
Lehranstalt in Lucem Ton Professor J. H. Aebi (12 S. gr. 4). Trotz
ihrer Gedrängtheit gibt doch die Darstellung ein anschauliches Bild
davon, wie sich die Schulanstalt in einer nothwendigen Folge geschicht-
licher Entwickelung bildete und gestaltete, und da die Scholgeschichte
der Schweiz nur wenig bekannt zu sein scheint, so glauben wir, dasz
ein Auszug unseren Lesern nicht unwillkommen sein werde. Während
des Mittelalters hatte Lucern keine wissenschaftliche Lehranstalt. Die
Geistlichen erhielten in Stiftern ihre Bildung und das Kriegshandwerk
war das einzige, worauf die Staatsgemeinde Werth legen konnte und
muste. Die Reformation, hier bekämpft, regte das Bedürfnis an, indes
scheiterten die Versuche an dem Mangel von Lehrkräften, bi^ durch
den Erzbischof Karl Borromeo von Mailand, der recht wol die Wich-
tigkeit des Postens für die katholische Kirche erkannte, die Berufung
der Jesuiten eingeleitet wurde. 1574 trafen nach einer vorläufigen
Vereinigung die ersten Jesuiten ein und eröffneten sofort den Unter-
richt, doch erst 1577 wurde der bindende Vertrag abgeschlossen and
1578 die höhere Lehranstalt vollständig hergestellt. Die Anstalt hatte
rein kirchlichen Charakter und unterschied sich nur wenig von den
andern Lehranstalten der Jesuiten. Interessant ist, dasz als von dem
Provincial in die Theologie das Lehrfach des Kirchenrechts eingeführt
worden war, der tätliche Rath 1728 dieses verbot und seinerseits die
Einführung der Geschichte, Ethik (da schon längst die Moraitheologie
gelehrt wurde, offenbar der philosophischen) und Mathematik forderte,
doch ward dies Begehren, im besten Falle aus der Erkenntnis hervor-
gegangen dasz neben der kirchlichen Bildung auch weltliche Geschick-
lichkeit nothwendig sei, nicht erfüllt, weil man sonst für nothwendig
gehaltene Fächer, namentlich die Logik — die als Mittel der Contro-
verse überaus hochgestellt wurde — hätte beschranken müssen. Das
Bedürfnis nach einer Umgestaltung machte sich aber Jmmer dringender
geltend, und da die Jesuiten bereits sich anderwärts heftig angegriffen
sahen, so willigten sie 1771 in eine solche« Die Anstalt ward nun
iV. Jahrb. f, Phü, «. Paed, Bd. LXXIV. ffft. 13. 43
604 fttirichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, stallst. T9oliseii.
eine staatliche, indem die Herren nnd Obern, von denen schon die Tnl-
tiatiTe zur Umgestaltung ausgegangen war, auch zur Beaufsichtigung
einen Schulräth einsetzten. Die Erweiterung des Lehrplans legte auf
die weltlichen Fertigkeiten einen gröszeren Werth, dasz aber eine voll-
ständige Klarheit nicht herschte, beweist der Umstand, dasz der Schul-
rath 1772 den Theologen das Studium der heil. Schrift, von dem sie
' sich entbunden glaubten, als nothwendig einschärfen ronste. Nachdem
Clemens XIV die Aufhebnne des Jesuitenordens aasgesprochen, erfoiete
dieselbe auch in Lucern und damit schlieszt die erste Periode der Lehr-
anstalt 1774, indes nahm man zu der Auskunft seine Zuflucht, dasz
der Staat aus dem Jesuitenorden aastretende Mitglieder als Lehrer an-
stellte. Sonst blieb die Anstalt unverändert, nur ward die vaterlän-
dische Geschichte aufgenommen. Die prunkvolle jährliche Preisver-
theilung ward mit in die neue Periode hinnbergenommen. Das huma-
nistische Princip war besonders thatig and wirksam durch die Pro-
fessoren Krau er und Zimmermann, welche sich auch selbst In deut-
schen schdnwissenschaftlioheii Schöpfungen versuchten , vertreten und
gefordert. Die dritte Periode wurde durch die franedsiscbe Revolution
und die Aufstellung der öinen und untheilbaren helvetischen Republik
herbeigeführt und in Folge davon 1799 ein durchgreifender Realismus
angenommen. Jedoch schon 1806 trat die 4e Periode durch Zurück*
'fuhrung des Humanismus und Einfahrung des griechischen ein , worum
sich namentlich Lottenbach und Flilglistaller Verdienste erwar-
ben. Eine Erhöhung des wissenschaftlichen Standpunktes und Aus-
dehnung führte 1819 der Staatsrath Ed. Pfyffer durch, welche denn
auch, nachdem die Stürme seit 1841 vorübergegangen, im wesentlichen
noch besteht. Die Anstalt umfaszt jetzt a) eine Realschule mit 3
Klassen; b) ein Gymnasium mit 6 Klassen und folgendem Lehrplane:
Relig. Lat. Griech. Deutsch. Gesch. Geogr. Mathem. Franz. Natg.
L Cl. 2 12 — 4 2 3 3 — —
II. - 2 10 — 4 2 3 3 — —
ITf.
. 2
8
5
4
4
3
3
._
IV.
- 2
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6
4
3
3
3
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V.
' 2
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5
4
2
3
3
3
VI.
- 2
7
5
4
2
— -
3
3
3.
In jeder Klasse sind Lateinisch , Deutsch and Griechisch in der Hand
^ines Lehrers vereinigt. Am Gymnasium lehrten im letzt vergangenen
Schuljahre die Professoren Suter (VI Kl), Rolly (V KL), Fischer
(IV Kl.), Aebi (III Kl.), Amrein (II Kl.), Estermann (I Kl.),
H ersehe (Mathem. und Geschichte), Pfyffer (Franz.) und Kauf-
mann (Natnrgesch.). Die Schülerzahl betrug am Schlüsse des J. 108
(VI 15, V 18, IV 17, III 27, II 10, I 21). Die obere Abtheilang
oder das Lyceum umfaszt 2 Curse, in denen die Religionslehre com-
biniert 2 Stunden von Prof. Leu gelehrt wird. Im In Cursus wird 4 8t.
Philosophie (Einleitung, empirische Psychologie, Logik und Metaphysik)
von Prof. Groszbach, Mathematik 5 St. von Prof. I n eiche n, allge-
meine Geschichte 3 St. von Prof. Groszbach, Schweizergeschicbte
2 St. von Prof. Aebi, Zoologie 3 St. von Prof. Kaufmann, Latei-
nich 4 St. (Cic. Brutus und Tuscul, Horat. Sat.) and Griechisch 2 St.
(Lystas, Xen. Cyrop. Soph. O. C.) von Prof. Kopp, deutsche Littera-
tnrgeschichte 2 St. von Prof. Grossbach vorgetragen. In dam ^
Cursus umfaszt die Philosophie die Geschichte der Philosophie und die
praktische Philosophie; die Geschichte wird fortgesetzt, Im Lat. Cic.
Tusc. und Hör. Bpp., im Griech. Xen. Cyrop. Herod. nnd Tbucyd. er-
klärt. Neu tritt ein die Physik mit 6 und die Chemie mit 2 od. 3 St.
(Ineichen), auch wird die neuere und neueste Litteratnr In Verbmduug
Berichte Aber gelehrte ADstalten, Verordnimgeii, slatist. Notisen. 605
mit Reden und StilSbnngen (von Kopp) in 'S 8t« feiehrt. Prof. Nager
war vor Neujahr 1856 gestorben. Der le Cursns hatte 13, der 2e 12
8chuler. An der theologischen Lehranstalt, welcher in 3 Cur-
sen 17 Studierende angehörten, lehrten die Professoren Tann er, Leu,
8chniid, Schurch und Winkler. Freicurse gibt es für italienisch
und englisch, Gesang und Musik. Das Verzeichnis der Lehrgpgenstande
und Rangnoten ist von den derzeitigen Rectoren B ossär t (Lehrer an
der Realschule) und Prof. He räche unterzeichnet. R. D,
LÜBECK.] Das Katharineum verlor am 27. Jan. 1856 den Prof. W.
H. C. Mos che, am 15. März den Oberlehrer Dr Zerren ner. Znr
Aushilfe wurden die Candidaten Burow und 8artori zagewiesen.
Der Lehrplan erfuhr insofern eine Veränderung, als im III* 2 weitere
grieohische Stunden eingeführt, dagegen der Beginn des englischen von
Quarta nach IIP verlegt, 2 St. im gemeinen rechnen aber in Tertia
gestrichen und nach Quarta zurückgeschoben wurden. Auch in den
Vurbereitungttklassen wurden die Combinationen beseitigt, der Anfang
des lat. Unterrichts nach VI*, des französischen in die letzte Real-
klasse verlegt. Am 18. Febr. 1856 wurde die Errichtung einer 4n Real-
klasse beschlossen. Die Schulerzahl betrug Ostern 1856 352 (I 21,
II 26, lli- 30, Sei. u. III»» 34, IV« 41, IV»> 41, V 36, V»»3I, VI* 39,
VI»> 24, VII 29). Zur Universität wurden Mich. 1855 3, Ostern 1856
3 entlassen. Den Schulnachrichten ist vorausgestellt die Abhandlung
von Prof. Dr C. Prien: Beiträge zur Kritik von j4e§ehylu§ Sieben
vor Theben v. 350—663 (42 S. 4). Des Hm Vf. Studien sind zu hin-
länglich bekannt, als dasz wir ein Wort zu sagen brauchten, um auf
die vorliegende Arbeit aufmerksam zu machen, die, wie wir hoffen, ge-
wis bald von kundigen öffentliche Berücksichtigung erfahren wird.
R. D,
LÜNEBURG.] Im Lehrercollegiura des dasigen Johanneums war im
Schuliahre Ostern 1855 — 56 keine Veränderung vorgegangen, sondern
nur der Collaborator Dr Mo bring zum Conrector ernannt worden.
Erst am Schlüsse schied Dr Muller, einem Rufe an das Lycenm in
Hannover folgend. Die Schulerzahl betrug am 3. Decbr. 1855 348, im
Gymnasium 243 (I 20, II 22, III 37, IV 27, V 52, VI 38, VII 47), in
der Realschule 105 (I 17, II 27, III 61). Zur Universität ^iengen
1855 8, Ostern 1856 9. Die Abhandlung im Programme schrieb Dr
Alb. Müller: Die Mcenische Einrichtung in den Achamem des Aristo-
.phanes (10 S. 4). Durch eingehendes Studium der einschlagenden Lit-
teratur, scharfsinnige Prüfung des Dichterwerkes selbst und genaue
Einsicht in das Wesen des Drama ist es dem Hrn Vf., wie dem Ref.
scheint, gelangen, die schwierige Frage ihrer Losung zuzuführen. Das
Fundament bildet die Untersuchung, ob der Dichter das Stück an Einern
Orte oder verschiedene Theile an verschiedenen Orten spielend gedacht
habe. Die Ansicht des Hrn Verf., dasz zuerst die Orchestra die ayoga,
das Logeion die nvv^ vorgestellt habe und das athenische Volk durch
die 24 Choreuten, die dann Vs 173—204 hinlänglich Zeit zum umklei-
den gehabt, repraesentiert worden sei, hat wol nach dem Dichter selbst
und seinen Tendenzen die gröste Wahrscheinlichkeit; eben so überzeu-
gend wird aber auch dargethan, daaz v. 237—625 auf dem Lande, das
übrige Stück dann wieder in der Stadt spiele. Wenn endlich in der
Decoration der Scenenwand drei Haaser angenommen werden, links von
den Zuschauern das Landhaus des Dikaeopolis, in der Mitte das des Bn-
ripides, rechts das des Lamachos, so hat auch dies viel wahrschein-
liches, indes lieszen sich wol noch manche Bedenken erheben, nament-
lich das, ob es dem Publicum mehr zugemuthet hiesz, 3 Häuser, weit
von einander räumlich entlegen, dennoch neben einander fortwährend
vor den Aogen stehend zn haben, oder bei Verwandlung der Scena
43*
606 BerioWe aber gelehrte AnstaUeD, Verordnungen, ttatisl. Notisett.
(die der Phantasie durch blosse Andentangen ermöglicht und durch
blosze Unidrehnng der Periakten erleichtert wurde) das nur än^ter-
Jich nicht reränderte Haus als ein anderes zu denken. Uns scheint
das letztere angemessener und es wird dabei auch der Ton dem Hrn
Vf. selbst gegen seine Ansicht erhobene Binwand, dasz Dikaeapolis von
dem Protagonisten dargestellt worden sei, diesem aber der Regel nach
die mittlere Thur zugewiesen war, beseitigt. A. D.
Magdeburg]. Das Lehrercollegium des Paedagogiums zum Kloster
u. 1. Fr. bestand, nachdem Prof. Dr Schwalbe zur Uebernahme
des Directotats am Gymn. in Eis leben und der Lehrer Dr Eiselen
zum Antritt eines Pfarramts ausgeschieden, der Oberlehrer Dr G. A.
Kloppe am 9. Aug. 1855, der le Hulfslehrer Dr K. Krdr. Acker-
mann am 22. Aug. dess. Jahres gestorben, die erledigten Lehrsleilen
aber durch Berufungen wieder ersetzt waren, aus dem Dir. Prof. Dr
>luller, den ConTentualen Proff. Hennige, Dr Hasse und Michae-
lis (neu ernannt), dem Oberlehrer Dr Keldhugel (vom Gymn. in
Zeitz berufen), den CuUegen Dr Schmidt, Dr Götze, Dr Deuschle
(▼orher am Gymn. zu Hanau), Dr Krause, Dr Leitzmann, Dr Dan-
neil, Dr Arndt, Banse, den Hfilfslehrern Dr Steinhart (neu an*
festeilt), provisor. Cand. Ortmann und Friedemann, Gesanglehrer
! hrl ich, Zeichenlehrer T. Hopffgarten und Probecandidat Dr Born.
Die Schulerzahl betrug Ostern 1856 441 (T 25, II 40, III« 26, IIP 41,
IV* 34, IV»» 58, V« 54, V»> 51, VI* 68, VP 44). Abiturienten waren
Ostern 1855 5, Mich. 6, Ostern 1836 6. Die Abhandlung schrieb Ober-
lehrer Dr Götze: einige Bemerkungen zum geographi§chen Unter-
richte (26 S. 8). Dieselbe ist von christlichem Geiste und Erkenntnis
getragen und beruht auf klarem und scharfem denken, so wie eifrigen
und sorgfältigen Studien. Sehr richtig bespricht der Hr Vf. in der
Einleitung die wissenschaftliche Aufgabe, welche die Geographie zn
lösen hat (es versteht sich, dasz der Hr Vf. dem Gymnasinm nur die
Vorbereitung dafür zutheilt), indes können wir nicht bergen, dasz mit
den Worten : ^nachzuweisen, wie sich die von Gott eingesetzten Herren
der Erde zn ihr verhalten' leicht schiefe und zu enge Vorstellungen
sich verbinden können. Abgesehen davon , dasz mit 'die Herren' aas
Menschengeschlecht nicht gut bezeichnet ist und ' sich verhalten ' auch
biosz psychologische Stimmungen und daraus hervorgehende Handlun-
gen bedeuten kann, fordert der Name Geographie, wenn er anders
beibehalten werden soll, dasz die Erde immer als das Object voran
gestellt werde, wenn schon ein wirkliches Verhältnis ohne Wechsel-
seitigkeit unmöglich ist. Wir würden daher lieber sagen: das Ver-
hältnis nachzuweisen, in welchem die von Gott geschaffene und in ihrer
Gestaltung gelenkte Erde zn dem Menschen, der zu ihrem Herren be-
stimmt ist, steht. Darüber, wie die Geographie als geistbildendes
Element gelehrt und wie sie mit dem gesamten Kreise des Gymna-
siums in Znsammenhang gebracht werden müsse, wie ihr Umfang und
ihre Methode nach religiös sittlichen, wissenschaftlich paedagogischen,
patriotischen und aesthetischen Gesichtspunkten geregelt, welche Hulfs-
mittel herbeigezogen und wie sie selbst wieder zum Mittel für anderes
gemacht werde, endlich wie der Unterricht praktisch zu gestalten und
zn vertheilen sei, darüber findet sich viel gutes und treffendes gesagt.
Dasz manches dabei etwas ideal erscheint, wird von dem nicht getadelt
werden, der da weisz, dasz stets der Lehrer ein Ideal verfolgen mnsi,
wenn er anders recht tüchtig wirken will. Doch dürfen wir uns einige
Bemerkungen erlauben, so möchten wir zuerst darauf aufmerksam ma-
chen, dasz wenn schon die Beschränkung der speciellen Kenntnisse auf
die griechische , romische nnd deutsche Welt princlpiell gewls richtig
ist, weil nur an den Landern, von welchen die Geschichte tiefer anfge-
Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 607
faszt und erkannt ist, auch tiefere geographische Bildung gewonnen
werden kann, dennoch die deutsche Welt einer engeren Beschränkung
bedarf. Wollte man überhaupt alle germanischen Volker darunter ver-
stehen, so würde man doch fast die Ausdehnung auf die ganze Erde
vornehmen müssen. Ueberhaupt ist die Frage nicht ganz zu erledigen,
wenn nicht erst eine andere allgemeinere entschieden wird, nemiich
die, ob nicht in der obersten Klasse der Unterricht besser mit ein-
gehender Behandlung der alten Geschichte, als mit der ausfuhrlicheren
lind specieÜeren Uebersicht über die mittlere und neuere abschliesze.
Wie jetzt die Einrichtungen meistens bestehen, konnte der Hr Vf. nicht
anders urteilen, als wie er seine Ansicht aufgestellt hat, uns aber will
es bedünken , als konnten die tieferen Aufgaben des geographischen
Unterrichts am besten an den beschränkteren Gebieten Griechenlands
und Roms gelöst werden, während Deutschland immer ein schwieriger
zu übersehendes Gebiet bildet. Eine zweite Bemerkung bezieht sich
auf die Methode, in welcher der Hr Vf. auf das Gedächtnis einen za
geringen Werth zu legen scheint. Das Gedächtnis ist die Handhabe
für den Geist. Die Bildung von Anschauungen kann nicht ohne das-
selbe erfolgen, und Ref. ist überzeugt, dasz man für die Geographie
eben so sehr ein bestimmtes Gedächtniswissen fordern miisz, wie für
die Geschichte, wenn anders tiefere Auffassung stattfinden soll. Nach
meiner Erfahrung habe ich gerade den geographischen Stoff als höchst
geeignet zur Gedächtnisübung gefunden, weil die räumlichen Verhält-
nisse eben so zwingend auf den Geist einwirken, wie die Erhebung des
aufgenommenen Stoffes zur Anschauung vermitteln. Die Geographie
hat in dieser Hinsicht mit der Mathematik viele Aehnlichkeit. An-
schauung ist freilich das, worum sich die Methode des geographi-
schen Unterrichts dreht, wir glauben aber, dasz gerade hierin ein
vernünftiges Masz der Forderungen einzuhalten ist. Selbst die deut-
lichste und lebendigste Beschreibung vermag nicht ein der Wirklich-
keit entsprechendes Bild der Seele zu geben, und selbst ein gutes Bild
in die Wirklichkeit umzusetzen, gelingt nur wenigen. Man hat also
in dieser Hinsicht jungen Leuten, die noch wenig wirklich gesehen und
noch an wenigem sich geübt haben, gewis in dieser Hinsicht nur wenig
zuzumuten, um so mehr aber Vorsicht zu beobachten, als die Phan-
tasie nur zu leicht falsche Bilder aufnimmt , die dann nicht so leicht
zu beseitigen sind. Um nicht zu weitläufig zu werden, begnügen wir
ans mit Aufstellung der Sätze: 1) Die nächste Aufgabe, welche der
geographische Unterricht lösen musz und kann, ist Orientierung auf
und mitteist der Karte : das Bild der Karte musz der Seele so fest
eingeprägt werden, dasz der Schüler sich stets die Lage zweier Orte
zu einander nach den Himmelsgegenden, die Umrisse eines Landes, die
Ausdehnung eines Gebirges, die Richtung der Ströme usw. vergegen-
wärtigen kann. 2) Weiter ist Anschauung dadurch zu vermitteln, dasz
der Schüler von dem wirklich angeschauten, also zunächst in der Hei-
mat vorhandenen, auf ähnliches zu schlieszen angeleitet werde. 3) Bil-
der sind oft zu benutzen« aber auch durch Erklärung die Anschauung
der Wirklichkeit näher zu bringen. Zur Erläuterung füge ich nur
hinzu, dasz, werden Harz gesehen, deshalb noch nicht im Stande ist
sich die Alpen zu denken, wer mit der Magdeburger Ebene bekannt,
daraus noch nicht ein Bild einer Steppe sich entwerfen kann; ein deut-
scher Wald ist von einem amerikanischen Urwald weit verschieden.
Das höchste, was man dem Schüler zumuten kann, ist, das angeschaute
in veränderter Gestalt oder in anderem Massstabe zu denken, wodurch
man dahin gelangt , auch das Bild in die Wirklichkeit sich umsetzen
zu lernen. Für die Anschauung halte ich nun aber gerade etwas für
wichtig , was dem Hrn Vf. nicht so gefällt, die klare und praecise De-
606 Beriehle ttber gelehrle Anstalten, Verordnongen, tUtitt. Noiiseii.
finition, freilicYi niclity wenn sie far den Schüler nur Worte enthalt,
fondem wenn sie eben ein Mittel ist, mittelst des begriffenen und be-
haltenen Wortes sich eine Anschauung xnruckzarnfen. Wenn endlich
der Hr Vf. den Zeichenunterricht zum Kartenzeichnen herbeigezogen
wissen will, so können wir dem nicht beistimaien 7 einmal weil Karten
nicht zu den eigentlichen Werken der bildenden Kunst gehören und an
ihnen wol Grenauigkeit und Sauberkeit, nicht aber die Auffassung eines
Gegenstandes im Bride geübt werden kann, also ihr zeichnen dem Zwecke
des Zeichenunterrichts nicht entspricht, sodann weil nicht sowoi die
Ausführung der Karte als vielmehr ihre Einpragung und Gestaltung
zum Bilde der Wirklichkeit in der Vorstellung für den geographischen
Unterricht Werth hat, weshalb wir auch augenblicklichen Zeichnungen
kl der Stunde, mögen sie selbst carrtcaturartig ausfallen, dennoch einen
Platz nicht versagen mögeA. Nur der hat eine sichere Auffassung, der
im Stande ist, das Bild der Karte ana dem Kopfe ohne bedeutende Feh-
ler in den Ränmiichkeitsverhältnissen wiederzugeben. Vielleicht sind
diese wenigen Bemerkungen dem Hm Vf., dem wir unsere vollste Ach-
tung versichern, einiger Beachtung werth. R, D.
Meisz^n.] Laut des zum 3. Juli dieses Jahres ausgegebenen Jahres-
berichts hatte die königi. Landesschule im Lehrercollegium keine Per-
sonalveränderung erfahren. Zur Universität giengen Mich. 1865 8,
Ostern 1856 6. Der Coetus zählte l48 (I 34, II 38, III 32, IV« 35,
IV b 9), 131 Alumn<^n und 17 Extraneer. Die Abhandlung im Programme
vom Prof. Dr Hofmann: über den Berg Galilaea (Matth, 28 16), ein
Beitrag zur Harmonie der evangeliichen Berichte von den Ertehei-
nungcn dei Aufergtandenen (37 S. 4) nimmt die von Soarius (f 1580),
dann von Harduin und Heumann (1740) aufgestellte, seitdem aber
in Vergessenheit gerathene Hypothese, dasz der nördliche von den drei
Gipfein des Oelberges, über welchen der Weg nach Galiläa führte und
woselbst die nach Jerusalem zu den Festen reisenden Galiläer ihre Her-
berge hatten, den Namen Galilaea gefuhrt, wieder auf und bringt für
dieselbe mit Gelehrsamkeit und Scharfsinn solche Begründung bei, dasz
ihre Wahrheit viel evidenter als früher erscheint. Wie viel durch die-
selbe für die Uebereinstimmung der evangelischen Berichte und gegen
die den Mangel daran als ihre Haoptwaffe fuhrende destruierende Kritik
gewonnen werde, kann kundigen nicht entgehen. R, D.
Meran.] Das k. k. Gymnasium hatte im Schuljahre 1855 — 56 im
Lehrerpersonale keine Veränderung erfahren. Die Schälerzahl betrug
am Schlüsse 161 (I 31, 11 25, III 21, IV 20, V 20, VI 11, VU 22,
VITI 11). Die Maturitätsprüfung hatten im J. 1855 12 bestanden. Die
den Schnlnachrichten vorausgestellte Abhandlung (der Vf. ist nicht ge-
nannt, am Schlüsse steht ein X): wie konnten die griechiMchen Kirchen^
lehrer Gymnasiallehrer werden (6 S. 4) ist zwar recht gut gemeint,
stellt auch keineswegs die Sache auf die Spitze — vielmehr sollen Ab-
schnitte aus den griechischen Kirchenvätern als Belohnung mit fleiszigen
Schülern gelesen werden, indes kann in solcher Kürze unmöglich ein
überzeugendes Resultat gewonnen und begründet werden; am wenig-
sten aber läszt aich so die Krage, ob denn wirklich einzelne Kirchen-
väter an Eleganz der Sprache und des Stils den alten Klassikern nicht
nachstehen, leicht abthun. Der Hauptpunkt, dasz griechisch zu keinem
andern Zwecke gelehrt wird, als um in die griechische Geistesbildung
einzuführen, ist nicht berührt. R. D.
MuHLHAUSEif.] Das hiesige Gymnasium hatte im Schuljahre Ostern
1855— 56 im Lehrercollegium keine Veränderung erfahren. Die Schü-
lerzahl betrug am Schlüsse WO (I 12, II 9, III 20, IV 32, V 37). Abi-
turieiiten waren 6. Als auf etwas interessantes machen wir auf die in
den Schulnachrichten S. 15 f. in einer Note gegebene Mittheilung darüber
B^ricble über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 609
aufmerksam, wie die Programme in der Gymnasialbibliothek geordnet
und zusammengebunden werden. Dem Programme beigegeben ist die
Abhandlung über die thucydideißche Beschreibung- der Belagerung von
Syracus im 2n sicilischen Kriege (Thuc. VI 94 — VII 7) nebst einer
lithographierten Plankarte Tom Collab. Herrn. Meinshan8en(llS. 4).
Dieselbe ist eine klare und anschauliche Erläuterung, welche wir Leh-
rern und Schulern zur Benutzung bei der Lecture bestens empfehlen
können. R. D,
Herzogthum Nassau.] Durch eine Verordnung v. 22. Marx 1856
wurde an den humanistischen Gymnasien des Landds die Zahl der Klas-
sen von 8 auf 7 reduciert. Die 5 untern Klassen (Septima — Tertia)
haben einjährigen, die beiden obersten (Secunda und Prima) zweijäh-
rigen Cursus. Steigt die Zahl der Schüler in den letzteren Klassen auf
mehr als 40, so soll Theilung in 2 Coetus gestattet sein. AusnahmS'
weise kann ausgezeichnet beföhigten Schulern das aufrucken aus Se-
cunda schon nach einem Jahre, wenn sie das Klassenpensum absolTiert,
gestattet werden. Personalveräuderungen waren an den Gymnasien
iulgcnde eingetreten: von Wiesbaden wurde Ostern 1855 der Colla-
borntor Bogler nach Hadamar versetzt, dagegen Mich. des«. J. der
nach der Klassenreduction in Hadamar überflussig gewordene, einst-
weilen an der Realschule in Höchst verwendete Candidat Biehl ange-
stellt. Vom Gymnasium zu Hadamar war auszer dem eben erwähn-
ten Aushülfälehrer in derselben Zeit auch der Cand. Brandscheid
ausgeschieden, ferner im Jan. 1866 der Professor C. Müller zur pro-
visorischen Versehung des Referats in Schulsachen nach Wiesbaden
berufen. Dagegen wurden auszer dem erwähnten Collaborator Bogler
der Cand. Ge. Krebs angestellt, auch der vormalige Seminardirector
Bellinger rehabilitiert und zum Professor am Gymnasium ernannt.
Die Schülerzahlen betrugen :
I
n
III
IV
V
VI
Vit
Sa.
Abit. Ost
Wiesbaden
14
19
26
21
12
31
20
143
7
Weilburg
14
35
14
10
19
17
18
127
2
Hadamar
22
19
18
20
19
22
16
136
12.
Am Paedagogium zu Dillingen, das im Lehrerpersonal keine Verän-
derung erfahren hatte, betrug die Schülerzahl 36 (T 6, II 10, III 12,
IV 8). Zur Vergleichung stellen wir die Schülerzahl des Realgym-
nasiums in Wiesbaden bei: 158 (incl. 5 Hospitanten), nemiich Vfl
25, VI 36, V 33, IV 19, III 25, II 7, I 8. Die den Programmen befge-
gebenen Abhandlungen sind: 1) Gymnasium in Wiesbaden vom Dir.
Oberschulr. K. W. Lex: Elternhaus und Schule (19 S. 4). Diese
Abhandlung macht keinen Anspruch darauf etwas neues zu bieten, ist
aber eine wolgemeinte und klare Darstellung des allgemeinen, was die
Schule vom Hause fordern musz und kann. Ref. glaubt, dasz man zwei
Klassen von Aeltern unterscheiden musz, solche, welche aus eigener Ver-
kommenheit die Erziehung vernachlässigen und sich an den Kindern ver-
sündigen und solche, welche bei gutem Willen aus Schwäche und Man-
;el an Rinsicht fehlen. Den erstej*en gilt es mit apostolischer Kraft
las Gericht vorzuhalten und sie zur Busze zu treiben; die anderen aber
müssen belehrt und unterwiesen werden. Man wird die letzteren mit
den allgemeinen Grundsätzen, welche man ihnen vorhält, sehr leicht
und mit voller Ueberzeugung einverstanden finden, aber in der Anwen-
dung und Ausführung dennoch dieselben geradezu ins Gesicht schlagen
sehen. Für sie ist Belehrung über die Polgen jeder einzelnen unbe-
deutend und einfluszlos scheinenden Maszregel nothwendig. 2) Gym-
nasium zu Weilburg vom Prof. Krebs: eommentatio de posteriore parte
reliquiarum libri ociavi bibliothecae historicae Diodori Sieuli (17 S. 4).
Der Hr Vf., der schon durch die lectiones Diodoreae seine Befähigung
dl
610 Berichle über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statisl. Natiieo
hinlänglich bewiesen, bebandelt hier die Excerpte des 8a Buches Tom
c, 46 ed. Bekk. an. Er sncht überall die Stelle nachzuweisen, an
welcher Diodor das im Excerpte enthaltene geschrieben habe, sowie
das Verhältnis zu den Ueberliefernngen anderer, wodnrch er meisten-
theils auf die Quelle geleitet wird, aus der Diodor ceschopft. Die ein-
zelnen Excerpte scheinen allerdings an manchen Stellen noch der Emen-
datiun oder doch wenigstens sprachlicher Erläuterung zu bedürfen. Der
Hr Vf. hat sich meistentheils mit den Verbesserungen Dindorfs be-
gnügt; die sachliche Erörterung ist ihm die Hauptsache und dabei hat
er denn auch für viele Ereignisse der alten Geschichte recht werth-
volle Beiträge geliefert. Interessant ist die Conjectur, dasz bei Cic^
de rep. II 14, wo die Zahl der Regierungsjahre des Numa angegeben
wird, unetquadraginta zu lesen, für welches der Hr Vf. freilich kein
Beispiel, wol aber die Analogie von unetvicesimuM und unetoicesimanuM
nachweist. 3) Gymnasium zu Hadamar vom Collab. H. Coiombei:
vita M. Rhahani Mauri, primi Germaniae praeceptoris (17 S. 4, zum
Theil sehr kleinen Druckes). Die Lebensbeschreibung ist für die Schu-
ler bestimmt, um von dem Manne, dessen 1000 jähriger Gedächtnistag
(er starb 6n Febr. 856) kurz vorher gefeiert worden war, ein zu
ernstem Streben anregendes Bild zu geben. Man kann nfcht anders
sagen, als dasz dem Vf. seine Absicht recht wol gelungen, obgleich man
wol an manchen Stellen gegen das Latein von Seiten des strengen Pu-
rismus Einwand erheben und in Bezug auf einige Thatsachen schärfere
kritische Prüfung der Zeugnisse wünschen mochte. Wir haben des
Hrabanus Werke nicht zur Hand, und sind daher nicht im Stande zu
beurteilen, ob die aus ihnen angeführten Stellen genau mit dem Urtexte
stimmen 7 keinesfalls aber hätten Verse wie carmina nempe tua dico
meliora Moronis uder Ethicac monitii et sophiae studiis und Scribendi
ingratum non apernaa^ posco, laborcm, an welcher Stelle eine Emen-
dation uns unbedingt nothwendig erscheint, Schülern vorgelegt werden
sollen ohne eine Bemerkung ; denn sie werden gar zu leicht über den
Urheber absprechen. 4) Realgymnasium zu Wiesbaden v. Conr. Dr C as-
sei m a n n : Beiträge zur Kenntnis der Oxydchloride (20 S. 4). A. D,
Nkustreutz]. Da im J. 1806 das Schulhaus zu Neustrelitz ein-
geweiht worden war und die Errichtung und Vollendung dieses Gebän-
des einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte des dortigen Schul-
wesens bildet, so hat der Director des dasigen Gymnasium Carolinum,
Schulrath Dr K. Herm. Rättig zu der deshalb veranstalteten Saecu-
larfeier eingeladen mittelst einer Schrift: zur Geschichte der Organi-
sation des Neustrelitzcr Schulwesens vom J. 1795 — 1838 (58 S. 4).
Die Geschichte einer einzelnen Schule oder eines auf engern Raum be-
grenzten Schulwesens hat ein hohes Interesse, weil nicht allein von
einer solchen Anstalt ein bedeutender Theil des Lebens und seiner re-
ligiösen und sittlichen Gestaltung abhängt, ihre Geschichte also eine
wichtige Seite der Culturgeschichte ist, sondern auch innerhalb leich-
ter übersehbarer Grenzen die zur gedeihlichen Entwickelung eines
organischen ganzen nothwendigen Bedingungen aufgezeigt und dadurch
eben so ernste Warnungen, wie ermutigende Beispiele und gründliche
Belehrungen geboten werden. Wer aus der vorliegenden Schrift den
Zustand kennen lernt, in welchem sich das Schulwesen der Residenz-
stadt Neustrelitz vor 1795 befand, der wird in der That erschrecken,
aber auch bedächtig erkennen, wie der früheren Zeit angemessene In-
stitutionen mit dem schwinden des sie tragenden Geistes und der Ver-
änderung der äuszeren Bedingungen nothwendig in ihr Gegentheil um-
schlagen müssen. Um so ermutigenderen Eindruck dagegen macht die
Wahrnehmung, wie redlicher Eifer auch unüberst^figliche Schwierig-
keiten be&iegt, während belehrend die Erkenntnis dazu tritt, dasz lang-
Berichia aber gelehrte Anstalten, Verordnangen, etatist. Nottsen. 611
same Entwicklung viel bessere und danerndere Resultate liefert, als
rasches eingreifen and umgestalten. Es ist für den Ref. besonders in-
teressant gewesen , den idealistischen Ansichten so vieler gegenüber,
aus der Schrift die Ueberzeugung za entnehmen, wie gesetzliche Be-
stimmung, auch selbst beim Vorhandensein des besten Geistes, nicht
etwa nur zur Abwehr falscher Richtungen, sondern auch zur Kräfti-
gung des guten , als nothwendiges Bedürfnis sich herausstellt und wie
sie, unter vernünftiger Berücksichtigung der individuellen Freiheit ent-
worfen und mit weiser Mäszigung gehandhabt, nur vortbeiihaft wirken
kann. Man wird zwar finden, dasz das Schulwesen von Neustrelitz
ziemlich alle die Phasen durchgemacht hat, weiche das deutsche Schul-
wesen überhaupt durchlaufen, aber auch erkennen, dasz manches
dort bereits früher in klarer Bestimmtheit erkannt wurde, worü-
ber man anderwärts erst durch bittere Erfahrung ins reine karo^
obgleich man dabei nie vergessen darf, dasz man nirgends leichter
über die allgemeinen Grundsätze einverstanden ist, dagegen aber auch
nirgends in ihrer Ausführung leichter irre greift, als auf dem Gebiete
der Paedagogik. Es ist beachtenswerth , dasz im Jahre 1820 dort der
Grundsatz festgehalten ward: 'da in einem christlichen Staate der
Zweck aller Bildungsanstalten nur die Pflege christlicher Erkenntnis
und Gesinnung sein darf, so wird auch dem Gymnasium Carolinum
dieses Ziel bestinynt und ausdrucklich angewiesen' (S. 37), ein Beweis,
dasz den Gymnasien selbst in der Zeit, wo das christliche Leben sehr
darniederlag (dasz dies auch dort der Fall gewesen, beweist das
S. 40 f. beigebrachte), dennoch durch Gottes Gnade das Bewustsein
nicht schwand von dem christlichen Wesen der Schulen. Bedeutsam
ist ferner die entschiedene Aufstellung von Grundsätzen, wie (S. 33):
'soll keine Ueberbildung stattfinden, sollen keine Treibhauspflanzen
hervorgebracht werden, so musz die Schule der Universität nicht vor-
greifen. Die Zeit reicht nicht hin zur Erwerbung gründlicher Schul-
kenntnisse, wenn man über die Grenze hinausgreift; es setzt aber
auch auszerdem der Unterricht in der Philosophie, in der Geschichte
nach höheren Gesichtspunkten usw., wenn er gedeihen soll, nicht nur
gründliche Schulkenntnisse voraus, sondern auch eine Reife des Alters
und der Erfahrung, welche der Schüler weder haben kann noch soll.
Wir wollen, dasz sich unser Gymnasium weise beschränke und statt in
vielem wenig zu leisten, in den Zweigen des Wissens, die wir bezeich-
nen werden, einen gründlichen, die fernere Ausbildung kräftig unter-
stützenden Unterricht ertheile', und: 'gründliche Belehrung in der
Muttersprache, den alten Sprachen und der Mathematik ist das we-
sentlichste Bedürfnis für den künftigen gelehrten, es wird aber auch
zugleich durch einen Unterricht, welcher Ernst und Anstrengung er-
fordert, dem Charakter des Schülers eine Haltung gegeben, die ihn
durchs Leben vor allen Verirrungen der flachen Vielwisserei bewahrt.'
Die mitgetheilten Rescripte und Expositionen bringen durch die weise
Einsicht und die das Herz ergreifende Sprache einen trefflichen Ein-
druck hervor. Man wird endlich gewis mit dankbarer Anerkennung
das landesviterliche Wohlwollen für die Schulen ehren, welches die
beiden Groszherzoge Carl Ludwig Friedrich und Georg so
thäti^ bewiesen, man wird den lebendigen Eifer eines v. Türk und
die tiefe Einsicht des Ministers v. örtzen würdigen, man wird sich
durch die Bilder solcher Schulmänner, wie Visbeck, Hörn, Siefert,
Kämpffer und Eggert vielfach angeregt fühlen. Wenn wir aber
so die Schrift wegen ihres Inhalts dringend empfehlen, so verdient der
Hr Vf. unsern besten Dank für den Fleisz, mit dem er die Quellen
durchforscht, für die Umsicht, mit der er aus ihnen das beste ausge-
wählt, für die Klarheit und Uebersichtiichkeit, mit der er das ganze
&12 Berichte aber gelehrte Anstalteu, VerordnuDgen, etaUat. Noluei.
dar^restellt und su einem entsprechenden Bilde gestaltet bei. SoUea
\f\r nach Recensenten Art auch Ausstellunffen machen, so finden wir
deren nur zwei: einmal scheint es uns als hätte hier and da der Hr
Vf. für das grösiere Publicum, für das doch seine Schrift eacb be-
rechnet ist, ausführlichere und begründetere Urteile geben aollen.
Wir wissen zwar die Objectivität, welche die hingestellte Tbatseche
für sich reden und über sich zeugen läszt, wol zu schätzen, farcbteo
aber, dasz die hier und da beigesetzten Ausrufe- und Fragoieichcn
Ton manchen nicht, ron anderen falsch verstanden werden. Zwaitena
aber hätten wir gewünscht, dasz S. 45 mehreres weggelassen wäre,
weil es doch ein nicht ganz angemessenes Licht auf eine noch lebende
und in hoher Achtung stehende Person wirft. R, JD.
NonuH.vusEN.] Das Lehrercollegiuni des dasigen Gymnasiums hatte
in dem Schuljahre 1855 — 56 keine Veränderung erlitten, ausyer den
der Candidat Reidemeister nach Vollendung seines Probcdahres als
8r ordentlicher Lehrer angestellt wurde. Die Schülerxahl betrag 275
(I 18, 11« 20, !!»> 23, 111 37, IV 54, V 60, Vkl. 63). Abiturienten
waren 7. Den Schulnacbrichten vorauf«ges(eIit ist vom Dir. Dr K.
Aug. 8chirlitz: Fortrag bei der Sn Saecularfeier da aug»kurgtf
Religion sfricdens am 25n Scptbr, 1855 (148. 4). In der ans den schon
verölfentlichten Reden des Hm Vf. bekannten Weise wird nach einer
übersichtlichen Kinleitung über die Geschichte das Thema ausgeführt:
Wie wir das theuer errungene Palladium der Freiheit unseres Glaa-
bensbekenntni&ses und unserer Religiontigebräuche anzusehen haben:
1) als ein Geschenk , für das wir Gott nicht genug danken konnea;
2) als ein Kleinod, dessen Vertheidigung und Erhaltung uns über alles
gehen musz; 3) als ein Zeichen, das uns erinnern soll die Einigkeit sa
halten im Geist durch das Band des Friedens. A. II.
Quedli.nuurg]. Von dem königl. G^mna.sium schied nach öOjahriger
Dienstzeit Mich. 1K55 der Prof. F. H. Ihlefeld, dem in den Ostern
I8.')6 ausgegebenen Schulnachrichten das ehrenvollste Zeugnis nachge-
rufen wird. Das Lehrercollegium bestand darauf aus dem Dir. Prof.
Richter, Prorect. Prof. Schumann, Cunrect. Dr Schmidt, Sabr.
Kallenbach, den Oberlehrern Dr Matthiae, Gossrau, Pfau,
Pastor Kichenberg, Gymnasiallehrer Schulze, Ilulfslehr. Forcke
(im Novbr. 18'>5 angestellt, vorher Hülfsb»hrer am G>mn. zu Stendal),
Schreib- und Zeichcnlehr. Riecke und Musikdirector Wack ermann.
An dem Gymnasium bestehen zwei Realklassen für diejenigen, welche
Griechisch nicht mit lernen, doch hat nur die erste derselben 4 Stun-
den (2 Engl., 2 Franz.) für sich, die übrigen, so wie die zweite alle
6 durch Coinbination mit der iiächsthöhern französischen, historischen
rpsp. naturwissenschaftl. Klasse. Die Schülerzahl betrug am Schlosse
de.« Schuljahrs 223 (1 13, II 27, Hl 43, IV 45, V 49, VI 46), Abita-
rienten Ostern 5, Mich. G. Das Programm enthalt als Abhandlung TOO
dem Dir. Prof. Frz VV. Richter: die altßrieclii§che Tragotdie und
das altgrieehiache Theaterwcseu mit vorzuglicher RückMieht auf dU
Tragödie (28 S. 4 mit einer lithogr. Abbildung). Ks ist wnascnens-
werth, dasz die Schüler der Gymnasien von den Einrichtungen des
griechischen Theaterwesens und der Entwicklung, wie den herrorra-
gendsten Erscheinungen der dramatischen Gattung einige Kenntnisse
gewinnen. Ganz natürlich wird sich in denen, welche Tragikerlesen,
von selbst Verlangen darnach regen und der Lehrer wird um so mehr
die<«em nachzukommen suchen müssen, je mehr jene Kenntnisse die An-
srhaunng zu fördern und das Interesse zu beleben im Stande sind. Man
hat deshalb an vielen Orten Einleitungen der Leetüre vorangeschickt,
allein nicht selten die Erfahrung gemacht, dasz man damit der Lee tu re
verhältnismä-^zig Tiel Zeit entziehe, weil schon die Aufzeichnung der
Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordniuigen, statuit. Notiien. Qi3^
den Schalem ganz fremden Namen und Worte, noch mehr aber die
Einprägun^ derselben nicht wenig Muhe macht. Dieser Schwierigkeit
abzuhelfen hat man rersucht, den Schälern zum eignen Stadium ge-
druckte Schriften in die Hände zu geben. Wo ein Reallexikon, wie
das von Lubker herausgegebene, in den Händen der Schuler ist — und
dasz dies der Fall sei, ist gewis wunschenswerth — wird man diesel-
ben an die darin enthaltenen Artikel verweisen. Nach des Ref. Ueber-
zeugung sind in dem genannten Buche die Artikel Theatron und Tra-
eoedie, abgesehen von einzelnem zweifelhaften, worüber man anderer
Meinung sein kann, in einer Weise bearbeitet, dasz der Schuler sia
mit genügendem Gewinne durcharbeiten wird. Gleichwoi kann auch
beim Vorhandensein solcher Hülfsmittei dennoch entweder eine zusam-
menhängendere Darstellung oder eine ausführlichere und anschaulichere
Beschreibung als Bedürfnis erscheinen. Aus diesem Bedurfnisse ist die
von uns Bd. LXV S. 319 besprochene Schrift ven Rothmann: da»
Theatergebäude zu Athen hervorgegangen, ihm ist auch die vorliegende
einen umfassenderen Zweck berücksichtigende Programmenabhandlung
entsprungen. Dieselbe enthält alles, was für den Schüler wissenswerth
ist, in übersichtlicher Zusammenstellung und klarer Sprache. Wenn
schon der geehrte Hr. Verf. sich aller gelehrten Citate enthalten — er
bedauert, dasz er nicht hier und da die Stellen der Quellen habe ab-
drucken lassen können, worin wir jedoch für den Schüler keinen Nach-
theil sehen — , so gibt doch die Schrift hinlänglich Zeugnis, dasz sie
aus sorgfältig prüfendem Studium sowol der Quellen, als auch der
neueren gelehrten Kriauterungsschriften hervorgegangen ist. Man wird
vielleicht gegen die Charakteristiken des Aeschylus, Sophokles und Eu-
ripides einv%enden, dasz der Schüler die Kenntnis davon lieber aus eig-
nem Studium gewinnen solle, allein es ist dies nicht möglich, immerhin
aber dem Schüler, der an einzelnes zu gehen Gelegenheit hat, förder>
lieh, wenn er in voraus auf das aufmerksam gemacht wird, was er bei
der Lesung zu beachten hat. Das hier gegebene geht nicht über seinen
Kreis hinaus und wird ihn nicht leicht zum nachsprechen fremder Ur-
theile verleiten. DankcnswertU ist die beigegebene Abbildung. Da
indes schwerlich ein Schüler sich leii ht in die S. 14 f. aus Vitruv von
dem Grnndrisz des griechischen Theatergebäudes gegebene Constructiou
zurechtfinden wird, so hätten wir die Beifügung einer Zeichnung, wie
sie recht anschaulich das Lübkersche Reallexikon gibt, gewünscht.
Doch, abgesehen von dieser Kleinigkeit, ist die Schrift bestens zu
empfehlen. Ä. D.
RatiborJ. Nachdem am königlichen evangelischen Gymnasium der
interimistische Director Pror. Dr W. Passow zum Director definitiv
ernannt worden war, ruckten der Conr. Kel 1er in das Prorectorat, die
übrigen Lehrer in die nächsten höheren Stellen, in die 8te der vorhe-
rige Hülfslehrer Preditjamtscand. Zand er auf. Der als zweiter Hülfs-
lehrer neu angestellte Candid. Schaob schied nach wenigen Wochen
wieder aus, um eine feste Stellung an der städtischen Schule zu Inow-
raclaw zu übernehmen, und wurde durch den das Probejahr abhal-
tenden Candidaten Dr. Klemens ersetzt. Mich. 1865 gieng gleichfalls
der Hülfslehrer Schneck als Collab. an das kath. Gymn. zu Breslau;
an seine Stelle trat der vorher an eben genannter Anstalt beschäftigte
Cand. Schreck. Das Lehrercollegium bestand demnach Ostern 18J6
aus dem Dir. Prof. Dr Passow, Pror. Keller, Conr. König, den
Oberlehrern Kelch und Pulle, den ordentl. Lehrern Reichardt,
Li Cent, theo I. Storch (kath. Religionslehrer), Kinzel, Wolff, Zan-
der, den Hülfslehrern Schreck and Dr. Klemens, dem Superint.
Redlich, Zeichenlehrer Schäffer und Gesang- und Turnlehrer Lip-
pelt. Die Schülerzahl betrog Ende 1865 408 (T 31, II 60, III« 42,
614 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, stttiet. Noiisei.
ITT»» 39, IV« 40, IV»» 36, V 81, VI 77). Abiturienten waren Ostern
1856 7. I>ie den Schulnachrichten roransgestellte Abhandlung des ord.
Lehrers W. Wolff: de formularum non (modo) et non modo non
— sed (eiiam) et ne — quidem quaeque ftmi/es «tint, iitti Cicero-
fiiano (24 S. 4) gewährt durch fleiszige Zusammenstellung iahlreich«r
Stellen aus Cicero und rationeile Erörterung des Gebrauches Tielea
Nutsen. Aber während allerdings mehrfach der Gebranch gut erläu-
tert ist, scheint doch an anderen Stellen der Hr Verf. sich zu sehr
die Ehre der Neuheit beizulegen und zuweilen einen leeren Wortstreit
eintreten zu lassen. So wird es nicht leicht jemandem entgehen, dasi
die gelehrten, welche non modo — »ed ne — quidem erklärt, nicht das
erste Glied für non modo — non genommen, sondern die zum gemeinsa-
men Praedicat im zweiten gesetzte Negation als auf beide Glieder zu-
rnckwirkend gefaszt haben, während der deutsche Ausdruck im ersten
Gliede die Hinzufugung von nicht fordert, und die Vergleichnng mit
dem wirklich rorkommenden non modo non — »ed ne — quidem die Angabe
des Unterschiedes, dasz in jenem Fall nicht non modo non sondern
nur iioft modo gesetzt werde, nöthig macht. Uebrigens finden sich die
meisten der vom Hrn Verf. über diesen Fall, sowie über non modo —
aed — gegebenen Erörterungen schon bei Weiszenborn Lat. Gr. g
349 Anm. 1 f. Wenn derselbe S. 4 sagt, dasz mocfo immer modieum
aliquid bezeichne, so ist damit keineswegs eine Tollständige und klare
Bestimmung des Begriffs gegeben. Modo scheint allerdings in seiner
Grundbedeutung eine Beschränkung auszudrucken, — auch bei modo —
modo = bald — bald liegt zu Grunde, dasz man die Handlung einfach
begränzt ohne eine Fortdauer in der Zeit zu denken hat, — allem schon
bei dum modo und st modo zeigt sich, dasz das, worauf man sich be-
schränkt, auch das unbedingt und unter allen Umständen festzuhaltende
ist Wir wollen zwar dem Hrn Verf. nicht absprechen, dasz er Cic.
pr. Sest. 1433 auf die Emendation quin non selbständig gekommen
sei, indes hat diese schon längst Garatoni vorgeschlagen und Halm
aufgenommen. Auch in Bezug auf das Latein lassen sich einige Ana-
Stellungen machen, wie p. 10: omnium autem loeorum — multi duhü
aliquid habent. R. D*
Roszleben]. Das Ostern 1856 von der dortigen Klosterschule ans-
gegebene Programm bringt Schulnachrichten über die Zeit von Ostern
J854 bis eben dahin 1866. Aus dem Lehrercollegium schied mit dem
Tage seines M)jährigen Jubilaeums, 27. Jan. 1856 der Oberlehrer Pref.
Dr Kessler, am 31. März der Oberlehrer Prof. Dr Schmidt, UA
nach Leipzig überzusiedeln. Die erledigten Stellen wurden durch Ascen-
sion und Berufung des Dr B. Giseke vom Bernhardschen Institute sn
Meiningen ausgefüllt. Das Lehrercollegium bestand demnach seit Ost.
1856 aus dem Rector Prof. Dr Anton, dem Pastor Prof. Dr Herold,
Prof. Dr Sickel, Prof. Dr Herrn. Steudener I, und den ordentl.
Lehrern Dr Arn. Steudener II, Dr Kroschel und Dr Giseke,
auszerdem dem Oberprediger Wetzet (zeichnen) und Cautor Hartel.
Die Schülerzahl betrug im Wintersem. 1855—56 104 (I 24, II 31, III
30, IV 19), darunter 30 Extranei. Zur Universität wurden Mich. 1854
5, Ostern 1855 3, Mich. 1855 8, Ostern 1856 1 entlassen. Die den
Programme vorangestellte Abhandlung vom Prof. Dr Herm. Steude-
ner: de divinationi» apud Herodotum ratione (31 S. 4) ist für den,
welcher die Wichtigkeit des Herodotos für die Kenntnis der religiösen
Anschauungen seiner Zeit und die Bedeutsamkeit der Weissagungen fiir
die letzteren kennt, eine sehr willkommene Schrift, indem sie nicht
nur eine fleiszige und sorgfältig geordnete Zusammenstellung des um-
fangreichen Materials, sondern auch sehr gute Winke zu dessen Beur-
theilung und daraus in machenden Schlüssen gibtf Um so mehr ffihlt
Berichte aber gelehrte ÄDslalCen, Verordnimgeii , stallst. Notisen. 615
sich Ref., der sich mit dem Gegenstande selbst Sfter nnd langer be-
schäftigt hat, yeranla^zt einige Bemerkungen mitzutheiien , wobei na-
türlich Yon der später erschienenen herlichen nachhomerischen Theolo-
gie Nägelsbachs abzusehen ist, während wir nicht zu beurtheilen im
Stande sind, ob der Hr Verf. K. Fr. Hermanns gottesdienstliche
Alterthümer benutzt hat. Es ist nicht zu leugnen, dasz Herodot an
dem dasein der Götter und der Wahrheit ihrer Offenbarungen keinen
Zweifel auszusprechen wagt, aber auch eben so wenig, dasz ihm das
göttliche etwas dem menschlichen wissen unerreichbares ist, dasz da wo
der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung sichtbar ist, das
göttliche bei ihm zurücktritt, und dasz so ihm die Götter zwar fort und
fort die Welt regieren, aber viel mehr sittliche als natürliche Mächte
sind. Man wird dies recht inne, wenn man die Aeuszerung VII 129
finde mit den vielen Stellen vergleicht, wo die Strafe des Frevels und
die Austilgung des sich überhebenden den Göttern beigelegt wird. Die
Erzählung der Thessaler, Poseidon habe das Thal Tempe gebildet,
wird zwar von Herodot nicht geleugnet, aber er beruhigt sich dabei,
dasz ein Brdbeben die Ursache gewesen, und überläszt es nun dem Glau-
ben, Poseidon als den Urheber dieser Naturerscheinungen zu denken;
in keinem Falle, wo es sich darum handelt, wer die Veranlassung ge-
geben, dasz ein sittliches Vergehen oder die Ordnung des Lebens stö.-
rendes Verhältnis gestraft worden, findet sich ein solcher Zweifel, wenn
schon auch hier zuweilen hervortritt, dasz die Gotter durch Verket-
tung der Umstände, nicht durch unmittelbares einschreiten wirken.
]>iea ist anzuwenden auf die vom Hrn Verf. zuerst erwähnten Fälle,
wo Götter als unmittelbar selbstthätig erscheinen. Wo es sich um
Belohnung einer guten That (1 31), wie um Gntmachung eines Unrechts,
wo es sich um Bestrafung eines Frevels, wo es sich um Schutz des
Heiligthums, der Menscbenkraft unmöglich scheint, handelt, da ist
dem Herodot nicht zweifelhaft, dasz die Gottheit persönlich thätie sei,
aber wo Göttern Thätigkeiten beigelegt werden, die irdisch-sinnlicher
Natur sind , wie in Babylon dem Belos (I 81), da äuszert er den Zwei-
fel. Weil Träume (VII 12 — 18) häufig erwiesen Spiele der Phantasie
sind , indem sich die Seele mit dem beschäftigt, was am Tage ihre
Aufmerksamkeit gefesselt hat, ist Vorsicht anzuwenden, am die, wei-
che wirklich von einer Gottheit herrühren, zu unterscheiden von de-
nen, welche nur zufällige, nichts bedeutende Bilder sind. Deshalb gibt
er auch den Athenern 1 60 S'drJd'Siav schuld, weil sie sich von Peisi-
stratos mittelst der Phye düpieren gelassen; denn sie, die x^rot 2s-
yoiuvot slvai eotpCav musten von der Gottheit eine so hob« Ansicht
haben, dasz sie sich nicht zn einem solchen Geschäfte hergebe y in so
sinnlich -menschlicher Grestalt und Handlung erscheine. Bs ist darin
allerdings ein Fortschritt zu reinerer Vorstellung, zugleich aber auch
der erste Schritt zur Auflösung des alten Götterglaubens gegeben.
Was der Hr Verf. aus der Aeuszerung des Hellespontiers VII 56 über
den damals bestehenden Volksglauben folgert, ist gewis richtig, aber
dabei doch festzuhalten, dasz es eben etwas auszergewohnliches, über
alles bisher gesehenes hinansschreitendes ist, was jenen Gedanken her-
vorruft. Bei den Anasprachen der Orakel ist ferner entschiedener, als
der Hr Verf. thut, der Glaubenssati der Griechen hervorzaheben , dau
die Götter die Menschen dadurch strafen, indem sie dieselben blenden.
Diese Blendung iß^^) erscheint jedoch bei Herodotos schon anders als
bei Homer. Die Gottheit zeigt meist gnädig den Weff zar Rettung and
warnt, aber der Mensch ist entweder durch seine geistige Beschränkt-
heit oder, was noch häufiger, durch die Richtung and Leidenschaft
seines Herzens unfähig, das wahre zu erkennen. Wenn man die Frage
auf wirft, auf welche natürlich ancb der Hr Verf. öfters zarfickkommt.
616 Berichte aber gelehrte Anstalten, Verordnungen, statitt. Notiiei.
^ie Herodot, da er doch von Bestechungen und schnödem Misbranch
gewust, gleichwol den Orakelinstituten so blinden Glauben habe schen-
ken können, so darf man nicht unberncksichtigt lassen, dass die Er^
falirtin»: so viele treffende, politisch heilsame und tief sittliche Ant-
worten aufwies, dasz einem noch nicht allen Glaubens beraubten Ge-
müth kein Zweifel an die Göttlichkeit beikommen konnte. Auch darf
nicht vergessen werden, dasz die Orokelstätte selbst Terschiedene Gel-
tung haben. Bei der Deutung, welche Her. II 66 f. der Sage Ton der
Gründung des dodonaeischen Orakels gibt, ist nicht aus den Auffcn sa
lassen , da><z er sagt XQrjOTiJQiov xaTijyijcraro und am Schlüsse ^ ol lucw-
rritri rj rs Iv GTJprjai tjjai Alyvnziriai %(d ij Iv ^coSeivtj xagaftlijcuu
aiXrjXjjai rvyxdvovai lovaaiy woraus eben deutlich ersichtlich wird,
dasK er die Kunst Orakel zu erlangen als aus Aegypten durch einen
Menschen äbertragen ansah, also den gottlichen Ursprung dieaer Knast
selbst damit nicht leugnet. Was das Orakel VI 77 anbetrifft, co ist
die Erzählung des Schriftstellers an und für sich klar, und nur das
unbekannt, worin das angekündigte und nach Herodots Worten xavuL
Sri "ftavTa avvfX^ovxa \oCgi ^Agyfioioi rpoßov nag&ixov bestanden, nn
deswillen aber sehr wahrscheinlich, dasz spätere Deutung es auf das
nach der Schlacht eingetretene Ereignis bezog. Da ravxa dr} ndvtm
auf das eine im Orakel enthaltene Anzeichen nicht gehen kann, so bihb
man wol auch die Bekanntschaft der Argiver mit dem Ausspruche, den
Kleomenes erhalten, ''Agyog aLgrjaeiv darunter mit verstehen. Wenn &
29 der Hr Verf. sagt: ^quae ratio intercedat inter Chiorum pneroa te-
cto illabente occisos pugnamque navalem , qua non ita mnlto poat ab
Histiaeo ^'icti sunt, non potest intelligi', so muhZ man doch wol aU
des Schriftstellers Gedanken folgenden voraussetzen: das Unglück ist
eine Folge des göttlichen ZoruH, diesen aber kündete der plotsliche,
auf ganz ungeahnte Weise erfolgte Tod der theuersten Glieder vieler
Häuser in voraus iin. Möge der Hr Verf. in der Mittheilung dieaer
Bemerkungen den Wunsch erkennen, ihm einen Beweis Ton der Auf-
merksamkeit zu geben, die unserer Ansicht nach seiner Arbeit gebahrt.
A. D.
StMiLEUsiNGEN.] Nach dem Ostern ]8')6 ausgegebenen Programme
war am dasigen königl. Gymnasium die Stelle des Mathematicna snerat
durch den Cand. Otte, dann als dieser eine andere feste Anatellnng
erhalten hatte, durch den Lehramtscand. Th. Ge. Gessner ans Hai-
berstadt interimistisch beisetzt worden. Die Schülerzahl hatte im letMr
ten Sem. 129 betrogen (I 14, II 19, IH 32, IV 8», V 21 ). Abiturienten
waren Ostern 1855 4, Mich. 3 gewesen. Den Srhulnachrichten Toraus
gostellt ist von dem ord. Lehrer Dr R. Merkel: llehcraeizun^ mu»
Ovids Fasten (6 S. 4), in deutschen Distichen umfassend I i — S74*
Von dem scharfsinnigen Kritiker des Ovid ist wol zu erwarten, daaa
nicht allein überall der Sinn richtig wiedergegeben ist, sondern anch
dem Leser ein tieferes Verständnis mancher Stelle eröfTnet wird. Die
Uebersetzung ist frei, bei Dichtern eine Noth wendigkeit, dabei aber
kunstvoll und meist flieszend, wenn schon sich an manchen Stellen
prosodische und sprachliche Härten nachweisen Hessen. R. D.
SoM>Eii.sHAUst:N.] Am dasigen fürstlichen Gymnasinm schied aus
dem Lehrercollegium am I. Juli 1855 der Collabor. Kuhn und werde
durch den Cand. TöIle erst aushulfs- und versuchsweise, dann inter-
imistisch ersetzt. Der Oberlehrer Irmisch erhielt den Profeseor-
titcl, die Gymnasiallehrer Wen kel und Cantor Lutze wurden zu Col-
laboratoren erhoben. Die Schülerzabl betrug 87 (I 8, II 7, III 21, IV
30, V 21); Abiturienten Mich. 1855 4. Die den Scholnachrichten Tor-
ausgestellte Abhandlung des Dir. Dr W. Kieser: über den ersfen Jet
der Qoetk€9then iphigcnie (31 S. 4) vollendet die bereite i842 und
Meriehro aber gelehrte AnslaUen, Verordmmf en, stttirt. Noiiiea. 617
}848 über den'2n— -5n Act f^egebenen Erorterongen aad beweUt die schon
an jenen anerkannten (vgl. Bd. LIV 8. 223 f.) aaageseiobDeten Eigen-
schaften in noch gröazerer Reife und Vollendung. Es seigen aich hier
mit der grösten Liebe an das Werk eines deutschen Dichters gewandte
umfasiiende Studien in den erfreulichsten und belehrendsten Resultaten,
Wir brauchen wol nicht erst unsere Leser auf die Schrift aufmerksam
zu machen, glauben aber an den geehrten Hrn Verf. den Wunsch aus-
sprechen zu müssen, dasz er seine Erörterungen in ein Buch verarbei-
tet zum Nutzen und Frommen vieler besonders herausgeben möge.
R, D.
Stendal]. Im Schuljahr Ostern 1865—56 trat in das Lehrercolle-
gium des dasigen Gymn. als interimistischer Hälfalehrer der Schul-
amtscand. Dr W. M aller, folgte aber bald einem Rufe an das Pried-
richS'CoIlegium in Königsberg in Pr. An seine Stelle trat der Schui-
amtscand. Dr W. Anton, sah sich aber seiner Ge^iundheit wegen ce-
nöthigt Ostern 1856 das Amt anf2Ugeben. Der Schulaintscand. Forcke
leistete freiwillig Aushülfe. Die Schulnachrichten gehen S. 18 — 20 Be-
weise von den anerkennenswerthen Resultaten der Thätigkeit, welche
das Lehrercollegium unter dem bekanntlich indes nach Weimar berufe-
nen Dir. Dr Heiland in Bezug auf Lehrverfassung und Unterricht er-
zielt hat. Die Scbulerzahl war bedeutend gestiegen und betrug am
Schlüsse des Schuljahrs 262 (I 31, II 34, 111 39, IV 36, V 56, VI 66).
Abiturienten Ostern 1855 3, Ostern 1856 12. Den Scbulnachricbten
vorausgestellt ist die Abhandlung des Dir. Dr Heiland: quae»tiones
Kenophonteae (12 S. 4). Piötzlich genöthigt selbst die Programmab-
iiandiung zu schreiben, hat derselbe zu dem ersten Buche von Xeno-
phons Hellenicis kritische Bemerkungen gegeben, die zwar nicht über-
all vollständig ausgeführt sind, aber von den umfänglichen und tiefen
Studien des Hrn Verf., wie von seinem besonnenen Urtheile rühmliches
Zeugnis geben. Derselbe tritt sowol in der über den Stand der Kritik
Rechenschaft gebenden Einleitung, wie in den einzelnen Bemerkungen
häufig der von Cobet und seinen Schülern geübten, den Handschriften
fast gar keine Auctorität zuerkennenden und keine Freiheit in Hand-
habung der Sprache dem Schriftsteller gestattenden Kritik entgegen,
ohne jedoch sich selbst blind von den Handschriften abhängig zu ma-
chen und zu contorten Erklärungen der Lesarten seine Zuflucht zu
nehmen. Wenn Ref. auch nicht mit allem einverstanden sein kann (z.
B. nicht über 1 1 27 und 28), so erkennt er doch die Wichtigkeit der
Bemerkungen bereitwilligst an. Je mehr Xenopbons Hellenica zur Le-
cture der Schüler wegen ihres Stoffes geeignet sind, je weniger aber
bisher die Unsicherheit des Textes dies füglich machte, um so aufrich-
tiger wünschen wir, dasz dem Hm Verf. Zeit und Gelegenheit werde,
seine längst vorbereitete , sehr bedeutend zu werden versprechende Aus-
gabe der genannten xenophonteischen Schrift zu vollenden. R, D.
WeimarJ. Nachträglich gedenken wir noch einer Schrift, welche
vom das. groszberz. Gymnasium als Einladung zum 30. Oct. 1855 aus-
gegeben wurde und den Professor Dr Const. Sohar ff zum Verfasser
hat: -de natura et umu elephantorum afrieanorum apud veterea (18 S.
4). Abgesehen von einigen Unebenheiten im Ansdrnok und Fehlern im
Drucke ist dieselbe eine sehr intinresaante und .gelehrte Abhandlung, in
welcher nicht allein Africa, sondern «uoh Asien die gebührende Be-
rücksichtigung findet, obgleich jenes den Kern und Hauptpunkt bildet.
Mit groflzem Fleisze sind die Nachrichten, welche die Alten von <^en
Klephanten gegeben, zusammengestellt und mit dem, was die neueren
wissen, verglichen, sodann die Benützung der Elephanten erörtert
(die bei den Römern muste auf eine andere Gelegenheit verspart wer-
den), so dasz die Abhandlung nicht nur für die Naturkunde der Alten,
618 Beneble fiber gelebrte AnsUUen, Verordnungen, tUilitl. IfoÜsei.
sondern ancb far die Gescbicbte des Kriegswesens und der tecbniscben
Vorrichtangen überhanpt recht beachtenswerthes bietet. ü. JD.
Wittenberg]. Das Lehrercollegiam des dasigen Gymnasiums hatt«
im Schuljahr Ostern 1855— 56 keine Veränderung erlitten; die Schülei^
zahl betrug am Schlüsse 241 (I 32, II 39, III 62, IV 54, V 35, VI 19).
Abiturienten Ostern 1855 15, Ostern 1856 15. Die den Schulnachricli-
vorausgeschickte Abhandlung des Oberl. Dr Bernhardt: Dr Ckiadni
der jikustiker (24 S. 4) ist der Anfang einer die ganze Biographie an-
fassenden Brochure, recht geeignet auf diese selbst aufmerksam sn ma-
chen. Sie stellt das interessante Bild eines Mannes hin, der trotz
groszer anszerer Hindernisse wahrend seiner Jugend und in seinem
späteren Leben — fügsam und willig gegen die seiner Neigung wider-
sprechende Leitung durch Aeltern und Lehrer — dennoch den Beruf,
zu dem ihn Gott durch verliehene Gaben und in ihn gelegte Neigung
bestimmt, mit Energie ergriff und in demselben die bedeutendsten Re-
sultate erzielte. Zugleich aber fuhrt die Schrift auf eine recht popv-
lare Weise in die Akustik ein. Es ist dies nach des Ref. schon an-
derswo ausgesprochener Ansicht der beste Weg , in die Naturlehre ein-
zufuhren, wenn man geschichtlich die erste Entdeckung und dann
Schritt vor Schritt die weitere Ausbildung einzelner Theile dersellien
verfolgt. Arago in seinen Reden dient hier zum Muster und wer
sich von der Klarheit und Popularität der von diesem groszen Manne
darin befolgten Methode überzeugt hat, der wird gewis beistimmen,
dasz im Gymnasium mit dem Unterrichte in der Physik bessere Resul-
tate erzielt werden würden, wenn man den populären historischen Weg
einschlage, als durch die streng mathematisch begründende und syste-
matisierende Methode erreicht werdefn. Baumgartner hat in dieser
Hinsicht tüchtig vorgearbeitet. .R. D,
Zerbst]. Am dasigen Franciscenm wurde aus dem Lehrplan
der vorher in den beiden obersten Klassen ertheilte englische Unter-
richt, jedoch unter Vorbehalt späterer Wiederherstellung, wenn sich
ein Bedürfnis ergeben sollte, gestrichen, weil die Stundenzahl von S
Stunden in I und 1 St. in II zur Erreichung erheblichen Erfolges nicht
ausreichten, eine Vermehrung aber, durch welche eine grosiere Zer-
splitterung der Kräfte der Schüler bewirkt und der Charakter des
Gymnasiums wesentlich alteriert worden wäre, unräthlich erschien. I«
Lehrercollegiom war bis Ostern 1856 keine Veränderung vorgekommen.
Die Schulerzahl betrug zur bezeichneten Zeit 228, Abiturienten 8. Die
den Schulnachrichten vom Dir. Schulrath Dr. C. Sintenis vorausge-
stellte Abhandlung emendaiionum Dionyaiacarvm gpecimen I (31 8. 4)
ist an R i t s c h I gerichtet , von dem der Hr Verfasser schon längst sar
Theilnahme an der Emendation des Dionysius eingeladen war und Jctet
die Vergleichungen des cod. Urbinas und Chisianus erhalten nstt«.
Durch dieselbe sieht er sich genothigt sein früheres Urtheil fiber diB
Werth zurückzunehmen und erhält sehr zu statten kommende Hnlt-
5 unkte für die Emendation vieler Stellen. Die hier mitgetheilten, nnch
Hassen geordneten Verbesserungen bewähren hinlänglich die umfassende
Kenntnis des Griechischen und den kritischen Scharfsinn, durch welebo
der geehrte Hr Verf. schon zum sospitator des Plutarch geworden ist.
Möge die Aussicht, den viel zuwenig gekannten und gewürdigten Dio-
nysius durch die vereinten Kräfte zweier so ausgezeichneter Gelehrten,
wie Ritschi und Sintenis, in gereinigter Gestalt zn erhalten, inBrfil-
lung gehen! A. JD.
Personalnachrichton. 610
Personalnachrichten*
Rraennungen, Anstellnngea, Versetznagen.
Becker, Prdr., Gymnasialhulfslehrer in Polda, zum Halfslehrer an der
Realschule zu Hanau ern.
Beer, Dr Aug., ao. Prof. in Bonn , zum ord. Prof. der Mathematik an
der das. Univ. ern.
Bezzen berger, Dr, Prof. in Kassel, zum Oberschulinspector über die
Volksschulen der Residenz ern.
Bogusiawski, Ge. v. , Schnlamtscandidat, zum Collaborator an der
Friedrich- Wiihelmsschule in Stettin ern.
Braun, Prof., Oberlehrer am Gymn. zu Colm, znm Director desGymn.
in Braunsberg ern.
Bremiker, Dr E. H., Streitscher Collaborator, zum ord. Lehrer am
Gymn. z. grauen KI. in Berlin befordert.
Brock, Dr H., Oberlehrer in Hannover , znm Director des Gymn. in
Celle ern.
Buchen au, Dr Ge., Gymnasialpraktikant in Marburg, znm Hnlfslehr.
am das. Gymn. interimistisch ern.
Dinter, Dr, 9r Oberlehrer an der konigl. Landesschnle zn Meiszen,
in gleicher Eigenschaft an die Landesschule in Grimma versetzt.
Eisenlohr, O., Prof. am Lyceum in Karlsruhe, in gleicher Eigensch.
an das Gymn. zu Lahr versetzt.
Feszler, Dr Jos., Hofkaplan, Prof. der Kirchengeschichte in* Wien,
zum Prof. des Kirchenrechts in der theolog. Facnlt. der das. Hoch*
schule ern.
Fliedner, Dr Conr., Reallehrer in Hanau, znm ord. Lehrer am das.
Gymn. ern.
Gerhardt, Dr C. J., Prof. und Oberlehrer am französischen Gymn.
zu Berlin, in gleicher Eigenschaft an das Gymn. in Eisleben vers.
Görlitz, Dr, Gymnasiallehrer in Leobschütz, an das kath. Gymn. zu
Breslau versetzt.
Hasselbach, Heinr. , Gymnasiallehrer in Hanau, zum Lehrer am
Progymn. u. der Realschule in Eschwege ern.
Heine, Dr Ed., ao. Prof. in Bonn, zum ord. Prof. der Mathematik
an der Univ. zu Halle ern.
Hittorf, Dr« ao. Prof., zum ord. Prof. der Physik und Chemie an der
Akademie zu Munster ern.
Intlekofer, Prof. am Lyceum zu Freiburg im Br., erhielt die late
Lehrstelle am Gymn. zu 0£feuburg.
Jung, W. Ed., Cfymnasiallehrer in Hanau, zum Lehrer am Progymn.
und der Realschule in Schmalkalden ern.
Kutsch, Aug., Gymnasiallehrer in Kassel, in gleicher Eigenschaft an
das Gymn. zu Rinteln vers.
Lahmeyer, Dr Gust., Oberlehrer am Lyceum zn Hannover, zum
Conrector am Johanneum in Lüneburg ern.
Lotz, Dr J oh. Fried r., Gymnasiallehrerin Hanau, in gleicher Eigen-
schaft an das Gymn. zn Fulda versetzt.
Mohr, Schulamtscand., al« Collaborator am kathol. Gymn. zn Breslau
angestellt.
Muller, Lehrer am Gymn. zn Lahr, an das Paedagogiom und die
höhere Bürgerschule zu Lörrach vers.
Mut her, Dr, Privatdoc. zu Halle, zum ao. Prof. in der juristischen
Facultät der Univ. in Königsberg ern.
Paul, Dr W. Th., Schulamtscand., als ord. Lehrer am evang. Gymn.
in Glogau ang.
Pöthko, G. E., 9ter Oberlehrer an der k. Landesschnle in Grimma,
/V. Jahrb. f. PMl. u. Paed. Bd. LXXI V. ffß. 12. 44
620 PerBOnalnachriohten.
in gleicher Eigenschaft, aber zugleich mit für den Gesanganternclit
an die Landesttchuie in Meiszen vers.
Richter, Dr, Lehrer an der ReaUchiile za Muhlheim, ala ord. Lehrer
an das Gymn. in Wesel berufen.
Kitz, Jos., Lehrer am Progymn. und der Realschule za Bachwecei ab
ord. Lehrer an d. Gymn. in Hersfeld versetzt.
»Scheibe, Dr C, Prof am groszherz. Gymn. zu Nenatrelits, ala Leh-
rer an dem Blochmann-Bezzenbergerschen Inatitut und Vitsthn»
sehen Geschlechtsgymn. in Dresden angest.
Schmitt diel, Jos., Lehrer an der lat. Schule in Fritslar, ala ord.
Lehrer am Gymn. zu Fulda angest.
Schwarze, Dr Rud., Subrector am Gymn. zu Guben, sam Oberleh-
rer am Gymn. in Frankfurt a. O. ern.
Sickel, Dr Th., zum Docenten der histor. Qaellenkunde and der Pa-
laeographie an dem mit der Wiener Univ. in Verbindang aiehandei
Institut für osterr. Geschichtsforschung ern.
Spangenberg, Frdr., Hulfijlehrer am Gymn. in Kassel, in gleicher
Eigenschaft an das Gymn. za Hersfeld vers.
Stumpf, Th. , Schulamtscand., commissarisch am Gymn. sa Cobleu
beschäftigt, als ord. Lehrer an ders. Anst. angest.
Suchier, Dr H. Th., Hulfslehrer am Gymn. zu Hersfeld , snm ord.
Lehrer an ders. Anstalt ern.
Trotter, Prof. in OfTenburg, an das Lyceum in Rastatt TeraeCit«
Wer necke, DrBernh., ord. Lehrer am Gymn. zu Coesfeld , all er
ster Oberlehrer an d. Gymn. in Deutsch-Crone befordert.
Wopcke, Dr M. F., als ord. Lehrer für Mathematik and Phyaik ■■
franz. Gymn. zu Berlin angest.
Praedicieru ngen und Ehrenbezeugungen.
Gerhardt, Dr J. C, Oberlehrer am franz. Gymn. sa Berlin (a.Ver
Setzungen) erhielt den Professortitel.
Hänel, Gli. Jul., ) Collegen am Gymn. zu St. Elisabeth in Braaha
Neide, Ge. Frdr. j als Oberlehrer praediciert.
Stridde, G. Ed., ordentl. Lehrer am evang. Gymn. zu Glogan, i
Oberlehrer befordert.
Pensioniert:
Schneider, Professor am Lyceum in Rastatt.
Speidel, Praeceptor am Gymn. zu Ulm.
Gestorben:
Am 12. Sept. in Rom Dr Em. Braun, Secretar des archaeolog» laft.
ß«ib. zu Gotha am 19. Apr. 1809.
Am 28. Sept. in Breslau Dr Frz K. Mosers, ord. Prof. in der kath.
theolog. Fac. an der das. Univ., bekannt durch seine Poracbnngf«
iiber Phoenicien.
Am 29. Sept. in Weimar Dr Theod. Krauter, seit 1816 Bibliothekar
an der groszherz. Bibliothek, früher Secretar Goethes.
Am 8. Oct. in Berlin Dr Fooke Hoissen Muller, Prof* am Gjraa
zum grauen Kloster.
Am 21. Oct. in Rijsmijk der niederl. Dichter Tollen s, geb. an Ret-
terdam 1778.
Ohne Datum wird der Tod gemeldet Ton dem berahmten, beseadeit
um die Botanik von Madagascar verdienten Naturforscher, Dr
Wenzel Bojer, seit 1820 Prof. in Mauritius, Mitglied der Caro-
lino-Leopoldina (geb. zu Prag), und des früher in Ostindien M
den Sprachforschers Rooda van Eijsinga, zuletzt Prof. d«r
Philologie und der malayischen und japanischen Ethnographie
der Militärakademie zu Breda.
Register zn Band LXHV.
I. Inhaltsregister.
Aebi: Geschichte der höheren Lehr- Caesar: s. Schöller.
aiiBtaU io Lutem 603. Cauer: über dieGae8are8d.JuIkn405.
Andresen: über deutsche Orthographie CaveeUmi: bibl. Numismatik. Deutsch
225. V. V. Werihof. II Th. 505.
Aeschylas, i. Prien. Cicero, s. Wunder.
Aristophanes , s. Müller. Glossen : Beobachtungen über d. hom«
Arrian Anabasis. Her. v. Hartmam, Sprachgebr. III. 868.
485. CUss, s. Sallustius.
Auszüge aus Zeitschriften. Correspon. Cotombel: vita M. Hrabani Mauri 610.
densbl. für Württemberg 302. Mo-
natsberichte der berliner Akademie Daniel: Ramlers le Ode. a. Friedrich
457. Paedagog. Reme 211 u. 501. d. G. 259.
Rhein. Museum 255. Zeitschrift f. DarmeU: d. Kirchenjahr in d. Schule
d. AUerthumsw. 257. Zeilschr. f. d. 348.
Gymnasialw. 55. 96. 453. Zeitschr. Deutsche Spraclie, Litt. u. Unterricht.
f.d. österr.Gymn. 99. 155. Zeitsclir. Ueber einen besonderen Gebrauch d.
. f. vergl. Sprachforschung 859. Particips in attributiver Besiefaung
Axt: inscriptiones duae graecae 565. 248. Thesen über d. deutsche Per-
feot 531. S. Andresen, Daniel, Freu-
Bäkr: de litterarum studiis a Carole densprung, Lexer, Olawsky , PoHie,
■ M. revocatis 214. Raumer, Regeln, Weinhoid.
Berger: Ist. Schulgrammatik 139. Dindorf^ L., s. Xenophon.
Bemays: J. J. Soaliger 273. Diodorus, s. Krebs.
Bernhardt: Dr Chladni der Akustiker Dionysius Halic, s. Sintenis.
618. Döderidn: Commentare snni tat. Vo-
Biographie, s. Geschichte« cabular 561.
BÖttger^ s. Maury.
Btmiermeek: GiUaohien über den Un* Elze: Standard amariean aathors 152.
terricht in der Religiooslehrt 148 Engiisch, s. Elce. Shakespeare.
u. 473. EsthweUer^ s. Heia.
Breier: de Vergilio recte aestimando Euklid» Elemente 429.
223. Euselnue, s. Suchier.
Brfälonf : geognostische Wandkarte
593. #br(^tfr: dcotsch-iat. Handwörterbuch
^tfcAAate.* emendd^SophocIearum spee. 385.
II. 312. Fori und Sehlämikk: Lehrb. d. analyt.
Burgwy: s. Herrig. Geometrie 290.
44*
622
Inlialtsregiftter.
Französisch , b. Held , Herrig, v. Jan,
Lisch, Trögel.
Freudensprung: Ortsnamen 562.
Gallenkamp : Elemente der Mathematik
• 429.
Gargilius, s. Schuch.
Gehhardt: emendd. Herodotear. sp. I.
563.
Geographie , s. Brüllow, Götze, Gatbe,
Kestner, Kutzen , Löbker , Maury.
Geometrie, elementare 429,
Geschichte u. Biographie, s. Bernays,
Bernliardt, Cauer, Colombel, Giese-
breoht, Glaser, Guthe, Hofmann,
Lamey, Löbker, Löschke, Schäfer,
Scharff, Suchier, Tophoff, Weiszen-
born.
Gesenius: hebr. Gramm. 17e Aufl. 187.
Giesebrecht: Geschichte des deutschen
Kaiserreichs I 2. 391.
Glaser: z. Gesch. d. Klosters Wirberg
408.
Götze: einige Bemerkungen z. geogr.
Unterricht 606.
Gräfenhan: Karl Feldmann 355.
Grammatik, s. Deutsch., Griech., s. Hörn,
Leutze. Latein., s. Berger, Richter,
Verba, Wcjlff.
Gruber: der Unterricht in der Plani-
metrie usw. 295.
Guthe: z. Geogr. u. Gesch. d. Laud-
schafl Margiane (Merw) 461.
Gymnaslalpiiedngogik u. -Geschichte.
Studien zum Gymnasialwesen 1, 56.
117. S. auszer den einzelnen Fä-
chern Aebi, Gräfenhan, Hautz, Held,
Hörn, Lex, Mcran S. 606, Pri?at-
stiidium, Programmen Wesen, Rättig,
Stallbaum, Trotzendorf, Verordnun-
gen , Ziegler.
Häckermcmn: d. piihoeanische Codex
des Juvenal 563.
Hansen: über Methode u. Stufenfolge
des Religionsunterrichts 552.
Hartmann y s. Arrian.
Hartwig, s. Justin.
Hautz: Geschichte des Paedagogium
zu Heidelberg 260.
Hebraeisch, s. Cavcdoni, Gesenius,
Mnhlberg, Vosen.
//a/flnrf:quae9tione8Xenophonteae6l7.
Heis u. Eschoeüer: Lehrb. der Geo-
metrie 429.
Held: zweite Mittheilang aus d. Brief-
wechsel zwischen dem Vater eines
Schülers u. d. Rector eines Gymn.
309.
Herodotj s. Gebhardt, Steudener.
Herrig \x.Burgny: la France iitteraire
583.
Hofmann: über den Berg Galilaea.
Homer. Andeutungen zur Kritik a. Er-
klärung d. Odyssee 553. S. Classen.
Horatius, s. Schmid.
Hom: über d. allgem. Bedeutung des
Coniunctivs u. Optativs 512 Rede,
dasz die alten Spr. den Gelehrten-
schulen nothwendlg seien 514.
Jan, V.: Gnmdzüge eines Lehrbuchs
der franz. Spr. 268.
Julianus, s. Cauer.
Justini hlstor., bearb. ▼. Hartwig 242.
Juvenal, s. Häckermann.
Kestner: d. See Vadimo 318.
Kieser: über d. In Act der Goethe-
schen Iphigenie 616.
Kock: de parabasi 308'
König: de Romanorum stfltatione ptn-
tomimica 463.
Koppe: Anfangsgründe d. reinen Ma-
thematik 429.
Krebs : comm. de posteriore parte re-
liquiarum Üb. VllL Diodori Sicoll
609.
Kutzen: das deutsche Land 585.
Lamey: J. Reuchlin 218.
Layard: Ninive u. Babylon, deutsch
V. Zenker 460.
Leuze: Lehrgang d. gr. Syntax 70.
Lex: Elternhaus und Schule 609.
Lexer: der ~ Ablaut in der dentschea
Spr. 466.
Lisch: Bemerkungen über Rabelais
464.
Livius , erkl. v. Weiszenbom. 4r Bd«
399, s. Weiszeuborn.
Löbker: Gedächtnistafeln für den Un-
terricht in Geschichte u. Geographie
357.
Löschke: Valentin Trotzendorf 571.
Xoxos OQ&ios 250.
Lucian, s. Remacly.
Mätcker: Lehrbuch der Geometrie 81
u. 535.
Martialis Gargilius, s. Schuch.
Mathematik, s. Euklid, Fort, Galleu-
kamp, Geometrie, Gruber, Heis,
Koppe, Märcker.
lohaltsregtoter.
623
Maury : die^ physische Geographie d.
Meeres, bearb. v. Böttger 450.
Meinshausen: über d. thiicyd. Beschr.
d. Belagerung v. Syracus 600.
Merkeil Uebersetzung aus Ovids Fa-
sten 616.
Michaelis: d. Paliken 407.
Muhlberg: Tabelle d. hebr.Verba 254.
Müller: die scenische Einrichtung in
d. Acharnern des Aristophanes 605.
Mythologie y s. Michaelis, Scheüfele.
Nauck: s. Phaedrus.
Niese: das christl. Gymnasium 169.
Olansky: d. neuhochdeutsche Partikel
nicht usw. 578.
OvidiuSy s. Merkel.
Paedagogisches Seminar in Kiel 464.
Phaedrus. Ausgaben v. Siebeiis und
Raschig 26. Ausg. ¥. Nauck 283.
Zu III 1 299.
Piderit: Sophokleische Studien I 460.
Piaton. lieber die Apologie des So-
krates 373.
Poesie, die, der Sprache, namentlich
der deutsclien 489.
Prien: Beiträge zur Kritik von Aeschy-
lus Sieben y. Theben 005.
Privatstudium, s. Rehdantz.
Programmenwesen , zum, 397.
Rabelais, s. Lisch.
Rätüg: zur Geschichte der Organisa-
tion des Neustrelitzer Schulwesens
1795—1838 610.
Ramler y s. Daniel.
Raschig, s. Phaedrus.
Raspe: quaestionnm Sophoclearum II
411.
Räumer, R, «.; über deutsche Recht-
schreibung 225.
Regeln u. Wörterverzeichnis für deut-
sche Rechtschreibung 225.
Rehdantz: Themata zu schrifll. Prlvat-
arbeiten 412.
Religionsunterricht. Die Religiositfit u.
der Religionsunterricht au? Gymna-
sien 169. S. Bouterweck, Danneil,
Hansen, Schulandachten.
Remacly: obss. in Luciani Hermot. p.
II 3il.
Reuchlin, s. Lamey.
Richter: de supinis linguae latinae565.
— die altgriech. Tragoedie und das
griech. Theater wesec 613,
Sallnstius lugurtha, übers, von Cless
521.
Scaliger, s. Bemays.
Schäfer: de sociis Athen. Cbabriae et
Timothei aetaie cet. 563.
Scharff: de natura et usu elephanto-
rum afHoanorum apud veteres 617.
Scheiffele: über Danaos u. d. Danal-
den 560.
SchLriaz: Vortrag bei der Saecular-
feier des Aogsb. Religionsfriedena
612.
Schlömächy s. Fort.
Schmid: Gratulationsschr. an Kesslin
322.
Schöller: C. Julii Caesaris vit. et obss.
in Üb. VII d. b. G. 62.
Schöne: über den Charakter Richards
m b. Shakspeare 407.
Schriften der Kieler Universität 506.
Sdiuch: Gurae boum ex corpore Gar-
gilii MartialU 560.
Shakspeare, s. Schöne.
Siebeiis ^ s. Phaedrus.
Sintenis: emendatt. Dionysiac. spec.
618.
Sophocles Antigene ed. Wunder 4e
Ausg. 575, s. Budihols, Piderit,
Raspe, Wunder.
Stallbaum: de vetere gymnasiomm
. disciplina et institutione praesentis
aetatis rationibus caute attemperan-
da 603.
Steudener: de divinationif ap. Herod.
ratione 614.
Sudäer: de Zosimi et Eusebii Ade et
auctoritate 462.
Süpfie: Aufgaben zu lat. Stilübungen.
U. 7e Aufl. 208.
ThÖn: etymologische Forschungen 517.
Thucydides, s. Meinshausen.
Tophaff: de plebe romana 562.
Tröget: causeries sur la psychologie
des animaux 209.
Trotzendorf, s. Löschke.
Verba, die, composita in d. lat. Sohnl-
grammatik 325.
Vergilios, s. Breier.
Verordnungen. Detmold 312. Oester-
relch 103. 566. Preusten 157 und
321.
Versammlung in Oschersleben 466. —
der Philologen in Hamburg 42. 84.
Vosen: Anleitung s. erlernen d. hehr.
Spr. 187.
224 Verzei(;)iiiU der Uitafbeiter.
Waffner: Hores et frucius latinl 576. Wunder: »cliedae cnlloae dt locU i
H'aUffer: Joach. Moriin 30^. nullis Sophoo. ei Cic. pr. Mar. 250.
Weinhold: fibcr deutsche Recbtsohrei- 8. Sophodes.
bung *225.
Weiszenbom: ad C. Wex d. aliq. Li- Xenophon: Aoabasis ed. L. Dlndorf.
vii locis 367. S. Livius. 421. i 10, 0 a. 10 252. III 4, 0
-^ Ninive uud sein Gebiet IL 450. —13 76 u. 489. IV3, 29 207. U-
IVerViof, 8. Cavedoni. p)s So&iog 250. 8. Heiland.
Wie könnten die griech. Kirchenlehrer
Gymnasiallehrer werden T S. 608* Zenker ^ 9, Layard.
IVol/f: de foiiDularum tion modo — Ziegler: Beiträge zur altera Getehlehle
sei — usu Ciceroniano 614. d. Gymn. lu Lissa 267.
II. Verceichnis der Hitarbeiter.
Andreeen^ Dr in Itzehoe, 248. Hoffmam^ Prof. in Ansbach 576.
Bachoven von Echt in Cosfeld, 557. Klotz, l>r, Prof. in Leipzig, 38».
Barbieitx, Prof. in Hadamar, 209. Löbker, Dr, Oberlehrer in CoesMd,
Benseier, Dr in Leipzig, 500. 2U9.
BÖUger, Dr, Prof. in Dessaa, 152. Lothholz, Dr, Prof. in Weimar, MS.
290. 273.
Buddeberg, Dr, Oberl. in Essen, 148. P. M. 169. 34«. 571.
354. 552. Metzger, Prof. in Schönthal, 622.
Büchner, Dr, Prof. in Hildburghausen, Midielsen j Dt Conr., in Hildethelm,
534. 325.
Crecelius, Dr W., in Elberfeld, 225. Paldamus, Dr Frdr,j Oberl. in Wb»-
578. feld, 1. 65. 117.
Döderlein , Dr , Profess. Studienreotor QiLeck , Dr , Prof. in SonderBhansen,
Hofrath in Erlangen, 358. 309.
Eberz, Dr, Prof. in Franlifurt a. M. Reuchlin-M eidegg, o., Prof. In HoMal-
26. 283. delberg, 260.
Fahle, Dr, Oberlehrer in Attendorn, Rüdiger, Dr, Oberlehrer in ^lekaa,
. 432. 307.
Gerlach, Dr, Oberlehrer in Parchim, Schiller, Dr, Oberlehrer in Sekivwili.
450. 553.
Gossrau, Dr^ Oberl. in Quedlinburg, Scldömlch, Dr, Prof. in Dresden, 81.
187. Schmidt, Dr, Conrector in Schwaldailt»
Guthe, Dr, Oberlehrer in Hannover. 585.
593. Sintenis, Prof. inWermetch, 617.
If. in Berlin 474. Stauder y Dr, in Dresden. 855.
Ilartmann, Dr, Oberl. in Sondershau- Vollbreekty Dr, Subrector In CiaasChiL
sen, 208. 76. 79. 139. 250. 297. 421. 485.
Hefflcr, Dr, Pror. In Brandenburg, W. 583.
373. 491. Wattenbaek, Dr, Archivar nnd Prof.
Ilerrmann, Dr, Prof. in Celle 595. in Breslau, 891.
Personal regUtefC Q25
m. Personalregister.
Achtner HO. Ackermann f 606. Adam 570. Adrian 419. Aebi 604.
Alberti f 1Ö8. Alzheimer 110. Ambrosch + 272. AmbroaoU 570. Am-
rein 604. Andersen 168. Andrea 63. Anger 270. Ankershofer, ▼., 114.
Anschüu 110. Anton 617. Arany HO. Armbrust 461. Arnold in Müo-
nerstadt 272, in Pforzheim 368. Aschbach H4. Aschlund 505. Atten».
berger 116. Baier 308. Bnng 367. Bary, de, 63. Bassi f 324. Sau-
dis 63. Bauer 309. 559. Baur HO. Bayer 561. Bazzl 570. Becker 619.
Beer 619. Behr f 472. Behringer 368. 559. Beitelrock 368. Bellinger
609. Bentfeld 463. Bentz 518. Bergk 371. Bernstein 420. Beschmann
HO. Bezzenberger 610. Biasi 368. Biasutti 368. Biehl 406, iu Wies-
baden 009. Biela, ▼., t324. Binetf 372. Blaschke 466. Blaskowits, v.,
f 116. Blattner 270. Blichert 516. Bloch 505. Böckh 114. Böcking 108.
Bogekamp 419. Böse 463. Bötticher 419. Bogler 609. Boguslawski, v.,
308. 619. Bojer + 620. Bolley 366. Bone 419. Böse, v., f 520. Bossart
605. Brandisf 116. Brandscheid 600. Braun 114, in Braunsberg 610, in
Rom f 020. Breier 223. Bremiker 619. Brock 619. Brömmel f 168.
Brommig 114. Bruckmann 562. Brackner 270. Bmmmerstedt 224. Brze-
tinski 465. Buchbinder 63. Buchenau 619. Bnchholz t 372. Buckland f
570. ßächler 561. Bunsen 114. Bunte 412. Bnrghard f 372. Burmei-
ster 463. Burow 605. Biittmann 168. Callisen 508. Calmus 412. Cam-
•panarit324. Casalis f 372. Gaspari 371. Cassel 520. Casselmann HO.
Casires, de, 214. Cattaneo 518. Chalybaeus 507. Charpentier f 64.
Chevalier HO. Christ in München HO, in Bamberg 559. Christensen 507.
Christiansen 507. Christophs 268. Cicigoi 270. Clasen 224. Codazzi 518.
Colo 570. Colombel 518. Comeliu» 368. 518. Cramer HO. Csika^ HO.
Cubarth 466. Curth 114? Curtius, E, 270. G, 507. Cywinski 109. Czei^
mak 368. Czizek 323. Danek 466. Dantz 63. Deak HO. Deäky f HO.
Deimling 371. Dessoulavy 366. Deu»chle 460. 606. Deutschmann 510.
Dieckmann HO. DielTenbach f 64. Dielitz HO. Dieterich HO. Dietridi
t 64, In Hersfeld 462. Dlez 371. Dillmann 507. Dlnter 619. Dirichlet
871. Dirschedl HO. Doberenz 369. Ddhner 271. Dominkusch 62. Do-
uaggio 369. O'Donovan 271. Dornheim 312. Droysen 369. Drnmann
520. Duchek 369. Duringer 272. Dürre 306. Dumas HO. Dunajewski
369. Dvofak 63. HO. Dworäk 110. Ebeling 109. 461. Ebenb6ck519.
Ehert419. Eckstein 2.59. Edestand du Meril 114. Egger Hl. Eichhorn
f 168. Eickemeyer 519. Eisde 63. Eiselen 606. Eisenlohr 619. Eiscn-
• mann 369. Eijsinga f 620. Emmert 561 . Erdmann 369. Estermann 604.
. Euler 111. Evers 461. Fallati + 64. FarinatI Hl. 570. Favaretti 270.
Feder f 168. Fehler 461. Feldhügel 111. 600. Fesenmayer 111. Fcsz-
ler 610. Fibiger 505. Fichte 115. Ficker 115. Fiebig 270. Fink 1324.
Fisch 369. Fischer 604. Fiatscher 323. Fleisf hmnnn Hl. Fliedner 619.
Floto 270. FIolow, v, t570. Föringer 03. Folien f 168. Folprecht 270.
Foreke 612. 617. Fortoul f 520. Foss 272. Franchi5l9. Frandsen 214.
516. Franke 407. Franta 111. Fresenius 367 und 368. Fresnel f 324.
Freund 310. Friede 405. Friedemann 111. Friedlander 419. Frohnmeyer
369. Frohsrhamer 111. Fuchs, ▼., f 324. Fürsten au 111. 369. Fuk 465.
Fuldner 317. Claal, r., f 116. Gaiszer 560. Galle 519. Garoba 270.
Gandtuer 167. Gansz 562. Garde, de la 111. Gascari 367. Gaugengigl
520. Gebhardt 559. Gegenbaur 369. Geier 519. George 270.- Gerhardt
in Straszburg f 520, in Eisleben 619. 620. Gessner 412. 616. Giefers 167.
Gies f 272. (liesebrecht f 64. Gieser 519. Gicseke 369. 613. Ginsanni
472. Gladyss 109. Glaser 111. Gobel 323. Görlitz 619. Goizinger f 472.
g26 PersoDalregister.
Goldmaon f 559. Golab 111. Gottlieb 115. Granöwski f 116. GreUlll.
Grönlund505. Grössmann 570. Grosz 111. Groszbach 604. GrosiefllO.
Gnm 111. Grünwald 111. Gryaar f 272. Mabenichl 270. llackermann
369. Uäfele 111. Hänel 620. Hagen, v. d., f 372. Halm 519. Hammer
323. Hanhart f 272. Hannacik 111. 570. Hannwacker 111. Hardeiand
516. Hartmann 115. Hartwig 109. Haase 270. Hasselbach 619. Hatte-
mer 62. Haub 168. Haag 323. Hauler 63. Hansmann 115. Haydack 111.
Heermann 369. Hegel 369. Hegewisch 508. Hegmann 559. Heiland 472.
Heine f 272, in Halle 619. Heissenberger f 64. Heller 369. 570. Helms-
dörfer f 372. Henfner f 520. Henkel 111. Henneberger 472. Henriehsen
516. Hentschel f 520. Heppner 168. Herbeck 369. Herbcrger 115. Her-
mann, K. Frdr. , f 116. Herrmannsen 507. Hersche 604. Hesse 111 und
369. Heydemann 369. Heyer f 109. Hinrichsen 516. Hirsch 270. Hift.
torf 619. Höfig in Breslau 168, in Görlitz 419. Hörliag 168. Hoffmann
103. Hofmann in Düsseldorf f 372, in Eger 270, in Leutschau 111, in
München 472. Hofstetter 111. Heil 111. Hoppe 369. Hom in Kiel 222,
in Würiburg f 372. Hornig 369. Hosius 111. Hoyer 109. Hülsmann +
372. Hultsch 407. Huther 109. landa f 472. Jansen 222. Jehrisch 420.
Jessen 222. 505. Ihlefeld 612. Indermauer, v., 270. Ineichen 604. Intle-
kofer 619. Irmisch 616. Jobannides 112. John 369. Jordan 64. Jung
619. JuDgclausen 222. 516. Jurkovic 369. Kamienski 466. Kandernal
112: Kanz 63. Karlinski 168. Kauffmann in Stuttgart f 272 , ▼.K.inKiel
508. Kaufmann 604. Keck 224. Keller 613. Kemenyi f 64. Kessler 472,
in Roszleben 614. Kink 271. Kirchhoff 168. Kisz 112. Kittel 115. Kita
366. Kleinpaul f 116. Klemens 613. Kl^sk 466. Klimpflnger 570. Klö-
den f 168. Kloppe f 606. Klütz 308. Kober 559. Koch 268. Kock420.
Köpke 271. 519. Körner 310. Köstlin f 570. Kollmann 109. Kol8ter515.
Kouingh, de, 115. Kopp 604. Korinek 112. Kosina 271. Kotlinskl 109.
Kowach t 64. Kozenn 112. Kräuter f 620. Kraffert 419. Krause 112.
Krebs 690. Krech 168. Kresz 472. Kretschmar 603. Kriechenbaur 112.
Krob 63. Kroaer 323. Kroschel 369. Kroyer 505. Kühn 6l6. Kühner
461. Küster 562. Küttner 419. Kuhn 168. Kunze 366. Kutsch 619.
liahmeier 619. Lamey 369. Lang 112. Langer 323. Langkavei 369.
La'ngner 519. Langsdorf , v. , 369. Ldnyi f 472. Lappenberg 508. Lan-
kotsky 112. Lanrawsky 466. Lazar 63. Lechner in Bayreuth und Erlan-
gen 112 u. 568, in Passan 369. Legischa 63. Lehmann 168. Lehners 461.
Lepar 271. Leu 604. Ley 565. Leydolt 115. Levn, de, 112. Lexer46e.
Lichtenthaler 64. Lieven, t., f 324. Lindemaun 461. Lindenkohl 379.
Lipinski f 570. Lips 408. Liszncr 112. Löber 112. Lopata 323. Lo-
renz in Grimma 258, in Salzburg 63, in Soest 516. Lorenzen 516. Lo-
senczi 112. Lotz 619. Lowinski 168. Lucht in Altona 222, in Rendsburg
516. Lüdemann 507. Luthardt 271. Lutze 616. Maaszen 112. Magri,
de, t 324. Makar 112. Mancini 519. Manicus 505. 516. Mantels 223.
Marek 570. Mariai 112. Marquardt 420. Märten 109. Martens 370. Ma-
tranga f 116. Matscheg 63. Matiinci 112. Maul 408. Mazzi 271. Me-
chercynski 465. Meckbach 63. Medier 462. Meyer in Halle f 116, in
Tübiugeu 271. Meinardus 402. Meisner 115. Meister 112. Mentovich
11. Meruuowicz 112. Meyer in Göttingen t 272, in Schwerin 109. Mey-
naerts f 324. Mezger 558. Michaelis 168. Michaljevic 112. Michelsea
115. Mickiewicz f 116. Mibic 112. Milberg 272. Mittler 323. Möhring
565. 605. Möller 310. Mosch 309. Mohr 619. Moleschott 112. Momm-
scn, Tycho, 112. Monk f 372. Morawski 619. Mosche f 272. 605. Mo-
vers t 620. Mrniak 519. Müchel 323. Mühlberg 112. Müllenhoff 507.
Müller in Augsburg 558, in Berlin f 620, in Göttingen 271, in Hannover
271. 461. 605, in Lörrach 619, in Stendal 617, in Wiesbaden 600, in Würi-
burg 370, in Zeiz 112. Mussard 223. Muiher 619. Mutz 323. Sadesch-
din t 324. Nager f 324. Nagy 112. Nasse 271. Navrätil 113. Ncto-
Penonalreglster. Q27
litczka 670. N^ide 620. Neumann t 570. Nenner 507. Nickel 519. NI-
colay 308. Niziot 400. Odescalchi f 372. Olczewsld 271. Oskard 405.
Oslermann 870. Otto 010. Otto 108. Ozlberger 323. Fachtier 500. Pahl
115. Paldamus 370. Palmarin 03. Passow in Ratibor 013, in Schulpforta
113. Paul in Glogaa 019, in Neubrandenbnrg 208. Paüly 323. Pausohitz
113. Pazel 323. Peacock 223. Pechanek 370. Peter 370. Peters !a
Dentsch-Crone 108, in Pesth 113. Petersen 503. Pflaum 309. Piadeni 472.
Pi^tkowski 113. Piscalar 500. Pisco f 110. Planck in Kiel 507, in Ulm
519. Planer 113. Platner f 04. Plötz 223. 420. Pöthko 019. Potschke
407. Pöble 108. Polanski 519. Polzin 109. Povelsen 510. Presber f 505.
Prevost t 520. Prigllmber f 371. Prien 223. Pröller 113. Puchelt f 372.
Püllenberg f 372. Puttrieb f 570. Q^uaregua f 520. Raabe 113. Rabe
113. RSnz 309. Raitsch f 110. Ramus f 372. Randi 03. Ratjen 507.
Raumer. G. W. v., f 372. Rebling 371. Reichel 03. Reidemeister 108.
Reiff 04, Reinhard 472. Reinhardt 108. Reizner 324. Reatsch 312. Res-
pet 324. Reuscher 370. Rhode 113. Ribbeck 370. Riccardi 519. Richter
020. Riss 370. Ritschi 371. Rilter f 508. Ritz 020. Rhodeeki 519.
Rolly 004. Römer 370. Roren 108. Rohdewald 312. Rohmert372. Ro-
meis 559. Roszbach 472. Roth 271. Roudolf 113. Ruchinger f 371.
Rudhardt 371. Rackert 407. Rümelin in Stuttgart 271, in Tuttlingen 271.
Runge 420. Rnperti 401. Ryszowski 400. Rytz 300. ISabionet f 570.
Sack 300. Saiamon 370. Salomon f 520. Sand 113. Samecki t 400.
Sartori 005. Sauppe 370. Sawczynski 405. Scarenzio 519. SchäJSer in
Gieszen 115, in Stendal 371. Schafarik 115. Schaub 013. Schaubach
472. Schedl 324. Scheele 113. Scheibe 020. Scheibner 519. Schell in
Marburg 370, in Triest 324. Schellbach 113. Schenk 113. Scherber 008.
Schibier 300. Schier 113. Schildgen 113. Schiller 501. Schilling 02.
Schirmacher 04. Schlegel 04. Schmid 508, in Lucern 005. Schmidt in
Berlin 420, in Heidelberg 113, in Jena 108, in Kaschau 113, in Kempten
113, in Mannheim 371, in Osnabrück 113, in Pressburg 113, in Roszleben
013. Schmitt f 324. Schmittdiel 020. Schneck 013. Schneidawind 370.
Schneider in Breslau f 372, in Krakan 400, in Rastatt 020, in Schweinfurl
208. Schneidewin f 110. Schömann 115. Schön 113. Schönborn 405.
Schönermark 300. Schötensack 371. Schrader370. Schreck 013. Schreyer
113. Schürche05. Schultz in Berlin 420, in Breslau 370. Schulze f 272.
Schumann 503. Schuster 370. Schwab 113. Schwach 370. Schwalbe 000.
Schwartz 324. 37i. Schwartze f 04. Schwarz in Brunn 570 , in Gotha
519. Schwarze 020. Schweins f 520. Schwerd 115. Schwippel 570.
Secchi f 372. Seck 519. Seelig 507. Sengler 371. Sickel 020. Silber
505. Simon in Berlin 370, in Breslau 405. Skorut 405. Slanmig 113.
Smolej 04. Smyth 115. Sobieski 519. Soldan 408. Spangenberg 113.
400. 020. Spann 118. Spannfehlner 370. Speidel 020. Spitaler 04.
Spring 115. Stade in Arnstadt 308, in Salzwedel 114. Stanecki 519.
Stange 271. Staroniewicz 400. Staudenmeier f 272. Stawareki 520. Ste-
blecki 520; Stefifensen 507. Steinhart 000. Steinhoff 403. Steinmeyer
300. Steudener 370. Stichaner, v. f 372. Stobbe 370. Stridde 020.
Stromeyer 507. Struve in Kiel 222, in Pulkowa 115. Strzeleckl 370. Stü-
renburgf372. Stulc 114. Stumpf 020. Suchier 020. Suter 004. Sybel
520. Svoboda 370. Swicszcewski 400. Szczurowski 04. Tafel 115.
Tanner 005. Tauscheck 370. Terdina 04. Tesar 271. Thanner f 372.
Thaulow 507. Theiss 371. Thiele 420. Thierry f 372. Thomczek 114.
Tieftrunk 114. Timmermann 114. Tolle 010. Tollen8t020. Tomaschek
520. Tophofif 370. 502. Trotter 020. Trzakowski 520. Tuschar 1 14. Tyn
114. Tzsohirner 405. IJellner 401. ülmann 271. Urban 114. Vahlen
472. Valjavec 27 J. Vanicek 114. Vechtmann 510. Viditz 570. Vier-
heilig 114. Vierordt 108. VlUerme 272. Vilmar 04. Vörösmarty f 110.
Volbehr 214. Vollbehr 224. 505. Volz f 04. Vukasovic 114. Wacker-
44 ♦♦
028 OrUreglstar
nagelll5. Wagner 406. Wahl f 116. Wahner 420. Walfanr 114^ Wdi
64. Wattenbach 115. Watterich 114, Wawar 562. Weber 271, Web-
renpfennig 371. Webrmaun 371. Weichselmann 114. Wewrätnu 4M.
Weisf in Krakau 466 y in Liegniu 64 , in Nagykoröf 114. Wandler 6i
Wendt 371. Wenkel 616. Wenzel f 272. Wemtcke 620. WeUel ML
Wiegand 462. Wiener in Teschen 324. Wigger 109. WUda fi07. (08.
f 520. Wildermuth 115. Willkomm 64. Willmann 412* WladadiiM
210. Winkler 371, in Dresden f 570, in Lucern 605. Winter f 64, ii
Krakau 466. Witte 271. Wittrock 222. Wöpcke 620. Wolf In Bunbog
550, in Bruchsal 371 , in Wien 115. WolfT 371. Woriitacbek 116. WA-
atemann f 372. Wybiral 271. Zacher 168. ZavadU 472. Zeeh 271.
Zeisz 559. Zentaiezo 114. Zepic 64. Zerrenner f 371. 605. Zescbwil%
V., 271. ZeusE 116. 272. Zielonackl 114. Zinsow 371. Zooludm IK
ZwoUki 109.
IV. Orlsregister.
Aaiau 366. Altena 214. 504. Andam 308. Arnstadt 308. Avga-
bürg 558. Baden 61. 214. Bamberg 550. Bayreuth 309. Bembnrg 810.
Bistritz 517. Bonn 311. Braunschweig 366. Breslau 405. Bmohtal 21(1.
Budibsin 103. 311. CUusthal 312. Detmold 312. DUlingen 600. D^
naueschiugen 560. Dresden 406. Clisenach 3G7. Ellwangen 560. JBrftirt
459. Erlangen 501. Essen 502. Euiin 3G8. Flensburg 506. Fmnkftart
a. M. 368. Freiburg 220. Freising 562. Friedland 222. dleuen 406.
(ilückstadt 505. Greifswald 563. Griechenland 408. Grimma 258. MS.
Güstrow 411. Hadamar 609. Hadersleben 505. Halberstadt 412. Halle
259. Hamburg 506. Hanau 460. Hannover 461. Heidelberg 280. MO.
Herdfeld 402. Hildburghausen 403. Hof 563. Husum 506. Jever 461.
Kiel 222. 464. 500. Königsberg i. Pr. 565. Krakau 465. Krensnaoh 56b.
Kronstadt 517. Ijeipzig 603. Lissa 266. Luzem 603. Lflbecb 2tt.
605. Lüneburg 605. Magdeburg 606. Mainz 62. Mannheim 221. MeiiMn
008. Meldorf 515. Meran 608. Mählhausen 608. Maaaan 600. Nen-
brandenburg 267. Neustrelilz 610. Nordhausen 612. Oetterreleb lOI.
318. 5GG. Oschersleben 466. Ostrowo 109. Plön 224. 515. PreoBMA
157.321. amdlinburg 612. Rastatt 221. Ratibor 613. Rntsebarg 515.
Rendsburg 516. Rostock 224. Roszleben 614. I^chiszborg 518. Schles-
wig 516. Schleusingen 616. Schweinfurt 268. Schwerin 109. SiebenbOfw
gen 517. Sondershausen 616. Stendal 617. Weimar 617. Wernigerode
222. Weilburg 609. Wien 109. Wiesbaden 609. WUtenberg 618.
Kerbst 618.
Wenn der unterzeichnete, nachdem er als Redacteur
und Mitarbeiter diesen Jahrbüchern beinahe ein volles Vier-
teljahrhundert hindurch einen groszen Theil seiner Thätig-
keit zugewandt hat, von der Theilnahme an der Redaction
derselben sich, gegenwärtig zu einer erweiterten amtlichen
Thätigkeit verpflichtet, zurückzieht, so darf er wol auf der
einen Seite annehmen, dasz man ihm das Zeugnis nicht ver-
sagen werde, dasz er lange genug dem äuszeren Dienste
seiner Berufswissenschaft sich gewidmet habe, ihm für die
reiferen Lebensjahre zurückgezogenere Forschungen wol-
woUend vergönnend; anderseits fühlt er sich aber auch,
trotz mancher erfreulichen Anerkennung von vielen Seiten,
zu dem Bekenntnis gedrungen, dasz er, wie er bei der
mühevollen Arbeit sich selbst niemals ganz zur Gnüge gc-
than, so gewis auch viele Anforderungen und Wünsche,
welche andere an ihn zu machen sich für berechtigt hiel-
ten, unerfüllt gelassen habe. Deshalb glaubt er bei dem
Rücktritte von der Theilnahme an der Redaction der Jahr-
bücher nicht blosz seinen Dank gegen alle die, welche ihn
durch freundliche Theilnahme bei seinem Werke unterstützt
haben, aussprechen, sondern auch an die, welchen er nicht
immer zu voller Zufriedenheit hat dienen können , die Bitte
um nachsichtsvolle Beurtheilung und freundliche Entschul-
digung richten zu müssen. Wenn er aber auch von der
Theilnahme an der Redaction der Jahrbücher sich mit Ende
dieses Jahres gänzlich zurückziehen zu sollen geglaubt hat,
so wird er der Zeitschrift, deren Redaction er eben so ge-
lehrten als einsichtsvollen Männern, die ihm seit längerer
Zeit befreundet sind, anvertraut sieht, gewis auch in der
Zukunft nicht allein ein fortgesetztes Wolwollen, bisweilen